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Die dcutfcbe Literatur feit Goetbeö Code

und ihre Grundlagen

bargcltcllt Don

5BaI5emar Oe^Ihe

3Ilit 3n)ci Safeln

Äaüea. b, 6. * QKaj ^niemcoer * 1921

?T ^41

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S5ormovt

/Ärft ^eute !ann i^ einen bur^ bie Ungunft ber ^^H oeräögerten ergän5un0öbQnb ^2/ äu meiner von ber ernften ^ritif toie oon ben unbefangenen ßeferfreifen fo freunblic^ begrüßten „©efc^ic^te ber beutfc^en Siterotur" (3SeI[;agen unb ^lofing) oorlegen, obroo^I bie 3infänge beiber Sänbe ipeiter üU ein 3af)r5ef)nt juriidreid)en unb fogar älter finb alö bie ber 2effing - ^iogrQpI)ie (ß. ^. 58ecf). 2)er ^oxü^\]6)^cn j^orbe= rung „nonum prematur in annum" ^abi id) alfo mc\)x alö genügt. fc^eint ju: näd;ft einfad^er ju fein, ein fol^eö 3Berf uon ber älteften ^^it &i5 äur ©egeniüart fo einzuteilen, ha^ ber jroeite SSonb bem legten 3af)rl)unbert oorbe{)alten bliebe, ätber baö raurbe eine 58erfd)iebung ber gefc^id^tlii^en 2BaI)rI)eit bebeuten. ?lur für bie Stugen ber Sebenben Ijat ha^ neunjeJinte ^a^ri)unbert überragenbe 33ebeutung. 2)ie beiben Sänbe, bie ic^ gefrf)rieben ijahe, finb jraei oöUig felbftänbige Drganigmen, bie jraar einanoer gu ergangen berufen finb, aber buri^auä ein jeber für fic^ Iebenefäl)ig bleiben foüen. 3)arum f)abe lö) in bem üorliegenben $8ucE)e bie SBuräeln beö literarifrfien Gebens jurüdoerfülgt biö in i^re fernften ©runblagen, anbrerfeitä aber bie ©cgenroart befonberS fnapp be^anbelt. $Daä ®eröuf(^, mit bem bie ^iö)- tung t)on t)eute auftritt, täufd)t oft über i^re Sebeutungölofigfeit f)inroeg, unb burd) it)re au§füf)rlid)e 33erüdfid)tigung roürbe unmerfli(^ rciebcrum ber I)iftorifd)e ©efit^ts- punft Derfc^obcn, mürbe ein britter felbftänbiger 33anb notmenbig merben, wie er g. 33. in Stlbert Soergelö „$Di(^tung unb ©i^tcr ber 3cit" bereits oortiegt. 2llö ©anjeä ift baä le^te 3at)rt)unbert innerf)alb ber gefamten 2iteraturgef(^id^te einem Slft ju D€r= gleid)en, ber ftörtcr gu roerben bro^t als ber ©tamm. '^m erften SSac^ötum ^ahc id) it)n beifeite genommen unb in eine anbere @rbe gepflanjt.

SBoju biencn, tonnte nun ein gang moberner (Seift fragen, folc^e Siterotur; gefd)id)ten mit biograpf)ifd)em ©lieberungäprinjip, bie nid)t mit neuen unb unert)örten Offenbarungen t)crüortreten, unb bercn einziger Sdjmud bie Sdimudlofigteit ju fein fc^eint!

2Bir erleben t)eute einen mertmürbigen 9fiüdfd)lag gegen bie 3eit, ta bie Site; raturgefd)i(^te jur 2iteratengefd)ic^te rourbe. ^x\ mand)cr neueren ©arftcüung roerben bie '2)i^ter unb Center üon allem StoffIid)en „entlaftet", fie finb nur no^ ^öpfe, bie man oom Körper getrennt f)at. Sie ftel)en morgenö ni^t met)r auf unb get)en abenbä nid^t met)r fd)Iafcn. '^i)xe 91af)rung ift rein geiftig. ^I)r $Dafein ift ein 9J^t)tf)oö, it)re

IV iJonüort.

Arbeit ein - ismus, j^re Sßirtung eine £cgenbe. 3l\6)t me^r ber ©toff, nur noc^ ber ©eift unb oflcnfaUö feine Sluöbrudöform, ber 6til, i)at feine @efc^ic{)te. Meg übrige, tüä eigentlich Sebenbige, wirb erfe^t burd) einen ©ebanfenftric^ an)ifd)en ben beiben 2iQf)reöäQl)len ber ©eburt unb beö STobeä. Sei fortgefefetem 3lbftraftionäDerfaI)ren mu^ auc^ taä fünftlerifc^e ßrlebniö mei)r unb mel)r aur gormel njerben.

2)icfe 6-ntn)icIlung tö^t fic^ f)eute burcfjauö überfel)en unb cerfte^en, o^mboliä: muö unb ©fpreffioniörnuä treten alö 3e"9^" f^i^ f^^ ^^"- Vorüber aber bürfen wir, borf por Quem bie Säugenb nic^t oergeffen, bo^ Qucf) unfere ©ic^ter unb Genfer 3Jlen= l^en roaren füjufagen, bie fid^ vor ber Unnatur mond^eg I)eutigen Siteratentums ent= fefet Ratten. S)er @e^irngefcf)ic^te mu^ bie 3)^enfcf)I)eitägefc^icf)te, bem blutlofen (3c^ema= tiömuä bie ©rbgebunben^eit gegenübertreten, bamit bie {)iftorifrf)e ©orfteUung im ganjen i^x @Ieid)gen)ic^t roatiren fann.

3n biefem Suc^ jebenfaEä fud)e id) bem menfc§Ud)en ©injelbafeiu gu feinem Sebenärec^t ju uer^elfen, il^m orbne ic^ nac^ 2Jtöglid^feit oUeä anbere unter. 5Daburc^ werben gäben jerriffen, bie f)ier mit genialer Sei^tigfeit, bort mit gefd^äftlic^ bere(^= nenber Stbfic^t gmifd^en unferen 5^Iaffi!ern unb neueren 5Did)tern, einem Sierbaum ober ^artlcben, f)in unb ^er gebogen roorben finb. 2lber €ä lag ja auc^ nid^t in meinem ^lan, gemaltfam fonftruierte 3"ionimenf)änge aufredet gu erl)alten. 2Ber an fte gloubt, mu^ fie an anberen ©teilen fuc^en. SSon bem ©rbgeift eines ©oetl^e finbe ic^ ben Sßeg nic^t ju bem eineg SBebefinb.

©eroi^ lefe id^ roie mand^er anbere mit SSergnügen geiftreic^e 5ßerfu(^e, bie lite^ rarif^en 33emegungen unb einzelne ^erfönlic^feiten neu ju beuten. 3Bag aber foüen bie literarifc^ Unfunbigen unb cor allem bie ^i^genb mit il^nen anfangen? ©ic t)er= ftef)en fie einfach nid^t roie oft l)aben fie mir baö geflagt! unb üerlieren mol)l aud^ ni^t aHjUDiel babei, benn baä Seben fagt il)nen jeben ^ag, ta^ mel)r ift alä abge= jogene ^unft unb reine 5ßernunft, in gormein gejroängt, unb alle foldlie Deutungen finb ja to6) nur aus ber ^Qit für bie 3^it gefd^rieben. 33ei flaren biograp^ifc^en Über= f^riften mei^ ber junge i?opf, ba'^ fid) nirfit nur um Sluffaffungen, ©trömungen, Sucher, ba| \i6) oor allem um 9J^enfd^en l^anbelt. ®ie Übermittlung rairflid^er %aU fachen fe^t il)n inftanb, fic^ felbft ein Urteil gu bilben, ol)ne Folgerungen anberer über: nel)men gu muffen. 2)arum beüorjuge id) bas mörtlidie ^itat unb bie ^ejtprobe, ftetä babei meinen anbern Sanb, bie ®efd^id)te ber gefamten beutfd)en Siteratur, im 2luge beljaltenb, um nic^t ju mieberl)oten, oi€lmel)r ju ergangen, ^m ©runbe ift ja boc| auc^ bog unfdieinbare 2öort eineä S)id)ter§ üiel n)idE)tiger alö bie l)errlid^ften 9iebenöarten, bie umfc^reiben rcoHen.

©ö ift betrübenb, mie roenig bie meiften ber fogenannten ©ebilbeten unb jumol bie älteren ©c^üler oon ber Literatur befonberö gmifc^en 1840 unb 1870 miffen. grei- ligrat§ fc^roebt il)nen oft nur als ®id)ter be§ „Söraenrittg'', ^offmann t)on gotterä= leben alö SSerfaffer be§ ^eutfc^lanbliebeö t)or. 5Rid)t alle a{)nen, ba| biefe 3nänner überhaupt noc^ eine anbere 93ebeutung für bie ©ntraidlung be§ gciftigen unb politifc^cn £ebeng l)atten. 5)0 mag man fid) üorfteHen, mie ciele ©ic^ter il)nen ooEfommen un= bcfannt bleiben!

Soriuott. V

„2^ fann ben fc^roeren ©ebanfen nic^t ertragen", fagt ^ean ^aul, „ta^ irgenb: ein SJienfd) unb 3Jiitbruber unb luär' er nod^ fo luenig, ]o ganj cergcffen fein joU burcl; \o Diele 3Q§rI)unberte ijinburrf), ba^ bie §eere ber ^a^xe unb ^Dienfrfien fo unürfitfam über feinen unbebedten anonymen Staub roegfc^reiten." SBie aber tft ha^ SSergeffen^ werben TOenigftenä ber bebeutenbften (Seifter ju Derl)üten? „Sßaä man nid^t o^ne raeis tereö beljält", meint ^einric^ Scibel, „ift in ber 3ficgel roert, roieber uergeffen ju mer= ben." 2)em ^arfteUer jeborf) ermacEifen ba fef)r ernfte ^flic^tcn. einer Literatur: gefdjic^te mn| er bafür forgen, ba^ fie nid)t nur jum ©tubium unb jum 9larf)fc^Iagen, fonbern and) ju 5ufammenl;ängenber Seftüre beftimmt ift. ®aö fc^cint mir nur fo mögli^ ju fein, ba^ man auf bie fritifc^ gleirfimä^ige 33cf)anblung ber einjelnen ®id)ter unb iljxcx Sßerte rerjic^tet unb, anftatt laufenb ju rejenfieren unb ju analrifieren, mit DoUfommener grei^eit "öa^ ^ppifd^e ^erauägreift. ©ine folc^e lesbare 2iteraturgcfrf)i^te beanfptuc^t fein 3ftid)teramt, baö ja bod) nur ein turjeö Seben i)at unb auf fpätcre @e= f(^lerf)ter nur Iärf)erli(j^ rüirfen fann. 3i)r fommt auf baö ©efamtbilb an. Sie roitt nic^t frembe Urteile beftätigen ober angreifen, fonbern felbftänbig bie mirflic^e ^lenntnig förbern, unb menn i^r an 3ftaum fef)It, boc^ baju I)infüf)ren. Sie Ief;nt jebe peban: tifd^ regelmäßige ^eri^terftattung ah unb beugt \\<i) nicE)t im minbcften ben ©efe^en, nat^ bcnen nnbere £iteraturgefc^icf)ten il^rc Siaum^öfonomie einriditcn. SSielfad) be: fd^ränft fic firf) auf fur3e ®aten, fo aEein mirb bie Seöbarfeit ber anberen Xeile er= mögli(i)t. ^ebod) aud^ in größter ^ürje möchte fie nod^ orientieren. SoEte mir bei= fpielörocife nur ein einziger Bal^ über Slnjengruberö „^reujlfdireiber" möglid^ fein, fo würbe i(f) luenigftenö bem Sefer oerraten, warum baä Stücf fo unb nic^t anberö I;cißt, unb meiere ^bec fic^ bamit oerbinbet, anftatt oI;ne fotcEie Srflärung mit einer etwa ebenfo gciftrcic^en wie für ben Un!unbigen unüerftänbtic^en SSenbung in einen großen 3ufammenf)ang oon ^beenbemegungen ^incinjufteEen, bie ja bod) bei ber 33cfprc(^ung ber bic^terifd)en ^crfönlid)fcit unb it;rer Qe\t im gangen bet)anbe(t werben muffen. So cerlangt ber gefunbe 9Jienf(f)enüerftanb.

SUemanb tann aEe 33üd)er lefcn, bie gefcfirieben unb gebrudt werben. 2Ranc^en 3tuff(^Iuß über baö perfonlic^e Stubium fönnen bie Stnmerfungcn bringen, bie fieute cbenfaEä oielfai^ oI§ unmobern, alä ftofflid^er 53aEaft gelten. 3Iuf fie ju oergid^ten, ift bequem, wirb boc^ baburd) bie wiffenfc^aftlidie 3^ad)prüfung erfcEiwert, wenn nii^t uns möglich gemad)t. Sie fönnen ja aud; wirfUc^ bibIiograpf)ifd^e Hilfsmittel 5. S. bie ^anbbü^pr (Soebefcö, Slrnoibs, 5^. 3Jt. 3Jiegerö unb ^rügcrä fowie bie 3^^*- f^riften nic^t erfefecn. '^Iber fie bilben ein 33inbeglieb jwifdien bem Sefer unb bem $ßerfaffer, ber bie ^d^^^orm ftreng auö bem i)orI)ergc^enben ^eyt uerbannt ^at. Sie beuten l)ier unb ba bei weitem nid)t immer ben SBcg an, ben ber 2tutor gegangen ift, erinnern an .^alboergeffeneö, betonen ^erüorragenbeö, Idolen nad), wa^ ben ©ang ber 3)arfteEung geftört l)ätte, geben bem i^ortfd)reitenben leife SBinfe unb weifen auf neue Srf^einungen ber legten ^al^re l)in. Sie finb fo gel)alten, baß fie aiiä) of)ne Den Dorangc^enben ^Teyt oerftönblic^, leöbar unb nicf)t wertlos finb. 3)ie ®rfal)rung lcl)rt, tü^ gerabe folc^e 3lnmerfungen Samcnförner ftreuen, bie j^rü^te geben, wä^renb bie großen literarif^en Hilfsmittel burc^ il)re relatioe SSoEftänbigtcit unb unperfönlit^e

VI 5?onBort.

Cbjcttiintät bcn Unbefangenen junäc^ft abfrf)rccfen. ^k SSerbinbung äroifc^en ^ejt unb mnnici-fnng, 5U)ifc^en a>ci-fQ[fer unb Sefer ift ebenforoenig burc^ Seyüa unb ©runb-- riffe 3u er)e^en, luic ein münblid)ev SSortrag burd) eine gebrucfte Statiftif ober ein Crganiömnö burc^ einen 5D}ec^aniömug.

SSenn ic^ in bcn Slnmerfungen im befonberen noc^ ber franaöfif^en Siteraturs gc)d)ic^te nac^gefje, )o ift t)a^^ nict)t burd^ eine persönliche Steigung gum ©eifteöleben nnfcrer uie|tlid;en 9iac^barn ic^ jiefje bie englifc^e £iteratur bei raeitem oor ober burd; internationale ^Icnbenjcn, fonbern burc^ bie enge 33eäiet)ung begrünbet, in bie im ncunäct)nteu ^a[;rl)unbert bie franjöfifctie jur beutfc^en ©eifteägefc^ic^te getreten ift. ß-ö ift auffaUcnb, loie fet)r fid; namentlid) g^ranfreid^ in ben legten ^a^x^t^nUn mit ben beutfc^eu Xic^tern bef^öftigt unb lüie loenig man bag in $5)eutfc^Ianb feftgefteUt i}at Über mct)r alö einen beutfd)en ©^riftfteUer gibt umfangrei(^ere frangöfifdEie aU i)cut)d)e Öiograpijicn. 1)aö SSerftäubnig l)ai freilief) bamit nii^t immer Schritt getialten. 3)qö entbinbet aber nid^t uon ber 3'iotn)enbigfeit, foldien ©puren gu folgen.

^c^ l^abe nun rool^I auöfül)rlic^ genng über bie 2tbfi(^ten meineö Sud)eö ge^ fproc^en unb über feinen ©fiarafter feinen ^n'eifel gelaffen. 2Ber ben oom 6toff ent; bunbenen ©eift fuc^t, tut gut, es gar nic^t auf^ufctilagen. 3^inbet im übrigen bie 2(ufna()me wie ber anbere Sonb, fo mei^ ic^, ba^ eg einem Scbürfnis cntgegenfam unb meine 3frbeit nic^t oergeblidE) mar.

g^räulein Dr. 3 1 f e £ ö t) I e r in ^aUe t)at ju meiner ?^reube burd) ^Beigabe ber beiben 3cittafeln ben SBert beö Sud)e5 namentlicE) für bie ftübierenbe ^ugenb au^er= orbentlic^ er^ö^t. Serartigeö gab biöl)er noc^ gar nic^t, unb ic^ E)alte biefe S^afetn für fet)r gebiegen unb auffcE)tu^rei(^.

®aö S^egifter cerbanfe icE) meiner lieben 3^rau.

^erälic^cn ^anf für freunblic^en Seiftanb bei ber Seftüre ber gefamten ^or^ reftur unb für äal)lreicf)e roertooUe 3tnregungen fage ic^ roieberum ben Ferren Dr. 2( I b e r t S e i ^ m a n n , ao. ^rofeffor an ber Unioerfität ^jena, unb Dr. ^ a u I © e r e f e , Stubienrat am 2Berner=Siemenö=5Rea(ggmnafium in ^öerlin^Sc^öneberg.

53 er li n, im .^erbft 1920.

2ßttiöcmar Cc^ife.

Sn^alt

(Die 3fl^'8" flcBcn bit ©eiten an)

I. S)ie ©runlilagcn btv bcutjtftcn Siterohir feit ©oet^eS lobe

1. ^ic SBeltliteratut 1

2. 2)a§ JRömertum 4

3. S)a§ ©ermanentum 7

4. ®a§ e^riftentum 10

5. :j)a§ Stittertum 12

6. 1)ie SßoIfSpoefie 16

7. ®ie Dteformation 18

8. Stenaiflance unb §umani§mu6 ... 20

9. Älopftocf 22

10. Seffing 25

11. S5ie ^^ilofop^ie bcr IReuseit .... 30

12. ©tuntt unb ©rang 35

13. @oetf)e 37

14. ©c^iaer 46

15. 2)ie !Romanti! 51

16. 2)er nationale @cbante 55

n. erben bcr flajfijtftcn unb roraantijeften

1. Äarl 3mmennann 58

2. gmmermannS „Dber^of" 66

3. 2tnnette oon S)roftc = §üI§^off ... 68

4. 9Iugiift Don ^Iaten = .^a[Iermünbe . . 72

5. griebrid) 5Rücfert§ fieben 76

6. 5Rürfert§ Si)rif 81

7. 9flücfert§ „2ßei^^cit be§ SBra^manen" . 87

8. mdtxtß übcrfe^ungen 89

9. Stbelbert oon ßfiamiffo 94

10. SSinibalb 2tlej{ä unb anbete (grbcn be3

floffifc^en unb romantifcfien ©eifteS 99 aBtatfioIb SUeriS 99 Seoin ©cftücfing

103 - |)ctnric^ Äönig 103 SBit^etm 3Jiein^olb 103 - ftarl ©pinbler 103 ^^ilipp con SRe^fue§ 103 - Äorl öon liomli^ 103 ^einric^ Stauren 103 C>einrit^ Sfc^otfe 104 grana »• ®aub^

104 - grnft Bon SRaupad) 104 -

^bam Oel^lenfdiläöer 104 Qo^ann Subwtg S)ein^arbf{ein 104 aJiic^ael Seer 104 - ©bunrb öon ©c^enf 104 - gofep]^ oon 8luffenberg 104 SBit^cIni ÜJiüaer 104 c^aliuS 5Wofen 104 - 3f?obert JReinidf 104 - Sßil^elm ^et) 104

- «uguft fiopifd) 105 Submig S8ed)= ftetn 105 Äarl ©imrocf 105 granj Jhigler 105 ^ermann Äletfe 105 öeopolb (Sc^efer 105 §riebric^ öon ©aact 105 §etnrt(^ öon Sriü^ler 105

- «Philipp ©pitta 105 - griebricf) ©c^erenberg 105

in. 3m oltcit Öfterrci*

1. ?5ranj ©rinpavserS Seben .... 106

2. ©riHparjerg „2I^nfrau" 113

3. (Brmparserg „©app^o" 118

4. ©riaparserg „©olbeneg 33Iie§" ... 121

5. ®ri[4)arjerö nationale ©ramen . . 123

6. ©riHparjerg 3Jlärc^enbvanten .... 126

7. ©riüparjerg 33ebeutung 130

8. ©riQpotjerg öftcrrcici^ifd^e ^^itScnoffen 134 griebricö ^alm 135 gerbinanb Ütai- munb 135 (Sbuarb öon Sauernfelb

136 - Sfol^ann 3^epomut Jleftrot) 136

- «bolf Säuerle 137 - ftarl .g)erto«= fo^n 137 gfol^ann iRcpomut Sog! 137

- ^o^ann ©abriet ©eibl 137 - 9(ofep^ öon 3eblt§ 137 ernft öon ^tudftexS- leben 137 8tnaftQftU!§ ©rün 137 - Äarl Secf 138 - «Ifreb ÜJieifener 138 - SKorife ^artmann 138 .^ieron^muS Öorni 139

9. TOtoIauä i?enaug Seben 139

10. SenauS Sprif 143

11. 2lbalbert Stifter^ Öeben 147

12. Stifter« SBebeutung 153

13. ©tifterS „©tubien" 156

14. ©tifterö „$8unte ©teine" unb „®t=

3ä[)Iungcn" 160

15. ©tifter« „DJacfjfommer" 163

16. ©tiftere „SBitito" 166

vm

3n^alt.

IT. '^ai aungc ^Tcutlilanb unb onbere politiftftc 2)i(öter

1. ?)a§:JungeS5eutf^IonbimcngerenSimtc 169 SBolföanß Tlcxiitl 170 iiubolf 5Bien=

barg 171 - ©uftoo fffli^ne 181 imn- rid) ijiiube 171 - 3:t)cobor SKunbt 171 - Gborlottc ©ticgtitj 171 - Sari ®ufe: lotD 172 üubiDtg Sörne 173

2. .'öciinic^ 4''^*"^ 174

3. 4->eiite'5 «prit 183

4. gerbinanb greiligratf) 189

5. .f"'ei"n(f) ^»offtnQiin non gaUerSIeben . 200

6. Öottfrieb Äintel 207

7. ®eorg |)erroegl^ unb anbete politifd^e

Sid^tcr um 1848 211

®eorg f)cr>üefl:^ 211 grana ©ingel; liebt 215 gflobcrt «ßrufe 216 - ©uftab «ßfijer 216 - «Paul «ßflaer 216 - mo^ ri^ Don ©trac^iDiö 216

V. ^te fifttDöbijcöen 2)iri&ter

1. Subroig U^lanb 217

2. 3uftinu§ Äerner unb anbete fd^roöbifc^e

2)ic^ter 222

Suftinu« fterner 222 ®uflab ©c^trob

223 - ftarl ü/tager 224 a!BiI^elm2Baib= linger 224 Sllbert ffnapp 224 ^o-- f^ann ®eorg gifc^er 224 - ftarl ®erof

224 ^ertiiann ftura 224 ©acib griebric^ ©trauB 225 - griebricfi SEbeobor Sucher 225

3. ebuatb SKötifc 227

VI. S3on bcr ölten jur neuen «unfl

1. gri& Dleutet, Ätau^ ©rott) unb anbete

Dialettbicf)tet 238

gri? «Reuter 238 - fflauä ®rot]^ 244 - giobn Srlndmann 245 - Sffitaem ®c^rö; ber 245 - gjobann ^imidt) ge^rg 245

- Qo^ann SKepcr 245 - ffarl ^^eobor ®Qberö 245 - grana Don ffobeQ 245 - Äatl ©tielcr 245 - ü«a?. ©c^mtbt 245

- Äarl ©oltT'rieb SRabler 245 grifb^ rid) (£to(i|e 245 - gbwin Sormann 245

- granj ©lela^amcr 245

2. 3o)epf) iBittor Sc^effer 245

3. ecf)effelä „gffel;arb" 254

4. fiprifdie ßpifer 259

Slubolf SaumbQc^ 259 Otto SRoquette

2&) _ cefar Don Üiebrot^ 261 ®uftaD 3U VütU% 261 - gtiebric^ SBil^elm äBeber 261 - .g»einricft Steinbaufen 261 -!Kobert.ipQmerIing262 - QuliuSSBolff 263 - ?;ofep^ ijauff 263

6. Der SWünc^ener 25tc^tetfrei« .... 263

6. ©etbcl unb §c9fe, bic gürtet be'J

SKünc^ener ®i^terfretfe§ .... 267 ©manuel ®eibel 267 - <ßaul §e?fe 271

7. Sobenftebt unb ble übrigen S)i(l^ter beä

2Jlünd^encr ÄreifeS 275

grtebrtcf)93obenftebt275 2l.g.b.©^acf 278 - «ffiil^elm §erfe 278 - SBil^elm cjforban 279 .g)ermann Öingg 279 gfultug ©roffe 280 - ^einrid^ Seut^olb 281 - SRortin ®retf 282 - Sßtlbelm ^enricf) 3(?ie^I 283 - Wbolf 2BiIbranbt 284 - SIBtl^elm ^enf en 285 - Äarl ©tielcr 286 - ^anS §0Pfen 286 - aKof ^auS- ]§ofer286 - aRelifiiorSDle^r 286 - 3Jlort§ ßarrtöre 286 - SlBil^elm 33uf(^ 286

8. ©rnft 2öid^ert 287

9. md)tü§ „^cinrici^ Don flauen" . . 289

10. ©uftao gfet)tag 292

11. gret)tag§ „SoQ unb ^aben" ... 297

12. griebrid^ ©piell^agen 301

13. ©et «Ptofefforen = 9floman 303

gelif ®a^n 303 - ®eorg ©berS 304

14. ^acflänber unb anbete Dtomonfd^tift»

fteOet 306

(Srnft @ctftein306 - ©eorge Sa^lorSOe - «botf ®Iafer 306 - üubrotg 8atftner306

- 2b. ^. ?ßantentu^ 306 - Sllfreb 3)oöe

306 - ®regor ©amarott) 306 SRubolf Don ®ottfc^aa 306 - 8lbolf ©tern 306

- SCl^eobor 2«ügge 307 - »tubotf öinbau

307 - ^an^ SBod^en^ufen 307 - ^t)U Itpp ®aten 307 - fforl grensel 307 griebrict) Sffiil^elm .^acflänber 307

15. aSert^oIb Sluerbac^ 308

16. grauenliteratut 310

(£. 5KarIitt 310 - ©. SBenier 311 - SB. 4)eimburg 311 3tatal^ öon ©fi^ftru^t

311 JüBill^etmlne Don |)iaern 311 0|[tp ©c^ubin311 Sllberta Don 'ißutt; fanter 311 (Saruten ©plDa 311 aJiarte Statl^urtug 311 - Ottilte SBtlber^ ntut^ 311 - öol^anna ©p^rt 311 - ?tgne3 ©appcr 311

VII. 25ie neue aBeHon|(i6outtn8

1. Sie ©ntroidlung bet aügenteinen Äultut

im neunsefinten 3a^tf)unbett ... 313 S)artt)tn unb .^äcfel 315 S)aDtb grieb-- ttc^ ©traufe 316 - griebric^ 5)eUfefc^ 316 - max ©timer 316 - SJlarj, ©n^ gelS, ßaffaae 318

2. 2Itt^ur 6d^openl^auet§ Seben . , . 320

3. ©d^open^auerä SBeltanfc^auung . . 327

4. JRic^arb SBagnerg Seben 333.

5. SBagnetg 2BeItanfd^auunfl .... 339 j

6. griebtic^ ^iielfc^eS Seben .... 342]

7. TOeöfc^e« aBeltanfc^auunß . . . . 346!

Sn^alt.

II

8. SWte^fd^c^ Smt 348

9. SRie^i'd^e^ „3aratl^uitra" 351

10. Sie Söettanfc^auung (gbuarb oon §art=

mann§ unb anberer Senfer ber leg- ten SaJ^rjefinte . 357

^o^ann griebrid} $erbart 357 ©uflao S:]^cobor gccl)ner 357 SRubotf |)er- mann Öu^e 358 Gb. d. |)artTnann 358 - «Paul be Sagarbc 358" - SBil^elm SBunbt 358 - 9?ubolf (Sucten 358 - SBiU)cIm ©iltr^c^ 359 - griebricf) ^anh fen 359 ©bUQrb ©pronger 35&

Vin. Ü6ci- See

1. aimerifa 360

©ooper 361 - qjoc 363 - 58ret §arte

364 - «Ulart Smatn 364 - Songfefloto 364 - ^roing 364 - aß^itman 364 - Gmerfon 364

2. gr^arleS Seallfielb (Äavl ^oftQ 365

3. gnebrid^ ©erftäcfcr 367

4. Sie [Reifelitemtuv in ber sroeiten l^ätfte

beg neun^erjnten QafjrfjunbertS . . 369 Otto 3fJuppiu§ 369 - SBaLbuiu 3Röü= i)au\m 370 - Äarl mal) 370 - ^Ridjarb ^anbt 371

5. OJJaj ©pt^ 372

IX. 2)er 3teamtani

1. Sietrid^ ©rabbe 376

2. grtebrid) §eb6el§ Seben unb Schaffen 385

3. ^ebbelä Sprit 400

4. §eb6el§ SioDeÜen 405

5. §ebbelö Sramen 411

^J 6. Dtto Subroig 423

7. Subroig Slnjengruber 433

8. gerbinanb oon Saar unb anbere rea=

liftifc^e ßrjä^Ier ber grü^äeit . . 439 ÜReldjior üJleper 439 Öofepf) gticbrid) Sentuei 439 Subwig ©teub 439 ^eniiann ®d)mib 439 .£)cinr. ©djaum-- berger 439 - ^^ofep^ «Ran! 439 - ÜJlorife ^artmonn 440 gerbinanb öon ©aar 440 ©bmunb §öfer 442 Öeopolb Don ©ac^er;ü)iafod)442 Äarl Gmil granjog 442 gerbinaub ftürns berger 442 ßenpolb Siompert§ 442 e^riftop^ Sd)mib 442 3B. O. öon §orn 442 ®uftaD ü«tert§ 442

9. Suife üon %xan(fOx§ unb 9)Jarie oon

©bner ' ®)d}enbad; 443

Suife »on S-van^oiö 443 3Jlarie öon . (Sbncr= (£fd)cnbad) 444

10. Stjeobor uon gontane 446

11. SBiirjelm 5Raabe§ 2eUn 452

12. iHoabeö iRomanc unb ©rjäl^lungen . 456

X. 5Rorbbeutf(ßc ©timmungS^offic

1. Sl^eobor Stormsi Seben 462

2. 8torm§ Sprit 473

3. Stormä SWoteHen 480

4. .^einrid) ©eibel^ Seben 489

5. ©eibelä (ärjätjlungen 494

6. §an§§üffmann unb anbere norbbeutfc^e

©r5är)rer 498

Öo^anneg Srojon 492. 498 c^utiu^ ©tinbe 498 ^an§ ©offutann 499 ^uliu^ «Jxobenberg 501 - 33iItor Slüt^- gen 503

XI. ^tc gtofeen ©tötociacv 2)tötcr

* 1. Seremiag ©ott^elf 504

2. ©ottfricb Äeüerg Seben 506

3. Äeüerg Sprit 508

4. ÄeHerg iRomanc unb «RooeOen . . . 509

5. Sonrab gerbinanb 3)ieperä Seben . . 528

6. e. %. 3«eper§ Sprit 532

7. S. g. 3Keper§ ^Rooeüen 538

XII. 3m neuen bcutftfecn 9leitö

1. ®rn[t Don aBilbenbrud^ 543

2. Setleo oon Siliencron 556

3. «patriotifdje Sprit 560

§ugo 3ucfßrjnann 561 ^arrieä 561 S::^ierfc^ 562 Seder 562 ©cpnedcn; burger 562 |)offmattn üon gaUerS; leben 562 - Slrnbt 562 - greittgrat)^ 562.

564 §:axl Sröger 565 .^einrtd) Seti'd)

566 - (Srnft öiifauer 566 5lle3;anber ©d)röber 567 ©cljmel 567 |)er3og

567 Ulrid) 8f?aui(f)er 567 @. Haupt- mann 567 - Stoenanuä 568 9^orb= Raufen 568 - 8ön§ 568 - «ßregber 568 ©c^aejfer 568 - eiaubiu§, S-lejc, Qcd), ©temberg 568

XIII. Scr 9laturali§mu§ unb feine ©cgen^ ftvömunflen

1. Äünftlerifc^e Strömungen im 2tu§lanbc 569 Sibcrot 569 (Somte 571 ©pcncer 571 - Satne 571 - gSalsac 572 - glaubcrt 572 S)tc ©oncourt 672 Sßecque572 3ola572 ÜJJaupa)innt573

©tcnbljal574 Sourget574 2)ofto= ietDöft 574 Solftoi 574 ®orR 574 Siörnfon 574 - Qbfcn 574 - ©trinb- berg 575 Slugier 575 Sunto^ 575 ©I^a» 575 fticrtcgaarb 575 'sSian- be§ 575 ©orbou 576 ^upiSmanS 577 2>crlainc 577 ÜTcaüarmö 578

Siimbaub 578 33er]^ücrcn 578 aJJaeterlind 578 b'Slnnunjio 578 iJötlbe 578 - SB^itman 578

Snl^alt.

2. iWüncüen unb SScrIin 579

^liüul iüinbau 5S0 - grttj aJ^iiitTiner

680 - ^ermann i-)dUxQ 580 - Wlidjad ®corg ßonrnb 580 - SDSotfönnö mvä)- Imd) 581 - iSarl Sletbtrcu 581 - Son= rnb «Utiertt 581 - C'>et»ricf) unb SuUvtS ^•>art5Sl -a)tai-®tempet, OSfarSincfe

582 - 2Biir)cIm Slrciit 582 - C>ennann aonrnbi 582 - Äarl ^endcü 582 eonrab Äüfter, 8co Scvö, (guocn ÜÜBolff

583 - iBnmo SBillc, aBiU)elm Sölftl)c, «baI6crt Bon ^aufteilt 583 ?Irne ®ax' Iiorg 584 Dia ^anefon 584 Stxinb- bCTQ 584 aitayimilian ^nrben, Otto iBrafim, «Paul ©djlent^er, QuIiuS ®tet= tenfjeim, ÖonaS, ®. S-if<J}eif ^^"^ ~ OSfar 58le 586

3. 5)er foufcquente JlaturalilmuS . . 586 Slruo 4iol3 586 - Sof^anncä (Schlaf 587

4. ©erl^art Hauptmann 590

5. ^''frnian" Subermaun 604

6. @i)mrioIi§mu§, dleutta\\\0mu§ unb

6fpre[fiDni§mu5 608

«ßaul ©erarbp, ffarl SEßoIfälel^I, mäjaxb ^txlß, Subwtß SlageS, Sari ©uftaü SBoamöücr, Oäfar ©cf)mife, Stuguft Del); ler, aJielcfiior Sec^ter 608 - (Stefan . ©corge 608 i&ugo Don ^lofnionnSt^al 610 - ajtay 9L>aut^enbei) 612 - (grnft ^arbt 612 - St^. St. ÜReljcr 613 - SOSil^ l^elm Don ©c^ol^, $aul ©mft, (Samuel SubltnSfi 613 - aHubolf «panntoife, Dtto 3ur Sinbe 614 «uguit ©tramm, ^tx- toaxti^ SZBalben 614 ©realer 615 (Sc^re^er 615

XIV. 3^tc 2)i(Stun9 bcr legten ^al^rjc^ntc in unb neben ben großen ©trömunflcn

1. Sprif 619

3flic^arb ©el^mct 619 - ®uftaD galle 621 ^einric^ Sßierorbt 622 - griebrtd) Slbler, «uftaD (Stf)ü(cr 623 ©mit Don ®cl)ö= natc^ = Garo(at^ 623 - ßarl Suffe 624 ®eorg SBuffc « «ßalma 624 üubloig 3acobotD§fi, ÜRaf Setoer, ®orc^ goct, 5Hein^otbguc^0, 3fiubolf «ßreSber, ^ein^ rief) Spicro , Gmanuel Don S3obman, 8eo ©reiner, aSoltl^er gley, ^cter SBautn 624 - SBit^etm SBetganb 624 - |)ugo (SqIuB 625 - Äart ©ruft Änobt 625 £co (Stcmberg 625 ^anS SBeng-- mann 626 «üiaurtce SfJetnl^olb Don ©tem 627 - ftarl SBuIde 627 - (Stc p^an gmetg 627 - ^ang SBet^ge 628 »ort mn?,ltt) 628 - gran^ Gtoerg 628 SRic^arb ®c^aufat 629 gerbinanb SlDe- nariuö 629 - ^ermann ßoniabt, SBil- titim Wrent 630 - 9io^n ^int\) ü^acfag 830 - Scf)[af 630 - .g)ol3 631 - ©mft ec^ur 633 - Dtto 3uliu3 »icrbaum 834 - Dtto (Met) fortleben 634 - m-

freb De'^Ifc, 3fJitfert, ;&ctnemann 635 - eöfar gtaifdjten 635 - ^aul (Sct)eerßart, SUfrcb äJlombert, ©tjrifttan aRorgenftertt 636 - ^Rainer 3Raria mHU 637 - (Sd^otj - 640 - Sari (S|5itteler 640 Slrt^ur g-itgcr 640 SBörrieS Don 50iünci^:^aufett, 2tgncg gjJiegel 641 - Sulu Don (Straufe unb Sorne^ 642 Helene SBoigt^Siebe^ rtd)g 642 - Sfotbe Surj 643 - ^^ol^anna Stmbrofiug, äRargarete Seutter, Xtjelta gingen, gfJiccarba ^ud), Slnna 3fiittcr, aRarte Sonitfd)eI, |)ebtt)ig ©ran^felb, ma ©Triften, griba ©d)anä, Sltberta Don 5ßutfamer, ©ermione Don 5jJreufd)en, Stitce Don ®aub^, Sna (Seibel, äRarga; rete (SuSman, .&ebba ©auer, ©Ife Sag: Ierj©d)üter, 9(Rarie aRabeleine, aRarta (gugenie bette ©ragie 643

2. Sdoman unb ^Roneae 643

«Peter 3{ofeggcr 644 - Slbolf «ßtdiler, SRuboIf ©reiuä, .&an§ Don ^offenSt^al, «Ric^arb ©ulbfcfiiner, Subttig ©ang^ofer, Stnton Don «Perfatt, Strtl^ur 3ld)Ieitner 333 - 3fJid)arb 33oß 333 - 3f{uboIf ©träfe Stbolf ©d)mittt)enncr, ^einrtd) §ang= jatoß, «Peter ©örfter, Stbant (Saritton, S. Sß. SBibmann, Q. (£. |)eer, ©rnft 3at)n, «Paul Sl9, öalob ©djoffner, ©einrieb geberer 647 f. - «Bil^etm gtfd^er, «Rubolf ©ans Sartfd) 648 - ©ermann ©cffe 648 - CubtDig gind^ 649 - ©. Ctüenfein 649 - «8ern:§arb J^etter- mann, 2Bit:^eIm ©olgamer 649 gricb= rid) öien^arb 649 ©ermann ©tege^ mann 649 ©einrieb ©oi^nret) 649 Äarl ©öl^lc, Simm Srögcr, ©iebric^ ©pedmann, ©uftaD grenffen, ©ermann 8ön§ 649 ff. - gife grapan^Slfuman, Dtto (grnft, ^ba «Botj^ßb, (Sl^arlotte «Riefe, ©elene iBoigt = ®iebertd^ä, Dttomar dn- fing, «Rubolf ©ergog, ^ofep^ Sauff, SRartl^a SRenate gifd)er, 2tuguft SriniUiS, «Paul Setter, ©eorg (Sngel, grife unb 3fJicf)arb ©totoronnef, ^-o^anneS SRtc^arb gut SRegebe, Slj. ©. «panteniuS, (Sbuarb Don Saiferling, ©annS unb gebor Don3o6eb ti^, ©eorg ©ermann, Sonrab 58let6^ treu, Sonrabt, Sltterti, ©olg, ©d)laf, SBert^a Don ©uttner 642 - «Kay Ärefeer

653 - Slora «Biebig 653 - gelij ©ol- lönber 653 - ©anS Sanb 654 - SEBil- ^elm «8ölfd)e, «Eßil^elm ©cgeler, SBalt^er (Siegfrieb, Stnna ®roiffant = Stuft, SStt l^elmDon ^oleng, SBiÜe, ^adal), ©ta^^ ntglaD «präpf)l)§3elugft 654 - «EBtlt^elm ©djmtbtbonn 654 ©ermann ©te:^r

654 - ©elene «Bö^lau, ©afiriele «Reuter, Ulrid) granf, ©an§ Don ffai^lenberg, grieba Don Süloto, 5lbcle ©erwarb, maus 5Rtttlanb 655 - ©eorg Don Dmp^ teba 655 ©elng XoDote 655 ©eorg 5Reide, ffarl Sulde, aRaj ©albe, grang Mbam Se^erlein, ©ruft Don «Eßolsogen,

5lit^alt.

XI

3.

aSiftor SBIüt^ßett, Smil Sttt, Dtto 3u= tiu§ 93icr6aum 655 SRicavba |)ucf)

655 Stuöuft ©perl 656 SBenter c^anfen 656 - SOBit^elm SSeißanb 656 - Sfolbe ffurä 656 - Söalt^er Bon SKoIo

656 - Kurt aKartene, ®uftaö 2Ret)rtnI 656 SlfiomaS SOlann 656 ^einric^ aRonn 656 'gafofi SBaffermatin 657

- (£rn[t, ©ctioli? 657 - ffart ^aupt; mann, 5RuboIfunbgriebrid)£)Uc{), Sücljarb 5Rorbt)nufen, Sßalbemar S^t^mian 657 ©äfar gtaifc^len 657 - '^aul (Snberling 658 ernft ^eilBorn 658 - 3fiic[)arb Salönfe 658 Strll^ur 33raufetoetter, |)er= mann 2tnber§ Ärüger, SBalt^er SBlocni, ^aut DStat ©öder 659 (gmma SSelt), ©opf)ie ^ung^anS, ailaröarete con Dertjen, Slugufle ©Upper, Helene (£^ri= ftaacr, Sutie SCBeftfird), ü«ane (Sugente bcfle ©rajie, 9tanny öamtrecf)! , mt^atb Dtorbmann, (£mil 9Jlarriüt, 8inna ©d^ie= 6er, eitfabet^ P. ©e^fing 660 - «ßeter %)iüt 660 - «Peter Stttenberg 660

S)rama . . 661

9iid)arb 9>ob 661 - ÜJlaj ©albe 662 - ®eorg ©trfc^felb 663 - m.a^ ©rener 663

fiarl Hauptmann 663 ^ofep^ »iue; bercr, (£rnft Siojgmer, ^^ilipp Sangmann

664 ©ermann 58o'^r 664 8irtfiur

- ©d^nt^Ier 664 ©ofmannStl^al, ©arbt, Sbunrb ©tucfen, griebrid) Sienljarb, Sari ©uftao SßoHmöaer 665 3f?ilte 665 ©an§ grife Don 3tDe]^l 665 ©erßert (£ulent)erg666-,g)an§ St5fer666 - emft, ©d)0l3, &u6lin§fi 667 griebrid^ 58artelS 667 md)axb 33eer=©ofmann 667 ©er-

'-' mann 3fJeic^ 667 granf aSebefinb 668 - ©annS oon ©umppenbcrg 669 Ärügcr. Otto ©rler, ©anflein 669 - 2Bolaogen 669 (Srid) ©dilailjcr, Äarl ©trecfcr. SBil^elm ©d)mibt6onn 670 Äatl ©c^öni^err 670 %n% ©taoen^agen 671 OSIar iBlumentJ^al 671 Sub= totg gulba 671 Öubwig S^oma, ©etn^ ric^©d)nabel, ÜRaf^pulöer, gran3 SBerfel, OStar Solofd^fa, 3^etn^arb ©orge, ©er= mann ©ifig , Sari ©ternl^etm, ^aul Äorn= felb, SDSalben, SQSalter ©afencleDer, ©eorg

- Saifer, 2lnton SBilbgang 672 f. - SBar^ nai?, ©d)lcnt^er, SReini^arbt, Pon ©erger, ÜRarterfteig 673

SCnmerfungen 675

SRegifter 697

2lnl^ang 2 3cittafctn

I.

Die 6rundlac[cti der deutfcben Literatur

feit Goethes ITode*

1. ^le ^tiiiiUvainv,

^^unbert ^n^re Sitcraturgcfrfiic^te finb unter bem c^immcl bcr ©roigfeit nicf)t mc^r O J olä eines SSogelä sSong an einem Sonnentage. Selbft bie wenigen ^Q^^^taufenbe geiftigen £cbcnö, bie fid^ gcf^id^tlic^ begreifen laffen, rerfrfirainben in ben ungef)euren Zeiträumen menj^lic^er 33crgangenl;eit, menfc^üc^cr ^wfitnft. 3lber Üinftlerifi^e Un= fterblic^feit ift ni^t an bie 33egriffe ron 3^it ^"^ 3fiaum gebunben, mit bereu .^ilfe allein mir bie 2)inge erfaffen. 6in einziger (Seift leud^tet über ^atjrtaufenbe i)inroeg, mä^renb reid)e ^ulturpcriobcn nad^ furjer Stute für immer rerfanfen, unb niemanb üon uns uermag gu fagen, ob nic^t bie ^unft irgenbeincä ©infamen am l)ö(f)ftcn ftanb, ber vergeffen om Sßege ftarb.

2)araug folgt, bo^ jebeä literoturgef^ic^tlic^e Urteil nur bebingten 3ßert i)at unb fc^on nad^ einem ^al^rl^unbert alö noUfommcn oeraltet, ja oerfeI)rt erfc^eincn fanii. 3^ür ben £iterarl)iftorifer aber ergibt fid^ baraus bie ?5^orberung, cor j€bcm SSerfu^c tünftlerifrfie SSerte gu erfennen unb barjuftellen, fid; freijumac^cn uon allen literarifc^eii Überlieferungen, bie fid; uon Setjrbui^ ju 2el)rbud^ fc^leppen.

(Sä ift unmöglid;, ju leugnen, ba^ bie ©ermancn nod^ nid)t tefen unb fc^reibcn fonnten, aU bie 3Sölfer gmcicr ©rbteile bereite großartige SBetfe in ^unft unb SSiffen^ fc^aft üoHenbet l;atten, unb bafj nod) ju ber ,3eit, "Oa bie (Sried^en fic^ über {^reil)eit unb 3cE)önl)eit gmifd^en 9)iarmorfäulen untcrl;ielten, bie beutfc^en SBälber roiberl)allten oon öem Sd^lag ber 3lyt, bie bem Urgermanen ^ad) unb SBänbe gab gegen Sftegen, Sturm unb jvältc. 311g ju biefem beutfd^cn 5linbcrüolfe bie .Kultur fam, bo mar bicfc bereits eine SBeltfultur, ju ber oiele SSölfer beigetragen l)atten. Unb roeld^er ©egenfa^ mar ^a^: ouä Süben fam biefe 5lultur, auö ben lad^enben 9Jlittetmecrlänbcrn ^u bem 2Binter= lanb nörblid) ber 3tlpen ; unb bann roanberte fie roeiter ju ben nörbli^en SJleeren, bereu ^üftenlänber fo oft im 3f{ebcl nerfanfen, unb fie ftammtc bod; auö ^almenl;ainen, um bie bog Sic^t fo munberfam fpieltc.

3:)iefe Grbfd^aft, bie ber fturmcrprobte unb arbeitöljarte ©ermane antrat, mod)te fld^ gauj nidf)t fd^on bamalö füfilbar, a(ö er ben gefd)meibigen 3f?5mer nieberfcE)lug, um fi^ jum 33efi^er fold^er 5{ulturt)errlid;!eiten ju niad^en; auc^ nid>t bamalä, alö bie

Oc^rrc, 2ic bcutfdie S^ücrohir feit ®octl^c§ 2obc iiftt». 1

^ Iiic GinuiMagcu ber bciit|Vl)Cii Vitcrotiiv feit t^oetl)e^> 2:übe.

rKcnniiiüruc Mc a^ciUi^cn ©ütcv öcr iHiitifc erneut nnd) ®eiit[d;laub lueitercjab, foribeni crft im IclJten :;"5al)rl)initieit, alö man feit bcti aüirctjuncjcn ^erbcrö, @octt)eö unb ber ^ioimuitif bcijiiff, biif, bic ^liitenituv bev SBelt eine Gintjcit, ein lebenbigcö ©anseö bilbct. 2(1 erft ^ciiite fid;, mie tief aud) bic bciitfd)e Siteratur im internationalen 33oben n)ur= 5clt; unb mit biefem 33ciüuf5ticin ucrbanb fic^ alöbnlcv ha^:i nationale 33eftrcben, äußere liicrfniale jener 6rb[d)aft wie bnö grcmbiüort abäufc^ütteln, bafür aber SJicrfmalc naterlänbifc^er 'Jlrt ju betonen.

liie ixunft jcbod; gcl)t il)rcu [tiUeii SBeg ol;ne Siücffidjt auf bie iWaffen, i^re ©cgenfä^e unb i^re Kriege. Sie tennt nur eine §cimat, bie in itjren natürlid)en ©runbbebingungen fic^ immer gleid)bleibt: bcn großen @cift. Unb fo ift bie 5t'unft auc^ burdj t>aQ nationalftc aller ^aljrljunbcrte, t>üö in ©octl)eö Oreifenalter anbrad), glei^= mutig Ijinburc^gefc^ritten. SBie ber fremblänbifd)e $Di(^tcr nac^ '^eutfc^lanb, fo tDon= bcrte mit Siomau, Dbuellc, Sgrif unb ®rama ber "Deutfc^c nac^ bem aiuslonbc, felbft über bie Cjeane nad^ 'i^merifa unb ^^bicu, unb felbftücrftänblid) luar unb ift il)m bie juerft wn ®oetl;e flar uertünbcte 2Bal)rl}eit geirorben, ba^ feine SfJationalliteraiur gegen eine anbcre abgefpcrrt roerben tann, oi)m an 2ebenöfraft ju öerliercn.

5leinc Siteratur, unb fei fie nod^ fo gering, nimmt, ol)ne 5U geben, ^er ©ermanc aber, ale er bie füblic^e 5\ultur empfing, gab üiel mel)r jurüd, alä er erl)ielt: fie mar im Sterben, jene ilultur, unb er fc^enfte if)r burc^ feine Unfd)ulb unb ^raft neu ba^ Scbeii.

3iuö einer SBeltlultur alfo ift bie beutfd)e \iiteratur tjerauögemactjfen, unb erft in ber 3eit nac^ ©oet^e ift ta^^ bem beutfdjen Genfer unb ^ie^ter ganj jum Scrou|t= fein gctommen, bcfdjmingt burd) bcn großartigen 2BeltDerfel)r, ben ®ompf unb eief= iri.^ität gefc^affen l)aben.

SBaö mor boö, fragen mir, für eine SBeltfultur?

9iicl)t mit einem 3fiurf mar fie ba. ^od) l;eute ftrömt fie uoii allen Seiten mi- »ibläffig üu. IHber bie Siteratur^ bie oon Seffings „5«at^an bem SBeifen" unb ©oet^ec „Sp^igenie" gcfül;rt mirb, meift junäc^ft bentlid; in eine beftimmte SRiditung unb ^eit .^urücf, in benen mir ebenfo noc^ ©rillpargcr roie "gofmannötlial finben : nac^ ©riecljen^ lanb unb bem Orient.

©otte§ ift ber Dricnt, ©otteg ift ber Dccibent, 9lorbs unb füblid)eg ©elänbe 9tul)t im grieben feiner ^änbe.

Xiefe «erfe in ©oetl)ec. „3ße|töftlid)em Sioan" merfen baburd), M^ fie bie ©e^ meinfamteit beö rcligiöfen »cbürfniffce gum 3(uöbrud bringen, einen freunblic^en Sd;immer ouf bie 58crbinbung con ^mh unb Süb. Unb nid)t genug bomit, ha^ ber Orient aum erftenmal mit religiöfer :Did)tung I)ert)ortrat unb bamit einen 2Beg be- fc^ritt, auf bem il)m aüc Wolter, Ijäufig ol)nc Doneinanber -ju roiffen, gefolgt finb: linb jum Xeit biefelben ©ottl;ciicn, bic 2tbenb. unb gjJorgenlanb oereljrten, benn ©riedjcn, ,^nber, ^crfer, ©ermanen unb uielc anbere 5Sölfer geboren bem einen gemein^

i

£)ie äßeltliteratur. 3

famcii lliuülf öei ,;jnDütjcnuaucii an. ^iefcö Uvoolfcö tjcruoirütjenöe Csigeni^aftcu fann bie ^oefie leiuer Urentel nic^t uerteugtieu.

2Öie ©oet^e, cingelabcii X)nx6) Jammer = '^Puröftaüö „^a\\i'\ mit {einem „Diüau" 5u ben [tnmm= unb lua^lücrraanbten 'Werfern flüchtete, alö bcr gro^e napoleo^ m]d)c 5{niupf ßuvopa er [(fütterte, fo eilen tuid) unfere träume, ot)ne ju roiffen, noc^ bem .Orient, raenn tuir unfere 3)lär^cn lejen. (Sine gro^e ^ilnjat;! joldjer ©ef^ic^ten unb ^ilnctbotcn l)at ber lüanbernbe 'älJime, ber Präger beö SSoltöjc^auipielö, oon Sanb 5u Sonb, üon ä^olt ju SSolf getragen. 3lber aud) bie orientalifdjen v2ammhingen felbft, oor allem „^oufenb unb eine ?ta^t", finb ein Silbungögut ber ganjen Sßelt geworben : roie fönnten roir unfere 5vinbl)eit ol)nc bie f^öne 8d)el)ereäabc, bie i^rem Kalifen in jebcr 91ac^t ein anbercs 3JJär^en erjä^lte, um i^re ^inrid)tung ju üerl)inbern, ot)ne Sllabbin unb bie SSunbcrlampe, o^ne 3lü ^3aba unb ,bie Dierjig Sfiöuber benfcn! hieben beutfcfien äliärc^enerjäljlcrn na^m aud) SInberfen biefe 3)cütiDe auf, bilbete fie um unb lie^ [ie in biefer ^orm nac^ '^Deutfd^lanb fliegen.

2(m ticfften l)at bie 5linbcr bee neunäel)nten unb äiuanjigften ^a^r^unberts oieU leicht ta^:> inbif^e SBunbcrlanb beglüctt. ^nbiens großes ^lationalepoö, ha^ „3Kal)0; bljarata", burc§ Siüdert unb ben ©rafen B6)ad ber 5öeutf^en neu crfdjloffen, i}at \id) ber SBeltlitcratur unauölöfd)li^ eingeprägt, unb menn mir bei 3Iüdert bie reijenben ©pifoben „9lal unb S)amaianti" unb „Saroitri" lefen, jene rüt)renben ©rjä^lungen oon ebelic^er Siebe unb 2:reue, fo manbeln roir trauml)aft mitten in ben 3)f^ungellänbern, bie am ©nbe beö ^al)r^unbertö ber engüfc^c ®id)ter Äipling burdj feine 3J?augli:@e: fd)id)ten neu belebt hat. So ift unö ^nbien, beffen t)cutiger ^iiN^iÖ oft lüaljrlid) roenig mär(^enl)aft onmutet, ju einer jroeiten Heimat für unfere ^l^antafie geroorben.

Unb nic^t nur für bie ^l;antafie: aud) burd^ ben ©ebanfen i)at ^nbien gerabe bie Siteratur nad) ©oct^ee 2;obe gcroaltig beeinflußt. 3Bol)l lebte ©oet^e noc^, alö Sd)opcnl)aucrö „SBelt alö SBillc unb SSorftclluug" erfc^icn, roo bie pcffimiftifd)c Sßeiö; ^eit ber inbifd^en Soeben unb Upanif^abö eine glänjenbe 3tuferftel)ung feierte. 3tber erft um bie 9){itte beö neunjel)nten ^al)rt)unbertö \)at biefeö SBert feinen oicgeö^ug bur^ '3:;eutfd^lanb unb bie übrige SBelt angetreten. ®ie SBcltentfagung ber ^ral)ma= nen, beren meife Sprudle 9iüdcrt nur bict)tcrif(^ neugebilbet l;atte, ging nun alö Drigi- nalgut in bie europäifcfje ^l)ilofopl)ic über, unb 33ubbl)üö ?iirroana mürbe baö be= gciftert erftrebte Sebenöjiel ber 2:räumer, Sd)roärmer unb SDcfabenten. ®aö gro^c 9lic^tö beö Drientö naF)m bie müben Äinber einer Derjioeifclt t)arten 3<^it ^^ l^d) ^^*f- 3nglcic^ aber beflügelte bie graufame 2el)re, M'ß biefe 3Belt bie f^led)tefte aller mög= lid)en SBeltcn fei, bie 5vraft bee ©ogialismuö unb ber naturaliftifdjen X)id)tung in ben ad)tjigcr :3ol)i^cn beö neunjeljnten 3alF()unberts.

'Daö mar jene Sßcltfnltur te^ Sübcnö, bie ben germanifc^cn 3iorben ganj erft im neun5el)nten 3al)rl)unbert burc^brang, jene fiitcratur beö Traumes unb ber Untraft, bie jum beutfc^en SBefen, ju beutfd;er %at unb Äraft einen fo ftarfen ©egenfafe bilbet unb gerabe barum ben ^eutf^en fo uniüibcrftel)lid) anjie^t. ®amit aber ift ber (Ein- fluß beö Orientö auf bie beutfd)e Siteratur faum angebeutet, gefd^rceige benn erfd)öpft. 3(ud) bie unö nid)t ftnmmDermanbtcn Wolter beö 3)?crgcnlanbeö leben in unfcrcr "^lUittc.

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4 Sic ©nmblagcn bet bcutfc^en Siteratur feil Ooct^es lobe.

ifflir braudjen ja nur ber Semiten ju gebenfen: föt)cn wir felbft oon bem (^riftlic^cn 3nl)alt bcr ä3ibcl ab, fo bliebe boc^ fd;on baö „3llte Seftament" eine bauernbe ©runb^ läge unjcrer Literatur üon ber ältcften biä in bic jüngfte ^eit. ^oben bo(^ fogar bie 3lpotr9pl)cn mit .^ebbels „Swbit^" bcn Siealiömuö in beutf^er ©prad^e begrünbet unb baburdj ein neucö 3eitQrtcr ber Siterotur angebahnt. SBeltfrcubig ^at fic^ ta^ ncun= äc^ntc g^Qljr^itnbcrt a\i6} bur^ llberfe^ungen, bie mit gorfters SSerbeutfd^ung bcr „Qatmüala'% cineö inbifc^en, üon Äalibafa (6. ^afirfj. n. 6Ijr.) oerfa^ten 5)ramQs, im ac^tjeljntcn ^Q^r^unbert einfetten, ber orientalifc^en ^\6)iet bemächtigt. (Sf)incfi|^e unb japanifc^e ^iooetten finb unö oertraut geroorben roie unfere eigenen, iinb unferc öeutfc^en S)i^ter fül^ren unö ebenfo nad^ ätgtipten mie in bie §eimot.

©briftentum unb tlaffifc^eö Slltcrtum, le^tereä erneuert burc^ 3flenaiffoncc unb ^umaniömug, nel^mcn in bie[em 3"fQntmenl)Qnge eine befonbere ©tette ein. 3(ber quc^ bic anbern, bie fpäteren 'Göltet beö jungen, nörblidien mie f üblichen ©uropa, finb au§ ber beutfc^en Siterotur nid^t njegjubenfen. äßaä wäre ber beutf^e 3floman oi)m ßer^ oantcö unb S)idenö, bic bcutfd^c ^ovcUc ol^ne Soccoccio, baö beutfd^e 2)rQmQ oI;ne Sf)afe)"pearc unb aJioIiere, bic beutf^e 2r)nt bcä SJüttclalters oI)ne bie Sroubobourä, bcr bcutfc^c ©cbanfe ber grcilf)eit unb ^erfönlirf)fcit o{)nc 3fiouffeau! ^f)ntic^ ift um; gefe^rt : gerabe im neunge^nten ^ö^tfiunbcrt j^at bic beutfd^c Siterotur fid; an bie ©pi^e Der SScltUtcratur gc[efet, unb 9^ie|f(^cö ^^ilofopl)ie foraie Sßagncrö 9Jlufif l^abcn ba^ SBcrf ber ^ocfie DcruoIIftänbigt unb bog Sluölanb gu ^öf)en emporgejogen, bie nie= malö fünft auc^ nur uon fern crblicft ^ättc.

5Diefcg eine aber gel)t fc^on an§> bcn loenigen Hnbeutungen l^erüor: bic äßelt^ ateratur lä^t fic^ nic^t in ©tucfe fc^neiben, bic nid^t§ mitcinanber ju tun Ijättcn. Stuf fröf)Iic^cm 3tuötoufc^ bcr notionalen Gräfte, bercn (gigcnart bei raec^fclfeitiger ^c- rü^rung nur moc^fen fann, beruht bie (gntroidlung be§ titerarifc^en Sebenö, boö nur einen einzigen Präger fennt: bcn 9Jcenfd;engeift, glei^oicl unter meld^cm ^immelgftric^ unb innerhalb welcher 9?affe. Unb raenn aud) 3eiten fommen, in bcncn ber Bonner ber ©cfc^ü^c biefen ©ebanfcn übertönt: er bleibt bo^ bie felbftoerftänblidfie Orunblagc jcber fünftigcn Siteratuv, rcic er bie ber beutfd^cn nac^ @oetI)eg ^obe raor.

2. ®a§ KiJmcvtum.

Xk 58ermitttcr ber Äultur, on bcr fie^ bie beutfc^c Siterotur JQt)r^unbertclanö ^cronbilbcte, maren bie a^lömcr.

S'iid^t bic alten 9tömer freilid^, bic bcn großen »eannibal über boä 3Keer gurücE nod) eartljago trieben, beren (Seift in 6ato unb ben ©rocd^en lebte, jencg ^elbenliaftc unb unbeugfamc &c']ä)U6)t, beffen ücrrocic^lic^tc enfel noc^ ben crftcn ©ermonenftö^cn roibcrftonben, fonbern bie fpöten ©rben ber römifc^en ^aifcrjcit.

5Dicfe5 $Rom erleben mir in ber ^ugcnb ber beutfc^cn Siterotur toufenbfad^. Sic ©prac^c ber Äulturbringer mar naturgemäß bie ber ©ebilbcten fc^lec^tl)in, S)eutfc^ (entftonben aue (3iot = 33oll) mar bic Sprache beö nieberen SSolfeö. ®ie Kultur unter= roirft fit^ bie Unfultur: roic ^ätte ber römifc^c ^axaltn baö nid^t ouönu^en foHen!

•J)aö Sflömettum. »*

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Unb lüir fönnen noc^ fro§ [ein, bo^ man roenigftenö Sotein lernte ojie grau ^obwig, bic ^erjogin in ©c^iüoben, ron i§rem Sefjrer ^tU^axt II., ben Steffel in feinem gleichnamigen Jioman mit bem SSerfoffer beä „Waltharius maniifortis", 6Kef)Qrb I., in einer einzigen ©eftolt öereinigt Ijat. ßö mar bocf) eine beutfc^e 2)i(^= tung, biefeö SßoItfjariUeb, menn qu^ nQ(^ bem SSorbilb von SSirgitö „Aeneis" in lüteinifc^en §ejametern gefc^rieben mar. 60 rein unb treu mie 2Baltf)er unb ^illgunb maren bie römifrf)cn Jünglinge unb Su^öf'^ouen nid^t. „Sie nennen Sirene", fagt ber römif^e @ei(i)ic^töfcf)reiber S^acitue üon ben (Sermanen. ®en melfc^en (£inbring= lingen mar baö unbcgreifli^. 3Jio^te \i6) alfo ein gelei)riger Älofterfrfiüler roie e!fc= ijaxh auc^ in gered)tem Stol^ auf feine ©eicijrfamfeit unb fein burcf) bie Sateiner ge- übtcö SSerögefc^id in ^ejametern ergci)en: feine (Seftalten blieben beutf^ mie feine 6celc.

Stuperlic^ aber mar fo üon Einfang on, get)ütet unb geförbert burd) öie römifc^e ivirdje, bie fic^ burc^ ben bid^ten Schleier beö Satein oon otten profanen Süden ah- fperrte. Unb mir bürfen bo^ mo^l nic^t baran ämcifehi, t)ü^ biefeä Slömcrtum ^u ben ©runbtagen auc^ jeneä Saf)r§unbertö geprt, in bem fid) bic ultromontane Partei ge= bilbet unb in ^reu^en fid^ ber Äulturfampf abgefpielt l}at.

Seber l^ö^ere Stuäbrud mar in bem erftcn nac^c^riftli^en ^af)rtaufenb nur in tatcinifdEjer 6prac^e möglich, roieoielmeijr benn jebc eigentlid^e '^poefie, ja jebe bemühte jRunft, bie üon mobernen 2)icnfc^en in mobernem ©eifte gelefen roerben fann. 2iuö ben iateinifd^en Sobgefängen am Sdfilu^ beö J^aUcIufa gingen bie (Sequenzen i}cxvox, bie i^rerfeitä mieber oorbilblid^ mürben für bie alt; unb mittell)oc^beutfc^e Sprit, befonbercJ ben Sei^. 2)ie reirf;fte ^flanjftätte latcinifc^er ^oefie mar "DaQ Älofter 3t. ©allen, wo fc^on vot ben oier ©ffel)arbö eine mafjre 2)i^terfd)ule üon SBalalifrieb inä Seben ge= rufen rourbe, mo -Jiotfer 33albulu5, ebcnfaUä no^ im neunten 2iof)i;l)unbert, bie erften ©equenjcn bi(^tete unb in ben „Gesta Caroii" bem großen ^axi ein poetifc^eä ®en!= mal erbaute. 3lber mar bod^ ein bcutfc^er ^aifer, bem l^icr lateinifd) gel)ulbigt mürbe, um beffen fiegge!rönte§ .^aupt ^icr Segenben fid^ raanben, unb menn mir biefes Satcin bei 'ipaul dou SCßinterfelb beutfc^ lefen, etma bie 35allabe pon bem cifernen Äarf, bann ^aben mir bic ©mpfinbung, ba'^ bieä nie oon einem Sfiömcr l)ättc gefc^ricben roerben fönnen.

