{ ſe 0 i ch m sen 2 in —— — — ey EDEN Ss 6, EN . 2 7 e 8 D DA I" 72 + An) Die Ameiſe 1 Schilderung ihrer Lebensweiſe 5 * 1 - - 4 ER 118 * Die Ameiſe Schilderung ihrer Lebensweiſe Von K. Eſcherich Dr. med. et phil. Privatdozent an der Univerſität Straßburg Mit 68 in den Text eingedruckten Abbildungen Braunſchweig Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn 1906 Alle Rechte, namentlich dasjenige der Überſetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Published March 15, 1906. Privilege of Copyright in the United States reserved under the Act approved March 3, 1905 by Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig, Germany. Meiner lieben Frau Emilie geborene Dinnen in dankbarer Verehrung gewidmet. rer k. Mehr denn drei Dezennien find verfloſſen, ſeit A. Forels grund— legendes Werk über die ſchweizeriſchen Ameiſen erſchienen. Seit jener Zeit hat — wohl hauptſächlich angeregt durch eben dieſes Werk — das Intereſſe an dieſen geſelligen Tieren gewaltig zugenommen, und heute darf man wohl ſagen, daß kaum ein anderes Inſekt einer ſolch' allgemeinen und begeiſterten Beliebtheit ſich erfreut als die Ameiſe. Eine ſtattliche Reihe namhafter Biologen der verſchiedenſten Richtung (Zoologen, Phyſiologen, Pſychologen uſw.) arbeiten heute zuſammen, einen Einblick in die intimſten Regungen der Ameiſenſeele zu gewinnen und die Kräfte aufzudecken, durch welche ſo viele Tauſende von Einzel— weſen zu einem geſchloſſenen Verband vereinigt und zu einem harmoni— ſchen Zuſammenarbeiten geführt werden. Von Jahr zu Jahr häufen ſich die literariſchen Erſcheinungen auf dieſem Gebiete, Entdeckung folgt auf Entdeckung, eine intereſſanter und überraſchender als die andere, einerſeits Lücken ausfüllend, andererſeits frühere Anſchauungen umſtoßend oder verbeſſernd. Für den Fernerſtehenden iſt es ganz unmöglich, dieſer Hochflut auch nur einigermaßen zu folgen, und ſo wurde ſchon ſeit längerer Zeit eine dem heutigen Stande unſeres Wiſſens entſprechende Darſtellung des Ameiſenlebens allerſeits als dringendes Bedürfnis empfunden. Der Zweck der vorliegenden Schrift iſt, dieſem Bedürfnis nachzu— kommen. Ich ſuchte ein Lebensbild der Ameiſe zu entwerfen, wie es den modernen Forſchungsergebniſſen gerecht wird, und welches, frei von allem phantaſtiſchen Beiwerk, lediglich auf bewieſenen Tatſachen fußt. Man erwarte alſo keinen Ameiſenroman mit den grotesken Phantaſien eines Büchner, mit ſentimentalen Rührſzenen und menſchengleichen Heldengeſtalten, ſondern lediglich eine einfache kritiſch-referierende Darſtellung des wirklich Beobachteten. Wie der Titel ſagt, handelt das Buch ausſchließlich von der Lebensweiſe der Ameiſe; ich habe VIII Vorwort. daher Morphologie, Anatomie und Syſtematik nur kurz und fragmen— tariſch berührt, d. h. nur inſoweit, als es für das Verſtändnis der Biologie erforderlich iſt. Was die Behandlung des Stoffes betrifft, ſo lag mein Beſtreben nicht etwa darin, alles, was je über Ameiſen mitgeteilt wurde, im einzelnen aufzuzählen, ſondern ich trachtete vielmehr danach, durch kritiſche Ausleſe und Vermeidung von unnötigen Wiederholungen zu einer möglichſt kurzen) und prägnanten Darſtellung zu gelangen. Denn dadurch kann die Überſichtlichkeit des Bildes nur gewinnen. Für die⸗ jenigen, welche tiefer in einzelne Gebiete eindringen wollen, iſt jedem. Kapitel ein ziemlich ausführliches Literaturverzeichnis beigegeben, in welchem die wichtigſte einſchlägige Literatur zu finden iſt. In dieſer Form — ſo wage ich zu hoffen — dürfte mein Buch ſowohl Naturfreunden, welche auf ihren Spaziergängen gelegentlich Ameiſenbeobachtungen machen, als auch ſolchen, die ſich ſelbſt forſchend betätigen wollen, in gleicher Weiſe nützlich ſein. Sollten, angeregt durch dieſe Schrift, der Ameiſenkunde neue Freunde zugeführt werden, ſo würde ich dies mit größter Freude begrüßen. Denn unendlich viel gibt's noch zu tun, überall ſtehen noch große Fragezeichen und harren noch wichtige Probleme der Löſung. Schließlich ſei es mir geſtattet, allen Freunden, die mir bei der Bearbeitung dieſes Buches behülflich waren, ſei es durch Ratſchläge oder durch Überlaſſung von Material oder Literatur, herzlichſt zu danken. Den größten Dank ſchulde ich Herrn Dr. A. Ludwig, der mir ſeine Beihilfe beim Leſen der Korrekturbogen in reichſtem Maße ſchenkte und der ſich auch der großen Mühe unterzog, das Regiſter zu verfaſſen. Endlich fühle ich mich auch den Herren Verlegern für ihr liebens— würdiges Entgegenkommen und die große Sorgfalt, die ſie auf die Ausſtattung des Buches verwandten, beſonders verbunden. ) Da vorliegende Schrift urſprünglich für die im gleichen Verlage erſcheinende Sammlung naturwiſſenſchaftlicher Monographien „Die Wiſſenſchaft“, für deren Bände ein begrenzter Raum vorgeſchrieben iſt, beſtimmt war, ſo ſind vielleicht manche Kapitel kürzer ausgefallen als erwünſcht. Straßburg i. Elſ., im Februar 1906. K. Eſcherich. Inhaltsverzeichnis. Seite / ˙ XA. . eh 1 %%% ĩ V ⁰ͤ —½ß̃ . 1 Ü w- .. 1 Zahl der Arten, Gattungen und Unterfamilien. Variabilität. Über⸗ ſicht über die Unterfamilien. ie eitunn ggg an er 8 eie nss VVV 3 Ameiſenſtaat organiſch gegliedert. Ahnlichkeit zwiſchen Menſchen— und Ameiſenſtaat nur äußerlich, auf Konvergenz beruhend. er 260 a erde 4 Beobachtung im Freien. Künſtliche Neſter: Lubbock-, Wasmann-, Fielde- und Janet-Neſt. Anwendung der verſchiedenen Neſtformen. Beſetzung der Neſter. Experimentelle Unterſuchungsmethoden. %%% ↄ ̃ò . . ¾ ¼ . ͤ NE 10 Die wichtigſten Förderer der Ameiſenkunde. Die beſonderen Ver— dienſte Auguſt Forels. ae VVV 11 S Erſtes Kapitel. Morphologie und Anatomie. / HN ͤ (K 13 cc / // 13 a) Oberkiefer (Mandibeln). b) Unterkiefer (Maxillen). e) Unter- lippe (Labium). d) Hypopharynx. e) Infrabuccaltaſche. k) Oberlippe (Labrum). g) Die Fühler (Antennen). h) Die Seitenaugen. i) Die Stirnaugen. J TT ᷣ ͤ TEN ß a 18 Zuſammenſetzung der Bruſt aus Pro-, Meſo-, Metathorax und Epi⸗ notum. Verſchmelzungen der Teilſtücke. Anhänge des Thorax. Ti— biotarſaler Putzapparat. nes ꝶq 5ꝶd! x 20 Das Stielchen (Petiolus). Der eigentliche Hinterleib (Gaſter). // ᷣ PT EOS ˙ꝗ—¹— m /ũẽ7Ü˙ 7˙—·˙ ß 21 r,, ̃ ˙—H ⅛ l.. ͤ UK. ne 21 Die Abſchnitte desſelben. Der Pumpmagen. Ausbrechen der W C a A EB ee 23 a) Die Drüſen der Mund- und Pharyngealregion: Mandibularz, Maxillar- und Labialdrüſen. b) Thorakale Drüſen. e) Abdominale Drüſen: Giftdrüſen und Analdrüſen. X Inhaltsverzeichnis. Seite 3. Das Nervenſyſteee nn ER 28 Bau des Gehirns. Die „pilzhutförmigen Körper“. 4. Die Gich lech nergae nnn EN Be EEE 30 Die weiblichen Organe. Die Geſchlechtsorgane der Arbeiterinnen. Litergn ü!!! ee ee ee ES ee 31 Zweites Kapitel. Volymorphismus. Definition von Polymorphismus 33 .Die drei typiſcheh dee :=. ER 34 a) Männchen () und Weibchen (g). b) Weibchen (?) und Arbeiter (8). 2. Atypiſche Formen und weitere Formſpaltun gen 35 Die verſchiedenen männlichen Formen ee 35 a) Degenerierte, b) ergatomorphe Männchen. Die verſchiedenen weiblichen Formenènnndn˖ss 36 1. Mikrogynen, 2. 6-Weibchen, 3. makronote brachyptere, 4. dichtha⸗ doide, 5. ergatoide Weibchen, 6. Pſeudogynen. Die perſchiedenen Arbenter formen EEE 39 1. Inkompletter Polymorphismus. 2. Kompletter Dimorphismus, Soldat. 3. Makroergaten. 4. Gynäkoide Arbeiter. 5. Honigträger. 6. Paraſitärer Dimorphismus, mermitophore Arbeiter. Ergätogyne Zibiſchenſtuſen Eee 43 Hermaßhrod ien 8 44 3. Funktionen der verſchiedenen Formen; Arbeitsteilung . 45 Funktionen der Geſchlechtstiere, der Arbeiter und der Soldaten. Unabhängig vom Polymorphismus beſtehende Arbeitsteilung. 1 Entſtehung des Polymorphim ass 8 48 a) Phylbgennee 8 48 Geflügeltſein der primäre Zuſtand. Differenzierung kann nur all- mählich, nicht ſprungweiſe geſchehen ſein. h) Dutog enn: BEE SEE DD SEE 49 Geſchlechtsbeſtimmung. Differenzierung in Weibchen und Arbeiter. Theorie des blaſtogenen und trophogenen Polymorphismus. Was⸗ manns „paraſitiſche Pſeudogynen-Lomechusa- Theorie“. Emerys Wachstumsgeſetze. Viterdtuiui!n!r;!nrrnßrnr Wi Re RER ARE 54 Drittes Kapitel. Fortpflanzung. 1. Befruchtunn gs 8 56 Hochzeitsflug. Schwarmbildung. Verlaſſen ſämtliche jungen Ge— ſchlechtstiere das heimatliche Neſt? Das Schickſal der ausgeflogenen Geſchlechtstiere. 2 Gründung neuer Kolonien 8 62 Die verſchiedenen früheren Anſchauungen darüber. a) Koloniegründung durch ein oder mehrere Weibchen derſelben Art .. 63 Abwerfen der Flügel. Herſtellung des Brutraumes („Keſſel“). Brut⸗ pflege. Inſtinktsänderungen nach dem Erſcheinen dererſten Arbeiterinnen. p) Koloniegründung mit Hilfe von Allianzgzeeen‚nss 68 Allianz- und Adoptionskolonien. e) Koloniegründung durch Spaltung ee 68 Allmähliche und ſpontane Spaltung. Inhaltsverzeichnis. PMeiterentwickelung und Verfall der Kolonien J ᷣ ᷣᷣᷣ P ³ ccc. Tempo und Grenzen des Wachstums abhängig von der ſpezifiſchen Fruchtbarkeit, der Zahl und der Lebensdauer der Weibchen. Volks— reichtum der Staaten. Millionenſtaaten. P , , RR und Brutpflege „„ y , de ie Vorgang der Eiablage. Wachstum der Eier. Dauer des Eiſtadiums. Viele Eier werden aufgefreſſen. e eee Non DEE GE SE SAGREIEOT So KERNEL EC Ua ORTE Form der Larven. Mundteile. Hautanhänge. Verſchiedene Formen der Haare. Schutz- und Hafthaare. Ernährung der Larven mit flüſ— ſiger und feſter Nahrung. Dauer des Larvenſtadiums. VVCJVVVC%%%%%%V%%%%0%V/%%/ ĩ ²˙ ˙ UVV ieen tn Mae ee Nackte Puppen und Kokonpuppen. Kokonſpinnen. Mithilfe der Arbeiter beim Ausſchlüpfen. Dauer des Puppenſtadiums. , . RE Ele oe Viertes Kapitel. Neſtbau. eien der Neſ te Anpaſſungsfähigkeit der Ameiſen. Zweigniederlaſſungen. Zu— ſammengeſetzte Neſter. Neſtwechſel. Anpaſſung der Neſter an den Temperaturwechſel. Einteilung der Neſter. c ST Br RE ARE RE re pe CCTV an RE Ba ns Bau der Erdneſter. Bedeutung der Kammern. ee I ee ER en en ee , RENEEN, e a a A ER RR En 5 BEREITET e e 5 Die Art des Bauens. Bedeutung der Kuppeln als Wärmefänger. bende Nester Anteiſen gärten N en a Te a ee Er A ff . ß een ĩ⁊ ß /// „„ Ameiſenhaufen. Konſtruktion und Bedeutung derſelben. Forels „Théorie des dömes“. Verſchiedenheit der Form und des Materials. ei Top vorhandenen döoh lungen ee , 7. onen Bench Verſchiedenheit des Kartons, der Form und Größe der Neſter. Geſponnene Neſter. Der Geſpinſtfaden ſtammt von den Larven, welche die Arbeiter als Spinnrocken benutzen. mengeſ eee te: ee al der gemiſ chen elos tes JJJJJV%J%%%%½VöbC0 ö ðß? N EL Nan Kk ZV ST BER EEE. ale wi, A Eee ˙Ñ˙Üie “, Offene und überwölbte Straßen. Blattlaus-Pavillon. Futterhäuſer. ee, r d 79 81 XII Inhaltsverzeichnis. Fünftes Kapitel. Ernährung. 1. Allgemeines über die Aufnahme, Verteilung und Beſchaffung dar r 8 2. Besonderheiten der Exnährungsweſ e ee Inſtinktives Rechnen mit der Zukunft. a) Tieriſche Exkremente und Exkrete als Nahrunnn g Vorliebe der Ameiſen für Blattläuſe. Pflege und Schutz der Blatt- läuſe durch die Ameiſen. Schildläuſe. Lycaeniden (Schmetterlings)⸗ Raupen. Exſudate der „echten Ameiſengäſte“ lediglich Luxus. de Hoönianeſe nn EUR ae FEN nee De Das Holen des Honigs. Das Aufſpeichern desſelben in den leben- den „Honigtöpfen“. Die renale ee ra ee Pa Eintragen der Körner. Aufſtapeln derſelben in den Kornkammern. Behandlung der Körner und Verhinderung der Keimung. Malz⸗ fabrikation. Arbeitsteilung. Die nordamerikaniſchen Körnerſammler. Die „ackerbautreibende Ameiſe“ Lincecums. A Die Pilzz uche!!! LET TA RT Eee Schneiden der Blätter und Verarbeitung derſelben zu Blattmus. Der Pilz Rozites gongylophora. „Kohlrabi“. Stellung des Pilzes im Syſtem. Verbreitung des Pilzes durch die ausfliegenden Weib— chen. Erſte Düngung des Pilzes mit den Exkrementen des Weibchens. Phylogenie der Pilzzucht. lr NEN One Eee PESSLN REEL RA Sechſtes Kapitel. Verſchiedene Tebensgewohnheiten. nigungſ¹d‚n. en A a Eee herſönliche Reinigung Wh Se Reinlichkeit Bedingung des Geſellſchaftslebens. Reinigungsapparat. Gegenſeitige Reinigung. iigung der Benn A Ay enden HER ER Me ligung des Neſſe s e e Auf dem Reinlichkeitsſinn beruhen die „Begräbniſſe“ und die „Brückenbauten“. Saß und Verteidigungsmaßregeallll!! ah a) Soziale Verteidigung und ſozialer Schutt Bewachung des Neſtes. Sicherung der Brut. Schutzmaßregeln der Wanderameiſen. Verhalten der Ameiſen gegen Überſchwemmun— gen. Alarmſignale. D) Pere enn gngngng, REBEL SE Zr nee Verſchiedenes Benehmen der einzelnen Individuen bei Angriffen. Sich⸗tot⸗ſtellen. Springende Ameiſen. b 3. Kämpfe Veranlaſſung der Kämpfe. Verſchiedenheit der Kampfesweiſe. Abhängigkeit der Heftigkeit von der Temperatur und des Mutes von der Individuenzahl. Ende der Kämpfe. Friedensſchlüſſe. 4. Wandeftungengndd N a) Gelegentliche Wanderungen (Unzugegd er Urſache derſelben. Gegenſeitiger Transport. * Seite 113 115 118 124 124 125 125 127 127 129 131 Inhaltsverzeichnis. XIII Seite %% mm ů -PPwWwwmmmSmWmr: . 3 134 Winter- und Sommerneſt. /// ˙mmQàͥ—̃ 134 — e,, ea. 135 a s nee ne ne 135 , IL ER N es 136 /, ͤ EN ĩði ET 137 O»»»· e ⅛ pl . . ran), 137 Siebentes Kapitel. Beziehungen der Ameiſengeſellſchaften zueinander und zu anderen ſozialen Inſekten (Termiten). (Soziale Symbioſe). A. Die zuſammengeſetzten Neſter und gemiſchten Kolonien der Ameiſen ... 139 Definition. Nee 140 JJV / uc 140 „Rein zufällige“ und „minder zufällige Formen“. Forels Parabioſe. %%% ²˙¹AAAAA . ĩ ˙ Q——I—U—U—ꝛhpsx 141 eee S Uster tan een la sone 141 Solenopsis fugax Ltr. EEE IT ER nt 3, TE NE EN N RN, N ER. 143 Formicoxenus nitidulus Nyl. Leptothorax emersoni Wheel. eee, d 145 Definition. Die gleichen Geſetze für „Herren“ und „Sklaven“. Ver⸗ ſchiedenheit der gemiſchten Kolonien. Veranlaſſung zur Bildung ſolcher. Phylogenetiſche Stufen. Erſte Stufe (Formica consocians und trunci cola 146 ee, al. 146 CCC ⁰ ee 146 c ne 146 uf (Polvereus, die Awazone ))) 148 Höchſte Entwickelung des Sklavereiinſtinktes und der Kriegstaktik. Sechſte Stufe (Strongylognathus eristophi und huberi :: 151 Siebente Stufe (Strongylognathus testaceus) )) 152 e 153 e e e a 2 a EFN 155 lich gemischte Bolonten. N. 156 / ⁊ Bea EEE? 157 Diebsameiſen. Parabioſe. Phylakobioſe. , . NERETER 158 Achtes Kapitel. Die Beziehungen der Ameiſen zu nichtſozialen Tieren. (Individuelle Symbioſe, Myrmekophilie). Verdienſte Wasmanns um die Myrmekophilenkunde. Definition des Begriffs „myrmekophil“. ieee Faß 161 B. Paſſive Beziehungen (Myrmekophilie im engeren Sinne)) 162 Weſen der Myrmekophilie. Einteilung der Myrmekophilen in vier Kategorien. XIV Inhaltsverzeichnis. Seite 1. Synechhreese‚ . ER 163 2 / ð K ᷣ ⁵⁵—Pͤf e Er 164 Verſchiedene Gründe der indifferenten Duldung. Poſitive und negative Duldung. Das Treiben der Synoeken. Der den Ameiſen erwachſende Schaden. Zahl der Synoeken. phfl ie. ER 2 Re 166 Verſchiedene Grade der Symphilie. Grundlage der Symphilie. Trichome und andere ſymphile Anpaſſungscharaktere. Das Treiben der Symphilen. Symphilie eine ſoziale Krankheit. Zahl der Symphilen. . Ekto⸗ und Entopernglee nd 172 Entoparaſiten. Verbindung von Entoparaſitismus mit Symphilie. Ektoparaſiten. Syntrophie. Verbindung von Ektoparaſitismus mit Symphilie. Literaturrtrtktk N ee eier 175 Neuntes Kapitel. Beziehungen der Ameiſen zu den Pflanzen. 1. Die Ameiſen als Pflanzenſchädlin nes 177 In den temperierten Zonen. In den Tropen. 2. Die Ameiſen als Verteidiger der Pflanzenwelt 178 Ausgiebige Vertilgung von Pflanzenſchädlingen durch Ameiſen. Ver- wendung der Ameiſen als Pflanzenſchutz bei den Chineſen und Ja— vanern. Myrmekophile Pflanzen. 3. Die Ameiſen als Züchter und Verbreiter der Pflanzen. .. 186 4. Die Pflanzen als Feinde der Ameiſen. — Die Ameiſen als Hügelbilongn er œ . RE 187 Literatuurrüüurr REIFE Nr EHER SR 189 Zehntes Kapitel. Bſychologie. Die verſchiedenen Anſchauungen über die geiſtigen Fähigkeiten der Ameiſen . 190 Die Sinne der MET 8 191 Geruchsſinn qualitativ verſchieden von dem menſchlichen („topo= chemiſcher Geruchsſinn“). Geſichtsſinn. Geſchmacksſinn. Taſtſinn. Gehörſinn. Das Ge irn der Ame ff 193 Das Großhirn als Aſſoziationszentrum. Folgen von Verletzungen des Großhirns. Wie erkenn i die Ameiſen ndnd 194 Hauptſächlich mit Hilfe des topochemiſchen Geruchsſinns. Beruht das Erkennen auf einem Chemoreflex oder auf wirklichen Geruchs- wahrnehmungen? Bethes Badeexperimente. Wasmanns Kontroll- experimente. Wie finden die Mhreiſen ihreen Wess RE 197 Der topochemiſche Geruchsſinn ſpielt dabei die Hauptrolle. Der Geſichtsſinn iſt in verſchiedenem Maße beteiligt. Bethes Polari— ſationstheorie. Wasmanns Einwände. Bethes Reflextheorie iſt unzureichend. Inhaltsverzeichnis. XV Seite Beſitzen die Ameiſen Mitteilungsvermöge enn 202 Fühlerſprache. Wörterbuch der Fühlerſprache. Lubbocks und Wasmanns Beweiſe für das Vorhandenſein eines Mitteilungs— vermögens. Mitteilung durch Schlagen mit dem Kopf und den 1 Beinen. Lautſprache (Alarmſignale). Beſitzen die Ameiſen ein formelles Schlußvermögen? ...... 205 Viele Tatſachen ſcheinen dafür zu ſprechen. Die Experimente Lubbocks, Wasmanns, Bethes uſw. beweiſen das Gegenteil. Marſhalls Anthropomorphismus. , ̃ ˙TI2—ꝙxꝙ—G y / ⁵ĩ⅛ p KKK 'ꝛů ' ꝛ¶⸗o˙;ßʃi 209 Anhang. Aberſicht über die in Deutſchland einheimiſchen Ameiſen. ierfa mien 7% 212 “ c 213 /// / nase 214 % % »—U—U—] ..̃ũͤ²bʃ̃ , , . ĩͤ . ĩͤ ee 224 %% ͤ ͤ ᷣ VVV 227 EBENE Seite 17, Zeile 16 und 21 von oben lies: Labrum jtatt Labium. Seite 17, Zeile 19 von oben lies: Stellung jtatt Stelle. Seite 25, Zeile 22 von unten lies: interſegmentalen ſtatt intraſegmentalen. Seite 32, Zeile 5 von unten und Seite 57, Zeile 2 der Anmerkung lies: Mayr ſtatt Mayer. Seite 36, Zeile 3 von oben lies: Fig. 50 ſtatt Fig. 49. Seite 93, Zeile 16 von unten lies: Fig. 66 ſtatt Fig. 59. Seite 119, Figurenerklärung und Seite 120, Zeile 1 von oben lies: Rozites ſtatt Rhozites. Derzeichnis der Abbildungen. Seite eee un Suerfnntit: . 2. 2 SE ET ER: 5 NEE LE SE TE TER 6 / FEIRT TEN AR 6 iet⸗Neſt in Viehmeyer ſcher Montieunnègggas¶gg 7 5. Längsſchnitt durch eine Ameiſe (Myrmica rubra L.), ſchematiſiert . .. 14 6. Kopf von Camponotus ligniperdus Ltr. 8, Vorderſeitttte . 13 7. A Mandibel mit Kaurand (von Formica sanguinea Ltr. 15 B Mandibel ohne Kaurand (von Polyergus rufescens Ltr.)))) 15 8. Maxille von Formica pratensis de Geern ggg 2 16 9. Unterlippe (Labium) und Hypopharynx von Formica spee. 16 die ner Amelie enn ee 19 A von Streblognathus aethiopieus F. Sm. & (Ponerine), B von Platythyrea conradti Em. & (Ponerine), C von Camponotus fulvipilosus F. , D von Paraponera clavata Oliv. G'. 11. Tibiotarſaler Putzapparat von Myrmica rubra III).. 20 // y ee lg 22 A von Camponotus spec., h B von Plagiolepis spee. 13. Frontalſchnitt durch den Kopf von Myrmica rubra .. 24 iI LL ß Er 26 A von Formica rufibarbis 8, B von Myrmica laevinodis F. 15. A Analdrüſe von Bothriomyrmex meridionalis 8 dd 27 B Topographie der Kloakengegend derſelben Ameifenatt . . ....... 27 16. Schematiſcher Durchſchnitt durch das Gehirn (Oberſchlundganglion) von in Falıyinosus e , 29 17. A Ovarium von Leptothorax emersoni Wheel D 30 B Schematiſcher Längsſchnitt durch den weiblichen Ausführmeg . .... 30 18. Die drei typiſchen Formen: Männchen, Weibchen und Arbeiter von Campo— f % ER EEE 33 %%% / ee nn 37 A dichthadoides Weibchen, B größter Arbeiter, ( kleinſter Arbeiter. Eſcherich, Die Ameije. II XVIII Verzeichnis der Abbildungen. Seite 20. Leptogenys’elonpata el.... ee RR 37 A ergatoides Weibchen, B normaler Arbeiter. 21. Fornnien nisses ee 38 A Pſeudogyne, B normaler Arbeiter, C befruchtetes Weibchen. 22. Inkompletter Arbeiterpolymorphismus von Pheidologeton diversus.. . . . 39 A großer Arbeiter, B mittlerer Arbeiter, C kleiner Arbeiter. 23. Kopfformen verſchieden großer Arbeiter von Anomma wilwerti 40 24, Werſchieden: Sodstenn˖nnd‚. Se Ce 41 A Pheidole pallidula Nyl., links 8, rechts A, B Kopf des Soldaten von Myrmecocytus bombyeinus, C Colobopsis abditus Forel. 25. Honigträger von Myrmecocystus melliger var. hortus deorum Me, Cook . 42 26. A Mermitophorer Arbeiter von Pheidole commutata Mayr... ..... 42 B Kopfform eines mermishaltigen (links) und eines normalen (rechts) Arbeiters von Odontomachus haemato dees 42 27. Allmählicher Übergang vom Weibchen zum kleinſten Arbeiter bei Lepto- ort emersoni Wels 8 43 28. Kopf eines Hermaphroditen von Azteca instabilis mm.. 44 29. Hermaphroditiſche Geſchlechtsorgane von Polyergus rufescens 45 Verſchiedene Ameiſenar een 74 A Stigmatomma pallidipes Rog., B Odontomachus haematodes L., C Ponera coarctata Ltr., D Solenopsis geminata Fb., E Sima natalensis. 31. Kopf- und Mundteile von Ameiſenlarven (links Anſicht von vorn, rechts 3 feitriche Anſich !!!!! 88 75 A Diacamma geometricum, B Camponotus vitreus. 32. Verſchiedeite Formen von Jafthaa renn 75 33. A Bruchſtück der Kuppel eines Erdneſtes von Lasius niger 88 B ſenkrechter Durchſchnitt eines Neſtes von Tapinoma erratium . . 88 34. 1. Kugelförmiger Ameiſengarten mit vielen Keim pflanzen 89 2. Kleiner Ameiſengarten in der Zweiggabel einer Cordiann . 89 35. A Durchſchnitt eines in einem Birnbaumaſt eingemeißelten Neſtes von Colo- bopsie run .. een re ee 90 B Offnung des Neſtes mit dem als Tür funktionierenden Soldaten. . .. 90 36. A Kartonneſt von Azteca trigona subsp. mathildae Forel........ 9⁵ B Bartartig herabhängende Kartonſtalaktiten von Azteca barbifex Forel . 96 37. Kartonneſt von aße e- ss... 97 38. A Blattneſt von Ogcophylia smarag dining 8 98 B Reparatur eines Spaltes im Neſt von Oecophylla smaragdina . . . 99 C Oeeophyllasg, eine Larve als Spinnrocken benutzerrrn nnd 100 39. Hinterleib eines Honigträgers von Myrmecoeystus melli ger 113 40. & In der Gefangenſchaft innerhalb dreier Tage auf einem Teller erbauter Pilzgarten der Schleppenmeiſ sed ee 119 41. 43. 44. 45. 46. 47. Qu oT Qu 1 0 a 60. =” Verzeichnis der Abbildungen. B Kohlrabi von Rozites gongylophora Ml 2 2 2 2 nn nen Kohlrabi des Pilzes von Cyphomyrmex strigatus. . . 2 2 2 220... Halbſchematiſcher Sagittaldurchſchnitt durch den Kopf eines Atta-Weibchens kurz nach dem Verlaſſen des elterlichen Neſtvtt ede A Eier und Pilz 2 24 Stunden nach dem Hochzeitsflun- Es . F 7 1 „ 0 Pa 7 2 4 „ fee. ee . ZZ ³GêOhGê⏑ñmmE 7] ! .d, ee ee A die Mutterameiſe führt den Pilzflocken zum Aſter, B die Mutterameiſe fügt den gedüngten Pilzflocken dem Pilzgarten wieder ein. Berihieoene Stellungen bei der „Toilette te Odontomachus haematodes L. mit geöffneten Mandibeln . . ... Transport von Neſtgenoſſen bei Umzügen uſw.; zwei verſchiedene Haltungen , , Te Rar et A Männchen, B Weibchen, Arbeiter, D Neſt mit den „Diebspfaden“ (ſchmalen Gängen), welche mit den breiten Gängen der Wirtsameiſe kommunizieren. Neſt von Leptothorax emersoni in dem Neſt von Myrmica brevinodis .. Kopf von Strongylognathus testaceus Schenk. nn J ͤ /// ĩ ³ ⁰AAAc cc ĩ² L ˙ ˙ᷣòcꝶà̃ a im A die beiden Geſchlechtstiere (links c“, rechts trächtiges g), B Mundteile. . Trilobitideus spec. (Käfer, Staphyline) als Beiſpiel des „Trutztypus“ . Atelura formicaria Heyd. (Lepismatide) bei zwei ſich fütternden Ameijen . Z , , . en Er 4. Transport eines Paussus durch eine Pheidole ggg 55. Zungenbildung verſchiedener myrmekophiler Staphylinen .... ... A von Dinarda hagensi Wasm., B von Myrmedonia funesta Grv., C von Atemeles paradoxus (Grv., D von Xenodusa cava Lee., E von Lomechusa strumosa L. . Mimeeiton pulex Wasm. (Käfer), Beiſpiel einer hochgradigen Mimikry .. . Fütterung eines Atemeles durch feine Wirtsameiſe (Myrmiea) . .. Oxysoma oberthüri an ſeinem Wirt (Myrmecbeystus viaticus) leckend een / nn 8 A Antennophorus an der Unterſeite des Kopfes eines Lasius=$ ſitzend, B Thorietus foreli an dem Fühlerſchaft eines Myrmecoeystuss$, C Phoriden-Larve am Halſe einer Pachycondyla-Larve ſitzend. A Schnitte aus Cuphea-Blättern, in 4 bis 5 Minuten von Atta diseigera , . B Atta diseigera, an einer geplünderten Pflanze mit Schnittſtücken herab— e , . Se rag 1. Längsgeſpaltenes Stück eines jungen Ceeropia-Stammes. Zentrale Höhlung mit von den Ameiſen durchbohrten Querfächeoeoeer n Gipfel eines jungen Ceeropia⸗ Stammes. Müller ſche Körperchen in verſchiedenen Entwickelungsſtadien . ... 164 165 167 168 168 XX 64. 65. Verzeichnis der Abbildungen. Seite Acaeia Sphaeroeesp hal. ee ae Ne TOR 183 I. Stammſtück mit den hohlen von Ameiſen bewohnten Dornen und einem Blatt, II. Einzelnes Blattfiederchen. Verſchiedene myrmelophile Pflanzen 8 * 1. Ficus inaequalis, 2. Triplaris americana, links jung, rechts alt, 3. Humboldtia laurifolia. . Myrmecodia echinata. Knollen der Länge nach durchſchnitten. . .. 184 Tococa laneifolia. Blatftbaſis mit Schläu chens 185 Schematiſche Darſtellung der Polytrichum- und Sphagnum-Invaſion in einen Aigelſehanf nn 8 E 188 Einleitung. 1. Syſtematiſches. Die Ameiſen gehören zu der Inſektenordnung der Hymenopteren (Haut— flügler). Sie bilden eine ſehr große Familie (Formieidae) und zählen nicht weniger als etwa 5000 beſchriebene Arten (Spezies), Unterarten (Subſpezies) und Varietäten. Dieſelben verteilen ſich auf etwa 170 Gattungen, und dieſe wieder auf fünf Unterfamilien: die Ponerinen, Dorylinen, Dolichoderinen, Myrmicinen und Camponotinen. Die Unterſchiede, welche dieſe Subfamilien trennen, betreffen nicht nur das äußere Chitinſkelett, ſondern auch die innere Organiſation (Bau des Giftapparates, des Pumpmagens uſw.), wie aus der umſtehenden Überſichtstabelle zu erſehen iſt. Die meiſten Ameiſenarten zeichnen ſich durch eine ungeheure Varia— bilität aus. „Die Zahl der Varietäten und der geographiſchen Raſſen oder Subſpezies iſt bei den Ameiſen Legion. Feinſte Nuancierungen verbinden größere Formengruppen in einer Weiſe, die den Syſtematiker faſt in die gleiche Ver— zweiflung bringt, wie die Gattung Hieracium den Botaniker. So z. B. kann man in der mächtigen, in der ganzen Welt verbreiteten Formengruppe, die unter dem Artnamen Camponotus maculatus Fb. vereinigt iſt, und welche ungeheuer extreme, voneinander enorm abweichende Formen enthält, nirgends eine ſcharfe Grenze zwiſchen den einzelnen Formen finden. Sobald man aus einem Lande eine neue Raſſe der C. maculatus erhält, ſo iſt man ſicher, daß weitere Forſchungen allmähliche Übergänge zu anderen Raſſen und Varietäten bald zutage fördern. Deshalb mußte man darauf verzichten, innerhalb dieſes Formenkreiſes Arten zu gründen. Eine ungeheure Zahl Raſſen werden hier durch eine noch größere Anzahl fein nuancierter Varietäten in Form, Größe, Farbe, Behaarung, Skulptur uſw. miteinander verbunden. Man war da— durch gezwungen, zum Quadrinominalſyſtem zu greifen und z. B. folgende Namen zu geben: Camponotus maculatus F. r. oertzeni For. var. escherichi Em. Angenehm iſt das nicht, aber dieſe Schwerfälligkeit iſt beſſer als eine ſchein— bare Vereinfachung, die den Tatſachen Gewalt antut“ (Forel 1904). Aber trotz dieſer rieſigen Variabilität beſitzen die einzelnen Raſſen und Varietäten dennoch eine Konſtanz, wie ſie ſonſt kaum zu finden iſt. Denn in den weitaus meiſten Fällen zeigen die Mitglieder der gleichen Kolonien auch die gleichen Merkmale, ſo daß alſo die eigentlichen zoologiſchen Varietäten nicht rein individuell ſind, ſondern jedesmal ganze Kolonien umfaſſen. Eſcherich, Die Ameiſe. 1 1 Einleitung. Überficht über die Hauptcharaktere der fünf Unterfamilien. (Nach Emery.) I. Kloakenöffnung ſpaltförmig; Stachel ſtets ausgebildet, wenn auch mehr oder weniger rudimentär; Giftblaſe mit Knopf. A. Stachel ſtets vollkommen entwickelt und funktionsfähig. Stielchen entweder ein- oder zweigliederig; im erſteren Falle das erſte eigentliche Abdominal— ſegment an ſeinem Hinterrand gewöhnlich eee Pumpmagen ſehr einfach (ohne Kelch, Klappen, Kugel uſw.). a) Puppen mit Kokon; Stielchen meiſtens eingliederig, ſelten zweigliederig; im letzteren Falle die Stirnleiſten einander ſehr genähert, die Inſer— tion der Fühler nicht bedeckend (Dorylini). «) Stirnleiſten einander ſtark genähert, meiſtens vertikal, die Inſertion der Fühler nicht bedeckend; Stielchen ein- oder zweigliederig; männliche Genitalanhänge völlig rückziehbar, Subgenitalplatte ge= ſpalten; Cerci fehlen. Subfamilie Dorylini. 8) Stirnleiſten getrennt oder genähert, im letzteren Falle vorne platten= förmig erweitert und die Inſertion der Fühler bedeckend; Stielchen ſtets eingliederig; männliche Genitalanhänge nur unvollſtändig rückziehbar; Subgenitalplatte nicht geſpalten; Cerci vorhanden. Subfamilie Ponerini. p) Puppen nackt; Stielchen ſtets zweigliederig; Stirnleiſten mehr oder weniger weit voneinander getrennt. Subfamilie Myrmieini. B. Stachel rudimentär (ausgenommen Aneuretus Em.); Stielchen eingliederig; eigentliches Abdomen ohne Einſchnürung zwiſchen erſtem und zweitem Segment; Giftdrüſe manchmal rudimentär, dafür aber ſtets kräftige Analdrüſen ausgebildet; Pumpmagen kompliziert (mit Kelchglocke, Kugel uſw.). Subfamilie Dolichoderini. II. Kloakenöffnung rund mit einem Haarkranz umgeben; Stachel fehlend bzw. um— gebildet zu einem Stützapparat für die Wände der Giftdrüſe; letztere eine Giftblaſe „mit Polſter“ beſitzend; Stielchen ſtets eingliederig; eigentliches Abdomen ohne Einſchnürung zwiſchen erſtem und zweitem Segment. Subfamilie Camponotini. Eine Überſicht über die in Deutſchland vorkommenden Ameiſen folgt unten im Anhang. Der Ameiſenurform am nächſten ſtehend ſind entſchieden die Ponerinen; von dieſen nahmen die übrigen vier ihren Urſprung, und wahrſcheinlich ganz unab— hängig voneinander. Die Dolichoderinen entſtanden von den Ponerinen durch all— mähliche Ausbildung des Pumpmagens und Rudimentärwerden des Giftapparates, der beinahe gänzlich durch die Analdrüſen erſetzt wird (vgl. Kap. J). Eine jehr ſchöne Zwiſchenform zwiſchen Dolichoderinen und Ponerinen bildet die Gattung Aneuretus Em., welche einerſeits typiſche Dolichoderinencharaktere beſitzt, andererſeits aber einen deutlichen Stachel. Die Dorylinen laſſen ſich am beiten von der Ponerinen— gattung Cerapachys ableiten; ſie haben keinerlei Beziehungen zu den übrigen drei Sub— familien, denn die Übereinſtimmung des zweigliederigen Stielchens (von Eeiton uſw., ſ. Überſicht) mit dem der Myrmicinen iſt lediglich als Konvergenzerſcheinung aufs zufaſſen. Die Myrmieinen zweigten ſich wahrſcheinlich von der Ponerinengattung Myrmecia oder Cerapachys ab und machten ihre Entwickelung ebenfalls ohne jede Beziehung zu den übrigen Subfamilien durch. Noch recht zweifelhaft und unklar bleibt die Abſtammung der Camponotinen; bezüglich der Umbildung des Pump— magens finden ſich wohl manche Zwiſchenformen, dagegen iſt die vollkommene Umbildung des Giftapparates („Giftblaſe mit Polſter“ uſw., ſ. Kap. I) bis jetzt noch total unverſtändlich (vgl. Forel 1903). Syſtematiſches. Geographiſche Verbreitung. Staatenleben. 3 „Die meiſten Raſſen und deutlicheren Varietäten ſind geographiſch, d. h. gewiſſen Bezirken eigen, andere dagegen mehr phyſikaliſchen oder chemiſchen Bedingungen des Bodens, des Klimas uſw. angepaßt. Recht oft kann man bei Ameiſen ſehen, daß eine Art, die in gewiſſen Gegenden konſtant iſt (z. B. Tetramorium caespitum L. in Zentral- und Nordeuropa), in anderen Gegenden in zahlreiche Varietäten und Raſſen zerfällt (die genannte Art in den Mittel— meerländern). Wiederum findet man Subſpezies, welche in gewiſſen Gegenden ſcharf getrennt erſcheinen, in anderen dagegen durch eine ununterbrochene Varietätenſerie ineinander übergehen.“ (Forel 1904.) 2. Geographiſche Verbreitung. Die geographiſche Verbreitung der Ameiſen iſt ungemein aus— gedehnt und erſtreckt ſich über alle Länder zwiſchen den beiden Polarkreiſen. Die höchſte Entwickelung des Ameiſenlebens finden wir innerhalb des Tropen— gürtels, wo die Ameiſen eine Großmacht, mit welcher Tier- und Pflanzenwelt wohl zu rechnen hat, darſtellen. Von den Wendekreiſen gegen die Polarkreiſe nimmt die Zahl und Bedeutung der Ameiſen mehr und mehr ab. Die Ameiſenfaunen decken ſich im allgemeinen mit denjenigen der übrigen land— bewohnenden Tiere; ſo finden wir z. B. eine große Verwandtſchaft zwiſchen der nearktiſchen und paläarktiſchen Fauna, dagegen eine ebenſogroße Ver— ſchiedenheit zwiſchen der nearktiſchen und neotropiſchen, der neotropiſchen und äthiopiſchen Fauna uſw. Beſonders merkwürdig iſt die Übereinſtimmung der arktiſchen und antarktiſchen Ameiſenfauna, ſo z. B. zeigen die antarktiſchen Melophorus-Arten eine große Ahnlichkeit mit den arktiſchen Lasius-Arten. Jedoch beruht dieſe Ahnlichkeit ſicher nicht auf Stammesverwandtſchaft, ſondern auf Konvergenz, hervorgerufen durch Klima uſw. (Forel). Auffallend iſt die große Zahl der Kosmopoliten unter den Ameiſen; es hängt dies mit deren Lebensweiſe zuſammen, welche eine Verſchleppung ſehr begünſtigt. Fortwährend reiſen eine Anzahl Ameiſen auf Schiffen und infizieren beſonders die Inſeln, deren „Lokalfauna ſie oft derart zerſtören, daß manche inſulare Urſprungsfauna bereits nicht mehr exiſtiert, ſo auf den Sandwich— inſeln, Réunion uſw.“. Am reichlichſten geſchieht die Verſchleppung durch Pflanzen; Forel bekam aus der Pflanzenſchutzſtation in Hamburg in zwei Jahren nicht weniger als 29 verſchiedene auf dieſe Weiſe importierte exotiſche Ameiſenarten, darunter eine aus Tasmanien zurück importierte europäiſche Art ). 3. Staatenleben. Alle Ameiſen bilden Geſellſchaften (auch „Staaten“ oder „Kolo— nien“ genannt). Der Ameiſenſtaat iſt organiſch gegliedert, d. h. er wird zu— ſammengeſetzt von mehreren (gewöhnlich drei) mit verſchiedenen körperlichen und pſychiſchen Eigenſchaften ausgeſtatteten „Kaſten“: Männchen ( S), Weibchen (2 2) und Arbeiter (8 8). Letztere, die eine ſekundäre Entwickelungs— ) Bezüglich Einzelheiten verweiſe ich auf die unten zitierte Arbeit von Stoll. 1* 4 ; Einleitung. form der Weibchen darſtellen, bilden weitaus die Hauptbevölkerung jedes Staates. Die Geſchlechtsformen treten dagegen numeriſch weit in den Hinter— grund. Wenn auch die Zahl der Königinnen (d. h. befruchtete entflügelte Weibchen) nicht wie bei den Bienen ſtreng auf 1 fixiert iſt, ſondern meiſtens mehr beträgt (5, 10, ja in ganz großen Staaten bis 60), ſo bleibt ſie doch ſtets verſchwindend klein gegenüber der Zahl der Arbeiterinnen. Männchen befinden ſich überhaupt nur ganz kurze Zeit im Staate, da ſie ſchon wenige Tage nach dem Auskriechen ihr Neſt auf Nimmerwiederſehen verlaſſen, um die einzige ihnen zukommende Pflicht, die Befruchtung, zu erfüllen. Stimmen nun einerſeits die meiſten Ameiſenſtaaten in dieſen Grund— lagen mehr oder weniger überein, ſo zeigen ſie doch andererſeits bezüglich der Einzelheiten der Sitten, der Höhe der „Kultur“ uſw. gewaltige Unterſchiede. Es gibt einerſeits ſehr primitive Ameiſenſtaaten mit nur ſchwach aus— geprägter, andererſeits aber auch ſolche mit weitgehendſter Arbeitsteilung, Staaten, die eine hohe Organiſation erkennen laſſen, die es zu einer hohen „Kultur“ gebracht haben. Wir werden Ameiſen kennen lernen, welche richtige Viehzucht, andere, welche Gartenbau treiben, und wieder andere, die der Sklaverei obliegen, Kriege führen, Bündniſſe ſchließen uſw. Die Analogien der Ameiſenkultur mit der menſchlichen Kultur ſind oft geradezu frappierend, ſo zwar, daß unkritiſche Köpfe ganz überſehen haben, daß es ſich nur um Analogien handelt und den Ameiſen kurzweg menſchliche Motive für ihre Handlungen untergelegt haben. Die Abſurdität dieſes anthropomorphiſtiſchen Standpunktes iſt jedem Einſichtigen klar. Man braucht nur den enormen Unterſchied zwiſchen Ameiſen- und Menſchengehirn zu beachten, um ein— zuſehen, daß es ſich nur um rein äußerliche Ahnlichkeiten handeln kann. Dieſelben beruhen auf „Konvergenzerſcheinungen, deren komplizierter Zuſammenhang in beiden Fällen (Ameiſe und Menſch) durch das Faktum der ſozialen Gemeinſchaft lebender Gehirne hervorgerufen wird“ (Forel). . darüber ſiehe unten Kap. X. * 4. Unterſuchungsmethoden. Um das Ameiſenleben kennen zu lernen, iſt es vor allem nötig, die Ameiſen fleißig in der freien Natur unter ihren natürlichen Lebensbedin— gungen zu ſtudieren. Zu den verſchiedenſten Tages- und Jahreszeiten, bei ver⸗ ſchiedenem Wetter, verſchiedenen Temperaturen müſſen die Beobachtungen an— geſtellt werden; und alles, was man in und auf den Neſtern geſehen, ſelbſt das Unſcheinbarſte, iſt gewiſſenhaft zu notieren. Nur auf ſolche Weiſe kann man ſich allmählich ein ungefähres Bild von den Regeln, nach denen die Ameiſen— geſellſchaften leben, verſchaffen. Aber in die intimſten Familiengeheimniſſe einzudringen, wird in der freien Natur ſchwer oder gar nicht gelingen; denn die Ameiſen ſind überaus ſenſible Tiere und werden meiſtens durch die ge— ringſte Störung ſchon in mächtige Aufregung verſetzt, indem die einen gegen den Störenfried anzugehen ſuchen, während die anderen mit der Brut in die entlegenen tiefſten Partien des Neſtes flüchten. Und da man ohne Störung eine Unterſuchung der natürlichen Neſter überhaupt nicht vornehmen kann, ſo Unterſuchungsmethoden. 5 wird man ſich auf dieſe Weiſe ſchwerlich einen richtigen Einblick in den nor— malen Gang des Staatenlebens verſchaffen können. Man hat deshalb verſucht, die Ameiſen unter künſtliche Bedingungen zu bringen, welche den natürlichen möglichſt nahe kommen, welche aber er— möglichen, das Treiben der Ameiſen jederzeit, ohne eine Störung zu ver— urſachen, beobachten zu können. Schon Huber hat ſolche „künſtlichen Neſter“ bei ſeinen Studien angewandt; ſpäter wurde dieſe Methode mehrfach modifiziert, ergänzt und verfeinert, vor allem durch Lubbock, Forel, Wasmann, Janet und Miß Fielde. Die gebräuchlichſten Neſter ſind die ſogen. „Lubbock-Neſter“ (Fig. 1). Dieſe zeichnen ſich nicht nur durch ihre große Einfachheit aus, ſondern auch dadurch, daß ſie den natürlichen Bedingungen der Ameiſen relativ gut Rechnung tragen. Sie beſtehen aus zwei Glas- ſcheiben, welche durch einen Holzrahmen um einen der Größe der Ameiſen entſprechenden Zwiſchen— raum getrennt werden. Die untere Scheibe, welche den Boden des Neſtes bildet, iſt feſt mit dem Rahmen verbunden (eingefittet), während die Lubbock-Neſt im Querſchnitt. obere Scheibe loſe aufliegt. Um das Ent⸗ * Solsrahmmm 1 Dlasiheiben, weichen der Ameiſen zu verhindern und gleich— zeitig für Luftzirkulation im Neſt zu ſorgen, tut man gut, auf die Oberſeite des Rahmens eine Schicht Watte oder einen dicken wolligen Stoffſtreifen (Flanell) aufzuleimen. In dieſes Neſt nun werden die zu beobachtenden Ameiſen mit etwas Erde geſetzt (ſ. unten), und es dauert nicht lange, daß ſie ſich hier wohnlich einrichten, Gänge und Kammern minieren uſw. Es iſt ſehr wichtig, daß der Zwiſchenraum zwiſchen den beiden Glasſcheiben nicht zu groß genommen wird, da ſonſt die Ameiſen die Scheiben mit Erde verbauen und ſich ſo den Blicken des Beobachters entziehen. Für kleinere Ameiſen (Leptothorax, Tetramorium, Lasius) find 31/, bis 7mm und für größere (Formica, Camponotus) 7 bis 15 mm Zwiſchenraum vollkommen genügend. Auch mit der Größe des Neſtes ſoll man nicht zu freigebig ſein. Der Umfang eines Neſtes für die größten Ameiſen ſoll nicht mehr als höchſtens 25 x 25 em betragen, während für die kleineren und mittleren Arten 9 * 12 oder höchſtens 13 x 18cm am zweckentſprechendſten iſt ). Die Darreichung von Nahrung und Waſſer kann man auf verſchiedene Weiſe be— werkſtelligen; das einfachſte iſt, daß man die Deckſcheibe etwas abrückt und an der offenen Stelle das Nötige direkt einführt. Man kann aber auch im Neſtrahmen eine Lücke laſſen, ſo daß die Ameiſen frei aus- und einlaufen und ſich die Nahrung außerhalb des Neſtes holen können. Natürlich iſt dann dafür zu ſorgen, daß die Ameiſen nicht entweichen können, indem man das Neſt in einem gewiſſen Abſtand mit einer Waſſerrinne oder einem Wall aus Gips— mehl (Forel) umgibt. Dieſe Methode hat entſchieden den Vorzug vor der erſteren, daß den Ameiſen größere Bewegungsfreiheit gegeben wird; anderer— Fig. 1. ; ) Ich wähle die Größen 9x 12, 13 x 18, weil die gangbarſten photographi— ſchen Platten dieſelben aufweiſen. Die mißglückten Platten können ſo noch eine nützliche Verwendung finden. 6 Einleitung. ſeits aber hat ſie auch wieder Nachteile: Die Waſſerrinne kann nämlich das Entweichen der Ameiſen doch nicht ganz verhindern, da viele ſchwimmend das andere Ufer erreichen; und der Gipswall iſt ſehr unbeſtändig und wird durch jeden ſtärkeren Luftzug mehr oder weniger abgetragen, abgeſehen davon, daß das Zimmer des Beobachters durch den Gipsſtaub auch nicht gerade wohnlicher wird. Fig. 2. Im Hinblick darauf : hat nun Wasmann eine Neſtform konſtruiert, die N ſowohl allſeitig geſchloſſen iſt, als auch den Ameiſen N eine bedeutend größere Be— bu uf wegungsfreiheit als die ein- fachen Lubbock-Neſter ge- I währt. Die Grundlage U VORNE & des Wasmannſchen Neſtes D/ ðͤ (Fig. 2) bilden zwei „Lub⸗ bock-Neſter“ (HZ und N), die durch eine Glasröhre Wasmann⸗Reſt. H Hauptneſt. N Nebenneft, V Vorneſt, miteinander in Verbindung 0 Hberneſt, F ee W Waſſertrog. itehen und die dag eigent- liche Neſtinnere darſtellen ſollen, in welchem die große Maſſe der Ameiſen mit ihren Königinnen, Larven, Puppen uſw. ſich aufhält. Das eine der beiden „Lubbock-Neſter“, das „Hauptneſt“, iſt mit verſchiedenen Gläſern verbunden, welche der nächſten Umgebung des natürlichen Neſtes entſprechen ſollen und den Ameiſen Gelegen— heit geben, ſich freier zu bewegen (ſ. Fig. 2). Im „Vorneſt“ befindet ſich eine Schicht Erde und ferner ein Holzſtab (ebenſo wie im „Oberneſt“), um den Ameiſen das Hinauf- und Hinabklettern zu erleichtern, beſonders, wenn die Glaswände be— ſchlagen find. Vom „Oberneſt“ gehen zwei Glas- röhren aus, von welchen die eine zum „Futter— neſt“ (J), die andere zum „Abfallneſt“ (A) führt. Das nötige Waſſer wird durch eine Röhre, welche durch den Holzrahmen geht (I), dem Hauptneſt zugeführt. Fielde-Neſt. S Schwamm zum Eine andere Neſtform, aber ebenfalls auf Feuchthalten ber Wohnkammer, dem Prinzip der „Lubbock-Neſter“ baſiert, gibt en e, i Fend e e, See Rahmen anſtatt aus Holz aus Glas (zuſammengekitteten Glasleiſten) herzuſtellen; außerdem wird das Neſtinnere durch eine Zwiſchenwand, ebenfalls aus Glas- leiſten, in zwei Räume geteilt, welche aber auf der einen Seite miteinander kommunizieren (Fig. 3). Jeder der beiden Räume wird durch eine beſondere Glasplatte bedeckt. Der eine Raum dient als Futter-, der andere als Wohn⸗ raum. Erſterer ſoll möglichſt trocken, letzterer dagegen durch ein kleines Schwammſtück, das alle paar Tage mit Waſſer getränkt wird, feucht gehalten werden. Dieſes „Fielde-Neſt“ hat vor dem einfachen „Lubbock-Neſt“ den le IK) | ll Fig. 3. Unterſuchungsmethoden. 7 Vorzug, daß es leicht gereinigt werden kann; denn durch Verdunkelung des einen und Erhellung des anderen Raumes können die Ameiſen leicht herüber oder hinüber gelockt werden, ſo daß die leere Abteilung einer gründlichen Reinigung unterzogen werden kann. Auf einem ganz anderen Prinzip beruht die von Ch. Janet konſtruierte Neſtform, die unter dem Namen „Ja net-Neſt“ bekannt iſt. Von der Tat- ſache ausgehend, daß die gedeihliche Entwickelung eines Ameiſenvolkes ſehr viel von dem Feuchtigkeitsgehalt der Neſtluft abhängt, daß aber die Regu— lierung desſelben im „Lubbock-Neſt“ viel zu wünſchen übrig läßt, verwendet genannter Forſcher für ſeine künſtlichen Neſter poröſes Material, nämlich Gips. Das typiſche „Janet-Neſt“ beſteht aus einem Gipsblock, in welchem ſich eine Anzahl durch Scheidewände voneinander getrennter und nur durch kleine Off— nungen (Gänge) in Verbindung ſtehender Neſtkammern befinden (Fig. 4, Ki bis K,). An der einen Seite des Blockes iſt ein Waſſertrog (Tr), welcher ein⸗ oder zweimal wöchentlich Fig. 4. mit Waſſer gefüllt wird. Von E hier aus durchzieht das Waſſer den ganzen Block und verleiht, 55 \ indem es in den Neſtkammern 0 verdunſtet, der Luft einen Feuchtigkeitsgehalt, welcher in der dem Troge nächſtliegenden 2 Kammer (K,) am größten, in Janet⸗Neſt in Viehmeyerſcher Montierung. 6 Gips⸗ der entgegengejeisten (Ka) Da- Lot Tr luiertrop, Ki den anden Bis, Die Dur gegen am geringſten iſt. Da Verbindung ſtehen, Offnung der Deckgläſer, M Meſſing⸗ die drei Kammern durch Gänge bügel, Z Zinkkaſten. Nach Viehmeyer. miteinander kommunizieren, ſo haben die Ameiſen die Möglichkeit, den ihnen am meiſten zuſagenden Feuchtigkeitsgrad auszuwählen bzw. ihre Brut je nach Be— dürfnis nach der trockenen Kammer K, oder der feuchteren K zu bringen. Die Bedeckung des Neſtes geſchieht mittels Glasſcheiben und zwar einer doppelten Lage. Zunächſt wird über die drei Kammern eine gemeinſame Scheibe ge— deckt, welche in der Mitte jeder Kammer einen runden Ausſchnitt beſitzt; ſo— dann wird über jede Kammer noch eine beſondere zweite Scheibe gelegt, um die Offnungen in der erſten Scheibe zu ſchließen. Wie beim „Fiel de-Neſt“ kann man auch hier die Ameiſen durch Verdunkelung uſw. in beſtimmte Kammern locken. Am beſten läßt man eine Kammer zum Darreichen des Futters hell, während man die beiden anderen mit Pappdeckel oder ſchwarzem Tuch bedeckt; es entſpricht dies am eheſten den natürlichen Verhältniſſen. Viehmeyer (1905) hat das „Janet-Neſt“ dadurch noch verbeſſert, daß er den Gipsblock in einen niederen Zinkkaſten brachte, von deſſen Seitenwänden aus Meſſingbügel quer über den Block ziehen. Letztere laſſen gerade ſo viel Platz, daß man die erſte (gemeinſame) mit Löchern verſehene Glasplatte unter ihnen durchſchieben kann. Auf die Bügel ſind ſchmale Meſſingſtreifen auf— gelötet, die für einzelne obere Gläſer (Deckſcheiben) jederſeits eine Nut geben. In dieſer Faſſung iſt das Neſt ein kompakter handlicher Apparat geworden, ſo daß man es ruhig in einer Kiſte oder einem Koffer transportieren kann. 8 Einleitung. Der Hauptvorzug des „Janet-Neſtes“ beſteht in der idealen Löſung der Bewäſſerungsfrage. Andererſeits aber beſitzt es mehrere empfindliche Nachteile: Zunächſt iſt die Herſtellung ungleich komplizierter, zeitraubender und koſtſpieliger als die der Lubbock-Neſter !). Ein weit größerer Mangel aber iſt das Fehlen der Erde in den Kammern, wodurch die Ameiſen natür— lich unter weſentlich anderen Verhältniſſen als in der freien Natur zu leben gezwungen ſind. Und endlich ſcheinen die Gipsneſter die Schimmelbildung mehr zu begünſtigen als die „Lubbock-Neſter“, wenigſtens haben Viehmeyer ſowohl als ich die Erfahrung gemacht, daß die Futterreſte auffallend ſchnell zu ſchimmeln beginnen. Wir ſehen alſo, jede der bis jetzt vorgeſchlagenen künſtlichen Neſtformen hat ihre Licht- und Schattenſeiten. Man kann auch kaum einer derſelben den abſoluten Vorzug vor den übrigen geben; die eine Form eignet ſich eben für dieſen, die andere für jenen Zweck beſſer. Wollen wir z. B. eruieren, wie lange eine jung befruchtete Königin ohne Nahrung zu leben vermag, ſo leiſtet entſchieden das „Janet-Neſt“ die beſten Dienſte, da hier irgendwelche uns verborgene Nahrungsquellen ausgeſchloſſen ſind. Wollen wir dagegen die Bautätigkeit ſtudieren, jo werden wir am beſten ein „Lubbock-Neſt“ ver- wenden. Um den Haushalt der ſogenannten „gemiſchten Kolonien“ richtig kennen zu lernen, empfiehlt es ſich, zum „Wasmann-Neſt“ zu greifen uſw. Es kommt ferner auch darauf an, wo die Beobachtungen ausgeführt werden ſollen, ob zu Hauſe im Laboratorium oder auf Reiſen. Für letzteren Fall iſt natürlich ein jo komplizierter Apparat wie das „Wasmann-Neſt“ voll kommen ungeeignet, und iſt allein das einfache Lubbock-Neſt“ angebracht. Man kann ſich dieſelben eventuell überall ſelbſt raſch herſtellen, ſie nehmen wenig Platz weg, laſſen ſich leicht transportieren ufſw. Ich habe ſowohl in Kleinaſien als in Nordafrika vielfach eine größere Anzahl ſolcher Neſter — ſelbſt auf weiteren Reiſen zu Pferd — mit herumgeſchleppt und ſie ſtets aufs beſte bewährt gefunden ). Die Beſetzung der Neſter kann man auf verſchiedene Weiſe bewerk— ſtelligen. Man nimmt eine Kolonie oder wenigſtens einen Teil davon in einem Sack oder in einer Blechbüchſe, die einen mit feiner Drahtgaze über— zogenen Deckel beſitzt, nach Hauſe; handelt es ſich nur um ein ſchwaches Volk und um gemütliche, langſame Ameiſen, wie z. B. Myrmica-Arten, ſo kann man kurzerhand den Inhalt des Sackes oder der Büchſe in das künſtliche ) Viehmeyer (1905) gibt folgende Anleitung: Um ein ſolches Neſt herzu- ſtellen, wird man am beſten zunächſt vom Tiſchler eine Holzform anfertigen laſſen. Zu beachten iſt dabei, daß das Holz vollkommen glatt gehobelt iſt. Die Holzklötzchen, welche die Neſtkammern darſtellen, müſſen aufgenagelt (nicht angeleimt), die Außen⸗ wände am beſten nur mit Schrauben befeſtigt werden. Nachdem die Form mit Schellacklöſung ausgeſtrichen und darauf tüchtig eingeölt iſt, kann der dick angerührte Gips hineingegoſſen werden. Letzterer kann — je nach Bedürfnis — mit Farbe, Ocker oder Umbra (1 Teil Umbra zu 4 bis 5 Teilen Gips) verſetzt werden. Nach dem Feſtwerden der Gipsmaſſe ſchraubt man die Seitenwände los; wenn das Holz gut eingeölt war, löſt ſich der Block leicht aus der Form. ) Miß Fielde ließ ſich einen beſonderen Koffer mit mehreren Etagen bauen, in welchem viele Neſter bequem und ſicher transportiert werden, können. Unterfuhungsmethoden. 9 Neſt ſchütten, die Erde uſw. glattſtreichen und die Glasſcheibe darüber decken. Die wenigen dabei entkommenden Ameiſen kann man leicht einfangen und nachträglich ins Neſt ſetzen. Anders aber, wo ein ſtarkes Volk ſehr lebhafter flinker Ameiſen eingezwingert werden ſoll; hier wird man wenig Erfolg mit dieſer Methode haben, man muß ſchon etwas raffinierter vorgehen, um ſolch wilde Ameiſen in das Gefängnis zu bringen. Am beſten verfährt man dabei folgendermaßen: Man errichtet auf einem großen Brett aus Gipsmehl einen allſeitig geſchloſſenen Wall (Forel) und ſtellt innerhalb desſelben das Neſt auf, das gut angefeuchtet und deſſen Deckel nicht ganz geſchloſſen iſt, ſondern eine Lücke offen läßt. Sodann ſchüttet man den Inhalt des mitgebrachten Sackes in die „Forelſche Arena“, um das Neſt und über dasſelbe. Der Gipswall iſt für die Ameiſen ein unüberwindliches Hindernis, und ſo ſind ſie gezwungen, in der Arena zu bleiben. Da nun das mitausgeſchüttete Neſtmaterial bald ausgetrocknet iſt, die Ameiſen aber Feuchtigkeit bedürfen, ſo ſuchen fie ſchon nach kurzer Zeit das feuchte Neſt auf und bald iſt die ganze Geſellſchaft darin verſammelt. — Wenn man die Arena nicht jo groß machen will, ſo kann man das künſtliche Neſt auch außerhalb des Gipswalles aufſtellen; man muß dann nur jenes vermittelſt einer Glasröhre, welche die Gipsmauer durchbricht, in Verbindung mit dem Innenraum der Arena ſetzen. Je nach der Findigkeit und Lebendigkeit der Art werden die Ameiſen nach kürzerer oder längerer Zeit von ſelbſt das Neſt aufſuchen. Man kann die Überſiedelung auch etwas beſchleunigen, wenn man einige Ameiſen mit der Pinzette ergreift und in das Neſt ſteckt; denn dieſe kommen gewöhnlich bald durch die Glasröhre in die Arena zurück und holen die dort befindlichen Ge— noſſen in das ihnen beſſer zuſagende feuchte Neſt (Viehmeyer). Falls man keinen Gips zur Hand hat, kann man ſich auch einer all— ſeitig gut ſchließenden Kiſte bedienen, in die man zuerſt das etwas ge— öffnete, angefeuchtete Neſt ſtellt und dann die Ameiſen uſw. ſchüttet. Am nächſten Tage befinden ſich gewöhnlich bereits alle Ameiſen mit ſamt ihrer Brut in dem Neſte. Sind die Ameiſen einmal eingezogen und haben ſie ſich in dem künſt— lichen Neſte wohnlich eingerichtet, ſo gehen ſie bald wieder ihren nor— malen Beſchäftigungen nach. Und ſo iſt uns die Möglichkeit geboten, das Geſellſchaftsleben der Ameiſen in ihrem ruhigen normalen Gange jederzeit bequem beobachten zu können, was — wie oben erwähnt — draußen in der freien Natur ausgeſchloſſen iſt. Wir können dabei auch die Lupe an— wenden und damit ſelbſt die feinſten und intimſten Regungen der Ameiſen— ſeele ableſen. Wenn man die nötige Sorgfalt anwendet, ſo kann man eine Kolonie viele Jahre im künſtlichen Neſt erhalten, und zahlreiche Kinder- und Kindes- kinder unter ſeinen Augen entſtehen ſehen. Vor allem muß dafür geſorgt werden, daß das Neſt nicht zu trocken wird, und ſodann darf natürlich auch die nötige Futtermenge nie fehlen. Am beſten reicht man ihnen Honig, Sirup angefeuchteten Zucker oder auch Fleiſchkoſt, wie geſchabtes rohes Fleiſch, lebende oder getötete und zerſtückelte Inſekten uſw., je nachdem eben die betreffende Art mehr zu den Vegetarianern oder Fleiſchfreſſern gehört (ſ. Kap. V). Be⸗ 10 Einleitung. ſonders iſt endlich darauf zu achten, daß keine Schimmelbildung auftritt; wo dies der Fall iſt, da muß die Kolonie ſofort in ein anderes Neſt umquartiert werden. Die künſtlichen Neſter eignen ſich auch vortrefflich zur Anwendung der experimentellen Unterſuchungsmethode. Und es iſt dieſelbe auch in der Ameiſenbiologie weit mehr wie ſonſtwo in der Inſektenbiologie an— gewandt worden. Lubbock, Forel, Wasmann, Bethe, Wheeler und in neuerer Zeit Miß Fielde haben ſich dieſer Methode in beſonders ausgiebiger Weiſe bedient und große Erfolge damit erzielt. Das Experiment bietet aber auch eine Gefahr, nämlich die, daß man es überſchätzt. Wenn man mit Ameiſen experimentiert, darf man nie vergeſſen, daß es ſich um ſoziale Tiere handelt, und daß man daher aus dem Benehmen einzelner aus ihrem Verband geriſſener Individuen nicht allzuweitgehende und beſtimmte Schlüſſe auf das Ameiſenleben im allgemeinen ziehen darf. Das Experiment darf nie zu einſeitig betont werden; die Grundlage der Ameiſenforſchung muß ſtets die genaue Beobachtung der normalen Lebensgewohn— heiten der Ameiſen — ſei es draußen oder im künſtlichen Neſt — bilden. Iſt dies nicht der Fall und kommt das Experiment als die einzige Methode in Anwendung, ſo iſt es unvermeidlich, daß man zu einer gänzlich irrigen Auffaſſung des Ameiſenlebens gelangt. 5. Geſchichtliches. Von einer hiſtoriſchen Überſicht über die Entwickelung der Ameiſenkunde glaube ich hier Abſtand nehmen zu können, da unten bei der Behandlung der einzelnen Gebiete jedesmal genügend darauf Rückſicht genommen und jedem Kapitel ein ziemlich ausführliches Literaturverzeichnis beigegeben wird. Ich möchte mich hier nur darauf beſchränken, die Namen derjenigen zu nennen, denen das Hauptverdienſt beim Ausbau der Myrmeko— logie zukommt; in biologischer Hinſicht find dies William Gould (1747), Pierre Huber (1810), Forel (1873 bis heute), Lubbock (1875 ff.), MeCook (1875 bis 1884), Adlerz (1884 bis 1902), E. Wasmann S. J. (1886 bis heute), Ch. Janet (1893 bis heute), W. M. Wheeler (1900 bis heute). In bezug auf die Syſtematik ſind zu nennen: Fred. Smith, Guſtav Mayr, J. Roger, C. Emery, Aug. Forel, Ed. André und W. M. Wheeler. Weitaus das meiſte verdankt die Ameiſenkunde Aug. Forel, deſſen Arbeiten ſowohl für die Syſtematik als die Biologie grundlegend ſind. Seit ſeiner früheſten Jugend, ja ſeit ſeiner Kindheit haben die Ameiſen ſein Intereſſe im höchſten Grade erweckt, und dieſe Begeiſterung lebt heute noch ungeſchwächt in ihm fort. Seine ſelten vielſeitige Bildung, ſein weiter Blick, ſein überaus ſcharfer Verſtand, ſeine fabelhafte Arbeitskraft, die ihm in ſeinem eigentlichen Berufe (als Pſychiater), die ihm in dem gewaltigen Kampfe gegen den verderblichen Alkoholismus die Führerrolle einnehmen ließen, dieſe ſeltenen Eigenſchaften offenbaren ſich auch in ſeinen unzähligen Ameiſen— arbeiten. Nirgends ſtößt man auf die kleinliche Auffaſſung des Spezialiſten, Literatur. 11 überall — ſelbſt in den ſyſtematiſchen Arbeiten — erkennt man den groß— zügigen, umfaſſenden Geiſt. Und wenn die Ameiſenkunde — im Gegenſatz zu den meiſten übrigen Gebieten der Entomologie — ſtets die volle Wiſſen— ſchaftlichkeit bewahrt hat, jo verdankt fie dies in erſter Linie Forel . Verzeichnis der auf die Einleitung bezüglichen Literatur. Adlerz, Gottfr., Myrmecologiska Studier 1—4. Stockholm 1884 bis 1902. André, Ed., Species des Hyménoptères 2. Les Fourmis. Beaune 1881. André, Erneſt, Les Fourmis. Paris 1885. Bethe, A., Dürfen wir Ameiſen und Bienen pſychiſche Qualitäten zuſchreiben? Bonn 1898. Emery, C., Clef analytique des Genres de la Famille des Formieides. In: Ann. Soc. Ent. Belg. 1896, p. 172—189. Außerdem noch zahlreiche andere ſyſtematiſche und einige biologiſche Arbeiten. 8 Fielde, Adele, Portable Ant-Nests. In: Biol. Bull. 2, No. 2, 1900. Fielde, Adele, Portable Ant-Nests. In: Ebenda 7, Nr. 4, 1904. Forel, Aug., Les Fourmis de la Suisse. Zürich 1874. Außer dieſem Haupt= werk, das die Grundlage der Ameiſenkunde bildet, noch zahlreiche (mehrere hundert) kleinere und größere Schriften teils anatomiſchen, teils biologiſchen, teils ſyſtemati— ſchen Inhalts. Die meiſten der anatomiſch-biologiſchen Schriften ſind unten bei den einzelnen Kapiteln angeführt. Auf die Einleitung beziehen ſich ſpeziell noch: Forel, Aug., Melanges entomologiques, biologiques et autres. In: Ann. Soc. Ent. Belg. 47, 249— 265, 1903. Forel, Aug., Über Polymorphismus und Variation bei den Ameiſen. In: Zool. Jahrb., Suppl. 7, 571 bis 586, 1904. Gould, William, An Account of English Ants. London 1747. (Die erſte wiſſenſchaftliche Darſtellung des Ameiſenlebens. — Überaus ſelten!) Huber, Pierre, Recherches sur les Moeurs de Fourmis indigenes. Paris 1810. (Eine klaſſiſche Schilderung des Ameiſenlebens, mit einer Menge feiner Beob— achtungen. Jeder, der ſich mit Ameiſen beſchäftigt, ſollte zuerſt den alten Huber ſtudieren.) Janet, Charles, Appareil pour l’Elevage et l’Observation des Fourmis et d'autres petits animaux. In: Ann. Soc. Ent. France 62 (1893). Janet, Charles, Appareil pour Observation des Fourmis et des Animaux myrmecophiles. In: Mém. Soc. Zool. France 10 (1897). — Außerdem noch mehrere Schriften über Anatomie und Biologie der Ameiſen (ſ. unten). Lubbock, John, Ameiſen, Bienen und Weſpen. Leipzig 1883. Mayr, Guſtav, Die europäiſchen Formiciden. Wien 1861. — Außerdem noch zahlreiche Schriften ſyſtematiſchen und fauniſtiſchen Inhalts. MeCook, Rev. H., The Honey Ants of the Garden of the Gods 1882. MeEoof, Rev. H., The Natural History of the Agricultural Ant of Texas 1880. Roger, Jul., Eine Reihe ſyſtematiſcher Arbeiten, hauptſächlich in der Berl. entomolog. Zeitſchrift. Smith, Fred., Zahlreiche ſyſtematiſche Schriften, 1842 bis 1865. ) Im Anſchluß an den Berner Zoologenkongreß war es mir vergönnt, den Autor der „Fourmis de la Suisse“ in ſeinem Heim zu beſuchen. Für die liebevolle Aufnahme, für die reiche Anregung, die ich im Hauſe Forel gefunden, ſei hier nochmals innigſt gedankt. Die Tage in Chigny gehören jedenfalls zu den intereſſante— ſten und lehrreichſten meines Lebens. 12 Literatur. Stoll, Otto, Zur Kenntnis der geographiſchen Verbreitung der Ameiſen. In: Mitteil. ſchweiz. entom. Gef. 10, Heft 3. Viehmeyer, H., Beobachtungsneſter für Ameiſen. In: Aus der Heimat, 1905. Wasmann, E., Die zuſammengeſetzten Neſter und gemiſchten Kolonien der Ameiſen. Münſter 1891. Wasmann, E., Vergleichende Studien über das Seelenleben der Ameiſen und der höheren Tiere. 2. Auflage. Freiburg i. Br. 1900. Wasmann, E., Die pſychiſchen Fähigkeiten der Ameiſen. Stuttgart 1899. — Außerdem noch über hundert kleinere und größere Schriften über die Biologie der Ameiſen und Ameiſengäſte (ſ. unten). Wheeler, W. M., Zirka 40 Arbeiten über die Biologie und Syſtematik nord— amerikaniſcher Ameiſen, 1900 bis 1905, hauptſächlich im Biological Bulletin und American Naturalist erſchienen. Erſtes Kapitel. Morphologie und Anatomie. Wenn wir die Biologie eines Tieres verſtehen wollen, ſo müſſen wir deſſen Körperbau und Organiſation kennen. Denn es beſteht ein überaus inniger Zuſammenhang zwiſchen Körperbildung und Lebensweiſe, indem erſtere durch letztere bedingt wird und umgekehrt. Dieſen Zuſammenhang aufzudecken iſt eine der vornehmſten Aufgaben der Biologie. Wir wollen daher zunächſt die Morphologie und Anatomie der Ameiſe behandeln — jedoch keineswegs etwa vollkommen erſchöpfend, ſondern nur inſoweit, als es für das Verſtändnis der Biologie nötig iſt. Zur allgemeinen Orientierung über die Regionen des Körpers, die Lage der Organe uſw. mag Fig. 5 (auf folgender Seite) dienen. Aus ihr dürfte das Wiſſenswerte klarer hervorgehen als aus langen Beſchreibungen. A. Morphologie. 1. Der Kopf. Die Form des Kopfes iſt je nach den Arten und auch nach den Ständen (G, 2, 8, A.!) ungeheuer verſchieden: dreieckig, viereckig, rund, oval, länglich, quer uſw. (vgl. Kap. II). Auf der gewölbten Fig. 6. Vorderſeite gewahren wir gewöhnlich eine Anzahl Leiſten, Furchen, Felder uſw., über welche Fig. 6 Auskunft gibt. — Ferner iſt der Kopf der Träger der Mundwerk— zeuge (Ober- und Unterkiefer, Unterlippe) und der Hauptſinnesorgane (Augen, Fühler). a) Die Ober- oder Vorderkiefer (Mandibeln) ſtellen das maſſivſte und kräftigſte Mundgliedmaßenpaar dar. Sie inſerieren gewöhnlich an den Außenecken 8 f 955 des vorderen (bzw. unteren) Kopfrandes, orb von Cannon g e dle ſelten mehr in der Mitte desſelben (Odonto- Aug. Seitenaugen, (J. Clypeus, ud. Man⸗ 2 f j : re dibeln, Oe. Stirnaugen, St/. Stirnfeld, machini). Meiſtens ſind ſie ſchaufelförmig Sti. Stirnleiſten, Str. Stirnrinne. ) A = Soldat, eine ſekundäre Entwickelungsform der Arbeiter (ſ. Kap. II). bung z wund 54 upbaggughvjin gings % Jopp 8 “walmaajuparg "PU “unparg e Ruawgk 14 Halmaappırda a0 Bunaunıc a 9 0 ‘snövgdalg 0 “uoBundpnu on ana o gc "din “unyuarg "uam udo dom wnagus "aT dor N apwpvangualud -9qST woduvdgunp139S) unge H amaaylı 22777 “naajvaBuaıdgr yd 1b neovo "ur 75 "alMaaavypıroug wu % ‘almagqadjngiquduß "put 1b einach )jpigdoa 'qı "1d MS 1b „vuvbjocpfocks“) almaajvıguz aeg Bupdagnlangg aeavockun an % eus pou) one "CT cane worum) eu due gang muplsdung 1 7 2 al 1 0 og qT gar I I | \ d 2 — D JJ ae ee ee "x I a 2 — pull a N 8 de 9 518 14 — Mundgliedmaßen. 15 — mit gewölbter Außen- bzw. Vorderfläche, und konkaver Innen- bzw. Hinterfläche — und laſſen je drei Ränder unterſcheiden: einen konvexen Außen— rand, einen konkaven Innenrand und einen geraden RN Vorderrand (Fig. 7A). Letzterer iſt gewöhnlich mit Fig. TA. Zähnen beſetzt und wird deshalb auch als „Kau— = rand“ bezeichnet, allerdings ſehr unzutreffend. Denn die Zähne dienen zu allem anderen, nur nicht zum Kauen; die mit Kaurand verſehenen Mandibeln ſind viel eher mit den Händen als mit den Kiefern des Menſchen vergleichbar. Die Ameiſen bedienen ſich ihrer als Waffen zur Verteidigung und zum Ergreifen und Zerreißen der Beutetiere, als Transportorgane zum Tragen der Brut, Herbei— ſchleppen von Baumaterial uſw., ferner als Grab— und Maurerwerkzeuge uſw. — Wo der Kaurand 55 fehlt, da ſind dieſe Funktionen weſentlich (von Formien sanguinea Litr.). R . f : Me. Außenrand, Mi. Innen⸗ reduziert und die Mandibeln ſind dann entweder Tun e e Dres nur noch als Waffe oder nur noch als Transport- Forel. organe zu gebrauchen, nicht mehr aber zum Graben, Mauern uſw. Die Träger ſolcher glatten („ſichel-“, Fig. 7B. „hakenförmigen“ oder „linearen“) Mandibeln (Fig. 7 ) find daher mehr oder weniger unſelbſt— ſtändig und auf Hilfe angewieſen. Wo alle Stände (G, 2, 3) einer Art damit bedacht find (wie z. B. bei den Amazonen- oder Säbelameiſen oder bei Anergates), da müſſen fremde Ameiſen, deren Mandibeln mit Kaurand verſehen ſind, zur Hilfe beſchafft werden (Sklavenraub, Paraſitismus); wo aber nur ein Stand (Z oder Soldat) glatte Ober- kiefer beſitzt, da nehmen ſich die anderen mit Kau— rand ausgerüſteten Geſellſchaftsmitglieder jenes an. Die Oberkiefer ſprechen alſo eine beredte Sprache — für den Biologen und erlauben vielfach einen ſicheren Mandibel ohne Kaurand Schluß auf die Lebensweiſe (3. V. bei den Stlaven⸗ (Won a e rutescons Lin), räubern). b) Die Unter- oder Mittelkiefer (Maxillen) beſtehen, wie bei allen Inſekten aus der Angel (Cardo), dem Stamm (Stipes), den Taſtern (Palpen) und den beiden Laden (Fig. 8). Letztere ſtellen dünne ovale oder dreieckige Platten dar, welche verſchiedentlich mit Borſten beſetzt ſind. Auf der Ober— fläche der Außenlade ſieht man parallel zu deren Innenrand eine Reihe Ge— ſchmackspapillen (Fig. 8, %.) und ferner einen Borſtenkamm (&), welcher als Reinigungsorgan dient (vgl. Kap. VI, 1). — Die Gliederzahl der Palpen ſchwankt zwiſchen 1 bis 6. — Aus dem Bau der Marillen (vor allem den dünnen zahnloſen Laden) geht deutlich hervor, daß die Ameiſen nur flüſſige oder halbflüſſige Nahrung zu ſich nehmen können. Ferner weiſt uns die verſchiedene Zahl der Palpenglieder darauf hin, daß nicht alle Ameiſen in 16 Morphologie. gleicher Weiſe zur ſelbſtändigen Nahrungsſuche begabt find. Solche Formen 3. B., welche nur ein Palpenglied beſitzen (Anergates), ſind dieſer Fähigkeit vollkommen bar und daher unbedingt auf die Fütterung durch andere Ameiſen angewieſen. c) Die Unterlippe, Hinterkiefer (Labium) beſteht aus dem Unterkinn (Submentum), dem Kinn (Mentum), den Lippentaſtern (Palpen), der Zunge (Gloſſa) und den Nebenzungen (Paragloſſen) (Fig. 9). Beſonders auffällig iſt die Zunge (Gloſſa): Dieſelbe iſt ſehr ſtark entwickelt, von länglich eirunder Form, in der Ruhelage etwa in der Mitte geknickt und wie ein Taſchenmeſſer ventralwärts zuſammengeklappt. Ihre Oberfläche iſt deutlich und tief gerieft. — Zu beiden Seiten der Zungenbaſis finden ſich die im Verhältnis zur Zunge gewöhnlich kümmerlich entwickelten Paragloſſen, die durch einen überaus kräftigen Plp. Fig. 9. Hyp. Pip. Sp. M. Sm. Maxille von Formica pratensis De Geer. 3 (nach Forel). C. Cardo, 9. Geſchmacks— Unterlippe Labium) und Hypopharynx von For- papillen, K. Borſtenkamm (Putzapparat), mica spec. (teilweiſe nach Hilzheimer). gl. Zunge, me. äußere Lade, mi. innere Lade, Hyp. Hypopharynx, M. Mentum, pgl. Paragloſſa, Pp. Palpen, St. Stipes. Pip. Palpen, Sm. Submentum, Sp. Speichelgang. Borſtenbeſatz ausgezeichnet find (Fig. 9, 90. ). — Die Zahl der Palpenglieder ſchwankt hier zwiſchen 1 und 4. — Die mächtige Entfaltung der Zunge ent— ſpricht der großen Rolle, welche dieſes Organ im Leben der Ameiſe ſpielt: es dient nicht nur zur Nahrungsaufnahme, ſondern auch zur Reinigung, zur Brutpflege und Krankenpflege. d) Mit dem Labium innig verbunden iſt der Hypopharynx. Nach den neueſten Studien Hilzheimers (1904) iſt derſelbe bei allen Hymenopteren vorhanden und manchmal ſogar noch ſo kräftig ausgebildet, daß er eigene Kauorgane zu tragen imſtande iſt (Vespa). Bei den Ameiſen iſt dies aller— dings nicht mehr der Fall, immerhin iſt er aber noch ſehr gut entfaltet, indem er am Submentum beginnt und, das ganze Mentum von oben verdeckend, ) Hilzheimer, der neuerdings Unterlippe und Hypopharynx der Hymenopteren vergleichend morphologiſch ſtudierte, glaubt, daß die früheren Autoren die Para— gloſſen gänzlich überſehen haben. Dies iſt aber ein Irrtum: ſchon Meinert (1860) hat die Paragloſſen ſehr deutlich abgebildet und auch als ſolche angeſprochen, ebenſo Wasmann, Adlerz u. a. Kopf. 17 nach vorn bis zu den Paragloſſen reicht. Er beſteht aus dem Stüßgerüft und dem Hypopharyngeallappen. Die überaus dünne Decke des letzteren trägt zwei Borſtenreihen, die zuſammen ein V bilden, und die — da die Spitze der Borſten mit hakenartiger Krümmung nach rückwärts gewendet ſind — wohl als Organe zum Feſthalten dienen. Morphologiſch dürften dieſe Borſtenreihen den „Kauorganen“ des Weſpen-Hypopharynx entſprechen. e) Im Anſchluß an den Hypopharynx iſt noch ein Organ zu nennen, deſſen morphologiſche Bedeutung noch nicht ganz klar gelegt iſt, nämlich die Infrabuccaltaſche ). Sie ſtellt eine runde, ziemlich große Höhlung dar, welche zwiſchen Speichelgang und Mundhöhle gelegen iſt (vgl. Fig. 5 J/be.). Nach Janet dient ſie hauptſächlich als Ablagerungs- und Verarbeitungsſtätte für Nahrungsabfälle und die bei der Reinigung abgekämmten Schmutzpartikel— chen (vgl. Kap. VI, 1); ferner nimmt das befruchtete 2 der pilzzüchtenden Atta⸗Arten in dieſer Taſche die zur Koloniegründung nötige Pilzmaſſe auf den Hochzeitsflug mit. f) Die Oberlippe (Labium) iſt eine quere, verſchiedengeformte (oft zweilappige) Platte, welche gewöhnlich unter dem Clypeus verborgen iſt. Sie iſt mit dieſem beweglich verbunden, ſo daß ſie aufgeklappt und zurückgeſchlagen werden kann. Letztere Stelle nimmt ſie in der Ruhelage ein; man ſieht dann auf der Hinterſeite des Kopfes von den Mundteilen außer den beiden Palpenpaaren nur das Labium und Mentum, alle übrigen Teile ſind von dieſen beiden verdeckt. g) Die Fühler (Antennen) inſerieren in einer beſonderen Grube (Fühlergrube) außerhalb der ſogenannten Stirnleiſten (Fig. 6, Stl.). Sie find ſtets gekniet und beſtehen aus Schaft und Geißel. Erſterer iſt ſtets ein— gliedrig und gewöhnlich nicht viel kürzer als die Geißel, nur bei den & iſt er mitunter etwas ſtärker verkürzt. Die Geißel beſteht aus 9 bis 13 Gliedern, in ſeltenen Fällen aus weniger (bei Epitritus z. B. nur aus 31). Gewöhn— lich werden die Geißelglieder terminalwärts dicker und größer, entweder allmählich oder mehr oder weniger unvermittelt, d. h. eine Keule bildend. Über die Funktion der Fühler ſ. Kap. X. h) Die Seitenaugen liegen am Seitenrande des Kopfes oder nahe demſelben an der Oberſeite und zwar entweder in der Mitte oder dem Scheitel oder dem Mandibulargelenk genähert. Sowohl bezüglich der Form als auch der Größe beobachten wir je nach der Spezies große Verſchieden— heiten. Es gibt einerſeits ſehr gut ſehende Arten, deren Augen aus einer großen Anzahl (1000 und mehr) Fazetten beſtehen, andererſeits aber auch ſehr ſchlecht ſehende mit nur ganz wenig (1 bis 10) Fazetten. Endlich gibt es auch Arten, die der Seitenaugen gänzlich entbehren 2). Auch je nach dem Geſchlecht bzw. Stande walten beträchtliche Unterſchiede bezüglich der Größe wie Form der Augen vor: am größten ſind fie bei den G, bei denen fie ge— ) Leider läßt Hilzheimer dieſes Organ vollkommen unberückſichtigt. Heymons (6me Congres internat. Zoolog., p. 458. Berne 1904) faßt es als „ein zum Hypo— pharynx gehörendes Gebilde“ auf. ) Typhlopone, Leptanilla, Anomma uſw. Eſcherich, Die Ameiſe. 2 18 Morphologie. wöhnlich halbkugelförmig gewölbt find, etwas kleiner find fie bei den 99, am kleinſten bei den Arbeitern. Die Größe der Differenzen läßt ſich am beſten durch die Zahl der Fazetten ausdrücken; es ſeien daher einige Bei- ſpiele (nach Forel) erwähnt: bei Formica pratensis & beträgt die Zahl der Fazetten etwa 1200, beim 9 830 und beim 8 etwa 600; bei Tapinoma erraticum ꝙ etwa 400, etwa 260, 8 etwa 100; Solenopsis fugax & etwa 400, etwa 200 und 3 etwa 6 bis 9; Ponera punctatissima 9 100 bis 150, 8 1 bis 30. — Dieſe Beiſpiele zeigen zugleich, daß durchaus nicht überall dasſelbe Verhältnis bezüglich der Augengröße der Stände herrſcht. Die größten Differenzen beſtehen bei unterirdiſch lebenden Ameiſen, da bei dieſen die Augen für die 83 überflüffig find, während die & und 99 deren zum Hochzeitsflug notwendig bedürfen (3. B. Solenopsis). Andererſeits find bei ſolchen Arten, welche oberirdiſch und offen niſten, die geringſten Unter- ſchiede zu finden (z. B. Formica). Die abſolute und relative Größe der Augen kann uns alſo ſehr wohl Anhaltspunkte für die Biologie der be— treffenden Ameiſen geben. i) Außer den Seitenaugen kommen den Ameiſen auch noch Stirnaugen zu, wenigſtens den & und 99, während fie bei den 38 häufig fehlen. Die Zahl der Ocellen iſt meiſtens 3, nur ganz ſelten 2 oder 1; bezüglich der Anordnung ſiehe Fig. 6. Bei den & find fie beſonders groß und ſtark gewölbt und liegen manchmal auch noch auf hervorragenden Höckern. 2. Der Bruſtabſchnitt. Der Ameiſenthorax beſteht aus vier Abſchnitten: dem Pro-, Meſo— und Metathorax und dem Epin otum!) („Segment médiaire“). Die erſteren drei ſetzen ſich aus Tergit und Sternit zuſammen; am Meſo- und Metathorax ſchieben ſich außerdem noch verſchiedene Platten („Epimerite“ und „Epiſternite“) zwiſchen Tergit und Sternit ein. Eine weitere Kom⸗ plikation erfährt das Thoraxſkelett dadurch, daß das Tergit des Meſo— thorax wieder in verſchiedene Teile zerfallen kann, welche als Meſonotum i. ſp., Proſcutellum („Paratteri“ Emerys) und Scutellum unterſchieden werden. Die Lage und Form der einzelnen Stücke wird aus Fig. 10A ohne weiteres klar. Nicht überall ſind dieſe Abſchnitte durch deutliche Nähte voneinander getrennt, es iſt dies im Gegenteil ein relativ ſeltenes Vorkommnis. Gewöhn⸗ lich haben mehr oder weniger ausgedehnte Verwachſungen ſtattgefunden. Bei den Geſchlechtstieren beſchränken ſich dieſelben meiſtens auf die Epimerite und Epiſternite (ſ. Fig. 10 B), bei den I dagegen gehen fie viel weiter, indem jeder Thorakalabſchnitt zu einem einzigen geſchloſſenen Ring ohne Nähte verſchmelzen kann, alſo Tergit + Epimerit + Epiſternit + Sternit. Auch die einzelnen Abſchnitte des Meſonotums (Meſonotum i. ſp., Proſcutellum und Scutellum) verwachſen bei den 88 zu einer einheitlichen Platte (ſ. Fig. 10 C). — Sehr konſtant und ſehr innig iſt ferner (ſowohl bei c' ) Nomenklatur nach Emery (1900). Bruſtabſchnitt. 19 und 9 als auch 3) die Verſchmelzung des Epinotums mit dem Metaſternit, weshalb die meiſten früheren Autoren erſteres ganz überſahen bzw. zum Meta— notum rechneten. Erſt Janet (1898) und Emery (1900) machten auf dieſen Irrtum aufmerkſam. Das Epinotum iſt häufig mit Dornen, Haken uſw. beſetzt. — Der Bau und die Form der Thorax iſt das wichtigſte Merkmal zur Unterſcheidung von 2 und 8, wie im nächſten Kapitel des näheren aus— geführt wird. Als Anhänge des Thorax kommen dorſal die Flügel (nur bei g und 9) und ventral die Beine in Betracht. Der Bau der erſteren (d. h. Fig. 10 D. — Thorax verſchiedener Ameiſen. A Thorax von Streblognathus aethiopicus F. Sm. 5 (Ponerine), ſeitliche Anſicht nach Entfernung der Flügel, Prothorax und Metathorax ſchraffiert; B Thorax von Platythyrea conradti Em. 2 (Ponerine) ſeitliche Anſicht; C Thorax von Camponotus fulvi- pilosus F. 3, ſeitliche Anſicht; D Thorax von Paraponera clavata Oliv. F, von oben geſehen; a, und a Vorder- und Hinterflügel, abd. Abdomen, em. Epimerit, es. Epiſternit, epn. Epinotum, fi. Flügelgelenk, msn. Meſonotum, mtn. Metanotum, pet. Petiolus, pn. Pronotum, prs. und psct. Proſcutellum, psts. Poſtſcutellum, sct. Scutellum, st. Sternit, stg. Stigma, teg. Tegula. Nach Emery. deren Geäder uſw.) kann hier übergangen werden und bezüglich der Beine ſei auch nur ein Organ, als für die Biologie wichtig, erwähnt, nämlich der „tibiotarſale Putzapparat“ der Vorderbeine. Derſelbe beſteht: 1. aus einem ſehr kräftigen gebogenen tibialen Sporn, welcher an ſeiner konkaven, dem Tarſus zugewandten Seite gekämmt iſt, 2. aus einem einreihigen tarſalen Kamm, welcher auf der dem Sporn gegenüberliegenden, mehr oder weniger ausge— höhlten Partie des erſten Tarſengliedes angebracht iſt und 3. aus einem von Drüſenporen durchſetzten Wulſt, welcher dieſen tarſalen Kamm in ſeiner 2 * 20 Morphologie. ganzen Länge begleitet. Der Sporn jtellt nach Janet (1895), welchem wir die eingehendſte Unterſuchung des Putzapparates verdanken, ein enormes, be⸗ weglich eingelenktes Haar dar (daher ſind die Zähne ſeines Kammes nicht hohl), während dagegen die Zähne des tarſalen Kammes echten, gelenkig mit der Cuticula verbundenen Sinneshaaren gleichkommen. Der Apparat dient vor allem zur Reinigung der Antennen, welche zwiſchen den beiden Kämmen durchgezogen werden; dadurch wird der an ihnen haftende Schmutz ab⸗ geſtreift, während das aus den tarſalen Drüſen ſtammende Sekret die ab— geſtreiften Partikelchen verbindet und jo deren Ent- fernung erleichtert (ſ. Kap. VI, 1). — Zu bemerken iſt noch, daß der Sporn keine eigene Muskulatur beſitzt und daher die Annäherung der beiden Kämme lediglich durch die Flexion des Tarſus gegen die Tibia bewirkt wird. Fig. 11. 3. Das Abdomen. Das Ameiſenabdomen zeichnet ſich beſonders dadurch aus, daß das erſte Segment oder die erſten zwei Segmente ſtark reduziert und verengt ſind, wo— durch „der eigentliche Hinterleib“ durch ein „Stiel- chen“ (Petiolus) vom Thorax getrennt erſcheint. Die Form und die Größe des Stielchens iſt bei den verschiedenen Gattungen und Unterfamilien recht ver ſchieden und hängt natürlich in erſter Linie davon ab, ob es ein- oder zweigliederig iſt. — Wo nur ein Stielchenglied vorhanden, da trägt dasſelbe dorſal eine mehr oder weniger hohe, verſchieden geſtaltete „Schuppe (ſ. Fig. 21). Iſt das Stielchen aber zwei⸗ 8 gliederig, ſo iſt das erſte Glied gewöhnlich vorn dünn und . usapparat zuylindriſch, hinten knotenförmig verdickt, und das zweite ler Akt: Glied in feiner ganzen Ausdehnung knotenförmig (ſiehe „e. Muskulatur, Sp. tibialer Fig. 5). Das erſte Glied hat außerdem „unten vorn fait Endſporn Tib. Tibia, immer einen kleinen Fortſatz als Hemmungsmittel für ai ac 5 5 die zu ſtarke Abwärtskrümmung des Stielchens, da ſich dieſer Fortſatz an das Metaſternum ſtemmt (Mayr)“. Du Stielchen verdankt die Ameiſe zum großen Teil ihre enorme Be⸗ weglichkeit und Gelenkigkeit und ihre Überlegenheit über alle anderen Inſekten. Die Beweglichkeit iſt natürlich um ſo größer, je länger das Stielchen, je lockerer die Artikulation ſeiner Glieder. Die zweigliederigen Stielchen ſind dem- nach den eingliederigen in dieſer Beziehung überlegen; ebenſo wie die Stielchen mit niederer Schuppe oder kleinem Knoten eine weit größere Beweglichkeit erlauben als die mit hoher Schuppe oder großem Knoten. Denn die Schuppe ſowohl wie die knotenförmigen Verdickungen ſtellen Sperrvorrichtungen dar, welche der Gelenkigkeit „eine beſtimmte Grenze ſetzen, über welche hinaus dieſelbe dem Tiere zum Schaden gereichen würde“ (Fenger 1862). Außerdem Abdomen. Darmkanal. 21 dürften ſie auch dazu dienen, dem Stielchen eine größere Feſtigkeit und einen größeren Schutz zu gewähren. Der auf den Petiolus folgende Abſchnitt (der „eigentliche Hinterleib“ oder „Gaſter“) artikuliert mit dem Stielchen gewöhnlich an ſeinem vorderſten Ende, nur bei einer Gattung (Crematogaster) an ſeiner Oberſeite (nahe dem Vorderende). Die Form des Gaſter kann je nach der Spezies ſehr verſchieden fein: rund, oval, länglich, herzförmig ufw. Bei den Ponerinen zeigt er zwiſchen dem erſten und zweiten Segment eine deutliche Einſchnürung (Beginn der Bildung eines zweiten Petiolusgliedes). Die Zahl der Gaſterſegmente beträgt gewöhnlich 4 beim 2 und 8, 5 beim . Das erſte Segment iſt in der Regel das größte, oft die Hälfte oder zwei Drittel des Gaſter bedeckend; bei Myrmica (und anderen Ameiſen) beſitzt es vorn dorſal eine geriefte Platte (ſ. Fig. 5 S.), auf welche ſich ein Fortſatz vom zweiten Stielchen— gliede anlegt, wodurch ein Stridulationsorgan gebildet wird; denn durch Reiben der Platte gegen den Fortſatz (bei Auf- und Abbewegen des Abdomens) entſtehen Geräuſche (ſ. Kap. VI). — Eine biologiſch beſonders bemerkenswerte Eigenſchaft des Gaſter iſt feine enorme Ausdehnungs— fähigkeit. Wir werden unten mehrfach Fälle kennen lernen, in denen der Gaſter zu einer rieſigen Kugel aufgeſchwollen erſcheint; die Segmentplatten ſind dann durch die dünnen Interſegmentalhäute weit voneinander getrennt. Dieſe Dehnbarkeit kommt nicht nur der Entwickelung der Eier zugute, ſondern wird auch zur Anſammlung großer Nahrungsvorräte benutzt (Honigameiſen, ſ. Kap. V, 2 b). Als Anhänge des Abdomens ſind die „Genitalanhänge“ und der „Giftſtachel“ zu nennen. Erſtere bieten lediglich morphologiſches und ſyſte— matiſches Intereſſe und können daher hier übergangen werden, letzterer ſoll im Zuſammenhang mit der Giftdrüſe noch erwähnt werden. B. Anatomie. 