J. ULRICH DUERST DtE BEURTEILUNG DES PFERDES FERDINAND ENKE VERLAG STUTTGART TUFTS UNIVERSITY LIBRARIES 135 VItebster Family Library of Veterinary Meddm Cummir^gs Schoc' "-rinary Mediane M Tut!'.- u.:..'.-'rstty 200 Westboro Road North Grafton, MA 01636 DIE BEURTEILUNG DES PFERDES VON Dr. J.ULRICH DUERST ORD. PROF. AN DER UNIVERSITÄT BERN, FRÜHER GUTSBESITZER UND PRAKTISCHER ZÜCHTER MIT 148 IN DEN TEXT GEDRUCKTEN ABBILDUNGEN UND EINER FARBIGEN TAFEL STUTTGART VERLAG VON FERDINAND ENKE 19 2 2 ^ Alle Rechte, insbesondere das der Uebersetzun: in fremde Sprachen, vorbehalten Druck der Hoffniannschen Buchdruckerei Felix Krais Stuttgart Dem Begründer der mechanischen Gesetze des Pferde- körpers, meinem ehemaligen Lehrer und Kollegen Prof. Dr. ERWIN ZSCHOKKE und den großen Erforschern der paläontologischen und prähistorischen Entwicklungsreihe der Pferdeahnen Prof. HENRY FAIRFIELD OSBORN und Prof. J. COSSAR EWART in Freundschaft, Dankbar- keit und Verehrung zugeeignet Vo r w o r t. Das nunmehrige Erscheinen dieses Buches ist im Grunde eine Eolge des großen Krieges. Es war ursprünglich meine Absicht, mit diesem Werke erst dann vor die Öffentlichkeit zu treten, wenn ich 10000 Pferde mit je 40 Maßen gemessen und das Material rechnerisch verarbeitet hätte. Ich kann dies nun nicht mehr erreichen, sondern muß bei wenig über 2000 Pferden stehen bleiben, denn die Folgen des Krieges haben meine privaten Verhältnisse so verändert, daß mir das Erreichen des Zieles in absehbarer Zeit unmöglich sein wird. Außerdem habe ich in den letzten Jahren zahlreiche neue Gesichtspunkte der Pferdebeurteilung aufgefunden und in meinen Vorlesungen schon seit Jahren doziert, so daß, wenn meine Priorität gewahrt bleiben soll, es nötig erscheint, meine Forschungen über den Pferdekörper im Zusammenhange darzulegen. So ist dieses Werk fertig geworden als die Frucht 20jähriger Literatur- studien und 14jährigen Messens und Forschens. Ich habe mich der größten Genauigkeit in demselben befleißigt, um recht brauchbare Angaben, Zahlen und Werte zu bieten. Wenn die Zahlen nicht so zuverlässige Mittelwerte sind, wie ich es gerne möchte, so rührt dies eben davon her, daß die Zahl der so verschiedenartigen Pferde, die gemessen und geprüft wurden, noch lange nicht genügt, um die einzelnen Gruppen völlig einwandsfrei und scharf in Mittelzahlen zu charakterisieren. Ich bedaure diesen Mangel sehr, hoffe aber, daß man meinen guten Willen und Eifer anerkennen möge und so meine Resultate doch anregen werden zur Erkenntnis der Ursachen der Formgestaltung des Pferdekörpers und zur Ergänzung meiner Versuche an größeren, einheitlicheren Gruppen von Pferden. Der dem Buche zugrunde liegende Gedanke ist der in meinen früheren zoologischen und paläontologischen Forschungen stets vertretene entwick- lungsmechanische der Wirkung von Außenwelt und Eigenbewegung auf die Gestaltung der einzelnen Organe und auf die gesamte Form des Pferdes. \'| Vorwort. Im konkreten Falle ließ sicli durcli die moderne exakte Methodik der Biometrie recht brauchbares Beweismaterial beibringen, denn mitten aus einer rein zoologischen Arbeit heraus wurde icli durch die Verarbeitung meiner Maßzahlen auf die Wirkungen der verschiedenen Bewegungsart auf die Beinknochenlängen der Tiere geführt und fand dann bei der Kontrolle an den Pferdemaßen ähnliche Verhältnisse wieder. In gleicher Weise gelangte ich schon früher zur Erkenntnis der Haarwirbelschrift auf der Pferdehaut und der BlutbeschafFenheit als Ursache der Zellstruktur und der Körperform und Konstitution der Pferde, sowie neuerdings des Zusammenhanges der Blutalkalität mit der Haarfärbung. Je nach diesen neuen Beobachtungen nahmen die einzelnen Faktoren in meinen Augen einen andern Wert an, als er ihnen bisher in der Pferde- beurteilung zugesprochen wurde. Als Lehrer an einer Hochschule eines dreisprachigen Landes war es nun im fernem meine Pflicht, die Nomenklaturen in den drei Landes- sprachen genau zu vergleichen und zu vereinheitlichen ; besonders da hier bisher immer ein großer Mangel bestand und Einheitlichkeit fehlte. Ich habe dieser Aufgabe ebenfalls viel Liebe entgegengebracht, da ich ja, wie meine früheren Schriften beweisen, stets der historischen Sprach- forschung großes Interesse abzugewinnen vermochte. Es dürften nur wenige Werke über Pferdebeurteilung sein , die ich nicht durchstöbert habe, wenn ich auch die meisten nicht direkt verwerten konnte. Dennoch war es mir trotz jahrelangen Studiums in den großen Bibliotheken des Kontinents und Englands und fleißiger Auszüge nicht möglich, bei der Ausarbeitung des Buches immer gerade die Stellen wiederzufinden, die sich plötzlich als wichtig erwiesen und eine erneute Konsultation seltener Werke verlangten. Ich hätte sie nicht mehr zu benutzen vermocht, wenn nicht mein lieber Vetter Alfred Kubli mir in liebenswürdigster Weise seine Person und Zeit zur Verfügung gestellt und hauptsächlich in den Pariser Bibliotheken den seltenen Werken nachgespürt und die betreffenden Stellen nochmals aufgeschlagen und abgeschrieben hätte. Ihm sei hier mein herzlichster Dank dargebracht. So glaube ich literaturhistorisch in keiner Sprache einen gröbern Irrtum begangen und meine kritisch revi- dierte Nomenklatur historisch begründet und zuverlässig gemacht zu haben. Daß natürlich dabei eine Auswahl zwischen den älteren und neueren Namen für das gleiche getroffen werden mußte, ist klar. Es wurde stets Vorwort. YH entweder der älteste oder, wenn dieser irrtümlich oder unklar, der nächst- älteste klare Name gewählt. Die durchgesehenen Werke zu zitieren war unmöglich, ohne noch mehrere Druckbogen mit Titeln zu füllen. Zitiert sind daher hier nur die Arbeiten, die am meisten benützt worden sind und nicht allein für Nomenklaturfragen. So habe ich die italienischen Namen sowohl nach den alten, wie neueren Autoren zusammengestellt, von denen besonders Volpi, Trattato della esterna conformazione del Cavallo, Milano 1823, mir am wertvollsten war, während gerade Eisen - berg, La Perfezione e i difetti del Cavallo, Firenze 1753, trotz seiner vielversprechenden Einleitung bedenklich viele Verwechslungen von Namen und andere Irrtümer aufweist. Als neuere Autoren benutzte ich noch Gazzola, Ippologia ossia Trattato universale de' Cavalli, Firenze 1837, und Marchi, Ezoognosia, Milano 1902. Unrichtig übersetzte und ein- gebürgerte Namen habe ich neu gestaltet und hierbei hat mich mein früherer Schüler Dr. TranquiUo Snozzi in Bellinzona eifrigst mit Rat unterstützt, auch ihm meinen Dank. Von der allermodernsten Literatur konnte ich nicht mehr benutzen das neue Buch meines werten Kollegen Zwaenepoel, sowie die kleine Anleitung zum Messen von Pferden der Herren Butz, Henseler und Schüttler, die erst nach Beginn des Druckes dieses Buches im Herbste 1921 erschien. Den größten Dank für die Entstehung dieses Werkes schulde ich meinen ehemaligen Schülern, die mir ihr stetes Interesse und ihre be- geisterte Mitarbeit entgegenbrachten, und dadurch mich für alle Mühe reich belohnten und anspornten. Dank schulde ich sodann all den vielen Staatsverwaltungen und privaten Züchtern aller Länder, die mir im Laufe der Jahre ihre Stallungen und Gestüte zur Forschung öffneten und so zu den vorliegenden Resultaten mit beigetragen haben. An der SchaflPung dieses Buches hingegen ist in erster Linie Fräulein Johanna Keppel beteiligt, die nicht nur die Illustration dieses Buches meinen und den Wünschen des Herrn Verlegers entsprechend in ein- fachster Technik ausführte, sondern auch während eines halben Jahres die Ausrechnung der biometrischen Mittelzahlen aus meinem Messungs- materiale besorgte, sowie dann das Sachregister anlegte. Ihr sei hiermit herzlich Dank gesagt. YIU Vorwort. Hilfe bei dem Ermitteln und Zusammenstellen der Angaben dieses Bucbes leistete mir ferner mein lieber K(dlege und Freund Prof. Dr. Fritz Schwendimann in Bern, sodann mein ehemaliger, lieber Assistent Dr. Henry Wiedmer, jetzt in Trayguen (Chile), ferner Herr Veterinär- hauptmann Dr. MartinRitzenthaler am schweizerischen Akklimations- Eemontendepot Sand bei Schönbühl, Herr Oberst v. Ziegler, Kom- mandant der Eidgen. Pferde-Regieanstalt Thun, und Herr Dr. U. Gisler, Direktor des Eidgen. Hengstendepots Avenches. Auch diesen Herren meinen warmen Dank. Besonderen Dank verdienen auch meine verehrten Verleger, die Firma Ferdinand Enke in Stuttgart, die nichts gespart haben, um mein Buch in einem Rahmen vorzulegen , der dieser Firma nicht nur entspricht, sondern ihr alle Ehre macht. Bern, Ostern 1922. Ulrich Duerst. Inhaltsverzeichnis. Seite Vorwort VII Literaturhistorische Einleitung 1 I. Die Grundbedingungen der Formgestaltung des Pf erde- körpers 7 A. Die Natur und ihre Einwirkung 7 1. Die Umwelt und ihrEinfluß auf Individuum, Familie u n d R a s s e ■. 7 a) Der Eintluß der Natur auf Stoffwechsel und Form 7 b) Die mechanischen Naturgesetze und ihre Wirkung auf die Ge- staltung des Pferdekörjsers 25 a) Das Verhältnis der Muskeln, Sehnen und Bänder zu den Knochen 26 ß) Der Bauplan des Rumpfes und der Grliedmaßen des Pferdes 34 1. Kopf- und Halshebel 35 2. Die Rumpfwirbelbrücke 38 3. Die Organe der Ortsbewegung des Pferdes 43 7) Die funktionelle Anpassung des Pferdes unter dem Wechsel der Lebensbedingungen seit vorweltlichen Epochen .... 56 B. Das Pferd und die Wirkung seiner Eigenbewegung ..... 62 l.Die Bewegungsarten des Pferdes 63 2. DieErscheinungen funktionellerAnpassung an diese Bewegungen 70 a) Die Anpassung der Hinterbeinknochen 70 b) Die Anpassung der Vorderbeinknochen 80 c) Die Anpassung des Beckens 84 d) Die Anpassung der Schulter 88 C. Der Mensch und seine Einwirkung auf die Form des Pferdes 90 1. DerWechselderModeinPferde formen 90 2. Die Schönheit des Pferdes 98 IL Die allgemeinen Resultate der Formgestaltung des Pferdekörpers 101 A. Die Proportionen der Größen- und Winkelverhältnisse .... 101 l.Die Messung des lebenden Pferdes (Hipposomato- metrie oder Hippom et rie und deren Technik). . . . 106 a) Instrumente 107 b) Vornahme der Messungen 109 c) Meßpunkte 109 d) Maßabnahme 111 Inhaltsverzeichnis. Seite 2. D i e V e r w e r t u n g (1 e r M e s s u n g s r e s u 1 1 a 1 0 117 a) Indizes 118 b) Das Punktieren 125 3. A 1 1 g e ni e i n e Gesichtspunkte d e r B e u r t e i 1 u n g d e r P r o - Portionen 134 a) Die Höhe 134 b) Die Breite 137 c) Die Länge 138 d) Das Format 139 e) Entstehung dieser Verhältnisse während der Jugendentwicklung der Pferde 143 f) Das Volumen 145 g) Die AVinkelstellung der Grliederknochen 147 a) Die Winkel der Vorderextremitäten 153 ß) Die Winkel der Hinterextremitäten . . . ' 160 B. Das Haarkleid des Pferdes 168 1. DasDeckhaar 169 2. DieSchutzhaare 173 3. Die Haarwirbel und die Beurteilung der Bewegungen desPferdesnach denselben 177 C. Die Farben der Pferde 192 1. Die Entstehung und Grundlage der Pferd efärl)ung . 193 a) Das Pigment 194 b) Faktoren der Lichtbrechung und Beleuchtung 197 c) Beschafienheit von Mark und Rinde des Haarschaftes .... 198 d) Die Lufteinlagerung in die Hohlräume der Haare 199 2. DieFarbabstufungender Pferde 199 a) Färbungen, die auf verschiedenen Mengenverhältnissen der Pig- mentverteilung beruhen 199 b) Färbungen, die auf Bildungshemmung eines der Bestandteile des Pigmentes infolge funktioneller Störungen im Blutkreislaufe oder der Blutdrüsen beruhen 203 3. Spektr o gr aphis ch e und photometrische Untersuchung der Pferdefarben 212 4. Die Klassifikation und Namen gebung bei Pferde- farben für Zwecke des Si gn al e m e n te s (Nal^ionale) . 217 D. Die Konstitution des Pferdes 248 I. Der Habitus 252 IL Die Komplexion 261 HL Das Temperament und der Charakter des Pferdes 263 E. Zur Beurteilung des Seelenlebens und der Intelligenz des Pferdes 268 F. Die Genügsamkeit 272 G. Das Alter des Pferdes und dessen Bestimmung 274 DasAlternachdenZähuen . . 276 Die Grundlagen des Zahnalters 278 Periode derBildung desGebisses 280 Inhaltsverzeichnis. Xi Seite Periode d t' r Z a li n a b s c h 1 e i f u n g bis zum Schwindender Kundens])urund der Veränderung- der Form derReibe- f 1 ä c li e n 285 Abweichungen der Zähne von der Norm 292 H. Der Geschlechtstrimorphismus der Pferde 293 1. Der Hengst 294 2. Die Stute 295 3. Der Wallach 296 III. Die Gestaltung der Körperteile im Einzelnen .... 298 A. Allgemeine Einteilung der Körperregionen 298 B. Der Kopf- und Halshebel 299 1. D e r K 0 p f 299 0) Nach dem Protil 301 ß) Nach (xröße, Volumen und Beschaffenheit 304 2. T e i 1 e d e s K 0 p f e s 305 a) Stirne 305 b) Nase und Nasenspitze 305 c) Nüstern 306 d) Maul 306 e) Kehlgang 306 f) Backen , 307 8) Auge 307 h) Augengruben 308 i) Schläfe ... V 309 k) Ohr 309 1) Ganasehen 310 m) Schopf und Scheitel 310 n) Genick 311 o) Ohrenspeicheldrüsengegend 311 p) Kehle 311 3. Der Hals 311 C. Der Rumpf 316 1. Der AViderrist 316 2. DerRücken 320 3. DieLenden 325 4. Die Kruppe • . . . 327 5. D e r S c h w e i f 335 6. D i e V o r b r u s t 337 7. D e r B r u s t k o r b 339 8. Die Flanke 342 9. D e r B a u c h 343 10. Die Schulter 345 D. Die Vorderextremitäten 347 1. Der Oberarm 347 2. Der Vor arm 349 3. DieKastanie 351 'XJl Inhaltsverzeichnis. Seite 4. D a s V 0 r (1 e r k n i e , V o r (1 e r f u li w u r z e 1 352 5. Die Röhre 357 6. D i e K ö t e 363 7. D e r S p 0 r n 366 8.Der Fessel 366 9.Die Krone 368 10. Der Huf 369 E. Die Hinterextremitäten 375 1. D e r 0 1) e r s e h e n k e 1 . . . 375 2. Das Knie 378 3. Der Unterschenkel 378 4. DasSprunggelenk 381 5. D i e H i n t e r r ö h re 384 6. Die Hinterköte 384 IV. Das Resultat der Formgestaltung in bezug auf Stellung undGang 385 I. Die Stellungen der Vorderglieder 388 n. Die Stellung der Hinterglieder 394 V. Verzeichnis der zitierten und wichtigsten benutzten Literatur 402 VI. Sachregister 417 Literaturhistorische Einleitung. Die Beurteilung-slelire des Pferdes ist schon in den klassischen Zeiten der Griechen und Römer Gegenstand literarischer Betätigung gewesen. Das älteste, vollständig existierende Werk dürfte Xenophons 'IjvjtikY] (hippike), das Buch vom Pferde, sein, das ungefähr um 380 v. Chr. ver- faßt sein muß. Unvollständig erhalten ist zwar ein noch älteres, um 430 V. Chr. erschienenes Buch des Kimon von Athen, handelnd von der Musterung des Pferdes : 'IjvjtooytojiiKÖv (hipposkopikon). Aus römischer Zeit kennen wir eine ganze Reihe von Buchkapiteln und Einzelbemerkungen vieler Autoren über die Beurteilung der äußeren Gestalt des Pferdes, ohne daß ein eigenes Kompendium über dieses Wissensgebiet vorgelegen zu haben scheint. Am eingehendsten beschäftigten sich Varro, Lib. II, Cap. VII, Columella, Lib. VI, Cap. XXVII, Palladius, Lib. IV, Tit. XIII, und Vegetius, Lib. IV, Cap. VI, mit diesen Fragen. Auf manche Be- merkungen dieser und anderer klassischer Autoren, die heute noch einen gewissen Wert haben, werde ich in den betreffenden Kapiteln eintreten. Von den klassischen Zeiten an bis ins Mittelalter galt Reitkunst und Pferdekenntnis als etwas sehr Vornehmes, haben doch damalige Pursten und Prinzen es nicht unter ihrer Würde erachtet, ihre Kennt- nisse hierin der Nachwelt zu überliefern. Während Kaiser H a d r i a n in seinem Buche Epitedroma (120 n. Chr.) nur strategisch-kavalleristische Betrachtungen anstellt, hat dann Du arte, König von Portugal und Algarve, in seinem Manuskript „Leal Conseilhero ... da arte de domar os cavallos", 1445, gedruckt in Paris 1843 , ein für jene Epoche ganz vorzügliches Buch der Reit- kunst gegeben, in dem aber die eigentliche Pferdekenntnis nicht ein- gehend behandelt wird. Eines der bekanntesten, in lateinischer Sprache verfaßten Werke der Beurteilungslehre des Pferdes ist das Lib er MarescalciaeEquorum von Laurentius Rusius, das schon 1462 geschrieben, jedoch erst in der italienischen Epoche der Hippologie 1500 — 1600 mehrfach gedruckt und übersetzt wurde. Das erste mir bekannt gewordene, ziemlich selb- ständige Werk ist das des spanisch-apulischen Reitlehrers Agostino Columbre, „I tre libri della nature de cavallo", das 1518 in Venedig Du erst, Die Bourtoilung des Pferdes. 1 Literaturhistorische Einleitung. erschien und dem König Ferdinand von Aragonien-Neapel gewidmet war. Umfassender und auch praktiscli wertvolk^r sind dann die Zusammen- stellungen der späteren spanisch-italienischen »Stallmeister des 16. Jahr- hunderts, von denen Federico Grrisoni mit seinen „Ordini di Caval- care et modi di conoscere le nature de cavalli" usw., Venedig 1552, an Ruhm alle anderen überragt, obwohl ra. E. ihm Pasqual Caracciolo im „Gloria del Cavallo", Venedig 1567, und namentlich in gewissen Kapiteln der Pferdekenntnis auch Claudio Corte im „II Cavalerizzo", Lyon 1573, fast noch vorzuziehen, jedenfalls weit ausführlicher ist. Auch der Spanier Fernando Calvo (1602) und der venezianische Senator Marino Garzoni (1692) haben recht gute Beurteilungslehren geliefert, die mir für die hier vorliegende kritisch-historische Behandlungsart der ganzen Beurteilungslehre sehr wertvoll waren. Jedoch von der höchsten Bedeutung, die ein Buch überhaupt er- langen kann, dürfte das Werk sein, das unter dem Namen dies früheren Erziehers des Königs Karl IL, William Cavemdish, Marquis und später Herzog und Prinz von Newcastle, erstmals während der Ver- bannung dieses Lords aus England durch Cromwell^ betitelt aJs „Methode et invention nouvelle de dresser les chevaux", 1657 in Amtwerpen er- schien. 1658 folgte die englische Ausgabe nach. Kach allem, was sieh durch vergleichende historische Forschung feststellen ließ, seheint dieses Buch seinen Ursprung einer sehr weitgehenden; „Collaboiration" ven Mazin, dem französischen Stallmeister des Lordis von Kewcastle, mit ^seinem Herrn zu verdanken. Wir vermögen aber im der englischen Voll- blutzucht wie in den ganzen Reitersitten Englands und dies Kontineiiites den Einfluß dieses Buches noch länger als ein ganzes Jahrhundert nach- zuweisen ! Da sich in den meisten Ländern auch andere Fürstlichkeiten, wie z.B. in Italien Giordano, Herzog von Braceiano^ 1639, schriftstelle- risch betätigten, so kann es uns nicht wundernehmen, wenn die Zahl der adeligen und bürgerlichen Autoren in die Hunderte wuchs. Ich zähle an Büchern, in denen kürzer oder ausführlicher die Beurteilung des Pferdes behandelt wird, die seit 1898 im Laufe der Jahre zu meiner Kenntnis gelangten, in portugiesischer, spanischer, italienischer, fran- zösischer, englischer und deutscher Sprache zur Zeit 678, dabei werden noch eine Reihe im Dänischen, Schwedischen, Russischen und Magyari- schen existieren, die ich leider wegen mangelnder Beherrschung dieser Sprachen nicht lesen konnte. Diese im Mittelalter und namentlich der neueren Zeit so überaus rührige publizistische Arbeit ist dadurch erklärlich, daß in diesen Zeiten das Pferd das einzige schnelle Lokomotionsmittel auf dem Festlande war und daher jeder Laie zum Zweck des Verkehrs immer etwas von Literatarhistorische Einleitung-. 3 Pferdealiswahl, Pfercleg-ebraiich und -pflege kennen mußte. Aus diesem Grunde werden derartige Schriften einen allgemeineren Absatz gefunden haben, als dies heute der Fall ist. — Wir wollen ferner festhalten, daß die gesamte Beurteilungslehre der alten Zeiten bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts auf teils abergläubisch gedeuteten, teils völlig mißverstandenen Erfahrungsregeln fußte und eine verhältnismäßig wissenschaftliche Betrachtungsweise erst dann beginnen konnte, als die Erkenntnis der anatomisch-physiologischen Funktionen des Pferdekörpers, wie sie zum erstenmal durch den Senator Carlo Ellini in seiner „Anatomia del cavallo" usw., Bologna 1598, gelehrt wurde, einige Verbreitung erfuhr. Doch erst Claude Bourgelat schien als Gründer der tierärztlichen Hochschulen berufen, diese Erfahrungs- regeln in eine „Wissenschaft" umzugestalten, hatte er doch schon vor seiner Ernennung zum Direktor der Lyoner Tierarzneischule im Jahre 1744 in Lausanne-Genf ein Lehrbuch der Beurteilungslehre, „Le noiiveau New- castle", anonym erscheinen lassen, für das er später in Lyon in der 2. Auflage 1774 die Autorschaft anerkannte, nachdem 1750 — 53 in Lyon seine berühmten „Elemens d'hippiatrique" und 17(38/69 sein „Exterieur du Cheval" erschienen waren. Daß Bourgelat, im Bestreben wissen- schaftlich zu werden, über das Ziel hinausschoß und doktrinär wurde, ist bekannt und durch seinen Gegner Richard du Cantal (1847, IV) scharf bekämpft worden, doch dürfte es wenig von seinem Ruhm rauben, der eigentliche Gründer einer wissenschaftlicheren Pferdebeiirteilungslehre geworden zu sein, indem wohl in den meisten Fällen Vertreter neuer Richtungen der Wissenschaft etwas zu weit in deren Auswertung zu gehen pflegen, ohne daß man ihnen deshalb gerechterweise einen Vor- wurf machen darf. In neuester Zeit hat unter dem Einfluß der Fortschritte der all- gemeinen biologischen Wissenschaften die Beurteilungslehre des Pferdes ungemein gewonnen, wenn auch durch den Rückgang der einst so all- gemeinen Benutzung des Pferdes die Verbreitung dieser Kenntnisse als Gegenstand der notwendigen Allgemeinbildung des jungen Mannes höherer Stände sehr abgenommen hat. Um auch hier einen Markstein der neuen Entwicklungsrichtung dieser Wissenschaft festzulegen, möchte ich ErwinZschokkes „Weitere Untersuchungen über das Verhältnis der Knochenbildung zur Statik und Mechanik des Vertebratenskeletes", Preisschrift, Zürich 1892, nennen, die als Ausgangspunkt einer endlich völlig wissenschaftlichen Behand- lung der physikalisch-anatomischen Zusammenhänge der Bewegungs- möglichkeiten des Pferdekörpers aufgefaßt werden müssen, wenn man im einzelnen auch nicht allen Ausführungen Zschokkes zuzustimmen braucht. — Literaturhistoriäche Einleitung. Historisch imil.) iianieutlit'h nocli i'estj^estellt werden, was bisher viel '/A\ wenig betont wurde, daß die Beurteilungslehre des Pferdes ein Ge- biet menschlicher Kenntnisse ist, in dem die führende Stellung im Laufe der Zeiten sprungweise von einem Volke auf das andere überging. Nach den klassischen Völkern waren es zuerst die Portugiesen (1318, Giraldes) und dann die Spanier, die während des 14. und 15. Jahrhunderts allein tonangebend waren. Diese Verbreitung von Pferde- zucht und großer Pferdekenntnis läßt sich, nach meinen Quellen zu ur- teilen, im wesentlichen auf die früheren Herren des südlichen Spaniens, die Mauren, zurückführen, da sie auffallend mit arabisch-maurischer Literatur und Nomenklatur verquickt sind. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts werden die spanischen Autoren durch die Schriftsteller in italienischer Sprache überflügelt, die sich jedoch zuerst fast nur in Neapel oder dem von ihm beeinflußten Ge- biet Süditaliens bemerkbar machen und somit direkt aus der Schule Spaniens hervorgehen, das ja in diesen Zeiten bis 1713 die Herrschaft über Neapel und Sizilien ausübte. Sicher ist, daß die Spanier hier einen Eifer für Pferdezucht entfalteten, der seinesgleichen sucht, worüber uns die 1569 in Venedig erschienene „Liste der Pferdemärkte mit den Namen aller Fürsten und privaten Herren, die ,razze' von Pferden züchten", d. h. Gestüte besaßen, Auskunft gibt. Auch die Pferdewissenschaft wurde damals in Neapel besonders sorgfältig betrieben, erwähnt doch New- castle, daß man sich an der dortigen Akademie erst nach einer Lehr- zeit von 2 — 3 Jahren darüber aussprach, ob der Schüler überhaupt be- fähigt sei, die Pferdewissenschaft jemals zu begreifen. In der Tat wurde dadurch das Ansehen der italienisch-spanischen Stallmeister so groß, daß am englischen Hofe, w4e auch an den meisten kontinentalen Höfen der Pursten und Großen nur italienische Stallmeister oder deren Adepten angestellt wurden. In England weilten damals die berühmten Italiener Claudio Corte, Verfasser des „II Cavalerizzo"^ (Lyon 1573), der Stallmeister von Lord Leicester war, Angelo bei Lord Pembroke, Mazin, der einstige italienische Adept von französischer Nationalität bei Lord Newcastle sowie andere weniger hervorragende Reitlehrer. Auf diese Zeit lassen sich daher die zahlreichen, spanischen und italienischen Ausdrücke zurückführen , die wir in der französischen, deutschen und englischen Pferdeliebhabersprache und damit in der Pferde- beurteilungslehre finden, indem die Übersetzer meist die Namen in italienischer und spanischer Sprache neben ihre versuchte Übersetzung stellten. Ich habe in einer früheren Publikation schon aufmerksam ge- macht, daß auch das Wort „Passe" hierdurch zum ersten Male in die Züchtersprache aller Länder eingebürgert wurde (1904, 642). Literaturhistorisclie Einleitunsc. Die französische Form mancher derartiger Ausdrücke scheint darauf hinzudeuten, daß das betreffende Wort über Frankreich eingeführt ward, welches Land jedoch erst im 17. Jahrhundert bedeutende Pferdekenner und Publizisten produzierte, wie Jacques de Solleysel mit seinem „Veritable parfait marechal", Paris 1648 u. 1664, und später Jean und Gaspard de Saunier, „Parfaite connoissance des chevaux, leur ana- tomie, leur bonnes et mauvaises qualitez" usw., La Haye 1734, und endlich Fr. A. de Garsault mit seinem trefflichen „Nouveau parfait marechal, ou la Connoissance generale et universelle du Cheval", La Haye 1741. Auch deutsche Liebhaber, wie Marx Fugger, pilgerten im 16. Jahr- hundert zu den Stätten der spanisch-italienischen Pferdewissenschaft, um dann nach ihrer Rückkehr das Geschaute selbständig durchdacht deutsch von sich zu geben (Frankfurt 1578). Später aber schrieben sie wieder in der lateinischen Sprache der Gelehrten wie Creuts berger, „De arte equestri germanice", Wien 1591, oder wie Simon Winter von Adlersflügel in lateinischer, italienischer, französischer und deutscher Sprache gleichzeitig („De re equaria Tractatio nova", Nürnberg 1672, „BeUerophon", Nürnberg 1678, „Hippiater expertus", Nürnberg 1678). Eine erfreuliche Originalität zeigen nur die Bücher von Caspar Keusche 1, „Hippopronia, Gründtlicher vnnd eigentlicher Bericht" usw., Straßburg 1599, und G. E. Loehneysen, „Della CavaUeria, Gründtlicher Bericht von allem was zu der Peuterei gehörig", Pemtling 1609. Aber am selbständigsten erscheint mir auf Grund des spanisch- italienischen Quellenstudiums Pinter von der Au mit seinem „Voll- kommenen ergänzten Pferdeschatz" (Frankfurt 1664), der durchaus eigene Methoden und Auffassungen gegenüber dem Überlieferten zur Geltung zu bringen sucht. Leider wurden von den Autoren die bestehenden spanisch-italienischen oder französischen Ausdrücke öfters recht falsch ins Deutsche übertragen, wodurch sich dann Bezeichnungen bildeten, die, völlig unrichtig übersetzt, dennoch ohne Überlegung bis heute so über- liefert wurden. Nicht ganz mit Unrecht nennt daher Newcastle einige seiner Vorgänger unter diesen Autoren „Papageien". Auch die englische Literatur weist, so merkwürdig dies bei dem heutigen Vorherrschen der englischen Sprache unter den Pferdekundigen scheint, eine beklagenswerte Unselbständigkeit auf. Der erste englische Autor Thomas Blundevile (London 1565/66) lieferte ein reines Kompilat, ebenso auch John Astley (1584); schon weit besser ist alles, was Gervase Markham publizierte („Discovrse of Horseman- shippe", London 1593, „How to trayne and teach Horse to amble", 1605, „Cavelarie, or the English Horseman", 1607 usw.), das viele eigene Beob- achtungen und Erfahrungen in sich schließt. Später aber vermochte Literaturhistorische Einleitung. nichts mehr gegen das vorerwähnte Buch des Herzogs von Newcastle aufziikonimeu, vor dem überall ein so bedeutender Respekt geschaffen worden war, daß sogar Bourgelat sein erstes anonymes Werk noch 1744 als „Nouveau Newcastle" betitelte. Trotz einer Reihe tüchtiger älterer und neuerer englischer Autoren, wie Lawrence (1809), Youatt (1831), Stonehenge (John Henry Walsh, 1856), Fearnley (1879), Hayes (1904), ist es heute tatsächlich so weit gekommen, daß das offi- zielle, in kgl. englischen Veterinärschulen als Vorlesungsgrundlage ge- führte Lehrbuch der Pferdebeurteilung die englische Übersetzung von Goubaux und Barrier, „Exterieur du Cheval" ist ^). ') Royal (Dick) Veterinary College Edinburgh, Calendar 1911—12, S. 74, Calendar 1912/13, S. 36. I. Die Grundbedingungen der Formgestaltung des Pferdekörpers. A. Die Natur und ihre Einwirkung. 1. Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. Gleich jedem andern die Erde bewohnenden Geschöpfe unterliegt auch das Pferd der Einwirkung der Naturgesetze infolge des Zwanges zur Anpassung an die örtlichen Lebensbedingungen. Diese vermögen auf den Organismus einzuwirken : einerseits durch Vermittlung des Stoffwechsels und der Gewebsernährung und anderseits auch durch direkte mechanische Einwirkung. a) Der Einfluß der Natur auf Stoffwechsel und Form. Der Stoffwechsel im Pferde kann bei gleichbleibender Arbeitsleistung beeinflußt werden durch die atmosphärischen Kräfte und durch die Er- nährung. Beide Faktoren kommen zuerst in der Blutbeschaff enheit des Pferdes zur Erscheinung. Die atmosphärischen Einflüsse sind auf unserem Planeten ver- schieden, je nach der Lage des in Frage stehenden Ortes in bezug auf geographische Breite, wie auch auf Höhe über dem Meer. Da aber die Äußerungen der Atmosphäreneuergie sich fast ausschließlich auf Unter- schiede des Wärmezustandes verschiedener Atmosphärenteile zurückführen lassen, so kann man im Grunde alle Einflüsse von der Litensität der Sonnenstrahlung ableiten als dem wesentlichsten Faktor. Die Intensität der Sonnenstrahlung erreicht bei senkrechter Strahlenrichtung und klarer Luft ca. 2 Kalorien pro Quadratzentimeter Erdoberfläche in der Minute, die also genügen würden, 2 ccm Wasser von 0 ° auf 1 " C zu erwärmen. Xun hängt aber diese Wärmemenge ab von dem Bestrahlungswinke] und damit von der Größe der zu durchstrahlenden Luftschicht und deren Reinheit. Die Höhen- lage wirkt durch Verdünnung der Lufthülle, bei größeren Höhen die Sonnenstrahlung verstärkend, in der Xacht aber auch die Ausstrahlung der erhaltenen Wärme ver- mehrend. Das Gesamtresultat wird infolgedessen eine Abnahme der in der Luft aufge- speicherten Wärme sein, bei größeren Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht. Die Luftwärme steht ferner in genauem Verhältnis zu ihrer Volum ausdehnung, worauf das Aufsteigen der warmen Luft im Räume beruht, und zugleich unterliegt sie dem Daltonschen Gesetz der Gasverteilung im Raum, wonach das spezifische Gewicht 8 Die Natur und ihre Einwirkung. der Gase deren Verteilung im Raum bedingt, also in größeren Höhen die leichten Gase das Übergewicht über die spezifisch schwereren erhalten. Nun ist von den haupt- sächlichsten Luftgemengegasen der quantitativ überwiegende Stickstoff leichter als Sauer- stoff und so in der verdünnten H ö li e n - wie in der erwärmten Tropen- luft der Sauerstoffgehalt relativ geringer. Wie Paul Bert, Egger, Miescher und Abderhalden (1902) bewiesen, verursacht die Einschränkung der Sauerstoff'versorguug der blutbildenden Organe in größeren Meereshöhen oder verdünnter Luft eine starke Vermehrung i-oter Blutkörper- chen sowohl bei Säugetieren als auch beim Menschen. Egg er und Miescher fanden in Basel (266 m Höhe) nach 2 wöchentlichem Aufenthalt bei Kaninchen 6 Millionen Erythrozyten und in Serneus (985 m Höhe) nach der gleichen Zeit 7,5 Millionen. Schaumann und Rosenquist zeigten dasselbe für verdünnte, Sellier für sauerstoffarme Luft. Wir wissen auch durch Po st nikow (1906) und B o nnar d (1919), daß das Blut von dämpfigen Pferden erhöhten Hämoglobingehalt aufweist, was ebenfalls als An- passungsversuch an die ungenügende Sauerstoffaufnahme durch die Lungen — während dieser Krankheit — aufzufassen ist. Um festzustellen, ob es sich in diesen Fällen um eine wirkliche absolute Vermehrung der Erythrozyten handelt oder um eine relative, durch Verminderung des Blutplasmas, machten zahlreiche Autoren Versuche, aus denen einwandfrei hervorging, daß eine tatsächlich vermehrte Bildung von Blut- körperchen vorliegt. Abderhalden fand bei Kaninchen „ „ „ Ratten . Z u n t z „ .. Hunden J a q u e t „ „ Kaninchen Jaquet u.Sut er fanden „ „ (Zit. nach Beyer und Gott lieb 1918.) Daher ist die absolute Yermelirung der Blutkörperchen und des Hämoglobins unter dem Einfluß verminderter Sauerstoffspannung der Luft, d. h. eines wenn auch sehr geringen Sauerstoffmangels, eine un- gemein empfindliche kompensatorisch regulierende Reaktion des hämo- globinbildenden Apparates namentlich auch des Knochenmarkes. Die Korrelation der Hämoglobinbildung und der Knochenbeschaffenheit, der Nachweis zahlreicher Normobl asten im Blut und die Bildung roten Blut- markes in Knochen von „Höhentieren" stehen somit fest. Diese Fähigkeit, vermehrte Mengen von Erythrozyten zu bilden, wird bei Höhen- tieren im Tal zu einer, bis zu einem gewissen Grade erblich übertragbaren Eigenschaft, so daß sich bei den in andere Höhenlagen verpflanzten Tieren und deren Nachkommen nicht das Blut vorerst bei den Jungen wesentlich verändert, wie ich bei Hochalpen- füchsen erstmals beobachtete, die ich neben Tieflandfüchsen zu serologischen Versuchs- zwecken gemeinsam jahrelang hielt und züchtete. Dies regte mich an, die Beobachtungen ähnlich zu deuten, die Montandon (1907) machte, indem er fand, daß Vollblutpferde 42 bis 43,9*^/0 Erythrozyten besitzen, während die Mittelzahl bei 252 Stuten von Halbblutrassen zwischen 28 und 35,9 7o variierte. Höhe m über Meer Hämoglobin pro kg Lbdgw. Höhe m über Meer Hämoglobin pro kg Lbdgw. Diffe- renz 280 7,99 1800 9,32 + 16,6 280 8,92 1800 10,62 + 19,0 400 10,78 2150 13,00 + 20,0 280 5,50 1600 6,73 + 20,0 280 5,38 1800 6,59 + 23,0 Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 9 Bonnard (1919) hat dann unter der Leitung von Prof. N 05^ er an 860 Pferden aller Rassen die Dichtigkeit resp. das spezifische Gewicht des Blutes bestimmt; er kam zu den gleichen Resultaten wie Yakimoff und Kohl (1910) vor ihm. Nach den vereinigten Resultaten dieser drei Autoren Läßt sich die folgende Tabelle konstruieren : Mittleres spezifisches Gewicht des Blutes von Hengsten Stuten Arabisch Vollblut 1057 Englisch Vollblut 1045,4 Irländer und Hackney . . . 1053,5 1047 — 1051 Anglonormänner 1053 1052 Norddeutsche 1053 1047—1053 Freiberger 1051 1051 Ardenner 1049 1048 Shire 1046 1045 Die spezifische Gewichtsbestimmung wurde mit einem ad hoc von Bonnard konstruiertem Pyknometer vorgenommen, der jedoch, wie die spätere Arbeit von Augs- burger (1920) zeigt, in anderen Händen als die des darauf eingearbeiteten Erfinders ziemlich unwahrscheinliche Resultate ergab. Diese Methode ließ sich unter Beteiligung von Helfern in entfernten Ländern nicht gut durchführen, erschien nach obigem auch zu ungenau und, Avie schon Naegeli (1919) richtig erwähnt, nur in der Kombina- tion mit Hämoglobin- und Erythrozytenbestimmung , Ermittlung des Trockenrückstandes und des Aschengehaltes brauchbar. Ich habe daher nach Versuchen über die Verwendbarkeit aller klinisch bekannten Blutuntersuchungsmethoden die nachfolgende Methode der Bestimmung des Trockenrückstandes und des Wassergehaltes des Blutes ausgearbeitet und erprobt und halte deren Resultate für die ge- eignetsten, nicht bloß klinisch interessante Daten zu liefern, sondern einen allgemeineren rassenbiologischen Wert zu besitzen. Mindestens 6Y2 — '? Stunden nach einer Fütterung, also am besten vor der Morgenfütterung, werden ohne künstliche Stauung mit einer Kanüle aus der Jugularis 30 ccm Blut entnommen und genau in einem gerade so großem Glas (kleine Kristallisierschale mit Ausguß) abgemessen und dann erst oder auch direkt in eine Aluminiumtube, die bei 30 ccm eine Marke innen trägt, eingefüllt. Die Tube wird hierauf, wenn dies in den betreffenden Verhältnissen überhaupt tunlich ist, 2 Stunden im Wasserbade bis ca. 70 " C er- wärmt und während des Erwärmens durch Aufrollen des unteren Blech- randes geschlossen. Selbstverständlich muß jeder Blutverlust aufs ängst- lichste vermieden werden. Unbedingt notwendig ist diese Sterilisation aber nicht, namentlich erwies sie sich überflüssig in den heißen Gegenden IQ Die Natur und ihre Einwirkung. Afrikas, Avoher ich nach mehrwüchentlicher Reise Blut in völlig unzer- setztem, normalen Zustand erhielt, da dort die Sonne in Kürze die Ein- dickung und Sterilisation des Blutes übernimmt. Praktisch ist es, die Offnungen der Tube mit l'arafiin oder dergleichen zu überziehen, um jedes Entweichen von Blut beim Transport zu vermeiden. Außerdem erhält sie die Etikette mit den Angaben über Signalement (Nationale) des betreffenden Pferdes. Wenn das Sammeln der Blutproben beendet ist, werden diese dem Untersuchenden zugesandt, hier von der Paraffin- hülle befreit und im Trockenschrank solange getrocknet, bis sich beim mindestens dreimaligen Wägen keine Veränderung des Gewichtes mehr wahrnehmen läßt. Zu dem Wiegen wird das einmal getrocknete Blut möglichst verlustlos aus den Tuben in Wägegläschen gebracht, was durch Zerreißen und spiraliges Aufrollen der Aluminiumtube äußerst zuverlässig gelingt. So kann auf der Analysenwage der ganz genaue Trockensubstanz- gehalt der betreffenden Blutprobe ermittelt und prozentual umgerechnet werden. AVas die Temperatur der Trocknung angetit, haben die humanmedizinischen Hämatologen ihre Versuche auf die Arbeiten von Becquerel und Kodier auf- gebaut, wonach das Blut durch Trocknen bei 100** C sehr hygroskopisch werde und daher heiß gewogen werden müsse. Die Zahlen dieser französischen Autoren sind aber falsche, doch scheint niemand bisher diesen Fehler erkannt zu haben. Ein jeder Cxewichtstein wiegt heiß immer weniger als luftwarm, was praktisch und theoretisch beweisbar ist. Aber auf der Unkenntnis dieser einfachsten physikalischen Tatsache beruhen die sog. Fehlerwerte der Trockensubstanzbestimmung, über die Chiarolanza und Plehn stritten und denen S t int zing durch Trocknung 67 *' bei abhelfen wollte. Auch das Trocknen des Blutes über Schwefelsäure und C'hlorkalzium (Clr a witz 1911 und Naegeli 1919) ist daher unnötig. Diese Gesichtspunkte sind nur für die beschränkten ^Mengen 1 — 2 g Blut von Bedeutung, die die Humanmedizin benutzt. Durch Allem and ließ ich zeigen, daß bei einem Quantum von 30 g Blut alle 3 Resultate dieser Methoden ziemlich übereinstimmen, wenn nur das Blut in der geschlossenen Aluminiumtube bei 90*^ C getrocknet wird. Es ist dann in 4 — 5 Tagen trocken, während es nach Stintzing 3 Wochen Trocknung brauchte. Bei den Hunderten von Proben dürfte hier auch der Gaspreis eine Rolle spielen. Die Variationen waren nur in den Milligrammen erkennbar. Das trockene Blut wurde dann eben erkaltet gewogen, nochmals 1 Tag getrocknet, wieder gewogen, bis keine Variation mehr eintrat. Hierauf wird je 1 g der frischen Bluttrockensubstanz in einem gewogenen Porzellan- oder Mckeltiegel über mittlerer Flamme erhitzt, bis vollkommene Verkohlung eingetreten ist und keine Dämpfe mehr entweichen, dann läßt man abkühlen und extrahiert mit heißem Wasser die darin lös- lichen Bestandteile, gießt den Extrakt durch ein aschefreies Filter, trocknet im Trockenschrank dieses mit der ausgezogenen Kohle und Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 1 1 bringt im gleichen Tiegel beides auf die Gebläseflamme und erhitzt mit Vorsicht, damit kein Stäubchen wegfliege, so lange bis die Asche ganz weiß ist. Zu dieser Asche fügt man dann den filtrierten Wasserextrakt, dampft ein und erhitzt den Trockenrückstand über einer mittleren Flamme und wiegt nach dem Abkühlen den Tiegel. Diesen Gehalt pro Gramm Trockenblut an Asche muß man dann mit der tatsächlich festgestellten Menge Trockensubstanz pro 100 ccm Blut multiplizieren, um das prozentualische Verhältnis zu finden. Als Überschuß über diesen Aschegehalt ergibt sich dann der Gehalt an organischen Blutkomponenten, der recht typisch für die betreffende Pferdeform zu sein scheint. Sollen Blutkörperchenzählungen und Messungen oder andere Prü- fungen des Bluts damit verbunden werden, so sind bei der Blutentnahme die nötigen Präparate herzustellen. Auch die eventuellen weiteren Beob- achtungen über Atemfrequenzen und Puls müssen zuverlässig an Ort und Stelle erhoben werden. Über den Einfluß des Klimas auf die Trockensubstanz des Bluts konnte ich durch die liebenswürdige Unterstützung von Dr. ü. G isler, Direktor des Hengstendepots Avenches, einige sehr beachtenswerte Daten sammeln, der mittlere Trockensubstanzgehalt der Anglonormännerhengste des Depots beträgt im Sommer (Juli, August) 23,50 7o? t^ie Freiberger- hengste und Anglonormännerbastarde weisen 21,57 7o ^^^ Mittel auf, ein reiner, in hochgelegener Berggegend stationierter Freiberger maximal 22,31«/,. Es war mir Gelegenheit geboten, am 3. Tage nach dem Eintreffen der soeben neu importierten Anglonormännerhengste Blutproben zu nehmen; wobei sich bei denen mit Karrosseriet3^pus als Mittelwert 19,15 7o Trockensubstanzgehalt ergab, der also demjenigen der heimat- lichen Normandie entspricht. Nach 3 Monaten war aber der Trockensubstanzgehalt fast auf den Konzentrationsgrad der anderen alten Anglonormänner gestiegen (20,78 °/o), wie er dem Klima und der Höhenlage (440 m) von Avenches sowie der Jahreszeit (Spätherbst) entspricht. Dies bestätigt also wieder, daß die Trockensubstanz im Blut mit der Höhe und Wärme einer Gegend steigt. Die Folgen dieses Trockensubstanzgehaltes sind aber in den für ein Land typischen Pferdeformen zu erkennen, wie sie bei lange angepaßten in Reinzucht gezüchteten Tieren auftreten. Züchtet man nun in einer Gegend Pferde, die aus ganz andere Trocken substanzgrade verlangenden Gebieten stammen, so wird man stets Formenvariationen im Typus der Pferde in der Richtung erhalten, die dem Klima resp. 12 Die Natur und ihre Einwirkung. d c in T r o e k e n s u 1) s t a n z g^ r a d des betreffenden Landes e n t- spreclien. Das ist ein hier zum erstenmal festgestelltes Naturgesetz. Man muß daher in der Zucht, falls man keine Enttäuschungen erleben Avill, möglichst nur Pferde in Gegenden einbürgern, die den passenden Trockensubstanzgrad des Blutes haben. Hiebei ist zu beachten, daß, wenn man den importierten Typ schwerer machen will, Pferde mit höheren Trockensubstanzgraden einführen muß, falls man die Tiere leichter und schlanker machen will, Tiere mit geringerem Trockensubstanzgehalt zur Zucht im betreffenden Lande wählen soll. So läßt sich in der Tat die Verschiedenheit des Blutes der Pferde unter dem Einfluß des Klimas zeigen. Dabei ergibt sich zunächst, daß eine Vermehrung der Atemfrequenz bei Pferden der heißen Zonen durchaus nicht notwendig ist. Bekanntermaßen war und ist noch heute seit der Joussetschen (1840) ersten Beschreibung über den Einfluß des Tropenklimas auf den Menschen die Auffassung bestritten, daß die Atem- und Pulsfrequenz in den Tropen vermehrt werde. Während die französischen Autoren eine erhöhte Pespirationsfrequenz bis zu 23 in der Minute beim Menschen annahmen, kamen die Engländer und in den Erhebungen der Deutschen Kolonialgesellschaft auch Schellong (1896, 373) zur Angabe einer Verminderung der Anzahl (13) bei ge- steigerten Werten der Lungenkapazität. Nun ist a priori klar, daß beim Vorhandensein einer erhöhten Erythrozyten zahl eine Atembeschleunigung nicht nötig ist, nament- lich dann nicht, wenn die Lungenkapazität zugleich gestiegen ist. Diese beiden Kompensationen machen die viel mehr Stoffe vergeudende vermehrte Atemfrequenz überflüssig. So zeigen meine Zahlen folgende Werte: Eür Atemfrequenz in der Ruhe, bei entleertem oder schwach gefülltem Bauch: Mittlere Atemfrequenz pro Minute Pferde der Wüste Sahara .... Pferde der Mittelmeergegenden Pferde in Deutschland, Nordfrankreich, Holland 13 Pferde in der Schweiz im Mittel . Daraus ist zunächst deutlich, daß die Pferde der heißen Länder weniger häufig Atembewegungen ausführen, als die der gemäßigten Zone, während in höher über Meer gelegenen Ländern die Atemfrequenz zu- zunehmen scheint. Ist also der Gasaustausch in der Lunge verlangsamt, so kann dies nur durch eine verstärkte Tätigkeit des Herzmuskels, sowie durch be- deutende Zunahme der Erythrozyten im Blut kompensiert werden. Lengste Wallache Stuten 11 — 9 Züge 10 9 10 „ 13 12 12 „ 14,2 13,8 13,6 „ Hengste Wallache Stuten 38—40 — 35 36 — 33 — 35,7 36,0 — ■ — 39,8 — 33,27 33,61 — 38,34 40,15 Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 13 Meine Zahlen sprechen hier folgendermaßen: Mittlere Pulsfrequenz Hei Pferde der Wüste Sahara .... Pferde der Mittelmeergegenden . Halbblutremonten in der Schweiz . Schrittpferde in der Schweiz . Laiifpferde in Deutschland n. Koack Schrittpferde in „ „ „ Anderseits ist die Körpertemperatur normalerweise unter allen Klimaten gleich, oder nur ganz wenig difFerent. Grad Celsius Hengste Wallache u. Stuten Pferde der Wüste Sahara 37,4 38 Pferde der Mittelmeergegenden . . . 37,8 37,48 ^, , . , ,, , . i Halbblut . — 37,48 Pferde m der Schweiz ^ i •.- p n ^n no [ Schrittpterde — 37,88 Pferde in Deutschland und Holland . 37,8 37,7 Auch mit dem Hämoglobin geh alt verhält es sich ähnlich. Kolorimetrische Hämoglobinbestimmungen wurden schon nach den Methoden von Fleischl, Otto und Plesch durch Endlich (1895) und Max Müller (1911) durchgeführt. Endlich ermittelte nach Fleischls Methode für Laufpferde 80,0 im Mittel „ „ „ für Schrittpferde 66,7 nach Otto (100 Fleischl = 14,5 Otto) ( "'^ ^"^ ^Z^T^'l ,,■.., , \ 9,8 im Mittel bei Schrittpferden, dabei jeweils für Hengste am höchsten, für Stuten am niedrigsten. Max Müller fand einen Hämometerwert nach Plesch von 70,6 für Laufpferde, 63,0 „ Schrittpferde. Bonnard (1919) nach der Sahli-Gowerschen Methode, Modifikation Zschokkes arbeitend, fand Hämometer- wert für Schrittpferde resp. gewöhnl. Tiere mit lymphat. Temperament 50 „ Laufpferde, d. h, solche mit mehr Blut 60 nach dem Geschlecht beobachtete er bei Hengsten .... 61 „ Wallachen .... 53 ,. Stuten 51 Während des Wachstums variierte der Hämoglobinwert, blieb jedoch vom 5. Altersjahr an ziemlich konstant. Aus den vergleichenden Beobachtungen, die Allem and und ich 14 Die Natur und ihre Einwirkung. mit dem llämometer Sahli machten, ergab sich ein bestätigendes Bild. Für den Menschen wird von Naegeli (1919) angegeben, daß die Normal- werte beim Manne 80 — 100, bei der Frau 70 — 90 betragen, bei einer gleichzeitigen Er3'throzytenzahl von gegen 5000000 E. Wir fanden beim Pferde einen mittleren phj^siologischen Hämometer- wert von 82,0 bei Laufpferdehengsten 69 — 73,8 „ Laufpferden weiblich und Wallachen (Remonten) in 000—750 m Höhe. 63,5 ,. leichten Schrittpferden (Juraschlag) weiblich 78,7 „ „ „ „ Hengste. Dabei ist zu beachten, daß der Hämometerwert allgemein biologisch nicht so bedeutungsvoll sein kann — wie etwa die Trockensubstanzbestim- mung — da immer der jeweilige Gesundheitszustand eine zu große Rolle spielt und bekanntermaßen vor einer im Anzug befindlichen oder nach ziemlich lange vorausgegangener Erkrankung ganz anormale Varianten auftreten. Insoweit aber ist die Beurteilung des Hämometerwertes be- sonders brauchbar, indem nur gesunde Pferde mit absolut normalem Hämo- meterwert und normaler Temperatur und Pulsfrequenz zur Beurteilung nach dem Trockensubstanzgehalt des Bluts verwendet werden dürfen. Wertvoll ist zur Ergänzung die Zählung der roten Blut- körperchen. Dieselbe wurde von mir mittelst des neuen Hayem-Sahli- schen Hämozytometers von Leitz, von Allem and mit der Bürker- schen Zählkammer vorgenommen. Als Resultate ergaben sich große Varianten nach Rasse und Höhenlage des Wohnortes. Während die klinischen Werke nach Storch (zit. n. Malkmus 1918) als Mittelzahlen für das Pferd angeben : Hengste Wallache Stuten rote 8,2 Millionen 7,6 Millionen 7,1 Millionen weiße 10 500 11000 9 900 so fanden wir Erythrozyten Leukozyten bei Saharapferden 130 m ü. Meer Hengste und Stuten im Mittel 9,41 Millionen — „ Irländerremonten 1 — 3 Monate in der Schweiz 530 m Höhe im Mittel . . 7,92 „ 8600 „ Irländerremonten 3 — 8 Monate in der Schweiz 530 m Höhe im Mittel . . 8,53 „ 6400 „ Ungar. Offizierspferden auf 690 m Höhe im Mittel 11,22 „ 2100 „ Jurapferden (leichte Schrittpferde) 750—970 m Höhe im Mittel . . . 9,88 „ 2280 Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 15 In beziig auf Größe der Erythrozyten ergab sich bei der Unter- suchung des Nativpräparates und bei Vitalfärbung nach Sabrazes folgendes: Die Größe der Blutkörperchen bei den Pferden der Sahara war unbedingt geringer als die von Laufpferden bester Abstammung (Ungarn, engl., arabisch und südfranzösischen Angloarabern). Ich erhielt als Mittel aus 250 Untersuchungen für Berber und Araber 0,00496 mm Durchmesser, für europ. Halbblut- und Vollblutpferde 0,00575 „ „ für leichte Schrittpferde ..... 0,00591 „ Die klinisch bedeutungsvollen Untersuchimgsmethoden des Blutes der Eiweißbestimmung und der Viskosimetrie wurden bisher nicht aus- sreführt, da nach meiner Methode der Trockensubstanz- und Aschen- gehaltsbestimmung die quantitativen Anhaltspunkte für die Beurteilung der Eiweißvermehrung im Blute genügend genaue sind, und anderseits das aus der Viskosimetrie klinisch rascher bestimmbare Volumen der zirkulierenden Blutzellen aus den Nativpräparaten durch Messung der Blutzellengröße zur Genüge ersichtlich war. Am wertvollsten waren nun die Resultate der Bestimmung des Trockensubstanzgehaltes: Es zeigte sich bei der großen Zahl von Bestimmungen und namentlich dadurch, daß die Beurteilung von verschiedener Seite auf die Probe gestellt wurde, die Möglichkeit, mit ziemlicher Sicherheit die grobe Rassenzugehörigkeit aus dem Blute zu erkennen, sofern man die Jahreszeit der Probennahme und die Höhen- lage des Standortes des betreffenden Pferdes kennt. Es ließen sich bis heute folgende Mittelzahlen aus unseren Beobachtungen an Pferden der Mittelmeerländer inklusive Mazedonien (Jugoslawien), der Schweiz, Frank- reich und Osterreich gewinnen : Frühjahr- und Spätherbstproben Trocken- substanz Juni- und Juliproben . u Trocken- Ascbe -, , Substanz pro 100 ccm Blut Asche Mittelmeer-, Wüstenpferde und Küsten- pferde bis über 140 m über dem Meer 21,303 0,589 23,764 0,637 Englische Vollblüter, Ungarn, Spanier, franz. Halbblut, Deutsche, Lippizaner auf durchschu. 600 m Meereshöhe Jura, leichtes Zugpferd, auf 650 — 950 m Höhe 15,408 Jurahengste auf 940 m Höhe (Bellelay) 18,088 Shires und Ardenner in ca. 650 m Höhe — 19,808 0,494 21,926 0,534 0,287 0,303 17,880 19,871 17,901 0,326 0,372 0,304 16 Die Niitur und ihre P^iri Wirkung. Pie mittleren Yarinnten der Zunahme an Trockensubstanz unter dem Eintlusse der Sommerarbeiten in dem ausnahmsweise heißen Sommer 1921 sind also auf ungefähr 2,5 g zu bewerten. Es ergibt sich also als mittleres Verhältnis der Trockensubstanz im Blute der hier untersuchten Pferdeschläge, daß die Orientalen ein um 3r),57o dickeres, trocken Substanz reicheres Blut haben als die leichten Schrittpferde und ein um 7,9 (j^o dickeres als die edlen importierten Halbblüter und Remonten in der Schweiz. Die Einflüsse der Meereshöhe des Standortes waren hierbei nicht so tief eingreifend auf die Zunahme des Trockensubstanzgehaltes mit vermehrter Höhe als auf die Zunahme der Erythrozytenzahl und kommt daher die eigene Form und Rasse der Pferde mehr in den Trocken- substanzzahlen zur Geltung. Die Aschezahlen zeigen sich gar nicht charakteristisch, obgleich nach meinem Material die Saharapferde sogar ein geringes über 0,5 g Asche aufweisen. Relativ hoch stehen auch die Jurapferde im Asche- gehalt, weil sie tatsächlich in einem Gramm Trockenblut annähernd soviel Asche enthalten wie die Saharapferde, was allerdings beim dünnen Blut nicht zur Geltung kommt. Die importierten Halbblüter zeigen ungemein schwankende Zahlen, deren Mittelwert wohl durch das Über- wiegen der südfranzösischen (Camarguer) und der Irländer Pferde in meinem Material stark beeinflußt wurde, von denen die ersten den Asche- gehalt von 0,0214, die Irländer 0,0278 pro Gramm Trockenblut im Mittel aufwiesen. Es erhellt, daß hier eben mehr Faktoren der Ernährung, des Asche- gehaltes der Nahrung, des Kalkgehaltes des Bodens usw. wirken. So wäre der Aschegehalt in der Lage, das Gesamtbild des Bluttrocken- substanzgewichts zu stören, weshalb es mir gut schien, ihn besonders festzustellen. Es scheint mir, daß bei Halbblütern von Kalkgebieten viel höhere Aschezahlen erreichbar sein werden, wie ich bei den wenigen Lippizanern, die ich untersuchte, ebenfalls Aschezahlen habe, die so hoch sind wie die der Saharapferde. Auf jeden Fall deuten aber diese großen Unterschiede im Blute darauf hin, daß sich in den durch das Blut ernährten Geweben ent- sprechende DiiFerenzen vorfinden müssen. Zugleich ergibt sich aber aus den obigen Zahlen, daß die sog. Kalt- blutpferde im Vergleich mit den arabischen Vollblutpferden der Sahara das tatsächlich im Mittelwerte wärmere Blut haben. Der Name ist also ein direkter Irrtum! Die Körpertemperatur der Saharapferde beträgt nach meinen Zahlen 37,48 " C im Mittel, die der sog. Kaltblut- pferde in der Schweiz, in Deutschland und Holland aber 37,88 "^ C im Mittel. Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 17 Ferner zeigt sich aus den obigen Zahlenreihen, daß der Trocken- substanzgehalt der sog. Kaltblüter viel geringer ist, als der der Pferde mit orientalischem Blute. Es wären also eigentlich „Dünnblüter" im Vergleich zu den „Dickblütern" der Rassen aus trockenen, südlichen oder hochgelegenen Gegenden. Hermann von Nathusius-Hundisburg brachte in der deutschen Sprache diese Ausdrücke „Warmblut" uüd „Kaltblut" auf und sein Bruder Wilhelm publizierte dieselben erstmals 1880. Prof. Simon V. Nathusius verteidigte noch 1891 in seiner Dissertation die Be- rechtigung dieser Namen, schrieb aber dann im Jahre 1902, daß es bedenklich sei, sich für die Beibehaltung dieser Ausdrücke seines Onkels auszusprechen, nachdem von May bewiesen worden sei, daß die sog. Kalt- blüter ein kleines Plus in der Temperatur ihres Körpers gegenüber den Warmblütern aufweisen. Er schlug daher die Namen „Lauf"- und „Schritt"pferd vor und wollte die Laufpferde in eigentliche Laufpferde, Kutschpferde und Trab- pferde getrennt wissen, also nicht nur die Bewegung an sich, sondern auch die Benutzung als Grundlage nehmen. Leider hat die Nathusiussche Nomenklatur nicht die Priorität, sondern ist nur eine Wiederholung der im Jahre 1855 von Prof. Dr. V. Middendorf in Petersburg in der Akademie der Wissenschaften publizierten Nomenklaturvorschlägen „Hippologische Beiträge", wo in langen Überlegungen nach den natürlichen Gangarten die Pferde ein- geteilt werden in S c h r i 1 1-, Trab- und Galopp- Pferde , von denen Middendorf dann die beiden letzteren als „Schnellpferde" zu be- nennen empfiehlt. Da Nathusius augenscheinlich diese v. Midden- dorf sehe bis ins kleinste durchgeführte Namengebung nicht gekannt hat, müssen wir nach den Gesetzen der Priorität nicht die Nathusius- sche, sondern die Middendorf sehe Nomenklatur benutzen, weil beide das gleiche enthalten und kein wesentlicher Vorzug für den Namen „Laufpferd" gegenüber dem älteren Namen „Schnellpferd" geltend zu machen ist. — Französische Autoren teilen auch in Galopp- und Trab- pferde, nicht aber in Schrittpferde ein, sondern wählen dafür das Wort „Zugpferd", „cheval de traft", wobei sie unterscheiden das „cheval de trait leger", das leichte Zugpferd, das „cheval de gros trait", das schwere Zugpferd, und neuerdings noch das „cheval semi gros- semi rapid", das halbschwere und halbschnelle Zugpferd (Dechambre 1921). Die Beschaffenheit des Blutes wird aber nicht allein durch die klimatischen Verhältnisse bedingt, sondern auch durch die Bedingungen der Ernährunof der Pferde. Diese sind ihrerseits wiederum von den klimatischen und geotektonischen Zuständen abhängig. Du erst, Die BeurteiUing des Pferdes. 2 18 Die Natur und ihre Einwirkung. Die Luftfeuchtigkeit steht in engstem Zusammenhange mit dem Pflanzenwachstum und der Grad des AVassergehaltes derselben hängt hievon in sehr hohem Maße ab. Je saftiger, wasserreicher die Futtermischung des Pferdes ist, desto mehr wird dieses an Wasser aufnehmen und desto mehr wird sein Blut verdünnt. Obgleich ja dieses Wasser nach 6 — 7 Stunden im Harne ausgeschieden wird, so muß doch bei ständiger Fortdauer einer saftigen Fütterung der Gehalt an Wasser der meisten Köri^ergewebe ein etwas höherer werden, was genügt, eine gewisse Modifikation des Tieres zu be- wirken in dem Sinne, daß dadurch die Gewebszellen etwas größer werden. Es handelt sich dabei zuerst entschieden nur um eine Standortsiuodifikation, einen Phänotypus im Sinne von Johannsen, was sich bei dem Schrittpferd, z.B. dem Shire oder Belgier, leicht nachweisen läßt, da derselbe in trockenen Klimaten selbst bei Reinzucht in der nächsten Generation schon seine typischen Formen verliert. Hierüber hat Grraf Lehn dorff (189G) und der treffliche v. Ottingen (1918) berichtet, daß im russischen Gestüte Derkull Percherons in der ersten, besonders aber der zweiten Generation degenerierten und durch dünneres Unterhautzellgewebe, schlankere Knochen und relativ breitere Gelenke und dünnere Sehnen sich dem arabischen Typus näherten, ob- wohl die Glutäusmuskelwülste der Kruppe länger erhalten blieben. Alles dies war die Folge der ausschließlichen Ernährung mit Steppenheu und Hafer neben der Wirkung des Klimas. Genau dasselbe beobachtete Grünwald (1920) als Tierzuchtinspektor in Woronesch und bei Percherons in Kurmösch im Gouvernemente Sim- birsk fand er Entstehung von Spindeibeinigkeit und Reduktion des Kötenbehanges. v. d. Malsburg (1911) erwähnt, die nach Ostgalizien verpflanzten Pinzgauer seien trotz reicher Nahrung und sorgsamster Pflege viel leichter und trockener im Bau als ihre importierten nächsten Verwandten. Auch Dünkelberg (1901) gibt an, daß in Nordamerika nur schwer das massige Kaltblutpferd Westeuropas infolge der trockeneren, wärmeren Luft ungeschmälert zu erhalten sei. Über den ganz unbestreitbaren Einfluß der südlichen Breitegrade in Italien, Süd- frankreich und Nordafrika liegen mir zahlreiche Beobachtungen von Schülern und Freunden vor, auch sind mir erneute Versuche über Schrittpferdreinzucht an diesen Orten unter genauer Kontrolle in Aussicht gestellt worden, um die klimatische Ein- wirkung genaii feststellen zu können. Daß es seit alten Zeiten nie gelang, in Italien schwere Schrittpferde zu züchten, beweist der durch reiches historisches Material beleg- bare ständige Import schwerer Belgier durch die Schweiz nach Italien für die Ritter und Condottiere des mittelalterlichen Italiens und die frühzeitige Aufnahme der Zucht von schweren Maultieren in Italien mit Hilfe der schweren Schweizerpferde als Ersatz der Schrittpferde. Die Entstehung der Standortsmodifikation des sog. Kaltblutpferdes oder Schritt- pferdes ist von mir neuerdings durch historische Studien gleichzeitig mit der Ent- stehung der Holländer und Simmentaler Rindviehrasse in Vorträgen klar gemacht worden. Ich hoffe, die reichen Daten hierzu in einem später erscheinenden Buch über die Geschichte der Tierzucht bis zur Gegenwart veröfientlichen zu können. Tatsache ist, daß das Schrittpferd in der Form des Flamländers zuerst entstand und, wie das holländische Milchvieh, seine Größe und Leistung nicht der besonderen züchterischen Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 19 Kunst jener Bauern, sondern den klimatischen und namentlich den hydrographischen Verhältnissen verdankt, die neben einer sehr saftigen und protein- und kohlehydrat- reichen Fütterung infolge der durch Kanäle engbegrenzten Weidenflächen eine hoch- gradige Einschränkung der Bewegungsfreiheit bedingten, die ihrerseits dann die Ent- stehung einer Mastform zur Folge hatten, die dann Jahrhunderte später durch richtige Kreuzungen mit Hilfe der Mendel sehen Spaltung der Eigenschaften zu der überaus brauchbaren Form unserer heutigen Schrittpferde wurde. Es scheint aber aus meinem bisherigen mittelalterlich-historischen Material unzweifelhaft hervorzugehen, daß alle Zuchtgebiete des Schrittpferdes im Anfange durch Flamländer Pferde oder deren Nachkommen bevölkert worden sind. Die Zucht gelingt aus den erwähnten klimatischen Gründen durch- aus nicht überall, und mit Recht kam Grünwald (1920) in seiner unter meiner Leitung hergestellten Dissertation zu der Auffassung, daß es wohl in erster Linie den Schwankungen der relativen Luftfeuchtigkeit zu ver- danken sei, wenn wir trockene, schlanke Pferdekörper mehr äquatorial- und kontinental wärts, aufgedunsenere, schwere Pferde mehr in der Meeres- nähe unter ganz bestimmten Breitengraden antreffen. Es dürfte indessen weniger der direkte Einfluß der Luftfeuchtigkeit auf das Tier sein, der dies bewirkt, als die indirekt wirkende Wasser- zufuhr durch reiche, feuchte Nahrung zum Körper. Direkt wird durch hohe Luftfeuchtigkeit in den Tropen nur die Verdunstung des Schweißes gehindert, wodurch eine Überhitzung des Körpers erfolgen muß; der- artige Tropengegenden sind für das Pferd überhaupt nicht bewohnbar. Die angeführten Verhältnisse äußern sich in dem Verlaufe von Isothermen und Isohyeten, also in der Verteilung der Orte gleicher mittlerer Temperatur und Luft- feuchtigkeit auf dem europäischen Kontinente in der Weise, daß eine erfolgreiche Zucht von eigentlichen Schritt- oder Mastpferden nur möglich ist bis wenig unter den 50. Breitengrad. Die wenigen Ausnahmen, die mehr äquatorial bis 47 " n. B. liegen, wie z. ß. die Pinzgauer oder Schweizer Freiberger Pferde, kommen in höher gelegenen Gregenden vor, die in Temperatur und größerer Luftfeuchtigkeit und Futterwuchs den nördlicher gegen die Meeresküste zu gelegenen Orten entsprechen; andere französische Zucht- gebiete wie „le Perche", Bretagne und die Nievre sind durchaus in feuchtem Meeres- klima und in Gegenden mit hohen Niederschlagsmengen bis zu 200 m ü. M. gelegen. v.d. Malsburg (1911) und P ette ra(l 911) führen zwar diese Pf erde auf die Salz- wiesen Hollands und Flamlands in ihrer Entstehung zurück, das Pinzgauer Pferd aber auf das sahnenreiche Salzburg, denn Chlornatrium solle bei seiner Aufnahme die Zellen stark vergrößern. Es scheint diese Auffassung jedoch durchaus nicht zuzutreffen, indem nicht das Salz das ausschlaggebende sein dürfte, sondern das milde feuchte Klima, der wirt- schaftliche Hochstand dieser Gegenden, verbunden mit der Beschränkung der Be- wegungsfreiheit der Pferde. Ich habe an schönem Material vom Adriatischen und Mittelmeere eine Kontrolle dieser Theorien versucht, indem auf den Salzwiesen des Gestütes San Rossore und in den Salzsteppen des ßhonedeltas die Pferde trotz großer Salzaufnahme schlank und sogar klein bleiben, weü sie frei und unbehindert weiden und galoppieren können. Muskelfaseruntersuchungen, die ich nach v.d.M a 1 s b u rg s Methode vergleichsweise durchführte, ergaben ebenfalls kleine Fasern von 31,8 Mikromillimeter 20 Die Natur und ihre Einwirkung. im Mittel. Und dabei fehlte es keineswegs an Salz im Futter, war doch der Aschen- gehalt desselben nach einzelnen Heumustern bis 12,6 "/o der Trockensubstanz, Wir können, wie ich seit vielen Jahren in meinen Vorlesungen be- tone, ein ganz genaues Verhältnis an den Orten der erfolgreichen Zucht- möerlichkeit schwerer Pferde mit den klimatischen und wirtschaftlichen Verhältnissen eines Landes konstatieren, sofern in vergangenen historischen Zeiten, wie im Schweiz. Jura, im Pinzgau und längs der alten Handels- straßen Augsburg— Italien einmal die Zucht des schweren Zugpferdes ein- geführt worden ist. Bei modernen Zuchtversuchen, wie z. B. der ge- lungenen Ardennerreinzucht in den gesegnetsten Gegenden des Ober- aargaus und Mederemmentals in der Schweiz muß die Ernährungsfrage neben trefflichster Selektion nach Gewicht und Knochenstärke sowieso in erste Linie gerückt werden. Wasserarme Nahrung, wie sie bei den Pferden der Wüstengegenden oder auch der kontinentalen Steppen gebräuchlich ist, wo im Juni schon vor dem glühenden Windshauch die üppige Frühlingsvegetation verdorrt und die Quellen versiegen, erzeugt notwendig eine Eindickung des Blutes, wobei ebenfalls zunächst eine Vermehrung der Erythrozytenzahl um 10 — 20 7o entsteht, die ja an sich vorübergehend nun durch den vor- erwähnten Sauerstoffmangel der Luft günstig empfunden wird und in- soweit von dauerndem Einflüsse ist, als sie sich auch unter unseren Klima- und Witterungsverhältnissen bei orientalischen Pferden noch nachweisen läßt. Die trockene Nahrung bewirkt Erguß von Darmsaft in den Darm und beeinflußt so durch direkten Feuchtigkeitsentzug die Blutkonzentration. Naturgemäß werden daher bei Pferden aus solchen Gebieten die sämt- lichen Körpersäfte sehr konzentriert und in der Folge auch die Nerven- tätigkeit eine sehr intensive und rasche sein. Wenn auch, wie ich durch Maurer (1917, 24 — 37) zeigen ließ, die die Zellengröße bewirkenden Faktoren und die Mittelwerte nicht diejenigen sind, die v. d. Malsburg in seiner auf zu kleine Versuchsreihen gestützten summarischen Be- urteilung dieser Frage zu finden glaubte. Der Einfluß konzentrierten Blutes auf die Nerventätigkeit wird schon früher erwähnt und durch die Beobachtungen der Medizin bei Anämie und anderen Blutkrankheiten sicher gestellt, indem Mangel an roten Blutkörperchen — also geringere Sauerstoffzufuhr — eine Abschwächung der normalen Innervationsvorgänge auf motorischem wie sensorisch und psychischem Gebiete bedingt. Eng verbunden ist damit auch der auf dem kontinuierlichen Erregungszustand des afferenten Hinterwurzelneuroms beruhende Muskeltonus. Daß durch diese gegen den Äquator zu abnehmenden Blutveränderungen die Trächti gkeitsdau er beeinflußt wird, ist bekannt, gehört aber zur Pferdezucht, nicht zur Beurteilungslehre. Doch ist vielleicht erwähnenswert, daß durch protein- reichere Fütterung der Stuten und infolge davon vermehrte Erythrozytenzahl des Blutes auch die Tragezeit sich bis zu einem gewissen Grade abkürzen läßt, wie dies Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 21 V. Ottingen für Trakehnen beweist, wo durch Verbesserung von Wiesen und Weiden und stärkere Fütterung der Mutterstuten die Tragezeit um S'/^ Tage durchschnittlich abgenommen hat (1918, 221). Daß aber auch das Klima durch die Wärme und Luft- feuchtigkeit hier wirkt, beweist die Tatsache, daß in russischen Steppengestüten am Manitsch die Tragezeit 340—350 Tage beträgt, in Trakehnen 329,9 Tage für Hengst- fohlen und 327,67 Tage für Stutfohlen; in Mezöhegyes 338,33 Tage für Hengstfohlen, 336,38 Tage für Stutfohlen; die Araber in Weil tragen 34.5 Tage. Interessant ist nnn, daß der Einfluß des Höhenklimas und der Pol- nähe bis zu einem gewissen Grade wieder den Einflüssen der heißen Gegenden entspricht. Wenn dies auch von einigen Autoren behauptet wird, so ist die Ursache dieser Erscheinung doch eine sehr verschieden- artige. Bei der Veränderung der Meereshöhe kommen die früher erwähnten Faktoren der durch das Daltou'sche Gesetz formulierten Luftverdünnung in Frage und daher der gleiche Zustand der Luft, wie wir ihn in den heißen Gegenden finden, nämlich einen relativ geringeren Sauerstoffgehalt derselben, der eine Vermehrung der Erythro- zyten hervorruft. Daneben aber finden wir eine Abnahme der Jahrestemperatur von 0,4 " C pro 100 m Höhenzunahme nach Asm an n, welche verminderte Wärme- zufuhr die Tiere in einen Zustand der Inferiorität gegenüber denjenigen wärmerer Gebiete durch vergrößerten Nährstoffbedarf zur Körpererwärmung bringt, dabei wird aber auch die Kälte noch in dem Sinne eine Rolle spielen, daß die Pflanzen in höchsten Höhen im Wüchse kleiner und dürftiger bleiben und daher direkt die Ernährung er- schwert wird. Im hohen Norden oder Süden liegen die Verhältnisse noch anders; Temperatur und auch Luftdruck nehmen zwar gegen die Pole zu ab, aber der Sauerstoffgehalt der Luft bleibt dennoch einigermaßen gleich, wenn er nicht etwas vom Luftdruck be- einflußt wird. Es dürfte hier wohl mehr als einziger Faktor die Temperaturabnahme eine Rolle spielen und zwar direkt wachstumshemmend durch den verursachten Mehr- verbrauch an Energien für die autogene Körpererwärmung als dann auch indirekt durch die Zufuhr weniger reichen Futters. Wenigstens können im Proteingehalte die nordischen Talwiesengräser nach Dietrich und Königs zahlreichen Analysen sich nicht mit den südlichen von einigermaßen gleichartiger Herkunft (Boden, Grasart) ver- gleichen lassen. ') Bekannt ist ja, daß, wie G rünwald ausführt, Schweden und Norwegen trotz des Importes fremder Pferde nur schwer imstande sind, mittelst reicher Fütterung selbst bei Reinzucht die Körperhöhen importierter Pferde in den Nachkommen zu erhalten. *) Wiesenheu analysen nach Dietrich und König. Wasser Protein Rohfett at ^ '• Rohfaser Asche N -freies ,,.,,, 1 Talheu . 15,00 7.64 1,63 43,98 '27,03 5,53 Mittelzahlen von norweg. ) ^^^.^^^^^^ ^^ g^ ^^^^^ 3 g2 39 g^ 23,19 6,43 Mittleres deutsches Wiesenheu . . . 14,50 9,07 2,51 42,54 25,00 6,88 Alpenheu Mittel 14,50 13,47 3,90 39,50 22,47 6,16 Heu von Mezöhegyes 11,20 12,31 6,37 29,99 33,33 6,70 „ von Kisbcr 13,44 14,43 4,50 30,80 29,28 7,56 „ aus Campagna romana .... 14,28 17,35 1,87 26,70 30,60 9,99 „ von England 14,30 22,20 5,60 27,47 21,54 9,03 22 Die Natur mid ilirc Einwirkung. Das saftigere, reichere Futter vermag unter gewissen Umständen die sog. schweren Pferdeschläge zu erzeugen, deren Blut eine geringere Dichte und auch geringeren Trockensuhstanzgehalt aufweist, als das der anderen Pferde, wenn das Klima durch die Höhenlage nicht direkt auf Vermehrung des Trockensubstanzgehalts des Blutes hinwirkt. Sehr beachtenswert bei den Einflüssen der Ernährung auf die Form- gestalt des Pferdes ist ohne Zweifel der Boden in seinem Gehalt an Pflanzennährstoffen, namentlich in seinem Gehalt an Kalk und Phosphorsäure. Wohl allgemein dürften die Züchter darüber aufgeklärt sein. Interessant ist, in den einzelnen Ländern an Hand der geologischen Karte verfolgen zu können, wo die besten Pferdezucht- gebiete liegen müssen, nämlich da, wo in einer passenden, nicht zu steil- gebirgigen Gegend die größten Kalk- und Phosphorsäuremengen im Gestein anzutreffen sind. Ich habe dies für die Schweiz erwähnt (1911). Gierth (zit. bei Pettera, 1911) sagt nun aber von Pinzgauer Weiden, daß z. B. Stubach mit 1,526 7, Kalk, 0,1(32 7, Kali, 0,288 7, Phosphor- säure besonders frohwüchsige Tiere ergab, während auf den Weiden der Saalach viel weniger Phosphorsäure und Kali und viel mehr Kalk exi- stiert, trotzdem aber die Tiere dort weniger frohwüchsig waren und groß wurden. Danach käme also der Gehalt an Kali als wesentlicher Faktor zum Einfluß auf das Wachstum der Pferde. Die genaue Wirkung ist hier allerdings noch nicht einwandfrei festgestellt, aber daß die Folgen von Kalimangel in der Nahrung sehr tiefgreifende sind, hat Urbeanou (1916) gezeigt, und ich selbst habe durch mehrere Versuche an Säugetieren mit reicher Fütterung, aber ohne jede Spur von Kali, Hungertod unter völliger Abmagerung nach wenigen Monaten erreicht. Sehr kategorisch bestätigt auch Sisteron (1909) für Madagaskar die völlige Abhängigkeit der Pferdeform von dem NährstofFreichtum des Bodens. Ballaud (1903) bemerkt, daß die Getreidearten von Algier, Tunis und einigen Teilen Madagaskars sieh gegenüber denen des fran- zösischen Mutterlandes durch ganz bedeutenderen Eeichtum an phosphor- saurem Kalk und anderen Aschebestandteilen auszeichnen. Dies würde uns zu dem Gedanken' führen, daß nicht nur der Trocken- substanzgehalt des Blutes und dessen Aschengehalt, sondern auch der Aschengehalt der anderen Organe bei orientalischen oder südlichen Pferderassen größer sei. Das behauptet schon Janning (1908) für die Knochen und zeigt: in frischen Knochen in fettfreier Trockensubstanz CaO PoO-, CaO P.O, Mittelwerte von Halbblütern 34,95 25,35 38,64 28,01 ,. Belgiern 33,55 24,42 37,44 27,24 i)ie Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 23 Es läßt sich in gleicher Weise auch für die sämtlichen Organe dieser Pferderassen nachweisen, wie es ja kaum anders sein kann, wenn einmal das ernährende Blut höhere Dichtigkeit und Aschengehalt aufweist. Dies erklärt dann unschwer die schon von Günther (1845 — 89) erwähnte Tatsache des geringeren Volumens von Knochen orientalischer Pferde und deren erhöhte Festigkeit in der Struktur, was durch Kraemer (1904, 1905 — 13) aufs überzeugendste nachgewiesen worden ist. Auch die vorbildlich sorgfältige Arbeit Henselers (1912) bestätigt nur, daß unter unseren klimatischen Verhältnissen diese Unterschiede in der Pestigkeit zwar nicht bedeutende sind, aber in der Blutzusammensetzung schon die geringsten Schwankungen der Ernährung wichtige Folgen nach sich ziehen können. Wie w^eit nun außer den später behandelten mechanischen Gesichts- punkten der Umfangvergrößerung der markhaltigen Knochen der Ex- tremitäten, deren größerer Markraum für die Blutbereitung kompensa- torisch in Betracht kommt, kann hier nur andeutungsweise erwähnt werden. Der Trockensubstanzgehalt des Blutes und Zellengröße der Muskel- fasern sind aber sicher in engem Zusammenhange, indem Pferde mit höherem Trockensubstanzgehalt des Blutes die dünneren Muskelfasern haben. Da der Trockensubstanzgehalt des Blutes von der vermehrten Hämoglobin- und Eiythrozytenmenge abhängt, so ist es leicht erklärlich, daß die Muskelfaser der Pferde mit mehr Trockensubstanz auch dunkel- roter erscheint. Schon Robertson (1912) hat betont, daß die dunkel- roten Muskelfasern bei „Stehern" dünner seien als die weniger leistungs- fähigen, hellroten Fasern von „Fliegern". Je Aveniger trockensubstanz- reicher und spezifisch leichter das Blut ist, desto großzelliger werden das Fleisch, die Knochen und Organe des betreffenden Pferdes angelegt. Wie V. d. Malsburg (1911) richtig erwähnt, ist aber das groß- zelligere Tier empfindlicher und gesundheitlich weniger widerstandsfähig als das kleinzellige, was neuerdings auch R o b i e n für die Shire beweist. Die räumliche Ausdehnung eines Landes soll nach Angabe einiger Autoren von Bedeutung für die Größe der dort lebenden Pferde sein, und so namentlich die Pferde von Inseln klein bleiben. Derartige Beobachtungen wurden durch Noll (1881) über die 1764 von Frank- reich importierten Pferde der Falklandinseln erwähnt, die nun zum Fangen der Rinder mit dem Lasso nicht mehr taugen und zu schwach und klein sind, während sie früher dazu importiert wurden, Er führt alle diese Erscheinungen auf Inzestzucht zurück und argumentiert mit seinen Erfahrungen über die Nachkommenschaft eines Yakstieres im zoologischen Garten Frankfurt, der bis 1868 hervorragende, große, stattliche Nach- kommen erzeugte, dann aber die Familie dieses Tieres infolge Mangel an ßlutauffrischung immer kleiner und schwächer wurde. '24 D'G Natur und ihre Einwirkung. Auch Eimer (1888) und Bieler (1900) vertreten diese Auffassung, daß kleine Inseln ancli Tiere kleiner Gestalt beherbergen und erzeugen, wie Sardinien, Korsika, Shetland, Island usw. Rabot (1903), der das Pferd von Island beschreibt, erwähnt dessen Herkunft von norwegischen Pferden, die im 9. Jahrhundert auf die Insel transportiert und da- selbst modifiziert worden seien. Anfänglich sei ihre Größe wie die der normalen nor- wegischen Pferde von etwa 150 cm gewesen, jetzt aber sei sie im Maximum 130 cm. kleines Erachtens treffen diese Angaben kaum zu, da die Größe der früher importierten Pferde absolut nicht bestimmt werden kann. Erwähnt doch auch Wri e dt (1916), daß die Pferde Norwegens aus Gautland (Schweden) stammen und man in den Schiffen von Wikingern nur kleine Pferdeskelette von ungefähr 130 cm Widerristhöhe, mit dem Bandmaße gemessen, aufgefunden habe. Frech (1908) stellt dann sogar in seinen Betrachtungen über geologische Ein- flüsse auf die Tierformen das Gesetz auf, daß kleine Inseln kleine Tierformen erzeugen. Hilzheimer (1909) übt jedoch an diesem Gesetz mit Recht Kritik und findet, daß verschiedene Faktoren hier maßgebend sein dürften. Etwas wertvollere Tatsachen bringen die Beobachtungen, die Hagmann (1908) an den Tieren der Insel Mexiana machte, auf der die Hirsche und andere vorkommende Säuger kleiner geworden seien als auf dem Kontinent, wobei er annimmt, daß hier im wesentlichen die Inzestzucht schuld sein dürfte. Mein früherer Assistent Dr. A. Schultz, wissenschaftlicher Leiter des Carnegie Laboratory of Embryologie der Johns Hopkins Medical School in Baltimore, stellt mir freundlicherweise folgende Angaben und Photographien über einen weiteren, etwas klareren Fall zur Verfügung. Auf dem kleinen Chincoteague Island (Maryland) leben ca. 70 bis 100 Pferde von ca. 110 cm "Widerristhöhe und ca. 40 cm Kopflänge. Diese Tiere stammen nachweislich von spanischen Pferden ab, unter denen es jedoch keine Ponys von dieser Größe gibt und gab. Sie kamen in wenigen Exemplaren um 1690 beim Schiffbruche einer spanischen Brigg auf diese Insel und haben sich hier seither in verwildertem Zustand fortgepflanzt. Die Inzestzucht, mehr aber noch die zu frühzeitige Paarung gleich nach dem Eintritt der Geschlechtsreife und die ungünstige Ernährung bewirkten dann den konstatierten Zwergwuchs. Von einem spezifischen Einfluß der Landesgrößen ist somit nichts zu spüren, soweit derselbe nicht die vorigen Faktoren erzeugt. Auch Sisteron (1909), der die Erfolge der Pferdezucht auf der Insel Madagaskar bespricht, findet, daß die Höhe des Wuchses der dor- tigen Pferde aufs engste an die „Höhe der Kultur der Futterpflanzen" geknüpft ist und ein Hauptteil der späteren Höhe dem Tiere durch das Maul zugeführt wird. Dabei ist es aber interessant zu erwähnen, daß andere große Inseln, wie z. B. Japan , das die Vergrößerung seiner Pferdeschläge mit allen erdenklichen Mitteln zu erlangen sucht, in der Erreichung dieses Zieles trotz reichster Fütterung doch durch die klimatischen und geographischen Bedingungen aufs stärkste gehemmt wird. Es scheint also nicht, als ob ein wirkliches Gesetz, wie Frech es formulieren möchte, hier gilt, sondern in manchen Fällen durch die räumliche Scheidung vom Kontinent, die wie eine Art Isolierkäfig wirkt, der Einfluß der Inzestzucht sich verkleinernd äußert, da namentlich auch Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 25 das Alter der Zulassung unter diesen meist primitiven Verhältnissen nicht geregelt werden kann und die daher zu frühe Paarung der noch unentwickelten Tiere kleine schwächliche Nachkommen erzeugt. Ferner muß in manchen Fällen die meist abgelegener und kulturell primitiver gebliebene Insel als Eefugium der ursprünglichen, kleinen vergangenen, primitiveren Kulturepochen des Kontinents entstammenden Haustier- formen betrachtet werden. In anderen Fällen wirken aber selbst bei großen Inseln, wie Japan und Skandinavien, die Einflüsse des Klimas ohne Zweifel die Größe beschränkend. Daran ist aber nicht die fferinarere räumliche Begrenzung schuld. b) Die mechanischen Naturgesetze und ihre Wirkung auf die Gestaltung des Pferdekörpers. Die Tatsache, daß alles, was auf Erden lebt, ob Pflanze oder Tier, den physikalischen Naturgesetzen in gleicher Weise unterworfen ist, wurde schon im letzten Jahrhundert beobachtet, doch dauerte es lange, bis die Ursache und Wirkung genauer erforscht werden konnte. Meyer (1867 — 73) hat zum erstenmal die mechanischen Gesetze im menschlichen Knochengerüst gezeigt und festgestellt, daß die Richtung der Spongiosabälkchen den Linien folgen, die die graphische Statik bei der Berechnung ihrer Tragfähigkeit als „Druck- und Zugkurven" hinein- zeichnen würde zur Bezeichnung der Widerstandsrichtungen im be- treffenden Knochen. „Die eben erwähnte Doktrin kann natürlich nicht eine ganze Durchschnitts- zeichnung mit solchen Kurven wie mit einer Schraffierung bedecken und zieht es des- halb im Interesse der Deutlichkeit vor, nur vereinzelte voneinander beliebig abstehende Kurven zu zeichnen. Durch diese aus Opportunitätsrücksichten gebotene Methode der Zeichnung gibt sie aber auch zugleich eine Skizze dafür, wie Blätter- oder Stäbchen- systeme angeordnet sein müßten, welche bestimmt sein sollten, die massive Substanz in möglichst günstiger Weise zu ersetzen." Lucae (1881 — 83) gebührt sodann das Verdienst, diese Fest- stellungen seines Freundes Meyer bei den vierfüßigen Tieren, besonders Katze und Lemur, angewendet zu haben, wenn er auch dem Probleme lange nicht so tiefgründig gegenübertritt, wie dies Zschokke 1892 in seinen Untersuchungen am Pferdeskelett tut. Wenn dessen Arbeit auch nicht die erste am Vertebratenskelette ist, ja selbst noch nicht einmal am Pferdeskelette — machte doch Eichbaum 1890 hierüber eine kleine Studie — , so ist sie doch unbestritten die erfolgreichste und bedeutungs- vollste und für unsere Disziplin der Pferdebeurteilung, wie in der Ein- leitung betont wurde, sogar grundlegend geworden. Einen weiteren Ausbau der Zschokkeschen Forschung versuchte dann Schwyter (1907), allerdings mehr popularisierend für kavalle- 2(j Die Natur und ihre P^inwirkung. ristisolie Zwecke. In neuester Zeit hat W enger sich mit großem Fleiße bemüht, einige Bansteine zur Beurteilung der Wirbel und ihrer Bestand- teile herbeizuschaffen. Strasser (1917), ein Meister der Bewegungsmechanik des Menschen, widmet vergleichsweise auch dem Vierfüßler und speziell dem Pferde im Stande der Ruhe einige Betrachtungen und kritische Bemerkungen der Zschokk eschen Arbeit, wobei er in der Tat in einigen Spezialfragen, wie der Beteiligung der Ligg. interspinosa, gegenüber Z s c h o k k e Recht behalten dürfte, während andere seiner Bemerkungen, namentlich über Ortsbewegung usw., aus leicht verständlichem Mangel an praktischer Kenntnis der Pferdebewegung Irrtümer aufweisen, wie z. B. der M. glutaeus als Hauptschenkelbeweger dargestellt und die Schwerpunktsverlegung durch den Halshebel als Hilfsmittel bei schwerem Zuge abgelehnt wird usw. Es ist mir der begrenzten Bogenzahl und des Zwecks dieses Werkes wegen nicht möglich, eine vollständige Statik und Mechanik des Pferdes in Ruhe und Bewegung zu geben, wie ich es ursprünglich im Sinne hatte und schon von Pranic (1919) für das Köthengelenk durchführen ließ. Dies Buch würde mehr als den doppelten Umfang und wohl nur die Hälfte der Leser gewonnen haben ; denn alle mathematisch-physika- lischen Untersuchungen, an denen es gegenüber dem bisherigen Usus schon fast zu reich ist, pflegen bei den Pferdekennern meist nur einen Achtungserfolg, aber kein Entgegenkommen zu finden ! Darauf Rück- sicht nehmend, werde ich ähnlich der beiden Kapitel Z seh okkes daher hier in zwei getrennten Abschnitten besprechen : a) das Verhältnis von Muskeln, Sehnen, Bändern mit den Knochen und sodann b) den Bau- plan des Rumpfes und der Gliedmaßen des Pferdes. a) Das Verhältnis der Muskeln, Sehnen und Bänder zu den Knochen. Der Zusammenhang des Baues der Organe mit der von ihnen ge- leisteten Arbeit wurde in alten Zeiten erkannt. Hatte schon Borelli 1685 erwähnt, daß ein Muskel eine Last um so höher heben könne, je länger er selbst sei, so zeigte doch erst E. Fr. Weber, daß die Ver- kürzungsmöglichkeit aller eingelenkigen Muskeln des Skelettes die gleiche, nämlich ungefähr 50 7o der größten Länge, sei. Pick kam hierauf zur Überzeugung, daß diese Regel nicht im Bildungsplane, sondern in der Ernährung des betreffenden Muskels begründet sei, die ihrerseits durch die Funktion reguliert werde. Henke schloß weiter auf Übung als Ursache der Verlängerung der Muskeln, aber erst W. Roux gelang es, diese Tatsachen zu beweisen, und er schuf die Bezeichnung Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 27 „Funktionelle Anpassung" als die „Anpassung der Organismen an Funk- tionen infolge der Ausübung derselben". Strasser bewies auch die Selbstregulation der Sehnenlängen und Entstehung neuer Fiederung durch Anpassung; Wolff und Köster zeigten die Anpassung der Knochengestalt an die veränderte Funktion. In neuerer Zeit wurde dieselbe namentlich durch E-oux und seine Schüler und unabhängig davon und ohne Kenntnis jener ersten Arbeiten durch Anthony und mich experimentell bewiesen (Anthony 1902 und 1903, Duerst 1903). Doch erst die auf E,oux' Anregung und unter seiner Leitung her- gestellte Arbeit von Fuld (1901) ließ ganz augenfällig und unwider- legbar erkennen, daß eine Änderung desLokomotionstypus stets eine Veränderung der Muskel- und der Knochendimensionen des Körpers zur Folge haben muß. Auf Grund dieser und anderer Untersuchungen (Julitz 1909) läßt sich erkennen, daß von außen auf den Bewegungsapparat wie auch auf andere bemuskelte Körperteile einwirkende Reize zunächst von den Muskeln empfunden werden, die sich als erste diesen neuen ihnen zugemuteten Funktionen anpassen und selbst dabei ihre Form, mitunter noch ihre Ansatzstellen verändern (Alb recht 1875). Sie vermögen auch, wie Anthony mehrfach überzeugend nachgewiesen hat, durch gegenseitige Kompression Sehnen da zu erzeugen, wo vorher Muskeln waren, und so eine vollständige Umgestaltung des Tierkörpers zu be- dingen. Icli betone dies besonders deshalb, weil die öfters beobachtete Umwandlung der äußeren Pferdeform vom Fohlen bis zum fertig zu- gerittenen Pferde, eventuell bei Dressur in „hoher Schule" eine ganz überraschende Veränderung der äußeren Körperformen, des Schnittes, bedingt, von denen aber die meisten auf äußerlich wahrnehmbarem Zu- oder Abnehmen von Muskelquerschnitten zu beruhen pflegen, die nur erhalten bleiben, solange die entsprechende Bewegung fortdauert und durch geeignete Gliederfunktion gefördert werden können. Die Knochen hingegen werden beim Pferde durch die geforderte Bewegungsart und das Körpergewicht während des Einzellebens nur wenig beeinflußt, wenn auch die Arbeit von Fuld den unumstößlichen Beweis gibt, daß die Längendimensionen der Eöhrenknochen durch die veränderte Bewegung und Belastung sofort beeinflußt werden gleichzeitig mit der entsprechenden Umgestaltung der Muskelformen. Daß diese Faktoren auch bei den Plattenknochen des Schädels wirksam sind, haben Anthony (1903) und ich (1903) experimentell gezeig"t. Da aber beim normalen Pferde so große Abweichungen in den Ver- änderungen der Muskeltätigkeit wie die erwähnten extremen Fälle nicht 28 l^ie Natur und ihre Einwirkung. vorkommen, ist die vorhandene Variation bisher wenig oder gar nicht beachtet worden. Auch die innere Struktur der Knochen ordnet sich, wie Meyer schrieb, in gleicher Weise je nach der genauen Wirkung des funktionellen Reizes an, der hier die Formen annimmt, den uns die graphische Statik vorführt. Indem sich in einer Masse die RichtungsHnien der Kraft je nach dem Angriffs- punkte derselben nicht im ganzen Querschnitt gleichmäßig fortpflanzen, sondern sich durch sog. Trajektorien oder Kurven andeuten lassen, die den Hauptwegen der Kraft entsprechen, so werden die knochenbildenden Zellen (Osteoblasten), die in diesen Hauptlinien mechanischen Reizes liegen, besonders getroffen und am ehesten zu einem Widerstände, einer Reizbildung in Form vermehrter Knochensubstanz geneigt. Dann treten aber zur Vermeidung einer unnötigen Materialverschwendung in den Knochen Resorptionen in den zwischen diesen fixierten Kraftkurven ein, die durch Osteoklasten vermittelt werden. Die Equidistanz der Kurven, resp. die Größe dieser spongiösen Lücken, wird sich stets nach der Dicke resp. Festigkeit der angelegten Knochen- sjjange richten. Zschokke hat diese Zug- und Drucktrajektorien und das System der Knochen- bälkcheu und Lamellen in den Pferdeknochen aufs trefflichste beschrieben und durch reichen Bildschmuck erläutert. Bei Unterbrechungen dieser Bildungen der inneren Knochenarchitektur z. B. durch Bruch oder bloß durch anderweitig bedingte Osteoklasten- wirkung entsteht kompensatorisch eine Fortsetzung der vorhandenen Trajektorien, nachdem z. B. bei Frakturen in Ruhe erst eine der Ruhebelastung entsprechende Heil- bildung produziert wird, die sich dann mit Beginn der Bewegung sekundär durch Resorptionen und Apposition wieder in die alte Innenarchitektur umwandelt, welche den verschiedenartigen äußeren Einwirkungen entspricht. Dies wurde seinerzeit durch Leboucq (1875) recht gut bewiesen und seither noch dui-ch viele andere Autoren. Anders verhält es sich innerhalb der nicht spongiös ausgebildeten Teile der Knochen, z. B. der Diaphysen der Röhrenknochen. Hierüber verdanken wir Raub er (1876) und neuerdings namentlich Gebhardt (1910) wertvolle Aufklärungen, da Zschokke sich über diese Fragen ausschweigt. Gebhardt findet, daß bei einer trajektorischen Fach- werkkonstruktion der Röhrenknochen besonders bei Pferd und Rind infolge der hauptsächlichen Beanspruchung der Knochenmitten auf Torsion, Scherung und Biegung sowie Strebfestigkeit immer ein sog, „gefährlicher Querschnitt" der Festigkeitslehre gegeben sein wird. Die Gefahr ist natürlich um so größer, je schlanker, also je schmäler und länger der betreffende Knochen ist. Daher muß hier die Natur das System der spongiösen Anlagen verlassen und zu dem als „Körper gleicher Festigkeit" bekannten Solidbau greifen und zu Modellen ge- langen, die wir in unserer menschlichen Technik gleichfalls als Träger verwenden. Die nebenstehenden Bilder (Fig. 1 u. 2) zeigen die zwei hauptsächlich benutzten Formen : Die Röhre mit der einigermaßen auf der ganzen Länge gleichdicken Wandung und die mit der seitlich konkaven Begrenzung Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 29 lind entsprechender Wand Verstärkung gegen die Mitte zu. Diese letztere Konstruktion entstellt hauptsächlich bei den zur Verminderung der Sehnen- Fig. 1. Längsschnitte durch ein zylindrisches Rohr und eine konkavwandige Tragsäule annähernd gleicher Festigkeit. Spannung notwendigen breiten Gelenken. Sie findet sich daher, wie Henseler (1912) schon richtig beobachtete, häufiger bei Schritt- als bei Fig. 2. Längsschnitte durch zwei Rohrbeine von Pferden, bei denen die vorstehenden Modelle infolge Anpassung an die natürlichen Bedingungen des Lebens und der einwirkenden Kräfte verwirklicht sind. Schnellpferden. Bei dieser Konstruktion wird aber das Lumen der Röhre sehr klein, also die Wandstärke relativ hoch, und namentlich die Mitte des Knochens durch verstärkte Wandungen befestigt. So sind also die 30 Diß Natur und ihre Einwirkung. einwirkenden seitlichen Drehungs-, Biegungs- und Abscherungskräfte als Reiz für die Entstehung des hier einsetzenden Solidbaues zu betrachten. Pferde mit äußerst harten, trockenen Sehnen vermögen auch mit relativ schmalen Gelenken auszukommen, besonders dann, wenn der Boden nicht allzuhart ist und so durch ständige Erschütterung Sehnen und Gelenke mehr beansprucht. So sah ich bis heute die genaueste Konstruktion parallelwandiger Röhren bei den Metatarsen des Wüsten- pferdes aus der I b und IL Kulturschicht des Tumulus von Anau im zentralen Turkestan, die ich auf Tafel 77 Nr. 3 u. 4 meines Werkes abbildete (1909). Hier ist aber typischer Solidbau mit ganz winzigem Lumen, also sehr dicken Wandungen. Trotz der durch die einwirkenden Spannungs- und kinetischen Kräfte bedingten Wandverstärkung in der Mitte nennt daher Henseler sehr richtig die Schrittpferde „hohlknochig" im Vergleich zu den fast „solidknochigen" Schnellpferden. Die Konstruktion der Röhrenbeine richtet sich im Querschnitt des Solidkcirpers der Wandungen und der Spongiosa durchaus nach der Be- lastung und gilt hier die einfache Formel der Festigkeitslehre P wobei P = Belastung in kg, F = Querschnitt der Röhrenwandungen in qcm und o = Spannung in kg/qcm ist. Aus dieser Formel ersieht man sofort, daß es darin eigentlich nur auf F ankommt, um o in den passenden Grenzen zu halten. Daher kann man sagen : Je dicker die Wandungen der Röhrenknochen sind, desto größer darf die Belastung derselben sein. Auf die Breite der ganzen Röhre mitsamt dem Lumen kommt es also gar nicht an, dieselbe läßt nur einen Schluß auf die Breite der Gelenke zu, da die Konkavität der Wandungen doch nicht ad libitum ausgedehnt werden kann, und die parallelwandigere Konstruktion sicherlich die günstigeren Verhältnisse für rasche Bewegung schafft. Die von den Ge- lenksenden eintretenden spongiosen Knochenlamellensysteme ergänzen natürlich die Wandungen und müssen eben bei den konkaveren Formen P auch an den Enden des Knochens der Formel ö = ^^ entsprechen, weshalb sie bis zu dem angeschwollenen Teil der Wandungen zu gehen pflegen, während bei den parallelwandigen die Verteilung von der Stellung des Tieres und ungleichen Beanspruchung der einzelnen Wandteile be- einflußt wird. Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Natur in Knochen, wie auch in Bändern normalerweise viel größere Belastungen und Spannungs- widerstände anzulegen pflegt, als diejenigen sind, durch deren gewohnte Wirkung sie entstehen. Wenn wir auch unweigerlich erkennen, daß es Die Umwelt und ihr Einfluli auf [iidividuum, Familie und Rasse. 31 die durch die Beanspruchung bedingten Kräftespannungen im Knochen selbst sind, die lokal regulatorisch die Appositions- und Resorptions- vorgänge beeinflussen un d daher ein gesunder, normalgebauter Knochen für die bisher von ihm verlangte Leistung nie- mals zu schwach sein kann. Ein ergänzender Beweis hiefür läßt sich in der Tatsache beibringen, daß bei Tieren, die ihre Röhrenknochen abnorm benutzen, auf welche von allen Seiten her Kräfte einwirken, sich die Markhöhle mehr und mehr reduziert und durch feste Knochenmasse ausgefüllt wird, wie bei den meisten Grabtieren (Humerus) und bei dem an den Armen hängenden Faultier. Damit geht aber immer eine Verkürzung dieser Knochen Hand in Hand, die wir später noch erwähnen werden. Über die Druckfestigkeit der Röhrenknochen hat Raub er Unter- suchungen angestellt und findet z. B., daß die Diaphyse des menschlichen Oberschenkels 7787 kg zu tragen vermöge (Strebfestigkeit: S. 6G) und durch Anhängen von 5607 kg zerrissen wurde (Zugfestigkeit). Messerer (1881) fand, daß der ganze Oberschenkel 700 kg zu tragen imstande sei. Beim Pferde machte Kraemer (1905 — 13) vortreffliche Beobachtungen über die Druckfestigkeit der Pferdemetakarpen, und fand dieselbe zwischen 8800 — 4100 kg variierend, ohne Gesetzmäßigkeit für die einzelnen Rassen und Typen. Diese hohen Zahlen drücken aber nur die Festigkeit gegen ruhende Belastung, also gegen Spannkraft aus, doch werden die Knochen des Pferdes zumeist zum Widerstand gegen „lebendige Kraft" beim Laufen, Springen, Ausgleiten und Fehltritten in Löcher angestrengt und wäre es, wie R o u x richtig betont, wohl viel zweckmäßiger, statt Spann- kraftermittlungen jeweils die Widerstände gegen die „lebendige Kraft" festzustellen, da deren Kraftmaß durch die hohe Geschwindigkeit enorm hoch sein könne. Denn, wie Roux trivial bemerkt, kann man einen Menschenschädel, der, ohne zu brechen, nach Raub er 650 kg Druck erträgt, mittelst eines bloß 1 kg schweren Spazierstockes bei genügendem Schwünge zerschmettern. Könnte man so die maximalen Widerstände gegen die kinetische Energie ermitteln, so bekäme man ein weit klareres Bild von der wahren Überkompensationsgröße der Knochenanlagen. Neuere Untersuchungen von Giese (1908) und Grommelt (1912) zeigen in vorzüglicher Weise den Verlauf der statischen Plättchen in der Spongiosa von Fessel und Kronbein und zugleich auch die obige Formel bestätigende Tatsache, daß durch seitliche Mehrbelastung, z. B. bodenweite und bodenenge Stellung, die Druckaufnahmeplatte des be- treffenden Kompaktawandteiles stärker und dicker wird, eine Beobachtung, die schon aus den Kraem ersehen (1913 S. 227) Bildern von Röhren- bein-Röntgenaufnahmen abgeleitet werden konnte, wo augenscheinlich 32 ^ic Natur und ihre Einwirkung. zahlreiche Pferde mit unkorrektem Gang dabei waren, die man an den bald stärkeren Innen- oder stärkeren viiißenwandungen der Röhren er- kennen kann. Jedenfalls sind gerade hierin wieder die besten Beweise dafür zu finden, daß die funktionelle Anpassung der Extremitätenknochen sich nach den höchsten empfangenen Druckspannungen oder kinetischen Kräften richtet, und es für die züchterische Selektion wertvoller wäre, den Sehnen mehr Beurteilung zu schenken, als sich summarisch und etwas zu formalistisch auf Knochenstärken festzulegen. Die Kraft- produzenten im Organismus, die Muskeln, leiten aber zum größten Teil ihre Kräfte durch die Sehnen weiter, oder es sind die Sehnen sogar imstande, ohne Muskelkraftaufspeicherung an ihren Enden, bloß durch ihre eigene Elastizität zu wirken. Dam man (1908) hat in einer sehr tüchtigen Arbeit festgestellt, daß die Sehnen, die der stärksten Zug- wirkung ausgesetzt sind, das reinste, spezifische Sehnengewebe aufweisen, während solche, die einen relativ geringeren Zug auszuhalten haben, noch von formlosem Bindegewebe durchsetzt sind. Es stimmt diese Beob- achtung völlig mit den erwähnten Anthonys und Franics überein, und erweist sich auch hier, daß sich die Sehnen wiederum nach dem höchsten Maß ihrer Beanspruchung richten. Durch Franic ließ ich die Elastizität und die absolute Festigkeit zweier der wichtigsten Sehnen des Pferdekörpers bestimmen, des Fesselträgers (tendo interosseus), und des Unterstützungsbandes des Hufbeinbeugers. Während alle anderen Sehnen als Transmissionen wirken, können wir unterscheiden : a) den Federapparat des Fesselgelenkes, der den eigentlichen Fesselträger (Tendo interosseus medius) und die beiden unteren Gleich- beinbänder (Ligg. sesamoidea) umfaßt. Hier ist der Interosseus die Sehne, die den meisten Zug auszuhalten hat. Er ist ein langer, starker Sehnenstrang mit intensivem Perlmutterglanz, reichlichen Mengen elastischer Fasern, sowie einigen wenigen Muskelbündeln. b) den Federapparat des Hufgelenkes, der aus der vereinigten Hufbeinbeugesehne und dem Unterstützungsbande besteht. Diese Sehnen sind ohne Perlmutterglanz und aus gröberen, dichteren Fibrillen zusammen- gesetzt, mit spärlichen Mengen elastischer Fasern. Auf meine Anregung wurde von Franic die Elastizität mittelst eines eigens konstruierten Dehnungsmessers gemessen, wobei 2 Nadeln an 2 Punkten der Sehne in ihrer Längsrichtung in die Sehne gesteckt wurden und dann bei der Dehnung der Sehne einen Zeiger auf einem Zilferblatte zum Ausschlag brachten. Die Elastizität wurde nun nach dem Elastizitätsmodus bestimmt, der nach der Formel E = oder E = — ^-^ ks:/qcm berechnet wird, wobei TT . q g • X ' 1 := Länge des untersuchten Sehnenstückes g = Gewicht in Grammen ;/ = spezifisches Gewicht der Sehne Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 33 q = mittlerer Querschnitt des untersuchten Sehnenstückes q = g 7 • 1 Nach Dammans Versuchen = 1,120 für Interosseus und 1,118 „ Unterstützungsband P = Belastung der Sehne in kg p = Belastung der Sehne pro qcm / = Dehnung des untersuchten Sehnenstückes (t = Dehnung in 1 cm Länge in cm ausgedrückt E = Elastizitätsmodul. Der Mittelwert des Elastizitätsmoduls bei 450 kg spez. Belastung war 700 kg/qcm. Vergleichsweise verhielt er sich zu anderen Substanzen wie Blei 1 : 6,6 Holz 1 : 0,165 Hanfstricke . . 