©ö ift äu^erlic^ geblieben am beutfc^en ^olfe, biefeö JRömertum, aber cS i[t geblieben. 2Bir fönnen feine bel)arrli^e 3tnl)änglic^feit Sßittelalter unb 3ieuäeit l)in= bur^ oerfolgen, in 5tird;e unb ^olitit, in 5lunft unb SBiffcnfc^aft. ©eroiffe .^öl;epunfte ber mittelalterlid)en Siteratur finb bafür bcjcidinenb. ©oetl^e fd)rieb in ^ejameteru einen „Sfieinefe %ü6)^", ber in feinem Urfprung lateinifd^ ift: fomol)l bie „Ecbasis captivi", bie um 940 entftanb, mie ber „Ysengrimus" beä 3Jiagiftcrö 5Iiiüarbu§, ber aroei ^aljr^unberte jünger ift, finb in lateiiiifd^er Sprache gcf^rieben ; unb alö f(|on einen l)od^beutfd^en „Jieinelc" gab, tta rourbe biefcr mieber 1567 oon bem brauen .^art- mann Sc^opper inö Sateinifd£)e übertragen. 5?ann man anl)änglid^er fein? Dber benfen mir an baö 2)rama. ©eroi^, bic fe(^ö lateinifc^en Äomöbien ber ©anberö^eimei 3lonnc .^rotöüitl) liegen au^erl)alb ber eigcntlid)cn ßntroidlung beö beut)^cn 'Dramoö.

6 i^ic Wiunblageii bcr bcut)d)cti Öitcrotur feit Woctl)e^ lobe.

^bcv öie -latindjc ift nid)t lucflaulcußnen, bo^ oud) baö crfte beutfc^e ^lunftbroma latei:: nijd) flcfdiricbcn irurbc; unb lucmi lUQljr ift, bn^ bic Stüde beö STerenj, nad) bem ^roi&nit^ fid) rid^tetc, cbcufo luic bic i{}rigcn auö bem alten 3Jiimuö l^crauägcioodifen finb, bann i[t boö Satcin auc^ bcr Überbringer beö 58oIf§fd)aufpieIg geroefen. Songc blieb bic (>)nnbcröbeimcr 9bnnc Dcrgejfcn. 9lber im fünfäe^nten 3al)rl)unbert oon ^on= rab ßcltcö micbcr aufcrmcdt, eröffnete fic im ac^tjefinten ftolj Oottfc^ebö „9lötigen Vorrat ^ur «cfd^ic^tc bcr beutfc^en bramatifc^en ©ic^tung", unb ^eute rcirb fie in beut= iä)cv Übcrfc^ung fleißig gcicfen, bcrildfic^tigt auc^ oon SBinterfelb. 5ßom (Spos mar ic^on bei bcr ermätinung beö SBatt^ariliebcö bie 9f!ebe. (Sine ergönjung fteUt ber in gereimten 4>eyametcrn gebic^tcte Sioman „9tuoblieb" au§ bem elften 3Sa^rl)unbert bar: in lateini)d)er Sprache erfc^eint ber erftc t>eni\6)c dtxüex, ber mit feinen 3lbenteuern in einen größeren 3»i^ommen^ang geftellt roirb. 5lid^t anberö ift in ber Sprif. „•(iaudeaiuus igitiir'' fingen nod^ l)eute bie „Stubiofi", jumal bic ber „^orpo= rotioncn", luenn fic longc genug über bem „Corpus juris'' ober anbern lateinifd^en Tiingen gcfeffen l)nben. %m bcr 3:;iefe beö ^Iiittelalterö fommt biefer oertraute Älang mir fennen ilju am bcr poctifc^cn Sammlung ber „Carmdna burana"/ auö ben Iateinifd)en Siebern bcr SSaganten, (Soliarben unb ^ofulatoren, unter benen ber %v6)u pocta, ein ^eitgenoffe J^arbaroffaS, ber berül)mtefte mar. Seine t)on SBinterfelb naö)-- cmpfunbene 33agantenbeid)te „Meum est propositum in taberna mori' fcf)mettert nod) ^cutc ^elle ^ugcnbluft in bic 2Bclt :

Seglid^em ^at bie 9?atur Zugeteilt bie @a6en, 9?ü(^tern fd^teiben, baju mar Sd) noc^ nie ju ^aben.

9Hd)tern fte^' ic^ meit jurüd hinter febem Knaben. 5)urften, gaften! e!^er nod^ Safe id) mtd) begraben.

I)iefe(ben ©efü^te, bie in manchen 3lugenbliden unfere ^ugenb erfüUt ^aben, tommen ^icr au SBort p lateini)d)em Sßort! m6)tö berartigcö lä^t fid) in folc^er ^rül)3eit beutfc^ finben unb mit bem 3al;rl)unbert nac^ ©oet^eö %otc literarifd) ücr= binbcn. Dicfcn %o\\ aber lonntc aud) ©oet^e, beffen üon gelter fomponierteö SSaganten^ lieb „^rum, '^rüberc^en, ergo bibamus" bie greube unferer ^lommetfe, bcr Jammer unferer .^loüicrc gcroorben ift.

Dabei fel)en mir noc^ gan^ ab von bcr Sebeutung, Die ha^i Sateiu im ^ufammcii^ ^ang Des floipfc^en Slltertumö unb ber 3lenaiffance für bie beutfd^e Siteratur erhalten ^at. ^m auf eineö fei l)icr nod) ^ingcmicfen : baö Sftomanentum alö (Srben beö 3Römcr= tums. Xief im SBlut ftedt bem !Dcutfcl)eu bie ^Serounbcrung romanifdKn SÖefenö, roaö burd) bie ?J{enaiffance aUciu nid)t ju erflärcn ift. 3luc^ ber politifc^e 9liebergang Dcutfd)lanbö feit bem Drci^igjäl)rigen Kriege fann l)ier nic^t aUe ?^ragcn bcantmorten, 9Bir fommcn rciebcr auf ben ©egcnfa^ ber füblic^en unb nörblic^en 5^atur unb barum jugleid) bcr iiultur jurüd. SBarum feiern mir bic Beiten ber Dttonen unb §ol)en= flaufcn als bic fvJlanjcpoc^en ber beutfc^en ©efc^idite? Diefe ^aifcr finb nac^ $Rom ge. gangen unb l)aben bem beutfc^en ^rieb ^ur SBcite, ber beutfdien ©cf)nfud)t nac^ bem fonnigcn Sübcn maum gegeben. Der .^aifer, ber am liebfteu in "ißalermo rcfibierte,

Saö (»Jennanontum. «

Ulli) QU beffen ^ofc fic^ bic Üuuft öer romaiii[rf)cu ^roubobourö entfaltete, griebric^ II. er raurbe ber ^nla| jur iBarbaroffafage, bic eine ganj^e Sitcrntur unb ein beutfc^eö .^9fff)äu[crbcnfmal jur golgc §Qtte. Unb atö ber beutfrf)e ^aifertrourn in bem ^a\)x-. I)unbert noc^ @octf)eö Xobc ä"r (Erfüllung bräugte unb fc(;(ic^üd) 1870 (SrfüUung fnnb, "t^a gefc^of) tm burrf) eine lange Utcrari)c^c, po(itijrf)c unb triegcrifd;e 3luöeinanber= je^ung mit bem 3fiömer: unb Sf^omancntum.

^njroijdien ift ber 3Bclthicg gcfommcu unb \)üt t>(\Q ^erftäubniö für bic (Sigen= art unb (Sntmirftung ber gevmnnifc^eu unb romnuifc^cn 5SöIfcr, bie 9lanfe cinft fo ronnberf^ön in il)rcn 3(nfängcn belouf^t ^at, ucrtieft, crmcitert. ®ic 5lu(tur ber lotei= nifd)cn ^iaffe ift tua^ Sofungömort unfcrcr ^cinbe gcraorben. 3)h"i{)fam l}aben mir oon ben ^obenid)iIbcrn bic rünii)d;=ronianifd;cn 3(uffd)riftcn geljoit unb uuferc opeifefarte t)erbcutirf)t. 9Ibcr baö innere l'(n[el)nungöbebürfniö nn tia^j ÜfJörnertum lä^t firf) nic^t fo fd^neE befcitigcn, unb ütcvarifd; unfterblic^ bleibt bie 3e{)n|ud)t nad; bem Sanbe, in baö unö @oett)Cö ^iDtignon Ijincingefungcn ()nt, bem Sanbc ber üJJarmorfnuten un^ ©olborangen.

©ö f;ie^c f(^ou an biefcr Stelle eine fleinc @cfd;id)te bcu bcutid;en iiitcratuv nac^ ©oet^cö Xobc iiormcgncljmen, moUten mir im cinjeluen ücrfolgen, mie fel)r ^a^ 'Hömcrtum litcrarifd) ju ben ©runblagcn uufcreö geiftigcn Sebenö biä in bie (Segen: mart l;inein gehört. $50, fd;on ein 33ücf auf bie „^iffcrtationen" mürbe liierju gc^ nügcn. llnrömifc^ nbcr fei bic ferne 3iifi'iU"t, ber mir juftrebcn, bie bem ©ermanen gel)ört.

3. ^a§ Gicrmanentum.

ift nur bie 'Jolgc ber gefc^i(^tüd;en (Jntraidlung, bap erft an britter Stelle haö ©crmancntiim 0I0 ©runblagc ber bcutfd)en Siteratur nad^ @oetl)eö ^obe genannt roirb. Sinb bo(^ fogar griec^ifc^e unb römi id)e Sc^riftftcncr bie crftcn, bie etmaö uon ben (Sermanen rciffen.

'grcilic^ l)abcn im (Svunbc Die (Sermanen bod) felbft äucrft if)rc @efd)ic^tc ge= fc^rieben. Slbcr bicfe (3ef(^id;töfd)rcibung muffen mir in ber 6rbc fud)en: in ten 43öl)len 9!litttclbeutf(^laubG, ben 'ipfülitbautcn Der fübbcutfdjen unb beutfc^^'^'öeiäcrifc^en Seen, ben 3}iufd)c(()aufen am bänifc^eu otvanbe, ben Sd)erbeftätten ber ^'urif(^en 9?ef)rung, ben uorböcutjc^cn unb ftcirifd)cn Urnenfclbcrn, ben nieberbeutfc^en Xox^- mooreu unb bcu mcftprcuf5ifd;cn Stcinfiftengräbcrn. 2Bir fönncn bicfe ®cf(^id;te Ijeute mül)cloö ftubiercn, menn mir bie Dicc'bc3üglid;cn ütufccu befud;en, bie fic^ in ben meiftcn bcutft^cn §auptftäbten bcfinben. Unb and) biefee ©ermancutum ift ber 2ite= ratur nad) (Soctbcö Xobc nic^t fremb geblieben, mie :'){aabcö 'Jloocllc „.^vcltifdje Änoc^cu" jeigt.

3(ber bic iBcnu^ung foli^cr 3)iotiuc allein ift nid)t bie mirflid;e (Srunblagc ber Siteratnr: bic rnl)t niclmcf)r in unö felbft, unfercm ©cift unb (Sljaraftcr, fomcit fic fid) literargcf^id)tlid) entmideln, beuten, üerftel)en laffcn.

^ie (Sermaneu fönncn fid) bcö 3ciifl"if[f'J freuen, 'OiK il)nen fdjou früli uon bcu 5ßölfcrn ber füblid)cn .Slultur auögeftctlt mürbe. (5o ift nur fdjabe, bof? non bcv Sd^rift

8 Die l>>iuui)la9cii öci l)eutjd}cn Sitcratut [cit (^üetf)Ci5 Soöc.

bcö i^vtljcüö üoii )äi<x\\iVia, ber um 340 üoc ef)rifti ©eburt jur 3brb)ee!ü)te fegcae, fo lüciiig übiig ßcblicbcn ift. 3iur ein paau uiiflarc geograp^ifcle äJorfteUungen, bie ft(^ QUf bic Dftfcc, bic ^nfcl i^orii^olm luib baö Samlaiib beäiei)en mogeu, finb ba no(^ üufjufiubcii, uiib und) fic nur burc^ bic a>erniittlung jpätercr Sc^riftftcEer. «ei bem 3iljübicr ^^iüfciöoiuoö (130—40 u. Gl;r.) tüiicf;t äum crftetimal ber 9bmen „©ermanen" (regfiavoi) üuf, Ulli ben je^t an\ä neue ber ©treit eutbraunt ift.

2)er 9Jümc ift [o rec^t bcäeic^ncnb für bnö ©ermanentuui, benn n ift unger^ manif(^. 5)ic beutfc^cu 'i>olfö[tämme nannten fic^ (^t)eruäter, (Statten, Stlemanneu, graiifcn, Sac^feii, :i3ntaücv, Sigambern eine gemeinfame, äufainmenfoffcnbe ^Be^eiclj^ nung aber, ha^ 3)icrrinar i^rcr einl;eit, mußten it)nen erft bie gremben geben. (So fragt fic^ nun, rcer biefe roarcn. 2Bor;er t)atte ^ofeibonioö mn Stpamea, jener gric= ö)iid)C jyüii4)ungcirei)enbc unb ftüifd;e P;ilofopt), baö Sßort, alö er um taQ ^al)X 80 D. 6ljr. aniüonbte, um bie äiöifc^cn dxl)cu\ unb SBeirf;fel anfäffigen SS'oIföftämme ^u hi- nennen? S^enn üUc [pätcren ©c^riftfteller, auc^ (Säfor unb ßicero, gel)en auf fein, bei SitlKnäuö erljnlteneö Fragment b. t). auf fein im übrigen uerloreneä @efc^ic^t§= weit aurücf. Tlaxi ^attc fic^ barauf geeinigt, tia^ feltifd^en Urfprungö fei unb üieUeic^t fouiel mie Jiac^barn bebeute. ^njraifd^en aber ift mit neuer 33cgrünbung bic ^9pot^e)c mieber aufgetaucht, bafj taö SBort rein lateinifd; unb cntfprcrfienb bem grie- <^ii(^cn yvi'jaiog mit „ec^t" jn überfe^cn fei.

^ber fommt nic^t barauf an, wie niid^ anbcrc nennen, wei^ id; nur, raer i(| bin. Xu ©crmancn iyuf3ten unb äum Überfluß and) iijxc 33eurteiler. 3)ie „(Ser= nianio" bcö 2:acituö ift bafür ber befte 33eix)ciö. 2)iefe ©cf)rift t)at erft im neun^el^nten ^Q^rtjunbert gaiij bic ©teEc eingenommen, bie it)r gebütjrt. «lonb, blauäugig, ftart, gefunb, tapfer, treu, eigenfinnig, jum ^i)Iegma neigenb, in ber SfJeligion ber 3fiatur äu= geroanbt, ber @nge unb bem Silbroert abgeneigt fo erfc^einen bie ©ermanen bei ^acituö, fo finb fie im neunjefinten 3a^rl)unbert geraefen, Sßaö biefen ©inbrud" ah- fc^ioäc^t, läf5t fic^ auf bie 3Sermifd;ung mit anbeni 3fiaffen äurüdfü^ren.

Siefein germanifc^en (Srunbd)araftcr ift auc^ bic Siteratur nad; ©oettjeö ^obe ireu geblieben, ^erglei^en mir mit il)r bie ber anbern europöifc^cn SSölfcr, fo fud^en mir ^ier ncrgcblic^ bie treuf;cräigcn Qüqc, bic fc^on bic älteftc gcrmanifc^e Siteratur uusjeic^nen. Xen Segriff „@emüt" !cnnt nur bie beutfc^e ©pracfie.

2)amit treten mir auä bem meiteren iircife bcö ©ermanifdjen, ju bem im Hlorbcn ja aucfi bie ©c^meben, ®änen unb S^ormegcr, im äßeften bie 3lngelfac^fen, 3iieberlänber unb giiefcn gel)ürcii, roäl)rciib bie oftlicljen ©otcn, SSanbalen unb ©epibe« ouögeftorben finb, bereitö l^erauö unb in 'üaö 3)eutfd)e, einen ^raeig bcö 2Beitgermani= f(^en, Ijincin. %üd) biefe Unterfc^eibung unb bie germanifcl)e SBiffenfd^aft alö ©anacö ücrbantcn mir erft bem neunjclinten Sa^rl)unbert, alö bie 33rüber ©rimm in ^a^ S)unfcl ber alten gcrmanifcf)en ^cfte einbrangen.

S)arum fc^Uc^t fic^ bie jüngfte unb älteftc 3cit beö gefc^ic^tlic^cn @ermancn= tumö 5u einem feftcn 3flingc gufammen. 5Die gotifc^e Sibclübcrfefeung beö Sifc^ofö Sßulfila auö bem oiertcn ^al)rl)unbert mürbe neben ber iölänbifc^cn (Sbba ouä bem breijc^nten, bem angelföc^rilc^cn ^clbcncpoß „33eomnlf" auö bem elften unb bem alt^

SaS ©crmancntutn. 9

föd^fifd^en „^eliaiib" aus bem neunten ^ai)rl)unbert bic ©runblagc cjeinianiftifc^ev 5^or[c^uug im ©cle^rtenäimmer unb germaniftif^eu Stubiumö in bcu .^örfälcn ber Unioerfitätcn. ^c^t erft cntbccttc man, ta^ bie Sprad)e ©oetljeö unb ©d)illcrö an Srf)ön^eit mit jcber anbern, and) bcr griec^ijd^cn, italicnifdjeu unb franäöfif^en, au[= nc[}men fönnc, unb man tjab \id) 3Jiü^c, bie (Seiebc ju crgrünbcn, benen fie im Saufe bcr Sa^rf)unbcrte gefolgt mar. SBaö l^attc man frü[)cr üon gcrmanifrfier unb f)od)beutfc^er SautDerf(^iebung, uon 3{btaut unb Umlaut, uom Scljnroort unb üon bcutfd^cr £aut= maierei gemußt V 2)ie alten ©agen mürben roiebcr lebenbig, am ^immel erfrf)icncn in prächtigen SRaturbilbern bie alten germanifi^en ©ötter, unb eifrig begann man nac^ Sc^önl^citcn ber älteftcn bcutfi^en Sitcratur ju fal)nben, um fie bann mit benen bev auslänbifc^en ju ücrglci^en unb für beibc ta^ gletd^e £unftgefe^ feftäufteUen. 2)er "alte Stabreim rourbe für moberneö S)icE)tcn unb Überfefeen l)erbeigel)olt unb p^ilo= logifd^e ^cftfritif auö) auf gcrmaniftif^cm ©cbiet für bie 5ßorauöfe^ung, biöraeilcn fogar für ben .^ö^epuntt miffenfcfiaftlic^cr 2lrbeit crflärt.

^oö) im a^t3el)nten ^iölir^unbcrt l)ätte firf; fc^merlic^ irgenb jemonb für baä ^ilbebranbölieb bcgeiftcrt, ta^i 1812 uon ben Srüberu ©rimm l)erauSgegeben rourbe unb tjcutc, nac^bcm fid) ein 58erg gelehrter unb fc^öngeiftiger Siteratur barüber auf= getürmt l)at, in mani^en Schulen üon Slnfong biä 5U (inbe aueroenbig l)crgefagt mirb. ßä ift mcrt: nirgenb fonft ^ommt bie altgcrmanifc^c §elben!raft mit il)rem %xo^, il)rer ^reuc, il^rem SSaffcnflirren fo üoUtöncnb 3U SÖortc. „Welaga nü, waltant got, wöwurtskihit": „2Bel;c nun, maltenber (Sott, 2Bel)gefd^i(f ge)c^ief)t/' ©in breif ad^ee „2B" im ©tabrcim malt prädf)tig baö üielfac^e SBcl;, baö ber SSatcr Ijereinbrec^en fie|t, rocnn er feinen cinjigcn 'Bol)i\ im 5\ampfe erfd^lagen foUtc. ^ier Xragif unb ^on 3U erfüffen, ju beuten, blieb bem legten ^al)rl)unbert üorbel)alten.

©0 mar aurf) mit ben anbern altl)0(^beutfd^en S^eyten, ben 3JJerfeburger ^üubcrfprürficn, bem 3}iufpilli, ben Stra^burgcr ßiben, ber 6Dangclienl)armonic bec SBei^enburgcr 9)töncl)ö Dtfrieb, ber ben ©nbrcim in bic bcutfd)e Siteratur eingeführt l^at, bem ßubmigälieb unb ber alten ^rofa. Selbft bic 3Ranbgloffcn, bie üon ben 3Jiön(^cn in oltl)od^beutfc^cr ©prad^e gur ©rflärung latciuifd^cr SBorte l)ingemalt mürben, famen ju ücrbienten @l)ren.

ßrmägen mir, ba^ in ber 3eit nad; @octl;eö Xobe bic litcrarifd^c ^ritif jum größten Xeil in bie §änbc bcr ©crmaniften überging, fo ift ber ©influjs flar, ben bie germaniftif(^e SBiffcnfd^aft juglcid) auf bie Gntmidlung bcr ^unft gemann. ^Daö Ijat 5U mancher SBerfennung literarifc^er SBertc unb innerer 33erufe gefül)rt, anbererfcitß aber ein f)eilfamcö ®cgcngemid;t gebitbct gegen feuittetoniftifc^e 3lnma^ung unb gegen Übertreibungen in mcltlitcrariid)er, bcfonbcrö römifd;:romanifd;cr Seäiel;ung. 2Bir roiffen beffer, ha^ mir ©ermanen finb, feitbem mir unferc eigcnftc SBiffcnfc^aft unb unfere älteftcn Sitcraturbenfmälcr entbedt F)aben, unb mir bebürfen ber frcmbcn Sprad)e nic^t mcl;r in bem ©rabe raie frül)er, feitbem unferc eigene unö barüber bt- k^it l)at, micoicl Scfjön^eit unb 2ßal)rl}cit beä 3luGbrudö täc\l\ö) über bie Sippen auc^ be& gciftig ^Ürmftcn gelten fann, menn er rid;tig bcutfd; fprid;t.

©0 ift bae ©ermanentum burdj feinen 6l)avattcr bic ©runblage bcr Siteratur

£ic (>5nml)Iagcn Der beutfcljeu l'itcratitr feit Woctlje^ ^obc.

10

mä) (>)octl)eo Xobc öcbliebcii, öuvd; feine 2Biffcnid;aft in ®oett)eö Filter neu geroorben. Üntm jüngftcn Öc)d^kd;t aber ift cö, immer Qufö neue ju jeigen, bn^ SBeftüterahir unb iHömcrtnm jnm ©crmnncntum l)inanfän)rf)auen ^nben.

:IUö Wrunblagc Der beut)(^en iiitcrotur narf) C^ioetfjeä 5;obc fam au|er ber "ßeltlitcrntur unb bcm 3iöniertum aml) boö ©crmancntum nod) uor bem (5l;ri[tentum in 3^ctrad)t, Denn nor ber d;ri|tlid;cn gab bereitö eine beibnifc^e gcrmonifd^e Site^ ruiur, uon ber bcfonberö bie 3)ter)cbnrger 3a»&crfprüd;c jcugcn. 3(u^erbem bürfen löir nid)t uergeffen, bn^ (il;riftuö ausging üon ber jübifd)cn Slationaircügion, ta^ o([o ^Diütinc Der 'J^ifc unb :)iütion fiterarifc^cn ©influ^ ba ^aben, mo fic auf ben erften Sölicf auögefd)altet fdjeincn. ß^rifti Sföort: ,,@el;et bin in bic SBelt nnb Iel;ret alle 3Sölter" fte^t in f^roffem ©cgenfafe gum .3(ltcn ^cftanient, baö bod} imnier{)in bie erfte §ölftc aiid) ber diriftlid)cn iöibet bilbet.

1)er golbene £d)immcr ber Siebe, ber auö ber i:!ci;rc bcd 3ittn*ici"i<''inöfot)nec< uon SZa^aretf; flo^, liegt ja faft ouf ber gefaniten SBcÜHteratur, gci)ört alfo in biefeni öinnc bereits ju jener SSeltfuttur, bie iion bem germanifc^en l^olfc in feiner erften ^ugenö übernonnncn mürbe. 3(bcr bie £raft beö ßl;riftcntumö reidit meiter unb lä^t firf) in ben SBirfungcn auf bic Siteratur nid)t burd) bic Siteratnr allein begreifen.

^n jener 9^ad;t, ba in 33ell;lef)em ben Wirten auf bem J^clDc haö ©uangeüum beö gricbens nertünbet marb, nmrbc bic @eifteögefd)ic^te ber 50ccnfd)^eit um mir luiffen nic^t micoiclc ^n^j^'trtufenbc uormärtö gefdinellt. ^l\ä)t immer liat ha^^ ei)riftentum bie ücrl)ei^cnc gro^c greubc unb bös SBoljlgcfaUen ben aJJenfdjen gebrad)t, mie bie äal)ltofen .Uämpfc ämiid)cn ß;i)riftcn unb 3f(icl)td)riftcn, d)riftlic^en .tonfeffionen unb ©etten bcmeifcn, unb I)at SBelttriegc nic^t üerf)inbern fönncn. ^a, t)at ben „Dienern bee SBorts", bie 3JJcnf(^cnlicbc unb nic^tö meiter ju Idjrcn i;aben, bie glüf)enben 2ßortc bcö .^affeö unb nationaler 9(ufpcitfc^ung erlaubt. 3lbcr nidjt 6I)riftuö, uon bcm mir nur .^o^cö unb ©uteö miffen, frcilid) and) nid;t eine einzige cigcn^änbig gc)d)ricbcnc Seile bcfifecii, unb nidjt bic eüangcliftcn unb :?lpoftcl finb fd)ulb baron, fonbern bic mcnfd)lid)en £d)mäd;cn, bie ^u befämpfcn baö ßbriftcntum gcrabc beftimmt mur. ^JOi'an tann Das 3inngcbid;t ucrftc^en, \)a^5 ^^riebrid) uon Sogau in ber traurigen Seit bCö Xrcifiigjäbvincu .Uricgcö nicDcrfd)rieb:

Sut^rijd), ^^Qpftifc^ unb Salbinifc^ biefe Glauben alle brei ©inb öür()anbcn, bod) ift ßnjeifel, mo boi ß^riftentitm bann fei.

CSl;rifti )d)lid)tcr Sinn mar jebcr ^^ormenftrenge, jeber Ci)laubenöftarre, jcbeni ?iunf unb jeber 5iu^crlid;fcit abgcmanbt. 2Bcr feine burd) bic (Söangclicn nbcrmitteU tcn 3Borte lieft unb aUeö p^autaftifc^e 3f{anfcnroer! ber Überbringer, bic meufc^IicE), geiftig tief unter il)m ftanben, bcifcitc lä|t - ber finbet nic^tö alö Siebe unb ©cift, nne marm()erjigc 33otfd)aff bcö aKenfd;tngIüc!ö. Unb bicfe ift eö, bie baö Sefte and) für bie SiterotuT getan ^ot: fie gab i^r neue l^bealc.

i

2)a6 6f)tiflenliim. ^^

5Öa^ im ©runbc ber %unc bem Sieid^en, bcr ^öric^te bcm Älugcn, ^er BUavc beni ^errn gleid) fei, bo^ i^r Sßert nur burd^ il;r ^crj beftimmt loerben tonne, burc^ ben @rnb i^rcr (jilföbercitcn Siebe ju allen 3Jknfd)en, roelc^er ^a\\c ober roeW;en ©laiu bcnö fic auä) feien baö raor namentlid) bem Slltevtum etiüoö fo 'Dlcueö uub Unfa^= bareä, ba^ mir unö über bae (Srftaunen, entfefeen, @eläd)ter ber i^lten, jojern fie ^u ben üüui '^n\a]i S3cgüni"ti9tcn get)ürten, nid)t munbern bürfen. (Sin @ricd;c joUte bem Sorboren, ein römif(f)cr 33ürger bem jc^roarsen Slfritancr gleid) fein? 3Bnr boc^ fclbft bie grau im älltertum bem SJionnc nid}t ebenbürtig unb in il}rer fojialen Stellung ein in ftlauifc^er 3lbl)ängigleit geljolteneö @efrf)öpt- ©ö ift nicl)t nuöjubenfen, mic allein unferc ^Romane unb ^loöeUcn ol)nc ha^ 3)Jotiu jener auf gegcnfeitigem 5ßcrftänbniö unb gegenfeitiger .^orf)ad^tung rut)enben Siebe ^roifi^en 3Jknn unb Sßcib l)ätten entftel;en foBen, bie begriffli^ burd; tai (Sl)riftcntum erft gefc^affen rourbe.

Unb nun jielje man bicfe 2inie meitcr ju allen 9J?enfc^en unb erfcnne bie un- gelieure SBirtung beö ßliriftentumö : bie gan^e Literatur ift feitbem in fittlidier 23e= jie^ung faft üUöfd)lie^Hd) eine 2luölöfung beö d)riftlic^en ©cbantenö geworben. 2Bie fönnten mir ©oct^eö unb Sc^iUerä Sßerte, raie fönnten mir bie fojialen ^bcen, bie nad) @oetl)eö ^obe neu aufblül)tcn unb literarifd)en älusbrud fanben, üerftet)cn, menn mir nic^t mie bie morgenlänbifc^en Sßeifen ben Stern über Setl)le§cnt leud^tcn folgen!

2)iefeö mar junädift ju betonen, ha^i G^riftentum in feinem SBcfcnötcrn, in bem uon feiner anbern monotl)eiftifd)en Sf^eügion errcid;t mirb. 3Baö ift auö ben nic^t^: djriftlidjen Sficiigionen für bie Literatur l;eranegefommen? '^\ä)t met)r aU einige 'perlen ftiH befc^aulid)cr ^l)antQfic. ^ic jübifd)e S)id)tung ift bei bcm Stltcn Xeftnmcnt ftel)cn geblieben, bie arabif(^c bei il)ren 3)Mrd)en uon Sßüften unb ivalifcn, ol;ne baf3 bie ©ebanten 9Jiol;ammebö anberö qIö ju perfönlid^cm Crigcnnu^ jitiert mürben, bie inbifd)C fomol}! nac^ ber braljmanifdjen mie bubbljiftifc^en Seite bei il)ren alten (Spen unb 2Bci5:; Ijeitsfprü^en, bie d;incfifcl)e unb japanif^e bei Sonbcrbarfeiten, für bereu uolleö )8tv- ftönbniö man bie ^TJaffc roed)feln mü^te bie gefamte mobcrne Literatur aber beruht auf bem (Sl)riftentum, minbeftcnö fo, bo^ fie fid) babernb ober jmeifelnb mit i^m auä^ einanbcrfe^t.

®iefe 2Bir!ung teilt bie beutfdie Siteratur mit aücn ßiteraturen ber Sßcit. !?Inberc SBirfungen aber l}at fie in gröf^erer ober flcinercr ^^ebingt^eit für fid) allein.

Gin 33ticf auf bie @efd)idjtc mad)t ha^ tcntüd): bie diriftlic^c 5i^ird}C entftanö im ^ufamment)augc mit bcm beutfd;cn ^aifcrtum. Karl ber ©rof^c, bcr jum crften 3Ra(e beutfc^e §elbcnlieber fammcln liep, rourbe im ^a^rc 800 uom ^^3apfte jum Äaifer gefrönt, ör mar aiKi), bcr für bie 3(uebreituug beö Gbriftentumö in ^cutfdfitanb forgte. 3ioc^ mel)r alö biöl;cr mürbe unter feiner .s])crrfd)aft bcr ^rieftcrftanb ber Präger >ber allgemeinen Silbung. T)ic «^olgen fonnten nicbt auöblciben: ber geiftlid)e 6l)aratter bcr Literatur, Die ohnehin auö ben .S{loftcr= fd^ulcn f)eroorging, trat immer ftärfer Ijcroor. ^n l)iftorif(^eu ?)lomanen l)aben X>ic^ter beö 19. $^al)rl)unbertQ biefen 3"l'tfl"^ treffenb gcf^ilbcrt, fo Sd^cffcl im „6ftet)arb" unb i^regtag in ben „3U;nen". 3tber nic^t nur bie T)id)tcr marcn (Seiftlidje, fonbern naturgemäfj mar aud) il)r Stoff mcift geiftlic^cr Ülrt. 5Som

12 Sic (äirimblagcn bct beutfd)cn Sitcratiu- feit ©oet^eS ZoDe.

^^iclionb" iiiiD üüii Otfricbö (Suangeüenliarmouic rüav ja fc^ou bie 9tebe. 2)iefc 3)ic^= lungcn l)nbcii burrf) fidi fclbft, sumal burc^ il)rcu ©egenftanb, auf bie «iteratur mä) (ijoctljcö Sübc nid)i mclju ciiiiuirfcn tonnen, unb nod) weniger bie überlieferten alt^oc^- bcutfdjen (iJlaiibcnöfüruieln, 2:üufgclübniffe, eünbenbefcnntniffe unb 58aterunfer, fei bcnn mittclö bcr gcrnianiftifdjcn 2öiffen]rf)aft. 3lbcr fie aUe fteUen eine ununterbrochene iicttc bür uon ber nlteftcn bis äur jüngften 3eit, bei ber \iä) ein biblifc^eö 2Kotip on baö

anbete reil)t.

25ev Müuipf öunfdjcn '^a\)\U unb ^oifertum um bie 2BeItf;errfc^aft war ein Äümpf 3{omö mit 2)eutfrf)Ianb. Söieberum ging um Probleme beä ^riftlic^en @e= banfenö unb Sebens. 2)ic ^reugäüge mürben eine roefentlic^ beutfc^e Angelegenheit. So ift bcnn and; bie mittcli)od;beutfd;e ®id)tung erfüEt üon c^riftlic^en S^een, bie oon SSalt^er uon bcr Jöogelmeibc politifrf), üüu SBofram üon ©fd^enbac^ feelifd^ üerorbcitet merbcn. Sie ganje ©ralöfage ruf)t auf ber c^rifttid;en ^eilölet)re; unb bamit bcfinben mir uns miebcr im neiin5et)nten ^af)rf)unbert bei 9fiic^arb aßagnerö raufc^enben Stfforbcn.

%nö) boö bcuticlje 2)rama ift ouö bem (Sljriftentum ^erouögcmad;fcn, äu^erlic^ mie inncilid), bcnn feinen 2lnfang bilbeten bie fird;Iid;en S[ßeit)nad^tö= unb Dfterfpiele, an bie uns t)cutc noc^ bie Dberammergauer ^affionöfpiele erinnern, unb feinen ge= famten Stoff lieferte au^er Segenben bie Sibel. ©elbft bie luftigen gaftnoc^tftüc!e finb nic^t bcntbar ol)ne haö d)riftlic^e 5lalenberjol)r.

2)abei ift geblieben in ollen 3n)eigen bcr -^oefie. Sie löibel mit il)rem 9iei^= tum an 3JJotii)cn unb Silbern ergriff bie Sit^ter unmiberftel)lid^, au^ unfere £Ia[fifer bamit mar boö ficgrcic^c SSorbringen d)riftlid;er Sid^tung aud) im neunjeljnteu ^o^r^ l)unbcrt entfdiieben. (So gibt faum ein biblifc^eö 3Jiotiü, 'i)a§> fd)on bie aJleifterfinger, üttcn Doron .^onS Sod^ö, nid^t bearbeitet l)ätten. Sie 3fleformation belebte 'O^n reli-- giöfen @eban!en unb fc^uf burd; Sutljer boö eoangelifc^e ilird^enlieb, haö man lieutc fingt mie cinft. Älopftodö „aUeffioö" unb geiftlidie Dben mürben mad)tüoUe görbercr <^riftlicl)cr ^^ocfie, geftü^t iljrerfeitö burd) ben beutfc^en ^^ietiömuö. Seffingö Äampf mit bem .^^ouptpoftor ©oege unb fein SSefenntniö jur Xoteroug im „giat^on" rüttelten bie ©elfter auf, nodjgubenfen über jene emigen, fo oft mi^ocrftanbenen SBa^r^eiten. Siblifd) begoun ©oeti)e, ongeregt ouc^ burc^ <pcrbcr: baö ift in ,,Sic^tung unb 2Bal)r- ^cit" für jeben erfcnnbor. Sie 3eit nod) @oetl)cö Sobe üoUenbä fül)rte nic^t nur biefe Sinie meitcr über ©erkort ^ouptmonnö „emonuel Ouint" l)inauö, fonbern brachte noc^ bie 2luGeinonbcrfe^ung beö Gl)riftentume mit ber jungen 9kturmiffcnfc^oft I)inju.

(5s ift fid)er, bo^ eine rein c^riftlic^e Literatur burcf) fid) felbft noc^ feine fünfte lerijdjcn SBcrte befi|t, bo^ uiclmet)r bie 33efcl)räntung auf irgeubein d)riftlic^eä Sogma litcrorifc^ ju töten uermog. Umgelelirt ober !ann feine Literatur, bie roeiterleben miß, ben 2Seg uernicibeii, bcr in biefcr ober jener 9flic^tung über 33ct^lel)cm fü^rt.

!Saö JKittcvtum.

Unritterlidj fdjcint auf ben erften Slicf bie 3eit noc^ ©oet^eö STobe gemorben gu fein, Denn bie ^Homontif blübtc in ben erften brci Sal)räel)nten beö neunae^nten

■2)aö SRitterhtm. l-"^

$5al)rl)unbcrtö, unb unfere <B6)la6)tcn roerbeu iiirfit mcfjr in prächtiger Srüniic unb mit Derjierten ©d;iuertern gcfrfjlagen. 3lud> bic ^fleigung, eblc 3)Qmen auf I)o§en Salfoucu anjuftngen ober fic gar uon bort ju entführen unb \\d) i'clbft aufgubürben, i)at oeräroci; feit abgenommen, '^on Ijolbjeliger, ueröberüdter 3Jtinnc roiU feiner mel)r cima^ roiffen. 6in jeber ift feines (sigenl;eimö fro^ unb Ijütct feine freie ^cit lüic feinen foftbarftcn S^a^. Unb bocf) : ein 3Ibenb roieber bei 3f{id^Qrb SSagner, unb fie ftcigt auf in i^rem ©lanj, jene perträumte, üerfunfene Sütterniett. Unb mir fel;en fie auf unfern 33ilbern, erleben fie, erfüttt freiüd) mit mobernem Seben, in ben neueren unb neueften 1)i^= tungcn. ^h Hauptmann ben ,,3trmen .geinri^" ober ^arbt bie „©ubrun" bearbeitet : finb bod) bie alten SßorfteUungcn dou Seben unb ©lud, roenngleid) fie it;r ©eroanb geme^felt l^aben, unb fic gcf)örcn ju ben unoeräu^erlit^en ©runblagen and) ber £ite= ratiir nad; ©oet^eö %obc.

9kin beutfd^ ift ba^ Siittertum nid)t, unb bic 5lreuä§üge, auf benen htt§> gefamte abüge 2Ibenblanb gufammentraf, forgten bafür, talß ju jebeni 5ßoIf getragen luurbe. 3)ic eigcntlid)cn ^beale bes 9f^ittertum§ aber §at allein bic beutfd;c Sitcratur beö 5)?ittclalterö auögcbilbet.

3Son ^rantrcic^ famen bie Sieber ber ritterlid;en Xroubabourö, bic (rpen ber 3:rouiiereö, uor altem 6l)reftienö dou Xxoye^, na6) 2>eutfd^lanb I)erüber. 3lbcr ba mar nur oon galantem Siebeefpiel in glattgeformten SScrfen bie 9tebe. ®aö äußere Slben- teuer mu^tc für bie nötige (Spannung forgen. ®er SBec^fel, bie 33untl)eit beö ®r= lebenö ^gab ber ®id)tung SBert. 3:;9pifd)e formen bilbeten fid^, bic auc^ üon Seutfd;cii uac^geoI)mt rcurben, befonberS ba^ ^agelieb : im 3)corgengrouen bläft ber Xürmer fein 2Barnungö3eid;en für bie Siebenben, beren 3tbfd^iebätlage nun beä ®id;terä %l}Qma ift. Ober i>a mar bie 3)Mnne!lage : ber ^ic^ter finbet bei feiner S)ome feine (5rl)örung. Oft lüor fic rerbunben mit ber 2Bintcrflage : fo öbe unb falt mie in ber 9]atur ift cS nun im liebefe^ncnben ^erjen.

3)ie ?^orm mar bic .^auptfac^c. Sie mar ja auc^ im l;öfifd):ritterli(^cn Seben. ^rgenbein unglüdlic^cr £önig 3trtur, ber in 33ritannien alö ^eltc gegen bie 9lngcln unb 'Sad;fen gefämpft Ijahcn fott, mürbe jum Inbegriff ritterlid)en SBcfenä unter bem S^amen „^önig 3trtu§" abgeftcmpclt. S)o fa^ er nun mit feiner ©ema^lin ©incüro in bem britifdien ßaribol ober bem franjöfif^cn 3flante§ na'^e bem SBalbe Don 33rcäilian, in bem man bie munbcrbarften 2lbenteucr erleben fonute, roenn man oon 3lbel unb ritterlicher ©efinnung lüar. ^Da mochte man mit Sömcn unb 35rad)cn fömpfen, ocrjaubcrte <3d;löffer befud;cn unb eblc j^rauen befreien, .^eiratete man biefe aber, fo ergaben fid; neue Äonflifte, neue 3lbcntcucr, unb fd;lie^lid; l^ie^ eö, ritter; lid^ unterjugel^en, menn man nid^t baö @lüd {)atte, ©ralgfönig ju werben mic ^orjiool.

2)er @ral ift gemifferma^en ha^ Sgmbol für bie Bereinigung bcö SUttcrtumc; mit bem 6l)riftentum. ^ene Stufenfd;üffcl (gradnlis), in ber ^ofepf) dou 3trimat^iQ boö 33Iut (£I;rifti aufgefangen l)obcn foll, erfc^eint alä (Slüdöfpcnbcrin, alä beö Sebens l)öd^ftc§ 3iel, alö jeber 3Sorfte0ung äu^crfte ©renje. 2Ber ben ©rat anfrf;aut, bebarf feiner 5J?al)rung unb uermag in ber betreffenben 2Bo(^e nid^t 5U fterbcn, fclbft menn er tobfranf bavnieberlicgt. Bon ©ngcln nadb bem 5lbcnblonbc getragen, fd)rocbte er nad^

14 2)ie WnmMaöcit ^l'l■ beutfc^eu i.'itei-atuv feit WoctljcS ioDc.

i)cr Sage über öcm fvaiiifcljcii löcige 33tüiit)alüai3c, luo i^m bann Siturel, bcr doii feinen (iltcrn am ^eiligen (^kobc Erbetene, einen wüvbicjen Tempel cibaute.

©ort mirttc ber ©ral bei allen SBürbigen nnn SBnnber unb ßrlöfung; innere aöunber unb innere (i-rlöjiinö aber nnr nad) ber beutfd)en ^icbtung SBolframc uon Ijfd^enbad).

$yon äßolfraniö „^Paräiual" [übrt ber SSeoi unmittelbar über @octt)eö ,,gauft" ^u bcr .^Mteratur beö legten .3al;rl)unbcrtQ, bereu grö^tcö, ipcnn nic^t eingiged X^ema bie (irlöiunci&fracjc murbc. 3rf)openl)aucr, 2Baöncr, |)ebbcl, ^bfen, Hauptmann, ^Jiie^)d)c, baö jüugfte ®cutfd)lanb [ie alle grübeln, [innen, fragen: „2Bie entrinne idi ben Übeln bicfeö ©a)einö, aumal bcm größten Llbel, mir felbft?" „(iö ift nic^t möglich", lautet bie ^Jlntiuort, „5:ragit i[t bein Sd)ic!iül, trage eö!" „@ä ift möglic^-'', bejaljte freubig bas ©ralömärc^cn beö a)iittelalterö, bas SBolfrom mit bcutfdiem Seben erfüllte.

2)icfeG ®id)terö ^^arjiüol ift cinföltiger unb barum beffer alö bie ©ro^ftabt^ fnnben ber (Scgenmart. ^n 3Balbeö ©infamteit treu üou mütterlicher Siebe gehütet, bie ftirbt in l)erbem 3Be^, alö er gegen i£)ren SBunfc^ 5u ritterlichen abenteuern auö= 3icl)t, lüei^ er nicE)tö oon ber SBelt, als maö bie SSögcl i^m fangen. 9lur feine beutf^c Ä'raft unb fein beutfct)cö Hinbergemüt bringt er in bie SBelt aber ta^j ift bereits me^r, alö biefe in i^rer ©efamtljeit ju bieten uermag. 3)arum fann bie pfifdt)e ^VL6)i, bie il)n ber greife @urneman§ lel;rt, il)n nid^t bauernb befriebigcn. So mar ber @rat nur uon rümanifd;cn, ni&it aber üou beutfdjen IJiittcrn ju gerainnen, unb mu^te man auö) in birctter Sinic uon S^iturel abftammen raie ^argioal burd) feine 3JJutter ^erje: loibe, fo gab hoö) ben ^uöfd)lag bcr Gl)ara!ter. 33ci bem erfteu Sefuc^ ber (Sralöburg )cf)ipeigt ber l^öfifc^ raot)l erjogene ^argiöal, al§ er ben fronten ©raläfönig Slnfortoß leiben fieljt, benu ©urnemanj ijat il)n gelehrt: „1)u foUft nid)t juoiel fragen." 2tber feine innere, ©ntroidlung unb ber gciftlid^e ^ciftanb feineö anberen Dl)eimä, beä 6in= fieblers ^reDrigcnt, laffen il)n feine 3Bol)leräogen^ett §urücfbröngen gugunften bcs notürlid;eu ^eräcnötoneö unb auc^ feine Bi^eif^l an ®ott befämpfen. ©o gcroinnt er mit feiner lieblichen ivonbrairamur bie ©ralöfrone, fo roirb er beä ©lüdEeä 3Jleifter.

ein reicher Stral)len!ran3 teud)tet oon SBolfraniö „"iparäiüal" über baö neun= äet)nte 3al)rl)unbert l)in. Überall finben roir Spuren biefeö nie erlofd;enen Sichte. Sclbft bie iiinbeöfeele in Titterlid)er Umgebung unb (Sräiel)ung ift bem ^aljr^unbcrt bcö Äinbes üorgebeutet, raie bie ©eftalt bcr rciseuben ttcinen Dbilot beraeift, bie il)rem ^Hetter unb 5Ritter ©aroein m6)mmt, ha er fic nic^t als feine grau mitnel)men raill: fie mu^ fiel) rociter mit il)rer ^uppe begnügen.

??ic^t ber ^arjioal allein ift cö, bcr im ncucnseljnten 3al;rt)unbert lebt raie guüor. ^arjioals Soljn Ijei^t Sol)engrin: haö ift fcl)on bei SBolfram ber Sc^roanritter, ber bie •öerrin üon 33rabant befreit unb ijcixatct, biö fie il)n burcl) il)re ucrl^ängniöooUe groge nacf) feiner .^erfunft üerfcl)euct)t. ^n SBolframö gragment „^iturel" roirb unä in l)err= licfjen, tlangfd)önen SSerfen öon ^araiuale $8afe ©igune erjäljlt, bie il)ren @eliebten Sc^ionatulanber burc^ eigene (Scl)ulb oerliert unb bann, raie roir im „'iparäiDal" cr< fnliren, fid) an feinem ©rabe ju ^obe grämt. %ü6) I)ier rairb eine ritterlicl)e Übung : ber

Soö aiittcctum. 15

(i)clicbten jcbeii nod; )o launcut)a[tcn 9Bunidj öurc^ ritterliche Seiftimgcii erfüllen, bcn Öiebenbcti jum SSeriiänpniö. ^mmer aber ift bicfe 2iebc öentfd), benn [ie ift innig iinb treu.

(gö ift jeltfüui, iDie fidjer Daö neuu^etjnte ,^al)rt;unbert literarifd; geiuäl^lt tjat. Söolfrnmö „2BiIlct)alni" i)üt ebenjo mie ^einrid) uon 33elöefcC' „(ineit" ober ^art; mann uon xHueö „^lucin", „(jrec" unb ,,@regoriuö" nnl)Cäu nergcffcn. :Hber ^art= manne ^/Jlrmer ^einrid;", ber jum Sterben 33eftimmtc, fann nic^t ftcrben, lüeil fein Äieibcn geljoben mirb burd; bie einfad)c Selbftaufopferunö eines cinfad)en 9JMbc§en6. Tioe ift raieber fo rcd^t ein bcutfd)Cö 9)cotiu, luürbig ber gebcr eines §einri(^ oon ^leift. 3luc^ ber ^Koniantitcr [ül;rte nod; fein Kätl)d)cn uon ^eilbronn snni ©lud. oonft aber nnterfc^cibet fid; bier bic Siteratnr bee nennjel)nten ^abrJjnnberts t)on ber ritteriid^cn beö 3T{ittcIalterö.

®ic Ainnfte^)itcr bee. l)öfi)d;cn ^Jüttertnms bidjteteii alle ungefähr um büs ^alfx 1200, bamalö als c^ermann uon 2^^üringen in ©ifenad) unb auf ber SBartbnrg prächtig ^üf t)ie(t mit bcn größten ber niittelI;od)beut)c^en 2)id;tcr. Um jene 3cit berei^erte (Sottfrieb uon Strasburg a\i6) hü'5 Z^cma ber Siebe um eine 2eibenfd)aft, rcie fie im ailgemcinen ber franjöfifdien Literatur ml)(x liegt als ber öcutfdjen. :^ber gcrobe f)icrüon bilben bic legten .^otjrjel^nte bes nennäcl)nten ^a()rt)nnbcrtC) eine 3(uSnal)me. 3n .^arbtö „Tantris ber 5iarr" geminnt bie bilboolle Sdiilberung iuciblicl)er Sd)ön^eit fogar Übermaße. 'I)amolö roic I)cute mar bies etmaö Unbeutf^ccv bamalö mie l)eute gab i^^anfrcidi bagu ben 5lnfto^. Ungcljcuer l)at in biefcr 23cjiiel)ung 3^^^'^-' ^Tpcn:: mentalroman unb bancben bie ^oefic öcr >Dctabcnten gemirft.

SBenig »erbinbct bngegcn bie Sprif jene 3cit mit ber unfcrcn. SBiv lefen SBalttjer yon ber 33ogelmeibeö Sicbeslicb ,,Untcr ber Sinbe", erfreuen uns an feinem ftoljen (äefang auf X)eutfc^lanb, betcl)rcn uns burd) feine politifdjeu ©ebidjte über eine ber faiferlofcn, fd)redlid)en (i'podjen, laffcn uns moi)l nud; nod; haö eine ober anbcrc lT|laicn= unb SRinnelicb gefallen bann aber mögen mir nid)t mel)r oiel uon bem ^^crögetlingel, feinen eraig mieberbolteu HJotiuen miffen: ba,^u mürben mir prouenjalifd)cr Ober= fläd)lid)teit bcbürfen. 9hir noc^ literarl)iftoriid), mie Ublanb tia^j tat, i)at taö '^aiix- l)unbcrt, ta^ mit G>oetl)eö Xobc begann, für bie I)öfifd)c Sprif Slufmcrtfamlcit gcl)abt. 'Diit genialem 33lid aber l)at SBagncr bcn 3Jiinncfang bort gefaf3t, mo er beutfcb mar: bei bcn ^Jiürnbcrgcr 5)teifterfingern. 2)aämifc^cn liegt eine Sßelt. ^ae ^uloer \)atk bie Sfiitter Dor i{)ren 33urgen gcftür-^t, bao .^anbroert Ijattc Sebcns^öbc in ben beutfd)cn Stäbtcu gemonnen. Tic 5ieu^eit mit iljrcn (Sntbcdungen unb (STfinbungen mar angebrod^en.

3lbcr menn mir l)eute in ber SBartburg 3d)minbö Öicmälbe bctradjtcn unb oon M f)inuntcr}d)auen auf bie grünen mogenben SBipfcl bcö 2^l)üringcr SBalbeö, menn mir bcn SBartburgfrieg auf ber 23übnc in Sang unb Klang auöfed)tcn l)örcn, menn mir ben :')il)ein f)inunterfal;ren an ftral^lcnbem ^agc unb über unc fid) bic 33urgcn, bie Scl)löffcr 3um §immel reden : bann möcf)tcu mir boc^ bicfe einfüge SBclt mit il)rcn )d;immernbcn furnieren, i^ren ftoläen 'Damen l)oc^ ju 9to^ mit bem ^agbfalfcn auf ber ^anb unb i^rer grenäenlo)cn ?)fiittcrlid)tcit in Kunft unb fieben nid}t miffcu. Sic ift ein 53eftanb^ teil ber bcutfd)cn ^oefic gcmorben, mic fie ein Gntmidlungoteil beutfd)en 2cbenci mar.

16 3)ic ©riinbloflcu ber bcutfd^cn öitcratnr feit ®oetl^e§ lobe.

Kini[t= mit) ajolföpocfic finb nic^t ganj fcfiarf uoiieiiionbec ju trennen. I5ö ift bod) immer einer, ber jucrft ben ©ebanfen I)at, ein anberer, ber i^n oiellei^t umbenit ober umformt; unb mögen anö) uiele ©injelperfönlic^feiten fein, fo ift bot^ nic^t i^rc Summe, auä ber unisono ber neue S^on ^erauöüin^t. 3lIfo nur infofern untere treiben fid) <i{unft= unb 5ßolföpocfie ooneinanbcr, aU an einer Schöpfung, menn fie bcm Solfe ^ugcfdjricbcn racrben foU, meljr aU einer gearbeitet i)at unb fein einzelner auf fie 3ln)prnd; ergebt ober ergeben borf.

2)enji man glaube boc^ nic^t, ^a^ bnö „3Sol!" nur immer einföltig unb treu= tjerjig benfc unb biegte. 3tuö ben in bicfem Sinne äufammengefuc^ten groben Id^t fic^ nid^tö tSnbgüItigeö fofgcrn. 58iel 3iol^eit, ober ouc^ oiel unücrmutete ?^einl)eit ftecft in ber ilunft bcö '^olteö: eine Kunft ift bocf), roenn bie Sichtung gelungen ift unb oor bem berufenen ilunftric^ter befielet.

ßin jmeiter gelter märe e,§, bie SSolföpoefie nur in ber älteften unb älteren 3eit 3U fud;en. (£-ö mirb gor ni(^t fo longe bouern, biä unfere ©egenraort für fpätere ^ol)r= toufenbc ju ber älteren, menn nidE)t gor ber älteften 3cil gel^ört. ^ebcn ^og mad^t bie i8oltSbid;tung in ungcfäf)r bemfelben ©robe ^^ortfdiritte mic bie SSerme^rung te^ 3JIenfc^cngefd)led;tö; nur bo^ fie in bcm 3}ia|e an ber t)ielgerül)mten ^ormlofigfeit unb ^iaioität, bcm fogenonnten „3[^olfgtou", oerlieren mu|, olö bie Ijö^cxc 5lultur, t)or allem bie geleljrte Silbung, fid^ ber breiteften 3Sol!öfc^icE)ten bemädlitigt.

2)emnac§ märe olfo eigentli^ überflüffig, bie 3Sol!§poefie olö ©runbloge auc^ ber beutfc^en Siterotur nac^ (Soetl)e6 S^obe nadiäumeifen, benn biefc ift offenbar in feinem ^olire, oicUeic^t an feinem 3::age ol;ne eine bcaditenörccrte 3ficufd)öpfung auf bem ©ebiet ber Solfsbic^tung geblieben. 2lber ift !lar, bo| ber 3lnfang jeber Site: rotur nur einmal fein, bie erfte (Srunbloge mitl;in niemolö bur(^ eine äroeite erfe^t werben fonn. 33efonberö für bie SSolfäpoefie trifft boä su: fo auf fic^ felbft unb bie 'Jlatm bcfc^ränft, fo auf bie reine ©mpfinbung jurücfgefc^raubt lüirb unfcr SSolf unb ebenfoiucnig ein onbereö nie roieber raerben, ol§ war.

Sßonn mar boö benn nun? fragen mir. SBir fennen feinen SScrfoffer tz^ ^ilbe^ bronbäliebes, ber 3)ierfeburgcr ^oubcrfprüd^e alfo ift bog 5ßolföpoefie. S)a Ratten mir benn alebolb jenen tonflift graifdien itunft unb SSol!: bie ^ec^ni! biefer SSerfe ift für boö oc^te ^olirljunbert boc^ fo bebeutenb, bo^ unfere größten ilünftler fro^ 3 gercefen mären, menn fie ^^nlic^eö in jener bunflen 3eit, bo no^ fein beutfd^er gürft lefen unb fd)rciben fonnte, äuftonbe gebrockt l)ätten. ^o, märe es Sotein geroefen, bie iiunftfpradje, bie in ben 5llöftern gelef)rt murbc, unb für bercn poetifdicn ©ebroui^ man in 33irgil unb .«Qoras ^ol)e SSorbilber befo^!

^üö „Diibelungenlieb" unb bie „©ubrun", bie beiben großen mittelFioc^beutf^en Solfäepen ber ^Jiitteräcit, fül)rcn un§ juerft ju einer ergänjung unfereö, burc^ ein^ fQd;fte Folgerungen fcftgeftcUten Scgriffö ber SSolfgpoefie, benn fie ermöglichen einen -^crgleic^ mit ber £unftpoefic. (5ä mar ja biefelbe 3eit, oljS ber „^orsioat" unb bie onbcren .Uunftepcn ber l)öfifc^cn 5Dic^ter entftonben. Sofort fäHt bo on ben beiben

I)ic 3iolts;)oefie. 17

©pcn, für bie !eiii beftimmter ^ßerfaifer narfjäiuücijeii ift. Die leirf)terc, naiocre, ja ötrbere Slrt ber Sluffoffung unb, namentüi^ metrifi^ unb ftiliftifc^, oud) ber ätuöfü^rung auf. SBolfram oon Q:\ö)^nba6) lüürbe fid; eine fol^c fünfte unb lui^lofc SSerä= unb ©ebünfcnform nie oeräeifien. Sßir f)ören nirf)t bas Selbftgefüf)! ber j(f)affenben ^erfön= lic^tcit 5u unä iprerf)en, fonbern Derne^mcn über bem ©d^ictjal eineö ganjen Golfes, boö im ^vampfc mit einem anberen [legt ober untcrgetjt, boö üon bem tleinen SinäeU fc^irfjal abgeroanbtc glügelraujc^en ber ©irigtcit. 5lein ^arsiöal mad)t ba cor unfeni Stugen feine mcujd;lid;c, alläumenjct)lid)e (Sntiüidlung burd), jonbern im Xobeöfturj ber SZibelungen ertönt tü§i allgeroaltige, allen gegeniuärtige Sieb oon 3Jienjc^enüebe unb 3Jienid;en(eiö, unb im SBogenraufd) ber Diorbfee, an ber ©ubrun barfuß im 3)Jär5fd)nee ber grimmen ©erlinb SBäjd)e iüajd)eu mu^, ertjebt fid) ber fröt)Ii(^e ^ubellaut von mcn)(^nd)er 2:;rcue unb mcnf^lidiem (Blücf. 2)aö ^elbentum ber $ßoIföbid)tung oer^ teilt fic^ f)ier auf fo Diele, unb in großen 3Jlaffen treten roie auf ben Silbern ber Schlachtenmaler bie 9tittcr jum Stampfe an. ^roein, ©rec unb ^argioal bagegen bleiben allein biö jum 6nbe.

^ür boö fd^öpferifd)e ®enie inbcffen ift mi Unterfd)ieb jmifdien 2Solf§: unb Kunftpoefic nicfit üorljanben. 3^icl)arb Sßagnerö /,3fling bes ^iibclungen" ^at feinen onbern 5llang in ^infid^t ber befproc^enen 2)kr!male alö fein „Sannl)äufer" ober ,,^ar5iDal", unb .^ebbelö „Jiibelungcn^S^rilogie" tonnte ebenfogut ein Jlunftepoä jur ftofflic^en QueEe Ijaben. gcftftellen aber muffen u)ir rüieberum, ba^ erft bag neunjelintc 3al)r^unbert ben Sßert ber älteften beutfc^en SSolföpoefie erfannt f)ot. 9J^it roel^er 3Seract)tung roieä noc^ griebrid) ber ©ropc altbeutfd)e ^eyte auö feiner Sibliotl)e! t)inau6! Um fo ftärter ioud)§ im legten 3al)rl)unbert bie Scgeifterung für aUeö, roas 0U5 ber S^iefe ber !Colföfeele 5u ftrömen fc^icn, unb mer l)eute ein neueä SSoltälicb ent: becft unb einem ber ja^lreidien 3]erbänbe ober gar einer ^^nti-'^Ifonuniffion für bie Sammlung unb 33earbeitung üon SSotföücbern ^utommen lä^t, ber gewinnt fic^ oiel größere Sfnerfennung, alö roenn er felbft ein 2)u§enb ber f(^i3uften @ebid;te gefc^rieben l)ätte.

2)aß bem fo ift, oerbanft baä SSolfölieb, luie jeber loei^, ben uon ©oetl^e unter= ftü^ten ^öeftrebungen .^erberg, bcffen „Stimmen ber Golfer" (Semeingut beö beutf^en SSolteö geworben finb, foraic ber 5Romanti!, oor allem ber Sammlung 3(rnimä unD Srentanoö, bie fie „®eö Knaben 2iBunberl)orn" nannten, unb enblid^ ber Sammlung beutft^er 2Soltöbüd)er unb il)rcr ^erauägabe burd) ©örreö, Simrod unb Sd)n)üb.

9toc§ größer aber alä bie 33ebeutung biefer Sammlungen ift i^rc Sßirfung auf bie .Uunftpoefie feit ben Sagen, ba ©octfic fein „.^aibcnröölein" fdirieb. 5ßon ba au rourbe ber naioc ?iaturlaut flaffifd). S)aö finblid;c ©emüt übcrrcanb loieber einmal ben 58erftanb ber $8erftänbigen. Sßenn wir bie 2t)rif nad^ ©oetlieä Sobc neben bie beö fiebjelinten unb ai^tgelinten ober eineö früt)eren ^a^rl)unbertö l)alten, bann crfl ftauncn luir fo re(^t über biefe unübcrbrüdbare 5lluft ätüifc^cn gelel)rter £ünftelei unb bem einfallen ^er^enöton, bie allein bie Äriti! oor fic^ nieber .in ben Staub wirft.

2)ag befte Seifpiel für bie angebeutete SBirfung ift au^er ber Solbaten;, :;5dger= unb Siebeölprif bie 'öaUabe, in ber feine Literatur mit ber beutfdien feit ©oetljes

Oc^Ife, 2iie bciitfc^e ßitctohit [elt @oct^c§ Zobe iifm. 2

18 3)ie l^rimblagcn Der bcutfc^en t'iteratui fett ©oct^cö lobe.

Xobc aiifiümmi tro^ S3ür9cv unö Ch:ö berüi)mtcn !(Qffijrf)cn SanQbenjaI)reä 1797. ^-öiö in bie legten %a^c Ijincin [trömen immer neue SaUaben iwn S)ic^tern unb ^ic^te^ rinnen ber bcntfc^en ^oefie ju, 33aIIaben üon ^oi)em ^lunftgcfiil;! unb bod) nic^t benfbar o^ne bic föriniDlage, bic [ic in ber SSoüöbirfjtung üorfanben. Unb roenn aii6) nic^t olle )o gelingen mic cin|t ©oetljeES „%\\6)ci", raie je^t oiclc oon bem 9innge ctroa ber „odjönen i^gnctc" i^lgncö ^JJciegelö fic überfteigen an Sßert boc^ bie oft rcc^t plumpen 58oltöIicber ber neul;od)beutjc^en grü^äcit, bereu perlen, raie boä £ieb uon ben bciben ilönigötinbern, bie einanber fo lieb f)Qtten, glcirf)U)oI)t in ber 3Hcnge ber rocnigcn glänaenben Schöpfungen nur um fo l^eEer ftro^len.

2)er ilultuö beö 3^oIfötoneö f)at in bem ^Ql)rf)unbert md) @oetf)Cö ^Tobe fo loeit gebracht, ba^ bie fünftlcrifd^e ^nbinibnalität pgunftcn ber 3J{affeninftinfte ; gerabeju untcrid)ä^t luirb. Daö mürbe eine ©efa^r bebeutcn, roenn nic^t boc^ ber einjelne, §öljer fte^enbe ©cift, raie 9iirf)Qrb Sßogner mar, imftanbe märe, überfc^auenb, leitenb, fc^affcnb ©runblagcn baburrf) äurüdtretcn ju (offen, 'oa^ er auf i^mn roeitcr^ baut, ben Sobcn baburd^ ücrfd;minben ju laffen, ba^ er in i{)n ben 33aum pflanzt. 2)ann ipri^t über biefen ben Segen Sfiüdertä Sprud) im „^antt)eon" : „Wxt beinern Sßipfet reic^ inö fiid)t unb lo^ bic SBurjel trinfen!"

Z ^ic 9ieformatton.

2)ie Befreiung ber ©eifter oom ^06) beö ^^apfttumö mar eine Xat, bereu SBirfungen in benen beö ßl^riftcntumö feineöroegö aufgef)en. (S^riftuö brockte Siebe, fintier ben Äompf. ßf)riftuö rooHte alle SSöIfer jufammenfdilie^en. ^m 3^^<^" ^^^ Äreujeö gefd^al; baö in ber erften !ird)lid)en ©emeinfc^aft. Sut^er löfte biefc @e- meinfd^aft um ber @emiffen5freit)eit mitten roieber ouf.

2)aö 3af)rf)unbert nac^ ®üet()eg 2^obe fu|t auf bem c^riftlic^en ilulturmerf jmeier ^a^rtoufenbe binfic^tlic^ feineö fittüc^en ©etjaltö. Sic ^Reformation f)at etmaö gans anbereö beigetragen: fie l;at bie eti)if oon 'iRom loögelöft.

Seit 2utt)er erft gibt ein Schrifttum, beffen SSertretcr ni^t unter !ird;Iic^er 3enfur ftet)en unb feinen Sannftrai)l ju fürcf)ten brauchen, ^iefe ?^rei^eit ber Site= ratur tann nur ber ermeffen, ber fid^ üergegcnmärtigt, mie uor^er mar. Seit ben Sagen ber macferen 5lircf)enüäter unb Sc^olaftücr gab nic|)tö SBertüofleö ju fagen, maß nicf)t in rechtgläubige SSejictjung ^ur ilirc^e gefegt werben fonnte. ^§ilofopf)ie, ^oefie, Stftronomie, 3fl^etorif unb ©rammatif alleä ^atk bireft ober inbireft ber aUeinfeligmac^enbcn 2el)re ju bienen. SBar 3(riftoteIeg mit bem at{)anafianifc^en ÄatFioüjiömuö in Ginftang ju bringen, bann mar er ein ^i)i(oiop(). Soor baö nic^t niögücf), bann mar er ein Äefeer.

3JJan begreift, mie unmittelbar bie Literatur t>on biefem Stanbpun!t abt)ängig ift. aßcr feine 3eile o^ne 9iüdfic^t auf ein beftimmteä 3)ogma ju fc^reiben cermog, ber ift ein litcrarifc^er 3)iener ber «i^irc^e, aber fein ^ünftler, fein Sc^riftftetter. ^nbem iiut^er ber Literatur bie ^rei^eit gab of)ne ju motten : er felbft backte an feint onberen als bie religiöfen 3iele , legte er ben ©runb ju jeber neuaeitlic^cn Siteratur unb Siteraturgefc^ic^te.