1. Der Darmkanal. Am Darmkanal der Ameiſen laſſen ſich in der Reihenfolge von vorn nach hinten folgende Abſchnitte unterſcheiden: Mundhöhle, Pharynx, Oſo— phagus, Kropf, Pumpmagen, Magen, Dünndarm und Rectum. Betreffs der Lage des Darmkanals und ſeiner Abſchnitte bitte ich den ſchematiſchen Durchſchnitt Fig. 5 zu Rate zu ziehen. Beſonders in die Augen fallend iſt die Länge der Oſophagus, welche durch das Vorhandenſein des Stiel— chens bedingt iſt. Denn erſt im Gaſter iſt Raum für Erweiterungen des Darmrohres vorhanden. Den Biologen intereſſiert vom Darmkanal haupt— ſächlich der letzte Abſchnitt des Vorderdarms, d. h. der Kropf und der „Pumpmagen“, denn dieſe ſpielen im ſozialen Leben der Ameiſen eine hervor— ragende Rolle. — Der Kropf ſtellt eine ſackartige Erweiterung des Vorder— darmes dar, in welcher die Ameiſen die Nahrung ſowohl für den eigenen Bedarf als auch beſonders zur ſpäteren Verteilung an ihre Kameraden und Larven aufſpeichern. Man kann ihn deshalb mit Forel recht wohl als 22 „ſozialen Magen“ bezeichnen. elaſtiſch, beſitzen aber nur eine ſchwache Muskulatur. Fig. 12 A. Kr. Pumpmagen A von Campo- notus spec, B von Plagiolepis spec.; a Kelchregion, ) Klappen— region, Kugelregion, d zylin— driſcher Abſchnitt, A Hohlraum der Kugel, Kgl. Kelchglocke, Kl. Kelchblätter, Kn. „Knopf“, Kr. Kropf, M. Magen, mr. Ringmuskulatur, mi. Längs- muskeln. Nach Forel und Emery. Anatomie. Seine Wände ſind dünn und ungeheuer Wie enorm die Dehn- barkeit des Kropfes ſein kann, darüber werden wir unten bei Beſprechung der Honigameiſen (Kap. V, 2 b) noch näheres erfahren. Der Kropf findet ſeine Fortſetzung in dem Pumpmagen (auch Kaumagen, Gesier oder Histeme genannt). Derſelbe dient einerſeits dazu, Nahrung vom Kropf in den Magen zu pumpen, andererſeits einen hermetiſchen Verſchluß zwiſchen Kropf und Magen herzuſtellen. Der Bau des Pumpmagens iſt keineswegs bei allen Ameiſen der gleiche, ſondern weiſt in den verſchiedenen Gattungen oder Unterfamilien ganz beträchtliche Differenzen auf, ſo zwar, daß er auch als ſyſtematiſches Gruppen— merkmal ſehr gut zu verwenden iſt. In ſeiner höchſten Ausbildung (bei den Camponotinen) be— ſteht er aus folgenden Abſchnitten: dem Kropf ſchließt ſich zunächſt der „Kelch“ an, in welchem man vier lange chitinöſe Blätter („Kelchblätter“, sepales) unterſcheiden kann. Weiter nach hinten folgt die verengte Region der Klappen und hinter dieſen ſehen wir wieder eine Erweiterung, welche als „Kugel“ bezeichnet wird. Dieſe drei Abſchnitte bilden den eigentlichen Schließ- und Pumpapparat. Derſelbe ſteht nun nicht direkt mit dem Chylusmagen in Verbindung, ſondern erſt vermittelſt eines engen Rohres, des ſogenannten „zylindriſchen Abſchnittes“, welcher im Inneren des Magens mit einer wulſtigen Vorragung, dem „Knopf“, endet (ſ. Fig. 12). Was die Mus⸗ kulatur des Pumpmagens betrifft, ſo handelt es ſich in der Hauptſache um Ringmuskeln (Konſtriktoren), welche beſonders kräftig in der Kugelregion aus— gebildet ſind; die Längsmuskeln treten dagegen ganz in den Hintergrund. Von den vielen Modifikationen, die der Pump— magen in den verſchiedenen Gattungen uſw. zeigt, ſeien nur einige hier erwähnt: Der Kelch bzw. die Kelchblätter können pilzhut- oder glockenförmig nach hinten umgeſchlagen ſein; dadurch rückt natürlich die Klappenregion nach vorn an die Grenze zwiſchen Pumpmagen und Kropf. Die umgeſchlagene Kelch— partie nennt man „Kelchglocke (Fig. 12 B, Kgl.). Dieſer Typus wird durch Plagiolepis und verwandte Gattungen repräſentiert. — Die Verkürzung des Pumpmagens, die hier angebahnt iſt, kann noch weiter fortſchreiten, indem auch die Klappenregion kürzer wird. Dadurch rückt die Kugelregion Darmkanal. Drüfen. 23 an die Kelchglocke und wird von dieſer ganz oder zum Teil verdeckt. Kommt nun noch hinzu, daß die Kelchglocke in den Kropf hineingezogen und daß ferner auch der „zylindriſche Abſchnitt“ ſtark verkürzt wird oder ganz ver— ſchwindet, ſo kann es den Anſchein haben, daß der Kropf direkt mit dem Chylusmagen in Verbindung tritt. Solche Typen finden wir in verſchiedener Ausbildung bei den Dolichoderinen. Ganz abweichend verhält ſich der Pumpmagen der Dorylinen, Pone— rinen und Myrmicinen. Hier können wir weder Kelch noch Kugel unter— ſcheiden, ſondern der ganze Apparat beſteht lediglich aus einem einfachen zylindriſchen, mit ſtarker Ringmuskulatur ausgeſtatteten Rohre, in deſſen Lumen eine Anzahl kräftiger chitinöſer Längsfalten vorſpringen. Die Beför- derung der Nahrung vom Kropf in den Magen geſchieht hier bei dieſen ein— fachen Apparaten nicht durch Pumpbewegung, ſondern durch periſtaltiſche Kontraktionen. Beim Ausbrechen der Nahrung (zum Zweck der Fütterung) ſpielt der Pumpmagen keine aktive Rolle, ſondern lediglich die eines Verſchlußapparates (vgl. auch Kap. V, 1). Auch der Kropf kann den Brechakt kaum einleiten, da deſſen Muskulatur dazu viel zu ſchwach iſt, deshalb glaubt Janet (1902) in dem Pharynx, der eine ſehr kräftige Muskulatur beſitzt, das Organ erblicken zu dürfen, welches das Ausbrechen bewirkt. Er nimmt an, daß durch beſtimmte Bewegungen des Pharynx eine Saug- und Pumpwirkung er= zielt wird, wodurch — je nach der Art und Reihenfolge der Kontraktionen — eine Füllung oder eine Entleerung des Kropfes erzielt wird. — Betreffs der Anatomie des Pumpmagens ſiehe beſonders Forel (1878) und Emery (1888). Die übrigen Abſchnitte des Darmkanals: der Chylusmagen, Dünndarm mit den Malpighiſchen Gefäßen (4 bis 50 an der Zahl), das ampullen— förmige Rectum mit den Rectaldrüſen weiſen keine Beſonderheiten auf und können hier übergangen werden. Die Drüſen der Mundregion und des Pharynx werden im Zuſammenhange mit den übrigen Drüſen im nächſten Abſchnitt noch beſprochen. 2. Die Drüſen. Drüſenſekrete ſpielen im Leben der Ameiſen (wie aller ſozialen Inſekten) eine große Rolle: ſie dienen als Verteidigungsmittel, zur Ernährung der Brut, als Kitt zum Erbauen der Neſter, als gegenſeitiges Erkennungsmittel (Legitimation) uſw. Kein Wunder alſo, daß der Ameiſenkörper eine ganze Reihe verſchiedenartiger Drüſen beherbergt. a) Drüſen der Mund- und Pharyngealregion. — Jedes Mund— extremitätenpaar beſitzt eigene paarige Drüſen, die wir als Mandibular-, Maxillar- und Labial- (oder Speichel-)drüſen unterſcheiden. Die Mandibulardrüſen („Glande mandibulaire* Janets, „glan- dula mandibulae“ Meinerts) ſind gut entwickelt und beſtehen aus zwei Teilen: dem drüſigen Teil, welcher aus einer großen Zahl einzelliger Drüſen beſteht, und dem voluminöſen Reſervoir, welches an der Baſis der Mandibeln mit einer ſpaltförmigen Offnung nach außen mündet. Die Lage des mäch— 24 Anatomie. tigen Drüſenorgans wird am beſten aus dem beigegebenen Frontalſchnitt erſichtlich (Fig. 13 gl. „ud. und Res. gl. und.). Die Maxillardrüſen („Glande maxillaire* Janets) find viel un⸗ ſcheinbarer als die vorhergehenden. Sie beſtehen aus einer Gruppe einzelliger Drüſen, deren Ausführgänge, zu Büſcheln vereinigt, durch ein Cribellum jederſeits in die vordere Partie der Mundhöhle einmünden (ſ. Fig. 13 gl. mg.). Die Labialdrüſe („glande labiale* Janets, glandulae pectorales Meinerts, Speicheldrüſen) gehört bezüglich ihrer (unpaaren) Mündung der Mundregion an, be— züglich des drüſigen Teiles aber der Brujt- region. Wenn wir ſie hier bei den Drüſen der Mundregion be— ſprechen, ſo tun wir dies im Hinblick auf ihre Entſtehung (aus einer Hauteinſtülpung der Labialregion). — Die paarigen Drüſen find ziemlich umfang= reich und liegen dem Oſophagus dorſal und lateral an (ſ. Fig. 5 gl. Jb.). Sie ſetzen ſich aus vielen Follikeln (Acini) zuſammen, welche in je einen Sammelkanal mün⸗ g den. Nach kurzem Frontalſchnitt durch den Kopf von Myrmica rubra L.; Aug. Seiten- augen, gl. md. Mandibulardrüſen, gl. mx. Maxillardrüſen, gl. Verlauf ſchon ver⸗ ph. Pharyngealdrüſen, Res. gl. md. Sammelreſervoir der Man⸗ einigen ſich dieſe bei⸗ dibulardrüſe. Nach Janet. u 5 den Kanäle zu einem unpaaren Kanal („Speichelgang“), welcher nach vorn zieht, um zwiſchen Labium und Hypopharynx nach außen zu münden (s. Fig. 5 D. gl. Ib.). Der Speichelgang zeichnet ſich durch eine deutlich geringelte Intima aus, wo— durch er etwas an Tracheen erinnert. Bei manchen Formen (z. B. Formica) ſind nach Meinert die paarigen Sammelkanäle vor ihrer Vereinigung noch zu einem ziemlich umfangreichen Reſervoir erweitert. Für die Pharynxreg ion kommt nur ein Drüſenpaar in Betracht, näm⸗ lich die Pharyngealdrüſe („glandes postpharyngeénes“ Janets, „glan- dula vertieis“ Meinerts, „cephalie salivary gland“ Lubbocks). Dieſelben werden gebildet durch paarige Ausſtülpungen der Wand des Vorderdarms, direkt hinter dem Pharynx. Sie ſtellen zwei Säcke mit handſchuhfingerartiger Verzweigung dar, welche ſich vor und über dem Gehirn ausbreiten. (Vgl. Fig. 5 gl. ph. und Fig. 13 gl. ph.) Fig. 13. 2 Aug. < S 8 x 2 2 D > 1 1 1005 EN Drüſen. 25 Was die phyſiologiſche und biologiſche Bedeutung der Mund— und Pharynxdrüſen betrifft, jo find wir darüber noch ſchlecht unterrichtet. Wir können nur Vermutungen äußern. Für die Verdauung dürften ihrer Lage nach nur die Maxillar- und vor allem die Pharyngealdrüſen in Be— tracht kommen, da ja nur dieſe in das Lumen des Vorderdarmes münden. Die Mandibulardrüſe liefert höchſtwahrſcheinlich den Kitt und den Mörtel zum Bauen; wir ſchließen dies daraus, daß bei den kartonfabrizierenden Ameiſen (Lasius fuliginosus), welche des Zementes in beſonderem Maße bedürfen, die fraglichen Drüſen beſonders gut entwickelt ſind (Meinert, Forel). Und was endlich die Labialdrüſe betrifft, ſo dürfte dieſe wohl bei der Brutpflege eine Rolle ſpielen („Beſpeicheln“ der Eier, Larven uſw. ſ. Kap. III). Mehr läßt ſich heute noch nicht darüber ſagen. b) Thorakale Drüſen. — Außer der Labialdrüſe kommt dem Thorax nur noch eine paarige Drüſe zu, welche Meinert als „Glandula meta— thoracis“ und Janet als „Glande de l’anneau médiaire“ bezeichnet. Dieſelbe liegt im Segment mediaire (zu beiden Seiten) und iſt ziemlich ſtark entwickelt (ſ. Fig. 5, Gl. metath.); ſie ſetzt ſich aus zahlreichen ein— zelligen Drüſen zuſammen, deren Ausführkanälchen durch eine Siebmembran in eine geräumige mit Luft gefüllte Höhlung münden. Letztere iſt (wenigſtens bei Myrmica) nur durch einen ſchmalen Spalt nach außen ge— öffnet. Nach Janet dient das Sekret dieſer auffallenden Drüſe vielleicht dazu, den für die gegenſeitige Erkennung ſo wichtigen Neſtgeruch auf dem Körper der Ameiſe zu fixieren. ce) Abdominale Drüſen. — Als Abdominaldrüſen kommen außer einigen kleinen intraſegmentalen Hautdrüſen (ſ. Fig. 5, gl. 9 und gl. 12) vor allem die Giftdrüſe und die Analdrüſen in Betracht. Die „Giftdrüſe“ findet ſich bei den Weibchen und Arbeitern aller Ameiſen und zwar ſtets in der hinteren Region des Abdomens ventral von der Rectalampulle gelegen. Sie ſtellt einen ziemlich komplizierten Apparat dar, an dem man folgende Teile unterſcheiden kann: 1. den giftſezernierenden Abſchnitt (die eigentliche Drüſe), 2. das Sammelreſervoir (Giftblaſe), 3. den ausführenden Abſchnitt (mit oder ohne Stachel) und 4. die Nebendrüſe (oder acceſſoriſche Drüſe). Nach der Form und gegenſeitigen Lagerung dieſer Ab— ſchnitte unterſcheidet Forel zwei Haupttypen, welche er als „Giftblaſe mit Polſter“ und „Giftblaſe mit Knopf“ bezeichnet. Bei beiden Typen zeigt die eigentliche Giftdrüſe einen tubulöſen Bau, und beſteht aus einfachen Röhren, deren Wände durch die Drüſenzellen ge— bildet werden. Man kann einen paarigen und unpaaren Teil an ihr unter— ſcheiden: erſterer iſt frei, letzterer mit der Giftblaſe innigſt verbunden bzw. in ſie eingeſchloſſen. Handelt es ſich nun um den erſten Typus („Giftblaſe mit Polſter“) ſo treten die beiden freien Drüſenenden dorſal am hinteren (diſtalen) Ende der Giftblaſe in dieſe ein, indem ſie zugleich zu einem einzigen Rohr verſchmelzen. Dieſer unpaare eingeſchloſſene Drüſenabſchnitt iſt enorm lang — Forel maß 20 em! — und muß ſich deshalb in unzählige Windungen zuſammenlegen. Dadurch wird ein großes, ovales, dichtes Polſter gebildet, welches die dorſale Decke der Giftblaſe darſtellt (Fig. 14). Die eigentliche 26 Anatomie. Mündung des Drüfenrohres in das Lumen der Giftblaſe liegt dem proximalen Ende derſelben genähert. — Beim zweiten Typus (Giftblaſe „mit Knopf“) dagegen vereinigen ſich die paarigen freien Drüſenenden am proximalen Ende (am Gipfel) der Giftblaſe und treten hier als unpaares Rohr in dieſelbe ein. Die Eintrittſtelle iſt jedoch (wie ja auch beim erſten Typus) nicht gleichbedeutend mit der Mündung, ſondern das Drüſenrohr ſtülpt die Blajen- intima vor ſich ein und mündet erſt nach mehrfachen Windungen mehr oder weniger weit von der Eintrittsſtelle entfernt mit einer knopfförmigen Ver⸗ dickung („Knopf“) in das eigentliche Blaſenlumen (Fig. 14 B). Zu dieſen Unterſchieden der beiden Typen treten auch noch weſentliche Differenzen in der Bildung der ausführenden Abſchnitte: beim erſten Typus iſt der Ausführkanal ſehr breit, nur wenig ſchmäler als die Blaſe und mündet, von einigen Stützbalken umgeben, frei ohne Stachel in die Kloake; beim zweiten Typus iſt der Ausführkanal ſehr ſchmal und dünn und ſteht mit einem Stachel in Verbindung. Was die „Neben- drüſe“ betrifft, ſo iſt dieſelbe bei beiden Typen ziemlich übereinſtim— ker: mend gebaut: fie ftellt Fr. - Giftapparat A von Formica rufibarbis 83; B von Myrmica laevi- einen ſchlauch⸗, kugel⸗ nodis 9: Ausf. Ausführgang des Giftapparates, Bl. Sammel⸗ oder birnförmigen Sack blaſe, Fr. freie Enden der Drüſe, J. in die Blaſenintima ein⸗ geſchloſſener Teil des Drüſenſchlauches, Kn. „Knopf“, u. Mün⸗ dar, deſſen Wand durch g ei Ballen, N. Stachel, St K. Shamelzubiment die Dräſenzelken gebälde: wird und deſſen Mün⸗ dung direkt neben bzw. ventral von der Blaſenmündung gelegen iſt, von dieſer nur durch eine ſchmale Falte geſchieden. Auf die Morphologie des Stachels will ich nicht näher eingehen und verweiſe in dieſer Hinſicht auf die Arbeiten von Kraepelin, Dewitz, Beyer und Janet (1898). Nur das ſei hier erwähnt, daß die vollkommenſte Ausbildung des Stachels bei den Ponerinen, Myrmicinen und teilweiſe auch noch bei den Dorylinen zu finden iſt, während er bei den Dolichoderinen nur noch ſehr klein und ſchwach und bei den Camponotinen gänzlich rück— gebildet bzw. nur noch in einigen als Stüßbalfen dienenden Chitinſpangen vorhanden iſt. Der Giftapparat bildet die Hauptverteidigungs waffe der Ameiſen. Wo ein Stachel vorhanden, wird das abgeſchiedene Gift direkt in den Körper des Feindes injiziert; wo aber der Stachel rückgebildet iſt, da beißen die Ameiſen zuerſt mit ihren Mandibeln eine Wunde in den feind— Fig. 14. Drüfen. 27 lichen Körper, krümmen dann ihren Hinterleib nach vorn, um jo das Gift in die Bißwunde zu ſpritzen. Wie weit die ſtachelloſen Ameiſen (Camponotini) ihr Gift zu ſpritzen vermögen, kann man am beſten dadurch erfahren, daß man an einem heißen Sommertag einen größeren „Haufen“ der Wald— ameiſen beunruhigt: ein dichter, meterweit reichender Sprühregen ergießt ſich ſogleich aus der Neſtkuppel, Geſicht und Hände des Friedensſtörers be— feuchtend. Da die Blaſe ſelbſt nur eine ſchwache Muskulatur beſitzt, ſo müſſen wir annehmen, daß das Gift durch indirekte Muskelwirkung (Bauchpreſſe) ejiziert wird. Die Wirkung des Ameiſengiftes !) auf den Menſchen iſt nur unbedeutend und äußert ſich meiſtens nur in ſehr geringfügigen lokalen Entzündungen. Nur einige tropiſche Ameiſen können ſchmerzhafte, auch mit Allgemein— erſcheinungen verbundene Verletzungen verurſachen. — Um ſo verderblicher iſt die Wirkung des Giftes auf Ameiſen und andere Inſekten; hier wirkt es Fig. 15 A. Bl. Fig. 15 B. 4 Dr: 8 A Analdrüſe von Bothriomyrmex meridionalis g; Bas. unpaarer diſtaler Abſchnitt der Sammel— blaſe (Bl.), Dr. Drüſen, Md. Mündung des Drüſenganges in die Blaſe, 0. Mündung der Sammel— blaſe nach außen. B Topographie der Kloakengegend derſelben Ameiſenart; A. Analdrüſe, D. Darm, 6. Giftapparat, I. Geſchlechtsorgan. Nach Forel. meiſtens todbringend. Auch ohne daß es in eine Wunde eingedrungen, ruft die bloße Berührung oft ſchon Betäubungen hervor. Wenn man eine Anzahl Ameiſen in eine Glasröhre zuſammenſperrt und ſie zum Giftſpritzen reizt, ſo gehen ſie in kurzer Zeit an ihrem eigenen Gift zugrunde. — Die Ameiſen tragen allerdings ein Gegenmittel bei ſich und zwar in Drüſen, die ein alkaliſches Sekret ausſcheiden. Doch ſind die Sekretmengen zu klein, um ſolche gewaltigen Säureergüſſe zu neutraliſieren. Janet glaubt, daß unter anderen auch die „Nebendrüſe“ ein alkaliſches Sekret produziert, welches ) Über die Natur des Ameiſengiftes iſt man noch keineswegs im Klaren. Man nennt zwar gewöhnlich die Ameiſenſäure als eigentliches Gift, doch iſt dieſe Anſchauung nach von Fürth (1903) keineswegs gerechtfertigt. „Überall wo man die Ameiſenſäure für die Giftwirkung eines Sekretes verantwortlich gemacht (Bienen, Prozeſſionsraupen, Brenneſſeln), konnte die Annahme einer ſtrengen Kritik nicht ſtandhalten. Man geht alſo ſchwerlich fehl, wenn man das Gift der Ameiſen als eine ihrer Natur nach unbekannte Subſtanz bezeichnet.“ 28 Anatomie. dazu dient, den beim Ausſpritzen im Stachel und deſſen Umgebung ver⸗ bleibenden Säurereſt zu neutraliſieren. Wir haben endlich noch die Analdrüſen zu beſprechen. Dieſe ſind nicht, wie die Giftdrüſen, Gemeingut aller Ameiſen (bzw. der 9 und 8), ſondern kommen nur in der Unterfamilie der Dolichoderinen vor. Sie liegen im hinteren Ende des Abdomens über dem Darm, ſind paarig angelegt und beſtehen: erſtens aus je einer ziemlich großen Sammelblaſe, welche bis zur Mitte des Abdomens nach vorn reichen kann, und zweitens aus dem der Blaſe ſeitlich angelagerten drüſigen Organ. Letzteres ſetzt ſich aus lauter einzelligen Drüſen zuſammen, welche ihr Sekret in einen ge— meinſamen Kanal ergießen; dieſer mündet nahe dem diſtalen Ende in die Blaſe (ſ. Fig. 15 A und B). Die beiden Blaſen vereinigen ſich gewöhnlich in ihrer hinteren (diſtalen) Hälfte und münden mit einer gemeinſamen unpaaren Offnung nach außen bzw. in die Kloake, direkt oberhalb der Anusöffnung. Was die biologiſche Bedeutung der Analdrüſen betrifft, jo dienen dieſelben bzw. deren Sekret nach Forel ebenfalls zur Verteidigung. Wenn Tapinoma oder andere Dolichoderinen ſich zu verteidigen haben, ſo ſuchen fie ihre Feinde mit ihrem Abdomen zu berühren, aus deſſen Spitze eine „hell— weiße ſchaumige Flüſſigkeit“ hervorquillt. Letztere erzeugt bei den davon betroffenen Feinden eine außerordentlich heftige Wirkung. Das Analdrüſen— ſekret von Tapinoma beſitzt einen ſehr ſtarken charakteriſtiſchen Geruch, bei Bothriomyrmex, Dolichoderus u. a. erſcheint es dagegen geruchlos. 3. Das Nervenſyſtem. Vom Nervenſyſtem intereſſiert uns hier nur das Oberſchlundganglion (das Gehirn); denn nur dieſes bietet mit dem ſozialen Leben zuſammen— hängende Beſonderheiten dar, während die übrigen Abſchnitte (Bauchmark ), periphere Nerven) dem allgemeinen Typus entſprechen. Durch eine ſenkrechte Mittelfurche wird das Ameiſengehirn in zwei ſymmetriſche Hälften (eine rechte und linke) geteilt, an denen man nach Rabl— Rückhard (1875) folgende Hauptabſchnitte unterſcheiden kann (Fig. 16 A., W. und M.): 1. Die von Leydig als „primäre Hirnlappen“ bezeichneten Anſchwellungen, welche gewiſſermaßen den „Grundteil“ des Organs bilden („Gehirnſtamm“ Forels), 2. die jeden Primärlappen nach oben bedeckende „Helm- oder pilzhutförmige Hirnpartie“, 3. die nach unten an die Primärlappen ſich anſchließenden Anſchwellungen für die Antennen- nerven (Lobi olfactorii) und endlich 4. die beiderſeits an die äußere Spitze des Gehirnſtamms ſich anlegenden Sehlappen (Lobi optici) nebſt den aus ihnen hervorgehenden Sehnerven (Nervi optici). Charakteriſtiſch für das Ameiſengehirn iſt der zweite Abſchnitt, die „pilzhutförmige Hirnpartie“, in derſelben fallen zunächſt jederſeits zwei ) Die Zahl der Bauchganglien und ihre Lage iſt auf dem ſchematiſchen Längsſchnitt Fig. 5, Ne. zu erſehen. Nervenſyſtem. 29 U-förmig gekrümmte Gebilde auf (Fig. 16 C. p.), welche als „Corpora pe— dunculata“ oder als „Du jardinſche Körperchen“ bezeichnet werden. Die— ſelben ſind umgeben von einer mehr oder weniger dicken zelligen Schicht (zellige Großhirnrinde). Jedes der Corp. pedunculata iſt ferner durch einen „Stiel“ mit dem Gehirn- ſtamm verbunden. Die Cor- pora ſowohl als der Stiel laſſen eine höchſt feine fibrilläre Struktur erkennen. Die „pilzhutförmigen Körper“ laſſen ſich zwar auch bei den meiſten übrigen Inſekten nachweiſen, jedoch nur in ganz ſchwacher Ausbildung. Eine derartig mächtige Entfaltung, wie ſie bei der Ameiſe vor— kommt, finden wir ſonſt nur noch bei den höchſtſtehenden ſozialen Inſekten, den Bienen und Weſpen. Wir dürfen daher wohl mit gutem Rechte annehmen, daß die auf- fallend ſtarke Entwickelung der Corpora pedunculata und der zelligen Rindenſchicht mit den durch das ſoziale Leben be— dingten höheren geiſtigen Fähig— keiten im Zuſammenhang ſtehen, d. h., daß die Plaſtizität der Gehirntätigkeit von dem Grade der Ausbildung jener abhängt. Wir ſind dazu um ſo mehr berechtigt, als die „pilzhut— förmigen Körper“ bei den ver— ſchiedenen Ständen der Ameiſen \ (Männchen, Weibchen und Schematiſcher Durchſchnitt durch das Gehirn (Ober⸗ ſchlundganglion) von Lasius fuliginosus Ltr. X. Arbeiter, Arbeiter) große Differenzen W. Weibchen, M. Männchen, C. p. Corpora pedunculata, g n Co, Commiſſuren (Stiele d. Corp. pedunculata), H. zellige aufweiſen, beim 0. ſind ſie Großhirnrinde, L. olf. Lobus olfactorius, L. opt. Lobus ganz rudimentär, beim Q ziem⸗ opticus, N. olf. Riechnerv, N. opt. Sehnerv, 0. Ocellen, R R N R. rudimentäres Großhirn des FL, St. Gehirnſtamm. lich gut entwickelt (etwa von Nach Forel. der Höhe des Gehirnſtammes) und beim Arbeiter ſtellen ſie den mächtigſten Teil des ganzen Gehirns dar und erreichen faſt die doppelte Höhe des Gehirnſtammes (ſ. Fig. 16 A., W. und M.). Und dieſe Unterſchiede entſprechen vollkommen der Höhe der geiſtigen Fähig— keiten bzw. der Anteilnahme am ſozialen Leben, wie wir unten noch mehr— fach erfahren werden. Fig. 16. 30 Anatomie. 4. Die Geſchlechtsorgane. Auf die Anatomie der männlichen Geſchlechtsorgane brauche ich mich nicht näher einzulaſſen, denn ſie bietet kein ſpezielles Intereſſe für die Biologie dar. Die weiblichen Organe dagegen müſſen wir wenigſtens einer kurzen Betrachtung unterziehen: Sie beſtehen wie bei den meiſten Inſekten 1. aus den paarigen Ovarien, 2. aus den paarigen Eileitern, 3. aus dem unpaaren Uterus mit der Vesicula seminalis und 4. der ebenfalls unpaaren Vagina mit der Begattungstaſche. Die Ovarien ſetzen ſich aus einer Anzahl Eiröhren zuſammen, in denen Ei⸗ und Nährkammern abwechſeln. Die Zahl der Eiröhren iſt ungeheuer verſchieden und kann je nach der Gattung zwiſchen zwei (Ponerinen) und mehreren Hundert (Eciton) ſchwanken. — Beſonderes Intereſſe beſitzt das veceptaculum seminis: dasſelbe iſt eine annähernd runde, unpaare A Ovarium von Leptothorax emersoni Wheel. ; Be. Bursa copulatrix, Rec. Receptaculum seminis (nach Holliday): B Schematifcher Längsſchnitt durch den weiblichen Ausführweg; Be. Bursa copulatrix, gft. Giftdrüſe, gl. rec. Anhangsdrüſe des Receptaculum, Ne. Nebendrüſe (des Giftappa= rates), Ov. Oviduet, Rec. Receptaculum, Pa. Vagina, Vg. Verbindungsgang zwiſchen Receptaculum und Vagina. Nach Janet. Blaſe, welche mit dem Uterus durch einen engen Kanal in Verbindung ſteht. Die Innenwand der Blaſe zeigt in der Umgebung der Mündung des letzteren mehrfach Faltenbildungen. Gewöhnlich münden auch noch ein Paar kleiner Anhangsdrüſen in das Blaſenlumen. Das Receptaculum wird nur einmal im Leben des 9 (auf dem Hochzeitflug) mit Spermatozoen gefüllt, und da die Ameiſenweibchen mitunter ein ſehr hohes Alter (9 bis 10 Jahre) erreichen und dabei fruchtbar bleiben, ſo müſſen die Spermatozoen ebenſoviele Jahre lebend in dem Receptaculum erhalten bleiben. Über die Verſchlußmechanik des Spermaganges wie über die Art und Weiſe, wie die Spermatozoen von der Blaſe in den Uterus geſchafft werden, darüber wiſſen wir noch nichts näheres ). ) Bei den Bienen iſt, wie Breßlau in jüngſter Zeit gezeigt hat, der Ver— ſchlußapparat viel komplizierter als man bisher angenommen hat. Er ſtellt eine richtige Pumpe dar, welche die Spermatozoen aus der Blaſe in den Uterus pumpt (Spermapumpe). Geſchlechtsorgane. Literatur. 31 Auch die Frage, ob jedes den Uterus paſſierende Ei befruchtet wird, oder ob manche Eier auch unbefruchtet die Vagina verlaſſen, iſt noch nicht endgültig gelöſt. — Die Verbindung des Receptaculum mit dem Uterus, ferner die Form und Lage der Begattungstaſche und die Mündung der Vagina iſt am beſten aus dem ſchematiſchen Längsſchnitt, Fig. 17 B zu erſehen. Bisher haben wir nur die Geſchlechtsorgane der echten Weibchen im Auge gehabt; wir müſſen nun noch einen Blick auf die Geſchlechtsorgane der Arbeiter werfen. — Gewöhnlich ſtellt man die Arbeiter als Weſen mit rudimentären Geſchlechtsorganen den Königinnen gegenüber. Dieſe Auffaſſung iſt aber durchaus nicht überall zutreffend; im Gegenteil — die meiſten Arbeiter beſitzen noch relativ gut entwickelte Geſchlechtsorgane und ſind auch fähig, Eier zu legen (vgl. Kap. III). Auch die Anſchauung von Adlerz, daß den Geſchlechtsorganen der Arbeiter ſtets das Receptaculum seminis fehlen ſoll, konnte Miß Holliday als irrtümlich nachweiſen, indem ſie bei einer großen Anzahl echter Arbeiter ein deutliches Receptaculum auffand. — Übrigens verhalten ſich die einzelnen Gattungen und Arten ungeheuer verſchieden bezüg— lich des Unterſchiedes der Geſchlechtsorgane von 2 und 8. Sehr groß iſt derſelbe bei den Dorylinen, wo z. B. die Königin von Eeiton mehrere hundert Eiröhren beſitzt, während bei den Arbeitern die Ovarien vollkommen rückgebildet ſind. Auch bei den Camponotus-Arten iſt die Differenz ziemlich auffällig und verhält ſich die Zahl der Eiröhren von 2 und 8 etwa wie 7 bis 10:1. — Das Gegenteil davon ſehen wir bei den Ponerinen, bei denen die Geſchlechtsorgane von 9 und 8 nur wenig verſchieden find; ganz ähnlich verhalten ſich auch gewiſſe Leptothorax und viele andere Ameiſen. Literatur. Adlerz, Gottfr., Myrmecologiska Studier 2, Stockholm 1886. 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Normalerweiſe unterſcheiden wir drei Formen: geflügelte Männ— chen (.), geflügelte Weibchen (2) und ungeflügelte Arbeiter (8). Nur in ganz ſeltenen Aus- nahmen, bei paraſitiſch lebenden Ameiſen (Anergates, Epoecus uſw.) iſt die Arbeiterform in Wegfall ge— kommen; ſonſt findet ſie ſich überall. In vielen Fällen kommen aber zu den drei klaſſiſchen Formen durch weitere ſekundäre Spaltung noch mehrere andere hinzu; oder es können auch die normalen Formen durch andere vertreten werden, wie z. B. die ge— flügelten Männchen durch unge— flügelte ufſw. Der Polymorphismus iſt alſo keineswegs bei allen Ameiſen nach dem typiſchen Schema durch— geführt, ſondern dasſelbe iſt häufig Die drei typiſchen Formen: M Männchen a. ſtark modifiziert und kompliziert. 2 re ee Eſcherich, Die Ameiſe. 3 34 Polymorphismus. 1. Die drei typiſchen Formen. Wo der normale Trimorphismus vorliegt, da iſt die Unterſcheidung der drei Stände leicht. a) Männchen () und Weibchen (9). Die beiden typiſchen Ge= ſchlechtsformen haben den Beſitz von Flügeln und als Folge davon die ſtarke Entwickelung des Meſothorax, und ferner das Vorhandenſein von drei Stirn- ozellen gemeinſam; andererſeits aber unterſcheiden ſie ſich in mehreren Punkten ſehr weſentlich voneinander. Die auffälligſte Differenz beſteht in der Kopfbildung: Der Kopf des < iſt unverhältnismäßig kleiner uud flacher als der des 2, dabei find die Seiten— augen des erſteren gewöhnlich viel größer als die des letzteren. Auch die Fühler des & verhalten ſich häufig verſchieden von denen des 2, indem fie aus einer größeren Gliederzahl beſtehen können oder durch ſtarke Verkürzung des Schaftes der charakteriſtiſchen Teilung in Schaft und Geißel ganz zu ent= behren ſcheinen. Die Kiefer des & ſind meiſt ſchwächer als die des 2. Das Abdomen des bejteht gewöhnlich aus ſieben, beim Q nur aus ſechs ſicht— baren Segmenten. Der Habitus des co tft faſt immer viel ſchlanker und zarter als der des 9. Zu dieſen morphologiſchen Unterſchieden kommen häufig auch noch Fär— bungsdifferenzen hinzu: jo findet man nicht ſelten bei Arten, deren g9 und 8 hell gefärbt find, dunkle oder gar ſchwarze & (3. B. Polyergus) und auch umgekehrt bei ſchwarzen 29 helle & (3. B. Myrmecocystus) uſw. Bezüglich der geiſtigen Fähigkeiten iſt das ? dem & weit überlegen; denn letzteres hat nur „ſehr ſchwache Inſtinkte und ganz rudimentäre oder man— gelnde geiſtige Plaſtizität“, entſprechend dem rudimentären Großhirn, während das Weibchen ein gut entwickeltes Gehirn und ebenſo gut entwickelte geiſtige Fähigkeiten beſitzt. p) Weibchen und Arbeiter. Die Arbeiterform iſt aus der Weibchen— form hervorgegangen durch Rückbildung der Flügel und durch Reduktion der Geſchlechtsorgane. Auf dieſen beiden Momenten baſieren auch die durch— greifendſten Unterſcheidungsmerkmale zwiſchen ? und 8. Das Fehlen oder Vorhandenſein von Flügeln hat natürlich einen weſentlichen Einfluß auf die Konfiguration des Thorax, ſpeziell des Meſothorax. Entſprechend der kräftigen Muskulatur, welche für die Flügel nötig iſt, iſt dieſer Bruſtabſchnitt beim e ungleich voluminöſer als beim 8: bei letzterem iſt das Meſonotum kaum größer, oft ſogar viel kleiner als das Pronotum, beim 2 dagegen iſt es enorm vergrößert, und zwar auf Koſten des Pronotum, welches auf ein ſchmales hufeiſenförmiges Stück reduziert, vom Meſonotum dorſal vollkommen über⸗ lagert iſt (ſ. Fig. 21, B und C). Ferner iſt der weibliche Meſothorax auch diſtalwärts beträchtlich verlängert, indem ſich ihm noch mehrere geſonderte Stücke wie das Proſcutellum, Scutellum, und Poſtſcutellum nach hinten zu anreihen, während dieſe Stücke dem Arbeiter größtenteils fehlen. Da nun die dorſalen Bruſtabſchnitte beim 2 auch viel ſtärker gewölbt, und endlich auch die ſternalen Abſchnitte mächtiger entfaltet find, jo ergibt ſich eine auf- Die drei typiſchen Formen. 35 fallende Höhe des weiblichen Thorax, welcher die Höhe des Arbeiterthorax um das Doppelte übertreffen kann (vgl. Fig. 21, 5 und C). Die Form des weiblichen Thorax wird dadurch ſo charakteriſtiſch, daß an ihm das 9 stets leicht zu erkennen iſt, auch wenn es ſeine Flügel abgeworfen hat und auch vielleicht ſonſt dem 3 ſehr ähnlich ſein ſoll. Was nun das zweite Moment, die Entwickelung der Geſchlechtsorgane betrifft, ſo wird dadurch die Form und die Größe des Hinterleibes in Mit— leidenſchaft gezogen, inſofern, als er bei gut entwickelten Ovarien größer und gewölbter iſt als bei ſchwächer entwickelten oder rudimentären. So laſſen ſich denn die 38 von den 99 auch an dem merklich kleineren und flacheren Abdomen gewöhnlich gut unterſcheiden. Auch bezüglich der geſamten Körpergröße exiſtieren vielfach auffallende Unterſchiede zwiſchen 2 und 8. Manchmal find die Größendifferenzen ganz koloſſale, wie z. B. bei den Dorylinen (ſ. Fig. 19) oder bei Carebara vidua, deren 8 winzig klein iſt und kaum 1½ mm Länge erreicht, deren 2 dagegen nicht weniger als 22 am lang und Smm breit wird — ein Fall, der ziem- lich vereinzelt im ganzen Tierreich daſtehen dürfte. Gewaltige Größendiffe— renzen herrſchen auch bei vielen unſerer einheimiſchen Arten, ſo in der Gattung Lasius, Tetramorium, Pheidole, Crematogaster, Acantholepis, Pla- giolepis u. a. Andererſeits gibt es aber auch Arten, deren 2 und 8 bezüglich ihrer Körpergröße nur wenig oder gar nicht voneinander abweichen (ver— ſchiedene Ponerinen, Leptothorax uſw.). Und zwiſchen dieſen Extremen ſtehen eine Reihe Zwiſchenſtufen mit mäßigen Größendifferenzen, wie fie z. B. die Formica- und Camponotus-Arten aufweiſen. Als ein weiterer Unterſchied zwiſchen 2 und s iſt die Bildung des Kopfes zu erwähnen: Der Kopf des z iſt relativ größer und gewölbter als der des 9; ſodann fehlen dem erſteren die drei Stirnozellen gewöhn— lich ganz oder find nur ſchwach entwickelt, während fie beim 9 ſtets gut ausgebildet find. Die Seitenaugen find beim 8 meiſtens kleiner als beim e. Der weibliche Kopf nimmt alſo bezüglich der Größe als auch der Augen— bildung gewiſſermaßen eine Mittelſtellung zwiſchen dem männlichen Kopf einerſeits und dem Arbeiterkopf andererſeits ein. Die geiſtigen Fähigkeiten der 38 find, entſprechend der mächtigen Entfaltung des Großhirns, hoch ent— wickelt, was ſich beſonders in einer auffallenden geiſtigen Plaſtizität kundgibt. 2. Atypiſche Formen und weitere Formſpaltungen. Die hier beſprochenen drei typiſchen Formen können, wie ſchon geſagt, entweder durch andere (atypiſche) vertreten werden oder durch Spaltung noch um eine oder mehrere vermehrt werden. 4 Die verſchiedenen männlichen Formen. Außer der typiſchen geflügelten Form kommen mehrfach auch atypiſche unge— flügelte & vor. Wir kennen bis jetzt zwei verſchiedene Kategorien ſolcher: a) Degenerierte o* (der paraſitiſch lebenden, arbeiterloſen Gattung Anergates), deren phylogenetiſche Abſtammung aus geflügelten c „durch 3* 36 Polymorphismus. die ganze Geſtalt und das Vorhandenſein embryonaler Flügelanlagen in der Puppe ſowie kleiner Flügelnarben bei der Imago als nachgewieſen betrachtet werden kann“ (ſ. Fig. 49). b) Ergatomorphe ꝙ &, welche von dem typischen Ameiſenmännchen habituell ſtark verſchieden find und viel mehr den 3% gleichen, jo zwar, daß es manchmal ſchwer wird, fie von denſelben zu unterſcheiden. Dieſe merf- würdige Männchenform kommt bei verſchiedenen Gattungen vor, ſo bei Cardiocondyla, Formicoxenus, Ponera-Arten uſw. Die ergatomorphen GO ſcheinen die geflügelten ſtets vollkommen zu erſetzen, denn noch bei keiner Art find die beiden Formen gleichzeitig nebeneinander nachgewieſen worden ). Wie find ſolche Männchen entſtanden? „Die Frage iſt noch ganz unklar, ob⸗ wohl im erſten Moment die Regreſſion eines normalen Männchens, das ſeine Flügel allmählich verliert und ſchließlich arbeiterähnlich wird, als wahrſchein— lichſte Erklärung erſcheint“ (Forel). Daß der Ergatomorphismus der & & nicht monophyletiſch entſtanden iſt, braucht in Anbetracht des getrennten ſpontanen Vorkommens bei den ver— ſchiedenſten Gattungen kaum betont zu werden. Es handelt ſich hierbei zweifellos um Konvergenzerſcheinungen, deren Urſache hauptſächlich im Auf— geben des Hochzeitsfluges zu ſehen iſt. Die verſchiedenen weiblichen Formen. Im weiblichen Geſchlechte ſind eine ganze Anzahl atypiſcher Formen be— kannt, und zwar nicht nur ungeflügelte, ſondern auch unter den primär ge— flügelten 99 find mehrfach Abweichungen vom normalen Typus und ſekun— däre Spaltungen beobachtet worden. Betrachten wir zunächſt die geflügelten Formen, ſo kommen folgende Modifikationen vor: ; 1. Mikrogynen oder Zwergweibchen, welche ſich von dem normalen 9 nur durch die geringere (oft nur halbe) Größe und den etwas ſchmäleren Thorax auszeichnen. Solche Zwergformen ſind ziemlich häufig beobachtet: bei einigen Myrmica- und Leptothorax-Arten, bei Formica fusca, micro- gyna, pallidefulva, Formicoxenus nitidulus, Pheidole ceres u. a. (Forel, Wasmann, Adlerz, Wheeler, Holliday). Ob die Mikrogynen die nor— malen 99 vollkommen verdrängen und erſetzen können, iſt noch fraglich; bei Formica microgyna ſcheint dies allerdings der Fall zu fein, da Wheeler in den Kolonien derſelben ſtets nur Zwergweibchen angetroffen hat. 2. „6-Weibchen“, welche den normalen (-) Weibchen zwar an Größe gleich, ſich aber durch verſchiedene andere Merkmale (wie Verdickung der Beine, ſtärkere Behaarung uſw.) von dieſen unterſcheiden. Dieſer Dimorphismus, d. h. die Spaltung in * und 6-Weibchen iſt bis jetzt nur bei Lasius latipes (aus Nordamerika) beobachtet (durch Wheeler). Möglicherweiſe ſind aber auch diejenigen Fälle, wo die 99 ſehr ungewöhnliche Charaktere aufweiſen ) Emery glaubte dies zwar für Ponera punctatissima feſtgeſtellt zu haben; er berichtigte ſich aber ſpäter ſelbſt dahin, daß das betreffende geflügelte G einer anderen Art angehörte. Atypiſche Weibchenformen. 37 (wie bei Formica ciliata, oreas uſw.), auf eine derartige Spaltung und nach— trägliches Ausſterben der *-Form zurückzuführen. 3. Makronote brachyptere Weibchen, welche ſich von der normalen Form durch den auffallend breiten Thorax und kürzere Flügel unterſcheiden. Dieſe Form iſt nach Wasmann (1897) eine pathologiſche Erſcheinung, ver— urſacht durch die Anweſenheit von Socialparaſiten (Lomechusa) in der Kolonie. Sie iſt bis jetzt nur bei einigen Formica-Arten beobachtet. Unter den ungeflügelten Weibchen Fig. 19. laſſen ſich weitere drei Kategorien unterscheiden: — -= = 4. Dichthadoide Weibchen. Dieſe : kommen ausſchließlich bei den Dorylinen (Wanderameiſen) vor, und zwar als die einzige weibliche Form. Sie ſind höchſt merkwürdige, vollkommen flügel- und meiſt auch augenloſe Geſchöpfe von enormer Größe (bis 50 mm) und Dorylus conradti Em. A dichte Ergatoides Weibchen (A) und normaler hadoides Weibchen, B größter Arbeiter (B) v. Leptogenys elongata Buckl. Arbeiter, € kleinſter Arbeiter. Nach Wheeler. Nach Emery. beſitzen einen von den Arbeitern durchaus verſchiedenen Habitus, ſo daß ſie urſprünglich gar nicht als die 9 9 der Wanderameiſe erkannt, ſondern als ein beſonderes Hymenopteren-Genus unter dem Namen Dichthadia beſchrieben wurden. Wir kennen bis heute erſt von wenigen Dorylinen die Weibchen, obwohl man ſchon ſeit längerer Zeit mit beſonderem Eifer danach fahndet !). ) Bekannt ſind die P von Dorylus helvolus (früher als Dichthadia be— ſchrieben), Anomma nigricans, Aenietus abeillei (früher als Alaopone beſchrieben), Eeiton earolinense, coeeum (früher als Pseudodichthadia beſchrieben), schmitti und opaeithorax. 38 Polymorphismus. 5. Ergatoide Weibchen, welche im Gegenſatz zu den dichthadoiden den Arbeitern ſehr ähnlich ſind, ſo zwar, daß man mitunter ſie kaum davon zu trennen vermag. Sie unterſcheiden ſich von den Arbeitern faſt nur durch ihre bedeutendere Körpergröße, die etwa der der normalen Königin entſpricht, und durch den dickeren Hinterleib, während die Bruſtbildung und überhaupt der ganze Habitus durchaus der Arbeiterform gleichkommt. Die ergatoiden Weibchen kommen vor allem bei den niederen Ameiſen, den Ponerinen vor (Ponera, Odontomachus, Pachycondyla, Anochetus, Leptogenys) und ſcheinen hier vielfach ſogar die einzige Weibchenform zu ſein (Emery, Wheeler). Aber auch bei höheren Ameiſen trifft man zuweilen ſolche arbeiterähnliche Weibchen an; ziemlich häufig ſind ſie z. B. bei Polyergus rufescens beobachtet, und zwar ſchon durch P. Huber, der ſie „femelles aptères“ be— zeichnet hat. Nach Wasmann ſind die erga— toiden Polyergus- eg ſehr konſtant und zeigen weder zu den normalen 2 2 noch auch zu 33 Übergänge. Wahrſcheinlich ſind dieſe Formen dadurch entſtanden, daß einzelnen Arbeiterlarven von Polyergus, welche ſchon über das Stadium, in welchem bei den weiblichen Larven die Flügelanlage ſich zu entwickeln pflegt, hinaus ſind, nachträglich noch beſondere (königliche) Pflege zuteil wurde. Dadurch konnte wohl noch die Körpergröße und vor allem die Entwickelung der Ovarien und des Abdomens beeinflußt werden, nicht mehr aber die Entwickelung des Thorax, da die Entſcheidung über die Entwickelungsrich⸗ tung desſelben bereits gefallen iſt. 6. Pſeudogynen. Dieſelben ſind da— durch charakteriſiert, daß Kopf und Bruſt einen weiblichen Bau zeigen, während das Pfeudogyne (A), normaler Arbeiter Abdomen ein typiſches Arbeiterabdomen dar- (D und befeuctetes dc, ſtellt. Es find krüppelhafte Weſen (auch in e ihren pſpychiſchen Fähigkeiten), welche wie die makronoten brachypteren 2 2 in das Gebiet der Pathologie gehören, und auch durch die gleichen Urſachen, nämlich durch die Anweſenheit von Ameiſengäſten (Lomechusa, Xenodusa oder Atemeles) veranlaßt werden. Die Pſeudogynen ſind in Gegenden, wo die genannten Käfer vorkommen, eine häufige Erſcheinung, und können ſo überhand nehmen, daß die be— treffenden Kolonien daran zugrunde gehen; denn ſie ſind weder zur Fort— pflanzung, noch zur Verrichtung von Arbeiten fähig. Am häufigſten ſind ſie bei Formica sanguinea, rufa, pratensis, rubicunda, ferner kommen fie auch bei verſchiedenen Myrmica- und einigen nordamerikaniſchen Camponotus= Atypiſche Arbeiterformen. 39 Arten vor, auch von Pheidologeton diversus iſt ein pſeudogynes Exemplar!) beſchrieben (Emery). Die verſchiedenen Arbeiterformen. 1. Inkompletter Polymorphismus. Wenn wir den Weg, welchen vermutlich die Spezialiſierung der Arbeiterkaſte gegangen, verfolgen wollen, ſo müſſen wir mit dem inkompletten Polymorphismus beginnen. Derſelbe iſt dadurch charakteriſiert, daß die Arbeiter einer Ameiſenart in verſchiedenen Formen auftreten, die aber nicht ſcharf voneinander zu trennen ſind, ſondern durch Übergänge miteinander verbunden ſind. Die Unterſchiede, die hier in Betracht kommen, beziehen ſich in erſter Linie auf die Körpergröße; allerdings gehen mit dieſer oft auch andere morphologiſche Differenzen Hand in Hand. Wir können bei dem unvollſtändig polymorphen Arbeiter wohl von großen, mittleren und kleinen Formen reden, ohne aber ſcharfe Grenzen zwiſchen denſelben ziehen zu können. Vom größten bis zum kleinſten läßt ſich eine mehr oder weniger voll— ſtändige Reihe von Übergängen herſtellen; dabei iſt der Abſtand zwiſchen den Extremen oft ein ganz enormer, wie z. B. bei der Gattung Pheidologeton und den großen braſilianiſchen Atta-Arten, wo die Rieſen über 15mm und die Zwerge kaum mm lang find, oder bei Anomma wilwerthi (aus Afrika), wo ſich die Rieſen zu den Zwergen wie 13:2,4 verhalten uſw. Auch bei vielen paläarktiſchen 0 Arten iſt der inkomplette Poly⸗ Inkompletter Arbeiterpolymorphismus. morphismus ſtark ausgebildet, ſo don Pneidsiogeton diverus Mus Wels mann. bei den verſchiedenen Camponotus, 2 8 Myrmecoeystus und den körnerſammelnden Messor-Arten, bei welch letzteren die größte Form vier- bis fünfmal länger als die kleinſte ſein kann. Anderer— ſeits gibt es aber auch einen leichten inkompletten Polymorphismus mit nur geringen Unterſchieden, wie z. B. bei den Leptothorax-Arten. Wie oben ſchon bemerkt, ſind mit den Größendifferenzen häufig auch andere Unterſchiede verbunden. So variieren bei den Dorylinen Hand in Hand mit der Körpergröße auch die Form des Kopfes und der Fühler gar nicht unbeträchtlich. Der Kopf wird beim Kleinerwerden des Arbeiters ent— Fig. 22. ) Ob dieſe Pheidologeton-Pſeudogyne ebenfalls durch die Anweſenheit eines Ameiſengaſtes verurſacht iſt, wiſſen wir nicht. Es bleibt dies auch für die morphologiſche Natur der Pſeudogynen ganz gleichgültig. Da bis jetzt nur ein einziges pſeudogynes Exemplar von Pheidologeton bekannt iſt, kann es ſich ſehr wohl um eine rein zufällige Ernährungsſtörung der betreffenden Larve gehandelt haben. 40 Polymorphismus. weder kürzer und breiter oder ſchmäler und länger, gleichzeitig ſpringt der Clypeus weiter vor und nimmt eine dreieckige ſpitze Form an, und endlich — was am auffallendſten iſt — wird auch die Zahl der Fühlerglieder reduziert. Im folgenden ein Beiſpiel davon: Anomma wilwerthi Körperlänge 13 mm Cluypeus nicht vorſpringend Kopf vorn deutlich 7 022% 7 5 5 breiter als hinten; 5 6 bis 3,5 mm: Clypeus deutlich vorſpringend | Fühler 11-gliederig. 5 3 „ 24 „ Kopf vorn ſchmäler als hinten; Clypeus vorſpringend, zugeſpitzt; Fühler 9- bzw. 8=gliederig. Damit iſt aber die Mannigfaltigkeit des inkompletten Arbeiterpoly⸗ morphismus noch nicht erſchöpft; manchmal hat z. B. der große 3 „ſonderbare Hörner, Auswüchſe u. dergl., die dem kleinſten fehlen oder umgekehrt“ uſw. Kurz, die Er— ſcheinungen dieſes Polymorphismus ſind über- aus verſchiedenartig und dabei ſehr verbreitet; „es gibt vielleicht ebenſoviele Ameiſenarten mit unvollſtändigem Polymorphismus, wie ſolche mit monomorphen Arbeitern“ (Forel). 2. Kompletter Dimorphismus; Soldat (A). Sterben nun bei einer Ameiſe von den unvollſtändig polymorphen Arbeitern alle Formen bis auf eine einzige aus, ſo reſultiert der typiſche monomorphe Arbeiter. Bleiben dagegen von dem Reduktionsprozeß zwei ver= ſchiedene Formen verſchont, die nun durch eine weite Lücke voneinander getrennt ſind, ſo entſteht ein kompletter perſiſtenter Dimorphismus, der durch das Auftreten der ſogen. „Soldaten— kaſte“ charakteriſiert iſt. Wo ein dauernder kompletter Arbeiter- dimorphismus vorhanden iſt, wird die größere Form gewöhnlich als „Soldat“ (+) bezeichnet. Die meiſten Soldaten zeichnen ſich aber nicht allein durch die größere Geſtalt, ſondern auch Kopfformen verſchieden großer noch durch andere recht charakteriſtiſche Merkmale Arbeiter von Anomma wilwerthi. A Fühler 1l-gliederig, B Fühler vor den normalen & aus, am häufigſten durch ebene. einen Rieſenkopf (Pheidole), oder durch be⸗ ſonders ſtarke oder ſäbelförmig geſtaltete Man— dibeln (Myrmecocystus), oder auch durch eine ganz beſondere Form des Kopfes (Colobopsis) uſw. Es läßt ſich keine einheitliche Definition der Soldatenform geben, da letztere auch nicht überall an die gleiche Funktion angepaßt iſt, ſondern bei den verſchiedenen Arten ganz verſchiedenen Zwecken zu dienen hat. Die Bezeichnung „Soldat“ iſt daher nicht immer gerade ſehr glücklich; denn oft iſt die Tätigkeit und das Benehmen dieſer Formen ſehr wenig ſoldatiſch. Fig. 23. Atypiſche Arbeiterformen. 41 Eine Soldatenkaſte iſt hauptſächlich in folgenden Gattungen ausgebildet: bei Pheidole, Myrmecocystus (bombyeinus), Colobopsis, ferner bei Dimorpho— myrmex, Acanthomyrmex, bei vielen Cryptocerus- und einigen Eciton— Arten, bei Crematogaster biformis uſw. 3. Makroergaten. Manchmal kommt bei ſolchen Ameiſen, bei denen der 3 für gewöhnlich monomorph iſt, ein anormaler Dimorphismus vor. Wasmann fand nämlich bei Myrmica scabrinodis und ruginodis mehrmals neben den normalen Arbeitern noch andere, welche ſich vor dieſen durch un— gewöhnliche Größe, ſpeziell des Kopfes, auszeichneten. Da dieſe Formen zweifellos anormalen Wachstumsverhältniſſen ihre Entſtehung verdanken, und alſo keinen ſpeziellen Funktionen angepaßt ſind, ſo dürfen ſie auch nicht in einem Atem mit den Fi 244 Soldaten (den Anpaſſungs— . 5 formen par excellence) ge— a nannt werden. Wasmann legte ihnen die Bezeichnung „Makroergaten“ bei. 4. Gynäkoide Ar— beiter. Dieſe unterſcheiden fi) von dem normalen $ nur durch den etwas größeren Hinterleib. Sie werden aus einer normalen Arbeiterin 2 2 a & 4 / Verſchiedene „Soldaten“. A Pheidole pallidula Nyl., links 3, rechts Soldat (mit mächtigem Kopf); B Hopf des Soldaten von Myrmecocystus bombyeinus (mit linearen Mandibeln); C Colobopsis abditus (mit abgeſtutzter rauhſkulptierter Vorderfläche des Kopfes). Nach André und Wheeler. (Imago) durch beſondere Pflege herangebildet als Erſatzkönigin, wenn die alte Königin abhanden gekommen iſt. Wasmann beobachtete ſolche gynä— koide 38 mehrfach bei Polyergus- und verſchiedenen Formica-Arten. Der durch das Erſcheinen gynäkoider 3% entitandene Dimorphismus iſt kein dauernder; denn die Gynäkoiden können wieder zur normalen Arbeiterform zurückkehren, ſobald der Kolonie eine neue Königin zugeſetzt wird. Dadurch unterſcheiden ſich die Gynäkoiden weſentlich von den oben beſprochenen ergatoiden Weibchen, welche ja, da ſie auf einer verſchiedenen ontogenetiſchen Entwickelung beruhen, dauernde Formen darſtellen. 5. Honigträger. Auch hier handelt es ſich um einen temporären Dimorphismus. Denn die „Honigträger“ ſind keineswegs etwa von Anfang 42 Polymorphismus. an als beſondere Form von den typiſchen 3 getrennt, ſondern fie werden erſt nachträglich (als Imagines) verſchieden, und zwar lediglich dadurch, daß ihr Kropf mit großen Mengen Honig angefüllt wird. Dadurch wird der Hinter— leib enorm aufgetrieben, ſo daß die Segmentplatten, die ſich ſonſt berühren, nun weit voneinander abſtehen, und die gelbe Farbe des Honigs durch die dünnen Interſegmentalhäute durchſchimmert. Die übrigen Körperteile, Bruſt und Kopf, entſprechen natürlich vollkommen der normalen Form. Wir werden unten noch auf dieſe merkwürdigen Geſchöpfe zu ſprechen kommen. Sie Fig. 25. ſind bei mehreren Arten angetroffen worden: jo bei Camponotus inflatus, Myrmecocystus melliger u. a. 6. Paraſitärer Dimorphis— mus, mermitophore Arbeiter. Eine gewiſſe äußere Ahnlichkeit mit den Honigträgern beſitzt eine andere Kategorie von Arbeitern, welche ſich N ebenfalls durch den großen prall- Honigträger von Myrmecoeystus melliger v. gedehnten Hinterleib von den typiſchen morkus deorum MeGbok. Rach Mebook Arbeitern unterſcheiden, und die wir als mermitophore Arbeiter bezeichnen wollen. Dieſe Individuen zeichnen ſich aber auch noch durch andere charakteriſtiſche Merkmale aus, vor allem durch den viel kleineren, hinten ſchmäleren Kopf, ferner durch den ſchmäleren Thorax, und mitunter ſogar noch durch das Vorhandenſein von Ozellen. Dieſer Um- Fig. 26 B. , A Mermitophorer Arbeiter von Pheidole commutata Mayr. Nach Wheeler. B Kopfform eines mermishaltigen (links) und eines normalen (rechts) Arbeiters von Odontomachus haematodes. Nach Emery. ſtand zeigt uns deutlich, daß es ſich hier — im Gegenſatz zu den Honig— trägern — um eine perſiſtente dimorphe Form handelt, welche auf einer verſchiedenen Ontogeneſe beruht. Die mermitophoren Individuen ſind, wie Wheeler gezeigt hat, patho— logiſche Erſcheinungen, hervorgerufen durch die Infektion mit paraſitiſchen Würmern der Gattung Mermis. Auf der beigegebenen Figur kann man ja auch ganz deutlich den vielfach gewundenen Wurm durch das Abdomen durch— ſchimmern ſehen. Da aber nicht nur das Abdomen ausgedehnt, ſondern auch Kopf und Thorax der infizierten Individuen verändert iſt, ſo muß die Infektion ſchon im Larvenſtadium ſtattgefunden, und fo die ontsogenetiſche Entwickelung von ihrer normalen Bahn abgebracht haben. Ergatogyne Zwiſchenformen. 43 Ich würde dieſe pathologische Form hier nicht beſprochen haben, wenn es ſich nur um einen ganz vereinzelten Fall gehandelt hätte; da aber ſchon eine ganze Reihe übereinſtimmender Fälle dieſes paraſitären Dimorphismus bekannt geworden ſind, ſo glaubte ich dieſe Formen bei Beſprechung des Poly— morphismus nicht übergehen zu dürfen. Bis jetzt ſind bei folgenden Arten mermitophore 88 beſchrieben; Pheidole commutata (durch Wheeler), Odonto— machus haematoda und chelifer, Pachycondyla fuscoatra, Neoponera villosa, Paraponera clavata und Pheidole absurda (durch Emery). Ergatogyne Zwiſchenformen. Wir haben oben in den ergatoiden 9 2, in den Pſeudogynen und in den gynäfoiden 83 ſchon einige Formen kennen gelernt, welche man als ergato— gyne Formen (e 8) bezeichnen kann, inſofern, als bei ihnen Weibchen- und Arbeitercharaktere gemiſcht vorkommen. Doch konnten wir dort beſtimmte Typen unterſcheiden und dieſelben auch, ſofern fie nicht pathologische Erſcheinungen dar— ſtellten, als ſpezielle Anpaſſungsformen erkennen. Anders dagegen verhält es ſich mit den ergatogynen Zwiſchen— formen im eigentlichen Sinne. Dieſe ſind in allen Charakteren ſehr variabel und ſtellen mehr oder weniger voll— kommene Übergänge vom 9 zum 8 dar. Sie ſind keine ſpeziellen An— paſſungsformen, ſondern gleichbedeutend mit den phylogenetiſchen Zwiſchenſtufen zwiſchen 9 und 5; d. h. die Differen- zierung in 9 und:; iſt noch nicht voll— kommen durchgeführt, der Dimorphis— mus 9 bis 3 noch kein kompletter. Es bedarf dazu erſt des Ausſterbens der Übergangsformen. 5 5 Allmählicher Übergang vom Weibchen (unterfte en enen e e eee aner Wussten © nicht ſelten, beſonders bei ſolchen Arten, Nach Miß Holliday. bei welchen der Unterſchied zwiſchen 9 und 8 an und für ſich nur gering iſt, wie z. B. bei den Ponerinen oder in der Gattung Leptothorax uſw. Wasmann hat in einer Kolonie von Leptothorax acervofum „manche Individuen angetroffen, welche einen völligen Übergang zwiſchen ? und 3 zugleich in der Größe, Färbung und Bildung der Bruſt bildeten, ebenſo einige Male bei Formicoxenus nitidulus“. Und Miß Holliday beſchreibt von Leptothorax emersoni nicht weniger als 11 verſchiedene weibliche Formen, welche von der normalen geflügelten Königin bis zum normalen ungeflügelten Arbeiter eine ununterbrochene Reihe von 44 Polymorphismus. Übergängen bilden, und zwar nicht nur in bezug auf die Körpergröße und die Konfiguration des Thorax, ſondern auch in bezug auf die Ozellen, deren Zahl von 3 zunächſt auf 2 und dann auf 1 herabſinkt, um bei der letzten Form ganz zu verſchwinden. Es iſt hier tatſächlich ſchwer zu ſagen, wo das Weibchen aufhört und der 5 anfängt, zumal auch die Geſchlechtsorgane uns keinen Anhaltspunkt geben, indem ſie bei allen 11 Formen mehr oder weniger gut ausgebildet und auch im Beſitz eines deutlichen Receptaculum seminis find. Hermaphroditen. Unter Hermaphroditen verſtehen wir bekanntlich die anormale (patho— logiſche) Vereinigung männlicher und weiblicher Charaktere in einem Indivi— duum. Bei den Ameiſen ſind ſolche Zwitterformen eine relativ häufige Er— ſcheinung. Bezüglich der Verteilung der männlichen und weiblichen Charaktere herrſcht die größte Mannigfaltigkeit, und man kann wohl ſagen, daß von den 23 Ameiſenzwittern, die bis jetzt beſchrieben ſind, kaum zwei nach dem gleichen Schema gebaut ſind. Bei den Ameiſen ſind ja über— haupt viel mehr Kombinationen möglich als bei den meiſten übrigen Tieren, weil der Hermaphroditismus nicht nur zwiſchen c und 9, ſondern auch zwiſchen c' und 8 beſtehen kann. Auch die Analyſe Kopf eines Hermaphroditen von Azteca der Hermaphroditen iſt bei den Ameiſen e Ni e beſonders leicht, da ja ſowohl die beiden Geſchlechter, als auch & und z ſich weſent— lich voneinander unterſcheiden, und man kann daher die einzelnen Beſtand— teile der Miſchung meiſtens ſicher erkennen. Im allgemeinen unterſcheidet man bei den Inſekten ſolgende vier Zwitter— kategorien: 1. Laterale Hermaphroditen (rechts männlich, links weiblich oder um— gekehrt). 2. Transverſale Hermaphroditen (dorſal weiblich, ventral männlich oder umgekehrt). 3. Frontale Hermaphroditen (porn weiblich, hinten männlich oder um— gekehrt). Und endlich 4. Gemiſchte Hermaphroditen (unregelmäßige Verteilung der zwei Ge— ſchlechter). Bei den Ameiſen handelt es ſich meiſtens um gemiſchte Hermaphroditen, während die drei erſten Zwittertypen in ganz reiner Form wohl überhaupt noch nicht konſtatiert ſind. Gewöhnlich beſchränkt ſich der laterale oder fron— tale uſw. Hermaphroditismus nur auf eine beſtimmte Körperregion; ſo iſt z. B. bei dem berühmten Forelſchen Polyergus-Zwitter nur der Kopf deutlich lateral hermaphroditiſch, während der Thorax größtenteils weiblich und das Abdomen rein männlich iſt (alſo eine Verbindung von lateralem und frontalem Hermaphroditismus). Ganz ähnlich verhält ſich der intereſſante Azteca- Funktionen der verſchiedenen Formen. 45 Zwitter Forels (ſ. Fig. 28). Auch bei den übrigen von Wheeler, Roger, Tiſchbein, Adlerz, MeCook, Wasmann u. a. beſchriebenen ſogenannten lateralen Hermaphroditen finden ſich mehr oder weniger ſolche unregelmäßige Miſchungen. Manchmal ſind es nur ganz kleine Körperbezirke, die dem einen Geſchlecht angehören; Forel hat ſogar einen „gekreuzten Hermaphroditen“ geſehen, bei welchem in zwei einander folgenden Segmenten je die umgekehrte Hälfte männlich war. Bezüglich der Geſchlechtsorgane der Zwitter wiſſen wir noch ſehr wenig. Die einzigen An— gaben darüber verdanken wir Forel, der einen Zwitter von Formica truneicola und dann den oben genannten Polyergus daraufhin unterſuchte. Im erſten Falle fand ſich ein vollkommen ſymmetri— ſches Geſchlechtsorgan mit zwei wohlausgebildeten Hoden, und unter dieſem ein wenigſtens annähernd normales Ovarium; im zweiten Falle dagegen waren beiderlei Geſchlechtsdrüſen zu einem einzigen Organ verbunden, und zwar in der Weiſe, daß ſich rechts ein normales Arbeiterovarium, links dagegen ſowohl Eiröhren als auch ein kleiner Hoden nebſt 1 . Anhangsdrüſen befanden (Fig. 29). i ai e e e Übrigens ſcheint der Hermaphroditismus der . ee e äußeren Form nicht immer an hermaphroditiſche Ge— ſchlechtsorgane gebunden zu ſein, wenigſtens ſchienen die Geſchlechtsorgane des oben genannten Azteca= Zmwitter3 vollſtändig männlich zu ſein; doch iſt, wie Forel ſelbſt zugibt, die betreffende Unterſuchung nicht ganz einwandfrei geglückt. 3. Funktionen der verſchiedenen Formen; Arbeitsteilung. Der Ameiſenpolymorphismus iſt ein funktioneller, d. h. die einzelnen Formen ſind, ſoweit nicht pathologiſch, beſtimmten Funktionen angepaßt. Der Polymorphismus geht alſo Hand in Hand mit der Arbeitsteilung; jedoch darf dabei nicht überſehen werden, daß es im Ameiſenſtaat auch eine auf pſychiſcher Grundlage beruhende Arbeitsteilung gibt, die ganz unabhängig vom Polymorphismus beſteht. Die Funktion der beiden Geſchlechtstiere iſt klar; ſie beſteht in der Fortpflanzung. Die beiden Geſchlechter ſind aber ſehr ungleich dabei beteiligt: dem & liegt lediglich die Befruchtung ob; iſt dieſe ausgeführt, jo hat es ſeinen Lebenszweck erfüllt; es kümmert ſich nicht weiter um die Nachkommen. Dem 9 dagegen fällt zuerſt die ſchwierige Aufgabe zu, ihre Jungen auf— zuziehen und eine Kolonie zu gründen; ſpäter allerdings, wenn dies geſchehen iſt und ihr in den Kindern fleißige Gehülfinnen erwachſen ſind, wird es in ihrer Arbeit einſeitig und verlegt ſich lediglich auf die Produktion von Eiern. — Damit find aber dem 2 nicht etwa alle früheren Inſtinkte, die es bei der Koloniegründung betätigte, direkt verloren gegangen, ſondern dieſelben bleiben in ihm ſtets latent erhalten. So ſehen wir denn auch im ausge— 46 Polymorphismus. bildeten Ameiſenſtaat unter gewiſſen Umſtänden die Weibchen wieder an den verſchiedenſten Arbeiten ſich beteiligen. Es tritt dies beſonders dann ein, wenn der Kolonie Gefahr droht; die 2 legen dann ſelbſt Hand an das Rettungswerk, ſchleppen Larven und Puppen fort, bauen zerſtörte Wälle wieder auf uſw. Die Arbeitsteilung zwiſchen 2 und 3 iſt alſo bei den Ameiſen bei weitem nicht ſo ſtreng durchgeführt wie bei den Bienen, deren Königin zu einer reinen Eierlegmaſchine herabgeſunken iſt. Ungleich mannigfaltigere und vielſeitigere Funktionen haben die Arbeiter zu erfüllen, denn auf ihnen ruht das ganze Wohl und Wehe des Staates; ſie haben einfach für alles zu ſorgen: für Nahrung, Wohnung, Schutz, Aufzucht der Jungen uſw.; ſogar am Eierlegen beteiligen ſie ſich, wenn auch nicht als Regel. In welcher Weiſe nun das zahlreiche Heer der Arbeiter in die vielen Pflichten ſich teilt, darüber wiſſen wir im allgemeinen noch recht wenig. Wo ein unvollſtändiger Arbeiterpolymorphismus vorliegt, da dürfen wir wohl als Regel annehmen, daß die großen und mittleren Individuen die Verteidigung, die Herbeiſchaffung von Nahrung, Baumaterial uſw. übernehmen, während die kleinen die häuslichen Arbeiten beſorgen. Bei den pilzzüchtenden Atta= Arten Braſiliens dienen die mittelgroßen Individuen außerdem als „Blatt- ſchneider“, welche die Blattſtücke aus den Blättern ausſchneiden, die ganz großen Rieſen als „Blattzermalmer“ und Verteidiger, während die Zwerge ſich ſtets bei den Pilzgärten aufhalten, um die Schimmelbildung durch fort— währendes Abbeißen der Mycelfäden zu unterdrücken (ſ. Kapitel V). Wo ein kompletter Dimorphismus vorliegt, da iſt die eine Form (der Soldat) meiſt einer oder nur ganz wenigen ſpeziellen Funktionen an— gepaßt, während die andere Form (der normale 8) alle übrigen Arbeiten zu erfüllen hat. Die Funktion des Soldaten iſt noch keineswegs überall bekannt; das eine ſteht aber feſt, daß ſie bei den einzelnen Arten eine ganz ver— ſchiedene ſein kann. Die Soldaten der Pheidole-Arten mögen wirklich als „Soldaten“ funktionieren, d. h. ſpeziell der Verteidignng und dem Schutze des Volkes dienen; außerdem aber können ſie wohl auch die Zerkleinerung großer Beuteſtücke übernehmen, wie Heer bei der Hausameiſe Madeiras, der Pheidole pusilla, beobachtet hat. Für die Soldaten der Myrmecocystus bombyeinus aber trifft beides nicht zu; denn einmal find ſchon die langen linearen Mandibeln (wegen der Länge des äußeren Hebelarmes) gar nicht zum kräftigen Zubeißen geeignet, und zweitens habe ich durch Beobachtung im künſtlichen Neſt feſtgeſtellt, daß ſie ſich nicht im geringſten um die Ver— teidigung kümmern, ſondern dieſelbe voll und ganz den 88 überlaſſen. Wahr— ſcheinlich kommt den Myrmecoeystus-Soldaten eine Art „Ammenfunktion“ zu, d. h. die Brut und vor allem die großen Kokons im Neſt herumzuſchleppen und bei Störungen in Sicherheit zu bringen. Zu dieſem Geſchäft ſind ihre Kiefer ausgezeichnet geeignet und ich ſah auch im künſtlichen wie im freien Neſte (in Biskra) die Soldaten meiſtens mit einem Kokon beladen herumlaufen. Die Funktion der Eeiton-Soldaten iſt vielleicht eine ähnliche, dem Bau ihrer Kiefer nach zu ſchließen. Auffallend dabei bleibt allerdings, daß ſie F Arbeitsteilung. 47 gewöhnlich zu beiden Seiten der Wanderzüge marſchieren, was den Anjchein erwecken könnte, als ob ſie zum Schutz oder zum Führen da ſeien. Doch ſtellen die Beobachter letztere Funktionen ſehr in Frage. Eine ganz eigenartige Stellung nehmen die Colobopsis-Soldaten ein. Ihnen fällt nämlich die Aufgabe zu, die Neſtöffnung mit ihrem Kopf zu ver— ſchließen. Letzterer iſt dieſer Funktion brillant angepaßt, indem er vorn gerade abgeſtutzt und auf dieſer breiten gerade abfallenden Fläche rauh ſkulptiert iſt (vgl. Fig. 240), jo daß er von der umgebenden Rinde (die Colobopsis leben im Holz) kaum abſticht. Der dadurch erzielte Verſchluß iſt ſo täuſchend, daß man die Eingänge zum Neſt nur ſchwer entdecken kann. Der Soldat bleibt die meiſte Zeit in der Stellung, welche die Fig. 35 zeigt. Nur wenn eine Arbeiterin eintreten will, geht er ein wenig zurück und läßt dieſe herein, um aber ſofort wieder auf ſeinen alten Platz zurückzukehren und die Tür zu ſchließen. Da der verſchließende Soldat infolge der Lage des Kopfes die Ankömmlinge nicht ſehen kann und auch ſeine Fühler, die ſeitlich angepreßt ſind, nicht bewegen kann, glaubte Wheeler ein beſonderes ſpezifiſches Taſt— gefühl auf der rauhen Stirne annehmen zu müſſen, welches den Soldaten von der Anweſenheit einer 8 verſtändigt. Forel hält dieſe Annahme aber für überflüſſig, da die Fühler wenigſtens mit ihren äußeren Enden über die Ober— fläche hervorragen, was zu einer Verſtändigung vollkommen genügend iſt. * * * Wie ſchon geſagt, gibt es auch eine unabhängig vom Polymorphismus be— ſtehende Arbeitsteilung, inſofern als verſchiedene Funktionen nur von ganz be— ſtimmten Individuen (wenigſtens eine Zeitlang) ausgeführt werden. So beob— achtete Lubbock, daß in einem ſeiner Formica fusca-Neſter ſtets nur ein oder wenige Arbeiter zum Futterholen auszogen, und zwar waren dies immer die gleichen Individuen, wie ſich durch Zeichnen mit Farbe leicht feſtſtellen ließ. Die Beobachtungen wurden über mehrere Monate fortgeſetzt, ſo daß es ſich alſo nicht um einen Zufall handeln konnte. Es geht vielmehr mit Gewißheit daraus hervor, daß in dem betreffenden Neſte eine auf „gegenſeitigem Übereinkommen“ beruhende Spezialiſierung unter den morphologiſch gleichwertigen Individuen ſtattgefunden hat. Es iſt ſicherlich nicht unberechtigt anzunehmen, daß die Spezialiſierung ſich nicht nur auf das Futterholen beſchränkt, ſondern auch auf andere Funktionen ſich bezieht. So „hat ja auch in der Tat Viehme yer in einem Formica sanguinca-Neſte Spezlaliſten für die Volksverteidigung (Soldaten ohne Abzeichen) angetroffen, indem hier abwechſelnd immer dieſelben Individuen Wache hielten. Auch das Fouragieren wurde in dieſem Neſte nur von wenigen ganz beſtimmten Individuen beſorgt. — Die Frage iſt bis jetzt noch wenig ver— folgt; ſie verdiente aber ohne Zweifel eingehend ſtudiert zu werden. Auch das Alter hat einen gewiſſen Einfluß auf die Tätigkeit, wenigſtens wo es ſich um ganz junge eben ausgeſchlüpfte Tiere handelt. Dieſe bleiben nämlich die erſte Zeit im Neſte und beſchäftigen ſich nur mit häuslichen Arbeiten, bis ſie erfahrener und ſtark genug geworden ſind, den ſchwierigeren und gefährlicheren Geſchäften außer Hauſe nachzugehen. — Die jungen Bienen verhalten ſich bekanntlich genau ebenſo. 48 Polymorphismus. 4. Entſtehung des Polymorphismus. Die Frage der Entſtehung des Polymorphismus iſt von zwei Geſichts⸗ punkten aus zu betrachten: vom biologiſch-phylogenetiſchen und phy— ſiologiſch-ontogenetiſchen. a) Phylogenie. — Wenn wir uns über die phylogenetiſche Entwicke⸗ lung der Polymorphismus-Formen eine Vorſtellung machen wollen, ſo müſſen wir zunächſt die Frage überlegen, ob die nicht ſozialen Ahnen der Ameiſen im weiblichen Geſchlecht ungeflügelt oder geflügelt waren. Emery glaubt das erſtere annehmen zu müſſen, und zwar aus dem Grunde, weil die Mu— tilliden, von welchen er die Ameiſen ableitet, im weiblichen Geſchlecht unge— flügelt ſind und weil ferner auch bei den niederſten Ameiſen, den Ponerinen, ungeflügelte Weibchen viel häufiger auftreten als bei den höheren Ameiſen. Iſt Emerys Anſicht richtig, ſo ſteht der ungeflügelte 8 der primitiven Form näher als die Königin und muß infolgedeſſen auch letztere als die abgeleitete Form betrachtet werden, die ſich ſekundär Flügel erworben hat. Da nun aber die ungeflügelte Form ihrerſeits ſtets aus einer geflügelten Form hervorgegangen iſt, ſo hätten wir hier den Fall, daß ein Organ, welches während der Stammesentwickelung vollſtändig verloren gegangen, zum zweitenmal wieder in derſelben Form erworben worden iſt. Eine ſolche Wiedererwerbung iſt aber meines Wiſſens noch nirgends im Tierreich konſtatiert worden und iſt auch aus theoretiſchen Gründen höchſt unwahrſcheinlich, ſo daß wir ſchon deshalb Emerys Anſicht ſtark bezweifeln müſſen. Aber auch noch andere Gründe ſprechen dagegen: ſo ſind auch bei den Ponerinen die meiſten 99 geflügelt und ſelbſt bei den Cerapachyinae, welche die primitivſten Ameiſen darſtellen und der hypothetiſchen Ameiſen— urform jedenfalls am nächſten ſtehen, gibt es ſowohl geflügelte als unge— flügelte 99. Sodann gibt es doch auch, gerade wieder bei den Ponerinen ungeflügelte , obwohl doch die & der Mutilliden geflügelt find. Hier ſoll alſo das Ungeflügeltſein eine Rückbildung fein, bei den 99 dagegen den primitiven Zuſtand bedeuten. Es iſt doch konſequenter, in beiden Fällen eine Rückbildung der Flügel anzunehmen, verurſacht durch gewiſſe Lebensgewohn⸗ heiten (Aufgabe des Hochzeitfluges) der Ponerinen. Wir halten daher (mit Forel, Wheeler u. a.) Emerys Anſchauung für verfehlt und ſtehen auf dem Standpunkte, daß das Geflügeltſein der beiden Geſchlechtstiere der Ameiſen dem primitiven Zuſtande ent— ſpricht. Wir müſſen alſo alle ungeflügelten Formen von den geflügelten ableiten. Auf welchem Wege die Flügelloſigkeit zuſtande gekommen, ob plötzlich oder allmählich, d. h. ſo, daß die Flügel immer kürzer und kleiner wurden bis zum völligen Schwund, darüber haben wir keine Anhaltspunkte. Wir kennen zwar gewiſſe Individuen mit kürzeren Flügeln (brachyptere ? von Formica sanguinea und rufibarbis und ferner iſt auch ein Pheidole- Soldat mit Flügelſtummeln beſchrieben worden), dach handelt es ſich hier um ganz vereinzelte anormale Erſcheinungen. Ontogenie des Polymorphismus. 49 Die weitere Spezialiſierung der Arbeiterkaſte kann wohl nur auf ganz allmählichem Wege erfolgt ſein. Nehmen wir z. B. ſolche koloſſale Größen— unterſchiede, wie fie zwiſchen dem 2 und § von Carebara beſtehen, jo würden dieſe, falls ſie plötzlich (durch Mutation) entſtanden wären, unfehlbar den Untergang der Art herbeigeführt haben. Denn die winzige Geſtalt der 8% bedingt natürlich ein ganz anderes Benehmen gegen die rieſige Königin, eine ganz andere Fütterungsweiſe, eine andere Baumanier uſw. — Dasſelbe trifft für die auffallenden Soldaten von Colobopsis zu; würden in einer Colobopsis— Kolonie ganz unvermittelt ſolche Formen entſtanden ſein, ſo würden dieſelben mit ihrem großen eckigen Kopf nichts anzufangen wiſſen, wenn anders ihnen nicht mit der ſonderbaren Kopfform zugleich auch der Inſtinkt, dieſelbe als Tür zu benutzen, mitgegeben worden wäre! Damit wären wir aber bei der „prä— ſtabilierten Harmonie“ angekommen. Zudem gibt uns ja der unvollkommene Polymorphismus mit ſeiner großen Variabilität eine viel plauſiblere Erklärung für die Entſtehung dieſer Differenzen. Bietet doch der unvollkommene polymorphe 8 der Naturaus— leſe überreiches Material dar, aus welchem einerſeits ausgejätet und anderer— ſeits ausgewählt und weitergebildet werden kann. Die Ausbildung großer Unterſchiede zwiſchen 2 und 8 können wir uns etwa ſo vorſtellen (nach Emery): 1. Stadium: Monomorpher 3 in der Größe dem 9 nur wenig nach— ſtehend (trifft zu für die meiſten Ponerinen, viele Myrmicinen, Dolichoderinen und Camponotinen). 2. Stadium: Arbeiter unvollkommen polymorph; große, dem 2 nahe— ſtehende Formen, mittlere und kleine vorhanden (viele Myrmicinen, Dory- linen, Camponotinen uſw.). 3. Stadium: Arbeiter dimorph (8 und A), durch Ausſterben der Zwiſchen— formen (Pheidole uſw.). 4. Stadium: Durch Ausſterben der großen Form (A) des dimorphen Arbeiters bleibt endlich nur die kleine Arbeiterform übrig. Der Arbeiter iſt jetzt wieder monomorph, unterſcheidet ſich aber in der Größe ſehr ſtark vom 9 (Carebara, Solenopsis uſw). Es iſt dies aber nicht der einzig mögliche Weg, auf welchem die großen Unterſchiede zwiſchen 9 und 3 zuſtande kommen konnten, ſondern es können auch die 99 allmählich an Volumen zunehmen, während die Fs ihre urſprüngliche Größe behalten. Dies dürfte für mehrere Gattungen zutreffen (wie für Lasius, Crematogaster uſw.). Wir erkennen dieſen Zuſtand an der Kleinheit der , welche auf die entſprechende primitive Kleinheit der 29 ſchließen läßt. b b) Ontogenie. — Das Problem der phyſiologiſchen Urſachen des Ameiſenpolymorphismus wollen wir in zwei Fragen auflöſen: 1. wie wird das Geſchlecht beſtimmt und 2. wie wird die Differenzierung des weiblichen Ge— ſchlechts in 2 und s und ferner die weitere Spezialiſierung der Arbeiterkaſte bewirkt. Bezüglich der Frage nach der Geſchlechtsbeſtimmung liegt es nahe, an die Verhältniſſe bei den Bienen zu erinnern. Bei dieſen ſteht es ſo gut Eſcherich, Die Ameiſe. 4 50 Polymorphismus. wie feſt, daß aus unbefruchteten Eiern der Königin & und aus den be— fruchteten 99 und 38 hervorgehen. Wenn auch in letzter Zeit dieſer von Dzierzon aufgeſtellte und von Siebold und Leukart tiefer begründete Satz mehrfach bezweifelt wurde, ſo iſt es bis jetzt doch keinem dieſer Zweifler gelungen, denſelben wirklich zu widerlegen. Zudem geben ſelbſt die Gegner der Dzierzonſchen Lehre zu, daß die von Erſatzköniginnen ſtammenden, alſo ſicher unbefruchteten Eier, ausſchließlich Drohnen ergeben. Findet ſich nun bei den Ameiſen etwas Ahnliches? Dieſe Frage hat eine verſchiedene Beantwortung gefunden. Forel, Lubbock, Wasmann und Viehmeyer haben dieſelbe bejaht: ſie ſtellten für eine ganze Reihe von Ameiſen (Formica sanguinea, fusca, einerea, Lasius niger, Polyergus rufescens) ſeſt, daß aus den Eiern von 88, die alſo wohl parthenogenetiſch waren ), ausſchließlich & hervorgegangen find. Auf der anderen Seite be— richten aber verſchiedene Autoren (Tanner, Reichenbach, Wheeler) von Fällen, in welchen Arbeitereier auch 2 und 3% lieferten. Beſonders inter- eſſant in dieſer Beziehung ſind die Beobachtungen Reichenbachs: es wurden in ein künſtliches Neſt 11 Arbeiter von Lasius niger geſetzt, welche ſich auf parthenogenetiſchem Wege derart vermehrten, daß ſchon nach 1 Jahren eine ſtattliche Kolonie von etwa 200 Mitgliedern erſtand. Die Nachkommen waren aber nicht etwa lauter G, ſondern zum großen Teil 88, und nur zum kleineren Teil G c'; letztere erſchienen außerdem nur zu einer ganz be— ſtimmten Zeit, nämlich zur normalen Lasius-Schwärmzeit (alſo im Juli). Worauf die abweichenden Reſultate der obigen Autoren beruhen, läßt ſich heute noch ſchwer ſagen. Jedenfalls aber glaube ich nicht, daß ſich die verſchiedenen Arten der Ameiſen bezüglich der Geſchlechtsbeſtimmung ver— ſchieden verhalten, ſondern bin vielmehr überzeugt, daß äußere Umſtände (Zeit, Temperatur uſw.) daran ſchuld ſind. Zeigte uns doch Reichenbach, daß die F nur zu einer beſtimmten Zeit auftraten; werden nun die Beob— achtungen gerade zu dieſer Zeit angeſtellt, ſo fällt das Reſultat natürlich anders aus als bei früheren oder ſpäteren Beobachtungen. N Die Frage der Geſchlechtsbeſtimmung iſt alſo bei den Ameiſen noch gänzlich unſicher und bedarf zu ihrer Löſung noch zahlreicher eingehender Unterſuchungen. Bei den Bienen wiſſen wir doch wenigſtens etwas davon, bei den Ameiſen dagegen noch rein gar nichts. Gehen wir nun zur zweiten Frage über: Wie wird die Differen— zierung in 9 und § uſw. bewirkt? — fo ſtehen ſich hier zwei Anſchauungen gegenüber. Die eine nimmt an, daß die Differenzierung bereis im Ei voll- kommen beſtimmt ſei, alſo auf rein blaſtogener Baſis beruhe. Jede Form iſt danach ſchon im Keim vollkommen feſtgelegt, ſo daß ſpätere Einflüſſe während der Metamorphoſe an der Entwickelungsrichtung nichts mehr zu ver- ändern vermögen. Es enthält danach auch jedes Ei nur die Anlage für eine einzige Form (9 oder 8 oder A). Dieſe Hypotheſe des „blaſtogenen Polymorphismus“ wird vor allem von Weismann, dann auch von Forel, Dewitz u. a. vertreten. ) Der ſichere Nachweis dafür iſt allerdings noch nicht erbracht. Ontogenie des Polymorphismus. 51 Die andere Anſicht, als deren Hauptanhänger ich Emery, O. Hertwig, Lubbock und Wasmann nenne, geht dahin, daß der Polymorphismus durch eine verſchiedene Behandlung (Ernährung uſw.) der Larven hervor— gebracht wird („trophogener Polymorphismus“). Dies iſt aber nicht etwa jo aufzufaſſen, als ob die verſchiedene Ernährungsweiſe die erſte und einzige Urſache ſei, ſondern die primäre Urſache iſt vielmehr ebenfalls im Keimplasma zu ſuchen, welches aber die Anlage von allen Formen, welche bei der betreffenden Ameiſe vorkommen, enthalten muß. Der verſchiedenen Nahrung kommt lediglich die Rolle eines auslöſenden Reizes zu, durch welchen eine der im Keimplasma enthaltenen Anlagen zur Entwickelung gebracht wird. Als Hauptbeweis für die erſte Anſchauung („blaſtogener Polymorphismus“) führt Weismann das Vorhandenſein von Zwiſchenformen zwiſchen 2 und 8 (3. B. der ergatoiden 99) an. „Wie ſollen dieſe Formen in der Theorie der direkten Bewirkung Erklärung finden?!“ „Wenn minderwertige Fütterung genügt, um das Ovarium zur Verkümmerung zu bringen und den Arbeiter— typus hervorzurufen . .., welche intermediäre Fütterungsmethode hat dieſe Zwiſchenformen hervorgerufen?“ (S. 77.) Vor allem beruft ſich aber Weis— mann auf eine Beobachtung Forels, welcher in einem Neſte von Formica rufa auf dem Ütliberg eine große Menge von ergatogynen Zwiſchenformen des Pſeudogynentypus antraf. Hier könnten wir ſicherlich nicht von einem Verſehen in der Larvenfütterung reden! Da nun zudem in demſelben Neſte im folgenden Jahre wieder eine Menge ſolcher Zwiſchenformen vorhanden waren, die friſch ausgeſchlüpft waren, ſo iſt wohl, meint Weismann, „keine andere Erklärung zuläſſig, als daß die 99, welche in beiden Jahren dieſe Eier gelegt hatten, ihnen ein Keimplasma mitgegeben hatten, deſſen Be— ſchaffenheit die Urſache der ſonderbaren Miſchung ihres Körpers war“. Und doch hat uns E. Wasmann eine andere Erklärung gegeben, welche gerade für das Gegenteil der Weismannſchen Anſicht, nämlich für die trophogene Entſtehung des Polymorphismus ſpricht. Wasmann hat nämlich durch langjährige, konſequent durchgeführte Beobachtungen nachgewieſen, daß das Auftreten von Pſeudogynen mit der Anweſenheit gewiſſer Ameiſengäſte (Lomechusa, Xenodusa, Atemeles) urſächlich zuſammen— hängt. Der Zuſammenhang iſt folgender: Die genannten Käfer leben mit verſchiedenen Ameiſenarten (Formica- und Myrmica-Arten) in Symphilie, d. h. ſie werden von den Ameiſen gaſtfreundlich aufgenommen, gefüttert uſw. Aber nicht nur das, ſie machen auch ihre ganze Entwickelung im Ameiſenneſte durch, wobei ſogar die Ameiſen die Pflege der Larven übernehmen. Letztere ſind ſehr gefräßig und begnügen ſich nicht mit dem dargereichten Futter, ſondern holen ſich auch ſelbſtändig Nahrung, und zwar haben ſie es vor allem auf die Eier und Larven ihrer Wirtsameiſen abgeſehen. Unter dieſen räumen ſie „in erſchreckender Weiſe“ auf, ſo daß innerhalb weniger Wochen ein großer Teil der erſten Arbeitergeneration (die Lomechusa-Entwickelung fällt zeitlich mit der Entwickelung derſelben zuſammen) vernichtet wird. „Da— durch entſteht ein ſehr fühlbarer und plötzlicher Ausfall in der Entwickelung der Arbeitergeneration, und dieſen Ausfall ſuchen die Ameiſen dadurch zu erſetzen, daß ſie alle noch disponiblen, urſprünglich zu Weibchen beſtimmten 4 * of M. LIB. 52 Polymorphismus. Larven der unmittelbar vorhergehenden Generation (welche regelmäßig zu den Geſchlechtsindividuen erzogen zu werden pflegt) zu Arbeiterinnen umzüchten.“ Ein zweites Moment, das jedoch nur ſekundär iſt im Vergleich zu dem eben erwähnten, unterſtützt noch die Neigung der Ameiſen zur Umzüchtung der weib— lichen Larven zu Arbeiterinnen, „nämlich das außerordentlich raſche Wachstum der Lomechusa-Larven“. „Durch die Wahrnehmung desſelben wird die Haupt- pflege, die ſonſt den Weibchenlarven zugewandt wird, auf die Lomechusa= Larven übertragen, die den Arbeitern den Eindruck der allervorzüglichſten Pfleglinge machen, weshalb ſie von der Erziehung jener abgelenkt werden.“ (Wasmann 1885, S. 632.) Danach gehen alſo die Pſeudogynen aus Larven hervor, die urſprünglich zu Weibchen beſtimmt waren, ſpäter jedoch zu Arbeiterinnen umgezüchtet wurden. Stellt ſich uns doch auch die Pſeudogyne morphologiſch als eine „krüppelhafte Verbindung der Bruſtbildung eines Weibchens mit der Hinter— leibsentwickelung der Körpergröße einer Arbeiterin“ dar. Wasmann hat ſeine „paraſitiſche Pſeudogynen-Lomechusa-Hypotheſe“ auf ein ſo großes Tatſachenmaterial begründet, daß ſie den höchſten Grad von Wahrſcheinlichkeit beanſpruchen dürfte. Dennoch fehlte aber der Kontrollverſuch! Dieſen hat nun in jünſter Zeit Viehmeyer geliefert: Derſelbe ſetzte eine Königin, welche in einer Lomechusa- infizierten Kolonie lebte und hier vier Jahre lang Pſeudogynen erzeugt hatte, in ein vollkommen geſundes Volk. Die Folge davon war, daß ſie von nun an keine Pfeudogynen mehr, ſondern nur noch vollkommen normale 99 und 38 hervorbrachte. Damit iſt der ſichere Beweis erbracht, daß es ſich bei der Entſtehung der Pſeudogynen nicht um pathologiſch veränderte Keimanlagen handelt, ſondern lediglich um eine Anderung der Brutpflege. Wir haben hier alſo einen Fall vor uns, der zweifellos für die Hypo— theſe des trophogenen Polymorphismus ſpricht, indem ja hier die Entwicke— lungsrichtung durch beſondere Behandlung, ſogar noch in einem ziemlich fort— geſchrittenen Stadium abgeändert werden konnte. Auch die „mermitophoren“ Exemplare (ſiehe oben) laſſen ſich in dieſem Sinne verwerten. Wir haben oben ſchon betont, daß die merkwürdige Form dieſer Tiere nicht etwa bloß auf einer mechaniſchen Ausdehnung des Hinter- leibes durch den Paraſiten beruhen kann, da ja auch der Kopf der Mermi— tophoren weſentlich anders geformt und viel kleiner iſt und mitunter auch durch das Auftreten von Stirnozellen ſich vom normalen §-Kopf unterſcheiden kann. Wir können dieſe Veränderungen nur dadurch erklären, daß die Mermis ſchon in die Larven der Ameiſen eingedrungen ſind und dadurch eine Störung der larvalen Ernährung bzw. des Stoffwechſels verurſacht haben. Es liegt demnach hier ein ganz analoger Fall vor wie bei den Pſeudogynen; nur wird bei den Mermitophoren die Ernährungsänderung direkt durch einen individuellen Paraſiten bewirkt, während ſie bei den Pſeudogynen indirekt, d. h. durch die durch die Anweſenheit eines Sozialparaſiten (Lomechusa uſw.) veranlaßte Ab⸗ änderung des Brutpflegeinſtinktes verurſacht wird. Da bei den Mermitophoren genau wie bei den normalen 9 9 ein großes Abdomen in Verbindung mit Mikrocephalie auftritt, ſo glaubt Emery (1904) dieſe Beziehungen zwiſchen Abdomen und Kopf auf ein allgemeines Wachstums⸗ Ontogenie des Polymorphismus. 