1 : 0,99 Die Sehnen sind somit elastischer als Leder und etwa gleich elastisch wie Hanfstricke. Als mittlerer Fehler ergab sich etwa 7 7o- Es wurde sodann bei diesen Sehnen die absolute Festigkeit oder P Federstahl . . . 1 280 Gußeisen . 1 120 Kupfer . . . 1 145 Zinn . . . . 1 58 Zugfestigkeit nach der Formel G bestimmt, wobei p die Bruchlast in kg und g der Größe des Querschnittes der Sehne an der Bruchstelle ist und für einen qcm ausgedrückt wird. Die von Franic gefundenen Zahlen sind folg-ende : Rasse, Alter und Gewicht Bezeichnung der Versachssehnen Mittlerer Querschnitt in qcm Bruchlast in ko- Bruch- festigkeit kg/qcm Irländer 10 Jahre 464 kg Irländer 12 .lahre 459 kg Irländer 13 Jahre 519 kg Irländer 8 Jahre 504 kg Hannoveraner 10 Jahre 494 kg Hannoveraner 11 Jahre 393 kg Unterstützungsband Fesselträger Unterstützungsband Fesselträger Unterstützungsband Fesselträger Unterstützungsband Fessel träger Unterstützungsband Fesselträger Unterstützungsltand Fesselträger 0,85 1,40 0,80 1,26 1,00 1,50 1,00 1,53 0,88 1,48 0,72 1,20 640 1214 609 1106 713 1302 780 1480 665 1363 ,580 1180 747 867 761 949 713 870 780 968 755 920 805 983 Duerst, Die Beurteilung des Pferdes. 34 Die Natur und ihre Einwirkunßf. Rasse, Alter und Gewicht JJczeiuhuuiig der Versuchssohnen Mittlerer Querschnitt in qcm Bruchlast in kg Bruch- festigkeit kg/qcm Frciberger 10 Jahre 60Ü kg Freiberger 10 Jahre 536 kg Freiberger 14 Jahre 418 kg Unterstützungsband Fesselträger Uuterstützungsband Fesselträger Unterstützungsljand Fesselträger 1,02 1,60 1 0,95 1,42 [ 0,89 1,25 700 1350 690 1200 640 1096 686 844 726 845 719 877 Die Bruchfestigkeit der von Franic gemessenen Sehnen schwankt demnach beim Unterstützungspunkt zwischen 686 bis 805 kg pro Quadrat- zentimeter, beträgt im Mittel 745 kg/qcm. Beim Interosseus schwankt sie zwischen 844 und 983 kg/qcm und beträgt im Mittel 903 kg/qcm. Die Festigkeit des Interosseus ist ausgesprochen größer als die des Unterstützungsbandes des Hufbeinbeugers. Man kann weiter aus der Tabelle entnehmen, daß bei Pferden mit starkem Interosseus auch die anderen Sehnen stark sind in bezug auf Bruchfestigkeit und umgekehrt. Das schwächste Unterstützungsband (686 kg/qcm) kommt neben einem der schwächsten Fesselträger (844 kg/qcm) und der stärkste Fesselträger (983 kg/qcm) neben einem der stärksten Unterstützungsbänder (805 kg/qcm) vor. Im Vergleich mit anderen Körpern verhält sich die Bruchfestigkeit der untersuchten Sehnen, z. B. des Interosseus zu: Bleidraht wie 903 : 107 = 5,3 : 1, Zink wie 903 : 350 = 2,58 : 1, Aluminium wie 903 : 950 = 0,95 : 1, d. h. es ist die Sehne 5,3 mal fester als Bleidraht usw. Im Vergleich zu Lederriemen ist sie mehr als 2 mal so fest. ß) Der Bauplan des Eumpfes und der Gliedmaßen des Pferdes. Meyer (1873) bezeichnet das Knochengerüst der Quadrupeden als ein vollständiges Gewölbe, die Wirbelsäule als Gewölbebogen, die Ex- tremitäten als Gewölbesäulen. Lucae (1881) nennt es im Gegensatz dazu eine Art von Eisen- brücke, die zwischen den vier Pfeilern der Vorder- und Hinterextremi- täten gespannt sei. Die Umwelt uud ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 35 Nach seiner Auffassung wird der Rumpf schwebend erhalten durch die Muskel- vcrschnürung-en, welche die Wirbelbrücke feststellen, die eine Art von Eisenbahnzug sei, indem der einzelne Wagen mit seinen elastischen Puffern durch diese Muskelkraft gegeneinander gedrückt werde, aber dennoch eine Reihe von Bewegungen bei der Lokomotion ermögliche. Nach unten werde dann diese Eisenbrücke durch die Nacken-, Bauch-, Rumpf-, Schulter- und Kruppenmuskulatur in der Richtung der resultierenden Kräfte des Kräfteparallelogrammes versi^annt. Zschokke (1892) faßt die Konstruktion wieder anders auf. Für ihn handelt es sich zwar, wie für Lucae, nm eine Gitterbrücke, aber deren Fixation geschieht nach seiner Ansicht sowohl durch die Dorn- fortsätze der Brustwirbel als auch durch die die Wirbel verbindenden Bänder (Ligg. interspinalia und supraspinalia) und sodann durch die Tragefunktion der Rippen. Die Rolle der Dornfortsätze und der Rippen erkannt zu haben, bleibt stets ein hohes Verdienst Zschokke s, denn wenn auch bei manchen Tieren die Rippen mehr als Schutz der Brustorgane und im kaudalen Teil als „Blasebalg" aufzufassen sind, so ist doch durch die Tatsache der Aufhängung des Brustkorbes an seinen Seiten und am G-runde (Sternum) zwischen den beiden Vorderbeinen seine Wirkung als Mitträger des Rumpfes festgestellt, obgleich seine andern Funktionen infolge von Kompensationen nicht darunter zu leiden brauchen. Strasser (1917) betrachtet den Rumpf als einen länglichen Ballon halbstarren Systems, in dem oben als gegliederte, druckfeste, mehr oder weniger aufwärts gebogene Kette (Druckbaum) die Wirbelsäule liegt, Avährend die ventrale Rumpfseite als eine hängende Kette oder Längs- gurte erscheint mit starren und weichen Abschnitten. Betrachten wir vom mechanischen Gesichtspunkte die einzelnen Teile des Rumpfes: I.Kopf- und Halshebel. Mechanisch wirkt der Kopf unbedingt bloß als Last (Gewicht) an einem einarmigen Hebel, der am einen Ende der Wirbelbrücke befestigt ist und dessen Zweck mindestens in drei Momenten liegt: 1. Durch Anhängung der gesamten Last bei längstem Hebelarm (horizontalem Hals) und gestrecktem Kopf, dem größten Kraftmoment, vermag er die aus gewissen kompensatorischen Gründen nötige Beweglichkeit der Wirbelbrücke einzuschränken und diese in einen Druckbaum umzuwandeln, den die Hinterhand vorstößt und die Vorder- glieder in einer dem Boden parallelen Richtung zu erhalten suchen. (Gerader Rücken.) 2. Dui'ch geringste Hebelbelastung, vertikale Unterstützung der Kopflast, möglichste Verkürzung des mathematischen Hebelarmes, wird die Wirbelbrücke in den einzelnen Gliedern beweglicher und vermag seitliche Bewegungen wie Senkungen in der Sagittal- ebene des Rumpfes auszuführen (Senkrücken). 3. Durch Hebelverkürzung mittelst Senkung des Halses und Kopfes zu Boden, wodurch die Wirbelbrücke eine geringere Feststellung mit der Tendenz zur Auf- krümmung in der Sagittalebene erhält. (Karpfenrücken.) 3G Die Natur und ihre Einwirkung. Das resultierende Kraftnioment an der Wirbelbrücke setzt sich daher wie immer aus dem Produkte des Ko])f- und Halsgewichtes mit der Länge des Halshebelarmes zusammen. Von der Kopf-Hals-Last ist zu sagen, daß Größe und Schwere des- Kopfes Eigenschaften von Konstitutionstypen und bis zu einem gewissen Grade auch Rasseneigenschaften sind. Tiere des Typus respiratorius werden gewöhnlich den kürzeren trockenen Kopf, der infolge geringer Kaumuskulatur auch leichter ist, aufweisen, als den massiver bemuskelten mit dicker Haut bekleideten Kopf der Pferde vom Typus digestivus. Die Länge des Hebelarmes wird unbedingt in negativer Korrelation mit der angehängten Last sein. Wir erkennen aus ein^r vergleichend- anatomischen Betrachtung der gesamten Tierwelt ohne weiteres: 1. Die Länge des Halses steht in umgekehrtem Verhältnis zur Schwere des Kopfes, 2. Die Länge des Halses steht in geradem Verhältnis zur Länge der Beine, 3. Die Beweglichkeit des Halses steht in geradem Verhältnis zur Starrheit des Rumpfes. Die Belastung des Halshebels wird nun aber nicht allein durch die Knochen, sondern auch durch die Muskeln bedingt. Überall, wo bei Tieren die Halsmuskulatur durch Tragen schwerer Lasten im oder auf dem Kopfe oder durch Stoßen mit demselben infolge funktioneller An- passung verstärkt wird, pflegt sich der Hals in sich selbst zusammen- zukrümmen, event. sogar zu reduzieren und zu verfestigen. (Typisches Beispiel: Reduktion und Verwachsung der Halswirbel beim Walfisch.) Aber schon die Verstärkung der Halsmuskulatur durch Anpassung macht den Kopf und Hals weniger leicht beweglich. Nur lange Muskeln werden große Verkürzungsmögiichkeiten haben und größte Halsbeweglichkeit zulassen. Es ist beim Pferde interessant, die durch die Verschiedenartigkeit der Leistungen bedingten Kompensationen zwischen den ei'wähnten Faktoren kennen zu lernen. Wir können sagen, daß bei allen Ungulaten, speziell bei den Equiden, vom statischen Ge- sichtspunkt aus die möglichst vertikale Stellung des Halses die günstigste, weil am wenigsten Kraft beanspruchende ist, indem das relativ sehr elastische Nackenband dennoch in dieser Stellung den Kopf allein oder nur mit geringer Muskelunterstützung tragen kann. Wenn nun diese Haltung des Halses nicht immer gewählt wird, so beruht das darauf, daß einerseits der Rücken sich einsenkt und dadurch auf die Dauer die verlustlose Kraftübertragung der Hinterhand leidet, und infolge der fast horizontalen Kopfstellung anderseits der Blick des Pferdes mehr in die Weite gerichtet ist und die nächstliegenden Gregenstände nicht wahrzunehmen vermag. Trotzdem kommt diese Halshaltung (Hirschhals) bei AVüsten- und Steppenpferden im Orient fast überwiegend vor, gewöhnlich aber nur bei Individuen, die einen besonders starken normalen Rücken haben oder einen solchen, der eine Längenreduktion infolge funktioneller Anpassung- durch Wegfall des 6. Lendenwirbels aufweist, was Sanson (1868) als Charakteristikum Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 37 ■der Berberpferde (Eg. cab. africanus) beschrieb, was Osborn (1907) aber auch bei einem echten „Kismef'-Araber signaliert und Cornevin (1886) bei englischen Renn- pferden. Wird in dieser Halsstellung durch künstliche Mittel (Beizäumung") der Kojif aus rößi're Kraftliebol, die durcli die ^deiclizeitifi; mäelitif>;er werdenden Li^g-, interspinalia auf die Feststellung der j^anzen AV^irbelbrücke den im vorigen i^bsehnitt erwähnten Einfluß gewinnen. Morita (1912) liat unter Eoux' Leitung sehr gut experimentell gezeigt, daß nur die Muskeln und nicht die Ligg. interspinalia den aus- schlaggebenden Einfluß auf die Grüße der Dornfortsätze ausüben. Der Aus- schlag, den die Dornfortsätze hiebei machen können, wurde durch Wenger nach Zschokkes Versuchen auf 11 — 31 Grad theoretisch ermittelt. Ich selbst habe nach langem Eenngalopptraining bei Jährlingen eine Auf- Ficr. 4. Schema der Korrelationserscheinungen mit iler horizontalen Aufhängung des Rumpfes zwischen den Vorderbeinen. richtung der Dornfortsätze (Ausbildung des Widerristes) um 18 — 24 Grad praktisch beobachtet. Diese Ausschläge kommen zustande infolge der Tendenz jeder Kraft, sich möglichst vertikal gegen ihren Hebelarm zu stellen; je mehr also der Halszug horizontal, event. auch schon schräg auf- oder abwärts geht, desto steiler werden sich die Dornen stellen. Richtig erwähnt dann Wenger, daß das Zugpferd annähernd gleich hohe Dornfortsätze habe wie das Reitpferd, die hier aber unter dem massiger entwickelten Halse nicht so zur Geltung kämen , wozu ich hinzufügen möchte, daß gewöhnlich noch zwei andere Faktoren wirken : Zunächst die verschiedene Höhe der Aufhängung des Thorax in der Serratusmuskulatur zwischen den Schulterblättern, Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 41 die, wie wir später bei Besprechung der Winkelstellungen der Glieder hören werden, abhängt von der Höhe der Kruppe, Beckenschräge und Steil- heit des Oberschenkels, überhaupt der Winkelung der Hinterhand, welche die Richtung der Yorstoßtrajektorie der Nachhand bedingt (Fig. 3, 4 u. 5). Bei den Schrittpferden finden wir nun die Tendenz, den Vorstoß möglichst horizontal, sogar eher etwas abwärts zu richten, weshalb hier die Wirbel- säule als Druckbauni meist tiefer zwischen den Schulterblättern auf- gehängt ist. Daher kommen die Dornfortsätze tatsächlich weniger über die Schulterblattknorpel herauf, obwohl sie an sich lang sind. Zudem Fio-. 5. Schema der Korrelationserscheinungen der hohen Aufhängung des Rumpfes zwischen den Vorderbeinen. sind sie auch wegen der meist steileren Halshaltung und infolgedessen schwereren Muskelmassen gewöhnlich etwas schräger gestellt. Wegen dieser mächtigeren Muskelmasse bleiben dann die dadurch berührten Dornfortsätze etwas kürzer und breiter, wie Analogieschlüsse bei den mächtigen Dorn- fortsätzen unserer prähistorischen und rezenten Wild- und Hausrinder gleichfalls be- weisen, die Pettit (1909) noch in ihren bindegewebesträngigen Rudimenten in dem Buckel der heutigen Zebus nachwies, während ich gleichzeitig mit Pettit an dem- selben Material präformierte Bifurkation der oberen Enden der Dornfortsätze zum Tragen der Buckellast nachweisen konnte. Auch über die Dornfortsätze der Lendenwirbel, deren verschiedenartige Richtung infolge Überwiegens des Zuges der Kruppen und Rückenmuskeln bedingt w-ird, hat Wenger interessante, wenn auch nicht immer richtig gedeutete Angaben gemacht. 42 I^iö Natur uad ihre Einwirkung. An den Brustwirbeln überwiegt bis zum diai)hragmatischeii Wirbel, d. h. dem- jenigen, auf dessen Hiilie das Brustfell im Innern der Leibeshöhle angesetzt ist, der Zug der Vertikalstreben der Ligg. interspinalia als Widerstand gegen den Halshebel- zug, daher sind alle Dornfortsätze schief rückwärts gerichtet. Beim diaphragmatischen ^^'irbel steht der Dornfortsatz senkrecht und von da an sind sie leicht vorwärts ge- richtet, weil der Zug des Lig. supraspinale und der Ligg. intersjjinalia nach vorne über- wiegt, wie deshalb auch die Lendendornfortsätze kranialwärts zugespitzt, kandalwärts abgerundet sind. Diese Kräftewirkungen an der Wirbelbrücke kommen an erster Stelle durch die Halshaltung zustande. Summarisch können wir folgende drei Formen unterscheiden : 1. Hochgetragener Hals bedingt je nach der Eückenkraft und Länge und Höhe der Kruppe Senkrücken. Schon S u n d e v a 1 besehreibt dies, und ich selbst habe es bei Fohlen, die aus hohen Krippen fraßen und keinen Auslauf hatten, genau beobachtet. Je höher die Kruppe steht, desto leichter bildet sich Senkrücken. Die Wirkung auf die Wirbelsäule und die einzelnen Wirbel, Muskeln und Bänder ist aus nebenstehender schematischer Zeichnung selbst ableitbar. 2. Gerade resp. leicht schräge Halshebelhaltung erzeugt einen ge- raden Rücken. 3. Tiefe Halshaltung, ständiges Weiden, erzeugt gerne Karpfen- rücken, sofern nicht die Muskeln genügenden Widerstand leisten. Dies ergibt sich auch aus den Analogien mit den Einflüssen auf den Einder- körper, die ich durch Behm (1909) publizieren ließ, worauf ich verweise. In zweiter Hinsicht kommen neue Kräfte Wirkungen durch den Ein- fluß der Muskelverschnürungen und der Vorwärtsbewegung des Körpers zustande. Was die Muskelwirkung angeht, so hat Lucae erstmals darauf hingewiesen , und in der Tat haben wir folgende Verschnürung der Wirbelbrücke zu beachten : Die langen Rückenmuskeln, die die ganze Wirbelbrücke überdecken und sich auf den Nacken fortsetzen, sind als obere Bindung zu betrachten. Sie haben vor allem die Aufgabe, ein Aus- weichen der Wirbelsäule nach oben zu verhindern und werden daher in der nicht durch Rippen unterstützten Lendenregion am breitesten und stärksten. Neben dieser Hauptaufgabe fällt ihnen die weitere Aufgabe zu, nach Ausschaltung des Halshebels oder von diesem unterstützt durch Aufwärts- schlagen von Kopf und Hals, wodurch dem Schwerpunkt ein Aufwärts- schwung gegeben wird, den Rumpf auf den Hinterbeinen aufzurichten (Steigen) oder umgekehrt unter gleichsinniger Unterstützung durch den abwärtsgeführten Halshebel, zur möglichsten Vorverlegung des Schwer- punktes, die Hinterbeine unbelastet und zum Ausschlagen frei zu be- kommen. Zur Übertragung der lebendigen Kraft der Hinterhand auf die Vor- hand dient diese Muskelgruppe nicht oder nur vikariierend zu Kompen- Die Umwelt und ihr Einßuß auf Individuum, Familie und Rasse. 43 sationszwecken. Der feste Druckbaum der Wirbelsäule übernimmt jenen Dienst. Die Querverspannung oder Verschnürung in diagonaler Richtung wird beim Pferd nur von hinten nach vorne durch Muskeln durchgeführt. Es ist hier von den Bauchmuskeln namentlich der M. rectus, der das Brustbein gegen das Becken hinzieht. Dieser Zug wird aber durch den Winkelhebel, den das Brustbein mit den wahren E-ippen bildet, auf die Wirbelbrücke übertragen und hier gleichsinnig wie der Zug des Hals- hebels wirken. Die andere Verspannung geschieht durch Eumpfmuskeln und nament- lich durch den M. latissimus dorsi, der schon durch seine diagonale Richtung dafür gekennzeichnet ist und durch die Rückenlendenbinde (fascia lumbo-dorsalis), die Wirbelbrücke und deren obere Verschnürung noch mit der vorderen Unterstützungssäule im Armbein verbindet. Die Querverspannung vom Widerrist zum Knie fehlt beim Pferd, da das Brustbein und die wahren Rippen mit der Wirbelsäule so fest verbunden sind, daß eine unterstützende Verbindung wegfallen kann. Je nach der Aufhängung zwischen den Schultern verhält sich auch das Brustbein verschieden, indem das kaudale Ende (Xiphoidion) weiter kaudalwärts bei Schnellpferden oder weiter kranialwärts bei tiefem (hohem) Brustkorb gelegen ist. Müller (1909) hat dies erstmals richtig beobachtet (Fig. 3, 4 u, 5). Lucae betont dann noch ausdrücklich, daß die Querverspannung es erlaubt, bei gewissen Tieren (Katze) im Liegen die Wirbelsäule eben- falls aufwärts zu biegen. 3. Die Organe der Ortsbewegung des Pferdes. Sämtliche Betrachtungen über die mechanischen Vorgänge bei der Ortsbewegung des Pferdes müssen auf der Grundlage aufgebaut sein^ daß die ganze Fortbewegung des Pferdes nur durch seine Hinterglieder erfolgt und zwar hauptsächlich durch die Öffnung und Schließung des Hinterknie winkeis . Lucae machte, wie ich erwähnte, wohl darauf aufmerksam, daß die mechanische Konstruktion vieler Tiere aus zwei gegeneinander ge- richteten Kniewinkeln bestände (Fig. 6) ; aber beim Pferd ist, wie wir sehen werden, der vordere Kniewinkel durch die Streckung im Hand- gelenk (Karpus) nur beschränkt funktionsfähig geworden. Dafür ist das Hinterknie zu einer Maschine geworden, die in gleicher Weise vom Menschen nachgebildet und zum Heben von Lasten verwendet worden ist. Bieler (1900) machte zuerst darauf aufmerksam, daß in der Physik eine Ma- schine bekannt sei, die zum Heben von Lasten dient und Knie genannt wird. Die- 44 Die Natur und ihre Einwirkung. selbe besteht aus zwei nnji-leicharniigen Hcbehi R F und K B, die durch eine Schraube R so verbunden sind, dali der AVinkel O geöttnet oder geschlossen werden kann, als ob er aus den Armen eines Zirkels bestände. Der Kopfpunkt eines der Hebel ist mit einer Schraube fest mit dem aus zwei parallelen Latten F C, zwischen denen der AVinkel bewegt wird, bestehenden Gestelle in F verbunden. Dieser einseitig festgestellte Hebel trägt einen Handgriü", auf den die Kraft P möglichst senkrecht zu FC ein- wirken muß. Der Kopf B des Hebels R B ist durch eine Schraube mit einem Hebel ver- bunden, der die Last C trägt und in einer Längsrinne auf der Linie FC läuft, damit Fig. 6. Fig. 7. Konstruktion des Kniehebels, wie er in der Buchdruckerpresse gebräuchlieli. Nach Lucae (1881, S. 17). Ersichtlich ist, daß der Körper der Quadrupeden nicht auf den Beinen getragen werden könnte, wenn sich Ellen- bogen und Kniegelenke in der gleichen Richtung öffnen würden. Bei Druck von oben her wird der Scheitelwinkel der Ver- spannungsstäbe der Konstruktion größer. Der damit bewirkte Zug an den Ellenbogen- und Kniegelenken öffnet diese. Es leuchtet damit ein, daß je schwerer eine Körper- last, desto gestreckter die Gelenkswinkel sein m ü s s e n. Fig. 7. Konstruktion des Hinterkniegelenkes nach Bieler (1900), Modell der in der Physik bekannten, „Knie" genannten Maschi- ne zum Heben von Lasten. er nicht seitlichen Verschiebungen imterliegt. Gleichgewicht herrscht, wenn P : R = R F sin 0 : P F cos B, wobei "W der AViderstand ist, der in Punkt B von C aus wirkt. Die Kraft wird also am günstigsten wirken können, je mehr sich der AA'inkel 0 öffnet, also größer wird, und je kleiner der "Winkel B wird; je kleiner der Arm RF und je größer derjenige von FP ist. Aus diesen Gleichungen ergibt sich, daß je länger der Teil der Tibia, der Hebelarm der Kraft ist, oder mit anderen Worten, je höher der Ansatz der Mm. biceps femoris und semitendinosus auf der Crista tibiae bei dem Gelenke liegt, desto kleiner kann die wirkende Kraft sein, die das Pferd vorwärts bringt, oder desto größer wird der dem Rumpf erteilte Impuls sein. Je kleiner ferner der Hebelarm der Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 45 Last ist, also die ganze Tibia, desto eher wird die gleiche Wirkung eintreten. Neuerdings hat sich in ähnlicher Weise auch Zwaenepoel (1910^ 1911) in zwei tüchtigen Arbeiten über den Mechanismus der Pferde- bewegung orientiert, indem er an Holzmodellen, die durch Federkraft an Stelle von Muskeln bewegt wurden, Klarheit über die Lokomotion des Pferdes zu schaffen suchte. Er findet unter anderem , daß die Richtung des Stoßes am besten fördernd Avirkt, wenn die Trajektorie horizontal gerichtet wird, und daß dies am ehesten dann der Fall ist, wenn der Oberschenkel steil steht. Je schräger er steht, desto mehr erfolgt ein Aufstoß statt Vorstoß und desto mehr Kraft geht verloren ; doch kann diese durch ein geneigtes statt horizontales Becken ausgeglichen werden, bei dem der Ansatzpunkt der Schenkelmuskeln an den Rumpf mehr nach rückwärts verlegt wird. Auch er betrachtet das Knie als hauptsächlichsten Vorstoßwinkel des Hintergliedes, wenn das Hüftgelenk durch die Grlutäenmuskulatur bis zu einem gewissen Grade hier auch mitwirkt. Er findet, daß die nach hinten und vorne gerichteten Winkel der Gliedmaßen die klassische Formel des Kräfteparallelogrammes nicht zur Geltung kommen lassen,, sondern die Rolle der Extremitätenmuskeln eine vielseitigere sei, wo- noch ganz andere Faktoren in Betracht kämen. Aus dieser mechanischen Theorie des Knies folgt unbedingt, daß es seine Kraft aufwärts ausübt und diese Kraft dann im Kugelgelenk der Hüfte aufgefangen und durch das Darmbein über das Kreuzbein- flügelgelenk in die Wirbelsäule geleitet wird, wenigstens zum größten Teil. Ein anderer Teil wird aber nach dem Parallelogramm der Kräfte und je nach der Richtung des Beckens und Darmbeines in der Kruppe ausgelöst und hier zu deren Hebung benutzt (Emporstoßen). Es muß auch unbedingt noch erwähnt werden, daß die Vorwärts- bewegung des Hintergliedes, soweit es ohne „Sprungaktion", sondern nur in dem Vorschieben des Körpers im Schritte besteht (schwerer Zug)^ auch durch die Tätigkeit der Glutäus-Gesäßmuskeln stark unterstützt wird, die sich dann besonders ausbilden und deren Bäuche, namentlich der des M. gl. medius, die gespaltene Kruppe der Schrittpferde zu ver- ursachen pflegen. Die beste Vorwärtsrichtung des Stoßes kann jedoch nur dann er- folgen, wenn die Röhre, resp. der Unterfuß vom Sprunggelenk ab rück- wärts steht (rückständige Stellung), wobei der ganze Stoß an sich schon schräger nach vorne erfolgt und übertragen wird als bei unterständigem Beine. Unterständig muß das Bein gestellt werden, wenn der Stoß ganz aufwärts gerichtet werden muß, wie z. B. bei Zirkusdressur des Gehens auf den Hinterbeinen. 46 Die Natur und ilire Einwirkung. Das Spriuio-g-elenk ist in seiner meclianischcn Wirkung in der vorstehenden (Jleichnng gekennzeiclinet. Es ist ein Wechsel gelenk, das ebenfalls dureli seine AVinkelstellung von Unterschenkel zu Röhre einige später zu besprechende Kompensationen auszuüben vermag, aber nur ])assive Bewegung- besitzt. Zwaenepoel bezeichnet es zwar als Gelenk der llückwärtsbewegung. Das Köth engelenk an Hinter- und Vorderfuß kann aus diesen Betrachtungen wie auch aus den im nächsten Kapitel folgenden bio- metrischen Untersuchungen ganz ausscheiden, da es nur als selbständig funktionierende Federung der Stützvorrichtungen des Pferdekörpers zu betrachten und etwa mit einer Eadpneumatik zu vergleichen ist. Die Wirbelsäule empfängt also den Stoß der kinetischen Energie der Hinterhand, richtet nun diesen Stoß etwas mehr aufwärts oder ab- wärts durch die Haltung des Kopf-Halshebels und durch das Unter- stützen und Abstoßen des Yorderrumpfes durch die Vorhand oder schon durch die Aufhängungsrichtung des Wirbeldruckbaumes zwischen den Vordergliedern. Die Vorderglieder haben, wie Lucae im Grunde richtig erkannt hat, ebenfalls einen Knieapparat im Ellenbogengelenk, dessen Winkel mit seiner Spitze kaudalwärts steht, also umgekehrt wie der Hinter- kniewinkel. Während bei Tieren mit mehr federnder Fortbewegungs- leistung der Vorderglieder (z. B. Eichhörnchen, Marderarten) der Vorarm schief steht, und von der Vorderfußwurzel (Carpus) ab auch die Hand- wurzelknochen so stehen , bildet bei schnellfüßigen Tieren wie beim Pferd der Hebelarm R B des Knies im vorigen Modell eine senkrecht stehende Gerade mit der Röhre. Hiedurch würde die Möglichkeit der Kniewirkung eingeschränkt, weil der eine Hebelarm des Knies selbst zugleich der vom Boden ab- stoßende Teil ist und damit schwer beweglich wäre. Deshalb verwandelt sich beim Pferde der untere Hebelarm des Knies in einen zweiarmigen Hebel, dessen Unterstützungspunkt im Ellenbogengelenke liegt. Es kommt dies zustande infolge starken Hervortretens des zum Hebelarm der Kraft umgebildeten Ellenbogenhöckers. An diesem setzen sich die starken Streckmuskel (M. triceps brachii) an, die die Vorderkörperlast tragen, wobei die Befestigung des M. latissimimus dorsi am Humerus und vor allem das Band des halbsehnigen M. biceps das Einknicken des. Vorder- gliedes am Schultergelenke verhindert. Wir sehen dabei, daß die Bemuskelung des Vordergliedes in gleicher Weise wie beim Hintergliede die kräftigste Muskelgruppe in der funk- tionellen Anpassung an die feststellende und beim Gang abstoßende Kraft zur Streckung des vorderen Kniewinkels gebildet hat (M. triceps brachii), doch gestattet die erwähnte Verwandlung des unteren Hebelarmes der Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. Vorderextremität nicht die großen Ausschläge und Schwungkraft, wie wir sie bei den Hintergliedern finden. Damit ist die Funktion der Vorder- beine so charakterisiert, daß sie, hauptsächlich nur das Körpergewicht auffangend, den Massenmittelpunkt stützen und je nach den Kompen- sationen gegenüber der Hinterhandhöhe durch variierende Winkelstellung im Ellenbogengelenk den Rumpf fast horizontal oder mehr in Parabel abwärts oder aufwärts leiten soll. Bei der Ortsbewegung des Pferdes kommt es also in der Tat vor, daß die Wirbelbrücke durchaus ihre Eigenschaft als Brücke verliert, sogar für Augenblicke ganz frei in der Luft schwebt und daher eher dem Strasser sehen Bilde eines halbstarren Ballons entspricht. Jeden- falls ruht sie während der Bewegung meistens nur auf der halben Kraft der Stützsäulen, angeklammert an der einen Stütze durch die Kraft der Serratusgurtung vorne oder balanzierend auf dem Kugelfortsatz des Oberschenkels in der Beckengelenkpfanne, während dabei das eine Bein jedes der beiden Stützpfeiler zum Hangbein wird und die beiden anderen noch Stützbeine bleiben, um nachher ihre Leistung zu wechseln. Neben dieser ,, Kniefunktion" im Ellenbogengelenk ist an der Vorder- extremität auch die Bewegung im Buggelenk zwischen Schulter und Arm zu beachten. Das Schulterblatt entspricht im wesentlichen den Beckenknochen der Nachhand, ist jedoch nicht wie diese in einem Ge- lenke mit dem Knochengerüst der Wirbelsäule verbunden, sondern durch eine losere Muskelanheftung (M. serratus anterior) an die wahren Bippen und die letzen vier Halswirbel, also an die Wirbelbrücke angeschlossen und zugleich an den Hals durch die M. rhomboideus cervicis und M. trapezius. Die Streckmuskeln des Vorderbeines wirken aber gerade wie die Schenkelmuskeln der Hinterhand hauptsächlich vom Becken zum Knie, so auch hier vom Schulterblatt zum Ellenbogen. Durch seine bewegliche Fixation entsteht eine Bewegung zwischen dem Schulterblatt und dem Rumpf, aber nur auf zwei Arten. Zunächst als Resultante des Vorwerfens des Rumpfes durch den Stoß der Hinterhand und die Unter- stützung durch das Stützbein. Dabei muß auf der Stützbeinseite natür- lich der vorfiiegende Rumpf das Schulterblatt mitreißen und dadurch steiler stellen, so daß der Unterstützungspunkt im Huf immer weiter hinter den Aufhängepunkt, den Angriffspunkt der Körperlast verlegt wird. Ist dann die Stützleistung des betreffenden Beines erschöpft, und muß es den Boden wegen Mangel an Dehnungsfähigkeit verlassen, dann wird durch Kontraktion des M. triceps beim Abstoßen des Beines vom Boden am kaudalen Skapularrand und durch den Rumpfteil des M. ser- ratus anterior am Schultcrblattknorpel ein Zug ausgeübt, wodurch das Schulterblatt beim Hangbein wieder in schräge Lage gebracht wird, was zugleich das weitere Ausgreifen des Vorarmes und Unterfußes er- 48 I^iö Natur und ilno Einwirkung. m(»^licht. Iin Stand pflegt die Schulterschräge eine mittlere zu sein, die der Resultante der beiden Kräfte entspricht, die hier in erwähnter Weise einwirken. Da Heben und Tragen des Halses durch Kontraktion des M. rhom- boideus cervicis und des Pars cervicalis des M. serratus anterior erfolgt^ die zwischen Hals und Schulterblatt ziehen, so wird dadurch im Gegen- satz zu dem früher erwähnten gleichzeitig geminderten Zuge an den Dornfortsätzen bei steiler Halsstellung eine Traktion ausgeübt, die die Schulter relativ steiler zu stellen bestrebt ist, als dies bei weniger hoch getragenem Hals der Fall sein würde. Im Buggelenke ist das Armbein und das Schulterblatt durch die beiden Schulterblattmuskeln, die Mm. supraspinatus und infraspinatus, die Mm. teres und den M. deltoideus, hauptsächlich zusammengehalten, dabei wirkt unterstützend der M. biceps, der infolge der Druckwirkungen, die er zu ertragen hat, vor dem Buggelenke sogar reinsehnig geworden ist. Er bildet eine äußere Gurtung des Schultergelenkes und nimmt damit wesentlich die Körperlast im Bug auf. Er ist aber auch an der vertikalen Unterstützungssäule der Vorderhand, dem Vorarm, angeheftet und verbindet so Schulter und Ellenbogen in der Weise, daß sich keines der beiden ohne das andere beugen oder strecken, kann. Hebung (Beugung) und Vorschwingen der Vorderglieder erfolgt durch Wirkung der Mm. brachialis und biceps und kann durch Anspannung des M. brachiocephalicus bekanntlich erleichtert werden. Da aber eine Biegung nochmals im Karpus erfolgt, so ist die Größe der Beugung im Ellenbogen- gelenk nicht für die Schrittgröße maßgebend, sondern nur für die sog. ,, Aktion", während der räumende Gang von dem möglichsten Vor- schleudern des distalen Röhrenendes abhängt, also von der Länge des Vorarmes und der Röhre. Auf dem abgestellten, zum Stützbein gewor- denen Hangbeine schwingt nun der Stoß des Hinterknies den Rumpf vorwärts, wobei beim Passieren des Schwerpunktes über das Kötengelenk dies je nach seinem Kraftmoment federnd einbiegt und dadurch schon das horizontalere Vorschwingen des Rumpfes und eines event. darauf sitzenden Reiters bedingt. Das sind die allerhauptsächlichsten Gesichtspunkte der Mechanik des Pferdekörpers. Ich beende dieselbe mit einer etwas ausführlicheren Be- trachtung über die Funktion des Kötengelenkes, wie ich dieselbe in zweijähriger Arbeit durch Dr. M. Franic unter meiner Leitung aus- führen ließ. Die beiden Extremitäten des Pferdes sind durch den Einfluß der raschen Bewegungsart auf hartem Boden zu einem einheitlichen Horn- schuh (Huf) gekommen, der mittelst des ersten Fingergliedes mit den Bewegungshebeln der Extremitäten im Zusammenhange steht. Diese Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 49 Phalanx prima oder Fessel, wie man sie nennt, steht in einer schrägen Eichtung zum Boden und bildet daher stets mit der E-öhre einen Winkel, von dem, wie wir sehen werden, die Stoßübertragung der Bodenreaktion abhängt, also gewissermaßen die Federung des betreffenden Pferdes. Die bei anderen Tieren noch an den Handknochen vorhandenen Muskeln sind beim Pferde infolge der Druckeinflüsse in Sehnen umge- wandelt, und so umziehen den ganzen Unterfuß auf seiner dorsalen und volaren Fläche zwei Sehnenbänder. Es sind dies volar der Fesselträger und die Hufbein- und Kronbeinsehnen, dorsal die Fuß- und Zehenstrecker, Huf- und Kronbeinbeuger. Im Gelenke zwischen Fessel und Eöhre, der Kote, flndet die stärkste Beanspruchung statt, weshalb hier in der Form und Anlage der Unter- stützungsbänder eine besondere Hilfe geschaff'en worden ist, die ein nich Fio'. 8. ' ,P ^1 1 1 ' \y F z. X^m Fio-. 9. ermüdendes, federndes Stehen des Fußes gestattet. Diese Federung des Pferdebeines ist zur Abschwächung der wirkenden kinetischen Energie des schnellen Laufes unbedingt notwendig, denn wenn auch nach den früheren Auseinandersetzungen die Knochenstärke für die höchste Be- lastung wohl im Überschusse vorhanden ist, so wird doch durch die Stoßwirkung des rasch in Parabeln bewegten Tierkörpers und den Gegen- druck des Bodens eine Erschütterung der ganzen Extremität bedingt, die nicht durch die Elastizität der Knochen aufgenommen werden kann, sondern, falls sie auf die oberen Gelenke übertragen werden könnte, hier derart ruinös auf die Gelenkknorpel wirken würde, daß das Pferd in Kürze dienstuntauglich wäre. Durch Einschaltung eines Winkelgelenkes in den unteren Teil der Extremität wird aber der Eückstoß des Bodens gemildert. Bei der schrägen Stellung der Zehenknochen (Fig. 8) wirkt die Boden- reaktion E nicht in der Eöhrbeinachse selbst, sondern durch den Huf Duerst, Die Beurteilung des Pferdes. 4 50 I^ie Natur uud ihre Einwirkung. parallel demselben und verursacht im Fesselgelenk nicht einen gewaltigen, stoßartigen, zentrischen Druck, sondern ein D r e h u n g s m o m e n t M = Il . 1, das weich einwirkt. Dieses wird balanziert durch ein Kräftepaar D, Z, wobei nämlich D = Druck auf die Zehenknochen undZ = Zug an den Sehnen (Fig. 9). Die Sehnen müssen daher elastisch sein, um die mildernde Drehung resp. Federung des Fußes auf- und abwärts zu gestatten. Wären sie nicht elastisch, so wäre die schräge Stellung des Fußes unnütz. Der Knochendruck D und der Sehnenzug Z lassen sich aus folgenden Betrachtungen feststellen und auch berechnen. Wie erwähnt, wird das physiologische Kräftepaar D. e oder Z.e (da D := Z) R.l im Gleich- TJ 1 gewicht halten, das heißt: Z . e = R . 1, woraus folgt: Z = " . Aus dieser Formel geht hervor, daß der Zug in dem Fesselträger und der Druck im Fesselbein direkt proportional zu R und 1 und um- gekehrt proportional zu e ist oder, daß Z mit R und mit 1 wächst und beim Zunehmen von e abnimmt. Als Beispiel einer Berechnung in der Ruhestellung des Pferdes mag das nachfolgende dienen: Bei einem Laufpferd von 300 kg Gewicht konnte die Formel durch folgende Zahlen ersetzt werden: R = 75 kg, d. h. der vierte Teil des Körpergewichtes, also die Last, die auf einen der vier Füße entfällt, wenn wir annehmen, daß kein Übergewicht der Vorhand vorhanden sei. Li Wirklichkeit werden die Sehnen der Vorder- füße etwas mehr belastet sein als die der Hinterfüße. 75.80 ~w Ein Schrittpferd von 640 kg Gewicht hatte nachfolgende Zahlen: R = 160, 1 = 73 mm, e = 31 mm, dann muß Z = — ^:j^ — sein, also 237 kg/mm. Daraus geht hervor, daß beim Laufpferd SO^o ^^^ Körper- gewichtes, beim Schrittpferd5 9 7o desselben auf die Sehnen entfällt. Die Sehnenspannung beim Laufpferde ist daher in der Ruhe immer größer als beim Schrittpferde, was zum großen Teil die früher besprochene größere Straffheit der Sehnen der Laufpferde erklärt. Umgekehrt geht aber aus der obigen Berechnung hervor, daß bei Schrittpferden die Knochen dicker oder stärker sein müssen als bei Laufpferden, da sie mehr als heim Laufpferde zu tragen haben, nämlich 41 7o gegenüber 20 "/^ beim Laufpferde. Die Bodenreaktion R (Fig. 10) ist gleich groß der Röhrbeinbelastung P und hängt ab vom Gewicht des Pferdes. Der Hebelarm 1 hängt ab von der Länge L des Fußes und seiner Schrägstellung. Da 1 = L cos. a, so ist 1 die horizontale Projektion von L (Fig. 11). 1 = 80 mm, e = 25 mm, Z = — ~ — = 240 kg /mm. Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 51 Bei gleicher Fußlänge L nimmt also 1 und infolgedessen auch Z mit wachsendem Winkel a a b , d. h. je steiler der Fessel, desto kleiner ist die Zugwirkung auf die Sehnen, je schräger der Fessel, desto größer ist 1 und der Sehnenzug Z. Bei gleichem Winkel a wächst 1 und Z mit der Fußlänge L. e ist von der Dicke des Fesselbeines abhängig, je schmäler das Fesselbein, desto größer ist der Sehnenzug Z. Für die Krone K und Hufgelenk H gelten die gleichen Betrach- tungen, nur sind hier Knochendruck und Sehnenzug bedeutend kleiner Fio-. 10 Fis-. 12. als beim Fesselgelenk, indem das aufzunehmende Biegungsmoment R . k resp. R . h viel kleiner als R . 1 ist (weil der Hebelarm k, resp. h kleiner als 1 ist) (Fig. 12). Im Fesselgelenke erreicht der Knochendruck D und der Sehnen- zug Z einen ganz bedeutenden Wert und durch die Drehwirkung des Momentes R . 1 wird dieser Knochendruck bzw. Sehnenzug im Fessel- gelenke viel größer als die Bodenreaktion R, d. h. viel größer als die auf der Röhre wirkende Last P. Er kann 3 — 4mal größer als diese letztere werden. — Dies sind die mechanischen Prinzipien des Fußes und wie sie sich in dem anatomischen Bau widerspiegeln, zeigt folgende Betrachtung. oz Die Natur und ihre Einwirkung. Der Fesselträger, oder wie er auch genannt wird, das obere Grleichbeinband, (T. interosseus), der durch seine Anheftung am Sesambein dem Drehungsmoment des Pesselgelenkes allein entgegenwirkt und daher den größten Zug auszuhalten hat, ist quantitativ das stärkste und steht mit keinem Muskel in Verbindung. Der Hufbein- beuo-er, der den geringsten Zug auszuhalten hat, sich aber über die Beugetläche des Krongelenkos und die dem ßeugungswinkel abgekehrte Fläche des Fesselgelenkes un- mittelbar hinzieht und dasselbe bei der Fixierung auch unterstützt, steht an zweiter Stelle der Beanspruchung. Daher erhält er noch einen zweiten Hilfssebnenstrang, der an der volaren Fläche der Röhre sich anheftet und von Schmalz „Caput tendineum" genannt wrd. Weil der Kronbeinbeuger durch große mechanische Inanspruchnahme des Huf- beinbeugers gegen die volare Fläche der oberen zwei Zehengelenke stark angepreßt Fit;-. 13. Fig. 14. würde, verläuft er nicht unter, sondern ül:)er diesem, wo er sich dann in der Höhe des Kronbeines in zwei Schenkel spaltet, die beiderseits des Hufbeinbeugers am Kronbein inserieren. Hierdurch wird er dem Drehungsmoment nicht direkt ausgesetzt, und an seine Stelle tritt das untere gerade Gleichbeinband, das vom Fesselbein über die volare Fläche des Krongelenkes auf das Kronbein hinüberzieht und sich auch dort anheftet. Diese Art und Weise, wie der Kronbeinbeuger den Hufbeinbeuger oberhalb, unter- halb und über dem Kötengelenk umfaßt, charakterisieren ihn mehr als Fe sth alter derselben, da er am Tragen der Körperlast am wenigsten beteiligt ist. Zur weiteren Erläuterung hierüber möchte ich noch eine statische Berechnung wiedergeben, wie ich sie durch Franic über die Be- anspruchung im Tesselträger und Unterstützungsbaud des Hufbeinbeugers der Vorderfüße vornehmen ließ. Es ist daraus ersichtlich, wie lang- wierig und für den Leser anstrengend es wäre, eine genaue Statik für die hauptsächlichsten Pferdetypen und deren einzelne Knochen zu verfolgen. Die Umwelt und ihr Einfluß auf ludividuuiii, Familie uml Rasse. 53 Zu einer statischen Untersuchung sind sämtliche Knochen und Sehnen der Köthe als je ein System von Zug- und Druckstäben aufzufassen. Die inneren Spannungen dieser Stäbe können, wenn ihre geometrische Lage untereinander bekannt ist, für einen gegebenen Fall als bestimmte äußere Kräfte abgeleitet werden. Nach dem Satz, daß ein Körper sich im Gleichgewicht befinde, wenn die geometrische Summe aller auf ihn einwirkenden Kräfte gleich Null ist, oder mit anderen Worten, wenn die Resultierende aller auf ihn einwirkenden Kräfte verschwindet, läßt sich folgende Be- rechnung aufstellen. AVir nehmen aus Figur 13 die Längen von Vorder- Fig-. 19, röhre (R), Grleichbein (G), Fesselbein (F), Fesselträger (IJ und den unteren Fesselträgern (I„), betrachten sie als ein zusammenhängendes System von Stäben (Fig. 14) und behandeln dieses zunächst als einen Fig. 16. Fis-. 17. /, Fiü-. 18. 1 starren Körper in bezug auf äußere Kräfte. Als solche wirken auf Punkt C (Mitte des Karpalgelenkes) das Gleichgewicht des Pferdes, das auf den betrachteten Fuß entfällt, oder eine aus Gewicht und lebendiger Energie der Pferdemasse her- rührende Kraft (G), auf Punkt P (unteres Ende des Fesselbeines) eine Reaktionskraft. Da G vertikal nach unten, also nicht auf P gerichtet ist, muß in C noch eine auf G normale Kraft (H) wirken, welche gerade so groß ist, daß die resultierende Kraft Gj im Punkt P eine gleich große, entgegengesetzt gerichtete Kraft G hervorruft, die auch aus den Komponenten H und G zusammengesetzt gedacht sein kann. Die Summe von G und Gj ist Null und unser System im Gleichgewicht (Fig. 16). Zur Ermittlung der Spannung im Fesselträger ist es am zweckmäßigsten, die Gleichgewichtsbedingungen für Punkt C aufzustellen, da die gesuchte Spannung auch in 0 wirksam sein muß. Wenn in C Gleichgewicht sein soll, müssen alle auf C einwirkenden Kräfte eine Resultierende = 0 ergeben, das Kräftepolygon muß in sich geschlossen sein. 54 I^iö Natur und ihre Einwirkung. In r wirken drei Kräfte, nämlich die Kraft G, die Spannung in der Röhre und die Spannung des Fesselträgers. Ihre Ilichtungen sind bekannt, G hat die Richtung CP, R und I diejenige ihrer Träger. Da auch die Größe von G als bekannt voraus- gesetzt ist, lälit sich das Kräftedreieck zeichnen (Fig. 17). Darin ist G, parallel der Ge- raden C, P in Figur 16 und in einem gewählten Maßstab der Kraft (t gleichgesetzt, die beiden anderen Seiten sind R und I in Fig. 14 parallel. Die Kraft G kann nicht immer als bekannt vorausgesetzt werden wie hier. Man kann sie direkt nur beim ruhigstehenden Pferd messen; sie ändert sich je nach der Art des Stehens, des Gehens und der Arbeit von Null bis zu einem höchstem "Wert. Dieser höchste Wert könnte unter Umständen annäherungsweise ermittelt werden ; hier soll nur gesagt, werden, daß die Sehnenspannung I direkt von (t abhängig ist und mit ihr von allen schon angedeuteten Momenten. Für die Untersuchung der Spannung im Unterstützungsband der Hufbeugesehne ist dieselbe Sache zu wiederholen. In Fig. 15 ist das Stäbesystem für einen Fall ge- zeichnet. Punkt P kommt darin etwas tiefer als in Fig. 14 und zwar im Hufbein zu liegen, da die Hufbeinbeugesehne dort ihren Anheftungspunkt hat. 0 P ist als Gerade zu nehmen, gleichviel ob die drei Zehenknochen einen Bogen bilden, R und H sind den in Fig. 13 entsprechenden Größen parallel. Es kommt wieder die Kraft G zur Geltung, die eine etwas schrägere Resultierende mit einer etwas größeren Horizontal- kraft H liefert. Ebenso wie vorhin ist das Kräftedreieck zu ermitteln und daraus die gesuchte Spannung. Die Kraft G ist im letzten Fall nicht die gleiche wie beim Interosseus. Es herrschen verschiedene Ansichten, wie sie sich auf Interosseus und Unterstützungsband verhält, und ist schon viel darüber geschrieben worden. Siedamgrodsky ist der Meinung, daß sich die Kraft (S) in normaler Ruhestellung des Pferdes gleichmäßig zwischen Interosseus und Unterstützungsband verteilt, bei großer Last hingegen, wobei starke Durchbiegung im Fesselgelenk entsteht und die drei Zehenknochen einen nach oben konvexen Bogen bilden, das Unterstützungsband des Hufbeinbeugers ganz entlastet und beim Abstemmen der Last dieser am meisten beansprucht wird. Wollen wir die größten Beanspruchungen der beiden Sehnen ermitteln, dürfen wir in beiden Fällen nicht gleich vorgehen, denn die größte Kraft, die für den Interosseus in Betracht kommt, muß der- jenigen für das Unterstützungsband nicht gleich sein. Ihre durchschnittlichen Be- anspruchungen werden sich ungefähr verhalten wie ihre Bruchlasten, denn die Organe passen sich funktionell an. Die größtvorkommenden Spannungen in den beiden Sehnen werden deren Bruchlasten nahekommen. Die Spannungen in den betrachteten Sehnen hängen aber nicht nur von der Last G ab, sondern noch von der geometrischen Lage der systembildenden Knochen und Sehnen. Auch sie ist nicht konstant. Bekanntlich tritt bei größerer Last eine Durchbiegung im Fesselgelenk auf; der in Fig. 14 gezeichnete Winkel n wird kleiner, Punkt P dreht sich um 0 nach oben. Bei Entlastung wird « wieder größer, die elastischen Sehnen Ij und 1„ drehen das System wieder zurück (Fig. 18). Diese Figur zeigt, daß mit Punkt P auch die Richtung von G ändert. In Fig. 19 sind die beiden Richtungen entsprechenden Kräftedreiecke gezeichnet. Man sieht, wie sich bei gleich großer Kraft G die Spannung im Interosseus ver- größert hat. Bedenkt man, daß, um die Winkeländerung herbeizuführen, eine größere Kraft nötig war, so ist leicht zu verstehen, welche Spannung der Fesselträger auszu- halten hat. Dasselbe gilt auch für das Unterstützungsband des Hufbeinbeugers wie für die Hufbeinbeugesehne überhaupt und die Kronbeinbeugesehne. Daraus ist zu ersehen, daß genannte Sehneu bei Pferden mit normalerweise kleinerem c. ungünstig beansprucht Die Umwelt und ihr Einfluß auf Individuum, Familie und Rasse. 55 werden. Pferde mit großem « haben dagegen wieder eine geringere Elastizität des Ganges. An einem Irländer wurden folgende Messungen vorgenommen: 1. Der Winkel «, mit meinem Hippogoniometer gemessen, betrug, wenn beide Vorderfüße gleichmäßig belastet wurden, in normaler Ruhestellung ohne fremde Last l.'i2 Grad als Mittelwert mehrerer Messungen. 2. Winkel a betrug, wenn das ganze Gewicht der Vorhand auf einen Fuß fiel, 135 Grad als Mittelwert mehrerer Messungen nach Aufheben je eines Vorderfußes. 3. Gewicht des Pferdes 464 kg. 4. Nach erfolgtem Tode wurde ein Vorderfuß präpariert und in seiner Sagittal- ebene die Längen der Größen R (Mitte Karpalgelenk bis Mitte Fesselgelenk), F (Mitte Fesselgelenk bis Ende Fesselbein inkl., bzw. Fesselgelenk bis Mitte Hufbein) und G (Mitte Fesselgelenk längs einer den Winkel « halbierenden Geraden bis zur Fortsetzung der Mittellinie des Fesselträgers, bzw. der Hufbeinbeugesehne) gemessen. Es ergab sich nach sorgfältigem mehrmaligem Messen für: R = 260 mm F == 120 mm, bzw. 186 mm G = 24 mm, bzw. 44 mm. Durch AVinkel fi und diese Dimensionen sind alle anderen gegeben. 5. Hierauf wurde zunächst der Fesselträger bis zur Bruchlast, darauf das ver- einigte Hufbeinbeugesehne-Unterstützungsband belastet. Ersteres brach bei 1220 kg, letzteres bei 620 kg. Nimmt man mit Bezug auf die Gestalt des Pferdes das Übergewicht der Vorhand zum Totalgewicht wie 1 : 10 an, was sich ziemlich mit den Versuchen von Morris (1835) deckt, und erhöht es, um runde Zahlen zu bekommen, auf 48 kg, so erhält man als Gewicht der Vorhand 280 kg. Mit den unter 4. festgestellten Maßen lassen sich das System und daraus die Kräftedreiecke zeichnen. Mit Einsetzung der entsprechenden Werte für G und Gj (=; 142 kg und 290 kg) ergeben sich folgende Spannungen: Im Fesselträger bei AVinkel « = 152 Grad . . 220 kg im Fesselträger bei Winkel « = 135 Grad . . 720 kg. AVäre nach Übernahme des ganzen Vorhandgewichtes Winkel « derselbe, d. h. 152 Grad, so würde die Spannung nur 440 kg betragen; also durch Verkleinerung des Winkels ist die Sehnenspannung um 280 kg größer geworden, das sind 64 7o. Es ist hier noch folgendes zu bemerken. Im ersten Fall (a = 152) wird nicht nur der Pesselträger gespannt. Nach Si edamgro dsky sind alle Sehnen gleichmäßig an- gespannt. Demnach nehmen wir an, hat der Fesselträger rund 140 kg, das Unterstützungs- band 80 kg auszuhalten (entsprechend den Verhältnissen der Bruchlast). Im zweiten Fall (ri = 135 Grad) haben wir keine gleichmäßige Verteilung mehr, der Fesselträger ist im Verhältnis mehr belastet als das Unterstützungsband wegen der Bogenbildung der Zehenknochen. Schätzungsweise ist der Interosseus mit 550 kg belastet, das Unter- stützungsband mit 190 kg. Wahrscheinlich ist in Wirkhchkeit die Verteilung für den Interosseus viel ungünstiger. Wir sehen nun, wenn im zweiten Fall derselbe Winkel geblieben wäre, so müßte auch die Verteiluug vom ersten Fall geblieben sein, die Be- lastung wäre 2 X 140 kg mehr oder 93 °/^. Durch diese Erwägung sehen wir erst so recht, welche Bedeutung die Winkelgröße in der Kote für die Sehnenspannung hat, und man versteht, daß eine weiche Fesselung hohe Anforderungen an die Sehnenstärke macht oder eine geringere Belastung des Pferdes erfordert. 5(3 i>io Natur und ihre Eiuwirkuii«'". c) Die funktionelle Anpassung des Pferdes unter dem Wechsel der Lebensbedingungen seit vorweltlichen Epochen. Die ersten Aufschlüsse über die Vorfahren des Pferdes verdanken wir W. Kowalewski (1872) und zugleich die ersten Betrachtungen darüber, daß die Veränderungen des Extremitätenskelettes und der Zähne Folgeerscheinungen der Anpassung an die sich ausbildenden Ver- änderungen der Umgebung seien. 80 versuchte er die Reduktion der Zehen und die Entstehung der eigenartigen Anordnung der Hand- und EußAvurzelknoclien auf mechanische Gesetze und das Bedürfnis nach Ersparnis an Kraft infolge veränderter Ernährungsweise der Tiere zurückzuführen . Doch gelang es erst Cope (1868 — 87) diese Theorien auf Grund der viel reicheren amerikanischen Eunde zu beweisen. Nach seiner Auf- fassung war der ursprüngliche Fuß der Huftiere fünfzehig und Sohlen- gänger, die ganze Extremität gedrungen und schwerfällig. Allmählich wurde durch Anpassung an die Umgebung der Fuß zuerst Halbsohlen- gänger, wobei nur die Zehen den Körper tragen und hinten ein Muskel- polster die Mittelfußknochen stützt, wie z. B. dies noch beim Fuß des Elefanten der Fall ist. Dann bildete sich ein Huf aus, bei dem nur die Zehen den Boden berühren, der Mittelfuß sich aber fast senkrecht auf- richtet und die Zehen sich mehr und mehr verlängern, verschmelzen oder reduziert werden. Hierdurch gestaltete sich die ganze Extremität um. Der Hinterfuß, als der am schwersten arbeitende, eilt, wie Eüti- meyer (1863) schon richtig erwähnte, allgemein dem Vorderfuß in der Entwicklung voraus. Uns interessieren für nachfolgende Betrachtungen vor allem die Um- wandlungen der letzten Perioden der phylogenetischen Entwicklungsreihe des heutigen Pferdes, da wir aus ihnen die besten Anhaltspunkte für die gegenwärtigen Umwandlungen zu schöpfen vermögen. Prof. Henry Osborn, der um die Geschichte des Pferdes viel- verdiente amerikanische Gelehrte, berichtet in einer Reihe von trefflichen Abhandlungen (1918) die Tatsachen, von denen ich das Wichtigste hier kurz erwähnen will. Lanefe vor der Entstehunc; des Menschen finden wir schon mit dem Beginn dertertiären Zeit, den Osborn auf Grund der Beobachtung, daß der Mississippi seinem Delta in hundert Jahren einen Fuß Land an- schwemmt, auf ca. 3 Millionen Jahre vor unserem Zeitalter berechnet, die ersten Vorfahren des Pferdes, die von Prof. Marsh entdeckt und als Eohippus bezeichnet wurden. Diese kleinen Tiere, in der Größe und Form eines "Windspieles, also etwa 30 cm hoch, haben typische Formen eines Wildes, das seinem Ver- Die Uinwrlt und ihr EiiiHuß auf Individuum, Fauiilic und Rasse. 57 folger unter den Raubtieren nur durch seine Schnelligkeit zu entgehen weiß, wenn auch nach unseren späteren Betrachtungen die Proportionen der Glieder nicht auf ein Wüsten-, sondern ein Steppentier hindeuten. Die Füße dieser Tiere tragen vier Zehen vorne und je drei hinten; ein Überrest der vierten Zehe ist noch vorhanden. Der Schädelbau, der kurze Hals und der aufgekrümmte, hundeartige Rücken deuten mehr auf eine Raubtierform hin , wenn die Kiefer auch schon ein völliges Omnivorengebiß, gleich dem des Schweines aufweisen. Im mittleren E o z ä n schließt sich dann das etwas größere 0 r o - hippus an, das Osborn eine „Bergform" nennt. Bei ihm ist an dem einen Hinterfuß das Griffelbein der vierten Zehe nun schon völlig verschwunden. In Europa findet sich im oberen Eozän in großen Mengen das Paläo- therium in verschiedenen Arten über die Kowalewski in trefflicher Weise berichtet hat. Diese Tiere erscheinen mehr tapirartig und stellen nach der gegenwärtigen Auffassung ein entfernteres Glied der Pferde- reihe dar. Immerhin zeigte Kowalewski, daß der Vegetation des Bodens eine hohe Bedeutung auf die Formveränderung zukommt, indem gleich- zeitig mit der Vereinfachung der Zehen die Gebißveränderung in dem Maße vor sich geht, daß aus einem schweineartigen Gebisse mehr und mehr ein reines Pflanzenfressergebiß entsteht. Bestätigend fanden Paläo- phytologen unabhängig davon, daß im unteren und mittleren Miozän eine Vegetation von Steppenwiesen die frühere üppige tropische ablöste. Im Oligozän treffen wir jetzt Pferde mit drei Zehen und einem Griffelbeine, das der inzwischen reduzierten vierten Zehe entspricht, die bei den Vertretern im Eozän noch vorhanden war. Im unteren und mittleren Oligozän begegnete man einigen Arten von Mesohippus in der Größe eines Wolfes , und im oberen Oligozän erreichen diese schon etwa die Größe eines Schafes. So läßt sich bis zu dieser Zeit die ständige Zunahme an Körpervolumen und die gleichzeitige Verlegung des gesamten Gewichtes auf die mittlere Zehe trefflich konstatieren. In Europa finden wir in der nachfolgenden mi ozänen Epoche die der vorigen durchaus ähnliche Form des Anchiterium aurelianense. Doch ist diese Art ganz bedeutend größer als die vorige und schätze ich sie nach meinen Messungen im Pariser Museum auf etwa Im 15 cm Widerristhöhe. In Amerika kommt um diese Zeit das H y p o h i p p u s vor, das ein schweres, massiges, dickknochiges Pferdchen von etwa 1 m Höhe ist und breit auf allen drei Zehen aufzutreten pflegte, daher an weichen Boden angepaßt erscheint. Osborn bezeichnet es als Waldpferd, weil auch noch die Zähne mehr zum Rupfen als zum Malmen des Grases eingerichtet waren. 58 Die Natur uiul ihi-c Kiii\virkuiii(' Xatur und ihre Kinwirkunj;-. mpfliane Breite distales Gelenk »Sibirische Steppenpferde n. Tscherski 13,3 5,1 Equiis cab. robiistiis, Nehring, Deutsches Diluvial- pferd von A\'esteregeln, n. Nehring 13,9 Kezentes Equus Przewalskii Poljakotl' jung . . . 11,8 4,6 Eq. cab. Nehringii, Duerst, Deutsches Waldpferd vom Schlüßberg 11,9 4,4 Eq. cab. Pumpellii, Duerst, Anau (ältere Zeit) . 10,5 3,8 Eq. cab. Pumpellii, Duerst, Anau (jüngere Zeit) 9,5 3,8 Auch für das vordere Röhrbein, den Metacarpus, ist die Rang- ordnung eine ähnliche, was den Breitenindex angeht: Die Funde aus Anau .... 12,3 La Tene . . 13,0 Schloßberg. 14,0 „ Westeregeln 17,5 Sibir. Steppen, n. Tscherski, 45 °/o ^i^^d zwischen 15 — 17, andere zwischen 17 — 18,6. Mit Recht glaubte ich daher dieses Pferd des Tumulus von Anau als eine typische Wüstenform des Pferdes bezeichnen zu dürfen, das sich aus der Steppenform entwickelt hat, indem um 8000 v. Chr. in Anau Lößsteppe vorhanden war, aber dann allmählich durch die sich immer mehr ausdehnende Wüste Karakum versandete und zu Wüste wurde. "Wie ich aus den seit der Publikation meiner Arbeit über die Anauer Funde (1908) erschienenen Arbeiten Cossar Ewarts (1908, 1909, 1910, 1911) entnahm, und was zu meiner Freude auch Brinkmann(1921), der sorgfältige, objektive norwegische Forscher bestätigt, dürfte mein Eq. cab. Pumpellii identisch sein mit dem Eq. c. celticus Ewarts. Welch weitgebende Schlußfolgerungen uns diese Tatsache eröffnet, kann hier nicht be- leuchtet werden. Nur halte ich es nicht für möglich, das alte asiatische Wüstenpferd aus der Zeit von 8000 v. Chr. als Eq. cab. „celticus" zu bezeichnen, denn die alten Anauli, die ich für Stammväter der indischen Arier ansehe, sind sicher keine Kelten gewesen. Ich schlage daher vor, den von mir gegebenen Namen auch fernerhin für diesen Pferdetyp außerhalb Europas zu benutzen und auch hier bis zu den Zeitepochen, da wir zum erstenmal Kelten spüren, was bis um die Bronzezeit der Fall sein dürfte. Das bronzezeitliche Pferd der Schweiz dürfte somit als Eq. c. celticus Ewart zu be- zeichnen sein. Das Gregenstück dieser Form, die ihrerseits auch später — zur Bronze- zeit — nach Zentraleuropa gelangte, ist durch das schon in ältester pa- läolithischer Zeit in Mittel- und Südeuropa vorkommende und öfters von kontemporänen Künstlern in den Höhlenwänden und auf Geräten abge- bildete Steppenpferd gegeben, das nach dem Hauptfundorte der Knochen von Hunderttausenden von Lidividuen „Pferd von Solutre" genannt zu werden pflegte. Ich habe dasselbe als eine Standortsmodifikation des Equus ca ball US robustus bezeichnet, welchen Namen einst Alfred Die Umwelt und ihr Eiiifluli auf ludividuum, Familie und Ra.sse. Q\ Ne bring dem Diluvialpferde von Westeregeln gab. Es lobnt sieb aber dnrcbaus nicbt, gestützt auf die vorigen Ausführungen für jede etwas ab- weicbende Standortsvariante einen neuen Namen einzuführen, um die Über- sicht der früheren Pferdepopulationen dadurch unnötig zu erschweren, sondern unsere Aufgabe sollte es sein, großzügig die Varianten zu studieren. Dieses Pferd hatte eine durchaus variable Höhe, nämlich schwankend zwischen 1 m 25 cm als Mittel von Solutre und 1 m 55 cm als Mittel der Westeregeiner Funde, diese Größen werden sich schon damals nach den erwähnten klimatischen und Futterverhältnissen gerichtet haben. Ohne Zweifel wohl aus dieser Form entstanden, aber typisch an das Leben im Walde angepaßt und verändert während der prähistorischen Zeit der Ausdehnung der Wälder über Mitteleuropa, bildete sich dann auch hier, ähnlich der nordamerikanischen, eine typische Waldform des europäischen Pferdes aus, die ich als Equus caballus Nehringii zu Ehren des ersten Erforschers deutscher Urpferde erstmals beschrieben habe (1904). Wie Brinkmann (1921) feststellt, ist diese Form identisch mit dem von Ewart (1904 — 07 — 09) beschriebenen Typus des E. cab. ro- bjistus, doch gebühre ihr, der Priorität wegen, der von mir gegebene Name. Dies Pferd des Waldes wurde das Pferd der Germanen, von dem wir in historischen Zeiten von Tacitus und Caesar erfahren. Es war auffallend klein, nach meinen Untersuchungen nur etwa 1 m 20 cm hoch, aber sehr kräftig und stark von Knochenbau, also ein kleines, aber massiges, kurzes, kräftiges Pferdchen, das schließlich schon zwei germanische Jünglinge gleichzeitig in die Schlacht tragen und ziehen konnte, wie uns Caesar (Bell. Gall. I. 48) berichtet, und in seiner Ge- schwindigkeit die der mitlaufenden Fußgänger nicht überschritt. Es ähnelt durchaus den heute noch existierenden Ponyrassen des Nordens, die wahrscheinlich die übriggebliebenen, nach dem Standorte modifizierten Reste dieses Pferdes sind, das einst ganz Zentral- und Xordeuropa be- wohnte. Mit den Römern kamen dann die Einflüsse gallischen Blutes in diese Waldpferde Germaniens, aber lange wollten die Germanen nichts von den Römerpferden wissen, da sie dem Waldleben sicher nicht so entsprachen. An einigen Orten, wie in Thüringen, sollen damals wohl auch schönere oder größere Pferde gezüchtet worden sein, die sich übrigens in meinen Untersuchungen über die Tierwelt der Ansiedelungen am Schloßberge zu Burg an der Spree als eine auf Import durch die Wilzen oder Slawen beruhende Form darzustellen scheinen. Bald aber wurde die Reinheit der alten Pferdestämme in Europa vermischt, sie wurde es immer mehr mit dem Eintritte der Völker- wanderungen und bald kam die Zeit, wo die alten Stämme und Grund- typen sich nicht mehr auseinanderhalten ließen. 52 l'äs Pfrnl und die Wirkung' seiner Eigeiibewegung. Eines aber blieb und bleibt noch heute p^leich, das ist der Einfluß, den Boden und Umwelt, besonders aber die dadurch bedingte Lebens- und Bewegungsweise des Pferdes auf dessen Gestaltung ausgeübt hat. Seit Millionen von Jahren, so hörten wir, wirken diese Faktoren; ihnen ist die völlige Umgestaltung der eozänen in die heutigen Pferde zu verdanken. Sollten sie nun heute nicht mehr gelten? Sollten diese Naturgesetze in der Gegenwart ausgelöscht sein? Wie es steht, sollen uns die folgenden Kapitel zeigen. Gerade mit Rücksicht auf die Beurteilungslehre scheint eine gewisse Einseitigkeit der Autoren dieselben verhindert zu haben, dieser Frage erfolgreich näher zu treten, wozu noch die Tatsache kommt, daß der- artige exakte Beobachtungen mit Eücksicht auf das Pferd nicht gut ohne Zuhilfenahme genauer Messungen ausgeführt werden können. Wie sehr man sich jetzt noch im allgemeinen sträubt, solche Messungen am Pferde vorzunehmen, obwohl sie erstmals schon von Pin t er und von v. Hoch- stetter, später dann von Duhousset, S. v. Nathusius und von mir ausgeführt worden sind, braucht hier noch nicht besprochen zu werden, doch werden meine vergleichenden Ausführungen zeigen, daß sich auf diese Weise einige neue, brauchbare Gesichtspunkte für die Beurteilungs- lehre des Pferdes ermitteln ließen. B. Das Pferd und die Wirkung seiner Eigenbewegung. 1. Die Bewegungsarten des Pferdes. Eine Reihe älterer Autoren hat sich schon mit der Bewegung des Pferdes beschäftigt. In erster Linie kommt hier v. H och stet ter in Frage, der im zweiten Bande seines Buches über die „Gesetze der Mechanik des Pferdes im Stehen und im Gange" spricht. Hering (1834), der diese Arbeit kritisiert, nennt sie eine „schwierige und undankbare". Einen ähnlichen Versuch machte danach Migotti (1879), um nach arithmetischen Methoden die Gesetze der Bewegung, namentlich aber mit Bezug auf die Reiterhilfen zu ermitteln. Dann folgten Raabe, Lenoble du Teil usw., aber erst mit der Erfindung des Registrierapparates des Physiologen Marey wurde es möglich, die genaue Bewegungskontrolle des Pferdes im Gange vorzunehmen, was Anlaß zu neuen, vorzüglichen Untersuchungen von Lenoble du Teil (1877) über die Bewegung des Pferdes gab, die nachher durch die Momentphotographie und die ältere Muybridge und Anschützsche sowie die moderne Kinematographie a-oII- ständig bestätigt wurden. Die ßcweo-unofsai'ten des Pferdes. 63 Mit vollem Eechte vermögen wir die Gangarten des Pferdes in drei regelrechte, klassische, nämlich: Schritt, Trab und Galopp einzu- teilen. Daneben gibt es noch einige unregelmäßige Bewegungen, wie übereilter Schritt, entrepas, passo accelerato, eine zwischen Schritt und Trab stehende Bewegung, ferner den zwischen Paß und Trab stehenden Halbpaß traquenard, travalca o travarca, in einer kurzfristigen Abart von französischen Autoren Saut de Pie, Salto de Gazza genannt, der namentlich früher beim Renntrabe benutzt wurde (Houel, 1864, 126). Zwischen Trab und Galopp steht der übereilte Trab, train rompu oder aubin, traino (d' avanti o di dietro), je nachdem ob das Pferd vorne oder hinten galoppiert, mit dem andern Beinpaar aber trabt. Der Rahmen dieses Lehrbuches würde überschritten werden, wollte ich auch für diesen durchaus nicht neuen Teil ganz ausführlich die Unter- suchungen trefflicher Autoren, wie Lenoble du Teil, Le Hello u. a. wiedergeben. Ich beschränke mich darauf, nur die drei Hauptgangarten genau zu erwähnen. Sehr gut unterscheidet Lenoble du Teil alle Gangarten in g e- schrittene und gesprungene, aber weniger gut ist seine Einteilung in natürliche und erworbene, da letzteres zweifellos kein Gegen- satz des ersteren ist. Richtiger wäre natürliche und künstliche oder besser angelernte Gangarten. Der Unterschied zwischen den geschrittenen und den gesprungenen Gangarten besteht darin, daß bei den ersteren das Pferd den Boden keinen Moment verläßt, während es sich bei den gesprungenen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Schritten vollständig vom Boden aufschleudert und einen Moment in der Luft frei schwebt. Es „springt" somit bei jedem Schritte. Danach kann man die einfachste Unterscheidung der Gangarten ohne Zweifel so erreichen, daß man sagt: I. Geschrittene Gangarten. a) Der Schritt (le pas, il passo). Diese Bewegung ist die langsamste und nie verläßt dabei das Pferd den Boden. Es schiebt sich gewissermaßen dadurch über denselben hin, daß beide Hinterfüße abwechslungsweise den Rumpf vorstoßen, wobei die Vorderbeine nicht allein den dadurch nach vorne fallenden Schwer- punkt des Rumpfes wieder unterstützen, sondern auch selbst bis zu einem gewissen Grade denselben vorzustoßen helfen, was beim Ziehen schwerer Lasten am deutlichsten wird (Wenger). Beim Schritt hört man vier Hufschläge, indem ein Hinterglied sich hebt, nachdem das diagonale Vorderglied sich zuerst vom Boden entfernt hat und nachdem (14 I>as rfei-d uiiil ilie Wirkuiij>- sciiier Ei-iculicwogunj^'. dieses Vordcrglied abgestellt ist, kommt aiicli das hintere zu Boden und knapp vorher wird auch das vordere gehoben sowie das diagonale hintere. Lenoble du Teil zeigt, daß die Vorbewegung des Körpers beim Schritt nur mit 7.3 ^^^■^' Schnelligkeit der Beinbewegung vor sich geht, oder umgekehrt bei einem normalen Schritt von etwa G km in der Stunde die Gliederbewegung mit einer Geschwindigkeit von 19 km pro Stunde geschieht. Hieraus erklärt sich, daß schnellerer Schritt die Pferde mehr er- müdet als ein kürzerer Trab. Die gewöhnliche Schrittgeschwindigkeit ist 6 — 7 km in der Stunde und dabei ist jeder Schritt 1,40 — 1,80 m lang. Lenoble du Teil meint, daß die Schrittgröße in allen Fällen genau ^/^ der Widerristhöhe des be- treffenden Pferdes entspräche. Dies ist aber nnn nicht der Fall, wie die recht sorgfältigen Untersuchungen Mager Is (1911) zeigen. Nach diesen dürfte die Extremitätenlänge und Winklung eine sehr große Rolle spielen und die Schrittgröße meistens die Widerristhr»he um geringes, maximal sogar um Ys überschreiten. Die Schnelligkeit des Schrittes hat sich aber im Laufe der Zeiten wenig geändert; de Curnieu gibt als maximale Schrittleistung im be- schleunigten Schritt 1km in 8' an; Youatt spricht sogar von 1km in 5' 45'', was jedoch kaum für die echte Schrittbewegung zutreffen dürfte. Nach Magerls Versuchen berechnet wären die besten Zeiten eben- falls 1 km in 8'. b) Der Paß ( l'a m b 1 e , a m b i o ). Der Paßgang ist eine geschrittene Gangart, denn der Körper ist in keinem Momente von dem Boden emporgeschnellt freischwebend. Man hört nur zwei Hufschläge wie beim Trabe und merkwürdiger- weise werden die gleichseitigen Beinpaare miteinander bewegt und nicht die diagonalen wie beim Trab. Lenoble du Teil behauptet, daß die Distanz der Hufschläge der gleichseitigen Beine ebenfalls ^4 der Wider- risthöhe betrage, wie beim Schritt, aber diese Zahlen sind für den Paß unserer Zeiten ganz verlassen worden, weil der heutige Paß sich in einen Renntrab unter Paßbewegung der Beine verwandelt hat, bei dem die Hnfschläge gleichseitiger Beine sehr weit auseinander zn stehen kommen. In Nordamerika wird dieser Gangart heute noch bedeutende Auf- merksamkeit geschenkt, und große Schnelligkeiten erreicht, so beim Pacer Star Pointer V 14 ^/g" pro km, beim Pacer „Flying" 1' 13" pro km. Im Mittelalter hingegen wurde der Paßgang für die Zelter der Damen eigens benutzt und die Pferde hierzu abgerichtet. Ich erinnere an die zitierte Arbeit von Gervase Markham, How to trayne and teach Die Beweg'unjisarteii des Pferdes. 65 horses to amble, London 1605. Da diese Gangart in ruhigem Tempo ge- schritten wird, war der Reitsitz ruhiger als im gewöhnlichen Trab. c) Auch der kurze Trab (trot raccourci ou petit trot, troto accor- ciato o camminato) gehört zu den geschrittenen Gangarten, denn auch hier verläßt der Körper den Boden noch nicht völlig, indem die Hinter- füße immer hinter dem den Boden eben verlassenden gleichseitigen Vorder- fuß niedergestellt werden. Doch sind die übrigen Merkmale des Trabes schon vorhanden, indem die Bewegung so beschleunigt ist, daß man nur zwei Hufschläge hört und die diagonalen Beine — nicht wie beim Paß die gleichseitigen — miteinander gehoben und abgestellt werden. Der kurze Trab soll eine Schrittlänge von 1,60 — 1,80 m und eine Geschwindigkeit von 225 m pro Minute haben. II. Gesprungene Gangarten. a) Gewöhnlicher (normaler oder Mittel-) Trab (trot ordinaire, troto ordinario). Die Aktion ist dieselbe wie beim kurzen Trab, aber nun wird der Körper mit dem plötzlichen Schwünge eines der Hinterbeine, des Stoß- beines, vorgeworfen und da kurz vor dem Abstellen des gehobenen, diagonalen Beinpaares auch das andere gehoben wird, um dem abzu- stellenden Platz zu machen, so schwebt der Körper einen Augenblick in der Luft und beschreibt eine niedrige Parabel. Je schärfer der Trab ist, desto häufiger ist die Bewegung des Vorstoßes und desto stärker muß der Schwung sein, den das jeweilige Stoßbein dem Körper gibt. So entsteht daraus der b) beschleunigte oder scharfe Trab (trot accelere ou allonge, trotto allungato) und c) der fliegende oder Renntrab (trot de course, trotto di cors o). Hiebei wird der Hinterfuß weit, bis 1,70 m und noch mehr, vor dem gleichseitigen Vorderfuß erst zu Boden gestellt, der Schwung des Körpers wird also um soviel vergrößert. Oft wird nach meinen Unter- suchungen bei Trabern auch der Hinterfuß etwas zehen- und bodenweit gestellt, so daß er besser an dem noch im Vorschwingen befindlichen Vorderfuße vorbeigreifen kann. Über die Geschwindigkeit des Trabes ist folgendes zu bemerken: Zunächst bewegt sich die Gliedmaße nur doppelt so schnell wie der Körper, während sie beim Schritt dreimal so schnell funktionieren muß. Daraus folgt der Lehrsatz, den schon Lenoble du Teil ausspricht, daß die Glieder eines Pferdes, das 9 km in der Stunde trabt, sich nicht Duerst, Die Beurteilung des Pferdes. 5 QQ Das l'fcnl und die NN'irkuii^' seiner Ki^ii^iiliewuj'Uiijj;'. im gering'sten schneller bewegen, als wenn es 0 km in der Stunde im Schritte zurücklegt. Der Normaltrab setzt eine Schrittgröße von 2,20 m voraus, die sich auf 3,30 m steigert, mit der Schnelligkeitszunahme. Im Normaltrabe soll ein gutes Pferd 14 km in der Stunde machen und dies zirka 40 km weit aushalten können. Von orientalischen und amerikanischen Steppenpferden wissen wir, daß sie dies sogar täglich bis 70 km zu tun vermögen und auf Distanzritten wurde den Pferden sogar bis 120 km täglich zugemutet. Die deutsche Kavallerie gibt laut Instruktion für den Reitunterricht vom 31. August 1882 300 Schritt in der Minute als Mitteltrab an. Die Schweizer Kavallerie verlangt 260 Schritte pro Minute. Die alte französische Ordonnanz von 1829 fixierte die Trabgeschwindig- keit der Kavallerie auf 240 m pro Minute, also 14,4 km pro Stunde. Die italienische befiehlt 200 m für Schultrab, 250 m für scharfen Trab. Ein guter Karrossier soll 375 m pro Minute gehen können, im scharfen Trabe 17 — -18 km pro Stunde. Renn trab. Das älteste Buch über die maximalen Leistungen der Traberpferde mit Zusammenstellung der früheren Resultate, das mir bekannt wurde, ist von Ch. duHays (1864), aus einer Zeit, da eine Schnelligkeit von 1 km in 1' 40'' das besterreichbare war. Noch Curnieu hielt 1 km in 1'45'' für das höchsterreichbare Ziel, aber schon Goubaux und Barrier geben für einen OrlofFtraber V 30 7] o'^ ^^ ^^^^ ^^^^ einen Californier Santa Claus (1881) 1'36''. Die besseren französischen Renntraber gehen jetzt fast regelmäßig mit V 30'' pro km. Kepi, Fuchsia u. a. liefen sogar noch einige Sekunden schneller. De Gaste (1903) betrachtete 1' 40" als die Grenzljnie zwischen einem „diff'ormierten" und einem „normal gebauten" Traber. Die Amerikaner erreichten früher ebenfalls nur eine englische Meile (1609 m) in 2'. Jetzt aber sind u. a. folgende Resultate erwähnenswert: Lou Dillon (1906) 1 km in 1' 13'/,,'' Pacer „Dan Patch" 1 km in 1' 12V/' C. K. Billings „Ulan" (1913) 1 km in 1' 11 '/g" d) Der Galopp (le galop, galoppo). Der Galopp ist die hauptsächlichste gesprungene Bewegung der Vier- füßer; beide Beine stoßen hier gleichmäßig den Körper ab. Man hört drei Hufschläge und die Bewegung geht folgendermaßen vor sich: Zum Angaloppieren muß zuerst die Vorhand abgestoßen, also gehoben werden, Die Beweguiigsarten des Pferdes. 67 damit, wie wir später sehen werden, derjenige Schwung in den Schwer- punkt des Körpers kommt, der die Sprungparabel erzeugt. Diese Be- wegung geschieht anfangs, nachher aber nicht mehr, sondern ausgehend vom Momente des Freischwebens des Pferdes in der Luft, wird zuerst auf den Boden niedergesetzt: ein Hinterfuß, dann der andere, dann das diagonale Vorderbein und zuletzt das noch übrige Vorderbein. Ist dieses z. B. das rechte, dann sprechen wir von Rechtsgalopp. Hier gelangt also zuerst das linke Hinterbein, dann das rechte, dann das linke Vorder- und endlich das rechte Vorderbein zu Boden. Über dieses zuletzt stützende Bein schwingt sich nun der Körper und danach unterscheidet man den Rechts- oder Linksgalopp. Die Schnelligkeit beim Galopp ist folgende: Der Galoppsprung ist bei kurzem Galopp ca. 1,55 m und 4,75 m bei starkem Galopp lang; letztere Zahl nach den Mager Ischen Auf- nahmen. Im Renngalopp kommt man bis 8 m. (Capt. Raabe gab seiner- zeit nur 3,60 m an). Die mittlere Schnelligkeit im Galopp beträgt 15 — 16 m in der Sekunde. Die deutsche Kavallerie verlangt 420 m in der Minute. Die schweizerische macht ca. 350 m in der Minute. Die französische Ordonnanz von 1829 fixiert die normale Galopp- schnelligkeit auf 300 m. Sie wurde dann auf 340 m erhöht. Die italienische unterscheidet: 200 m im galoppo disunito, 333 m im Manövergalopp (galoppo normale), 450 m in gestrecktem Galopp (gran galoppo). Ein gutes Pferd soll 30 — 40 km in dem Tempo bis zu 400 m leisten können. Unterschieden werden je nach der Beschleunigung des Tempos von Lenoble du Teil der kurze, abgekürzte oder Schul- Galopp (galop ralenti, petit galop, galoppo accorciatio), der Mittel-Galopp (galop ordinaire, galoppo normale), der starke Galopp (grand galop, galop alonge, gran galoppo). Die Unterscheidung geschieht je nach dem Niederstellen des Hufes genau auf der Spur des gleichseitigen Beines, oder hinter oder vor ihr. Beim Mittelgalopp decken beide gleichseitigen Hufspuren einander, beim kurzen Galopp kommt der eine gleichseitige Fuß hinter dem andern zu Boden, beim starken Galopp vor demselben. Dies wird noch viel mehr verstärkt beim Renn- oder gestreckten Galopp (Carriere, galop de course, gran galoppo o carica), bei dem man nach Mareys Feststellung vier Hufschläge hört statt drei wie beim normalen und großen Galopp. Der Schulgalopp pflegt auch meist vier Hufschläge hören zu lassen. 68 l*i>'^ Pferd und die AVii-kun^;- soiiu>r Eigcnheweguiifi'. Die Zunahme der Schnelligkeit im Renngalo])p ist im Lanfe der Zeiten deutlich zu verfolgen. Die nachstehenden Zahlen geben einige Anhaltspunkte. 1755 Bar Milton . . 1 km in 1/ 11'//' (n. Youatt) Flying Childers 1 km in 1' 107/' («• Youatt) 1733 Boston 1 km in V 10 V3'' (n. Wrangel) 1850 Lexington ... 1 km in V 8%'' (n. Wrangel) 1897 Lucretia Borgia 1km in V ''Vi' (n. Wrangel) Jetzt ist es in Epsom nichts ungewöhnliches, 1 km (5 Furlongs) in 57" also 19 m in der Sekunde. Auch in Frankreich und Deutschland sind Leistungen von 1' bis 55"" nichts besonderes. Die größte bis heute meines Wissens registrierte Schnelligkeit war 53", also 19 m in der Sekunde. Neuerdings lief auch „The Goaler" am. 10. Juni 1921 im Belmont-Park in New-York mit 54' 1". Die normale Flach-RenngeschAvindigkeit ist jetzt 1 km in der Minute. In bezug auf die Zweckmäßigkeit der Graloppbewegung gegenüber der Renntrabbewegung, mit der man jetzt ja ebenfalls fast dieselben Schnelligkeiten erzielen kann, ist zuerst zu betonen, wenn ein Traber 40 km in der Stunde geht, seine Beine mit der Schnelligkeit von 80 km sich bewegen; macht er aber 60 km in der Stunde, so gehen seine Beine mit 120 km. Wenn aber ein Claloppferd 40 km macht, so bewegen sich die Beine mit nur 54 km oder bei 60 km Schnelligkeit somit nur 81 km. Es wird also seinen Körper weniger bei der Galopplei'stung anstrengen müssen als bei der Trableistung. Dies ist beachtenswert für unsere w^eiteren Ausführungen. e) Der Sprung (le saut, salto). Der Sprung des Pferdes unterscheidet sich in den ausgeführten Be- wegungen nur wenig von dem Galopp. Ein Pferd führt die gleichen Bewe- gungen aus, wenn es aus dem Stehen zu einem Sprunge ansetzt, Avie beim Angaloppieren. Ist das Pferd aber wie gewöhnlich vor dem Sprunge in Galopp versetzt, so tritt der Sprung einfach an die Stelle eines Galopp- sprunges, d. h. es beginnt der Sprung, indem die in allen Gelenken ge- beugten Hinterbeine dem Körper einen entsprechend kräftigen Abstoß erteilen. Dabei wird der Schwerpunkt nach vorne und oben gestoßen und er beschreibt nach den bekannten ballistischen Gesetzen des Wurfes eine Parabel und wird jenseits des Hindernisses von den Vorderbeinen Die Beweguutisarten des Pferdes. 69 aufgefangen, die dabei eine gewaltige Last zu empfangen haben, indem, wie Osborn in einem sehr instruktiven Momentbilde zeigt (1905, Fig. 8), meist zunächst nur ein einziger Fuß die ganze Körperlast zuzüglich der Beschleunigung durch den Fall zu tragen hat. Der Elevationswinkel der Parabel ist abhängig von der Höhe und Weite des Sprunges und der Geschwindigkeit des Körpers. Der gewöhnliche Elevationswinkel beträgt bei Weitsprüngen meist 10 — 15 Grad, bei Hochsprüngen 30 Grad. Die Maximalgeschwindigkeit des Körpers während des Sprunges beträgt unter Einrechnung des Luft- widerstandes 11 — 13 m in der Sekunde. Für das Gelingen des Sprunges ist natürlich die richtige Körper- haltung nötig, damit der Schwerpunkt so gelagert ist, daß die abstoßende Kraft ihn wirklich geradlinig trifft und aufwerfen kann. Je nachdem kann bei gleicher Kraftanstrengung das Hindernis das eine Mal überwunden werden, das andere Mal nicht. Dazu ist nötig, vor, während und nach dem Sprunge eine passende Schwerpunktsverlagerung durch die Benutzung des Halshebels auszuführen. Für Hochsprünge: Mittelleistung 1,50 m. Maximale Sprünge 2,45 m (Jumper Heatherbloom). Für Weitsprünge: Mittel 7 m. Maximal 12 m, meist gegen 7,50, also nicht weiter als ein Galoppsprung. Schon nach den vorhergehenden Betrachtungen dürfte es klar ge- worden sein, daß die Art der Bewegung sich in dem ganzen Körperbau, zum. mindesten aber in den Gliedern des Pferdes widerspiegeln muß. Erst Roux hat durch Fuld (1901) den direkten positiven Beweis dafür erbringen lassen, daß eine Veränderung der Bewegungsart auch Muskeln, Sehnen und Knochen in ihrer Form und ihren Dimensionen zu verändern vermag. Fuld untersuchte dies an einem größeren Materiale von Hunden, deren Vorderbeine entfernt worden, und die dadurch zum bipeden Hüpfen gezwungen waren. Die allmählich sich ausbildende Veränderung von Oberschenkel und Unterschenkel sowie deren Bemuskelung geschah in einer Weise, die an die Dimensionen erinnerte, die diese Knochen bei Springtieren allgemein haben, und die sich gegenüber den normalen Längenverhältnissen bei Hunden stark unterscheiden. Damit dürfte der erste Beweis erbracht sein, daß die vorwiegend geübte Art der Bewegung es ist, die die verschiedene Ent- wicklung der Muskulatur und die Längendimensionen der Knochen bedingt. 70 I^fts Pferd uml die AVirkuiijj' seiner Eigenheweg'ung. Dies als sicher festgestellt, können wir nunmehr betonen, daß eine praktische Beurteilung der genauen Muskeldimensionen am lebenden Pferde nicht gut durchführbar ist, wohl aber sehr gut die Beurteilung der Knochenlängen und deren Verhältnis zueinander. 2. Die Erscheinungen funktioneller Anpassung an diese Bewegungsarten. a) Die Anpassung der Hinterbeinknochen. Jede Fortbewegung eines Pferdes erfolgt von der Hinterhand aus und, wie früher erörtert, durch die Funktion des Knies, die den Pferde- körper je nachdem vorschiebt oder vorwirft. Man sollte a priori daher stets die größeren Einflüsse der Bewegungsweise (Lokomotions- typus) in der Hintergliedmaße wahrnehmen können. Meine vergleichend-osteologischen Zusammenstellungen, die sich auf ein großes Material von Skeletten und Knochen der Museen von Bern^ Paris, Berlin, London, Lyon usw. stützen, ergaben zunächst deutliche Gesetzmäßigkeit der Dimensionen der einzelnen Knochen und damit ihres gegenseitigen Verhältnisses, wovon ich einige instruktive Zahlen hier folgen lasse. Zum Vergleiche habe ich jeweils die drei Haupthebel der Gliedmaßen gegenüber- gestellt, für die Hinterglieder: Oberschenkellänge (Femur) bezeichnet mit F, Unter- schenkellänge (Tibia) bezeichnet mitT, Tarso-Metatarsallänge (Länge der Sprunggelenks- knochen plus ßöhre bis zur Kötenmitte) bezeichnet als TM und die Summe der beide» letzteren, bezeichnet als Unterfuß (_U). Für die Vorderglieder Oberarmbeinlänge (Humerus) bezeichnet als H, Unterarmbein (Radius) bezeichnet als R und Carpo-metacarpallänge (Knochen des Vorderknies plus Röhrenbein bis Mitte Kote) C. Die absoluten Größen dieser drei physiologischen Hebeleiuheiten wurden zueinander addiert und die Prozentzahl in der Tabelle gegeben, mit welcher ein jeder dieser Hebel an der Gesamtlänge beteiligt ist. Genau dieselben Tabellen wurden nachher für die an den verschiedenen Gebrauchstypen des Pferdes gewonnenen Maße benutzt, so daß eine Zahlenvergleichung möglich ist. Nur muß ich hier auf eine Änderung aufmerksara machen, die allerdings nur eine kleinere Verschiebung der Zahlen verursachen loinn,. daß nämlich die vergleichenden Zahlen dieses Kapitels an Skeletten direkt gemessen^ die Zahlen der Tausende von Pferden, die untersucht wurden, aber am lebenden Tiere durch Haut und Muskeln hindurch getastet und so gemessen wurden. Daher die später zu erörternden Abweichungen. Der Sprungfederapparat von Zehen, Phalangen, Huf und Kote wurde in den Mes- sungen ausgeschaltet, da er nach früheren Ausführungen als ein durchaus selbständig funktionierender Teil der Extremität betrachtet werden muß, der wohl mit dem Ge- wicht des Körpers, nicht aber mit den andern Hebeln der Extremität in engem Zu- sammenhange steht. Er läßt sich am besten mit einer mehr oder weniger breiten und aufgeblasenen Pneumatik moderner Fahrzeuge vergleichen, der ganz unabhängig von der Lokomotionskraft der Extremität ist. Die Erscheinnnoen funktioneller Anpassuno- an diese verschiedenen Bewegungsarten. 71 Vergleichencl-osteologische Tabelle von ]\Iittelzahlen der prozentualen L ä n g e n v e r h ä 1 1 n i s s e der Hebelarme der H i n t e r e X t r e m i t ä t e n bei T i e r g a 1 1 u n g e n verschie- denen B e w e g u n g s t y p e s. A. Sprungbewegung, d. h. gleichzeitiges Abschnellen des Körper- o-ewichtes mit beiden Hinterbeinen. I. Zweibeinige (bipede) Springer. F T TM U a) Säugetiere. Wüstenspringmaus (Dipus 7o 7o 7o 7o aegyptius) 27,2 39,9 32,9 72,8 Pferdespringer (Alactaga saliens) 26,8 40,1 33,1 73,2 Flinkes Känguruh (Macro- pus agilis) 26,5 42,3 31,2 73,5 BennettsKänguruh(Macro- pus benetti) 26,2 43,1 30,7 73,8 b) Vögel. Drossel (Turdus aequivoca) . 26,1 44,3 29,8 73,9 Amsel (Turdus merula) .... 26,9 43,3 29,8 73,1 Finken (Buchfink, Hänfling, Sperling) : 27,6 43,1 29,3 72,4 Rabenvögel (Kolkraben, Krä- hen, Elstern) 26,1 43,1 30,8 73,9 II. Vierbeinige (tetrapede) Springer. Hierbei schon Gehbewegung vorkommend, ohne Abschnellen des Körpers vom Boden. a) Säuger. Eichhorn (Sciurus vulgaris) 37,3 40,2 22,5 62,7 Hase (Lepus timidus und r L. varronis) 37,5 40,0 22,5 62,5 Marderarten (Edelmarder, Steinmarder, Wiesel) .... 37,8 40,0 22,2 62,2 b) Lurche. Taufrosch (Ranatemporaria) 36,7 41,9 21,4 63,3 Teichfrosch (Ranaesculenta) 37,8 41,1 21,1 62,2 Ochsenfrosch(Ranamugiens) 39,3 41,1 19,6 60,7 c) Reptilien. Otocryptis biviata. Wieg. . 39,5 40,5 20,0 60,5 d) Insekten. Heuschrecken 45,6 40,4 14,0 54,4 Floh 32,5 34,1 33,4 67,5 72 l'as l'furd und die; Wirkung seiner Eigenbeweguno;. B. Reine Trabbewegung, d. li. jeweilig-es Abstoßen der Körperlast vom Boden mit nur rinciu Beiiie, wälirend das andere vorscliwingt. I. Zweibeinit;-e (bi])ede) Traber. a) Renntral). F T TM U Strauß (Struthio canielus) 22,1 41,3 3G,G 78,3 b) Langsamerer Trab infolge schweren Gewichtes. Riesenmoa (Diornis maximus) .... 22,4 49,0 28,6 77,6 Pach^^ornis elephantopus 26,8 51,0 17,2 73,0 C. Schrittbewegung, d. h. Vorwärtsschieben der Körperlast ohne Verlassen des Bodens. Selten auch Trab oder Galopp. Mammut (Elephas primigenius) . . . 52,4 32,6 15,0 47,6 Elephant (Elephas maximus) .... 52,8 30,6 16,6 47,2 D. Mischung der vorigen drei Be- wegungen. I. Überwiegende Galopp- oder S p r u n g b e w e g u n g. Panther (Felis pardus) 37,8 37,5 24,6 62,1 Löwe (Felis leo) 37,8 36,2 25,0 61,2 Hirsch (Cervus elaphus) 38,7 32,0 29,3 61,3 Kurzhorn-BüfFel(Bubalusbrachyceros) 39,4 37,4 23,2 60,6 Bei stärkererVerlagerung des Schwerpunktes nach hinten, Bergtiere oder vorne hochbeinigere. Bergrehe (Cervus capreolus) 28,7 34,8 36,5 71,3 Steinbock (Capra ibex) 29,7 33,8 36,5 70,3 Gemse (Rupicapra capella) 30,8 34,6 35,6 70,2 IL Überwiegende Schrittbewegung. a) Kein Trab, plumper Galopp. Giraffe (Girafta camelopardalis) ... 25,1 28,0 46,9 74,9 b) Überwiegende Schrittbewegung ' oder Trab, nie oder selten Galopp. Dromedar (Camelus dromedarius) . . 34,1 27,6 38,3 65,9 Aus diesen Zusammenstellungen sehen wir A. Beim Sprunge : 1. Daß alle zweibeinigen Springer, wie auch die zweibeinigen Traber, einen bedeutend kürzeren Oberschenkel als Unterschenkel haben. Die Erscbeiiiuuncii funktioneller Anpassung' an diese verschiedenen Bewegungsarten. 73 Die Oberschenkellänge beträgt 50 — 65 7o ^^'^ <^es Unterschenkels oder ca. 27 7o ^^'^' gesamten Beinhebellänge. Die Länge des Unterfußes beträgt also 73 "/q. 2. Alle vierbeinigen Springer haben einen Oberschenkel, der der Länge des Unterschenkels so ziemlich entspricht. Gewöhnlich ist er noch etwas kürzer als der Unterschenkel. Der biometrische Mittelwert nach den Frequenzen ergab 93 '•'1^ des Unterschenkels. Die mittlere Länge des Oberschenkels beträgt 37,5 7o c^©^ gesamten Beinlänge. Der Unterfuß ist bei allen Tiergattungen rund 63 "/^ der gesamten Beinlänge. Yielbeinige Tiere, wie springende Insekten, haben ähnliche Ver- hältnisse, variieren aber je nach den Veränderungen der andern Beinpaare, 3. Die Länge des Tarsometatarsalhebels wechselt durchaus je nach der Schnelligkeit der Tiere und nach der Beschaffenheit des Bodens, auf dem sie leben. Je härter der Boden, desto länger, je weicher, desto kürzer wird dieses Stück. Hand in Hand geht damit der Einfluß der Schnellig- keit, die ebenfalls verlängernd wirkt. Welcher Anteil auf jeden dieser Faktoren fällt, ist einstweilen noch nicht genau erfaßbar. B. Für die Trabbewegung gilt genau dasselbe wie für den Galopp, woraus erhellt, daß der Trab eine gesprungene Gangart ist. Je rapider die Aufeinanderfolge der Sprünge ist, auch wenn sie nur auf einem Bein ausgeführt werden, desto mehr verkürzt sich der Oberschenkel, ohne daß die Tibia unbedingt folgen muß. Oft wnrd der Ausgleich in der Ver- längerung der Röhren erreicht. Diese haben bei jeder schnelleren Bewegung die Tendenz zum Länger- und Dünnerwerden. C. Das Schreiten oder Vorschieben des Körpers im Schritte ver- ursacht eine Verlängerung des Oberschenkels, Verkürzung der Tibia und der Röhre, die besonders bei großen Gewichten, die bewegt werden müssen, sehr kurz werden kann. D. Die Verbindung des Springens mit dem Schreiten, wie dies den meisten vierbeinigen Tieren eigen ist, verursacht eine mittlere Länge der Knochen, die also zwischen beiden Extremen stehen. Die Orientierung des Mittelwertes ist somit immer abhängig a) von der hauptsächlichen Bewegungsart, b) von der Schnelligkeit, mit der diese Bewegung ausgeführt wird, c) von der Beschaffenheit der Unterlage (Boden). Wenden wir diese hier kurz abgeleiteten Entwicklungsgesetze der Gliedmaßen der Tiere nunmehr auf das Pferd an, so erkennen wir auch hier, sofern wir biometrisch vorgehen, deren Richtigkeit innert gewisser Variationsgrenzen. 74 l^fls l'fcrd und tliu \N'irkuiiji' seiner Eiyeiil)ewe<^ung. Über das riclitig-e Verhältnis der Reihrenknochen der Hinterextremität des Pferdes hören wir von den Autoren verschiedene Gedanken aus- gesprochen: rinter v. d. Au (1664) wünscht, daß die Unterschenkel nicht länger sein sollen, als der Leib hoch (S. 106), die Oberschenkel gleich lang wie die Unterschenkel (S. 109), länger ist fehlerhaft, ebenso kürzer. Dasselbe wiederholen zahlreiche Autoren bis auf Zehentner (1757 bis 1775). Bourgelat (1797) spricht von proportionierter Länge und erst Lecoq (1856) verbreitet sich des längern über das Verhältnis von Länge zur Leistung, indem kurze Unterschenkel besser muskuliert und für schweren Zug geeigneter seien, lange aber im Gegenteil für Renn- pferde passender. Das gleiche wird dann bis zur neuesten Auflage von Born und Möller (1919) von der Großzahl der Autoren wiederholt, wo es S. 287 ebenfalls heißt, daß „gutgebaute" Pferde lange Ober- schenkel haben sollen und S. 289, daß mit der Länge der Unterschenkel die Schnelligkeit der Pferde wachse. Auch Goubaux und Barrier betonen, daß die Länge der Schenkel mit der Größe der Ausschläge ihres unteren Endes — also der Schritt- größe — in enger Beziehung ständen und ein langer Unterschenkel immer das beste sei, halten aber das Verhältnis zwischen Ober- und Unter- schenkel nicht von großer Bedeutung, indem sie darüber bloß die Auf- fassung Henry Bouleys zitieren, der angibt, daß große Schnelligkeit nur erreicht werden könne durch langes Pemur und lange Tibia, und wenn der Oberschenkel zu kurz sei, so müsse eben der Unterschenkel entsprechend länger werden. Nach den relativ schlechten Erfahrungen, die meine früheren Schüler DDrr.Krynitz und M agerl (1911) bei ihren vergleichenden Untersuchungen in dieser Hinsicht machten, die auch Max Müller in seinen trefflichen Studien bestätigt, indem sich aus der bis- her üblichen Relation der Knochenhebel der Extremität in bezug auf Widerristhöhe kein brauchbares, wirklich klar erkennbares Resultat ergebe, habe ich die für die an- deren Tierfamilien benutzten Relationen nun auch auf das Pferd angewendet. Als recht interessanter, fast charakteristischer Eaktor wurde die Unterfußlänge als prozentuale Summe von Tibia und Tarsometatarsallänge ermittelt, wobei die gleichmäßigen Femur- längen und gleichmäßigen Unterfußlängen trotz der starken Varianten ihrer Kompo- nenten erst so recht zur Geltung kommen konnten. Die Großzahl der verwendeten Messungen wurden nun aber bei lebenden Pferden ermittelt und dabei mein später erwähntes Meßblatt verwendet. Die Messungen an den Skeletten, die ich ursprünglich für mein Werk „Vergleichende Untersuchungsmethoden am Skelett bei Säugern" in Abderhaldens Handbuch der Biologischen Arbeitsmethoden ausführte, ließen sich nicht ohne weiteres mit den am lebenden Pferde gewonnenen Resultaten vergleichen, so daß — weil die Zahl der Pferdeskelette geringer war — eine kleine Verkürzung der Unterschenkellängen gegenüber den Maßen am lebenden Tiere mit in Kauf genommen werden muß. Am lebenden Pferde erscheint der Oberschenkel eine Kleinigkeit länger, weil man die Ansatzpunkte des Gleitzirkelmaßes weder pro- Die Erscheinungen funktioneller Anpassung- an diese verschiedenen Bewegungsarten. 75 ximal noch distal völlig gleich denen des Skelettes wählen kann; in den Relativzahlen hingegen wirkt er kürzer, da der Unterschenkel auf alle Fälle bedeutend länger er- scheint, indem hier beim Körpermaß nicht nur die Hälfte des Tarsus (bis Mitte Sprung- gelenk) also das Os tarsi tibiale mit dem schrägen Durchmesser der Astragalusgelenk- roUe mitgemessen und verrechnet wird, sondern auch der obere Kniemeßpunkt nicht absolut genau mit der Tibialänge übereinstimmt. Anderseits ist das Tarsometatarsalmaß immer wieder etwas zu kurz, weil oben der halbe Tarsus wegfällt und nur das Os cen- trale oder naviculare und das Os tarsale tertium hinzukommt und unten ein gutes Stück wegfällt, da nur „Mitte Kote" gemessen wird. Hingegen stimmt das addierte T + TM- Maß, also der Unterfuß wieder recht genau mit den Skelettmaßen überein. Im ganzen lassen sich diese beim lebenden Pferde gewonnenen Zahlen durchaus mit den Skelettmaßen ohne weiteres vergleichen, wenn man nur bedenkt, daß der Unterschenkelhebel in diesen Körpermessungen immer etwas länger erscheint, als er in Wirklichkeit ist. Zwecks Erleichterung einer Nachprüfung bemerke ich, daß ich beim Oberschenkel- knochen immer nur den Hebel der Last und zugleich Schenkel des Kniewinkels, also von dem Mittelpunkt des Gelenkkopfes bis zum kranialen Ende der Gelenkrolle ge- messen habe, also nicht den ganzen Oberschenkel, und die Tibia bis zur Mitte des Tarsalgelenkes, um die wirklich wirksamen Knochenachsen allein zu haben. Zuerst eine kleine Zusammenstellung über diese Verhältnisse bei der Ahnenreihe der Pferde: F T TM U Eohippus 39,0 31,0 28,0 59,0 Mesohippus 37,5 36,5 26,0 62,5 Hippidium argentinum 36,5 32,5 30,0 62,5 Neohipparion Whitneyi, Waldform 37,1 32,7 30,2 62,9 Wüstenform 31,8 34,2 34,0 68,2 Equus scotti, Steppenform .... 36,5 32,5 30,0 62,5 Equus cab. robustus v. Solutre . . 36,2 32,9 30,8 63,73 Equus cab. Nehringi, Waldform . 38,8 32,5 28,7 61,2 Equus cab. Pumpellii, Wüstenform 33,9 36,1 30,0 66,2 Equus Przewalsldi, Polj. recent . 35,8 32,8 31,4 64,2 Die Zahlen sprechen für sich selbst. Bei allen Pferdeahnen, die ein Wald-, Sumpf- oder Steppenleben führten, ist der Oberschenkel länger als der Unterschenkel. Nur bei den von Osborn als Wüstenform be- zeichneten Tieren ist der Unterschenkel länger, ebenso bei der von mir als Wüstenpferd beschriebenen Form des E. cab. Pumpellii aus dem Sande der Wüste Karakum. Bei den Wüstenformen nehmen die Eöhrenbeine auffallend an Länge zu, während sie bei den Waldformen kurz, bei den Steppenformen inter- mediär sind. Bei einigen rezenten Skeletten von prima Eassepferden, wenn auch teilweise aus früheren Zeiten stammend, finde ich folgende Mittel- zahlen : T TM U 35,2 30 05 34 32 G6 70 I*«i^ Pfc'i'il 1111(1 die AX'irkuiiii' seinor Eigenlicweguiig-. F Arabische und Berber Vollblüter . 34,8 Englische Vollblüter 34 Ponys ans Tongking, Snmatra, Is- land, Schweden, England .... 35 35 30 05 Anglonormänner, Hunter, Hannove- raner usw. Halbblüter 35 32 33 05 Ardenner, Belgier, Percherons . . 37 38 25 03 Daraus erkennen wir folgendes: Es existiert auch hier ein ganz markanter Unterschied zwischen den Oebrauchstypen je nach der Gangart. Er zeigt sich schon recht gut im Verhältnis zur Widerristhöhe, während er in bezug auf die Beinhebel- länge keine sehr brauchbaren Eesultate ergibt. Die kombinierten Ge- brauchspferde scheinen hier etwas höher als die Traber und Schritt- pferde. In dem Verhältnis zur Höhe des Brustkorbes spiegelt sich das Bild wieder reiner wider. Die Eenntraber haben also im großen Durch- schnitt eine verhältnismäßig fast so lange Schulter wie die Vollblut- renner der Galoppleistung. Max Müller (1911, 49/70) hat sehr schöne Beobachtungen über die Schulterlänge in Beziehung zur Widerristhöhe gemacht und findet die längste Schulter bei Laufpferden, eine etwas kürzere bei Schritt- pferden und die kürzeste bei Trabern. Da er nicht, wie ich, die ganze Schulter mitsamt Knorpel, sondern nur ungefähr die Länge der knöchernen feststellt, so harmonieren unsere Maße natürlich nicht genau. Immerhin läßt sich sein Resultat hier nennen: Laufpferde .... 29,3 7o cler Widerristhöhe Schrittpferde . . . 28,7 7^ „ „ Traber 28,0 7^ „ Müller konstatiert aber dann sehr richtig, daß das Resultat der Traber keineswegs so zu deuten sei, daß jene immer kürzere Schultern haben müssen, sondern im Gegenteil hätten die besten Traber mit hohen Schnelligkeiten fast stets die längsten Schultern, wie Laufpferde. Diese Bemerkung deckt sich genau mit meinem Material, das, wie ersichtlich, etwa in der Mitte zwischen den kombinierten Gebrauchspferden und Galopp-Pferden steht. Zudem ist die Müller sehe Arbeit an etwas be- schränktem Materiale vorgenommen. Die Anlagen zu diesen Knochenlängen werden augenscheinlich dem Tiere von Geburt an mitgegeben, während sich während der Entwick- lungszeit der Pferde die Beinhebellängen nicht oder nur sehr wenig verändern. Eine Beeinflussung derselben kann nur in geringem Grade während der normalen Wachstumszeit des betreffenden Individuums Die Erscheinuno-cn funktioneller Anpassung an diese verschiedenen Bewegunosarten. 