2^ic 'JiefoniiQtioii. l^

(Sin giueiteö, waö fid) an^ ber ^iefovmatiou für bie Literatur ccgab, luor bie Belebung bcr religtöfen Setrac^tungöroeife jelbft. 2)aö, roorübcr man biöljcr nur in gcleljrtem Satein ju biöputicren ober üer[tot)[cn 311 flüftcrn roagtc, trat nun awö ^eUe %aQeöü6)t, unb jcbcr burfte jagen, wie er bariibcr bQd)te. 3iirf)t mit einem 3)kle cr= folgte biefcr Umfc^iDung unb nidjt überall 5U gleicher ^dt. (i'ö märe gefäljrUc^ gcrocjen, noc^ 2utt)er gegenüber, bie rationaliftiicl)c a>crnunförcligion bcr 3lufflärung ucrtretcn ju moUcn, unb ber ©enfer äicformator Galoin jögertc nic^t, bcn anberägläubigcn Serüetnö, ganj im ©til ber 'Sljriftcnoerfolgungen bcr romifi^eu ilaifer ober bcr jponi= f^en ^nquifition in ben 9tieberlanbcn, auf bcm Sd;eitcrl;anfen ucrbrennen ju laffcn. 3lber ber ^Infto^ ^ur :8efrciung mar gegeben, hinter bcr breiten Stirn beä berbeu 33ergmannöfo^neö anö ©iöteben, ber baö redete SBort für bie breiten 9Jlaffen beö 3Solfeö fanb, regte fic^ ungeftüm eine neue SSolfötraft, bie 'oa^j fird)üd)=fat[;olijc^e 33eicl)t!inD fd^lie^Hd^ umfc^uf 5ur freien, mobernen ^erjönlid)feit. 3(uf biefcr neu geraonncnen ©runblage erl;obcn fic^ bie flaffifd^cn beutfd)en ©eftalten, felbft menn fie mie :3pf)igenic griec^ifc^en ober mie 9tatf)an jübifc^en 3iamen trugen, crftauö liaii, rcligiöfe '^^ßroblcm feit ®oetl)cö Sobe in unjäliligen gormen unb faft bei jcbem bcutfc^cn ^ic^ter unb ^cnter^ o§ne ta^ irgcnbeiner oon il)nen fic§ notmcnbig beffen bemupt fein mü^tc, iia"^ bie ©runblage aud; jcineö tlcinftcn religiöfcn, aber fird)enfcinbti(^cn @cbid)teä bie 3lefor= mation gemefen ift. teufen mir bann nod; an protcftantifd)e 'sprofa roic bie ber ^aoib Strauß unb ^arnad unb an tia^j Svirdienlicb, fo t)abcn mir ungcfäfir Daö bcifamnicn, maß bie iReformation an reügiöfcr Siteratur ben 3)eutfd)cn befd^crt l)at.

2)aä britte, maö bie 9tcformation ju ben ©runblagen unferer mobernen Sitc= ratur beitrug, ift bie beutfdje 3d;riftfprad)c. Sutljcr felbft fjat gar ntd;t baran gebac^t, eine fold;e ju fdiaffcn. ^Iber er moEte, \ia^ feine :öibclüberfe^ung oon allen üer- ftanben mürbe. '3?od; um 1500 mürben faft atte 'Büdjcr in bcr 3Jtunbart ber 2anbfd)aft gebrudt, in ber fie erfd)ienen. SJiau mad;e \\6) flar, maö ha^ l)eipt. ßy märe genau fo, aU menn mir l;oUänbif^c Schriften lefen müfsten. ^\<i)t beffer oerftanb ber Dber^ baijer bcn 9Jtärtcr, ber 3c^mabe bcn gricfcn. ^nbcm Sutl)er bie allen befannte ätmts- fprad)e ber faiferlidien S^anglci, bereu fid; M\ä) bie furfä^fifd^c ^aujlci bebiente, mit bem frifd;cn Seben feiner eigenen ^eräl;aften 9]cbcmeife erfüllte, bie er im Umgang mit bem niebercn S3olte immer mieber erprobt latte, gab er bcr neuen beutfd)cn Literatur im molirften Sinne eine ©runblage. dlo6) l^cnte mirb nicf)t allen leidet, felbft ben pröc^tigen 2:;ialcft %x\i^ ^lenterö ju Icfen. 3)a^ biefcr aber überhaupt auffällt unb alö Seltenljeit feine SSüräc i)at, ha^ er etmaö ganj anbereö bietet alä bie Sd;riftfprad^e büö ift ebenfaUö 2utl;crö fprad)li(^cr Sd;öpfung ju banfen. 9tur baburc^ !onnte ber ^ialeft ju Iiterarifd)en Gieren tomnien, ba^ er ni(^t baö 3tlltäglid^e mar. So ergab fid) a\x6) biefe SBirtung ber Sieformation oott erft in ber ^^it "«rf) ©i>etl)eö Xobe.

Sc^lie^li^ manbern unfere ©cbantcn no(^ mit ©octl)e nad) Sefen^eim, in baö eDangclifd;e ^farrl;auö, i)ai in ber bcutfd)en Siteratur bcfonberö beö legten ^ai)V' f)unbcrtö eine fo gro^e 9iollc fpiett. 2Bic l)ätte ber foebcn crmäf)nte ^^ri^ 3fteutcr in feiner „Stromtib" ol)ne bie frieblidjcn ^vaftorGlcutc aucfommen rooUen, bie alten mie bie jungen, bereu länbli^eö öeim mie einft in ^o|' „Suife" ben feften SKittelpuntt ber

2*

20 Die ©nmölaflcit öcr beutidjcu Öitemtur feit C5)0ct(;e^ Xobe.

^Qiiölunö bilDctV mcv blonb, \o rec^t ein beutjd;cö (3retd;civ mu^ fc^on fein, boö bcutlc^c ^[nrrtücötcrlcin, mnn mv bie Slefovmatiou qIö eine ber ©runblngen bcr Siteratitr imc^ ®octl;cö 3:obc biö 5U (S'nbc ancrfciincn joUcii.

8. Oicttaiftaucc unö ^umaniöinttö*

@an3 unriaii3öfi)c^ ober unlatcini[c^ ift fcineö bcr ^eirf)id)tad)eti bcutfc^cn Sa^r= ijunberte gcireien unb [ic^erü(^ iiidjt baö nad) @oeti)eö Xobc, in bcm boö f)umomftifrf)e ©gmnafium bie ©riuiblagc jcbcv I)ül;cren 23ilbung luiirbe.

^m 3u)ammcii^nngc bcr SScItlitcratur luurbc and) bcr griccJ)i|c^=römijc^eu eiiiflüiie unb bei bcm ^^cma beö 9iömertumä auc^ bcr ronTQnifd;en gebockt. 2tber bic SIntife bean)prud;t roirflic^ i^r befonbcreö i^opitel, nid)t nur in einer Sitcraturgefc^id^tc. S^er <£ertQncr, ber mit gra^liciien ä^ofabchi gu feiner Tlntkv läuft, ber Sefuc^cr beä 3Jtufcumö, bcr SBettreifenbc, bcr Äünftter, jeber Sc£)riftfteller, ja im meiteren Sinne jeber 3Jknfd;, bcr ein £c^n= ober grcmbn>ort gcbrau(^t, roanbelt im bunften ©chatten ber 9?enaifiance unb bcä ^umoniömuS.

5Ric^t §omcr, nid^t ßicero unb ^oro^ I;aben baö uerf^ulbet, fonbern jucrft attitalicnifctie ©ic^tcr mie Saute unb ^etrarco mit if)rem roeltücrlorenen ©tubium bcr 2lntitc, unb bemnö(^[t bic Xürfcn, bie burc^ bie Eroberung ^onftantinopclö im ^ai)xe 1453 bie gricc^ifd^c ©cleljrfamfeit nad) St'Jlißn fd;euc^ten.

S)cut)c^(anb, in ber Sciüunberung unb ?lad)a^mung bcä Stuölanbö oon jet)er gro^, lic^ nic^t auf [ic^ luarten : ftauncnb faf) eö, roie 'i>a ein alteö Steueö aufftanb, f a^ es bie SBicbergcburt (renaissance) beö f[affifcE)en 2tltertumg unb beffcn neu ern)ecftc Sbcale üon bcm ^Kenfc^cu (honxo) fd)lec^tl;in, ber nid;t firc^ücE), nic^t ^eibnifc^, ber nur nicnfc^lic^ (humauus) fein wollte; unb gemofjnt, aUe S^een mit grünblid^er ©c- ic^rfamtcit anjufaffcn, fc^uf eine neue ^tjilologie, bie fic^ üon ber üblid^en Sd;o= lüftif abmanbte unb bie ^ntife umfaßte: ben beutf(^cn ^umanigmuö, ber nod) t)eute - in ber bcfd^rönften ^tropfe .^anb oersmeifclt unb gur SScräroeiftung bringenb bie bcDorjugte beutfd)e Schule bef)errfc^t.

©crooUt ^aben fie baö nid;t, meber ber feinfinnige ©pötter ®raömuö üon 9flotter= bam uoc^ ber e^rlic^c ^o^anneö 3fieuc^an. ^f)rc 3ie(c unb SBege tagen gonj mo an= bcrö, unb bcn fernbroücn ^ftitter Ulrid; uüu §utten gar beö ©ebanfcnö bejiditigen, er \)abe §umaniftifc^c Stubicn nac^ fünft)unbcTt ^at)ren üorbercitcn rooHen, ^ie^e feinen 6t)araftcr tierabfefeen unb an feinem gefunben 3}lenf^enücrftanbe ämeifeln. 3tber fo ift es geroorben, burc^ fic unb tro^ if)reö ©eifteö. mit melc^er greube erquicfen mir unö noc^ tieute an einem mirftic^cn I;umaniftifd)cn SBerf, ben . fogcnanncn 5Dunfelmcinner= briefen (Epistolae obscurorum virorum), in bcncn baö fd^Iaue ^fäfftein ber üorl^uma; niftifc^en 3eit in feiner gangen ^efc^ränftt)eit unb S)umpfigfcit, feiner fprac^Iic^eu 2If)nungölofigfeit, feiner ®cnu^fud)t unb Sieberlid)feit an ben oranger gefteüt rourbc, unb baö in ber ^orm eines eigenen lateinifc^en ^aubermclfd). Siefe Briefe mürben Don bcr bamatigen ©eiftüdifeit für ec^t get)altcn beffer fonnte fie it)r^ö eigenen ®a= feine ^{ögtic^fciten nic^t c^araftcrifieren. ©ie fc^Iugen eine fc^neibige JlHnge, unfere

:RcnaiiiQiKc uiib ^mnanismiiö. 21

:^umQniften, beioubciö .^uttcn, bem (Sourab gerbinanb 9)kt)er ein \o jd)öncö Xenfmol gefegt ))üt unb waä ift barauö gcnjorbcu?

S)euti"c^Iaiib rourbc bort, wo nod) nid)t lateinifc^ wat ober es iiirfjt mefjr luerbeu foniitc, lueil jooicl antife 33ilbung nid;t inel)r aufjutreiben wav, franjöfifc^; benn bie 9{ciiaiffance and) boö SBort ift ja in granfrcic^ jur SBelt öctommen I)e§te bie gaiij öu^erüc^ an ben ^Regeln ber ^(ntife I^crangebilbeten franäöfifc^en ^ic^ter unb S:I)eoretiter beä Sonncnfönigtumö auf baä arme auggefogenc, bur^ ben l^rei^ig: jäf)rigcn ^rieg faft äertrümwertc Sanb jcnfeitö bcö 3iljeinä/ in bcm [\6) nun für ^a{)r= f)unberte eine antif=franäüfifd;e Ö)cleI)rtcnpoefie licblid; auftat. ITJan lefc bie tümmer= Iid)en beutfd;en ^ic^tcr uon c§anö Bad)ö biö 5l(opftoc!, mau ftubicre bcö befliffencn DpiÖ 5Bud) üon ber bcutfdien tooö g[eid)bcbeutcnb ift mit unbcutfd)cn ^octerei ober bcö angefcl;cnen Scipjiger Uniucrfitätöprofefforö @ottfd)cb „ilritifi^c 2)id;tfuuft", roenn man miffcn raill, maö für eine 2{rt oon ^oefic 9Jenaiffancc unb ^umaniömuö in 2)cutfd)Ianb auf bcm ©eiuiffcn tiabcn.

SGBie fd^roer ift Klopftocf, Scffiug, 4^crber, ©oetijc geworben, biejcu Dunft, in bem aud) ha§ alte SSoIföfdianfpicI ber gefamtcii SBcItliteratur, ber üon ^ermann dldd) miebercntbcdte äJcimuö, roie in einer 33erfcnhing uerfc^rouuben mar, ju burd)bringen, äu jcrteiten, bur(^ Ijcttc £onne gu gerftören! ^enn bie f(affifd)en ©tubieu unfercc großen Xid^ter unb il;r Slicf für bie Sdjönfjciten bcö SUtertumö ^aben mit bem ge= fpreigten .^umaniömuö bcö ad;täct)ntcn unb neunäef)nten 3'^^^()Wtt^crtö, ber fid) in Schule unb Unirerfität mit ©etc^rtcnbüufel fo I)äufig breit mad)t, menig ju tun. Stofflich freilid; blieben aud^ fie mit ben serfüUenen Überreften ber 3(ntife belaben, unb bie ^beak eineö Dbtjffcuö ober iUc^iHeuö, bie fo meit i>on 2)ccnfd)^citöl)öf)en unb @er= manenfinn abroeid^en, l;cftctcu fid; ben (Srinnpen gleid^ an if)re g^erfen. DrbentHd)e33iü{)e i)at gcfoftet, bie „^p|)igenie" beö (Suripibeö alö ein @efd)öpf ucrftaubter (St.^i! unb 5?tftl;ctif burc^ "oa^j SBerf eincö beutfd)cn Oenieö nac^äuroeifen. ©et)cn mir aber ^eutc gar uufere Sefebüd;cr burd) unb üerfolgen mir "oa bie finnlofcn SWorbtatcn ber Tonta- uben, bie ©rcucl im §aufe beö Sbipuö, boö traute gomiüenleben ber ©ötter im CIpmp, bie an 6t)araftcrftärfe unb Selbftlofigfeit kiä)i üon jebem ilonnibalen über= troffen roerbcu, bann crfcuucu mir fo rcct)t boö (5rbc, baö gutgläubige 33efc^ränttl)eit unb profefforolcr SBillc jum Seben ouö ben Überlieferungen ber Sfienaiffance unb beö A^umauiömuö für baö neunjcljute ^aljrlnmbert surecl)tgemad)t i)at Dl;ne 33etrug ücr= mog felbft haQ 43elbentum beö Ic^iHeuö ror §e!tor nic^t ju befteF)cn, unb betrügen ifl ben ©Ottern ctmoö Sclbftucrftänblic^eö.

bcborf fcineö befonbcrcn ^inmeifes, ba^ mir auc§ fouft ben Spuren biefer Semegung liternrifcf) nuf Schritt unb Stritt begegnen, ©ro^e ©elfter Ijoben bie an= fifen formen in if)rcm ilrcife mieber lebenbig gemadjt: Älopftoc! unb ©cibel J^oraj, ®oetl)c unb §ofmauuötl;al bie gricd)ifc^e Xragöbie, ©oelbc unb 3So^ ben .^omer, oc^opcul)auer ben ^laton, 3[ßiurfelmann unb fieffiug bie gried)ifc^e ^unfttl)eoric, 3Ird^Q= ologie unb ^taftit. 9hir in bem f^laucu 3(bi>ofaten Gicero Ijot bod; fo red)t feiner feine eigene ®rö|e crtcuncu mollcu. SBören bie bunllcn Sd^atten ber foft auofc^Iic|lic^ l)umaniftifc^cu Silbung nicl)t, bie uufere ^idjtcr im ncun5cl}nten ^aljrfjunbert Deuan=

22 Die «c>)nmDla9eit öev öcutfdjcii Literatur feit (^ioetf^e.'? 5obe.

iQ^tc, iiicniflftciiö ein poctifc^cö SBcrf mit antüem ^itel gu ]d)Xi\bt\\, fo fömiten rotr unö an beni üiclfnc^ unnac^aljmHrficii (Seift inib bcr ru^ig läjfigen 3lnmiit ber antifen Äunftiperto itngead;tet i&vcc )o oft rot;cn iinb bnrbarifd}cn Untergrunbcö eben]o ftlll er= treuen, luic nur bic Berte ber bilbenben Jlunft beiüunberu, bie luiö bie Sicnaiffance ßc^ [cöcnft ober erfd)lof[cn \)üt.

5Denn baö Kaj[ifrf;e 3{[tertiim, luie SBindclmami, Seffing uiib @octI)e JQ§en, ip niert, nidjt rergeffcn ju werben. Sfber nid;t biejcö, jonbcrn boö bcr geteerten Älein^ arbeit, boö bic Slufnobmc uon 6d)önf)citeiocrtcn nur ftort, nie €r(eid)tert fei bcnn nad) jaljreUingen Spc^ialftubicn nnb 'üaö von unbebcutenben ilöpfen mi^ücrftanbene ift eine ber ©runbfogen ai\d) ber Siterotur feit ©octijeä ^obe geworben. Unb toenu ©rillpar^cr lüirflid? bie „Sappljo" nnb „S)aö golbcnc 33Iie^" fo root)I gelungen finb, fo ^oben roir boppclten (Srunb i()n unb onbcre bcutfc^e ®i(^ter ju berounbern, bie jene unö meift Qbfto|enbe ©runblagc bcr S^enaiffancc unb beö ."Qumaniämuö burc^ eine anbete beutfd^c SBicbergeburt unb 9}tenfd)lid)feit 3U erfc^en rcrmod)tcn.

9. ÄtüVftorf.

SJiit Klopftoct betreten luir ein literarifdieö (Scbiet, "Qa^ tu ganj anberem Sinne eine ©runbtoge ber Siteratur feit ©oct^cö Xobe war alö aUeö, wooon biö^er ge= iproc^en würbe, bcnn üon I)ier auö gelongcn wir unmittelbar, in rein äeitUd^er Slufein^ anberfotge ^ur mobernen ©iditung. 3'^U«^^" Älopftod, Seffing, @oett)e, «Sc^itter, ber JRomantif unb bem jungen 2)cutfd;(anb liegt feine trcnnenbe ^hift mc^r: wir befinbeu unö auf bem Sobcn einer burd; ©prac^e unb ©rieben gegebenen gemeinfamen 2(nfd^ou= ungewelt. Streng genommen ift biefe nid;t meE)r ©runblage, fonbcrn ber erfte S^cil ber (i-ntwidlung. So alfo wiU fie aud) bct)anbelt werben, atö felbftänbiger crfter 3{b= fd^nitt eincö ©an^en, ber mit bem tjeutigen ^age enbct.

®aö mu^te jum SSerftänbnie uorauSgefc^idt werben, ci)e wir feftfteHen, tta^ griebrid; ©ottlicb Ätopftod am 2. Quli 1724 ju üueblinburg alä Sof)n eineä <Rom= miffionöratö geboren würbe unb am U.Wiäxi 1803 im 2llter üon 79 ^atiren ftarb; bcnn fein Scbcn ift wie feine ^oefie unö fo gan^ uerftönblic^ unb certraut.

©r wor ber erfte unter ben beutfd)cn ®id;tern, bcr feine ®cfüf)Ie unb ®mpfin= bungen für wert ^iclt, ot;ne te(^nifd;e ^utaten in bie eigene 2)ici^tuug überzugeben. 5cine iiiebe, feine grcunbfc^aft, fein ^atriotiönmö, feine ^römmigfcit, feine S3egciftc= rung für bie 3ktur tta^ aUeö würbe gu Werfen, bic nur ©cfüt)iögefc^cn ge^orc^ten. mx galten taQ f)eute für felbftocrftönblid). ^lopftod aber ^at erfunben wenn man Siatürlic^eö wie bie e(eftrifd)e Äroft erf inbcn fann : war ha, Älopftod erfaßte CG fef^erifd) unb würbe fo jum ^ropi)etcn einer neueren 3eit, bie nod; f)eute wä^rt unb bcr literarifc^en 5{ritif ben ^Tialftab in bie §anb gebrüdt \)at ®al)er finb Älopftocfö poctift^e ©cfüt)le wert, im ^inblid auf bie Siteratur feit ®oet{)es 5Cobe im einjelnen betrad)tct ju werben.

Seine fiiebe war frü()cr ba alö \i,x wirtlicher ©egenftanb. S)aö 9J?äbc^en, baö €r bereinft (iebcn würbe, nannte er in feinen ^röumen ganng. 1748 würbe feine

ÄlOpi'lOCf. '^3

g-aiint) feine Goufiiic Süpfjic Sc^miDt in SangcnialjQ, bie i^u jeboc^ nid)t luieberliebtc. ©r bcfang fie in jc^roärmerifc^en Oben, fc^ricb \i)x uerjücfte ^Briefe unb ücref)rtc fie alö feine 9Kufe, fo bo^ fogar bev alte 33obmcr fie brieflid) anflehte, bcn 3}JeffiQSbid)tcr ixxi) ju erE)ören üergebüc^. ^ann^ aber lüurbe nun im ad)täct)ntcn 3a^rf)unbert bcr 9iame für jebe i)'ö)^ne Siebe, biö fie ron @oetF)eö Sottc im „2BertI)cr" abgelöft raurbe.

®oä ncunje^nte ^Qi)r^unbert ftefjt Ijierju in boppcitcr Segie^ung. 5llopftoc!ö gannp ift ber erfte ©egenftanb einer beutf(^en S)irf)tcrliebe, ber bie Öffentlirf)teit intcr= effiert, nac^ bem fit forfc^t, con bem fie mel)r roiffcn mö^tc. ©erabc t>a§, Siebeälebcn ber S)id^ter 5U fennen, ift unö fjcute SBunfd;,. ja @eiuot)nI)cii geworben. 3lber bei Ätop= [tocf machen rair f)a(t. 2)ie vor il;m lebten, fcf)alteten \i)x @cfül;l and) in bcr Siebe für i[;re ^oefie faft gänjlid; auö. $ier ober fefjen rair jum erftcnmal jmei 33Jenfd^en Don gteifrf) unb S3lut üor unö, jiüifd^cn bencn es ein poetiid)eä Scbcn, ein ^in unb $er in SSerfen, einen ptinntafieoollcn Siebcöfampf gibt. SBomit 5?lopftod begann, boö ift ber Literatur nac^ it)m, jumal feit ©oct^e, jur unbebingten ©runblage geroorben, oon ber ]i6) IHuönatjmen luie 'ipiaten ungünftig ablieben.

®aö ift baö eine. ®aö anbere ift ber ©egenfa^ biefeö ganni};5lu(tuö jum neun; ^et)nten 3ar)rt)unbert. Sßir ^abcn baö 3fi^<^lter bcr ©entimentalität, bie burc^ bcn ^ietiömuö unb bie 2;ugenbromane beö ©ngtänberö Stid^arbfon gefteigcrt luurbe, im garten Äampf um "öa^ 33rot, im Traufen ber 9Jiafrf)inen unb Srf)riUen bei ^ampfpfcifen übcriuunben, Gin SHenfc^ fei, roie er lüoHe, nur fcntimental fei er nid;t, ift bie gorberung beö moöernen 3JJcnfd)cn. (S"ö fäüt ibm auf Die S^eroen, er I)at baju feine 3cit- So luirb it)ni aud; bie £e!türe ber ijannp^Dben auf bie Sauer unerträglii^, unb er oermag fie mit 3in\)c uiellei^t nur nod^ am offenen ^enftcr oDcr gcbucft unter bem ftrcngen Slid beö £e()rerö in ber ©d)ule ju lefen. 2ßie fann man, möchte er emporfaI)rcn, fid^ in feiner Siebeöraferci auf bie 3eit freuen, menn ta^ „©ebein ju Staub ift eingefunten!" 'I)aö fd)eint nun gerai^ für bie Literatur na^ @oeti)eö S^obe feine ©runblagc 5U fein unb ift bod) gerabe burd^ bcn Öegcnfa^ geroorben. ^annt), bie ein f)albeö ^af)r]^unbert entjüdte, f)at ein gcnjeö abgefd^redt, fic^ auf ä^nlii^e '!pf)antaficn poetifdj luiebcr cinjulaffcn, unb loir muffen fd^on ireit in bie SBeltliteratur Ijineinmanbcrn, ctroa ju Tanteö ^öcatrice, ^e= irarcaö Soura unb Samartineö ^ulie, um foniel erotifc^en 9}conbfd)ein mieberjufinbcn. So ift alfo Ätopftodö jvnnni) luirftid) in boppeltcm Sinne eine Gräicberin ber bcutfd)cn Literatur geroorben.

Älopftodö ßibli, feine 3)ieta 2JJolIer, bie er l)eiratete unb fd)on nad) loenigen ^al^ren glüdüc^er (Stje burd) ben Xob ücrlor, t)at ebenforoenig roie feine sroctte ©attin, 3)ietaö 5^id)te Glifabetb oon 2Bintt)em, grope Sebeutung geroonncn, obroobi fie beibe oiel poetif^er geftimmt roaren atö bie profaifd)e Sopt)ie Scf)mibt. ©erec^ticjfeit fennt bie fiiteraturgefc^ic^tc in ber Siebe nicfit.

2Bie mit bcr Siebe, fo roar bei .^[opftod mit Der (5reunbfd;af t : aucf) bicfc untertag ber allgemeinen ©mpfinbfamfcit. 2Ränner fc^ludj^tcn, roenn fie cinanbcr roieberfaticn, unb oergoffen .3ä()i"cn ber ©eljmnt ober jittcrten „über unb über", roic

24 I'ie Ömnblageii hex bcutfc^cu ßitcratur feit @oetl)eg Xobe.

man büimihö \ac^u\ uicnn fic (Storiffa in 9tic^arbfouö 91oman ober Seffingö ©ara auf bcr Süljnc i'tcrbcu fa^eiu ^tränenleere 2tugen bei ber 2tufiüt)rung üon STragöbien 9e= t)örten nur 3U unoiebilbeten ilöpfen. ®ng ^aben luir längft ju unferem (Slüd über= nmnbcn, ei märe unö fünft nod; f(^lcd;tcr ergangen, alä ung ü^ncl)in f^on er= gangen ift. Silber ein anbereö fjaben luir bafür auö bem greunbfcf)aftö!ultuö pon ^lopftürfö Dben unö crljalten: bie ^Sejieljung auf bie 2BirfIirf)feit wie bei ber Siebe. (Salt cor .UtüpftocE nur bcr 9ionie einer gürftin ber Stntife oDer einer ©c^äferin im ©til üon X^eofritö ^bgUen unb S^affoö ,/2lminta" für würbig, in ber ^oefic aufjutreten, fo nannte nun ber Dichter m6)i nur feine 9J^eta, fonbern fc^on uor^er uiel öfter feine lieben grcunbe ®bert, ©ifele, ßramer, ©c^mibt, ©ärtner, (SeHert, Jeageborn unb bie anbern alte bei i^rem 9ianien. ^ö6)\t feiten nur fommt in ber 3eit nad; (>)oetl)eö 5:obc cor, ba^ ein S)id)ter einen ?^reunb nid;t bei feinem Flamen nennt. I)an! iilopftocf ift 3Iuöna]^me geiDorbcn, raaä uor il)m Dlegel war.

©rö^er ift baS verfönlic^e ■23crbienft Älopftodö bei ber Betonung ber SSater^ lanböliebe. @g mar fein jlunftftüd mel)r, patriotifd)c £iebcr gu fdireiben, fcitbem Xlieobor ivörner 1813 bei SBöbbelin gefallen unb' om 18. ^onuor 1871 in SSerfailIc§ haö beutfc^e ivaiferreic^ neugegrünbet ift. 3lber um bie 3JJitte bes aditgelinten ^üi)X' f)unbcrts mar baö "ein ilnnftftüd, alä nocp feine beutfi^e Station, ja nidit einmal beutfc^e 3[5ölfer, fonbern nur abfolute ^^ürften unb ergebene Untertanen gab. 3)a mor etmaö unbefd;rciblic^ (Sinjigeö, nic^t nur mie @oetl)e „fri^if(^" gefinnt ju fein, fon= bem bog bcutfd^e SSaterloub ju befingen unb 1)06) über bie anbern Sönber ju fteDen. Sie beutfi^c 3prad)e, bie bentfc^e 3Jiufe, bas, beutfdie aJiäbc^en, bcr beutfdie Jüngling, ber beutf^e 33alb befonberg ^ermnnn mit feiner 2:^u§nelba, ^einri(^ ber SSogler unb gricbric^ ber ©ro^e fie roerben von ^lopftod in begeifterten SScrfen gepriefen unb fönnen nic^t mcljr uergcffen roerben, folange imn bcutfd^en Sippen unb beutfdien :?Irmen „3)eutfdjlanb, Seut)d)lanb über aEeä, über alles in ber SBelt" geftcUt roirb.

'?llo6) üon giwi poctifc^en ©mpfinbungcn 5!lopftodö muffen mir fprec^en, aber fte fmb im ©runbe nur eines: @ott unb bie Statur, ©oroeit (Sott alö 3)leffiaä in b-'m glcic^namigfn „(Spoö" S^topftods unb in ben religiöfen Dben gcpriefen roirb, roüroen mir ja ouf bie (Srunblage ber Siteratur jurüdfommen, bie mir im (Sfiriftentum ge= funben ^aben. ^ier l;anbclt fid) um ehva^j ganj anbereö : baö innige ©otteögefü^l, öüs cinö ift mit bem innigen 9kturgefüfjl unb nod) ^eute unfcre Si)rif befeelt. ^uerft ober gefc^at; baö in 5llopftodö 2)ic^tung. Saö flaffif^e Seifpiel bafür ift feine „;5rül)lingöfeicr", ha^s Sd)önfte, mag oor ©oet^eö Sgrif in beutfc^er ©proc^e ge= fc^riebcn ronrbe. Ter ek)tt, bcr bort im grüf)lingggeroitter bie gj?cnfd;f)eit beugt unb bie 9JJenfc^(;cit fegnet, baö ift ein ©ott, beffcn Sßorten aud^ ber 9lid)tc^rift unb ^eligionsfpbtter laufd;t, benn biefeö ©otteö SBefen ift einfach fc^ön, ift Statur. Seit .^lopftod ift bie Siatur in bcr g^oefie nic^t mei)r jur 3fluf)e gefommen, nad^bem fic folange nur in getünftclten ober gelehrten SScrfen fümmerlid)cn 2tugbrud gefunben I;atte. ©eroi^, in biefer 33e5ief)ung ru^te bog neun5el)ntc ^af)rf)unbert oor allem auf bcn S(^ultern ©oetl)cs. 2{bcr @oetl)eö ©runblagc mar 5!lopftod, beffen „^rüf)lingö= fcier" Sötte bem „3[ßcrtl;cr" in bie (Erinnerung nift, alö fic bei bem 33aII in $8olpertg=

Seffing. 25

!)üufen imtf) beni ©ciotttcr an hai ^^enfter treten. Unb f)eute: lung inürbcn mir mot)I pon einem Sgrifer benfen, beffen (Sefül)! fic^ bouernb ber Statur uerfc^toffen ^öttel

Stber nid^t nur in rein Iiterarifrf)em Sinne l)at uns ^lopftocf jur Statur jurücf= gefül^rt. ©r f)at ben 3luöf(ug, bie ^oot]a^xt, ben Siötauf uolfätümlid) gcmod^t. 9(n= ^ait i^inter bem ^ult ju fi^en unb gcbanfenooU 5ur 3jerfc emporäuftarren, um fo 3Serfe in bie injmiic^en certrocfnetc yeber ju loden, fuf)r er mit jungen 3Jcäbc^en fträflic^erroeife fo urteilte ber alte 33obmcr über ben ®i(^ter eines „SDteffiaö" auf bem Qüx\6)cx See umFjer unb fanb bort, "oa^ bie Unfterblicfifeit ein großer @e= banfe fei unb beö 3fiui)mes locfenber Silberton roie ber S^Iag ber Jtuber in baS ftifle 'Baffer reijooD in baö fc^togenbe ^erj flinge. ®aö mar ganj fieser etraaö für jene 3eit Unerhörtes. SBerlongte boc^ nocf) ber Seip^igcr ^rofcffor ©ottfd^eb als SSorauSfe^ung eigener 2)id;tungSüerfuc^e junäc^ft SScrnunft unb %k\^ foroic forgfältigc 33eobac^tung QÜer Siegeln. £Iopftoc! ift ber erfte, ber bie ^oefic aus ber ©nge ber Stubierftubc l)inauSgeiaud)jt, ber ben '2)irf)ter in bie 9latur geleitet Ijot, üon ber er fid) feit« bem nic^t raieber entfernt f)at, oI)ne bem ®clä(^ter ju oerfaEcn.

9Jiit ber JReooIution beS @efüf)Is üerbanb ficf) naturgemäß eine fol^e ber äußeren poetif(^en gorm. 3hi(^ Ätopftocf ocrmcnbet nod; ben .^cyameter unb bie 3ScrS; maße ber ^orajifc^en Dben, mcnngleirf) fic in feiner IcbenSfrifc^en SIeubefeelung faum roiebersuerfennen finb. 2}anebeu aber uermenbct er ^um erftenmat ben freien 9?F)t)ti)= mus, ber oon metrifd^en ©efe^en gar nichts roeiß unb fpäter ron (Soctt)c jum Siege gefüt)rt mirb. 2)as mar für jene 3eit eine Offenbarung unb f)at ber unferen bie SaF)n uorgejeitfinet. Cb I)cute ber freie 3i^t)tI)muS nidjt ftärfer gebraud)t luirb als 9ieime ober beftimmfe SSerSmaße, ift minbeftenS jroeifel^aft unb fann oon feiner Statiftif be= antwortet roerben. 5Der freie $RI)gtI;muS ift feit ben a^tjiger Saf)rcn bes neungc^nten 3af)rt)unbertS ber Siebling ber beutfd^cn Siteratur geroorben. SBeld^e greif)eit ber Se= megung, meldte SelbftDerftänblid^feit beS 2lusbruds! 5!(opftocE f)at fie gcfuuben.

2)arum fottcn mir i^m nic^t feine ©mpfinbfamfcit, nii^t feine biblifc^en 2)ramen unb feine germanifc^en darbiete fo ron if)m genannt nad^ bem mißocr: ftanbenen StuSbrudf in beS S'acitus „©crmania" , nic^t Sonberbarfeiten in feiner ho6) oerbienftIi(^en „®elef)rtenrepublif" unb nid;t bie ScE)roierigfeit voxljaUen, bie mand^e Dbe bem ßefer bietet. 2)aS geuer ber ^ugenb burd^glül;te jum erftcnmal bie beutfd^e 2)id^tung, als ^lopftod fam unb fang, unb in bicfer ®[ut ^at \\ä) ein beutfd^es 3SoI{ emporgeläutert.

10. ßeffing.

@t äuerft ^at unfer SSefen frember geffel frei gemad)t Unb ju ©firen bor (SuropaS Slugen unfer Sßolt gebrad^t. 2)rum, fo lang' in unS ®cfü^I ber (S^re, Tlut ber greifjeit mad^t, SH^ 93efreier§, (£^tenmäd^ter§ fei, o Seffing, bein gebadet.

So mürbigt griebrid) 9?ürfert SeffingS nationale Sebcutung. Älopftod bad)te unb bidjtete beutf^, aber er fonnte uns nic^t beutfcf) machen rote Seffing. ^a3u ge;

26 Tic L^huiiMaacii bei öeut)d)cii Siteratur feit (»joetfjeö Sobe.

Ijörtc nic^t ein oc^iuäinier, ben bic Söcgciftcrmig ^u ^ö\)cn uiib Siefcu trug, fonbern ein tül)lcr i{op[ iinb eine fcfte ^onb ncl)mt atteö nur in attem: ein Wann.

©ottl;olb tipt)vaini 2c)fing lunrbe am 22. Januar 1729 olä <Boi)n eineö ^aftorg 5u itanienä in ber Dbcrlaufi^ geboren. 3kd^ oielbeiuegtem Siteratenlebcn lourbe er ^Dramaturg nn bcm ncugegrünbeten .^amburgcr Sflationaltiieater, banod; SBibliot^far äu aBoIrenbüttel. $ier pcrmäljltc er fid; mii oer ^amburgerin Güo 5tömg, ber SBittoc eincö Hanfmannö, bie er jebod) nad) fünfoicrtel ^atiren burc^ ben Xob oerlor. (Sr felbft [torb am 15. gebruar 1781.

:iie)|ingö i^eben ift nid^t mit feiner ^un[t, molji aber mit feiner ^rofa oerfnüpft, unb biefc ift bie ajieifterprofa beutfc^en SSoIteö geblieben, ift bie ©runblagc ber Hnferigen gemorben, nad;bem Sut^er bie 58orbebingungen baju burd^ ein attgcmein Ott- ftänblid^eö Sieuljoc^bentfd) gef^affen fjntte. SBir reben leffingifc^, -o^ne ju rciffen, menn mir gnt beutfc^ reben. ^cin SBout äuoicl, jcbeö an feiner richtigen Stctte, jebeä yorfjanben nur um ein 2Bat)reö, ein SBirflid)eö auöäubrüden: baä ift im ©runbe attcß unb flingt fo einfac^. Slber ift -'üaä ©d^roerfte, benn es erforbert nid^t nur einen friftaüflürcn ©eift, fonbern aud; einen friftaUlIaren 6(>arafter. 2ln Scffingä ^rofo; fdjriften Ijat fid; ber bcutfd;c ©ebante in SBiffenfcfjaft, 9f?e[igion, ^f)ilofopf)ie, ^olittf unD i^eben gro^gegogen.

®icfe ^rofa mürbe \a fdjon oon Seffing auf fo oielen ©ebieten angemanbt, aud^ auf fold^en, an bie man I)icrbei junädift nid;t bentt. 2Bir lefen 3. 33. täglid) unfere Leitung, oljnc oon if;r gcrabe 3)Jeiftcrprofa ju crroartcn. '3)n| fie inbeffen ein ^eutfc^ bringt, beffen ber £cfer fid; nic^t ju fd^ämen brandet, oerbanft fie bem ^üurnaUften fieffing, ber burc^ feine 2trbcit an ber „5ßoffifc^en B^^tung" ber ^Berliner treffe unb Äritit bic ?^üt)rung im ganjcn beutfi^en Sprad^gcbict uerfdiaffte.

Si;pifd)er ^ournalift ift Scffing nid;t gemefcn, fo fet)r er biefen Söeruf oerebelt ^at. ©r mar reiner ©eift, ni^tö meiter. SBenn er fd^on einen Stanb oertreten foll, bann ift ber bcö freien ©c^riftfteüerö, ben er bcgrünbet f)at. ©eine ©c^riftcn cr= jdjicnen balb in ber Leitung, balb in ber 3eitfc^rift, balb in SBuc^form in biefem ober jenem 33er(ogc. Unb haä ift ja baö Seben, baö i)eutc 2;aufcnbe in ben (Srofftäbten fül;ren, nur oft o^ne ben inneren löcruf, ber Seffing baju bröngte, unb o^ne ben matiren ßrfolg, jenen nämüd), ber ben ^x\\)a[t eine§ ^apierforbeö um me§r alö einen %aQ unb eine ^J^adit überlebt.

So aaein mar freilid) möglidj, ba^ Seffingö 3trbeit auf fo oielen ©ebieten grunblcgenb für baö ncunäel)nte ^a{)r^unbert gcmorben ift: im 55)rama unb X^catn, in ber ^{ftf)etif, im Safonismus unb in ber SBeltanfd^auung.

2)00 ^rama, oon Jllopftod unb SBielanb nur flüchtig berül)rt, log gonj bar=. nicber, beoor Scffing feine 3)?eifterbramen fc^rieb. Seine eigenen ^ugenbluftfpielc aeigen, mol)in fonft ber 2Bcg gegangen märe. 2)aö mar oUeö §ol)leö fronaörifc^eö SBefen, ber Überreft ber ölten curopöifdien ^omöbie, bie oon 3Kenanber ju ^rtcnj unb oon bo ju 3Jioliere !am. ^ic tt)pifcl)en giguren mürben immer burc^ biefelben S^omen an- gebeutet. Gine .ftomöbie obne eine Sifettc, eine ^Trogöbie o^ne ontif? Seftonbteile mar unmöglid). 3lber fd)on in ber ,M'ß Sara Sampfon" tat Seffing einen Schritt bor.

.'C||11UJ.

21

über i)u\anö, inöem er ben alten föriinDiaß umftiep, öap fid) in ber KomöDte öcr iöürgci '^wax außlac^cn loffen bürfe, ha^ aber für bie ^ragöDic §crocn unb gürften alö gelben erforberlid^ feien. Xie bürgerlidic 6ara luu^tc nun aber fo fjelben^aft unb tragifc^ ^u ftcrben rcie bie berü^mtcfte ^rinjeffin. ^aniit mar bem 33ürgertum trinlap ocr^ gönnt auc^ in ha^i größte Heiligtum ber 5vunft, mar baö bürgerlirf)e ^rauerfpiel ge- f^affen, mit bem bie bcutfd^e Literatur feit @octt)ey 3:'obc unmittelbar an Seffing an= tnüpft; benn ©t)ctl)e unb Schiller beoorgugten immcrl)in für il;rc Stüde ebenfallö ^er= fönen, bie burcf) ©efrfjic^te unb 6agc über bcn Surrfifc^nitt bereits l)inau&ge^obcii roaren. i^luf fie gel)en mir ba^er nic^t jurüd, mcnn mir Hebbel, ^bfcn unb bie ^ra; matifcr beö 9iatnrali5muö lefen ober fcl)en, fouDcrn auf ^effing, ber fünftlerifrf) mie fultureE burd; feine ,/Sara" in mobcrncm Sinne alö SSorfämpfcr üorangefd)rittcn ift.

2)icfeo SBerf tjat er bann burd; feine ,,®milia ©alotti" uoUenbet. ®ie Um- fc^affung tt^i ^eroifc^en inö rein 2)ienfd;lid)c ift ^ier befonberö beutlid^, benn ber Stoff mar ber römifd;e ber 33irginia, ben fd)on üiele anbere in SSerbinbung mit ber ouf 58ir= giniao Sötung folgcnben ßrl)ebung beö '^olteö gegen if)re Unterbrüder bargcfteUt unb auf bie 33ül)ne gebradit Ijatten. älUcö ^olitifdjc fällt bei Scffing fort: ßmilia i^ lebig: üct) bie l)ei^blütige, aber eblc 2^od;ter eincö nii^t minber Ijci^blütigeu unb eblen SSaterö, ber fie tötet, um fie oor Sd^anbc 5U retten, ©rft bie S^ragöbie „@milia ©alotti" oer^ I)alf bem bürgerlit^en S^rauerfpiel jum Siege, benn Ijier oermieb ber burc^ feine eigene 2)ramaturgie gefd)ulte Xidjter bie langatmigen '2)e!lamationen, bie er in bie „Sara" auß ber englijc^en Sugcnbpocfie l)erübcrgenommen l)attc. Dl)ne bie „Saro" unö „ßmilia" aber feine „33kria 2)cagbalena", feine „Sffieber" unb „5Rofe Sernb".

QUvüZ) ganj Si^nlidjeö roUgog fid; auf bem ©cbiet beö Suftfpielö, ju beffcn Ü;r= neuerung l'effing nur menig fpätcr alö ju ber beö 2;rauerfpiclö burd; bie „9Jii| Sara Sampfon" tarn, ^ier überholte er bafür bie 2^ragöbie um einen bort no^ ni^t an= gcmanbtcn öebanfen: bie lebenbige, fclbfterlebte ©cgenmart in ita^ ®rama l)inein5u= tragen. 3hi^ ^lopftod l)atte "oaö nur crft Itjrifd; üerfud;t. „SJiinna t>on Sarnljelm" ifl hai erfte bcutidje Suftfpiet, ttasi beö 2)id;terö eigene ^t\t unb eigenes Schauen gu lebenöiger 5ßorftettung bringt unb baburc^, raie mir fofort bemerfen, eine ber beben; tcnbften ©runblagen ber beutf^en Literatur nad; @oetl)Cö ^obe gcmorben ift. §cute ift eine 3Iuönal;me, mcnn ein neueö Xljeaterftüd einmal unö äurüdfül)rt in anbere Reiten unb ju anbern ^Bolfcrn. ^amalö mar biefcö allein hai ©cgebene. UnD wicberum leitet in biefem gallc ber 2Beg unö ju Seffing bireft jurüd, ol)ne jebe anbere 33ermittlung, felbft biejenige ©octI)eö unb Sc^iücrö.

2(ber „2Rinna üon S3arnf)elm" bebeutet für baß neunje^ntc ^aljr^unbert noc§ mc^r: ift baö erfte beutf(^e 3Iationalftüd. 2)er beutfd)e ßl)araftcr eineö ^eU^eim unb einer STiinna, bie nur ben einen gel)ler l)aben, allju ebelfinnig unb gut^erjig ju fein, ergebt fi(^ Ijoc^ über bie franjöfifd^c SBinbbcutelei eineö 3ticcaut be la SDJarliniere. tiefer (Slüdöritter mirb oon bem tiebenöroürbigen fäd)fifd;en (Jbelfräulein mit aller licbenöroürbigcn ^^eftigteit jure^tgcmiefen, alö er in Serlin mit il)r fran3öfifc^ rebcii mill: „3" ?5rantreid; mürbe \6) ju fprcd^en fud)cu, aber marum bier?" Selbft ber grobe ^uft, oon bem e^rlic^en 5Ißad)tmeiftcr SBerner unö feiner ^raujiöfa 3U fc^n)ei=

28 S^ic Örnnblaiicn bcr bcutfcftcii i^itcvatur [dt (»5oct§e§ 2;obe.

gen, wnxhc mit nicfcni Jicvröfcntantcn bcc „grande nation" [icf; i)üten, ein ©tüd Srot öejnciitjnin 511 cffen, ba er iiid;t baö ^Talent ^at raie jener, baö ungefc^idte^ plumpe 9Bort bcr beut[d;cn Sprache „betrügen" jn übcrfefeen mit „corriger la for- tune". Sn5mifc^en finb ja bic potriofifdien Dramen luie ^ifäe nuö ber (Srbe ge= [c^offen, unb Solbntcnftüdc gab eS fc^on im ac^tjcl^ntcn 3al;r[;nnbert mö) ber ,3inna" genug. 5Der ^ütircr aber ift Seffing geroefen, o^ine ha^ it)n eine miUi]^la^t bei ü^eipäig ober ein Seban äu foId)er 3:at Ijätten begciftern tonnen.

od)lieJ5lid; aber I;at bie „3}Mnna non 33arni)clm" Das Dcntjrf)e Suftfpicl anc^ in rein !ünftleri)d;er 33e5ief)ung gcfc^affcn. Seffing ocrbanb, fjicr beionbcrö bnrc^ ^iberot angeregt, bie 3{ü^rung mit bem Junior, inie befonbcrg bic ßpifoben mit ber ®ome in Trauer unb mit ^uftö ^ubel bentlid) machen, unb leitete bie ivoniiE Iebiglic| aug ben (£I;araftcren ah, nid)t etraa au^ brottigcn Situationen im ©tit ber 3e^"""9cn 3Sil= beim 53ujd;ö ober ber mobernften ^of[cnbid)ter, bereu pfiffig für bie gro|e SJienge be= icd;nete ©eifteöübnngen in SBcItftäbten täglid) über alle moglidien ^Bretter ge^en» Äomif^e Situationen ergeben fic^ in ber „9JMnna non 33arn^clm" baburd^, ba^ ^ell= t)eim unb 3)?inna bie Segriffe 6"l)re unb Siebe überfpanncn. Daä grobe @eläd)ter beä plebejifd;en ©eifteö f)at auf Seffinge 33ül;ne feine Stätte gcfunben.

©0 bilbet benn noc^ Ijeute Sejfingö „Stinna" ben 9Jca^ftab für jebc 'öeurtcihing neuer bcutfd^er Snftfpiele. ®iefeö bramatifdie SJxcifterftüd jft nicmatö übertroffen morben, unb bie 3^einl;eit feineö S)iaIogeö fann nielleid^t überhaupt innerhalb fclneg> ©ebanfenfreifeg ni^t überboten werben.

3ii^t in bemfelben ©robe gelten noc^ Ijcntc bie ^Regeln ber Dramatiid;cn 2:()eorie, bie Seffing in ber „^amburgifd;en "Dramaturgie" im Slnfd^lu^ an 2lriftotelc& aufgefteUt l)at, unb fie traben and) bie Literatur beö legten ^aljr^unbertä nur geban!= lic^, nid)t tünftlerifc^ befrud^tet. SBir finb aug ber Slntife l;erauögeiua(^fen, wie fd^on Berber auf bramatifcliem ©ebiet nadjinieö, unb laffen unö nic^t iBorfd^riften oon XI;eoretitern mad)cn, bereu Urteil auf gan;^ anbern (Srunblagen ruljtc. 3R\t bem moralifdien (£-nbämec! ber 5lunft, ber berülimten „9kinigung" mittelö ^urc^t unb m'iU leib unb ben noc^ fo lofe gefaxten bramatifd)en ©infieiten bcr §anblung, ber 3eit unb beö Drteö, ol)ne bie ba^^ griec^i)d)e 3SolfgtI)eater unter freiem .^immel mit feinen gürften unb feinem fürftlid)en ©efolgc aUcrbingö nid)t auöfommen fonnte mit aüen biefen biQ jum Überbru^ burdjgefproc^cnen Dingen ^at bie moberne ß^araftertrogöbi n)ol;I für immer gcbrodien. D)aö aber fdiafft bie S:atfac^c nid)t auä ber 2öclt, ba| i^effing juerft in beutfd)er Sprache fold)e Probleme erörtert Ijat unb fo ber Segrünber ber beutfc^cn Slft^etif geiuorben ift. Seine „Dramaturgie" ift überreid; an 2Bal)rl)eiten, bie neben ben genannten Sd)lu^foIgcrungen im einäclnen jurücftreten, ba^er rocnig befannt unb bocl) ebenfo unerfd;ütterlid; mie ergreifcnb finb.

Die beutfc^e Hftl)etie ift uon Seffing nid;t nur auf bramatif(^em ©ebiet begrün, bet roorben. Sein „Snofoon"=3:orfo unb bic fic^ anö bicfem ergebenben 3lrbeiten i)abcr\ in gläuäcnbcr gorm jiuei ganj üerfd)iebene fünfte noneinanber getrennt: bie bilbenbe Äunft oon ber rebenben, inbem fie nad)roiefen, ba^ 3)klerei unb ^oefie oer? ld)iebcnen ©efefeen ju folgen {)ätten, bie fid) raiebcrum auf bie«erfd)iebcn^eit ber©runb=

i/cffing. «25)

begriffe SRaum unb 3^it äui"üdfül;ren laffcn. 3lud) ^icr i[t nic^t attcö fo, wie Äcffiiig bnrftcEt. (ir felbft luäre l;cute bcr legte, baö ju bel;auptcu unb bie gor^ f4)ung5erg€bniffe r>on cineint)alb Sa[;rl)uiibertcn ju Derfcnncii. iHbcr bic 3lTt, roic er ben ©cbanfcn fa^t, bie 2)tet^obe, mk er ii)n bur(J|füI)rt, I;abeu bem „Öaotoou", bem 3JJeifterftüct beutfc^er 3(ftljetif, einen geiualtigen ßinftu^ auf bie bilbcube Äunft foiüüi)l ujie auf bie Literatur über ^\unft jc^led;t{)in awd) und) ©oetl;eö S^obe ge[irf)ert, unb noclj l)CüU üergeljt fc^iuerlirf) ein ^a\)x, o(;ne einen neuen 33eitrag ju Seffingö uielgefc^mä^; :cm ,;:^üoloon" ju bringen. Sr felbft ging babei auö uon Söincfelmann, beffcn ^hmi XDix besl)Qlb auf biefer Seite ber 2effing-^etrarf)tung in bie 58efprerf)uug ber litera= rifd)en ©runblogen einbejicijcn muffen; unb SBincfelmaunö fd;öne Formulierung beä antifen Kunftgefegec, bie jyeftftellung jener ,,eblen (äinfalt unb ftillen ©rö^c", ^at Dielen, bie im übrigen fid; fritifd; t>on ber älntite ab- unb ben ^"^"nftöfragcn ju; luanbten, aud) im neunjeljnten ^al;rl)unbcrt nod), im 3Jiufeum inie in ber Siteratur, bie grcube am Altertum ertialten.

Sturer ber ^rofo, bem Urania, ber 33ü^ne, ber 2tftl)etif mürbe uarfiin Seffingö Safoniömuö als eine ber ©runblagen ber Literatur nod) ©oetI)eö ^obe genonnt. ©aju geljört alfo feinenfaUö bii; „9Jii^ fSara ©nmpfon". So ift eine £unft, lofonifd; ju fein. Seffing ^at fic beroupt geübt in feinem ©partanerbrama „^^ilotaö", in feinen Sinngebic^ten unb ^^^abeln; natürlid) an^ in feiner ^rofa. ®aö gläuäenbfte Seifpiel für bie 5\ür5e, i\uappl)eit unb Sd)lagfraft feiner Säge bieten jebod; bie 2)ialoge feiner 3Jieifterbramcu i)on ber ,/DJinua" biö ^um „3tatf)an". Seffing l)at fid) richtig in bie Sd)ule genommen, mic ber 5'0i"tfd)'^itt üon ber „Sara" jum „^l)ilotaö", üon ben ge= reimten §u ben fpäteren ^rofafabeln foroic feine 2lbl;anblungen über baö ©pigramm unb bie ^^abcl gcigcu, unb bicfe Sd)ule ift aud) für taö neunjefinte ^al)r^unbert \ü6)t Dergcblid) gewefen. S)ie aubern beutfd)en ^laffifer roaren ju reid^ an ^l)antafic, um i^icrin gcrabe^u SBorbilb gu roerben. Seffing, ber Siüc^terne, Älare, 3tu^igc, bem tita= nifcf)e Slufroallungen fern blieben, fonnte aEein I)ier neue ^kU fteden. Unb mie fe^r i)at bas ^al)rl)unbert, in bem bie 3JIafc^ine ben Sauf ber Stunbe üerjelinfad^te, bie iiürje bes Sluebrudö gebrandet, im Seben roie in ber nad^bilbenben Siteratur!

2)oö fc^önfte ßrbe Seffingä ift bie burd^ il)n gefd^affene 2BcltanfdE)auung, bie er burd^ ben 3JJunb 9iat^anö beä SBeifen oerfünbet ^at. Sie berul)t auf ben @runb= fügen ber .^umanität unb Soleranj. ©bie 2Renfd)li(^feit unb Sulbung 3lnbcröbenfcn= ber lüften bie unoerfö^nlidien ^^orberungen bee glaubenöftarren 2Jtittclalterö jur Unter: luerfung ber Seele ab. Vorgearbeitet l)ütkn bie rationaliftifd;en ^l)ilofopl)en unb bie religiöfen ^lufflörer, bic an bie Spigc jebcr 2ßeltanfd)auung bic Vernunft ftellten. 5!)ic ©ntiüidlung ber gauft;3<>ce ift bafür bcäcic^ncnb. ^n ben alten Voifö^ unb ^uppen= fpielcn gel)t '^auft, ba er mit bem 'iJeufel einen 33unb gefd;loffen Ijat, elenb jugrunbe. Seffingö „^auft", luenn er üollcnbet inorbcn märe, mürbe n\6)i ber ^ötte uerfaHen fein, benn ®ott gab ben ©rfenntnictricb bem 33]cnf(^cn nid)t, um il)n auf eroig ju oerberben.

5Dann tarn ber 5^ampf mit (äoeje, bem Hamburger ^auptpaftor, ber bie '^taq- mente beß SBolfenbüttler Ungenannten (S'^eimaruö) angriff, roeil fie SBiberfprü^c in ben ©Dongelicn aufbedten. 5Der Herausgeber mar Scffing, folglich folltc biefer bafür

30 Tic Wninblagcn bor t)ciitid)cii l'itcvatiu- feit @octhec> loDc.

bü|cn. Xci- bcjdjiüiiftc ^Tropf, ber luigcftrnft auf feiner ^an^d feine fünbige @e= meinbc an jebcm Sonntag in bic ©rni3lid;fciten beö ^üngftcn ©eric^tö f)inabbonnern burftc, fam bicömal an bcn Unrcd;ten. ®ie „2tnti=©oc3e" bereiteten feinem treiben ein )(^mäl)lid)Cö ßnbc, infofern lucnigftcnö, alö fie bic ganje Unbulbfamteit bicfcö bröbcrt ii'opfcö, ber fein ilopf mar, aufbecften.

Unb bann fam bcr 3ktl;an mit feiner SRed^a, famen «Saiabin unb 211 ^afi, ber 2:empclt)err unb ber iHofterbrnbcr, um ben ^atriard^en ^^eraüiuö uon ^erufolem, einen mürbigcn ^Bertrcter ©oejcfcljcn ^öanaufentumö, an bcn oranger ju fteHen: „%nt ni^tö, ber ^ubc mirb ucrbrannt": ift baö befreicnbe 3Diotto für ein neues ^Qf)r= ^unbert geiuorben. 2Bir finb crft 33ienfrf)en, cl;c mir (S^riften, 2)io^ammcbaner ober ^uben werben, unb foHte unö aud^ uolltommcn genügen, 9}ienfcf)cn ju t)ei^en. DaQ ift bie 2Bcltanfrf;auung freibenfenber, bulbenber, großzügiger ^umanitöt, bie Sut^erö in feinen golgerungen bod; roicbcr orttpboyeö SBerf ergänjt unb ber Siterotur biä jur ©egenroart bcn inneren SebenSfeim gefi^cntt Ijat. 2Bic mürbe unfern Si^riftftcIIern orgelten, menn fie nic^t nur bie 3^'M'^^^" *-'i"£'^ 33unbeötageö, Dberfirdjenratö ober --]3apfteö, fonbcrn auc^ nod) bie ^rebigtcn eineö ©oe^e, bic entfprec^enben fürfttic^eu (rrlaffe bcö ac^tgC^nten ^af)r()unbertö unb befonberö bie oöUige SI^nungälofigEeit unb 5tunipf[;eit ber großen SJJenge jn fürdjten ptten; menn nid;t fc^on ein ^ublifum gäbe, ta^ fäfjig ift ju cerftefien unb burd^ eine üon Seffingö ©eift erlogene treffe ein: jugreifen.

Sie 5vraft, mit ber bog im neunzehnten ^aJ)rf;unbert oft genug gef^a^, ift bdc Seffingfc^er ^ritif, mic er fie in ben Siteraturbriefen an hm £icber!üf)n unb ©enoffen, in bem „ißabemccum" an bem .^oras-Überfc^cr Sänge, in bcn 9(ntiquarif(^en 53riefen an bem ©cl;eimrat £[o^ übte, ^ein ^al)ri)unbert mor fo fritifc^, roie ha^ nad) @oetI)eö ^übe gemorben ift, unb Seffing rerbanft feine geiftigen SBaffcn,

2)arum, roo Seffing auc^ ftcl;en mag : er blidt unö an mic mand^e ^orträtä an bcn SSänben unfcres 3immerö, beren Hugcn mir in jebem Sßinfel begegnen; unb ift auc^ unfere gauäc beutfc^e Kultur uid;t leffingifc^, fo bod; minbeftcnö dvoa§, maö fic^ im jroanäigften 3a[;rf)unbert in jebcm ijcEen ©eifte regt.

11. ^ic ^^Uofop^ic Ucv 9?cttäeit

Mc\6) an ©cbanfcngut ift bic Sitcratur, bie in ©eutfc^Ianb ha^ ^[a^r^unbert bis jur ©egenroart erfüllt, ©eiftige 3Irmut mar freiließ auf bcn befprod^enen ©runb= lagen auc^ ni^t mer;r benfbar. S)ic legten fragen aber, bie hcn 3J?enfd^en bcfd^äftigen, menn er in ftiCer Stunbe am ©rabe geliebter 5menfd;en ftel)t ober an fid) unb ber SBelt Dcrjmcifelnb jum nächtlichen 6ternenf)immel cmporblicft, finb nur oon ber ^Religion ober ber ^t)ilofopE)ic ju bcantraorten. ^ene mirb uom ©efüf)I, biefe üom SSerftanbe gcmäf)lt.

3In einem feieren entfc^eibenben Sc^eibcraege fielen mir in biefem 2tugenbricf bcr 33etracf)tung, uor ©oetf)e, naä) ^lopftocf, geleitet oon bem ®i(^ter unb Center Scfftng, ber im 3af)rc 1781 ftarb. ^n bcmfetbcn ^afirc, alfo faft ein ^a^rjelint oor

Die ^t)ilofopf)ic bcr 9?eiijcit. ol

bcm äiüeitcn großen fiebenöUebc bcr Humanität, @oct[;cö „^p^igeiüe", erjdjicn Äautä „Äritit bev reinen 33ernunft". 2)oc^ and) fie fiel ni^t f)erab quo Weiterem ^lau: fie Ijotte i§rc [rfjiuer menfc^üi^e ßntrcicfhing in bcr @ci[tcögei(^id)te, iu bcr üfjiie S^merjcn unb ^^i^tümcr nic^t Qbgcf)t.

S)ic ^Ijilofop^ic, einft bic Königin bcr SBijfenjc^aften, ift an biefcr (Jntiüicflung qIö ein^eitlid)e, gcfc^lofjcne SBiffenfc^aft gugrunbe gegangen, ocit Äant gibt eigcnt= i\d^ feine ^f)i(ojopI)ie mcl;r, rocnn luir borunter bie n)i[icnirf)aft(id; gegrünbete gafuität oerftel^en, bic unä bie legten 3)^enfc§cnrätfel löfen Eönntc. ©ine ©cfc^i^te bcr '^l)iio- jopl^ie feit 5?antä 5:obc (1804) jc^rciben, i)ci^t juglcic^ über aUc anbcrn 2Biffenid;aften unb boju über iHcIigion unb Äunft I;anbeln, ol;ne bap man baburc^ bcm ©ubsicl anc^ nur um einen Schritt näl)er fäme.

3Sor i^ant irar boö anberö. aJiit n>cl(^er unbcfüngcncn oic^erf;cit crElärtcn bie jonifc^cn ^§iIofopf;en, ^a^rljunbertc oor ßf)rifti (Seburt, (Elemente bcj: ^iatur, fei c^ geuer, SBaffer ober (Sröe, für ben ©runbftoff aUeö Seicnbcn, {anfrf)tcn bic ^gttjago: räer ben 'Spljärengcfängcn, frf)antcn bic ßlcotcn M^ (Sine in bcm $ßiclcn unb ®cmo!rit baö 3SteIe in bcm Sinen. :iDcetapI;t)fifc£)e ältomc mollcn firf) unö I_)cute, feiDcm roir ein 3Rifroffop befifeen, nic^t mcl;r geigen, ^n bcr enterbten Seele bcö mobcrnen 3)?enf(^en finben pl)antQftifd)e Unrüal)rf(^cinlid)fciten feinen 9taum mcljr. 3)aö 5^orblanb i)at ba§ Seinige "Qa^n getan, ^ie Sc^öpfungäorgien \)C§> Sübenö fprcngten aEc ©rcnjcn ber ©inbilbungöfraft, bcr Umtreiö bcr ßrf(f)einungömögli(i)fcitcn tat fid; bcm finncnben (Seifte fc^ier unermc^lid) auf, unb in gigantifc^cm tlberinud^ö crt)ob fid; ber 3)knid;, ber bei ben Sopl)iften gcrabcju jum 3Jia^ aUer 2)inge rourbe.

S)oc^ \ö)on im Sübcn begann baö metapf)i)fif(^e 33ebürfniö fid; auf feine l;öl;crc Seftimmung gu bcfinncn unb \\ä) in ftrcngcr Sclbftjudit ju üben. Sofrateä fa^te ha^ Problem fittlid), cntbedte im öaifxöviov 'i)a§> (Scroiffen unb crflärte bie ^ugenb für Ic^rbar, unb feinem Schüler ^laton fiel etmaö fcl)r 3Jierfiuürbigcö in bic §anb, rooraa fic^ bie goujc Siteratur \\a6) ®octl)eö ^obe, cingelaben befonbcrö uon Sc^opcnl)aucv, immer mieber erfrifc^t I)at : ber ^bealiömuö.

^ag ift bereite neue ^l)ilofop^ie, ircnn mir mit neuen :?tugcn fcl)cn. '^la= tonö ^been finb noc^ red)t antif. Urbilbcr maren fie bcr gcgenroärtigen, roirflic^en ^inge, im (Segenfa^ ju bicfen unt)crgängli(^c, felbftänbigc 3Befenf)eitcn, bie man nur burd) innere 3lnfd)auung erfaffeu fann. ^aö einäclnc ift nid;tö, baci Urbilb, bie (Gat- tung alleä. 2)ie cinjclne 9iofe r)crblül)t, aber bie 9iofe alö ©attung, auögeftattet mit ben SSonfommcnl^eiten aller cinjelnen iRofen, ift emig, ift in bcrfclbcn SBcifc ®ott, raie ber Sonnenftral)l Sonne ift. 2Öer biefe emige ')?ofe fd)aut, t>cr fd;aut bie ^bcc, D. l;. bog S^eal aller einzelnen 9iofen. 22er für 3ii>cale lebt, ber ift ^bcalift.

^latonö S^caliömuö ift ber unfere nid)t me^r. 2öaö er oon Staat unb ^teli; gion fabelt, ift aUeö anberc alö ibeal. 3lbcr fein (5)ebanfc trug bie gäl)igfeit gut Selbft= emeuerung in fid). ^er S^caliömnö alö Segriff mar 'ba, er beburfte nur eineö neuen 3nl)altg.

2)iefen i^^^Q^t fonnten meber älriftoteleö noc^ baö p^ilofop^ifd; trübe SP?itteU altcr, fonbcrn nur bie ^bcen ber 5icujeit geben.

32 3?ic ©nmbtttgcn bcr bculfc^cn yiteratuv feit (yDCtf;e!3 Sobc

^ic 9icu3cit! Sas finb in ^infic^t auf bie Siteratur 5unärf)ft bie £umpcn, aus bencn man um boö ^al;r 1300 g^apier gu uerfertigcn lernte. 2)aö finb bonn ber ^om:: pa|, mit beffcn ^ilfc bie frembcn Erbteile cntbedt, ber irbifc^e ©efic^täfreiö unb bamit aü6) bie litcrarijd;en ©cbnufcn erweitert würben. 3)aö ift bie Suc^brucferfunft ^o^onn ©utenbcrgö. 2)üö ift bie aftronomijd;e geftfteüung beö ^opernitus, ha^ bie ©rbe fic^ um bie Sonne brelje; haä finb 3^eformation, Stenaiffance, .^umani^muö. Stber bie neu aufblüf)enbcn Uniücrfitätcn orbeitcten ber Sleu^eit entgegen. ®ie entroidlung ftodie. erft hüii neunje^nte Sot)rf)unbert I)oIte noc^, roaö boö oc^tgetjnte unb fiebjeJinte üerfäumt ^atte. ®ampf unb eieftrijität traten it)rc ^errfdiaft an.