53 geſetz zurückführen zu müſſen, welches er als „das Geſetz des Gegenſatzes zwiſchen Kopf und Hinterleib“ bezeichnet. Wenn „bei der Metamorphoſe von zwei gleich großen Larven der Hinterleib der einen größer angelegt wird als bei den anderen, ſo muß der Kopf der erſteren kleiner werden, weil für denſelben ein geringes Maß des larvalen Ernährungsmaterials übrig ge— blieben iſt“. „Bei den Mermis- haltigen Arbeitern wirkt der Paraſit gerade wie ein außergewöhnlich groß gewachſenes Organ des Hinterleibes auf die Kopfgröße ein.“ Nach Emery ſollen nun die vielen Polymorphismusformen in erſter Linie derartigen Wachstumsgeſetzen (verbunden mit „beſonderen Korrelationsgeſetzen“) ihre Entſtehung verdanken. Durch ſolche rein mechaniſche Wachstumsgeſetze aber laſſen ſich unmöglich allein alle die Anpaſſungsformen, welche der Ameiſenpolymorphismus dar- bietet, wie z. B. die Colobopsis-Soldaten mit ihrer eigentümlichen Kopf— form und Skulptur, erklären. Solche dürfen wir überhaupt niemals rein ontogenetiſch auffaſſen, ſondern können wir nur phylogenetiſch verſtehen. Da wir aber doch unzweifelhaft äußere mechaniſche Einflüſſe während der Ontogeneſe für die Bildung verſchiedener Polymorphismusformen wirkſam ſahen, ſo müſſen wir annehmen, daß dieſen die Rolle auslöſender Reize zu— fällt, durch welche die eine oder die andere der im Keimplasma enthaltenen phylogenetiſch erworbenen Anlagen aktualiſiert wird. Daß wir unſere Anſchauung des trophogenen Polymorphismus lediglich auf pathologische Fälle (Pſeudogynen und Mermitophoren) gründen, kann wohl nicht als Einwand gegen die Richtigkeit unſerer Vorſtellung gebraucht werden. Iſt doch die Erſorſchung der Pathologie oft der beſte Weg zur Erkenntnis des normalen Geſchehens! Welcher Art die äußeren, die Entwickelungsrichtung beſtimmenden Ein— flüſſe ſind, ob dieſelben lediglich in der Quantität und Qualität der Nahrung beſtehen, oder ob noch andere Faktoren, wie Temperatur, Feuchtigkeitsgrad, Art der Beſpeichelung uſw., in Betracht kommen, darüber wiſſen wir noch nicht das geringſte. Es ſcheint mir deshalb der Einwand Forels, daß bei den Ameiſenlarven, welchen feſte Nahrung (wie kleine tote Inſekten und Stücke von ſolchen) vorgeſetzt wird (ſ. Kap. III, 4b), eine genaue Doſierung der Nahrung ausgeſchloſſen ſei, durchaus nicht zwingend gegen die Annahme des trophogenen Polymorphismus zu ſprechen. Denn es können ja auch andere Momente als gerade die Qualität oder Quantität der Nahrung als auslöſende Reize wirken. Iſt unſere Anſchauung von der trophogenen Entſtehung des Poly— morphismus richtig, ſo liegt alſo die Beſtimmung über die Zahl der verſchiedenen Formen (9, 8 und 4) in den Händen der Arbeiter, indem dieſelben durch entſprechende Brutpflege entweder die L- oder d- oder 2.-Anlage zur Entwickelung bringen können. Damit würden die Ameiſen in Übereinſtimmung mit den anderen ſozialen Inſekten (Bienen, Termiten) ſtehen, bei welchen ja ebenfalls lediglich die Arbeiter die Erſcheinungszeit und die Zahl der einzelnen Stände (direkt oder indirekt) beſtimmen. 54 Polymorphismus. Aus dieſer kurzen Überſicht, die ich hier über den Polymorphismus der Ameiſen gegeben habe, geht zur Genüge hervor, daß dieſes Thema reich an intereſſanten und wichtigen Problemen iſt. Keines dieſer Probleme iſt noch wirklich gelöft, manche find überhaupt noch gar nicht ernſtlich in Angriff genommen. Es liegt hier noch ein überaus dankbares Feld für die künftige Forſchung vor uns! Viele Fragen darunter reichen weit über das Gebiet der Ameiſenkunde hinaus und ſind ſogar geeignet, unſere allgemeinſten biologiſchen Anſchauungen weſentlich zu beeinfluſſen. Literatur. Adlerz, G., Myrmecologiska studier I. Formicoxenus nitidulus Nyl. Ofvers. K. Vetensk. Akad. Förhandl. 1884, No. 8, p. 43-64. 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Bei allen Ameiſen, deren Geſchlechtstiere geflügelt ſind, findet die Be— fruchtung in Verbindung mit einem ſogen. „Hochzeitsflug“ ſtatt. Derſelbe iſt ein großes Ereignis im Leben der Ameiſenvölker. Schon mehrere Tage vorher herrſcht eine mächtige Aufregung im Neſt, die ſich von Tag zu Tag mit der Zunahme der auskriechenden Geſchlechtstiere ſteigert. Man iſt aufs höchſte erſtaunt über die Veränderung, welche während dieſer Zeit in der ganzen Kolonie Platz greift. Nicht nur die jungen Geſchlechtstiere, welche ſich zum Ausfluge rüſten und auf der Oberfläche des Neſtes mit zitternden Flügeln herumlaufen, bedingen die Veränderung des Bildes, ſondern auch das Be— nehmen der Arbeiter, die doch an dem Hochzeitsflug gar nicht direkt beteiligt ſind, iſt ein total anderes geworden. Die Hausarbeit ruht zum großen Teil und auch das Fouragieren iſt eingeſchränkt; alle Einwohner ſind gewiſſermaßen im Bann des kommenden Ereigniſſes. Die Erregung der ſich zur Hochzeit anſchickenden Geſchlechter überträgt ſich auch auf die Geſchlechtsloſen und durchzittert das ganze Volk in gleicher Weiſe. Unſtet laufen die Arbeiter unter den Geſchlechtstieren herum oder folgen ihnen auf die Grashalme und andere erhöhte Gegenſtände, welche von letzteren mit Vorliebe erklettert werden; da— bei betrillern ſie die geflügelten fortwährend mit ihren Fühlern oder reichen ihnen Nahrung dar. Wie Schäferhunde eine Schafherde umkreiſen, ſo laufen andere Arbeiter um die Maſſe der Geſchlechtstiere, ſie in der Umgebung des Neſtes zuſammenzuhalten; haben ſich trotzdem einige von dieſen etwas weiter entfernt, ſo folgen ſie ihnen nach und bringen ſie mit Gewalt wieder zurück. Dieſes tolle erregte Treiben kann tagelang währen, bis die Stunde des Aufbruchs gekommen. Letztere hängt wohl in erſter Linie davon ab, ob alle Geſchlechtstiere ausgekrochen und zum Fliegen fähig ſind. Dann aber ſpielt auch die Tageszeit und die Temperatur eine mitbeſtimmende Rolle (ſ. unten). Befruchtung. 57 Was die Art des Auffluges ſelbſt betrifft, jo erfolgt dieſer nicht etwa auf einmal, wie auf ein gegebenes Zeichen, ſondern meiſtens ziehen die Ge— flügelten nacheinander ab und es kann eine ganze Weile dauern, bis alle Hochzeiter ſich entfernt haben. Wo Männchen und Weibchen zu gleicher Zeit vorhanden ſind, da erheben ſich gewöhnlich die Männchen zuerſt und die Weibchen folgen nach !). Die einzelnen Individuen, die gewöhnlich von er— höhten Punkten der Neſtumgebung aus in die Lüfte aufſteigen, entſchwinden bald unſeren Blicken, und erſt nach einer Weile, wenn oben im azurnen Luft— meer die ganze Geſellſchaft ſich wieder zuſammengefunden und ſich auch noch mit verſchiedenen fremden Hochzeitsflügen vereinigt haben, dann erinnern uns dunkle, Rauchwolken ähnelnde Säulen wieder daran, daß heute der große Tag iſt, und daß hoch über unſeren Häuptern Tauſende und Abertauſende kleiner Weſen Hochzeit feiern. Dieſe Schwärme können, wenn viele Ameiſen einer Gegend zu gleicher Zeit aufſteigen, rieſige Dimenſionen annehmen und wie ſchwere Wolken die Luft verfinſtern. In dem Liebestaumel, in welchem ſich alles befindet, verſchwinden Raſſen- und Artenhaß; und die Töchter und Söhne der Familien, die unten in ewiger Fehde liegen, vereinigen ſich oben, „im jungfräulichen unendlichem Raum, in der majeſtätiſchen Klarheit des offenen Himmels“, um gemeinſam die höchſten Freuden des Lebens zu genießen. Die Luft dort oben iſt erfüllt von Liebe — für feindliche Gefühle, für Haß, iſt kein Raum mehr. Abwechſelnd heben und ſenken ſich dieſe lebenden Säulen, welche von den Strahlen der Sonne beſchienen tauſendfältig glitzern, flimmern und zittern. Auffallenderweiſe heften ſich die Schwärme mit Vorliebe an er- höhte Gegenſtände, wie an Kirchtürme, an die Gipfel hoher Pappeln und an Bergſpitzen; es genügen aber mitunter auch weniger hohe Gegenſtände, ſo gelang es Huber, ſich ſelbſt zur Baſis eines ſolchen Schwarmes zu machen, welcher ihm ſogar eine Strecke weit folgte, als er langſam marſchierte. Noch während des „Schwärmens“ in der Luft findet bei vielen Ameiſen (3. B. Lasius) die Befruchtung ſtatt. Die Männchen ſtürzen ſich auf die Weibchen, und klammern ſich an ihnen feſt, ohne daß letztere dadurch am Fluge behindert werden. Nicht nur ein, ſondern zwei oder drei Männchen trägt das Weibchen mitunter auf ſeinem Rücken, wie Forel bei Lasius flavus beobachtet hat. Die Plätze auf dem Weibchen können auch mehrfach gewechſelt, d. h. von verſchiedenen Männchen nacheinander eingenommen werden. ) Nicht immer aber erſcheinen die beiden Geſchlechter gleichzeitig: v. Hagens, Mayer, Forel u. a. haben des öfteren in einem Neſte nur c oder nur 22 (geflügelte) angetroffen. Auch ich fand in einem Neſte von Camponotus pubescens in Seſtri Levante anfangs April c in großer Anzahl, aber kein einziges geflügeltes P. Endlich berichtet auch Wasmann (1903), daß man in den Formica sanguinea- Kolonien nur ſelten beide Geſchlechter gleichzeitig entwickelt antrifft. „Gewöhnlich geht die Entwickelung der co" derjenigen der 2 in ein und derſelben Kolonie voraus, ſo daß die erſteren meiſt das Neſt ſchon zum Paarungsfluge verlaſſen haben, wenn die 22 fertig ausgefärbt find.“ „Der Zweck dieſer Erſcheinung it die Vermeidung der Inzucht zwiſchen Individuen derſelben Kolonie.“ Manchmal überwiegt auch unter den Geſchlechtsgenerationen die Produktion von c oder von 22, welche Erſcheinung ebenfalls auf Vermeidung der Inzucht gerichtet iſt. % 58 Fortpflanzung. Die Hauptbedingung dafür, daß die Befruchtung in dieſer Weiſe in der Luft ſtattfinden kann, iſt natürlich die, daß die Männchen leichter und kleiner ſind als die Weibchen, ſo daß dieſe die erſteren überhaupt zu tragen vermögen. Wo dieſes Verhältnis nicht zutrifft (wie z. B. bei den Myrmiciden), da fallen die in der Luft gebildeten Paare vereinigt zur Erde herab, und hier erſt wird die Befruchtung ausgeführt, oder die beiden Geſchlechter kommen auch einzeln wieder herunter und ſuchen ſich erſt auf feſtem Grunde zu vereinigen. Die Männchen verfolgen dabei die Weibchen in eiligem Laufe und ſuchen die— ſelben mit ihren Beinen feſtzuhalten. Die Kopulation ſelbſt dauert nach Forel niemals länger als eine Minute; gewöhnlich läßt das Männchen ſchon nach wenigen Sekunden das Weibchen wieder los und entfernt ſich von ihm, um womöglich einem zweiten Männchen Platz zu machen. Forel beobachtete (bei Myrmica), daß ein Weibchen in weniger als drei Minuten dreimal be— fruchtet wurde und erſt ein viertes Männchen wurde abgewieſen. Nicht ſelten geben ſich die beiden Geſchlechter vor oder nach der Befruchtung gegenſeitig zärtliche Fühlerſchläge oder belecken auch einander (Forel). Der Hochzeitsflug iſt nicht immer mit einem richtigen „Schwarm“, wie wir ihn oben geſchildert, und unter dem wir eine große Maſſe geſchloſſen zuſammenfliegender Individuen verſtehen, verbunden. Bei Ameiſen, welche nur ganz ſchwache Kolonien bilden, wie z. B. die Leptothorax-Arten, iſt eine „Schwarmbildung“ von vornherein ausgeſchloſſen. Abgeſehen davon aber kommt es auch bei vielen anderen Ameiſen, die ſowohl numeriſch als auch bezüglich des Flugvermögens ſehr gut imſtande wären, Schwärme zu bilden, dennoch nicht zu ſolchen. Es ſcheint dies z. B. bei den Camponotus- und Formica-Arten der Fall zu ſein, da trotz deren Häufigkeit noch niemals richtige Schwärme von ihnen beobachtet wurden. Wahrſcheinlich fliegen hier die Geſchlechtstiere mehr vereinzelt auf und laſſen ſich bald auf den Gipfeln der Bäume nieder (Forel). Mag nun ein Schwarm gebildet werden oder nicht, ſo findet doch jeden— falls bei den Ameiſen, deren beide Geſchlechter geflügelt ſind, für gewöhn— lich ein Hochzeitsflug ſtatt, inſofern als ſowohl Männchen wie Weibchen mehr oder weniger gleichzeitig vom heimatlichen Neſt ausfliegen, um entfernt von letzterem entweder in der Luft während des Schwärmens oder auf Baum— gipfeln oder nach dem Flug auf der Erde die Hochzeit zu feiern ). Anders aber bei ſolchen Ameiſen, deren eines Geſchlecht — ſei es nun das Männchen oder das Weibchen — primär flügellos iſt! Bei dieſen kann natürlich von einem Hochzeitsflug in obigem Sinne nicht die Rede ſein. Wir haben im vorigen Kapitel eine ganze Anzahl ſolcher Fälle kennen gelernt: bei ) Eine Ausnahme davon ſcheint Atta sexdens zu machen. Wenigſtens berichtet v. Ihering, daß er niemals Pärchen davon in Kopula ſah und daß alle vom Neſt auffliegenden 22, ſoweit er fie unterſuchte, bereits befruchtet waren. Danach müßte alſo bei dieſer Ameiſe die Befruchtung ſchon unterirdiſch in der alten Mutterkolonie ſtattgefunden haben. Auch bei Formica rufa kommt eine Befruchtung im Neſt vor; ſo fand ich kürzlich (Juli 1905) in Herrenwies (badiſcher Schwarzwald) tief im Neſtinnern zwei in feſter Kopula befindliche Pärchen. Befruchtung. 59 einigen Ponera-Arten und bei Anergates iſt das Männchen flügellos, bei Leptogenys, Dorylus, Eeiton uſw. entbehrt dagegen das Weibchen der Flügel. Wie und wo bei dieſen Ameiſen die Befruchtung ſtattfindet, darüber ſind noch keine ſicheren Beobachtungen gemacht worden. Wir ſind daher auf Vermutung angewieſen. Da, wo es ſich um flügelloſe Weibchen und geflügelte Männchen handelt, ſind folgende drei Möglichkeiten zu überlegen: entweder 1. die Männchen ſuchen fremde Neſter auf, um die dort befindlichen jungfräulichen Weibchen zu befruchten, oder 2. letztere werden von dem im ſelben Neſte geborenen Männchen (alſo ihren Brüdern) befruchtet, oder endlich 3. die jungſräu— lichen Weibchen verlaſſen per pedes ihr heimatliches Neſt und werden nun während ihrer Wanderung von den herumfliegenden Männchen zufällig auf— gefunden und hier befruchtet. Wheeler hält die letztere Annahme für die wahrſcheinlichſte. In dem anderen Falle, wo das Weibchen geflügelt und das Männchen ungeflügelt iſt, haben wir nur mit zwei Möglichkeiten zu rechnen, da die Annahme, daß die Weibchen die Männchen aufſuchen, um ſich von dieſen befruchten zu laſſen, a priori in Wegfall kommen dürfte. Es handelt ſich alſo nur darum, ob das Weibchen im heimatlichen Neſte vor ihrem Wegflug von ihren eigenen Brüdern oder von fremden zugewanderten Männchen be— fruchtet wird. Bei Anergates iſt die Geſchwiſterehe ſicherlich die Regel; denn die Männchen dieſer paraſitiſchen Ameiſe ſind ſo unbeholfene Weſen, daß ſie ſich nur ſchwer fortbewegen und weitere Wanderungen zu fremden jedenfalls nicht unternehmen können. Außerdem haben wir in den vielen Degenerationserſcheinungen von Anergates einen ſchwerwiegenden Anhalts— punkt für eine fortgeſetzt ausgeübte Inzucht. — Wie es ſich aber mit den übrigen Ameiſen mit ergatomorphen Männchen verhält, entzieht ſich bis jetzt vollkommen unſerer Beurteilung. Daß beide Geſchlechter gleichzeitig flügellos ſind, iſt noch bei keiner Ameiſe beobachtet. Das Geflügeltſein der Geſchlechter ſpielt denn auch eine nicht geringe Rolle im Leben der Ameiſen: die Geflügelten ſorgen einmal für eine möglichſt weite Verbreitung der Art und zweitens für Blutmiſchung. Am beſten wird natürlich dieſer Zweck da erreicht, wo beide Geſchlechtstiere geflügelt ſind, weit weniger dagegen da, wo ein Geſchlecht der Flügel entbehrt. Welche Momente die Flügelloſigkeit des einen Ge— ſchlechts bedingt haben, iſt ſchwer zu ſagen; dieſe Frage iſt auch kaum generell, ſondern von Fall zu Fall zu entſcheiden. Die Zeit des Ausfluges der Geſchlechter iſt nach den verſchiedenen Arten ſehr ſchwankend. In unſeren Breiten findet derſelbe von Frühjahr bis Herbſt ſtatt; die Hauptflugzeit fällt in den Hochſommer, doch ſind einerſeits ſchon im April und Mai, andererſeits auch noch im September oder Oktober Hochzeitsflüge beobachtet worden. Aus der Liſte, die Forel über die Paarungs— zeiten gibt, geht hervor, daß auch für ein und dieſelbe Art der Hochzeitsflug zu verſchiedenen Zeiten ſtattfinden kann und daß es überhaupt ſchwer fällt, beſtimmte Regeln darüber aufzuſtellen. Bei einigen Arten ſcheint die Zeit mehr fixiert zu fein, wie z. B. bei den Lasius-Arten, die bei uns fait regel— 60 Fortpflanzung. mäßig Mitte Juli bis Mitte Auguſt ſchwärmen ). Andere Arten dagegen ſind bezüglich ihres Hochzeitsfluges ganz und gar nicht an eine beſtimmte Epoche gebunden; jo trifft man 3. B. bei den Formica-Arten Männchen und geflügelte Weibchen beinahe zu jeder Zeit. Auch betreffend der Tageszeit herrſchen nach Forel große Unterſchiede: z. B. Formica sanguinea zieht am frühen Morgen aus, Polyergus rufes- cens um die Mittagszeit, Lasius flavus nachmittags, und Lasius fuligi- nosus abends oder ſogar auch nachts. Auch die Dorylinen-Männchen fliegen des Nachts aus, weshalb man ſie am häufigſten an der Laterne fängt. Das⸗ ſelbe ſtellte Wheeler für die Leptogenys-Männchen (Ponerine) feſt. Haben beim Hochzeitsfluge ſämtliche neugeborenen Geſchlechts— tiere das Neſt verlaſſen? Huber und ſpäter Forel haben beobachtet, daß dies keineswegs immer der Fall iſt, ſondern daß einige Weibchen von den Arbeitern am Ausfluge verhindert und in das Neſt zurücktransportiert werden. Es find dies ſolche, welche ſchon vor dem Ausflug auf der Ober- fläche des Neſtes befruchtet wurden. Sie haben an der Vermehrung des alten Volkes mitzuarbeiten und nehmen bald denſelben Rang wie die Kö— nigin, ihre Mutter, ein. Aber auch unbefruchtete Weibchen bleiben zuweilen im heimat— lichen Neſte zurück, denn man findet ſolche nach Forel nicht ſelten nach dem Hochzeitsfluge in den Neſtern von Leptothorax, Formica exsecta, Myrmica laevinodis uſw. Man erkennt dieſe jungfräulichen Weſen, auch wenn ſie flügellos ſind, leicht an ihrer Beweglichkeit, an dem ſchlanken Abdomen und an ihrem Verhältnis zu den Arbeitern, welches gewöhnlich dem gleichgeſtellter Genoſſen entſpricht. Meiſtens aber beſitzen ſie noch ihre Flügel oder wenigſtens Flügel— reſte, da die unbefruchteten Weibchen ihre Flügel nicht wie die Befruchteten entfernen (ſiehe unten), ſondern allmählich durch die Arbeit verletzen und ab— ſtoßen. Übrigens benehmen ſich nicht alle unbefruchtet gebliebenen Weibchen wie gewöhnliche Arbeiterinnen; ſo verhielten ſich unbefruchtete Lasius-Weibchen, die v. Buttel im künſtlichen Neſt beobachtete, genau wie Königinnen und wurden auch von den Arbeitern als ſolche reſpektiert. — Forel macht darauf aufmerkſam, daß man unbefruchtete Weibchen am häufigſten bei denjenigen Ameiſen antrifft, deren beide Geſchlechter mit Vorliebe getrennt erſcheinen (ſiehe oben), und er hält es nicht für ausgeſchloſſen, daß die alten Jungfern doch noch unter die Haube kommen, indem ſie ſpäter, wenn eine Männchen— generation erſcheint, im Neſte befruchtet werden. Meiner Anſicht nach dürfte dies aber nicht die Regel ſein, da das getrennte Auftreten der Geſchlechter im allgemeinen als eine Einrichtung zur Verhütung der Inzucht aufzufaſſen iſt. Zuweilen kann man auch Männchen nach dem Hochzeitsfluge noch im Neſte antreffen (Forel, Janet). Sie werden nach Forel von den Arbeitern nicht angegriffen oder getötet, ſondern meiſtens ebenſo gut wie ihres— ) Allerdings fand Janet bei Beauvais (Frankreich) noch am 23. Oktober ein Neſt von Lasius flavus, welches von Geflügelten beiderlei Geſchlechts wimmelte und vor dem Hochzeitsflug zu ſtehen ſchien. Doch hat es ſich hierbei ſicher um eine zweite Generation gehandelt. Befruchtung. 61 gleichen behandelt. Allerdings ſcheint dies nach den neueren Beobachtungen Janets (1904) nicht immer der Fall zu ſein und haben die zurückgebliebenen Männchen auch oft ſchwer zu leiden unter der Behandlung der Arbeiter. Vielleicht benehmen ſich die verſchiedenen Arten anders; wahrſcheinlicher aber beſtimmt der jeweilige Zuſtand der Kolonie in erſter Linie das Verhalten der Arbeiter. Jedenfalls aber gehören die Behauptungen einiger Autoren, daß es regelmäßig zu einer Art „Drohnenſchlacht“ wie bei Bienen käme, in das Reich der Fabel. * * * Was iſt das weitere Schickſal der am Hochzeitsfluge beteiligten Geſchlechtstiere? Die Männchen haben mit der Befruchtung ihren Lebenszweck erfüllt. Ihre pſychiſchen und körperlichen Fähigkeiten find auch derart, daß ſie dem Staat in keiner Weiſe mehr nützen können. Sie ſind ja ſo dumm, daß ſie Freund und Feind nicht zu unterſcheiden vermögen, ſie entbehren ferner der Hauptwaffen, des Stachels und des Giftes, ſo daß ſie auch zur Verteidigung, welche Funktion nach Analogie der Staaten höherer Tiere für die Männchen in erſter Linie in Betracht käme, total unfähig ſind. — Der Tod der Männchen tritt nicht, wie bei der Biene, unmittelbar nach dem Befruchtungsakt als deſſen direkte Folge ein, ſondern die Männchen können noch eine ganze Weile am Leben bleiben. Es iſt jedoch nur noch ein Vegetieren; unfähig ſich allein in der Welt zurecht zu finden und ſich ſelbſtändig Nah— rung zu verſchaffen, ſterben ſie aus Entkräftung allmählich dahin, wenn anders fie nicht von einem Raubinſekt oder einem Vogel ſchon eher von ihrem Siechtum erlöſt worden find ). Ganz anders aber die Weibchen! Bei ihnen beginnt nach der Be— fruchtung das Leben erſt recht; große und ernſte Aufgaben harren ihrer jetzt. Die Erhaltung und Verbreitung der Art liegt allein in ihren Händen. Nie— mals kehren ſie nach der Befruchtung wieder in ihr heimatliches Neſt zurück, wie Huber und Forel übereinſtimmend nachgewieſen. Es iſt ſchon a priori ſchwer einzuſehen, wie die Weibchen, die im blinden Taumel das Neſt verlaſſen haben und geradewegs in die Lüfte aufgeſtiegen ſind, um erſt in weiter Ent— fernung wieder auf die Erde zu kommen — wie dieſe ihr Heim wieder auf— finden ſollten, zumal wenn in dem Schwarm die Angehörigen vieler ver— ſchiedener Neſter vereinigt waren. Die junge Bienenkönigin macht bekanntlich vor dem Hochzeitsflug mehrere vorbereitende Orientierungsflüge, um den Ort ) Ein ſehr auffallendes Verhalten der & (nach dem Hochzeitsfluge ?) beob— achtete Savage bei der afrikaniſchen Anomma rubellus. Er ſah nämlich einmal unter einem Zuge dieſer Wanderameiſe eine Anzahl entflügelter c mars ſchieren. Er verſuchte einige davon von der Kolonne zu entfernen, aber ſie kehrten, wenn freigelaſſen, wieder dahin zurück. — Emery bemerkt dazu, daß die Flügel der Anomma-c’ co" (Dorylus) viel leichter abfallen als bei anderen Ameiſenmännchen. „Welche Bedeutung dieſer Eigenſchaft ſowie dem Verbleiben der entflügelten oo unter der Bevölkerung zukommt, iſt ein ſehr merkwürdiges Problem, zu deſſen Löſung es fernerer Beobachtungen bedarf“ (Emery 1895). — Ganz ähnliches wie Savage beobachtete W. Müller bei braſilianiſchen Ecitonen, indem auch in deren Zügen mehrfach entflügelte Männchen ſich befanden. 62 Fortpflanzung. ihrer Heimſtätte ja recht ſicher ihrem Gedächtnis einzuprägen. Bei den Ameiſen fällt dies weg und damit auch die Möglichkeit des Zurückfindens. Denn die „unbekannte Kraft“ Bethes iſt doch zu unbekannt, um ernſtlich in Frage zu kommen. Auch die Annahme, daß die Weibchen etwa in fremden Neſtern ihrer Art Zuflucht ſuchten, wird durch die Beobachtungen Hubers und Forels hinfällig, wonach jedes fremde Weibchen, welches auf eine Kolonie (auch derſelben Spezies) fällt, von den Arbeitern ſofort angegriffen und getötet wird !). So ſtehen alſo die jungen befruchteten Weibchen vollkommen allein in der Welt; ſie gehen ihre eigenen Wege, direkt auf ihr Ziel, eine Familie zu gründen, los. Tauſende und Abertauſende freilich erreichen dieſes Ziel nicht; maſſen— weiſe fallen ſie Raubinſekten, Spinnen, Amphibien, Reptilien und Vögeln zum Opfer und werden zertreten, bevor ſie überhaupt mit ihrer Aufgabe beginnen konnten, und auch diejenigen, die damit bereits begonnen, erwarten noch vielerlei Gefahren. Nur wenigen it es vergönnt das Werk zu vollenden. Die ungeheuer große Zahl von Weibchen, die jedes Jahr geboren werden und die kaum bemerkbare Zunahme der Kolonien in einer Gegend ſind der deutlichſte Beweis dafür, wie dornenvoll und gefährlich der Weg der jungen Weibchen iſt. 2. Gründung neuer Kolonien. Während bei den Bienen die Vermehrung der Völker in der aufdring— lichſten Weiſe vor aller Augen ſich abſpielt, indem die alte Königin mit einem beträchtlichen Teil des alten Volkes auszieht („ſchwärmt“) und in einer neuen Wohnung ihr Staatenleben ſofort weiterführt, entzieht ſich die Neugründung von Ameiſenkolonien für gewöhnlich den Blicken der Menſchen; denn ſie geſchieht unterirdiſch oder wenigſtens ganz im Verborgenen. Der neue Ameiſenſtaat iſt auch nicht gleich fertig wie bei den Bienen, ſondern er muß jedesmal vollkommen neu geſchaffen werden. Hierin liegt einer der tief— greifendſten Unterſchiede zwiſchen Ameiſen- und Bienenſtaat; wird doch durch denſelben der Grad und die Art der Arbeitsteilung ganz weſentlich beeinflußt. Nach dem Geſagten kann es nicht wundernehmen, daß die Frage der Koloniegründung der Ameiſen lange Zeit ein ungelöſtes Problem geblieben iſt und daß, wie überall, wo wir auf Vermutungen angewieſen ſind, mehrere Anſichten darüber aufgeſtellt wurden. Auf der einen Seite nahm man an, daß die befruchteten Weibchen allein imſtande ſeien, eine neue Familie zu gründen, auf der anderen Seite dagegen glaubte man, daß die Weibchen dazu unbedingt fremder Hilfe bedürfen. Die erſte Anſchauung wurde von Huber begründet, dem wir überhaupt die erſten Beobachtungen und Verſuche über die Neuentſtehung von Ameiſen— kolonien verdanken. Die zweite Hypotheſe wurde zuerſt von Lepeletier de St. Fargeau ausgeſprochen: er nahm an, daß einzelne befruchtete Weibchen, welche ſich nach dem Hochzeitsfluge da und dort verkrochen haben, von zu— fällig umherirrenden Arbeitern aufgefunden werden, und daß dann dieſe den ) Nach den neueſten Beobachtungen Wasmanns ſcheint Formica rufa eine Ausnahme davon zu machen (ſ. unten). Koloniengründung. 63 Weibchen ſich anſchließen, um gemeinſam mit ihnen eine neue Kolonie zu gründen. Auch Ebrard und Forel hielten dieſe Anſchauung zunächſt für die wahrſcheinlichere, obwohl letzterer auch die Huberſche Meinung nicht ab— ſolut verwerfen mochte. Heute wiſſen wir nun auf Grund der glücklich durchgeführten Verſuche von Lubbock, Me Cook, Blochmann, Forel, Wheeler, Janet, v. Buttel u. a., daß die Vermehrung der Ameiſenvölker nicht nach einem einzigen Schema erfolgt, ſondern auf verſchiedene Weiſe geſchehen kann. Danach beſtehen die beiden obigen Anſchauungen (von Huber und Lepeletier) zu Recht, und außerdem kommt ſogar noch eine dritte Art der Koloniegründung in Betracht, nämlich Spaltung eines Volkes in mehrere. a) Koloniegründung durch ein oder mehrere (der gleichen Spe— zies angehörende) Weibchen. — Dieſe Art der Völkervermehrung iſt ent— ſchieden die urſprünglichſte und verbreitetſte. Sie iſt bis jetzt ſchon bei einer ganzen Anzahl verſchiedener Ameiſen ſeſtgeſtellt, jo bei Myrmica ruginodis (durch Lubbock), bei Camponotus pennsylvanicus (durch Me Cook), bei Camp. ligniperdus (durch Blochmann und Forel [1902]), bei Camp. her- culeanus und Formica fusca (durch Janet), bei Lasius niger (durch Janet und v. Buttel) uſw. Der Vorgang ſcheint ſich überall in ziemlich übereinſtimmender Weiſe abzuſpielen. Das Weibchen, welches wir oben nach dem Hochzeitsfluge bzw. nach der Befruchtung verlaſſen haben, nimmt zunächſt eine ſehr merkwürdige Prozedur an ſich vor, nämlich das Abwerfen der Flügel. Dieſe Organe haben ihre Funktion, die Verbreitung der Art zu ermöglichen, erfüllt und ſind nun vollkommen nutzlos geworden. Ja, nicht nur das — ſie ſind jetzt geradezu ſchädlich, indem ſie die Weibchen bei ihren unterirdiſchen Arbeiten nur hindern. Deshalb werden ſie kurzer Hand entfernt. Die Weibchen breiten zu dieſem Zweck ihrer Flügel möglichſt weit aus, drücken ſie gegen die Erde, krümmen ſich bald nach der einen, bald nach der anderen Seite, um die Wirkung zu erhöhen, und helſen endlich auch mit den Beinen nach, indem ſie mit denſelben über die Flügel herübergreifen und ſie an der Wurzel herabzu— drücken ſuchen ). Gewöhnlich braucht es gar nicht allzu vieler Anſtrengung, da die Flügel merkwürdig leicht abfallen. Zweifellos treten nach der Befruchtung Veränderungen an den Flügelwurzeln ein, welche das Abbrechen der Flügel ermöglichen. Denn bei normal befeſtigten Flügeln würde dies nicht ſo leicht gelingen; und würden die Flügel etwa von Anfang an ſchon ſo loſe ſitzen, ſo dürften ſie kaum zum Fluge brauchbar ſein. Ferner werfen ja die unbefruchtet ge— bliebenen Weibchen ihre Flügel nicht ab, obwohl ſie doch meiſtens Arbeiter— gewohnheiten annehmen und ihnen dabei die Flügel ſehr hinderlich ſein müſſen; ſie werden ſich eben derſelben nicht ohne weiteres entledigen können. Allerdings werden auch dieſe Geſchöpfe, wie oben bereits erwähnt, mit der ) Jeder kann ſich ſelbſt leicht von dieſem Vorgang überzeugen. Man braucht nur z. B. von den im Juli bis Auguſt überall, auch in den Straßen der Städte maſſenweiſe heumlaufenden Lasius-ꝙ 2 einige in ein Glasgefäß mit etwas feuchtem Sand einzuſperren, ſo werfen ſie hierin in kurzer Zeit ihre Flügel ab. 64 Fortpflanzung. Zeit manchmal flügellos, jedoch auf andere Weiſe, indem ſie beim Arbeiten die zarten zerbrechlichen Organe häufig verletzen und allmählich ganz abſtoßen. Welcher Art die Veränderungen an der Flügelwurzel ſind, darüber wiſſen wir noch gar nichts, und es wäre jedenfalls lohnenswert, dieſe Frage näher zu ver folgen. Nachdem nun die befruchteten Weibchen ſich ihrer Flügel entledigt, be— ginnen ſie ſofort mit der Herſtellung einer Wohnung, wobei ſie eine große Geſchicklichkeit an den Tag legen. Vermöge ihrer bedeutenderen Größe und Stärke ſind ſie den Arbeitern darin weit überlegen, und es iſt geradezu erſtaunlich, welche Veränderungen ein einziges Weibchen im künſtlichen Neſt über Nacht hervorzubringen vermag. Das Ziel ihrer Arbeit geht dahin, einen allſeitig geſchloſſenen Raum („Keſſel“) herzuſtellen, ſei es, daß ſie ſich unter Steinen in die Erde eine Höhlung graben, oder daß ſie unter Rinde in hohlen Zweigen oder Mauerſpalten uſw. durch Verſtopfen oder Zumauern der Offnungen ſich einſchließen. Iſt dies geſchehen, ſo beginnt die Eiablage. Die Eier, die anfänglich nur ſpärlich erſcheinen, werden zu einem kleinen Paket zuſammengeklebt und von der Mutter ſofort in Obhut und Pflege genommen. Haben wir ſoeben die junge Königin als ausgezeichnete Baumeiſterin kennen gelernt, ſo ſehen wir ſie jetzt nicht minder tüchtig in der Brutpflege. Sie hält ſich ſtets bei ihren Eiern auf, bewacht ſie und ſucht ſie bei drohender Gefahr in Sicher— heit zu bringen; ſie beſpeichelt und reinigt ſie, genau wie es im ausgebildeten Staate die Arbeiter tun. Die gleiche Pflege wendet ſie den ausgeſchlüpften Larven zu, denen ſie außerdem auch noch Nahrung darreicht. Sie unterſtützt des weiteren die Larven beim Kokonſpinnen, indem fie kleine Sandkörnchen uſw., welche zur Befeſtigung der erſten Fäden nötig ſind, heranbringt. Iſt das Geſpinſt fertig, ſo reinigt ſie dasſelbe wieder von den daran haftenden Körnchen; und kommt dann endlich die Zeit des Ausſchlüpfens, ſo greift ſie auch dabei hilfreich ein, indem ſie das Geſpinſt öffnet und die darin eingeſperrten Imago befreit. Sie weiß übrigens dabei recht wohl ihre eigenen Puppen von fremden zu unterſcheiden, wie aus einem Verſuch Blochmanns hervorgeht. Er gab einem Weibchen von Camponotus ligniperdus, welches bereits einige ihrer eigenen Larven erzogen hatte, mehrere dem Ausſchlüpfen nahe Puppen von Formica sanguinea ins Neſt. Es trug dieſelben wohl hier und da herum, wie ihre eigene Brut, niemals aber öffnete es eine von ihnen, ſo daß dieſe fremden Puppen ſchließlich alle zu Grunde gingen, während es die eigenen Puppen zum Ausſchlüpfen brachte. — Mit dem Ausſchlüpfen der Imago iſt die Brutpflege noch nicht beendet, ſondern auch dem eben ausgeſchlüpften jungen Weſen wendet die Mutter ſo lange, bis es vollkommen erhärtet und eines ſelbſtändigen Lebens fähig iſt, ihre Sorgfalt zu. Die Zeit von der Eiablage bis zum Ausſchlüpfen der erſten Arbeiterinnen iſt ſehr ver— ſchieden und hängt wohl ebenſo ſehr von der Spezies als von der Tem— peratur und anderen äußeren Bedingungen ab. Die Angaben darüber ſchwanken zwiſchen ſechs Wochen (Formica fusca, Camponotus ligniperdus) und einem Jahr (Lasius niger [nach v. Buttel])). Koloniengründung. 65 Womit ernährt die junge Königin ihre erſten Larven? Dieſe Frage iſt nicht ſo einfach zu löſen. Denn wir erfuhren ja eben, daß das Weibchen ſich ganz und gar einmauert und ſich von der Außenwelt vollſtändig abſchließt. Und da ſie auch keine Vorräte im „Keſſel“ anſammelt, bevor ſie ſich darin einſperrt, ſo iſt ſie alſo völlig ohne Nahrung. Forel (1902) hat auch experimentell feſtgeſtellt, daß junge befruchtete Weibchen tatſächlich lange Zeit (neun Monate!) ohne Darreichung von Nahrung zu leben und dabei einige Larven aufzuziehen vermögen. Vielleicht, ſo könnte man denken, haben die Weibchen von ihrem heimat— lichen Neſte noch eine tüchtige Portion Nahrung auf ihren Lebensweg (im Kropf) mitgenommen. Es ſind darüber noch keine Unterſuchungen angeſtellt; doch halte ich dies ſchon a priori für ausgeſchloſſen, da der Vorrat doch ſehr groß ſein müßte, dadurch aber das Fliegen weſentlich erſchwert, wenn nicht ganz unmöglich gemacht würde. Es bleibt uns daher wohl nichts anderes übrig, als die Nahrungsreſerven im Körper der Königin ſelbſt zu ſuchen; zum Teil dürften dieſelben in dem Fettkörper, der bei den jungen Weibchen nach Blochm ann ſehr voluminös iſt, beſtehen, zum Teil aber auch in der überaus kräftigen Flügelmuskulatur, welche ja nach dem Abfallen der Flügel funktionslos geworden iſt, und nun der Hiſtolyſe und Reſorption anheimfällt. Auf dieſe letztere Nahrungsquelle wurde erſt in jüngſter Zeit von Wheeler (1904) und Janet aufmerkſam gemacht. So viel ſteht alſo feſt, daß die jungen Mütter die Brut lediglich auf Koſten ihres eigenen Körpers aufziehen. Es bleibt ſich dabei ganz gleich, ob die Ernährung durch „Speichel“ geſchieht, oder dadurch, daß die Weibchen einen Teil ihrer Eier auffreſſen und dieſelben als Futterſaft ihren Larven wieder darreichen ). Wahrſcheinlich find bei den Ameiſen beide Ernährungs— weiſen kombiniert; denn einerſeits iſt ſchon mehrfach (Forel, Janet, v. Buttel uſw.) beobachtet, daß die Weibchen nicht ſelten von ihren Eiern und Larven freſſen, und andererſeits müſſen wir aus der kräftigen Entwicke— lung der Speicheldrüſen ſchließen, daß ſie ein reichliches Sekret liefern, welches nach Analogie des Bienen- und Termitenſpeichels höchſt wahrſcheinlich zur Er— nährung dient. Es iſt keine „Tugend“, kein Zeichen von „Aufopferung“, wenn die junge Mutter ihre Brut mit ihrem eigenen Fleiſche füttert, ſondern Notwendigkeit. ) Nach den neueſten Beobachtungen Jacob Hubers in Para füttert das junge Weibchen von Atta sexdens die Larven direkt mit ihren Eiern. Er berichtet darüber: „Nachdem die junge Mutterameiſe das Ei zur Welt gebracht, betaſtet ſie dasſelbe zuerſt während einiger Sekunden und wendet ſich ſodann an eine Larve, welche ſie mit den Fühlern kitzelt, bis dieſelbe anfängt ihre Kiefer zu bewegen, worauf das Ei meiſt mit ziemlicher Kraft mit einem ſeiner Enden zwiſchen die Kiefer geſtoßen wird, welche nun fortfahren, ſich gegen dasſelbe zu bewegen. Dabei ſteht das Ei bald ſenkrecht vom Körper ab, bald liegt es mehr oder weniger ihrer Bauchſeite an. Im letzteren Fall drückt die Mutterameiſe das Ei oft noch durch einen Fußtritt an. Iſt die Larve noch klein, ſo wird das Ei gewöhnlich nach kurzer Zeit wieder weggenommen und einer anderen Larve gegeben; eine große Larve jedoch iſt im ſtande, ein Ei im Verlauf von drei bis fünf Minuten vollſtändig aus— zuſchlürfen, ſodaß nur noch die kollabierte Eihaut übrig bleibt“. Eſcherich, Die Ameiſe. 5 66 Fortpflanzung. Denn nur dadurch, daß fih das Weibchen von der Außenwelt vollſtändig abſchließt, findet es Sicherheit für ſich und ſeine Brut. Würde das Neſt offen ſein, oder Zugänge von außen zu ihm führen, ſo würden ſich ſicherlich bald Räuber einfinden, welche den Eiern und Larven nachſtellten, zumal wenn die Königin, ihre Brut unbewacht zurücklaſſend, auf Nahrungsſuche ausgegangen. Auch die Königin ſelbſt würde ſich ja auf ihren Streifzügen vielerlei Ge— fahren ausſetzen und dadurch das Schickſal ihrer Familie fortwährend in Frage ſtellen. Es iſt alſo ein überaus vorteilhafter Inſtinkt, welcher die jungen Weibchen zum Zweck der Koloniegründung ſich vollkommen einmauern läßt. Derſelbe konnte ſehr wohl durch Naturausleſe gezüchtet werden, zumal die Weibchen ſich dafür nicht erſt beſondere Nahrungsreſerven neu erwerben mußten, ſondern in den ſunktionslos gewordenen kräftigen Flügelmuskeln ſolche bereits beſaßen. Die Gründung einer neuen Kolonie geſchieht nicht immer durch ein ein— ziges Weibchen, ſondern es können, wie Forel und andere feſtgeſtellt haben, zwei, drei und mehr Weibchen derſelben Art ſich zuſammentun, um gemeinſam ihre Brut aufzuziehen ). v. Buttel beobachtete im künſtlichen Neſte, daß ein Weibchen (von Lasius niger), welches kein richtiges Gemach zu bauen imſtande war, in die daneben befindliche wohlgebaute Wohnung eines anderen eindrang, und ſogar ihre Eier mitbrachte. Die beiden vertrugen ſich ſehr gut und zogen gemeinſam ihre Larven auf. So— bald aber die erſten Arbeiter erſchienen waren, bekämpften ſich die zwei Königinnen aufs heftigſte, bis die eine unterlag 2). Es wäre ſehr wichtig zu erfahren, ob dies die Regel iſt, d. h. ob ſchließlich, nachdem die Kolonie ge— gründet iſt, vorerſt nur ein Weibchen das Regiment behält. Iſt dies nämlich der Fall, jo können wir für das Vorhandenſein mehrerer, oft ſehr vieler be— fruchteter Weibchen im ausgebildeten Ameiſenſtaat keine andere Erklärung gelten laſſen, als daß die auf oder im Neſte befruchteten Weibchen von den Arbeitern am Ausfliegen verhindert und in das Neſt zurücktransportiert werden, wie oben gefchildert. Iſt jedoch die v. Buttelſche Beobachtung nur eine Aus- nahme, durch äußere Momente veranlaßt, und werden alſo die überzähligen Königinnen für gewöhnlich nicht entfernt, ſo bleibt uns auch noch die Annahme, daß die polygynen Staaten ihre Gründung mehreren Weibchen verdanken ). Die Frage hat noch eine andere Bedeutung: Bleiben nämlich die ver— ſchiedenen Weibchen, die gemeinſchaftlich eine Kolonie gegründet haben, auch 1) Ob die etwa 50 Formica rufa-Q Q , welche Forel (Fourmis de la Suisse, p. 257) am Simplon unter einem Stein gefunden hat, ſich zum Zweck der Stolonie= gründung vereinigt haben, iſt ſehr zweifelhaft. ) Auch Me Cook (Agricultural Ant of Texas, p. 146) berichtet von einem Kampf zwiſchen zwei jungen Königinnen. — Möglicherweiſe iſt auch die tote Atta= Königin, die Ihering neben einer lebenden in einem neuen Neſte fand, das Opfer eines Zweikampfes geweſen. ) Übrigens können auch ausgebildete polygyne Staaten wieder monogyn werden, wenn man ſie unter ungünſtigere Bedingungen bringt. So wurden nach Janet von Tetramorium caespitum und Solenopsis fugax alle überzähligen 2 2 bis auf eines von den 38 entfernt, ſobald die Kolonien vom Freien in künſtliche Neſter verſetzt wurden. Koloniengründung. 67 ſpäterhin beiſammen, ſo wird die neue Kolonie höchſtwahrſcheinlich aus den Nachkommen der verſchiedenſten Kolonien zuſammengeſetzt ſein und bleiben, da ja beim Hochzeitsflug die Geſchlechstiere von zahlreichen Völkern der ganzen Umgebung ſich zu einem einzigen Schwarm vereinigen und daher in bunteſter Miſchung zu Boden fallen. — Werden aber nach der Gründung der Kolonie die überzähligen Weibchen entfernt, ſo wird dieſelbe, wenn ſie auch anfangs aus verſchiedenen Elementen beſtehen kann, allmählich rein werden, d. h. nur aus Nachkommen einer Königin beſtehen. Und wenn ſpäter zu dieſer Stamm— mutter auf die oben beſchriebene Weiſe noch eine Anzahl Nebenmütter hinzu— kommen ſollten, ſo ändert dies nichts am Blut der Kolonie, da die letzteren ja von erſterer abſtammen und außerdem für gewöhnlich von ihren Brüdern befruchtet werden. Da nun normalerweiſe ſämtliche Angehörige einer Kolonie derſelben Form angehören und in Farbe und Skulptur auffallend überein— ſtimmen, ſo möchte ich die letztere Eventualität für die wahrſcheinlichere halten und alſo die v. Buttelſche Beobachtung über die plötzliche Umwandlung der gegenſeitigen Geſinnungen der gemeinſamen Gründerinnen als die Regel anſehen. Es wäre dies nicht die einzige Inſtinktsänderung, die nach dem Aus— kriechen der erſten Arbeiter in der jungen Königin vor ſich geht. Auch der Bau⸗ und Brutpflegeinſtinkt tritt nach dem Erſcheinen der Arbeiter mehr und mehr in den Hintergrund, in dem Maße, als die Kinder nun dieſe Funktionen übernommen haben. Übrigens geht die Königin dieſer Inſtinkte nicht voll— kommen verluſtig und ſinkt etwa jetzt zur bloßen Eierlegmaſchine herab (wie die Bienenkönigin), ſondern die Inſtinkte, die wir bei der Koloniegründung tätig ſahen und bewunderten, bleiben ihr latent erhalten und können jederzeit wieder zum Vorſchein kommen ). So helfen die Weibchen, wenn der Kolonie Gefahr droht, häufig beim Rettungswerk mit, indem ſie die Brut in Sicher— heit ſchleppen, beim Wiederaufbau zerſtörter Wälle ſich beteiligen uſw. (Wheeler, Janet u. a.). Ja, nicht nur das, — ſie können nach Janet ſogar zum zweitenmal eine neue Kolonie gründen, wenn fie ihrem Stammneſte ent— nommen und iſoliert werden! Sobald einige Arbeiter ausgekommen ſind, beginnt das Geſellſchafts— leben; denn die Kinder bleiben bei der Mutter und teilen ſich mit ihr in der Arbeit. Die erſten Arbeiter, die erſcheinen, ſind auffallend klein, das hindert ſie aber nicht, alle Arbeiterfunktionen zu übernehmen. Zunächſt bahnen ſie ſich einen Weg aus dem Gefängnis, um Nahrung herbeizubringen, ſowohl für ſich, als die Brut und die Königin, deren innere Nahrungsquellen vollkommen erſchöpft ſind. Sie beginnen ferner die Brutpflege auszuüben und den Aus— bau des Neſtes in Angriff zu nehmen uſw.; kurz ſie entlaſten das Weibchen in jeder Weiſe, jo daß letzteres ſich nunmehr ungeſtört dem Geſchäft des Eier- legens widmen kann. Die Folge der Arbeitsteilung drückt ſich denn auch baldigſt darin aus, daß die Ovarien der Königin ſich mächtig entwickeln und die Produktion der Eier bedeutend ſteigt. Ferner ergeben jetzt auch die Larven, ) Die 2 2 der Ponerinen betragen ſich ihr ganzes Leben lang wie gewöhn— liche 88; fie ſuchen ſich auch in ausgebildeten Kolonien ſelbſtändig ihre Nahrung und beteiligen ſich auch an allen häuslichen Geſchäften (Wheeler). 5 * 68 Fortpflanzung. da ſie reichlicher Koſt bekommen, größere, normale Arbeiter. — Damit ver— laſſen wir die neue Kolonie; die weitere Entwickelung derſelben ſoll unten, wo von dem Wachstum der Kolonien die Rede iſt, näher verfolgt werden. b) Koloniegründung mit Hilfe von Allianzen. — Bei einer ganzen Anzahl von Ameiſen ſind die Weibchen allein nicht mehr imſtande, eine neue Familie zu gründen, da ihnen die nötigen Inſtinkte uſw. mehr oder weniger abhanden gekommen ſind. Sie bedürfen daher anderweitiger Unterſtützung. Dieſe kann ihnen entweder von jungen Weibchen einer anderen Spezies, welche im Vollbeſitz der Bau- und Brutpflegeinſtinkte ſind, zuteil werden, oder von Arbeitern der gleichen oder auch einer anderen Art. Somit haben wir folgende Möglichkeiten von Allianz- bzw. Adoptionsgründungen in Betracht zu ziehen: 1. Das der Alleingründung unfähige („abhängige“) Weibchen begegnet nach dem Hochzeitsfluge einem „unabhängigen“ Weibchen, ſchließt ſich dieſem an und läßt ſich von ihm ihre Jungen aufziehen. Es entſtehen dadurch ſtets dauernd „gemiſchte Kolonien“ (Allianzkolonien), da ja das „unabhängige“ Weibchen ſelbſt ebenfalls Nachkommenſchaft bekommt (Strongylognathus testaceus + Tetramorium). 2. Das „abhängige“ Weibchen wird nach dem Hochzeitsfluge von Arbeitern der gleichen Art aufgefunden und als Königin angenommen. Hier über— nehmen dann die Arbeiter die Funktionen, deren das Weibchen nicht mehr fähig iſt, wie im erſten Fall das „unabhängige“ Weibchen dieſelben über— nommen hat (Formica rufa 2). f 3. Das „abhängige“ Weibchen ſucht nach dem Hochzeitsfluge weiſelloſe Kolonien einer anderen Art auf, läßt ſich hier adoptieren und ſeine Brut auf— ziehen. Dadurch entſtehen natürlich zunächſt „gemijchte Kolonien“ (Adoptions- kolonien). Da aber die weiſelloſen Kolonien mangels Nachwuchſes über kurz oder lang ausſterben, ſo werden aus den gemiſchten allmählich einfache Kolonien, die lediglich aus den Nachkommen der adoptierten Königin beſtehen. Auf dieſe Weiſe vollziehen, wie Wheeler und Wasmann in jüngiter Zeit feſtgeſtellt, mehrere Formica-Arten die Neugründung ihrer Kolonien, wie F. consocians (mit Hilfe von F. incerta), truncicola (mit Hilfe von F. fusca), ferner wahrſcheinlich noch F. microgyna (mit Hilfe von incerta), F. exsec- toides (mit subsericca), ausnahmsweiſe vielleicht auch F. rufa (mit fusca). Auch bei einer Myrmicine, Stenamma tenesseense, ſcheint die Vermehrung der Völker mit Hilfe von Adoptionskolonien vor ſich zu gehen. Nicht immer werden übrigens die Adoptionskolonien nach Ausſterben der Hilfsameiſen wieder zu einfachen Kolonien, ſondern es können auch dauernde gemiſchte Kolonien aus ihnen hervorgehen, indem nämlich die Nachkommen des adoptierten Weibchens neue Arbeiterpuppen ihrer Hilfsameiſen berauben und aufziehen. Es handelt ſich dann allerdings nicht mehr um die urſprüng— liche Adoptionskolonie, ſondern um eine ſekundäre Raubkolonie. Näheres darüber ſiehe unten Kap. VII, A. 2. c) Koloniegründung durch Spaltung. Dieſer Vermehrungsmodus iſt bis jetzt nur ſelten beobachtet. Forel (1873, S. 285) berichtet einen der— artigen Fall von Formica pratensis: ein ſehr ſtarkes Volk dieſer Ameiſen Koloniengründung. Wachstum und Größe der Kolonien. 69 legte mehrere Zweigniederlaſſungen an, welche mit der Stammkolonie durch Straßen verbunden waren und auch einen regen Verkehr mit derſelben unter— hielten. Im folgenden Frühjahr änderte ſich aber das Bild: die gegen- ſeitigen Beſuche hörten auf, der Zuſammenhang war unterbrochen. Und nicht nur das — ſondern die Bewohner der Zweigneſter und des Stammneſtes waren ſich auch vollkommen fremd geworden, ſo daß ſie ſich bei Begegnungen bekämpften. Damit war das Kriterium für die Selbſtändigkeit der Kolonien gegeben! Es hat alſo hier tatſächlich eine Völkervermehrung durch Spaltung ſtattgefunden. Leider teilt uns Forel nicht mit, ob in die neuen Kolonien auch Königinnen mitgezogen ſind. Dieſer Fall dürfte keineswegs vereinzelt ſein, ſondern höchſtwahrſcheinlich kommen ſolche Koloniegründungen durch Spaltung bei allen Ameiſen, die Zweigkolonien anlegen (Formica-Arten), öfter vor. Wasmann (1905) möchte für Formica rufa dieſen Gründungsmodus ſogar für den normalen oder wenigſtens häufigſten anſehen. Denn einerſeits ſind junge, ſelbſtändig gegründete Kolonien von rufa noch niemals, und kleine gemiſchte Kolonien rufa + fusca nur ſehr ſelten gefunden worden, und andererſeits zeigt gerade die rufa eine ausgeſprochene Neigung zur Bildung von Zweig— kolonien. Dazu kommt, daß, wie Wasmann neuerdings feſtgeſtellt, befruchtete rufa-Weibchen in einer fremden Kolonie ihrer Art leicht aufgenommen werden, ſo daß alſo weiſelloſe Zweigkolonien leicht in den Beſitz von Königinnen kommen können. ’ Während es ſich bei dieſen Fällen um eine allmähliche Trennung handelt, ſo ſollen bei den niederen Ameiſen, den Ponerinen, ſpontane Spaltungen vorkommen, indem bei dieſen ein Teil der Arbeiter mit den jungen Königinnen auszieht (ähnlich wie bei den Bienen), um neue Kolonien zu gründen (Wheeler). Direkt beobachtet iſt ein ſolcher Exodus allerdings noch nicht, doch glaubte Wheeler auf Grund verſchiedener Beobachtungen zu dieſer ſeiner Annahme wohl berechtigt zu ſein. 3. Weiterentwickelung und Verfall der Kolonien. a) Das Wachstum der Kolonien. Sobald das junge Weibchen in den Beſitz einiger Hilfskräfte gekommen iſt — ſei es durch Aufzucht einiger Arbeiter oder Allianz oder Adoption —, ſo iſt die Exiſtenz der neuen Kolonie ſo gut wie geſichert. Die Weiterentwickelung geht dann raſch von ſtatten: denn infolge der Arbeitsentlaſtung und reichlicheren Ernährung der Königin wird deren Eiproduktion eine ſehr rege; dann verläuft auch die Meta— morphoſe jetzt viel raſcher, da die Larven durch die Arbeiter beſſer und reichlicher verpflegt werden als es durch die Mutter allein geſchehen konnte. Selten dürfte die fördernde Wirkung der Arbeitsteilung ſich deutlicher und augenſcheinlicher dokumentieren, als beim werdenden Ameiſenſtaat. Das Tempo und die Grenzen der Entwickelung iſt je nach den Ameiſenarten ſehr verſchieden und hängt natürlich in erſter Linie von der Fruchtbarkeit der betreffenden Weibchen ab. Da gibt es einerſeits Ameiſen mit ſehr beſchränkter Fruchtbarkeit, wie z. B. die Ponerinen, deren Weibchen 70 Fortpflanzung. nach Wheeler meiſtens nur zwei (oder nur wenig mehr) Eier auf einmal legen und zwiſchen jeder Eiablage Pauſen von einigen Tagen oder Wochen machen. Andererſeits gibt es Ameiſen, deren Fruchtbarkeit ſchier unbegrenzt erſcheint, wie die Formica-Arten, Lasius uſw. Die Grenzen des Wachstums, d. h. die Bevölkerungszahl, die eine Kolonie erreichen kann, wird aber auch noch durch andere Momente mehr oder weniger beeinflußt. So wird eine Kolonie natürlich um ſo ſchneller und ſtärker wachſen, je größer die Zahl der ihr angehörigen befruchteten Weibchen iſt. Ferner dürfte auch das Eierlegen der Arbeiterinnen einen Einfluß auf die Volksincrescenz ausüben. Wir wiſſen ja aus dem vorigen Kapitel, daß die Arbeiterinnen ſehr häufig wohlentwickelte Ovarien beſitzen, und Forel und Lubbock haben ſchon vor längerer Zeit feſtgeſtellt, daß die Arbeiterinnen wirklich mitunter Eier legen können, welche ſich zu Imagines entwickeln. Die neueren Beobachtungen von Miß Fielde, Reichenbach, Wheeler, Viehmeyer belehren uns ſogar, daß dies eine ganz häufige und gewöhnliche Erſcheinung iſt: Miß Fielde ſpricht von Hunderten und Vieh— meyer von Tauſenden von Eiern, welche in weiſelloſen Kolonien in relativ kurzer Zeit abgelegt wurden. Daß das Eierlegen der Arbeiterinnen bis jetzt meiſtens nur in weiſelloſen Kolonien beobachtet wurde, iſt nicht etwa ein Beweis dafür, daß die Arbeiterinnen in Kolonien mit Weibchen ſich der Ei— ablage überhaupt ganz enthalten, ſondern es rührt dies wohl daher, daß wir eben in weibchenhaltigen Kolonien nicht wiſſen können, ob die Eier vom Weibchen oder von Arbeiterinnen herſtammen, während in weiſelloſen Kolonien die Eier ja nur von Arbeiterinnen herkommen können. Nach den anatomiſchen Befunden von Miß Holliday iſt es wohl ſicher, daß bei vielen Ameiſen auch in ganz geſunden Kolonien die Arbeiterinnen ſich gar nicht unweſentlich an der Vermehrung des Volkes beteiligen. Jedenfalls darf dieſes Moment bei der Beurteilung der Volksincrescenz nicht ganz außer Acht gelaſſen werden. Endlich muß auch die Lebensdauer der Weibchen berückſichtigt werden. Leider wiſſen wir aber über die Altersgrenzen der Ameiſen noch recht wenig; Lubbock, Janet und Wasmann haben uns zwar gezeigt, daß die Weibchen einiger Formica= und Lasius-Arten das für Inſekten unerhörte Alter von 10 bis 15 Jahren erreichen können, doch erlauben uns dieſe wenigen Angaben noch keine Schlüſſe auf die übrigen Ameiſen, welche ſicher auch in dieſem Punkte ſich unterſchiedlich verhalten. Berückſichtigen wir alle dieſe Faktoren neben der ſpezifiſchen Fruchtbarkeit der Weibchen, und nehmen wir ferner auch die äußeren Lebensbedingungen (Klima) hinzu, ſo werden uns die gewaltigen Differenzen bez. der Größe bzw. der Bevölkerungszahl der verſchiedenen Ameiſenſtaaten ohne weiteres klar. Wir kennen Staaten, die in ihrer Blütezeit nicht mehr als 50 bis 100 Arbeiter beſitzen (Ponerinen, Leptothorax), auf der anderen Seite aber Staaten, die viele Hunderttauſende und mehr Einwohner beherbergen. Die volkreichſten Kolonien bilden die Formica-Arten, ſpeziell F. rufa, pratensis, exsecta oder exsectoides. Die Schätzungen über die Einwohnerzahl eines derartigen Formica-Neſtes gehen allerdings ziemlich weit auseinander, jo ſchätzt ſie Tub bock auf 400 000 bis 500 000, Forel auf etwas über 100 000, Wachstum und Größe der Kolonien. Kolonientod. 71 und Yung, der langwierige Zählungen (bei F. rufa) vornahm, auf 50 000 bis 100 000. — Nehmen wir das ungefähre Mittel dieſer Schätzungen, ſo ergibt ſich etwa 150 000 bis 200 000 Einwohner pro Neſt. Aber gerade die Formica-Arten, insbeſondere rufa, exsecta und exsectoides legen mit Vor— liebe Zweigniederlaſſungen an, welche häufig die Größe der Stammkolonie erreichen. Und auch die Zahl dieſer Zweigniederlaſſungen kann mitunter ſehr groß werden: jo erwähnt Forel ein Volk von Formica exsecta mit etwa 200 und Me Cook ein ſolches mit etwa 1600 Zweigneſtern, welche alle mit— einander in Verbindung ſtanden. Wenn wir nun für jedes dieſer Zweigneſter nur 50 000 Einwohner annehmen, ſo haben wir es hier mit Millionenſtaaten zu tun. b) Kolonientod. — Die Staaten gehen denſelben Weg wie die or— ganiſchen Einzelweſen: ſie entſtehen, wachſen und vergehen. Unterſuchen wir die Urſachen des natürlichen Todes der Ameiſenſtaaten, ſo wird derſelbe wohl vor allem durch den Tod der Stammutter eingeleitet. Der Staat kann ſich allerdings noch längere Zeit nach dem Verluſt ſeiner Gründerin am Leben erhalten, beſonders wenn noch eine Anzahl Nebenköniginnen vor— handen ſind. Die Formica-Kolonien, deren Weibchen, wie eben erwähnt, 10 bis 15 Jahre alt werden können, vermögen denn auch nach Wasmanns Anſicht (1905) eine Lebensdauer von mindeſtens 20 Jahren zu erreichen. Der Tod der Königin hat übrigens auch (wenigſtens in monogynen Staaten) einen direkten Einfluß auf das Befinden der Arbeiter, wovon man ſich in künſtlichen Neſtern leicht überzeugen kann. Stirbt die Königin, ſo folgen die Arbeiter gewöhnlich bald nach: mit dem Tode des Weibchens ſcheint in der Tat die Hauptquelle der Lebensenergie für die Arbeiter zu verſiegen. Auch das Ausgehen des im Receptaculum seminis des Weibchens befindlichen Samens kann vielleicht den Verfall des Volkes bedeuten. Bei dem hohen Alter, welches die Ameiſen erreichen können, dürfte dieſe Eventualität gar nicht ſelten vorkommen, da ja das Receptaculum nur einmal im Leben des Weibchens, nämlich während des Hochzeitsfluges oder kurz nachher, gefüllt wird. Bei den paraſitiſch lebenden, arbeiterloſen Gattungen Anergates, Epoe- eus uſw. iſt der Untergang der Geſellſchaft durch das Ausſterben der Wirts— ameiſen bedingt. Viele Ameiſenſtaaten erreichen ihre phyſiologiſche Altersgrenze, die in erſter Linie von dem Alter der Königin beſtimmt wird, gar nicht, ſondern gehen ſchon vorher zugrunde; ſei es, daß ſie durch Kriege oder Überfälle von Sklavenräubern aufgerieben und vernichtet werden, ſei es, daß ſie an Krankheiten dahinſterben. Von letzteren ſeien erwähnt die Milbenräude, welcher manches Volk zum Opfer fällt, und ſodann die Anweſenheit von Socialparaſiten, insbeſondere der Lomechuſen, durch welche die normale Brutpflege geſtört und das Erziehen krüppelhafter Zwiſchenformen, welche ſowohl zur Arbeit als auch zur Eiproduktion unfähig ſind, veranlaßt wird. — In künſtlichen Neſtern wird der Untergang der Völker am häufigſten durch Schimmelbildung verurſacht, in der freien Natur dürfte dies jedoch 72 Fortpflanzung. f nur ſelten vorkommen; höchſtens in ſchwachen, im Abſterben begriffenen Kolonien dürfte überhaupt eine Schimmelvegetation aufkommen und dann vielleicht auch das Ende des Volkes beſchleunigen. 4. Metamorphoſe und Brutpflege. a) Eiſtadium. Der Vorgang der Eiablage vollzieht ſich nach Janet (1904) etwa folgendermaßen: das Weibchen nimmt eine charakteriſtiſche Stellung ein, indem es Kopf und Thorax geſenkt, das Abdomen erhoben und den Stachel weit ausgeſtreckt hält. Das dann nach kurzer Zeit erſcheinende Ei tritt ſehr raſch aus. Gewöhnlich bleibt es aber an der Spitze des Ab— domens noch eine Weile haften, bis das Weibchen den Hinterleib ſenkt und das Ei an der Erde abſtreift, von wo es meiſtens von einer Arbeiterin ſofort aufgeleſen wird. Nach Wheeler (1900), Viehmeyer u. a, nehmen die Arbeiter häufig auch die Eier gleich beim Austreten aus dem Hinterleib in Empfang, ja manchmal ziehen ſie das Ei ſchon heraus, bevor es noch den Hinterleib verlaſſen hat. Während der Eiablage halten ſich auch ſtets eine Anzahl von ihnen bei der Königin auf, beſonders in der Nähe des Hinterleibes, welchen ſie leiſe mit den Fühlern betaſten und eifrig belecken. Verläßt die Königin ihren Platz, jo zieht die ganze Geſellſchaft mit, und es iſt nicht ſelten, daß während des Marſches die Eiablage fortgeſetzt wird h. Die Zahl der jedesmal direkt hintereinander austretenden Eier iſt ſehr verſchieden und kann zwiſchen 1 und 30 (oder mehr) ſchwanken. Auch be— züglich der zwiſchen die Eiablagen fallenden Pauſen beſtehen große Diffe— renzen: bei den Ponerinen können dieſelben Tage und Wochen währen, bei der von Viehmeyer beobachteten Formica sanguinea dagegen betrugen die Pauſen in der Hauptlegeperiode regelmäßig nur 10 Minuten, gegen Ende der Legeperiode allerdings erſchienen die Eier in unregelmäßigen Zeiträumen, durchſchnittlich nach 1 bis 1½ Stunden. Die Farbe der Gier iſt weiß oder gelblich, die Form meiſt ellipſoidiſch; nur bei den Ponerinen find fie länger und dünner, zylindriſch, bei Cerapachys wohl am längſten, nämlich etwa viermal ſo lang als dick. P. Huber berichtet, daß die Eier an Größe zunehmen, alſo wachſen, und auch die ſpäteren Autoren geben dies an. Exakte Meſſungen darüber ſind aber noch nicht gemacht worden. v. Buttel hat zwar Meſſungen an Eiern vorgenommen, jedoch nur an friſch gelegten; er konſtatierte dabei, daß ſchon dieſe mitunter recht beträchtliche Größendifferenzen aufweiſen können. Möglicherweiſe iſt daher Huber durch dieſe ſchon von Anfang an beſtehenden Unterſchiede getäuſcht worden. Es ſoll damit jedoch die Huberſche Beobachtung nicht als direkt unwahrſcheinlich hingeſtellt werden, denn es iſt ja auch ſchon bei anderen Tieren ein Eiwachstum konſtatiert worden. Die Vergrößerung des Eies kann durch Vakuolenbildung oder durch Aufnahme ) Den jungen Müttern und eierlegenden Arbeiterinnen ſtehen ge— wöhnlich keine Geburtshelfer zur Seite; ſie nehmen ſich deshalb ihre Eier ſelbſt ab, indem ſie den Hinterleib ſtark nach vorne krümmen und ſo die Spitze des— ſelben dem Munde nahe bringen. Metamorphoſe und Brutpflege. 73 von Flüſſigkeit auf osmotiſchem Wege geſchehen. Bei den Ameiſeneiern iſt letzteres wohl wahrſcheinlicher, da dieſelben ja von den Arbeitern fortwährend beleckt werden. Durch dieſe Beleckung, die in erſter Linie der Reinigung dient, werden ſie ſicherlich auch mit Speichel überzogen, der durch das äußerſt dünne Chorion leicht ins Innere gelangen kann. Die Eier werden ſehr häufig im Neſt herumtransportiert, bald nach oben, bald nach unten uſw., wo eben gerade die zuträglichſte Temperatur und Feuchtigkeit herrſcht. Sie bedürfen der Pflege durch die Arbeiter unbe— dingt; iſoliert gehalten (d. h. ohne Arbeiter) gehen ſie ſtets zugrunde. — Manche Ameiſen (Eeiton, Cerapachys) haben die Gewohnheit, ihre Eier zu bebrüten, d. h. ſie mit ihrem Körper zu bedecken, wahrſcheinlich zwecks beſſeren Schutzes oder auch zur Beſchleunigung der Entwickelung (Wheeler 1903). Die Dauer des Eiſtadiums ſchwankt zwiſchen 1 bis 5 Wochen, Huber und Forel geben etwa 14 Tage an, Janet (für Myrmica rubra) 23 bis 24 Tage, v. Buttel (für Lasius niger) 4 Wochen, Wheeler (für Lepto— genys) 5 Wochen uſw. Sehr kurz muß das Eiſtadium bei Formica, Sole— nopsis uſw. ſein, da bei dieſen die ganze Metamorphoſe nur 6 bis 7 Wochen in Anſpruch nimmt. Die abgelegten Eier gelangen nicht alle zur Entwickelung, ein großer Teil wird von den eigenen Angehörigen aufgefreſſen. Wir haben ja oben ſchon erfahren, daß die junge Königin zur Fütterung ihrer erſten Larven vielfach ihre eigenen Eier benutzt. Aber auch im ausgebildeten Staate, bei reichlich vorhandener Nahrung, wird ſtets ein gewiſſer Prozentſatz der Eier verzehrt. Meiſtens beſorgen dies natürlich die Arbeiter, doch beteiligen ſich auch die Weibchen daran. So ſah Viehmeyer in einer ſeiner Formica sunguinea-Kolonien, wie die Königin den Arbeitern die ſoeben von ihr friſch gelegten Eier wieder entriß, zerdrückte und den Inhalt verzehrte. Be— ſonders ſtark ſcheint das Eierfreſſen bei den eierlegenden Arbeiterinnen im Schwunge zu fein; in einer weiſelloſen Kolonie von Formica sanguinea kamen von mehreren tauſend Eiern nur etwa 20 zur Entwickelung, während die übrigen größtenteils verzehrt wurden (Viehmeyer). Die Arbeiterinnen verfuhren dabei häufig ſo, daß ſie ihre eigenen eben austretenden Eier direkt von der Hinterleibsſpitze wegnahmen, um ſie gleich wieder aufzu— freſſen. p) Larvenſtadium. Die Larven der Ameiſen gehören dem Maden— typus an, d. h. ſie ſind bein- und augenlos. Ihr Körper beſteht meiſtens aus 12 Segmenten (außer dem Kopfabſchnitt). Die Segmentierung iſt aber nicht immer deutlich, häufig iſt ſie nur ſchwach ausgeprägt oder fehlt auch ganz (wenigſtens im hinteren Abjchnitt). Die Form der Larven iſt verſchieden (Fig. 30 A bis E); meiſtens find fie ſackförmig, d. h. in der hinteren Hälfte erweitert und nach vorne zu in einen ſchmäleren Hals auslaufend, welcher ventralwärts gekrümmt iſt. Es gibt aber auch annähernd zylindriſche Larven (Ecitonen) oder tonnenförmige, welche in der Mitte am dickſten ſind und nach beiden Enden gleichmäßig ſich verjüngen (Sima, Pseudomyrma). Auch bezüglich der Stellung des 74 Fortpflanzung. Kopfes beſtehen nicht unweſentliche Differenzen bei den verſchiedenen Arten: bei den einen iſt der Kopf bauchwärts eingeſchlagen (vgl. Fig. 30 D und E), ſo daß die Mundöffnung nach hinten gerichtet iſt („hypognather Typus“), bei den anderen dagegen ragt der Kopf frei nach vorn vor („orthognath “). Erſteren Typus zeigen in extremer Form Sima und Pseudomyrma, weniger Verſchiedene Ameiſenlarven. A Larve von Stigmatomma pallidipes Rog.; B junge Larve von Odonto- machus haematodes L.; 0 Larve von Ponera coarctata Ltr.; D Larve von Solenopsis geminata Fb.; E Larve von Sima natalensis, «at. Antennenrudiment (A bis D nach Wheeler, E nach Emery). ausgeſprochen die meiſten Myrmiciden; letzteren Typus finden wir bei den Ecitonen, bei Lasius, Formica uſw. Die Mundteile der Larven ſind im allgemeinen nur ſchwach ausgebildet. Am beſten ſind ſie noch bei den Ponerinen erhalten, bei denen ſowohl die Mandibeln als die Maxillen kräftig chitiniſiert find und in ſcharfe Spitzen enden. Bei den übrigen Ameiſenlarven ſind gewöhnlich nur die Mandibeln ſtärker chitiniſiert, während die Maxillen dünnhäutig bleiben und eine zum Kauen ungeeignete Form beſitzen. Die Außenſeite der Maxillen (wie auch Metamorphoſe und Brutpflege. 75 der Unterlippe) iſt ſtets mit einigen ſtumpfen Chitinzähnen beſetzt, welche zugleich ein Erkennungszeichen der betreffenden Mundteile darſtellen. Antennen fehlen meiſtens vollkommen, nur bei wenigen Larven (Sima, Pseudomyrma) find winzige Fühlerrudi- mente feſtgeſtellt worden (ſ. Fig. 30 E). Beſondere Beach— tung verdienen die Haut— lbr-- mx md anhänge (Haare, Pa— pillen uſw.) der Larven, welche in großer Mannigfaltigkeit auftreten. Bei den Larven der Ponerinen finden wir auf der Oberfläche in regelmäßiger ſegmentaler Anordnung große Warzen oder Papillen, welche ihrerſeits mit Stacheln, Borſten und kleinen Zähnchen beſetzt find (Fig. 30 B). Bei Ponera coarctata befinden ſich außer— dem noch vier Paar keulen— förmiger klebriger Fortſätze auf dem Rücken (Fig. 30 C). Die Larven der höheren Ameiſen beſitzen keine Papillen, ſind aber dafür mehr oder weniger dicht behaart. Die Haare können in verſchiedener Form aufs treten: wir finden da kurze ſteife, borſtenförmige oder lange dünne, biegſame, einfache oder geſpaltene, gefiederte oder baum— artig verzweigte uſw. Zwiſchen dieſe eingeſtreut ſtehen oft noch ſehr lange, mehrfach 8- oder C-förmig gekrümmte Haare, welche in einen doppelten (ankerförmigen) oder einfachen Haken endigen (ſ. Fig. 30 D und Fig. 32). Kopf und Mundteile von Ameiſenlarven (links Anſicht von vorn, rechts ſeitliche Anſicht). X von Diacamma geometrieum (Ponerine)); B von Camponotus vitreus, gl. Zunge, Wr. Labrum, . Labium, md. Mandibeln, m. Maxillen, me, ſeitliche Fortſätze der Maxillen. Nach Emery. A Verſchiedene Formen von Hafthaaren. A verzweigtes Haar der Larve von Camponotus ligniperdus (nach Adlerz); B einhakiges Haar der Larve von Myrmica rubra (nach Janet); C und D baumartig verzweigte Haare von Anergates; E doppelhakiges Haar von Tetra- morium (nach Adlerz). Fig. 32. n 912 J | * Die biologiſche Bedeutung dieſer mannigfaltigen Hautanhänge beſteht teils in einer Schutz-, teils Haft- oder Klammerfunktion. Als Schutzorgan dienen wohl die Borſtenpapillen der Ponerinen, ferner die kurzen, ſteifen, 76 Fortpflanzung. einfachen oder verzweigten Haare, während die eigenartigen klebrigen Rücken⸗ papillen von Ponera coarctata, ſowie die langen, gekrümmten Hakenhaare ſicherlich als Haftorgane funktionieren. Durch ſie erhalten die Larven einmal einen feſten Halt an ihrer Unterlage, ſpeziell an ſchrägen oder vertikalen Wänden; und zweitens können damit eine Anzahl Larven zu einem Paket verbunden werden, was einen großen Vorteil für den Transport bedeutet. Die mehrfachen Krümmungen der Hakenhaare ſtellen nach Janet (1904) eine ausgezeichnete Anpaſſung an die Haftfunktion dar, indem dadurch eine bedeutende Elaſtizität erzielt und ſo die Zugwirkung auf die zarte Haut der Larven weſentlich abgeſchwächt wird. 0 P. Huber u. a. haben behauptet, daß die überwinternden Larven ein dichteres Haarkleid beſäßen als die Sommerlarven. Forel kann ſich aber dieſer Anſchauung nicht anſchließen; er vermutet vielmehr, daß das Haarkleid nur dichter erſcheine, weil die Winterlarven infolge der ſchlechten Ernährung zuſammengeſchrumpft ſeien, — eine Erklärung, die ſehr plauſibel iſt. Nach dem bisher Geſagten ſind alſo die Ameiſenlarven hilfloſe Geſchöpfe, die ganz und gar von den Arbeitern abhängig ſind. Unfähig, ſich fortzu— bewegen und ſelbſt Nahrung zu ſuchen, müſſen ſie ſich dieſe herbeibringen laſſen. Die Ernährung der Larven iſt eine der Hauptaufgaben der Arbeiter, die ſie die meiſte Zeit ihres Lebens beſchäftigt hält. Denn es muß ein großes Quantum täglich herbeigeſchafft werden, um Hunderte oder Tauſende dieſer ge— fräßigen Weſen zufriedenzuſtellen. Die Nahrung wird meiſtens in flüſſigem Zuſtande dargereicht, und zwar in der Weiſe, daß die Arbeiterin einen Tropfen Nahrungsſaftes aus⸗ bricht und auf den Mund der Larve fallen läßt, ſo daß dieſe ihn nur aufzu— lecken braucht. Die Arbeiter wiſſen genau, welche Larven zu füttern ſind, da die hungrigen durch Umherſchlagen ihres freien Vorderendes ſich wohl be— merkbar machen, während die geſättigten unbeweglich daliegen. Der Nah— rungsſaft ſtammt größenteils aus dem Kropf, zum Teil aber ſicher auch aus den Speicheldrüſen. Manche Larven ſind übrigens auch fähig, feſte Nahrung zu verzehren. Bei den Ponerinen ſcheint dies ſogar Regel zu ſein, worauf ſchon die ſtarke Entwickelung der Mundteile ſchließen läßt. Nach den Beobachtungen Wheelers (1900) legen die Arbeiter dieſer niederen Ameiſen jeite Nahrungs— ſtücke, wie kleine tote Inſekten oder Stücke von größeren auf die flache, tellerförmige Bauchſeite der Larven, von wo ſie ſich dieſe vermöge ihres langen, ventralwärts gebogenen Halſes herholen, um ſie zu verzehren. Auch Larven von höheren Ameiſen ſind in letzter Zeit mehrfach beim Verzehren feſter Nahrung beobachtet worden; jo ſahen Janet (1904), v. Buttel, Was- mann und Jakob Huber des öfteren Lasius-, Tetramorium-, Tapinoma-, Formica und Atta-Larven an Eiern, toten Larven und Inſektenſtücken freſſen. Jedenfalls iſt aber dieſe Ernährungsweiſe nur bei orthognathen oder mäßig hypognathen Larven möglich, während die extrem hypognathen Larven (wie z. B. Sima) ausſchließlich auf flüſſige Nahrung angewieſen ſein dürften. Die Pflege der Larven beſteht nicht nur in der Fütterung. Die Arbeiter haben ihre Pfleglinge außerdem rein zu halten, was ſie durch häufiges Be— Metamorphoſe und Brutpflege. 7657 lecken beſorgen. Ferner müſſen die Larven täglich mehrmals umgebettet werden, je nach der Temperatur und Feuchtigkeit, die in den verſchiedenen Neſträumen herrſcht. Meiſtens ſind die Larven nach ihrem Alter bzw. ihrer Größe in ver— ſchiedene Kammern eingeordnet. Dieſe Klaſſifikation der Brut reſultiert, wie Janet (1904) ausführt, daraus, daß die einzelnen Stadien einer verſchiedenen Temperatur und Feuchtigkeit bedürfen; ſo haben z. B. die Puppen große trockene Wärme, die Eier und jungen Larven dagegen weniger Wärme und mehr Feuchtigkeit nötig. Indem nun die Arbeiter dieſen verſchiedenen Bedin— gungen Rechnung tragen, verteilen ſie unwillkürlich ihre Brut nach den Stadien in verſchiedene Neſtregionen, ſofern letztere bezüglich der Temperatur- uſw. Verhältniſſe voneinander abweichen. Die Dauer des Larvenſtadiums kann zwiſchen wenigen Wochen und vielen Monaten ſchwanken. Die Formica-Arten entwickeln ſich z. B. ſehr raſch, die Lasius-Arten dagegen nur langſam. Sehr viel hängt natürlich davon ab, in welche Jahreszeit das Larvenſtadium fällt. Kommen die Larven im Herbſt aus, ſo überwintern ſie gewöhnlich und verpuppen ſich erſt im nächſten Frühjahr oder Sommer; fällt dagegen das Larvenſtadium in den Hochſommer, ſo iſt ſeine Dauer ſtets viel kürzer. Bemerkenswert iſt auch die Beobachtung von Miß Fielde (1901) an Stenamma fulvum, daß die Larven aus parthenogenetiſchen Eiern ſich viel langſamer entwickeln als die Larven aus befruchteten Eiern: erſtere brauchten etwa 200 Tage, letztere nur 20 bis 97. Die Larven der Arbeiter und Weibchen ſind keineswegs von vornherein verſchieden, ſondern es treten erſt ziemlich Spät Größendifferenzen und andere kleine Unterſchiede auf, welche eine Beſtimmung mit einiger Sicherheit er— möglichen. Wie im vorigen Kapitel dargelegt, geſchieht ja die Differen— zierung erſt während der Metamorphoſe durch eine verſchiedene Behandlung der Larven ſeitens der Arbeiter. c) Puppenſtadium. Die Puppen der Ameiſen ) find entweder nackt oder mit einem Kokon umgeben. Erſtere finden ſich bei den Ecitonen, Dolichoderinen und Myrmiecinen, letztere bei den Ponerinen, Formicinen und vielen Dorylinen. Jedoch gilt dies keineswegs als ſtrikte Regel. Denn bei den Formicinen finden ſich manche Formen, welche niemals einen Kokon ſpinnen, wie z. B. Colobopsis, Bothriomyrmex uſw; und andererſeits kommt es auch gar nicht ſo ſelten vor, daß dieſelben Arten, welche für gewöhnlich Kokons ſpinnen, mitunter nackte Puppen beſitzen. Letzteres iſt bis jetzt bei einer ganzen Anzahl Formica-Arten feſtgeſtellt (kusca, rufibarbis, cinerea, sanguinea), ferner bei Polyergus rufescens und mehreren Lasius-Arten (vgl. P. Huber, Forel, Mayr, Janet [1904]. Die beiden Puppentypen können ſich dann entweder im gleichen Neſt gemiſcht finden oder aber auf verſchiedene Neſter verteilt ſein. Forel beobachtete, daß die nackten Puppen beſonders im Spät— herbſt auftreten, während die Sommerpuppen regelmäßig Kokons ſpinnen. Die Gründe, aus denen dieſe Ameiſen einmal Kokons ſpinnen, das andere ) Im Volke gewöhnlich als „Ameiſeneier“ bezeichnet. 78 Fortpflanzung.“ Mal es unterlaſſen, ſind uns gänzlich unbekannt. Vielleicht bringt hier das Experiment Aufſchluß. Beim Kokonſpinnen ſind die Arbeiter den Larven behilflich, indem ſie dieſelben mit Detritus, Sandkörnchen uſw. umgeben oder ſie in Erdgewölbe einbetten, um ihnen feſte Anhaltspunkte für die Geſpinſtfäden zu geben. Haben die Larven das Geſpinſt fertig geſtellt, ſo werden ſie wieder aus— gegraben, von den anhaftenden Sandpartikelchen uſw. aufs ſorgfältigſte ge— reinigt, bis die Oberfläche der Kokons vollkommen ſauber und glatt iſt, und dann zu einem Haufen zuſammengeſchleppt;t. Die Farbe und Struktur des Geſpinſtes iſt bei den einzelnen Arten ſehr verſchieden: es gibt weißliche, gelbliche, braune und braunſchwarze Kokons, ebenſo grob- und feinjfulptierte, und man kann danach vielfach mit Sicherheit die betreffende Ameiſenſpezies beſtimmen. Am hinteren Ende des Kokons findet ſich gewöhnlich ein ſchwarzer Fleck, welcher durch die letzten Larvenexkremente gebildet wird. Mehr noch als zum Anfertigen des Kokons iſt die Mithilfe der Arbeiter beim Ausſchlüpfen der Imagines nötig. Denn letztere ſind in den weit— aus meiſten Fällen nicht imſtande, ſelbſtändig den Kokon zu durchbrechen. Wird daher das Geſpinſt nicht von außen geöffnet, ſo gehen die Puppen zugrunde. Nur die Ponerinen ſcheinen eine Ausnahme davon zu machen. Forel beobachtete nämlich in Nordamerika, daß die Kokons von Ponera coaretata ſtets in verlaſſenen Neſtwinkeln aufgeſtapelt und von den Arbeitern gänzlich ignoriert werden, woraus er ſchloß, daß die Jungen ohne Hilfe aus dem Kokon ſchlüpfen könnten. Dieſe Vermutung iſt bald darauf durch Wheeler bei einer anderen Ponerine beſtätigt worden, indem er den Vor— gang des Ausſchlüpfens bei Stigmatomma direkt beobachtete: die jungen Imagines biſſen ſelbſt ein Loch in den Kokon (die Weibchen ein viel größeres als die Männchen) und verließen darauf ſelbſtändig ihr Gefängnis. Die Ponerinen ſchlüpfen demgemäß gewöhnlich auch in einem viel reiferen Zu— ſtande als die höheren Ameiſen aus, bei welchen die friſchen Imagines oft noch ganz weich und ſelbſtändiger Bewegung noch kaum fähig ſind. Auch bei der Entfernung der eigentlichen Puppenhaut (welche ja bei den nackten Puppen die einzige Umhüllung iſt) ſtehen die Arbeiter den Jungen hilfreich zur Seite. Doch iſt hier ihr Beiſtand nicht immer unbedingt nötig; denn Forel hat experimentell nachgewieſen, daß wenigſtens die Arbeiter— nymphen ſich allein, ohne fremde Hilfe der Puppenhaut entledigen können. Die ungeſchickten Männchen allerdings ſcheinen dies nicht zu vermögen; es bleiben bei ihnen, wenn ſie ſich ſelbſt überlaſſen werden, an den Flügeln wie am Hinterleib ſtets größere oder kleinere Stücke der alten Haut hängen, welche ihnen natürlich ſehr hinderlich ſind und ſogar ihren Untergang herbeiführen können. Die Dauer des Puppenſtadiums dürfte ungefähr dem des Eiſtadiums gleichkommen und iſt gewöhnlich bedeutend kürzer als das Larvenſtadium, wenn anders es nicht gerade in die kalte Jahreszeit fällt; Janet gibt für Myrmica rubra 18 bis 22 Tage an. Die Zeit des Kokonöffnens iſt übrigens nicht genau fixiert, ſondern die Arbeiter verfahren dabei ziemlich willkürlich. Die Imagines werden daher Literatur. 79 auch in ganz verſchiedenen Entwickelungsſtadien aus ihren Umhüllungen heraus— gezogen: oft find ſie noch ganz weich und weiß, oft find ſie ſchon etwas erhärtet und mehr oder weniger ausgefärbt. Daraus geht hervor, daß die Arbeiter nicht etwa auf ein von den Inſaſſen gegebenes Zeichen hin die Kokons öffnen, ſondern daß ſie ſelbſt wohl ein ungefähres Empfinden für die Zeitdauer beſitzen. Diejenigen Imagines, welche in einem noch ſehr unreifen Zuſtande aus der Puppenhülle gezogen werden, bedürfen natürlich noch eine Zeitlang der Pflege. Die Arbeiter beſchäftigen ſich denn auch noch intenſiv mit den hilf— loſen Geſchöpfen, belecken ſie eifrig, tragen ſie herum uſw. bis die Jungen erhärtet und eines ſelbſtändigen Lebens fähig ſind. Die Brutpflege erſtreckt ſich alſo über die ganze poſtembryonale Entwickelung von dem Moment, da das Ei austritt, bis zum Werden des vollendeten Inſektes. Literatur. Blochmann, F., Über die Gründung neuer Neſter bei Camponotus ligni— perdus Latr. und anderen einheimiſchen Ameiſen. In: Zeitſchr. f. wiſſ. Zool. 41, 719 bis 727. Buttel⸗Reepen, H. v., Soziologiſches und Biologiſches vom Ameiſen- und Bienenſtaat. Wie entſteht eine Ameiſenkolonie? 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Nicht nur bezüglich der Form weichen die einzelnen Neſter voneinander ab, ſondern auch das Material, aus dem fie hergeſtellt werden, die Konſtruktion, die innere Ein- richtung, die Ortlichkeit, wo ſie errichtet werden, iſt bei den einzelnen Arten grundverſchieden. Aber nicht nur das, auch ein und dieſelbe Art baut je nach den äußeren Umſtänden anders: „die gleiche Art wird z. B. in den Alpen unter Steinen, die ihre Sonnenſtrahlen auffangen, im Walde in warmen morſchen Strünken, in einer fetten Wieſe in erhabenen kegelförmigen Erd— bauten wohnen“ (Forel). Die Anpaſſungsfähigkeit der Ameiſen in dieſer Beziehung iſt oft geradezu erſtaunlich. So berichtet von Ihering die intereſſante Tatſache, daß Camponotus rufipes, welcher in den hoch gelegenen Gegenden von Rio Grande auf der Erde in alten Baumſtrünken uſw. niſtet, im Überſchwemmungsgebiet meiſtens hoch oben auf Bäumen ſein Neſt errichtet. Viele andere Ameiſen verhalten ſich ebenſo. Wir kennen auch Fälle, in welchen Ameiſen auf künſtlich geſetzte, tief einſchneidende Ver— änderungen ihrer Lebensbedingungen prompt antworteten mit einer ent— ſprechenden Modifikation ihres Neſtbaues. Forel hat eine Kolonie von Myrmecoeystus altisquamis von Algier in die Schweiz verſetzt, wo ſie ſich zunächſt ein Neſt wie daheim bauten. Bald zeigte es ſich aber, daß ſie in der neuen Heimat mit anderen Feinden zu rechnen hatten wie in Algier, indem fie beſonders unter den Angriffen von Lasius niger und Tetramorium caespitum ſchwer zu leiden hatten. Dieſen neuen Umſtänden ſuchten fie nun dadurch Rechnung zu tragen, daß ſie die (in Algier normalerweiſe) ſehr große Neſtöffnung verkleinerten und ſchließlich faſt ganz mit Erde verſtopften. Mehr kann man wahrlich nicht von der Plaſtizität des Ameiſengehirns verlangen! Es gibt kaum ein anderes Moment aus der Ameiſenbiologie, welches die An— ſchauung vom Reflexautomatismus der Ameiſen ſo ſchlagend ad absurdum zu führen geeignet iſt, als eben die große Variabilität bzw. Anpaſſungs⸗ fähigkeit im Neſtbau. Nicht immer entſpricht ein Neſt einem einzigen Staat, ſondern es kommen auch Fälle vor, in denen ein Staat ſich über eine große Anzahl Eſcherich, Die Ameiſe. 