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Abb. I. Schloß Bensberg. Fensterschmuck in einem der ehemaligen 1 ruppentürme.

Vgl. Abb. 3, 29. 35, 38 und Bd. I Abb. 346.

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Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes.

V. Jan Weilern.

1. Volkstümlichkeit in Düsseldorf (S. 1). Das Reiterdenkmal und das Verhältnis Jan Wellems zu Grupello (S. 3). Legenden (S. 7). Verhältnis zu den Künstlern (S. 9). Armenische Pläne (S. 10). Düsseldorfer Oper (S. 12).

2. Düsseldorfer Schloß (S. 13). Gemäldesammlung (S. 18). Antikensammlung (S. 26). Ausbau der Stadt (S. 28). Neues Schloßprojekt von Matteo di Alberti (S. 33). Schloß Bensberg (S. 35). Karmelitessenkloster in Düsseldorf (S. 46). Douvenhaus (S. 49). Bürgerliche Bauweise. Bebauung der Neußer Straße. Schloß Ehreshoven (S. 50). Innen- ausstattung der Bürgerhäuser (S. 55). Marstall zu Düsseldorf (S. 58). Jan Wellems Tod und Bedeutung für Düsseldorf (S. 59).

VI. Das Jahrhundert Karl Theodors von der Pfalz -Sulzbach.

1 . Künstler und Kunstscimmlungen m Düsseldorf nach dem Heimgange Jan Wellems (S. 65). Die neue Kaserne und Maxkirche (S. 67). Begeisterter Empfang Karl Theodors in Düssel- dorf (S. 69). Seine Anteilnahme am Ausbau der Stadt (S. 73). Düsseldorfs Leiden im Siebenjährigen Kriege (S. 74).

2. Johann Joseph Couven in Aachen (S. 77). Abteigebäude zu Cornelimünster und sein Einfluß (S. 78). Laurenz Mefferdatis' Bauten in Aachen, Eupen usw. (S. 82). Gilles Doyens und Couvens Anteil an der Wiederherstellung des Aachener Rathauses (S. 83). Wiederherstellung des Aachener Münsters. Giovanni Battista Artari (S. 89). Abteikirche zu Burtscheid (S. 91). Wespiensches Haus in Aachen (S. 94). Gut Kalkhofen bei Aachen (S. 107). Couvens Gartenhäuser (S. 112). Haus Fey in Aachen (S. 117). Haus Heusch in Aachen und die Post in Eupen (S. 120). Haus Mennlcken und Haus Vercken in Eupen. Haus Vercken bei Düren. Couvens Tätigkeit in Montjoie (S. 121). Couvens Fabnkbauten. Haus Scheibler in Montjoie. Haus „Zur Krön" und Haus Schumacher in Burtscheid (S. 128). Couvens kirch- liche Bautätigkeit (S. 134). Gerichtshaus und Komödienhaus in Aachen (S. 139). Haus Cassalette (S. 141). Schloß Jägerhof zu Düsseldorf und Couvens Tätigkeit in Maeseyck (S. 143).

3. Nicolas de Pigage. Schloß Benrath (S. 150). Hofgarten zu Düsseldorf (S. 172).

4. Jacob Couven. Bauten in Heinsberg (S. 175). Apotheke in Aldenhoven (S. 176). Neue Redoute in Aachen (S. 177). Wohnhäuser in Aachen und Umgebung (S. 183). Gaginis Stuckarbeiten auf Schloß Wissen und Schloß Waldburghausen und im Hause Mayer in Eupen (S. 189). Couvens Bauformen der Spätzeit (S. 192). Baukunst im Herzogtum Jülich (S. 198). - Marktplatz in Düren (S. 200).

5. Ausljaii von Düsseldorf (S. 202). - Schloß (S. 205). - Slattlialteipalais (S. 206). -- Wolin- hausbau (S. 208). - Stadttore (S.2I0). - Düsseldorfer Karlstadt (S. 211). - Mülheim am Rhein (S. 214). - Krefeld (S. 219). Bautätigkeit am unteren Niederrhein (S. 223). Neuß (S. 233).

6. Köln. Engherzige Zunftverhältnisse (S. 234). Einfluß belgischer Barockarchitektur (S. 236). Dekorative .'\rchitekturplastik. Franz van Helmonts Machabäer -Altar und Lauretanische Kapelle (S. 237). Italienische Einflüsse (S. 240). Französische Einflüsse. Neues Stadl- palais (S. 242). Innenausstdttung des Klassizismus (S. 246). Soziale Verhältnisse am Ausgange des Jahrhunderts (S. 249).

7. Düsseldorf am Ausgange des Jahrhunderts. Der Jacobi-Kreis in Pempelfort (S. 251). Ideen vom Weltbürgertum (S. 255). Brand des Schlosses (S. 256). Ende Karl Theodors (S. 257).

Das ausführliche Sach-, Orts- und Personen-Nachschlageverzeichnis, eine Zusammenstellung

der Literatur über die Baukunst am Niedenhein, eine Übersichtskarte, Ergänzungen und

Nachträge befinden sich am Ende des dritten Bandes.

Medaille zur Gründuiig der Kunstakademie zu Düsseldorf von 1769.

Abb. 1 a. Neuß. Ehemaliges Observantenkloster.

Abh. 2. Johann Wilhelm, Kurfürst von der Pfalz und Herzog von Jiihch Gründer der Düsseldorfer Kunslsammlungen.

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Abb. 3. Schloß Bensberg. Bergisches Wappen aus einem der ehemaligen Treppentürme. Vgl. Abb. I, 29, 35, 38 und Bd. I Abb. 346.

I.

Jan Weilern.

Jan Weilern nennen ihn die Düsseldorfer, den grünpatinierten kupfernen Potentaten hoch zu Roß auf dem Marktplatz der Stadt (Abb. 4, 6). Johann Wilhelm, das ist ein ganz anderer. Das war ja der Trottel, der die schöne und lebenslustige Jacobe von Baden heimgeführt, der letzte Herzog aus dem alten Herrscherhause, der den ,,Düwel im Wammes" hatte (I, S. 1 96 ff.). Der andere heißt Jan Weilern. Kurfürst von der Pfalz und Herzog von Jülich und Berg. Oder besser „Onse Jan Wellem". Er ist die populärste Figur in Düsseldorf und derart umgeben von Sage und Erzählung, daß die historische Gestalt nicht mehr recht durch- schimmert. Man frage nur einmal die Düsseldorfer in der Altstadt, im ,,ürige Wellem", im „Rosenkränzchen", im ,, Goldenen Kessel" oder in der ,, Wichsdos" : Wer ist Jan Wellem? Der Kurfürst! Das muß halt genügen. Ein anderer meinte schon, der Große Kurfürst. Einmal hörte ich, es sei der große Reitergeneral aus dem Dreißigjährigen Krieg, der die Düsseldorfer Kunstakademie gegründet habe! ,,Jan van Werth!" rief ein anderer Fachmann der Düsseldorfer Altstadt dazwischen. Ja, Jan Wellem, das Sinnbild der Stadt, das auf keiner Düsseldorfer Fest- schrift fehlt, das der Kunsthandel en miniature vertreibt und das m Originalgröße in einer

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Abb. 4. Jan Weilern. Medaille auf das Jahr 171 der Ernennung zum Reichsprovisor. Vgl. Abb. 5.

Kneipe der Friedrichstadt mitten durch das Orchester reitet, wie auf dem Marktplatz unter Hökerweibern, ist sogar mit den beiden Düsseldorfer Stadtheiligen identifiziert worden. Mit dem heiligen Martin und dem heiligen Sebastian. In dem Sankt-Martins-Zug trägt man sein grünes Reiterbild herum, als Plastik oder als großes Transparent. Jedes dritte Kind trägt das Bild auf der bunten Papierlaterne. Und der Schluß des Zuges ist stets eine Huldigung der Düsseldorfer jüngsten Jugend vor dem Denkmal auf dem Markt. Vor zwei, drei Jahrzehnten feierten die Sankt-Sebastian- Schützenbrüder ihr, ich weiß nicht wieviel hundert- jähriges, Jubiläum. Jan Wellem mußte natürlich vorne an der Spitze den historischen Festzug einleiten. Bilder gibt es genug von ihm im Historischen Museum (Abb. 2). Aber der biedere Handwerksmeister Soundso, der Jan Wellem darstellen sollte, hatte nicht allein Panzer, Krone und Schwert, nein auch Pferd, Hände und Gesicht grün anstreichen lassen. Genau wie das Reiterdenkmal auf dem Marktplatz ausschaut. Denn sonst hätten die Düsseldorfer ihren Stadtheiligen nicht wiedererkannt. Jan Wellems Gemahlin, Anna Maria Luise von Toskana, durfte aber neben ihm ohne grünen Anstrich den Festzug mitmachen.

Die politische Persönlichkeit des Kurfürsten ist bisher noch nicht ganz klar umschrieben worden. Phantastereien, Klatsch und politische Stellungnahme haben ein ganz verzerrtes Bild von ihm geschaffen. Bei den Schriftstellern des 18. Jahrhunderts, wie bei den Bearbeitern der zeitgenössischen Quellen im 19. Jahrhundert, muß man bei der Beurteilung Jan Wellems immer zuerst fragen, ob der Verfasser Pfälzer oder Jülich-Berger ist, d. h. Protestant oder Katholik. Für den Pfälzer ist der Kurfürst der unduldsame Religionsfanatiker, für das Bergische Land dagegen der in Glaubensdingen duldsame Landesherr. Man tut im übrigen gut, den Herzog von Jülich und Berg ganz von dem Kurfürsten von der Pfalz zu trennen, um eine klare Vor- stellung von Jan Wellem zu gewinnen*. Für unseren Zusammenhang kommen nur der Herzog von Jülich und Berg und dessen künstlerische Bestrebungen in Frage. Da aber diese immer noch nicht übersichtlich bearbeitet worden sind, wird meine Darstellung notgedrungen sich damit begnügen müssen, ein skizzenhafter Versuch zu bleiben**.

* Vgl. Richard August Keller im Düsseldorfer Jahrbuch 1917, S. 89 ff., der hier zum erstenmal die Schwierigkeit der wissenschaftlichen Behandlung Jin Wellems durch die bisherigen Bearbeiter darstellt. Eine k'uge Arbeit von program- ma'.ischer Bedeutung. Vgl. ferner Richard Klapheck: Johann Wilhelm von d r Pfalz. Legende und Geschichtsforschung. Im Jubiläumswerk des Verlags M?rcus & Weber. Bonn 1918.

** Der nach dem Kriege von 1866 emsetzende Streit Düsseldorf contra München wegen der Besitzrechte an Jan Wellems ehemaliger Düsseldorfer Gemäldesammlung, dem Kern der heutigen Münchener Alten Pinakothek, hat einen Wust sachlicher

Der Schöpfer des Reiterdenkmals auf dem Düsseldorfer Marktplatz Ist Gabriel Chevalier de Grupello, wieder ein Schüler des Artus Quellinus. Er war zwar keineswegs so eigen- artig schöpferisch wie sein großer Lehrmeister und kann auch mit den damals führenden französischen und belgischen Bildhauern nicht auf denselben Nenner gebracht werden. Aber er zählt dennoch zu den besten Meistern seines Jahrhunderts. Sem grandioses Reiterdenkmal auf dem Marktplatz wird von zeitgenössischen deutschen Arbeiten nur von Schlüters Großem Kurfürsten auf der Schloßbrücke zu Berlin übertroffen. Wiedemanns Reiterdenkmal für August den Starken in der Neustadt zu Dresden kann dagegen mit Grupellos Jan Weilern gar keinen Vergleich aufnehmen.

Das persönliche Verhältnis des Meisters zu seinem kurfürstlichen Herrn ist überaus cha- rakteristisch für dessen künstlerische Bestrebungen am Düsseldorfer Hof. Und da Grupellos Standbild auf dem Marktplatz neben einem Porträt und Porträtstatuen in der Kunstakademie (Abb. 8, 1 1), dann Jan Wellems Sarkophag in St. Andreas (Abb. 60) die bedeutsamste künstlerisch

Torheiten gezeitigt (vgl. Düsseldorfer Anzeiger 1866. Nr. 163, 172, 183, 187, 189, 198, 209, 210, 21 1, 214, 262; 1867: Nr. 3, 30, 31,67,97,98, 102, 111, 112, 120, 126, 141, 145, 149, 156, 167, 182; 1868: Nr. 28. 136. 145, 191, 193, 196,208,219. - Düssel- dorfer Zeitung 1867, Nr. 109. - Crefelder Zeitung 1866, Nr. 209; 1868, Nr. 136, 202). - Die närrischste Erscheinung voll der konfusesten geschichtlichen Phantastereien war in diesen Debatten Hardung. (Vgl. A. V. Hardung: Zur Reklamation des Düsseldorfer Bildergalerie-Hauptschatzes. Ein patriotischer Versuch als Aktenbeitrag. Düsseldorf 1868.) Sachlicher waren sein Gegner Schaumburg und Strauven. (Vgl. E. v. Schaumburg: Zur Charakterisierung Johann Wilhelms, Herzogs zu Jülich-Berg, Kurfürsten von der Pfalz. Düsseldorf 1869, und Johann Wilhelm, Erbprinz und Pfalzgraf zu Neuburg, Regent der Herzogtümer Jülich und Berg [1679—1690]. Düsseldorf 1873. Strauven: Über künstlerisches Leben und Wirken in Düsseldorf bis zur Düsseldorfer Malerschule unter Direktor Schadow. Düsseldorf 1862.) Die weitere Galerieliteratur bei Paul Giemen: Kunstdenkmäler der Stadt und des Kreises Düsseldorf. Düsseldorf 1894. S. 19—21.

Von Wichtigkeit sind die Aufzeichnungen von Zeitgenossen, die die Sammlungen Jan Wellems selbst gesehen haben: Jan van Gools ältestes Verzeichnis der Kunstwerke, Blainvilles und Uffenbachs Reisebeschreibungen und die Aufzeichnungen von Jan Wellems Kabinettsekretär Raparini. (Vgl. Jan van Gool: De nieuwe Schouburg der Nederlandsche Konstschilderer en Schilderessen. s'Gravenhage 1750—1753; des Herrn von Blainville Reisebeschreibung durch Holland, Oberdeutschland usw., übersetzt von Johann Tobias Köhler. Lemgo 1764. L Band; Herrn Zacharias Conrad von Uffenbach Merkwürdige Reisen durch Niedersachsen, Holland und Engelland. III.Theil. Ulm 1754; Raparini: Le portrait du vrai merite dans la personne ser. de mons. l'electeur palat. Pracht- handschrift im Besitz des Herrn Pflaum auf der Fahneburg bei Düssel- dorf. Eine überaus wichtige Quelle, wenn auch mehr rhetorisch als sachlich abgefaßt, über die Künstler Jan Wellems [mit Abbildungen].) Vgl. außer- dem J. Th. Brosius: Juliae Montiumque comitum annales. Köln 1731.

Auf diesen Quellenschriften fußen mehr oder weniger alle Versuche, über Jan Wellems Kunstunternehmungen zu arbeiten. Neue selbständige und wertvolle Studien sind dagegen Theodor Levin: Beiträge zur Ge- schichte der Kunstbestrebungen in dem Hause Pfalz-Neuburg. Aus dem Königl. Bayer. Geheimen Staatsarchiv. Jahrbuch des Düsseldorfer Ge- schichtsvereins X IX, XX, XX III. Dazu ergänzender Nachtrag Friedrich Lau: Beiträge zur Geschichte der Kunstbestrebungen des Kurfürsten Johann Wilhelm. Düsseldorfer Jahrbuch. Bd. XXVI. Der Verfasser der „Baukunst am Niederrhein" ist gemeinsam mit Hans Buchheit und Richard Keller mit einer eingehenden, mehrbändigen Dar- stellung über die Kunst am Hofe Jan Wellems beschäftigt.

Abb. 5. Medaille auf das Jahr 171 1 Abb. 4.

Rückseite zu

Abb. 6. Düsseldorf. Jan Welltins Kt-iUiildiiclbild auf dem Maiktplatz von Gabriel de Grupello. Vgl. Abb. 7.

interessante Erinnerung an den Kurfürsten in Düsseldorf ist, während das Schloß am Burgplatz mit seiner überreichen Ausstattung längst nicht mehr steht, Jan Wellems Kunst- sammlungen nach München und Schleißheim ausgewandert smd und des Kurfürsten grandioses Jagdschloß zu Bensberg ebenfalls seiner herrlichen Schmuckstücke beraubt, im 19. Jahrhundert dann brutal verschandelt worden ist, kann die , .Baukunst am Niederrhem", wenn auch in groben Umrissen nur, die Tätigkeit des Hofbildhauers nicht ganz übergehen*.

Gabriel de Grupello, der bisher in der Kunstgeschichte vergessene Hofbildhauer Jan Wellems, wurde am 22. Mai 1644 in Grammont oder Gerardsbergen in der Provinz Ost- flandern als Sohn eines aus dem Mailändischen stammenden Kavalleriehauptmannes Bernardo Grupello geboren. 1658 trat er als Lehrling des Quellinus in die Lukasgilde zu Antwerpen ein. Er steht dort als Gabriel Reppeli eingetragen. Die Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts hat aus ihm einen Crepello, Cripello, Cribello gemacht. Das Bayerische Nationalmuseum nennt ihn Crebello. Studienjahre hatten ihn nach Paris geführt. In den siebziger Jahren war er wieder in seiner Heimat tätig und arbeitete in Brüssel, wo von ihm noch die beiden schönen Statuen der Diana und Aktäon und der Brunnen der Fischergilde im Museum und in der Kirche Notre Dame des Victoires au Sablon der plastische Schmuck für das Mausoleum der Grafen von Thurn und Taxis erhalten sind. Er war damals Hofbildhauer Karls IL von Spanien. Am 3. Mai 1695 ernannte ihn Jan Weilern, Karls Schwager, zu seinem Hofstatuarius. Grupello siedelte nach Düsseldorf über und führte aus der Flinger Straße Nr. 15 Maria Anna, die Tochter des kurfürstlichen Rats und Advokaten Dr. Dautzenberg, heim.

Posuit Grata Civitas MDCCXI.

Basis Instaurata MDCCCXXX. So steht auf dem Denkmalsockel auf dem Marktplatz eingeschrieben. Ein amüsanter Irrtum von seiten der Stadt! Die „dankbare Vaterstadt" war Anno 1711 finanziell ein arm- seliges Städtchen, das gar nicht die Kosten eines solchen Reiterdenkmals hätte aufbringen können. Auch die Stände sind nicht etwa die Stifter des Monuments gewesen, die gerade um die Zeit der Errichtung des Standbildes mit ihrem Landesherrn wegen dessen eigen- mächtiger Geldausgaben ernste Differenzen hatten. Nein, Jan Wellem hat sich das Denkmal selbst gesetzt! Der Sockel stammt freilich von der ,, dankbaren Vaterstadt", von einer Wieder-

* Die Biographie über den interessanten Bildhauer des Jan Weilern steht noch aus. Der Verfasser der „Baukunst am Nieder- rhein" hofft, sie baldmöglichst im Zusammenhang mit den übrigen Künstlern Jan Wellems vorlegen zu können. Die beste bisherige Darstellung findet sich bei Theodor Levin im Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins XIX, S. 165—193. Vgl. ferner an Quellenschriften: Arnoldus Houbraken: De groote Schouburgh der nederlandsche Konstschilders en Schil- deressen. s Gravenhage 1733. Philips Baert (Compte-rendu des seances de la commission royale d'histoire, tome XV, p. 173). Baron de Reiffenberg (Bulletin de l'Academie Royale de Belgique 1898, tome 13, I. part, p. 101). Alex Pinchart (Archives des arts etc., I. serie, I, p. 39). - - Edmond Marchai: Memoire sur la sculpture aux Pays-Bas pendant les XVII. et XVIII. siecles (Memoires couronnes par l'Academie Royale 1878). Raparini a. a. 0. Vgl. ferner W. Smets im Taschen- buch für Rheinreisende. Coblenz 1818. Der Verfasser war ein Urenkel Grupellos. W. Herchenbach: Gabriel de Grupello. Die Reiterstatue auf dem Gemüsemarkte. Grupellos Lehrling. Inventarien des Churfürsten. (Zeitschrift des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1882.) Otto Teich: Gabriel Grupello, ein vergessener Bildhauer. Zeitschrift für bildende Kunst. 1914 S. 243. Keine selbständige Arbeit; sie ruht auf Levins Feststellungen.

Herstellung aus dem Jahre 1830. Seine bescheidenen, schlichten Formen geben dem Reiter- standbild das günstige Relief. Aber Grupello hat sich den Sockel ganz anders gedacht, nicht in der Nüchternheit der Metallkränze und Palmen, die der Bildhauer Kamberger ent- worfen hat, sondern ähnlich den barock ausladenden Formen am Unterbau von Schlüters Großem Kurfürsten zu Berlin. Eine im Kupferstichkabinett der Düsseldorfer Akademie erhaltene Entwurfsskizze zeigt, was ihm vorgeschwebt (Abb. 7). Der Sockel sollte einen Brunnen dar- stellen, vier breite halbkreisförmige Becken vor den als Nischen vertieften Wänden, an denen Löwen, die vier Hauptlaster unterdrückend, angebracht waren. An den Ecken stiegen auf breiten Voluten Rustikapfeiler auf. Auf den Voluten wie auf den Pfeilern waren Trophäen, Amo- retten und andere freischwebende Figuren und Gruppen gedacht. Das Inventar der Kunst- schätze vom Jahre 1716 führt unter anderem auf: ,,dle vier grose Löwen in Model, die vor die Statua equestre auf dem Marck, welche Ihre Churfürstl. Durchlaucht seellgstens Andenckens äuserst noch befohlen haben gegosen zu werden sambst der inscription umb den pedestahl, welche vier Löwen untertrücken, die vier Hauptlaster Hofart, Geltz, Neldt und Fraes"*. Diese Modelle wurden im Jahre 1744 an den vier Ecken des Weihers im neuen Hof garten aufgestellt. ,,Aber es dauerte nicht lange, so fielen sie ganz auseinander," erzählt der da- malige Kupferstecher Langenhöffel. Der Denkmalsockel woirde leider nicht mehr nach Grupellos Plänen ausgeführt und blieb schmucklos, bis man ihm im Jahre 1830 die jetzige

Gestalt gab. Grupello wird die Anregung zu dem Reiterstandbild seinem Aufenthalt m Paris ver- danken, wo sein Landsmann Martinus van den Bogaard, der sich als Pariser Desjardins nannte, auf der Place des Vlctoires Ludwig XIV. ein Monu- ment errichtet hatte. Aber daneben kommt noch eine Fülle anderer Entwürfe für Reiterdenkmäler des Sonnenkönigs in Betracht. Die Revolution hat Bogaards Standbild vernichtet. Eine veränderte Wiederholung steht in Lyon. Das Pferd bäumt sich hoch auf. Der wallende Schweif ist technisch eine Stütze. Ähnlich v^oirde Wledemanns Denk- mal für August den Starken In der Neustadt von Dresden. Ähnlich dachte sich auch Grupello in dem in der Düsseldorfer Akademie erhaltenen Ent- \vurf seinen Jan Wellem. Nachher wurde der Kur- fürst auf schreitendem Hengst dargestellt. Aber der

Abb. 7. Originalentwurf zu dem Reiterdenkmal auf dem Marktplatz zu Düsseldorf von Grupello. Kupferstich- kabinett der Kunstakademie zu Düsseldorf. Vgl. Abb. 6.

* „Inventarium über die bey Herrn Statuario undt Chevalier Gru- pello Befindliche churfürstliche Bilder und sonst vom 13. Juli 1716." Vgl. Zeitschrift des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 1882. Nr. 3 ff.

Abb. 8. Jan Weilern. Porträtbüste von Grupello. Kunstakademie zu Düsseldorf.

wallende breite Schweif mit seinen prächtigen barocken Formenwellen, die so ausgezeichnet zu der Allongeperücke und dem Embonpoint des Reiters passen, wurde beibehalten (Abb. 6).

Und wie das Denkmal auf das Reiterstandbild des französischen Sonnenkönigs zurückgeht, so war dieser auch das große Vorbild für Jan Wellems Lebensführung. Er hatte in der Jugend die Höfe zu Cleve, Brüssel, Paris, Versailles, London, Flo- renz und Wien besucht. Den größten Eindmck brachte er vom Hofe Ludwigs XIV. mit. Er hielt ihn fest wie ein Magnet, und Jan Weilern vergaß vielleicht unter der blendenden Pracht von Ver- sailles, daß gleichzeitig die Franzosen seine Heimat brandschatzten. Er kam heim mit dem glänzen- den Bild des Roi Soleil vor Augen. L'Etat c'est moi! Dieses Selbstbewußtsein spricht aus allen Bildern des Kurfürsten (Abb. 8, 1 1). Auch aus den Gesten des Reiterdenkmals auf dem Marktplatz. Der Chevalier de Blainville, der ehemalige Gesandt- schaftssekretär der Generalstaaten am Spanischen Hof, weilte im Jahre 1705 auf einer Reise in Düsseldorf und ward dem Kurfürsten vorgestellt. „Der Hof ist zahlereich und glänzend, und man tut nichts ohne Pracht und Herrlichkeit," berichtet der Chevalier; „Bälle, Opera, Comödien, Musikconcerte, Freudenfeste, alles ist herrlich, und alle diese Ergötzlichkelten genossen wir fast alle Tage während des ganzen Monats, da wir uns hier aufhielten, mit. Bey der Mahlzeit hatten die Hofdamen die Aufwartung, und wenn sie den Herrschaften den Wein reichen, so gießen sie erstlich einige Tropfen auf den Credenzteller, kosten sie, und geben ihn mit einer kleinen Knieverbeugung. ... Ich muß nicht vergessen anzuzeigen, daß der Churfürst außer dem Oberhofmarschall und Oberkammerherrn an seinem Hofe noch eine ziemliche Anzahl Kammerherren habe, die größtentheils Grafen oder Barons sind, welche bey der Tafel die Aufwartung haben, bis der zweyte Gang aufgesetzet ist, nach welchem jeder sich weg begeben kan. Dieses ist aber noch nicht alles. Wenn der Churfürst in die Stadt fährt, so gehen sie zu Fuß vor seinem Wagen her, den die Leibwache unter Anführung eines Capitainlieutenants mit geschultertem Gewehr beiderseits umgibt. Zwanzig Pagen in ihrer Liverey sind unmittelbar vor dem Wagen und am Schlage ein halbes Dutzend Heiducken und Schweizer mit Helleparden. Alles dieses Schaugepränge ist erstaunlich besonders bey einem Fürsten anzusehen, dessen Vater, noch ehe er Churfürst ward, nichts als das Herzog- thüm Neuburg besaß, welches eines von den kleinsten Fürstenthümern in Deutschland ist.

Abb. 9. Jan Weilern. Medaille von J. Seiter. Vgl. Abb. 10.

Was mir am seltsamsten vorkommt, Ist, daß er Leute von solchem Range, als die meisten seiner Kammerherren sind, dergestalt erniedriget, daß sie wie Lakaien, oder besser, wie Wachtelhunde, vor seinem Wagen her und durch die Stadt traben müssen, wo man bis über die Knöchel im Kot gehet. Ich erinnere mich nicht, eine Sache dieses gleichen an dem Hofe des größten Monarchen von Europa gesehen zu haben."*

Aber es lag etwas sonderbar Zwiespältiges im Wesen Jan Wellems. Er konnte zu seinen Düssel- dorfer Bürgern freundlich, wohlwollend, herab- lassend sein. Zweimal in jeder Woche stand jedem Bittsteller sein Arbeltszimmer offen. Er liebte es, dann Düsseldorfisch zu sprechen, liebte es, an den Festen der Bürger teilzunehmen, am Vogelschießen der Sankt- Sebastian -Schützenbrüder. So erzählt wenigstens die Tradition in Düsseldorf. Den Schützen schenkte er eine Königskette mit seinem Wahlspruch: Dominus virtutum nobiscum. Er soll selbst einmal die Schützenkönigswürde In Düsseldorf erhalten haben. Und wenn der eitle Chevalier de Blalnville nicht geschwindelt hat, so hatte er für seine Düsseldorferinnen ein ganz besonders warmes Herz. Diese landesväterliche Zuneigung Jan Wellems erregte indes die Eifersucht der kinderlosen Kurfürstin, die „sich gar oft schimpf- lichen Anfällen aussetzte, wenn sie demselben in der Nacht in einem Mantel verhüllet auf den Straßen nachschleichet, um seine Liebeshändel auszuforschen. Man darf sich aber darüber nicht wundern, weil sie in einem Lande erzogen worden, wo die Elfersucht bis zur Tolhelt steiget, und alle Welt weiß, daß der Churfürst kein Feind von Liebeshändeln ist."

Jan Weilern konnte den unnahbaren Landesherrn ganz vergessen, wenn er abends allein, ohne Gefolge, In bequemer Tracht über den Marktplatz In die Zollstraße einkehrte. In das Haus Nr. 7, die alte Posthalterei und Weinstube der Familie Maurenbrecher, ,,In der Kanon", so genannt nach dem Signet über der Haustür, einer Kanone in einem Medaillon. Es war die ,, Zechstube" der Düsseldorfer Künstler. Jan Wellem ging hier zwanglos ein und aus, hatte eigenen Sessel und Pokal und freute sich beim Dhroner, seinem Llebllngsweln, der tollen Schnurren seiner Künstlerfreunde. Die Zahl der Meister, die in und außerhalb Düsseldorfs in seinen Diensten standen, ist ganz erstaunlich groß. Die Architekten Matteo Graf de Albertl aus Venedig, Domenico Martlnelli, Riva, Jacob du Bois, Paul Reiner, Michael Cagnon, Aloyslus Bartolus; die Bildhauer Gabriel de Grupello, Michael Catelan, Heinrich Charasky, Benedetto Antonuzzl, Philipp Macrander, Prockhoff oder Brolchhoven, Peter van den Branden, Grupellos

* Blainviile: Reisebeschreibung. I. S. 68 ff.

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Gehilfe bei dem Reiterdenkmal des Kurfürsten ; die Maler Adrian van der Werff , Eglon van der Neer, Johann Franz Douven, Jan Weenix, Anton Schoonians, Gottfried Schalcken, Johann van Kessel, van der Meyn, Jan van Nikkelen, Wilhelm Trost, Antonio Belucci, Antonio Pelle- grini, Domenico Zanetti, Antonio Bernardi, Antonio Milanese usw.; dann nicht zu vergessen der berühmte Waffenschmied Hermann Bongard, und Peter Boy, der Goldschmied und Email- maler, und noch viele andere mehr. Wer die Gunst des Kurfürsten hatte, wurde mit Gnaden- beweisen überhäuft. Adrian van der Werff, den Jan Wellem nicht bewegen konnte, seinen Wohnort Rotterdam mit Düsseldorf zu tauschen, wurde: ,,Mit Decret vom 15. Juni 1697, vom 10. eiusdem an zu rechnen, zum Kabinettsmaler angenommen. Er soll ein halbes Jahr für den Kurfürsten, ein halbes Jahr für sich arbeiten, dahingegen 4000 holländische Fl. aus den Ur- munder Zollgefällen erhalten." Außerdem aber zahlte noch Jan Wellem die gelieferten Bilder fürstlich und erhöhte das Jahrgehalt auf 6000 Gulden. Anton Clemens Leunenschloß, ein Düsseldorfer Kind, und den Maler Gerhard Karsch sandte er auf seine Kosten zur künstlerischen Ausbildung nach Italien. Hermann Bongard, dem Waffenschmied, schenkte er aus eigenen Mitteln einen Bauplatz an der Mühlenstraße. Jan van Nikkelen wurde Chevalier. Gabriel de Grupello schenkte er das schöne, heute noch erhaltene Eckhaus der Zollstraße am Marktplatz, das über dem Portal noch Büsten von Grupellos Hand aufweist (Abb. 57). Ja, Jan Wellem übertrug seinem Liebling und Hofstatuarius sogar das heimgefallene Lehen Mertzenich. Diese und andere Gunsterweisungen des Kurfürsten an seine Künstler erregten natürlich den Neid und Widerspruch der von ihrem Landesherrn nicht immer gut behandelten adligen Kammer- herren und Geheimen Räte. Der Kurfürstliche Lehensdirektor und Geheime Rat, ein Herr von Palmers, glaubte, die Bedenken der Regierung, gegenüber einem so fürstlichen Gnadenbeweis wie der Übertragung des Lehngutes Mertzenich an Grupello, dem Kurfürsten nicht vorenthalten zu können. Aber er bekam eine köstliche Antwort. Jan Wellem verfügte: ,,die separationem feudalium ab allodialibus auffs förderlichste vornehmen zu lassen und dem Chevalier de Grupello quo ad feu- dalia zu dem würcklichen Genuss der ihme hierm- falss zugewendter Churfürstl. Gnadt ohne längeren Anstandt förder-sambst zu verhelfen." Und Jan Wellem fügte eigenhändig noch hinzu: ,,Mir kommt die Warheith zu sagen dess Lehensdirectons Pall- mers Conduitte in dieser Lehensache sehr wTjnder- lich, passionirt und suspect vor, massen ehe und bevor ich dieser Lehen noch jemahlss gedacht gehabt, meinem Cabinets Statuanus dem Chevalier Grupello zu conferiren, sondern ess geheischen, oder ich wöirde ess den Ober Hoff Marschallen Baron Abb. 10. Rückst lt. zu Abb. 9.

de Wanghen geben, oder sonsten etwahe einen auss den druntlgen Landen, so lang sage ich hat ess beständig geheischen, Mertzenich sambt Hauss und Guth seye fällig ohne Contradiction, jähe er Palmers hat mirs wohl 100 Mahl selber repetirt, anjetzo aber, dhae sie sehen, dass ichs einem so unvergleichlichen Mann wie der Chevalier Grupello ist, seiner Meriten halber geben will, fangt der Pallmers undt die übrigen Räte allerhandt dergleichen Chicanen an, indeme sie ihme undt allen schönen freyen Künsten von Grund auss feindt seien und dass auss keiner anderer Ursach, alss weilen sie solche schöne Sachen nicht verstehen und ein Hauffen Esell undt Idioten seindt, welche lieber den gantzen Tag sauffen, spiehlen und tabaccieren, alss sich auff solche tugendliche und schöne Wissenschaften zu begeben, Ihr aber, mein liebster Hoff Cantzler, wohl wisset, dass solche grosse Künstler, wie der Chevalier Grupello undt andere seindt, weith mehrers estimire und vorziehe alss alle dergleichen Plackscheisser, alss habt Ihr dem Chevalier Grupello mordicus zu sousteniren und in die Possession setzen zu helffen. Wenn ich hernacher hinunterkomme, so will ich schon weiters in Sachen sehen, wass zu thuen ist, und ihme Grupello tam in utilitate quam honore eiligst recht zu thuen. Unterdessen habt Ihr diese meine Formalia den Pallmers vorzulesen undt respectiv dem Grupello zu bedeuten. '

Die Randglossen eines Friedrich des Großen könnten nicht urwüchsiger und deut- licher sem!

Jan Wellems künstlerische Unternehmungen nahmen, wie seine politischen Bestrebungen, allmählich einen phantastischen Charakter an. Er ist eben zeitlebens ein Phantast, ein Kind gewesen. Kinderaugen sind es, die vom Denkmalsockel herab auf dem Marktplatz lachend in die Ferne schweifen. „Es ist etwas ganz leichtes, daß jeder Schelm, der die Kühnheit hat, es zu wagen, ihn zu allem, was er will, überreden kan, zumal in solchen Sachen, wo man ihm einbildet, er trüge viel bey, den Glanz semer Hoheit zu zeigen: denn er ist bis zur Aus- schweifung ehrgeizig," schreibt Herr von Blainville. Er wollte den Stein der Weisen finden und fiel dabei manchem Scharlatan in die Hände. Da war der Graf della Torre, ein großer „Entwurfsmacher und Fuchsschwänzef", der „aus der Churfürstlichen Casse ansehnliche Geldsummen herauszuziehen" verstand. Aus Kupfer wollte er Gold machen, denn Gold, viel Gold hatte Jan Weilern nötig. An goldenen Ketten schwebten in den Wolken seine Prachtbrücken und Gärten der Semiramis. Luftschlösser plante er, daß Rom und Versailles Augen machen sollten. Dieser kurfürstliche Peer Gynt:

Man hat ein Ziel, ganz ohne Frage.

Und dieses ist? Kaiser werden! Kaiser?

Jawohl! Und wo? In aller Welt! (Peer Cynt.)

In aller Weh. In einer phantastisch neuen Welt. Philipp Wilhelm, den Vater, hatte es

nach der Krone Polens, dann nach dem deutschen Kaiserdiadem gelüstet. Jan Wellem aber

hatte viel abenteuerlichere Pläne. Seine Schwäger, die drei mächtigsten Herren der Welt

neben der Allerchristlichsten Majestät, Leopold, der Deutsche Kaiser, Karl IL, König von

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Spanien, und König Peter von Portugal, sie sollten wissen, was er für ein Kerl war. Kaiser von Armenien wollte er werden. Kaiser des Orients.

Israel Ory war mit anderen Armeniern nach Düssel- dorf gekommen. Sie hatten von dem prachtliebenden Jan Wellem gehört und trugen erst den Räten, dann dem Kurfürsten ihre Pläne vor: Armenien schmachte unter der Osmanenherrschaft. Die Freiheit des ritter- lichen Gebirgslandes sei geknechtet. Wenn aber ein Jan Wellem sich an die Spitze des Volkes stellte, so würde man Ihm begeistert folgen und das Türkenjoch abschütteln. Dann sei das romantische Bergland mit seinen fruchtbaren Tälern sein eigen.

Kaiser von Armenien! Selbst dem phantastischen Jan Wellem mag dieses Zukunftsbild, als 1697 Israel Ory ihm zuerst davon erzählte, ein Wolkenkuckucksheim gewesen sein. Seine lustigen Kinderaugen lächelten. Man wußte doch auch damals schon, wie viel schlauer der Armenier als Kaufmann ist, denn Griechen, Syrer und Juden. Aber Ory schwelgte in bunten Bildern von der Schönheit und dem Reichtum des Landes. Nur die Ausgewanderten seiner Landsleute seien Handelsleute, die Einheimischen dagegen das edelste und treuergebenste Land- und Hirtenvolk von ritterlicher Hoheit der Ge- sinnung. Jan Wellem ward gewonnen. Der Ehrgeiz der Kurfürstin, mit Ihren Schwägerinnen gleichen Rang zu haben, förderte die Verhandlungen. Jan Wellem sah sich an der Spitze seiner siegreichen Pfälzer und Jülich-Berger über Länder und Meere ziehen, berufen, allen Kreuzzügen die Krone aufzusetzen. Wenn das christliche Armenien von der Heidenknechtschaft befreit sei, wollte er die Türken für die römische Kirche gewinnen.

Er sandte Ory mit Vollmachten In die Heimat. Die Großen des Landes wählten ihn feier- lichst zu ihrem Kaiser und leisteten den Treueid. 1699 langte Ory wieder in Düsseldorf an. Und nun arbeitete Jan Wellem seinen Siegeszug aus: Mit seinen niederrheinischen und pfäl- zischen Truppen wollte er durch Polen und Rußland nach Armenien ziehen und dort sich mit den Scharen der Freiheitskämpfer vereinigen. Der Papst gab dem Plane seinen Segen. Auch aus Petersburg brachte Ory die Einwilligung Peters des Großen mit. Da vertagte der Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges im Jahre 1701 die Ausführung des armenischen Unternehmens. Jan Wellems Truppen mußten für den Kaiser kämpfen, und der Erbfolge-

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Abb. II. Jan Wellem. Statuette von Grupello. Kunstakademie zu Düsseldorf.

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krieg reihte ein Jahr an das andere. Jan Wellems Gedanken hingen dennoch weiter an Orys farbenprächtigen Bildern. Als endlich der Friede zu Rastatt im Jahre 1714 Ruhe brachte, mußte der Kurfürst die Oberpfalz und die Grafschaft Cham herausgeben. Die Beziehungen zu Armenien waren inzwischen zerrissen. Zwei Jahre später nahm Jan Weilern seine Träume vom Kaiserreich des Orients mit in das Grab*.

Die orientalischen Pläne hatten Jan Wellem jeden Maßstab für die reale Wirklichkeit ge- nommen. Ihm kam der Einfall, aus Düsseldorf um jeden Preis ein zweites Versailles zu machen. In den Jahren 1679 1690, als er, noch zu Lebzeiten seines Vaters, die Regentschaft der nieder- rheinischen Herzogtümer führte, hatte er Düsseldorf derart liebgewonnen, daß er später als Kurfürst von der Pfalz für Heidelberg weniger Interesse zeigte. Er hatte wohl die Absicht gehabt, das von den Franzosen zerstörte Heidelberg wieder aufzubauen und in der Ebene ein groß angelegtes Residenzschloß zu errichten. Im Bayerischen Geheimen Staatsarchiv ist eine ,,specificatione delli disegni fatti et che restano da farsi per il palazzo d'Eidelberg in ordine alla pianta ideata per commando del ser!i^ Elettore Palatino" erhalten. Aber diese Projekte scheiterten am Widerstand der Pfälzer. über seinen Düsseldorfer Plänen, das alte Schloß, die Stadt und die Kunstsammlungen auszubauen, in Düsseldorf und Bensberg neue Schlösser zu errichten und die jülichsche Landesburg Hambach der Zeit entsprechender um- zugestalten, vergaß Jan Wellem das zerstörte Heidelberg.

Sein Düsseldorfer Lieblingskind war das kurfürstliche Opernhaus in der Mühlenstraße, an jener Stelle, wo später, im Jahre 1766, die Residenz der Statthalter errichtet wurde und wo heute das neue Justizgebäude steht. Die beiden Italiener Gorini und Gualardi hatten im Inneren die reichen Stuckdekorationen geschaffen. Antonio Bernardi, Ingenieur du theätre, toujours actif, toujours infatigable, avec une source d'invention mepuisable, wie ihn Raparini, Jan Wellems Kabinettsekretär, nennt, entwarf die Theaterdekorationen. Wir wissen sonst nichts von dem Bau der Oper und seiner Inneneinrichtung, wissen aber wohl, daß Jan Wellem den Bau mit fürstlicher Freigebigkeit ausstattete. ,, Unter uns gesagt," meinte emmal Elisabeth Charlotte von der Pfalz, Herzogin von Orleans, in einem Schreiben an ihre Schwester, die Raugräfin Louise, ,,der Kurfürst hätte besser getan, die 20000 Thaler anzuwenden, das Heidelberger Schloß wieder auszubauen, als vor eine opera. Das ist nicht ä propos in jetziger Zeit." Ach was, ä propos oder nicht ä propos in jetziger Zeit. Die Liebe zur Musik und zum Theater war Jan Wellems Erbteil seines Vaters und Großvaters. Als er im Jahre 1689 Maria Anna Luise von Toscana, die Tochter Cosimos III. von Toskana, in zweiter Ehe aus Florenz heimführte, hatte die italienische Oper seine ganze Liebe gewonnen. Walter hat darüber ausführlich gehandelt**. Wenn in die kleine niederrheinische Residenz der Karneval seinen Einzug hielt, dann waren italienische Sänger und Sängerinnen

* Joseph von Fink: Über die politischen Unterhandlungen des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz zur Befreiung der Christenheit in Armenien vom Joche der Ungläubigen. München 1829.

** Walter: Geschichte des Theaters und der Musik am Kurpfälzischen Hof. 1898, Vgl. dazu die ergänzenden Angaben bei Levin im Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins XXIII. S. 96 ff.

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Abb. 12. Düsseldorf. Altes Schloß, Schnitt. Aufnahme vom Jahre 1756. Vgl. Abb. 13. 14 und Bd. 1 Abb. 193, 194, 199.

Links das Galeriegebäude. Vgl. Abb. 16 19.

Jan Wellems Gäste. Das Opernhaus In der Mühlenstraße sah die ganze Pracht der großen italienischen Oper. Raparinis Operntexte vertonte der Abbate Moratelli, der „Kapell- meister des Kurfürsten und Ehrenkaplan der Erzherzogin Maria Anna von Osterreich". Baidassar i war als „Virtuoso Soprano" der Stern der Düsseldorfer Oper. Zum Karneval des Jahres 1695 hatte Moratelli die Oper ,J1 fabro pittore" komponiert. Der Inhalt ist höchst interessant: man unterhält sich über Bilder aus dem Besitz des Jan Weilern, über die Rubens und andere Dinge. Die glanzvollste Aufführung sah die kurfürstliche Oper, als 1705 Karl III. von Spanien in Düsseldorf weilte und ,,La Monarchia stabilita" aufgeführt wurde, eine Oper mit zweiundzwanzigmahgem Szenenwechsel. Eine umfangreiche Maschinerie war dazu nötig. Fortwährend wurde gezaubert. Schlachten wurden geschlagen. Ungeheuer schwebten in den Lüften, Städte wurden belagert. Alles eigens zur Verherrlichung des königlichen Gastes. Auf Moratelli folgte der Kapellmeister Wilderer. 171 1 war auch Haendel Gast bei Jan Weilern, den er mit seinem Klavierspiel entzückte. Der Kurfürst hielt länger, als die Reise vorgesehen hatte, den Künstler auf seinem Schloß und führte ihn durch die Sammlung wertvoller Musik- instrumente. Weit und breit genossen Jan Wellems mmsikahsche Bestrebungen in der Musik- welt hohes Ansehen. Arcangelo Corelli aus Rom widmete 1712 sein letztes Werk, die ,,Concerti grossi", dem kunstbegeisterten Kurfürsten am Niederrhein.

Und dann der Ausbau des alten Schlosses auf dem Burgplatz (Abb. 12 14).

Die große Explosion des Pulverturmes vom Jahre 1634 hatte das benachbarte alte Schloß arg beschädigt. Wolfgang Wilhelms und Philipp Wilhelms Reparaturen hielten nur einige

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Jahrzehnte vor. Jan Weilern mußte im Jahre 1696 ernstlich an größere Umbauten denken, „weillen die Noth in mehr undt mehr erfordert, dass ich memen allhieigen Residenzbau, dessen Baufälligkeit sich alle Tage mehrers hervorthuet, angreiffen lasse", wie er an den Reichs- vizekanzler, den Grafen von Kaunitz, schrieb. Baumeister Riva erhielt den Auftrag, Pläne für den Umbau zu entwerfen, und Jan Weilern bat den Grafen von Kaunitz, den Wiener Baumeister Domenico Martinelli (1650 1718), den Erbauer des Lichtensteinschen Majoratshauses in Wien (1699 1711), zu veranlassen, nach Düsseldorf zu kommen. Die Baugeschichte des Düsseldorfer Schlosses ist ich habe das oben schon einmal erwähnt nicht ganz geklärt. Wir wissen nichts Weiteres über die Tätigkeit der Martinelli, der zwischen 1699 und 1701 in Düsseldorf gewesen ist*, und Riva beim Umbau des Schlosses und wie weit die Kolonnaden im Hof auf einen der Meister zurückzuführen sind (Abb. 12, 14). Nach den Formen der Arkaden und Portale könnte man auch noch an einen anderen Baumeister denken, auf den ich unten noch zurückkomme, Matteo Graf de Alberti.

Das Innere des Schlosses erhielt eine überreiche und prunkhafte Ausstattung aus- gesuchter Kostbarkeiten. Blainville fand den ,, Gehörsaal mit den allerschönsten Tapeten und den herrlichsten Malereyen reichlich verzieret. Die Tische, die Spiegelrahmen, Wand-, Arm- und Kronenleuchter, und das Camin und alles andere Geräthe von dieser Art aus purem Silber. In einer Ecke dieses Saales hänget ein großes Gemälde, welches den Chur- fürsten in Lebensgröße zu Pferde vorstellet, von einem deutschen Maler, Namens Duben (gemeint ist Johann Franz Douven), und in den Fensterfüllungen sind die vier Teile der Welt mit ihren vornehmsten Städten statt der Einfassung von dem berühmten van Kessel aus Antwerpen gemalet." In den angrenzenden Kabinetten waren die Fußböden aus ,, eingelegter Arbelt von japanischem Holze mit Blumenwerk von Elfenbein, Messing, Schildkröten, Schalen und anderen Zierrathen ausgeputzt. Die Decken dieser Zimmer, wovon man sehr viel Rühmens macht, sind von einem jungen Frauenzimmer, der Jungfer Spielbergin, gemalet." Die Wände der Privatgemächer des Kurfürsten schmückte eine Fülle ausgesuchter Kabinettstücke niederländischer und italienischer Meister. Jan Wellems Sammelleidenschaft kannte keine Grenzen. Die Utrechter Porzellansammlung von Schagen erwarb er für 10 000 Fl. Dem Amsterdamer Goldschmied Walrave hatte er 20000 Fl. für Juwelen und Schmucksachen zu zahlen. Weitere ,,KabinetsjubiHere" waren der kurpfälzische Hofkammerrat Giorgio Stella, Simon Eckart und Johann Carmer. Neben dem alten Jägerhof in Pempelfort war in der kurfürstlichen Edelsteinschleifmühle der Steinschneider Teck tätig. Von 1695 1698 war auf dem Schlosse bei freiem Quartier und monatlich 50 Reichstalern eine Schar italienischer Damastwirker unter der Leitung von Vido Tasso beschäftigt. Wilhelm Birth war ,,Chur- pfälzischer Kunstschlosser". Carlo Bonaveri, Francesco Orsolini, Gonni, Guarlardi, Antonio Rizzi, Bugliachi, Antonio Fabri u. a. m. waren Jan Wellems Kunststukkateure, Elhoven und Leoni Elfenbeinschnitzer, Guidemon Guimet de Beaulie, Isaak Naville,

* Vgl. Lau im Düsseldorfer Jahrbuch 1913/14. S. 242.

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Abb. 13. Düsseldorf.- Altes Schloß. Ansicht der Uferlront vom Jah-e 17-:6. Vgl. Abb. 12, 14 unJ Bd. 1 Abb. 193, 194, 199

Abb. 14. Düsseldorf. Altes Schloß. Grundrißaufnahme vom Jahre 1756. Vgl. Abb. 12, 13 und Bd. I Abb. 193, 194. 199.

Rechts oben die Wache. Vgl. Abb. 15. Rechts unten Hof der Galerie. Vgl. Abb. 16 19. 15

Abb. 15. Düsseldorf. Burgplatz mit der ehemaligen Wache; links der Galeriebau, hmter der Wache das Schloß.

Vgl. Abb. 12, 14, 16, 17

Laglsse, Bussat, Fürstenfeld, Dionysius de Four und Noel de Nou waren Hof- uhrmacher. Ebenso kamen auch die Kunsthandwerker Isaak Guimon, Jacob Peravard, Franciskus Guimon und andere aus Frankreich in die Düsseldorfer Residenz. Die Zahl der Kunsthandwerker Jan Wellems ist ebenso erstaunlich groß wie die der Baumeister und freien Künstler. Buckels, seinen Bibliothekar, sandte er nach Italien, um Werke des Raimundus LuUus aufzufinden und zu erwerben*.

Wir müssen uns von Herrn Zacharias Conrad von Uffenbach, der um das Jahr 1711 in Düsseldorf weilte, erzählen lassen, wie es in Jan Wellems Sammlungen aussah**. Er war von Kabinett zu Kabinett gewandert. In der kurfürstlichen Bibliothek sah er Herrn Le Roy, der ihm das Prunkstück, einen Horaz-Codex, zeigte, dann verschiedene Bände von ,,epistulis autographis eruditissimorum virorum" und ,, etliche sehr zierliche Brevina, darunter

* Vgl. zu Levins Beiträgen zu den Kunstbestrebungen usw. im Düsseldorfer Jahrbuch XIX, XX u. XXIII auch Friedrich Lau: Beiträge zur Geschichte der Kunstbestrebungen des Kurfürsten Johann Wilhelm. Düsseldorfer Jahrbuch XXVI. ** Uffenbach a.a.O. III. S. 722-744.

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war eins in Duodez, mit Silber beschlagen, in welchem viele schöne Mignaturfiguren, als ich jemalen in dergleichen gesehen habe" usw. Andere Kabinette faßten die physikalischen, optischen und mathematischen Instrumente, andere die Münz- und Medaillensammlungen. Aber lassen wir Uffenbach darüber erzählen: „Zu den Medaillen sind zwey große und schöne Cabinete gemacht, beyde von schwarz Ebenholz auswendig und mit Messing eingelegt, inwendig aber sind Schubladen oder Bretter von Schildkrot und Elfenbein eingelegt, an dem, in welchem die antiquen liegen, ist der Grund Schildkrot und die Blumen oder Laubwerk Elfenbein, an dem andern aber, in welches die moderne kommen sollen, ist der Grund Elfenbem und das Laub- werk hingegen Schildkrot. . . . Jedes dieser Cabinete soll achtzehnhundert Reichsthaler gekostet haben." Ihr Verfertiger war der Kunstschreiner Anton Lautenschein. Jeder, der die kunst- volle Arbeit sah, war entzückt. Uffenbach sah „zwanzig bis dreyssig antique Ringe, so der Churfürst alle in Gold fassen lassen. Dabey lag neben der Harpocrates, welchen Herr Cuperus

in einem eigenen Tractate beschrieben Sonst stunden . . . allerhand Urnen, Vasen,

Utensilien, Götzen und dergleichen, deren eine ziemliche Anzahl". Sicherlich gehörten dieser Sammlung auch die überaus wertvollen Miniatur-Medaillons an, die Peter Boy und Franz Douven für Jan Weilern gearbeitet haben*. Der Kurfürst zeigte für die Vervollständigung seiner Münzsammlung das lebhafteste Interesse. ,, Unter den vielen Medaillen der Antoninen, die auf dem Revers die Inschrift ,Aeternitas imperii' tragen, fehlt uns nur die eine von Antoninus Caracalla," schrieb er am 30. Juli 1707 an den Grafen Fede, seinen römischen Kunstlegaten. ,,Es wird Ihnen nicht schwer fallen, sie in einem der dortigen Cabinette aufzutreiben." Der Kurfürst sah wie der echte Sammler auf wissenschaftliche Vollzähhgkeit. Daneben lag ihm die künstlerische Hebung der heimischen Münztechnik am Herzen (Abb. 4, 5, 9, 10).

Wir müssen Uffenbach noch in die kurfürstliche Waffensammlung begleiten. Er ist be- geistert. ,,Die beiden Cabinete sind obwohl gar klein, dennoch unvergleichlich. Ehe ich dahin gienge, mußte ich meinen Degen nicht allein ablegen, sondern weil die Böden mit allerhand Holz sehr schön eingelegt, auch polirt sind, mußte ich besondere Pantufflen, wie in Holland gebräuchlich, über die Schuhe anziehen, wie auch Handschuhe, damit das Gewehr, welches ich zuerst sah, nicht anliefe. Es war aber eine Flinte, ein Paar Pistolen und ein Degen, alles von Stahl mit sehr viel erhabenen zarten Figuren, gewiß unvergleichlich gearbeitet und verguldet. Sie sind allhier in Düsseldorf von einem Namens Hermann Bongard gemacht. Ich habe dergleichen mein Lebtag nicht gesehen. Sonst war in diesen Cabineten ein ungemein schöner Vorrath von kleinen, aber der schönsten Gemählden, worunter sehr viele von Breughel und van der Werff . Auch war auf der Seite ein gläserner Schrank, in welchem allerhand künstliche und kostbare Gefäße von Agat und dergleichen Materien." Hermann Bongard aus Süchteln, der seit 1678 in Düsseldorf bis zu seinem Tode tätig war, ist heute von den Düsseldorfern

* Vgl. Hans Buchheit: Emailarbeiten von Peter Boy. Porträtminiaturen von J. F. van Douven. Ein Beitrag zur Ikono- graphie des Hauses Witteisbach. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins XXIII, S. 186 ff. u. Taf. I— V. Die Arbeiten sind heute, wie die meisten anderen Stücke der Düsseldorfer Schatzkammer, im Bayerischen Nationalmuseum.

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längst vergessen und war doch einer der Größten seines Fachs gewesen! Dann Jan Wellems Gemäldesammlung. Von ihr erschöpfend zu reden, hieße ein eigenes großes Buch schreiben. Eine Aufgabe, die im Zusammenhange mit den übrigen künstlerischen Unterneh- mungen des Kurfürsten auch bald geleistet werden soll. Ich kann mich hier ganz kurz fassen. Jan Wellems Bildersammlung bildet heute die Perlen der Münchener Alten Pinakothek. Und was bleibt von dieser, wenn man sie herausnehmen wollte ? Eine Fassung, der doch die glänzendsten Stücke fehlten. Denn auch viele der aus Mannheim nach München gelangten Bilder hatte einst Jan Wellems Sammelleidenschaft für Düsseldorf erworben. ,,Ich weiß nicht," sagt Franz von Reber im Vorwort des Katalogs der Alten Pinakothek, ,,ob sonst jemals eine Sammlung .... in ähnlicher Gewähltheit und Bedeutung zusammengestellt worden ist. In Deutschland gewiß nicht. . . . Der Rubenssaal daselbst enthielt nicht weniger als 40, alle Hauptwerke außer den bisher genannten unserer bekanntlich bedeutendsten Rubenssammlung der Welt, von den 29 größeren Van Dyck, welche unser Van-Dyck-Saal bewahrt, stammen 1 7 aus Düsseldorf, ebenso drei der schönsten Snyders, die zwei Profanstücke von Jordaens, der große G. de Crayer und die beiden Doufeet, die berühmte, aus sechs Stücken bestehende biblische

Abb. lo. Uüsseldorl. Blick in din Hof der ehemaligen Galerie. Zeichnung von Hildebiand. (Histor. Museum.)

Vgl. Abb. 12,14,15,17-19.

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Serie von Rembrandt, wie dessen Selbstbildnis, der große Dou, das Bohnenfest von Metsu und auserlesene Cabinetstücke der Holländer und Flamländer überhaupt. Und von den Italienern außer Hauptwerken von Caracci, Domenichino und Reni, der Vesalius des Tintoretto, die beiden Madonnen mit Heiligen und Donatoren von Palma Vecchio und Tizian, namentlich auch die Heilige Familie von Andrea del Sarto und Raphaels Heilige Familie aus dem Hause Canigiani. " Jan Weilern hat keine Verbindung unbenutzt gelassen, um diese grandiose Samm- lung zu schaffen. Cosimo III. von Toskana zeigte sich in manchem wertvollen Stücke seinem Schwiegersohne für politische Dienste erkenntlich. Ebenso der Kardinal Ottobono in Rom. Cosimos Gesandter beim Heiligen Stuhl, der Abbate und spätere Graf Antonio Maria Fede, war ununterbrochen für den Ausbau der Düsseldorfer Sammlungen tätig. Aus Madrid, den Kunst- sammlungen des verwandten königlichen Hauses, wanderte manches kostbare Stück nach Düsseldorf. Und ebenso die Schätze, die Kirchen und Schlösser im Lande bargen. So aus

Abb. 17. Düsseldorf. Burgplatz im Jahre 1859. Links der Galeriebau, rechts die Akademie, das ehemalige Schloß. Nach einer Zeichnung von A. Frank. (Histor. Museum.) Vgl. Abb. 12, 14, 13, 16, 18, 19, 21, 22.

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Abb. 18. Düsseldorf. Ehemaliger Galerlebau. Schnitt. Nach Nie. de Pigage, Catalogue raisonne.^Vgl. Abb. 12, 14, 16, 17, 19, 21, 22. Früher statt der Statue des Kurfürsten in der Mitte des Hofes eine Fontäne. Vgl. Abb. 20.

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Abb. 19. Düsseldorf. Ehemaliger Galeriebau. Grundriß. Nach Pigage. Vgl. Abb. 12, 14, 16-18,21,22.

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der Jesuitenkirche zu Neuburg Rubens großes Jüngstes Gericht. In den Niederlanden reiste Johann Franz Douven für seinen kurfürstlichen Herrn. Der 1656 in Roermond geborene Maler, der nicht weniger denn drei Kaiser, drei Kaiserinnen, fünf Könige, sieben Königinnen porträtiert hat, war Jan Wellems wichtigster Mitarbeiter an der Schöpfung der Düsseldorfer Sammlung. Er war als „Cammerdiener und Cabinetsmaler" in die Dienste des Kurfürsten getreten und verpflichtete bald seinen Herrn derart, daß im Jahre 1700 sein Jahrgehalt auf 2500 Reichstaler erhöht wurde. Aus dem Kammerdiener wurde ein Ministre des beaux arts. Ihm war die Oberaufsicht der kurfürstlichen Sammlungen unterstellt.

Das Schloß am Burgplatz glich bald einem gefüllten, unwohnlichen Magazin, das keinen neuen Schatz mehr aufnehmen konnte; für den großen Rubens aus Neuburg war überhaupt kein Platz zu schaffen gewesen. Das Bild mußte einstweilen bei den Kapuzinern untergebracht werden. Jan Wellem konnte nicht mehr anders, er mußte für seme Kunstschätze emen Anbau an das Schloß vornehmen und betraute damit Grupellos Gehilfen und Halbbruder, den Bildhauer, Architekten und Ingenieur Jacobus du Bois* (Abb. 18). Er war im Jahre 1700 als Hofarchitekt und Ingenieur in die Dienste Jan Wellems getreten. Nach dem Tode des Kurfürsten wurde er vom Hofe entlassen und starb 1722**. Raparini hat in seine Schrift jedem der führenden Künstler am Hofe Jan Wellems eigenhändig eine Medaille eingezeichnet. Die für Jacobus du Bois hat die Umschrift: ,,Insignis sculptor simul architectus es idem.. Laus duplici ex merito pulchra iterata placet." Eine andere Medaille zeigt den Durchschnitt durch das neue Galeriegebäude. Als Uffenbach im Jahre 1711 in Düsseldorf weilte, war der Bau noch nicht vollendet. ,,Die Galerie von Gemählden ist . . . oben auf dem dritten Stock des Schlosses, und bestehet aus dreyen schmalen, auch nicht gar langen unterschlagenen Gängen . . . Herr Friderici, ein Mahler, so darüber gesezt ist, führte mich . . . Zuletzt sah ich das Kunsthaus selbst, so aber noch nicht fertig. Es stehet gleich vor dem Schloß, ist sehr groß, und hoch von Backsteinen aufgeführt. Oben sollen die Antiquitäten und Medaillien, wie auch die Mahlereyen kommen ; unten aber lauter große Statuen. . . Es sollen die Sachen (gemeint sind die Kostbarkeiten der Kleinkunst), wie Herr Le Roy versicherte, wann sie in das Kunsthaus kommen, alle zierlich und ordentlich auf Pyramiden gesezt werden, welches wohl höchstnötig ist."***

Im Jahre 1719, drei Jahre nach Jan Wellems Heimgang, erschien der erste Katalog der Düsseldorfer Galerie. , .Ausführliche und gründliche Speculation derer vortrefflichen und

* „Mais ne vois je point ici se detacher de la statuaire, pour se porter a l'architecture, quitter le pesant ciseau pour traiter la plume, certaine personne dont l'art a tout le solide qu'elle demande et le grave qu'exige cette illustre matrone de l'architecture? erzählt Raparini von dem bisherigen Gehilfen Grupellos, der nun vor eine architektonische Aufgabe gestellt v/nd. „Tay veu autre-fois cette meme personne d'une main hardie et heureuse trouver le tendre et le moilleux au milieu des marbres, dans la celebre ecole de Monsieur Grupello, son demifrere, et lui preter son bras, pour lui aider ä faire eclorre glorieusement la forme, ä tirer le delicat hors du rüde et du massif. et je Tay depuis d'une mam legere et non chancellante, conduire des lignes ä leur centre, tracer des plantes de bätiments bien considerees et meurement etablies et sur ces memes plantes erriger des fajades Dien ornees, poser ä cöte des profils, le tout avec proportion et regle C'est Monsieur Du Boit." ** Vgl. Lau im Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins XXVI (1914). S. 244. *** Uffenbach a. a. 0. III. S. 725, 729, 742.