:3n bem f)cU beftrat)ltcn Sßunberlanbe ber neuen 3eit entfaltete fic^ nun ber neuzeitliche Scbcnögebante. 33acon griff gur ©rfatirung, ^eöcarteä gur 5ßernunft. :3encr glaubte nur an haö, waö eypcrimentett feftjufteUen roar. ©o entftonb ber Qm- piriömuö. ©icfer glaubte nur an baö, mag er ober richtiger ha^ er backte, ©o cntftanb bcr 9ktionaIiömuä, ben ©pinoja fortfüf)rte unb burc^ ben ©ebanfen ergänzte, ha^ alleö nur eineä fei: (Sott; aber nic^t perfönlic^ au^erl;alb, fonbern unperfönücf) innerl)a(b ber 2)ingc. ©ott bie ©ubftanz, für unä erfennbar entioeber unter bem 3{ttri= but bcs ©eiftcö ober bem beö ^örperö, überoE aber, in bem ?^ebert)alter, ber fd^reibt, wie in bem Rapier, ha^i befc^riebcn wirb, (Sott; Urfac^c unb SBirfung guglei^. ©o entftanb auö bem 3iationaliömug ber ^antf)ei§mug.

5Descarteö wor ^^ranjofe, ©pinoja f)oIIönbifcE)er ^ube. ^n ®eutfd)Ianb leitete ben ^tationaliömuö Seibnig fort. @r löfte "oa^) SBettaU in eine ^icll)eit oon geiftigen €in^eiten, ben berüt)mtcn 3Jionaben, auf, bie (Sott, bie Urmonobe, buri^ bie präftabi= liertc ^ormonic in bie allein richtige 33eäict)ung jucinanber gefegt ^otte, fo bo^ t>on Dornt)erein nur bie befte aller mögli^en Söelten entftelien fonnte.

Seibnij' (Scbanten würben burd; ben ^aUefc^en ^rofeffor ß^riftian SBolff ju einem für weite streife uerftänblic^en ©riftem oerarbeitet. ®aä beutfc^e SSolf §atte biefen pl)ilofopf)ifc^en Dptimigmuä nötig, als au§ bem fiebgelinten ing ac^tje^nte 3al)rf)unbert fd;ritt. ^m gangen ober gel;ören olle bicfe (Sebonfen fomt ber Slufflörung, bie ouö il)nen fid) ergob, gu ben ongebeutcten ©c^mergcn unb Irrtümern in ber ent= widlung unfcrer (Scifteggefd)id)te, benn boö ncungel)nte 3a^rl)unbert rul)t ouf bcr p^ilo= fop^ifdien (Srunblage, bie 5lant im SSibcrfpruc^ gu bcr ^^ilofop^ie feiner SSorgänger fc^uf. ^^reilid), ungefd)ult bur^ beren ©diriften, ^ötte er fie nid)t fc^offcn fönnen; unb borum mußten wir weit gurüdgreifen biö gum 2lltertum. I

2)urc^ Kont, ber fi^ befonbcrö burd; 3fiouffcauö reoolutionären (Seift unb bie | ©tepfig bes englifdien ^l)itofopl)cn ^ume angeregt fanb, würbe bie bogmotifd^c gur !ritifd)en ^l)i(ofopI)ie umgefd)offen. „(Segenftönbe ber ©innc'', fd^rieb er on einen ©d)üler, „fönnen wir nie onbcrö erfennen als blo^, wie fie un§ erfdieinen, nic^t m^ bem, wüö fie an fid) fclbft finb; ingleic^en überfinnli^c (Segenftönbe finb für unö !elnc (Segenftönbc unfcreö tt)eoretifd)en (Srfenntniffeö."

S)urc^ bie ©innlicfifeit, fogt 5lant, werben unö oEein 3tnfc^ouungen oermittelt, auf bie oUeg ®cnfcn gulefet gurüdgel)t. 3)er benfcnbe 5ßerftanb liefere unö borouä »e= griffe, fönne ober folgerid)tig niemalg bie ©rengen ber (Srfo^rung überfc^reiten. 2öer

i

Sie -p^ilofojjfiie ber JJcuäeit. 33

olfo pf)ilofopf)i)df) weiter fommen luoHe, ber bürfe fid^ iiid^t mit ben fingen, ben @e= frf)öpfen beö SSerftonbeö abgeben, fonbern mit beffen eigenen ©enfformen. ^ieje allein fint für unä üorf)er gegeben, a priori t)ort)anbcn. 2Beld)e ^croanbtniä eS mit ben burd) Sinnlirf)feit unb SSerftanb unä übermittelten ©egenftänbcn \)ahe, baö bleibt unä gänjlid^ unbefannt: „wir fennen nidjtö olö unjere 3(rt fie n)at)räunef)men", !ennen ta- gegen nic^t baä „2)ing an firf)", ha^ innert)alb oon 3iaum unb ^e\i, ben unä ange= borenen reinen SSerftanbeöformen, gar nirf)t erfd)cinen fann. ^er ^i)ilofop{) !ann bemnad) aber baö, raaä i[t, fo menig miffen roie ber 3fiirf)tpf)iIofopI). SDoö ^u^erfte, raaö er oermag, i[t eine „ilritif ber reinen Vernunft".

3Jlan fann nun ja biefe 35ernunft üü6) unter praftifc^en (Sefic^töpunften be^ trad^ten. SIbcr ta^ ift, ftreng genommen, feine ^^^ilofopljie mel)r. 3ln bem unerbitt: lid^en Äaufaljufammenfiang ber 2)inge, roie fie unä erjc^einen, ift nic^t ju rütteln. S)amit TDÖre au^ bie Unfreif)eit beä 3Jienjc^en gegeben, ber ©cbanfe fittlidjer ^anbs lungöraeife aufgei)oben. 2Inbererfeit§ aber lä^t fid^ autf) bie Unmöglirfjfeit fittlicf)en ^unö nicf)t nad)n)eifen. SBoUen mir ben ©ebanfen ber Sittticfifeit jugrunbe legen, fo muffen mir eine allgemeine SBaljrlieit, bie feftjufteUen unmöglid^ ift, in ein praftifc^eä ^oftulat, ben fategorifrf)en ^mperatio, umroanbeln: „^anble fo, ta^ bie 3)kyime beineä ^onbelnä föl)ig ift, aUgemeineö (Sefe^ 5u raerben/' ®a0 SBiffen ift f)ierbei oufs gel)oben. SBer beö ©laubcnö unb ber 9JJoral bebarf, ber mag fid^ burd^ praftifd^e, nic^t aber reine SSernunft ftü^en loffen. '3)ie „5lritif ber praftifc^en Vernunft" er= f^iien 1788, alfo fieben ^a^re nad^ bem ^auptmerf. 1790 folgte bie „^ritif ber Urteilöfraft", bie in il)rem erften %t\i ^ftl)ctif ber 5lunft, in il)rem jroeiten Stftljetit ber 9^atur ift.

^antö Seigre ^at mel)r ^interlaffen al§ eine 6d;ule oon ftrengen Kantianern. 6ie l^at bie alte ^l)ilofopl)ie ju ©rabe getragen unb ein ganj ncueö Surf) geöffnet, in bem fortan alle ßrgebniffe ber SBiffenfd^aft n)iberfprurf;öloö oerjeirfinet roerbcn fonnten. Sßenn idE) bin, ber burd^ ©innlirf)teit unb SSerftanb biefe 3ßelt frfiafft, bann roirb aUeö Sein jum Srfjein unb metopl)t)fi|rf)eö ©rübcln §um ^oijn auf bie 3Jienfrf)l)eit. 3Jian bebenfe, roie biefe ©rfenntniö auf \>aä folgenbe 3»ol)rl)unbert roirfen mu^te bann rairb man \\d) m6)t rounbern, ba^ feit ^ant bie Ul)r ber ^l)ilofopl)ie im ftrengen Sinne ftiU ftel)t Srf)openl}auer 30g ja nur roeitere ^Folgerungen, bie aber oon un= geheurem ©influ^ auf bie fo^ialiftifi^c, naturaliftifd^e unb religiöfe Literatur raaren.

Kantö 33ebcutung für bie ßntroidlung bcä religiöfcn ©cbanfenö aber ift mit feinen brci ^auptrcerfen nic^t erfrf)öpft. Unerbittlid^) roie fein Sittlirf)feitöprinäip „®u foUft!" mar feine 2lblel)nung au^errceltlidlier 33erpflid^tungen. ©runblegeub böfür rourbe feine Scfirift über „®ie S^teligion innerl)Qlb ber ©renjcn ber blopcn '^er; nunft", bie 1792 crjrfiien unb bur^ eine anbcre über ben „Streit ber ^^afultötcn" oon 1798 finngemä^ etgänjt raurbe. „2)er Sßa^n", ^ei^t ba, „burd^ religiöfe ^anb= lungcn beä ^ultuö ttma^ in 2lnfc^auung ber 'Jicrfitfertigung oor ©ott auöjuri^ten, ift ber religiöfe Slberglaube, fo n;ie ber 2Bal)n, biefeö burrf) Scftrebung ju einem uermeint: li^en Umgang mit ©ott beroirfen ju rooHen, bie religiöfe Srf)roörmerct ift." 5Die

Det)\le. 2)ie beutic^e fiitecaüic {clt (^oetl^eS Xobe u{m. 3

34 Sic (jiiunblagcn bcv bcutfdjeii i3iteiatuv feit ©oetljel Sobe.

gottcöbicnftüc^e aieUgiou müffc in eine movalifc^c umgeläutert werben, ber erniebri^ genbc Untcridjicb i\v\\d)cn 5Uerifcrn unb Saien müffc auff)öreu.

So troten in ikntö £e^re bie reine SSernunft unb ber reine S^arafter grü^enb cinaubcr gegenüber wie amei gemaltigc am ber ebene aufrogenbe Serge, on beren 23tfteigung bnö ganjc folgenbe 3of;rI)unbert feine ^roft geübt Ijat. Unermeßlich voax gcrube and; ber ©infln^ ber ilantfc^en ^flicl)tenlel)re. „®ie moxaV', fagt ©oet^e, „lunr gegen ©nbc beö lefeten ^Q^r^unberts \6)iü\\ unb fnerf)tlicl) gemorben, qIö man fie bcm fdjmanfenben ßalcnl einer bloßen ©lüdfeligfeitstljcorie unterwerfen moHte; ^ant faßte fie 5ucrft in i^rer überfinnlic^en Sebcutung ouf, unb roie überftreng er fie auc§ in feinem totegorifcljen ^mperatio augprögeu moUte, fo l)at er bod) \)a^ unfterblid^c SSerbienft, unö uon jener 2Beic^lid;feit, in bie mir cerfunfen maren, gurücfgebrac^t ju iiabcn."

Sa^nbred^enb mürben Alants 3(rbeiten oud; auf oiibcrn ©ebieteu, befonberö in ber S^aturmiffenfd^oft unb ©taatölel^re, unb menn ber älftronom ^ant burc^ bie fort- fc^reitenbe gorfc^ung überholt ift, fo liegt bas an ber 5ßerbefferung ber tec^nifc^en ;J&iljömittel. ^olitif^ backte er fo frei mie ber feurigfte Stepublifaner. ^n feinen ©enfmürbigfeiten berid^tet 58ornl)agen noc^ erääl;luugen ©tögemannö, baß ^ant, alö er oon ber Stiftung ber franjöfifdien S^iepubli! ^örte, aufgerufen \)ahz: „S^fet fann ic^ fagen mie ©imeon: ^err! laß ©einen S)iener in ^rieben faliren, nac^bem ic^ biefen S:og beö ^eilö gefc^en." 5Da Ijanbelte fid) freilid) um bie 58efeitigung ber geroiffen- lofen Sourbonen. Stbcr £ontö poUtifd)e ©ebanfen l)aben burc^auö bemofrotifd^cn €^arafter unb fmb eine ber ©runblagen für bie fogialiftifd^e Literatur nad^ ©oet^cä 5Cobe gercorben. ®o§ allgemeine 9Jlenfd^cnred)t ift il)m l)eilig, ber ©eburtäabel etroaä Unmürbigcö. ®ie perfönlid^e ?5i^ei^eit l)örc nur bort auf, mo fie ber eines anbern ju fc^aben beginne, ^üm ?yreil)eit aber folge ®leic^I;eit; ein jebcr muffe ju jeber ©tufe jebcä Stanbcö gelangen bürfen, „mosu il)n fein ^Talent, fein ^teiß unb fein ©lud Einbringen fönnen, unb bürfen il;m feine 3)iitmenfd;en burc^ ein erblic^eö ^rä- rogatio, alö ^riüitcgiaten für einen gemiffen ©tanb, nic^t im Sßege ftel)en, um i^u unb feine 9kd;fommen unter benfelben emig nicberäuljalten." gebe nur eine ©ouDcränität: bie beö ganzen ^^ol!eö.

2Bir fe^en ilant alö ben Saunerträger ber fortfd;rittlicEen ^bee üor unö, bie in äo^lreic^en Schriften uqc^ iljm ha^^ neungefinte S«^i^^u"bert entroidelte. ©eine politifc^en Darlegungen gipfeln fc^ließlid^ in ber Sorftellung eineö eroigen ^riebenö. iffienn haä Soll luirllic^e SouDcrönitöt bcfifee, werbe fc^on bafür forgen, baß feinen ^rieben bel)attc, jumal bie materiellen ^jntereffcn lebigtid; eine Sercdinung beö ©eroinnö unb Serlufteö ermöglicl)ten. „Sßenn, roie in biefer Serfaffung", fogt Äant, „nic^t anberö fein !ann, bie Sciftimmung ber ©taatöbürger baju erforbert wirb, um au befc^ließen, ob 5lrieg fein foUe ober nid^t, fo ift nic^tö natürlicher olö "oa^, ba fie aüe 3)rQngfQle beö 5lriegcö über fid^ felbft befc^ließen müßten, alö ba finb: felbft au fecl)ten, bie 5toften beö Itricgeö au^ i[)xn eigenen ^ahe lierjugeben, bie Serroüftung, bie •er l)inter fic^ läßt, !ümmerlicl) ju üerbcffern, aum Übermaß beö Übelö enblic^ noc^ eine ben ^rieben felbft cerbitternbe, nie wegen m^cx unb immer neuer Kriege

* Sturm unb Drang. 35

*

dtgenbe ©c^ulbenlaft felbft ju übernet)men, fic jtc^ fe^r bebenfen roetben, ein fo fd^limmcä ©piet anjufangen, "oa hingegen in einer SSerfaffung, roo ber Untertan nic^t ©tQQtöbürger, bie alfo nic^t republifonifc^ ift, es bie unbebenflirfifte Sarfie oon ber SBelt i[t, rceil boö Dberi;aupt ni^t Stoatägenoffe, fonbern ©taatäeigentümer ift, on feinen tafeln, ^agben, Suftfc^Iöffern, Jooffeften unb berglcic^en burc^ ben Ärieg nic^t ba^ minbeftc einbüßt, bicfen al\o mit eine 2lrt uon Suftpartie an^ unbebeutenben Urfai^en befdilie^en unb ber 2tnftönbig!eit raegen bem boju aHjeit fertigen biploma= tif^en ßorpö bie S^ed^tfertigung berfelben glei^ä^it^Ö "berloffen tann."

2)er freie S3unb aller freien 58öl!er, ha^ ift nacf) £ant bie f)ö(i)fte 3JJenfc^^eitö: ibee, oon il)m oertreten befonberä in feiner Stb^anblung oon 1784: ,,^bee ju einer allgemeinen ©efc^id^te in njeltbürgerlic^er Stbfid^t." ®ie ganje ©efd;i^te roäre finn= unb jrcedloö, rcenn il;r burc^ fooiel Kriege umftritteneö ©rgebni§ ni^t eine einzige, gefamte ©efeüjd^aft ber SSölfer n)äre, bie baä 3f?ed^t für aUe burc^ alle ju üenoalten l)ätte.

S)aä tleinfte SBort raäre überflüffig, boä im einjelnen anbeuten rooEte, mie fe^r bie ^l)iIofopt)ie ber ^leujeit, befonberg ober ^ant bie ©runbtage be§ ^aljr^unbertä nad) @oetl)eä S::obc bis jur ©egenmart geworben ift.

12. Sturm unD ^rang*

®ie ^^ilofopl^ie ber ^Jteujeit ift oft überrafc^enbe SBege gegangen, einmal fogar ben SBeg bes @efül)lä. 3)en geigte il)r ein 3Kann, ber ouc^ kant in l^o^cm ©rabc beeinflußt l)at: ^ean ^acqueä Sftouffeau. Unb biefe @efüt)lgn)elle fc^lug roeit t)inein inä neunäel)nte ^a^r^unbert unb brad^te poetif(^e 33lumen, gebanflidie '^xüi}tc mit.

3fiouffcauö ©eiftcätat ift fd^rcer mit wenigen SBorten ju umfcfireiben. 2tl§ um bie 3JJitte beö ac^tjel)ntcn ^at)rl)unbcrtö bie Slfabemie oon ©ijon bie Preisfrage ftellte, ob bie Kultur bie Sitten ber 3)lenfc^en uerbeffert ^aht, ba beontraortete Siouffeau bie grage in längeren S)arlegungen mit ^t\n. $8 erfd)l echter t \)ühc bie 5lultur bie Sitten, nur in ber 3fiücffel)r jur 9tatur liege bas §eil ber 3ufunft« 3"i^üd §ur S^iatur! ®aä rcurbe ber (£c^locE)truf eines neuen ©c|rf)led)ts. ^mn natürlict)en Seben, jur natüi' UdE)en Siebe, jur notürlicfien @rjiel)ung, jum natürlicEien 3Redf)t, jum natürlirf)en Staat jurüd! Uncrljörte ^Folgerungen ergaben fid; oon felbft. 3)ie 9teüolution uon 1789, ja im ©runbe alle neueren Sf^eüolutionen finb Sfiouffeauö 2ßer!. 3Jiit t)inreißenbcr Seiben^ fdiaft trat er für bie enlred)teten unb S3efi^tofen ein, ucrfo^t er bie reinen 9Jienfd)l)eitS= ibeole. Sein ßrjie^ungSroman „Emile", fein fiiebeSroman „La nouveile H^loise", ber ®oetl;eö „SBcrtl)er" gugrunbc liegt, feine tl)eorctifdjen 2tbf)anblungcn unb feine Sclbft: befenntniffe, bie burdf) rüdfiditslofe Dffenl)eit in Srftaunen fe^en, mürben bie Sin: bad)tsbüd)er ©uropaS, baS fid) nun um baS neue Sd)lagraort 3^otur im ^ampf -gegen jebe Slutoritöt gu fc^aren begann.

©in Sturm ber Scgeifterung burdE)braufte namentlich bie ^^ugenb. ^Die 3fiatur würbe gerobcju 3Jiobe, auc^ in ber ^leibung. Sd)on ©milia ©alotti trägt feinen anberen S^mucf als bie $Hofe im §aar. ^or allem aber rourbe ben überlieferten ©efefcen unb Flegeln ber ^rieg erüärt.

3*

8t> Sie Oirunblagen ber beutfdjeii Öiteratur feit ®oet^c§ ^oöc

©Qß äußerte fid) am ftärfften in ber ^unft. SBie boö SSoIf fanß unb fproc^, bnö luar baö 9led)te. 2Baö ber Äunftric^ter tiinju erfanb, baä roar SSerbilbung. greil)eit, ©leid)l;eit, 33rübcrlid)tcit in ber ^olitif, greil)eit in ber ^Religion unb Äunft ~ ta§i ciUcö ftanb im engften ^ufammen^ang miteinanber. 2Ber \\6) frei machte ron aUem- öu^eren Siegclärcang unb hod) unfterblidje SBerfe \6)ü\, ber attein mar ein ^{ünfttcr, ein ©enie. ©in leuc^tenbeä aSorbilb für bie ©eniejeit mürbe ©t)a!efpearc.

%n biefer großen geiftigen S3eraegung mar am ftärfften politifc^ granfreic^, literarifc^ ©cutfc^lonb beteiligt, ©ort leitete bie ©ntroicflung äur ©uiaotine I)in, l)ier 3u ben poetifd)en Unarten üon ©türm unb ©rong, auö bem unö mit (Soett)e unb ber ^J^omantif taä neunjefinte ^a^rl;unbert emporrauc^ä.

5ßon Königsberg ging biefeä aj^al auS. S)ort uerfenfte fid) Rant ftaunenb in bie äßerfe 9touffeauö, bort fa^ .^erber ju £antö güBen unb lie^ ficf) üon bem 3Jiagug im 3^orben ^omann für bie ^oefie beä @efüi)lä, beä bunfel ^Ji^ftifc^en, beä il^olfcö begciftern. ©r felbft aber, Berber, brachte attes bann nac^ Strasburg ju bem jungen ©tubenten ©oetiie, bem ?^ül;rer oon ©türm unb ©rang.

©oc^ junäc^ft muffen mir ^erber fennen. ^oiiann ©ottfrieb ^erber raurbc am 25. 31uguft 1744 ju 9Ko§rungen in Dftpreu^en alä ©ol)n eineä ©rf)ullel)rerä geboren, ©urd^ ^amannö 3Sermittlung mürbe er Se^rer unb ^rebiger in iRigo. Später ging er nad^ bem SBeften unb rourbe mit @oeti)e befannt, ber il)n nad^ einigen geiftüc^cn Südeburger 3a{)ren nad^ SBeimar alä ©eneralfuperintenbenten berufen lie^. S8erm.äf)lt roor er mit Caroline gtac^älanb. 3lm 18. ©e^ember 1803 ift er geftorben.

.^erber l^at eine boppelte S3ebeutung: eine für ©oett)e unb eine baoon uns obt)öngige für unö. 2tber roie üe^e fid^ 'oa^ bauernb trennen!

©r mar eg, ber (Soet^e auf bie SSolföpoefie, bie SBibel, ^omer, Dffian unb ©^afcfpeare ^inrcieö unb fo ben ©amen ftreute, beffen gange ^^rudit er felbft freilid^ nic^t ernten tonnte, ©iefe unfd^einbare 3::ötigfeit beä großen älnregerg jebocf) bürfcn mir if)m, menn mir ^ier nad^ ben ©runblagen ber nad)goetI)ifd)en Siterotur fragen, nicf)t Dcrgeffen.

©ie fritifc^en Strbeiten ^erberg, in benen er meift an £effing on!nüpfte, lieft foft nur noc^ ber 2iteraturt)iftorifer. Unter unö lebt er alö ©ammler ber ^ßolföpoefie an^ aller Sßelt, ber fo in ©eutfc^lanb juglei^ baö $8erftänbnig für bie SBeltlitcratur neben unb nac^ Seffing raedte. ©eine „©timmen ber 33ölfer" raerben immer raieber in allen möglicl)en Sluögaben neu gebrucft. Unter un§ lebt er alä ©ic^ter feiner (Sib = ^^omongen foraie feiner ßegenben unb ^aramt)tl)ien. ©arüber berid)tet jebe^ ©c^ullcfebud). Unter unö lebt er alä SSerfaffer ber „^been jur ^^ilofopl)ie ber ®c= fd)id;te ber 3):enfd;l)cit", mit benen er, ein SSorlöufer 3^anfe§ unb jebeä 5ßerfaffer§ einer S5?elt= ober allgemeinen Kulturgefd)id)te, bie (Sntrcidlungögcfd)id)te alg 2öiffen= fd)aft begrünbete. Unb oicHeidit lebt er unter un§ aud) nod) alö feinfinniger ©prac^r forjdjcr, l)ierin ein 2Begbal)ncT für bie S3rüber ©rimm unb bie übrige ©ermanifti! bcö ncungetinten 3sa^rl)unbert5, raenngleic^ fein fc^öner 3luffa^ „Über ben Urfprung ber ©prQd)e" nid)t ju fprac^lidier Klein, unb eingelarbeit ^inabfteigt. 3tber afleä ba§ ifl boc^ nid)t bö5 58efte an biefem 3JJann, fonbern ba§ ift bo§ geuer ber SBegeifterung, baö

®oetl)e. 37

in i^m lo^te, boä if)n fä^ig mochte, früher alö anbete bie treibenöen Gräfte ber 3«^""!* ju erfenncn unb in Sturm unb 2)rang bem ©lege entgegen5ufüf)ren.

Sieben .^erber unb bem jungen ®oet{)e f)Qben bie anberen Stürmer unb ©ränger, lüie Älinger, nacf) bejfen Xxama ;,Sturm unb S)rang" bie ganje beutfc^e (Seiftesftrömung genannt würbe, ober raie SBagner, 2ena, ©erftenberg, ^Jriebric^ SKüüer unb Sc^ubart, nur geringe Sebeutung.

Sin Sturm unb S)rang ift boä ©igentümüdie nur ber Uri>iung. ©ie SBirfung ift Daö SBerf beö jungen ©oet{)e unb beä jungen SrfiiEer. ätber ouc^ oi)ne biefe beibeu Älaffifer raürbc bie ^eriobe ber Driginalgenieä biö rceit in bie erfte ^älfte beö neun=: jc^ntcn ^af)rf)unbertS f)ineinreid)en, benn fie berüt)rt fid) an üielen Stellen mit ber £iebe unb bem ^a| ber 3fiomQntif, bie jum %t\l ^xä\tt beä Sturmeö unb S)rangeä an \i6) jog unb mit ben übrigen üereinte.

5Daä ämanjigfie ^at)rf)unbert ift jebem unnötigen Sturm unö 5Drang abgeneigt, bie äBelt i)üt baoon ol;nel;in übergenug; unb auc^ bie SSertreter jener ^eriobe finb un§ meift fremb gercorbcn. 9^ur einer nic^t, SBolfgang ®oetl)e, ber unjerer ^e\t unö Literatur bie feftefte, fürftlid)fte ©runblage gab.

13» ^oct^e.

©in ßeben gang o^ne @üett)e ift mie eine Slume ot)ne 5Duft (i)oetf)c bobei alg begriff im roeiteften Sinne genommen. (Sä ift roo^t möglid), baä Seben in ein 9ie^enefempel ju oerroanbein. Dft genug rairb bie ©lei^ung aufgeljen. Slber an biefem Seben fef)lt baä 33efte, bae ©oet{)ijrf)e: baä fieben felbft.

2Ber goetf)ifci^ lebt, braucht bie 2Bänbe feineg 3^"^"^^!^^ "i<^t mit (Soett)eä SGßcrfen unb ben Schriften über il;n aufjupufeen. @oetf)e ift meber gelet)rt noc^ litera; rifrf) ju faffen. Unb man lebt no^ nic^t goett)ifd;, menn man fid^ in SBeimar einniftet unb abenbä an ber 2ilin entlang raanbert in bem laufcf)igen ^arf, ben @oett)e unb fein ^cr^og „gebid^tet" t)aben. 3)enn nid)t ©oetijeö Seben F)ei^t eg leben, fonbern bas eigene in goet^if^em ©eifte. Sßir fönnen nid^t beffere ©oetfie^Seftüre treiben, üU aenn rcir tief tjinabfd^aucn in unfcre eigene Seele unb in beten Spiegel bie D^iotur betra(f)ten; menn mir unö mit glei^er Siebe ber Slrbeit rcie ber £uft, ber SBelt rcie ber ©infamfeit überlaffen unb babei bod^ ftetö unö fetbft bef)aupten; roenn mir allen Säuberungen ber ^unft unb SBiffenf^aft narf)get)en, tätig baran tei[nef)men unb bod; niemals unferen eigentlichen £ebenöbcruf, baö offenbare ©nbjiel unfereg inneren 2)a; fcinä, an^ bem 3luge ücrlicren; raenn mir aUeä Säu^ertii^e gering ad)ten unb boc^ bie f^orm nie ocrlefeen; roenn mir jung in ber ^"9^"^/ Q^t im Sllter finb, bort gcuer, l)iet SBürbe geigen; menn mir im SSoUflang nnferer ^oljre einen üielleic^t nur leifen, ahn beftimmtcn 'Xon rernel)men, ba^ aud) mit nid)t ganj oetgebcnö lebten.

2Bo fänben mit cot ©oet^e einen 3Jcenfc^en, bet unö ein fol(^eö Seben fo l)at= monifd) unb bilbetteid^ ootgelebt ^ätte! Ratten mit ©oetljeö SBerfe unb ni(^t fein Seben: ni^t Schiller, nid)t ficffing, nic^t ^lopftod fönnte unö biefen non ©oetlie jum erftcnmal oorgebitbeten £ebenöbcgriff etfe^en.

38 Sic ©runblagcn ber bcutfd^cn ßiteratur feit ©oet^eS Sobc.

^o\)am\ SBoIfgaiig ©oetI;e lüurbe am 28. Sluguft 1749 alö ©o^n eines !ai)er^ liefen SHatö in grantfurt n. 3K. geboren. $8on feiner aU „%xau Slat" unb ,;grau 2tja" befanntcn SOaitter erbte er „bie grof)natur unb £u[t ju fabulieren", ^n „©ic^tung unb SBaljr^eit" i)at er fpöter üerfurf)t, bie entraidlung feineö ©einö bis jum eintritt in Söeimar ju fc^ilbern. ^o6) baS irar ein Iiterarifd)cS SBerf, unb oiefleidit bas 33eftc feines inneren SebenS ging angefic^ts beö großen SeferJreifeS üerloren. golgen roir batjer bem Scbenbcn felbft, nic^t feiner ?^eber, um junäc^ft ein 33itb biefes uns {)eute ielbfti)erftänblirf;en SebenS, bas mit feinem %ott ni(^t aufhörte, ouS ootter SBirflic^'- fcit ^eraus ju geminnen.

2)er ilnabe t)ört 3Jiärc^en gern unb bid^tet baS tun anbere Jlnoben auc^. 3J^äbc§cn, feiner Sc^rcefter greunbinnen, treten in feinen Äreis , er fpielt unb tanjt mit il;nen. ilnoben mag er gern feinem SBitten unterraerfen. Stit feinem pebantifc^en 5l>üter ift er un5ufrieben. ®S fommt ii)m üor, als !önne er met)r oIs anbere. ®em jungen Seipjiger ©tubenten naf)t bie erfte Siebe. Äeine ^rinjeffin ift'S, raie in feinen ^Ulär^en, fonbcrn ein ©aftmirtstörfiterlein, Käti)(i)en ©c^önfopf. 9(ber feine Seiben: fc^aft unb Sifetfurfit finb beSFjalb ni^t geringer. Sr rcei^ : merben fann baraus nid)ts. Unb fo fc^eibet er in ^^reunbfc^aft. 3)as tut er anä) fpäter in äl)nlid^en ^onflüten. 9lur nic^t fi^ feftlegen, nid^t üergroeifeln : eS gibt ein ^öl)eres, bie Äunft, unb fie l)at nur mic^, tiat feinen @rfa^, mcnn irf), if)r jünger, in ber ®ngc beS fleinen 3^omilien= freifcs ocrfümmere. 2(u^erbem cerfäumt er 2tuerbad^S Heller nirf)t. ^ie 5ßorlefungen ber ^rofefforen langroeilen if)n. Sieber fifet er in bem Sanbf)aufe beS 3lfabemiebiref: torS Defcr, äeirfinet bort ober unteri)ält fid^ mit feines Sel)rers flugem ^Hifd^en.

Änabe, junger ©tubent! @S folgt ber erfte ©tubentenfturj, ber fcfion bei mit: telmä^ig begabten Jünglingen im neunjefinten Jal)r{)unbert roo^l nur fetten ouSge: blieben ift. SBotfgang mirb fron! unb mu^ ins (Slternl)auS 5urücffet)ren. 5Der SSater uerbrie^lic^, bie ^Kutter befümmert, bie ©d^roefter oergnügt, in bem grilligen ^aufe ben Sruber mieber ju ^aben, bie Spanten unb anbern alten 2)amen mütterlich unb c^riftlic^ teitne^menö, ber Strjt, feiner Sefucfie in ber ^atrijierfamilie frof), natur: n)iffenfrf)a[tlic^ untcrl)altenb aUes ganj mie bei uns, menn roir ©oetl)eS ®eift als ben DueE feiner SBerfe junäc^ft ouSf(^alten.

®ann gel)t es jum äroeiten 3JJale l;inaus, nad^ ©tra^urg. @r l)at fc^on feine Erfahrungen, ber junge ©tubent, fc^lie^t fic^ au<f) als älteres ©emefter, obroof)! er erft 21 ^a\)xe 5ä^lt, an ben roürbigen $8orfi^enben feines 3)^ittagstifcf)eS, ben 3lftuor ©alj: mann, an. 2tber er oerliebt fic^ boc^. ^rieberife 33rion, bie ^farrerStoct)tei oon ©efenl)eim, ift il)m innerhalb il)res länblic^en 3|bt)lls etroas ganj 9?eueS. ®ie ©ro^: jläbte Seipjig unb ^ranffurt üerblaffen; l)ier ift 5«atur, ift ber ^olbefte 3Jlai auc^ im SBinterfturm. Unb roenige ©tunben nur braudfjt ber ©tubent ron ©tropurg 5U reiten, um Siebe unb ©lud gu trinfen. Unb bann tül)rt an feine ©cele l)eimli^ ma^: ncnb bie ^unft: „2)u borfft nic^t. 9tebe mit «gerber, Senj unb ben onbern üon ©l)Qfeipcarc, Djfian unb ber SBolfSpoefie fo üiel 'on rciUft, lebe unb biegte, aber fette bic^ an bas 3Käbc^en nirf)t." ©0 roirb benn aEes roie üor^er. (gr fc^eibet. Stber mit fic^ nimmt er auö ber franjöfif^en ©tobt ben ©inbruc! beutf^en SBefenS, ben i^m Siebe

uub ^unft, bie ^unft oon ©türm uui> ^rang, unD baö !öitb beö Qeroaltiqen gotifd;en 3J?ünfterö unauölöic^lid; eingeprägt f)abcn.

2tlg Sigentiat ber 9ied;te rid)tet er fi(^ in ^^ranffurt fein SInroaltäbüro ein. '^ic Sorge für biefeä jebod^ überlädt er gern feinem $ßater. ©r felbft frfjroärmt lieber in SDarrnftobt mit empfinbfamen jungen ©amen umt)er, ^ält Sf^eben auf feinen geliebten 6{)Qfefpearc unb fc^reibt Siejenfionen. 3Jtanc^er 3{ed)töQnroQlt; locnn er ©eift unb ©elb raie ©oetlje tjätte, lüiirbe baö au6) üorjieljen. Sffiir rounbern unä über gar nid)t§ in biefcm Seben. ^n anbern ^^iograpliicn fpüren mir fo mand^erlei Hemmungen eineä Dcrf£^(offenen ^Qf)r^unbertö. ©oetlje überroinbet fie mit ©lud ßnblid) birf)tet er etma^ @ro|eö, mos beö 2)rudeö rocrt ift, ben „®ö^ von 33erlic^ingen", unb rcirb ein wenig berül)mt. 3Kan mirb auf ben jungen Soltor @oetl)e aufmerffam. ^^"ä"'^"^^'^ aber, cl)e nod) eine größere üffentlid;feit biefe S)id)tung ^u fcr)en befommen l)at, ift er an baä 3^cid)äfammergeri(^t nac^ SBe^lar gegangen.

§ier roirb mieber arg. (Sr liebt, liebt bie 33rant eines anbern, ßotte Suff, bie bann Sötte Jlcftner unb bie 3Jiutter uieler ilinber rairb. SBieber ift, biefeö 9Jial nic^t nur im ^ntereffe ber ^m\\t, ein Slbfc^ieb notiuenbig, ber bem Sid^ter roie bem 9Jlcnfd)en prä^tig gelingt, benn er ueräi^tct auf baö 3(bfd)iebne^mcn überl)aupt. $Daö fommt ber Umfefeung biefeä ©rlebcnö in ^ocfie äugutc. (5ö fel)lte nur nod; i)q^ tragifd)e 2)un!ef, um einen „2Bei;tl)er";3ftoman im ©til t)on 9touffeauö „^Jleuer ^eloife" ju ermöglidjen. S)a erfc^ie^t fid^ ein SBe^larcr Sefannter, ber Scgationäfcfretär ^erufalem, auö unglüds lid)er Siebe. Unb nun ftrömt bie n)ertl)erifd)c £ebengbeid)te auö ber ©eele beffen, ber mit ungemöl)nlid;cr Seibcnjc^aft ungeroöl)nlid)e ilraft uereint, fie burd) ^oefie ju überroinben.

3)o(|) enblid; fdieint bie Siebe aud^ f)ier ben glü^tling ju fangen. 3J?it ber fd^önen ^^ranffurtcr SanfierötodE)ter Sili ©d)önemann fommt eine richtige 33erlobung juftanbe. älber burd) eine Steife in bie ©d^roeiä roirb fd)lie^lid) an6) biefe jlette äer= riffen, unb ben Siebe§flüd;tling entfül)rt ber 3ibgefanbte beö neuen j^rcnnbes jvarl 3(uguft, .^crgogö cou Sad)fen=3Beimar, auä bem Söürgcrfreife in baö bomalö allein glänjenbe ^ofleben, gerabc gu einer ^c'ii, ha in bem Sicbling ber ©rajien, bem feucr- augigen bcutfd^en 3lpoll, in unerl)ijrtem SJtelobienreid^tum fingt unb tlingt.

®er ©ünftling beö .^erjogö wirb 9JJinifter, ber ©ünftling ber 9Jhifen roirb oer ©ünftling einer feinfinnigen Same bei t^ofe, bie fd)on oerl)eiratet unb er^eblicE) älter ift alö er, ber grau non Stein. Ungcroöl)nlid) ift nid)t3 baran, jumal nid;t im ac^t= je^ntcn ^ja^rl^unbert. 2Baö nun folgt, erfc^eint junädjft roie ein 3Kärd)cn auä lOOlcr 3lQ6)t SBic ^arun al 9kfd;ib mit feinem ©ro^oejir, fo jieljt ^arl 3tuguft mit feinem 3JZinifter burc^ baö Sanb, unb mit iljnen äiel)t übcrfd)äumcnbeö ^ungfeln mit all ben pl)antaftifd;en Unroal)rfd^einlid)feitcn, bie in eineö dürften unb cineg jlünftlerö Seele rool)nen. Sie bleiben eiuanber treu, gürft unb S)id)tcr, biö jum Xobe; nid^t aber biö äum 2;obe Sid^ter unb SBcib. Sic '^Hatux forbert ben Siebter uor fiel). Sie rei^t il)n auö ungefunbcr 3'yi<^fpöltigfcit unb fül)rt \i)n über ben 33erg unb feinen 9icbelfteg in taä Sanb, roo im bunllen Saub bie ©olborangen glül;en unb bie SJhumorroerfe antifer

40 S)ie ©cunblagen bcc beutfd^cn Sitccatuv feit (»5üetf;e« Sobe.

5?uHft 6cn ilbci-gang Don natürlicher Schöpfung hu noc^bilbenbem Schaffen »er-- bcutüc^en.

2)a JDirb bcr S»ünöli"9 ein Tlann. er lä^t ©türm unb 2)rQng am ^orijontc iienücl;cn unb übernimmt auc^ in fein Seben bas I)eitere ^lau bcä füblicfien ^immelä, bic eble Einfalt unb ftiUe ©rö^e ber Stntife. Unb nun reifen in if)m feine fc^önften SBerfc 5U ß-nbe. S)ic ©ricc^entoe^ter 3pl;igenie, ber 3fienaiffancebi(f)ter Xa\\Of ber nicberlänbifrfje grei^citö^clb egmont, ber 2ßal)rt)eitöfud)er gauft, bie lkbl\6)t 3Jlignon mic ani cmig ruijigen, feiigen ©efilbcn fteigen fie l)erob, um neben bem trofeigen ©ottcölöfterer ^rometl;euö ebelfteö, reinfteö 3JIenfd)entum ju oerfünben.

®ie Statur moUte fic^ einmal felber im «Spiegel betracf)ten barum fd^uf fie ©oet^e, ben 2)ienfct;cn mie ben ©ic^ter. ?ii4)tä 3Jienfc^licl)eg ift il)m fremb, feitbem er aus Italien gurüdgefe^rt ift. 3Jiit feinem 9JJöbc^en, 6f)riftiane ^ulpiuö, bie il)m ouc^ einen So^n fc^cnft, lebt er bal^in, noc^ oft oon Seiben fdiaften gefcf)üttelt, am ©nbe aber ftetö il;r 9)ieifter. ^d6) blü^t il)m montier neue Siebeöfrül)ling, unb in bem fc^önften/ ben i^m 2)iarianne üon SBiUemer jufü^rt, entfielen Sieber fnofpenber ^ugenb in ber fieggerco^nten Sruft beä ©reifeö. S)ann mirb langfam ftitt um il)n, in i^m. ^^m ftirbt Schiller, mit bem er ein ^a^rje^nt long feine ©ebanfen geteilt l)at, il)m fterben bie anbern: bie 3JJutter, ß^riftiane, bie er injrcifc^en gel)eiratet l)at, grou oon ©tein, ^arl 3luguft, ber einzige ©o^n. ^m 83. £ebcnsjal)rc, om 22. gjiärä 1832 gegen 3}tittag, Ic^nt er fid^ in feinem ©effel jurüd unb entfrf)löft.

S)iefeä ©id^terleben ^at \iö) bog 3Jiitleben oller, bie naö) i^m lamen unb fennen lernten, unb eine eigene Literatur gefc^affen. S)ie ©d^riften über @oetl)e oers mag \)intc ber gelel)rtefte ®oetl)e;©peäiolift nic^t met)r gu überfelien. ®er @oetl)e;Äultuö überftieg im neunzehnten 3>a^'^'^"nbert alle biöl)er befonnten ©renjen. SBie er fi^ flcibete, mos er ju effen unb ju trinfen liebte bos mürbe ber ©egenftanb liebeoollfter Slufmerlfomleit. ^ebe ©eite feines perfönlic^en Sebenö ift un§ teuer geraorben, jebeö ^onbfd^riftlic^e SBort von i^m mirb mit ©olb oufgemogen.

3)aö lommt ba^er: er lebte fid^ in bie geiftige SBelt hinein, o§ne bie perfönlid^: menfc^lic^e ju üerlieren. ^orum oerfte^t unb liebt il)n ber roeltflüc^tige Genfer mie ber ^ormlofe Socffifd^, ber im ^^lügellleibe oon @oetl)e§ £t)ril nofd^t unb fie „ein= gig" finbct.

©oet^eö ^x)x\t ift fein Seben in SSerfe gebrockt, ©aburd^ l)at fie bie leblofe 3lnafreontif feiner Seit mit einem ©erlöge getötet. 3loä) Seffing oermo^rte fi6) bo= gegen, bog erlebt ju l)oben, ma§ er Iprifc^ gebic^tct l)atte. ^eute ober foHte ein ©ic^ter fic^ erfü^nen 5U fogen, feine ßgril fte^e feinem perfönlic^en geben fern! SBir mürben uns Ijüten, feine 58erfe ouc^ nur oufäufcfilagen, benn mir fel)en bie Siterotur mit ©oet^eö 3lugen.

S)iefe gcftftellung reicht oollfommen ^in, ©oet^eä Stirif als bie ©runbloge bcr unferigen nac^juraeifen. Slber fie ift ou^ noc^ ouä onbern ©rünben. ©oetl)e f)at ben ©treit arcifc^en 9leali§muö unb ^beoti§muä Iprifc^ obgeton. ©oH ber Sgrifer fc^ilbern, maö er fie^t, unb genau fo, rcie er fiel)t? Dber fott er bie SBirfltc^feit ou8- fc^alten unb [xd) an bie Silber fetner ^^ontofie, bie ©timmungen fcineö ©efü^lSlcbcnS

©oetfie. 41

galten? Seibe§ unb betbeö nid^t, fagen ®oetI)eö ©ebid^te. /,®er ^Dic^tung ©^leier" ben ber ©idjter in ber „3ußi9"""9" //^"^ ^^^ ^^^^ ^^'^ SBaljr^eit" erl)Qlt, löft baä SHotfcI. $Der gro^e fiprifer oerflärt baö rairflid)e ©rieben, inbem er eg oon (Sc^taden beö 3lIl5umen|cf)IidE)en befreit unb in eine i)öl)cre Spf)ärc f)ebt, in ber aEc @efd[)le^ter, alle Berufe, alle Sebenöniter einanber in fünft(erifd)em (Srfennen begegnen. Sogifci^ wäre bQ§ ber SSorgong, ber ficf) quo bem [tänbigen äßec^fel graifdfien Slbftraftion unb Determination ergibt. @oetI)e§ Steatigmuö in ber Sprif marfit bur^ biefe unoer= gleirf)li(f)e Hunft beä boppelfeitigen @eftoIten§ allen red^t, bem 9?omantifer mie bem iRoturaliften, unb ift in biefer SSoHenbung nur einmal in ber SBelt i)orl)anben.

'3^Q})U fommt baä eigentlich Stjrifc^e: ber ©timmungäraufcf), ber mufifalifc^c ^lang, baä SSerögetön. ®en Sd^roäd^ercn l)at im neunjefinten ^a]^rf)unbert jur 2)c= flamation oerfü^rt. Ülber wie fönnten mir alö ©runblagc cntbel)ren! 2pri! oor unb naö) ®cetl)e "oa^ I;ei^t ^a^t unb %aq. ^n bem i^meid^elnben Siebcölauf ber SBorte, bie ^eimlic^ anö ber Seele rinnen, in bem ®onnerl)aU beä ^itanengefangä offen: bartc ficf) ein beutfdfieä ©c^cimnis, baö fo lange gefrfilummert l)atte. ^e^t enblii^ Der= mocEite bie bcutfclie ^oefie il)re Saiten ooH erflingen gu laffen, oermoc^te ber beutfc^e S)id^ter gu fagen, tooö er leibe, wenn fonft ber 3Jcenfc^ in feiner Dual oerftummt. 2Bie ein neueö ©lud 50g burdf) baö beutf^e ©emüt. Seine ganje ^nnigfeit trot erft in ©oetf)eö £i)rit sutagc. „grcubüoU unb leiböoU, gebanfcnüoU fein" in frfiracrcr 2iebeö= not, mar beg 3rcäbc[;enä 5?lagc. „Unb bein nid^t ju ad^ten roie \6)", mar bes Uber= mcnfrf)en tro^igee SBort ber Selbfterlöfung jenem erbic^teten 3euö gegenüber. ^m\= f^cn biefer öu^erften 3ai^tf)cit unb ^erbl)eit fteigt auf ber S^onleiter goetl)ifrf)er figrif bog ®efül)l in braufenben 2(!forben auf ung nieber, oerflingenb in ber 2Bel)mut fünft- lerifc^ oertlärter (Sntfagung:

Siaufd^e Slu§, ba§ 2al entlang D^ne 9taft unb 9tul), SHaufc^e, flüftre meinem (Song 3JZelobien ju.

SBenn bu in ber SSinternadjt SSütenb überfdiroillft Dber um bie 5rü|ling§prad^t junger Änofpen quiüft.

(Selig, mer fid^ bor ber Söelt Dl)ne $a& berfd)lie&t, Sinen greunb am Sufen ^ält Unb mit bem geniest,

2ßQ§ uon ?CRenfc^en nid^t gemußt DDer nic^t bebac^t S)urd) ta?-> Sab^rint^ ber S3ruft SlBanbelt inber mad)t

Der Dramatifer @oetl;e l)at rool)t burd) tc\^ Drama, aber bod^ nic^t bramatifd^ fortgercirft. ©oetlje mar fein 33ül)nenbid)ter, unb man lieft feine Dramen lieber, olö man fie fie^t. Um fo mct)r ift il)m bie pftjdjologifc^ feine 3eid;nung ber 6t)araftere unb Situationen gelungen, bie micberum auf bas fpätere Drama bcn ftärfftcn ©influ^ ausgeübt Ijüt Darüber l)inauö aber l)at jebeö feiner bebeutenbercn Dramen feinen befonberen S^ufim unb Sßirfungöfreiö.

„®öfe pon 33erlid)ingen" mar ba§ 33efenntniä ju Sturm unb Drang. Durc^ btefcg Stüd ge^t mie übcrtoHe 3"9C"Ö- 3n berbcr 5lraft unb Sprache treten bie ritterli^en ©eftalten gmif^en 5()?ittelalter unb 9Reuäcit uor unö {)in, auf ben Sippen

42 S)ie ©niiiblagcu ber bcutfd;eii Sitcratuv feit @oet^e§ Sobe.

i>i\\ braftiid;cii ein)pnic^ Qc%in bie neue papierne iUutorität beö Siei^S, in ber aUe (Sigenartcn, eiijenredjte, ßigenperföiilic^feiten farbloä Derfd)it>iubeii. ^ie S3etonung beö pcr}ünlid)cn Söerteö, bes genialen ^d^ö gegenüber ben »ererbten ober neu vot-- gctäu)d;tcn ed;eingefe^en gibt biefem gftitterftüd, auf bag alöbalb äal;llofe onbere folgten, ben (£I;arüftcr. ^u @oetl)eö 3eit bebeutete ber „®öfe" bie Offenbarung einer neuen ilnnft, bie il;re ^hcaU auö fi^ felber I)olte. Söarf boc^ ©oet^e alle bromotifc^en ©efe^e bcß 5(riftoteleö, bie üon ben bamaligen fc^ablonenl)aften ß^arafterftüden ge= lüifjentjaft bcobndjtct würben, über ben Raufen unb fd)öpfte nur aug Seben unb ©eift u)ie 3l;atc)peare, ber ^eroö ber ©cnic^eit. Originalität würbe feit ©oetl)eä „@ö|" baö l)öd)fte ©efe^ (So wäre nic^t möglich, oI;ne ©oetl)e§ ©rftlingäftüd bramatifc^ ben 2Beg auö bem ad;täel)nten in baö neunäel)nte Sal)r^unbert ju finben. gortan würben in ben S)ramen nid)t niel)r ^Dialoge gel;alten, fonbern würbe gefprod)en wie im geben, meift in ^rofa wie im „©öfe", wöljrenb t)orl)er ber franjöfifc^e Hleyanbriner tt)pif^ war. Unb nic^t mel)r fo ouf bie fünfflid^ äufammengeftod^tene ^anblung fam an wie auf bie 2Bir!lic^feit, baö blut= unb gtutüoHe ©ein beö bramatifdien ^nf)altö^ bie innere 2Baf)rl^eit beö (Srlebniffeö.

3lud^ „©gmont" war ein ^rofaftüd. 3lber Sturm unb S)rang ift ba{)in. ^iftorif(^e diix^c liegt auf biefem ©diaufpiel, taä ein SSorläufer ber üielen beutfc^en ©e^ fd)ic|töbramen ber flaffifc^en unb nad^flaffifdien 3eit geworben ift unb fowot)l mit feinen Igrifc^en ©inlagen wie mit ber 2tpotl)efe am ©d)lu^ ben romantifd)cn unb neuromon; tifd;en ©eift beö neunjelinten ^al)rl)unbcrtö üorbcreitete. £lärd)en aber unb it)r unglüd'= lieber Siebljaber Sradenburg l)aben für eine gro^e ^Injal)! öl)nli^er ©cftalten 9JIobett geftanben. S)ie £iebe beö beutfdien 9)läbd)enö ift nur einmal noc^ fdliöncr, glänjenber bargeftcEt worben, bei gauftö „©retten": auf biefem ©ebiet war ©oetl)e nur oou iljm felbft ju übertreffen.

Sßie gegenwärtig finb unö biefe S)ramen auö (Schule unb .'qouö, atg wären fic geftern eigcnö für unö gefdirieben worben! „Spl)igenie", ha?» ernfte ©ried)enfinb mit bcm gütigen «öerjen unb bem weiten Slid für menfd)lid^e S^eale, mit bem großen 33erfte^cn ©otteö unb feiner ©efc^öpfe fie tl)ront noc^ ^eute unerreichbar auf il)rer ^öl)e wie einft, ta jum erftcnmal bie neuen fünffüßigen Jamben, bie SSerfe, in benen auc^ Seffingö ^ai^an fprac^, biefe golbglutige gjienfd^entiebc gu %al trugen. Maxl)tit unb SBal)rl)eit geic^neten fi(^ auf ben flaffifc^ geformten, beutfd^ gebad)tcn 3ügen biefer gried)ifd)en ^ringeffin ah, bie nur nod^ eine ^ringeffin im Sfleic^e beö Gbelfinnö fein witt. 3u benfen ober beuten gu wotten wie ©oetl)eö ^pl)igenie, ift jeber l)öl)eren .^ergenö^ unb ©eifteöbilbung felbftoerftänblic^ geworben. Unb wenn wir il)re erften oerlangenben Senfjer ber (5el)nfud;t nad; ber ^eimat l)ören, wie fie l)od) auf ben gclfen uon STauriö in bie f)eiligen Ratten beö ftiEen, bic^tbetoubten §aine§ tritt unb qIö 2lntwort nur bie bumpfen Xöm oernimmt, bie üon ber Söranbung om gelfen emporbringen, bann überfliegt uns bie Stimmung, alö wären .auc^ wir bort, alö fpielte fic^ baö aüeö in unferer .^eimnt unb ju unferer ©tunbe ah, grüner war baö anberö. 3)a würbe im ©egcnteil bem Slltertum fein ©liaratter el)rfür^tig gewal)rt, unb bie jwifc^en il)m unb ber ©egenwart Uegenbe ^luft fonnte gar nid)t genug betont werben. ©oetl)e

abtx Iel;rte "Qq^ ßrbe ber 2intife unb ber 9?euaiffance in mobernem GJeift üermalteu, unb baö ;3af)rl)unbert nad^ if)m ift \^m oft loie ©riUporjer in ber „(Sappi)o" unb „Mt- tta'^ gefolgt. 2)er barbarifc^e @cic(^enfinn, ber mit brutaler ©elbftfuc^t bic ^^er^ treter önberer SSölfer olö nid)t gleid)berec£)tigtc unb ebenbürtige 3Jienfc^en anfai), rouröe oerbeutfd^t, ber ^orte Sutt)erfinn bcö ßi)riftentum§ nergöttUc^t: „®ö erbt ber ßltern ©egen, md)t i^r %i\x6)."

^pf)igenient)Qft roic unfere frf)önc Literatur uor ^zhbd^ „^ubitl^", bie neue SBege äeigte, rourbe bie beutf^e erjie^ung unb if)r S^rifttum. 2)ieje§ 3!)rama ift ein 3KQrfftein in ber geiftigen ßntinirflung ber ganzen 3^euäeit geworben. 5Rur lüoUen bie 2:^Qten ber 3)ienfd)en nic^t f)altcn, n)0§ iijxe älufmerffamfeit ber griec^ifd^^beutf^en ^riefterin ju Derfprerf)cn fi^eint, bcnn Sßeltfricgc unb äi)nlirf)eä finb aEeä anberc e(;er qIö ipf)igenien^Qft.

2lucf) „Torquato ^l^offo" Ijat alö ©eelenbrama großen ©influp auf bie nad^- goetf)if^e Literatur ausgeübt unb auperbem ben Stbgrunb beleuditet, ber jioifd^en ben bciben SBetten beS fiebenä unb ber ^oefie, ber 2Birflirf)feit unb ^tjantofie, ficf) auftun fann, menn berjenige, ber in beiben SBelten leben möi^te, nic^t ein ©oetf)e ift. ^er 3Jiinifter unb S)ici^ter, ber fid^ in biefem (Stüdt in graei ^eik jerlegte, l^at bcnen, bic nocf) i^m famen, eine fc^merä(irf):fc^öne ßrfenntnig erf(^Ioffen, bie nun literarifd^ au^erorbentlirf) frud^tbar lourbc: Überfc^reite ben ^rciö nitf)t, ben bie 9^atur bir 50g. Unb enblirf) i)at ,,^orquato S^^affo" gejeigt, ba^ ein Urania ouc^ bann noc^ fc^önfte ^oefie fein fann, raenn fein ®rama niel;r ift. ^at bie ^anblung Derinncrlid)t unb bamit ein neucö SSorbilb gefc^affeu. ^tu^erlicE) gcf)t faft gar ni(^tö oor, fei benn biefcä, ba^ bie ^rinjeffin Si^affo betränkt, ^affo nacf)I)cr gegen 9(ntonio bcu ^cgcu jieljt unb frf)Iie|lid; ber ^rinjeffin in bie Strme fäHt. ©eroi^, baä ift fd)on etiuaS/- bramatif(^ ober ift fierjüt^ roenig. ®a roar hod) in ben üorI;cr gefcEiriebcucn 9}teifterbramen ber beutf^en Literatur anberö, in ber ,,^p^igenie", bem „®öi^", bei „ömiüa". 2ßic eine garte, buftige SSotfe ruf)t ber /,^affo" über ber ©rbe, fo rcd^t ge= eignet, raenn ßiliencron einer ^ringeffin etroaö oorlefen foll. Unb biefeö dtf)erifd;e ©eelenbrama mit feinen prad)tooneu Senten§en t)at ©c^utc gemacht, ^at immer raieber unb raieber ben ©id^tern bei i^rem (Schaffen, oft of)ne i()r SBiffen, oor ber Seele geftanben.

©anj für fid^ ift als ©runblage ber Literatur feit @oett)cö 2:obe fein „?5auft" ju betrad^ten, benn junäcfift ift biefe 2)irf)tung raeber ein 2)rama nod^ ein 3ioman ober 6poä ober Sieb, fonbern etraaä üon allem, unb fobann fcEiafft fie burd^ bie Umraanb= lung beö uralten ^^auftproblemg einen fd)arfcn @egcnfa| graifd^en bem legten ';y^cil)x: ^unbert unb jebem frül)eren.

Slm adE)t3el)ntcn ^afirliunbert l;atte fd^on Seffing bem ^^auftgebanfen, ber 3Ser= nid^tung be§ unfir^lidfien ©eiftes bebeutet, baö Srfiredenbe genommen. 2)er breite unb flare, raenn au^ au^erF)alb beä 2effingfd^cn Sereid;^ feid)tc Strom ber Slufflävung fpülte allmä^li(^ fort, roaö bie $8ernunft ni(^t anerfannte. 3lbcr baä ©efül)l oerlor, roaä ber $8erftanb geraann. 5Diefer 5^auft raar ber red;te nod^ nii^t, ben ein fo ftürs mifc^eö ^al)rl)unbert raie ba§ neungel)nte l)ätte brauchen fönncn. ®a jog ber 2;itau

44 -Tjic öruublageii Dev beutfä^cn Siteratuc feit @octf)eä Sobc

\)tmn uiiö bilbetc ficf) feinen gauft, ber olleö gu fein unb gu tun oermag, lüos mobern i[t. S;iefcr gauft forfd;t unb lernt, Iel;rt unb ironifiert, jauc^jt unb üerjroeifelt, liebt unb lebt in jebcm Sinne, ©elbftmorbgebonten mä)\dn mit i)0(^fliegenben ^lönen, Spajicröänge burct) äBoib unb gelb mit fcf)riftftellerif4)ei' Strbeit in ftiUer ^laufe, raenn bic Hamvc ixauüö) brennt. ^\)m bleiben raeber bie graeifel^afteften äßeltoergnüguns gen, nod) bie ftiQen (Sinfamfeiten bcö ©cbirgeä fremb. ©dimerä unb ©enu^ foftet er üMt, biö 5ur 9^cige. Sorge, 9^ot unb eienb raei^ er nur geitmeifc ju bannen, an ber ^anb ber Slatur raanbert er über ben Häuptern ber 3Jienfcl)en tüie ein gigantifc^er ed)atten burd; bie ©efilbe ber 2Biffenfcl)Qft, £unft unb ©ittlic^feit feinen unerrcicl)= baren ^bcalen mä), feiner finfenben ©onne entgegen, biö ben t)unbertjäl)rigen blinben ©rciö nac^ einem Seben, ta^ fo üiel Slrbeit, ©lücf unb SBel) unb boc^ oor @ott ein 91id;tö bebeutet, bie Siebe bie Erinnerung an einftige Siebe ju jener ©eligfett ruft, bic mir nur aU ein menfc^lic^eö 33ergongcnfein unter bcm S3ilbe beö 2;obeö fennen.

2)iefeä fauftif^e Sein, ta^j es oor @oetl)e ni^t gob, ift ber Ijoc^gefteDte 3Jlonneä= tijpuö bes neunjelinten 3al)rl)unbertä geworben, ©ilt eine Überlegenl)eit Junbjutun, bann roirb gauft jitiert, unb mepl)iftop^elifc^ l)ic^ geiftreic^ reben. ^n ber Siterotur DoQcnbö l)ot @oetl)eä „^^auft" oerlieerenb unb fd)öpferifcl) jugleic^ nadf) allen Seiten ber ^oefie l)in geiuirft, gang baoon obgefel)en, ha^ bie Schriften allein über „j^auft" feit ©octfje eine gro^e ^ibliotl)ef gu füllen t)ermöcf)ten. 9^id)tg booon im ad^tje^ntcn 3a§rl)unbert, gefd)raeige benn in einem ber frül)eren, in benen haä ^olfäftücf „j^auft'' einer beifaUölieulenben unb trampelnben 3}ienge gegeigt rourbe.

2)er ©retc^euliebe würbe fd^on gebadit: im „S^auft" erleben mir fie gum erften^, aber nid)t jum lefetenmal. SGBie anberö lieben noc^ @oetl)eg 3Jiario, ficffmgö ßmilia unb STiinnol

Unb bonn ber nationale ^Ton in biefem SBeltbürger, ber fici^ am ©nbe feines fiebenö freut, auf freiem (Srunb mit freiem 5ßolf ju ftel)en, unb je^t erft jum 3lugcn= blid fagen !ann:

„SSerhjeile bod^, bu bift fo fd^ön!

(£ä roirb bie ©pur Ooit meinen ©cbentagen

?flid)t in klonen unterge^n."

^\6)t alfo metapl)r)fifc^ l^ocfigetriebeneä ©lücf ift eä, boö ein fauftifc^eä 5Dofein frönt, fonbern ein ®e[ül)l, ta^ jeber ju teilen oermag: Siebe gur Strbeit für anbere, Siebe jur Heimat, Siebe gu bem SBeibe, mit bem er einö geworben ift. 5Rirgenb konnte biefc Qv- tenntnig ftörler roirfen alö am Sdiluffe einer ©i^tung, bie oon fo gong anbern, prome= tl)eifd;en SSorouefe^ungen auöging, unb in einer Qüt, bie umtoft mar üon nationalen, fogialen unb erotifd)en Stürmen; benn ha^, ^a^rliunbert, in bem ©ot^e ftarb, mor aud) bo§ ber nationalbeutfdien Kriege, beö Sogialiämuö unb ber Frauenbewegung.

SDie anbern ®oetl)ifc^en ©i^tungen fönnen wir rein literarifc^ faffen: ba fe^en wir ben liftigen Sffieltmann 3?einefe, baä lioffnungSöolle, e^rlic§e.S3ürgerpaor ^ermann unb Xorotliea unb fo üieleä onbere, roae> bie neue Siteratur auf \)a^ ftärffte beeinflußt

iSoetlje. 45

I)at. 2luc^ bie 3fiomane [inb in if)ren Sßirfungen auäfc^lie^lid) literarifc^ äu begreifen, ^^or ©oet^eö 2;obc ftonb bamit onberö. ,,2ßcrt{)erö Reiben" war eine tatfäc^s lic^e 2[Bertl)ertrQn!I)eit, b. f). unglüdlic^e Siebe, allgemeiner SBeltic^merä unb gegebenen; faUö barauf folgenber Selbftmorb, eine Zeitlang oerbunben. 2lber bie (Sentimentalitöt beä Q^t5cl)nten 3Ql)rI)unbettg ift ber ^^\t, in ber bie 3)lajd)ine iijv eintönigeö £ieb 5U fingen begann, fremb geiuorben, unb fo üermod)te nur ber 9ioman ber erfte beutfc^e 9ioman, ben roir no^ fjeute lefen mögen alä fold)er eine ©runblage für bie 2ite= ratur ju werben. 3Jian bebenfe aber, raaö ta^ ijt'i^t : bie ©prad^e im „2Berti)er" lüirb ja no^ deute burc^ feine anbere in einem beutfc^en 9loman erreirf)t, unb roie oft ift feit= bem bie unglücflic^e £iebe baö ^Ijema ber beutfrfien ©id^ter gcraorbenl ?lid)t minber ftarf \)at ber „SBil^elm SJJeifter" aU erfter beutfcfjer 6ntmidlungö= unb 33iIbungS= roman auf bie Literatur narf) @oetf)eä S^obe eingerairft. 2)ie ^ßorfteUung, bie mir üon einem Sloman ^aben, rul)t burrf)auö auf bem „2ßilf)elm 3Jieifter"; benn ber „2Bertt)er" jeigt olä furjgefa^ter Briefroman bod) mei)r bie cEiarafteriftif^en ©runbjüge einer ^looelle. 3CßertI)erä ß^arafter ift gegeben: ber ®irf)ter bringt nur bie ©elegentjeit t)inju, bie blefen 6I)aro!ter auf bie ^robe fteUt unb if)n ftürjt. SBiiileim aber wirb mit jcbem Sebcnäfd)ritt ein anberer, SJtlterer, 3leiferer. SBir !önnen bal)er fagen, ba^ mir ben 3ioman, gleid)DieI ob er nur unterl)altcnben ober bilbenben SBert befi^t, nirfjt tjötten üf)ne @oet{)eö „2[BiI{)elm 3Jteifter". Sogar beffen Dietgefc^mäf)te 33reite, in ber üiel= Ieiirf)t nur Stifterg „3^a(i)fommer" unb „SBitifo" mit il)m aufnef)men, ift nod^ biö in bie lefete ^üt t)inein immer roieber alä gorberung ber £unft aufgefteüt raorben. 5Die „^aljloerrcanbtfrfiaften" fd)lie^Iid) löfen roie „S^affo" ein Problem unb gef)ören ju beu ©runblagcn ber neueren pft)d^oIogifd)en ©ic^tung in fiöc^ftem Sinne, benn biefeä ^ro= blem ift taö ber SF)e. 2Ran mirb gugeben, ba^ tein mobernereö %i)ema gibt, !cine'3 jcbenfaUä, baö l^äufiger alg biefeö ben ©egenftanb eineö neu erft^einenben 9tomanö bilbet. Unb baö in faft ununterbrod^ener ?5oIge \>a^ gange neunjeljnte ^a^r^ ^unbert I)inburrf)! (Singen et)elid)e Errungen fd^on bei @oetf)e tragifd) aug: mie foüten fie frö()li^ enbcn in ben ^aFirjelinten, bereu @eicfljd;aft unb Literatur fic^ gerabeju üon bem ©eifte ber ®I)epro5effe unb ©fjefc^eibungen genö()rt f)at unb näi)xt, raennglei^ im beutfi^en 58olfe nid)t in bem ©rabe roie in bem franjöfiic^en unb ameritanifdjen! Sluf üielen ©cbieten ift ©oetF)eö überlegener ©eift bie ©runblage ber fpäteren fiitcratur geroorbcn, ©r I)at in ber SBiffenf^aft bem f^arffinnigen unb fcnntniörei^en ^Dilettantentum jum Siege oerfiolfen. Seine natur= unb !unftroiffcnfcE)aftnc^en 3Ir= beiten beraiefen, ta^ audf) ber ®id)ter, rcenn er ben SSitten unb bie 9^eigung baju I)at/ ben unbebeutenben gac^gclefjrten, ber g(eidE)roof)l in feinem üeinmeifterlit^en ^iaiimen alä Stutoritot gelten mag, roeit übert)oIen fann. Seffing roar bod) immer nod^ innere I)alb beö fiiterarifdien geblieben, rcenn er auc^ beffen ©renjen faft inä Unerme^lii^e jog unb tl)eologif(d nic^t geringere (Srgebniffe erhielte alö äftl;etif^. @oett)e aber falj fid^ bie j^arben, bie ^nodien, bie Steine felbft an, experimentierte unb oerglid), fteüte ^ppos tl)efcn auf unb jog Sd)lüffe, bie nod^ l)eute bie $8crcunbcrung ber ^ad)gelel)rten erregen. 3)q^ bie Zellenlehre con @oetl)e jucrft üorgeal)nt fei, i)at !cin ©eringerer alö SSirc^on^ öncrtannt.