6 82 Neſtbau. von Neſtern erſtreckt (ſ. oben, Kap. III, 2c). Dieſe Zweigniederlaſſungen ſtehen dann ſowohl untereinander, als mit dem Stammneſt durch Wege in Ver- bindung, und es findet auch unter den Einwohnern dieſer Neſter ein fteter reger freundſchaftlicher Verkehr ſtatt. Solche „polydome“ Staaten finden ſich am häufigſten bei den Wald- und Raubameiſen (Formica rufa, exsecta, exsectoides, sanguinea uſw.), dann auch bei verſchiedenen baumbewohnen— den Ameiſen, wie z. B. Colobopsis, Dolichoderus, Pseudomyrma. Die Urſache für die Anlage von Zweigniederlaſſungen iſt wohl meiſtens in einer Überbevölkerung zu ſuchen. Eine ſolche tritt bei den Baumbewohnern viel eher ein als bei den Waldameiſen, da dem Neſte in dem engen Hohlraume eines Zweiges nicht viel Platz zur Vergrößerung geboten iſt. Die Waldameiſen dagegen, die frei bauen, werden durch keine äußeren Grenzen gehindert und können alſo ihr Neſt, dem Anwachſen der Bevölkerung entſprechend, bis zu einem gewiſſen Grade ausbauen und vergrößern. Jedoch ſind auch ihnen Grenzen gezogen; die Haufen können nicht ad infinitum vergrößert und erhöht werden, ohne im Neſt die Luftzirkulation, Temperatur uſw. weſentlich zu beeinträchtigen. Deshalb und vielleicht auch noch aus anderen Gründen (Nahrungsmangel) finden wir eine beſtimmte Größe der Ameiſenhaufen niemals überſchritten. Iſt dieſe Maximalgröße, die übrigens je nach der Ameiſenart und nach der Lokalität eine verſchiedene ſein kann, erreicht, und findet dann noch ein weiteres Anwachſen des Volkes ſtatt, ſo bleibt den Bewohnern nichts anderes übrig, als einen Teil der Bevölkerung in Zweigniederlaſſungen unter- zubringen. Wie wir hier ein einziges Volk über mehrere Neſter verteilt ſahen, ſo kommt andererſeits auch das umgekehrte Verhältnis vor, d. h., daß mehrere Völker in einem Neſte beiſammen wohnen („Parabioſis“), oder daß wenigſtens zwei oder mehrere Neſter nebeneinander oder ſogar vollkommen ineinander gebaut find („zuſammengeſetzte Neſter“ ſ. Kap. VII. Die Mannigfaltigkeit der Neſter kann noch eine weitere Komplikation erfahren, nämlich dadurch, daß die Neſter mehrmals ihre Bewohner wechſeln können. Nehmen wir z. B. folgenden Fall: Lasius flavus wird aus ſeinem Neſt vertrieben von Formica pratensis, welche ſich in dem ge— raubten Neſt niederläßt. Nach einiger Zeit aber verläßt die Formica dasſelbe wieder und es wird nun nochmals von einer anderen Ameiſe, etwa Tetra- morium caespitum bezogen. Die Formica ſowohl als auch das Tetramorium wird mehr oder weniger durchgreifende Veränderungen an dem Bau vor— nehmen, erſtere wird die Gänge und Kammern erweitern, letztere dagegen wird ſie um das Doppelte zu verengen ſuchen uſw., und ſo kann das urſprüng⸗ liche Neſt derart umgeſtaltet werden, daß der urſprüngliche Erbauer des- ſelben (in unſerem Falle Lasius flavus) daraus gar nicht mehr erkannt werden kann. Solche Fälle von Neſtwechſel ſind gar nicht ſelten, wie Forel, Was— mann u. a. berichten. Es kommt auch vor, daß die verlaſſenen Neſter ſpäter gelegentlich wieder von ihren erſten Erbauern bezogen werden, nachdem ſie eine Zeitlang leer geſtanden oder von anderen Ameiſen bewohnt waren (Wasmann). Allgemeines. 83 Wir kennen auch einen periodiſchen Neſtwechſel. So ſtellte Was— mann feſt, daß Formica sanguinea häufig ein beſonderes Winter- und Frühjahrsneſt beſitzt: erſteres iſt im Gebüſch unter den Wurzeln von Bäumen oder Strünken gelegen und bietet einen tiefen warmen Schlupfwinkel für die kalte Jahreszeit, letzteres dagegen liegt meiſt frei am Rande des Gebüſches. Im März und April findet der Umzug vom Winter- in das Frühlings- neſt ſtatt, und im September in umgekehrter Richtung. „Iſt aber der Hoch— ſommer ſehr heiß, ſo beziehen die betreffenden Kolonien ihr Winterqartier ſchon während der Hundstage: das Winterneſt wird dann zugleich Hochſommer— neſt.“ Die Lage des Winterneſtes im Gebüſch oder an den Wurzeln ſchatten— ſpendender Bäume iſt ebenſogut zum Schutz gegen Kälte wie gegen die aus— dörrende Sommerhitze geeignet. Dieſer ſtreng periodiſche Neſtwechſel iſt aber keineswegs eine allgemeine oder ſehr verbreitete Erſcheinung, ſondern dürfte wohl nur bei gewiſſen Ameiſen und unter beſonderen Bedingungen vorkommen. Für gewöhnlich be— ſitzen die Ameiſen keine getrennten „Saiſonneſter“, ſondern ſie ſuchen ihre Neſter den jeweilig herrſchenden Temperatur- und anderen Be— dingungen durch entſprechende Anderung der Form uſw. anzupaſſen. So werden z. B. die Kuppeln bei ſteigender Temperatur und Trockenheit niedriger und flacher, bei kühlerer Temperatur und größerer Feuchtigkeit höher und gewölbter. „Die erſtere Bauart hat den Zweck, die Verdunſtung der Feuchtigkeit möglichſt zu beſchränken und den heißen Sonnenſtrahlen eine möglichſt geringe Fläche zu bieten; je höher und gewölbter dagegen der Haufen gebaut wird, deſto leichter läuft das Regenwaſſer ab und deſto größer iſt auch die Verdunſtungsoberfläche wie die Heizoberfläche“ (Was— mann 1900). Die Mannigfaltigkeit der Ameiſenneſter findet alſo ſchier kein Ende. Sie beruht, wie wir hier ausgeführt, auf verſchiedenen Momenten, vor allem auf folgenden vier: 1. Auf der verſchiedenen Lebensweiſe bzw. dem verſchiedenen Bauinſtinkt der einzelnen Arten, woraus der jeder Art charakteriſtiſche Bauſtil reſultiert. 2. Auf der großen Plaſtizität des Bautriebes, welche die Ameiſen in den Stand ſetzt, durch entſprechende Modifikation des urſprünglichen Bauſtiles (und eventuell Verwendung jedes anderen Materials) alle Umſtände und Zufälligkeiten zur möglichſten Raum- und Zeiterſparnis, zur möglichſten Be— quemlichkeit und Sicherheit auszunutzen. Dadurch können atypiſche Neſtformen entſtehen. 3. Auf der Erſcheinung des „Neſtwechſels“ und der „gemiſchten Kolonien“, wodurch der Bauſtil eines Neſtes ein unreiner, d. h. ein aus dem Bauſtil mehrerer Arten gemiſchter werden kann. 4. Auf der Fähigkeit der Ameiſen, die Temperatur und den Feuchtigkeits— grad im Neſt durch entſprechende Anderung der Neſtform zu regulieren. Dadurch entſtehen die verſchiedenen Saiſonformen der Neſter. * * * 84 Neſtbau. Bis jetzt haben wir nur die bleibenden Neſter, die den Ameiſen— kolonien als dauernder Wohnſitz und als Stätte für die Aufzucht ihrer Brut dienen, im Auge gehabt. Nicht alle Ameiſen aber ſind ſeßhaft: es gibt auch eine, obwohl relativ geringe Anzahl, welche ein wahres Nomadenleben führen und daher auch keine bleibenden feſten Wohnſitze errichten. Das ſind die Wanderameiſen, die Dorylinen; während der kurzen Zeit, da ſie ſich in einer Gegend aufhalten, bewohnen ſie einfach geſchützte Stellen (hohle Bäume, Erdſpalten uſw.), ohne dieſelben irgendwie aus- oder umzubauen („Wanderneſter“). Wenn wir alſo zu einer Einteilung der Ameiſenneſter ſchreiten wollen (was für eine kurze überſichtliche Darſtellung unbedingt erforderlich iſt), ſo müſſen wir zunächſt unterſcheiden zwiſchen „Dauerneſtern“ und „Wanderneſtern“. Die Dauerneſter laſſen ſich in mehrere natürliche Gruppen einreihen, was auch ſchon öfter verſucht wurde, jo von Forel, André, Dahl u. a. Ich ſchließe mich im folgenden eng an die Einteilung Forels an, da dieſe die naturgemäßeſte und zugleich auch praktiſchſte ſein dürfte. Sie ſtützt ſich in der Hauptſache auf das Material, aus dem die Neſter verfertigt werden, berückſichtigt dabei aber auch andere Momente, wie die Ortlichkeit uſw. Nur in ganz wenigen Punkten weiche ich von Forel ab: einmal in der Reihen⸗ folge und ſodann darin, daß ich die „Markneſter“ Dahls als eine beſondere Gruppe einreihe. Wir unterſcheiden demnach folgende Kategorien von Ameiſenneſtern: A. Dauerneſter. . Erdneſter. . Holzneſter. . Markneſter. Kombinierte Neſter. Neſter in ſchon vorhandenen Höhlungen. . Kartonneſter und geſponnene Neſter. Zuſammengeſetzte Neſter. . Nejter der gemiſchten Kolonien. B. Wanderneſter. Wenn dieſe Einteilung auch den meiſten Verhältniſſen des Neſtbaues Rechnung tragen dürfte, ſo zweifle ich nicht, daß dieſelbe manchmal auch verſagt. Bei der überaus großen Variabilität und Plaſtizität des Bauinſtinktes iſt dies ja nicht anders zu erwarten. o u PomhH A. Dauerneſter. 1. Erdneſter. Die Erdneſter find überaus verbreitet und gehören bei uns in Europa jedenfalls zu den häufigſten. Im einfachſten Falle beſtehen ſie lediglich aus Gängen, die ziemlich oberflächlich in die Erde gegraben ſind (Ponerinen); meiſtens aber iſt die Bauart dadurch kompliziert, daß die Gänge tiefer in die Erdneſter. 85 Erde dringen und von Zeit zu Zeit zu größeren oder kleineren Höhlungen oder „Kammern“ erweitert werden. Mangels jeder Regelmäßigkeit in der Anlage dieſer Gänge bietet ſich dem Beobachter beim Offnen eines ſolchen Erdneſtes ein mehr oder weniger dichtes Labyrinth von Gängen und Kammern dar. Mit der Außenwelt ſteht dieſes Labyrinth durch eine oder mehrere Ausgangsöffnungen in Verbindung. N Was die Bedeutung der Kammern betrifft, jo dienen dieſe in erſter Linie zur Aufnahme der Brut; ſie können aber auch zu verſchiedenen anderen Zwecken benutzt werden. Bei den körnerſammelnden Ameiſen (Messor, Pogonomyrmex) werden beſonders große Hohlräume angelegt als Korn— kammern, in welchen die geſammelten Pflanzenſamen angeſpeichert werden. Bei den Honigameiſen (Myrmecocystus melliger uſw.) dienen beſondere Kammern als Aufenthaltsort für die lebenden Honigtöpfe. Da dieſe die meiſte Zeit in hängender Lage verbleiben, ſo iſt die Decke dieſer Hohlräume rauh gelaſſen, um den Ameiſen beſſere Anheftungspunkte zu geben. Bei den pilzzüchtenden Atta-Arten finden ſich mächtige menſchenkopfgroße Hohlräume, in welchen die Pilze kultiviert werden. Dieſe Pilzkammern ſowohl als auch die Kornkammern liegen oft in großer Tiefe (metertief) unter der Erde. Die Jagdameiſen (wie die nordafrikaniſchen Myrmecocystus-Arten) haben beſondere Kammern, wo ſie ihre Jagdbeute unterbringen, und ferner auch eine Art Rumpelkammern, in welche ſie die ungenießbaren Abfälle ſchaffen. Kurz, die Beſtimmung der Kammern kann eine ſehr mannigfaltige ſein; und daraus er— klärt ſich auch die Verſchiedenheit in der Größe, Form und Lage dieſer Hohlräume. Von dem eigentlichen Neſt, dem Gang- und Kammerlabyrinth, gehen oft noch beſondere unterirdiſche Bauten aus; jo graben gewiſſe Arten „jehr tiefgehende und ſeitlich abzweigende Kanäle, welche unterirdiſche Wege bilden und manchmal zu gewiſſen Wurzelblattläuſen führen (Lasius flavus) oder zu anderen Zwecken dienen“ (Forel). Manche Ameiſen minieren auch lange, vielverzweigte Gänge, um in ihnen unterirdiſch Jagd auf Termiten oder andere Erdinſekten zu machen (Lobopelta in Indien, Dorylinen). Die bisher beſprochenen unterirdiſchen Anlagen ſtellen den hauptſächlichſten und wichtigſten Teil der Erdneſter dar; jedoch beſchränken ſich nur relativ wenig Ameiſen auf den unterirdiſchen Bau allein. In den meiſten Fällen iſt dieſer letztere mit verſchiedenen oberirdiſchen Anlagen (Steinen, Erdwällen oder Erdkuppeln) kombiniert. Ja, es kommen ſogar Erdneſter vor, welche nur oberirdiſch ſind, indem ſie ſich hoch oben auf Bäumen befinden. Wir unter— ſcheiden demnach folgende Formen von Erdneſtern: a) rein unterirdiſche minierte Neſter; b) Neſter mit ſoliden Wällen um die Eingangsöffnung („Kraterneſter“); e) Neſter unter Steinen; d) Neſter mit Erdkuppeln („Kuppelneſter“) und endlich e) rein oberirdiſche Neſter („ſchwebende Ameiſengärten“). a) Rein minierte Neſter, bei welchen alſo die in die Tiefe führende Eingangsöffnung vollkommen frei und unbedeckt iſt, ſind nicht gerade ſehr häufig; wir kennen ſolche von den nordafrikaniſchen Myrmecoeystus = Arten, dann von Ponera contracta, Aphaenogaster subterranea uſw., gelegentlich auch Formica fusca, rufibarbis, Tetramorium caespitum u. a. 86 Neſtbau. p) Die Kraterneſter entſtehen dadurch, daß die Ameiſen die minierte Erde wallartig um die Offnungen des Neſtes herum anhäufen. Wir finden ſolche umwallte Neſter beſonders in ſandigem Terrain, vor allem in Wüſten⸗ gegenden. In der Umgebung von Biskra z. B., der berühmten algeriſchen Oaſe, ſind dieſe Kraterneſter eine überaus häufige Erſcheinung; man begegnet ihnen auf Schritt und Tritt. Es ſind vor allem die beiden Körnerſammler Messor structor und barbarus, welche ſolche Wälle erbauen, ferner auch der reizende Acantholepis frauenfeldi, verſchiedene Pheidole-Arten uſw. Die Wälle ſind nicht immer vollkommen kreisförmig und ringsum geſchloſſen, ſondern ſie können auch nur halbkreisförmig ſein und die Neſtöffnung nur einſeitig umgeben, wie Forel bei dem Neſt von Messor arenarius in Süd— tunis beobachtet hat. Die Wälle beſtehen aus lauter zierlichen, übereinander⸗ liegenden Sandkügelchen von etwa 2½ mm Durchmeſſer und einer rauhen („ſtachlichen“) Oberfläche. Wenn Regen gefallen iſt, werden dieſe Kügelchen bedeutend (um das Doppelte) größer als bei trockenem Wetter (Diehl). „Es iſt leicht zu erkennen, wie dieſer Wall entſteht. Man ſieht die Ameiſen aus der Tiefe mit ſolchen noch etwas feuchten Sandkugeln in den Mandibeln kommen und dieſelben auf den Wall legen. Der Wind, der Regen uſw. zer— ſtören beſtändig dieſen Wall, der aber ebenſo beſtändig durch die Grabarbeit der Ameiſen wieder entſteht“ (Forel 1890). Zweifellos ſtellen die Wallanlagen nicht bloß ein zufälliges Reberprodn der Erdarbeiten dar, ſondern dienen einem beſtimmten Zwecke, vermutlich dem, einen Schutz gegen Wind zu bieten und ſo Verwehungen der Neſtöffnung zu verhindern. Diehl hat ja auch beobachtet, daß die halbkreisförmigen Wälle (von Messor arenarius) ſtets gegen die Windſeite gerichtet waren. c) Mit beſonderer Vorliebe legen die Ameiſen ihre Neſter unter Steinen an, und zwar wohl hauptſächlich aus folgenden Gründen: einmal bedeutet dieſe Bauart eine Arbeitserſparnis, indem der Stein als Dach für die oberen Gänge und Kammern dient; zweitens iſt der Stein am beſten dazu geeignet, eine raſche Erwärmung des Neſtes durch die Sonnenſtrahlen herbeizuführen; und drittens iſt das Neſt unter einem Steine vorzüglich geſchützt. Die be— deutendſte Rolle dürfte der Stein wohl als Wärmeſpender ſpielen, denn die Wärme iſt ein überaus wichtiger Faktor im Ameiſenleben, vor allem für die Aufzucht der Brut. Wir ſehen denn auch, ſobald die Sonne ſcheint oder nur ſchwach durch die Wolken kommt, bei kühlem oder feuchtem Wetter die Ameiſen ſtets in der oberſten Etage, direkt unter dem Stein ſich aufhalten. Sobald aber die Sonne verſchwindet oder auch, wenn ſie ſtark brennt, ſo gehen die Tierchen in die tieferen Partien des Erdneſtes (Forel). Der Stein, der das Neſt be— deckt, darf weder zu klein und zu dünn, noch zu groß und zu dick ſein. „Steine von 2 bis 15 em Dicke ſind je nach der Größe der Ameiſen und dem Umfang ihrer Kolonien am geſuchteſten.“ Denn ſie erlauben die beſte Wärmeregulierung. Bei den großen Vorteilen, welche die Anlage der Neſter unter Steinen bietet, iſt es verſtändlich, daß man (wenigſtens bei uns in Europa) faſt unter jedem Stein (von obiger Beſchaffenheit) Ameiſen antrifft, und zwar die ver— ſchiedenſten Arten. Es gibt wenige Ameiſengattungen, die niemals unter Steinen wohnen. Erdneſter. 87 d) Wo keine Steine zum Wärmeauffangen vorhanden ſind, da helfen ſich gewiſſe Ameiſen auf andere Weiſe, indem ſie nämlich über dem minierten Neſte Erdkuppeln errichten. Der Bau ſolcher Kuppeln iſt keine leichte Arbeit, es gehören beſondere (Maurer) Fähigkeiten dazu. Deshalb find auch die Neſter mit Erdoberbauten nicht ſo häufig und allgemein verbreitet, wie die Erdneſter der vorhergegangenen Kategorien. Als Erbauer von Erdkuppeln kommen bei uns vor allem die verſchiedenen Lasius-Arten in Betracht (mit Ausnahme von IL. fuliginosus, emarginatus und brunneus) und Tetra- morium caespitum, die Myrmica-Arten, verſchiedene Formica- und Campo— notus-Arten und endlich Tapinoma erraticum; in Nordafrika Monomorium und verſchiedene Aphaenogaster-Arten; in Amerika Pogonomyrmex, Acro- myrmex uſw. Der beſte Maurer bei uns iſt der gemeine, in allen Gärten wimmelnde Lasius niger, der außer der Kuppel auch gedeckte Gänge zu den Blattläuſen uſw. (ſ. unten) erbaut (Forel). Die Art, wie dieſe Erdbauten aufgeführt werden, iſt von Huber in ein— gehender und meiſterhafter Weiſe geſchildert worden. Ich kann dieſe Schilde— rungen hier nicht in extenso wiedergeben, da ſie zu viel Raum beanſpruchen würden, und verweiſe daher die Leſer auf das erſte Kapitel der „Fourmis indigenes* ). Das Univerſalinſtrument der Ameiſen zum Bauen find die Mandibeln, mit ihnen graben und minieren ſie, mit ihnen formen ſie die Bauſteine und mit ihnen mauern ſie. Außer den Mandibeln gebrauchen ſie aber auch noch ihre Vorderbeine in der ausgiebigſten Weiſe, und zwar ſo, daß ſie nicht mehr weiter arbeiten können, wenn ihnen dieſelben genommen ſind. Zum Mauern iſt Waſſer notwendig, deshalb werden die Oberbauten der Ameiſen ſtets nur während oder nach Regenwetter ausgeführt. In ihren Mandibeln ſchleppen die Arbeiter größere oder kleinere Erdklümpchen heran, kneten und formen ſie und bringen ſie an die Stelle, die aufgebaut werden ſoll; mit den Vorderbeinen preſſen ſie dann die kleinen Bauſteine feſt an und glätten die betreffende Stelle, wobei ſie ſich mit den Fühlerſpitzen ſtets über ihre Arbeit vergewiſſern. In geradezu erſtaunlich geſchickter Weiſe ver— ſtehen ſie ſich die gegebenen örtlichen Verhältniſſe zunutze zu machen, indem ſie jeden Grashalm und jedes Blättchen zur Befeſtigung der Konſtruktion als Säulen uſw. verwerten. So entſteht in relativ kurzer Zeit jener feſte kuppel— förmige Bau, dem wir ſo häufig auf unſeren Wieſen begegnen. Huber iſt der Anſicht, daß das Waſſer allein als Zement für die Erde dient; Forel hält es aber nicht für ausgeſchloſſen, daß außer dem Waſſer auch noch ein Drüſenſekret als Kitt hinzukommt. Betrachten wir nun das Innere einer ſolchen Erdkuppel, ſo gewahren wir meiſtens ein Labyrinth von Gängen und Kammern, wobei aber letztere weitaus überwiegen (Fig. 33 A). Nicht immer aber iſt der Bau jo ſolide; fo finden wir in den hohen Erdoberbauten des Tapinoma erraticum nur wenige notdürftige dünnwandige Kammern oder auch nicht einmal ſolche, ſondern ) Diejenigen Leſer, denen Hubers Werk nicht zur Verfügung ſteht, finden auch in Forels Fourmis de la Suisse, p. 156—163, die Hauptſtellen aus Hubers Beſchreibung verbatim angeführt. 88 Neſtbau. lediglich die Grashalme, um welche das Gewölbe gebaut iſt (Fig. 33 B). Dieſe einfachen Erdkuppeln, die am beſten mit einem Zelt zu vergleichen ſind, Fig. 33 A. ſind auch lange nicht ſo beſtändig wie die obigen Bauten von Lasius uſw. und beſtehen nur in der Zeit, in der das Gras wächſt; nach der Heuernte verſchwinden ſie wieder vollkommen. Wir haben oben ſchon angedeutet, daß die Erdoberbauten demſelben Zwecke wie die Steine dienen, alſo vor allem zur Wärmebeſchaffung für die Brut. „Das Gras wächſt im Mai und mit ihm die Ameiſenkuppeln. Dieſe ſchützen gegen die Feuchtigkeit und den Schatten des Urwaldes, den eine Wieſe für Ameiſen be— deutet. Da oben unter dem Dache der Kuppel fühlt man die Sonnen⸗ ſtrahlen“ (Forel). Wir ſehen denn auch die Ameiſen mit ihrer Brut K. Fig. 33 B. K. temporäre Erdkuppel, Inn. Inneres der Kuppel mit ſeinem natürlichen Grasſtengelgebälk, Min. Anfang des unterirdiſch minierten Teiles des Neſtes. Nach Forel. Erdneſter. 89 meiſtens in den oberſten Partien der Kuppel ſich aufhalten. Wo keine ſoliden Kammern vorhanden ſind, in welchen die Brut untergebracht werden kann (Tapinoma), da legen die Ameiſen (nach Forel) ihre Larven zum Teil Fig. 34. 1 Kugelförmiger Ameiſengarten mit vielen Keimpflanzen. 2 Kleiner Ameiſengarten in der Zweiggabel einer Cordia. Nach Ule, aus „Die Umſchau“ VIII, Nr. 45. auf Blätter uſw. dicht unterhalb des Gewölbes, zum Teil halten ſie dieſelben ſelbſt in den Oberkiefern und wimmeln dabei in den oberſten Partien der Kuppel herum. ü Die Erdkuppeln können noch ſeſter und widerſtandsfähiger gemacht werden dadurch, daß ihre Oberfläche mit Steinchen gepflaſtert wird, wie es MeCook bei der Ernteameiſe (Pogonomyrmex oceidentalis) beobachtet hat. 90 Neſtbau. Die kleinen weißen Pflaſterſteinchen, die oft tief aus der Erde herausgeholt werden müſſen, werden ſehr regelmäßig in eine Lage nebeneinandergeſetzt, was dem Neſte ein einzig daſtehendes Ausſehen verleiht. e) Eine ganz beſondere Form von Erdneſtern ſtellen die von Ule be— ſchriebenen „ſchwebenden Neſter“ oder „Ameiſengärten“ dar. Bezüglich ihrer Bauart ſind ſie am eheſten mit den eben beſprochenen Erdkuppeln zu vergleichen, von denen ſie ſich vor allem durch ihre Lage hoch oben auf den Bäumen unterſcheiden. Wie die Kuppeln durch Grashalme uſw. beſondere Feſtigkeit erlangen, ſo wird dieſe bei den Ameiſengärten durch die Wurzeln von Epiphyten erzielt. Das Intereſſante daran iſt, daß die Epiphyten von den Ameiſen ſelbſt geſät und kultiviert werden ſollen. Ule fand dieſe ſchwebenden Gärten ziemlich häufig im Amazonasgebiet, und zwar in den verſchiedenſten Formen und Größen je nach dem Alter und der Art der Ameiſen: bald waren es nur kleine erſte Anlagen, welche die Würzelchen einiger Keimpflanzen mit Erde umgeben zeigten, bald wallnuß— bis kopfgroße Neſter; letztere glichen in ihrer lockeren Bauart ſehr einem Badeſchwamm (Fig. 34). Die Ameiſen, welche ſolche Gärten bauen, ſind Azteca olithrix und ulei Forel, traili Em. und Camponotus femoratus Fb. 2. Holzneſter. Wenn die Neſter in feſtes totes oder lebendes Holz eingegraben ſind, ſo ſprechen wir von „Holzneſtern“. Das Holz bietet natürlich einen viel ſtärkeren Widerſtand dem Bearbeiten dar als die Erde, und es bedarf dazu auch ganz beſonders ſtarker Werkzeuge. Wir finden dementſprechend hier auch die Arbeiter ſtets mit ſehr kräftigen Mandibeln ausgerüſtet. Es gibt ziemlich viel Holzſchnitzer unter den Ameiſen; bei uns kommen vor allem die Camponotus-Arten in Betracht, deren Neſter man überall häufig in Baumſtrünken oder Baum⸗ ſtämmen antreffen kann. Gewöhn⸗ lich werden dieſelben ſo angelegt, daß N f die weicheren Holzteile ausgehöhlt A Durchſchnitt eines in einem Birnbaumaſt ein⸗ werden, während die härteren als Jh ee 10 R Rinde des Aſtes, 0 Offnung des Neſtes nach daß die Hohlräume vertikal gelagert dan oer Belek ofen ae eldename. und entsprechend den Jahresringen den Soldaten; vergrößert. Nach Forel. konzentriſch angeordnet ſind. Die vertikalen Kammern gehen aber nicht von oben bis unten ununterbrochen durch, ſondern werden durch horizontale Böden in verſchiedene Etagen abgeteilt. Im Gegenſatz zu den Erdneſtern bieten daher dieſe Art Holzneſter eine größere Regelmäßigkeit im Bau dar. Holzneſter. Markneſter. Kombinierte Reiter. 91 Es gibt aber auch andere, die ganz unabhängig von den Jahresringen und ebenſo unregelmäßig wie die Erdneſter ſind. Solche Labyrinthe bauen vor allem die verſchiedenen Colobopsis-Arten, denen kein Holz zu hart iſt, um es mit ihren kurzen ſehr kräftigen Mandibeln anzubohren. Fig. 35 zeigt ein Neſt von Col. truncata in einem Birnbaumaſte (im Durchſchnitt): wir ſehen ein Labyrinth von Gängen und Kammern (genau wie bei den Erd— neſtern), welches durch eine verhältnismäßig ſehr enge Offnung nach außen mündet. Wie oben (Kap. II, 3, S. 47) bereits mitgeteilt, wird dieſe letztere ſtets durch einen „Soldaten“ verſchloſſen, welcher ſeinen Platz nur verläßt, wenn eine Arbeiterin ein- oder austreten will. Auch einige Leptothorax-Arten ſind Holzſchnitzer und graben in der äußerſten Schicht der Baumrinde kleine, ſehr einfache flach ausgebreitete Neſter mit wenig Kammern. 3. Markueſter. An die Holzneſter ſchließen ſich eng die Markneſter an. Während erſtere durch Aushöhlen von feſtem Holz entſtehen, werden letztere durch Aushöhlen des Markes gebildet. Dahl hat die Bezeichnung „Markneſter“ eingeführt, und zwar für das Neſt von Camponotus quadriceps, welches in dem Marke von Endospermum formicarium Becc einem Baum des Bismarck-Archipels, angelegt iſt. Das Neſt beſteht in einer oder mehreren Markkammern, welche mit dem Wachſen der Kolonie immer größer werden und ſchließlich ver— ſchmelzen. „In älteren Zweigen verfließen die Kammern ſämtlich zu einer zuſammenhängenden Markröhre.“ Auch das von Forel (1892) beſchriebene und abgebildete Neſt von Technomyrmex albipes Sm. in einem Stengel von Solanum auriculatum, deſſen weiches Mark inwendig ausgehöhlt und in Fächer eingeteilt iſt, gehört hierher. 4. Kombinierte Neſter. Die typiſchen kombinierten Neſter find dadurch charakteriſiert, daß unter— irdiſche minierte Anlagen mit oberirdiſchen Bauten aus vegetabili— ſchen Materialien verbunden ſind. Als Erbauer dieſer Neſter kommen die verſchiedenen Waldameiſen: Formica rufa, sanguinea, truncicola, exsecta, pressilabris ſowie ihre nordamerikaniſchen Verwandten F. exsectoides, integra, obseuripes uſw. in Betracht. Auf die unterirdiſchen Anlagen dieſer Neſter brauche ich hier nicht mehr einzugehen; denn ſie ſind im Prinzip genau ſo wie die entſprechenden Bauten der reinen Erdneſter (ſ. dort). Die Oberbauten bilden jene mächtigen Kuppeln, die unter der Bezeichnung „Ameiſenhaufen“ allbekannt ſind. Sie werden aus den verſchiedenſten trockenen vegetabiliſchen Materialien aufgebaut: in Nadelwäldern werden die abgefallenen Nadeln verwendet, in Laubwäldern Holzſtückchen, Grasſtengelchen, trockene Blättchen uſw. Ununterbrochen ſchleppen Tauſende, ja vielleicht Hunderttauſende von Arbeitern dieſe Materialien zu— nächſt aus der unmittelbaren Umgebung, ſpäter, wenn dieſe kahl abgejucht, 92 Neſtbau. aus weiterer, mitunter ſehr weiter Entfernung herbei und häufen Stückchen auf Stückchen. Der ſo entſtehende Bau iſt aber keineswegs ein durchaus regelloſer, ſolider Haufen von Nadeln, Stengeln uſw., wie es auf den erſten Blick den Anſchein hat, ſondern es finden ſich in ihm Gänge und Kammern, wie in den Erdkuppeln. Die Konſtruktion dieſer Hohlräume beſteht teils lediglich aus vegetabiliſchem Material, welches durch entſprechende Lagerung gegenſeitig verſteift iſt, teils aber iſt auch Erde als Zement benützt, wodurch eine höhere Feſtigkeit erzielt wird. Das oberirdiſche Gang- und Kammerlabyrinth mündet durch mehrere Offnungen nach außen; gewöhnlich iſt die größte Offnung am Gipfel der Kuppel gelegen. Bemerkenswert iſt, daß die Offnungen regel- mäßig des Nachts ſorgfältig geſchloſſen und am Morgen wieder geöffnet werden. Der Verſchluß geſchieht durch dasſelbe Material, aus dem der Haufen beiteht. Die Größe und Form der Haufen iſt verſchieden, je nach der Art der Bewohner: Formica rufa z. B. baut ſehr große, kegelförmige Kuppeln, Form. exsecta kleinere und flachere, ebenſo Form. pratensis. Auch das Material, die Feinheit desſelben, ſeine Lagerung uſw. zeigt ſpezifiſche Unterſchiede, ſo daß man aus dem Bau der Haufen meiſtens die betreffende Ameiſenart ſicher erkennen kann. Auch das Alter der Kolonie ſpielt natürlich bezüglich der Größe der Haufen eine bedeutende Rolle; wie aber oben ſchon erwähnt, haben die Haufen der verſchiedenen Arten ihre Maximalgröße, über die hinaus ſie niemals kommen. Die Maximalgröße kann ſehr bedeutend ſein, ſo dürfte ſie bei Form. rufa in der Höhe etwa 1¼ bis 1½ m betragen. Die Haufen dienen demſelben Zwecke wie die Erdkuppeln (ſ. dort), d. h. alſo vor allem zur Wärmebeſchaffung. Ich habe mehrfach Temperatur- meſſungen vorgenommen und zwiſchen der Temperatur des Haufens und des Erdneſtes oder auch der umgebenden Luft Differenzen bis zu 10°C feſtgeſtellt. Die höchſte Temperatur herrſchte ſtets (d. h. an ſonnigen Tagen) in den oberſten Partien des Haufens. Hier fanden ſich auch immer die Puppen und Larven ). Eine weitere Beſtätigung für Forels „Theorie des domes“ liegt in der Tatſache, daß die haufenbauenden Ameiſen in Gegenden mit ſehr extremem Klima das Bauen der Kuppeln ganz unterlaſſen; ſo fand Forel (1900) in Nordkarolina nur ſehr ſelten wirkliche „Haufen“. Bei den extremen Plus⸗ und Minustemperaturen dieſes Landes, die ziemlich unver— mittelt aufeinander folgen, iſt ein beſonderer Wärmeſammler überflüſſig, und iſt der beſte Aufenthalt für die Ameiſen und ihre Brut in der Erde. — Außer dieſen typiſchen kombinierten Neſtern der Waldameiſen gibt es auch gelegentliche oder atypiſche Neſter, welche einen kombinierten Bau aufweiſen. So benutzen z. B. die Lasius-Arten gern alte morſche Baum- ſtrünke zum niſten, indem ſie dieſelben aushöhlen und aus Erde und Holz— mehl Gänge und Kammern in die Höhlung einbauen. Solche atypiſche kom⸗ binierte Neſter ſind überaus häufig und mannigfaltig und können von den verſchiedenſten Ameiſen gebaut werden. ) Mit Hilfe des Thermometers konnte ich ſelbſt in den größten Haufen meiſtens leicht und ſicher die Puppen- und Larvenkammern auffinden. Ich brauchte nur da nachzugraben, wo das Thermometer die höchſte Temperatur zeigte, und faſt ſtets lagen da auch die Puppen uſw. Neſter in ſchon vorhandenen Höhlungen. 93 5. Neſter in ſchon vorhandenen Höhlungen. Wir müſſen hier zwiſchen gelegentlichen oder zufälligen und nor— malen Neſtformen unterſcheiden. Bei der großen Plaſtizität des Bauinſtinktes und der Anpaſſungsfähigkeit der Ameiſen iſt es natürlich, daß dieſe jede Gelegenheit, die eine Arbeits— erſparnis bezüglich des Neſtbaues bedeutet, nach Möglichkeit ausnützen werden. Jede ſchon vorhandene Höhlung bietet aber den Ameiſen eine derartige Ge— legenheit dar, denn es fällt hier die ſchwierigſte Arbeit, das Minieren und Ausnagen weg. Vielfach ſind die Höhlungen ſchon derart, daß ſie ohne weiteres von den Ameiſen bewohnt werden können; in anderen Fällen handelt es ſich nur noch darum, allzu große Spalten und Offnungen zu verengern oder ganz zu vermauern und durch Einbauen von Zwiſchenwänden oder Böden verſchiedene getrennte Kammern für ihre Brut zu ſchaffen. Die Neſter in derartigen Spalten uſw. haben außerdem noch den Vorteil des größeren Schutzes und der größeren Feſtigkeit. Es iſt deshalb kein Wunder, daß wir in faſt allen vorhandenen Hohl— räumen Ameiſen finden: mögen es Mauerſpalten oder Holzriſſe, verlaſſene Borken⸗ oder Bockkäfergänge, verlaſſene Pflanzengallen ſein, überall niſten gelegentlich Ameiſen. Es gibt aber auch Ameiſenarten, welche ausſchließlich in natür— lichen, und zwar für jede Art ganz beſtimmten Höhlungen wohnen. In dieſen Fällen haben wir es alſo mit normalen Neſtformen zu tun. Hierher gehören vor allem die mit Pflanzen „ſymbiotiſch“ lebenden Ameiſen der Gattungen Azteca, Iridomyrmex, Crematogaster und Pseudo- myrma. Azteca instabilis wohnt nur in den hohlen Stämmen gewiſſer Cecropia= Arten und niſtet ſonſt nirgends anders, Iridomyrmex cordatus und Cremato— gaster difformis ausſchließlich in den Labyrinthgängen der Luftknollen von Myrmecodia bzw. Hydnophytum (Fig. 59), Pseudomyrma flavidula und belti ausſchließlich in den hohlen Dornen gewiſſer Akazien. Die Höhlungen der Cecropia-Stämme und der Akaziendornen wie die Labyrinthgänge der ge— nannten Epiphytenknollen ſind nicht etwa von den Ameiſen erſt hergeſtellt (im Gegenſatz zu den Markneſtern), ſondern entſtehen ganz ſelbſtändig in den Pflanzen. Da nun die in den Höhlungen wohnenden Ameiſen den Pflanzen nicht nur keinen Schaden zufügen, ſondern vielmehr durch Abwehr von Feinden als ſehr nützlich ſich erweiſen, ſo werden die betreffenden Hohlräume von den meiſten Forſchern als Anpaſſungen der Pflanzen an die Ameiſen aufgefaßt. Die Pflanzen werden als myrmekophil bezeichnet, das Verhältnis zwiſchen Pflanzen und Ameiſen als Symbioſe. Wir werden unten (Kap. IX) noch näher auf dieſe ſowie auf andere verwandte Fälle zu ſprechen kommen. Auch bei uns in Europa gibt es übrigens einige Ameiſen, die regelmäßig (ausſchließlich?) in natürlichen Pflanzenhöhlungen wohnen. So finden ſich die Neſter von Dolichoderus quadripunctatus und Leptothorax affinis regel- mäßig in dem feinen hohlen Markkanal dünner vertrockneter Aſte gewiſſer 94 Neſtbau. Bäume (vor allem der Nußbäume). Um eine „Symbioſe“ in obigem Sinne dürfte es ſich hier aber wohl kaum handeln. Zu erwähnen iſt endlich noch, daß nach Forel in den Tropen viele Ameiſen vorzugsweiſe in dünnen trockenen Gramineenſtengeln ihre Neſter auf— ſchlagen; in Kolumbia, das Forel bereiſte, niſten weitaus die meiſten Ameiſen auf dieſe Weiſe. Wir dürfen wohl annehmen, daß es ſich hier nicht um rein zufällige Neſtformen handelt, ſondern daß dieſe „Stengelneſter“ eine normale typiſche Neſtform darſtellen. 6. Kartonneſter und geſponnene Weiter. In Europa gibt es nur zwei Ameiſen, welche Kartonneſter bauen: der bei uns überall häufige Lasius fuliginosus und das in Südoſteuropa heimiſche Liometopum microcephalum. Wie die Bezeichnung ſchon ſagt, iſt für dieſe Neſtform vor allem das Material charakteriſtiſch. Dasſelbe beſteht aus einem feſten „Karton“, welchen die Ameiſen aus feinem Holzmehl (rein oder mit Erde gemiſcht) und Leim herſtellen. Der Leim wird von den Ameiſen ſelbſt geliefert und ſtammt aus der Oberkieferdrüſe, welche nach Meinert bei Lasius fuliginosus ganz ungewöhnlich groß iſt. Die Form der Neſter iſt ſehr unregelmäßig und richtet ſich ganz nach der Ortlichkeit, wo fie angelegt werden. Unſere beiden europäiſchen Karton⸗ verfertiger bauen ihre Wohnungen mit Vorliebe in Hohlräumen alter Bäume; doch halten ſie ſich durchaus nicht ſtreng daran. Wenigſtens hat man die Neſter von Lasius fuliginosus ſchon unter den verſchiedenſten Bedingungen angetroffen, wie z. B. in einer Erdhöhle, in einem Torfkeller uſw. (Oudemans). Das Innere des Neſtes beſteht aus einem Labyrinth von Hohlräumen und Gängen, die alle nur durch die Dicke des Kartons voneinander getrennt ſind. Das Neſt bekommt dadurch ein ſchwammartiges Ausſehen. Die Farbe des Kartons von L. fuliginosus iſt gewöhnlich ſchwarzbraun, ſelten hellbraun. Meiſtens zeigen die Wände einen ſamtartigen Überzug, welchen ſchon Forel als aus Pilzfäden beſtehend erkannt hat (1873, S. 182). Lagerheim hat nun neuerdings dieſen Pilz, der von Freſenius als Septosporium myrmecophilum beſchrieben wurde, näher ſtudiert. Das Mygcel desſelben befindet ſich in dem Karton und durchzieht ihn in reicher Verzweigung; von dieſem intramatrikalen Mycel gehen lange braune, gerade oder gebogene haarähnliche Hyphen aus, welche jenen ſamtartigen Flaum bilden. Da der Pilz außerhalb der Lasius-Neſter nicht vorkommt und da ferner keine anderen Pilze in dem Neſte ſich finden, ſo iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß die Ameiſe den Pilz abſichtlich züchtet. Aus dieſer Pilzzucht können den Ameiſen verſchiedene Vorteile erwachſen: die Hyphen können zur Nahrung dienen und das Mycel verleiht dem Karton eine größere Feſtigkeit (wie das Schilfrohr dem Mörtelbewurf unſerer Hauswände). Außerdem kann auch noch die ſchleimabſondernde Eigenſchaft des Pilzmycels vorteilhaft zum Zuſammenkitten des Baumaterials dienen. Während in Europa die Kartonneſter nur ſelten ſind, ſtellen ſie in Süd— amerika, Afrika und Indien eine häufige Erſcheinung dar. Es ſind vor allem Kartonneſter und geſponnene Neſter. 95 Arten der Gattungen Camponotus, Aztèeca, Crematogaster, Dolichoderus und Polyrhachis, welche ſolche Neſter erbauen. Wenn viele derſelben auch im Prinzip mit dem obigen Lasius-Kartonneſt übereinſtimmen, ſo unter— Fig. 36 A. Fe, FR au "Ah, Kartonneſt von Azteca trigona subsp. mathildae Koreı. Nach einer Photographie von Göldi- Para. ſcheiden fie ſich doch in mehreren Punkten von dieſem. Einmal werden die Neſter der Crematogaster uſw. gewöhnlich frei auf Bäumen, an Aſten hängend, angelegt, und ſodann iſt der Karton meiſt feiner und weniger brüchig. Forel hat eine ganze Stufenreihe bezüglich der Beſchaffenheit des Kartons 96 Neſtbau. aufgeſtellt, welche vom harten, brüchigen, holzähnlichen des Lasius fuligi- nosus bis zum feinſten, papierdünnen elaſtiſchen (dem der Weſpenneſter Fig. 36 B. Bartartig herabhängende Kartonſtalaktiten von Azteca barbifex Forel. Nach einer Photographie von Göldi-Para. ähnlich) führt. Die größere Elaſtizität wird dadurch erreicht, daß weniger Holz und mehr Kitt verwendet wird ). ) Manche Autoren berichten, daß von verſchiedenen Ameiſen zur Verfertigung des Kartons Miſt verwendet wird. So ſoll nach Lund eine Ameiſe, welche er Kartonneſter und geſponnene Neſter. 97 Die Form dieſer freien Kartonneſter iſt meiſtens ganz unregelmäßig und wird eben dem Aſtwerk der betreffenden Bäume angepaßt. Beſonders auf— fällig find die Neſter verſchiedener Azteca-Arten (barbifex, stalactitica, deeipiens), welche aus einer großen Anzahl bartartig herabhängender Karton— ſtalaktiten beſteht (ſ. Fig. 36 8). Die Größe derſelben kann ganz enorm werden; jo berichtet Wasmann von Neſtern von Crematogaster schenki aus Madagaskar, welche einen ſolchen Umfang hatten, daß ein erwachſener Menſch darin Platz finden könnte. Es gibt aber auch kleinere, regelmäßig geformte Kartonneſter, wie ſie vor allem einzelne Polyrhachis-, Dolichoderus- und Crematogaster-Arten bauen. Dieſe Neſter ſind gewöhnlich auf einem Blatt errichtet und beſtehen aus einem einzigen wallnuß- bis hühnereigroßen Hohlraum, welcher durch eine große, meiſt zentralgelegene Offnung mit der Außenwelt in Verbindung ſteht (Fig. 37). Das Material, aus welchem der Karton dieſer kleinen Neſter beſteht, iſt bei den verſchiedenen Polyrhachis-Arten ver— Fig. 37. ſchieden: bei Pol. mayri und scissa aus Ceylon beſteht er (wie der Karton der obigen Cxematogaster-Neſter) aus vegetabiliſchen Partikelchen, welche durch Drüſenkitt mit— einander verklebt ſind; bei anderen Arten dagegen, wie 3. B. bei Pol. jerdonii Forel (ebenfalls aus Ceylon), be— ſteht die Neſtwand aus kleinen Steinchen und pflanzlichen Schollen, welche durch ein feines Geſpinſt zuſammen— gewoben ſind. Es treten alſo hier an Stelle des Kittes feine Seidenfäden. Bei wieder anderen Arten, wie bei Pol. dives, wird gar kein fremdes Material mehr benutzt, ſondern beſteht das Neſt aus reinem Seidengeſpinſt. „Das Gewebe iſt bräunlich-gelblich und zwiſchen Blättern angebracht, welche damit austapeziert und untereinander verbunden ſind.“ „Ein noch feineres zarteres Seidengewebe, n 1 feiner und noch dichter als das feinſte Seidenpapier, wird ton, O Öffnung des von Polyrhachis spinigera Mayr produziert.“ „Wunder- Neſtes Nach Andre. barerweiſe iſt dieſes Geſpinſt in der Erde angebracht, wo es eine ſchlauch— förmige, unten kammerartig erweiterte Höhle austapeziert.“ So ſind wir alſo bei den geſponnenen Neſtern angekommen. Außer den genannten Polyrhachis erbauen auch noch verſchiedene Oecophylla-Arten (Indien, Auſtralien und Afrika) und Camponotus senex Sm. (Braſilien) ähnliche Geſpinſtneſter, und zwar verwenden dieſe Ameiſen lebende Blätter dazu, welche ſie zuſammenbiegen und an ihren Rändern mit einem dichten Seidengeſpinſt verbinden (Fig. 38 A). Mit demſelben ſeidenartigen Gewebe werden auch alle Lücken und Offnungen zwiſchen den Stielen uſw. ausgefüllt. Es erhebt ſich nun die Frage, woher die Ameiſen, die doch be— ſonderer Spinndrüſen entbehren, den Spinnſtoff nehmen? Forel Formica merdicola nennt, und welche in Lagoa ſanta (Brafilien) an Bambusrohr in einiger Entfernung von der Erde ihr Neſt errichtet, den Miſt von Kühen und Pferden als Baumaterial gebrauchen (vgl. Jhering). Dolichoderus attelaboides (ebenfalls in Braſilien) baut nach Mayr (1868) ſein Neſt aus Mauleſelmiſt. Eſcherich, Die Ameiſe. 7 98 Neſtbau. war früher der Anſicht, daß die ſpinnenden Ameiſen aus den karton— fabrizierenden ſich allmählich entwickelt haben, indem das Sekret der Ober— kieferdrüſe, welches dieſen den Leim für den Karton liefert, bei jenen eine IN 1 Blattneſt von Oecophylla smaragdina. Nach einer Photographie von Doflein. „fadenziehende“ Eigenſchaft an- genommen habe. i Nach den neueren Beob- achtungen aber trifft dies nicht zu. Wenigſtens iſt für Poly— rhachis dives, Oecophylla smaragdina und Camponotus senex die höchſt merkwürdige Tatſache feſtgeſtellt, daß ſie den Spinnſtoff nicht aus ihrem eigenen Körper be— ziehen, ſondern von ihren Larven, welche ſie als „Webſchiffe“ benutzen. Die erſte Kunde darüber brachte Ridley (1890) aus Singapure, und einige Jahre ſpäter (1896) berichteten Holland und Green ganz ähnliches aus Ceylon. Holland ſchildert (bei Green) den Vor- gang des Spinnens (von Oeco— phylla) ziemlich eingehend: Die zu verbindenden Blätter werden erſt von den Ameiſen mittels ihrer Oberkiefer in die richtige Lage gebracht und zuſammen— gehalten. Dann kommen andere in großer Zahl, jede eine Larve im Maule haltend, und fahren nun mit dem Vorder⸗ ende der Larve von einem Rande des Blattes zum anderen. Wo der Mund der Larve das Blatt berührt, erſcheint ein Geſpinſt⸗ faden, der an dem Blatte feſt⸗ klebt. Dieſer Prozeß wird ſo lange wiederholt, bis die Blätter an ihren Rändern durch ein haltbares Gewebe verbunden ſind und ſchließlich ein filziger papierähnlicher Stoff ſich bildet, der aus unzähligen übereinander liegenden und ſich kreuzenden Spinnfäden beſteht. Die Mitteiluug, daß Ameiſen zum Bau ihrer Wohnung beſondere, von ihnen körperlich getrennte Werkzeuge benutzen, mutete ſo Kartonneſter und geſponnene Neiter. 99 wunderbar an, daß Wasmann fürs erſte noch nicht daran glauben mochte und weitere Beſtätigung durch andere Forſcher für nötig erachtete. Die Be— ſtätigung iſt nun neuerdings von verſchiedenen Seiten in übereinſtimmender Weiſe eingelaufen, ſo daß heute kein Zweifel mehr über die Richtigkeit der Angaben Ridleys und Hollands beſteht. Zuerſt hat Chun („Aus den Tiefen des Weltmeeres“, 2. Aufl., Jena 1903, S. 129) eine indirekte Beſtätigung erbracht, indem er bei Oecophylla⸗ Larven enorme Spinndrüſen nachwies, welche „an ungewöhnlicher Entwickelung alles überbieten, was wir von den gleichen Drüſen ſonſtiger Hymenopteren, ſpeziell auch der Ameiſenlarven, kennen. Sie beſtehen aus vier mächtigen, Fig. 38 B. Reparatur eines Spaltes im Neſt von Oecophylla smaragdina. Nach Doflein. den Körper in ganzer Länge durchziehenden Schläuchen welche ſich jederſeits vereinigen und zu einem auf der Unterlippe ausmündenden Gange zuſammen— fließen.“ Sodann ſind aber in den letzten Jahren auch noch mehrfach direkte Beobachtungen über das Spinnen angeſtellt worden und zwar von Göldi bei Camponotus senex, von den Vettern Saraſin und Fr. Doflein bei Oecophylla, und endlich von Elw. Jacobſon bei Polyrhachis dives. Die Mitteilungen dieſer Forſcher beſtätigen obige Angaben Hollands in jeder Weiſe. Beſonders anſchaulich iſt die Schilderung Dofleins, die ich hier wörtlich wiedergeben möchte. Doflein öffnete ein Neſt von Oecophylla, um das Innere uſw. des Baues zu ſtudieren. „Während nun“, erzählt der genannte Forſcher, „die Hauptmaſſe der Tiere zur Verteidigung des Neſtes ſich anſchickte, ſonderte ſich von ihnen eine kleine Truppe ab, welche ſich an dem von mir in der Neſtwand angebrachten Riß zu ſchaffen machte. Sie ſtellten ſich in ganz merkwürdiger Weiſe in einer geraden Reihe auf, wie dies die * 100 Neſtbau. Abbildung Fig. 38 B zeigt. An der einen Seite des Spaltes hatten ſie mit ihren Mandibeln den einen Blattrand erfaßt, auf der anderen Seite des Spaltes krallten ſie ſich mit allen ſechs Füßen an der Blattoberfläche feſt. Dann zogen ſie ganz langſam und behutſam an, ſetzten ganz vorſichtig einen Fuß nach dem anderen etwas rückwärts und ſo ſah man ganz deutlich die Ränder des Spaltes ſich allmählich einander nähern. Es war ein bizarrer Anblick, die Tiere alle einander ganz parallel aufgeſtellt bei der Arbeit zu ſehen. „Nun kamen andere herbei und fingen an, den Rändern des Spaltes entlang die Reſte des alten Gewebes ſorgfältig wegzuſchneiden. Sie biſſen mit ihren Mandibeln das Gewebe durch und zerrten ſo lange daran, bis es in Fetzen ſich loslöſte. Solche Fetzen trugen ſie in den Mandibeln an eine exponierte Stelle des Neſtes und ließen ſie im Winde davonfliegen, indem ſie die Mandibeln bei einem Windſtoß weit öffneten. Ich ſah auch, wie eine ganze Reihe von Ameiſen zuſammen einen großen Fetzen des Gewebes auf eine Blattſpitze hinaustrugen und wie ſie dort wie eu Kommando gleichzeitig Fig. 38 0. ihre Mandibeln öffneten und ſo das große Stück fortflattern ließen. „Das dauerte faſt eine Stunde, dann kam plöß- lich ein ſtärkerer Wind- ſtoß, entriß den am Spalt ziehenden Ameiſen deſſen Ränder und machte die ganze Arbeit nutzlos. — Aber die Tiere ließen Oecophylla - z, eine Larve als Spinnrocken benutzend. 1 in ihrer Tätiakeit N N Ba Bon 1 1515 ſtellte ſich eine lange Reihe am Spalt auf und nach einer halben Stunde hatten ſie deſſen Ränder einander wieder ziemlich nahe gebracht. „Schon verzweifelte ich an der Möglichkeit, die Hauptſache zu ſehen, da kamen aus dem Hintergrunde des Neſtes mehrere Arbeiterinnen hervor, welche Larven zwiſchen ihren Mandibeln hielten. Und ſie liefen nicht etwa mit den Larven davon, um ſie in Sicherheit zu bringen, ſondern ſie kamen mit ihnen gerade an die gefährdete Stelle, an den Spalt. Dort ſah man ſie hinter der Reihe der Feſthalter herumklettern und ganz eigenartige Kopfbewegungen ausführen. Sie hielten die Larven ſehr feſt zwiſchen ihren Mandibeln, jo daß dieſe in der Mitte ihres Leibes deutlich zuſammengedrückt erſchienen (vgl. Fig. 38 C). Vielleicht iſt der Druck von Wichtigkeit, indem er die Funktion der Spinndrüſen anregt. Es ſah ganz merkwürdig aus, wenn ſie mit ihrer Laſt durch die Reihen der feſthaltenden Exemplare hindurchſtiegen. Während letztere auf der Außenſeite des Neſtes ſich befanden, führten erſtere ihre Arbeit im Innern des Neſtes aus. Sie waren daher viel ſchwerer zu beobachten. Doch konnte ich nach einiger Zeit mit aller Deutlichkeit ſehen, daß ſie die Larven mit dem ſpitzen Vorderende nach oben und vorn gerichtet trugen und ſie immer von der einen Seite des Spaltes zur anderen hinüber— Zuſammengeſetzte Neiter. 101 bewegten. Dabei warteten fie erſt ein wenig auf der einen Seite des Spaltes, als ob ſie dort durch Andrücken des Larvenkopfes das Ende des von der Larve zu ſpinnenden Fadens anklebten, fuhren dann mit dem Kopf quer über die Spalte herüber und wiederholten auf der anderen Seite dieſelbe Prozedur. Allmählich ſah man, während ſie dieſe Tätigkeit unermüdlich fortſetzten, den Spalt ſich mit einem feinen ſeidenartigen Gewebe erfüllen. „Es war kein Zweifel, die Ameiſen benutzten tatſächlich ihre Larven als Spinnrocken und zu gleicher Zeit als Weberſchiffchen. Indem mehrere Ar— beiterinnen ganz nahe beieinander arbeiteten, konnten ſie die Fäden einander überkreuzen laſſen, ſo daß ein ziemlich feſtes Gewebe entſteht. Man kann dasſelbe mit der Schere zerſchneiden, und kleine Stücke ſehen unter dem Mikroſkop ſehr eigenartig aus. Man ſieht eine Menge von feinen Fäden ſich überkreuzen und an einzelnen Stellen ſieht man ganze Stränge ſich in einer Richtung gemeinſam hinziehen. Das ſtimmt ſehr gut mit meinen Beob— achtungen der Entſtehung des Gewebes überein. Die Ameiſen pflegen zuerſt an einer Stelle häufig mit den Larven hin und her zu fahren, ehe ſie den Ort wechſeln und ihre Fäden kreuz und quer ſpannen. Dadurch entſtehen nach kurzer Zeit an mehreren Stellen vor dem Gewebe eine Art von Stricken, welche offenbar den feſthaltenden Ameiſen einen Teil ihrer Arbeit abnehmen. Man ſieht unter dem Mikroſkop auch, daß die Fäden des Gewebes an manchen Stellen miteinander verklebt erſcheinen. Dieſe Tatſache erklärt ſich ſehr ein— fach, wenn wir bedenken, daß der Faden, wenn er aus der Spinndrüſe der Larve hervorgeht, zunächſt noch auf einige Momente feucht und klebrig iſt.“ Nachdem nun bei ganz verſchiedenen, in getrennten Ländern vorkommen— den Ameiſen die gleiche Art zu ſpinnen feſtgeſtellt iſt, dürfte es wohl zweifel— los ſein, daß alle geſponnenen Neſter auf dieſe Weiſe entſtehen. Wir haben hier eine hochintereſſante Tatſache kennen gelernt, die wohl einzig im ganzen Tierreich daſtehen dürfte, nämlich die, daß ein Tier ſich eines Werkzeuges bedient. Ich glaubte aus dieſem Grunde etwas ausführlicher darauf eingehen zu müſſen. 7. Zuſammengeſetzte Neſter. Wir ſprechen von „zuſammengeſetzten Neſtern“, wenn die Neſter von zwei (oder mehreren) verſchiedenen Ameiſenarten entweder unmittelbar an— einandergrenzen oder ineinander gebaut ſind. Meiſtens verhalten ſich die Bewohner der verſchiedenen Neſter feindlich gegeneinander; man braucht nur die trennenden Wände uſw. zu entfernen, um ſofort den ſchönſten Kampf im Gange zu ſehen. Wir wollen hier nicht von den vielen zufälligen „zuſammengeſetzten Neſtern“ reden, ſondern nur die normalen Formen berückſichtigen, nämlich die Neſter der „Diebs- und Gaſtameiſen“. Dieſe Ameiſen, die zu den Gattungen Solenopsis, Formicoxenus, Leptothorax uſw. gehören und ſich durch beſondere Kleinheit auszeichnen, bauen ihre Wohnungen gewöhnlich in die dicken Wandungen der Neſter größerer Ameiſenarten ein. Wo genügend Platz vorhanden, werden die Kammern angelegt, welche durch feine Kanäle 102 Neſtbau. miteinander verbunden ſind und durch noch feinere Gänge nach außen, d. h. in die Räume der Wirtsameiſen führen. Es können durch ſie nur die kleinen Arbeiter der Gaſt- und Diebsameiſen eintreten, während den großen Wirts- ameiſen der Zutritt verſagt iſt. Die beiden jo ineinander gebauten Neſter unter- ſcheiden ſich nicht nur durch die bedeutende Differenz in der Breite der Gänge, Kammern uſw., ſondern auch die Struktur der Wandungen iſt beim kleinen Diebsameiſenneſt eine viel glattere als bei dem der großen Wirtsameiſen, da letztere natürlich mit größeren Sandkügelchen arbeiten als die Diebs— ameiſen (Fig. 47D). Näher auf die Beziehungen der beiſammenwohnenden Ameiſen und andere Details einzugehen, behalte ich mir für ein ſpäteres Kapitel (VII) vor. 8. Neſter der „gemiſchten Kolonien“. Die Neſter der „gemiſchten Kolonien“ zeigen gewöhnlich eine einheitliche Bauart, nämlich die der Sklavenameiſen, da ja die „Herren“ ſich meiſtens gar nicht um den Bau bekümmern, d. h. das Bauen ganz verlernt haben. Nur in den Fällen, in welchen die „Herren“ noch nicht ſo ſtark degeneriert ſind, zeigen die Neſter Beſonderheiten, die hier zu erwähnen ſind. Es trifft dies vor allem für die ſogenannten „fakultativen Sklavenjäger“ zu, die alſo nicht unbedingt auf Sklaven angewieſen ſind, ſondern auch ohne ſolche aus— zukommen vermögen, jo z. B. Formica sanguinea- (ſ. Kapitel VII). „Hier nimmt das Neſt eine gemiſchte Architektur an, indem beide Ameiſenarten, jede nach ihrer inſtinktiven Kunſt, daran arbeiten. Und dennoch ſtören ſie einander nicht! Jede Art weiß ihre Arbeit harmoniſch mit derjenigen der anderen zu kombinieren, obwohl beider Künſte oft ſehr verſchieden ſind, wie 3. B. bei der Maurerin Form. fusca und bei der nach Art der Zimmerleute arbeitenden Form. pratensis. Die fusca verbindet mit feuchter Erde die Holz— bälkchen der pratensis, und das Ganze hält recht gut“ (Forel 1892). B. Wanderneſter. Wie oben ſchon erwähnt, gibt es Ameiſen, die Dorylinen, welche ein reines Nomadenleben führen und daher auch nicht dazu kommen, dauernde vollkommene Neſter zu bauen. Sie richten ſich daher während der kurzen Zeit, da ſie ſich in einer Gegend aufhalten, einfach in natürlich vorhandenen Höhlen, Erd- oder Felsſpalten, alten Baumſtämmen uſw. häuslich ein, um, ſobald die Gegend ausgeplündert iſt, wieder abzuziehen. Wir wiſſen übrigens noch ſehr wenig über die Neſter der Dorylinen, ſpeziell der blinden unterirdiſch jagenden afrikaniſchen Gattungen Dorylus und Aenictus. Etwas beſſer ſind wir über die neotropiſchen Dorylinen, die Ecitonen, unterrichtet, und zwar durch Belt und W. Müller. Forel faßt die Reſultate der beiden kurz ungefähr jo zuſammen: Die größeren, mit Augen verſehenen Eciton-Arten (hamatum, foreli, quadriglume uſw.) bauen oder minieren keine Neſter, ſondern bewohnen mit ihren ungeheuren zahlreichen Kolonien einfach größere, natürlich geſchützte Stellen wie hohle Bäume oder Geſträuche, wo ſie zu Wanderneſter. Nebenbauten. 103 mächtigen Klumpen zuſammengeknäult ſind. In dieſem Knäuel liegen die Larven und Puppen verwahrt, von ihm aus werden die Raubzüge unter— nommen und zu ihm wird die Beute gebracht. Der Knäuel ſtellt alſo in der Tat das eigentliche Neſt dar, „ein reines Nomadenneſt, ein lebendes Neſt ohne Haus“. Dieſe „Neſter“ können eine ganz anſehnliche Größe erreichen, ſo maß ein von W. Müller beobachteter Klumpen Ameiſen und Brut, der nicht die Hälfte der Kolonie ausmachte, nicht weniger als 5600 cem! C. Nebenbauten. Bevor wir den Neſtbau verlaſſen, müſſen wir noch einige Worte ſagen über die Bauten, welche die Ameiſen außerhalb des eigentlichen Neſtes errichten, wie Straßenbauten, Pavillons uſw. Die Ameiſenſtraßen ſind allgemein bekannt, man begegnet ihnen auf Schritt und Tritt in unſeren Gärten, auf Wieſen, Feldern und in Wäldern. Verfolgt man dieſelben, ſo ſieht man, daß ſie einerſeits zum Neſt führen, andererſeits gewöhnlich frei enden; man ſieht ferner, daß vom Neſt nicht nur die eine verfolgte Straße ausgeht, ſondern daß gewöhnlich mehrere ſolche Wege nach den verſchiedenen Richtungen gebaut ſind. Die Straßen werden richtig angelegt und entſtehen nicht etwa von ſelbſt durch die Tritte der Ameiſen, wie einige Autoren meinten. Es werden zunächſt alle im Wege ſtehenden Hinderniſſe ſorgfältig weggeräumt, vor allem die Grasſtengel uſw. abgeſchnitten, ſodann wird der Boden geglättet oder auch mehr oder weniger ausgehöhlt, ſo daß die Straße eine flache Rinne bildet. Iſt die Straße fertig geſtellt, ſo wird ſie ſorgfältig bewacht und unterhalten, indem die Zerſtörungen, die natürlich ſehr häufig eintreten, ſofort wieder repariert werden. Dieſe Ameiſenſtraßen zeichnen ſich ſehr ſcharf von der Umgebung ab; ſie führen meiſtens ziemlich gerade ihrem Ziele zu, nur allzu große Hinderniſſe werden im Bogen umgangen; ihre Länge kann 30, 40 oder 50 und noch mehr Meter betragen. Bis jetzt haben wir nur offene Straßen im Auge gehabt, wie fie bei uns vor allem von Formica rufa, pratensis und Lasius fuliginosus, in Nordafrika von den Messor-, in Amerika von den Pogono- myrmex-Arten uſw. gebaut werden. Manche Ameiſen aber begnügen ſich nicht mit ſolchen offenen Wegen, ſondern überwölben dieſelben noch mit einem Erdgewölbe. Es tun dies die verſchiedenen Lasius, vor allem L. niger und alienus, ſodann L. brunneus und emarginatus, ferner Myrmica laevinodis, scabrinodis, in Braſilien verſchiedene Keromyrmex-(Atta-) Arten uſw. Die Erbauung der Gewölbe geſchieht auf dieſelbe Weiſe wie die Erbauung der Erdkuppeln (ſ. oben). Manchmal wechſeln offene und gedeckte Partien auf ein- und derſelben Straße miteinander ab oder die Straße verſchwindet auch plötz— lich ganz in der Erde, um erſt nach einer Strecke wieder zum Vorſchein zu kommen. Es zeigt ſich eben auch hier beim Straßenbau dieſelbe große Plaſtizität und Anpaſſungsfähigkeit, wie wir ſie beim Neſtbau kennen ge— lernt haben. 104 Neſtbau. Der große Vorteil der „Straßen“ iſt ohne weiteres klar: es ſind den Ameiſen alle Hinderniſſe aus dem Wege geräumt, jo daß der Hin- und Her— marſch in einem viel raſcheren Tempo erfolgen kann als da, wo keine Straßen vorhanden ſind. Wie langſam und mühſam geſtaltet ſich der Marſch durch ein ungeebnetes Terrain, z. B. eine Wieſe, beſonders wenn die Ameiſe mit einer größeren Laſt beladen! Bald bleibt ſie da, bald dort hängen; ein ewiges Vor und Zurück, Hinauf und Hinunter, und dabei muß ſie ſtets ängſtlich darauf bedacht ſein, die Richtung nicht zu verlieren; ſobald aber die Straße erreicht, ſo geht es ohne Unterlaß vorwärts! Deshalb biegen auch die Ameiſen, die abſeits von der Straße beſchäftigt waren, ſtets zunächſt zur Straße ein, um von da aus bequem und raſch ihre Beute nach Hauſe tragen zu können. Für ſolche Ameiſen, die ein ſchlechtes Geruchsvermögen beſitzen, iſt eine „Straße“ natürlich von beſonderem Wert. „Da gibt es nur zwei Richtungen, und die Wanderer brauchen ſich nicht mehr mühſelig ihren Weg zu ſuchen.“ Gewöhnlich wird ein und dieſelbe Straße als Hin- und Herweg benutzt; ich ſah aber auch Fälle (bei Messor barbarus in Biskra), in denen die Ameiſen auf einem beſonderen Wege auszogen und auf einem anderen heimkehrten. Die Straßen führen zu Plätzen, wo beſonderer Überfluß an Nahrung vorhanden, ſehr häufig zu Blattlauskolonien, die ihnen reichlichen Zucker— ſaft liefern. Nicht ſelten errichten die Ameiſen (Lasius, Myrmica) um die letzteren noch beſondere Gewölbe, um die geſchätzten Nahrungslieferanten vor den Unbilden des Wetters und vor Feinden zu ſchützen und wohl auch um ſie für ſich zu ſichern. Solche „Blattlaus-Pavillons“ findet man bei uns des öfteren auf Sträuchern oder Bäumen. Auch in den Tropen kommen ſie vor, und zwar in viel größeren Dimenſionen; ſo beobachtete Dahl im Bismarck-Archipel Blattlausſtälle, von Oecophylla errichtet, welche einen Durch— meſſer von 40 em erreichten. Die ſelbe Ameiſe baut nach Dahl außer dieſen Ställen auch noch be— ſondere „Futterhäuſer“, das ſind „zeltartig ausgeſpannte, allſeitig ge— ſchloſſene Überdachungen einzelner Aſtteile“ an ſolchen Stellen, wo Saft aus— fließt. Sie dürſten dazu dienen, den Saft vor Regen zu ſchützen, damit er etwas erhärten kann. 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Mit der Lupe erkennt man deutlich raſche rhythmiſche Bewegungen der breiten Zunge und der Labialtaſter, während die Marillen und ihre Taſter dabei ziemlich ruhig bleiben. Das Gros der Ameiſen hält ſich in der anderen Ecke des Neſtes auf und kümmert ſich nicht um den Leckerbiſſen. Die erſteren Arbeiter dagegen verharren lange bei dem Zucker, unent— wegt an ihm leckend; manchmal ſetzen ſie wohl eine Weile aus, um ihre mit dem Sirup verpappten Fühler uſw. zu reinigen und wohl auch um ein wenig auszuruhen; dann geht es aber gleich wieder von neuem mit dem Lecken los. Dabei hat ſich der Hinterleib ausgedehnt; die glänzenden Regionen der Seg— mentplatten, welche ſonſt zum größten Teil verdeckt ſind, treten mehr und mehr hervor; der Umfang des Abdomens kann beinahe um das Doppelte ſich vergrößern, während die betreffenden Ameiſen immer noch nicht genug zu haben ſcheinen. Wenn wir dieſen hier geſchilderten Vorgang als „Freſſen“ auffaſſen, ſo müſſen uns die Ameiſen als „Vielfraße“ erſten Ranges erſcheinen. Sie find aber nichts weniger als das! Was wir eben beobachtet haben, iſt kein „Freſſen“ im eigentlichen Sinne; denn es kommt fürs erſte nichts in den „in— dividuellen“ Magen der betreffenden Ameiſen, ſondern die ganze Menge des aufgeſogenen Zuckerſaftes verbleibt zunächſt in dem „ſozialen“ Magen und dient zum größten Teil zur Verteilung an die übrigen Mitglieder der Ge— ſellſchaft. Wir haben es alſo vielmehr mit einem Sammeln von Nah— rungsvorräten zu tun. Forel hat auch Experimente darüber angeſtellt, indem er den Zucker mit Berlinerblau färbte: in den erſten Tagen war keine Spur der blauen Flüſſigkeit, welche den Vormagen (ſozialen Magen) füllte, in den („individuellen“) Verdauungsmagen eingedrungen; erſt ſpäter färbte ſich auch letzterer langſam mehr und mehr blau. Die Ameiſe „frißt“ erſt dann wirklich, wenn ſie den Verſchluß des Vormagens öffnet und von dem darin aufgeſammelten Nahrungs- Allgemeines über die Aufnahme, Verteilung und Beſchaffung der Nahrung. 107 vorrat etwas in ihren eigentlichen Magen durchtreten läßt; denn nur dieſe Nahrung kommt ihrem eigenen Körper zugute. Kehren wir wieder zu unſerem Beobachtungsneſt zurück und verfolgen die paar leckenden Ameiſen weiter. Haben ſie endlich genug des Sirups ein— geſogen, ſo entfernen ſie ſich von dem Zuckerſtück und begeben ſich in die Ecke, wo die übrigen Ameiſen ſich aufhalten. Hier ſitzen ſie nun ruhig da, ihren Vorderkörper aufgerichtet. Es kommt eine hungrige Ameiſe (B) an einer (A) von dieſen vorbei, betaſtet ſie und erkennt ſogleich, daß hier etwas zu holen iſt. Sie ſchlägt nun die angefüllte Genoſſin (A) heftig mit den Fühlern und den Vorderbeinen auf die Oberfläche und die Seiten des Kopfes und beleckt die Mundgegend. Gleich darauf öffnet jene (A) ihre Mandibeln, um Platz zu machen, und beide Ameiſen verbinden ſich nun Zunge an Zunge. Wir ſehen wieder dieſelben rhythmiſchen Bewegungen der Zunge, die wir oben beim Auflecken des Zuckers beobachtet haben. Die Lippentaſter ſowohl als die Fühler und die Vorderbeine der beiden ſind in ſteter Bewegung; beſonders die futtererhaltende Ameiſe (B) wird nicht müde, den Kopf der Fütternden (A) in der aufgeregteſten Weiſe zu bearbeiten. Die Bewegungen der letzteren (A) ſind ruhiger und langſamer. — Nachdem die beiden Ameiſen längere Zeit ſo vereinigt waren, trennen ſie ſich wieder. Bald ſehen wir aber mit der Ameiſe A eine andere Ameiſe (C) in gleicher Weiſe verbunden, dann wieder eine andere (D) uſw., bis der Vorrat der Ameiſe A erjchöpft iſt. Nun aber ſpielen die jo gefütterten Ameiſen (B, C und D) ebenfalls die Rolle von Fütternden, denn auch ſie haben die aus dem Munde der Ameiſe A erhaltene Nahrung nicht vollſtändig für ſich gebraucht, ſondern einen Teil in ihrem Vormagen aufbewahrt zu weiterer Verteilung. Die Ameiſe B füttert eine andere Ameiſe E, C füttert F uſw. — Derſelbe Vor— gang kann ſich noch mehrfach wiederholen; und ſo ſehen wir denn in kurzer Zeit das ganze Neſt erfüllt mit ſolchen ſich fütternden Paaren. Es gibt aber im Neſt noch andere hungernde Mäuler als die aus— gewachſenen Ameiſen, nämlich die Larven. Dieſe erhalten ihre Nahrung gewöhnlich in der Weiſe, daß die Arbeiter einen Tropfen Flüſſigkeit aus— brechen und auf deren Mund fallen laſſen. Nur ſelten wird den Larven feſte Nahrung in Form von Inſektenteilen vorgeſetzt (vgl. Kap. III, 4b). Es ſind in der Regel nicht die auf den Nahrungserwerb ausziehenden Furagiere ſelbſt, welche die Larven füttern, ſondern beſondere Individuen, welche ſich ausſchließlich der Brutpflege widmen und von den Furagieren die Nahrung bezogen haben. Was wir hier in dem kleinen Beobachtungsneſt geſehen, iſt typiſch für die Ernährungsweiſe der Ameiſen. Durch dieſes Syſtem der gegenſeitigen Fütterung erwachſen der Geſellſchaft große Vorteile. Denn es braucht nur ein Teil der Ameiſen zum Nahrungserwerb auszuziehen, während die übrigen ſich ruhig den anderen Funktionen widmen können, wie dem Neſtbau und vor allem der Brutpflege. Die Vorteile dieſer Arbeitsteilung werden natür— lich noch weſentlich geſteigert, wenn die einzelnen Funktionen immer von denſelben Individuen ausgeübt werden, da dieſe dadurch eine größere Fertig— keit ihrer Spezialaufgabe erreichen werden. — Dieſe Bedingungen ſind auch 108 Ernährung. erfüllt; denn wie wir oben (Kapitel II, 4) gehört haben, ſind es in der Tat meiſtens die gleichen Individuen, die zum Furagieren ausziehen. Übrigens bringen dieſe Furagiere die Nahrung nicht immer nur als Flüſſigkeit in ihrem Vormagen mit, ſondern ſie ſchaffen auch größere feſte Stücke (Inſektenlarven, Körner uſw.) ins Neſt, um ſie in dieſer Form ihren Genoſſen vorzuſetzen. — Doch auch in ſolchen Fällen frißt (d. h. leckt) nicht jedes Individuum für ſich von der Beute, ſondern auch nur wieder ein Teil, während die anderen ſich von dieſen füttern laſſen. Die meiſten Ameiſen ſind imſtande, ſelbſtändig Nahrung zu ſuchen und aufzunehmen; und wenn ſie ſich von anderen füttern laſſen, ſo geſchieht dies nicht etwa aus der Unfähigkeit ſelbſtändiger Nahrungsaufnahme. Es gibt aber andererſeits auch Ameiſen, welche wirklich unfähig zur ſelbſtändigen Nahrungsaufnahme ſind und welche verhungern, wenn ſie nicht von anderen gefüttert werden. Hierher gehören einmal die Männchen, die wir ja ſchon in mehreren Beziehungen als unglaublich dumm kennen ge— lernt haben und ſodann verſchiedene in gemiſchten Kolonien lebende Ameiſen, wie die obligatoriſchen Sklavenhalter (Polyergus), bei denen der Freß— inſtinkt, infolge der langgeübten Gewohnheit ſich von „Sklaven“ füttern zu laſſen, vollkommen degeneriert iſt (vgl. Kap. VII). Was nun die Beſchaffung der Nahrung betrifft, ſo iſt dieſe in der freien Natur nicht jo einfach, wie in unſerem Beobachtungsneſt. Die Nah⸗ rung muß vielfach von weiter Entfernung herbeigeholt werden, was mitunter mit viel Schwierigkeiten und Gefahren verbunden iſt. Es kommt dabei natürlich ſehr viel darauf an, welcher Art die herbeizuſchaffende Nahrung iſt. Handelt es ſich um pflanzliche Nahrung oder um die Exkremente von Blatt- läuſen, ſo beſteht die Hauptſchwierigkeit für die Furagiere im Wegfinden. In ſolchen Fällen ſehen wir daher gewöhnlich die furagierenden Ameiſen, eine hinter der anderen, im Gänſemarſch aus- und einziehen; und meiſtens iſt das Wegfinden noch dadurch erleichtert, daß beſondere offene oder gedeckte Wege zu den Blattläuſen uſw. gebaut werden (Kap. IV C). Wo es ſich aber um Jagd auf Tiere handelt, kommen außer der Schwierigkeit der Orientierung auch noch die Gefahren des Jägers hinzu. Dieſe ſind um ſo größer, je kräftiger und mutiger die Jagdtiere ſind; und ſodann kommt es auch darauf an, ob ſolitäre oder ſoziale Tiere gejagt werden ſollen. Von dieſen Momenten hängt hauptſächlich die Art, wie die Ameiſen der Jagd obliegen, ab, d. h. ob ſie einzeln, jede Ameiſe für ſich, ausziehen oder in kleineren Trupps oder in geſchloſſenen Heeren uſw. Die Myrmecoeystus-Arten z. B. jagen gewöhnlich einzeln; das ſchließt aber nicht aus, daß zur Überwindung größerer Gegner mehrere Ameiſen ſich unter— ſtützen, ebenſo beim Heimſchleppen großer ſchwerer Beuteſtücke. Als Beiſpiel für die zweite Jagdweiſe möchte ich Formica sanguinea anführen. In großen geſchloſſenen Heeren endlich jagen die Dorylinen, die Wanderameiſen; fie unternehmen von ihren Wanderneſtern aus „ungeheure Raubzüge, bei denen ſie alles Lebendige: Schwabenkäfer, Ratten, Mäuſe, Spinnen uſw. an— greifen, tödten, zerſtückeln und heimtragen. Wenn ſie ein bewohntes Menſchen— haus überfallen, müſſen alle Bewohner es ſchleunigſt verlaſſen und ſie tun Allgemeines über die Aufnahme, Verteilung und Beſchaffung der Nahrung. 109 das gerne, denn in wenigen Stunden wird alles Ungeziefer zerhackt und weg— getragen. Kleine Kinder müſſen vor den Eindringlingen geſchützt und fort— genommen werden. Dafür iſt das Haus dann rein und bald ſind alle Ameiſen mit Beute wieder verſchwunden“ (Forel 1898). Manche Ponerinen haben ebenfalls dieſe Gewohnheit in geſchloſſenen Heeren zu jagen, wie z. B. die indiſchen Leptogenys-Arten, die nach Wroughton in dieſer Weiſe auf Termiten Jagd machen. Auch Lasius fuliginosus zieht (nach Wasmann) bisweilen geſchloſſen gegen andere Ameiſenkolonien, um dieſe auszuplündern. Die meiſten Ameiſen obliegen dem Nahrungserwerb bei Tage, während ſie des Nachts im Neſt verbleiben. Es gibt aber auch umgekehrte Fälle, wo das Furagieren nur des Nachts geſchieht (3. B. Myrmecocystus melliger). Manche Ameiſen machen unterirdiſch Jagd, indem ſie entweder Gänge in die Erde minieren oder Gewölbe bauen (Anomma, Dorylus). Wie helfen ſich die Ameiſen über die mageren Jahreszeiten, in denen es an Nahrung mangelt, hinweg? Bei uns in Nord- und Mitteleuropa einfach dadurch, daß ſie während dieſer Zeit nichts freſſen. Sie halten eine Art Winterſchlaf, indem ſie ſich in die tiefſten Regionen des Neſtes zurückziehen und ſich hier ganz ruhig verhalten, um den Stoffwechſel auf ein Minimum herabzuſetzen. Der „Schlaf“ it kein ſehr tiefer, denn gräbt man überwinternde Ameiſen aus, ſo ſind ſie ſofort imſtande, Bewe— gungen auszuführen und herum zu laufen, wenn auch zunächſt nur ſehr langſam. Im ſüdlichen Europa und in der ſubtropiſchen Region dagegen gibt es keinen Winterſchlaf; die Temperatur iſt zu hoch, um die Ameiſen zur Ruhe kommen zu laſſen. Und ſo ſehen wir denn hier mehrere Arten, welche ſich während der fetten Zeiten für die mageren (d. h. trockenen und dürren) vorbereiten, indem ſie Vorräte aufſpeichern. Es ſind dies vor allem die „körnerſammelnden“ Ameiſen, welche rieſige Mengen Pflanzenſamen in großen unterirdiſchen Kornkammern aufhäufen, und ſodann die ſog. „Honig— ameiſen“, welche während der honigreichen Zeiten eine Anzahl ihrer Ge— noſſen bis zum Platzen mit Honig vollſtopfen, welcher dann von dieſen für die honigarme Zeit aufbewahrt wird. Auf beide Fälle werden wir unten noch näher zu ſprechen kommen. Was nun endlich die Nahrung ſelbſt betrifft, ſo verhalten ſich die ver— ſchiedenen Ameiſen in der Auswahl derſelben recht verſchieden. Die einen leben vorzugsweiſe von Blattlausexkrementen, die anderen von Pflanzenkoſt, und wieder andere vorzugsweiſe von Fleiſchkoſt. Und unter den Vegetarianern ſowohl als den Karnivoren gibt es wieder beſondere Gourmands, die eine Vorliebe für ganz beſtimmte Speiſen beſitzen; ſo nähren ſich gewiſſe Ameiſen von beſtimmten Pflanzenſamen oder Pilzen; andere haben es wieder auf ganz beſtimmte Tierarten abgeſehen, ſo z. B. Leptogenys elongata auf einige Kruſtazeen (Armadillium und Oniscus), andere Arten derſelben Gattung auf Termiten uſw. — Jedoch ſind die Ameiſen meiſtens nicht ſo ſtreng an die eine Nahrung gebunden, ſondern es können die Vegetarianer gelegentlich auch zur Fleiſchkoſt übergehen, wenn es ſein muß, und die Kar— nivoren zur Pflanzenkoſt. So hat z. B. Wheeler gezeigt, daß Pogonomyr- 110 Ernährung. mex imberbiculus, eine körnerſammelnde Ameiſe, auch Fliegen frißt, wenn man ſie ihr vorſetzt!) und ſogar ihre Larven damit füttert; und Was— mann hat berichtet, daß der Blattlauszüchter Lasius fuliginosus zuweilen auch auf den Raub von Ameiſenpuppen und Larven ausgeht uſw. — Die große Plaſtizität, die uns beim Neſtbau aufgefallen, zeigt ſich alſo auch hier bei der Ernährungsweiſe. Ob überhaupt Ameiſen vorkommen, die unbedingt auf eine einzige ganz beſtimmte Nahrung angewieſen ſind, ohne die ſie nicht weiterzuleben ver— mögen, die Frage möchte ich noch als eine offene betrachten. Die Pilzzüchter (Atta-Arten) ſcheinen ja allerdings auf die Pilzkoſt angewieſen zu ſein, doch ſind meines Wiſſens noch keine beſtimmten Verſuche darüber angeſtellt. Mögen ſich nun die verſchiedenen Ameiſen bezüglich ihrer Nahrung auch noch ſo verſchieden verhalten, ſo ſtimmen ſie doch in einem Punkt überein, nämlich in ihrer großen Vorliebe für Süßigkeiten. Zucker, Honig, Sirup, eingemachte Früchte, ferner ſüße Sekrete von Pflanzen und Tieren, ſüße Exkremente uſw. find weitaus den meiſten Ameiſen hochwillkommen. Dieſe Vorliebe iſt es auch, welche die Ameiſen in unſere Wohnungen lockt und ſie uns oft recht läſtig werden läßt. 2. Beſonderheiten der Ernährungsweiſe. Die folgenden Spezialfälle ſtimmen darin überein, daß ſie gewiſſermaßen eine höhere Stufe der Ernährungsweiſe darſtellen. Während die meiſten Ameiſen nur „von der Hand in den Mund“ leben, handelt es ſich in dieſen Fällen um ein (natürlich unbewußtes) Rechnen mit der Zukunft: es werden gewiſſe Inſekten, welche ſüße Exkremente ausſcheiden, behütet und teilweiſe auch aufgezogen; es werden Vorräte (Honig oder Körner) aufge— ſpeichert, um für die ſchlechten Zeiten verſorgt zu ſein, und es werden endlich Pilze geſät und fo behandelt, daß fie nahrhafte Körperchen („Kohlrabi“) pro- duzieren. Wir haben es hier alſo mit einer richtigen Viehzucht und einem richtigen Gartenbau zu tun. Die Ähnlichkeiten, die in dieſer Beziehung zwiſchen dem Menſchen- und Ameiſenſtaat beſtehen, ſind in der Tat ſehr große. Es handelt ſich aber doch immer nur um Analogien, und nur ganz oberflächliche Populariſatoren konnten mehr darin erblicken; die Ahnlichkeiten ſind, wie ſchon oben erwähnt, rein äußerliche und beruhen lediglich auf Konvergenz— erſcheinungen, hervorgerufen durch das ſoziale Leben der Menſchen und Ameiſen. Dies dürfen wir im folgenden niemals vergeſſen. a) Tieriſche Exkremente und Exkrete als Nahrung (Blattläuſe, Lycaenenraupen uſw.). Bei der großen Vorliebe der Ameiſen für alles Süße iſt es kein Wunder, daß ſich zwiſchen ihnen und ſolchen Inſekten, welche ſüße Exkremente oder Exkrete produzieren, Beziehungen ausgebildet haben. Urſprünglich werden dieſe Beziehungen ſehr einfache geweſen ſein, d. h. die Ameiſen werden eben die betreffenden Tiere getödtet und als Beute ) Moggridge beobachtete Ähnliches auch bei den mediterranen Körner— ſammlern (Messor barbarus uſw.). Blattläuſe. il! heimgeſchleppt haben. Allmählich aber dürfte der große Vorteil, der durch das Lebenlaſſen der Tiere den Ameiſen erwächſt, eine Hemmung des Raub— und Tötungsinſtinktes hervorgerufen haben; war dieſe einmal geſchaffen, ſo konnten ſich die übrigen Beziehungen (Aufzucht, Schutz uſw.) leicht ausbilden. In erſter Linie kommen hier die Blattläuſe in Betracht. Die Be— ziehungen zwiſchen ihnen und den Ameiſen ſind ſchon ſeit langer Zeit be— kannt. Huber berichtet darüber bereits ſehr eingehend. Faſt überall, wo Blattläuſe ſind, finden ſich auch Ameiſen ein. Unter— ſuchen wir mit einer Lupe, was die Ameiſen treiben, ſo ſehen wir ſie ge— wöhnlich hinter den Blattläuſen ſitzen, deren Rücken mit den Fühlern be— arbeitend. Die Blattlaus verhält ſich dabei zunächſt völlig ruhig; plötzlich kommt etwas Bewegung in ſie, ſie hebt ihren Hinterleib in die Höhe und läßt aus ihrem After einen klaren goldgelben Tropfen austreten. Auf dieſen hat die dahinter ſitzende Ameiſe gewartet; ſie leckt ihn ſchnell und gierig auf. Der Vorgang kann ſich bei der gleichen Blattlaus in kurzer Zeit öfter wieder— holen; ich beobachtete wie bei einer Lasius fuliginosus-Blattlaus in etwa fünf Minuten vier Tropfen austraten. Iſt eine Blattlaus ausgemolken, ſo geht die Ameiſe zu einer anderen uſw., bis ihr Kropf genügend gefüllt iſt. Mit deutlich aufgetriebenem Hinterleib kehrt ſie in ihr Neſt zurück, um den ſüßen Kropfinhalt dort zu verteilen. Längere Zeit war man in dem Irrtum befangen, als ob es das Sekret der beiden am Ende des Blattlausabdomens ſtehenden Röhrchen ſei, welches die Ameiſen von den Blattläuſen holten. Es ſteht aber heute feſt, daß die Ameiſen lediglich die Exkremente beziehen. Dieſelben enthalten reichlich Zucker und wahrſcheinlich noch andere Nährſtoffe, da die Blattläuſe die ihnen ununterbrochen zufließende Nahrung nur ganz unvollkommen ver— dauen. Die Ameiſen fördern durch ihr beſtändiges Kitzeln mit den Fühlern die Entleerungen der Blattläuſe weſentlich; denn wenn keine Ameiſen da ſind, ſo erfolgen die Entleerungen viel ſeltener und auch auf andere Art: die Blattläuſe ſchlagen dann pferdeartig aus und ſpritzen zugleich ihre Exkre— mente auf die Blätter, welche ſo den bekannten glänzenden Überzug, den ſogenannten „Honigtau“ erhalten. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß die Ameiſen ſolch angenehmen und nütz— lichen Tieren, wie die Blattläuſe für ſie ſind, ihren Schutz zuteil werden laſſen. Sie verteidigen dieſelben auch nach Kräften gegen die vielen Blatt— lausfeinde (Coccinelliden-, Syrphiden-Larven uſw.), ſchleppen ſie, gleich ihrer Brut, bei ernſten Störungen in Sicherheit oder bauen ſogar feſte Wälle um ſie. Auch die Eier der Blattläuſe werden nicht ſelten in Gewahrſam und Pflege genommen, wie Huber und Lubbock beobachtet haben, und zwar nicht nur die der Wurzelläuſe, ſondern auch die der Blatt- und Rinden— aphiden. Die Ameiſen tragen die Wintereier derſelben im Herbſt in das Neſt ein, bewahren ſie hier bis zum Frühjahr, bis die jungen Läuſe er— ſcheinen und ſchaffen ſie dann wieder nach außen auf die Nährpflanze. Beſonders intim ſind die Beziehungen zwiſchen Ameiſen und Wurzel— aphiden, da dieſe ſich ja auch ſtets im Neſt aufhalten. Nach Wasmann 112 Ernährung. (1894) dürfen einige von dieſen als ſtreng myrmekophil angeſehen werden, da fie auf die Symbioſe mit den Ameiſen angewieſen zu ſein ſcheinen (z.. B. die Forda- und Paracletus-Arten). Oft findet man eine große Anzahl Aphiden in einem Neſte vereinigt. Dieſelben ſind von Ameiſen beim Minieren der Galerien oder auf beſonderen unterirdiſchen Expeditionen geſammelt und in das Neſt zuſammengetragen worden. Wenn der Vorrat an Blattläuſen groß genug iſt, brauchen die Ameiſen gar nicht zum Nahrungserwerb aus⸗ zuziehen; ſie haben nur in ihren Blattlausſtall zu gehen und die dort ein— geſperrten „Kühe“ zu melken. Daher ſieht man z. B. den Lasius flavus, der ein beſonders geſchickter Blattlauszüchter iſt, nur ſelten außerhalb des Neſtes herumlaufen, worauf Huber bereits hingewieſen. Dieſe Erſcheinung lehrt uns zugleich, daß manche Ameiſen lediglich von Blattlausexkrementen leben. Es find dies außer dem genannten Lasius flavus noch andere Lasius-Arten wie umbratus, brunneus, niger uſw.; auch verſchiedene Camponotus, Crematogaster und Myrmica nähren ſich ausſchließlich oder wenigſtens zum größten Teil vom Blattlaushonig. Die Formica-Arten halten ſich ebenfalls gern Blattläuſe, wenn ſie auch in der Hauptſache von Fleiſchkoſt leben. Die verſchiedenen Ameiſen verhalten ſich bezüglich der Aphidenarten, welche ſie züchten, verſchieden; ſo kultivieren nach Forel Lasius flavus und umbratus nur Wurzelaphiden, Lasius niger und alienus ſowohl ſolche als auch Blattaphiden, Lasius fuliginosus nur Rindenaphiden uſw. Doch iſt es nicht ſelten, daß man z. B. verſchiedene Arten von Wurzelaphiden bei einer Lasius-Art antrifft; Wasmann (1894) erwähnt nicht weniger als drei Forda= Arten und eine Paracletus-Art, welche bis jetzt bei Lasius flavus gefunden find. Eine ganz ähnliche Rolle für die Ernährung der Ameiſen wie die Aphiden ſpielen die Cocciden, die Schildläuſe. Auch ſie werden von Ameiſen beſucht (wenn auch lange nicht ſo allgemein wie die Aphiden), und auch ſie werden von ihren Beſuchern gemolken, d. h. durch Kitzeln mit den Fühlern zur Abgabe ihrer Exkremente gereizt. Wie unter den Aphiden, ſcheint es auch unter den Cocciden einige Arten zu geben, welche ſtreng myr— mekophil, d. h. auf die Geſellſchaft der Ameiſen angewieſen ſind; ſo findet man nach Belt und Schimper in den Neſtern von Azteca instabilis ſtets weiße Schildläuſe, welche außerhalb der Neſter niemals vorkommen ſollen. Auch noch andere Hemipteren liefern durch ihre Exkremente den Ameiſen Nahrung. So ſollen nach Lund in Braſilien kleine Zikaden (Cercopis— und Membracis-Arten) von den Ameiſen aufgeſucht und gemolken werden, und Delpino beobachtete ähnliche Beziehungen in Italien zwiſchen Campo— notus pubescens und Tettigometra virescens. * * * Handelte es ſich bisher um die Exkremente, jo werden andere Tiere ihrer Sekrete wegen von den Ameiſen geſchätzt. Hierher gehören vor allem die Lycaeniden-(Lepidopteren)Raupen. Wie die Aphiden, jo ſind einige von dieſen (z. B. von Lycaena argus) ſtets von einer Anzahl Ameiſen um— geben, welche die Raupe unabläſſig mit ihren Fühlern beſtreicheln. Es tritt Honigameiſen. 113 dann auch bald ein Tröpfchen klarer Flüſſigkeit aus der Raupe aus, aber nicht aus dem After, ſondern aus einer kurzen Querſpalte, die auf der Dorſalſeite der Raupe, nahe dem hinteren Rande des drittletzten Segmentes ſich befindet. Die Abſonderung dieſes Sekretes, das fadenziehend ſein ſoll, geſchieht nur bei der Anweſenheit von Ameiſen (Thomann). Der Schutz, den die Ameiſen den Raupen dafür zuteil werden laſſen, beſteht darin, daß ſie dieſelben gegen Feinde verteidigen und daß ſie die vor der Verpuppung ſtehenden Raupen in ihr Neſt ſchleppen, damit die völlig nackten Puppen vor Nachſtellungen anderer Tiere möglichſt geſichert ſind. Da das Sekret in einem ſichtbaren Tropfen ausgeſchieden wird, ſo kann es ſehr wohl zur Ernährung der Ameiſen dienen. Anders aber bei den ſo— genannten „echten Ameiſengäſten“, welche ebenfalls ihrer Ausſcheidungen wegen von den Ameiſen geſchätzt werden. Dieſe Ausſcheidungen („Exſudate“) treten nur in ſehr geringen Mengen auf, ſo daß ſie jedenfalls nicht zur Er— nährung einer ganzen Ameiſenkolonie hinreichen, beſonders wenn man die geringe Anzahl ſolcher Gäſte in einem Neſt berückſichtigt. Nach den grund— legenden Unterſuchungen Wasmanns dienen Fig. 39 auch die Exſudate eher als Narcoticum zur Aa Beſänftigung der Ameiſen, d. h. als Mittel für die Gäſte, ungeſtört unter den Ameiſen verweilen und ihr räuberiſches Hand— werk treiben zu können. Hier ſind die „Gäſte“ der aktive Teil, der ſich den Ameiſen auf— gedrängt und die Beziehungen eingeleitet hat, während in den übrigen Fällen (Aphiden, Lycaenen uſw.) umgekehrt die Ameiſen aktiv = vorgingen. — Wir werden unten noch näher ae BEN DIDI ee von auf dieſes Thema eingehen (gap. VIII). geg a Mann. Im ee b) Die Honigameijen. — Im Süden C. ſophagus, R. Rectum, S. Fegment⸗ des Staates Colorado lebt eine Myrmeco— BES lach ke ook. e eystus-Art (M. melliger var. hortus deorum Me Coch), deren Arbeiterkaſte einen merkwürdigen Polymorphismus aufweiſt: Außer den normalen Arbeitern finden ſich in den Neſtern ſtets eine Anzahl Individuen, welche durch ihren mächtig bis zum Platzen angefüllten Hinter— leib ſofort auffallen (vgl. Fig. 25). Es ſind dies die ſogenannten „Honig— träger“, die wir oben bereits kennen gelernt haben (Kap. II, S. 42). Wie wir dort ausgeführt, ſind dieſe Dickleiber aus normalen Arbeitern hervor— gegangen und zwar dadurch, daß ihr elaſtiſcher Kropf bis zur äußerſten Grenze mit Honig vollgeſtopft wird. Der Kropf füllt den ganzen Hinterleib aus und drängt die übrigen Organe (Magen, Darm uſw.) ſo in den Hinter— grund, daß man zuerſt ſogar glaubte, das Abdomen enthielte überhaupt gar keine Organe, ſondern lediglich Honig. Forel und Me Cook haben dieſen offenkundigen Irrtum durch anatomiſche Unterſuchung berichtigt. Beiſtehende Fig. 39 läßt die anatomiſchen Verhältniſſe ohne weiteres erkennen. Was bedeuten die Honigträger? Es ſind lebende Magazine! Während die Bienen ihren Wintervorrat in beſonderen Zellen aufſpeichern, Eſcherich, Die Ameiſe. 