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unschätzbaren Gemählden, welche in der Galerie der Churfürstl. Residenz zu Düsseldorf in grosser Menge anzutreffen seynd. " Er stammt von dem Maler Gerhard Karsch, den der Kurfürst zum Galeriedirektor ernannt hatte. Sein Führer liest sich fieilich wie die „Fliegenden Blätter". Gleich die Einleitung: „Wie hoch aber die Kunst zu unserer Zeiten beschätzt worden, um Plinio mit seinen 35 Büchern das Maul zu stopffen, kan ich mit dem glorwürdigsten Kayser Carlo V. wie auch Ludowico XIII. in Frankreich, welcher Raphaeli de Urbino dreyssig Thaler vor ein Stück verehret, (unzahlbare andere zu geschweigen) klärlich genug beweisen. Daß aber dieses hoch-flonrendes durchlauchtigstes Chur-Hauss Pfaltz keinen von diesen ein Haar weichen wollen, zeiget an die unvergleichliche Quantität der kostbaresten und unschätzbaren Gemähide usw." Noch philiströser und superlativer wird der Maulstopfer Karsch bei der Beschreibung der einzelnen Bilder. Da heißt es: ,,Eine Kinder-Tödtung von der ersten Manier gemahlet von Hannibal Carraci", ,,Ein schlaffender Cupido, wie ihme Spsiche die Gurgel abschneiden will", ,,Eine Schweine- Jagd, allwo etliche Hunde verwundet und andere sich unterstehen zu beissen", ,,Ein Silenus, wie er von Satyren und Bacchanten gantz besoffen gefuhret wird", ,,Der verlohrne Sohn, welcher in dem Bordello mit Trincken und Caressiren sich verfuhren lässt". Die Bilder sind ,,sehr natürlich, sehr rigoros, sehr kunstlich, sehr fleißig gemahlet" oder ,, unvergleichlich inventiert", ,,sehr freundlich experimentirt" usw.

Nicolas de Pigage, der Baumeister des Benrather neuen Schlosses, gab im Jahre 1778 einen neuen Katalog der Düsseldorfer Gemäldegalerie heraus. Zwei Foliobände mit zahl- reichen Kupferstichen*. Ein Prachtwerk, das bald Weltruf erlangte und uns genauer über die Anlage des Galeriegebäudes und der einzelnen Kabinette unterrichtet (Abb. 18, 19, 21 , 22). Der Galeriebau war indessen von Jan Wellem nur als ,, place ad Interim ä ses tableaux" gedacht, „en attendant qu'il püt les placer d'une maniere plus convenable dans un vaste palais, qu'il projettoit de bätir ä Dusseldorf et dont les plans encore subsistans, annoncent un edifice des plus somptueux" (Pigage). (Vgl. Abb. 27.)

Der Galeriebau war eine dreiflügellge Anlage (Abb. 16 19). Davon ist heute nur noch der eine Flügel zwischen Rathaus und Kunstgewerbeschule erhalten, der im Erdgeschoß unter einem alten Deckengemälde von Zanetti die Anmeldung neu hinzugezogener Bürger entgegen- nimmt, im oberen Geschoß die Schüler und Schülerinnen der Kunstgewerbeschule in die Anfangsgründe der Zeichenkunst einführt. Hinter diesem alten Flügel der Galerie stand bis vor kurzem auf dem Hof der Kunstgewerbeschule auf schlichtem Sockel das Denkmal Jan Wellems mit Panzer und Purpurmantel. Die Linke pathetisch in die Seite gestemmt. Lorbeer im Haar. Und schwärmensch wandern wieder die Augen der untersetzten Gestalt in die Ferne**. Eine Arbeit Grupellos. Auch Pigage fand an dieser Stelle das Denkmal vor (Abb. 18, 19). Aber es war erst wenige Jahre vorher zur Aufstellung gekommen. Wo es sich früher in Düsseldorf

* Nicolas de Pigage: Catalogue raisonne des tableaux de la Galerie Electorale de Düsseldorf. 1778. Edit. rev. et augm 1809 Die Katalog- und Galerie-Literatur bei Giemen: Kunstdenkmäler des Kreises Düsseldorf. S. 19—21 ** Giemen: Kunstdenkmäler des Kreises Düsseldorf. Abb. 21.

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befand, kann ich nicht angeben. Es war nach dem Tode Jan Wellems nach Mann- helm gewandert, dann später gegen Gru- pellos Fontäne wieder ausgetauscht worden. „Eine grose Piramlde von Bruns gegosen so auf dem Galleneplatz stehet worahn die fontalne annoch nicht fertig sambt an- gehörlgen Nymphen mit dem Acthäon undt Diana", wie das Inventar vom Jahre 1716 angibt*. Es ist die seltsam überladen kom- ponierte Allegorie, die heute den Mann- helmer Paradeplatz schmückt (Abb. 20)**. Auch das Standbild des Kurfürsten hat später, vor wenigen Jahren erst, den histo- rischen Boden des alten Galeriehofes ver- lassen müssen und steht heute, leider so ganz unter Ausschluß der Öffentlichkeit, Im Garten des Jägerhofs. Nach dem Hof zu Ist der alte Galerleflügel wie der einst gegenüberliegende, der durch ein Treppen- haus mit dem Schloß verbunden war (Abb. 19, 14), ganz schlicht. Nur der Mitteltrakt der hufeisenförmigen Anlage hatte in der Mittelachse einen vortretenden, mit einer Attika bekrönten Risalit (Abb. 18, 19)***. Der Mittelpunkt des Galeriegebäudes war der Saal ,,dite Rubens' mit den großen Bildern der Münchener Pinakothek (Abb. 21 , 22), um den sich die anderen Kabinette gruppierten, wieder benannt nach den wich- tigsten Melstemf . In den Sälen standen kostbare Marmortische. Die Decken hatten

Abb. 20. Mannheim. Denkmal auf dem Paradeplatz. Ehemals im Hofe des Düsseldorfer Galeriebaues. Vgl. Abb. 18, 19.

* Uffenbach sah bei seinem Besuch in Grupellos Gießhause „viele und große Figuren zu einem vortrefflichen Brunnen oder Wasserwerk, so auf dem Platz bei dem Kunsthaus soll gesetzt werden .

** Vgl. Jos. Aug. Beringer: Gabriel von Grupello am Oberrhein. „Die Rheinlande." VII. 1907. Heft 5. *** Vgl. das Bild des Galeriehofes von A. Achenbach in der Kunsthalle zu Düsseldorf.

t Die Darstellung bei Pigage wird nicht ganz mit der Aufstellung zur Zeit Jan Wellems übereinstimmen, da, durch Abgang und Austausch mit Mannheim, im Jahre 1778 die Sammlung ein anderes Aussehen erhalten hatte, auch eine andere An- ordnung und Numerierung. Das Verzeichnis bei Jan van Gool führt 339 Stücke auf, das von Collins (Catalogue des tableaux

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Abb. 21. Düsseldorf. Wand aus dem Rubenssaal des ehemaligen Galeriebaues. Nach Pigage. Vgl. Abb. 18, 19, 22.

die Zanetti, Pellegrini und andere Italiener ausgemalt. Das Treppenhaus am Ende des einen Seitenflügels der Galerie Jan Wellems ,,adjutante di camera" Gerhard Joseph Karsch. Aus dem um 1755 entstandenen Katalog des ,,Directeur" Collins erfahren wir auch, daß eine Reihe Grupelloscher Arbeiten Türen und Treppenhaus der Galerie schmückten. ,,Au bas de l'Escalier des Gallenes une Vierge, l'Enfant, Jesus et Saint Jean. En marbre blanc

de la gaiene electorale k Düsseldorf, ca. 1733) 293, Pigage 333. Für unsere Darstellung bleibt das indessen bedeutungslos. Vgl. die wieder trefflichen Ausführungen von Theodor Levin: Schicksale der Galerie. Düsseldorfer Jahrbuch XXIII. S. 102 - 149.

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Abb. 22. Düsseldorf. Wand aus dem Rubenssaal des ehemaligen Galeriebaues. Nach Pigage Vgl. Abb. 18, 19, 21.

sur son pied d'Estal." Diese Arbeiten sind leider verschwunden. ,,Une Galathee." Das wird aller Wahrscheinlichkeit nach die schöne Galatea im Park zu Schwetzingen sein. „Des deux cotes de la porte des Galleries les Bustes de l'Electeur Jean GuiUeaume et de l'Electnce. En marbre blanc." Beide Arbeiten zieren heute den Festsaal der Düsseldorfer Kunstakademie. „L'Electrice sous la figure de Providence." Ebenfalls heute in der Kunstakademie. „Junon et Mercure," wieder Schwetzinger Plastiken. „Toutes ces rares et belies sculptures sont du fameux Chevalier Grupello. Les Plafonds peints ä clair obscur, par Karsch representent le

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Trlomphe des beaux arts." Karsch hat in seinem Katalog der Galerie die Bilder selbst be- schrieben. Der Komik wegen bitte ich, auch diese Stelle hier anführen zu dürfen.

„Im ersten Eingang der Galerie vorhaupts an beyden Seiten der Tür, auf der rechten Seite Theoria und Practica, so sich umarmen; auf der andere Seiten ist die triumphierende Mahler- Kunst mit einem Lorber-Krantz in der Hand, samt der Bildhauer, Bau-Kunst und Poesie. An der linken Seiten zwischen den Fenstern die triumphierende Minerva mit der Ignorance unter den Füßen, hingegenüber ist Hercules Palatinus, so den Weg der Tugend nach dem Monte Barnasso übersteiget, hingegen die Laster mit ihren Anhang verachtet. An der linken Seiten aber, wo man die Stiegen heruntergehet, ist Hercules Palatinus, so den Bacchum und Inertiam unter den Füßen haltet, den neidigen Geitz aber samt der Ignorantz mit dem Kolben erschlägt, wovon die Unruhe des Hertzens, die Melancholie, die Sorg samt der Kunst Feinden, auf einem Esel sitzend, mit einer Standart von zwey Eselsohren hinweg fliehen. In der Ober- Decke oder Platfond ist der Rheinfluß und Arnus, so ihre Wasser mit dem Aganipede ver- einigen und wird ein Fluß der Poesie daraus. Oben ist das Pferd Pegasus, so den Ursprung vom Aganipede mit dem Fuß oder Huf verursachet. Das niedere kleine Platfond significirt die Zeit, der die Hand gebunden, damit sie niemahlen dem kunst-liebenden Chur-Hause Pfaltz Schaden zufügen können."

Armer Jan Weilern! Daß du einem so üblem Philister die Obhut deiner Kostbarkeiten anvertrauen konntest, die eine unsagbare Liebe und Begeisterung für die Kunst in Düssel- dorf zusammengetragen haben! Wie der Karsch von antiken Dingen redet, während Jan Wellem seinem Düsseldorf einen Abglanz der Schönheit des Altertums bescheren wollte ! Das Erdgeschoß des Galeriegebäudes hatte er für die Aufstellung seiner Antiken bestimmt. Zahlreiche Originalplastiken hat er zwar nicht erwerben können. Das interessanteste Stück wird wohl die bekannte trunkene Alte gewesen sein, die heute die Münchener Glyptothek be- sitzt. Was Jan Wellem aber aus Rom nicht an Originalen erhalten konnte, wollte er wenigstens in Originalabgüssen besitzen. Das Studium der Kupferstiche nach antiken Plastiken konnte ihm nicht genügen. Er wollte die vornehmsten Stücke plastisch und in Originalgröße um sich versammelt sehen. Sein Vorhaben erregte am römischen Hof Verwunderung. Siebzehn der ersten römischen Gipsgießer waren für den Kurfürsten tätig. Der Heilige Vater verfolgte die Arbeiten mit lebhaftem Interesse und bat sich vom Grafen Fede hier und da einen Abguß aus. Die Könige von Portugal und Preußen wollten sich ebensolche Sammlungen zulegen.

Der Herkules Farnese und die Farnesische Flora waren die ersten Abgüsse, die über Livorno, Portugal und Holland aus Rom den Weg nach Düsseldorf fanden. Uffenbach sah sie bei seinem Besuch in Düsseldorf. ,,Considerable Stücke. Die vornehmste waren ein Herkules und eine Flora von ganz entsetzlicher Größe. Ferner waren sehr schön ein Centaurus, auf welchem ein Cupido saß und ihn peitschte. Ferner ein Stück, so zwey Fechter, deren einer den anderen zu Boden warf, vorstellte; ein tanzender Satyr." Bald folgten andere. Das Resultat, für das Jan Wellem weder Geld noch Mühen scheute, ist für die Zeit als eine große

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Tat anzusprechen und ist einer der wichtigsten Anreger des Klassizismus In Deutschland geworden. Lessing und Herder, Goethe und Schiller waren begeistert von dieser Abguß- sammlung. Sie sahen sie in Mannheim. Kurfürst Karl Theodor hatte sie in den Jahren 1753 und 1754 aus der niederrheinischen Residenz nach seiner pfälzischen schaffen lassen*. Ein „Tempel durch die Gefühle, welche er von Menschengeist und Menschenfähigkeiten gibt," schreibt Wielands Freundin Sophie von La Roche von Jan Wellems Abgußsammlung, „wo nur Meisterstücke Schatten auf Meisterstücke warfen." Goethe eilte auf der Helmreise von Straßburg nach Frankfurt im Jahre 1771 „mit größter Begierde, den Antikensaal zu sehen, von dem man so viel Rühmens machte . . . Hier stand ich nun, den wunderbarsten Eindrücken ausgesetzt . . . ein Wald von Statuen . . . eine ideale Volksgenossenschaft". Er erhielt zum ersten Male einen ,, Vorgeschmack antiker Baukunst". Da war unter anderem auch ein Abguß eines der Riesenkapitäle vom Pantheon in Rom. Goethes Straßburger Begeisterung für die Manen Erwins von Steinbach und für die deutsche Gotik, sein „Glaube an die nordische Baukunst fing beim Anblick jener so ungeheuren als eleganten Akanthusblätter etwas an zu wanken". Schillers Worte, die er unter dem Pseudonym eines dänischen Reisenden in der ,, Rheinischen Thalia" über die Sammlung schrieb, sind das schönste Lobeslied, das jemals Jan Wellem gesungen vrtirde. „Mein Herz ist davon erweitert. Ich fühle mich edler und besser. . . . Empfangen von dem allmächtigen Wesen des griechischen Genius trittst du in diesen Tempel der Kunst. Schon deine erste Überraschung hat etwas Ehrwürdiges, Heiliges. Eine unsichtbare Hand scheint die Hülle der Vergangenheit vor deinem Auge wegzustrelfen, zwei Jahrtausende versinken vor deinem Fußtritt. Du stehst auf einmal mitten Im schönen lachenden Griechenland, wandelst unter Helden und Grazien und betest an, wie sie, vor romantischen Göttern . . . Der Mensch brachte hier etwas zu Stande, das mehr ist, als er selbst war, das an etwas größeres erinnert als seine Gattung. . . . Der kluge und patriotische Kurfürst hatte die Abgüsse nicht deswegen mit so großem Aufwand gesammelt, um allenfalls des kleinen Ruhmes teilhaftig zu werden, eine Seltenheit mehr zu besitzen, oder wie so viele andere Fürsten, den durchziehenden Reisenden um ein Almosen von Bewoinderung anzu- sprechen. Der Kunst selbst brachte er das Opfer!"

Beim Eintreffen der ersten Abgüsse nahmen Jan Wellems Pläne für die Antikensäle gleich wieder phantastisch abenteuerliche Formen an. Er wollte für seine Düsseldorfer Plätze den Reiter auf dem Kapitol, sogar der Plan ist mehr denn grotesk zu nennen die Triumph- säule des Trajan besitzen! Die Abgüsse v/aren nämlich nicht aus üblichem Gips, sondern aus wetterfestem ,,scagliola", aus Stuck, Marienglas, Leim mit Gips. Jan Wellem träumte von einem Düsseldorf mit großen Foren, von griechischen Wandelhallen eingefaßt. Der Tod hat auch diese Pläne nicht zur Ausführung gelangen lassen**.

* Einige Stücke blieben in Düsseldorf. Andere icamen später aus Mannheim wieder zurück. Man wird sie in der Abguß- sammiung auf den Korridoren der Kunstakademie suchen dürfen.

** „Inventarium der Gypsfiguren" vom Jahre 1716. Zeitschrift des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 1882. Nr. 4, S. 18 ff

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Jan Wellem hatte eine rührende Liebe für Düsseldorf, und die Schönheiten von Neuburg und Heidelberg haben ihn nicht auf längere Zeit \on seiner niederrheinischen Residenz fort- locken können. Dabei war Düsseldorf, als er im Jahre 1679 als Regent seinen Einzug hielt, noch immer ein recht unscheinbares Städtchen, obwohl Wolf gang Wilhelm durch den Bau der Jesuitenkirche die Stadtansicht reicher belebt hatte (I. Abb. 212). Im Jahre 1658 zählte Düsseldorf 14 768 Einwohner, und zwar 13 848 Katholiken und 920 Reformierte und Luthe- raner*. Etwa zehn Jahre vorher hatte Merian die Stadtansicht vom Oberkasseler Rheinufer aus gezeichnet (Abb. 23). Sie mag das Bild veranschaulichen, das Jan Wellem beim Antritt seiner Regentschaft in Düsseldorf vorfand. St. Lambertus in der Altstadt rahmen links die Kreuzbrüderkirche mit dem Ursulinerinnenkloster und rechts die Türme von St. Andreas ein. Das dreitürmige Schloß, einst außerhalb der Stadt gelegen (I. Abb. 193), war im Laufe der Jahrhunderte an Stelle von St. Lambertus der Mittelpunkt der Residenzstadt geworden. Der eine Arm der Dussel, der seine Gräben speist, teilt Alt- und Neustadt. Und wo er den Schloßgraben verläßt und Rheinluft atmet und sich dem Strome hingibt, weicht die Stadt- mauer in einem Knick zurück. Zwischen Schloß und dem mächtigen Wehrturm am Zollturm reckt bescheiden der Treppenturm vom Rathaus seine Haube empor. Der südliche Düsselarm bringt eine neue Teilung in Stadtbild und Stadtplan. Sein unterer Lauf ist, so tief die Stadt reicht, zu einem Hafen ausgebaut. An der Mündung streckt der Kran seinen eisernen Arm aus. Und unter dem Schutz der Matthiasbastion der neuen Zitadelle liegen sicher die Schiffe im Hafen. Auf der Bastion erhebt sich das Haus des Kriegskommissariats.

Ein Stadtplan, einige Jahrzehnte älter als Merlans Stadtansicht, zeigt die Ausdehnung des damaligen Düsseldorf (.Abb. 24). Die Ritterstraße läuft hinter dem Wall bis zur Eis- kellerbergbastion, nur auf einer Seite bebaut! Vom Eiskellerberg (l. in Abb. 24) zieht sich die östliche Stadtbefestigung in der Richtung des heutigen Hindenburgwalls bis zur Flinger Straße. Am Ende der Ratinger Straße führt eine Brücke aus dem Ratinger Tor (I) über den Graben, ebenso aus dem Flinger Tor (II). Den Mühlenplatz, den heutigen Friedrichsplatz, schützt die Mühlenbastion (2), das Flinger Tor die Flinger Bastion (3). Die heutige Wall- straße war eine Gasse hinter den Wällen, die nach Süden die Stadt einschließen. Die Berger Bastion (4) schützte das alte Berger Tor (III). Das Stadtbrückchen, die heutige Hafenstraße, führt in die Zitadelle zur Bastion Diamantstein, zur Gouvernements- und der Matthiasbastion (5, 6, 7). Rheintor (IV) und Zolltor (V) sind die Ausgänge aus der Stadt zum Rhein.

Unter Jan Wellem ziehen neue Orden in Düsseldorf ein. Die Zölestinerinnen bauen von 1688—1691 ihr Kloster, von 1699—1701 die Ordenskirche. Die Kapuziner erhalten 1706 ein neues Heim. Jan Wellem hatte im Jahre 1707 aus der Abtei Orval in Luxemburg hervor- gegangenen Zisterzienser-Mönchen das Kloster Düsseltal gebaut (Abb. 25). Die ansehnliche Anlage ward 1714 zur Abtei erhoben. Von 1712 1716 war man am Bau des Karmelitessen-

* Ludwig Küpper: Geschichte der kathohschen Gemeinden Düsseldorfs. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvcreins

111 (1888). S. 91.

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Abb. 23. Düsseldorf. Nach Merian. Vgl. Abb. 24.

Abb. 24. Düsseldorf. Stadtplan um 1620. Vgl. Abb. 26.

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klosters tätig. Aber von allen diesen Anlagen sind heute nur noch das Ursulinenkloster und die Kirche der Karmelitessen erhalten (Abb. 40).

Der Name der Karmelitessen ist in EHisseldorf ebenso populär geworden wie der Jan Wellems. Und obwohl das Kloster im Jahre 1803 aufgehoben wurde und später ein anderer Orden sich in den Räumen niederließ, lebt der Name der Karmelitessen in Düsseldorf weiter. Kein Mensch redet von Maria-Theresien-Hospital. Das kennt man überhaupt nicht. Es heißt wie zuvor Karmelitessenkloster. Und die frommen „Schwestern vom heiligen Kreuz", die neuen Bewohner, Karmelitessen. Die Frömmigkeit und stete Hilfsbereitschaft der Karmeli- tessen war sprichwörtlich geworden. „Wenn du durch Düsseldorf kommst, so gehe doch ein Viertelstündchen ins Karmelitessenkloster und verlange mit der Priorin zu sprechen. Du wirst hinter dem Stachelgitter, wo man Tiegertiere erwartet, die demütigste, erleuchtetste Kloster- frau, ein Bild alter heiliger Zeit, erscheinen sehen," schreibt 1822 Clemens Brentano. Damals war das Kloster schon aufgehoben und wartete, bis die letzten Bewohner ausstarben.

Das 1643 von Anna Maria von Knippenburg gegründete Kloster hatte in Jan Wellems Schwester Eleonore Magdalena, der späteren Gemahlm von Kaiser Leopold, seme besondere Gönnerin. Maria Anna, Herzogin von Sulzbach, war damals Priorin. Der Andrang zur Auf- nahme in den strengen Orden blieb immer gleich stark. Auch eine Tochter Grupellos trat in das Kloster em. Und der Meister verehrte ihm zwei wertvolle Kruzifixe eigener Hand. Das Kloster war bald zu klein. Jan Wellem stiftete im Jahre 1706 Grund und Boden und hundert- tausend Backsteine für emen Neubau und erschien selbst in Begleitung seiner Gemahlin und des Prinzen von Sulzbach an der Spitze des Adels und der Bürgerschaft zur feierlichen Grund-

Abb. 25. Düsstldorf Lbenulige Eintahrt in das Klosttr Üusseltal

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steinlegung. 1712 begann die Arbelt. 1714 stürzte die Kuppel der Kirche ein. Imfolgenden Jcihre war die Kirche wieder hergestellt. Man begann mit dem Bau des Klosters.

Als Blainville im Jahre 1 705 in Düsseldorf weilte, war weder das Kloster Düsseltal, noch der Neubau der Kapuziner und Karmelitessen schon in Angriff genommen. Das Innere der Stadt sah noch recht wenig einladend aus. „Die meisten Häuser schlecht gebauet, die Straßen übel gepflastert. Man kan weder Tragsessel noch Miethskutschen hier haben, welches für Fremde eine große Beschwerlichkeit ist. Wir hatten viel Mühe, eine Herberge zu finden, und mußten für eine sehr mittelmäßige ziemlich theuer bezahlen. Die Ursache davon ist, weil der Churfürst von der Pfalz, seitdem sein Palast zu Heidelberg von den Franzosen zerstöret, seinen Hof hier hält, und die Opera, die Comoedie und andere Lustbarkeiten, woran man hier einen Überfluß hat, eine große Menge Standespersonen aus allen Gegenden von Deutschland hierher locken, welche die Wirthshäuser anfüllen. Endlich stiegen wir vor einer Art eines kleinen Gefängnisses ab, wo wir uns zusammen presseten, bis wir eine andere etwas bessere Wohnung finden konnten, nachdem wir eine völlige Stunde auf den Straßen zugebracht hatten."

Aber zehn Jahre später konnte Erich Philipp Ploennies in seiner „Topographia Ducatus Montanl" erzählen, daß die Stadt ,,mit schönen ansehnlichen Häusern geziret und vermehret, da zuvor nur solche vorhanden, die denen Bürgern zwar genügsam, aber die Bediente, zumahl die hohe, zu logiren allzuschlecht waren und weilen jetzige hohe Obrigkeit von einem solchen erleuchteten Verstandt und Wissenschaft zu nennen, deren sie nicht eine genügsame Erkandtnuss und Wissen hätte, so ist diese Stadt mit allerhandt Künstlern, so immer zu erdencken, angefüllt, welches dann nicht nur die Stadt volkreich macht, sondern auch, daß solche von den Fremden mehr besuchet wird, vieles contribuiret."

Die vornehmste Straße Düsseldorfs, die des Adels und der hohen Beamten, freilich auch im Hause der „Stadt Venlo" (Nr. 30) die Geburtsstätte des weitbekannten und gerühmten „Düsseldorfer Mostert"*, war die Ritterstraße. Bei der Pulverexplosion im Jahre 1634 standen hier nur wenige Häuser, und zwar nur an der einen bebauten Seite nach der Straße Altestadt zu, ,, achter der Mauer am Pulverturm" genannt. Im Jahre 1684 ward beschlossen, die Straße auszubauen. Gleichzeitig trat unter Friedrich Christian Freiherrn von Spee, Frei- herrn von Nesselrode und Dr. jur. Contzen eine Kommission zusammen und beschloß, „daß des Zuzuges der vielen Handelsleute wegen und zur mehren Sicherheit des Gewerbes den Bürgern die Einquartierung zu entnehmen, für das Militär Baracken zu erbauen seien". Die Folge war der spätere Bau der heute abgetragenen Reuterkaserne am Rhein hinter der Ritterstraße. Das Haus Nr. 6 der nunmehr auszubauenden Straße errichtete im Jahre 1687 der Hofmaler Johann Spielberg; das Haus Nr. 10 der Vizekanzler Melchior Voetz. Sein und seiner Gattin Wappen schmücken heute noch den stattlichen Bau, der in neuerer Zeit allgemein als ,,Süße Ecke" bekannt ist. Den nächsten Bauplatz schenkte Jan Weilern im Jahre 1684

* Ferber: Historische Wanderungen usw. I. S. 2 ff. Hans Müller-Schlösser: Das schöne alte Düsseldorf. Düssel- dorf 1911. S. 68

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den Ursulinerinnen. Im folgenden Jahre begann der Neubau des Klosters, 1702 der der Kloster- kirche. Das Haus Nr. 16 bewohnte der General-Kriegs-Commissar und Marschall Friedrich Christian Freiherr von Spee. Im Nachbarhaus Nr. 18 wohnten der Geheime Rat Dr. Bingen und Franz Melchior Freiherr von Wiser; Nr. 26 der Geheime Rat von Ropertz usw. Dann Altestadt Nr. 6 der kaiserliche und königliche Kämmerer und kurpfälzische Generalleutnant Jacob Graf von Hamilton; Ratinger Straße Nr. 3 der Oberjägermeister Johann Franz Frei- herr von Weichs. Sein Wappen schmückt ebenfalls noch das Haus. Gegenüber der Kloster- kirche der Karmelitessen hatte sich 1713 der „hochedle Herr Joannes Franciscus Douven Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht hoffcammerrath und hoffmöhler" das stattliche Eckhaus Stiftsplatz und Krämerstraße erbaut (Abb. 41). Das von Jan Wellem selbst erbaute Eckhaus Marktplatz und Zollstraße hatte im Jahre 1 708 der Hofstatuarius Gabriel Chevalier de Grupello zum Geschenk erhalten (Abb. 57) usw. usw.

Vor dem Nordflügel des Schlosses lag das Churfürstliche Knaben- und Pagenhaus, das aber wohl noch aus der Zeit vor Jan Wellem stammen wird. Auf dem Grundstück des heutigen Justizgebäudes standen das Haus des Rüstmeisters Hermann Bongard, die Oper, der alte Marstall und dahinter der kurfürstliche ,, Tummelplatz". Das wären die wichtigsten Neuanlagen in der Altstadt aus der Zeit Jan Wellems. Dazu kämen die neuen Häuser auf der Zitadelle. Die heutige Zitadellstraße wird zwar erst im Jahre 1703 zum erstenmal als St .-Antonius-Straße angeführt, muß aber nach der Ankerinschrift an einigen Häusern (Abb. 44) und nach dem Stadtplan vom Jahre 1620 (Abb. 24) schon vorher teilweise bebaut gewesen sein.

Aber in diesem Düsseldorf ließen sich Jan Wellems Träume von antiken Foren mit Wandel- hallen und Kolossalstatuen nicht verwirklichen. Er hätte wohl an den Ausbau des Burgplatzes oder des Mühlenplatzes denken können. Aber nein, er dachte an eine Neustadt vor den Toren Düsseldorfs. Schon Wolf gang Wilhelm hatte die Grenzen der Stadt durch die Anlage der , .Extension" weiter hinausgeschoben. Es ist das Gelände zwischen der Zitadelle und der heutigen Königsallee etwa; nach Süden begrenzt von der Linie der Haroldstraße. Das alte Düsseldorf führte seinen Verteidigungsgürtel mit neuen Bastionen nach dem System Vauban um die Extension herum (Abb. 26). Aber auch dieses größere Düsseldorf konnte Jan Wellem, wie die Dimensionen eines Schloßprojektes ausweisen, das vom Rhein bis zu den östlichen Befestigungen innerhalb der noch kaum bebauten Extension keinen Platz gehabt hätte, nicht genügen. Jan Wellem wollte daher die Stadt nach Süden weiter ausbauen. ,,Vor einigen Jahren", teilt Ploennies im Jahre 1715 mit, „ist diese Stadt vor der sogenannten Bergerpforten aus gnädigster Befehl hoher Obrigkeit erweitert, denen so dahin bauen auf viele Jahre einige Freiheit vergönnet." Der Kern dieser Neustadt ist die breite Neußer Straße, die der Stadtplan vom Jahre 1764 mit stattlichen Neubauten und Gartenanlagen zeigt (Abb. 26). Es sind die, wie Müntz, der Kriegs- und Domänenrat, im Jahre 1740 berichtet, „schönen neuen Palais, welche aber abgelegen sind"*. Daneben war auch im Osten der Stadt vor den Toren eine

* Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins XV (1900). S. 165 ff.

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Reihe neuer Hof- und Gartenanlagen errichtet worden. Der vornehmste Bau der Neußer Straße war das im Jahre 1710 von dem 1708 durch Jan Wellem erneuerten Hubertus-Orden aufgeführte Hubertus-Stift (Abb. 46a).

Zur Bekrönung der Neustadt dachte der Kurfürst das neue Residenzschloß zu errichten.

Der Originalplan zu dem neuen Schloßbau, der das zerstörte Heidelberger Schloß ersetzen sollte, ,,pour replanter Heidelberg", wie Raparini berichtet, ist das Grandioseste, was Jan Wellem je vorgeschwebt hat. Er ist im Historischen Museum der Stadt Düsseldorf auf- bewahrt und bedarf gar keiner Erläuterung (Abb. 27). In der Mitte die große Cour d'honneur, umgeben von sieben weiteren Höfen. Der Mittelhof mit fünf Brunnenanlagen, im Sinne von Jacques Androuet Du Cerceaus Idealprojekten in reicher symmetrischer Grundfigur entworfen. Der nur bis zur Höhe des Erdgeschosses reichende, nach außen geschweifte Eingangstrakt, oben zu beiden Seiten des Eingangspavillons mit einer Plattform. Auch m den Ecken des Hofes waren oval geschweifte Trakte angelegt, hinter sich Zwickelhöfe bildend. Um den ganzen Hof sollten im Erdgeschoß Wandelhallen laufen. Neben Du Cerceaus Idealprojekten schwebten dem Baumeister die verschiedenen Entwürfe für den Louvre und die Tuilenen vor Augen. Vor allem aber die Gartenfassade von Versailles: Jeder der beiden Seitenflügel der Vorderfront des Düsseldorfer Schlosses sollte drei Risalitbauten erhalten, und zwar, wie in Versailles, den mittleren breiter. Das Erdgeschoß gequadert, das Obergeschoß mit den charakteristischen quadratischen Barockfenstern mit Ohren an den Ecken. Darüber als Attika eine Balustrade mit Plastiken, Vasen oder Trophäen geschmückt. Aber der Düsseldorfer Baumeister dachte sich seinen Entwurf noch weit großzügiger. Die einzelnen Bauten um ein Stockwerk höher als in Versailles. Die Risalite weiter vorgezogen. Aus dem ersten Stockwerk sollte man eine große Plattform betreten können, die unten vor dem Erdgeschoß auf Arkaden ruht. Der reichen Grundrißlinie der Vorderfront ent- sprechend waren auch

das Gitter und die Abb. 26. Düsseldorf. Stadtplan vom Jahre 1764. V^i. Abb. 24.

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Böschungsmauern des Rheines geghedert. Versailles sollte übertrotfen werden: Für das Treppenhaus lag ein besonderes Projekt mit 158 Statuen von Antonio Bernardl vor. Raparini erzählt von dem „modele d'un escaher roial pour le bätiment d'une nouvelle Residence, qu'une fois qu'il soit mis en execution, il pourra etre mis au rang des anciennes merveilles de l'Asie ä present detruites et ensevelies. Cet escalier est compose et bäti dune maniere, qua de quel endroit qu'on regarde on voit dix branches du dit escaher. II tout ensemble prend la forme octangulaire. Cet escaher est correspondant ä tous les rangs des Appartements des Princes et est orne de 158 statues avec ses pledestals. Par le milieu du dit escalier il y a le passage pour les carosses clnquante pieds de large. La hauteur est de deux cent et vint quattre pieds, la largeur deux cent trente deux. La voute est de la hauteur cent et vint cinq pieds, la largeur cent trente six."

Schon dieses Treppenhaus muß Erstaunen erregen, und der Vergleich mit den gewaltigen Wunderbauten des Orients ist schon berechtigt. Aber es war nur ein Glied des phantastischen Entwurfs. Die bebaute Fläche um die Höfe wäre viermal größer denn das Schloß zu Berlin geworden! Hmter der neuen Düsseldorfer Residenz war noch ein Lustgarten im Stile Lenotres geplant mit Wasserkünsten, Hallen und Terrassen. Und als Abschluß zunächst ein Lusthaus. Ein Kuppelbau mit vier Eckpavillons auf einer breiten Terrasse, zu der weit aus- ladende Treppen hinauf geleiten. Zu beiden Seiten vor einer architektonisch gegliederten Kulisse je eine Brunnenanlage. Dann einstöckige Wandelhallen, deren eine Hälfte, wie der Eingangsflügel vorne im Haupthof des Schlosses, wieder oval zum Lusthaus geschwungen Hegt. Hinter dem Lusthaus dann als Abschluß der gesamten Anlage eine Baugruppe, die wieder ein vollständiges Schloß für sich darstellt. Ein ovaler offener Mittelhot mit Zwickel- höfen und zu Seiten je eine große quadratische Hofanlage*. An Einheitlichkeit der Symmetrie und Großartigkeit des Entwurfs kann keiner der Schloßbaupläne des 17. und 18. Jahrhunderts wetteifern. Ausgeführt, wäre Jan Wellems neuer Schloßbau in der Tat ein achtes Weltwunder geworden. Es ist dieses Mal keine Übertreibung, wenn der sonst mehr rhetorisch denn sach- liche Raparini um das von ihm gezeichnete Bild des Baumeisters, im Hinblick auf das Düssel- dorfer Schloßprojekt die Umschrift setzte:

Septem prisca orbis miracula protulit aetas, Octavum solus stueres Joanne lubente.

Der Baumeister war der schon erwähnte Matteo Graf de Alberti aus Venedig, ein Bruder des Beichtvaters der Kurfürstin, der vielleicht die Berufung Matteos nach Düsseldorf mit veranlaßt haben wird. Außer den Beiden nahmen auch noch die Brüder Sebastiano und Nicola am Hofe Jan Wellems höhere Stellen ein. Ein fünfter Bruder, Giovanni, war diplo- matischer Vertreter des Kaisers bei der Republik Venedig. Der einheimische jülich-bergische Adel begegnete den italienischen Grafen und der Gunst, die das kurfürstliche Paar diesen

* Vgl. Paul Clemen im Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1902, S. 181 187.

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Alil). 27. Scliloßprojtkt des kurfürstlichen Oberbaudirektors Nnch dem OriRinalplnn im Histoi

hias Grafen von Alberti für die Neiistaflt von Düsseldorf •n Museum der SlaHt Düsseldorf;

entgegenbrachte, mit Neid und Intrigen. Man bezweifelte die Echtheit des Grafenwappens und bezeichnete anfangs in amthchen Schriftstücken ihre Träger nur als einfache Edelmänner.

Matteo hatte in Paris studiert. Aus der Touraine hatte er seine Frau heimgeführt, und oft reiste er zu Studienzwecken und geschäftehalber wieder nach Frankreich. Er versuchte im Jahre 1698, Ludwig XIV. in Versailles und Fontainebleau für seine Erfindung zu inter- essieren, „den nächst gelegenen Hafen zur Vereinigung zweier Meere zu vertiefen"*. 1706 war er kurpfälzischer Major, später Generaladjutant Jan Wellems, Generalwachtmeister und Superintendant der kurfürstlichen Bauten. Raparini nennt ihn ,,castrorum praefectus et supremus aedificiorum director" und ,,de l'ordre des citoyens, de qui le feu et la vivacited'in- venter, de desseigner et d'orner, aiant charme l'esprit du Prince, a sfu dans la suite meriter, et puis surmonter I'envie dune cour entiere, qui ne manque jamais de gens incompatibles avec les gens de distinction et de mente". Matteo war Mitglied der von dem berühmten ,,Pere Coronelly" gestifteten Akademie der Argonauten zu Paris und starb am 31. August 1715.

Wie das Kaiserreich im Orient, so blieben auch das Königsschloß zu Düsseldorf und die neue Befestigungsanlage, die um die Neustadt gedacht war, ein unausführbarer Plan. Die Finanzen des Landes waren zerrüttet. Schon im Jahre 1701 waren die Stände auseinander- gegangen, ohne die verlangte Erhöhung der Landessteuern zu bewilligen. Jan Weilern drohte, in Zukunft einfach ,, kraft Landesfürstlicher Gewalt und Autorität, ohne Landesstände mehr darumb zu beschreiben und zu berathschlagen", die erforderlichen Summen jährlich ein- treiben zu lassen. Zur Zeit des Schloßbauprojektes war der Konflikt am schärfsten zugespitzt. Jan Wellem hatte ein geheimes Kriegskommissariat errichtet, das ohne jede Kontrolle der Stände den größten Teil der Landeseinnahmen verschlang. In den Jahren 1704^1709 soll der Kurfürst seinem Lande nicht weniger als acht Millionen Reichstaler Schulden aufgebürdet haben, sagt man. Dabei ,, versicherte man uns," berichtet BlalnviUe, ,,daß der Churfürst in Friedenszeiten ein jährliches Einkommen von drey Millionen Gulden habe, und daß es zu- weilen auf viere steige". Die Stände hätten daher einfach mit dem besten Willen die nötigen Mittel für den Schloßbau nicht aufbringen können.

Meister Matteo konnte aber, wenn auch in stark reduzierter Gestalt, an anderem Orte seinen Schloßplan für Jan Wellem ausführen. Hoch oben auf den bewaldeten Höhen von Bensberg, gegenüber der alten Burg der Grafen von Berg, die schon um die Mitte des 12. Jahr- hunderts in das Land hinausragte. Der Bau hat eine bewegte Geschichte erlebt, ist oft belagert, beschädigt, dann wieder verstärkt worden. Er war Sitz bergischer Burg- und Amtmänner oder Witwensitz bergischer Gräfinnen und Herzoginnen. In der Geschichte von Kurköln kehrt sein Name oft wieder. Es war ein Hauptwaffenplatz von Berg gegen den Kölner Erzbischof. Der reiche Königsforst, der ihn umgibt, zog immer wieder den jagdliebenden Landesfürsten zu der alten Bensberger Burg.

* „Per escavare il Porto piii vicino all' unione de due Mari." Die Sache ist nicht ganz klar. Vgl. Levin a. a. 0., XX, S. 139.

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Abb. 28. Schloß Bensberg; heutiger Zustand. Vgl. Abb. 29, 30, 34, 33.

Jan Weilern war der alte Bau Indes zu eng geworden ; er ließ durch Graf Albertl und seinen Kanzler Johann Friedrich Grafen von Schaesberg westlich davon einen stattlichen Neubau aufführen, der nach der Inschrift im Jahre 1710 vollendet war*.

Das kurfürstliche Schloß zu Bensberg ist eine mächtige symmetrische Anlage (Abb. 28 bis 35). Aber der heutige Zustand der Schloßanlage, der auf eine „Wiederherstellung" der Jahre 1838 1842 zurückzuführen ist, einen unglücklichen Eingriff des 19. Jahrhunderts, gibt von dem stolzen Jagdschloß Jan Wellems ein ganz verzerrtes Bild. Man vergleiche die Grund- risse vor und nach der Wiederherstellung (Abb. 34, 35)! Zum Glück begegnet aber eine zeich- nerische Darstellung des früheren Zustandes, die ich versucht habe (Abb. 29, 30), an der Hand dieser Unterlagen keinen weiteren Schwierigkeiten, zumal der Eingriff des pietätlosen Restaurators von 1 838 auch im Material deutlich zu erkennen ist : Der alte Bau war in Back- stein aufgeführt, seine Ecken, Profile, Konsolen, Bogen, Fensterrahmen, Fortale, Balkone und Säulen aus Haustein. Die Zutaten des Restaurators sind aber aus Bruchstein (Abb. 28).

Der Mittelbau wird von einem achtseitigen, kupfergedeckten und elegant gegliederten Türmchen mit hohen runden Fensteröffnungen bekrönt, darüber je emem Ochsenauge. Um die ovale Grundfläche läuft eine viereckige Steinbalustrade. An den Ecken tragen korinthische Pilaster das stark verkröpfte Hauptgesims (Abb. 28). Die fünf Mittelachsen des Mittelbaues lagen aber einst weiter zurück. Die perspektivische Wirkung war daher reicher (Abb. 29). Säulen trugen damals vor den fünf Achsen einen Balkon, ähnlich denen an der Rückseite des Schlosses (Abb. 31, 32, 33). Die gleichen Balkonanlagen hatte Meister Matteo für das Düssel- dorfer Schloß vorgesehen (Abb. 27). Heute treten die zweiachsigen, mit Turmhauben

* Vincenz von Zuccamaglio: Geschichte und Beschreibung der Stadt und des Kreises Mülheim am Rhein, Köln 1846. Harleß i. d. Annalen des Vereins vom Niederrhein XXV. Giemen: Kunstdenkmäler des Kreises Mülheim am Rhem. Düsseldorf 1901. Ausführlich mit der ehemaligen Innenausstattung in dem in Vorbereitung befindlichen Werk des Ver- fassers über Jan Weilern.

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bekrönten Seitenrisalite des Mittelbaues nur wenig vor und Hegen mit den fünf Mittelachsen fast In einer Front (Abb. 28). Seltenflügel schließen rechtwinklig die Cour d'honneur. Den zweimal zweiachsigen Treppentürmen an den Enden der Seitenflügel ward wieder eine mit einer achteckigen Laterne bekrönte Haube aufgesetzt, entsprechend den Seitenrisahten am Mittelbau (Abb. 29). Die so gebildete innere Cour d'honneur weitet sich zu einer Cour prin- clpale aus, einer großen place d'armes, einem ausgedehnten Paradeplatz, auf den von dem einstigen Balkon des Mitteltraktes herab Jan Wellem Heerschau halten konnte. Die seitlich zurücktretenden Flügel, die die Cour prlncipale einrahmen, sind nur dreistöckig, also um ein Geschoß geringer als der hufeisenförmige Hauptbau. Dreieck- und Flachbogenglebel wechseln in ihrem Mittelgeschoß. Das Obergeschoß ist als Mezzanin angelegt. Das Erd- geschoß mit reicher offener Bogen- und Pilasterarchitektur gegliedert (Abb. 30). Hier liefen einst loggienartige Galerlen, die heute indessen vermauert smd, zu beiden Seiten des Hofes, bogen dann auch in die äußeren, über die Breite der Flügelbauten in die Terrassen weiter vorgezogenen Schmalseiten ein. Damit war indes die Anlage noch nicht vollendet. Wie uns das Bild einer Medaille in Raparinis Handschrift und Weenlx' Darstellung zeigen, waren noch zwei äußere und noch weiter ausladende Seitenflügel geplant, flach gedeckt und nur

Abb. 29. Schloß Bensberg. Wiederberstellungsversuch des ehemaligen Zustandes von Richard Klapheck. Vgl. Abb. 28, 30, 35.

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einstöckig. Reich profiliert, mit Pilastern die Wände gegliedert und oben auf der Balustrade mit Statuen geschmückt (Abb. 30). Ähnlich den Wandelhallen neben dem Lusthaus am Ende des Gartens des Düsseldorfer Schloßprojektes (Abb. 27). Die Einfahrt in den Hof geht wie bei diesem über einen geschweiften Terrassenbau.

Es ist eine echt französische Schloßanlage. Alberti war der gelehrige Schüler der großen Franzosen Leveau und Hardouin-Mansart. Das Vorbild von Versailles ist auch bei dem Bens- berger Schloß klar zu erkennen. Das Zurücktreten der Seitenbauten, um den Mittelbau nicht zu verdecken, und die Kniestellung der Hofgebäude, um die Breitenwirkung der Hauptfassade zu steigern. Schloß Bensberg steht damit übrigens nicht vereinsamt auf nordwestdeutschem Boden. Schon in den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts, von 1703 bis 1712, hatte Gottfried Laurenz Pictorius für Friedrich Christian von Plettenberg, den Fürstbischof von Münster, in Nordkirchen ein Chäteau ä la Versailles aufgeführt. Aber das Detail blieb münsterisch- holländisch*, während Alberti auf Bensberg den Aufbau in seiner eigenen Heimatsprache der italienischen Hochrenaissance gliederte. Man studiert das Detail am besten an der Rück- front (Abb. 31 33). Die von Säulen getragenen seitlichen Balkone, das ehemalige, jetzt zum Fenster umgewandelte Mittelportal, die reichgegliederten Gesimse, die Eckverklammerung, die Fensterprofilierung und das von Steinkonsolen getragene Hauptgesims, das um den ganzen Bau läuft. Die Hoffassaden zeigen die gleichen Detailformen.

Albertis Hauptmitarbeiter am Schloßbau zu Bensberg war Aloysius Bartolus oder Bartoly aus Venedig**. Aber neben ihm benötigte der gräfliche Baumeister für den Ausbau fast den ganzen Stab der kurfürstlichen Künstlerschaft. Grupello arbeitete Statuen. Vielleicht waren sie, neben dem Garten, auch für den Schmuck der Außenflügel bestimmt. Das schon erwähnte Inventar von 1716 führt unter anderem von Grupello auch auf: „Eine statua, die unbefleckte Empfängnis ad 14 fuss hoch sambt der Welt Kuegel, welche zweymahl in Metall gegossen werden sollen. Wovon eine vor die Newstatt von Düsseldorf auf den großen Platz oder Marck stehen solte, die andere ebenso gross ad 42 fuss hoch undt zu Bensbergk im Schlossplatz stehen solle." Für den Hauptbau schuf Grupello das große kurfürstliche Wappen mit dem Pankopf, das 1721 am Mannheimer Schloß eine neue Heimat fand. Heinrich Charasky, in der Bestallung vom Jahre 1692 durch Jan Wellem „ein so excellenter Künstler" genannt, erhielt 1707 den Auftrag, ebenfalls Statuen für Schloß Bensberg zu liefern, die aber erst nach der „perfection angebracht werden sollten". Und neben Grupello und Charasky waren für den plastischen Schmuck der Treppenhäuser, Fassaden und Gärten noch andere Bildhauer tätig. Die reichen Stuckarbeiten der Korridore und Säle lagen in den Händen italienischer und französischer Künstler. Die französischen siedelten sich im nörd-

* Kerckerinck-Klapheck: Alt-Westfalen. S. XXIX u. Abb. 228-233. ** Über Bartolus berichtet Raparini: „Sur la connaissance qu'j'ay du merite du dit mons. Bartoly, et sur la certitude de ses plus hauts progres lorsqu'il voudra agir emancipe de dirrection aiant Thonneur d'etre dans ce noble Service Electoral, dans lequel il fait paraitre beaucoup de zele et de diligence, je mets ici son portrait.

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liehen Teil des Dorfes Bensberg an, der heute noch den Namen Klein-Frankreich führt. Antonio Pellegrini, Antonio Belucci und Domenichino Zanetti malten die Räume aus. Jan Weenix schuf zwei Galerien mit Hirsch- und Saujagden. Goethe war begeistert von diesen Bildern: „Was mich daselbst über die Maßen entzückte, waren die Wand- verzierungen von Weenix. Wohlgeordnet lagen alle Tiere, welche die Jagd nur liefern kann, rings umher wie auf dem Sockel einer Säulenhalle; über sie hinaus sah man in eine weite Landschaft. Jene entlebten Geschöpfe zu beleben," liest man in ,Wahrheit und Dichtung', ,, hatte der außerordentliche Mann sein ganzes Talent erschöpft und in Darstellung des mannigfachsten tierischen Uberkleides, der Borsten, der Haare, der Federn, des Geweihes, der Klauen, sich der Natur gleichgestellt, in Absicht auf Wirkung sie übertroffen." Die Bilder schmücken heute die Sammlungen auf Schloß Schleißheim und der alten Pinakothek zu München. Schoonjans malte für Bensberg eine Folge von großen ,,Tableaux allegoriques tires de la fable", wie Pigage angibt, und für einen der Hauptsäle Jan Wellems lebensgroßes Reiterbild. Das imposante Bild ziert heute das Bayerische Armeemuseum zu München.

, .Dieses neue Schloß ist 1706 angefangen worden und nunmehro fast ganz ausgemacht," berichtet Ploennies. „Die Situation gedachten Schlosses, oder vielmehr der Prospect desselben, ist ungemein schön, sintemahl mann von dar bis nacher Cöln, ja noch weit über Cöln in das Cölnische Landt weit weg sehen kann, dann es liegt so hoch, dass man über alle herumbliegende Waldungen, deren es viel da herumb hat, mit einem ungehinderten Gesicht frey weg siebet, und ohnerachtet es so hoch gelegen, stehet es doch auf keiner Praecipice, sondern man kann mit grossem gemach hinauf gehen, reiten und fahren ; die Grösse gedachten Schlosses ist auch solcher Gestalt inacht genommen, daß es einem König nicht zu klein würde fallen darin zu wohnen. Inwendig ist das Schloß aufs Schönste geziert, nicht allein mit Stuckaturarbeit, sondern mit künstlichen Gemählten. Auswendig präsentiert es sich wegen seiner Grösse sehr ansehn- lich, und ist alle Regularität, die in der Architektur zu observieren nöthig, daran gebraucht worden. Man wird weit in Teutschland reisen, ehe man dergleichen zu sehen antreffen wird." Und nicht weniger waren voll des Ruhmes über den Prachtbau und seine glänzende Innen- ausstattung Johann Heinrich Merck in der „Malerischen Reise nach Koelln, Bensberg und Düsseldorf" im „Teutschen Merkur" vom Jahre 1788 und Dielheim 1744 im „denkwürdigen und nützhchen Rheinischen Antiquarius".

Auf die spätere Geschichte des stolzen Schloßbaues komm^e ich noch zurück. Ich möchte hier nur noch einmal sein trauriges Schlußkapitel erwähnen, seine Umgestaltung zum König- lich Preußischen Kadettenhaus durch den Garnisonbaudirektor Hauptmann Schnitzler in den Jahren 1838 1842. Man hat wohl kaum ein zweites Denkmal unserer heimischen Ge- schichte derart verschandelt wie Jan Wellems Jagdschloß zu Bensberg. Dabei betrugen die Kosten der Entstellung nicht weniger denn 146450 Taler! Von den Änderungen am Außen- bau war schon die Rede. Es wurden dabei nicht allein die schönen offenen Galerien der Flügel der Cour principale zugemauert, sondern auch auf dem Nordflügel die innere Galerie

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Abb. 31. Schloß Bensberg; Rückfront. Vgl. Abb. 32, 33, 34, 35.

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mit Ihrem reichen Schmuck beseitigt und mit den angrenzenden Räumen zu einem Speisesaal ausgebaut. Der Grundriß erhielt ein ganz verändertes Bild (Abb. 34, 35). Die Treppen- türme wurden zu Wohnräumen hergerichtet und die Treppenhäuser verlegt, dabei natürlich die Deckenmalerei der alten Treppen bis auf das Kuppelgemälde von Pellegrini (Abb. 37) vernichtet. Auch die übrige Malerei wurde zum großen Teil abgeklopft und überstrichen!! Die kostbaren Stukkaturen abgeschlagen. Die Marmorkamine aus den Haupträumen heraus- gerissen, ebenso die Balkongitter! Die Kapelle wurde ganz abgetragen! Erst der verständnis- volle Kommandeur der Kadettenanstalt, Oberstleutnant Schwarz, hat in den Jahren 1895 bis 1896 eine Wiederinstandsetzung der wenigen Reste des einstigen dekorativen Schmuckes veranlaßt. Was heute auf Schloß Bensberg zu sehen ist, ist aber nur noch ein dürftiges Überbleibsel der früheren prunkvollen Ausstattung.

Im südlichen Außenflügel der Cour principale zeigt die seit dem Schnitzlerschen Umbau verschlossene Galerie noch den alten Schmuck (Abb. 36). über den Wandpfeilern steigen acht stukkierte Gratgewölbe auf. Die Grate mit groß gelappten Akanthusblättern. In jedem Gewölbe eine Vierpaßform. Und über den Türen Trophäeu, Büsten in römischer Tracht, von Wild und Jagdzeug umkleidet. Ebenso ist in der Durchfahrt zwischen den Treppen- türmen und den äußeren Galerieflügeln noch die alte Stuckdecke zu sehen, über den wirkungs- vollen Hausteinportalen sind wieder freimodellierte Jagdszenen dargestellt, und in den Ecken halten aufrecht auf den Hinterpranken stehende Löwen in den Vordertatzen Laternen. Von den Treppentürmen ist aber leider nur der Schmuck der Decke erhalten. Im nördlichen der Sturz des Phaethon. Eine gran- diose, flotte Malerei von Pellegrini (Abb. 37). In kühner Verkürzung bäumt sich das Viergespann in den Wolken auf, sich überschlagend, während hoch oben Jupiter, von den Schwingen des Adlers durch die Lüfte getragen, die Blitze auf den unglücklichen Phaethon schleudert, der kopfüber aus dem Wagen in die Tiefe stürzt. Die stumpfen Farbtöne sind ausgezeichnet zueinander abgestimmt. Rotgelbe Wolkenballen auf blauem Himmel und rotgelb der Mantel des Phaethon. Aus der Mitte der seitlichen Wände des Turmes schneiden Ochsenaugen in die Kuppel ein (Abb. 37, 1). Darunter halten reich- ^ ,„„ , ,. ., , ,, 1 bewegte, schwebende Puttenpaare Medaillons mit

Ahb. 36. Schloß Bensberg; korriJor des südlichen r i i i i wr J ^/r J"

Seitenflügels. Vgl. Abb. 35 dem pfälzischen Löwen, dem Wappen der Medici,

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Abb. 37. Schloß Bensberg. Deckengemälde im ehemaligen Treppenturm. Vgl. Abb. 1, 3, 29, 35, 38 und Bd. I, .^bb. 346.

der Kurfürstin und dem Reichsapfel unter dem Kurhut. Reichsapfel mit Kurhut war das Wappen des Erztruchsessen des Reiches (Abb. 1, 3 und I. Abb. 346). Diese Würde war 1706 Jan Wellem zugefallen, als Kurfürst Maximilian von Bayern vom Kaiser in die Reichsacht erklärt worden war. Der Friede zu Rastatt nahm aber wieder Jan Wellem das Erztruchsessen- amt. In den Ecken der Kuppeln des Treppenturmes hat man in plastischer Stuckdekoration die vier Weltteile dargestellt, lebensgroße Frauengestalten, umgeben von den Erzeugnissen ihrer Länder, Putten und Symbolen vor einem ausgebreiteten Teppich (Abb. 38). Darüber schwebt ein gemalter Adler. Der zurückgenommene Kopf hält Girlanden im Schnabel, die die gefessehen Sklaven zu beiden Seiten der mit reichem Stuckrahmen umgebenen Ochsenaugen aufnehmen. Im südlichen Treppenhaus hat Pellegrini den Sturz der Giganten dargestellt. Die Einrahmung der Ecken und Ochsenaugen ist ähnlich der vom nördlichen Treppenturm. Jan Wellem hatte in seinen Diensten eine nur allzu vielsprachige Künstlergesellschaft, Meister vom Niederrhein und aus Süddeutschland, Niederländer und Belgier, Italiener und

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Abb. 38. Schloß Bensberg. Eckdekoration an der Decke eines der ehemaligen Treppcnlürme.

Vgl. Abb. 1, 3, 29, 35, 37 und Bd. I, Abb. 346.

Franzosen. Ihr Einfluß auf die heimische Wohnbautätigkeit in Düsseldorf konnte nicht aus- bleiben. Wolfgang Wilhelms Jesuitenkirche und Philipp Wilhelms Schloßbau zu Benrath hatten schon eine fremde süddeutsch - italienische Note an den Niederrhein getragen (I. Abb. 212, 341, 342). Aber der Wohnbau und das gesamte Stadtbild hatten ihren einheit- lichen niederrheinischen Charakter behalten. Unter Jan Wellem wandeh er sich. Wer aufmerksamen Auges auf seinen Wanderungen durch die Altstadt die leider nur wenigen erhaltenen Bauten der Zeit studiert, wird leicht die Mannigfaltigkeit der Bauformen gegenüber den einheitlicheren in den stromabwärts gelegenen Städten feststellen können. Die Alberti, Bartolus, Riva, Reiner, Cagnon, Martinelli, du Bois usw. haben zwar die traditionellen bau- künstlerischen Beziehungen zum unteren Niederrhein und den Niederlanden nicht gänzlich unterbinden können. Man nehme nur die schöne Partie am Stiftsplatz (Abb. 40, 41). Ein echtes niederländisch -niederrheinisches Kirchplatzidyll. Der alte Platz um St. Lambertus mit seinen alten Stiftshäuschen (I. Abb. 192, 198) hätte sich kaum einen stimmungsvolleren Ausbau denken können. Gibt es denn etwas Bescheideneres als den alten Klosterbau der Karmelitessen, einen schlichten Backsteinbau, aber mit seinen hell leuchtenden Haustein-

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fensterrahmen wieder von farbenfroher Freundlichkeit (Abb. 40). Nur der Eingang hatte sich etwas Schmuck erlaubt. Der Türrahmen hatte hier reichere Profilierung erhalten. Das Oberlicht ward von Voluten eingefaßt, ebenso das darüber angebrachte Wappen. Sein Rahmen reicht bis an das Fenster im ersten Geschoß, das indes wieder ebenso schmucklos ist wie seine Nachbarn. Eine vornehm zurückhaltende Bescheidenheit, wie sie, außer in den Nieder- landen, sich nur noch bei den gleichzeitigen Backsteinbauten im Münsterlande wiederfindet*. Diese taktvolle Zurückhaltung des Klosters wollte nicht allein auf die gegenüberliegende Kirche des heiligen Lambertus Rücksicht nehmen, sondern war auch darauf bedacht, der Fassade der Klosterkirche das wirkungsvolle Relief zu geben. Das Verhältnis der Bau- massen zueinander ist wundervoll! Das in der optischen Verkürzung allmähliche Aufsteigen der Profile des Klosters, der Querschiffe und der Fassade des Kirchleins. Die Schmucklosig- keit des Klosterbaues ließ mit so wenigen Mitteln die Fassade der Kirche zur Geltung kommen,

Kerckerinck-Klapheck: Alt-Westfalen. Abb. 52-54, 61, 78. 82. 203.

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Abb. 39. Düsseldorf. Haus Douven, Altestadt Nr. 1; Stuckdecke Vgl. Abb 41.

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nämlich das Barockportal mit dem Oberfenster und die Seitennischen, eingerahmt von hohen Backsteinpilastern, die über dem haustemernen Hauptgesims und dem Gebälk emen Flach- giebel tragen. Darüber ragt das Dach mit dem Vierungstürmchen hmaus.

Die Kirche ist kreuzförmig angelegt mit gleich kurzen Armen; die seitlichen abgerundet, über den flachen Tonnen der Kreuzarme steigt die flache Vierungskuppel auf. Das Innere zeigt eine stimmungsvolle Raumgestaltung und Raumausstattung. Antonio Bernardi, der kurfürstliche Theatermaler, hatte die Decke mit einer Schemarchitektur ausgemalt. Der Außen- bau der Kirche und des Klosters hat aber mit Jan Wellems italienischen Künstlern weiter nichts zu tun. Die Gliederung des Portals mit dem Oberlicht an der Fassade der Kirche und die zusammenfassende architektonische Hausteinumrahmung erinnern an ein Bürgerhaus auf dem Großen Markt zu Cleve (I. Abb. 332). Sie zählt ebenso in das Kapitel des den unteren Niederrhein beherrschenden holländischen Klassizismus wie die Pilasterarchitektur der Fassade.

Man könnte noch auf das Pfarrhaus zu Rheinberg vom Jahre 1729 und auf Jacob Sprengers Rathaus zu Geldern von 1724 verweisen (I. Abb. 334, 339). Aber auch die Grundrißanlage des Kirch- leins ist auf den Einfluß des holländischen Klassizismus zurückzuführen. Schon Hendrik de Keyzer hatte für dieNoorder- kerk in Amsterdam, die in den Jahren 1620 1623 Hendrik Staets ausführte, ein griechisches Kreuz zugrunde gelegt. Hendrik Dankerts „Architectura Mo- derna" (1628) entwickelte die Idee des Zentralbaues weiter. Conraet Roleffs Noorderkerk zu Groningen (1660-1664), die Oosterkerk zu Amsterdam, Martin Fabers Neue Kirche zu Emden (1643 bis 1 648), vor allem Arent van 's Grave- sandes Mare Kirche zu Leiden (1639 bis 1648) könnten noch angeführt wer- den. Der Name des Baumeisters der Kirche der Karmelitessen zu Düssel- dorf ist leider nicht bekannt*.