46 2)ic (»Jninblagen bei- bcutfcr)eii Sitemtuv feit @oett;eg Sobe.

SBoljin ©octfjc \al), eifdilo^ fic§ ein neueö Seben, eine neue 2ßa^r{)eit, unb fefetc er bie geber on, fo folgten il)r alöbalb bis in bie fernfte 3eit i)inein unääEiüge onbere. 3lid)t einmal fein £ebcn fonnte er in „S)id)tung unb Sßa^rl)eit" f^reiben, o^ne ben neuen üpfugen Siteraturjiüeig ber ©eIbftbiogrüpf)ie gu fc^affen; infofern olä nun ba§ eigene Seben aus ^I;antQfie unb SBirflic^feit, meift für buc^t)änblcrifrf)e ^mde, ju= fannncngeftcUt unb werraertet rcurbe. ©o erging aud) feiner ^^^taUenifc^en 3fieife", bem funftfinnigcn $8orIäufer unferer 9ieifeliteratur ; benn niemanb f)atte ^tal^n por- iger gc)ef}en irie @oet()e: alö ein Sanb, beffen Hunftbenfmäler unä gum inneren erlebniö lüerbcn fönnen. SReifen um ber 5lunft raillen roar üor ©oetf)e an fic§ fc^on etroaä no^eju SBiberfinnigcö. 2anbfrf)aftlid) gingen feine „^Briefe auö ber <B6)wc\f üoran. Unb ebenfo luirften feine „ßampagne in granfreirf)" unb bie „Belagerung oon gjiainä", ob= ml)l @üetl)e nod; m6)i oljnen fonnte, ta^ einft ols ^ßorjug angefe^en werben roürbe, an irgenbeincr gront alö ^riegöbericf)terftatter aufjutreten unb bie für bie treffe ge^ fc^riebenen geuiUetonö gulcfet in Buchform jufammenjufaffen. 5Der erfte ^urnoUft ift ©oetl)e nicf)t geroefen. Stber infofern f)at er £effing unb Sßielonb ergänzt, alg feine 3eitfrf)riften, befonberö „Kunft unb Slltertum", ben gac^geitfc^riften auf eblen, abge= flärten ©ebieten tünftlcrifdf)cr 3trbeit, aEeu bloßen S^ageöfragen obgeroanbt, jur Seite traten, vuk eine ^Uuftration bem trodenen Xejt be§ (Selel)rten, wie eine matliematif^e 3eid)nung bem matljematifc^en £el)rfafe.

3Jian mu^ nad) ©egenbcn fuc^en, in bie ©oetfie nid)t einmal oud^ gefommeii märe, fc^auenb unb fül)renb. SBir empfinben ©oetl)e, mic mir if)n lefcn unb fc^reibeiu Unb raenn ein ^\id) fid) ber 3(ufgabe mibmet, bie beutfd)e Siterotur feit ©oet^eä ^obe p betrachten, fo ift ber S^Jame @oct^e§ bereits baburd) olö ©runbtage gejeic^net mic fein anberer. S3ielleid)t mirb man fpäter nacE) ^alirtaufenben bie Literatur in gmei un= gleiche Hälften teilen, bie ©oet^eg ?iame trennt als ©pmbol eines neuen menfc^^ Iid)en ©lüds.

14 8(i^iUer.

®er Übergang üon @oetl)e gu ©d^iller, fonft fo leicht unb natürlich, bcbarf an biefer Stelle einer befonberen 3fied)tfertigung, benn Sd)iller ftarb natje^u ein 3Jienfc^en= alter cor ©oet^c, ift alfo nid)t wie biefer unmittelbar mit ber Literatur nac^ ©oetl)eS 2:obe üerbunben. (Sntfcfieibcnb bleibt aber aud) für unfern ©efic^tSpunft ber S3eginn ber fc^öpferifd)cn Slrbeit, ber bei ©oet^e mieber um ein ^alirjelint frül)er föEt unb alles baä noc§ alö 5!eime in fic^ fdilie^t, wa^ \i6) in Sc^iEers ^ünglingSjaliren fc^on äur 58lume entfaltet l)atte. @oetl)e fd)uf ben ©eift üon Sturm unb ^rang, Sd^itter griff if)n eine Sßeile mit jugenblid)cm gcuer auf, als ©oetljc in SBeimar gerabe bie crfte 33raufeperiobe bes ^id)terlebens überrounben l)atte. Unb barum bleibt, menn mir unfere beißen größten ^id)ter in biefer $infid)t üergleid)en, Sd;iEcr bie groeite, ©oet^e bie erfte unb lefete ©runblage unferer neuen Siteratur.

3ol). 6l)r. gricbric^ Sd)iEer mürbe am 10. ^noiiembcr 1759 als So^n eines roürttcmfcergifd.en CffigierS in Wiaxhad) om 5«ec!ar geboren. Stuf ber tjerjoglic^en ^arlsfdjule gum 3r{egimentsarät rorgebilbet, entgog er fic^ £onfliften mit bem ^erjog

Sc^iüei-. 47

öurc^ bie gluckt. ))ta&i abenteuerürfiem SBnnbcrlebcn iDurbc er burrf) bic 3Scrmitttung (SoctI;eö ^rofcffor ber ©ef(^id)te in ^ena, rco er fid; mit ßljarlotte oon 2cncöefelb üer= heiratete. 9)^it (äoet^e trat er in einen engen greunbj^aftöbunb, ber biö ju feinem früt)en ^^obe am 9. 9)iai 1805 möfjrte. ^^lebeneinonber, mie fie cor bem SBeimarer S^^eater ftef)cn, [inb fie ein Saf)räcl)nt lang jufammen gegangen, beibe fcf)on bamolä umftra{)U uon bcm ©lang ber Unfterbürf)!eit.

SSteHeic^t ift unö (3cE)iIIer beöl;alb nod^ gegenwärtiger, roeit wir in ber £inber: ^cit oon if)m noc^ meljr ©cbic^te auöroenbig lernten al§ üon @oetl)e. Unb bamit Rotten roir bereits ben 3Beg gu einer ber ©rnnblagen gefunben, bie Schiller für bie ^üt nac^ !©oetl)eö 2:obe gcfc^affen l^at: ben SaEabcn.

2(uf bem ©ebiet ber SaEabe mar ©dritter ber Stnreger unb ©tofffuc^er. ©o lacfienb unb liebenömürbig raie bie ®octt)ifcl)e Sattabe ift bie feinige nicE)t. ©enfen mir an ©oet^eö ^^^'^"^ci^^c^^i^^ii^ö" ^^'^ „Sc^a^gräber": rcie gtücflic^ unb rcijenb löft fic^ aUeö, unb jum ©c^lu^ fpnngt mit einer anmutigen 33erneigung eine gute Se^re ]^er= auä, bie oon ber 3iatur felbft gegeben ju fein ftf;eint :

2:age§ 5trbeit, abenbä ©äfte ©aure SSodjen, ftol)e Sefte! (Sei bein fünftig ^Q^becroort.

Dber erinnern mir un§ an baä ,,§ufeifen", baä ^err ^etruö ni^t aufl)eben morf)te/

mäl)renb er fic^ barauf fleißig nacf) ben Äirfc^en büdt, bie auö bem SSerfauf beg ©ifenä

geraonnen finb:

2Ber geringe S)inge menig ad^t', <Sic^ um geringere DOäilje mac^t.

Slber biefe ©oet^ifcEie Sallabe ^at literarifd^ raeit weniger fortgeroirft alä biejenige ©d^illerö, bie meift in bunflem Stammen auftritt, felbft bort, rao fie glüdürf) enbet. 2Bie feierlidl) ernftl)aft bleibt gegenüber bem finblic^ froljen 58e!ennen ber ©oetl)if(i)en Sallabe ber Xon in bem „©rafen oon ^abäburg" : bie 5laiferroal)l, baö ^rönungäma^l, ber greife ^riefter, ber alä ©önger auftritt, Sf^ubolfö fromme ^anblung, alä ben 5lap= lan ber SEeg §um ©terbcnben füfirt, bie 9^ül)rung beä ©rfennenö mit ber „S^räncn ftürjenbemDueU", bie afinungöooUe^ropliejeiung fünftigen ^aifcrglüdä unb bie fct)raere mit ben galten eineg ^runfgemanbeä nieberfallenbe 6t)arafteriftif ber ©ic^tcrgabe:

SBie in ben Süftcn ber (Sturmminb fauft,

^lan roeife nid)t, öon raannen er fommt unb Brauft, ä

SBie ber Cuell au§ berborgencn liefen,

©0 be§ ©ängetö Sieb au§ bem ^nnern fc^aüt

Unb mectet ber bunflen ©efüljle ©eroalt,

S)ie im ^jerjen rounberbar jcl) liefen.

2ßoö ber ©c^illerfdE)en SBaHabe an naioem, natürlichem 58ol!äton abgel)t, boö crfe^t fie burrf) flaren ^bcenge^alt unb erfinbungöreirf)c Srääl)lung. ^ctteä ^inb Der= ftel)t biefe Sallabcn, obrool;l fie nict)t rcie bie ©oetl)ifd;en im ^inberton gel)alten finb. Unb fo leicht gel)en bie ^erfe in ben jungen Scfer über, ba^ er, rcenn er nur ein rcenig

48 ^iir ©ninblaöcn bcr bcutfcficii i'itcratiir fcii ©oetbcö lobe-

^Talent äur govm l;at, fid) alöbalb fällig [üljU, jelbft ju birf)ten. Diefe Sßirfung tft ijciüi^ liiert immcv ci-freulid; cjciucfcii, ift aber anbererfeitö aug ber fünftlerif(f)en ©nU lüidlung beö ncunäeljuteti 3Ql)ri)unbertö nicf)t lüegäubcnfen. Unb erfd)eint ©c^itters ^öaUabc and) oft gebaHten{)aftcr, alä biefcr poetifc^en ©attung äiemt, fo ^ört fie ho6) nie auf, bilbrcidje 2tugeiipoefie gu fein. 3tuf biefem 2Bege finb jpäterc 33aUabenbirf)ter iDic UI)laiib lücitcrgefdjritten. 3>ür attem aber: I;ättc S(i)iller nid)t im SSerein mit (Soetf)e, er alö ber Slnregenbe, ttaö 33attabenja^r 1797 ber beutfdien Literatur gefcfienft, fo lüäre ber Sicgeöäug ber beutfc^en 33aEabe ooii (Soetfjeö S;obe biö ^ur ©egenraart un= bentbar geiuefen.

3ft in biefem S^eit ber ©c^iKerfciien 2i)vxt bie üterarifc^e ©runblage beutlirf)/ fo bilben im übrigen «Sc^iaerö ©ebic^te äu ber @ntmic!Iung ber Literatur im neun= 5e()nten ^a^r{)uiibert meift einen ftfiorfen ©egenfafe, unb nur feiten roie bei ©eibet unb Söilbenbrucf) glouben iDir an Sd)iIIere ttj^^if^^«^^ ^^^^' '^^^ fommt baijzx, \)a^ ge= ringerc S;alente Ieid;t bcr ©efaiir ausgefegt finb, in f)of)len SßortfdjmaU, in leere ®e= flamation gu üerfaUen, raenn fie ©d)illerg ^att)0ö nac^al)men raoßen. ^flur ein fo gcbanfeureid;cr ^opf roie ©c^iHer üermod)tc bauernb bie üielen 3ftebefiguren mit ©eift unb Seben ju füUen, o^ne flad^ ober gar lädperlic^ ju werben. 3)oe „Sieb oon ber ©lode" mürbe in anbern ^änben leicht trioial, ,,9fiitter S^oggenburg" üieUeidit unfrei; miliig fomifd; rairfen. ^ier !onnte fid) Sdjitterö (Sinftu^ nur bei ganj oermanbten, pütl)etifd)geftimmten ^ünftlern beä SBorteg unb SSerfeö jur ©eltung bringen, ©onft aber empfanb man bie Sllänge biefer l;od^geftimmten Seier in anbern §änben alä un^ natürlid) unb fjielt it)nen bie Skturlaute ber ©oetf)if(^en ß^ri! entgegen. S)ie moberne I)i^tung, fomeit ber 3^aturalismu§ fie gefärbt )^at, manbte fid) oottenbö ob oon jebcm ^eflamationöftit, unb ben ^mpreffioniömuä fann man gerabegu alg ©d^laditruf gegen Sd)iIIerfd)e 2r)i\t auffaffen. ßrft in unferen ^agen mad^en fi^ (Strömungen bemer!; bar, bie auf SdiiEerä patl)ctifd)e Sgri! äurüdlenfen.

^reilid) bo^ nur, fomeit biefe nid)t antififiert. 5Die ftänbige ^urd^fe^ung bcr ^oefie mit ^Begriffen beä Stitertumä mad^t gro^e Partien @ct)itterfcE)er Sgri! gerabeju ungenießbar unb ^at glüdlidierroeife faft gar feine 3lad)foIge gefunben. Sir bebürfen nid)t mef)r ber (Sereö, um bie ©c^önf)eit beutfc^er ©etreibefelber ju entbecfen, üon ben m9t()o(ogifd)en 3flebenfiguren gu fc^roeigen, bie fic| in fo oieten ©ebid)ten ©c^illerg Dcrlangenb an bie ggmnafiale Sitbung unb aud) i)ier oft oergeblic^ menben. S)ag mar ja nod) ein SSorurteil ber ©diiEerseit, ta^ man gu bem f)öd)ften begriff oon ^oefie nur burd) bie ^fiantoftif beö 21Itertumö fommen fönne. Unter biefem 2)rucf ber 3^e= naiffance atmen GHe unfere Iloffifer. ^ann f)ier alfo oon einer ©runblage mq)t bie 3fiebe fein, fo ift bod) für bie roeitere (gntroidlung ©d)illers Igrifc^eä ^eUenentum roic^= tilg ülö (Snbpunft einer langen 3Reif)e oon S;roftlofigfeiten, alö Sluägangäpunft für bie jungen, freien ©efd)le(^ter ber beutfd)en ©igenbic^tung im neunjeljnten 3a{)rl)unbert.

3n ed)iUerö S)ramen mac^t fid) ber rt)etorifd)e 6d)roung, mie mir aUe roiffcn, nid)t minbcr bemerlfcar. Xa aber, jumal in ber l)oi)en ^ragöbie, ift er auc^ an feiner rcd)ten Steüe. (Einmal \)üt er allein fogar ein ®rama oor bem ^erfinfen gerettet, baö im übrigen als ocrjüngte Sd)idfal§trügöbie beinol)e fd)on tot äur SBelt fam: bie „Srout

oon 3Jic)fina". JÖJenn in biefer bie ^rQcf)t Der ^lebc fe{)lte lüir würben roebcr bie fteifen Jgalbc^öre, in bie ©^iUct ben eint)eitlid^cn 6^or ber Slntite umraanbelte, nod^ baö fogenonnte ©^id[at mit [einen Sliröumen unb ^rop^e^eiungen ettragen trofe i^rcr neuen 9Jtotioierung, ber SSerinnerlid^ung beä ©c^ulbbegriffä. 2^Qtfäd)Iid^ ^at benn au6) biefer ontififierenbe SSerfuc^ nur fläglic^e ^Wo^olimung bei ben 3Jiüttner, SGBerner unb .^ouroalb gcfunben ©riHporjerä ,,2t^nfrau" füngt \d)on e^er loie ein beutf^cö gjiöri^en aus ber ^inberftube um 3Jiitterna^t.

Ungel^eure Sebeutung bogegen ^aben bie onbern ©dfiiflerfd^en 3)ramen für bie :^iterQtur feit @oetI)eS Stöbe, im bramatifdEien 6inne jebenfallä eine nod^ größere olg bie @oetf)ifc^cn.

S)qö erfiört ficf) ganj natürlid^ junäd^ft barouö, bo^ fie mit ted^nifd^em 33en)ußt: fein für bie 33üf)ne gefdEirieben finb. ©S ift, alä trügen (Sc^iHerö bramatifdfie (Seftolten aViC ein menig ben S^cyt i^rer Sftoüe in ber ^onb. 2Bir mürben ta^ oielleic^t feinem au^er ©Ritter üeräeii)en.

„3Kaj, bleibe bei mir! ®elj nid)t bon mir, 3)iaj!"

^m ©runbe fönuen mir unä feinen SBoHenftein unb nun gar ben f)iftorifc^en! benfen, bem biefer Stuäruf au6) nur in fclbftoergcffenen S^raumen äu entfaf)ren oer^ möchte. 2Iud^ I;ier alfo rairb, raie in ber £t)rif, beflamiert. 3tber biefe 3)eflomntion foU ja auf ber Sü^ne, an bie ©dritter benft, aud^ mirfli^ ju Sßort fommen; fie foll burd^ bag Dfjr, lifpelnb ober tofcnb, in bie ©eele beö 3wf)örerä bringen, au^ bann, menn if)n feine ßinla^farte nur jur oberften ©aleriebererfitigt.

6d^iIIer§ tragif^eö ^atI)og in feinen S)ramen I;at für bie 5lunft beö neunäe{)nteu 3afiri)unbertä einen 3Jla^ftab gefcfiaffen, ber in ber beutfd^en Literatur t)ort)er nid^t oorf)anben mar. ^ie ©egner biefer potl^ctif^en 3)ramatif miffen fie nidE)t anbers ül§ burd^ ben 3fiamen ©^iUer ju bejeid^nen. ©o ift ©exilier, ob mir nun an bie ^i'it, bo fid^ bie 3J?cininger mit ber 33üf)ne beö 3^aturoIi§mu§ ouöeinanberfefeten, ober an etroaä anberes benfen, jum ©tjmbol, jum ©d^lacf)truf unb in jeglicher .^infid^t, fo ober fo, juv literorifc^^bramatifc^en ©runblage geroorben.

3m einzelnen f)aben bie 2)romen ©rfiiUerö cbenfo mie biejenigcn ©oetf)eä natura li^ noc^ il)re befonbere einflu^fpl)ärc. ^n ©türm unb ©rang liefen bie „$Häuber" i^x roilbeS Sebenöüeb crfd^aHen. ^ampf gegen überlieferte Slutoritdt, gegen ^foffen= tum unb ^fürftenroiUfür erfüEte biefeä ©rftlingäftüd mie ben „gieSfo", „Äabale unb Siebe" unb ben „©on Sarloö", in bem ber gemattfame 3"9 "Q<^ ^reii)cit bereitg ge^ bönbigt inö ^olitifd;e, gro|e ^iftorifc^e i)inüberftreift.

5Da§ ift ber eine ©rfiiUer, ber f)icr mit bem jungen ©oetf)e, mit ©türm unb Sirang jufammen gef)t unb feinen 3tnteil f)at an ben f)icrau0 folgenben SBirfungen ouf bie Literatur bes neunäe()nten ^a^rl^unbertö.

5Der anbere ©cf)iller ift ber beS großen t)iftorif^cn SSeröbramaö, baö bur^ ben „SBaüenftein", „^axia ©tuart", „©ie Jungfrau oon Drteanö'' unb „Sßil^clm ^TcH" begrünbet raurbe. 2Bir fönnen fagen: biefe oier ©tücfe finb im ^inblicf auf bie 33üF)ne ber ©egenmart unfere flaffif(^en ©ramcn fd^lec^t^in, finb bie unoerlicrbare ©runblage

Oe^tte, 1)lc beutfdje Literatur fett ®oetbe8 Sobe uf». 4

öO ®ie ©runblaßcii ber bcittfc^en Sitcvatur feit (yoetficS 3:obe.

jcDcö bcutjc^cii 5:^eQterö geiuorben. 2)qö uci-mag üu6) ber nid)t ju leugnen, ber au& l)ü^ercu ©c[id;tö;)untten beu 5lurift nic^t ii)r greunb ift.

3m bcjonbcren Ijat ber „SBoUenftein", ber aii6) burd^ bie gorm ber S;rilo9ie l>ätcrcn 2)ic^tern Jüie ©riliporjer unb Hebbel ben SBeg roieä, ben (Sc^ic!falä= unb ac^ulbbegriff getlävt: „^n beiner Sruft [inb beineö ©c^idfals ©terne." ©rft im „SBüllciiftein" ift ber I;oIjc Stil beö beutjc^en Süfjucnbramoä, befonberö in ben ©jenen mit Dueftenbcrg, ber Unter^önblung mit SBranget unb ber Sanfettfjene, 3Biifad;!eit gcmorbcn. 3)iciftcr^aft ift bem S)id;ter gelungen, l)ier roie in ber „3Jlaria ©tuart" 5U ibeolifieren, o^ne ben renliftifrf)en ©inn beö Sebenö ju oerle^en. £tjrif(^e Einlagen Don 5Qubcrifc^em i^long, namentlich in ber „33kria ©tuart", ber „Jungfrau oon Dx- Icanö" unb ,,3ßiü;ctm %cU'', beleben i)a^ ©ejamtbilb ber ©^araftere unb ©ituationen über malen bie Sanbfd^aft. 2)?it ber „Jungfrau üon Orleans" beutete ©cE)iller bereite in bie romantifc^en gernen; mit bem „SBil^clm %eW erfaßte er l)elll)örig ben natio= nalcn ©ebanfen; ein ^al^r^elint oor ben Sefreiungöfriegen flong l)ter au§ bem 3)?unbe beö fernljnften 3lttingl)aufen :

2ln§ SSatedonb, an§ teure jc^lie^ bid^ an. S)a§ l^altc feft mit beinern ganzen ^zv^en, ^ier finb bie flartcn Söur^eln beiner Straft.

:^)n biefem öeiftc fd;n)üren bie üier SBnlbftättcn auf bem Sfiütli :

2Sir njoflen fein ein einjig Sßol! öon S3rübern, Sn feiner SfJot unö trennen unb ß)cfat)r.

Xciii mar ber ©cift, ber fd)on in ber „^^ungfrau oon Drleanö" jutage trat :

Siiditöroürbig ift bie Station, SDie nic^t il)r 3lUes freubig je^t an it)re li^re.

3n biefer ^e^ieliung ragt ©c^iUer uon unfern illaffifern aEein in baä natio^ nnlfte aller ;öa^rl)unberte unmittelbar hinein. @oett)e 30g fid) ju ber ^q'ü, ta bie bcutfd)e ei)re auf bem ©piele ftanb, mit bem „2Beftöftlid)en ^inan" in bie ^oefie beö Cricntö unb im übrigen in fic^ felbft jurüc!.

3tlö ^iftorifer l)at ©d^iller bur^ ben ^inroeiö auf bie 33ebeutung ber Uniuer^ falgefcbic^te, alö ^l)ilofop^ burc^ bie fd)öngeiftige ^öerarbeitung befonberö ilantift^er ©ebanten, alö ©tilift burd) feine miffcnfc^aftlidje roie fünftlerifrf)e ^rofa auf bie golge^ seit anregenb unb beutenb eingeroir!t. 35aö $8efte aber mar bicfcö aUeö noc^ nic^t.

3)o§ S3efte unb grud)tbarfte roor ©c^iUerö ^^bealiömuö in feiner ^otaliät. 5)iefen l)ätte baö ncungdjnte Sal)rl)unbert nidit miffen Eönnen. Unb nic^t nur ous allen feinen ^id)tungen fticg biefer ^bealiömuö empor, fonbern anä) quo feiner rein menfc^lid)en ^;?erfönlid)fcit. ©djiller ift oieUeic^t ber am ibeolften gefinntc 2)icf)ter ber Sßeltliteratur gercefen. Qx lebte nur für bie ^bce. ^Diefcr bruftfranfe 3JJann ent= äußerte fid) feines ^rbifc^en biö äu einem unglaublid)en ©robe. ©eine ^age, feine fo oft fd)lafloicn ^ftäc^te roarcn bem reinen liditootten ©ebanfen, maren ber craigen ©d)önl)eit pgeraenbet. 9In roen foUten mir benfen, roenn mir alö ein folc^eö SSorbitb ©^iUer nic^t l)ätten!

Sic 3{omautif. 51

25iefer perjönlid^e ^beaüämus t)at allein Durc^ feiu tQtfäd)Uct)eö ä^orljanbenfein baä neunjetjnte ^al)rt)unbert in beutfrfjem ©eifte erjocjen. l^or allem \)at er ber Sites ratur bie 9fiid)tung narf) oben gewiefen. ^a<i) unten tommt fie j^on. immer roiebcr allein. 3li6)i roie ber 2Kenfc^ an fid) ift, fonbern löie il)n unjere ()öl)ere SSorfteUung roünfcfit, njurbe jeit 3d)iller auc§ in ber 5vunft bebcutungöüoU. @o lourbe haä 9f?atur= finb @oell)e noticenbig burdj £d)iller erQänät.

9Jiag man bat)er immer ©oetl)eQ ©ro^e mit Siedet neben (Sd^iHer betonen: würbe unä unb unferer 2itcratur fo etraaä roie ein reingeiftiger unb jittlidE)er ^rüfftein f(l)len, nenn rcir bie l)crf)fliegcnben S^eale SrfiiUcrs nirfjt l)ättcn. ^n il)nen l)at bag beut)(^e ^^olf, auc^ noc^ t>üö gmanjigfte ^ol^r^unbert, bie 3fiein^eit feiner eigenen Seele erfannt.

15. ^ic 9{omantif.

5b'on ber Sftomantif §at eine literarif^e Strömung, bie nod^ ^eute breit uor unfern klugen bal)ingel)t, ben 9lamen erl)altcn, bie -Reuromantif. ^m (Seifte ber 9iümantit frf)rieb SBagner feine SJlufifbramen, bid^teten fo oiele berül)mte 33ertreter beö neun5el)nten ^af)rl;unbertö, begrüßten jung unb alt auf iljren Sieifen ©cbirgäbilber unb 3Jionbblide: „2lcf), roie romantifc^'/'

60 ift unö bie S^omantif ein Xeil unfereö Innenlebens geroorben, jebocf) nur, wenn wir baju oeranlagt finb. Solange bie ßrbc ftel)t, gibt 3iomantifer unb 9Ji(f)tromantifcr. Slber ift merfmürbig : jeber mill nur baö le^tere fein. ®aä romau; tif(f)e SBefen l)at fic^ als überfdjioenglid) unb rocltoerloren etroas in 3Serruf gebracht in bem ^al)rl)nbert, ta Selep^onglode unb eleftrifi^e 33al)n unö bie Sfiomanti! auä bem Ä'opfe treiben.

ift auc^ fc^on etrcaä baron: am rceltoerlorener 3Balbctnfam!eit ift bie blaue 23lume, bie ^Roüaliä in feinem „^einrid^ oon Dfterbingen" feiert, jutage gefommen. !3n ben romanifdjen fiänbern t)at fie, roie if)r 9lame fd)on fagt, juerft geblül)t. 2)er größte Jiomantifcr ift i)ielleicf)t fogar ein ^^rangofe geroejcn, 3tlpl)onfc be ^rat, ge* nannt Lamartine, beffen „MMitations" in ber 36it oon ®octl)e0 ^Itcr erfc^ienen. Slber nid)t minber geroaltig ergriff bie ^Romantil bie germanifdjen fiänbcr, roie allein fd)on in Guglanb bie Flamen 339ron unb Scott bejeugen, unb in 1)eutfc§lanb geroann fie ein neueg Slntli^: fie rourbe finnig unb innig.

2)aö Sßefen ber SfiomantiE ift nic^t mit roenigen SBorten ju fennjeid^nen. ^ni SDiittelalter flieg fie f)inab, ju ben 9iittern in ftral)lenber 3^üftung, ju bem d^riftli^en (Seift, ber bamalä oiel bilboollcr rebete alö jefet, nac^bcm fdjon baä 2utl)crtum, bie iJluftlärung unb bie Äritit ber reinen SSernunft baä üiele ©crant roeggefd^nitten l)atten. So ergab fic^ üon uornf)erein ein ©egenfa^ gum iHaifijiömuö, ber oorroicgenb and bem 2lltertum unb ber ^eibnifd;en 9JJt)tl)ologie fcfiöpftc. 2)aS ift ober nur bie eine Seite, bie ung uieUeid)t am beftcn in flajfifd)er ^orm Sd)iller in tm „©Ottern ©rie; d^enlanbö" jcidinet. hiermit l)ängt naturgemäß bie 3tbfef)r oon ben ilunftregeln ber 2lntite, namentlid) auf bramatifdfiem ©ebiet j^ufammen, rcenngleirf) in biefer 9f?id^tung

52 Sie (gvunbtagcn bev bcutfclKvt ßitevatui- feit (Sjoetfjes Sobe.

etuim ujib ^raiig bercitö ben SBeg Qebat)nt i)atte. älber in ber 9flomantie roov aUeä iiodj üicl ücrjüoi-iencr. ^u ©vcnienlofigfeit ei-ging [ic^ ber lomantifc^e ©eift om- licb|ten, nic^t fveiüctj mit ;beiu beeben Saftroort, bef iiriüüc^figen SSolEöfprac^e oon etiiim nnb ©rang, foubern jort unb buftig. ®aö @el)eimni§, baö §albbun!el, boß ebcnjaHö jdpon üon 6turm uub S)rang geliebt würbe füljrt unö boc^ ©oet^e fc^on im ,Möii uon ^erlic^ingcn" au 3i9e"»crn im einfamen ?5or[t lüie fpäter ^einric^ oon ^leift im f,Mti)d)cn üon ^eilbronn" -— , i)aä löurbe nun in ber atomantif foft ^ur ä>üvauöfefeung poctifcfien ©(^offenö. S)ie m^ftifc^c lln!tQrl[)eit raar bo§ ßebenäelement beö ^Jiomoutitcrö, fcibft in ben ßt)aratteren, bie nun rafd) inö Ungefieure, ja ©rotesfc ^ineiniüu4)[en. ßö fonnte ja gar nid^t anbcrö fein, raeil bie ::>iomanti! bie Betonung ber ^nbioibuaütät, bie fd;on ©türm unb S)rQng uertreten i)atk, fteigerte jum roilbeften ©ic^auoleben beö nur fünftlerifc^ bebingten ober gefc^outen ^d)ö. S)ie ^unft mürbe aüeö. SBaö nic^t ^u i^r in SJcjieljung gefegt werben tonnte, luar nidjt mert, angefe^en 5u u)erb€n. ^od) ftanb t)a natür{i(^ bie SBi[fenjd;oft, bie ber 5^unft biente mie bie '-^tjilologte, oor oHeni bie ©ermaniftit; benu im Sßefeu ber äfiomantit lag ber ^inröeis auf Sßatertnnb unb 5öoltötum. ^n tcn ^agen ber S'iomantif unb im ^ufömmen^ang mit i^r ^aben bie S3rüber (Srimm bie ©runblage jur ®eutfc^miffcufd;aft gelegt, ^aö beutf(^e SBort, baö beutf^e SMrd^en, "oa^ beutfd^e 3iecE)t, bie beutfcpe ©itte, bas beutf(^e ©ebid^t ber alten 3^it mürben crft jefet mit iliren SBurjeln ausgegraben. Die beutfc^e Äiiltur, bie bieget mie ein 3lbleger griec^if^n'ömifc^en (Seifteö erfd^ien unb man(^en norf) ^eute fo erfd^eint, geigte fi^ ben Stomantifern juerft in iljrer bobenftänbigen ©tärfe. Unb mie ber 2)eutfd^e allezeit gern in ber Söelt umljer abenteuert, immer eine unbegreifliche ©e^nfu(^t nad^ etmaö onberm, befonberö, no^ ber gerne ^at, bie fo a^nungöDoU am ^orijont beim ©onnenuntergang nerbämmert, fo prägte gerabe bie beutfdje 9iomantit biefen fc^on bei ben ^Romanen fic^tbaren @eban!en gerooltig auö. Daö ift ein ^rrlic^tcliercu burc^ SBalb unb ?^elb, ein Singen unb ©pringcn, ein Sauc^^en unb jubilieren, ein glüftern unb SBeinen, ein äieüofeS "gin unb ^er oon 9)?enfc^en, bie einonber faum fcnnen lernen, ba^ fic^ ber oernüuftige Sefer beö jmonäig^ ften Saljr^unbertö oft an ben topf faffen möd^te : „^aben benn biefe Seute nic^tö ju tun?" 9iein, fie l)aben nic^tö ju tun, fie fennen feine ©ac^e unb feine Strbeit, fie fennen nur bie träumenben ©ommernäc^te unb plötfcliernben Brunnen, oor allem aber i^r eigenes ^^, beffen Seben ba^infc^minbet in unfagborem ©lücE unb SBel) rote ein faUenber ©tern im Dunfel ber 9hc^t.

5Dq foU nun jemanb mit einem ©afe fagen, mag 3fiomantif ift, gumal uon ber ^auptfarf)e noc^ gar nic^t bie Siebe mar: ber Siebe. Unb rote gang gel)t ber 9toman= tifer in ber Siebe auf! Sluc^ ^ier aber ift mie ein SSorüber^ufc^en, mie ein ^lie^ gercefenfein. Die fefte Siebe jroif(^en gKonn unb SSeib, bie auf erfennen unb Öe= fennen rut)t, ift ber 3flomantif foft gänjltc^ unbetannt. ©ie f)ot fein ^e^l barauö ge= mad)i unb J^riebric^ ©c^legelö „Sucinbe" prebigt einbringlic^ ber öffentlic^feit, ^Q^ il)r bie freie, burc^ feine äußere gormel gebunbene Siebe gerabe red^t mar. Unb ue i)at burrf) bie ^at bemiefen, rcenn i^re Sßertreter fc^lie^lid^ auc^ bie für ha^ ©lue! ber ©eliebtcn notmenbigcn bürgerlichen Folgerungen gogen. ©o roanbertc Äarolinej

I)ie aiomantif. 53

jelig Düu eineu (stje äuv anbevu. (Sin ^inb tünbige [id; an, nun }ei ö"^ ä" ()eiiaten, fd^rieb bie 2^id)teiin SopI)ie Siereau bcm Xirf)ter ßlemenö Brentano, llnb fo ges jc^al; eä. S)eni gegenüber fte{)t bann nod; bie Eiebe ju bem 3Jiäbd)en, ha^ nod) nirfjt jur ^Jungfrau txb[üi)i ift, unb ju bcr (ängft ©ntfdiiDnnbenen, bie weit über bie Sterne gc; fcfjnjebt ift gu t>cn jeligen ©efilben unirbif^en ^^lumenglüdö.

So luar bie_3iomantif, uniüe|eni)aft, trannicrfüUt. ^n gid)teö ^f;iloio|)i)ie beö 34)0 fanb fie iljren eigentlid)en lyifjenfi^aftlidjen ^ußbrud. ^golgen roir ahcc ben ®efi= nitionen bcr romantijd)en ^idjter jelbft, jo lüiffcn luir m6)i, roaö roir Don bcm ronians tifdien SBefen benfen joUen. Sini beften trifft üielleicf)t 3iür)alig, bcr erfte iöir!üd)e 2)i^ter bcr 3ftomantif, ben SiUxn, raenn er fagt: „-Komantificren Ijei^t, bem ©emcinen einen i)oI;cn Sinn, bcm ©cn)ül)nlid;en ein gel;eimniöüoUeä 3tnfel)en, bem :öefamitcn bie äßürbe beö Unbefannten, bem (snblid)en einen nnenblid^cn Sd^ein geben." Slber wie uieleö ift in biefer S)efinition nid)t entt)alten! Sie Ijaben felbft nid)t red)t geraupt, wie roeit bie äßellenfreifc il)reö 5i)id)tenä reidjen würben, ^ören mir nur bie allgemein olö ma^gebcnb ancrtannte ©rflärung griebrid; Sd;legclö, bcö t^eütetifd;en ^egrün= berg ber älteren romantifdien Schule, in ber programmatijd;en 3tntfd)rift „ältfjenäum'' : „5Dic romantifd)e ^^oefie ift eine progreffiue Uniuerfalpoefie. 3f)re 33eftimmung ift nic^t blo^, alle getrennten ©ottungen ber ^oefic wieber ju uereinigen unb bie ^oefie mit ber ^l)ilofopl)ie unb 3il)etorif in $öerül;rung ju fe^en. Sie will unb foU aud) ^oefie unb ^rofa, Genialität unb ^xxtit, Äunftpoefie unb S^aturpoefic balb mifdjen, balb oerfd^meläcn, bie ^oefie lebenbig unb gejellig unb baä fieben unb bie @cfclljct)aft poetifd^ niact)cn, ben Sßi^ poetifiercn unb bie gormen ber ^unft mit gcbiegenem ^\U bungöftoff jeber 9trt anfüllen unb jättigen unb burc^ bie Sd)iüingen beg .§umorä befeelen. Sie umfaßt aüeö, maö nur poetifd^ ift, üom größten miebcr meljrere Sgfteme in fic^ entl)altenben Sgfteme ber ilunft biä ju bem Seufjer, bem ilu^, ben lia^ bic^= tcnbe ^inb auötjaucfit in funftlofem ©efang."

©d)t romantifc^ ift biefe Definition beö 9flomüntiict)cn. 3hif ^mei noc^ nid^t bes rül;rte 3luöftral)lungcn ber 3?omantif roeift fie aber beutlid; f)in: bie Uniocrfalität unb ben SSiJ. ^n ber ^at ge^t oon bcr ^Jiomanti! ein fol^er ßug inölüTcTle, 'i>a^ fie be^ ftrebt f(|ieint, oHeilünftc in einem eingigen Silbe jufammenäuf äffen. Darum erleben mir bie 3iomantif neu fo unmittelbar bei SBagner, ber bie 3Kufif mit ber ^oefie oerfd)mülä. 3lber aud) bie bilbenben fünfte mürben in ben ^reiö einbezogen. @. %. %. ^offmann war 3J^ufifer, 3Rükx unb Did)ter. Daö mar tgpifd) unb ift eä, mel)r ober minber ge* blieben, llnb bann ber äßi^, ber fprungl)aft, wie ein übermütiger S^^Ö^' ^"'^^ ^'^ romontifd^e Literatur eilt: mir fennen iljn am beften auö 58rentanoö gcuermerf.

©ro^ ift ber (Einfluß ber 9tomanti£ auf faft alle ©ebiete geiftigen Sebenö gc: roorben, unter benen mir bie @efd^icl)tc nid)t ocrgeffcn bürfen. Der ^iftorifd)e Sinn bcö 3jQ^t^""^ertö mürbe allgemein wie in ben einzelnen Difäiplinen getrdftigt. Das gegen l)aben bie Did)ter ber romantifd^cn Sd)ule felbft nur ju geringen 5öirfungen ßebro^t.

%Q\i mürben bie $8orläufer ber 3ftomantifer, .^ölberlin, 3Kattljiffon unb i^ccin ^oul, meljr gelefen unb alö SSorbilb benufet alö jene felbft. :öcfonberö bie '^erel)rung

54 Sic (»inmblagcn bcv bcutfctjeti i/itcmtiir feit t^oetljc^ Zou.

Scan ^aiik- übcifticg jcitiyeife biejenige ©oetljcs unb S^iUerä. §eute ift unö ber ©iiin für bicfe nuffprü^cnben gunfen ge|d;ii)unben, unb üon 3^ac£)Ql)mern ^eon ^ou(ö {Qiin crnfttjaft qüx nid)t tjefprodjcn werben. ®ie beiben 33rüber ©d)legcl, äluguft mu ^elm unb griebric^, t)oben ju feiner eingigen größeren $Die{)tung üon nac^()altigcm SBcrt gebracht. Um fo ftärfer wav bic Slnregung, bie fie burd; it)re Übcrfe^ungcn am bcni unioerfal gerichteten ©cift ber Sflomontif l)erQUö ber fpäteren beutfc^cn Siterotur gaben, unterftüfet bierin ^infic^tlicf) <B^aU\ptax§, Don 2;iecf, feiner SToc^ter 2)orott)ea unb ©rof Saubijfin. 2;iec! aber biirfen rair noc^ als ben f)od)bebeutenben ^egrünbcr ber neuen beutjc^en DioueHe anfeljen. gragmentarijrf) unb buntel roor haQ S)irf)ten beö grei^errn g-ricbric§ Seopolb üon ^arbenbcrg, ber beffer unter bem Spanien 3iOüaliö betannt ift. ©eine ^ocfie trug \6)on \xüi} ben STobeäfeim in fic^ raie biejenige jQölberlinö. 9flic^t Diel Quberö ftel)t mit ben jüngeren, ben jogenannten ^eibelberger 9iomantifern. 3)Jan laß unb lieft mol)[ bie eine ober anbere 9ioi)eUe üon (SIemenö Brentano unb 3ld)im vm Slrnim, fc^öpfte bauernb aber nur aug il)rer SSolfäliebfammlung „®eö Änoben SBunberljorn", bie ben ©puren .^erbcrö auf bentf^em ©ebiet nac^gel)t. Um fie l)erum fe^en roir geiftreic^e j^rauen gefteUt wie Maljü ^eoin unb Settina Brentano, ©lemenö' ©cyiuefter unb 3lrnimg ©attin, bie bann im Sllter burd) „®oetl)eä SSriefraec^fel mit einem Äinbe" einen ©lorienfd;ein um @oet{)eg ^aupt unb üor ottem um baö il)rigc 5u gießen bemüfjt mar. 3Bir fel)en ba ferner ben fatt)oU)c^en SJJgftifer ^ofepl) ©örreö, ben ibealiftifd;cn ^l)ilofopl)en ©d^elling, ben flugen 2:;f;eologen ©dileiermac^er. Slber man fann fie alle, ©cl)lciermad)ers 2(bl)ängigleitärcligion nur in engeren 5lreifen, nidE)t in bem umfoffenben ©inne ju ben (Srunblogen ber fpäteren Siteratur rennen roie (Soct^e ober ©d^illcr, menngleid; fie natürlid) mit ben ©ebanfen ber golgejeit fd)ou rein entiüidlungögef^id)tlic^ untrennbar üerbunben bleiben.

©er ©eift ift eö, ber auä ber SSiell)eit ber 3flomnnti!er äufammenftrömt ju einer einzigen großen SBirfung. ©ö ift ja be3eid;nenb, 'tia^ ein Q6)maU, ber in jungem Stlter fc^on fünf ^a^re uor (Soetl;e ftarb, SBilljelm ^auff, üiel el)er als eine ©runbtage ber beutfd)en Siterotur angefeljen werben fönnte, obrao^l er feiner romontifd)en ©d^ulc angehört, ja nic^t einmal burc^auö unb überaß romantifdien ©elftes ift. ©ort, wo bic Jiomantif bei il;m beutUc^ ptage tritt, in ber Heineren erjölilung, genau roie bei @. %. 21. ^offmann, l)ot er benn aud) gor feine bebeutenben gernroirfungen gef)abt, fo licb= lic^ auc^ bie „58ettlerin üom gjont bcö 3trts" unb onbereö aufgefaßt unb au§gefül)rt ift. ©agegen ift fein „£id)tenftein" ebenfo roie ber cnglifc^e 3fiomon ©cottö bie ©runblage bee fpötcren beutfc^en ©efd)ic^tSromanä geworben, roie mir il)n in Scheffels „Sffe^ ^arb", gret)tag§ „2ll)nen" ober Sßidiertö „§einridr oon flauen" neu erlebten. Unb bod) ift gerabe im „£id;tenftein" bic 3erfa^renl)cit romontifdier ^unft fefter, form-- fieserer 5iompofition gemieden.

^ur ber romontifdie ©eift alfo im allgemeinen gel)ört gu ben ©runblagen ber na(^9oetf)iic^en fiiteratur; unb baö ift baö e^arafteriftifd;c unb SebenöDoEc an bicfem ©cift ber 5Romantif, bo| roir üielleic^t if)n felbft, aber nid)t feine eigenen ©runblagen begreifen, ©aä liegt rool)l bnran, 'oa^ er roirflid;e ©rnblagen nie gcljabt l)at, nie ^abcn fonnte, benn fie l)ätten i^n bereits im (5ntftcl)en jcrftört.

■Jet iiütioiittlc (Gebaute. 5o

10. tcv nottottutc (ijcönttfc.

Sern nationalen ©ebanfen, Deu ijieu, lüie man fiel)i, ^u beu elften öev amje: füf)rten ©runblogen, beni internationalen ©eban£en ber äßeltliteratur, \)qö (Segen[tücf bilbet, finb juir jdjon metiriad;, jule^t bei ber 3f{omantif, begegnet. lUber er Ijat bocf; ancf) jeine befonbere ßntinidlung unb feine befonbere Sßiriung.

5:;ief inö SUtertuni muffen mir äuritcfget)en, um feine äiJurjcln aufjubeden. Sogar bic 33orgefd;irf)tc ift bnrd) bic ^^rage nad; bem autoc^tt)ünen 3Jknfd)en in beu @eficl;töfreiö üon Unterfudjungen cinbcjogen, bie fid; ben S3egriffeu „SSaterlanb" unö ,,-)Jation" mibmen. S)er nationale ©ebante fm engeren Sinne mar aud) bei bcn afta= tifc^en 33ölfern, über bie mir bur^ bie alte @efd)id)te untcrrid)tet finb, nod; nid)t üor= iiaiiben. SSielmeljr entftanb er erft im alten @ricd)enlanb.

S)er d)inefifcE)C ober perfifdje ^^ürft, üor bem bic Untertanen in ben Staub fanfeu, um mit ber Stirn ben ^oben gu berüt)rcn, mußten ebenfomenig roaö eine ,,9^a- tion" fei, roie bie franjöfifc^cn Sourbonen, obmol)l biefe bereits ptten roiffcn fönnen. %Uj in ©riec^enlanb ber ©ebanfe fid) Sa^n brai^, hQ^ ein nationaler Staat nur auf bem Staatöbürgcrtum rul)en lonne, ba erft begann baö Seben ber 9iationen. S)ie pcr= fönli^e greil)eit unb SSerantmortung beö einzelnen, bie Selaftung mit Staatäpflid)teh, Die feine Sflaoenbienfte mcl)r in fid) fc^loffcn, unb bie S3eid)enfung mit Staatöredjten, bie gefe|lid) gemäl^rleiftet mürben, moren bie erften notmcnbigcn örunblagen bcö mo^^ bernen Staats. 5Der einfad)e Bürger burfte mitfpred^en in ber ^olitif unb felbft Ijo^e 2Biirbentrögcr, mie bei bem Dftraliömoä, au^er £onbeö uermcifen Ijelfen, mu|te frei= lid) anbererfeitö aui^ mitjaljlen unb mitfterben, rocnn baö SSaterlanb in @efaf)r mar. 3lbcr mar hoä) ein XJoterlanb, nid)t mc{)r ber 33efi^ eines Scfpoten unb Xrjrannen, bie ja aud; (Bried)enlanb fo mol)l fennen gelernt l)at.

®ic alten 3ltl)ener finb es befonbcrö, bic in biefer Sprad)e noc^ Ijeutc ju uns rebeu. 2)ic 9knaiffance Ijat bafür geforgt, ha'^ mir fie foraol)l, 5. SB. hinä) bie @e= fd)id)tfd)rtibung bcs S:l)utt)bibes, mie nad)l)er bie 9lömer noc^ unmittelbar uerneljmcu. 2)urd) bie l)umaniftifd)e Silbung ift bic 3]euäeit gerabcäu für ben notionaleu ©ebanfeu erjogen morben. 2)ag ^orajifd^e „dulce et decormn est pro putna mori": „fd)ön unb el)rent)oll ift eö, für baö SSaterlanb ju fterben" liat fid; jebem @gmnafial= abituricnten feft in t^cn Sinn unb mond)mal mol)l aud) in ben (£(;ara!ter gefc^rieben.

©6 ift nun ja nid)t immer fo patriotifd^ angegangen, mie bie fc^önfärberifd)en ^cric^te ber .^iftorifer glauben machen möd;ten. 3ln bem titerarifd^cn äluöbrud bes ^atriotiömu§ ift aber gar nii^t ju ämcifcln ber ift uorl)anbcn unö ^at feine perfon- Iid)e mie literarifi^e 9Birfung getan. Unb ebenfomenig läf?t fid) bic ^^atfai^c oon ber öanb mcifen, iiü^ gerabc bie 5ßöller, bie unö biefen 2lusbrud t)interlaffen l)aben, jal)r= iiunbcrtelang bie il)nen befanntc SBelt bef)errfd;ten. ©in römifd)cö 2ßeltreid^ oljnc ^atriotiömue ber entfdjeibenbcn güt)rer unb S[5olföfd)id)tcn ift unbcnlbar. ®aö ftoljc .,civis Komaniis sum": „\d) bin ein römif^er 33ürgcr" jeugt namentlid) im 5[Runbe bes ^Ipoftelö ^auluö aUju mäd;tig uou ben inneren Scbcnsmotiuen bcö Staaten, ber uns feine Sprad;c, fein 3fiec^t unb feine ©eiftcötultur alö feine nationalen (Süter auf:: geämnngen l)ot.

56 ®ic ©runblagen bcr beutfd^en Siteratur feit ©oct^cg 2;obe.

9tid)t gaiiä ift iljm gelungen; e{)riftu§ trat bojroifd^en mit ber STufforbcrung an feine jünger, alle mihx in ber gangen SBclt um jeine £ei)re ju fammeln. S8on bo an I)aben luir bcn ^onflift. 5Der Schnitt liegt in 2Baf)rI)eit smifc^en bem 3llten unb bleuen 2:eftament, jraifd^en ber nationalen unb internationalen ^Religion. Unb wenn ber ^apft au^ jpäter beftrcbt mar, fiel) im ^ircljenftaat nod) feinen eigenen ?lationaU ftaat grüfesujieljen, fo mar er bod^ jugleic^ 3Söl!ert)irt unb bejog ben ^eterspfennig oon Dielen Dlationen.

5Da mar fein ^unbcr, ba^ bie griec^ifct)=römifd)e ©taatäüberlieferung nid^i ftarf unb einl;eitlic^ genug luiitcu tonnte, um ben jungen ^^öltern beä europäifdien SRorbenä alä oorbilbliclie ©runblage ju bienen. S)er unmittelbare ©ntmicflungöfaben mar jerfd^nitten, bie alten ©prarfien maren tot, roaren nur noc^ literarifc^e SBerfjeugc. 60 tam es benn im 3JJittelalter ju ben blutigen Sluöeinanberfe^ungen einmal äroifd)cn ^apft:= unb ilaifertum, unb fobann innerf)alb ber einzelnen SSölfer, bie in ten S3efife oon j^ürften gerieten, unb innerl)alb ber einzelnen Sfleligionen, jumal beö Sl)riftentumö mit feinen ga^lreid^en ^onfeffionen unb ©etten.

©g ift ber unfterblid;e 9fiul;m 3flouffeauä, biefem B^f^^^i^^ ein @nbe bereitet ju l^aben. 9^ic^t ba^ er etroo roal)rl)aftc Slationalitöt l)ätte begrünben rooEen nichts lag il^m ferner, ©aburd^ aber, ba^ er bie 3JlenfdE)l)eit jur ?iatur jurüdlleitetc unb baä ^c(^t ber ^erfönlidf)feit ouf fid^ felbft rciebcr lierftellte, jerfc^tug er bie fünftlicljen ©tü^en, mit bereu .^ilfe ber ölte afiatifd)e gürftenbegriff com SSaterlanbe banf jenes Äonflifteä gmifd^en Äird^e unb Staat ouc^ in ©uropa ©ingang gefunben l)attc. ®ie frangöfifd^e ä^ieüolution üon 1789 machte bonn bie Sal)n frei für einen neuen (Staat, ber auf tem mirflic^en nationalen ©ebanfen rul)en follte.

SBie aber ftanb es nun im beutfd^en ©pradpgebict in biefcr 3^^*? ®cr beutfc^c Äaifer mar noc^ immer ber ^errfcljer über ein römifdies 3fieic^ beutfcl)er 9lation. ^an^ oben im 3lorben aber ^atte fi^ ingmifd^en au§ ber fleinen 3J^ar! ^ranbenburg ein be* ac^tcn§raerter Staat gebilbet, ber feit 1701 ^önigreicl) ^reu^en l)ie^ unb tn ^^riebrid^ bem ©ro^en im ac^tjelinten Sal)rl)unbert einen «dürften üon SBeltruf erl)ielt. 3;mmer= ^in flammt Seffingg preu^ifc^er Siittmeifter 3:;ellf)eim noc^ au§ Äurlanb, unb in ber freien 3fieic^öftabt j^rantfurt mar man tro^ oEer preu^ifc^en Siege im Siebcnjäl)rigen Kriege l)öd^ften§ fri^ifc^ gefinnt. 3tber ber S^iulim ber Unbefiegbarfeit l)eftete fic|i on bie gähnen be§ im übrigen noc^ gor md)t notionolificrten ^reu^enoolfeö.

3)0 fomen im ^iu^eren ber ^rucf unb im ^inneren bie großen pljrer. 9?opoleon Iclirte ba§ preu|if(f)e SSolf, mos eS bebeute, feine 3fiation ju fein, unb Sc^orn^orft, ©neifenau unb ber greil)err com Stein jogen bie Folgerungen aus biefer ße^re. 3roar erf)ielt baä 3[5olf noc^ bei roeitem feine SSerfaffung biefen Scibenäroeg roerben mir ja noc^ fennen lernen. Slber bie Seibeigenfc^oft mürbe aufgel)oben, bie Stabteorbnung 0efcf)affcn unb bie attgemeine 2Bef)rpfad^t eingefül)rt. So trugen bie 9iieberlogen oon 3eno unb Sluerftöbt unb ber 3flei(f)§beputationgl)ouptfd^lu^ üon 1803, in bem eine 3flei^e Heiner beutfc^er 3Saterlänber, b. f). fürftlicfier 33efifeungen, oerfc^rconb, i^re notionalen grüc^te.

«. Scr nationale i^jeDunfc. ^^

©0 lüuvbe &ÜÖ |)reu^i)d;c äiol! ]äl)\Q, ficf) jeiiic nationale g-ieil^cit ju erfänipfen, ^einricf) oon i^Ieil't, beffen ©ramatif aud; jonft im neunjel)nten ^al}rf)unbert fort- geroirft ijat, wie ficf) im einäelncn uo(^ cx%zben roirb, ba(^te 3ornglüI)enb für ©ermania an htn Sag ber 9tocf)c unb befdjroor in ber „§ermannöfc^lac^t" ha^ alte germanifc^c J^clbentum, in bem ,/|>rin3en oon ^omburg" bie rcaffentürcenbe SJiavf: „.^n Staub mit allen geinben 23ranbenburgö!" vSnblid; nal)te bic Stunbe ber 33efreiung. griebric^ SRücfcrt bid^tete feine gel)arnifd)ten Sonette, 2lrnim, ©idienborff, Brentano unb gouquö fd)rieben il)re £rieg§lieber, %\ä)tc l)ielt feine hieben an bie beutfd)c 9iation. 3loc^ maren bie ©eutfc^en feine ^Ration, aber il)re Säten üon 1813 forberten eä. (srnft 3)iorife 2lrnbt, 3Jiaf oon Sc^enfenborf unb Sl)eobor Körner, ber feinen ^atriotiömuft mit bem Sobe in ber Sd)lad;t bcfiegclte, entflammten burc^ il)re 3Saterlanbögefänge bie beutf^e ©eele meit über bie prcu^if(^en ©renken ^inauö. S)aä ^ol! ftanb auf, ber 6turm brad^ loö. (Sä mar ber nationale ©cbanfe, ber in ben £eibeu ber napolconifd)cn 3eit ermac^t mar unb nun in l)ellen flammen emporlotjte.

Unterftü^t au^ üon ber romantifd)e Söeltanfdiauung unb ®id)tung, ift er fett^ bem nid^t mieber jur 3tuf)e gefommen. gröl)lic^ fammelten fid^ um i^n bie Surfd;en= fd^iaften, bauten in feinem ©elfte freigefinntc 3JJönner on ber beutf(^en ^ufu'^ft- ^aä mar ben Siegierungen ber brei öftlicl)en Äaiferreidie gar nid^t red^t. S)ie j^reunbe beä beutf^^nationalen ©ebanfenä mürben alä Demagogen werbäc^tigt unb »erfolgt, unb bie ^errfc^er, bie gar ju gern nacE) altüberlieferter gürftenroiUfür roeiter regiert l;ätten, fcl)loffen bie fogenannte „^eilige SlUianj".

3lber ber nationale ©ebanfe mar nod) l)eiliger unb fprengte alle Letten. S5ie Pforten beä S)eutfd^tumg flogen auf in aller SBclt. S)aö Selinen jebod^ fam unb iüud)ö: mann mürbe ein* freiem bcutfcEieä ^olf, eine gro^e 5^ation geben?

SBie geroorben ift, raiffen mir. SBenn unä eine ©runblage beutlid) gemorben ift, bann ift biefe, auf ber im SSeltfriege ^^^"^'^"[^"i'ß uon @efdE)ü^en il)re natio= nalen £ieber fangen.

3Son ber Literatur ber SBelt gingen mir auä, bei ber Literatur ber 3^otion bleiben mir ftel)en. ©iefer ^reiö bilbet ein ©aujes, üon bem fic^ bie nac^goetI)ifd^c Literatur, rcie mir jefet fel)en, alä eine neue unb felbftänbige Sinl)eit ah^zbt ^m SSereid^ biefer nationalen, neubeutf(^en 6inl)eit merben mir nun roanbern.

wöre ganj falfc^ angunelimen, ba^ fi^ innerl)alb eines engen 3laf)menö oEe ©runblagen befpred()en liefen, bie für fo meit geftecfte 3iele in Setra^t tommen. ?iur einige ^auptpunfte lyaren anjubeutcn. S)arauf aber fam ja ou^ an, benn im übrigen bringt ein jeber ©eift feine eigene ©runblage bereits mit.

©S ift ein bauernber 2lu§gleid^ oon ^^itQ^ift unb ^nbioibualitöt, bem eine jebe ^öf)ere Literatur Seben unb ^ortfd^ritt oerbanft. ©nlfdieibenb ift aber feberjeit niclit baö SSolf, fonbern ber einzelne, ber mitreist ju neuen ^i'calen. ®enn baä ift bod^ ber ©inn einer jeben ©runblage, ba^ fie unfic^tbar merben foE burd^ ben 33au, ber fic^ auf il)r erl)cbt, mie bie SBeftimmung ber SBurjel ift, ba^ ber Saum auö il)r bie ^raft jiel)t, ju grünen unb ju blühen: bann merben bie 3Sögel fommen unb in feinen ^meigen fingen.

IL

erben der hlaffifcben und romantifcbcn

Dichtung.

1. 9^axi ^mmcrmann.

gibt raeuige 5Dic^tcr, bcren SSerfe fo üielfeitig überüefertc Sßerte uerarbeiten unD if)re ^eit fo getreu roiberjpiegeln, wie ^mmermann, ber ©ic^ter ber „ßpigonen". 6Den ©eftoücn biefes großen logialcn 3ßit^omanö, ber bie $8 rüde f dalägt üon (Soet^eö „SBiü;cIm 3)Jeifter" gu greptagä unb ©piell)agen§ S^omanen, gleist er jelbft: etraoö goetl;ifc^, etmos romontifd;, aurf) fcE)on ctraoö reoliftijc^, in feiner literarif(^en Sebingt= tieit ober immer ein ©pigone.

Siaxl £ebrerf;t ^mmermann (1796—1840) lourbe am 24. ätpril 1796 otä ber @o(in eines preupifc^en ^riegg; unb ©omänenrats in 9)iQgbeburg geboren. 1813 bt- 50g er bie Unioerfität .<QaUe, bie 1806 oon Silapoleon aufgel)oben, ingroiftfien aber oon ^erome roieber eröffnet roorben mar. 3)er Sefreiungöfrieg rief no(^ in bemfelbcn 3Qi)re alie .^oUenfer Stubenten gu ben Sßaffen, lüaä ^tapolcon üeranta^te, bie Uni= oerfitöt jum jmeiten SJioIe ju fcf)üe^en. ^mmermaun trat jebod) erft naö) ber ©c^lac^t bei Seipgig 1813 in baö ^eer ein unb m))ni an ber ©c^loc^t bei SBaterloo teil. £ite= rarifi^ raurbe er in bicfer erften Scbenöäeit am ftärfften üon ber 9?omantif, befonberö gouqu6, Sriecf unb 6. %. 3t. ^offmonn, beeinflußt. (Sin bramatifc^eä ^bi)ll, 2) i e S r ü b e r ", bnö qu§ ber Stubentengeit ftammt, mcift ober an6) auf bie gamiCienftüdc Sffinnbö f)in. ©g lüurbe 1835/36 in 2)üffeIborf unb nod; 1905 im Sergt^eater auf bem »Qarger <eeycntQnäp(at5 mit ©rfolg Qufgefüt)rt.

9{Qc^bem er feine crfte juriftifrfie Prüfung beftanben f)atte (1817), murbc er 5unQrf)ft 2(uö!u(totor in 3tfrf)cr5leben. ^urj üor{)er I;atte er feine erfte große (Snt= täufdiung erlebt: eine ^reunbin feiner ©cf)raefter, Suife üon ©tröffer, mit ber er fic^ oerlobt f)atte, mar (1817) üon bem SScrIöbniä gurüdgetreten. Stbcr mit ^ilfe feineö greunbes ^crjbruc^ mürbe er feineö ^rübfinns §err. 1819 beftanb er feine jroeite Prüfung unb rourbe barauf aU oortragenber 2iubiteur an boö ©eneralfommanbo noc^ gjiünfter berufen. SBeoor er bortf)in reifte, befurfite er «erün.

3n gjJünfter üollcnbete er fein erfteä größereö ^Drama, „5Doö %al von

Sionceoül". diaö) einer dtc\\z, bie if)n Jüäi)reiib eineö Urloubö 1820 naö) Bresben unb [einer .^eimatftabt 3)iQgbeburg fül^rte, \d)xkh er t>aö ©rama G b ro i n ", bef|cn ^clb für freie 3)tenfrf)enrcc^te bcgeiftert ift, aber bie oc^wierigfcitcu iljrer 'ilusübung iragif(^ erlebt, jobalb er auf t)in %\)xo\\ berufen lüirb. Satirifc^c ^üQ^ in biefcm Siüd, bcffen 3toff ber altcngli)rf)cn ©efd;id)te entnommen ift, beuten roieberum auf ben ßinflu^ ber :)iümtintit fjin, meuDcn fid; aber gegen gouque. '^on einer '^allabe in „2)eö 5tnaben äßunbcr^orn" anregt, atjo ebenfalls romantifd) überliefert ift ber ©inntter „Sei 58 e r ) c^ ol lene ", ber 1821 entftanD. 2)aö Suftfpicl „2)ie 5j3rinjen üon Sprafuö", baö bie äft()etiid)en 2;eeä unb anbere gefeUid)üftlid)c @inrid)tungcn fatirijc^ beljonbdt, bid)tetc er gur ^od)^c\t feiner od)raefter. 1822 ei-= fc^ien feine Sammlung 2) i e ^ a p i e r f e n ft e r e i n e ö 6 r e m i t e n ", bie einen .53riefroma)i, Sotiren, ©ebanfen, ^gmnen unb ben „3Serfcf)oUenen" ent()ieU boö ©anje in feiner gormlofigfeit fo red;t ein (iT3euöniö i-omantijdjen ©eifteö, mcnnglei^ ©oetljeö einfluß unuerfennbar ift. ä(ud; feine erfte © e b i (^ t f a ni m l u n g flingt fortmätjrenb an (Soettje an, unb fein 5Drama „Petrarca" fpiegelt @oetl;eä „3::affo" roiber. 3)taii fieljt, i)ü^ ber junge ^"^'"crmann niei)r alö anbere 2)id)tcr t>a^ literarifd)e 6rbe feiner 3^^^ üertrat.

Snäiüifdjen xoax in 3)iünfter ein ^efeäirfel juftanbe gcfonuuen, Deffen :)JiitteU puntt ^mmcrmanu luurbe. 33cteiligt maren auc^ ber .^iftoritcr S{ol)lraujd) unb bei Srigabetommanbeur uon 2ü^ora berüt)mt burd; bie ^öefreiungötriege unb Hörners ^i)iit , bcffen feingeiftige ©emaf)lin ©Ufa geb. ©räfin Sltjlefelbt fid) lebl;aft für ben fed)ö ^af}re jüngeren ®id)ter intereffierte.

1823 er|d;icn feine S^ragöbie 51 ö n i g ^ e r i a n b e r unb fein ^' a u s ", bie Sljafcfpeareö iiunft mit ber antifcn ju ucrbinbcn trad)tete unb auf einer erääl)lung ^crübotö berufet. ^Damalä entftanb aud) fein Suftfpici „5Daä 2(uge ber Siebe", gebid)tet nad; ©Ijafefpeareö „©ommernad)t§traum", unb (1825) bie ^ioueUe 2) e r neue ^ i) g m n l i o n", bie 1792 in ber 9il)cingegenb fpielt unb ganj ben ßinflu^ ©oetfjeö uerröt.

$jn5n)ifd)cn leiteten (Süfa unb it)r ©attc, beren ef)e Ünberloö mar, i^re 6c^ei= bung ein, oI;ne ha^ inbeffen ©Ufa ben SBunfc^ ^mmermannö, fie t)eimjufüt)rcn, er= füllen rooUte, fo fel)r fie iljm aud) iljre Siebe sugeroaubt l)atte. 1824 ging ber ®i^tcr als .ilriminalriditer nad; 3Jlagbcburg, roo er-junäc^ft ocottö „3ünnl)oe" ju ©übe überfe^te, eine 3lbl;anblung „Über Den rufe üben Ijaybeö ®opl)o!leö" unD bas S^raucrfpicl 6 a r b e n i o unb © e H n b e " (1826) fd)rieb. 2)ie fc^on Don @ri)pl)iue im fiebjeljnten ^al;rl)unbert bel)anbelte gabcl mar Dor ^mmermann non 3{rnim in „.^aUt unb ^erufalem" ucrarbcitet roorben. §ier alfo l)Cihcn mir raiebeü eine 3lnregung ber 3iomantit uor une, menn aud) eigene Srlebniffc uor allem ölifaö Steigerung, iljn gu l)eiraten bem Stüd eine eigene 'üok geben: baö ©efpräi^ 6ar= benioö unb ©elinbeö über bie ßtie bemeift 'oa^j befonberö beutlid). ©Ufa bcfud)tc auf 3mmermannö Sitten feine 35Iutter, unb fogar Sü^oiu begünftigtc ben ^lan ber 58er= binbung feiner frü{)eren @emal)lin mit ^mmermann unb lie^ il)jn einen jä^rlic^en Siif^u^ anbieten, maö biefer natürlid; ablcl)nte. i!lbcr alleö roar nergeblid), ©Ufa

60 erben ber flaffifd^eii unb romantifdjcn Didjtuns.

fürchtete bic ^oefielofigfeit einer äiueiten ßf)e unb bog ^erroürfniö mit i^xtx gamilic. 60 blieb bei bcn alten geiftigen unb freunbfc^aftli^en Sejietiungen. Jioc^ in 3)Ia9beburg (1826) fc^rieb ^mmermann fein „2;r oue r f p i el in STirol", baS er fpäter (1833) narf) bei* Umarbeitung „Stnbreag §ofer, bet ©anbrairt ü 0 n ^ a j f e i c r " nannte, ^n fünf ^^Iften unb fünffüßigen Jamben rottt \i6) baö betannte ]^iftoriid;c ©ejrf)er;en ah, ta^ f)ier mit <0oferg SBorten fc^Iielt: „91arf) aJJan= tua nun, irf) i)ahc übcriuunben." ^n biefem ©tüd ift eine neue 3tnlel)nung an boö große ©rbc ber ^lüffifer beutlid): an ©c^itterS „2ßili)elm ^eE".