8 114 Ernährung. benutzen unſere Myrmecoeystus einfach eine Anzahl ihrer Kameraden dazu. Es iſt klar, daß ſolche unförmig aufgetriebenen Weſen wie die Honigträger ſich nicht mehr an den Arbeiten beteiligen, ja überhaupt ſich kaum mehr be— wegen können. So hängen ſie denn die meiſte Zeit ihres Lebens unbeweglich in beſonderen Kammern („Vorratskammern“), welche durch eine rauhe Decke ſich von den gewöhnlichen Kammern unterſcheiden. Nächtlicherweile ziehen die Furagiere im Gänſemarſch zu den Honig— quellen, d. h. Gallen, welche auf Zwergeichen von einer Gallweſpe (Cynips quercus-melleriae Engl.) erzeugt ſind. Die Galläpfel ſchwitzen, jo lange die darin befindliche Larve ſich entwickelt, einen klaren ſüßen Saft aus, der ſich auf der Oberfläche in kleinen Tröpfchen ſammelt. Und dieſe ſind es, auf welche die Ameiſen es abgeſehen haben. Iſt eine Galle vollſtändig abgeleckt, ſo gehen ſie zu einer anderen uſw., bis ſie ihren Kropf ordentlich gefüllt haben. Dann kehren ſie — gewöhnlich ſchon gegen Mitternacht — in ihr Neſt zurück, geben dort zunächſt den hungernden Arbeitern, die zum Schutz uſw. zurückgeblieben, etwas ab und verfüttern den Reſt an die Honig⸗ töpfe, ſo weit dieſe noch aufnahmefähig ſind. Unſere Myrmecoeystus ſcheinen ſich faſt ausſchließlich von dem Saft der Galläpfel zu ernähren. Im Hinblick darauf iſt das Aufſpeichern von Vorrat ſehr angebracht, denn die Gallen ſchwitzen nur während der Ent— wickelung der Gallweſpenlarve, alſo nur relativ kurze Zeit, Nektar aus. Wollen daher die Ameiſen nicht während der übrigen Zeit hungern, ſo müſſen ſie wohl oder übel Vorräte aufſammeln. Und da ſie die Kunſt, waſſerdichte Gefäße herzuſtellen (wie die Bienen), nicht beſitzen, ſo bleibt ihnen kaum ein anderer Weg übrig, als ihre ſtark ausdehnungsfähigen Kröpfe als Gefäße zu benutzen. In der mageren Jahreszeit nährt ſich die ganze Geſellſchaft von den in den „Honigträgern“ aufgeſpeicherten Vorräten. Die hungrigen Arbeiter ſteigen hinab in die Gewölbe, an deren Decke die Dickbäuche hängen, und betaſten die letzteren, welche ſich durch Abgabe eines Honigtropfens erleichtern. Die Zahl der „Honigträger“ richtet ſich natürlich nach der Bevölkerungs— ziffer der betreffenden Kolonie; in einem Neſt, das mehrere tauſend Arbeiter enthielt, zählte Me Cook gegen 600 „Honigſchläuche“. Das Gewicht derſelben iſt ebenfalls verſchieden nach dem Füllungsgrade; Me Copok berechnete, daß etwa 1000 Stück ½ kg Honig liefern ). Außer dem hier beſprochenen Myrmecocystus melliger gibt es noch einige andere Ameiſen, welche ebenfalls lebende „Honigtöpfe“ beſitzen; Lub— bock beſchreibt als ſolche zwei auſtraliſche Arten (Melophorus bagoti und ) Da der Honig auch für den Menſchen genießbar iſt, jo werden die „Honig träger“ von den Eingeborenen geſammelt. Der durch Auspreſſen des Hinterleibes gewonnene Honig wird entweder roh gegeſſen, oder auch zur Bereitung eines alko— holiſchen Getränkes verwandt. Auch als Heilmittel ſpielt er bei den Eingeborenen eine Rolle, indem ſie ihn als Balſam auf gequetſchte und geſchwollene Glieder legen. Man machte daher den Vorſchlag, die Honigameiſen nach Art der Bienen zu züchten, doch erwies ſich derſelbe als praktiſch unausführbar (vgl. Me Cook und E. Wasmann, 1884). Körnerſammler. 115 Camponotus inflatus) und Forel eine ſüdafrikaniſche Plagiolepis-Art (P. tri- menii). Auch bei europäiſchen Arten hat Forel (1895) Individuen mit mächtiger Anfüllung des Kropfes und dementſprechender Auftreibung des Ab— domens beobachtet, jo bei Camponotus rufoglaucus v. micans Nyl. und Formica nasuta Nyl. Die betreffenden Exemplare befanden ſich in der Tiefe des Neſtes, waren jedoch nicht jo total unbeholfen wie die Myrmecocystus— Honigträger, ſondern konnten ſich, wenn auch nur langſam, fortbewegen. Wir können die Reihe noch vervollſtändigen, wenn wir auf die aphiden- und coccidenbeſuchenden Ameiſen hinweiſen, welche ihren Kropf häufig ebenfalls ſehr ſtark mit Honig anfüllen, jedoch dabei ſich immer noch ſehr gut bewegen können, auch außerhalb des Neſtes auf Blumen uſw. c) Die Körnerſammler. — Die körnerſammelnden Ameiſen find ſchon von alters her bekannt; erwähnt fie doch ſchon Salomo, und auch verſchie— dene griechiſche und römiſche Autoren erzählen von ihnen. In den Küſtenländern des Mittelmeeres ſind ſie eine überaus häufige und auffällige Erſcheinung. Überall trifft man da lange Züge von Ameiſen, die im Gänſemarſch oder in ganz ſchmalen Kolonnen die Wege kreuzen und von denen jede der in der Richtung zum Neſt ziehenden mit einem Samenkorn beladen iſt. Folgt man dieſen nach, ſo ſieht man ſie nach kürzerem oder längerem Marſche in ihrem unterirdiſchen Neſt, das meiſt in ſonnigem Terrain gelegen und durch einen den Eingang umgebenden Erd— krater gekennzeichnet iſt, verſchwinden. Eine Ameiſe nach der anderen taucht mit Körnern beladen in die Erde unter, um aber bald wieder „mit leeren Händen“ auf der Oberfläche zu erſcheinen und von neuem zur Ernte auszu⸗ ziehen. Unterſuchen wir das Neſt, ſo müſſen wir oft lange graben, um zu den Körnern zu gelangen. Denn dieſe ſind nicht etwa im ganzen Neſt in den Gängen und Galerien zerſtreut, ſondern ſind ſäuberlich in beſtimmten be— ſonders großen Kammern („Vorratskammern“, „Korngewölbe“) untergebracht. Es iſt erſtaunlich, welche Mengen von Körnern hier oft aufgeſtapelt ſind; ich habe bei Biskra (alger. Sahara) manchmal zwei Hände voll Getreidekörner aus einem einzigen Neſt geerntet. Da verſteht man, daß im Talmud Regeln darüber feſtgelegt ſind, wem die in den Ameiſenneſtern aufgeſpeicherte Ge— treidemenge zuzuſprechen iſt. Die hauptſächlichſten Körnerſammler der Mittelmeerländer gehören der Gattung Aphaenogaster, ſpeziell dem Subgenus Messor an. Als die klaſſiſche ſalomoniſche Ernteameiſe iſt der Aph. (Messor) barbarus L. mit ſeinen verſchiedenen Raſſen (v. ägyptiacus Em. und v. striaticeps André) anzu— ſehen; ferner kommen noch Aph. (Messor) structor und arenarius Fl. als typiſche Körnerſammler in Betracht. Mit den beiden erſteren (barbarus und structor) hat Moggridge ſehr eingehend ſich beſchäftigt und darüber eine umfangreiche Monographie ver— öffentlicht (vgl. Literatur). Nach ſeinen Berichten ſammeln dieſe Ameiſen nicht nur die ausgefallenen Samenkörner, ſondern ſie erklettern auch die Pflanzen und ſchneiden hier die der Reifung nahen Samen ab. Auch Messor arenarius, welchen Forel in 8 * 116 Ernährung. Südtunis beobachtete, erntete faſt ausſchließlich auf ſolche Weiſe. Bezüglich der Pflanzenarten ſind die mediterranen Körnerſammler wenig wähleriſch; ſie tragen von faſt allen Pflanzen, die in der Umgebung des Neſtes ſtehen, Samen ein. Moggridge zählt nicht weniger als 28 Pflanzenarten auf, deren Samen er in den Neſtern von Messor barbarus und structor gefunden, und bemerkt dabei, daß die Zahl erheblich vermehrt würde, wenn er auch die Samen, welche er die Ameiſen einſchleppen ſah (die er aber im Neſt nicht auffinden konnte) mitrechnen würde. Nicht immer holen ſich die Ameiſen ihre Sommervorräte direkt von den Pflanzen, ſondern ſie nutzen jede Gelegenheit aus, die ihnen eine bequemere Ernte ermöglicht; wo z. B. Getreidemagazine in der Nähe ſind, beſuchen ſie einfach dieſe und füllen von hier aus raſch und leicht ihre Vorratskammern. Auch durch Raubzüge ſetzen ſie ſich mitunter in Beſitz der nötigen Vorräte, indem fie in die Neſter anderer Ernteameiſen eindringen und deren Vorrats⸗ kammern ausplündern, gleichwie ja auch die Bienen nicht ſelten den Honig fremder Völker ſtehlen. Was nun die weitere Behandlung der Körner betrifft, ſo werden dieſe, nachdem ſie eingetragen ſind, gereinigt und geſchält. Die leeren Hülſen werden nach außen geſchafft, wo fie die Umgebung des Neſteinganges be— decken, während die Körner, wie oben ſchon geſagt, in beſonderen Kammern zuſammengetragen werden; hier bleiben die Samen ſo lange aufgeſpeichert, bis die Ameiſen ihrer zur Nahrung bedürfen. Auffallend dabei iſt die Tat⸗ ſache, daß die Samen während der ganzen Lagerzeit nicht zur Keimung kommen, obwohl ſie vollkommen entwickelungsfähig bleiben. Moggridge glaubt, daß die Ameiſen durch eine beſondere unaufgeklärte Be- handlungsweiſe der Samen die Keimung zu verhindern vermöchten, während André u. a. der Anſicht ſind, daß ſie dies einfach durch möglichſte Trocken⸗ haltung erreichten. Letzteres erſcheint ſehr plauſibel; und, wenn wir auf dem Boden dieſer Anſchauung ſtehen, ſo verliert auch die Tatſache, daß die Ameiſen die Samen nach Wunſch keimen laſſen können, an Unverſtänd⸗ lichkeit. Sie brauchen, um die Keimung zu bewirken, die Samen nur an— zufeuchten. Dies tun ſie jedesmal, bevor ſie dieſelben verzehren wollen; denn durch die Keimung verwandelt ſich die Stärke in Zucker, welcher den Ameiſen beſonders zuſagt. Moggridge beobachtete ferner, daß die Ameiſen zunächſt die hervorſproſſenden Keimchen abnagten, dann die Samen an die Sonne zum Trocknen brachten und ſie endlich wieder in das Neſt ſchafften, wo ſie verzehrt wurden. Die Samen machen dadurch eine Art Malgzprozeß durch. Daß die Vorräte, wenn ſie zu feucht geworden, aus den Kammern an die Oberfläche geſchafft und da getrocknet werden, iſt ſchon mehrfach auch bei anderen Körnerſammlern beobachtet worden. Die verſchiedenen Funktionen, welche das Geſchäft des Erntens uſw. er— fordert, werden von verſchiedenen Individuen nach dem Prinzip der Arbeits⸗ teilung übernommen, worauf ſchon Lespͤs aufmerkſam machte. Die einen ſchneiden die Samen ab, die anderen tragen dieſelben zum Neſt, wieder andere nehmen ſie dieſen ab und ſchleppen ſie zu den Vorratskammern und auch Körnerſammler. 1:47. hier ſind wieder beſondere Individuen, welche die Samen einordnen uſw. Die letztere Kategorie zeichnet ſich auch morphologiſch vor den übrigen aus und zwar durch beſondere Kleinheit, wie Forel (1880) wenigſtens bei Messor structor feſtgeſtellt hat. Sie ſcheinen das Neſt niemals zu verlaſſen, ſondern ſich ausſchließlich mit Hausarbeiten zu beſchäftigen. Wir dürfen vermuten, daß den Zwergen die Behandlung der Samen obliegt, d. h. deren Keimung zu verhindern oder vielleicht auch die jungen Keime abzunagen, nach Analogie der Zwerge bei den gleich zu beſprechenden Pilzzüchtern. — Die Zeit des Erntens iſt natürlich verſchieden und richtet ſich ganz danach, wann in dem betreffenden Lande die magere Zeit iſt. In der Wüſte iſt es der Sommer mit ſeiner großen Dürre, in Südfrankreich der Winter; daher findet man in Südtunis und Algier die Aphaenogaster im Frühjahr beim Erntegeſchäft, in Südfrankreich dagegen im Herbſt. Außer den bisher genannten Messor-Arten gibt es noch eine ganze Reihe anderer Ernteameiſen (Pheidole, Tetramorium uſw.). Am häufigſten ſind dieſelben in der ſubtropiſchen Region zu Hauſe. Wir kennen Fälle, wo ein und dieſelbe Art im Süden regelmäßig große Samenvorräte einträgt, im Norden dagegen dies unterläßt. So legt z. B. Tetramorium caespitum in Algier regelmäßig große Kornkammern an, bei uns dagegen tritt dieſer Inſtinkt nur gelegentlich und in ſchwachem Maße auf. Im heißen Sommer 1904 traf ich in Straßburg mehrfach Samenvorräte in Tetramorium-Neſtern an, während mir dies in früheren Jahren nicht aufgefallen iſt; auch Emery und Janet beobachteten nicht ſelten dieſe Erſcheinung. Nach letzteren Autoren trägt auch Lasius niger zuweilen Samen in ſein Neſt ein. Dieſe Fälle des gelegentlichen Körnerſammelns ſind beſonders wertvoll für das Verſtändnis der typiſchen Körnerſammler, indem ſie uns die An— fänge zeigen, aus denen der hohe Ernteinſtinkt der Messor ſich entwickelt hat. Auch die Neue Welt hat ihre Ernteameiſen und zwar ebenfalls haupt— ſächlich in der ſubtropiſchen Region; die berühmteſten unter ihnen ſind die verſchiedenen Pogonomyrmex-Arten: occidentalis, crudelis, und barbatus v. molefaciens ). Sie verhalten ſich bezüglich der Erntegewohnheiten ganz ähnlich wie die Messor-Arten. Die hauptſächlichſte Eigentümlichkeit, welche die amerikaniſchen Ernteameiſen auszeichnet, beſteht in der Gewohnheit, alle Pflanzen über ihren Neſtern in einem ziemlichen Umkreis auszu— rotten, ſo daß die Neſter vollkommen kahl und unbeſchattet ſind. Der Zweck dieſer Gewohnheit dürfte der ſein, die Neſter einer möglichſt intenſiven Inſolation auszuſetzen, um eine das Keimen der aufgeſpeicherten Samenvorräte ver— hindernde Trockenheit zu erzielen 2). Eine beſondere Berühmtheit unter den obigen Arten erlangte Pogon. barbatus v. molefaciens. Nach Lincecums Bericht, welcher zuerſt durch Ch. Darwin veröffentlicht wurde, ſoll nämlich dieſe Ameiſe beim Abgraſen der Neſtumgebung eine einzige Pflanze, Aristida stricta, verſchonen, weil ) Die Biologie derſelben iſt ausführlich in den Schriften von Me Cook (ſiehe Literatur) behandelt. 2) Die Messor-Arten haben das Abgraſen nicht nötig, da ſie ihre Neſter von vornherein gewöhnlich in vollkommen kahlem, trockenem Terrain anlegen. 118 Ernährung. dieſe ihr beſonders zuſagende Samen liefert. Ja ſie ſoll das genannte Gras („Ameiſenreis“) ſogar direkt ausſäen und großziehen, weshalb man ſie auch als die „ackerbautreibende Ameiſe“ bezeichnet hat. Nach Wheelers neueſten Unterſuchungen (1902) gehört aber dieſe Ge— ſchichte in das Reich der Fabel. Denn es finden ſich viele Kolonien der genannten Ameiſe ohne Aristidasfulturen, ja weit entfernt von jeder Vege— tation, und ſodann iſt es nicht richtig, daß beim Straßenbau die Aristida verſchont wird, während alle andere Pflanzen ausgerottet würden, ſondern dies „Ameiſengras“ wird ebenſo wie jede andere im Weg ſtehende Pflanze ver— nichtet. Die Aristida-Kulturen, die man zuweilen bei den Neſtern antrifft, ſind lediglich als ein zufälliges Nebenprodukt zu betrachten, welches dadurch entſteht, daß die Ameiſen die zu früh keimenden Körner aus den Vorrats⸗ kammern entfernen und vor das Neſt ſchaffen. d) Die Pilzzüchter. — Die höchſtſtehende Ernährungsart der Ameiſen finden wir bei den ſogenannten „Pilzzüchtern“. Denn hier handelt es ſich um Produkte, welche in der freien Natur gar nicht vorkommen, ſondern von den Ameiſen direkt gezüchtet werden, gleichwie die Menſchen beſondere Kultur- pflanzen (Gemüſe uſw.) ziehen. Die Analogie mit den menſchlichen Hand— lungen iſt hier wohl am frappanteſten. Schon lange weiß man aus den Reiſeberichten verſchiedener Naturforſcher, daß in Südamerika gewiſſe Ameiſen vorkommen, welche in langen Zügen auf Bäume und Sträucher ziehen und dort aus den Blättern halbkreisförmige bis kreisförmige Stücke ausſchneiden, welche ſie dann in ihr Neſt ſchleppen (ſ. unten Fig. 60 A und B). Dieſe Ameiſen, welche wegen der geſchilderten Gewohnheit auch als „Schleppameiſen“ oder „Schlepper“ bezeichnet werden, gehören ſamt und ſonders in die Gruppe der Attini. Man konnte ſich zunächſt keine befriedigende Erklärung darüber geben, wozu denn eigentlich dieſe vielen Blätter eingetragen würden; man vermutete, daß die verarbeiteten Blätter lediglich als Baumaterial dienten, oder daß durch ſie eine größere Wärme erzeugt werden ſollte uſw., bis Belt zum erſtenmal die Anſicht ausſprach, daß die Ameiſen die Blätter zur Düngung eines Pilzes benutzten, und bis es Möller gelang, dieſe Anſchauung klipp und klar zu beweiſen. Möller ſtellte ſeine klaſſiſchen Unterſuchungen in Blumenau in Braſilien an und zwar in erſter Linie an den dort vorkommenden Acromymex-(Untergattung von Atta) Arten. Die eingeſchleppten Blätter werden von den großen Individuen zerkleinert und zermalmt zu einem Brei, womit dann ein badeſchwammartiger Körper, der labyrinthartig von Gängen und Kammern durchzogen, aufgebaut wird. Dieſer ſchwammartige Körper, der in große Hohlräume (in der Erde oder in alten Bäumen) eingebaut iſt, ſtellt das eigentliche Neſt dar, in welchem die Brut, die Geſchlechtstiere uſw. ſich befinden. Die Blattmaſſe, aus der das Labyrinth beſteht, iſt ganz durchſetzt von dem Myeel eines Pilzes, aus welchem ſtellenweiſe kleine kugelige Anſchwellungen hervorragen. Dieſe kleinen ſtark eiweißhaltigen Körperchen, die Möller als „Kohlrabi“ bezeichnete, ſind es, auf welche es die Ameiſen abgeſehen haben und welche ihre ausſchließliche Nahrung darſtellen. Sie ſind ein Züchtungsprodukt der Ameiſen; denn werden die Ameiſen vom Pilz— Pilzzüchter. 119 garten herausgefangen, ſo entſtehen an Stelle der Kohlrabi lange Luft— mycelien, ſo daß das ganze Neſt in kurzer Zeit angeſchimmelt erſcheint. Dieſer Bildung von Luftmycelien arbeiten die Ameiſen entgegen, indem eine Schar der kleinſten Arbeiter Tag und Nacht damit beſchäftigt iſt, die vorſproſſenden Fig. 40 A. LX Fig. 40 B. Fig. 40 C. In der Gefangenſchaft innerhalb dreier Tage auf einem Teller erbauter Pilzgarten der Schlepperameiſe. B Kohlrabi von Rhozites gongylophora Möll. C Kohlrabi des Pilzes von Cy- phomyrmex strigatus. (Nach Möller aus Schimper.) Mycelien abzubeißen. Durch das ſtändige Entfernen der Luftmycelien wird eine Anderung der Pilzvegetation, die Bildung der Kohlrabi bewirkt. Die Gärtnerarbeit beſteht aber nicht nur in dem beſtändigen Abbeißen jener Luft— mycelien, ſondern auch in der Ausrottung von Unkraut (Schimmelpilzen), 120 Ernährung. denn außer dem Kohlrabi produzierenden Pilz, welchen Möller als Rho— zites gongylophora ) beſchrieben, kommt kein anderer Pilz in dem Neſte vor, was um ſo auffallender iſt, als doch mit jedem Blatt eine Unmenge ver— ſchiedener Sporen eingetragen werden. Das Blattmus verliert natürlich mit der Zeit ſeine Nährkraft; es wird dann vom Pilzgarten abgeriſſen und in Form von braunen Kügelchen nach außen geſchafft, worauf die Lücke durch eine neue Blättermaſſe ausgefüllt wird. In dieſe werden dann nach Göldi von den kleinſten Arbeitern ſofort Fig. 41. — — —— — Fig. 42 A. Fig. 42 B. Fig. 41. Halbſchematiſcher Sagittaldurchſchnitt durch den Kopf eines Atta-Weibchens kurz nach dem Verlaſſen des elterlichen Neſtes. Nach Jakob Huber. Fig. 42. A Eier und Pilz 2 24 Stunden nach dem Hochzeitsflug. B Eier und Pilz 3x 24 Stunden nach dem Hochzeitsflug. C Eier und Pilz 7 x 24 Stunden nach dem Hochzeitsflug. D 10 Tage alter Pilzgarten. Nach Jakob Huber. Büſchel von Mycelfäden eingeſteckt, jo daß die neuen Partien bald ein ſchneeiges Ausſehen wie die alten zeigen. Der Pilz iſt, wie es ſcheint, für die meiſten Atta-Arten Lebensbedürfnis; und da derſelbe nur in den Ameiſenneſtern vorkommt, ſo muß er bei Neu— gründung von Kolonien von den alten Neſtern in die neuen verpflanzt werden. Dies geſchieht, wie zuerſt v. Ihering gezeigt hat (ſ. Kap. III) ) Was die Stellung des Atta-Pilzes im Syſtem betrifft, ſo konnte dieſe nur dadurch beſtimmt werden, daß zufällig im Freien auf den Atta-Neſtern zu wieder- holten Malen die höchſte Fruchtform entdeckt worden iſt. Es iſt dies ein ſtattlicher Hutpilz, der im Syſtem in die Nähe der Amaniten zu ſtellen iſt. Pilzzüchter. 121 dadurch, daß die Königin in ihrer Infrabuccaltaſche etwas von dem Pilz auf ihren Hochzeitsflug mitnimmt (Fig. 41). Neuerdings hat Jakob Huber in Para eingehende Unterſuchungen dar— über angeſtellt und die Angaben v. Iherings beſtätigt. Die mitgebrachte Pilzmaſſe wird, ſobald das Weibchen ſein neues Heim bezogen, ausgebrochen; und es dauert nicht lange, daß aus dem winzigen Flocken ein anſehnlicher Pilzgarten entſteht, wie aus den beigegebenen photographiſchen Aufnahmen Hubers zu erſehen iſt (Fig. 42 A bis D). — v. Ihering und Göldi nahmen an, daß zerquetſchte Eier als Nährſubſtrat für den Pilz dienen, während da— gegen Huber nachwies, daß zur Düngung die flüſſigen Exkremente der Ameiſen verwendet werden. Die Königin verfährt dabei aber nicht etwa ſo, daß ſie einſach ihre Entleerungen auf die Pilzmaſſe fallen läßt, ſondern geht dabei viel gründlicher, aber auch viel umſtändlicher zu Werke: ſie reißt mit ihren Kiefern ein kleines Stück aus dem Pilzgarten heraus und führt dasſelbe gegen die Spitze des Abdomens. Zur gleichen Zeit tritt aus dem Fig. 43 K. Fig. 43 B. Düngung des Pilzgartens. A Die Mutterameiſe führt den Pilzflocken zum After. B Die Mutterameiſe fügt den gedüngten Pilzflocken dem Pilzgarten wieder ein. Momentphotographie nat. Größe. Nach Jakob Huber. After ein gelblicher oder bräunlicher klarer Tropfen, welcher mit dem Pilz— flocken aufgefangen wird (Fig. 43 A). Darauf wird dieſer unter fortwähren— dem Befühlen wieder in den Pilzgarten eingefügt (und zwar meiſt an einer anderen Stelle als wo er herausgenommen wurde) und mit den Vorderfüßen angedrückt (Fig. 43 3). Dieſe Prozedur wird ſehr häufig vorgenommen; J. Huber beobachtete ſie gewöhnlich ein- bis zweimal in der Stunde. Die häufigen Darmentleerungen, die zur Düngung des Pilzes nötig ſind, ſetzen natürlich voraus, daß dem Darm ſtets Material zugeführt wird. Dieſes nimmt die Königin, wie ebenfalls Jakob Huber berichtet, in Form von Eiern auf; denn die wenigſten der gelegten Eier kommen zur Entwickelung, nicht weniger als etwa 90 Proz. werden von der Mutter wieder aufgefreſſen! Sobald nun einige Arbeiter erſchienen, wird die Pflege des Pilzgartens zwiſchen der Mutterameiſe und den Arbeiterinnen geteilt. „Die erſtere fährt fort den Garten in gewohnter Weiſe zu düngen, indem ſie einzelne Flocken abreißt und zum After führt. Aber auch die jungen Arbeiterinnen düngen den Pilzgarten, indem ſie einfach ihre Exkremente in Form von kleinen gelblichen Tröpfchen auf ihn fallen laſſen. Es iſt drollig, zu ſehen, wie ſie darauf ſorgfältig die betreffende Stelle befühlen und wie bisweilen 122 Ernährung. auch die Mutterameiſe herzukommt und befriedigt von der getanen Arbeit Notiz nimmt, indem ſie die Stelle ebenfalls betaſtet und den Pilz ringsumher flüchtig beleckt. Außerdem fangen die jungen Arbeiterinnen jetzt an, kleine Myeelflöckchen auf die friſch gedüngten Stellen zu transportieren, ſo daß der ſich erhöhende Rand des Pilzgartens ſtellenweiſe aus kleinſten Flöckchen auf- gebaut erſcheint. Durch die vereinte düngende Tätigkeit der Königin und der Arbeiter nimmt der Durchmeſſer des Pilzgartens bisweilen noch etwas zu, überſteigt aber wohl ſelten 2,5 em.“ Erſt nach 8 bis 10 Tagen, wenn von den kleinen Öfen ein Ausgang aus dem Keſſel gebahnt ift, beginnt das Blattſchneiden und die Anderung der Düngungsweiſe, und damit zugleich der Aufbau des definitiven Pilzgartens, welcher eine ganz enorme Ausdehnung erlangen kann. Forel entdeckte in Kolumbien einen ſolchen von Im Höhe und 5 bis 6m im Umfang. Der hochentwickelte Gärtnereiinſtinkt, wie ihn die Acromyrmex und die großen Atta⸗Arten zeigen, tritt nicht unvermittelt auf. Forel (1902) zeigte vielmehr, daß eine ganze Reihe Übergänge und Abſtufungen exiſtieren, die uns für die Ausbildung jenes hohen Inſtinktes eine Erklärung geben. Faſt alle Attini bauen Pilzgärten, doch ſind dieſe keineswegs immer ſo voll— kommen wie die oben beſchriebenen, ſondern verhalten ſich nach den Gat— tungen und Arten recht verſchieden, ſowohl bezüglich des Nährſubſtrates als auch bezüglich des Pilzes und ſeiner Produkte. Trachymyrmex, die niederſte Untergattung der Gattung Atta, ſchneidet nur wenige Blumenblätter und ſammelt auch anderes Material zum Pilzgarten. „Die Apterostigma und einige Cyphomyrmex ſammeln nur noch Raupenkot, Stärkeſtückchen und an⸗ dere ähnliche organische Stoffe, züchten einen anderen Pilz und bauen über⸗ haupt viel unvollkommenere Pilzgärten. Ja, Möller hat feſtgeſtellt, daß von zwei Apterostigma-Arten, welche den gleichen Pilz züchten, die eine (A. wasmanni) ſchönere und vollkommener geformte Kohlrabi zuſtande bringt, als die andere (A. pilosum). In der Gattung Cyphomyrmex bilden ver- ſchiedene Arten rudimentäre Pilzgärten, ähnlich, aber weniger gut als die Apterostigma. Einzelne Arten aber bilden nur temporäre (Wheeler) und gar keine Pilzgärten.“ „Bedenkt man ferner, daß die mit Cyphomyrmex zunächſt verwandten Dacetii meiſtens unter morſcher Baumrinde oder im Humus, im detritusreichen Waldboden leben und dort beſtändig mit Pilzen und Schimmel in Berührung kommen, die ſie offenbar als Nahrung ge— brauchen, ſo iſt eine faſt ununterbrochene Kette gegeben, welche die allmähliche Entwickelung des Pilzgärtnereiinſtinktes erklärt.“ Literatur. André, Erneſt, Les Fourmis. Kap. X, XII u. XIV. Belt, F., The Naturalist in Nicaragua. London 1874. Emery, C., Zur Biologie der Ameiſen in Südeuropa. In: Biol. Zentralbl. 11, 165 bis 180; 1891. Forel, Aug., Les Fourmis de la Suisse. Vme Partie, 25 et 34. Literatur. 123 Forel, Aug., Etudes Myrmécologiques en 1875. (Moeurs du Brachymyr- mex Heeri Forel, completements à sa descriptions ( et S) et notices anatomo- physiologiques sur les Coceides. Forel, Aug., Eine myrmekologiſche Ferienreiſe nach Tuneſien und Oſtalgerien. In: „Humboldt“ 9, 296 ff., 1890. (Enthält Angaben über „Körnerſammler“.) Forel, Aug., Une nouvelle Fourmis melligere. In: An. Soc. Ent. Belg. 39, 429; 1895. Forel, Aug., Die Ameiſe. In: Die Zukunft. 2. April 1898. Forel, Aug., Ebauche sur les moeurs des fourmis de PAmérique du Nord. In: Riv. di Scienze Biol. 2. Como 1900. Forel, Aug., Beiſpiele phylogenetiſcher Wirkungen und Rückwirkungen bei den Inſtinkten und dem Körperbau der Ameiſen uſw. In: Journ. f. Phyſiol. und Neurol. 1, 99 bis 110; 1902. Forel, Aug., Einige biologiſche Beobachtungen des Herrn Prof. E. Göldi an braſilianiſchen Ameiſen. In: Biol. Zentralbl. 25, 170 bis 181; 1905. Göldi, E., Beobachtungen über die erſte Anlage einer neuen Kolonie von Atta cephalotes. In: Compt. rend. 6me Congr. intern. Zoologie. Bern 1904. Huber, Jakob, Über die Koloniegründung bei Atta sexdens. In: Biol. Zentralbl. 25, 606 bis 619 und 625 bis 635; 1905. Huber, P., Les Fourmis Indigenes. Kap. VI. Janet, Charles, Observations sur les Fourmis p. 51. Limoges 1904. (Graines dans les nids de Tetramorium et de Lasius.) Ihering, H. v., Die Ameiſen von Rio Grande do Sul. In: Berl. ent. Zeitſchr. 1895, S. 321 bis 446. Ihering, H. v., Die Anlage neuer Kolonien und Pilzgärten bei Atta sexdens. In: Zool. Anzeiger 21, 238 bis 245. Lincecum, Gideon, On the Agricultural Ant of Texas. In: Proe. Acad. Nat. Seienc. Phil. 17, 323 ff., 1866. Lespès, Ch., Conference sur les Fourmis. In: Rev. des cours scientifiques 1866. Lubbock, Sir John, Ameiſen, Bienen und Weſpen. 2., 3. u. 4. Kapitel. Me Cook, H. Chr., The Natural History of the Agricultural Ant of Texas. Philadelphia 1880. Me Cook, H. Chr., The Honey-Ants of the Garden of the Gods uſw. Phil- adelphia 1882. Moggridge, J. Tr., Harvesting Ants and Trap-Door Spiders. London 1873. Möller, Alfred, Die Pilzgärten einiger ſüdamerikaniſcher Ameiſen. Jena 1893. Sykes, W. H., Descriptions of new Species of Indian Ants. In: Trans. Ent. Soc., London 1834. (Enthält die erſten wiſſenſchaftlichen Angaben über das „Körner— fammeln“.) Thomann, Hans, Schmetterlinge und Ameiſen. Inaug.-Diſſert., Chur 1901. Wasmann, E., Die Honigameiſe des Göttergartens. In: Stimmen aus Maria Laach 1884, S. 275 bis 285. Wasmann, E., Kritiſches Verzeichnis der Myrmekophilen uſw. Berlin 1894, S. 186 ff. Wasmann, E., Lasius fuliginosus als Raubameiſe. In: Zool. Anzeiger 22, 85 bis 87; 1899. Wheeler, W. M., A new agriceultural Ant from Texas. with remarks on the known north-american species. In: Amer. Naturalist 35, 87—100; 1902. Wheeler, W. M., A Crustacean-eating Ant (Leptogenys elongata Buckl.) In: Biol. Bull. 6, No. 6, 251—259; 1904. Sechſtes Kapitel. verſchiedene Lebensgewohnheiten. 1. Reinigung. a) Perſönliche Reinigung. Die Ameiſen ſind ungemein reinliche Tiere. Der Reinlichkeitsſinn iſt in dem ſozialen Leben begründet. Denn das gegenſeitige Erkennen, die gegenſeitigen Mitteilungen uſw., worauf doch das ganze Zuſammenleben beruht und wovon das richtige Funktionieren des Staatsorganismus abhängt, wird durch Organe des Chitinſkelettes (Taſt— borſten, Geruchsgruben uſw.) vermittelt. Sind dieſe mit Staub bedeckt oder gar mit einer Schmutzkruſte überzogen, jo iſt der Hauptkontakt des betreffen- Fig. 44 A. Verſchiedene Stellungen bei der „Toilette“. Nach Me Cook. den Individuums mit den übrigen Staatsmitgliedern unterbrochen oder wenigſtens ſtark abgeſchwächt. Reinlichkeit iſt ſomit geradezu Bedin— gung des Geſellſchaftslebens der Ameiſen. Das wichtigſte Organ der Vermittelung zwiſchen den Mitgliedern der Ge— ſellſchaft ſind die Fühler. Darum ſind dieſe auch Gegenſtand beſonders pein— licher Pflege. Und es kann uns nicht wundernehmen, daß ſogar ein beſonderer Apparat zur Reinigung der Fühler ausgebildet iſt, das iſt der tibio— tarſale Putzapparat. Derſelbe iſt oben (Kap. I, 2) des näheren beſchrieben und abgebildet; er dient übrigens nicht ausſchließlich für die Fühler, ſondern wird auch zur Reinigung des Kopfes, der Palpen, Mandibeln uſw. benutzt. Von Zeit zu Zeit muß der Apparat ſelbſt einer Reinigung unterworfen werden; dies geſchieht dadurch, daß die Vorderbeine durch die Mundteile gezogen werden, wo ebenfalls Kämme zur Reinigung (an den Maxillen) vorhanden ſind. Reinigung. 125 Das Reinigungsgeſchäft iſt damit nicht beendet: Der ganze übrige Körper, die Ober⸗ und Unterſeite der Bruſt und des Abdomens müſſen ebenfalls geputzt werden, wenn anders das Zuſammenleben nicht beeinträchtigt werden ſoll. Die Ameiſen ſuchen ſich daher auch, ſo gut es geht, überall zu reinigen, indem ſie dabei die verſchiedenſten, mitunter recht komiſchen Stellungen ein— nehmen (Fig. 44). Wo ſie mit ihren Mundteilen nur hinkommen können, da lecken ſie ſich ſauber; beſonders eingehend behandeln ſie die Spitze des Ab— domens, welches ſie immer und immer wieder belecken, zumal wenn es eier— legende Individuen betrifft. Iſt die Bauchſeite beſchmutzt, ſo ſuchen ſie durch Rutſchen auf dem Bauche den Schmutz abzuſtreifen. Mögen ſich aber die Ameiſen noch ſo krümmen und wenden, ſo bleiben ihnen doch einige Stellen des Körpers, vor allem die Rückenpartien, unerreichbar. Sie ſind daher auf gegenſeitige Hilfe angewieſen, die ſie ſich auch in reich— lichem Maße zuteil werden laſſen. Beinahe überall und immer kann man ſich gegenſeitig putzende (d. h. beleckende) Ameiſen ſehen. Beſonders gründlich werden die Weibchen gereinigt: ſtets ſind dieſe von einer ganzen Anzahl Ameiſen umgeben, die ſich darin nicht genug tun können ). Die Reinigungsprodukte werden in der Infrabuccaltaſche abgeladen und dort zu kleinen rundlichen Körperchen zuſammengeballt, als welche ſie dann ausgeworſen werden (Janet). b) Reinigung der Brut. Der Reinigungstrieb beſchränkt ſich nicht nur auf die ausgewachſenen Individuen, ſondern äußert ſich mindeſtens ebenſo in betreff der heranwachſenden Nachkommenſchaft; werden doch auch die Eier und Larven ſtets mit der größtmöglichen Sorgfalt reingehalten. Kein Stäubchen iſt auf ihnen zu entdecken, obwohl ſie doch viel herumgeſchleppt werden und fortwährend mit Erde in Berührung kommen. Es iſt keine kleine Arbeit, die Eier und Larven, welche infolge ihrer klebrigen oder haarigen Oberfläche die reinen Schmutzfänger ſind, ſauber zu halten, und wir verſtehen daher auch, warum die Brut faſt ununterbrochen beleckt wird. c) Reinigung des Neſtes. Nicht minder groß iſt die Sorge der Ameiſe für die Reinhaltung des Neſtes. Nichts, was nicht in das Neſt gehört und für das Leben von Bedeutung iſt, wird darin geduldet. Alle Speiſe— reſte und Abfälle, wie die chitinigen Teile der Beutetiere, die Schalen der ge— ſammelten Körner, die Puppenhäute uſw. werden entweder aus dem Neſt ge— ſchafft oder in abſeits gelegene Teile des Neſtes gebracht und dort angehäuft ). ) Übrigens dürfen wir das „Belecken“ nicht ausſchließlich auf das Beſtreben zu reinigen zurückführen, ſondern zum Teil ſind es Hautſekrete, welche zum Lecken reizen. Daß ſolche Sekrete ausgeſchieden werden, geht einmal aus den Hautdrüſen der Ameiſen (Janet) hervor, und ſodann aus der Tatſache, daß einige Ameiſen— gäſte ((Oxysoma, Myrmecophila) ausſchließlich oder zum größten Teil durch Belecken der Ameiſen ihren Lebensunterhalt ſich verſchaffen. ) Dabei zeigen die Ameiſen mitunter eine erſtaunliche Hartnäckigkeit in der Verfolgung ihres Zieles, wie ein von R. Semon (Im auſtral. Buſch, S. 161) berichteter Fall beweiſt. Genannter Forſcher legte ein Stück Cyankali auf ein Ameiſenneſt. Die Bewohner desſelben machten ſich ſofort daran, das Gift zu ent— fernen, und obwohl eine Anzahl Arbeiter dabei zugrunde gingen, ſo ließen ſie doch nicht eher davon ab, als bis das todbringende Stück vom Neſt fortgeſchafft war. 126 Verſchiedene Lebensgewohnheiten. Wo ein Hinausſchaffen des unliebſamen Gegenſtandes nicht möglich iſt, da helfen ſich die Ameiſen auf andere Weiſe, indem ſie nämlich den Fremdkörper mit Erde bedecken und ihn dadurch unſchädlich machen. So wurde z. B. ein Molch, welchen Wasmann in ein Neſt von Formica sanguinea geſetzt hatte, in kurzer Zeit völlig eingemauert ). Auf dieſen Gewohnheiten beruhen auch die ſogenannten „Begräbniſſe“ der Ameiſen, über welche unglaublich viel phantafiert wurde. Dieſe „Be— gräbniſſe“ und die „Friedhöfe“ reſultieren einfach daraus, daß die Ameiſen ihre Toten gleichwie die Abfälle aus dem Neſt ſchaffen und ſie auf beſtimmte Plätze, auf welchen der Abfall abgeladen wird, zuſammentragen und zuweilen auch mit Erde bedecken. Und wenn von einigen Beobachtern berichtet wird, daß die Leichen in ſchöner Ordnung reihenweiſe hingelegt werden, ſo handelte es ſich hier um Phantaſie oder um Zufall. Ich wenigſtens habe noch niemals von einer ſolchen Ordnung auf den „Friedhöfen“ der Ameiſen etwas bemerken können. Auch die berühmten „Brücken bauten“, die fo oft als unzweideutige Beweiſe für die hohe Intelligenz der Ameiſen angeführt werden, gehören hierher. Nach den Angaben verſchiedener Autoren ſollen nämlich die Ameiſen Leimringe uſw. die zum Schutz gegen Raupenfraß an Bäumen angelegt werden, dadurch überwinden, daß ſie Sand darauf bringen und ſo eine gangbare Brücke darüber ſchlagen. Wasmann hat nun gezeigt, daß der Sand nicht in der Abſicht, eine Brücke zu bauen, auf die klebrigen oder feuchten Hinderniſſe gebracht wird, ſondern daß dem Vorgang lediglich der große Reinlichkeitsſinn der Ameiſen zugrunde liegt, d. h. die Gewohnheit, übelriechende oder klebrige Stoffe, die nicht aus dem Neſt geſchafft werden können, einfach mit Erde zu bedecken. Das Experiment, das Wasmann machte, iſt folgendes: In einer mit Waſſer gefüllten Uhrſchale, die in ein Form. sanguinea⸗ Neſt geſetzt wird, befindet ſich eine Inſel, auf welcher Puppen liegen; nach einiger Zeit haben die Ameiſen zu der Inſel eine „Brücke geſchlagen“, indem fie Sand in die Uhrſchale warfen. Es ſchien damit ein Beweis für die Über⸗ legungsfähigkeit der Ameiſen gegeben —, wenn nicht bei einem Kontrollverſuch dieſelben Ameiſen auch dann Brücken geſchlagen hätten, als ſich gar keine Inſel mit Puppen in dem Uhrglaſe befanden, ſondern die Schale einfach mit Waſſer gefüllt war. „Wir dürfen daraus ſchließen, daß die Ameiſen auch das erſtemal nicht die Abſicht verfolgten, eine Brücke zu bauen, ſondern bloß die unangenehme Feuchtigkeit zu beſeitigen, die ihnen den Weg verſperrte ).“ ) Die Bienen verfahren bekanntlich ganz ähnlich mit übelriechenden, faulenden Fremdkörpern! Nur benutzen ſie nicht Erde zum Inkruſtieren, ſondern harzige Stoffe, das ſogenannte Vorwachs (Propolis). ) Nach den Angaben verſchiedener Autoren ſollen die Wanderameiſen (Dory— linen) lebende Brücken über kleine Bäche, Gräben uſw. bauen, indem ſie ſich mit Hilfe ihrer Klauen und Mandibeln zu Ketten verbinden, über die hinweg das ganze nachfolgende Heer ſchreitet. Sollten ſich die „lebenden Brücken“ wirklich als regel- mäßiges Vorkommnis bei den Wanderzügen herausſtellen, ſo dürfen wir daraus trotzdem nicht ohne weiteres auf eine hohe Überlegungsfähigkeit der Dorylinen ſchließen, ſondern müſſen zunächſt ſuchen, ob ſich dieſer Brückenbau nicht auf einen allgemeinen Inſtinkt zurückführen läßt, wie der obige Brückenbau auf den Reinigungs⸗ inſtinkt zurückzuführen war. Reinigung. Schutz⸗ und Verteidigungsmaßregeln. 127 Das Bedenken, daß die „Brücken“ über die Leimringe außerhalb des Neſtes gebaut werden, während das Wasmannſche Experiment im Neſt ſich abſpielte, iſt gänzlich gegenſtandlos, da ja die Ameiſen, wie wir oben bereits ausgeführt, ihre Straßen als zum Neſtbereich gehörig ebenſo ſorgfältig rein— zuhalten pflegen als das eigentliche Neſt. Es hindert uns alſo nichts, das „Brückenbauen“ ebenſo wie die „Begräbniſſe“ lediglich als Ausdruck des allgemeinen Reinlich— keitsſinnes der Ameiſen anzuſehen. 2. Schutz⸗ und Verteidigungsmaßregeln. a) Soziale Verteidigung und ſozialer Schutz. Nach dem, was wir bisher über die Verſchiedenartigkeit der einzelnen Ameiſenarten gehört haben, verſteht es ſich von ſelbſt, daß ſie auch bezüglich der Art und Weiſe, wie ſie ſich gegen tieriſche Feinde (vor allem ihresgleichen) und gegen elementare Einflüſſe ſchützen und verteidigen, eine große Mannigfaltigkeit zeigen. Ich brauche nur auf die verſchiedenen Arten der Neſter hinzuweiſen (ſ. Kap. IV), welche ja vor allem dem Schutz und der Verteidigung des Staates, ins— beſondere der Nachkommenſchaft, angepaßt ſind. Schwache Kolonien und feige Ameiſen ſuchen ſich dem Auge der Feinde zu entziehen, indem ſie möglichſt verſteckt ihre Wohnung anlegen. Starke mutige Ameiſen dagegen bauen offen und mitunter ſogar mächtige, weithin ſichtbare Neſter, inſtinktiv ihre Überlegenheit empfindend. Die Bauart der Neſter kann natürlich niemals einen abſoluten Schutz gegen Überfälle und das Eindringen feindlicher Ameiſen bieten. Die Bewohner müſſen daher ſtets gegen ſolche Eventualitäten gerüſtet ſein. Und ſo ſind auch die Ein- und Ausgänge der Neſter gewöhnlich von einer An— zahl wachehaltender Arbeiter beſetzt. Bei manchen Ameiſen ſind dieſe Schildwachen eine morphologiſch differenzierte Kaſte („Soldatenkaſte“), wie 3. B. bei Colobopsis und Pheidole (ſ. oben, Kap. II, 4); bei der Mehr- zahl dagegen ſind es gewöhnliche Arbeiter. Doch find es, wie Viehmeyer u.a. gezeigt haben, häufig die gleichen Individuen, welche die Wach- und Ver— teidigungsfunktionen des Staates ausüben. Die Wachpoſten bleiben nur ſo lange in Tätigkeit, als gearbeitet wird. Ruht die Arbeit im Neſte, ſo ziehen ſich auch die Schildwachen zurück, nachdem ſie aber zuvor die Eingänge ſorgfältigſt verſchloſſen und ſo das Neſt nach außen vollſtändig abgeſperrt haben. Findet ein Überfall fremder Ameiſen auf ein gut bewachtes Neſt ſtatt, ſo kommt es zunächſt zu heftigen Kämpfen zwiſchen den Eindringlingen und den Wachpoſten. Und wenn letztere allein auch für die Dauer nicht imſtande ſind, die immer von neuem nachrückenden Heere abzuſchlagen, ſo haben doch die Einwohner des Neſtes, die von dem Überfall ſofort benachrichtigt werden, während dieſer Kämpfe an den Toren Zeit gefunden, ihre Brut und ihre Weibchen in Sicherheit zu bringen, d. h. ſie in die tiefſten Neſtpartien zu ſchleppen. In der Rettung der Brut beſteht ja die Hauptſorge jeder Ameiſenkolonie. 128 Verſchiedene Lebensgewohnheiten. Bei ſolchen Ameiſen, die ein Nomadenleben führen und deshalb keine Dauerneſter beſitzen (Dorylinen), haben ſich beſondere Schutzmaßregeln aus⸗ gebildet. Tritt bei den Wanderzügen dieſer Ameiſen, auf welchen bekanntlich alle Eier, Larven und Puppen mitgeſchleppt werden, Gefahr ein, ſo „bilden die größeren mit ihren Leibern ein lebendiges Gewölbe, unter welchem das ſchwächere Volk, die Brut mitſchleppend, weiterziehen kann (Emery 1895 nach Savage). Intereſſant iſt ferner das Verhalten der Ameiſen gegen Über— ſchwemmungen. So ſuchen nach Savage die Treiberameiſen ihre Brut bei Überſchwemmungen dadurch zu retten, daß ſich ſämtliche Arbeiter zu einer lebendigen Kugel vereinigen, die von den Fluten ſchwimmend getragen wird, und in derem Inneren die Brut geborgen iſt (Emery 1895). Da nun viele Dorylinen, wie oben bereits geſagt, auch zum Ausruhen uſw. häufig ſolche lebenden Neſter bilden, jo iſt ihr obiges Verhalten bei Überschwemmungen allerdings nicht allzu überraſchend. Auffallender iſt es ſchon, daß auch andere Arten, die für gewöhnlich in Dauerneſtern leben, auf dieſelbe Weiſe ihre Brut vor Überſchwemmungen zu retten ſuchen; fo beobachtete v. Ihering in Bra— ſilien bei Hochwaſſer in der Flut eine große Anzahl kuchenartiger Maſſen von Solenopsis geminata daherſchwimmen. Die Haufen maßen etwa 16 bis 25 em im Durchmeſſer und beſtanden lediglich aus den dicht gedrängten, an— einander gegenſeitig ſich feſthaltenden Ameiſen. Im Inneren des Haufens, wohin kein Tropfen Waſſer gedrungen, „ruhten, von allen Seiten aufs beſte geſchützt, die geflügelten Geſchlechtstiere und die geſamte Brut“. Auch die großen Atta-Arten ſollen nach v. Ihering ſich bzw. ihre Brut auf ſolche Weiſe vor dem Untergang retten. Daß die Ameiſen lange Zeit unter Waſſer ohne Schaden auszuhalten vermögen, wurde ſchon von mehreren Forſchern experimentell feſtgeſtellt, in letzter Zeit erſt wieder von Miß A. Fielde (1904), welche manche Ameiſen ſogar zwei bis drei Tage unter Waſſer hielt, ohne ſie dadurch zu töten. Alarmſignale. Für gewöhnlich werden die Bewohner eines Neſtes von heranrückenden Feinden dadurch in Kenntnis geſetzt, daß einige von den Türwächtern in das Neſt ſtürzen und durch aufgeregte Fühlerſchläge die Gefahr ihren Kameraden mitteilen. Indem nun letztere ebenfalls die Kunde auf dieſelbe Weiſe ſofort weiterverbreiten, ſo iſt in der kürzeſten Zeit die ganze Kolonie von der drohenden Gefahr unterrichtet. Manche Ameiſen beſitzen aber außerdem noch beſondere „Alarmſignale“, die in verſchiedenen Lautäußerungen ſich kundtun. Die Laute können auf zweierlei Weiſe hervorgebracht werden: entweder dadurch, daß die Ameiſen mit ihrem Körper auf eine tönende Unterlage aufſchlagen, oder aber vermittelſt eines beſonderen Tonapparates. Der erſteren Methode ſcheinen ſich beſonders die Camponotus-Arten zu bedienen; ſo bringen nach Forel (Fourmis, p. 354) unſere europäiſchen Camponotus dadurch ein deutlich vernehmbares Geräuſch hervor, daß ſie mit ihrem Abdomen ſchnell hintereinander auf den Boden oder die Wand des Neſtes klopfen. Ferner berichtet E. Gounelle von den ſüdamerikaniſchen Camp. mus, daß dieſe bei Beunruhigungen mit ihren Köpfen heftig an die Schutz- und Verteidigungsmaßregeln. 129 Wand ihres aus Blättern beſtehenden Neſtes ſchlagen, wodurch ein erſtaunlich lautes, knarrendes, an das Klappern der Klapperſchlange erinnerndes Geräuſch entſteht. Was nun die zweite Art der Tonerzeugung betrifft, ſo geſchieht dieſe durch Reibung beſtimmter Körperteile gegeneinander, wie ja über— haupt weitaus die meiſten Töne der Inſekten Reibegeräuſche ſind. Das Schrillorgan der Ameiſen hat ſeinen Sitz am Abdomen: es beſteht nach Janet (1902) aus einer fein gerieften Platte, welche dorſal an der Baſis des dritten Abdominalſegmentes (1. Gaſterſegment Janets) gelegen iſt, und aus einem Fortſatze des zweiten Abdominalſegmentes, welcher auf dieſe Platte ſtößt. Beim Auf- und Abbewegen des Abdomens reibt die rauhe geriefte Fläche gegen jenen Fortſatz und erzeugt jo ein Geräuſch (vgl. Kap. I, 3 und Fig. 5 Str.). Die Geräuſche, die auf dieſe Weiſe hervorgebracht werden, ſind natürlich nur ſehr ſchwach, ſo daß ſie mit unſerem Ohr nicht immer wahrgenommen werden können; dennoch haben mehrere Beobachter deutlich einen „zirpenden“ Ton gehört, jo Wasmann (1893) bei Myrmica ruginodis, Me Cook bei Myrmecocystus melliger, A. Schulz (nach Emery 1893) bei Pachycondyla flavicornis und R. Whroughton (1892) bei einer Crematogaster-Art, welche dabei lebhaft „mit ihrem Abdomen wackelte“. Emery konnte auch an toten Ameiſen (Pachycondyla) Geräuſche hervorbringen, indem er das Abdomen derſelben auf- und abbewegte. bp) „Perſönliche“ Verteidigung. Bezüglich der „perſönlichen“ Ver— teidigung verhalten ſich die Ameiſen ungemein verſchieden, nicht nur nach den Arten, ſondern auch nach den einzelnen Individuen einer Kolonie. Denn auch die Mitglieder ein und desſelben Staates ſind in ihrem Charakter, ihrem Mut uſw. oft grundverſchieden, wovon uns Wasmann (1900, S. 40) ein ſehr anſchauliches Bild entwirft: „Wenn wir den Stein, welcher ein mittel— ſtarkes Neſt von Formica sanguinea bedeckt, umwenden uſw. . . . entſteht ein gewaltiger Tumult unter der Bewohnerſchaft. Ein Teil der Ameiſen ſtürzt wütend auf den Friedensſtörer los und bedeckt ihn mit Biſſen und Gift— ſalven; ein anderer Teil nimmt ſich der gefährdeten Brut an uſw.; andere Individuen derſelben Kolonie ſcheinen trotz des heroiſchen Mutes ihrer Raub— ameiſennatur gerade keine Luſt zur Verteidigung des Vaterlandes zu haben und flüchten ſich unter Grasbüſchel und Schollen in der Nachbarſchaft, um ſich zu verſtecken; ja manchmal duckt ſich ſogar eine sanguinea mitten unter den kämpfenden, rettenden und flüchtenden Gefährtinnen regungslos auf den Boden und nimmt, wenn auch meiſt nur für kurze Zeit, zur inſtinktiven Liſt der Bewegungsloſigkeit oder des „Scheintodes“ ihre Zuflucht; andere sanguinea desſelben Neſtes endlich ſcheinen von einem ſonderbaren Gemiſch von Kampfluſt und Furcht, von einer Art ohnmächtiger Wut erfaßt zu fein, die es nicht wagt, den wirklichen Gegner anzugreifen, dafür aber an anderen Gegenſtänden ihren Zorn ausläßt: ſie rutſchen mit geſpreizten Beinen und ge— ſenktem Kopf auf dem Boden umher, beißen wütend in den Sand, dann wieder in einen Heidekrautſtengel, aber nur nicht in den Finger“ (des Ruheſtörers). Größere Extreme von „Charakteren“ als uns hier Wasmann unter den Mitgliedern ein und derſelben Ameiſengeſellſchaft vorführt, können wir Eſcherich, Die Ameije. 9 130 Verſchiedene Lebensgewohnheiten. bei den abweichendſten Arten und Gattungen kaum antreffen; und wir ſehen hier in einem Bilde fait alle die verſchiedenen Verteidigungs- und Rettungs- verſuche beiſammen, welche bei den Ameiſen überhaupt in Anwendung ſind: Aufnahme des Kampfes, Flucht, Sich-tot-ſtellen, Furchteinjagen durch wildes Gebahren uſw. Natürlich überwiegt bei den verſchiedenen Ameiſenarten die eine oder andere dieſer Manieren, je nach dem Grundcharakter der betreffenden Spezies; ſo werden von den kriegeriſchen die meiſten kämpfen und nur wenige „ſich drücken“, während bei den von Haus aus zaghaften und friedfertigen die meiſten ſofort Reißaus nehmen und nur wenige ſich dem Feinde entgegen— ſtellen werden uſw. Das „Sich-tot-ſtellen“, welches bei den nicht ſozialen Inſekten als Rettungsmittel bekanntlich ſehr verbreitet iſt, iſt alſo auch bei den Ameiſen 819 45 zu beobachten, wenn auch ſelten und meiſt ausnahmsweiſe; nur die niederſten Ameiſen, die Ponerinen, ſcheinen (nach Wheeler) regelmäßig oder wenigſtens häufiger zu dieſem Mittel Zuflucht zu nehmen. Springende Ameiſen. Manche Ameiſen haben die Fähigkeit, zu „ſpringen“ und ſich auf dieſe Weiſe dem nachſtellenden Feinde zu entziehen: es ſind dies vor allem Odontomachus und verwandte Ponerinen. Das Springen geſchieht nicht nach Art der Schnellkäfer (Elateriden) oder Heuſchrecken, ſondern mit Hilfe der Mandibeln. Letztere ſind für gewöhnlich weit aufgeſperrt, ſo daß ſie ſenkrecht zur Längsachſe des Körpers ſtehen (Fig. 45). Ihr Innenrand iſt mit N N einigen ſehr langen, nach vorn abſtehenden ofneten Mandibeln. Nach Wheeler. Sinnesborſten beſetzt; wenn nun dieſe mit einem fremden Tiere in Berührung kommen, ſchnappen die Mandibeln unter deutlich hörbarem Geräuſche reflektoriſch zu— ſammen, und zwar mit ſolcher Heftigkeit, daß die Ameiſe dadurch mehr oder weniger weit zurückſchnellt. P. A. Schupp S. J., Wheeler u. a. haben dieſen Vorgang des öfteren an Odontomachus chelifer und haematodes beobachtet. Erſterer ſah ſogar einen vom Rumpf getrennten Kopf auf dieſe Weiſe fortſpringen (f. Wasmann 1892). Daß das „Springen“ eine Schutz⸗ bzw. Vorſichtsmaßregel darſtellt, iſt zweifellos und wird auch von allen Beob— achtern ſo gedeutet. Außer den genannten Odontomachus-Arten wurden auch noch verſchiedene Anochetus-Arten und der rieſige Harpegnathus eruentatus beim Springen geſehen. Letzterer macht nach Wroughton „Sätze von einem Fuß oder 18 Zoll mit vollkommener Leichtigkeit, genau wie ein Grashüpfer“ (vgl. Wasmann 1892). Übrigens iſt das „Springen“ nicht auf die Ponerinen allein beſchränkt, denn Emery (1893) erhielt von Albert Schulz die Mitteilung, daß auch Kämpfe. | 131 „die durch ihre enormen Augen ausgezeichnete brafilianiiche Ameiſe Giganti- opsis destructor (Camponotine) von Zweig zu Zweig ſpringt“. 3. Kämpfe. Kämpfe ſpielen im Leben der Ameiſen eine große Rolle. Verhalten ſich doch die Angehörigen einer Kolonie gegen alles, was nicht zu ihrem eigenen Verbande gehört, von Haus aus feindlich: alſo nicht nur gegen verſchiedene Arten oder Raſſen, ſondern auch gegen die Angehörigen anderer Kolonien der gleichen Art! Und da geeignete Plätze meiſtens reich mit Ameiſenkolonien beſetzt ſind, ſo gibt es da natürlich alle Augenblicke Anläſſe zu Kämpfen, was zu einem permanenten Kriegszuſtande führen kann. Um ſo mehr, als gewöhnlich jede Kolonie nicht nur das eigentliche Neſt, ſondern auch die von demſelben ausgehenden Straßen und auch ein kleineres oder größeres Gebiet rings um ihr Neſt herum als ihr Eigentum anſieht. „Dieſes Gebiet umfaßt Bäume, Pflanzen, Grund und Boden; wer es betritt, wird angegriffen und womöglich niedergemacht“ (Forel 1898). Es handelt ſich aber bei den Kämpfen nicht immer nur um Grenz— . Itreitigfeiten, ſondern häufig finden richtige Angriffe einer Kolonie auf eine andere zu ganz beſtimmten Zwecken ſtatt: zum Raub von Blattläuſen oder Körnervorräten, zum Raub von Larven und Puppen (ſei es zur Nahrung oder um Sklaven zu erziehen), zur Beſitzergreifung des Neſtes uſw. Ich will hier nicht auf alle die vielen Schlachten, die von den verſchiedenen Beobachtern beſchrieben, im einzelnen eingehen, zumal im nächſten Kapitel bei der Amazonen— ameiſe noch einiges darüber mitgeteilt wird. Nur das ſei hier erwähnt, daß die Schlachten zwiſchen zwei Staaten mitunter wochen- oder monatelang (natürlich mit Unterbrechungen) währen können, und daß auch die Kampfes— weiſe bei verſchiedenen Ameiſenarten eine recht verſchiedene iſt, worüber vor allem Forel eingehende Beobachtungen angeſtellt hat. Es kommt natürlich bezüglich der Kampfestaktik und des Ausganges der Schlachten auch darauf an, ob die beiden Heere numeriſch gleich oder ungleich ſind, ob die ſich be— kämpfenden Ameiſen in der Körpergröße voneinander abweichen, ferner hängt viel von den Waffen ab (Stachel, Giftblaſe, Analdrüſenſekrete uſw.), von der Dicke des Chitinpanzers und endlich von gewiſſen Kampfeskniffen. Polyergus 3. B. durchbohrt das Gehirn des Feindes, Formica exsecta, Pogonomyrmex u.a. ſägen dem Gegner den Kopf ab, Myrmica rubida, die gefürchtetſte unter den Europäern, tötet ihren Feind vornehmlich mit ihrem Giftſtachel, Tapinoma bekämpft ſeine Angreifer mit einem Analdrüſenſekret uſw. Die einen Ameiſen nehmen Einzelkämpfe auf, andere dagegen greifen nur zu mehreren an, wie 3. B. die Lasius-Arten oder die Tapinoma. Wir ſehen dann auf dem Schlacht— felde nur größere oder kleinere Knäuel oder Ketten von vielen „ineinander verbiſſenen und mit dem Stachel ſich gegenſeitig bearbeitenden Individuen“ (Wasmann über Tapinoma), von denen gewöhnlich nur wenige am Leben bleiben. Wo kleine Ameiſen gegen große zu kämpfen haben, z. B. Tetra- morium gegen Formica rufa, da vereinigen ſich immer vier bis fünf der kleinen zur Überwindung einer großen. Die Tetramorium klammern ſich 9 * 132 Verſchiedene Lebensgewohnheiten. zunächſt an den Beinen und Fühlern der rufa feſt und behindern jo dieſe an ihrer Bewegungsfreiheit; dann können die übrigen Angreifer ohne Ge— fahr auf den Körper der großen klettern und ſie durch Biſſe und Stiche allmählich töten !). Große Ameiſen haben natürlich ein leichteres Spiel kleinen gegenüber: ſie zerdrücken dieſelben einfach zwiſchen ihren kräftigen Mandibeln. Von großer Bedeutung für die Heftigkeit der Kämpfe iſt die Tempe— ratur, d. h. je höher dieſelbe iſt, deſto größer die Wut und Hitzigkeit der Kämpfenden. Auch die Zahl der Kriegführenden ſteht in einer direkten Proportion zum Grade der Heftigkeit. Denn wie bei allen ſozialen Tieren, ſo wächſt auch bei den Ameiſen der Mut mit der Zahl der kämpfenden Individuen. Manchmal kann ſich die Kampfeswut zu einem richtigen Kampfesrauſch ſteigern, in welchem die Ameiſen ihren Weg nicht mehr erkennen und auch nicht mehr zwiſchen Feind und Freund zu unterſcheiden vermögen. Sie ſtürzen ſich dann auf ihre eigenen Kameraden, welch letztere die berauſchten ſo lange feſtzuhalten ſuchen, bis ſie ſich wieder vollkommen beruhigt haben [Forel, Fourmis, p. 1362) ]. Wie enden die Kriege? Gewöhnlich kämpfen die feindlichen Kolonien ſo lange, bis die eine von ihnen verjagt oder vollkommen aufgerieben iſt. Doch iſt dies nicht immer der Fall — „nein, auch Frieden ſchließen können die Ameiſen“. „Das geſchieht nicht nur dadurch, daß zwei erſchöpfte Kolonien oft den Kampf aufgeben und ein gewiſſes Grenzgebiet meiden, ſondern auch in ſeltenen Fällen durch Bündnis und Verſchmelzung“ (Forel 1898). Wie Wasmann betont, beſteht die Hauptbedingung für das Zuſtandekommen ſolcher Allianzen darin, daß „die beiden Gegner ſyſtematiſch nahe verwandt, daß ſie ungefähr gleich ſtark, und endlich, daß ſie genötigt ſind, unmittelbar beiſammen zu wohnen, ohne einander ausweichen zu können“. „Unter dieſen Umſtänden wird aus den anfänglichen Scharmützeln bald eine indifferente Duldung, aus der Duldung ein freundſchaftlicher Verkehr.“ Forel hat dieſen Vorgang des öfteren experimentell hervorgerufen; ſo ſetzte er z. B. aus ver— ſchiedenen Kolonien der Waldameiſe größere Neſtteile ſamt Bewohner neben— einander, aber an einen ganz fremden Ort, wo ſie gezwungen waren, ein neues Neſt zu bauen. „Die Not und die Gelegenheit, das gemeinſame Be— dürfnis nach Nahrung und Wohnung ließen die Kampfesluſt zurücktreten. Nach meiſt unbedeutenden Drohungen, Sticheleien und ſchwachen Kampf— verſuchen fingen die Ameiſen an gemeinſam zu arbeiten und bildeten im Verlaufe von einem bis zwei Tagen eine einzige einträchtige Kolonie“ (Forel 1898). ) Damit ſoll aber keineswegs gejagt ſein, daß die kleinen die große Ameiſe in der Abſicht, ſie feſtzuhalten und den anderen das Erklettern zu ermöglichen, zuerſt an den Beinen erfaſſen! Die dünnen Beine und Fühler bieten vielmehr zuerſt die einzigen Angriffspunkte für die kleinen Ameiſen dar. ) v. Buttel ſah ähnliche Rauſchzuſtände in einem künſtlichen Neſte von Myrmica laevinodis entſtehen, als er eine lebende Schmeißfliege dazu ſetzte, welche durch ihr ſtürmiſches Gebahren eine Aufregung ſondergleichen in der kleinen Kolonie hervorbrachte. a Wanderungen. 133 4. Wanderungen. Wir ſprechen von „Wanderungen“ der Ameiſen, wenn eine ganze Kolonie mit Kind und Kegel, d. h. mit den Geſchlechtstieren und der geſamten Brut ihren alten Wohnſitz verläßt, um an einem anderen Orte ſich niederzulaſſen. Die Kriegszüge, die Märſche zu den Blattläuſen, die Züge der Blattſchneider und der Ernteameiſen fallen mithin nicht unter dieſen Begriff. a) Gelegentliche Wanderungen. Die gelegentlichen „Umzüge“ können verſchiedene Urſachen haben: Niederlaſſungen ſtarker feindlicher Kolonien in der Nähe, Mangel an Nahrung, zu ſtarke Beſchattung des Neſtes, Über— ſchwemmungen und andere Beläſtigungen mehr. Man kann ſolche „Umzüge“ jederzeit künſtlich hervorrufen, indem man eine Kolonie mehrmals hintereinander ſtört, z. B. das Neſt aufdeckt ufſw. Die Vorgänge bei den Umzügen hat zuerſt P. Huber genauer beobachtet; ſodann haben auch Forel, MeCook, Was— mann u. a. mehrfach darüber berichtet: Zunächſt ziehen eine oder mehrere Ameiſen aus, um einen geeigneten Platz für die neue Heimat zu ſuchen. Transport von Neſtgenoſſen bei Umzügen uſw.; zwei verſchiedene Haltungen. 5 Nach Me Cook. Haben ſie einen ſolchen gefunden, ſo kehren ſie zurück in ihr altes Neſt, um bald mit einem Kameraden beladen wieder zu erſcheinen und damit dem neuen Neſte zuzuſtreben. Dort angelangt, wird die Bürde abgeſetzt; dann wird ſofort wieder zurückgelaufen um einen neuen Kameraden zu holen uſw. Das Beiſpiel der tragenden Ameiſen ( recruteuses“) ſteckt an, denn ihre Zahl nimmt mit jedem Augenblicke zu und bald iſt die Umzugsſtraße erfüllt mit ſolch ſchwer beladenen Trägern. Nachdem der größte Teil der Bewohner ſo in das neue Neſt geſchafft iſt (was mehrere Tage beanſpruchen kann) und dieſes einigermaßen wohnlich hergerichtet iſt, werden auch die Larven und Puppen, die Blattläuſe, Ameiſengäſte, Nahrungsvorräte uſw. herübergeholt. Während des ganzen Umzuges herrſcht im alten Neſte verhältnismäßig große Ruhe, d. h. die einzelnen Ameiſen gehen hier ſo lange ihren Beſchäftigungen (Brutpflege uſw.) nach, bis ſie von den Transporteuren geholt werden. Die Art und Weiſe, wie letztere beim Aufpacken ihrer Kameraden ver— fahren, hat Huber mehrfach beobachtet: „ſie liebkoſen die Betreffenden mit ihren Fühlern, ziehen ſie an ſich und ſcheinen ihnen in der Tat einen richtigen Vorſchlag zur Reiſe zu machen“. Was die Haltung, welche die tragende wie die getragene Ameiſe einnimmt, betrifft, ſo hat meiſtens die getragene Ameiſe ihre Extremitäten eng an den Körper angezogen; ihre Bauchſeite nach oben, den Kopf nach hinten, wird ſie von der Transporteurin an den Man— dibeln oder in der Bruſtgegend gepackt, ſo daß ihr Abdomen unter den Kopf 134 Verſchiedene Lebensgewohnheiten. zwiſchen die Vorderbeine der Trägerin hineinragt. Die Haltung kann übrigens auch eine andere ſein, wie aus den beiden Figuren (46 A und B) hervorgeht, die MeCooks Werk über die Agrikulturameiſe entnommen ſind. Wenn das neue Neſt ſehr weit vom alten entfernt iſt, ſo errichten die Ameiſen nicht ſelten Zwiſchenſtationen auf dem Wege, in welchen ſie ihre „Rekruten“, Larven, Weibchen und Männchen, die ſie nicht in einer Tour bis zur neuen Wohnung tragen können, eine Zeitlang abſetzen. Dieſe Zwiſchen— ſtationen beſtehen gewöhnlich aus einer Höhlung in der Erde, mitunter auch aus mehreren Kammern. Es kommt vor, daß ein Teil der Ameiſen in den— ſelben ſich feſtſetzt und daſelbſt neue Kolonien („Zweigkolonien“) bildet, die aber mit der Stammkolonie ſtets in Verbindung und freundſchaftlichem Ver— kehr bleiben (Huber, Forel). p) Periodiſche Wanderungen. Über die „periodiſchen Umzüge“ haben wir oben beim Neſtbau (Kap. IV) ſchon berichtet. Sie find dadurch charakteri— ſiert, daß eine Kolonie alljährlich mehr oder weniger regelmäßig ihr Neſt wechſelt. Es tut dies mit Vorliebe Formica sanguinea, welche „Winter— und Sommerneſter“ beſitzt und je nach der Jahreszeit in den erſteren oder letzteren ſich aufhält. Da der Winter die Zeit der Ruhe, und der Sommer die Zeit der Arbeit iſt, kann man auch von „Ruhe- und Arbeitsneſtern“ ſprechen. Während wir für die gelegentlichen Umzüge eine ganze Reihe ver— ſchiedener Urſachen kennen lernten, werden die periodiſchen Umzüge alſo vor allem durch klimatiſche Einflüſſe beſtimmt. Im übrigen verweiſe ich auf die Ausführungen im Kap. IV. c) Wanderungen der Dorylinen. Die bisher beſprochenen Wande— rungen ſtellen nur mehr oder weniger vereinzelte kürzere Epiſoden im Leben der Ameiſen dar; anders bei den Dorylinen, bei denen der größte Teil ihres Lebens auf der Wanderung ſich abſpielt. Gleich wie die Zigeuner unter Menſchen, kennen dieſe „Wanderameiſen“ keine Heimat; ſie ziehen von einem Ort zum anderen, überall nur kurze Zeit bleibend. Sind die Nahrungsquellen einer Gegend erſchöpft, ſo packen ſie auf und ziehen mit „Sack und Pack“ in ein anderes Terrain, wo es noch etwas zu jagen gibt. Sie errichten deshalb auch keine feſten, ſoliden Neſter, ſondern benutzen natürliche Höhlungen (morſche Bäume, Felsſpalten uſw.) für die kurze Zeit ihres Aufenthaltes als Obdach, oder ſie bilden auch lebende Neſter, indem ſie ſich zu größeren oder kleineren Kugeln vereinigen (ſ. Kap. IV, B). Wir müſſen übrigens auch bei den Wanderameiſen unterſcheiden zwiſchen Jagdzügen und wirklichen „Wanderungen“. Erſtere werden nur von einem Teil der Kolonie unternommen behufs Herbeiſchaffung von Beute; ſie gehen vom Lagerplatz bzw. dem Wanderneſt aus und kehren auch wieder dahin zurück. An den Wanderungen dagegen beteiligt ſich die geſamte Kolonie; es wird dabei nur wenig gejagt, da die meiſten Ameiſen mit dem Transport der Brut vollauf beſchäftigt ſind. Savage, Bates und Belt geben ausführliche und anſchauliche Beſchrei— bungen über die Züge der verſchiedenen Dorylinen, erſterer über die äthiopiſchen Formen (Anomma), die beiden letzteren über die der neotropiſchen Ecitonen. Wenn auch die verſchiedenen Arten in einigen Punkten abweichende Gewohnheiten Wanderungen. Krankenpflege, Spiele uſw. 135 zeigen, ſo ſtimmen ſie doch betreffs der Art und Weiſe ihrer Züge im weſentlichen überein: ſie marſchieren in gewaltigen Heeren entweder in ſchmalen, dichten Kolonnen (vier bis ſechs Ameiſen breit) oder in mehr oder weniger unregel— mäßigen, dichten Maſſen. Welche Unzahl von Individuen an ſolchen Wande— rungen teilnehmen, geht daraus hervor, daß Bates Kolonnen von 60 bis 70 m Länge (und mehr) beobachtet hat. Die Reihen ſind ſo dicht gedrängt, daß ſie einer kompakten Maſſe gleichen — „einem dunklen Band, welches ſich vor unſeren Blicken entfaltet, oder einer langen Schlange, deren Kopf und Schwanz infolge der Länge gar nicht zu ſehen ſind“. An der Außenſeite der Kolonnen marſchieren in größeren oder kleineren Abſtänden großköpfige, mit langen zangenartigen Mandibeln ausgerüſtete Individuen (die „Soldaten“, ſ. Kap. II), deren Funktion noch nicht aufgeklärt iſt. Man bezeichnet dieſe Individuen zwar gewöhnlich als „Offiziere“ und ſpricht ihnen die Funktionen zu, den Marſch zu überwachen uſw., doch find das lediglich Vermutungen, die durch nichts bewieſen ſind. Es gibt blinde und ſehende Dorylinen, ſogar in ein und derſelben Gattung; die blinden wandern vorzugsweiſe bei Nacht oder unter beſonderen Erd— gewölben, welche ſie ſelbſt mit unglaublicher Schnelligkeit während des Vor— rückens errichten (Anomma, Eeiton coecum), oder aber, wie die Dorylus— Arten, mehr oder weniger tief unter der Erde. Über die Schutz- und Verteidigungsmaßregeln auf den Wanderungen gegen Angriffe oder bei Über— ſchwemmungen wurde oben jchon einiges gejagt. Wie gefürchtet die Züge der Dorylinen ſind, wie alle Inſekten, Spinnen, Schlangen, Ratten und Mäuſe, ja ſelbſt die Menſchen vor ihnen ſich flüchten, das möge man in der Schilderungen von Savage oder Bates nachleſen ). 5. Krankeupflege, Spiele uſw. a) Krankenpflege. Wir haben eben gehört, daß die Ameiſen bei Umzügen ſich gegenſeitig tragen. Es iſt dies aber nicht etwa als ein Akt des „Mitleides“ aufzufaſſen; denn die Getragenen ſind keineswegs lauter ſchwache oder kranke Individuen, ſondern ſtehen den Trägern vollkommen gleich; ja, mitunter ſind es gerade die größten Individuen, welche ſich von den kleineren transportieren laſſen. Diejenigen, die gerade die Initiative zum Umzug ergriffen und eine neue geeignete Stelle zur Niederlaſſung entdeckt haben, übernehmen auch oder beginnen wenigſtens den Transport, da ſie durch dieſe Methode ihr Ziel am einfachſten, ſicherſten und ſchnellſten erreichen. Etwas mehr ſchon gleicht es einem Wohltätigkeitsakt oder einer wirklichen Hilfe, wenn die Ameiſen eine von ihren Kameradinnen, die ſich verirrt hat und ſich nicht mehr zu orientieren vermag, aufpacken und in das Neſt zurück— bringen. ) Wenn auch durch die genannten Forſcher u. a. (Wheeler, Forel) die Biologie der Wanderameiſen ſchon in vielen Punkten klargeſtellt iſt, ſo gibt es doch noch mehr ungelöſte als gelöſte Fragen; und es würde ſich zweifellos lohnen, eine Reiſe ſpeziell zum Studium der Dorylinen zu unternehmen. 136 Verſchiedene Lebensgewohnheiten. Die höchſte Analogie mit den Handlungen menſchlicher Mitleidsaffekte aber liegt in den Handlungen, welche die Ameiſen mitunter ihren kranken Gefährtinnen gegenüber ausüben („Krankenpflege“). Latreille, Forel, Lubbock, Wasmann u. a. haben eine Menge Tatſachen mitgeteilt, aus denen unzweifelhaft hervorgeht, daß kranke oder ſchwach beſchädigte Ameiſen zuweilen von ihren Kameradinnen gepflegt werden. Die Pflege beſteht haupt- ſächlich im Belecken: eine durch Ameiſenſäure faſt völlig gelähmte Formica sanguinea, welche Wasmann in ihr heimatliches Neſt ſetzte, wurde von ihren Gefährtinnen, Herren wie Sklaven (kusca), „ſorgfältig beleckt und dann um— gewendet und wieder beleckt, dann mit den Fühlern unterſucht und wieder beleckt“. „Der Erfolg dieſer Kur war ein vollſtändiger. Das kranke Individuum war am nächſten Tage wieder völlig hergeſtellt, während es ohne jede Pflege wahrſcheinlich geſtorben wäre, wie es mit einer durch Gift gelähmten Ameiſe gewöhnlich der Fall iſt“ (Wasmann 1900, S. 20). Die Krankenpflege iſt bei den Ameiſen aber keineswegs Regel ohne Aus— nahme; im Gegenteil, es ſind auch viele Fälle bekannt, in denen ſich die Ameiſen um Kranke und Verwundete nicht im geringſten kümmerten und ſie einfach verkommen ließen oder ſogar aus ihrem Neſt ſchafften und zum Abfallplatz brachten. Dieſe Fälle ſind vielleicht noch häufiger als die erſteren, beſonders wenn es ſich um ſchwer verletzte Individuen handelt. Lubbock berichtet eine ganze Reihe ſolcher Tatſachen, wo die Ameiſen an ihren kranken Gefährtinnen dutzend Male ruhig vorbeiliefen, ohne ſie zu beachten oder gar zu pflegen ). Auch MeCook erzählt ähnliches von der Honigameiſe, welche ſogar ihre koſtbaren „Honigträger“, die verſchüttet oder ſonſtwie verletzt waren, einfach ihrem Schickſal überließen. Ferner ſteht auch die Tatſache, daß die Ameiſen, die von ſchädlichen Milben oder anderen läſtigen Paraſiten (Thorictus uſw.) beſetzt ſind, gewöhnlich von ihren Ge— fährtinnen nicht davon befreit werden, zu den obigen Fällen von „Kranken— pflege“ in direktem Gegenſatz. Aus dieſen Widerſprüchen geht aber am beſten hervor, wie verkehrt es iſt, die zuweilen vorkommende „Krankenpflege“ bei den Ameiſen mit den entſprechenden menſchlichen Handlungen auf eine Stufe zu ſtellen und beiden dieſelben Motive unterzulegen. b) Spiele. Manchmal ſehen wir die Ameiſen Handlungen ausführen, die keinem ernſten Zwecke zu dienen ſcheinen, und die wir deshalb als „Spiele“ bezeichnen. Wir können ſie als Ausfluß überſchüſſiger Muskelenergie betrachten. Es iſt allerdings ſehr ſchwierig, beſtimmt zu ſagen, ob eine Handlung ledig— lich „Spiel“ iſt oder ob ihr doch vielleicht irgend ein Zweck zugrunde liegt, zumal bei Ameiſen, die doch bezüglich ihrer Organiſation ſo unendlich weit vom Menſchen entfernt ſind. So kann z. B. das ſo häufig zu beobachtende ſcheinbar zweckloſe Herumtragen von Puppen oder Ameiſengäſten im künſt— ) Man kann ſich jederzeit von dieſer „Gefühlloſigkeit“ der Ameiſen überzeugen: man braucht nur eine oder mehrere Individuen auf einer vielbegangenen Ameiſen— ſtraße zu quetſchen, ſo wird man ſehen, daß die des Weges daherkommenden Kame— raden dem Verwundeten nicht immer ſofort zu Hilfe eilen, ſondern im Gegen— teil häufig in einem großen Bogen der Unglücksſtätte ausweichen. Bei Lasius fuliginosus wenigſtens erzielte ich ſtets prompt dieſe Reaktion! Krankenpflege, Spiele uſw. Literatur. 137 lichen Neſt ebenſogut zum Zeitvertreib geſchehen bzw. dem Bedürfnis, von dem Überſchuß an Muskelenergie ſich zu befreien, entſpringen, als auch dem Beſtreben nach beſſerem Schutz und Sicherheit für die betreffenden Tiere oder aͤhnlichem dienen. In manchen Fällen ſcheint aber in der Tat kaum eine andere Erklärung als die des „Spieles“ zuläſſig. Vor allem trifft dies für die Scheinkämpfe zu, welche die Ameiſen einer Kolonie mitunter, beſonders an ſonnigen Tagen, auf der Oberfläche ihrer Neſter miteinander aufführen. Schon Gould ſpricht von dieſen „ſportartigen Exerzitien“; ſodann haben auch Huber, Forel und Wasmann ſolche Kampfſpiele (bei Formica rufa, pratensis und sanguinea) beobachtet und beſchrieben. Beſonders anſchaulich ſchildert Huber dieſe Vor— gänge: Nachdem ſich die einzelnen Ameiſen (Formica rufa) gegenſeitig mit Fühlerſchlägen uſw. geliebkoſt, „erheben fie ſich auf ihre Hinterbeine und ringen richtig miteinander, packen ſich an den Mandibeln, Beinen oder Fühlern, laſſen dann wieder eine Zeitlang los, um bald wieder weiterzuringen; oder eine ſteigt der anderen auf den Rücken und beide umfaſſen ſich, überſchlagen ſich mehrmals, erheben ſich wieder und nehmen Revanche uſw.“ Mögen die Kämpfe noch ſo heftig erſcheinen, ſo tun ſich die Ringenden doch niemals etwas zu Leide und machen niemals von ihrem Gifte Gebrauch. Manchmal balgen ſich zwei Ameiſen um irgend einen Gegenſtand, z. B. einen kleinen Strohhalm ganz ähnlich wie junge Katzen um einen Ball. c) Verſammlungen. Es kommt zuweilen vor, daß in einem künſtlichen Neſt plötzlich die meiſten Ameiſen (wenn nicht überhaupt alle) am hellen Tage ſich eng vereinigen und längere Zeit beieinander bleiben. Gewöhnlich haben ſie dabei die Köpfe einander zugewandt und verhalten ſich vollkommen ruhig; nur die Fühler und Abdomen werden langſam und gemächlich hin- und herbewegt. In dieſer merkwürdigen Situation können die Ameiſen ſtunden-, ja tagelang verweilen, wie Miß A. Fielde (1901) einigemal bei Stenamma fulvum beobachtet hat. Wodurch dieſe „Verſammlungen“ veranlaßt werden und was ſie bezwecken, darüber wiſſen wir noch nichts. * Literatur. André, Erneſt, Les Fourmis. Kap. VI u. VII. Bates, W. H., Tbe Naturalist on the River Amazon. Belt, F., The Naturalist in Nicaragua. London 1874. Biro, L., Springende Ameiſen (Neu-Guinea). In: Rovart. Lapok 4, 73, 1897. 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Wir haben ja oben (Kap. VI) von den erbitterten lange dauern— den Kämpfen und Kriegen gehört, welche die einzelnen Ameiſenvölker ſo oft gegeneinander führen und welche meiſtens mit der völligen Aufreibung und Vernichtung eines derſelben enden. Die häufigſte Veranlaſſung dazu waren Grenzſtreitigkeiten, indem z. B. eine Geſellſchaft ſich zu nahe bei einer anderen, in deren Neſtbereich, nieder— zulaſſen verſuchte. Es gibt jedoch auch Ausnahmen, in welchen zwei oder mehrere Kolonien verſchiedener Arten ihre Neſter dicht nebeneinander oder in— einander errichten, oder in welchen die verſchiedenen Kolonien ohne jegliche räumliche Trennung in einem einzigen Neſt beiſammen wohnen und ſogar zu einer einzigen Kolonie verſchmelzen können. Wir ſprechen in ſolchen Fällen von „zuſammengeſetzten Neſtern“ oder „gemiſchten Kolonien“, je nach— dem es ſich bloß um ein räumliches Nebeneinander oder aber um eine ſoziale Verſchmelzung handelt, d. h. je nachdem die Kolonien unabhängig voneinander, jede für ſich, ihren Haushalt führen oder aber zu einer einzigen Kolonie, zu einem gemeinſchaftlichen Haushalt ſich vereinigt haben. Das Gebiet gehört zu den intereſſanteſten der Ameiſenbiologie; bedurfte es doch auch alles menſchlichen Scharfſinnes, um die mannigfaltigen Erſcheinungen richtig zu deuten und deren Urſachen zu ergründen. Eine Reihe von Forſchern haben ſich mit dem Problem beſchäſtigt; neben P. Huber, Forel, Adlerz und Wheeler hat ſich vor allem E. Wasmann darum verdient gemacht. Ich kann hier nur einen kurzen Auszug geben, und muß diejenigen, welche ſich eingehender mit der Frage beſchäftigen wollen, auf die Monographie Wasmanns (18911), ſowie auf die beiden umfangreichen Nachträge zu der— ſelben (Wasmann, 1901/02 und 1904) verweiſen. ) In Kürze ſoll eine zweite ſtark vermehrte Auflage dieſes Werkes, das in der inſektenbiologiſchen Literatur einen hervorragenden Platz einnimmt, erſcheinen. 140 Soziale Symbioſe. 1. Zuſammengeſetzte Neſter. Wasmann unterſcheidet „zufällige“ und „geſetzmäßige Formen“ von zuſammengeſetzten Neſtern, die erſten ſind eine ausnahmsweiſe Erſchei— nung und beruhen größtenteils auf der Häufigkeit der betreffenden Ameiſen und auf deren übereinſtimmenden Lebensbedingungen, die letzteren dagegen ſtellen ein, wenn auch nicht immer unbedingtes einſeitiges Abhängigkeits⸗ verhältnis dar, indem die eine (die kleinere) der Symbionten einen großen Vorteil daraus zieht oder ſogar darauf angewieſen iſt, daß ſie ihre Wohnung neben oder in dem Neſt einer anderen (größeren) Ameiſe einrichtet. a) Zufällige Formen. Es iſt gar keine ſeltene Erſcheinung, daß man unter einem Stein zwei oder drei verſchiedene Ameiſenarten antrifft, die ihr Neſt direkt nebeneinander angelegt haben. Lasius niger und flavus, Myr- mica-Arten, Tetramorium caespitum, Formica fusca und viele andere find verſchiedentlich auf dieſe Weiſe benachbart. Alte Baumſtrünke haben ebenfalls häufig mehr als eine Ameiſenkolonie zu Bewohnern: unter der Rinde z. B. Lasius alienus, direkt daran angebaut das Kuppelneſt von Lasius flavus. Auch auf lebenden Bäumen haben ſich oft mehrere Arten dicht beieinander angeſiedelt; jo finden ſich auf Nußbäumen nicht ſelten drei Arten (Colobopsis truncata, Dolichoderus quadripunctatus und Leptothorax affinis) bei- ſammen (Forel 1901), und auf einer alten Weide bei der berühmten Oran— gerie Straßburgs fand ich ſogar vier Arten vereinigt: in der Höhlung des Stammes eine mächtige Kolonie von Lasius fuliginosus, unter der Rinde mehrere Leptothorax-Kolonien, am Fuß des Stammes ein Neſt von Lasius umbratus und endlich auch in den Aſten Dolichoderus quadripunctatus. Was hat die verſchiedenen Ameiſen ſo nahe zuſammengeführt? Rein äußere Momente, d. h. die verſchiedenen Arten ſuchen nicht ihre gegenſeitige Nähe auf, ſondern lediglich den Baum, den Stein uſw., ebenſo wie die Aas— inſekten lediglich durch das Aas und die Mauerbienen lediglich durch die Lößwand zuſammengeführt werden (exogene Aſſoziation). Irgendwelche Be— ziehungen zwiſchen den Nachbarn beſtehen nicht; jede Kolonie lebt vollſtändig für ſich und iſt gegen die anderen abgeſperrt. Wird die trennende Scheide— wand entfernt, ſo iſts auch um den Frieden geſchehen und ſofort ent— ſpinnen ſich die heftigſten Kämpfe. So wie ich auf der alten Weide die Rinde über einem der Leptothorax-Neſter entfernte, ſtürzten ſich ſofort die Lasius fuliginosus über die Brut her und plünderten das Neſt aus. Eins iſt allerdings auffällig, daß nämlich die Nachbarn bei Begegnungen auf ihren Wegen außerhalb des Neſtes ſich nichts tun, ſondern ſich vollkommen ignorieren. Dieſes dürfte auf einem durch die Not diktierten Friedensſchluß, dem wohl längere Plänkeleien vorausgegangen, beruhen (vgl. Kap. VI, 3). Dieſen „rein zufälligen“ Formen reiht Wasmann „minder zu— fällige“ Formen an, bei denen „einem der beiden Teile ein beſonderer wohnlicher Vorteil aus dem Zuſammenleben mit der anderen Art erwächſt“. Hierher gehört die von Me Cook und Wheeler berichtete Erſcheinung, daß in den Bauten der Pogonomyrmex-Arten, vorzüglich auf dem den Neſt— Zuſammengeſetzte Neiter. 141 fegel umgebenden ſcheibenförmigen Hofraum, ſich häufig fremde Ameiſen— kolonien finden (Dorymyrmex pyramicus, Form. sanguinea, Forelius foe— tidus uſw.). Auch die Haufen unſerer Waldameiſen ſind verſchiedentlich von fremden Arten (Lasius, Myrmica, Tetramorium) bewohnt. Wir dürfen in dieſen Fällen wohl annehmen, daß die Fremdlinge nicht rein zufällig in die Pogonomyrmex- oder Formica-Neſter geraten find, ſondern daß ſie durch die wohnlichen Vorteile, deren gerade dieſe Neſter ja nicht wenig beſitzen (gleichmäßige hohe Temperatur, Schutz gegen Regen uſw.) angezogen wurden. Bei dieſen Formen von zuſammengeſetzten Neſtern läßt ſich bereits ein „zweckurſächlicher Zuſammenhang“ erkennen; ſie ſtehen auf einer höheren Stufe als die rein zufälligen und leiten zu den geſetzmäßigen Formen über. Sie kommen letzteren um ſo näher, je regelmäßiger ſie auftreten. Eine ganz beſondere Form von zuſammengeſetzten Neſtern entdeckte Forel in Columbien. Ein kleiner Dolichoder us und ein noch kleinerer Cre= matogaster, beide tief ſchwarz und glänzend, bewohnten meiſtens — nicht immer — ein und dasſelbe Neſt eines Baumtermiten und zwar ohne irgend— welche räumliche Trennung. Jede der beiden Arten hat ihren ge— trennten Haushalt und bewohnt ihre beſtimmten Kammern und Gänge, obwohl dieſelben alle offene Zugänge hatten. Ein friedliches Nebeneinander ohne Miſchung! Forel bezeichnete dieſes Verhältnis als „Parabioſe“. Da die beiden Arten nicht ſtets in dieſer Vereinigung, ſondern mitunter auch iſoliert angetroffen wurden, ſo iſt die Parabioſe den zufälligen Formen ein— zureihen, deren Entſtehung wohl durch die übereinſtimmende Vorliebe für gewiſſe Termitenneſter verurſacht wird. Wheeler (1901) fand einen weiteren Fall von Parabioſe in Mexiko in Tillandsia-Büſcheln. In den Zwiſchenräumen zwiſchen den zuſammengefalteten Blättern leben nicht ſelten zwei oder drei verſchiedene Arten (Urematogaster, Camponotus, Cryptocerus) friedlich beiſammen, ohne ſich aber zu einer Kolonie zu miſchen. Auch hier handelt es ſich um zufällige Formen, da keine der fraglichen Arten auf das Niſten in Tillandsia angewieſen iſt. b) Geſetzmäßige Formen. Die geſetzmäßig im Neſtbezirk anderer Ameiſen lebenden Formiciden ſcheiden ſich in „Diebsameiſen“ und Gaſt— ameiſen“. %) Diebsameiſen. — Als tuypiſches Beiſpiel der Diebsameiſen kann die winzige, gelbe Solenopsis fugax Ltr. gelten. Sie lebt normalerweiſe in zuſammengeſetzten Neſtern mit verſchiedenen größeren Arten wie Formica sanguinea, rufibarbis, fusca, pratensis, Polyergus, Lasius alienus, Myrmica, Tetramorium uſw. Ihr Neſt liegt neben oder teilweiſe in jenem der Nachbarn und beſteht aus Kammern und größeren Gängen für die Brut und die großen Geſchlechtstiere und aus überaus feinen Gängen („Diebspfaden“) für die Arbeiter. Da nun dieſe Diebspfade ſo eng ſind, daß die großen Wirts— ameiſen ſich nicht darin bewegen können, ſo iſt letzteren der Eintritt in die Solenopsis-Neſter verjagt. Der zweite Grund, warum die großen Ameiſen das kleine Diebesvolk bei ſich dulden, beſteht darin, daß ſie demſelben nichts anzuhaben vermögen. Denn die Solenopsis leben meiſtens in ungeheuren volkreichen Kolonien, find 142 Soziale Symbioſe. ferner ſehr mutig und beſitzen einen gefährlichen Giftſtachel; dazu kommt, daß ſie ſo winzig ſind, daß ſie von den großen Wirtsameiſen gar nicht oder nur ſchwer geſehen werden. „Die große Ameiſe, z. B. die durch Mut und Kraft hervorragende Formica sanguinea wälzt ſich, von den Diebsameiſen ange— griffen, alsbald wütend auf dem Boden, ſucht nach dem Gegner zu beißen und ihn aus ihrem eingekrümmten Hinterleibe mit Gift zu übergießen. Aber es iſt, als ob ſie ihn nicht fände, meiſt beißt und ſpritzt ſie neben ihm vorbei“ (Wasmann). Die Solenopsis ſtellen alſo trotz oder vielmehr infolge ihrer Kleinheit einen furchtbaren, unüberwindlichen Gegner der größeren Wirtsameiſen dar, ſo daß letzteren nichts anderes übrig bleibt, als die Diebe nolens volens bei ſich zu be— halten. Was ſuchen nun die Sole- nopsis bei den großen Ameiſen? Vor allem die Brut ihrer Wirte, die ihnen reichliche und will— kommene Nahrung darbietet. Durch die ſchmalen Diebspfade ſchleichen fie ſich in die Brut⸗ räume der Wirte und tun ſich an deren Larven und Puppen gütlich. Wenn auch hier und da Solenopsis mit Aphiden angetroffen werden, ſo iſt doch „das ehrliche Handwerk“ (der Blattlauszucht) ſicherlich nicht als Hauptgeſchäft anzuſehen, Solenopsis fugax Ltr. X Männchen, B Weibchen, C Arbeiter 1 za u Mestre (ſtark vergrößert), D Neft mit den „Diebspfaden“ (ſchmalen die häufigen tatſächlichen Diebe⸗ Gängen), welche mit den breiten Gängen der Wirtsameiſe reien und die ſehr feindſeligen kommunizieren. Nach Wasmann, aus Wheeler. 