Abb. 40. Düs

der Karmelitessen.

* Georg Galland: Geschichte der holländischen Baukunst und Bildnerei usw. Frankfurt a. M. 1890. S. 1 83, 289, 290, 3 1 1 . 3 1 2. - Wie die Pilasterarchitektur.

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Das der Kloslerkirche der Karmelitessen gegenüberliegende Douvenhaus an der Ecke der Krämerstraße atmet die gleiche Ruhe des holländischen Klassizismus (Abb. 41). Es ist nur recht schade, daß der Bau später verputzt worden ist. Vor einigen Jahren konnte man den ursprünglichen Zustand wenigstens noch an der seitlichen Fassade sehen : die Ecken ge- quadert, den Sockel und die Fensterrahmen aus Haustein, den Grund sonst aus scharf gefugten Backsteinlagen. Der moderne Tünchermeister, der die Fensterrahmen dunkel angelegt hat, damit sie nicht bei ihrem geringen Relief auf dem nunmehr hellgrauen Grund verschwinden, hat aber den eigentlichen Witz der charakteristischen Fassadengliederung ganz und gar miß- verstanden. Er hätte, wenn er schon die Backsteinflächen zu tünchen hatte, nicht allein die Eckverquaderung ebenfalls dunkel tönen müssen, nein, vor allem die Pilaster des Zwischen- stückes über der Tür und unter dem darüber gelegenen Fenster im oberen Geschoß. Am

so beschäftigte auch die kirchhche Zentralanlage des holländischen Klassizismus am Ausgange des 17. Jahrhunderts den führenden münsterländischen Baumeister Petrus Pictorius. Vgl. Kerckerinck- Klapheck, a.a.O., Abb. 199. Es handelt sich um dieselben Beziehungen wie am Niederrhein. Vgl. I. Bd., S. 322, 323.

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Abb. 41. Düsseldorf. Altestadt. Rechts Haus Douven. Vgl. .Abb. 39

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besten hätte er das ganze Zwischenstück dunkel halten sollen. Denn der Reiz bestand doch gerade darin, daß die verkröpfte und nur wenig risalitartig vorspringende Türeinfassung mit dem besonders hervorgehobenen und eigens mit einem Flachgiebel geschmückten Mittelfenster eine zusammenfassende einheitliche Rahmenkomposition bildet, wie an der Fassade der Kloster- kirche und an dem erwähnten Haus auf dem Großen Markt zu Cleve (I. Abb. 332).

Die schräg zur Straße im Winkelpunkt zweier Bauflügel angelegte Kapelle der Karmelltessen ist der städtebaulich wirkungsvolle Abschluß der Krämerstraße vom Burgplatz her. Das Gegen- stück ist die Baugruppe an der Ecke der Flinger Straße, dort, wo die Marktstraße ausläuft (Abb. 43). Das zweite Haus Nr. 3, Haus Krischer, mit dem hohen rechteckigen Aufbau, mit einem Flachgiebel bekrönt, und die Zwickel mit Voluten und ornamentalem Zierat ge- schmückt, könnte an den Amsterdamer Grachten stehen. Leider hat das Haus später ein neues Untergeschoß erhalten; nicht weniger schade ist es, daß die Backsteinfassade wieder nachträglich verputzt worden ist. Sie wirkt jetzt flau. Der Eckbau nebenan, das Haus zum

goldenen Helm genannt, ebenfalls mit modernem Ladeneinbau, hat seinen Giebel mit Amsterdamer Kränzen der Jacob van Kampen und Philipp Ving- boons geschmückt (vgl. I.Abb. 331). Ebenso unter den von Konsolen getragenen Fensterstürzen das reizvolle zweistöckige Häuschen Zitadellstraße Nr. 7 vom Jahre 1684, das später einen anmutigen Mittelrisalit erhalten hat. Einen Erker, unten zu Seiten der Haustür von Pilastern getragen und oben mit einem Giebelchen bekrönt (Abb. 44). Der Schmuck der Girlanden ist bei beiden Bauten aber nur noch ein äußerer Zusammenhang mit dem holländischen Klassizismus. Die barocken Fensterrahmen und Profile, die Aufteilung der Fassade und der eigenartige Giebel zeigen mehr verwandte Züge mit den Arbeiten, die sich um Alberti und seinen Kreis sammeln.

Ich möchte diesen Meistern auch die Bebauung der Neußer Straße zuschreiben, um so mehr, da die monumentale Bekrönung der Neustadt, das neue Residenzschloß, in den Händen des Ober- baudirektors lag. Zu beiden Seiten der von Baum- reihen begleiteten Straße waren breite und hohe Fassaden vorgesehen, möglichst mit durchlaufen- Abb. 42. Düsseldorf. Marktstraße. dem Hauptgcslms Und gleichen Stockwerkhöhen.

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Die hohen rechteckigen Fenster des ersten Geschosses von schhchten, nur wenig profiherten Rahmen eingefaßt. Als Fensterbekrönung eine horizontal überstehende Deckplatte. Die Fenster des Obergeschosses meist quadratisch mit barocken Eselsohren an den beiden oberen oder auch an allen vier Ecken (Abb. 46 a). Hier und da hatte das Fenster der Hauptachse im ersten Geschoß über dem Fortal wohl eine andere Giebelform erhalten. Sonst aber sollten die einzelnen Fassaden möglichst einheitlich gestaltet werden ; in dieser Einheitlichkeit schwebte Jan Wellem die monumentale Auffahrt zur neuen Residenz vor Augen.

Neben dem Entwurf für das neue Schloß zu Düsseldorf, beziehungsweise dem ausgeführten Bau zu Bensberg, hat noch ein anderes Schloß nicht unwesentlichen Einfluß auf die bürger- liche Baukunst Düsseldorfs gehabt, und zwar der vornehmste Edelsitz des oberbergischen Landes, Schloß Ehreshoven*. Seitdem Wilhelm von Nesselrode (f 1399) Jutta, die Erb- tochter des schon im Jahre 1313 auf Ehreshoven genannten Geschlechtes der Herren von Yrishove oder Irenshoven, heimgeführt hatte, ist der Besitz bis heute bei den Herren und späteren Reichsgrafen vonNessel- rode geblieben, die in den Tagen Jan Wellems und Karl Theodors von der Pfalz in der bergischen Landeshauptstadt einen wichtigen politischen Einfluß hatten. Ein Freiherr von Nesselrode war, wie wir bereits erfuhren, im Jahre 1684 Mitglied der Kommission für den Ausbau der Ritterstraße in Düsseldorf. Das Absteige- quartier der Reichsgrafen von Nesselrode im 18. Jahrhundert steht heute noch in der Schul- straße am Ausgange der Zitadell- straße. Unter Karl Theodor war ein Graf Karl Nesselrode Minister .

Philipp Wilhelm von Nessel- rode, seit 1668 vermählt mit

* C lernen: Kunstdenkmäler der Kreise Gummersbach, Waldbroel und Wipperfürth. Bearbeitet von Edmund Renard. Dussel- dorf 1900. S. 92 ff. - F. W. Bredt und Bruno Hirschfeld: Oberbergische Burgen und Schlösser. Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimat- schutz. V S. 270 ff.

Abb. 43. Düsseldorf. Flinger Straße. HausK

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Maria Adriana von Leerodt, Heß gegen Ausgang des 17. Jahrhunderts Ehreshoven ausbauen. Vielleicht ist es derselbe, der 1684 in der Düsseldorfer Kommission genannt wird. Das alte, an der Rückfront noch erkennbare Herrenhaus aus dem 1 6. Jahrhundert erhielt eine hufeisen- förmige Hofanlage. Die vierseitige Vorburg ist aus der Hälfte eines auf einer Ecke stehenden Sechsecks konstruiert, hat in dieser Ecke, genau in der Achse des Hauptportals vom Herren- haus, das Eingangstor, während Wehrtürme mit barocken Hauben die beiden anderen Ecken schmücken*. Für unseren Zusammenhang ist aber die interessante Gesamtanlage nicht so wichtig als der Schmuck des Giebels und der beiden seitlichen Lukarnen des Herrenhauses (Abb. 45). Der flache Giebelbogen mit den Voluten wurde charakteristisch für eine Reihe der Düsseldorfer Bürgerhäuser. An zwei Bauten, Neustraße und Marktstraße, kehrt sogar die seltsame Umrahmung der runden Giebelfenster wieder: eine einfache runde Deckplatte als Giebelbekrönung; der Hausteinrahmen unten wie zwei Schleifenenden auslaufend (Abb. 42).

Dabei fällt einem noch ein, daß die nur wenig geschwungene Giebellinie des Eingangstores der Vorburg auf Ehres- hoven an die vom ,,Haus zum goldenen Helm" in Düsseldorf erinnert.

Der Baumeister des stolzen Edel- sitzes ist nicht bekannt. Bei den Be- ziehungen des Geschlechtes derer von Nesselrode zur bergischen Landeshaupt- stadt zweifle ich indessen nicht, ihn in dem Künstlerkreis um Jan Weilern suchen zu müssen.

Zwar im einzelnen die Tätigkeit der Meister bei dem Mangel an archi- valischen und monumentalen Urkunden heute genauer zu bestimmen, wird kaum möglich sein. Zusammenfassend wissen wir doch leider nur: Alberti hat mit Hilfe seines Hauptmitarbeiters Bartolus Schloß Bensberg erbaut und den Entwurf für das beabsichtigte neue Düsseldorfer Residenzschloß geschaffen. Lediglich

Abb, 44. Düsseldorf. Zitadellstraße Nr. 7

* Ansicht der Rückfront und des Eingangsiores beiCIemen-Renard a.a. 0., Abb. 57, und Bredt- Hirschfeld. Abb. 73. Grundriß bei Clemen- Renard Abb. 33; bei Bredt-Hirschfeld Abb. 73.

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Abb. 45. Schloß Ehreshoven. Mittelstück des Herrenhauses.

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Abb. 46. Düsseldorf. Stuckdecke aus dem Hause Scheidt -Weschpfennig, Altestadt Nr. 14.

die Vermutung, nach dem Detail der Bauformen und der Stellung des obersten Baubeamten des Landes, läßt darauf schließen, daß Alberti auch an dem Ausbau des alten Schlosses und der Neußer Straße beteiligt war. Von Paul Reiner, Reynertz oder Reinerts wissen wir nur, daß er in der Mühlenstraße den fürstlichen Marstall errichtet hat. Aber der Bau ist nicht mehr erhalten. Reiner war schon im Jahre 1672 in den Diensten Philipp Wilhelms und starb Ende März 1693. Der Hofarchitekt und Ingenieur Jacob du Bois war nach Raparinis Angaben der Erbauer des Galeriegebäudes. Dann ist nach Ferbers Quellenstudien noch die Arbeit eines vierten Baumeisters nachzuweisen: Cagnon, entweder Michael der Vater oder Constantin der Sohn, hat für den Kanzler Friedrich Grafen von Schaesberg das seinerzeit von dem Kriegskommissar und Marschall Friedrich Christian Freiherrn von Spee bewohnte Haus Ritterstraße Nr. 16 geschaffen*. Es steht heute noch und ist mit seinem unverputzten Backsteingrund und den gut gezeichneten Konsolen der Hausteinfensterbänke und Gebälke von vornehm schöner Wirkung und einer der besten Vertreter des neuen Düsseldorf Jan Wellems.

* Raparini nennt die Familie Canon. Michael Cagnon war in erster Ehe mit Adriana Jansen vermählt, gmg dann vor 1694 mit Sophia Maria Bast eine zweite Ehe ein. Zu der Familie des Marschalls von Spee unterhielt er gute Beziehungen. Die Paten eines seiner Kinder waren Anna Catharina von Loe zu Wissen, Friedrich von Spees Schwester, Johann Adrian von Loe und Friedrich von Spee. Vgl. Ferber: Historische Wanderung durch die alte Stadt Düsseldorf. 1889. I. S. 9. Levin a. a. 0., XX. S. 154 ff. - Lau a.a.'O., XXVI. S.241.

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Michael Cagnon war als Hofarchitekt und kurfürstlicher Kammerrat der Vorgänger von Jacob du Bois. Er wird als „Architectus et Ingenior" oder als „Architecta a Machinis bellicis" und „S. E. P. Architectus Supremus et camerae consiliarius" angeführt. Für St. Lambertus hat er den Hochaltar entworfen. Er starb im Jahre 1700. Sein Sohn Constantin ist der Erbauer der ehemaligen Kaserne in der Extension (Abb. 26).

Das ist einstweilen alles, was wir urkundlich über die Tätigkeit der Hofbaumeister Jan Wellems in Düsseldorf wissen, über die zahlreichen Kunsthandwerker sind wir nicht besser unterrichtet. Es fehlt zudem an erhaltenen Arbeiten. Aus dem ganzen 17. Jahrhundert ist beispielsweise nur eine reicher geschmückte Stuckdecke erhalten: Altestadt Nr. 14, in dem früheren Haus der Herren von Scheidt-Weschpfennig (Abb. 46). Der reiche Barockschmuck soll schon, wie Ferber angibt, im Jahre 1627 fertig gewesen sein*. Weit eleganter ist die Stuck- decke im Douvenhaus aus dem zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts (Abb. 39). Nehmen wir dazu noch die wenigen alten Treppenhäuser, so wäre das alles, was uns an Arbeiten der Innen- ausstattung der Bauten aus den Tagen Jan Wellems überkommen ist (Abb. 47 50).

So reich indes die Innenausstattung der Neubauten einst gewesen sein mag, im Äußeren blieben es nur schlichte Anlagen. Das Bürgerhaus hielt lange noch seinen alten nordischen Giebel bei. Die Bauten der Hofbeamten und des Adels suchten in den engen Straßen inner- halb der schmalen Giebelreihenhäuser durch eine breite, architektonisch gegliederte, seitliche Toreinfahrt zu den Ställen im Hinterhaus den Charakter von Hofanlagen zu bewahren. Bei

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Abb. 46 a. Düsseldorf. Hubertus -Stift. Originalzeichnung im Historischen Museum der Stadt Düsseldorf.

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Abb. 31. Düsseldorf. Giebelschmuck am ehemaligen Marstall des Jägerhofes.

ihrer breiteren Fassa- denentwicklung trat der Giebel mehr und mehr zurück ; und damit auch die male- risch bewegte Um- nßlinie. Man erzielte größere Flächenwir- kung. Ihr Reiz liegt in der Aufteilung der Fassade und in der klaren Zeichnung der Profile. Demgegen- über trat auch das Schmuckbedürfnis zurück. Reichere Gliederung blieb auf das Portal beschränkt. Die Auslese an alten Portalen ist aber ebenfalls nur noch gering. Das Hubertus-Stift zeigt die typische barocke Einrahmung mit Eselsohren, wie an den Fenstern, nur den Rahmen reicher profiliert (Abb. 46 a). Ein Haustürtyp, der noch verschiedentlich in Düsseldorf wiederkehrt*. Eleganter ist das Pilaster- portal Neußer Straße Nr. 8 mit plastischem Schmuck und gegliederten Konsolen, die einen verkröpften Aufbau tragen (Abb. 56). Das reichste Beispiel ist das heute zum Fenster um- gewandelte Portal vom Grupellohaus am Markt (Abb. 57). Vielleicht, daß der Entwurf von dem Bildhauer selbst stammt. Er, der in allen Techniken zu Haus war, der Bronze- gießer, Marmorarbeiter, Wachsmodelleur, Holz- und Elfenbeinschnitzer, der scheinbar einen großen Schülerkreis um sich versammelt hat, wird auch als Ausgangspunkt der reichen Holzschnitzereien an Haustüren und Torbogenfüllungen anzusprechen sein. In die Haustüren sind Zickzackbänder eingeschnitzt, oben ein abwechslungsvoll gearbeiteter Ranken- fries, in dessen Mitte Engel- oder Tierköpfe oder Symbole, das Ganze von einem gedrehten Rundstab eingerahmt (Abb. 52 56)**. Ganz ausgezeichnet sind die geschnitzten Lünetten an den Portalen Akademiestraße Nr. 1 und Neußer Straße Nr. 12 (Abb. 58, 59). Das Glanz- stück dieser Schnitzerschule sind aber die Giebel vom ehemaligen Marstall des Jagdschlosses Jägerhof in Pempelfort, d. h. des früheren Schlosses. Karl Theodor von der Pfalz hat es um 1750 abtragen lassen, einen Neubau aufgeführt und von der alten Anlage nur den sogenannten Marstall behalten, einen langgestreckten, einstöckigen und schlichten Backsteinbau. Aber die Kunst Grupellos oder seiner Schule hat dem Bau drei wunderbare Dekorationsstücke gegeben, holzgeschnitzte große Giebelreliefs, Arbeiten von virtuosenhaftem Können. Ich

* Josef Kleesattel: Ah-Düsseldorf im Bilde. Düsseldorf 1909. Abb. 1 1, 23, 28, 30, 31, 38, 56, 60, 63. 66, 94. ** Weitere Beispiele vgl. Kleesattel a. a. 0. Abb. 1 1, 28. 30. 31, 33, 60, 65, 66, 92.

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zeige hier den mittleren Giebel (Abb. 51). Hoch oben über den Alllancewappen Jan Wellems und der Anna Maria Luise von Toskana der Kurhut. Darunter das Wappen des Erz- truchsessen, umgeben von den Ordensketten des Hubertusordens und des Goldenen Vlieses, von Waffen, Jagdzeug und breitlappigen Akanthusranken. Die schmale Inschrifttafel unter dem Orden des Goldenen Vlieses erzählt, daß Johann Franz von Weichs, der Oberjäger- meister, den Bau im Jahre 1713 errichtet hat*.

AN° MDCCXIII. Supremo Venatore Joan. Franc. L(iber) B(aro) De Weichs.

Der Name Marstall stammt aus der Franzosenzeit. Man hatte damals den Bau als Kasernements des Bourschelder Regiments eingerichtet. Ursprünglich war es das „Chur- fürstlich Jägerhaus oder Jagdzeughaus", das die zu Hofjagden nötigen Geräte barg. Vor einigen Jahren hat das Jagdzeughaus durch die Aufteilung des Gartens vom Jägerhof und die Anlage der Couvenstraße mehr denn die Hälfte seiner Ausdehnung opfern müssen. Als Orangerie erhielt es einen neuen Beruf.

Am 8. Juni 1716 stand Düsseldorf trauernd an der Bahre seines kurfürstlichen Gönners. Grupello entwarf für die Gebeine seines Herrn einen bronzenen Prachtsarkophag, der in der Grabkapelle, hinter dem Chor von St. Andreas, Aufstellung fand (Abb. 60). Tiertatzen sind seine Füße. Löwenköpfe schmücken die Ecken. Das große Bahrtuch auf der Vorderseite er- zählt in einer Inschrift von Jan Wellems Leben. Drei Medaillons sind an dem Sarkophagdeckel angebracht. In der Mitte das Porträt des Kurfürsten, Lorbeer im Haar; links sein Wappen- schild, rechts zwei Schiffe, die mit dem Sturme vor einem Leuchtturm einer Hafeneinfahrt kämpfen. „Tandem portus post vitae procellas obtentus" liest man auf ihrer Umschrift**.

Düsseldorf, Kunst- und Gartenstadt, hat Jan Wellem vieles zu danken! Dem Gründer der Pinakothek und Erweiterer der Stadt. ,,Merito Urbls Ampllficatorl Plnacothecae Fundatori", wie die , .Grata Civltas" im Jahre 1830 auf seinen Denkmalsockel einmeißeln ließ. Aber das Bewußtsein der künstlerischen und kulturellen Bedeutung des Kurfürsten ist den Düsseldorfern erst recht spät gekommen. Zu Lebzeiten stand Jan Wellem in Düsseldorf eigentlich ganz allein. ,,Der grosse Hof aestlmire nichts als Lustbarkeiten," meinte einmal Theodor Hartsoecker, der , .berühmte Physikus und Mathematikus", den der Kurfürst nach Düsseldorf gezogen hatte, zu Uffenbach. Die breite Menge hatte noch weniger Anteil an den Bestrebungen ihres Kurfürsten, der ihr ,,zwar ein gnädiger aber auch curiöser Herr" war. Das Interesse der Düsseldorfer an Jan Wellems Kunstsammlungen war dasselbe, wie im Jahrhundert Wilhelms des Reichen an Monheims Gelehrtenschule auf dem Stiftsplatz: es kamen viele Fremde und stiegen in den Gasthäusern der Stadt ab. Wirte, Metzger und Bäcker verdienten einen netten Batzen. Gevatter Schneider und Handschuhmacher bekamen auch zu tun, denn etwas von dem Glanz der kurfürstlichen Hofhaltung drang auch in die Kreise der Kleinbürger ein.

* Walter Jost: Die Schnitzwerke am Marstall des Jägerhofes zu Düsseldorf. Düsseldorf 1895. ** Strauven, Die fürstlichen Mausoleen Düsseldorfs. Düsseldorf 1880, S. 35.

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Aber die Kunst gehörte dem Kurfürsten ganz allein. Sie war ihm nie em äußerhches Prunken. Sie war für ihn aufrichtige Herzenssache, ein Lebensbedürfnis. Die persönlichste Anteilnahme begleitete die zahlreichen Verhandlungen zur Erwerbung neuer Kostbarkeiten. Man lese nur einmal Jan Wellems großen Briefwechsel mit seinen Künstlern und Kunst- legaten in Levins hier oft erwähnten Studien nach.

Ohne Jan Weilern wäre Düsseldorf nie EXisseldorf geworden ! Ohne Jan Wellems Kunst- sammlungen wäre ein Karl Theodor, der meist in Mannheim residierte, nie auf den Einfall gekommen, seiner abgelegenen niederrheinischen Residenz eine Kunstakademie zu stiften und die Karlstadt ausbauen zu lassen, deren Rahmen schon Jan.Wellem in der Extension vorgezeichnet hatte. Eines zog das andere nach sich. Der neue Jägerhof, der Hofgarten, die Residenz der Statthalter erstanden. Und vor den Toren der Stadt das neue Lustschloß Benrath. Murat und Napoleon, später die Prinzen von Preußen und Hohenzollern fühlten sich heimisch im Düssel- dorfer Jägerhof und auf Seh loß Benrath. Der Hofgarten dehnte sich im 1 9. Jahrhundert weiter aus. Der König von Preußen erneuerte die Akademie. Aber ohne Jan Wellem, nichts von alledem. Hätte er Heidelberg wieder aufgebaut und dort sich mit seinen Kunstschätzen umgeben, was wäre aus Düsseldorf geworden ? Ein Jülich, ein Neuwied eine vergessene kleine Residenz.

Abb. OO. Düsseldorf. Sarkophag des Kurlürsten Johann Wilhelm in St. Andreas.

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Das Jahrhundert Karl Theodors von der Pfalz-Sulzbach.

L/er Tod Jan Wellems war zunächst ein herber Abschluß der glänzenden Kunstunter- nehmungen In Düsseldorf. „Pnnceps vere Optimus, qui omnium amorem, venerationem, Lacrymas jure meritus, extremum sui desiderium reliquit." Er war ein wahrhaft ausge- zeichneter Fürst, den alle mit Recht liebten, verehrten und nun schwer vermissen. So lauten die Schlußworte, die Gabriel de Grupello in das Bahrtuch über dem Sarkophag hatte anbringen lassen (Abb. 60). Die Wahrheit dieser Worte hat er selbst bald bitter erfahren müssen. Karl Philipp (1716 1742), Jan Wellems Nachfolger, dachte gar nicht daran, den Spuren seines heimgegangenen Bruders zu folgen. Die Künstler hatten von ihm nichts zu hoffen. Grupello wurden die unvollendeten Arbeiten einfach abgenommen. Das ,,Inventarium über die bey Herrn Statuario undt Chevalier Grupello Befindliche churfürstliche Bilder und sonst" vom 13. Juh 1716 zählt 121 Stücke auf*. Für neue Aufträge war gar keine Aussicht vorhanden. Drei Jahre blieb der Meister noch in Düsseldorf, dann dachte der 75 jährige Greis daran, nach vierundzwanzigjährigem Aufenthalt in der Residenz Jan Wellems wieder in die Stadt seiner ersten Erfolge zurückzukehren. Er hatte sich an den Conseiller regent du Conseil supreme des Pays Bas in Wien gewandt die Niederlande waren seit dem Frieden von Utrecht im Jahre 1713 unter österreichische Oberhoheit gekommen , ihm, dem ehemaligen Hofstatuarius Karls II. von Spanien, doch nach der Übersiedelung nach Brüssel den Titel eines kaiserlichen Statuanus und Generaldirektors der Akademie der Wissenschaften mit den entsprechenden Privilegien zu verleihen und die Erlaubnis, auf einem der Plätze der Stadt ein Reiterdenkmal des Kaisers zu errichten. Grupello berief sich darauf, daß er den Kaiser seinerzeit in seinem Düsseldorfer Hause empfangen und eine Büste von ihm angefertigt habe, mit welcher dieser sehr zufrieden gewesen sei. Kaiser Karl VI. verleiht ihm den erbetenen Titel. Der Künstler erhält sogar ,,ad interim" ein Honorar von jährlich zweihundert Gulden, um die Miete seines neuen Hauses in Brüssel zahlen zu können, ,,pour louage de son quartier". Man kann aber einen alten Baum nicht verpflanzen. Die neue Umgebung, in der Grupello fremd geworden, sprach ihn nicht mehr an. Zu größeren künstlerischen Arbeiten ist er nicht mehr gekommen. Schon nach sechs Jahren kehrte er Brüssel wieder den Rücken und zog nach Schloß Ehren- stein bei Aachen zu seiner Tochter Adelgunde Jakobine, der Gattin des k. k. Lehndirektors des Landes Herzogenrath, Peter Kaspar Poyck. Hier starb er, 86 jährig, im Jahre 1730.

* Zeitschrift des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1882. Nr. 3, S 1! ff. 9 65

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Abb. 61. Düsseldorf, Stuckdecke im ehemaligen Winterrefektorium des Franziskanerklosters neben der Maxkirche. Vgl. Abb. 62.

Die anderen Künstler Jan Wellems hatten es nicht besser. Karl Philipp, der erst in vor- geschrittenem Alter den Kurfürstenstuhl bestieg, war Soldat. Er hatte in den Diensten des Hauses Österreich gestanden. Bei ihm hatte man zu gehorchen. Er achtete auf Rang und Stellung. Die Herren vom Hofe unterstützten ihn darin, den Künstlern wieder ihre gesell- schaftlichen Kreise zu ziehen. Mit den lustigen Abenden ,,In der Kanon" war es vorbei. Ein Jahr nach dem Tode des kurfürstlichen Mäzens wurden, wie man erzählt, auf einer öffentlichen Auktion dessen Sessel und Pokal aus der Zechstube der Künstler meistbietend versteigert. Freiherr von Diamantstein erwarb den Sessel, der holländische Gesandte den Prachtpokal, der später nach dem Haag gekommen sein soll.

So groß die Liebe Jan Wellems für Düsseldorf gewesen, so groß Karl Philipps Gleichgültig- keit für die Residenz am Niederrhein. Er war vorher Statthalter in Innsbruck gewesen und konnte keine Liebe für die niederrheinische Ebene haben. Auch politische Momente waren für ihn bestimmend. Die Pfalz hatte keine landesständische Verfassung wie die niederrheinischen

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Herzogtümer. Das sagte Karl Philipps absolutistischem Sinn besser zu. Er hat das Land am Niederrhein nie betreten und blieb in der Pfalz. Heidelberg konnte ihn zwar auf die Dauer auch nicht fesseln. Er begann daher im Jahre 1720 in Mannheim einen neuen großartigen Schloßbau aufzuführen; 1730 folgt der Bau des Kaufhauses, 1733 die Jesuitenkirche. Die Sammlungen Jan Wellems mußten den Schmuck für das pfälzische Kurfürstenschloß liefern. Im Jahre 1719 wurden drei Bilder von Adrian van der Werff angefordert; 1721 wurde Grupellos Wappen vom Schloß zu Bensberg verladen; 1730 wanderten über zweihundert Bilder nach Mannheim, und zwar Jan Wellems Perlen an niederländischen Kabinettstücken, die Brouwer, Dou, Elsheimer, Mieris, Netscher, Breughel und andere mehr. Es ist der Stamm der später erweiterten Mannheimer Galerie ; im Jahre 1 738 wurde Grupellos Fontäne mit dem steinernen Untergestell aus dem Schloßhof in Düsseldorf nach Mannheim gesandt, wo sie dann 1743 unter der Leitung des Oberbaudirektors Bibiena von dem Bildhauer P. Egell auf dem Paradeplatz aufgestellt wurde, über 700 Kübelpflanzen wurden zu Schiff nach dem kur- pfälzischen Lustschloß Schwetzingen gebracht, außerdem sechs Statuen von Grupello aus dem Galeriegebäude*. Selbst Jan Wellems Reiterdenkmal auf dem Marktplatz soll für Mannheim bestimmt gewesen sein**. Die Düsseldorfer Antikensammlung bereicherte aber der neue Herr, indem er, wie Langenhöffel, der Kupferstecher, mitteilt, ,, damit sich keine fromme Seele an den Nuditäten der Statuen ärgern möchte, allen von Blech gemachte Blätter vorbinden ließ"***. Unter Karl Theodor, Karl Philipps Nachfolger, wanderte auch sie nach Mannheim. Als George Forster sich im Jahre 1790 in Düsseldorf nach den Formen zu den antiken Abgüssen Jan Wellems erkundigte, erfuhr er, daß man sie zerschlagen hatte, um sie zum Straßenbau zu verwenden"j*.

Man darf nach diesen Voraussetzungen von Karl Philipp für Düsseldorfs baukünstlerische Entwicklung nichts erwarten. Er selbst hat auch keinen neuen Bau aufführen lassen, sondern nur in der Extension die schon im Jahre 1702 von Constantin Cagnon begonnene Kaserne vollendet "ff . Der Bau steht heute nicht mehr. Man nannte ihn in seinen letzten Jahrzehnten allgemein die ,, Wanzenburg". Nun, die Wanzenburg war mit dem niedrigen Wachtgebäude aus fünf mit Pilastern geschmückten Bogen eine sehr ansprechende Baugruppe, ganz und gar nicht das, was man 'm 19. Jahrhundert unter ,, Kaserne" verstand,

* Sillib: Schloß und Garten zu Schwetzingen. Heidelberg 1907. Jos. Aug. Beringer: Gabriel von Grupello am Ober- rhein. „Die Rheinlande" 1907. S. 144 ff. Derselbe: Kurpfälzische Kunst und Kultur im achtzehnten Jahrhundert. Freiburg i.Br. 1907.

** Der Kriegs- und Domänenrat Müntz berichtet in seiner Beschreibung des Herzogtums Berg vom Jahre 1740, einer Hand- schrift im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin: „Die große Gallerie mit Schildereien Ist noch völlig im Stande, das Cablnet mit Miniaturstücken aber sowohl als der künstliche metallene Aufsatz auf der Hoffontäne vor zwei Jahren nach Mannhelm gebracht und wird gesagt, daß die metallerne Statue des vorigen Kurfürsten zu Pferde, welche auf dem Markt stehet, gleichfalls nach Mann- heim soll transportiret werden."

*** Vgl. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1882. t Forster: Ansichten vom Niederrhein I. S. 250. tt Kohz: Geschichte der Infanterie- und Artillerie-Kaserne. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1883

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Abb 61. Düsseldorf, Stuckdecke im ebemaligen Winterrefektorium des Franziskanerklosters neben der Maxkirche. Vgl. Abb. 62.

Die anderen Künstler Jan Wellems hatten es nicht besser. Karl Philipp, der erst in vor- geschrittenem Alter den Kurfürstenstuhl bestieg, war Soldat. Er hatte in den Diensten des Hauses Österreich gestanden. Bei ihm hatte man zu gehorchen. Er achtete auf Rang und Stellung. Die Herren vom Hofe unterstützten ihn darin, den Künstlern wieder ihre gesell- schaftlichen Kreise zu ziehen. Mit den lustigen Abenden ,,In der Kanon" war es vorbei. Em Jahr nach dem Tode des kurfürstlichen Mäzens wurden, wie man erzählt, auf einer öffentlichen Auktion dessen Sessel und Pokal aus der Zechstube der Künstler meistbietend versteigert. Freiherr von Diamantstein erwarb den Sessel, der holländische Gesandte den Prachtpokal, der später nach dem Haag gekommen sein soll.

So groß die Liebe Jan Wellems für Düsseldorf gewesen, so groß Karl Philipps Gleichgültig- keit für die Residenz am Niederrhein. Er war vorher Statthaher in Innsbruck gewesen und konnte keine Liebe für die niederrheinische Ebene haben. Auch politische Momente waren für ihn bestimmend. Die Pfalz hatte keine landesständische Verfassung wie die niederrheinischen

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Herzogtümer. Das sagte Karl Philipps absolutistischem Sinn besser zu. Er hat das Land am Niederrhein nie betreten und bheb In der Pfalz. Heidelberg konnte Ihn zwar auf die Dauer auch nicht fesseln. Er begann daher im Jahre 1720 In Mannhelm einen neuen großartigen Schloßbau aufzuführen; 1730 folgt der Bau des Kaufhauses, 1733 die Jesuitenkirche. Die Sammlungen Jan Wellems mußten den Schmuck für das pfälzische Kurfürstenschloß liefern. Im Jahre 1719 wurden drei Bilder von Adrian van der Werff angefordert; 1721 wurde Grupellos Wappen vom Schloß zu Bensberg verladen; 1730 wanderten über zweihundert Bilder nach Mannheim, und zwar Jan Wellems Perlen an niederländischen Kabinettstücken, die Brouwer, Dou, Elsheimer, Mleris, Netscher, Breughel und andere mehr. Es Ist der Stamm der später erweiterten Mannheimer Galerie; Im Jahre 1738 wurde Grupellos Fontäne mit dem steinernen Untergestell aus dem Schloßhof In Düsseldorf nach Mannhelm gesandt, wo sie dann 1743 unter der Leitung des Oberbaudirektors Bibiena von dem Bildhauer P. Egell auf dem Paradeplatz aufgestellt wurde, über 700 Kübelpflanzen wurden zu Schiff nach dem kur- pfälzischen Lustschloß Schwetzingen gebracht, außerdem sechs Statuen von Grupello aus dem Galerlegebäude*. Selbst Jan Wellems Reiterdenkmal auf dem Marktplatz soll für Mannheim bestimmt gewesen sein**. Die Düsseldorfer Antikensammlung bereicherte aber der neue Herr, indem er, wie Langenhöffel, der Kupferstecher, mitteilt, ,, damit sich keine fromme Seele an den Nuditäten der Statuen ärgern möchte, allen von Blech gemachte Blätter vorbinden ließ"***. Unter Karl Theodor, Karl Philipps Nachfolger, wanderte auch sie nach Mannhelm. Als George Forster sich im Jahre 1790 in Düsseldorf nach den Formen zu den antiken Abgüssen Jan Wellems erkundigte, erfuhr er, daß man sie zerschlagen hatte, um sie zum Straßenbau zu verwenden"]".

Man darf nach diesen Voraussetzungen von Karl Philipp für Düsseldorfs baukünstlerische Entwicklung nichts erwarten. Er selbst hat auch keinen neuen Bau aufführen lassen, sondern nur in der Extension die schon im Jahre 1702 von Constantln Cagnon begonnene Kaserne vollendet ff. Der Bau steht heute nicht mehr. Man nannte ihn in seinen letzten Jahrzehnten allgemein die ,, Wanzenburg". Nun, die Wanzenburg war mit dem niedrigen Wachtgebäude aus fünf mit Pilastern geschmückten Bogen eine sehr ansprechende Baugruppe, ganz und gar nicht das, was man 'm 19. Jahrhundert unter „Kaserne" verstand,

* Sillib: Schloß und Garten zu Schwetzingen. Heldelb:?rg 1907. Jos. Aug. Beringer: Gabriel von Grupello am Ober- rhein. „Die Rheinlande" 1907. S. 144 ff. Derselbe: Kurpfälzische Kunst und Kultur im achtzehnten Jahrhundert. Freiburg i.Br. 1907.

** Der Kriegs- und Domänenrat Müntz berichtet in seiner Beschreibung des Herzogtums Berg vom Jahre 1740, einer Hand- schrift im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin: ,,Die große Gallerie mit Schildereien ist noch völlig im Stande, das Cabinet mit Miniaturstücken aber sowohl als der künstliche metallene Aufsatz auf der Hoffontäne vor zwei Jahren nach Mannheim gebracht und wird gesagt, daß die metallerne Statue des vorigen Kurfürsten zu Pferde, welche auf dem Markt stehet, gleichfalls nach Mann- heim soll transportiret werden."

*** Vgl. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1882. t Forster: Ansichten vom Niederrhein I. S. 250. tt Kohz: Geschichte der Infanterie- und Artillerie-Kaserne. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1883

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d.h. nüchterne Verblendslciniohbaukasten. Sie wäre in ihrer vornehmen Aufteilung und Gliederung ein glänzendes Vorbild für die neuen Kasernen gewesen, die richtige „Kasernen" geworden sind.

Düsseldorf hat in der Regierungszeit Karl Philipps nur einen Monumentalbau erhalten. Im Jahre 1736 die Maxkirche, die ehemalige Franziskanerkirche in der Zitadelle (Abb. 62). Die Westfassade ist für die Hafenstraße städtebaulich eine ausgezeichnete Kulisse: ein Backsteinbau mit zementierter Einfassung und Pilastern. über dem risalitartig vortretenden Mittelstück mit flachem Giebel erhebt sich der sechsseitige, geschieferte, schöne Dach- reiter, In einer Nische steht über dem von Säulen eingefaßten Portal die Statue des heiligen Franz. Eine geschweifte Hausteinumrahmung umgibt das darüber rundbogig angebrachte Fensterchen.

Jahre gingen über Düsseldorf dahin. Verrauscht war das heitere Leben am Hof, die Fenster des Schlosses waren verhängt, die Oper geschlossen. Der Adel war dem Kurfürsten nach Mannheim gefolgt. Die Künstler waren ausgewandert. Düsseldorf war eine ver- lassene, tote Residenz geworden. Die Zeit Jan Wellems rückte mehr und mehr in weite Ferne, und wenn der Vater seinem Sohne von ihr erzählte, so hörte es sich wie ein Märchen an. Endlich, nach vollen dreißig Jahren, als Karl Philipp sich im Jahre 1742 zu seinen Vätern versammelt hatte, zog 1746 in die niederrheinische Residenz wieder der Herr des Landes ein: Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz aus dem Hause Sulzbach. Karl Philipp hatte nur eine Tochter, Elisabeth Auguste, die sich im Jahre 1717 dem Erbprinzen Joseph Karl von Pfalz -Sulzbach vermählt hatte. Sie starb bereits im Jahre 1 728 und hinterließ nur drei Töchter. Im folgenden Jahre starb ihr Gatte. Karl Theodor, Joseph Karls jüngeren Bruders Sohn, sollte der Erbe Karl Philipps werden. Preußen ver- langte indessen den Besitz von Berg, Kaiser Karl VI. stand auf seiner Seite. Friedrich dem Großen war aber der Besitz von Schlesien wertvoller, und er überließ daher Berg Karl Theodor, als er mit Bayern, Kurpfalz und Frankreich das Bündnis gegen das Haus Habsburg schloß.

Düsseldorf war bei der Nachricht vom Nahen des neuen I^ndesherrn begeistert. In der „Kanon" herrschte festliche Stimmung. Man glaubte die Zeit Jan Wellems wiedergekommen, denn dem neuen Herrn ging der Ruf voraus, daß er die schönen Künste und Wissenschaften liebe. Düsseldorf bereitete dem Kurfürsten einen festlichen Empfang, der vor allem in den Veranstaltungen der alten Künstlerzechstube ,,In der Kanon" beredten Ausdruck fand. In der Festbeschreibung heißt es:

„Der Posthalter und Wein-Händler Maurenbrecher in dem Maurenbrecher oder Canon auf der Zollstraße hat die ergetzliche Ankunft der höchsten Landes-Herrschaften durch wohl- erleuchtete Vorstellungen an seiner zur Canon genannten Behausung wenigstens so deutlich gefeyret, als die feurige Munde von 100 Canonen aus ihrer hertzlosen harten Bart solches immer aussprechen könten. Man sähe daselbst:

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Abb. 62. Düsseldorf. Maxkirche. Vgl. Abb. 61 .

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1. Ihro Churf. Durchleucht Höchsten Nahmen in einem Zuge samt einer Chuikappe;

worüber folgende Zeilen zu lesen waren :

Willkommen, Holder Fürst, Churfürst und Freude-Führer! Beherrsch uns ewiglich. Du treuer Herzens-Rührer! Durch Deine Gnad und Huld ist uns heut was geschehen. Das wir schon dreißig Jahr gehofft, doch nicht gesehen.

2. Ihro Durchleucht der Churfürstinne Höchsten Nahmen in einem Zuge samt einem Churhut und den darüber stehenden Reimen:

Und Du, o Churfürstin, Du Wunsch von allen Frommen,

Scy tausend tausendmahl, gleich wie Dein Herr, willkommen!

0 mögt Dem kleines Aug in unsre Herzen sehn.

Du sagtest: hier ist Treu: hier soll mein Tempel stehn.

Gott woU uns unsern Wunsch in Gnaden bald gewähren:

Daß unsre Churfürstin mag einen Prinz gebähren.

3. Ein Canon bey einer zahlreichen Gesellschaft, so einen Becher in der Hand hat: welcher bei Aussprechung folgender darüber stehenden Worte zu frühe loßbrennet:

Wohlauf ihr Herrn, es gilt jetzt einen vollen Becher,

Hut ab: wer mit mir hat denselben treuen Sinn,

Accompagnirt den Knall von diesen Maurenbrecher,

Und ruft: der Churfürst leb mit seiner Churfürstin!

Dies ist der schönste Herbst von mehr als dreißig Jahren :

Er lasset nicht allein den Churfürst zu uns fahren:

Es schenkt auch solch Gewächs von Rhein- und Mosel-Wein,

Daß Ganimedes sagt, es müsse Nectar seyn.

4. Die Stadt Düsseldorf, woraus allerley Standes-Menschen dem durch die Ehren-Pforte hereinfahrenden Churfürstlichen Wagen entgegen zu eilen, und den Weg mit Cräntzen und Blumen zu bestreuen schienen, mit der Beyschnft:

Du Landes- Vatter zieh mit stetem Seegen ein,

Du Landes-Mutter muß hier stets vergnüget seyn.

Frohlock o Düsseldorf, o Bürger freue Dich:

Dein Glückstern geht Dir auf, die Zeit verändert sich:

Man hat in dreißig Jahr kein Churfürst hier gesehen.

Ich mach euch hiermit kund, daß es heut soll geschehen.

5. Eine in einer düstem Gegend herum irrende Menge junger Hünlein; worauf aus einer schönen Gegend eine Glück-Henne kommt; welche mit ausgebreiteten Flügelen die Hünlcin unternehmen will und die gantze Gegend zu erhellen scheint, mit dieser Beyschnft:

Wan uns solche Flügel decken. Weichen von uns alle Schrecken ; Ja es wird die dunkle Nacht Hell gemacht.

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Abb. 63. Karl Theodor, Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Jülich und Berg. Erbauer von Schloß Benrath und des Jägerhofs zu Düsseldorf. Stifter der Düsseldorfer Kunstakademie.

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übrigens waren die zehn obere Fensteren selbigen Hauses mit Tax-Säulen durch 400 Lampions erleuchtet usw."

„Bevor an dem Abende" so erzählt die Festbeschreibung weiter ,,die Sonn, als die Zuschauerin aller gemachten Veranstaltungen, für die bevorstehende Zusammenstimung so vieler tausend Lichter sich gleichsam auf die Seite zöge und In den Schooß des atlantischen Meeres sich versenkete, wurde durch den Churf. Hof-Furier Herrn Lieutenant Görg veran- staltet, daß die beiden Quartler-Commlssarlen, nemlich Ihro Churf. Durchl. Rath Referendarius und dahleslge Haubt- und Crlminal-Gerlchts-Schöffen Johann Anton Gesser und daselbstigen Magistrats-Altrath Johann Adolfen Beuth sich fertig zu halten hätten, um abends 8 Uhr bey Hofe zu erscheinen, woselbsten aus dem Churfürstllchen Marstalle die aufgesattelten Pferde vorgefunden werden sollten." Dann setzte sich der Festzug in Bewegung. An der Spitze zu Pferde Gesser und Beuth mit den Hoffurieren und Generaladjutanten. Dann der Wagen des kurfürstlichen Paares, begleitet von den Stabsoffizieren und Kammerherren zu Pferde. In ungefähr hundert Wagen folgten die Conferential-Hof-Mlnlster, die Hofdamen, der Adel und die fremdherrhchen Gesandten. In den Straßen der Stadt waren Tnumphtore errichtet worden. Alle Häuser waren festlich geputzt und abends von Tausenden und aber Tausenden Lichtern erleuchtet. Die einzelnen Bürgerhäuser überboten sich Im Schmuck der Lichter, Transparente, Inschriften und Girlanden.

Nun wirst du. Wehrte Stadt, in alter Blüte leben: Dein Vorig Wohlergehen wird Dir dein Churfürst geben; Drum laß Dein Bürgerschaft zur Freude seyn bereit: Daß Dir jetzt wiederkommt die alte goldene Zeit!

las man beim Kaufhändler Lucas Steinberg in der Kurzen Straße. Alle Transparente wieder- holten, daß nun nach dreißig Jahren endlich für Düsseldorf eine neue Zeit anbreche.

Steh auf, Steh auf, betrübtes Hertz: Das Seufzen und der lange Schmertz Hat ein beglücktes End genommen. Dan Theodor ist angekommen.

hatte der Bürgermeister, der Hofkammerrat Pool, an seinem Haus in der Zollstraße anbringen

lassen.

Es war dies Land vorhin in einer trüben Nacht; Jetzt wird es eine Wayd der Lust zu sein beginnen : Da solche Fürsten samt so großen Prinzessinnen Durch ihre Gegenwart es gantz beglückt gemacht.

stand an einem anderen Haus, usw.*

* Die oft amüsanten Transparentinschriften bei Ferbcr: Historische Wanderung usw. I. S. 69, 70, 78, 92, 93, 93, 113, 1 16.

II. S. 8-10, 34, 39, 49, 55, 58, 59, 84, 87, 89.

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Die Düsseldorfer wurden nicht enttäuscht. Ihre Stadt hatte wieder einen kurfürsthchcn Hof, wenn auch nicht dauernd, denn Karl Theodor residierte doch die meiste Zeit wie sein Vorgänger in Mannheim oder Schwetzingen. Ein Jan Wellem war er freilich auch nicht. Er ließ, wie Karl Philipp, eine Reihe Kostbarkeiten aus den Düsseldorfer Sammlungen nach Mannheim schaffen. Bilder, dann die Schatzkammer, die Elfenbeinarbeiten, die kleinen Bronzen, Uhren usw. Aber er sorgte doch dafür, daß Düsseldorf aus den unter Karl Philipp nach Mannhelm gebrachten Sammlungen entschädigt wurde, ebenso wie er Grupellos Statue des Jan Wellem als Ersatz für die große Fontäne im Düsseldorfer Galeriehof wieder zurück- gab. Er hatte Verständnis dafür, daß ,, Unsere zu Düsseldorf befmdliche Gallene von solchem Werth ist, daß deren conservation billiger Dingen allen Betracht verdienet" und hatte es ,,ggst gut gefunden", wie er am 2. August 1754 aus Schwetzingen anordnet, „den könlgl. frantzöischen Dlrecteur Collnze elgents von Paris anhero zu beschreiben, und solchem den ggsten Auftrag zu thuen sich nache Düsseldorf zu begeben, um sämtliche m besagt Unserer Gallerle befindliche Gemähide In Augenschein zu nehmen, deren Beschaffenheit zu exami- nieren, die etwa beschädigte Sachen herzustellen und vor deren und sämtlicher übrigen Con- servation sowohl dermahlen zu sorgen, dann auch anzugeben, wie In Zukunfft erforderliche Absicht zu tragen". Er ordnete weiter an, daß „die Gemähide auf eine ganz andere Art ran- giret und anders nummerlret werden dörfften, ein ordentliches Protocoll darüber zu führen, damit aus dessen Inhalt die vorgenohmene Abänderung ersehen werden möge, wie dan nach solchem Vorgange Er Direkteur eine ordentliche beschriebene Verzelchnuß über die gantze Gallerle nach der neueren Einrichtung machen wird." Im Jahre 1778 erschien auf Karl Theodors Kosten der Prachtkatalog von Nicolas de Pigage, der nicht allein in seiner äußeren Erscheinung, sondern auch für den damaligen Stand kunstwissenschaftlicher Forschung eine Überraschung ist.

Schon der erste Aufenthalt des Kurfürsten in Düsseldorf hatte allerlei Baupläne gezeltigt, die der Statthalter der niederrheinischen Herzogtümer, der kunstverständige und unter- nehmungslustige Ludwig Karl Graf von Goltsteln zu verwirklichen hatte. Düsseldorf hat dem Statthalter viel zu danken. Man darf ihn vielleicht als den Hauptanreger der neuen baukünstlerischen Entwicklung, die nun in der Stadt einsetzt, ansprechen. Als Karl Theodor im Jahre 1 755 zum zweiten Male in seiner niederrheinischen Residenz weilte, konnte er zu- nächst den Ausbau des Rathauses bewundern, das im Jahre 1749 ein stattlicheres Gewand erhalten hatte, das neue Portal mit zierlicher Rokokogliederung. Darüber den schönen schmiedeeisernen Balkon mit dem von Löwen gehaltenen Wappen der Stadt und dem Mono- gramm C T und E A Carl Theodor und Elisabeth Augusta (I. Abb. 195). Das neue Treppenhaus mit schmiedeeisernem oder aus Holz geschnitztem Geländer (Abb. 64 u. I. 196). Anstoßend an das Rathaus war die kurfürstliche Kanzlei errichtet worden (I. Abb. 195 u. 197). Ebenfalls mit einem interessanten Gitterwerk über dem Portalfenster mit den von zwelj Löwen gehaltenen und von Ranken umgebenen Allianzwappen des kurfürstlichen

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übrigens waren die zehn obere Fensteren selbigen Hauses mit Tax-Säulen durch 400 Lampions erleuchtet usw."

„Bevor an dem Abende" so erzählt die Festbeschreibung weiter „die Sonn, als die Zuschauerin aller gemachten Veranstaltungen, für die bevorstehende Zusammenstimung so vieler tausend Lichter sich gleichsam auf die Seite zöge und in den Schooß des atlantischen Meeres sich versenkete, woirde durch den Churf. Hof-Furier Herrn Lieutenant Görg veran- staltet, daß die beiden Quartier-Commissarien, nemlich Ihro Churf. Durchl. Rath Referendarius und dahiesige Haubt- und Criminal-Gerichts-Schöffen Johann Anton Gesser und daselbstigen Magistrats-Altrath Johann Adolfen Beuth sich fertig zu halten hätten, um abends 8 Uhr bey Hofe zu erscheinen, woselbsten aus dem Churfürsthchen Marstalle die aufgesattelten Pferde vorgefunden werden sollten." Dann setzte sich der Festzug in Bewegung. An der Spitze zu Pferde Gesser und Beuth mit den Hoffurieren und Generaladjutanten. Dann der Wagen des kurfürstlichen Paares, begleitet von den Stabsoffizieren und Kammerherren zu Pferde. In ungefähr hundert Wagen folgten die Conferential-Hof-Minister, die Hofdamen, der Adel und die fremdherrlichen Gesandten. In den Straßen der Stadt waren Triumphtore errichtet worden. Alle Häuser waren festlich geputzt und abends von Tausenden und aber Tausenden Lichtern erleuchtet. Die einzelnen Bürgerhäuser überboten sich im Schmuck der Lichter, Transparente, Inschriften und Girlanden.

Nun wirst du, Wehrte Stadt, in alter Blüte leben: Dein Vorig Wohlergehen wird Dir dein Churfürst geben; Drum laß Dein Bürgerschaft zur Freude seyn bereit: Daß Dir jetzt wiederkommt die alte goldene Zeit!

las man beim Kaufhändler Lucas Steinberg in der Kurzen Straße. Alle Transparente wieder- holten, daß nun nach dreißig Jahren endlich für Düsseldorf eine neue Zeit anbreche.

Steh auf. Steh auf, betrübtes Hertz: Das Seufzen und der lange Schmertz Hat ein beglücktes End genommen. Dan Theodor ist angekommen.

hatte der Bürgermeister, der Hof kammerrat Pool, an seinem Haus in der Zollstraße anbringen

lassen.

Es war dies Land vorhin in einer trüben Nacht; Jetzt wird es eine Wayd der Lust zu sem beginnen : Da solche Fürsten samt so großen Prinzessinnen Durch ihre Gegenwart es gantz beglückt gemacht.

stand an einem anderen Haus, usw.*

* Die oft amüsanten Transparcntinscliriften bei Ferbcr; Historische Wanderung usw. I. S. 69, 70, 78, 92, 93, 95, 115, 116,

II. S. 8-10, 34, 39, 49, 55, 58, 59, 84, 87, 89. 72

Die Düsseldorfer wurden nicht enttäuscht. Ihre Stadt hatte wieder einen kurfürsthchcn Hof, wenn auch nicht dauernd, denn Karl Theodor residierte doch die meiste Zeit wie sein Vorgänger in Mannheim oder Schwetzingen. Ein Jan Wellem war er freilich auch nicht. Er ließ, wie Karl Philipp, eine Reihe Kostbarkeiten aus den Düsseldorfer Sammlungen nach Mannheim schaffen. Bilder, dann die Schatzkammer, die Elfenbeinarbeiten, die kleinen Bronzen, Uhren usw. Aber er sorgte doch dafür, daß Düsseldorf aus den unter Karl Philipp nach Mannheim gebrachten Sammlungen entschädigt wurde, ebenso wie er Grupellos Statue des Jan Wellem als Ersatz für die große Fontäne im Düsseldorfer Galeriehof wieder zurück- gab. Er hatte Verständnis dafür, daß , .Unsere zu Düsseldorf befindliche Gallerie von solchem Werth ist, daß deren conservation billiger Dingen allen Betracht verdienet" und hatte es ,,ggst gut gefunden", wie er am 2. August 1754 aus Schwetzmgen anordnet, ,,den königl. frantzöischen Directeur Colinze eigents von Paris anhero zu beschreiben, und solchem den ggsten Auftrag zu thuen sich nache Düsseldorf zu begeben, um sämtliche m besagt Unserer Gallerie befindliche Gemähide in Augenschein zu nehmen, deren Beschaffenheit zu exami- nieren, die etwa beschädigte Sachen herzustellen und vor deren und sämtlicher übrigen Con- servation sowohl dermahlen zu sorgen, dann auch anzugeben, wie in Zukunfft erforderliche Absicht zu tragen". Er ordnete weiter an, daß ,,die Gemähide auf eine ganz andere Art ran- giret und anders nummerlret werden dörfften, ein ordentliches Protocoll darüber zu führen, damit aus dessen Inhalt die vorgenohmene Abänderung ersehen werden möge, wie dan nach solchem Vorgange Er Direkteur eine ordentliche beschriebene Verzeichnuß über die gantze Gallerie nach der neueren Einrichtung machen wird." Im Jahre 1778 erschien auf Karl Theodors Kosten der Prachtkatalog von Nicolas de Pigage, der nicht allein in seiner äußeren Erscheinung, sondern auch für den damaligen Stand kunstwissenschaftlicher Forschung eine Überraschung ist.

Schon der erste Aufenthalt des Kurfürsten in Düsseldorf hatte allerlei Baupläne gezeitigt, die der Statthalter der niederrheinischen Herzogtümer, der kunstverständige und unter- nehmungslustige Ludwig Karl Graf von Goltstein zu verwirklichen hatte. Düsseldorf hat dem Statthalter viel zu danken. Man darf ihn vielleicht als den Hauptanreger der neuen baukünstlenschen Entwicklung, die nun in der Stadt einsetzt, ansprechen. Als Karl Theodor im Jahre 1 755 zum zweiten Male in seiner niederrheinischen Residenz weilte, konnte er zu- nächst den Ausbau des Rathauses bewundern, das im Jahre 1749 ein stattlicheres Gewand erhalten hatte, das neue Portal mit zierlicher Rokokogliederung. Darüber den schönen schmiedeeisernen Balkon mit dem von Löwen gehaltenen Wappen der Stadt und dem Mono- gramm C T und E A Carl Theodor und Elisabeth Augusta (I. Abb. 195). Das neue Treppenhaus mit schmiedeeisernem oder aus Holz geschnitztem Geländer (Abb. 64 u. I. 196). Anstoßend an das Rathaus war die kurfürstliche Kanzlei errichtet worden (I. Abb. 195 u. 197). Ebenfalls mit einem interessanten Gitterwerk über dem Portalfenster mit den von zweij Löwen gehaltenen und von Ranken umgebenen Allianzwappen des kurfürstlichen

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Paares*. Während des Düsseldorfer Aufenthaltes von 1755 konnte Karl Theodor Nosthovens Arbeiten am alten Schloß und Couvens Tätigkeit am Neubau des Schlosses Jägerhof verfolgen. Im selben Jahr wurden Pigages Baupläne Rir Schloß Benrath genehmigt. Zwei Jahre später unter- brach indessen der Siebenjährige Krieg die hoffnungsvollen Anfänge emes neuen Düsseldorf. Karl Theodor stand mit Frankreich auf selten Österreichs. Düsseldorf erhielt eme fran- zösische Besatzung. Am 23. Juni schlug Ferdinand von Braunschweig, der Verbündete Friedrichs des Großen, mit seinen Hannoveranern bei Krefeld die Franzosen. Drei Tage später gab er seinem Generalmajor von Wangenheim den Befehl, ,,mit der Beschießung der Stadt Düssel- dorf den Anfang machen zu lassen, wobei Kanoniers und Bombardiers sich angelegen sein müssen, durch Feuerkugeln und Bomben die Stadt in Brand zu bringen und solchen durch beständiges Schießen zu unterhalten, damit die Stadt zum Löschen kein Mittel finde, mithin,

um sich zu retten, gezwungen werden möge, zu kapitulieren . Am 28. Juni begann das Bombar- dement**. ,,Es ist leicht zu erraten," heißt es in einem Brief eines unbe-

* Später wurde die Kanzlei der ,,aliergnädigst privilegierte Tanzsaal", war dann lange Zeit das Vereinslokal vom „Parlament" oder des „Rathes der Alten", der heutigen Gesellschaft Verem.

** Die Stellung der {eindlichen Truppen ist in einem Stadtplan vom Jahre 1766 genau an- gegeben. , Plan du Bombardement de Dusseldorff commence le 28""^ Juin 1758. F. W. de Bawr, grave sous la direction de J. de Schley ä la Haye et public aux depens de Pierre Grosse jun. et David Pinet 1766." Abgebildet im Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins, Band II, 1887. - Vgl. ebenda S. 1-40, Tönnics: Die alliierten Truppen vor und m Düsseldorf. Der Stadtplan enthält folgende Angaben: M. le G. de Wangenheim entra au Camp derriere le Village de Heerden (Hcerdl) le 27 Juin avcc i Batt. de Halberstadt. 1 Batt. de Hanau, 1 Batt. de Bucke- bourg, 2 Esq. de Bock. II dctacha en meme temps Ics Troupes legeres de Scheiter a la rive droite du Rhln pour observer la garnison de Dusseldorff. Et M. le G. de Bock avec 1 Batt. de Scheiter, 2 Esq. de Bock, Ics Husards de Luckner et un detachement de chasseurs vers Nuys (N^uß) pour occuper Ics passages de l'Erfft et du Rhin. Le 27 l'on Somma la Ville et ctablit deux Batteries entre Ober et Nieder Cassel derriere le Dicck de 4 Mortiers et de 6 Canons dont on commcnca Ic Bombardement le 28 de Juin et la 64. DCsseldr.rl, Rathaus. Teil der Wcndeitrcppo. \'gl. I..-\bl>- 19>1')7. garnison capitula lo 6 de juillet.

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kannten französischen Offiziers aus Deutz vom 10. Heumonds 1758, ,, welche Verheerung eine solche Belagerungsart in emer Stadt anrichten mußte, welche eng bebaut war. Schon die erste Kugel schlug in ein Haus ein, die folgenden zerschmetterten einen Turm, regneten auf das Schloß, legten eine ganze Reihe der am Rhein gelegenen Häuser nieder und stifteten bald hier, bald dort Brand. Die lobenswerte Umsicht der Soldaten und Einwohner verhinderte indessen, daß er um sich griff." 180 Häuser wurden mehr oder weniger beschädigt. Ein von dem Kommandanten der Stadt an das Hoflager zu Mannheim gesandter Eilbote brachte am 5. Juli die Erlaubnis des Landesherrn, Düsseldorf gegen freien Abzug der Besatzung dem Feinde zu übergeben. Die Gemäldegalerie wanderte nach Mannheim. Die Verteidigung der Stadt war aber alles andere als ein Ruhmesblatt in der Geschichte des pfälzisch -jülich- bergischen Heeres, denn, wie es in dem angeführten Brief des französischen Offiziers weiter heißt, wurden ,,10000 Mann, teils Franzosen, teils Pfälzer, von etlichen hundert Hannoveranern

aus einer Festung vertrieben", f ^

Aber Düsseldorf war nach der Rheinseite zu ungeschützt und nur zu halten gewesen, wenn der Ring der Befestigung auf dem anderen Ufer fortgesetzt worden wäre. Schon am 10. Au- gust räumten die Hannoveraner wieder die Stadt. Die Franzosen zogen einige Tage später in Düsseldorf ein. Aber das Kabi- nett zu Versailles bestimmte nun, daß, nachdem der pfälzische Kommandant Graf von Issel- bach die Festung so wenig rühmlich verteidigt hatte, nur 100 bis 150 pfälzische Mann- schaften, und zwar lediglich als Schloßwache, in Düsseldorf mit einziehen dürften. Die Stadt erhielt einen französischen Kom- mandanten. Der Kurfürst pro- testierte und drohte mit einer Klage beim Deutschen Kaiser. Die Franzosen antworteten, die Hilfsgelder zu kündigen und Abb. h,. -chloij Btnrath. Hau|>tireppc. Vgl. Abb. 150 im.i I

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blieben bis zum Jahre 1762 in EHisseldorf. Die Stadt litt unter der jahrelangen fremden Besatzung, den EXirchmärschen, Einquartierungen und Requisitionen. Und der verbündete Franzose betrug sich wie in Feindesland. Im Franziskanerkloster neben der Maxkirche hatte er das Militärlazarett eingerichtet. Das Winterrefektorium diente als Apotheke (Abb. 61). Als die Franzosen im Jahre 1 762 Düsseldorf räumten, erhielt Lambert Krähe, der Maler, von der Hofkammer den Auftrag, den von den Franzosen im Kloster angerichteten Schaden zu beur- teilen. Sie hatten hier gehaust wie die Kosaken, hatten alle Bilder zerstört, ,,indeme an deren vielen theils ein, theils gar beyde Augen ausgestochen, andere die Nasen gleichfalls abgeschnitten und überandere hier und da falsche Farben gestrichen und alle Bildnisse muthwillig beschädigt und verdorben worden seien usw." An einen Wiederaufbau der beim Bombardement zerstörten Bauten war, solange die Franzosen in Düsseldorf lagen, natürlich nicht zu denken. Erst als sie abgezogen waren, konnten die unterbrochenen Arbeiten an dem beschädigten Schloß, am Jägerhof und in Benrath wieder aufgenommen werden. Die Bildergalerie kam nach Düssel- dorf zurück. Und um den Einwohnern den Wiederaufbau ihrer zerstörten Heimstätten zu erleichtern, dekretierte Karl Theodor ,, wegen des letztherigen Bombardements denen in der Anlagh bemerkten und an ihren steurbaren Häussern beschädigten Einwohnern einen vierten Theil der Beschädigungsquanti an den etwa rückständigen lauffenden oder künftigen Stewren nachzulassen mildest bewogen worden seyndt".*

Die folgenden zweiunddreißig Friedensjahre haben nicht allein alle Erinnerungen an das Bombardement verwischt, sondern auch die Stadt beträchtlich erweitert. Im Mittelpunkt der baukünstlerischen Entwicklung standen die beiden führenden Baumeister Karl Theodors, Johann Joseph Couven und Nicolas de Pigage.

* Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins XIH. 1898. S. 288. Dort Aufzählung der betreffenden Häuser und ihrer damaligen Bewohner.

Abb. 65a. Schloß Amstenrade. Gartenhaus.

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Johann Joseph Couven (1701 1763) spielt In der Baugeschichte der Freien Reichs- stadt Aachen eine überragende und führende Rolle. Er hat aus den Trümmern des ver- heerenden Stadtbrandes vom Jahre 1 656 eine ganz neue Stadt geschaffen (vgl. I. S. 267). „Diese Stadt hat sich in kurtze Jahren ge- waltig im Herbauwen angegriffen notierte 1749 der Bürgermeistereidiener Johannes Janssen das ich von mein Gedenk weiß, schier halbe Straßen seind erneuwert worden, und aus alte Baracken von Häusser anjetzo schöneund wohlgebaute Wohnungen gemacht sein worden. Wan emer aus der Stadt wäre gewesen bij 30 Jahr oder nur 25, derselbe sollte anjetzo in viele Straßen nicht mehr bekennen*." Was Johann Joseph Couven bei seinem Tode im Jahre 1763 unvollendet ließ, führte sein langjähriger Mitarbeiter, sein Sohn Jacob, der erst im Jahre 1812 starb, weiter. Die Baugeschichte der Stadt Aachen von 1730 bis 1812 ist die Künstlergeschichte der beiden Couven**.

Die Familie Couven entstammt einem Adelsgeschlecht aus Clermont bei Herve in der Provinz Lüttich, das aber schon im 16. Jahrhundert in Aachen ansässig war. Im Jahre 1659 hatte sich der Kaiser bei dem Rat der Stadt für einen Jacob Couven verwandt, daß dieser von den übhchen städtischen Lasten befreit würde. Johann Jacob Couven (1656-1740), scheinbar ein Sohn Jacobs, war Stadtarchitekt und erster Sekretär der Freien Reichsstadt. Weiteres ist von ihm nicht bekannt. Es ist aber anzunehmen, daß er am Wiederaufbau der Stadt nach dem großen Brande nicht unbeteiligt war. Sein Sohn ist unser Johann Joseph Couven. Er wird

Aachen. Klosterplatz Nr. 13

* V. Fürth: Beiträge und Material zur Geschichte der Aachener Patrizierfamilien, Bd III, S. 176.

** Von den beiden Couven sind 720 Originalzeichnungen erhalten, davon 630 im Besitz der Familie des Bürgermeisters Klausener in Burtscheid, die übrigen im Museum und im Hochbauamt der Stadt Aachen. Teilweise veröffentlicht bei Joseph Buchkremer: „Die Architekten Johann Joseph Couven und Jacob Couven". Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. 1895. Bd. XVII, S. 89—206 u. Abb. I —92. Es ist sehr schade, daß das wertvolle Material so unter Ausschluß der Öffentlichkeit erschienen ist! Vgl. ferner Rhoen: „Der Stadtbaumelster J. J. Couven, Vater und Sohn". Aachen 1883. Abdruck aus dem „Echo der Gegenwart" 1885, Nr. 109 I u. 1 10 II.— Pick: „Zur Geschichte der Aachener Architektenfamilie Couven" Aachener Volkszeitung 1885. Nr. 145, 146 u. 204.

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die ersten architektonischen Anregungen wohl dem Vater zu verdanken haben. Aber neben diesem waren in Aachen noch andere Baumeister tätig. Der epochemachende Autschwung der Heilquellen hatte eine Reihe Architekten angezogen, die Gilles Doyen, Laurenz Meffer- datis, Johann Baptist Artari u. a. Sie wie der unter dem Abt von Suys seit 1720 unweit Aachen begonnene Neubau des prachtvollen Abteigebäudes zu Cornelimünster sind auf den jungen Couven nicht ohne Einfluß geblieben.

Die alte, vom heiligen Benedikt von Aniane unter dem Schutz Ludwigs des Frommen im Jahre 814 gegründete Abtei der Benediktiner zu Cornelimünster kann auf eine große, reiche und oft bewegte Geschichte zurückbhcken. Während des Frühmittelalters stand sie unter der besonderen Gunst der deutschen Könige. Ludwig der Deutsche schenkte ihr 842 das alte Gut Gressenich. 881 zerstörten zwar die Normannen das Kloster, aber aus der Asche stieg bald, beschenkt durch kaiserliche Huld, ein neuer Bau auf. Und der Einfluß des Klosters wuchs mehr und mehr. Es hatte freie Abtwahl, eigene Münze und vollständige

Immunität. Seme Besitzungen dehnten sich bis an den Obeirhein und in die Niederlande aus. Im Jahre 1310 haben die Aachener Bürger, da das Kloster im Streit der Stadt mit dem Grafen von Jülich Partei für den Jülicher genommen hatte, Brand an die Abtei gelegt. Der Reichtum des Klosters führte wieder einen Neubau auf. Abt Heinrich von Binsfeld (1491—1531) schuf den statt- lichen, schweren Bruchsteintorbau, der in seiner kraftvollen Gedrungenheit an mittelalterliche Stadttore erinnert. Zwei wuchtige Dreivierteltürme, die den Eingang des Mittelbaues schützen. Abt Hoen von Cartils legte im Jahre 1682 vor den Torbau eine kleinere Außen- anlage und schuf einen Vorhof mit zwei Rundtürmen an den Ecken der Ein- gangsmauer (Abb. 68). über dem rund- bogigen Portal faßt ein Giebelaufbau das Wappen des damaligen Abtes. Der Abt von Neuhof-Ley schmückte im Jahre 1 706 die alte gotische Abteikirche, deren

Abb. 67. Cornelimünster. Comclluskapclle vTiTi Jahre 1705 und Chor der . . , r\ I

Abte.k.rche. \gl, .Abb. 68, 69, 72. Ausdehnungund Ausstattung ein Uenk-

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mal der großen Bedeutung des Klosters ist, nut der Corneliuskapelle. Es ist ein seltsamer Bau (Abb. 67). Nicht übermäßig glücklich m semen Verhältnissen. Ein Backsteinbau mit Hausteineckverklammerung, Hausteingesimsen und Fensterrahmen. Die Kuhaugen im Ober- geschoß, welche die nach außen verdeckte Kuppel beleuchten, haben rechteckige Einfassung erhalten. Die Kapelle würde mit ihrer Laterne weit besser wirken, wenn auch außen die Linien der Kuppel zur Geltung kämen*. Unter dem Abt Hyacinth Alphons von Suys, als das Kloster auf der Höhe seines Glanzes war und der Abt käuflich von Karl Philipp von der Pfalz die Vogteirechte über Cornelimünster erwerben konnte, begann in den Jahren 1720 bis 1728 der stattliche Neubau der Abtei (Abb. 69 u. 72), den der Abt von Sickingen (1745 bis 1764) vollendete. Dann aber ging es bald bergab mit dem Kloster. Das luxuriöse Leben der Abte häufte die Schuldenlast. Im Jahre 1802 wurde es aufgehoben, ward eine Zeitlang Tuchfabrik, bis im Jahre 1876 die preußische Regierung den Bau als Lehrerseminar einrichtete.

Die ehemalige Abtei ist huf- eisenförmig um eine Cour d hon- neur angelegt (Abb. 72). Das drei- achsige Mittelrisalit des Mittel- baues ragt mit emem besonderen Stockwerk und einem Dreiecks- giebel über die Seitenachsen hinaus und ist von Eckquadern eingefaßt. Die Fensterbänke laufen als Hori- zontalbänder über die Fassaden sämtlicher Flügel. An den Enden der Seitentrakte von je dreizehn Achsen sind die drei letzten pa- villonartig ausgebaut. Die ver- schiedenen Fenster- und Dach- formen zeigen, daß die ganze An- lage nicht gleichzeitig entstanden

* Vgl. den Schnitt der Kapelle Abb. 37 bei Clenien: ,, Kunstdenkmäler der Rheinprovinz", IX. Bd., II. Teil. Die Kunstdenkmälerder Land- kreise Aachen undEupen. Bearbeitet von Heri- bert Reiners. Düsseldorf 1912; Abb. 57: Grundriß der Tore; Abb. 59: Geometrische Ansicht des Innentores ; Abb. 56: Grundriß der Abtei.

Abb. 68. Cornehmünster. .'Xiiiknljrhau der .Abtei vom Jalire 1682. \'gl. .\bb.72.

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ist. An der Außenseite des nördlichen Seitenflügels haben sechs Fenster reiche, in der Zeichnung abwechslungsvolle schmiedeeiserne Gitterkästen erhalten (Abb. 69), Arbeiten von großem Reiz, die in ähnlicher Ausführung auch an einem Bürgerhause in der Trierer Straße wiederkehren (Abb. 70). Auch die Einfassung der Haustür dort erinnert an die Fenster- formen des Abteigebäudes. Das Bürgerhaus Klosterstraße Nr. 13 in Aachen hat einen ver- wandten Gitterkasten (Abb. 66). In der Zeichnung einfacher, aber nicht weniger reizvoll. Und mit einem ähnlichen Giebelaufbau wie bei den Gittern in Cornelimünster. Von dem Baumeister der Abtei und den Künstlern, die die Innenräume schmückten*, wissen wir leider nichts.

Engere Beziehungen als zu dem Bau der neuen Abtei in Cornelimünster wird Johann Joseph Couven in seiner Jugend zu Laurenz Meff erdatis, dem vielbeschäftigten Kirchen- baumeister von St. Peter zu Aachen und den Pfarrkirchen zuEupen(1721 1724), Würselen (1725) und Kirchrath bei Herzogenrath, gehabt haben**. Unter den erhaltenen Plänen und Zeichnungen Couvens kehren zahlreiche Pausen nach Mefferdatis' Bauten wieder. Teilweise mögen es Studienarbeiten sein ; teilweise aber hatte der jüngere Baumeister die Nachzeichnungen

nötig, da er die Innenausstattung auszuführen hatte. Die Künstlerpersönlichkeit des italie- nischen Meisters ist nicht ganz klar um- schrieben. Couvens Name und spätere große Tätigkeit haben die Erinnerung an ihn fast in Vergessenheit gebracht. Das Städtische Archiv zu Aachen bewahrt unter dem Titel ,,Architectura von Couven" einen Band On- ginalzeichnungen. In Wirklichkeit sind es Arbeiten von Mefferdatis.

Der Italiener war in Couvens Jugendzeit i der führende Baumeister m Aachen, als der wachsende Zustrom von Fremden zu den I Heilquellen und der Aufschwung des Wohl- standes der Stadt nach repräsentativeren Badehäusern verlangten. In der Komphaus- badstraße steht noch von ihm der große Bau des Corneliusbades (Abb. 71). Ein Doppel- haus. Jeder Teil hat die drei Mittelachsen

* Taf. IV u. V und Abb. 61 , 62 bei Clemen-Reiners a.a.O.

** Vgl. Clemen-Reiners a.a.O., Abb. 156-158: Pfarr-

.\bb. 71. .Aachen. Coineliiisbad von I^iirenz Mefferdatis

kirclie zu Würselen; Abb. 161- St. Nikolauskirclie m Evipen.

164 und Taf. VI 11 u. IX:

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wieder risalitartig vorgezogen und mit einem Giebel bekrönt. Über dem Portal des Erd- geschosses schwebt ein schmiedeeiserner Balkon. Das Verhältnis der Fenster Im Hauptstock- werk zu denen im Erd- und Obergeschoß, und vor allem die hohen Fensterglebel, die man am liebsten ganz missen möchte, sind nicht sehr glücklich. Das HauptprofU Ist zu mager ausgefallen. Der breite, hohe Bau verlangt nach einem ausdrucksvolleren Gebälk. Couven verdankt diesem sonst stattlichen ersten Repräsentanten einer monumentaleren Baugesinnung nach dem Stadtbrande allerlei Anregung. Aber seine Bauten wurden im Detail Interessanter und in der Aufteilung glücklicher.

Seine erste nachweislich ausführende architektonische Tätigkeit bezieht sich auf den Umbau des Rathauses in Aachen. Man hoffte damals, daß der geplante europäische Kongreß hier stattfinden würde. Der Rat der Stadt beschloß daher, zum feierlichen Empfang der Fürsten und fremdherrlichen Gesandten am 10. Juli 1727, ,,das inwendige corpo des rathhausses nach dem von maistre Gilles Doyen eingerichteten plan oder desseln mit allem möglichen ohne zeit verlierung zu aptieren. Und weilen denen zeitlichen herren baumelstern dies alles allein zu observiren, allzu beschwerhch befunden worden, also ist denenselben zu desto schleunichere fortsetzung dieses gar keinen Verzug erleidenden werks der herr werk-

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Abb, 7J. Lornelmiunsltr. Neubau der Ablei. I7jij 17J8. Vgl, Abb. 68. ö9.

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Abb. 73. Aachen. Ongmalzeichnung von Johann Joseph Couven für die neue Freitreppe am Rathaus. Vgl. .Abb. 74.

melster Jacob Niclass hiermit adjungiert worden, und solches gegen erkenthchkeit." Schon nach zwei Tagen findet der Rat es „nicht allein dienlich, sondern auch höchst nöthig die zum Ingang des rathhausses von erwehnten maistre Gilles designirte trappe nach seinem abriss verfertigen zu lassen, mithin auch zum prospect der herren gesandten zwey balcons ane rathhauss nach dem Mark zu, wofern ein solches practicabel, zu machen*. " Gilles Doyen stammt aus Lüttich, wo er am 22. September 1703 m die Maurerzunft aufgenommen war. Vorher war auch der ,, Stadtmaurermeister" Mefferdatis am Rathausbau beschäftigt. Genaueres wissen wir freilich von seiner Tätigkeit nicht, überhaupt ist die ganze Geschichte des Rathaus- umbaues nicht ganz klar. Obwohl Doyens Projekt ,,ohne zeit verlierung" ausgeführt werden sollte, fand die Grundsteinlegung zur neuen Treppe erst im folgenden Jahre statt. Auf einer Zeichnung der Freitreppe steht ,,Jo Joseph Couven Jnvenit et Dehneavit 1727" (Abb. 73). In seinen hinterlassenen Entwürfen ist ferner In zwei Varianten das Projekt für den Umbau der Fassade erhalten (Abb. 74). Der eine Entwurf wurde später auch ausgeführt**. Vielleicht stand der damals erst fünfundzwanzigjährige Couven im Dienste Doyens. Wahrscheinlicher aber ist, daß der Einfluß des Stadtarchitekten und ersten Sekretärs der Freien Reichsstadt Johann Jacob Couven seinem Sohne Johann Joseph einen Teil der Umbauarbelten zukommen ließ, daß also Doyen und Johann Joseph Couven nebeneinander arbeiteten. Nach den erhaltenen

* Zustand vor dem Jahre 1727: Abb. 3, 6, 8, 9 u.Taf. 1 —4 bei Richard Pick u. Joseph Laurent: ,,Das Rathaus zu Aachen". Aachen 1914.

** Ansicht der Rathausfassade nach dem Umbau von 1727 bei Pick-Laurent a. a. 0., Taf. 6, 7, 1 1 u. Abb. 20, 25, 42, 43. Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz VII, Heft 3, Abb. 49, S. 239. Dieses der Stadt .Aachen gewidmete Heft mit Aufsätzen von Eduard Adenaw: ,, Aachener Bauweise , von Hermann Schweitzer: ,, Innenräume im Aachener Bürgerhaus", von Albert Huyskcn: „.'\lt-.'\achen im Bilde", wäre auch sonst für die Zeit der beiden Couven zu benutzen.

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Zeichnungen darf man aber die Treppenanlage und den Umbau der Fassade als Couvens Arbeiten ansprechen. Wir erfahren auch aus den Ratsbeschlüssen vom 21. August 1731, daß „dem herrn Josepho Couven seine rechnung wegen der am rathhauss gethaner architecture mit 2400 gülden Aix abzuführen". Doyen erhielt dagegen für die Zeit vom 4. Dezember 1728 bis 25. Februar 1730 weit mehr, nämlich 9600 Aachener Gulden. Was er dafür geleistet, ist unbekannt. Wir wissen nur noch, daß Couven aus Cornelimünster zur Ausführung seiner Entwürfe Steinhauer kommen ließ: Heinrich Degra schuf für 1350 Aachener Gulden vier große Fenster, eine Anzahl ,,Basement- und Wallstücke" und das Portal; und Johann Wilhelm van der Banck für 22 Reichstaler das „Laubwerk an elf Steinpilastern".

Der Einfall, die alte gotische Fassade des Rathauses in den Formen des Regencestils zu schmücken, war nicht sehr glücklich. Es ist halt schwer, so verschiedene Stilformen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Die gegebenen Verhältnisse der Fassade gestatteten zudem keine freie Entfaltung. Nur die Mittelachse gab Couven größere Freiheit. Hier faßte er das Portal mit den beiden Seitenfenstern zu einer wirkungsvollen Gruppe zusammen, über welcher der Aachener Doppeladler schwebt, über der Fassade läuft eine Balustrade. Die breite Frei- treppe, die , .Royal Stiege", war indes von großer Wirkung (Abb. 73, 74)*. Vor dem Portal verbreitert sich die Plattform bogenförmig nach außen. Vasen schmücken die Postamente. Gußeiserne Gitter gliedern die Brüstungen; Fenster- und Blendrahmen den Blausteinunterbau. Auf dem Marktplatz baute Couven später dann den Karlsbrunnen aus und zu beiden Seiten neue kleinere Fontänen**. Sie wie die Freitreppe und der Schmuck der Fassade sind bei den ver- schiedenen Restaurationen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder beseitigt worden.

* Grundriß bei Buchkremer a. a. 0., Abb 2. ** Abb. 5 u. 6 bei Buchkremer a. a. 0. ALb. 49 i. d. Mitteil, des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege u. Heimatschutz VII. S. 239.

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Abb. 74. Aachen. Rathaus. Entwurf von J. J. Couven für die Wiederherstellung der Fassade. Vgl. Abb. 73.

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Nach der Vollendung der AuBenarbeiten wurde auch das Innere umgebaut. Couven hatte einen ganzen Stab von Mitarbeitern zur Seite. Die „Gipsarbeiter" Carlo Ludovico Castelli und Vasalli, die Maler Johann Chrysanth Bollenrath aus Aachen, Peter Eigen aus Köln, Peter Zieger aus Bonn, ein „Möhler en fresco", Jacob Bommertz, Jean Wenick oder Weninx, Pier Delloy, Pierre Bourgois. Der Kunstschreiner Jacob de Reux aus Lüttich schuf die Holzvertäfelung, der Bildhauer Bartholomäus Mignon das „Paneelwerk", Bernhard van Kerckhove „geschnittene Pilaster", Jean Antoine Larmoyer die „Sculp- turie", Simon Pirott „bey gezeigten ohnnachlässigen eyffer ansehenliche tüchtige schreiners- arbeit". Neben Meister Pirott waren auch Caspar Gobels, Servatius Klever und Peter

Wolf f in Aachen ansässige Kunst- schreiner. Im Jahre 1735 waren die Arbeiten des Umbaues voll- endet. Die Wiederherstellungs- arbeiten des 19. Jahrhunderts haben aber die Innenausstattung nur in drei Räumen des Erd- geschosses weiterbestehen lassen, im Weißen Saal (Abb. 79), im Amtszimmer und im Vorzimmer des Oberbürgermeisters (Abb. 77). Die entsprechenden Räume im anderen Flügel des Erdgeschosses, das Arbeitszimmer des ersten Bei- geordneten und dessen Vorzim- mer, haben ihre heutige Innen- ausstattung erst in den beiden letzten Jahrzehnten erhalten. Das Zimmer des Beigeordneten wurde mit den Resten der Wandver- täfelung aus dem Kaisersaal be- kleidet (Abb. 76). Das Vorzimmer nahm seine Ausstattung aus der vor einigen Jahren abgebrochenen Kreuzkirche (Abb. 75). Reich- geschnitzte Tür- und Wandver- kleidung und das Chorgestühl. Mobiliar aus der Couvenzeit Vgl. .Abb. 75 77 ward zur Ergänzung der Innen-

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einrichtung erworben, darunter ausgezeichnete Stücke, so daß die neu ausgestatteten Räume recht einheithch wirken*.

Aber eines fehlt den neuen Räumen : die farbige Ausstattung der Decke, die im Zimmer und Vorzimmer des Oberbürgermeisters noch erhalten ist (Abb. 77). Bis zum Gewölbe- anfang haben die Wände Holzvertäfelung, die in den Ecken die auslaufenden Gewölbegrate rundbogig verschalen. An einer Schmalseite steht ein Holzkamin. Die Schildbogenf lachen über der Holzverkleidung hat Johann Chrysanth Bollenrath mit großen allegorischen Darstellungen ausgemalt und die Gewölbezwickel mit den Bildnissen römischer Kaiser und mit lateinischen Sprüchen**. Bollenrath aus Münstereifel war in jungen Jahren nach Aachen gekommen, wo er schon in den Jahren 1718 1719 bei der Ausmalung von St. Peter Be- schäftigung fand und später für Couven tätig war. Er starb im Jahre 1776***. Wandver- kleidung und Wandbemalung der Rathausräume sind sehr fein zueinander abgestimmt, und die Gliederung der Holzvertäfelung ist von vornehmer Wirkung.

Der anstoßende Weiße Saal (Abb. 79) ist ganz anderen Charakters und von einer anderen Klangfarbe. Auf den hellstukkierten Wänden ist das Relief der Sockelrahmen, Türleisten und Orncimentenranken vergoldet. In den Schildbogen rahmt über gewundenem Sockel ein baldachinartiger Aufbau die Büsten römischer Kaiser ein. Putten auf Postamenten halten Kränze. Ein barockes Muschel- und Netzwerk verschalt die auslaufenden Gewölbegrate, und ein reiches Rankenwerk belebt die Gewölbefelder. Couven hatte bei der Ausstattung des Weißen Saales vielleicht am wenigsten Einfluß. Carlo Ludovico Castelli hat die Arbeit entworfen. Sie stand damals nicht allein in Aachen. Ein anderer Italiener hatte in den Jahren 1720 1730 den ehrwürdigsten Bau der Stadt, Karls des Großen Pfalzkapelle, im Innern mit Stuckdekorationen geschmückt: Giovanni Battista Artari.

Im Jahre 1624 war der Blitz in das Aachener Münster eingeschlagen. Der Stadtbrand von 1656 hatte das Balkenwerk über der Kuppel vernichtet. Sechs Jahre später führte man die neue barocke äußere Kuppel auf. Diese Ereignisse hatten auch im Inneren den alten Mosaik- schmuck der Kuppel und die Wandmalereien in Mitleidenschaft gezogen, so daß man im Jahre 1719 an eine neue Innenausstattung denken mußte. Artari ließ die Reste der Mosaik abschlagen und schuf im Laufe der folgenden Jahre, unterstützt von mehreren Gehilfen, unter denen vielleicht auch Castelli und Vasalli waren, eine prachtvolle Stuckdekoration (Abb. 80)f . Die Gewölbe und Bogen der Umgänge erhielten große Rahmen und Rosetten. Die Gesimse wurden verstärkt, um einen reicheren Licht- und Schattengegensatz zu erzielen, über den Erdgeschoßbogen halten Putten Medaillons. In den Zwickeln thronen auf Wolken die Evange- listen und Kirchenväter mit ihren Attributen. Die übrigen Mauerflächen der unteren Bogen-

* Genaue Detailaufnahmen bei Pick-Laurent a.a.O.. Abb. 49-34, 58, 39. 62 u. Taf. 13-17, 20. ** Pick-Laurent a.a.O., S.69. *** Pick: „Aus Aachens Vergangenheit", S. 523 ff

t Dttml.iufn,,l.men Abb. 172-178 u. Taf. V hei Karl Faymonville: „Der Dom 7U Aachen". München 1909. S. 377 ff

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.\LLi. 80. Aachen. Das Münster mit den tliemaligen Stuckdekoratiunen von Juliaiia Iwplist Ai l.u

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Stellungen wurden mit Rosetten belebt. In der Höhe der Säulenarkaden des Obergeschosses standen vor den Pfeilern auf Sockeln lebensgroße Figuren, Christus und andere Personen der Passionsgeschichte. Die Flächen der Pfeiler unter den Figuren schmückte Artari mit Medaillons und Ornamenten; über ihnen mit lang herunterhängenden Fruchtkränzen. Pflanzen und Muscheln rahmten die oberen Bogen und Fenster ein. Auf dem Kuppelgesims saßen allerlei Figuren, auf deren Schultern die prachtvolle Kuppeldekoration ruhte, eine Mittelrosette, von der aus strahlenförmig nach den acht Bogen hin Kartuschenwerk angebracht war. Um den malerischen Reichtum noch zu heben, wurden die Flächen zwischen der Mittelrosette und den strahlenförmigen Kartuschen mit blauen und goldenen Mosaikpasten ausgefüllt und die Kapitale vergoldet. Das Innere war in einen Prunkbau verwandelt worden. Die Stuck- dekorationen paßten sich weit besser den großen Bogenstellungen an als den schmalen Fenstern am Rathause (Abb. 74). Der Purismus der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts hat leider alles wieder beseitigt.

Die neue Abtei zu Cornelimünster, Mefferdatis' Arbeiten, Artaris Schmuck im Innern des Aachener Münsters und die unter seinem Einfluß stehende Tätigkeit Castellis am Rathaus- umbau, dann die heimische Backsteinarchitektur mit Blausteineinfassung, die in dem Tor- gebäude der Abtei zu Burtscheid einen charakteristischen Vertreter hatte (I . Abb. 281 ), das waren für Couven die Voraussetzungen, als er im Jahre 1735 den ersten Monumentalauftrag erhielt: die reichsunmittelbare Äbtissin der Zisterzienserinnen zu Burtscheid, Margaretha von Renesse und von Wüstenrath, übertrug ihm den Neubau der Abteikirche. Wenn er nichts anderes geschaffen hätte, so würde dieser Bau genügen, ihm einen geachteten Platz in der Geschichte der Baukunst am Niederrhein zu sichern. Vom Burtscheider Hügel herab beherrscht die Abtei- kirche die steil zu ihren Füßen abfallende Hauptstraße (Abb. 81). Die Situation und die Fülle schmalbrüstiger Bürgerhäuser geben dem Bauwerk die großartige monumentale Wirkung. Es ist ein achteckiger Kuppelbau auf quadratischem Unterbau, das Innere, der Kuppel ent- sprechend, oktogonal (Abb. 82). Nach Osten lehnt sich das Chor, nach Westen in gleicher Ausdehnung das Langhaus an den Mittelbau an, nur mit dem Unterschied, daß das Chor mit einer runden Nische schließt, während das Langhaus eckig seinen Rahmen zieht, um Platz für den Turm zu lassen, der vor seiner Schmalfront aufragt. Hinter der Kirche breitet sich südlich die Abtei aus. (Vgl. I. Abb. 281, 286.)

Pilaster gliedern die Mauerflächen und tragen das Hauptgesims, das um den ganzen Bau, auch um den Turm, läuft. Zwischen ihnen sind die Fenster angebracht. Am Chor und Lang- haus zweistöckig. Am Mittelbau rahmen Doppelpilaster mit einem Giebelaufbau je ein großes Fenster ein. Die herausragende Kuppel setzt diese Pilasterarchitektur in ihrem Unterbau fort. Aber statt der Pilaster an den abgerundeten Ecken unten ist hier über einer verkröpften Steinbrüstung ein Fenster angebracht worden. Das gibt die geschickte Überleitung vom Quadrat in das Achteck (Abb. 82). Die Dächer des Chors und des Langhauses schneiden, mansarden- förmig ausgebildet, in den Kuppelunterbau ein. Nach außen hat Couven sie abgewalmt und

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Al,h.81. Aachen -Burtsdieid. Hauptstraße. Im Hintergrunde die Abteikirche. (Vgl. Abb. 82.) Rechts im Vordergrund Haus „O.c Krön" (vgl. Abb. 126, 128 und I. 283) und Eingang zum „Haus Schumaclicr". (\'gl. .Üb. 78, 119, 122, 127, 129 )

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Abb. ö2. AatlHii-BuilscIicid. Abteikirche

Johann Jost'pli CoLivt.'n. \ gl. .Abb. öl .

auf den Dachspitzen je einen zierlich gegliederten Dachreiter angebracht. Der auf dem Lang- haus ist die geschickte Vermittlung zwischen Kuppel und Turm, In dieser Zusammenstellung liegt ein Hauptreiz der günstigen Wirkung der Silhouette für die Hauptstraße (Abb. 81). Die mit Luken und Mansarden belebte Kuppel bleibt das vorherrschende Motiv, unbeein- trächtigt durch den Turm mit seiner originellen Haube. Anderseits wird der Turm mit seinen abgeschrägten Ecken nicht von der Kuppel erdrückt. Pilaster gliedern auch das Innere der Kirche und schaffen einen Raum von großer und klarer Wirkung. Tonnen mit Stichkappen wölben Chor und Langhaus ein. In den vier Ecken des Mittelbaues haben Statuen in Nischen Aufstellung gefunden, über dem stark ausladenden Gebälk steigt die aus Holz gezimmerte Kuppel auf.

Im Laufe der Jahrzehnte sind die Backsteine braunschwarz und der Blaustem der Profile und Fensterrahmen außen blendend weiß geworden. Dazu tritt die Patina der Kuppel, um das farbige Bild zu vervollständigen.

Aus dem barocken Monumentalkünstler wurde später der elegante Wohnhausbaukünstler, der aus den ruhig vornehmen Formen des Stiles Regence sich eine eigene Architektursprache schuf.

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Im Jahre der Vollendung der Abteiklrchc zu Burtscheld, 1736, erhielt Couven von dem damaligen Bürgermeister von Aachen, Herrn von Wespien, den Auftrag, in der Klein- marschierstraße ein Wohnhaus zu errichten. Bei dem Reichtum des Bauherrn konnte er aus dem vollen heraus wirtschaften. Der Auf- trag muß ihn gefesselt haben. Jedes Detail des Außen- und Innenbaues ward von ihm selbst entworfen*.

Die drei Mittelachsen der Fassade sind wieder zusammengefaßt und etwas vorge- zogen, oben mit einem geschweiften Giebel abgeschlossen, der im Scheitel zwischen zwei Schnecken als Schlußstein eine Maske zeigt. Putten halten im Giebelfeld die Wappen von Herrn und Frau von Wespien (Abb. 84). über dem Giebelschlußstein schwebte einst die 3,50 Meter hohe vergoldete Bronzefigur eines Merkurs. Nach dieser Plastik ward das Haus auch wohl ,,Im gülden Mann" genannt. Das Erdgeschoß ist ganz aus Haustein. Der obere Bau aber, von der Eckverklammerung, den Profilen und Fensterrahmen abgesehen, aus Backstein. Selbst bei den Schornsteinen mag Couven nicht auf den reizvollen Gegen- satz von Backsteinflächen und Haustein- cinfassung verzichten. Er erinnert bei dem Hause Wespien wie bei der Abteikirche in Burt- scheld an die beiden münsterischen Baumeister Gottfried Laurenz Pictonus, vor allem an Johann Conrad Schlaun**. Aber sein Temperament war beweglicher und äußert sich auch in den reicheren Einzelheiten. Zunächst bei den Fensterrahmen. Ein Schlußstein verbindet den gebogenen Fenstersturz mit der Archltravleiste. In der fein profilierten giebelartigen Verdachung der Fenster des Hauptgeschosses ist eine Muschel angebracht. An ihre Stelle ist im oberen Stockwerk ein einfaches ausladendes Gesimsstück getreten. Die Mansarden- fenster zeigen ebenfalls eine originelle Einfassung. Seitlich am Fuße breite Schnecken, oben

Abb. 83. .Aachen. Haus Wespien. Haustür. Vgl. .Abb. 84.

* Max Schmid: „Ein Aachener Patrizierhaus des 18. Jahrhunderts". Julius Hoffmann, Stuttgart 1900. Mit 44 Licht- drucktafeln.

♦* Vgl. Kerckerinck-Klapheck: „Alt-Westfalen". Abb. 215— 225, 228-233, 256 -264, 268 ~273 u. f.

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schmälere. Das reiche Giebelgesims hat mi Scheitel als Schlußstein einen schneckenförmigen Überhang. Man vergleiche diese Details und das Verhältnis der einzelnen Geschosse und Dekorationsstücke mit Mefferdatis' Corneliusbad (Abb. 71).

Der Hauptschmuck der Fassade Ist die Mittelachse. Unten die Prachttür mit großem, reich verziertem Rahmen (Abb. 83). Im Oberlicht um die Laterne geschwungene Stäbe mit kleinen Blättchen an den Enden. Die Hausteinpilaster der Türumrahmung sind schräg vor die Fassade gestellt. Durch die ebenfalls diagonal auskragenden Konsolen oben und den Schlußstein über dem Türrahmen erhält die Balkonplatte eine bewegte Linienführung von malerischer Wirkung trotz des an sich geringen Reliefs. Das außerordentlich schöne Balkongitter Ist geschickt mit dem Türrahmen zusammenkomponiert. Alles ist auf perspektivische Täuschung berechnet. Der Balkon, der scheinbar eine beträchtliche Tiefe hat, kann in Wirklichkeit kaum zwei Per- sonen fassen. Und wie das Balkonfenster, so hat auch das darüber gelegene einen besonderen Giebel erhalten (Abb. 84). Alle Details der Fassade besitzen bereits die charakteristischen Formen Couvens, die nun allenthalben an seinen zahlreichen Arbeiten wiederkehren.

Und nun das Innere! Große Rahmen aus Stuck, mit der freien Hand aufgetragen, gliedern die Wände, Türen und Decken (Abb. 88). Schmiedeeiserne Gitter begleiten den Lauf der Treppe (Abb. 86, 87) ; .Arbeiten von woinderbarer Schönheit und Phantasie. Nichts von Schablone. Immer neue Motive. Ein fabelhafter Reichtum an naturalistischen Blattformen und omamentalen Linien. Und trotz des Abwechslungsreichen ein stimmungs- voller, ruhiger Einklang mit dem Schmuck der Wände, Decken und Türen*. Breite Hohlkehlen, mit Putten, Muscheln, Frucht- körben und geschwungenen Leisten ge- schmückt, führen aus den Wänden in die Decke des Treppenhauses über (Abb. 85). Hier hat Johann Chrysanth Bollenrath ein großes allegorisches Gemälde angebracht, die ,, Aufnahme des Erbauers der Stadt Rom, des Romulus, In den Olymp". ,,Ut Romulus immortalitate donatur" steht auf dem Spruch- band. Zeus, auf den Wolken thronend, mit

* Originalzelchnung der Decke bei Biichkremer a.a.O., Taf. III.

.\bl). 84- .\aclicn. Haus Wespien von J. J. Coiiven. Vgl.Abb. 83. 85-92.

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dem blitzetragenden Adler, reicht Romulus das Zepter, während ein Putto den Gründer Roms mit Lorbeer bekränzt. Em anderer Putto trägt Zirkel und Winkelmaß. Auf den Wolken liegen Bücher, Palette mit Pinsel und der Plan des Hauses Wespien. Man versteht, wer mit dieser Allegorie der Aufnahme des Erbauers von Rom in den Olymp gemeint ist Couven oder Wespien. Das gut in den Deckenrahmen komponierte Bild wirkt in der klar umrissenen Silhouette der Figuren durch das ganze Treppenhaus.

Das alles war aber nur ein Vortakt zu der prachtvollen Schönheit der Räume. Rechts vom Eingang liegt der sog. kleine Gobelinsaal (Abb. 89, 90). Sein Hauptschmuck sind Brüsseler Wand- teppiche. Sie sind signiert B. v B. P. V. D. B. oder E. V. D. B., auch F. V. D. B. oder B. V. D. B. B. ¥ B. ist das seit 1527 vorgeschriebene Er- kennungszeichen der Brüsseler Teppichwirker. Das ,,roodschildecken over weder zyden hebbende een B". Van der Borcht war die berühmte Teppichwirkerfamilie mit Franz, der 1727 Doyen der Brüsseler Gobelinfabnkanten war, und Peter, der im Jahre 1742 privilegiert wurde. Der Maler de Haas hat für die Firma manchen Entwurf geliefert. An einem Warenballen eines Wandteppichs im Hause Wespien steht ein D. H. Vielleicht geht die Arbeit auf de Haas zurück. Die sechs Gobelins des kleinen Saales stellen Szenen aus dem Leben Moses' dar. An der Südwand zu beiden Seiten eines Kamins links den Zug durch das Rote Meer, rechts die Mannalese (Abb. 90). An der Nordwand zu beiden Seiten einer reichen Holztür links den Bau der Stiftshütte, rechts die Kundschafter aus dem Morgenlande. An der Ostwand, eben- falls von einer Tür getrennt, Moses, Wasser aus dem Felsen schlagend, und die Auffindung des Mosesknaben (Abb. 89). Die großfigurigen Bilder sind, losgelöst von Raum und Rahmen, für sich betrachtet, glänzende Kompositionen von großem Geschick, durch den Gegensatz der Farbe und die Linienführung die Hauptfiguren in klar umrissenen Silhouetten aus der Dar- stellung heraushebend. Couven tat noch ein übriges, um die Bilder in ihrer Wirkung zu steigern. Er schuf um sie die prachtvolle Holzumkleidung, die Türen, Kamine, Holzrahmen, die Wandverkleidung, Beleuchtungskörper und Stuckdecke.

Die Einzelheiten sind so zueinander gestimmt, daß trotz des Reichtums alles harmonisch und organisch wirkt. Jedes Detail hat für die Raumgestaltung wie Raumausstattung eine Bedeutung. Die Bilder der Ostwand sind in einer Diagonale aufgebaut (Abb. 89). Bei dem

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Abb. 88. Aachen. Haus Wespien vcn J. J. Couven. Scbnitt. Vgl. Abb. 84-87, 92.

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Bilde links, „Moses schlägt Wasser aus dem Felsen", gleitet das Auge über den Rücken und den Kopf des Kindes, der Mutter, des Trinkenden und des Wasserträgers hinauf in die Linie des Korbbogens der Tür und über den Kopf und die Armbewegung der einen Dienerin und der ägyptischen Prinzessin hinunter zu dem Mosesknaben bei dem rechten Wandteppich. Der Schlußstein des Türbogens ist der Scheitel verschiedener Kurven. Hier begegnen sich auch die Linien aus der Muschel der 70 Zentimeter hohen Holzverkleidung des Bildrahmen- sockels unten links über den auf dem Boden stehenden Kessel, den von der Frau gehaltenen, über Schulter und Kopf des Schreitenden hinauf und über die Hand der einen Begleiterin, die rechte Hand der ägyptischen Königstochter wieder hinunter zu der Muschel rechts; oder Hnks von der Bergeslinie und dem Kopf des zuschauenden Mannes über die eine Hand der Schirm- trägerin rechts in die Ecke des Wandteppichs. Genau über der Muschel im Scheitel des Tür- bogens ist als Schlußstein eines reichen Rokokorahmens für das Bild der Supraporte, ,, Moses, die Gesetztafeln empfangend", zwischen zwei schneckenförmig auslaufenden Linien unter einem Korb eine Maske angebracht. Hier ist ein zweiter Scheitelpunkt der Wandaufteilung, der die höher gelegenen Kurven der Bildkomposition faßt und die Gestalten Moses' und seines Begleiters durch den Schirm rechts und die Waldkulisse ausbalanciert. Dabei sind die beiden Bilder in sich ebenso abgeschlossene Kompositionen wie der Türrahmen und seine Füllungen. Die aufsteigenden Haupthnien kehren wieder in sich zurück. Die Muschel der unteren Holz- verkleidung gehört zur Bildkomposition. Die Darstellungen auf dem Wandteppich beschreiben dieselbe aufsteigende Kurve, während ihre Ruhepunkte in den ausladenden Eckkurven des Rahmens liegen. Girlanden schmücken die Seitenrahmen. Auch sie sind als Schmuck nicht Selbstzweck, sondern wie die untere Holzverkleidung Kompositionsglieder der Wandaufteilung und führen die Bewegungslinien aus den beiden Bildern weiter zu den Darstellungen auf den Nachbarwänden (Abb. 90). Die Stuckdekorationen über den Türen und dem Kamin geben der Raumgestaltung nach oben in der Decke den einheitlichen Abschluß, und der Kronleuchter wirkt wie ein Schlußstein, wie der Kulminationspunkt des Raumes. Anderseits findet die einzelne Wandaufteilung in den abgerundeten Ecklisenen mit reich geschnitztem Kapital- und Sockelschmuck ihren architektonischen Abschluß. Die Rahmen unter den Teppichen ent- sprechen genau der Supraporte. Die unteren Türfüllungen sind ähnliche Figuren zu den Wandbilderrahmen. Der Mittelpunkt der Wandkomposition sind die oberen Türfüllungen. So stehen Bilder, Rahmen wie Ornament im Dienste eines architektonischen Gedankens. Sie sind Architektur.

Interessanter noch ist die Aufteilung der Hauptwand an der Südseite (Abb. 90). Der Spiegelrahmen über dem Kamin ist eine Kompositionsnotwendigkeit. Und wunderbar klingen die Linien seiner oberen Rahmenleiste in den Figuren an der Innenecke der beiden Bilder und der Muschel der Holzverkleidung aus. Wieder sind alle Bewegungslinien so angeordnet, daß das Auge hinaufgleiten soll zu dem Bild über dem Spiegel, „Moses am brennenden Dornbusch". Die reiche Ornamentik der Einrahmung bedarf keiner weiteren Erklärung. Der

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Abb. 91. Aachen. Haus Wespien von J. J. Couven. Eßzimmer im Erdgeschoß

Kaminvorsatz, eine prachtvolle Schmiedearbeit, muß aber besonders hervorgehoben werden. Wie die Linien und Flächen emheitlich zuemander komponiert sind, so auch die warmen Farbtöne der Bilder zu der dunklen Einrahmung. Nur eins stört : der kalte Ton des Marmor- kamins. Er ist später erst in die Komposition hineingeraten. Er war ehemals auch dunkel gehalten. Künstlerisch ist das Zimmer die beste Leistung des Hauses.

Hinter dem kleinen Gobelinsaal liegt das Speisezimmer (Abb. 91). Hell und licht gehalten. In den Masken und Füllungen des Gobelinsaales traten noch barocke Elemente des Stiles Louis XIV. auf. Barock ist eben auch die Darslellung der Wandteppiche. Der Speisesaal ist aber ein glänzender Vertreter des Style Regence. Die Linien und Farbtöne sind viel zarter und eleganter. In den naturalistischen Formen des Spiegelrahmens kommt leise auch das Rokoko zu Wort. Aber alle Rahmen sind noch symmetrisch gezeichnet und wissen noch nichts von dem Regellos-Phantastischen des späteren Rokokos. Die Aufteilung der Kaminwandseite ist wieder von wohl ausgeglichenen Verhältnissen erfüllt.

Im oberen Geschoß ist der große Gobelinsaal (Abb. 92). An den Schmalseiten über einem Kamin die Porträts des Hausherrn und der Hausfrau. Wandteppiche stellen über einer wieder 70 Zentimeter hohen Holzverkleidung die fünf Weltteile dar: Europa als Karneval in

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Abb. 92. Aachen. Haus \'vcsp!en von J J. Couven. Grober Gobehnsjal im ersten Stock. Vgl. Abb- 83.

Rom; Asien in einem Festzug emer orientalischen Fürstin; Amerika in der Huldigung eines Indianerfürsten; Australien, europäische Kaufleute Waren verladen lassend; Afrika mit land- schaftlichen Szenen. Wunderbare Teppichwirkereien des Hauses van der Borcht. An der Westseite haben die Fensterbänke und Fensterpfeiler reizvolle Holzverkleidung mit reichem Rahmenv^'erk erhalten. Vor jedem Pfeiler schwebt ein Rokoko-Konsolentischchen.

Der Ausbau des Hauses nahm viele Jahre in Anspruch. Unter dem Giebel der Fassade liest man die Jahreszahl 1737. Nach Bollenraths Bilderinschriften war die Ausmalung des Treppenhauses im Jahre 1739 vollendet, die Wandbilder und der große Saal 1742. Die Porträts des Hausherrn und der Hausfrau dort über den Kaminen werden noch später angefertigt worden sein.

Johann von Wespien war im Jahre 1687 in Aachen als Sohn eines Tuchfabrikanten geboren. Durch seinen Reichtum und Einfluß wurde er im Jahre 1 756 Bürgermeister der Freien Reichs- stadt. Zwei Jahre später wurde er wiedergewählt, starb aber im folgenden Jahre im Amte. In Aachen hat sich die Erzählung gebildet, daß seine Künstliche zu seinem finanziellen Ruin geführt habe. ,,He es af wie der Wespäng", ist ein Aachener Sprichwort. Aber als im Jahre 1768 seine Gattin Anna Maria geborene Schmitz kinderlos starb, hinterließ sie immer noch

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ein so bedeutendes Barvermögen, daß, abgesehen von anderen Stiftungen, ihre letzten Be- stimmungen allein für die Errichtung eines Spitals mit Kapelle ein Kapital von 100 000 Reichs- talern mit mehreren Grundstücken anweisen konnten. Das Wohnhaus in der Kleinmarschier- straße erbte Wespiens Patenkmd, Frau von Wespiens Vetter Johann Kaspar Strauch. Strauchs Erben verkauften den Besitz an den Tuchfabrikanten Martin Bernhard Schlösser. Im Jahre 1826 kam er an Karl Christian Joseph Degive, 1844 an die Familie van Gülpen. Eduard van Gülpen starb 1882, seine Witwe im Jahre 1900.

Die letzten Tage des Hauses Wespien sind für den Aachener wie für die ganze Rhein- provinz heute eine bittere Erinnerung. Der 5. bis 9. Oktober 1901. Vom 5. ab sah das Haus viele geladene fremde Gäste. Sie kamen meist zum erstenmal und waren eigens gebeten worden. Nicht jeder durfte in diesen Tagen die Prachträume betreten und durch das Treppen- haus wandeln. ,,Nur den mit Katalogen versehenen Personen ist der Zutritt gestattet", hieß es in der Einladung, dem mit zahlreichen Bildern ausgestatteten Auktionskatalog des Hauses J. M. Heberle, Köln. Es war eine Einladung zur Vorbesichtigung der Innenausstattung, bevor am 9. Oktober alles, was das Haus enthielt, Stuckdecken, Türen, Balkongitter, Fenster- läden, Kamine, Supraporten, Wandteppiche, Deckengemälde, Treppengeländer, Bilder, Be- leuchtungskörper, kurzum alles bis auf das nackte Skelett ,,erbteilungshalber" öffentlich ver- steigert wurde. Welch edler Geist ward hier zerstört, daß selbst sein Totengräber ihm eine Träne nachweinen mußte: ,,Ein hochbedeutendes und wohl einzig dastehendes Denkmal deutscher Kunst hätte als Ganzes erhalten werden können und müssen ! ! Gewaltsam soll nun zerrissen werden, was ein nie vergessener Aachener Architekt, unterstützt von einem kunst- sinnigen und fast verschwenderisch prunkliebenden Mann, als das bedeutendste seiner Werke und unstreitig das beste, was er überhaupt ausführte, errichtet hat, das an Schönheit der Ausstattung und künstlerischer Vollendung der Dekoration mit den Prachtbauten der Fürsten wetteifernde Haus." So sagt trauernd selbst die Einleitung des Versteigerungskatalogs! Die Museen in Köln und Nürnberg haben sich wenigstens noch zusammenhängende Zimmer- bilder gesichert. Das Museum zu Aachen erwarb aber, ich glaube, nichts als das Balkon- gitter. Alles andere ward in alle Winde zerstreut. Zum Teil nach England! So geschehen im Jahre 1901! Nicht etwa im Jahre 1870 oder 1880!

Das Denkmal, das ein gottbegnadeter Meister als das reichste, was ihm zu leisten möglich, für eine Familie geschaffen hat, gehört nicht dieser mehr allein, es gehört der Stadt und der engeren Heimat. Die Stadt Aachen, stolz auf ihren großen Sohn und die glänzende baugeschicht- liche Entwicklung aus dem letzten Jahrhundert ihrer reichsfreien Herrlichkeit, und die Provinz, die Wiege der Denkmalspflege unseres Vaterlandes, hätten niemals dulden dürfen, daß ein so herrlicher künstlerischer Organismus wie das Haus Wespien zerstört wurde ! Selbst wenn die Rheinlande noch ein zweites Haus Wespien gehabt hätten. Aber wir haben kein zweites Beispiel, das in gleich reicher Weise die dekorativen Künste, Malerei, Plastik und Kunstgewerbe, ein- geladen hätte, die Tonart des äußeren Hauses in so wunderbaren Rhythmen fortzuführen und ein

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Abb. 93. Gut Kalkofen bei Aachen von J. J. Couven. Einfahrt. Vgl. Abb. 94—97.

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Abb. 94- Gut Kalkofen bei Aachen von J. J. Couven. Stall- und Okonomiegebäude. Vgl. anschließend rechts Abb. 95.

Kunstwerk zu schaffen, das bis in jede Einzelheit von Harmonie erfüllt ist. Es ist ein Bau gewesen, an dem die Gegenwart alles hätte lernen können und gerade das, was ihr fehlt: Haus, Raumgestaltung und Raumausstattung auf eine gleiche Klangfarbe abzustimmen. Es war ein Musterbeispiel des Regencestiles auf nordwestdeutschem Boden.

Nachdem das Innere des Hauses zerstört, hat man auch noch das Äußere grauenhaft verschandelt. Ein Anstrich hatte vorher schon den farbig schönen Gegensatz von Backstein- flächen und Hausteineinrahmung verdeckt. Das Erdgeschoß nahm nun Läden für ein Emaileimcrgeschäft auf. In die Straßenecke wurde eine Tür eingebrochen, die alte Tür und die Fensterrahmen für große Geschäftsschaufenster herausgeschlagen. Aber die , .Pietät" sorgte doch dafür, daß die Erinnerung an den kunstliebenden einstigen Bürgermeister der Freien Reichsstadt Aachen welterlebte und hat in taumelnden, torkelnden Buchstaben des schwindsüchtigen Jugendstiles in einem Spruchband über der neuen Emaileimerladentür die Worte angebracht: ,,Wespiensches Haus". Die wahre Selbstironie !

Ein besseres Schicksal hat vor den Toren der Stadt ein anderer Bau gehabt, den Couven später, so etwa um 1750, für Herrn von Wespien ausgeführt hat und von dem zahlreiche

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Abb. 95. Cut Kalkofen bei Aachen von J. J. Couven. Innere Ansicht. Vgl. anschließend links Abb. 94. Dazu Abb. 96 und 97. Vgl. Außenansicht Abb. 93.

Entwürfe und Detailzeichnungen noch erhalten sind: das Gut Kalkofen. Kein Neubau, ein Umbau nur. Alt werden die beiden äußeren Bruchsteinwände neben dem Torturm sem (Abb. 93). Couven nahm ihnen die alten schmalen Fensterkreuze und Schießscharten und setzte neue breitere Fensterrahmen ein. Das war ein Eingriff wie bei dem Herrenhaus der Deutsch -Ordens -Kommende zu Siersdorf (I. Abb. 168, 169). Der Torturm mag vielleicht in seinem Kern auch alt sein und war bis dahin in den Formen schlichter. Couven gab ihm die charakteristische Gestalt (Abb. 93). Die Ecken des Bruchsteinbaues wurden exakt gequadert. Das breite Portal mit dem Fenster darüber und hoch oben der Nische für eine Madonnenstatue wurde von einem durchlaufenden reichen Rahmen eingefaßt. Die Achse erinnert an die Gliederung über dem Turmportal an der Abteikirche zu Burtscheid (Abb. 82). Damit nun das Relief der Fenster-, Nischen- und Portalrahmen sich besser abhebt, ist der Putz der von einem Blendrahmen umzogenen Fläche zwischen den Eckquadern dunkler im Ton gehalten. Ein üppiger, barock gebrochener Giebel umgibt die Uhr über dem ausladenden Hauptgesims am Fuß der Kuppelhaube und führt zu dem offenen Dachreiter, einer zier- lichen Laterne, über.

Vielleicht wird ursprünglich die Anlage von Kalkofen die gewesen sein, daß beide Flügel neben dem Torturm mit rechtwinklig dazu gelagerten Querbauten den Wirtschaftshof gebildet haben. Das Herrenhaus lag dann in der Torturm-Achse weiter zurück. Also eine regelmäßige

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Abb. 98. Aachen. Onginalzeichnung von J.J.Couven für die Pavillons und Cartengitter im ehemaligen Hause Mantels (vgl Abb. 99), heute „Kerslenscher Pavillon" genannt, auf dem Lousberg. Vgl. Abb. 100 und 101.

Anlage, wie sie uns im vorausgegangenen Jahrhundert im Lande Limburg- Jülich verschiedent- lich begegnet ist. Von dem vermutlich einstigen Herrenhaus ist aber keine Spur erhalten. Couven schuf nun am Ende des einen Eingangsflügels einen neuen zweistöckigen Wohnhausbcu mit Mansardendach und richtete diesen Neubau mit dem anstoßenden Eingangsflügel, der nach dem Hof zu ebenfalls eine Backsteinwand erhielt, als Herrenhaus ein (Abb. 95 97). Zwischen den Bossenpfeilern mit Vasenschmuck auf breit auskragenden Deckplatten betritt man durch die oben nach innen geschwoingene Gittertür den Wohnhaushof, den nach der Tordurchfahrt eine Mauer (Abb. 95), nach dem rückwärts gelegenen Garten ein Gitter abschließen (Abb. 96). Das Verhältnis von Neubau, Eingangsflügel und Torturm erinnert an die Silhouette der Abteikirche zu Burtscheid (Abb. 82). Aber da das „Langhaus" größer angelegt, mußte der Torturm höher hinausgezogen werden, um dem rechtwinkligen Wohnhaus- bau die Balance zu halten. Aber noch aus einem anderen Grunde hat der Torturm den Hauptakzent erhalten : er hat zwischen Herrenhaushof und Wirtschaftshof zu vermitteln, wo man für den Wohnhausneubau mit dem herausragenden Mansardendach ein Gegengewicht schaffen mußte; und zwar ein ebenfalls über die Dächer des Eingangsflügels hinausragendes Querhaus (Abb. 94). Es hat nach dem Hof zu gar keine Fensteröffnung, nur die auf dunklem Backsteingrund helleuchtende breite Türeinfassung. Große rechteckige Blenden gliedern die Wände. Das Mittelstück, oben mit einem Giebel bekrönt, ist risalitartig vorgezogen. Seine Blendgliederung muß sich nach unten der Linie des Türrahmens anpassen. Es ist ein wunder- bares Musterbeispiel für die Gliederung eines Backsteinbaues, diese Scheune, die in der prächtigen Aufteilung eine vornehme Ruhe atmet. Auf beiden Höfen hat das 19. Jahrhundert Schuppen errichtet (Abb. 94, 95). Uns trennt doch in der Tat ein tiefer Abgrund noch von jener großen Baukultur des 1 8. Jahrhunderts, welche in den Verhältnissen ihrer Baumassen und der Aufteilung der Wände so klangvoll ausgeglichen und welcher Sachlichkeit des Schaffens und Wohnbedürfnis das oberste Gesetz baukünstlerischen Gestaltens war! Sachlichkeit paart

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sich mit organischer Belebung jeden Details. Man beachte, welchen Auftrag der kleine Schornstein über dem Eingangsflügel zwischen Torturm und dem neuen Wohnbau hat, aus welchem Grunde der Turm höher gezogen wurde und eine Dachhaube mit Laterne erhielt (Abb. 95) und warum, scheinbar unmotiviert, Schneckengiebel und Haupttür des neuen Wohn- baues verschiedene Achsen haben. Aus Gründen des Gleichgewichtes und des Zusammen- klingens der Gesamtkomposition (Abb. 95, 97). Man versuche, den Giebel, der übrigens wieder lebhaft an den vom Aachener Haus Wespien erinnert (Abb. 84), zuzudecken. Es fehlt sofort ein Teil der wohl abgewogenen Verhältnisse der Hofkomposition.

Das Haus Wespien machte in Aachen Schule und begründete den Ruf Johann Joseph Couvens als Wohnhausbaumeister. Als der Außenbau vollendet war, übertrug ihm die Familie Mantels den Entwurf zu einem Neubau am Annuntiatenbach Nr. 20 (Abb. 99). Die Original- zeichnung Ist noch erhalten*. Der Bau kam aber leider nicht zur Ausführung und wäre

Buchkremer a. a. 0., Abb. 17.

Abb. 99. Aachen. Originalzeichnung von J. J. Couven für das Haus Mantels am Annuntiatenbach 20. Vgl. Abb. 98.

Abb. 100. Aachen. Kerstenscher Pavillon von J. J. Couven; heute auf dem Lousberg. Vgl. Abb. 98.

ein noch interessanteres Werk als Haus Wespien geworden. Es war breiter in der Front, hatte neun Fensterachsen. Die fünf mittleren waren als Risalit mit einem Giebel behandelt, die vier seitlichen über dem Erdgeschoß mit einer Pilasterarchitektur gegliedert. Das einzige, was zur Ausführung gelangte, war das Gartenhäuschen. Es ist im Jahre 1906 von der Stadt Aachen erworben und in den Anlagen auf dem Lousberg aufgestellt worden : der Kerstensche Pavillon, genannt nach dem letzten Besitzer. Man mag an dem reizvollen Häuschen er- kennen, was Couven für die Innenausstattung des Wohnhauses vorgeschwebt hat (Abb. 100). Es faßt einen Saal, 8 4,5 m groß, der trotz der wieder glänzenden Ausstattung einen wohn- lichen, traulichen Eindruck macht. In der Höhe der Fenster an der Gartenseite ist der Sockel mit reicher Holzverkleidung getäfelt, deren Muster auch die Schlagläden schmücken. Vor den Fensterpfeilern hängen wieder Rokoko- Konsoltischchen. Darüber sind hohe Spiegel mit einer bemalten Supraporte eingelassen. An der gegenüberliegenden Seite, die sich einst an die Gartenmauer anlegte, unterbricht ein eleganter Marmorkamin mit holzgeschnitztem Aufsatz und einem allegorischen Gemälde die Vertäfelung. An den Schmalseiten des Pavillons hegt die Eingangstür mit reich durchbrochenem, geschnitztem Oberlicht. Zu beiden Seiten sind zwei kleinere Türen mit Supraporten angebracht. Die eine öffnet sich in einen Wandschrank, die andere zur Treppe, die in das Mansarden- und Kellergeschoß leitet. Aus einer Hohlkehle,

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mit Rokoko-Stuckrahmen und Ranken geschmückt, entwickelt sich die flache Decke. Und auch sie hat eine allegorische Darstellung erhalten. Die hinenausstattung ist ganz im Geschmack des Hauses Wespien. Aber die reichere Linienführung zeigt, daß die Anlage jüngeren Datums ist. Couven entfernt sich immer mehr vom Style Regence zum Rokoko.

Aus dem tiefer gelegenen Hof zwischen Haus und Garten führt eine Treppe mit zwölf Stufen in das Gartenhaus hinauf. Und nach dem Hof zu schließt eine Brüstungsmauer in derselben Höhe wie der Treppenaufgang zum Pavillon den Garten. Ein reiches Gitterwerk läuft über diese Brüstungsmauer (Abb.98, 101). Graziös in der Zeichnung. Der Originalentwurf war noch reizvoller mit klarerer Betonung des Torgitters und interessanterer Gliederung der Sockelmauer. Auch für den Pavillon war außen eine reichere Gliederung vorgesehen, nach der Gartenschmalseite eine von zwei Säulen und zwei Pilastern getragene Vorhalle*. Vor die Brüstungsmauer legt sich im Hof eine bequeme Doppeltreppe. Vor ihrer oval nach vorn ausgebauten Plattform vor dem Torgitter ist zwischen den geschweift ausladenden Treppen- läufen ein Brünnlein angebracht (Abb. 98). Ein dreipaßförmiges Becken, in das hinein eine von Ranken umgebene Maske aus der Brüstung der Plattform ihr Wasser plätschert**.

In Couvens hinterlassenen Zeichnungen findet sich noch eine Fülle interessanter und eigenartiger Gartenhausentwürfe (Abb. 102 106). An Ort und Stelle erhalten ist aber nur

* Originalentwurf der Gesamtanlage bei Buchkremer a.a.O., Abb. 21, 22, 24. ** Grundriß der Brunnen- und Treppenanlage bei Buchkremer a.a.O., Abb. 23.

Abb. 101 . Aachen. Gartengitter vom Kerstenschen Pavillon von J. J. Couven; heute auf dem Lousberg. Vgl. Abb. '

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Abb. 102. Originalzeichnung von J. J. Couven für den Pavillon in Nuellens Hotel in Aachen. Vgl. Abb. 106.

Abb. 103. Entwurf für einen Gartenpavillon von J. J. Couven.

Abb. 104 Entwurf für einen Gartenpavillon von J. J. Couven. Vgl. Abb. 105

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Abb. 105. Entwurf für einen Gartenpavillon von J. J. Couven. Vgl. dazu Grundriß Abb. 104.

Abb. 106. .ViJ.cn. Garten in Nuellens Hotel. Vgl. Abb. 102

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noch der Pavillon im Garten von Nuellens Hotel am heutigen Friedrich -Wilhelm -Platz (Abb. 102 und 106). In der äußeren Gestalt von anmutig-reizvoller Emzelgliederung der abgerundeten Eckverquaderung, der Profile, Fensterrahmen und Fenstergiebel und der reichen Kartusche über der risalitartig entwickelten Eingangsachse. Der anstoßende Hinterflügel des Hauses, das Couven für den Bürgermeister Gerlach Mauw entworfen hat, öffnete sich ehemals in offenen Säulenstellungen zum Garten.