S^ac^bem ^jmmermann 1826 bie britte juriftifcfie ©taatäprüfung beftanben l)atte, ujurbe er gum Sanbgeric^tärat in 2)üffelborf ernannt, iüoi)in er im 3Härä 1827 übcr= fiebelte. (£Iifa folgte it)m unb bejog mit il^m jufammen ein na^e bem 3fl^ein ge^ legenes ^aus, baä nun mit bem §aufe beä neuen 2)ireftorg ber ^unftafabemic/ 2BiII)cIm Sd;abom, an ©efeüigfeit unb fünftlerifc^em Seben raetteiferte. Jgier ent; ftanb eins oon ben fec^S bi§ neun geplanten §o{)enftaufenbramen, „^aifer ^^rieb« vi 6) IL" (1828), beffen ©runblage ein erbid;teter ilonfüft in ber ^amiüe beä ^aiferö bilbet. S)ann folgten 2) i e © d; u l e ber frommen", ein Suftfpiel in Sllef anbrinern, baö fid^ gegen bie ^ietiften rid^tete, „2)er ^arneoal unb bie Somnambule. 2luö ben 9Jiemoiren eineö Unbebentenben'' (1830), eine ergäljs lung, bie ©omnambulißmuS unb 3JJagnetiömu§ nerfpottete, unb eine neue ©ammiung oon © e b i d^ t e n.

5ßon ^eine, beffen erften Sanb ber „9ieifebilber" er anerfennenb befprorfien l)attc, ju Seiträgen für bcn gmeiten Seil aufgeforbert, f anbte ^mmermann 36 Xenicn, barunter folcfie, bie fic^ gegen bie bcutfdie '3)id)tung in orientalifd)em ©til lüanbten. ^laten, ber ^ic^ter ber „(Sl)afelen" (1821), mußte fic^ befonberä burc^ bog folgenbc Epigramm getroffen fül)len:

$ßon ben gröc^len, bie fie qu§ bem ßJartenliain öon ©c^ira^ fte^len, offen fie jubiel, bie Firmen, unb bomieren bann (S^aftlen.

^laten fc^rieb nun gegen Jpeine unb ^mmermann bie ariftop^anifc^e Siteratur!omöbie „3)er romantifc^e Obipug", auf bic ^mmermann mit ber ©d^rift „©er im 3 r r * garten ber 2«etrif umfiertaumelnbe ^ooalier" (1829) antwortete, einer fritifc^en 2lbl)anblung unb 22 parobiftifc^en ©ebic^ten, mälirenb ^einc im Dritten Seil ber 3fieifebilber feine fd)onungälofcn perfönlid)en 2tngriffe auf «ßloten ma^te.

©atirifc^ gelialten ift an6) ha^ fomifd^e .gelbenepog „Sulifäntc^en'' (1830):

©inft im gantenreid^c blühte ®a§ ®tfd)led)t ber Sulifanten. * 9ieic^eg ^ornlanb, äftanjig ©d)lpffer, ©d)öne SBiefen, manä) ein ©ilbfad SSoren fein, iebod) roo blieb el? » SDfJäuj' öerroijfteten ta§ ^ornlanb,

Unb ber ©irom berfd[)lQng bie SSiefen.

ilarl ^vmmcrniaim.

61

'äuä biefeii ^öcrfcn ^ört man bereite bie ©pif Sdjeffelä, ^infelö, ^aumbodjö unb SBeberö au§ ^"^"nft^f^^"^" f)erübcrtönen. Sefonbers ber „Trompeter pon Bäd'mQm" \)at l)kx feine 3KeIobien gelernt. Tlxt \6)alli)a\kx §eitcrfcit üerfpottct ber^ic^ter in fd)önen 58er)cn bie ©ebrcc^en bcr3fit, anerfannt öon §eine, Xiecf, 2llej'iß, Scnou unb SHeinidE. SSon ^einc mit S^lcd^t gerüF)mt lüurbe ber üorlc^tc Ocfang, ber „^\x ben {)än^cnben Slumengörten ber g^ecnbid^tung,, geljörc:

5(n bem ^ügel, erlengrün, 5Iuf ber Glfenrcieje, bufiig, Sn bem ^el6) ber roten Stulpe <Sa& bie 5arte t^ee Sibeüe, ©afe ha§ golbbefd^mingte SSunber. Sufeerft glänjenb mar ta^ geft! 3u ber Stulpe Süßen fpielte !J)er tonfunbigen ßi^o^en ?lulerroä^Iteftc ^apeüe <Stücfe öon hm beften SD^eiftern. Grnfll^aft ftonben ©jjellen^en i^euermürmer, mit ben glüf)nbcn Drbengfternen, in ber 9tunbe, flogen bann unb mann galant 3u ben S)amen, bie in Süftcn ©darnebten ftra^Ienb, reid^ gepufeet,

3u ben lieblichen SibeÜen

kleine ^öglein pröfentieren, ©nomenfnöblein guter ^erfunft, Slütenpunfd^ in SO^aienglorflein; §ltle^ Iad)t unb fc^erjt unb tänbelt, 5111e§ glü^t unb funfeit, fd^mirret Um ben St^ron ber garten Äön'gin, Um ben roten SuIpentf)ron. Reiter fprac^ ha§ golbne SSunber: „9tun begiimt ber ^ad:)t gemeinten 9fJeigen, euren Jouperltanj!" Sllfobalb in Drbnung fteöten ©id^ bie lieblid^en öibellen, gaßten [xd), im Ärei§ gefc^Iungen, S^anjten nad^ bem froren Safte ^er tonfunbigen 3^^°^^" ?Iuf bei 2^aue§ perlen munter 9iingelreigen um bie ß'ön'gin, Um ben roten 2!uIpent!^ron. ©ic^er, ofine je ju fehlen, Rupften fie öon ^erl' ju ^erle. ^eine ^erl' jcrflo^ crftl^üttert, 9iic^t einmal erbebt' ein ^erlc^en S3on bem ®rurf ber Silienfü^e, ©e^t, fo Ieid)t finb bie SibeÜen! ^06) bie glü^nben ©j^ellen^en

Scuermürmer gingen ernft^aft Slunb in biefel ^Reigen! 9}Jittc, godfelträgerbienft öerfef)enb. Stber all ber steigen freifte 9^un jum brittenmal mit ^ubel 2luf ben monbbeblinften perlen, ^am geritten iiod) om ^immel Stuf bem SBinb, bem fd^neHen 9to^, Se^t bie ftlberblü^nbe SBoIfe. Sllfo raftf) mar fie geritten, ®a& ber Sßinb felbft außer 5(tem SSar gefommen unb jur @rbe ©anf in! @ral mit Iranfer Sunge. Sn ben ^reil bei geftel trat fte, Unb gur gee, ber golbbcfc^roingten, ©pra^ bie filberblü^nbe Söolfe: „SBie? ®u feierft fro^e Sefte? 28ie? ®u fc^auft ben Sauperltanj? Unb bein ^elb, ®on Sulifäntc^en, ©terft im 83ogeImeffingfäftd)t, (Singefperrt öon ber ®ema^lin, ®er laöenbelbuft'gen gürftin! Stuf unb eile! dlttt' itjn! fliege! (Sr befdt)loB im tapfern ^ergen, ©türgen miß er in ben SIbgrunb ©einen Seib. ^c^ l^ort' el felber." ©prac^'l. ®a flagten alle ®ei|'ter, ®enn beliebt ob feiner ^tugenb, ^od)beliebt ob feiner milben, Slbeligen, feinen ©itten 3n bem gangen ®inniftan SBar ber ^elb, ®on Sulifäntd^en. ©unfel mürben öor Setrübnil Stile glü()nbe (I'fgellcnsen. 5)ic 3ifQ^en mad)ten ^aufe, 3agenb ftanben bie SibeÜen. S)od) bie Sü"9fte fiel erbleid)enb Unb mit leifem ©djrei in D^nmac^t. 9toialinbd)en ^ic6 ta§ reiche ©d)önc ß'inb öoü ©Qmcat^ie. ^[ix bie garte gee Sibeüe S3licb gefaßt, ©mporgerid^tet

62

(SvBcn bei- flaffifdien unb iomnntifd)en Sid^timg.

3n ber %uipe, \pvaä} \k cilfo: ,/^Dn bem geft etroog crmübet, glöij* id^ lüo^l nid)t rofc^ genug 3u ber ÜKcttung nieineö ^elDtn. 2luf, itjr ^^agcn, fugt bem ftutfc^er, Sagt bem ruuc^en löärenöogel,

@r [oU gleid^ bie ©quipage

Wdt ben jec^ä ^irjc^fäfern frf|tr'-en!"

©prad)'ö. (£ö rannten fort bie ^ogen

9?üct) ber See geroölbtem SOJarflall,

2)er im SÜJurjelroerf ber @rle

2Bar erbaut gu ebner @rbe.

©ie ift nic^t erfd^ütternb, biefe ^oefie, aber fie raar bamaU imbefannt: ber (Srbe ber flaffifrfien unb romantifrf)cn ®irf)tung f)attc einen neuen Son ongefd^lagen, wie er in bicjer gorm raeber in SBielanbS „Dberon" nod^ in ©fjofefpeareä „Sommer^ na^tötraum" ju I)ören war. ®amo(ä entftonben mö) bie 3^oüeUe ,, $Dcr 9Jieyi = !Qner", boö ^iftorifc^e S^rauerfpiel „©rof ^Ibam oon ©c^rootjenberg" unb boä ßpoö ,, ©erSd^raonenrittet".

1832 erfd^ien bie S^rilogie 3t l c j i S ", bereu ^elb eigentlid) ^eter ber ©roße, ni(^t Deffen Süf)n älleytä ift. 3)ie ®id)tung bcfte^t oug ben beiben fünfaftigen 3::ragöbien „2)ie Bojaren" unb boö „©eric^t oon St. ^eteröburg" foroie bem ein= üftigcn ßpilog „Subofia". 58iel l)'öl)cx ftel;t haä mijftifrfie S^roma 9Ji e r I i n " (1832), eine 3:ragöbie bcö SBiberfpruc^ä : „®er oo^n ©atan§ unb ber Jungfrau (ßanbiba), nubarf)ttrun!cn, faßt auf bcni 9Bege ^u ©oft in ben jämmerüd^ften SBoI)n= lüife." S)er burcf) bie ^erfunft gegebene ^raiefpalt in ber Seele 2)ierling mu^te noturgemä^ gur Set)anblung ber gouft^^robteme fü{)ren, unb fo ift benn aud^ „9TJcr^ lin" 3"ii"ermannö ,,?^auft" genannt rcorben. ®ie freie $ßer§form bilbet ein raeiteres Sinbeglieb mit @octf)e§ Sßerf. (Sg bebarf faum be§ ^inmeifes barauf, ba^ aurf) ^mmermannä 3J?erIin bem göttiidien ©ebonfen fein le^teä SBort mibmet. S)er Sdf)tu^ erinnert auffaUenb an ©oet^eö 9J{epI;ifto;^oefie, bie ^mmermann aU föftlic^eä Srbe Derwertete:

©atan.

SRerlin. ©atan. 5Dierün. ©atan.

2KerIin.

yiun fofte greif)eit, ©eift, Bufammen^ang

Sm fel'gen, labcnben Üborfd)mang!

Sluf! SScrbe mein! ®rei ©djritt gel; {)inter birf)!

SSerleugne it)n unb glaub an mid)!

9?ein!

S«ein?

®er Saut, ber einjige, blieb mein!

S)u ßlüfe öon 3?löb* unb (Sigenfinn!

58alb er[d)öptet ift meine ©ebulb ....

3iel)et nod) ein einiger gaben

?^on bir ^u i{;m ^in?

2)ie (Sroigfcit jroifdicn mir unb feiner ^ulb!

Scb bin gilöfc^t im 58ud)e ber ©naben,

©efe^t auä ber ^inber ©rbe!

Sd) bin eine trorfcne Sd^erbe!

^a§ ©Dottliib ber 53uben

^n ben !5)irncnftubcn,

Sluf ben «uppk-rgaffen!

ßr I)at mid; gefperrt ju ben ^unben.

Äarl gmtnermann. 63

®a tüimnir' \ä), blutiriefenb, gefd^unbcn!

^nnn nicl)t öon \^m loffen ©atan. 2)ie (SIoI)im

Seien mid) an! ^u ^ot unb SIKift .... äJZerlin. Sßater imfer, ber bu bi[t . . . . ©Qtan. 5yjid)töraürbiger |)eöa5JQme!

5)uft9ärenber grafe ber 9J?olten,

Steif ^nm SScrrotten!

tSc xüiftt ifyx an)

SWerlin (ftetSenb) (Se^eiliget luerbe bein S^iame!

ern)ät)nt fei noc^ bie SSerbinöung ber 9JterIin; mit ber StrtuSfage, bie t)ier jum 3tuö= bruct fommt.

^m Sluguft 1831 reifte ber ^ic^ter, biä ^axn^ in 33egleitung (Slifoe unD i^rer ^flegetorf)ter, nacö ^ü\\d, 3Jtagbeburg, Bresben, roo er %kd aufjuc^te, ber i^n mit :^obfprüc^en iiberl;änfte. 1832 befuc^te er bie 2:öler ber 2li)r unb So^n foroie bie SBertf)erftabt Sföe^lar unb alöbann loffef, wo er mit ben ©einigen jufammentraf.

Sm Dftober 1832 grünbete ^mmermonn einen ^f)CQtcruerein in ^iiffelborf unb oeranftaltete junödift SubfEriptionöoorftellungcn. 2tm 1. gebruar fanb bie erfte aJtufteröorfteUung ftatt: Seffingä „Smilia ©olotti". ®en ec^lu^ beä Sßinterö bilbete Äleiftö „^rinj üon .igomburg". daneben ^ielt ^mmermonn SSortefungen bramatifctier SBerfe nb mit großem ©rfolg, ben er jum ^eit feinem rcunberbar flangüollcn Organ cerbanfte. ®ann ging er raiber auf Steifen, ^n ber Stuttgarter ©tänbeoerfammlung I)örte er Ut)Ianb, ^fijer unb SJtenjel, er befud^te B6)mah, bei bem er 2)anneder unb Ufjlanb pcrfönlid^ fennen lernte, ging bann nac^ ^irol, barauf über ^rag na^ 3)rcäben ju S^ied /Uad) Berlin ju bem ^ntenbanten ©rafen 9?cbern, bei bem er ^laud^, ©rfiinfel unb ätleyanber üon ^umbotbt fennen lernte, unb !c(;rte frfjlie^Hcf) erfrifc^t m6) ^üffelborf jurüd, roo il;m in ber golge bie Leitung ber ftäbti: fd^cn 33üf)ne angeboten rourbe. ©urrf) eine neue Steife fudE)te er äunärf)ft anberc X^eakx fennen ju lernen. 9Jlit ©Ufa ging er für einige ^^age aud^ naä) 9?otterbam, Öaag unb SImfterbam. ^n Sc^eoeningen fal) er jum erften 9J?ale baö 'Slccx.

3u benen, bie fid^ an il)n alä 33üf)nengönner jucrft anlef)nten, gel)örte ^ictrit^ ©robbe, ben er auf einer 3fleife 1831 in ©ctmolb fennen gelernt tiatte. ©rabbe, frf)on bamalö burc^ ben ^ruuf bem förperlicficn SScrfaE na^egebrarfit, nü^te bem Unter; nel)men nur am Slnfange feiner ^ätigfeit in ^üffelborf felbft, oorroiegenb burd) '3ic- jenfionen. 2llg er fiirj nac^ feiner 3Ibreife 1836 ftarb, roar freiließ auc^ ^jmmermanuö bramQturgifd}e Slrbcit bereitö il)rem ©nbe nal)e, ba ba§ 2)efijiit ber ^(jeaterfaffe immer größer rourbe. ^m grüfjjaljr 1837 rourbe ^^mmermanng S3ül)ne mit ^almö „©rifeU big" unb einem ßpilog beö 2E"tenbanten gefd)loffen.

2)agegen Ijatte ^mmermann im ©ejember 1835 ben großen $Roman, uon bem ein ^umoriftifdE)er ^Torfo frfion ein ^a^rjcfint frül^cr erfd)ieuen roar, üoflcnbet: „Xie 6 p i g 0 n e n ". „Unfere B^it"/ f^tieb ^jmmcrmann an feinen 58rubcr, „bie \\6) auf

64 erben öcr flüfiifdjoii iiiiD lomantifc^en J)idf)hiiuv

ben £(^ultcvn ber Wü\)t uiib beö glei^eä unfercr 2tltüorberen ergebt, franft an einem gcu'iffcn ßeiftigen Übcrfhiffe. S)ie erbfc^oft il)reö (Srroerbeä liegt ju leichtem Eintritte uns bereit; in biefem Sinne finb mix epigoncn." ,3ir finb", Ijei^t ouc^ im Sftomon felbft, „um mit einem SBorte bnö ganje eienb au§äu|prec^en, ©pigonen unb tragen an ber fiaft, bie jcber 6rb= unb 3^ad;geborenfc^oft onäufleben pflegt." 5Der ®irf)ter jeic^net bcn Sßibcrftreit ber einseinen ©tänbc: ben 2lbel, ber fid) in baö 3)JitteIalter äurüd= träumt, tai ftubcntifc^e ©emagogentum, ha§i über bie gürften ju ©crid^t fifet unb cor jebem ©eubarm bie gluckt ergreift, bie inbuftrieUen Greife, bie mit füt)lcr SSerec^nung ben früheren ß-influ^ beö Stbelö gu gerainnen trachten, ben intriganten 6taatömann, ber fläglic^ )d;eitert, unb t)a^ gebilbete Bürgertum, \)a^ fid; mit äftt)etifd)4iterarifc^en (SefeUfc^aften läd^erlid) mad)t. c^ermann, ber ^elb beä 9iomanS, mac^t eine äf)nlic^ tiefgct)cnbe entraidlung buri^ roie ©oetljeö 2ßilt)elm aJleifter. (Sr tritt juerft olä <Bo^n eines reid^en ]^amburgifd;en Senatorä ouf unb wibmet feine 2)ienfte fd^roärmerifc^ einer .^erjogin, fogar gegen feinen eigenen Di)cim, übergibt i^r avi6) eine 33rieftafd^e, bie er nac^ bem 2::obe feines S^aterö ert)alten unb nid^t geöffnet i)at. 2ttö fie it)m biefe jurüdreid^t, t>a fie eineö falfc^en 58erbad)teg wegen bie Regierungen ju il)m abhxx^t, erfiel)t er auö ben inliegenben papieren, ba^ fein 5ßater ber 33ruber beö ^erjogä ge^ mefen, er felbft alfo burd) bie Umarmung ^oI)annoä, feiner ®d)roefter, in 58lutf^anbe geraten fei. ^Darüber mirb er n)al)nfinnig. S)er ^erjog verliert fein (5rbe an jenen Dl)cim .^ermonnö unb gibt fid; felbft ben ^ob. Sttö ber D^eim ftirbt, erbt ^ermann oUe i)]eic^tümer. ©dilie^lid^ 0eftel)t ^lömmd^en, eine gmeite 3Kignon, ba^ fie ge= raefen fei, bie er einft umarmt tjabe, hct fie au^ £iebe ju i^m \i6) ^ür ^oI)anna auä; gegeben unb il)n im dian\6) auf if)r Säger gegogen l)obe. ©enefen, finbet er fc^üe^Ud^ in ber SSerbinbung mit ^ornelie, ber '^Pflegetochter beö Dl)eim§, fein ©lud unb geralnnt feinen Sebenömut mieber. ,^d^ bin eö, mein Söruber, unb bringe bir bie 33raut!* rief Sol)anna, in Seligfeit blül)enb. ©prad)loö fiel er in bie geöffneten 3trme ^ornelienß unb bann an bie 58ruft ber l)ol)en @d)mefter. ©o ru^te er smifd^en bcn beiben, bie feine ©eele liebte, ^ärtlid) I)ielten fie il)n umfc^lungen. SBil^etmi blidte mit gefol= tetcn pnben nac^ ben ^Bereinigten l)in. 2)er ©eneral ftanb, auf fein ©d)raert geftü^t, unb fal), eine ^ül)rung niebertämpfenb, cor fic^ nicber. ^n bicfer ©ruppc, über md^t Das Slbenbrot fein Sic^t gc^, rooEen mir von unfern ^reunben 3lbfd)ieb nel)men." ©o fd)Iic|t ber 9ioman, ber eine feltfame 3JIifdE)ung üon ®oetl)eS, ^ean ^aulä unb roman= tifc^er ^unft barfteUt, aber tro^ biefeö reidfien (grbeö fic^ nid^t ju behaupten üermot^t l)at. ßr ift alläu uerblafen, uuroal)rfcreinlid) unb bunt, mit einem SBort: gemacht. 5«ur alä ^eitbilb l;at biefer vcx\d)Ue $8ilbungöroman bleibcnbe $8ebeutung.

^ad) einer raoc^enlangen ^ran!t)eit 1837 oerfa^te Zimmermann nac^ einer 5Rüi)eae beä Boccaccio bie fiiebcötragöbic „Sie D p f e r beö © d) ro e i g e n § ", bie aud) auf cerfd^iebenen 33ül)nen Erfolg l)atte. ^m §crbft reifte er nad) ^^üringcn unb graulen, wo er $^ean ^auls Spuren folgte, bann über ^cna nad; Sßeimar jur gürften= gruft. ^n eiberfetb hc\ii6)ic er nad^ ber 3flüdfel;r greiligratl). ^m ^alire 1838 oon ber Unioerfität ^ena gum ©oftor honoris causa ernannt, gob er nun ben erften %ü[ feines neuen großen SRomanö „gjJünd)l)aufen" l)eraug. ^m ^erbft reifte er über Gaffel

micbei nad) 2ü3cimar, wo er iticfurt luiD ^Selucbere bciuct)te, öaiin über ^tna iinö Djcf^erölcbeu nad) feiner ^terftobt 3}kgbeburc^. ^m ^aufe feinem ^Qruberö e^erbiiiaiiD, bei bcffen neugeborenem 3ot)ne er ^^nte ftanb, fanb er beffeu neiin5e()njäi)rigeo ^JJiünöel a)iarianne ^Memcrjer, bic ^0(^ter eines SJiagbeburger 2lrjteö unb ©nfeün bes ^aüifc^eu Uniucrfitätöfünjlerö. SU&balb füi)ltcn fic^ beibe in Siebe jueinanber t)ingejogen. §ef= tigcr S^merj erfaßte ©lifo, alö ^mmermanu i^r nad) feiner 9iüdfef)r aUes offene barte. Sic oerliep 1839 Xüffelborf, um junäc^ft nad) ^taHcn ju reifen, oon bem 2)i(^ter biö Köln begleitet, ^n ^Berlin ift fie, of)ne it)n n)iebergefei)en ju t)aben, lange nad) i^m (1855) geftorben.

Äurj por biefer fdiraeren Trennung (1839) bcenbigte ^mmermann ^(n 'J){ ü n d) () a u f e n. ©ine @ c f d) i d) t e in 3( r a b e ö t e n ". 2Sic bie ,,@pi= gonen" ein fatirifd)e6 ©emätbe ber 3^'^/ ^^'Ö^ ""^ biefer iHoman ben „2ügent)anö" unb iHIIeriüeltöfafelanten SJJünc^^aufen bei bem alten ^5aron üon Sdjnidfc^nacf; fc^nurr unb feiner 2:oc^ter emerenjia. 3tuö ber 3Scrbinbung 3Künc^t)aufcnö unb ©me^ reugiac geijt t)aö ginbetfinb £iybet{) ^err»or, bic Slume bcö uon ben bunten 2Rünc^= t)aufen:2Ibcraöfen umiüunbenen Dber{)of=3t»^ttö (ogl. S. 66 ff.). 3" 3)?unc^f)aufen foU fidj ber Sc^iuinbelgeift bee alten 3lbclö in ber neuen ^nbuftriepcriobe ücrförpcrn, gegen bcrcn unl)cilDolle ©inflüffe fic^ 3it^i"ci^i^Q»n j^ ]^on in ben ,,@pigonen" geroanbt l)atte. 2Bir benfen Ijier au^l an gregtags greil)crrn uon ^Jiottjfattcl in „Soll uni) ^aben", ben bie ^inbuftrie ruiniert unb bemoralifiert. 'Daneben aber luerbcn betannte ^]ßer= fönlid;teiten uerfpottet roie 3al)n unter bem 33ilbe beö Sd)ulmeifterö 5lgefilaoö, '^ücfler; aWuötau (Semilaffo, ^^üdlerä ^fcubonrjm), ber blafierte ^erfaffer ber ,,33riefe eincä ^erftorbenen", Bettina oon 3hnim, 3fiaupa(^, ^uftinuö ferner unb bie Diditer beo Ölungen Deutf erlaub. Die ©eftalt 9)?ünd)^aufenö fclbft mar burd) Bürger, ber 1786 S^afpeö Sügenroman oerbeutfc^t ijat, jener 3fit l^ngft näl)er gerücft roorben. ^ier bicnt biefe gigur freiließ ganj anbern ^i^ecfen. Die innere ^t)ll;eit beö 3citiiltcrö foH lüiebcr bloßgelegt merben. 3}iit feinem Urbilb, $ieroni)muö uon 2Ründ)l)aufen auf ^obenraerber, i)at ^immcrmannä tragifomifi^er .^elb menig gemein.

^m Siebte feiner Siebe ju 3Karianne gebiel) je^t auc^ bie fc^on 1831 begonnene T r i ft a n " ;Did)tung meiter. Die Sffiibmung fagt bcutlid):

©eftorben lonr ba^ ^er^ unb lag im ÖJrabe Dein Baul^er tuerft luiebct auf, ber l)olbe: tlopft unb fii^lt be^ neuen Sebcn^ &nbi. Sein erftcr Saut ift Jriftan unb ^folbe.

IJ^mmermann luoUte X>a^ alte @poö ©ottfriebs oon Straßburg fo ju Gnbe führen, roie biefer getan l)aben mürbe. 3lber nur ber erfte Xeil rourbe fertig. 2lußerbcm fc^rieb er ben 3Infang feiner ,, 3Kemorabilien" niebcr unter bem Ditel ,, D i e ^n- g e n b d o r 25 ^ a l) r e n ". Über baä ^a\)x 1813 tarn er freilid) nic^t f)inauö.

3m ^crbft 1839 fanb bie aSermä^lung mit 3Karianne ftatt. 1)ai "^aar reifte junäd)ft über Seipjig nad) Drcsben, l)ier oon %\cd freunblid) begrüßt, unb bann über SCBeimar nac^ Düffelborf. ^m Sommer 1840 routbe il)m eine Tod)ter geboren, ^rvä

Oeljlle, Xlc beurfttK Literatur fett (9oct^e« Jobe ufro 5

66 dtbin bcr flaffifd>cii iiiib roinantifc^cn Didjhtng.

JBc>4)en Mnad^ erlog ^mmcrmann \üb\t jebo4) einer ueuntögitjen ^ranftjeit im Sllter Don nur 44 ^o^i^^n.

2)ie in ben 3)Jünd;^aufcn=9^omQn eingciüebte Ober§of=3flooelle, bie ein ^a^r vor feinem Xobe entftanb, lä^t a^ncu, bu^ er bei längerem geben ba^ ^eftc erft noc^ gejdjaffen fjätte unb ber beutfd)en Literatur oiel mc\)x geworben wäre alö ein Epigone, ber boö (Jrbe ber tlaffifc^en uitb romantifc^en ©ic^tung übernoI)m unb t>erumltete.

2, ^vittmcrmanuiS ,,C0cvI)ot".

/fS^l fdjreibe an einem fomifc^cn 9\oman: ,9JIün(f)i)Qu|cnv in meic^em id^ einen älbtömmling beö berühmten 2ügcnmruid)i)oujen 3Jiärd)en unb Übertreibungen uor^ tragen lajfe, bie faft aüe jefet im Si^iüangc gel)enben 3}bbeibeen unb 3Jlobeci^arafterc bcrüt)ren." ®o fc^rieb ^mmermanu im ijauuar 1838, nocf) el)e er bie Slbfic^t l;ütte ober boä) auöjufütjren begann, eine ibgUifc^c Xtori0cicl)ict)te mit bicfem Sügenroman ju oerbinben. ßrft am 10. gebruar begann er feine roid;tig[tc Queue fennen ju lernen: ^^iganbß 3Bert „5DnS gemgeri^t SBeftfalenä", ha^ 1825 erfd^icnen loar. T)a r>cr gauje 3^oman nid^t ben erhofften bud;t)änblerif^en (i;rfülg Ijatte, entfd)lü^ [id; ber SBerlag fpäter, bie 3)orfgefd)icf)te unter bem ^itet „3>cr .Obert)of" jufammenjufaffen, auß ben fatirifc^en 3lrabe0!cn t)erauöäulöfen unb gcfonbert ju oeröffentlic^en. 3)abei fonnte ni^t ausbleiben, ba| £üden eintraten, bie baä SSerftäubniö crfd^roeren, ja teilmeife unmögli^ machen. Dämotbö aSerjmeiftung, alö er 2iöbett)ö ^Ibtunft cr^ fä^rt ift biefe Slume bod) aus bem ©umpfe erblül;t als natürliches Äinb 9)iün^= tjaufene unb emerenjias fomie fein gat)nben nad) bem oerlja^ten unbetannten ©egner, ber in SBirflic^teit 3)Mnd)^aufen felbft ift, bleiben bem ßefer bes „Dberl;ofä" o^ne 3n)ifd)ennoten unbegreiflich. Slber ta^^ i;inbert uns nicfit, bie 9btmenbigfett biefer Soölöfung bes Teiles oon bem ©anjen unbcbingt anjuerfennen.

2Bir fel)en ta junäc^ft auf meftfäafcl)cr ©rbc, bie ber ®ict)ter ja oon feinem ^iufentfjalt in gjJünfter t)er fo gut tonnte, ben alten ^offc^uljen „im ^ofe jroif^en ben Scf)euern unb SBirtfci^aftcgebäubcn mit aufgetrempten §embärmeln" ein 9tab ouS^ beffern. So roic er bae mac^t, foH es jmar nic^t möglief) fein, oerficfiert ber %adi' mann, aber es ift bocl) ein l)übfc^es ^ilb, bas fic^ einem jebcn fd^on in ber ^Jugenb ein- prägt. 2)iefer alte Söauer, ber ftarr nm Sllttiergcbrac^ten feftf)ält, fic^ bafür aber nuc^ jebem gürften gleic^fteüt unb mit einem alten ocl)iüert, baS er als SBaffe ^^arl« beS Oro^en anfiet)t, ^eimlic^ im SBalbc nac^ Irt ber l)eiligen geme 3fiec^t fpric^t biefe el)rn)ürbige ©eftalt ragt mic eine 3fiuine aus bem 9)littctalter in bie oon ^mmcrmann fonft fo fatirifc^ betrad)tete neue Seit hinein. )}[n\ ben Dberl)of fommt nun ber junge Dsiöolb, bem äußeren 3Xnfcl)ein nac^ nur ein ^äger, in Sßa^rljeit ein begüterter ©raf, an bem ber alte S3auer, fo gaftlicf) er i^n auc^ beherbergt, faft gum mövhex gemorben roöre: Osroalb belaufcl)t aufäUig eines jener ^Jemgeridjtc, foU einen Broeifampf mit bem 3llten mittels ber %t befielen unb miri) nur burc^ Sisbetbs 2)aän)ifc^entreten ge= rettet. 3)iefes arme ^inbelfinb fül)rt ber §ocfigeborene nac§ mancherlei Hemmungen glüdlicl) iKim. 3(n 3Romantif alfo feblt ber (irjälitung nid^t, jumal eine ©inlage nuc^

Sinmennann^ „Cbcrl^of". 67

norf) ein ü)^är(^en anü bcm Spcffart bringt, baö üon DSiünlb feiner ©elicbten uor= gelefcn luirb unb bie ^anbhmg rcrf)t ftörenb unterbridjt : wirb H)ol;t niemanb geben, ber bei ber iiettüre nic^t, luenigftenö junörf)ft, überjc^lagcn ijätte.

3lbcr ta^ finb iRcijc, bie für ben Sefer mit june^menbcr iHeife üerblaffen. ^aö Söleibenbe i[t bie 3ci^"""9 ^^ö aitiueftfälij^cn Scbenö, ber erftc %on eineö 3f{eali6muö, ber \i6) bereinft bie SBett erobern foUte, ber !^nfafe ju bobenftänbiger ^eimai|)oe[ie. ^ält bo^ ber Dichter fogar für nic^t uberfüiffig ju berid)ten, raie unb maö biefe luaderen Sßeftfalen effen unb trinfen. So taten fpätcr od;effel iinJ „f&tk^axh" ober Scibel ,iu feinen ^cimat^ unb 33orftabtgcfd;id)ten, Sefonberö hai gro^c Tlal)l bei ber ^od^jeit ber ^o^ter beä ^offdiutjcn nimmt bie gcber beö D'id): terö in Slnfprud^, unb bie meftfäüfc^cn Sc^infen, bie 33iettioür)tc unb 33raten mögen nid)t nur ben effenben Säuern gefallen. 2)aneben lober i}ai fold^eo 3eremonia(effen noc^ feine fultureHe 33cbcutung, benn allcö, auc^ bie 2luömal;[ ber Speifen unb bie jyorm i^rer 2)Qrbietung, beruf)t auf einer burc^ ^aE)rt)unbertc §in= burc^ beobachteten Drbnung. Srinnern roir unä nur an bie Sluöüeferung ber pfU(^t: mö^igcn ?iaturalien an 2)iafonuä unb Lüfter, ©iefem mürben, f)ei^t ba, „in ben ^orb feiner (i1)e^älfte breije^n ©ier unb ein iläfe äugcteilt. ©ie prüfte jebeä 6i burc^ Se^ütteln unb ©eruc^, ob auc^ frifc^ fei, unb merjtc jmei auö. 9iacf) biefen 58er; f)anblungen er^ob fic^ ber Lüfter unb fprac^ jum ^offrfiuljen: ,2Bie ift eö, ^err §of: fcfjuljc, oon wegen beö jrociten £öfeö, meldjen Äüfterei annoc^ oom ^ofe ju erroarten f)atV ,^t)r mi|t felbft, Lüfter, ha'^ ber jroeite i^dfe uom Dbert)of nimmer aner=: fannt raorben ift', oerfefete ber ^offc^ulje. »"^Diefcr angcblid;e jmeitc M\e rut)te auf tcm Saumannöerbe, melc^eö oor t)unbert unb mefireren ^at)ren mit bem Dbcrt)ofc in einer ^anb ocrcinigt mar. ^ernac^malen ift bie Trennung mieber eingetreten, unb F)aftet bemnac^ ^ier auf bem |)ofe nur ein ^äfe.' Über beö ^üftcr§ rotbräunIid;c5 ©efid^t i)atten fid) bie ftärfftcn galten gelagert, meiere baöfetbe nur aufzutreiben uer^^ mögenb geroefen mar, unb jerlegten in mcf)rere bebenfüc^e Stbfc^nitfe oon oier^ ediger, runblid)er, rcintliger (Seftalt. ßr fprad;: ,2Bo ift baö Saumannöerbe? ^n- fplittert unb äerfpellt mürbe es in ben unruhigen 3<^itläuftcn. SoH ^üftcrei Darunter leiben? ^Tem fei ni^t fo. ^ebennod), unter auöbrüdlidiem 33orbe[;aIt aller unb jeber 9?ec^töjuftänbigteiten raegen hc^ feit {)unbert unb mef;rcren 3al)ren ftrittigen, oom Cber^ofe erfaHenben jroeiten ^äfeö empfange unb ne^me i^ hiermit an (gud^ ben einen Ääfe. <£onac^ märe bie 3inägebüt)r an ^aftor unb Äüfter abgeftattet, unb fämc nunmel)r ber gute SBiUe/ 3)iefer beftanb in frifdigebadencn Stottfud^cn, mooon fed)ö in ben ^aftoröforb unb jmei in ben beä Lüfters gelegt mürben/'

3lu^erbem aber ijat ^jmmermann, ber fid) bamalö gerabe feine 5D^arianne er= rungcn l)atte, ben ed)ten ^erjenöton getroffen, $Die lieblid)en 33ilber, mie Dömalb bie burd^ feinen S^rotfd)u^ oerrounbete Siöbet^ ftü^t, unb mie biefe fpäter il)n nad^ feinem 58lutfturj rettet, finb nid^t nur romantifd^ empfunben. 2)aju fommen bie fernigen G^araftere ber S3auern, ^ned)te unb TliXQöc in ibrer ©igenart, bie 'Diener^ treue beä alten ^tod^em foraie bie bunten ©eftalten be§ ©ammlerö (5d)mife, beä Spa^= mac^erö Steinljaufen, beä (Sc^ulmeifterS Slgcfel, beä Jöerrn oom §ofe, beö alten ^aupt^

68 ©rbcn bei: flaffifc^eit iinb vomantifc^ctt ^id^tuitg.

maiincv ^cö l)inteit)älti9cn uiib rad)jüc^tigcn ^atriotenfafpar unb anbere, um b«m ©aiijcn bie Unmittclbnvfcit lutrtüc^en unb mnUiö) gefc^auten Sebenö au oerleif)cn.

5)en ©cbnneeii, in fein parobiftifrf)eQ Beitbilb „mnn6)^a\i\zn" eine lebinö^ getreue (iv5ät)lung cinaufügen, f)at ^mmermann bem ,,^on Ouijote" beö ßcroante« entnommen. SSon einem unbebingten 58orbilb fann aber feine 9tebe fein, roir roürbin bei bem S^^anier ücrgeblic^ m^ fo erf)ten unb ^erjerquicfenben 58i(bern fuc^en. ^^n f^rage fommt and) noc^ ,3o{)Qnn ©ottmert 3]Rüncrö 9loman ,,©iegfrieb oon ßinben^ borg" (1779).

)}lüä) lebenbe SSorbilber finb für ben „Dber^of" feftaufteüen. ®en "goffc^utjen fon ^mmermonn a(§ ben Sefifeer beö ©rotentjofö bei ©oeft, beffen einjige ^Toc^ter Siöbet^ bamalö im Stlter üon 17$5al)ren l^re §orf)3eit feierte, gefannt ^aben. $^mmec= mannö greunb 5^oI)Iraufc^ f)at oieUeic^t einige Büge für ben $Diafonu§ hergegeben, ^er Sammler ©cfimi^ l)at manc^eä uon bem ^anonifuö ©cf)mi^ in @oeft unb bem 3)üffelborfer ©c^aufpicler Sc^mi^ übernommen. $Der alte ^auptmonn l;ie^ oon ©eiberaife unb lebte pcnfioniert in ©oeft. %ni) bie ^arfteUung beö roo^nfinnigen iWgefef bcruf)t auf einem ©rlebniö beö 2)ic^terö.

^er „Dber^of" mac^f ^mmermann frf)on allein unfterblirf). Unb feltfam: luö^renb feine 2gri! fonft rcenig g(üdlic^ geroefen ift, ^aben bie fc^Ucf)teu unb ouc^ eigeiitlid^ unpoetifc^en ^erfe, mit benen Döroalb feiner Siöbeti) bie neu für fie ge= frf)nittcnen ^^ebern überreicht, ii)ren Sßeg in manrf)e Iprifi^e ©ammlung unb in mand^es ©tammbuc^ gefunben:

^n beinern (£"cnft, in beinern Sadicn

föel)örft hn bir nad) Ijolbem Died^te.

2ßa§ beine frifd^en Sippen fpra^en,

ift ha^ beine, bnim ba§ (Sc^te.

Sßo folc^e 3öubcr im ©emüte,

Solgt i}a§ ©efc^id Jöie grud^t ber 33Iüte.

©0 lebe, lebe immerju

5)cin So§, bir eigen, i^olb roic bu!

3. Annette ttott ^roftespiiS^off.

S3on Smmermannö roeftfälifcfiem ^orfibijU fül)rt un§ ber 2öeg unmittelbat ju iDeutfc^lanbö bebcutenöfter ©ic^terin, bie ficf) ebenfalls olö eine ©rbin flaffifc^ert unb romantifc^en ©eifteö, jebocf) mit no^ ftärferem reaüftifcl^en ©infddag, erweift.

Annette greiin üon 5Drofte-^ülöl)off rourbe am 10. Januar 1797 auf ^ü(§l)off, einem ©c^lo| unraeit 3)]ünfterö, geboren. ^Jiit einer älteren ©^raefter unb jro^i jüngeren 39rübcrn rouc^ö fie in il)rem ©eburtäort auf. Unterrichtet rourbe fie »on öer gjlutter unb bem ^auölel)rer il)rer 33rüber, auc^ in Satein unb ©riec^ifc^. 3Jiit )erf)5 3al)ren fdirieb fie il)re erften SSerfe. ^a6) bem ^obe beö ^aterö lebte fie längere 3eit in bem einfamcn ©eljöft 9^üfc^l)au5, bem SBitmenfi^ ber ^Kutter, roo fie fic^ gonj in bie meftfölifc^e SBalb=, §eibe^ unD g«oorlanbfrf)aft einfühlte.

Annette oon 1)roffe = .^ülsf^off. 69

3Son i^rer Siebe, ju einem jungen Slrjt f)övcn w\x nur luenig. Dagegtu oerbmib [ic feit 1830 eine tiefe ?^rcunbfd)Qft mit fieuin ©c^üding (1814 1883), einem jungen meftfälif(^cn Srfiriftftetlcr, bcr it)r unb if)rer gamilic fd)on burd) feine 3Jhttter natjeftanb, i^r Talent erfannte unb fie in bic Literatur einfüf)vtc. iHuö biefem 33er{)ältniö entmicfelte fid^ bann bei 5lnnctte Siebe, bie in if;rer S^rit auöflang.

9(Iö iijxc Sd)n)efter fic^ 1834 mit bem Oermaniftcn greil)errn üon Sa^bcrg ocv- mQ()lte uni) narf) anfänglid^em 3(nfent()alt auf Sd)Io^ (Sppiöf)aufen in ber Srfiiücij {^an^ ton St^urgan) nac^ bem alten 9)^eroiüinger=Sc^[of5 9}ieercibnvg am ^obenfee übcr- fiebclte, loar fie ^ier balh ftänbiger @aft. 3(ud) Sc^ürfing ucrmeilte eine Sfit^i^Hg i" 3Kecr£.burg alö 33ib(iott)efar. „2J^ein Talent fteigt unb ftirbt mit deiner Siebe", fc^rieb fie it)m einft. "^lit ii)n\ unb ^reiligratl; i)aüc fie ein freieo '^oetentcben am i)it)c'v.\ fn()ren moDcn. SHö er 1842 wn 9KeerSburg frf;ieb, um eine (Sväict)eifteöc bei bem dürften SBrebe ju übernei)men, fd;rieb fie iljm, fie fei ad)t ^age nacf) feiner i^tbrcife lobcötraurig geroefen unb l^abe mie ein ^gel äufammengefrümml auf bem Sofa gelegen, otunbeniang fa^ fie in feinem Seffcl. „©oQteft 1)u", fragte fie bann bricflid), „cci wotjl miffen, roie lieb ic^ ^id^ i^ahe"^/' Unb ein anbereö 5Kal: „Seuin Seuiu, ^Du bift ein 6c^Iinge[ unb I)aft mir meine Seele gefto()(en; @ott gebe, ta^ ^u fie gut be= iT)at)reft." SUö er fic^ aber mit bcr fingen unb fc^önen Suifc ©aÜ, ber 2::od^ter eineö (leffifc^cn ©eneralö, oerlobcn mollte, uerfud^te fie nergeblid) il)n von biefem 3d)ritt jurüdju^lten. 1843 heirateten bic bcibeii, 1844 befud)tcn fie 3lnnette, bie bamalö 47 ^ai)xz alt mar. 33ergeblid) mar ber 3Serfuct;, fid^ cinanbcr ^n näbern fonnfe riid[rt anberö fein, ^innettco „Sebt mo^l" fpric^t felbft auö:

ßebt mol)l, fann nid)t anber^J fein! ©ponut flatternb eure Segel au'5, Sa^t mic^ in meinem Sd^lofe oflein, ^m üben, geifterljoften !^a\i§.

Sebt luofjl unb nelimt mein .'oerj mit eud) Unb meinen legten Sonnoiftral^l; Gr fdf)eibe, )rf)etbc nur foglcid), l^enn fc^eiben mu^ er boc^ einmal.

Sa^t mic^ an meines Scee§ Q3orb, 9)Jid) fdjQufelub mit bcv ©eilen Strid), allein mit meinem ^^^^bermort, 5)em ^ILpcngeift unb meinem 3^9-

Sikrlaffcu, aber einfam nid^t, (Stfd^üttert, aber nid)t jcrbrürft. So lange nocl) ita^S Ijeil'gc Sic^t ^uf mi^ mit fiicbeSaugen blidt.

So lauge mir bcr frifd}c SSalb ?lug icbem 331att ©cfiinge rnufd)t, 5lu§ jeber ftltppe, icbem Spalt 53cfnmnbet mir ber fflfc laufdjt.

70 ßrbcn bcr Haffifc^en unb romantifc^en ©l^tung.

©0 lange nod) bec 3Irm fid^ frei Unb tt)altcnb mit jum Sitf)er [tredt Unb jeben loilben ©eievö (Sd)rei 3n mir bie wilbe 93Ju|e roecft.

Diorf) gab fic mit (Sc^üdingö SciftanD bei Gotta eine ©ammlung it)rer ©c^riften ^crauö, bie if)r aUgemcine Sfnerfennung unb jo uiel .^onorar einbrQci)ten, bo^ fic fic^ ein ©nrtcnfjauö bei 9)kei-öburg, ba§ „gürftcnl)äucc^en" mit pröc^tiger Sluäfic^t auf beu See unb baS ©cbirge, faufen tonnte, ©a aber erfcE)ien Sc^ücüngö 3fioman „2)ie ^ittcrbürtigen", bev fatirifd; auf Segebcu^eitcn inner{)alb ber abiigen ©efcUfc^ft SSeftfalenö '^cjug ualjm. Tlmi macf)tc nun bie gomifie 2)rofte, befonberö 3tnnette, für bcn ^\\\)a[t Dcrantmortlicf), nur fie fonnte eine fo einge^enbe 5lenntniä ber bargeftetttcn 3)ingc unb ^uftonbc befi^en. ,,©c^ücling \)at an mir gel)anbelt toie mein graufamftec Xobfeinb", flagte 3(nnettc. 3iuu brac^ auc^ ii)x 58riefn)cd)fel ah (1846).

SInnettc meilte tmmalö gerat>e roiebcr einmal in ber alten ^cimat, im S^tüfcf): ^auö bei i^rer 9)lutter. (Srfranft, mu^te fie jeboc^ balb baö füblict)ere Älima 2J?eerö= burgö mie&er auffurfien, iüo fie bcn Slufftanb uou 1848 frf)aubcrnb erlebte. 9Zo^ in bemfelben %xixl)\ai)x, am 24. ^a\, ift fie im 2(ltcr uon 51 ^a^ren geftorben. „®enft nid;t an meinen §ügcl", fagte fie in einem it;rer legten ©ebicf)te il)rcn 3lngcl)örigen, „benn oon ben ©lernen grü^' \d) eu^." 3luf bem ?5riebl)of ju ^D^eersburg rourbe fie beftattet, neben il;r ficben ^a^xc fpöter il)r greifer 6d)n)ager, ber ?^rei^err oon So^berg.

^T^en Igrifc^eu ©ebic^ten Hnnettcö mertt man bie S(i)ulung burd) bie Älaffifer an. 3lbcr man()pürt aud) bie S^omautifer, fogar bie englifd)en roie Scott unb Srjron, bancben au^ anbere ^Dic^teu luie ^rciligrat^, unb an 9)iattl)iffon erinnert bie ^art^eit i^rer £anbfd)aftöbilber. ®aö 33efte jebod) gibt fie felbft: ^rcue, ©d^t^cit bcr 5luffaffuug unb c^erbigteit bcs @efül)lö. gür jcben SSorgang l)at fie einen eigenen ^lid, ein eigenes SBort. ©ie tommen nid)t fc^meid)elnb ju uns, öiefe §eibe:, SBalb-, ©ee: unb ©d;Iof?geftaIten, man mu^ fie fuc^en unb mirb fic nic^t immer finben. roirb uielen mit ^Jlnncttc gc^en wie mit SJiörife: ba§ 3Jlitempfinben ftettt fic^ nic^t ein, fectenloö ocrljallt bcr Elang. 3tbcr men fic einmal ergreift, ber bleibt bei it)r. 9Kau fönntc auf ii)x ©ebiclitbuc^ einen i^rer ^ugenbfprüd)e fe^en:

5)iei öüc^Iein nimm mit milbem ©inn; ShJor ift'ö im ©runbe leer Unb bod) ift gar luaö Siebet brin, ©d)au nur bebäd)tig l)er.

Serül)mt ift ^ilnnetteö 2\)x\t, l)ö^er aber fielen il)re eräQ§lungen, nnl^renb ibre Gpen „2Balter", „^aö ^cfpig auf bcm ©ro^en ©t. Sernl)arb", „^e§ Slrjteö SSermäc^tniö" unb „5Die ©c^lac^t im Soener 33ruc^'' (7. 3luguft 1623, X\Ur) gegen Gljriftinn con ^rauufc^meig) fomie ilire bramatifd^cu 3Serfud)e wenig beben-- tcnb finö. ^n glänjenbcr ^rofa finb il)re „53ilber au§ SBeftfalen" gcfc^riebcn man mirb burd) fie faft uniuiberftelilid) in jene einfachen, träumcrifd)en Sanbftric^e gclorft, in ^enen bie ©onnc blutrot abenb§ im 3noor, in ber §eibe ücrfinft, roo bie ßibeUe über

Slnnette von 3)rofte = :9öl5^off. 71

bcm Sd)ilf tanjt unb bcr Äiebi§ irf)reit. ,,^c^ bin ein SBcftfalc", beginnt ein anbereS gjrojaftücf, betitelt ,S8eiunöau2anbeaufbem2anbe', ,,unb jroar ein Btod- weftfale, nämlic^ ein ^J3Kin[terlänbci- (>)Ott fei X)ant! füge icf) tiin^u unb bcntc Qui genug Don jebem grembcn, roer er ai\6) fei^ um ju glauben, ba| er, gleich mir, ben SSoben, wo feine Sebenben n)anbeln unb jeine 'J^oten ruf)cn/ mit feinem anbcrn ^oben oertaufdien mürbe." ^ier begann bic mabre, t)eräenöccf)te ^eimatbi^tung.

33on ben 6 r 3 ä f) t u n g c n [tcf)t fünftleriic^ bei roeitem am t)ö(^ften 2) i e ^ubenbuc^e. ©in Sittengemäibe am bem gebirgigen Sßcftfalen". „^riebri^ 3Kergel", 10 beginnt bie erjQi)hing mit realiftifc^er Sc^Iirf)tt)eit, „geboren 1738, mar ber einzige Sö§n eines jogenanntcn ^aibmeierä ober ©runbeigentümerä geringerer 0affe im 5Dorfe 33., baö, fo f(^led)t gebaut unb ranzig jein mag, bocf) baä 2luge jcbes 3fieifenben feffeit burd^ bie überaus malerifc^e ©c^önfjeit feiner Sage in ber grünen SBatbfd^Iuc^t eineö bebeutenbcn unb gefd^ic^tlidj merfmürbigen ©ebirges. ^as Sänbc^en, bem ange{)örtc, mar bamals einer jener abgefrf)loffenen ©rbrainfel ot)ne gabrifen unb ^anbel, oI;ne ^ecrftra^cn, mo nod) ein frembes @efi(i)t 9iuffef)en erregte." 2)iefer griebrirf) 3Kerge[, ber Sof)n eines Säuferö, ber ?{cffe eineö SBilbbiebö unb 2Jtörberö, »on feiner befc^ränften 3)^utter nac^ beö 33ater6 ^obe falfd^ geleitet, ermorbet ben ^uben 3laron, ber öffentlid; ron if)m feine ^e^u ^ater jurüdüertangt l)at, ent= fliel)t mit :3o^anneö, feineö C^cims natürlichem 'Boijw, bem er jum SSerroec^fcln öf)n: lid^ fiel)t, te^rt aber nac§ 28 ^a^ren am türfifc^cr Sflaoerei jurüd, inbem er [id) ald ^o^anneö ausgibt aber jene 33uc^e, bie ^ubenbucf)e, unter ber er 9laron crfrfilagen ^at, äiel)t [[)n mit übernatürlicher ©cmalt an fid; l)cran, ju fic^ l)inauf. (gines 2age§ finbet man il)n bort erljäugt unb erfennt an einer 9^arbe ^^riebrid) ^Hergel. Unten ön bcr 33uc§e aber ftanb mie ein magifcl)cr ^auberfprucf), oon ^uben unmittelbar nac^ jenem 9)?orbe iu ben Stamm geriet, in l)ebräif^er £pra^e: „Söenn bu t>\ö) biefem Orte nal^eft, fo mirb es bir ergel)cn, mie bu mir getan l)aft."

^iefe ©efcl)i(^te l)atte fid) im '^ai)xt 1782 in bcm 2)orfe Coenljaufen mliflic^ jugetragen unb mar fc^on ber flcinen 3lnnette oon if)rcm (Sro^üater uon .§aytl)aufen crjät)lt morben. ^n feinem gamilienarcf)iD befanben fic^ barüber 3lftcn, am beneu 3(nnetteö Dl)eim einen Slusjug oeröffentlicfite unter bem 5Citel „®ef(^id^te eineö 311= gicrer^StlaDen". 3tnnette l)atte biefe iioc^ nic^t für il)re Slooelle mieber gelefen, alö fie 1837 ben Stoff ju bearbeiten begann, fonbern l)ielt fic^ an i^r ©ebäc^tniö. 1839 be-- fanb fie fic^ in Stbbenburg, in ber unmittelbaren 3Räl)c beö Sd^aupla^eö, ^örte bort erneut oon Sßilbbiebereien unb nabm nun jenen 58eric^t üor. 3lber if)r felbft geboren griebricl)s ganje !3ugcnbgefc^icf)te, bie (Seftolten bcr SJJuttcr, beö roten Simon, beö (Serid)töl)errn, bes Schreibers, bie kämpfe jmif^en .^oljbieben unb ^örfteru unb oor aQem aUeö, maö bie Sc^ilberung bcr Caubfc^aft unb bie ßntroidlung ber ©l)araftere unb 3J?otiDe förbert. ^^n 2ßirflicE)feit gefcfial) ber 3Jlorb 1782, unb nacf) fünfunbjmanjig !3o^ren erfolgte bie S^üdfebr; 3lnnctteö ^flooeUe lä|t bie ^at 1760 gefcl)cl)eTi unb J^riebrid) 1788 jurüdfeljren. ^n 2öir!licf)feit mar nac^ ber 9iüdfel)r beö 3Jiörb€rö, bcr ^ermann 3ol)anneö 2Binfell)annes ^ie^ unb auö SeUcrfen ftammte, baö 58erbTed)en t)erjäl)rt; man fanntc ifm, mieb il)n aber mie einen 58erfemten. ^cn ^ericf)t über bie

72 (Jrben ber rro[|Jfd}cii nnb lomantifd^cn ©ic^hing.

TDirtlidK 33e9fbenl)eit finbct mon ^eute meift in ben 3lu&gal)cn bcr erjä^hmg abge^ brurft, cntiücbcr im ^Infjiinge ober in bev Einleitung.

itein 2Bcrt ^nt 9lnnctte fo großen unb ücrbienten 9^uf}m gebrod^t lüie „^ie i^iibenbucbe". Sie feCbft mar barübev gong erftount. „®ie ^ubenbuc^e", fcfirieb fic an 5d)ücring 1842 auö bcm 9iüjc^^auö in SScftfolen, „i)at enbUc^ ciuä) i)'m baö ©iö gebrod)en unb meine fämtfiiien ©egner jum Übertritt beroogen, fo ba^ id) beä 2ln- brängenö faft feinen W.at weife unb meine gjlama anfängt, gan§ ftolj auf mic^ ju lüerben. 0 tempora, o mores! ^in icf) benn mirfüc^ jefct beffer ober flügcr lüie Dortjer?"

"Dicfc meftfölifc^e ^]3ocfie ^at it)ren 2Beg jur ©eefe bes gefamteu beutjci^en 3JoIfeä gefunben.

4. ^upft Hon $(atetts0aamnüube.

ötn erbe beö flaffifc^en unb romontifd^en ©eiftee mnr ouc^ ©rof Stuguft Don g^lQten -- ^QÖermünbe (1796—1835), weniger mö) ber frfiöpferifc^en alö ber üer0bitbnerifd)en Seite ^in. (Sr war ein ^ic^ter ber äußeren ?^orm, namentli^ ber orientüIifrf)en, in bereu 2Befen er burc^ ^Rudert eiugefül)rt rourbe. §icr fnüpfte er jugleicfi ai^ ©oetl^eö „SBcftöftüd^en ®iman" an, jeboc^ mit bem Unterfrf)icbc, bafe er ftd^ ftreng an bie überlieferten gormcu l)ie(t, iüä[)renb ©oet^c mit Ieid)tem 5lnfÜngen an jene firf) feine eigenen bilbete.

Über feine 3i"9C"^ berid)tet flöten, cine§ Dberförfterö So^n, in ber ©in- leituug ju feinen eigenartigen ^ogebürf)ern, in benen er mit graufamer Sßa^r^aftigs feit gegen fid^ felbft feine unglürflic^e, oon §eine in ben „33öbcrn i>on Succo" angegriffene 33eranlagung unb bie burd) biefe lieroorgernfeueu Scelenfömpfe bar= legt er ift im ©egenfa^ ju bem ©ugtänber Oöfar äßifbe fittlic^ ftetö Sieger ge: blieben. Soffen mir \i)n, ha er fid; tjicr ganj furj fa^t, juuoc^ft felbft fprec^en: „^6) bin am 24. Df tober 1796 geboren, unb jraar in Hnöbad) in ?^ran!en, baö bamalä noc^ unter preufeifd)er ^Regierung ftanb. 3)kine erfte er5iel)ung mar in ben ^änben einer frommen unb fünften 3Jtutter, bcr jraeiten grau meineä $8ater§, roel(^er oon feiner crften gefcl)ieben mar, oon ber er fed^g itinber l^atte, worunter fünf %ö6)kx. Sic mürben meift oer^eiratct, mäljrenb id) l)eranmud)ö, unb id) fannte fie tanm, lernte fie nuc^ fpätcr nic^t fennen, ba id) ha^j elterliche ^auö frül) oerlie^. Sßaä id) nod) uön meiner frül)ften er3ief)ung racife, ift, ba| id) jum minbeften in pl)#fc^er .Öinfic^t fcineäroegö oerjärtelt mürbe unb man mid; lel)rte, ^w meinen ©Itern bu ju fagen unb immer freimütig unb offen gegen fic ju fein, "^ajß \^ vow 3Jbel, aw?^ einem alten öaufc fei unb bergleid)cn, fagte man mir niemalö."

,^m ^ai)xc 1806 bejog ^laten bie ^abcttenanftalt in ^J)h"tnd^eu, 1810 boö ^ogeninftitut beö 2Bittcl5bad)ifd)en itönigl)aufeö. 3Iuö bcm ^a^rc 1813, alfo feinem iteb}el)nten iiebenöjabre, liegt bie erfte auffaüenbe Semerfung über feine franf{)aftc ^Veranlagung cor, bereu SBurjel er bod) nic^t fenut : „mein .^erj fing an, baö S3ebürf = niö inniger 3JJitgefül)le ju cmpfinben. ^d) moHte Siebe; aber id) ÖQtte biö^er nur bie

2(U9«ft Don 'IJlaten = .^aücnnüiibt. 73

Sff)nfu(f)t naö) Jicunöfd^nft gcfüt)(t. 3Bcibcr jal; id) feine alö jene affeftierte Klone, bie nac^ öof tarn. Sie fonntc inic^ nid)t an}iel)en. So mag gefommen jein, t)a^ meine erfte roärniere 9?cigung einem 33iQnne geijörtc. ... ^d) gercöf)ntc nüd), meine .^Öffnungen unb träume ber 2iebe an ^crfonen meinecJ eigenen @cf(^(c(^tö ju üer: jc^njcnbcn, unb fud^te in i^icr greuirbfd^aft twiöjcnige S^d ju erringen, baö ber SUc- benb€ in ber ß:f)e ]u6)t. ^d; geu)öl;nte mid^, bie grauen met)r ju ücrc^ren alö ju lieben, bie 3Känner mel)r ju lieben alö ju oere^ren. .^d; bin fd)ü(^tern üou Statur, aber am ro<:nigftcu bin ic^'ö in ganj ungcmijd)ter ©cfellfc^aft oon SBeibern, am mciften in ungemifdjtcr SOJännergejeUjc^aft. 3(m meiften gefiel mir öie 3'^'^t^fit •'er Sßeiber, aber ic^ jal) fie nic^t alö ctwü§ 3(uörcärtigeö, fonbern alö etmaö aud^ meinem Sßeien .^nrool)ncnbeö an. ^d) glaubte, ba^ ber bcfc^ränfte (Seift einer %xai\ nic^t fäl)ig märe, mid^ lange ju feffeln, unb bap bei raeitcm ber größte Xeil beö fd^önen ©efd^lei^tö burcl) ^ffeftation uerberbt fei. ^d; glaubte, t>a^ \\6) bei einem ©cgenftanbe ber Steigung meineö eigenen @efd)lcd)tö treue greunbfcl)aft unb reine Siebe eng oereinigen liefen, uiäf)rcnb bei SBeibern bie Siebe immer mit Segierbe r)ermifd)t fei."

2)iefe für iiottfommen gefunbe 5Dlenfc^cn unüerftänblic^en, ja bereits leife ab- ftoß^nten Sä|e jeigen onbererfeitö bodf), ba^ ^laten, fomeit fein (lijaxatkx, fein SBiQe in (^rage fommt, uorneljm unb unangreifbar ift. ^eiue, ber nur nac^ feinen frei= lic^ gcfunben 9leigungen urteilte, t)at fid^ grünblid^ geirrt. 3tber fo finb mir 3)?enfc^en, unb fo mill bie Statur: ber fd^limme, leid^tfinnigc, ja uncble .^einc fte^t ben meiften boc^ näl)er alö ber ungefunbe ^laten. "Daö ift nom moralifcEieu (Sefid^tö:^ punft am tragifd^, aber ift fo.

Unerquidlic[) märe cö, ^latenö Seiben an ber §anb feiner ^agebüd^cr nun im einzelnen ju folgen. Sein Seben mar menn mir abfeljen uon feinem bi(^tcrif(^cn, boö ein DoU fd;öpferifd)cö ja gar nid)t fein fonnte nicfitö alö eine gro|e Selbftquälerei, für bie er nid[)t oerantmortlid^ gemad^t merben fann. Sd^openljaucr l)at im 2. ^öaniw feiner „SBelt alö SBilTc unb ^orfteHuug" bcreitö baö Seftc gefagt, maö über folc^e Settcnfprünge ber ?iatur gefagt rocrben fann. t^in 33efenntniö finb "ipiatenö ^age; büc^er, aber fein goetf)ifd)eö ; borum fönnen freilid^ feine 2Berfe ai\6) im goetbifi^en Sinne feine „gro^e ^onfeffion" fein, unb barum fann uns aud; fein perfönlic^cö Seben md[)t bas leßte fagen. ßr rourbe 1814 Dffijier, mad)te 1815 ben gelbjug gegen granf:^ reidb ntit, naljm bann Urlaub unb mibmete fid^ (feit 1818) Unioerfitätöftubicn befonberö in SBürjburg unb ©rlangcn. ^fiamenllid^ feffelte il)n Schilling. 3tuf feinen Steifen lernte er ©octfje, Ul)lanb, ^ean ^aul unb ^afob @rimm fennen. 1824 ging er nad; 'beliebig („Sonette am ^enebig" 1825). Italien mürbe oon je^t ab feine jmeite c^eimat. 5?on 1826 biö ju feinem ^obe am 5. ^ejcmber 1835 in Sgrafuö lebte er mit geringen Hnlerbrcd^ungen in Italien, befonberö in 5Reapcl, ^^^orcnj unb S'tom. ©r ftarb auf ber Jluc^t Dor ber dlyokxa an einem lieber, ^m ©arten feineö fijilifd^en grcunbeö Sxinbolina liegt er begraben fid)crlic^ nidE)t „princeps poetariiin Germanicorum'-, mie ber italienifd)e 1)enfftein fagt. 9lber feine 2Serfe oerbienen bod) nähere 33c: trad)tung.

1821 lie| "^laten brei^ig @ a f e l e n bae l)eif»t „fdjmcic^lcrifdfie" ®ebirf)te

74 (srbert her Ilofftfc^cn unb romantifc^n S)ic^tung.

erfc^cinen : lieber oon äef)n biö ätponjig 3cilcn, burc| bie ein ?ftcim ^inburc^aie^t, dct= fdjroinbct unb luicber auftauet, mä) bm 9Jiu[ter bcö perfifcfyen ^tc^terö ^ofiö:

3m 3Saii'er wogt bie Silie, bie blonle, ^in unb ^er,

3)p^ irrft bu, greunb, fobalb bu fagft, fie fd^teonfe ^tn unb ^er!

eg tüüt^tlt ja fo fefi iljr gu^ im tiefen 2«eere§grunb,

Sl^r ^nupt nur wiegt ein Iieblid()er ©ebanle ^in unb ^er.

Bo manches ©ofel ift ju bcn einunb^toanjig fjinjugefommen, aber feinee ragt an boS foeben jitierte I)eran; oicBeid^t w)^ baö folgenbe:

SBcnn \6) beine |>anb liebfofc, gittert fte, Unb berü^rft bu hk 9J?imofe, gittert fie, 3njar bie glamme, ©ommert)ogeI, tötet bic^, ®oc^ gerührt öon beinem Sofe, gittert fte. ©ine 9ioi' im ©arten nenn' ic^ biefeS ßieb, ?lber geb' id^ bir bie 9iofe, jittert fie.