77 stattfinden. Resorption auf Druck hin oder Verlängerung von Röhren- knochen kann später nicht oder nur in ganz unwesentlichem Maße er- folgen, es sei denn durch Kastration oder sonstige Blutdrüsenbeeinflussung. Daher ist die Vererbung bestimmter Knochenlängen durch die Eltern- tiere die Grundlage für die Beurteilung der zu erwartenden Leistung und die Knochenlängenmessung ein notwendiges Hilfsmittel. Bei solchen Messungen zeigt sich einigermaßen dasselbe Verhältnis ; nur sind Skelette berühmter Rennpferde und namentlich von echten Wüstenarabern selten; die meisten der letztern, die in Europa waren^ sind schon verändert und die Tibia meist um ein kleines kürzer als das Eemur, während das Verhältnis bei guten Elachrennpferden gewöhnlich stimmt. Nehmen wir nun zum Vergleiche die lebenden Pferde, so können wir folgende Tabelle aufstellen auf Grund der Zahlen, die ich nach meinem Messungs verfahren im Laufe von 12 Jahren auf Reisen und mit Hilfe meiner Studierenden und Freunde gewonnen habe. Ich will hier gleich betonen, da dieses Zahlenmaterial die Eorschungsgrundlage meines Buches darstellt, daß ich leider nur über 2142 Messungen ver- füge und hiervon naturgemäß die größte Zahl Remonten der schweize- rischen Armee, bestehend aus Holsteinern, Hannoveranern, Ldändern,. Amerikanern, Spaniern, Ungarn, und Offizierspferde, Hunter, englische Vollblüter usw. sind. Aber auch ein schöner Teil wurde von mir auf meinen Reisen im Süden und in den Gestüten Frankreichs und Deutsch- lands, die ich vor dem Kriege regelmäßig besuchte, gemessen, wodurch ich von einer großen Anzahl Renntrabern und englischen Vollblütern über Messungen verfüge. Leider waren aber die Tabellen öfters nicht vöUig ausgefüllt, wegen zu kurzer Zeit zur Musterung. Als Kuriosum wurde mir durch die Güte des Marquis de Baron- celli-Javon auf dem Mas de la Maree in der Camargue ermöglicht, eine Manade sog. „Wildpferde", zu messen. Die Verwertung der sämtlichen Messungsresultate in diesem Buche wurde nach den bekannten durch Ov erbose h (1912) und mich erst- mals in die Haustierbeurteilung eingeführten biometrisch-statistischen Methoden umgerechnet, die dann von Augustin (1913), Todorovic (1913) und Zehntner (1917) unter meiner Leitung weiter fortgesetzt wurden. Alle angegebenen Mittelwerte wurden nach der von Todorovic rechnerisch gegenüber Overbosch etwas vereinfachten Formel: 2 V f n geAvonnen. Sodann ist folgend die Standardabweichung (S) als Maß der 78 r)a,s Pfenl uinl die AVirkuii^' seiiici' Ei Humerus , w n _, unterruü + '/<, Carpus carpus /o /o 10 Vollblutaraber Engl. VoUblut Kombin. Halbblut Hippid. argentinum Equus scotti Bei den lebenden Pferden liegen die Dinge folgendermaßen: 34 38 28 66 32 38 29 68 32 40 28 68 25 44 31 73 33 38 29 67 ^) Ich finde sogar bei Berg- und Feldhasen einen deutlichen Unterschied, indem ■der Oberarm der Feldhasen entsprechend küi-zer ist als der Vorarm, bei Berghaseu aber fast gleichlang wie der Vorarm. Es ist hier wieder ein wertvolles Beispiel für den Einfluß der Gestaltung der Bodenoberfläche auf die Bewegung und deren Ein- wirkung auf die Knocheulängen wahrnehmbar und ilirekt auf das A"iel langsamere, mehr Kraft erfordernde Bergaufspringeu zurückzuführen, das ich als .Täger oft zum ^achteU des betreffenden Hasen benutzte. Die Erscheiuuii,!J'L>ii funktioneller Anpassung' an diest^ verschiedenen Beweguno-sarten, ^3 1. Pferde mit hauptsächlicher Galopp- und 8prungleistun<»- nr-., , , Standard- Variations- Mittelwert , . , i sx^ ■ l abweicuung' koetiizient Oberarm 30,98 ± 1,687 0,0544 Vorarm 42,08 ± 1,191 0,0283 Röhre mit Yorderknie 25,94 ± 2,258 0,0831 Unterfußindex 68,02 2. Pferde mit reinerTrab- b e w e g" u n g Oberarm 26,51 i 1,500 0,0560 Yorarm 46,12 ± 0,739 0,0160 Röhre mit Yorderknie 27,37 ± 0,820 0,0264 Unterfußindex 73,49 Ahnlich verhalten sich die meisten Hackneys, die ich zu messen Ge- legenheit hatte, aber hier ist die Ausgegiichenheit des kurzen Humerus seltener. 3. Pferde mit allen drei Gangarten zu kombin. Gebrauch ^Tii 1 i Standard- Variations- Mittelwert i • i ^ £n ■ . abweichung koetiizient Oberarm 30,03 ± 2,562 0,0853 Yorarm 43,45 ± 2,635 0,0606 Röhre mit Yorderknie 26,52 ± 1,609 0,0606 Unterfußindex 69,97 4. Schrittpferde Oberarm 32,30 ± 2,449 0,0758 Yorarm 43,01 ± 3,516 0,0817 Röhre mit Yorderknie 24,69 ± 2,216 0,0897 Unterfußindex 67,70 Aus diesen Zahlen ist zu folgern, daß bei den Galopp-Pferden der Oberarm recht lang ist und der Yorarm ziemlich kurz, die Röhre ist ebenfalls relativ kurz. Wie wir sehen werden, stimmen Yorarm- und Tibienlänge immer absolut genau überein. Bei Trabern ist im Mittel der Oberarm kurz, der Yorarm lang und auch die Röhre ziemlich lang. Bei kombinierten Gebrauchspferden ist wieder ein annähernder Mittelwert vorhanden. Bei den Schrittpferden ist der Oberarm am längsten, der Yorarm relativ kurz und die Röhre auch kurz. Interessant ist wieder die Übereinstimmung der Unterfußindizes der Yorder- mit den Hinterbeinen, nämlich S4 1'""* l'fenl und die Wirkimg' seiner Eitj-onliewo^iiuü'. vorne 68,02 Galopper, hinten 67,75 .. 73,49 Traber „ 72.67 „ 69,94 Kombinierte „ 69,78 .. 67.70 Sehrittpferde „ 68,45 Über alle die vorstehenden Relationen ist zu bemerken, daß auch schon Max Müller an der kleinen Zahl der von ihm gemessenen Halb- blüter, Traber und Schrittpferde ganz ähnliche Verhältnisse, wenn auch nicht diese Zahlen gefunden hat. c) Die Anpassung des Beckens. Von besonderem Interesse sind die Knochenveränderungen, die die mit den beiden Gliedmaßen verbundenen Plattenknochen, Becken und Schulterblatt durch die verschiedenartige Bewegung der Beine erleiden. Der Beekengürtel ist vergleichend-anatomisch stets etwas mehr durch die Rumpfmuskulatur des Tieres beeinflußt als von der Extremität. Immer- hin lassen sich bei Säugetieren ganz allgemein unter Voraussetzung einigermaßen gleichartiger Bemuskelung infolge der vorwiegenden Be- wegungsarten der Extremitäten ähnliche Form-, Längen- und Winkel- verhältnisse auffinden. Liegt ja sogar auch für Vögel und Saurier ein durchaus analoges Verhältnis vor, wie aus den vorzüglichen Arbeiten von Baur (1885, 613) und Dollo (1905, 441) hervorgeht. Doch läßt sich im Gegensatze zu den Extremitätenknochen das Becken der Vögel und der Frösche nicht ohne weiteres zum Vergleiche heranziehen, wie es für die Beinknochen möglich war, obgleich auch hier die zu formu- lierenden Gesetze voll und ganz zu Recht bestehen. Betrachten wir bei einer Beckenlänge von 100 die Länge des Darmbeines in i h r e m Ve r h ä 1 1 n i s z u m S i t z b e i n e (Beckenindex), so erkennen wir a) bei bipeden Säugern: Wüstenspringmaus und Pferdespringer das Verhältnis rund, wie 50 : 50 "/o^ b) bei bipeden, springenden Säugern, die bei langsamer Bewegung sich mit dem Schwänze stützen : Känguruh, Macropusarten 52 : 48 "/o* Wie dies bei jedem vom vierbeinigen zum zweibeinigen Tiere ent- wickelten Wesen, das sich springend fortbewegt, infolge der veränderten Funktion allmählich eintritt, zeigt uns Fuld in seinen Untersuchungen über die Hunde ohne Vorderbeine, bei denen eine Veränderung der Hinter- glieder als auch des Beckens in diesem Sinne eintrat, indem das Becken gegenüber dem der Kontrolltiere verlängert wurde. c) Sobald nun bei quadrupeden Springern dasselbe derart geschieht, daß der Vorderkörper durch sein Gewicht zu Boden gedrückt und durch kurze Vorderbeine unterstützt und vom Boden abgestoßen wird, wie beim Die Erscheiiiuugeu funktioneller Anpassuno- an diese verschiedenen Bewegungsarten. 85 Hasen, dann verändert sich das Verhältnis A'on Darmbein zum Sitz- beine auf 52 : 48 7o ^) i"i Mittel. Je ebener das Wohngebiet ist, desto mehr erscheinen Sitz- und Darmbein gleich lang zu werden. Bei Panther, Löwen, Tigern, Jaguaren maß ich an Skeletten wilderlegter Tiere im Mittel 52:48 7^, bei Käfigtieren ,, ö5:45 7o- Annähernd gleiche Zahlen fand ich auch bei Wiesel- und Marder- arten, die sich in Sprüngen fortzubewegen pflegen, und beim Eichhörnchen bis 60 : 40 7oi was wohl auf die gleichzeitige Kletterbewegung zurück- zuführen ist. d) Denn auch bei vorwiegend „galoppierenden" und springenden Cervidenarten, wie Edelhirsch (Cervus elaphus), Eenn (Cervus tarandus) und Eeh (Cervus capreolus) fand ich für Tiere der Ebenen 52 : 48 7o i^^^ Mittel. Für Gemsen, Ijama, Steinbock und Mähnenschaf, also kletternde Gebirgstiere, beobachtete ich als biometrische Mittelzahl 55 : 45 7o- Es war mir nun sehr interessant und wertvoll, durch Messungen der Becken eigenhändig im Hochgebirge gestreckter Cerviden, die aus Höhen von 1000 — 2000 m stammten, ein Verhältnis von Darmbein zu Sitzbein von ebenfalls rund 55 : 45 zu finden (genau 54,6 : 45,4 aus 21 Messungen). e) Bei Bison und Steppenrindern ermittelte ich 54 : 46 °/q, als Mittel- zahl von Hausrindermessungen 54,2 : 45,8 7oi ^^i Schafen 54,5 : 45,5 7o- Die Bewegung während des Lebens muß hier eine sehr große Wir- kung haben, denn ich fand bei einem aus einem Zirkus stammenden „TanzbüfFel", den ich erwarb, ein Verhältnis von 58 : 42 7o- f) Bei Caniden schon ändert sich das Verhältnis. Bei russischen Windhunden fand ich im Mittel 58 : 42 7oi ^ei Wolf und Fuchs 59 : 41 7oi Vorstehhunde, Dobermänner, Schäferhunde 60 : 40 7o- Auch bei den Dachshunden erfährt dieses Verhältnis nur eine un- wesentliche Änderung, obgleich die gewöhnliche Trabbewegung hier nicht sehr fördert. Zahlreiche Messungen an Becken von Hunden aus prähistorischen Ansiedelungen überzeugten mich, daß dies Verhältnis von 60 : 40 alther- gebracht ist. g) Bei selten galoppierenden, nur trabenden und schreitenden Tieren finde ich das Verhältnis sich deutlich erhöhen, so bei den Giraften (Camelo- ^) Es war mir infolge Besitzes verschiedener Jagdreviere in der Ebene und im Hochgebirge möglich, von 164 Hasen die Beckenknochen zu untersuchen. Ich war erstaunt, stets eine deutliche Differenz vorzufinden; so fand ich bei Hasen aus völlig ebenem Reviere das Verhältnis im Mittel 50,8 : 49,2, bei Schneehasen und gewöhnlichen Hasen des Hochgebirges als Mittel 52,6 : 47,4. 8t) Das l'l'evd uiul die Wirkung seiner Eigeubewegiuig. pardalis giratta) 62 : 38 "/o? t>ei jinigen Elefanten ebenfalls 62:38^/„; bei dem Igel (Erinaceus vulgaris), der wegen seines Stachelpanzers nicht galoppiert, GG:34 7o5 ^^i alten Elefanten und Mammuts 7U:30''/o- Aus diesen Zahlen läßt sich oline Schwierigkeit sehen, daß bei zwei- beinigen Springtieren das Sitzbein gleich lang ist wie das Darmbein^ somit die Mitte der Gelenkpfanne des Oberschenkels auch die Mitte des Beckenastes darstellt. Schon beim Auffangen der Körperlast durch die Vorderbeine wird dies Verhältnis gestört, und wie der Hase gezeigt, verändert sich dies Verliältnis um so mehr, je mehr der Schwerpunkt des Körpers nach vorne verlagert wird, je niedriger also die Vorder- beine sind. Je mehr und häufiger sich die Tiere im Trabe bewegen, je weniger sie springen, desto kürzer wird das Sitzbein im Verhältnis zum Darm- bein. Das gleiche gilt für den Einfluß der Bewegung im Gebirge. Kontrollieren wir diese so direkt ableitbaren Naturgesetze an den Körperformen des Pferdes, dann mul.) zunächst die Galoppform voraus- gestellt werden. a) Bei arabischen Vollblütern Frankreichs, Ungarns und der Türkei, sowie bei den Scharnhauser Arabern fand ich als abgerundete biometrische Mittelzahl 53 : 47 ^/^ (in einigen Fällen als obersten Variationsklassen- wert sogar 51 : 49). b) Bei englischen Vollblütern ist größere Variationsbreite ; ich fand sogar eine zweigipfelige Variationskurve mit 54 und 65 gegen 46 und 35 der Sitzbeinlänge. Die Mittelzahl wäre aber rund 58 : 42 °/q. (Ich führe diese Variation auf den mangelnden Training aller Zucht- tiere zurück, die ich gemessen habe; aber selbst bei der Gruppe von Pferden, die gerannt haben, sind so große Unterschiede wahrnehmbar, die auf die Vererbung dieses Verhältnisses seitens der Eltern hindeuten.) c) Die Angloaraber Frankreichs, die ich maß, waren nicht besser, im Mittel 56:447o. d) Die stark variable Gruppe der Halbblüter wies im Mittel 63:37% auf. e) Die Schrittpferde zeigten rund 65:357o- Auch hier waren die Varianten recht bedeutend, wenn auch lange nicht so groß wie bei den Halbblütern ; als größere Zahl buchte ich das Verhältnis bei einem Ardenner Hengste des französischen Gestütes Annecy mit 67:337^. f) Was dieses Verhältnis bei den Traberpferden angeht, so maclit de Gaste erstmals darauf aufmerksam, daß bei Trabern das Sitzbein Die ErsclH'iiiiiiiiicn f iiuktionellor Anpassung an diese verschiedenen Beweguiigsarten. ^7 immer kürzer werde und daß dies eine Grundbedingung- zur Erlano-unj^' luichyter Schnelligkeit sei. Ich fand auch in der Tat bei reinrassigen Traberpferden in fran- zösischen und amerikanischen sowie dem deutschen Trabergestüte des Grafen Bismarck in Ihringen ein biometrisches Mittel von 75:257o- Als oberstes Einzelmaß finde ich sogar die Zahl 77:23 7o- AVie de Gastes Zahlen sich hierzu verhalten würden, konnte ich leider nicht ermitteln, da die Art unserer Maßabnahme gar nicht über- einzustimmen scheint und er wohl mit dem Bande statt, wie ich, mit dem Gleitzirkel und einem verkürzten und einem verlängerten Arm in der Projektion mißt. Während nach der gezogenen SchluiBfolgerung- unsere beiden Ergebnisse übereinstimmende zu sein scheinen, kann ich doch die Zahlen der Tabelle auf Seite 1SI> seines Buches nicht ver- gleichen. . Gestützt auf diese Ausführungen glaube ich mich zu dem Schlüsse berechtigt, daß auch die Beckenknochen des Pferdes den gleichen Ge- setzen gehorchen wie die anderer Tierarten und daher ebenfalls von der Bewegung des Tieres beeinflußt werden. Die Tatsache spaltender Ver- erbung bedingt es aber, daß selbst reinrassige Galopp-Pferde, um s(t. häufiger aber unreinere Halbblutpferde mit Verhältnissen der Knochen- längen zur Welt kommen, die durchaus nicht der von den Eltern ge- forderten Bewegung entsprechen. Es zeigt sich, daß dies Verhältnis der Knochenlängen ebenso wie das der Beinhebel während des Lebens nur wenig abgeändert werden kann, Nur in frühester Jugendentwicklung ist dies bis zu einem ge- ringen Grade möglich. Nachher ist es zu spät. Eine gewisse JModifikationsfähigkeit ließ sich ja für das Becken des von mir erwähnten Tanzbüflels beweisen, bei dem die Gelenkpfanne unzweifelhaft verschoben und oval erscheint. Wieweit vielleicht durch Frühtraining der Fohlen in frühester Jugend ein Einfluß erzielt werden könnte, ist leider biometrisch nicht zu verfolgen gewesen; hoffentlich aber bildet meine Übersicht bisher fest- gestellter Tatsachen einen Ansporn, auf diesem Wege weiter zu prüfen. Nach den vorstehenden Mittelzahlen sollte man meinen, damit ein Pferd gut galoppieren könne, müsse das Verhältnis zwischen Darmbein und Sitzbein annähernd 50 : 50 7o sein oder mindestens 55 : 45, sonst dürfte es, alle andern Faktoren der Galoppleistung als gleichartig vor- ausgesetzt, gegenüber dem besser begabten im Kennen unterliegen. Ein Traber sollte ganz ideal das Verhältnis 75 : 25 aufweisen, mindestens aber wohl gegen 70 : 30, um ein guter Renntraber sein zn können. ^f> l>il^ l'ienl uiul die WirUuiit»' seiner llbt. Der Wechsel der Mode in l'fcid 95 Bei den hohen l'reisen damaliger Rüstungen und deren Seltenheit wurden die Pferde wohl eher diesen entsprechend ausgesucht und damit durch die Waffenschmiede eine Modeform geschaffen, die der heutigen primitivsten Form des Ardenners ziemlich genau entspricht. Erst mit den Kämpfen um Neapel durch den Condottiere Gonsalvo de Cordova (1503) erhielten die maurisch-spanischen Pferde Cordovas größere Bedeutung durch die Einführung der Taktik leichter Reiterei. Fio-. 25. Habitus des spanisch-neapolit;inischen Pferdetypus. Nach Elias Uidinger, 1752. Die Qualitäten des maurisch-spanischen Pferdes traten hierbei in den Vordergrund und durch den Sieg der Spanier in Süditalien wurde dieser neu bekannt gewordene Pferdetypus zur Mode. In Neapel wurde dessen Zucht durch Alphonso V. (1416 — 58) schon versucht, aber erst unter Ferdinand von Aragonien (1458 — 94), der auch die Seidenraupen- zucht nach Süditalien einführte, gepflegt. Unter der spanischen Herrschaft in Süditalien wurde bis Mitte des 18. Jahrhunderts dieser spanisch-neapo- litanische Pferdetypus tonangebend und Modesache, wie die Gründungen der österreichischen Gestüte Lippiza und Kladrub beweisen (Fig. 25). 9(3 IKm- Mensch und seine Kinwirkuny auf die Form des I'fertles. In diesen Jalirliunderten teilen sieh die Pferdekenner in zwei ge- trennte Lager, von denen das eine für den ramsköptigen spanisch-neapo- litanischen, das andere für den geradlinigen Sarazenentypus schwärmte^ Der Kern der eigentlichen spanischen Kosse soll aber, wie MarxFugger berichtet, durch den Zug Karl Y. nach Tunis (1541) zugrunde gegangen sein. Auch später, als schon die langen und geradlinigen Formen des allmählich zur Berühmtheit gelangenden englischen Rennpferdes wegen dessen Schnelligkeitsleistungen Eindruck auf die Völker zu machen be- gannen, hören wir von Garsault (1745) erwähnen, daß es immer noch Leute gebe, die Pferde mit Ramsköpfen und Schwanenhälsen für „schön" hielten, doch sei dies nach seinem Urteil falsch, da die wahre Schönheit die langen und geraden Grenzlinien allein seien. Am abscheulichsten; seien aber ohne Zweifel Pferde mit Hechtköpfen. Deutsche Autoren, wie Pinter v. d. Au, teilen sogar die Pferde- der Welt ein in drei Hauptgruppen. Solche mit Hirschhals, die in Persien, Türkei, Arabien, Tartarei, Ungarn und Polen vorkämen, „mit den Augen über sich und den äußern Himmel zu viel ansehend", aber dabei die mäßigsten, gesundesten, dauerhaftesten und stärksten Pferde seien. Die zweite Art sei die mit dem Schweinshals, d. h. einem Halse,, der oben dicker als beim Ansätze sei und die durch ganz Deutschland,. Frankreich, Dänemark und Moskau gezogen Avürden. Es sei unmöglich,, ihren Hals und Kopf in die Höhe zu bringen, weshalb sie mit den Vorder- füßen auf der Erde kleben sollen. Es seien dies widrige Pferde, träge, leicht müde, brauchen sehr viel Futter und blieben trotzdem kaltsinnig. Die dritte Form der Pferde seien die mit dem Schwanenhals,, die in Spanien, Italien, England und der Berberei gezüchtet würden und gerade das Mittel in allen Eigenschaften der vorigen Gruppe darstellen. In gleicher Weise vertritt auch Winter (1703) die Auffassung, daß- die orientalische Pferdeform die einzig schöne und brauchbare und selbst für die bäuerliche Zucht die passende sei und schildert das Lamento- eines Bauern, dessen Stute er von einem Orientalen decken lassen wollte und der verlangte, daß der Hengt wie ein „Ochse" aussehen müsse und nicht so feingliedrig wie ein Orientale. Aber auch noch Zeh entner (1757) erklärt sich als ein Anhänger der Pferdeform mit Schwanenhals und Ramskopf, hochbeinig mit Kuppel- kruppe und Senkrücken, also in runden Linien geschweiften Konturen (Fig. 26j, und bezeichnet ein nach unseren heutigen Begriffen ganz nettes Pferd mit kräftigen Formen und geraden Schnittlinien als „nicht hübsch,, zwar auch nicht häßlich". Eine Modesache war dann auch die mit Beginn des 19. Jahrhunderts einsetzende Tendenz, die Pferdehöhe um jeden Preis zu steigern, namentlich um den Anforderungen der Rennbahn nach größerem Schritt und deneni Die Schönheit des Pferdes. 97 der Kavallerie nach imponierenclerer Reiterhöhe zu entsprechen. Leider eine Mode, die nur zur Schwächung der konstitutionellen Widerstands- kraft der Pferde und zur Vermehrung ihrer Körperbedürfnisse führen mußte und tatsächlich auch geführt hat. Unsere heutigen Begriffe — soweit sie nicht schon durch die Lehren des Weltkrieges beeinflußt sind — kleben noch immer an dem Typus Fiff. 26. „Wie ein schönes Pferd gebildet sein soll." Nach Fig. 1 bei J. C. Zehentner, 1757/79. des englischen Vollblutpferdes als Modell der Mode^in Halbblutpferden (vgl. Fig. 27). Dennoch bricht sich die Überzeugung mehr und mehr Bahn, daß eben jeder Leistung ein eigener Typ entspricht und mit der Zeit der Einfluß der „Mode" auf die Pferdezucht abnehmen, Aveil man nur noch „Leistungsmodelle" züchten wird. Die f ruberen Bestrebungen Bour gel ats, die Mode auszumerzen, indem er 1758 ein „Idealpferd" (vgl. Fig. 29) konstruierte, ein Pferd, dessen Formen für alle Gebrauchszwecke gleich sein sollten, ist natürlich ein doktrinäres Duerst, Die Beurteilung des Pferdes. 7 98 '*'''■ .^l<'iiNcli uml Kciiic Kinwirkuiii^' iiiil die Komi des l*f('l•(le^s. Undinp^, weil sie die Wirkung der natürlichen Faktoren bei der Ent- stehung der Pferdeform gar nicht beachten. Immerhin mag dieser Ver- such als der erste betrachtet werden, den Mittelwert der durch Leistung und Gebrauch des Pferdes sowie Rassenbildung bedingten Variations- breite der Pferdeformen theoretisch zur Darstellung zu bringen. Schon Ch. Vial de St. Bei zeigte 1791 in seinen „Proportions of the Eclipse", daß diese Bourge latsche Mittelform für englische Renn- pferde durchaus nicht zutreffe, erregte aber auch mit seinen Vorschlägen Anstoß und AViderspruch. Ganz gleich ging es späteren Erneuerern dieser Idee, wie z. B. Vallon in seinem Cours d'hippologie, Saumur (1863). Verkehrt ist es auch, wie de Gaste dies tut, von einer „Mißbildung" bei Pferden der Traberform zu sprechen, weil sie gewisse veränderte Knochenlängen und Winkel haben. Die Pferdeformbeurteilung muß unbedingt die Modeeinflüsse verlassen und dafür die Eorm nach den sie bedingenden Faktoren werten. 2. Die Schönheit des Pferdes. Die vorausgehenden Betrachtungen zeigen uns, daß es eine absolute, einheitliche Schönheit des Pferdes gar nicht geben kann, da jeder an- gepaßten Leistungsform in ihren verschiedenen Kombinationen stets eine gewisse Mittelform der ganzen Variationsreihe entsprechen wird. Gewöhnlich ist es aber gerade nicht die Mittelform, die wir uns als Schönheitsmodell zu wählen pflegen, sondern einer der extremsten Grenz- werte. Der Begriff der Schönheit mag daher immer etwas Tendenziöses bergen, bei dem bisher Mode und Wunsch Vater des Gedankens war. Dennoch haben die alten bis zu den neuesten Autoren immer von Pferdeschönheit gesprochen. Palladius wünscht als Schönheit (pul- chritudo) hochgetragenen, trockenen Kopf, kurze spitze Ohren, große Augen, weite Nüstern, üppige Mähne und Schweif, runde Hufe. Solleysel (1664) sagt: „Die Schönheit sei untrennbar von der Güte, omne pulchrum est etiam bonum." P int er v. d. Au definiert die Schönheit als „die gute zusammen- stimmende Proportion des ganzen Leibes" (pag. 105). Er fügt aber hinzu : „Ungleich lieber wird es manchem Liebhaber sein, wenn ein Pferd einen häßlichen Schenkel gut führe, als einen schönen übel." Womit er klar ausdrückt, daß Leistung über Schönheit gehe. Ich glaube gerne, daß der realistische Zug die heutige Zeit noch mehr durchweht als früher, aber dennoch ist es meines Erachtens un- richtig, wenn man, wie Goubaux und Barrier, peremptorisch sagt: „Schönheit ist dasselbe wie Güte" (Beaute est donc synonyme de honte). Die Schönheit des Pferdes. 99 Schönheit und Güte können meines Erachtens vereint vorkommen, aber auch ebensooft getrennt. Man braucht nur eines leistungsfähigen Trabers, eines mächtig starken Zugpferdes, eines Vollblutrenners im Training zu gedenken, um zur Überzeugung zu gelangen, daß diese in ihrer Art in Leistung und Güte vortrefflichen Tiere in „Schönheit" wohl kaum einstimmige Bewunderung hervorrufen würden. Wir wollen uns ja nicht zu den begeisterten Dithyramben eines Hochstetter aufschwingen, der die Gestalt des Pferdes „die schönste und edelste des Tierreiches" nennt, aber wir wollen auch nicht zu der Fig-. 27. Habitus des englischen Vollblutpferdes um 1770. „Eclipse" nach dem Gemälde von George Stnbbs. Diskordanz eines Günther sinken, der vorerst gar trefflich und passend bemerkt, daß der Begriff" der Pferdeschönheit stets schwankend und mannigfach nach der subjektiven Ansicht des Beurteilers, der Mode, der Gewohnheit wechsele und verschieden gedeutet werde je nach der Fleisch- und Jugendfülle, dem Feuer, dem Übermut usw., dann aber gleich hin- zusetzt, in neuerer Zeit jedoch sei der Begriff" durch die Anschauung des orientalischen Pferdes abgeklärt und nun so zu definieren, daß das schönste Individuum jener edlen Tiere und von diesem die schönsten Partien gewissermaßen als Modelle für die Festsetzung des Begriff'es in Schönheit allgemein und im einzelnen dienen sollen." Da widerspricht der zweite Satz dem ersten, denn Günther will nun selbst die Schönheit nach dem Muster der schönsten Körperteile des 100 ^'"-'i' ^l*.'n.scli und seine Einwirkung auf die Form des Pferdes. sehtinsten Orientalen beurteilt wissen, wobei allerdings nicht nur Schritt- pferde und Traberpferde, sondern auch englische Vollblutpferde recht schlecht abschneiden dürften. Zudem gilt das Modell des Orientalen jetzt als veraltet, und Männer wie G o u b a u x und B a r r i e r können erklären, daß man Schönheit und Adel eines Pferdes an der Ähnlichkeit der Formen mit denen des englischen Yollblüters beurteile (Fig. 27). Vielleicht hat der Krieg hier manchem die Augen geöffnet, besonders über das Bestreben nach immer größeren Pferden, dem Leistungsfähig- keit, Genügsamkeit, Ausdauer, Härte und Temperament geopfert wurden, wenn einige Zentimeter mehr Widerristhöhe zu erzielen waren. Es gibt zwar sicher Pferdeschönheit im künstlerischen Sinne, aber es ist dann mehr der Ausdruck des Lebens, des Mutes und Feuers im ganzen Tiere ohne Rücksicht auf die vollendete „orientalische" Schön- heit der einzelnen Körperteile. Wenn es sich um Beurteilung des Pferdes handelt, dürfen wir nicht Künstleraugen haben, namentlich nicht die der modernen Schule der Malerei und Bildhauerei, sonst kämen wohl gar die eckigsten, kubistisch- sten oder die wohlgerundetsten Pferde in abenteuerlichsten Farben als die „schönsten" in Mode. Man denke hier nur an die blauen Pferde Marcs und andere dergleichen Unica. Lassen wir die Schönheit des Pferdes beiseite; ihre Analyse, ihre Grundlagen kümmern uns wenig, sondern unsere Aufgabe soll es sein, diejenigen Pferde als die besten zu beurteilen, die bestmöglichste und verlustloseste Leistung in ihren angeborenen oder anerzogenen Zwecken und Typen aufzuweisen haben, gleichviel ob hier „Deformationen", wie de Gaste sagt, gegenüber den andern Pferdeformen in einzelnen Körper- teilen durch andere bedingende Umstände entstanden sind. Wir müssen zuerst suchen, den Zusammenhang der Leistung mit der Form zu beurteilen, und dann nur die Zweckmäßigkeit hochschätzen und nicht eine der Mode untej'worfene Schönheit. Doch können dann auch heute noch einige wenige Momente in die Beurteilung hineinspielen, die eigentlich typisch zu „Schönheit" und Mode gehören, wie z. B. einige Charaktere des Kopfes, z. B. lange oder kurze Ohren, deren Größe doch für die Leistung bei uns in Europa — nicht aber in der Wüste — gleichgültig sein kann. Ferner gehört hierher auch die „Röhrenbeinstärke", indem die Röhrenbreite oder der Röhren- umfang für die tatsächliche Leistungsfähigkeit eines Tieres im Zug oder unter dem Reiter an sich allein rein gar nichts zu bedeuten hat; aber trotzdem findet man mit einer entschiedenen Berechtigung an schweren Pferden auch harmonisch schwere Röhren „schön". II. Die allgemeinen Resultate der Formgestaltung des Pferdekörpers. A. Die Proportionen der Größen- und Winkel- verhältnisse. Der Ursprung der Proportionslehre ist in der Kunst zu suchen, die zu den Darstellungen von Gestalten das Verhältnis der einzelnen Körper- teile notwendig brauchte. Dabei wurden seit ältesten Zeiten bestimmte Körperteile des betreffenden Individuums zugrunde gelegt. So maßen die Ägypter den Menschen nach der Wiederholung seiner Mittelfinger- länge. Später kam für ihn auch die Kopflänge als künstlerisches Ver- gleichsmaß auf. Zwecks Darstellung des Pferdes wurde ähnlich vorgegangen, und zahlreiche Künstler gaben erstmals Maßverhältnisse des Pferdes, bevor sich die Hippologen dieser Frage annahmen, so: Leon Battista Alberti (de equo animanti, ca. 1447), Hans SebaldBehaim (1528), Paolo Lomazza (1584), Lautensack (1564), Leonardo da Vinci (1651). Da diese Autoren, wie z. B. Lomazza in seinem Kapitel XXI des I. Buches, jeden Körperteil des Pferdes genau nach Maßzahlen bestimmten, so war es für die Hippologen leicht, diese Quellen zu benutzen ; aber nur Bourgelat gibt an, daß er dieselben verwendete. Der erste Hippologe, der diese Proportionslehre beim Pferde benutzte, ist Pinter v. d. Au (1664, 122). Seine Angaben sind im wesentlichen folgende : (Fig. 28). Die Pferdehöhe stimmt mit dessen Länge überein. Die Länge zerfällt in drei gleiche Teile, nämlich Vorhand, Kücken und „Groppa". Die Länge des Kopfes geht 274mal in die „Riß"höhe (Widerrist), oder ist y^ der gesamten Pferdehöhe bis zur Ohrspitze. Der Kopf wird in 5 Teile geteilt, von denen der unterste durch die Nüstern, der zweite durch die Backenmuskeln (Maus), der dritte durch die Augen, der vierte an die Basis der Ohren geht, die selbst den letzten Teü bilden. Die Stirnbreite sei V2 der Pferdelänge, die Ohren 7^ der Kopflänge, die Augeulänge Vg der Kopflänge, die Augenbreite Vs ^^^r Kopflänge und das Genick y. der Kopflänge, Die Vorhand zerfällt in vier Teile : y^ auf Vorbrust, % bis zum Ellenbogen, 7^ bis zum kaudalen Schulterrand; die Nachhand ebenfalls in vier Teile. Das Vorderknie soll die Hälfte der Vorarmbreite haben; die Röhren ^j^ der Vorarmbreite. Der Huf sei so breit wie das Knie. Soviel der Rücken eingebogen ist, soviel soll der Bauch nach unten konvex sein. Die Groppa soll den Rücken überragen, aber gleich hoch sein wie der Riß, und Nase und Stirn sohlen „perpentikulär" stehen. 102 I)ir l'roportiuiieu der (irüßen- und Wiakelverhältnissi. Auch einiofe absolute Zahlen gibt Pinter. Kurze Ohren seien 5 Zoll eines rechten Werkschuhes lang. Da aber diese Ohrenliinge '/s ^^er ganzen Kopflänge sein soll, so hatte ein gut proportioniertes Pferd damaliger Zeit eine Höhe und Länge von ca. 1,78 m, eine Kopflänge von 65 cm und eine Ohrlänge von 13 cm, das rheinische Fußmaß von 0,31384 m zu 12 Zoll zugrunde gelegt. Die französischen Autoren rechnen Bourgelat allein das Verdienst zu, die Propnrtionslehre dnrcho-eführt zu haben, aber man muß doch be- Fio-. 28. Pinter von der Au's erstes System der Proportionen. „Aufteilung und Maße eines wohlproportionierten Pferdes-* (]664). tonen, daß er seine diesbezüglichen Gedanken mit den Künstlern Groiff on und Vincent (1770) gemeinsam ausführte und durch diese wie durch die früher erwähnten Künstler stark beeinflußt war. Das Pferd, das er uns als Ideal eines solchen vorführt (Fig. 29), soll ein Mittelpferd darstellen für alle Arten des Grebranches, und als Vergleichsmaß wählt er die Kopflänge, gleich Pinter v. d. Au, nur ohne die Ohren. Er teilt sie zuerst in drei Teile ein, die er Primen nennt, dann jeden derselben wieder in drei, gleich 9 Sekunden oder 216 Punkten. Von den vielen Regeln, die Bourgelat aufstellt, Die Proportionen der Größen- und AVinkelverhältnisse. 103 seien hier nur einige erwähnt : 3 geometrische Kopflängen sollen geben : eine voll- ständige Pferdehöhe vom Scheitel bis zum Boden, wenn das Pferd normal steht. 2Y2 Kopflängen seien gleich der Widerristhöhe und auch gleich der Rumpflänge vom Bug bis zum Sitzbein. Eine Kopflänge sei gleich der Halslänge, gleich der Schulter- höhe von Ellenbogen bis Widerrist, gleich der Dicke des Körpers von Mitte Bauch bis Mitte Rücken, gleich Breite des Körpers von einer Seite zur andern. Eine Kopflänge vom Scheitel zu den Maulwinkeln soll sein gleich der Länge der Kruppe ; deren Breite und deren Höhe vom Knie bis zum höchsten Punkt gleich der Länge des Unterschenkels, gleich Länge vom Widerrist bis Bug usw. Eis-. 29. Das „ideal proportionierte" Pferd nach Bourgelat (Elemens usw., 1755/1797). Von den kleineren Maßen sei erwähnt, daß ein Sechstel der Kopflänge die Breite der Kronen und des Vorderknies sein solle, die Hälfte solle gleich sein der Metacarpus- breite, usw. Der gute Zweck dieser recht theoretischen Maße liegt wohl darin, daß jemand, der sein Auge an diese Verhältnisse gewöhnt hat, den Pferdekörper leichter in seinem Gebrauchswerte würdigen könne. Wir müssen aber ausdrücklich konstatieren, daß von Gebrauchswertmaßen hier nicht das geringste zu spüren ist, und daher hat wohl Eichard (du Cantal) ein gewisses Recht, diese so verstandene Proportionslehre nicht hoch anzuschlagen. 104 l^ii' i'roportioiu'ii der (irößcii- iiinl Wiiikcüvcrhältni.sse. Nach Boiirgelat war es Charles Vial de Saint Bei (1791), der ein an geometrischen Konstruktionen reiches Buch über Eclipse, das berühmte Rennpferd, schrieb. Er teilte die Kopflänge in 22 Teile und fand dann z. B. eine Widerristhcihe von 3 Köpfen und ebenso auch die Kruppenhöhe. Länge des Kcirpers 3 Köpfe und 3 Teile, Hals 1 Kopf und 11 Teile usw. Dieser Autor hat also schon den T^-pus des englischen Galopp- rennpferdes vor sich, das er nun für das „Idealpferd" ausgibt. Naumann (1800) korrigierte die Bourgelatschen Proportionen ebenfalls, doch nur um ganz geringfügige Zahlen. Bojanus (1823) kam zu der Auffassung, daß nur die besten Trab- pferde die richtigen Normal-Proportionen geben können und versucht solche unter Vergleich mit einer in 7 Teile geteilten Kopflänge aufzustellen. Auch Feron (1803) geht vom Kopfe als Einheitsmaß aus, will aber dann schon die Kopflänge etwas korrigieren, falls sie zu lang oder zu kurz sei und statt des Kopfes den dritten Teil der AViderristhöhe be- nutzen. Seine Standartmaße entsprechen einem hochblütigen Eeitpferde- typus. Schwab (1814) stellt die Pintersche Proportionslehre der von Feron gegenüber und spricht sich für P i n t e r aus. Brugnone (1802) beschäftigt sich ebenfalls mit diesen Fragen der Hippometrie, ohne wesentlich Neues zu bieten. Auch von Hochstetter (1821) gibt nichts Neues in dieser Sache, sondern wendet tüchtig den „Hyppometer" Bourgelats an, ohne aller- dings den Autor hierbei zu nennen. Auch der d'Altonsche Hippometer (1727) hat nur künstlerischen Wert, jedenfalls stellt er trotz der schönen Pferdebilder jenes Werkes keine Verbesserung unserer Proportionslehre dar. Auch ein anderer Nicht- hippologe Zeising (1854) beschäftigt sich in sehr ernsthafter, ver- gleichender Weise mit diesem Problem. Die erste Proportion nach absoluten Zahlen wurde jedoch durch Vallon (1863) gegeben, der auch ein Idealpferd mit 1,60 m Widerrist- höhe (Stockmaß) konstruierte, bei dem diese 2^/^ Köpfe betrug, die Rumpf- länge hingegen 3 Köpfe. Dann folgte 1879 Herb in mit seiner Theorie, wonach die Länge der Schulter als Maßstab der Beurteilung des Pferdekörpers gelten sollte. Er fand nicht viele Anhänger für dieses neue Grundmaß. Nach ihm gab der recht viel messende und die Pferdebilder in der Kunst eifrig studierende französische Oberst Duhousset (1881) die Bourgelatschen Gedanken in einer verbesserten, modernisierten Auf- lage heraus, aber ebenfalls ohne Neues dadurch zutage zu fördern. Er legte die Kopflänge wie Bourgelat zugrunde und findet diese dann in Die Proportionen der Cirößen- und Winkelverhältnisse. 105 den Distanzen des Bauches zum Rücken, des Widerristes zum Buggelenk, der Tibialänge, Unterfußlänge usw., oder er trifft 2 ^/^msd die Kopflänge in der Widerristhöhe vom Boden, der Kruppenhöhe vom Boden und häufig auch der Rumpflänge. Schon aus diesen wenigen Maßen geht hervor, daß die wirklich bedeutungsvollen durch funktionelle Anpassung bedingten Abweichungen des Pferdekörpers je nach seiner Leistung in ihnen gar nicht beurteilt werden können. Getragen von anatomischen Grundsätzen ging dann der Lyoner Professor und Direktor der Tierarzneischule Lesbre (1893) vor, um metrische Anhaltspunkte zur Beurteilung des Pferdekörpers zu finden, nachdem schon sein Freund und Kollege Cornevin (1884) auf diesem Gebiete einen Vorstoß gemacht hatte. Diesen Autoren folgten in neuester Zeit in Frankreich mit Arbeiten über Pferdemessung Meyranx (1910), Junot (1911), Nicolas (1911), Nicolas und Descazeaux (1911), Santanbien (1913), Rouaud (1921) und Po rch ereil (1921). Die alten deutschen Autoren hielten ebenfalls nicht viel von Pro- portionslehre wie von Hippometrie, so weisen z. B. H a v e m a n n , Wü p p e r- mann (1832), Hering, Müller, Graf usw. dieselbe ganz zurück oder sprechen ihr höchstens „wissenschaftliches" Interesse zu. Allerdings kann man sich fragen, wie die Wissenschaft ein anderes Interesse haben könnte als nur der Praxis zu dienen? Mit dem Fortschritte der biologischen Wissenschaft und angeregt durch seine Inauguraldissertation (1891) be- gann dann Simon von Nathusius Messungen an Pferden in großem Stile durchzuführen, deren Resultate er in drei Abhandlungen nieder- legte (Heft 43, 112 und 205 der D. L. G.). Er nahm leider nur wenige Maße, wie er mit Recht sagt „wegen der außerordentlichen Abneigung gegen das Messen von Pferden". Er maß AViderristhöhe, Kruppenhöhe, Beinlänge, d. h. den Abstand des untern Randes des Brustbeines oder des Ellenbogens vom Boden, woraus er mittelst der Wider- risthöhe die Brusttiefe berechnete. Er maß ferner Rumpflänge, Brustbreite, Röhrbein- umfang vorne und Brustumfang hinter dem Widerrist. Diese Maße sind ohne Zweifel sehr wertvolle, obwohl sie von meinen Gesichtspunkten aus nicht unbedingt als die „wichtigsten am Pferdekörper" zu bezeichnen sind. Er maß außerdem noch Rückenhöhe, Baiachfaltenhöhe, Sprunggelenkshöhe, Kniehöhe, Schulterlänge, Hinterviertellänge, Darm- beinwinkel bis Bugspitze. Auch die Winkel der Schulter empfiehlt er zu messen und konstruiert dafür ein einfaches Winkelmaß. Freimütig sagt er in einem seiner Vorträge (1906), daß er weniger auf die Richtigkeit der Einzelmaße halte als möglichst viele Durchschnittsmaße aller Rassen und Alterstufen zu sammeln. So publizierte er auch in der Tat die Messungen von 6500 Pferden allerdings nur in wenigen Maßen. Zur völHgen wissenschafthchen Auswertung seiner fleißigen Sammelarbeit konnte er leider nicht mehr gelangen, daran verhinderte ihn der unerbittliche Tod. Seiner Pionierarbeit auf diesem Gebiete sei aber hier dankbar gedacht. Nach ihm hat sich Max Müller (1909 — 11) durch äußerst sorg- fältige Messungen besonders verdient gemacht, sowie dann auch Miekley 106 i'i'^' rroportioncn tlcr Cirößcii- und Wiiikislvfrliältiiissc. (1894), Schüttler (HUO), Gisler (1906), Krynitz (1911), Magerl (1911), Motloch (1912), Völtz (1913), Bibek (1914). Von allen hier benutzten Meßmethoden habe ich im Laufe der Zeit die vielleicht komplizierteste, weil sehr ausführliche, daher aber wohl auch wissenschaftlich wie praktisch verwertbarste, ausgearbeitet und in dieser Arbeit als Grundlage benutzt. Ich werde die Methodik im nach- folgenden Kapitel kurz schildern, weil ich aus allen Weltteilen und Ländern über Messungsfragen um Auskünfte ersucht werde. Vereinfachen läßt sich die Sache ja immer, weshalb ich auch in Formularen A^on Beobachtungsblättern versucht habe, für die verschiedenen Zwecke das Wichtigste zusammenzustellen. 1. Die Messung des lebenden Pferdes (Hipposomatometrie oder Hippometrie und deren Technik). Gleichwie bei der Anthropometrie kommt es bei der forschenden Hippometrie darauf an, sehr feine Unterschiede im Körperbau der Pferde feststellen zu können, zu deren Erfassen weder Auge noch Sprache ge- nügen. Man kann daher nicht anders als messen und die durch Messung gewonnenen absoluten Maßzahlen entsprechend verarbeiten. Sie wie die aus ihnen gewonnenen relativen Zahlen eignen sich ganz vortrefflich zu einer kurzen Charakteristik bestimmter Körperverhältnisse und sind ge- nauer als Körperbeschreibungen, in denen die subjektive Auffassung des Einzelnen und sein „Wortschwall" bisher die größte Holle zu spielen pflegte. So wertvoll die Messung auch ist, ebenso verkehrt wäre es, blind- lings darauf los zu messen und Zahlen zu sammeln, die keine brauch- baren morphologischen Anhaltspunkte geben können. Deshalb soll jedes Maß einer bestimmten Eragestellung antworten und an sich oder in Korrelation mit andern Maßen gesetzt befähigt sein, einen klaren, vergleich- baren Ausdruck für ein bestimmtes Verhalten des Tierkörpers abzugeben. In der Verwertung der Messungsergebnisse wird man unbedingt den Methoden der modernen biometrisch-statistischen Forschung zu folgen haben, nachdem man auf Grund der anatomisch-physiologischen Erfahrung die wertvollen Anhaltspunkte zur Beantwortung der einzelnen Fragen gewonnen hat. Was die Maße selbst angeht, so muß man Meßpunkte wählen, die anatomisch fest erfaßbar sind und zugleich Maximalmaße darstellen und auch nach Anleitung von jedem Beobachter richtig wiedergefunden werden können. Alle Merkmale des Pferdekörpers sind zunächst absolute Größen. In erster Linie sind sie sogar linear und entweder in projektivisch geradlinige (Sehnen) Dimensionen oder in Kurven darstellbar. Die Messuno- des leliendeu Pferdes. 107 Das direkte Maß ist die kürzeste Entfernung zweier Meßpunkte, das projektivische oder projizierte Maß dageg-en die kürzeste Ent- fernung der senkrechten Projektion zweier Punkte auf eine bestimmte Ebene. Diese Unterschiede sollen bei jedem Maß stets angegeben sein. Die Messung von Kurven zum Beispiel zur Ermittlung von Muskel bauchen, etwa des M. glutaeus medius, wurde bisher nicht in Anwendung gebracht, wäre aber vielleicht für manche Zuchtrichtungen wertvoll und durchaus im Bereiche der Möcrlichkeit. Fio-. 31. Fig. 30. M i 1! kl u 5 !:| 1' ^1 [, i Ci: ". •' i-' ' i'' ' Im ■Vil r KU L L Der Hippogoniometer a) Instrumente. Als Präzisions-Instrumente verwendete und verwende ich: 1. Den Hippometer, der aus dem Martin- schen Anthropometer dadurch entstanden ist, daß ich statt der Originalarme solche von 50 cm Länge machen ließ und die Millimeterteilung von 0 — 2000 beidseitig auf der ganzen Stange aus- geführt ist (Fig. 30). Die Stange ist aus vernickeltem Messing, in vier Stücke von 50 cm zerlegbar und in einem Futteral bequem mitzuführen. 2. Den Hippogoniometer, wie ich denselben konstruierte und modifizierte und er nun vielerorts erfolgreich im Gebrauche ist (Fig. 31). Er besteht aus einem vernickelten Messingring von 16 cm Durchmesser, so daß Der Jlartinsehe Anthropometer als „Hippometer". 108 I^'*^' l*roi">ortioiu'n der (irölien- und Wiiikelverhältnisse. er sieh bequem in die Tasche stecken läßt. Er trägt einen festen, mit einem Längsschlitz versehenen Schenkel, an den vorne ein Senkblei angesteckt werden kann, sodann zwei feine, stricknadelartige, drehbare Schenkel, von denen der eine eine Wasser wage trägt. Der ganze Kreisbogen des Ringes ist mit der Winkelteilung gradiert. Auch dieses Instrument steckt in einem Futteral. 3. Ein einfaches Stahlbandmaß von 2 m Länge für Halbblüter und 3 m Länge für Schrittpferdemessungen. Beide mit 2000—3000 mm Teilung in Federkapsel. Diese Listrumente wurden früher durch Mechaniker P.Hermann in Züjich konstruiert. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen wird nicht jeder Meßbegierige in der Lage sein, sich diese jetzt recht teuern Instrumente anzuschaffen, ich gebe daher Anleitung in folgendem, wie man sich selbst die nötigen Instrumente herstellen kann. Als Stangenmaß kann jeder genaue Viehmeßstock (L y d t i n scher) funktionieren, doch wird es zweckmäßig sein, sich selbst die Teilung der halben Zentimeter einzutragen, da diese Genauigkeit bis auf einen halben Zentimeter in den meisten Fällen praktischer Beurteilung ge- nügen wird. Als Hippogoniometer kann jeder Zelluloidtransporteur dienen, an dem genau im Zentrum zwei feine Drahtnadeln oder Blechstreifen dreh- bar befestigt sind. Meine Schüler haben im Notfall auch nur mit ge- spannten Nähgarnen statt Nadeln ganz genau gemessen. Statt der Hori- zontalen wird durch Anhängen eines schweren Körpers die Senkrechte festgestellt und dann die Horizontale, von der ich — im Gegensatz zu Nathusius — ausgehe, durch Subtraktion von 90 Grad ermittelt. Es ist nicht nötig, größere Hippogoniometer zu haben, wie solche enorme Instrumente von Goubaux und Barrier, Nathusius, de Gaste usw. beschrieben worden sind, die direkt auf das Pferd aufgelegt werden. Sehr richtig schildert von Middendorf (1855, 87) einen gläsernen kleinen Hippogoniometer, den er dicht am Auge hielt und so die Winkel genau ablas. Mein Hippogoniometer ist ebenfalls so konstruiert, daß er sowohl auf den Pferdekörper aufgelegt als auch in passender Distanz vom Pferde entfernt vors Auge gehalten werden kann und es uns in jahr- zehntelanger Übung gestattete, viel präzisere Ablesungen zu geben als in der Verwendung nach ersterer Art. Indem man durch den Schlitz sieht, stellt man die eine Nadel mit der Wasserwage auf die Horizontale und kann nun ablesen oder auch noch die dritte Nadel auf eine weitere Knochenrichtuns: einstellen. Die Messung des lebenden Pferdes. 109 b) Vornahme der Messungen. Zur Yornahme der Messungen soll das Pferd auf einen ebenen Platz geführt werden. Bei unruhigen Pferden braucht man zwei, bei ruhigen einen Gehilfen. Reizbare Pferde pflegen vor dem Meßstocke zu scheuen ; man wird sie daher zunächst von dessen Ungefährlichkeit überzeugen oder, wenn dies nicht hilft, von dem Gehilfen das entsprechende Auge zuhalten und, falls sie ausschlagen, auch ein Bein aufheben lassen. Doch darf man Fig-. 32. er Umrisse eines Pferdes mit den Meßpunkten und Winkellinien. hierzu jedenfalls nicht bei Abnahme der Höhenmaße greifen, da ein merklicher Einfluß der Mehrbelastung der drei anderen Extremitäten zu spüren ist und falsche Zahlen gewonnen würden. Bei manchen sehr empfindlichen Hengsten bin ich nur durch große Gaben von Zuckerstücken — vor dem Kriege — zu meinen exakten Maßen gelangt, aber auch bei den halbwilden Pferden der Camargue war es möglich, mit äußerster Vorsicht und ruhiger Energie alle Maße aufs genaueste zu erhalten. c) Meßpunkte. Zur Vornahme einer vollständigen Messung werden die nachfolgenden Meßpunkte angezeichnet (Fig. 32). Ich habe dieselben hier nach wissen- 110 1''*' l'i"opoi'tionon dvv (Ji-ülicii- und W'iiikclverhilltiii.sse. schaftlicher* Art mit Namen bezeichnet, die den in der Anthropoh)g-ie heim Menschen gebräuchlichen soweit tunlich entsprechen. Es führt dies auf alle Fälle zu einer großen Vereinfachung der präzisen Bezeichnung der einzelnen Maße; die Namen könnten, falls die Punkte bei Schauen durch Preisrichter verwendet werden sollten, in gewöhnliche deutsche Ausdrücke überführt werden. 1. Scapulare (sc). Kaudaler (hinterer) Rand des Schulterblattes an dem am weitesten nach hinten befindlichen Punkte. 2. Akromion (a). Höchster Punkt des Widerristes, wie er sich bei der Ab- nahme ,. 21. Länf^e der Brust wirb elsäiil e (longneur de l'opine dorsale, lunghezza della Spina dorsale). Vom gleichen vorderen Ansatzpunkt wie 19 in der Projektion Ins zum Pectorale. 22. Brustbeinlänge (longueur sternale, lunghezza del sterno). Vom Suprastcrnale bis zum Xiphoideum in der Projektion gemessen. Bei schweren, reichbemuskelten Pferden ist dieses Maß schwer genau zu nehmen, besonders findet der Anfänger das Xiphoideum selten genau als nur durch Perkussion. 23. Lendenlänge (longueur des reins, lunghezza dei lombi [reni]). Vom Pectorale bis zum Lumbale. 24. Flanken länge (longueur du flanc, lunghezza del fianco). Vom Costale bis zum Iliospinale. 25. Darmbeinlänge (longueur de l'ilium, lunghezza del 1' ileo). Vom Iliospinale bis zum Trochanterion. 26. Sitzbeinlänge (longueur de l'ischium, lunghezza del 1' ischio). Vom Trochanterium bis zum Ischion. 27. Länge des Arm b eines (longueur du bras, lunghezza del braccio o omero). Vom Humerale bis zum Radiale. 28. Länge des A^'or armes (longueur de l'avant-ljras, lunghezza del avambraccio) Vom Radiale bis zum Carpion. 29. Länge der Vc^r der röhre [Metacarpus] (longueur du metacarpe [canon anterieur], lunghezza del metacari^o [stinco anteriore]). Vom Carpion bis zum Phalangion. 30. Länge des Vorderfesseis (longueur du paturon anterieur, lunghezza della fastoia anteriore). Vom Phalangion bis Dactylion. 31. Länge des Oberschenkels (longueur du femur [cuisse], lunghezza del femore [coscia]. Vom Trochanterion bis zum Tibio-Patellare. 32. Länge des Unterschenkels (longueur du tibia [jambe], lunghezza della tibia [gamba]). Vom Tibiale bis zum Talion. 33. Länge der Hinterröhre [Metatarsus] (longueur du metatarse, lunghezza del metatarso [stinco posteriore]). Vom Talion bis zum Phalangion. 34. Länge des Hinterfesseis (longueur du paturon posterieur, lunghezza della fastoia posteriore). Vom Phalangion bis Dactylion. 35. Breite der Stirne (largeur du front, larghezza della fronte). Breite des Kopfes an der breitesten Stelle über den Augen. 36. Breite zwischen den Schultern (largeur entre les epaules, larghezza nelle spalle). Breite zwischen den Schultern auf der Höhe der beiden Fixati onsp unkte der Schulterblätter, also im oberen Drittel der ganzen Schulterlänge. 37. Breite der Vorbrust (largeur du poitrail, larghezza del petto). Distanz der beidseitigen Humeralpunkte voneinander. 38. Brustbreite (largeur du thorax, larghezza toracica). Größte Breite zwischen den beidseitigen Wölbungen der falschen Rippen. 39. Brustsehne (corde thoracale, corda toracica). Die Messung des lebenden Pferdes. X15 Distanz vom Xiphoidion bis zum Pectorale. (Hierüber gilt ebenfalls das unter 20 schon Gesagte.) 40. Hüftbreite (largeur du bassin, larghezza nel' anche, larghezza del bacino). Distanz zwischen den Iliospinalpunkteu beider Seiten. 41. Hüftgelenksbreite (largeur coxale, larghezza tra le noci). Distanz zwischen den beidseitigen Trochanterionpunkten. 42. Sitzbeinbreite (largeur ischiadique, larghezza ischiadica). Distanz zwischen den beidseitigen Ischionpunkten. 43. Breite des Vorderknies [Carpus] (largeur du carpe [genou], larghezza del carpo [ginocchio]). Von vorne auf der Höhe des Carpions als größte Dimension. 44. Durchmesser unter demVorderknie (epaisseur au-dessous du genou, spessore al basso del carpo). Durchmesser unterhalb des Carpions an der engsten Stelle (Einschnürung). 45. Kleinste Breite der Vorderröhre in der Mitte (largeur du canon anterieur au milieu, larghezza nella meta dello stinco anteriore). Von vorne gemessen. 46. Umfang der Vorderröhre in der Mitte (circonf erence du canon an- terieur au milieu, circonferenza nella meta dello stinco anteriore). Mit dem Bandmaß gemessen. Eigens konstruierte Bandmaße von Bau- werker oder Köster (Hauptner, Berlin). 47. Breite der Koten (largeur du beulet, larghezza del modello). Von vorne an der breitesten Stelle. 48. Breite des K'r onrandes des Hufes (largeur du sabot ä la couronne, larghezza della Corona). Von vorne über die breiteste Stelle gemessen. 49. Breite des Tragrandes des Hufes (largeur du quartier de la paroi du sabot, larghezza del quarto dello zoccolo). Von vorne an der breitesten Stelle. 50. Breite des Sprunggelenkes (largeur du jarret, larghezza del garetto). Von hinten an der breitesten Stelle gemessen. 51. Durchmesser der Sprunggelenke (epaisseur du jari-et, diametro o spessore del garetto). Von der Seite genommenes Maß der größten Dimension des Sprung- gelenkes zwischen Vorderrand und Hinterrand bei senkrecht stehender Röhre. .52. Breite der hinteren Koten (largeur du boulet d'arriere, larghezza del nodello posteriore. AVie vorne gemessen. 53. KleinsteBreite der Hinter röhre in der Mitte [Metatarsus] (largeur du canon d'arriere au milieu, larghezza nella meta dello stinco posteriore). 54. Distanz der Vorder knie (distance des carpes, distanza dei carpi). Entfernung der Mitten der beiden Vorderknie voneinander. 55. Distanz der Vorderköten (distance des boulets antei-ieurs, distanza dei nodelli anterior!). Abstand ihrer Mitten von vorne gesehen. 56. Distanz der Vorder hufe (distance des sabots anterieurs, distanza degli zoccoli anteriori). Entfernung der beidseitigen Dactylionpunkte. 57. Distanz der Sprunggelenke (distance des jarrets, distanza tra i garetti). Entfernung der Mitten der beiden Sprunggelenke von hinten gesehen. \1Q Div i'i'oportioiieu drv Urülk'U- und Wiukdverbältuisse. Gemessen auf dem caudo-dorsalen Rande des tuber calcanei. 58. Distanz der Hinter köten (distance des boulets postei-ieurs, distanza dei nodelli posteriori). Gleich wie die vorderen gemessen. .59. Distanz der Hinter liufe (distance des sabots posterieurs, distanza dei zoccoli ])ostenori). Abstand der Dactylionpunkte der Hinterhufe. 60. Brustumfang (circonference du thorax, circonferenza toracica). Mit dem Bandmaße gemessen. Um den Brustkorb zum Zwecke kon- stitutioneller Ermittlung in brauchbarer AYeise zu messen, kann das sonst übliche Maß des Umfanges hinter den Schultern, das der Anthropologie ent- lehnt ist, nicht wohl verwendet werden, indem durch den hier liegenden Wider- rist und dessen Variationen dies Maß der Brust im Wert sehr abgeschwächt würde. Gleich Nathusius messen die französischen Autoren, und ich selbst tat es bis vor kurzem, stets so. Doch jetzt nehme ich den „Brustumfang längs des Zwerchfelles", der am besten der wirklichen Brusthöhlenbasis entspricht und wegen seiner Ansatzpunkte sehr gut ohne allzugroße Nebeneinflüsse l)e- stimmt werden kann. Ich messe schräg vom kaudalen Endpunkte des Brust- beines, dem Kaudalrande des Schaufelknorpels, bis zum Ursprünge der 16. Rippe. In der Praxis macht es nun sehr wenig aus, wenn man als oberen genau be- stimmbaren Ansatzpunkt des Maßes den früher angezeichneten Dornfortsatz des letzten (13.) Brustwirbels wählt (pectorale) und als untern Ansatzpunkt den erwähnten Punkt, den ich „Xyphoidion" nenne. Da aber das Maß des Brustumfanges hinter der Schulter eingebürgert ist und es für Gewichtsbestimmungen des Pferdes resp. den „Indice dactylo-thora- cique" Verwendung findet, ich selbst ein reiches Zahlenmaterial daran gesammelt habe, so gebe ich noch zum Schlüsse an 61. Gurtenumfang (tour de poitrine au passage de sangle, circonferenca il passagio delle cinghie) Brustumfang in der Sattelgurtenlage. Winkel (angle faciale, angolo faciale). 1. Fazialwinkel. Die in Kap. Konstitution erwähnten beiden Indices: a) Vertikalindex. Man fällt von der Verbindungslinie des hintersten (abo- ralsten) Teiles des .Jochbeinfortsatzes mit dem dorsomedialen Oberaugen- rande (Schädel-Horizontale) eine Vertikale durch den Innern Augenwinkel auf oder vor die Wangengräte und mißt die Distanz vom Anfang der Gräte (Zygomaxillare) bis zu diesem Punkte. b) Gesichtskrümmungsindex. Größe des Winkels im gleichen Schnitt- punkte der Horizontalen durch den Oberaugenhöhlenrand mit der Ver- bindungslinie dieses Punktes mit dem Gnathion, d. h. dem Schnittpunkte der Sagittalebenen des Schädels mit dem Alveolarrande der Schneidezähne des Oberkiefers. 2. Winkel des Schulterblattes mit der Horizontalen. Schulter- winkel. Größe des Winkels der Schultergräte mit der Horizontalen. Die Schulter- gräte wird durch den Schlitz meines Hippogoniometers einvisiert und mit dem Wasserwagenschenkel die Horizontale erstellt und abgelesen*). *) So ist die wirkliche Schulterblattstellung zu ermitteln. Alle meine Messungen sind seit 12 Jahren in dieser Weise erfolgt und freue ich mich, konstatieren zu können, daß auch Schmaltz (1919, 61), an dessen berufener Autorität in dieser Sache niemand Die Verwertung der Messuugsresultate. 117 3. Buggelenkswinkel. Größe des Winkels zwischen dieser mechanischen Achse des Schulterblattes und der des Humerus, die mit Kreidestrich (S. 111) fixiert wurde. 4. Ellenbogenwinkel. Winkel der mechanischen Achse des Humerus mit der des Radius, resp. der Vertikalen. 5. Beckenwinkel mit der Horizontalen. Der spitze "Winkel der kon- struktiv erstellten mechanischen Beckenachse mit der Horizontalen. 6. Kreuzbeinwinkel mit der Horizontalen. Der spitze Winkel der Tangente an den dorsalen Rand des Kreuzbeines mit der Horizontalen. 7. K n i e w i n k e 1. Der Winkel zwischen der mechanischen Achse des Oberschenkels und der des Unterschenkels. 8. Winkel des Oberschenkels mit dem Becken. AVinkel der mecha- nischen Achse des Oberschenkels mit der des Beckens. 9. Sprunggelenkswinkel. Winkel der mechanischen Achse des Unter- schenkels mit der des Röhrenbeines. 10. Köteuwinkel. Winkel der Achse des Röhrenbeines der Vorder- oder Hinter- extremitität mit der des Fesselbeines im Stande des Fußes. 2. Die Verwertung der Messungsresultate. Um nun die auf diese Weise gewonnenen absoluten Zahlen richtig verwerten zu können, braucht es eine Umrechnung derselben. Indem absolute Zahlen stets von der allgemeinen Größenentwicklung der In- dividuen abhängig sind, können sie zu Vergleichszwecken nur sehr un- vollkommen verwendet werden. Bei den seit Jahrzehnten in einigen Ländern, so namentlich in der Schweiz, gebräuchlichen Meßmethoden des Eindviehes wird summarisch jedes genommene Körpermaß auf eine der größten Körperlängen, Rumpf- länge oder Widerristhöhe, reduziert, indem das größte Maß gleich 100 gesetzt wird, um auf diese Weise einen prozentualischen Ausdruck der kleineren absoluten Maßzahl zu erhalten. Also Relatives Maß - kleineres Maß X 100 JXCldLlVCö li±aiJ ^ pr — ~ . Größere Körpermaße Umgekehrt sind aber aus solchen Maßtabellen, die nur die relativen Zahlen enthalten, leicht die absoluten wieder zu berechnen nach der Uormel: Ä K 1 f "i\yr ß Relatives Maß X absolutes Vergleichsmaß Diese Relativzahlen oder Prozentzahlen, wie man sie auch nennt, werden auf diese einfache AVeise nun immer in Proportionen einer zweifeln dürfte, genau den gleichen Standpunkt vertritt. Damit dürfte die von Max Müller (1908 — 11) benutzte Methode der Messung des Schulterwinkels, nämlich Halbierung der Entfernung der beiden oberen seitlichen Eckpunkte der knöchernen Schulter und Verbindung des Halbierungspunktes mit der Bugspitze dahinfallen, weil diese Linie selten genau mit der von Natur durch die Muskelzüge angedeuteten Richtung der Crista scapulae, der Schulterblattachse, parallel übereinstimmt. 11^ Die i'rüpurtioucn der Urölk'ii- uml Wiiikclvorhältnissc. Länge oder Höhe ausgedrückt, die vielleicht gar keinen Znsammenhang und gar keine Bedeutung für die betreffende Entwicklung eines Körper- teiles hat, wie ich dies schon von Zehntner (1917) zeigen ließ. Es dürfte daher besser sein, nur Dimensionen zur Vergleichung in ihren Proportionen zu bringen, die auch wirklich mechanisch und ent- wicklungsgeschichtlich vergleichbar sind. Zu dem Zwecke haben wir die Indizes. a) Indizes. Ich bezeichne als Index in der Pferdebeurteilung im Gegensatze zu den allgemeinen, summarisch ausgerechneten Relativzahlen der Pro- portion eines absoluten Maßes zu der absoluten Widerristhöhe: das Ver- hältnis zwischen den absolutenDimensionen z weierKörper- teile, die w" i r k 1 i c h von p h }' s i k a 1 i s c h e n oder anatomischen Gesichtspunkten miteinander in Korrelation zu stehen scheinen. Auch bei der Indexberechnung wird gewöhnHch die kleinere Dimension in Pro- zenten der größeren ausgedrückt, doch braucht dies nicht unbedingt so zu sein. Die Korrelation zwischen den Dimensionen a und b kommt also so zum Ausdruck: a X 100 ~ 1^ ■ Nun wird bei jeder Messung, wie wir dies schon sagten, ein individueller Messungs- fehler auftreten, der bei der Berechnung des Index sich in den Dezimalstellen geltend machen kann, und dann die Angabe mehrerer Dezimalstellen nur eine Genauigkeit vor- täuscht, die in Wirklichkeit gar nicht existiert. Eine Entscheidung, ob eine Dezimale angegeben werden soll oder nicht, kann man dadurch gewir;nen, daß man den wahr- scheinlichen Beobachtungsfehler ermittelt, was dann, wenn der Beobachtungsfehler für das Maß a ^ ± « und von h = ± ß ist, nach folgender Formel Poniatowskis (1911) als Beobachtungsfehler TB) des Indexwertes (I) ermittelt werden kann: BI= + 100 /« ^b - + ,y- a- b- Beträgt der Fehler des Index bei allen IvontroUmessungen mehr als 5 Einheiten einer Dezimalstelle, so wird man die vorstehende aufrunden und die falsche weglassen, be- trägt er aber weniger, so w^ird man beide Dezimalen geben. Die Indizes in der Pferdebeurteilung sind in Frankreich namentlich in den letzten Jahren eingeführt und für die öffentlichen Schauen ver- wendet worden. In Deutschland hat man sich gewöhnlich nur an einige absolute Maße, so namentlich an das Röhrbeinumfangmaß ge- halten. Historisch dürfte zuerst Co rnevin (1885) derjenige in Frankreich gewiesen sein, der beim Pferde einige Indizes berechnete, so Femurgewicht zu Hirnschädelkapazität, Gewicht des Femurs zu dem des Humerus, Länge zur Breite der Röhrenbeine und der Phalangen usw. Diese sind aber gegenwärtig nicht in praktischer Verwendung, sondern hier gilt vor allem in Frankreich : 1. Der Größen-Gewichtsindex ( Indice de compacite). Die Verwertung der Messungsresiütate. 119 Derselbe wurde früher von den Gestüten und Vereinen nach der alten Formel gerechnet, die man in der Anthropologie verwendete, nämlich Körpergewicht X 100 Widerristhöhe Die Anthropologie konstatiert aber schon richtig, daß dieser Quotient aus einem Gewichtsmaß und einer linearen Größe für ähnliche Körper von ungleicher Größe ver- schiedenartige Zahlen ergibt und daher nicht beweiskräftig ist. Dennoch machen einige Autoren, wie z.B. Rouaud (1920) diesen Index zur Grundlage mancher Beobachtungen (vgl. Volumen). Ausgehend davon, daß das Gewicht proportional ist dem Kubus der Körpergröße, indem zwei gleichartige Körper Gewichte haben, die dem Kubus einer korrespon- dierenden Größe proportional sind, hat die französische Remontekommission seit längerer Zeit die Gewichtsvergleichungen nach der Formel J ^ — — — -. — - — ^ vorsfe- " " Widernsthöhe — 100 ® nommen, da die Verwendung der absoluten Zahl der Zentimeter allein, um welche die Widerristhöhe eines Pferdes die Höhe von 1 m übersteigt, jjraktisch im Resultat der Verwendung der Kubikzahl am nächsten kommt. Zugegeben, daß für den raschen, praktischen Gebrauch diese Formel der Remonten- kommission durchaus ihren Wert hat, so ist doch zu betonen, daß die genaueren Re- sultate nur durch die Verwendung des Rohr ersehen Index der Körperfülle der An- thropologie zu erreichen sind, den ich seit längerer Zeit als K o r p u 1 e n z i n d e x (indice , ^ , ^ Körpergewicht X 100 . , ^^ de corpulence) benutze: .f^r. ^75—1 . Als Körpergröße wird unbedmsft am Körpergröße^ '- "^ '^ besten die Widerristhöhe (Nr, 1) gewählt und nicht die Rumpflänge. Die Zahlen sind, wie in der späteren Zusammenstellung ersichtlich, übersichtliche und klare, und die Berechnung der dritten Potenz keine zu schwierige. 2. Als zweiter Index wird in Frankreich nunmehr der Indice dactylo-thoracique benutzt, der den zahlenmäßigen Ausdruck des Zusammenhanges des Röhrenbeinumfanges, gemessen 10 cm unter dem Erbsenbein, mit dem Brustkorbumfang darstellt. Zunächst leuchtet einem diese Korrelationsmöglichkeit nicht ein, die zw^ischen einem typischen mittleren Brustkaj^azitätsmaß (im Beginn der falschen Rippen genommen) und der Sehnen- und Knochendicke der Vorderglieder existieren solle. Wie sich aber Porcherel (1920) in einer sehr hübschen Arbeit über Messungen an Maultieren äußert, ging man hiebei von der Baron sehen Auffassung aus, daß die Kraft eines Tieres die Funktion seiner Körperhöhe und Rumpfbreite sei. Nun mag ja dies grosso modo wohl durchaus begründet sein, aber nach unseren früheren Auseinandersetzungen über die statischen und mechanischen Gesichtspunkte beim Pferdekörper kann mau unmöglich den Umfang der untern Wirbelbrückengurtuugen mit dem Querschnitt eines der beiden Träger des vordem Brückenkopfes vergleichen. Es schiene zweckmäßiger, hier eine Vergleichung des gesamten getragenen Körpergewichtes mit diesem Querschnitt an der dünnsten Stelle vorzunehmen, wie ich es nachher versuchen werde. Nun erwähnen zwar die maßgebenden Autoren, daß sie aus dem Brustumfang eben nur auf das Gewicht des Körpers schließen möchten, indem es damit in Beziehung stehe. Wenn man aber nach der von Nicolas und Descazeaux (1911, 181) be- nutzten Methode vorgeht, wonach das Gewicht P = 80 C^ (C = Brustumfang) sein soll und dann wie diese Autoren für Anglonormänner Reit- und Bretonische Zugpferde zu 8kg Gewicht pro je 1 cm Brustumfang gelangt, dann muß man allerdings doch betonen, daß derartige phantastische Berechnungen die ganze Methode der Hippo- metrie mißkreditieren können. \'20 Die Proportionen der Crrößen- und Winkoh erhall nissc. Ich will zugeben, daß man im Notfalle, wenn man meinen nachher erwähnten Röhrbeinbelastungsindex wegen Mangel an AVagen nicht ermitteln kann, auch aus dem ]5rustnnifang grosso modo das approximative Körpergewicht festzustellen imstande ist, falls man die nachstehenden Formzahlen verwendet. Ich habe dieselben durch Abnahme des alten Brustumfanges (Gurtenumfang) an rund zweitausend auf der Wage gewogenen Pferden ermittelt, sie stellen also empirisch gefundene Formzahlen dar, die vielleicht berufen sein könnten, bei Gewichtsbestimmungen ohne Wage a])proximative Gewichts- werte zu ergeben. Jeder Zentimeter Brustumfang hinter den Schultern (Gurtenumfang) entspricht bei Körpergewicht a) leichten Pferden mit hochgradiger arabischer Abstammung: kg Berber, Camarguer, Südrussen, Serben usw 2,70 b) englischen Vollblütern 2,89 c) Trabern 2,81 d) leichteren kombinierten Gebrauchspferden wie: Ostpreußen, leichte Hannoveraner, Hunter, Lippizaner, Spanier usw. 2,90 e) schwereren kombinierten Gebrauchspferden wie: Holsteiner Marschpferde, schwere Hannoveraner, Irländer, Anglo- normänner 3,10 f) leichten Zugpferden: Jurapferde und Dänen 3,00 g) schwereren Karossiers und Zugpferden: Oldenburger, Bergardenner, Bretonen 3,20 h) schwersten Zugpferden: Shires, Clydesdales und Brabanter 3,54 Also zeigt sich doch eine relative Korrelation zwischen Brustumfang und Körj^ergewicht empirisch. Wenn man nun aber den Brustumfang direkt mit dem Köhrbeinumfang vergleicht, so können diese Zahlen nie ein reiner Ausdruck für die Gewichtskorrelatiou sein, wie die französischen Autoren dies fälschlich meinen, das geht aus obigem ohne weitere Worte klar hervor. Daher glaube ich, sei es immer noch besser, zuerst das approximative Körpergewicht nach obigen Formzahlen zu berechnen, statt den Brust- umfang direkt in Beziehung zum Röhrbeinumfang zu bringen. Auf alle Fälle ist aber die direkte Ermittlung des Gewichtes und Röhrbeinbelastungsindex das beste. 3) Weniger allgemein wird dann noch der S c h ä d e 1 i n d e x (Indice cephalique ) berech- net, wie er von S a n s o n (1884 u. 1896) und X e h r i n g (1884) zum Unterscheidungsmerkmal der Rassen gemacht wurde. Berechnet nach der Formel: — ^ , .. ,—r^. -^^ — r^ — , gibt er ° Schädellänge (Nr. 15) ' "" aber bei den modernen Rassen nicht allzuviele Anhaltspunkte, wie ich dies schon durch M o 1 1 h 0 f f (1910) und M a 1 i c k e (1910) zeigen ließ. M a li c k e betont, daß der Scheitel- index beim lebenden Pferde, den er wie Molthoff „vom Alveolarrand der Inzisiven des Oberkiefers bis zur Crista occipitalis" maß, einzig eine gewisse Korrelation mit dem Gewichte der Pferde zeige, daß bei edlen Pferden meist ein leichteres Gewicht mit höheren Indizes, bei Schrittpferden eher ein größeres Gewicht auch mit einem ge- ringeren Index verbunden sei. Seine Zahlen lassen in der Tat, objektiv betrachtet, diese Schlüsse zu, wenn diese auch noch nicht als völlig erwiesen zu betrachten sind. Typische Rassenvariation findet er aber sonst nicht bei diesem Index, denn der Scheitelindex variiert von 286 bei Dänenpferden bis 411 bei einer engl. Vollblutstutc. Jedenfalls ist der Basilarindex Nehrings,bei dem der orale Rand des Hinter- hauptlochcs als oberer Meßpunkt genommen wird, der bessere, so spricht sich auch Die Verwertung" der Messuugsresultate. 121 neuerdings Brinkmann (1921) in seinen Equidenstudien wiederum für dessen Be- deutung aus und publiziert schöne Kurven über dessen diagnostischen Wert zur Trennung der Schädelformen von Eq. cab. celticus Ewart und dem von mir aufgestellten Eq. cab. Nehringi. Der Basilarindex ist am lebenden Pferde aber nicht meßbar. 4. Interessanter ist vielleicht der Rumpf index (indice corporel), der von den französischen Autoren allgemein mit Eifer genommen wird. Er betrifft die Beziehungen zwischen ßumpflänge und Brustumfang und wird Rumpflänge (Nr. 4) X 100 nach folgender J^ormel berechnet: — =; : ^ j^ — -pr^^ — • ^ Brustumfang (Nr. 60) Die französischen Autoren geben an, daß hienach die Pferde zu unterscheiden Langlinige ^ 90 Index Kurzlinige = unter 85 „ Mittellinige = 87—88 „ Ich persönlich kann mich für diesen Index bis jetzt noch nicht erwärmen, da ich bei den großen Mengen meiner Messungen noch nicht einmal einwandfreie Differen- zierung der großen Gruppen von Schritt-, Karossen-, Rennpferden und Trabern erhalte. So habe ich Varianten bei Vollblütern von 85 — 91, bei Ungarn von 83—90, bei Hol- steinern und Irländern von 83—88, bei Oldenburgern von 83 — 88, bei Freibergern von 83 — 88, bei Belgiern von 83—88. Jedenfalls würde ich lieber einen Index mit größerem Spielraum auswählen als diesen hier, bei dem der ganze verfügbare Spielraum durch Variationsbreite innerhalb einer Rasse, sogar innerhalb eines Stalles ausgefüllt ist! Zudem kann ich gar nicht erkennen, was das Verhältnis von Umfang und Länge „des halbstarren Ballons", den der Pferderumpf darstellt, eigentlich tieferes besagen soll, ergibt sich doch aus oben gesagtem, daß er im wesentlichen ziemlich gleich ge- baut und nach Molthoffs Untersuchungen eher der Umfang mit der Lungentätigkeit als mit etwas anderem in Zusammenhang steht, bei der Meßmethode aber, wie der Brust- umfang bisher genommen wurde, die Muskelauflagerungen zu sehr zum Ausgleiche wirklich existierender Differenzen beitragen. Da scheint mir doch die alte Einteilung in Quadrat-, Langrechteck- und Hochrechteck-Pferd zweckmäßiger, da, wie aus meinen Zahlen ersichtlich, hier wirklich Typen charakterisiert sind. 5. Weiter wird in Frankreich noch der Indice thoracique, der Brustkorbindex Brustbreite (Nr. 38) X 100 benutzt und berechnet: =, -.-rr, j-rn ^=5 -rr-^ r-rKf — tht • Brusthohe, früher Brusttieie genannt (JNr. U) Was also bedeuten soll, wieviel Prozent die kleine Achse (Brustbreite) von der großen Achse (Brusthöhe) ausmacht. Schwere Pferde sollen hier 90 "/„ mittlere 87 °/„ schlanke 85 «/^ aufweisen, sofern die Brusthöhe hinter dem Widerrist, also am Pectorale, ermittelt wird. Legt man die nach Nathusius scher Art ermittelte Brusthöhe (deutsch Brust- tiefe genannt) zugrunde, dann kann man nach meinen Zahlen sagen, daß schwere Pferde über 61 °/q mittlere Halbblüter über 57 "/„ leichte über 53 "/^ aufweisen sollten. Man kann diesen Index für den Ellipsenquerschnitt des Brustkorbes ohne Zweifel durchaus gelten lassen, muß aber dabei bedenken, daß der Geschlechtsdimorphismus 122 l^J6 Proportionen der Größen- und WinkelvcrhäJtnisse. eine sehr große Rolle spielt und oft die Gruppen grenzen übertrifft. So haben wir meist 5 "'o mehr bei den Hengsten als bei den Stuten. Also Vorsicht im Urteile. Es ließen sich nunmehr einige neue Indizes namhaft machen, die recht brauch- bare Anhaltspunkte für die Charakteristik der verschiedenen Pferdetypen gestatten. Zuerst könnte man hier einen zahlenmäßigen Ausdruck finden für das von den meisten Pferdebeurteilern fast zuerst betrachtete Verhältnis der Hoch- und Kurzbeinigkeit, die in dem später erwähnten Formate noch ihren w^eitcren Ausdruck findet. Ich wähle hiezu 6. den Beinlängeu-Index (Indice du vide sous-sternal), der in der Anthro- pologie ebenfalls gerechnet wird und von Manouvrier^ den Namen „Indice skelique" , • ,. X , 1 -, ßeinlänge (Nr. 5) X 100 , • -,. -o • ,•• , n erhielt, ich rechne ihn: — ^^^ ^—^, ^v: — -~ — , wobei die ±5einlange nach den Na- Rumpflange (Nr. 4) *= thusius sehen oder meinen Maßen dem Maße Nr. 5, also der H ö h e am Brustbein entspricht. Diese Indizes sind insofern ganz instruktiv, als sie bei Schrittpferden und einigen Trabern unter 50 zu bleiben pflegen, bei kombinierten Gebrauchspferden auf 52 — 55 steigen, bei Galoppern noch darüber hinauf bis fast gegen 60 reichen^). Da die Kniestellung, wie wir in einem anderen Kapitel besprechen, auch von sehr vielen Faktoren abhängt, die unmittelbar mit der Leistung selbst eigentlich wenig zu tun haben, während gerade die Höhe des Brustbeins über dem Boden auch die früher besprochene Thoraxaufhängung charakterisiert, so kommt diese zweite Methode der Berechnung nicht so gut zur Geltung. Die Zahlen sind auch höher, kommen bei Ga- loppern bis auf 65 und schwanken bei den kombinierten Gebrauchspferden zwischen 55 und 60. Ein beachtenswerter Index für die Rumpfgestalt durch Charakterisierung der Thoraxaufhängung ist auch der Brustbeinstellungsindex (indice sternal). 7. Brustbeinlänge (Nr. 22) X 100 Länge der Brustwirbelsäule (Nr. 21) 8. Ein Komplement hierzu wird durch den Brustsehnenindex gegeben: Brustsehne (Nr. 39) X 100 Länge der Brustwirbelsäule (Nr. 21) 9. Ganz besonders gut ist auch der Thorakalindex: Brustlänge (Nr. 20) X 100 Rumpf (Körper)länge (Nr. 4) Als weitere Indizes lassen sich noch verwenden 10. Der Vorbrustbreitenindex berechnet: Vorbrustbreite (Nr. 37) X 100 Rumpf(Körper)länge (Nr. 4) 11. Der Hüftbreitenindex berechnet: Hüftbreite (Nr. 40) X 100 Rumpf(Körper)länge (Nr. 4) ^) Man kann schließlich auch einen mittleren Beinlängenindex nehmen, bei dem man dann das arithmetische Mittel der Maße 5 und 9 Höhe am Brustbein und Höhe am Knie zur Grundlage nimmt und diese TKM--,.-, -r. • ,.. Nr. 5 + Nr. 9 ^^ ,^^ Mittlere Beinlänge X 100 Rumpflänge (Nr. 4) rechnet. Die Verwertung der Messunsfsresultate. 123 Als weitere Indizes, die unbedingt Beachtung verdienen, ist zuerst das Verhältnis der Hebel der Extremitäten zu nennen, von denen in dem vorgehenden Kapitel eingehend gesprochen wurde, so daß sie hier nur rekapitulierend zusammengestellt zu werden brauchen: 12. Beckenindex: Darmbein (Nr. 25) X 100 Sitzbein (Nr. 26) X 100 . ü: 1 211 ■ ' — — • ßeckenlänge (Nr. 25 + 26) Beckenlänge (Nr. 25 + 26) 13. Hinter b ein hebelindizes: Oberschenkel (Nr. 31) X 100 ^^ Oberschenkel (Nr. 31) + Unterschenkel (Nr. 32) + Röhre (Nr. 33) * Unterschenkelbein (Nr. 32) X 100 ^ Oberschenkel (Nr, 31) + Unterschenkel (Nr. 32) + Röhre (Nr. 33) * Röhrbein (Nr. 33) X 100 ^ ^^ Oberschenkel (Nr. 31) + Unterschenkel (Nr. 32) + Röhrbein (Nr. 33) * d) Unterfußindex hinten = b + c. Länge der Schulter (Nr. 14) X 100 14. Skapularin dex: ^ -r^rr — ,m- j , ,-vt ■,n\ * ^ Brusthohe (Tiefe) (Nr. 12) 15. Vorderbein hebelindizes: Oberarm (Nr. 27) X 100 ^^ Oberarm Ißv. 27) + Vorarm (Nr. 28) + Röhre (Nr. 29) " b) Vorarm (Nr. 28) X 100 Oberarm (Nr, 27) + Vorarm (Nr. 28) + Röhre (Nr. 29) Röhrbein vorne (Nr. 29) X 100 ^^ Oberarm (Nr. 27) + Vorarm (Nr. 28) + Röhre (Nr. 29) ' d) Unterfußindex vorne = b + c. Diese Indizes vermögen die vorherrschende Bewegungsart resp, den Grad der An- passung im Einfluß auf die Knochenlängen der Extremitäten am besten zum Ausdruck zu bringen, besser als alles andere, was diesbezüglich versucht wurde. Wer noch einen Ausdruck für die Knochenstärke des Pferdes haben will, ohne sich einer Selbsttäuschung hinzugeben, wie dies in der Nathu sius sehen Auswertung des 16. Röhrbeinindex geschieht, den man folgendermaßen ermitteln solle: Umfang der Röhre (Nr. 46) X 100 Widerristhöhe (Nr, 1) der wird sich am Skelette mit dem durch Cornevin,Nehring und Tscherski (1892) verwendeten Röhrbeinindex der Dünn- und Dickflüssigkeit begnügen: Breite der Röhre (Nr. 45) X 100 Länge (Nr, 29 oder 33) wobei dann aber immer 7» Carpus oder Tarsus dabei ist, oder er wird die nachge- schilderte Methode wählen, in der das Gewicht, das die Knochen zu tragen haben, direkt mit dem Umfang der Knochen in Beziehung gebracht wird. Dieser einfachste, leicht auf Schauen zu berechnende Index ist der , ^ .. , , , . , Umfang des Röhrbeines (Nr. 46) X 100 1/. Rohren belastungsindex = ■■ — ==^7: ^^rr • Korpergewicnt Die ermittelten Zahlen ergeben, daß der Umfang der Röhrbeine der Galopper am stärksten im Verhältnis zum Körpergewicht des Pferdes ist, bei Halbblutpferden je nach der Bewegungsintensität abnimmt und bei Schrittpferden verhältnismäßig am ge- ringsten ist, weil hier mehr Spannungsenergie statt hoher kinetischer Energie wirkt. 124 i>ii^ J'roportionen der (.Trößeii- and Wiukelverhältnisse. Orientalen 42 Englisch Vollblut 39 Traber 39 Hunter, Spanier, Ungarn . . 37 Hannoveraner 35 Holsteiner 34 Oldenburger 34 Freib erger 34 Shire 34 wegen des starken Röhrenbehangs Boulonais und Belgier- Stuten 31 Belgier-Hengste 30 Es sind dies die wichtigsten Indizes, die eine praktische und zu- verlässige Verwertung des gesammelten Zahlenmateriales gestatten. Die An- zahl ließe sich ja wohl noch bedeutend erhöhen, aber ich habe trotz aller Berechnungsversuche nichts wesentlich besseres herausgebracht. Kopf- indizes aller Art, Beinlängenindizes anderer Zusammenstellung wie die erwähnten habe ich überhaupt als zwecklos erachtet, da uns eigentlich in der Leistung des Pferdes die genauen Proportionen des Kopfes nicht so sehr fördern, und meine oben erwähnten Beinindizes unbedingt die natürlichen sind, daher künstliche Kombinationen zwecklos erscheinen. Um nun die Abnahme der Maße zu erleichtern und übersichtlicher zu gestalten, habe ich seit 14 Jahren Beobachtungstabellen im Gebrauche, die ich nach verschiedenen Neuauflagen abändern ließ und deren mir am besten dienende Form die nachstehende Form A ist. Für wissenschaftliche Forschungen über Pferdeexterieur, für Gestüts- leiter und große Züchter, die möglichst genau die Yeränderungen ihrer Tiere von der Jugend bis zum Alter verfolgen wollen, dürfte dieses große Formular das zweckmäßigste als Beobachtungsgrundlage sein. Man wird dann je nach neuen Beobachtungen im Laufe der Zeit wieder einige Änderungen vornehmen, wie ich das auch ständig tue. Für Zucht- verbände, die sich über die Entwicklung ihrer Tiere und die Vererbung der wichtigsten Körperformen orientieren wollen, dürfte Formular B sich eignen. Für Schauen und Prämierungen dürfte das Formular C die allernotwendigsten Maße und Indizes zur Darstellung bringen, sowie eine Punktiertabelle enthalten. Beiden Formularen ist dann zugleich ein schematisches Pferdebild eines „Mittelpferdes" im Sinne Bourgelats eingefügt, in das man die „gut" oder „schlecht" geformten Teile mit Rot (gut) oder Blau (un- günstig) an- und einzeichnet, mittelst eines zweiteiligen Blau-Rot-Stiftes. Dieser Gedanke ist eigentlich durch v. Öttingen (1918) in Trakehnen meines Wissens zuerst im großen verwertet worden, und er ist ent- schieden vortrefiflich. Ich habe ihn seither nur in dem Sinne etwas ab- geändert verwendet, daß ich keine besonderen Geheimzeichen wähle, wie Die Verwertung der Messungsrcsultate. 125 V. Öttingen dies vorschlägt und die bei diesem vorzüglichen Autor nachgesehen werden können, sondern daß man direkt die betreffende Naturform etwas übertrieben einzeichnet, wie sie sich darstellt. Sollte der Grad der Ausbildung der betreffenden Form noch gekennzeichnet werden, so wählte ich dafür die drei bekannten Zeichen Barons, sein Stenogramm der Pferdeformen, nämlich + , 0, — für stark, mittel, schwach. Aber das ist, wie gesagt, nur wieder für komplizierteste Beobachtungs- formen notwendig. b) Das Punktieren. An das Messen und die Indizesberechnung schließt sich das Punk- tieren der Pferde an. Punktieren beim Rindvieh ist ja schon lange bekannt zum Zwecke einer unparteiischeren Beurteilung auf Grund der gefundenen Messungs- resultate. Kraemer (1894) und Lydtin (1903/04) haben uns hierüber für das Rind die vortrefflichsten Anhaltspunkte gegeben. Aber auch beim Pferde ist das Punktieren schon lange im Gebrauch ; so wurden in der Schweiz bei Prämierungen von Zuchtstuten eine Zeit- lang die nachstehenden Punktiertabellen benutzt. Nr. Name: 1. Gang (Ergiebigkeit und Regelmäßigkeit) .... 2. Kopf 3. Hals 4. Schulter und Widerrist 5. Brusttiefe, Breite und Rippenwölbung .... 6. Rücken und Lende 7. Knie und Schienbein 10 5 4 7 8 7 6 5 8 6 8 3 7 6 10 9. Stellung vorn 10. Hufe 11. Kruppen-Breite und -Länge 12. Yorarm und Unterschenkel 13. Sprunggelenk 14. Stellung hinten 1.5 ^Tflßp nnrl Pybpmnfl(i Summa 100 Abstammung 0 — 25 Öffentlich geprüfte Leistungen 0 — 25 Proport ioiion der (Irößeii- und Wiukelverhältnisse. o r-l CD 'o CD :^ ?H O) O) 4-J s •^ G c3 w .2 'g -^ . 00 03 bc G :cö S 's -^ o 03 =4H pH O CO 03 03 bc G :cs 1-1 IC Kl o; "cS w 03 TS 03 bc G :cS H^ CD 03 bc G :cs G aS -G !-> O > 03 bc G G 03 13 od 03 bß G :ca i CS oi 1— 1 03 bc ä (» 3 !-> m ö CM 0) 'S :a3 CO 'S 'S 1 »3 3 ^ u 03 'TS 03 bc G ^ CM 03 bc G 'S 'S CO 3 pq (M* (M o bc G j^ "g 03 TS G 03 ^ CM 03 bc 1 'g CM Die Verwertuno- dor Messunffsresultatc. 127 Sx !>' T3 Ö £X rg O =4-1 "*_ CP Ti o ö ^ a X (U lO ri^ CJ O fl> pq ^ H SX .3 O m M "^^ 0) r^ 0 c '^ O) X ri r/) ^4 Q> -1-= /, a P «X w ü rs + 0 II X 2 •* a "^ 'A CO 0 0 0 + Y 1-1 ^ 0) ■* 2 s u •z. 0 > X 03 Ti ö ö «4-1 U CO ä ^ P ri3 •S^ :0 ^ -H >< ö X 35^ Ö* Ö bß Ö bß Fr --ö ~ ^ S §, et ;=: ^ CD fH CT) CO !» ce c ffi 0 CD c^ riJ ^ -*-' ^ ■11 ^^ -M ci ffi P c3 03 -« =4-1 M rl 03 03 CO m 03 c 03 u 03 =4-1 03 Ol 0) ja CO CP a u Cü CO 03 03 CO 03 "3 § s 03 =2 TS 0 cl :0 0 ^ :0 03 r^a ^ a T! 03 Tl ^Ö p © bß C3 s CO 0 ;> CO 0 ;-( 0) 0 > s c P 00 03 03 G w t-l 03 =4H 03 a w 03 03 03 ;Z2 'TS 03 'V 0 > 03 03 a 03 -2 'S a 03 'S ^^ _a 'S OJ TS U 0 t> CO 03 0 'd "a a 'Ö U 0 > pq 0 03 t^ bc^ 2 '-' u 03 :'o 03 'd a CS u a 0 ;-i a CS s-, bo CS L4 CO 03 05 tu 03 0) 'TS TS 03 ■TS 03 'TS 03 TS 03 TS 03 03 TS 03 03 03 03 =4-1 H-l TS 03 S 03 -TS 03 03 TS 03 O) fa b ,0 a bc ÖD C bc a bc a bx) a bc c bc a 'S '03 3 E3 ,12 'S =^rö 'S 03 2S :cß :cS :ca :cB :c« ;h -4-3 (!< a r« ^ b 0 CO ^ H? P P P P P P pq pq pq pq pq w W GO cq Q W P.Ü pq pq pqW »c CO t^ 00 OS 0 T— 1 fM CO -+ >c CD 1^ CT) Oi 0 ^ (M CO '^ iC CD t^ cm 05 cq Cvj Ol ) 0,056(0,036) 0,07(0,04) 0,060(0,03) Dasselbe zeigt sich auch für die Extremitäten, wo mit den Deck- haaren der keine Muskeln mehr tragenden Röhren, die hauptsächlich nebst Fesseln und Krone Erschütterungen unterworfen sind, die Haare schon etwas kürzer und dicker werden als sie an den oberen Teilen der Beine sind, aber wieder am Vorderknie und den Fesseln am stärksten sind, weil hier traumatische Reizungen wirken. Ober- schenkel Länge Dicke mm mm 15,2 0,05 (0,027) Unter- schenkel Länge Dicke mm mm 15,6 0,05 (0,027) Oberarm Länge Dicke mm mm 24,0 0,06 (0,022) Vorarm Länge Dicke mm mm 22,5 0,055 (0,027) Röhren- Vorderfläche Länge Dicke mm mm 13,8 0,095 (0,043) Fessel Sprung- Röhren- Vorderkuie und Kronen gelenk Hinterfläche Länge Dicke Länge Dicke Länge Dicke Länge Dicke mm mm mm mm mm mm mm mm 17,0 0,110 18,0 0,100 21,5 0,075 56,0 0,10 (0,072) (0,075) (0,040) aberje nach Rasse stark variierend. Auch auf der Vorderfläche des Kopfes, soweit die Haut den Knochen direkt aufliegt, ist das Haar kurz und relativ dick, nämlich 11 mm im Mittel lang und 0,060 mm dick, während es an den AVangen bedeutend an Länge zunimmt, 16 mm lang, 0,052 mm dick. Hals und Schultern tragen verhältnismäßig langes Deckhaar: Der Hals 18,5 mm lang, 0,050 mm dick, die Schulter ziemlich kurzes, 14,8 mm lang und 0,050 mm dick, während dasjenige der Brustseiten auf Höhe der Grurten, auf Kruppe, Flanken und Vorderbrust nur geringe Maß- differenzen aufweist, nämlich Brustseite Länge Dicke Flanke Länge Dicke Kruppe Länge Dicke Vorderbrust Länge Dicke 30,2 0,060 23,0 0,055 26,2 0,075 16,0 0,048 Die Haare an den Innenflächen der Schenkel, am Bauche und an den Seiten des Brustbeines weisen folgende Zahlen auf: Innenschenkel Länge Dicke Bauch Länge Dicke Brustbein Länge Dicke 45,4 0,041 35,0 0,06 15,0 0,048 ^) Deckglastastermessungen. Die Schutzliaare. 173 d) Als weiterer Gesichtspunkt ist endlich noch zu erwähnen der Einfluß der Haarfarbe auf die Haardimension. Schon mein Schüler und langjähriger Assistent Dr. Wiedmer (1920), der viele vergleichende Messungen von pigmentierten und unpigmentierten Haaren mehrerer Tierarten ausführte, schreibt: ,,Wir haben gesehen, daß Schaft und Wurzel weißer Haare im allgemeinen dicker sind als solche von pigmentierten Haaren; daraus möchte man schließen, daß die Behaarung albinistischer Stellen dichter sei; dies ist aber nicht der Fall." Er zeigt dann an vielen Haarzählungen, daß auf 1 qcm weniger weiße als pigmentierte Haare stehen. Nach meinen Beobachtungen beim Pferde sind die weißen Haare der albinistischen Abzeichen nur in relativ wenigen Fällen in Länge und Dicke von denen der normalen Haare auffällig verschieden. Ich muß sogar auf Grund meiner Erfahrungen zu der Ueberzeugung kommen, daß da, wo die Haare der Abzeichen im Mittelwerte von Länge und Dicke ganz bedeutend die umliegenden pigmentierten Deckhaare übertreffen, die Konstitution des betreffenden Tieres weniger widerstandsfähig und zähe ist (vgl. Konstitution). Wiedmer gibt nach den Erfahrungen der großen Gerbereien an, daß bei der Enthaarung von Häuten zur Lederbereitung weißes Haar sich mit Schwefelnatron und Kalk viel rascher entfernen läßt als pigmentiertes. Weißes Haar hinterlasse auch stets offenere Poren, die an Zahl geringer seien als die auf dunkel pigmentierten Hautstellen. Ferner sei das Leder von weißen Hautstellen typisch dünner und weniger widerstandsfähig wie von pigmentierter Haut. Auch Haarlosigkeit tritt beim Pferde auf. Meist wohl bei ver- nachläßigten Räudefällen und alten Pferden kann es zu völliger Haarlosig- keit kommen (Jerina 1920), ob aber dies die Ursache der zahlreichen nackten Pferde ist, die in der Literatur bekannt geworden sind, Hering (1834), Schmidt (1867), ist fraglich. Zoologen wie Wagner, Nau- mann und F i t z i n g e r haben sogar von einer Art Equus nudus domesticus kühnlich gesprochen. 2. Die Schutzhaare. Nach meiner Auffassung bilden sich die Schutzhaare überall da, wo harte Bänder oder Knochen ohne dickes Fleischpolster darüber bei der Bewegung einen Reiz oder Druck auf die Haut von unten her ausüben, wie längs des Kammrandes auf dem Nackenbande als Mähne, auf dem Scheitel als Schopf, an der Schwanzrübe als Schweif sowie an dem Kötengelenk, das ja bei schwerer Anstrengung, mächtigen Galoppsprüngen auf den Boden aufschlägt, als Kötenbehang. Es ist also richtig, sie 174 ^as liuarkleiil ilcs rierduis. „Sclmtzhaare" zu nennen, wenn sie niicli in iliver jetzigen FoTni niclit mehr alle Schutzhaare sind. Die ursprüngliche Form dieser Haare ist kurz und liart, gleich dem Dcikhaar, nur etwas dicker und daher härter. Ihre Funktion wurde ver- äiulert, sie werden „Schutz" der Haut gegen das Trauma und fallen nicht mehr periodisch aus wie die Deckhaare. Wenn zoologische Autoren, denen hippologische Kenntnisse abgehen, behaupten, daß das E(juus Przewalskii deshalb nicht als Überrest der Stammväter des Hauspferdes in Betracht kommen können, weil seine Mähne nur ganz kurz und stehend sei und nicht überfalle, auch sein Schweif im oberen Teile nicht so langbehaart sei wie außen, so sind dies durchaus keine haltbaren Beweise, sondern der EinHuß kontinentalen oder heißen Klimas ist hier bedingend. Denn an der früher erwähnten Eselin machte ich folgende Beobachtung: Ich kaufte das Tierchen ca. 1 Jahr alt in Tunis mit stehender kurzer Mähne. Im 7. Jahre seines Lebens und 6jähriger Pflege in der feuchten, nebligen Gegend des Aargaues, in der mein Landgut lag, hatte es eine bis 17 cm lange, unten überhängende, dicht am Nacken aber noch stehende Mähne erhalten, was ich meinen Studierenden mehrfach vorzeigte. Das Wachstum der Schweifhaare hatte ebenfalls ganz bedeutend zugenommen, wenn es natürlich auch ein typischer Eselschwanz blieb. Das gleiche zeigt sich auch ])ei den Eseln (baudets) des Poitou, die ja meistens eine ziemlich lange, hängende Mähne haben. Bei E([uus Przewalskii wird es ähnlich gegangen sein. Was die Menge der Mähnen haare angeht, so ist dieselbe besonders groß bei den Kaltblüterpferden und den nordischen Ponys, was wiederum das vorgesagte bestätigt. Naturgemäß ist die Mähne dünn und feinhaarig bei den Orientalen, in unseren Xlimaten aber wird sie dichter und die einzelnen Haare stärker, wie ich an Scharnhauser und Zweibrücker- Arabern sehen konnte. An Zahlen mr>chte ich liierüber nur die folgenden erwähnen, da auch hier die Variation namentlich durch Auszu])fen, Abschneiden usw. eine so große ist, daß eine Publikation meiner ganzen Maßtabellen mir zweck- los erscheint. Die mittlere Mähnenlänge von Pferden, deren Mähne ungeschnitten Avächst, ist 24 cm, die mittlere Dicke von Mähnenhaaren ohne Rücksicht auf die rärl)ung 0,135 mm. Die Mähne ist gewöhnlich gegen den Nacken zu am stärksten und nimmt gegen den Widerrist an Länge und Dichte ab. Bei manchen Pferden wird sie aber ganz außerordentlich lang; so nennt Hering (S. 81) ein Pferd, das dem Landgrafen Wilhelm VI. von Hessen geschenkt worden sei, dessen Mähne den Boden erreichte und eines des Kurfürsten August von Sachsen, dessen Mähne 5,20 m und dessen Schweif 8 m lang gewesen sein soll. 1893 wurde in Berlin in der Passage ein virginisches Pferd (Oregon Wonder Horse) gezeigt, dessen Mähne und dessen Schweif ca. 4,60 m maßen. Die Schutzhaarc. 175 Auch die Orientalen lieben eine starke Mähne bei ihren Pferden, weshalb, wie Vallon angibt, die algerischen Araber sie den Fohlen im Alter von einem Jahre und im vierten abschneiden, damit sie kräftiger nachwachsen sollen. Man unterscheidet eine einfache (criniere simple, criniera semplice) oder eine doppelte (double, doppia) Mähne, je nachdem ob sie auf eine »Seite oder auf beide Seiten überhängt. Die künstlich geschnittene, neuer- dings zum Verfeinern der Pferde nach englischer Art beliebte Mähne nennt man stehende, geschnittene oder Bürstenmähne (en brosse ou vergette). Diese letztere war namentlich für Ponys oder zum Verdecken des Axthiebes oder Hirschhalses beliebt. Das Überhängen der Mähne erfolgte im Altertume nach rechts (Virgil Georgica L. III A^ers 86). Die Orientalen legten Hering zufolge die Mähne nach links. Si)äter legte man bei Wagenpferden die Mähne des Handpferdes auf die rechte, die des Sattelpferdes auf die linke Seite. Jetzt ist man davon abgekommen und läßt die Mähnen bald nach links bald nach rechts hängen. Die doppelte Mähne gilt aber entschieden als unschön und ungepflegt, weshalb man den Pferden die Mähne auf eine Seite gewöhnt. Zu diesem Zwecke flicht man seit altem Zöpfe, die man künstlich beschwert, ent- weder nur mit Strohbändern oder auch wenn nötig mit Draht oder der- gleichen. Garsault erzählt sogar von künstlichen Mähnen, die man früher Pferden ansetzte, denen die eigene abgeschnitten war. Anderseits Verdünnern heute Stallbesitzer gerne ihren Pferden die Mähnen, um diese feiner, also die Pferde edler erscheinen zu lassen. Es geschieht durch Ausraufen oder Abscheren mit Glasscherben (Schlüter, 1898). Die Seh weif haare der Pferde werden verschieden lang und ]e nachdem werden die einzelnen Schweifformen unterschieden, auf die ich später noch zu sprechen komme, da hier auch Verletzungen der Schwanzrübe vorgenommen werden. Die mittlere Länge der Schweifhaare von Halbblutpferden, deren Schweif nie geschnitten wird, erreicht 72 cm, die mittlere Dicke in der Mitte des Haares gemessen 0,325 mm. Dabei ist zu beachten, daß der Schweif nicht ganz gleichmäßig be- haart ist. Die längsten Haare wachsen von der Hälfte der Schweiflänge an abwärts, während in der oberen Hälfte bis zur Schwanzwurzel nur kürzere Haare vorkommen. Meine Mittelmaße in diesem oberen Teile ergaben eine Länge von 23 cm und eine Dicke von 0,135 mm. Die Haare des Kötenschopfes variieren ungemein nach den Kassen. Nordische Rassen ohne orientalisches Blut pflegen starke Koten- 17l) P'ii^ Hiuu-kleid des Pfenlcs. schöpfe zu haben. Je mehr orientalisches Blut in den Pferden ist, desto schwächer sind die Kötenschöpfe. Für ziemlich orientalische Halbblut- pferde, deren Kötenzöpfe nie beschnitten wurden, fand ich als mittlere Dimensionen der naarlänjii;e 7,5 cm bei einer Dicke von 0,100 mm. Bei Shires, die wohl die längsten Kütenbehänge aufweisen, maß ich als Mittel- zahl 18,3 cm. Die Tasthaare, sofern sie nie beschnitten worden sind, unter- scheiden sich gegenüber den anderen Haaren dadurch, daß sie relativ rasch hinter der Spitze ihre Dicke erreichen, also nicht allmählich bis zur Basis zunehmen. Sie sitzen verhältnismäßig tiefer in der Cutis als die andern Haare und sind reicher innerviert, dienen tatsächlich zur Weiterleitimg eines Berührungsreizes zu den sensorischen Zentren des Nervensysteme«. Nur die Augentasthaare pflegen bei älteren Pferden intakt zu sein, während diejenigen an Nüstern und Maul frühzeitig durch den Gebrauch abgebrochen oder abgerieben werden. Die gewöhnlich vorkommenden Verhältnisse bei den Pferden sind Augentasthaare von 4 cm mittlerer Länge und 0,165 mm- mittlerer Dicke. Die Maultasthaare pflegen im Mittel 7 cm lang zu sein und ebenfalls 0,16 mm dick. Sie kommen bis ums Kinn vor, verlieren sich aber gegen die Ganaschen und Wangen mit dem Auftreten des. normalen Deckhaares. Hier findet sich dann das eigentliche B a r t h a a r , aus dem diese- Tasthaare in Anpassung an neue Verhältnisse wahrscheinlich entstanden sein müssen. Das Barthaar ist am stärksten ausgebildet bei gewissen, primitiven Pferden, so z. B. den Pferden der Camargue. Mittleres Bart- haar ist 45 mm lang und 0,10 mm dick. In der Vererbung pflegen die Haarcharaktere sehr konservativ zu sein und weisen daher auch in gemäßigten Zonen noch orientalische Vollblutpferde relativ dünneres, kürzeres Haar auf. Immerhin braucht diese Differenz zwischen den einzelnen Rassen nicht allzu hoch eingeschätzt zu werden. Ich habe nach Vergleichungen zwischen nordischen Ponys und arabischen Vollblütern, im gleichen Stalle seit vielen Jahren stehend, keine- allzu großen Varianten in den Mittelzahlen gefunden: Vollblut Länge 1,27 cm Dicke 0,0312 mm Ponys Länge 2,76 cm Dicke 0,0354 mm Wie Jerina (1919) in seiner Arbeit über Haararmut schreibt, werden selbst Speziesunterschiede durch die Einwirkung der Kälte zerstört, und bekamen sogar chinesische Nackthunde nach längeren Jahren in Eng- land wieder Haare. Ähnlich wirken auch Ernährungsstörungen des Organismus. Daher ist auch das Winterhaar der Pferde wie das Fohlenhaar stets etwas länger, wenn auch die Dicke nicht so stark zuzunehmen pflegt Die Haarwirbel und die Beurteilung der Bewegungen des Pferdes nach denselben. 177 wie bei anderen Tieren, z. B. dem Eeh. Für Halbblutfolilenhaare fand ich im Laufe der Jahre folgende Mittelzahlen: Seitenbrustdeckhaar Länge 2,25 cm Dicke 0,038 mm für Halbblntpferdewinterhaar in mittelwarmem Stall (8 — 10" C) Lcänge 3,48 cm Dicke 0,072 (0,034) mm. 3. Die Haarwirbel und die Beurteilung der Bewegungen des Pferdes nach denselben. Fast alle älteren Autoren Spaniens, Italiens und Frankreichs erwähnen die Haarwirbel. Man erkennt aber deutlich, daß diese Kenntnisse von den Mauren übernommen worden sind, nach der abergläubischen Be- deutung, die den Wirbeln zugrunde gelegt werden. Calvo (1582) spricht schon von einfachen Wirbeln und solchen, die nach der Art einer Feder (a manera de pluma) gebildet seien und die man „espadilla" nenne. Der einfache Wirbel sei am besten, wenn er in der Mitte der Stirne gelegen „Y tarn bien es buena j aun mejor quando la tiene en la freute". Es sei dies auch ein großes Zeichen für sehr guten Mut und größtes Glück in jeder Schlacht. Tam bien es gran senal de animo muy bueno, j ven- turosissimo en qualquien batalla usw. Die ersten französischen Autoren wie Bar et (1645) machen aus „espadilla" „espis" und Solleysel (1664) verlangt, daß ein jedes Pferd einen Wirbel auf der Stirne haben müsse, besser aber sei, wenn es zwei habe, die sich berühren würden, und hebt speziell noch hervor, es sei unrichtig, wie frühere Autoren meinen, daß die Lage des Wirbels unter der Augenmitte auf Au gen schwäche hindeute. G-arsault (S. 10) unterscheidet gewöhnliche und ungewöhnliche Wirbel, aber seine Definition gilt nur für eine gewisse Art derselben, denn er sagt, daß hier die Haare in der Runde ständen (partent en rond), wobei ein Zentrum gebildet werde. Grewöhnlich kämen die Haarwirbel auf der Stirne, der Vorderbrust, auf dem Bauche und den Schenkeln vor. Man teile sie ferner ein in gute und schlechte Zeichen. Das beste aller sei das E-ömerschwert, von dem er eine Abbildung gibt, als „Feder" hand- breit unter dem Kammrand des Halses. Grisone (1579, 5) meint nach längerer Besprechung der besonderen, nicht durch die Natur befohlenen Haarwirbel, daß sie gewissermaßen „accidentelle" Produkte seien. Die Araber und Mauren hielten von jeher besonders viel von den Haarwirbeln und so ist es möglich, daß durch Spanier und Italiener diese Kenntnisse in veränderter Form in alten Zeiten nach Frankreich gelangten. Noch sind derartige Lehren bei den heutigen Arabern und den Völkern Du erst, Die Beurteilung iles Pfenles. 