Was für Münster in Westfalen der Stiftsadel, das waren für Aachen die Tuchfabnkanten- geschlcchter. Und was ein Johann Joseph Couven und sein Sohn Jacob für die Loevenich, Grand Ry, Ludcwigs, Wes])ien, Klausener, Görtz, Fey, Mauw, Scheibler u. a. geschaffen, bleibt kaum zurück hinter dem, was in Münster ein Gottfried Laurenz Pictorius und vor allem Johann Conrad Schlaun für die glänzenden Namen der Landsberg, Beverförde, Galen, Merveldt, Ketteier, Korff-Schmiesing und Droste-Vischering errichtet haben. Couvens Tätigkeit erstreckte sich weit über Aachen hinaus. Die Freie Reichsstadt war der Vorort der Industriestädte Burtscheid, Eupen, Montjoie, Malmedy und Verviers geworden. Im Aachener Gewandhaus kamen die Fabrikate zusammen, wurden hier geprüft und, wie das Reglement der Aachener Tuchhalle vom Jahre 1713 bestimmte, alles ,,was ansonsten anhero zum feilen

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Ahh 107. Aaclien. Vorgebäude vom Hause Fey im Seilgraben. \'gl. Abb. 108

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Verkauf gebracht"*. In den Aachener Hauptstraßen errichteten die Palrizierfamilien, wie in Münster der Stiftsadel, Höfe, Cours d'honneur. Im Seilgraben entstand das Haus Fey mit einem Binnen- und Außenhof (Abb. 108). Das schmale Grundstück erlaubte es nicht, die äußeren stark verjüngten Seitenflügel bis an die Straße auszuziehen. Couven setzte daher neben das Straßentor schmucke Pavillons (Abb. 107). Es handelt sich auch hier nicht um einen völligen Neubau. Den rechten Flügel hatte bereits im Jahre 1640 der Bürgermeister von Oliva aufführen lassen. Die Oliva haben später die Besitzung an die Grand Ry verkauft, von denen sie Andreas Ludewigs und Clara Becker im Jahre 1740 erwarben. Bald darauf baute Couven das Haus aus. Er komponierte gegenüber dem alten Olivaflügel einen entsprechend schlichten Seitentrakt. Um so wirkungsvoller woirde in dieser anspruchslosen Einfassung der Mittelbau mit dem prächtigen Balkongitter (Abb. 108). Auch die Seitenfenster neben der Balkonachse erhielten reichere Rahmen und das Dachgeschoß Mansarden. Vasen auf Posta- menten akzentuieren die Ecken der ^

Grundrißanlage der beiden Höfe, deren Hauptreiz in dem Reichtum der perspektivischen Wirkung hegt. Die Hauptachse wird in den Garten fortgeführt. Der Mitteltür entspricht die gleich reich im Oberlicht ausge- stattete Gartentür (Abb. 112). Eine bequeme Treppe führt aus dem ge- pflasterten Hof zu der ersten Garten- terrasse. Und eine Brüstungsmauer schließt auch hier wieder den dahinter gelegenen Garten ab, in den hinauf vor dem Pfeilerportal eine Freitreppe führt. Im Innern des Hauses ist der Kamin des Hauptraumes ausgezeichnet zu der stuckierten Balkendecke kom- poniert (Abb. 109). Im Mittelfeld thront über der Feuerstelle in den Wolken die heilige Familie. Engels- köpfe leiten geschickt in die Hohl- kehlen der Decke über . Die Arbeit wird

* Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz IV, S. 7. Ge- schichtliche Industriebauten I. Max Schmid: „Aachen und d:e benachbarten Eifclstädte .

Abb. 108. Aachen. Haus Fey im Seilgraben; Hof nach der Straße. Vgl. Abb. 107,109,112.

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kaum von Couven selbst entworfen worden und voraussichtlich auf einen der zahlreich damals in Aachen und übrigens auch sonst in den Rheinlanden tätigen Italiener zurückzuführen sein. Die Hofanlage Haus Heusch, Jacobstraße Nr. 35, wird ebenfalls nur einen Couvenschen Umbau darstellen (Abb. 117, 118). Das Gelände ist relativ breiter als bei Haus Fey. Die Seitentrakte können daher auch breiter und bis zur Straße entwickelt werden. Mauerzüge rahmen wieder das Hofportal ein. Die Hoffassaden sind schmucklos, die einzige Dekoration ist das schöne Balkongitter über dem reicher gegliederten Eingang (Abb. 118).

Auch in dem benachbarten Eupen hat die damals aufblühende Tuchindustrie noch eine Reihe Denkmäler der führenden Patriziergeschlechter hinterlassen. Das stattlichste ist der Hof der Familie Grand Ry, die heutige Kaiserliche Post (Abb. 111), eine dreiflügelige

Backsteinanlage. Sie ist, Gott sei Dank, nicht nachträglich verputzt worden und in der farbigen Schönheit der exakten Eckquade- rung, der hellen Fensterrahmen und Profile noch erhalten. Es ist ein Neubau aus einem Guß und gibt daher auch eine bessere Vor- stellung von Couvens Hofkompositionen. Gut ist der Übergang vom Hauptprofil zum Mansardendach. Bei der Umgestaltung zum Postamt im Jahre 1889 konnte die Innen- einrichtung nicht erhalten werden. Der Mittelbau erhielt eine eingeschossige Vor- halle vor seiner Front. Dabei fiel natürlich das Portal mit dem schmiedeeisernen Balkon. Der Oberbau blieb außen indessen unver- ändert. Pilaster rahmen die Mittelachse ein und tragen den vor das Mansardengeschoß gelegten Giebel. Von großer Schönheit ist die nach der Straße den Hof abschließende geschweifte Backsteinmauer mit Vasen auf ihren Hausteinpostamenten. Der Einfluß des Frangois Blondel macht sich bemerkbar. Die Linien der Grundrißanlage werden male- rischer. An Stelle der Ecken treten Kurven. Die an das Haus Grand Ry anstoßenden Nebenbauten faßten einst die Fabrikräume ,. , ,,, , I r- (.Abb. 111). Auch um den Hof des Hauses

Vgl. Abb. 109. Wespien in Aachen lagen einst die Wespien-

Abb. 112. ,WlRn

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sehen Tuchfabriken. Die Famihc Grand Ry besaß aber in Eupen noch andere Fabrikbauten, so das jetzt der Famihe Mennicken gehörige Haus Wirtplatz Nr. 3 vom Jahre 1744, eine große Hofanlage, die ebenfalls von Couven stammt und 1786 von Wilhelm Scheibler in Montjoie von den Grand Ry erworben wurde, 1803 an das Haus Bock & Koenen, dann an Jean Fremery überging*; außerdem am Markt das Haus Wild mit einer im Aufbau wirkungs- vollen viergeschossigen Dachanlage für das Tuchlager**.

Im Jahre 1752 errichtete Couven für die Familie Vercken in Eupen ein neues Wohnhaus mit anschließendem Fabrikgebäude. Im 19. Jahrhundert ging es an die Familien Otzen und Jeghers über. 1856 kauften es die Franziskanerinnen und bauten auf den Fabrikflügel em neues Stockwerk auf (Abb. 1 14, 1 16). Der alte Eingang wurde vermauert und an seiner Stelle eine moderne Statue des heiligen Franz in eine Nische gestellt. Sonst ist der alte Außenbau gut erhalten und ein glänzendes Beispiel für das, was mit dem Wespienschen Hause zugrunde ging. Das Untergeschoß ganz in Haustein, die beiden oberen Geschosse in Backstein, in deren Fläche die Hausteinfensterrahmen lose eingesetzt sind. Der farbige Gegensatz hebt das Hauptstockwerk, das jedem Fenster schöne schmiedeeiserne Brüstungsgitter gegeben hat, günstig hervor. Die Mittelachse wird durch die Pilasterstellung besonders betont und oben von einem seltsam kapriziösen Giebel geschlossen. Das Fenster des Hauptgeschosses hat über seinem reichen Oberlicht einen besonderen Giebel erhalten und hob sich einst noch besser ab, als es das breite Balkongitter mit der Jahreszahl 1752 schmückte. Es ist das Gitter, das heute auf ebener Erde die Statuennische umgibt. Von sehr schöner Gliederung ist das Hauptgesims und seine Verkröpfung über den Kapitalen der Pilaster und die Eckverquademng, die beim Hause Wesplen durch den Anstrich ganz wirkungslos geworden ist. Das Innere zeigt noch das alte geräumige Treppenhaus und prachtvoll stuckierte Räume.

Durch die schmiedeeiserne Gittertür mit dem oval geschwungenen oberen Abschluß gelangt man in den Hof der Fabrik. Pfeiler, mit breiter Deckplatte und einer Urne geschmückt, rahmen das Gitter ein (Abb. 114). Die gleichen Urnen kehren am Eingang zum Hause Vercken bei Düren wieder (Abb. 1 13). Die Brücke ladet vor dem Tor halbkreisförmig zu beiden Seiten aus. Dort, wo der Bogen die Hofmauer trifft, ragt je ein kleinerer Pfeiler auf, ebenfalls mit einer Urne geziert. Es entsteht eine Einfahrtskomposition wie beim Hause Grand Ry in Eupen (Abb. 111). Das entgegenkommende, elegante Jahrhundert des Rokoko bedarf nicht mehr der abweisenden Tore. Die am Hause Fey und Heusch in Aachen werden sicherlich noch von dem älteren Bau stammen und nicht von dem Couvenschen Umbau (Abb. 107, 117).

Selbst in die romantischen Eifelstädte rief man Couven zu neuen Fabrikanlagen. Er mußte sich hier einer anders gearteten heimischen Bauweise anpassen. Das Land ist arm an Sand zur Mörtelbereitung und magerem Ton zur Backsteinherstellung. Die Feuchtigkeit der Täler

* Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz IV, S. 13, Abb. 4. Clemen-Reiners a.a.O., Abb. 176 u. 177.

** Clemen-Reiners a. a. 0., Abb. 181.

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verbüt zudem den dünnwandigen Backsteinbau. Man benutzte den heimischen Bruchstein oder noch häufiger das Holz der reichen Waldungen (Abb. 123). Wie im Bergischen Lande bedeckte man die Fachwerkbauten mit Schiefer (Abb. 121, 124). Couven hat in Montjoie um 1750 für Johann Heinrich Scheibler ein Wohn- und Fabrikgebäude geschaffen. Der Bauherr starb noch vor der Vollendung. Die beiden Söhne teilten sich in das Haus, das nun zwei Türen und zwei getrennte Treppenhäuser erhielt (Abb. 121, 125). Die eine Hälfte ist nach dem Signet im Oberlicht das ,,Haus zum Pelikan", die andere das ,,Haus zum goldenen Helm". Neben den beiden Wohnhäusern faßt das großräumige Doppelhaus noch Fabrik, Lager und Kontore. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts war das Haus wieder in einer Hand. Das Haus zum Pelikan wurde als Fabrik, das Haus zum goldenen Helm als Wohnhaus benutzt. Hier ist der große Festsaal mit der berühmten, reich geschnitzten Treppe. Im Treppengeländer des Pelikan ist in einundzwanzig Reliefs die Tuchfabrikation dargestellt. Viel- leicht war demnach dieser Teil des Doppelhauses von Anfang an als Geschäftshaus gedacht.

Welch ein Fabrikantenstolz In diesem monumentalen Bau, der an drei Straßen aufragt! (Abb. 121 , 125.) Vor allem in dem mächtigen vierstöckigen Warenspeicher des Dachgeschosses, das nach allen vier Fronten des Hauses über dem breiten Hauptgesims einen eindrucksvollen großen Giebel gezeichnet hat. Die wohlerhaltene kleine Sprossenteilung der Fenster ist ein glänzender Maßstab für die Größe des Hauses. Wie am unteren Niederrhein bedingte auch hier die feuchte Witterung den Gebrauch der Schiebefenster. Der farbige Effekt ist beim Schiefer- haus im Grunde derselbe wie bei dem Backsteinbau. Auf dem dunklen Grunde leuchten die hellen Fenster- und Türrahmen mit ihrem reichen Oberlicht und die Eckverquaderung.

Die oben schon erwähnte und bereits im Jahre 1645 genannte Tuchfabrik „Zur Krön" in der Hauptstraße zu Burtscheid (Abb. 81 u.LAbb.283) ging 1728 in den Besitz der Familie Loevenich über. Bei dem damaligen Aufschwung des Aachener Tuchhandels war die alte Anlage bald zu klein. Hinter dem Hof wurde ein Neubau aufgeführt, der im Jahre 1768 noch einen wesentlichen Ausbau erfuhr. Der alte Bau war nunmehr ganz vom Fabrikbetrieb ent- lastet. Der Grundriß in Abb. 126 zeigt die einzelnen Bauperioden. Damit die Arbeiter nicht mehr die Diele des alten Hauses zu passieren hatten, legte man seitlich durch die nördliche Fensterachse einen besonderen Zugang zur Fabrik, der auch hier seitlich weiter in den zweiten Hof führt, wo die Tuchrahmen ausgelegt wurden. Dahinter der Garten. Bei dem abfallenden Gelände der Hauptstraße läuft dieser Gang in den Höfen über Terrassen. Ebenso bedingte das abfallende Gelände die Anlage der Freitreppe im ersten Hof und der Gartenterrasse im zweiten. Der Verbindungsflügel vom alten Bau und der neuen Fabrik, gegenüber dem Lauf gang im vorderen Hof, sollte die Gesellschaftsräume mit dem großen Saal fassen und erhielt unter einem kleinen, anmutigen Pavillon neben der Freitreppe der Fabrikfront einen eigenen Zugang aus dem Hof wie aus der Fabrik (Abb. 128). Das Dach des Zwischenflügels diente als Lager- raum. Heute benutzt man indessen den ganzen Seitenflügel zu Fabrikzwecken. Aber an dem Schmuck der Räume ist die einstige Bestimmung noch zu erkennen.

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Abb. 125. Montjoie. Haus Scheibler von J. J.Couven. Vgl. Abb. 121.

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Abb. 126. Aachen-Burtscheid. Haus „Die Krön". Vgl. Abb. 128 und 1. Abb. 283.

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Die beiden Höfe der Fabrikanlage sind von großer malerischer Schönheit, vor allem der erste mit der breit ausladenden Doppeltreppe, dem schmiedeeisernen Gitter, der Gliederung der Kellertür, des Fabrikeingangs, des Treppenpavillons in der Ecke und des seitlich höher gelegenen Lauf ganges (Abb. 1 28). Ein beschämendes Musterbeispiel für das 1 9. Jahrhundert, dem der Begriff der Kaserne, der Scheune und der Fabrik Dinge außerhalb des baukünstlerischen Schaffens, Aufgaben des „Bautechnikers" waren. Wenn wir heute den schönen Hof nicht gleich als Fabrikhof ansprechen, so liegt das daran, daß wir noch immer die Architekturform auf ihre dekorativen Äußerlichkeiten beurteilen und nicht aus ihrer aus der grundrißlichen Anlage sich ergebenden Zweckmäßigkeit. Und lediglich aus Gründen des Zweckes ergab sich die Anlage des Pavillons und der Freitreppe. Ein höher entwickelter Geschmack gab der Sach- und Zweckform die schöne äußere Gestaltung und Gliederung, brachte die einzelnen Teile, Pavillon, Zwischenbau und Fabrikfront, in wohlabgewogene Verhältnisse. Wie wenig dabei diese Zeit nötig hatte, um sich mit Schönheit zu umgeben! Das 18. Jahrhundert gab der Treppe die bequeme, einladende Form, den Türen ein gefälliges, schlichtes Profil, den Ecken Hausteinquaderung, dem Türbogen einen einfachen Schlußstein, betonte durch Pilaster den Zusammenhang der drei Mittelachsen mit der Treppe das war alles! Die alten Fabrik- anlagen werden wie das Bürger- und Bauernhaus immer seltener. Es ist an der Zeit, diese Dinge vor ihrem Verfall und Abbruch als vorbildliche Grundriß- und Kompositionstypen zu Scimmeln!!

Es würde den Rahmen dieses Buches sprengen, wollte ich aller Bauten gedenken, die Couven, Vater und Sohn, und die zahlreichen Mitarbeiter in und um Aachen geschaffen haben. Man überschlage nur einmal die Aufstellung seiner und seiner Werkstatt Tätigkeit bei Buchkremer*. Sie führt aus Aachen und Burtscheid nach Cornelimünster, Düsseldorf, Eupen, Eys bei Simpel- veld, Geilenkirchen, Gülpen bei Weylre, Heinsberg, Houthem bei Valkenburg, Kirchrath bei Herzogenrath, Kohlscheid, Lemiers bei Vaels, Lüttich, Maeseyck, Montjoie, Münsterbilsen, Neuß, Niespert bei Eupen, Schieiden, Simpelveld, Vaels, Vaelsbruch, Weiden, Wickrath, Wlssem, Würselen. Damit ist vielleicht die Liste noch nicht geschlossen.

Es seien in Aachen nur noch wenige Wohnhäuser angeführt. Im Jahre 1749 baute Couven für Mathieu Lognay, den Minister-Residenten Friedrichs des Großen, das umfangreiche Ge- bäude Alexanderstraße 36, das jetzige Hotel zur kaiserlichen Krone, mit prachtvollen Räumen im Mittelbau nach dem Garten zu. Das reizvolle Eckhaus am Hühnermarkt mit dem doppelten Dachgeschoß, aber leider später eingebauten Läden im Untergeschoß, wird auch auf den Meister oder seine Werkstatt zurückzuführen sein (Abb. 115). Dann das neben der „Krön" in der Hauptstraße zu Burtscheid hinter einem Hof an der Straße gelegene Haus Schumacher (Abb. 122, 127). Efeu hat die Fassade überwuchert, und gegen den dunkel- grünen Grund leuchten wieder die hellen Fensterrahmen. Es ist em Umbau eines älteren Hauses und wird im Jahre 1735 „im Bau" erwähnt. Sein Hauptschmuck ist die zweiarmige

* Alphabetisch nach Städten und Straßen geordnet bei Buchkremer a. a. 0., S. 192—197

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Abb. 128. Aachen -Burtscheid. Erster Hof im Haus „Die Krön". Vgl. Abb. 126.

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Freitreppe mit dem schönen Geländer und der Haustür (Abb. 127). An der Vorderseite der Treppe ist zwischen den Läufen wieder em Brünnlein angebracht. Die Steinemfassung der Tür ist architektonischer komponiert als sonst bei Couvens Bauten und hat regelrechte Pilaster- stellung erhalten. Der Rahmen der reichgeschnitzten Holztür ist ringsum ornamentiert und auch die Füllung in der Mitte durch ein reiches Ornament geschmückt. Die Hoftür ist ein- facher gehalten (Abb. 1 19). Statt des geschnitzten Rahmenwerkes ein geschnörkeltes Stabwerk wie im Oberlicht. Eine Zusammenstellung von Couvenschen Türen würde eme Mustersamm- lung von Ornamentformen vom Stile der Regence bis zum Klassizismus ergeben. Hier sei nur noch das reiche Kirchenportal in der Annastraße genannt (Abb. 120).

Das Innere des Hauses Schumacher hat durch den Couvenschen Ausbau ebenfalls eine neue Ausstattung erhalten (Abb. 78, 129); der frühen Zeit entsprechend noch in den schlichten Formen der Regence wie bei der Innenausstattung des Aachener Rathauses (Abb. 75 77). über der Sockelholzverkleidung ist die Wandtapete von Holzrahmen eingefaßt. Sehr schön ist der Kamin mit dem Aufbau und dem Feuergitter (Abb. 129). Die Fülle der auf Couvens Entwürfe zurückzuführenden Möbelstücke ist gar nicht aufzuzählen. Sie gehen allgemein als „Lütticher Aibeit", Glas- und Eckschränke, Sekretäre, Standuhren, Kamine, Kleiderschränke usw. Sie finden sich in der ganzen Aachener Gegend und sind gesuchte Sammelstücke geworden. Das städtische Museum und das Rathaus bewahren noch einige ausgesuchte Exemplare, ebenso die Privatsammlungen Thome, Vendel, Wangemann u. a. Teilweise kamen wohl Couvens Mitarbeiter aus Lüttich, wie Hubert Hyard, der den Altar in der Pfarrkirche zu Eupen gearbeitet hat*, Jacob de Reux, Bartholomäus Mignon, Jean Antoine Larmoyer und andere Mitarbeiter Couvens am Rathaus. Aber daneben hatte der Meister seinen Stamm Aachener Arbeiter, Simon Pirott, Caspar Gobels, Servatius Klever, Peter Wolff usw.

Das Bild von Couvens vielseitigem Schaffen wäre unvollständig, wollte man nicht m wenigen Worten seiner kirchlichen Bautätigkeit gedenken, seiner Altäre, Kanzeln, Beicht- stühle usw. in St. Peter und der Kirche des Josephinischen Institutes und der Heiligen Kreuz- kirche zu Aachen, den Kirchen zu Eupen, Vaels, Richrath, Würselen, Cornelimünster usw. Die Betrachtung dieser Dinge liegt eigentlich außerhalb des Rahmens dieses Buches. Ich möchte aber dennoch zwei Kirchenschöpfungen des Aachener Meisters hier nicht übergehen : die Kapelle zu Nispert bei Eupen und die Ungarische Kapelle am Münster zu Aachen.

Der Färbereibesitzer Goertz hat im Jahre 1748, anschließend an sein Wohnhaus und seine Fabrik in Nispert, eine Hauskapelle errichten lassen (Abb. 130, 132). Couven soll auch das Wohnhaus errichtet haben**. Die Geschichte ist mir nicht ganz klar; ich denke mehr an einen Umbau, denn die Kapelle schneidet mit ihrem Walmdach recht seltsam in das anliegende Haus ein. In der Ausstattung der Innenräume des Wohnhauses, den Girlanden und den mit

* Clemen-Reiners a.a.O., Taf.VIII. ** Clemen-Reiners a. a. 0., S. 213. Buchkremer a. a. 0., S. 136.

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Putten geschmückten Medaillons an dem schönen Kaminaufbau, den Bildertapeten über der schlichten Sockelholzverkleidung, möchte ich mehr die Hand des jüngeren Couven, Jakob Couven, vermuten (Abb. 110).

Die Kapelle ist ein rechteckiger Bau mit anliegender Chornische und im Innern durch Pilaster gegliedert*. Am Altar hängen die Wappen der Herren Goertz und von Wesplen. Sie waren Verwandte, und Herr von Wesplen, dessen Wappen auch an verschiedenen Stücken der Innenausstattung der Kirche des Josephlnischen Institutes in Aachen glänzt, hat die Kosten für die Fassade der Kapelle in Nlspert bestritten. Die Fassade ist offenbar Fragment geblieben. Der Originalentwurf** sah in den Medaillons zwischen den Seitenpfeilern Porträtreliefs vor und die Pilaster reicher geglie- dert (Abb. 130). Hoch oben über dem Fenster die Wappen Goertz -Wespien. Ebenso sollte das Portal reicher profiliert sein. Vasen sollten den Giebel zieren und eine plastische Gruppe der Taufe Christi einrahmen. Ein zweiter Entwurf dachte sich zu beiden Selten von Portal und Fenster über einem kassettlerten Sockel Doppelpilaster und Vasen auf dem Mansardendach (Abb. 1 30).

Im selben Jahre der Fertig- stellung der Goertzschen Kapelle In Nlspert schloß Couven mit dem kaiserlichen Generalfeld- wachtmeister Emmerich Morocz

* Clemen-Reiners, Abb. 170. ** Buchkremer a.a.O.. Abb. 63. Dazu Grundriß Abb. 62. Abb. 129. .Aazhen- Burtscheid. Haus Schumacher. Vgl. Abb. 78, 119, 122, 127.

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Abb. 130. Originalentwurf von J. J. Couvcn für die Kapelle am Hause Goertz in Nispert bei Eupen. Vgl. Abb. 132.

136

Abb. 131. Originalentwurf von J. J. Couven für die Ungarische Kapelle am Münster zu Aaclien. Vgl. Abb. 133.

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137

als Vertreter des Grafen von Batthyany einen Vertrag für den Neubau der Ungarischen Kapelle am Münster zu Aachen*. Die alte, von König Ludwig I. von Ungarn im Jahre 1367 erbaute Kapelle, die bei den alle sieben Jahre stattfindenden Pilgerzügen der Ungarn für deren besonderen Gottesdienst bestimmt w^ar, war baufällig geworden. Die Entwürfe für Couvens Neubau sind ebenfalls noch erhalten** (Abb. 131). Er hatte die alten Fundamente der gotischen Vorgängerin beibehalten, ein Rechteck mit drei Seiten eines Achtecks als Chor. Außen war der Bau in den anspruchslosen Regencestilformen gegliedert, im Innern aber reich ausgestattet. Couven hat mit der Arbeit Unglück gehabt. Die massive Steinkuppel lastete zu sehr auf den dünnen Wandungen, so daß man schon 1 755 gezwungen war, den Bau nieder- zulegen. Man berief den Mailänder Baumeister Moretti und betraute ihn mit einem Neubau. Im Jahre 1 767 fand die Einweihung statt ; es handelt sich um die heute noch stehende Kapelle, die nunmehr, da ein Erlaß der österreichischen Regierung schon im Jahre 1 776 den Ungarn die Pilgerreise verboten hatte, als Schatzkammer dient. Das Innere ist kreisrund, das Äußere ein Quadrat mit abgeschrägten Ecken (Abb. 133). Doppelpilaster auf hohem Sockel rahmen die Fenster ein. Über dem stark verkröpften Gesims steigt die achtseitige Kuppel auf. Das Wappen von Ungarn schmückt an der Hauptseite den Bau. Es ist doch recht schade, daß

* Vertrag mitgeteilt bei Buchkremer a.a.O., S. 197 bis 205. •* Buchkremer a.a.O., Abb. 64 bis 68.

Abb. 132. Nispert bei Eupen. Haus Goerlz mit Hauskapelle. Vgl. Abb. 130 und 110.

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Couvens Kapelle wieder beseitigt werden mußte. Sie paßte sich dem Münster und dessen gotischem Kapellenkranz weit besser an.

Couvens reiche Bautätigkeit und sorgfältige Detailzeichnung für jedes Stück der Aus- stattung, der Möbel-, Stuck-, Stein-, Holz- und Metallarbeiten, bildeten ein künstlerisch ge- hobenes Handwerk heran. Er war der Lehrmeister der Aachener Zünfte geworden. Der Rat der Freien Reichsstadt erkannte schon im Jahre 1 739 seine Verdienste an, ,,dass derselbe hiessigem publico sowohl als denen privatis, in specie denen zunften mit seiner architecture kunst grossen beystand leiste und mit gutten anweisungen an band gehe". Es wird ihm daher ,, einer jähr- licher haussheuer eine jährliche zulag von 60 Rthlr. courant mit dem praedicat als stadt- architect hochgunstig gestattet". Bald darauf wurde er, wie einst sein Vater, Sekretär der Freien Reichsstadt und war in allen architektonischen Fragen der ausschlaggebende Ratgeber der Stadt. Die Haupttätigkeit in dieser Eigenschaft war die Bebauung der Westseite des Chorus- platzes zwischen Münsterturm und Marktplatzturm des Rathauses. Ungefähr in der Mitte stand das Haus der Hutmacherzunft. Der Rat wollte den Bau für die Festlichkeiten des Gesandtenkongresses als Komödienhaus umbauen lassen. Gleichzeitig beschloß man, die anstoßend gelegene ,,Acht", das Gerichtshaus der Schöffen, an jener Stelle, die heute den Klosterplatz mit dem Chorusplatz verbindet, neuzubauen . Außerdem entwarf Couven die zwischen Münster und Acht gelegenen Häuser der Stiftskapläne und zwischen Komödien- haus und Rathaus den schmäleren und zu- rücktretenden Verbindungstrakt durch den Marktturm zum Marktplatz (Abb. 134, 135).

Die Abb. 134, 135 nach Couvens Origi- nalplänen erläutern die Anlage: a ist der Gerichtssaal, ist neun Meter breit und nimmt die ganze Tiefe der Acht ein (zwölf Meter). Im Hintergrunde führt eine Doppeltreppe zur Tribüne des Vogtmajors und der Schöffen. Der Raum b führt zu den angrenzenden Stiftshäusern und ist vom Chorusplatz zu- gänglich ; ebenso das Vestibül d. Durch das Treppenhaus im Hintergrund von d gelangt man in die über der Acht gelegenen Räume, einen Schulraum und Wohnungen, und gegenüber in die 13,5 Meter tiefe Bühne des .,, ,,, . , ,, t' n m-- mi ..

, . Abb. 133. Aachen. Ungansche Kapelle am Munster, von Moretti.

Komödienhauses, für die Couvens Entwurf Vgl. Abb. 131.

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Abb. 134. J. J.Couven. Originalentwurf der Fassade der ehemaligen „Acht" auf dem Chorusplatz zu Aachen. Vgl. Grundriß und Schnitt Abb. 135.

Abb. 135. J. J.Couven. Schnitt und Grundriß der ehemaligen „Acht" und des Theaters auf dem Chorusplatz zu Aachen

Vgl. Fassade der „Acht" Abb. 134.

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auch die nach dem Hintergrund sich verjüngende Aufstellung der Kulissen angibt. Es folgt nach dem Rathaus zu der etwa 18 Meter tiefe Zuschauerraum, über den Sitzplätzen des Parterres und den beiden von Logen eingefaßten oberen Rängen, geschmückt mit Girlanden und Kartuschen, unterbricht ein offener ovaler Tambour die flache Decke. Schmale Korridore laufen um den Zuschauerraum, zugänglich aus den offenen Hallen im Erdgeschoß und dem Treppenhaus in der nordwestlichen Ecke des Hauses. Vom Marktplatz konnte man den Zuschauerraum durch den Verbindungsgang betreten; und da der Markt höher liegt als das Münster, ohne besondere Treppenanlage. Der Unterschied des Geländes von Markt und Chorusplatz wurde durch die offenen Hallen im Erdgeschoß des Komödienhauses ausgeglichen. Couvens Pläne für das Komödienhaus mögen uns auch eine etwaige Vorstellung von den übrigen nicht mehr erhaltenen Theateranlagen ich denke dabei hauptsächlich an die kur- fürstliche Oper in Düsseldorf vermitteln. Sein Aachener Theater faßte etwa 560 Sitzplätze, wurde 1748 begonnen und war im Jahre 1751 vollendet.

Die Stiftshäuser und der Verbindungsgang zum Marktplatz waren niedriger. Die Acht und das Komödienhaus dazwischen hatten gemeinsames Walmdach und mit den Seitenbauten durchlaufende Profile. Da neben dem Eingang in die Acht noch zwei weitere Zugänge, zu den Stiftshäusern und zum Bühnenhaus, geplant waren, hatte Couven hierhin den Hauptakzent der Gesamtanlage in einer repräsentativen Fassade vorgesehen (Abb. 134) und die Acht mit ihren drei Achsen neben dem Eingang als Risalit mit Eckverquaderung und Pilastern gegliedert, über diesen Pilastern rahmen Bogen mit reicher Schlußsteinverzierung die Fenster ein, die eigene Brüstungsgitter erhielten. Das wieder höher gezogene Fenster über dem Eingang schneidet in den Giebel ein. Das Hauptprofil begleitet sein Bogenrund. Im Jahre 1893 mußte die ganze Anlage fallen. Man mußte erstens eine Verbindung zwischen Chorus- und Kloster- platz schaffen, und dann verlangte das Rathaus nach einem Erweiterungsbau. Schade ist es aber doch um die einheitliche Gestaltung! Haus Cassalette, Peterstraße 44, mag in seinen Baudetails die Erinnerung an die ehemalige Gliederung der Acht wachhalten (Abb. 136).

Die Stelle eines Stadtbaumeisters war mit repräsentativen Verpflichtungen verbunden. Kam hoher Besuch, so waren die beiden Couven die Führer durch die Sehenswürdigkeiten der Stadt. ,,Das war nach altem Gebrauch das Recht und Vortheil für den zeitlichen Bau- meister," liest man in den Aufzeichnungen eines Zeitgenossen, ,,aber die damaligen, welche sich diesen Vortheil hätten benutzen sollen, waren nicht gewant genug, mit einem Monarchen umzugehen und Fragen von Ursprung und Herkommen beantworten zu können."* Jacob Couven hatte sogar einmal Kaiser Joseph II. durch Aachen führen müssen und dafür zur Erinnerung von ihm eine mit Diamanten besetzte goldene Uhr und eine goldene Kette erhalten.

Der Besuch der Fürsten und fremdherrlichen Gesandten brachte Couven allerlei wertvolle Verbindungen. Der Fürstbischof Karl Theodor von Lüttich aus dem Hause Bayern ernannte ihn zum ,, Architekten des Fürstbischofs von Lüttich" und beauftragte ihn im Jahre 1752

Fürth a.a.O. III. S. 552.

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Abb. 136. Aachen, Peterstraße 44. Haus Cassalette von J. J. Couven.

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mit dem Neubau eines Jagdschlosses bei Maeseyck. Für den Kanzler von Lüttich, den Grafen Horlon, entwarf er ein Wohnhaus. Unter der Herrschaft der Antoinette Gräfin von Eltz- Kempenich, Äbtissin des adeligen Damenstiftes Münsterbilsen bei Hasselt und Houthem bei Valkenburg, schuf er in den Jahren 1757 bis 1759 neue stattliche Abteigebäude. Auch Karl Theodor von der Pfalz war im Jahre 1747 längere Zeit in Aachen. Die Begegnung mit Couven hatte zur Folge, daß der Kurfürst nach seiner Heimkehr aus Schwetzingen am 26. August 1 748 den Befehl zum Neubau des Jägerhofes in Düsseldorf gab und den Aachener Stadtbaumeister mit Plänen betraute. In den fünfziger Jahren verhandelt man über verschiedene Entwürfe. 1763 ist der Neubau vollendet. Für Karl Theodors Statthalter, den Grafen Goltstein, baut er im Jahre 1754 das Stammschloß Breill bei Geilenkirchen aus; für dessen Verwandten, den Grafen Quad auf Wickrath, um 1760 einen stattlichen Schloßbau. Wir müssen diese Schloß- projekte im Zusammenhang behandeln.

Für den Neubau des Jägerhofes in Düsseldorf liegen vier Entwürfe vor. Der erste, vom Künstler selbst ,,premier projet" bezeichnet, vom Jahre 1751 (Abb. 138), ist auf das engste verwandt mit dem Jagdschloß des Fürstbischofs Karl Theodor von Lüttich in Maeseyck (Abb. 137. Die Revolutionssoldaten haben diesen Bau, der einst auf dem Marktplatz der Stadt stand, im Jahre 1798 bis auf die Fundamente zerstört.)* Couven war als Mitarbeiter für den Neubau zu Düsseldorf der Ingenieurhauptmann van Dawen beigegeben worden**. Man wird van Dawens Mitarbeit aber lediglich als die eines technischen, mit den gegebenen ört- lichen Verhältnissen vertrauten Beamten aufzufassen haben, der Couven bei der Aufstellung der Situationspläne und der Besprechung des Bauprogramms behilflich war. Der erste Ent- wurf wurde indessen vom Kurfürsten „wegen Kostspieligkeit verworfen", und der Oberbau- direktor Nicolas de Pigage beauftragt, neue Pläne anzufertigen. Es kann sich indessen hier nicht um eigene neue Entwürfe handeln, sondern lediglich um Abänderungsvorschläge, denn die späteren Projekte Couvens sind nichts als Variationen des ersten, das bereits alle grundriß- lichen Eigentümlichkelten des ausgeführten Schlößchens enthält (Abb. 139 141). Pigage, der Baumeister von Mannhelm und Schwetzingen, redet eine viel gewähltere Sprache denn Couven. Seine Abänderungsvorschläge für den Jägerhof können nur unbedeutend gewesen sein.

Der zweite Entwurf Couvens, eine flüchtige Überarbeitung des ersten, sucht dessen zu kostspielige Ausführung zu vereinfachen. Der Bau wird zweigeschossig, nur der Mittelbau

* Jos. Gielen: „Quelques notices sur la ville de Maeseyck. Annales de la societe d'archeologie de Bruxelles." Vol. VI (1892). Couven muß auch sonst noch in Maeseyck beschäftigt worden sein. Unter seinen hinterlassenen Zeichnungen ist ein „Plan von Maeseyck, die Gegend an die Maaspfort 1752" erhalten (Buchkremer a.a.O., S. 151). Ich kenne die Zeichnung wie die Stadt Maeseyck selbst nicht, kann daher nur vermuten, daß der Aachener Baumeister mit einer Stadtplanregulierung beauftragt war. Eine andere Couvensche Zeichnung gibt die genaue Aufnahme der Umgebung des „Grand Couvent de Maeseyck". Couvens Tätigkeit im Dienste Karl Theodors von Lüttich und des Lüttichschen Kanzlers Grafen von Horion müßte an der Hand der noch vorhandenen Zeichnungen noch genauer untersucht werden. Für das Schloß in Maeseyck liegen drei verschiedene Entwürfe vor, für das Haus des Grafen Horion in Lüttich zwei Zeichnungen. Ob das Haus des Kanzlers in Lüttich noch steht, kann ich auch nicht angeben. ** Jost: „Die Schnitzwerke am Marstall des Jägerhofes zu Düsseldorf". Festgabe des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1 895, Anm. 1 .

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Abb. 137. J. J. Couven. Enlwurf für ein Jagdschloß in Maeseyck für Karl Theodor. Fürstbischof von Lüttich. 1752. Vgl. Abb. 138-144.

Abb. 138. J.J. Couven. Erster Entwurf für das Schloß Jägerhof in Düsseldorf. 1751

Vgl. Abb. 139-144

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Abb. 139. J. J.Couven. Ausgeführter Entwurf für Schloß Jägerhof in Düsseldorf.

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bleibt dreigeschossig, behält auch sein Mansardendach, während der übrige Bau sich mit geradlinigen Formen begnügen muß. Die vorspringenden Eckrisalite werden vereinfacht. Eme wesentliche Änderung des GesamtentwTirfs besteht aber darin, daß Couven die in der Nähe fließende Dussel an der Vorderfassade des Baues vorbeileitet. Eine gewölbte Brücke führt über den Bach in das Haus, dessen Mittelbau im Untergeschoß als freie Durchfahrt gedacht ist. Damit war aber auch eine wesentliche Verschiebung der grundrißlichen Anordnung ver- knüpft. Ein dritter Entwurf ist die nochmalige Überarbeitung des zweiten. Der vierte wurde ausgeführt. Das Projekt der Umlegung des Düsselbaches ist aufgegeben worden, der Grundriß des ersten Entwurfs wieder aufgenommen (Abb. 139, 140).

Der vorspringende Mittelbau ist dreigeschossig, sein mit dem Allianzwappen des Kur- fürsten und der Kurfürstin geschmücktes Mansardendach ragt über das mit Mansarden und Dachluken belebte Walmdach des zweigeschossigen Hauptbaues hinaus. Das bedingt die malerische Silhouette des Hauses. Die Seitenrisalite, die auf den beanstandeten zu großen Vorsprung, die abgeschrägten Ecken und den eigenen Fenster- und Flächenschmuck vom ersten Entwurf (Abb. 137) im Interesse des Mittelbaues verzichten mußten, haben aber wie dieser besondere Eckquaderung und ein besonderes Mansardendach erhalten. Das Haupt- gesims wie die Dachprofile laufen auch um den Mittelbau. Vasen zieren die Dachspitzen der drei Risalite. Der Mittelbau sitzt außerordentlich glücklich in seinen Verhältnissen zwischen den Eckrisaliten.

Abb. 141. Düsseldorf. Schloß Jägerhof mit den neuen Seitenflügeln von Schnitzler vom Jahre 1845.

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Abb. 142. J. J. Couven. Entwurf eines Lustschlosses für Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz. Für Düsseldorf?

Nach altem CouvenscKen Rezept haben die Fenster des ersten Stockwerks eigene Formen erhalten. Das Mittelfenster den üblichen schmiedeeisernen Balkon, dazu noch Pilaster- einrahmung. Die Gartenfassade des Mittelbaues hat statt des Allianzwappens die uns aus den übrigen Couvenschen Arbeiten bekannte Giebelform (Abb. 143).

Couven hat das Thema der Fassade und des Grundrisses vom Jägerhof noch verschiedent- lich variiert*. Emer der erhaltenen Entwürfe ist besonders mteressant (Abb. 142). Aus dem Allianzwappen mit dem Kurhut, an derselben Stelle wie am Jägerhof, könnte man schließen, daß es sich wieder um ein Projekt für Karl Theodor von der Pfalz handelt. „Projete par J. J. Couven Architect selon les mesures prescrits" steht unter dem Entwurf. Also kein Phantasieprojekt. Die Situation für den Schloßbau wird ganz genau angegeben: eine fünfzig Meter hohe Anhöhe. Die Ähnlichkeit mit den Entwürfen für den Jägerhof ist derart frappant, daß man hier in der Tat jenes erste Couvensche Projekt vermuten könnte, das Karl Theodor der Kosten wegen ablehnen mußte. Man könnte aber auch an einen Entwurf für die Resi- denz des Statthalters Grafen Goltstein denken. Der dreigeschossige Bau ist flach gedeckt. Statuen und Vasen zieren seine Attika. Hinter dem von hegenden Gestalten eingerahmten Allianzwappen des Mittelbaues steigt über einem Unterbau eine Plattform auf, eingefaßt von reichem Gitterwerk; auf dieser Plattform dann ein achteckiger Aufbau in Gestalt einer Laterne. Auf seiner Dachspitze schwebt eine weibliche Gestalt. Zu beiden Seiten des Hauptbaues sind niedrigere Häuschen, Stallungen, Remisen, Gärtner- oder Jägerhäuser. In ihrer Mittelachse eine Brunnenanlage, seitlich dazu Statuen in Nischen.

* Vgl. Abb. 69 bis 80 bei Buchkremer a.a.O.

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Eine Reihe Zeichnungen in Couvens Nachlaß sind ebenfalls mit Allianzwappen und Kur- hut geschmückt. Es hegt nahe, m ihnen wieder Entwürfe für Karl Theodor von der Pfalz zu vermuten. Aber da weitere Angaben fehlen, ist es nicht einfach, die einzelnen Bauaufgaben genauer nachzuweisen. Nur wissen wir, daß die kurpfälzischen Bauten in Heinsberg auf ihn zurückzuführen sind. Seine Tätigkeit im Dienste der Familie des Statthalters bezieht sich nur auf Umbauten auf dem Stammschloß Brei 11 bei Geilenkirchen im Jahre 1754*. Inzwischen haben spätere Änderungen Couvens Spuren wieder verwischt. Auf dem Wirtschaftshof sind nur noch die Portale mit den Allianzwappen Goltstein - Schaesberg und Goltstein-Quad erhalten. Weit reicher aber war das einstige Gartenportal, die kleinen Gartenhäuschen und Springbrunnen in dem von Couven entworfenen neuen Garten.

Auch Couvens große Schloßanlage für den Grafen Quad zu Wickrath, den Schwager und Vetter des Statthalters, ist nicht mehr erhalten**. Graf Otto II. hatte 1794 vor den Franzosen fliehen müssen, die den Bau als französisches Staatseigentum erklärten. 1816 wurde es preußisches Staatseigentum, 1818 dann als Kaserne eingerichtet, 1859 wegen Baufälligkeit abgetragen. Nur der Schmuck vor der Freitreppe blieb erhalten. Bekleidete Sphinxe mit Panzer, Löwenschweif, Fruchtkörben und mit niedlichen Putten.

Das vierstöckige Gebäude ist schematischer entworfen als Couvens Anlagen in Düsseldorf und Maeseyck und entbehrt auch deren reizvollere Gliederung. An Stelle der malerischen Kurven ist die stumpfe Ecke getreten, an Stelle des Walmdaches das Satteldach. Nur der Mittelbau zeigt noch die gebrochene Dachform. Sie ist bedingt durch den prächtigen Giebel- und Wappenaufbau und die Laterne hoch oben. Buchkremers Vermutung, daß Johann Josefs Sohn Jacob auf die Gestaltung des Wickrather Schlosses wesentlichen Einfluß hatte, mag schon zutreffen.

Die Vorburg ist noch erhalten und dient als Landesgestüt.

Der Jägerhof zu Düsseldorf hat später zu beiden Seiten der Vorderfront kleinere Pavillons erhalten. Es entstand ein Vorhof, den ein ausladendes Gitter abschloß. Der Stadtplan vom Jahre 1809 und eine Aufnahme des Düsseldorfer Architekten C. J. Schnitzler zeigen den veränderten Zustand (Abb. 140). Ich weiß nicht genau, wann und von wem die beiden Vor- bauten geschaffen wurden. Als in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts der Jägerhof Residenz eines preußischen Prinzen wurde, war das Lustschlößchen für eine Hofhaltung zu klein. Schnitzler baute an Stelle der seitlichen, selbständigen Pavillons breite, mit dem Haupt- hau verbundene Flügel (Abb. 141). Der Charakter der alten Anlage als Lusthaus war damit verändert. Aus der ,,Maison de plaisance" war ein Chäteau geworden. Schnitzler hatte sich mit dem Ausbau taktvoll der Couvenschen Formensprache angepaßt und untergeordnet. Und die Gesamtanlage war, abgesehen von dem törichten Rasenkotelett und dem unschönen Vorbau

* Abb. 38 bei Biichkremer a.a.O. Vgl. Giemen: „Kunstdenkmäler der Kreise Erkelenz und Gcllonkirchcn". Bearbeitet von Edmund Renard. Düsseldorf 1904. S. 131 bis 135. Lagcplan Abb. 85.

** Clemcn: „Kunstdenkmälcr des Kreises Grevenbroich". Düsseldorf 1897, S. 73 bis 77.

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vor dein Portal, nicht wirkungslos (Abb. 141). Im Jahre 1910 ging der Jägerhof aus dem Besitz der Krone Preußen in den der Stadt Düsseldorf über. Er wurde Wohnung des Ober- bürgermeisters. Der Jahrzehnte un- bewohnte und auch vernachlässigte Bau mußte für moderne Wohnbedürf- nisse umgestaltet werden. Man ließ die beiden Schnitzlerschen Seiten- bauten abtragen. Ob das nötig war, weiß ich nicht. Ich bin über die technischen Voraussetzungen nicht unterrichtet .WilhelmKreis entwarf das neue Gitter. Hubert Netzer schmückte die Steinpostamente mit reizvollen Putten. Man wollte den einstigen Zustand wiedergewinnen. Aber die innere Umgestaltung, die in keiner Beziehung mehr zum Außen- bau steht, hat den eigentlichen Kern, den Charakter von Couvens Jägerhof ganz und gar geändert! Der alte Mittelbau mit dem ovalen Vestibül und der dahinter gelegenen rechteckigen ,,Salle ä l'itahenne mit ausgekurvten Ecken besteht nicht mehr. Garderobe und Toiletten haben den ovalen Rahmen des Vestibüls gesprengt. Eine neue Treppe im Gartensaal hat dessen Raumver- hältnisse seltsam verändert. Ich zeige hier den alten Grundriß (Abb. 144). Man wird sich mit dessen klarer Aufteilung der um den Mittel- bau sich gruppierenden Räume im heutigen Jägerhof nicht mehr zurechtfinden. Ich will mdes die Schwierigkeit nicht leugnen, die einer

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143. Düsseldorf, jägcrliof, Rückansiclit; heutiger Zustand.

Vgl. Abb. 139-141.

Abb. 144. Düsseldorf. Jägerhof; ehemaliger Grundriß. Vgl. Abb. 139-141, 143.

Umgestaltung einer ,,Maison de plaisance" in ein modernen Wohnbedürfnissen angepaßtes Stadthaus begegnet. Aber beim Jägerhofe hätte nur etwas baugeschichtliche Pietät den Mittelbau erhalten müssen!

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Abb. 145. Schloß Bcnratli. Supraporte aus dem runden Gartensaal. Vgl. Abb. 162.

Gleichzeitig, während Johann Joseph Couven mit dem Bau des Jägerhofes zu Düsseldorf beschäftigt war, entstand in dem benachbarten Benrath das neue Lustschloß. Der Jägerhof war nicht als eigentliche fürstliche Residenz bestimmt gewesen, nur als Lusthaus für Nach- mittagspartien und als Jagdhaus für den Pempelforter Wildpark. Es hat Karl Theodor bei seinen seltenen Besuchen am Niederrhein ein wenig für die glänzenden Residenzen in der Pfalz, für Mannheim und Schwetzingen, entschädigen sollen. Denn die alte Grafenburg in der Stadt auf dem Burgplatz ohne Park und irgendwelche Grünanlage hat ihn trotz Nost- hofens Ausbau auf die Dauer kaum fesseln können. Die anderen niederrheinischen Landes- burgen, Burg an der Wupper, Hambach und Bensberg, lagen zu weit ab. Bensberg mit seiner barocken Pracht entsprach bei dem Mangel eines größeren Gartens ebenfalls zu wenig der neuen Zeit der „fetes champetres" und Schäferspiele, die in behaglichen Lusthäusern ihrer Bequemlichkeit lebte und sich in Gärten erging. Man denke an Karl Theodors Park in Schwetzingen! Am meisten mag noch das Schloß Philipp Wilhelms zu Benrath den Kurfürsten angezogen haben, aber dieses war inzwischen baufällig geworden. Nosthofen hat im Jahre 1753 einen Plan für eine Instandsetzung entwerfen müssen. Zwei Jahre später entschloß sich Karl Theodor zu einem Neubau. Er war als Witwensitz der Kurfürstin gedacht. Aber sie starb vor ihrem Gemahl.

Ein günstiges Geschick hat dafür gesorgt, daß das Lustschloß zu Benrath nicht dem üblichen Schicksal der rheinischen Landesschlösser im 19. Jahrhundert verfiel, weder Straf- anstalt noch Kaserne oder Verwaltungsgebäude wurde. Das für Düsseldorf verhängnisvolle Jahr 1794, dem die alte Burg zum Opfer fiel, ist an Benrath vorübergegangen. Im folgenden Jahrhundert war es von Zeit zu Zeit bewohnt. Von 1804 bis 1806 residierte hier der Statt- halter für Jülich und Berg, Herzog Wilhelm von Bayern; von 1806 bis 1808 Joachim Murat,

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der Großherzog von Berg. Im Jahre 1811 hat das Schloß Napoleon und Maria Luise zu vorüber- gehendem Besuch aufgenommen, später Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Von 1821 bis 1848 war es von Zeit zu Zeit der Sommeraufenthalt des im Düsseldorfer Jägerhofe residierenden Prinzen Friedrich von Preußen, von 1842 bis 1870 des ebenfalls dort wohnenden Fürsten Anton von Hohenzollern. Während der rheinischen Kaisermanöver in den Jahren 1877 und 1884 hat Wilhelm der Große in Benrath Quartier genommen. Der Aufenthalt dieser fürstlichen Bewohner ist aber ohne irgend nennenswerte Änderung für das Schloß geblieben. Im Jahre 1911 ging es in den Besitz der Gemeinde Benrath über, die den Bau pietätvollst pflegt*. Der Baumeister von Benrath war Nicolas de Pigage (1723 1796). Er wird als „Inten- dant über die Garten- und Wasserkünste" ungefähr um dieselbe Zeit wie Couven in die Dienste Karl Theodors getreten sein: um 1748. Im Jahre 1752 ernannte ihn das Vertrauen seines Landesherrn zum ,, Ersten Architekten und Generaldirektor der Gebäude und Gärten des

* Julius Michael: Das Schloß zu Benrath am Rhein. Deutsche Bauzeitung XLVI. 1912. Edmund Renard: Das Neue Schloß zu Benrath. Jahresgabe des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft. Insel-Verlag Leipzig 1913. Eme kluge und glänzend ausgestattete .Arbeit. Dort ausführliche Literaturangabe über den Baumeister, seme Mitarbeiter und die Geschichte des Bauwerks.

Abb. 146. Schloß Benrath; Seitenansicht. Vgl. Abb. 147.

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Abb. 149. Schloß Benrath; Gartenfront. Nach eniem Gemälde von Heinrich Hermanns. Vgl. Abb. 14Ö.

Abb. 130. Schloß Benrath; Grundriß des Erdgeschosses. Vgl. Abb. 132.

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Kurfürsten Karl Theodor". Er war Mitglied der Pariser und der San-Luca-Akademie zu Rom und kam aus dem mteressanten Künstlerkreis, den Herzog Leopold I. von Lothringen (1679 1729) und dessen zweiter Nachfolger Stanislaus Leszmsky (1736 1766) m Lüneville und Nanzig, den beiden lothringischen Landeshauptstädten, um sich gezogen hatten. Lothringen war unter Leopold L schon vollständig französiert. Wenn seine Hofbaumeister nicht aus Paris kamen, so schielten sie doch stets nach der französischen Hauptstadt hinüber*. Jules Hardouin- Mansart entwarf im Jahre 1702 für Lüneville und Nanzig Schloßprojekte. Sein Schüler Ger- main Boffrand (1667 1754) war am Hofe Leopolds der führende Architekt und baute das nicht mehr vorhandene Palais in Nanzig (1717), das Palais Cräon ebendort, Schloß Malgrange, das Schloß und die Kirche St. Jacques in Lüneville (1702 1706), dann in den Vogesen sein eigenes Schloß Thuillieres. Emmanuel Here (1705 1763) hat unter Stanislaus Leszmsky das neue Nanzig geschaffen. Anselm Pigage war ebenfalls lothringischer Hofbaumeister und wohnte, als ihm im Jahre 1723 sein Sohn Nicolas geboren wurde, in Lüneville. über seine baukünstlensche Tätigkeit wissen wir weiter nichts. Er wie Here werden Nicolas die ersten baukünstlenschen Anregungen gegeben haben. Später wandte er sich nach Paris. Was ihn dort, abgesehen von der reichen architektonischen Tätigkeit an den Höfen der Prinzen könig- lichen Geblüts und des Adels, studienhalber angelockt haben mag, war die Schule von Jacques Fran^ois Blondel (1705 1774). Es war eine Privatschule, doch wenn man will, auch die erste Technische Hochschule. Ihr Einfluß reichte weit über die Grenzen Frankreichs hinaus und ist für die bauliche Entwicklung in Deutschland von größter Wichtigkeit gewesen. Frangois Cuvilhes der Jüngere, Simon Louis Du Ry, Karl von Gontard, A. F. von Kesslau, C. A. von Lespilliez, Heinrich Roth, Vallenan Funck und viele andere Baumeister waren einst Blondeis Schüler. Andere, die nicht seine unmittelbaren Schüler gewesen, gerieten dennoch bald unter seinen Einfluß. So Johann Joseph Couven in Aachen und Johann Konrad Schlaun in Münster i. W. durch die kunstschriftstellerische Tätigkeit des französischen Meisters**. Couvens Haus Wespien in Aachen war im Grundriß noch ohne eigentlichen Witz***. In den späteren Bauten, den Häusern Fey in Aachen, Vercken und Grand Ry in Eupen, lernen wir indessen den geistreichen Grundrißler kennen, der sich an französischen Vorbildern geschult hat. Sein Düsseldorfer Jägerschloß ist die erste ,,Maison de plaisance" mit dem ovalen Vestibül und dem Gartensaal, um die sich symmetrisch die anderen Räume gruppieren (Abb. 144). Pigage hat diesem durch Blondel und seinen Kreis verbreiteten Haustyp in Benrath m einer überaus genialen Raumausnutzung die interessanteste Grundrißlösung auf deutschem Boden gegeben^ .

* Cornelius Gurlitt: , .Geschichte des Barockstils, des Rokoko und des Klassizismus in Belgien, Holland, Frankreich und England." Stuttgart. 1888. S. 266 bis 274.

** ,,De la distnbution des maisons de plaisance." 1737 u. 1738. ,,Architecture fran<;oise." 1750 bis 1754. ,, Discours de la necessite de l'etude de l'architecture." 1754. „Cours de l'architecture." 1771 bis 1777. *** Schmid: „Haus Wespien". Abb. 1.

t Vgl. die verschiedenen Vorprojekte bei Renard a. a. 0., Abb. 17 bis 21.

155

Das bescheidene Häuschen am Weiher im Park ist der entzückendste Betrug, den man sich denken kann (Abb. 146 168), denn wieviel Räume sein Inneres birgt, wird kaum jemand ahnen können, der zum erstenmal das Schloß aufsucht. Man rechne einmal aus : Jede Fenster- achse an den beiden Langseiten, vom Vestibül und Gartensaal des an der Vorder- wie an der Gartenfront vorspringenden Mittelbaus abgesehen, denn die fassen je drei Fensterachsen, wird einem Zimmer entsprechen. Dazu kommt an den Schmalseiten noch ein besonderer Raum; macht im Erdgeschoß 16 Zimmer. Im Dachgeschoß wird man wohl zwei Räume mehr ausrechnen können. Im ganzen also etwa fünfundzwanzig. In Wirklichkeit faßt der Bau neben sieben Treppen und den Korridoren an achtzig Zimmer! Er ist nur nach der Garten- seite zweigeschossig (Abb. 156); im Mittelbau, vom runden Gartensaal abgesehen, dreistöckig (Abb. 155); die Fensterachsen der Räume II und 12 in Abb. 150 sind vierstöckig. Neben dem Vestibül (Abb. 150, Nr. 1) liegen vor dem runden Gartensaal (Nr. 3) zwei Binnenhöfe (Nr. 2), um die sich der Bau ebenfalls in vier Geschossen aufbaut (Abb. 153). Die ver- schiedenen Schnitte (Abb. 153 156) mögen die seltsame Anlage illustrieren. Aber ganz klar wird einem erst der Bauorganismus, wenn man stundenlang in ihm treppauf, treppab herum- gewandert ist. Ein erster Besuch verwirrt aber selbst den erfahrensten Grundrißler. Man mag diese komplizierte Anlage in ihrer äußersten Raumausnutzung fast als Künstelei, als Spielerei ansprechen, wenn sie nicht rein praktischen Erwägungen ihre Gestalt verdankte.

Das Schloß war für den Sommeraufenthalt eines fürstlichen Paares mit kleinem Gefolge und Dienerschaft für die nächste Aufwartung gedacht. Daher die rein symmetrische Aufteilung im Grundriß. In den beiden Winkeln der gemeinsamen Repräsentationsräume, d. h. zwischen dem Vestibül (Nr. 1), dem Gartensaal (Nr. 3) und den beiden Audienz- oder Gesellschafts- sälen (Nr. 4), auf der einen Seite das Quartier des Fürsten, auf der anderen das der Fürstin (Nr. 5 10). Aus den beiden Sälen (Nr. 4) zu Seiten des runden Gartensaales gelangt man in die Schlafgemächer (Nr. 5) und in das nach der Eingangsfront gelegene Wohnzimmer (Nr. 10). Alle diese Räume sind gleich hoch und entsprechen den äußeren Fensterrahmen des Erdgeschosses (Abb. 149, 151). Nur der Gartensaal schneidet mit seiner gewölbten Kassettendecke in den Dachstuhl ein. Ein Belvedere, ein laternenartiger, mit ovalen Fenstern geschmückter Aufbau mit einer Plattform, ragt noch über das Dach hinaus (Abb. 148, 149, 154 156). Alle anderen Räume im Erdgeschoß sind niedriger angelegt. Die Räume 1 1 und 12 reichen in der Höhe nur bis zu zwei Drittel der Fensteröffnung, während das obere Drittel ein Zwischengeschoß beleuchten muß. Die Anlage dieser Räume entspricht genau denjenigen, die sich um die beiden Lichthöfe (Nr. 2) lagern, den Räumen 6-9 und den korrespondierenden Zwischengeschoßräumen (Abb. 153).

Nach dem Binnenhof öffnet das Schlafgemach sich in ein ,,chambre d'alcove" oder ,,chambre de lit" (Nr. 6). Die ,,ruelles" zu beiden Seiten, die Nebengemächer, sind zu ovalen Kabinetten ausgebildet (Nr. 7). Das eine führt in das Toilettenzimmer mit anschließendem Abortraum (Nr. 9), das andere zum Badezimmer (Nr. 8). Die Zugänge zu den ovalen Kabinetten (Nr. 7)

156

Abb. 131. Schloß Benrath; Vorderansicht. Nach einem Gemälde von Hemnch Hermanns. \ gl. .Abb. 147 und 168.

Abb. 152. Schloß Benralh; Grundriß dos Obergeschosses. Vgl. Abb. 130.

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und ihren Nebenräumen aus dem Schlafgemach (Nr. 5) smd Geheimtüren, damit die ge- schlossene Raumwirkung des Schlafgemachs nicht gestört wird (Abb. 159). Nr. 11 ist das Zimmer des Kammerdieners bzw. der Kammerfrau. In dem Mauerstück zwischen dem ovalen Seitenkabinett (Nr. 7) und dem Wohnzimmer (Nr. 10) führt eine Treppe aus dem Kammer- dienerzimmer in die über den Räumen 1 1 und 6 9 in einem Zwischenbau um den Lichthof angebrachten Dienstbotenräume und ein Korridor in das Toilettezimmer (Nr. 9). Die Diener- schaft hatte also, ohne die Herrschaftsräume und das herrschaftliche Treppenhaus benutzen zu müssen, eigene Verkehrsmögiichkeit zur Bedienung des fürstlichen Paares. Ihre Räume liegen ganz verborgen. Für die Entresolzimmer der Vorderfront war in dem Mauerstück zwischen Vestibül (Nr. 1) und dem Vorzimmer (Nr. 12) auf dem linken Flügel noch eine Geheimtreppe angebracht, der auf dem anderen Flügel in halber Höhe des Haupttreppenhauses ebenfalls ein verborgener Zugang entsprach. Wandschränke in den gegenüber oder seitlich hegenden Ecken der Treppenzugänge tragen noch besonders zur Täuschung des fremden Besuchers über den Reichtum der Raumausnutzung bei*.

Das herrschaftliche Treppenhaus (Nr. 13) führt in das Mansardengeschoß (Abb. 65). über dem vorderen Teil des Vestibüls liegt die Kapelle (Nr. 14). über den fürstlichen Schlaf- gemächern (Nr. 5) hegen Gesellschaftsräume für das Gefolge (Nr. 1 5). Dazwischen vier Quartiere für Kammerherren und Hofdamen, bestehend je aus einem Wohnraum (Nr. 16), einem Schlaf- zimmer (Nr. 1 7) und einem Kabi- nett (Nr. 18). Man ist auch hier über die Raumausnutzung und die bequemen Verbindungsmög- lichkeiten für die Bedienung über- rascht. Der Raum Nr. 19 ist für die Dienerschaft, und von hier aus führen neben dem Alkoven Gänge in die Schlafzimmer, dann Treppen hinunter in das Zwischengeschoß, ferner ein Gang

* Es ist recht schade, daß das vortreffhchc Werk von Renard nicht einen Grundriß der Zwischengeschosse bringt. Sehr zweckmäßig wäre es auch gewesen, wenn man neben dem Hauptlängenschnitt (Abb. 133) noch eine Fülle anderer gegeben und diese zum Autklappen übereinander gelegt hätte, d. h. ähnlich jenen anatomischen Darstellungen, bei denen man zuerst die Epidermis, dann die Muskeln und Gewebe bis auf den Brustkorb und bis auf die Wirbelsäule und Schulterblätter aiif- Abb. 157. Schloß Benrath. Ovales Kabinelt Nr. 7 im Grundriß Abb. 150. klappen kann.

160

zu den nach der Vorderfront gelegenen Räumen und dem Gesellschaftssaal (Nr. 15). Die Haupttreppe bleibt also auch hier für die Kammerherren und Hofdamen reserviert. Zwischen den beiden Lichthöfen sind vor der Gartensaalkuppel weitere Dienerzimmer angebracht mit einem Korridor zu den Geheimtreppen und einem Treppenzugang zum Belvedere.