5 = Beziehungen zu ihren Nachbarn laſſen ihren Charakter als Diebsameiſe als den vorherrſchenden er— ſcheinen n) (Wasmann). Bei uns iſt Solenopsis fugax die einzige Diebsameiſe; in Nordafrika dagegen gibt es drei (Solen. orbula Em., latro Forel und oraniensis Forel). In Nordamerika iſt die S. kugax durch eine nahe Verwandte, Sol. debilis, vertreten, welche aber nicht ausſchließlich in den Neſtern anderer Ameiſen als Dieb lebt, ſondern auch in menſchlichen Wohnungen vorkommt und dadurch ſogar zur Hausplage werden kann ). Außer Solenopsis ſcheinen auch noch andere Gattungen Diebsameiſen zu enthalten; jo leben nach Wheeler (1901) manche Strumigenys-Arten, ) Wheeler bezeichnet daher auch das Verhältnis der Solenopsis zu ihren Nachbarn als „Cleptobioſis“, Forel als „Leſtobioſe“. ) Wir dürfen daher dieſe Art nicht als „geſetzmäßige“ Diebsameiſe bezeichnen! Zuſammengeſetzte Neſter. 143 ferner eine Monomorium- und eine Pheidole-Art (lamia Wheel.) als Diebe bei anderen Ameiſen. 6) Gaſtameiſen. — Während zwiſchen den Diebsameiſen und ihren Nachbarn ſtets eine feindliche Spannung herrſcht, ſo ſind die Beziehungen zwiſchen den Gaſtameiſen und ihren Wirten ſtets friedliche (indifferente) oder ſogar ausgeſprochen freundſchaftliche. Die Gaſtameiſen ſind daher auch lange nicht ſo international wie die Diebsameiſen, ſondern vielmehr auf eine oder höchſtens zwei beſtimmte Wirtsarten angewieſen. Bei uns iſt bis jetzt nur eine Gaſtameiſe bekannt, nämlich Formico— xenus nitidulus Nyl. Dieſelbe iſt ein niedliches, ſchlankes, gelblichrotes bis braunes Ameischen von glänzender Körperglätte. Die 8 iſt 2,3 bis 3 mm lang, das 9 nur wenig größer, das ' ergatoid (vgl. Kap. II). Sie iſt über Nord⸗ und Mitteleuropa verbreitet und wurde verſchiedentlich in der Schweiz (Forel), in Frankreich (Janet), im Rheinland, in Holland (Wasmann) und in Schweden (Adlerz) gefunden. For micoxenus lebt ausſchließlich bei Formica rufa und pratensis. Ad— lerz, der die Gaſtameiſe am eingehendſten ſtudierte, fand die Neſter derſelben meiſt im Innern der rufa-Haufen, aus feinem Material der letzteren gebaut, ſelten in der äußeren Decke des Haufens, und einmal in den Spalten eines morſchen Eichenſtammes, über welchem die ruta ihr Neſt errichtet hatten. Was— mann fand eine Formicoxenus-Kolonie unter anderem im Puppengehäuſe einer Cetonia floricola (Käfer), welche als Larve in den rufa-Haufen lebt. Nach demſelben Autor erinnert das Neſt der Gaſtameiſe nicht wenig an ein Vogel— neſt, ſowohl durch die napfförmige Geſtalt, als auch durch das zu demſelben verwendete Baumaterial. Der Umfang des Neſtes erreicht höchſtens den— jenigen einer kleinen Nußſchale. Die Kolonien ſind klein und zählen gewöhn— lich nur einige hundert Mitglieder, während die Solenopsis-Kolonien hundert— tauſende von Arbeitern umfaſſen können. Wenn Formicoxenus auch ſeine eigenen Neſtkammern anlegt, um in den— ſelben ſeine Brut zu bergen, ſo iſt die Trennung doch bei weitem nicht ſo ſtreng durchgeführt wie bei der Diebsameiſe, indem zu den Kammern breite, Hauch dem Wirt zugängliche Wege führen. Die Beziehungen der Gaſtameiſe zu den Wirten ſind auch völlig friedliche, oder vielmehr gleichgültige. Beide nehmen voneinander nicht die geringſte Notiz; dabei läuft die Kleine nicht ſelten unter oder über der Großen hinweg, ohne daß dieſe es zu bemerken ſcheint. Wenn es auch hier und da zu kleinen Auftritten zwiſchen den beiden kommt, ſo führen dieſe doch niemals zu ernſten Konflikten. Wasmann ſucht das friedliche Verhalten der Waldameiſen gegen For- micoxenus dadurch zu erklären, daß „die Berührung mit letzteren auf den Taſt⸗ und Geruchſinn der erſteren einen indifferenten Eindruck macht. Ihre Neugierde ſcheint nur dann zu erwachen, wenn ſie zufällig einmal das vor— übereilende Tierchen ſehen — gewöhnlich begegnen ſie demſelben ja nur im dunkeln Neſtinnern —; dann prüfen ſie es mit ihren Fühlern und nehmen es ſogar zwiſchen ihre Zangen. Die kleine Gaſtameiſe hält ſich unbeweglich ſtill und ſpielt die Scheintote. Weil das kleine Ding ſich nicht mehr bewegt, 144 : Soziale Symbioſe. iſt die Angriffsluſt der Waldameiſe abgekühlt, ſie öffnet ihre Kiefer und For— micoxenus läuft weiter“ (Wasmann) . Der Vorteil, den die Gaſtameiſe im rufa-Neſt genießt, liegt wohl in erſter Linie in der Sicherheit und dem Schutz gegen die Angriffe feindlicher Ameiſen, und ſodann wohl auch in der höheren gleichmäßigen Temperatur, welche in dem großen ruka-Haufen herrſcht und welche der Entwickelung der Brut ſehr förderlich iſt. Vielleicht findet ſie auch noch eine beſondere Nah— rung; doch iſt darüber noch nichts bekannt. Iſt das Verhältnis zwiſchen der europäiſchen Gaſtameiſe und ihren Wirten als ein indifferentes zu bezeichnen, ſo ſind die Beziehungen der von Wheeler entdeckten nordamerikaniſchen Gaſtameiſe, Leptothorax emer- soni, zu ihren Wirten ausgeſprochen freundſchaftliche zu nennen ). Gleich- wie Formicoxenus, erbaut auch dieſe Ameiſe im Neſt der Wirte, Myrmica brevinodis, ein eigenes kleines Neſt, das aber nur durch ſchmale Zugänge mit den Galerien des Wirtsneſtes in Verbindung ſteht. Während die Königin und die Brut ſtets in dieſem Sonderneſt verbleiben, unternehmen die Arbeiter Ausflüge in die Galerien der Wirte, um dort Nah— rung zu holen. Sie verſchaffen ſich dieſelbe nicht = in diebiſcher Weile wie die Solenopsis, ſondern 8 holen ſie ſich größtenteils aus dem Munde ihrer Wirte, indem ſie auf den Rücken der letzteren klettern und von hier aus deren Kopf ſo lange belecken und betrillern, bis jene einen Flüſſigkeitstropfen ausbrechen. — Außerdem beziehen ſie auch noch dadurch Nahrung von ihren Wirten, daß ſie das auf der Oberfläche derſelben ausgeſchiedene Sekret Neſt von Leptothorax emersoni ablecken. (a) in dem Weit von Myrmica R 3 285 Prein (07 25 8 > Es beſtehen alſo hier bereits poſitive Freund— gang. Nach Wheeler. ſchaftsbeziehungen zwiſchen den Nachbarn. Nutzen zieht allerdings wohl nur die Gaſtameiſe aus dieſer Freundſchaft, während die Wirtsameiſen eher geſchädigt werden. Es findet ſich daher unſer Leptothorax niemals ohne Myrmica, dieſe dagegen nicht ſelten ohne Leptothorax. Die Neſtvereinigung Leptothorax emersoni + Myrmica brevinodis ſtellt die höchſte Stufe der „zuſammengeſetzten Neſter“ dar. Geht die Freundſchaft der zuſammenwohnenden Arten noch weiter als hier, ſo kann man ſchon nicht mehr gut von „zuſammengeſetzten Neſtern“ reden. Es ſcheint aber, daß die Entwickelung, die mit den rein zufälligen Formen begonnen, mit den Leptothorax-Myrmica-Neſtern ihren natürlichen Abſchluß gefunden. Denn die „gemiſchten Kolonien“, die im folgenden zu beſprechen ſind, haben ſich zum weitaus größten Teil ſicherlich nicht aus zuſammengeſetzten Neſtern, ſondern auf ganz anderer Grundlage entwickelt. Nur bei einer Form von ge— miſchten Kolonien (Tomognathus-Leptothorax) iſt die Entſtehung auf der Baſis zuſammengeſetzter Neſter nicht ausgeſchloſſen. ) Erſteres Verhältnis entſpricht in jeder Weiſe der „Synoekie“, letzteres der „Symphilie“ der individuellen Symbioſe oder Myrmekophylie (vgl. Kap. IX). Fig. 48. Gemiſchte Kolonien. 145 2. Gemiſchte Kolonien (Sklaverei). Das Hauptkriterium der gemiſchten Kolonien beſteht darin, daß die bei— ſammenwohnenden fremden Ameiſenarten zu einer gemeinſamen Haus— haltung, zu einer gemeinſamen Kolonie verſchmelzen. Alle anderen Merkmale ſind unzuverläſſig, ſo z. B. iſt das Fehlen jeder räumlichen Schei— dung nicht ausſchließlich für die gemiſchten Kolonien gültig, ſondern trifft auch für gewiſſe Formen von zuſammengeſetzten Neſtern (Parabioſe) zu. Zwiſchen den verſchiedenen Arbeiterameiſen einer gemiſchten Kolonie herrſcht vollkommene Gleichheit, gerade jo wie zwiſchen den Arbeiter— ameiſen einer einfachen Kolonie. Genau dieſelben Staatsgeſetze gelten für die „Sklaven“ wie die „Herren“. Die erſteren leben in der fremden Kolonie ganz frei, d. h. nach denſelben angeborenen Inſtinkten, die zu Hauſe ihre Lebensregel gebildet hätten; ſie arbeiten für ihre „Herren“, verprovian— tieren ſie und erziehen ihre Brut als ob es ihre eigene Stammeskolonie wäre. Es ſind alſo keine „Sklaven“ im menſchlichen Sinne, die nur gezwungen unter Peitſchenhieben arbeiten. „Sklaven“ heißen ſie nur deshalb, weil ſie aus geraubten Puppen ſtammen, im Neſte einer fremden Art leben und für dasſelbe arbeiten. Andererſeits ſprechen wir von „Herren“ nur deshalb, weil ſie die Puppen der fremden Ameiſen geraubt haben, aus denen ihre Hilfs— ameiſen ſtammen (Wasmann). Die gemiſchten Kolonien, die uns bis jetzt bekannt ſind, zeigen eine große Mannigfaltigkeit bezüglich ihrer Entſtehung, Zuſammenſetzung, Zeit— dauer uſw.; ſo beſtehen die einen nur zeitweiſe, die anderen dauernd; die einen entſtehen durch Adoption, die anderen durch Allianz und wieder andere durch Raub; die einen ſetzen ſich aus zwei vollkommenen Kolonien, deren jede ihre Geſchlechtstiere beſitzt, zuſammen, bei den anderen kommen nur einem der Komponenten Königinnen zu, während der andere nur Arbeiter beſitzt uſw. Die Veranlaſſung zur Bildung gemiſchter Kolonien iſt darin zu ſuchen, daß die Weibchen gewiſſer Ameiſen !)) die Fähigkeit, ſelbſt— ſtändig neue Kolonien zu gründen, verloren haben. Infolgedeſſen ſind ſie gezwungen, ſich entweder von Arbeitern derſelben Art, oder aber von Arbeitern (bzw. einer weiſelloſen Kolonie) einer anderen Art aufnehmen zu laſſen, oder drittens ſich einem befruchteten fremden Weibchen anzuſchließen, welches neben ihrer eigenen Brut auch die der Genoſſin aufzieht (vgl. Kap. III). Im erſten Falle entſteht eine einfache, im zweiten eine gemiſchte Kolonie („Adoptionskolonie“), in welcher nur die eine Art (die adoptierte) Ge— ſchlechtstiere beſitzt, und im dritten Falle wieder eine gemiſchte („Allianz— kolonie“), in welcher aber beide Komponenten Geſchlechstiere beſitzen. Wir könnten auf Grund dieſer Verſchiedenheiten unſere Beſprechung dis— ponieren, indem wir eine Reihe von getrennten Gruppen nebeneinander be— ſprechen, doch wollen wir davon abſtehen, und lieber, dem Wege der phylo— ) Die betreffenden Weibchen zeichnen ſich gewöhnlich durch ihre auffallende Kleinheit aus. Eſcherich, Die Ameiſe. 10 146 Soziale Symbioſe. genetiſchen Entwickelung folgend, die einzelnen Formen in acht Stufen behandeln. Nirgends in der ganzen Ameiſenbiologie iſt die Phylogenie ſo klar erhellt wie hier, beſonders durch die jüngſten Entdeckungen Wheelers und Wasmanns. Erſte Stufe (Formica consocians und truncicola ). Die erſte Stufe in der Entwickelung der gemiſchten Kolonien wird durch die „temporären“ Formen ) repräſentiert, mit denen uns erſt vor kurzem Wheeler (1905) und Wasmann (1905) bekannt gemacht haben. Die Weibchen von Formica consocians (in Nordamerika) und truncicola (in Europa) ſind nicht mehr imſtande ſelbſtändig eine neue Kolonie zu gründen; ſie ſuchen daher ſchwache weiſelloſe Kolonien einer anderen verwandten Formica -Art auf (erſtere F. incerta, letztere F. fusca) und laſſen ihre erſte Brut von den Arbeitern derſelben erziehen. Die Hilfsameiſen ſterben natürlich mangels friſchen Nachwuchſes mit der Zeit aus, ſo daß nun die Kolonie wieder zu einer ungemiſchten einfachen wird. Es handelt ſich hier alſo lediglich um eine zeitweilig gemiſchte Kolonie zum Zweck der Kolonie— gründung. Zweite Stufe (Formica truncicola). Nachdem die F. truncicola durch Ausſterben ihrer Hilfsameiſen zu einer einfachen Kolonie geworden, kann ſie wiederum Arbeiterpuppen der urſprünglichen Hilfsameiſe rauben und aufziehen und ſo zum zweitenmal zu einer gemiſchten Kolonie werden; dieſelbe iſt nun aber nicht mehr als Adoptions⸗, ſondern als „Raubkolonie“ zu bezeichnen. Bis jetzt iſt dieſe Stufe nur im künſtlichen Neſt (Wasmann) mit Sicherheit feſt⸗ geſtellt, ob ſie auch in der freien Natur vorkommt, muß erſt die weitere Beobachtung lehren. Dritte Stufe (Formica wasmanni Em.). Wie F. consocians und truncicola, jo bildet auch die nordamerikaniſche wasmanni zum Zweck der Koloniegründung eine temporär gemiſchte Kolonie mit einer anderen Formica-Art (subsericea); im Gegenſatz zu jenen ſorgt ſie aber dafür, daß ihre Hilfsameiſen nicht ſo ſchnell ausſterben, ſondern ihr wenigſtens ſo lange zur Seite ſtehen, bis ihre Kolonie die eigene normale Volkszahl erlangt hat. Sie erreicht dies auf die Weiſe, daß ſie — was truncicola ausnahmsweiſe im künſtlichen Neſt getan — regelmäßig noch eine Zeitlang Arbeiterpuppen ihrer Hilfsameiſen (subsericea) raubt und erzieht. Die gemiſchten Kolonien wasmanni + subsericea haben alſo erſtens einen längeren Beſtand als die obigen, und find zweitens nicht mehr reine Adoptions- kolonien, ſondern gehen aus ſolchen ſtets in Raubkolonien über. Vierte Stufe (Formica sanguinea und ihre nordamerikaniſchen Rafjen). F. sanguinea geht noch einen Schritt weiter als wasmanni, indem bei ihr der Inſtinkt, Arbeiterpuppen ihrer Hilfsameiſen zu rauben, dauernd beſtehen bleibt oder höchſtens erſt dann, wenn die Kolonie unge— ) Hierher gehören wahrſcheinlich noch folgende nordamerikaniſche Arten: For- mica microgyna Wheel. (mit fusca vereinigt), Form. montigena Wheel. (mit incerta), Form. exseetoides Forel (mit subsericea) und endlich Stenamma tenesseense (mit Sten. fulvum). ) Wheeler bezeichnet dieſe Form als „temporären Paraſitismus“. Formica sanguinea. 147 wöhnlich volkreich geworden iſt, erliſcht. F. sanguinea bildet alſo in den weitaus meiſten Fällen !) dauernde gemiſchte Kolonien, die natürlich zuerſt primäre Adoptions- und ſodann ſekundäre Raubkolonien darſtellen. Dementſprechend gibt es auch ein Übergangsſtadium, in welchem die Kolonie zugleich primär und ſekundär gemiſcht iſt, d. h. in welchem noch viele von den urſprünglichen alten Hilfsameiſen leben, während die sanguinea bereits beginnen, neue Puppen zu rauben und einzutragen. Die normalen Hilfsameiſen der sanguinea find Formica fusca oder rufibarbis oder (im ſüdlichen Mitteleuropa) cinerea. Nicht ſelten kommen zwei dieſer Arten zugleich mit sanguinea vor, jo daß eine dreifach gemiſchte Kolonie entſteht. Ausnahmsweiſe können auch andere Formica-Arten (rufa, pratensis) der sanguinea als Hilfsameiſen (Sklaven) dienen, und zwar ent— weder allein oder neben den normalen Sklaven. Es gibt da die verſchiedenſten Kombinationen, z. B. sang. + pratensis, oder sang. + pratensis + fusca, oder sang. + rufa + fusca, oder sang. + rufo-pratensis + rufa + fusca uſw., alſo ſogar vierfach gemiſchte Kolonien! Die Entſtehung dieſer anormal gemiſchten Kolonien kann nicht nach einer einzigen Schablone erklärt werden, ſondern bedarf von Fall zu Fall einer erneuten Analyſe. Am häufigſten dürfte das Moment in Betracht kommen, daß die anormale Sklavenart (rufa oder pratensis) bei der nor— malen (fusca) erzogen worden iſt, jo daß alſo der kusca-Geruch noch an ihr haftet. Dabei iſt natürlich vorauszuſetzen, daß die sanguinea urſprünglich als normale Adoptionskolonie sang. + fusca entſtanden iſt. Auf alle die verſchiedenen anormalen sanguinca-Kolonien im einzelnen einzugehen, iſt mir natürlich in dieſer kurzen Überſicht verſagt. Nur ein Fall ſei hier erwähnt, der zeigen ſoll, wie verſchlungen die Wege ſein können und wie ſchwierig die Analyſe mitunter iſt. Es handelt ſich um die von Wasmann beobachtete dreifach gemiſchte Kolonie sanguinea + fusca + pratensis. Zuerſt war fie eine normale Adoptionskolonie sanguinea + fusca, daraus wurde, wie gewöhnlich, eine normale ſekundäre Raubkolonie sanguinea + fusca. In dieſem Stadium ſchienen die sanguinea ihre Königin verloren zu haben. Die sanguinea gingen weiter auf Sklavenjagd und raubten nun pratensis— Puppen aus einer benachbarten ſehr jungen pratensis-Kolonie, welche ihrer— ſeits noch eine Adoptionskolonie pratensis + fusca war. Es entitand jo eine dreifach gemiſchte Kolonie sanguinea + fusca + pratensis, welche aber ohne Königin, alſo weiſellos war. Nun holten die pratensis-Sklaven ihre eigene pratensis-Königin aus ihrem Heimatneſt, das ſie bei ihren Streif— zügen wiedergefunden hatten. Damit war die Raubkolonie zu einer ſekundären Adoptionskolonie geworden und die pratensis haben, da ſie allein im Beſitz einer Königin waren, ihre Sklavenrolle mit der Herrenrolle vertauſcht. — Die Geſchichte geht noch weiter, die Kolonie machte noch manche Metamorphoſe durch, bis ſchließlich die pratensis-Kolonie zu einer einfachen ſelbſtändigen Kolonie geworden ([. Wasmann 1905, S. 260 bis 261). ) Sklavenloſe (einfache) sanguinea-Kolonien find ſelten und verhalten ſich zu den gemiſchten etwa wie 1:40. 10 * 148 Soziale Symbioſe. Daß gerade sanguinea jo häufig anormale Hilfsameiſen raubt und er- zieht, iſt einmal in der hohen Entwickelung des Sklavereiinſtinktes dieſer Ameiſe begründet und ſodann darin, daß die sanguinea größtenteils ſelbſt die Brutpflege beſorgen. Wenn letztere vornehmlich in den Händen der Sklaven liegen würde (wie in der nächſten Stufe), ſo würden die anormalen Miſchungen ſicherlich viel ſeltener auftreten. Fünfte Stufe (Polyergus, die Amazone). Der Inſtinkt, Arbeiterpuppen fremder Ameiſen zu rauben und zu er= ziehen, der ſogenannte Sklavereiinſtinkt, findet ſeine höchſte Entwickelung bei der Amazonenameiſe (Polyergus): er bleibt hier nicht nur dauernd beſtehen, ſondern nimmt auch die erſte Rolle im Leben ein; alle anderen Inſtinkte treten gegen ihn ſo ſtark in den Hintergrund, daß ſich ihre Tätigkeit faſt ganz auf Raubzüge bzw. Sklavenjagden beſchränkt. Kein Wunder, daß dieſe Einſeitigkeit auch morphologiſch ihren Ausdruck findet, und daß ſich beſonders geeignete Organe (Waffen) für die Sklaven— jagden ausgebildet haben. Es ſind dies die Mandibeln, die ſichelförmig gekrümmt und mit äußerſt ſcharfer Spitze verſehen, und deren Innenränder glatt bzw. nur mit mikroſkopiſch kleinen Zähnchen beſetzt find (vgl. Fig. 7 B). Dieſe Sicheln ſtellen furchtbare Waffen dar, indem ſie zur Durchbohrung der feindlichen Ameiſenſchädel vorzüglich geeignet ſind; andererſeits aber erweiſen ſie ſich zu jeder weiteren Tätigkeit (Bauen, Brutpflege uſw.) als völlig unbrauchbar. „In den Säbeln des Mundes liegt eigentlich die ganze Lebens— geſchichte einer Amazone beſchloſſen; ſie iſt nur Kriegerin, nicht Arbeiterin.“ Unter der hochgradigen Ausbildung des Kriegstalentes mußten die übrigen Inſtinkte mehr oder weniger leiden. Daher traten auf anderen Gebieten Degenerationserſcheinungen ein. Eine der auffallendſten Rückbildungen iſt ent— ſchieden der Verluſt der Fähigkeit ſelbſtändiger Nahrungsaufnahme. Schon Huber, dann Lespès, Forel, Adlerz und Wasmann haben ver— ſchiedentlich Verſuche darüber angeſtellt, und zwar ſtets mit dem gleichen Er— folg. Iſoliert man eine Anzahl Polyergus-Arbeiterinnen, ſo gehen ſie bald zugrunde, auch wenn man ihnen reichliche Nahrung vorſetzt. Das Hunger— gefühl löſt eben bei ihnen nicht mehr den Trieb aus, zu freſſen, ſondern lediglich den, ihre Sklaven zur Fütterung aufzufordern. Sind aber keine ſolche da, ſo müſſen ſie trotz reichlicher Nahrung Hungers ſterben. Ein draſtiſcheres Beiſpiel, die Anthropomorphiſten und Ameiſenintelligenzler ad ab- surdum zu führen, dürfte es wohl ſchwerlich geben! Würden die Amazonen intelligente Weſen ſein und Überlegung beſitzen, ſo wäre dieſe Erſcheinung einfach undenkbar. Denn organiſch ſind ſie keineswegs etwa unfähig zum ſelbſtändigen Freſſen. Es ſind zwar die Kiefer- und Lippentaſter, die Organe der Nahrungsſuchung und Nahrungsprüfung merklich rückgebildet, doch nicht in ſolchem Grade, daß dadurch die ſelbſtändige Nahrungsaufnahme unmöglich gemacht wäre. Es handelt ſich alſo vornehmlich um eine Ent— artung des Inſtinktes. Wenn die Amazonen zufällig mit ihren Mund— teilen an Honig kommen, ſo lecken ſie wohl ein wenig daran, ebenſo erhalten ſie beim Töten einer Ameiſe uſw. mitunter etwas Nahrung, indem durch eine auf der Innenſeite der ſichelförmigen Oberkiefer verlaufende Rinne Saft Die Amazone. 149 von dem getöteten Tier zum Munde fließen kann, doch iſt dieſe zufällige Nahrungsaufnahme nicht genügend, die Amazonen am Leben zu erhalten. Daß Polyergus auch die Fähigkeit des Bauens nicht mehr beſitzt, iſt leicht verſtändlich, da ja das Univerſalbauinſtrument, die Mandibeln, zu Kriegs— waffen für die Sklavenjagden umgewandelt find. Aus demſelben Grunde er— klärt ſich auch der Amazonen Unfähigkeit, ihre Brut zu erziehen. Die für die Erhaltung des Individuums wie der Art ſo wichtigen In— ſtinkte (res, Brutpflege-, Bauinſtinkt) find alſo ſtark rückgebildet oder fehlen ganz. Dadurch geraten die Amazonen in ein unbedingtes Abhängig— keitsverhältnis zu ihren Sklaven. Die „Herren“ find nicht mehr frei wie die sanguinea, ſondern auf ihre Sklaven direkt angewieſen, ſowohl betreffs der Vermehrung (Brutpflege) als auch des Weiterbeſtandes ihrer Kolonien. Wir finden daher Polyergus ausnahmslos in gemiſchten Kolonien, niemals werden ſie ſklavenfrei wie das bei sanguinea, wenn auch ſelten, der Fall ſein kann. In Europa kommt nur eine einzige Amazonenart vor: Polyergus rufes— cens 1). Dieſelbe zählt zu den ſchönſten Ameiſen, ihr Kolorit iſt ein helleres oder dunkleres Rotbraun, wie von gebrannter Terra di Siena; dazu eine gelenkige ſchlanke Geſtalt. Die normalen Sklaven unſerer Amazone ſind Formica fusca oder rufibarbis, ſelten beide zugleich. Anormale Formen von gemiſchten Kolonien (mit anormalen Sklaven), wie ſie bei F. sanguinen ſo häufig vorkommen, gehören bei Polyergus zu den größten Seltenheiten; Wasmann erzielte einmal eine dreifache Kolonie Pol. + rufibarbis + pra- tensis im künſtlichen Neſt, und Forel fand in der freien Natur (im Wallis) eine Pol. + fusca + pratensis-Kolonie, in welcher aber kein Polyergus— Weibchen, dagegen mehrere kusca-Königinen vorhanden waren — ein ganz analoger Fall zu der obigen sanguinea + fusca + pratensis-Kolonie, welcher wohl auch ähnlich zu erklären iſt. Die Zahl der Polyergus-Sklaven iſt ſtets bedeutend (etwa viermal) größer als die der Herren, im Gegenſatz zu den sanguinea-Kolonien, in denen die Zahl der Sklaven durchſchnittlich nur 1/, bis ½ der Geſamtheit der Neſtbevölkerung beträgt. Die Kriegstaktik, welche die Amazonen bei ihren Sklavenjagden an— wenden, iſt erſtaunlich hoch ausgebildet. Aus den vielen Berichten über die Kriegszüge (von Huber, Forel, Wasmann, Reichenbach u. a.) möge eine Schilderung Forels ?) von einem Raubzug gegen eine rufibarbis-Kolonie zur Illuſtration dienen: „Eines Nachmittags um 3¼ Uhr ziehen die Amazonen einer ſtarken Kolonie Polyergus + rufibarbis, die in einer Wieſe zehn Schritt von einer Straße lag, in einer zur Straße ſenkrechten Richtung aus. Nach— dem ſie ein wenig in die Quere gegangen, nehmen ſie die gerade Richtung ) In Nordamerika iſt dieſelbe durch verſchiedene Unterarten vertreten: 1. P. rufescens subsp. lucidus Mayr. Sklaven: F. nitidiventris Em. und pallide- fulva Ltr.; 2. P. rufescens subsp. breviceps Em. Sklaven: F. fusca var. sub- sericea Say. und F. pallidefulva var. schaufussi Me Cook; 3. P. rufescens subsp. bicolor Wasm. Sklaven: F. fusca var. subaeneseens Em.: 4. P. rufescens subsp. bicolor var. foreli Wheel. Sklaven: dieſelben. ) Überſetzung nach Wasmann (1891). 150 Soziale Symbioſe. wieder auf. Endlich entdeckte ich zwei Schritte von der Armee entſernt ein Neſt (fünfzig Schritt vom Neſt der Amazonen gelegen), das mit rufibarbis bedeckt iſt. Die Spitze der Armee erkennt, noch einen Dezimeter von den rufibarbis entfernt, daß ſie angekommen ſei; denn ſie macht plötzlich Halt und ſendet eine Menge Emiſſäre, die ſich mit unglaublicher Haſt in die Haupt— maſſe und den Nachtrab der Armee ſtürzen. In weniger als 30 Sekunden iſt die ganze Armee in einer Maſſe vor dem Neſt der rufibarbis verſammelt, auf deſſen Oberfläche ſie mit einer zweiten Bewegung von unvergleichlicher Raſchheit ſich ſtürzt. Dies war nicht unnütz; denn die rufibarbis hatten die Ankunft des Feindes in demſelben Augenblick bemerkt, in dem die Spitze der Armee angelangt war; einige Sekunden hatten auch ihnen genügt, um den Oberbau ihres Neſtes mit Verteidigern zu bedecken. Ein unbeſchreibliches Handgemenge folgt nun, aber die eee der Armee dringt trotzdem ſo⸗ gleich durch alle Offnungen ein. In demſelben Augenblick kommt ein Strom rufibarbis aus denſelben Löchern hervor, ſchleppen Hunderte von Kokons, Larven und Puppen fort, fliehen nach allen Seiten und klettern auf die Grashalme . .. Die Amazonen bleiben kaum eine Minute im Neſt und kommen in Schaaren aus allen Löchern zugleich wieder hervor, jede mit einem Kokon oder einer Larve beladen. Aber kaum iſt die Spitze der Armee wieder im Rückmarſch, jo ändert ſich die Szene abermals. Wie die rufibarbis ſehen, daß der Feind flieht, nehmen ſie mit Wut deſſen Verfolgung auf. Sie faſſen die Amazonen an den Beinen und ſuchen ihnen die Puppen zu entreißen. Wenn eine rufibarbis ſich an einen Kokon angeklammert hat, den eine Ama— zone trägt, läßt dieſe ihre Kiefer allmählich über den Kokon hinabgleiten bis zum Kopf der rufibarbis. Dieſe läßt dann meiſtens los; gibt fie nicht nach, ſo nimmt die Amazone deren Kopf zwiſchen die Zangen, und wenn auch dieſer Wink noch nicht genügt, iſt der Kopf durchbohrt! . . . Die rufibarbis verfolgen zu Hunderten die Amazonenarmeen bis zur Hälfte der Entfernung beider Neſter; wenn ſie nicht weiter gehen, geſchieht dies deshalb, weil ihre Feinde ſchneller laufen und daher allmählich einen Vorſprung ge— winnen. Zuhauſe angekommen, trugen die Amazonen ihre Beute hinein und kamen an jenem Tage nicht wieder hervor. Auch die rutibarbis kehrten mit den aus der Plünderung geretteten Kokons wieder in ihr Neſt zurück; ziemlich viele rufibarbis waren getötet. Am nächſten Tage um dieſelbe Stunde plünderten dieſelben Amazonen neuerdings jenes rufibarbis-Neſt )“. ) So hoch auch die Kriegskunſt der Amazonen ausgebildet und jo viel Über— legung dabei mitzuſprechen ſcheint, ſo beruht dieſelbe doch lediglich auf dem blinden Inſtinkt, der „zwar in beſtimmten engbegrenzten Verhältniſſen eine glänzende Tätigkeit entfaltet, außerhalb dieſes Zauberkreiſes um ſo ratloſer und hilfloſer ſich erweiſt“. Um dies zu beweiſen, braucht man nur einen Haufen Puppen der Sklavenart vor das Polyergus-Neſt zu ſchütten. „Dann ſpringen die Amazonen wütend auf demſelben herum, ſuchen ringsum einen Eingang wie in einem zu er— obernden Neſt, beißen in die Erde und in die Puppen ſelbſt hinein, aber die vor ihrer Naſe bereitliegende Beute ſcheinen fie nicht zu bemerken. Die Formica san- guinea macht es unter den gleichen Umſtänden ganz anders: ſie ſtürzt ſich ohne weiteres auf die Puppen und läuft mit der billig errungenen Beute nach Hauſe“ (Wasmann). Strongylognathus (Säbelameiſe). 151 Die Zahl der Sklavenjagden, die eine ſtarke Kolonie von Polyergus alljährlich ausführt, kann ſehr groß ſein. Forel beobachtete in 33 Tagen 44 Raubzüge einer und derſelben Kolonie und berechnete danach, daß dieſe etwa 40000 Larven und Puppen von Sklaven in einem Sommer zuſammen— geraubt haben. Die Sklavenjagden finden nur in den heißeſten Monaten ſtatt und zwar gewöhnlich zwiſchen 2 und 5 Uhr Nachmittags, doch wurde ſolche ausnahmsweiſe auch noch ſpäter (bis 7 Uhr) beobachtet. Was die Gründung neuer Polyergus-Kolonien betrifft, ſo geſchieht dies auf die gleiche Weiſe, wie bei den vorher genannten Arten, d. h. durch Adoption eines befruchteten Polyergus-Weibchens in einer weiſelloſen fusca- oder rufibarbis-Kolonie. Dieſe primäre Adoptionskolonie geht dann ſekundär in eine dauernde Raubkolonie über, indem die Polyergus in der geſchilderten Weiſe durch Raub ſich ſtets einen beſtimmten Beſtand von Sklaven halten. Der Sklavereiinſtinkt der „Amazonen“ ſtellt einerſeits den Höhepunkt der phylogenetiſchen Entwickelung dieſes Inſtinktes dar, während er andererſeits bereits deutliche morphologiſche und phyſiologiſche Merkmale einer einſeitigen Überentwickelung aufweiſt, die den Ausgangspunkt für die Degeneration desſelben Inſtinktes bildet (Wasmann). — Die nächſte Stufe iſt zwar noch annähernd auf der gleichen Höhe, doch geht es von da ab rapid abwärts, indem dann die Entwickelung des Sklavereiinſtinktes wieder rück— ſchreitet und zwar unter den Nullpunkt, da die „Herren“ zu traurigen Para— ſiten herabſinken. Dieſe retrograde Entwickelung ſehen wir in einer anderen Subfamilie, bei den Myrmicinen, vor ſich gehen. Sechſte Stufe (Strongylognathus christophi Em. und huberi Forel). Str. christophi iſt eine öſtliche Art, aus Sarepta und dem Kaukaſus (hier als var. rehbinderi Forel) bekannt, St. huberi iſt eine ſüdliche Art, von Forel bei Martigny im Rhonetal entdeckt. Beide leben ſtets in ge— miſchten Kolonien mit Tetramorium caespitum. Beide ſtimmen ferner be— züglich ihrer Mandibeln mit Polyergus überein, indem dieſelben auch bei ihnen ſichelförmig und ohne Kaurand und daher lediglich als Waffen zu gebrauchen ſind. Morphologiſch erweiſen ſich alſo die beiden Strongylo— gnathus ebenſo wie Polyergus als Krieger, nicht als Arbeiter. Und die ſpärlichen biologiſchen Beobachtungen, die wir bis heute über die ſeltenen Arten beſitzen, weiſen mit Beſtimmtheit darauf hin, daß wir es hier in der Tat noch mit Sklavenjägern zu tun haben. Str. christophi var. rehbinderi wurde direkt bei einem Raubzug, mit Tetramorium-Puppen beladen, beob— achtet, und bezüglich des huberi wurde wenigſtens experimentell feſtgeſtellt, daß er imſtande iſt, vorgeſetzte fremde Tetramorium zu überrumpeln, zu verjagen und ihnen ihre Puppen zu rauben. Auch kämpft Str. huberi genau nach Polyergus-Art, indem er den Kopf des Feindes mit ſeinen ſcharfen Sichelkiefern durchbohrt. Da ferner weder von Forel noch auch von ) Auf der gleichen Stufe dürften auch noch Strong. afer Em. aus Nord— afrika und Strong. eaeeilia For. aus Spanien ſtehen; doch ſind die Beobachtungen darüber noch ſehr ſpärlich. 152 Soziale Symbiofe. mir!) eine Tetramorium-Königin in der gemiſchten Kolonie gefunden wurde und da ferner die Zahl der huberi-Arbeiter die der Tetramorium-Arbeiter ſtets weit übertrifft, ſo dürfte der Schluß wohl gerechtfertigt ſein, daß auch die Str. huberi + Tetramorium-Kolonien Raubkolonien darſtellen — natürlich ſekundäre, denn auch ſie ſind wie alle bisherigen gemiſchten Kolonien zweifel— los als Adoptionskolonien entſtanden. Str. christophi und huberi ſtehen alſo wahrſcheinlich noch auf der Höhe von Polyergus; allerdings bedürfen noch manche Punkte der tatſächlichen Beſtätigung. Siebente Stufe (Strongylognathus testaceus Schenk). Die „gelbrote Säbelameiſe“ hat eine viel größere Verbreitung (über Süd- und Mitteleuropa) als die beiden vorigen Arten, und dringt vor allem bedeutend weiter nach Norden (bis Holland) vor. Auch ſie lebt ſtets in ge— miſchten Kolonien mit Tetramorium caespitum und auch ſie beſitzt die glatt⸗ randigen ſcharfen Sichelmandibeln (vgl. Fig. 49). Trotzdem aber verhält fie ſich biologiſch ganz anders als die obigen Strongylognathus. Schon das Fig. 49 Zahlen verhältnis zwiſchen „Herren“ und „Sklaven“ weiſt 5 darauf hin, indem hier die erſteren bei weitem in der Minderzahl ſind. Sodann haben auch die Beobachtungen Forels und Wasmanns direkt dargetan, daß es mit der Kriegstüchtigkeit derſelben ſchlecht beſtellt iſt. „Sie iſt trotz ihrer ſäbelförmigen Kiefer nur noch eine Karrikatur der wehrhaften Amazone, und die Amazonenrolle, die ſie 5 im Kampf mit feindlichen Tetramorium zu ſpielen verſucht, gnathus testacons ſieht faſt aus wie eine harmloſe Komödie.“ Die genannten . Forſcher haben zwar auch noch mutige Züge in ihnen ent— f deckt, und haben des öfteren geſehen, wie ſie den Kopf der Gegner zwiſchen ihre Zangen zu nehmen verſuchten, aber es fehlte ihnen an Kraft, um dieſe Drohungen zu verwirklichen. Meiſtens bezahlten ſie dieſelben mit ihrem eigenen Leben. Daß alſo der Str. testaceus durch Raub in den Beſitz der Tetramorium kommt, iſt daher ausgeſchloſſen. Wie aber ſind dann dieſe gemiſchten Kolonien zu erklären? Eine Adoptionskolonie im obigen Sinne würde nur kurzen Beſtand haben, da nach Ausſterben der Hilfsameiſen die auf fremde Hilfe angewieſenen Säbelameiſen ebenfalls zugrunde gehen müßten. Der einzige Weg, welcher unſeren Strongylognathus übrig bleibt, und den ſie nach Wasmann auch betreten haben, iſt die Allianz: ein befruchtetes Strongylognathus-Weibchen ſchließt ſich einem befruchteten Tetramorium- Weibchen an, um ſeine Brut zuerſt von letzterem und ſpäter von deſſen Nachkommen beſorgen zu laſſen. So brauchen die Strongylognathus keine Hilfsameiſen mehr zu rauben, da das in der Kolonie vorhandene Tetra- ) Prof. Forel war fo liebenswürdig, mir den Fundort des huberi genau zu beſchreiben, ſo daß mir das Auffinden desſelben ſehr erleichtert wurde. Ich ſandte einen kleinen Teil der Kolonie an Pater Wasmann, welcher mir mitteilte, daß zwei verſchiedene Raſſen der Sklavenart darin enthalten waren, wodurch der ſichere Nachweis erbracht iſt, daß Str. huberi durch Raub ſich in den Beſitz ſeiner Sklaven ſetzt. Anergates atratulus. 153 morium-Weibchen ſtets für Erſatz derſelben ſorgt. Wir haben es hier alfo weder mit Adoptions- noch mit Raubkolonien zu tun, ſondern vielmehr mit einer „Allianzkolonie“, welche dadurch gekennzeichnet iſt, daß jede der vereinigten Arten ihre Königinnen beſitzt. Da die Geſchlechtstiere von Strongylognathus ungleich kleiner ſind als die von Tetramorium, jo ziehen die Arbeiterinnen des letzteren viel lieber jene als ihre eigenen auf; daraus reſultiert die Zuſammenſetzung der Kolonien: einerſeits eine große Anzahl Geſchlechtstiere, dagegen ſehr wenig Arbeiter von Strongylognathus, andererſeits viele Tetramorium-Arbeiter und wenig Tetramorium-Geſchlechtstiere. Nachdem der Sklavereiinſtinkt entartet, ſind die Arbeiter überflüſſig ge— worden; denn ſie ſind ja morphologiſch lediglich als Krieger organiſiert und daher zu anderen Dienſten mehr oder weniger unbrauchbar. Und ſo finden wir denn auch in der nächſten und letzten Stufe die Arbeiterkaſte vollkommen eliminiert. Fig. 50 B. Anergates atratulus. A Die beiden Geſchlechtstiere inks 5, rechts trächtiges 8). B Mundteile, gl. Zunge, M. Mentum, n. Nebenzungen, Plp. m. Kiefertaſter, Pp. J. Lippentaſter, St. Stamm (Stipes) der Maxillen. (A nach Adlerz und Forel; B nach Wasmann.) Achte Stufe (Anergates atratulus). Anergates iſt eine Degenerationsform *r E£oyyv. Nicht nur, daß die ganze Arbeiterkaſte verſchwunden iſt, weiſen auch die beiden Ge— ſchlechtsformen mehrfache Degenerationserſcheinungen auf. Vor allem die Männchen, die ungeflügelt und ganz ſonderbar geformt und eher einer Larve als einer Imago ähnlich find (Fig. 50 K). Die befruchteten Weibchen zeichnen ſich durch einen relativ rieſigen Hinterleibsumfang (Phyſogaſtrie) aus (Fig. 50 A). — Beide, Männchen wie Weibchen, beſitzen ſtark rudimentäre Mundglied— maßen, ſowohl Mandibeln als Taſter, welch' letztere nur noch als eingliederige Stummel vorhanden find (Fig. 50 B). Dieſe Organiſation ſchließt ein unabhängiges ſelbſtändiges Leben aus und bedingt vielmehr eine abſolute Abhängigkeit von anderen Ameiſen. Wir finden daher Anergates ſtets in Geſellſchaft fremder Ameiſen, nämlich von Tetramorium eaespitum, niemals allein. Die gemiſchten Kolonien Anergates + Tetramorium weiſen folgende Eigentümlichkeiten auf: 1. Sie beſtehen nur aus einer befruchteten Königin von Anergates, aus den jungen Weibchen und Männchen von Anergates und deren Entwickelungs— ſtadien, und aus einer Anzahl Arbeiter von Tetramorium. 154 Soziale Symbioſe. 2. Niemals iſt in denſelben eine Tetramorium-Königin gefunden worden. a 3. Niemals find in ihnen auch nur die Larven und Puppen von Tetra- morium-Arbeitern gefunden worden. 4. Die Tetramorium-Arbeiter der Auergates-Kolonien find niemals ſehr zahlreich, dagegen aber meiſt von bedeutender Körpergröße (alſo aus alten Kolonien). Daraus können wir mit großer Wahrſcheinlichkeit ſchließen, daß die Anergates + Tetramorium Kolonien reine Adoptionskolonien darſtellen, alſo dadurch zuſtande kommen, daß ſich ein befruchtetes Anergates-Weibchen von einer weiſelloſen Tetramorium-Kolonie adoptieren läßt. Dieſe Annahme wird dadurch noch befeſtigt, daß, wie experimentell erprobt iſt, die Männchen und geflügelten jungen Weibchen von Anergates in fremden Tetramorium⸗ Kolonien mit Leichtigkeit aufgenommen werden, daß aber eine dauernde Aufnahme, welche zur Erziehung einer phyſogaſtren Königin führt, nur in einer weiſelloſen Tetramorium-Kolonie ſtattfindet. Da die Anergates keine Arbeiter beſitzen, welche durch Raub die durch Tod abgehenden Hilfsameiſen wieder ergänzen könnten, ſo iſt mit dem Ab— ſterben der legten Tetramorium auch das Todesurteil über die Aner- gates geſprochen, wenigſtens über die Männchen und die flügelloſen phyſo— gaſtren Weibchen. Von den Geflügelten dagegen wird es wohl manchen gelingen, bei fremden Tetramorium Aufnahme zu finden und dadurch die Art zu erhalten, zumal dieſelben ja in großer Anzahl beſtehen. Die Heimat des Anergates iſt Mittel- und Nordeuropa; er wurde in der Südſchweiz, im Rheinland, in Holland, in Schweden uſw. gefunden. In Nordamerika ſcheinen noch mehrere arbeiterloſe Arten vorzukommen: Epoecus pergandei Em., Sympheidole elecebra und Epipheidole inquilina Wheel !). Da dieſelben auch in gemischten Kolonien (erſterer mit Monomorium, die letzteren zwei mit Pheidole) angetroffen wurden, jo liegt die Vermutung nahe, daß fie ſich biologiſch ähnlich wie Anergates verhalten. Dies muß jedoch erſt durch weitere Forſchungen feſtgeſtellt werden. * * * Mit Anergates find wir am Endpunkte der phylogenetiſchen Reihe an- gelangt, die in einen aufſteigenden und einen abſteigenden Aſt zerfällt. Am Anfang und am Ende der Reihe ſtehen reine Adoptionskolonien, doch ſind dieſelben ſehr verſchiedener Natur: die erſteren nur temporär (zum Zweck der Koloniegründung), letztere dauernd (zwecks Gründung und Erhaltung der Kolonie); im erſteren Fall freie ſelbſtändige Herren, im letzteren hilfloſe durchaus abhängige Weſen (Paraſiten). — Die Gewohnheit der Sklaverei, d. h. die Neigung, Arbeiterpuppen eben jener fremden Ameiſenart zu rauben und zu erziehen, mit deren Hilfe die betreffende Kolonie urſprünglich ge— gründet wurde, hat dieſe Wandlung vollbracht. Bei Form. truncicola fanden wir dieſe Neigung ſchwach angedeutet, ſtärker bei Form. wasmanni, noch ſtärker bei Form. sanguinea, um bei Polyergus den Höhepunkt zu er— reichen; die Arbeiterinnen ſind hier nur noch Sklavenjäger auch ihrer ) Auch die jüngſt von Santſchi in Tunis entdeckte Wheeleria santschii For. ſcheint hierher zu gehören. Di sau Tomognathus sublaevis. 155 Organiſation nach. Das Sklavenhalten verweichlicht; es tritt eine Entartung des Sklavereiinſtinktes ein, wodurch die lediglich für die Sklavenjagden organi— ſierten Arbeiter überflüſſig werden. Bei Strongylognathus testaceus be— ginnt bereits die Reduktion der Arbeiterkaſte, welche bei Anergates in der vollkommenen Ausſchaltung ihr Ende findet. Für Anergates bleibt nun kein anderer Ausweg mehr übrig, als auszuſterben. Den Ausgangspunkt für das Gebiet der gemiſchten Kolonie bildet alſo die temporäre Adoptionskolonie und nicht die Raub— kolonie, welche (abgeſehen von der ſogleich zu beſprechenden Ausnahme) ſtets ſekundär aus erſterer hervorgeht. Mit dieſer Erkenntnis, die uns erſt in jüngſter Zeit durch Wheeler und Wasmann gegeben wurde, wird die Theorie Darwins u. a., welche die Entſtehung der Sklaverei auf zufälligen Puppenraub (zwecks Nahrungserwerb) zurückführt, hinfällig. Näheres über dieſe intereſſanten theoretiſchen Fragen bitte ich bei Wasmann (1905) und Wheeler (1905) nachzuleſen. * * Tomognathus sublaevis Nyl. Tomognathus iſt auf das nördliche Europa (Finnland, Schweden, Däne— mark) beſchränkt, wo es ſtets in gemiſchten Kolonien mit den ihr nahe ver— wandten Leptothorax acervorum oder muscorum lebt. Wenn ich denſelben hier geſondert beſpreche, ſo geſchieht dies deshalb, weil die Entſtehung der Tomognathus Leptothorax-Kolonien ſich nicht von einer der obigen Stufen ableiten läßt, ſondern unabhängig von denſelben auf eigenem Wege vor ſich gegangen iſt. Es handelt ſich hier weder um Adoptions-, noch um ſekundäre Raub⸗, noch um Allianzkolonien, ſondern vielmehr um primäre Raub— kolonien. Wie Adlerz dargelegt, dringen die Tomognathus in ſelbſtändige Leptothorax-Kolonien ein, treiben die rechtmäßigen Neſtbeſitzer in die Flucht und nehmen deren Neſt ſamt der zurückgelaſſenen Brut in Beſchlag, welch' letztere ſie dann zugleich mit den eigenen Larven aufziehen. Daher kommt es, daß in dieſen gemiſchten Kolonien beide Ameiſenarten mit allen drei Ständen (, 2 und 8) vertreten find. Nicht immer begnügen ſich die Tomognathus mit dem erſten Raub, ſondern mitunter ergänzen ſie ihren Bedarf an Lepto— thorax durch nachträgliche, wiederholte Beutezüge. Die Abhängigkeit der Tomognathus von ihren Sklaven iſt nicht jo ausgeſprochen wie bei Polyergus oder Strongylognathus; denn ſie vermögen iſoliert längere Zeit (vier bis fünf Monate) ihr Leben zu friſten, ſelbſtändig Nahrung zu ſich zu nehmen uſw.; immerhin aber haben ſie zur gedeihlichen Entwickelung ihrer Kolonien fremde Hilfe nötig. Bezüglich der phylogenetiſchen Entwickelung der Tomognathus + Lepto- thorax = Kolonien vermutet Wasmann, daß dieſelben aus zuſammen— geſetzten Neſtern (ſpeziell der Kleptobioſe) hervorgegangen ſeien, indem aus Dieben allmählich Räuber wurden. In Nordamerika iſt Tom. sublaevis durch eine andere Art, Tom. americanus Em., vertreten, welche mit Leptothorax curvispinosus ähnliche gemiſchte Kolonien bildet. 156 Soziale Symbioſe. Raub ang Künſtliche gemiſchte Kolonien. Es gibt verſchiedene Wege, gemiſchte Kolonien künſtlich herzuſtellen: 1. Wenn man junge, ſoeben der Puppenhülle entſchlüpfte Ameiſen ver- ſchiedener Arten in einem Neſt zuſammenſetzt, jo ſchließen ſie ſich ohne Feind- ſeligkeit einander an. Sie beſitzen eben in dieſem Stadium noch keinen ausgeſprochenen Neſtgeruch und ſomit auch keinen Anlaß zur feindlichen Reaktion. 2. Aus dem letzteren Grunde werden junge, fremde Ameiſen nicht ſelten auch von erwachſenen in ihre Gemeinſchaft aufgenommen. 3. Man kann auch zwei oder mehrere erwachſene Ameiſenarten zur Verbindung bringen, wenn man nur ganz wenig Individuen miteinander in einem Raume vereinigt. Es ſiegt dann nicht ſelten das Geſelligkeitsbedürfnis über die gegenſeitige Abneigung. 4. Man kann aber auch eine größere Anzahl erwachſener Arbeiterinnen verſchiedener Arten (ſpeziell Formica) zu einer ge— miſchten Kolonie vereinigen, wenn man ſie zuſammen in einen Sack ſteckt und heftig durcheinander ſchüttelt („Schüttelneſter“). Durch das Schütteln erfolgt eine gleichmäßige Miſchung der verſchiedenen Neſtgerüche und damit eine Aufhebung der Gegenſätze. 5. Man kann die Feindſchaft zwiſchen den verſchiedenen Ameiſenarten auch dadurch aufheben, daß man das Erkennungsorgan, die Fühler oder wenigſtens die letzten ſieben Glieder derſelben, entfernt. 6. Geſchah in den bisherigen Fällen die Vereinigung auf dem Wege des Bündniſſes, jo kann man andererſeits auch künſtliche Raubkolonien her- ſtellen, indem man Puppen fremder Arten auf oder vor dem Neſte einer Raubameiſe ausſchüttet. Forel erzielte auf dieſe Weiſe eine Kolonie Formica sanguinea + fusca + rufibarbis + cinerea + rufa +4 pratensis + exsecta + pressilabris + Polyergus rufescens! Die Puppen von Lasius niger, flavus und Tetramorium, welche Forel zugleich mit den anderen den sanguinea vorgeſetzt hatten, wurden nicht angenommen, ſondern ſofort getötet. Aus dieſem letzteren Verſuch geht hervor, daß ſich nicht alle Ameiſen unterſchiedslos miteinander vereinigen laſſen. Am beſten gelingt das Experiment mit ſyſtematiſch naheſtehenden Arten oder mit ſolchen, die ohnehin zu Allianzen und Sklavenraub neigen. Nur im erſten und im fünften der angegebenen Fälle laſſen ſich auch ſyſtematiſch weit entfernte und ſogar verſchiedenen Subfamilien angehörende Arten zuſammenbringen; im letzteren Falle (Entfernung der Fühler) iſt dies ja eigentlich ſelbſtver— ſtändlich. Näheres über die künſtlichen gemiſchten Kolonien ſiehe bei Forel, Was- mann und Adele M. Fielde (1903). Ameiſen und Termiten. 157 B. Ameiſen und Termiten. Es läßt ſich von vornherein erwarten, daß die Ameiſen mit den Ter— miten niemals zu gemiſchten Kolonien verſchmelzen, denn dazu iſt die Organi— ſation der beiden zu verſchieden. Dagegen ſteht der Bildung von zuſammen— geſetzten Neſtern (Termiten und Ameiſen) durchaus nichts im Wege. Es wäre ſogar auffallend, wenn die Ameiſen von den Termitenbauten gar keinen Gebrauch machen würden, da ſie doch ſonſt jede einigermaßen wohnliche Höhlung auszunützen verſtehen. Den Beziehungen zwiſchen Ameiſen und Termiten wurde erſt in den letzten Jahren einige Aufmerkſamkeit geſchenkt; trotzdem ſind ſchon eine Reihe intereſſanter Tatſachen ans Licht gebracht worden. Wie bei den „zuſammengeſetzten Neſtern“ der Ameiſen, ſo können wir auch hier zwiſchen „zufälligen“ und „geſetzmäßigen“ Formen unter— ſcheiden. Bei den erſteren dürfte es ſich wohl meiſtens um „minder zu— fällige“ (im Sinne Wasmanns) handeln, da die Ameiſen doch ſicherlich wohnlicher Vorteile halber die Termitenneſter aufſuchen. Irgend welche Be— ziehungen zwiſchen den Nachbarn beſtehen hier nicht. Was die geſetzmäßigen Formen betrifft, ſo handelt es ſich meiſtens um Diebsameiſen, die in die Räume ihrer Nachbarn einſchleichen, um von deren Nahrungsvorräten, Brut uſw. zu ſtehlen. Es kommen dabei natürlich nur ſolche Ameiſen in Betracht, deren Arbeiter ſehr klein ſind. Die meiſten dieſer Diebe gehören, wie auch oben, der Gattung Solenopsis an, jo wurden Sol. debilis, texana, carolinensis in Nordamerika und Sol. schmalzi, brevicornis uſw. in Südamerika gewöhnlich oder regelmäßig in Termitenneſtern angetroffen. Auch die Gattung Brachymyrmex enthält mehrere Arten, welche als Diebe in Termitenneſtern leben (Br. termitophilus, patagonicus in Südamerika). Dasſelbe gilt für die Gattung Monomorium, von welcher ſowohl in Süd— amerika als auch in Südafrika, Madagaskar und Ceylon verſchiedene Arten mit Termiten zuſammenlebend gefunden wurden: M. heyeri For. bei Eutermes fulviceps Silv. (Südamerika), M. termitobium Forel bei Termes sikorae Wasm. (Madagaskar), M. decamerum bei Termes redemanni Wasm. (Ceylon). Auch Carebara vidua Fr., die durch den rieſigen Größenunterſchied zwischen 2 und s bekannt iſt, lebt regelmäßig in Termitenneſtern (Termes natalensis Hav.) und dürfte zu den Diebsameiſen gehören. Wahrſcheinlich hängt der Größenunterſchied mit der diebiſchen Lebensweiſe urſächlich zu— ſammen, da auch bei den anderen Diebsameiſen (Solenopsis) die Weibchen den Arbeitern gegenüber auffallend groß ſind. „Nicht alle termitophilen Ameiſen ſind aber heimtückiſche Zwerge; es gibt unter ihnen auch friedlichere Geſtalten von größerer Statur.“ So lebt die braſilianiſche Crematogaster victima subsp. alegrensis For. aus— ſchließlich in den Bauten von Eutermes fulviceps Silv., und zwar, wie es ſcheint, in vollkommener Eintracht mit letzteren. „Vielleicht handelt es ſich hier um einen geſetzmäßigen Fall der Parabioſe Forels.“ 158 Soziale Symbioſe. Ebenſo friedlich und ebenſo geſetzmäßig lebt in Südamerika Camponotus punctulatus subsp. termitarius Em. bei Termiten, und zwar gewöhnlich bei Eutermes- und Anoplotermes=-Arten. Man nennt die Ameiſe daher auch „formiga de cupim“, d. h. Termitenameiſe. Es ſcheint aber, daß es ſich hier nicht nur um eine Parabioſe, ſondern um ein auf Gegenſeitigkeit beruhendes Verhältnis handelt. Die Ameiſen erhalten auf bequeme Weiſe eine paſſende Wohnung, und die Termiten genießen dafür den Schutz der kräftigen und mutigen Camponotus gegen andere karnivore Ameiſenarten, welche gern auf die weichhäutigen Termiten Jagd machen. Wir dürfen dies daraus ſchließen, daß in den von unſerem Camponotus bewohnten Termitenneſtern keine andere Ameiſenarten als Mitbewohner vorhanden ſind, während ſonſt oft vier bis fünf verſchiedene Arten ein Termitenneſt heim— ſuchen. „Dieſe Termitenameiſen wären ſomit als eine Art Schutztruppe der Termitenkolonien anzuſehen, und ihr Verhältnis zu den letzteren würde demnach den Charakter einer protektiven Symbioſe tragen, ähnlich jener, die zwiſchen den myrmekophilen Pflanzen und ihren Schutzameiſen beſteht.“ Was— mann führt für dieſes Verhältnis, das unter den zuſammengeſetzten Neſtern der Ameiſen kein Analogon beſitzt, den Terminus „Phylakobioſe“ ein. Wahrſcheinlich iſt dieſes Verhältnis nicht nur auf die einzige Ameiſen— art beſchränkt, ſondern wird die Zukunft uns noch mehrere Schutzameiſen kennen lehren. Überhaupt dürfen wir auf dem Gebiete „Ameiſen und Termiten“, das noch kaum angeſchnitten, noch manche Überraſchung erwarten (. darüber Wasmann 1901/1902). Literatur. 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Forel, Aug., Strongylognathus Huberi et voisins. Fourmiliere triple etc. In: Bull. Soc. ent. Suisse 10, 273—282, 1900. r rt Literatur. 159 Forel, Aug., Ebauche sur les moeurs des fourmis de l’Amerique du Nord. In: Riv. Scienze Biol. 2, 1—13, 1900. Forel, Aug., Faune myrmecolog. des Noyers. In: Bull. Soc. Vaud. Se. Nat. 39, 83—94, 1903. Forel, Aug., Sklaverei, Symbioſe und Schmarogertum bei Ameiſen. In: Mitteil. d. ſchweiz. ent. Geſ. 11, 85 bis 89, 1905. Forel, Aug., Miscellanea myrmecologiques II (1905). In: Ann. Soc. ent. Belgique 49, 171—172, 1905. (Über Wheeleria.) Huber, Pierre, Fourmis indigenes ete., 1810 (Cap. VII-XII). Janet, Chr., Conference sur les Fourmis, p. 27—28. Paris 1896. Janet, Chr., Rapports des Animaux myrmecophiles avec les Fourmis. Limoges 1897. MeCook, H. Cr., The shining slavemaker. In: Proc. Acad. Nat. Sc. Phila⸗ delphia 1880. MeCook, H. Cr., Agricultural Ant of Texas, 1880. Reichenbach, H., Eine Sklavenjagd am Grafenbruch. In: Ber. Senkenb. Geſ. 99 bis 104. 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Das Gebiet dieſer „poſitiven Beziehungen“ (Myrmekophilie) iſt ein ungeheuer weites, und wollte ich dasſelbe nur einigermaßen erſchöpfend behandeln, ſo müßte ich einen Band von anſehnlicher Dicke ſchreiben. Ich muß mich daher hier auf die Dar— ſtellung der allgemeinſten Punkte beſchränken. Faſt alles, was wir über die poſitiven Beziehungen zwiſchen Ameiſen und fremden Tieren wiſſen, verdanken wir E. Wasmann, der weit über hundert teils recht umfangreiche Arbeiten über dieſes Thema veröffentlicht hat. Wasmann iſt der Begründer der wiſſenſchaftlichen Myrmekophilenkunde, und wenn auch manches ſchon vor ihm über Myrmekophilen bekannt geworden, ſo hat doch erſt er uns in den weitaus meiſten Fällen die wahre Natur dieſer Gäſte und deren Beziehungen zu den Ameiſen kennen gelehrt, und hat außer— dem zu den wenigen von früher her bekannten Fällen ein ſchier unabſehbares Heer neuer Tatſachen hinzugefügt. * * * Wir wollen alle gejegmäßig in Geſellſchaft der Ameiſen vor— kommenden, einzellebenden fremden Tiere als Myrmekophilen (im weiteren Sinne) bezeichnen. Das „geſetzmäßig“ iſt aber nicht etwa in dem Sinne aufzufaſſen, daß ein Myrmekophile niemals auch außerhalb der Ameiſen— geſellſchaft ſich befinden bzw. frei leben kann, ſondern es ſoll durch dieſes Prädikat nur das rein zufällige Beiſammenſein fremder Tiere mit Ameiſen, wie es ja durch Überſchwemmungen oder Winde oder durch Verirren nicht ſelten bewirkt wird, ausgeſchloſſen werden. Die Vergeſellſchaftung braucht ferner auch nicht auf das eigentliche Neſt der Ameiſen beſchränkt zu ſein, ſondern die Geſellſchafter können auch außerhalb des Neſtes (im weiteren Neſtbezirk) ſich aufhalten (Aphiden). Aktive Beziehungen. 161 Bezüglich der Zeitdauer der Beziehungen iſt ebenfalls der Spielraum ein ziemlich weiter: in manchen Fällen ſind es nur längere oder kürzere Be— ſuche, welche die Ameiſen den Fremdlingen abſtatten, in anderen Fällen halten ſich die Myrmekophilen während eines beſtimmten Entwickelungsſtadiums (d. h. entweder nur als Ei oder nur als Larve oder nur als Imago) bei den Ameiſen auf, während ſie ſonſt ein freies Leben führen, oder endlich die Gäſte ſind während ihres ganzen Lebens an die Geſellſchaft der Ameiſen gebunden, machen ihre Entwickelung im Ameiſenneſt durch uſw. Die Art der Beziehungen der Ameiſen zu den fremden Tieren kann zweierlei ſein: Entweder geht die Initiative zu dem Verhältnis von den Ameiſen aus oder von den Fremdlingen, d. h. entweder ſuchen die Ameiſen die Fremdlinge auf oder die Fremdlinge die Ameiſen. Dieſes Moment iſt ſehr weſentlich auch bezüglich der Folgen des Verhältniſſes; im erſten Falle ſehen wir der Ameiſengeſellſchaft einen merklichen Nutzen erwachſen, im letzteren dagegen ſehr häufig einen bedenklichen Nachteil. Der Unterſchied iſt ſo tief einſchneidend, daß wir auf ihn die Einteilung der Myrmekophilen in zwei Hauptkategorien begründen. Das Verhältnis der erſten Art, in welchem die Ameiſen der aktive Teil ſind, nähert ſich der Symbioſe (im Sinne Hertwigs uſw.), indem durch dasſelbe beide Teile eine Förderung ihrer Lebensbedingungen erfahren. Der zweite Fall dagegen ſtellt ſchon mehr einen Paraſitismus vor, oder wenigſtens einen Kommenſalismus, da hier faſt ſtets nur der eine (der aktive) Teil, der „Gaſt“, einen merklichen Vorteil genießt, während der paſſive Teil (die Ameiſengeſellſchaft) entweder nichts profitiert oder mehr oder weniger ſtark geſchädigt wird. Innerhalb der zweiten Hauptgruppe laſſen ſich eine ganze Anzahl Unter- kategorien unterſcheiden, je nachdem die Ameiſen den Eindringlingen (Gäſten) gegenüber ſich freundlich, indifferent oder feindlich verhalten uſw. A. Aktive Beziehungen. (In denen die Ameiſen die aktive Rolle jpielen.) Die einzige hierher gehörige Symbioſenform iſt die ſogenannte Tropho— bioſe; dieſelbe beſteht in den Beziehungen der Ameiſen zu den Aphiden, Cocciden, Lycaeniden-Raupen uſw., welche wir oben bei der Ernährung bereits beſprochen haben (ſ. Kap. V). Der Kitt dieſer freundſchaftlichen Beziehungen wird durch zuckerhaltige Exkremente oder Exkrete gebildet, welche die genannten Tiere produzieren und welche den Ameiſen zur Nahrung dienen. Es gibt Ameiſen, die ausſchließlich von den Ausſcheidungen der Aphiden uſw. leben (3. B. Lasius flavus), andererſeits aber auch ſolche, die nur nebenbei zu dieſer Nahrung greifen. Ebenſo gibt es auch Aphiden, Cocciden uſw., welche ausſchließlich bei Ameiſen vorkommen und alſo ſtreng myrmekophil ſind, während andere nicht unbedingt an die Geſellſchaft der Ameiſen gebunden ſind. Die Ameiſen ſuchen ihr „Nutzvieh“ entweder draußen auf, um es dort zu „melken“, oder ſie ſchleppen die ſüßen Tiere in ihr Neſt, um die Nahrung gleich bei der Hand zu haben. Natürlich trifft letzteres nur für ſolche Eſcherich, Die Ameiſe. 11 * 162 Individuelle Symbioſe. Aphiden uſw. zu, welche ohnehin eine unterirdiſche Lebensweiſe führen (Wurzel⸗ aphiden). Die Art und Weiſe, wie die Ameiſen ihr „Nutzvieh“ „melken“, bitte ich an dem oben zitierten Ort nachzuleſen. Die Trophobioſe iſt, wie ſchon geſagt, ein gegenſeitiges Verhältnis, aus welchem beide Teile Nutzen ziehen. Die Ameiſen erhalten von den Aphiden uſw. reichliche und wohlſchmeckende Nahrung, und die letzteren genießen dafür den kräftigen Schutz der Ameiſengeſellſchaft. Die Ameiſen verteidigen ihr Nutzvieh mit demſelben Eifer wie ihre eigenen Angehörigen bzw. ihre Brut; ja ſie bauen jogar beſondere Gehäuſe um die oberirdiſch lebenden Blattläuſe, um fie ſo vor Feinden und Witterungseinflüſſen zu ſchützen. Auch werden oft die Eier der Aphiden und die Puppen der Lycäniden von den Ameiſen in ihre Neſter eingetragen und dort zur Entwickelung gebracht. Die trophobiotiſchen Beziehungen ſind, wie wir geſehen, nicht überall von der gleichen Intimität; ſondern wir können zwiſchen ganz gelegentlicher Ausübung derſelben und vollſtändiger Abhängigkeit eine ganze Reihe ver— mittelnder Übergänge aufſtellen, welche uns die phylogenetiſche Entwickelung andeuten. Im übrigen verweiſe ich auf die im Kap. V gegebenen Einzelheiten. B. Paſſive Beziehungen. (In denen die Ameiſen die paſſive Rolle ſpielen oder wenigſtens primär ge— ſpielt haben.) 5 Dieſe Art von Beziehungen bezeichnen wir als Myrmekophilie im eigentlichen (engeren) Sinne. Ihre Erſcheinungen find ungleich mannig— faltiger als die der Trophobioſe, ſowohl bezüglich der Grundlagen als auch bezüglich der Effekte; ſo drängen ſich manche Myrmekophilen den Ameiſen offen auf und verſtehen es, trotz deren Verfolgung im Ameiſenneſt zu verbleiben; andere ſchleichen ſich heimlich und unbemerkt in die Ameiſen— geſellſchaft ein, und wieder andere erlangen gegen Darreichung angenehmer narkotiſcher Exſudate Einlaß in die ſonſt ſo exkluſive Geſellſchaft. Daß es keine altruiſtiſchen Motive ſind, welche die „Gäſte“ in die Ameiſen— geſellſchaft führen, ſondern rein egoiſtiſche, verſteht ſich von ſelbſt. Die einen haben es auf den Raub der Brut abgeſehen, die anderen ſuchen nur Obdach und Schutz, wieder andere nähren ſich von den Exkreten der Ameiſen uſw. Auch die Ameiſen verhalten ſich den verſchiedenen Gäſten gegenüber recht verſchieden, indem ſie dieſelben entweder feindlich verfolgen oder vollkommen ignorieren oder aber freundſchaftlich behandeln. Nach dieſem Verhalten teilen wir das große Heer der Myrmekophilen in folgende vier Kategorien ): ) Ich folge hier der von Wasmann gegebenen Einteilung, da dieſelbe mir am natürlichſten erſcheint und auch vollkommen ausreichend iſt. Außer Wasmann hat auch noch Janet eine Gruppierung der Myrmekophilen verſucht, doch ſind feine ſechs Gruppen durchaus ungleichwertig, wie Wasmann (1901) dargelegt. ‘ Synechthrie. 163 1. Feindlich verfolgte Einmieter oder Synechthren, welche in den Ameiſenneſtern als Raubtiere von den Ameiſen oder deren Brut leben. Das Verhältnis ſelbſt bezeichnet man als Synechthrie. 2. Indifferent geduldete Einmieter oder Synoefen, die von den Ameiſen (aus ſehr verſchiedenen Gründen und in ſehr verſchiedenem Grade) in ihrem Neſte geduldet werden. Das Verhältnis — Synoekie. 3. Echte Gäſte oder Symphilen, die von ſeiten der Ameiſen eine wirklich gaſtliche Pflege genießen, von ihnen gefüttert, gepflegt und in manchen Fällen auch aufgezogen werden. Das Verhältnis — Symphilie. 4. Ekto⸗ und Entoparaſiten der einzelnen Ameiſenindividuen oder der Ameiſenbrut. Natürlich ſind dieſe Gruppen nicht immer ſcharf voneinander zu trennen, ſondern zeigen gar nicht ſelten Übergänge, und es kommt häufig vor, daß man bei der oder jener Form in Verlegenheit gerät, welcher von den vier Gruppen ſie zuzuſchreiben iſt. Wir müſſen eben immer im Auge behalten, daß die verſchiedenen Symbioſenformen nicht unabhängig voneinander entſtanden ſind, ſondern ſich allmählich auseinander entwickelt haben, wie z. B. die Symphilie ſtets entweder aus der Synechthrie oder der Synoekie hervor— gegangen iſt. Es kommt auch vor, daß zwei Symbioſenformen gemiſcht auf— treten, jo z. B. Symphilie oder Synoekie mit Ektoparaſitismus uſw. Dieſe Momente dürfen uns aber nicht abhalten, Gruppen überhaupt auf— zuſtellen, ſchon im praktiſchen Intereſſe, der beſſeren Überſichtlichkeit halber. Wir wollen nun die einzelnen Erſcheinungen der Myrmekophilie etwas näher betrachten. 1. Synechthrie. Die Beziehungen der Ameiſen zu den Synechthren ſind durchaus feind— liche. Wo und wann nur immer eine Ameiſe mit einem ſolchen Gaſt zu— ſammentrifft und ihn als Fremdling erkennt, da gibt es Balgereien. Mit ſichtlicher Wut ſtürzt ſie ſich auf ihn, beißt ihn in die Beine, ſucht ihn am Hinterleib zu faſſen oder ihn mit ihrem Gift zu beſpritzen. Gewöhnlich aber vermag der Gaſt ſeine Angreifer abzuwehren oder ihnen wenigſtens zu ent— wiſchen. Übrigens kommen ſolche Renkontres gar nicht ſo häufig vor, als es auf den erſten Blick den Anſchein hat. Denn die Synechthren ſuchen ein offenes Zuſammentreffen mit den Ameiſen möglichſt zu vermeiden; ſie halten ſich die meiſte Zeit verborgen, entweder vor dem Neſteingang oder in ver— ſteckten Winkeln im Neſt, oder ſie verſchanzen ſich ſogar durch einen kleinen Erdwall vor den vorübergehenden Ameiſen und wagen nur bei kühler Temperatur, vorzüglich nächtlicherweile, den Ameiſenknäueln ſich zu nähern. Dazu kommt, daß zwiſchen den Synechthren und den Wirtsameiſen häufig eine gewiſſe Ahnlichkeit bezüglich der Körpergröße und Färbung beſteht (Mimikry), ſo daß die Aufmerkſamkeit der Ameiſen durch einen ſolchen Gaſt möglichſt wenig erregt wird (3. B. Myrmedonia funesta und Lasius fuliginosus oder M. humeralis und Formica rufa uſw.). Zu den geſetzmäßigen Synechthren ſind eine ganze Anzahl Staphylinen (Käfer) zu zählen, vor allem aus der Gattung Myrmedonia, ſodann auch 1 164 Individuelle Symbioſe. Myrmoecia, Lamprinus, Quedius brevis, Xantholinus atratus u. a. Sie leben, wie geſagt, meiſt als Raubtiere von den Ameiſen und deren Brut und können dadurch der Kolonie empfindlichen Schaden zufügen. 2. Synoekie. Ungleich mannigfaltiger find die Erſcheinungen der Synoekie, welche in der indifferenten Duldung der Gäſte ſeitens der Ameiſen beſteht. Dieſe „Duldung“ kann verſchiedene Gründe haben: ſie kann erſtens darauf beruhen, daß die Ameiſen die Gäſte überhaupt gar nicht ſehen oder erkennen — ſei es wegen deren Kleinheit oder langſamen Bewegungen oder ſei es, weil ſie lebloſen Gegenſtänden (Holzſtückchen, Erdklümpchen uſw.) gleichen —, oder zweitens darauf, daß die Ameiſen die Gäſte als „unangreifbar“ oder „uner⸗ wiſchbar“ kennen gelernt und deshalb von deren Verfolgung als ausſichtslos Abſtand nehmen. Für die weitaus meiſten Synoeken trifft der erſte „Duldungs“-Grund zu; ſo werden die faſt bei allen Ameiſen vorkommenden winzigen Kollembolen (zur Gattung Beckia gehörig), ferner die vielen kleinen Staphylinen (Thiasophila, Notonecta, Homalota uſw.) und andere einfach wegen ihrer Kleinheit von den Ameiſen überſehen. Die bei den Wald— ameiſen lebenden Monotoma-Arten (Cucujiden) dürften Erllopitideus pee. wohl wegen ihrer Holzähnlichkeit nicht erkannt werden; die (Käfer, Stapbyline) verſchiedenen glatten, runden Lathridier (Coluocera, Mero- Serena Nach physia uſw.), die meiſtens bei den körnerſammelnden einer Photographie Aphaenogaster, Pheidole uſw. vorkommen, täuſchen vielleicht von E. Wasmann. 5 2 : R 5 Samenkörner vor; die mit einem Tönnchen aus Erde um— gebenen Clytra-Larven erſcheinen den Ameiſen einfach als ein Erdklümp⸗ chen uſw. 1). Dieſe Fälle ließen ſich noch um ein Vielfaches vermehren. Es geht aus ihnen hervor, daß die Ameiſen dabei eigentlich gar keine Rolle ſpielen; die „Duldung“ iſt rein negativer Natur und beruht ledig— lich auf dem Unvermögen der Ameiſen, die Anweſenheit der „Gäſte“ wahr— zunehmen. Anders dagegen bei der zweiten Gruppe von Synoeken, welche wegen ihrer Trutzgeſtalt oder „Unerwiſchbarkeit“ uſw. von den Ameiſen geduldet werden. Hier handelt es ſich um eine poſitive Duldung, wenn auch um eine aufgezwungene. Was würde es den Ameiſen nützen, die hartſchaligen glatten Hiſteriden oder den mit einem ſtachligen Schutzdach überwölbten Trilo- bitideus (Fig. 51) anzugreifen oder den überaus ſchnellen Oxypoda oder gar den blitzartig dahinhuſchenden aalglatten Lepismen nachzuſtellen. Nur ſelten würden ſie vielleicht einmal Erfolg haben nach endloſen Mißerfolgen. Und ſo ergeben ſie ſich denn „mit ſüß-ſaurer Miene“ in ihr Geſchick, zumal die Fig. 51. ) Noch vollſtändig unklar iſt der Grund der indifferenten Duldung der fait bei allen Ameiſen (oft maſſenhaft) vorkommenden weißen Aſſel (Platyarthrus hoffmannseggi); dieſelbe iſt jo groß und auffällig, daß ſie von den Ameiſen jedenfalls nicht überſehen werden kann. enn Synoekie. 165 Geſellſchafter ihnen keinen beſonderen Schaden zufügen. Außerdem hüten ſich dieſe Art von Synoeken auch, mit den Ameiſen öfter als für ihre Zwecke nötig, zuſammenzukommen, indem ſie ſich vielfach in entlegenen Winkeln, an Abfallplätzen uſw. aufhalten. Die Indifferenz der Ameiſen gegen die Synoefen iſt übrigens keineswegs überall abſolut feſtſtehend, ſondern mitunter laſſen die Ameiſen letzteren auch recht deutlich ihr Mißtrauen fühlen. Beſonders häufig trifft dies für die durch Wasmanns deſßzendenztheoretiſche Betrachtungen berühmt gewordenen Dinarda- Arten zu. Dieſe Staphylinen, die infolge ihres unangreifbaren Körperbaues (Trutztypus) und infolge der Geſchmeidigkeit ihrer Bewegungen, „der Gewandtheit im Schwenken und Schwänzeln“, von den Ameiſen zwar für gewöhnlich geduldet werden, werden dennoch manchmal mißtrauiſch be— handelt und hier und da ſogar auch verfolgt und angegriffen. Wasmann beobachtete des öfteren, wie eine Formica sanguinea längere Zeit ſich an— ſtrengte, eine Dinarda zu ergreifen, welch letztere aber ſtets heiler Haut entkam. Es iſt klar, daß es bei einem Fig. 52. ſolchen doch noch etwas unſicheren Verhältnis für die Gäſte von größtem Vorteil iſt, wenn ſie die mißtrauiſche Aufmerkſamkeit der Ameiſen möglichſt wenig erregen. Dieſe Bedingung iſt bei den Dinarden dadurch erfüllt, daß ſie eine gewiſſe Übereinſtimmung in der Färbung und relativen Körpergröße Ares een mit ihren Wirten zeigen (Mimitey), Am ernten leer. Jud dane wodurch die letzteren über die wahre Natur der Gäſte getäuſcht werden. Im Gegenſatz zu den meiſten der obigen Synoeken ſind deshalb auch die verſchiedenen Dinarda-Arten an ganz be— ſtimmte Wirtsameiſen gebunden. Was die Zwecke betrifft, welche die Synoefen in den Ameiſen— neſtern verfolgen, ſo ſind dieſe ſehr mannigfaltig. Entweder leben ſie nur von den Nahrungsabfällen ihrer Wirte oder ſie wollen von den ein— getragenen Nahrungsvorräten (Körnern) profitieren (Coluocera, Merophysia, Lepisma?), oder aber fie haben es auf die Leichen abgeſehen, die fie in Stücke zerreißen und verzehren (Dinarda); manche nehmen ferner in diebiſcher Weiſe an der Fütterung zweier Ameiſen teil (Fig. 52), indem ſie ſich zwiſchen den— ſelben aufſtellen und an dem austretenden Futterſaftstropfen mitlecken (Atelura, Myrmecophila, ausnahmsweiſe Dinarda), andere dagegen wollen nur die Oberfläche der Ameiſen, um der dort ausgetretenen Sekrete willen, belecken (Myrmecophila), und wieder andere endlich leben als Räuber von der Brut ihrer Wirte. Letzteres iſt aber bei den Synoeken relativ ſelten: Wasmann beob— achtete die Ausübung des Räuberhandwerks einige Male bei Dinarda, welche an kokonloſen Puppen und Eiern ihrer Wirte fraßen, ferner Silveſtri bei einer Ameiſengrille (Myrmecophila), und ich ſelbſt konnte mich von der Räubernatur eines anderen Synoeken, der Clytra-Larve, überzeugen. Sehr 166 Individuelle Symbioſe. originell iſt die Art und Weiſe, wie letztere ihr Handwerk betreibt. Wie ſchon geſagt, ſind dieſe Larven mit einem Tönnchen aus Erde umgeben, welches etwa birnförmige Geſtalt hat und auf der vorderen Seite geöffnet iſt. Beim Laufen kommt die Larve nur ſo weit aus dem Gehäuſe hervor, daß die Bruſtfüße frei werden, während das Abdomen mit dem Tönnchen ſenkrecht nach aufwärts gerichtet iſt. Sobald nun eine Ameiſe einer ſolchen Larve begegnet und ſie nur aufs leiſeſte berührt, ſo zieht ſich letztere momentan zurück, und zwar ſo weit, daß die vordere Hälfte des Tönnchens leer ſteht. In dieſer Haltung liegen die Larven längere Zeit regungslos da. Die Ameiſen finden an dem Kokon nichts auffälliges; es erſcheint ihnen im Gegenteil der vordere leere Abſchnitt des Larvengehäuſes als ein beſonders paſſender Platz zur Unterbringung ihrer Eier, die ſie denn auch dahin tragen; kaum aber haben ſie einige deponiert, ſo kommt die im Hintergrunde lauernde Larve hervor und läßt ſich die vorgeſetzte Speiſe wohlſchmecken. Im allgemeinen iſt aber der Schaden, welcher den Ameiſen durch die Anweſenheit der Synoeken erwächſt — abgeſehen von den letzt— genannten, relativ ſeltenen Fällen von Brutraub — nur ein ſehr geringer. Denn das bischen Nahrung, welches die wenigen winzigen Gäſte den Ameiſen wegſtehlen, kommt kaum in Betracht. Ja, viele Synoeken bringen den Ameiſen ſogar einen, wenn auch geringen, Nutzen!) durch Verzehren der modernden Abfälle, Leichen uſw.; Myrmecophila reinigt durch das Belecken die Ameiſen und Dinarda kann eine ſehr gefährliche Krankheit der Ameiſen, die Milbenräude, unterdrücken. Nach Wasmann gehören nämlich zur Speiſekarte der Dinarden außer den oben genannten Gerichten auch die Larven und Nymphen der in den Neſtern ihrer Wirte wohnenden Acarinen. In— dem ſie nun dieſe wegfreſſen, verhindern ſie die maſſenhafte Vermehrung der für die Ameiſen oft jo verhängnisvollen Paraſiten (Tyroglyphus was- manni u. a.). ö Die Zahl der Synoeken iſt Legion und es gehören ihnen jedenfalls weitaus der größte Teil aller Myrmekophilen an. Bis jetzt ſind etwa 800 Arten indifferent geduldeter Ameiſengäſte bekannt, doch ſtellt dieſe Zahl ſicher nur einen Bruchteil aller exiſtierenden dar (Wasmann berechnet die Zahl derſelben auf mindeſtens 3000). Denn da die Synoeken im allgemeinen wenig morphologiſche myrmekophile Anpaſſungscharaktere beſitzen, ſo iſt man bezüglich ihrer Beziehungen zu den Ameiſen lediglich auf die direkte Beob— achtung angewieſen; die wenigſten tropiſchen Ameiſenneſter ſind aber bis jetzt daraufhin unterſucht. 3. Symphilie. Das Benehmen der Ameiſen gegen die Symphilen iſt ein durchaus freund— ſchaftliches. Wir können aber verſchiedene Grade von Freundſchaft beob— ) Der Nutzen, der den Ameiſen aus der Synoekie erwachſen kann, iſt aber nicht zu vergleichen mit dem Nutzen, der ihnen aus der Trophobioſe erwächſt. Denn erſterer iſt nur ganz geringfügiger und gelegentlicher Natur, während doch die Trophobioſe für viele Ameiſen die Hauptlebensbedingung darſtellt. Symphilie. 167 achten: in dem einen Falle beſteht die ganze Freundſchaft darin, daß die Ameiſen ihre Gäſte nur ganz gelegentlich und flüchtig belecken (Hiſteriden); in dem anderen Falle dagegen iſt die Beleckung eine regelmäßige und inten— ſive, und werden die Gäſte von den Ameiſen außerdem herumgetragen oder auf andere Weiſe herumtransportiert (Pauſſiden); auf der nächſt höheren Stufe der Symphilie werden die Gäſte auch noch aus dem Munde der Ameiſen gefüttert; und auf der höchſten Stufe endlich werden überdies ſogar die Larven der Gäſte gefüttert und aufgezogen (Lomechusa). Wir haben hier eine Reihenfolge von Beziehungen vor uns, deren Anfangsitufe noch ſehr an die Synoekie erinnert, und deren Endſtufe den Beziehungen der Ameiſen zu ihrer eigenen Brut oder zu ihren eigenen Königinnen beinahe gleichkommt. Wodurch vermögen die Symphilen die freundſchaftlichen Ge— fühle der Ameiſen wachzurufen? In erſter Linie ſind es Exſudate, welche die Gäſte ausſchwitzen und welche auf die Ameiſen einen angenehmen narkotiſchen Reiz ausüben. Dieſe Exſudate bilden die Grundlage, auf der die Symphilie, welcher Stufe ſie auch an— gehören mag, baſiert iſt. Wir dürfen bei jedem Gaſt, bei welchem die Symphilie durch Beobachtung feſt— geſtellt iſt, mit Sicherheit auf das Vorhandenſein von Exſudatorganen ſchließen. Dieſe ſind äußerlich meiſtens leicht zu erkennen an beſonders auffallenden Poren oder Porengruben (Fig. 53, Ig.) und vor allem an den ſogenannten „Trichomen“, das ſind goldgelbe ſteife Härchen oder Borſten, mit welchen in weitaus den meiſten Fällen die Austritt— ſtellen der Exſudatdrüſen beſetzt ſind. Sie dienen zweifellos als Reizborſten, indem ſie bei der Be— leckung durch die Ameiſen gezerrt werden und dadurch casiser spec. Tr. Tri— einen ſekretionsvermehrenden Reiz auf die inneren Some, 20 Erſudataruben. Exſudatsorgane („adipoide Drüſen“) ausüben (vgl. n Wasmann 1903). Die Trichome ſtehen entweder vereinzelt über die ganze Oberfläche zerſtreut (3. B. Hetaerius) oder in größeren oder kleineren Reihen und Büſcheln vereinigt an den verſchiedenſten Stellen des Körpers, wie an den Seiten der erſten Abdominalſegmente (Lomechusa), an den Hinterecken der Flügeldecken (Claviger, Fig. 53, Tr.), an den Fühlern (Paussus) uſw. Je zahlreicher und beſſer ausgebildet die Trichome ſind, deſto freund— licher wird natürlich das Benehmen der Ameiſen gegen die Gäſte und deſto intimer wird das Verhältnis. Die Exſudatorgane (Poren, Trichome) ſind aber nicht die einzigen An— paſſungscharaktere der Symphilen, ſondern es haben ſich im Gefolge derſelben noch eine ganze Reihe anderer Umbildungen an den Gäſten vollzogen. Ich nenne hier nur die wichtigſten. Zunächſt die eigenartigen Fühlerbildungen! Die urſprüngliche Funktion der Fühler als Geruchs— organ iſt bei denjenigen Gäſten, die von den Ameiſen vollſtändig unter— halten und gepflegt werden, mehr oder weniger überflüſſig geworden und ſo Fig. 53. 168 Individuelle Symbioſe. konnten ſich dieſe Organe in den Dienſt der Symphilie ſtellen. Dies geſchah in zweifacher Weiſe: entweder wurden ſie zu Verſtändigungs- oder aber zu Transportorganen. Die Ameiſen bedienen ſich zur gegen— ſeitigen Verſtändigung der Fühler, indem ſie ſich betaſten oder „betrillern“. Um nun ordentlich „mittrillern“ zu können, find die Fühler bei manchen Symphilen „taktſtockförmig“ oder „keulenförmig“ umgebildet (3. B. Claviger, Fig. 53). Wo die Fühler dagegen als Transportorgane dienen — wie bei Paussus (Fig. 54), der ſeiner Größe wegen nicht getragen werden kann und infolgedeſſen an den Fühlern fortgezogen wird (bei Störungen des Neſtes uſw.) — da ſehen wir dieſelben möglichſt maſſiv, mächtig verbreitert und mit Zacken uſw. verſehen, die den Ameiſenkiefern gute Angriffspunkte darbieten. Als eine weitere Gruppe von ſymphilen Anpaſſungsmerkmalen ſei die Reduktion der Mundteile genannt, welche bei ſolchen Gäſten, die von den Fig. 55. 6 Fig. 54. 0 = = . Mr D E Fig. 54. Transport eines Paussus durch eine Pheidole-B. Tr. Trichome. Fig. 55. Zungenbildung verſchiedener myrmekophiler Staphylinen. A von Dinarda hagensi Wasm.; B von Myrmedonia funesta Grv.; C von Atemeles paradoxus Grv.; D von Xenodusa cava Lee.; E von Lomechusa strumosa F. Nach Wasmann. Ameiſen gefüttert werden, ſtets zu beobachten iſt. Sie betrifft einmal die Lippen⸗ und Kiefertaſter, welche in den extremen Fällen (Claviger) nur noch als winzige Rudimente vorhanden ſind, und ſodann auch die Zunge, welche gewöhnlich verkürzt und verbreitert iſt, um als Löffel zur Auffan— gung des von der Ameiſe dargereichten Futterſafttropfens dienen zu können (Fig. 55). Endlich iſt noch die Mimikry als eine bei Symphilen häufig vor— kommende Erſcheinung zu erwähnen. Schon oben bei den Synechthren wieſen wir auf die Übereinſtimmung von Gaſt und Wirt bezüglich der Färbung und Größe hin; fie diente dort dazu, die Erregung der feindlichen Aufmerk- ſamkeit der Ameiſen möglichſt zu verhindern. Hier bei der Symphilie, wo die Ameiſen infolge des Exſudats der Gäſte ohnehin freundſchaftlich reagieren, muß die Mimikry einen anderen Zweck haben. Wasmann ſieht denſelben darin, das Verhältnis noch intimer zu geſtalten und den Gaſt „gleichſam als Familienmitglied einzuführen“. Nicht bei allen Symphilen treffen wir Mimikry; . Symphilie. 169 ferner iſt ſie auch bei den einzelnen Gäſten überaus verſchieden und richtet ſich hauptſächlich nach dem Sehvermögen der Wirte. Bei den Gäſten blinder oder faſt blinder Ameiſen (Eeiton uſw.) beſchränkt ſich die Nachahmung auf die Skulptur der Oberfläche, die Behaarung und die Form, da ja dieſe Eigen— ſchaften allein von den blinden Wirten wahrgenommen werden können (vermöge des Fühlertaſtſinnes). Das Höchſte in dieſer Beziehung iſt bei einem Eeiton-Gaſt verwirklicht, bei Mimeciton pulex Wasm. (Staphyline), der es ſogar fertig brachte, die Ameiſentaille nachzuahmen (Fig. 56). Bei den Gäſten gutſehender Ameiſen dagegen bezieht ſich die Mimikry auch auf das Kolorit. Doch zeigt in ſolchen Fällen oft die Form des Gaſtes mit der der Wirts— ameiſe an und für ſich auffallend geringe Ahnlichkeit, und dennoch iſt es ſchwer, den betreffenden Gaſt, der ſich mitten unter den Ameiſen aufhält, heraus— zufinden, da durch ſeine Haltung (aufgerolltes Ab— domen uſw.) Lichtreflexe erzeugt werden, durch die eine Ameiſenähnlichkeit vorgeſpiegelt wird (Lomechusa). Ich kann hier nicht weiter auf dieſes ſchier unerſchöpfliche Thema eingehen, ebenſowenig auf die zahlreichen ſonſtigen ſpeziellen Anpaſſungserſcheinungen der Myrmekophilen (Rückbildung der Flügel und Tarſen, Ausbildung von Hafthaaren uſw.), da dies viel zu Fr 33 viel Raum beanſpruchen würde, und ich ja nicht eine (Käfer). Beispiel einer hoch- Naturgeſchichte der Ameiſengäſte, ſondern eine ſolche gradigen Munten. Nach der Ameiſen geben will. Die Anpaſſungscharaktere, die wir eben kennen gelernt, ſind ſo charakte— riſtiſch, daß wir bei dem Vorhandenſein derſelben mit großer Sicher— heit auf die ſymphile Lebensweiſe 8 des betreffenden Tieres ſchließen können, ſelbſt wenn wir keine direkte Beobachtung darüber beſitzen ) (im Gegenſatz zu den Synoeken, deren Ameiſenbeziehungen meiſtens nur durch direkte Beobachtungen feſtgeſtellt werden == - können). Fütterung eines Atemeles durch ſeine ? Wirtsameiſe (Myrmica). Tr. Trichome. Was das Benehmen der Sym— Nach Wasmann. philen gegen die Ameiſen betrifft, ſo iſt dieſes ein höchſt ungeniertes und furchtloſes. Sie meiden nicht nur nicht ein Zuſammentreffen mit den Ameiſen, wie die Synechthren und Synoeken, ſondern ſuchen dieſelben ſogar mit Vorliebe auf und miſchen ſich mitten unter ) Die ſymphilen Anpaſſungscharaktere können jo überhandnehmen, daß die natürliche ſyſtematiſche Stellung der betreffenden Gäſte dadurch vollkommen ver— ſchleiert wird, und daß es der eingehendſten Unterſuchung auch der inneren Organiſa— tion bedarf, um unter der ſymphilen Maske die wahre Natur zu erkennen (Paussus, Claviger, Lomechusa uſw.). 170 Individuelle Symbioſe. den dichteſten Ameiſenknäuel. Man ſieht ſie nur ſelten allein, meiſtens ſind ſie von Ameiſen umgeben. Sie unterhalten auch einen regen Fühlerverkehr mit ihren Wirten, der entweder zur Schmeichelei und Täuſchung (aktive Mimikry) dient oder aber als Aufforderung zur Fütterung. Manche Symphilen (Atemeles) „äffen den geſelligen Verkehr der Ameiſen in ſo erſtaunlich hohem Grade nach, daß ſie, wenn ſie eine Ameiſe zur Fütterung auffordern wollen, hierzu nicht nur ihre Fühler nach Ameiſenart verwenden, ſondern überdies ſogar die Vorderfüße nach Ameiſenart erheben und die Kopſſeiten der fütternden Ameiſe ſtreicheln“. Andere klettern auf ihren Wirten herum, um ſie abzulecken (Fig. 58) oder klammern ſich an ihren Fühlern oder ſonſt wo oder auch auf der Ameiſenbrut feſt, um ſich ſo direkt oder indirekt transportieren zu laſſen (paſſiver Transport) uſw. Was ſuchen nun die Symphilen bei den Ameiſen? So über— einſtimmend die Grundlage der Symphilie iſt (Exſudate), jo mannigfaltig und verſchieden ſind die Zwecke, welche die „echten Gäſte“ in der Ameiſen— geſellſchaft verfolgen. Die einen haben es auf die Brut ihrer Wirte ab— geſehen (Paussus, Lome- chusa), die anderen be= nutzen den Aufenthalt im Ameiſenneſt dazu, ihre Eier in die Larven der ſie bewirtenden Ameiſen abzulegen (die Procto⸗ trupiden Tetramopria : und Solenopsia), und Oxysoma oberthüri an rg (Myrmecocystus viaticus) wieder andere laſſen ſich aus dem Munde der Ameiſen füttern und auch ihre Larven aufziehen (Atemeles, Lomechusa). Sodann gibt es auch Symphilen, welche ihre gaſtfreundlichen Wirte anſtechen, um ihnen Blut abzuzapfen (Thorictus); andererſeits kennen wir aber auch harmloſere „echte Gäſte“, welche ſich damit begnügen, das auf der Oberfläche der Ameiſen ausgeſchiedene Sekret abzulecken. Solch harmloſe Geſchöpfe gehören aber zu den Seltenheiten (bis jetzt nur einige Oxysoma-Arten), und wir dürfen wohl behaupten, daß die Symphilie der Ameiſengeſellſchaft im allge— meinen Schaden bringt. Da die Symphilen (mit Ausnahme vielleicht des letztgenannten Oxysoma) der Geſellſchaft der Ameiſen keinen wirklichen Nutzen verſchaffen — das Exſudat iſt ja kein Nahrungsmittel, ſondern lediglich Genußmittel (Luxus) —, ſo bedeutet ſchon jede Pflegehandlung, welche die Ameiſen dieſen Gäſten zuteil werden laſſen, an und für ſich eine Vergeudung, einen Verluſt von Arbeit für den Staat. Abgeſehen davon aber ſchädigen die meiſten Symphilen die Ameiſen auch noch direkt, indem ſie, wie wir geſehen, die Brut der letzteren verzehren oder deren Larven mit Fig. 58. * } 3 j i Symphilie. 