12 JYS 1*''^ Haarkleid des Pferdes. Indiens sehr verbreitet. Schon Abd Uli ah Khan Behadoor Firüz Jang (1788) und besonders auch Abu Bekr Ibn Bedr (1859) be- liandeln eingehend die Glückszeichen der Haarwirbel und der Färbungen. Abu Bekr nennt den doppelten Stirnwirbel el cherikein, die Zwillinge, die glückbedeutend seien, wenn sie unterhalb der Augen lägen; sind sie aber s})iralig gedreht, so bilden sie als kabr-maftuh ein bedenkliches Zeichen. Fast alle vorkoinnienden Wirbel werden aufgezählt und z. B. die Achselfedern als nichan el Sidr, das Zeichen der Brust, stets günstig gedeutet, wenn in Wirklichkeit nach ihrer Form die Achselfeder ja sehr ungünstig über den Grang des Pferdes aussagen kann. So ist also alles unbegründete Selbsttäuschung. Auch Daumas (1858) erwähnt, daß die Araber und Berber vierzig verschiedene Haarwirbel am Pferde zählen, von denen zwölf Schicksals- zeichen seien und zwar sechs mit guter und sechs mit schlechter Be- deutung. Es ist dies alles aber reiner Aberglaube. In gleicher Weise erfahren wir die Wertung dieser Haarwirbel auf Sumatra und Java aus Publikationen von Vryburg (1897). Auch hier sind die gleichen abergläubischen Ideen damit verbunden, die in gar keinem Zusammen- hange mit dem ja an sich richtig beobachteten Wirbel stehen. So heißt es z. B. von einem Haarwirbel auf der Stirne unterhalb der Augenlinie : „Derjenige, der ein solches Pferd gebraucht, soll zeitlebens Anlaß zu Trauer haben". Über die Haarwirbel wurde von Ledoyen (1851—52) eine unklare Theorie aufgestellt, wonach diese Bildungen den Zweck hätten, den Schweiß zu sammeln. In neuester Zeit glaubt von Schouppe (1910, 321) hierin ein Mittel zur Feststellung der Identität von Pferden gefunden zu haben, was jedoch leider auch nur sehr bedingt zutrifft, da nach meinen Beobachtungen die Wirbel sich gerade je nach der Bewegungsart (Hinken usw.) während des Lebens der Tiere verändern. Über die allgemeine Ursache und Entstehung der Haarwirbel bei Tieren hat sodann Walter Kidd (1900 — 02) eine Theorie aufgestellt, die von ihm an verschiedenen Tierspezies kontrolliert und auch auf das menschliche Flaumhaar angewendet wurde. Beim Menschen untersuchten Esc bricht und Yoigt diese Fragen. In einer seiner letzten Arbeiten kommt auch Schwalbe nach Besprechung der Haarwirbel der Halb- affen zu der Auffassung, daß er sich der Kiddschen Theorie nicht an- schließen könne. Doch gibt er nicht den geringsten Gegenbeweis gegen Kidd, sondern meint, daß die Wirbel das Lamarksche Prinzip ver- wirklichen und beim Fetus schon so geformt werden, wie sie den späteren Lebensbedingungen angepaßt seien, ohne daß es durch Bewegung und Gebrauch zu Abänderungen durch die Muskeln komme. Die Haarwirbel und die Beurteilung der Bewegungen des Pferdes nach denselben. 179 Das ist nun eine Meinung, der ich in keiner Weise beistimmen kann, denn das Studium der Haarwirbel beim Pferde zeigt uns in schönster Weise, daß ganz nach der K i d d sehen Idee die Haarwirbel und andere ähnliche Haargruppierungen als Folgen des Muskelzuges und auch des Muskeldruckes zu betrachten sind, in denen sich die gewöhnlichsten und häufigsten Bewegungen des betref- fenden Tieres aufs getreueste widerspiegeln. Die treffendsten Beweise sind von mir hierüber beobachtet worden und lassen sich leicht von jedermann kontrollieren, der das nötige Ver- ständnis von der Lage und Funktion der einzelnen dadurch in ihrer Tätigkeit widergespiegelten Muskeln hat. Bosch (1910) hat zunächst unter meiner Leitung den mechanisch- experimentellen Beweis dafür erbracht, daß die Haarrichtung auf dem Körper durch verschieden starken und verschieden gerichteten Zug ver- ursacht wird. Wir machten dies in der AVeise, daß wir eine große Kautschuk- platte mit Hunderten von Stecknadeln versahen, sie über den Schädel eines Pferdes legten und hierauf an Stelle der Ohrmuskeln einmal große und beim Maule kleine und umgekehrt beim Maule große und bei den Ohren kleine Gewichte aufhängten. Im ersten Falle bildete sich ein Stirn- wirbel aus Stecknadeln oberhalb der Augen, im anderen Falle unterhalb derselben. Dadurch wurde bewiesen, daß die Wirkung des Muskelzuges die Yerlagerung bewirken kann. Durch Rast (1911) ließ ich sodann die angefangenen Beobachtungen weiterführen und die beim Pferde vorkommenden Wirbel untersuchen und einteilen. Inzwischen habe ich selbst bei ca. 3000 Pferden genaue Wirbel- untersuchungen angestellt, so daß ich es glaube wagen zu dürfen, meine von mir und meinen Schülern seit zwölf Jahren nachgeprüfte und richtig befundene Theorie zu veröffentlichen. Schon Bosch schlug ich vor, eine Einteilung der Wirbelformen vorzunehmen. Auch Schwalbe tat dies neuerdings, aber abgesehen von seinen für unseren Zweck zu komplizierten Namen hat doch wohl unsere Nomenklatur die Priorität. Ich unterscheide in Fortsetzung der durch Bosch und Rast ver- öffentlichten damaligen Auffassungen nunmehr: I. Haarwirbel, die durch Zug der Hautmuskulatur entstehen. 1. Der einfache Zugwirbel (molette, moletta). Hier gehen die Haare nach allen Seiten geradlinig von einem Zentrum aus auseinander. Das abgekürzte Zeichen für diesen Wirbel ist X oder ^. 2. Der gedrehte Zugwirbel oder Kreiswirbel (romelin ou rosace, remolino). Schon Grisone erwähnt im 16. Jahrhundert, daß die 180 I^as Haaiklt'id de« Pferdes. Alten diesen Wirbel „kleiner Kreis" nannten, ebenso Calvo ii. a. Hier sind die um das Zentrum geleg'enen Haare meist stärker, dicker und halbkreisförmig gekrümmt, so daß ein ausgesprochener „Wirbel" entsteht. Das abgekürzte Zeichen ist 0. Ursache : Wirbel entstehen immer am Zusammentreffen von mindestens drei verschieden gerichteten Zugkräften in der Haut. Voraussetzung zu einer Wirbelbildung ist stets, daß sich diese Kräfte in einem Punkt und nicht in breiten Flächen treffen. 3. Der Scheitel (raie, spartizione) t^lt- Wirken zwei Kräfte in breiter Flächenausdehnung in entgegen- gesetztem Sinne in der Haut, so entsteht längs der Linie, auf der Gleich- gewicht der Spannung herrscht, ein Scheitel, d. h. eine Linie, von der aus sich die Haare nach zwei genau entgegengesetzten Richtungen neigen. Das abgekürzte Zeichen ist 1| . II. Haarwirbel, die durch Druck der Hautmuskulatur entstehen. Von den vorigen unterscheiden sich diese Gebilde scharf dadurch, daß hier die Haare sich gegeneinander neigen, also niemals ein haarloses Zentrum als Punkt oder Linie entsteht, sondern in der Mitte des Gebildes die Haare wirr übereinander fallen sich aufrichten und emporstoßen. 1. Dem Zugwirbel entspricht der Druck wirbel (tourbillou, tur- binio), den Schwalbe nicht übel als „Haars pirale" bezeichnete. Er entsteht, wenn mehrere Druckwirkungen in einem einzigen Punkt zusammentreffen und dabei stehen die Haare genau wie beim Zugwirbel in zwei Formen, entweder a) nur gerade einfach gegeneinander fallend oder aber b) in typischer, halbkreisförmig gekrümmter Form, das Zentrum mit der aus ihren oft gleichlaufend gekrümmten Schäften entstehenden Locke verdeckend. Abgekürztes Zeichen : für a) -l für b) '^. 2. Der Haarkamm (crete pileuse, cresta pilosa) entsteht in gleicher Weise aus dem Zusammentreffen zweier Flächenströme von Haaren in einer Linie längs der es zum Druckausgleiche kommt. Gleich den Kräften prallen auch die Haare aufeinander und richten sich gegeneinander auf, so daß ein wirklicher „Kamm" entsteht. Abgekürztes Zeichen: /\. 3. Das Haarkreuz (croix pileuse, croce di peli) stellt den Ort des Zusammentreffens von vier Haarströmen dar, von denen jedes Gegner- paar senkrecht zu dem anderen Paare wirkt, wodurch ein deutliches Kreuz entsteht. Abgekürztes Zeichen: +. Die Haarwirbel und die Beurteilung der Bewegungen des Pferdes nach denselben. 181 Unter Haarströmen (courants pileux, corrente pilose) verstehen wir, wie alle Lehrbücher der Anatomie schon ausführen, große Flächen der äußeren Körperhaut, auf denen alle Haarschäfte nach ein und der- selben Eichtung schauen, wobei aber die Haarwurzel stets auf die Seite des Ortes hinweist, von welchem der Zug ausgeübt wird. Darüber muß man natürlich zuerst völlig im klaren sein, in welcher Richtung die Kraft, deren Wirkung wir spüren, geht. Beim Pferde läßt sich dies in der Tat genau verfolgen, und man kann daher nachweisen, daß die Art und Weise der Entstehung von Haar- wirbeln durch verschiedenartigen Zug der elastischen Easern der Kutis gegenüber der Epidermis der Haut, wie Schwalbe sich dies vorstellt und durch zwei übereinander liegende abwechselnd bewegte Kautschukplatten, durch die Nadeln gesteckt sind, auch demonstriert, nicht für die Wirk- lichkeit zutrifft. Die Haut wirkt absolut als eine einzige Platte und nur der durch die Bewegung ausgeübte Zug ist es, der die Wirbel schafft. Wäre dem nicht so, so würden die nacherwähnten Fälle der Erkennung von Muskeldifformationen an den Haarwirbeln nicht möglich oder wenig- stens nicht zutreffend sein. Sehen wir nun an, wozu die Beobachtung dieser Haarwirbel dienen kann. Es existieren folgende Zusammenhänge : 1. Mit der Konstitution des Tieres (vgl. Kap. Konsti- tution). 2. Mit den häufigsten Bewegungsarten der Glieder und Muskeln des Pferdes. Man ist in der Tat in der Lage, unter Benutzvmg der Wirbelzeichen abweichende Bewegungen von Muskelgruppen oder Gliedmaßen sofort zu erkennen. Es sei mir gestattet, zu erwähnen, wie ich zum ersten Male Gelegenheit hatte, die Richtigkeit dieser Theorie unter schwierigen Umständen zu erproben: Am 30. Juni 1912 wurde mir und 30 meiner Studenten das Pferd 859 „Marin" des Marseiller Husaren- regimentes bei den Kasernenstallungen daselbst vorgeführt. Der uns führende Offizier erklärte das Pferd als tadellosen Anglo-Araber, der nur einen einzigen kleinen Fehler habe, den zu erörtern keinen Wert habe, weil er weder bei der Besichtigung noch dem Vortraben erkannt werden könne. Ich hatte, um das Pferd herumgehend einen Blick auf die Haarwirbelschrift geworfen und erwiderte: „Sie meinen wohl die Tatsache, daß das Pferd vorne rechts einen gehemmten Gang hat?" Der Offizier schaute mich ver- blüfi"t an und rief aus: „Woher wissen Sie das? Haben Sie das Pferd früher schon ge- kannt?" Doch sah er selbst die Unmöglichkeit davon ein; besonders als ich ihm zeigte, daß in der Stärke der Ausbildung der „Achselfedern" auf der Vorderbrust und dem Vorkommen eines Kreiswirbels auf dem Habichtsknorpel die sichere Bestätigung dieses Faktums abzulesen sei, war er völlig begeistert von dieser neuen Methode der Funktions- beurteilung der Gliedmaßen. Der zweite, einiges Aufsehen erregende Fall war im gleichen .Jahre in der Schweiz, wo ein Kavallerieoffizier mir und meinen Studierenden sein Pferd vorführte und etwas spöttisch lächelnd frug, ob ich ihm auch wohl sagen könne, was dieser vorzügliche 182 D^« Haarkleid des i'lerdes. Gaul für einen kleinen Gangfehlcr habe , den ihm niemand als der Reiter nach längerer Zeit anmerken könne. Ich konnte ihm prompt erwidern : „Gewiß, das Pferd hat beidseitig eine ,gebundene Schulter' und zwar infolge einer zu starken Abduktion des Buggelenkcs von dem Brustkorbe, somit Insuffizenz der Brachiocephalicusmuskeln und überwiegende Stärkeukompcnsation durch den Pars calvicularis des M. pectoralis superficialis und den M. latissimus dorsi, was auch der überaus zarte, schlanke Hals und die auffallend starke Vorderbrust ja bestätigt." Das Pferd trug näinlich rechts und links dicht hinter dem Ellenbogen ein Haarkreuz. Daraus ging einwandfrei hervor, daß der Ellenbogen an dieser Stelle des Brustkorbes einen, bei der Bewegung stets wieder- holten Druck ausübte, und die weiteren Schlußfolgerungen auf eine der Sagittal- ebene des Körpers zu parallele Oberarmbewegung und deren Ursachen aus dem Ex- terieur ergaben sich von selbst. Dies mag genügen um zu zeigen, wie die zweckmäßige Anwendung der Haarwirbelkenntnis mithelfen kann, ein Pferd richtig zu erkennen und zu beurteilen. Es ist immerhin auch nicht ohne Fig. 33. sorgfältiges Überlegen und gegenseitiges Abwägen mög- lich, diese Haarwirbelschrift auf der Pferdehaut zu lesen und zu deuten. Ich will mich in nachfolgendem bemühen, das häufigste Vorkommen und die Art der Haarwirbel und deren Bewertung klarzulegen, Weiterarbeit auf diesem Gebiete jedem Pferdeliebhaber und -kenner überlassend, der an diesem neuen Hilfsmittel zur Beurteilung Interesse und Freude findet. Als gewöhnliche Haarwirbel treffen wir : A. Am Kopfe: I. Den Stirnwirbel (molette frontale, remolino Die Haarwirbel des Kopfes: Stirnwirbel, frOntalc). stirnfeder^u^ chop - Derselbe kommt „normalerweise" d. h. bei mittlerem Ohrenspiel des Pferdes und mittlerer Preßlust und Lippen- spiel des Tieres so vor, daß er auf der Mitte der Verbindungslinie der beiden Pupillen des Pferdeauges liegt. Dies trifft aber nur dann ein, wenn die Stirne flach ist und keine Knochengräte oder Höckerbildung längs der Sagittalnaht des Stirnbeines besitzt, oder es sich nicht um einen Rams-, Schafskopf oder Winkelkopf handelt, bei dem die Haut über Stirn und Nase an einem Punkte hervor- gedrückt wird. Ist letzteres der Fall, so wird der Wirbel immer am vor- ragendsten Punkte der Schädelsilhouette liegen und können dann die sonst möglichen Schlüsse über denselben nicht gezogen werden. Ist aber die Stirne flach, so kann die Verlagerung des Wirbels folgender- maßen gedeutet werden: a) Verschiebung nach oben (ohrwärts) in der Sagittallinie bedeutet 1. entweder lebhafteres Ohrenspiel oder 2. fehlendes Lippenspiel. Die Haarwirbel und die Beurteilung der Bewegungen des Pferdes nach denselben. 183 Der letztere Fall ist sehr selten. Mir begegneten bisher erst zwei derartige Pferde unter den gemusterten Remonten. Nach dem Stirnwirbel und den sich auch beim Versuche, das Maul zu öffnen, streng zusammen- pressenden Lippen erkannt, wurden diese Tiere als schwierige, bösartige bezeichnet. Beide Urteile trafen dem Vernehmen nach ein, denn das erstere Pferd mußte ausgemustert, das zweite, ein Amerikaner, aber, weil völlig dressurunfähig, erschossen werden. Meist ist bei Verlagerung des Wirbels aufwärts ein lebhaftes Ohren- spiel und lebhafteres Temperament des Tieres schuld. Es kann auch noch die Ursache in einem leicht fühlbaren Knochenhöcker auf der Stirne be- ruhen; dann ist aber die Verlagerung etwas seitlich. Verursacher des Muskelzuges sind meist die am Aufrichten der Ohr- muschel beteiligten Schildspanner des Ohres, der Zugrichtung nach abei* wohl ganz besonders der M. interscutularis und event. in tieferen Schichten wirkend der mittlere Heber (M. auricularis sup. dors.). Es überwiegt also das Vorwärts- und Seitwärtsstellen der Ohrmuschel, wie es für ein auf- merksames, lebhaftes Pferd charakteristisch ist. Ein lebhaftes Pferd kann nun aber aus verschiedenen Gründen leb- haft sein. Es kann sein: 1. Nervös reizbar, d. h. lebhaft in schlechtem Sinne. 2. Temperamentvoll und munter, also in gutem Sinne lebhaft. Beides wird sich am Ausdrucke des Auges und Kopfes, Nüstern und Lippenspiel wohl ohne weiteres entscheiden lassen, so daß das Urteil je nach der Befähigung des Urteilenden zum raschen Erkennen des tierischen Charakters ausfallen wird. Möglich wäre auch noch, daß alte Wunden am Genick, Ohr- oder Wangenoperationen diese Verlagerungen bedingt hätten. Darauf hier noch einzugehen vermag ich der Fülle des Stoffes wegen nicht. b) Die Verschiebung des Wirbels kann maulwärts erfolgen und be- deutet dann: 1. Überwiegen der Maulbewegung. 2. Starker Mangel des Ohrenspieles. ad 1 sind zwei Möglichkeiten zu prüfen, entweder handelt es sich um einen typischen Realisten und Fresser, oder aber um ein Pferd mit über- mäßiger Maulbewegung, einen sog. Nußknacker (casseur de noisettes) also ein mit dem Gebisse spielendes Pferd. Die Entscheidung, welche von beiden Alternativen vorliegt, wird meistens leicht sein. Man täuscht sich hier selten in der Bewertung, nur muß noch be- achtet werden durch Maulinspektion, daß kein Koppergebiß auf geringere Grade des Koppens ohne starke Halsbewegung hindeutet. Diese Ver- 1 84 I^'^*' Haarkleid des Pferdes. lagoruno- des StinnvirbeLs erfoljijt durch die überwiegende Zugwirkuiig der Nasenlippenheber-Muskeln (M. levatores nasolabialis). ad 2. Der Mangel des Ohrenspiels kann im extremsten Falle sowohl auf Taubheit wie auf Schwerhörigkeit zurückgeführt werden oder in geringen Graden auf phlegmatisches Temperament. Hiebei dürfte nach meinen bisherigen Zusammenstellungen auch der Haarwirbel meistens ein einfacher sein. Dann ist eben die Nerventätigkeit dieses Pferdes über- haupt nicht besonders. Muskelschwund der Ohren ist natürlich immer so sekundär zu erklären und kann an sich keine Ursache der Haarwirbel- verschiebung im Grunde bedeuten. c) eine seitliche Verlagerung des Stirn wirbeis heißt : Funktionelles Übergewicht des Organes in dessen Richtung er ver- lagert ist. Hier ist die Ermittlung der Ursachen nicht ganz so einfach. Es sind mir ganz verschiedene Ursachen für die Asymmetrie des Ohrenspieles des Pferdes begegnet. Einseitige Schwerhörigkeit, oft mit Unempfindlichkeit der betreffenden Ohrmuschel verbunden (Einführen des Fingers), als extremster Fall, wechselte mit zwei Fällen von Pferden, die auf einem Herrschaftsgute der Ostschweiz zehn Jahre bei äußerst seltenem Gebrauche in einer Stallecke standen, wohin alle Geräusche und Futtergaben stets von rechts her hingelangten. Hiebei war eine deutliche Verlagerung des Stirnwirbels in beiden Fällen nach rechts eingetreten, was infolge ein- seitiger Aufrichtung des rechten Ohres aber auch Rechtswendung beider Ohrmuscheln schließen lassen dürfte, indem die Tätigkeit der Ohrdreher ja nicht durch veränderte Spannung der Stirnhaut zur Einwirkung auf den Wirbel gebracht werden kann. Auch bei Augenkrankheiten wurden Verschiebungen gegen das kranke Auge hin angetroffen, falls der äußere Heber des oberen Augenlides mehr in Anspruch genommen war. Maul- wärts ist aber eine Seiten Verlagerung recht selten. Von mir wurde sie nur in einem Falle einer akzidentellen Durchtrennung des linken Nasen- lippenhebers beobachtet. Es werden wT)hl auch andere pathologische Zu- stände in der Klinik sich aus der Haarwirbelschrift ablesen lassen, so daß dieselbe für die Kliniker eine gewisse Bedeutung bekommen dürfte. d) Bisweilen treten zwei Stirnwirbel über- oder nebeneinander auf. Hier wird in den meisten Fällen die Ursache in einem ursprünglichen auf einer Knochenerhöhung gelegenen Wirbel beruhen, dem sich dann, da er sich nicht verlagern kann, ein zweiter Wirbel angeschlossen hat, wenn nach irgend einer Seite der Zug verstärkt oder unregelmäßig wird. Bei nebeneinander gelagerten Wirbeln liegt meist die Erhöhung der Stirn- fläche in der Mitte derselben, so daß die Zuglinien dieselben nicht zu überschreiten vermögen und so die zwei Punkte statt eines einzigen ent- stehen, in denen die verschiedenen Hautspannungen zusammentreifen. Die Haai-wii'bel und die Beurteilung' der Bewegungen des Pferdes nach denselben. 185 II. Es ist dies die Vorstufe zur Entstehung der Stirnfeder (epi frontal, spiga frontale). In den meisten von mir kontrollierten Fällen einer Stirnteder war die TJrsaclie eine Knochen grätenbildung längs der Sagittalnaht des Erontales. Die Feder kann dann sogar auf einen Wirbel aufgesetzt sein oder mit einem solchen abschließen. In nur wenigen Fällen war die Feder typisch durch eine starke Temporaiis- und Masseter-, also Kau- muskulatur und deren Yolumenzunahme durch forcierte Tätigkeit bedingt. Jedenfalls hat es sieh hier um große Strohfresser gehandelt. In der Wirbelart ist stets auf Kreiswirbel oder einfachen glatten Wirbel zu achten. III. Auf dem Kopfe an der oberen Grenze des Scheitelbeines findet sich normalerweise ein kleines Kreuz an der Basis, d. h. dem maulwärts gelegenen Endpunkte des Schopfes, das Schopfkreuz (croix du toupet, croce del ciuffo). Seine Ausbildung hängt von der Schopfgröße und dessen Gewichtsdruck auf die Stirnhaut ab und ist deshalb daraus nichts anderes zu ersehen, als was man aus der Länge und Dichte der Schopf- und Mähnenhaare nicht auch sonst abzulesen vermöchte. Abnorme Wirbel sind hie und da an den Unterkieferladen durch Zug der Kaumuskulatur oder des Mederziehers der Unterlippe. IV. Die für die Beurteilung der Bewegung des Pferdes wichtigen Haarwirbel finden sich aber an dem Halse und dem Eumpfe des Pferdes. Der Hals trägt die berühmten Wirbel, von denen schon die alten Meister der Pferdekenntnis schrieben: Das Bömerschwert (epee romaine, spada romana) u. a. Überlegen wir vorerst die Möglichkeiten, die man aus diesen Halshaarwirbeln abzuleiten vermag, so wird es sich ohne Zweifel um nichts weiter als um Feststellung gewohnheitsgemäßer, be- sonders eigenartiger Halsbewegungen handeln, bei denen die Haut gezerrt oder zusammengeschoben wird, wobei sich die durch Zug entstandenen Wirbel auf der bei der Bewegungsausführung konvexen Halsseite befinden müssen, die durch Druck hervorgerufenen auf der dann konkaven. Damit ist die Deutung sehr vereinfacht. Beginnen wir direkt am Kopfe an- schließend : a) Die Nackenwirbel (romelin de nuque, remolino della nuca) stellen meistens ein Zughaarwirbelpaar dar, das entweder auf der Höhe der beiden lateralen Enden des Genickkammes des Hinterhauptes des Pferdes oder etwas weiter dorsalwärts gelegen ist. Sie werden besonders durch häufige Nick- und Kopfschleuderbewegung des Pferdes mittelst des M. semispinalis zur Ausbildung gebracht und besagen nichts weiter, als daß durch häufiges Beizäumen des Kopfes der Genickkamm von innen gegen die Haut drückt. 186 Das Huiuldcid des Pferdes. Kann die Beiziuimnn^ infolge einer fleischigeren Kehle weniger scharf erfolgen, so pflegt sicli dieser Doppelwirbel bis anf den Atlas oder Epi- stropheus zu verlagern. b) Weiter abwärts auf dem Kammrande gelegene Wirbel weisen, wenn einseitig, auf häufige Kopfwendung nach der entgegengesetzten Seite, verbunden mit gefälliger Halskrümmung. Gewöhnlich erscheint dieser K a m m r a n d w i r b e 1 (epi cervical, spiga cervicale) am Kamm- rande der Grenzlinie des M. trapezius mit dem M. splenius und deutet nur die verschieden starke Beanspruchung derselben bei den Halshebel- bewegungen an. Diese Wirbel pflegen erst mit der Benutzung zum Eeit- Fis-. 34. Die Haarwirljel am Halse: A. Kehlwirbel; B. Römersehwert ; C. Unterer Kehlrandwirbel. dienste bei den Pferden aufzutreten, denn bei je 100 Fohlen, die ich daraufhin ansah, fand ich nur zwei Wirbel auf den Halsseitenflächen, aber in beiden Fällen fehlte der Nackenwirbel. c) Das Rom erschwert (epee romaine, spada romana) entsteht an der kranialen Grenze des M. trapezius mit dem Halsteil des M. serratus ventralis und des M. splenius. Es weist auf Zug vom Kehlrande her hin und kann somit nur bei einem Pferde auftreten, das durch Auf- richtung und Biegungen des Halses, also langjährige Bahndressur im Halse „weich" gemacht worden ist, wobei die Bahn überwiegend in der Richtung umritten worden ist, daß die das Römerschwert tragende Seite der Wand zugekehrt war und der Kopf stark beigezäumt sein mußte. Es ist also der typische Manege- und Schulpferde-Halswirbel Die Haarwirbel und die Beurteilung der Bewegungen des Pferdes nach denselben. 187 und daher im Mittelalter so beliebt und heute bei Zirkus- und Schul- pferden häufig. Längs der Mähne auf der Seite ihres Überhängens findet sich hie und da auch ein langer Kamm, der nur durch Druck der Mähnenhaare auf die etwas schräg gegen die Mähne gerichteten Halsdeckhaare ent- steht. Er fehlt bei Pferden, deren Mähne schwach oder geschnitten oder deren Halshaarstrom parallel dem Kammrande verläuft. d) Der Kehlwirbel (vertice de la gorge, vertice della gola) ist eine typische Druckbildung infolge des Zusammenstoßens der Haut durch das Herandrücken des Unterkiefers und des Kehlganges an den Kehlrand des Halses. Derselbe liegt je nach dem V/iderstande der Bindegewebs- und Zungenmuskelmassen des Kehlganges und der Ohrspeicheldrüse ent- weder direkt auf dem Kehlkopfe (Larynx) oder weiter brustwärts an einem der ersten Trachealknorpelringe. Tritt der Larynx wegen schwächerer Ausbildung der M. omohyoideus und sternohyoideus stärker hervor, so wird der Wirbel auf dem Larynx sitzen, bei starker Ausbildung dieser Muskeln aber seitlich des Larynx, dort, wo die größere Kraft bei der Rückziehung des Kehlkopfes herrscht. Der tiefer abwärts am Halse gelegene Wirbel würde also eher einem Pferde mit erschwerter Atembewegung entsprechen. e) Ein bald auf starke Beizäumung, bald auf wagerechtes Tragen des Halses hindeutender Wirbel ist der im unteren Drittel des Kehlrandes befindliche untere Kehlrandwirbel. Er entsteht an dem Orte des Kehlrandes, wo die beiden Kopfnicker (Mm. sternomandibulares) auseinanderweichen und die Luftröhre fühlbar machen. Je mehr ein Tier den Kopfnicker anstrengt, also den Kopf und Hals beugt, namentlich beim Koppen, bildet sich hier ein sehr starker Druckwirbel aus, oft sogar Kreuze und andere Gestalten annehmend. Er entsteht auch etwas schwächer bei schwächlichen Pferden, die ihren Hals wagerecht tragen oder zur Spannung der Nackenmuskeln auf- und abschleudern. Wenn dagegen das Pferd den Kopf hoch trägt, sternen- guckt und hirschhalsartig den unteren Halsteil verwölbt, so entsteht an der gleichen Stelle ein Zugscheitel. Dieser Wirbel ist also namentlich für die sofortige Erkennung eines Koppers ohne Betrachten der Zähne sehr geeignet, nur muß es dann stets eine Druckbildung sein. f) An die Halswirbel schließen die Feder- oder Ähren bil dun gen der Yorderbrusthaut an, die sich für die Beurteilung des Ganges der Yorderextremität von ganz fundamentaler Bedeutung erweisen. Die Yorwärtsbewegung des Hangbeines wird vor allem durch den M. brachiocephalicus, den Kopf-Hals-Arm-Muskel bedingt und ferner noch 1^^^ Das Haarkleid des Pferdes. durch die Wirkung des oberflächlichen Brust-Armbein-Muskels (M, pec- toralis descendens). Der M. brachiocephalicus bringt hauptsächlich die Schrittweite durch Heben des Buggelenkes zustande, wenn er zwar im Herabziehen des Schulterblattes auch durch den Rurapfteil des M. serratus unterstützt wird. Nun wird, wie uns die Reitkunst lehrt, gerade durch Heben des Halses, d. h. Überstreckung und noch durch gleichzeitiges seitliches Ab- biegen des Halses eine einseitige Kontraktion des M. brachiocephalicus ausgeführt, die infolgedessen das Buggelenk noch höher zu heben ge- stattet. Diese Hebung des Buggelenkes und damit die Weite des Aus- schreitens des Hangbeines wird uns durch die Achselfeder (epi d'ars, spiga deH'ascella) ganz deutlich klar gemacht. Dieselbe liegt normaler- weise neben der seitlichen Brustfurche und endet auf der Pars descendens des Brustmuskels in der Grrenzlinie mit dem M. brachiocephalicus. Je stärker nun der M. brachiocephalicus sich kontrahiert und den Bug hebt, desto höher wird der obere Rand dieser Feder zu liegen kommen. Vor allem muß man darauf achten, daß beide oberen Grenzlinien dieser Federn auf gleicher Höhe liegen. Um das zu kontrollieren, müssen beide Vorderbeine des Pferdes ausgerichtet auf einer Vertikalen zur Sagittal- ebene des Pferdes stehen. Und man wird nun ohne weiteres mit Sicherheit für das Zutreffen sagen können, ob der Schritt der beiden Vorderglieder gleichmäßig oder aber ungleichmäßig ist und war, falls eine gut merkliche Verschiedenheit in der Ausbildung der beiden Federn besteht. Die verschiedenartigen Formen, die die Achselfeder annehmen kann, gestatten eine folgerichtige Deutung der Funktion der verschiedenen Muskelgruppen. Als Muster wül ich nur die Erklärung der nebenstehenden Variante aus der Praxis geben. AVir sehen auf der linken Vorderbrust eine Verlagerung der sonst der seitlichen Brustfurche folgenden Achselfeder in schräger Richtung bis auf die Mitte des ab- steigenden Astes des oberflächlichen Brustmuskels. Hier hat sich die Feder mit einem Kamm geschlossen und dicht daneben beim Habichtsknorpel findet sich ein Zugkreis- wirbel. Rechts ist die Feder normal, aber schwach ausgeprägt. Xun ist daraus ohne weiteres zuerst zu folgern: Die Kontraktion des absteigenden Pektoralis-Astes links erfolgt nicht in normaler Weise, sondern sicherlich verstärkt. Warum? Weil die Achsel- feder dem größeren Zuge folgend vom M. brachiocephalicus abgerückt ist und derselbe auch einen Wirbel am Manubrium sterni gebildet hat. Es läßt sich also weiter sagen: Die funktionelle Tätigkeit des absteigenden Astes des oberflächlichen Brustmuskels überwiegt somit die desM. brachiocephalicus, des Beinschwingers. Funktioniert derselbe nicht? Dafür spricht nichts, denn er ist nicht atrophisch, sondern überzieht das Bug- gelenk vorn und lateral in normaler Stärke, die Haarstromrichtuug auf ihm ist eben- falls völlig normal. Hieraus läßt sich also folgern, daß nur die Tendenz vorhanden sein muß, das Schultergelenk und das Armbein vom Rumpfe abzuspreizen, welcher Tendenz Die Haarwirbel und die Beurteilung- der Bewegungen des Pferdes nach denselben. 189 mit vermehrter maximaler Anspannung der M. pect, descendens in seinem Armbein- teile begegnen muß. Die Ausbildung des Muskels wird dann so hypertrophisch, daß er die obige Verlagerung der Wirbel auf seine Seite bewirkt. Die Erklärung des AYarum dieser Erscheinung ist nun nach der Geschichte des betreffenden Pferdes einfach zu o-eben : Es handelte sich um ein englisches Vollblutpferd, das in die hiesige Klinik kam. Es war vor längerer Zeit rechts .,niedergebrochen" und das rechte Bein geschwächt und keiner Anstrengung mehr fähig. Da das Pferd aber dennoch geritten wurde, hatte sich dann kompensatorisch links eine Muskelhypertrophie p-^,. g- ausgebildet, weil der Reiter des Pferdes, wie er ausdrück- lich erwähnte, seit dem Unfälle des Tieres beim Traben Fig. 36. Infolge Variation der beteiligten Muskelgruppen abnorm gewordene Haarwirbel der Vorderbrust. Die Haarwirbel der Vorderbrust : Normale Aehselfedern und Kreis- wirbel auf dem Brustbeinkamm. nur noch englisch trabte, indem er ausschließlich nur dann in den Sattel falle, wenn das linke Bein Stützbein sei; dadurch hatte sich das Tier an diesen einseitigen Gebrauch gewöhnt. Ich überzeugte mich, daß das Pferd recht hoch warf beim Traben und daher das stets auf dieses Bein fallende an sich schon ziemlich große Reitergewicht als die alleinige Ursache der erwähnten Tendenz des Abspreizens des Beines im Bug- Armbein vom Rumpfe zu betrachten ist. Der absteigende Ast des oberflächlichen Brust- muskels wies eine solch auffallende Hypertrophie auf, daß bei seiner Kontraktion eine dicke runde Muskelbeule dicht am Habichtsknorpel entstand, die als die direkte Ver- anlassung der Verlagerung der Wirbel zu bezeichnen war. Außer diesem Beispiele, dessen Ursachen und Wirkungen absolut klare sind, ließen sich noch viele andere hier aufführen, doch muß dies mit Rücksicht auf Zweck und Umfang des Buches unterbleiben, nachdem hier eine Anleitung zur Deutung solcher 190 l>«s lluaikleid des i'fcrdcH. Pinofe gegeben ist. Ich will nur erwähnen, daß bei Schulpferden sich die Achselfeder i<' Fiul)(Mi der Pferde. Rinde und Strang extrahieren licl.). Icli werde diese Mittelfarben später je nacli ihrer Zugelifirie^keit als llechtbraun oder R echtfuchs be- zeichnen und bemerke, daß abgesehen von der mikroskopischen Unter- scheidung an der Dicke des Markstranges, der beim Braunen im Mittelwerte viel dicker ist als beim Fuchse, im Deckhaare kein typischer Unterschied wahrgenommen werden kann, wenn nicht gesagt werden muß, daß die dünnere Rindenschicht des Braunen wegen ilirer Dünne auch meist etwas heller erscheint. Nur ist die mikrochemische Scheidung von Haarrinden- und Markpigment so kompliziert, daß ich darauf verzichte, die ganze von mir verwendete Methode an dieser Stelle anzugeben. Dieses normale Deckhaar wird nun heller dadurch, daß entweder die Rinde schwächer pigmentiert wird, dann bekommt das Haar einen gelblichen Ton, oder umgekehrt das Mark sich aufzulösen beginnt, dann wird die Rinde stets dunkler und bekommt zuerst einen roten, dann einen schwärzlichen Ton in dem auffallenden Lichte. Dunkler Avird das normale Deckhaar durch starke Verdunkelung der Rindensubstanz, indem immer größere Mengen von Pigmentkörnern darin abgelagert Averden. Dabei kann zum Zwecke dieser Mehrleistung an Pigmentkörnern für die Rinde das Mark aufgelöst werden (Dunkel- fuchsen) oder das Mark tief dunkel erhalten bleiben und selbst noch an Umfang zunehmen (Dunkelbraune). Wie weit hiefür die Alkalität des Blutes in Frage kommt, scheint daraus zu entnehmen, daß bei hoher Alkalität das Pigment im Einzelhaar in die Rinde wandert, bei geringer Alkalität aus der Rinde ins Mark geht und dieser Prozeß augenscheinlich bei fertig gebildetem aber lebendem Haare noch erfolgen kann. Neben dieser allgemeinen Färbung der Decke kommt eine stellen- weise vor, die wir als „partielle" bezeichnen. Außer der normalen unter- scheiden wir sodann noch: ß) Die Flavistischen Farben. Die Flavistischen Farben schließen an die normale Färbung des Rechtfuchses an und dokumentieren die Tendenz der betreffenden Haut, heller zu werden, namentlich an den Orten, wo Traumen irgend welcher Art einwirken. Es braucht also hiezu eine Anlage des Organismus, die nach meinen Untersuchungen einerseits in der relativ geringeren Erythrozythenzahl begründet ist wie auch in der geringeren Alkalität des Blutes. Es spielen dabei natürlich noch verschiedene andere Faktoren mit; nach Wiedmers Untersuchungen handelt es sich meist um eine partielle Schwächung der Oxydasebildung der Haut und zeigte er an schönen Farbentafeln von Hautschnitten neben hellen, fast nur festgebundene Dopa Die Farbabstufungen der Pferde. 201 haltenden Pigmentkörnern, bloß wenige mit überschüssiger Dopa-Oxydase versehene Pigmentkörner, die sich durch die bei der Dopafärbiing nach Bloch im Überschusse zugeführte Dopa schwarz färben konnten. Die Großzahl der Pigmentkörner blieb hellrötlich. Meine eigenen Untersuchungen an sog. Isabellen zeigten, daß eine gleichmäßige Schwächung der Oxydasebildung selten der Fall ist, sondern meist die eine Haarzwiebel mehr, die andere weniger betroffen ist und daher helle, fast farblose Haare stets ohne Markstrang, neben anderen mit schwachem dunkeln Markstrang und hellgefärbtem Eindenpigment gefunden werden. Beachtenswert ist, daß dieses Hellwerden sich gewöhnlich zuerst an den Orten zeigt, die traumatisch getroffen werden, wie Mähne, Schweif und Fußenden. Es ist dann partieller Flavismus, den man praktisch mit dem Ausdruck „verwaschenes Haar" belegt. y) Die Melanistischen Farben. Überwiegen die in der Basalschicht der Epidermis oder den ent- sprechenden Teilen der Haarzwiebel gebildeten Pigmentkörner ziemlich dunkler Eigenfarbe im Haare und füllen sie Mark und Einde dicht an, so vermögen sie in auffallendem Lichte und dicker Schicht (Mähnen- haar, Schweif, Fußhaare) schwärzlich zu erscheinen. Man kann dann von „Melanismus" (Schwärzung) sprechen, obwohl sich das melanistische Pigment auch nicht im geringsten von dem gewöhnlichen Deckhaar- pigment unterscheidet, wie ich später genau spektralanalytisch zeigen werde. Die Ablagerung von verstärkten Pigmentmengen in gewissen Körper- teilen oder in der ganzen Körperhaut ist daher außer der größeren Alkalität des Blutes solcher Tiere ohne Zweifel zunächst wiederum auf eine dies- bezügliche konstitutionelle Anlage zurückzuführen, indem namentlich traumatische Insulte der Körperdecke durch vermehrten Transport von Pigmentmuttersubstanz an die insultierten Orte beantwortet werden. Diese sind daher je nach der Disposition des Pferdes zur Pigmenthäufung mehr oder weniger schwarz gefärbt. Da bei unseren Pferden die Extremitäten zunächst am meisten stän- <ügen Erschütterungen ausgesetzt sind, so werden bei hiezu disponierten Pferden vorerst die Umgebung der Hufe und hierauf die Unterfüße, bei denen, wie wir schon aus unseren früher erwähnten Haarmessungen sahen, aus gleichem Grunde auch die Haare dicker werden, melanistische Stellen erhalten, die sich immer weiter aufwärts auszudehnen vermögen. Direkt gereizt wird die Haut auch durch Schläge und Erschütterungen längs des scharfen Kammrandes des Halses und an dem ständig bewegten 202 t*i^" i^'iiiben der Pferde Schweife, Aveshalb diese schon bei einer gerin g'g-radijijen Disposition zur rignienthäufung schwarz werden. Bei höherem Grade der Disposition werden ebenfalls die Hautstellen auf den Gelenken schwarz oder wenigstens dunkel, so die Achillessehne (tendo calcaneus) und bei noch höherer Schutzbedürftigkeit der Haut auch die Berührungsstelle der Dornfortsätze der Wirbelsäule, deren Druckreiz wir ja ebenfalls an den etwas ver- kürzten und verdickten Haaren daselbst wahrzunehmen vermochten, und ferner die bei der Vorderbeinbewegung einen Reiz ausübende Schulter- blattgräte. Dadurch entsteht dann der sog. Aalstrich und das Schulter- kreuz. Häuft sich aber das Pigment ganz allgemein in der Haut, so bildet sich die Form des Rappen, der sowohl aus Füchsen wie aus Braunen entstehen kann. Jede Disposition zur Beantwortung von Reizungen durch Melaninbildung kennzeichnet aber den Braunen, der sich dadurch klar von dem durch Entfärbung antwortenden Fuchs unterscheidet. Bei dieser hohen Pigmentationsfähigkeit muß auch im Blute der vermehrte Trans- port von Pigmentmuttersubstanz wahrzunehmen sein, was in der Tat eintrifft, wie uns bei unseren Trockensubstanz- und Erythrozythenbestimmungen im Frühjahr zur Haar- wechselzeit deutlich bewiesen wurde, wo der Mittelwert der Rappen und Braunen höher als der der Füchse und Isabellen lag. Es läßt sich hiebei das allmähhche Entstehen der schwarzen Haarstellen während des Lebens sehr gut beobachten. Ich habe dies vom Fohlen bis zum sechsten Alters- jahre zu verfolgen vermocht. Bei einem braunen zweieinhalbjährigen Hengstfohlen zeigten sich nur schwarze Fesseln und braunere Flecken an den Gelenken als das übrige Deck- haar war. Im Alter von eineinhalb Jahren war es halbgestiefelt-melanistisch, Sprung- gelenk und Achillessehne dunkelbraun, im Alter von vier Jahren waren auch diese schwarz geworden, an der Röhre nur noch wenige braune Stellen, die später ebenfalls verschwanden. Die mikroskopische Untersuchung zeigte vermehrte Anhäufung von Pigment in der Rinde auf Kosten des Markes, während dem braunen Stadium dann nach dem Haarwechsel immer dunkler werdendes Rindenpigment nebst dunklem Mark. Es mag hier erwähnt werden, daß man auch bei Dunkelfüchsen hie und da die vermehrte Pigmenthäufung in der Umgebung der Gelenke, namentlich in ihren kräftigsten Jahren findet. Doch geht diese nie bis zur Schwärzung und meist sogar auf Kosten der heller werdenden Fuß- enden der Kötenschöpfe. (5) Melanistisch - flavistische Farbenmischung. Die beiden vorgenannten Einzelfaktoren können auch gemeinsam auftreten. Es entsteht dann dabei diejenige Färbung, die wir „falb"^ nennen. Das Deckhaar bleibt dabei flavistisch, die Druckpunkte der Haut werden melanistisch verfärbt erscheinen wie beim Braunen. (Schwarze Stiefel, Aalstrich, schwarze Schutzhaare.) Die Farbabistufun.ü-en dvv Pferde. 203 b) Färbungen, die auf Bildungshemmung eines der Bestandteile des Pigmentes infolge funktioneller Störungen im Blutkreislaufe oder der Blutdrüsen beruhen. a) Das Altersergrauen. Dies ist die durch progressive Zerstörung des vorhandenen Haar- pigmentes und partielles Aufhören der Pigmentbildungsfähigkeit in den Haarzwiebeln gekennzeichnete Schwächung der pigmentbildenden Kraft der Haut, die nach der Mitte der Lebensdauer normalerweise einzutreten pflegt. Sie scheint nach meinen neuesten Untersuchungen mit der ab- nehmenden Alkalität des Blutes im Zusammenhang zu stehen. Wie dm er hat unter meiner Mithilfe für die Vorgänge beim Alters- ergrauen bei Mensch und Tier eine Menge bisher unbekannten Materiales veröff'entlicht. Nach den Beobachtungen am Pferde äußerte sich das Altersergrauen in Schutz- und Deckhaar wohl etwas verschiedenartig. Wir trafen eine progressive, ganz langsam fortschreitende Entfärbung einzelner Haare der Mähne und des Schweifes, bei der sich zuerst einige Depigmentations- zentren bildeten, von wo aus dann die Auflösung und der Zerfall des Farbstoffes so vor sich ging, daß die einzelnen Haarabschnitte sich wurzel- wärts vorrückend entfärbten. Gleichzeitig ging mit der Entfärbung auch ein Schrumpfen des Haares an diesen Stellen Hand in Hand, so daß man anzunehmen geneigt wäre,^ daß es sich einfach um ein „Abdorren" der betreffenden Pigmentzellen handeln konnte, deren Verbindung mit den vitalen Organen des Körpers unterbrochen wird und die dadurch sterben müssen, daß kein Nachschub mehr aus den pigmentbildenden Teilen der Haarzwiebel erfolgt, weil diese plötzlich die Fähigkeit zur Fermentbildung verlieren. Die Art der chemischen Umsetzungen im Haare bei dem Ergrauen konnte bisher noch nicht genau Schritt für Schritt verfolgt werden. Meine Alkalitätsbestimmungen zeigten aber für die Schimmelpferde, daß der ihrer Grundfarbe eigene Alkalitätsgrad entschieden verloren geht,^ und sie immer einen geringeren haben als die Grundfarbe. Das gestattete den Schluß, daß die Schimmelung wie das Altersergrauen auf einer Ab- nahme der Blutalkalität infolge von Altersatrophie der Blutdrüsen vor sich gehe und im Einzelhaar wahrscheinlich durch abfuhrlose Zunahme von sauren Verbindungen, die das vorhandene Pigment chemisch zerstören. Da dadurch die lonenkonzentration verändert wird, so sind auch elek- trische Erscheinungen möglich. Schon Köster hatte die Möglichkeit von etwas derartigem angedeutet, indem er nach Exstirpation des oberen Zervikalganglions bei ganz schwarzen Katzen weiße Haare auf der be- treffenden Kopf hälfte erhielt. Nehl und Cheatle, Loeb und Bauer(1917) 204 Dii^ Farben der Pferde. liaben auch beim Menschen im Anscliluß an Lähmungen bestimmter Hirn- nerveng-ebiete Fälle von zirkumskriptem und Halbergrauen publiziert, sowie frühzeitiges Altersergrauen (mit 20 Jahren) bei Basedow-Kranken. Letzterer Fall könnte aber für meine Auffassung der Veränderung der Blutdrüsentätigkeit gedeutet werden. Mendel fand aber bei Druck- atrophie des rechten Halssympathikus infolge ossifizierenden Strumas Ergrauen der Haare auf der rechten Kopfseite und Hellerwerden der rechten Iris, was doch wieder von nervenelektrischen Einflüssen spricht, da man bei der Blutdrüsentätigkeit kaum von Verschiedenheit in der Versorgung beider Körperhälften reden kann. Beim Deckhaar konnten wir bisher das allmähliche Bleichen des Haares nicht so beobachten, wie es uns beim Schutzhaare durch täg- liche Kontrolle von markierten Mähnenhaaren möglich geworden war. Beachtenswert ist aber auch hier der Befund, daß der Beginn des Alters- ergrauens des Deckhaares bei dunkelgefärbten Pferden fast immer eine farblose (weiße) Kinde und intaktes oder wenig resorbiertes melanistisches Mark aufweist, das nach meinen Beobachtungen auch beim späteren Haar- wechsel ziemlich gleichartig wieder gebildet wird. Bei helleren Pferden, z. B. Füchsen hellerer Farbtöne, ist auch die pigmentierte Farbsubstanz im progressiven Zerfall, und das Mark ist bald mehr, bald weniger durch Luft ersetzt, die Kinde immer depigmentiert, aber selten so reinweiß, wie sie z. B. bei Rappen wird. Da ich diese Befunde über das Ergrauen der Schutz- und Deckhaare bei vielen Hunderten von Pferden aller Farben gemacht habe, und nur wenige abweichende Resultate zu konstatieren waren, halte ich dies für den normalen Verlauf des Altersergrauens. Der histologische Befund des Altershaares mit seiner intakten oder noch partiell vorhandenen Markpigmentierung weicht nun in keiner Weise von den auf traumatischem Wege entstandenen Druckfleckenhaaren ab, wie sie bei den Sattel-, Kummet- usw. -flecken uns begegnen ; auch hier ist nur die Rinde entfärbt, der Mark- strang erhalten. Auch in bezug auf Haarstärke konstatieren wir, daß Altershaar niemals dicker ist als normales Haar, eher dünner, während dies für das Druckfleckenhaar nach Wiedmers Untersuchungen nicht zutriflt, da dieses gewöhnlich bis 15% dicker und länger werden soll. Gerade diese Tatsache, daß bei gewissen Pferdefarben das Haar auf akzidentelle Traumen mit derselben Farbreaktion antwortet, wie sie auf die Wirkung des Alters hin tut, deutet auf eine gewisse Uebereinstimmung der durch diese beiden Faktoren verursachten Funktionsänderung der Haut hin, die wirklich nur in einer eintretenden jjrogressiven Hem- mung d e r B i 1 d u n g s m ö g 1 i c h k e i t von D o p a o x y d a s e in einigen Die Farbabstufungeu der Pferde. 205 Haarzwiebeln beruht, während die Haut an sich diese Fähig- keit nicht verliert und daher auch in keiner Weise mit dem Alter ihre Pigmentierungsfähigkeit einbüßt oder dieselbe etwa dadurch abnorm ge- steigert würde, wenngleich eine leichte Zunahme dennoch konstatierbar erscheint. Dem histologischen Befunde nach muß hier auch die Stichelhaarig- keit der meisten Fälle einbezogen werden, namentlich dann, wenn die- selbe über den ganzen Körper gleichmäßig verbreitet ist und nicht schon beim Fohlen auftritt. Bei einer solchen Stichelhaarigkeit ist auch nur die Haarrinde ent- färbt, das Mark ganz oder doch im wesentlichen intakt. Eine derartige Stichelhaarigkeit kann somit als ein vorzeitiges Alter sergrauen aufgefaßt werden. Tritt sie aber schon bei Fohlen auf, so stellt sie den Beginn der gleich besprochenen „Schimmelung" dar. Nur in wenigen Fällen konnte ich eine abweichende Stichelhaarig- keit konstatieren, und dann nur an Orten, wo sich albinistische Ab- zeichen zu befinden pflegen (Kopf, Fuß), von denen das derartige Stichel- haar dann den ersten Beginn darstellt. Albinistisches Stichelhaar ist zum Unterscliied von eigentlichem entsprechend den Haaren auf albi- nistischen Hautstellen in Einde und Mark völlig pigmentlos. ß) Progressive Atrophie der Oxy dasebildung in der Haar- zwiebel und partiellen Hautteilen („Schimmelung"). Trat beim Altersergrauen die partielle Hemmung der Fermentbildung der Haarzwiebel erst mit dem Alter auf, bei Druckflecken sogar erst durch akzidentelle Reizung, so begegnen wir nunmehr einem Zustande, in dem die Hemmung der Fermentbildung' schon in den ersten Lebensjahren, wenn auch selten sogar schon von Geburt an, oder gar intrauterin erfolgt. Auch hier handelt es sich um einen chronischen, progressiv fortschreitenden Prozeß, der nach den eingehenden Studien, die ich selbst mit Züblin (1920) machte, nun nicht nur einen Verlust der Fähigkeit zur Bildung von Dopa- oxydase in den Haarzwiebeln bedeutet, sondern auch in ganzen Haut- bezirken. Dennoch erscheint dieselbe im ersten Moment nicht bleibend, sondern periodisch wechselnd, indem sich im Laufe der Zeit die gleich- zeitig mit den Haaren entfärbten Hautstellen nachfärben können, während die Haare selbst völlig entfärbt bleiben. Bei genauem Zusehen stellt sich nach meinen Untersuchungsresultaten diese veränderte Färbung der Haut als Folge der Stockung der Entfärbung dieser Stellen und des Abtransportes von Pigmentsubstanz aus der Epidermis in die Kutis und durch das Venen- system der Haut und des Körpers selbst in innere Organe dar, was mich :>{)() Die Fai-l»cn (l(>r rfci-dc erstmals auf den Gedanken braclite, daß liiebtn eine verschiedene Ee- aktion oder schwankendi- Alkalität des Blutes beteilij^t sein möchte. Bei der l)ioi)tisch(Mi Untorsuchuiiy von Kohlenhaut dieser Färlmngsvariaiite läßt sieh noch kein uioi-klichcr Unterschied fj^ejifenüber jrleichfarbiger „normaler" Haut er- kennen, wie ich an ..linuuifjeborenen" Fohlen meines eig-enen Stalles beobachtete, die später „Braunschimmcl" wurden, in späteren Stadien zeifjten sich schon an den ent- stehenden Entfärbung'.sstellen der Haut deutliche Punkte, wo keine Dopareaktion über- haupt mehr erzielbar war, während dicht daneben die Reaktion wieder ungemein stark gelang. Mit dem Alter dehnten sich diese Flecken mehr und mehr aus; doch wird die Haut niemals ganz farblos, sondern enthält während des Verlaufes der Entfärbung der Haare nur unregelmäßig geformte, hellere, meist hellgraue Stellen, neben denen von normaler dunkler Farbe. Nach einigermaßen beendeter Entfärbung ist dann im Gregen- satz zur normalen Haut der Pferde diese stark mit Melaninkörnern angefüllt, von den obersten Schichten der Epidermis bis zum Korium. AVährend der Entfärbung entstellt im Haarkleide das sog, „Apfel- muster", das am besten bei den aus Dunkelbraunen oder Rappen ent- stehenden sog. „Grauschimmeln" sichtbar wird. Äpfelung findet man loei fast allen Schimmeln in einem bestimmten Stadium ihrer Bildung, nur geht bei den hellen Farben, namentlich bei flavistischen Grundfarben die Entfärbung so wenig auffällig vor sich, daß es schwer ist, den Prozeß in gleicher Weise scharf zu verfolgen, wie es bei Schimmeln mit Mela- nismus (Braun- und Rappschimmel) gelingt. Die Ursache der Äpfelung liegt ohne Zweifel in der Verschiedenartigkeit der Hautdurchblutung. Genaueste Beob- achtungen bei Apfelschimmeln, die zu diesem Behufe in den Zustand prallgefüllter Hautvenen gebracht wurden, zeigten mir, daß sich das Pigment der ursprünglichen Grundfarbe des Pferdes am längsten in der Nähe des Blutgefäßnetzes hält, während in der Mitte der Maschen zuerst •die Entfärbung eintritt. Daraus scheint der Schluß gestattet, daß diese Resorption des Pigmentes auf einem durch die Blutreaktion verursachten Fällungsprozeß desselben beruht. Es ist bekannt, daß das arterielle Blut stets einen höheren Grad von Alkalität aufweist als das venöse, namentlich dasjenige venöse aus wenig durchbluteten Stellen, wie das Innere der (le- fäßmaschen ist. So würde sich also erklären lassen, warum sich an den besser durch- bluteten Hautstellen das Pigment noch hält, wenn es an den wenig durchbluteten schon zerstört wird. Aus der Disposition des Venen- und Arteriennetzes des Blutgefäßsystemes der Haut erklärt sich dann auch die netzförmig den Körper überziehende „Äpfelzeichmmg" und die Sternform der in jeder Netzmasche entstehenden entfärbten Stelle. Es erklärt sich ferner dadurch, weshalb die dem Herzen näher liegenden Köri^erteile zuerst ver- färbt zu werden iiüegeu, während sich auf den dem Herzen am weitesten entfernten Körperteilen die iirsprüngliche Farbe am längsten hält. Wie richtig diese Beobachtungen sind, bestätigt auch der Frühlings- haarwechsel der Pferde, bei dem ja fast alle Pferde apfelschimmelartig gemustert aussehen, indem der Haarwechsel in der Nähe der Hautgefässe Die Farbabstiifaiig'en der Pferde. 207 am raschesten vor sich g'eht und dann inmitten der Yenenmaschen meist sternförmig das alte Haar am längsten erhalten bleibt. Den Zusammenhang der Netzmuster auf der Körperliaut des Menschen mit „Blutgefässen" wurde erstmals durch Baelz (1901, 220) erwähnt, und später noclimals von Schultz (1917, 225), doch ohne ihn näher zu erkennen. Bei der Entfärbung des Apfelmusters schwinden allmählich auch die zusammenhängenden pigmentierten Stellen, und nach dem sog. „Fliegen" und ey. „Punkt-Stadium" tritt gänzliche Entfärbung der Haare ein und Lokalisation des produzierten Pigmentes in der Haut. Auf der Haut selbst sind diese Ersclieinungen, wie sie uns die Haare am besten zeigen, ebenfalls bald stärker, bald weniger stark zu konstatieren, wenn man sie mittelst Haarzerstörungsmitteln zu diesem Zwecke gänzlich enthaart. Wie Züblin an zahlreichen Präparaten nachweisen konnte, ließen sich die hellen Flecken auch in ihr konstatieren, immerhin kleiner als sie außen sichtbar sind und weniger sternförmig. Schnitte zeigten, daß die Dopa- reaktion an den helleren Stellen weggefallen war. Die histologische Betrachtung des Schimmelhaares ergab außerdem folgende wichtige difFerential-diagnostische Merkmale; n) Die eigentlichen Scliimmelhaare weisen völlig entfärbte Marksubstanz und Eindenschicht auf, doch kommen während der Entfärbung auch weiße Haare mit pigmentiertem Mark als Übergänge vor; b) die ganze Hautstelle, wo viele „weiß" gewordene Haare stehen, be- sitzt periodisch keine Dopareaktionsfähigkeit mehr. Später zeigt sich die gleiche Stelle der Haut wieder im Besitze vieler dunkler Pigmentkörner und der Dopareaktion der Haut, doch fehlt diese dabei völlig in den Haarwurzeln ; c) am häufigsten sind unter den Übergangsformen Haarwurzeln mit entfärbtem Mark und Rinden schiebt, aber mit Pigmentkörnern resp. Dopareaktion in der äußeren Wurzelscheide. Dieser Modus der Entfärbung ist nun seinerseits in verschiedenen Stärkegraden ausgebildet. Es gibt Schimmel, die sclion fast nach der Geburt rasch weiß werden, andere, die dies erst gegen das höchste Alter hin tun. Je nachdem werden nach alter Übung zu Zwecken der Individuali- tätsbestimmung (Signalement, Nationale) verschiedene Namen für die einzelnen Stadien der Entfärbung gegeben, die naturgemäß in ständigem Wechsel sind. Es dürfte dies nunmehr nach der Erkenntnis der Zusammenhänge völlig gegenstandslos sein, ebenso wie die besondere Bezeichnung des Pigmentverlaufes längs der Hautvenen, namentlich der Extremitäten, der zu den Ausdrücken „verästelt, arborisation, arbori- sato" führte. 208 r^'t' ^'aibon dor Pferde Sicher sollte man nur daran festhalten, daß alle als „Normale" be- zeichneten Färb Varianten auch „Schimmelung" erfahren können und daher konsequenterweise nach der i>enau bestimmten Nuance ihrer Grund- farbe bey.eichnet werden sollen, die allein praktisch bedeutungsvoll für die Beurteilung des Tieres ist, und nicht nach dem Grade ihrer gegen- wärtigen Entfärbung der Haare. Das „Melanin" der Braun- und Eappschimmel zeigt deutlich auch hier wieder seine Rolle als Schutzmittel gegen die Lichtwirkung oder andere Traumen. Van Dorssen (1903, 17) hat hierüber eine treffliche histologische Beobachtung gemacht, indem bei Schimmeln das Pigment sich in den höher liegenden Schichten der Haut „kappenförmig" um und über dem Zellkern ansammle, während es bei dunklen Pferden mehr diffus in der ganzen Zelle verteilt liege. Das ist eine schöne Hlustration zu dem schützenden Zweck der Farbe, von dem ja auch Jeanneret und Messerli (1917, 683) schreiben: „Das Pigment (bei der Sonnenbestrahlung des Menschen) scheint nur aufzutreten, damit dadurch die schädlichen oder zu zahlreichen Strahlen bei einer zu intensiven Beleuchtung vom Durchtritte durch die Haut abgehalten werden." Y) Vollständige Atrophie der Per mentbildungsf ähigkeiten der Haut. Hiebei gibt es zwei Modalitäten: 1. Während des Lebens erworbene Pigmentatrophie (Vitiligo). Der angeführte Name ist nicht ganz genau, indem es sich nur um Verlust der Oxydasebildung in Haar und Haut handelt, weil natur- gemäß im Körper Pigmentmuttersubstanz genug gebildet und durch die Gefäße verteilt wird, aber kein Ferment da ist, das dieselbe in sichtbares Pigment umwandeln kann. Fröhner (1918, 187) verwendet schon den Namen „Vitiligo" und es steht mir nicht an, ihn zu korrigieren, da er durchaus brauchbar ist. Vitiligo ist ziemlich selten beim Pferde. Rueff (1874, 77) er- zählt schon von derartigen bleibenden Entfärbungen der Haut bei Beschäl- seuche der Pferde, namentlich in der Umgebung der Geschlechtsteile, am After, um das Maul herum und in den Augen. Er sagt aber aucli, daß der braune arabische VoUblutliengst „Tajar" in hohem Alter am Kopfe fast pigmentlos wurde. Fröhner erwähnt ebenfalls bei der Beschälseuche das Auftreten der erworbenen Pigmentatrophie. Desgleichen Go üb au x undBarrier (1884, 886) sprechen von diesen „Krötenflecken, die auftreten und ver- Die Farbabstufungen der Pferde. 209 schwinden können, und zwar an verschiedenen Körperstellen". Wie dm er publiziert zwei solcher Fälle, davon eine Stute mit Beschälseuche und eine frisch aus Amerika importiert, scheinbar gesunde Remonte. Ob die engdische Vollblutstute „Hyäne", deren ich (1910) erwähnte, einen hieher gehörenden Fall darstellt, bin ich nicht ganz sicher, zu sagen. Mir scheint er zur nächsten Gruppe der Farbanomalien über- zuleiten, habe ich ihn doch früher als Beweis aufgestellt, daß der Albi- nismus eine Krankheit und keine Mißbildung sei, da er während des Lebens erworben werden könne. Bei der erwähnten Stute verursachte jeder Schlag oder Stich sofort eine völlig bleibende Entfärbung von Haar und Haut. Über das periodische Kommen und Verschwinden der al])inoiden Flecken bei Vitilig'o des Mensclien sprechen auch Pearson, Ne 1 1 1 e sh ij:) und Usher (1911) und behandehi hier ebenfalls die Erblichkeit derartiger Hautanomalien. Schultz (1918,39), der bei einem seiner Pigmentationsexperimente an einem Schwarzloh-Russenkaninchen, das ganz kurzbehaarte Rückenhaut hatte, mit einem stumpfen Instrument an drei Stellen des Rückens einige Millimeter in die Haut stach, erhielt auf diesen kleinen Stichnarben in den nächsten Wochen drei Haarbüschelchen, die weiß und viermal so lang waren, als die umgebenden kurzen Haare. Dies charakterisiert dieselben in der Tat nicht als Haare von Druckflecken, wie sie l^eim Pferde auf pigmentierter Haut vorkommen, sondern als albinistische Haare, wie sie bei Vitiligo und echtem Albinismus auftreten, deren typische Merkmale sogleich besprochen werden sollen. 2. Albinismus. Der echte Albinismus stellt den höchsten und letzterreichbaren Grad dieser Atrophie der Fermentbildungsfähigkeit der Haut dar. Der Verlust derselben geschieht hier schon während des Lebens im Tragsack des Muttertieres. Das junge Fohlen kommt mit einer Haut auf die Welt, die teilweise oder ganz unfähig ist und stets es bleibt, das Hautferment, die Dopaoxydase, zu bilden. Eine erworbene Anomalie scheint hier vererbbar geworden zu sein. Doch braucht Albinismus in den meisten Fällen nicht direkt erworben zu werden, obgleich gerade der letzterwähnte Fall des vorigen Abschnittes dies als möglich erscheinen läßt. Pearson,Nettleship und Tis h e r (191 1) haben ja auch die Vererbung des Vitiligo mit Beispielen und Stamm- bäumen belegt, und ich selbst habe soeben 10jährige Versuchsreihen über Vererbung einer künstlich durch Gifttrauma provozierten Mißbildung mit dem Erfolge der Schöpfung einer eigenen „Rasse" abgeschlossen und provisorisch publiziert (1920). Beim Albinismus haben wir das Herbeiholen dieser Beispiele durch- aus nicht nötig, weil derselbe bei allen möglichen, selbst wildlebenden Tieren, spontan als Keimesvariation aufzutreten pflegt und dann nach unseren Erfahrungen ohne weiteres zur Vererbung gelangen kann. Lizest- Duerst, Die Beurteilung des Pferdes. 14 210 i^i'- l^'arbcn der J'fordc zucht und Inzucht überliaupt häufen die Frequenz dieser Hautanomalie, so daß man in eiuzehien Gestüten, z. B. Frederiksbor^' in Dänemark, zu totalen Albinos gelangt ist. Zur systematischen Übersiclit unterscheiden wir zwischen partiellem und totalem Albinismus. Partieller Albin ismus (Scheckung und Abzeichen). Die „Abzeichen" des Pferdes sind nichts anderes als partieller Albinismus. Die Untersuchungen, die wir bioptisch darüber vornahmen, ergaben den typischen Dopareaktionsmangel der absolut fermentlosen Haut. Der partielle Albinismus beginnt, wie Kouillier (1854) schon trefflich beim Pferde beschrieb, zuerst an den zentrifugalsten Orten des Körpers, meist an der Stirne, und steigt dann bis zur Lippe hinunter. In der Folge wird der Schwanz ergriffen, dann die hinteren und zuletzt die vorderen Extremitäten. Später geht — besonders bei Paarung von Pferden mit sehr hohen, großen Ab- zeicTien — diese Hautfunktionsanomalie auf das Körperzentrum, den Rumpf, über und bildet hier das, was wir „Scheckung" nennen. Der Unterschied zwischen Alizeichen und Scheckung beruht also nur darin, daß Abzeichen der geringere Grad des j)artiellen Albinismus sind, solange sich derselbe nur am Kopfe und den Beinen äußert, man aber nach dem Übergreifen auf die Rumpf- partie des Körpers und den Hals beginnt, von ,,Scheckung" zu reden. Diffloth (1908,22) beschreibt im Clegensatze zu Rouillier die umgekehrte Reihenfolge des Verschwindens der weißen Scheckung durch die Zucht, wobei zuerst die Schulterflecke und allmählich die des Rumpfes bis zur Krujipe, jedoch erst später die Abzeichen an Kopf und Füßen verschwinden. In diesem Modus der Entstehung und des Verschwindens zeigt sich eine Übereinstimmung mit der ..Schimmelung" und wohl auch ein Zusammenhang mit der Blutzufuhr. Der partielle Albinismus ist besonders in der Form der Abzeichen sehr weit verbreitet und wurde in früheren Zeiten sogar direkt gewünscht und geschätzt. Kleine Stellen der Körperdecke, deren Haut ihre normale Funktion einbüßte, haben selbstverständlich konstitutionell nicht viel zu bedeuten, aber sehr richtig bemerkten schon die Hippologen des Mittel- alters, daß ausgedehnte weiße Flecken (Scheckung), wie auch schon die Schimmelung das Temperament der betreffenden Grundfarbe zu dämpfen pflege. Bei sehr ausgedehnter Scheckung ist ohne Zweifel die Konstitution des Pferdes durch die Schwächung der Hautfunktion l3e- nachteiligt. Am meisten wird dies klar bei dem totalen A 1 1) i n i s m u s. Glücklicherweise existieren totale Albinopferde nur äußerst selten; selbst die berühmten Frederiksburger Gestütsdänen mußten immer noch Die Farbabstufungen der Pferde. 211 wenigstens mit der letzten Spur von Pigment in der Iris des Anges ge- züchtet werden (Birkenauge). Azara (1838,31 — 33) beschreibt aus Paraguay Albinopferde, „Me- lados", weiß wie Schnee und mit blauen Augen. Die Augenränder und die Haut über den Tränenbeinen, ein abnorm großer Teil der Nase und des Maules, die, wie ich früher zeigte, beim normalen Pferde schon sehr fein behaart sind, waren völlig haarlos und mit trockenen Schuppen bedeckt. In welcher Weise sich die Hautscliwächung durch Albinismus äußert, wird uns durch zahlreiche Beobachtungen klar. Zunächst sehen wir schon, daß die Haare durch ein vermehrtes Längen- und Dickenwachstum einen größeren Hautschutz zu erreichen suchen, der durch die Pigmentation nicht mehr gewährt werden kann. In manchen Fällen ist die Differenz zwischen dem Haar auf albinistischen Hautstellen mit denen der pig- mentierten Umgebung sehr ausgesprochen, einige derartige Fälle haben Wie dm er und ich beobachtet. Im ganzen aber habe ich beim Pferde als Mittelzahl gefunden, daß die weißen Haare um 12 **/„ länger und dicker zu sein pflegen, als die daneben stehenden pigmentierten. Diese albinotischen Haare sind aber immer sowohl in Rindenschicht wie in Marksubstanz absolut farblos. Letztere fehlt sogar in den meisten Fällen vollständig oder teilweise. Auch in Hautschnitten zeigt sich weder in der Wurzelscheide noch anderorts in der Haarwurzel Pigment oder auf Anwesenheit von Oxydase hindeutende Dopareaktion. Ich verweise hier auf die sehr sorgfältigen LTntersuchungen Wiedmers. Entsprechend diesen Haarstärken pflegen auch die albinotischen Stellen der Säugetier- haut weniger Haaranlagen zu beherbergen, so fanden Wie dm er und ich bei Rindern und Pferden im Mittel 5 7o weniger Haare auf 1 Quadrat- zentimeter albinotischer Haut, als auf der gefärbten. Was die Folgen des ausgedehnten Albinismus auf die Widerstands- kraft der Pferde angeht, so ist nur auf die eingehenden Zusammenstel- lungen Wiedmers hinzuweisen. Auch den alten Hippologen war hievon einiges bekannt, namentlich die durch die Pigmentlosigkeit der Iris be- dingte Sehschwäche, die sogar schon Grisone erwähnt. Während nach Lerena (1918, 116) mit völligem Albinismus beim Pferde auch noch Schwerhörigkeit (schlechtes Ohrenspiel) verbunden zu sein pflegt, erfahren wir von den menschlichen Albinos, daß neben schlechter Funktion der Sinnesorgane auch Intellektschwäche (Friedenthal 1908, III, 40) und nach Blaschko (1912,2129) eine derartige Hautschwäche eintritt, daß bei der geringsten Reizung durch Licht, Traumen oder Gifte schwere Hautentzündungen aufzutreten pflegen. 212 Die Farben der Pferde. 3. Spektrographische und photometrische Untersuchung der Pferdefarben. Seilen wir im vorigen Abschnitt, wie tatsächlich die äußerlich sicht- baren Farben des Pferdes durch die Wirkuno; verschiedener Faktoren zustande kommen, so muß es uns natürlich interessieren, die wirklich durch die Pig"mentarten bewirkten Atherschwingungen und ihre Wellen- länge näher kennen zu lernen. Hierbei hat für uns größte Bedeutung, die Ermittlung der genauen Stellung der Pferdefarben in der Reihe aller natürlichen Farben. Nun ist bekannt, daß eine wissenschaftliche Bestimmung der Stellung einer Farbe nur nach dem Sonnenspektrum erfolgen kann und in der physikalischen Praxis durch die Spektrometrie fixiert wird. Der ordentliche Professor der Physik an der Universität Bern, Herr Dr. A. Forster, der in diesen Fragen speziell tätig ist, hatte die große Güte, mir seine Mithilfe zu der wissenschaftlich einwandfreien Er- mittlung dieser Farbstoffe zu leihen, wMjfür ich ihm aufs beste danke. Benutzt wurden Pigmentlösungen, die nach der mit meinem Assi- stenten Dr.Wiedmer gemeinsam erprobten Methode aus den verschiedenen Pferdehaarfarben extrahiert "worden waren. Zu den Bestimmungen wurden alle Lösungen mit dem doppelten Quantum destillierten Wassers versetzt, um Zeit und Licht zu sparen. Die Spektralaufnahmen fanden statt mit demUviol-Spektrograph. Als Lichtquelle wurde benutzt ein überspannter Metallfaden (Leukonium) in ca. 16 cm Entfernung ohne Kondensor. Spalte Nr. 10. Als lichtempfindliche Platten kamen zur Verwendung: Plaques panchromatiques Lumiere C. sensible au jaune, vert et rouge. Empfind- lichkeitsminimum 547 — 523. Es wurden zahlreiche Aufnahmen der Farben gemacht, sowie die Einflüsse des Lösungsmediums (verdünnte Kalilauge) und der Expositions- zeit vergleichsweise gegenüber gestellt. Hierauf wurden die sämtlichen Lösungen nochmals mit einem anderen Spektroskop mit direkter Sicht mit freier Strahlung verglichen und auch hiebei die Wellenlängenzahlen ermittelt. An dieser Stelle will ich nur die praktisch wert- und bedeutungs- vollen Resultate geben, ohne lange Tabellen einzuschalten. Es ist bekannt, daß die verschiedenen Farben ihre Entstehung Ather- schwingungen von verschiedener Geschwindigkeit verdanken. Das rote Licht hat dabei die größte, das violette die kleinste AYellenlänge. Wir messen die Wellenlängen dieser Strahlen nach Mikromikron (ßi^i) = einem Millionstel eines Millimeters. Zu beiden Enden eines Spektrums schließen sich die „ultraroten" Wärme- und die ultravioletten „chemischen Strahlen" an. SpektiüjJTaphische und iihotoinetrische Untersuehmig' der Pferdefarben. 213 Passiert ein Lichtstrahl ein Glasprisma, so wird das zusammen- gesetzte weiße Lieht in seine farbigen Komponenten zerlegt. Auf einem Lichtschirme sieht man die sog. Regenbogenfarben (Spektrum). Bringt man nun zwischen Licht und Prisma die FarbstofFlösungen, so ver- schwinden im Spektrum je nach der Art des Farbstoffes ganz bestimmte Farben und jener Teil des Spektrums bleibt dunkel, weil gewisse Strahlen nicht durchgelassen werden. Man nennt dies „Ab- sorption" der Strahlen und das entstehende Spektrum „Absorptions- s p e k t r u m " . Diese Absorptionsspektren gestatten die Identitätsbestimmung von Farbstofflüsungen. Unter Beziehung auf die verschiedenen „Frauenhof er- sehen Linien" des Spektrums oder auf Skalen, durch welche die Wellen- länge der Strahlen des Spektrums angegeben werden, läßt sich der Ort der betreffenden „Absorptionsstreifen", d. h. ihre Lage im Spektrum ganz eindeutig und unverrückbar bestimmen und auch photographieren. Hie- durch läßt sich die Zusammensetzung der Farben unbestreitbar in ihren Komponenten vergleichen und erforschen. Tabelle der Absorptionsspektren der hauptsächlichsten Pf er de färben (Fig. 38). Registration auf der photügr. Platte Bestimmung y. Auge D j T? 1 T? T? -ii u i\T 11 I" Ermittelte Wellen- iJenennung des iarl)en- xjxpo- Ü/rmittelte Wellenlange ,.. ■, ■. -, ■ ^ , ^ -DJ? 1 ■..• 1 1 1 • i Q<. 1 I lange d. absorbierten tones der Pferde sitions- der absorbiert. Strahlen zeit in Mikromikrou Strahlen in Mikro- mikrou 1. Freie Strahlung der Lampe 2. Glaskuvette leer 3. Albinotische Haare 4. Recht-Falb .... 6 Min. 071 ///( — 414405/tjit 574 /f/t — 436,«,«, 5. Licht-Brauner ... 6 „ 660 /' \vui-(lc binnen (U' r H ;i ;i i- 1 a r 1) c ii -, ,, i, , • durchlouchtot iii Kirlit-lsalx'll 1 Sekunde Eecht-Fall) 2—3 Sekunden Licht-Brauner 6 „ Eeeht-Brauner 10 „ Kirsch-Fuchs 15 „ Dunkel-Fuchs 30 Scluvarze Stiefel eines Licht-Braunen 1 Miniite Dunkel-Brauner IY2 Minuten Licht-Eapp 2 „ Schwarze Haare von einem Eapp- Apfelschimmel 2^/^ „ Kohl-Eapp 5 „ Diese Eesultate bestätigen diejenigen der spektrometrischen Auf- nahmen, namentlich auch für die zwar schwarz erscheinenden, aber nur an sich helleres Pigment enthaltenden Stiefel eines lichtbraunen Pferdes. Zugleich aber zeigen sie, daß die schwarzen Haare eines Apfelschimmels doch nicht so deckungsfähig sind, wie die des Kohlrapp. Anderseits ergibt sich das praktisch bedeutungsvolle Moment, daß das Vermögen der Haare, gegen Lichtstrahlen einen Schutz zu bilden, l)ei dunklen Farl)en 100 — -300mal größer ist, als bei hellen. Die Eigenschaft der melanistischen Pigmenthäufung, im Vergleich zu den normalen Farben eine ganz schwache Färbekraft zu besitzen, dafür aber typisch eine S c h u t z b i 1 d u n g g e g e n T r a u m e n (L i c h t , chemische, mechanische) zu sein, wird durch die kolorometrischen Versuche Wiedmers über Ermittlung der Färbekraft der Pigmente auch weiter erhellt, wobei sich zeigt, daß schwarze Mähnenhaare von Braunen eine nur so geringe Färbe kraft besitzen, daß sie ziemlich genau der Nuance des Deckhaares des Pferdes entspricht, von dem sie stammen; genau das gleiche zeigte sieh bei den Stiefeln. Durch sorgfältige Ver- dünnung der Farblösung mit destilliertem Wasser und kolorimetrischer Vergleichung wurde dies bis zur völligen Übereinstimmung aller Ab- tönungen derselben durchgeführt. Endlich wurde durch Wie dm er auf meinen Wunsch aucli noch die w ä r m e b i n d e n d e K r a f t der einzelnen Farben festgestellt, indem sie in der von ihm genau beschriebenen Art und Weise eine gleiche Zeit der Sonnenbestrahlung ausgesetzt wurden und in jeder mit einem Tliermo- meter versehenen Lösung am Schluß des Versuches die erzielte Wärme- erhöhung abgelesen wurde. Die ivlasssitikation und Nameno-ebung bei Pferdefarbeii. 217 Hiel)ei ergab sieh, daß bei A'ier gleieliartigen Kontrollversuchen im ungefäliren Mittel die dunkeln Farben innert 2 Stunden Sonnenbestrahlung gegenüber den hellen um folgende Anzahl Celsiusgrade an Wärme zunahmen : Recht-Isabell gleich 0 Grrad Recht-Falb um Va » Licht-Brauner ,,2 „ Recht-Brauner „3 „ Kirsch-Fuchs „ 37.2 r Dunkel-Fuchs „4 „ Schwarze Stiefel von Licht-Braunem . . „ 4'/2 ^ Dunkel-Brauner »: 4 „ Licht-Rapp „ 472 >, Schwarze Haare von Rapp -Apfelschimmel „ 472 " Kohl-Rapp 5T 5 n Wichtig ist also, daß schon nach 2 Stunden intensiver Sonnen- bestrahlung bei dunkelfarbigen Pferden sell)st unter unserem Klima die Körpertemperatur zu steigen beginnen muß iind auf Fieberhitze gelangen würde, wenn der Haut nicht Gelegenheit geboten wäre, durch Schweiß- produktion und dessen Verdunstung wieder eine Abkühlung zu schaifen. 4. Die Klassifikation und Namengebung bei Pferdefarben für Zwecke des Signalementes (Nationale). Wohl in keinem Teile der Beurteilungslehre ist im Laufe der Zeit ein solcher Wirrwarr entstanden, wie in der Nomenklatur der Pferde- farben. Icli habe mir die Mühe genommen, fünfzig ausgewählte beste hippologische Schriftsteller des Mittelalters bis zur neuesten Zeit genau auf ihre Farbenbezeichnungen durchzusehen, ihre Nomenklaturen in Ta- bellen einzutragen und so einen Namen der gleichen Farbe neben den anderen zu stellen, uui den Wandel der Ideen zu verfolgen. Unter Be- rücksichtigung meiner vorausgeschickten Betrachtungen möchte ich es nun wagen, eine Revision der Nomenklatur der Pferdefarben und Alj- zeichen anzubahnen, die dem heutigen S t a n d e m o d e r n e r Forschung entspricht und sich frei macht vom Zopfe der alten Zeiten. Nach den vorigen Betrachtungen scheint es klar, daß es beim Pferde nur eine einzige Farbe gibt, nämlich das normale Pigment, ein Rot, das durch Auhäufung in Rinde und Mark des Haares ganz undurch- sichtig, schwarz, erscheint. Bei Pferden, deren Hautfermentbildung ganz normal funktioniert, kann infolgedessen die Haar- und Hautfarbe nur dadurch unterschieden sein, daß je nach der Stärke dieser Funktion der Haut etwas mehr oder etwas weniger Pigmentkörnchen gebildet werden. 218 I>ie Farben der l'fcnle. oder diese mehr oder weniger Farbstoff eiitlialten, also iniv ein quan- titativer Unterschied der rigwieuteinlagerung ins Haar vorliegen. Nun ist klar, daß hier eine unberecdienbare Variation herrschen vv^ird, wir können darum nicht anders als kon v i' n t i on eile Mittelfarben als Anhaltspunkte für die Bestimmung der vorkommenden Farbabstufungen wählen. Erschwerend wirken dabei die Einflüsse des Lichtes, der Füt- terung und des Alters, weil mit ihrer Wandlung die normale Grundfarbe eines Pferdes im Laufe des Lebens, ja selbst innert eines Jahres sich um Beträchtliches ändern kann. Dieses festgelegt, können wir trotzdem jede Farbe — sofern die Ge- nauigkeit unserer Farbbestimmungen es erheischt und die großen Gruppen nicht schon genügen — in eine Mittelfarbe, ein helles und ein dunkles Extrem jeder Farbvariation einteilen, was sicher genügen dürfte. Will man noch weiter gehen, kann man die Quartilwerte einer Farbenvariations- reihe bezeichnen und so eine hellste, helle, mittlere, dunklere und dun- kelste Nuancierung der gleichen Farbe erwähnen. Ich habe dies aber nie für nötig gefunden, sondern völlig genügend die Bezeichnung der hellen und dunklen Extreme außer der Mittelfarbe, die ich nunmehr mit Zahlen bezeichne, wobei Nr. 1 die helle Variante, Nr. 3 die dunkle Variante ist. Nr. 2 braucht nicht genannt zu werden, da damit der Mittelwert der Färbung gemeint ist. Also z. B. Dunkel- braun 1 ist die hellste Abstufung des Dunkelbrauns, die direkt auf die vorhergehende Farbe Rechtbraun 3 folgt, die die dunkelste hierin mög- liche Färbung ist. Die Bestimmung kann approximativ ganz gut nach derFarbentafeP) als Mittelfarbe zwischen den aufeinanderfolgenden Normal- farben erfolgen. Spätere Beurteiler desselben Tieres können sich dann ins Gedächtnis rufen, daß die Pferde meist bis zum kräftigsten Alter etwas nach- dunkeln, dann aber allmählich abblassen, gleiche Ernährung vorausgesetzt. Da die einzelnen Körperstellen verschieden gefärbt sind und Knochen- unterlagen oder innere Drucke nach früher Gesagtem etwas dunklere Pigmentation hervorrufen, so dürfte als bester Platz zur Farbiixierung immer die Haut über dem M. subscapularis, dem Unterschultermuskel dienen. I. Fuchs, Alezan, Sauro. Bei den Römern „Rufus'' genannt, im Altf ranzösischen „roux"' und im AJtitalienischen „rubicondo"', bekam diese Pferdefar})e mit der Zeit recht merkwürdige Namen. Das unklarste Wort ist das moderne italienische .,Sauro". Laurent ins Rusius (Ruf f US 1462) und die ältesten der italienisch-siianischen Hipjjoloofen, wie Pascal *) Wegen der großen Schwierigkeit genauer Wiedergalje der Farben durch Farben- druck erhält nur das „Taschenbuch" eine kleine Farbentafel der hier erprobten Mittel- farbtönungen. Dank dem Entgegenkommen des Verlegers wird es aber möglich, diese auch hier beizugeben. Die Klassirikation mid Namengebung bei Pferdefarben. 219 Caracciolo (1567, III, 75) l)eliaupten, daß dieses Wort ein Lehnwort aus der griechischen Sprache sei, nämhch ff<oc (sauros), Eidechse, Feuersalamander. Es sei dabei metaphorisch der Feuersalamander (le dicon-saura) gemeint, wie denn alle alten Spanier die Fuchsfarbe als „glühende Kohle und Flamme" „colore de carbon encen- dido y no de llame" (Calvo) oder „fiamma o carbone acceso" (Crrisone), .,carbone infocto" (G-arzoni) erklären. Moderne italienische Etymologen wie Rigutini und Bulle (1912, 733) wollen aber im Gegenteil Eidechse „Sauro" entweder aus dem Mittel- hochdeutschen sor =: dürr (dürrlaub färben) oder aus dem Baskischen „zuria" = weiß herleiten. Ja, sogar einige Autoren vermuten als Ursprung den Ländernamen „Syria". Nach meinen Forschungen kommt außer der recht plausibeln Erklärung der alten Hippologen auch die sarazenisch-süditalienische Sprache noch eher zur Ursprungs- ermittlung dieses Wortes in Betracht. Der häufigste Pferdename der alten sarazenischen Sprache und noch des heutigen poetischen Arabisch ist „Askaru", der Rote. Es ist möglich, daß die Sprache der süditalienischen Sarazenen des frühen Mittelalters es noch durch Dialektbildung und Artikelweglassung erleichterte, daß hieraus das ganz ähnlich klingende „Schkaru" „Sauro" wurde. Ich kann nur konstatieren, daß die ältesten der neaiiolitanisch-spanischen hippologischen Autoren in italienischer Sprache schon dieses Wort „Sauro" brauchen. Möglich wäre zwar auch noch als Ursprung der arabische Xame „Renner", Rennpferd, der „sariu" lautet, woraus sprachlich ebensogut „sauro" entstehen konnte. Es ist durchaus nicht nötig, daß das Lehnwort unbedingt „Rot" bedeuten mußte, so zeigt uns die Entstehung des spanischen „alazan" und des französischen „alezan", daß die Spanier von den maurischen Einwohnern der iberischen Halbinsel einen Namen angenommen hatten, der gar nicht „der Rote", sondern .,der Dicke, Fleischige, Gedrungene", übertragen auch „der Schöne", nämlich „Al-hazan" bedeutete, und nun fälschlich für die „roten Pferde" gebraucht wurde, da, w^ie gesagt, in den arabischen Poesien das Pferd ja häufig bloß „der Rote" heißt. (Hommel 1879.) Aus diesem Namen machten die alten spanischen Autoren den Namen „alazan", der ins Fi'anzösische übernommen zu „alezan" wurde, obwohl die ältesten französischen Au- toren noch „roux ou alezan" brauchen (Aur ay-Gr i s o n e 1586). Im Deutschen wurde wohl frühzeitig schon der Ausdruck „Fuchs" gebraucht, der weiter keiner Erklärung bedarf; es ist aber interessant zu beachten, daß die ersten deutschen Autoren der Pferdebeurteilung Fugger (1578), Reuschein (1599) und Löhneyß (1609) von „Fuchsen" oder „Fuoxen" sprechen, während der weit gelehrtere Pin t er (1664) diese Pferde als „Feuerfarb oder Gelbe bis Blutrote" tituliert. Die Engländer sprechen hier von „chesnut" oder ..chestnut" also ganz alnveichend von „kastanienfarl:)igen" Pferden. In der Definition der Farbe sind alle Autoren einig, indem es sich um ein Pferd handle, dessen Farbe von „gelb- bis Ijlut- oder kirschrot bis zur braunen" gehe. Nm- der sonst so zuverlässige Garsault macht den Fehler, daß er Mähne und Schweif dieser Tiere als ..weiß oder schwarz" erwähnt und angibt, daß der Unterschied zwischen Braunen und Füchsen darin bestehe, daß der Grundton der Fuchsfarbe rötlichgelb, der der braunen Farbe aber „rot" sei. Der älteste Autor, der eine gute Einteilung der Fuchsfarben gibt, ist unzweifelhaft L ö b n e y ß. Er teilt die „Fuchsen" ein in: Lichtfuchs, Rot- fuchs, Rechtfuchs, Dunkelfuchs. Die französischen Hippologen brachten dann eine Reihe neuer Namen auf, die teilweise von den späteren deutschen Autoren übernommen wurden. Ich glaube, daß für irgend haltbare Namen eines wirklich ernsthaften Meisters der Pferdekenntnis unbedingt am Prioritätsstandpunkt festgehalten werden sollte, aber jedenfalls die 220 Di« Furljuu der rtVüdo. bishcrig'cn Namen von den scli 1 i'cli tcn und falschen Bezeic'liniinii;en befreit werden müssen. leli halte daher die I^r» h n ey ßselie Nomenklatur als die erste i;'ut hrauelihare für die deutseheu Namen fest. 1. Lieht fuchs (alezan (dair, sauro eliiaro). Damit würde der von Hoclistetter (1822) f^-efülirte „Hellfuelis" wegfallen, indem seriöse Autoren des 18. Jahrhunderts, wie lleitzenstein (1764) ebenfalls noch am Liehtfuchs festhalten, dieser Name also an- nähernd 2 Jahrhunderte überdauerte. Im Französischen dürfte Garsault mit „alezan clair" maßgebend bleiben, da die ihm vorgehenden Autoren, selbst Solleysel, zu keinem begründeten Namen befähigt zu sein scheinen. Im Italienischen ist und bleibt er „sauro ehiaro" seit alters- her (Caracciol o). D e f i n it i o n : Die Farbentönung des Liehtfuehses wird von L ö h n e y ß absolut mangelhaft definiert; es seien zwei Arten, die einen mit weißer, die anderen mit roter Mähne. Prinzipiell kann nacdi meinen früheren Ausführungen gar kein Zweifel herrsehen, daß Füchse mit weißer Mähne zunächst bei der Fixierung einer reinen, normalen Farbe gar nicht in Frage kommen. Nach Reitzenstein, Hoclistetter, Graf, Baumeister, RuefF, Zschokke usw., nach Bourgelat, Richard, Lecocq, Lesbre, Goiibaux und Barrier soll die Farbe sein „blaßrot ins gelbliche spielend", erstmals so von Hocli- stetter definiert. Bourgelat definiert „])lon(l et dore". Meine Untersuchungen ergaben als mittlere Abtönung dieser Farbe die auf der Farbentafel dargestellte Nuance. Die Wellenlänge der ab- sorbierten Strahlen ist hier fürs Auge 570 — 440 jh/li, die Wärmebindungs- kraft ca. 2 '^ in 2 Stunden und die Deckungsfähigkeit 7 Sekunden lang. Differentialdiagnose: Die nächsthellere Farbentönung ist Dunkel- falb Nr. 3, die näehstdunkle Recditfucdis Nr. 1. Al)artcii: Koinint infolge iK'uiiiiu'iuk'r Heminunoon der Dupaoxydasoliilduuo- in den Haarwurzehi der »Sc-hutzhaare farblos bleibendes Haar vor, so muß dies unbedingt bei der Nomenklatur ano-egeljen werden. Im Französischen wurde diese Abart als „alezan poil de vachc- geführt, sonst aber als ..verwasc^hen, lave, lavato, sauro pel de vacca" bezeichnet. 2. Recht fuchs (alezan ordinaire, sauro ordinario). Diese Namen erscheinen neu. Rechtfuchs ist aber, wie erwähnt, der älteste Name dieses Farbentones, den ein deutscher Hippologe ilim ge- geben und der wohl damals allgemein im Gebrauche war (Löhneyß IGO'J). Der jetzt hiefür meist gebräuchlicdu' Name „Lehmfuehs" wurde von Hoclistetter erstmals als Übersetzung von „alezan comniun" gegeben, den Bourgelat eingeführt liatte. Die meisten späteren Autoren über- Die Klassitikation und Namcii'jfebung bei ]*fei-defarben. 221 nahmen diese Tatsachen, trotzdem sie gar niclit zntreffen. Dann führte man noch die direkte Übersetznng des französischen Ausdruckes den „gewöhnlichen" Fuchs ins Deutsche ein, was siclier eine ganz unklare Nuancen-Nomenklatur ist, aus der man s(»yiel wie vorher über die Farbe weiß, denn die Tatsache, daß er „häuhg" oder „gewöhnlich" ist, betrifft die Farbe nicht. Der Name Rechtfuchs ist eher zutreffend und hat zudem die Prio- rität als ältester Name. Im Französischen und Italienischen kann der gewöhnlich gebrauchte Name alezan ordinaire oder commun und sauro ordinario bleiben, obwohl „normale" besser wäre. Die von Cloubaux- Barrier eingeführte französische Nomenklatur „a. ordinaire" ist trotz der Priorität des Namens „a. commun" beizubehalten, da auch die italienische Sprache das gleiche Wort verwendet, eine einheitlichere Be- zeichnung damit erreicht ist. Löhneyß definiert: Eechtfuchs sei etwas dunkler als Lichtfuchs. „Diese arth ist vberaus gemein, den es haben fast alle Bawren Pferde diese Farbe." Damit ist die Identität mit „alezan ordinaire" festgestellt. Die Autoren geben fast einstimmig „Zimmetf arbe" an, doch ist dies ungenau. Die von mir ermittelte Farbnuance besitzt folgende Werte: Wellenlänge der Absorption 660 /t^t — 450/439 ^i[.i Deckungsvermögen . . . 10 Sekunden Wärmeabsorption . . . . 3 '^ pro 2 Stunden. Die nächst dunklere Farbe ist Dunkelfuchs 1. Kirschfuchs ist in der gleichen Farbenintensität, nur röter, wie die Wellenlängen der absor- bierten Strahlen zeigen. 3. Kirsch fuchs (alezan cerise, sauro ciliegia). Löhneyß brauchte den Namen Rotfuchs, aber Kirschbrauner. Spätere deutsche Autoren sprechen ebenfalls von Rotfuchs. Dabei ist zu betonen, daß schon Reitzen stein (1764) „Rot"fuchs gleich „Licht"- fuchs setzt und zudem ist „Rotfuchs" in Mitteleuropa ein Pleonasmus, da unser Fuchs (Canis vulpes) doch immer „rot" zu sein pflegt. Pinter spricht von „Blutrotem", die spanischen Autoren desgleichen, und da Bourgelat diesen Namen im Französischen nicht einführte, hat der tüchtige L e c o 0 q dies als „alezan cerise" nachgeholt, der in dieser Sprache allgemein gebraucht wird. Definition: Daher scheint der Ausdruck „Kirschfuchs" hier am richtigsten, besonders unter Berücksichtigung, daß nach meiner Auffassung die Nuancenbezeichnung bei Fuchs und Braunem dieselbe sein soll. Hier herrscht unter den Autoren gar keine Übereinstimmung. Spätere Autoren bieten die schönste Konfusion. Schwab meint „wie Eisenrost", '2'>'2 DiiJ Farben der rfcrdc. Graf und Baumeister sa^-en «i^ar „braunrot und dunkelbraunrot", Rueff und Frosch sind für „dunkelrot" und die anderen Autoren richten sich je nach ihrer Vorliebe nach einem dieser Meister. Löhneyß spricht vom Rotfuchs, er sei „wie wenn ein Lichtfuchs mit einer türkisch-roten Farbe, die ins gelbe ziehe, gefärbt werde". Vom Kirschbraunen sagt er, derselbe müsse sein „ein wenig rotlech, wie die Kirssen, wenn sie nicht gar zeitig oder reiff sind". In der Tat ist l)eim Rotfuchs die Feststellung der Mittelfarbe un- o-emein schwer. Ich habe mit meinen Studenten Hunderte von Füchsen daraufhin gemustert, aber bald war der „rot", dieser noch „röter". Was die häufigste Mittelnuance ist, war in der Tat schwer festzustellen. Lecocq meint, sie entspreche dem „Mahagoniholz" am besten, aber auch das triflPt nicht ganz zu. Diese Farbe besitzt folgende Werte: Absorption der Strahlen von 665 — 447/436 /.ifA, Wellenlänge nach der phot. Platte; von Auge 574 — 457 /nfi. Wärmeabsorption von 372" in 2 Stunden; Deckungs vermögen während 15 Sekunden. 4. Dunkelfuchs (a. obscur, sauro scuro). Löhneyß spricht von Dunkelfuchs oder Schweißfuchs, was dasselbe sein solle. Die Spanier sprachen von „alazan oscuro" oder „a. tostado" und daher sagen die französischen tJbersetzer und auch Garsault, der noch ungemein viel von den spanischen Autoren hält, „alezan obscur"; spätere französische Autoren nennen diesen dann a. fonce, im Italienischen wird er aber richtig „sauro scuro" genannt, obgleich Caracciolo (III, 278 E) sauro Brugiato mit Alazan tostado identifiziert. Definition der Farbe: Die Autoren aller Länder sind darüber einig, daß seine Farbe ins „braunrote" gehe. Ganz falsch urteilt nur Hochstetter, wenn er dazu noch „schwarzbraune Extremitäten" ver- langt, und zu weit geht Graf, wenn er für diese Nuance „schmutzig- weiße" Schutzhaare als ständiges Attribut wünscht; ihm widerspricht direkt Müller (1919), der „dunkelrotbraunes Langhaar" will. Löhneyß ist sich nicht ganz klar über die Farbentönung. Jeden- falls sei „je dunkler, desto besser". Ich habe die Mittelfarbe auf der Farbentafel angegeben. Sie absor- biert die Strahlen des Spektrums von 675 — 457/445 fi/ii oder von Auge sichtbar von 574 — 464 ^tfc/^. Sie weist eine Wärmeabsorption von 4 ° auf und ein Deckungsvermögen von ^2 — IV2 Minuten. Differentialdiagnose: Die hellere Farbe ist Rechtfuchs Nr. 3, die nächst dunklere Lichtrapp. Dieses sind die Fuchsfarben, die von Löhneyß unterschieden wurden Die Klassifikation und Namengebuno' bei Pferdefarben. 223 lind die ich iiuniuelir als die einzierhan])t zu streichen und Kirschfuchs allein zu verwenden. Zolielfuchs (a. cybelline, s. zibeiiinoj wird ebenfalls von den alten Autoren gekannt, er soll „bald graubraun geapfelt (Rueff), l)a!d sehwärzlichrot mit schwarz und weilier Mähne sein" (H o c h s t e 1 1 e r). Ob diese weißen Haare, Altershaare, Stichel- haar, Schinimelhaar oder 2)artieller Albinismus sei, davon erfahren wir nichts. Presch (1872) sagt, „es sei eine sehr unsichere Bezeichnung". Man könnte also alle drei Möglichkeiten hieher zählen, und somit Zobelfuchs ein Schweißfuchs oder ein Rapp mit einigen weißen Haaren in Mähne und Schweif sein, was aber m. E. noch nicht zu einem neuen Namen berechtigt, namentlich auch deshalb nicht, weil Löhneyß aus- drücklich Zobel diejenigen Pferde nennt, die „eingesprengte weiße Deck- haare" haben, also „stichelhaarig" sind. Leb er fuchs. Diesen Namen hat Graf (1846) m. W. zuerst aufgestellt „als rotbraun mit schwarzgrauen Haaren und grauem Schutzhaar". Lehmfuchs, ein Ausdruck von Hochs tetter, „matt rotgelb ins Graue fallend". Bei beiden liegt eine Mischung mit „Grau" und der Fuchsfarbe vor. „Grau" kann niemals auftreten ohne Melanismus. Beim Fuchs kann es aber keinen Me- lanismus geben, weil er sonst ja ein Brauner wäre, damit sind diese Definitionen für uns unmöglich. Nun ist aber ferner weder die Farbe der Leber noch des Lehmes grau, sondern braunrot im ersten, braungelb im zweiten Falle. Es liegt also im ersten Falle eine Fuchsfarbe vor, die unter Kirschfuchs oder Dunkelfuchs gehört, im zweiten Falle des Lehmfuchs aber eine Nuance, die wir wohl unter die dunkleren Lichtfüchse zu rechnen haben, daher fallen beide Namen weg. Goldfuchs, Kupfer fuchs, Bronzefuchs (a. dore, golden chesnut, sauro metalhno usw.). Außer Bourgelat kennen bloß die ältesten italienischen Autoren, z. B. Grisone als „sauro metallino" diese Farbenabstufungen. Sie sind aber auch gar nicht vorhanden, denn wie ich unter Kondition erwähne, hat Fütterung und namentlich eine gute Haarpflege, tüchtige Haarwaschung und Benutzung des Wischers zum Glänzen der Haare, die Reinhaltung der einzelnen Haarrindenhäutchen (cuticulae) und damit den Glanz des ganzen Haarkleides zur Folge, der auch nur im Lichte so recht zur Geltung kommt, wenn die Strahlen durch die saubere, nicht mit Schweiß- kristallen und Staub beklebte Haarrinde reflektiert werden. Es ist also absolut nur ein Zeichen für die treffliche Haltung und Pflege und der stru^ipigste „Lehmfuchs" der alten Nomenklatur, grau durch Staub und Schmutz, kann sich in einem tadellosen Stalle in wenigen Wochen in einen „Goldfuchs" verwandeln, wie ich dies selbst in meinem eigenen Gutsstalle bewiesen habe. Daher haben diese Namen an sich keine Berechtigung als Farbenabtönungen. Wenn man den Glanz hervorheben will, so kann man sagen statt Goldfuchs (a. dore) Hellfuchs mit Glanz, statt Kupferfuchs Kirschfuchs mit Glanz und Brouzefuchs gleich Dunkelfuchs mit Glanz. Einige Merkwürdigkeiten in der Definition der Bronzefarbe dürften doch Graf, Rueff und Müller unterlaufen sein, wenn sie sagen, daß diese „gelbrotbraun geapfelt mit gelben Flecken, bronzeschimmergebend" sei. Die trefflichen Autoren Born und Möller geben die Bronze weit richtiger als „braun" an, aber leider soll eben seit Grafs Behauptung ein Bronzefuchs „geapfelt" sein, was mit „Bronze" eigentlich recht wenig zu tun hat. Ich kenne viele Bronzegegenstände, doch bisher keine „geapfelten". Dem Bronzefuchs entspricht im Französischen das „a. chätain", schwieriger ist das „a. marron" Goub aux-Bar r i ers zu kennzeichnen, die erwähnen, es sei eine Farbe „wie die einer Kastanie, aber mit helleren Adern wie eine indische Marrone". Die Ivla.ssiiikation und Namengcebuno' bei Pferdefarben. 225 N^ch meinen Untersuchungen handelt es sich um eine beginnende Sijiegelung. Daher würde ich vorschlagen, in allen diesen Fällen zu dem wirklichen Farbton hinzu- zusetzen ..gespiegelt". Schon Ry ch n er (1828, 75) braucht erstmals den Namen „Spiegel- fuchs" ; Graf und Schwab sprechen falsch von „geapfelten" Füchsen. AVie dies gleich noch besonders geschildert werden wird, ist die Spiegelung der Füchse und der Braunen die Vorstufe der Pigmentlösung, die in höherem Grade die Entstehung der Schimmelpferde bewirkt. II. I.sabell (Lsabelle, Isabella). Die Isabellen gehören eigentlich zu den Füchsen, und mit Recht haben die neueren französischen Autoren diese Pferde als „alezans cafe au lait" in den drei Abstufungen „hell, gewöhnlich und dunkel" be- zeichnet. Sagen doch die alten Hippologen wie P int er schon, die Füchse seien „gelb bis purpurrot". Die deutschen Autoren und die alten französischen zählen die Isabellen dagegen als eine eigene Art auf. So kennt Garsault vier Kategorien, die dann der Fran- zösisches und Deutsches vereinigende Hochstetter unterscheidet in AVeißisabell oder Hermelin (Soupe au lait G-ar s aul ts), in Goldisabeil (Isabelle dore), Gelbisa])ell (Cafe au lait), der, nebenher erwähnt, „perlfarben" nach Hochstetter s Definition sein sollte, gemeiner Isabell (Is. commun) und Rotisabell (Is. fonce). Spätere Autoren setzten statt Rotisabeilen „Dunkelisaljellen" und so blieb die Sache bis heute; selbst Born und M ö 1 1 e r geben jetzt noch Ho ch s tett ers „Gelb- oder Perlisabellen" zum besten, wie wenn die Perlen gelb wären, von deren Farbe sich zu überzeugen Hochstetter trotz der l)ösen Zeit der französischen Revolution in Bern wohl sicher Gelegenheit ge- funden hätte. Auf die etwas mittelalterlich derlie Geschichte der Entstehung des Xamens Isabell zum Andenken an das Hemd Isabellas der Katholischen von Kastilien (1469) voll ich hier nicht näher eingehen. Immerhin sind nach meinen persönh'chen Beobachtungen die Pferde Spaniens und Südamerikas sehr häufig von dieser Farbe, die möglicher- weise doch wohl im Gestüte des Klosters Zapata bei Cadix ihren Ursprung hat, das schon von Alters her für seine Zucht gelber Pferde berühmt war. Senator Garzoni (1642, 28) sagt ebenfalls, daß die Spanier den Falben (falljo) und lubero (Rotschimmel) besonders lieben, was wohl die Vorlielie für gelbe Farl)e liestätigt. Die Isabellfärbung ist ein typischer Flavismus. Es gibt, wie Gar- sault schon richtig sagte, Isabellen mit weißen und mit schwarzen Schutzhaaren. Wir nennen nunmehr nur die Pferde mit weißen Schutz- liaaren : Isa bellen, die anderen Falbe. Definition. Ein Isabell ist somit ein Pferd, den Füchsen nahestehend, bei dem die Zahl der Pigmentkörner namentlich im Mark abnimmt und auch die einzelnen Pigmentkörner nicht mehr so dunkel gefärbt sind, wie dies noch beim Fuchs der Fall ist. In dem Mähnenhaar entfärbt sich die Haarrinde gewöhnlich vollständig, meist auch das Mark. Die Haut bleibt aber hellpigmentiert, oft fast farblos. Die hellste Nuance grenzt an den weißgeborenen Schimmel, es ist also fast ein Albino, nur findet sich noch diffuses Pigment in der Haar- Duerst, Die Beurteilung- fies Pferdes. 15 226 1*'^' J^'ai'l'i'ii tlei" rienlo. rinde, wodurcli ein leiclit mclLlicher Ton ül)or das Haarkleid i>\diauelit ersclieint. Der Name AVeißisabell könnte g'anz j^'ut bleiben, nur halte ieh davon, daß t's praktiselier und sehr vereinfachend ist, wenn man in einer jeden Färbung' genau dieselben Namen für die einzelnen Abstufungen hat. Namentlich für die Isabellen, die eine heute im ganzen selten vorkom- mende Haarfarbe der Pferde sind, dürfte eine komplizierte Nomenklatur völlig zwecklos sein. Ich nenne daher diese erste Nuance Lichtisabell (isabell clair, isabello chiaro). Als mittlerer Farbenton folgt der E echt isabell, der Gelbisabell der bisherigen Namengel)ung (Isabell ordinaire, Isabello ordinario). Es ist der im auffallenden Lichte typisch gelbe Isabell. Graf gibt als Ton „strohgelb" an, aber ganz genau stimmt dies nicht, denn er ist etwas rötlicher, wie ein Weizenkorn. Die dritte Gruppe bildet der Dunkeiis ab eil (Isabelle fonce, isa- bello scuro). Dies ist der noch mehr rötlichgelb gefärbte Haarton, der aber heller ist als der hellste Lichtfuchs. Wegfallen sollte dann ohne Zweifel auch der „Goldisabeil", der dem Rechtisabell mit Glanz ents]3 rieht, was etwa dem „Gelbgolde" vergleich- bar ist. Unbedingt muß auch der Perlisabell aus vorerwähnten Gründen gestrichen werden, da ein Irrtum des Autors Hochstetter vorliegt, sowie der „Hermelin" desselben Autors, weil man diesen Ausdruck schon in der Lehre von den Abzeichen für die schwarzen Schwanzspitzen dieses Tieres braucht, und wir unbedingt Anlässe zu Irrtümern vermeiden und Klarheit schaffen müssen, obwohl ja das Fell des Hermelins am Bauch oft etwas gelblich gefärbt ist. III. Brauner (bai, bajo). Die Römer nannten diese Pferde ..badius" oder ,,baius", im Pluralis „bau", welche Bezeichnnng in die romanisclien Spraclien „bay" im Französischen, „liaij'' im Altitalie- nischen, „l)ajo" im Neuitalienisclien, „baj'o" im Spanischen, „bay" im Normannisch- Englischen übergingen. Die ältesten Autoren nennen die Braunen „Rot", erst die sj^äteren unterscheiden Braun als die Farbe der Kastanien, bajo o castanea. Von den alten Autoren wird die braune Farlie als die beste und zugleich als die häufigste eingeschätzt. Sie sei ,.sauguinosisch", aber nicht so feurig wie die Fuchsfarbe, gerade die richtige Mischung für Pf erde zum ständigen Grebrauch. Solleysel erklärt als Grundfarbe die der Roß- kastanie heller oder dunklerer Abtönung. Der gleiche Autor macht auch zum ersten Male auf den fundamentalen Unterschied zwischen Füchsen und Braunen aufmerksam, wie im Deutschen m. "\V. zuerst Reitzenstein (1764), der am originellsten meint, daß „Braun ein Pferd heiße, das eher Fuchs heißen könne, aber schwarzen Schweif und schwarze Mähne" halie. Bourgelat sagt dann in getreuer "Wiedergabe: .,Tout cheval bai a les crins et le fond des extremites noires, autrement il serait alezan". Daß dies aber damals noch nicht allgemein verstanden worden war, geht daraus her- Die Klassitikatiou und Xamengeljuug bei Pferdefarben. 227 vor, daß dieser Autor erwähnt, es sei daher ein Pleonasmus, wenn jemand von jetzt an noch schreilie „braun mit schwarzen Extremitäten'-. Ganz im Cregensatz zu diesen Autoren meint vo n Ho chstetter, daß Mähne, Schweif und Füße in d e r R e g e 1 braun s e i e n , aber hie und da a u c h h e 1 1 e r, dann auch heller an Maul, Bauch und Augen'-. Wie vernünftig nimmt sich dagegen der alte Solleysel aus, der sagt, „es habe noch nie einen Braunen gegeben, der nicht schwarzen Schweif und Mähne und schwarze Füße gehal)t halje". Für uns liegt nun die Sache ganz klar und einfach. Die ältesten Autoren schon waren darüber klar, daß das Deckhaar der Füchse wie d e r B r a u n e n ein und d i e s e 1 h e n N u a n c e n au f w eise, bei m Braunen a b e r n u r s c h w a r z e s S c h u t z h a a r und s c h w a r z e E x - t r e m i t ä t e n dazu kommen. Unsere bioptischen Untersuchungen zeigten uns, daß tatsächlich in den Pigmenten von Braunen und Füchsen nur der eine fundamentale Unterschied existiert, daß die Braunen an den Stellen, die auf einer harten Unterlage ruhen oder durch Erschütterungen gereizt werden, „Melanin", d. h. durch Anhäufung schwärzlich erscheinendes Pigment zu spezieller vorzüglicher S c h u t z w i r k u n g gegen Licht- und mechanische Traumen aufspeichern. Partieller oder S c h u t z m e 1 a n i s- mus. Damit ist die ganze Namengebung bei den Braunen erledigi;. Die „Farben" sind somit genau dieselben wie bei den Füchsen, nur ist hier immer Melanismus zunächst am Schutzhaare und den Ex- tremitätenenden vorhanden. Ich gehe soweit zu sagen, daß für die exakte Farbdiagnostik die geringste Melaninaufspeicherung an den Kronen oder in Mähne oder Schweif das Pferd unbedingt zu einem Braunen macht. Damit ist eine klare und wissenschaftlich vollkommen vertret- bare Unterscheidungsmethode gegeben. Wir unterscheiden somit: 1. Lichtbraun (bai clair, bajo chiaro). Deckhaar gleich wie bei Lichtfuchs. Bei stark melanistisch veranlagten Tieren hie und da Andeutung eines Aalstriches längs der Dornfortsätze des Rückgrates. 