Die Kriegsjahre von 1 757 und 1 758 hatten den ruhigen Fortgang des Ausbaues am Ben- rather Schloß unterbrochen. Arbeiten in Mannheim und Schwetzingen und Studienreisen nach Frankreich und Italien riefen zudem den Baumeister oft von seinem Werk zu Benrath fort, so daß der Ausbau des Schlosses volle zwanzig Jahre in Anspruch nahm. Inzwischen hatte sich der Geschmack der Zeit gewandelt. Der Innenausbau zeigt deutlichst diese Änderung. Schloß Benrath ist, wie Robert Dohme einmal meint, „ein für die Entwicklungsgeschichte besonders wichtiger Bau, weil sich in ihm die ersten Regungen der Wandlung des Geschmacks in Deutschland zeigen. Die innere Ausstattung ist ein ungemein graziöses Zwischenglied zwischen Rokoko und Klassizismus"*.

Als Pigage um 1760 die Ausstattung der beiden Langsäle (Abb. 161) mit den anschließenden Schlaf gemächern (Abb. 159) entwarf, begannen für das in Frankreich schon ausgelebte Rokoko in Deutschland durch den eindringenden jugendlicheren Klassizismus schwere Nachhut- gefechte; und wenige Jahre später liegt die liebenswürdigste aller Stilformen in ihren letzten Zügen. Wohl ist in den Benrather Räumen noch die breite Hohlkehle des sterbenden Stiles bei den Decken beibehalten wor- den und die Tür von Blenden mit Hohlkehlen und Goldrahmen eingefaßt. Auch der Farbton der Räume atmet noch Rokoko. In den beiden Sälen ein Mattrosa, zu welchem das Deckengemälde von Lambert Krähe (1712 bis 1790) wirkungsvoll abgestimmt ist. In dem einen Saal, in drei Rundfelder aufgeteilt, Zeus und Athena, auf Wolken thronend, als Beschützer der Landwirt- schaft und des Gartenbaues, umgeben von Putten**; in dem anderen Apollo mit den Musen

* Dohme: „Geschichte der deutschen Baukunst". Berlin 1887. S. 414.

•* Abb. 39 u. Taf. XVII bei Renard n. I. 0.

Abb. 138. Schloß Benrath. Kabinett Nr. 18 im Obergeschoß ,\l,l

21

161

Abb. 159. Schloß Benrath. Schlafzimmer. Nr. 5 in Abb. 150.

162

(Abb. 161)*. An sich keine glänzenden Arbeiten, aber ausgezeichnet in der zarten Ton- anpassung zur farbigen Raumstimmung. Die Bilder der Supraporten von Franz Anton Leydensdorff (1721 1795) mögen, für sich betrachtet, interessanter sein, fügen sich aber dem Gesamtton der Farbengebung nicht so vorteilhaft an. Besser wohl in den Schlafräumen, die eben auch stärkere Farbtöne aufweisen (Abb. 159). Ein kräftiges Mattblau und Mattgrün der Wandbespannung, von Goldrahmen eingefaßt. Sonst aber tritt das Rokoko mit seinen Muschel- und Schnörkelformen bescheiden zurück. Rosetten, Girlanden und Netzwerk schmücken die Decken von Meister Giuseppe Antonio Albuzlo (t 1776). Die geradlinige Aufteilung der Wand- und Türgliederung, die von den Holzbildhauern Johann Matthäus van den Branden (1716—1788) und Augustin Egell (* 1728) nach Pigages Entwürfen stam.mt, mutet geradezu wie ein Nachleben oder Wiederaufleben des Stiles Regence an**. Albuzio, van den Branden und Egell waren auch an den Bauten von Pigage in Mannheim mittätig und machten nun dessen Stilwandlung mit. Als im Jahre 1767 der Kuppelsaal vollendet, ist das Rokoko tot (Abb. 162). Das Innere des Pantheon zu Rom und der Poseidon- tempel zu Paestum in Süditalien waren neu entdeckt worden. Die Ausgrabungen von Her- kulanum kamen hinzu. Man bedarf jetzt keiner Anleihen bei der Kunst der Regence oder des Barocks mehr. Man greift direkt auf antike Vorbilder für das Detail zurück. Acht Pilasterpaare rahmen Türen und Spiegel ein. Medaillons und Dreifüße schmücken die Türen. Putten halten m den Tür- und Splegellünetten Medaillons mit den Porträts oder Initialen des Herrscherpaares. Rosetten zieren die Kassettendecke, die nach oben zum Belvedere geöffnet ist, so daß dessen Deckenmalerei durchschimmert. Jagdhunde beleben die Lünettenzwickel ; Jagdtrophäen die oberen Flächen zwischen den Pilasterpaaren ; Putten, die Beleuchtungskörper tragen, die unteren Flächen. Em zierlicher Perlstab gliedert die Gesimse. Als letzte Arbeit wurde das Vestibül ausgestattet (Abb. 163).

* Originalzeiclinung der Deckenmalerei. Taf. V bei Renard a. a. O.

** Vgl. die Ausführungen bei Renard a. a. 0. S. 40 bis 47.

Abb. lüU. bchioiJ Benratii. kabinott im Ubcrg-jscholi.

163

Abb. 161. Schloß Benrath. Langsaal mit Blick in den Gartensaal. Nr. 4 und 3 in Abb. 130. Vgl. Abb. 162.

164

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Ahb. 162. Schloß Benrath. Gartensaal. Nr. 3 in Abb. 150. Vgl. Abb. 145.

165

ALb. 163. Schloß Benrath. Vestibül. Nr. I in Abb. 130.

165

Im Gegensatz zum Kuppelsaal etwas nüchtern. Girlanden zieren die Lünetten über den Türen und die Hohlkehlen der Decke; Stuckreliefs, die vier Jahreszeiten darstellend, die Wandfelder. Von großer Schönheit ist die Girlandenrosette der Decke.

Wichtiger und interessanter als der Reichtum des dekorativen Details sind die über- raschend schönen Raumverhältnisse, das klangvolle Abstimmen der verschiedenen Zimmer- höhen zur Ausdehnung, vom breiten und hohen Kuppelsaal, den Langsälen, Schlaf- und Wohnräumen und Vestibül bis zu den ovalen Kabinetten und vor allem den Mansardenräumen. Die Baukunst am Niederrhein hat nichts Behaglicheres schaffen können als die Zimmer des Benrather Dachgeschosses (Abb. 158, 160, 164). Drei Meter hoch nur sind die Räume, für die die ovalen Mansardenfenster vollauf genügen, ja die Wohnlichkeit noch erhöhen. ,,Der fried- liche Reiz, der über diesen Zimmerchen des Obergeschosses ausgebreitet liegt," meint Renard, „die Ausgeglichenheit der Erscheinung, die künstlerische Zurückhaltung in dem Schmuck, verbunden mit äußerster Solidität, die fast allein hier zu Worte kommt, geben uns gerade heute

Abb. 164. Schloß Bcnrath. Sthlolikapelle. Nr. 14 In Abb. 132. Vgl. Abb. 155.

167

Abb. 165. Schloß Benrath. Situationsplan von Schloß und Park. Vgl. die .Anlage des ahen Schlosses I, Abb. 341 und 342.

168

soviel, weil hier schon In den Anfängen des Aufklärungszeltalters die modernen Ideale bürger- licher Baukunst so fest umschrieben vor Augen liegen. Ähnliche Räume von sorgfältiger und einfachster, materialechter Durchführung sind äußerst selten." Die Kapellenanlage im Man- sardengeschoß mit den verglasten Logen oben für die Dienerschaft ist eine der originellsten Schöpfungen des ganzen Jahrhunderts (Abb. 155, 164). Dabei ein Raum von höchst intimer Wirkung. Man glaubt, im Salon eines Dampfschiffes zu sein.

Zum Lusthaus des 18. Jahrhunderts gehört der Garten (Abb. 165). Den beiden Alkoven der fürstlichen Schlafzimmer gegenüber öffnet sich die Tür des pavillonartigen Vorbaues (Abb. 146). Stufen führen von einer eingefriedigten Terrasse hinunter in einen Privatgarten, im Osten in den ,,Jardln de l'Electrice", im Westen In den ,,Jardin de l'Electeur". Der Garten der Kurfürstin hat ein von Baumgängen eingefaßtes vertieftes Parterre und als Abschluß in der hinteren Hälfte eine Kaskadenanlage (Abb. 165). Auch der gegenüberliegende Garten des Kurfürsten war einst regelmäßig entworfen und hatte, wie eine Aufnahme aus dem 18. Jahrhundert zeigt, in der Mitte ein schmales, vertieftes Wasserbassin, von Beeten umgeben; dahinter Rabatten. Maximilian Friedrich Weyhe (1775 1846), der Schöpfer des neuen Düsseldorfer Hofgartens, hat in den Jahren 1804 1806 dem Garten des Kurfürsten mit seltenen Baumarten und Gewächsen die heute noch vorhandene stimmungsvolle Umgestaltung einer englischen Anlage gegeben. Die beiden Privatgärten, durch Gitter und reizvolle Schilderhäuschen (Abb. 166) und breite Baum- alleen vom Hauptteil des Schloßparks getrennt, sollten dessen fehlendes Parterre ersetzen. Eines- teils war bei der gegebenen Situation des vom ehemaligen Lustschlosse Philipp Wilhelms vorhandenen alten schmalen Wasserspiegels für ein Parterre hinter der Gartenfront des neuen Lusthauses kein Platz vorhanden*, dann aber hätte die geringe Höhe des Schlosses auch eine solche Anlage kaum erlaubt, wenn es mit dem Wasserspiegel eine geschlossene Bildkomposition eingehen wollte. Die Terrasse mit den breit ausladenden Treppenstufen, davor Statuen, malerisch von Rosen überwuchert, auf den beiden nicht großen Rasenteppichen leiten auf das geschickteste vom Schloß zum Weiher über. Man übersieht ihn ohne allzu starke Überschneidung von der Terrasse aus, ebenso wie die Gartenfront des Schlosses vom Ende des langen Spiegels aus in dem Bilde zur Geltung kommt. Der Weiher verlangte Rücksichtnahme und bedingte als das zuerst Gegebene die Höhenverhältnisse des Schlosses. Das Wasser ist der stimmungs- vollste Teil der Gartenschöpfungen des 18. Jahrhunderts. Es hatte auch, als es beim alten Wasserkastell in der Hauptsache rein praktischen Anforderungen der Verteidigung zu dienen hatte, für die Bildwirkung des Hauses einen gewissen Kompositionsakzent. Für das 18. Jahr- hundert war es die Seele des Gartens.

Pigages Benrather Gartenbilder zeigen dasselbe ausgeprägte Raumgefühl, dieselben ge- schickt abgewogenen Verhältnisse wie die Innenräume des Schlosses: ob Ich vom Ende der über 600 Meter tiefen Wasserachse aus, auf beiden Seiten von Baumreihen flankiert, das

* Vgl. die Ansichten vom alten Lustschloß im ersten Band, Abb. 341, 342.

22 169

Auge über die 54 Meter breite Gartenfront schweifen lasse, für die von diesem Standpunkt aus das Belvedere optisch für die Höhenentwicklung notwendig ist, oder aus den beiden 200 : 70 Meter großen Privatgärten das geschlossene Bild mit den Seitenpavillons des Schlosses als Abschlußkulisse bewundere. Den alten Wildpark aus der Zeit Philipp Wilhelms, dessen Hauptachse über die früheren Weiherwandelhallen und mitten durch die Untergebäude östlich vom Weiher führt (I, Abb. 341), schloß Pigage quadratisch ein und zog um ihn das Wasser des Itterbaches, den er in den Urdenbach abfließen ließ und der auch die beiden an der Vorder- und Gartenfront gelegenen Weiher und die Bassins der Privatgärten speist. Im Kellergeschoß des Schlosses begegnen sich die vier Kanalverbindungen*. Im Mittelpunkte des quadratischen Parks, im großen Stern, treffen die acht Kreuz- und Diagonalwege, mit durchlaufendem Rasen- teppich in der Mitte, zusammen. Konzentrisch um den großen Stern ist der Kreisweg gezogen. Der über 360000 Quadratmeter große Park erscheint sehr selbständig gegenüber dem Lust- schloß, dessen Mittelbau außer der Wasserachse nur noch den einen Diagonalweg auf etwa 100 Meter beherrscht. Es galt, den anderen Hauptwegen ebenfalls „points de vue" zu geben. Der vom Schloß auslaufende eine Diagonalweg endigt am Rhein an einem erhöhten Rondell, einem von Baumgruppen umstandenen Aussichtspunkt über die Rheinlandschaft; die Gegen- diagonale an der Nordwestecke an einem Staubecken. Ihm gegenüber wird an der Südostecke, am Ende des langen Spiegels, aller Wahrscheinlichkeit nach irgendein architektonischer Ab- schluß projektiert gewesen sein. Renards Annahme, die in einer Zeichnung Pigages für eine Gloriette den Entwurf für das „point de vue" an dieser Stelle vermutet, hat viel für sich (Abb. 258). Die zwischen den acht Hauptwegen gelegenen Felder sind mit geometrischen

Wegebildern aufgeteilt. Die Nordsüdallee ließ der Baumeister an einer ovalen, von einer breiten Baumallee eingefaßten Rennbahn endigen. Aber mehr architektonische Eingriffe waren bei der großen Ausdehnung des alten Wildparkes, der umfang- reicher ist als alle heutigen Grün- anlagen der Stadt Düsseldorf zusammen, nicht mögl'ch. Man mußte, da eine dominierende Monumentalarchitektur nicht als beherrschender Ausgangspunkt

AI.!.. l((i. S.hiüß Bfiiiatli. Sclilklal.aus in, Park. \'gl. .\l,b. 140 und 151.

* Vgl. den sehr interessanten Grundriß des Kellergeschosses bei Renard a. a. 0 ,

Abb. 21.

170

für den Park vorhanden war, Natur Natur sein lassen und bahnte daher malerische Schlangen- wege durch das Gehölz.

An der Vorderfront rahmen zwei dreiseitige Kavalierhäuser, nach dem elf Morgen großen runden Weiher oval gezogen, das Lustschloß ein (Abb. 165, 168). An ihrem Ende steht ]e ein Torhaus (Abb. 167). Diese Flügelbauten sind ganz schlicht; ein einfaches Mansardendach, nur an den Kopfenden mit vorspringenden Risaliten belebt. Die Torhäuschen, die den Besucher zuerst begrüßen, haben etwas reichere architektonische Gliederung erhalten, und zwar schon ganz klassizistisch, während die Rahmen der Mansardenfenster am Hauptbau noch Rokokoformen schmücken. Mitten in den gebogenen Fassaden der Kavalierhäuser führt ein Hausteinportal in den Hof mit anmutigem, offenem, von hohen Holzpfosten getragenem Umgang (Abb. 256), um den in jedem der beiden Häuser sich nicht weniger denn 90 Räume sammeln*. Der nach dem Weiher gewandte Teil der dreiseitigen Bauten bestand aus drei Zimmerquartieren für hohen Besuch. In dem abgewandten Flügel waren Wohnräume für das Gefolge. In der Ecke, der Tordurchfahrt gegenüber, lag in dem einen Kavaherhaus die Küche, in dem anderen eine Kapelle. Die Dienerschaft wohnte in den Mansarden. Und wie das Wasser aus beiden Teichen und den Bassins der Privatgärten sich unter dem Hauptbau der Schloßanlage begegnet, so hatte man auch die Seitenbauten mit dem Hauptbau durch unterirdische Gänge verbunden**.

Pigage brachte das Motiv der oval geführten Kavalierhäuser aus Schwetzingen mit, wo er, nachdem Galli Bibiena im Jahre 1748 an das alte Schloß das nördliche Zirkelhaus und Raballiati in den Jahren 1753 bis 1755 das südliche aufgeführt, den herrlichen Park geschaffen hatte***. In Benrath waren aber die äußeren Verhältnisse des Hauptbaues schlichter. Bei der

anspruchslosen Gliederung der ^ ^

Kavalierhäuser bedurfte es in- dessen keines besonderen dekora- tiven Reichtums, um das Lust- schloß aus der mehrflügeligen Anlage hervorzuheben. Pigage gab dem Bau ein eigenartiges Dachprofil, den Dachfenstern einen reicheren Rahmen, den Fensterbogen des Unterbaues

* Grundriß der Kavalierhäuser Abb. 23 bei Renard a. a. 0.

** Vgl. den Grundriß des Kellergeschosses bei Renard a.a.O., Abb. 21.

*** R. Sillib: „Schloß und Garten zu Schwetzingen" Heidelberg 1907. Jos. Aug. Beringer: „Kurpfälzische Kunst und Kultur im achtzehnten Jahrhundert" Frei- burg i, B. 1907. Abb. 167. Schloß Benrath. Seitliche Auß.-nbauten. Vgl. Abb. 168.

171

Girlanden. Sonst blieb alles schmucklos, nur daß die vier Pavillonrisalite durch Eckverquaderung architektonisch hervorgehoben wurden. Bei den Seitenpavillons liegen die Fenster in tiefen Muschelnischen. Die einrahmenden Außenflächen der Nischen sind oval gezogen und gequadert (Abb. 146, 147). Büsten auf schön gezeichneten Sockeln zu beiden Seiten der Tür. Darüber in einem Flachrelief Puttenszenen von Peter Anton von Verschaffelt (1710 1793). Ebenso im Giebel über dem Haupteingang. Putten machen sich an der Uhr über diesem Giebel zu schaffen; andere winden Kränze um die Urnen zu Seiten des Giebels (Abb. 147). Den dreiseitig vorspringenden Pavillon der Gartenfront schmückte Verschaffelt mit emer Diana, Putten und Hunden auf einer Hirschjagd (Abb. 148, 149). Um aber dem schlichten Bau gegenüber den Kavalierhäusern noch ein besonderes Relief zu geben, setzte Pigage ihn auf einen niedrigen Sockel, dessen Plattform vor dem Vestibül in einer breit auslaufenden Frei- treppe hinunter zum Weiher führt. Für die Wagenauffahrt waren zu beiden Seiten Rampen angebracht, die vier bergische Löwen bewachen (Abb. 147, 151). Es ist dieselbe bewundemngs- würdige Überleitung wie auf der Gartenfront aus dem runden Saal und von der Plattform hinunter zum Garten (Abb. 149). Baumkulissen füllen die Zwischenräume zu den Seitenbauten (Abb. 168). Die ganze Anlage um den runden Weiher atmet in ihrer abgerundeten Geschlossen- heit eine feierliche Ruhe.

Nicolas de Pigage hat am Niederrhein noch eine zweite Gartenanlage schaffen dürfen. Als Johann Joseph Couven im Jahre 1 763 starb, fehhe seinem Jägerhof noch die nötige garten- architektonische Auffahrt von Düsseldorf her. Graf Goltstein beauftragte daher Pigage, „zu mehrerer Verschönerung und Ansehen" der Residenzstadt einen Plan für eine öffentliche Promenade zum Jägerhof zu entwerfen*. Karl Theodor genehmigte im Jahre 1769 den

* Dr. 0. R. Redlich, Fr. Hlllebrecht u. Wesener: „Der Hofgarten zu Düsseldorf und der Schloßpark zu Benrath". Herausgegeben vom Düsseldorfer Geschlchlsvercin. Ed. Lintz, Düsseldorf. 1893.

Abb. 16Ö. Schloß Benrath. Gesamtansicht der Vorderfront. Vgl. Abb. 167, Hl, 147

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Entwurf. Aus Schwetzingen kamen Gärtner. Das alte wellige Terrain vor dem Jägerhof mußte geebnet, Hecken und Strauchwerk beseitigt werden. Aus Holland bezog man Bäume. So entstand der alte Hofgarten zu Düsseldorf, dessen Anlage schon im folgenden Jahre in ihren Hauptzügen fertig war. Vom Mittelbau des Jägerhofes lief die breite Doppelallee zu dem vom nördlichen Düsselarm gespeisten Bassin (Abb. 169, 213). Neben dem eigens angelegten Düsselkanal am heutigen Goltsteinparterre lief eine zweite Allee, die man später als den bevorzugten abendlichen Aufenthalt an dem stillen gerad- linigen Wasserzug die ,, Seufzer- allee" nannte. Eine dritte Allee suchte vom Mittelbau des Jäger- hofes aus eine Verbindung zum Ratinger Tor. Aber einstweilen mußte sie an der Ecke der heutigen Kaiserstraße vor den Festungswerken der Stadt Halt machen. Die Felder zwischen den drei Alleen wurden mit Bäumen bepflanzt und, soweit das möglich, zu beiden Seiten der Mittelallee die gleichen Wegebilder angelegt. In den Alleen sah man Steinbänke. In den Sonntagsnachmittagsstun- den von 5 bis 8 Uhr veran- staltete der Hofgärtner Johann Christian Behrens, der nebenbei für die Bürger der Stadt eine Weinschenke unterhielt, vor seinem Haus im Hofgarten Konzerte. Es war das Eckhaus Jägerhof- und Kaiserstraße Der Hofbaumeister R. Flügel hatte es 1770 errichtet. Zehn Jahre später war eine Ver- größerung nötig, da der Bau für Bälle und sonstige Ge- sellschaften zu klein geworden Abb. 169. Dusseldorf. Hofgarten; Blick aus der rlauptaü-c am ücn Jägerhof.

173

war. Pigage entwarf einen Plan für den Ausbau. Baumeister Peter Köhler führte ihn aus. Im Jahre 1794 sprengten die Franzosen das Hofgartenhaus. 1802 führte der Hofbaumeister Huschberger einen Neubau auf, der heute noch erhalten ist (Abb. 170 u. 255).

Der Hofgarten war die beliebte Erholungsstätte der Düsseldorfer vor den Toren der Stadt. Der Statthalter wie die Bürgerschaft verfolgten den weiteren Ausbau mit lebhaftem Interesse. Man schmückte den Garten mit Statuen. Professor Bäumgen von der Akademie erhielt im Jahre 1774 für 450 Taler den Auftrag, die für den Sockel von Grupellos Reiterdenkmal auf dem Marktplatz bestimmten Eckfiguren, die bei dem Tode des kurfürstlichen Hofstatuanus noch nicht gegossen waren, zu reparieren und gleichzeitig mit zwei Vasen um das Wasser- bassin am Ende der Hauptallee aufzustellen. Was aus den Figuren später wurde, haben wir schon gehört (vgl. S. 6). über das Schicksal der anderen Arbeiten, die Bäumgen für den Schmuck des Hofgartens geschaffen hat, wissen wir nichts. Es waren zwei Alabasterbüsten, Herkules und Omphale, auf steinernem Sockelunterbau, dann 1777 zwölf Kinderstatuen für das Bassin, die Monate darstellend der Preis betrug 100 Taler , ferner die Statue der Göttin Hebe für den Rasenplatz und zwölf mythologische Köpfe mit Lorbeergehängen an den Sockeln für die große Allee. Friedrich Schaarschmidt hat auf zwei Figuren in einem dem Hofgarten benachbarten Privatgarten aufmerksam gemacht, in welchen er Arbeiten von Bäumgens Hand vermutet*. Ich selbst habe keine klare Vorstellung vom Schaffen dieses Düsseldorfer Bildhauers und lasse mich daher gerne von dem um die Geschichte der Düssel- dorfer Kunst verdienstlichen Schaarschmidt belehren, der in den an und für sich künstlerisch nicht übermäßig hoch zu bewertenden Plastiken Arbeiten aus dem Hofgarten wiedererkennen möchte. Ist dem so, dann sollte man die beiden Statuen auch wieder für den Hofgarten zu erwerben suchen!

Die Hauptallee verlangte nach einem architektonischen Abschluß. Meister Eisermann erhielt im Jahre 1779 den Auftrag, „um an der Seite der Landskron (also an dem Teich an der „Goldenen Brücke" im späteren neuen Hofgarten) die Promenade zu schließen", einen chinesischen Pavillon mit Seitenwerk und Nischen zu errichten. Es war ein quadratischer Bau von 24 rheinischen Fuß Länge und 13 Fuß Höhe und hatte einen laternenartigen Aufsatz. Sechszehn kupferne Glocken und Tiere schmückten das Dach. Joseph Feldmüller hat im Inneren die Decke mit chinesischen Vögeln und Drachen ausgemalt. 1780 war der Bau vollendet. Eisermann erhielt 418 Taler für seine Arbeit. Heute ist jede Spur der Anlage ver- wischt. Und es liegt nahe, anzunehmen, daß sie im Jahre 1794 gleichzeitig mit dem Hof- gartenhaus den Franzosen zum Opfer gefallen ist.

* Schaarschmidt: „Zur Geschichte der Düsseldorfer Kunst". S. 24

174

Im Herzogtum Jülich blieb die Bautätigkeit mehr oder weniger von der Freien Reichs- stadt Aachen abhängig, wo Jacob Couven (1735 bis 1812) nach dem Heimgange seines Vaters Johann Joseph Couven dessen Baugeschäfte weiterführte und auch im Jahre 1771 das Amt emes Ratssekretärs erbte, das nun m dritter Generation bei der Familie Couven war. Und wie der Vater, der übrigens trotz seiner großen Tätigkeit sich nicht besonders guter materieller Verhältnisse zu erfreuen hatte und sich oft wegen Geldunterstützung an den Rat wandte, so fand auch der Sohn von Zeit zu Zeit in den Nachbarstädten Bauaufträge. Vor allem in Heinsberg, wo er im Jahre 1774 das Prämonstratenserkloster (Abb. 172, 173), an- schließend daran einen anderen Bau aufführte, der heute als Amtsgericht dient (Abb. 172), im Jahre 1775 dann das Pfarrhaus am Innentor (vgl. I, Abb. 71). Aber auch sonst findet man in Heinsberg noch Spuren Couvenscher Tätigkeit. Das alte, im Jahre 1140 durch Goswin II. von Heinsberg gegründete Prämonstratenserkloster hatte unter dem besonderen Schutze der Herren von Heinsberg, aus dessen Hause viele Mitglieder in den Orden ein- traten, bald eine große Blüte erlangt. Bis zum Jahre 1479 war es ein Doppelkloster, seitdem ein adliges Frauenstift des Ordens.

Abb. 170. DiisäciJuil. 1 iul gärtnerhaus im alten llulga/lcn. \ gl. .'iLL. Jj3.

175

Couvens Klosterneubau, eine nicht ganz ausgeführte vierflügehge Binnenhofanlage, hat nach der Hauptstraße durch die beiden vorspringenden Seitenflügel einen kleinen Hof erhalten, den ein Gitterwerk abschließt. Die Seitenbauten sind ganz schlicht, haben Walm- dach, Stichbogenfenster, die Kanten gequadert und an der Straßenecke eine Madonnenstatue. Der Mittelbau ist reicher. Den Mittelrisalit hat Couven mit Lisenen eingefaßt und mit einem geschwungenen Giebel geschlossen. Die Haustür hat ein reich gegliedertes Rokoko- oberlicht erhalten mit dem Auge Gottes und dem Inschriftband ,,Omnia Videt Oculus Jllius". Nicht weniger reizvoll sind das Balkongitter und das Oberlicht der Balkontür. Amtsgericht und Pfarrhaus sind einfacher gehalten. Im Jahre 1801 wurde das Kloster aufgehoben; 1802 die Kirche abgetragen, das Kloster aufgeteilt und verkauft.

Ebenso glaube ich in der Apotheke zu Aldenhoven bei Jülich eine Arbeit von Jacob Couven erkennen zu dürfen (Abb. 171). Der Bau stammt aus dem Jahre 1774 und ist von dem Kaufmann Blees errichtet worden. Die Fenster wie der Giebel sind echt Couvenscher' Linienführung. Das Haus sitzt städtebaulich ganz außerordentlich gut am Ende der Haupt- straße an der spitzwinkligen Ecke zweier Straßenzüge. Der Giebelrisalit mit den drei Mittel-

Abb. 171. Aldcnliovcn. Apotlutl^e; von Jacob Couven.

176

achsen und die beiden etwas zurückliegenden Außenachsen unter dem Mansardendach sind nach der Hauptstraße orientiert. Die beiden noch weiter zurückliegenden Seitenflügel mit den einstöckigen Hintergebäuden passen sich in Anlage und Aufbau den beiden emmündenden Seitenstraßen an.

In Aachen selbst hatte Jacob Couven bis dahin seit dem Tode seines Vaters nur un- bedeutende Arbeiten auszuführen gehabt, bis ihm im Jahre 1782 der Auftrag zu einem Monumentalbau wurde. An Stelle der städtischen Buchdruckerei in der Komphausbadstraße sollte die Neue Redoute errichtet werden. Es ist das heutige Alte Kurhaus.

Der Bau könnte noch von Meister Johann Josef stammen (Abb. 176, 180). Jacob Couven hat die Fassade mit ererbten Formen aufgeteilt und gegliedert. Die drei Mittelachsen werden wieder als Risalit zusammengefaßt und oben mit emem gebrochenen Giebel wie beim Hause Wespien bekrönt (Abb. 84). Auch die Dachfenster, das Hauptgesims und die abgerundete Eckquaderung kehren am Wespienschen Hause wieder. Die Fensterformen mit ihren

Abb. 172. Heinsberg. Prämonstratenserkioster. Links anschließend Amtsgericht. Beide von Jacob Couven.

Vgl. Abb. 173 U.I.Abb. 71.

23

177

Abb. 173. Heinsberg. Mittelstück des ehemaligen Piämonstratenserklosters. Vgl. Abb. 172.

178

Abb. 1/4. Cortenbach. Neues Herrenhaus. Vgl. Untergebäude, L.Abb. J18.

Aijij. 1/3. ILiua Lk.M.iibcig üi-i .Adtiien von Jacob Couven.

179

Abb. 176. Aachen. Originalentwurf von Jacob Couven für die alte Kurhaus-Rückfront. Vgl. Abb. 177 180 und 192. Bei der Ausführung wurden die Arkaden der Hoffront geschlossen.

Brüstungsgittern sind uns von Johann Josef Couvens „Acht" auf dem Chorusplatze her bekannt (Abb. 134). Die Rückfront des Kurhauses entspricht der Vorder fassade, nur daß das untere Geschoß sich nicht in Arkaden öffnet, daß der Giebel des Mittelbaues eckig ist, der breite Balkon fortgefallen und zwischen den drei Mittelfenstern des Hauptstockwerkes Konsolen zur Aufnahme von Statuen angebracht worden sind (Abb. 176). Aber das Detail des Bauwerks, dem Johann Josef Couvens ,,Acht" am nächsten steht, hat nicht mehr die eleganten Regence- und Rokokoformen, sondern die strengeren Architekturteile des Klassi- zismus. Die beiden Adler und Palmen in den Giebelfeldern, die Zeichnung der Balkon- und Brüstungsgitter, die architektonischeren Schlußsteine der Fensterbogen, an Stelle der frei ornamentierten Formen des malerisch Unsymmetrischen des Rokoko an der ,,Acht" und dem Hause Cassalette (Abb. 136), und die Dekorationen der Blendfelder zwischen den beiden oberen Stockwerken charakterisieren deutlich die neue Stilform.

Noch deutlicher die Innenarchitektur. Durch die niedrige offene Vorhalle des Mittel- baues betritt man rechts das Treppenhaus, einfach gehalten, aber mit geistreichen Stuck- dekorationen an Wänden und Decke. Das Treppenhaus geleitet direkt in den Großen Saal, der beide Oberstockwerke des Mittelbaues einnimmt (Abb. 1 77, 1 78). Ein Festsaal, 23 X 1 2 Meter

180

Abb. 177. .Aachen. .Mtcs Kurhaus. Großer Saal von Jacob Couven. Vgl. .Abb. 176, 178,

groß, feierlich monumental in den Gesamtverhältnissen der schönen Raumwirkung wie in der Einzelbehandlung. Der Originalentwurf zum Großen Saal ist noch erhalten*. Doppelpilaster rahmen Fenster, Türen und Wandnischen ein und tragen das reich gegliederte Gebälk. Eme breite Hohlkehle führt von hier zu der flachen Decke über. Die Stichkappen der oberen Fenster, die der äußeren Fassade entsprechen, unterbrechen malerisch die rund gezogenen Flächen. Durch die Schmalseiten flutet das Licht in den Saal. Ihre architektonische Wandaufteilung wiederholt sich an den Langseiten, nur daß hier statt der Fenster drei Eingänge und zwei Nischen, für die einst Statuen bestimmt waren, von Doppelpilastern eingefaßt werden. Die beiden Mitteltüren sind breiter angelegt. Karyatiden rahmen sie ein und helfen das Gebälk tragen. Putten schmücken die Türlünetten, und das Rund der Tür- und Nischenbögen ver- goldete Kränze. Das ist neben den vergoldeten Kapitalen der Doppelpilaster der wesentliche Schmuck der klaren architektonischen Wandgliederung. Reicher dagegen der Oberbauschmuck, über den Nischen sind mythologische stuckierte Szenen für Jupiter, Juno, Ceres und Pluto angebracht, über den Haupteingängen Vasen mit Fruchtgehängen. Wo das Rund der Hohl-

* Vgl. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Bd. XVII, Taf. VIII.

181

kehle in die flache Decke übergeht, hängen Girlanden. Zwei große ovale Bilder, allegorische Darstellungen von Wein und Gesang, schmücken die Decke. Putten sitzen in den vier Ecken auf ornamentalen Schlußstücken und halten Medaillons. Die Mitte der Decke ziert eine Rosette. Embleme und Ranken begleiten ihren Rahmen.

Dieser Festsaal ist die bedeutendste und schönste Arbeit von Jacob Couven. Der Meister zeigt sich hier ganz selbständig seinem großen Vater gegenüber. Ebenso in dem Kleinen Saal (Abb. 192). In Farbe wie in Aufteilung ein reizvoller Raum des Stiles Louis XVI. Glattes Rahmenwerk. In den Supraporten symmetrisch angeordnete Kränze. Der Lesesaal war die letzte Arbeit, die der Baumeister am Kurhause auszuführen hatte (Abb. 179). Er ist noch ruhiger gehalten als der Kleine Saal und erinnert in seinen dekorativen Formen etwas an das Vestibül von Schloß Benrath (Abb. 163). Große Wandfelder mit flachen Stuck- ornamenten, von schlichten Rahmen eingefaßt, über der Kaminnische, den Türen und in den Hohlkehlen wieder Gehänge.

Das Aachener Badeleben blühte. Könige,

l/ö. Aachen. Altes Kurhaus. Großer Saal von Jacob Couven

Vgl. Abb. 176, 177, 180.

Fürsten, der Adel und reiche Kaufherren aus aller Herren Länder kamen zu den Schwefel- quellen der Karlstadt. Man mußte für sie Zerstreuungen und Vergnügungen schaffen. So entstanden die Neue Redoute, daneben neue Badehäuser und Hotels. Der Fremden- verkehr und der Aufschwoing der heimischen Tuchfabrikation brachten neuen Wohlstand. Die Fabrikantengeschlechter ließen sich statt- liche Patrizierhäuser aufführen. Die kleinen Bürger geschmackvolle Neubauten. Jacob Couven konnte so in dem neuen Aachen vollenden, was sein Vater vor ihm so glän- zend begonnen hatte; und bald gab es in Aachen keine Straße mehr, die nicht wenig- stens einen Couvenschen Bau hätte auf- weisen können. Aber wie bei dem Vater, so kann ich auch bei dem Sohne nicht alle Bauten, die er in und um Aachen geschaffen hat, hier aufführen . Es muß das Aufgabe einer eigenen Darstellung über die beiden Couven bleiben. Im übrigen ist der Name Couven ein Sammelbegriff geworden. Eine Anzahl kleinerer Baumeister übernahm einfach die Formen der beiden großen Aachener Meister.

182

Im Jahre 1788 baute Jacob Couven für die Familie Pastor das Haus Eckenberg bei Burtscheid (Abb. 175). Die breite Auffahrt endigt vor dem von einem hohen gebrochenen Giebel bekrönten Mittelbau. Eine breit ausladende Freitreppe führt über die beiden Flügel der anschließenden Doppeltreppe hinauf zu der Plattform vor den drei Eingängen der Vorhalle. Von der einstigen Inneneinrichtung des stattlichen Patrizierhauses ist, wie bei den meisten der übrigen Bauten von Jacob Couven, nichts mehr erhalten. Die Formen des Mittelbaues unter dem Giebel erinnern an die vom Kurhause (Abb. 180). Noch mehr die am Hause Beissel, Jacobstraße Nr. 112 (Abb. 183). An Stelle des gebrochenen Giebels ist aber eine klassizistischere Form getreten, ebenso an dem Mittelbau des Hofgebäudes Kleinköln- straße Nr. 18 (Abb. 187). Die Hauptfenster am Hause Beissel sind in den Einzelheiten strenger gezeichnet. An Stelle der Stichbogen und Kurven ein horizontaler Fensterarchitrav. Diese schhchten Fensterrahmen kehren auch am Hause Theissen auf dem Klosterplatz wieder (Abb. 186). Die letzten Ausgänge des lustig-launigen Rokoko sind verklungen.

Alle diese Bauten haben noch das gebrochene Mansardendach. Aber auch das schwindet. Am Hauptmann, dem kleinen Platz, wo Alexander- und Sandkaulstraße sich begrüßen und vereint als Großkölnstraße ihren Weg fortsetzen, steht ein Backsteinbau mit klassizistischem Giebel vor einem niedrigen Satteldach mit abgewalmten Seitenflächen (Abb. 181). Das Nachbarhaus hat auf eine klar gezeichnete Dachform ganz verzichtet und ein breites aus- ladendes Gebälk um seine Stirn gezogen. Mit diesem klar betonten Hauptgesims endigt von nun ab der Aufbau der Fassade bei den klassi- zistischen Bauten. Als ältestes Aachener Beispiel der späteren Couvenzeit könnte man Haus Wirtz, Jacobstraße Nr. 16, anführen, das, nach den barocken Formen des Balkons und den Rokokoschlußsteinen der Stich- bogenfenster zu urteilen, vielleicht noch von dem älteren Couven oder spätestens aus den sechziger Jahren von Meister Jacob stammt (Abb. 182). Bei dem Haus der ,, Erholung", Friedrich -Wilhelm -Platz Nr. 7, das unfehl- bar von Jacob Couven herrührt, tritt die Dachform hinter das reichgegliederte Haupt- gesims zurück (Abb. 185). Man vergleiche den Bau etwa mit dem Jägerhof zu Düssel- dorf (Abb. 143). Das Mittelfenster des Haupt- geschosses wird auch hier von Pilastern flan- kiert. Aber alle gebogenen Linien sind bei .\ll, l, -. Aachen. Altes Kurhaus. Lesesaal.

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dem jüngeren Hause bis auf das Mittelfenster geradliniggestreckt. Die Horizontalgesimse sind kräf- tiger betont und reicher gezeich- net. Schön sind die ornamentalen Rankenfnese in den Gebälken und die klassizistischen Figuren zu beiden Seiten des oberen Mittelfensters. Bei dem Komp- hausbad (Abb. 184) tritt das stark entwickelte Abschlußgebälk noch deutlicher in die Erschei- nung. Das Dach tritt ganz zu- rück. Der Bau atmet eine vor- nehme Ruhe. Der Vergleich mit dem benachbarten Corneliusbad ist nicht uninteressant (Abb. 71). Jacob Couven hatte für den dekorativen Innenschmuck der Räume an Wänden und Decken einen eminent geschickten Mit- arbeiter, den italienischen Stuck- künstler G a g i n i . Die Mitarbeit dieses Meisters an den Sälen des Kurhauses ist zwar urkundlich nicht bezeugt, ergibt sich in- dessen aus anderen Arbeiten, die inschriftlich den Künstler anführen. So in Eupen die Stuckdekorationen mit mytho- logischen Szenen im Hause Ka- perberg Nr. 13, „Gagini sculpsit 1782"; dann in dem Hauptsaal des Hofgebäudes Komphausbad- straßeNr. 31 prachtvolle allego- rische Stuckszenen der Lebens- geschichte des Menschen vom Jahre 1794. Ferner die Deko-

Abb. 189. Eupen, Klötzerbahn 25, Haus Gescbwister Mayer. Vgl. Abb. 191, 193.

189

rationen im Hause Mayer, Klötzerbahn Nr. 25, In Eupen von 1801 (Abb. 189, 191, 193) und im großen Saal auf Schloß Waldburghaus in Kettenis im Kreise Eupen von 1805 (Abb. 190). Jacob Couven hat wie sein Vater alle dekorativen Ausschmückungsstücke der Innen- architektur selbst entworfen. Gagini führte sie nur aus. Neben den Wand- und Decken- dekorationen im Kurhause zu Aachen dürfte man auch die Ausführung des Salons auf Schloß Wissen bei Weeze im Kreise Geldern Couven und Gagiiu zuschreiben (Abb. 188; vgl. 1. Bd.,

Abb. 128, 130). Franz Karl Frei- herr von Loe und seine Gattin Alexandrine Gräfin von Horion haben im Jahre 1770 Schloß Wissen umbauen lassen. Gräfin Honon war die Tochter des Kanzlers von Lüttich, für den Johann Joseph Couven m Lüttich ein Wohnhaus errichtet hatte (vgl. S. 143). Kanneherte jonische Pilaster rahm.en die rechteckigen hohen Wandfelder des Wissener [Saales ein. Medaillons mit land- Ischaftlichen Szenen, von Gir- ilanden umgeben, hängen an Schnüren in den einzelnen Wand- feldern. Der Wissener Salon mit seiner alten Einrichtung ist von vornehmer Raumwirkung.

Die späteren Arbeiten Gaginis in Eupen und auf Waldburghaus sind eigene Erfindung des itahe- nischen Meisters. Statt der In- schrift ,,Gagini sculpsit" liest man ausdrücklich : ,,Gagini in- venit sculpsit".

Der Wandschmuck im Hause Mayer in Eupen ist von außer- ordentlichem Reiz. Es ist ein letzter und überaus delikater Ausläufer der italienischen Re- AHi. 190. Schloß Waldburgliaus bei Kettenis (Eupen). Großer Saal naissance - Groteskcndekoration.

190

Vor allem In dem einen einheitlich behandelten Saal (Abb. 191, 193). über einem Sockel teilen Pilaster, mit Fruchtschnüren verziert, die Wände auf, die oben ein zierlich gezeichneter Eierstab abschließt. Die einzelnen Wandfelder, ebenso wie die Pilaster von Perlstäben ein- gefaßt, enthalten allerliebste Stuckszenen. Brunnen mit Putten und Vögeln, auf einem Ranken- unterbau ruhend. Oder phantastische architektonische Aufbauten : statt Säulen Stengel, statt Sockel Ranken, statt Balken Kränze, die von Vase zu Vase gewunden oder von Putten oder Vögeln gehalten werden. Tolle Einfälle einer heiteren Phantasie, aber von ausgeprägtem Raumsinn, denn ein stark entwickeltes architektonisches Empfinden ordnet den Reichtum der Formen. In einem der anderen Räume steht ein ähnlich behandelter Kamm (Abb. 189).

Nicht weniger reizvoll, aber feierlicher im Aufbau ist der große Saal auf Schloß Wald- burghaus bei Kettenis im Kreise Eupen (Abb. 190). über den Türen Stuckreliefs. In der Mitte der Wand, eingerahmt von Pilastern mit Fruchtgehängen, die überlebensgroße Gestalt der Diana. In der Mitte der Decke hält, in den Wolken schwebend, ein Adler den Kronleuchter. Schloß Waldburghaus war im Jahre 1 773 von den Herren von Waldburghaus an die Herren von Royer zu Merols gekommen, drei Jahre später an Herrn von Hodiamont, der einen Neubau aufführen ließ. Gaginis Arbeiten stammen aber erst aus dem Jahre 1805.

Das Lebenswerk der beiden Couven führt eine lückenlose Entwicklungsgeschichte der Bau- kunst des 18. Jahrhunderts vor. Bis in die dreißiger Jahre reden bei Johann Joseph Couven noch viele Anklänge an das Barock

mit. Man nehme die Abteikirche Abb. 191. Eupen, Klötzerbalm 25, Haus Mayer. Vgl. Abb. 189 und 193.

191

zu Burtscheid mit ihrer dominierenden Kuppel (Abb. 82) und die Freitreppe am Aachener Rathaus (Abb. 73). Das Wespiensche Haus ist ein interessanter Vertreter der Regence, jenes liebenswürdigen und zierlichen übergangsstiles vom Barock zum Rokoko (Abb. 84 u. f.). In den vierziger und fünfziger Jahren ist Johann Josef Couven Rokokokünstler. Seme stark aus- geprägte Neigung zum Symmetrischen in allen dekorativen Dmgen läßt aber immer nur ein recht zahmes Rokoko aufkommen. Jacob Couvens Kurhaus hat Johann Josefs Rokoko formen mit den schematischeren des Stiles Louis XVI. vertauscht (Abb. 176 ff.). Dann folgen alle jene Stilabarten, für die wir leider nur den Sammelbegriff Klassizismus haben. Das Hotel Weber in Burtscheid ist ein freierer, bürgerlicher Klassizismus (Abb. 198). Das Haus ,,Zum Großen Kardinal", Alexanderstraße Nr. 12, benutzt strengere Formen (Abb. 199). Vor- bildlich ist hier übrigens die Geschäftsreklame im Oberlicht der Haustür, eine Zigarre, von Ranken umgeben. Es folgt dann der Ägyptizismus, jener seltsame Einschlag ägyptischer Formen nach Bonapartes Ägyptenexpedition. In der Rennbahn Nr. 1 in Aachen und Ratinger Straße Nr. 15 in Düsseldorf hätten wir zwei freiHch harmlose Vertreter dieser Stilform

ALb. 192. Aachen. Altes Kurhaus. Kleiner Saal. Vgl. Abb. 176 18Ü.

192

(Abb. 200, 201). Das charakteristische Beispiel steht im Kreuzgang von St. Maria im Kapitol zu Köln. Em Grabstem mit echt ägyptischen Rundstäben profiliert. Oben als Abschluß die hohe Hohlkehle mit der geflügelten Sonnenscheibe. Auch das Empire kommt noch im Werke Jacob Couvens vor. Statt Gobehns hebte man es damals, die Wände mit Pariser Tapeten mit landschaftlichen Szenen zu schmücken. Das Benartsche Haus in der Adalbertstraße zu Aachen zeigt noch ein solches Vedutenzimmer (Abb. 202). Aber das neue Aachen hat leider soviele Bauten der beiden Couven beseitigt. Als Jacob im Jahre 1812 starb, muß die einstige Freie Reichsstadt eine der vornehmsten Städte im nordwestlichen Deutschland gewesen sein. Am Niederrhein stand sie an erster Stelle. Das mittelalterliche Köln konnte mit der modernen Stadt keinen Vergleich wagen. Und auch Düsseldorf hatte damals in seinen Häusern keinen so großen künstlerischen Reichtum wie Aachen.

Was wir sonst noch aus dem Jahrhundert Karl Theodors im Lande Aachen -Jülich an Bauwerken heute hätten, ist bald aufgezählt

Abb. 193. Eupen, Klötzerbahn 25, Haus Mayer. Vgl. Abb. 189 und 19

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Abb. 202. Aachen. Haus Bt-nait. Atlalln-itslialje.

In Astenet im Kreise Eupen stammt das Torgebäude von Haus Thor von emem Neu- bau der Familie Heyendal aus dem Jahre 1733 und zeigt jene charakteristische barocke Linien- führung des Giebelrahmens über der Tordurchfahrt, die Johann Josef Couven nicht unähnlich bei seinen verschiedenen Bauten anwandte (Abb. 196). Noch origineller ist der durchbrochene Giebel am Torhaus von Burg Gladbach bei Düren von 1741 (Abb. 197). Auf Gladbach saßen einst die mit den Grafen von Jülich stammverwandten Herren von Gladbach. Später war es als jülichsches Lehen im Besitz der Herren von Dollendorf, der Grafen von Moers, der Herren von Palandt, 1723 dann des nachmaligen Staatsministers Franz Caspar Graf von Hillesheim, von dem der Neubau von 1741 stammt. Am Torhaus der Vorburg ist sein und seiner Gattin, einer Gräfin von Hatzfeld, Wappen angebracht. Nach dem Aussterben der Hillesheim zog Karl Theodor im Jahre 1786 Gladbach als erledigtes jühchsches Lehen ein und gab es seiner natürlichen Tochter, der Gräfin Karolina von Parkstein.

Das 18. Jahrhundert hat übrigens auf den jülichschen Edelsitzen eine Reihe neuer Vorburgen errichtet oder umgebaut. Von der stattlichen Anlage auf Schloß Palandt bei Weisweiler im Kreise Düren war im ersten Bande schon die Rede (vgl. dort Abb. 319 u. 320).

198

Weiter wäre die Vorburg der Frenzer Burg bei Düren anzuführen*. Dann als eines der stattlichsten Untergebäude der Remisenbau auf Schloß Rurich von 1788. Der damalige Besitzer Hermann Philipp von Hompesch hatte in den Jahren 1755 bis 1790 an Stelle der alten Burg eine ausgedehnte Neuanlage geplant, die aber nicht ganz zur Ausführung gekommen ist**. Das zweigeschossige Rokokoherrenhaus von 1 780 mit Mansardendach mit Mittel- und Eckrisaliten ist im Jahre 1870 stark verändert worden. Das Remisenhaus mit dem interessanten Toraufbau im Mitteltrakt der dreiflügeligen Anlage ist aber im wesentlichen erhalten. Das Erdgeschoß des Mittelbaues faßt eine große räumige Halle für Wagen.

Von neuen Herrenhausanlagen wäre der Neubau auf Cortenbach bei Heerlen zu er- wähnen (vgl. I.Bd., Abb. 318), der übrigens wieder ein Beleg für die nahe Verwandtschaft der Aachener, Jülicher, Lütticher und Limburger Bauweise ist (Abb. 174). In Stolberg Haus Rosenthal, eine dreiflügelige Hofanlage der Familie Schleicher (Abb. 194). Haus Zweibrüggen bei Freienberg im Kreise Geilenkirchen, im Jahre 1788 von Josef Anton von Negn zu Brunsum erbaut, ist eine Art ,,maison de plaisance", aber mit vorgezogenen Seiten- trakten (Abb. 203)***.

Der Umbau auf Haus Linzenich bei Jülich stammt aus dem Jahre 1782 (Abb. 195)f, Schloß Rahe in Laurensberg bei Aachen von I787tt. Das stattliche Schloß Contzen im Kreise Eupen ist 1746 von Graf Heinrich von Harscamp erbaut, im 19. Jahrhundert dann nicht unwesentlich verändert wordenfff. Wohl erhalten ist indessen noch Schloß Müddersheim bei Düren, ein reizvolles Herrenhaus des Freiherrn Rudolf Adolf von Geyr aus dem Jahre 1720*f.

Es bleibt noch die Stadt Düren mit einer nicht uninteressanten eigenen Entwicklung bürgerlicher Bauweise übrig. Die Stadt hatte unter den Wirren des 17. Jahrhunderts arg gelitten, und erst allmählich begann im fol- genden Jahrhundert ein neuer Aufschwung

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* Clemen: Kunstdenkmäler des Kreises Düren. Bearbeitet von Hartmann und Renard. Düsseldorf 1910. Abb. 80.

** Clemen: Kunstdenkmäler der Kreise Erkelenz und Geilenkirchen. Bearbeitet von Renard. Düsseldorf 1904. Abb. 62. *** Situationspläne Abb. 89, Kunstdenkmäler der Kreise Erkelenz und Geilenkirchen.

f Situationsplan und weitere Ansichten: Kunstdenkmäler des Kreises Jülich, Abb. 118 bis 120.

ff Kunstdenkmäler des Landkreises Aachen. Bearbeitet von Heribert Reiners. Düsseldorf 1912. Abb. 119 u. 120.

fff Kunstdenkmäler des Kreises Eupen. Bearbeitet von Reiners. Düsseldorf 1912. Abb. 211: Situationsplan.

*f Vgl. Kunstdenkmäler des Kreises Düren. Bearbeitet von Hartmann und Renard. Düsseldorf 1910. Abb. 133.

Abb. 203. Haus Zweibrüggen bei Freienberg (Geilenkirchen).

199

Die Magistratsverordnung von 1718 gewährte jedem, der einen massiven Steinbau aufführte, gewisse Befreiungen von den öffentlichen Lasten. Das Strohdach ward verboten. Die Bauten, die nun in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden, sind eine Nachblüte der reichen malerischen Renaissancebauten der Stadt mit barock gezeichneten Giebelformen, die noch verhähnismäßig lange beibehalten wurden, bis die reicheren Bauten nicht mehr die Schmal- seite, sondern die Langseite in die Straßenfront stellten*. Für den alten dekorativen Giebel war nun in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kein Platz mehr vorhanden. Die breiten drei- stöckigen Patrizierhäuser schließen ihre Fassaden mit einem ausladenden Hauptgesims. An Stelle des Giebels tritt das hohe Mansardendach. Nicht mehr der Schmuck der Giebel und Portale ist das Entscheidende, sondern die gut abgewogenen Verhältnisse der einzelnen Stock- werke zueinander. Der Stil Louis XVL und der Klassizismus geben den breiten Fenstern

* Vgl. Abb. 61 bis 63 in den „Kunstdenkmäiern des Kreises Düren".

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Abb. 204. Düren. Marktplatz; links in der Mitte das Rathaus.

200

Stichbögen und Fensterbänke oder auch rechteckige oder oben rundbogig geschlossene Rahmen.

Auf dem Marktplatz stehen die alten und neuen Bauten des 18. Jahrhunderts neben- einander und rahmen den die Nachbarschaft überragenden Rathausbau ein (Abb. 204). Er war nach dem Brande vom Jahre 1543 neu aufgeführt worden. Ein Ziegelrohbau mit Haustein- fensterkreuzen, im Erdgeschoß eine offene Halle, hoch oben auf dem steilen Dach der geschieferte hölzerne schlanke Dachreiter mit offener Laterne. Die neue stattliche Umgebung war 1788 d'e Veranlassung zu einem Umbau des Rathauses. Eine breite hohe Attika drängt seitdem das steile Dach zurück. Die alten Fensterkreuze hat man beseitigt und zeitentsprechende neue Rahmen eingesetzt. Die Backsteinfläche verputzt. Die Kanten verquadert. Die Haustein- profile schärfer herausgezogen. Die Mittelachse tritt etwas vor, von gequaderten Lisenen eingefaßt. Ein Balkon schmückt das Hauptfenster. Und über die Attika hinaus wächst der Rahmen für die Uhr mit dem ovalen Giebel.

Der Marktplatz ist, bis auf die wenigen Dissonanzen aus der Zeit um 1890, noch gut erhalten und eines der besten Platz- und Straßenbilder aus dem 18. Jahrhundert*.

* Vgl. Werner Schürmann: „Städtebauliches über den Dürener Marktplatz". Mit Abbildungen. Im „Niederrhein", illustrierte Halbnionatschrift des „Bundes Niederrhein". Düsseldorf 1913, Heft 5.

Abb. 205. Düsseldorf. Nesselroder Hof.

26

201

L)er Schloßbau zu Benrath und der Jägerhof wurden für Düsseldorf der Ausgang einer regen baukünstlerischen Tätigkeit, die noch über die langjährige Regierungszeit Karl Theodors hinaus anhielt. Couven wie Pigage hatten aber persönlich weiter keinen unmittelbaren Einfluß auf den Ausbau der Stadt. Johann Josef Couven starb 1763, ein Jahr nach dem Abzug der Franzosen aus Düsseldorf. Ob sein Sohn Jakob, der langjährige Mitarbeiter, sich in der jülich- bergischen Landeshauptstadt nach dem Heimgange des Vaters betätigen konnte, wissen wir nicht, ist auch an der Hand der aus der Zeit Karl Theodors in Düsseldorf erhaltenen Bauwerke schwer nur zu beantworten. Wohl war Jakob Couven auf Schloß Wickrath und im jülichschen Heinsberg mit Bauaufträgen beschäftigt, und die Arbeiten des Vaters am Jägerhof waren noch nicht ganz vollendet. Man könnte glauben, daß hier dem Sohn und Mitarbeiter die Fertig- stellung übertragen worden sei. Giuseppe Antonio Albuzio führte die Stuckdecken aus. Aus der langjährigen Tätigkeit des italienischen Meisters unter der Leitung des Oberbaudirektors Pigage in Mannheim, Schwetzingen und Benrath darf man indessen annehmen, auch die amtliche Stellung von Pigage und seine Tätigkeit in dem benachbarten Benrath erlauben den Schluß, daß dem Oberbaudirektor neben der Anlage des Hofgartens auch die Vollendung des Jäger- hofes übertragen wurde. Es handelte sich aber scheinbar nur um die Innenausstattung und den hinter dem Schloß gelegenen Garten.

Damit wäre aber die unmittelbar persönliche Anteilnahme des Oberbaudirektors am Ausbau

von Düsseldorf scheinbar er- schöpft. Das kurfürstliche Amt des höchsten Baubeamten nahm zu sehr seine ganze Tätigkeit in Anspruch. Es ist ihm daher auch nicht wieder vergönnt ge- wesen, weder Aufgaben wie die Innendekoration des Mann- heimer Schlosses, den Galerie- flügel mit der Bibliothek und den Privatgemächern der Kur- fürstin, noch Arbeiten wie den Tanzsaal im südlichen Zirkel- haus in Schwetzingen, noch ein Schloß Benrath, das seine reifste Arbeit bleibt, auszuführen. Zwar haben noch zwei Bauaufgaben den Meister in späteren Jahren

_ beschäftigt: ein Entwurf für die

Abb. 20b. Düsseldorf. Ehemaliges Rhemtor. Paulskirche Und der heute nicht

n,.

202

mehr vorhandene Russische Hof in Frankfurt a. M. Ich habe von beiden Arbeiten keine Vorstellung. Nach Vollendung von Schloß Benrath blieb Pigage bis zu seinem Tode im Jahre 1796 in kurpfälzischen Diensten und verlebte seine letzten Jahre als Hofmann und Oberbaudirektor im Sommer auf Schloß Schwetzingen, im Winter im Mannheimer Residenz- schloß. Auch seinen Hauptmitarbeiter auf Benrath, Peter Anton Verschaffeh, den Baumeister der Hofkirche in Oggersheim, des Zeughauses und des Palais Bretzenheim in Mannheim, rief kein Bauauftrag mehr an den Niederrhein zurück*.

Es hat im übrigen den Eindruck, als ob die Düsseldorfer Hofkammer die Tätigkeit des kur- pfälzischen Oberbaudirektors am liebsten auf die Pfalz beschränkt sah und am Niederrhein mehr die einheimischen Kräfte bevorzugte. Sie scheint schon damals, als Pigage den Auftrag erhielt, Couvens Pläne für den Jägerhof zu überarbeiten, sich auf die Seite des Aachener Bau- meisters gestellt zu haben. Auch das Hofgartenhaus baute nicht er, sondern der Düsseldorfer Hofbaumeister Flügel (Abb. 170, 255). Um den Erweiterungsbau von 1780 bewarben sich die heimischen Meister Peter Köhler, Kees oder Kaes, Wauters, Erb, Nolden und Schaefer. Ja, die Düsseldorfer Hofkammer konnte dem Oberbaudirektor sehr energisch kommen. Der Hofbau- meister Kaes hatte um das Jahr 1766 einen Plan für das Palais des Statthalters entworfen. Auf Befehl des Kurfürsten sollten die Arbeiten Pigage zur Korrektur unterbreitet werden. Aber die Düsseldorf er Hof kammer erklärte ganz einfach, der Oberbaudirektor könne dann auch die Detailzeichnungen und die Kontrakte mit den Handw-erkern in der Pfalz machen lassen. Sie könne auf keinen Fall unter den geforder- ten Voraussetzungen eine Garantie für die rechtzeitige Fertigstellung des Bauwerks über- nehmen. Der Erfolg war : Der jülich-bergische Hofbaumeis ter Kaes führte den Bau nach seinen Plänen ohne weitere Korrektur des kurpfälzi- schen Oberbaudirektors aus (Abb. 208-210).

Die Baumeister des neuen Düsseldorf nach dem Bombardement von 1758 waren Nost- hofen, Kaes, Flügel, Wauters, Peter Köhler, in späterer Zeit dann Husch- berger, Erb und Schaefer. Daneben bleibt aber die Frage offen, ob nicht Peter

* Josef August Beringer: Peter A. von Verschaffelt. Sein Leben und sein Werk. Studien zur Deutschen Kunst- geschichte Nr. 40. Heitz u. Mündel, Straßburg.

Abb. 207. Du,,rlk

Vgl. Abb. 214.

1 eldseite.

203

Abb. 208. Düsseldorf. Baudetails der ehemaligen Slalthalterresidenz. Vgl. Abb. 209, 210. Aufnahme der Architektur -Abteilung der Kunstakademie zu Düsseldorf.

Josef Krähe (1758 1840), der Sohn des Düsseldorfer Akademiedirektors, der interessante Klassizist, der allerdings von 1786 bis etwa gegen 1800 in Koblenz in kurtrierischen Diensten tätig war, dann nach Braunschweig übersiedelte, auch in Düsseldorf beschäftigt war. Ich komme darauf noch einmal zurück. Von den übrigen Düsseldorfer Baumeistern ist ein ganz klares Bild nicht zu entwerfen. Wir wissen nur, daß Nosthofen das alte Schloß auf dem Burgplatz ausgebaut hat und daß Kaes der Erbauer der Statthalterresidenz war.

Vom ehemaligen Schloß ist aus dem Jahre 1756 eine Zeichnung der Rheinansicht und ein Schnitt durch den Hof erhalten (Abb. 12, 13). Nosthofen hat die alte Brustwehr am Dach entfernen lassen und an deren Stelle über den gotischen Bogenstellungen ein viertes Geschoß angebracht*. Die Fensteröffnungen hat er mit neuen Rahmen vergrößert. Zwei Aktenstücke im Staatsarchiv zu Düsseldorf vom Jahre 1794, von Hofbaumeister Wauters verfaßt, enthalten genaue Angaben über die Bestimmung der einzelnen Räume und deren Ausstattung**. An einer Grundrißaufnahme, ebenfalls aus dem Jahre 1756, kann man die Angaben genauer verfolgen (Abb. 14).