171 Eier belegen uſw. Der Schaden kann mitunter ganz gewaltig werden, wie z. B. durch Lomechusa, durch deren Anweſenheit die Erziehung krüppelhafter Zwiſchenformen (Pſeudogynen), welche weder zur Arbeit, noch zur Fort— pflanzung tauglich ſind, veranlaßt wird und ſo die Exiſtenz des ganzen Staates in Frage geſtellt werden kann (ſ. Kap. II, S. 51). Die Symphilie bedeutet (wenigſtens in weitaus den meiſten Fällen) für die Ameiſen eine ſoziale Krankheit, wie etwa der Alkoholismus für die Menſchenſtaaten ). Derartige ſchädliche Liebhabereien können nur in Geſell— ſchaften auftreten, da in denſelben den einzelnen Individuen der Kampf ums Daſein weſentlich erleichtert iſt gegenüber den ſolitären Tieren. Es wird an der Naturzüchtung liegen, dieſe ſchädlichen Momente, die erſt nachträglich, nachdem die Staatenbildung (die ſozialen Inſtinkte) perfekt geworden, im Gefolge eben dieſer aufgetreten ſind, zu entfernen. Und zwar dadurch, daß die Inſtinkte oder Triebe, auf Grund deren die ſchädliche Liebhaberei ſich ent— wickelt hat, entweder ausgemerzt oder wenigſtens eingeengt werden. Bei unſerem Falle würde es ſich darum handeln, den Brutpflege- und Fütterungs— inſtinkt der Ameiſen derartig einzuengen, daß er nicht mehr durch irgend welche fremde Reizmittel (Exſudate) ausgelöſt werden kann, ſondern nur noch auf die eigenen Nachkommen und die eigenen Kameraden reagiert. Iſt dies möglich, ohne dadurch die Grundlagen des Geſellſchaftslebens zu lockern, ſo wird die Naturzüchtung dies auch fertig bringen; im anderen Falle dagegen werden eben diejenigen Staaten, welche an einem ſolch verderblichen Luxus kranken, allmählich dem Untergange entgegengehen. Wasmann glaubt in der Symphilie einen Beweis gegen die Selektions— lehre gefunden zu haben, da ein ſo ſchädlicher Inſtinkt wie „der Symphilie— inſtinkt“, unmöglich durch die Naturzüchtung, die doch nur nützliche Eigen— ſchaften aufkommen läßt, entſtanden ſein könne. Das Irrige dieſer Anſchauung ergibt ſich aus dem eben Geſagten ohne weiteres. Wasmann müßte dann ebenſogut im Alkoholismus einen Beweis gegen das Selektionsprinzip erblicken, da es doch kaum etwas ſchädlicheres für den Menſchenſtaat geben kann als den „Alkoholinſtinkt“. Im übrigen muß ich bezüglich dieſer Frage auf die Polemik zwiſchen Wasmann und mir verweiſen (Wasmann 1899, 1903, Eſche rich 1899, 1902). Die Zahl der Symphilen iſt eine ziemlich große und dürfte mehrere Hundert erreichen. Meiſtens ſind es Käfer, die hierher gehören: die Lome— chuſinen (Staphylinen), die Clavigeriden, Gnoſtiden, Pauſſiden, Thorictiden, Hetaeriinen (Hiſteriden), ferner die Gattungen Amphotis, Lomechon, Amorpho— cephalus, ſodann einige Proctotrupiden (Tetramopria, Solenopsia) uſw. Bei der Intimität zwiſchen Symphilen und Ameiſen iſt es von vornherein klar, daß die Symphilen im allgemeinen weniger international ſind als die Synoeken, d. h., daß ſie auf beſtimmte Wirtsameiſen angewieſen ſind, ſo leben z. B. die meiſten Paussus-Arten ausſchließlich bei Pheidole, Claviger bei Lasius uſw. ) Auch der Alkoholismus wirkt direkt und indirekt ſchädlich: direkt, indem durch ihn die einzelnen Individuen ſich ruinieren und degenerierte Nachkommen erzeugen; indirekt, indem die viele Arbeit, die auf die Herſtellung des Alkohols (Bier, Wein) verwandt wird, nützlichen Tätigkeiten entzogen wird. 172 Individuelle Symbioſe. Einige Symphilen, wie die Atemeles- Arten, find doppelwirtig, d. h. fie haben zwei normale Wirtsameiſen (Myrmica und Formica), bei denen ſie ſich abwechſelnd aufhalten, und zwar bringen fie die Winterſaiſon im Myr- mica-Neſt zu, die Sommerſaiſon im Formica-Neſt, wo auch ihre Larven aufgezogen werden. Über die „internationalen“ Beziehungen der Symphilen ſiehe Wasmann (1891). 4. Ekto⸗ und Entoparaſiten. Die meiſten der bisher beſprochenen Gäſte haben ſich als mehr oder weniger ausgeſprochene Schmarotzer der Geſellſchaft erwieſen und wir können ſie daher als „Sozialparaſiten“ bezeichnen. Wir treffen aber in den Ameiſenneſtern nicht ſelten auch „Ind ividualparaſiten“, welche in oder auf dem Körper der Ameiſen oder deren Brut leben, um ſich von deren Säften zu ernähren. Wie allgemein üblich, teilen wir dieſe Schmarotzer in Ento- und Ektoparaſiten ein. Von den erſteren haben wir oben bei der Beſprechung der Polymorphismus⸗ formen (Kap. II, S. 42) ſchon ein Beiſpiel kennen gelernt: nämlich Würmer aus der Gattung Mermis, welche mitunter im Abdomen einzelner Ameiſen vorkommen und dadurch ſogar formverändernd wirken können, indem das Abdomen mächtig ausgedehnt und in Relation damit Bruſt und Kopf ver— kleinert wird („mermitophore Exemplare“). Andere Entoparaſiten leben in den Pharyngealdrüſen (ſiehe Kap. I, S. 24) der Ameiſen: es find dies winzige Nematoden (Pelodera janeti Lac.“ Duth.), welche durch den Mund in die ſchlauchförmigen Drüſen eindringen und ſich auf Koſten des Drüſenſekretes entwickeln. Sie bleiben hier aber nur kurze Zeit, d. h. ſo lange, bis ſie den zum freien Leben nötigen Zuſtand er— reicht haben. Die befallenen Ameiſen ſcheinen durch die Anweſenheit der Würmer wenig beläſtigt zu werden, obwohl die Zahl der letzteren mitunter mehrere Hundert betragen kann. Zu den Entoparaſiten ſind weiter die verſchiedenen kleinen Zehrweſpchen, insbeſondere Braconiden, Chalcididen und Proctotrupiden (Elasmosoma, Pachylomma, Eucharis, Tetramopria, Solenopsia uſw.) zu rechnen, welche ihre Eier in den Körper der Ameiſen oder deren Larven ablegen, wo ſie ſich auf Koſten ihrer Wirte bis zur Imago entwickeln. Manche dieſer Zehr— weſpchen, wie z. B. die beiden letztgenannten flügelloſen Gattungen, haben ſich, um ihr unſauberes Handwerk möglichſt bequem und ſicher betreiben zu können, mit dem Deckmantel eines guten Freundes umhüllt, d. h. die Eigenſchaften eines „echten Gaſtes“ (Symphilen) angenommen. Sie haben ſich dadurch ſoweit in das Vertrauen ihrer Wirte zu ſtehlen gewußt, daß ſie ſich ungeniert und ohne Gefahr unter ihnen bewegen können, ja ſogar von ihnen noch beleckt und gepflegt werden, während fie an ihre Wohltäter die totbringenden Ge— ſchenke verteilen. Eine ganz ähnliche Verbindung von Entoparaſitismus und Symphilie finden wir bei den flügelloſen winzigen, bei Solenopsis bzw. Eeiton lebenden Fliegen, Commoptera solenopsidis und Ecitomyia wheeleri, A Fire. Kup r Efto=- und Entoparaſiten. 173 indem dieſe ebenfalls ſymphile Eigenſchafſten (Exſudatdrüſen) beſitzen und letztere wohl — wie die Zehrweſpchen — dazu benutzen, ungeſtört ihre Eier an ihren Wirten ablegen zu können. Apocephalus pergandei, eine andere zu den Phoriden gehörige Fliege, geht viel offener vor; ſie verſucht ihre Eier nicht, wie ihre beiden Vettern, auf hinterliſtige Weiſe ihrem Opfer einzuführen, ſondern ſie tut dies im offenen Kampfe, der oft mehrere Stunden dauern kann. Die betroffene Ameiſe iſt dem Tode verfallen; denn die Entwickelung der Fliege findet in dem Kopfe derſelben ſtatt, welcher von der Larve allmählich radikal aus— gefreſſen wird, ſo daß er eines Tages vom Rumpfe fällt. Man hat die Fliege deshalb auch als „Ameiſenſcharfrichter“ gekennzeichnet. Weit größer iſt das Heer der Ektoparaſiten. Das Hauptkontingent dazu ſtellen die Milben; hat doch Berleſe kürzlich in einem ſtarken Bande nicht weniger als 61 myrmekophile Arten aus nur einer Familie (Gamaſiden) beſchrieben. Ich gehe hier nur auf einige Fälle ein, aus denen aber zur Genüge hervorgeht, wie mannigfaltig und intereſſant die Beziehungen zwiſchen Ameiſen und Milben ſich geſtalten können. Beginnen wir mit dem winzigen Loelaps oophilus Wasm. Derſelbe ſitzt mit Vorliebe auf den Eiern der Ameiſen, ohne aber, wie man a priori annehmen möchte, daran zu ſaugen; er wird vielmehr bei der Beleckung der Eiklumpen durch die Wirte mit ernährt — eine Ernährungsweiſe die Was— mann als „Syntrophie“ bezeichnet hat. In den Neſtern von Formica sanguinea findet man häufig den Sarcoptiden Tyroglyphus wasmanni Mon. Er lebt als entwickeltes Geſchlechts— tier, ſowie als normale Larve und Nymphe von Ameiſenleichen uſw. Da— gegen ſitzen die im Hypopusſtadium befindlichen heteromorphen Nymphen dieſer Milbe am Körper der Ameiſen, und zwar ſtets mit dem Kopf gegen die Spitze des betreffenden Körpergliedes der letzteren gerichtet. Nicht ſelten ver— urſachen dieſe Hypopen durch ihr maſſenhaftes Überhandnehmen eine wahre Milbenräude, zu vielen Hunderten jede Ameiſe wie mit einer grauen Kruſte bedeckend, bis die ganze Kolonie an dieſer Seuche ſchließlich eingeht (Was— mann 1898). Eine andere Milbe, Discopoma comata Berl., hält ſich mit Vorliebe auf dem Abdomen der Ameiſen auf und zwar zu dem Zweck, eine der dünnen Interſegmentalhäute mit ihrem Rüſſel zu durchbohren und ſo die Nahrung aus den Säften ihres Wirtes zu beziehen. Ganz eigenartig find die Beziehungen zwiſchen den verſchiedenen Antenno- phorus-Arten und ihren Wirten (Lasius niger, flavus, mixtus). Wie Ch. Janet zuerſt feſtſtellte, und Wasmann und Karawaiew mehrfach beſtätigten, ſitzt dieſe Milbe meiſtens auf der Unterſeite des Ameiſenkopfes (ſiehe Fig. 59 A), und zwar in der Weiſe, daß ſie ſich mit den drei hinteren Beinpaaren feſt— hält, während ſie die langen vorderen Beine fühlerartig ausſtreckt. Mit dieſen Pſeudofühlern nun ſtreichelt und kitzelt ſie ihre Wirtin an der Kehle und an den Seiten des Kopfes ſo lange, bis dieſe einen Futterſaftstropfen herauf— würgt, den der Paraſit dann aufleckt. Antennophorus wird alſo aus dem Munde ſeiner Wirte gefüttert. Wir dürfen jedoch dieſen Vorgang nicht in 174 Individuelle Symbioſe. einem Atem mit der Fütterung, die den „echten Gäſten“ (Lomechusa, Atemeles uſw.) von ſeiten ihrer Wirte zuteil wird, nennen; denn hier handelt es ſich um einen „freiwilligen“, d. h. auf inſtinktiver Zuneigung beruhenden Akt, während die Antennophorus-Fütterung lediglich Reflex iſt. Nichts liegt den Ameiſen weniger im Sinn, als ihre „lebenden Maul— körbe“ zu füttern; im Gegenteil, ſie machen oft „verzweifelte Anſtrengungen den unverſchämten Kerl abzuſtreifen“, ohne aber Erfolg damit zu haben. Wasmann bezeichnet daher ſehr treffend das Verhältnis des Antennophorus zu den Ameiſen als eine Karikatur des „echten Gaſtverhältniſſes“ (Symphilie). Ein Seitenſtück zu Antennophorus bildet das ſogenannte „lebende Hals— band“: d. i. eine Fliegen-(Phoriden-)Larve, welche normalerweiſe in der Hals region der Ameiſenlarven (Pachycondyla) ſich feſtſetzt, dieſelbe wie ein Hals— band umgebend (Fig. 59 0). Wenn nun die Ameiſenlarve Fig. 59 C. gefüttert wird, was bei Pachycondyla durch Vorſetzen von BERN: Inſektenſtücken uſw. geſchieht, ſo nimmt auch das „Hals— band“ an der Mahlzeit teil. Iſt die dargereichte Nahrung vollkommen aufgezehrt, ſo kommt es vor, daß der Schmarotzer ſeinen Kopf nach den benachbarten Ameiſenlarven ausſtreckt, ob bei ihnen vielleicht noch etwas zu haben ſei. Oder ſie zwicken ihre Wirte tüchtig in die Haut, damit dieſe unruhig Fig. 59 A. Be ren 7 — —— S 2 228 7 7 ges, 75 ru, 77 re Verſchiedene Eftoparafiten der Ameiſen. A Antennophorus an der Unterſeite des Kopfes eines Lasius g ſitzend (nach Janet); B Thorictus forei an dem Fühlerſchaft eines Myrmecoeystus=& (nach Wasmann); 0 Phoriden-Larve (Fl) am Halſe einer Pachycondyla-Larve ſitzend (nach Wheeler). N werden und dadurch die fütternden Arbeiter veranlaſſen, neue Nahrung vor— zuſetzen! Warum die Arbeiter ihre Larven nicht von den läſtigen und diebiſchen Halsbändern befreien (ob dieſelben vielleicht zu feſt ſitzen?) darüber wiſſen wir nichts. Noch auffälliger erſcheint die Duldung eines anderen Ektoparaſiten, nämlich des Käfers Thorietus foreli Wasm., der ſeinen normalen Sitz an dem Fühler- ſchaft ſeiner Wirte (Myrmecocystus viaticus F.) hat (Fig. 59 B). Er iſt den Ameiſen ungeheuer läſtig, weshalb die befallenen Individuen ſich auch die größte Mühe geben ihn loszuwerden. Es iſt ſehr drollig, ſie dabei zu beobachten, wie ſie mit den Beinen den ungebetenen Gaſt fortzuſchieben oder wie ſie den Fühler durch Spalten zu ziehen ſuchen, um ſo die Laſt abzu— ſtreifen, oder wie ſie mit dem Gaſt feſt an die Wand oder den Boden trom— meln uſw. Aber alle Anſtrengungen bleiben erfolglos, zumal niemals einer der Kameraden an dem Befreiungswerke mithilft. Im Ekto⸗ und Entoparaſiten. Literatur. 175 Gegenteil, die thorictusfreien Arbeiter ſcheinen ſogar noch Gefallen an den Fühlerreitern zu beſitzen, denn man ſieht ſie zuweilen deren Oberfläche belecken nach Art der „echten Gäſte“. Was treiben nun dieſe Gäſte die ganze Zeit an den Fühlern der Ameiſen? Höchſt wahrſcheinlich ſtechen ſie mit ihren Kiefern die Fühler an, um das aus den ſo geſetzten Löchern ausfließende Blut aufzulecken. Trifft dieſe Annahme, die nach den von Wasmann vorgebrachten Gründen höchſt wahrſcheinlich iſt, wirklich zu, ſo haben wir hier die Verbindung des „echten Gaſtverhältniſſes“ mit Ektoparaſitismus. Zweifellos iſt hier letzterer ſekundär zur Symphilie hinzugekommen; denn die meiſten anderen Thorictus— Arten ſind nicht antennophil und leben als Symphilen oder Synoeken von den Abfällen und Leichen ihrer Wirte. Anders bei den obigen entoparaſitiſch lebenden Symphilen (Tetramopria uſw.): bei ihnen war der Paraſitismus das primäre Element, da alle Proctotrupiden Paraſiten ſind, und hat ſich die Symphilie erſt ſekundär im Anſchluß an dieſen herausgebildet. * * %* Wie eingangs ſchon erwähnt, mußte ich mich hier darauf beſchränken, das äußerſt intereſſante und ſchier unerſchöpfliche Thema der Myrmekophilen— kunde nur ganz ſkizzenhaft zu behandeln. Vielleicht iſt es mir trotzdem gelungen, auch dem Fernſtehenden einen Begriff von der Wunderwelt, die uns durch den Jeſuitenpater E. Wasmann eröffnet wurde, zu geben. Das Eine wird jeder daraus geleſen haben, daß nämlich die Großmachtſtellung, die die Ameiſen im Tierreich einnehmen, nach allen Richtungen hin von dem verſchiedenſten Inſektenvolk gründlichſt ausgebeutet und ausgenutzt wird. Literatur. Ich bringe hier nur die Literatur über die paſſiven Beziehungen (Myrme— kophilie s. str.), da die Arbeiten über die aktiven Beziehungen (Trophobioſe) ſchon im IV. Kapitel aufgeführt ſind. Berleſe, A., IIlustrazione iconografica degli Acari mirmecofili. In: „Redia“ 2 (4904). Brues, Ch. Thomas, Two new myrmecophilous Genera of aberrant Phoridae from Texas. In: The Amer. Nat. 35, 337—356, 1901. Eſcherich, K., Zur Kenntnis der Myrmekophilen Kleinaſiens. In: Wien. ent. Zeitſchr. 1897, S. 229 bis 239. Eſcherich, K., Zur Anatomie und Biologie von Paussus tureicus Friv. In: Zool. Jahrb. (Syſt.) 12, 27 bis 70, 1898. Tafel II. Eſcherich, K., Zur Biologie von Thorietus foreli Wasm. In: Zool. Anz. 21, 483 bis 492, 1898. Eſcherich, K., Zur Naturgeſchichte von Paussus favieri Fairm. In: Verhandl. d. Zool. bot. Geſ. Wien, 1899. Eſcherich, K., Über myrmekophile Arthropoden, mit beſonderer Berückſichtigung der Biologie. In: Zool. Zentralbl. 6, 1 bis 18, 1899. Eſche rich, K., Biologiſche Studien über algeriſche Myrmekophilen. In: Biol. Zentralbl. 22 (1902). 176 Individuelle Symbioſe. Eſcherich, K., Über die Gäſte der Ameiſen. In: Mitteil. d. Philom. Geſ. Elſaß⸗Lothr. 1902, S. 461 bis 474. 2 Tafeln. Forel, Aug., Fourmis de la Suisse, p. 422 — 428. Janet, Chr., Sur le Lasius miatus, UAntennophorus Uhlmanni ete. Limoges 1897. Janet, Chr., Rapports des Animaux myrmecophiles avec les Fourmis. Limoges 1897. f Karawaiew, W., Antennophorus Uhlmanni Hall. und ſeine Beziehungen zu Lasius fuliginosus und anderen Ameiſen. Kiew 1904. f Pergande, Theo, The Ant- decapitating Fly. In: Proc. Ent. Soc. Wash- ington H. 497—501, 1901. Silveſtri, Fil., Contribuzioni alla conoscenza dei Mirmecofili. I. In: Ann. Mus. Zool. Univ. Napoli 1 (1903). Wasmann!), E., Vergleichende Studien über Ameiſen- und Termitengäſte. In: Tijdschr. v. Entom. 33 (1890). Wasmann, E., Vorbemerkungen zu den internationalen Beziehungen der Ameiſengäſte. In: Biol. Zentralbl. 11 (1891). Wasmann, E., Kritiſches Verzeichnis der myrmekophilen und termitophilen Arthropoden. XVI. u. 231 Seiten. Berlin 1894. (In dieſem grundlegenden Werke iſt alle Literatur bis 1894 verzeichnet.) Wasmann, E., Die Myrmekophilen und Termitophilen. Leyden 1896. Compt. rend. III. Congres Internat. Zool. Wasmann, E., Zur Entwickelung der Inſtinkte (Entwickelung der Symphilie). In: Verhandl. d. Zool. Geſ. Wien 1897. Wasmann, E., Die Gäſte der Ameiſen und Termiten. In: Illuſtr. Zeitſchr. f. Ent. 1898. Wasmann, E., Neue Dorylinengäſte aus dem neotropiſchen und äthiopiſchen Faunengebiet. In: Zool. Jahrb. (Syſtem.) 14 (1900). Wasmann, E., Die pſychiſchen Fähigkeiten der Ameiſen. Stuttgart 1899. Wasmann, E., Neues über die zuſammengeſetzten Neſter und gemiſchten Kolonien der Ameiſen. In: Allgem. Zeitſchr. f. Ent. 6 u. 7 (1901 u. 1902). Wasmann, E., Zur näheren Kenntnis des echten Gaſtverhältniſſes bei den Ameiſengäſten. In: Biol. Zentralbl. 1903. Wasmann, E., Zur Kenntnis der Gäſte der Treiberameiſen und ihrer Wirte am oberen Kongo. In: Zool. Jahrb., Suppl. 7 (1904). Wheeler, W. M., An extraordinary Ant-Guest. In: The Americ. Natural. 35, 1901. 1) Ich kann hier unmöglich ſämtliche Arbeiten Wasmanns, deren Zahl weit über 100 beträgt, anführen, und nenne daher nur die hauptſächlichſten zuſammen⸗ faſſenden Schriften, in denen ja auch die übrige Literatur zu finden iſt (vgl. beſonders „Krit. Verzeichn.“ und „Pſych. Fähigk.“). Neuntes Kapitel. Beziehungen der Ameiſen zu den Pflanzen. 1. Die Ameiſen als Pflanzenſchädlinge. In den temperierten Zonen iſt der Schaden, welchen die Ameiſen der Pflanzenwelt zufügen, nur geringfügig. Es gibt bei uns überhaupt nur ganz wenige Arten, welche als Pflanzen— ſchädlinge ernſtlich in Betracht kommen: es ſind dies vor allem die baumbewohnenden Camponotus- Arten (herculeanus, ligniperdus und pubescens), welche ihr Neſt ge— wöhnlich in lebenden Baumſtämmen anlegen (Kap. IV, X. 2). Die Bäume können dabei bis zu 10m Höhe im Innern ausgenagt werden, wodurch ſie natürlich, in ihrer Lebenskraft weſentlich geſchwächt, bald anderen Feinden (Borkenkäfern, Pilzen uſw.) oder Stürmen zum Opfer fallen ). ) Die Anweſenheit von Campo— notus in lebenden Bäumen verrät ſich (natürlich außer durch die ein- und auslaufenden Ameiſen) durch die aus— geworfenen Nageſpäne ſowie durch tiefliegende Spechtlöcher. Denn die Spechte, vor allem die Grünſpechte, haben eine beſondere Vorliebe für Ameiſen, die ſie in rieſigen Quantitäten verzehren. Der Nutzen, den der Grün— ſpecht durch Vertilgung der ſchädlichen Camponotus-Arten ſtiftet, wird jedoch dadurch wieder aufgehoben, daß er auch den forſtnützlichen Waldameiſen nachſtellt. Ja nach den ſoeben er— ſchienenen Mitteilungen Wasmanns (1906) ſcheint er bei ſtrengem Froſt— wetter ſich ausſchließlich von Formiea rufa und pratensis zu nähren; denn alle im Winter unterſuchten Exkremente beſtanden nur aus den Arbeiterinnen der genannten Arten. Eſcherich, Die Ameiſe— Fig. 60 B. Fig. 60 A. A Schnitte aus Cuphea- Blättern, in 4 bis 5 Minuten von Atta discigera ausgeführt. B Atta discigera, an einer geplünderten Pflanze mit Schnittſtücken herabſteigend. Nach Möller, aus Schimper. 12 178 Beziehungen der Ameiſen zu den Pflanzen. In erſter Linie ſind es Koniferen, die auf dieſe Weiſe geſchädigt werden (Fichte, Tanne, Kiefer), gelegentlich werden aber auch Laubhölzer (Eiche, Linde, Akazie) befallen (Nüßlin). Außerdem können die Ameiſen unſere Pflanzenwelt dadurch, mitunter recht empfindlich, ſchädigen, daß ſie Aphiden und Cocciden züchten und vor ihren Feinden beſchützen. Denn dieſe Läuſe können, wenn ſie in großen Mengen auftreten, den Pflanzen ſo viel Saft entziehen, daß ſie daran zugrunde gehen oder wenigſtens in ihrem Gedeihen ſtark beeinträchtigt werden. Endlich ſei auch noch an die Körner ſammelnden Ameiſen erinnert, welche durch das Eintragen und Verzehren von Samen eine Menge Pflanzen- keime vernichten können (vergl. Kap. V, 2c). Eine ungleich verderblichere Rolle aber (als in den temperierten Zonen) ſpielen die Ameiſen in den Tropen. Speziell im tropiſchen Amerika ſind gewiſſe Arten geradezu als die gefährlichſten Feinde der Vegetation zu bezeich- nen, da ſie die Pflanzen ihrer Blätter berauben. Es ſind dies die berüchtigten „Blattſchneider“ oder „Schlepper“ (von den Eingeborenen „Sauba“ genannt). Die Züge dieſer Ameiſen (Atta-Arten) fallen jedem Reiſenden auf. „Ein grüner Strom zieht quer durch den Waldpfad — wandernde Blattſtücke von Groſchengröße, jedes auf dem Kopf einer Ameiſe ſenkrecht ſtehend!“ „Der Zug kommt von einer Pflanze, auf welcher die keineswegs furchtſamen Tier- chen bei ihrer Arbeit leicht beobachtet werden können. Ein Stück aus dem Blattrand wird mit den ſcherenartigen Kinnbacken in wenigen Minuten herausgeſchnitten und mit ruckartiger Bewegung auf den Kopf geſtellt. So be= laden ſchließt ſich die Ameiſe der heimkehrenden Schar an“ (Fig. 60 A und B). „Die heimgeſuchte Pflanze wird manchmal, jedoch nicht immer, erſt ver- laſſen, nachdem ſämtliches Laub, mit Ausnahme beſonders harter Rippen und Stiele, fortgeſchleppt worden iſt“ (Schimper 1898). Die „Schlepper“ ſind nicht etwa auf eine oder wenige beſtimmte Pflanzenarten angewieſen, wie die meiſten unſerer forſtſchädlichen Inſekten, ſondern ſie befallen die verſchiedenſten Pflanzen und tragen außer den Blattſtücken auch Blüten, Samen uſw. mit fort. Möller gibt an, daß die Zahl der „geſchnittenen“ Pflanzenarten ganz außerordentlich groß iſt, jo daß weniger die Maſſe, als vielmehr Mannig— faltigkeit des eingetragenen Materials überraſcht. Beſonders ſtark find die eingeführten Gewächſe, wie Orangen, Granat— bäume, Roſen, den Angriffen der Sauba ausgeſetzt und es iſt daher in manchen Gegenden geradezu unmöglich, ſolche Kulturen anzulegen. Wie die Ameiſen die eingeſchleppten Blattſtücke verwenden, d. h., daß ſie dieſelben nicht direkt als Nahrung gebrauchen, ſondern ſie zum Düngen eines Pilzes benutzen, darüber iſt oben (Kap. V, 24) ſchon das Nähere geſagt. 2. Die Ameiſen als Verteidiger der Pflanzenwelt. Mit Ausnahme der wenigen eben genannten Fälle erweiſen ſich die Ameiſen meiſtenteils als nützlich für die Pflanzenwelt, und zwar dadurch, daß ſie kräftig an der Vertilgung der Pflanzenſchädlinge mitarbeiten oder den letzteren überhaupt den Zutritt zu den Pflanzen verwehren. Die Ameiſen als Verteidiger der Pflanzenwelt. 179 In welch ausgiebiger Weiſe die Ameiſen deren Vernichtung betreiben, davon kann man ſich leicht überzeugen, wenn man im Sommer das Leben und Treiben der überall häufigen Formica rufa beobachtet. In großen Scharen ziehen ſie, leer oder mit Puppenhäuten beladen, aus ihrem hoch— getürmten Neſt aus, und eben ſolche Scharen ziehen fortwährend heim— wärts, größtenteils mit einem Beutetier beladen. Nicht nur auf ebener Erde ſuchen ſie ihre Opfer, ſondern ſie erklettern auch die höchſten Fichten und Tannen, um die an den Nadeln freſſenden Raupen oder Käfer ſich zu holen. Sind die Bäume in der nächſten Umgebung geſäubert, ſo geht es an entfernter ſtehende ujm. Wenn man bedenkt, welche große Einwohner- zahl (400 000 bis 500 000) eine F. rufa-Kolonie beſitzt, und ferner, daß die rufa-Kolonien meiſtens ſehr zahlreich find, fo verſteht man ohne weiteres, daß die Waldameiſen eine ganz vortreffliche Schutzwehr gegen die verſchiedenen Waldfeinde aus der Inſektenwelt darſtellen ), und daß der Förſter die großen Ameiſenhaufen gern in ſeinem Revier ſieht. Man hat ſogar eine künſtliche Vermehrung der Ameiſenkolonien im Walde erſtrebt (Nüßlin), und in manchen Ländern gibt es Geſetze, die das Sammeln der Ameiſenpuppen (zwecks Verkauf als Vogelfutter) verbieten. 5 Den Chineſen iſt dieſe nützliche Eigenſchaft der Ameiſen ſchon lange be— kannt, wie aus einer Mitteilung von Prof. de Groot hervorgeht, welche die Überſetzung eines Fragmentes eines aus dem 12. Jahrhundert ſtammenden chineſiſchen Buches enthält. Wir erfahren daraus, daß die chineſiſchen Pflanzer ſchon zu jener Zeit die Ameiſen geſammelt, gezüchtet und geſchützt haben, um auf dieſe Weiſe ihre Orangen- und Mandarinenbäume raupenfrei zu erhalten. Es iſt unter den Chineſen ſogar eine beſondere Arbeiterklaſſe, die der „Ameiſen— ſammler“ entſtanden (vgl. Raciborski 1900). — Auch die Javaner benutzen nach Raciborski ſchon ſeit alter Zeit Ameiſen, um die Früchte der Mangobäume gegen die Angriffe des Cryptorrhynchus mangifera, eines Käfers, zu ſchützen. „Sie ſammeln im Walde oder an den Strandbäumen die Neſter der großen und bösartigen roten Ameiſen, bringen dieſe in ihre Gärten und hängen ſie auf die ſchattigen Mangobäume.“ Sie verbinden ferner die einzelnen Bäume durch Taue uſw., um ſo den Ameiſen einen größeren Wirkungskreis zu verſchaffen. In neuerer Zeit hat man auch Verſuche gemacht, dem Hauptſchädling der Baumwollpflanze, dem berüchtigten „Boll-Weevil“ (einer Käferlarve), mit Hilfe von Ameiſen zu Leibe zu gehen. Doch ſind die Akten darüber noch nicht ge— ſchloſſen (Wheeler 1904). * * * Eine Reihe von Pflanzen beſitzen beſondere Mittel, die Ameiſen anzulocken. Es ſind dies zuckerſezernierende Drüſen, welche außerhalb der Blüte ſtehen, und deshalb als „extraflorale“ oder „extranuptiale“ Nektarien bezeichnet werden. Häufig ſind die betreffenden Stellen auch noch durch auffallende Fär— bung (purpur, rot, weiß) ausgezeichnet. Von unſeren einheimiſchen Pflanzen be— ſitzen ſolche Lockmittel verſchiedene Kompoſiten (Centaurea montana, Jurinea, ) Forel berechnete, daß von den Bewohnern eines einzigen rufa-Neſtes an einem Tage über 100 000 Inſekten vertilgt werden. 12* 180 Beziehungen der Ameiſen zu den Pflanzen. Serratula), ſodann Prunus, Populus uſw.; häufiger ſind ſie bei tropiſchen Pflanzen (ſ. unten). — Daß der Ameiſenbeſuch den betreffenden Pflanzen wirk— lichen Nutzen verſchafft, iſt durch verſchiedentliche Verſuche (v. Wettſtein) erwieſen. Der Schutz, den die Ameiſen den Pflanzen gegen deren zahlreiche Feinde gewähren, iſt um ſo ſicherer und ausgiebiger, je enger und intimer die Be— ziehungen zwiſchen Pflanzen und Ameiſen ſind. Am beſten iſt es natürlich dann für die Pflanzen, wenn ihre Verteidiger ſich ſtets auf ihnen aufhalten, d. h. auf oder in ihnen ihre Wohnung genommen haben. Wie wir nun oben beim Neſtbau (Kap. IV) geſehen haben, gibt es eine ganze Anzahl Ameiſen, welche gelegentlich oder ausſchließlich auf oder in Pflanzen, d. h. in ſchon vorhandenen Spalten oder Höhlungen derſelben niſten. Es wäre aber verfehlt, wenn wir in allen dieſen Fällen gleich einen Schutz für die Pflanze erblicken wollten. Dazu gehört vor allem, daß die betreffende baumbewohnende Ameiſe in ſtarken Kolonien lebt und mutig und kriegeriſch oder wenigſtens aus— geſprochen karnivor veranlagt iſt. Die meiſten der bei uns vorkommenden Baumbewohner (Leptothorax, Lasius fuliginosus, Colobopsis uſw.) erfüllen aber dieſe Bedingungen nicht und ſind daher für den Baum vollſtändig indifferent. Das Zuſammenſein von Pflanze und Ameiſe bedeutet hier keine gegenſeitige Förderung, ſondern der Nutzen liegt lediglich auf ſeiten der Ameiſe. Anders aber, wo es ſich um ſtarke kriegeriſche Ameiſen handelt; hier können die Pflanzen aus dem Zuſammenleben nicht minder Nutzen ziehen als die Ameiſen, und kann es ſomit zu einem richtigen Gegenſeitigkeitsverhältnis kommen. Bei uns ſind derartige Beziehungen relativ ſelten und mehr zu— fälliger Natur (vielleicht Liometopum microcephalum, vgl. Forel 1892), um ſo häufiger aber ſind ſie in den Tropen. Hier hat das Zuſammenleben mehrfach auch ſtreng geſetzmäßige Form angenommen und — wenigſtens nach einigen Autoren (Fr. Müller, Schimper uſw.) — zu einem richtigen Abhängigkeitsverhältnis geführt. In ſolchen Fällen zeigen die Pflanzen ſogar Anpaſſungen an die Ameiſen, wes⸗ halb wir ſie als „myrmekophile Pflanzen“ bezeichnen. Die Zahl der als myrmekophil beſchriebenen Pflanzen iſt eine ſehr große und wird fortwährend noch vermehrt. Doch iſt in den wenigſten Fällen der Beweis für die myrmekophile Natur der Anpaſſungen tatſächlich erbracht. Wenn irgend ein ſeiner Funktion nach unbekanntes Organ auf einer Pflanze entdeckt wird und wenn ferner auf oder in dieſem Organ Ameiſen gefunden werden, ſo iſt man gleich bereit, darin eine myrmekophile Anpaſſung zu ſehen. — Daß ein ſolcher Schluß nicht einwandsfrei iſt, liegt auf der Hand. Es muß doch erſt feſtgeſtellt ſein, daß die betreffende Ameiſe wirklich wehrhaft iſt, und daß durch ſie die Pflanze vor einem ſie ernſtlich ſchädigenden Feind bewahrt wird. Denn ſonſt iſt es total unverſtändlich, wie eine derartige Organiſationsänderung der Pflanze im Hinblick auf die Ameiſen entſtehen konnte. Bis jetzt iſt dieſer Nachweis nur für relativ wenige Pflanzen erbracht. Ich nenne zunächſt die Akazien (A. sphaerocephala und spadicigera) und die Cecropien ) (Imbauba) Südamerikas. Wir haben oben geſehen, daß in Süd— ) Die Cecropien (trumpet trees, pao de imbauba) gehören zu den am meiſten in die Augen fallenden Bäumen des tropiſchen Amerika. Überall erheben ſich, kandelaber— Die Ameiſen als Verteidiger der Pflanzenwelt. 1 amerika die Vegetation unter der Sauba-Ameiſe ungeheuer zu leiden hat. Allerdings ſind nicht alle Pflanzen den Angriffen der Blattſchneider in gleicher Weiſe ausgeſetzt, ſondern es werden nur ſolche heimgeſucht, deren Blätter ſich . zur Verarbeitung zum Pilzdünger eignen. Zu dieſen letzteren gehören aber die Akazien und Cecropien, ja es ſcheint, daß dieſe ſogar in beſonderem Anſehen bei den Blattſchneidern ſtehen. Und dennoch ſind die meiſten Bäume der genannten Gattungen voll- Fig. 61. kommen unverſehrt, und ne zwar lediglich aus dem Grunde, weil auf ihnen gewöhnlich überaus biſſige und kriegeriſche Ameiſen (aus den Gattun— gen Azteca !) und Pseudo- myrma) wohnen, die den Blattſchneidern den Zutritt zu dem Baume, ihrem Neſtbereich, verwehren. Wo dieſe Ameiſen aus irgend einem Grunde fehlen, da kann man auch ſtets die Ver⸗ wüſtungen der Atta ſehen (Fr. Müller, Schimper). So iſt hier durch Beob— achtung feſtgeſtellt, daß der Pflanze tatſächlich ein großer Nutzen aus der Anweſenheit der Schutzameiſen erwächſt, ja daß ſogar ihre Exiſtenz davon abhängen kann. Welche Vorteile bietet nun dafür die — Be Pflanze der Ameiſe? N . W | Wohnung und Nahrung: Längsgeſpaltenes Stück eines jungen Cecropia- Stammes. Die Akazien beſitzen mächtige Zentrale Höhlung mit von den Ameiſen durchbohrten blaſenförmig aufgetriebene, Querfächern. Aus Schimper. hohle Dornen (Fig. 64) und die Cecropien einen hohlen, durch. Querfächer ab— geteilten Stamm (Fig. 61), wo die Ameiſen ohne weiteres niſten können; die Akazien wie die Cecropien produzieren ferner — erſtere an den Enden der Blättchen, letztere an der Baſis der Blattſtiele — beſondere eiweißhaltige Körperchen (die Beltjchen bzw. die Müllerſchen Körperchen [Fig. 63]), welche den Ameiſen, wie ähnlich, ihre ſchlanken, von kurzen Stelzwurzeln getragenen Stämme, welche ſich oberwärts in wenige einfache oder nur wenig zerteilte Aſte ſpalten. Die großen handförmig gelappten Blätter find nur an den Aſtenden vorhanden (Schimper). ) Die Cecropia-Ameiſe iſt Azteca mülleri Em., nicht A. instabilis, wie ge— wöhnlich angegeben wird. 182 Beziehungen der Ameiſen zu den Pflanzen. durch Beobachtung feſtgeſtellt iſt, als Nahrung dienen. Die zum Neſt beſtimmten Hohlräume ſind urſprünglich geſchloſſen und müſſen von den Ameiſen erſt erbohrt Fig. 62. werden. Bei den Akaziendornen iſt dies leicht zu bewerkſtelligen, da die⸗ ſelben ohnehin dünnwandig ſind; bei den Cecropien dagegen würde dies nicht ſo leicht gehen, wenn nicht in jedem Internodium eine kleine dünnere Stelle vorhanden wäre, die äußerlich als ein ovales Grüb— chen gekennzeichnet iſt, und welche auch tatſächlich von dem be— fruchteten Weibchen zum Ein— dringen gewählt wird (Fig. 62 a). Wir kommen nun zu der Frage: Welche von den genannten Eigenſchaften der Pflanzen können als myrmekophile Anpaſſungen angeſehen werden? Haben ſich die Höhlungen, die den Ameiſen als Wohnung dienen, erſt als Folgen des Ameiſen— beſuches entwickelt oder waren ſie ſchon vorher da? Die Höhlungen des Ceecropia⸗ Stammes ſtellen ſicherlich keine myrmekophile Anpaſſung dar; Fig. 63. Fig. 62. Gipfel eines jungen Ceeropia-Stammes. a verdünnte noch nicht durchbohrte Eingangs— ſtelle („Tür“); in ) iſt dieſelbe durchbohrt. Aus Schimper. Fig. 63. Müllerſche Körperchen in verſchiedenen Entwickelungsſtadien. Aus Schimper. denn die gleiche Erſcheinung zeigt ſich bei vielen anderen Gewächſen und iſt auf das mechaniſche Bauprinzip der Biegungsfeſtigkeit bei kleinſtem Aufwand an Die Ameiſen als Verteidiger der Pflanzenwelt. 183 Baumaterial zurückzuführen (Schimper). Und was die Höhlung der Akazien— dornen betrifft, ſo iſt deren Natur noch keineswegs unzweifelhaft feſtgeſtellt. Fig. 64. | 1 Acacia sphaerocephala. J. Stammſtück mit den hohlen von Ameiſen bewohnten Dornen S und einem Blatt, letzteres mit Beltſchen Körperchen F. Auf dem Blattſtiel ein Nektarium (N). II. Einzelnes Blattfiederchen. Aus Schimper. Anders iſt es dagegen mit den „Türen“, d. h. mit den verdünnten Stellen im Cecropia-Stamme. In dieſen Gebilden glaubt Schimper mit Be— ſtimmtheit eine Anpaſſung Fig. 65. an die Ameiſen erblicken re zu müſſen, vor allem des— halb, weil bei einer ans deren Cecropia-Art, welche keine Ameiſen beherbergt und welche aus anderen Gründen von den Blatt— ſchneidern verſchont wird, dieſe „Türen“ vollſtändig fehlen. Mit derſelben Be— ſtimmtheit beanſprucht Schimper auch die Belt- ſchen bzw. Müllerſchen Körperchen als myrme— kophile Anpaſſung, da eine derartige Verſchwendung von Nährſtoffen im Pflan— zenreich ſonſt nirgends an— zutreffen ſei. Bei manchen anderen Ameiſenpflanzen ſind die myrmekophilen Anpaſſun⸗ Verſchiedene myrmekophile Pflanzen. 1. Ficus inaequalis; gen“ noch ausgeſprochener 2. Triplaris americana, links jung, rechts alt; 3. Humboldtia er a laurifolia. 0 Eingangsöffnung in den Hohlraum. und auffälliger als hier. Nach Schimper. 184 Beziehungen der Ameiſen zu den Pflanzen. So ſind z. B. bei den ebenſalls im tropiſchen Südamerika vorkommenden Triplaris-Arten die „Türen“ in dem hohlen Stamme nicht nur vorgebildet oder angedeutet wie bei Cecropia, ſondern vollſtändig ausgebildet, jo daß die Ameiſen dieſelben ohne weiteres Zutun als Ein- und Ausgangsöffnung be- nutzen können. Die Bewohner der Triplaris find verſchiedene Pseudomyrma- Arten (arboris-sanctae Em., symbiotica For., dendroica For., triplaridis For.), welche ſich durch große Biſſigkeit und Wehrhaftigkeit auszeichnen (vgl. Fig. 66. Myrmeeodia echinata. Knollen, der Länge nach durchſchnitten. Aus Schimper. Forel 1904). Noch weiter geht die Anpaſſung bei Ficus inaequalis und ver— ſchiedenen Duroia-Arten, da bei dieſen nicht bloß die Offnung, ſondern auch die Höhlung als myrmekophile Bildungen anzuſprechen ſein dürften. Denn der Hohlraum durchzieht nicht das ganze Internodium, ſondern iſt nur auf die obere Hälfte desſelben beſchränkt, ſo daß das Prinzip der Biegungsfeſtigkeit auf ihn keine Anwendung finden kann (Schimper 1898). Ahnlich ſcheinen auch die Verhältniſſe bei Humboldtia laurifolia zu liegen. Beſondere Nahrungskörperchen, wie die Müllerſchen und Beltſchen Körperchen, werden von den letztgenannten Pflanzen nicht produziert, dagegen finden ſich auf ihnen reichlich extranuptiale Nektarien, deren zuckerhaltiges Sekret den Ameiſen als Nahrung dient. Die Ameiſen als Verteidiger der Pflanzenwelt. 185 Einen ganz abweichenden Typus axialer Höhlungen zeigen die berühmten Ameiſenpflanzen des Malaiiſchen Archipels, Myrmecodia und Hydnophytum. Hier handelt es ſich nicht mehr um eine einzige zentrale Höhlung in einem zylindriſchen Internodium, ſondern um zahlreiche, ſchwammartig kommuni— zierende Räume in einem ſaftigen Knollen (Fig. 66), welcher wohl, da die betreffenden Pflanzen Epiphyten ſind, als Waſſerſpeicher dient. Das Waſſer befindet ſich im Parenchym der Scheidewände; die Räume ſelbſt ſind lufthaltig und von Ameiſen (Iridomyrmex cordatus) bewohnt. Ziemlich zahlreiche, aber kleine Offnungen vermitteln den Verkehr nach außen. Aus ihnen ſtürzen die Tierchen angriffsbereit her— vor, ſobald die Knolle berührt wird (Schimper 1898). Während man nun früher geglaubt hat, daß die Knollen mit ihren Labyrinthgängen eine Art Ameiſengallen ſeien, hat Treub durch Aufzucht von Myrmecodia nachgewieſen, daß die genannten Bildungen ganz ſpontan, ohne jede Mitwirkung der Ameiſen zuſtande kommen. Das würde allerdings noch nicht dagegen ſprechen, daß hier myrmekophile Anpaſſungen vorliegen. Bedenklich für dieſe Hypotheſe iſt aber der Um— ſtand, daß man bis heute noch nicht den Feind kennen gelernt Tocoea laneitolia. Blattbaſis mit Schläuchen. A. von hat, gegen den die Ameiſen die unten eee e e A) von oben. Myrmecodia zu ſchützen haben! Damit ſchwebt hier eigentlich die ganze Symbioſetheorie vollkommen in der Luft :). Und wir tun, ſolange nicht ein greifbarer Nutzen für die Pflanze aus der Anweſenheit der Ameiſen nachgewieſen iſt, jedenfalls beſſer, in dem Labyrinth lediglich eine für die Phyſiologie der Pflanze wichtige Ein— richtung zu erblicken, welche die Ameiſen ſich einfach zu Nutze gemacht haben. Fig. 67 A. Fig. 67 B. ) Dahl (1901) meint, „man muß ſich nicht nur die Frage vorlegen, ob die Pflanze durch die Ameiſen vor einem wirklich vorkommenden Feinde, wie es für Cecropia in Amerika die Atta iſt, geſchützt werde, ſondern man muß auch fragen, ob ohne den Schutz der Ameiſen vielleicht irgend ein Feind hätte erſtehen können“. Entſprechend dieſem Standpunkt ſieht er auch in den Vorkammern von Camponotus quadriceps in dem Mark von Endospermum formicarium Bece. eine Symbioſe, obwohl der Baum der Ameiſe weder eine fertige Höhlung noch auch vorgebildete „Türen“ (wie Ceeropia) darbietet. Kleine, glatte Kiſſen an der Wurzel jeder Blattfläche ſollen allerdings den Müllerſchen Körperchen entſprechen; doch wurden niemals oder nur ſelten Ameiſen dabei geſehen, da ſie wohl hauptſächlich des Nachts zur Nahrung ausziehen. Feinde des Endospermum konnten auch nicht ent— deckt werden. Es fehlen alſo ſo ziemlich alle Bedingungen zu einer echten Symbioſe. 186 Beziehungen der Ameiſen zu den Pflanzen. Ebenſo unſicher find unſere Kenntniſſe über die Natur der mannig— faltigen Phyllombildungen, die von den Ameiſen als Wohnung benutzt werden. Auch hier iſt die Frage noch offen: ſind dieſe Bildungen An— paſſungen an die Gäſte, oder dienen ſie einem anderen Zweck und werden ſie von den Ameiſen nur zufällig ausgenutzt? Es würde mich zu weit führen, all dieſe Blattgebilde hier zu beſprechen; ich begnüge mich, die mit einer Offnung verſehenen Blaſen am Blattgrund von Tococa abzubilden (Fig. 67). Ganz ähnlich find die Bildungen bei Duroia, Maieta, Myrme- done uſw. uſw. K * * Das Thema „Ameiſenpflanzen“ iſt, wie aus dem Geſagten erſichtlich, größtenteils noch Problem. Nur für gewiſſe ſüdamerikaniſche Pflanzen iſt es, wenigſtens mit großer Wahrſcheinlichkeit, dargetan, daß ſie des Schutzes der Ameiſen notwendig bedürfen und deshalb myrmekophile An— paſſungen ſich erworben haben. Für die übrigen Fälle ſind wir meiſtens auf Kombination und Analsogieſchlüſſe angewieſen, die natürlich um jo unſicherer werden, je weiter ſich die betreffenden Verhältniſſe von den be— kannten entfernen. Wir wiſſen, wie ungemein anpaſſungsfähig die Ameiſen ſind, wie ſie es verſtehen, alle natürlichen Höhlungen für ſich auszunutzen, und ſo müſſen wir bei einer Enoekie von Ameiſe in Pflanze zunächſt immer davon ausgehen, daß es ſich um eine ſolche einſeitige Ausnutzung handeln kann. Erſt dann, wenn feſtgeſtellt iſt, daß das Zuſammenwohnen ein regelmäßiges iſt, daß es ſich ſtets um dieſelben Arten handelt, daß ferner die Ameiſen kriegeriſch und ſtark ſind, und daß endlich durch die Ameiſen ein die Exiſtenz der Pflanze bedrohender Feind abgehalten wird, — erſt dann ſind wir berechtigt von einer Symbioſe zwiſchen Ameiſen und Pflanzen und von myrmekophilen An- paſſungen zu reden. In neuerer Zeit iſt man denn auch bedeutend ſkeptiſcher in der Beur- teilung der Beziehungen zwiſchen Ameiſen und Pflanzen geworden (v. Ihering, Rettig u. a.). Den extremſten Standpunkt nimmt E. Rettig (1904) ein, der ſeine Ergebniſſe in dem Satz zuſammenfaßt: „es gibt wohl Pflanzen— ameiſen in Hülle und Fülle, aber wenig oder überhaupt keine Ameiſen— pflanzen“. Inwieweit dieſer Standpunkt berechtigt iſt, entzieht ſich meiner Kompetenz; jedenfalls aber dürften die Ausführungen Rettigs für die— jenigen, die jede kleine Höhlung oder Blattkrümmung als myrmekophile An— paſſung preiſen, ganz heilſam ſein. 3. Die Ameiſen als Züchter und Verbreiter der Pflanzen. Bezüglich der Pflanzenzucht der Ameiſen kann ich mich hier kurz faſſen, da das meiſte darüber ſchon an anderer Stelle geſagt iſt. Es handelt ſich in erſter Linie um die Zucht von niederen Gewächſen, von Pilzen. Als die Hauptpilzzüchter haben wir die Attini kennen gelernt, welche fertig gebracht, den von ihnen kultivierten Pilz (Rozites gongylophora) 2 ISO Die Ameiſen als Züchter und Verbreiter der Pflanzen. 187 zur Produktion beſonderer Vegetationsformen (der „Kohlrabi“) zu veran— laſſen. Dieſe Kohlrabiköpſchen, die reichlich Eiweißſtoffe enthalten, ſtellen die ausſchließliche Nahrung der Ameiſen dar (näheres darüber im Kap. V, 24). Auch unſere Fauna beherbergt einen Pilzzüchter, nämlich Lasius fuligi- nosus, welcher in den Wänden ſeines Kartonneſtes einen als Septosporium myrmecophilum beſchriebenen Pilz kultiviert. Die Bedeutung dieſes Pilzes für die Ameiſen iſt noch nicht völlig klar; jedenſalls aber ſpielt er bei weitem nicht eine ſo wichtige Rolle im Ameiſenhaushalt wie der Atta-Pilz (näheres vgl. Kap. IV, A6). Die Pflanzenzucht der Ameiſen beſchränkt ſich aber nicht nur auf Pilze, ſondern erſtreckt ſich auch auf höhere Pflanzen. Wenn ſich auch die Arxistida— Kulturen der berühmten „ackerbautreibenden Ameiſe“ Lincecums als zu— fällige Nebenprodukte erwieſen haben (ſ. Kap. V, 2c), jo hat uns doch neuerdings Ule Fälle kennen gelehrt, in denen die Ameiſen beſondere Epi— phyten („Ameiſenepiphyten“) hoch oben auf Bäumen ſäen und pflegen, indem ſie die Samen und Würzelchen mit Erde umgeben. Es entſtehen dadurch die hübſchen, an Blumenampeln erinnernden „Ameiſengärten“, die im Amazonas— gebiet eine häufige Erſcheinung find (näheres darüber ſ. Kap. IV, A, Ie). In allen dieſen Fällen beſorgen natürlich die Ameiſen auch die Ver— breitung der betreffenden Pflanzen (das Atta-Weibchen nimmt etwas vom Pilz auf den Hochzeitsflug mit uſw). Aber auch ſonſt kommt den Ameiſen in der Verbreitungsbiologie der Pflanzen eine nicht unweſentliche Rolle zu. Wir haben oben mehrfach gehört, daß viele Ameiſen die Gewohnheit haben, Pflanzenſamen einzutragen, ſei es zur Nahrung oder zur Pilzdüngung (Atta) oder als Bau— material (Haufen bauende Ameiſen). Nicht alle Samen aber erreichen ihren Beſtimmungsort, viele entfallen den Ameiſen während des Transportes, und kommen jo da und dort zur Entwickelung uſw. Erſt in jüngſter Zeit hat Sternander auf die große Bedeutung der Ameiſen als Pflanzenverbreiter hingewieſen; er ſucht ſogar verſchiedene Organiſationserſcheinungen der Samen (ölführende Anhängſel, Wülſte uſw.) als Lockmittel für die Ameiſen zu deuten (analog den extrafloralen Nektarien). 4. Die Pflanzen als Feinde der Ameiſen. — Die Ameiſen als Hügelbildner. Nicht immer bietet die Pflanzenwelt den Ameiſen nur Nutzen, ſondern ſie kann letzteren mitunter recht unangenehm werden. So ſcheiden z. B. die Lattich-Arten einen klebrigen, raſch erhärtenden Saft aus, in dem viele der darüberlaufenden Ameiſen ihren Tod finden. Ich habe ferner oben (Kap. III, 3 p) darauf hingewieſen, daß ſchwache Völker nicht ſelten infolge reichlicher Schimmelbildung im Neſte zugrunde gehen können. Nun möchte ich hier noch einen anderen Kampf zwiſchen Pflanzen und Ameiſen erwähnen, der von Nils Holmgren (1904) in den Sümpfen Lapplands beobachtet wurde. In dieſen Sümpfen iſt Formica exsecta eine häufige Erſcheinung; doch verhält ſich dieſe Ameiſe bezüglich ihres Neſtbaues 188 Beziehungen der Ameiſen zu den Pflanzen. auffallend verſchieden je nach der Zone, in der ihr Neſt ſich befindet. In der äußeren Weidezone, wo reichliches Baumaterial vorhanden iſt, erreichen die Haufen eine beträchtliche Höhe; in der inneren Zone dagegen werden ſie niemals ſo hoch, ſind dafür aber viel zahlreicher. Dies rührt einmal daher, daß ihnen hier weniger Baumaterial zur Verfügung ſteht: vor allem aber werden hier die Ameiſenhaufen ſtetig durch die Invaſion von Pflanzen, und zwar von Polytrichum strietum bedroht. Von der Baſis her aufſteigend, überzieht der Polytrichum-Teppich allmählich den ganzen Ameiſenhaufen und verdrängt infolge der zunehmenden Feuchtigkeit die Be— wohner Schritt für Schritt daraus ). Die Kolonie wird durch fortwährende Auswanderung immer kleiner; nur noch im oberſten Teil des bewachſenen Haufens (in der „Narbe“) befindet ſich ſchließlich eine ſpärliche Geſellſchaft, bis auch dieſe zur Auswanderung gezwungen wird und nun der ganze Fig. 68 A. Fig. 68 B. Fig. 68 D. Fig. 68 C. Schematiſche Darſtellung der Polytrichum (P) und Sphagnum (Sph)-Invaſion in einen Ameiſen⸗ haufen. Nach Nils Holmgren aus Meiſenheimer. einſtige Ameiſenhaufen von der Polytrichum-Vegetation okkupiert iſt. Doch nicht allzu lange ſoll ſich das Polytrichum ſeines Sieges erfreuen; denn bald ergeht es ihm ebenſo wie den Ameiſen, d. h. es wird durch einen neuen Eindringling, Torfmooſe (Sphagnum), verdrängt (Fig. 68). Und ſo geht ſchließlich aus dem Ameiſenhaufen als Endprodukt ein Sphagnum-Hügel her⸗ vor, auf dem noch eine ganze Reihe anderer niederer Pflanzen im Laufe der Zeiten ſich anſiedeln. Es ſpielen alſo die Ameiſen eine wichtige Rolle bei der Hügelbildung in dieſen Sümpfen, indem ihre Neſter als Anſatzpunkte der Moor- und Torfvegetation dienen. ) Herr Dr. A. Ludwig brachte mir aus einem Moor im Grunewald bei Berlin eine Anzahl getrockneter Polytrichum strictum-Polſter mit, deren baſale Hälfte von Gängen und Kammern durchzogen ſind. Die Bewohner derſelben, eine Myrmica-Art, werden hier erſt durch die wachſende Feuchtigkeit, die die allmäh— lich eindringenden, ſtärker waſſerſpeichernden Sphagnen hervorrufen, verdrängt. Ahnliches beobachtete Kuhlgatz (1902) in den Mooren Weſtpreußens. Literatur. 189 Literatur. Beccari, O., Piante ospitatrici ossia piante formicarie della Malesia et della Papuasia. Malesia. Bd. 2. Belt, Th., The Naturalist in Nicaragua 1874. 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Wir haben im Verlaufe unſerer Darſtellung höchſt auffallende Tätig- keiten der Ameiſen kennen gelernt, Tätigkeiten, die wir ſonſt nur noch beim Menſchen anzutreffen gewohnt ſind; ich erinnere nur an die Kriege, Sklaven— jagden, Viehzucht, den Gartenbau uſw. Aber nicht nur dieſe extremſten Pro— dukte der Ameiſenkultur, ſondern auch ſchon die alltäglichen Lebensäußerungen, mögen ſie ſich auf die Brutpflege oder den Neſtbau oder auf die Nahrungs⸗ verſorgung beziehen, ſind kompliziert genug, unſere Bewunderung in hohem Maße zu erregen. Es iſt natürlich von größtem Intereſſe für uns, zu wiſſen, worauf denn alle dieſe Tätigkeiten, worauf das harmonische Zuſammenleben der Geſellſchaft beruht. Sind es menſchenähnliche Raiſonnements und Pflichtgefühle, welche das Zuſammenarbeiten jo vieler Tauſender von Individuen zu einem gemein— ſamen Zwecke bedingen? Haben die Ameiſen eine menſchliche Moral, menſch— liche Tugenden und Laſter? — Oder ſind es in der Hauptſache ererbte In— ſtinkte, verbunden mit einigem Aſſoziationsvermögen, welche ihre Handlungen leiten? — Oder beruht endlich vielleicht gar alles nur auf blinden Reflexen, und ſind die Ameiſen nur Reflexmaſchinen? Jede dieſer drei Möglichkeiten hat ihre Anhänger gefunden. Da ſind zunächſt die Anthropomorphiſten Büchner, Brehm, Marſhall u. a., welche in den Ameiſen tatſächlich kleine Menſchen ſehen und aus deren Handlungen hohe Intelligenz herausleſen, und welche ſich nicht genug tun können, die ſelbſtbewußte Aufopferung, die ſtrenge Moral und die edlen Tugenden der Ameiſen zu preiſen. Den kraſſen Anthropomorphiſten diametral gegenüber ſteht der Reflex— theoretifer Bethe, welcher von einer Ameiſenpſyche überhaupt nichts wiſſen will, ſondern überall nur blinde Reflexe ſieht. Aller Empfindung bar ſollten die Ameiſen in all' ihrem Tun und Treiben nur ſtarren Reflexen folgen, gleichwie die blecherne Ente dem Magnet. So ſollten ſie z. B. mit ihren kompliziert gebauten Augen nicht wirklich „ſehen“, ſondern der ganze optiſche Apparat ſollte nur zur Vermittelung eines Photoreflexes dienen, welcher die Ameiſen dann in dieſer oder jener Richtung zu laufen zwingt. Zwiſchen dieſen beiden Extremen ſtehen die Myrmekologen von Fach: Forel, Emery, Wasmann, Wheeler u. a., welche das Leben der Ameiſen Die Sinne der Ameiſen. 191 nicht nur aus Büchern oder einigen Laboratoriumsexperimenten, ſondern auf Grund jahrelanger eifriger Studien aus eigener Anſchauung durch und durch kennen. Dieſe ſehen in den Ameiſen weder intelligente Miniaturmenſchen, noch auch bloße Reflexmaſchinen, ſondern Weſen, welche zwar in der Haupt— ſache nach ererbten Inſtinkten handeln, jedoch deutlich plaſtiſche Anpaſſungen (Modifikationsvermögen) erkennen laſſen. Die anthropomorphiſtiſche Anſchauung iſt nichts anderes als eine Kurio— ſität! Die Anthropomorphiſten vertreten einerſeits den Standpunkt des Mo— nismus, und ſehen alſo in der Seele lediglich eine Funktion des Gehirns. Es ſteht alſo für ſie einerſeits feſt, daß die Höhe der geiſtigen Fähigkeiten von der (abſoluten) Größe des Großhirns abhängig iſt; andererſeits aber ſetzten ſie über den rieſigen Unterſchied zwiſchen Ameiſen- und Menſchengehirn ruhig hinweg und ſchreiben dem ſtecknadelknopfgroßen Ameiſengehirn das gleiche hohe Funktionsvermögen zu wie dem gewaltigen Menſchengehirn. Eine größere Inkonſequenz als dieſe dürfte in der modernen Geſchichte der Natur— wiſſenſchaft kaum wieder zu finden ſein. Wir können deshalb bei unſerem pſychologiſchen Streifzuge an Büchner, Marſhall uſw. ruhig vorbeigehen und werden daher im folgenden lediglich die beiden anderen Anſchauungen berückſichtigen und prüfen, welche von ihnen ſich beſſer mit den biologiſchen Tatſachen in Einklang bringen läßt. Bevor wir aber dazu übergehen, müſſen wir einen kurzen Blick auf die Sinne der Ameiſen werfen. Die Sinne der Ameiſen. Die Ameiſen beſitzen nachweislich Geruchs-, Geſichts-, Geſchmacks— und Taſtſinn. Ein Gehörsſinn iſt noch nicht zweifellos feſtgeſtellt. Der Geruchsſinn ſpielt weitaus die Hauptrolle im Leben der Ameiſe. Er hat ſeinen Sitz in den Antennen, und zwar in den Endgliedern bzw. den Porenplatten, Geruchskolben uſw.!). Nach Miß Fieldes (1901) Unter- ſuchungen ſcheinen ſich die einzelnen Glieder bezüglich Geruchsrezeption ver— ſchieden zu verhalten, d. h. es ſoll jedes Glied auf die Wahrnehmung nur eines ganz beſtimmten Geruches abgeſtimmt ſein: der Fußſpurgeruch ſoll nur mit dem 10., der Individualgeruch nur mit dem 11., der Neſtgeruch nur mit dem 12. Glied wahrgenommen werden. Die für die Brutpflege nötige Geruchs— wahrnehmung ſoll an das 8. und 9. Glied gebunden ſein, während fremde feindliche Gerüche nur mit dem 6. und 7. Glied aufgenommen werden. Da der Geruchsſinn der Ameiſen an den beweglichen Fühlern ſitzt, jo muß derſelbe, wie Forel (1901) treffend und klar aus— geführt, von dem unſrigen qualitativ verſchieden ſein. Indem die Fühler in ſtändiger Bewegung ſind und beim Vorwärtsſchreiten alle Gegen— ſtände rechts und links betaſten, geben ſie den Ameiſen nicht nur eine Vor— ) Zwiſchen dieſen Porenplatten uſw. finden ſich mehrfach noch eigentüm— liche Organe, die als „Flaſchen“- und „Champagnerpropforgane“ beſchrieben find (Forel, Kraepelin). Die Bedeutung derſelben iſt noch unklar; vielleicht ſind es Drüſen? 192 Piychologie. ſtellung von den chemiſchen Eigenſchaften des berührten Objektes, ſondern zugleich auch von der Form desſelben. „Die Fühler werden eine förmliche Geruchskarte des Weges aufnehmen, und zwar eine doppelte: a) eine ſcharfe, aber auf nächſte Nähe beſchränkte Kontaktgeruchskarte, welche eine genaue Geruchsform der berührten Gegenſtände (runde Gerüche, viereckige, längliche Gerüche) geben, und ferner harte Gerüche, weiche Gerüche verſchaffen wird, indem ſie ſich mit den Taſtenempfindungen kombiniert; b) eine weniger ſcharfe, dafür aber auf eine gewiſſe Entfernung orientierende Karte der weiter duftenden Gegenſtände.“ Forel bezeichnet dieſen von unſerem Geruchsſinn doch recht abweichenden Sinn als „topochemiſchen Geruchsſinn“. Derſelbe gibt in Verbindung mit der ſtarken Entwickelung des Großhirns geradezu den Schlüſſel zur Ameiſenpſychologie. Entfernt man die Fühler einer Ameiſe, ſo nimmt man ihr auch die Fähigkeit, Freund und Feind zu unter— ſcheiden, ſich im Raume zu orientieren, ſich gegenſeitig Mitteilung zu machen uſw. Der Geſichtsſinn hat lange nicht die allgemeine und wichtige Bedeu— tung für die Ameiſe wie der Geruchsſinn. Geht er doch einer ganzen Anzahl Ameiſen überhaupt vollkommen ab. Über die verſchiedene Ausbildung der Augen bei den verſchiedenen Arten und Ständen iſt oben (Kap. I) ſchon be— richtet worden. Das Netzauge (Seitenauge) gibt nach Exner ein einziges aufrechtes Bild, deſſen Klarheit von der Zahl der Facetten und Konvexität des Auges abhängt. Die Unbeweglichkeit der Augen hat zur Folge, daß eine ruhende Ameiſe ruhende Objekte, zumal kleine, ſchwer oder gar nicht ſieht. Der Geſichtsſinn der Netzaugen iſt demnach beſonders für das Sehen der Bewegungen, d. h. der relativen Ortsveränderung des Netzhautbildes ein— gerichtet (Forel). Eine beſondere Eigentümlichkeit des Geſichtsſinnes beſteht darin, daß die Ameiſen ultraviolette Strahlen wahrzunehmen ver— mögen. Sie zeigen ſich gegen dieſe ſogar am allerempfindlichſten, wie Lub— bock, Forel und Miß Fielde nachgewieſen haben. Welche Funktion die Ozellen erfüllen, darüber ſind wir noch im Unklaren. Nach Forel, dem ſich v. Buttel, Smalian u. a. anſchließen, dienen ſie wahrſcheinlich nur zum Sehen in nächſter Nähe in dunklen Räumen. Der Geſchmacksſinn hat ſeinen Sitz an den Mundteilen, ſpeziell der Zunge und den Marillen (ſ. Kap. I). Die Geſchmacksreaktionen ſind ähnlich den unſrigen. Der Taſtſinn iſt über den ganzen Körper durch Taſthaare oder Taſt— papillen vertreten. Er reagiert ganz beſonders auf feine Erſchütterungen der Luft und der Unterlage und kann dadurch eventuell einen Gehörsſinn vor— täuſchen (Forel). Als beſondere Formen des Taſtſinnes iſt noch der photo— dermatiſche Sinn und der Temperaturſinn zu erwähnen. Ein Gehörsſinn iſt, wie gejagt, bis jetzt noch nicht mit Sicherheit nach— gewieſen. Es ſind zwar von Lubbock und Janet in den Tibien und ver— ſchiedenen anderen Körperteilen „chordotonale Organe“ beſchrieben, ob dieſelben aber wirklich zur Vermittelung von Gehörsempfindungen dienen, iſt nicht be— wieſen. Ein Moment ſpricht allerdings dafür, nämlich die Lautäußerungen, deren verſchiedene Ameiſen fähig find (ſ. Kap. VI, 2a). Das Großhirn der Ameiſe. 193 Das Großhirn der Ameiſe. Als Großhirn bezeichnen wir das den Muskel- und Sinneszentren über— geordnete Nervenzentrum. Über den Bau desſelben (die Corpora pedun— eulata uſw.) bitte ich im erſten Kapitel nachzuleſen. Dem Großhirn fällt die Funktion zu, die Sinneseindrücke aufzuſpeichern, zu fixieren und ſie in ver— ſchiedener Weiſe zu aſſoziieren; es iſt alſo der Sitz der ſogenannten plaſti— ſchen Tätigkeiten. In dieſer Beziehung iſt ein Vergleich der drei Stände ſehr lehrreich: beim & iſt das Großhirn faſt ganz verkümmert, beim 9 iſt es ziemlich gut ausgebildet, um beim s feine mächtigſte Entfaltung zu erreichen (vgl. Fig. 16). Dieſem morphologiſchen Verhalten entſpricht genau der Grad und die Komplikation der geiſtigen Fähigkeiten: die Männchen ſind ungemein dumm und handeln faſt rein automatiſch; viel höher ſtehen die Weibchen, bei denen ſich eine deutliche pſychiſche Plaſtizität nachweiſen läßt; weitaus am höchſten aber ſind die geiſtigen Fähigkeiten bei den Arbeitern ausgebildet, in deren Händen ja auch das ganze Staatswohl gelegen iſt. Ein weiterer Beweis, daß das Großhirn das eigentliche Aſſoziations— zentrum darſtellt, ergibt ſich aus den Verletzungen des genannten Organs. Nach Forel (1873) erzeugt jede ſchwere Verletzung des Ameiſen— gehirns anfänglich Konvulſionen und zahlreiche Reflexbewegungen, jede für ſich koordiniert, jedoch ohne gegenſeitige Koordination, ohne Zweck uſw. Darauf folgt ein Zuſtand der Betäubung. Formica rufibarbis, deren Gehirn von den Sichelmandibeln einer Amazone durchbohrt wird, bleibt zunächſt wie an— genagelt auf dem Platze ſtehen; ſodann durchläuft hier und da ein Zittern den ganzen Körper und von Zeit zu Zeit zuckt eines der Beine in die Höhe. Wenn man ſie reizt, macht ſie wohl noch koordinierte Abwehrbewegungen; ſobald jedoch der Reiz aufhört, fällt ſie wieder in ihre frühere Betäubung. Einer auf einen beſtimmten Zweck gerichteten Handlung iſt ſie vollkommen unfähig; ſie ſucht nicht mehr zu fliehen, nicht mehr anzugreifen, nicht mehr in ihr Neſt zurückzukehren oder ſich mit ihren Genoſſen zu vereinigen, auch nicht mehr vor der Sonne, vor Waſſer oder Kälte ſich zurückzuziehen; ſie hat die elementarſten Inſtinkte der Furcht und Selbſterhaltung vollkommen ver— loren. Die ſo verwundete Ameiſe iſt nur noch eine Reflexmaſchine und gleicht vollkommen der Taube, welcher Flourens die Großhirnhemi— ſphären exſtirpiert hatte) (Forel). * * * Wir wollen nun dazu übergehen, einige Probleme der Ameiſenpſychologie zu unterſuchen. Alle biologiſchen Erſcheinungen des Ameiſenlebens pſycho— logiſch zu analyſieren, iſt natürlich in ſo engen Grenzen vollkommen aus— geſchloſſen; es würde dies ein Werk von zehnfachem Umfang dieſes Buches erfordern. Ich muß mich daher nur hier auf einige beſonders wichtige Punkte ) Hätte Bethe dieſe Tatſachen, ja überhaupt nur das Vorhandenſein eines Großhirns mehr berückſichtigt, ſo würde er wohl kaum zu einer ſolch extremen Anſchauung wie der Reflextheorie gelangt ſein. Eſcherich, Die Ameiſe. 13 194 Piychologie. beſchränken, und zwar will ich — dem Beiſpiel Lubbocks, Wasmanns, Bethes uſw. mich anſchließend — folgende vier Fragen zu beantworten ſuchen: 1. Wie erkennen ſich die Ameiſen untereinander? 2. Wie finden die Ameiſen ihren Weg? 3. Beſitzen die Ameiſen Mitteilungs- vermögen? 4. Beſitzen die Ameiſen ein formelles Schluß vermögen. Wie erkennen ſich die Ameiſen? Die Mitglieder einer Kolonie leben bekanntlich in der größten Harmonie miteinander und tun ſich niemals ein Leid. Setzt man aber eine fremde Ameiſe in ihr Neſt, jo fahren fie ſofort darauf los, zerren fie nach allen Richtungen und ſchaffen ſie tot oder lebendig hinaus. Die Ameiſen ver— mögen alſo Freund und Feind ſehr gut zu unterſcheiden. Ja ſelbſt eine monate- oder jahrelange Trennung kann ihr Benehmen gegen Freunde nicht verändern; denn wenn man eine lange iſoliert gehaltene Ameiſe wieder in ihr altes Neſt zurückſetzt, ſo wird ſie ohne weiteres wieder aufgenommen (Huber, Forel, Lubbock u. a. ). Es fragt ſich nun, worauf beruht dieſes Unterſcheidungsvermögen? Forel hat in ſeinem berühmten Buch (1874) zum erſtenmal durch das Experiment wahrſcheinlich gemacht, daß der topochemiſche Geruchsſinn die Haupt— rolle dabei ſpielt. Er zeigte, daß eine der Fühler beraubte Ameiſe nicht mehr imſtande iſt, Freund und Feind zu erkennen. Es blieb bei dieſem Experiment allerdings noch die Möglichkeit offen, daß die Erkennung durch Zeichen (Parole), die ſich die Ameiſen gegenſeitig mit den Fühlern geben, geſchehe. Doch erwies ſich auch dieſe Eventualität als unzutreffend, indem nämlich ihrer Fühler beraubte oder mit Chloroform betäubte Ameiſen von ihren Gefährtinnen durch Berührung mit den Fühlern ſehr gut erkannt wurden (Wasmann, Lubbock). Und ſo bleibt die von Forel gemachte Annahme zu Recht beſtehen. Forel, Wasmann, MeCook, Bethe u. a. haben ferner nachgewieſen, daß Ameiſen, welche von feindlicher Ameiſenſäure beſpritzt, oder in feindliches Ameiſenblut, oder in Alkohol, oder auch nur in Waſſer getaucht wurden, von ihren eigenen Neſtgenoſſen zuerſt nicht oder wenigſtens nur unſicher erkannt werden. Dieſe Erfahrung führt uns einen Schritt weiter und zeigt uns klar, daß es ein den Ameiſen anhaftender Geruchſtoff iſt, welcher die Unter— ſcheidung von Freund und Feind ermöglicht. Bei ganz jungen eben aus der Puppe geſchlüpften Ameiſen iſt dieſer ſpezifiſche Geruchſtoff noch nicht vorhanden, wie aus dem indifferenten Ver— halten fremder Ameiſen gegen ſolche zu erſehen iſt ?). Iſoliert man nun ganz junge Exemplare und ſetzt ſie erſt nach einiger Zeit, wenn ſie erhärtet und ausgefärbt ſind, wieder in ihr altes Neſt, ſo werden ſie dort ſofort als Freunde ) Daß dieſes Unterſcheidungsvermögen für die Ameiſen unbedingt erforderlich iſt, leuchtet ohne weiteres ein; ohne dasſelbe wäre ja ein geordnetes Staatenleben ausgeſchloſſen. 2) Darauf beruht die Möglichkeit, künſtlich gemiſchte Kolonien aus verſchiedenen Arten herzuſtellen (Kap. VII). Wie erkennen ſich die Ameiſen? 195 aufgenommen — ein Beweis, daß der ſpezifiſche Geruchſtoff nicht von außen kommt, ſondern von den Individuen ſelbſt produziert wird. Auch aus folgender Erſcheinung geht dies hervor: Badet man eine Ameiſe in Alkohol und ſetzt ſie dann (nachdem ſie getrocknet) ſofort wieder in ihr altes Neſt, ſo wird ſie von ihren Neſtgenoſſen nicht gleich wieder erkannt, ſondern zuerſt mit feindlicher Aufmerkſamkeit verfolgt; läßt man ſie aber nach dem Bade noch längere Zeit iſoliert, ſo wird ſie von ihren Neſtgenoſſen ohne jedes Zeichen von Argwohn wieder aufgenommen (Bethe). Dieſe Tatſachen liefern uns die Baſis für unſer eigentliches Problem, deſſen Frageſtellung lautet: Iſt das gegenſeitige Erkennen ein bloßer Chemoreflex, oder geſchieht die Erkennung auf Grund von wirk— lichen Geruchswahrnehmungen und Empfindungen? Wenn wir eine fremde Ameiſe in ein Neſt ſetzen, ſo ſehen wir, daß jede Ameiſe, die dem Fremdling begegnet und ihn mit den Fühlern berührt, ſofort die Mandibeln weit öfſnet und ſich in Angriffsſtellung ſetzt. Der Vorgang vollzieht ſich jo raſch, ſicher und regelmäßig, daß wir ihn als „reflektoriſch“ bezeichnen können. Auch wir Menſchen verhalten uns ähnlich bei Begegnung eines gefürchteten Tieres; wenn wir uns z. B. neben einer Schlange nieder— ſetzen, ſo fahren wir im Moment, da wir ſie gewahren, blitzartig in die Höhe. Das iſt auch ein reflektoriſcher Vorgang; denn die Situation kommt uns meiſtens erſt nach dem Auffahren zum Bewußtſein. Ebenſowenig nun, wie wir daraus ſchließen dürfen, die Erkennung der Schlange ſei nichts anderes als ein Photoreflex, ebenſowenig darf uns das erſte Verhalten der ſich be— gegnenden Ameiſen allein maßgebend ſein für die Beurteilung der pſycholo— giſchen Vorgänge, die ſich beim Erkennen abſpielen. Bethe hat dies zu wenig berückſichtigt und iſt daher bei ſeinen Experi— menten vielfach zu Fehlſchlüſſen gelangt. Hier intereſſieren uns vor allem ſeine verſchiedenen Badeexperimente, die an und für ſich ſehr hübſch und lehrreich ſind. Dieſelben beſtanden darin, daß er einzelne Ameiſen zuerſt in Alkohol wuſch (um den Eigengeruch zu entfernen) und ſie dann in der Brühe (Blut) zerquetſchter anderer Ameiſenarten badete. Wenn er eine feindliche Ameiſe A in dem Blute einer Ameiſe B badete und fie dann in das Neſt der letzteren ſetzte, ſo wurde jene, wenn ſie körperlich auch noch ſo verſchieden war, von dieſen freundlich aufgenommen. Badete er dagegen eine Ameiſe B in dem Blute der A und ſetzte dann die B wieder in ihr altes Neſt zurück, ſo wurde ſie von ihren eigenen Neſtgenoſſen wie eine feindliche Ameiſe be— handelt. Nach Bethe iſt es alſo ein leichtes, Freund in Feind und Feind in Freund zu verwandeln. Wäre dem wirklich ſo, ſo hätte Bethe in der Tat ein Argument für feine Theorie geliefert. Bethe hat aber, wie es ſcheint, nur die allererſte Wirkung, welche das gebadete Tier auf die anderen Ameiſen ausübte, beobachtet, das weitere Ver— halten aber nicht verfolgt. Denn Wasmann wiederholte die Badeexperimente und kam dabei zu weſentlich anderen Reſultaten: Die Ameiſen ſtutzten zwar anfangs, als ihr maskierter Neſtgenoſſe zurückkam, doch es dauerte gewöhnlich nicht ſehr lange, bis ſie durch genaues Betaſten mit den Fühlern ihren Kame— raden unter der Maske erkannten. Ebenſo wurden die maskierten Feinde 133 196 Pſychologie. nach nicht langer Zeit als ſolche erkannt und auch als ſolche behandelt, d. h. getötet. Von einer Verwandlung von Freund in Feind und umgekehrt iſt alſo keine Rede. Mit einem bloßen Chemoreflex kommen wir hier nicht aus. Wie kommt denn der Reflexautomat dazu, den maskierten Gefährten überhaupt näher zu unterſuchen? Als richtiger Automat müßte er doch auf den ungleichen Geruch unbedingt feindlich und auf den gleichen Geruch freundlich (bzw. gar nicht) reagieren, gleichgültig, von wem dieſer Geruch ausging! Reflexe ſind ſtarr und können (wenigſtens qualitativ) nicht verändert werden. Nun gibt es aber eine große Anzahl Beiſpiele aus dem Ameiſen— leben, welche beweiſen, daß die Geruchsreaktion der Ameiſen qualitativ veränderlich iſt. Wasmann weiſt auf die „internationalen Beziehungen der echten Ameiſengäſte“ hin, aus denen mit Sicherheit zu erſchließen iſt, daß die Ameiſen zu lernen vermögen, auf Grund angenehmer ſinnlicher Er— fahrungen (Geſchmackswahrnehmungen) auf beſtimmte Geruchsſtoffe in ganz anderer Weiſe zu reagieren, als ſie es vordem getan. Denn viele Ameiſen ſind imſtande, neue Gäſte kennen zu lernen und bei ſich aufzunehmen, auf deren Geruchsſtoff fie bei der erſten Begegnung entſchieden feindlich reagierten ). Ferner ſei auf die im Kapitel VI mitgeteilten „Friedensſchlüſſe“ hin— gewieſen. Wenn zwei Ameiſenkolonien, welche in enger Nachbarſchaft zu leben gezwungen ſind, nach längeren Feindſeligkeiten unter dem Drucke der Notwendigkeit miteinander Frieden zu ſchließen vermögen, d. h. lernen können, nicht mehr feindlich auf die ungleichen Geruchsſtoffe zu reagieren, ſo kann auch die anfängliche Feindſeligkeit zwiſchen beiden unmöglich lediglich Chemo— refler geweſen ſein. Man kann hier nicht etwa einwenden, es habe eine gleichmäßige Miſchung der Geruchsſtoffe der beiden Völker ſtattgefunden (wie 3. B. bei den Schüttelneſtern Forels); denn die beiden Kolonien vereinigen ſich ja nicht miteinander, ſondern bleiben ſtets getrennt (mitunter ſogar ziemlich weit). Solche Fälle von Reaktionsänderungen, die ſich noch reichlich vermehren ließen, ſtehen mit der Betheſchen Reflextheorie in direktem Widerſpruch. Bethe behauptet ferner, die feindliche Reaktion der Ameiſen auf ungleiche Gerüche ſei angeboren?) und belegt dieſen Satz mit mehreren Experimenten. Er entnahm z. B. einem Lasius-Neſt ganz junge weiche Exemplare und hielt ſie bis zur Erhärtung in einer Schachtel. Ein Feind war ihnen noch nie begegnet, trotzdem gerieten alle, die auf ein Tetramorium-Neſt geſetzt wurden, ) Übrigens geht aus der Erſcheinung der Myrmekophilie auch hervor, daß die Erkennung nicht immer ausſchließlich vermittelſt des topochemiſchen Geruchsſinnes erfolgt, ſondern daß auch der Geſichtsſinn der Ameiſen dabei eine (wenn auch wahrſcheinlich weit geringere) Rolle ſpielen kann. Denn die oft überraſchende Mimikry der Ameiſengäſte, deren Grad deutliche Beziehungen zur Ausbildung des Geſichtsſinnes (Augen) ihrer Gäſte erkennen läßt, iſt ſonſt gar nicht zu verſtehen. Ausführliches darüber iſt bei Wasmann (1899, S. 34 bis 59) zu finden. 2) Bethe legt auf das „Angeborenſein“ einen großen Wert, indem er dieſe Eigenſchaft geradezu als das Hauptcharakteriſtikum des Reflexes anſieht. Dies iſt aber ein Irrtum; wohl ſind alle Reflexe angeboren, andererſeits aber iſt nicht alles, was angeboren iſt, Reflex (vgl. Wasmann 1899, S. 4 bis 10). Wie erkennen ſich die Ameiſen? 197 in die größte Unruhe, während andere in ihr altes Neſt zurückverſetzt, ruhig ohne jede feindliche Reaktion zwiſchen ihren angeborenen Neſtgenoſſen umherliefen. Gegen die Richtigkeit, vielmehr Allgemeingültigkeit dieſes Re— ſultates wurde von Wasmann Widerſpruch erhoben, und zwar unter Hinweis auf die gemiſchten Kolonien, ſpeziell die Raubkolonien. Denn die in den Raubkolonien aufgezogenen Sklaven reagierten freundlich bzw. gar nicht auf den ungleichen Geruchsſtoff der Herren, während ſie doch unbedingt feindlich reagieren müßten, wenn ihnen die Reaktion angeboren wäre! Dieſer Ein— wand erſchien in der Tat bis vor kurzem ſehr gewichtig, ja ſchier unüber— windlich für Bethe. Nach den neueſten Ergebniſſen über die Entſtehung der gemiſchten Kolonien, die wir Wheeler und Wasmann verdanken, hat der— ſelbe jedoch bedeutend an Schärfe verloren. Denn wir wiſſen jetzt, daß die Raubkolonien aus Adoptionskolonien hervorgehen, und daß alſo bereits die erſten Herren-Arbeiter von den Sklaven erzogen werden, ſo daß die Herren ſchon von Anfang an keinen reinen Eigengeruch mehr haben, ſondern infolge der Pflege (Beleckung) ſeitens der Sklaven einen ſtark mit dem Sklavengeruch verſetzten Miſchgeruch. Die ſekundär geraubten Sklaven, die in dem Herren— neſt auskommen, ſtehen alſo keineswegs dem reinen, gänzlich ungleichen Herren— geruch gegenüber, ſondern einem Miſchgeruch, in welchem ihr Eigengeruch ſtark vertreten iſt. Dadurch wird der Wasmannſche Einwand entſchieden etwas gemildert, jedoch nicht gänzlich aufgehoben, denn es bleibt immer noch zu erklären, wie die Sklaven dazu kommen, auf den Miſchgeruch genau ſo zu reagieren wie auf den Eigengeruch! Aber ſelbſt wenn dieſer Einwand nichtig ſein ſollte, haben uns die früheren Überlegungen ſchon zur Genüge gezeigt, daß das Problem der gegenſeitigen Erkennung nicht durch die Annahme einfacher Chemoreflexe zu löſen iſt. Es ſoll nicht geleugnet werden, daß Chemoreflexe bei der Unterſcheidung von Freund und Feind beteiligt ſind; jedoch verlangen alle die Beiſpiele des allmählichen Kennenlernens, auf die wir oben ſummariſch hingewieſen, außerdem unbedingt noch das Dazwiſchentreten pſychiſcher Elemente, durch welche gute und ſchlechte Erfahrungen, Geſchmacks-, Geruchs- (und ev. auch Geſichtsempfindungen) zu neuen Aſſoziationen verbunden werden. Wie finden die Ameiſen ihren Weg? Wie beim gegenſeitigen Erkennen, ſo ſpielt auch bei der Orientierung im Raume der Geruchsſinn eine wichtige Rolle. Schon Bonnet und Huber haben dieſe Anſicht ausgeſprochen, und Forel, Lubbock, Wasmann, Bethe u. a. haben dieſelbe wiederholt beſtätigt, ſo daß heute kein Zweifel mehr darüber beſteht. Aber auch der Geſichtsſinn iſt beim Wegfinden beteiligt, allerdings je nach den Ameiſenarten in ſehr ungleichem Maße. Es gibt wohl — abgeſehen von den blinden Arten (Dorylinen uſw.), denen dieſer Sinn ja gänzlich abgeht — auch unter den mit Augen verſehenen Arten ver— ſchiedene, bei denen der Geſichtsſinn (für die Orientierung) kaum in Betracht kommt (ſo z. B. die Lasius-Arten), wie Forel, Lubbock, Bethe experimentell feſtgeſtellt haben. Gleichgültig, ob man die Cornea ſchwärzt oder eine Schachtel 198 Piychologie. über den Weg ſtellt, finden die Lasius ihren Weg jo gut wie vorher; auch eine Veränderung der Umgebung des Weges (durch Entfernen größerer Gegen— ſtände uſw.) vermag ſie nicht in ihrer Richtung zu beirren. Dies trifft aber keineswegs für alle Ameiſen zu; denn Forel hat gezeigt, daß Formica pratensis durch Schwärzen der Cornea nicht unerheblich in ihrer Orientierung geſtört wird. Und ferner zwingen uns eine Reihe biologiſcher Beobachtungen auch für andere Formica-Arten, ferner für Pseudomyrma uſw. eine Beteiligung des Geſichtsſinnes beim Wegfinden anzunehmen (ſ. unten). Es fragt ſich nun: iſt das Wegfinden lediglich ein Chemo- bzw. Photo⸗ reflex, oder aber baſiert dasſelbe auf pſychiſchen Vorgängen? Betrachten wir zunächſt ſolche Ameiſen, welche ſich bei ihren Ausgängen an ſcharf begrenzte Straßen halten (wie z. B. Lasius niger), ſo ſehen wir auf dieſen Straßen gewöhnlich ununterbrochene Züge hin- und herlaufender Individuen. Machen wir nun mit dem Finger einen Strich durch die Straße, ſo ändert ſich das Bild mit einem Schlage: beiderſeits des Striches bleiben die Ameiſen zunächſt wie gebannt ſtehen und ſtauen ſich in kurzer Zeit in Maſſen an. Dieſer Verſuch, der bereits von Bonnet ausgeführt wurde, und einige ähnliche Verſuche anderer führten Bethe zu der Anſicht, daß das Weg— finden lediglich ein Chemoreflex ſei, der durch die von den Ameiſen mit ihren Spuren hinterlaſſenen Geruchsſtoffe ausgelöſt werde. Bethe hat auch hier wieder nur die erſte Wirkung des Experimentes im Auge gehabt; denn hätte er auch das weitere Benehmen der am Strich ſtehen gebliebenen Ameiſen berückſichtigt, jo hätte er unmöglich zu einer ſolch ſchablonenhaften Auf— faſſung des Ameiſenlebens gelangen können. Die durch den Strich irritierten Ameiſen bleiben nicht etwa wie angenagelt ſtehen, ſondern ſie beginnen ſofort mit prüfenden Fühlerſchlägen den Boden zu unterſuchen und „eilen, aufeinander zuſpringend und lebhaft die Antennen kreuzend, längere Zeit hin und her, bis ſchließlich eine es wagt, den Rubikon zu überſchreiten, worauf die anderen ihr folgen und die Kolonne ſich wieder herſtellt“ (Wasmann). Ohne die Annahme eines ſinnlichen Strebevermögens aber und des Ver— mögens einer willkürlichen Bewegung iſt dieſe Erſcheinung nie und nimmer zu erklären. Aber abgeſehen davon, verſagt überhaupt obiges Experiment Bethes bei vielen Ameiſen vollkommen. Man verſuche einmal die Züge der Formica rufa auf dieſe Weiſe zu unterbrechen! Fährt man mit dem Finger quer durch eine rufa-Straße, fo erzielt man gar keinen Erfolg; aber ſelbſt wenn man mit einer Schaufel ein ziemlich breites Stück von der Oberfläche abkratzt, iſt die Unterbrechung nicht allgemein und nur von ganz kurzer Dauer. Nach 1 oder 2 Minuten ſchon geht alles wieder ſeinen alten Gang. Andere Formica-Arten laſſen ſich noch weniger ſtören, wie z. B. F. sanguinea, bei der man den Boden vor ihrem Neſt ruhig weg— ſchaufeln kann, ohne damit die Orientierung der ein- und ausziehenden Ameiſen zu unterbrechen. Keiner der je einmal einen Umzug (Neſtwechſel) von F. sanguinea geſehen, wird daran feſthalten wollen, daß die Ameiſen dabei ſklaviſch einer beſtimmten Spur folgen. Sie laufen zwar alle in derſelben Richtung, aber durchaus nicht auf einer engen, ſcharf begrenzten Straße, e ra er Wie finden die Ameiſen ihren Weg? 199 ſondern weitauseinander, und wiſſen alle Hinderniſſe, auch friſch geſetzte (3. B. einen hingeworfenen großen Aſt uſw.) mit unglaublicher Schnelligkeit und Geſchicklichkeit zu überwinden, ohne ſich dabei in ihrer Zugrichtung ſtören zu laſſen. Es laſſen ſich noch eine ganze Reihe Erſcheinungen anführen, die eben— falls — und vielleicht noch unzweideutiger — dagegen ſprechen, daß das Weg— finden überall und ausſchließlich vermittelſt eines von den Ameiſen zurück— gelaſſenen flüchtigen Geruchsſtofſes geſchieht. Huber weiſt ſchon Bonnet gegenüber darauf hin, daß es, wenn dem ſo wäre, nach einem heftigen Regen den Ameiſen ſchwer ſein wüßte den alten Weg (zu den Blattläuſen uſw.) wieder zu finden, was aber den Tatſachen widerſpricht; denn wir ſehen nach einem Regen die Ameiſen gewöhnlich ſofort wieder in der alten Richtung hin und herlaufen. Ja, die Amazonen ſetzen zwiſchen ihren Raubzügen mit— unter ſogar mehrere Wochen aus, in welcher Zeit durch Wind und Regen die Spuren doch ſicher gänzlich verwiſcht ſind, — und dennoch ſchlagen ſie bei einem neuen Raubzug ohne weiteres mit großer Sicherheit den alten Weg zum Sklavenneſt wieder ein. Auch die Experimente, die Miß Fielde mit ſchwimmenden Ameiſen gemacht hat (1903), beweiſen, daß die Ameiſen ſich nicht lediglich durch den Fußſpurengeruch leiten laſſen. Sehr intereſſant in dieſer Beziehung ſind ferner die Verſuche Wasmanns, welcher Glas— röhren, die vom Neſt zum Futter uſw. führten und längere Zeit begangen waren, durch friſche Röhren erſetzte, ohne dadurch eine Störung zu veran— laſſen. Gab er aber den Röhren eine andere Richtung, jo war eine Störung unverkennbar. Letzteres zeigt uns zugleich deutlich, daß bei den in Frage kommenden Ameiſen (F. sanguinea) der Geſichtsſinn für die räumliche Orien— tierung eine größere Rolle ſpielt als der Geruchsſinn. Ich könnte noch eine Menge ähnlicher Verſuche aus den Arbeiten von Forel, Lubbock, Wasmann, Miß Fielde uſw. anführen, doch auch die wenigen Fälle dürften ſchon zur Genüge zeigen, daß das Wegfinden der Ameiſen nicht auf einem einfachen Chemoreflex beruhen kann. Wir müſſen vielmehr den Ameiſen unbedingt das Vermögen zuſchreiben Geruchs- und Geſichtswahrnehmungen zu machen und dieſelben zu neuen Aſſozia— tionen verbinden, ferner die Fähigkeit, die erhaltenen Geruchs- uſw. -bilder aufzuſpeichern und ſich deren nach längerer Zeit wieder zu erinnern (vgl. Amazonen); es iſt ihnen alſo auch ein Ortsgedächtnis nicht abzu— ſprechen. Das Problem der räumlichen Orientierung iſt ungeheuer kompliziert und keineswegs mit den paar hier aufgeworfenen Fragen erſchöpft. Es iſt aber natürlich ganz ausgeſchloſſen, hier auf alle Fragen im einzelnen einzugehen. Eine Erſcheinung aber muß ich hier noch berühren, welche entſchieden zu den ſchwierigſt zu erklärenden gehört, nämlich die, daß eine Ameiſe nicht nur die Geruchsfährte an und für ſich, ſondern auch die Richtung derſelben zu erkennen vermag. Wenn man von der Straße, auf der zahlreiche Ameiſen hin und her laufen, eine entfernt, und ſie nach einiger Zeit wieder zurückſetzt, ſo verfolgt ſie ſtets dieſelbe Richtung, in der ſie vor dem Experi— ment gelaufen iſt. 200 Piychologie. Was iſt es nun, das den Ameiſen die Richtung anzeigt? Nehmen wir als gegeben an, daß ſie ſich nach den hinterlaſſenen Geruchsſpuren orientieren, ſo müſſen wir weiter folgern, daß ſie die „Hinſpuren“ von den „Herſpuren“ unterſcheiden können. Lediglich zwei verſchiedene chemiſche Stoffe für die „Hin-“ und „Herſpuren“ anzunehmen, genügt jedoch nicht: denn dadurch würde ja die Richtung nicht angegeben ſein. „Es muß alſo noch etwas hinzukommen, das angibt: in dieſer Richtung gehts zum Neſt, in jener gehts vom Neſt fort.