2. Rechtbraun (b. ordinaire, b. ordinario). Deckhaar gefärbt wie •das des „Rechtfuchses". 3. K i r s c h b r a u n (b. cerise, b. ciliegia). Deckhaar wie bei Kirschfuchs. 4. Dunkelbraun (b. obscur, b. scuro). Deckhaar wie bei Dunkel- fuchs. Grleichbedeutende Namen : b. brun, b. fonce. Besondere Namen beim Bi-aunen sind : Wei ch selb raun gleich Kirschbraun, und zwar nach den historischen Quellen ■wie eine Kirschfrucht, nicht wie das berindete Holz von Prunus Mahaleb, das zu Pfeifen u. dgl. verarbeitet wird und zu Farbverwechslungen bei vielen Autoren An- laß gab. Schwarzbraun (b. brun). Der Schwarzbraune ist entweder ein Dunkel- brauner oder ein Rapp. Die ältesten Autoren des Mittelalters sagen, der Dunkelbraune sei ein fast ganz schwarzes Pferd mit Feuer an Flanken und Nüstern. Dies Feuer bestehe aus rötlichen Haaren. 228 Die Farben der Pferde. Pin t er unterscheidet als dunkelste Grupiie der Dunkelbraunen vor der Farb- al)stufung der Rappen die ,,Schwarzbraunen", die wie die Kappen seien, nur an den Schenkeln und an den Aupfen „licht". (Jarsault schreibt wieder richtig nach den ältesten Mustern „schwarz mit Feuertlecken an Flanken und Nase". In si)äteren Zeiten wird Dunkelln-auner und Schwarzlirauner oft verwechselt. So schreibt Schwab über die Unterschiede: „Schwarzbraun liat Kupfermaul, Dunkelkastanienbraun sei mehr schwarz als braim". Müller wirft beides zusammen und sa^t, „Dimkelbraun sei gleich Schwarzbraun, sofern Kopf und Füße schwarz", wie wenn es so stark melanistische Pferde wie Dunkelbraune gälie, bei denen die „Füße" nicht immer schwarz wären? Richtig rechnen die Engländer den Schwarzbraunen schon zu den Rappen (black with tan muzzle) und auch die Franzosen (Groubaux und Barrier) erklären richtig den „Bay brun" als identisch mit „noir mal teint". Somit ist Schwarzbraun gleich. Sommerrapp. Goldbraun, Kupferbraun, Bronzebraun (b. dore, Bourgelat). Über diese Haargianzwirkungen habe ich schon bei den Fuchsfarben gesprochen; es ist für eine wissenschaftliche Bestimmung nur irreführend, dieselben zu benutzen. Gold- braun ist Lichtbraun mit Glanz, Kui3ferbraun Kirschbrauu mit Glanz, Bronzebraun ist Dunkelbraun mit Glanz. Eine ganz andere Sache ist auch hier wieder die Frage des Spiegelbraunen (bai ä miroir ou miroite). Die ältesten Autoren kennen diese Art. Der ziemlich zuver- lässige So Hey sei schon sagt, „der Spiegelbraune sei ein Brauner, der auf der Kruppe braunere Flecken habe, die diese ,geäpfelt' mache." Der gleiche Autor aber bemerkt später „geäpfelt" (pommele) sage man nur bei Schimmeln, bei Braunen sage man „ge- spiegelt" (miroite). Pinter meint, daß Spiegel überhauiDt nur bei wohlgenährten und kurzhaarigen Pferden sichtbar seien. Garsault wieder glaubt im Gegensatze zu Soll ey sei, ein Spiegelbrauner sei ein solcher, bei dem nur „runde, hellere Flecke" vorhanden seien. Von da ab teilen sich die Autoren in zwei Lager, die einen sehen die Spiegel oder Apfel Ijald als „dunkel", die anderen liald als „hell" an. Pinter, Hochstetter, Graf, Pro seh betrachten den Kastanienbraunen als „gea^ifelt", die französischen und italienischen Autoren machen noch feinere Unterschiede, indem sie das „b. chätain" gleich Kastanienbraun „ohne Spiegelung oder Netzwerkzeichnung", nur mit gelblichen Verfärbungen nennen und anderseits den „b. marron", den Maronen- braunen „mit der Spiegelung". Das Phänomen der Spiegelung muß hier kurz erörtert werden, damit wir richtig urteilen können. Betrachten wir ein gespiegeltes Pferd, so sehen wir zunächst, daß die dunkleren Haarpartien wie ein Netz von großen Maschen den ganzen Rumpf und auch die Ex- tremitäten überziehen. Annähernd in der Mitte jeder Masche findet sich eine hellere Haarstelle, von der aus sternförmig helle Fortsätze ausstrahlen. Nehmen wir nun Haare aus der dunkleren Randzone und solche aus den helleren Partien jeder Masche, am besten nach dem Frühjahrshaarwechsel, und untersuchen dieselben mikroskopisch, dann finden wir folgendes: Die Haare der helleren Stellen zeigen ein solides, ununter])rochenes, stark pig- mentiertes Mark, aber eine Rindenschicht, die ziemlich hell ist. Die dunklen Ränder zeigen — namentlich in den helleren Braunfarben mit Spiegelung — ein auffallendes Verhalten des Markes, das an vielen Stellen im Haare unterltrochen und völlig resor- biert ist. Dafür ist die Rinde liedeutend dunkler als liei den vorigen Haaren, weshalb die ganze Haarstelle dunkler erscheint. Ich lialje Tausende von Prol)en Hunderter von solchen Pferden untersiicht und dabei stets Ijeobachtet, daß bei ganz dunkelbraunen spiegelnden Pferden das Mark der dunkleren Maschenzone viel mehr zerfallen ist als Die Klassifikation und Xamengeliunjo^ bei Pferdefarben. 229 bei den helleren Tönen, liinge<»en die Haarrinde stärker pigmentiert. Bei Füchsen, die gespiegelt sind, traf ich hingegen in der Großzahl der Befunde das Mark intakt, doch muß man bedenken, daß l)ei Füchsen die Spiegelung nie so auffällig ist, wie beim Braunen. Die Auswanderung des Markpigmentes in die Rindenschicht fand aber auch hier statt. Es dürfte nun wohl keinem Zweifel unterliegen, daß dieses Phänomen mit den früher besprochenen Verhältnissen der Alkalität und lonenkonzentration in der Blut- zufuhr im Zusammenhange steht. Die in der Nähe der Grefäße liegenden Haare erhalten ihre Marksubstanz am längsten intakt wegen der helleren Rindenzone, die der normalen Farbe des Pferdes entspricht; sie bleiben scheinbar heller als das Maschenrandhaar, dessen Marksubstanz dem Zerfall unterliegt und Pigment an die Rindenschicht abgibt, wodurch die Dunkelfärbung zustande kommt. Trotzdem sich die Sterntlecken merklich vom Frühjalir zum Herljst ausdehnen, tritt zum nächsten Frühjahr selten eine völlige Regeneration des Haarmarkes und Hellerwerden der Rinden ein. Die Auftretung von Spiegelung beweist also stets eine Stauung der aus dem Blute stammenden und von ihm regenerierten Pigmentmutter- substanz, weshalb es bei derartigen Tieren fast immer zu den dadurch bedingten Schutz- maßregeln der Melaninproduktion kommt (Braunwerden). Daher kann Spiegelung bei jeder Farbe entstehen. Sie wird es aber am wenigsten bei den normalen Farben tun und deshalb ist sie bei Füchsen selten und werden diese nur im Frühjahr beim Haarwechsel gespiegelt erscheinen. Anderseits ist aber kon- stitutionell die Feststellung der Spiegelung so interessant, daß ich absolut der Meinung bin, dieselbe müsse stets im Signalement erwähnt werden. Um jedoch die althergebrachte Tradition nicht zu verletzen, wird man somit bei allen Farben von „Spiegelung" sprechen, bei den Schimmelpferden allein von „Apfelung", weil — wie ich unter diesem Stich- worte ausführte — die Apfelung nicht völhg identisch ist mit Spiegelung und letztere wohl nur eine Vorstufe jener darstellt. Daß Spiegelung auch mit der Nährkondition und Ablagerung von Fett im Unterhautbindegewebe zustande kommt, wodurch die freie Blut- und Plasmazirkulation gestört wird, hal)e ich schon durch Balz er (1911) beim Rinde zeigen lassen. Ich bin also gegen die Benutzung des Xamens „Kastanienbraun", und ziehe vor die klarere Bezeichnung der Nuance „Dunkelbraun Xr. 1 mit Spiegeln". Difl'erential- diagnostisch muß man aber Achtung geben, nicht etwa Haarwechselflecke im Frühjahr mit Spiegeln zu verwechseln. Beim Braunen wurde endlich noch genannt die Farl)entönung „Rehbraun". Hochstetter ist wieder der Schöijfer dieser Bezeichnung. Sie scheint auch fast seine Erfindung zu sein, denn er nennt sie französisch „bai de Daim", welche Nomen- klatur nie ein fraazösischer Autor akzeptierte. Die Kennzeichen der Farbe seien dunkel- brauner Rücken mit graugelbem Kopf und Weichen. Schwab macht daraus eine „fahlbraune Nuance mit Rückenstreif". Presch meint mit anderen Autoren, daß Reh- braun nur bei groben Pferden vorkäme und gelbe, gleichsam versengte Flecken ent- halte. Die meisten Autoren konstatieren aber, daß Rehbraun „geapfelt" sei. An sich ist Rehliraun eine ganz schlechte Bezeichnung. Das Sommerkleid des Rehes ist rot, also nicht braun, das Winterkleid des Rehes hingegen ist von biäunhcher Färbung. Hiebei ist aber jedes Haar mit helleren Spitzen versehen, etwa in der Nuance Dunkelisabeil, darauf folgt basalwärts ein etwa Ya ci^i langer Teil, in dem sich alles Pigment des Haares konzentriert hat, und gegen das Wurzelende zu läuft diese Pigment- anhäufung dann langsam aus, indem nun mangels Pigmentkörnern der größte Rest des Haares init Luft gefüllte Markzellen neben einigen noch pigmentierten aufweist. Der Haarschaft ist überhaupt mächtig gegenüljer dem Sommerhaar verlängert und dicker 230 l^ie Farben der Pferde. geworden, in dem mittleren \nid nnteren Teil sogar gewellt. Eine derartige Haar- fiirbung pilit es beim Pferde ülierhaupt niclit. CTeai)felt ist ein Reh ebenfalls nie. Es scheint dalier besser, die betreffende Farbentcinung genau anzugeben und dann zu be- merken. ..mit S])iegeln", ..Flanken verwasehen" usw. und den Namen Rehbraun el)en- falls fallen zu lassen. IV, Falbe (t'auve, falbo). Bei den ältesten (leutschen Autoren hießen die Falben „Fahle, Falche, Falken". Bei den Spaniern waren sie besonders beliebt. Wie die Füchse die Farben der Braimen ohne die Beimengung des Melanins darstellen, so bilden die Isabellen die Grundfarben der Falben. Falbe sind somit Pf erde, bei denen die fl avistische Funktions- a n () m a 1 i e der 1' i g m e n t m u 1 1 e r s u b s t a n z - u n d F e r m e n t b i 1 - d u n g s s c h w ä c h u n g gepaart ist mit der Ablagerung von Schutzmelanin in die traumatisch gereizten Körperteile. Konsequenterweise müssen wir daher, da es sich um die gleichen Deckhaare handelt wie bei den Isabellen, auch die gleichen Namen Avählen wie bei diesen, wobei wir bedenken, daß die Schutzhaare mehr oder minder tiefschwarz melanistisch geworden sind und sehr häutig der schwarze Aalstrich verbunden mit verkürztem und verdicktem Haare längs der "Wirbelsäule die Sclmtzhaare der Mähne und des Schw^eifes verbindet. In seltenen Fällen ist auch die durch die Schultergräte verursachte mela- nistische Querstreifung, „das Schulterkreuz", provoziert worden. 1. Licht falb (fauve clair, falbo chiaro). Der Lichtfalb wurde früher „Silberfalb" genannt. Graf sagt, der Silberfalb sei „weiß gelb mit schwarzen Schutzhaaren". Ich bin bisher noch nie gelbem Silber be- gegnet, es müßte denn „angelaufen" gewesen sein. Diese Farbe ist die des Lichtisabeils. 2. Rechtfalb (fauve ordinaire, falbo ordinario). Der frühere Semmel- oder Gelbfalb. Diese Nuance entspricht dem Rechtisabell, wo- bei zu beachten ist, daß nach meinen mikroskopischen Haarstudien diese Farbe kein rein gelbes Pigment aufweist, sondern dasselbe immer rötlich- bräunlich ist und nur durch die starke Zwischenschaltung von Luft, d. h. pigmentleeren Zellen durch Verdünnung gelblich erscheint. Man kann daher unbeschadet Gelb und Semmelfalb hieherzählen. 3. Dunkel falb (fauve obscur, falbo scuro). Dieser ist die mela- nistische Form des Dunkelisabell. In der Nuance des Deckhaares schließt sie um etwas heller an die hellste Variation des Lichtbraunen an. Hieher gehört auch der Wolfsfalb (louvet, lupino), a^ou dem Lecocq schon richtig sagt, daß Louvet ein Dunkelfalb sei, der fälschlich als eigene Farbe betrachtet werde. Doch ist etwas neues dabei, indem man am besten hervorhebt, daß es ein „Dunkelfalb mit .stark ver- breitetem Stichelhaar" ist. Die Klassiiikatiun luid Xamengeburig Ijei Pferdefarben. 231 Y. Ivap]) (Moreaii ou noir, morello o nero). Der deutsche Name ist Rap]) gieich Kolkrabe (Corvus corax), der auch heute noch in mauclieii ( leo-enden der SehAveiz „ßapp" heißt. Die französischen und italienischen Namen „]Möhrchen" und „Schwarz" erklären sich selbst. Es sind dies also Pferde, bei denen der Melanismus so ausgedehnt, ja sogar zum „Totalen" wird, daß das Tier bei auffallendem Lichte fast schwarz erscheint. Die Tiefe des Tones der Färbung hängt ab von der Jahreszeit (Sommer) und von der Ernährung, sowie vom Alter. Bei reicher Ernährung ist die Farbe im mittleren Lebensalter am dunkelsten, mit dem Alter nimmt sie ab, und die Rappen nähern sich der Grundfarbe, aus der sie hervorgegangen sind. So liesitze ich seit 12 Jahren ein 18 Jahre altes Pferd in meinem Stalle, das in allen früheren Signalementen und Schätzungsverbalen als „Rapp" geführt wurde, dann plötzlich als ,,Sommerrapp" erschien und nun allgemein als „Dunkelbrauner" bezeichnet wird. Ich habe jährliche Haarproben untersucht und die ständige Abnahme von Pigmentproduktion von Jahr zu Jahr zahlenmäßig konstatiert. Weitere Schilderungen würden zu weit führen. Daher ist die untere Abgrenzung gegen den Dunkelbraunen sehr schwierig; ich habe sogar mehrere Jahre meine Studierenden gelehrt, daß es überhaupt keine eigentlichen Rappen gäbe, sondern die Rappfarbe nur eine temporäre Variante des Dunkelbraunen sei. Ich habe aber nun doch eine Reihe alter Pferde gefunden, die bis ins hohe Alter hinauf Rapp geblieben sind, und deshalb ist die Rappfarbe eine Farbvariation wie die anderen, wenn sie auch als Extrem einer Variationsreihe selten vorkommend und rein zu erhalten ist. Es ist also der höchstmögliche Grrad der Pigmenthäufung beim Pferde. Danach ist klar, daß eigentlich sowohl Braune wie Falben zu Rappen werden können, oder anders gesagt, der Grundton des Haar- und HautfarbstofFes ohne Berücksichtigung des sekundär angehäuften Schutzpigmentes rot oder gelbrot ist. Ich fand nun bisher, daß die entfärbenden Rappen meist „Braunrappen" sind, während die „Falbrappen" besser und länger die Farbe halten. Dies zur Hebung des Verständnisses der Verhältnisse, ohne daß ich diese Namen neu einführen möchte. Ein typischer aus Braun entstandener Rapp ist 1. der Licht rapp (Löhneyß), später So mm er rapp genannt (noir mal teint, morello mal tinto). Wie schon erwähnt, erklären manche Autoren diese Tiere für Schwarz- oder Dunkelbraune in einem kräftigen Jugendstadium bester Funktion der Organe. Die Großzahl von ihnen zeigt rötliche oder gelbliche Deck- haare an den Innenschenkeln, der Weiche- und Flanke oder am Kopf. Wenn wir aber überhaupt Rappen anerkennen wollen, so wird es eine hellste Variante geben müssen, die auf die Dunkelbraunen in ihrer 232 Die Farben der Pferde. dunkelsten Variante fnlot. Daher empfelile ich den Namen „Liclitrapp" nnterBeriieksi('htijL;uneii der Pferde. Selbstvcrstiindlicli ist die Scheck u ii g die V o r s t u f e der T i g e ru n g. Bei der 8elieckiing- bilden die ])iginentierteii Stellen noch große zusammen- hängende Flächen, dt-nen grcißere zusannnenliängende entfärbte Flächen gegenüberstehen. Zwischen Sehecken und Tigern müßten eigentlich die Fl e c k e n p f e r d e stehen, gleich den Fleckentieren beim Rindvieh. Doch hat man bisher diesen Unterschied nicht gemacht, da man bis heute überhau})t die ganze Entstehung der Pferdefarben nicht erkannte. VIII. Albino (blanc, bianco). Dies sind die früher fälschlich „weißgeborene Schimmel" genannten Pferde. Um Verwechslungen zu vermeiden, sollte der deutsche Name „Schimmel" hier ganz wegfallen, da der Vorgang der Schimmelentstehung etwas anderes ist als der Vorgang der Entstehung eines totalen Albinos. Die Franzosen und Italiener haben dies stets auseinandergehalten und diese Tiere als „Weiße", blancs, bianchi bezeichnet. Da totale Albinos bei unseren Pferden selten existieren, so scheint mir nötig, bei Albinos mit pigmentierten Augen aber entfärbter Haut, die häufiger sind, die Farbe des Irispignients anzugeben, z. B. Albino, Iris nußbraun, Albino, Iris rechts rot, links blau usw. Die Unterscheidung in Atlasschimmel (blanc luisant, bianco lucente) und in Sammetschimmel (blanc pale, mat ou de lait, bianco pallido) scheinen mir aus früher erwähnten G-ründen der Ursache des Haarglanzes ungerechtfertigt. Allgemein Einfarbig e für die Farben geltende Ausdrücke u n d deren Erklärung: zam Stichelhaarig, früher rubican „Zobel" n. L oh- ne y ß zaino rubicano Mohrenkopf Fuchsnasen (Kupfermaul) cap de more testa di more nez de renard naso di volpe Nur Druckflecken, keine Stichelhaare gestattet. Jeweils auzug'el:)en, ob schwach oder stark, legerement ou forte- ment, legeramente o fortamente, Pferd mit vollständig melanistischem Kopf. (Nur der Italiener spricht noch von Moh- reugesicht „cavezza di moro", wenn nur der Gesichtsteil dunkel ist.) Roter Nasenteil auf me- lanistischem Kopf ; meist bei Rappen. Die Klassifikation und Nameno-elmno- l)ci Pfei-defarben. 239 Gewaschen lave Gespiegelt Geapfelt Beschneit früher „Fliegen- treif" (Löhneyß u. Reizen stein) Verästelte Flecken Eot punktiert Feuermale Brandflecken Druckflecken lavato o pel di vacca miroite pommele neige specchiettato 1 pomellato j nevicato verge(Grisone) arborizato arborise vnieux vmoso marques de feu macchie di (fuoco) rosso charbonne brnciato on tisonne taches acci- dentelles macchie accidentali "Wenn Flavismus an den Bauchseiten, Schen- kelflächen, Nase, oder Weiß- resp. Heller- werdcn, des Schutz- haares ohne Alters- ergrauen eintritt. (Oft Pleonasmus bei ita- lienischen Autoren : sauro con specchia- ture occellate). AVeißes Stichelhaar in öTÖßeren Flocken. Stärker pigmentiertes Haar auf dem sub- kutanen Venensystem der Haut namentlich der Beine ; daher zweigförmig verteilt. Kleinere rote Flecken als Forellenflecken. Rote Flecken, die vom Deckhaar abstechen. Ciroße dunkle Flecken (traumatisch) oft an Schimmeln, besonders gut sichtbar bei Haut- Cxestütsbraud. Weiße Haare; nur die Haarrinde pigmentlos. Die deutschen Autoreu unterscheiden hier namentlich nach den Ursachen : 1. Bremsflecken, 2. Koppriemenflecken, 3. Aderlaßflecken, 4. Kummet- flecken, 5. Sattelflecken, 6. Gurtenflecken, 7. Schweifriemenflecken, 8. Sturz- flecken, 9. Streifriemenflecken, 10. Bandagenflecken, 11. Kirchhofblümchen (Bueff), worunter man weiße Haare über dem Augenbogen versteht. Zebrastreifung Aalstrich Eselskreuz Behbauch zebrure raye de mulet croix d'äne ventre de biche zebratura. Biga o striscia di mulo o Zagarella. Wenn incomplet mulina. striscia crociata. ventre di biscia. traccia di riga 240 l>ie Farben der Pferde. Abzeichen. Alle Abzeichen sind, wie vorher schon erklärt wurde, partieller Albinismus, d. h. das Haar und die darunter befindliche Haut sind an diesen Stellen absolut pigmentlos. Es gibt aber hie und da — wie Lesser (1884) es auch vom Menschen erwähnt — eine gemischte Über- gangszone zwischen dem gefärbten und dem entfärbten Hautteil. In der Pferdebeurteilung nennen wir dies „umrandet". Über Entstehung und Verteilung der Abzeichen wurde früher unter partiellem Albinismus gesprochen. Ich will hier nur erwähnen, daß die Abzeichenlehre des Mittelalters auf die maurisch-arabischen Hegeln zurückführt. Bei den Arabern haben die Abzeichen stets den Sinn von Glückszeichen. Ein Albinofleck zwischen den Ohren bedeutet : das Pferd ist schnell im Lauf. Weißes Abzeichen seitlich über den Augen: der Besitzer stirbt am Kopfe getroffen usw. Durch die spanischen Autoren haben sich diese Ideen auf die italienischen, französischen und deutschen Autoren übertragen; so lesen wir beispiels- weise bei Grisone (1552/76): weißes Abzeichen des Fußes auf der linken Seite sei gut zu werten, denn solche Pferde seien gute Läufer und be- herzten Mutes. Auch Löhneyß (1609) sagt: „Zum Vierten, wenn ein Pferdt den fordern rechten fuß allein weiß hat, und sonsten keine mehr, das wier hurtig und thätig, denn es hat einen guten verstandt, ist aber gemeinlich Unglück haftig." Auch Reuschein behauptet ähnliche Dinge. Dies ist also wieder ein sicheres Zeichen, daß diese Anfänge un- serer Wissenschaft in Europa unter dem Einfluß maurisch-arabischen Geistes standen. Wir finden die Abzeichen bei allen Pferdefarben, auch bei Schim- meln. Bei letzterem wurden sie leider bisher nie genannt und beschrieben, obwohl sie gerade hier sehr gut zu einer genauen Kennzeichnung der Tiere dienen können. Xatürlich sind sie bei ganz weiß gewordenen Schimmeln nur noch in der Entfärbung der Haut sichtbar. So erkennen wir bei Rot- und Braunschimmeln häufig schöne, klare Kopf- und Fuß- abzeichen, bei Grauschimmeln nur hie und da, weil Rappen weniger zu Albinismus neigen, da bei. ihnen der Melanismus überwiegt. An historischen Tatsachen über die XomenkJatur der Abzeichen ist als wichtigstes Avohl folgendes zu erwähnen : Auvray-Ciris one (1576, 4) sagrt von der Blässe, Liste ou raye blanche, daß dieselbe von der Stirne bis zum Maule gehe, ohne dieses zu berühren, und seitlich nicht die Augenbrauen berühren dürfe; er unterscheidet außerdem noch den Stern, Stella, etoile. Löhneyß sagt S. 64 von den Zeichen, die man „Blassen" nenne, daß diejenigen die besten seien, die oberhalb der Augen anfangen und eine Handln-eit unter den- selben mit einer Spitze enden. Die Klassifikation und Namengebung liei Pferdefarben. 241 Außerdem unterscheidet er ebenfalls noch den „Stern", dafür aber krumme Blässe u. dgl. mehr. Pinter spricht S. 127 von „Plassen". Garsault S. 14, unterscheidet: „etoile ou jiclote, chanfrein blanc" = une bände de poils le long de l'os du devant de la tete". Ferner ..bout du nez blanc". Bourgelat (1753, 153) behält genau diese Nomenklatur und nennt nur die weißen Haare auf der Nasenspitze ..lisse", nicht liste. Er fügt noch hinzu, man müßte sagen „lisse an bout du nez". Lecoc q S. 179, meint aber schon „Man gebe den Namen ,liste' nach dem Latei- nischen Usta, Band, einem weißen Bande, das den Blümchen folge und auf die Nase hinabreiche". Er meint ferner, die Ausdehnung der „liste" müsse angegeben werden, sie könne sich nur auf die Nasenbeine beschränken, oder auch aufdie Nasenspitze übergehen, doch auf die Stirn e dürfe sie nicht hinauf- reichen. Belle face könne bis zu den Augen, ja sogar darüber hinaufreichen. Richard (1897, 355) sagt im Cregenteil nun gar, es gebe zwei Arten von Stirn- malen. Von denen, die nur auf der Stirn seien, sage man „marque en tete", im anderen Falle „liste en tete prolongee sur le chanfrein" oder bis zur Nasenspitze. Groubaux und Barrier machen dies mit und untei'scheiden eine „liste en tete", wenn diese nicht auf die Nase reicht und eine „liste", wenn sie nur auf der Nase sei. S. 888 nennen sie komplette Blässe „liste complete", wenn diese maximal bis zur Nasenwurzel gehe also auf dem ganzen „chanfrein" sei. Die anderen Autoren erübrigen, denn es zeigt sich so schon in grolien Zügen die Entwicklung luiserer gegenwärtigen Unterscheidung der durch partiellen Albinismus bedingten Flecken am Kopfe unserer Pferde. Ich behalte das m. E. Klarste und Brauchbarste bei, und erkläre ebenfalls, daß es das zweckmäßigste für die Bezeichnung der Abzeichen ist, die Blässe als einen weißen über die Nasenbeine allein bald schmäler, bald l)reiter sich ausdehnenden Fleck aufzufassen. Verläßt er die Nasenbeine nach oben, so muß dies erwähnt werden in der AVeise, daß man das betreffende Stirnbeinabzeichen ebenfalls beschreibt und dabei vorher nennt. Was die Bezeichnung der Abzeichen angeht, so werden wir hier immer nur Stückwerk haben, denn die Formen des partiellen Albinismus variieren unendlich. Je mehr Pferde man mustert, desto mehr Pormen- variation wird man finden. Icli habe in der nachstehenden Liste ein Ver- zeichnis mit den Namen der hauptsächlichst vorkommenden Formen ge- geben; es läßt [sich eine neue Form fast immer bezeichnen, indem im Bedürfnisfalle angegeben wird, zwischen welchen beiden der als Standard- wert bezeichneten Formen sie steht, oder aus welchen Kombinationen sie zusammengesetzt ist. Weitere Erklärungen hiezu erübrigen sich. Nur allgemein muß betont werden, daß alle Abzeichen entweder rein in der Farbe sein können, in welchem Fall nichts zu bemerken ist, oder gemischt oder umrandet sein k(innen, was jeweils zu erwähnen ist. Das kommt davon her, daß in einem Fall die (xrenze zwischen der ent- färbten Haut und der pigmentierten scharf und säuberlich ist, im andern aber nicht. Die Mischung kann aber auf verschiedenen Gründen beruhen und zwar : Du erst, Die Beurteilung des Pferdes. 16 242 Die Karben der Pferde. 1. Bedinij^tsein durch das Auftreten von klar begrenzten, kleinen pigmentierten Flecken im albinistisclien Teile, wobei diese Flecken auch pigmentiertes Haar tragen. Wir nennen das gemischt, mixte, mista. 2. Bedingt durch den Haarstrich, indem die dunklen Haare nicht über die weißen hinausragen, sondern die weißen sich über die pigmen- tierten legen, wodurch pigmentierte Haut und Haare sichtbar werden, unter dem weißen Haare liegend. Solche Abzeichen nenne ich „falsch- umrandet" (durch Haarstrich), faussement borde, falsamente orlato. 3. Nun kann aber auch diese umrandete Zone dadurch hervorgehen, daß in der Randzone der Blässe weiße Haare, rein oder mit dunklen gemischt, auf pigmentierter Haut wachsen, also ein intermediärer Zustand zwischen Albinismus und Pigmentation eintritt. Ich bezeichne solche Abzeichen als „umrandet", borde ou ourle, orlato. Sämtliche Abzeichen an Kopf und Beinen können nun noch sein : Nach allgemeiner Beschaffenheit und Lage: regelmäßig unregelmäßig schief nach links „ „ rechts fortlaufend ununterbrochen regulier regolare irregulier irregolare devie ä gauche deviata a sinistra „ „ droite „ „ destra continue completa interrompue interrotta, incompleta Nach Endigungen der Abzeichen: gezahnt deutele dentellata gefranst fibre fimbriata Nach Farbenmischung gemischt mixte umrandet borde schattiert (marmoriert) marbre getigert tigre Hermelin hermine Fliegen mouchete Forellen truite mista orlato marmorizzato con tigratura (tigrato) ermellinata moschettata trotinata Die meisten Angaben verstehen sich von selbst. Nicht ganz klar ist die übereinstimmende Konvenienz in getigerten und schattierten Ab- zeichen. Bei Tigerung sollen ganz dunkle, gleichmäßige, fast parallele Streifen, wie die am Tiger vorhanden sein, bei der Schattierung oder Marmorisation dagegen an Stelle der gleichmäßigen Querstriche unregel- mäßige Flecken treten, während bei der gemischten Farbe eine gleich- Die Klassifikation und Namengebung bei Pferdefarben. 243 mäßige, stichelhaarartige Färbung vorhanden sein soll, hei der die Haut aber deutlich helle (albinotische) Flecken aufweist. F 1 i e g e n f 1 e c k e n sollten so groß sein wie die Stubenfliegen. Forellenflecke haben die Größe wie die roten Flecken der Forellen, also etwa stecknadelkopfgroß. Diese Bezeichnung darf natürlich nur für rote Flecken, nicht Melaninflecken verwendet werden, die, falls sie kleiner als Fliegen sind, „punktiert" heißen würden. Deutsche Bezeichnung: 1. Stichelhaar (eingestoßeneHaare, Schwab) (Fig. 39) 2. Stichelblümchen (Fig. 40) 3.Stichelfeder(Fig.41) 4. Blümchen (Fig. 42) 5. Sternchen (Fig. 43) 6. Blume (Fig. 44) 7. Stern (Fig. 45) 8. Ringstern (Fig. 46) 9. Halbmondstern nach links nach rechts (Fig. 47) aufwärts abwärts 10. Herzstern (Fig. 48) 11. Spitzstern (Fig. 49) 12. Spindelstern (Fig. 50) 13. Unregelmäßiger Stern (Fig. 46) 14. Blässenstern (ge- zogener Stern, Grraf) nach oben nach unten (Fig. 51) 15. Strichblässe(Fig.52) (Schnurblässe, unter 1 Finger breit) 16. Schmale Blässe (über 1 Finger breit) (Fig. 53) K 0 p f a b z e i c h e n. Französ. Bezeichnung : quelques poils en tete legerement en tete petite pelote en tete petite marque en tete pelote etoile en tete etoile annulaire etoile en tete en croisant ä gauche ä droite vers le haut vers le bas en tete en coeur en tete en pointe liste en tete en tete irregulier f(jrtement en tete prolonge vers le haut A'crs le bas liste cordiforme Italienische Bezeichnung: rubicano nella fronte leggermente nella fronte palottola di neve piccola palottola fiore Stella Stella annulare Stella ä mezza luna a sinistra a destra in alto in basso Stella a cuore Stella puntata striscia nel fronte Stella irregolare Stella prolungata in alto in basso lista cordata petite liste piccola lista 244 Die Farben der Pferde. Deutscbe Bezeichnung;: 17. Blässe (Fig. 54) (über 2 Finger breit) 18. Breite Blässe (über 3 Finger breit) (Fig. 55) 19. Leuchte (Fig. 50) (H a V e m a n n) Laterne (Grraf) 20. Unterbrochene Blässe (Fig. 57) 21. Durchlaufene Blässe (Fig. 58) 22. Schnippe (Fig. 59) 23. Strichschnippe (Fig. 60) 24. Milchlippe (Fig. 61) (nur Oberlippe weiß) 25. Milchmaul (Fig. 62) 26. Krötenmaul Morpheen (Fig. 63) Französ. Bezeichnunj? : liste grande liste belle face demie belle face (face blanche Lecocq) liste interrompue liste prolongee lisse (Bourgelat) principe de lisse hoire incompletement dans son blanc boire dans son blanc täches de ladre Italienische Bezeichnung- lista gran lista bella faccia s'facciato con maschera lista interrotta lista completa striscia sulla punta del na so piccolo abbeveratoio beve incompletemente in bianco bevente in bianco morfee o muso di rospo Französ. Bezeichnung trace de balzane Italienische Bezeichnung : traccia di balzana Beinabzeichen (Balzanes, Balzane) Deutsche Bezeichnung: 1. Grebällt außen (Fig. 64), innen, halb 2. Bekrönt außen (Fig. 65), principe de balzane principio di balzana innen, halb 3. Halbgefesselt (Fig. 66) 4. Gefesselt (Fig. 67) 5. Hochgefesselt (Fig. 68) 6. Halbgestiefelt (Fig. 69) 7. Clestiefelt (Fig. 70) 8. Hochgestiefelt (Fig. 71) 9. Weiße Beine (höher hinaufreichend als 8) petite balzane incom- plete ])etite balzane balzane grande balzane balzane chaussee balzane haut chaussee balzane tres haut chaussee piccola balzana incom- pleta piccola balzana balzana gran balzana balzana calzata balzana alto calzata balzana altissimu calzata Die Klassifikation und Xamenffebunff bei Pferdefarben. 245 Fiff. 39. Fi ff. 40. Fitr. 41. Fig-. 42. Stichelhaar. Stichelblümchen. Stichelfeder. Fig. 43. Fi?. 44. Fisf. 4.5. Fio-. 46. Sternchen. Blume. Unregelmäßiger Kingstern. Fiff. 47. Fio-. 48. Fig. 49. Fio-. .50. Hallimonilstern naeli rechts. Herzstern. Spitzstern. Spindelstern. 246 Die Farben der Pferde. Fii;-. 51. Fio-. 52. Via. 53. Fis-. 54. Blässenstern nach uuten. Strichblässe. Schmale Blässe. Fig-. 55. Fio-. 56. Fiff. 57. Fifi-. 58. Breite Blässe. Leuchte. Unterbrochene Blässe. Durchlaufende Blässe. Fiff. 59. Fiff. 60. Fig. 61. Schnippe. Strichschnippe. Milchlippe. Die Klassifikation und Namengebung bei Pferdefarben. 247 Fio-. 62. Fig. 63. Milchmaul. Fig. 64. Fig. 65. Krötenm;ml und Krötenauge. Fig. 66. Geballt, außen. Bekrönt, außen. Fig. 67. Halbgefesselt. Fig. 68. nn Gefesselt. Hochgefesselt. 248 Die Konstitution dos Pferdes. Fig. 69. Fig. 70. Halbgestietelt. (Testiefelt. Fio-. 71. n Hoehffestiefelt. D. Die Konstitution des Pferdes. Alle Autoren , wie beispielsweise P i n t e r v. d. A u , verwenden auf die ganze äußere Beurteilungslehre des Pferdes ungefähr 20 Folioseiten, auf die inneren Eigenschaften dagegen 25. Darin zeigt sich wohl die Wertschätzung am besten, die die Altmeister für die nicht direkt äußerlich wahrnehmbaren Qualitäten des Pferdes hatten. Die Gregner der modernen Hippometrie, die da sagen, daß trotz aller Kenntnisse und minutiösen Untersuchung der äußeren Formen und Verhält- nisse es nie gelingen könne, die Leistungsfähigkeit eines Pferdes völlig zu erfassen, weil man das „Innere" nicht zu beurteilen vermöge, haben für ihre Auffassung also eine gewisse historische Berechtigung. Bei den ständigen Fortschritten moderner Biologie sollte es jedoch zweifellos möglich werden, auch diese Schwierigkeiten zu heben und Die Konstitution des Pferdes. 249 wenigstens die inneren Haiiptfaktoren der Leistungsfähigkeit der Pferde näher zu erforschen und zu erfassen. Die Autoren des Mittelalters unterscheiden „Complexionen" und „Temperamente", die den vier empedokleisohen Elementen, Luft, Feuer Erde, "Wasser entsprechen sollen. Am einfachsten war es, daß die Farben der Pferde scheinbar diesen Elementen entsprachen, so gibt Pinter an: „Gelb colerisch Lufft Roth sangninosiseh Feuer Schwarz melancolisch Erde Weiß phlegmatisch Wasser". L ö h n e y ß teilt ein : „Innerliche Eygenschafft Eußerliche (lestalt Nathur Sanguinisch warm und feucht Kastanienbraun oder apfelgrau geschickt Colerisch-hitzig und trucken Lichtbraun und Füxe zornig und hitzig- Melancholisch kalt und trucken Rapp oder Schwarzbraun ungeschickt Phlegmatisch feucht und kalt Weiß- oder Lichtfalb werich (wehreich) ". Der weitere Fortschritt zeigte dann die paracelsischen, chemischen Elemente hier eingemischt verwendet, so z. B. bei Winter: Salz. Schwefel, Quecksilber, wodurch die eigenartigsten, ANdssenschaftlich sein sollenden alier unbeweisbaren und unwahr- scheinlichsten Theorien zustande kamen. Hij^pokrates unterschied noch korrespondierend nach den damaligen vier Kardinalsäfteu des Körpers : Blut, Schleim, gelbe und schwarze Cialle, die vier Elementar- eigenschaften : warm, kalt, feucht, trocken, denen die vier Temi^eramente : sangu- inisch, melancholisch, phlegmatisch, cholerisch entsj^rechen sollten. Danach schien es recht einfach zu sein, die Qualität der Pferde gleich aus deren Farlie abzulesen, so seien z.B. die Füchse „colerisch, feurig und begierig, sonderlich in die Höhe auf- steigend". Der roten Farbe sollten die „Braunen" entsprechen und seien ..sonderlich freiidig, beherzt und wehrhaft, blutreicher als andere, kräftiger, gelehrig und arbeitsam". Die R a jj p e n seien „von schwarzer Gall, verbrennten Gemütes, zornig, ungelehrig, stutzig und untreu, oft auch kurzsichtig". Die Weißen seien phlegmatisch und weichlich ; je weißer, desto mehr Phlegma. Weißes Haar auf schwarzer Haut sei Zeichen der Dauerhaftigkeit und Arbeitsamkeit, jedoch zugleich schwer abzurichtender Pferde. Weiße Haut deute hingegen immer auf willigen Sinn. In dieser Weise dachten sich die Autoren des Mittelalters, daß durch Mischung der durch die Farbe charak- teiisierten vier Elemente der Xatur in jedem Pferde die indi^'idue]le innere Eigen- schaft oder Konstitution zustande käme. Es schien mir wert, diese Ideen alter Zeiten kurz zu erwähnen, denn sie ent- halten meistens ein gutes Stück Erfahrung, die wir heute vielleicht wissenschaftlich erforschen und verstehen können. — Vom konstitutionellen Standpunkte der reinen Wissenschaft jener Zeiten aus unter- schied schon Hippokrates je nach der richtigen Mischung (Krasis) oder der Mischungsstörung (Dyskrasis) verschiedene Konstitutionen, nämlich: gute, schlechte, starke, schwache, fette, feuchte, rötliche, gegenüber der straffen, gedrungenen, dunkel- farbigen und trockenen. Die medizinische Konstitutionslehre machte dann aber verschiedene Entwicklungs- jihasen durch, die von der Sylvius sehen Idee der Konstitutionsanomalien je nach 250 I^i"^ Konstitution des Pferdes. deren besonderer Eiffninifr zu gewissen Erkrankungen, über die Haller sehe Tendenz «1er Riiekfübrung der Konstitution auf eine einzige biologische Grundformel, mit dem Beginne des 19. Jahrhunderts zur Aufstellung einer Konstitutionseinteilung führte, die sich am schönsten in der Pucheltschen erhielt. Diese nennt zuerst als die beste, eine arterielle Konstitution mit hochgerötetem Blut in zwei Untergruppen, sanguinisch und cholerisch; letztere werde auch „ r o b u s t e '' Konstitution genannt. Die erste ist charakterisiert durch hohe Pulsfrequenz, schnellen, aber nicht tiefen Atem, rasche Verdauung, reichlichen Kotabsatz und hohe Erregbarkeit, die cholerische durch kräf- tigen, langsamen Puls, langsames, tiefes Atmen, große Freßlust, gute Verdauung, reich- liche derbe Fäzes, sehr gesättigten Harn. Diese galt als die beste, widerstandsfähigste Konstitution. Als zweite Hauptgrui^pe wurden die venösen Konstitutionen genannt und unter- schieden in die phlegmatisch-venöse und die schwarz-gallige Untergrvippe. ^Dann ist elie dritte oder lymphatische Konstitution mit Vorherrschen des Lymphsystemes gegen- über dem Blute. Diese beiden sind weichlichere und zu Ki-ankheiten disponierende Konstitutionen. Die n ervö s e Konstitution kommt für das Pferd nicht in Frage. Erst in der allerneuesten Zeit, 1911, kehrt man wieder auf diese Ausgangspunkte zurück und Martins Ü914), der sich um diese Konstitutionsforschung recht verdient gemacht hat, gibt die nachfolgende Definition : „Konstitution ist das Maß der Widerstands- kraft des Oi-ganismus gegen gegebene krankmachende Einflüsse". Gute Konstitution betrachtet er als synonym mit ..normaler Anlage". Da aber die Konstitution hienach ein Maß sein soll, so wird man also versuchen müssen, sie erst selbst zu messen, denn man wird ein Maß kaum benutzen können, wenn man es noch nicht kennt. Es kann dies nun geschehen, wie Beneke erst- mals probierte, durch Organmessungen oder auch durch experimentelle Funktionsprüfung der Organe. Die ist aber nicht immer möglich und deshalb hat man zur Beurteilung von Konstitutionskraft bei Mensch und Tier mannigfache Approximativ-IMethoden vor- geschlagen, auf die wir gleich eintreten wollen. Vorerst muß noch erwähnt werden, daß Martins die Forderung stellt, man dürfe nie von robusten, schwachen usw. „Kon- stitutionen" sprechen, denn das Maß der Widerstandskraft könne ja nie selbst „robust oder stark" sein, sondern nur dessen organische Äußerungen. Daher sei es nötig, diese äußeren Kennzeichen einer Konstitution als „Habitus" zu bezeichnen vmd daher zu sprechen von „robustem, lymphatischem usw. Habitus", wenn man richtig reden wolle. Andere Autoren, wie Freund und von d er V el d en (1912) unterscheiden als Unterabteilung der Konstitution a) den Habitus = körperUche Erscheinung ; b) K o m- plexion = funktionelle, leibliche Erscheinung (also genau wie Pinter dieses Wort beim Pferde gebrauchte) und endlich c) das Temperament = geistige Lebens- äußerung. Tandler und Baur hingegini teilen die Körperverfassung allgemein in zwei Teile ein a) in die aus dem Keimplasma übergetragenen Eigenschaften = Konstitution; b) die intrauterinen oder extrauterinen Erwerbungen und Anpassungen = Kondition. Diese letztere Einteilung ist für unseren Zweck m. E. nach unbrauchbar, da die Unterscheidung praktisch sehr schwer zu ziehen sein dürfte, und außerdem bei uns der Ausdruck „Kondition" den jeweiligen Ernährungs- oder Körperzustaud bezeichnet (Rennkondition, Beschälerkoudition usw.). — Französische Autoren, wie Baron, G o u b a u X und B a r r i e r usw. betrachten die Konstitution als eine Art Gleich- gewichtszustand des Organismus in körperlicher Harmonie und Harmonie von Nerven und Gefäßsystem mit dem mechanischen Bau des Körpers." Auch einige deutsche Autoren, wie Allers, schließen sich dem an. Die Konstitution des Pferdes. 251 Somit stimmen zunächst alle Autoren darin überein; daß die Kon- stitution den Bauplan und die runkti(»nsfähigkeit der sämtlichen Körper- organe betrifft. Wie soll man die Konstitutionen oder die Formen des Habitus ein- teilen? Beneke (1878) unterschied auf Grund von genauen Messungen und Wägungen der Organe beim Menschen zwei Konstitutionen : die eine mit relativ kleinem Herzen, engen Arterien, großen Lungen, kleiner Leber und kurzem Dünndarm, die andere mit großem Herzen, weiten Arterien, kleinen Lungen, großer Leber und langem Dünndarm. Eine dritte Form sei die Mischung der beiden anderen. — In neuester Zeit verdanken wir aber dem französischen Forscher Sigaud (1914) und seinen Schülern Chaillon und Mac Auliffe (1912) eine neue Einteilung, die mir be- sonders auch für unsere Zwecke recht dienlich erscheint, und die ich am Pferde speziell studierte. Diese Autoren unterscheiden vier Typen von Konstitutionen, in Anpassung an vorwiegende Betätigung der Organe, nämlich einen Verdauungstyp (type digestiv), einen Atmungs- typ (type respiratoire), einen Muskel typ (type musculaire) und einen Nerventyp (type cerebral). Sodann wird eine Mischung je dieser vier Grundformen untereinander unterschieden. Sehen wir nun die Dinge an, wie sie beim Pferde liegen, so erkennen wir, daß die obigen Untersuchungen beim Menschen auf Messungen des Körpers und seiner Organe beruhen. Auch beim Pferde haben wir solche in genügender Menge gemacht und gestatten uns dieselben, folgendes neu festzustellen: Zunächst müssen wir über die B e z e i c h n u n g e n klar sein. Gebräuch- lich ist in der neueren deutschen Nomenklatur der Name „Konstitution" und zwar bezeichnete man damit die inneren physischen Eigen- schaften des Pferdes. Mit Rücksicht darauf, daß die alten Autoren in unserem Fach dies auch schon richtig .,Komplexionen'' nannten, dürfte es am besten sein, prinzipiell die Freund und v. d. Veldensche Ein- teilung der Konstitutionen in drei Unterabteilungen zu adoptieren, nämlich in 1. Habitus oder Typ, 2. K 0 m p 1 e X i 0 n , 3. T e m p e r a m e n t. Die Einteilung der Komplexion war bei den älteren Autoren eine sehr einfache. So unterscheidet Hering z. B. nur dauerhafte und schwache. Auch die französischen Autoren, wie Goubaux und Barrier betrachten den „Fond" sogar nur auf sein A^orhandensein. Der „Fond" dürfte normaler Konstitution gleichgesetzt werden können. Sie erklären, ..der Fond sei die etwas geheimnisvolle, verborgene Eigenschaft, die das Tier in Reserve zu haben scheine, mit deren Hilfe es der Müdigkeit Wider- 252 I^i® Konstitution des Pferdes. stand zu leisten vernnige. Diese dunkle Macht bewaffne das Pferd zum Kampfe und ihr Vorhandensein zeige sich in seiner Kraft und dem vitalen Gleichgewicht". Baron (1884) verglich sogar das Pferd mit „Fond" einem Schützen, der ein lang andauerndes Feuer abzugeben habe und dazu einer Menge Patronen guter Qualität, langer Übung als Schütze und guter Putz- instrumente für das Grewehr bedürfe. Es ist wirklich gut, daß wir nach der Sigaudschen Methode zu einer würdigeren, wissenschaftlicheren Behandlung dieser Fragen kommen als diesem Non possumus der früheren. Wenn wir eine Beurteilung der Konstitution nach dem heutigen Stande unserer Erkenntnis durchführen wollen, so müssen wir zuerst prüfen : I. Den Habitus, „Konstitutions-Typ", auch „Bluttyp" (type constitutionnell, tipo sanguineo) genannt. Vereinigen wir die Beobachtungen Sigauds und Benekes beim Menschen mit den unserigen beim Pferde, so können wir unterscheiden : 1. Den Typus respiratorius, den Atmungstyp, t3^pe respiratoire, tipo respiratorio, dessen Habitus folgende Charaktere aufweist: Von außen : Auffallend langer Brustkorb , letzte Rippenkrünmiung fast die Darmbeinschaufeln berührend, Bauch auffallend klein, Hals lang, leichter meist gerader Kopf mit starkem Nasenteil, daher hie und da oft konkav in der Mitte (Hechtkopf), relativ schwacher Unterkiefer und geringe Kaumuskulatur. Innerlich : Lungenkapazität auffallend groß, aber im Gewicht kleine Lungen, relativ kleines, aber starkwandiges, schweres Herz, relativ eng, aber weitverzweigte Arterien, reich ausgebildetes Venensystem, kleine Leber und relativ kurzer Dünndarm. Blut entsprechend der Gegend und den anderen bedingenden Einflüssen verhältnismäßig konzentriert, große Zahl der Erythrozyten etwa 8 bis 11 Millionen. Diese Charaktere entsprechen durchaus dem Typus, wie ihn die meisten Renn- oder Schnellpferde repräsentieren. Den auffallend langen Brustkorb als Folge rascher Bewegung, ließ ich schon durch die Arbeiten meiner Schüler Molthoff (1910) und S emmier (1913) feststellen. Auch S. V. Nathusius und seine Schüler stellten ähnliches fest, wenn auch das richtige Brustkorblängenmaß von diesen nicht genommen wurde. Der kleine Bauch ist Erfordernis der Rennkondition. Der lange Hals bei Rennpferden ist gewöhnlich. Nach meinen Messungen ist er im Mittel um ca. 20% länger im Verhältnis zum Kopfe als bei Schrittpferden. Der Der HalMtus. 253 Kopf ist meist gerade oder konkav im Profil. Weil sie weniger fressen ist auch Unterkiefer und Kaumuskulatur weniger ausgebildet. Die Lungenkapazität ist im Verhältnis zum Körpergewichte auffallend groß. Nach Molthoff war die absolute Zahl der Lungenkapazität der Schnellpferde kleiner als die der Schrittpferde, nämlich 44,8 1 im Mittel gegen 53,6 1 für Schrittpferde. Der tüchtige Max Müller findet bei seinen zeitlich späteren und in der Methode etwas weniger zuverlässigen Bestimmungen das gleiche A^erhältnis 38,2 zu 41,5 1. Berechnet man aber die Kapazität in ihrem Verhältnis zum Lebend- gewicht des Pferdes, so zeigt sie sich in allen Fällen bei den Lauf- pferden größer. Die Lunge selbst ist relativ klein bei den Schnellpferden, was aus den angeführten Arbeiten hervorgeht. Schon Müller glaubte deshalb schließen zu dürfen , daß die Lunge der Schnellpferde ein viel feineres Alveolargewebe mit großer Elastizität besitzen müsse. Die absolute Grröße des Herzens ist ebenfalls relativ gering, aber auch hier im Verhältnis zum Lebendgewicht des Pferdes diejenige der Schnellpferde über die der Schrittpferde weit überwiegend. Ausnahms- weise kommen bei Rennpferden auch absolut große Herzgewichte vor; doch sind dies meist Kompensationserscheinungen bei Fehlern der Herz- klappen oder der Aorta. Nach Charles Vial de St. Bei wog das Herz des Hengstes Eclipse 7 kg; falls ein organischer Fehler existierte, war er jedenfalls glänzend kompensiert, denn sonst wiegt das Herz eines Rennpferdes selten über 4 kg. Nach den Untersuchungen von Lützow (1908) trafen auf 100 kg Lebendgewicht bei mageren ostpreußischen Stuten . bei fetten „ „ bei mageren belgischen Stuten . bei fetten ,, „ . . bei frühkastrierten Wallachen mittelschweren Schlages bei spätkastrierten Wallachen Nach Max Müller für Laufpferde im Mittel . . 810 g Herz pro 100 kg für Schrittpferde 707 g „ ., „ „ Die Maximalkapazität des Herzens betrug pro 100 kg Lebendgewicht 0,93 1 für Schnellpferde 0,78 1 für Schrittpferde. 731g Her zmuskel 656 g n 559 g n 555 g n 515 g ^1 582 ff 254 -Piß Koiistitutiun dc'j< Pferdes. Kleine Leber und kürzerer Darm hängen natürlich mit der Ernährung zusammen. Hier hat in der Tat wiederum absolut das Schnellpferd die kleinere Leber. Die Mittelgewichte, welche Max Müller ermittelte, betrugen für Laufpferde . . 4,89 kg für Schrittpferde . G,48 kg Doch wurde das Verhältnis in der Beziehung zum Körpergewicht um- gekehrt und hatten Laufpferdel , 18 kgLebergewicht undSchrittpferdel,05kg. Doch ist bei fetten Tieren die Leber immer schwerer, als l)ei mageren. Selbstverständlich wird die Darm länge geringer bei Pferden, die mit weniger aber hochkonzentrierter Nahrung gefüttert werden. Versuche hiei-über, die B ab äk bei Froschlarven vornahm, zeigten, daß der Darm der mit Fleisch gefütterten Tiere ganz kurz und dick geworden war mit stark verdickten "Wänden, während die pflanzenfressenden Larven einen 2 — 3 mal dünneren aber viel längeren zu einem Knäuel aufgewundenen Darm hatten. Auch Weiß und H o u s s a y stellten bei Enten eine Verkürzung des Darmes durch Fleischnahrung im Gregeusatz zur Pflanzennahrung fest und Rudolf und Revillard bestätigten dies für Hunde. Einzig Schepelmann (1906/07 ) fand bei Gränsen wegen eines in der Verwendung extrahierten, schwerer verdaulichen Fleischmehles gegenüber reinen Gretreidekörnern das negative Resultat eines kürzeren Darmes bei den Körnerfressern. Dies ist nun erst recht interessant, weil es bestätigt, daß nicht der chemische Gehalt an Proteinen allein, sondern deren Leichtverdaulichkeit und gute Vergesellschaftung mit Kohlenhydraten diese Anpassungserscheinuugen der Därme hervorruft. Die mittlere Darmlänge beim Pferde wird von Schmaltz (1919, 399) auf etwa 27 m angegeben mit einem Fassungsvermögen von 150 1. Über die großen Unterschiede in der Blutdichte und dessen spe- zifischem Gewichte, und der bei Laufpferden ebenfalls vermehrten Ery- throzytenzahl habe ich im einleitenden Kapitel eingehend gesprochen. Ich verweise zur Vermeidung von Wiederholungen darauf. 2. Der Typus digestivus. Preß- oder Masttyp, type digestiv, tipo digestivo, ist der Gegensatz des Eespirationstypes. Er ist nach den S ig au d sehen Angaben charakterisiert durch einen breiten, aber sehr kurzen Brustkorb, weite Planken und Bauchfläche, der Bauch meist gerundet. Neigung zu Pettansatz. Kurzer Hals und kräftig, weil auch der Kopf mit massigem schweren Unterkiefer, weit- stehenden Ästen und starker Kaumuskulatur versehen ist. Funktionell ist Herztätigkeit und Lungenkapazität geringer. Nach Benekes Wägungen (1878) ist auch das Herz absolut schwerer und größer aber nicht relativ ; ein weites Kaliber des Gefäßnetzes aber geringere Verzweigung, relativ kleine aber schwere Lungen, große Leber und langer Dünndarm. Diese Formen treffen wieder typisch auf die Form unserer Schritt- pferde zu, wie aus der vorgehenden Gegenüberstellung sehr klar ersicht- lich ist. Der Habitus. 255 Die Halbblutpferde werden meist das Mittel zwischen diesen beiden großen konstitutionellen Grundtypen je nach ihrem Hinneigen mehr zu dieser oder mehr zu jener Form. Aber auch die beiden weiteren Typen, die Sigaud und seine Schüler noch unterscheiden : 3. Typus cerebralis, den Nerventyp, type cerebrale, tipo cerebrale, 4. T y p u s m u s c u 1 a r i s , den Muskeltpy, type musculaire, tipo musculare, finden wir in entsprechender Variation bei unseren Pferden vertreten. Ich möchte dabei aber betonen, daß dieselben nicht rein auftreten, da jedes Pferd eben einem der vorigen Typen angepaßt sein muß, weil es entweder ein Laufpferd oder ein Schrittpferd ist. Der eine ist durch den breiteren Schädel, die hohe Stirne und relativ kleinen Körper mit schlanken Gliedern ausgezeichnet, der andere aber durch seine üppigen Muskelmassen, die beim Pferde mit einer mehr digestiven Form verbunden sind, als dies beim Menschen der Fall ist. Allgemein lassen sich unsere Pferderassen wohl ganz gut so ein- ordnen, wenn wir die Araber- und Berberpferde als Vertreter des Typus respirato-cerebralis, des vereinigten Respirations- und Nerventypus, be- trachten, den englischen Vollblüter wie auch den englischen Shire als die Form des Typus muscularis der beiden grundlegenden Typen des T. respiratorius und T. digestivus. Es ist dabei klar, daß alle diese Haupthabitusformen auch ihre spezifischen Organeigenschaften haben und sich der gefährliche locus minoris resistentiae, der schwächste Punkt der konstitutiven Mischung, der zukünftige Ansatzpunkt der Krankheit oder Anomalie dort bilden wird, wo infolge des Gebrauches ein Organ, das eigentlich für einen anderen Typus geschaffen und so vererbt wurde, sich als zu schwach er- weist und nun überanstrengt und ohne rechte Anpassungsfähigkeit ge- mindert leistungsfähig wird. Es dürfte auch hier der Ort sein, auf die konstitutionelle Bedeutung der Körpergröße eines Pferdes hinzuweisen. Schon vor dem Kriege und namentlich während demselben hat es sich gezeigt, daß die kleinen Pferde bei schlechter Nahrung besser in normalem Habitus und Kondition er- halten werden konnten als große. Nicolas und Descazeaux (1911) hatten aber schon 1911 festgestellt, daß selbst bei einer einheitlichen Friedens- Armeeration die kleinen Pferde immer besser fahren als die großen und die für diese ungenügende Nahrung deren Folge die Magerkeit des Tieres nach Ingueneaus Untersuchungen mit der Entstehung von Herzfehlern im direkten Zusammenhange stehe. Es kann sich für uns hier nicht um ein Verfolgen der pathologisch- klinischen Seite dieser Frage handeln, wir wollen im Gegenteil noch hören, daß auch schon Pinter glaubte, aus den äußeren Körperformen 256 I^'C KdiLstitutiou des Pferdes. auf die Konstitution der Pferde schließen zu können, indem er die Hals- form derselben als (hnindlage nahm \md nun Pferde mit Hirschhals als hart und ausdauernd und niäßi^i^ in Futter- und Getränkaufnahme, Pferde mit Schweinshals aber als kalte weiche l^ferde, die viel feuchtes und grobes Flitter brauchen und Pferde mit Schwanenhals als das gerade Mittel und von der „rechten Complexion" bezeichnet. Auch Goubaux und Barrier (1884, 480) bauen diese Methode aus, und betonen, daß die äußere Form den „fond" verrate. Sie mustern das Tier aber mehr im einzelnen, suchen kompakte, feste Muskeln, schönen Schnitt des Rumpfes, tiefe Höhlungen, die nicht mit Bindegewebe ausgefüllt sind. Besonders für das Schrittpferd wünschen sie nicht zu große Dicke und warnen davor, sich hier durch runde, teigige Formen blenden zu lassen. Auch die Brustdimensionen, die Feinheit der Haut, das Nüsternspiel, Ohrenspiel und der Blick müssen zu dem definitiven Urteil mithelfen. Das Prinzip, das sie hier verfolgen, ist ja ohne Zweifel das richtige, nämlich das Studium des Tieres in seinem Bau und in seinen Funktionen mit alleiniger Rücksicht auf die Konstitution. Zerlegen wir die hier zu beachtenden Dinge, dann können wir sagen : a) Die Gesamtform des Pferdes kann uns konstitutionell nur deren Zugehörigkeit zu einer der beiden vorigen Gruppen, Schnell- oder Schrittpferd, geben. Die weitere Beurteilung hat deshalb innerhalb der- selben zu erfolgen. Es ist nun klar, was auch Goubaux und Barrier andeuten, daß es viel richtiger ist, wenn man ein gut konstituiertes Pferd wählen will, eines zu nehmen, das die Konstitutionsraerkmale des betreffenden Typus nicht in der extremsten Form aufweist. b) Die Beurteilung im einzelnen wird in den Körperformen auf folgendes zu achten haben : Hier muß die Frage des sog. Blutes und Adels erörtert werden, das oft so eine geheimnisvolle Stellung einzunehmen pflegt, imd aufs merkwürdigste definiert worden ist. Grayot be.oTüßt, daß der Ausdruck „Blut" (sano) nun denjenigen des „Adels" beim Pferde ersetze, der früher gebraucht wurde, denn Blut lasse sich nicht erwerben und seine Beschaffenheit sei ein Grundjjrinzip von Anfang an. Die ijhysiologische Blut- qualität sei alles, Magne sagte dann, daß im Gegenteil das Blut als direktes Produkt der Nahrung und der Luft zu betrachten sei und sich in den Körperformen des Tieres äußere;- das physiologische Blut sei hier ganz gleichgültig. Goubaux und Barrier weisen Magne zurecht, indem sie bemerken, daß auf alle Fälle das Blut der Vermittler der Formvariation sein mußte, wenn diese durch die Lebensbedingungen des Pferdes zustande gekommen sind, aber daß es sich in der Tat l)ei der Beurteilung des Blutgrades hauptsächlich nur um äußere Merkmale handeln könne, die in schlankem, hohem "Wuchs, langen schlanken Gliedern mit deutlich sichtbaren Knochenkanten, trockenem leichtem Kopf, Ijreiter Stirn, beweglichem Ohren- und Nüsternspiel, ausdrucks- vollen Augen , langem geradem Hals, hohem Widerrist, kurzem Rücken und Jjende, Der Habitus. 257 schräger Schulter, g-erader, langer Kruppe, feiner Haut usw. typisch charakterisiert seien. Sie führen, wie ersichtlich, in dieser Beschreibung das äußere Bild eines englischen Vollblutpferdes des Typus respiratorius-muscularis vor. Bouley (ca. 1845, 190) ist wieder im Cxegenteil der Meinung, daß Blut etwas Geistiges ist, indem er sagt, es existiere ein Motor, ein Nervenstrom, der zur Tätigkeit treibt, der nach den Individuen nach Intensität variiert und oft in der dofektuösesten Maschine die unerwartetsten Effekte hervorrufe. Es scheine daher das „Blut" wirklich nur in der Konstitution zu beruhen , im äußeren Erscheinungstyp (Habitus), in der Funktion der inneren Organe (Komplexion) und der direkt mit der Maschine in Ver})indung stehenden sensorischen und psycho- sensorischen Nervenzentren. Erst in neuester Zeit ist es mir gelungen, den in Kap. 1 besprochenen Nachweis zn erbringen, daß das Blut und seine Zusammensetzung, be- sonders sein Wassergehalt, die Ursache der verschiedenen Körperformen des Pferdes ist. Zum Erkennen des Blutes aus dem äußeren Habitus habe ich seiner- zeit durch Frank (1910, 55) eine Methode ausarbeiten lassen deren Grundlage folgende Beobachtung ist: Ich hatte schon seit Jahrzehnten beobachtet, daß die Ohrlänge echter Wüsten- araber oder Berberpferde gleich wie anderer Wüsteutiere im Mittelwerte immer größer ist, als die anderen Landschaften entstammenden. Cossar Ewart (1907/08) hat nun unbewußt die durch diese Tatsache bedingte Schädelvariation der orientalischen und nordischen Pferdetypen als Cirundlage für deren kraniologischen Eundamentalunterschied lienutzt. Ich habe die AVirkung des an sich ja geringen Grewichtes längerer Ohren auf den Schädel und die Vererbung dieser so bedingten Form beim Esel genau studiert und publiziert (1909, 404/11). Diese Eigenschaft läßt sich ebenfalls als ein nicht absolut zuverlässiges aber doch in mehr als 50 "/o aller Fälle zutreffendes Merkmal benutzen, um den Blutgrad eines Pferdes einigermaßen zu fixieren, wie auch Malicke (1910, 15) bestätigt. Jedenfalls ergänzt es die Musterung nach den erwähnten Formen des englisch- orientalischen A^oUblutmodells aufs erfreulichste, indem dadurch ermöglicht wird, zahlen- mäßige Vergleiche zu ziehen. Natürlich spielt hier der Ausfall spaltender und mendelnder Vererbung dieser alten Merkmale bei den Halbblutpferden eine abschwächende Eolle , sowie auch die Größe der Ohren im jeweiligen individuellen Falle. Denn daß deren Größe auf einen jeden Schädel einen ganz geringen individuellen Einfluß haben muß, ergibt sich aus meinen experimentellen Untersuchungen über die Morphogenie des Schädels der Cavi- cornia (1903) und den mechanischen Gesetzen der Schädelbüdung (1903). Daß aber dieser individuelle Einfluß nicht ausschlaggebend ist für die Schädelform, beweist die Tatsache, daß Maultiere die Schädelform der Mutter, gewöhnlich einer schweren Stute, mit der intermediären Ohrlänge des Vaters verbinden und in diesem Index zu der GruiJjje der Mutter rangieren. Die Messung wird folgendermaßen ausgeführt: Legt man durch den am lebenden Pferde leicht fühlbaren, hintersten (aboralsten) Teil des Jochbeinfortsatzes des Schläfenbeines eine Linie an zum dorsomedialen Augen- winkel (Franksche Horizontale) und fällt von diesem Punkte eine Vertikale zu dieser Linie, so schneidet dieselbe die Jochleiste. Der Schnittpunkt liegt bald weiter maul- wärts, bald weiter scheitelwärts , und wenn man nun mittelst eines Zentimetermaßes vom vordersten, maulwäl-ts gelegenen Punkte der Jochleiste, dem Nullpunkt der Messung, Du erst, Die Beurteilung des Pferdes. 17 258 ^'i'" Konstitution des i'foides. länfj's diesoi- zum markierton Schnittpunkte mißt, so erhält uuiii eine Zx ergal)en folgende iMittelzalilen : Esel +1;^ *^'iii Haekney . . . 4,5 bis — 5,0 cm Araber und \ Amerikaner . . 4,5 bis — 5,5 cm Berber, Türken [ . . 0 bis — 1,5 cm Xorddeutsche . . . 4 l)is — 5,2 cm Ungarn ) Mittelwert . . 4,3 + 0,02548 cm Angio-Araber — 2,0 cm Freiberger ... — 5 cm Englisch Vollblut .... — 2,0 cm Pinzgauer . . . 3,5 bis — 5,5 cm Hnnter 3,5 bis — 4 cm Russen • — 5,0 cm Irländer .... 2,8 bis — 8,5 cm Dänen • — 5,5 cm Mittelwert . . . 3,172 + 0,0687 cm Belgier 7 bis — 9 cm Anglo-Normänner . 3,6 bis — 4,8 cm Shire 8 bis — 10 cm Camarguer Wüdpferd 3,6 bis — 4,8 cm Maultiere . . . . 4 l)is — 5,5 cm Ponys sollen sich nacliMalicke wie Esel verhalten, doch kann ich dies nicht für sicher bestätigen, da ich bisher wohl zu wenig Exemj^lare reiner Rasse daraufhin prüfen konnte; meine Indizes stimmten nicht mit diesen Angaben überein. Die Ermittlung dieses'Maßes ist sehr leicht ; außer einem Zentimetermaß braucht es nur eine Postkarte oder ein größeres Kartonldatt oder Buch passender Grröße, um mittelst des rechten Winkels die Senkrechte vom Auge abwärts zu fällen. Am ge- nauesten geht es natürlich unter Verwendung meines Hippogoniometers oder irgend eines anderen Winkelmeßapparates. Eine Kontrolle der Richtigkeit dieses Maßes wird durch die Abnahme des Gresicht sk r ü m m un gsin d ex gegeben, wie ich das Maß nannte, das die Winkel- größe angibt, die zwischen der üljer den Oberaugenhöhlenpunkt hinaus verlängerten Horizontalen und der Verbindungslinie dieses Punktes mit dem Grnathion (d. h. dem Schnittpunkte der Sagittalebene des Schädels mit dem Alveolarrande der Schneidezähne des Oberkiefers) entsteht. Während das erstere Maß einen zahlenmäßigen Ausdruck für die Knickung ab- gibt, die zwischen dem Hirnschädel und dem Gresichtsschädel eines Pferdes existiert, zeigt dieses Maß nur die Krümmung des Gesichtsteiles unter die Horizontalachse des Schädels an. Es ergaben sich uns zu Einteilungszwecken folgende Mittelmaße dieses Winkels : Esel 18—25 Grad Anglo-Araber Bastarde 'J Araber 20 .. Arier und Tral)er j Vollblut 30 .. Anglo-Xormänner . . 40 .. Anglo-Araber .... 30 ,. Xorddeutsche . . 24 — 35 Reine Camarguer . . 32 .. Irländer 45 .. Die Muskeln. T a n d 1 e r betrachtet neuerdings den Muskeltonus (die Muskelspannung) als Maß der Konstitution, wie es schon von den mittelalterlichen Autoren empfohlen wurde, die Härte der Muskeln zu befühlen. Er unterscheidet hypertonisch, normaltonisch und hypotonisch. Wichtig ist dann aber besonders die histologische Beschaffenheit dieser Gebilde. Versuche einer derartigen Beurteilung existieren schon. Von der Der Habitus. 259 Malsburg (1911) erklärt als Ideal große Tiere mit kleinen Zellen. Ich ließ aber durch Maurer (1917) nachweisen, daß die Malsburgschen Zahlen nicht zutreffend sind, wenn man größere Mengen von Individuen einer Rasse untersucht und die individuellen Schwankungen der Zellen- größe von Muskeln ganz von der Art und der Dauer ihrer Benutzung abhängt. Zudem wäre diese bioptische Untersuchung von Muskeln jedes zu beurteilenden Tieres praktisch gar nicht durchführbar. Man wird sich daher in einfacherer Weise zu helfen suchen. Ich prüfe zunächst immer die H a a r f a r b e. In bezug auf die Haarfarbe können wir nach den früheren Ausführungen nunmehr bestätigen, daß die alten Hippologen den Zusammenhang der Haarfarbe mit der Kon- stitution bis zu einem gewissen Grade richtig erfaßt hatten. Es sei hier kurz aufmerksam gemacht, daß eine normale Farbe der Haare jederzeit das Zeichen einer vollkommen ungestörten Hauttätigkeit sein wird, doch nicht unbedingt dasjenige einer starken Konstitution. Im allgemeinen aber wird man bezüglich der Farben sagen können, daß vom rein kon- stitutionellen Standpunkte aus die braune und die Fuchsfarbe die günstigsten sind, und unter diesen die dunkleren Farbtöne. Es schadet durchaus nichts, wenn die Haut durch die starke Melaninproduktion neben einer ebenso reichen roten Färbung ihre Reaktionsfähigkeit auf Traumen dokumentiert. Daher gehören die dunkelbraunen Pferde über- haupt zu den konstitutionell widerstandsfähigsten. Jeannert und Messer li sagen generell sehr zutreffend, daß das Pigment das wert- vollste Zeugnis der allgemeinen Widerstandskraft des Organismus sei. Allerdings ist nach unseren theoretischen Pigmentforschungen das Rapp- haar nur dann als gut anzusprechen, wenn es rote Farbtöne an schwächer melanistischen Stellen des Körpers feststellen läßt, sonst ist die Konstitution der Haut schwächer als die eines mittleren Braunen, weil der Melanismus hier zu stark, fast pathologisch wird. Auch die Spiegelung kann als eine Verbesserung der vorhandenen Pigmentbildungsfähigkeit gedeutet werden. AVir hörten, daß der Alkalitätsgrad des Blutes bei dunklen Tieren meist erhöht ist. Die hohe Alkaleszenz des Blutes muß aber allgemein als der Hauptfaktor der AViderstandskraft des tierischen Körpers eingeschätzt werden. Doch zeigten neueste Beobachtungen am Blute mehrerer Rappen, daß bei solchen, die aus helleren Clrundfarben hervorgegangen sind, auch der Alkalitätsgrad entsprechend geringer ist, wie wir dies bei den Pig- mentstudien und Spektrogrammen für die schwarzen Stiefel von Licht- braunen sahen. Isabellen und Falbe sind beide etwas weichlicher in der Haut und wohl auch in der Konstitution, da hier eine Hautfunktionshemmung vor- 2(30 Die Kon.stitution des ri'erdcs. handen ist. Falbe sind auf alle Fälle noch widerstandsfähiger als Isa- bellen. Beim Mensehen nnd den ilbrif^en 11 anstieren ist es ja ähnlich^ blonde Menschen pflegen mehr der Tuberkulose nnd aneh der Zahn- karies zu miterliegen, als dunkelpigmentierte. Falbvieh ist ebenfalls leich- ter tuberkulös als dnnkelrotes oder braunes (Guerin) und ist viel em- pfindlicher in der Akklimatisation (I) ech ambre 1913, III, 342). Schimmel sind immer etwas weniger konstitutionell kräftig, als die Farbe, aus der sie hervorgegangen sind. Am besten dürfen Dunkelrot- nnd. Dunkelbraunschimmel sein, weniger Rajtpsehimmel und am wenig- sten Falb- und Isabellschimmel. Kohlrappschimmel leiden im Alter ge- wöhnlich an melanotischen Hautgeschwülsten oder internen Tumoren. Schecken nnd Pferde mit sehr großen weißen Abzeichen sind um so schwächer, je größer die Abzeichen sind. Grünwald (1920) gibt an,, daß Scheckpferde wegen zu geringer Widerstandskraft während des Krieges zur Eemontierung in Rußland verboten wurden. Die Schwächung der Haut läßt sich sodann an Haarm essungen verfolgen. Je dicker und länger die weißen Haare von Abzeichen gegen- über den farbigen der anstoßenden Stellen sind, desto schlechter steht es mit der Konstitution, Dasselbe gilt auch für das helle Hufhorn, das. immer empfindlicher als pigmentiertes ist. Sodann beurteile ich die Haarlängen und Stärken gleichzeitig mit der Qualität der Haarwirbel. Hier rekapituliere ich früher Ge- sagtes kurz : a) Kreiswirbel deuten immer auf eine etwas bessere Hautinnervation hin als einfache Wirbel. Je besser die Haarwirbelbildung ausgeprägt ist, desto feiner ist die Haut und desto energischer erfolgte der Muskelzug der den Wirbel verursachenden Muskeln. Also ein Zeichen für eine gute Funktion der Muskelelemente, nnd gute Zirkulation im Körper. (Feinere Haut.) Eine andere Hautprüfung in bezug auf Dicke geht nicht gut und erfolgreich. b) Es wird geprüft, ob die Haare längs der Wirbelsäule bedeutend kürzer sind als die auf den Muskeln stehenden. Wenn ja, ist es ein gutes Zeichen für die Reaktionsfähigkeit der Haut bei jeder Beschaffen- heit derselben. Sodann beurteile ich die Brust nnd zwar könnte dies genau durch Abnahme des Längenmaßes vom Bug bis hinter die letzte Rippenkrüm- niung geschehen und des Brustumfanges, aber für eine rasche Beurtei- lung genügt schon ein Messen oder Schätzen der Distanz von der letzten Rippe bis an den Yorderrand des äußeren Darmbeinhöckers. Man beachte, daß diese Dimension bei Wallachen und Hengsten viel geringer sein muß, als bei Stuten, namentlich bei solchen, die getragen haben, nnd am kürzesten sein muß bei Vertretern des Respirationstypes. Je kürzer Die Koiiiplexioii. 261 dieses Maß, je länger also der Brustkorb am Eunipf beteiligt ist, desto mehr Gewähr für gute Lungen- und Herzkapazität. Hierauf beurteile ich die Sehnen und Muskeln und zwar in ■einfacher Weise durch P a 1 p a t i o n. Danach besehe ich die Hufe. Dies leitet über zum nächsten Teile der Konstitutionsprüfung, die der physiologischen Tätigkeit der Organe gewidmet ist. II. Die Komplexion. Ganz zu scheiden war die Komplexion oder physiologische Tätig- keit der Organe ja nicht von der anatomischen Beschaffenheit der Kör- perteile. Auch die alten Autoren benützten bie schon. Pin t er sagt, daß man zur Be- urteihuig der Komplexioii eines Pferdes, zuerst den Schweif heben müsse, um die Kraft zu prüfen, die das Tier im "Widerstand entgegensetzt. Dann reite man auf eine Anhöhe. Tiere, die vorne schonen und nicht gerade, sondern schräg abwärts gehen, seien schwach in der Vorhand. Die gerade so heruntergehen, wie auf el)ener Straße, seien sehr kräftig am ganzen Körper. Sodann iasse man das Pferd einen Renngalopp nuichen und prüfe hierauf das Flankenschlagen. Ist dasselbe nicht geschwinde und rasch aufhörend, dann sei das Pferd dauerhaft. Pferde, die bei kaltem "Wetter und geringer Leistung gleich anfangs schwitzen, der Schweiß aber rasch eintrocknet, seien ebenfalls gut und dauerhaft aber Tiitzige Tiere, Schwitzen sie bei warmem "Wetter luid trocknet der Schweiß nicht, so seien sie weich und untüchtig. Das sind durchaus gute Regeln Pinters; nur ist natürlich nicht zu vergessen, was „Übung macht". Bei einer ungewohnten Arbeit kann auch das beste Pferd in Schweiß geraten. Ich habe dies bei einem edlen, willigen Blutpferd kontrolliert, das ich der Prüfung halber mit zwei Ackergäulen vor einen Pflug spannte. Zuerst ganz verblüfft und erregt, wollte es ihn allein ziehen und war in wenigen Minuten bachnaß, während es gleich nachher eine Stunde Jagdgalopp ging, ohne Schweißentwick- lung. Es kommt also immer darauf an, eine Leistung zu verlangen, an die das Pferd angepaßt ist. Zu der Komplexionsbeurteilung gehört imbedingt die im I. Kapitel aufs eingehendste besprochene neue Methode der Blutuntersuchung auf Trockensubstanz, sowie die auf S. 196 besprochene Methode der Alkalitäts- bestimmung des Blutes. Man könnte ja eventuell auch schon mit der spezitischen Grewichtsbestimmung des Blutes auskommen, doch werden bei derselben die ,.relativen" Unterschiede, auf die es hier ankommt, nicht so fein zu eruieren sein, wie mit der gewichtsanalytischen Methode. Wer aber die spezifische Ofewichtsbestimmung durchführen will, für den ist das Hämodensimeter von Bonn a r d empfehlenswert , das aus einem zweiteiligen Aerometer mit Graduation des oV)eren Teiles besteht, während der untere Teil direkt mit einer kleinen Menge von 8 — 9 ccm Blut beschickt wird, bis ein konvexer Menis- 2(32 i^io Konstitntion des IM'enles. Uns p-i>l)il(U>t ist. iiiul die licidcn Aeroinctci'liilll'tcn ^('iiim iiid'ciuaudor jicsct/t wcrdi'ii. Hicnuif liilU m', kd)]uifte Südläiuk'r und z y t e n z a h 1 und die höhere Dichtigkeit ist maßgebend. Lebhafteres Temperament scheint stets mit höherem Häniogiobingehalt und;Dichtigkeit verbunden zu sein; so schreil)t Bonnard (1919), daß er bei 73 schweren Zugpferden fast konstant 50 7o Häniogiobingehalt nach Sahli antraf, bei Pferden mit mehr Temperament dagegen fast immer 06 ^j^ und zwar derart konstant, daß er nach 35 Mes- sungen gleichen Kesultates diese Kontrolle einstellte. Da Avir aber im Kapitel der Färbungen hörten, dass auch diese mit der Beschaffenheit und dem Alkaligehalt des Blutes in Zusammenhang stehen, so ist es klar, daß somit zwischen T e in per a m e n t und Farbe wirklich einige Korrelation bestehen kann, wie solche seit altersher an- gedeutet und neuerdings wieder von Robertson (1909, 1910) und Bunso w (1910) behauptet wurde. Endlich kann das Temperament auch durch die Fütterung nervenanregender Stoffe beeinflußt werden. Zunächst wirkt ja schon jede Trockenfütterung bluteindickend und als solche etwas nervenreizend, während Verfütterung von sehr wasserreichen Futtermitteln die entgegengesetzte Wirkung hat infolge der Blutverdünnung. Sodann kann das Futter Nervina oder nervenreizende jMittel in kleinen Mengen enthalten, wie z. B. der Hafer in Form der Vitamine oder des Avenins. Daß Hafer im Oriente keine A'erwendung findet und durch Gerste ersetzt wird, ist bekannt, aber über vergleichende A^ersuche berichtete mir mein früherer Schüler Charalambopoulos , die ergaben, daß der Hafer bei längerer Verabreichung in nährenden Mengen die Pferde derart nervös machte, daß ein Ersatz durch Gerste oder Mais geraten erschien, um sie wieder verwenden zu können. Das Teiiipei'ament und der Charakter des Pferdes. 267 Endlich ist in sfullichen Gegenden m. E. nacli aucli des menscliliclien Einflnsses l)ei der Ansltildnng von Temperament nnd Charakter zn gedenken. Ich l)in in der Lage, iiLcr eigene Beobachtungen von den Mittelmeerküsten zu verfügen, die mir zeigten, daß nach einigen Jahren aus dem Xorden importierte Pferde, namentlich aber deren Nachkommen, nicht nur infolge des Klimas lebhafter, sondern sicher auch durch den A^er- kehr mit den viel lebhafteren , gestikulierenden , lärmenderen Menschen aufgeregt und hitzig werden. Über die Einteilung der Temperamente hat schon v. Hochstetter (1823) sich eingehend geäußert, indem er die Pferde in hitzige oder feurige, ruhige oder gelassene, träge, furchtsame oder schüchterne, unempfindliche oder gefühllose und endlich jähzornige einteilt* Es ist hiebei der affektive Teil des Temperamentes stark betont. Born und Möller Avollen nur ruhige und lebhafte Temperamente nennen. Cloubaux und Barrier führen neben den von anderen Autoren wie auch beim Menschen trivial gebräuchlichen Bezeichnungen aufbrausend, hitzig, lebhaft, ruhig, kühl, kalt, träge, stumpf, noch die Ausdrücke „feurig und reizbar" ein. V. Maday gruppiert die beiden von ihm unterschiedenen Eaktoren Temperament und Naturell zu folgenden vier Möglichkeiten : 1. lebhaft und friedlich, 3. ruhig und friedlich, 2. lebhaft und kämpferisch, 4. ruhig und kämpferisch. Sicherlich wird das ruhige und friedliche Pferd das beste Clebrauchs- pferd sein. Durch Vallon (1863, 457, Bd. I) wird auch das „reizbare" Pferd beschrieben, wobei dieser Autor^den konstitutiven Faktor des Tempe- ramentes stark zum Ausdruck bringt, indem er die „eckigen Körperformen, schwache, aber scharf getrennte Muskeln" erwähnt und meint, daß es beim „Aus-dem-Stalle-treten" Feuer und Flamme sei, aber in kurzer Zeit ermüdet und unbrauchbar zusammenklappe. M. E. zeigt dies gerade, wie sehr Komplexion, Habitus, Gesundheit und Ernährung von fimdamentalstem Einflüsse auf die Psyche des Pferdes sind. Bewiesen wird dies ja schon unbedingt dadurch, daß schwere Krankheiten, Alterserscheinungen, Ver- änderungen der inneren sekretorischen Drüsentätigkeit, Kastration, aber auch sch(jn die normale Geschlechtsverschiedenheit Temperament und Charakter ungemein beeinflussen können. Anderseits wird eine ruhige sanfte Pflege von Jugend auf schlechte Temperamentanlagen günstig beeinflussen, und ebenso kann eine vernünftige oder unvernünftige Behandlung bei der Dressur tief einwirkende Erfolge zeitigen, namentlich den Charakter des Pferdes beeinflussen, wenngleich nach meinen Erfahrungen die Vererbung die Eigenschaften von Psyche und Nerven der Elterntiere gerne wiederkehren läßt. 268 ^'"" lii'iii-triliin,^- (los 8celcnlel)ens mui der Intelli^cii/, des L'icrdes. '^^nn wird also iiacli meiiuT vornvlicndcn l>('traclitun<>^ das ei«-ent]iche Teiii])cranu'nt richtig- nur in ein leb li a i'ti's (\if, vivace) und ein ruhio-es (tran(iuille , tran(|nill(i) einteilen können, nni die «^■ebräuchlichen Namen beizubehalten. Alle weiteren Zusätze sind nicht mehr Temperament, sondern höhere psyehisehe Het>'unf2^en, auf die wir g"anz kurz unter dem Titel „das Seelen- leben des Pferdes" eintreten wollen. Temperament ist tatsä(dilich nichts weiter als die G-eschwindigkeit der Keizleitunti,- durch die Nervenbahnen, die schneller oder langsamer oder, Avie wir sagten, lebhafter oder ruhiger in allen Abstufungen sein kann und angeregt Averden kann durch alle vorerwähnten Faktoren. Unbedingt ist dann aber der Ausdruck „fr(jmmes" Temperament als unpassend zu streichen, da er auf völliger Unkenntnis der Tatsachen beruht. E. Zur Beurteilung des Seelenlebens und der Intelligenz des Pferdes. Die mittelalterlichen Werke über Beurteilungslehre des Pferdes ent- halten sehr große Kapitel über dieses Thema, ja in manchen Werken steht fast mehr über 'die Äußerungen der Psyche des Pferdes, als über die Körperbeurteilung. Viel neues gegenüber den alten Zeiten ist hier nicht ermittelt w^or- den, weil man sich in ihnen, bei einer Aveit größeren Abhängigkeit A'om Pferde und weit Aveniger schnell eilendem Zeitalter, genug Muße nahm, jede Eegung des Pferdes zu erkennen und zu studieren; wie sich z. B. P int er erstaunt, daß Schulpferde Kommandos in spanischer, italieni- scher, französischer, englischer und deutscher Sprache zu verstehen ver- mögen, während der Mensch die Sprache der Pferde noch nicht einmal immer A^erstehen könne. Eine hohe Intelligenz ist für die Anforderung, die Avir dem Pferde stellen, wie für sein Leben in verwildertem und ursprünglichen Avildem Zustande überhaupt nicht notwendig. An die geistigen Fähigkeiten des Pferdes im Kampfe ums Dasein macht im allgemeinen der Beduine Nordafrikas und Arabiens weit höhere Ansprüche, als die Großzahl der Züchter und Pferdehalter in Kulturstaaten. Sehen Avir in Fortsetzung unserer Betrachtung über die Temperamente die komplizierteren Regungen der Psyche an, die sich auf die einfachen Psychismen stützen, so müssen wir zuerst von der Erfassung sinnlicher Wahrnehmungen und deren A-^erarbeitung zu Begriffen und Yorstellungen im Pferdehirn reden. Die Entstehung eines Begriffes und einer Yorstel- Zur Beurteilung- des Seelenlebens luid der Intellij^enz des Pferdes. 269 limg besteht ans einer ganzen Eeihe von Einzelkomponenten, wie sinn- liche Walirnehmung dnrcli Gernch, Gefühl, Gesiclit nnd deren Leitung zur Zentrale, verniittidt durcli das Temperament und sodann aus der Begriftsbildung unter gleichzeitiger Auslösung der hier vorhandenen af- fektiven Komponente (Naturell). Die Begriffshildung kann beim Pferde und zahlreichen höheren Haustieren mit gewissen Lauten menschlicher Stimme (Worten) oder Zeichen verknüpft werden, wobei nicht zu ver- gessen ist, daß weder das Pferdeohr noch das Pferdeauge mit dem mensch- lichen ohne weiteres in A^ergleich gesetzt werden darf, da die Fähigkeiten dieser Organe sehr difFerente sind. Die Verknüpfung eines Begriffes mit gewissen Lauten oder Zeichen vermag dann später durch die Gedächtnis- funktion den gleichen Begriff und dann auch Eeaktionen oder Hand- lungen des Tieres hervorzurufen. Die Tatsache, daß aber die Sinnesorgane in der Übermittlung der Eindrücke je nach ihren Fähigkeiten eine große Eolle spielen, erklärt die von Bleuler (191G, 12) in anderer Auslegung erwähnte Tatsache, daß Katzen in der Eegel Personen, die sie im Hause genau kennen, außerhalb desselben als fremd behandeln. Es gilt dies nicht nur für Katzen, sondern auch für Pferde, da auch das Pferdeauge gleich dem Katzenauge über gewisse Distanzen hinaus nur ungenau erkennt und Menschen in ihren näheren Proportionen nicht identifizieren kann, während es manchmal auf sehr große Distanzen durch bestimmte Farbenwahrnehmungen zu falschen Menschen oder Pferden gezogen wird. Ich habe darüber eine große Menge Versuche und Be- obachtungen bei eigenen Tieren auf meinem Gute gemacht und ihnen bald leichtere, bald schwerere Aufgaben vorgelegt. Die Bleu 1er sehe Katzen-Beobachtung trifft wirklich zu, wird aber nach meinen Experi- menten meist anders ausfallen, wenn die Katze früh genug den „Wind" der betreffenden Personen empfangt, deren Geruch ihr wohlbekannt ist. Dann erfolgt die Gedächtnisanregung prompter durch die Nase, während das Auge nicht so imstande zu sein scheint, klare individuelle Unterschiede zwischen Menschen außerhalb der gewohnten Umgebung^ zu machen. Es spielen dabei aber noch andere Faktoren mit, tief im Intellekt der Katze wurzelnd, die an dieser Stelle nicht erörtert werden können. Das Pferd hat aber umgekehrt ein wunderbares Auge, das in näheren Distanzen eine für uns unverständliche Wahrnehmungsfähigkeit besitzt, namentlich für die leisesten Bewegungen. Diese Eigenschaft teilt das Pferd mit dem höheren Wilde unserer Wälder. — Die sinnliche Wahrnehmung kann nun durch Ekphorie (Wiederholung) ersetzt werden. Das ganze logische Denken ist bekanntlich eine Ekphorie von assoziativen Zusammenhängen, die früher direkt erlebt wurden oder indirekt erlernt worden sind. 270 Zur Beurteilung iles Seelenlebens und der Intelligenz des l'ferdes. Die Intelligenz des Tieres beruht nun in erster Linie darauf, das- jenige, was es walirnininit, richtig verstehen zu können, und dann ent- sprechend zu handeln, daß der Effekt dem beabsichtigten Zweck ent- spricht. Alles dieses ist in erster Ijinie abliängig von der Zahl der mög- lichen Assoziationen, denn es ist evident, daß im Mosaik des Denkens um so mehr Ideen und deren Varianten entstehen können, je mehr Bau- steine schon gebildeter Begriffe zur Verfügung stehen (Gedächtnis). Dabei ist es dann wieder eine Folge des Temperamentes und auch des affektiven Faktors des Naturells, ob diese Begriftsbildung rascher oder langsamer vor sich geht. Wir erkennen dies bei den Pferden ja typisch daran, daß sie öfters, wie man trivial zu sagen pflegt, „den Kopf verlieren" und in ihr Verderben rennen können, weil sie trotz rascher Übermittlung der sinnlichen Wahrnehmung nicht imstande sind, ebenso rasch Begriffe zu bilden und nun dem Naturell ohne Hemmung durch Intelligenz den Zügel lassen. Das Denken des Pferdes ist deshalb viel primitiver als dasjenige des Menschen, aber auch ganz anders orientiert, und daher ist es eine absolute Selbsttäuschung, wenn neueste aufsehenerregende Versuche mit Pferden und Hunden nach kurzer Instruktion hoch spezialisierte mensch- liche Denktätigkeit in typischer Schulweisheit zur Erscheinung bringen wollen. Jeder Züchter, Dresseur und Pferdefreund, der lange Jahrzehnte in engster täglicher Berührung mit vielen Pferden gelebt hat, weiß, daß bei einem Pferde das Verständnis für arithmetische Probleme — wie solches behauptet worden ist — - gar nicht existieren kann, und niemals existieren wird. Das Pferd hat in erster Linie seine Gredanken auf die Nahrung und seine gewohnte Leibesbewegung gerichtet, zeigt für die erstere selten, für die zweite öfters die affektiven Eigenschaften der Unlust oder Lust. Als Aveitere Faktoren im Geistesleben des Hauspferdes muß ich eine gewisse Freundschaft anerkennen, obwohl andere Autoren, wie z. B. der be- rühmte Dresseur Fillis diese nur auf „Gewohnheit" zurückführt; aber namentlich das Wohlo-efallen an seinesgleichen oder anderen Tieren kommt unbedingt vor. Diese typische dem Gemütsleben des Pferdes und anderer Equiden hoch anzurechnende Tatsache ist wirklich vorhanden, und hie- mit wird bei Pferdeimporten z. B. aus dem Orient, wo die Pferde mit den Menschen in viel intimeren Beziehungen leben als bei uns, viel zu wenig gerechnet. Ich bin in der Lage, hier einen von vielen Augenzeugen, Kollegen und Schülern zu bestätigenden Fall zu erwähnen. Die von mir schon angeführte, von Tunis importierte ^/Jährige Eselin lud ich auf dem Transporte in Bern aus, weil sie schwerentzündete und tränende Augen hatte (Konjunktivitis). Mein Kollege Xoyer nahm das Tierchen Zur Beuiteilun;^- des Seelenlebens und der IntellijiCDz des Pferdes. 271 in die stationäre Klinik auf und ließ ihr Atropinlösun^- ins Auge träufeln. Nach drei Tagen Behandlung war kein Erfolg zu erzielen, weshalb ich die AYeiterreise auf mein Jjandgut anordnete. Nach einigen Tagen auf dem Gute war alles bei dem kleinen Wildling in Ordnung. Aber wer beschreibt unser Erstaunen, als während der Dressur und bei jedem Sermon mit drohender Stimme, namentlich aber bei Peitschenhieben die Tränendrüsen der Eselin ihre Schleusen öfi'ncten und Tropfen auf Tropfen aus den Augen niederrinnen ließen. Das Ding war so urkomisch, daß ich dieses Faktum vielen Interesseuten vorführen mußte. Da das Tierchen jahrelang auf diese Weise sein Mißfallen zum Ausdruck brachte, so wurde es natürlich leicht, ihm zu Willen zu leben, und war es bald von allen Arbeiten mit Ausnahme des Fressens und etwas Spazierens, was es gerne machte, dispensiert, bis der Kriegsausbruch den kleinen Nichtsnutz zum Tode verurteilte. In diesem Falle erklärte sich die uimnterbrochene Tränenflut während der Reise von Tunis als ein Zeichen tiefster psychischer Depression. Das Pferd kann nun seinen Gremütszustaud nicht in dieser Weise ofl'enbaren, aber namentlich liei dem Trennen von Mutterstuten und Fohlen trefien wir untrügliche Zeichen, daß auch sein Gremütsleben in ähnlicher Weise entwickelt ist. Die Leistungen des Pferdes auf dem Gebiete der Intelligenz sind, wenn gut geleitet, ja für den Laien verblülFend, während für den Dresseur sich im Grund die Sache ganz einfach auf Laute oder Zeichen — die für den Menschen der besonderen Befähigung des Pferdeauges wegen gar nicht beachtbar zu sein brauchen — darstellt, selbst auf leise Geruchs- wahrnehmungen reagiert ein Pferd vorzüglich. Ich habe seit 20 Jahren 8(3 Tiere aller Art, Hühner, Enten, Eaben, Eulen, Marder, Füchse, Hasen, Hunde, Pferde, Esel und selbst Pinder in Dressur genommen und mit Geduld und unendlicher Liebe anfänglich nach meinem Verfahren der Dressur durch Spiel (1906) vieles an ganz erstaunlichen Leistungen er- reicht, aber meine Pferde sind immer Pferde in ihrer Intelligenz, ihrem Verständnis, und in ihrem Gemütsleben geblieben. Für das letztere habe ich keine so hohe Meinung gewonnen, als für das der Hunde. Selbst das des bewußten Eselchens kann diese Meinung nicht zugunsten der Equiden beeinflussen. Ich habe nie ein Pferd gehabt, das eine eigent- liche tiefe Zuneigung zu mir gefaßt hätte, selbst wenn ich es selbst pflegte. Vertrauen ja, aber tiefe Zuneigung, wie sie ein Hund haben kann, nie. Ich verkaufte einen drei Jahre von mir dressierten Hund und besuchte dessen Herrn ein .Jahr nach dem Verkaufe. Der Hund wurde durch meine Ankunft derart aufgeregt, daß ich eine bedeutende Pulsbeschleunigung und eine Temperatursteigerung um 1,3 " C konstatieren konnte. Er lag konstant winselnd und wedelnd vor mir und biß mir in seiner Aufregung ein Loch in ein Paar ganz neue Hosen, da er diese, die er an einer Stelle gefaßt hatte, bei dem eine Stunde währenden Besuche nicht einen Augenblick aus dem Maxile lassen wollte, wohl um mich bei ihm zu halten. Meine Pferde habe ich in gleicher Weise besucht, aber nie ein Zei- chen wahrgenommen, daß irgend . stärkere psychische Vorgänge spielten, die die Blutverteilung oder Herztätigkeit beeinflussen würden, obwohl ich Puls- und Temperaturmessungen anstellte, nachdem diese vor meinem 272 •*io Uenüj^saiiikoit. Eintritte festgestellt worden waren. Hingegen haben mich alle noch nach Jahren wiedererkannt, wie aus der typischen Lippenbewegung und dem Suchen nach dem bewußten Zuckerstück sofort erkenntlicli war. Das Zuckerstück war also in deutlicher Ideenassoziation mit meiner Person und kein höheres Gefühl des Gemütslebens, mir oft tief betrübend und bitter. Auch die zahlreichen interessanten Fälle von verschiedenartiger Psychopathia scxualis beim Pferde, über die ich anderorts später zu be- richten gedenke, sprechen nicht für eine besonders hoch entwickelte Psyche des Pferdes, da ich viel kompliziertere bei japanischen Zwerg- hühnern und Truthühnern meines Geflügelliofes beobachten konnte. Daß aber gute, liebevolle Behandlung beim Pferde festes Vertrauen in den Pfleger zu erwecken und so ein sehr günstiges Verhältnis zwischen Meister und Pferd zu entstehen vermag, kann ich an einem Bei- spiele aus meinem Stalle belegen, wo ein besonders verhätscheltes erst- klassiges Ardennerfohlen im Alter von ^/^ Jahren in eine Sense trat und eine große, klaffende Pleischwunde am Hinterschenkel davongetragen hatte. Es gestattete mir nun, ohne energischere Abwehrversuche als bloßes Zucken, die ganze Wunde zu nähen und zu behandeln, ohne daß es geworfen werden mußte. Die alten Autoren haben namentlich viel vom Mute des Pferdes verlangt und diesen nach den Farben zu beurteilen versucht, worunter sie nicht nur den eigentlichen kriegerischen Mut, sondern namentlich auch die Arbeitsfreudigkeit, den Eifer, verstanden. Die französischen Autoren nannten dies „Herz" Beherztheit, „c'estle coeur qui fait le cheval". Naturgemäß ist, wie wir aus Parallelschlüssen beim Menschen und Hunden ableiten können, eine konstitutionelle Begründung seelischer Eigen- schaften vorhanden, denn weichliche Konstitutionen werden auch gemein- hin einen weniger energischen Charakter aufweisen und so selbst unter guter Anleitung dennoch geringere Arbeitsfreudigkeit. Es kommt hier die Intelligenz und namentlich das Gedächtnis des Pferdes doch stark zur Geltung, indem falsche Behandlung eines willigen Pferdes am An- fange seines Daseins dessen spätere Willigkeit und Arbeitseifer bedeutend zu dämpfen vermag. F. Die Genügsamkeit. Gewöhnlich pflegt in der Beurteilungslehre nicht die Genügsamkeit als eine besondere Tugend eines Pferdes erwähnt zu werden ; der große Krieg hat uns aber gezeigt, daß auch die gegenwärtige Menschheit mit ihren Haustieren nicht immer im Überflusse schwelgen kann, wie man das früher dachte. Daher ist dies Kapitel durchaus berechtigt. Die Geiiüosanikoit. 273 Wir wissen zwar, daß gerade die reiche Nahrung die wertvollsten der Pferderassen der Vorkriegszeit Europas gesehaiTen hat, es kann aber, obgleich ja deren Zucht auch in Zukunft nicht unterbleiben sollte, nicht schaden, wenn der Faktor vermehrte Genügsamkeit mit unter die Punkte der Zuchtziele aufgenommen werden möchte, selbst auf die Gefahr hin, daß damit der Mode nach größeren Pferden Abbruch getan wird. Allgemein von deutschen und österreichischen Autoren, Lindner (1919, 136), Ehrbar dt (1918, 18), von Dungern usw. hören wir das gleiche, wie es auch Grünwald ausspricht, der Regimentsveterinär der kais. russischen Leibgarde bei Kriegsausbruch Avar und die Pferde seines Regiments in kurzer Zeit infolge des ungewohnten Futters an Unter- ernährung, Kolik, Lahmheiten und Infektionskrankheiten infolge Schwä- chung der AViderstandskraft verlor. Hierauf in ein sibirisches. Wladiwo- stoker Artillerieregiment mit kleinen Mandschuren- und Mongolenponys unter 1,40 m Widerristhöhe versetzt, konnte er Krankheiten nur äußerst selten konstatieren, obwohl die Pferdchen das ganze Jahr bei jeder Witterung im Freien kampierten und außer Stroh nur hie und da bis 2 kg Hafer erhielten, dabei aber rund und wohlgenährt aussahen und leistungs- fähig blieben. Auch zum Gebrauche vor schwerer Artillerie wurden einfach 4 Paare vorgespannt, die dasselbe erreichten, wie 2 Paar der schweren Pferde. Noch schärfer urteilt de Robien (1917, IX) über „die traurige Wahrheit", daß das sogen. Cheval d' armes der früheren französischen Armee, das auf englisch Vollblut abstellte, für einen Krieg der Aus- dauer und der Genügsamkeit nicht geschaffen war. Er erklärt, es sei grausam hier Vorwürfe zu machen, doch habe ihm einer der bedeutendsten Generale erklärt, daß er es nie geglaubt haben würde, „daß nur die kleinen Bretonenund besonders die Camarguer Pferde fast 0 h n e Au s n a h m e a 1 1 e i n d e n R ü c k z u g a u s B e 1 g i e n ü b e r s t a n d e n hätten". De Robien meint, daß dies nur daraus erklärlich sei, daß die Camarguer auf arabischem Blute aufgebaut seien. In der Tat ist ja das echte arabische Pferd, wie alle Orientalen, das Muster der Genügsamkeit. Modi (1895,5) erwähnt schon, daß die alten Iranier von iliren Pferden vor großer Schnelligkeit einen regel- mäßigen räumenden Schritt unter schwerem Gewichte bei allen Ent- behrungen an Futter während langer, langer Zeit verlangten. Auch noch die moderneren Araber haben diesem Prinzipe gehuldigt. So erzählt uns Auhagen (1907) über die Entstehung des Koheilan-adjus-Schlages, daß der Stammhengst deshalb den Beduinen so kostbar geworden war, weil er lange Jahre herrenlos, dem Stamme entlaufen, in einem unwirtlichen Teile der Wüste zu leben vermochte, weshalb alles versucht wurde, dieses Hengstes wieder habhaft zu werden, was endlich gelang. Du erst, Die Beurteilung des Pfenies. 18 274 i'^^s Alter des l'ieidc.s und dessen Bcstiiniiuin« Es ist nun aber klar, daß wir nicht von heute auf morgen größere, schöne und doch genügsame ausdauernde Pferde schaffen können, aber dennocli sollte dieser Faktor mehr im Auge behalten werden. G. Das Alter des Pferdes und dessen Bestimmung. Das mittlere Alter der Pferde dürfte wenig über zehn Jahre zu veranschlagen sein. Die Sterblichkeit dieses Tieres ist infolge seines G-ebrauches eine sehr hohe, immerhin kann es sehr alt werden. Die kleinen Pferde und Ponyrassen pflegen mehr Widerstandskraft zu zeigen als die größeren Pferdeschläge, so ist unter ihnen ein Alter von über 40 Jahren keine allzu große Seltenheit. An historischen Angaben möge hiezu erwähnt werden, daß Aristoteles das Pferdealter auf über 50 Jahre angibt, und wenngleich dieser Autor ja zu Übertreibungen neigt, läßt sich doch Albertus Magnus mit der Angabe eines Pferdes von 60 Jahren zitieren und auch Hering (1834, 191) erwähnen, der von einem 1760 in England gestorbenen Pferde sj)richt, das 1715 gegen die Rebellen von einem Offiziere benutzt wurde. Es war also wenigstens 50 Jahre alt geworden. Zehentner (1775, 197) sah selbst ein 40jähriges und zitiert zwei Reitpferde Eriedrichs des Großen, die 38 und 40 Jahre alt waren. Ich selbst sah 1902 eine Ponystute in Paris, die nachweislich 45 Jahre alt war. Frey tag (1908) erwähnt mehrere 37 — 45 Jahre alte Pferde und Lions (1904) publiziert sogar ein Pferd mit 54 Jahren Alter, Chenier (1903) ein solches von 56 Jahren. Das Alter kann nun natürlich aus dem Äußeren des Tieres niemals genau erkannt werden, immerhin haben wir eine Reihe von Anhalts- punkten, aus denen zunächst sicher eine Clruppierung in Fohlen, jüngere, ältere und ganz alte Pferde vorgenommen werden kann. Als solche Merkmale sind zu nennen : Für Zeichen der Jugend : Hochbeinigkeit der Fohlen, runde, gewölbte Stirne (Hasenkopf), kurze stehende Mähne, mangelnder Widerrist. Für Zeichen des Alters: Weiße Haare auf Stirn, Schläfen und Augengruben, eingefallene Augengruben, hängende Lippen, scharfe Kieferränder. Eine direkte Veränderung der Gewebsernährung im Alter durch eine veränderte Zusammensetzung des Blutes, namentlich in ihrem Ferment- gehalte, war bisher noch nicht direkt nachweisbar. Die genaue Altersbestimmung läßt sich aber nur auf Grund eines zuverlässigen Geburtsscheines vornehmen. Da aber derselbe in den meisten Fällen fehlt, so hat man schon frühzeitig nach Merkmalen gesucht, aus denen sich approximativ eine Bestimmung des Alters vor- Das Alter des Pferdes und dessen Bestimmung. 275 nehmen läßt. Als erstes derselben wurde seit ältesten Zeiten der Zahn- wechsel und die Abreibung der Zähne benutzt. Es dürfte aber unter allen Umständen feststehen und betont werden müssen, daß eine Alters- bestimmung nach den Zähnen n i e m a 1 s A n s p r u c h auf absolute G e n a u i g- keit haben kann, da diese Entwicklungsperioden des Grebisses wohl einigermaßen gleichartig bei den meisten Pferden unter gleichen Lebensbedingungen aufzutreten pflegen, aber doch stets eine gewisse individuelle Variation zeigen. Genaue Erhebungen, die Ohm (11)08) und Schwerdt (1909) sowie einige meiner Studierenden unter meiner Leitung an Zuchtpferden mit Pedigree und Geburtsdatum als auch Eemonten anstellten, zeigten, daß bei sorgfältigster Bestimmung nach der Kunden- ausreibung bis zu einem Alter von 15 Jahren L'rtümer bis maximal 2 Jahre vorkamen. Deutlich konnten wir typische Differenzen in den Merkmalen der Zähne bei spanischen, amerikanischen, französischen, irischen un- garischen Eemonten konstatieren, die auf die Lebensweise zurückzuführen waren. An weiteren A^ersuchen zum Auffinden neuer Methoden der Alters- bestimmung beim Pferde hat es nicht gefehlt. Hier ist wohl zunächst der A^ersuch zu nennen, aus anderen osteo- logischen Merkmalen auf das Pferdealter zu schließen. Dazu wurde einerseits der Unterkief erast verwendet und dessen Dicke geprüft, die natürlich in einer gewissen Beziehung mit dem Ausbruch der Molaren und Prämolaren stehen muß. Es ist aber entschieden unzweckmäßig, hier zu tasten oder gar zu messen, wenn man sich durch einen Blick ins Maul direkt von der Zahl der ausgebrochenen Backenzähne über- zeugen kann. Anderseits hat man dann das Verknöchern der Z wischen wirb el- scheiben am Schwänze herangezogen für eine Altersbestimmung nach 13 — 14 Jahren, indem man die Distanzen der Trans versalfortsätze der Schwanzwirbel maß. Minot (1850) hat darüber sogar von sehr erfolg- reichen Resultaten berichtet, obwohl die hier einwirkenden Eaktoren gar keine gleichmäßige Zunahme der Verknöcherung und daher keine Ver- wendbarkeit für eine ernsthafte Altersbestimmung abgeben können. Endlich hat man die Haut selbst und noch die anderen ihrer Derivate, nicht bloß die Zähne, herangezogen. So schildert Aristoteles schon die altgriechische Praxis des Prüfens der Hautelastizität an der Lippe des Pferdes durch Aufheben und Fahrenlassen der Haut. Das gleiche wird von arabischen Autoren für die Stirnhaut angegeben. Natürlich ist die Hautelastizität bei jungen Pferden größer als bei alten ; wir wissen dies auch von unserer Haut nur zu gut, denken wir nur an die Falten des menschlichen Antlitzes. Aber genau kann ja nie hie- nach eine brauchbare Altersbestimmung konstruiert werden. Auch die 27(5 l'i'^ Allel- iltvs l'IVrdi's mul (U>ss(mi liest iiiiimiiiu'. Ziililimi;' der l'\-ilt('U in der oIhti'H Kvkc des imtcrrn Auj^'cnliiK's, die von Amerika aus als Alh'rsiiicrUmal i^fpricscii wui'dc. ist sidhst Ncrständlich Villi /u \ iidcii audiTcMi Fakluri'ii IhtjuIIiiI.)