Mi)l unb frentbartig rebcn ourf) feine Sonette, Dbcn, ©flogen, ^pmncn, 3f^9^^<^n ""^ Epigramme ju uns : finb in 3Jiarmor gemeißelte Äörperlofigfeiten. (Seiten belebt ein rafc^erer ^ulö biefeö getneffene Seben ber SBerfc:

SSelje, fo h)iÜ[t bu mic^ wiebci, ^emmenbe Seffel, umfangen? 9tuf. unb l^inauä in bie Suft (Ströme ber (Seele S3erIongenI

(Ström' in braufenbe Sieber (Saugenb at:^eri]d)en 1)uft! (Strebe bem SSinb nur entgegen, '^a^ er bie SSange bir fü^le,

®rü§e ben |)immel mit SuftI SSerben fic^ bange ^efü^fe Sm Unermeßlichen regen? SItme ben geinb au§ ber $8nifi.

3Son feinen S3 a 1 1 a b e n f)aben ficf) mehrere lebenbig erhalten : ,,^as ®rab im

Sufcnto" (1820), „^er ^ilgrim oon ©t. ^uft" (1819), „$Dcr ^ob m ©arue" (1830),

„öarmofan" (1830), „^(ageüeb Äaifer Dttoö III." (1833) unb „Bittefinb" (1820).

^(aten fommt geiüi^ Don ben ^laffüern !)er, befonber§ Don ®oetf)e, ben er

inct)rfacf) lx)x\\d) anfpric^t; fo fc^on 1821 „mit ben ©afelen":

Sein ^amt ftet)t ju jeber ^^rift (Statt einel f)eiligen (Stjmboles Wuf aQem, mag mein eigen ift, SBeil bu mir (Stern bcä Sid§terpoIe§, SSeil bu mir (S<f)a(f)t bei Gebens bift.

Stugu)'! »on ^^Jlatcn-^^aQcrmünbe. 75

2Ibcr in bcm jungen ^[aten ift auä) ber ßinflu^ ber 3Romantif lotrffam, wie Ipriirf)? Stimmungen unb 9}|otiD€ geigen:

SBie rafft' id^ midj auf in ber 9?ad^t, in ber 9?ac^t,

Unb füllte mic§ fürber gebogen,

^e ©offen berlie^ ic|, bom SSä^ter bemad^t,

^urd^ttjanbelte fac^t

3n ber 9?ad^t, in ber 9?ac^t,

'S)ai %ot mit bcm goti)(^en Sogen.

^■er SRü^Ibnc^ roufc^te burc^ felfigcn (Bä)aä)t,

^ä) lel^nte mic^ über bie ©rüde,

Jtef unter mir no^m ic^ ber SBogen in ad)t,

3)ie rnoHten fo ]aä)t

^n ber ^laä)t, in ber 9?acf)t,

5)oc§ maüte nid^t eine jurüde.

(5<g breite fid^ oben, un^ä^Itg cntfad^t,

S)?eIobifd()er SSanbel ber Sterne,

9)?it i^uen ber 2?Jonb in berul^igtcr ^rQd)t,

@ie funfeiten fad^t

3n ber 9?ad^t, in ber 9kd^t,

3>urd) täufd^enb entlegene eherne.

^d) blirfte Ijinauf in ber 9?ad;t, in ber 9?od)t,

^6) blidte hinunter aufg neue:

D me^e, mie f;aft bu bie Sage öerbrad^t,

9?un ftiüe bu fad^t

Sn ber 9?ad)t, in ber 9?ad)t

Sm pod)enben ^er^en bie JReue.

©pifc^ be^anbclte ^(aten in neun ©cfängen unb reimiofen, fünffüßigen 2;Tod)äen ein 3)Järd)en nuö 1001 '^a6)t, 5D i e 31 b 6 o f f i ö c n ", baö tro§ mandier ÄlQngf(^önF)eit burcf) bie enbfofen Sieben ermübet.

^ramatifc^ \)at er fic^ nur burd; feine Satiren einige (Geltung oerfc^afft. ^w ber „ariftopf)anifd)en £omöbie" ,, ®ie oer^änguiötjollc @abel" (1826) oeripottete er bie Sd;icffa(öpocfie eineö 9)h"illner foiuie bie ©^riftcn (Slaureuö, SXo^c- bueö, Äinbe unb anbercr, in bcm „Schafe beö 3fit)nmpfinit" (1824) bie jeit: genöffifd)e ^f)i{üfopt)ie (in ber ©eftalt beö ^nubierprinjeu Sliomboriö), in bem „^0 = mantifd)en C)bipuö" (1829) ^mmermann unb §ctiie. Seine biffigen 9ln-- fpielungen nehmen naf)e5u mit ben ^einefd;en auf.

31ußerl;alb pcrfönlid)er Satirc I;at ^(atcn alö iDromatifer oerfagt. /,2)er g(ä ferne ^ontoffel" (1823) pcrfud)t in fünf 5(ttcn bie 3JJärcf)en oon 3(fd)en; bröbel unb 2)ornrööd;en in eine @inf)eit äufamiucujugiepen. 2Son feinen übrigen Stüden fei nur no^ ^T r e u e um X r c u c " (1825) genannt, in bem ber Stoff bes altfranjöfifc^en ©poö „3tucaffin unb 9iicolctte" be^anb<;[t roirb.

76 (Ärbcn bcr f(afiifd)cii unb romantifd)Cii Sldjiuntj.

5(irf)t ^^{iQtcnö 6.l;aro!terbiib, woi)i aber leine 5tuuft jdjiüQutt nod; immet im "Urteil bei- Öejc^idjte. ®qö ift ganj oerftänbürf). Um ein großer ^ic^ter ju roerDeii, brad)tc ci aDeö mit, iua§ beö ©eiftcö ift. ^iid^t mcniger, ober nucf) nid)t mel^r. .^ört ber (ücijt bcn ©cift, bann läpt fic^ gut in biefen oecjaubertcn ©arten wandeln, in bencn ^od) aud) bie Scibeufc^aft ju ^aufe ift. (Jä ift, aU glüt)te fie lüie ein g-unfe unter ber ?I|c^e. ^erraeg^ i)at barouf f)ingebeutet :

Selten geniafjrt ein SBanbrev ben S^ranj !^oc^glü(}enber Diofen, 3)en bu bor frcbeinber §anb unter bem (Sdjnee öerbirgft.

iHber ber 3d;nce oerbirgt bie 9^ofen nid^t nur er fd^abet i^nen aud). 1>a-c= über täufd^t feine nod; fo oriftofratifd^e ^^i'ii^f^^JöJtiniÖ ii"^ litcrarifc^e 58orncf)mt)eit f}inmeg.

iHud) "ipiaten iyat feine fünftlerifd;e (Sntmicftung gehabt: am einem Stn^ängev ber 3?omnntif würbe er i^r grimmigfter ©egner. 2Baö aber üermo(^te er fonft ju merben alö ein (Seift, ben feine unb feineö Seibes oe^nfucfit üerjet)rte!

©r i)at gewußt, uiaö ein ^Dic^ter ift, unb l;Qt in fic^ bie 5lraft gefüf)ft baö ^öd^fte ju leiften. 6r i)at 5Deutfd)(Qnb gefc^mä{}t, "öa^ i^n nic^t fo onerfonnte, raie er es oerbient ju I^aben gtaubte, unb Ijai it)m grollenb ben 5Hüden gcfe()rt. ^nä) bicfe ©mpörung aber mac^t if)n nod) nid^t jum überragenben l)id^ter.

,3n ber ©rfenntniö ber ©c^ön^cit aber nimmt er mit aüen auf, unb in ec^t voetifd)en {formen rocil er fie fcftju^atten unb üon immer neuen Seiten ab- jufpiegeln, mei^ er it)ren 53cfcnncr, ifjren ©änger, fic^ fctbft t^inüberjuretten in bte ßmigteit.

SÖeltgefjcimniiS ift bie Sd^önl^eit, ba§ wn§ loctt in 93i(b unb SSort, SBotIt i^r fie bem !iieben rauben, äie[)t mit i^r bie Siebe fort: 2öa§ nod) atmet, judt unb fd)aubert, oüeiS finft in SJnd^t unb ö^rauä, Unb bes -öimmeB Sampeu Iöfd)en mit bem legten 1)id^ter aus.

5. ^riebrir^ IHödcvt« iithtn.

2)er größte aj^eifter ber äußeren g^rm ift in ber beutjc^en Literatur 3Rücfert, ber ^laten aud) burd) bie ®c^tt)eit unb ^nnigfeit natürlidjen ©mpfinbenä roeit uber= ragt. 58eibe aber mareu unmittelbare ©rben beö üaffifc^en unb romantifc^cn ©eifteö, bie 3timmfiit)rer ber alten, nic^t ber neuen 3eit.

griebrid) Jiücfert rourbe am 16. 3)?ai 1788 als ©ofju eines 5«ec^tSariroa[t0 in Sdiraeinfurt geboren. 1805 bejog er bie UniDerfität SBürjburg, um rote [o üiele feiner «orfaf)ren unb g^ad;fommen ^ura gu ftubieren. 58a(b jcboc^ roanbte er fid) ber ^^ilologic unb ^()iIofop()ie ju, ^äd;frn, ju benen er fid; feit feinem Ü6er= gang mö) .^eibelberg 1808 auc^ äu^erlic^ befanntc. ©emaitig ergriff ii)\\ ber ^ampf gegen 3RapoIeon. $8on (Sbern (bei iloburg) aus, rool;in fein 58ater a(S Stentamtmann oerfeet mar, lernte er 1809 in bem natjen $RentroeinSborf 2(gneS g^tiUcr, bie ^oc^ter eines ^nftijamtmanns, fennen, ber er feine gjeigung jurcanbte. ^n ^ena habilitierte

er fid) naö) (i'irocrbuug i>ev ^ottonuiirDe 1811. :}lbei ci eignete fid) lüenig äuni 5)o= jenten. 33on bcm gleid^a(tiigen ^ricbric^ oc^ubnrt augeregt, mw (halberen beeinflußt, Derfud>tc er jic^ in bramntijd)en ^idjtuugen („Schloß Skunecf", „^es Möuigc '>:pilgcr- gang"). Xer %ot) feiner :Jtgueö, bic alö Opfer it;rer leibcufdjaftüdjcn Xan^luft an i>(\\ folgen eines 'ölutfüiräeö ftnrb, ließ feinen Sonettenfranj entftel)eu : 31 g n e ö , r u c^ ft ü d e einer l ä n b l i d) -e n 5: o t e n f e i c r in 30 Sonette n." 'Bcr= öffentlidjt luurbe biefer erft 1817.

"ÖQlb barauf aber lernte er ein 5Jiäbc^cn fennen, t>üö iljn au 3tguee fd;on äuper= lid) erinnerte: luar bie fecf)3et)n|äf)rige '3)iaria (jlifabetl) ®cu|, bie Sßirtötoc^ter in ber Sped^, einem 3(noflugöort in ber 91äl;c ©beruö. 3lbcr ,/JJ^arielieö" oerftanb poetifd^e Siebe nidjt: fie jerri^ bie itjr geiüibmeten unb überreichten ©ebic^te, fo ha)^ ber junge £iebl)aber luo^l cinfcl)en mußte, mie luenig l)ier auf Harmonie ber Seelen ^u redjuen fei. SRarielieö üerl)eiratete fic^ nad) .Coburg unb ftarb fc^on 1835 an ber ^ucijeljrung nac^ forgenreid)cm ßljelebcn.

^m ^a^xe 1813 luurbe ::Hüdert auf SSerankffung bcs '^aterö olö Sel;rer an bas neue ©pmnafium in §anau berufen. 3tber bulbete ii)\\ l)ier um fo meniger, alö 5iapoleonö Sd^idfal in 9hi|lanb bcfannt luurbe unb ben Sefreiungöfampf uer^ieß. ^n äöüräburg fd)ricb er in ftiQer 3»^"ii<^9*^Sogenf)eit 52 „©e^arnifc^te So: nette", bie er fpäter ergäuätc. 33ei einem ^öefud; feineö 0(;cimö, beö Siegierungö; ratö |)einrid) S^iödcrt in c^ilbburg^oufen, lernte er in bem ^orfc ßffelbcn bie .'^Pfarrcrstüditer ^^riebcrife §einc feunen, ber er bie ^ e i m lu e ^ l i e b e r " mibmete. iKuc^ biefe fieibenfdiaft fül^rte im übrigen ju niditö, ba ^rieberife balb einen anberen Ijeiratete.

3lo6) in bemfclben ^af)re 1813 oerfa^te er in ©bcrn im eltcrlidjen ."^aufe für feine tleine Sc^raefter SORarie „fünf 9J? ä r c^ e u ^nm 6 i n f d) l ö f e r n ", unter il)nen bie @efd)ic^te non bcm „Säumlein, baö anbere Slötter t)at geiuoKt". 1814 oeröffenttic^te er in ben „^eutf^en @ebid)ten" feine „@el)arnifc^ten Sonette" unter bem ^feubonpm ^^rcimunb S^eimar. 33ei ßotta, ber \i}n in bie JHcbattion beö Stuttgarter g)?orgenblattcö juf-ammen mit §aug berief, erfc^ienen bann feine gefammeltcn 3fit^ebid)te (1817) unter bem Xitel ^ r a n j b e r 3 <^ i t "^ nac^bem ein ^a\)X vov\)Cx fein Suftfpiel „Slapoleon" entftanben mar. 3" Stutt= gart traf er nun aud; mit Ul)lanb jufammen, mit bem er bei ber 5ßerteibigung beo SHinifterä con 2Bangenl)eim politif^^literarifd) bie klinge freujte.

Sd)on in biefer jjrüljjeit ober oerlie^ 9iüdert baö politifc^e ©ebiet. Seine 9iobad):^bi)lle unb feine Xerjinenbic^tungcn, bcfonberö ^ e r 53 a u m ber S i e b e ", ^ i e b r e i Duellen" unb ?5 l o r unb 58 1 a n f f l o r " \x>wk bie ©rjäl)lung © b e l ft e i n unb ^ e r l e " geigen feine Äunft auf ganj anberem (äe- »biet, rocnngleit^ oon berfelben Seite gefc^liffener gorm. '^n Stuttgart beenbete er ferner feine ^ o l f ö f a g e n ", üon benen befonberö bog „^Hiefenfpieljeug" befannt geiDorben ift.

Sd)on 1817 legte er bie Seitung beö 5Rorgcnblatteö nicber unb reifte burc^ bie Sc^rocij über ben St. ®ottl)arb nac^ ^^alien. 3" '^^^ beutf^en Äünftlerfolonie

78 erben bcr flofftfrficn imb rainantiicf)cn ©id^tung.

all iHom fQuD er unter bcm 3«öäeiwt beö bnijrifc^en i^ronprinjen ßubwig: %'i)oxmaib'. feil, Gorneliuö, $ßeit, Dücrbed, D^icbiif;r, 33uujcn, Henriette §cra unb 3>orot^ea od^lcgel. $icr in Italien Dcrfciittc er [ic^ in bic frembcn 5ßeröformen bcr Stitor^ ncacn, oiailiancn luib Scätincn. J^icr entftanb üu6) fein lyefimütigeö Sieb „%m ber ^ugcnbäcit, auö btn- ^ugciibäcit tliugt ein ßieb mir imnierbnr". Sein ^agebuc^ \ä)\\cb er in Sonetten. 3lad) einem ^efud) 9leape(ö ging er nad) SDßien, wo er mit ^riebrid^ cc^kgel in einem ^oufe wohnte, mit ©rittparjer befannt mürbe unb Deffen „%\)nivan" mit 3opi)ie <Sc^röber in ber 2:itcIroIle auf bcr ^üfjne \a\). 33or allem aber tr<it er bcm Dricntaliften ^fep^ uon ^Qmmcr^^urgftaU (1774—1856) pcrjön= l\6) m\)c. c'gammerö Überfe^ung beö perfijd)en Sprüerö ^afiö (f 1389), bes 3}Jcifter§ Der ©üjclenpoefie, trotte ja ©oet^e fc^on jum „Sßcftöftlic^cn 3)it)on" angeregt, ^e^t machte er 9^ürfert mit ber perfif^en, arabij^cn unb türfifrf)cn Sprache uertraut unb erfd^lo^ il;m fo bie OueHen, au^i benen 3?ücfcrt firf) feine Uhftcrblirf)!eit fc^öpfen fönte.

3lac^ bcr ^eimtet)r 1819 taä er ^afiö im perfifd^en Urtcyt. 5Die erfte gruc^t biefer 3tubien mar ein %e\l bcr ,, Ö ft t i (^ e n 5R o f c u ", bie jebodi erft 1822 mit einem ^pmnuö auf ©octt)Cö „!Diüan" crfc^ienen. 5llaffi]c^er unb romantifrfier ©eift jcigtcn ficö i^ier neu Dcreint.

^n oicl f)öt)erem ©rabc atö @oct{)e, ber unter orientatifd^er 2KoSfe boc^ nur beutfd)en ©eift gab, uerfenfte fic^ ^Hücfert in bie ©ebanfenmett unb SlusbrudSart bcä Dricntö, bic er bann in roa^rftcm ©inne Dcrbeutfrf)tc. 9laii) ben „Dft(i(f)en 9iofen" entftanben, aber oor i^nen veröffentlicht (1821) finb bie © o f c I e n b c g 2) f c^ e l ; a t e b b i n 9fi u m i ". Xicfer perfif^e g)h)ftifer lebte 1207—1273. 9?ücfert mar ber erfte beutfd^c ^ic^ter, ber ©afelen überfe^te unb bic^tete. 5ßon i^m lernte ^tatcn, Der 3flücfert 1820 üon Erlangen au^ in @bcrn befugte, biefe ®id)tungöart !enncn. Seibc aber traten mit it)r erft im ^oi)re 1821 an bie Öffentlic^feit.

1820 fiebelte Siücfert nac^ iloburg über, roo er gauj feinen orientalifc^en otu^ bien lebte, ßr mot)nte f;ier im ^aufe beö 2trc^it)ratö ^ifd^er bei einer grau wn ©crö; borf, bei ber er bie 23jä{)rige Stieftochter beö 3trc^ii)ratö, Stnna Suife 2Bict^auö= Jifcf^cr, ein fanfteö, ftiU Ijäuöüc^eö 3)(äbct)en, fenncn unb lieben lernte, ©c^n im ^e= äcmbcr 1821 oermäl)lte er fiel) mit il)r. gür fie fc^rieb er in biefer erften 5loburger 3eit bie ©ebic^te, bie in feinem „Siebeöfrü^ling" gcfammelt crfc^icnen.

freilief) blieben nun D^aljrungöforgen nid^t auö, bie auc^ bcr l)ilfrcic^e ßotta nic^t immer befcitigcn fonnte. 1822—1824 erfcl)ienen fleinere er5äl)lungen: „^fc^amiö gabeln", 1826 eine Überfefeung auö bem 3kabifc§en: „SSermanb- lungcn beö 2(bu Seib wn Serug ober bie a f a m e n b e ö ^ a r i r'i ". 9lbu Sctb ift ein genialer, poetifc^ geftimmter Sfbenöoagabunb, ber im gjiittelpunft biefer an^ gereimter ^rofa unb Werfen gemifdjten ©tegreifbi(f)tung ftel)t. ®er arabifc^e 3)ic^tec unb ©rammatifer 3lbu 3}}o^ammeb Äxifim ^ariri mürbe 1054 in 58oöra geboren unb ftarb l)ier 1122. 9^üdert i)at bie 3}?afamen nicf)t mörtlicf) überfefet, fonbern frei noc^gebilbet.

^namifc^en mürben i^m jmei Söl)ne geboren, bie feine Sorgen naturgemö^

gtiebric^ 3?üdcx-t§ Scbcn. 79

Dcrgröperwn. 1826 würbe er ab SZadjfolgcr beö DricntoUfteu Äauuc an bie Uni= rerfttät ©rlaiigcn berufen, (är folgte bem 9iufc auc^, laö aber am liebften gar nid)t uni freute \\ä), menn bie nottocnbige ^rcija{){ üon Stubenten für bie, angcfünbigte ^^üilefung fict) nic^t fanb. ©efc^al) baö borf), bann (qö er Dor ben raenigen 3u= t)örern ju ^aufc.

^iefe Srlangcr. 3cit i'«-'>" 1826 biö 1841 mar Die fvucf)tbaiftc feineö ßebeud. 3|n i§r erfd)ienen feine fc^ouftcn 2öerte. 6r rcanbtc fid; nun befonbcrö bem Sanöhit ju. Sein pcrfönlic^cö Scbcn luar uoüftänbig jurüdge^ogcn unD alleiu ber ^^amilie unb feinen 2{rbeiten uom früljen 3)Jorgen bis äum fpäten '.Jibenb gemibmet.

5nacf) bem uon ^xa]^ ^opp 1819 Ijerausgcgcbcncu Uvtcjt übcrfc^tc er auö tcm altinbifc^en Dintionalepoö 3)iat)äb()rirata gunäc^ft haö flaffifc^e ^ieb bcr (Sattentreue 9i a I unb !? a m a j q n t i ", bem 1839 in ,ben ,,58ral;manif(^en ßräät)hingcn" mit bemfelben ^tjema folgten ,, 3 a m i t r i " unb § i b i m b o " : bort rettet bie liebeuDe ^rau (Saroitri) ben ©atten auö ber ©emolt bcö ^^obccgottcö, i)in opfert fie für i^n ben Sruber. 2Bäl)renb „9la( unb "Iiamainnti" in brci: unö i)ierl;ebige ^crf« auö tcn Stofas beä inbifd^en ^eytes umgegoffen rourbe, erfrfiiencu „Samitri" unb ,,§ibimba'' in 3neyanbrinern/ bie burd) eine neue ßäfur eine eigentümliche Färbung ert)ieltcn.

3)aä mül)fame Stubium ber frcmben 3^epte trug bem SDic^ter ein ^^ruft; uiiD 3lugenteiben ein, ron bem er 1829 in ©mö Teilung ju finben l)offte. ^n granf= fürt a. 9)?. befuc^tc er gi^'i^^'^rid) Öoel^mer, ben er oon feinet ^talienreifc Ijer fannte, unb mit if)m unb bcffen greunbe Glemenö ^Brentano untcrnal;m er nun eine 5Rl)ein: reife. 9^oc^ in bemfelben ^a^re crfc^icnen in 34 Siebern bie @ r i u n e r u u g e n auö ben ^ i n b e r j a ^ r e n e i n c ö X) o r f a m t m a n n ö f o l) n e ö ". 3Son 1832 üb oeröffentUc^te er ferner au|er anberem eine gro^c 3lnjal)l oon .öieöern, bie er unter bem ^ttel ,;^auö unb ^ n l) r " jufammcnfa^tc. 1838 folgten icd)ö Sucher ,, 3)J a i l i c b e r ".

^njiüifdien l)attc D^ücfert bie (Sltern uerlorcn: 1831 hcn 58ater, 1835 bie 3)iutter, in biefem ^üi)X( aud) noc^ bie glcidialtrige Sd^roeftcr 3)iaria. Xer ^ob feiner beiben jüngften Äinber (1833) enttocfte if)m bie ,, £ i n b c r t o t e n l i c b c r ", bie crft QUS feinem 9^ad)la^ oon feiner 3:od;ter 3JiQric oeröffentltdit mürben.

^mmer mcljr jog er fi^ txon ber 3Bclt jurüct. 3llö fein Si^miegeroater ?^ifd)er 1836 ftarb, ermarb er beffcu @ut 9ieufc^, baö in Der 9]äf)e 5!oburgö lag unb ben X\(i)- tet bereiiö 1833 gaftlid) aufgenommen l)atte. Um feinen ßintünften aufjuljelfen, ba fein ßrbteil nic^t ^inreid)te, baö @ut fd)ulbenfrei ju machen, übernabm er 1838 ben ßrlanger, 1840 ben ^^eutfdjcn 3)cufenQlmanad). Unter bem Xitel 53 a u ft eine 3u einem ^antf)eon" (b, ^. ber nationalen ^unft) oeröffcntlidite er 1841 in einer (Sefamtauögabe feiner ©ebid^te „53arbaroffa", „6ibl}er", „Xie brei ©efcEen", /,3)ie fterbenbe 58lume", „3lnö ber ^ngci^ä^^ü"/ //S^^ ft^"b auf ^ergeä ^albe" unb bie oicr Parabeln.

SDann roanbte er fid) roieber bem geliebten Orient ju. l)a er hai 6l;ineftfc^c nid^t bet)errfd)tc, überfe^te er nad) einem lateinifdien Xept baö Sicberbud^ ,, 3 d^ i - fing". 'Um bem 2d)Ql)=namAl) (Äönigöbud)) beö perfifc^cn Xid^terö girbufi (939

80 ©rbcn bcv naffjfdjcn unb romattrifc^eti S^icfjtitng.

—10-20) übeitntg cv i>ai (ipoö „9ftofteni unö Slli^rab" (1838), öne in feinem (Snbfampf äiuiid)cn bcni aSatev 9ioftem unb bem Sof)ne Sutirob an ba& 3Kotiü beo altt)od)bcutici>en ^ilbcbranböliebeö erinnert, in beutfc^e Sdejanbriner in 12 33üd)ern. .^ie Sammlung „©rbaulic^eö unb 58ejcf)aulic^cö auöbcm 2Korgen^ lanbe" (1837/38) cut{)iclt arabijc^e Sgrif. Sin bcn „Sieben ^Süc^ern m 0 r ij e n l ä n b i i d) e r Sagen unb @ e j d) i c^ t e n " (1837) oerbreitete er i£X'- jät)Iungen auö bem Strabifc^en, ^crfifrf)en unb ^ebräijdjen. 1836—1839 erjä)ie:i ferner baö gro^e $8efenntniö feiner ^()i(ofopi)ie unb £ebenöanfd)auung in na^eju 3000 @ebid)tcn unb Sprüd)cn : bie 2B e i 'j l) e i t b e ö S r a i) m a n e n ", glönjenb burd) ©cift lüie burc^ Sprad)tunft.

^n ^reu^en fam je^t griebric^ S[öill)etm IV. jur 9iegierung, bcr auf 58arn= langen uon enfeö 2Inregung Mildert 1841 unter 3SerIeit)uug beö ®ei)eimrattitelc. unb gegen ein ^atiresge^alt üou 3000 Malern an bie berliner Uniocrfität berief. Sicr-- geblid) ucrfuc^tc er i)m in 58er(iu, loo er juerft in ber Honiggräser Strafe jroifc^en bem Sranbenburger ^or unb bem ^^Sot&bamer ^^(a^, bann in ber ^ei)renftro^e unb julc^t am S^iffbauerbamm iüot)nte, fi^ auc^ mieber bramatifc^ jur ©eltung ^u bringen. 3" feinen oertrautcften greunben gel)i3rte £)ier fein ^auöiüirt in ber 33e^ren; ftra^e, ber ^Jiebiäinalrat groriep. Unter ben luenigen 3»^örern feiner SSorlefungen, bie er balb raieber in feiner 3BoI)nung {)ielt, bcfanb fi^ 5Kap gj^üHer, bcr ©oi)n be§ 33erfaffere ber ©riec^enlieber SBil^cIm 3JlüIIer. 3" ci"cm größeren Stubitorium fonnte fic^ fein leifer ^ßortrag, ben er mit bem 33lid auf feine 33lötter t)ielt, ot)nei)in nid)t burc^fe^en. ®a if)m erlaubt raar, nur im $lßinterl;albjaf)r ju lefen, üerbrad)tc er bcn ganzen Sommer auf feinem @ute 9^eufe^. 58on 1845 begleitete il;n bie j^amilie nic^t mel)r nad^ Berlin: fein unb iljr einziges §eim blieb Sleufe^. 1848 legte er feine .^rofeffur nieber. 9!}Jit 1500 Xatern ^enfion jog er fid) je^t raieber ganj auf M^ iianb äurüd.

^ier l)at er nun raeiter überfe^t: 5lalibafaö „Safuntato", Mq inbifdje 3Keifter= broma auö bem jmeiten ^alir^Tinbert n. ßl)r., bann auö bem 2lrabif^en (äbu ^em= mämö „^amafa")/ bem 3inbifd)en (SRigmcba unb 2ltt)arroan)eba), bem ^erfifcf)eu (Saabie „Loftan"), bem Slrmenifc^en („König Oefali"), bem ©riec^ifc^en (ßuripibeä), bem Sateinifc^en (v^oraj) unb bem 9J?ittelIateinifc^cn („®a$ Seben ber §abumob", ber erften @anberö{)eimer ^btiffin).

Mn6) je^t an feinem Sebenöabenb mibmete er feine ^dt nur bem S^reibtif^, ber 9?atur unb ber gamilie, bie aus feiner ©attin Suife, oier Söl)nen, jtoei ^öc^tern unb fpäter einer ©d)n}iegertod)ter beftanb. SSon fünf Ul)r frül) an arbeitete er. 'Slad) bem Gffcn, bei bem er Dbft unb Sßein liebte, fd)lief er; bann ging er fpajieren unb legte fid) rool)l aud) in feinem ©arten^aufe auf bie SSan! mit bcr pfeife im 3Kunbt, it>äl)renb er ^Hoti^en machte. 1857 ftarb feine ©attin nad) 36 jäbriger, nie getrübter eijc. 5m 2llter üou 78 3al)rcu ift er \\)x am 31. Januar 1866 in ben ^ob gefolgt, i'tuf bem SReufeffer ^riebf^of liegt auc^ er begraben.

3Rüdert befa| manc^eö nid)t, nwö anbere auSjeidinct. tiefer fc^roerfäUige .^ünc roar meber im Salon nod) im «pörfal an feiner SteUe. 3lbcr ein ticfeä unb

atücfcrts Cprif. 81

reincö ©cmüt, eine lua^re Äinbericcie luar \i)m eigen, unb in jeiner ^id^tung ftingt fic lüibcr. 3Son jeinem gamiticnleben bliden luir ju km Xf)Cobor 6torm§ i)inü()er: bcibc ücrförpern unö lyie fonft niemanb in gleid^em ©rabe bcn treul^crjigen bcutfcfien ^außüater, bcr fid^ nur unter ben Seinen iüof)lfüi^It. SBie )e()r nnterirf)ieb fid^ ^Rudert baburc^ twn fo oiclcn feiner 3^it0^"offfnl 2öir roerben nid)t beflag^n, bop ei- hierin n)ebcr ein ßrbe beö romnutif^cn, norf) fo gonj beö tlaffijc^cn ©ciftcö luar.

6. mdtxU ß^rtf.

^cr ^i^ter ber ,,@e§arni)c^ten ©onette" ift un[ercr ^cit fremb gciuorben. Bd)on bie 33eröform beö Sluelonbeö roifeerfpric^t bcnt @cfüi)l, bog rotr mit üotcrlön^ bijd^er Segeifterung oerbin^cn. 3t'bcr ein feierlicher Elang ge^t burc^ biefe Stättcr: ift, alö F)örten roir bie beutfc^e ©ic^e im Sturme rauften:

SSir [(jungen unfre §änb' in einen knoten, 3um ^immel ^ben mir bie S3lid' unb fc^mören; 3§r aÖe, bie i§r lebet, follt l)ören, Unb menn i§r mollt, fo ^ört aud) i§r'ä, i^r 2;oten.

SBir ffl^mören: fte^u ju mollen ben (Geboten •2)eö £onb§, be§ SDkrf mir tragen in bcn 9tö§ren, Unb biefc Sdjmerter, bie mir ^ier empören, 3iliä)t t\)t ju fenfen alä üom ^einb ä^rfc^roten.

SSir fd^mören, bo^ fein S3ater naä) bem So^nc ©oü fragen unb xxüd) feinem SBeib fein &<ittt, ^ein Krieger fragen foU nadlj feinem Coline,

5?oc^ ^eimge^n, e§' ber Strieg, ber nimmerfatte, 3§n felbft entläßt mit einer blut'gen Strone, 5)a^ mon i^n §eile ober i§n beftatte.

ift bemühte Sökirtfunft, bie ^ier ju unä fprit^t, roie auc^ in ben übrigen üaterlänbifd^en ^^itgebidfiten ; aber aud^ in bicfen ift baö %c\cxl\d)c, ber Drgelflang. 5Denfcn mir nur an „®ie ©räber 5U Dttenfcn", „Äörnerä ©eift" („Scbecft von 3JJooö unb Sd^orfe ein ©ic^baum l)od^ unb ftarf"), „58arbaroffa" („"S^cr alte 33arbaroffa, bcr Äaifer grieberid)"), „T)ic Stra^burgcr 'j:nnnc" unb „^ic ©ottcömauer".

58iel näf)cr fte^t unö 9ftüdertö £icbeölT)rit. ^cr Soncttcnfranj „3Igneö' ^Xoten^ feicr" ift noc^ allju fe^r in ber ?^orm befangen, unb auc^ 3)?arielieö Ijatte roie bie tote SlgncS manc^eö Sonett ju erbulben; bancben aber fc^on anbereö, maö fi^ leichter er- tragen lie^:

SBeit lö) bid) nid)t legen fann Unter (Sd)lo^ unb 5Riegcl, ^ir jum 2lbfd)ieb leg' id^ <in ^iefc ficben (Siegel.

^üff« foUcn ©icgcl fein, Gincn auf bie Sippe, SDa^ am 5?eftarfcld)c fein ^onigbieb mir nippe.

Ce^Itc, Xic beutfc^r Sttcrahir feit (Soetijr? Zobe u|n>. 6

82

etbeit ber flaffifc^eti unb lotnantifc^cn J)ic^timg.

Xicfcä ©iegel auf bic S9rii[t, Sluf ben 9Zacfcn bicfeS; grcmbcr 5fi>unff^ fei fern b.cr 2uft SKeineg ^tflbiefeS!

3tt»cic woä) auf 925ang' unb SBang', Unb auf Slug' unb Slugc; 2>a^ fein SJ^unb hanaä) öertang' Unb fein f&lid l)kx fange!

2icbc§ Stinb, um beine ©d^ulb 2; vag bie Siegel in ©ebulb! 9J?orgen luollen n)ir bie Böfen (Sieben Siegel u?iebcr löfen.

3)ie fc^ötiften Sieber enthält ber feiner Suife geraiömete ^.ßieöeöfrü^liug", roenngleic^ oud) ^ier baö ©piel mit ber äußeren Sßort^ unb SSeräform immer njieb«r ba§ ©efül)löleben umflingt. 2lber finb eine mirfüc^e Siebe unb ein rairtUcfjer grül)(ing (uertont üon ©c^umann):

2)u meine Seele, bu mfin ^etä,

2)u meine SSonn', o hu mein S^mcrjj,

SDu meine 2BeIt, in ber \ä) lebe,

äJJein ^immel bu, barein id} fc^ebe.

Xie ^nnigfcit biefer Siebe lä^t feinen 3"^^if^^ auffommen an i^rer unb i{)re<5 3luö=

3^^ nenne bid^ mit allen SfJamen, SDie je Don SiebeSüppen famen, 3<i) grü^e bic^ mit jebem Saut, 2)en bu mir je gefügt öom SO'Junbc, ^ö) nenne bi<^ im ^erjengrunbe Sieb, eiüig teuer, Si^efter, 93raut!

2Bic fet)r biefe SicbeöÜeber ber SBirfü^feit entfpred^en, Iet)ren SSerfe mie bie folgcnben, bic auf freunbi unb üerroanbtfcf)aft(i^e S8cmüf)un^en ^inbeuten, ba§ ^aar ju trennen. ©§ mar cergeblici^ :

®cin Söilb, Qkliebter, möc^t' \d) ^ben ®emalt in meiner Kammer, Wi^ jebcn 5lugenblicf gu laben 2)aran in meinem ^antmer.

Sie moKen mic^ mit Sieben irren, Sie tooUen bic^ mir rauben, Sie n)olIen mir ben Sinn bermirren. ©eliebter, fannft bu'§ glauben?

3c^ fü^r fo burcf)'§ ^aupt mir fc^nfen, ®afe \ä) ba§ S3ilb, bo§ ^Ke, 3)a§ id) bon bir trag' in ®ebanfen, Dft finbe faum ^ur Stelle.

3a, loie fie reben, loie fie flüftern, ^6) glaube nic^t bem Sugc Unb fü^Ie hoä), Irie fie öerbüftern 2)ein 33ilb in jebem Qwqc.

O t)ätt' id^ hiä) gemalt in garben. So fönnt' i<if mit ben Slugen ^ie 3üge, bie fie mir berbarben, 9iein mieber in mid^ fangen.

33i§n}ci[cn üereint fic^ fogar ber Xon beg treul)eraigen alten $ßol!öliebe§ mit bcm ber noc^ älteren mittell)oc^bciitfc^en ^oefie („^u bift m\n, \6) bin bin" mit bem

SHücfert^ l'piif. 83

Bd){n^: „bö bift bcjlojjen in minem bergen, ücrlorn ift buö jlüj.5el!n, bu muoft immer btinne ftii"):

SSicöiel 2üft(cin auf beii ^ö§n, i 5Bäi' ic^ öev golbne Sonncnfc^ein,

SEieoiel Säc^Iciu im %ak ge^n

Über bie grünen .^Jeiben;

Söiebiel ©ternlciii am ^immel füttern,

SBieöicI aSIättlein an S3Qiimcu gittern;

©ooiel SBünfcfK [enb' idj nad) bir

3n ©(^merjen unb jitternben greuben.

3eber ©traf)l ein ®eb<infe mein Unb jeber ©rfjimmex ein ©e^nett, SCSoUt' ic^ mit einem glammenfron^ Dir umflechten bie Torfen ganj, SDa^ bu ftro^lteft a\% meine Sraut, Di« frfjönfte oon allen @c^nen.

D »enn iä) bürfte bie ^ütte fein,

Die |i(^ über bic^ fenft ^erein,

Did^ enge ju umfaffen!

2Bie bein 2eib in bcr jtiUen ^ütte,

SBo^nt bein ®eift mir in ^€x>(ftn^ 5)iitte;

2;ür nnb Store üerf(^Ioffen finb,

Du fannft bein §au§ nic^t öerlajfen.

Sn biefer Siebe ruf)t jugleirf) baö ftiUe ^iad^benteu über bie Siebe. 3fiüdcrtö „Sicbeöfrüfjling" ift bra^manifdie 2öeief)cit ber ^ugenb. ^k ijabz er roilb gcf(^n)ärmt ober ein trunfeneö Siebcömort gefc^rieben, geftel)t er fclbft ber ©eliebten, unb: „ni^t luftberauf^t, fonbern rufjig nüchtern ^ot fid; .^crj um ^erj getnuf^t, innig ftarf unb fd^üc^tern". hierin bilbct 3RücfeTtö „£iebcäfrüf)ling" ein ©egenftüc! ju feines „^nd) bcr Sicbcr". ^eine bringt oon traumfeligem Sicbeäempfinben jur Dberfläd)c beö F)eiterften SBeltgelöc^terä oi)er frioolen Spotteö empor, 3Rücfert finft in bie Xiefe p()i(ofopF)if(^cr Selbftbefinnung, o{)ne ba^ ii)n biefe bcr Siebe jelbft entfrembete. 9Kan fann ni^t meifcr unb luicberum nidit bcrstic^cr ai§ er fid) bie Orünbc für feine Siebe auf§äf)Ien:

3^ ^^^^^ ^^^r ^fit i<^ ^'«^ lieben mu^; 3d) liebe bic^, weil id) nidit anberd fann; 3^ liebe bid) naä) einem ipimmelgidilu^; 3(^ liebe "bid) burc^ einen ßauberbann.

Did) lieb' id), wie bie Üiofe i^ren Strauc^; Dlc^ lieb' id), n)ie bie ©onnc il)ren ©c^in; Dic^ lieb' ic^, meil bi(^ lieben ift mein ©ein. Di4 Heb' id^, hjeil bu bift mein 2eben6^nuc^;

Unb nid)t nur bie gan^e Sogif löft fic^ in Siebe auf auci^ bie ^Religion toirb mit i§r ju einer neuen 6inl)eit, mobei bie gcfamtc äußere ^crl)ci^ung beifeitc gcfi^oben roirb:

©agt mir nic^t§ üom ^rabiefe;

ift mir ^u weit

aJJeiner Siebften S!ammer, biefe Gnge ©eligfeit,

©d)lie^t für mic^ neun ^avabiefe 3n \\d), ^immlifc^ Weit.

84

Ch-bcii bei- riaffifd)c" »"^ roinantifdic» Tiic(itmi(^.

Übci l'w^if unb ^ieliflion ^iuauö rcid)t bic Siebe f)inein in tvas bujifle 9xätfclvcic^ ber Uncrmc^ncfafeit. 2Bic ©oct^e einft ücrmutete, ta^ %xan oon ©tein ,,in abgelebten 3citcn" jeine ©(^raeftcr ober feine %xan gcraefen jein muffe, alfo ben ix)n Scffing in ber „erjie^ung beö gjjenfcöengefdjlec^tö" aufgeftcHten ©ebonfen ber SeeleniüanUung, aeeleniuonbentng poetifd) ©eftnlt gab („SBatum gabft bu unö bie tiefen 33li(fe"), fo perfciift fid) ciiic^ 5Hücfcvt in büö ©inft üor ber ©ebnrt, unt ba§ Iiebreicf)c ^e^t ju erflärcn :

^^d) war am iiibifd^n D^ean einft eine ^olm' entfpvnngcn, 2)u ttxirft bie blüt)enbe Sian", Um meinen ©d^ft gefc^Inngen.

^c^ joav einmal ein 5ö(ütcnaft 3n Sbenä fdjönfter Saube, Iki ^ttcft bu auf mir bie 5Haft ökhxi^lt a(§ girrenbe Staube.

2)u njoreft einft ein 5[)tovgenbuft Um S<t)ira§' Giartenbeele, 5kl nwr iä) eine SPiorgcuhift, Die fpieiejib bi<^ oertoe^te.

3ii; ^ixir ein lichter 3:ropfen %avi, Unb al§ ic^ niebevjprü^te, Söavft bu ein 931umenfeld^ bev 3tu Unb n<il)mft mid) in§ ©emüte.

3d) nxiv ein flarer j^rü^lingSgueß, 3<ij ^ab' e^ nid^t öergcffen, 2)u ftanbft unb Iranfeft meine SSefl' 5n§ fc^knffte ber äOPtcffen.

3d) mar einmal ein 9D?onbenftr<»t)l, 3:u 5Ibenbftcrne§ «linfen, 2)a fü^cft bu oiel taufenbmal Wxd) bir üon ferne rtsinfen.

Du hwreft bor mir auf ber ^Iud)t, ^or meinem Slirf gefd^njunien. 3^ iyibc bamal§ bidj gcfud)t, 9?un f)ab' id^ bicE) gefunben.

Diefe Ic^te poetifd)e SBenbung ift in fold^cm 3iM'f^i^nient)ang einzig in ber gc= famten bentfd^en Literatur. Sold^e Siebe ftel)t über bem ^Itroer^ben, über bcm 33crgebeu;

Saß, geliebtes Slngcfid^t, i'a^ un§ nic^t berjagcn, Da^ ber Siebe ^ugeaiblidit Sif^t in furzen ^agen.

^eber 99Ii^ au§i beinem Sid^t, '^ebcv ©djönf)eit§funfen, 3n ba§ Dunfel ift er nid)t, Sonbern f)ier berfunfen.

Sann in meinet 3luge§ ©lonj Du nid^t mei^r mein Sieben Sefen fannft, fo lie§ ganj 9?oc^ im Sieb gcfd)Ticben.

2&ann fein anbrer ©piegel bir 2BiII bie 3u9^"b geigen, 3n be§ Siebet (Spiegel f)ier 3ft fie no<^ bein eigen.

Diefe Siebenben fanb bie 8tunbe ber erfüQuug reif, ^er „Siebeöfrüt)ting-'' mar nitftt nur it)re ^oefie, er mar aud) ein 3roicgefpräc^ jroifdien 3Jlonn unb SBeib unb oerrät, ha^ ber SDic^ter jug(eid) ein ernftcr Seben§füf)rer, ber ©c^mac^en eine ftarfe Stiifee ^u fein Dermod)te. SBic finnig roei| et bic meiblid^e Steigung jum Ibcr= glauben ab^ulenten, bie Unru()c ber 3ufnnftöabnnngen ju befc^miditigcn :

•Jiücfertö i.'nrif.

85

9Jeuüd) beim 53ei-(obungöfci'te, Siebfter, als aujS aöcrbefte 2>u mit beinern ®IqS ®egen mciney angeflungen, 3ft "oa?) meinige ^eriprungcn; SS<i§ bebeutet baS?

^ör', 0 2ieb|te, toie icfj's» meine: 9iur jeijpiungen ift boS eine, ßkin^ ift ein§ no4 f)ier. golgen mit be§ ^imme(§ 'iSinfen: ßttjei au^ ei n e m ©lafe trinfeu Sofien fünftig mir.

fiprifc^ l)üben mir aupcr ß.l^anriffoö „^naucnlicbe unö =leben" nichts, maö miv öiefcm ^Ji^icgcfang in beutjc^er Spracf)e a\\ bie Seite [teilen tonnten, ©oct^eö Bnicita' liebern fel)lt bcr entfc^etbenbe ,jo rec^t Dcuticf)e ,3ug öer Familie. fonnte in ©octbeö fieben unb in [einem „2Be[tü[tli(^en ^ioan" nic^t anöero [ein. Unb ^iücfert mci^ [ic^ bo(^ mit nic^t geringerer £ic^erl)eit in Die Seele ber ©eliebtcn, ber grau ju ucricßen. er [agt ee einmal [elbft am (jnbe beö fünften Straupeö (^^^iebergeroonnen")/ in&em er fic^ an ben 2e[cr menbet:

SSenn i^r [ragt, mer l)ier nun [priest, : §ier [inb ämei in 2iebe§luft

3<^, ber 2;icf>ter, ober [ie? ©ag' icf) euc^: ic^ meiß nic^t, ©onbert i§r'§! i^ [onbr" nie.

(Jin§ unb tun'§ einanber funö; 5(^ emp[inb' au§> i^rev 93ru[t,

Unb [ie [priest buri^ meinen 5J?uni). ^ören mir nun, mte Die ^raut im Greife Der gamilie burc^ [einen ^huiD [pridjt :

Xu mein[t, o liebe DJhitter, SBenn icf) beim 2ieb[ten bin, fäm un§ gar nichts anbreS 2Il§ Stii[[en in ben ©inn.

Xu irr[t, 0 liebe SJ^utter! 3rf) bar[ ben 2ieb[ten ja, 3lu(^ menn bu'S [ie§c[t, fü[[en, ©ie^ ^er, ic^ fü[[' i^n ba.

Xot^ menn allein mir [i^en 5n [tiller Xraulic^feit, SBie ern[tlic^c ©ebanfen SBerfürjen unS bie ^e'\\\

SSie Ijat mir mic^t'gc Xinge Xer 2ieb[te ^u ttertraun! Sr gibt [ein ^erj, [ein Seöen 58on @runb au6 mir ju [c^un.

(Sr mill mir nichts oer^^len, Unb i^m tier^el)r ic^ nicf)t?v 3Bir tennen un[re ©eelen SBie 3üge be§ @qic^t§.

Xnin alles muy an\ ßrben ©ein 3mi|d}en unS ganj flar, 93eDor mir tonnen werben (Sin mof)loer[tänbigt 5ßaar.

2)aS ift nid)t perfifc^, nicf)t goetl)i[c^, aber ift [o rec^t grünDlid) Dcnt)c^. Unb Deut[c^ ift auc^ D<;r S^erj in biefem Öiebe6trei[e, Der anö ber j^amilie in bie j^amilie l)inüber[c^lägt :

^orc^ nur, 9J?ntter, Ijorc^, mie ']d)bn Xrau^en mein ©etiebter [djilt. SBeife nic^t, tt>em unb ma§ eS gilt, '^od) mir i[t'§ ein Sßotjlgetön.

©prac^ Die HJhitter: XaS i[t [elten; Jilann bie Öiebe [o erblinben? 2?irb er ein[t als ©^mann [d)elten, 5}?öge[t bu'S [o'[d^n auc^ [inben.

2)ie Siebe bes ©tjeglücfö übertrug [ic^ auf Die ^mifctjcn (Sltern unD .KinDern. 2{urf) bie ^lage über ben Xob [eines ^inbeö trögt ber Xic^ter t)inau0 in iie ^3ktur {,,.Öauä unb 3a^r") :

86 (*rbni bcr flaffifdicn unb ronmiitifc^en Diii)tunQ.

3<i) ^b' CS QOcn ^ifc^n geiagt Unb ^b' allen 93äumen geflogt Unb i^ber grüncnben ^fl^injc

Unb njtebcr öon neuem flog' id^ eS, Unb immer bon neuem fag' id^ e§, Unb immer fjoben inbeffen

Unb jcber Slum' im ®(onae. j Sic lüieber mein 2cib üergeffen.

S3crgeffcn bift bu in biefem 9Raum

2?on Slum' unb ^flonjc, Söuft^ imb 58aum,

9?ur nid&t tton biefem |)eräen,

^inb meiner SBonncn unb ©d^mer^en.

9?eiaenbe Äinberlicbcr l)at ber ^ic^tcr gefc^affen, fo bog „^inberlicb oon bcn grünen Sommerüögcin": ,,©§ fommcn grüne $8ögelein gei'IoQcn t)cr üom öimmet/' ^ic göfjigfeit, fic^ in bic ^inbcöfccle tiineinjubenfen, t)Qtte er ja fc^on a(ä junger Wlam mit bcn für fein ©djiccftertcin 3)?aria ücrfa^ten ©ebic^ten beratefen, unter bencn fid; boö Don bem Säumfein befanb, „baö anbere ^(ätter ^nt geraollt". 3" ^i^K bleibe gei^ört aud^ bas Sieb von bem ^Riefenfpieljeug: ;,^ie Sfliefen unb bic Broerge".

iRücfertg Seben ging in ber gamilie auf. Soögelöft üon \i}x wax reine SebeneiDciöl^eit, roie fie feine ,,33aufteinc ju einem ^autf)eon" rertünben. §crj- erfreuenb roirft auci^ I)ier bic geftigfeit beg ^Ronneö auf un§:

©te§ feft, njcnn fdjjuinbcinb alle bre^n, 2a^ i§re 2uft fie bü^en! Vinh ttjenn fie auf bcn köpfen gef)n, <So ge§ auf beinen ^-ü^en. I * 3)a h?o fie graue ©eifier fel^n

Unb $ei( öom bittern Zoh erfle^n, ©oflcn bid^ l^ell bic fü^en Gngel bc§ 2eben§ grüben.

^ann fommcn bic SebenSfprüd^e unb beuten fc^on ^in auf bic nod^ ferne „2öete|eit bcß '^ral^manen", unö oon ^ugenb auf meift ucrtrout:

2)u ^ft ämci D^rcu unb einen SÄunb; i S)u l^aft ^ci klugen unb einen SRunb;

SBiflft bu'§ bef lagen? Tlad)' bir'§ äu eigen!

®ar üicieä fofift bu ijöxen, unb ' ®ar mond^eS follft bu fe^cn, unb

Scnig brauf fagen. | man6)e§, oerfdfjmeigen.

^u ^ft ^i ^nbe unb einen SÖZunb; Sem' crmeffen! 3h)ei finb ba ^ur Slrbeit, unb ßincr ^um ©ffcn.

So toHt nun eine ®eban!enperle nac^ ber anbern uor unö l)in. „®o^ eS §offe oon ^ag ju Xag, bae ift bcs ^crjcns SBeflenfc^Iag." ,3enn bie Letten bid^ nic^t follen brürfen, lerne b\6) mit if)ncn fc^müdfcn." „2BaS man nic^t fann entbehren, mufe man i)alU\\ in e^ren." „^c^ trän!e gern, unb genug ift ba, bod) ift fern, fprac& bic ©ans, als fie in bcn $>runncn fo^/' „Bo bu nirfit oermagfi bic^ logjufägen, mufet bu fernen b{6) ucrtragen." „geft üorgefefet ift burd^gcfefet, wn etwoS

3«icfertö „aScis^eit bes Söra^mancn". 87

rcc^t lüitt, frkgt'ö jule^t." ,,@taub mit %ü^cn getreten, crt)ebt an6) über baS jgaupt fic^." „2ßelje beut, ber ju fterben gctjt uub feinem Siebe geic^enfi i)üi ; bcm Steuer, ber ju Scherben get^t unb feinen ^urft'gen getränf t \)at" „2Bqö man nid)t fann troffen nnb noct) weniger lajien, o .^erj! ha \\t fein ^])tittel geblieben, Qlä iw)n gonjer Seele ju lieben." ,,3e ^ül;er bu loirft aufmärtö gef)n, bein Süd wirb immer aügemeiner; ftctö einen großem ^eil lüirft bn i>om ©anjen fe^n, toö) aUeä einj'le immer fleiner." „2Baö bir nod; neu ift, mirb bid) nud) reiben ; maö mir jc^n Spreu ift, ift bir noc^ SSeiäen." „^M innen beine 3immer anö, bo^ [ic^ baran bein 'Xug' erquide; la^ au|en ungcjc^müdt bcin c^gauö, ba^ ec. ntc^t reije geinbee= blide." „^\6)t ber ift auf ber 2Belt uenuaift, bcffen §8ater unb 9)hitter geftorben, fonbern ber für ^crj unb ©eift feine Sieb' unb fein Sßiffen ermorben." „^n §od)= mut überl)eb' bid) nid)t unb In^ ben 3)hit nic^t finfen! 3){it bcincm SSipfel reic^' in§ £irf)t unb la^ bie SBurjet trinfen."

^eboc^ mir finb aus 9iüdertö 2i)rif unmerflirf) bereits in feine Spruc^poefic fjineingeglitten, bereu fd^önfte ben Sammeliitel trägt: ,,'Die 2Beiöl)eit be§ Sra^manen" (gjant^eon, jmeiter ^eil).

7. 9lficfert« „f&tmtii be§ ^^rö^matieii'^«

ein ,,2c[;rgebi(^t in Srud)ftüden" nennt Ülüdcrt bicfe Spruc^weiöl)eit, bie feine pt)ilofopl)ifd;e SBeltanfd^auung in freier poetif^er gorm miberfpiegelt. ?5rüf)ere SScrfe äl)nlid;er 3lrt finb bie altinbifc^cn SEBebcn, Sucrej' „De natura rerum", %xc\' banfö ,,Sefc^ciben^eit" unb ^ugo non 2:rimbergö „9^cnner"; aber fie alle fönnen fic^ uid)t mit ber „SBei&bcit beö Sraljmanen" mcffen.

®er ^id)ter nimmt bie ©eftolt eineö inbijdjen Sßeifen, b. i. S8ral)manen an, folgt aber nid)t ctmc inbifdien S^ejrten, fonbern bietet uottfommcn frei/ maä ber ©cift il)m in ftiUcn, bef^aulid)cn Stunbcn eingibt. 5!"fofei"i^ aber ift eine 3lnlel)nnng au bie broljmanifc^e 2Beiöf)eit uorl^anben, alö aud) iRüdertö SScltaufd)auung jener großen, entfagungöüoHen Stille entfpridjt, bie ba^ Söefen aller inbifdien ^Religionen unb pl)ilo= fopl)ifc^en Sgfteme barfteHt, nur mit bcm Unterfc^iebe, ba^ 9Hdert nid)t auf M- tötung beö gl^ifc^^^^ö unb äußere Sßeltflu^t, fonbern auf rul)ige, überlegen läd^ctnbe Sefd;aulid)fcit in @ott l;inftrebt, mit ber fi^ foraol)l ein 2eben ber Xat mie ein ^ei= tcrer @enu^ ber Sebenägüter Tturc^auö oerbinbeu läpt. 9l.iidert {jat olfo l)ier ben inbifdien ©eift inö ßuropäifd)c übcrfe^t. 2)a^ er fic^ bancbcn anregen lä|t uon atten möglidien Sd)rifteu be§ Crientö, oon bencn er eiujelnc, mic ben ^erfer Saabi, ben ^almub unb ^it;)pabefa felbft nennt, ift angefic^tö feines ftänbigeu gorf^enö unb überfe^enö felbftuerftänblid), ol)ne ba^ beöf)alb uon eigentlid)en Duellen gefproc^en merben fann. 1)icfe mürbe man jebcnfaEö nid;t aüciu in ijnbien, ja nidjt allein im Orient, fonbern in ber gangen 2Belt finben fönnen,

Suc^c 'OüQ @el)eimniö beö 2)afeinö unb ©ott nid)t au^erl)alb, lel)rt 9h"idert, fonbern in bir, jiefie bid; in bic^ felbft jurüd, fo fiubcft bu aßcr iRätfel Sofungen. •^ant^eiftifc^ ift beö 33ral)manen 9lürfcrt ©otteö= uub SBeltanfc^auung, aber uerflärt wn bem 3J?otiD einer M^fiieb«, roie fie in biefer perfönlid;eu 3lrt nur baö Gf)riftcn:

(srbcn bcr nafiifc^eu utib romaiiti[d;eii 3)ii-t}tiiiiä.

tum gcfd^nffen Ijnt. ©in ciiicntümlidKV 3(nbücf: bcr inbifcf)e oöcr fpinojiftifc^e ''fNnntf)ciömiiö ucrnuiblt mit bcr .^oee ber reinen pcriönlic^en Humanität!

•iiiur fo ift CG gu Dcr[tef)cn, ba^ fic^ an bie Scl)re ber (Srfenntniö eine fol^c gonj moberner (Jtfjif fc^Iic^t mit tcx ^^orberung üon ^ugenbcn, wie fie jum S^eil anä) bet d)incfiidie S5}cifc itonfujinö prebigt: "iDJenfc^lic^feit, 9f{ecf)tlicf)feit, Xröue, ^ietöt. darüber ^innuö aber ge{)t bei ^id)tcr jnr !jtj't§etif: er befprid)t bie ©ntfte(;ung b«r .^unft am bcm ©eiftc ©ottcö unb if)re SBirhingen. $lßificn[(f)nft unb ^oixüt werben bem ©nnjen ein;, ber 5lunft nntergcorbnet. ?li^tö i[t ]o Hein, um ni^t feinen Sßert 5n I;nben, benn lunö ift ficin unb gro^ cor ®ott?

SSer alleä mag in öiott, in aßem ®ott bctrad;tcu,

^t feinen @runb, ein SDing groß ober fIcin ju achten.

S5ie [oUte [deinen i^ ein Slllergro^teä gro^,

S)<i ein <.?Ieinfte§ ift Dom Sinjiggro^en blo^?

SSie bürftc gelten i^m 'i>ao Slllcrfleinfte flcin,

2)a mit bem (Größten ^at ®otte§ ®eift gemein?

SBir benfcn [jier an ben «Streit Stifters unb Hebbels über, ben begriff ber ©rö^e: 9Rücfert ftebt mtf Stifters Seite.

2)ic ^orm ber „SSkio^cit beö Sratjmanen" finb paarmeiö gereimte Htejan- briner, in bcnen Jamben mit ^^roc^öen, Sponbeen unb Slnapäften in oöttiger grei= f;eit lücd^fcht,

^oö gan^c SBcrf füt)rt über äwölf Stufen: einfe()r, Stimmung, Kompf, Schule, ^ebcn, "iprüfung, erfcnntniö, SSettfeele, 35ämmerf[arl;eit, Born ^otenljugel, ^m Wnfd^auen ©ottcö unb ^rieben. 2lber biefe ©intcilung bebeutet rocber ein Sriftem, nod) ein Programm: ber ':Dic^tcr f)at unter biefen Segriffen naditrägüc^ feine Spriid)e einfad; jufammengcfteUt, bamit fie nid)t, burc^ ibre gro^e ,3ab( in befonberer 53er= ifirrnng, luilb buvdjcinanberfiefcn.

^er SDic^ter beginnt („Q\nUl)x"):

(Sin inbifdjer S3raJ)man, geboren auf ber glur,

®er nid>t§ gelefcn al§ ben '^eba ber Statur,

§at biet gefef)n, gebad)t, noc^ me^r geahnt, gefüblt,

Unb mit Betrachtungen bie Seibenfc^aft gefüllt;

Spricht balb, ma§ flar i^m Worb, balb um fid)'§ flar ^n mad^en,

?3on i^n ange^nbcn tjalb, ^alb nic^t ange^nben ©adjen.

Gr ^at bie ©igcn^it, nur ein5elne§ ^u jc§n,

2)of^ a((e^ cinactne al§ &an^e§> ^u berftet^n.

^m ©egenfa^ ju ber pcffimiftifc^en, bamalö längft üeröffentlic^ten ^tjilofop^ie 3cf)opcn{)auerg ermeift fic^ 3^ücfertö SBcis^eit alö burd)aug optimiftifc^ : ber 5Kenfc^ ift ni(^t ein SBefcn, ba§ unnüt beffen SSerneinung allein nü^Iid) fei wie auc^ bie inbiidie SBeltanfc^auung (ef)rt ~, fonbern unentbel)rlic^ im '3:)ienft ber 58onfommen= ()eit („Stimmung"): ^

C glaube nid;t, ba^ bu uid}t feieft mitgcää^It; 5)ie 9Be(tjaI)I ift nic^t Do((, wenn beine 3iffer febtt. ^ie grofee SRec^nung ^imx ift o^ne bid) gemacht, ^niein bn felbev bift in 5Rec^nnng mit gebracht.

;)iiicfcrtg „3yciyf>cit bciä iöraf^mancn". 89

^Q, mitgerechnet i)t au] birfi in aller 5Seife; ^ein f leiner 3fting greift ein in jene grö^jern .^i reife. 3um ©Uten, ©c^öncn luiK Dom 9J?angel§aften, 53öi'en 2)ie 9Belt crlö[t fein, iinb hn )otl[t fie miterlöfen.

9luf bcn fotgcnben (Stufen „^amp]" unb ,,Scf)ute" gibt ber ^ic^tcr praftijd^e Siegeln, bic bann auf ber Stufe „geben" burc§ fttlagenbe ^ürje erfreuen unb erfrifc^en. 5?ur einige feien ^ier mitgeteilt:

Sluf 5lünft'ge§ rechne nic^t nni) ^ä^l' nic^t auf 53erfpro<^ne§; Sllag' um ißerloveneä unb benf nid^t an 3^i-"t'^o(f(ne§.

SSer tngli^ fammeln muß mit ©orgen feine 9?a^rung, ^r [ammclt nie beu ©eift, hoä) fammelt er (5rfa{)rung.

yiiä)t^ elenber al§ ^Ib gefrf;tafcn, ^alb geioac^t; ^u ^aft nic^t au§geru^t unb ^ft fein SBerf üollbrad)!.

33on weitem fie^t ein guc^g bcn %näß auf feinem öange, 3"|a»n"cn fommen fie beim S^ürf(^ner au'] ber ©tange.

Söenn über§ §aupt einmal mir follen ge^n bie ^Bellen, ©ilt mir Döllig gleic^, ob ein' ob ^unbert Gllcu.

Tlan mufi ku Stoteu hod), tuie lieb er fei, begraben, 2)a§ Seben fann ben ^ob bei ficf) im ^cin^ nicf)t lyabtn.

^ii) \a^ bom Wlonh f;erab, ba famen alle S3äume 5Son gleicf)€r Sß^' mir üor unb eben alle 9iäume.

S)u fragft, mie auf ben SBaum ber Gipfel fei gefommen? ©in anbrer i)ai inbe^ il;n fc^oeigenb abgenommen.

2!ie SBaffer raufc^en l)in mie SBcltbegeben^citen, Unb i^reS 9iaufc^€n§ ©runb finö (5rb=Uneben^eitcu.

Qu bem fecfiften 2;eil „Prüfung", bcffen Strophen fic^ fämtlid) auö je oier 33erfen jufammenfe^en, ftcl;t ber bcfannte SSergteid^ beö .^er^enö mit bem ©belftetu: jeneci leibe im ©egenfafe gn biefem „lieber jebcn Schnitt, alö 'oa'^ e<- anbre fc^nitte". ^ie Stufen „erfenntniö", „2Beltfeelc", „^ämmerflarl)eit", „^om ^oteul)ügel" unb /,Brieben" führen wieber ftärter auö bem Seben ber 3tuf(^auung in baö bcö reinen @cban!enö.

^ie „2Beiöl)eit beö 53ral)mancu" mirb oon 3lnfang biö ju (Snbe l)eute fd^merlicl) jemanb in einem 3^9^ 'fff»- 'S^aju mürbe fie au^ ni(^t gefcl)riebcn, es fet)lt jebe ©nt^ n)ic!lung, unb ber ftrenge 5lunftl)iftorifer mag fie eine Sammlung oon Stainmbucf)= blättern nennen, ^er ©eift aber, ber in biefen 33lättern lebt/ unb bie fidiere ?5c»rm, in ber er geftaltet ift, föunteii ber ^eutf(^en öiteratur uicf)t ol)ne fc^mcren ScftaDcn üerloren gel)en.

8. iKöifcvtd Üaerfctjunjtcu.

iötit 5R u m i ö © a f e l e n eröffnete ber junge T)icf)ter bcn 1)eutf(f)en ein ganj

neues J^elb ber ^oefie. mar nun nicf)t jo, M^ er mörtlid) überfefete ober gar fidj

* an bie 'Cereform, por allem an bie 3«bl ber 3?crofü^c Ijielt. ßö mar ein freieö 9?ac^=

90 erben öev naf[ifd)cn unb romaiitifd^cn Sichtung.

bid)tcn. Söev löürbc ein ©afel Siuniis oermutcn in ber befanntcn Strophe, V\c \o

beginnt:

9?cin geilten bcin föctoanb, 9lcin gefiöltcn 5[Runb unb §anb!

Unb raCT eine bev „iDjtlid;cn $H o f c n " in bcn (uon ©diubcvt wrtonten) Sßcrfen:

Xn bift bie 3iu^, Xer griebe milb, 3)ie (Se^nfurf)t bu, Unb nxig [ie [tillt.

9]qc^ 3iumt geformt ift unter ben „TOorgcnlänbifc^en ©agen unb @c = ]6)id)ie\\" bie berüljmte ^ q r a b e l „(^ö ging ein 3)Mnn im ©grerlanb". ^iuäj „ß^ib^er, ber ciüig junge" entflammt bcm 3)Jütiügarten bes Drientä.