“ Bethe nennt dieſes Etwas „Polariſation“, d. h. er nimmt an, daß die Spur in der einen Richtung anders be— ſchaffen iſt als in der anderen. Zu dieſer Annahme wurde er vor allem durch ſeine intereſſanten „Drehſcheibenverſuche“ geführt. Drücken wir die Polarität durch die Zeichen + — aus, ſo ergibt eine in einer Richtung führende Spur lauter — — (+ deen eine Ameiſenſtraße ſo an, daß ein Teil davon über eine drehbare Scheibe führte. Drehte er nun dieſe um 3600, ſo erfolgte keine Störung; drehte er fie aber nur um 180°, jo trat an der Grenze zwiſchen Scheibe und Straße ſofort eine Stockung ein, die erſt dann wieder ſchwand, wenn die Scheibe um weitere 180°, alſo wieder in ihre urſprüngliche Lage gedreht wurde. Bethe erklärte dieſes Phänomen damit, daß bei einer Drehung um 1800 ungleiche Zeichen zuſammenſtoßen, nämlich + — (— + — + — +) + — ujm. Wasmann wiederholte dieſe „Drehſcheibenverſuche“, die übrigens ſchon vor Bethe von Lubbock ausgeführt worden waren, und erzielte dabei ganz ähnliche Reſultate wie Bethe. Jedoch entdeckte Wasmann in der Bethe— ſchen Auslegung dieſes Experimentes einen Irrtum: auf der Straße, die über die Brücke führt, befindet ſich nämlich nicht eine einzige Spur (etwa eine „Hinſpur“), ſondern ſtets Hin- und Herſpuren, die nach der Reflex⸗ theorie ſogar unbedingt ſcharf voneinander getrennt ſein müßten. Den Tat- ſachen mehr e wäre alſo vor der e folgendes Bild: dest — — — 1 FFF en bi Sr e TEE = F - Drehen wir nun die Scheibe um 180°, jo ergibt ſich in der Polarität durch⸗ aus keine Veränderung, wie folgendes Schema zeigt: d © a a — „ Wasmann ſchließt daraus, daß es nicht eine e Pölariſatian der chemi— ſchen Stoffteilchen ſein kann, welche den Ameiſen die Richtung angibt, ſondern glaubt in folgender Weiſe die Sache einfacher erklären zu können: Wir wiſſen durch Forel, daß die Ameiſen vermittelſt ihrer beweglichen Naſen (Fühler) nicht nur die chemiſche Beſchaffenheit der berührten Objekte, ſondern auch die Form derſelben wahrnehmen. Die Ameiſen vermögen demnach runde Gerüche von länglichen, dreieckigen uſw. zu unterſcheiden. Es iſt ferner ohne weiteres 2 5 r Wie finden die Ameiſen ihren Weg? 201 zuzugeben, daß die von den Ameiſen hinterlaſſene Fährte eine beſtimmte Form hat, welche für eine hinführende und für eine rückführende eine ver— ſchiedene ſein muß, weil die Stellung der Füße in beiden Fällen eine ent— gegengeſetzte iſt. Dies genügt, daß die Ameiſen vermittelſt ihres topochemiſchen Geruchsſinnes die Richtung der Spuren erkennen. Damit iſt aber den Ameiſen noch nicht viel gedient, denn ſie wiſſen ja damit immer noch nicht, welche Spuren zum Neſt hin- und welche vom Neſt fortführen. Wir müſſen daher außer der Geruchsform der Spuren einen ſpezifiſchen, quantitativ oder qualitativ verſchiedenen Geruch für die Hin- und Herſpuren annehmen; dann erſt ſind die Ameiſen imſtande, an den hinterlaſſenen Spuren die Richtungen zum Neſt von der entgegengeſetzten zu unterſcheiden. Worin die Verſchiedenheit beſteht, darüber können wir nur Vermutungen anſtellen; die nächſtliegende iſt wohl die, daß die Füße der vom Neſt ausziehenden Ameiſen einen weit ſtärkeren Neſtgeruch hinter— laſſen als diejenigen der von den Blattläuſen uſw. heimkehrenden, welche wahr— ſcheinlich außerdem eine nach Blattlaushonig uſw. riechende Fährte hinterlaſſen. Vergleichen wir die Betheſche Erklärung mit der Wasmannſchen, jo ſehen wir die beiden im Grunde doch übereinſtimmen: denn beide nehmen an, daß die Spuren in der einen Richtung anders beſchaffen ſein müſſen als in der anderen; Bethe nennt dieſe Eigentümlichkeit „Polarität“, Was— mann „verſchiedene Geruchs form“. Und beide nehmen an, daß zu dieſer Eigenſchaft noch Verſchiedenheit des Geruches hinzukommen muß. Der Unterſchied in der Auffaſſung der beiden bezüglich des Richtungs— problems liegt auf einem anderen Gebiet, nämlich darin, daß nach Bethe gemäß der Reflextheorie die verſchiedenen Spuren lediglich als adäquater phyſiologiſcher Reiz für die Auslöſung des Hin- oder Herlaufreflexes dienen, und alſo die Ameiſen maſchinenmäßig zwingen nur dieſe oder jene Richtung zu laufen, während nach Wasmann die Ameiſen die verſchiedenen Geruchs— formen und Qualitäten wirklich wahrnehmen, und es in der Hand haben, je nach den Umſtänden von dieſer Wahrnehmung Gebrauch zu machen oder nicht, alſo die gemachten Wahrnehmungen zu neuen Aſſoziationen zu verarbeiten, dieſelben im Gedächtnis zu behalten uſw. Jeder, der das Ameiſenleben etwas kennt und über die Tatſachen nach— denkt, wird die Wasmannſche Anſchauung hierüber ohne weiteres unter— ſchreiben. Beweiſe dafür zu erbringen, glaube ich mir ſchenken zu können. Dagegen ſei darauf hingewieſen, daß die Reflextheorie nirgends in jo viele und unlösbare Widerſprüche gerät, als gerade bei dem Richtungsproblem. Ich führe hier nur zwei der eklatanteſten an, erſtens: es wäre eine notwendige Konſequenz der Reflextheorie, daß eine Ameiſe, die zum erſtenmal einen neuen Weg gegangen iſt, ihre eigene Fährte nicht als Rückweg be— nutzen könnte. Dies widerſpricht aber durchaus den Tatſachen. Bethe ſelbſt hat ja konſtatiert, daß die Ameiſen den Hinweg auch als Rückweg be— nutzen. Zweitens, nach der Reflextheorie wird der Aufbruch einer Ameiſe (ſowohl vom Neſt fort als auch zum Neſt hin) durch einen beſtimmten äußeren Reiz ausgelöſt, den Bethe in der Belaſtung bzw. Nichtbelaſtung ge— funden zu haben glaubt. „Belaſtung löſt reflektoriſch den Gang zum Neſt 202 Pſychologie. hin, Mangel an Belaſtung den Gang vom Neſt fort aus.“ Nun weiß aber jeder, der nur einigermaßen die Ameiſen beobachtet hat, daß einerſeits eine große Anzahl Ameiſen von ihren Ausgängen mit leeren Händen und leerem Kropf nach Hauſe kommt, andererſeits aber auch viele Ameiſen mit Leichen, Puppenhüllen uſw. belaſtet das Neſt verlaſſen! — Zwei ſo offenkundige Widerſprüche mit den alltäglichſten Erſcheinungen wie dieſe dürften vollauf genügen, die Haltloſigkeit der Reflextheorie darzutun. Damit wollen wir von der Frage: Wie finden die Ameiſen ihren Weg? Abſchied nehmen. Es iſt nicht zu leugnen, daß wir durch die Anwendung der exakten experimentellen Methode, wie fie vor allem durch Forel, Lubbock, Wasmann, Bethe und Miß Fielde angewendet wurde, eine Reihe wert— voller Aufſchlüſſe über das Orientierungsproblem erhalten haben. Anderer— ſeits aber müſſen wir auch zugeſtehen, daß wir von einer endgültigen Löſung der geſtellten Frage noch ſehr weit entfernt ſind. Die Orientierung ge— ſchieht eben nicht bei allen Arten nach demſelben Prinzip, ſondern die einzelnen Arten verhalten ſich, worauf wir oben hingewieſen, ſelbſt bezüglich der in Verwendung kommenden Sinnesorgane (Augen und Fühler) mitunter ſehr verſchieden. Mehr wie auf anderen Gebieten hat man ſich daher gerade hier vor Verallgemeinerungen zu hüten. Die Unterſuchungen dürfen ſich nicht auf einige wenige Arten beſchränken, ſondern müſſen auf möglichſt viele und ver— ſchiedenartige Formen ausgedehnt werden. Beſitzen die Ameiſen Mitteilungsvermögen? Dieſe Frage iſt entſchieden zu bejahen. Alle Forſcher — mit Ausnahme des Reflextheoretikers Bethe — Sind darüber einig. Wenn wir aber von gegenſeitigen Mitteilungen der Ameiſen reden oder von einer „Ameiſen— ſprache“, ſo dürfen wir dieſelbe natürlich nicht mit der menſchlichen Sprache vergleichen, ſondern müſſen im Auge behalten, daß es ſich nur um eine inſtinktive Zeichenſprache, analog der ſogenannten Laut- und Geſten— ſprache mancher niederer und höherer Tiere, handeln kann. „Wie bei jener einem beſtimmten Gefühlszuſtand des Tieres ein beſtimmter Laut, ſei es nun ein Schrei- oder Zirplaut entſpricht, durch den es dieſen Zuſtand inſtinktiv äußert und dadurch auch zur Gehörswahrnehmung von anderen Tieren ſeines— gleichen bringt (Paarungs-, Warnungs- uſw. ⸗laut), jo dienen bei den Ameiſen beſtimmte Fühlerſchläge zur Unterſtützung der ſozialen Inſtinkte, um den ſubjektiven Gefühlszuſtand der betreffenden Individuen auf andere ihres— gleichen zu übertragen“ (Wasmann, 1899). Daß das Hauptverſtändigungsorgan die Fühler ſind, hat ſchon Huber erkannt, der deshalb von einer „language antennal* („Fühlerſprache“) redet. Forel, Lubbock, Wasmann u. a. kamen durch Verſuche und Beobachtungen zu demſelben Reſultat. Man braucht nur einen Blick auf eine begangene Ameiſenſtraße zu werfen, um des öfteren zwei ſich begegnende Ameiſen ihre Fühler kreuzen zu ſehen. Was ſie ſich bei dieſem Fühlerverkehr mitteilen, iſt uns natürlich unzugänglich; es liegt jedoch ſehr nahe, anzunehmen, daß die heimkehrende Ameiſe ihre auf der Exkurſion gemachten Erfahrungen der Aus— F Rene ** 2 Beſitzen die Ameiſen Mitteilungsvermögen? 203 ziehenden kundtut (ob ſie was gefunden oder nicht uſw.). Wenn dieſes „Kundtun“ auch lediglich darin beſtehen ſollte, daß die am Fühler der Heimkehrenden haftenden Geruchsſtoffe (Honig, Fleiſch uſw.) auf die Fühler der Ausziehenden mechaniſch übertragen werden, ſo liegt doch jedenfalls dem Beſtreben, dieſe Übertragung überhaupt herbeizuführen, ein pſychiſches Element zugrunde. Die Fühlerſprache der Ameiſen iſt ziemlich „wortreich“ und ſteht der Lautſprache der Vögel wohl nur wenig nach. Wasmann hat ein förmliches „Wörterbuch der Fühlerſprache“, d. h. eine Überſicht über die mannigfaltige biologiſche Bedeutung, welche die Fühlerſchläge als Mittel der inſtinktiven Zeichenſprache beſitzen, zuſammengeſtellt; einiges daraus ſei hier erwähnt: a) Fühlerſchläge bewirken vor allem die Anregung des Nachahmungs— triebes, durch den das Zuſammenwirken der verſchiedenen Individuen einer Kolonie ermöglicht wird. p) Durch Fühlerſchläge wird die Aufforderung zur Fütterung gewöhnlich eingeleitet, indem die bettelnde Ameiſe den Kopf der anderen leiſe ſchlägt und ſtreichelt. c) Durch Fühlerſchläge wird die Aufforderung zum Neſtwechſel einge— leitet, indem die eine Ameiſe den Kopf der anderen mit den Fühlern ſchlägt und dann in der betreffenden Richtung ſich entfernt. d) Durch Fühlerſchläge gibt eine Ameiſe anderen oft die Anregung, ihr zu folgen, wenn ſie etwas gefunden hat (Futter uſw.). e) Durch heftige Fühlerſchläge gibt eine Ameiſe ihren Gefährtinnen die Anregung zum Angriff, oder aber auch zur Flucht. f) Durch Fühlerſchläge ſucht eine Ameiſe nicht ſelten eine ihrer Ge— fährtinnen vor einer Gefahr zu warnen, die von einer beſtimmten, von ihr bemerkten Richtung herkommt. g) Durch leiſe andauernde Fühlerſchläge ſucht eine Ameiſe manchmal eine in heftiger Aufregung befindliche Gefährtin zu beſchwichtigen. uh) Durch Fühlerſchläge wird insbeſondere bei den Raubameiſen (Poly- ergus, Form. sanguinea uſw.) die Anregung zum Aufbruch der Expedition gegeben, und auch die Richtung des Zuges beſtimmt, indem jene Ameiſen, welche den richtigen Weg gefunden, die anderen durch Fühlerſchläge anregen, ihnen zu folgen uſw. uſw. Die Verſchiedenheit der Zeichen beruht vor allem auf der Art der Fühler— ſchläge, ob heftig, ob leiſe, ob in langen oder in kurzen Intervallen uſw., und ferner darauf, wohin die Schläge verſetzt werden (ob auf die Stirne, oder die Seiten des Kopfes oder nur gegen die Fühler). Wahrſcheinlich ſpielen auch verſchiedene Geruchsſtoffe, die an den Fühlern haften, eine Rolle bei der gegenſeitigen Verſtändigung. Die Unterſchiede der Zeichen ſind — wenigſtens für unſere Sinne — nur ſehr gering, dennoch aber können wir es durch lange und genaue Beobachtung des Ameiſenlebens ſo weit bringen, die Fühlerſprache der Ameiſen einigermaßen zu verſtehen. — Bei dem beſchränkten Raum iſt es mir verſagt, jeden der unter a) bis h) angeführten Fälle mit einem konkreten Beiſpiel zu belegen. Außerdem haben wir ja im Verlauf dieſes Buches ſchon genügend Gelegenheit gehabt, das Mitteilungs— ’ 204 Pſychologie. vermögen der Ameiſen zu illuſtrieren, ich verweiſe in dieſer Beziehung vor allem auf die Kapitel V bis VIII. Von den vielen Verſuchen, die Forel, Lubbock, Wasmann uſw. ſpeziell im Hinblick auf das Mitteilungsvermögen der Ameiſen angeſtellt haben, ſei nur einiges kurz erwähnt: Lubbock experimentierte in der Weiſe, daß er tote Inſekten (Fliegen uſw.) und Spinnen in einiger Entfernung vom Neſt auf einem Kork feſtſteckte und dieſelben von einer einzelnen Ameiſe entdecken ließ. Nachdem dieſe ſich eine zeitlang vergeblich bemüht hatte, die Beute heimzuſchleppen, kehrte ſie gewöhnlich mit „leeren Händen“ in ihr Neſt zurück, bald darauf aber kam ſie mit einer größeren Anzahl Genoſſen wieder hervor, die ihr — wenn auch nur ſehr langſam und gemächlich — folgten und das Beutetier ſtückweiſe wegtrugen. Da Lubbock dieſes Experi— ment mehrfach anſtellte und mit verſchiedenen Ameiſen (Atta testaceopilosa, Pheidole megalocephala, Formica fusca), jo kann man wohl ſchwerlich den Einwand der Zufälligkeit gegen das Reſultat erheben. Lubbock ſchließt denn auch daraus, daß die Ameiſen etwas der Sprache ähnliches beſitzen. „Man kann unmöglich daran zweifeln, daß die Freunde von der erſten Ameiſe wirk— lich herangeholt wurden!)“. Wenn wir auch — wie Bethe will — annehmen, daß der Fliegen- oder Spinnengeruch, der an der erſten Ameiſe ſich feſtgeſetzt, die Genoſſen angezogen und aus dem Neſte gelockt hat (reflektoriſch), ſo vermag es die Reflextheorie doch nie und nimmer zu erklären, wie denn die erſte Ameiſe überhaupt dazu kommt, mit leeren Händen in das Neſt zurückzukehren. Auch Wasmann kam bei ſeinen Beobachtungen und Experimenten zu denſelben Reſultaten wie Lubbock. So ſah er einmal, wie eine Waldameiſe (Formica rufa), welche allein zwei Lomechuſen nicht fortzutragen und in ihr Neſt zu ſchaffen vermochte, fünf ihrer Gefährtinnen durch Fühlerſchläge her- beiholte; dieſe folgten der erſten Ameiſe, ſuchten mit ihren Fühlern taſtend die Käfer auf und bewerkſtelligten dann den Transport derſelben. — Noch draſtiſcher verlief folgender Verſuch, der mit einer gemiſchten Sanguinea + rufi- barbis + fusca-Kolonie in einem Wasmannſchen Neſt (j. Einleitung S. 6) angeſtellt wurde: Es wurden in das „Abfallneſt“ eine Anzahl F-Kokons von F. fusca und rufibarbis gelegt, zu einer Zeit, in der ſich keine Ameiſe in dieſem Neſtteil befand. Noch nach 1 Stunden hatten die sanguinea und ihre Sklaven nichts von den Kokons bemerkt. Wasmann ſetzte nun eine sanguinea in das Abfallneſt zu den Kokons. Dieſe lief nach kurzer Zeit ins Neſt zurück, zuerſt ins „Oberneſt“ und von dort unmittelbar ohne Auf— enthalt durch das Vorneſt in das Hauptneſt, in welchem ſie verſchwand. Kaum 10 Sekunden ſpäter kam eine ganze Flut von sanguinea aus dem „Hauptneſt“ in das „Vorderneſt“ gelaufen; von dort gings direkt in das „Oberneſt“ und dann nach einem Zögern von nur wenig Sekunden in das „Abfallneſt“ hinab; ſofort begann der Transport der Kokons, der den ganzen Nachmittag hindurch währte. ) Wie angeſichts dieſer Reſultate und Schlußfolgerungen Bethe jagen kann: „Aus den vielen Verſuchen, die Lubbock zur Prüfung des Mitteilungsvermögens angeſtellt, geht hervor, daß etwas Derartiges nicht exiſtiert“ — iſt vollkommen unbegreiflich! * amg 2 EN n 80 Beſitzen die Ameiſen Mitteilungsvermögen? 205 Nur ein Hyperſkeptiker wird daran zweifeln, daß dieſer plötzliche Maſſen— aufbruch der sanguinea durch die eine von den Kokons zurückgekehrte Ameiſe veranlaßt worden iſt, und daß dieſe letztere lediglich deshalb zum Hauptneſt zurückgelaufen iſt, um ihre Genoſſen von dem Funde zu benachrichtigen bzw. ihre Erregung darüber auf ihre Genoſſen zu übertragen. Es ſei aber noch— mals betont, daß wir weit entfernt ſind, den Ameiſen dabei etwa eine aus Vernunftgründen, logiſchen Schlüſſen uſw. aufgebaute Abſicht zuzuſchreiben, ſondern daß wir das Zurücklaufen und Benachrichtigen der Genoſſen in der Hauptſache auf einen inſtinktiven Trieb zurückſühren — auf den Trieb, die eigenen Gefühlszuſtände und Bewegungsimpulſe auf andere Indi— viduen der Geſellſchaft zu übertragen ). Die gegenſeitige Verſtändigung geſchieht übrigens nicht allein durch die Fühlerſprache, ſondern mitunter wenden die Ameiſen noch andere Mittel an. Wenn ſie recht deutlich werden wollen, ſo ſchlagen ſie mit ihrem Kopf gegen die Bruſt ihres Genoſſen (Huber). Bei der Aufforderung zur Fütterung werden meiſt außer den Fühlern auch die Vorderbeine benutzt, mit denen ſie die Seiten des Kopfes der Fütternden bearbeiten; durch eifriges Belecken der Mundgegend wird ferner die Aufforderung noch nachdrücklicher gemacht. Wenn Warnrufe mit den Fühlern nichts nutzen, ſo wenden die Warnenden Gewalt an und ziehen ihre Genoſſen an den Beinen uſw. von der gefährlichen Stelle ab. Wir haben ferner oben (Kap. VI, 2) geſehen, daß manche Ameiſen (Camponotus-Arten) bei herannahender Gefahr mit ihrem Abdomen und ihren Köpfen auf den Boden oder die Wände des Neſtes ſchlagen und dadurch ein deutlich hörbares Geräuſch erzeugen. Es iſt höchſtwahrſcheinlich, daß es ſich hier um Alarmſignale handelt. Nach alledem, was wir bis jetzt gehört haben, ſteht das Mitteilungs— vermögen der Ameiſen außer Zweifel. Die Ameiſenſprache iſt ſogar ziemlich wortreich; in erſter Linie beruht dieſelbe auf Zeichen, welche mit den Fühlern gegeben werden. Die Lautſprache tritt dagegen ganz in den Hintergrund und iſt nur bei wenigen Ameiſen beobachtet. Beſitzen die Ameiſen ein formelles Schlußvermögen? Wenn wir uns die letztgenannten Verſuche Lubboks und Wasmanns vergegenwärtigen, ſo möchte man faſt glauben, das Zurücklaufen der einen Ameiſe und das Holen von Hilfe konnte nur auf Grund von richtiger Über— legung, auf Grund von logiſchen Schlüſſen geſchehen. Wir brauchen jedoch nicht zu den höchſten Neurokymtätigkeiten zu greifen, um dieſe Fälle zu er— klären, ſondern wir kommen auch hier recht wohl damit aus, daß wir den Ameiſen ein ſinnliches Gedächtnis zuſchreiben, und ferner die Fähigkeit, die durch die verſchiedenen Sinne empfangenen Bilder (Engramme) zu neuen ) Ich ſtehe nicht an, dieſen Trieb als einen der wichtigſten ſozialen Triebe anzuſprechen, ohne den ein größeres Geſellſchaftsleben gar nicht denkbar wäre. Zweifellos hat, was nebenbei bemerkt ſei, dieſer ſoziale Grundtrieb ſeine Wurzel in dem Sexualtrieb. (Vgl. auch: Forel, Die ſexuelle Frage. München 1905.) 206 Pſochologie. Aſſoziationen zu verbinden. Die Ameiſen haben auf ihren Fourageexpeditionen dutzendmale die Erfahrung gemacht, daß das Enmſchleppen einer ſchweren Beute viel leichter zu mehreren geſchieht als allein. Wenn nämlich eine einzelne Ameiſe auf einer bevölkerten Ameiſenſtraße ſich mit Tragen eines zu großen Gegenſtandes abmüht, ſo dauert es ſelten lange, daß ſich derſelben eine ganze Anzahl Genoſſen, die eben des Weges kommen, zugeſellen (Nach— ahmungstrieb), und nun gemeinſam Hand an die ſchwere Laſt legen. Wenn ſie auch anfänglich vielleicht ſich entgegenarbeiten, ſo arbeiten ſie doch ſchon nach kurzer Zeit gleichſinnig. Dieſe Erfahrung wird im Gedächtnis auf— geſpeichert, und tritt nun der Fall ein, daß eine Ameiſe (wie bei obigen Verſuchen) allein außerhalb des Neſtes ſich befindet, und nun eine ſchwer zu bewältigende Beute antrifft, ſo wird in dieſer Ameiſe ſofort die aſſoziierte Vorſtellung helfender Neſtgenoſſen wach werden. Mit dieſer Vorſtellung ver— bindet ſich die des Neſtes, wodurch der Impuls zum Zurücklaufen gegeben iſt (C. Schaeffer). — Ein Abſtraktionsvermögen iſt alſo dabei durchaus nicht nötig, ebenſowenig eine wirkliche Einſicht in die Beziehungen zwiſchen Mittel und Zweck, ſondern auch ohne eine ſolche, lediglich auf Grund eines ſinn— lichen Aſſoziationsvermögens laſſen ſich dieſe fraglichen Vorgänge ungezwungen erklären. Wenn ich einen Hund mit einem Stein werfe, ſo ſchreit derſelbe infolge des empfundenen Schmerzes und läuft weg. Wenn ich nun demſelben Hunde gegenüber ein zweitesmal mich nur bücke, ſo genügt dies, die Fluchtbewegung auszulöſen (zu ekphoriſieren nach Semon, Die Mneme, Leipzig 1905). Die zweite Fluchtbewegung iſt kein Reflex im Sinne Bethes, denn die Reaktion iſt ja nicht angeboren. Einem jungen Hunde, der noch nie die ſchlechte Er— fahrung mit dem Stein gemacht, wird es nicht einfallen, auf das bloße Bücken meinerſeits ſofort die Flucht zu ergreifen. Auch hier fehlt eine wirkliche Ein— ſicht in die Beziehungen zwiſchen Mittel und Zweck, vielmehr hat ſich der Ge— fühlseindruck (Schmerz) mit dem Geſichtseindruck (Bücken) lediglich zu einer neuen Aſſoziation verbunden, ſo daß die Wiederholung des letzteren genügt, erſteren auszulöſen. Derartige Verbindungen der verſchiedenen Sinneseindrücke zu neuen Aſſoziationen ſind es, die den Schlüſſel der Ameiſenpſychologie liefern. Damit kommen wir überall aus, und mag es mitunter auch noch ſo ſehr den An— ſchein haben, daß die Ameiſen in bewußter Abſicht handeln, daß ſie logiſche Schlüſſe ziehen uſw., ſo zeigt die kritiſche Analyſe ſolcher Vorgänge doch ſtets, daß den Ameiſen die höchſten geiſtigen Fähigkeiten voll— kommen abgehen. Alle Verſuche, die in dieſer Hinſicht von Lubbock, Wasmann, Bethe ausgeführt wurden, fielen völlig negativ aus. Bethe z. B. ſchraubte eine mit Honig auf einer Ameiſenſtraße liegende Scheibe, die von den Ameiſen fleißig beſucht wurde, ganz langſam im Verlaufe von mehreren Wochen höher, bis ſie endlich ſo hoch lag, daß die Ameiſen nicht mehr hinaufgelangen konnten. Es liefen daraufhin zunächſt immer noch viele auf der Straße herum und richteten ſich auf die Hinterbeine, natürlich aber ohne Erfolg. „Man hätte bei dieſem allmählichen Höherhängen des Brotkorbes erwarten ſollen, r c Beſitzen die Ameiſen ein formelles Schlußvermögen? 207 daß die Ameiſen, wenn ſie imſtande wären, den einfachen Schluß zu ziehen: der Boden muß erhöht werden — einige Sandkörner aufgetürmt hätten.“ Sie taten dies aber nicht, trotzdem ſie doch ſonſt (bei den Neſtbauten) mit großer Schnelligkeit hohe Erdwälle aufzuführen imſtande ſind. Solche und ähnliche Verſuche wurden noch mehrfach ausgeführt (Lubbock, Wasmanm u.a.), und zwar alle mit dem gleichen Erfolg! Beſonders lehrreich iſt der Uhrſchalenverſuch Wasmanns, der oben, Kap. VI, 1, bereits beſchrieben iſt. Er jet hier nochmals kurz angeführt: Was- mann ſtellte neben ein F. sanguinea-Neſt eine Uhrſchale mit Waſſer, in deren Mitte ſich eine Inſel mit Puppen befand. Die Ameiſen bauten eine Brücke zur Inſel, indem ſie Sand in die Uhrſchale warfen, und holten dann die Puppen herüber! Iſt das nicht ein ſchlagender Beweis für eine hohe Ameiſenintelligenz, für ein formelles Schlußvermögen uſw.? Ein Kontrollverſuch belehrt uns eines anderen: Wasmann ſtellte nämlich ſpäter eine Uhrſchale mit Waſſer ohne Inſeln und ohne Puppen hin — und die Ameiſen benahmen ſich genau ebenſo, d. h. ſie warfen auch diesmal Sand ins Waſſer und legten den See trocken! Hätten wir aus dem erſten Verſuche geſchloſſen: die Ameiſen warfen den Sand ins Waſſer in der (bewußten) Abſicht, zu den Puppen zu gelangen, ſo hätten wir einen groben Fehlſchluß gemacht. Denn ſie folgten bei dieſem Vorgehen lediglich ihrem Reinlichkeitstrieb, der ſie alle unangenehmen Dinge in ihrem Neſtbezirk, welche nicht fortgeſchafft werden können, mit Sand uſw. bedecken läßt (vgl. Kap. VI, 1). Dieſer große Reinlichkeitstrieb iſt es, auf welchem alle die vielen „Brückenbauten“ über Leimringe uſw., welche von jeher mit Vorliebe als Beweis für das logiſche Denken der Ameiſen ſelbſt von ernſten Forſchern (3. B. Leukart) vorgebracht wurden, beruhen. Der Wasmannſche Verſuch führt uns ſo recht deutlich vor Augen, wie vorſichtig man bei der Auslegung einzelner heraus— geriſſener Beobachtungen ſein muß, beſonders bei Tieren, welche in ihrer Organiſation ſo weit von uns verſchieden ſind. Von Seiten der Anthropomorphiſten wurde häufig die Pflege von Blattläuſen und anderen Gäſten als Beweis für die Ameiſenintelligenz herangezogen. Nach William Marſhall ſoll dieſe Erſcheinung ſogar mehr als alles andere dartun, eine wie hohe Stufe der Intelligenz die Ameiſen erlangt haben. „Wir müſſen ihnen eine bedeutende Beobachtungsgabe zu— erkennen und geſtehen, daß ſie die Lebensweiſe ihrer Haustiere bis zu einem gewiſſen Grade ſtudieren.“ Hätte Marſhall die Ameiſen nur beſſer ſtudiert, ſo hätte er unmög— lich eine ſolche Behauptung aufſtellen können. Nach Wasmann behandeln künſtliche Autodidaktenkolonien, die aus ganz jungen, eben nach dem Aus— ſchlüpfen aus dem Neſt genommenen Arbeiterinnen gebildet werden, vorge— ſetzte Blattlauseier vollkommen richtig genau ebenſo wie alte Kolonien, obwohl ſie doch keine Spur von Erfahrungskenntnis über Blattlausentwickelung beſitzen konnten. Und ferner: wie ſchlecht müſſen doch die Arbeiter der Formica sanguinea die Lebensweiſe der jo häufig bei ihnen hauſenden Lomechusa „ſtudiert“ und „beobachtet“ haben, da ſie in den vielen tauſend Jahren immer noch nicht herausgebracht haben, daß dieſer Gaſt ihr größter Feind 208 Pſychologie. iſt (der ſogar die Exiſtenz ihrer ganzen Kolonie gefährdet) und ſie immer noch die Larven dieſes Vampyrs luſtig weiterpflegen. Man könnte in dieſem Falle vielleicht einwenden, daß das Exſudat der Lomechusa den Ameiſen einen ſolch hohen Genuß bereite, daß ſie ihm zuliebe ſogar das Wohl ihrer Familie vergeſſen, wie ja auch viele Menſchen durch ihre Sucht nach Genüſſen (Alkoholismus, Erotismus) ihre Familie ins Unglück ſtürzen und zugrunde richten. Bei anderen, mit Lomechusa verwandten Gäſten, den Atemeles-Arten, iſt aber auch dieſer Einwand hinfällig. Denn die Atemeles verlaſſen, ſo— bald fie entwickelt ſind, das Neſt ihrer Pflegerinnen (Formica), um ſich zu anderen Ameiſen (verſchiedenen Myrmica-Arten) zu begeben und bei dieſen den größten Teil ihres Lebens zuzubringen. Erſt im nächſten Frühjahr, zur Paarungszeit, finden ſie ſich wieder in den Formica-Kolonien ein, wo ſie ihre Brut auf Koſten der Ameiſenbrut aufziehen laſſen. „Für wen pflegen alſo jene Formica eigentlich die Brut von Atemeles? Nicht für ſich, ſondern für Myrmica . . . “. Nicht nur, daß fie vom Exſudat nichts abbekommen, „haben ſie nur den großen Schaden, welchen die Kuckucksbrut durch Auffreſſen der Ameiſeneier und -larven ihnen zufügt“ (Wasmann). Hätten die Ameiſen nur eine Spur von Intelligenz, von einer wirklichen Einſicht in die Beziehungen zwiſchen Mittel und Zweck, ſo würde es ihnen doch nie und nimmer einfallen, die Atemeles bei ſich aufzunehmen und deren Brut zu pflegen. Solcher Beweiſe bietet das Leben der Ameiſen eine Menge, und wollten wir unſeren Tierchen gar einen ſo hohen Grad von Intelligenz zu— ſchreiben wie Marſhall, der fie exakte biologiſche Forſchungen ausführen läßt, ſo würde die Ameiſenbiologie zu einem Kapitel unlösbarer Widerſprüche! Wir müßten uns dann weit mehr über das wundern, was die Ameiſen nicht vermögen, als über das, was ſie vermögen. * *. * Faſſen wir das Reſultat unserer flüchtigen pſychologiſchen Skizze kurz zuſammen, jo ergibt ſich folgendes: Die Ameiſen find keine Miniatur— menſchen; denn eine menſchliche, auf Abſtraktions- und formellen Schluß— vermögen beruhende Überlegung fehlt ihnen vollkommen. Anatomiſch drückt ſich dieſer Mangel unzweideutig in der Kleinheit des Ameiſengroßhirns gegen— über der mächtigen Entfaltung des menſchlichen Großhirns aus. Die Ameiſen ſind andererſeits aber auch keine Reflexautomaten; denn ſie beſitzen nachweisbar ein nicht geringes Modifikationsvermögen. Die Ameiſen ſind vielmehr mit pſychiſchen Qualitäten reichlich ausgeſtattete Weſen, bei denen man Gedächtnis, Aſſoziationen von Sinnesbildern, Wahrnehmungen, Benutzung von individuellen (ſinnlichen) Erfah— rungen, und ſomit deutliche, wenn auch geringe individuelle plaſtiſche Anpaſſungen nachweiſen kann ). ) Zu ungefähr den gleichen Ergebniſſen iſt von Buttel-Reepen bezüglich der pſychiſchen Fähigkeiten der Bienen gelangt. rn Beſitzen die Ameiſen ein „formelles Schlußvermögen“? 209 Die höchſte pſychiſche Plaſtizität kommt den Arbeitern zu, be— deutend geringer iſt ſie bei den Weibchen, um bei den Männchen faſt auf Null herabzuſinken. Dieſem Unterſchiede der geiſtigen Fähig— keiten bei den drei Ständen entſpricht die verſchiedene Ausbildung des Groß— hirns, wie im erſten Kapitel des näheren ausgeführt iſt (vgl. Fig. 16, S. 29). Aber trotz der gewaltigen Verſchiedenheiten zwiſchen Ameiſen und Menſchen (ſowohl bezüglich der Körperorganiſation als auch der pſychiſchen Qualitäten) ſind jene „in ihrer ſozialen Biologie und Pſychologie ein höchſt wertvolles und intereſſantes Vergleichsobjekt der lebenden Naturwelt, ſowohl für die ſozialen Verhältniſſe des Menſchen, wie für die menſchliche Pſychologie über— haupt. Sie beweiſen, wie die ewigen göttlichen Naturpotenzen, ſowohl die der Lebeweſen als deren Relationen untereinander, gleiche oder ähnliche Er— ſcheinungen auf ganz verſchiedenen Wegen produzieren. Sind doch Sklaverei, Viehzucht und Gartenbau von den Ameiſen getrieben worden, lange bevor es Menſchen auf der Erde gab. Die Ameiſen haben aber dieſe Künſte höchſt wahrſcheinlich auf dem Wege der Zuchtwahl automatiſch im Laufe unzähliger Generationen mit Hilfe ererbter Kombinationen erworben, ohne daß je eine Ameiſe individuell die Zweckmäßigkeit der Sache überſchaut hätte. Der Menſch dagegen erfindet individuell, mit Hilfe der unzähligen plaſtiſchen Reizkombinationen ſeines mächtigen Gehirns, und zwar erfindet er ſehr oft individuell Dinge, die ſchon längſt vor ihm von anderen Naturkräften oder Lebeweſen zuſtande gebracht worden waren. In den Sprüchen Salomonis 6, 6 u. ff. heißt es: „Gehe hin zur Ameiſe, du Fauler, ſiehe ihre Weiſe an und lerne, ob ſie wohl keinen Fürſten, noch Hauptmann, noch Herrn hat, bereitet ſie doch ihr Brot im Sommer und ſammelt ihre Speiſe in der Ernte“. Man kann dem noch hinzufügen: Sie gibt dem Menſchen die ſozialen Lehren der Arbeit, der Eintracht, des Mutes, der Aufopferung und des Gemeinſinnes.“ (Forel, Die Ameiſe, 1898.) Literatur. Bethe, Albrecht, Dürfen wir Ameiſen und Bienen pfſychiſche Qualitäten zu— ſchreiben? In: Arch. f. d. geſ. Phyſiologie 70 (1898). Bethe, Albrecht, Noch einmal über die pſychiſchen Qualitäten der Ameiſen. In: Ebenda 79 (1900). 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Manchem der verehrten Leſer dürfte der folgende Beſtimmungsſchlüſſel nicht unwillkommen ſein. Ich berückſichtige im weſentlichen nur die Arbeiter— form, weil der biologiſche Beobachter in erſter Linie mit dieſer zu tun hat. Außerdem haben wir die ausgezeichneten Beſtimmungstabellen von Mayr, Forel und André, wo ſich jeder über die Geſchlechtstiere leicht orientieren kann. Neben den ſyſtematiſchen Kennzeichen füge ich jeder Art einige Notizen über Vorkommen, Lebensweiſe uſw. bei, wodurch die Beſtimmung in manchen Fällen noch erleichtert werden mag. A. Die Unterfamilien. I. Hintefleihſtielchen, eingleddi ggg... Be zweigliedrig . . . 2. Myrmieine 2. Der eigentliche Hinterleib zwiſchen dem aten und zweiten Segment eingeſchnürt .. 5 % e eee Der eigentliche Hinterleib nicht eingeſchnürt Ser 3 3. Der dreieckige Clypeus ſetzt ſich zwiſchen die Inſertionsſtellen der Fühler nach hinten fort; Hinterleib von oben geſehen nur vier Segmente zeigend; fünftes Segment unter dem vierten verborgen; Kloakenöffnung quersjpaltförmig, ventralwärts ‚gelegen; ohne Wimper⸗ beſa g . 3. Dolichoderini). Der Clypeus ſetzt ſich nicht zwiſchen die Inſertionsſtellen der Fühler fort; Hinterleib von oben geſehen fünf Segmente zeigend; fünftes Segment koniſch zugeſpitzt, nach hinten gerichtet; Kloakenöffnung klein und rund, an der Spitze desſelben gelegen, mit einem Wimper— Kranz umgeben Nie . ) Die Dolichoderini find in Deutſchland nur durch zwei Arten vertreten: Tapinoma erraticum und Dolichoderus quadripunctatus. Sollten alſo Zweifel be— ſtehen betreffs der Subfamilie, ſo vergewiſſere man ſich, ob eine dieſer beiden leicht kenntlichen Arten vorliegt (ſ. unten). Iſt dies nicht der Fall, ſo kann man zu den Camponotini übergehen. Die Gattungen. 213 B. Die Gattungen. 1. Ponerini. Für unſer Faunengebiet kommt nur eine Gattung in Betracht, nämlich Ponera Ltr. 10. 2. Myrmieini. %% ua rl. Anekgates For. vorhanden . . ne d Oberkiefer glatt, ohne gegühnten Kaurand, ſchmal und ſpitz, ſichel⸗ förmig (vgl. Fig. 49, S. 152) . . Strongylognathus Mayr. Oberkiefer mit gezähntem Kaurand, breit eie g ee Erſtes Stielchenglied viereckig... Myrmeeina Curt. e d. 3 vorne ae hinten ver⸗ dickt 8 Zweites Stielchenglied ventral mit einem ſchräg nach vorn und unten gerichteten Dorn. . . Formicoxenus Mayr. Zweites Stielchenglied ventral unbebornt . IE MORE end Fühler zehn⸗, Keule zweigliedrig. . . Solenopsis Westw. Fühler elf⸗ oder zwölf⸗, Keule dreiglieerig . : » 2.2.0.6 . Hinterrüden (Epinotum) vollkommen unbewehrt, ohne Zähne und Dornen ... Monomorium Mayr. Hinterrücken (Epinotum) ſtets bewaffnet, wenigſtens mit kleinen Zähnchen e . Seitenaugen ſehr klein, punktförmig, kaum hervorragend Stenamma Westw. Augen gut entwickelt, faſt halb ſo lang als die Schläfen, und > vorſpringend . Die drei legten Glieder der Fühlergeißel zuſammen viel kürzer als 95 vorhergehenden zuſammen; größere Formen von 3½ bis 6mm 9 Die drei letzten Glieder der Fühlergeißel zuſammen ſo lang oder länger als die vorhergehenden zuſammen; kleinere Formen von 2 bis 3½ mm 10 Pro- und Meſonotum zuſammen halbkugelförmig gewölbt, das Meta— notum weit überragend .. Aphaenogaster Mayr. Pro- und Meſonotum flach gewölbt, nur wenig oder gar nicht das Metanotum überragend .. . Myrmica Ltr. Vorderecken des Rückens eckig, Rücken kurz und breit, grob und tief längsgerunzelt .. . Tetramorium Mayr. Vorderecken des Rückens gesunde, Rücken lang und ſchmal, feiner gerungelt ... Leptothorax Mayr. 3. Dolichoderini. . Hinterrüden (Epinotum) flach abfallend; Schuppe ſchmal, von dem erſten Gaſterſegment überragt . . .. Tapinoma Foerst. 214 Überſicht über die deutſchen Ameiſen. Hinterrücken ſenkrecht abfallend, mit tief ausgehöhlter Hinterfläche; Schuppe breit, e d. a 8 überragt von dem erſten Gaſter⸗ ett .. Dolichoderus Lund. 4. Camponotini. 1. Inſertion der Fühler vom Hinterrand des 1 entfernt (Fig. 6, 8 2 S. 13). Inſertion der Fühler an der Bereinigungslle von Stirnleiſten und Clypeus gelegen. 3 ID Sehr große Arten von 10 bis 14 mm Länge; Elypeus trapezförmig; ohne morphologiſch-differenzierte Soldatenform Camponotus Mayr. Kleinere Art von 3 bis 5mm Länge; Clypeus mit parallelen Seiten; mit differenzierter Soldatenform mit eckig erweitertem, ſcharf ab— geſtutztem Vorderkopf (Fig. 24 C, S. 41) Colobopsis Mayr. 3. Mandibeln glatt, ohne gezähnten Kaurand, ſpitz ſichelförmig (Fig. 7 B, Se u. ‚Lolpergun bate Mandibeln mit gezähntem Kaurand, breit dreieckig (Fig. 7 A, S. 15) 4 4. Stirnfeld undeutlich begrenzt, viel breiter als lang; Stirnaugen ſehr ſchwach entwickelt oder fehlend; kleine Arten von 2 bis 5 mm Lasius Fb. Stirnfeld allſeits deutlich begrenzt, nicht breiter als lang; Stirnaugen gut ausgebildet; mittelgroße Arten von 5 bis 10mm Formica L. C. Die Arten. Ponera Ltr. In unſerer Fauna kommt nur eine einzige Art vor: P. contracta Latr. Sie iſt 2½ bis 3½ mm lang, ſehr ſchmal, braun bis ſchwärzlich gefärbt und lebt in ſehr kleinen Geſellſchaften unter Steinen oder Rinde, oft im Neſtbezirk von Formica sanguinea oder rufa (Wasmann). Anergates Forel. Die einzige Art A. atratulus Schenk lebt ſtets in gemiſchten Kolonien mit Tetramorium caespitum. Die Arbeiterkaſte fehlt vollkommen; die Männchen ſind ſtark degeneriert, flügellos, larvenähnlich; die befruchteten Weibchen zeichnen ſich durch Phyſogaſtrie aus (vgl. Fig. 50 K, S. 153). Die jungen Geſchlechtstiere erſcheinen im Juni und Juli; die Befruchtung findet im Neſt ſtatt. Strongylognathus Mayr. In Deutſchland kommt nur eine Säbelameiſe vor: Str.testaceus Schenk. Dieſelbe iſt 2½ bis 2¾ mm lang, rötlichgelb, glänzend, Hinterkopf tief aus⸗ geſchnitten (Fig. 49, S. 152). Sie lebt ſtets mit dem ihr an Größe und Form naheſtehenden Tetramorium caespitum zuſammen in gemiſchten Kolo— enn u nn > m u Die Arten. 215 nien (S. 151). Hochzeitsflug im Juli und Auguſt. Die Geſchlechtstiere find nur wenig größer als die Arbeiter (2 3¼ bis 4, & 4 bis 4½ mm), wäh— rend die von Tetramorium drei- bis viermal ſo groß ſind (2 5 bis 8, G6 bis 7mm), fo daß bei Anweſenheit der Geſchlechtstiere eine Verkennung der beiden Arten ausgeſchloſſen iſt. Myrmecina Curt. Ebenfalls nur eine Art: M. latreillei Curt. Von kurzer gedrungener Statur, ſchwarzbraun, abſtehend behaart, 2% bis 3½ mm lang. Lebt in kleinen Kolonien, meiſt im Neſtbezirk anderer Ameiſen, in Mulm, unter Blättern oder Steinen, oder in Mauerritzen; iſt ſehr furchtſam, rollt ſich bei nahender Gefahr meiſt zuſammen und ſtellt ſich tot. — Hochzeitsflug im Auguſt und September. Formicoxenus Mayr. Die einzige Art: F. nitidulus Nyl., iſt 2½ bis 3 mm lang, glatt und glänzend, rötlichgelb bis rötlichbraun (Hinterleib dunkler) und lebt als Gaſt in den Neſtern von Formica rufa und pratensis (S. 143). Solenopsis Westw. Bei uns nur S. fugax Ltr. Eine winzige, 1½ bis 2 mm lange Ameiſe von gelber Färbung. Weibchen ſchwarzbraun, verhältnismäßig rieſig groß (Fig. 47, S. 147). Lebt als Diebsameiſe im Neſtbezirk größerer Ameiſen, oft in ungemein volkreichen Kolonien (S. 141). Hochzeitsflug im September und Oktober. Monomorium Mayr. Von der ziemlich artenreichen Gattung kommt in Deutſchland nur eine einzige Art vor und zwar nicht einmal als endemiſch, ſondern nur ein— geſchleppt; es iſt dies die berüchtigte Hausameiſe der großen Städte, M. pharaonis L. Von winziger Statur, 1¾ bis 2 mm lang, rotgelb mit dunklerem Hinterleibsende. Lebt bei uns nur in Häuſern, wo ſie recht unangenehm und ſogar ſchädlich werden kann. Stenamma Westw. Die Gattung enthält nur zwei Arten, von denen eine bei uns vorkommt: St. westwoodi Westw. Roſtrot, 3¼ bis 3½ mm lang; Fühler, Beine und Unterſeite des Abdomens etwas heller; Kopf und Unterleib dagegen meiſt dunkler; Kopf und Thorax tief gerunzelt. Lebt verborgen, in Mulm oder Laub uſw., häufig im Neſtbezirk anderer Ameiſen. Myrmica Latr. Für die deutſche Fauna kommen ſechs Arten in Betracht, die alle ziemlich übereinſtimmend heller oder dunkler rotbraun gefärbt ſind, deren Erkennung aber mit Hilfe des folgenden Schlüſſels nicht ſchwer ſein dürfte: 216 Überficht über die deutſchen Ameiſen. 1. Hinterrücken (Epinotum) ohne Dornen, nur mit zwei ſtumpfen Höckern; Mandibeln vorn nur mit zwei ſtarken Zähnen, hinter dieſen mit 13 bis 14 ganz kleinen; Keule der De 5⸗gliedrig; große Art, 7 bis 8½/ mmm . „% M. rubid abet Epinotum mit zwei kräftigen langen; Dornen, Mandibeln ſieben- bis achtzähnig, Fühlerkeule vier- oder dreigliedrig; kleinere Arten 3½ bis 6 mm (M. rubra D. YA 728. 2 2. Fühlerkeule viergliedrig, Fühlerſchaft nahe der Wurzel ſanft 5 bogen Fühlerkeule dreigliedrig, Fuller be der Wurzel rechtwinklig 15 bogen oder gebrochen 4 3. Stielchen (Petiolus) faſt glatt, nur an den Seiten ſchwach gerunzelt; Epinotum zwiſchen den Dornen glatt und glänzend, Dornen nicht viel länger als an der Baſis breit; Körper wenig gerunzelt; Länge 4 bis 5mm „„ M. Iaevine gi Stielchen grob gerungelt, mit mehreren tiefen Seitenfurchen; Epinotum zwiſchen den Dornen quer gerunzelt; Dornen viel länger und ſchlanker als bei voriger Art, zwei- bis dreimal ſo lang als an der Baſis breit; Körper ſtärker gerunzelt; Länge 4½ bis 6mm NM. ruginodis Nyl. 4. Fühlerſchaft nicht gebrochen, nur gebogen; Epinotum zwiſchen den Dornen glatt und glänzend; Stirnfeld mit Ausnahme der hinteren Hälfte glatt und glänzend; Länge 4½ bis 3½ mm M. rugulosa Nyl. Fühlerſchaft knieförmig gebrochen, an der Knieſtelle mit einem Zähn⸗ chen oder Lappen. 5 HFühlerſchaft an der Knieſtelle mit ı einem zur Längsachse rechtwinklig geſtellten, ſcheibenförmigen Lappen; Epinotum zwiſchen den Dornen glatt; Stirnfeld grob längs gerunzelt; Länge 4 bis 6mm M. lobicornis Nyl. Fühlerſchaft an der Knieſtelle entweder bloß mit einem ſtumpfen Zahn oder mit einem nach aufwärts und innen gerichteten kleinen Lappen; Epinotum zwiſchen den Dornen fein gerunzelt; Stirnfeld glatt mit Ausnahme des hinteren Teiles, in den ſich von der Stirne her Längs⸗ runzeln ziehen; Länge 4 bis 5½ mm. M. scabrinodis Nyl. M. rubida Latr. Die größte Art der Gattung, und zugleich die ge— fürchtetſte aller deutſchen Ameiſen; ihr Stich iſt ſehr wirkſam und ſelbſt für Menſchen ſehr empfindlich. Niſtet in der Erde, unter Steinen, errichtet zu= weilen auch einen Krater oder eine Kuppel aus Erde; ſie zieht ſandige Gegenden (die Heide) feuchten Wäldern vor. Hochzeitsflug in den Sommermonaten Mai bis Auguſt. M. laevinodis Nyl. und ruginodis Nyl. Dieſe beiden ſyſtematiſch jo nahverwandten Formen — da Übergänge zwiſchen beiden vorkommen (V. laevinodi-ruginodis Forel), ſo iſt ruginodis vielleicht richtiger als Raſſe von OT ) Die folgenden fünf Arten werden von Forel unter dem Namen rubra L. zuſammengefaßt. Die Arten. 217 laevinodis zu betrachten — verhalten ſich auch biologisch, recht ähnlich. Beide lieben feuchte ſchattige Plätze und legen ihre unterirdiſchen Neſter daher meiſtens in Wäldern, oder fetten Wieſen, an den Ufern von Bächen uſw. an, manchmal auch unter Moos, oder unter der Rinde alter Baumſtrünke. Der Hochzeits- flug findet vom Juli bis September ſtatt. M.rugulosa, scabrinodis und lobieornis Nyl. Auch zwiſchen dieſen drei Formen kommen Übergänge vor: var. scabrinodi-rugulosa Forel und var. scabrinodi-lobicornis Forel. Sie ſtellen daher nicht eigentliche „Arten“ (im Sinne Doederleins) dar, ſondern „Formen“ oder Raſſen einer Art (rugulosa). Gemeinſam iſt den dreien die Vorliebe für trockenes Terrain (im Gegenſatz zu laevinodis und ruginodis) und die unterirdiſche Anlage der Neſter; andererſeits hat jede Raſſe ihre beſonderen Liebhabereien: rugulosa niſtet meiſtens in hartem Raſen, scabrinodis in trockenem, gelbem Sandboden auf der Heide, an Gebüſchen, am Rande von Kieferwäldern, ebenſo lobicornis, letztere findet ſich aber mehr im Gebirge, erſtere mehr in der Ebene. Die Zeit des Hochzeitsfluges fällt für alle drei Formen in die Monate Auguſt und September. Aphaenogaster Mayr. Die einzige in Deutſchland vorkommende Art, Aph. subterranea Ltr., erinnert bezüglich ihrer Statur und Färbung etwas an die kleinen Myrmica- Arten, von denen ſie aber durch den hochgewölbten Pro- und Meſothorax leicht zu unterſcheiden iſt. Oberſeite des Körpers glatt und glänzend; Färbung rötlich oder gelblichbraun, Kopf und Abdomen dunkler, ſchwarzbraun; Extremi— täten heller, gewöhnlich gelblichbraun; Länge 4 bis 5mm. Lebt mehr im Süden. Niſtet in der Erde, meiſt unter Steinen. Die geflügelten Geſchlechts— tiere erſcheinen im Juli und Auguſt. Tetramorium Mayr. Bei uns nur eine Art, T. caespitum L., unter dem Namen „Raſen— ameiſe“ bekannt. Länge 2¼ bis 3¼ mm, braun bis ſchwarzbraun gefärbt; Oberkiefer, Fühlergeißel, Gelenke der Beine und Tarſen ſtets heller; Männchen und Weibchen ſehr groß (6 bis 8mm). Die Art iſt ungemein weit ver— breitet über ganz Europa, Aſien, Nord-Afrika und Nord-Amerika, und hat eine Reihe geographiſcher Raſſen und Varietäten ausgebildet. Sie niſtet meiſtens in offenem Terrain, ſelten in Wäldern; ihre Neſter ſind unterirdiſch und häufig von einer Erdkuppel bedeckt. Im Süden ſammelt ſie regelmäßig Samenkörner, bei uns nur ausnahmsweiſe (S. 117); mit ihr leben ver— ſchiedene andere Arten in gemiſchten Kolonien (Strongylognathus, Anergates). Hochzeitsflug im Juni und Juli. Leptothorax Mayr. In Deutjchland zwei Arten: 1. L. a cervorum Fb. Fühler zwölfgliedrig, gelbrot oder braunrot, Ober— ſeite des Kopfes und Hinterleibes, ſowie die Fühlerkeule dunkler; Beine mit ab- ſtehender Behaarung; 3½ bis 3¾ mm. Eine etwas kleinere Form von 2¾ bis 3 mm ohne abſtehende Behaarung iſt als var. muscorum Nyl. beſchrieben. 218 Überſicht über die deutſchen Ameiſen. Lebt unter Rinde oder in alten Strünken oder auch unter Steinen, häufig im Neſtbezirk von Formica rufa oder sanguinea. Weibchen nur wenig größer, 3¾ bis 4½ mm (im Gegenſatz zu Tetramorium). Hochzeitsflug in der Mitte oder gegen Ende des Sommers. 2. L. tuberum F. Unterſcheidet ſich von der vorigen Art durch die geringere Zahl (11) der Fühlerglieder und die geringere Größe (2½ mm). Die Färbung iſt ungemein variabel; die typiſche Form iſt gelblich oder bräunlich mit dunklerem Körperabdomen. Von den vielen Varietäten hebe ich nur die var. unifasciatus Ltr. hervor, welche durch eine ununterbrochene braune Binde auf der Oberſeite des erſten Hinterleibsſegmentes charakteriſiert iſt. Tuberum legt ihr Neſt gewöhnlich in Rinde an, niſtet gelegentlich aber auch in Mauer- ritzen oder unter Steinen. Hochzeitsflug Juni bis Auguſt. Tapinoma Foerst. Die einzige deutſche Art, T. erraticum Ltr., iſt 2½ bis 3½ mm lang, ſchwarz oder braunſchwarz gefärbt, und ziemlich reichlich anliegend behaart. Sie hat viel Ahnlichkeit mit Lasius niger, von dem ſie ſich aber durch die Bildung der Schuppe und die nach vorn überragende Hinterleibsbaſis leicht unterſcheiden läßt. Wer aber trotzdem etwa noch im Zweifel ſein ſollte, der achte auf den ſtarken, aromatiſchen Geruch, welchen Tapinoma bei Berührung abgibt und der auch den Spiritusexemplaren noch lange anhaftet. Niſtet vorzugsweiſe an ſonnigen Plätzen, an ſteinigen Abhängen, auf Wieſen uſw.; erbaut über dem Neſt eine dünne, zeltartige Erdkugel (S. 88, Fig. 33 B). Die Tapinoma ſind ungemein flinke Tiere und halten beim Laufen das Abdomen aufgerichtet, ſtets zur Verteidigung bereit; denn ſie wehren ihre Feinde nicht durch Stiche oder Biſſe ab, ſondern durch Berühren mit ihrem Abdomen, aus deſſen Spitze (Kloake) das jenen aromatiſchen Geruch beſitzende Gift quillt (S. 28). Sie ſind vornehmlich Fleiſchfreſſer; man trifft ſie nicht ſelten an Kadavern von Vögeln; ferner finden ſie ſich meiſtens bei den Schlachten, welche zwiſchen großen Ameiſen (Formica uſw.) geſchlagen werden, ein, um ſich (nach Art der Hyänen) der Gefallenen oder Verwundeten zu be— mächtigen und ſie als Beute heimzuſchleppen. Hochzeitsflug im Juni. Dolichoderus Lund. Ebenfalls nur eine Art in Deutſchland: DP. quadripunctatus L. Kopf ſchwarz, Thorax und Stielchen rot, Abdomen ſchwarz und faſt ſtets mit vier gelblich-weißen Makeln (zwei auf dem erſten, und zwei auf dem zweiten Segment) geſchmückt; Kopf und Thorax mit tiefen grubenförmigen Punkten dicht beſetzt; Länge 3 bis mm. Die charakteriſtiſche Färbung ſchließt eine Verwechslung mit einer anderen deutſchen Art aus. Niſtet ſtets auf Bäumen, unter Rinde, oder in dem hohlen Markkanal abgeſtorbener Aſte (S. 140) und lebt in kleinen Kolonien. Hochzeitsflug im Spätſommer. Camponotus Mayr. Die drei deutſchen Arten — die größten der heimiſchen Ameiſen — laſſen ſich folgendermaßen unterſcheiden: Die Arten. 219 1. Thorax, Stielchen und Beine rotbraun . . . 9 iſſchwarz e scens Fb. 2. Vordere Hälfte des erſten Hinterleibſegments * Hinterleib oben neben den langen ve: nur ſparſam mit kurzen, anliegen den Härchen beſetzt .. . . C. ligniperdus Ltr. Das erſte Hinterleibsſegment ganz ſchwarz oder höchſtens dem Stielchen zunächſt mit einem kleinen, rotbraunen Flecken; Hinterleib oben reich— lich mit anliegenden, kurzen Härchen beſetzt C. hereuleanus L. C. pubescens Fb. iſt eigentlich eine ſüdliche Art und in Deutſchland bis jetzt nur in der Pfalz (von Prof. Lauterborn) und im Elſaß bei Hagenau (von stud. phil. Strohl) gefunden. An der tiefſchwarzen, matten Farbe ohne weiteres kenntlich; Länge 8 bis 14mm. Liebt trockene, ſonnige Gegen— den und findet ſich meiſt an kahlen Abhängen oder in der Ebene; niſtet in alten Baumſtrünken, in die er Gänge uſw. meißelt, manchmal auch in Pfählen oder ſogar in Balken von Häuſern. Die Geſchlechtstiere fliegen in der Mitte des Sommers (ſ. auch S. 57, Anmerkung). C. ligniperdus Ltr. und herculeanus L. ſtellen nach Forel Raſſen einer Art (hereuleanus) dar, da Zwiſchenformen zwiſchen beiden (var. herculeano- ligniperdus) nicht ſelten ſind. Auch biologiſch verhalten ſie ſich ähnlich, indem beide ſchattiges Terrain aufſuchen. Niſten vorzugsweiſe in Bäumen, auch in lebenden Stämmen (vor allem in Koniferen) und können dadurch ſchädlich werden (S. 90 und 177); minieren aber auch Erdneſter unter Steinen. Hereuleanus liebt mehr das Gebirge, ligniperdus mehr die Ebene. Die Geſchlechtstiere fliegen ziemlich früh, von Mai bis Juni, ohne Schwarmbildung. Colobopsis Mayr. Für die deutſche Fauna kommt nur eine Art in Betracht: C. truncata Spin. Länge 3 bis 5mm; Färbung rotbraun, Hinterleib braunſchwarz; Körper glänzend, nur der Vorderkopf ſehr grob punktiert, gerunzelt und glanzlos. Arbeiter dimorph: Soldat mit ſcharf abgeſtutztem Vorderkopf; die konkave Stutzfläche von einem kreisförmigen ſcharfen Rand umgeben (Fig. 24 0, S. 41). Über die Funktion des Soldaten ſiehe S. 47. Niſtet ausſchließlich im Holz, das ſie mit ihren kurzen, kräftigen Mandibeln ſehr gut zu bearbeiten verſteht (Fig. 35, S. 90). Eine beſondere Vorliebe ſcheint ſie für Nußbäume zu haben. Iſt eigentlich eine ſüdliche Art, und kommt auch in Deutſchland nur in warmen Gegenden (Weinländern) vor. Polyergus Latr. Die einzige Art der Gattung, P. rufescens Latr. (die Amazone) gehört zu den ſchönſten Ameiſen; ihr Kolorit iſt ein helleres oder dunkleres Rotbraun, wie von gebrannter Terra di Siena; Länge 6 bis mm. Sie lebt ſtets in gemiſchten Kolonien mit Formica fusca und rufibarbis, deren Puppen fie in wohlorganiſierten Sklavenjagden raubt (S. 147 bis 151). Hochzeitsflug im Juli und Auguſt. 220 Überſicht über die deutſchen Ameiſen. Lasius Fb. In unſerer Fauna neun Arten bzw. Raſſen: 1. Tiefſchwarz, ſtark glänzend und glatt, unbehaart L. fuliginosus Ltr. Weniger glänzend, oder glanzlos, Hinterleib ſtets fein „ be⸗ haart, Thorax braun, gelb oder gelbrot .. Bi 2. Kopf und Abdomen ſchwarz, ſchwarzbraun oder braun e Kopf, Abdomen und Thorax einfarbig gelb. 4 3. Kopf und Abdomen ſchwarz oder ſchwarzbraun, Thorax bräunlich L. niger L. und alienus Foerst. Kopf und Abdomen ſchwarzbraun oder braun, Thorax rotgelb L. brunneus Latr. und emarginatus Oliv. 4. Kleinere Art, in der Größe ſehr veränderlich (2 bis 4mm), Schuppe des Stielchens niedrig, oben breiter als unten L. flavus de Geer. Größere Arten (3 ½ bis 4½ mm), Schuppe hoch, oben AN als anten 5 5. Schuppe oben tief dreieckig 3 (4 5 L. bicornis Foerst. Schuppe oben nicht oder wenig ausgerandet (31/, bis 4½ mm) L. umbratus Nyl. und mixtus Nyl. L. fuliginosus Ltr. Die größte deutſche Lasius-Art von 4 bis 5 mm Länge. An der Größe, der tiefſchwarzen Färbung und dem ſtarken Glanz leicht zu erkennen. Zeichnet ſich durch einen penetranten eigentümlichen Geruch aus. Verfertigt Neſter aus ſtarkem, braunem, brüchigem Karton, in alten hohlen Bäumen meiſt in der Nähe der Wurzeln oder in Baumſtrünken oder auch in Erdhöhlen uſw. (S. 94). Lebt in ſehr volkreichen Kolonien; nährt ſich größtenteils von Blattlaushonig, raubt aber zuweilen auch fremde Ameiſen— larven und -puppen. Hochzeitsflug im Juni und Juli, abends oder auch zur Nachtzeit. L. niger L. und alienus Foerst. Der Unterſchied zwiſchen beiden beſteht hauptſächlich in der Behaarung; bei niger ſind Fühlerſchaft und Tibien mit längeren abſtehenden Haaren beſetzt, die bei alienus fehlen; außerdem iſt niger meiſt größer und dunkler gefärbt als letzterer; doch kommen Übergänge zwiſchen beiden, die Forel daher als Raſſen einer Art betrachtet, vor. I. niger iſt die gemeinſte Ameiſe unſeres Faunenbezirks; fie iſt wenig wähleriſch bezüglich des Niſtplatzes und findet ſich faſt überall (in Gärten, Städten, Feldern, Wäldern, auf Wieſen, im Tal und im Gebirge uſw.). Sie iſt eine ausgezeichnete Erdarbeiterin, und errichtet über ihrem unter— irdiſchen Neſte dauerhafte, von Kammern und Gängen durchzogene Erd— kuppeln (Fig. 33 A, S. 88) und häufig auch lange gedeckte Straßen zu Blatt— läuſen uſw., gelegentlich niſtet fie auch in alten Strünken. I. alienus iſt weniger gemein, verhält ſich aber biologiſch ganz ähnlich wie niger, nur liebt er mehr trockenes Gelände, z. B. die Heide. Hochzeitsflug im Juli und Auguſt, ſtets mit Schwarmbildung verbunden. Die Weibchen ſind um ein Vielfaches größer als die Arbeiter und die Männchen. 0 Die Arten. 221 L. brunneus Ltr. und emarginatus Ol. Stellen ebenfalls zwei Raſſen einer Art dar, da Übergänge vorkommen. Die Unterſchiede ſind ohnehin nicht groß: bei brunneus ſind Fühlerſchaft und Tibien ohne, bei emarginatus da— gegen mit abſtehenden Haaren, erſterer iſt ferner kleiner (2½ bis 31/, mm), der Thorax mehr braungelb, nicht allzuſehr abſtechend von der Färbung des Kopfes und Abdomens; letzterer iſt 3 bis 4½ mm lang, und hat einen leb— haften, rotgelben Thorax, welcher ſehr deutlich und ſcharf von dem dunkel gefärbten Kopf und Abdomen abſticht. Brunneus lebt meiſt in alten Baum— ſtrünken, oder unter Rinde, ſeltener in Häuſern, Mauerſpalten uſw., während emarginatus gerade letztere Plätze bevorzugt. Hochzeitsflug wie bei niger und alienus. L. flavus Fabr. Iſt die kleinſte der gelben Arten; ſelten iſt die Färbung reingelb, meiſt Kopf und Abdomen ins Bräunliche gehend. Lebt vorzugsweiſe auf Wieſen, an Straßenrändern, in unterirdiſch minierten Neſtern, die unter Steinen angelegt und mit einer Erdkuppel bedeckt ſind. Letzteres iſt hier im Elſaß meiſtens der Fall; in ſandigen (nördlicheren?) Gegenden findet man dagegen (nach Wasmann) dieſe Bauart nicht. Man kann die Erd— kuppeln ſchon äußerlich dadurch von denen der obigen Lasius= Arten unter— ſcheiden, daß ſie keine Offnungen beſitzen. Flavus verläßt denn auch faſt niemals ſein Neſt, er nährt ſich ausſchließlich von den Exkrementen der Wurzelaphiden (S. 112). Hochzeitsflug von Juli bis Oktober, mit Schwarm— bildung. Weibchen wie bei den vorigen Arten relativ ſehr groß. L. umbratus Nyl., mixtus Nyl. und bicornis Foerst. Sind nach Forel Raſſen einer Art. Unterſcheiden ſich von flavus durch die größere Geſtalt, reinere dottergelbe Färbung und die Form der Schuppe. Die drei Raſſen ſind folgendermaßen gekennzeichnet: umbratus beſitzt an den Tibien lange abſtehende Haare, die dem mixtus und bicornis fehlen; bei mixtus iſt die Schuppe oben nur wenig oder gar nicht eingeſchnitten und der Thorax auf der Oberſeite nur ſparſam mit kurzen, aufrechten Borſtenhaaren beſetzt; bei bicornis dagegen iſt die Schuppe tief, winklig eingeſchnitten und der Thorax reichlich mit langen Borſtenhaaren beſetzt. Umbratus und mixtus ſind häufig, bicornis dagegen iſt ſehr ſelten. Biologiſch verhalten ſich die drei Raſſen über— einſtimmend und ganz ähnlich wie flavus. Umbratus ſcheint Buſchwerk und Wald den Wieſen vorzuziehen; ich fand ihn meiſtens an der Baſis großer Bäume. Hochzeitsflug wie bei flavus. Formica L. 1. Hinterrand des Kopfes tief ausgebuchtet, Färbung rot und ſchwarz. F. exsecta Nyl. Hinterrand des Kopfes a Färbung rot und war oder ein⸗ farbig ſchwarz .. a 2. Vorderrand des Clypeus in der Mitte eingeſchnitten. F. sanguinea Ltr. Vorderrand des Clypeus einfach gerundet, nicht eingeſchnitten. . 3 222 Überficht über die deutſchen Ameiſen. 3. Stirnfeld nur wenig von der Umgebung abſtechend, d. h. matt, wenn letztere matt, und glatt und glänzend, wenn letztere glatt. F. fusca L., cinerea Mayr., rufibarbis L. und gagates Ltr. Stirnfeld ſcharf von der Umgebung abſtechend, d. h. glatt und ſtark glänzend bei matter Umgebung. F. rufa L., pratensis de Geer. und truneicola Nyl. F. exsecta Nyl. An dem tief ausgeſchnittenen Hinterkopf leicht zu er⸗ kennen; auch die Schuppe iſt an ihrem oberen Rande tief eingeſchnitten; Länge 5 bis 7mm; Thorax und Schuppe rot, Kopf braunſchwarz mit wechſelnden rotgefärbten Partien; Abdomen ſchwarz. Lebt vorzugsweiſe an Waldrändern, in Waldlichtungen uſw.; errichtet „kombinierte Neſter“ (S. 91), d. h. baut aus vegetabiliſchen Materialien Haufen, die aber nie ſehr groß werden und gewöhnlich flach gewölbt ſind; neigt zur Bildung von Zweig— niederlaſſungen (S. 71). Hochzeitsflug im Juni und Juli, ohne Schwarm⸗ bildung. F. sanguinea Ltr. Die „blutrote Raubameiſe“ zeichnet ſich vor allen übrigen Formica-Arten durch den Einſchnitt am Vorderrande des Clypeus ſehr deutlich aus. Sie iſt merklich kräftiger und größer als die vorige Art (Länge 6 bis 9mm); in der Färbung dagegen ſtimmt ſie mit ihr ziemlich überein (Vorderkörper hellrot, Kopf oft dunkler, Hinterkörper grauſchwarz). Niſtet gewöhnlich in Wäldern, beſonders an Waldrändern; ihre Haufen, die aus ähnlich feinem Material wie bei exsecta beſtehen, ſind ſehr unregel— mäßig und werden nie ſehr hoch; nicht ſelten fehlen die Haufen auch ganz und befindet ſich das Neſt unter einem Stein oder unter Geröll. Über den perio⸗ diſchen Neſtwechſel und die Sommer- und Winterneſter ſiehe oben, Seite 83. Selten ſind die Kolonien rein, meiſtens befinden ſich in ihr noch mehr und weniger zahlreiche F. kusca- oder rufibarbis-Arbeiter als „Sklaven“. Über die Gründung neuer Kolonien, die Sklavenjagden, das Zahlenverhältnis der Herren zu den Sklaven uſw. ſiehe S. 147. Häufig findet man Myrmekophilen in den sanguinea-Kolonien, von denen Dinarda dentata und Lomechusa strumosa die wichtigſten ſind. Letztere kann ſehr verhängnisvoll für die Ameiſen werden, indem durch ihre Anweſenheit das Aufziehen der gänzlich unbrauchbaren krüppelhaften Pſeudogynen veranlaßt wird (S. 38, Fig. 21). Die Geſchlechtstiere fliegen im Juni und Juli, ohne Schwarmbildung. F. rufa L, pratensis de Geer und truncicola Nyl. Forel faßt die drei Formen als Raſſen der „Waldameiſe“ auf, da dieſelben durch Zwiſchen— formen (var. rufo-pratensis For. und truncicolo-pratensis For.) mit einander verbunden werden. Die typischen Formen laſſen fich folgendermaßen unter— ſcheiden: bei truneicola iſt der Kopf zum größten Teil, der ganze Rücken mit dem Stielchen, und die vordere Hälfte des erſten Hinterleibſegments hellrot; bei rufa iſt nur der Thorax und das Stielchen rot, während der Kopf zum größten Teil und der ganze Hinterleib ſchwarz iſt; bei pratensis endlich iſt auch der Vorder- und Mittelrücken in größerer oder geringerer Ausdehnung ſchwarz. Truncicola iſt alſo die hellſte, pratensis die dunkelſte Raſſe. Alle drei Formen ſind haufenbauend; die Haufen von rufa find hoch und ſtumpf— kegelförmig und erreichen mitunter gewaltige Dimenſionen (S. 92), jene von * t ö k ’ 1 Die Arten. 223 pratensis niedriger und flacher, und die von truneicola endlich find unregel— mäßig (ähnlich denen von sanguinea) und meiſt an alten Baumſtämmen oder Wurzeln errichtet. Die Neſter der Waldameiſe enthalten ein ganzes Heer von Mitbewohnern (Myrmekophilen), die aber (mit Ausnahme des Symphilen Atemeles pubicollis) meiſt zu den indifferent geduldeten Gäſten (den Synoeken) gehören. Beſonders auffallend find die großen weißen Gold— käferlarven (Cetonia floricola), die ihre Entwickelung regelmäßig hier durch— machen. Die Geſchlechtstiere fliegen während des ganzen Sommers. Über die Koloniegründung von rufa und truneicola ſiehe oben Seite 68 und 145. F. fusca L., rufibarbis F., cinerea Mayr. und gagates Nyl. Sind ſämtlich als Raſſen einer Art (kusca) anzuſehen. F. fusca i. sp. iſt ein— farbig ſchwarz oder braunſchwarz mit mattem Glanz; gagates iſt ebenfalls einfarbig, aber noch reiner ſchwarz und mit ſtarkem Glanz (auch das Stirn— feld glänzend); cinerea iſt durch dicht anliegende Behaarung grau und beſitzt meiſtens einen bräunlichen oder rötlichen Mittelleib; bei rufibarbis endlich iſt der Mittelleib ganz oder wenigſtens zum Teil rot gefärbt, Kopf und Abdomen dagegen ſchwarz oder bräunlichſchwarz. F. kusca iſt ſehr furchtſam und wird infolgedeſſen von verſchiedenen anderen Ameiſen (Formica sanguinea, Pol. rufescens) als Sklavin benützt (Kapitel VII, 2). Ferner laſſen ſich die jungen Weibchen von F. truncicola und vielleicht auch von F. rufa in weiſelloſen fusca- Kolonien aufnehmen, um von ihnen ihre erſte Brut ſich aufziehen zu laſſen. Auch rufibarbis dient vielfach als Sklavenameiſe. Die Neſter von F. fusca und ihren Raſſen ſind unterirdiſch, entweder rein miniert, oder unter Steinen, oder von einer Erdkuppel, oder von einem kleinen Haufen von vege— tabiliſchen Materialien überdeckt. Die kusca-Kolonien find gewöhnlich ziem— lich volkarm, während einerea ſich meiſtens durch ihren großen Volkreichtum auszeichnet. Literatur. André, Ed., Species des Hymenopteres 2. Les Fourmis. Beaune 1881. Forel, Aug., Les Fourmis de la Suisse. Zürich 1874. Mayr, G., Die europäiſchen Formiciden. Wien 1861. Wasmann, E., Verzeichnis der Ameiſen und Ameiſengäſte von Holländiſch— Limburg. In: Tijdschr. voor Entomologie 34, Seite 39 bis 64, 1891. A. Adlerz, Gottfr., 10. 11. 16. 31. 36. 45. 54. 75. 104. 139. 143. 148. 153. 158. André, Ed., 10. 11. 13. 41. 158. 212. 223. Andre, Erneſt, 11. 31. 33. 41. 84. 104. 122. 137. B. Bates, W. H., 134. 135. 137. Beccari, O., 189. Belt, F., 102. 104. 112. 118. 122. 134. 137. 189. Berleſe, A., 173. 175. Bethe, Albr., 10. 11. 62. 190. 193. 194. 195. 196. 197. 198. 200. 201. 202. 204. 206. 209. 210. 211. Beyer, O. W., 26. 31. Bickford, Eliſabeth, 31. Biro, L., 137. Blochmann, F., 63. 64. 65. 79. Bonnet 197. 198. 199. Brauns, H., 105. Brehm 190. Breßlau, E., 30. 31. Brues, Ch. Thomas, 175. Büchner, Ludw., 190. 191. 209. Buttel-⸗Reepen, H. v., 54. 60. 63. 64. 65. 66. 67. 72. 73. 76. 79. 132. 137. 192. 208. 209. C. Chun 99. Cobelli, R., 209. Namenregiſter. D. Dahl, Fr., 84. 104. 185. 189. Darwin, Ch., 117. 155. Delpino 112. Dewitz, H., 26. 31. 50. Diehl 86. Doederlein, L., 217. Doflein, Fr., 98. 99. 104. Dufour, H., 210. Dzierzon 50. E. Ebrard 63. 79. Emery, C., 2. 10. 11. 18. 190. % 2 36. . 38. 39. 40. 42. 43. 48. 49. 51. 52. 53. 54. 61. 74. 75. 79. 117. 122. 128. 129. 130. 137. 189. 190. 209. Ernſt, Chr., 79. Eſcherich, K., 54. 171. 175. 176. 209. Exner 192. F. Fabre, J. H., 158. Fenger, W. H., 20. 31. Fielde, Adele M., 5. 6. 8. 10.4. 70. 77. 199128: 137. 138. 156. 158. 191. 192. 199. 202. 210. Flourens 193. Forel, Aug., 1. 2. 3. 4. 5. 9:10: 11. 15. 18 8. 22. 23. 25. 27, 8. 09 31. 32. 33. 36. 40. 44. 45. 47. 48. 50. 51. 53. 54. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 65. 66. 68. 69. EO. Te 7 79. 81. 82. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 92. 94. 95. 97. 102. 105. . 109. 112. 115. 122, 123. 131. 132. 133. 134. 136. „138. 189 141. 143. 148. 150. „153. 158 158. . 180. 184. 190. 192. 193. 196. 198. 199. 201. 202. 204. 205. 210. 212. 216. 219. 223. Freſenius 94. Fürth, O. v., 27. 32. G. Göldi, E. A., 79. 95. 96. 99. 105. 120. 121. 123. Gould, William, 10. 11. 187. 138 Gounelle, E., 128. 138. Green, E., 98. 105. de Groot 179. H. Hagens, v., 57. Heer, O., 46. 54. Hertwig, O., 51. 161. Heymons 17. Hilzheimer, M., 16. 17. 32. Holland 98. 99. Holliday, Margaret, 30. 31. 32. 36. 43. 54. 70. Holmgren, Nils, 187. 188. 189. Huber, Jakob, 65. 76. 79. 120. 121. 123. Huber, Pierre, 5. 10. 38. 57. 60. 61. 62. 63. , f. 79 . 1111122 121383. 137. 138. 139. 148. 159. 194. 197. 199. 205. 210. E., 189. J. Jacobſon, Elw., 99. 105. Janet, Charles, 5. 7. 10. i 17. 19. 20. 23. 2. 25, 26. 27. 60. 61. 63. 65. 66. 67. 78. 75. 76. 77. Fl 123 125; 129. 138. 143. 159. 162. 1173 174 176. 192. Ihering, H. v., 58. 66. 79. 105, 120. 121. 123. 128. 138. 186. 189. 11. 72. 105. 134. 149. 202. Huth, K. Karawaiew, W., 173. 176. Karſten 189. Knauer, Fr., 105. Kraepelin, C., 26. 32. 191. Kuhlgatz, Th., 188. 189. u Lagerheim, G., Latreille 136. Lauterborn 219. Lepeletier de St. Fargeau 62. 63. 79. Lespes, Ch., Leuckart 50. 207. Leydig, Fr., 28. 32. Lincecum, Gideon, 123. 187. Lubbock, Sir John, 5. 10. 11. 24. 32. 47. 50. 54. 63. 70. 71. 7% 111. 114. 123. 136. 138. 192. 194. Eſcherich, Die Ameiſe. 94. 105. 116. 123. 148. 117. 30. 32. Marſhall, William, Meinert, Fr., Namenregiſter. 197. 199. 200. 202. 205. 206. 207. 210. Ludwig, A., 188. Lund 96. 112. M. 204. 190. 191. 207. 208. 210. Mayr, Guſtav, 10. 11. 20. 32, 57. 7. 80. 97. 105. 212. 223. Me Clendon, J. F., 55. Me Cook, H. Chr., 10. 11. 42. 45. 54. 63. 66. 80. 89. 105. 113. 114. 1 134. 136. 194. 138. 140. 159. 16. 25. 32. 94. Meiſenheimer, J., 188. 189. 23. 24. 0 Salomo 115. Santſchi 154. Saraſin, Gebr., 99. Savage 61. 128. 134. 135. 138. Schaeffer, C., 206. 210. Schenk 189. Möller, Alf., 105. 118. 119. Müller, Fritz, 105. 180. 181. 189. Müller, 105. W., 61. 80. 102. N. Nüßlin, O., 178. 179. 189. O Oudemans, J. Th., 94. 105. P. | Perez, Ch., 80. Pergande, Theo, 176. Piéron, H., 210. R. Rabl⸗Rückhard 28. 32. Raciborski, M. v., 179. 189. Schumann, K., 123. 124. 129. 133. Schimper, A. F. W., 105. 112. 119. 177. 178. 180. 181. 182. 183. 184. 185. 189. er Schoenichen, Walther, 210. Schulz, Albert, 129. 130. 189. Schupp, P. A. S. J., 130. Semon, R., 125. 206. 210. Siebold 50. Silveſtri, Fil., 159. 165. 176. Smalian, C., 192. 210. Smith, Fred, 10. 11. Sternander, R., 187. 189. Stoll, Otto, 3. 11. 120 122 128 178. 189. | Moggridge, J. Tr., 110. 115. 116. 123. | Reichenbach, H., 50. 54. 70. 80. 159. Reimarus, Herm. Sam., 210. Rettig, E., 186. 189. Ridley 98. 99. 105. Roger, Jul., 10. 11. 45. 55. Romanes, G. John, 210. Rumphius 189. Strohl 219. Sykes, W. H., 123. T. Tanner 50. 55 Thomann, 8 113. 123. Tiſchbein 45. 55 Treub 185. U. | Ule, E., 89. 90. 105. 187. 189. V. | Viehmeyer, H., 7. 8. 9. 12. A 50 52. 55 70 73. 80. 127. 210. W. Wasmann, E., 5. 6. 10. 12. 15. 16. 30 37. 38. 41. 43. 45. 50. 51. 52. 55. 57. 62. 68. 69. 71. 76. 80. 82. 83. 97. 99. 105. 109. 110. 111. 112. 113. 114. 123. 126. 129. 130. 181. 132 133 138. 137. 138. 139. 140. 142. 143. 145. 146. 147. 148. 149. 15 DO 151. ‚157. . 164. 169. TEN gn 200. 205. 11. 152. 158. 165. 171. 176. 196. 201. 206. 214. 153. 159. 166. 172. 177. 197. 202. 207. 221. 155 160. .Weismann, Aug., 39. 50. 167. 173. 190. 198. 203. 208. 223. | 51. Wettſtein, R. v., 180, 189. | Wheeler, W. M., 10. 12. 37. 38. 41. 42. 43. 47. 48. 50. 55. 59. 63. 65. 67. 68. 69. 72. 18. 74 76, 78. 105. 109. 118. 122. 36. 45. 60. 70. 80. Namenregiſter. 55. 197. 211. 130. 138. N. | Yung, Em., 71. 80. 123. 130. 135. 139. 140. 141. 142. 146. 155. 159. 174. 176. 179. 189. 190. Wrougthon, R., 109. 129. Sachregiſter. Die mit * verſehenen Zahlen beziehen ſich auf die Figuren der betreffenden Seite. A. Aasinſekten 140. Acacia spadieigera 180. — sphaerocephala 180. 1833. Acantholepis 35. — frauenfeldi 86. Acanthomyrmex 41. 103. Acarinen 166. Acromyrmex 87. 118. 122. Aenietus 102. — abeillei 37. Akazien 178. 180. 181. 182. 183. Alaopone 37. Amaniten 120. Amazonenameiſen 15. 131. 148. 199. 219. Ameiſengrille 165. Ameiſenreis 118. Ameiſenſcharfrichter 173. Amorphocephalus 171. Amphotis 171. Anergates 15. 16. 33. 35. 59. 75*. 153. | 154. 155. 213. 214. 217. j — atratulus 153*. 154. 214. Aneuretes 2. Anochetus 38. 130. Anomma 17. 61. 109. 134. 135. — nigrieans 37. — rubellus 61. — wilwerthi 39. 40*. Anoplotermes 158. Antennophorus 173. 174*, — uhlmanni 176. Aphaenogaster (ſ. auch Messor) 87. 115. 117. 164. 213. 217. — subterranea 85. 217. Aphiden 112. 113. 115. 142. 162. 178. Apis mellifica 54. Apocephalus pergandei 173. Apterostigma 122. 160. 161. Apterostigma pilosum 122. — wasmanni 122. Aristida strieta 117. 118. 187. Armadillium 109. Aſſel 164. Atelura 165. — formicaria 165*. Atemeles 38. 51. 169*. 170. 172. 174. 208. — paradoxus 168*. — pubicollis 223. Atta 17. 39. 46. 65. 85. 103. 110. 118. 120*. 122. 128. 178. 181. 185. 186. — cephalotes 79. 123. ı — diseigera 177*. — sexdens 58. 65. 79. 123. — testaceopilosa 204. Attinen 118. 122. 186. | Azteca 45. 93. 95. 97. 112. 181. — barbifex 96*, 97. deeipiens 97. instabilis 44*. 54. 93. 181. mülleri 181. olithrix 9. stalaetitica 97. traili 90. trigona subsp. mathildae 95*. ulei 90. N B. Baumwolle 179. Beckia 164. Betula nana 189. Bienen 11. 27. 29. 30. 31. 49. 50. 53. 61. 62. 65. 69. 79. 81. 113. 114. 116. 123. 126. 208. 209. 210. Blattläuſe 87. 104. 110. 111. 112. 131. 133. 142. 201. 207. Boll-Weewil 179. Borkenkäfer 177. Bothriomyrmex 28. 77. 15* 228 Sachregiſter. Bothriomyrmex meridionalis 27“. Colobopsis abditus 41*. Brachymyrmex 157. — truncata 90“. 91. 140. 219. — heeri 123. Coluocera 164. 165. — patagonieus 157. Commoptera solenopsidis 172. — termitophilus 157. Cordia 89. Brenneſſeln 27. Crematogaster 21. 35. 49. 93. 95. 97. 112. Brocconiden 172. 129. 141. 8 — alegrensis (victima subsp.) 157. E. — biformis 41. Camponotini (Camponotinen) 1. 2. 22. — difformis 93. 26. 27. 49. 131. 212. 214. er Camponotus 5. 22*. 31. 35. 38. 39. 58. 87. — victima subsp. alegrensis 157. 90. 95. 112. 128. 141. 177. 205. 214. 218. | Oryptocerus 41. 14. 2 — escherichi (maculatus r. oertzeni E mangifera 179. var.) 1. AQucußjiden = — eh 90, Cuphea 177“. — fulvipilosus 19%. | Cynips quercus-melleriae 114. — hereuleano -ligniperdus (hereuleanus | Cy 1 35 var.) 219. — strigatus 2 — herculeanus 63. 177. 219. | — inflatus 42. 115. | D. — ligniperdus 13*. 33*. 63. 64. 75“. 79. Dacetii 122. 177. 219. Diacamma geometricum 75*. — maculatus 1. 1 205 Dichthadia 37. 5 N 155 1 var. escherichi 1% | Dimorphomyrmex 41. — 1 var.) 115. Dinarda 165. 166. 222. — mus 5 | dentat — oertzeni (maculatus r.) 1. 1 ee 168*. — pennsylvanieus 63. Dinarden 165. 166. — pubescens 57. 112. 177. 219. Discopoma eomata 173. — punctulatus subsp. termitarius 158. | Dolichoderini (Dolichoderinen) 1. 2. 23. — quadriceps 91. 185. 26. 28. 49. 77. 212. 213. — rufipes 81. f Dolichoderus 28. 82. 95. 97. 141. 214. 218. — rufoglaucus var. micans 115. | — attelaboides 97. — senex 97. 98. 9. — quadripunctatus 93. 140. 212. 218. — termitarius (punetulatus subsp.) 158. | Dorylini (Dorylinen) 1. 2. 23. 26. 31. 35. ee ID. 37. 49. 60. 77. 84. 85. 102. 108. 126. . 128. 134. 135. 176. 197. ale 38 155 Dorylus 54. 59. 61. 79. 102. 109. 135. 137. 5 — eonradti 37“. 2188 15 i 93. 180k. 181. 182“ | — helvolus 37. Dorymyrmex pyramieus 141. Centaurea montana 179. Duroia 184. 186. Cerapachyinae 48. Cerapachys 2. 72. 73. | | — augustae 55. 80. | E. Cercopis 112. | Ecitomyia wheeleri 172. Cetonia floricola 143. 223. | Eeiton 2. 30. 31. 41. 46. 59. 73. 102. 169. Chalcididen 172. 79: Claviger 167*. 168. 169. 171. | — earoliniense 37. Clavigeriden 171. — coeeum 37. 135. Clytra 164. 165. | — foreli 102. Cocciden 112. 115. 123. 161. 178. | — hamatum 102. Coccinelliden 111. — opaeithorax 37. Colobopsis 40. 41. 47. 49. 55. 77. 82. 91. — quadriglume 102. 127. 180. 214. 219. — schmitti 37. Sachregiſter. Eeiton sumichastri 55. 80. Ecitonen 73. 77. 102. 134. Eiche 178. Elasmosoma 172. Elateriden 130. Endospermum formiearium 91. 185. Epipheidole inquilina 154. Epitritus 17. Epoecus 33. — pergandei 154. Ernteameiſe 89. Eucharis 172. Eutermes 158. — fulviceps 157. Fichte 178. 179. Ficus inaequalis 183*. 184. Fliegen 172. 173. 174. Forda 112. Forelius foetidus 141. Formica 5. 16. 24. 35. 37. 41. 51. 55. 58. 60. 68. 69. 70. 71. 73. 74. 77. 87. 112. 141. 156. 172. 198. 208. 214. 221. — eiliata 37. — einerea 50. 77. 147. 156. 222. 223. — consocians 68. 146. — exsecta 60. 70. 71. 82. 91. 92. 131. 156. 187. 221. 222. — exsectoides 68. 70. 71. 82. 91. 146. — fusea 36. 47. 50. 63. 64. 68. 69. 77. 85. 102. 136. 140. 141. 146. 147. 149. 151. 156. 204. 219. 222. 223. — var. subaenescens 149. — var. subsericea 68. 146. 149. gagates 222. 223. incerta 68. 146. integra 91. merdicola 97. microgyna 36. 68. 146. montigena 146. nasuta 115. nitidiventris 149. obscuripes 91. oreas 37. pallidefulva 36. 149. — var. schaufussi 149. 177. 198. 215. 222. 223. — pressilabris 91. 156. — rubieunda 38. — rufa 31. 38. 51. 62. 66. 68. 69. 70. 71. 80. 82. 91. 92. 103. 131. 137. 143. 144. 147. 156. 163. 177. 179. 197. 204. 214. | 215. 218. 222. 223. pratensis 16*. 18. 38. 68. 70. 82. 92. 102. 103. 137. 141. 143. 147. 149. 156. 229 Formica rufa var. rufo-pratensis 147. 222. — var. truneicolo-pratensis 222. | — rufibarbis 26*. 48. 77. 85. 141. 147. 149. 150. 151. 156. 193. 204. 219. 222. 223. — — rufo-pratensis (rufa var.) 147. 222. | — sanguinea 15*. 38*. 47. 48. 50. 55. 57 60. 72 7. 7 80 9 9 10 108. 126. 129. 134. 136. 137. 141. 142. 146. 147. 148. 149. 150. 154. 156. 165. 173. 198. 199. 203. 204. 205. 207. 214. 218. 221. 222. — schaufussi (pallidefulva var.) 149. — subaenescens (fusca var.) 149. — subsericea (fusca var.) 68. 146. 149. — truncieola 45. 68. 76. 91. 146. 154. 222. 223. — truneicolo-pratensis (rufa var.) 222. — wasmanni 146. 154. Formicidae (Formiciden) 1. 32. 54. 55. Formicoxenus 36. 101. 143. 144. 158. 213. 215. — nitidulus 36. 43. 54. 104. 143. 158. 215. G. Gallweſpen 114. Gamaſiden 173. Gigantiopsis destructor 131. Gnoſtiden 171. Goldkäfer 223. Granatbaum 178. Grünſpecht 177. H. Harpegnathus eruentatus 130. Hausameiſe 46. 215. Hemipteren 112. Hetäriinen 171. Hetaerius 167. Heuſchrecken 130. Hieracium 1. Hiſteriden 164. 167. 171. Homalota 164. Honigameiſen 21. 85. 109. Humboldtia laurifolia 183*. 184. Hutpilz 120. Hydnophytum 93. 185. Hymenopteren 1. 16. 31. 32. 54. . Imbauba 180. 189. Iridomyrmex 93. — cordatus 93. 185. Jurinea 179. 230 K. Kiefer 178. Kollembolen 164. Kompoſiten 179. 189. Koniferen 178. 219. Kruſtaceen 109. L. Lamprinus 164. Lasius 3. 5. 35. 49. 50. 57. 59. 60. 63. 70. 74. 76. 77. 87. 88. 95. 103. 104. 112. 123. 131. 141. 171. 174*. 196. 197. 198. 214. 220. — alienus 103. 112. 140. 141. 220. — bieornis 220. 221. — brunneus 87. 103. 112. 220. 221. — emarginatus 87. 103. 209. 220. 221. — flavus 57. 60. 82. 85. 112. 140. 156. 161. 173. 220. 221. — fuliginosus 25. 29*. 60. 87. 94. 96. 103. 105. 109. 110. 111. 112. 123. 136. 140. 163. 176. 180. 187. 220. — latipes 36. 55. — mixtus 173. 176. 220. 221. — niger 50. 63. 64. 66. 73. 81. 87. 88*. 103. 112. 117. 140. 156. 173. 198. 218. 220. — umbratus 112. 140. 220. 221. Lathridier 164. Lepidopteren 112. Lepisma 164. 165. Lepismatide 165*. Leptanilla 17. Leptogenys 38. 59. 60. 73. 109. — elongata 37*. 109. 123. Leptothorax 5. 31. 35. 36. 39. 43. 58. 60. 70. 91. 101. 140. 144. 155. 180. 213. 217. — acervorum 43. 155. 217. — var. muscorum 155. 217. affinis 93. 140. curvispinosus 155. emersoni 30“. 43. 144* 211. tuberum 217. — var. unifasciatus 217. Linde 178. Liometopum 189. — mierocephalum 94. 180. Lobopelta 85. Loelops oophilus 173. Lomeehon 171. Lomechusa 37. 38. 51. 52. 5 169. 170. 171. 174. 207. 208. — strumosa 168*. 222, Lomechuſinen 171. Lycaena argus 112. Lycäniden 110. 112. 113. 161. 162. muscorum (acervorum var.) 155. 217. 5.715.167: Sachregiſter. M. Maieta 186. Mandarinenbaum 179. Mangobaum 179. Mauerbiene 140. Melophorus 3. — bagoti 114. | Membraeis 112. | Mermis 42. 52. 53. 172. Merophysia 164. 165. Messor (Aphaenogaster) 39. 85. 103. 117. — aegyptiacus (barbarus var.) 115. arenarius 86. 115. barbarus 86. 110. 115. 116. — var. aegyptiacus 115. — var. striaticeps 115. striaticeps (barbarus var.) 115. — struetor 86. 104. 115. 116. 117. Milben 71. 136. 173. Mimeeiton pulex 169*. ı Monomorium 87. 143. 154. 157. 213. — decamerum 157. — heyeri 157. | — pharaonis 215. | — termitobium 157. Monotoma 164. Mutilliden 48. Myrmeeia 2. Myrmecina 213. 215. — latreillei 215. Myrmecoeystus 34. 39. 40. 46. 54. 85. 114.11 7 — altisquamis 81. | — bombyeinus 41“. 46. T hortus-deorum (melliger var.) 42“. der — melliger 42. 85. 109. 113*. 114. 129. — var. hortus-deorum 42“. 113. — viatieus 170*. 174. Myrmecodia 93. 185. L echinata 184*. Myrmeeophila 125. 165. 166. Myrmedone 186. Myrmedonia 163. 115. 215. ' — funesta 163. 168*. | Myrmiea 21. — humeralis 163. 25. 36. 38. 51. 104. 112. 140. 141. 169“. 208. 213. 215. — brevinodis 144“. — laevinodis 26*. 55. 60. 103. 132. 216. — var. laevinodi-ruginodis 216. — lobieornis 216. 217. | — rubida 131. 216. 58. 87. 172. 188. Sachregiſter. Myrmica rubra 14*. 20*. 24*. 32. 73. 75“. 78. 138. 216. — ruginodis 41. 63. 129. 216. rugulosa 216. 217. — var. scabrinodi-lobicornis 217. — var. scabrinodi-rugulosa 217. scabrinodis 41. 55. 103. 216. 217. Myrmieini (Myrmicinen) 1. 2. 23. 26. 32. 49. 58. 68. 74. 77. 146. 212. 213. Myrmoeeia 163. N. Nematoden 172. Neoponera villosa 43. Notonecta 164. O. Odontomachini 13. Odontomachus 38. 130. — chelifer 43. 130. — haematodes 42*, 43. 74*. 130*. Oecodoma cephalotes 55. Oecophylla 97. 98. 99. 100*. 104. 105. — smaragdina 98*. 99. 105. Oniseus 109. Orange 178. 179. Osmia rufa 105. Oxypoda 164. Oxysoma 125. 170. — oberthüri 170*. P. Pachycondyla 38. 129. 174*. — flavicornis 129. — fuseoatra 43. Pachylomma 172. Paracletus 112. Paraponera clavata 19“. 43. Pauſſiden 167. 171. Paussus 167. 168 *. 169. 170. 171. — favieri 175. — tureieus 175. Pelodora janeti 172. Pheidole 35. 40. 41. 46. 48. 49. 86. 117. 127. 154. 164. 168*. 171. — absurda 43. ceres 36. commutata 42*, 43, lamia 143. — megalocephala 204 pallidula 41*. — pusilla 46. Pheidologeton 39. — diversus 39*, 231 Phoriden 173. 174*. 175. Plagiolepis 224. 35. 115. | — trimenii 115. | Platyarthrus hoffmannseggi 164. Platythyrea eonradti 19*, Pogonomyrmex 85. 87. 103. 117. 140. 141. — barbatus var. molefaeiens 117, — erudelis 117. 131, — — imberbieulus 109. — molefaciens (barbatus var.) 117. occidentalis 89. 117. Polyergus 34. 41. 44. 45. 108. 131. 141. 148. 149. 151. 152. 155. 203. 214. 219. | — rufescens 15*, 38. 45*. 50. 60. 77. 149. 150. 151. 156. 219. 223. — subsp. bicolor. 149. — var foreli 149. — subsp. brevieeps 149. — subsp. lueidus 149. Polyrhachis 95. 97*. dives 97. 98. 99. 105. jerdonii 97. — mayri 97. scissa 97. spinigera 97. Polytrichum 188*. — strietum 188. Ponera 36. 38. 59. 80. 212. 214. — coarctata 74*. 75. 76. 78. — contracta 85. 214. — punctatissima 18. 36. Ponerini (Ponerinen) 1. 2. 19“. 23. 26. 30. 35. 43. 48. 49. 55. 67. 69. 70. 72. 75. 76. 77. 78. 80. 84. 130. 212. 213. | Populus 180. Proctotrupiden 170. 171. 172. 175. Prozeſſionsraupen 27. Prunus 180. Pseudodichthadia 37. Pseudomyrma 73. 74. 75. 82. 93. 181. 184. 198. | — arboris-sanetae 184. dendroica 184. flavidula 93. symbiotiea 184. triplaridis 184. Q. Quedius brevis 164. N. Rindenaphiden 112. Roſen 178. RKozites gongylophara 119“. 120. 186. 232 Sachregiſter. S. Tapinoma erraticum 18. 87. 88. 212. 218. Sä i 5 Taube 193. a Technomyrmex albipes 91. be 178 181. ' Termes natalensis 157. Schildläuſe 112. N — ee iſ 5 ie 8 Er ee chlepper) 118 DIE Dermten 53.65. 85. 188. 1% al Schnellkäfer 130. 158. 159. 176. Q ; 5 . 7 Tetramopria 170. 171. 172. 175. JVC Serratula 180. G 131. 141. 156. 196. 213. 217. 218. VVV — caespitum 3. 66. 81. 82. 85. 87. 117. — 74 * 5 140. 151. 152. 153. 154. 214. 217. Solanum auriculatum 91. Solenopsia 170. 171. 172. Tetrogmus caldarius 55. Solenopsis 49. 73. 101. 141. 142. 144. 157. ‚ Tettigometra virescens 112. 172. 213. 215. ‚ Thiasophila 164. Thorietus 136. 170. 175. — brevicornis 157. — foreli 174* 175 — carolinensis 157. — debilis 142. 157. Thoriktiden 171. — fugax 18. 66. 141. 142*. 158. 215. 198 0 — geminata 74*. 128. ER AN — ro 142 — lancifolia 185*. 5 * Br allells1s 142 Tomognathus 144. 155. las a — americanus 155. — — 157 T sublaevis 155. 158. 7. Torfmooſe 188. — texana 157 | Specht 177 f Trachymyrmex 122. Sphagnen 188 Trilobitideus 164*. nn 188% Triplaris 184 »hag 3 DR : Staphylini (Staphylinen) 163. 164. 165. — americana 185. 168*. 169. 171. Typhlopone 17. © F ı Tyroglyphus wasmanni 166. 173. — fulvum 77. 79. 137. 146. | — tenesseense 68. 146. | V. — westwoodi 215. Vespa 16. Stigmatomma 78. 80. — pallidipes 74*. | W. Streblognathus aethiopieus 19*. Strongylognathus 213. 214. 217. Waldameiſen 27. 91. 132. 141. 164. 222. » Weſpen 11. 29. 54. 79. 81. 96. 123. 210. 2% 1 . | ee santschii 154. — christophi 151. 152. Wurzelaphiden 111. 112. 162. — — var. rehbinderi 151. — huberi 151. 152. 158. A. — rehbinderi (christophi var.) 151. — testaceus 68. 152*. 153. 155. 214. Strumigenys 142. Xantholinus atratus 164. Xenodusa 38. 51. — * Sympheidole elecebra 154. aa Syrphiden 111. 3. 3 Zehrweſpen 172. 173. Zanne 178. 179. Zikaden 112. Tapinoma 28. 76. 89. 131. 213. 218. Zwergeichen 114. RL N. 2. > Keine > — u‘ - £ „ * Lak 1 75 — I 4 7 KW en) UNIVERSITY OF ILLINOIS-URBANA 595.79ES1A DIE AMEISE$BRAUNSCHWEIG