!, die nudiv mit dor Sehkraft lind der llaul«lieke, lliiterliaiitl)iiide«;-e\vel)i' im Zusaniiiieiihaiif»; steluMi als mit dem Alter. Ks existiert zwar eine ziiMiilielie Zahl von Arheiten in eiit;lis(dier, l'ranzösiselu'r und deiitscdier Spraidie liieriiher, dii' anziit'i'ihren zweekltis ist. Fihenso wertlos ist es, der \\'rsuehe zu j^'edenken, die über ilie Yerwondharkt'it von lliil'horniiiessiinL;"en zur .Vltershestinimun^' j^eniacht wonleii sind. hit> ständii;'t> .Mmutziiiii;- des lliifes und dov Besclilag ^e- statteii leidtM- niidit, auf diese sonst recht braiudihaven iloriinierkmale Hezu^- zu ludimen, obj^deieh sie mir ja beim Rinde sehr beaiditenswerte (Tenaiiii;"ktMten tM'i;eben haben. .Aiudi Sehiil/t> (^l'.'ll) lind(>t, daß sidteu ein llur um ein bestimmtes, monatlicdies IMittelmaß Avachse, obwohl die llnrwaiul im Mittel 7, Uli mm im JMoiiat zunelimo. Daher ist beim Pferde das „Zahnalt(>r" trotz allen natürlichen Mündeln immer nocli das c^enaueste und zuverl;issii>-ste zur .Vltersbestimmuni^-. Iniu-rhalb der t;-lei(dien l\asse und ;;'K'iidien li(d)ensverhältnisseu der Pferde dlirlten die wenig"sten Irrtümer passieren. Das Alter nach den Zähnen. hiis Zalmaller w ird /niii ei-steninal \ im X e ii ii |i li o ii in der I lipiiike erw iilnit. iiber ohne Weiler daiaul ein/.nü'eln'ii. .\ rist ot eles hiuii'eiicu eilit eine Hesehroiltiinti". indem er (hi^t. an. lil». \'l. eap. 'J-J, ij 4) sa,L;l : „Pas Pferd liat 4(t Ziiluie ; mit MO IMomiten \eilieil es die \iei- ersten, zwei id)en. zwei nnten ; ein .lalir naeldier \erliert es die vier linderen nnd noch nach einem .lalire verliert es \ ier andere in •«■leielier AVoiso. Mit 4 Jahren H INIimnlen \trliert es keine nielir Wenn iHo Ziihno ohimal lio- weeliselt sind, ist es niidil nndn- leielil. das wirkliehe .Mter /n ermitteln Aleist wird das wirklielie Alter naeli dem llaken/alin ermittelt, naelidem die Ktdd(Mi/.iilino iniseelallen sind. I5eim Ueitpierd ist der llakenzalni kleiner, weyen des Zanmes. der ilm almnl/t ; Ihm l'l'erden. die nicht e'eritten werden, ist er u'roli nnd frei, liei Kolilt-n klein nnd spil/." N'arrn (l>t> re rnsiiea lil>. ll.ijT) sao't : IMit -'A. .laliren Itekommt das l'ferd die mittleren ZlJhne. ,'Wt'i olien. zwei nnten. !Mit 4 Jahren wechselt es di(> nehen diesoii iu'lindliehen, mul uleieh/eiliü' lieeinnen die HaktMi/ähne /n sprossen; im Anfaui»" des fünften .lahres verliert es dit> lieiden Kck/iilme. die luni wachsen und ihr völlijics AN'aclistnm im (i. Jahre eiludten. Oamit sind als« mit 7 Jahren die Zähne volLständig" iiachn. Nach dieser Zeit kann man das .VIter nicht mehr erkennen". Cnlnnit^lla (l>e re insliea. lii). VI. 4; -J}») in>'int. daß mit 2' o Jahren die oberen nnd nnlt>ren In/.isivtMi ansiallen, in vierten Jahre die Kck/iilme. im sechsten ilie oberen Hai'ken/.ähne. Ve,il"etins (Ars vetininaria lib. \\. eap. V) fii>it hier noch als nen hin/.n. dal> nach dem siebttMi.lahre die Zähne sieh ;n höhlen l>e<;innen. wiihrend sich ihre Heibettächen S'lätttMi ((«xphMilnr eynaliterK Absyrtns wnlilc schon, daU die Zälnu» im höheren Alter rnnd wcrdiMi. J)iis Alter nacli den Ziilmon. 277 IMc initlchilhM-licluMi Antnn'ii ;_;'('st;itt cn >ic'li kirinc X'iii-iniilcn /ii dicscin 'riicniii. Ijillnicyli linilct. ilall di-i- crslc ,.S<'lnili" der /:iliiii', der ,.SauL;/iilnic". iiiicli 'J'/„ .lahrcii stiiUlinlic, di'i' andere Selinli iinl 1 dalireii. der dril I e Seluili mit ö.lalireii, luu'li dem luiil'teu Jahre würden die I lakeii/äline aiislM'echeii. Kiii zw <"ill'iiilii-iL;-e> IM'erd hiilx^ die „Keiinuiii;-" (Kuinleii) ausn-eiielieii. Xacll Pilitei- V. d. Aue lie^i'iliut di'r el-.sli' Selillli liiil 'J .laliri'll. de|- liiieliste mit .'{ inid der di-ilte mit 1 .lalireii, mit dem liinlteii .lalire wiii'den die llalsen weeliselii. \ (Uli llllilleii liis sielileii , lalire llätti'ii die Ziiliiie eine Ihillle. Nach dem sieliten .lalir ist die^e liciiile oaii/. lieraiiM^cw aeliseii und es zei^c .sieli ein luaiiiier Klecken. Xa,eli dem zelmten .lalire wTillie sieli die Mlieiie lies Zalllies rund lier\(ir bis zum seelizelmteii Allersjalir. dann erst werde dei' Zaini läiiL;ei' und s|iilzie('r. Xaeli dem /.elniten .1 alire. wiirdeii die Zäliiie alier iuneriieli Li'ellier und aiieli zueicich iiiillerlieh wciller und liinec'r, was \iiii dem ziirüekweieheiiden Zalintleiseh lierkmnnie. Sdlieysel und (Jarsault L;'("lien etwas hessei'e Auskünfte. Mit 2'/,, — 3 .liilircn \crliereii die IM'erde zwei Zäliiie inmitten Jeden Ki(>f(M's, die man Ziniy'c^n (Pinces) lu-niie. weil die Pferde damit das (iras aliklemmen. Vieiv.elin Taye uaeliher kämen andere Zäliue an ihren l'latz. stärkere, diekere, holde. Mit .'}'/„. selten 4 .Jahren, fallen die (hineilen liej^cndeii [Mielizähne aus. die mau Mittclziihne nenne (mitoyonnes), wtnl sie in dei' Mitte zwischen den Kekziibnen und den Zangen lieo'en. Auch sie werden inn(>rt 14 Taigen durch neue Zähne ers(>tzt. Mit ea. 4'/., .lahren fallen die Eckzähne (coins) aus, die man so nennt, weil sie die K'eilie der Seliueidezäliiie des IM'erdes lie- (^ndi,^■en. ( ileictlizeitiL;' oder et was frülu'r kouimeu die llakeiiz.'ilme /um A ushrueli. A\'enn ''', „«^erme de feve", nenne. Mit M .lahren sei diesi' ]Mark(> versciiwuiideii. Xacli dem achteln Lobensjahre sei nur i]c\- llakeiizalin zur Altersliestimmium' lu'auchliar. Dennoch waren die älteren Autoren d(M- Auffassung, dal) man über 8 .lahre hinaus (hvs Pferdealter nicht riclitiji' l)(>stiinnien kr>nne, was (li(> Kranzoseii als „hors d' äge" liezeichiiel eil. Wir ersehen, daß liis zum Hi>L;inii des letzten .lalirliunderts das Alter der Pferde nur lii^ /um achten .laiii'e liestimnit werden konnte. Krst Pos sina (1811/25) versnclite. durch Abschleifen an Folilenzälinen und Mes- sun<;-(Mi, die Wirkuiiy- und Schnelliukeit der norinalen Alniützunti- der Pfenh^zähne zu verfolu'c'ii. Dabei zeiefc sicli die der Korni Arv Schneideziihue entsprcchemb' Ver- änderuiiL;' e k r - 1 Im H cd r (1859) aufmerksam gemacht hat. Da aber I'essina seine l>eobaclitnne-en nur in cinifien Hunderten Sammluno-sg-ebissen yemaelit lial. ist die ^'al•iation dieser lieschriebenen Erscheinuiii;en nur wenio- berücksichti-^t worden. Sodann sind noch die beiden (Jirards (1821/34) als \'erfasser sehr -cr als die- ieniyen Pessinas sind. Iliiieii foli^tc (hiuii in Kn^iaml die vorziieliche Studie von M a y h e w (1849), in Frankreich die iÜicher (i o u b a u \ und 1! a r ri e r s (1884), und sodann ( lo r n e \ i n und Lesljre (1894), die wiederum einiev nem're ( icsiehtspuiikte lirachten und in iieiiester Zeit eine Reihe kleiner Schriften von Heinze (1899), I' r o e 1 b ( 1903). D h m (1908), von Müller (1908), Schwenll (1909). Kroou (191H). 278 ^^^ Alter des Pferdes und dessen Bestimmung. Um die Zähne des Pferdes zu mustern, stellt man sich am besten vor oder auch mehr links neben das Pferd, faßt mit der linken Hand die Oberlippe oder die Nüstern, schiebt die rechte Hand über den zahn- losen Rand des Unterkiefers in das dadurch genügend geöffnete Maul und stößt sanft die Zunge beiseite, während man gleichzeitig mit dem Daumen der rechten Hand die Unterlippe vom Zahnbogen abdrückt. Hebt man nun den Kopf des Pferdes ein wenig, so kann man auch sehr gut die Schneidezähne des Oberkiefers inspizieren. Ist man zu groß, so bückt man sich hiezu etwas. Die Grundlagen des Zahnalters. Die Zähne sind Hautprodukte, die durch Ablagerung von Kalksalzen gewisser- maßen „versteinert" sind, innen aber immer einen weichen Markraum gleich den Knochen enthalten. Jeder Zahn steckt in einer Alveole oder Zahn fach und besteht aus dem hier eingekeilten Teile, der Wurzel, und dem freien Teile, der Krone. Von dem "Wurzelende aus reicht eine Höhlung in den Zahn, die Pulpahöhle, die mit der Pulpa, einem gefäß- und nei^'enreichen Bindegewebe, ausgefüllt ist. G-egen die Reibefläche des Zahnes zu ist diese Höhle verschlossen. Die Hauptmasse des Zahnes besteht aus versteintem Bindegewebe, dem Dentin, das von zwei dünnen Schichten, dem Schmelz mid dem Zement überzogen ist. Der "weiße, äußerst harte Schmelz bekleidet die eigentliche Zahnkrone des jungen Zahnes, das Zement ist eine Knochensubstanz ohne (refäßkanäle und wird vom Alveolarperiost gebüdet. Die ZahnAvurzel ist allein davon überkleidet, beim Pferde aber auch der Schmelzmantel der Krone. "Wir unterscheiden die S ch n eid e z äh n e , incisives, incisivi, die im Bereiche des Maules liegen und die Backenzähne, molaires, denti (masceUari) molari im Bereiche der Wangen, die beide sowohl in den Zwischen- und Oberkieferbeinen, wie in dem Unterkiefer stehen. Diese beiden Zahnarten werden durch den „zahnlosen Rand", das Diastema, l'espace interdentaire, spazio interdentale, unten auch Lade, barre, morso genannt, von- einander geschieden. Hier finden sich die Hakenzähne, crochets, denti canini, sca- glioni. Im Diastema liegt bekanntlich das Mundstück des Pferdezaumes, Stange oder Trense, denn nur hier kann dasselbe einen fühlbaren Druck auf Zahnfleisch und Knochen ausüben, der bei einer Auflage auf die Zähne selbst unmöglich wäre. Denn die Zähne beider Kiefer drücken aufeinander und halten sich durch den Druck fest, aber durch die Reibung beim Abkneifen des Futters und dessen Zermahlen nutzen sie sich von Jahr zu Jahr ab. Dabei schiebt sich die Wurzel immer mehr nach, so daß die Kronen- form sich je nach dem Stadium der Abreibung verändert. Dabei müßte die Pulpahöhle notwendigerweise in einem gewissen Alter durch Abschleifung eröfinet werden, doch wird dies dadurch verhindert, daß dieselbe sich ständig mit Osteodentin, einem gefäß- haltigen Knochengewebe, in das sich das Pulpagewebe allmählich umwandelt, schichten- weise überzieht. Da es jaoröser ist, färbt es sich leichter mit den Farben der Futterstofie. Von diesen Zahnarten werden nun zur Altersbestimmung gemeinhin nur die Schneidezähne benutzt, obwohl auch aus dem Ausbruch der Backenzähne, weniger aber aus deren Abnutzung einige gute Anhalts- punkte für die Altersbestimmung abgeleitet werden können. Das Alter nacli den Zähnen. 279 Ich beschäftige mich daher hier nur mit den frebräuchlichsten Angaben, da ich in diesem Kapitel nicht beabsiclitige, etwas neues zu bieten, sondern auf Grund langjähriger eigener Bestimmungen an Pferden be- kannten Alters, die Methoden meiner Freunde Corner in und Lesbre (1894) und Kroon (1916) als die brauchbarsten anerkenne und benutze. Das Pferd hat im Ober- und Unterkiefer je 6 Schneidezähne, jederseits der Sagittalebene 3, also insgesamt 12. Backenzähne finden sich oben und unten jederseits 6, insgesamt 24, dazu beim männlichen Pferde 4 Hakenzähne, somit 40, resp. 36 Zähne beim weiblichen Pferde im ganzen. 1. Schneidezähne. Die sechs Schneidezähne werden als Zangen, Mittelzähne und Eckzähne bezeichnet, pinces, mitoyennes, coins, picozzi, mediani, cantoni. Daß diese Bezeichnung mittelalterlichen Ursprungs ist, wurde früher erwähnt. Die Schneidezähne des erwachsenen Pferdes sind ca. 7 cm lang und in ihrer Längsachse sanft gebogen und zwar die des Ober- kiefers etwas mehr als die des Unterkiefers, daher stehen die Kronen in der Jugend vertikal zueinander und werden mit dem Alter flacher in ihrer Stellung. Die Milchschneidezähne sind weit kürzer, ca. 4 cm, aber von gleicher Form wie die Ersatzzähne, auch ihre Reibefläche zeigt Kunden. Ihr Ausfallen beruht einerseits auf ihrer Abnutzung und anderseits auf dem Stoße, den der in der Alveole neugebildete Ersatzzahn von unten her ausübt. Auf der Eeibefläche der Schneidezähne interessiert uns vor allem die Kunde, Bohne, germe de feve, germe di fava. Darunter verstehen wir eine trichterartige Einstülpung der Schmelzschicht in das Innere der noch nicht abgeriebenen Krone. Der Schmelztrichter wird bis zu einer gewissen Höhe durch Zement aufgefüllt. Der ofien bleibende Teil dieses Trichters ist bei Unterkieferschneidezähnen etwa 6, bei Oberkiefer- schneidezähnen etwa 12 mm tief. Durch die Abreibung des Zahnes wird der freie Band dieses Trichters um ca. 2 mm pro Jahr verkürzt, an- fänglich etwas mehr, so daß in den Unterkieferschneidezähnen nach 3, in den Oberkieferschneidezähnen meist nach 6 Jahren die Kunden ver- schwinden. Nachher bleibt dann die „Kundenspur", d. h. der mit Zement ausgefüllte Trichtergrund allein sichtbar. Da der Zement sich mit Futter- säuren und Farbstofien färbt, so ist die Kunde gewöhnlich schwärzlich gefärbt und dieser schwärzliche Teil von einem weißen Schmelzrahmen umgeben. Außen herum schließt dann das Dentin der Krone an, indem die Abreibung des Gebrauches den Zusammenhang der Schmelztrichter- ränder unterbrochen hat. ;28ü ß8,s Alter des rtcides uiitl dessen Bebtiiuiuunji'. l)or Rclineidezahn verändert nun auch die Form seines Qucn-schnittes, der sich natürlich gegen dit^ Wurzel zu verkleinert und zuerst in der Krone, queroval, dann rund, dann dreieckig und endlich spitzdreieckig wird. Die Abschleit'ung bringt ferner das frühere obere (Krön-) Ende der rul})ahöhle auf die T\eibi'fl;iche, das mit Osteodentin angefüllt ist. Der kleine erwähnte Färbungsuntt-rschied zwischen dem porösen Osteodentin und dem Dentin gestattet ein Erkennen dieses Zeitpunktes. Die Spur der Pulpahöhle wird als „Kernspur", „Zahnstern", etoilc dentaire, Stella dentaria bezeichnet, und schon von Al)U-Bekr als Merkmal für das sechste Altersjahr angenommen. Die Abschätzung des mutmaßlichen Alters eines Pferdes nach den Schneidezähnen hat folgende Erfahrungstatsachen zur Grundlage: Periode der Bildung des Gebisses. Im Momente der Geburt sind noeli keine Inzisiven ausgeschlüpft. Man kann aber durch die Schleimhaut der lieiden Kiefer die vorderen Ränder der Milelizangen oder FüUenzähne fühlen. In der ersten und zweiten Woche kommt der Yorderrand der Füllenzähne zum Durehl)rueh, wobei die olleren den unteren voraus- gehen. Mit 1 Monat pflegen die Fohlenmittelzälme auszubrechen, und der Vorderrand der Milchzangen erscheint schon etwas abgenutzt. Fio-. 72. Fio-. 73. Fio-. 74. 1. und 2. Woche. Mit 2 Monaten kommen die Mittelzähne auf die Hiihe der Zangen, und diese werden am Yorderrande stärker abgenutzt. Mit 3 Monaten beginnen sich die Mittelzähne beider Kiefer zu berühren. Wir haben also oben und unten je vier Zähne. Mit 4 Monaten wird der A^'orderrand der Mittelzähne in der den Zangen zunäehstliegenden Gegend abgeschliffen. Die Zangen sind nun am Yorder- und Hinterrand abgewetzt. Mit 5 Monaten sieht man eine Schwellung der Schleimhaut in der Gegend des Eckzahnes, der bald nach 5 Monaten erscheint. Der Yorder- rand der Mittelzähne ist nun der ganzen Länge nach abgerieben und der hintere kommt zur Benutzung. Periode der Bilduno- des Gebisses. 281 Mit 8 Monaten sind die Eckzähne ungetalir auf der Höhe der Mittelzähne, wodurch der Hall)krei.s der Schneidezähne vollständig wird. Zangen und i\Iittelzähne sind stark ahgenutzt. Immerhin hängi diese Fio-. 75. Fio-. 76. Fio-. 77. 5 Monate. Abnutzung durchaus von der Fütterung ab und wird stärker sein Ijei Fohlen mit Rauhfutterernährung als bei solchen mit reicher Milch- imd Kraftfutterverpflegung. Fig. 79. Fig. 80. Fio-. 78. 1 Jahr. 15—18 Monate. 20—24 Monate. Mit 1 Jahr sind die Eckzähne nocli nicht oder äußerst wenig ab- geschliff"en, die Zangen ahev schon ziemlich stark. Die oberen sind aber noch in gutem Zustand und nur wenig auf ihrem hinteren Rande abgerieben. 282 Das Alter des Pferdes und dessen ßestiinmun«):. ]\rit 15—18 M(niatrn ist der Eckzahn recht l)raiichbar. Mit 15 ^luiiaten findet ziemlich genau d\v erste Abreibung des Eckzahnes des Unterkiefers statt, und mehr und melir tritt der Hals aus dem Gaumen hervor. Der obere Eckzahn wird erst mit 2 Jahren in allgemeine Ab- reibung genommen. An den Zangen ist die Kunde mit 18 Monaten vollständig glatt geschliffen. Doch muß man sieh hüten, auf dieses Merkmal allzuviel Ge- Fio-. 81. Fio-. 82. 272 Jahre. wicht zu legen, denn es hängt sehr von der Menge des Zementes ab, die den Raum zwischen den Trichterrändern der Kimdeneinstülpung ausfüllt. Mit 20 — 24 Monaten (2 Jahren) werden die Mittelzähne meist mit „ausgefüllten" resp. bis auf den Zement abgeriebenen Kunden in Gebrauch stehen. Der Hals kommt schon bei allen Zähnen mehr aus dem Gaumen hervor, aber noch liegt letzterer dicht an der Basis der Zähne. Der Eckzahn ist nur wenig mehr als früher abgenutzt und zeigt immer noch eine Höhlung. Mit 2 Jahren sind die Zangen und Mittelzähne ganz bedeutend verkürzt, so daß ihre Breite das Doppelte ihrer Höhe ist, und ihr Hals Periode der Bildung- des Gebisses. 283 wird siclitbar. Der Zahnbog'en Avird flaclier diireli die zunehmende Ausdehnung der Breite des Unterkieferkürpers, auch wird ihre gegenseitige Stellung steiler. Die Eeibefläche der Zangen und Mittelzähne ist stark abgenutzt, und die Schraelzfalte der Kunde ringsum geschlossen, meist sogar die Kundengrube ausgerieben, also die Reibefläche verebnet. ]\[it 27.2 Jahren fallen die Milchzangen meist oben, aber auch häuhg unten zuerst aus, und der Kand der Ersatzzangen erscheint. Fio-. 83. riff. 84. 3 Jahre. Jahre. Mit 3 Jahren sind die Ersatzzangen auf dem Niveau der Milch- zähne angelangt und beginnen sich abzunutzen. Sie kontrastieren mit den übrigbleibenden Milchzähnen. Die Mittelzähne werden sehr abgerieben und die Eckzähne ebenfalls. Ihr freier Teil wird kleiner. Oft sind um diese Zeit nur die oberen Ersatzzangen draußen imd durch Eeibung mit den unteren Milchzangen abgenutzt, die meist später ausfallen; hie und da ist es aber gerade umgekehrt. Yor 3 Y2 Jahren reiben die Ersatzzangen ihre Ränder ab, und die Mittelzähne werden locker, zeigen den Hals, und ihre Reibefläche nimmt ab. Diejenige der Eckzähne aber nimmt noch zu. 284 Das Alter des Pferdes und dessen Bestimiuuu^-. ]\[ i t vollendeten 3 Y-, J ^ 1^ i' *? » l)flei>-en die Milcliniittelzälme aus- zut'allen und der Rand der bleibenden Mittelzähne zu erscheinen. Nun treten auch oft schon die Ersatzzangen mit Teilen ihres Hinterrandes in Reibung. Mit 4 Jahren kommen die Ersatzmittelzähiie zur teihveisen Al)- reibung am A'orderrande. Die Eckzähne sind stark abgenutzt. Mit 4 V2 Jahren pilegen die Hakenzähne aufzutreten und zwar die unteren meist vor den oberen. Die Milcheckzähne sind ])l("itzlich -wackelig und Fio-. 85. Fio-. 86. Fiff. 87. 4 Jahre. i'j., Jahre. fallen aus. Die Ersatzmittelzähne kommen mit dem ganzen Vorderrande in Reibung, bei den Zangen steht nun beinahe der ganze Hinterrand in Reibung. Mit 4Y2 Jahren fallen die Milcheckzähne meistens aus, und treten deren Ersatzzähne auf, auch hier gewöhnlich die oberen vor den unteren. Die Mittelzähne reiben jetzt auch ihre hintere Schmelzfläche der Kunde glatt. Die Clroßzahl der Pferde (66 VJ vollzieht den vollständigen Zahn- wechsel bis zu diesem Alter, 33 7o wechseln bis zum 5. Jahre. Mit 5 Jahren sind meistens die Ersatzeckzähne auf der Höhe und beginnen ihre Usur an dem Yorderrande ; hie und da ist diese aber auch Periode der Zalmabsclileifuna;-. 285 stärker, wie Schwerdt zeigt oder gar nicht der Fall, wie ich melirfach beobachten konnte. Die nnteren Zangen ])eginnen sich schon glatt zu schleifen, der Hinterrand braucht aber nicht völlig geschlossen zu sein. Der Kundenschmelzrahmen ist bei den ]\[ittelzähnen meistens nicht ge- schlossen, sondern auf der lateralen Seite noch offen. Die Kunde der Zangen war fast in allen kontr(dlierten Fällen mit öYa Jahren völlig, geschlossen. Fiü-. 88. Fiff. 89. Fiff. 90. 5Y2 Jahre. 6 Jahre. 7 Jahre. Periode der Zahnabschleifung bis zum Schwinden der Kunden- spur und der Veränderung der Form der Reibeflächen. Mit 6 Jahren sind die unteren Zangen völlig glatt geschliffen. Ihre Eeibefläche geht gegen die quer ovale Form; das Verhältnis des Längs- zum Tiefendurchmesser beträg-f 6 : 3. Der Yorderrand der Eckzähne ist ziemlich stark abgenutzt, der hintere jedoch meist nur leicht angerieben. Die Hakenzähne sind gewöhnlich noch nicht völlig aus dem Claimien herausgetreten, der noch dicht an ihnen hängt. Mit 7 Jahren sind die Mittelzähne des Unterkiefers glatt geschliffen, 286 Das Alter des l'ferdes und dessen Bestiniinunif. oft sclion seit einiger Zeit; sie bewegen sich gegen die ovale Torrn hin, die die Zangen schon längst hahen. Die Reil)efläche der Eckzähne hat sich hcdeutcnd A'ergrößert. In liäuhgcu Fällen findet sich dentlich von der ►Seite gesehen ein Einhiß auf der ]\ci])efiäche der oberen Eckzähne an dem Orte, wo sie die unteren überragen. Nach Schwerdts diesbezüg- lichen Zusammenstellungen kann demselben aber kein großer Wert zu- gesprochen werden, weil er von A^/^^his zu 22 Jahren vorkommen kann, obgleich der Mittelwert seines Auftretens nach den Zahlen Schwerdts bei 9 Jahren 11 Monaten liegt. In dieser Zeit pflegen die Schneidezähne auf der Yorderseite weiß zu werden infolge der Eeibung der Lippen, die mehr und mehr die zementige Hülle entfernt und den Schmelz zum Vorschein kommen läßt. Fig. 91. Mit 8 Jahren sind die unteren Eckzähne glatt abgerieben und die Kundenränder geschlossen. Die Zangen nähern sich etwas der runden Form durch Abnahme des Quer- und Zunahme des Tiefendurchmessers. Die Mittelzähne sind noch oval. Meistens vor, hie und da auch vor und hinter der Kunde der Zangen beginnt sich ein gelber, oder bräunlicher Eleck zu -zeigen, der das Osteodentin der nun angeriebenen ehemaligen Pulpa- höhle ist. Man nennt ihn „Zahnstern" (etoile dentaire, Stella dentaria). Mit 9 Jahren sind die unteren Zangen schon rundlich und die des Oberkiefers völlig glatt gerieben. Die Kundens])ur l)eginnt mehr und mehr eine dreieckige Eorm anzunehmen, die der Spitze der alten Trichter- einstülpung entspricht. Der Zahnstern ist nun auch meist auf den Mittelzähnen Periode der Zahnabschleifuna'. 287 vorhanden, und oval sind. Der erst der Einbiß Mit 10 Ja sind es schon; Die Kunde ist Der Zahnstern diese runden sich ebenfalls, während die Eckzähne noch Zahnbogen ist noch hall)kreisförmig. Oft tritt auch jetzt im oberen Eckzahn auf. hren werden die Mittelzähne meist ganz rund, die Zangen die Mittelzähne des Oberkiefers werden glatt geschliffen, sehr verschmälert und besonders auf den Zangen kleiner, rückt mehr in ovaler Form nach der Mitte des Zahnes, Fi 2-. 92. Fig. 93. Fiff. 94. 8 Jahre. 10 Jahre. resp. der Eeibefläche. Die Zähne der beiden Kiefer stehen schon spitz- winklig zueinander und der Zahnbogen wird flacher. Mit 11 Jahren sind die oberen Eckzähne oft schon glatt geschliffen; die unteren gehen zur runden Form über, die sie aber nie so richtig erhalten, wie die anderen Zähne wegen ihrer speziellen Winkelung. Die Kunde bildet nur mehr eine gerundete Insel, die auf den unteren Zangen weiter nach hinten gerückt ist. Auch auf den anderen Zähnen ist sie nur noch klein, wenn auch transversal gestreckt. Der Zahnstern ist auf den Zangen und Mittelzähnen in ovaler Form in der Mitte der Reibefläche gelegen. Die unteren Eckzähne sind nun von vorne gesehen ebenso breit 288 P-as Alter des Pferdes und dessen ßestimmun^-. an der AVnrzel Avie an der "Reibefläclie. An den oberen Eckzälnum sieht man bänfio: eine Fnrclie imter dem Zahntleiseh auf der AußenÜäelie zum A'orschein kommen. Der Zahnbogvn verflaelit melir und mehr. Mit 12 Jahren werden auch die unteren Eckzähne gerundet und somit alle Schneidezähne des Unterkiefers rund. Die Kunde, die sehr nach hinten gerückt ist, bildet eine kleine Insel und ist oft sogar nur punkt- Fio-. 95. Fie-. 96. Fio'. 97. 11 Jahre. 12 Jnhre. 13 Jahre. förmig auf den Zangen und Mittelzähnen gelegen. Oft verschwindet sie auf diesen Zähnen, wenigstens auf den Zangen. Auf den Eckzähnen ist sie klein und ganz an den Hinterrand gerückt. Der Zahnstern tritt längs oval auf allen Zähnen auf. Durchmesser der Zangenreibeflächen im Unterkiefer transversal 5 und sagittal 4 Teile. Manche Autoren nehmen von dem zwölften Jahre an, daß auch die Zahn- kronenlänge für das Alter bedeutungsvoll sei, und daß bei einer Über- schreitung der Länge der Unterkieferzangen über 16 mm, für je 2 mm darüber das Alter eines Pferdes um ein Jahr höher zu schätzen sei. Periode der Zaliiiabschleifunsf. 289 Seil wer dt (1908, 47 — 49) zeigt aber, daß die Kronenlänge zur praktischen Kontrolle der Form der Reibefläche nicht mit Recht verwendet werden darf. Mit 13 Jahren sind alle Schneidezähne glatt geschliffen nnd rund, wie auch die Eckzähne des Oberkiefers. Doch bleibt die Knnde hie und da noch einige Jahre auf den Zähnen als ein kleines rundes Inselchen, bald auch in gröi^erer Ausdehnung bestehen. Es spielt hier augenscheinlich rig-. 98. Fis-. 99. Fig. 100. 15 J;ihre. -17 Jahre. die Vererbung der Eamilieneigenschaften eine große Rolle, und da die Persistenz der Kundenspnr bis ins hohe Alter von der Tiefe des Schmelz- faltentrichters abhängig ist, so kommt es in gewissen Familien von Pferden häufig zu einem längeren Verweilen der Kundenspnr auf der ReibeÜäche, wie ich selbst konstatieren konnte. Der Zahnstern ist auf allen Zähnen deutlich ausgebildet und wird auf den Zangen nun meist rund; auf den ^Mittel- und Eckzähnen aber scheint er noch oval zu bleiben. Mit 14 Jahren pfleg-t der Zahn noch rundlich zu sein, wenn auch schon hie und da sich eine Tendenz zur etwas dreieckigen Form zeigt. Duerst, Die Beurteilung; des Pferdes. 19 290 ]>as Alter des l't'enles und dessen Bestiniinun« DvY l\un(lenl)()(len ])fle<;t vor allem auf den Eckzälmeii iiocli n(»nnaler- Aveise vorhamlen zu sein. Das Zahnsternchen ist an den Zan^'en und Mittelzälmen rundlich, an den K(dvzähnen oval. Mit 15 Jahren versehwinden meistens auch die Kunden der Zähne des Oberkiefers, und auf den oberen Eckzähnen reicht die Furche bis zur Mitte des Zahnes. Die Seiten der Mittelzähne betü^innen schon etwas Ab- flachuni;' durch Verkürzuni;' des Transversahhirchmessers zu zeigen, der Fi.o-. 101 Fio-. 102. 18 Jahre. 19 .Tahre. 20—21 .Jahre. jetzt 4 Yo • 4 72 beträgt. Von 15 Jahren ab wird die Stellung der Zähne zueinander immer flacher (Winkelgebiß). Mitl6 undl7 Jahren beginnt sich eine mehr dreieckige Form derZangen und Mittelzähne zu zeigen, das Zahnsternchen ist überall verkleinert und rund. Mit IH Jahren werden auch die Eckzähne dreieckig, imd die Stellung der Zähne zueinander Avird immer flacher, das Zahnsternchen nimmt an den Zangen eine fast viereckige Form an. Mit 19 Jahren beginnen Zangen und bald darauf die Mittelzähne oder hie und da beide gleichzeitig verkehrt oval zu werden, indem sich das Dreieck nach hinten verschmälert. Periode der Zahnab^clileifun;^-. 291 Mit 20 — 21 Jahren tritt dies iiucli Lei den Eckzähnen ein. Die Furche auf der Fläclie des oberen Eekzalmes herülirt jetzt die Keibefläche. Der Zalinl)(>i;-en bildet fast eine ^'erade Linie und das Zahnsternchen eine verkeil rt ovale Figur. 2. H akenzähne (canines crnchets, denti eanini) kommen nur in der l)leibenden Zahnreihe vor und nur bei männlichen Tieren ; bei den Stuten finden sieli i'i'cht bäuhi;' rndinientäre Zahnt'. Die Hakt'nzähne ])flei;'en i^'c- W(»hnlicb mit 4^/^ Jahren das Zahntleiseh zu durchbrechen und sind mit 5 Jahren etwa so hoeli wie die Eckzähne. Die Unterkieferhakenzähne kommen meist 2 — 3 ^Monate früher zum Vorschein als die des Ober- kiefers. S.Backenzähne (molaires, denti [nmscellarie] molari). Die Altersbestimmung nach den Backenzähnen ist beim Fferde weit komplizierter als nach den Sehneidezähnen. .\uch eignet sie sich nicht so sehr für den praktischen (lebrauch. Die Untersuchung erfolgt am ])esten nach Einsetzung des Maulgatters, bei großer Übung genüg-t ein rascher Blick in das weit geöffnete Maul. Über die Molaren ist ganz kurz allgemein folgendes zu sagen : Wir unter- scheiden solche, die sowohl als Milchzähne, wie als Ersatzzähne auftreten und solche, die nur als Ersatzzähne komnum. Die ersteren nennen wir V r ä m o 1 a r e n die anderen Molaren. A\^ir k("imu'n sie vdii vorne nach hinten als Backen- zahn 1 — () bezeichnen oder auch als Fränndaren oder Molaren 1 — 3. Dabei ist zu beachten, daß die Bezeichnung bei den Völkern verschieden ist. So ist die deutsche Zählung der Veterinäranatomie [Ellenberger (11)06, 99)] bei den Molaren von vorne nacdi hinten, bei den Prämolaren von hinten nach vorne. Die franzrisischen und englischen Autoren zählen die Prä- molaren von vorne nach hinten, aber indem sie sie mit den Zahlen 1 — 3 belegen. Es ist dies augenscheinlieh das richtige, und ich freue mich, daß auch Schmaltz (1919, 302) dies findet. Ich selbst habe diese Methode immer verfolgt, jedoch in meinen paläontologisch-zoologischen Arbeiten (vgl. 1909, 413), die Zähhmg mit Nr. 2 l)egonnen, weil ver- gleichend anatomisch PM 1 weggefallen ist und nur als sog. überzähliger Zahn wieder erscheint, worauf schon vor langem Lafosse (1772, 24), Tenon (IV. (50), Girard(1834, 35) aufmerksam gemacht haben. Doch ist dies für die ])raktisehe Zahidcuiide zwecklos wissenschaftlich, weshalb ich die Zählung xon 1 — 3 auch bei den Främolaren durchführe. Die Backenzähne sind ihrerseits durch Schmelzfalten charakterisiert, die sich über den übrigen Zahnteil erheben, daher vernnigen sie sich nicht wie die Schneidezähne glatt zu schleifen dui-ch die Kaubewegung, die in einem seitlichen Verschieben des Unterkiefers besteht, sondern bleil)en scharf. Zu scharfe aufstehende S])itzen (Schieferzähne) müssen l)e- kanntlieh beseitiu't werden. 292 1'*^ Alter des i'feriles und dessen Bestimmmio'. Die Fältclniii;' der Sclnnclzscliiclitcu ist nun -st('ns f>^roßer Pferdep^attungen und seihst von S])ezios venvt'udt't worden. Wenn AVilkcns (1888) die AutFassuui;' vt'rtritt, daß auch dir Schncidc/ähne hirzu dienen kr>nnen, so habe ieh ihm schon ener<>is(di widersprochen, denn es liält dies für Baekenzähne schon sclnver, wenn es aueh bei Spezies noeh leichter geht^ als wenn man ii,'ar. Avie \\'ilkeus meint, Rassenmerkmale erkennen möchte. Dies habe ich nach den sor}2;fälti^'sten Studien an Hunderten von Rassen ji'ebissen abg'ewiesen, da auch kaum eines der selteneren Ge- bisse genau ans dem gleichen Alter stammte Avie ein anderes, das damit verglichen wurde. Zudem macht die individuelle Variation viel aus. Immer- hin haben nicht nur Wilkens, sondern auch Rütimeyer (18(33), und mein alter Freund Forsyth Major (1880), wie ich selbst (1909, 413) die Artvariation mit Vorsicht l)enutzt. Zur Altersbestimmung kr>nnen die Milchprämolaren schon dienen. Im Momente der Geburt sind die drei Prämolaren da, aber schauen nur mit ihren Schmelzfaltenspitzen über das Zahnfleisch hervor. Drei Wochen nachher sind sie aufgewachsen, der erste, vorderste etwas höher als die anderen. Mit 3 — 4 Monaten treten sie in Reibung. Mit 6 Monaten bricht der rudimentäre Molar aus. AVechsel der Milchzähne und Ausbruch der Daner-Molaren und -Prä- nndaren : Die 1. Molaren brechen zwischen dem 10. und 12. Monat ans. Die 2. Molaren brechen zwischen dem 20. — 26. Monat ans. Der 1. Dauerprämolar kommt oben zwischen dem 28. — 34. Monat „1. „ „ unten „ „ 20.— 32. „ 2. „ „ oben „ ., 38.-42. „ „ 2. „ „ unten „ „ 30.— 34. „ „3. „ „ oben „ „ 45.— 50. „ 3. „ „ unten „ ,, 40. — 44. ,, „ 3. Molar kommt in Ijeiden Kiefern „ ,. 40. — 50. „ Die Länge und die spätere Abschleifimg dieser Zähne hängt natürlich ganz von clerFütterung mit großen Mengen Ranhfutters ab und ihrer Verwendung zn dessen Zermalmen ; sichere Anhaltspunkte sind daher nicht mehr zu gewinnen. Abweichungen der Zähne von der Norm. Wie immer in der Natur so finden sich auch im Gebiß Unregel- mässigkeiten, sowohl in der Zahl der Zähne als auch in ihrer Stellung. Die wichtigsten sind : 1. Die Üljerzahl an Zähnen (Augmentation, Pleiodontie), die meistens durch Stehenbleiben nm Milchzähnen entsteht oder als Pleiodontia ata- Der Geschlec'htstrimorphismus der Pferde. 293 vistica, als Kücksehlag' auf die 44 Zäliiie der Ahnen des Pferdes oder als rieiodontia atypica, als Yerraehrimg' der Zahnanlagen, wie Goubaux ein Pferd mit 12 Ersatzschneidezähnen oben und 12 unten beschreibt. 2. Die Verminderung" der Zahnzahl (Dimunition, Oligodontie) eben- falls durch Ausbleiben von Ersatzzähnen zustande kommend oder durch Yerminderung" der Anlag'c. 3. Verwachsung zweier Inzisiven. 4. Mangelnde A^erwaclisung der Zahnsäulen der Inzisiven (Eissur). 5. Prognathie, Hechtgebiß 'prognathisme, denti di luccio) längerer XTnterkiefer als Oberkiefer und Aufkrümmung, sowie abnorme Verlänge- rung der Zähne des Unterkiefers. (3. Karpfengebiß, Brachygnathie (Brachygnathisme, bec de perroquet, -denti di carpione), kürzerer Unterkiefer und längerer Oberkiefer. 7. Schweinsgebiß, (denti di porco) wenn die Schneidezähne nicht im Halbkreise augeordnet sind, sondern in Dreieckform stehen, die Zangen A'orgelagert. 8. Kreuzgebiß auch Kreuzschnalielgebiß oder angeborenes Schief- maul, (dentition croisee, bocca storta). 9. Scherengebiß bei alten Pferden auch durch schiefe Abnutzung •entstehend (dentition ä ciseaux, denti a forbice). 10. Koppergebisse (usures produites par le tic, denti rosi [inseguito al ticchio di rodere la greppia]). Da diese Veränderungen in die Pathologie gehören, so beschränke ich mich nur auf die Xamhaftmachung. Endlich sind noch künstliche Eingriffe des Menschen zum Verändern •des Zahnalters durch Betrug zu trennen. Ausbrechen von Eohlenzähnen im Alter von 3 — ^'^j^ Jahren, wodurch Pferde 72 — ^ ■^^^'^ jhi^g*^!' ©i'" scheinen können. Oder man macht künstlich alten Pferden „eingebrannte Kunden" ; doch fehlt hier natürlich der Schmelzrand um dieselbe. H. Der Geschlechtstrimorphismus der Pferde. \\\x treffen beim Pferde drei Greschlechtsformen : 1. Den Hengst (etalon ou cheval entier, Stallone), die normale männliche Eorm. 2. Die Stute (jument, cavalla), die normale weibliche Form. 3. Den "Wallach (hongre, cavallo castrato), das kastrierte männliche Tier. Kastrierte weibliche Pferde werden niclit als Gebrauchstyp verwendet. Diese drei GeschlechtsfV)rmen sind folo-endermaßen gekennzeichnet : 294 1^61" CTeschlechtstrimorphismus der Pferde. 1. Der Hengst. A. llal)itiis. In dem al)soliitt,'ii AOlnnicii pflco't (Ut }^(Ml^•st cherne Grundlage, den Schädel. Auf diesen und seine Gestaltung wirken verschiedene Fak- toren ein. In Kapitel „Konstitution" habe ich schon erwähnt, daß das Ver- hältnis der Winkelstellung des Hirnschädels zu dem Gesichtsschädel von 300 J>er Kopf- mi.l llaisliebol. C ossär Ewavt und mir als ein tieft^-reifcndcs ITnter.s('lu'i(lunf>;.smerkmal der versehiiMli'ncn Pt'erdestaniinfovnien Ix'traclitet worden ist. Ferner steht die (u'staltunn" des l^nöclicrncn Scliädrls aucli in cnj^'em Zusannnenhant;- mit der Stell uni;- des Jlalses. Meine He<)l)aelitmi^'en und A\'inkelmessun_t;'en am Schädel /ei<;'ten mir, daß die lliehtuno- des Processus jng-ularis des Sehlät\'nl)eines, an dem die A])oneurose des Musculus brachio- cephalicus und der M. longissimus ea])itis und Mm. recti anteriores sich anheftet, sieh ändert, je nach der gewohnten Haltung des Kopfes und somit der, dadurch bedingten Halsform. Es läßt sich also auch eine Wirkung der Halsstellung auf den Schädel verfolgen, in der Veränderung der Richtung des Processus jugularis von 80 — DO Grad bei Schwanenhals bis 150 Grad bei horizontaler Halshaltung. Einen weiteren Einfluß haben wir in der verschiedenartigen Ausdehnung des Lufthöhlensystemes auf die Eorm des Gesichtsteiles des Schädels zu konstatieren. Über die ursprünglichste Ursache dieser Variation sind wir heute noch nicht aufgeklärt, wenn man nicht annehmen will, daß es mit der Kapazität der Lunge in Korrelation steht. Während ich in der Arbeit v-eradem Verlaufe der 8tirne und des Naseiiriickeiis. Der weiche Nasen- P^io-. 104. Cxerader Kopf. teil ist aber stets etwas maulwärts gekrümmt, sofern die Nüstern nicht gebläht sind. 2. Köpfe mit gew^dbter, konvexer Proüllinie. a) Eamskopf (tete busqnee, testa di montone) [Fig. 105]. Fio-. 105. Ramskopf. Der Name stammt vom englischen „Eam = Widder", heißt also eigent- lich Schafskopf, obwohl wir jetzt etwas anderes unter diesem verstehen. Nasenrücken und Stirne Averden durch starke Stirnhöhlenentwicklung vor- gewölbt, wobei sich die Nasenhöhle meist verschmälert. Es dürfte eine Ausgleichsform für schw^ache Lungenentwicklung sein imd war früher sehr beliebt und wahrscheinlich durch ägyptisch-berberische Pferde zur 302 Der Kopf- und Halshebol. Mauronzeit nach S])anit'ii iiii])()vti('rt und dann von liiidicv in alle von spainscliom Blute beeinflußten Rassen. b) Ramsnase, Halber Raniskopi', liall)j;-evanistev Ko])f, Schafskopf, (tete nmutonnee, naso di niontone) | l^^iti^. 106]. Fiy. 106. Ich linde unter den deutschen Ausdrücken „Ranisnase" für den be- zeichnendsten, weil nur der Nasenrücken gewölbt, die Stirne aber gerade ist. Der mit den Bezeichnungen im Französischen und Italienischen am EjV. 107. Hasenkopf. besten harmonierende Name Schafskopf ist leider vielfach verwecliselt worden und kiinnte wieder dazu Anlaß geben. Weibliche Schafe haben gewöhnlich gerade verlaufende Nasen, Widder meist gewölbte. c) Hasen köpf, nomenklaturhistorisch fälschlich, aber im Gfrunde ja richtig in einigen deutschen Werken (z. B. Adam, Bt)rn und Möller) Der Kopf. 303 Schafsk()])f o'enannt (tete de lievre, testa di le])re) [Fig. 107]. Stime rund vorge\vr)ll)t, Nase gerade. d) Wiiikclk(ii)t' (neu), (tete anguleuse, testa angolare) [Fig. 108]. Fig-. 108. Winkelkopf. Stime und|Nase beide gerade, aber sieb in einem stumpfen Winkel un- gefäbr in der Zwisebenaugenlinie treffend. 3. K()pfe mit eingedrüektem konkavem Prof iL Fio-. 109. Heehtkopf. a) Heebtkopf(tete camusa o testa di luecio) [Fig. 109]. Stirn gerade, Gesicbtsscbädel in der oberen Nasenpartie eingedrückt. b) Schweinsk()])f (tete de i-liinoceros, testa di porco). Gleicb wie ein Hecbtkopf, nur sebwerer und grr»ber. 304 . l^*>'- Kopl- unil llalsliebel. ß) Nach (iv(ll.M'. \' II 1 11 111 ('11 1111(1 I) CSC li a l'l'cii li c'i t. Wenn wir die Mittelwerte der K()])tläni;'en l'eststelU'n, so ergibt sich folgendes Hild : »i i ^ i- i^i- '^ Absolute ,,, 1 ■ ^T ■ . lv(ji)ilansre in ,- ,.... .Staiidaiil- Vai-iatioiis- ,,, \ ,,?. , Küptlansjc i ■ i \ tu ■ ^ L 'ipr Wider- 111 cm ^ nsthfjne Araber und Engl. V.dlblut . r)8,4(*. ± 9,15 0,15() 3G,7 Camargiier 5(;,00 ± <.),15 0,039 38,1 Anglo - Normänner, Irläiidev, Deutselie , Ungarn usw. (Halbblut) ...... G2,70 ± 3,02 0,058 38,9 Schrittpt'erde : l^elgier, Sbire, Freiberger, Dänen usw. . 74,5 ± 5,861 0,0787 42,8 Wir sehen also, daß absolut, mit Ausnahme von Ponys, die Caniarguer die kleinsten Kopfe haben, im Verhältnis zur Widerristhohe aber die Vollblutpferde doch die relativ kleinsten Kijpfe besitzen, während sich die Caniarguer fast wie Halbblüter verhalten, die ihrerseits ziemlich in der Mitte zwischen Vollblütern und Schrittpferden stehen. Die Länge des Kopfes wurde vonBourgelat als GTrundmaß für die Proportionen des Pferdes eingeführt. Er ist auch in der Tat für Vergleichungen relativ am besten von allen Knochen des Körpers brauchbar; die mittlere Kopflänge eines Halbblutpferdes ist 62,7 cm. Hat ein Pferd eine Widerristhöhe von über 1,50 m, so kann eine solche Kopf- länge kaum gerügt werden. Bei Schrittpferden wird sie allerdings selten so gering sein. Der Kopf ist bei Halbblutpferden aber sch(m groß zu nennen, wenn er bei einer Widerristhöhe von 1,65 m 65 cm beträgt. Der vorerwähnte Ausdruck, der auf die Widerristhöhe prozentual reduzierten Kopflänge, die für Halbblüter als gutes Maß 38^0 betragen sollte, ist für große Zahlenmengen zwecks Übersicht w(dil sehr brauchbar, kann aber bei der Individualbeurteilung nur gut verAvendet werden, wenn die Extremitäten- knochen nicht durch Kastration verlängernd beeinflußt worden sind. Die Kopflänge ist ebenfalls angeboren, kann jedenfalls w^ährend des Lebens nicht bedeutend verändert werden als allein durch frühe Kastration, aber auch hier ist die Veränderung nicht so wesentlich, wie bei den Eöhrenkn ochen . Ist die Ko})flänge als normale erkannt, so kann dieselbe recht gut zum Vergleich der Dimensionen anderer Körperteile, Halslänge, Schulter, Brusttiefe, Sprunggelenksbreite Verwendung finden. Aber nur dann, denn sonst gibt es falsche Proportionen und ein falsches Bild der Leistungsfähigkeit. Als besondere Bezeichnungen sind folgende anzuführen : 1. Nach Clrfiße Averden nur große, kleine und mittlere Köpfe unter- schieden. Teile des Kopfes. 305 2. Nach Gewicht und Volumen erwähnt man schwere, leichte und mittelschwere Köpfe. 3. Nach BeschaflFenheit unterscheidet man a) Keilkopf (tete conique, testa a cuneo). Ein Kopf, der sich plötzlich gegen das Maul zu verjüngt und sehr kleines Maul und Nüstern hat; b) Ochsenkopf (tete de boeuf, testa di bue) ein dicker, schwerer, gerader Kopf; c) Alter Kopf (vieille tete, testa vecchia). Früher sehr unschön als „Altweiberkopf" bezeich- net. Magerer, schlaffer Kopf eines alten Pferdes. 2. Teile des Kopfes, a) Stirne (front, fronte). Die Stirnbreite haben N eh ring (1884) und auch Sanson (1867/1896) zum Gregenstand genauer Untersuchungen gemacht. Beide versuchten, darauf gestützt, die Pferde unter Benutzung des Stirnbreitenindex einzuteilen, wobei Sanson die noch heute in Frankreich häufig erwähnte Dolicho- cephalie und Brachycephalie als Rasseneinteilungsmerkmale einführte. Ob- gleich ich bei beiden, mir nahe befreundet gewesenen verstorbenen Forschern diese Methoden kritisch geprüft, kann ich sowohl für die Eassenlehre, als auch besonders für die Beurteilungslehre keine so große Bedeutung darin sehen, daß sie irgendwie grundlegend sein könnte. Ein Zusammenhang zwischen Stirnbreite und Intelligenz dürfte noch weniger existieren, als etwa zwischen Hirngewicht und Intelligenz, mehr aber mit der Windungs- zahl des Hirnes, für die Kraemer (1913, 1) in einer vortrefflichen Arbeit eintritt. Leider sind aber diese Dinge äußerlich nicht zu konstatieren und so müssen wir sagen, daß eine große Stirnbreite, wie die Stirnwölbung so- wohl auf eine gute Entwicklung der akzessorischen Stirnhöhlen (Atmungs- kapazität), wie auch des Gehirnes (Intelligenz) hindeuten kann. Mit Eück- sicht auf die dadurch in ihrer Lage bedingten Haarwirbel sollen auf dem Stirnbein Gräten oder Knochenhöcker durch Palpation ermittelt werden. b) Nase (chanfrein, naso). Das Kaliber der Nase steht in engem Verhältnis mit der Atem- kapazität des Pferdes; daher ist ein großes Nasenkaliber vorteilhaft. Eine schmale Nase pflegt einen Ausgleich auch in der Erhöhung der Nasen- höhle imter gleichzeitiger Erhöhung des Oberkieferbeines zu erfahren. Nasenspitze (bout du nez, moccoio). Dieser Weichteil ist immer abwärts gekrümmt, soll breit und ohne Narben und Wunden sein. (Nasenkette). Du erst, Die Beurteilung er Kopf- uiul Halshebel. ristisc'li Lösarti^es Cre])räge verleilit und wie schon Bourgelat erwähnt, von einem Biß oder Hut'schlag gefolgt wird. Da« Geliör des Pferdes ist sehr fein nnd scliarf. Es vermag viel leisere Geräusche wahrzunehmen als das menschliche Ohr, aber besitzt für menschliche Worte ein ebenso geringes A'erständnis und Aufnahmevermögen , als der Mensch im all- gemeinen für die Pferdesprache hat. Immerhin wissen wir, daß das Pferd die Stimme und sogar den Schritt seines Pflegers event. Herrn erkennt und auch einige Wortlaute sowie Trompetensignale kennen lernen kann. 1) Ganaschen (ganaches, ganasce). Dieser Teil des Kopfes ist von den meisten deutschen hippologischen Autoren falsch verstanden worden, während in der ausländischen Literatur allgemein die richtige Bezeichnung vorliegt. Unter den Anatomen bezeichnet meines Wissens nur der vortreffliche Schmaltz (1919) die Ganaschen richtig als den aboralen Rand der Pars articularis des Unterkieferbeines, während die meisten anderen wie z. B. E 1 1 e n b e r g e r , Baum, die Wangen als Ganaschengegend figurieren lassen. Unter G a n a s c h e n versteht man den Hinterrand der Unterkieferäste hinter (halswärts) der von dem Musculus masseter gebildeten Wange, also den Unterkieferwinkel. AVeü sich alte deutsche Autoren, wie z. B. Pin t e r v. d. A u e nicht klar ausdrücken, sondern die „Ganascheu das obere Teil des hinteren Kopfes" nennen, das mehr schmal als breit sein solle, so begreift man, wie dieser Irrtum entstehen konnte, so daß man heute mehrorts die ganze Wange als Cianaschen bezeichnen will. Einige deutsche Autoren sind aber durchaus exakt geblieben, wie z.B. Günth er (1859), der da sagt, „Die Grrundlage der Granaschen sind die Hinterkieferäste. Sie sind wie der Kehlgang mit besonderen, längeren Schutzhaaren besetzt und werden bei Luxuspferden abgesengt. Ihre Weite muß in dem gerundeten Teil für den Zweck guter Zäumving und, um dem Kehlkopfe genügend Raum für die nötige Bewegung zu geben, eine ausreichende sein". Auch Hering (1834) u. a. erklären Gfanaschen richtig. Ich will hier nicht erwähnen, wer von den Autoren dieses Mißverständnis der Nomenklatur in die AVeit gesetzt hat, sondern nur betonen, daß es gut scheint, die ganze Entwicklung unserer Namengebung und Kenntnisse einer Revision zu unterwerfen. Einige französische Autoren behaupten, aus der Dicke der Ganaschen auf das Alter der Pferde schließen zu können. Das ist natürlich un- möglich, da wir ja noch nicht einmal aus dem Zahnalter absolut genaue Schlüsse zu ziehen vermögen, und selbst weiter maulwärts an dem Unter- kieferaste höchstens die Wurzeln der Backenzähne fühlbar sein können. m) Schopf und Scheitel (toupet, ciuffo). Der Scheitel, das heißt der höchste, aboralst gelegene Punkt des Pferdekopfes ist meist mit einem Haarschopfe bedeckt, der zur Halsmähne gehört und fein bei südlichen, stärker und derber bei nördlichen Pferden Der Hals. 311 ist. Oft wird der Schopf geschoren oder durch Ausraufen verdünnert, um die Pferde edler erscheinen zu lassen ; oft aber wird er gerade als Rassezeichen begünstigt, wie bei belgischen und englischen Rassen. n) Genick (la nuque, nuca). Grundlage : Nackenstränge und Artikulation mit Hinterhaupt und Atlas. Die meisten Autoren verlangen es lang und breit, um bedeutende Biegungs- und Streckungsmöglichkeiten zu haben. Je nach der Kopf- und Halshaltung wird das Genick etwas verlängert. Bei horizontaler Kopfhaltung ist es am kürzesten, bei schräger etwas länger, bei vertikaler Kopfhaltung und starkem Schwanenhals am längsten. Diese Länge hängt natürlich von der Biegung der Hals Wirbelsäule ab. Auf dem Atlas liegt ein Synovialbeutel , der Genickbeutel, der durch Geschirrdruck häufig erkrankt (Nackenbeule). Täuschungsverfahren mancher Händler, Pferde mit Ohrenkappen oder Kopfnetz vorzuführen. o) Ohrspeicheldrüsengegend (region des parotides, regione parotidea) liegt hinter den Ganaschen und erstreckt sich bis zum Atlasfiügel. Bei der Kopfbeugung wird die Ohrspeicheldrüse zusammengedrückt. Pferde des Typus digestivo - lymphaticus haben meist sehr mächtige Parotiden, die bei der Kopfbeugung nur schwer zusammengedrückt werden. Dabei wird auch der Raum für den Kehlkopf eingeengt, besonders dann, wenn der Kehlgang eng ist. Sehr ausgehöhlt darf aber diese Gegend auch nicht sein, sonst sind die Bewegungen zu leicht und ein Reitpferd findet hier ein treffliches Hilfsmittel zum Schlagen mit dem Kopfe. p) Kehle (gorge, gola). Da der Larynx nie zu groß sein kann, wird die vorteilhafteste Kehle die breiteste sein. Eine enge Kehle ist unter allen Umständen ein großer Fehler und dürfte auch meist mit wenig geräumigen Lungen im Zusammen- hang stehen. Durch Befühlen und Zusammendrücken der Trachea läßt sich das Tier zum Husten bringen. Der Husten soll kräftig und stark sein. 3. Der Hals (encolure, collo). Der Hals hat als Basis die 7 Halswirbel und die durch dieselben gestützten Bänder und Muskeln. Am unteren Rande verlaufen Luftröhre und Speiseröhre, arterielle, venöse und Lymphgefäße, wie auch die Nerven. Der obere Halsrand wird vom Nackenstrang gebildet, zwischen ihm und der Haut lagert sich bei Hengsten das Kammfett ein. 312 Der Kopf- und Halshebel. rrinzipiell soll die Form des Halses seitlich betrachtet, annähernd die eines abgestumpften Dreiecks sein, im Querschnitt hingegen eiförmig, so daß der Kehlrand dick und rund, der Kammrand schmal sei. Dies sind die zweckmäßigen Formen dieser Teile, denn schon Pinter tadelte die Schweinshälse deutscher Pferde, die oben gleich breit wie unten seien. Der Kammrand wird bei manchen älteren Hengsten schwer und sogar überhängend, wobei bei Kummetanwendung tiefe Falten entstehen. An manchen Pferden findet sich vor dem Widerrist eine Vertiefung am Ende des Kammrandes, gleichsam ein Ausschnitt, die man als „Axthieb" (coup de hache, colpo di accetta) bezeichnet und bei Pferden orientalischer Abstammung hauptsächlich im Fohlenalter beobachtet wird. Fig. 110. Hirsehhals. Der Übergang des Halses in den Rumpf wird entweder als Hals- ansatz oder als Halsaufsatz bezeichnet. Er soll möglichst ohne scharfe Grenzlinien aus dem Rumpfe entspringen und nicht scharf und mager gegenüber den Schultern sein, wo er am Musculus pectoralis praescapularis endet, der neben dem Buggelenke liegt. Hier ist natürlich der Unter- schied der Geschlechter immer vor einem endgültigen Urteil zu beachten ; Stuten werden immer magerere Hälse haben, namentlich aber Zuchtstuten, die .dessen Muskulatur nur selten brauchen. Eine dreieckige Vertiefung im Halsteile des M. serratus anterior wird als Lanzenstich von den alten Autoren erwähnt. Garsault (1745, 16) erzählt die Fabel, daß dies von einer Lanzenstichwunde herrühre, die ein berühmtes türkisches Pferd hieher erhalten und vererbt habe. Daher der Name. Da es sich um die Atrophie eines der vier Strahlen dieses Muskels handelt, so ist es keinesfalls ein Vorzug. Der Hals. 313 An Formen des Halses unterscheiden wir drei: 1. Den Hirschhals (encolure de cerf, collo di cervo), bei dem der Kammrand konkav, der Kehlrand konvex ist, damit ist meist der Axthieb infolge vertikaleren Ansatzes des M. splenius verbunden (Fig. 110). 2. Der Schwanenhals (encolure de cygne, collo di cigno), bei dem der Hals aufgerichtet ist, aber im oberen Teile eine Krümmung der Wirbelsäule aufweist, wodurch er einen schön geschwungenen Kammrand wie auch schön gebogenen Kehlrand aufweist (Fig. 111). 3. Der gerade Hals (encolure droite, collo diritto) [Fig. 112]. Bei ihm sollen die beiden Halsränder gerade und etwas schräg gegeneinander ver- laufen. Es ist schön, wenn sie gegen die Kehle stark konvergieren, denn bei Fio-. 111. Fig. 112. Schwanenhals. Gerader Hals. einer breiten Kehlgegend entsteht der typische alte Schweins hals, von dem Pinter sagte, daß er am Kopfe oft noch dicker sei als beim Hals- ansatz und den wir bei Schrittpferden noch hie und da finden. In den Längen unterscheidet man kurze, mittlere und lange Hälse. Ist der kurze und dicke Hals sehr breit und hoch, mit starker Fettanhäufung am Kamme, spricht man von Speckhals (encolure grasse, collo grasso) [Fig. 113], hängt der Kammrand über, von „überhängendem Speckhals" (collo torto o pendente). Diese Halsformen stehen in direktem Zusammenhange mit der Art, wie das Pferd den Hals trägt, daher ist es möglich, sie durch Dressur und Gewohnheit den Pferden „anzugewöhnen". Das Hochtragen des Halses verursacht zwei Formen: a) Hirschhals. Derselbe entsteht durch fast horizontales Tragen des Kopfes bei aufgerichtetem Halse. Hiedurch bildet sich eine Ver- 314 Der Kopf- und Halshcbel. kürzung des M. s])lenius imd serratus cervicis, sowie des M. long, capitis et atlantis; indirekt sogar eine Kürzung des M. pectoralis profundus, Oberarmteil. Anderseits bildet sich eine Verlängerung des M. brachiocephalicus und sternocephalicus und M. longus colli. Die Folgen sind am Kopfe : proc. mastoideus wird, dem Zuge des brachiocephalicus folgend, schräger zur Wangengräte gestellt, ebenso auch die Hinterhauptsschuppe, da zur Feststellung des senkrecht unterstützten Kopfes der Zug des Nacken- bandes und des M. splenius und longissimus capitis genügt. Diese Muskeln sitzen aber an der Genickkante und ziehen so das Hinterhaupt abwärts, auf dem Atlas balancierend. Am Widerrist ziehen auf diese Weise die genannten Muskeln weniger und durch ihre veränderte Ausbildung ent- Fiff. 113. Fiff. 114. Speckhals. Axthieb und hoch erscheinemler Widerrist. steht der Axthieb (Fig. 114). Die Schulter wird aber dadurch etwas schräger und indirekt entsteht eine Verkürzung des M. serratus thoracis. Der Vorarm wird besser emporgezogen und das Buggelenk gehoben, also eine höhere Aktion ermöglicht. — b) Schwanenhals. Der Unterschied ist hierin nur in der ver- änderten Kopfhaltung zu suchen, der nun unter der Einwirkung der Zügel parallel zum Halse gestellt, somit in seiner Stirnnasenlinie fast vertikal zum Boden stehen sollte. Dann muß der Genickteil des Halses einer großen Biegung und die meisten Muskeln einer großen Streckung fähig sein, wodurch dieselben angespannt werden. Dadurch wird natürlich das Ausschreiten des Pferdes wohl erleichtert, aber durch die erzwungene Richtung der Augen auf den Boden, die Verkürzung der Schwerlinie des Pferdes, die ganze Funktion auf die Aktion der Vorderextremitäten und die Drehungen und Wendungen verlegt. Die Folge sind eine Veränderung der Richtung des Processus mastoideus, wie früher erwähnt; auch wird Der Hals. 315 mehr Zug am Widerrist geübt. Für Schnelligkeitsleistung ist diese Form wegen Zusammendrücken des Larynx ganz ungeeignet. Das wag rechte Tragen des Halses spannt das Nackenband und die meisten Halsmuskeln, namentlich den M. splenius und den serai- spinalis an. Dieser Zug drückt die Wirbelkörper beckenwärts aufeinander und erleichtert das Ausgreifen der Hinterhand, resp. das Vorschieben des Körpers. Diese Halsstellung nehmen daher einerseits Rennpferde, während des Rennens an und anderseits auch Pferde, die beginnen müde zu werden oder sonst wenig energisch sind. Wenn man dann den Kopf mit den Zügeln zurückhält, so kommt es dazu, daß dieselben während des Laufs mit dem Kopfhebel schaukeln und diesen abwechselnd auf- und abwärts bewegen. Eine solche Halshaltung überlastet die Vorder- beine und ist deshalb auf die Dauer unzweckmäßig; nur in obigen Fällen kann sie den Pferden zeitweilig von Vorteil sein, um mit dem Halshebel den Antrieb der Hinterbeine zu unterstützen. Das schräge Tragen des Halses verursacht einen Ausgleich zwischen den Vorzügen und Nachteilen dieser beiden Stellungen. Hiebei stellt sich dann auch der Kopf in einen Winkel von 85 — 90 Grad gegen- über dem Halse ein, indem er seine Sehachse ziemlich horizontal orientiert. Die Muskeln haben so eine mittlere Spannung, die Stellung zur Schulter und für das Ausgreifen des Oberarmes ist günstig, der Schritt daher räumig genug, der Kopf liegt nicht zu schwer aber auch nicht zu leicht in der Hand. Es ist durchaus die richtige Stellung des Kopfes für ein vielseitiges Gebrauchspferd. Die Länge des Halses. Von diesem Gesichtspunkt aus kann der Hals wie eine Art römische Schnellwage angesehen werden, an der das Kopfgewicht je nach seiner Verschiebung einen bald größeren, bald kleineren Zug ausübt. Ich habe im Laufe der Zeit an 1604 Pferden die Halslängen gemessen; obwohl es ein je nach der Halshaltung sehr variables Maß ist, lassen sich doch folgende brauchbare Mittelwerte angeben : DiÖerenz der Halslänge mit der Kopflänge in cm » Englische Vollblüter und Anglo-Araber 12,92 cm länger als der Kopf Halbblüter 6,17 ,, „ „ „ ,, Araber ^,04 ., „ „ „ „ Camarguer 0,42 „ „ „ „ „ Schrittpferde 1,52 „ „ „ „ „ Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Dimension ergeben sich aus folgender Betrachtung: 316 t>tir Rumpf. 1. Ist der Hals zu laug, so wird die Vorhand stärker belastet, dadurch wird der Kopf schwerer in der Hand. Ein langer Hals erscheint auch meist durch Streckung der Muskulatur schmächtiger. Doch ist dies teilweise eine Konipeusation, wie sie durch die vertikalere Halsstellung des weiteren dargestellt wird. Je kleiner femer die Last am Ende dieses Hebelarmes ist, desto weniger wirkt derselbe beschwerend. Anderseits aber werden die längeren Nacken- und Halsmuskeln besonders gute Zugwirkungen ausüben können. Daher ersehen wir auch aus der vorigen Tabelle, daß bei Schnell- pferden der Kopf fast immer klein (gewöhnlich unter 60 cm) zu bleiben pflegt, und sich immer für die Schnelligkeitsleistung ein Hals ausbildet, der um 20 7o länger zu sein pflegt als der Kopf. 2. Ist der Hals zu kurz, so hat das ebenfalls seine Xachteile. Für das Gebrauchs- pferd wirkt der kurze Hals nachteilig durch fehlende Elastizität, da er meist stark bemuskelt ist und dadurch das Pferd schwer lenkbar macht. Er findet sich nach meinen Zahlen bei Halbblütern auch selten und gewöhnlich nur, wenn der Kopf ganz aufl'allend lang und schwer ist. Dann kann die Verkürzung des Halses als eine Kompensations- erscheinung aufgefaßt werden. Es ist nicht nötig hier noch darauf hinzuweisen, daß ein Pferd durch einen kurzen Hals immer au Schnelligkeit einbüßt, da die Möglichkeit des Halsausschlages nach vorne geringer und die Verkürzung der Muskellänge auch indirekt eine Schrittverkürzimg der Vorderbeine im Gefolge hat. Mehrere Autoren empfehlen den kurzen Hals aber sehr für Zugjiferde, da durch den meist größeren Muskelquerschnitt die Kraft der Muskeln eine bedeutendere wird und auch dem Kummet eine bequemere Unterlage geschafl'en werde. Die Kürze dieses Hebelarmes kann im weiteren noch ausgeglichen werden durch seine Tendenz zur Horizontalstellung, indem dadurch die Heber des Bugwinkels einer vertikaleren Stellung teilhaftig werden, ohne daß die Vorwärtsverlegung des Schwerpunktes eine zu hohe Belastung der Vorderglieder mit sich bringt. Ich muß aber, die Richtigkeit dieser Beobachtungen zugegeben, betonen, daß auch bei Schrittpferden der Hals fast gleich lang wie der Kopf oder um einige Zentimeter länger erscheint. Kürzere Hälse als der Kopf fand ich auch hier meist nur bei sehr schweren, langen Köpfen. 3. Ist die Halslänge mittel, so sind wieder die Vor- und Nachteile der beiden extremen Formen vereinigt. Eine mittlere Halslänge wird in der Großzahl aller Pferde des Halbbluttypus für kombinierte Gebrauchszwecke die Kopflänge um 10°/q übertrefl'en, bei Schrittpferden nur um 2''/o' Meine Zahlen ergeben mir des weiteren, daß Ijei VoU- blutarabern und Berbern der Hals immer relativ kurz ist. Ich finde als Mittelwert eine größere Halslänge von 5% der Kopflänge. Die Camarguer AVildpferde haben sogar einen Hals fast gleicher Länge wie der Kojjf, der ja immer recht schwer bei ihnen ist. C. Der Rumpf, 1. Der Widerrist (le garrot, il garrese). Löhneyß schreibt der „Wiederrist", Pin ter „der Riß", spätere Autoren, wie Hering (1834, 84) nennen als übliche Namen: Widerrüst, Wiederiß, Widerhorst, Vorderroß und Schuft. Seh mal tz (1919, 5) gibt diesen Namen den Sinn von "Wider- lager. Die romanischen Sprachen deuten hingegen auf ein „Bindeglied" (garotter- fesseln, binden) hin. Wir verstehen darunter den cranio-dorsalsten Teil des Rumpfes, der vorne an den Hals, hinten an den Rücken stößt und beide „verbindet". Der Widerrist. 317 Seine Grundlage bilden die DornfortScätze der ersten Rückenwirbel, von denen der dritte und fünfte gewöhnlich die höchsten Punkte des Widerristes durch ihre Länge verursachen. Nach dem sechsten Rückenwirbel folgt gewöhnlich eine Längenabnahme, aber oft so allmählich, daß der Widerrist selbst bis zum 13. oder 14. Rückenwirbel reichen kann. Die Länge der Dornfortsätze, die die Grundlage des Widerristes bilden, hängt zusammen mit der Entwicklung der Kraft der Nackenmuskeln und somit auch mit deren Länge. Je länger und stärker diese durch den Gebrauch werden, desto länger erscheinen auch die Dornfortsätze des Widerristes. Daher kommt der Widerrist bei Fohlen erst allmählich, namentlich nach dem Bereiten hervor, wobei neben der aufrichtenden Wirkung des Halses auch das Gewicht des Reiters nach meinen Zusammenstellungen einen bedeutenden Einfluß ausübt, und seinerseits besonders die Schulter etwas schräger hinabzieht, wodurch der Widerrist besser herauszutreten pflegt. Die alten Autoren verlangen, daß dieser Körperteil hoch und breit sein solle, neuerdings wünscht man mit Recht dazu noch die Trockenheit. a) Höhe des Widerristes. Die Höhe des Widerristes kann eine zweifache sein : Eine absolute Höhe über dem Boden oder eine relative über dem Rücken. a) Man hat sich über die Bedeutung dieser Höhe im Laufe der Zeit ver- schiedene Hlusionen gemacht. Während L ö h n e y ß z. B. noch angibt, daß der Widerrist der guten Sattellage wegen hoch sein müsse, Pin ter nur eine mittlere Höhe wünscht, haben andere Autoren, wie z. B. Hering die günstige Höhe auf ungefähr einen Zoll über die Kreuzhöhe als Maximum begrenzt, indem Pferde, die vorne zu hoch sind, sich weniger zu schnellem Laufe eignen sollen. Naumann behauptet sogar, daß ein Pferd, das vorne niedriger als hinten, dadurch an Schnelligkeit ge- winne. Aus meinen Betrachtungen über die Winkelungen der Gliedmaßen, des Pferdes geht aber klar hervor, daß die Höhe der Vordergliedmaßen und damit auch die absolute Höhe des Widerristes über dem Boden abhängig ist von den angeborenen Knochenlängen der Extremitäten und des Gebrauches der Pferde zu einer bestimmten oder allen kombinierten Gangarten und der darauffolgenden Winkelanpassung der Hinterglied- maßen. Die Widerristhöhe steht somit in engem Zusammenhange mit dem ganzen Formate der Pferde, wie aus den Abbildungen 115, 116 und 117 hervorgeht. Das Verlangen nach einem Überragen des Widerristes über die Höhe der Kruppe, wodurch der Widerrist der höchste Punkt des Rückens wird, ist somit cum grano salis zu verstehen. Nach meinen Messungen ist der Widerrist im biometrischen Mittelwerte folgendermaßen gestaltet : 318 Der Rumpf. Überrafjeii des Widerristes über den Rücken Überragen des Widerristes ül)er die Kruppe in "/o der Widerristhöhe Englische Vollblüter und Anglo-Araber . 8,60 7^ Halbblutpferde orientalischen Blutes . . 0,79 „ Halbl)lutpferde englischer Herkunft . . 5,54 „ Camarguer Wildpferde 4,03 „ Schrittpferde . • — Fig. 115. + 1,19 7o + 2,13 „ + 0,954 „ — 1,703 „ — 0,072 „ Blutpferd mit „hohem" Widerrist, der die Kruppe ül)errast; dadurch zugleich von Hoehrechteckformat (vgl. S. 141). Die Länge der Dornfortsätze hat somit ganz und gar nichts mit dieser Widerristhöhe zu schaffen , indem sie völlig von der Art der Aufhängung des Rumpfes in dem Serratusgürtel zwischen den Schulter- blättern abhängt (vgl. Fig. 3, 4 und 5). Es kommen dabei sehr häufig Fälle vor, wo Pferde mit höherem (überbautem) Kreuz, weit längere Dornfort- sätze haben als Pferde mit „hohem" Widerrist. ß) Daher betrachte ich die Höhe des AViderristes zur Rückenwirbel- säule als das wichtigere Merkmal, ausgehend von dem erörterten Moment, daß die größere Länge der Dornfortsätze die Folge stärkeren Zuges der Nackenmuskeln ist. Da wir dies für die Tätigkeit der Vor dergliedmaßen Der Widerrist. 319 besonders wünschen müssen, so ist dies ein gutes und brauchbares Zeichen. Die Beurteilung wird aber durch die sog. Einsattelung des Rückens erschwert, doch ist für den geübten Beobachter schon mit bloßem Auge und allenfalls durch Palpation der Distanzen der Dornfortsätze der Rücken- wirbel erkenntlich, ob die Rückenwirbelsäule nach unten durchgebogen oder gerade verlaufend ist. Die Erhöhung des Widerristes über die Rücken- linie ist folgendermaßen bei meinen Messungen konstatiert worden (siehe vorstehende Tabelle, Maß 1). Daraus ist ganz deutlich sichtbar, daß die schnellsten Pferde auch Fiff. 116. Halbblutpferd mit gleichhohem Widerrist wie die Kruppe ; zugleich von Quadratformat (vgl. S. 142). die höchste Widerristerhöhung über die Wirbelsäule haben, wenngleich ihr Widerrist sogar niedriger ist als die Kreuzhöhe. b) Die Breite des Widerristes kann eigentlich mit der Forderung der Trockenheit vereint betrachtet werden. Diese hängt ab von der Muskulatur des Widerristes und deren Beschaffenheit. Er weist an Muskeln direkt unter der Haut den M. trapezius auf und sodann die Widerristkappe des Nackenbandes über die Knorpelenden der Dornfortsätze. Vor dem dritten Dorn liegt ein Synovialbeutel. Sodann lagert sich noch die Lumbodorsal-Faszie unter Trapezius und Widerristkappe ein. Ferner treffen wir weiter seitlich der Dornfortsätze den hinteren, rautenförmigen Muskel 320 Der Rumiif. zwischen welchem und dem M. trapezius der Schiüterblattknorpel orientiert ist. Sodann zieht der M. spinalis von einem Widerristdornfortsatz zum anderen. Will man nun die Trockenheit oder Breite palpieren, so fühlt man die physiologischen Querschnitte und die Beschaffenheit dieser Muskeln an. Damit ist klar, daß für Keitpferde diese Muskeln lang und relativ dünn, für Schrittpferde von größerem physiologischen Querschnitt und auch gröberen Fasern sein müssen. Daher soll der Widerrist lang und trocken bei Schnellpferden, bei Schrittpferden aber breit, rund und fleischig sein. Die Autoren Fig. 117. Sehrittpferrl mit gleiehhohem oder niedrigerem Widerrist als die Kruppe; zugleich von Langrechteckformat (vgl. S. 143). erwähnen noch den Ausdruck scharf (tranchant), wenn die Muskulatur „mager" sei. Der Unterschied zwischen Trockenheit und Magerkeit eines Tieres dürfte sich nur konstitutionell und durch Konditionsprüfung fixieren lassen und danach zu beurteilen sein. 2. Der Rücken (dos, dorso). Der Rücken wird auch als „Mittelrücken" bezeichnet. Unter dem Eücken im Sinne des Exterieurs versteht man den auf den Widerrist folgenden, vor der Lende gelegenen Teil der Wirbelsäule. Er wird je nach den verschiedenen Leistungsformen und Rassen des Pferdes eine verschiedene Länge aufweisen. Am kürzesten fand ich denselben bisher Der Rücken. 321 bei einigen Araberhengsten und mit Eecht sagen die Araber, daß der Rücken nur so lang sein solle, daß gerade der Sattel oder das Gesäß des Menschen darauf Platz habe. Bei ganz langem Widerrist kann das eintreffen, sofern man den Widerrist so weit rechnet, als die Dornfort- sätze noch eine Erhöhung gegenüber den nachfolgenden aufweisen. Die Grundlage des Rückens bilden die nicht zum Widerrist gerechneten Brustwirbel. Die Muskelgruppen, die die obere Fläche des Brustkorbes bedecken und speziell den Rücken bilden, sind vor allem die langen tiefen Rückenmuskeln, die überall bis an die Enden der Dornfortsätze reichen, ja sogar bei besonders mastigen Tieren (Schrittpferden) dieselben noch überragen. Mit dem Beginn der Lenden werden diese mächtigen Muskelmassen verflacht und dadurch verbreitert. Von diesen Muskeln istderM. longissimus dorsi der wichtigste, sowohl quantitativ als funktionell. Diese Muskeln haben die Hauptaufgabe, die Wirbelsäule auf Druck von oben nach unten, wie von hinten nach vorne zu verstärken. Dorso-ventral wirkt das Brust- und Bauchgewicht, sowie das des Reiters. Horizontal übertragen die Rückenmuskeln die Kraftentfaltung der Hinterhand auf den Vorderkörper und nach Abstoß der Vorhand durch die Vorder- beine vermögen sie auch den Körper auf den Hinterbeinen zu erheben (Steigen), sowie umgekehrt den Hinterkörper nach Senkung des Hals- hebels emporzuziehen. Außerdem führen sie die Seitenbewegungen des Rückens aus. Der Rücken wird nach seiner Länge und Breite, sowie nach seiner Richtung beurteilt. Länge. Hiebei ist ausdrücklich von der Länge des Mittelrückens zu sprechen, denn diese muß natürlich streng von der des Gesamtrückens geschieden werden. Die Länge des Rückens hängt stets zusammen mit seiner Stärke. Ein kurzer Rücken ist immer stärker als ein langer. Der lange aber verursacht meist einen längeren Brustkorb, da er das Deckgewölbe des- selben bildet. Da, wie wir hören werden, die Länge des Brustkorbes mit der Lungenkapazität in enger Korrelation steht, so muß in den meisten Fällen ein langer Rücken überhaupt eine recht vorteilhafte Erscheinung sein und wird bei Schnellpferden auch meist entstehen. Aus der Länge des Rückens kann man zugleich auf eine genügende Entfernung der Hinter- und Vorderglieder voneinander schließen, die ebenfalls in direktem Zusammenhang mit der Bewegung steht, nämlich durch die Korrelation der Muskulatur der Kruppe, der Vorderextremitäten und des Halses. Ferner wird ein langer Rücken das freie Spiel der Gliedmaßen fördern, die nicht genötigt sind, einander zu begegnen (Schmieden). Diesen Vorteilen stehen bedeutende Nachteile gegenüber. Je länger der Rücken ist, desto leichter ist derselbe zu Deformationen geneigt, Du erst, Die Beurteilung des Pferdes. -^1 322 Der Rumpf. sowohl unter dem heftigen Stoß der Hinterhand gegen eine die Vorder- hand beschwerende Jjast oder auch ])ei der Fortbewegung dieser. Eine ge- wisse Menge dieser Schnellkraft ist daher ohne Zweifel für die Schnelligkeit verloren. Je mehr aber diese Biegsamkeit des Rückens hervortritt, desto mehr ist derselbe geneigt sich einzubiegen, wenn er schwerere Lasten tragen muß. Der kurze Rücken ist sicher geeignet, die Kraft der Hinterglieder verlustloser auf die Vorhand zu übertragen ; er ist naturgemäß der stärkere, solidere, wird sich selten einsenken, besitzt aber auch weniger Biegsamkeit, verkürzt die Brusthöhe und beschränkt das freie Spiel der Beine. Wenn mit einem ganz kurzen Rücken nicht lange Lenden verbunden sind, so wird ein solches Pferd schmieden, sobald es mehr Trabgeschwindigkeit zeigen muß. Fiff. 118. Gerader Rücken. Demnach scheint für das mittlere Gebrauchspferd eine mittlere Rücken- länge das richtige. Die Breite des Rückens ist schneller zu erledigen. Nach Molthoff (1910) ist der Brustumfang auf der Höhe des Diaphragmas von Bedeutung für die Lungenkapazität. Es kann aber die Brust keinen großen Umfang haben, wenn der Rücken nicht breit ist. Breit muß daher jeder gut- gebaute Rücken sein. Mit einem schmalen Rücken sind stets flache Rippen und schmächtige Brust verbunden. Die Richtung des Rückens. Man nennt den Rücken gerade (dos droit, dorso diritto) [Fig. 118j, wenn er eine fast horizontale Rich- tung von vorne nach hinten einnimmt, dagegen schief (dos plonge, dorso inclinato) [Fig. 119], falls die Widerristhöhe geringer ist als die Kruppenhöhe, wodurch seine Stellung schräg nach vorne neigt. Der ge- rade Rücken, sowie der schiefe sind somit die stärksten, indem alle Druckwirkungen den Rücken einzubiegen suchen. Der Rücken. 323 Ein gerader Rücken ist äußerst selten, bei Reitpferden namentlich, wo er immer „schief" oder richtiger „vertieft" ist. Ich notierte auf 2100 genau untersuchte Pferde nur (3 mit typisch geradem Rücken. Die verschiedene Höhe der Dornfortsätze macht aber viel hiebei aus, die Wirbelkörper können trotz äußerlicher Vertiefung ganz gerade stehen. Der Sattel bleibt auf einem solchen Rücken in einer guten Lage liegen, falls die Dornfortsätze des Widerristes genügend hervorstehen, wie es auch schon Löhn eyß wünscht. Er kann des weiteren „konvex" sein und] heißt dann „Es eis rücken" oder „Karpfenrücken" (dos de mulet, dorso di muh» [dos de carpe, d. di carpio]); das erstere Wort ist schon von L ö h n e y ß gebraucht, also das ältere. In dieser Form weist er ausgezeichnete Bedingungen der Stärke auf, denn das Rückengewölbe ist durch das hiedurch bedingte engere Aneinanderpressen der ventralen Fiff. 119. Schiefer Rücken. Ränder der Wirbelkörper noch eher fester geworden. Nur kommt es gerne vor, daß dieser Rücken flache Rippen besitzt und 'damit dem Pferde eine entsprechend schmale Brust und außerdem ein harter, stoßender Gang, meist von geringer Geräumigkeit verliehen wird. Auch ist es klar, daß durch dieses Auffangen der einwirkenden Druckkräfte direkt durch die Knochen und nicht durch die Bänder und Muskeln eine geringere Elastizität des Rückens zustande kommt. Da er verkürzt wird, falls die Aufkrümmung bedeutend ist, wird ein solches Pferd auch leicht schmieden. Französische Autoren nennen einen gering konvexen Rücken ,,dos de mulet," den übertrieben gekrümmten „dos de carpe", italienisch „dorso gibboso". Löhneyß findet, daß ein solcher Rücken wohl stark sei, aber der Sattel hier wie auf einem Kamele liege. Somit ist der Karpfenrücken nicht vorteilhaft für ein Reitpferd und für leichten Zug, hingegen dürfte er für Saumpferde und schwere Zugpferde durchaus brauch- bar genannt werden können. ,'>24 1*^1' Rumpf. Schlimmer ist nun der nach unten diirchgehogene Rücken, den wir ein- gesattelt oder Senkrücken (enselle, insellato o sellato) [Fig. 120] nennen. Es muß zunächst konstatiert werden, ob der Kücken nicht bloß durch starke Widerristdornfortsätze und erhöhte Kru])pe, sowie schräg stehende Lende so erscheint, als wenn er eiagesattelt wäre, ohne es in Wirk- lichkeit zu sein. Da man für eine solche Kückenform bisher keine rechte Bezeichnung hatte, so habe ich nach dem Ausdrucke von Löhneyß^ daß ein Kücken hinter dem Widerrist eine „feine, satte Tiefe" haben müsse, von „vertieftem" Kücken (dos profond, dorso profondo) [Fig. 121] ge- sprochen. Ein wirklich eingesattelter Kücken ist weich und durch Er- schlaffung des Bandapparates derKückenwirbelsäule entstanden. Die Wirbel haben, statt sich gegenseitig zu halten und zu unterstützen, begonnen, in- folge der auf sie einwirkenden Belastung, auf die Bänder und Muskeln zu Fiff. 120. Einsesattelter Kücken. drücken, die sich dem Einsinken der Wirbelsäule Avidersetzen, besonders. dann, wenn ein fremdes Gewicht wie das eines Reiters dazu kommt. Bei alten Pferden kann es infolge davon hie und da zu Knochenexostosen in perlschnurartiger Reihenfolge kommen längs des ligamentum longitudinale ventrale, die dann auf die Lende überzugreifen pflegen und hier sogar Verknöcherung der Zwischenwirbelscheiben bedingen. Es entstehen diese Knochen genau, wie ich dies für traumatische Ossifikationen an Hals und Schädel von Wiederkäuern beschrieben habe (1902) und aus den gleichen Gründen wie die ehemaligen Exerzierknochen der j^reus- sischen Soldaten der alten Zeit. Der erste Nachteil der Einsattelung des Rückens liegt in der Überlastung der Wirbelbänder gegenüber den Knochen , durch die sie allmählich gelockert werden und eine Biegsamkeit bekommen , die der TTbertragung der Kraft der Hinterhand auf die Vorhand sehr unzuträglich ist. Schon Bouley sagt, daß beim eingesattelten Rücken die Gangarten sanfter er- scheinen, indem die Erschütterungen der Bewegung durch die Rückenbänder auf- genommen werden ; aber die Pferde werden auf die Dauer dadurch geschwächt und ruiniert und sind deshalb nvir in der Reitbahn zu brauchen. Man kann diese Aus- führungen nur bestätigen. Daher werden derartige Pferde auch gerne als Damenpferde. Der Kücken. 325 verwendet. Ich persönlich habe in meinen privaten Ställen ebenfalls ein derartiges Pferd besessen, das aber die Weiche der Bewegung nur in Grangarten mittleren Temjios zeigte, sobald man aber den Trab und den Gfalopp über ein gewisses Maß verstärkte, daß die Schwankungen der Wirbelbrücke nicht mehr genau mit den Hufschlägen harmonierten, wurden Iteide Gangarten stoßend nach normaler Weise. Besondere Formen des Rückens, die Erwähnung verdienen, sind: der gespaltene Rücken (dos double, doppio dorso), entstehend durch sehr starken physiologischen Querschnitt der Rückenmuskeln, namentlich des longissimus dorsi. Diese Erscheinung tritt bei Schrittpferden auf und ist hier nicht zu tadeln. Der scharfe Rücken (dos tranchant, dorso sagliente), der nicht mit dem mageren verwechselt werden soll. „Scharf" nennen wir den Rücken eines Pferdes, das sich in gutem Ernährungszustand befindet und bei Fig. 121. Vertiefter Rneken. dem trotzdem die Linie der Dornfortsätze der Rückenwirbel die Körper- haut dachartig hebt. Dieser Rücken pflegt ein sehr starker zu sein, doch sind solche Pferde oft nicht leicht zu reiten, falls sie ein etwas kämpfe- risches Naturell zeigen. Der magere Rücken (dos maigre, dorso magro), findet sich bei Tieren mit schlechter Ernährung und hohem Alter; er läßt die Dornfortsätze stark hervortreten, da die Muskeln durch Nichtgebrauch atrophiert oder geschrumpft sind. Das Gegenteil ist dann der runde Rücken (dos rond, dorso rotondo), der auf einer mittleren Entwicklung der Rüekenmuskulatur beruht. 3. Die Lenden (reins, lombi o reni). Die Lenden schließen an den Rücken an und haben als G-rundlage die sechs Lendenwirbel. Es sind nicht immer sechs , sondern bei den arabischen und nordafrikanischen Galopp-Pferden, wolil wegen der Zucht- 326 Der Rumpf. wähl, die die Araber und Mauren seit altem auf mö glichst kurzen Rücken, speziell kurze Lenden ausübten, nur fünf. Der sechste ist mit über- wiegender Konstanz in Wegfall gekommen. Etwas zu sehr als llassen- merkmal generalisiert und für nordafrikanische Pferde im Gegensatz zu Arabern mit 6 Wirbeln, — wurde dies erstmals durch Sanson (1866, 485), erwähnt, durch Cornevin (1885, 452) auch bei englischen Rennpferden, und neuerdings durch Osborn (1907) bei Arabern beobachtet. Damit ist schon der Einfluß der Bewegung auf die Gestaltung des Körpers bewiesen, und wir sehen, daß an der Lende zwei Dinge wichtig erscheinen, nämlich Länge und Breite. Länge. Prinzipiell kann man sagen, daß die Lende kurz sein soll, wenn es sich um schnelle Gebrauchspferde handelt wie auch um Zugpferde. Sie ist derjenige Ort des Pferderumpfes, der absolut gar keine seit- lichen Verstrebungen und Unterstützungen besitzt, wie der Rücken dies durch die echten Rippen erreicht. Je weniger Schwankungen und Be- wegungen in dieser Region möglich sind, desto besser ist die Kraft- übertragung. Die Länge der Lenden wird am besten in der Distanz des letzten Rippenköpfchens bis zum Yorderrande des Darmbeinhöckers gemessen, nicht aber etwa von dem kaudalen Rande der Rippenkurvatur. Lange Lenden sind als fast immer ungünstig zu beurteilen, selbst bei Zuchtstuten, weil sie eben vererben; sonst begegnen wir ihnen bei Stuten häufiger als bei Hengsten oder "Wallachen. Sie sind hier besser zu schätzen, wenn sie recht breit entwickelt sind. Zudem können sie zu Zwecken der Kompensation ganz brauchbar sein, indem dadurch ein zu kurzer Rücken etwas gestreckt wird. Kurze Lenden eignen sich vorzüglich für Galopp-Pferde. Sie sind meistens auch breit und daher stark in Knochen und Muskeln, und über- tragen die Kraft der Hinterhand dann leicht und verlustlos. Wie schon erwähnt, verwachsen die Lendenwirbel ziemlich häufig bei älteren Pferden untereinander, so daß eine einzige Platte entsteht, die aber den Gang recht hart macht. Die Breite der Lende ist dadurch erledigt, denn da die Rücken- muskeln auf den Lendenwirbelquerfortsätzen sich verflachen sollen, müssen diese so breit als möglich sein. Außerdem werden folgende Namen erwähnt: Die gerade Lende (reins droits, reni diritti) [Fig. 122], die dem geraden Rücken entspricht. Die hohe Lende oder Karpfenlende (reins de carpe, lombi alti o lombi di carpio) [Fig. 123]. Es ist dies die Konvexität der Lende, die dem Karpfenrücken entspricht. Bei ihr tritt namentlich die erwähnte Verwachsung der Wirbelkörper und Fortsätze ein und zwar häufig infolge von Trächtig- Die Lenden. 327 keit durch Zusammenschieben der Lende; damit ist oft hohes Kreuzbein verbunden. Die volle Lende (reins pleins, lombi pieni) zeigt eine leichte Wölbung nach oben infolge der Muskulaturentwicklung, deren Verflachung deshalb nicht genügend ist. Der nächste Grad ist die gespaltene Lende (reins doubles, doppi reni o reni spaccati), wo die langen Rückenmuskeln derart kräftig entwickelt sind, daß die Dornfortsätze wie in einer Rinne zu liegen scheinen. Der Gegensatz ist die scharf e Lende (reins tranchants, reni saglienti), wo gleich dem scharfen Rücken die Dornfortsatzreihe über kräftige, trockene Rückenmuskeln vorsteht. Sind die Lenden schlecht mit dem Kreuzbein verbunden, so nennt man das Fuchs- oder Wolfsien de (reins mal attaches, dilombato). Nur Laien können sie mit einer guten Lende verwechseln , die durch F]>. 122. Fio-. 123. Geratle Lende. Karpfenlende. starkes Überragen der inneren Darmbeinwinkel entsteht. Um zu unter- scheiden , muß man palpieren , ob die inneren Darmbeinwinkel oder die Dornfortsätze des Kreuzbeines die Erhöhung der Kruppe gegenüber der Lende ausmachen. Bei der Beurteilung der Lende ist es zweckmäßig, wie dies unter Konstitutionsbeurteilung schon erwähnt wurde, das Pferd in die Lenden- muskeln zu kneifen, wodurch eine Reflexbewegung veranlaßt wird, die das Becken zu einer horizontaleren Stellung oszillieren läßt. Manche Pferde sind in der Lende empfindlich und daher ist diese Berührung sowieso gut, wenn man nicht „Rockschläger" haben will. 4. Die Kruppe (croupe, groppa). Der deutsche Name „Kruppe" kommt aus dem Französischen und Italienischen und wurde in die deutsche Hippologie mit anderen ausländischen Fachausdrücken im 18. Jahrhundert übernommen. AVährend die früheren Autoren noch alle allein von „Creutz" sprechen, kommt Pinter (1664) erstmals zum allgemeinen Gebrauche des 328 L>er Kumpf. „Groppa- im fjanzeii Buche an Stollo von Kreuz. Spätere Autoren macliten das aber noch niclit mit, wie sogar noch Zchntnei- (1757/75) iunner nur „Crcuz und Backeu" separat bespricht. Erst Havemaiui (1792) spricht von Kreuz oder Kruppe, doch war dieser Ausdruck eben eingebürgert und noch nicht Gemeingut aller, sonst würde V. Ho ch stet ter nicht nötig gehabt haben, das „Kreuz" oder Kruppe (la Croupe) als den obersten Teil der Nachhaud, „bestehend aus den Heiligl)eiiien und dem obersten Teile des Beckens", zu ei-klären und daneben noch die Hüften oder Hauken (les hanches) zu unterscheiden, ..die aus den beiden Darmbeinen" bestehen sollen, wie wenn dies nicht die obersten Teile des Beckens wären. Er erwähnt aber dazu noch, daß Kruppe und Hanke gleichbedeutend sei. Die Grundlage der Kruppe sind die beiden Beckenbeine (ossa coxae), die das Becken bilden und das Kreuzbein (os sacrum). 1. Die Knochen des Beckens bestehen paarig aus dem Darmbeine (os ilium), dem Sitzbeine (os ischii) und dem Schambeine (os pubis). Alle drei trefi'en sich in der Beckenpfanne (acetabulum) des Hüftgelenks (articulatio coxae). Am Darmbeine ist vom Gesichtspunkt der Beurteiluugslehre wichtig : der Schaft (corpus) in und bei der Beckenpfanue gelegen, die Schaufel (ala) auf deren unterer (ventraler) Fläche die höckerige Geleukebene mit dem Kreuzbeine liegt, die facies auricularis. Der innere (mediale) Winkel der Schaufel (tuber sacrale) ist aufwärts gekrümmt, so daß er das Kreuzbein deckt, der äußere (laterale) Winkel wird zu einem handbreiten Knochen- vorsprung, dem Hüfthöcker (tuber coxae). Das Sitzbein besteht ebenfalls aus einem Körper in der Pfanne und aus zwei Asten, von denen der schwanzwärts gelegene Pfannenast am äußersten Ende den oft erwähnten Sitzbeiuhöcker (tuber ossis ischii) trägt. Die Querverbindungsknochen des Beckens, die Schambeine, sind für die Beurteilungs- lehre von geringer Bedeutung, sofern es sich nicht um sexuelle Unterschiede und Eignung der Stuten zur Geburt handelt. Die Verwachsung aller dieser Knochen ist je nach Rasse und Geschlecht verschieden. Die frühreifen Mastformen der Pferde ver- wachsen mit 2 Jahren schon völlig, spätreife Halbblutpferde aber erst mit 3 — 6, ja erst mit 9 Jahren. Auf die Geschlechtsdifferenzen der Beckenform wurde früher eingetreten. 2. Das Kreuzbein (os sacrum) wird durch die fünf verwachsenden Kreuzbeinwirbel gebildet. Es haben seine Wirbel Dornfortsätze, die man auf der Kruppe fühlen kann. Vor dem ersten derselben und dem letzten Lendenwirbel findet sich eine grubenförmige Vertiefung, das foramen dorsale. Die aus Verschmelzung der Seitenfortsätze gebildeten Seitenteile sind beim ersten Kreuzbeinwirbel zu Kreuzbeinflügeln (alae sacrales) ge- worden, die nach vorne mit der Lende gelenken, am Hinterrande aber eine Gelenk- fläche tragen, die Ohrmuschelfläche (facies auricularis), die genau entsprechend der Stellung der Darmbeine zum Horizonte, bald mehr, bald minder schräg steht und sich nach meinen Beobachtungen während des Lebens ändern kann. Die an den Knochen wirkenden Muskelzüge wurden schon früher erwähnt. Es sind im wesentlichen: A. Kopfwärts wirkend 1. am Becken mit Angriffsfläche auf der' ganzen Darmbeiuschaufel der lange Rückenmuskel (M. longissimus dorsi), ferner die Darmbeinschaufel und Rippen wie Sternum verbindenden Bauchmuskeln, M. obliquus internus und externus. 2. Am Kreuzbein ebenfalls der M. longissimus dorsi und multifidus dorsi. Die Kruppe. 329 B. Bodenwärts ziehend 1. am Becken. Betrachten wir das Becken als einen Wagebalken (gleicharmigen Hebel), der in der Hüftgelenkpfanue unterstützt ist, so zieht a) schwänz wä rts der Grelenkpfanne, also am Sitzbeine abwärts: «) der M. biceps femoris gegen Knie und Unterschenkel, /?) der M. semiteudinosus gegen den Unterschenkel, y) der M. membranosus gegen den distalen Oberschenkelteil ; b) kopfwärts der Gelenkpfanne, also am Darmbein, cT) die Kniescheibenstrecker, M. quadriceps femoris, zur Kniescheibe. Da der stärkste und schwerste Muskel des Pferdes der M. biceps femoris und auch seine beiden Helfer sehr kraftvoll, lang und schwer sind, so überwiegt am Becken ohne Zweifel der Zug am Sitzljein in den meisten Fällen der Bewegungsart. Fio-. 124. Stellung: von Becken und Sacrum bei der horizontalen Kruppe. Von geringem Einfluß auf die Beckenstellung, von großer Bedeutung aber auf die Stellung von Kreuzbein und Becken gegeneinander und die äußere Silhouette der Kruppe ist dann noch die Gruppe der Gesäßmuskeln, Mm. glutaei, zti nennen, die den Oberschenkel in der Gelenkpfanne fixieren helfen und gleichzeitig seine Be- wegung, die aber durch die langen Schenkelmuskeln veranlaßt wird, kräftig unterstützen. Sie helfen auch das Hüftgelenk zu strecken (M. gl. medius etc.) und zu beugen (M. glutaeus superficialis), sie wirken ferner, wie früher erwähnt, besonders bei der Schrittbewegung des Pferdes fast sel])stä]idig, weshalb sie bei Zugpferden und Schul- pferden sehr ausgebildet sind. Wir betrachten nun an der Kruppe in erster Linie die Stellung. Nachdem in früheren Zeiten, wie aus den Arbeiten von Richard (1874), Goubaux undBarrier (1884), Neumann (1887),Kraemer (1905/08) u. a. 330 Der Rumpf. hervorgeht, über die Ursache der Kruppenformen allgemein irrtümliche Auffassungen existierten, habe ich dann in einer kleinen Arbeit (1909) diese Frage definitiv abgeklärt. Danach ist die äußere Form der Kruppe nicht mit der Stellung des Beckens zu indentifizieren, sondern es lassen sich drei Arten von Kruppenformen, aber nur zwei Arten von Becken- stellungen unterscheiden : 1. Die horizontale Kruppe (croupe horizontale, groppa orizzontale) [Fig. 124]. Bei dieser steht das Becken fast parallel, also in geringem Winkel zum Kreuzbein und deshalb ist die dorso-ventrale Entfernung des Fig. 125. Stellung von Becken und Saorum bei der geraden Kruppe. Beckens vom Kreuzbeine (conjugata vera) relativ klein. Bei der Stute wird natürlich durch die Biegung der Schambeine etwas mehr Raum geschaffen. Die Lage des Beckens zur Horizontalen ist hier nur ganz wenig ab- weichend; im Mittel standen die von mir untersuchten Becken aller Pferde 18° 47^ zur Horizontalen. Eine Tangente an die Krümmung des Kreuzbeines weist 15° 24' auf. Die Schenkelmuskulatur erscheint hiebei meistens recht flach. 2. Die gerade Kruppe (croupe droite, groppa diritta) [Fig. 125 u. 126]. Bei der geraden Kruppe siebt die obere Grenzlinie der Kruppe durch die Die Kruppe. 331 Kreuzbeinstellung nicht anders aus als bei der vorerwähnten. Untersucht man aber durch Palpation, so findet man eine absolut schräge Stellung des Beckens, oft bis zu 30 Grad zur Horizontalen, währenddem das Kreuzbein fast horizontal steht. In zahlreichen Fällen konnte ich beobachten, wie sich bei jungen Pferden durch das Reitergewicht in Verbindung mit alleinigen Gralopp- bewegungen diese Form ausbildete, in geringerer Weise auch schon durch besondere Anstrengung der Rücken-, Nacken- und Bauchmuskeln bei Rennpferden. Hiebei trifft gewöhnlich die gerundetere Schenkelform ein. 3. Die abschüssige Kruppe (croupe oblique, groppa obliqua o spiovente) [Fig. 127]. Hier folgen sowohl Beckenknochen, als auch das Fiff. 126. Fig. 127. Urarißbild einer geraden Kruppe. Nur die Palpation der Knoehenenden gestattet die Unterscheidung in horizontale oder gerade. Abschüssige Kruppe. Kreuzbein dem Zuge der langen Kruppenmuskeln und neigen sich ab- wärts. Der so durch das Becken erreichte Winkel kann bis zu 40 Grad steigen. Gewöhnlich ist infolge der Gegenwirkungen am Kreuzbein und des durch die Verteilung der Köpfe der ziehenden Muskeln bedingten Teilung des Drehungsmomentes der Kraft, das Kreuzbein immer etwas weniger schräg gestellt. Doch darf man sich bei dieser Beurteilung nicht durch die event. überragenden inneren Darmbeinwinkel täuschen lassen. Diese Form findet sich am häufigsten bei Pferden, die bei besonderer Kraftentwicklung (großer physiologischer Querschnitt) der langen Schenkel- muskeln ohne jegliche Rückenbelastung nur zu schreitender oder trabender Gangart gebraucht Averden. Aber selbst bei Galopp-Pferden, die erst sehr spät eingeritten wurden, kann diese Form erreicht werden. Länge. Die Länge der Kruppe ist bis zu einem gewissen Grade von ihrer Richtung abhängig, denn es ist ohne besonderen Beweis klar, daß ein Becken gleicher Länge bei größerer Schräge eine geringere Fläche 332 i>ei' Rumpf. überdecken wird, als das liorizontalstehende gleichgroße Becken, falls, wie das bei der Messung oder seitlichem Beschauen geschieht, die Kruppen- länge horizontal gemessen wird. Daher wird die längste Kru])])e immer die eines horizontalen Beckens sein. Die absoluten Maße wurden von Bourgelat gleich 7g tler Kopf- länge angenommen. Pinter und auch verschiedene moderne Autoren glaubten, daß die Kruppe Y3 des Kumpfes ausmachen müsse. Es stimmt das nicht ganz, indem nach meinen Messungen die Leistung auch hier viel ausmacht, Traber die kürzeste, Galopper die längste Kruppe zu haben pflegen. Kombinierte Gebrauchspferde stehen je nach ihrem Gebrauche mehr oder weniger in der Mitte. Schrittpferde näher den Galoppern. Meine Mittelzahlen in Prozenten der Rumpflänge betragen : Araber 34,6 % Engl. Vollblut .... 32,8 7, Traber 27,6 7^ Komb. Gebrauchspferde . 30,6 7o Schrittpferde .... 34,1 7^ Breite. Die Breite der Kruppe beruht aiif der durch Vererbung der Knochenlängen infolge gleicher bestimmter Leistungen angeborenen Formgestalt. Sie ist aber auch stets im Zusammenhang mit dem Volumen der Gesäßmuskeln. Schon die ältesten Hippologen verbinden den Begriff der Kruppen- breite mit dem der Stärke. Je weiter die Unterfüße auseinanderstehen, desto .stärker soll das Pferd sein und desto weniger könne sich dasselbe „streichen". Ganz richtig ist dies nur insofern, als die Kruppenmaße dann außen auf den Schenkelmuskeln genommen werden müßten. Dann würde es in allen Fällen zutreffen, während mit den richtigen Knochenmaßen noch nichts über die Bemuskelung gesagt ist, da namentlich die funktionelle Ausbildung der an der oberen Kruppenpartie beteiligten Glutaeen nicht maßgebend ist für die Vorwärtsbewegung des Pferdekörpers, wie dies Straße r (1913) fälschlich meint. Wenn das Becken sehr breit ist, wird die Hinterhand aber viel stabiler in ihrem Gleichgewicht, was für eine langsame Zugbewegung sehr günstig, wenig vorteilhaft aber für die Schnellig- keit ist. Wird ein solches Pferd geritten, so empfindet man ein unangenehmes stetiges Schaukeln im Trabe. Ein zu schmales Becken wird aber in der Tat auch schlechter bemuskelt und sicher nicht so leistungsfähig sein wie ein breiteres; daher ist eine mittlere Beckenbreite das beste für ein kombiniertes Gebrauchspferd und selbst auch für Schnellpferde. Ich fand folgende Mittelzahlen : Die Kruppe. 333 Absolute Maße der Hüftbreite: Araber 47,9 cm Englische Vollblüter 53,3 „ Traber . . . : 53,7 ,. Ostpreußen 55,6 „ Anglo-Normänner und Hanno veraner 57,2 „ Holsteiner 58,9 „ Shire 05,4 „ Belgier 6(3,0 „ Als besondere Kruppenformen sind zu nennen: Die gespaltene Kruppe (croupe coupee ou double, groppa doppia, groppa spaccata) [Fig. 128]. Dies ist die „schöne" Krn])])e der alten Hippologen, Fig-. 129. Fio-. 128. Die gespaltene Kruppe. Ttunde Kruppe. wie Löhneyß und Pinter wünschen, daß inmitten jedes guten runden Kreuzes ein „schöner Kanal oder Rinne" verlaufe. Hochstetter strengt sich vergeblich an, zwei gespaltene Kruppen zu unterscheiden, die eine bei Fuhrpferden, die andere bei Halbblütern. Das ist natürlich zwecklos, da dieselbe doch meist mit der Abschüssigkeit der Kruppe, unter allen Umständen aber mit besonders starken Glutaeusmuskeln verbunden ist. Ist beides weniger ausgeprägt, so wird sie natürlich „schöner" erscheinen. Die funktionelle Dickenausbildung der Gesäßmuskeln ist derart stark, daß diese oft die Darmbein winkel und kurzen Dornfortsätze des Kreuzbeines, das stark schräg steht, weit überragen, und wegen dieser Muskelwülste die Kruppe oft höher erscheint, als sie dem Knochenbau nach ist. Sind die Muskel wülste weniger ausgeprägt, und ist die Stellung des Kreuzes zur Horizontalen eine höhere, so entsteht die runde Kruppe (croupe ronde, groppa rotonda) [Fig. 129], die namentlich von hinten gesehen, eine schön gerundete Begrenzung aufweisen soll. Wenn sich bei einer solchen 334 !>«»• Rumpf. am Grunde der Schweifwurzel eine kleine gruhenartige Vertiefung findet, die auch nur auf einen guten Ernährungszustand hindeuten kann, so redet man von „Melonenkruppe" (croupe en cul de poule, groppa a popone). Nunmehr kann auch die Bemuskelung knapper werden und die Dorn- fortsätze des Kreuzbeines deutlich die Haut gegenüber den Becken- hälften heben, so entsteht zunächst die abgedachte Kru])])e (croupe en forme de toit, groppa declive a forma di tetto), bei der die Dorn- fortsätze einem Dachfirste gleich aufstehen und die Seitenflächen gleich einem sanft geneigten Dach auf beide Seiten abfallen. Das erste Stadium ist die flache Kruppe (croupe plate, groppa ])iana), bei der in der Ansicht von hinten die ganze Kreuzfläche eine Ebene bildet. Diese Bildung ist selten ; meistens ist damit eine Verfettung dieses Teiles verbunden: Speckkruppe (croupe grasse, groppa grassa). Fig. 130. Fiff. 131. Eselskruppe. Pyramiilenkruppe. Sind dann gar die Kreuzbeindornfortsätze sehr hoch, so entsteht die Eselskruppe (croupe tranchante ou de mulet, groppa sagliente o di mulo) [Fig. 130]. Ist sie dazu noch abschüssig mit tiefangesetztem Schweif, so redet man von Schweinskreuz (croupe de porc, groppa di porco). Das sind die durch die Korrelationen von Kreuzbein und Gesäßmuskeln gebildeten Kruppenformen. Von den durch die Variation der Darmbeinschaufeln entstehenden Kruppenformen ist bekannt: Die hüftige Kruppe (croupe cornue ou anguleuse, groppa angolosa o anche cornuta) mit trockenen Gesäßmuskeln und starkem Heraustreten der äußeren Winkel, die nicht unbrauchbar sein muß; die einhüftige Kruppe (c. ehanchee ou epoint6e, groppa slombata, sciancato) falls einer der äußeren Winkel abgebrochen ist, was natürlich pathologisch ist. Ich vermisse aber jede Namengebung für das hohe Aufstehen der inneren Darmbeinwinkel, wodurch eine falsche Eselskruppe erzeugt wird. Der Schweif. 335 Durch Palpation konstatierte ich dieses in zahllosen Fällen, namentlich bei amerikanischen und spanischen Remonten und schlage dafür den Namen Pyramidenkruppe (croupe en pyramide, groppa piramidale) vor (Fig. 131). Wenn die Kruppe nach hinten gegen die Sitzbeine zu spitz zuläuft, so nennt man diese Kruppe auch Mandelkruppe (croupe en amande ou pointue, groppa appuntata). 5. Der Schweif (la queue, coda). Der Schweif des Pferdes sitzt am hintersten Teile des Rumpfes oberhall) des Afters. Seine Grundlage ist der aus den Schwanzwirbeln und den daran befestigten Muskeln gebildete Schwanz. Die Schwanz- wirbel sind verkümmerte Wirbel ohne Wirbelkanal, nui- mit Zwischen- scheiben versehen. Ihre Zahl ist nach Rassen und Individuen variabel, bei Arabern und anderen orientalischen Pferden meistens 16, finden wir bei nordischen und mitteleuropäischen Pferden gewöhnlich 18. Hie und da tritt auch völliges Fehlen des Schwanzes ein. Der als freies Organ aus dem Körper hervortretende Schwanz beginnt erst mit dem dritten Wirbel. Die Muskeln des Schwanzes gestatten dessen Bewegung hauptsächlich seitwärts und abwärts. Die Hebermuskeln erlauben wohl ein Heben, nicht aber ein Aufkrüramen desselben. Alle Muskeln umziehen die Wirbel bis auf den zwölften und laufen dann sehnig aus. Der Schweif des Pferdes hat sich aus dem längeren Schwänze seiner Ahnen modifiziert, der wohl früher auch der Steuerung der Bewegung diente. Jetzt ist er wesentlich ein Organ zum Schutze gegen Insekten- stiche und gestattet den Körper weithin durch Seiten- und Abwärts- schlagen zu bestreichen. Wichtig ist zunächst seine Stellung und Haltung. Der Ansatz des Schweifes ist natürlich abhängig von der Richtung des Kreuzbeines, weshalb bei Pferden mit abschüssiger Kruppe eben auch der Schwanz nicht hoch angesetzt sein kann. Wir unterscheiden daher zwischen hochangesetzten und tiefangesetzten Schwänzen. Hoch- angesetzt (queue bien attachee, coda ben attaccata) heißt er, wenn er bei horizontaler Kruppe auf gleicher Höhe des Kreuzbeines entspringt und in wagrechter Richtung die Kruppe verläßt und sich in gefälligem Bogen abwärts senkt (vgl. Fig. 118). Tiefangesetzt (mal attachee, mal attaccata) nennt man ihn, wenn er ein abschüssiges Kreuzbein weit unterhalb des höchsten Punktes des Kreuzes verläßt (vgl. Fig. 127). 