Der älteste Teil des Schlosses, der nach dem Rhein zu gelegene Westflügel, war der eigent- liche fürstliche Wohnbau. Hier waren die Audienz- und Gesellschaftszimmer, der Rittersaal, der Wintergarten, das Spiegelkabinett und die Garderobe der Kurfürstin usw. Die Hof- damen und Kavaliere bewohnten den dritten und vierten Stock. Im ersten Geschoß gelangte man aus dem Hauptbau in den im Südflügel gelegenen Speisesaal, im gegenüber gelegenen Flügel in die Schloßkapelle, die für die Dienerschaft oben eine Galerie hatte (Abb. 12). Die Sakristei lag in dem runden Eckturm. In den oberen Stockwerken der beiden Seiten- flügel waren die Quartiere für fürstlichen Besuch. Im Erdgeschoß des Südflügels waren die Hofkammer und die Kanzlei, im Nordflügel unter der Kapelle die Kameralregistratur, im runden Eckturm unter der Sakristei das Landesarchiv und die Landrentmeisterei. Zwischen den beiden Außentürmen lief der schmale sogenannte , .Schlange Fleugel, welcher der Seuten Fleugel an dem Norten Fleugel verbunden hat und wo unten die Garde Corps und Schweisser (Schweitzer) Wache sich befunden hat, auch die Trappe zu der Ober Etage, in dieser war einer durchgehender Gank zu sechs Zimmer, welche zu Cession (Session) und Registratur von Forst und Jagd abtiret war". Vielleicht stammt diese Einteilung des Schlosses noch von dem Umbau unter Jan Wellem. Karl Philipp hatte aber die besten Stücke der Innenausstattung fortschaffen lassen. Das Bombardement von 1758 hatte außerdem dem Schloßbau mitgespielt. Der Statthalter mußte daher für den Kurfürsten das Innere teilweise ganz neu einrichten lassen. Die fürstlichen Gemächer Verden mit kostbaren Wandteppichen von Hautelisse (Otalist) geschmückt, flandrischen und französischen Arbeiten, Darstellungen aus

* Ansicht des Schlosses vor dem Umbau, eine Tuschzeichnung im Historischen Museum der Stadt Düsseldorf. Abgebildet in „Düsseldorf im Wandel der Zeiten" von Freunden der Heimatgeschichte. Düsseldorf 1910, 5.22.

** Inventar des Düsseldorfer Schlosses vom Jahre 1794. Beschädigung des Schlosses und anderer fiskalischer Gebäude durch das Bombardement von 1794. Mitgeteilt durch Otto R. Redlich im Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins X. 1895. S. 85-114

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Abb. 209. Düsseldorf. Ehemalige Statthalterresidenz. Vgl. Abb. 208 und 210. Aufnahme der Architektur- Abteilung der Kunstakademie zu Düsseldorf.

der Geschichte Josefs, Simsons, Alexanders des Großen, Telemachs, Jagdstücke und Land- schaftsbilder. Der Speisesaal war ,,tapezirt mit Otalist representirend die Geschichten des ersten Königs in Frankreich Clodoväi". Der Audienzsaal und die zugehörige Antichambre war „tapezirt mit Otalist representirend deren Götter Festin" usw. ,, Hinter dem Spiegel Cabinette der durchlauchtigsten Frau Churfürstin ist eine kleine Retirade, welche mit seiden Brocadelle tapezirt ist." Ebenso die ,,bey Seite des Cabinets höchst gedachter Frau Churfürstin Garde-Robe". Andere Räume waren mit ,,Boserie", mit gemaltem Atlas, mit grünem, rotem, gelbem und karmoisinem Damast oder geblümter Chiamose bekleidet. Die Schlafzimmer, die keine Wandteppiche erhalten hatten, waren , .tapezirt mit rotem Sammet und alle Näthe mit goldenen Borten besetzt wie auch das Bett". Auf dem Damengang standen ,,14 marmor- steinerne Tische mit eingelegten Füssen und mit Messing beschlagen, so von der Gallene nach den Schloßzimmern in Sicherheit gebracht worden, worunter sich zwei befinden mit Landkarte bezeichnet". In der Mitte des Rittersaales stand ein großer ,, Tisch mit Bildhauerarbeit" ; und um das große Reiterbild Jan Wellems von Johann Franz Douven schmückten 51 andere Bilder die Wände des Saales.

Wie das kurfürstliche Schloß, so ist auch leider das Statthalterpalais, allgemein Residenz genannt, nicht mehr erhalten (Abb. 210). Es hat im Jahre 1912 dem Neubau des Justizgebäudes weichen müssen. Glücklicherweise hat aber die Architekturabteilung der Kunstgewerbe- schule zu Düsseldorf vor dem Abbruch den Bau und seme Details maßstäblich auftragen lassen (Abb. 208, 209). Er hatte zu beiden Seiten der Tordurchfahrt, über der, in das Dach- geschoß einschneidend, ein Giebel mit springenden Pferden, dem Kurhut, den Initialen des Kurfürstenpaares und der Jahreszahl 1766 angebracht war, sieben Fensterachsen. Der lang- gestreckte Bau verlangte nach einer inneren Gliederung. Baumeister Kaes faßte je fünf Fenster-

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achsen zusammen, zog die beiden seitlichen Achsengruppen, durch Eckquader besonders betont, etwas vor die Mittelgruppe und gab den Mittelfenstern beider Seitengruppen im Erdgeschoß eine reichere Umrahmung. Das rhythmische Verhältnis dieser Rahmen zum Torrisalit ist ausgezeichnet. Ihr Scheitelpunkt hegt in der Verlängerung der Giebellinien. Sonst ist der Bau, von der Tordurchfahrt und dem Schmuck des darüber angebrachten Fensters abgesehen, ganz schlicht, und die Fenstergliederung von einer zurückhaltenden Vor- nehmheit. Kaes hatte auf den gegenüberliegenden Bau des Jesuitenkollegiums Rücksicht zu nehmen (I, Abb. 212). Ihm und dem Statthalter schwebte offenbar ein Gegenstück zur Neußer Straße vor Augen. Dort die monumentale Auffahrt zu dem von Jan Wellem geplanten kurfürstlichen Neuen Schloß, hier zur alten Burg.

Um den Bau des vornehmen Statthalterhauses sammelte sich in Düsseldorf eine Reihe anderer Neubauten des Adels, der Hofbeamten und Patrizier. Die Stadt erhielt allmählich ein ganz neues Aussehen, ,,]ene bescheidenen, in guten Verhältnissen, doch arm an Schmuck, in

Abb. 2i0. Dusseldorf. Ehemalige Statthalterresidenz in der Mühlenstraße. Vgl. .4bb. 208, 203.

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geraden Straßenlinien sich aufbauenden Bürgerhäuser, die in vollem Gegensatz zu dem alten Giebelhaus und der gotischen Höhenentfaltung deutscher Barockkunst stehen", wie Cornelius Gurlitts , .Geschichte des Barockstils in Deutschland" im Jahre 1889 notierte. Heute ist freilich von diesen bescheidenen Häusern des 18. Jahrhunderts in Düsseldorf nicht viel mehr zu sehen, in einigen Jahren vielleicht überhaupt nichts mehr. Wohl hier und da, von moderner Nachbar- schaft umgeben, ein einzelnes Haus. Aber darin besteht nicht der Reiz, sondern in der Gesamtwirkung des Straßenbildes, so wie etwa vor zwanzig Jahren die Zitadellstraße noch ausschaute mit den Häusern der Grafen von Diamantstein, von Velbrück, von Hompesch, von Nesselrode (Abb. 205), von Spee (Abb. 211), von Gohstein, der Herren von Daniels, von Pfeilsticker (Abb. 212) usw. Es war die Straße der hohen Hofbeamten und der Absteige- quartiere des Adels. Die außen schmucklosen Häuser mit dem traulichen Mansardendach und den hohen Schlagläden sind im Innern von einer überraschend klugen Anordnung der

Abb. 211. Düsseldorf. Zitadellstraße Nr. 14 (Haus Graf Spee). Aufnahme der Architektur -Abteilung der Kunstakademie zu Düsseldorf.

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Räume. Zwischen Vorder- und Hinterhaus rahmen niedrigere Seltenflügel den Binnenhof ein. Aus der Zeit Jan Wellems lebte noch die Holzschnitzerschule fort, die die Treppenhäuser und Türen verzierte. Das 18. Jahrhundert ist das Jahrhundert der eleganten Treppe. An- fänglich zeigen die Treppenpfosten noch reichen barocken Schmuck. Dann wird der Lauf geschmeidiger. Jede Ecke weicht einer bequemen Rundung. Den Pfosten am Treppen- aufgang schmückt ein Delphin oder ein Schwan. An Stelle dieser noch immer barocken Formen treten später die schlichteren des Klassizismus. Das Jacobihaus, der heutige Mal- kasten, damals noch vor der Stadt gelegen, hat eines der schönsten klassizistischen Treppen- häuser in Düsseldorf (Abb. 215). Ein eigentliches Rokoko kennt aber die Baukoinst am Niederrhein kaum, und die wenigen Vertreter bleiben Ausnahmeerschei- nungen. Das hat verschiedene Gründe. Zunächst war die Bautätigkeit während der Blüte des Rokoko durch Kriegs- wirren und politische Verhältnisse unterbunden. Als ruhigere Tage kamen, übte die Inneneinrichtung von Schloß Benrath mit Ihren ruhigen klaren For- men auf den ganzen Charakter der bürgerlichen Wohnbaukunst einen starken Einfluß aus. Aber auch sonst hätte der Schnörkelstil wie in Holland und im Münsterlande, so auch am Niederrhein, schwer heimisch werden können, denn seine Formen lassen sich mit den großen Flächen des Backsteins und mit dem Charakter der Landschaft und der Bewohner kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Auf den Stil der Regence folgt am Niederrhein gleich der Klassizismus. Die schöne Füllung der Tür an dem von Pf eilsticker- schen oder von Hagenschen Hause Zita- dellstraße Nr. 17 weiß nichts von dem Unsymmetrisch-Launenhaften des Ro- koko (Abb. 21 2). Was zeitig darauf folgt, wie beispielsweise das Portal der Statt- halterresldenz(Abb.209), ist ganz schlicht.

Abb. 212. Düsseldorf. Zitadellstraße Nr. 17 (Haus Pfeilsticker).

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209

Die Zitadellstraße sollte eine einheitliche Raumwirkung erhalten. Man schloß daher die eine Schmalseite an der Schulstraße mit der Fassade des Nesselrodeschen Hauses (Abb. 205), die gegenüberliegende mit dem Berger Tor (Abb. 214). Das Tor, das von einem Neubau des 18. Jahrhunderts stammt, ist nach der Stadtseite zu ein schlichter Backsteinbau mit großen | Hausteinfensterrahmen, schaut friedlich drein wie das Binnentor zu Heinsberg, das ebenfalls als Wohnbau diente (I, Abb. 70, 71). über dem Torbogen sind als Schlußstein ein Löwenkopf und eine behelmte Kriegermaske angebracht. Doppelkonsolen tragen die breiten Pilaster im Obergeschoß. Das Hauptgesims ladet rundbogig, in das Dach einschneidend, aus, um den beiden vom Kurhut bekrönten Kartuschen mit den Initialen des Kurfürstenpaares in dem durchbrochenen Fenstergiebel Platz zu lassen. Breite barocke Kriegstrophäen rahmen in male- rischem Durcheinander das Mittelfenster ein. Der Baumeister des reizvollen Tores ist nicht bekannt. Der dekorative Schmuck stammt von Meister Balthasar Spaeth. Zwischen den beiden Pilastern lief unter dem Fenster die Inschrifttafel: Raedificatum MDCCLI. Zu beiden Seiten des eigentlichen Torbaues schlössen sich Wohnflügel von je drei Fensterachsen an. Nach der Feldseite schaute das Tor in seiner kraftvolleren Gliedemng und dem schweren Material freilich weniger friedlich aus (Abb. 207). Die Seitenflügel treten zurück. Zwei starke, mit bossenartigen Querbändern durchzogene Pilaster aus riesigen Trachytquadern tragen den schweren Architrav mit dem Giebelaufbau, über dem Torbogen stand das bergische Wappen, über den Giebel ragte noch eine Attika hinaus. Ein Löwenkopf und Löwenklauen hielten ein plastisch gearbeitetes Tuch mit dem Chronikon.

Im Innern erweiterte sich die mit flachen Tonnen überspannte Durchfahrt in der Mitte zu einem runden kuppelartigen Raum mit Schießscharten an den Seiten. Nicht unähnlich

war die Anlage im Innern bei dem Ber- liner Tor in Wesel (I, Abb. 337). über der runden Durch- fahrt lag ein zemen- tierter Hof. Von hier gelangte man zu den Gefängniszellen.

Das Jahr 1787 brachte Düsseldorf das wichtige und folgenreiche Ereignis seiner städtebau- ... T,, T-v.. ij f c j 1 IL x-ini. •. j A L !•■ j L' 1 . j. liehen Entwicklung:

Abb. 213. Dusseldorf. Stadtplan vom Jahre 17% mit den Ausbauplanen der Karlstadt. » i

Vgl. Abb. 26 und 24. Durch den Ausbau

210

der Festungswerke der Extension waren die alten Fortifikationen zwischen der Flinger Bastion und der ursprünglichen Berger Pforte überflüssig geworden (Abb. 26). Karl Theodor ließ sie schleifen. Artillerie- und Ingenieuroffiziere entwarfen für das Gebiet der Extension einen Bebauungsplan (Abb. 213). Die Karlstadt entstand; der Karlplatz mit den rechteckigen Häuserblocks der parallel laufenden Kasernen-, Hohe-, Bilker- und Poststraße und den (^er- straßen Benrather- und Bastionstraße. Auf den zugefüllten Gräben wurden die Graben- und Mittelstraße angelegt. Wer in ,,dahiesiger künftigen neuen Carls-Stadt" bauen wollte, hatte ,, zwanzig jähnge vollkommene Steuerfreyheit mit dem ausdrücklichen Beding jedoch . . . daß jeder Baulustige schuldig und gehalten seye, den ihme zum bebauen angewiesenen Platz, unter Verlust desselben, also fort zu bearbeiten, die Fundamente und Kellere noch vor Ende des Julius 1 788 der vorgeschriebenen Strassenhöhe gleich auszuführen ; das völlige Gebäude aber in Zeit von drei Jahren, vom Tage der geschehenen Anweisung zu rechnen, darzustellen,

. iüu. ^ 1 1. L'^i;

loi, i.a..o..... Vgl. Abi.. 207.

211

und den District an der Strassen durch die Front des Gebäudes vollständig auszufüllen, keineswegs aber einigen Raum daselbst leer zu lassen, und durch Hinsetzung einer blossen Mauer die Gassen zu verunzieren". Ferner waren ,,auf den Gassen keine liegende Keller- thüren gestattet, so dann dass von jedem Baulustigen vor seinem Hause an statt eines Paves bis an die Kandel oder Gosse steinerne Platten angelegt werden sollten".

Und nun beginnt eine rege Bautätigkeit. Georg Forster war 1790, als er in Düsseldorf weilte, begeistert: ,, Welch ein Unterschied zwischen Kölln und diesem netten, reinlichen, wohlhabenden Düsseldorf!" ruft er aus. „Eine wohlgebaute Stadt, schöne massive Häuser, gerade und helle Straßen, thätige, wohlgekleidete Einwohner, wie erheitert das nicht dem

Reisenden das Herz! Vor zwei Jahren ließ der Kurfürst einen Theil der Festungswerke demo- lieren und erlaubte seinen Unter- thanen auf dem Platze zu bauen. Jetzt steht schon eine ganz neue Stadt von mehreren langen, nach der Schnur gezogenen Straßen da ; man wetteifert miteinander, wer sein Haus am schönsten, am bequemsten bauen soll ; die an- gelegten Kapitalien belaufen sich ] auf sehr beträchtliche Summen, und in wenigen Jahren wird Düsseldorf noch einmal so groß als es war, und um vieles präch- tiger seyn."* Imfolgenden Jahre zählte die Karlstadt bereits 86 Neubauten. Dann aber ließ all- mählich der Baueifer etwas nach . ,,Da verschiedene Baulustige in der Carlstadt ihre vorlängst ge- nommene Bauplätze unbebauet liegen oder dieselben nur mit einer Mauer abschließen lassen," führt eine Verordnung der Re- gierung vom Jahre 1794 aus,

Abb. 213. Düsseldorf. Jacobihaus (Malkasten); Treppenhaus,

* Georg Forster: Ansichten vom Niederrhein usw. Berlin 1791. I. S. 106.

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„Se. Churfürstliche EXirchlaucht aber diesem, der Carlstadt zur Unzierde gereichenden Un- weesens länger zuzusehen gnädigst nicht gemeinet sind, mithin beschlossen haben und wollen, daß inner 14 Tagen auf sothanen Plätzen mit wirklichen Bauen der Anfang gemacht und darüber die Bescheinigung zur Kommission eingebracht werde, unter dem Nachtheil, dass nach deren fruchtloser Verstreichung die dem säumigen gegebene Konzession sofort ein- gezogen und dessen Platz anderwärts vergeben werden solle." Die Ereignisse desselben Jahres unterbrachen indessen die Weiterarbeiten. Der größte Teil des Ausbaues der Karlstadt fällt daher erst in den Anfang des folgenden Jahrhunderts. Ich komme darauf noch ein- gehend im dritten Bande zurück.

Forster war aber nicht allein über die rege Bautätigkeit und den Wohlstand Düsseldorfs überrascht, sondern auch, ,,wie sich in den Herzogthümern Jülich und Berg so große Reich- thümer häuften, wie die Bevölkerung daselbst so stark, und der Wohlstand der Einwohner gleichwohl so allgemein ward, daß die kleineren Städtchen nicht minder wohlhabend sind als die Hauptstadt; dass der Anbau auf dem platten Lande denselben Geist der guten Wirtschaft, denselben Fleiss zeigt wie die Fabriken ; dass man hier so leicht den Weg zu einer glücklichen Existenz finden lernte, der anderwärts so schwer zu treffen scheint". ,,Die Kunst besteht darin, dass der Regent sich der verderblichen Spiegelfechterei, die man gewöhnlich regieren nennt, zur rechten Zeit zu enthalten wisse und sein Volk mit den gepriesenen Regentenkünsten verschone" ; daß er es verstehe, ,,die Hindernisse aus dem Wege zu räumen, welche der freien, unbedingten Thätigkeit eines jeden Bürgers im Staate entgegenstehen. Die Einsicht des Regenten sei noch so vortrefflich; sobald er nach derselben versucht, die Menschen auf einem Wege, den sie selbst nicht wählten, vor sich hinzutreiben: sobald erfährt er auch, daß die eigenen Lebenskräfte in seiner Staatsmaschine stocken oder schlafen. . . . Durch die ins Unendliche vervielfältigten Gesetze und landesherrlichen Verordnungen, so gut es oft damit gemeint seyn mag, und durch jene von Schmeichlern und Parasiten so gepriesene Kleingeisterei der Fürsten, die mit unermüdeter Sorgfalt in eines jeden Bürgers Topf gucken oder gar sich um seine Privat- meinungen und Gedanken bekümmern, richten die Regenten allmählig, ohne es selbst zu wollen, ihre Staaten zu Grunde, indem sie die freie Betriebsamkeit des Bürgers hemmen, mit welcher zugleich die Entwicklung aller Geistesfähigkeiten aufhört."

Georg Forster, der Weltreisebegleiter von James Cook, gibt hier eine treffliche Charakteristik Karl Theodors. Dieser Fürst ist sicherlich keine starke und große Natur gewesen. In der Pfalz wie in dem ihm im Jahre 1778 zugefallenen Kurbayern hat er wenig Liebe hinterlassen. Aber die niederrheinischen Herzogtümer haben seinen volkswirtschaftlichen Bestrebungen eine dankbare Erinnerung bewahrt. Man darf sagen, daß in keinem anderen Staate damals der Landesfürst von einer gleichen volkswirtschaftlichen Fürsorge erfüllt war wie in Jülich und Berg. Karl Theodor woUte über die „freie Betriebsamkeit des Bürgers", in der er die treibenden wirtschaftlichen Kräfte seiner eigenen Staatsmaschine erkannte, genau unterrichtet sein, über die Eisenhämmer und Schleifmühlen in Radevormwald, Cronenberg, Hückeswagen, Wipper- fürth, die Waffenschmieden in Solingen, die Wollentuchmanufakturen in Lennep und Lüttring- hausen, die Tuch-, Strumpf-, Band- und Seidenfabriken in Elberfeld und sonst im Wuppertal

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wurden statistische Erhebungen angestellt. Erlasse sollten den freien Verkehr heben. Vor allem sollte das Geld schneller im Lande umlaufen. Damit nicht genug: Karl Theodor besuchte selbst die Fabriken seines Landes. Als er im Jahre 1767 in Solingen weilte, verehrte ihm die Stadt vier große Jagdbilder von Franz Snyders. Das war keine äußere Huldigungsgabe, sondern eine Dankesäußerung der aufblühenden Industriestadt an den volkswirtschaftlich verständigen Landesherrn. Handel und Verkehr nahmen einen regen Aufschwoing. Fremdes Geld kam ins Land. In den bergischen Fabrikstädten entwickelte sich ein wohlhabendes Patriziat, das stattliche neue Wohnbauten aufführte und in den behaglichen Gemächern von Schloß Benrath das Ideal bürgerlicher Baukunst sah*.

In Mülheim am Rhein saßen die Andreae, Mühling, Köster, Rhodius, Bertoldi und andere Patrizier- und Fabrikantengeschlechter, die teilweise heute noch der Mittelpunkt der gewerblichen Regsamkeit der Stadt geblieben sind**. Unter Jan Weilern war der Ort noch

* B. Schönneshöfer: Geschichte des Bergischen Landes. Eiberfeid 1895. F. J. Lipowsky: Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz-Bayern. 1828. - Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins XVIII (1882), S. I ff; XXVII (1891), S. 107 ff.; XXXIX (1905), S. 180 ff.

** V. von Zuccamaglio: Geschichte und Beschreibung der Stadt und des Kreises Mülheim am Rhein. Köln 1846. Bendel: Die Stadt Mülheim am Rhein. 1913.— H.Vogts: Alte Wohnungskunst in Mülheim am Rhein. Mitteilungen des Rhein. Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz VIII (1914), S. 145 ff. Eine fleißige .\rchivarbeit mit eigenen maßstäblichen Aufnahmen der Bauten.

Abb. 216. Mülheim am Rhein. Katholisches Pfarrhaus; Blick auf die Clemenskirche und Haus „Zum Pelikan" auf der Freiheit.

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ein unscheinbares Nest, noch das alte „schönste Dorf seit Menschengedenken", wie die Koelhoffsche ,, Chronica van der hilhgen Stat van Coellen" es 1499 nannte. Die Versuche der Grafen und Herzöge von Berg, hier einen befestigten Platz zu schaffen, scheiterten immer an dem Widerstände von Kurköln und der Freien Reichsstadt. In den Jahren 1286 und 1417 mußten die Verteidigungsanlagen geschleift werden. Wilhelm der Reiche hat dann im 16. Jahrhundert den Ort durch Johannes Pasqualini neu befestigen lassen. Der Kurfürst von Brandenburg und der Pfalzgraf von Neuburg, die beiden ,, Possedlerenden" von Cleve, Jülich und Berg, hatten ihn durch ein System rechteckiger Plätze und Straßenanlagen beträchtlich vergrößert. Man hatte sogar mit dem Bau eines landesherrlichen Schlosses begonnen. Als aber zwischen den Possedierenden der Streit ausbrach, zerstörten die Liga, zu der der Neuburger übergetreten war, Spanien, Kurköln und die Reichsstadt Köln die Neustadt Wilhelms des Reichen und die Extension der Possedierenden derart, daß selbst die Fundamente, des angefangenen Schlosses gesprengt wurden. Mülheim war wieder das alte Dorf, zwei Straßen nur, Freiheit- und Taubenstraße mit ihren Querstraßen, Buchheimer- und Stöckerstraße. So übernahm Jan Wellem den Ort. ,, Mulheim am Rhein trachtet einigen Handel zu treiben," schreibt 1715 Ploennies, ,, wegen der nah bey gelegenen Stadt Cöln aber kann solcher Ort damit nicht wohl fortkommen; der Ort ist ganz offen, bestehet darneben beynah nur aus einer langen Strassen."

Aber dasselbe Köln, das eifersüchtig darüber wachte, daß auf bergischem Gebiet am anderen Rheinufer keine Nebenbuhlerin seines Handels erstand, wurde selbst der Pate des Wohlstandes von Mülheim. Christoph Andreae, Dietrich Köster, Gottfried Mühling und andere kölnische Fabrikanten hatten wegen ihres protestantischen Glaubens die Heimat verlassen müssen. Jan Wellem, der Verfolger der Protestanten in der Pfalz, war viel zu klug, als daß er nicht die aus Köln vertriebenen Industriellen in Mülheim mit offenen Armen aufgenommen hätte. Er bewilligte ihnen ,, freies Commercium" und Handelsprlvileglen und legte damit den Grund zu einer glücklichen Entwicklung der Stadt. Schon 1729 konnte der Hof kammerrat Wülfing berichten, daß „die Freyhelt oder der Markt Flecken Mülheim ... in der Länge weitwendig mit prächtigen Häusern erbauet, und einer feinen Stadt ähnlich" sei. ,,Allhier gibt es viele vornehme Kauff- und Handelsleute, so mit Seiden in frembde Länder eine stattliche Handlung treiben, wie auch Frucht- und Wein-Händler."* Aber den eigentlichen Aufschwung Mülheims brachten erst die Tage Karl Theodors. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstand eine Reihe stattlicher Neubauten, so im Jahre 1752 das Pfarrhaus Freiheit Nr. 51 und vier Jahre später das Nachbarhaus ,,Zum goldenen Pelikan" der Fruchthändlerfamilie Josias Klein (Abb. 216). Zwischen den beiden Wohnhäusern schaut man durch die Gasse auf das Chor der Clemenskirche mit seinem Kalvarlenberg. Der Kirchturm rückt seine barocke Haube über das Dach des Pfarrhauses hinaus. Diese Wohnhäuser sind ganz schlicht, zweistöckig

* Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins. Bd. 19.

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mit einem Mansardendach. Als Schmuck nur ein dekorativer Schlußstein in den Tür- und Fensterbögen der mittleren Achse, die durch Lisenen und ein größeres Mansardenfenster noch hervorgehoben wird. Und an der Ecke des Pfarrhauses grüßt eine Madonnenstatue freund- lich herunter auf die, welche den Weg zum Kalvarlenberg suchen. Aber die Wirren des Sieben- jährigen Krieges unterbrachen, wie m Düsseldorf, die hoffnungsvollen Anfänge einer neuen Stadt, und erst nach Friedensschluß konnten die Arbeiten wieder aufgenommen werden. Im Jahre 1765 wurde die Wallstraße bebaut. Christoph Andreae, der Enkel des von Jan Wellem aufgenommenen Emigranten, errichtete hier eine neue Seidenfabrik; Hermann Klein ein neues Wohnhaus ; die Reformierte Gemeinde im Jahre 1 767 ihr neues Gotteshaus mit der Pfarrei ; in der- selben Straße ferner 1 770 die Familie Rhodius ihr neues Wohnhaus, das spätere Rathaus. Andere Neubauten reihten sich an, auf der Wallstraße wie auf der Freiheit und der Buchheimer Straße. Der stattlichste Wohnhausneubau dieser Epoche ist der sog. Bärenhof an der Buch- heimer Straße, das Haus des Zollpächters, Seidenfabrikanten und Weinhändlers Karl Joseph Zacharlas Bertoldl*. Bertoldl war damals der geistige Mittelpunkt Mülheims, war der Gründer der Lateinschule und des Lyzeums. Kam Karl Theodor nach Mülheim, so stieg er im Bärenhof ab. über der Tür zum großen Saal hatte der Bauherr das Wappen des Kur- fürsten angebracht und mitten auf der Stuckdecke, von Genien umgeben, das Porträtmedaillon

des Kurfürstenpaares. Pllaster teilen die Wände auf, tragen das klassizistisch gezeichnete Decken- gesims und rahmen Ofennische und Spiegel ein, über denen Stuckreliefs antiker Gottheiten sind. Dieselbe strenge architektonische Wandgliederung kehrt auch im Treppenhaus und in den übrigen Wohnräumen wieder. Ehemals umgaben zwei- hundert Morgen Land noch die Besitzung, und an den Wohnbau schlössen sich zu beiden Seiten Wirtschafts- und Stallgebäude an. Dahinter der große Garten. Heute ist nur noch der Mittelbau erhalten. Er ist reicher gegliedert als die älteren Bauten an der Gasse zur Clemenskirche.

Bertoldl besaß neben dem Bärenhof noch zwei andere Bauten in Mülheim: den Zollhof an der Freiheit, ebenfalls mit einem prächtigausgestatteten Saal, der 1804 den Besuch des damaligen Regenten

Abb. 217. Mülheim am Rhein; Freiheit Nr. 40.

* Vgl. Grundriß, geometrische Aufnahme der Fassade und Schnitte durch Treppenfiur, Speisezimmer und Saal bei Hans Vogts in den Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz VIII (1914). S. 152. 154. 155, 158.

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des Herzogtums Berg, Herzog Wilhelm von Bayern und Gemahlin empfing; dann das Haus zum Goldenen Lämmchen, ebenfalls an der Freiheit. Dieser Bau ist älteren Datums, stammt scheinbar noch aus der Zeit Jan Wellems. Aber Zacharias Bertoldi gab ihm das stattliche neue Portal (Abb. 218). Die schöne klassizistische, mit Porträtmedaillons gezierte Holztür und der Vase im Oberlicht, die breite, mit Akanthusblättern geschmückte Kehle des Hausteinrahmens, welchen Pilaster mit reichen Kapitalen einfassen, über den Kapitalen auf der ausladenden Deckplatte je eine Vase und auf dem Gebälk ein Putto mit einem Lämmchen. Nicht unähnlich ist die Gliederung der Haustür und ihrer architektonischen Umrahmung an dem benachbarten Hause Andreae, das sonst in seiner Anlage und Innenausstattung weit schlichter und bürgerlicher ist als Bertoldis Bärenhof (Abb. 217).

Einst hatten die hinter den Patrizier- häusern gelegenen Gärten noch reizvolle Gartenhäuschen. Das stattlichste, das von Haus Andreae, ist noch erhalten (Abb. 219). Ein reizvoll achteckiges HäuschenmiteinemMansardengeschoß, mit großen Rokokofensterrahmen und einem reichgegliederten Oberlicht über der Tür, Dieses Gartenhaus ließe sich in seiner barock -malerischen Emzel- gliederung in das Kapitel der bergischen Bauweise einreihen, wenn auch nur das Mansardengeschoß geschiefert ist. Das Bergische Land hat heute noch zahl- reiche solcher Gartenhäuschen. Wenn aber von dem des Hauses Andreae ab- gesehen wird, so hätte Mülheim am Rhein sonst weiter keinerlei baukünst- lerische Beziehungen zum Bergischen Lande aufzuweisen. Auch nach dem benachbarten Köln lassen sich keine künstlerischen Verbindungen schaffen. Die Mülheimer Baumeister sahen den Ausgang ihrer Tätigkeit in der regen Bauentwicklung unter dem Statthalter Grafen Goltstein in Düsseldorf.

Hans Vogts hat einige der Mül- heimer Baumeister aus den Akten fest- Abb 218. Mülheim am Rhein. Haus „Zum Lämmchen", Freiheit Nr. 36.

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stellen können. Das Pfarrhaus der Clemenskirche und das Haus zum Goldenen Pelikan (Abb. 216) stammen von Zimmermeister Bongard „anscheinend unter Aufsicht des kurfürst- lichen Baumeisters Nosthöffer". Das letztere mag möglich sein, aber von Nosthofens Tätig- keit fehlt uns eine klar umschriebene Vorstellung. Haus Klein in der Wallstraße geht auf den Baumelster Seydel zurück, die Reformierte Kirche auf einen Entwurf von Hellwig. Vogts vermutet, daß man den Baumeister Hellwig auch als den Erbauer der Häuser Bertoldi und Andreae, die beide wohl von einer Hand stammen werden, in Erwägung ziehen könnte. Diese Annahme klingt nicht unwahrschemlich. An der Einfriedigung der Reformierten Kirche kehren dieselben Vasen wie an den Stuckdecken der beiden Häuser wieder. Daß das Portal zum Goldenen Lämmchen ebenfalls auf denselben Meister zurückzuführen ist, liegt sehr nahe. Vogts denkt außer an Hellwig noch an Pigage. Auf jeden Fall war die Innenaus- stattung zu Benrath von größtem Einfluß. Die privaten Beziehungen der Andreae und Bertoldi zu Karl Theodor verdichteten diese Zusammenhänge. Vielleicht hat einer der zahlreichen Mitarbeiter des italienischen Stuckkünstlers Albuzio in Benrath später die Mülheimer Stuck- arbeiten ausgeführt. Vielleicht ist auch Hellwig früher auf Benrath tätig gewesen.

Was die Andreae, Mühling, Bertoldi, Rhodius usw. für Mülheim, das waren die Fabrikanten- und Handelsherrengeschlechter von Carnap, de Weerth, Frowein, von der Heydt und Aders für Elberfeld. Auch diese Stadt war unter Jan Wellem noch ein unscheinbarer Ort. Der große Brand vom Jahre 1687 hatte das ganze Städtchen bis auf das letzte Haus niedergelegt.

Viele wanderten aus. Besondere Privilegien Jan Wellems sollten Elberfelds Wiederaufbau fördern. Aber im Jahre 1708 zählte man erst 3000 Ein- wohner, d. h. weniger als vor dem Brande. Unter Karl Theodors Fürsorge setzte dann eine rege Ent- wicklung ein. Das Jahr 1787 zählte 10000 Ein- wohner mit tausenden neuer Wohnstätten. Ein Jahr nach Karl Theodors Tode, 1800, hatte der Ort schon 1 2 000 Einwohner.

Das Wuppertal hatte zum Schloßbau zu Ben- rath eine direkte Beziehung. Eberhard Haar- mann d. J. aus Hagen, der für die Fabrikanten- familien eine große Bautätigkeit entwickelte, war vorher, wie die Tradition erzählt, emer der Mit- arbeiter von Pigage in Benrath*. In Barmen

* Monatshefte des Bergischen Geschichtsvereins XIV, S. 16. Rudolf Minder er: Bergische Schieferhäuser. Frankfurt am Main 1896-1897. - Otto Schell: Altbergische Häuser in Wort und Bild. Barmen 1907. Bergische Bauweise. Ernst Wasmuth, Abb. 219. Mülheim a.Rh. Freiheit Nr. 40. Gartenhaus. Berlin 1908.

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werden ihm allein sechs Bauten zugeschrieben, an denen man, wie in Benrath, den Übergang vom Rokoko zum Klassizismus verfolgen kann. Es sind charakteristische heimische Schiefer- häuser. Aber auch der Haustein- und Putzbau, der nun allmählich den altheimischen Schiefer- hausbau verdrängt, hält diese Beziehung zu Schloß Benrath wach: in Elberfeld das Haus Aders vom Jahre 1 754, das Carnapsche Haus am Mäuerchen vom Jahre 1 787, Haus Lehbach und Haus Kunz in der Aue, um die Wende des Jahrhunderts das Haus von der Heydt am Mäuerchen; in Solingen Haus Klauberg von 1786; in Barmen das als Privathaus erbaute Rathaus von 1799*. Aber diese Bauten liegen bereits außerhalb des Gebietes der „Baukunst am Niederrhein".

Wie Mülheim am Rhein, so verdankt auch Krefeld seinen industriellen Aufschwung im 18. Jahrhundert der Ansiedlung der aus den benachbarten Territorien vertriebenen Refor- mierten, Mennoniten und Separatisten. Vor allem fanden unter der unduldsamen Regierung Wolfgang Wilhelms und Philipp Wilhelms viele Nichtkatholiken aus den Herzogtümern Jülich und Berg in Krefeld eine neue Heimat. Seiden- und Samtmanufakturen begründeten den Wohl- stand und bald den Weltruf der Stadt. Die eingewanderte Familie von der Leyen war die Haupt- förderin der neuen Industrie. Das alte Krefeld um die Kirche und den kleinen Marktplatz, den Schwanenmarkt an der Hauptstraße, der Hochstraße, konnte die Zahl der eingewanderten neuen Bürger bald nicht mehr fassen (Abb. 220). Man mußte im Jahre 1692 die Stadt zunächst nach Osten erweitern und nannte den Hauptstraßenzug der Erweiterung zu Ehren Wilhelms von Oranien, des englischen Königs, der 1678 das benachbarte Krakau hatte schleifen lassen und damit Krefeld von dem alten Raubritternest vor seinen Toren befreit hatte (I, S. 66 69), Königstraße. Aber schon im Jahre 1711 war auch nach Süden eine Erweiterung nötig geworden. Hoch- und König- straße woirden ver- längert . Vor der Alt- stadt breitete sich im Lauf der Hoch- straße ein neuer Marktplatz aus. Dieses neue Krefeld reichte indessen bei

* Schoenfelder: Die Entwicklung des Stein- baues in Elberfeld von seinen ersten Anfängen bis zur Fertigstellung des alten Rathauses. Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz IV, S. 74 ff.

Abb, 220. Krefeld. Stadtplan. Der alte? Stadtkern dunkel angelegt. Von links, nach rechts: Süden Norden.

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der schnellen Entwicklung der helmischen Seiden- und Samtindustrie und dem Zustrom der Fremden kaum dreißig Jahre aus. 1739 mußte man die Hoch- und Königstraße auch nach Norden ausbauen. Die Verlängerung der Hochstraße ist die Friedrichstraße. Der Bau der katholischen Kirche des heiligen Dionysius machte im Jahre 1 752 eine Erweiterung der Stadt nach Westen nötig. Eine sechste Erweiterung zog 1806 die Nordgrenze über den Friedrich- platz hinaus. Krefeld hat so im Laufe des 18. Jahrhunderts seine bebaute Fläche um mehr denn das Sechsfache vergrößert. Eine beispiellose Entwicklung für das Land am Niederrhein. Der Ausbau der Stadt als einheitlicher Organismus ist künstlerisch nicht uninteressant. Die Verlängerungen der Altstadthauptstraße laufen schnurgerade in die südliche und nörd- liche Neustadt über. Alle Nebenstraßen sind parallel angelegt und werden von den Quer- straßen rechtwinklig geschnitten, so daß die ganze Stadt von rechteckigen Häuserblocks und Straßenzügen aufgeteilt wird; wie in Mannheim und Neuwied, das übrigens ebenfalls seine Bauentwicklung im 18. Jahrhundert eingewanderten Reformierten, Mennoniten und Separatisten

verdankt, und andere fürstliche Neu- stadtgründungen. Aber man kann bei Mannhelm wie bei Neuwied kaum von künstlerisch Interessanten Entwürfen reden. Es ist Schema. Den recht- eckigen Häuserblocks fehlt es an Höhen- und Ausstrahlungspunkten, welche die Stadtpläne von Erlangen und Karlsruhe so reizvoll beleben. Die Karlstadt zu Düsseldorf hat we- nigstens den Vorteil, daß sich die Neustadt den Altstadtstraßenzügen bequem anzupassen wußte (Abb. 213). Der Ausbau von Krefeld ist indessen künstlerisch unvergleichlich interessan- ter (Abb. 220). Man unterscheidet zwischen breiten Verkehrstraßen und schmäleren Wohnstraßen und hat den Hauptstraßenzügen einen monumen- talen Bildabschluß gegeben : der Rhein- straße in der Dionysiuskirche, der Wilhelmstraße in dem stattlichen] Portikus des Mittelbaues vom Hause Aku 991 v' ( ij u 7 u j" r I c j u wriui P von der Leyen, dem heutigen Rathause.

Abb. zzl. Krefeld. Haus „Zum Heyd , Lcke rnednch- u. Wilhelmstraße. _ _ _

Vgl . gegenüberliegendes Eckhaus Abb. 222 und Stadtplan Abb. 220. Dort, WO Wilhelm- Und Friedrichstraßc

220

sich begegnen, ist das Herz der Neustadt, von dem aus das Verkehrsleben durch d-e vier breiten Straßenzüge pulsiert. Die Straßenecken der Kreuzung haben daher eine monumentale Ausgestaltung erhalten. An der einen Ecke steht das Haus Heydweiler, heute im Besitz der Familie von Beckerath (Abb. 221). Die drei Mittelachsen risalitartig zusammengefaßt, vorgezogen und mit einem Giebel bekrönt mit dem Wappen der Heydweiler, einem Ritter auf einem getöteten Drachen und der Inschrift ,,Zum Heyd". Dahinter ragt das mächtige Mansardendach auf. Dem Heydweilerschen Haus gegenüber steht der Bau, den einst Johann von der Leyen als Stadtpalais errichtete, bevor die Familie am Ende der Wilhelmstraße den stattlichen Neubau mit den Kolonnaden aufführen ließ. Das Eckhaus an der Friedrichstraße heißt jetzt allgemein das Flohsche Haus (Abb. 222). Es ist im Detail das vornehmste der Krefelder Patrizierhäuser, über den Fenstern schweben Girlanden, und über dem Ein- gang, von drei Konsolen getragen, ein geschweifter Balkon mit schönem Rokokogitter, in der Mitte das Wappen der Familie Floh, über dem schmalen Mittelrisalit auf dem Dachgesims eine Trophäe. Das Flohsche Wappen m einer Kartusche, von einer Krone bedeckt und umgeben von derben Kränzen und Festons. Wie bei dem Haus „Zum Heyd" führt seitlich ein Portal in den Hof, den wieder niedrigere Flügel einrahmen.

Für die beiden anderen Ecken an der Kreuzung von Friedrich- und Wilhelm- straße waren ähnliche Monumentalakzente vorgesehen; und von hier aus reihten sich, möglichst mit gemeinsamem Hauptprofil die Häuser der Hauptstraße waren meist dreigeschossig, die der Nebenstraßen zwei- geschossig — , schlichte Bürgerhäuser anein- ander, sparsam im dekorativen Schmuck, bis zum Friedrichsplatz, der als Tor in die Neustadt eine reichere Gestaltung erhielt; an beiden Straßenecken je wieder ein statt- liches Patrizierhaus. Das Scheiblersche Haus, fünf zu zehn Achsen (Abb. 223). Die vier Mittelachsen an der Friedrich- straße haben ihre Fenster reicher gegliedert und einen gemeinsamen Giebel mit zier- lichen Ranken um die Rundfenster erhalten. Abb. 222. Krefeld. Flohsches Haus, Ecke Friedrich- u. Wilhelm-

Die dreiachsigen Seitenflügel neben dem ^'^^ß«- Vgl. gegenüberliegendes Haus Abb. 221 und Stadtplan

Abb. 220.

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221

Giebelnsalit haben je einen eigenen Eingang. Die kleinen Butzenscheiben der Schiebefenster tragen als Maßstab nicht wenig zu dem monumentalen Eindruck des stattlichen Hauses bei. An der gegenüberliegenden Ecke steht das Jörgensche Haus (Abb. 224). Imposanter noch. Das Erdgeschoß rustiziert. Die beiden Obergeschosse von durchlaufenden Pilastern zusammen- gefaßt. Darüber ein antikisierender Architrav mit einem Giebel. Der Bau wird wahrscheinlich erst im Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet worden sein.

Vor dem Stadttor, heute indessen innerhalb der Stadt, wäre dann noch ein Herrenhaus des 18. Jahrhunderts zu erwähnen. Das neue Haus Krakau, das auf den Fundamenten der geschleiften Burg errichtet worden ist (vgl. I, S. 66 ff.). Der villenartige Hauptbau, das sogenannte ,,Hohe Haus", einstöckig mit einem Mansardendach (Abb. 225). Dazu das male- rische Torgebäude, ebenfalls einstöckig mit einem Mansardendach (Abb. 226). In der Mitte ragt der zweistöckige Torturm mit seiner lustigen Laterne über den Bau hinaus. An den Ecken der beiden fünf achsigen Seitenflügel sind Pavillons angebracht.

über die Krefelder Baumeister des 18. Jahrhunderts sind wir leider gar nicht unterrichtet. Bei der Einheitlichkeit des Ausbaues der Stadt zu einem künstlerischen Organismus sind aber

Abb. 2li. Krdcld. Scheiblersches Haus, Ecke f-iicdnclistraße und Fiadiiclii>Litz. Vgl. gegenüberliegendes Eckhaus Abb. 224 und Stadtplan Abb. 220.

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die einzelnen Bauten unter sich in der Gesamtanlage wie in der Einzelbehandlung sehr ver- schieden. Die geographische Lage des damals schon zu Preußen zählenden, da zur Grafschaft Mors gehörenden Krefelds, der Zustrom aus den Nachbarterritorien, JüHch und Berg an erster Stelle zu erwähnen, dann die weit hinausführenden Handelsbeziehungen haben den Bauten der Stadt so verschiedenen Charakter gegeben. In der Hauptsache liegt aber das künstlerische Schwergewicht Krefelds am unteren Niederrhein. Die Schiebefenster mit den kleinen Butzen- scheiben kehren an Privathäusern in Orsoy, Emmerich, Wesel und Rheinberg wieder (Abb. 227, 231, 239, 240). Dem Niederrhein fehlte seit dem Tode Friedrichs I. von Preußen zwar ein eigentliches Kunstzentrum. Cleve hatte seine Bedeutung verloren. Hier wie im Lande war es künstlerisch still geworden. Und wo die Zeit dann und wann neue Aufgaben stellte, lebten die alten Beziehungen zu den Niederlanden weiter. Da ist in Dinslaken das Pfarrhaus (Abb. 231). Eine Hofanlage mit einrahmenden Seitenflügeln. Aber ganz schlicht. Dann das ebenfalls schmucklose neue Herrenhaus auf Boetzelaer, aber dennoch von eigen- artigem Reiz (Abb. 228). Die sonderbaren Fensterrahmen der Dachfenster sind uns schon an dem Hause Krakau in Krefeld begegnet (Abb. 225, 226). Schloß Diersfordt bei Wesel

Abb. 224. Krefeld. Jorgensches Haus, Ecke f-nedrichstraße und Friedrichplatz. Vgl. gegenüberliegendes Eckhaus Abb 223 und Stadtplan Abb. 220.

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Abb. 229. Emmerich. .Am Geistmarkt. Vgl. Abb. 233.

Abb. 230. Haus Bock bei Pattern (Kreis Jülich).

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Abb. 231. Dinslaken. Pfarrhaus.

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hat damals eine neue Türumrahmung und neue Treppengeländer erhalten, deren Form wir häufig in den Niederlanden wieder antreffen (Abb. 232).

Das gebrochene Mansardendach ist am unteren Niederrhein selten. Das schöne Eck- haus am Marktplatz zu Rheinberg, dessen vortreffliche Wirkung in den letzten Jahren ein Ladeneinbau gänzlich zerstört hat, ist geradezu eine Ausnahme (Abb. 227). Dann Haus Schmithaus bei Cleve, halbwegs zum Rheinübergang nach Emmerich (Abb. 242). Ein überaus reizvoller Sonderling im Cleverland, von einer Eleganz, die dem Lande sonst ganz fremd ist. In der Mitte der zweistöckige Pavillon mit dem geschwungenen Dachprofil. Am

- , Mittelfenster des Oberstocks em Balkon

und über dem Fenster, m die Dach- kuppel einschneidend, ein Giebelchen. Einstöckige Flügel mit Mansarden- dächern rahmen seitlich den mittleren Pavillon ein. Ihre äußeren Achsen haben Quadereinfassung und einen flachen Rundgiebel erhalten. Em scharmantes Häuschen. Geheimnisvoll aus dem Grün an der Landstraße plötzlich auftauchend. Das Titelbild zu einer galanten Erzäh- lung aus dem liebenswürdig heiteren, amourösen Jahrhundert des Rokoko. Aber den Inhalt des Buches kenne ich leider nicht. Ich habe von der Geschichte dieses Hauses nichts erfahren können. Die übrigen Bauten am unteren ! Niederrhein haben keine ähnHch ein- schmeichelnde Silhouette. Teils blieb der Backsteingiebel noch lange erhalten. Meist aber schloß die Fassade scharf mit einem Gebälkstück ab dort, wo die Dachschrägebegann(Abb.228,239,240). Die Silhouette des Daches trat jetzt mehr und mehr zurück. Der einzige Schmuck war der Türrahmen mit seinem Ober- licht. Die zahlreichen Beispiele sind echt holländisch. In Wassenberg die Rokokogliederung der Kirchentür (Abb. 236) oder in Cleve eine strengere archi-

Abb. 241. Neuß. Rathaus. Vgl. Abb. 243.

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tektonische Einfassung (Abb. 235). Meist ist das Oberlicht mit schmiedeeisernem Stabwerk geschmückt, verschnörkelt wie die Anfangsbuchstaben einer hochwichtigen Urkunde der Zeit. Das Monogramm des Hausherrn und die Jahreszahl von Linienranken umgeben. Cleve, Emmerich, Wesel und andere Orte haben noch eine Reihe solcher Oberlichter (Abb. 229, 231 236). Dann Neuß (Abb. 234). Die traditionellen Beziehungen seines Bürgerhauses zum unteren Niederrhein blieben auch im 18. Jahrhundert bestehen. Von Düsseldorf, von der anderen Rheinseite schien aber keinerlei Anregung die kurkölnische Stadt erreicht zu haben. Es ging immer mehr mit ihr an Bedeutung und Einfluß bergab (vgl. I, S. 85). Was das 18. Jahrhundert in Neuß geschaffen, sind meist harmlose Bürgerhäuser. Der einzige größere Auftrag war der Ausbau der Rathausfassade (Abb. 241). Der Bau selbst stammt aus den Jahren 1 634 bis 1 638. Aus dieser Zeit sind an dem Außenbau noch die beiden Ecktürmchen und die getreppten Brandgiebel zu sehen. Baumeister C. Hermkes hat gegen Ende des Jahrhunderts die Fassade klassizistisch umgebaut, die Einteilung indessen beibehalten. Das Vorbild war Amsterdam mit Campens Rathaus und Vingboons Trippenhuis. Auch das Innere des Neußer Rathauses hat damals neue Türen und Treppen erhalten (Abb. 243).

Abb. 242. Haus Schmithaus an der Clever -Emmencher Landstraße.

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L/iisseldorf und Aachen waren im 18. Jahrhundert die beiden künstlerischen Ausstrahlungs- punkte für das Land am Niederrhem. Düsseldorf als Residenzstadt für das Bergische Land, Aachen als blühender Industrieort und viel besuchter internationaler Badeplatz für das Land Jülich. Fremde Einflüsse haben zwar auch in diesen beiden Orten auf die heimische Bau- weise stark eingewirkt. Das Ergebnis war aber ein Durchdringen heimischer Bauweise und moderner Wohnbedürfnisse und Formen. Erst der Klassizismus war das Ende des heimischen Backsteinbaues.

Wesentlich anders lagen die Verhältnisse im 18. Jahrhundert in der Freien Reichsstadt Köln. Der starke künstlerische Einfluß Belgiens hatte schon gegen Ausgang des 17. Jahr- hunderts die kölnische Eigenart des Bürgerhauses mehr und mehr verdrängt. Auswärtige

Meister kamen. Die einheimischen nahmen ihre Formen und Bauweise auf. Auf den Einfluß Belgiens folgte der Italiens und Frank- reichs. Man mag diese Tatsache des Aus- sterbens stadtkölnischer Eigenart in der Bau- kunst als ein äußeres Zeichen des immer mehr schwindenden Einflusses der Freien Reichsstadt in der Politik wie im internatio- nalen Großhandel ansprechen. Der klein- lichen Wirtschaftspolitik entsprach das von Neid und Mißgunst erfüllte kleinliche Zunft- wesen, das jedes frische Leben zu unterdrücken suchte. Hugo Rathgens hat an der Hand der Zunftakten und Ratsprotokolle im Stadtarchiv zu Köln über die Schwierigkeiten berichtet, die die Zünfte dem trefflichen Bildhauer Johann Franz van Helmont, dem Meister des Machabäer-Altars in St. Andreas und der Lauretanischen Kapelle in St. Maria in der Kupfergasse, bereitet haben*. Seine Mit- teilungen sind überaus interessante Belege für den kleinlichen Geist, der durch Quali- fikationsstreitigkeiten alles über das Hand- werkliche Hinausgehende zu unterbinden suchte. Aber das war bereits Kölner Tradition geworden. Wir entsinnen uns doch, welche

* Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmal- Abb. 243. Neuß. Rathhaus. Vgl. Abb. 241. pflege und Heimatschutz. V. S. 64 ff.

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Schikanen im 16. Jahrhundert ein Wilhelm Vernukken in Köln von Seiten der Kölner Zunft- meister auszustehen gehabt hat, welche nörgelnde Kritik man an seiner Rathausvorhalle übte, so daß er schließlich frohen Herzens der Stadt den Rücken kehrte (vgl. 1, S. 174 ff.).

Helmont machte ganz ähnliche Erfahrungen. Als er im Jahre 1715 bei dem Rat der Stadt auf Grund von ,, Proben im Zeichnen und Bildhauerkunst" um die Meisterschaft einkam, v^urde das Gesuch zur Begutachtung den Zünften weitergegeben, die es ablehnten. Drei Jahre später kam Helmont von neuem bei dem Rat ein. Das Steinmetzenamt sollte entscheiden, ob der Künstler ,,zum Bildhauen in Steinwerk privative berechtigt, im übrigen aber den Gaffel- herren (d. s. die Zunftvorsteher) aufgetragen sein, des Helmont quahfikatlon weiter zu unter- suchen undt demnächst zu schließlicher lesolution über die gebettene Meisterschaft ihr sentlmentum zu erstatten". Damals arbeitete Helmont an seinem Machabäer-Altar (Abb. 246). Man konnte ihm nur schwer die Meisterschaft nicht anerkennen. ,,In Ansehung seiner Erfahrung" wurde ihm daher ,,das Recht zur Meisterschaft einwendens ungehindert in Gnaden geschenket". Aber die Frage, ob er sich ,,als ein in Holz und Stein arbeitender Bildhauer" bei der Steinmetzen- oder Schreinerzunft einzuschreiben habe, behielt sich der Rat noch vor zu entscheiden. Das Steinmetzenamt protestierte und beantragte, Helmont jedes Arbeiten In Marmor zu untersagen. Der Rat stellte sich aber auf Selten des Künstlers. Der Neid der Zunftmeister ging indes so weit, daß sie im Jahre 1720 gewaltsam in Helmonts Haus in der Streitgasse eindrangen und die ,,für sichere Herren verfertigte Marmelsteine" einfach mit fortschleppten. Der Rat erhebt auf Helmonts Eingabe zunächst vergeblich Einspruch gegen diese Vorgänge. Helmont muß von neuem beim Rat der Stadt wegen der Steine elnkommen und erhält schließlich denn auch die Erlaubnis, neben Arbeiten in Holz auch „Bilder und Laubwerk in allerhandt Steinwerk" bearbeiten zu dürfen, architektonische Arbeiten aber nur in Marmor. Außerdem sollte er „des Mauerwerks sich zu enthalten schuldig sein". Trotz der großen künstlerischen Erfolge wollte aber die Schreinerzunft selbst noch im Jahre 1728 die bei ihm verbrachte Zeit den Lehrlingen und Gehilfen für die Frist zur Erlangung der Meisterschaft nicht anerkennen. Das sind Dokumente der übelsten Spießerei!

Köln war schon lange nicht mehr kurfürstliche Residenz, und damit entbehrte die alternde Stadt gerade das wesentliche Moment baukünstlerischen Aufschwunges für das 18. Jahr- hundert gegenüber Städten wie Düsseldorf, Münster, Bonn und Brühl, Trier und Koblenz. Ihr fehlten ein Jan Wellem und Karl Theodor, ein Josef Clemens und Clemens August. Unter dem behäbig dahinlebenden Patriziat fehlte es an Kunstmäzenen. Der letzte Jabach aus der großen Kölner Mäzenatenfamilie, die in ihrem stattlichen Wohnhause in der Sterngasse in der Hauskapelle Dürers sog. Jabachschen Altar besaßen, die bei Rubens das große Altarbild der Kreuzigung Petrl für die Peterskirche bestellte, die sich von Ludwigs XIV. Lieblingsmaler Charles Lebrun in einem großen Familienbild darstellen ließ, deren Stammhaus mit seiner prachtvollen Inneneinrichtung und den Kunstsammlungen Goethe im Jahre 1774 und dann bei seinem späteren Besuch im Jahre 1815 begeisterte, starb 1754. ,,Wenn man von der

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Kunstgeschichte einer Stadt reden darf, dann endigt diejenige Kölns mit dem Ausgange dieses stolzen Mäzenatentums. Es ist, als wolle das glänzende Schauspiel einer so vornehmen Kunst- pflege die unbarmherzige geschichtliche Wahrheit von dem Niedergange der stolzen Stadt des Mittelalters in letzter Stunde noch Lügen strafen."*

über den Einfluß belgischer Barockarchitektur und Dekoration in Köln, über die Jesuiten- kirche und andere kirchliche Schöpfungen und Profanbauten war schon im ersten Bande kurz die Rede (vgl. I, S. 264). Die wichtigsten Bauten sind schnell aufgezählt**.

Der älteste belgisch-barocke Profanbau in Köln war die Domdechanei des Dom- dechanten Franz Egon von Fürstenberg am römischen Nordtor aus den Jahren 1657 und 1658. Erhalten ist von der stattlichen Anlage aber nur eine alte Aufnahme des Portalbaues (Abb. 245). Den flachen Segmentbogen, den über dem Tordurchgang Pilaster tragen, schmückt das Fürstenbergische Wappen. Als Bekrönung des Portals ist ein springendes Pferd aufgestellt. An Stelle der Kreuzfenster sind barocke Fensterrahmen getreten, in regelmäßiger Achsen- aufteilung zueinander angeordnet. Diese syinmetrische Aufteilung ist eines der charakteristi- schen Momente, die die alte Kölner Bauweise mit ihren malerisch unregelmäßigen, sich lediglich aus der inneren Anordnung ergebenden Aufteilung der Fassade ablösen. Das Haus zum Goldenen Bär, Severinstraße Nr. 18, vom Jahre 1676 ist wegen der alten spätgotischen Fensterrahmen ein besonders interessantes Beispiel***. Der Bau stammt von Meister Hein- rich Deutz. Der unterbrochene, geschweifte Barockgiebel geht auf die Jesuitenkirche zurück. (I, Abb. 186). Noch konsequenter ist die symmetrische Aufteilung mit ihren guten Verhält- nissen bei dem Hause zum Maul- beerbaum vom Jahre 1697 (vgl.

I. Abb. 273).

Der Einfluß belgischer Barock- architektur hält in Köln noch in den ersten Jahrzehnten des fol- genden Jahrhunderts an und hat

* Renard: Köln. (Seemanns Berühmte Kunststätten.) Leipzig 1907. S. 191.

* * Düsseldorf und Aachen gegenüber kann ich mich bei der Aufzählung der Kölner Bauten knapper fassen, da wir die in der , .Baukunst am Niederrhein" schon oft angeführte aus- gezeichnete Darstellung von Hans Vogts über „Das Kölner Wohnhaus bis zum An- fang des 19. Jahrhunderts" (Köln 1914) be- sitzen, während das Düsseldorfer und Aachener Wohnhaus bisher noch gar nicht übersichtlich bearbeitet worden ist. Ich verweise auch an dieser Stelle noch einmal auf die fleißige Materialsammlung bei Vogts. Abb. 244. Köln. Ehemaliges Canto-Haus. Vgl. Abb. J47. *** Vgl. Renard a. a. 0.. Abb. 169.

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hier im Jahre 1710 den umfangreichsten privaten Wohnbau der Stadt geschaffen, der den Gesamtvorrat der städtischen Ziegelwerke aufgezehrt hat. Es ist das sog. Canto-Haus, das Haus des Geldwechslers Lambert Canto an der Pfaffengasse. Es ist ein nachgeborener Bruder der Fürstenbergischen Domdechanei, aber weit stattlicher. Er war wohlhabender und hat auch eine bessere Karriere gemacht, denn später wurde der Bau die Residenz des päpstlichen Nuntius (Abb. 244). Zu beiden Seiten des Portals gliedern Keilsteinfenster die Backsteinflächen der Fassade. Nach dem Hof zu öffnet der Torbau sich in breiten Arkaden, mit Stuckornamenten in den Bogen (Abb. 247). Der stolze Bau ist leider, wie der Portalbau der Domdechanei, nicht mehr erhalten.

Neben diesen Bauten wäre noch eine Anzahl anderer aufzuführen*. Im ganzen bleibt die heutige Auslese indes gering. Das 19. Jahrhundert hat nur allzu radikal mit den Anlagen des

17. und 18. Jahrhunderts in Köln aufgeräumt, und der Stilpurismus mit den zahlreichen barocken Kanzeln und Altären. Um das reiche Bild von der Be- deutung des belgischen Barock- einflusses wenigstens einiger- maßen anzudeuten, müßte man schon die Hauptstücke der deko- rativen Architektur anführen. Da- mals, um die Wende des 17. und

18. Jahrhunderts, lebten in Köln die niederländischen Bildhauer und Maler Johann Franz van Helmont aus Nordbrabant, Gel- dorp Gortzius, Toussaint und Johann van Damm aus Antwerpen, Martin Vinx aus Mecheln und andere mehr. Hel- mont scheint der bedeutendste unter ihnen gewesen zu sein. Seine beiden hervorragendsten Kölner Arbeiten, der Machabäer- Altar in St. Andreas und die Lau- retanische Kapelle in St. Maria in der Kupfergasse, sind noch erhalten.

* Vgl. Vogts a.a.O., S.40I ff.

Abb. 245. Köln. Ehemalige Domdechanei.

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Abb. 24(j. Kühl. St. -Andreas-Kirche. Machabäer- Altar.

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Der Machabäer-Altar, um 1717 für den Chor der Machabäerkirche verfertigt, nach dem Abbruch dieser Kirche im Jahre 1808 im südlichen Querarm von St. Andreas auf- gestellt, ist eine grandiose Arbeit von virtuosem Können (Abb. 246). Die heutige Aufstellung ist außerordentlich günstig und umgibt den herrlichen Altar mit der Fülle des durch die bunt verglasten hohen Fenster eindringenden, gedämpften Tageslichtes. In der Mitte der mit Pilastern gegliederten Nische steht, umgeben von schwebenden Putten, Salome mit ihren drei jüngsten Söhnen. Die vier älteren stehen außerhalb der Nische. Ausgezeichnete Gestalten, vornehm in der Haltung und ohne barocke Übertreibung in den Gewandfalten wie in der Bewegung, über dem gebrochenen Giebel, den gewundene Säulen tragen, während auf glatten Säulen seitlich davon die Gebälkfortsetzungen ruhen, sind allegorische Gestalten des Glaubens mit ihren Attributen angebracht. Zwischen ihnen, in den Wolken schwebend und von Engeln umgeben, der heilige Benediktus. Hoch oben dann Gott Vater. Der architektonische Aufbau zeigt dieselbe klangvolle Schönheit wie die einzelnen Gestalten, über die beiden zu äußerst stehenden Figuren der ältesten Söhne der Salome, die übrigens mit ihren Lanzen den seit- lichen Abschluß des Altarbaues wirkungsvoll betonen, gleitet das Auge hinauf zu dem Giebel: von der statuarischen Ruhe zu einem bewegten malerischen Barock. Dem Reichtum der Darstellung in der Nische und über dem Gebälk entsprechen die gewundenen Säulen und verkröpften und unterbrochenen Gebälke, gegenüber den glatten Säulen, die zu den seitlichen Figuren überleiten. Eine Brüstung mit kunstvollen Schnitzereien schließt den Aufbau nach dem Kircheninneren ab.

Helmont stammt wie Grupello in Düsseldorf aus dem Kreise um Artus Quellinus und Rombout Verhulst. Grupello ist er m vielem vielleicht noch über- legen. Die Vornehmheit seiner Gestalten kommt an Schönheit der Linie und Haltung den besten Arbeiten des Quellinus nahe. Neben dem Machabäer - Altar hat Helmont in Köln für St. Johann Baptist eine Kanzel und für St. Kolumba einen Hochaltar geschaffen*. Die Lorettokapelle in St. Maria in der Kupfergasse ist eben- falls eine fabelhafteSchnitzarbeit.

* Mittellungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz. Jahr- gang V. Heft I. Taf. IV und Abb. 37.

Abb. 247. Köln. Hof des ehemaligen Canto-Hauses. Vgl. .Abb. 244.

239

Die Kapelle ist mit großer Geschicklichkeit in den schmalen Kirchenraum hineinkomponiert worden (Abb. 248). Die eine Seite lehnt sich an die äußere Kirchenwand der Portalseite. Die drei anderen sind auf das reichste geschmückt. Doppelpilaster, zwischen denen Fruchtgehänge schweben, rahmen geschnitzte Szenen ein. An der nach dem Altar gewandten Seite die Madonna auf Wolken mit dem Christusknaben. Darüber, von Engeln getragen, das Wappen der Stifter, des Grafen Johann von Oxenstiema und seiner Gattin, der Gräfin Anna Elisabeth von Limburg-Stymm. Unten der heilige Ignatius von Loyola und der heilige Franz Xaver. An den Seitenflächen große Holzreliefs der Anbetung der Hirten und der Weisen aus dem Morgenlande*.

Die Tätigkeit der italienischen Meister Henrico Zuccali und Antonio Riva m Bonn im Dienste des Kölner Kurfürsten am Bau des Residenzschlosses und des Matteo di Alberti mit seinen zahlreichen Mitarbeitern am Hof zu Düsseldorf und Bensberg konnte schließlich trotz der langjährigen engen Beziehungen der Freien Reichsstadt zu Belgien auf die Bautätigkeit Kölns nicht ohne Einfluß bleiben. Die Ursulinerinnenkirche in der Machabäerstraße soll nach den Angaben von Mering und Reichart von den ,, Meistern von Schloß Bensberg" stammen. Georg Dehio nennt als Baumeister direkt Matteo di Alberti**. Ich kenne die Unterlagen der beiden Angaben nicht. Die Turmhauben an den Ecken seitlich des die Fassade bekrönenden Segmentbogens erinnern allerdings an die Turmhauben von Schloß Bensberg*** (Abb. 29). Echt italienisch ist ferner, im Gegensatze zu den belgisch barocken Kirchenfassaden des 17. Jahrhunderts in Köln, etwa St. Maria in der Schnurgasse, die klare Aufteilung der Fassade der Ursulinerinnenkirche mit durchlaufenden Pilastern nnd das einschiffige Tonnen- gewölbe des Inneren. Nach Vogts soll die an den Kölner Rat eingesandte Entwurfsskizze der Kirche von einem „Rekommanditionsschreiber" des Kölner Kurfürsten stammenf. Von den Bonner Meistern finden wir später im Dienste des Düsseldorfer Hofes Antonio Riva wieder. Vielleicht käme auch er neben Matteo di Alberti als Baumeister der Ursulinerinnenkirche zu Köln in Frage. Der Bau ist in den Jahren 1709 und 1712 errichtet worden.

Eine direkte Beziehung zu den im Dienste der bergischen Regierung stehenden Baumeistern gab der Neubau des bergischen Hofkammerpräsidenten Grafen von Nesselrode -Ehreshoven auf dem Neumarkt. Es ist das vornehme Haus, das nach seinem späteren Besitzer, dem Grafen von Manderscheid-Blankenheim, allgemein als Manderscheid-Blankenheimscher Hof bekannt war. Die Originalzeichnung der Fassade ist im Historischen Museum der Stadt Köln noch erhalten und unterscheidet sich nur wenig von der späteren Ausführungff. über dem rustizierten Erdgeschoß teilen durchlaufende jonische Pilaster die beiden siebenachsigen Ober-

* Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz. Jahrgang V. Heft I. S. 78u.79. Abb. 41 u.42. ** F. V. Mering u. Reichart: Bischöfe und Erzbischöfe von Köln. Köln 1844. Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Berlin 1912. Band V. S. 290.

*** Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz. VIII. S. 171. Abb. 88 und 89.

t Vogts a.a.O.. S.407. tt Vgl. Vogts a.a.O., Abb. 138. - Renard a.a.O. Abb. 174

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Abb. 248. Köln. St. Maria in der Kupfergasse. Lorettokapelle.

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74!

geschosse auf. Mittelachse und äußere Scitenachsen sind ein wenig risalitartig vorgezogen, über der Mittelachse in dem abschließenden Segmentbogen das Wappen des Bauherrn. Das Detail der Fensterrahmen mit ihren Konsolen und der Profile war in der klassischen Durch- arbeitung der Formen die Veranlassung, daß man bisher den Bau stets für eine weit spätere Schöpfung aus den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts hielt. Der entwerfende Baumeister ist nicht bekannt. Alberti, Bartolus, Riva und die anderen führenden Baumeister am Hofe Jan Wellems waren zur Zeit der Erbauung des Nesselroder Hofes zu Köln nicht mehr unter den Lebenden. Von den unter Karl Philipp in bergischen Diensten tätigen Architekten wissen wir nichts Bestimmtes. Ausgeführt wurde der Bau von dem Kölner Baumeister Nikolas Krakamp. Er steht leider seit einigen Jahren auch nicht mehr, nachdem er in den letzten Jahrzehnten als Offizierkasino gedient hat.

Um diesen stattlichen Bau als Ausgangspunkt sammelt sich noch eine Reihe anderer Herren- häuser, so das Haus Unter Goldschmidt Nr. 5 u. a.*. Dann die Häuser der aus Kölner Patriziat hervorgegangenen Adelsgeschlechter der Herren und Freiherren von Groote, von Mylius, von Mering, von Beywegh, von Mülheim, von Zum Busch, von Kempis, von Geyr u. a. Aber diese späteren Bauten zählen schon zu der letzten Phase der Wandlung Kölner Baukunst im 18. Jahrhundert. Es sind französische Stadtpalais.

Beim Ausbau des Bonner Residenzschlosses waren auf die Italiener Zuccali und Riva die französischen Meister Robert de Cotte und Michael Leveilly gefolgt, wie am Düsseldorfer Hofe auf den Venetianer Alberti der Lothringer Pigage. Robert de Cotte hat Zuccalis italienische Quattro-Torre-Anlage mit dem von Arkaden aufgeteilten Binnenhof nach dem Hofgarten zu in eine französische Cour d'honneur umgewandelt. Auch Albertis Schloßbau zu Bensberg zeigt diese seltsame Mischung italienischer und französischer Formen. Robert de Cottes Schloß zu Poppeisdorf ist dagegen eine der zahlreichen französischen Idealarchitekturen, die seit den Entwürfen der Du Cerceau aus dem 16. Jahrhundert die französischen Baumeister immer wieder beschäftigt haben**. Mit dem kurkölnischen Residenzschloß zu Brühl werden die bau- künstlerischen Beziehungen zu Italien noch mehr gelöst. Die Italiener (Castelli, Morsegno, Artari u. a.) kommen nur noch als Stukkateure und Schmuckkünstler vor. Die eigentliche baukünstlerische Leitung lag in den Händen von Franzosen, der Robert de Cotte, Fran^ois Cuvillies und Michael Leveilly. An Stelle eines italienischen Binnenhofes ist von Anfang an eine Cour d'honneur entworfen worden. Nach dem Vorbilde von Versailles hat der voll- kommen französisch angelegte Park ebenfalls sein Grand und Petit Trianon erhalten, die Lust- schlösser Entenfang und Falkenlust. Diese glänzende Residenz mit ihrer prachtvollen Aus- stattung und die zahlreichen französischen Meister im Dienste des Kölner Kurfürsten und die von diesen mehr oder weniger abhängigen deutschen Mitarbeiter gewannen Einfluß in Köln.

* Vgl. Vogts a. a. 0., Abb. 139, 140 und S. 409 bis 4! 1 . ** Die Schlösser Bonn und Poppeisdorf bei Clemen: Kunstdenkmäler des Stadt- und Landkreises Bonn. Düsseldorf 1905, Abb. 96 ff., 158 ff.

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Der erste Vermittler zu Schloß Brühl war der westfälische Baumeister Johann Konrad Schlaun. Von ihm stammt aus den Jahren 1725 bis 1728 der Rohbau des Schlosses. In den folgenden Jahren beschäftigte ihn in Köln bis 1731 der Neubau des Jesuiten-Gymnasiums in der Marzellenstraße. Der Bau hat in den letzten Jahren beseitigt werden müssen*.

Schlauns Mitarbeiter waren Jakob Bourscheid und Adam Dechen. Sie wie die anderen heimischen Meister, die Krakamp, Göbbels usw. nahmen die neuen Formen auf. Nikolas Krakamp, der im Jahre 1728 das Haus Nesselrode auf dem Neumarkt ausgeführt hat, baute 1752 das Haus von Groote, Glockengasse Nr. 3, 1754 das Haus von Geyr, Breite Straße Nr. 92, in der Weberstraße das Palais des Oberjägermeisters von Weichs. Von Heinrich Nikolas Krakamp stammen die Häuser von Mülheim in der Gereon- straße Nr. 12 und von Monschau, Severinstraße Nr. 218. Von Adam Dechen das Haus der Grafen Fugger in der Trankgasse vom Jahre 1726 und das Haus Wichterich von 1 730, ebenfalls für die Fugger usw. Aber man wird gut tun, diese einheimischen Meister nicht als die entwerfenden Künstler, sondern, wie Nikolas Krakamp beim Hause Nesselrode, lediglich als ausführende örtliche Bauleiter anzusprechen. Man möchte eher an die Bonner und Brühler Hofbaumeister denken, an die Roth, Dupuis, Hauberat, Leveilly u. a. Leider sind von den seit den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts zahlreich entstandenen Kölner Stadtpalais heute nur noch das Haus der Herren von Mülheim, das heutige Erzbischöfliche Palais, und das Haus der Herren von Monschau erhalten.

Der vornehmste Bau dieser Gruppe der Kölner Stadtpalais war das Haus der Herren von Geyr, Breite Straße Nr. 92, das vor einigen Jahren mit seiner gesamten kostbaren Aus- stattung und seiner Gartenanlage an Ort und Stelle abgetragen worden ist (Abb. 250. 249). Im Grundriß eine echt französische Anlage**. Frangois Cuvillies Jagdschloß Falkenlust im Brühler Park von 1730*** und Heinrich Roths einstiges Jagdschloß Herzogsfreuden, Joie le Duc, bei Röttgen im Kottenforst bei Bonn von 1754t und andere Anlagen des kurkölnischen Adels, die sich um die landesherrlichen Schlösser zu Bonn und Brühl sammeln und nach Blondels Wohnhaustyp der Maison de plaisance entworfen sind, wurden vorbildlich für die Kölner Stadtpalais, wenn auch hier und da alte Kölner Baueigenarten in der Anlage Ver- änderungen und Abweichungen durchsetzten. Vestibül und Gartensaal, der mit drei Seiten eines Achtecks risalitartig über die Gartenfront hinausragt, bilden, wie bei den Maisons de plaisance, auch bei dem Hause von Geyr die Hauptachse, und die anderen Räume gruppieren sich, wenn eben möglich, symmetrisch um diese (Abb. 249). Ein wenig zurückliegend reihen sich an die siebenachsige Vorderfront des Herrenhauses seitlich noch je vier Fensterachsen an,

* Vgl. Edmund Renard: Die Bauten der Kurfürsten Joseph Clemens und Clemens August von Köln. Bonner Jahrbücher 1896. Heinrich Hartmann: Johann Konrad Schlaun. Münster 1910. Hans Vogts: Die Bauten des Gymnasiums Tricoronatum. Festschrift des Marzellen-Gymnasiums. Köln 19H. ** Abb. 16 bei Vogts, a.a. O. *** Renard: Die Bauten der Kurfürsten usw. Abb. 19. Felix Dechant: Das Jagdschloß Falkenlust. Aachen 1901. Taf. I, II.

f Renard a.a.O., Abb. 47. Clemen: Kunstdenkmäler des Stadt- und Landkreises Bonn, Abb. 229 ff.

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und ihre beiden äußeren an jeder Seite sind der Abschluß der beiden Seitenflügel für Stallung, Bedienung und Wirtschaftsräume, die nach dem Hof zu das Herrenhaus in der Tiefe um das Doppelte überragen. Ein geschwungenes Mauer- und Gitterwerk schließt den Hof. Dahinter dann der französische Garten mit dem langen, schmalen, grünen Teppich, zu beiden Seiten von Alleen begleitet*. Für die Wageneinfahrt in den Hof war zwischen Herrenhaus und dem rechten Seitenflügel im Erdgeschoß der Vorderfront eine breite Durchfahrt angebracht.

In der vornehm zurückhaltenden Schlichtheit der Fassade erlänzte der Schmuck der Mittel- achse (Abb. 250). Rokokoformen zierten die Tür- und Fenster- schlußsteine und die Pilaster der beiden Stockwerke ; ein kapriziös gezeichnetes Oberlicht den Ein- gang; ein reizvolles Gitterwerk den Balkon ; Putten auf den Pilastern des Hauptstockwerks rahmten das Wappen des Bau- herrn Josef Balthasar von Geyr und dessen Gattin Agnes Aegidia von Fays - Adnmont ein. Von entsprechendem Reichtum war die Ausstattung des Gartensaales mit seiner kostbaren Wandbeklei- dung. Sie ist später in das Kölner Kunstgewerbemuseum gelangt (Abb.249). Vier wertvolle Teppich- wirkereien mit Parklandschaften, über den Türen und dem Kamin- spiegel Schäferszenen in reicher Rokokoumrahmung. Ein Zettel auf der Rückseite der Gobelins erzählt uns von der Herkunft der Arbeiten : „Dieses Zimmer", heißt es, ,, wurde mit Tapisserien aus- gestattet und vollendet Ende März 1765. Ich hatte dieHautelisse her- stellen lassen in der königlichen

* Situationsplan bei Vogts a. a. 0., Abb. 37.

Abb. 230. Köln. Ehemaliges Haus v. Geyr, Breite Straße 92. Vgl. Abb. 249.

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Fabrik von Aubusson In Frankreich von einem Meister Fouriere. Gott bewahre sie vor allem Unheil und bösen Zufällen."

Ähnlich in der Anlage und wieder nach der Rückfront mit einem vorgezogenen Garten- saal sind die Häuser von Mülheim vom Jahre 1758 und von Monschau von 1769. Aber die schlichteren Gliederungen des Klassizismus haben die heiteren Schmuckformen des Rokoko verdrängt. Das Haus Mülheim hat übrigens nicht, wie das Haus Geyr, Wohnbau und Wirtschaftsflügel zu einer gemeinsamen Hofkomposition vereinigt, sondern hat eine eigene „basse cour", einen getrennten Wirtschaftshof*. Zu beiden Seiten des Haupteinganges halten gewundene Schlangen die Leuchterlaternen. Schlichte, unten vorgebauchte Gitter schliefen die Erdgeschoßfenster ab (Abb. 253).

Bei dem anderen von Heinrich Nlkolas Krakamp ausgeführten Hause, dem für die Herren von Monschau, ist der Name des entwerfenden Baumeisters bekannt. Es ist der Karmeliter- pater Leopold de Santo Josefo**. Wieder ist alle reichere Gliederung auf die Mittelachse konzentriert. Karyatiden tragen den Balkon. Ranken rahmen die Balkontür ein, und ein reicher Giebelaufbau mit dem Wappen des Bauherrn bekrönt den Schmuck der Mittelachse (Abb. 252).

Mit dem Auftreten des Klassizismus schwanden auch in Köln die reichen bunten Wand- teppiche. An ihre Stelle traten Papiertapeten, meist mit römischen Veduten, z. B. im Hause Peters am Marienplatz (Abb. 251). Franz Josef Manskirch (1770 bis 1821) war ein Kölner Spezialist für dergleichen Wanddekorationen, entweder auf Papier oder Leinewand. Landschaften oder Veduten mit figürlicher Staffage, die aber nicht mehr so streng architektonisch dem Wandrahmen angepaßt sind wie die Wandteppiche, sondern als kleinere Darstellungen, in schmale Leisten gefaßt, die Wand beleben. Als Wand- und Flächenschmuck im Sinne der geschlossenen Raum- und Wandgestaltung sind die Relief tapeten aus dem Schmitzschen Hause auf dem Laurentzplatz aus der Zeit der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert das Richtigere***: Auf hellgrünem Grund die klar gezeichneten Umrißbilder der antiken Götter- weh und Allegorien. Wie die Überlieferung des Hauses erzählt, soll der alte Kanonikus Wallraf diese Tapeten aus Paris mitgebracht haben.

Die schlichten mageren Formen des Klassizismus begleiteten den Ausbau der Stadt Köln in das neue Jahrhundert hinein. Aber so weit einheimische Baumeister unabhängig waren von kurkölnischen Hofarchitekten, rettete sich noch manche stadtkölnische Eigenart in die neue Zeit hinein. Viele der Häuser zählen nur drei Achsen. Die breit gelagerte klassizistische Fassade ließ sich hier nicht ohne weiteres übertragen. Volutengiebel und Kranenbalken wurden noch oft beibehalten, oder der untere Teil des Satteldachgiebels durch sog. Flabes- mauern verdeckt, über die dann die Giebelspitze hinausragt. Der Hauptschmuck der schmalen Bürgerhäuser war das Portal mit oft allerliebsten Gliederungen und Oberhchtern. Das neue

* Situationsplan bei Vogts a.a.O., Abb. 38. ** F. Kreuter: Wanderungen durch das mittelalterliche Köln. Köln um 1840. Vgl. dazu Merlo a.a.O., Sp.37l unter Benedikt Josef Matthaei.

*** Vgl. Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Hemialschutz. V. Heft I. Taf. VI.

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Abb. 251. Köln. Haus Peters, Marienplatz 24.

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Stadthaus hat eine Reihe dieser Türrahmen aUer Bürgerhäuser, die ihm geopfert werden mußten, bei sich wieder aufgenommen, so von dem Haus ,,Zum Pfauen" an der Sandbahn Nr. 12 das reizvolle Portal, das heute in der Großen Sandkaul steht (Abb. 254).

Aber auch in der grundnßlichen Anlage größerer Bürgerhäuser, die nicht den Gedanken eines Stadtpalais mit Gartensaal und Vestibül als Mittelachse entwickelten, blieb manche niederrheinisch-kölnische Baugewohnheit beibehalten, vor allem, wenn Wohnhaus und Kauf- mannsräume in einem Bau vereinigt waren. Severinstraße Nr. 2 1 4 war das Haus des Holz- händlers und Brückenzollpächters Jacob Fuchs vom Jahre 1769. Das Tagebuch des Sohnes des Erbauers beschreibt uns eingehend das stattliche Haus mit seiner noch heute vorhandenen schönen Ausstattung*: ,,. . .An der Erde ein schönes großes Vorhaus, rechts beim Herein- kommen zwei hochgestochene, schön tapezierte Zimmer mit eichenen Lamperien. Links etwas tiefer eine majestätisch italienische Treppe bis auf die Speicher, wodurch man von unten herauf das innere Dach sehen kann. Unter dieser Treppe sind Speisevorratskammern angebracht. Gartenwärts ein großer Saal neben der Treppe mit schönem französischen, mit Kupferplatten unten und seitwärts belegtem Kamin von Marmor. Die Wände sind bemalt

mit meines Vaters Holzhandels- und Floßgeschichte. Neben demselben ein Gang, der zum Garten führt, daneben ein recht nettes Domestikenzimmer mit einem Eingange in die demselben zur Seite gelegene große Küche. Neben der Küche folgte ein escalier de robe von Stein, der bis zum ersten Stock des Haupthauses und auf die Zimmer des Nebenhauses führte**." ,,Im ersten Stock fand sich ein durchaus heller, ganz breiter und mit dem schönsten holländischen Bord belegter Gang, auf welchen alle rechts und links befindhchen Zimmer ausgingen. Straßenwärts betrat man einen großen Saal in Gips mit den kunstreichsten basreliefs, mit schönem Frankfurter Spiegel, mit einer reichen Lamperie und mit den modernsten Gardinen

Abb. 252. Köln. Haus von Monschau, Severinstraße 218.

* Vogts, a.a.O. Abb. 132-155. ** Vgl. dazu Grundriß und Schnitte bei Vogts a.a.O., Abb. 152 und 154.

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versehen." „Die Borde des Bodens, alle in Holland geschnitten, hatten eine ungewöhnliche Breite und die ganze Länge des Saales. Links beim Hereinkommen fand sich ein Kabinett, worin die Gipswände grün gestrichen, und ein Altkof, mit zwei Glastüren befaßt. Rechts des Saales kam man in ein großes Zimmer, dessen Wände von Gipsmarmor und unter dessen Plafond rundum eine prächtige Girlande von Früchten, mit Blumen durchwunden, alles von Gips. Auch hier war das Gebunn, die Lamperien, Spiegel und Vorhänge wie im Saal. Gartenwärts gab es zwei nebeneinander gelegene große Schlafzimmer mit wirklich prächtigen Betten, Spiegeln und Vorhängen. Zwischen dem ersten und zweiten Stock war ober dem Domestikenzimmer eine Hangstube, die sehr angenehm war, weil man von da aus das ganze Haus und auch den Garten übersehen konnte. Neben dieser Hangstube über der Küche her wars Comptoir. . . . Die Speicher, deren drei übereinander waren. Hier ließen sich 2000 Malter Korns aufspeichern. War er leer, dann brauchten wir ihn als Tanzsaal. . . ." Aber man darf aus dieser Beschreibung des stattlichen Bürgerhauses keine allzu weiten Schlüsse auf die Bautätigkeit und die Wohnkultur der alternden Freien Reichsstadt ziehen, die sich am Ausgange des 18. Jahrhunderts keineswegs mit den aufblühenden Städten Düssel- dorf und Aachen vergleichen konnte. Ein gewisser Wohlstand herrschte zwar noch immer. Aber das geistige, soziale, politische und sittliche Leben war verrottet. Man muß in der gerade um die Wende des Jahrhunderts beliebten Rheinreiseliteratur nachblättern. Frankfurt und Mainz sind dem Reisenden heitere blühende Handelsstädte, Koblenz, Ehrenbreitstein, Engers, Neuwied und Bonn freundliche Residenzen. Köln dagegen, die , .schlimmste Pfaffenstadt" an der ganzen ,, Pfaffenstraße", ist die allgemeine Enttäuschung der Rheinreisenden. ,,Wie wenig stimmt das Innere dieser weitläufigen, aber halb entvölkerten Stadt mit dem viel ver- sprechenden Anblick von der Flußseite überein," schreibt George Forster nach seinem Besuche vom Jahre 1789. Die Reisenden klagen über schlechtes Pflaster, schmale und schmutzige Gassen, alte Häuser und über die Menge von Tagedieben und ,, Scharen von ^ 4Jt jj zerlumpten Bettlern", die Forster auf allen *^^ Straßen herumschleichen sah. Als besonderes Charakteristikum Kölns erwähnt er den Brauch der Kölner Bettler und Eckensteher, daß sie ,,ihre Plätze an den Kirchentüren erblich hinterlassen oder zum Heiratsgut ihrer Töchter schlagen". Dann weiter: ,, Diese zahlreiche Bande von Sitten- und gewissenlosen Bettlern, die auf Kosten der arbeitenden Klassen leben, geben den Ton an. Der Magistrat, der den Protestanten bereits freie Religionsübung auu 9^^ i^ i u \a-\u- r . n 19

^ = Abb. ZD:>. Köln. Haus von Mülheim, Ijereonstraue \l.

innerhalb der Stadtmauern beWilhgt hatte, Heute Erzbischöfliche Residenz.

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mußte seine Erlaubnis wieder zurücknehmen, weil der Aberglaube des Pöbels mit Aufruhr, Mord und Brand drohte. Dieser Pöbel, der beinahe die Hälfte der Einwohner, also einen Haufen von 20000 Menschen ausmacht, hat eine Energie, die nur einer besseren Lenkung bedürfte, um Köln wieder einiges Ansehen zu bringen." Aber ,,die Geistlichen aller Orden, die hier auf allen Wegen wimmeln", wissen sich der Menge zu bedienen: ,,Die Bettlerordeii sind ihre Miliz, die sie am Seil des schwärzesten Aberglaubens führen, durch kärglich ge- fpendete Lebensmittel in Sold halten und gegen den Magistrat aufwiegeln, so bald er ihren Absichten zuwider handelt." Das katholische Rom ist für Forster die Stadt heiterer Freude, Köln dagegen die Stadt ,,schwarzlallichten Fanatismus", denn ,, nirgends erscheint der Aber- glaube in einer so schauderhaften Gestalt als in Köln". Das sind in der Tat düstere Bilder, das ,, sichere Zeichen eines zerrütteten, schlecht eingerichteten, kranken Staates", der überreif zum Sterben seiner politischen Selbständigkeit geworden war.

Abb. 254. Köln. Tür vom Haus „Zum Pfauen". Ehemals Sandbahn Nr. 12. Jetzt eingebaut in das neue Stadthaus in der Großen Sandkaul

250

„Uas finstere, traurige Kölln haben wir recht gern verlassen." Forster kam nach Düsseldorh „Welch ein himmelweiter Unterschied zwischen Kölln und diesem netten, reinlichen, wohlhabenden Düsseldorf!" Was ihn hier entzückte, war nicht allein die ,, wohlgebaute Stadt, die schönen Häuser, die graden und hellen Straßen, die thätigen und w^ohlgekleideten Einwohner, der Wohlstand, der Geist der guten Wirtschaft und das Geheimnis der guten Staatsverwaltung". Was ihn in erster Linie anzog, war Jan Wellems Kunstgalerie und das rege geistig -gesellige Leben der Stadt. Man kann sie gar nicht alle aufzählen, die Fürsten, Künstler, Dichter und Gelehrten, die eigens der Galerie wegen nach Düsseldorf kamen oder hier im ,,Hof von Holland" in der Altestadt Nr. 17 oder im ,,Zwei- brücker Hof" in der Bolkerstraße Nr. 28 ihre Reise unterbrachen. Die vornehmsten Namen finden wir in den ,,zu des Publici besten und jedermanns deuthcher Nachricht" gegründeten ,,Gulich Bergischen Wöchentlichen Nachrichten" und in der ,, Stadt Düsseldorfer Post- zeitung" angegeben: den König von Schweden, den Kurfürsten von Köln, den Landgrafen von Hessen-Kassel, den Fürstbischof von Osnabilick, Heinrich von Preußen, Ferdinand von Osterreich, Paul von Rußland usw. Aber noch klangvoller sind jene Namen, die m dem gast- freien Hause in Pempelfort neben dem Jägerhof abstiegen, bei Fritz Jacobi, dem Kaufmann und Philosophen und späteren Staatsrat (Abb. 215). Diderot suchte hier, nachdem er seine Enzyklopädie vollendet hatte, im Jahre 1773 Ruhe und Erholung. Das nächste Jahr sah den damals erst fünfundzwanzigjähngen Goethe im Jacobi-Haus, dem ,, angenehmsten und heitersten Aufenthalt, wo ein geräumiges Wohngebäude, an weite, wohlunterhaltende Gärten stoßend, einen sinnigen und sittigen Kreis versammelte. Die Familienmitglieder waren zahlreich, und an Fremden fehlte es nie, die sich in diesen reichlichen und angenehmen Verhältnissen gar wohl gefielen. Die schöne Ruhe, Behaglichkeit und Beharrlichkeit, welche den Hauptcharakter dieses Familienvereins bezeichneten, belebten sich gar bald vor dem Auge des Gastes, indem er wohl merken konnte, daß ein weiter Wirkungskreis von hier ausging und anderwärts ein- griff". So Goethe m ,, Dichtung und Wahrheit". Da war Frau Betty, die Hausfrau, ,,ohne eine Spur von Sentimentalität richtig fühlend, sich munter ausdrückend, eine herrliche Nieder- länderin, die ohne Ausdruck von Sinnlichkeit durch ihr tüchtiges Wesen an die Rubensschen Frauen erinnerte". ,,L'aimable et seduisante Musarion", wie Wieland sie nannte. Dann das ,, Tantchen", Demoiselle Fahimer, die ,, durch die große Zartheit ihres Gemüts, durch die ungemeine Bildung des Geistes ein Zeugnis von dem Wert der Gesellschaft gab". Lotte und Lene, die beiden Schwestern, bewirteten die Gäste. Herder, der im Jahre 1792 Gast im Jacobi-Hause war, rühmt den ausgezeichneten Kuchen, ,,den ihm die Frau Doktorin Lena gebacken". Aus dem gastfreien Hause, wo Frau Bettys Hände über die Tasten des Spinetts hin und her streiften, klang verträumt eine Melodie hinüber zu den Männern im Garten am runden Tisch. Da saßen Fritz der Philosoph, Johann Georg der Dichter, sein Bruder, dann die zahlreichen Gäste, die 1774 in Pempelfort waren, Goethe, Jung Stilling, Vater Lavater und der brave Basedow, ,,Prophete links, Prophete rechts". Man machte Ausflüge, besuchte

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die Freunde der Nachbarschaft. Das sind Erinnerungen, die Goethe noch im hohen Alter lebendig geblieben sind. ,,Eine solche reine Geistesverwandtschaft war mir neu und erregte ein leidenschaftliches Verlangen ferne- rer Mitteilungen. Nachts, als wir uns schon getrennt und in die Schlafzimmer zurück- gezogen hatten, suchte ich ihn, Jacobi, noch- mals auf. Der Mondschein zitterte über dem breiten Rhein, und wir am Fenster stehend, schwelgten in der Fülle des Hin- und Wider- gebens, das in jener Zeit der Entfaltung so reichlich aufquillt."

Achtzehn Jahre später weilte Goethe auf der Heimreise von der ,, Kampagne in Frank- reich" wieder bei Jacobi. Haus und Garten waren inzwischen umgestaltet und ausgebaut worden ,,Ein freistehendes Haus," schreibt Goethe, ,,in der Nachbarschaft von weit- läufigen wohlgehaltenen Gärten, im Sommer ein Paradies, auch imWinter höchst erfreulich. Jeder Sonnenblick ward in reinlicher, freier Umgebung genossen, abends oder bei un- günstigem Wetter zog man sich gern in die schönen großen Zimmer zurück, die behaglich ohne Prunk ausgestattet, eine würdige Szene jeder geistreichen Unterhaltung darboten. Ein großes Speisezimmer, zahlreicher Familie und nie fehlenden Gästen geräumig, heiter und bequem, lud an eine lange Tafel, wo es nicht an wünschenswerten Speisen fehlte. Hier fand man sich zusammen, der Hauswirt immer munter und aufregend, die Schwestern wohlwollend und einsichtig, der Sohn ernst und hoffnungsvoll, die Tochter wohlgebildet, tüchtig, treuherzig und liebenswürdig. Heinse, mit zur Familie gehörig, verstand, Scherze jeder Art zu erwidern. Es gab Abende, wo man nicht aus dem Lachen kam. In dem nicht weit entfernten Düsseldorf wurden fleißige Besuche gemacht bei Freunden, die zu dem Pempelforter Zirkel gehörten. Auf der Gallene war die gewöhnliche Zusammenkunft." Und neben Diderot, Goethe, Heinse, Herder, Lavater, Forster und Basedow waren es noch viele andere der klangvollsten Namen, die Fritz Jacobi in seinem ,,gastfreiesten aller Häuser" oft wochenlang zu fesseln verstand: Wilhelm und Alexander von Humboldt, dann seine ,, geliebte Amalie", die Fürstin Gallitzin mit ihrem Münsteraner Freundeskreise, den Hemsterhuys, Buchholz, Dohm, Hamann, den ,,Magus des Nordens", Graf Friedrich Leopold

Abb. 255. Düsseldorf. Hofgärtnerbaus im alten Hofgarten. Vgl. Abb. 170.

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von Stolberg, und den Minister Ferdinand von Fürstenberg. Die Freunde von Sickingen und von Gleichen, den Grafen von Windisch-Graetz u.a. m.; und die Düsseldorfer Freunde, den Statthalter Grafen von Goltstein, den Kanzler Grafen von Nesselrode-Ehreshoven, den Staatsminister von Hompesch, die beiden Gräfinnen Luise und Sophie von Hatzfeld, Iffland, den Schauspielerfürsten, und die Professoren der Kunstakademie, der juristischen und medizi- nischen Fakultät usw. Mit Le Sage und Durand, mit Sophie von La Roche und Wieland, der auf Veranlassung des Hauses Jacobi den ,,Teutschen Merkur" herausgab, mit Vater Gleim, Klopstock, Lessing, Claudius, Julie von Reventlow, Jerusalem, Elise Reimarus, von Hippel, Freiherrn von Dahlberg, Graf Friedrich Stadion, Moeser, Fichte, Lichtenberg, Spittler, Garve, Schiller, der Jacobi bat, Mitarbeiter an seinen „Hören" zu sein, Rehberg, Feder, Schlosser, La Harpe und anderen stand Jacobi in dauerndem Briefwechsel. Besuche befestigten diese freundschaftlichen Beziehungen. So hatten Jan Wellems Gemäldegalerie und der Jacobische Freundeskreis Düsseldorf zu einem Vorort deutschen Geisteslebens gemacht. Man lese in Jacobis Briefen und in den Aufzeichnungen der Zeitgenossen, welche Fäden damals in Pempel- fort zusammenliefen und durch die „Iris", Jacobis Zeitschrift, über das Land hinaus weiter- gesponnen wurden. Goethe war Mitarbeiter der „Iris". Wilhelm Heinse hat sie jahrelang redigiert. Hier und in den in Wielands „Teutschem Merkur" veröffentlichten Briefen ist Heinse der feinsinnige und begeisterte Interpret der Kunstsammlungen Jan Wellems*.

Jacobis Freundschaft mit dem Statthalter und dem Staatsminister und die amtliche Stellung bei der jülich-bergischen Regierung gewannen nicht unwesentlichen Einfluß auf das geistige und politische Leben im Lande. Als Hofkammerrat konnte der ehemalige Kaufmann, der sich als Staatsbeamter be- sonders dem Zollwesen zu wid- men hatte, seine volkswirtschaft- lichen Kenntnisse und Erfah- rungen vortrefflich verwerten. Er nahm es ernst mit seiner Stellung, bereiste die industriellen Werke und schrieb eigens eine Abhand- lung über die gewerblichen Ver- hältnisse des Landes. Forsters begeistertes Lob von dem Geist der , .guten Wirtschaft, die Hemmnisse aus dem Wege zu

* E.V. Schaumburg: Jacobis iGarten zu Pempelfort. Aachen 1873.

Abb. 256. Schloß Benrath. Hof der Seitenflügel. Vgl. Abb. 165, 16«.

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die Freunde der Nachbarschaft. Das sind Erinnerungen, die Goethe noch im hohen Aher lebendig gebheben sind. ,,Eine solche reine Geistesverwandtschaft war mir neu und erregte ein leidenschaftliches Verlangen ferne- rer Mitteilungen. Nachts, als wir uns schon getrennt und in die Schlafzimmer zurück- gezogen hatten, suchte ich ihn, Jacobi, noch- mals auf. Der Mondschein zitterte über dem breiten Rhein, und wir am Fenster stehend, schwelgten in der Fülle des Hin- und Wider- gebens, das in jener Zeit der Entfaltung so reichlich aufquillt."

Achtzehn Jahre später weilte Goethe auf der Heimreise von der ,, Kampagne in Frank- reich" wieder bei Jacobi. Haus und Garten waren inzwischen umgestaltet und ausgebaut worden ,,Ein freistehendes Haus," schreibt Goethe, ,,in der Nachbarschaft von weit- läufigen wohlgehaltenen Gärten, im Sommer ein Paradies, auch imWinter höchst erfreulich. Jeder Sonnenblick ward in reinlicher, freier Umgebung genossen, abends oder bei un- günstigem Wetter zog man sich gern in die schönen großen Zimmer zurück, die behaglich ohne Prunk ausgestattet, eine würdige Szene jeder geistreichen Unterhaltung darboten. Ein großes Speisezimmer, zahlreicher Familie und nie fehlenden Gästen geräumig, heiter und bequem, lud an eine lange Tafel, wo es nicht an wünschenswerten Speisen fehlte. Hier fand man sich zusammen, der Hauswirt immer munter und aufregend, die Schwestern wohlwollend und einsichtig, der Sohn ernst und hoffnungsvoll, die Tochter wohlgebildet, tüchtig, treuherzig und liebenswürdig. Heinse, mit zur Familie gehörig, verstand, Scherze jeder Art zu erwidern. Es gab Abende, wo man nicht aus dem Lachen kam. In dem nicht weit entfernten Düsseldorf wurden fleißige Besuche gemacht bei Freunden, die zu dem Pempelf orter Zirkel gehörten. Auf der Gallene war die gewöhnliche Zusammenkunft." Und neben Diderot, Goethe, Heinse, Herder, Lavater, Forster und Basedow waren es noch viele andere der klangvollsten Namen, die Fritz Jacobi in seinem ,,gastfreiesten aller Häuser" oft wochenlang zu fesseln verstand: Wilhelm und Alexander von Humboldt, dann seine ,, geliebte Amalie", die Fürstin Gallitzin mit ihrem Münsteraner Freundeskreise, den Hemsterhuys, Buchholz, Dohm, Hamann, den ,,Magus des Nordens", Graf Friedrich Leopold

Abb. 255. Düsseldorf. Hofgärtnerhaus im alten Hofgarten. Vgl. Abb. 170.

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von Stolberg, und den Minister Ferdinand von Fürstenberg. Die Freunde von Sickingen und von Gleichen, den Grafen von Windisch-Graetz u.a. m.; und die Düsseldorfer Freunde, den Statthalter Grafen von Goltstein, den Kanzler Grafen von Nesselrode-Ehreshoven, den Staatsminister von Hompesch, die beiden Gräfinnen Luise und Sophie von Hatzfeld, Iffland, den Schauspielerfürsten, und die Professoren der Kunstakademie, der juristischen und medizi- nischen Fakultät usw. Mit Le Sage und Durand, mit Sophie von La Roche und Wieland, der auf Veranlassung des Hauses Jacobi den „Teutschen Merkur" herausgab, mit Vater Gleim, Klopstock, Lessing, Claudius, Julie von Reventlow, Jerusalem, Elise Reimarus, von Hippel, Freiherrn von Dahlberg, Graf Friedrich Stadion, Moeser, Fichte, Lichtenberg, Spittler, Garve, Schiller, der Jacobi bat, Mitarbeiter an seinen „Hören" zu sein, Rehberg, Feder, Schlosser, La Harpe und anderen stand Jacobi in dauerndem Briefwechsel. Besuche befestigten diese freundschaftlichen Beziehungen. So hatten Jan Wellems Gemäldegalerie und der Jacobische Freundeskreis Düsseldorf zu einem Vorort deutschen Geisteslebens gemacht. Man lese in Jacobis Briefen und in den Aufzeichnungen der Zeitgenossen, welche Fäden damals in Pempel- fort zusammenliefen und durch die „Iris", Jacobis Zeitschrift, über das Land hinaus weiter- gesponnen wurden. Goethe war Mitarbeiter der „Iris". Wilhelm Heinse hat sie jahrelang redigiert. Hier und in den in Wielands ,,Teutschem Merkur" veröffentlichten Briefen ist Heinse der feinsinnige und begeisterte Interpret der Kunstsammlungen Jan Wellems*.

Jacobis Freundschaft mit dem Statthalter und dem Staatsminister und die amtliche Stellung bei der jülich-bergischen Regierung gewannen nicht unwesentlichen Einfluß auf das geistige und politische Leben im Lande. Als Hofkammerrat konnte der ehemalige Kaufmann, der sich als Staatsbeamter be- sonders dem Zollwesen zu wid- men hatte, seine volkswirtschaft- lichen Kenntnisse und Erfah- rungen vortrefflich verwerten. Er nahm es ernst mit seiner Stellung, bereiste die industriellen Werke und schrieb eigens eine Abhand- lung über die gewerblichen Ver- hältnisse des Landes. Forsters begeistertes Lob von dem Geist der , .guten Wirtschaft, die Hemmnisse aus dem Wege zu

* E.V. Schaumburg: JacobisiGarten zu Pempelfort. Aachen 1873.

Abb. 256. Schloß Benrath. Hof der Seitenflügel. Vgl. Abb. 165. 168.

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räumen, welche der freien, unbedingten Tätigkeit eines jeden Bürgers Im Staate entgegen- stehen", gilt zu nicht geringem Teil Jacobis verwaltungstechnischen Verdiensten. Er haßte als Kaufmann den unkaufmännischen bureaukratischen Verwaltungsbetrieb der Juristen, der ,, durch die ins Unendliche vervielfältigten Gesetze und landesherrlichen Verordnungen die freie Betriebsamkeit des Bürgers hemmen". Selbst wenn es ihn die Stellung kosten sollte, hielt er mit seiner Meinung nicht zurück. Als im Jahre 1777 Jülich-Berg mit Kur-Bayern vereinigt wurde, als Karl Theodor seine Residenz von Mannheim nach München verlegte und der Staatsminister von Hompesch nach dort berufen wurde, folgte bald darauf auch als Geheimer Rat und Ministerial-Referent für das gesamte Zollwesen Fritz Jacobi. Aus dem blühenden Jülich -bergischen Handels- und Industrieland kam er mitten in eine Feudal- bureaukratie und nahm bald mit ihr den Kampf auf. Als man schließlich von München aus in Jülich und Berg das bayerische Mauth- System einführen wollte, in welchem Jacobi mit Recht eine Hemmung des freien Verkehrs sah, wandte er sich, als alle Vorstellung nichts half, an die Bevölkerung: In den ,, Bayerischen Beiträgen zur Literatur" veröffentlichte er einen geharnischten Aufsatz ,, Gegen die beliebte Thorheit der Leitung des Handels durch Auflagen und Verbote". An dem alternden Karl Theodor hatte er aber keine Stütze mehr im Kampfe gegen die Bureaukratie, die sich stärker erwies als er. Nach wenigen Monaten ward er wieder nach Düsseldorf ungnädig entlassen.

Neben den Bemühungen, Handel und Wandel in Jülich und Berg zu heben, galt es auch, Mißbräuche auf dem Gebiete der Rechtspflege zu beseitigen. Im Jahre 1769 erhielt Düssel- dorf eine juristische Fakultät. Professor Camphausen las Institutionen, Professor Dewies kanonisches und Lehns-Recht, Professor Henoumont Pandekten. Die neue Fakultät stand mit der zu Heidelberg im gleichen Rang: acht Semester Heidelberg und acht Semester Düsseldorf verlangte man von nun ab für jeden Staatsbeamten. Für eine bessere Vorbildung der Mediziner wurde eine anatomische Lehranstah mit einem Theater eingerichtet; und für die allgemeine geistige Weiterbildung im Jahre 1770 die Landesbibliothek gegründet, die heutige Düsseldorfer Stadtbibliothek. Sie ward von Anfang an reichlich mit Geldmitteln bedacht. Um aber den Ausbau zu beschleunigen, hatte jeder Staatsbeamte bei seinem Dienstantritt eine Abgabe zu leisten oder ein noch nicht vorhandenes Werk zu stiften.

Und wie die Landesbibliothek heute noch ein Ruhmestitel der Stadt Düsseldorf ist, so auch eine andere Stiftung derselben Jahre: die Kunstakademie. Der Statthalter freilich wollte anfangs von einer Staatsakademie nicht viel wissen, und es bedurfte der zähen Energie des Galeriedirektors und Malers Lambert Krähe, seine Akademiepläne für die bisher von ihm privatim geleitete Zeichenschule durchzusetzen. Der zielbewußte Krähe verstand es meister- haft, den Widerstand des Statthalters zu überwinden. Georg Christoph Wächter und Anton Schäffer konnten zur Erinnerung an die Akademiegründung schon im Jahre 1769 Medaillen schlagen. Hofrat Jäger, der erste Sekretär und interessierte Mitarbeiter Krahes, arbeitete im Jahre 1774 die Statuten aus. Professoren wurden berufen und deren Uniformen

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bestimmt. Auswärtige Künstler mit guten Namen wurden zu außerordentlichen Mitgliedern ernannt. Krahes große Kupferstich- und Handzeichnungssammlung wurde vom Staate als Unterrichtsmaterial für die neue Kunstakademie erworben. Im folgenden Jahre 1775 hatte Krähe als „wirklicher Direktor der Kurfürstlichen Maler-, Bildhauer- und Baukunst-Akademie" seine ehrgeizigen Pläne verwirklicht*.

Ein feierlicher, goldener Glanz lag über der niederrheinischen Residenz mit ihrem blühenden Handel und regen geistigen und künstlerischen Leben ausgebreitet, als das letzte Jahrzehnt des Jahrhunderts aufzog. Wie fernes, unheilverkündendes Wetterleuchten zuckte es am westlichen Himmel. Eine nervöse Unruhe durchlief die sonst friedliche Residenz. In den Bürgerkneipen wie in dem Pempelforter Kreis verfolgte man gespannt die Vorgänge in Frankreich. Und es war nicht allein die Bourgeoisie, die mit den freiheitlichen Ideen des Westens sympathisierte. Die Egalität mit ihren Genossinnen Fraternität und Libertät hatten teilweise die Köpfe der guten Düsseldorfer derart verwirrt, daß ein Graf Nesselrode-Ehres- hoven, der Arzt Dr. Varnhagen, der Schwiegervater der Rahel, und ein Freiherr von Leerodt nach Paris eilten, um Nationalgardist zu werden. ,,Was mir auffiel," schreibt Goethe nach seinem Düsseldorfer Besuch von 1792, „war, daß ein gewisser Freiheitssinn, ein Streben nach Demokratie sich in die hohen Stände verbreitet hatte. Man schien nicht zu fühlen, was alles erst zu verlieren sei, um zu irgend einer Art zweideutigen Gewinnes zu gelangen. Lafayettes und Mirabeaus Büste, von Houdon sehr natürlich und ähnlich gebildet, sah ich hier göttlich verehrt. Einige waren selbst nach Paris gewesen, hatten die bedeutenden Männer reden hören, handeln sehen und waren, leider nach deutscher Art und Weise, zur Nachahmung aufgeregt worden, und das gerade zu einer Zeit, wo die Sorge um das linke Rheinufer sich in Furcht verwandelte." Das ,,<;a ira" sandte seine Boten voraus. Emigranten füllten die jülich-bergische Residenz. Im , .Bayerischen Hof" auf dem Marktplatz waren abgestiegen Prinz Xaver von Sachsen, Graf und Gräfin von Artois, die Prinzessin von Nassau, der Erzbischof von Reims, der Fürstbischof von Lüttich und viele andere. ..Selbst die Brüder des Königs von Frankreich kamen an. Man eilte sie zu sehen. Ich traf sie auf der Gallerie," berichtet Goethe weiter. Düsseldorf zählte im Dezember 1 792 nicht weniger denn fünfhundert geflüchtete französische Familien. Das Wohnungselend nahm tagtäglich zu. Stallungen für die Pferde waren für keinen Preis mehr zu haben. Mancher mußte unter freiem Himmel in seinem Wagen, mancher sogar schutzlos auf der Gasse übernachten. Schließlich war der Magistrat, um dem Wohnungs- und Lebensmittelelend zu steuern, gezwungen, bei strenger Strafe zu verbieten, daß die Bürger noch irgendeinen Emigranten aufnehmen würden.

Es kam das verhängnisvolle Jahr von 1794. Die Österreicher hatten die Maaslinie gegen die Revolutionsheere nicht behaupten können. Jülich wurde infolgedessen aufgegeben. Man

* J. J. Scotli: Die Düsseldorfer Malerschule oder auch Kunstakademie. Düsseldorf 1837. ~ Ludwig Bund: Die Sernie- Sekularfeier der Kgl. Kunst -Akademie zu Düsseldorf. Düsseldorf I87Ü. Richard Klapheck: Geschichte der Kunst-Akademie zu Düsseldorf. Erster Teil. Vorgeschichte der Neugründung. Düsseldorf 1919.

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räumen, welche der freien, unbedingten Tätigkeit eines jeden Bürgers im Staate entgegen- stehen", gilt zu nicht geringem Teil Jacobis verwaltungstechnischen Verdiensten. Er haßte als Kaufmann den unkaufmännischen bureaukratischen Verwaltungsbetrieb der Juristen, der , .durch die ins Unendliche vervielfältigten Gesetze und landesherrlichen Verordnungen die freie Betriebsamkeit des Bürgers hemmen". Selbst wenn es ihn die Stellung kosten sollte, hielt er mit seiner Meinung nicht zurück. Als im Jahre 1777 Jülich-Berg mit Kur-Bayern vereinigt wurde, als Karl Theodor seine Residenz von Mannheim nach München verlegte und der Staatsminister von Hompesch nach dort berufen wurde, folgte bald darauf auch als Geheimer Rat und Ministenal-Referent für das gesamte Zollwesen Fritz Jacobi. Aus dem blühenden Jülich -bergischen Handels- und Industrieland kam er mitten in eine Feudal- bureaukratie und nahm bald mit ihr den Kampf auf. Als man schließlich von München aus in Jülich und Berg das bayerische Mauth- System einführen wollte, in welchem Jacobi mit Recht eine Hemmung des freien Verkehrs sah, wandte er sich, als alle Vorstellung nichts half, an die Bevölkerung: In den ,, Bayerischen Beiträgen zur Literatur" veröffentlichte er einen geharnischten Aufsatz ,, Gegen die beliebte Thorheit der Leitung des Handels durch Auflagen und Verbote". An dem alternden Karl Theodor hatte er aber keine Stütze mehr im Kampfe gegen die Bureaukratie, die sich stärker erwies als er. Nach wenigen Monaten ward er wieder nach Düsseldorf ungnädig entlassen.

Neben den Bemühungen, Handel und Wandel in Jülich und Berg zu heben, galt es auch, Mißbräuche auf dem Gebiete der Rechtspflege zu beseitigen. Im Jahre 1769 erhielt Düssel- tiorf eine juristische Fakultät. Professor Camphausen las Institutionen, Professor Dewies kanonisches und Lehns-Recht, Professor Henoumont Pandekten. Die neue Fakultät stand mit der zu Heidelberg im gleichen Rang: acht Semester Heidelberg und acht Semester Düsseldorf verlangte man von nun ab für jeden Staatsbeamten. Für eine bessere Vorbildung der Mediziner wurde eine anatomische Lehranstalt mit einem Theater eingerichtet; und für die allgemeine geistige Weiterbildung im Jahre 1770 die Landesbibliothek gegründet, die heutige Düsseldorfer Stadtbibliothek. Sie ward von Anfang an reichlich mit Geldmitteln bedacht. Um aber den Ausbau zu beschleunigen, hatte jeder Staatsbeamte bei seinem Dienstantritt eine Abgabe zu leisten oder ein noch nicht vorhandenes Werk zu stiften.

Und wie die Landesbibliothek heute noch ein Ruhmestitel der Stadt Düsseldorf ist, so auch eine andere Stiftung derselben Jahre: die Kunstakademie. Der Statthalter freilich wollte anfangs von einer Staatsakademie nicht viel wissen, und es bedurfte der zähen Energie des Galeriedirektors und Malers Lambert Krähe, seine Akademiepläne für die bisher von ihm privatim geleitete Zeichenschule durchzusetzen. Der zielbewußte Krähe verstand es meister- haft, den Widerstand des Statthalters zu überwinden. Georg Christoph Wächter und Anton Schäffer konnten zur Erinnerung an die Akademiegründung schon im Jahre 1 769 Medaillen schlagen. Hof rat Jäger, der erste Sekretär und interessierte Mitarbeiter Krahes, arbeitete im Jahre 1774 die Statuten aus. Professoren wurden berufen und deren Uniformen

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bestimmt. Auswärtige Künstler mit guten Namen wurden zu außerordentlichen Mitgliedern ernannt. Krahes große Kupferstich- und Handzeichnungssammlung wurde vom Staate als Unterrichtsmaterial für die neue Kunstakademie erworben. Im folgenden Jahre 1775 hatte Krähe als „wirklicher Direktor der Kurfürstlichen Maler-, Bildhauer- und Baukunst-Akademie" seine ehrgeizigen Pläne verwirklicht*.

Ein feierlicher, goldener Glanz lag über der niederrheinischen Residenz mit ihrem blühenden Handel und regen geistigen und künstlerischen Leben ausgebreitet, als das letzte Jahrzehnt des Jahrhunderts aufzog. Wie fernes, unheilverkündendes Wetterleuchten zuckte es am westlichen Himmel. Eine nervöse Unruhe durchlief die sonst friedliche Residenz. In den Bürgerkneipen wie in dem Pempelforter Kreis verfolgte man gespannt die Vorgänge in Frankreich. Und es war nicht allein die Bourgeoisie, die mit den freiheitlichen Ideen des Westens sympathisierte. Die Egalität mit ihren Genossinnen Fraternität und Libertät hatten teilweise die Köpfe der guten Düsseldorfer derart verwirrt, daß ein Graf Nesselrode-Ehres- hoven, der Arzt Dr. Varnhagen, der Schwiegervater der Rahel, und ein Freiherr von Leerodt nach Paris eilten, um Nationalgardist zu werden. ,,Was mir auffiel," schreibt Goethe nach seinem Düsseldorfer Besuch von 1792, ,,war, daß ein gewisser Freiheitssinn, ein Streben nach Demokratie sich in die hohen Stände verbreitet hatte. Man schien nicht zu fühlen, was alles erst zu verlieren sei, um zu irgend einer Art zweideutigen Gewinnes zu gelangen. Lafayettes und Mirabeaus Büste, von Houdon sehr natürlich und ähnlich gebildet, sah ich hier göttlich verehrt. Einige waren selbst nach Paris gewesen, hatten die bedeutenden Männer reden hören, handeln sehen und waren, leider nach deutscher Art und Weise, zur Nachahmung aufgeregt worden, und das gerade zu einer Zeit, wo die Sorge um das linke Rheinufer sich in Furcht verwandelte." Das ,,9a ira" sandte seine Boten voraus. Emigranten füllten die jülich-bergische Residenz. Im ,, Bayerischen Hof" auf dem Marktplatz waren abgestiegen Prinz Xaver von Sachsen, Graf und Gräfin von Artois, die Prinzessin von Nassau, der Erzbischof von Reims, der Fürstbischof von Lüttich und viele andere. „Selbst die Brüder des Königs von Frankreich kamen an. Man eilte sie zu sehen. Ich traf sie auf der Gallerie," berichtet Goethe weiter. Düsseldorf zählte im Dezember 1792 nicht weniger denn fünfhundert geflüchtete französische Familien. Das Wohnungselend nahm tagtäglich zu. Stallungen für die Pferde waren für keinen Preis mehr zu haben. Mancher mußte unter freiem Himmel in seinem Wagen, mancher sogar schutzlos auf der Gasse übernachten. Schließlich war der Magistrat, um dem Wohnungs- und Lebensmittelelend zu steuern, gezwungen, bei strenger Strafe zu verbieten, daß die Bürger noch irgendeinen Emigranten aufnehmen würden.

Es kam das verhängnisvolle Jahr von 1794. Die Österreicher hatten die Maaslinie gegen die Revolutionsheere nicht behaupten können. Jülich wurde infolgedessen aufgegeben. Man

* J. J. Seoul: Die Düsseldorfer Malerschule oder auch Kunstakademie. Düsseldorf 1837. Ludwig Bund: Die Semie- Sekularfeier der Kgl. Kunst-Akademie zu Düsstldorf. Düsseldorf 1870. Richard Klapheck: Geschichte der Kunst-Akademie zu Düsseldorf. Erster Teil. Vorgeschichte der Neugründung. Düsseldorf 1919.

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zog sich über den Rhein zurück. Die Gefahr rückte immer näher an Düsseldorf heran. Fritz Jacobi, der schon 1793 in Aachen das Treiben der Sanskulotten kennen gelernt hatte, gab im September 1794 seinen Pempelforter Sitz auf und ging zu auswärtigen Freunden. Die bergische Regierung zog sich nach Barmen zurück. Die Gemäldesammlung wurde mit den Kassen und dem Landesarchiv nach Osnabrück geschafft. Das Bergische Land, abgeschnitten von der jülichschen Kornkammer, litt entsetzlich unter dem unaufhörlichen Zustrom der öster- reichischen Truppen. Man stand direkt vor einer Hungersnot. Den Bauern hatte man die Pferde abgenommen. Die Saaten wurden nicht mehr bestellt. Die Waldungen waren abgeholzt. Jan Wellems herrliches Jagdschloß Bensberg war kaiserliches Lazarett geworden. Die Gemälde und Wertsachen hatte man zwar noch frühzeitig entfernen können. Gott sei Dank, denn die Österreicher hausten in den Prunkräumen geradezu wie in Feindesland und benutzten einen Brand zum Plündern*.

Währenddessen mckten die Revolutionsheere unaufhaltsam an den Niederrhein. Am 6. Oktober 1794 zog eine Kölner Abordnung dem Revolutionsgeneral Championet entgegen und übergab ihm die Schlüssel der Freien Reichsstadt, die bisher noch nie in ihrer mhmvollen langen Geschichte einem Feinde kapituliert hatte. Die Österreicher hatten vorsichtigerweise einen Tag zuvor die Stadt geräumt und sich auf das andere Ufer zurückgezogen. Derselbe

* Otto R. Redlich: Düsseldorf und das Herzogtum Berg nach dem Rückzug der Österreicher aus Belgien 1794 und 1795. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. Band X. S. 1 bis 125.

Abb. 257. Düsseldorf. Das alte Schloß nach dem letzten Brande vom Jahre 1873.

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Tag brachte über Düsseldorf aber ein noch größeres Unglück. Hier hatte der österreichische Kommandant von Kerpen, gegen den Willen des pfälzischen Kommandanten de la Motte, am Abend einige Schüsse nach Oberkassel hinübergesandt, wo die Franzosen den Freiheits- baum aufgerichtet hatten. Man blieb indes die Antwort nicht schuldig. Es folgte eine Schreckensnacht. Ein Feuerregen prasselte über die Stadt nieder. Der Stadtkommandant de la Motte verlor den Kopf. Das Schloß stand schon nach einigen Schüssen in Flammen. „Man soll es brennen lassen," gab er auf die Meldung zurück. Der nördliche und östliche Flügel fielen zusammen. Vom westlichen und südlichen blieben nur die kahlen Mauern und Gewölbe, während die kostbare Einrichtung mit den Gemälden ausbrannte. Das Schloß war derart mitgenommen, daß Hofbaumeister Huschberger, der einen Bericht über den Zustand nach dem Brande einzureichen hatte, meinte, man solle am besten die Ruine einfach ganz beseitigen und für den Kurfürsten einen Neubau aufführen lassen. Ebenso waren der Marstall, das Zölestinerinnenkloster und noch viele andere Häuser ein Raub der Flammen geworden. An Löschen dachte kein Mensch, und am wenigsten die österreichische und pfälzische Besatzung, die im Gegenteil die Verwirrung der Nacht zum Plündern benutzte. Morgens um sieben Uhr hatten die pfälzischen Truppen die Stadt verlassen, Kassen, Magazine und Requisiten zurück- lassend, die den in Düsseldorf verbliebenen Österreichern in die Hände fielen. Die Preisgabe der niederrheinischen Residenz durch die pfälzischen Truppen reiht sich würdig an die ebenso- wenig ruhmvolle vom Jahre 1758 (vgl. S. 75). Und wie damals die verbündeten Franzosen den Pfälzern nicht gestatteten, Düsseldorf wieder zu besetzen, nachdem die Gefahr vorüber war, so dieses Mal die verbündeten Österreicher. Erst im folgenden Jahr, als die Österreicher zum größten Teil abgezogen waren, durften die Pfälzer am 14. April wieder in Düsseldorf einmarschieren. Aber schon am 6. September mußte der Kommandant die Stadt mit der gesamten Artillerie, den Magazinen und der Munition den Franzosen übergeben. Der Bauer kam aus dem Regen in die Traufe. Die Franzosen hausten noch schlimmer als die Kaiserlichen.

Das Schicksal der linksseitigen Rheinlande war im Jahre 1795 besiegelt: Preußen hatte im Friedensschluß zu Basel mit Frankreich in einer geheimen Abmachung in die Abtretung der Länder links vom Rhein eingewilligt und daß bis zur endgültigen Regelung mit Kaiser und Reich die Gebiete von den Franzosen besetzt bleiben sollten. Dieselbe geheime Ab- machung traf Österreich zwei Jahre später Im Friedensschluß mit Frankreich zu Campo Formio 1797. Das heraufziehende neue Jahrhundert bestätigte die undeutschen preußischen und österreichischen Abmachungen zur Wahrung eigener Hausinteressen : Kaiser und Reich willigten im Frieden zu Luneville im Februar 1801 in die Abtretung der linksrheinischen deutschen Länder an Frankreich ein. Cleve, Jülich und Kurköln hatten als selbständige Staaten aufgehört.

Karl Theodor hat diese letzten öffentlichen Übereinkommen im Frieden von Luneville nicht mehr erlebt. Bevor das alte Jahrhundert zur Neige gegangen, hatte er die Augen geschlossen. Seine letzten Lebensjahre waren nicht mehr schön. Der Abschied von dem idyllischen

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Schwetzingen und dem schöngeistigen Mannheim war ihm schwer geworden, und in München konnte er nicht heimisch werden. Fremd und wankelmütig in allen Dingen der Politik, hat er es im Alter auch nicht mehr verstanden, sich die Herzen der Münchener zu gewinnen. Aus dem jugendlichen begeisterten Mäzen war in der neuen Umgebung ein müder, unent- schlossener Greis geworden, zugänglich allen Intrigen. Er war ebenso schwach Osterreich und Frankreich gegenüber, wie den politischen Mißständen in seinen eigenen Ländern. Das fünfzigjährige Nebeneinander mit einer Frau, die er nicht hebte und die ihm auch keine Erben geschenkt hat, hatte ihn immer mehr in die Arme seiner zahlreichen Mätressen geführt und ihn im Alter einsam gemacht. Der kränkelnde Kurfürst saß mit einigen Freunden und Freundinnen an einem Abend des Jahres 1799 zusammen beim Kartenspiel, als ihn der Schlag rührte. Das Gerücht vom Heimgange des Landesherrn lief bald durch die bayerische Residenz. Dicht gedrängt staute sich die Menge vor dem Schloß. Als man ihr vom Balkon herunter die Trauerkunde mitteilte, brach sie in Jubelgeheul aus, das sich durch die Stille der Nacht und die Stadt fortpflanzte.

Die niederrheinischen Herzogtümer, deren industrieller Entwicklung Karl Theodor einst so viel Verständnis entgegengebracht, nahmen die Trauerbotschaft indes mit dankbareren Erinnerungen auf. Aber die politischen Verhältnisse, die Sorge um die Zukunft, waren nicht dazu angetan, den Heimgang des abwesenden Landesherrn zu einem Ereignis werden zu lassen.

ENDE DES ZWEITEN BANDES.

Abb. 238. Nicolas de Pigage. Entwurf zu einer Gloriette am Ende des langen Wasserspiegels im Park zu Benrath.

Vgl. Abb. 165.

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Gedruckt von A. Bagel in Düsseldorf. Verlegt vom Kunst-Verein für die Rheinlande und Westfalen.

NA Klapheck, Richard

1079 Die Baukunst am Nieder-

Bd.2

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