336 T)er Rumpf. Zwischen beiden Ansätzen gibt es eine Reihe von Mittelstufen; außerdem unterscheiden die Eranzosen noch das „Tragen", (bien portee und mal portee). Ferner unterscheidet man : Den eingesteckten Schweif (queue en lapin, plantee comme dans une pomme, coda impiantata), wenn derselbe tief aus dicken Muskel- wülsten hervortritt (vgl. Fig. 127 u. 128). Den Hammel schwänz (queue de mouton, coda di montone), wenn derselbe schlaff, wie gelähmt herabhängt. Über das Tragen des Schweifes ist zu bemerken, daß er in der Ruhe immer zwischen den Schenkeln gehalten wird, aber in flottem Schritt und Trab, namentlich unter dem Reiter ausgestreckt zu werden pflegt. Man verbindet mit dieser Tragart den Gedanken des Mutes imd der Schönheit, weshalb bei schweren Pferdeschlägen oder weniger energischen Pferden durch Pferdehändler bei der Vorführung diese Haltung durch Einschieben von Ingwer oder Pfeffer in den After der Tiere erzwungen wird. In diesem Falle pflegt dann das Pferd auch im Stehen den Schweif hoch zu tragen, damit zu zittern oder den After krampfhaft zu kontrahieren oder beim Misten längere Zeit die Rose zu zeigen. Über die Muskelkraft des Schweifes wurde schon früher ge- sprochen, ebenso über die Schweifhaare und ihre Längen. Es erübrigt nur einige Worte über die gebräuchlichen Formen des Schweifes zu sagen. Wir sprechen von Längs chweif (queue longue en balai, coda lunga a granata), wenn die Haare besonders lang gepflegt zu Boden wallen (vgl. Fig. 26). Von Ar aber schweif, Avenn sie dabei nach abwärts an Länge abnehmen, so daß er unten zugespitzt erscheint (queue en sifflet, coda araba) [vgl. Fig. 126]. Von kupiertem Schweif reden wir (courte queue , coda troncata a spazzola , docked tail) , wenn durch Abschneiden eines Teiles der Schweifrübe die Haare bürsten- artig stehen (vgl. Fig. 118). In alter Zeit wurde durch die Schmiede statt Aderlaß die mittlere Schwanzvene durch Abschneiden einiger Schwanz Wirbel geöffnet. Das Ergebnis war ein Fächerschweif (en eventail). Beim Pinselschweif (coda a pennello) wurde derselbe nach dem Kreuzbeine abgeschlagen und stand dann nur wie ein kurzer Pinsel über dem After. Nach Lord Cadogan wurde er als „Cadogan- schwanz" (queue en Cadogan, coda a Cadogan) bezeichnet. Um das mangelhafte Tragen oder Herabhängen des Schweifes zu verhindern, wurden die lateralen Niederzieher durchschnitten mit 3 — 4 Querschnitten unter Substanzverlust durch Ablation der Zwischenstücke und Aufhängen des Schweifes in Rollen bis zur Heilung. Man nannte dies englisieren (queue ä l'anglaise, ou nicquetee, coda all'inglese, nicking a horse tail). Der Rattenschweif (queue de rat, coda di topo) ist spärlich behaart. Die Vorbrust. 337 6. Die Vorbrust (le poitrail, petto). Diese liegt unter dem Halse auf der vorderen, kranialen Seite des Rumpfes. In ihrer Mitte befindet sich der Habichtsknori^el, d. h. die Brustbeinspitze, der leicht fühlbar ist; von ihm aus zieht sich halswärts der Hautmuskel des Halses (platysma). Auf dem Sternum selbst verläuft eine Furche, die mittlere Brustfurche, (interars, solco interascellare). Diese ist durch den Muskelwulst, den torus peetoralis, des M. pectoralis descendens, von der seitliehen Brustfurche (ars, ascelle) abgegrenzt, die diesen Muskel vom M. brachiocephalicus trennt, der das Schultergelenk überzieht, das man noch weiter seitlich trefflich gewahrt. Die seitliche Brustfurche endet mit der Sehne, die dieser Muskel mit dem vorerwähnten M. pectoralis descendens bildet. Der wichtigste Gesichtspunkt, auf den die alten Autoren hinweisen, ist bei diesem Körperteile die Breite. Sie begründen ihre Auffassung damit, daß wenn bei einer breiten Vorbrust die Füße oben weit auseinander stehen, dies auch unten der Fall sei, und die Tiere sich nicht streifen. Zudem sei die Muskulatur eine sehr starke, wenn die Brust breit sei. Bouley sucht sogar eine Korrelation zwischen Atmungs Organen und Vorbrust; Pferde mit geradem Kopf und weiten Nüstern hätten breite Vorbrust, ramsköpfige Pferde schmale Vorbrust und schmalen Brust- kasten. Sehen wir zu, was die Breite der Vorbrust bedingt, so erkennen wir: a) Die Breitenausdehnung des Thorax in seinem vordersten Teil. b) Die Länge oder Dicke der Hals-Vorderbein- und Eumpf-Schulter- muskulatur. c) Die Halslänge. d) Der mehr nach hinten oder mehr nach vorne geschobene Bug. e) Die höhere oder tiefere Aufhängung des Thorax zwischen den Schultern. Mit der Atmung kann nur der erstere Punkt in Zusammenhang stehen, doch sehen wir, daß gerade der breite und kurze Brustkorb den Masttieren anzugehören pflegt, dessen Atmungsorgane nicht besonders ausgebildet sind. Je länger aber der Hals, je länger und schlanker seine Muskeln, die an die Vorderbeine gehen, desto schlanker wird auch die Vorbrust sein müssen, woraus sich der Geschlechtsunterschied erklärt, der hier deutlich ist. De Curnieu geht allerdings zu weit, wenn er die Vor- brust schlank wünscht wie eine Pfeilspitze, damit das Schnellpferd die Luft durchschneiden könne, aber bei der Beurteilung der Vorbrust soll man die Gebrauchszwecke der Pferde auseinander halten. Wenn v. H och- st ett er für die Löwenbrust der arabischen Pferde schwärmt, so dürfte dies auf einer Täuschung beruhen. Die Brust ist allerdings hier ver- hältnismäßig breiter als sie beim englischen Vollblüter gemeinhin zu Duerst, Die Beurteilung des Pferdes. 22 338 Der Rumpf. sein pflofj't, weil eben der Hals und seine Muskeln l)eim Araber kürzer sind. Günther teilt sogar die Vor])rust durcli eine quere Linie durch die beiden Buggelenke in zwei Hälften und meint, daß Verkürzung des oberen Teiles bei starkem Widerrist sich für Eeitpferde am besten eigne, bei Kummetanspannung auch eventuell für Zugpferde, der untere Teil aber je nachdem zu bewerten sei. Damit ist gar nichts gesagt und diese Einteilung überhaupt zwecklos. Wie wir aus früherem sahen, kann ein Pferd sowohl bei einer tiefen, wie einer hohen Aufhängung des Brust- korbes zwischen den Schultern Vorzügliches leisten, es hängt absolut von dem Überbautsein der Kruppe und der Hinterextremität ab. Je tiefer der Brustkorb hängt, desto höher wird der Bug zu liegen kommen. Je schlanker und dünner der Hals und seine Muskulatur, desto schlechter bemuskelt ist auch der Bug und die Vorderbeine. Daraus können wir schließen : eine mittlere Breite dürfte am vorteilhaftesten für das kombi- nierte Gebrauchspferd sein, größere Schlankheit infolge harter, trockener Muskeln für den Renner, breite, dicke Muskeln und gleiche Brust für das Zugpferd schwerer Lasten. Eichtig ist aber die Bemerkung der alten Hippologen, daß das Streifen der unteren Beinenden natürlich um so weniger vorkomme, je weiter die Glieder auseinander stehen. An besonderen Formen nennen wir: die schmale Brust (serre du devant, petto stretto) ; die mittlere Brust (ouvert du devant, petto comune); die breite Brust (bien ouvert du devant [Garsault], petto largo); die Löwen brüst, die sehr breit sein soll, wo])ei meist Boden- enge der Glieder eintritt (trop ouvert du devant, petto di leone) ; die Hahnenbrust (poitrine de coq, petto di gallina). Dies ist die Brust, die durch starke, dicke Pektoraliskissen entsteht, so daß dieselben von der Seite gesehen vorstehen und die mittlere Brustfurche sehr tief ist; die Habichtsbrust als umgekehrte Variante durch Atrophie der tori pectorales entstanden, l)ei der Habichtsknorpel die Haut nach vorne dachfirstartig aufhebt (poitrail tranchant, petto stretto d'innanzi) ; die Beschäle r b r u s t (poitrine d'etalon, petto di monta) (G ü n t h e r) soll schlaff herabhängende Brustmuskelwülste haben, wie solche bei alten Beschälern auftreten mögen. Die französische Bezeichnung „poitrail creux ou enfonce" dürfte besser durch „Vorgeschobene Schulter" ersetzt werden, da die Ursache dieser Bildung nur die Vorlagerung der Buggelenke sind. Der Brustkorb. 339 7. Der Brustkorb (thorax, torace). Wie bekannt ist dies der von den Rippen und der diese tragenden Wirbelsäule umschlossene Brustraum, in dem die Organe der Atmung und Zirkulation liegen. Die alten Hippologen betrachteten diese, hinter den Schultern und zwischen denselben liegende Region als Teil des Bauches. So spriclit L ö h n e j' ß unter dem Artikel Bauch von der Atmung und den breiten, starken und langen Rippen. Später mehrte sich die Wertschätzung dieses Teiles; aber erst der französische Arzt, Gutsbesitzer und Tierzüchter Richard (du Cantal) sagt, „daß alle Teile der tierischen Maschine den guten Bedingungen und Trefflichkeit der Brust untergeordnet seien. Alles funktioniere schlecht, wenn dieser Herd des Lebens keine Kraft mehr habe." Deshalb sind mit Recht von zahlreichen jüngeren Autoren Untersuchungen über die Beurteilung der Brust gemacht worden. Als erster istv. Lützo w (1908, 731) zu nennen, der Wägungen und Messungen der Organe des Brustkastens vornahm und aus diesen Korrelationen abzuleiten versuchte. Ihm folgten dann Max Müller (1909/1911) und Molthoff (1909/1910), von denen der letztere unter meiner Leitung arbeitete. Beide Autoren bestimmten die Lungenkapazität direkt, Müller mittelst Luftfüllung, Molthoff nach einem von mir früher erprobten Verfahren der Injektion mit warmem Talg, wobei sich die tatsächliche Füllung aller Lungenalveolen genau kontrollieren läßt, sobald der Talg erhärtet und die Lunge in Stücke zerschnitten wird. Die hier gefundenen Zahlen entsprechen der tatsächlichen Maximalkapazität noch besser als die M. Müllers. Legt man die modernen, in diesem Buche allein benutzten Methoden der Mittelwert- und Korrelationsberechnung zugrunde, so findet man zunächst, daß die Lungenkapazität mit dem Kr)rpergewichte nicht zu- nimmt, sondern schwere Pferde absi^lut schwerere, aber im Verhältnis zu ihrem Gresamtgewicht kleinere Lungen haben. Die Zahlen M o 1 1 h o f f s sind : Ostpreußen und Ungarn . 10,5 Liter pro 100 kg Lebendgewicht Dänen 9,5 „ „ 100 „ „ Belgier 7,8 „ „ 100 „ Auch Max Müller bestätigt diese Zahlen mit seinen Angaben: Magere Laufpferde 9,50 Liter Magere Schrittpferde 7,37 „ Mittel gutgenährte Laufpferde . . 8,71 „ Mittelgut genährte Schrittpferde . G,(jO „ Gut genährte bis fette Laufpferde . 7,20 „ Gut genährte bis fette Schrittpferde 6,00 „ 340 l^ör Rumpf. Es ist klar, daß die Tnspivation durch die Zwerchfellbewep^ung eine Furiiiveränderung des Brustkorbes bedingt. Diese wird erst dann wahr- nehmbar, wenn die Mm. intercostales externi, der M. transversus costarum und die Mm. intercartilaginei den ganzen Thorax in die Hrdie und Quere dehnen. Dabei vergrößern sicli die Rippenzwischenräume, und es ist klar, daß durch häutige, starke Atemfunktion der Thorax sich weitet und auch durch Vergrößerung der Rippenzwischenräume nach hinten ausdehnt. Nun ist es nach diesen Tatsachen der Atembewegung der Rippen einleuchtend, daß nur die falschen Rippen durch deren Ausdehnung be- einflußt werden können, da die wahren Rippen sich weder zu krümmen noch zu verschieben vermögen. Es muß deshalb ein Zusammenhang zwischen Lunge und falschen Rippen bestehen, daher sind die Ergebnisse, die sich nach Molthoffs Messungen aus den Korrelationen zwischen Lungenkapazität und Länge des Brustkorbes ablesen lassen, wichtig, wenn man diese Länge vom Vorderrand des Thorax (Bugspitze) bis zum Ende der letzten Rippenkrümmung nimmt. Nach der Korrelationsbe- rechnungsformel C= ^ 1^ „ — - — — finden wir eine schöne Korrelation n öj Og von 0,4913. Dieser Befund wird auch bestätigt durch die gleichen Verhältnisse bei anderen Haustieren, wie ich sie durch S emmier (1913) für Zucht- und Mastschweine, durch Zehntner (1917) für die Korrelation von Milchergiebigkeit mit diesem Maße bei Kühen nachweisen ließ. Zehntner findet als beste Korrelation : 0,2339. Daraus folgt, daß Lungenkapazität und Thoraxlänge in recht engen Beziehungen stehen. Aber auch der Brustumfang auf der Höhe des Diaphragmas ist von hübscher Korrelation 0,4187. Nicht ganz so gut, aber immerhin auch beachtenswert ist der Korrelationskoeffizient der Tiefe oder bloßer Höhe des Brustkorbes, nämlich 0,3106. Die Höhe des Brustkorbes ist eher für die Schulterlänge von Bedeutung; Fohlen aus Familien mit hohem Brustkorb haben mehr Aussicht, ein langes Schulterblatt aufzuweisen, als solche mit niedrigem Thorax. Die Zahlen Max Müllers lassen sich leider hier für uns nicht verwenden, da dieser Forscher als Maß die Länge der Brustwirbelsäule benutzte, die, wie ich schon beim Rinde und anderen Haustieren zeigen ließ, mit der Leistungsart dieser Tiere gar nicht oder nur in kleinsten Korrelationen steht, während es ja allgemein bekannt ist, daß sich beim Menschen w^ie beim Tiere durch lebhafte Atemtätigkeit der Thorax weitet und die Rippenkrümmung weiter hüftwärts ausbiegt. Damit wären nunmehr genau ermittelte Anhaltspunkte für die Be- urteilung des Brustkorbes der Pferde auf die Lungenkapazität und ab- Der Brustkorb. 341 geleitet auch die Herzkapazität gegeben, die durch die Methoden der hiometrischen Korrehxtions- Berechnungen zu einem allgemein gültigen Momente werden. Länge (profondeur, lunghezza). Die Brust soll daher vor allem lang sein (profondeur der französischen Autoren), gemessen vom Bug bis zur Mitte der letzten Rippenkrümmung. Man vp^ird dieselbe beurteilen, wenn man das Pferd von der Seite be- trachtet. Man wird dabei auf den Grrad der Rippenwölbung, die Werte der Zwischenrippenräume und auch auf die Länge der Brustwirbelreihe achten. Für gute Lungen spricht namentlich, wenn eine Brust sehr lang ist, ohne daß der Rücken eine Yerlängerung erfährt. Breite (largeur, larghezza). Die Breite der Brust wurde bisher auch meistens falsch gemessen, indem man die Breite auf der Höhe des Sattelgurtes betrachtete, maß- gebend kann aber doch nur die durch die Bewegung der Rippen bewirkte Ausbiegung der Rippen sein, mit wenigstens einiger Hoffnung auf Kor- relation mit der Leistung. Natürlich brauchen auch langsam arbeitende Schrittpferde gute Lungen und namentlich starke Muskulatur der Rumpf- seiten. Daher sind die Zahlen nicht so bei den einzelnen Pferdegruppen verschieden. Unter den Hippologen kursierten verschiedene Ansichten mit Rücksicht auf die Brustbreite. Die einen verlangten für Ziig- pferde eine zylindrische Brust, für die Schnellpferde eine von elliptischem Querschnitt, namentlich weil diese, obschon geräumig, die seitlichen Ver- schiebungen des Schwerpunktes weniger ausgedehnt werden läßt. Die Variation des Verhältnisses zwischen den Längs- und Querachsen der Brustellipse wird durch den Brustindex ausgedrückt, der bei Messung auf der Höhe des Sattelgurtes zwischen 50 bei leichten und 65 bei schweren Pferden variiert, bei Messung auf der Diaphragmahöhe aber zwischen 80 und 90 schwankt. B r u s t h (■) h e (Tiefe), (hauteur, altezza). Darunter verstehen wir die Höhe der Brust vom Widerrist bis zur Unterbrust. Hier spielt natürlich die Länge der Dornfortsätze zunächst eine große Rolle, so daß nicht allein die Kapazität der Brustorgane als namentlich auch die Polgeerscheinungen einer starken Halsmuskulatur getroffen werden. Somit ist eben dieses Maß für die Brust selbst ziemlich be- deutungslos, wohl aber für die Beurteilung der Stärke der Vorhand von Wert. Man pflegt wie S. v. Nathusius die Brust als „tief" (besser wäre „hoch") zu bezeichnen, wenn sie mit dem Brustbeine unter den Ellenbogen- 342 I^er Kumpf. höckor hinabreicht. Dies hänf?t aber auch sehr mit der Aufhängung des Thorax im Serratusgürtel zusammen und daher ist die Auffassung des Grafen Lehndorff die richtige, ein Pferd im genannten Fall dann kurzbeinig zu nennen und umgekehrt hochbeinig, wenn das Brust- bein über dem Ellenbogenhöcker bleibt. Besondere Formen : Flache Hippen hinter den Schultern heißt eingeschnürte Brust (poitrine serree, cheval plat [Garsault], stretto di costa). Reicht die Brust nicht tief herab, spricht man von „hoch auf Beinen" (trop loin de terre, enlevee, torace poco profondo, manca di corpo). Interessant ist zum Zwecke der Charakteristik der Brustkapazität, den Flächeninhalt des Brustquerschnittes zu berechnen, nach der Formel 7o Brustbreite . Y^ Brusthöhe . jr. Rechnet man dies für Schritt- und Lauf- pferde aus, so findet man meistens, daß der Flächeninhalt des Quer- schnittes bei Laufpferden größer ist als der bei Schrittpferden. 8. Die Flanke (le flanc, fianco). An die beidseitigen Rippen anschließend, hat diese Körpergegend als Grundlage die Bauchmuskeln und zwar wird als Flanke nur der Teil derselben betrachtet, der oberhalb (dorsal) der größten Rippenkurvatur gegen die Lenden zu liegt und nach hinten durch die Darmbeinschaufel und die Glutaeusfaszie begrenzt wird. Französische Autoren haben an den Flanken die Lendengrube (fossa paralumbalis), (creux du flanc, fossa del fianco), die Flankensehne (corde du flanc, corda del fianco), [Rippenbo genstreifen des M. obliquus internus, der im Stehen ge- spannt ist, weil er den Brustkorb an der Darmbeinschaufel aufhängt] und die Flanken Verjüngung (fuyant) unterschieden. Die Flanken müssen schön geschlossen sein (flanc clos, fianco chiuso), also die Grube darauf fehlen. Es deutet dies auf guten Muskeltonus und gleich- zeitig auch auf Kürze dieser Region hin. Man spricht von hohlen Flanken (flanc creux, fianchi cavi), wenn die Lendengrube als drei- eckige Vertiefung entsteht. Die Ausdehnung der Flanken soll möglichst kurz sein. Ihre Länge dient zur Kontrolle der Brustlänge nach meiner Methode der Messung. Die Distanz von der letzten Rippe bis zur Darmbein- schaufel soll so kurz als möglich sein. Ich habe als Mittelmaße für alle Pferdeformen 8,86 cm festgestellt. Rassendiff'erenzen finde ich nicht eigentlich, denn es spiegelt sich die Anpassung an eine lebhafte Atemtätigkeit in der Kürze der Flanke wieder. Anders läßt die Trächtigkeit und geringe Arbeitsverwendung bei Zuchtstuten in Gestüten die Flanken verhältnis- mäßig sehr lang werden. Die größten Flanken bei Zuchtstuten waren 17,5 cm. Der Bauch. 343 Die Großzahl der Hippologen behauptet, daß die Ausdehnung der Flanken in direkter Beziehung zu der Lendenlänge stünde, und daß das Maß der einen genau das der anderen gäbe. Dies ist ohne Zweifel unrichtig, indem die Länge der Flanken nur abhängt von der durch die Atmungs- bewegung bewirkten stärkeren oder minderen Krümmung der Rippen. Weil aber dies für die Beurteilung der Konstitution und Leistungsfähigkeit eines Pferdes von fundamentaler Bedeutung ist, so müssen wir folgern, daß die Flanken immer so kurz als möglich sein sollen. Wenn ich sage so kurz als möglich, so denke ich an die Geschlechtsvariation dieses Maßes, indem Stuten meist längere Flanken als Hengste haben. Wir sprechen somit von kurzen (flaues courts, lianchi corti) und langen (flaues longs, flanchi lunghi) Flanken. Sodann ist hier noch der Flankenbewegung zu gedenken, wo- runter man die beim Atmen eintretende Hebung und Senkung der AVandungen versteht. Auch beim Pferde kann man, wie beim Mensch, zwischen Brust- atmung und Bauchatmung unterscheiden. Rennpferde und solche, die dauernd in schnellen Gangarten gehen, zeigen immer weniger Flanken- bewegung, als Tiere des Typus digestivus, die große Bäuche durch Anfüllung mit großen Futtermengen haben. Die Flankenbewegungen oder die Zahl der Atemzüge variieren nach meinen erwähnten Angaben nach Rasse, Alter, Temperatur usw. ; im Mittel betragen sie 12 — 14 in der Minute, nach einem Galopp kann es auch bis zu 87 kommen, was aber ganz vom Training des betreff'enden Tieres abhängt. Wir müssen unbedingt verlangen, daß sich die Flankenbewegung selbst nach der stärksten Anstrengung rasch beruhigt. 9. Der Bauch (ventre, ventre). Unter Bauch versteht man die von den Bauchmuskeln gebildete Region zwischen dem Hinterrande des Brustkorbes und dem Vorderrande des Beckens. Unter dem Tiere treffen die beidseitigen Bauchmuskeln in einer medianen Naht, der Linea alba zusammen, die seitliche Begrenzung des Bauches wird durch die Flanken auf der Höhe der größten Rippen- kurvatur gegeben. Auch der Bauch hat keine knöcherne, sondern nur eine Muskelgrundlage. Er ist aber dennoch ein für die Bewegung des Tieres, wie auch natürlich für seine Ernährung höchst wichtiger Körperteil. Die Bauchmuskeln tragen zunächst den Bauchinhalt und zwar besorgt dies in der Euhe die tunica flava mit ihrer Elastizität, nur bei lebhafter Bewegung muß der M. transversus abdominis helfen. Ferner tragen sie auch den Brustkorb, wenigstens in seinem hinteren, nicht auf das Brustbein sich stützenden Teil, indem derselbe, wie schon betont, durch den M. obliquus internus am Becken aufgehängt ist. Durch diesen, wie auch den Zug des M. rectus abdominis wird auch noch die Wirbelsäule fixiert, wobei die Rückenmuskeln entlastet werden. 344 1*61- liumpf. Bei der Bewegung wirken die Bauchnuiiskela in der Weise mit, daß sie das Vorwerfen der Hinterhand nach dem ausgeführten Alistolien des Körpers unterstützen durch die Wirkung des rectus abdoniinis und obliquus extornus samt der tunica flava, die Becken und Oberschenkel vorwärts ziehen. Auch bei der Atmung sind die Bauchmuskeln beteiligt, indem bei der Exspiration die Bauchpresse die Eingeweide gegen das Zwerchfell drückt, dadurch, daß der M. obliquus die falschen Rippen beckenwärts zieht. Die Wirkung aller Bauchmuskeln tritt bei der Defäkation und beim Harnlassen, sowie der Greburt ein. Unter dem Bauche befindet sich der Nabel (nombril, umbilico) des Pferdes. Exterioristisch ist er bedeutungslos, jedoch als Kennzeichen der unlogischen, phantastischen Pferdesprache des Mittelalters ist die Tatsache besonders kennzeichnend, daß noch Grarsault S. 569 erwähnt, der Nabel der Pferde gelte als in der Mitte der Lenden liegend; wenn nämlich ein Pferd hier verletzt sei, so sage man, ,,es sei am Nabel verletzt". Der Bauch ist somit ein sehr wichtiger Teil des Pferdekörpers, der infolgedessen beurteilt werden muß nach seinem Volumen und seiner Form. Die Form wird allerdings durch das Volumen bedingt. Yolumen. Es muß daran festgehalten werden, daß der Bauch nicht zu voluminös sein darf, weil dadurch ohne Zweifel die Größe der Kon- traktionsfähigkeit der Bauchmuskeln leidet. Es ist aber verkehrt, wie B o u r g e 1 a t nur von einem dem Wüchse proportionalen Bauch zu sprechen. Es ist viel richtiger nach dem Beispiele der alten deutschen Autoren den Bauch als mittel zu betrachten, wenn er in graziöser Rundung die Verbindungslinien der Darmbeinschaufel mit dem Brustbein und den letzten Rippen umzieht. Ist der Bauch stärker vorgewölbt, und tritt er über die durch das Brustbein gegebene untere Linie der Rumpfbegrenzung hervor, so nennen wir ihn einen Heu bauch (ventre de vache, ventre di vacca), was fast immer auf eine unzweckmäßige Ernährung des Pferdes mit Rauhfutter ohne genügenden Nährgehalt hinweist. Daß ein solcher Bauch rasche Bewegungen hindert, ist klar. Bei jungen Pferden braucht er aber nicht so scharf beurteilt zu werden, besonders dann nicht, wenn dieselben auf der Weide waren; er pflegt sich immer zu verlieren, wenn die Tiere bei viel Hafer und weniger Heu bewegt werden. Bei alten Pferden aber kann er ausarten zum Hänge bauch (ventre tombant, ventre cascante), der eine Eolge der Erschlaffung der Bauchmuskulatur ist und sich nun vom Heubauche scharf dadurch unterscheidet, daß seine Seitenflächen nicht so stark gerundet sondern deutlich abgeplattet sind, wodurch die Hauptausdehnung des Bauches sich abwärts wendet, und derselbe von hinten eckig erscheint bei hohlwerdenden Flanken. Je kürzer und feiner die Därme und Eingeweide, je konzentrierter das Tier ernährt und je häufiger und stärker es bewegt wird, desto mehr wird der Bauch schlank. Hiebei folgt die äußere Begrenzungslinie ganz dicht der Traktionslinie der Bauchmuskelaufhängung am Becken. Es ist dies eine Form, wie sie für die Schnellpferde in guter Rennkondition das richtige ist. Die Schulter. 345 Wird der Bauch aber noch stärker reduziert, daß er fast konkav eingebogen erscheint, jedenfalls der erwähnten Zugtrajektorie der Bauch- muskeln genau folgt, oder noch mehr gegen das Zwerchfell einwärts ge- bogen ist, dann sprechen wir von auf geschürztem oder aufgezogenem Bauche (etroit de boyaux, ventre succiato, stretto di budella). Selten ist diese Bildung normal, denn auch beim stärksten Training wird bei guten Pferden der Bauch nur zum schlanken. Man kann daher Pferde mit aufgeschürztem Bauch als schlechte Fresser oder chronisch erkrankt betrachten. Für die Länge des Bauches kommt auch die unter den Indizes als bezeichnete Distanz von der Brustbeinspitze bis zum Pektorale in Betracht, denn je größer diese Distanz ist, um so voluminöser pflegt der Bauch zu sein. Da Schrittpferde infolge der Brustkorbaufhängung gewöhnlich das am wenigsten kaudalwärts reichende Brustbein haben, so pflegt bei diesen auch der Bauch am größten zu sein. 10. Die Schulter (epaule ou omoplate, spalla). Die Schulter wird von dem Schulterblatte mit seiner gesamten Muskulatur gebildet, deren Aufgabe in erster Linie die Aufhängung des Rumpfes an diesen Knochen ist und nebenbei auch das Schultergelenk zu beugen imd zu strecken. Den Verbindungsmuskeln des Rumpfes mit der Schulter kommt die vornehmste Aufgabe zu, den durch die Yorbewegung des Rumpfes mittelst der Hinterhand erreichten Impuls weich elastisch aufzufangen, so daß keine zu große Erschütterung der in der Vorhand befindlichen motorischen Zentren entsteht. Die Muskeln wirken dabei aber nicht allein, denn aus dem, das Pferd nicht ermüdenden Stehen der Vorhand geht hervor, daß keine Muskelkräfte hiebei beteiligt sein können, sondern nur Sehnen. Es sind dies wohl die beiden Serratusfaszien. Die Schulter wird je nach ihrer durch die verschiedenen schon früher erwähnten Muskelzüge bedingten Stellung eine verschiedene Lagerung am Rumpfe haben. Bei ziemlicher Steilstellung überragt der Vorderrand die Basis des Halses und der Schulterblattknorpel verläuft fast parallel zur oberen Widerristlinie ; auf der äußeren Fläche ist meist eine deutlich sichtbare, immer aber genau fühlbare Gräte oder Furche längs der Schulter. Sie stellt die Richtung der spina scapulae dar, die die knöcherne Scheidewand und Ansatzstelle der zwei äußeren Grätenmuskelgruppen und so deren mechanische Achse bildet, ferner der M. supraspinatus und infraspinatus, deren Massen bei gutbemuskelten Schultern die Gräte über- ragen und so eine Furche zwischen sich entstehen lassen. 340 ^**^'i" Kuiiipf. Nach liinten ist eine ganz leichte Vertiefung zwischen Schnlter und Rippen; nach vorne läßt sich als deutliche Anschwellung das Bug- gelenk (la pointe de Tepaule, punta del braccio o della spalla) er- kennen. Die Bewegung der Schulter bedeutet stets eine kleine Ver- schiebung der Eunipflast an der Stütze, doch bleibt der Drehpunkt des Schulterblattes, der Mittelpunkt der Facies serrata, festgestellt, denn um ihn erfolgt jede Schulterbeugung. Die Beugung der Schulter besteht in einem Herabziehen des Schulterblattknorpels und Vorführens des Schulter- gelenkes. Bei der Streckung des Gelenkes wird der Schulterblattknorpel halswärts geschoben und das Gelenkende kaudal zurückgebracht. Je nachdem nun die Beweglichkeit einer Schulter größer oder kleiner ist, spricht man von einer freien (libre, libera) oder gebundenen (chevillee, incavigliata) Schulter. Diese Beweglichkeit steht natürlich mit der Länge der Serratus in engem Zusammenhange, je kürzer und stärker dieser wie die umgebenden Muskeln (Mm. pectorales usw.) sind, desto weniger „frei" ist das Spiel der Schulter und desto weniger geräumig der Gang. Es wurde auf S. 188/190 erwähnt, daß sich dies Verhältnis in der Form und Höhe der Achselfeder und dem Ellenbogen wirbel abspiegelt. Schon eine pathologische Erscheinung ist die sog. kalte Schulter (epaule froide, spalla fredda), worunter man die Schulter ver- steht, die zu Anfang jeder Bewegung eine geringe Beweglichkeit besitzt, diese aber dann erst im Laufe der Bewegung wieder erhält, sobald das Pferd „warm" geworden ist. Es ist dies ohne Zweifel eine meist durch Überanstrengung des Muskels bedingte, verminderte Eeizleitungsfähigkeit des nervus thoracalis longus event. sogar dessen Lähmung, durch die die Oszillation der Schulter und Heben des Buggelenkes gemindert wird. Die Schulter länge w^urde auf S. 89 genau erörtert. Hienach ist eine lange Schulter in allen Leistungen das beste und wünschenswerteste, leider aber durch die Wirkung der Rumpf- und Gewichts- verhältnisse nicht immer erreichbar. Die Schulter neig ung zum Horizont und zum Oberarm wurde ebenfalls anläßlich der Winkelbesprechung auf S. 155 behandelt. Formen der Schulter: 1. Fleischige Schulter (charnue, spalla carnosa), bei Pferden mit kurzer Muskulatur von großem Querschnitt; daher bei Reitpferden der Konsequenzen auf die anderen Muskeln wegen zu tadeln, für schwere Zugpferde nicht so übel. 2. Magere, kahle Schulter (maigre decharnee, spalla magra), bei alten, schlecht genährten oder überarbeiteten Pferden, absolut mangel- Der Oberarm. 347 halt wegen der geringen Bemuskelung, als auch dem schlechten Sitz des Kummet. 3. Fette oder überladene Schulter (epaule trop chargee de chairs, epaule ronde [GarsaultJ, carico di spalle). Für Mastpferde dürfte sie kaum zu tadeln sein, wenn aber Arbeit verlangt wird, so ist sie der über- flüssigen Belastung der Vorhand wegen fehlerhaft. Teilweise tritt sie auch bei wahrer Muskelhypertrophie auf mit ganz bedeutender Vermehrung des Querschnittes jeder einzelnen Muskelfaser. 4. Trockene Schulter (epaule seche, spalla asciutta), ist der direkte Gegensatz ; das ist die Schulter, die Avir schon früher als die beste für die Schnelligkeitsleistung kennen gelernt haben und die dem Typus respiratorius entspricht. Die Trockenheit rührt von der feinen Haut und dem fettlosen Unterhautbindegewebe, wie den feinzelligen, langen Muskel- fasern her. Nach der Stellung zum Brustkorbe können noch unterschieden werden : Vorgeschobene Schulter (epaule avancee, spalla spinta avanti), wenn sie derart gelagert ist, daß die Buggelenke über die Vorderbrust vorstehen. Es sind dies in den Serratusmuskeln erschlaifte Schultern und durchaus fehlerhaft. Zurückgeschobene Schulter (epaule reculee, spalla respinta, rinculata). Wenn nur der Habichtsknorpel vorsteht, braucht die Schulte)- noch nicht unbedingt als zurückgeschoben zu gelten, sondern erst dann, wenn die Rippen hinter dem Brustmuskelkissen fühlbar werden. Auch diese Stellung ist ungünstig. D. Die Vorderextremitäten. 1. Der Oberarm (bras, braccio). Die Grundlage des Oberarmes ist das Armbein, humerus, das von dem mit der Schulter zusammenstoßenden Gelenkkopf bis zu dem Ellenbogen- fortsatz reicht. Auf Form und Stellung des Armbeines hat die Triceps- muskelgruppe wohl den größten Einfluß. Besonders wird seine Lage durch den seitlichen Ast dieses Muskels bedingt., der von Schulter zu Ellenbogen ein Muskelkissen bildet, das je nach der Bewegungsart des Armes ver- schieden stark entwickelt ist. Wie bewegt sich der Arm? Wenn der Arm sich nach vorwärts streckt, um Raum zu gewinnen, so beugt sich das Schultergelenk und streckt sich beim Auftreten und beim Abstoßen; Seitenbewegungen des Armes sind unmöglich, da Muskelsehnen des infraspinatus und subscapularis den Arm hier halten. Namentlich ist der Infraspinatus besonders kräftig, weil er eine Flexion des Schulterblattes im Gelenke verhindern soll, da 348 jDie Vorderextremitäten. das Si'liultev1)latt lüt'lit sagittal zur Kör])erel)eiic stellt, sondern sicli dorsal an den l'liorax anheftet. Daher ist aneh die Neigung des Armheines zu der Tlioraxwandung von Bedeutung. Es muß konstatiert werden, daß wegen der stets schrägen Seitenwandung des Thorax die Bewegung des Armes an den Rippenwandungen ebenfalls nicht parallel der 8agittalebene des Körpers erfolgt, sondern parallel zu den Brustwandungen. Die Wölbung der Rip])en ist hier olme Zweifel ^'on Bedeutung. Bei unrichtiger Stellung legt sich das Armbein in seiner Ellenbogeupartie zu sehr an die Brust an und reibt sich an dieser, was zu der Entstehung eines Ellenbogen- haarwirbels führt. Man nennt diesen Fehler „eingezogene Ellen- bogen", coude au corps, gomito serrato. Das Gegenteil ist der abstehende Ellenbogen (coude tourne en dehors, gomito infuori), wobei sich eine auffallende Lücke zwischen Ellen- bogen und Brustwandung zeigt. Dieser Fehler führt gerne zu einer zehen- weiten Stellung, wie der andere zur zehenengen. Der Arm ist der proximalste Extremitätenknochen und als solcher am reichsten bemuskelt, aber eben deshalb auch den stärksten Yerände- rungen durch die Bewegungsart ausgesetzt, wie dies schon besprochen wurde. Wir hörten, daß im ganzen Tierreiche das Armbein um so kürzer und dicker wird, je schneller seine Bewegung erfolgt. Auch sahen wir schon, daß sich eine deutliche Längenvariation in den Armbeinen unserer Pferde je nach der Gangart zeigen läßt. Renn- traber weisen ein Armbein von 26,5 "/^j der Beinhebellänge auf mit einer Standardabweichung von ± 1,500, also geringer Variation und einem Yariationskoeffizienten von 0,05(30. Bei den kombinierten Gebrauchs- pferden pflegt das Armbein länger zu sein, nämlich 30,03 ^o der Beinhebel- länge ± 2,562 Standardabweichung und 0,0853 Variationskoeffizient, die Variation ist also hier größer. Wieder etwas länger ist es bei den Galopp- Pferden, aber doch nicht mehr in dem Maße, woraus man fast schließen möchte, daß der Galopp größeren Einfluß auf die Pferdeform auszuüben vermag als der Trab, was auch unseren Erfahrungen des Trainings ent- spricht, indem ein Pferd, das in der Jugend galoppiert, nie mehr zu einem guten Renntraber werden dürfte, während der Trabtraining dem Galopper nicht sehr schadet. Die von mir für die Galopp-Pferde gefundenen Zahlen betragen 30,98 7o der Beinhebellänge ± 1,687 Standardabweichung und 0,0544 Variationskoeffizient. Diese verschiedenen Armbeinlängen treffen nun durch die Vererbung nicht immer richtig ein, wie sie gerade gebraucht und gewünscht würden, daher müssen sich zum Zwecke der der Körperform angepaßten best- möglichsten Leistung die Winkelstellungen der Schulter und des Vorannes einstellen. So ergibt sich denn das folgende Verhältnis nach den Gebrauchs- typen: Der Vorarm. 349 Schulter-Armbein Armbein-Horizont Armbein- Vorarm Galopprennpferde • . . 95» 30' 35" 0' 126 " 2r Traber 105" 24' 40" 30' 129" 52' Kombinierte Gebrauchs- pferde 98 " 36' 37" 10' 127" 18' Schrittpferde .... 94" 50' 35" 0' 129" 41' Daraus folgt, daß der schrägeren Schulter beim Galopp-Pferd auch im Mittel ein kleinerer Bugwinkel entspricht, und deshalb das Armbein ziemlieh schräg zur Horizontalen steht. Beim Traber ist der Bugwinkel sicher größer im Mittelwerte und daher das Armbein auch relativ steiler gestellt. Die kombinierten Gebrauchs- pferde haben eine mittlere Stellung. Die Schrittpferde haben die schrägste Schulter und daher auch den kleinsten Bugwinkel im Mittel, doch glaube ich, daß daran mein Material etwas schuld ist, das zumeist aus Hengsten mit schweren Hälsen bestand, die natürlich die Schulter herabdrücken. 2. Der Vorarm (avant-bras, avambraccio). Der Yorarm liegt zwischen Arm und Carpus. Seine Grundlage sind zwei Knochen, die Speiche (Radius) und die Elle (Ulna). Letztere ist rückgebildet und spielt weiter keine Rolle, da sie fest mit der Speiche verbimden ist. Die Muskulatur ist derart orientiert, daß hauptsächlich die Strecker dieses Knochens bevorzugt sind, die Ellenbogenstrecker, die im Gegensatze zu den Unterarmbeugern eine sehr starke Muskelmasse darstellen. Sie haben die Aufgabe, beim Stehen des Pferdes die senkrechte Unterstützung des Vorderbeines im Ellenbogengelenke durchzuführen. Da nun aber das Pferd selten liegt, so muß zum Zwecke des ohne Ermüden erfolgenden, dauernden Stehens ein ganz besonders günstiges Wirkungsgebiet für diese Muskeln geschaffen sein. Schmaltz (1919, S. 168) schildert dies trefflich wie folgt: 1. Die Masse der Muskeln ist sehr groß. 2. Ihre Kraftrichtung ist sehr günstig, denn sie geht vom Ellenbogenfortsatz fächerförmig nach allen Richtungen, die der Abwärtsbewegung des Ellenbogenfortsatzes gerade entgegengesetzt sind. 3. Ihr Krafthebel ist länger als ihr Lasthebel. Beim Stehen liegt nämlich der Unterstützungspunkt im Karpalende des Radius, der Angrifispuukt der Last im Armiteiuende, der Lasthebel ist also gleich der Radius- länge, und der Krafthebel um so viel länger, als der EUenbogeufortsatz die proximale Gelenkfläche des Radius überragt. 4. Das Ellenljogengelenk ist senkrecht unterstützt. Daher, meint Schmaltz, genüge wahrscheinlich schon der Tonus der Ellenbogenstrecker, um den Ellenbogenfortsatz zu halten und damit das Bein stehen zu lassen. Nur ganz geringe Kontraktionen seien erforderlich, um das labile Gleichgewicht des Rumpfes über diesem Unterstützungspunkt zu erhalten. Bei Lähmung der Nerven der Ellenbogen- strecker kann das Pferd nicht stehen. 350 I^i^ Vorderextremitäten. Läng'e des Vor arm es. "Wir haben schon auf 8. H3 von der Länge des Vorarmes gehört. Bei Galopp - Pferden finden wir 42,08 7o der Beinhebellänge, bei Trabern 46,1 7oi ^t'i kombinierten Gebrauehspferden 43,4 "/o ^^w'^ bei Schritt- pferden 43,0 7o- Galop])er und Gebrauclispferde scheinen den kürzesten, die Traber imd die Schrittpferde den längsten Vorarm zu haben. Auch Müller (1911) kommt zu denselben Eesultaten, wenn natürlich wieder nach etwas anderen Maßen, da auch hier unsere Meßpunkte nicht genau übereinstimmen. Nach Goubaux und Barrier soll die Länge des Vorarmes der- jenigen des Unterschenkels im absoluten Maße entsprechen, was in der Tat in den absoluten Maßen einigermaßen zutrifft, während in den relativen Beinhebellängen kein Vergleich möglich ist. Prinzipiell dürfte man daher wohl sagen, daß je länger der Vorarm ist, desto größer wird der überschrittene Raum sein, indem bei seiner Beugung das Karpalende entsprechend mehr nach vorwärts vorstehen, und daher der Huf entsprechend weiter vorwärts abgestellt werden kann. Auch werden die ihn bekleidenden Fuß- und Zehenmuskeln auf einem längeren Radius länger sein und darum stärkere Beugungen ausführen können. Bei kurzem Vorarm kann ohne Zweifel die Zahl seiner Schwingungen größer sein, bei jedem Schritt aber verliert das Pferd Raum; anderseits wird das Knie höher gehoben. Im allgemeinen sind Pferde mit sehr langen Vor- armen dazu bestimmt, den Huf weniger hoch zu heben als solche mit kurzen Vorarmen, weil es ohne Zweifel mehr Kraft dazu braucht. Letztere sind aber für den Reiter weniger sicher. Das Verhältnis der Länge des Vorarmes zum Metacarpus zeigt sich nach unseren früheren Zahlen als ein Röhrenindex von 61,9 für Galopper und kombinierte Gebrauchspferde und von 58,7 für Renntraber und Schritt- pferde. Beim Galopper ist also die Röhre im Verhältnis länger als beim Traber und Schrittpferd. Neumann (1873, 157) zeigte in einer interessanten Veröffentlichung, daß bei gleichlangem Beine aber kurzem Vorarmhebel und langer Röhre es viel längere Zeit braucht, bis die Zehenwand des Hufes an den gleichen Punkt gelangt, wie diejenige eines Beines mit langem Vorarmhebel und kurzer Röhre. Darausfolge, daß die Streckmuskeln des letzteren Fußes weniger ermüden werden als die des ersteren. Dieses sei dann aber nicht allein dadurch bedingt, daß der beschriebene Bogen kleiner werde, sondern auch dadurch, daß das Gewicht des kürzeren Röhrenbeines entsprechend geringer sei. Daher ist für den rascheren Schritt oder Trab das relativ kürzeste Röhrbein am geeignetsten, während für Galoppsprünge der über- sprungene Raum durch Verlängerung der Beinlänge zunimmt, diese also hier nicht ungünstig sein kann. Die Kastanie. 351 Breite und Dicke des Vor arm es. Der Yorarm soll breit und gut bemuskelt sein, da er die Muskeln der Vorderkniebeuger und Strecker, sowie die sämtlichen Fuß- und Zehenmuskeln trägt, ist es sehr wichtig, daß er eine genügende Stärke in deren physiologischen Querschnitt dokumentiert. Hienaeh redet man von „breiten, muskulösen Vor armen (bien muscle, charnu [Garsault], avambraccio carnoso), oder von schmalen, mageren Vor armen (avantbras maigre, avambraccio magro)". Man darf aber nicht so weit gehen, Pferden mit mageren Vorarmen jeden Gebrauchswert abzusprechen; immerhin liegt in der Schwäche der Fußstrecker doch zum großen Teil die Ursache der sog. „Vorhand- schwäphe" der Stürzer und Vorderkniebeschädiger begründet. Für dauerhafte Eeit- und namentlich Springpferde, sowie für schwere Zugpferde soll der Unterarm gut und stark bemuskelt sein. Die Stellung d e s V o r a r m e s ist etwas besonders wichtiges. Wenn man das Pferd von der Seite betrachtet, soll der Vorarm senkrecht stehen. Ebenso S(^ll er auch stehen und zugleich parallel zur Sagittalebene des Pferdes, wenn man das Pferd von vorne ansieht. Ist die Stellung eine andere, so ist dieselbe im Grunde fehlerhaft. Dann werden immer einige Teile der Gliedmaßen mehr angestrengt als die anderen, und das Pferd früher abgenutzt, trotzdem kommt sie infolge Anpassungs- und Ausgleichs- erscheinungen öfters vor. Je gerader Vorarmbein und Röhre zueinander stehen, je gerader damit das ganze Bein wird, desto besser wird auch die Schrittlänge sein, die das Tier liefert, ohne sich zu sehr abzunutzen. 3. Die Kastanie (chataigne, castagnetta). Über die Ursache der Kastanie waren die Ideen der Autoren seit langer Zeit geteilt. Die älteste, von Joly und Lavocat (1852, 390) erstmals vertretene Auffassung nahm diese Hornplatten an der Innenseite des Pferdebeines als die Reste der in der paläontologischen Entwicklung verloren gegangenen Zehen an ; also würde es sich um flache rudimentäre Hufe handeln. Doch schon frühzeitig wurde diese Auffassung von A'ielen Autoren abgelehnt. C ossär E wart (1903) stellte dann die Theorie auf, daß es sich noch um viel frühere Reste aus der Ahnenreihe des Pferdes handele, nämlich um die rudimentären Ballen der Fußwurzeln (Karpal- undTarsalballe n). Auch H i n t z e (1 910) kommt zu dieser Auffassung und besonders schließt sich auch der große Paläontologe H. F. Osborn (1905) derselben voll und ganz an, da er in den Kastanien und dem Sporn die letzten Reste der Ballen aus der Halbsohlengängerzeit sieht, von der schon Cope spricht (vgl. S. 56). 352 I^'*' Vordorcxtromitäten. Auch Zietzschmann (1914/15) erklärt sich mit dieser Entstehungs- theorie als befriedigt. Lydekker (1903) will nur den Sporn als Ballenbildung gelten lassen, aber die Kastanien nicht, weil dieselben viel zu weit aufwärts verschoben seien, docli wird sicli auch liiefür eine Erklärung finden, warum dies ge- schehen ist. Andere denken an umgewandelte Drüsen oder Tasthaarapparate. Beddard (1902) und Lydekker (1903) vertreten diese Auffassung, auch Hock (1910), doch sind die Beweise hier nur sehr spärlich und fraglich. Immerhin ist anzunehmen, daß mechanisches Trauma jedenfalls unter- stützend darauf wirkte, wodurch die alten Ballen erhalten blieben und die Verschiebung erklärt wird. Dieses Trauma scheint mir wesentlich in der kuhhessigen Stellung und Bewegung primitiver Pferdeschläge init zu finden zu sein. Über die Größe und Dicke der Kastanien sind durch meine Schüler Hock und Malicke (1910) an 256 Pferden verschiedener Rasse Längen-, Breiten- und Dicken- messungen vorgenommen worden, woraus hervorgeht, daß nach den aus diesen Zahlen berechneten Mittelwerten, die ich zu kontrollieren in der Lage war, der Mittelwert der Kastanien nach der Rasse und dem Individuum, mit Zunahme des Erythrozyten- und Hämoglobingehalt des Blutes abnimmt, so daß die orientalischen Pferde die kleineren, schmäleren und dünneren, die okzidentalen die längeren, breiteren und dickeren Kastanien haben. Sie lassen sich also bis zu einem gewissen Grade für die Beurteilung der Rassen- reinheit verwenden. Die Tatsache, daß bei Wüsten- und Landpferden Nordafrikas, Ägyptens, des Sudans und Turkestans, sehr oft das Fehlen der Kastanien häufig, ja stellenweise fast überwiegend ist, deutet darauf hin, daß für deren Entstehung doch das Klima eine große EoUe spielt und die von Zietzsch- mann ausgesprochene Idee, daß bei Pferden in feuchten Gregenden (Sümpfen) sich dies Organ am längsten erhalten habe, wohl durchaus berechtigt ist. Andererseits dürfte hierin ein neuer Beweis des alten Zusammen- hanges des Eq. cab. celticus, Ewarts mit den Pferden des Orientes ge- geben sein, nachdem ja auch Pucci und Gugnoni (1914, 525) den Einwand Ewarts über abweichende Kopfform durch ihre Beschreibungen und Bilder entkräfteten. 4. Das Vorderknie, Vorderfußwurzel (genou [carpe], ginocchio [carpo]). Das Vorderknie entspricht der Handwurzel des Menschen, ist also die Vorderfußwurzel oder der Carpus des Pferdes. Nach oben durch den Vorarm, nach unten durch die Bohre begrenzt, wird die Basis des Vorderknies gebildet durch die sieben Knöchelchen, die in zwei übereinandergelagerten Reihen aufgestellt sind. Das Vorderknie. 353 Untereinander verbunden durch spezielle kurze, zahlreiche, sehr wider- standsfähige Bänder und außerdem äußerlich noch durch zwei größere Bänder und Sehnen, sorgen drei Synovialdrüsen für eine richtige Salbung und Schmierung der Gelenkflächen. Bewegung. Es ist klar, daß ein so beschaffenes Wechselgelenk eine sehr große Beugung und entsprechende Streckung vollziehen kann. Die Bewegung erfolgi aber ausschließlich in den beiden oberen Gelenk- stafFelu und zwar in der Weise, daß zuerst das Vorarmbein mit der obersten Knochenreihe, dann diese mit der unteren Knochenstafi'el eine ausgiebige Bewegung vornimmt. Die distale Reihe ist ein nur federndes Gelenk und mit der Röhre durch Bänder sehr fest verbunden. Das os pisiforme, Erbsen- bein, wirkt als Beugehebel. Die Bewegungen bestehen also in Biegung und Streckung. Die Biegung wird vorgenommen, wenn der Fuß sich über den Boden hebt. Das interessante bei derselben ist, daß der Fuß, anstatt bei seiner Biegung genau in der Ebene des Vorarmes zu bleiben, etwas nach außen abweicht und infolge der ganz eigenartigen Abschrägung der Gelenk- flächen des Carpus nicht genötigt ist, die volare (hintere) Fläche des Vorarmes zu berühren. Die Streckung der Glieder tritt dann ein, wenn das Bein, des Körper- gewichtes ledig, nach vorne geschleudert wird, um den Schritt auszuführen und hierauf wieder in die Unterstützung zurückkehrt. SeitenbcAvegungen werden durch die straffe volare Kapsel und die liggamenta interordinaria ausgeschlossen. Ein schönes, trockenes Vorderknie zeigt von vorne gesehen leicht gerundete Seitenränder und ist oben etwas breiter als unten. Von der äußeren Seite betrachtet ist die vordere, dorsale Linie bei- nahe geradlinig und setzt den Vorarm fort, zwei Erhabenheiten allein sind sichtbar und markieren die Karpalknochenreihen. Die hintere Linie hin- gegen bildet einen deutlichen Winkel, der vom Erbsenbein herrührt, unter- halb desselben die Umrißlinie schief nach der Sehne zu verläuft. Zwischen diesen beiden Linien zeigt uns ein Punkt den Ort der äußeren distalen Tuberosität des Radius an und der zweite Punkt unten das entsprechende GrifFelbeinköpfchen. Von innen betrachtet ist das Knie der eben gemachten Beschreibung ganz entsprechend. Von hinten gesehen sieht es in den Umrissen gleich aus wie von vorne, aber die Mitte ist durch ein kegeliges Gebilde der Endigungen der liggamenta accessoria hervorgehoben. Unter dem Erbsenbein findet man eine kleine Hautfalte als Folge der Kniebeugung, die man als „Kniefalte" (pli du genou), fälschlich bezeichnet hat. Uli erst, Die Beurteilung des Pferdes. 23 354 Diö Vorderextremitäten. Beachtenswert ist die Trockenheit oder Freiheit von fetthaltigem Unterhautbindegewehe. Breite. Die Breite des Knies muß transversal zwischen der inneren und äußeren Seite gemessen werden. Wir suchen ein breites Knie, weil hiedurch Garantie geboten ist, daß wir gut entwickelte Gelenkflächen haben und gute, sichere Bewegungen erwarten können. Wenn diese Region schmal ist, dann dürfte nach der bisherigen Erfahrung das Pferd nicht als ein dauerhaftes betrachtet werden können. Zur Fixierung der Vorderkniebreite gab schon Bourgelat erst- mals als Maße an (1797, 163) „die Hälfte des dritten Teiles der Kopf- länge", wozu er bemerkt, es sei dies ein wenig zu breit. Da aber die mittlere Kopflänge aller gemessenen Pferde nach unseren Zahlen 59,79 cm beträgt, so wäre deren sechster Teil 9,96 cm, während die Mittelzahl der Vorderkniebreite 9,987 cm ist, also in der Tat sehr schön stimmt. Nach den Gebrauchstypen läßt sich über die Karpalbreite folgendes sagen : Vollblüter, engl., arab. und Anglo-Araber . Mittlere Kopflänge 58,46 cm Mittlere Karpalbreite 10,43 cm Index 17,85 Nach Bourgelat in Brüchen 10 56 Camarguer Wildpferde 10 64 als Primitivform . 56,00 „ 8,75 „ 15,42 Komb. Gebrauchspferde 62,7 „ 10,71 „ 17,08 10 58 Schrittpferde .... 74,5 „ 12,6 „ 16,9 10 58 Auch die Schrittpferde zeigen in dem gleichen Verhältnis eine Zunahme der Karpalbreite wie ihre Kopflänge zunimmt, und ihre Knie sind noch etwa so breit als die der Halbblüter, aber nicht ganz so breit wie die der Vollblüter und Araber, die eben hier deshalb breiter erscheinen, weil die Köpfe dieser Tiere im absoluten Maße klein sind. Die Camarguer hin- gegen haben scheinbar das schmälste Vorderknie und doch sind sie so dauerhaft; also sind die Köpfe, wie früher erwähnt, unverhältnismäßig lang. Das Verhältnis Ve ^^^r Kopflänge gestattet also im ganzen die gute Mittelwertfixierung, die obigen Zahlen zeigen aber klar, daß man in der Bewertung nicht formalistisch sein darf und hier vielleicht bisher etwas zu weit gegangen wurde. Malicke (1910) hat auf meinen Wunsch vergleichende Längen- und Breitenmessungen des Vorderknies bei verschiedenen Pferderassen durch- geführt an 192 Pferden. Aus seinen etwas richtiggestellten Zahlen lassen sich folgende Mittelwerte berechnen: Das Vorderknie.. 355 Das Verhältnis der Breite des Carpus zu seiner Länge (Längen- breitenindex) beträgt bei Arabern 87,6 7, bei Russen 92,8 7, bei engl. Vollblütern 106,8 7, bei Preußen 77,2 7^ bei Ungarn 90,9 7, bei Oldenburgern usw. 83,79 7, bei Dänen 84,8 7, bei Belgiern 79,16 7, Trotz den Varianten ist das mittlere Verhältnis ein ziemlich gleich- bleibendes und die Breite des Vorderknies bei Vollblütern und anderen Schnellpferden relativ am größten, nämlich 90 — 100 7o der Länge und ca. 80 7o bei Schrittpferden. Die Dicke des Vorderknies, nämlich dieses Maß in der Seitenansicht des Carpus genommen, soll ebenfalls möglichst groß sein, indem das starke Vorspringen des Erbsenbeines, wie erwähnt, den Hebelarm der Kraft ver- größert und die Stärke der Beuger erhöht. Bourgelat vergleicht den normalen seitlichen Kniedurchmesser mit dem vierten Teil der Vorarmlänge. Von hohem Interesse ist natürlich auch die Höhe der Vorderfuß- Avurzel über dem Boden. Es gilt darüber das schon im vorigen Kapitel Gesagte, daß bei Trabern und Schrittpferden die Vorderfußwurzel im Mittel ziemlich niedriger über dem Boden zu stehen pflegt als bei Galopp- und Halbblutpferden. Die Richtung des Vor der knie s. Normalerweise sollte dasselbe gerade sein und die senkrechte Stellung des Vorarmes und der Röhre durch eine senkrechte Verbindung unterstützen. Aber nicht immer steht der Carpus so. Er kann sein vorbiegig, wenn er nach vorwärts ge- beugt ist, so daß die oberste Knochenstafl'el des Gelenkes etwas dorsal klafft. Diese Stellung ist entweder durch Dehnung der Kapseln und Sehnen und Insuffizienz der Streckermuskulatur während des Lebens durch Überanstrengung entstanden, also erworbene Vorbiegigkeit (arque, arcato), oder aber auf Verkürzung der Hufbeinbeuger beruhend, und dann angeborenes Bocksknie (brassicourt, ginocchio di becco). Diese Stellung ist durchaus nicht übel zu taxieren, wenigstens nicht beim Gebrauchspferde , indem von Geburt an bocksknieige Pferde besonders starke Eußstrecker besitzen und bekanntermaßen vorzügliche Pferde und Renner sein können. (Beispiel : Bukanneer.) Ein erworben vorbiegiges Vorderknie bietet aber keine Gewähr mehr für den Reiter, da es das Pferd zum Stürzen disponiert. Diese beiden Arten der Vorbiegigkeit lassen sich öfters daran erkennen, daß bei der erworbenen Vorbiegigkeit, die auf Schwächung der Bänder und Muskeln beruht, das Knie auch in der Ruhe bei jeder Muskelkontraktion zum Er- halten des Gleichgewichtes im Stande schwankt. Das Gegenteil des vor- biegigen Knies ist das r ü c k b i e g i g e (genoux creux, genou de mouton. 356 Die Vorder ex tr emitäten. §finocolii() di montone), das sicli bei jungen Pferden liänfig findet, be- st »nders wenn solcbe auf Gebirgsweiden laufen. Die Stellung entspricht der entstehenden Verkürzung der Beuger des Mittelfußes, besonders des medialen Beugers. Sie ist nicht gerade schlecht zu beurteilen, wenn die Kniebildung sonst eine gute ist, aber Schnelligkeitsleistungen werden derartige Pferde wohl kaum erzielen, wenn auch mit dem Älterwerden sich diese Bildung bessert. Dasselbe läßt sich auch von der Form des Knies sagen, die man das eiuwärtsgebogene, Ochsen- oder Kalbsknie (genoux de boeuf, ginocchio indentro o di bue) nennt. Hier bilden Vorarm und Schienbein einen stumpfen AVinkel miteinander. Ein solches Glied biegt sich während des Ganges bei einseitiger Belastung einer Gliedmaße noch mehr ein, der äußere Teil des Carpus und der Fußknochen wird überlastet, und die Bänder der Innenseite über die Maßen gezerrt. Diese Stellung erzeugt Knieenge (genoux etroits, stretto tra i ginocchi), und ist daher hochgradig fehlerhaft, besonders für Reit- und Schnell- pferde. Dadurch wird dann die seitliche Bewegung des Unterfußes beim Beugen desselben noch stärker und so die ganze Aktion des Pferdes ver- unstaltet. Das Pferd „fuchtelt" (billarder, ciambella), wie man das Seit- wärtsschleudern der Beine bezeichnet. Ist das Knie auswärtsgedreht, auswärtsgebogen (cambre du genou, arcato all'infuori), so wird die Stellung knieweit. Letztere ist nicht häufig; auch hier treten dieselben Nachteile auf wie bei der vorigen, nur ist hiebei der innere Teil des Carpus überlastet. Ein solches Pferd ist zum Streifen disponiert (dispose a se couper, andatura incrociante) und zeigt in manchen Fällen sogar einen „kreuzenden" Schritt. Man unterscheidet am Knie noch einige weitere Fehler. Zunächst schmale oder schwache Knie (genou debile, ginocchio debole), dann ge- drosselte oder geschnürte Knie (tendon failli, genou enlace, ginocchio alla- ciato). Dieses rührt davon her, daß sich in der seitlichen Ansicht unter dem Erbsenbein ein scharfer Absatz zeigt, was nur dann ein Fehler ist, wenn durch eine besonders enge Fascia carpi und ihre vom Erbsenbein zu den Grifi'el- beinköpfchen gehenden verkürzten beiden Strahlen und dem Vereinigungs- bogen zwischen denselben ein so starker Druck auf den Beugesehnenstrang ausgeübt wird, daß derselbe stark schräge gegen das Sesambein zu ver- läuft und daher viel von dem Vorteil der vertikalen Stellung verliert. Solche Pferde leiden gerne an Entzündungen der Fascia carpi, namentlich Ossifikationen und Wucherungen (Arthritis), die zum französischen Aus- druck „cercle" führten. Sollte aber der Verlauf der Beugesehnen fast parallel der Röhre gehen und diese gut, scharf und klar hervortreten, so kann nur eine Ver- größerung des Erbsenbeines schuld an dieser Erscheinung sein, die jedoch Die Röhre. 357 nur äußerst günstig zu beurteilen wäre, da ja das Erbsenbein, wie wir hörten, Hebelarm des Karpusbeugers ist. Von vorgeschobenem Knie (genou avance, ginocchio spinto avanti), spricht man bei starkem Überragen der Karpalfläche über die seitliche Ansicht der dorsalen Beinfläche, ohne daß Vorarm oder Röhre in ihren normalen Stellungen verändert werden. Beim Knie muß man natürlich vor allem achten, daß die Haut un- verletzt ist. Wenn die Haare abgeschürft sind, alte Wunden und Narben existieren, Sturznarben, Glatzbein (genou couronne), wird der Verdacht erweckt sein, daß es sich um einen „habituellen Stürzer oder Stolperer" handle, doch muß man sich vor zu schnellem Greneralisieren hüten, denn selbst dem besten Pferde kann es passieren, daß es wegen eines unglück- lichen Zufalles einmal stürzt und sich die Vorderknie wundschlägt. Narben am Knie sind aber stets ein großer Schönheitsfehler. 5. Die Röhre (le canon, stinco). Unter der Röhre verstehen wir sowohl an den Vorderbeinen, wie auch an den Hinterbeinen denjenigen Knochen, der sich vertikal abwärts vom Knie und vom Sprunggelenke bis zur Kote fortsetzt. In der Vorderröhre ist das os metacarpale tertium, auch Metacarpus genannt, die Grundlage, in der Hinterröhre das os metatarsale tertium, der Metatarsus. Das Röhrenbein ist ein Zylinder, der unter allen Knochen die stärkste Knochenrinde in seinem Schafte besitzt. Da er gewissermaßen eine Säule vorstellt, hat die Anatomie seinen proximalen (obersten) Teil Basis, den untersten, distalen capitulum, Köpfchen genannt. Hinten trägt das Röhrenbein noch seine reduzierten Gesellen, die Griff'elbeine, die ossa metacarpalia secundum und quartum, (perones). An der ganzen Röhre findet sich kein Muskel, nur Sehnen und Bänder. Sie ist daher kein Hebelarm irgend eines zu schließenden und öffnenden Winkels, sondern nur ein Knochen mit passiver Bewegung, der gewisser- maßen als Stelze verwendet wird. Seine Sehnen sind die schon bei Behandlung des Mechanismus des Kötengelenkes erwähnten, nämlich: der Zehenbeuger, wie besonders der Hufbeinbeuger, der Kronbeinbeuger, der Fesselträger und Zehenstrecker. Die Röhre hat bei dem Gange zwei passive Bewegungen auszuführen, Biegung und Streckung. Während der Biegung wird das Bein vorgesetzt und schreitet aus. Je besser die Biegung durch Zug der Fußbeuger erfolgt, und je länger die Röhre ist, desto weiter wird das Bein vorgesetzt und desto größer wird daher der Schritt. Bei Streckung wird bei der Vordergliedmasse die Röhre vor den Schwer- punkt gebracht und bei der Hintergliedmaße durch die Kraft des Knies 358 i^ic Vorderextremitäten. die Hölire auf das Kötengelenk aufji^estoßen und damit der Körper vor- wärts gesclioben. Die Röhre steht oder sollte normalerweise immer vertikal stehen, dann ist sie eine typische Tragsäule des Körpers, die alle wirkenden Kräfte passieren läßt und weiter leitet. Sie hat gegen die Bodenreaktion als Schutz vor schweren Stößen nur die Sprungfeder- apparate von Kote und Huf, die aber, wie wir sahen, so leistungsfähig sein können, daß die effektive Leistung dieses Hebelarmes relativ gering ist. Form. Der Querschnitt des Röhrenbeines ist queroval, die vordere Seite nennen wir im Vergleiche mit der menschlichen Hand die dorsale, d. h. dem Handrücken entsprechende, die hintere die volare, d. h. der Handfläche ent- sprechende. Außerdem kennen wir eine innere und eine äußere Seitenfläche. Von vorne betrachtet ist die Röhre fast geradlinig begrenzt, die Seitenränder nur wenig nach innen konkav, gegen die anstoßenden Grelenke zu etwas breiter werdend. Von der Seite besehen, kommt infolge der Entwicklung der Hufbein- beugesehnen ebenfalls eine ziemliche Dickenausdehnung zustande, wobei es relativ schwer ist, den Anteil des Röhrenbeines und den Anteil der Sehnen genau zu ermitteln. Die Haut, die die Röhre bedeckt, ist je nachdem dicker oder dünner, wie auch die Schicht des Unterhautbinde- gewebes je nach Konstitution und Rasse des betreffenden Tieres. Bei mastigeren Pferden vom Digestivustyp wird man die Feinheiten der Knochen und Sehnen nicht so scharf durch die Haut sehen oder palpieren können wie bei solchen des trockenen Respiratoriustyp. Pferde mit starkem Schutzhaarwuchs bekommen längs der ganzen volaren Röhrenfläche Schutzhaare (Kötenbehang, fanon, barbetta [klein], spazzola [groß]), die nach dem früher Gesagten durch die traumatische Hautreizung infolge der Sehnenfunktion bedingt sind. Es ist dies bei schweren Mastpferden durchaus kein schlechtes Zeichen, bei Schnell- pferden aber als ein konservativ vererbendes Hautmerkmal, in den meisten Eällen auf Blutmischung mit Mastpferden oder Ponys hindeutend, sofern nicht direkt die erworbene Provenienz infolge Sehnendruckes bewiesen werden kann. Daher haben Händler und Pferdebesitzer oft die Gewohnheit, diese Schutzhaare zu scheren oder abzusengen, da w^o es der Leistung und der Mode nicht entspricht. Länge der Röhre. Hierüber wurde schon auf S. 59/60, 78/88 verschiedenes erwähnt. Davon ist aber namentlich das zu rekapitulieren, daß bei Wüsten- pferden und bei Pferden, die in Galopp gehend mit großer Kraft auf Die Röhre. 359 hartem Boden aufschlagen, wie Rennpferde — typisch bei Pferden der argentinischen Pampas (v. d. Paz, 1912) — die Röhren die Tendenz zum Längerwerden aufweisen. Sie werden außerdem länger bei Wallachen infolge der Prühkastration. Endlich auch kann eine Zunahme der Länge stattfinden infolge der Selektion, indem längere Röhren bei absolut gleichen Verhältnissen des oberen Hebelarmes eines Griiedes gestatten, einen viel größeren Raum mit jedem Schritte zu überschreiten, als dies ein anderes, sonst völlig gleiches Pferd mit kürzeren Röhren könnte. Die kürzere Röhre gleicher Stärke wird aber meist auch die leichtere sein und daher schneller schwingen und keine so starke Ausschlagsmöglichkeit der oberen Winkel verlangen, somit also für die Dienste, bei denen nicht größte Schnelligkeit in erster Linie steht, sehr vorteilhaft Verwendung finden. Wir sehen, daß bei den meisten anderen Tieren schweren G-ewichtes die Röhrenbeine relativ kurz sind, was uns den Gedanken nahelegt, daß dies beim Pferde auch normalerweise so sein sollte. Damit kommen wir auf die Korrelation zwischen Länge und Breite der Röhre, dem sog. Breitenindex oder die Breite, wie auch auf den Röhrenumfang als solchen. Breite d e r R ö h r e (K n o c h e n st ä r k e). R ö h r e n u m f a n g. Die Breite der Röhre ist nach den älteren Autoren N e h r i n g , Cornevin usw. die Dimension zwischen den beiden seitlichen Rändern, also der große Durchmesser des Querschnittovales. Die modernen französischen Autoren haben großenteils als Breite den Durchmesser betrachtet von dem volaren bis zum dorsalen Rande, samt Sehnen und Haut. Dieses Maß ist an sich sehr gut, aber die Bezeichnung nach dem Prioritätsstandpunkt wohl richtiger als „Dicke" oder dorso-volarer Durchmesser zu wählen. Von deutschen Autoren wurde auch der „Umfang" in der Mitte der Röhre an deren engster Stelle (von vorne gesehen) gemessen und fälschlich sogar als „Schienbeinumfang" bezeichnet; das Schienbein ist aber anatomisch der Unterschenkel (tibia) und daher nicht die Röhre. Ganz richtig ist auch der Name „Röhrbeinumfang" nicht, da zu einem großen Teile Sehnen mitgemessen werden. Wenn man also speziell auf starke Röhrenbeine und größere Röhren- umfänge hält, wird man, sofern diese Eigenschaft namentlich in der Breitendimension ihren Ausdruck finden soll, eine verhältnismäßig gröbere Zellstruktur und damit auch die Konsequenzen auf Konstitution, Ge- nügsamkeit und Härte der Pferde in Kauf nehmen müssen, indem den ausdauernden orientalischen, trockenen Pferden vom Typus respiratorius fast immer feine Zellstruktur der Gewebe und entsprechend schlanke Knochen innewohnen. 300 r^i® Vorderextremitäten. Durch Selektion in der Zucht läßt sich hier wohl einiges erreichen, aber diese Naturgesetze lassen sich nicht umkehren, was daraus hervor- geht, daß eben nur gewisse, klimatische, dazu geeignete Ländergebiete, solche schwere Knochen und Konstitutionen zu erzeugen vermögen. — Der Vollständigkeit halber mache ich aufmerksam, daß iu 1)ezug auf Röhrenstärke sehr interessante und sorgfältige Forschungen vorliegen. Nachdem Hof fm an n (1901) erstmals Röhrenljeine auf Belastungsjirohe stellte, hat dann vor allem K ra e m e r (1904, 1905, 1906, 1913) die alisolut richtige Aufiassung vertreten, daß die Kraft einer Röhre eigentlich nicht durch Breitendimension derselben allein bedingt werde, sondern auch durch ihre histologische Beschaffenheit; er bewies dies durch mikroskopische Schliffe und Schnitte durch Röhrbeine verschiedener extremster Pferderassen und sprach dann in sehr schöner Weise den Gedanken aus, daß ein Zusammenhang der Knochenbildung mit den Konstitutionsverhältnissen der Pferde bestehe, und diese durch die Lebensbedingungen hervorgerufen sind. Er belegt seine Ausführungen durch Röhrbeinschnitte und Belastungsproben, wobei bis zu einem Maximaldrucke von 8800 kg von Röhr]:)einen ertragen wurde ; tj'pische Rassendifi'erenzen wurden nur insoweit beobachtet, als Halbblüterröhren sich noch stärker als solche mancher Schrittpferde erwiesen. Diese K r a e m e r sehen Ergebnisse wurden dann auch durch J a n n i n g (1908) und Hardt (1910) chemisch bestätigt, indem dieselben in der Knochenachse von Laufi^ferden (Ostpreußen) mehr Mineralsubstanzen, Kalk und Phosphorsäure fanden, als in derjenigen von Schrittpferden, dafür enthielten diese etwas mehr Füllmaterial an verbrennlicher Substanz. Diese Bestätigungen scheinen aljer deshalb wohl nicht ganz einwandfrei, w^eil nach unseren Erfahrungen der CTehalt des Bodens, von dem die Pferde herstammen, einen nachweislichen Einfluß haben muß. Simon v. Nathusius hat dann durch seine Schüler, Henseler, v. Lützow, AVolter und Israel mit allen nur möglichen Methoden die Druckfestigkeit, Biege- festigkeit, Knochenporosität usw. der Röhrbeine untersuchen lassen, um zu zeigen, daß die Knochen der Schrittpferde stärker seien als die der Laufpferde. Unter diesen recht guten Arbeiten ragt diejenige Henseler s (1912) durch ihre vorl)ildlich sorgfältige und gewissenhafte Ausführung hervor. Über die Umfangmaße von Röhren gibt S. v. ISTa th u s i u s schöne Ül »ersichten, von denen ich eine hier anführen will : absolutes Maß t,t- j "• .i -i Widernsthohe Englisches Vollblut ? . . . 19,00 12,00 Ostpreußen § 20,00 12,25 Traber ? 20,20 12,30 Hannoveraner $ 20,20 12,40 Englisches Vollblut cf • • • 20,45 12,65 Holsteiner $ 20,65 12,55 Holsteiner cf 21,70 13,20 Schleswiger ? 21,85 14,05 Rheinische Belgier ? . . . 23,40 14,40 Original Belgier $ . . . . 23,50 14,50 Shire $ 24,30 14,80 Original Belgier cf • • • • 25,10 15,40 Leider ist aber nie nach dem Zusammenhang der verschiedenen Köhrbeingestaltung mit den Klima- und Bodenfaktoren ernstlich geforscht worden und den dadurch bedingten verschiedenartigen Konstitutionen Die Röhre. 361 und Organformen. In seiner letzten Arbeit (1911) hat aber v. Nathusins nicht ganz recht, wenn er sagt, daß „diese Frage an und für sich für die praktische Zucht gleichgültig sei". Man darf nicht vergessen, daß seit Jahrhunderten — wie ich in meinen Studien über die Geschichte der Pferdezucht in der Schweiz zeigte — in Ländern, die nun einmal, wie die Schweiz, ohne sorgfältigste Zuchtwahl, keine schweren Pferde und schweren Knochen auf die Dauer in Reinzucht erhalten können, stets doch der Wunsch in den Leuten lebte, das zu haben, was die Natur nicht gestatten will. Daher ist es gewiß zu begrüßen, wenn man durch Röhrenumfangmessungen in Gegenden, die klimatisch und wirtschaftlich geeignet sind, schwere Pferde in Kalt- und Halbblut zu erzielen, sieh von der Zunahme deren Knochenstärke überzeugt. Daher habe ich auch das Maß in den Tabellen aufgenommen, obwohl ich es selbst nie gemessen habe, da allgemein für die Beurteilung der Kraft und Stärke eines Pferdes ja daraus nicht viel zu entnehmen ist, wenn die Konstitution nicht auf Ausdauer und lebhaftes Arbeitstemperament zu- geschnitten ist. Wohl aber gefällt bei einem großen schweren Pferde die breite Unterstützung weit besser als schlanke Stützknochen und ist tatsächlich hier ein Moment, wo „Mode und Schönheit" einen Einfluß haben. Von vergleichend-anatomischen und mechanischen Grründen ließen sich nur die vorerwähnten anführen, daß schwere Tiere, wie z. B. der Elefant, gewöhnlich kurze und auch relativ breite Röhren zu besitzen pflegen. Anderseits habe ich gezeigt, daß die Knochen, wenn auch nicht stets in der Länge, so aber doch in ihrer Breite und Dicke sich den Anforderungen anpassen, die ihnen gestellt werden, weshalb es mir bisher nicht vergönnt war, den allgemeinen AVert dieser sorgfältigen Röhrenprüfungen für dieBeurteilungsIehre zu erkennen.Ich glaube auch,daß die Kriegserfahrungen dieAuff assung direkt widerlegt haben, daß Pferde auf dickeren Röhren dauerhafter sein sollen. Man dis- kutierte ungemein viel über die Frage der Tragkraft der Röhren, trotzdem festgestellt war, daß die schwächsten Röhrbeine noch immer gegen 4000 kg Druck aushalten, ohne sich darum zunächst zu interessieren, welcher Druck kinetischer Energie denn überhaupt beim schwersten und schwerstarbeitenden Pferde auf die Röhren entfallen könne, als wenn die Röhre das ganze Pferde- und Lastgewicht direkt aufnähme und einen ent- sprechenden Cxegendruck des Bodens zu erfahren halie. Man vergaß ganz das Studium der Druckverteilung in der Kote und den Sehnenapparat des Pferdefußes über der Röhrenforschung. Ein Röhrenknochen ist noch nie durch den vertikalen Druck des Gewichtes von Körper, Arbeit und Bodenreaktion zusammengesplittert, wohl aber durch seitliche traumatische Wirkungen, Fehltritte usw. Nach den Betrachtungen über die Koten und die Sehnen der Röhren ist es leicht ersichtlich, daß je nach der Winkelstellung der Fesseln der Druck der Last und der von der Hinterhandmuskulatur ausgeübte Impuls auf diesen Sehnen mehr oder weniger ruht, bei steiler, kurzer Fesselung mehr auf die Gelenke und die Röhre, bei weicher, langer Fesselung mehr auf die Sehnen abgeladen wird. Es liegt in der Hand der natürlichen 362 I*ic Vorderextremitäten. Jug^end- und Lobensentwickhing jeden Pferdes, diese Winkelung in der Kote entsprechend der geleisteten Funktionen und dem weicheren oder härteren Boden, auf dem die Jugendzeit vor sich ging, erfolgen zu lassen. Man wird allerdings sagen kr»nnen, daß die Umfangraessung der Röhren auch die Sehnen mitbetrifFt, und deren größere Dimensionen auch hier einen Ausdruck fanden. Franic zeigt in seiner Abhandlung, daß der Querschnitt der Sehnen ebenfalls nicht maßgebend war für deren Stärke, sondern- ihr histologisch enger, trockener Bau. So ist ein gutes Kötengelenk tatsächlich wichtiger als eine breite Röhre. Ich betrachte diese Frage aber als von zu geringer allgemeiner Bedeutung, um derselben einen größeren Platz hier einzuräumen. Interessant ist nur noch das Verhältnis, das der Breitenindex des Röhrbeines kleinste Breite (Nr. 45) .100 , . i , . i ^o ^ ^ = = ^ uns bei den verschiedenen rierdeiormen Länge und Rassen erkennen läßt und woraus wieder hervorgeht, daß das Grewicht des Tieres einerseits und das züchterische Milieu (Wüste, Wald, Steppe, Marschen) anderseits dies Verhältnis bedingt. Malicke (1910) untersuchte unter meiner Leitung 192 Pferde ver- schiedener Rassen auf den nach Tscherski (1893) ermittelten Metakarpen- index und fand folgende Mittelwerte und Schwankungen : Araber 14,3 — 22,8; Mittel 18,01; Englisches Vollblut 15,0—21,2, Mittel 17,83; Ungarn 14,5—20,7, Mittel 16,45; Russen 13,8—20,4, Mittel 19,03; Preußen 15,6 bis 19,2, Mittel 17,45; Oldenburger und Hannoveraner 15,5—20,2, Mittel 20,07; Dänen 17,7—23,6, Mittel 21,39; Belgier 17,8—25,3, Mittel 22,35; Percherons und Boulonnais 20,5—25,2, Mittel 19,01. Es ist dies ein biometrischer Ausdruck der Mittelwerte und Variations- grenzen der Röhrenstärken innerhalb der einzelnen Rassen, worin sich deutlich zeigt, daß die schweren Rassen auch die dickeren Knochen haben. Wie sich dies Verhältnis aber zum Körpergewichte verhält, zeigt uns deutlich der besprochene Röhrbeinbelastungsindex, dessen Resultate auf S. 123/124 nachgeschlagen werden können. Die Dicke oder derDurchmesserderRöhre beruht auf dem Abstand des dorsalen vom volaren Rande der Röhre. Je größer diese Dimension ist, desto besser abgesetzt ist die Sehne (bien detache, risaltato), was die hauptsächlichste Güte der Röhre darstellt. Bei denVorder- gliedem spielt hier auch die Stärke der Vorarmmuskeln eine Rolle, bei den Hintergliedern die Breite des Oalcaneums, wie auch das stärkere oder geringere Vorragen der Beine nach hinten. Hie und da erscheint trotz einem breiten Vorderknie die Röhre der Vorderglieder an ihrer proximalen Epiphyse schmächtig; es ist dann Die Kote. 363 das, was wir früher schon als gedrosseltes Knie (tendon failli, ginocchio allacciato) bezeichneten. Dies kommt davon her, daß die Beuge- sehnen in der Kniefalte zu straiF von der Karpusbinde umschlossen werden, und diese bogenförmige Verbindungsfläche und das ligamentum volare transversum schräg gegen die Röhrenbasis zu stehen kommt, namentlich dann, wenn die Grifi'elbeine reduziert sind. Es ist leider sehr häufig, aber mehr oder weniger stark ausgeprägt. Da es sich hier nur um Millimeter- variationen handelt, muß das diesbezügliche Maß Nr. 44 sehr genau ge- nommen werden. Man nimmt mit Recht an, daß die Leistungsfähigkeit der gedrückten Beugesehnen etwas geringer und daher diese Bildung nicht wünschens- wert ist. Händler lassen darum hier oft längere Haare stehen, um diese l^ildung zu verdecken. Nach meiner Erfahrung bedeutet ein hoher Grad von Einschnürung einen locus minoris resistentiae, wo sich gerne Sehnen- entzündungen (Gallen) zu entwickeln pflegen. Die Röhren müssen ferner trocken sein, aber fein in der Haut, was jedoch ein konstitutionelles Haut- merkmal ist und nicht hier mehr weiter erörtert zu werden braucht. 6. Die Kote (le beulet anterieur, nodello anteriore). Dieses Gelenk befindet sich zwischen dem Röhrenbeine und dem Fessel (Phalanx prima), weshalb es auch Eesselgelenk genannt wird. Die eigentliche Funktion dieses Gelenkes ist erst durch die Untersuchungen meines Schülers Franic (1919) völlig klar geworden. Hienach können wir sagen, daß ein Pferd seine Beine und seinen Körper gerade so gut bewegen könnte, wenn kein Gelenk, sondern nur eine starre Knochen- säule an dieser Stelle vorhanden wäre. Aber infolge der Unmöglichkeit der Beugung der Zehen wäre der Bogen, den das Zehenende beim Yor- führen beschreiben würde, so flach, daß die Hufspitze an allen kleinsten Gegenständen auf dem Boden anstoßen müßte ; um dies aber zu vermeiden, mußten dann die oberen Gelenke des Beines, Knie und Sprunggelenk mehr geschlossen werden, was wieder andere Nachteile für die Bewegung des Körpers zur Folge hatte. Die Gefahr des Stolperns wird aber vermieden, da die aus dem M. extensor digitis communis hervortretende Sehne als gemeinsame Streck- sehnen alle drei Zehenknochen wieder zu strecken vermag, nachdem sie durch die Wirkung des M. flexor digitis sublimis und der des M. flexor digitis profundus gebeugt wurde. Der erstere beugt direkt das Krön- und indirekt das Kötengelenk; der letztere nur das Hufgelenk als „Hufbeugesehne". Es ist klar, daß die Kraft der Muskeln durch die Sehnen nur über- mittelt werden, die Sehnenfunktion also vcdlig passiv ist. Die diesen inne- 364 Die Vorderextremitäten. wohnende Eigenkvaft ist infolge ihrer Beans})ruc]Hing in Längsrichtung nur „Zugfestigkeit", d. h. Widerstand gegen das Zerreißen. Da aber das Zerreißen einer oder mehrerer Sehnen des Pferdefui3es dessen völlige Funktionsstörung nach sich zieht, so ist die Zugfestigkeit die Hauptleistung der Sehnen. Dies ist namentlich für das Kötengelenk wichtig, das den gleichen Zweck an den Beinen des Pferdes zu erfüllen hat, wie die Pneus bei den Wagenrädern. Der Druckfestigkeit derKrdirenknochen zufolge, würde ja die Knochen- stärke einem direkten Aufstoßen derselben auf den Boden völlig genügen, aber durch die harte Übertragung des Stoßes würden die Gelenke und namentlich die Gelenkknorpel leiden. Das Pferd wäre bald dienstuntauglich. Durch Schrägstellung der untersten Teile des Beines wird mm der Rück- stoß des Bodens gemildert. Die mechanischen Prinzipien dieser Verhält- nisse wurden auf S. 51 erwähnt, woraus sich ergab, daß der Sehnenzug im Fesselgelenke durch die Drehwirkung des Momentes R 1 viel größer wird als die Bodenreaktion, resp. die auf das Schienbein wirkende Last P. Dem entspricht dann auch die Tatsache, daß diese mechanischen Prinzipien sich in dem anatomischen Bau wiederspiegeln. Der Fesselträger (tendo interosseus), der durch seine Anheftung am Sesambeine dem Drehungsmomente des Fesselgelenkes allein entgegen- wirkt und daher den größten Zug auszuhalten hat, ist quantitativ auch die stärkste Sehne und steht mit keinem Muskel in Verbindung. Der Hufbein- beuger, der den geringsten Zug auszuhalten hat, aber über die Beugefläche des Krongelenkes und die dem Beugungswinkel abgekehrte Fläche des Fesselgelenkes unmittelbar hinzieht und dasselbe bei der Fixierung auch unterstützt, steht an zweiter Linie der Beanspruchung; daher erhält er einen zweiten Hilfssehnenstrang, der sich an der volaren Fläche des Schienbeins anheftet und caput radiale tendineum genannt wird. Weil der Kronbeinbeuger durch große mechanische Inanspruchnahme des Huf- beinbeugers gegen die volare Fläche der oberen beiden Zehengelenke stark angepreßt würde, verläuft er nicht unter, sondern über diesem, wo er sich dann in der Höhe des Kronbeines in zwei Schenkel spaltet, die beiderseits des Hufbeinbeugers am Kronbeine sich anheften. Hiedurch wird er dem Drehungsmomente nicht direkt ausgesetzt und an seine Stelle tritt das untere gerade Gleichbeinband, das vom Fesselbein über die volare Fläche des Krongelenkes auf das Kronbein hinüberzieht und sich dort anheftet. Diese Art, wie der Kronbeinbeuger den Hufbeinbeuger oberhalb, unterhalb und über dem Kötengelenke umfaßt, charakterisieren ihn als Festhalter des Hufbeinbeugers. Berücksichtigen wir nun das auf S. 49—55 über die Stärke der Köten- ^ehnen, ihre Elastizität und die Statik des Kötengelenkes Gesagte, so Die Kote. 365 können wir folgern, daß das Kötengelenk zunächst breit und dick sein soll. Es ließ sich durch mechanisch-statische Berechnung zeigen, daß die Breite von Fesselbein und Röhre an ihren Kötengelenkenden die Sehnen- spannung vermindert, daher die Breite des Gelenkes nur ein Vorzug desselben sein kann. Das gleiche gilt für den Durchmesser oder die Dicke des Gelenkes, indem dieses Maß ebenfalls für die Dimension der Sehnen von Bedeutung sein dürfte und dem möglichst großen Sehnen querschnitte auch deren größere Leistungsfähigkeit entspricht, gleiche Sehnen qualität vorausgesetzt. Die Kötenb reite richtet sich daher weder nach der Huf breite noch der Fessellänge, wie frühere Autoren behaupteten. Eine Korrelation hiemit existiert nicht. Ich habe auch bei sehr langen Fesseln hie und da breite Koten wie z. B. bei Camarguer Halbblut, Anglo-Arabern bei einem Fessel von 14 cm Länge, 8,2 cm Kötenbreite, während das Vollblut- araber-Mittel bei 9 cm Fessellänge 7,0 cm Kötenbreite beträgt. Es spielt augenscheinlich Körpergewicht und Bewegungsart die größte Rolle, weshalb auch die Hengste im Mittel 10 7o breitere Koten haben als die Stuten und Wallachen. Ich hnde als Mittelwerte für leichte Galopp-Pferde 7,2 cm Breite, für schwere Englische Vollblüter und kombinierte Gebrauchs- pferde 8,3 cm, für Hengste 9,2 cm, bei Schrittpferden im Mittel 9,6 cm, bei Hengsten 10,5 cm. Der Durchmesser des Gelenkes pflegt meist etwa 10 7o geringer zu sein als seine Breite. Die Elastizität der Kötensehnen ist bei Lauf- und Schritt- pferden ziemlich gleich, jedoch ist die Sehnenstärke oder Zugfestigkeit qualitativ größer bei den Laufpferden und geringer bei den Schrittpferden, quantitativ haben aber die Schrittpferde die absolut stärkeren Sehnen. Die Winkelung im Köt engelenke ist aber ganz besonders wichtig. Je kleiner der Kr>tenwinkel, desto größer die Beanspruchung der Sehnen, die ja z. B. beim Vorderfuß bis zu 80 7o f^es Körpergewichtes in der Ruhe gehen kann, wieviel mehr erst in der Bewegung. Je größer der Kötenwinkel ist, je steiler also der Fessel steht, desto geringer ist wohl die Sehnenspannung, aber desto weniger elastisch ist der Gang und desto mehr treten Schädigungen der Gelenke der Beinhebel auf. Im ersteren Falle ist mehr Disposition zu Sehnenklapp vorhanden. Die ab- solute Größe des Koten winkeis pflegt je nach der auf den Fuß verlagerten Rumpflast etwas geringer zu werden. Viel variiert der Winkel aber nur, wenn man ein Bein aufhebt, dann wird er natürlich bedeutend kleiner. Da dieser Winkel aber für die Stärkenbeurteilung der Sehnen so bedeutungsvoll ist, möchte ich als Mittelzahl für vorne 143 Grad, als Mittelzahl für hinten 157 Grad angeben. Es ist aber wie gesagt sehr schwer, einen Normalwinkel für jedes Pferde zu finden, da eigentlich nicht die genau senkrechte Beinstellung diesen 366 Die Vorderextremitäten. ergibt, sondern die gewöhnlieh eingenommene, bald mehr vorständige, bald mehr rückständige Stellung. Fig. 132 stellt diese Sehnenspannung als die Funktion der Köten- Avinkelung (a) und der Belastung dar, indem die Ordinate die Winkel- grade der Kote, die Abszisse die prozentualischen Anteile der Last enthält. Man kann also für jeden gemessenen Koten winkel und jede ermittelte Maximallast ohne weiteres ablesen, wie viele Grewichtsprozente derselben durch die Sehnenspannung des Fesselträgers aufgenommen werden. Fiff. 132. Sehnenspannungskurve für den Fesselträger in ihrer Abhängigkeit von der Winkelung der Kote. 7. Der Sporn (ergot, sprone). Das kleine inmitten der Kote sitzende Hornplättchen , der Sporn, ist entwicklungsgeschichtlich dasselbe wie die Kastanie, also wohl auch aus den Fußballen der Ahnen des Pferdegeschlechtes hervorgegangen. Daß beim Sporn aber traumatische Reizungen auch jetzt noch vorkommen, beweist die Tatsache, daß viele Eennpferde nach dem Rennen blutende Sporne aufweisen, dieselben also beim Durchtreten den Fessel heftig auf den Boden aufschlagen. Auch die beiden Mm. lumbricales, die ihre feinen Sehnchen in den Sporn schicken, deuten darauf hin, daß dieser Fußballen des Pferdes doch noch nicht völlig funktionslos geworden ist. 8. Der Fessel (paturon, pastoia). Die Grundlage des Fesseis ist das Fesselbein, phalanx prima, das mit der Röhre zusammen das Kötengelenk bildet. Über die Bewegung dieses Körperteiles wurde schon gesprochen. Uns interessiert vor allem die Länge, Breite und Dicke dieses Knochens. Der Fessel. 367 Länge. Wir hörten schon, daß von der Länge ohne Zweifel die Winkeluug abhängt, wenn nicht der Körper sehr leicht ist, denn die gesamte Fuß- lange verursacht durch ihre Größenvermehrung bei gleichbleibendem Körpergewicht eine stärkere Bodenreaktion und damit eine vermehrte Schrägstellung, sofern die Sehnenstärke die gleiche ist. Je steiler der Fuß steht, desto geringer ist die Zugwirkung auf die Sehnen und umgekehrt. Bei gleichem Winkel wächst aber der Sehnenzug mit der Vermehrung der Fessellänge. Man hat deshalb kurze Fesseln bevorzugt, weil man die Dauer- haftigkeit eines Fußes allein im Auge hatte und Pferde von schwerem Gewicht beurteilte. Leichtere Pferde können aber auch sehr gut längere Fesseln haben, ohne in ihrer Dauerhaftigkeit zu leiden, da gewisse Gegenden direkt darauf hinzuwirken scheinen, wie z. B. Sumpfböden der Camargue, typisch lange Fesseln zu bilden, und diese Pferde ja sich als die dauer- haftesten bewährten. (Vgl. Kap. Genügsamkeit.) Bei Reitpferden liebte man (z. B. Fillis) wegen des weicheren Ganges schon längst längere Fesseln. Ferner gibt es viele Ursachen, welche die ganze Fußlänge (Fessel und Huf), die hier in ihrer Wirkung auf die Seimen in Betracht kommt, vermehren, so vor allem das Längenwachstum des Hufes bei Pferden, deren Beschlag nicht genügend häufig erneuert wird, die Unkenntnis des Hufschmiedes und die Tendenz vieler Besitzer, zu dicke Eisen auflegen zu lassen, um sie weniger häufig ersetzen zu müssen. Ein kurzgefesseltes Pferd belastet aber zu viel seine Knochen, und es fehlt ihm die Weichheit des Ganges, die das langgefesselte in hohem Grade hat; es wird daher hartem Widerstoß des Bodens begegnen und leichter zu Knochenschäden kommen. Daher ist wohl je nach dem Gebrauchszweck die Fessellänge zu wählen. Auch lange Fesseln können dauerhaft sein, wenn sie nur dick und breit sind. Die mittlere Länge ist nach den Bewegungsarten nicht verschieden, sondern mehr nach der Bodenart, auf der die Tiere aufgezogen werden, indem die weichen Böden den längeren Fessel bedingen. Ich finde aus meinen Zahlen 11,21 cm vorne und 11,46 cm hinten. Es überwiegt also um ein kleines die Länge des Fesseis hinten. Die Schwankung geht von 8 cm bis 15 cm Länge. Breite und Dicke. Aus den erwähnten Untersuchungen von Franic über die Kote geht hervor, daß die Dicke des Fesselbeines ebenfalls den Sehnenzug beeinflußt. Je schmäler das Fesselbein ist, desto größer ist der Sehnenzug, je dicker, desto geringer. 308 ^'<' Vorderextremitäten. Man wird ako auf alle Fälle suchen, ein dickes, breites Eesselbein zu erhalten, um Dauerhaftigkeit des Pferdes zu erreichen. Die Fessel- richtung hat einige Namen seit alter Zeit erhalten. Je nach der schrägen Stellung nennt man den Fessel „weich" oder baren tatzig (pied Üechi, bas-jointe, pastoia d'orso, basso giuntato). Hei steiler Stellung spricht man von senkrechter Fesselung oder Stelzfuß (droit-jointe, diritto giuntato o cammina in punta). Die mittlere Fesselstellung beträgt nach meinen Messungen 59 '* 15'. Die Variationen der Bewegungstypen sind auf die Gliederstellungen und die Unterlage zurückzuführen. Die Vorderfesseln stehen gewöhnlich um 10 Grad schräger als die Hinterfesseln, bei Halbblut und Schrittpferden ist die Variationsbreite von 53 — 68 Grad. Vorderfesseln von 45 Grad sind selten. Sodann können die Fesseln auch noch nach außen oder innen ge- richtet sein. Hienach wird unterschieden zwischen : a) zeheneng (cagneux, cagnolo, piedi volti all'indentro), wenn das capitulum oder distale Ende der Fessel und mit ihm die anderen Phalangen nach innen gerichtet sind, b) zehenweit, Tanzmeisterstellung (panard, mancino, piedi volti in fuori), nennen wir ein Pferd, dessen Zehen auswärts gedreht sind. Die zehenenge Stellung bildet den Anlaß zum Streifen, die zehenweite den zum Fuchteln des Pferdes. Die letztere ist jedenfalls die schlechtere der beiden. Die Trockenheit und Klarheit soll auch hier herrschen wie an den Röhren und keine Narben und Streifwunden an den Fesseln vorkommen. Das Überköten (bouleture, piede a rampino) entsteht durch Steilstellen der Fesseln bei schwachen Sehnen oder Huffehlern, indem hier nur der Zehenteil belastet wird. Es ist aber immer ein Zeichen schlechter Sehnen und kommt vorne häufiger vor als hinten. 9. Die Krone (couronne, Corona). Unter der Krone versteht man diejenige Region des Pferdefußes, die zwischen Fessel und Huf liegt, und aus deren Haut das Huf hörn entsteht. Ihre Grundlage ist das Kronbein. Die Weichteile bestehen aus folgenden : a) der unterhalb des Krongelenkes beginnenden Saumlederhaut (bourrelet), die einen schmalen 5 — G mm breiten Streifen zwischen der normalen, von der Fessel herkommenden Haarlederhaut und Kronlederhaut bildet, b) der Kronlederhaut (chair cannelee), die zwischen Saumlederhaut und Hufhorn liegt und an dem Hufsaum vorne an der Innenseite die Kronrinne bildet, nach hinten aber zur Bodenfläche abwärts biegt. Der Huf. 369 Hier liegen nach hinten die beiden Ballen (coussinets plantaires, cuscini), die wir in innere nnd äußere unterscheiden, zwischen denen die Ballen- grube liegt. Die Grundlage der Ballen wird durch das Strahlpolster des Hufes gebildet. Die Haarlederhaut der Krone ist je nach der Rasse mit mehr oder weniger feinen oder groben Haaren versehen, die bei Luxuspferden eben- falls abgeschoren werden, um dem Fuß des Tieres wieder einen Schein der Leichtigkeit zu geben. Bei Pferden edler Rasse und anderseits bei Schrittpferden nimmt man dies nicht vor. Bei den ersteren sind sie von selber fein, bei den anderen bilden sie einen Schutzapparat, um die man sie nicht bringen sollte. Die Breite der Kronen ist wertvoll, indem sie mit der sehr wichtigen der Fesselbeine und der Stärke des Gliedes in Zusammenhang steht. Nach meinen Messungen ergibt sich eine gewisse Korrelation mit der Fessel- länge, indem im allgemeinen auf hartem Boden die Fessellänge mit der Kronenbreite übereinstimmt und diese gewöhnlich zwischen 9 und 12 cm schwankt. Auf weichem Boden und Sümpfen (Camargue) ist der Fessel meist 0,5 — -1,5 cm länger als die Krone breit ist. Ein weiterer Gesichtspunkt liegt in der Feinheit von Haut und Haar und läßt also konstitutionelle Deutung zu. Daher ist auch bei Schrittpferden mit grober Haut und Haar die Krone breit. Ein letzter Gesichtspunkt der Kronbeurteilung soll in der gänzlichen Abwesenheit sämtlicher Krankheiten und Fehler bestehen. 10. Der Huf (le sabot, lo zoccolo). Es kann nicht meine Aufgabe sein, hier eine vollständige Huf- und Beschlagskunde zu geben, hiefür verweise ich auf Schwendimann, Gutenäcker-Moser und Schwyter, sondern es sollen nur die wichtigsten Dinge erwähnt und nach den Prinzipien dieses Werkes die Nomenklaturen wissenschaftlich revidiert werden. Hier ist durch Zietzsch- mann (1913) dies ganz in dem Sinne schon getan worden, wie ich es für die Farben in anderen Kapiteln dieses Buches versucht habe. Als Huf wird in der Praxis unzweifelhaft der von Hörn umschlossene, Huf-, Krön- und Strahlbein enthaltende, direkt den Boden berührende Teil der Gliedmaßen bezeichnet. Die diesen umgebende Hornwandung bildet einen nicht ganz völlig geschlossenen, volarwärts nach hinten ab- geschrägten Zylinder. Sie allein soll nach Schmaltz (1913, 1919) der anatomische Huf = Hornschuh sein. Seit den ältesten Zeiten haben die Hippologen der Beurteilung des Hufes besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Du erst, Die Beurteilung des Pferdes. 24 370 ^^^ Vorderextremitäten. Nicht nur bemerkt X e n o p h o n , daß man beim Besichtigen der Beine zuerst den Huf ansehen müsse, auch Grisone (1579, I, 0) beginnt die Schilderung der Körperformen mit den Hufen, aber will dieselben glatt, breit und hohl, während Löhneyß (1609, 76) im Gegensatze hohe und nicht hohle, aber doch breite feine Hufe wünscht. Beide Autoren verlangen schon Hufhorn von dunkler Farbe, weil weißes zarter und mürber sei. — Dies ist durchaus richtig und stimmt mit unseren früheren Betrachtungen über die Farben überein. So sagt auch Lesbre (1906) je dunkler das Hufhorn sei, um so härter sei es. Die osteologische Grundlage des Hufes besteht aus einem Teile des Kronbeines, dem Hufbeine und dem Strahlbeine. Dieses liegt wohl hinter der Gelenkverbindung, beteiligt sich aber selbst am Gelenke. Das Hufbein ist die eigentliche Grundlage des Hufes und steht mit seiner Wandfläche der Eichtung der Hornwand parallel. Die ausgehöhlte Sohlenfläche besteht aus Hornsohle, Strahlbein, Hufbeugesehne und Strahl- polster. Das Hufbein gelenkt mit dem Kronbein im sog. Hufgelenk, das innerhalb der Hornkapsel des Hufes liegt, aber keineswegs im Zentrum desselben, sondern zehenwärts, wo es sich am höchsten befindet. Bekanntlich dringen I^ägel und andere spitzige Dinge auf der Straße meist gegen das Gelenk vor und heißen volkstümlich Nageltritte. Ein gewisser volarer und basaler Schutz des Gelenkes wird wohl durch das Strahlbein gebildet, doch ist an dessen Eand die Hufgelenkkapsel zu- gänglich. Darum ist es weniger als ein Schutzorgan, sondern als ein Bestand- teil des Gelenkes wirkend, der als Gleitrolle des Hufbeinbeugers und Ansatzpunkt verschiedener Bänder dient. Zwei Sehnen bewegen das Hufgelenk: die gemeinsame Strecksehne der Zehe, die auf der dorsalen (vorderen) Fläche der Zehenknochen und die Beugesehne des Hufbeines, die auf der volaren (hinteren) Knochen- fläche verläuft. Da der Huf dem Zwecke dient, die Stöße der Bodenreaktion durch seine elastischen Teile aufzufangen, so braucht er außer den Sehnen noch einige spezielle elastische Organe. Das sind der Hufknorpel (cartilage scutiforme, cartilagine alare) und das Strahlkissen. Die Hufknorpel sind zwei länglich verschobene mehr oder weniger viereckige, seitlich gewölbte Knorpelplatten, die sich an den Hufbeinästen ansetzen, mit ihrem oberen Rande über den Kronrand der Fersenwand hervorragen und hier mit der Haarlederhaut bedeckt sind. Das Strahlkissen (Torus digitalis, coussinet plantaire, cuscinetto) ist eine subkutane Bildung, die aus einem Gewirr von elastischen Fasern mit fibrösen Platten und Strängen besteht und zwischen die Fettzellen eingelagert ist. Es ist zwischen den beiden Hufknorpeln der Beugesehne von der Bodenfläche her eingeschoben und mit den Hufknorpeln eng Der Huf. 371 verbunden. Sein Zweck ist, wie sein Name besagt, stoßbrechend und schützend zu wirken. Eine Entlastung des sehnigen Aufhängeapparates aber, wie es Gutenäcker -Moser (1918) meinen, wird dadurch nicht erreicht. Es könnte ja nur die Hufbeugesehne in Frage kommen und bei dieser wirken ganz andere Faktoren ein (vgl. Fr a nie, 1919). Am Hornschuh des Hufes werden drei Hauptabteilungen unter- schieden; Hörn wand (paroi ou muraille, parete, muraglia), Hornsohle (sole, suola) und Hörn strahl (fourchette, fettone). Die Hornwand umschließt das ganze Hufinnere. Volar biegt sie ein und bildet hier die sog. Eckstreben (arcs boutants, barre). Die Um- biegungsstelle heißt Eckstrebenwinkel (talon, tallone). Die Eckstrebenwinkel haben die Aufgabe, einer Verengerung des Hufes im hinteren Teile durch ihre radiale Stellung entgegenzu- wirken. Die Hornwand besteht aus der dorsal gelegenen Vorder wand, fälsch- lich oft Zehenwand (pince, punta) genannt, der seitlichen oder Seitenwand (raamelle, mammella) und der volaren oder plantaren, hinteren Trachten- oder Fersenwand (quartier, quartiere). Außen glatt, soll der Hornschuh innen die Kronrinne mit den Öffnungen der Hornröhrchen und darunter die Hornblättchen der Wandschicht tragen. ' Der proximale Rand des Hornschuhes heißt K r o n r a n d (marge coronale, m argine della Corona), der distale Tragrand (marge de la sole, cornice della suola). Derselbe ist durch die sog. „weiße Linie" (nimbe, nimbo) mit dem Sohlenrande verschmolzen. Im Vorderwandgebiete am stärksten, nimmt die Hornwand gegen die Trachten zu an Dicke ab. Das Hufhorn wird auf der Keimschicht der Epidermis des Zehen- endes gleich dem Nagel und der Kralle der anderen Säugetiere gebildet. Wir unterscheiden an der Huf haut folgende Teile nach Zietzschmanns Nomenklatur : Saumhaut (Cutis limbalis), Ballenhaut (Cutis toralis). Strahl- haut (Cutis furcalis), Kronenhaut (Cutis coronalis), Wandhaut (Cutis latalis). Sohlenhaut (Cutis solearis). Selbstverständlich besteht jeder Teil aus dem Corium oder Lederhaut und der Epidermis oder Oberhaut (Hornschicht). Infolge der Umlagerung der Epithelzellen über die Erhebungen des Papillar- körpers desCoriums der betreffenden Hautteile gibt die Epidermis der Saum-, Ballen-, Strahl-, Kronen- und Sohlenhaut ein Eöhrchen oder Säulchenhorn, während die Wandhaut ein Blättchenhorn absondert. Saumhaut, Kronen- haut und Wandhaut liegen proximal- distal anschließend untereinander. Da nun die Lederhautpapillen der Saum- und Kronenhaut nicht senkrecht zur Oberfläche stehen, sondern gleich wie bei der Nagelwurzel des Menschen parallel zu dem Nagelbett Hörn produzieren, so kommt es, daß die ge- bildeten Hornmassen aus Saum und Krone über die Wandhaut und deren verhornten Epidermisteil hinweg geschoben werden. 372 Die Vorderextremitäten. Die Hornwand besteht daher aus drei Schichten entsprechend den sie produzierenden Häuten, nämlich dem Saumhorn, äußeren Deckschicht oder Glasur, dem Kronenhorn, mittleren oder Schutzschicht und dem W a n d h o r n , der innersten Blättchenschicht. Das Saumhorn (periople, ])eriople) entsteht auf der Saumlederhaut, schuppt jedoch durch Abnützung ab und erhält sich nur im Saum band im proximalsten.Teil des Hufes. Das Kronenhorn entsteht aus der Epidermis auf den Papillen der Kronlederhaut und den interpapillären Räumen, dies Hörn wird auch Bindhorn genannt. In die Poren des Kronen- hornes reichen die fadenförmigen Zotten oder Papillen der Kronlederhaut hinein. Es ist die hauptsächlichste Hornschicht des Hufes und desscR festester, den Tragrand bildender Teil, der wie der menschliche Nagel geschnitten werden muß. Das Wandhorn ist ein hohles, aus vielen (ca. 600) schmalen dünnen Hornblättchen bestehendes Gebilde, das zwischen entsprechenden Haut- blättchen der Wandlederhaut abgelagert wird. Die weiße Linie besteht aus den untersten Enden der Hornblättchen und aus dem weichen Zwischenblättchenhorn, sie gehört also noch zum Wandhorn. Sie ist deshalb von größerer Bedeutung für den Hufbeschlag, weil aus ihrem Abstand von der Außenwand des Hufes die Stärke der Hufwand ersichtlich ist. Die Sohlenfläche stellt eine die Bodenfläche des Hufes bekleidende, aufwärts gewölbte Hornplatte dar, die zwischen Horn- wand, Eckstreben und Hornstrahl liegt. Sie muß stark sein, da sie die empfindlichen Innenteile schützen soll. Wir unterscheiden an ihr den Sohlenkörper (sole, suola) und die Sohlenäste (branches de la sole, rami della suola). Der äußere Rand der Sohle, der Sohlenrand, verbindet sich in der weißen Linie mit dem Wandhorn. Der Hornstrahl (fourchette, fettone) ist dem weichen Zehenballen der plantigraden Säugetiere homolog und wie ein Keil zwischen die Eck- streben und den Sohlenausschnitt auf die Sohlenfläche des Hufes geschoben und schließt den Hornschuh unten ab. Man unterscheidet an ihm den ungeteilten Strahlkörper (corps de la fourchette, corpo del fettone), mit den Strahlspitzen (pointe, punta), und den beiden Strahl schenkein (glomes, glomi), die durch die mittlere Strahlgrube (lacune mediane, lacuna mediana) getrennt sind, Am Grunde gehen die Strahlschenkel in die Hornballen über, die nach oben ihrerseits die beiden Hautballen und zwischen ihnen die Ballen- oder Kötengrube bilden. Schwendim ann, Moser u. a. verlangen von einem ausgebildeten, gesunden Hufe : 1. Die Krone soll wagrecht liegen, ohne Auftreibungen, Yerhärtungen, ohne Schuppen, Risse, Sprünge, Narben und Wunden. 2. Die Hornwand soll in der ganzen Oberfläche glatt und gleich- Der Huf. 373 mäßig von der Grlasur überzogen sein ohne Spalten und Risse, ferner in gerader, gestreckter Richtung verhxufen und aus festem Hörn bestehen. Der Tragrand S(»ll eben und gleichmäßig verlaufen, die weiße Linie weder ausgebröckelt noch getrennt sein. Flache Ringe und Furchen auf der ganzen Hornwand, gleichlaufend mit der Krone haben für den Beschlag wenig zu sagen. Ringe und Furchen anderer Richtung müssen als krankhaft bezeichnet werden. 3. Die Vorder- und Fersenwand von der Seite gesehen, soll gleich gerichtet sein wie der Fessel. 4. Die Eckstrebenwände sollen vollständig erhalten sein. 5. Die Hornsohle ist ausgehöhlt, stark, und darf auf einen Finger- druck nicht nachgeben. 6. Das Hörn der weißen Linie soll deutlich sichtbar und ununter- brochen sein. 7. Der Strahl soll aus elastischem Hörn bestehen, die mittlere Strahl- grube weit offen und trocken sein. 8. Die Ballen sollen gleich groß, gut gerundet, durch eine seichte Grube voneinander getrennt sein und in gleicher Höhe stehen. 9. Die Hufknorpel sollen elastisch sein, 10. Keines der im Hornschuh befindlichen Grebilde soll eine erhöhte Empfindlichkeit aufweisen. * Die Form des Hufes ist abhängig von dem auf ihn einwirkenden Verhältnissen des Körpergewichtes, des Bodendruckes und der Boden- beschafi'enheit, seiner Funktion und Stellung, sowie den Anlagen des einzelnen Tieres. Das Körpergewicht wirkt in dem Sinne, daß sich der Huf mit zu- nehmendem Alter und Gewicht auseinanderdrängt, denn der Huf neu- geborener Fohlen ist am Kronrand weiter als am Tragrand. Leisering behauptete, daß sich der Huf verenge durch Abwärtsdrücken der Sohle, aber schon G o u b a u x und B a r r i e r zeigten, daß durch Belastung sich die Trachten auseinanderschieben, die Sohle um ein Geringes verflacht und dadurch die Hufwandung etwas auseinandergetrieben werde. Wichtig ist dann auch, zu konstatieren, daß harte Bodenarten die festeren, härteren Hufe erzeugen als weiche und besonders der Wasser- gehalt des Bodens (Sumpf) hier schädlich wirkt. Sodann haben die Stellungen des Pferdes die größte Bedeutung in der Belastung einzelner Hufteile und deren vermehrte Inanspruchnahme. Die Mängel des Pferdehufes können sich zunächst in Größe und Proportion äußern. Von den Dimensionen des normalen Hufes bemerkt schon Bourgelat, daß die Kronbreite annähernd gleich der Vorderkniebreite sein solle. Meine Zahlen ergaben als mittlere Huf breite aller 2000 gemessenen 374 l^iß Vorderextremitäten. Pferde 11,8 cm. Wurde die bioraetrische Korrel ation mit dem Kö rp ar- ge wie lite dafür berechnet, so ergab sicli nur ein Koeffizient von 0,3684, womit bewiesen sein dürfte, daß die Hufbreite nicht Polge des G-ewichtes allein, sondern wohl der Beschaffenheit der Bodenunterlage ist, wie dies in den früheren Kapiteln mehrfach betont wurde. Die Funktion ist hier insoweit von Bedeutung, als der stärker abstoßende Hinterhuf kleiner und schmäler, der bloß tragende Vorderhuf breiter wird. Abweichungen: a) Große Hufe (pieds grands, zoccoli grandi). Diese übertreffen die normalen Hufdimensionen ganz bedeutend. Gewöhnlich treten sie bei weichen Pferden des Typus digestivus auf. Der große Huf kann angeboren oder erworben sein ; im letzteren Falle ist er meist durch nasse Weiden, versäumten Beschlag oder dergleichen verursacht. Ein solcher Huf paßt nicht für ein Schnellpferd, findet sich aber ziemlich häufig bei Schrittpferden. Namentlich waren die Flamländer hiefür in alter Zeit berüchtigt. b) Kleine Hufe (petit pied, piccoli zoccoli) sind die relativ be- deutend zu kleinen Hufe, deren Größe ebenfalls angeboren oder erworben ist. Namentlich die Pferde des Südens haben kleine Hüfchen, auch wird dies bei Pferden aus felsigem, trockenem Gebiet häufig der Fall sein. c) Ungleiche Hufe (pieds inegaux, zoccoli ineguali). Äußerst selten angeboren, ist diese Erscheinung meist die Folge von pathologischen Veränderungen der Hufe. d) Lange Hufe (pieds longs, zoccoli lunghi o alti). e) Kurze Hufe (pieds courts, zoccoli corti). Form Veränderungen. Platthuf (pied plat, zoccolo piatto) wird so genannt wegen seiner flachen Form, bei der Vorder- und Seitenwand zu schräg gegen den Boden stehen. Die Sohle ist bei ihm nicht gewölbt, sondern flach und liegt in einer Ebene mit dem Tragrand. Vollhuf (pied comble, zoccolo colmo) ist stets eine Folge des Flachhufes und entsteht aus diesem. Es ist jener hörnerne Huf, dessen Sohle nach unten vorgewölbt ist und über den Tragrand vorsteht. Bockhuf (rampin, rampino, zoccolo da mulo) mit steilen Wänden und hohen Trachten als Folge des Stelzfußes. Bei hochgradigem Stelzfuß tritt Überköten ein. Schiefer Huf (pied oblique, zoccolo obliquo) nennt man einen Huf, bei dem eine Seiten- und Fersen wand steil, die andere besonders schräg gestellt ist. Er paßt als Normalschiefliuf zu den bodenweiten, bodenengen, zehenweiten und zehenengen Stellungen des Pferdes, wo eine Entstehung direkt eine Folge der Stellung ist. Fehlerhaft schief ist der Huf mit (von vorne gesehen) gebrochener Zehenachse als Folge von ungleich hohen Wänden. Die Hinterextremitäten. 375 Krummer Huf (pied courbe, zoceolo curvo) ist ein Huf, dessen eine Wandhälfte eingebogen ist, wobei sich die Bodenfläche nach der hohlen Seite verschoben hat. Zwangshuf (pied eucastele, zoceolo incastellato) nennt man einen Huf, bei dem der Strahl geschwunden ist, und die Fersenwände einander näher treten, so daß die hintere Hufhälfte verengert ist. Kronenzwang oder der geschnürte Huf (pied cercle, zoceolo circondato o zoceolo allacciato nella Corona). Diese Hufform hat Einschnürungen der Tersenwand. Schnürfurchen finden sich meist unter der Krone und selbst unter den Seitenwänden. Vom Zwangshuf unterscheidet sich dieser Huf dadurch, daß der Strahl noch sehr gut erhalten ist. Durchaus pathologische Bildungen sind dann der Reh- oder Knoll- huf (fourbure, rinfondimento o riprensione). Fehler der Hornbeschaffenheit des Hufes. Der weiche oder mürbe Huf (pied gras, zoceolo morbide o grasso) ist ein Huf, dessen Hörn weich und leicht zu schneiden ist. Der trockene oder spröde Huf (pied sec, zoceolo secco) ist ein Huf mit starker Hornbrüchigkeit und als Folge davon entsteht der Huf mit Hornspalten (pied derobe, zoceolo fesso). Die Homspalten können nach Zier (1910) in der Anlage vererbt sein. Es handelt sich dann um einen Konstitutionsfehler der Haut in ihrer Horn- bildungsfähigkeit, der infolge des Eintrittes gewisser Entfaltungsreize durch ungleiche Belastung beim Reiten und Fahren zur Entwicklung gelangt und daher nicht vor dem dritten Altersjahre aufzutreten pflegt. E. Die Hinterextremitäten. 1. Der Oberschenkel (Femur, cuisse et fesse, coscia e natica). Der Oberschenkel ist die das os femoris, das auch gewöhnlich nur als Femur bezeichnet wird, umkleidende Muskelmasse. Dieser Röhren- knochen ist der gewaltigste des Pferdekörpers und von ungeheurer Wider- standsfestigkeit, namentlich gegen Biegung. Vom Gesichtspunkte der Beurteilung müssen wir den eigentlichen als langen Hebelarm der Kraft wirkenden Schaft mit der Kniescheiben- rolle bis zu dem in der Hüftgelenkpfanne liegenden Oberschenkelkopf nennen und sodann einen kurzen Hebelarm, der bei ausgiebiger Benutzung eine viel dickere Muskulatur bewirken muß, nämlich den Trochanter major, den Umdreher, an dem die Gesäßmuskeln (Mm. glutaei), die Ge- lenkstrecker sich ansetzen. Am Kopfe setzen sich die Beuger des Pfannen- gelenkes an, die Lendenmuskeln und nach hinten zu auch die Dreher- muskulatur. 376 '^i*" Ilintcrexti-emitäten. Außerdem wird das Kuj^elgelenk nocli durch ein Band im Innern des Gelenkes (lig. teres) und noch ein Hilfsband, das äußere ligamentum accessoriura festgehalten, damit die hier weitergeleitete, gewaltige Kraft keine Deformationen und keine Vergeudung erleidet. Am distalen (Knie-) Ende des Oberschenkelheines setzen sich je ein Ast des M, biceps femoris lateral und des M. semimembranosus medial an, von denen der biceps femoris, der zum Knie führt, der stärkste Einzelmuskel des Pferdes ist und daher die schwerste Arbeit, nämlich das Vorschnellen des Körpers durch Strecken des Knies bewirkt, wobei ihm die anderen langen Kruppen- muskeln, von denen der M. semitendinosus an den proximalen (Knie-) Kopf des Unterschenkelbeines geht, getreulich helfen. Über die Funktion des Knies wurde auf S. 43/45 gesprochen. Hier ist nur zu betonen, daß der Oberschenkel auch je nach der Bewegungsart in seinen Muskeln verändert wird. Je mehr ein Pferd galoppiert oder renntrabt, desto mehr werden die langen Kruppenmuskeln beansprucht werden, desto länger müssen sie auch sein und daher auch Pemur und Tibia verhältnismäßig lang, denn der lange Muskel ist einer größeren Kontraktion fähig. Je mehr ein Tier im Schritt ohne kurzen Trab, Gränge der Hohen Schule usw. sich bewegt, ohne sich vom Boden emporzuschnellen, desto mehr kann es mit der Funktion der Grlutaeusmuskulatur und daher kurzer kräftiger Oberschenkelmuskulatur auskommen. Dies spielte sich dann in den uns beschäftigenden Miiskelformen des Schenkels ab, indem eine gespaltene Kruppe mit schweren Muskelwülsten des großen Oesäßmuskels (M. glutaeus medius) auf eine vermehrte Durchstreckung des Pfannengelenkes hin- deutet, wie dies bei schwerem Zuge nötig ist. Ein Galopp-Pferd wird diese Muskelwülste niemals aufweisen und wenn schon, so werden sie durch ständigen Galopp reduziert, wie ich bei einem nur galoppierten Pinzgauer konstatieren konnte. Schulpferde aber bekommen dennoch eine vorzügliche Rundung der Kruppe ohne eigentliche Wulstbildung. Je mehr ein Tier im Galopp geht, desto mehr werden sich die langen Kruppenmuskeln entwickeln und runden und um so mehr werden sie sich auch verlängern. Bei anderen Tieren ist das genau gleich und ich hatte Gelegenheit dies bei asiatischen und afrikanischen Reitochsen ebenfalls konstatieren zu können, wo sich infolge der raschen Bewegung die bei unseren Stallrindern ja fast typische, flache Schenkelbildung immer mehr pferdeartig rundete. Dies dürfte das gegenseitige Verhältnis der Gesäß- und Kruppenmuskulatur in der Bewegung des Pferdes etwas beleuchten. Was die Länge des Oberschenkels angeht, so ist zu bemerken, daß sich nach den früheren Kapiteln dieselbe nach der Art der Bewegung richtet. Betrachten wir sie nach den Gesichtspunkten des Verhältnisses zur Beinhebellänge, so haben zweibeinige Springer stets kürzeres Femur Der Oberschenkel. 377 als Unterschenkel, etwa nur 50 — 65 "/p des Unterschenkels oder nur 27 "/^ der gesamten Hebelbeinlänge. Vierbeinige Springer verlängern den Ober- schenkel, so daß er fast gleich lang wird, wie der Unterschenkelknochen, oder wenig kürzer (93 "/o)- Je mehr aber die vierbeinigen Springer die Hinterhand belasten, desto mehr entwickeln sich Verhältnisse, wie bei den Bipeden, weshalb z. B. Tiere, die wie GrirafFen infolge abnorm hoher Vorderglieder mehr die Hinterhand belasten, ein kurzes Femur aufweisen; ähnlich verhalten sich einige Bergtiere. Tiere mit vorwiegender Schritt- bewegung haben den längeren Oberschenkel. Bei den Pferden linden wir nun bei den G-alopp -Pferden im Mittel und auch allgemein fast immer ein langes Femur, gleich lang, etwas kürzer oder etwas länger als der Unterschenkel es ist. Bei Trabern hingegen wird der Oberschenkel ähnlich wie bei bipeden Eennern (Strauß) im Mittel ziemlich kürzer als der Unterschenkel ; aller- dings zeigt sich die Mittelwertskurve zweigipfelig, wenn wir sie graphisch darstellen, indem sich eine Variationsreihe bildet mit zwei Maxima der Ver- teilung, die natürlich in dem Mittelwerte nicht so zum Ausdruck gelangen. Die beiden Gipfel der Frequenzen deuten zwei Variationsmöglichkeiten an, die eine mit typischer Verkleinerung des Oberschenkels und Verlängerung des Unterschenkels, die andere mit Verkürzung der Tibia, so daß dieselbe dem Oberschenkel gleich lang erscheint. Diese beiden Variationsrichtungen sind klar schon in dem mechanischen Gesetze der Kniedynamik begründet, über das wir eine Gleichung aufstellten, aus der hervorgeht, daß die Bedingungen für die Kraftersparnis bei der Kniebewegung dann am günstigsten sind, wenn der Hebelarm der Kraft, also der Teil der Tibia vom Ansatzpunkte der Schenkelmuskeln an der Crista tibiae bis zum Sprunggelenke möglichst lang sei; diesem Gesichtspunkte entspricht die Anpassung der Traber mit langer Tibia und kurzem Oberschenkel. Umgekehrt hörten wir, daß die Bedingungen der Bewegung auch günstig seien, wenn der Hebelarm der Last, also die Tibia, möglichst kurz ist. Dies ist die andere Variationsform der Traber, die den zweiten Mittel- wertgipfel darstellt. Bei den auf kombinierte Galopp- und Trableistung gezogenen Halbblutpferden findet sich dann ein mittleres Verhältnis der Oberschenkellänge, bei dem aber doch die Tibia laut unserer Messungs- art im Körpermaße länger zu sein scheint. Die Schrittpferde haben ebenfalls ein relativ langes Femur, das sogar noch etwas länger ist als das der Halbblüter, und nach unserer Messungsart kürzer als die Tibia erscheint. Bei direkter Knochen- vergleichung hingegen scheint die Tibia ungefähr gleich lang wie der Femur, sogar öfters kürzer zu sein. Alle diese Knochenlängen werden durch die Kastration ebenfalls beeinflußt, aber die Oberschenkellänge weniger als die der Tibia. 378 I^iö Hinterextremitäten. Daß diese Längen durch Vererbung hei Tieren übertragen werden, wurde erwähnt ebenso auch, daß sie nun die Winkelstellung der Glieder bedingen. Richtung des Oberschenkels. Hierüber gibt die Tabelle S. 165 genaue Auskunft. Zusammenfassend erwähne ich, daß der spitzere Knie- winkel mehr Schnellkraft für die Hinterhand gibt, der stumpfe größere Lasten zu heben oder vorzuschieben vermag. Daher auch bei den Mittel- werten, die den ganzen Körper mit einem Beine vorschnellenden Renn- traber den spitzesten Winkel besitzen, dann die Galopper einen fast gleich spitzen, hierauf die dem kombinierten Gebrauche dienenden Halb- blüter und endlich die Schrittpferde mit dem steilsten Mittelwerte folgen. Die Richtung des Oberschenkels in dem Kniewinkel hängt nach unseren Untersuchungen ab von den Knochenlängen, und sie variiert daher ungemein, wie aus den großen Standardabweichungen hervorgeht. Sie läßt sich noch am ehesten in ihrem Winkel zur Beckenachse be- trachten und dann haben entsprechend Traber und Galopper den spitzeren Kniewinkel, den kleinsten die Schrittpferde und kombinierte Gebrauchs- pferde den stumpferen. Über die Formen der Schenkel dürfte am besten im Abschnitt Unter- schenkel gesprochen werden, doch ist hier, wie aus den Abbildungen S. 329/30 hervorgeht, darauf hinzuweisen, daß sowohl B ecken winkelung, wie Kniewinkelung für die Längen- und Formentfaltung der Schenkel- muskeln bedingend sind. 2. Das Knie (auch Hinterknie), (grasset, la grassella). Der Ort, wo das Knie liegt, ist äußerlich durch zwei rundliche Erhabenheiten von ungleicher Größe, die übereinander gelagert sind, ge- kennzeichnet. Die obere, voluminösere stammt von den Muskeln der Knie- scheibe, die andere ist die Kniescheibe selbst, darunter liegt eine Ein- senkung und dann folgt die Hautfalte, die die Knie- und Beinbewegung in der Haut ermöglicht und die wir Bauchhautfalte (pli du grasset, piegatura della grassella) nennen. 3. Der Unterschenkel (la jambe, gamba). Unterschenkel nennen wir die Region, die zwischen dem Knie und Sprunggelenk liegt. Der Unterschenkel ruht auf drei Knochen. Es ge- hört dazu auf der Kniegelenkrolle die Kniescheibe (patella), die die Kniegelenkfläche des Unterschenkels ergänzt und als Hauptknochen das Unterschenkelbein oder Schienbein (tibia), nach welchem auch der ganze Der Unterschenkel. 379 Unterschenkel statt mit dem riclitigen Namen „crus" als „tibia" bezeichnet wird, weil ihm das Schienbein die Länge und Form gibt. An der lateralen Seite der Tibia liegt dann in rudimentärem, ver- kümmertem Zustand das Wadenbein, die fibula, die uns nicht weiter mehr beschäftigen wird. An dem Schienbein inseriert sich nun noch einmal der stärkste Muskel des Pferdes, der M. biceps, der nicht nur im oberen Teile das Kniegelenk äußerlich umschließt, sondern auch in einer Sehne über den ganzen Knochen ausstrahlt bis zum Sprunggelenke. Der Bizeps entspringt am Kreuzbein über den Sitzbeinkopf hiuAveg laufend. Seiner und des Semimembranosus Arbeit ist es hauptsächlich zu verdanken, daß die Kruppe der Pferde abschüssig wird. Ferner setzt sich ans Schienbein der M. semitendinosus an, der in den ersten beiden Schwanzwirbeln entspringt, hinter dem Bizeps über das Sitzbein verläuft, sich hier mit einem Kopfe inseriert, dann medial dem Bizeps die ganze Unterschenkel-Innenfläche deckt, mit dem Bizeps sich an der Unterschenkelfaszie beteiligt und an die Fersensehne (Achilles- sehne, corde du garret, corda del garetto) direkt anschließt. Die Pferde- wade ist unsichtbar, weil die Achillessehne infolge der Erhöhung des Fersenhöckers scharf hervortritt. Die Tibia wird nun durch diesen mächtigen Muskelapparat beim Knieschluß gestreckt und zwar durch die Kruppenmuskeln und diese gleichen Muskeln müssen nach dem Abstoße des Beines vom Boden den Unterschenkel aufheben und damit eine völlige Kniebeugung aus- führen. Damit ist ihre Tätigkeit aber nicht begrenzt, denn sie sind auch Träger des Knies und des Sprunggelenkes im Stehen. Wenn wir aber noch an das früher Gesagte denken und festhalten, daß diese Muskeln die hauptsächlichsten Vor- und selbstverständlich auch Rückwärtsbeweger des Körpers sind und schließlich durch Umkehrung ihrer Zugrichtung und Feststellung der Beine auch den Körper aufzurichten und auf den Hinterbeinen stehend erhalten können, so müssen wir die vielseitige Tätigkeit dieser Muskelgruppe aufs höchste würdigen. Was nun die Länge des Unterschenkels im Vergleiche zum Oberschenkel angeht, so haben wir über die Mittelwerte nach den verschiedenen Gebrauchsarten gesprochen. Es dürfte aber hier noch vergleichend-anatomisch zu erwähnen sein, daß bei zweibeinigen Springern die Tibia immer länger wird als das Femur und bei vierbeinigen an- nähernd gleich lang, bei Schreittieren, wie Elefanten hingegen bedeutend kürzer. Hierüber herrschte unter den Autoren der Beurteilungslehre die Meinung vor, daß mit der Länge der Tibia die Schnelligkeit der Pferde wachse. So sagt schon Lee ocq, daß die lange Tibia für Rennpferde passe. 380 I'i^^ Hintcrcxtremitäten. die kurze für schweren Zug, und auch Born und Möller meinen, daß mit der Länge der Tihia die Schnelligkeit der Pferde wachse. Bouley und G ouhaux-Barrier finden, daß der Unterschenkel lang sein solle, am besten aber sei es, wenn Ober- und Untersehenkel beide lang seien. Nacli unseren Zahlen dürfte man wohl namentlich das letztere anerkennen, denn die Tibia ist bei reinen Galopp-Pferden nicht länger als der Ober- schenkel und es ist natürlich günstig, wenn beide in absoluten Maßen lang sind, desto mehr Muskelmassen haben eben daran Platz. Bei den übrigen Bewegungsarten verändert sich das Verhältnis der Femur- und Tibia-Hebelachsen nicht so sehr, einzig bei Trabern wird die Tibia recht lang auch im absoluten Maße. Und wenn durch Verkürzung des ganzen Beines bei Schrittpferden auch im absoluten Maße die Tibia abnimmt, so bleibt sie nach meinen Zahlen relativ doch fast gleich lang wie bei kombinierten Gebrauchspferden. Die Verkürzung und Vergrößerung des physiologischen Querschnittes der langen Kruppenmuskeln gestattet oder bedingt auch die Verkürzung der tragenden Knochenhebel. Es dürfte hier eher der Umdreherfortsatz des Oberschenkels infolge der mehr zur Geltung und Leistung kommenden Pfannenstreckermuskulatur verlängert werden. Breite resp. Höhe (seitlich betrachtet). Bei dem Unterschied ist die Breite ohne Zweifel sehr beachtenswert, indem sie einen Schluß auf die Stärke der ihn deckenden Muskulatur erlaubt und dann besagt ihre Breite auch die entsprechende Länge des Fersenbeines, das wegen seiner Hebelwirkung so lang als möglich sein sollte. Dabei ist aber immer darauf zu achten, daß keine falsche Stellung der Tibia vorhanden ist, sonst dürfte die Breite falsch beurteilt werden, denn eine schräger gegen die Horizontale stehende Tibia wird einem stärkeren Vorragen des Calcaneus rufen und einem scheinbar breiteren Sprunggelenke. Was nun die Formen der Schenkel, früher auch Hosen oder Keulen genannt, angeht, so wird je nach der äußeren Muskelbegrenzung und dem Herabreichen gegen das Sprunggelenk unterschieden zwischen folgen- den Arten: 1. Der „gutbehoste Schenkel" (fesse bien descendue). Dieser wurde von Graf (1846) als 0 c h s e n Schenkel bezeichnet, worunter der Autor ausdrücklich, die „zwar äußerlich weniger umfangreich, aber desto derber und markierter" erscheinende Muskelpartie versteht, wie sie besonders bei orientalischen und englischen Vollblütern und ihren Abkömmlingen vorhanden ist. Der untere Kand gehe hier mehr gerade in den Unter- schenkel über. Franz Müller (1916) gibt daher ganz fälschlich diesen Namen Das Sprunggelenk. 381 „schwachen, wenig markierten" Schenkeln, für die schon Höchste tt er (1821) den Namen Windhunds- oder Fuchs-Schenkel vorschlägt, obgleich dieser Autor mit der ihm eigenen Konfusion hier von Fuchs 1 e n d e , wie Froschlende spricht. Der tüchtige Clünther (1859) verlangt gleich den Engländern ein möglichst tiefes Hinab reichen der Hinterschenkel. Der Name Froschschenkel oder spanische Hose (fesse ronde ou coupee, coscie di rana), wurde der kurzen, wenig herahreichenden Schenkelmuskulatur verliehen, die sich durch einen besonders starken Querschnitt auszeichnete. Es ist nach den früheren Ausführungen klar, daß diese letztere Form eher bei einem schräge gestellten, abschüssigen Becken und relativ spitzem Knie vorkommen dürfte, Avährend die erstere dann eintritt, wenn durch horizontales Becken und gestrecktes Knie die Distanz vom Sprunggelenk zum Ischion eine möglichst große wird. Das Ischion wird auch bei den französischen Autoren hier als besonderer Punkt bezeichnet und „pointe de la fesse" genannt; die Schenkelfalte, oder der Punkt, wo die äußere Clrenzlinie der Schenkelmuskulatur in den tendo plantaris übergeht „pli de la fesse". 4. Das Sprunggelenk (jarret, garetto). Gar viele Autoren betrachten das Sprunggelenk noch als das wichtigste Gelenk der Pferde, aber mit Unrecht, denn das wichtigste ist ohne Zweifel das Knie, indem auch mit dem Knie allein ohne Sprunggelenk sich ein Tier noch fortbewegen kann. Doch ist dies ohne Zweifel alt eingewurzelt, da nach Josua(ll, 6; 11, 9, 2), Samuelis (8, 4) schon bei den alten Israeliten auf Gottes Befehl allen Pferden die Sprunggelenk- sehnen durchschnitten werden mußten, um sie zu lähmen und damit die Auswanderung der Israeliten aus Palästina zu verhindern. Es ist bekannt genug, daß David und Salomon diesen Befehl umgingen und Gestüte einrichteten. Es ist also nicht das Gelenk selber, sondern die zum Unterschenkel und Knie gehörenden Muskeln und Sehnen, die am Fersenbein ansetzen, welche diese Auffassung hervorgerufen haben. Das Sprunggelenk hat als Grundlage den Tarsus oder die Fußwurzel, der aus 7 Knochen besteht, in zwei Reihen übereinander. Die proximale Reihe enthält die wichtigsten Knochen, den talus (astragalus), Sprungbein und den Calcaneus, das Fersen- bein. Die anderen Knochen, die keilförmigen Beine I, II, III und das Würfelbein und das Kahnbein, liegen in der distalen Reihe darunter. Bedeutung für uns haben nur Sprungbein und Fersenbein. Der talus trägt die Gelenkrolle, in der die Tibia mit ihrem distalen Ende in tiefer Rinne gleitet. Lateral hat das Sprungbein eine Vertiefung, die Randgrube und medial das tuberculum. Das Fersenbein gehört eigentlich nicht zum Gelenke, sondern ist einfach der Krafthebel für die Fußstrecker. 382 Die Hinterextreniitäten. Das Sprungoelenk führt ebenfalls zwei ßeweguno^en aus, Biegung- und Streckung. Die Biegung überwiegt aber in den meisten Fällen. Es ist durch zwei reine Sehnenbänder (tendo plantaris) mit dem Knie derart verspannt, daß die Beugung und Streckung des Knies ohne weiteres diejenige des Sprunggelenkes zur Folge hat. Die Streckung verursacht der tendo plantaris, die Beugung der tendo femoro tarseus. Beide Sehnen sind so gelagert, dass sie fast einander parallel auf den entgegengesetzten Unterschenkelseiten vom Femur zum Sprunggelenk laufen. Der tendo plantaris gespannt trägt das Sprunggelenk und das Fesselgelenk. Er kann nicht ermüden, da er rein sehnig ist. Vom Sprunggelenk hat man nun seit altem die Breite und Dicke resp. Durchmesser gemessen und beurteilt, weil man eben hier die Wurzel der Bewegung fälschlich lokalisierte. Es gilt hier nur das, was wir von allen Gelenken wünschen können, daß ihre möglichste Breite und Dicke die Sehnenspannung erleichtern helfe. Bei der von der Seite her gemessenen Sprunggelenks breite wird nicht etwa das Gelenk allein beurteilt, sondern auch die Sehnen und die Wadenmuskulatur, die unter dem Tendo plantaris liegen (Fersen- sehnenstrang). Es wurde ferner schon früher betont, daß eine schräge Tibia oder eine unterständige, ja säbelbeinige Stellung der Hinterröhre die Breite dadurch fälschlich größer erscheinen läßt, daß der Fersenhöcker durch schrägere Stellung sich vom Dorsalrande des Sprunggelenkes entfernt. Was nun die Breite angeht, so gab schon Bourgelat an, daß als Mittelwert sie Ys ^^i' Kopflänge des betreffenden Tieres betragen solle. Nach meinen Zahlen ist sie jedoch bedeutend breiter. Wir können heute sagen, daß wir eine Sprunggelenksbreite als schmal erachten, wenn sie Ys oder 20 ^o der Kopflänge beträgt. Ich finde als Mittelwert aller Rassen und Geschlechter 25,5 7o <^6^ Kopflänge an dem Lippenrand ge- messen, oder 2(3,7 7o ^^^ Schädellänge am Gnathion genommen. Hengste pflegen die größere Sprunggelenksbreite zu haben ; als Stuten und Wallachen ich finde als guten Wert bei ihnen 28,1 7o ^^r Kopflänge oder 28,8 7o der Schädellänge. Die höchsten Zahlen wiesen die Araber und eng- lischen Vollblüter auf, auch bei den Schrittpferden waren trotz hoher absoluter Zahlen diese relativ geringer, wohl wegen des meist längeren Kopfes. In vortrefflicher Weise bestätigen diese Beobachtungen auch die von mir an dem korrigierten Materiale Mali ckes ausgeführten Längen- breiten-Indexberechnungen des Sprunggelenkes. Hier ergeben sich folgende Mittelzahlen für das Verhältnis der Breite zur Länge: Araber 101 7^ Englische Vollblüter ... 107 7,, Ungarn 102 7^ Russen 102 7^ Das Sprunggelenk. 383 Preußen 98 7^ Hannoveraner, Oldenburger . 105 7o Dänen 103 7^ Franzosen 10*1 7o Belgier Hl 7o Aus diesen Werten ergibt sich die Bestätigung, daß im Mittel das Sprunggelenk der Schrittpferderassen breiter im Verhältnis zu seiner Höhe ist als dasjenige der Schnellpferde mit Ausnahme der englischen Vollblüter. An besonderen Bezeichnungen werden am Sprunggelenke unter- schieden : 1. Das trockene Sprunggelenk (jarret sec, garetto asciutto), wenn es klar, d. h. unter feiner Haut gut durchfühlbar ist. 2. Das breite Sprunggelenk, (j. large, g. largo). 3. Das schmale Sprunggelenk (j. etroit, g. stretto), je nachdem wie es die vorher erwähnten Mittelwerte erreicht oder dahinter zurückbleibt. 4. Das kleine Sprunggelenk (j. grele, g. esile o piccolo), wenn es überhaupt in allen Dimensionen gering ist. 5. Das ausgeschnittene Sprunggelenk (j. etrangle, g. staccato wenn die dorsale Seite eine starke Ausbuchtung zeigt. 6. In dem Durchmesser (Dicke) von hinten betrachtet spricht man von flachem Sprunggelenk (j. plein ou gras, g. piatto o pleno), wenn die Knochenhöcker nicht genügend hervortreten und von 7. abgesetztem Sprunggelenke, wenn es auf der inneren (medialen) Seite stärker entwickelt, also vorspringender ist als an der lateralen und mit dem Schienbein einen kleinen Absatz bildet. Über die Winkelung des Sprunggelenkes habe ich schon früher gesprochen und verweise nur darauf, daß dieser Winkel von einer Menge von Zufälligkeiten abhängt, namentlich von der Größe des Haupt- gelenkes, des Knies, und normalerweise, weil die Hinterröhre senkrecht stehen sollte, dadurch direkt bestimmt sein müßte, doch variiert die Stellung der Tibia sowohl, wie die der Eöhre. Man nennt nun ein Sprunggelenk gewinkelt (j. coude, g. ad angolo), wenn die Tibia sehr schief rückwärts gestellt wird. Steht die Tibia steil, so spricht man von einem geraden oder steilen Sprunggelenk (j. droit, g. diritto). Steht die Röhre ihrerseits schief unter dem Rumpf, so bezeichnet man deren gewinkelte Stellung als S ä b e 1 b e i n i g k e i t (j. clos ou crochu, gambe a sciabola o störte), sofern man es bei geringeren Grraden nicht vorzieht nur die Bezeichnung u n t e r s t ä n d i g zu brauchen. Doch wird dies im Kapitel Stellungen ausdrücklich besprochen werden. l^^4 ''''■ Hiiiterextremitäten. 5. Die Hinterröhre (le canon posterieur, stinco posteriore). Die Hinterrölire des Pferdes hat als Grundlage den Metatarsus, der gewöhnlich länger als der Metacarpus oder die Vorderröhre ist und auch im allgemeinen schlanker, wie aus meinen früheren Knochenmessungen (1904, 1909) unzweifelhaft hervorgeht, doch ist der Durchmesser ge- wöhnlich etwas stärker als bei der Yorderröhre. Sowohl aus den Unter- suchungen von Nehring (1884) und Tscherski (1892), sowie auch aus denjenigen von Malicke (1910) läßt sich erkennen, daß der Meta- tarsus sich besser zur Ermittlung der Knochenstärke eines Pferdes eignet als der Metacarpus, sofern man das Längen- und Breitenmaß dieser Knochen vergleicht. Nach Korrektur und Umrechnung der Mali ckeschen Zahlen ergibt sich folgendes Bild von Mittelwerten des Längen-Breitenindex der Metatarsen bei verschiedenen Pferderassen am Kadaver und lebenden Pferde gemessen : Araber 14,9 Englisches Vollblut 15,7 Ungarn 16,0 Russen 14,9 Preußen 15,5 Oldenburger, Hannoveraner etc. . 17,6 Dänen 17,3 Belgier 19,4 Percherons 20,3 Es ergibt sich hieraus zahlengemäß, daß die Schrittpferde die relativ breiteren Hinterröhren haben als die Schnellpferde und die kombinierten Gebrauchspferde in der Mitte zwischen Vollblütern und Schrittpferden stehen. Die weiteren, die Hinterröhre betreffenden Feststellungen wurden schon auf den Seiten 45, 78, 79, 354 und werden noch in dem nach- folgenden Kapitel über Stellung gemacht werden. 6. Die Hinterköte (le boulet posterieur, nodello posteriore). Über die Beurteilung der Hinterköte gilt das gleiche wie für die Vorderköte. Sie soll also so breit und trocken wie möglich sein und keine Narben aufweisen, die auf „Streifen" hindeuten könnten. Der Winkel der Hinterköte pflegt durch die steilere Fessel etwas gestreckter zu sein als der der Vorderköte, doch hängt dies nicht allein von der Stellung der Glieder des Pferdes, sondern auch von dem Boden ab, auf dem das Tier lebt, resp. in der Jugend aufgezogen wurde. IV. Das Resultat der Formgestaltung in Bezug auf Stellung und Gang. Hörten wir früher, daß die Art der Bewegung sogar die Länge der Röhrenknochen der Glieder zu beeinflussen vermöge, so gilt dies um so mehr für die Wirkung auf die Stellung und den Gang. Typisch ist hiefür die Zehentorsion des Renntrabers, die in 95 *'/^, der von mir beobachteten Fälle zehenweit war, als Anpassung an das Vorschwingen der gleichseitigen Beine nebeneinander vorbei. Wie dies hier eintrifft, so wird es auch anderenorts sein müssen und es kann uns nicht Avundern, daß Schwyter ,(1906) in seinen sehr instruktiven Zu- sammenstellungen über Glieder- und Hufstellung bei Schnell- und Schritt- pferden zu 58 "/q zehenweiten Hinterfüßen, bei Schnell- (kombinierten Gebrauchspferden) und zu nur 39 "/o ^®i Schrittpferden gelangt, während ich selbst ganz übereinstimmend als Mittelwerte aller meiner Tabellen zu 54,2 7o ^^i Schnell- und 32,4 7o l^ei Schrittpferden komme. Ist nun hier die angelernte Bewegung des Trabes oder großen Schrittes maßgebend, so wird es auch die natürliche Anpassung an Boden- verhältnisse oder anormale Hufformen sein, die ebenfalls ein verändertes Auftreten und bei dessen Fortdauer eine allmähliche Veränderung von Gang und Stellung bedingen. Wie diese Faktoren einzuwirken vermögen, kann man sich bei sorgfältiger Beobachtung der Pferde beim Terrain- reiten klar machen, wenn man sieht, wie sie ohne Willen und Einwirkung des Reiters z. B. beim steilen Bergabgehen die Vorderbeine möglichst bodenweit stellen, um ja sicheren Stand vorne zu finden und der- gleichen mehr. Nun wirken hier wieder die angeborenen Knochenlängen und die aus allen Anpassungen resultierende Winkelung, sowie die Größe der auf den Rumpf aufgesetzten oder angehängten Last mit, um als Resultat die Stellung des betreffenden Tieres zu ergeben. Die Stellungen der Glieder sind nicht immer maßgebend für den Gang, was schon Günther richtig betont. Immerhin werden gerade die die Stellung bedingenden Faktoren der angeborenen Knochenlängen und Winkel auch die Bewegungsart und Bewegungsmöglichkeit bedingen, resp. beschränken, wie das z. B. von de Gaste (1903, pg. 181), an einigen sehr guten Beispielen: Kioto, Tempete, Ulysse bewiesen wird. Stellung der Glieder und Gang hängen also doch eng zusammen. Du erst, Die Beurteilung des Pferdes. 25 38(3 Das Resultat der Formgestaltung iu hezug auf Stellung und (Tang. Man versteht unter Stellungen der Glieder des Pferdes oder kurzweg Stellungen (aplombs, appiombi) die Richtung, die die Glied- maßen des Pferdes im ganzen, wie in ihren einzelnen Teilen einnehmen imd zwar verglichen mit einer Vertikalen. Mit Recht unterscheidet daher Le Hello (1898) allgemeine Stellungen und lokale, obwohl es nur genauestem Studium möglich ist, dieselben auseinander zu halten. Die Stellung der Glieder aber hängt ohne Zweifel zuerst ab vom Stand des Pf er des (la Station, stazione), bei dem wir den freien und ge- zwungenen Stand (statiim libre et st. forcee, st. libera e st. forzata) unter- scheiden. Der freie Stand ist die physiologische Ruhestellung des Pferdes, bei der meistens das Tier nur auf drei Beinen, den beiden Vorderbeinen und einem Hinterbeine steht, während eines der Hinterbeine in ab- wechselndem Turnus halbgebeugt auf die Zehenwand aufgestellt ist, damit sich das Glied ausruhe. Die Schwerlinien des Pferdes stellen dann ein Dreieck dar. Da diese Stellung durch den "Wechsel der Belastung auf den Hintergliedern nicht ermüdend wirkt, kann ein Pferd in der- selben sogar schlafen. Die Vorderglieder wechseln ihren Platz nicht, sondern werden bei Müdigkeit nur abwechselnd emporgehoben. Bei den erzwungenen oder künstlichen Stellungen des Pferdes stützen alle Glieder den Rumpf und die Schwerlinien bilden ein Rechteck. Dies kann größer oder kleiner sein, je nachdem Vorder- und Hinterglieder voneinander oder unter sich entfernt sind. Da aber meist die Vorderglieder weiter auseinanderstehen, so bildet sich ein Trapez, statt eines Rechteckes. Dies ist ohne Zweifel deshalb sehr vorteilhaft, weil an dem dem Schwer- punkt zunächst liegenden Körperende eine breitere Basis der Unterstützung gewonnen wird. Jede künstliche Stellung ermüdet und kann daher nicht auf die Dauer eingenommen werden. Die Autoren haben seit altem drei künstliche Stellungen unterschieden: a) Die versammelte Stellung (le rassembler, riunirsi). Bei dieser werden die Glieder möglichst nahe dem Schwerpunkt durch Unter- schieben der vorderen und auch der hinteren Gliedmaßen unter den Rumpf gestellt, um beim Anreiten rasch vorgeschleudert werden zu können. Die Unterstützungsfläche ist dann kleiner als die dem Format entsprechende. b) Die gestreckte Stellung (le camper, stendersi), wobei die Glieder möglichst weit A'om Schwerpunkte weggestreckt sein sollen und also die Vorderbeine vorständig, die Hinterbeine rückständig werden. Diese Stellung wird seit den ältesten Zeiten zum Vorführen der Pferde gerne gewählt und diesen angelernt, weil sie sich durch Strecken des Rückens besser präsentieren. Wird doch schon das Streitroß des Königs Assurbanpial von Assyrien um 640 v. Chr. in dieser Weise vorgeführt (Fig. 133). Das Resultat der Formgestaltung iu bezug auf Stellung und Gang. 387 mi»ä^ 388 l-^'is liesultat der Formgestaltung in bczug auf Stellung und Ciang. Eig^enwillig nimmt ein Pferd diese Stellnng aber nnr ein, wenn es Schmerzen in dem Zehenteile des Vorderhufes (liehe) oder im Trachten- teile des Hinterhnfes hat. c) Die n o r m a 1 e oder plazierte Stellung (le placer, piazzarsi). Bei dieser Stellung sollen die Beine möglichst vertikal den Rumpf unter- stützen. Dies ist daher der intermediäre Stand, bei dem wir die normale regelmäßige Gliederstellung (reguliere, regolare) studieren können. Es ist nun aber unrichtig, eine andere Gliederstellung, als wir sie hier antreffen, als eine fehlerhafte (defectueuse) zu bezeichnen, sondern nur als eine anormale oder unregelmäßige (irreguliere, irregolare). Die normalen Stellungen sind aber durchaus nicht so häufig, daß man etwa mit „normal oder regelmäßig" das gewöhnliche, in der Regel auftretende meinen dürfte. Nicolas (1911) fand bei 300 Militärpferden normal vorne und hinten normal nur vorne normal nur hinten 14 7o 27 7, 477,, Schwyter (1906) bei 200 Kavalleriepferden normal vorne normal hinten 36,5 7, 13 7o, bei 100 schweren Zug- (Schritt-)Pferden normal vorne normal hinten 14 7, 16 7,. Ich selbst fand bei rund 2000 Pferden aller Rassen und Gebrauchszwecke normal vorne und hinten normal nur vorne normal nur hinten 18,47, 21,6 7o 35,7 7,. Daraus dürfte hervorgehen, daß die anormalen, unregelmäßigen Stellungen die gewöhnlichen sind und ganz normal gestellte Pferde zu den Seltenheiten gehören. Was nennt man nun „normale" Stellungen? Als Hilfsmittel für die Stellungsermittlung habe ich meinem Hippogonioraeter (vgl. S. 107) ein kleines Senkblei beigegeben, obwohl Richard (1847) betont, daß selbst der Ungeübteste sich nie über Stellungen täusche. I. Die Stellungen der Vorderglieder. A. Von der Seite gesehen. Die Meinungen der Autoren über die zweckmäßigste Vertikale zur Kennzeichnung der seitlichen Ansicht der Gliederstellung sind leider seit altem sehr geteilte. Während Richard (1847) ausdrücklich die Konstruktion jeder Vertikale refüsiert, aber dann unlogisch fortfährt, beim Hinterbein müsse der Huf da stehen, wohin ein Lot Die Stellungen der Vorderglieder. 389 vom Trochanter aus gefällt, hinzeige, gibt Pi-o seh (1872) an, daß eine von der Gräten- beule des Schulterblattes zu Boden gefällte Senkrechte (Fig. 134 a) das Ellenbogengelenk schneide, der Achse des Vorarmes folge und das Fußgelenk teile. Da al)er die Stellung der Scapula wie erwähnt recht wechselt, so ist diese Vertikale durchaus nicht gut tixiert. A d a na (1902), M a r c h i (1902) u. a. sind der Meinung, daß eine vom Ellenbogen- gelenk ausgehende Vertikale Knie und Kote halbiere und etwas hinter den Trachten zu Boden komme. Cxoubaux und Barrier (1884) wollen sogar eine Horizontale vom Trochanter zur Scapula erstellen und den Punkt wählen, wo diese die Spina schneidet. Eine von Fig. 134. Stellungen der Vorderglieder von der Seite gesehen. Mit eingezeichneter Vertikaler von der GrUtenbeule der Scapula. diesem Punkte gefällte Vertikale soll dann das Armliein halbieren und in der Mitte des Hufes zu Boden fallen. Zahlreiche ältere und neuere Autoren verlegen den Ausgangspunkt der Verti- kalen auf den Drehpunkt der Scapula, wobei aber die einen derselben den Dreh- punkt in die Mitte, die anderen in das obere Drittel des Schulterblattes verlegen. Natürlich sind auch diese beiden Ausgangspunkte wegen der Variation der Schulter- stellung und Größe, sowie der Rumpfaufhäng-ung durchaus nicht stets gleichartig. Auch der von Goubaux vorgeschlagene Ausgangspunkt „Mitte de? Humerus" ist nicht genau, da die Humeruswinkelung dessen Längemittelpunkt etwas verschielit. Am besten scheint mir deshalb der von Z s c h o k k e (1881) vor- geschlagene laterale Bandhöcker des Radius, oder besser der Pmikt, den ich „Radiale" genannt habe (vgl. S. 110). Eine von hier gefällte Vertikale 3110 r)as Resultat der Koniigei^taltunjj: in l)e/.ug auf Stellung und Gang. soll Yorarm, Knie und Kote halbieren und hinter den Trachten zu Boden fallen. Nach dem Verhältnis des Vorderbeines zu dieser Linie können wir folgende unregelmäßige Stellungen unterscheiden. 1. Allgemein abnorme Stellungen: a) V 0 r n e u n t e r s t ä n d i g (sous hü du devant, sotto di se, riunito davanti), hiebei fällt die Senkrechte in den Huf oder vor denselben (Fig. 134 c). b) Vor ständig oder vorgestreckt (campe du devant, cavallo che scrive, stendersi davanti), hiebei fällt die Vertikale nicht mehr durch die Mitte der Kote, sondern weiter dahinter (Fig. 134 b). • 2. Teilweise oder lokal abnorme Stellungen. a) Bocksbeinig oder vor biegig (brassicourt ou arque du devant, arcato o ginocchio sporgente) nennt man ein Vorderbein, bei dem das Knie über die Vertikale bedeutend vorragt. Wie auf S. 355 erwähnt wurde, kann diese Stellung angeboren oder erworben sein und ist je nachdem verschieden zu bewerten. b) Eückbiegig oder einbiegig (genou creux, efFace, genou du mouton, g. di montone) nennen wir es dann, wenn das Knie hinter die Vertikale zu liegen kommt. c) Lang- und weichgefesselt (long et bas jointe, lungo giuntato) nennen wir die Stellung der Fesseln, wenn sie die Ursache sind, daß die Vertikale weit hinter den Trachten den Boden berührt, trotzdem sie die Kote halbiert. Früher wurde dies auch „kötenschüssig" genannt. In höheren Graden unter deutlichem Schließen des Kötenwinkels, und Abnehmen der Distanz der Kote vom Boden, spricht man von „Bären- tatzigkeit". d) Steilgefesselt (court et droit jointe, corto giuntato) wird der Zehenteil des Beines, wenn die Vertikale das Glied halbiert und dennoch fast in die Mitte des Hufes fällt. Es kann sich dies bis zum Über- köten oder sogar der pathologischen Form des Stelzfußes steigern. B. Von vorne gesehen. Bei der Betrachtung der Vorderbeine von vorne sind sämtliche Autoren darüber einig, daß eine Vertikale, die von der Mitte des Buggelenkes aus gefällt wird, das ganze freie Vorderbein, Vor- arm, Knie, Röhre, Kote, Fessel und Huf in zwei annähernd gleiche Hälften zerlegen soll, Voraussetzung ist natürlich, daß das Pferd auf einer absolut horizontalen Unterlage stehe (Fig. 135). Abweichungen von dieser Normal-Stellung sind ohne Zweifel sehr häufig, ja sogar überwiegend, was wohl im wesentlichen darauf zu- Die Stellungen der Vorderglieder. 391 rückziifüliren ist, daß die Distanz der Buggelenke je nach der Ent- wicklung des Thorax und der Muskulatur stark variiert. Um absolut normal zu stehen, müßten die Buggelenke stets etwa 20 — 22 cm aus- einander sein, weil man die Forderung gestellt hat, daß zwischen den beiden Vorderhufen ein Zwischenraum von einer Hufbreite sich vorfinden solle. Dann würden 10 — 11 cm auf die beiden inneren Hufhälften = eine Hufbreite von 11 cm im Mittel fallen und noch einmal 10 — 11 cm als Equidistanz. Nun habe ich aber bei meinen Bugmessungen (Humerale) als extremste Varianten 18 und 44 cm bei adulten Pferden festgestellt und dürfte es klar sein, daß im ersteren Falle die Stellung „bodeneng" würde, wenn die Glieder nicht nach unten divergieren und „bodenweit" werden. Im zweiten Falle aber unter allen umständen nur ein Konver- Fio-. 135. Fiff. 136. Fig. 137. Normale Stellung der Vorfler- beine von vorne gesehen. Bodenenge Stellung der Vorderbeine. Bodenweite Stellung der Vorderbeine. gieren der Beine übrig bliebe, also die bodenenge Stellung, wenn der betreiFende Hengst überhaupt noch etwas Schnelligkeit entfalten möchte. Man unterscheidet daher leicht zwischen folgenden allgemeinen Stellungen : a) B o d e n e n g e r Stellung, (serre du devant, stretto di plante, stretto davanti), bei der die Hufe ohne lokale Drehungen in den Gelenken nur durch Konvergenz des geraden Beines näher als der Abstand der Humeral- punkte beieinander stehen (Fig. 136). b) B o d e n w e i t e r Stellung (trop ouvert du devant, aperto di plante, troppo distante davanti), bei der die Hufe weiter auseinanderstehen als die Entfernung der Buggelenksmitten (Humerale) beträgt, ebenfalls ohne lokale Drehungen in den Gelenken (Fig. 137). Lokale Stellungsvarianten können nun so viele als Knochenhebel am freien Beinteil existieren. Wir unterscheiden: 392 Das Kesultat der Formgestaltung in bezug auf .Stellun;^- und (iang. a) Zunächst durch Bodeneng-e des Yorarmes bis zum Knie entsteht die Knie enge (genou de boeuf, ginocchio di bue), besser Vorderknieenge (Fig. 138). Da bei derselben dann die Röliren sich kreuzen würden, falls keine Abbiegung derselben erfolgen würde, so entsteht hiebei infolge der stärkeren Behistung der hiteralen Karpalgelenksknochen und anstoßenden Gelenk- flächen von Vorann und Röhre eine diesem Drucke entsprecliende Re- sorption von Knochensubstanz (Druckatrophien) und Absclirägamg der Gelenke, wodurch dann die ganze Hand des Pferdes, also vom Carpus abwärts je nachdem sich mehr oder weniger vertikal einstellen kann. Wenn aber die Knie zu nahe beieinander stehen, so würden die Hufe aneinander stoßen und deshalb findet dann meist eine erneute Korrektur Fiff. 138. Fiff. 139. Knieenge und Tanzmeisterstellung der Vorderbeine. Knieweite Stellung und Röhrenenge der Vorderbeine. der Stellung in der Kote durch Auswärtsdrehung der Fesselbeine in diesem Gelenke statt, was wir als z eben weite Stellung bezeichnen. b) Knie weite Stellung (genoux cambres, ginocchi arcati all infuori) [Fig. 139]. Dies ist das entsprechende der bodenweiten Stellung der Vor- arme bis zum Carpus. Hiebei wird dann die innere (mediale) Seite der Gelenksknochen überlastet und dadurch eine Resorption herbeigeführt, die den distalen Teil der Röhre mit Kote, Fessel und Huf mehr einwärts stellt. Diese Stellung ist aber selten vorkommend, weil meist die Bug- breite derart ist, daß eine Divergenz der Vorarme noch nicht nötig wird. Die weiteren lokalen Abnormitäten der Gliederstellungen können nun nur noch durch Drehungen der einzelnen Knochen, die ein Gelenk bilden, zustande kommen. Es kann außer der normalen Stellung (Fig. 140) naturgemäß nur eine Aus- oder Einwärtsdrehung erfolgen. Erfolgt eine Auswärtsdrehung der Röhre im Carpus, so nennen wir das Die Stellung- clor Vorderglieder. 393 c) Tanz meist er Stellung (cheval panard on membre panard, valg'us du canon, mancino, stinchi volti in fuori) [Fig. 138]. Früher hat man auch diese Variante mit der zehenweiten zusammengeworfen, obwohl eine jede genaue Untersuchung zeigt, daß sowohl im Karpalgelenk, wie im Kötengelenk eine Drehung der Gelenkskomponenten erfolgen kann. Fiff. 140. Fio-. 141. Normale Stellung' der Hufe und Fesseln. Die dureli ihre Mitten gelegte Zehenaehse verläuft senkrecht. Zehenweite Stellung- der Füße mit ilivers'ierender Zehenaehse. Die Tanzmeisterstellung wird bei einem zur Röhre normalstehenden Fessel und Huf sich in einer Stellung mit auswärts gerichteten Hufen äußern. d) E Öhren eng (cheval cagneux, varus du canon, cagnolo, stinchi volti all' indentro). Hierunter verstehen wir die Einwärtsdrehung des ganzen Handknochen des Pferdes vom Vorderknie an (Fig. 139). Die dorsale Fiff. 142. Zehenenge Stellung der Füße mit konvergierender Zehenachse. Röhrönfläche wird einwärts hiebei also medial gedreht. Die Folge ist ein sog. zehenenger Stand der Hufe. Femer kann nun die Torsion der Knochen- hebelarme im Kötengelenke in den Zehen, oder richtiger in den Fingern, erfolgen. Da unterscheiden wir e) Zehen weit (pied panard, piede mancino, piede volto in fuori), wenn die Fesseln mit dem Huf und seinen Komponenten auswärts ge- dreht sind (Fig. 141). f) Zeheneng (pied cagneux, piede cagnolo, piede volto all indentro), wenn Fesseln und Huf einwärts gedreht sind (Fig. 142). 394 l'as Resultat der Formfifestaltung in bczug auf Stellung und Ciang. Über die Verbreitung dieser einzelnen Stellun^sformen geben uns Sehwyter und Nicolas recht instruktive Übersicliten. Schwyter (190G) gibt als Frequenzen an: Rein Rein bodeneng bodenweit z Rein :eheneng ; Rein zehenweit Kavalleriepferde . 5 7o Schrittpferde . . 10 7, 2 7o i7o 47o 17 7o 7 7o 6 7o, unrein bodeneng, boden- eng und varus oder zeheneng Unrein bodenweit, boden- weit mit valgus oder zehenweit Knieeng mit valgus Knieeng mit varus Kavalleriepferde . 24"/(, Schrittpferde . . 47 7, 22 7o 2 7o 2 7o 0,5 7o 1 Vorderbeine normal zehenweit zeheneng Kavalleriepferde . Schrittpferde . . 39 7o 25,7 7, 51 7o 12 7o 34,2 7, 36 7o, Nicolas nach Zahlen, die entsprechend umgerechnet wurden; Zehenweit Zeheneng Tanzmeister Röhreneng beidseitig einseitig beidseitig einseitig beidseitig beidseitig 21,57, 19 7o 28,5' 19°/ 19 'L 16,57,. II. Die Stellung der Hinterglieder. A. Von der Seite gesehen (Profil). Auch hier werden zwei Vertikalen vorgeschlagen. Die alten Autoren empfehlen die vom Hüftgelenk resp. Trochanter medius aus gefällte Senkrechte, die möglichst weit hinter der Kniescheibe vor dem Sprung- gelenk verlaufen, das Fesselgelenk in seiner Mitte durchschneiden und hinter dem Ballen die Erde treffen solle. Einige modernere Autoren ver- langen etwas andere Stellung, nämlich Teilung des Hufes in zwei Teile, also Mitte des Hufes genau unter dem Hüftgelenk. Neuere Autoren haben jedoch diese Vertikale zugunsten derjenigen fallen lassen, die vom Sitzbeinhöcker (Ischion) gefällt wird und dann normalerweise das Sprunggelenk trifft und als Tangente an den plantaren (hinteren) Eand der Hinterröhre resp. des tendo plantaris verläuft, und die Kote berührt bevor sie den Boden trifft. Diese letztere Linie scheint mir insoweit berechtigter, weil unter allen Umständen der Sitzbeinhöcker der hinterste Knochenvorsprung des Beckens ist und über ihn die wichtigsten Kruppenmuskeln sich hinziehen, er in dieser Stellung und Funktion nie verändert werden kann, während die Lage des Hüftgelenkes, wie ich das früher ausführte, je nach Bewegungs- art variiert. Die Stellung der Hinterglieder. 395 Außer der so gekennzeichneten normalen Stelhmg (aplomb regulier, appiombe regolare) [Fig. 143 a] unterscheiden wir 1. Allgemein abnorme Stellungen: a) Unterständige (sous lui de derriere, riunito di dietro), wenn der ])lantare Rand der Hinterröhre vor dieser Vertikalen zurückbleibt und sie nirgends berührt, aber dennoch in seinem Verlaufe ziemlich parallel dazu bleibt (Fig. 143 b). b) Gestreckte (campe du derriere, stendersi di dietro), wenn die Fig. 143. Stellungen Jer Hinterbeine von der Seite gesehen. Vertikale durch das Sprunggelenk und die ganze Hinterröhre bis in den Huf oder gar vor denselben fällt (Fig. 143 c). 2. Teilweise oder lokal abnorme Stellungen. Zuerst können die Winkelungen des Sprunggelenkes variieren; daraus entsteht : a) Säbelbeinige Stellung (jarret coude, garetto ad angolo, gambe a sciabola), wenn nur der Fersenhöcker die Vertikale berührt, die Hinter- röhre aber durch weite Unterständigkeit des Hufes einen spitzen Winkel mit derselben bildet. Oft berührt auch das Fersenbein die Vertikale gar nicht, sondern das Bein ist zugleich unterständig. 3y() i)as Resultat ilor Formgestaltuni;' in hoziio- auf Stellunsr und Gaiiü'. b) Rückständige Stellung (jarret campe, garetto stendersi), wobei die Vertikale wohl genan auf den Hiuterrand des Fersenbeines fällt, aber .statt als Tangenten den Plantarrand der Eölire zu begleiten nun diese quer schneidet und im Hufe zu Boden fällt. Dabei geht meist ein rberküten oder Zelientreten des Hufes Hand in Hand. Solche Stellung pflegen daher nur Pferde freiwillig einzunehmen, die an der Huf sohle oder Trachten Schmerzen empfinden (Fig. 133). B. Von hinten gesehen. Hierl)ei ist die Übereinstimmung der Autoren bezüglich einer Vertikalen Aviedernm seit altem vollständig, wenn auch über den Aus- Fiff. 144. Fiff. 145. Normale Stellung der Hinterbeine von hinten ,2:esehen. Zu weite Stellung der Hinterbeine. gangspunkt eine kleine Meinungsverschiedenheit existiert. Die einen halten nämlich den Mittelpunkt der Hinterkniescheibe (Grraf) für den richtigen Ausgangspunkt der Vertikalen, die dann Sprunggelenk, Hinter- röhre, Kote, Fessel und Huf in zwei Hälften teile. Doch ist dies nicht ganz zutreffend, indem die Hinterknie, wie auch die Unterschenkel stets etwas auswärts gerichtet sind. Daher ist es besser, wie dies die meisten Autoren tun, als Ausgangs- punkt]der Vertikalen die Mitte des Sitzbeinhöckers, das Ischion zu wählen. Die Von hier gefällte Vertikale trifft auf das distale Ende der Tibia und teilt das [Sprunggelenk, die Hinterröhre, Kote, Fessel und den Huf in einigermaßen gleiche Teile. Da die Distanz der Ischionpunkte etwas kleiner ist als die der Humeralpunkte — ich finde bei meinem Zahlen- material Variationen von 16 cm bis 2S cm — so wird dann auch trotz der etwas geringeren Breite der Hinterhufe die normale Distanz nicht Die Stellung der Hinterglieder. 397 ganz eine Hnfbreite, sondern etwa 7 — 8 cm betragen dürfen, docli kommen normale Stellungen auch bis zu 14 cm Abstand der inneren Hufränder vor (Fig. 144). 1. Allgemein abnorme Stellungen. a) Die zu weite Stellung der Hinterbeine (trop (mvert du derriere,. troppo aperto di dietro) wäre dann die Stellung, bei der die Vertikale vom Ischion das Sprunggelenk, die Röhre, Kote und Huf nicht halbiert^ sondern median der Hälfte zu Boden fällt. Diese Stellung ist bei Schritt- pferden nicht sehr selten (Fig. 145). So gebe ich als typisches Beispiel die Beinstellnng eines hochprämierten Ardenner- hengstes (Cavour, Z.G. Burgdorf), bei dem es ganz und gar nicht auffällt, daß Fig. 146. Fig. 147. Fig. 148. Zu enge Stellung der Die kuhhessige Stellung Die faßbeinige Stellung Hinterbeine. der Hinterbeine. der Hinterbeine. die Distanz der Mitten der Sitzbeinhöcker 23 cm, die Distanz der Sprunggelenke im normalen Stand 32 cm und die Distanz der Kötenmitte 34 cm und mittleren Huf- mitten 48 cm ist, weil gleichzeitig zehenweite Torsion in der Kote vorhanden ist. b) Die zu enge Stellung der Hinterbeine (serre du derriere, stretto di dietro) kommt dadurch zustande, daß die Beine vom Knie aus bis zum Hufe konvergieren, wodurch dann die Vertikale lateral des ganzen Beines zu liegen kommt. Diese sehr nachteilige Stellung ist glücklicherweise seltener als die vorige, indem sie meistens durch das Entstehen der Kuhhessigkeit korrigiert wird (Fig. 146). 2. Lokal oder teilweise unregelmäßige Stellungen. a) Als wichtigste kommt hier die durch Torsion im Sprunggelenk unter gleichzeitigem Winkelschließen entstehende kuhhessige Stellung (jarrete, jarrets clos ou crochus, garetti chiusi) in Frage. Hier stehen die Sprunggelenke eng beieinander und die Hufe weit auseinander (Fig. 147). 31)8 I^^s Resultat der Formge.staltuiifi' in bezug auf Stelluiif;' und (lano-. h) Das Gegenteil wird durch die faßbeinigc Stellung gegeben, (membre cagneux, ganibc a botte) bei der die 8])runggelenke nicht nur normal erscheinen, sondern durch die Torsion im Grelenke das Fersenbein seitlich ausAvärts gerichtet wird und dadurch die Distanz der Beine an diesem Orte nocli größer erscheint. Die Torsion im Tarsalgelenk drelit aber die Hufe gegeneinander, weshalb dann unten eine zehenenge Stellung entsteht (Fig. 148). c) Erfolgt die Torsion bei normaler Beinstellung nur in den Koten, so können wir auch hinten wieder die zehenenge Stellung (pied cagneux, cagnolo, piede volte all' indentro) [Fig. 142] und d) die zehenweite Stellung (pied panard, mancino, piede volte in fuori) [Fig. 141] unterscheiden. Über das Vorkommen dieser Stellungen bei den Pferden dürften noch folgende Zusammenstellungen zu geben sein: Schwyter erwähnt in Prozenten des Vorkommens überhaupt Unrein U , . bodenenff (zeheneus- , -■ -. / i •. Rein Rein ..p ,-, . . - bodenweit (zeuenweit, , , , • j; oi • • sabelbemiff i 1 1, • \ kuhhessiar laDbeuiiff j £ a\\ ■ ■ \ kuhhessia:) ® '^ und laübbemig) ^^ Kavalleriepferde . 66 ""/^ 5,5% 6,5 7o 9% Schrittpferde . . 60 7^ 1 7o 47^ 19 7^, Nicolas auf Prozente des A^orkommens umgerechnet: Säbelbeinigkeit kuhhessig faßbeinig 48 7, 2,67, 20 7„, Zehenstellungen nach Schwyter normal zehenweit zeheneng Kavalleriepferde . . 407, 57,7 7, 2 7, Schrittpferde .... 60 7, 397, 1 7o' D e r Gf a n g. Die Art und Weise wie das Pferd die verschiedenen seiner Fort- bewegungsformen auszuführen vermag, nennen wir seinen Gang (allure, andatura). Dieser ist also sowohl Folge der Übung der Organe, der Nervenleitungen (Temperament) als auch in hohem Grade abhängig von den Knochenlängen und nicht zuletzt von der gegenseitigen Stellung und Winkelung der Gliederteile zueinander. Dieses Ganze ergibt den regelmäßigen normalen oder unregelmäßigen anormalen Gang. Kommen dann noch pathologische Faktoren, Lähmungen, Spat, Huf- fehler usw. hinzu, so entsteht „fehlerhafter Gang". Stellung und Gang hängen somit immer zusammen und daher ver- erben sich gewisse Eigentümlichkeiten des Ganges wie der Stellung so Die Stellung- der Hinterglieder. 399 auffallend, weil sie eben in bestimmten organischen Formen und Ge- staltungen begründet sind. Normaler Gang. Entsprechend der Stellung wäre als normaler Gang ebenfalls derjenige zu erklären, bei dem die Glieder möglichst parallel zur Sagittalebene des Körpers sich bewegen und diese Bewegung eine energische, freie und räumende ist. Unterarten des normalen Ganges sind die folgenden : 1. Der hohe Gang (allure haute, enlcA'ee ou relevee, andatura alta 0 elevata), wenn das Bein so hoch gehoben wird, daß die Zehenwand mindestens bis zur Mitte des Kötengelenkes des nebenstehenden Beines kommt. 2. Der niedere Gang (hasse, bassa) ist also das Gegenteil. Sie wird im extremsten Falle zu einem Fehler, dem schleichenden Schritt. 3. Das Steppen oder die hohe Aktion, Knieaktion (stepper and. trapuntata). Es ist dies die Bewegung der Glieder im Trabe, bei der Ellenbogengelenk und Yorknie stark gebeugt werden, aber dennoch eine gut räumende Fortbewegung erreicht wird. In der modernen Hackney- aktion hat diese Bewegung ihre höchsten Triumphe gefeiert. 4. Der stechende Gang (piquante, puntata), ebenfalls im Trabe beobachtet und von Graf seinerzeit als der „edelste Gang" beschrieben, wenn die Vorderbeine mit gestrecktem Yorderknie in einer Diagonalen gegen den Boden geschleudert würden und, während der Körper infolge des Impulses der Hinterhand durch die Luft fliege, der Huf noch einen Moment über der Erde vor dem Abschnellen schwebe. 5. Der kurze und gebundene Gang (courte, accorciata). 6. Der ausgiebige, räumende Gang (allonge, tride, allungata), als Gegensatz zum Yorigen. 7. Der harte Gang (dure, dura). 8. Der weiche Gang (douce, dolce) vom Standpunkt des Reiters aus beurteilt. 9. Der leichte (legere, leggiera) und der schwere Gang (pesante, pesante) nach dem verursachten Geräusche beim Abstellen der Hangbeine. 10. Der übereilte Gang (precipitee, precipitata), wenn die Zu- sammenarbeit zwischen Hinterhand und Yorhand zu wünschen übrig läßt und die Yorderbeine den Boden schon verlassen, bevor die mögliche Streckung der Hinterglieder ausgeführt ist. 10. Der regelmäßige Gang (reguliere, regolare), wenn im Gegen- satze gutes Zusammenarbeiten und regelmäßige Bewegungen vorhanden sind. An fehlerhaften Gangarten und an anormalen haben die Autoren im Laufe der Zeiten recht zahlreiche unterschieden, von denen ich hier die wichtigsten kurz nenne : 4ül) l'i's Kcs^iiltat (k'i- Kui-iiifffstaltunfr in liezug auf .Stellung und Gang. An den Vorderbeinen kommt vor: 1. Der haspelnde Gang (tronsser, trotter du genou, a. alzata) charakterisiert durch eine außergewöhnliche hohe Hebung und Biegung des Vorknies und der Röhre, ohne daß ein räumender Schritt wie bei der Hackneyaktion damit verbunden ist. 2. Der kreuzende Gang (se croiser, tricoter, incrociare) entsteht, wenn das Hangbein oszillierend vorbewegt und fast vor dem Stützbein niedergestellt wird. 3. Der schleichende Gang (raser le tapis, rädere il tappeto), bei dem der Huf ganz knapp über dem Boden dahingleitet und daher leicht anstößt und st(dpert. An den Hinterbeinen kommt vor: 4. Der drehende Schritt (jarrets vacillants, garetti vacillanti), wo beim Abstellen des Hangbeines der Fersenbeinhöcker lateralem Zuge folgt und dadurch beim abgestellten Hufe diesen eine nach innen drehende Bewegung ausfuhren läßt, bevor sich das Bein wieder hebt. 5. Der Hahnentritt (harfnen, harper, sollevare troppo la zampa di dietro, and. da gallo), meist auf pathologischer Grundlage stehend. Beim Heben eines Hinterbeines wird dieses mit einer ruckartigen Bewegung bis hoch zum Rumpf emporgehoben. An Vorder- und Hinterbeinen vorkommend: 6. Der fuchtelnde Gang (billarder, a. piattonata, ciambella), wenn die Hufe einen Bogen nach außen beschreiben, bei zehenengen Pferden und flachhuligen häufig. 7. Der mähende Gang (faucher, falciare), wenn die Hufe ganz niedrig über den Boden im Bogen vorgeführt werden, wird als diagnostisches Symptom von Krankheiten betrachtet, die die freie Biegung der Gelenke hindern, besonders der oberen. 8. Der wiegende Gang (bercer, dondolare) entsteht durch seitliche Verschiebungen der Körpermaße und findet sich daher hauptsächlich bei breiten Körpern und breiten Unterstützungssflächen. 9. Das Hinken, Lahmen, (boiter, zoppicare), meist eine Schmerz- äußerung in einem oder mehreren Gliedern und ist daher direkt pathologisch. Die Diagnostik ist nicht leicht, denn sie soll zuerst das oder die hinkenden Beine finden, und sodann den Ort des Schmerzes und dessen Ursache ergründen. Für die erstere Aufgabe pflegt die Überlegung zu helfen, daß das Körpergewicht des Pferdes gewöhnlich mehr auf das anderseitige gesunde Bein verlegt und daher der Kötenwinkel hier kleiner sein wird. Für den zweiten Fall ist an der vermehrten Wärme des erkrankten Ortes ein Hilfsmittel gegeben. 10. Das Streifen (se couper, se tailler, tagliare) entsteht dann, wenn ein Hangbein das nebenbefindliche Stützbein im Vorbeischwingen Die Stellung der Hinterglieder. 401 trifft. Die französischen Autoren unterscheiden verschiedene Stadien : friser, wenn nur die Haare aufgestellt werden ; toucher, wenn die Haut ohne Wunden gestreift wird ; se tailler, wenn eine Wunde eingeschnitten wird; s'entretailler, wenn beide Beine sich gegenseitig verwunden. 11. Das Greifen (s'attrapper, attaccare), wenn beim Streifen ver- schiedene Orte getroffen werden. Streifen, Einhauen und Greifen findet meist an der Kote und mehr hinten als vorne statt, die Ursachen sind in der unregelmäßigen Stellung, in zu breiten Hufen oder schlechten Beschlägen zu suchen. " Als Fehler im richtigen Zusammenarbeiten von Vor- und Nachhand kommt endlich in Betracht 12. Das Schmieden (forger, suona le nacchere o batterä le casta- gnette) ,das dann entsteht, wenn ein Hangbein das gleichseitige Stützbein mehr oder weniger stark triflPt, so daß die beiden Eisen in Berührung kommen. Meist ist es die Vorderwand des Hinterhufes, die mit ihrem Eisen das des Vorderhufes berührt. Du erst, Die Beurteilung des Pferdes. 26 Verzeichnis der zitierten und wichtigsten benutzten Literatur. Abderhalden, E. 1902. Höhenklima und Zu- sammensetzung des Blutes. Zeitschrift für Biologie. S. 443. Abd UUah Khan Behadoor Firüz .Tang. 1788. A Persian treatise on Farriery translated by Joseph Earles. Calcutta. Abel, 0. 1912. G-rundzüge der Paläobiologie der Wirbeltiere. Stuttgart. Abidin. 1918. Pferdezucht und Pferderassen im osmanischen Reiche. 42. Flugschrift der Deutschen Gesellschaft für Züchtungs- kunde. Hannover. Ablaire. 1899. Diagnostic ophtalmosco- pique dans la recherche des chevaux ombrayeux. Recueil de medecine veteri- naire 1899. T. VI, Nr. 9, 1.5. Mai, S. 273 ; 15. Juni, S. 340. Abou Bekr, Ibn Bedr. 1859. Le Naceri ou Traite complet d'hippologie et d'hippi- atrique arabes traduit de l'arabe par M. Perron. Paris. Adam, P. 1902. Die Lehre von der Be- urteilung des Pferdes in bezug auf Körper- bau und Leistung. 2. umgearb. Auflage. Stuttgart. Adler-Herzmark, J. 1913. Biochem. Zeit- schrift 49, S. 130. AlbertiMagui deAnimalibus librivigintisex novissime impressi. Ohne Datum. Albrecht, P. 1875. Beitrag zur Torsions- theorie des Humerus. Kiel. S. 61. d'Alton,E.und Kunz. 1827. Abbildungsämt- licher Pferderassen, gezeichnet von Rud. Kunz mit naturhistorischer Beschreibung von E. d' Alton. Ameghino, Fl. 1889. Contribuciön al' conoci- mento de los mamiferos fösiles de la Republica Argentina. Actas de la Aca- demia nacional de Ciencas, T. VI, S. 1027, m. Atlas, Tab. 98. Anleitung zur Kenntnis und rationellen Pflege des Pferdes. Vom Schweiz. Militär- departement genehmigt am 17. April 1913. Anthony, R. 1902. Adaption des muscles ä la compression. Comptes rendus des Seances de la Soc.de Biologie, 8.Mars 1902. Anthony, Raoul. 1903. III. Etudes experi- mentales sur la morphogenie des os. Modifications craniennes consecutives ä l'ablation d'un crotaphj^te chez le chien. Journal d. Physiologie et Pathologie, S. 245—258. Augsburger, Ernst. 1919. Blutbefunde beim Lungendampf des Pferdes. Inaug.-Diss. Bern. Sep., Schweiz. Archiv für Tierheil- kunde. Augustin, Erich. 1913. T^ber Korrelation zwischen Körperform und Milchleistung. Inaug.-Diss. phil. Fak. Bern. Auhagen, Hubert. 1907. Beiträge zur Kennt- nis der Landesuatur und der Landwirt- schaft Syriens. Berichte der D. L.-G., Stück 16. de Azara, Felix. 1838. Natural history of the Quadrupeds of Paraguay and the River La Plata. Bd. I. Edinburgh. Baelz, E. 1901. Über die Einwirkung der Sonnenstrahlen auf verschiedene Rassen und über Pigmentbildung. Verh'dlg. der Berliner Ges. für Anthropologie. S. 204. Ballaud, 1903. Journal officiel de Mada- gascar 23 an. Balzer, 1911. Studien über das dänische Rotvieh, sowie das Rotvieh überhaupt usw. Inaug.-Diss. Bern. Verzeichnis der zitierten und wichtigsten benutzten Literatur. 403 Baret, R., Sieur de Rouvray. 1645. Traicte des chevaulx desdie ä la Noblesse fran- ^oise; Traicte de la cognoissance des chevaulx. Paris. Baron, M. 1888. Methodes de reproduction en zootechnie. Paris. Baron, Raoul. 1877. La Dynamometrie biologiques. Archives veterinaires, A. II. S. 75G. Bauer, Julius 1917.. Die konstitutionelle Disposition zu innerenKrankheiten.Berlin. Baur. 188.5. Bemerkungen über das Becken der Vögel und Dinosaurier. Morpholog. Jahrbücher X, 1885, S. 613. Beddard, Frank. 1902. The „Chestnuts" of the horse. Nature, Vol. LXV, .S. 222. Behm, Heinrich. 1909. Untersuchungen über den Mechanismus der Hinter- und Vorder- extremität des Rindes in seiner Ver- schiedenheit bei Tieflands- und Höhen- schlägen. Inaug.-Diss. Bern 1909 (Hanno- ver 1911). Beneke, W. 1878. Die anatomischen Grund- lagen der Koustitutionsanomalien des Menschen. Marburg. Berdez und Dr. Xencki. 1886. Hippomelanin. Archiv f. exp. Pathologie und Therapie. Berges. 1900. Recherches ophtalmoscopi- ques. Recueil de medecine veterinaire. Paris 1900. S. 478. Berlin. 1887. Über ablenkenden Linsen- Astigmatismus und seinen Einfluß auf das Empfinden von Bewegungen. Zeit- schrift für vergl. Augenheilkunde, V. Bd., Heft 1, S. 1, AViesbaden. Bieler, Samuel. 1900. La fonctiou de genou dans le mecanisme du cheval de gros trait. Annales de medecine veterinaire 49, S. 233/239, Bruxelles. Bieler, S. 1900. Influence du Climat sur le developpemeut des races bovines du Valais. Globe XXXIX, 5. Serie, T. XL S. 3. Geneve. Bilek, Fr. 1914. Über den Einfluß des ara- bischen Blutes bei Kreuzungen mit be- sonderer Hinsicht auf das Lippizauer Pferd. Jahrbuch für wissenschaftl. und prakt. Tierzucht, 9. Jahrgang. Blaschko. 1912. Ein Xegeralbino. Berliner Klinische Wochenschrift. Bleuler, E. 1916. Lehrl)uch der Psychiatrie. Berlin. Bloch, B. 1917. Zur Pathogenese des Vitiligo. Archiv für Denn, und Syph., Bd. 124. Bloch, Bruno 1917. Das Problem der Pig- mentbildung in der Haut. Archiv für Derm. und Syph. Bd. 124. Bloch und Löfi'ler. 1917. LTntersuchungen über die Bronzefärbung der Haut bei der Addisonscheu Krankheit. Deutsches Archiv für Klinische Medizin, Bd. 121. Bloch und Ryhiner. 1917. Histochemische Studien in überlebendem Gewebe über fermentative Oxydation und Pigment- bildung. Zeitschrift für die ges. experi- mentelle Medizin, Bd. 5. Bojanus. 1823. Über die Maße des Pferde- körpers von Anonymus. Isis von Oken, 1823. Heft 1. Bonnard, Henri 1919. Le sang normal du cheval, sa densite et sa teneur en hemo- globine, mesuree avec l'hemometre Sahli. Zürich. Born und Möller. 1919. Handbuch der Pferdekunde. 7. Auflage, Berlin. Bosch, Eugen. 1920. Untersuchungen über die Ursache der Haarwirbelbildung bei den Haustieren mit besonderer Berück- sichtigung des Gesichtswirbels und dessen praktische Bedeutung für Beurteilung, Leistung und Zucht der Haustiere. Hannover. Bouley, 1845. De la conformation exterieure desAnimaux domestiques.Maison rustique du 19. siecle, S. 189-237. Bourgelat. 1753. Ecuyer du roi, Chef de son Academie etablie ä Lyon. Elemens d'Hippiatrique. Lyon. Bourgelat, C. 1797. Elemens de l'Art vete- rinaire. Traite de la conformation ex- terieure du Cheval, de sa beaute et de ses defaut.s usw. Paris. Borelli, J. A. 1685. De motu animalium. Brinkmann, August. 1920. Equidenstudien I— II, Bergens Museums-Aarbok 1919/20. Brugnone, Gioac. 1802. Ippometria. Torino. Bulle, Oskar und G. Rigutini. 1912. Neucg italienisch-deutsches und deutsch-italie- 404 Verzeichnis der zitierten und wichtigsten benutzten Literatur. nisches Wörterbuch. 5. Ausgabe. Leipzig und Mailand. Burmeister. Hermann, 1875/89. Die fossilen Pferde der Pampasformation, Buenos- Aires. Calvo, Fernando. 1602. Libro de Albeyteria en el qualse trata del Cavallo y Mulo, y .Tumento ; y de sus miembres y calidades y de todas etc. Alcala. Caracciolo, Pasqual. 1567/1625. La gloria del Cavallo, divisa in dieci libri etc. Vinegia. 969 S. Carlsson, Albertina. 1^04. Zoolog. Jahrbuch Anat. und Ontog, XX, S. 114. Chaillon, A. und L. Mac-Auliffe. 1912. Morphologie medicale. Etüde des quatres types humains. Paris. 0. Doin. Chenier. 1903. Revue generale de medecine veterinaire. Xr. 6. Christian!, H. 1909. Die Aetiologie der sporadischen und epidemischen Zere- brospinalmeningitis des Pferdes. Inaug.- Diss. Bern. Columbre, Agostino. Maniscalco de Sa. Se- vero. 1518/1547. I tre libri della natura de i cavalli et de Modo de medicar le loro infirmita. Vinega. Cope, E. D. 1868. On the Origin of Genera. Proc. Acad. Xat. (Okt. 1868) S. 242 et seq. Cope, E. D. 1887. The Perissodactyla. The American naturalist. T. XXI. Philadelphia S. 1005—1007 und 1060—1076. Corbichon, .Jean. 1488. Le proprietaire des choses. Lyon. Cornevin,Ch. 1885/86. Etüde surle squelette de quelques chevaux de course. Journal de medecine veterinaire et de zootechnie. S. 449—467. S. 1—25. Lyon. Cornevin und Lesbre. 1894. Traite de Tage des animaux domestiques. Paris. Corte, Claudio. 1873. D Cavalerizzo Nel quäle si tratta della natura de Cavalli etc. Lyone. Alessandro Marsily. 4". Dammann. 1892. Die Gesundheitspflege der landwirtschaftl. Haussäugetiere. Berlin. Paul Parey. 8 ". S. 694. Dammann, Otto. 1908.Vergleichende Unter- suchungen über den Bau und die funktio- nelle Anpassung der Sehnen. Inaug.-Diss. Bern. Leipzig 1908. Daudet. 1857. Methode d'equitation et de Dressage. Paris. Daudet. 1864. Traite de locomotion du cheval relatif ä l'equitation. Saumur. Daumas. 1858. Die Pferde der Sahara. Berlin. Dechambre. P. 1913. Traite de Zootechnie. T. 3. Les Bovins. Paris. Dechambre. P. 1921. Traite de Zootechnie. T. n. Les equides. Paris. Diffloth, 1908. Zootechnie. Tome 3. Races bovines. Paris. Disselhorst, R. 1906. Über die Bewertung der abschüssigen Kruppe für die Leistung. Deutsche landw. Tierzucht X. Jahrgang, Nr. 17, 27. April 1906, S. 193—194. Disselhorst. 1906. Zur Beurteilung der vor- deren Extremitäten des Pferdes. Deutsche landw. Tierzucht S. 349. Dietrich, Th. und J. König. 1891. Zusammen- setzung und Verdaulichkeit der Futter- mittel. 2. Auflage in 2 Bänden. Berlin. DoUo, Louis. 1905. Les allures des Iguano- dons d'apres les empreintes des pieds et de la queue. Bull. Scient. de la France et de la Belgique. XL. S. 1—12. DoUo, Louis. 1905. Les Dinosauriens adaptes ä la vie quadrupede secondaire. Bull. Soc. Beige Geol. Paleont. Hydrol. XIX. Bruxelles. S. 441. van Dorssen. 1903. Über die Genese der Melanome in der Haut bei Schimmel- pferden. Inaug. Bern 1903. Duerst, J. U. 1903. Les lois mecaniques dans le develojipement du cräne des Cavicomes. Com^ates Rendus de l'Academie des Sciences de Paris. Duerst, J. U. 1903. Experimentelle Studien über die Morphogenie des Schädels der Cavicornia. I. DieAVirkungder einseitigen Enthörnung auf die Ausbildung der Schädelcharaktere. Vierteljahresschrift der Naturf. Gesellschaft Zürich. Jahr- gang 48. Duerst, J.U. 1904. Die Tierwelt der Ansiede- lungen am Schloßberg zu Burg an der Spree. Archiv für Anthropologie N. F. Bd. IL S. 233—294. V^erzeiclinis der zitierten und wichtigsten benutzten Literatur. 405 Duerst, J. U. 1904. Die Rasse. Illustrierte landwirtschaftliche Zeitunuf. 24. Jahrgang, Nr. 56 und .57. 13. und 16. Juli, S. 641 bis 642 und S. 653—654. Duerst, J. U. 1906. "Weitere Notizen über die Scheu und Furchtsamkeit unserer Haushühner. Schweiz. Blätter für Ornitho- logie XXX. Jahrgang, Nr. 23. Duerst, J. U. 1909. Animal remains from the Excavations at Anau and the horse of Anau in its Relation to the races of domestic horses. Publication Nr. 73 Car- negie-Iust. of Washington. S. 339—442, und Tafeln 71—91. Duerst, J. U. 1909. Anatomisch-mechanische Untersuchungen über die Ursache der abschüssigen Kruppe bei Pferden. Han- nover. Duerst und Bachofeu. 1911. Mitteilungen der Gesellschaft Schweiz. Landwirte 1911. Nr. 6. Duerst, J.ü. 1920. Experiencessurl'heredite de monstruosites produites artificiellement chez des individus absolument sains. Actes Soc. helvetique des Sciences Natu- relles. Neuchätel. Duhousset, Emile. 1874. Le cheval, etudes sur les allures, l'exterieur et les pro- portions du cheval, analyse de tableaux representant des animaux. Paris. Chasles. 8«, 63 S. Duhousset, Emile. 1881. Le cheval, allures, exterieur, proportions. Paris V^eA.Morel. 8° S. 115. Duhousset, Emile. 1902. Le cheval dans la nature et dans Tart. Paris. 203 S. H. Laurens 4". Dünkelberg, Fr. W. 1901. Nordamerika- nische Pferde. Stuttgart. Ehrhardt. 1918. Der Krieg und die Landes- pferdezucht Oesterreich- Ungarns. D.- L.-Tierzucht. S. 18. Eichbaum, Fried. 1890. Beiträge zur Statik und Mechanik des Pferdeskeletts. Berlin 1890. Inaug-Diss. Eimer, Theodor Ci. H. 1888. Die Entstehung der Arten auf Grrund von Vererbens erworbener Eigenschaften nach den Ge- setzen organischen Wachsens. I.Teil. Jena. Ellenberger, W. und H. Baum. 1906. Hand- buch der vergleichenden Anatomie der Haustiere. 11. Aufl. Berlin. Endlich, R. 1895. Untersuchungen über physiologische Unterschiede edler und schwerer Pferde. Berlin. Engelhardt, Johann. 1803. Handbuch zur Kenntnis der Pferde. Leipzig. v.Erdelyi, M. 1831. Beiträgezur Beurteilung der äußeren Umrisse oder des sogenannten Exterieurs beim Pferde. Wien. Ewart, J. C. 1904. The multiple origin of horses and ponies. Transact. Highland. Soc. of Scotland. Ewart J. C. 1905. The Tarpan and its relationship with wild and domestic horses. Proceed. R. Soc. Edinburgh.Vol.XXXVI. Ewart, J. C. 1907/08. On skulls from the roman fort at Newstead near Melrose, with observations on the origin of the domestic horses. Transact. roy. Soc. Edin- burgh. Vol. 45. 1907/08. Ewart, J. C. 1909. The possible ancestors of the horses living under domestication. Science N. S. Vol.' XXX. Ewart, J. C. 1910. The restoration of an ancient british race of horses. Proceed. Royal Soc. of Edinburgh. Vol. XXX. Ewart, J. C. 1911. The animal remains at Newstead in „A roman frontier post and its people". Glasgow. Fearnley, William. 1879. Lessons in Horse- Yudging. London. Feron, John. 1803. Anew System of farriery, including a systematic arrangement of the external structure of the horse. London 4to- Fillis, .Tames. 1892. Principes de Dressage et d'Equitation. 3. edit. Paris. Fitzinger, L. J. 1858. Versuch über die Abstammung des zahmen Pferdes und seinerRassen. Sitzungsbericht derK. Aka- demie der Wissenschaften Wien. XXXI B. Nr. 19. Forer, Cunrat. 1563. Liberi de quadrupedis viviparis. Zürich. S. 132. Franic, Martin. 1919. Mechanische und anatomische Untersuchungen über die Bedeutung des Kötengelenkes bei der 406 Verzeichnis der zitierten und wichtigsten benutzten Literatur. Pfcrdobeurteihing unter besonderer He- rücksichtigung des Sehnenapparates. Inaug.-Diss. Bern. de Francini, Horace. 1607. Hip])iatrique. Paris. Frank, Benno. 1910. Versuche einer Schil- derung der "Winkelverhältnisse des Schä- dels, des Kopfes und der Kopfstellung der Haustiere und Vorschläge zu einer Horizontalen. Bad Kissingen. Frech. 1908. Neuere Literatur über geolo- gische Einflüsse auf Entwicklung usw. Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbio- logie. Heft 5 und 6, S. 612—620. Freytag. 1907. Lebensalter der Pferde. Zeit- schrift für Gestütskunde und Pferdezucht. Heft 9, 2. Jahrgang. Freund, W. A. und R. von den Velden. 1912. Anatomisch begründete Konsti- tutionsanomalien. Handbuch der inneren Medizin von L. Mohr und R. Stähelin. 4. 533. Fi-öhner. 1918. Kompendium der speziellen Pathologie und Therapie für Tierärzte. Stuttgart. Fugger, Marx. 1786. Von der Zucht der Kriegs- und Bürgerpferde. 4. Auflage, red. von AVolstein, Wien. Fuld, Ernst. 1901. Über Veränderungen der Hinterbeinknochen von Hunden in- folge Mangels der Vorderbeine. Archiv für Entwicklungsmechanik der Orga- nismen. XI. Bd., 1. Heft. 1901. deGarsault, Fr. A. 1745. Lenouveau parfait Marechal on connoissance generale et universelle du cheval. Paris. Garzoni, Marino. 1692. L'arte di ben conos- cere e distinguere le quahta de Cavalli etc. Venetia. de Gaste. 1903. Le Modele et les Allures. Paris. Lecaplain et Vidal. Gayot, Eugene. 1861. La connaissance generale du cheval. Paris. Firmin- Didot. Gebhardt. 1910. Die spezielle funktionelle Anpassung derRöhrenknochen-Diaphyse. Archiv für Entwicklungsmechanik. XXX. Festband für Prof. Roux. U. Teil, S. 516 bis 534. Giese, Clemens. 1908. Beiträge zur Archi- tektur der Knochensi)ongiüsa und zur Statik und Mechanik des Fessel- und Kronbeins bei der regelmäßigen, der bodenweiten und bodenengen Stellung des Pferdes. Inaug.-Diss. Bern. Gilbey, Walter Sir. 1900. Ponies past and present. London. Girai'd. 1824. Memoire sur les moyens de reconnaitre Tage du cheval (Elicologie) de7?A(/ifc,äge, et/lo;'oc,discours. Xouvelle Bibliotheque medicale. IL Serie, janvier 1824. Girard. 1834. Traite de Tage du cheval. Paris 1834. Gisler, U. 1906. Zeitschrift für Gestüts- kunde, S. 193-197. Goififon et Vincent. 1779. Memoire artifi- cielle des princii^es relatif ä la fidele representation des animaux tant en i^ein- ture qu'en sculpture. I. partie concernant le cheval. Alfort, fol. 25 cuivres. Goubaux, Armand et Gust. Barrier. 1884. De 1' Exterieur du cheval. Paris. Asselin et Cie. Graf, Leopold. 1846. Anleitung zur Kennt- nis des Pferdes nach seiner äußeren Körperform. Wien. Grawitz, Ernst. 1911. Klinische Pathologie des Blutes. 4. Auflage. Leipzig. Grips. 1909. Vergleichende Betrachtungen und anatomische, physiologische und pathologische Eigentümlichkeiten warm- und kaltblütiger Pferde. Inaug.-Diss. Dessau 1904. Grisone, Federico. 1552. Ordini di cavalcare et Modo di conoscere le Nature de Cavalli, emmendare i vitij loro etc. Vineza. Grison, Federic, Gentilhomme napolitain. 1579. L'ecvirie en laquelle est monstre l'ordre & l'art de choisir, dompter, piqüer, dresser & manier les cheuaux, tant pour 1' vsage de la guerre qu' autre commodite de l'homme. N'agnieres traduite d' Italien enFrauQois. Paris. ChezGuillaumeAuuray rue S. Jean de Beaunais. Grommelt. 1912. Beiträge zur Architektur der Kompakta und Spongiosa des Vorder- röhrbeines des Pferdes und zur Statik Verzeichnis der zitierten und wichtigsten benutzten Literatm-. 407 und Mechanik dieses Knochens mit Be- rücksichtigung der regehnäßigen und unregelmäßigen Grliedmaßenstehungen. Monatsheft prakt. Tierheilkunde. Bd. 23, S. 241—279, 4 Taf., 10 Fig. üroenewald. 1910. Trächtigkeitsdauer bei Stuten in Niederländisch-Indien. Veearts Blad. Nederl.-Indie, S. 361. Grünwald, Gustav. 1910. Das estnische Pferd. Inaug.-Diss. Bern. Günther, Friedrich und Karl. 1859. Die Beurteilungslehre des Pferdes. Han- nover. Gutenäcker-Moser, £. 1918. Die Lehre vom Hufbeschlag. 12. Auflage. Stutt- gart. Hagmann, C. 1908. Die Landsäugetiere der Lisel Mexiana. Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie. S. 1. Hardt, B. 1910. Untersuchungen über die chemische Zusammensetzung des Röhr- beines (Metacarpus) von Lauf- und Schrittpferden. Halle. Havemann, August, Conrad. 1809. An- leitung zur Beurteilung des äußeren Pferdes in Beziehung auf dessen Ge- sundheit undTüchtigkeit zuverschiedenen Diensten. 2. Auflage. Wien 1809. (I.Auf- lage 1792). Hayes, M. H. 1904. Points of Horse. Treatise on Conformation, Movements, Breeds, Evolution ofHorse. London, Hurst &B. 8". 764 S. du Hays, Charles. 1864. Les trotteurs, origines, Performances et produits des individualites. Bruxelles. 8to- Heinze. 1899. Die Beurteilung des Alters der Pferde nach den Schneidezähnen. Zeitschrift für Veterinärkunde. Henseler, Heinz. 1912. Untersuchungen über die Stammesgeschichte der Lauf- und Schrittpferde. Arbeiten der D. G. f. Z. Heft 14. Hannover. Herbin, L. 1879. Etudeshippiques. Paris. 4to- Hering, E. 1844. Das Pferd. Stuttgart. Hering, E. 1834. Vorlesungen für Pferde- liebhaber. Stuttgart. 40. S. 280. Hildebrand, Joh. 1909. Untersuchungen über Form und Stärke der Metakarpal- knochen der Pferde und Feststellung des Wertes der Röhrenumfangmessungen. Inaug.-Diss. Bern. Hilzheimer, Max. 1909. Neigen inselbewoh- nende Säugetiere zu einer Abnahme der Körpergröße? Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie. S. 305—321. Hintze, Robert. 1910. Die Bedeutung der sog. Kastanien an den Gliedmaßen der Einhufer. Zool. Anz. Bd. 35, S. 372 bis 380. Hochstetter, Conrad v. 1823. Theoretisch- praktisches Handbuch der Pferdekenntnis und Pferdewartung. Bern. 8^ 2 Bde. Hock, Franz. 1910. Die Kastanie der Equi- den. Inaug.-Diss. Bern. Hoffmann. 1901. Widerstandsfähigkeit der Knochen. Berliner tierärztliche Wochen- schrift Nr. 2. 1911. Hommel, Fritz. 1879. DieNamen der Säuge- tiere bei den südsemitischen Völkern Leipzig. Houel, Ephrem. 1864. Traite des courses au trot. Paris. S. 126. Janning, J. 1908. Die Knochenstärke der Pferde in ihrerBeziehung zur chemischen Zusammensetzung. Breslau. Jeanneret & Messerli. 1917. Heliotherapie et pigmentation. Revue medicale de la Suisse Romande Nr. 11. 37 eme annec. Jerina, France. 1920. Studien über die Haararmut und Haarlosigkeit bei Haus- tieren. Inaug.-Diss. Bern. Hannover. Junot. 1911. Essai d' Hippometrie ä pro- pos des experiences sur les chevaux d' attelage d'artillerie de taüle comprise entre 1 m 48 et 1 m 53 effectuees en 1910. Revue veterinaire militaire fasc. 31.Mars 1911. Paris. S. 74-91. Joly & Lavocat. 1 852. Etudes d'anatomie etc. Comptes rendus de l'Academie des Sciences. T. 35. Jourdin, J. 1647. La vraije cognoissance du Cheval, ses maladies et remedes, avec l'anatomie de Ruyni. Paris. Jousset, A. 1840. Traite de racclimatement et de l'acclimation. Paris. Julitz, Carl. 1909. Osteologie undMyologie der Extremitäten und des Wickel- 408 Verzeichnis der zitierten und wichtigsten benutzton Literatur. Schwanzes vom Wickelbären, Cercoleptes candivolvulus mit besonderer Berück- sichtigunj»' der Anpassuugserscheinungcn an das Baumleben. Archiv für Natur- geschichte. 78. Jahrgang. Berlin. Junot. 1911. Essai d' Hippometrie. Revue veterinaire militaire. Paris. Kidd, W. 1900. The significance of the hair slope in certain mamals. Proceedings of the Zoological Society of London. Vol. 3. S. 676—685. Kidd, W. 1902. Certain halnts of animals traced in the arrangement of their hair. Proc. Zool. Soc. Korreng, Gr. 1912. Die Granaschenweite des Rindes im Verhältnis zur Milchleistung und zum Grewicht von Herz und Lunge. Jahrbuch für wissenschaftl. und prakt. Tierzucht. Vn. Jahrgang. S. 132—142. Kowalewsky, W. 1872. Monographie der Gattung Anthracotherium Cuv. oder Versuch einer natürlichen Klassifikation der fossilen Huftiere. Petersburg. Kraemer, Adolf. 1894. Das schönste Rind. Berlin. Kraemer, H. 1904. Nochmals die Knochen- stärke der Pferde. Deutsche landw. Tierzucht. Vm. Jahrgang, Nr. 31, S.362. Kraemer, H. 1905/13. Die Knochenstärke der Pferde. Aus Biologie, Tierzucht und Rassengeschichte. 11. Bd., S. 208—259. Kraemer, H. 1907. Frühreife der Pferde in ihrer Beziehung zum Brustumfang und Gliederbau. Zeitschrift für Gestüts- kunde. Heft 2, 2. Jahrgang. Kroon, H. M. 1916. Die Lehre der Alters- bestimmung bei den Haustieren. Han- nover. Krynitz, W. 1911. Kritische Betrachtungen über denWert der Hippometrie bei der Be- urteilung der Leistungsfähigkeit der Ge- brauchspferde. Hannover. Arb. deutsch. Ges. Züchtungskunde. Heft 11, S. 208, 2. Fig. Külbs und F. N. Berberich. 1910. Neue Untersuchungen über den Einfluß der Bewegung auf die Entwicklung und Zusammensetzung der inneren Organe. 13.Flugschrift d. D.G.f.Z. Hannover 1910. Lafont-Pouloti, Esprit Paul de. 1787. Nouveau regime pour les Haras, ou Expose des moyens propres ä propager et ä ameliorer les races de Chevaux etc. Turin et Paris. Lafosse. 1772. Cours d'hippiatrique. Paris. Lawrence, John. 1829/1835. The horse in all its varieties and uses, his breeding, rea- ring, and management. London. Leboucq. 1875. Quelques considerations sur la reparation des fractures. Annales de la soc. de medecine de Gand. Lecoq, F. 1856. Traite de l'Exterieur du Cheval. 3. edit. Paris. Ledoyeu. 1851/52. Demonstration de la valeur des epis et des causes de cette valeur chez les herbivores. Memoires de la Societe veterinaire du Calvados et de la Manche. S. 193. Le Hello, P. 1898. Principales donnees qui servent de base ä la connaissance du Cheval. Paris. Le Hello, P. 1899. De l'action des organes locomoteurs agissant pour produire les mouvements des animaux. Journ. Anat. Physiol. Paris. T. 35, S. 607—617, 7. Fig. Lemoigne, A. 1877. Recherches sur la mecanique animale du cheval. Recueil de medecine veterinaire. S. 81 und 208. Lenoble du Teil, Jules. 1877. Locomotion quadrupede etudie sur le cheval. JH. Edit. Paris. Lerena. 1918. Albinismo i sordera. Revista de la sociedad de Medicina veterinaria Vol. in. Buenos-Aires. Lesbre, F. X. 1893. Etudes hippometriques. Societe d'Agriculture et des Sciences industrielles de Lyon. Lesbre, F. X. 1894. Etudes hipijometriques. Journal de medecine veterinaire et de zootechnie. S. 14, 75. Lesbre, F. X. 1906. Precis d'exterieur du Cheval et des principaux mammiferes domestiques. Paris. Lessei-, 1884. In Ziemssen, Handbuch der Hautkrankheiten. Bd. 14, 2. Leipzig. Lindner, H. 1919. Unsere Pferde im Kriege. D. Landw. Tierzucht. S. 136. Verzeichnis der zitierten und wichtiofsten benutzten Literatur. 409 Lious. 1904. Uu Cheval de 54 aus. Bulletin veterinaire XIV, S. 150. Löhneyß, G. E. 1588/1609. Della Ca- valleria. Grüudtlicher Bericht von allem was zu der Reuterei gehörig. Grüuingen und Rembliug. (Löhneysen ist der da- mals gebräuchliche Cienetiv von Löh- neyss. Vergl. auch Güntz, Handbuch der Landw. Literatur, S. 111. Leipzig 1897.) Lucae, Joh. Christ. Gustav. 1881. Zur Statik und Mechanik der Quadrupeden (Felis und Lemur). Frankfurt a. M. Lucae, Joh. Chr. G. 1883. Die Statik und Mechanik der Quadrupeden an dem Ske- lett und den Muskeln eines Leniurs und eines Choloepus. Frankfurt a. M. Lüder von Lützow, Kui-t. 1908. Verglei- chende anatomische und physiologische Untersuchungen bei Lauf- und Schritt- pferden. Landwirtsch. Jahrl). Bd. 37, S. 731-855, 4 Tafeln. Lüder von Lützow, Kurt. 1910. Über das Messen der inneren Brusthöhle von Pferden, und die richtige Deutung von Herzgewicht, Lungengewicht und Brust- volumen. Landwirtsch. Jahrb., Bd. 39. S. 429—436, 2. Fig. — Erwiderung auf vorstehende Arbeit von Max Müller. S. 437—438. Lydekker, R. 1903. The significance of the Oallosities on the Limbs of the Equidae. Proceedings General Meetings f or scienti- fic Business of the Zoological Society London. Vol. I. S. 199—203. Lydtin, A. 1903. Das Punktrichten von Rindern auf der Wanderaustellung Han- nover 1909. Berlin. Als Manuskript ge- druckt. Lydtin, A. 1904. Systeme des Punktier- richtens für Rinder. Arbeiten D. L. G. Heft 87. Berlin SW. 11. Maday, v. Stefan. 1912, Psychologie des Pferdes und der Dressur. Berlin. Parey. Maday, v. Stefan. 1914. Gibt es denkende Tiere? Leipzig und Berlin. Magerl, Heinrich. 1911. Beiträge zur Kennt- nis des Körperbaues beim Pferde auf Grund von Leistungsprüfungen unter besonderer Berücksichtigung der Glied- maßenwinkelung. Hannover. Major. J. C. Forsyth. 1880. Beiträge zur Geschichte der fossilen Pferde, insbe- sondere Italiens. Abhandlung Schweiz. Paläont. Ges. VI und VH. Malicke, 1910. Studien über Rassenmerk- male bei Pferden. Inaug.-Diss. Bern. Malkmus. 1918. Grundriß der klinischen Diagnostik der inneren Krankheiten der Haustiere. 7. Auflage. Leipzig. Malsburg, Karol von der. 1911. Die Zellen- größe als Form- und Leistungsfaktor der landwirtschaftlichen Xutztiere. Arbeit der D. G. f. Z., Heft 10. Hannover. Marchi, Ezio. 1907. Untersuchungen über die Entwicklung der Hörner bei den Cavicorniern. Jahrbuch für Wissenschaft], und prakt. Tierzucht. Marchi, E. 1910. Studi sulla Pastorizia della Colonia Eritrea. Firenze. Markham-Foubert. 1666. Le Nouveau et s^avant Mareschal dans le quel est traite de la Composition, de la Nature, des qualitez, perfections et defauts des Chevaux etc. Traduit du celebre Markham, gentilhomme anglois par le Sieur Foubert, Ecuyer du Roy etc. Paris. Martins. 1914. Konstitution und Vererbung in ihren Beziehungen zur Pathologie. Berlin. Maurer, F. 1917. Vorstudien zur Frage des Zusammenhanges von Konstitution und Zellengröße. Die Messung an Muskelfasern des Rindes. Inaug.-Diss. Bern. Mayhew, Edward. 1849/1865. The horse's mouth, showing the age by the teeth, containing a füll description of the periods when the teeth are cut. London. Messerer. 1881. Über Elastizität und Festig- keit der menschlichen Knochen. Stutt- gart. Meyer, Hans H. und R. Gottlieb. 1918. Die experimentelle Pharmakologie als Grundlage der Arzneibehandlung. Berlin. Meyer, Hermann. 1873. Die Statik und Mechanik des menschlichen Knochen- gerüstes. Leipzig. Meyranx. 1910. Revue veterinaire militaire. 410 V^erzeiclmis iler zitierten und wiehtiffsten benutzten Jjiteratur. Miekley. 1894. AVägungen und Messnnfjen von Füllen der Trakehner Fuchslierde in (Tuddire. Archiv für wissenschaftliche und praktische Tierlieiikunde. S. 326. V. Middendorf, A. 1855. Hii)pologische Bei- träge. Bulletin de la ('lasse Physio-Mathe- matique de l'Academie imperiale des Sciences de St. Petersbourg, Nr. 518, T. XIV, Nr. 6. Migotti, E. F. 1879. Die Mechanik und das Pferd. Studienfragmente über die Bewegung des Tierkörpers, mit Bezug auf die daraus resultierenden mechanisch begründeten Hilfen. Wien. 8". Minot, J. 1850. Appreciation des chevaux d'apres les caracteres du pouls et l'examen des formes exterieures. Paris. Modi, Jivanji Jamshedji. 1895. The Horse in Ancient Iran. Journal of the Anthro- pological Society of Bombay. Möller. 1909. Die Lage des Schulterblattes und ihr Einfluß auf Stellung und Be- wegung des Pferdes. Ein Beitrag zur Statik des Vorderschenkels. Landw. Jahrbücher Bd. 38, S. 697-713, 10 Fig. Molthoff. 1910. Untersuchungen an Pferden über das Verhältnis der Kopfhöhlen zur Lungenkapazität und Bemerkungen über die letztere im Verhältnis zum Brust- raume. Berlin. Inaug.-Diss. Bern. 1909. Montandon, L. 1907 (1909imprime). Recher- ches sur le volume total des erythrocythes et leucocytes dans le sang du cheval ä l'aide de l'hematocrite. These Berne. Morita, S. 1912. Über die Ursachen der Richtung und Clestalt der thorakalen Dornfortsätze der Säugetierwirbelsäule. Anatom. Anzeiger, 42. Bd., S. 1. Morris, M., CapitaineauSeChasseurs d'Afri- que 1835. Essai sur l'Exterieur du Cheval. Paris. Morris, General. 1860. Versuch über das Exterieur des Pferdes. Übersetzt von Hauptmann Graefe. Berlin. Moser, E. 1907. Über die Mechanik der Pf erdeextremität. Sitz.-Ber.Cies. Morphol. Physiol. Bd. 22, S. 79—81. München. Motloch. 1912. Wachstum des Pferdes. Zeitschrift für Gestütskunde. 7. Jahr- gang, Heft 6. Müller, Franz. 1916. Lehre vom Exterieur des Pferdes oder von der Beurteilung des Pferdes nach seiner äußeren Form. 8. Auflage. Wien und Leizig. Müller, Ludwig von. 1908. Beiträge zur Lehre vom Zahnalter des Pferdes. In- aug.-Diss. Leipzig. Müller, Max. 1908. Über Bestimmung der Schulterschräge beim Pferde. Landw. Jahrbücher, S. 873. Müller, Max. 1909. Über die Beziehungen zwischen den äußeren und inneren Brust- maßen und den im Brustraume einge- schlossenen Organen. Landw. Jahrbücher 1909, Heft ni/IV, S. 593. Müller, Max. 1909. Kritik über die Be- stimmung der Brusthöhlengröße und vergleichende Untersuchungen über die Lage des Brustbeines bei Lauf- und Schrittpf erden.Landw. Jahrbücher 38.Bd. S. 137 — 154. (Ergänzungsband). Müller, Max. 1910. Vererbung der Farben beim Pferde. Arbeiten der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde, Heft 5. Müller, Max. 1911. Studien über funktio- nelle Anpassung und über anatomische und jjhysiologische Unterschiede zwischen warm- und kaltblütigen Pferden. Berlin. Arbeiten der D. L. G., Heft 189. Musset, Rene. 1917. L'elevage du Cheval en France. Preface du Comte Henry de Robien, Paris. Naegeli, Otto. 1919. Blutkrankheiten und Blutdiagnostik. Lehrbuch der klinischen Hämatologie. Berlin-Leipzig. Nathusius, Hermann v. 1880. Kleine Schrif- ten und Fragmente über Viehzucht. „Kaltes und warmes Blut". Berlin. S. 341. Nathusius, Simon v. 1899. Die Hengste der kgl. preußischen Landgestüte. Arbeiten der D. L. G., Heft 43. Berlin 1899. Nathusius, Simon v. 1891. Unterschiede zwischen der morgen- und abend- ländischen Pferdegruppe am Skelett und am lebenden Pferd. Berlin. 1891. Nathusius, Simon v. 1905. Messungen an Hengsten , Stuten und Gebrauchs- V^erzeichnis der zitierten und wichtigsten benutzten Literatur. 411 pferden. Berlin. Arbeiten der D. L. Ct., Heft 112. Nathusius, Simon v. 1906. Was lernen wir aus den Pferdemessungen und Wägungen. Jahrbuch der D.L.G., Bd.21, S. 83—90. Nathusius, Simon v. 1911. Messungen an 1460 Zuchtpferden und 590 Soldaten- pferden. Berlin. Arbeiten der D. L. Ct., Heft 205. Naumann. 1800. Handbuch über die vor- züglichsten Teile der Pferdewissenschaft. Berlin. I. Teil. Nehl, F. 1914. Zeitschrift für klinische Medizin. 81, 182. Nehring, Alfred. 1884. Fossile Pferde aus deutschen Diluvialablagerungen und ihre Beziehungen zu den lebenden Pferden. Ein Beitrag zur Geschichte des Haus- pferdes. Landw. Jahrbücher. Bd. XIU. S. 149 et seg. Berlin. Neumann, Ct. 1887. Sur la direction de la C'roupe. Revue veterinaire. S. 521 — 528. Toulouse. Neumann, Cr. Des aplombs chez le cheval. Journal des veterinaires militaires A-VHI. S. 352. Prince Guillaume, marquis et comte de Newcastle. 1737. Methode et invention nouvelle de dresser les chevaux. II. edit. Londres. Nicolas, E. 1907. Dynamometrie caudale. Bullet, soc. centrale de med. veterinaires T. LXXXIV, S. 508. Nicolas, E. 1911. Notes d'hippometrie. — Inclinaison comparee de l'epaule chez des chevaux d'origines differentes. Rec. Med. veter. Paris T. 88, S. 591-593. Nicolas, E. et Descazeaux. 1911. Notes d'hippometrie. Rec. med. veter. Paris. T. 88, S. 180-183, 255—258. Noack, J. 1895. Über die Pulszahl der Pferde. Berichte über das Veterinär- wesen im Königreich Sachsen, 30. Jahr- gang. Noll, F. C. 1881. Kleine Tierformen auf den ozeanischen Inseln. Zool. Garten. XXn. 1881. S. 59. de la Noue, Pierre. 1620. La cavalerie fran^'oise et italienne etc. Lyon. V. Oettingen, Burchard. 1918. Die Pfei-de- zucht. Berlin. Parey 8». 491 Seiten. Ohm. 1908. Die Lehre vom Zahnalter. Zeitschrift für Veterinärkunde. Osborn, Henry Fairfield. 1900. The angu- lation of the limbs of Proboscidia, Dino- cerata and other quadrupeds in adaption to weight. The American Naturalist, Vol. XXXIV, Nr. 398. Boston. S.89— 94. Osborn, Henry Fairfield. 1905. Origin and History of the horse. Address before the New York Farmers, Metropolitan Club. Osborn, Henry Fairfield. 1907. Points of the skeleton of the Arab Horse. Bulletin of the American Museum of Natural History, Vol. XXIII, S. 259-263. Osborn, Henry Fairfield. 1918. Equidae of the Oligocene, Miocene and Plio- cene of North America. Memoirs of the American Museum of Natural Hi- story. Vol. II, Bd. I, S. 217, 54 Tafeln. Ostertag. 1912. Das Veterinärwesen und Fragen der Tierzucht in Deutsch-Süd- westafrika. Reisebericht. Veröfientl. Reichskolonialamtes. Jena. Overbosch, Härmen AVillem. 1912. Sta- tistische Studien über Rinderbeurteilung nach den Körpermaßen. Inaug.-Diss. Bern. 1911. Gouda. 1912. Pader. 1904. Observations ophtalmosco- piques en 1900. Recueil de memoires et observations sur l'hygiene et la mede- cine veterinaires militaires. Paris 3eme Serie, T. 5, S. 627. Palladius, Rutilius, Taurus, Aemilianus. 1774. De re rustica. In: Scriptores rei rusticae. Ausgabe : von Joh. Mathias Gesner. IL Auflage, IL Bd. Leipzig. 1774. Paz, van de. 1912. Aktuelle Evolutions- Erscheinungen bei dem südamerika- nischen Pferde. Inaug.-Diss. Bern. Pearson, Nettleship und Usher. 1911. A Monograph on Albinism in Man. Drapers Company Research Memoirs. Biometrie Series VI. Pessina, Ignaz von Czechygorod. 1811 und 1825. Über die Erkenntnis des Pferde- alters aus den Zähnen. Wien. 412 N'erzeiflinis der zitierteu und \vichti^f?sity 200 Weatborü Road Mortli Gralton« MA01fi38 ■■'.rf-<'-<-'\::'ti*l';:.-^"*ü ^^i^;l^^*i ■ wm'M ';■■; ' .■.■.■•••f''--v;''.''^ ':■■»;' ■•%