Sßic fef)r fid^ Siücfert con ben il;m oorliegenben Originalen luörtlid; entfernen mußte, moHte er il;rem (Seifte treu bleiben, lehren befonberö bie „?Dlafamen bcß ^ariri", benn ^ier, luo firf) um ein fortmä()rcnbe§ Spiel mit SBortcn, ^leimen, mit f;omo= unb fgnongmen Siuöbrüden, um Sßeglaffung unb Sßiebert^olung ganjer SBortgrnppcu unb 3luf; unb 2tbn)anbe(n in Deflination unb ilonjugation ^anbelt, burfte ber '^ic^ter ben Urtcyt immer mieber nur alä Sprungbrett für feine ^urner= fünfte bcnu^en. „^c^ benfe", fagt Stüctert felbft in feinem erften SSormort 1826 oon .^nriri, „er lüirb immer roie je^t unüberfe^bar bleiben . . ., racil ber ^ern fetbft, ber 3){ittclpunft üieler feiner SUtafamcn etmaö ift, ha§> an ber Driginalfprai^e ^aftet unb mit biefcr mcgfäKt." ebenbort fpiicf)t er fic^ über bie poetifd;e (Sattung ber '3la= tarnen an^: „33^a!ame bebeutet einen Drt, roo man fic^ aufl;ält unb fic^ unterf)ält, bann eine Unterl)a[tung jelbft, einen unter^altenben SSortrag ober 3Iuffa^, nad) unfcrer 2Irt eine (ärgä^luug ober 9f?ot)eEe." Unb er fügt i)inju: „^]Keine 3trbeit gibt fic^ für feine Überfc^ung, foubcrn für eine 9^ad)bilbung." ^n ber (Einleitung ju ben oc§t be= fonberö erfd)icncnen Skfamen fprirf)t er fid) bann noc^ über bie „Dfonomie" ber 3Jlq: fomen ans : „^cbe ift ein für fic^ beftcfjenber unb in fid; abgerunbeter poctifc^er ^aui- l)alt, o^ne SBec^fclbejicI^nng mit ben übrigen, ol)ne (Sinroirfung auf fie unb üon i^ncn. . . . ^ebe mirb vorgetragen üon einem ©rjö^ler, §aret^ Sen ^mmam, ber gum (Eingang berichtet, mie er üon 9?eifeluft, üon SSerlangen nad) 58ilbung ober auc^ Don (Befc^äften ^a ober bortl)in gefül)rt, biefen .ober jenen 'Vorgang gefeljcn, wobei bann immer 3Ibu Seib fo ober fo Ijanbclnb eingreift unb auf eine ober bie anbere Slrt tätig crfc^cint, meift anfangö »om (Srjä^ter felbft unbemerft ober unerfonnt unb etft aum Sc^luffc feiner 3Sorfteflung l)inter ber 2)(aSfe ^erüortretenb." ^cr (graäl)ler, b. t). ber Xic^ter felbft bilbe alfo nur bcn ^ox, ber gar feinen befonberen ei)arafter jetge, fonbern nur bem eigentlid;en .gelben (Selegenljeit jur (Sntmicflung bes feinigen gebe, tiefer Bcttlerfönig 31bu Seib auä Serug, ber fid; bie ©umm^eit feiner 3Kitmenfc^en lunufee mac^t, m^ burc^ feine tollen 5ßorträge geroonnene @elb aläbalb in ber SScin^ fd)cnfc burd)bringt, ftetö fdjlagfertig bie 3u§örer ergöfet unb fic macfer rupft unö [löi iö)[k^l\d) 3ur 3Religion bcfel)rt, mit ber er fonft nic^t minber fein Spiel trieb mau roeiß am Sc^lu^ nid)t rec^t, ob nid)t an^ biefeö ^d , biefer 5(bu Seib ift ein fo

IHütfciti itDcrfciungen. 91

mcrhvürbiger ^^crireter geiftüotten ©auneitumö, bop man jc^on um icinetroiUcn bic 3)?afamcn gerne lieft, ^aju tritt nun aber bereu f)öd)ft cigenartitje ^^oriu, ^alb ^rofa, tjalb 58erö, ein ©efliugcl mit toufenb fleincn ©löctc^cn, bic mir nid)t fcf)en, nid)t foffcn, bie mir nur ftaunenö f)ören tonnen.

^unäc^ft menbet .^ariri jclbft fic^ an ben 5ejer mit einem SSormort, öaö bicjem bereite eine ^orabnung bcö ^ommenben bietet: „®ott! ^ir banfen wir, mie für jebc ^abi al\c and) für bie 9iebegabe ; mie für bcö .^aufes 3(uägang unö (jingang^ fo für beö ©cifteö 3(u§flang unb ©intlnng , unb mie für beö illcibcö iHu; unb 9Iblegung , fo für beö Sinnes &in- unb 3tuölegung. W\x ban!en bir, mie für S^räntung unb Spcifung , fo für fienhing unb Untermcifun'g ju 3iued::^ebenfunö unb Äunftbcflei^ung .... 9Jiir aber minft einer, bcffen SBinf 'öe[et)l ift unb bem ju ge^ort^en bie 2Bo{)Itat ber Sccl' ift 3]Ratamcn ju üerfaffcn noc^ bem SSorbilb

bes Sebt 5III M^j i)üb' i6) auf bie ^erfon bcö SIbu Seib uou Scrug gebid;tet

unb burrf) ben 9)(unb beö §arctl) 33en ."Qcmmam r)on 33aöra berietet; unb ^abe mxö) unterzogen aU biefcr ^ixi)c , nur ta^ barauö bem Sejcr £uft unb Se(e()rung erb(üt)c."

^n ber crften 3JIafanie („^ie 5öibliot()ef oon 33aöra") fd^ilbert nun .'^arctt) Sen .Ocmmam f€in crfteS ^wi'^'^i^f^^^^ff^" ^^^ ^^^^^ ©eib: „Unb alö ic^ nun fam nacf) Öolman unb f)atte mirf; fc^on unter 2ltcnfc^cn umgetan , t)attc gelernt, if)ren SBert jU mögen unb fic ju erfennen nac^ i^rcn @eprägcn; fanb ic§ bafelbft ben 3(bu Seib uon Serug, ber fid^ allerlei Stammbäume mad)tc unb \iä) oiclcrlei (Seirerbejmeige crbadjtc , l)cut im (Bcmanb cincö ^octen auftrat, morgen ben 3Kunb eineß ^ropl)cten auftat , nur ha^ immer in feinem mcd;felnben ^^oibcn^ fc^immer , in feiner >ßcrmanblungcn 3:'ruggeflimmcr er fid^ jeigtc fagcn; münbig , rebefünbig , mi§ig unb bünbig , jpifeig nnb fünbig ; -ben nimmef ein Unfall brachte in 9lot , bem immer ein ©infafl ftanb ju ßJcbot ; ber mit Sieben jeben befd^ömte unb fid^ n<ic^ ©cfallen allen bequemte."

^n füftlidjer Sßeife ocrftel)! ^Ibu Seib feinen neuen ^reunb ju narren, gleid); oicl mo fie fid^ befinbcn, unb maö fie beginnen, ©inmal fommen fie, nacf)bem "^ihn 5eib bie Sßorjüge einer grau unb ^lungfrau luftig gegcncinanber abgeroogcu, l;ungrig Dor ein 2)orf, mo 3Ibu Seiö fogleid^ einen jungen ^JDknn ausfragt: „58erfauft man ^ier etma '3lal)m für ein Epigramm? ßr fprad): "D^cin, bei @ott! Ober eine oc^ote für eine Obc? @r fprad^: SBafjrlid^ nein, bei (Sott! Cbcr ein gleifc^: gerid)t für ein ^reiögcbidljt? 6r fpradj: 9?ein, uerl;üle (Sott! Ober ©rü^e für SBi^e? 6r fprac^: 3)?it nid^ten, fc^meig, um (Sott! Dbcv eine 33rothume für eine $Hebeblume?" ®anj oermirrt fd^lic^li^ ber Jüngling „ben 9hiden manbte unb feineö SBegeö rannte", roorauf 3ibu Seib ju feinem ©cfal)rten fprad) : „9iun fiel^ft bu, bie Äunft ift am (Srblaffen i>on ibren 33cfc^ü^cru ucrlaffen .... Wn fällt ftn, f)\n bcin Sc^mert ju oerfcfeen." SBillig gibt .iQaretl; bin, unb 9tbu Seib reitet Dooon: „3cf) roartete erft eine SBeilc, bann fe|t' id^ ibm nad) in ©ile bo^ id) mar mie einer, bem im Sommer bie Tlxli} ausgegangen id) fonntc mcber if)n nodf) mein Se^mert erlangen."

92 ©rlku bt-r ffaiTiidjeti itiib rüimiittiictjen 2)ic^tung.

)aö qUcö ücnnng bnö 'öanb ber greunbjdjaft ntrfit ju jcrreipen )o giofe

£i

i|"t bei 3Qubcr, bcr pon 5Ibii Selb auögef)t. Scf)lie^arf) aber fc^eint ex alt unb gc- brectjlic^ feine 6ünben nbfc^roörcn unb fic^ bcm ^immel n)eit)cn ju njoUen: „iit fprad): 2q^ bcn ^Tob bir üor 3lugen fte^n; roir werben un§ i)kx nlc^t roieberfel)nl 2)0 uerlie^ id) it)n mit einem ^ränenflup unb Seufjerergu^ , unb ^a^ mat unjerer $öefanntfd)nft S(f)(u^."

9Kct)r fagt ber ^ic^ter nic^t; oiedei^t ift ber Übergang jur 9ie(igion jür ^hu Seib je^t einträglicher. 2Bir trauen biefem orientaüfc^en Sfieinefe gu(f)ö nic^t; fieljt €ö toi} am, alö [oute "Qa^^ ©ebi^t nur ein |c^icf[irf)eö, moralif^ n)oI)Uautenbeö (5nbe f)oben.

1)aö fc^önfte ber i>on ^Rudert übcrfe^ten Sßerfe ift „9t a l unb 3) a m a ; j Q n t i", eine (Spifobe bee altinbifc^en, im Sanffrit gefc^riebenen ©poö 3)ia()äbi)arata (4. ^t)b. i). 6(;r.). dM, ber @ot)n beö J^önigg SSirafena, roirb von ben ©öttern beauf; tragt, für fie um bie f^öne ©amajonti ju roerben, bie 5Co(^ter beö Äönigö 33ima, bie fic^ einen freier it)ät)(en foQ, unb uon 9ZaI bereitö geliebt roirb, ot)ne ba^ er fie je gefcf)en fjätte. ^amajanti aber u)ät)lt g?a[, ben ^oten, fetbft. 3)ic eiferfüc^tige ^ämonin ^ali aber feubet ben jungen ©atten Unheil: im SBürfelfpiel oerüert 3lal naä) fieben ^at)ren an feinen ^albbruber ^ufc^fara feinen gefamten ^efi^ unb ^ätte oieDeirf)!, üom böfen ©eift befeffen, auc^ :j)amajanti oerpfönbet, roenn biefe nic^t mit i^m in bie SBälbcr gef(ot)en märe, inbem fie ben SRacfenben unb \x6) fetbft in itjr ©enianb ijüHi. 2tber ^tal vermag ni^t, fie in fein Unglüd fiinabjujte^en. ^n ber ."^Öffnung, fie merk, menn fie it)n nic^t met)r fe^e, \i)n oergeffen unb ju i^rem SSater 5urücffef)ren, glaubt er i^r ein Dpfer ju bringen, inbem er fie roä^renb iljred Sc^himmcrö l)cim(id) oerlä^t. SBie fc^roer ibm baö mirb, roie er immer roieber ju ber Scl)(afenben äurücffel;rt, roei| ber 3)id)ter mit leuc^tenben garben ju malen. 2)oc^ lüie fel)r {)at fid) 9kt gctäufi^t SDamajanti miK nic^tö unb niemanb nie nur il)n fetbft l)aben:

5n§ nun gegangen ber ^önig 9ial,

©rioac^te fein fd)lummernb€§ ß^gema^l,

^majanti olleine

©djauernb im oben .<r>aine.

3§re 33Iide fud^ten ben ©otten

jDa, mo fie it)n öerlaffcn Ijatten,

Unb mie fie il^ ha md){ entberftcn,

•©anfen bie at)nunggef(^redten:

„G§ ift ein ©c^er^, ben bu trcibeft, 93?ein Siebfter! fpric^, Wo bu bleibeft? ©3 ift ein ©c^er^; o treibe 9?icf)t folrfKn ©c^erj mit beinern Söeibe! 3^ bin furc^tfam, o ftarfer Srieger, 3eige bic^ mir, o geinbbefieger! 3a bu ^eigeft birf), bu ^eigeft ©agc, mein gürft, loo bu f<i^h)eigeft? SBo bu im ^ü\d) bid; Derftcdeft, 3^0^ bu mic^ nerfeft, mid) erfc^redeft!

DRücfcrt« Übcrfciungcn. 03

Unb i)a\t bu böälid) mic^ üerlcffen

Unb fommft nid)t, tröflcnb bie ^anb miv ^u \ai\in,

©0 flag' \d) um mid^ fclbcr nic^t

Unb um nic^tä, ba§ mir gebricht;

Xod) bu allein, tüie wirb bir'§ fein?

Tlexn ^ütft! id) fkg' um bid^ allein.

hungrig, burftig, müb am ^benb,

^aumcämur^eln pm ^fü^le ^abenb,

SOZein ®clicbtev! loic mivb bir'§ ge^n,

2Bo beine Slugen mic^ nic^t fc^n

Unb icf) bir ineibe dorm ©eiftc fte^n!"

33on fincr Sdilouge rairb fie burc^ einen ^äger befreit, ber firf) ilir borauf mit argei* 33egicrbe nal}t unb fie begehrt,

X^ie glieber5art-it)ud)3ric^tige, S3olImonbangefic^tige, ©üDölbtaugcnbranenbogige, San ftlöci^lrf bemogige.

33ei i^rer flel)enben 33cfcf)mörung ber ©ötter jebod) finft er entfeett ju ^obcn „glcid> einem oom 33li^ getroffenen Stamme", ©c^tie^lid^ 6ommt fie ju il)rem 58atcr jurürf, roä^renb 5lal ber SBagenlenfer beö Königs 9?iturpQna mirb. Um ben 33erü)reneu Iicrbeijulocfen, Iä|t Damajanti nad) nier :^al)rcn jum jiDeitcn 3Jlale oerüinbigen, öap fte einen ©atten \mi)kn moHe. 3" "Oi^i^ SBerbung fteUt fic^ nun Stiturpana ein. 9Ilö 9?a(, ber if)n fäl;ri, feine beiben Äinber crfennt, oerrät er fid) burd; bie Sie^ie, mit ber er fte umarmt, roirb oon ^amajanti oorgeforbert,

Unb unter ber ®ötter|>aufen Schlägen

J^iel ein ftrömenbev Slumenregen

"toä) X-<3majanti, 9ial cvfalidenb,

Schrie auf, mit Firmen i^n umftridcnb:

„§cut ift bie ähJeite ®attenma^l,

Unb Xamaianti mä{)lt ben 9?al,

D mein öcmaf)!, mein ©räutigam,

0?imm beinc Sraut im 5^itmengram!"

Unb jDamajönti, miebcr in Öuft

)Ru^enb an i^re§ ®atten S3ruft,

SItmete mic bie S3himenau,

2Benn fie befnd)t ber S[)^orgeutnu.

Xa fangen leife, Icife

3lt>o 9?ac^tigallen bie STöeiic:

Vereint bem ©atleu, üb bie Xraucr legenb,

©cflillten 35>fl)§, baS S^n^ Don ®liid umfangen,

ÖJIänjt iöimag loc^ter, feinen Sunfc^ mcl)r Ijegenb,

Xer 9?ad^l gleid), bereu 9J?onb ift aufgegangen.

X)orouf geminnt 9]al dou g5ufd;fiira, ber ^^um ©anges pilgert, fein 9Reic^ jurücf.

Xro^ ber nieffad) gemagteu 2Bortbilbungcn ift biefeö tleinc ©poö mit SRcdjt «ines ber bcliebteften Stücfe ber beutfd}en Literatur geblieben : ^'Hüdcrt bat nic^t nur bie SBorte, foubern oft aixö) baö inbifdjc ©mpfinben uerbcntfdit.

94 (Krben ber tlaffi[d)en imb romantifd^en JJlcfitung.

uDie äweitc bem ^M^äh\)kxata entnommene ©pifobe „Bawxtxi" befingt ebenfaüö bic ©cittcntreue. eaiüitri, bic Xod)ter beö ^önigö Stöwapatt, reicht i^re ^anb tem 2aüawan, bem Sol)n eines cntt()ronten, blinben ilönigs, obraol)l fie roci^, Da^ er laut ©c^irfJQtöipruc^ in ^at)reöfrift fterbeu mu^. 3(I§ jebocf) ber ^obeögott tommt, fein Opfer ju I;oIcn, folgt fie il)m getreulich, fo ba^ er gerührt oerfpric^t, i^v oier ^Bitten ju erfüllen, nur bic um bog ßebeu i^reö ©attcn ni^t. 'Sa erbittet fie fid^ an le^tcr ©teHc einen ©tamm oon Söl)nen. 9ll§ er überliftet bie Sitte gcipöljrt ^at, fprict)t fie: .

SDu ^aft bie ®nabe fdhon ber ©ö^ne mir gegeben, ^IRit ei ngefcfjl offen »ar barin be^ Gkitten Seben.

D^n' i^n oermag iä) nidji ju leben, gib mir i^n! SSenn iä) mdji fterben foll, fannft "öw if)n nict)t cnt^ie^n.

Unb ber 2:obeggiott forgte gut für fie: fie gebar i^rem @emaf)l l)unbert ^inber.

3Iug beö ^erferö ?^irbufi Jlönigäbuc^ ftammt ,,3? o ft e m unb © u ^ r a h",

„eine §elbengefd;icl)te" in gmcilf SüdE)ern. 3Rüdertö ^nberungen gel)en ^ier meitev

qI§ bei ben beiben inbiftficn ®rääl)lungen. ^m ^elbenfampf tötet öer SSatet Sloftem

ben Sol)n ©ul)rab, o^ne ba| fie einonber oor^er erfennen. S^öblid; oermunbet fagt

ber junge Ärteger:

S)ic 9J?utter t)ot mic^ ^crgefanbt, ben 33ater ^ier 3u fud^en, meil er bort fo lang nidjt fam ju i§r. SDie ©pangc gab fie mir mit olB Grfennungljeic^n; 2)ie ©pange, bie er einft i^r gab, follf id^ i§m reii^en.

9l(ö nun ber $ßater fic^ i^m fdimerjerfüllt nennt, ba ftirbt er ganj getröftet:

®cn SSater, ob i§m fc^on oon i§m bie§ 2eib gefc^a^,

SDen er allein gefucfjt, ben ^att' er boc§ gefmiben,

Unb lag, mie er geträumt, Oon feinem ^rm ummunben.

Slüdert i)at l)eute noc^ nic^t bie ©teUung in ber Literatur, bie il^m gebührt. 3tber fie mirb il)m raerben. SBä^renb ^laten faft gar feinen ©influ^ auf baö neun^. 3el)nte 3al)rl)unbert ausgeübt Ijat unb nur menige anju5iel)cn oermag, Übt ber oiel= gefc^oltene SBortfünftler 9?üc!crt noc^ l)eute unter unö al§ einer ber unferen.

9. 3lbciacrt Uott ^^amtfjo.

ei)amiffo gcl;ört meber ju ben Haffifc^en noc^ ju ben romantifc^en 3)ic^tern. Con beiben aber rourbe oud; feine Sluffaffung unb fein fünftlerifc^er 2lnöbrud beftimmt.

3Im 30. Januar 1781 auf bem ©cf)lpffe 58oncourt bei ©t. 5)lenel)oulb in ber Gliampagne alö oierter ©ol)n geboren, rouc^ä Souiö 6l)arleä 3tbelaiöe, ber fic^ alö beutfd)er S)id)ter 5lbelbert nannte, in bem ganjen gjiac^tgefü^l unb llberflu| ber fran:= aöfifc^en 2lriftofratie vox ber 9fleüa)lution auf. 3)ennod; l)attc er nur trourige Grinnerungen an biefe Äinber^eit, er füllte fic^ unglüdlic^. 1790 fiel ba§ ©c^Io^ bei 3fieDolution jum Dpfcr, unb Die gamilie rettete fic^ über öie ©renae; fie lebte nad^=

:}(bet6ert pon C^amif^o. 95

ctnonber in Süttic^, im ^aaq, in S)üffclborf unb SBürjburg, unterhalten uon Den älteren 'Söt)nen, bie olö 3JJiniaturmaIer ©etb oerbicnten. ß^amiffoö Srüber fiepen ^i^polpt (1769—1841), Ambene (1771—1796), 6t)arleö (1774—1824) unb ©ußen, bcr ein ^otir jünger raar als er, feine ältere «S^iDcfter ^ie^ fiuife. ^^rubenö u)urbe 2:t)coIoge unb ^auölefjrer in 'öcrlin (im ^nufc T>utitre) unb ermirftc oon ^^riebrid) S5?iltjelm II. für feine ©Item unb ©efrf)n)ifter bie @rlaubniG, nac^ iöerlin überfiebeln ju bürfcn, wo ©ugen in baö ^abettenforpö eintrat. 2(bclbert mürbe bei ber Königin grieberifc £uife, bcr ©emotjUn griebric^ SBiltjclmö II,, ^age, rücfte 1798 jum götjnrid; unb 1801 jum Leutnant auf. ^n biefcm ^ai)X€ hi)xk feine ^amitie auf ©runb ber ©rtaubnis, bie SBonaparte a[% 5lonful ben Emigranten erteilte, na^ granf- rcid) jurücf. @r fclbft blieb in ^reu^en, obrool)l er mit feinem 58eruf unb bem burf= ttgen ©infommen menig jufrieben mar. 9lm liebftcn cerfenfte er firf) in feine Stubien. Seinen 33ruber ©ugen, ber erfranü mar unb batb barauf ftarb, brai^te er nat^ ^^ranf; rcid; gurücf.

^mmer beutlid)er crtannte (5l)amiffü, ^a'ip i^n ju bcm beutfctjcu ©eift jog. 93oitaire erfd^eint if)m atö ^ppue bcr franjöfifd)cn, ©exilier alö Xtjpuö ber beutfdien Literatur.

33ci bem S3anfier ©pl)raim lernte er bie 24iä§rigc ^^ranjöfin ß^reö ^uoernai) fcnncn, eine SBitme, bie i)kx ak^ ßrjieljerin tätig mar. ^ür fie entbrannte er in I)eftiger fieibenfc^aft, aber Jie mar, raie fie fagte, mit einem älmerifaner uerfproc^en unb ging balb nac^ 6l)amiffoc. förmlid)er SBcrbung, bie fie ableijute, nac^ ilönigäbcrg ju iljrem £ol;nc. 3lud; fie ic^eint il)n geliebt ju l)aben. Sie reifte fpäter na^ '^xanU reid^ jurücf unb traf in 33crlin mit ßl)amiffo jufnmmcn. „^d; fpeifte", berid^tet biefer, „obenbö allein bei il)r in il)rcm ^{ämmerlcin, brücftc Ijciligc ilüffe auf il)re Sippen." 2)ie 53ejiel)ungen ju ß^reö, auf ber irgenbein ©eljeimniö laftcn mod)te, laffen fiel) oljnc mcfentlic^c ^tnberungcn biö jum ^a^re 1809 ucrfülgcn.

2Ilö 3^id^tcr bcbientc fid; (S^amiffj) bis 1801 nur ber franjöfifdien ©prad^c. 1804 ermarb er in SBittenberg bie ^oftonüürbc. 3)iit 58arn^agen, ^oreff, ^i^ig unb anbcrn tat er fid) ju einem rid)tigen ®id)terbunbc, bcm D^orbftern, jufammen. SBon 1804 biö jum 33cginn beö gclbjugcö gab er aud) einen 2Rufenalmanad; l)erauö. Sein 2}iärd)en „5lbelbcrtö gabel" fanb großen 'öeifall. $icr feigen mir tlaffifd;en unb romantifdien ßinflu^ pcrcint. ©r felbft rül;mte ©oet^eö DJJärc^en unb Dlooalio' „Dfterbingen". 33on ber 33efd^äftigung ber S^iomantifer, bcfonberö j^ouqu^ö unb ^i?d6, mit 5ßolföbüd)ern unb SSolföfagen angeregt, begann er ein 2)rama „gortunat".

ällä er nad^ Scenbigung beö ungtüdlidien gelbjugo bie ©einigen in ^ariö befud)tc, fanb er feine Altern ni(^t mel)r unter ben Sebenben: bie 2)htttcr mar am 24, Cftobcr, ber 58atcr om 3. 9iooembcr 1806 gcftorben. @r fu^teauc^ ©^reö auf, bie il^n i)cx^l\ä) aufnahm unb mit il)ren ©Item unb ©cfc^miftcrn be!annt mad)te, aber il)m nad^ mie uor i^re jQanb oermeigerte: er Eonnte i^r ©e^cimniö nid)t crgrünben. 33on bem elterlid^en SSermögen fiel if)m je^t eine 3al)reörentc ron jucrft 200, fpäter 300 ^)^eic^Stalern ju.

Den längft erbetenen 3lbfc^ieb erhielt er nac^ ber 'SlMUtjx, bie im .^crbft 1807

96 (frbcn bei- flaffifc^f" i'"^ romautifc^cn ©id^tmig.

erfolgte, im Januar 1808. ^m 2a\)xt 1809 traf i^n ein \6)mxn Schlag: (^-reö iierl)eiriUeto fid) mit einem §crrn von 3)(ontCQrel, einem Beamten bcr fronjöfffc^n xHrmee in Spanien. Seitbem f)at er nie wieber etnmö Don it)r gcl;ört. ©r felbft lebte in Berlin, fn()Ito fid) aber einjam unb unglüdlid^. (Sine Beittang erraog er ben ''^Jlan, Sanbuiirt ju merben. 2)a erf)ie(t er burc^ bic SSeriüenbung feiner franjöfifc^en ^er= manbten einen 9inf an ein Spc^e. ^eboc^ aud) biefe Hoffnung jerfd^lug fic^, alö er in '^ariö anlangte.

2)nrd^ bie Vermittlung Sd^legelö, beffen $Biencr Vorlefungcn über bramatif(^€ Kunft unb Literatur er 5Uiammen mit ^elmina üon ©^659, ber ©nfelin ber Äorfc^in, inö granjöfifc^e übcrfcfecn follte, fam er 1810 im ^ntcreffc biefer Überfe^ung nad) (Stjaumont (an ber £oire) ^u %xüu üon Stael, Sci)legelg greunbin, bie er bann nuc^ nad^ %o'\\6 bei S3k)iö begleitete. 3llö fic jebod) nad) bem @rfc^einen il)reä 53uc^eö „De rAllemagne" nac^ ßoppet flüchten mu^te, ging er 5unö^ft für ben äßinter ju il)rcm Jreunbe, bem ^röfcftcn 33arante, in ber Stabt 3'^apol6on, unb erft int 2tpril 1811 traf er in ßoppet ein. ^iefeö 58er^ältniö löfte fid^, al§ grau uon (Stael im 3)?ai 1812 nad^ SBien flüd^tete. ©ie f)atte ßljamiffo fd)ä^en unb lieben gelernt („J'ai appris ä l'estimer et ä l'aimer comme un des hommes les meilleurs et les plus ^clairC'S que Ton puisse rencontrer dans ce monde." Sin ^elmino o. S^ej^, 22. 5. 1812.)

^n %o\\e Ijotte iljn fein ^r^inü) .^arfc^er aufgeforbert, mit i^m in §atlc "ü^ebiäin unb ?}aturu)iffeu)d;aft 5U ftubieren. ^n ©oppet roo er nac^ grau von otaelö 9lbreife nod) immer lebte muffe man nid)t ©nglifd;, fonbern 33otani£ treiben, fc^rieb i^m bnmalö ein anberer greunb ©elogope. „^aö mar mir an» fd)auUc^, unb id^ tat alfo", äußerte (£t)amiffo nod; 1835 in Erinnerung l;ieran. '^m 3luguft 1812 roanberte er burc^ bie Sdiroeij ba^j 9?^onetal aufroärtö jum ©ott^arb, bann burd) bas 3^euptal über ben 58ierroalbftätter uiiD ^üridjer See waä) Sd)affl;aufen. "^aö) ber 3tnfunft in ^Berlin begann er fogleid; feine oorbereitenben 3trbeiten Don (Soppet alö Stubiofuö ber 9J^ebiäin fortäufe^cn. 3{uf äal)lreic^en Sßanberungcn oei^ mehrte er feine ol)nebieö fc^on reid)e ^flanjenfammlung. ^n aUebem mar er üöUig unbefümmert um haö Urteil ber anbern; auc^ in feinem 2tu^eren unb feinem ^öu6= liefen 3:reiben mar er gan^ unabhängig non bem, maö roo^l anbere meinen mochten. C^pifteö SBort: „^u mu^t entroeber beiner Seele leben ober ber SBelt" mar ber Stern, ber aud) il)m bei allen feinen ^anblungen leuchtete.

Xer 3ufammenbruc^ 3^apoleonö unb ber Sefreiungöfricg ftörten biefe ftiHeix Stubien. i'luf bem ©ut ber gamilie S^enpli^ bei Äuneröborf, wo er alö granjofc non ©eburt fic^ bamit begnügte, ben £anbfturm eiujucjreräieren unb im übrigen bic gräflid)en 5linber jn unterrid)ten, fc^tc er gleirf)moljl feine botanifc^en 3Irbeiten fort, ^n biefer 3eit ober entftanb auc^ „^ e t e r S c^ l c m i t) 1 6 ro u n b e r f 0 m e @ c = f d) i d) t e", jene präd)tige Grjät)lung oon einem 9[)knne, ben ber Sööfe babure^ ru^e^ unb glüdloö mad)t, ta'^ er i^m ben Schatten abfauft. ein folc^er mam mar ja auc^ (Sf)amiffo fclbft: fern bem 5ßaterlanbe, ber gamilie, bem $ßerftänbniö ber W\U unD ©leid)geborenen, ging er einfam burd) bic Sffielt, biömeilen roie Sd^lemif)l mit ©lebcn^ meilenftiefcln unb immer oi)m jenen Sd)atten, ben felbft ber (Seringfte in feinem

Stbelbert Don (ifjamifjo. i^7

)l5ütcr(anDe bcfi^t. ^ovtuiiato fölürfojäcfleiii Ijattc ü^n literariid) ja jd)ou frül)ei- be= ]d)(iftigt. Sc^lcnüt)lö HleiDuiig, Sotanificrtrommel unb ^abafepfeife cntfpred)cn 90115 Dem äußeren 53i(bc, bao unö dou bem ^idjtcr überliefert ift. Sc^lcniit)(ö Wiener Sciibcl \)at ben Flamen doii (£^nmi[]üö Cffiäicröburjc^cn, Den 6i)Qratter bcr Xrcuc üüii .s^i^ig geerbt. ^11 3}iina tawn mau c'^elmiua uon 6l)e5i) bem ^^iameu nad) erraten, ^n einem 'Brief an ^riniuö uom 11. '^(pril 1829 crjäblt bcr 'I)id)teiv Töie er ju bem Sd)attenmotiii gefommen fei: er ^atte auf einer ä^teife aUe beroegtic^c ^abt üerlorcn unb murbc Darauf uon giouque gefragt, ob er uirf)t etraa auc^ feinen 3c{)atten nerioren ijcibc. darauf matte er fid) bie ?>-o(gen eines fütcf)en 'Iserlufteö aiK^ 3Jiit ^ouque blätterte er auc^ einmal in einem 33uc^e 3Iugnft Safontaineö (ni(^t beö frauäöfifdien gabclbid)terc-), ber 1831 in ^allc ftarb, unb fanb barin, tia^ „ein fel)r gefälliger 9}iann in einer ®cfellfd)aft allerlei aus Der Tafd)e ^og, uhK' eben gcforDcrt irurbe 16) meinte, menn man bem 5lerl ein gut äöort gäbe, jöge er uorf) ^^ferD uuD Söagcn a\i(i ber iafdjc". l^a^n treten nod; auDere Quellen, ^iccfö ''^l)antafuö lieferte bie Siebenmeilenftiefel, 3trnimö ^louelle „,'3fabeüa oou Stgijpten" bie ^JUrauumur^el, eine 6rääl)lnng J-ouquec M^j G>algcnmäniilein unD @rimmelöl)aufen Das unfid)tbar mad;enbe )l>ogelneft. 1)en ^Rauten Dec gelben erflärt um §eine im Dritten -ßu6) bec „^tomanjero" (4. ©ebic^t uon „.^etjubal) ben ."galeot)")/ beutlid)er aber noc^ 6l)amiffo felbft in einem 'Brief uom 17. liBJärj 1821 an feinen "öruber §ippoti;i: „3d)lemiljl ober beffer ^6)kn\id ift ein tjebräifd^er 9^anie uni) bebeutet ©ottlieb, Xl)eop^il ober aiui^ de dieu. ^ieö ift in ber geroöl)nlid)en Sprad;e bcr ^uben bie Benennung uon ungefd;ictten unb unglndlid)en Seuten, bencu nid;tö in ber 9öelt gelingt . . . Sd)lemibi, Deffen 9iamc fprid;iui3rtlicl) gemorbeu, ift eine "^erfon, oon bcr ber ^almub folgeuDc (>)cfc^id)te erjöl)lt: 6r l)atte Umgang mit ber g^rau eines Sfiobbi, läpt fic^ babei ei: tappen unb roirb getötet! Sie ßrlöuterung fteUt ta^i Unglücf biefcö oc^lcmiljl ins £id)t, bcr fo teuer ha^i, maö jebem auberu Ijingcbt, bcjal)len mu^." Ter „Sd)lemil;l" ift 6l)amiffoö 3elbftbiograpf)ie in ^]iJiärd)cnform.

1814 fef)rte ber Tid)ter nad; 53crlin jurürf, 3Its ber neue Söaffeulärm bcö ^al;rcö 1815 ertönte unb miebcr gegen Jranfreid), lae (El)amiffo in ber 3<^itung »on einer ruffifc^eu SfiorbpobejrpcDition. „^^d) moEte", fagte er ju feinem ^reunbe ^i^ig, „id) märe mit biefen ^iuffen am ^iorbpot." ^atfä(^lid) erlangte er barauf mit Jöilfe beö J^reunbcö bie Stelle Dco 3^aturforfd)erö auf biefer (Sypcbition, nai^bem ^^rofeffor Sebebour jurüdgetreten mar. Tic ciugereictjten S'-'ii^i'iff'-' genügten. '^Im 15. ^uli 1815 ful)r ß^amiffo oon SScrlin nad) öamburg, am 17. 3(uguft' ftad) Die uon Dem ilapitön Don ilo^ebue, bem SoE)ne beö Xid)terö, gefüf)rtc Srigg in ©cc. Tic ?5al)rt ging über 'ipitjmoutl), Teneriffa, 33rafilien, itap §orn, (S^ile, bie melti)erlaffenc*5nfel Salaö X) ©omej, bie ben Tid^ter gu ber ergreifenben ?Robinfonabe in Terminen anregte, £amtfd)attc, iHlasfa, ^<ilifornicn, bie '3anbmid);^nfeln, .Svarolincn unb fd)liep: lid), ba bie cigcntlid)e '^(ürbpol=Gppebition megen Srfranfung beö i^apitäno balb auf= gegeben mcrbeu mnptc, über 5Ranila, i>a(} Ra\> Der föuten .^Öffnung unb 3t. .'pelcnn nad) '^jJetercburg ,^urüc!. Gbnniiffo l}at bie r)icife gefd)ilbert unter bem Titel '7i e i f c um bie 2Belt mit t>er iJiomanjoffifc^en (S'ntoedutigö^ßypebition 1815 181S auf

Dcbifc, Tic beiiifdic Literatur feit 9oeti)c4 Zobc iifiu. 7

98 iixhcn bcr riaffifd^cn imb romantifcf)cn S)id)tung.

ber Srigg äiurif, Kapitän Dtto Don Äofecbue. (Alfter %c\l: Sagebud). Breiter %c\l: ^emcrhmgeii imb 9In)ic^ten/' ^eic^e loiffenfc^Qftnc^c 9Xuöbcute brockte (Sfiomiffü ^eim, baneben an<i) fo frcuiiblic^^menfc^Iicf;c ©ritinerungen roie bie on ben 3fiobafer ©ingeborenen i^ahii. 3)iit bem Kapitän bagegen, ber 1821 feine 9Seifcbef^reibung jujominen mit ©fjQmiffoö „33emer!ungen unb 3lnfi(^ten" oeröffentli^te, ftonb er auf gejpanntem gu|e.

1819 rourbe er üon ber 33erliner Uniüerfttät jum e{)renboftor unb t>on ber ©efeüfc^aft ber noturforfc^enben greunt>e jum SDiitgliebe ernannt, atuferbem erhielt er eine änfteEung alö 3Ibjun!t am 33otauifd)en ©arten, ^amalö I)eirotete fein ^Jrcunb gieumann, unb ^i^ig fogar jum jmeiten Wilak. ^ü6) oon ®e la %ox) traf eine SSermäfilungöanjelge ein. G^amiffo führte je^t ebenfatts bie 18idt)rige 3lntünie ^iafte, bie mit ^ifeigä Xod)ter aufgerooc^f^n mar, aU ©ottin ^cim (25. September 1819). ©ie l^atte alö ^inb oft genug auf feinen Änien gefeffen, um fi^ üon i^m 9)cürdE)en ergöl^ten ju laffen. 2(u§ biefem jungen ®iM ergab [id; üon felbft ber ©toff 3U bem munberooEen Sieberjpfluö „grauenliebe unb =Ieben". ©ine gro|e ^inberfc^ar roudiö ifjm aUmä^lic^ ^eran. 5Rei^e Slnregungen fanb er in ber 1824 pon .^i^ig gegrünbeten 9Jiittrcod^ögefeIIfd^aftr ber SSarn^agen, ^onqu6, gieumonn, ^ii^i^ß'-"- mann, 2(d^im o. Hrnim, ©id^enborff, 2BiIf)efm 2JiüIIer, S^abom, ©imrod, .^oltci, ü. b. §ogen unb $egel angehörten.

@ine ©ntfd^öbigung üon 100 000 ^ranfcn, bie üou ber franjöfifc^en ^Regierung für i^n aU Emigranten bewilligt rourbc, rief i^n 1825 nad^ ^ariö, nw er mit feiner Si^mefter, bie feit i^rer 58erl^eiratung auf einem ®ut bei ^ari§ lebte, unb mit bem allein nod^ lebenben trüber .^ippolpt ein SBicberfe^en feierte, '^ai) ber 9fiüdfef)r be= tätigte er fic^ ftärfer Itjrifc^. ^n biefer ^eit entftanben nid^t nur bie ft^cin oor^in genannten ^ic^tungen „^a§ ©djlo^ Soncourt" (1827), „^ala& i) ©omeg" unb „f^rauenliebe unb kleben", fonbern aud^ „^ie Söroenbraut", ® i e S o n n c b r i n g t eSanbenSTag", „Söurg Stiebed", „tüffen miO i^, icb miß füffen", „^a§ (Bcbd ber SBitrae" unb „$Die alte SSofd^frau" (1833). ^m ^a^u 1830 bcfuc^te er eine 3f?aturforf(|erücrfammIung in Hamburg, mo er gugleid^ mit feiner alten ^^reunbin 9?ofa 2Jlaria Slffing, SSarntjagene ©c^mefter, unb einige ©tunbcn aud^ mit Jpeine in einem 3(ufternfeIIer jufammen mor. 1831 erfc^ien bie erfte ©ammluug feiner ©ebic^te. ©r^eblicl beeinflußten i^n jefet bei ber SBo^I ber 30totiüe unb ifirer Formgebung Urlaub unb S^ranger.

3J?it Subcl begrüßte er 1830 bie frangöfifc^c ^uü^SRcüolntion. 1832 übernahm er atö Herausgeber ben „^eutfd;en 3JiufenaImana(^", bem in jebem ^jal^re ba§ 33itbni§ eines ^ic^terg üorangefteHt mürbe. 9I(ö .feines ^ilb 1836 an bie 3Rei^e fam, fünbigten bie ©c^roaben, Ublanb an ber ©pi^e, 6f)amiffo bie ©efolgfc^aft, ließen fic^ jeboc^ auf& neue gcrainnen. .^einc aber rö^tc fic^ b\n6) bie teftamentarifd^en SSerfe:

Gin treue§ 5lb6ilb öon meinem <S>

^exmaä) iä) ber ©t^toäbifd^en ©djulc; id) meiß, 3§r iDoÖtet mein ©efic^t ni^t ^ben, 9?un fönnt i^r cm ©egentcil tuä) loben.

5h>iUibalb OTcfiö imb nnbevc Qxi'cn bcy flaffifc^cn iinb romontifcljcri ©cifle^. 99

©cit 1832 begann ber S)ic^tev infolge fjartiiädigen .^iiftt'nä bauernb ju fcäiu fein, ^n ber nun folgenben ^e'ü birfitete er mit r^fignierter ®on!bar!elt gegen bie 5ßorfef)ung „2)ie treuäfc^au" (1834). ^ic «pellfroft ber 33äber oon (Sreif§= roalb unb 9?einerä üon roo auä er bie Subcten mit ber Sc^neefoppe befuc^to i)ali nur üorüberge^enb. 5Da traf if)n ein unennarteiev 'Sd^Iög: 3(ntonie erlag am 21. 3Kai 1837 einem Slutfturj im 3(Iter con 36 ^af)ren. ^e^t ging auc^ mit i^m rafd^ ju ©nbc. 1838 naf)ni er ben 3lbfd;ieb, ber if)m mit ooUem ©e^alt bcroilligt mürbe. ®ü§ mar am 4. 3(ngnft. 3tm 16. fiel er in ^l^antafien, bie il^n in feine ilinbbeit unb narf) SSoncourt äurüdfül)rten. Mm 21. 3tuguft ijt er geftotben,

Überblicfen mir fein Sebenswerf, \o finben mir junäcf^ft alö 'Qai ©rftaunlic^fte an biefem (^^ranjofen eine 3fleinf)eit ber beutfc^en Sprarfje, bie uorbilblic^ roirft. ^ie ®ef^Ioffen{)eit ber ^orm trennt \^n oon ben 3^omanti!crn/ mit bcnen i^n im übrigen 10 oieles oerbinbet. @r mar feiner unferer @rö|teu, aber l^innigfeit unb 3eini)eit beö ©mpfinbenä finb in feiner ^rofa raie in feiner '^^oefie ^u ^aufc.

Q:t mar ein 2)tenfc^ beä ruf)igen, ibgüift^en 2ebenö, munbcrlic^/ raie man fagte, unb mie 3f?ü(iert fein {^reunb beö ©alont-. @erabc be§t)alb aber mögen biefe beiben baä beutf^e SBefen fo anfprec^en unb ju fic^ f)eranjicf|en.

SBaö mir üon ß^amiffoö ^oefic fenncn, i)at firfj unö fd^on in unferer erftcn !3ug€nb eingeprögt, unb ma^j fii^ unö t>on if)ni ni^t eingeprägt fjat, basi braud^en mir grö^tenteilö ouc^ nid^t ju fennen. Sticht feine SJBerfe a(ö fof^e follen fo fc^mcr^in bie SBagfc^ale, mit ber ^aä neunje^ntc 3af)r^unberl fünftlerif^e SBcrte ma^, fonbem if^^ 2Bie, ber 2^on, in bem fie gefagt, bie (Sebärbe, mit ber fie bargeboten mürben : licbreic^, berjli^, befc^eiben unb ungefc^idt mic oon einem unbcf^oifenen Äinbe. Unb ein Äin^ nic^t nur ber Siteratur ift er geblieben, ber Sänger beö heimatlichen S^loffeä Son- court, in ha^ er fic^ biö in feine legten ^agc hinein juriidgcträumt/ "oa?» er mit beutfd^er i?iebe, mit bem ftiflen ^Beinen einer finblirfien Seele gcfegnet ^öt:

So fte^^ft bu, 0 (5<^Io^ meiner 3Säter, Sei fntc^tbar, o teurer Söoben,

9Kir treu unb feft in bem (Sinn j 3^^ 1^3"^ ^i<^ i'"^^ ""^ ffcrii^tt,

Unb bift bon ber (ärbc öcrfc^ounben, l Unb fegn' i^u ^miefac^, toer immer

^ex ^flug ge^t über btc^ f)in. | Xen ^flug nun über bi^ fü^rt.

"^d) aber miU auf mic^ raffen, 5D?ein Saitcnfpiel in ber ^an\i, Xie 25?eiten ber ©rbc burc|f(f)meifen Unb fingen dpu 2onb ,^u 2.anb.

10, *S5itaibö(Ö 3l(ett§ «IIb anbcrc (SvUu öc§ Kajfift^cn «tib xomaniMtn Reifte«.

2Bic Si)amiffo ftamnite auc^ 3Ue3:iö au§ einer franjöfifd^en emigrontenfamilie, beren 9lame urjprünglic^ .»garenc, in Xcutfc^fanb .^äring mar. ®a gering lateinifc^ alec ^ei^t, rourbc bem jungen SB i I f) e I m .^ ä r i n g in feiner ©tubcntenoerbinbung ba§ ^feubonijm Sffiillibaib 9Ifeyi? ^utcif, bag er bann aud^ oI§ St^riftflellcr beibehielt.

100 StOcii ^Cl• flrtllifrijeii lm^ roinaiitifdjeti 2)id)tuii9.

iviiic lücitcvc 5yc5icl)ini9 511 61)aiuii|o bietet ficf) burd) beffen greitnb (gbuarb .«pi^ig bar, mit bem ^Ucfio 1842 t)cn „3Ieiic)i ^:pitQrnr' f)cvnuögab.

. 5t[ericv niitvbc am 29. ^uiii 1798 in SSwölau geboren. 1815 mact)te er atö g-reiiüiaigcr ben ^yclbgug mit. ©eit 1817 ftubierte er ^uro in Berlin, bann in S3reälan. llö i^ammergcrid;törefercnbar nerlie^ er bic ^camtcntaufbatjn, um firf) ganj feineu fd)riftftcacrif(f)cu arbeiten ju roibmcn. 1827 begrünbete er mit griebrit^ görftcr M<i berliner i^onuerfatioueblntt, baö er 1830 mit bem „freimütigen" uereinte unh biö 1835 leitete. 31uq ®c)uub^eitörüc!firf)ten fiebelte er 1852 in ha^ ftille 3(ru[tabt, bie ,§eimatftabt un^ ben 2Bo()uort ber 3)lnr{itt, über, luo er fc^tie^(idE) erbliubete unb am 16.®e§ember 1871 ftarb.

SKleyis ging uon ber eng{ifd;en ^liomantif aus. Sein erfteö 3[5orbirb mar Sßalter Scott, unter bcfjen Flamen er („frei nad^ bem ©nglifc^eu beö Sßolter Scott") bie ^Romane „SBattabmor" (1823) unb „Sd;Io^ Sloalon" (1827) ueröffentüditc. ^n 3eitfc^rifteu unb S^agebü^ern erfc^ieu uon il;m eine 9fieit)e t)on SflooeHen, bic 1830/31 aiö „©cfammeltc 9^oueEen" üier unb 1836 als „9^eue S^oüelleu" meiterc sroei Sänbe füttteu. Sfud^ gficiiefc^ilberungen gab er I)erau8. SSou ben wenig befannteu ^J^omonen biefer 3eit feien „"Sag ^üm ©üfterTOcg" (1835) unb „Brcölf 5Rä^te" (1838) genannt, in bencn fi^ Jbereitö ber ©influ^ beö jungen 2)eutfc^Ianb geigt.

Sein eigenttid^eö ©ebiet betrat ^(lejiiö mit Sfiomanen auö ber branbenburgi:^ fcben ©efdiid^tc. Starf romantifd) ift ber 3fiomon (5 n b a n i ö " (1832), in bem ber 3)id^ter, gum ^eit nad^ perföulic^en ^vugenberinnerungen, ein f)übfd)eö ^ilb üou Berlin entwirft, freitid) aus einer boc^ fc^on uiet früf)eren ^^'t ber beö großen Svi)nigä mät)= renb feiner erften, ^Regierung. 'J)er §c(b beö 9totnanö aber, (gticnne, nereinigt in fid) bcreitö bie Stimmungen unb ^bcale ber Siomantif mit beuen bes jungen ^eutfd)laub. ©enanut ift ber 9loman nai^ bem SJJarquie. üou (Sabaniö, einem Driginai, baö in bei Literatur nic^t feineeg(eid)en f)at in feiner 3[>ereiuigung non ^bantaftif, @efd)mä^igfeit, Gt)rüebe, ®efpreiätt)cit unb ©utmütigfcit. ^n biefem 9ftontan begann ferner gum erften^ mal bie märfifdpe Sanbfd;aft ficib barüber f(ar 5U roerben, roic fct)ön fie fei mit ibren fdiroermütigen liefern, SBeibeu unb gjtoofen, mit i^rer gangen Sonberli(^!eit unb Sanbigfeit. 3I[eyiö ift eö, ber uor j^ontanc bic 50tarf öftbetif^ entbecft f)at ol)nt i()n au(^ fein Seiftifoml

31U Äunftraerf ftcl)t oiel t)ül)er als ber bod) red^t gerfloffene Sabaniö-Stoman „2) e r 9? 0 1 a n b u 0 n S c r li n" (1840), in bem fi(^ um ben ^arnpf Serlin--,^öanö unter ber ^üljrung bes ^Bürgermeifterö 3tatbenom gegen ben Slurfürfteu ^riebricE) ben (Sifernen I}anbelt, ba biefer bie alten Stabtred^te aufgebt, ^er J^urfürft fiegt: ber fteinernc Stolanb, baö 2ßabrjeicE)cn ber Serbftt)crr(id)feit ^öerline, roirb burd) bic ©äffen gefd)feift unb in bie Spree geftürgt. ®ine neue ungeahnte ^c\t tut fid^ uor bem alten Sürgermciftct auf, ber einft .^enuing gjfollncr besbatb, meil er fein ^atrigicr ift, bie .^anb feiner Xoditet oertüeigert i)ai mit bem ^iugufügen, fie tonne if)m ebenfomenig an gc{)örcn, wie ber fteinernc ^olanb uon Seriin burd; bie Strafen fpagicreu fönne.

3Ricbt fo cini^citlid) unb nnrfungöuott, aber in ber 5(uffaffung uicf tiefer, im "ituöbrud ebler ift ber näd)fte 3ioman ® c r f a ( f d) c a f b e m a r " (1842). ßö

iöiflibalb 2(fcri-5 imb anbcie ßrbcn bei flaffifc^en itnb vouiantiic^cn (^eiftci?. 101

()anbelt )i6) f)ier um öoö alte ^emetriuö^^roblem. ©in 9)iüUerfnc(^t uamcnö "^atob i)vel)- bocf fiüjlt bie J^raft uiiD 2BciJ)e in ]\d), bcv bcbrängtcu 3JJarE 53r.anöenburg um bie2Jiitte beö Dicr§ci)uten ^a^rljunbertö bnburc^ ju ^ilfe ju eilen, bap- er fic^ für ben legten e^ürften auö bem ^nnfe 33aUenftcbt ausgibt, SBalbemar, ^Dtarftjrafen DOii 33ranbenburf^, Der 1319 geftorben mar. 2)icjcr falfc^c SSalbcmar ift. eine Ijiftürijdjc '^erfönliclifcit : lüirllic^ qab fiel) 1348 ein ^ilgtr, jcineö ^cidjcw^ ::WüUcr ober Sädcr, für ben toten 'Ißalbemar aut^, murbc nou £arl IV. ancrfannt, ober non il)m am 6. 3lpril 1350 für einen 33etrüger crtlärt, roorauf er am 10. 3Jki 1355 ber ^crrfcfiaft cutjagte. 1356 ift er in ^effau geftorben. Slleyiö oerftel)t nun, biefer bnnllcn ©eftalt ßeben unb ^arbe ju geben. T)cr falfc^e SBalbcmar täujcl;t uidjt nur mit ooHcnbetcr ,^unft bic 3^ürften, Sifc^öfc unb Ferren, .obrool)l er felbft junäc^ft nur aU ^ü\>\k ,in ben ."Qänben oon Intriganten üorgcfc^oben mirb, fonbcrn ift and; oon ber .^ciligf'eit. feiner Senbung überzeugt unD geigt fid) feiner gefamten Umgebung überlegen, biö il)n fein aHju über- l)eblirf)eö oelbftbemu|tfein non ber ^öljc l^erabftürät. llnb inmitten beö ^riegö= getümmelö fef)en rair mieber Die märfifd^c Sanbfd^aft in il)rer f)erben 3d)bnl)eit ftitt unb flar oor unö liegen. "Der ^irf)tcr füljrt un^j in bie halber, in benen ed)t roman- tifd^ nacf) ber 3lrt SBalter Scottg ?^ürften mic ber junge SBalbemar oon 3lni)olt ein 'JJitter; unb SWuberleben füljrcn, in bie flcinen unb großen Stöbte, in benen fid; bie Bürger mit bem rittcrlid^en 3lbct auseinanberfefecn, in bic Dörfer, in benen fidb ein flüd^tenbcö (S'bclfräulcin non einem ®d)miebclnerf;t, i^rem fpöt^ren @cmal)l unb bc5, mirflidien Sßalbemar natürlid^em 3ol)n, ha§> ^fcrb befd)lagen lä^i, in bic .Slircben, in Denen fanatif(^c 3J?önd;c im Ijcimlic^cn ^ienft poIitifd)er Intriganten prcbigcn, an bic .§öfe ber dürften unb Sifc^öfc, in t^a^^ §eim beö jurüc!gc,;5ogencu ©lüd'ö. ©in ©cmälbe beö beutfd)en '^Jcittclalterö ift es, M^y nun fo meit f)inter ung liegt,, ba?'' unö aber in ber "üRarf Söranbenburg nur bei 3lleyic. fo pröc^tig entgegentritt.

3u Stleyiö' beftcn 3f?omanen geljört bic nncberum branbenburgifdK @efd)ic^te non ben „.^ofcn beö §errn oon 23reboro" (1846). 2^iefe .^ofcn, am ölenöl)aut gegerbt, fini> bem e^rtic^en, berb^fräftigcn .<pcrrn ©ottfricb oon SrcDou) auf .V)ol)cnj^ia^ unentbel)rlic^. 9]od) mcnigcr cntbel;rlid) ift i^ni frcilid) feine @attin, oiellcid^t bie lebenö; unb loirfUd^feitoreidjfte oou aEcn ßeftalten, bie ber ^id;ter gefd;affcn l)at. 5^rau oon 33rebon) ift hm 5Jtufter einer .'pauöfrau, uorbilbticQ bei ber großen 2öäfrf)C mie bei ber Säuberung bcö .^anfeo, babci fing, rebcgcmanbt, Uebonoll unb gut. 9Bir befinben unö im 3lnfang bcö fe(^ä^l)nten ^snl)rl)unbcrtö unter ber ^icgicrung bcö ^ur= fürften ^oac^im, alö hai 5Raubrittertum nod} immer nidit oöllig am ber gjJorf oer= fc^munben mar. ^ie <^ofcn Oeö .^errn oon 33rebon) bezeugen baö: ber ilrämcr, ber fic bei ber großen .öcrbftnuifdjc fticl}(t, mirb uon bem Dritter oou l''inbenbcig, ^5oad)imö <Sünftling, ber ©cifecnö l'lKiftung angelegt bat, überfaUen. t35öfe, ber ingioifdicn bic •Öofcn miebcrcrlangt bat, fommt baMird) in ben $?crbad)t ber Täterfrf)aft unb mirb gefangen abgeführt, biö ber ilurfürft ben mirflidicn Strapenräuber Durrf) tm 3cngniö beö ^rämerö tcnnen lernt unb Rängen lä^t. Xic ?volgc ift eine löcrfdmuirung beö :'lbelö gegen ^oariiim, auf Die firf) and-) ®öfc, nnerfättlidi im ßffcn unb Trinfen, im !Waufcf)e einläBt. 31h Dem geplanten Übcrfaü fanii er iiid)t teilncbmen, ba ibm

102 erDen bcv ftaffifd^cn imb lomantifc^en ®id)tiiiig.

feine getreue .^auöfrau bic ^ofen, oöne bie er nichts üermag, lücggenommen ^at UnD ijl ein ®(ürf für \i)n, ba^^ er iitc^t in ber Soge ift, bie fpöttifc^e SBarnung ber 3Scr= ft^roörcr „^o6)'mUn, \)ük bi, Kriegen roi bi, fo fangen roi bi", wdt)X ju mod^en, benn bie beteiligten Flitter rccrbcu gefangen unb gef)ängt. ©ö| aber, ha er beim (Sriüac^eu ftatt feiner ^ofcn, Mc feine «^rau aU S3eroeiö feiner ©c^nlblofigfeit bem Äurfürften äu berfelben ^eit jeigcn lä^t, nur einen tei^ befe^ten %\\(i) finbet mit 33ier, 3Kett) unb 3)MIüQfiet, fc^föft naä) bem reichen gJlot)l roiebcr ein unb bann ift mit ber ©efa^r oorbci. ®cr unfcbcinbare STitel beö Siomonö lä^t nic^t al^nen, raie reiche ^ul. turbitber fid^ ha entrollen.

S)ic «^ortfefeung biefer ^anblung liefert 3nefiö' näc^fter 9^omon, „^er 2Ber = roolf" (1848): mit biefem SBort, baö bem StbergXaubcn jener 3eit entnommen ift, mirb ber fc^limme ©cift bauernben Unfriebeng bejeic^net, ber unter ber weiteten ^errfc^oft beö Äurfürjlen oon ber 9Rart Sefife ergreift, ^oarfiim, fo geifteöflar er ouc^ ift, roiber^ fte^t ber 9fteformation unb roirb fc^lie^lici^ uon atten, aud^ feiner ©ematitin, bie fic^ gur neuen £e^re befcnnt, uertoffcn. ®ie §ofen be§ ^errn öon ^rebom, einft ein ©pmbot bcö iei(§, roerben nun ©ö^enö ©c^miegcrfolin ^anä Jürgen gum Unheil. Unoeronbert aber mabrt bie atte grau uon ^rebom iJ)ren d^axatkx unb bie ß^re t^reö ^oufeö.

1852 erfc^ien ber Jlomon „9lut;e ift bie erfte Bürgerpflicht", beffen %{td ber berüchtigte ©c^lu^fa^ ber ^roftamation bes SJiinifterä (Scf)u(enburg= Äel^nert an bic Bürger Bertinö nac^ ber ©c^tac^t bei ^iiia bilbet. 1854 folgte ber 9?oman ^ f e g r i m m ", ber un§ auö Berlin fort auf baö fkdlie Sanb ju ben mär!i= fd^en B<iucrn unb bem ^unfer ^fcgrimm ful)rt unb, alg gortfefeung oon „'3ini)c ift bie erfte Bürgerpflid^t", ein Bilb oon ber ^^ronjofenlierrfc^nft entmirft. ©er 9lomon „%oxot\)ea" (1856) uerfefet uns in bie ^dt bes ©ro^en 5lurfürften, ber fi^ 1668 mit 5Dorott)ea, geborenen (1636) ^ringcffin oon (Slndöburg, ber frütieren @emal)lin Des ^erjogs oon Süneburg, ebenf^iUö in ^meiter 6§e, ocrmä^lte.

ätleyis erinnert in einer Begie^ung an ßonrab gerbinanb 3Jiei)er, mit beffen feinen 3Kiniaturen feine breiten ^infclftric^c im übrigen fid^ menig ucrg(ei(^en laffen: er fielet über bem (Segcnftanbc. ©o fommt es, ba^ eine geioiffe 5lälte allen feinen 3fiomanen eigen ift. ©erabe raeil feine SBcrfe fo auöge^cid;nete ^ulturbilber finb, tritt un§ ber ©ic^ter burc^ §er§enSflänge unb ©timmungen nur feiten ndt)er. S^lur baö bel)aglid^e norbbeutfdlie Sßefen urnfpinnt unö mit eigenartigem B^u^'^^^ &iö ins ^nnerftc. §ier ergreift, ja pacEt uns biefer erjö^lcr auö oltbranbenburgifd^en Sagen. ®er 3"9en^ ^i^^ er niemals bosfclbc fein unb fagcn fönnen mie §auffö „Siclitenftein" ober ©d^effels „©ffe^arb", SBerfe, beren l^iftorifrf;e Bebeutung gleid)iuo^( oon ber feiner 9tomane er; reicf)t, mcnn nid^t übertroffen mirb. 3l6er er mucljö ant^ einer anbern ^unft t)erauS: ber SBalter ©cotts, unb aus einem nnbern Bobcn: ©c^cffet fou)ol)l mie §auff maren ©übbeutfc^e unb ranttcn iljre ^bantafien um bie fd^irabifdien Burgen. Unb es ift bod^ ctrcas anberes, ber £anbfc^aft, ben Bcmotinern m\h ber ®ef(^icf)te beö BobenfeeS unb ber g^elfenburgen gercdlit ju mcrben, um bic frcunblid^ fd^on eine fübtid^ere ©onnc fpielt, als ber ©runemalDiecn unb ber meitcn 5licfcrniüälber, um bie ber norbbeutfd^e

SBitlibalb Stleriä unb anbere (Srben beä nafiifc^cn unb lomautifc^cii ©eifteä. 103

)Rebd feine (^[talten braut, unb für Die ein bi^c^en Sommer öqö Grcignis bei» .^a^reö bleibt.

SBor Slleyiö ftofflic^ unb bcr 3(uffaffung nac^ ein (Srbe öeö romQntifrf)cn ®eifte§, fo jeigte bie ©efc^toffen^cit feiner Runftform bod) bie 3rf)ulung burd^ bie Älaffifer. ©0 eint)eitlid) geftimmte l^iftorifdic Sf^omane pttc teincr ber befannten romantifd^en S)tc^ter gefc^affeu ober fd^affcn luoUen. 2)a mu^te immer aUes unbegreiflich 5ugel)cii unb fic^ in 9Jtotipcn unb ^onflütcn faft unlöölic^ ueriüirrcn. 3iomanti! unb itiaffif jufammen I)aben ben beutfc^en f)iftonicf)en 9ioman gefcf)affcn.

Sieben Sileyis unb bcm aU ^Ji^eunb ber 2)rofte fd^on erwäl)nten l^cöiu @(^ü(!ing (1814 1883) ftel)t alö I)iftorifd)er Qnä\)kx ^mxi^ Völlig (1790— 1869). 3)iefer, ein f^effifcfier ginanjfehetär, mact)te fic^ bereitö uon ben roman; tifc^en Überlieferungen in ftärfcrem 3)in|e frei, ©r t)eröffentlid;te 1832 ,,^ie ]^oI)e 33rQut", einen 3ioman au§ ber fröujöfifc^dtalienifrfien -Keüolutionäjcit, 1836 „2)ie SBalbenfer"/ in benen eine freireligiöfe 2lnf^(mung äum 3luäbrud lommt, 1839 „^ic^ten unb ^ra^teu", beffen ^itel 1850 in „SBilliam 8l)afefpeare" umgeänbert luurbe (Sl;ofefpeare loirb l^ier qIö 2Bertl)^r:®eftQlt bcl;anbelt , 1847 „"Die Älub^ biften oon SJ^oinj", fein befteä SBerf, für baä bie Sleüolution ben ^intergrunb unb bao Älubunmefcn ben ©egenftanb ber ©atire bilbcn. ^m ©egenfo^ gu ber .^anblung in bcr „$ol)en Sraut" f)eiratet l^ier ein Slbliger eine S3ürgcrlid)e. ^a§ waren bamalö noc^ Probleme, bie ein 2)id^ter feiner ?^eber für wert f)iclt. 2)ie erfte größere rein fulturl)iftorifc^e ©rjä^lung rcar „9)kria ©c^iüeibler, bie S3crnfteinl)ejc, ber inter-- cffantefte aller bislier befannten iöefcnpro^effc", üerfa|t ,,uac^ einer bcfeften ^anb^ fc^rift il)reö ^aterö, be§ ^farrerö 9tbra^am <ScE)n)cibIer in Sofcrora auf Ufebom" ron bem ßoferoiücr ^oftor SÖil^cIin aJkiu^olb (1787—1851). 3tuc^ l)ier ift ein Slbliger, ber baö 33ürgermäb(^en erlöft: er rettet fie, bcnor fic für eine ^eye erflört burd^ Intrigen eineö ibr nad^ftellenben 3lmtmann§ bcm «Scheiterhaufen uer= fäUt. @g ift alfo ein ä^nlirfier ©egenftanb lüie in Stormö ,,9?enate" unb Slaabeö ,r©lfc üon ber 2;ünnc'"-

9Jiit bem Übergang ju füld;cii Gtjronitgefc^id^ten nähern mir unö, fo fel^r fie aus bcm Tomantif^cn ©eift lierauögemud^ert finb, bo^ fcfion einer ^unft, bie meF)r ift alö nur eine ©rbin frül^erer 3:;enben3en, benn ba fe^t bereits ein ftär!erer ^Rcoliömu-e' ein, ron bem fid; Älaffif unb S^iomantit nodi fernl)ielten. dagegen muffen mir in biefem 3"^flfnwf"^a"9^ ^^'^ einiger ©rääl)lcr gebenten: es finb Sorl S^inblcr (1796—1855), beffen l)iftorifc^c 3fiomane „®ie ^uben", „^er ^aftarb" unb „5Dic l^efuiten" einft einen großen Sefertreiö fanben, frcilidl) and) fd;on an bie Si^aucr: gefc^ic^tc erinnern, ^^^ili^p don 9?cftfucö (1779—1843), 58erfaffer itanenlfc^er Jlulturromane („Scipio ßicala", 1832), tflrl üon Iromli^ (1796—1855), vor oUeni aber Slauren unb 3f<^J5ff*^/ ^^^i^^ i" öem glcid)en ^al)x 1771 geboren, ^cin- rid^ flauten war "oa^^ ^feubonijm be§ prtupifc^en §ofratö Äarl .^enn (1771—1854), beffen wenig natürlid^c 3HpcnnooeEe „3}?imili" (1816) mit .^ilfc bcr pon ben .^laffifern gegebenen ^^orm unb ber romantifc^cn 3lnfd^auung einen großen Grfolg errang. 2Bir fir.b für biefe übcräucfertc D^atur nid^t mel)r ^n Ijaben. ^C'cv SKagbebnrger .V)cin=

104 erben bcr rroffifd^cn unb romantift^cn Dichtung.

rii^ 3J«J)o!fc (1771—1848), jucrft ^ic^ter üon JRäubcrbramen, J)ier olfo beeinflußt t»on ©oet^eö ,,©ö^", joraie a^crfaffer uon ©c^QUcrromanen, niitf)in aucf) ein ©tbc ber ^Itomantit, nmrbe in ber ©c^ircij, roofjin i^n fein obenteuerli^eö Seben ucrfd^lug, pm ^Iföcv5ict)er (>,2)aö ©oIbmarf;crborf"). ^ucf) ein ©xbauungsbuc^ \)at er gefe^rieben, bie„®tunben bcr 3tnbacf)t", boö baniolö fef)r ucrbrcitet war. 6ein bebeutenbfteö SÖerf ift ber I^iftorifrfic Sioman (au§ ber älteren @efc^id)tc ber B^mei^) „3tbbric^ im Wm^", SSon feinen übrigen ergätilungen finb bie befannteften „Der tote ©oft", „2)ie ^rin= jeffin üon äBoIfenbüttel", „2)er glüc^tling im ^ina", „Die ^erren^utergemeinbc", „Die aBalpurgiönoc^t" unb „Sin 9larr bcö neunäet)ntcn ^a^r^unberts". 5Iber aUe biefe er5äl)rcr unb Dramatüer roaren mcf)r ^J^obefdirififteDer aU Dichter unb folgten im ©runbe me^r nntergeorbneten ©eiftern mie 3luguft Sofontaine unb ^o^ebuc alö ben Älaffifern unb $Romantifern. Qöl)Cx alö fie ftel)i ber greifierr %xaiii öon @aub^ (1800—1840) QUO gran!furt q. b. D. wegen feiner ^aiferlieber auf 5RopoIeon auä) ber beutfc^e ^(Sranger genonnt , ber mit feinem „STogebuc^ eines roanbernbcn 6rf)neibergefeIIen" entfc^ieben an bie Sfiomonti! an!nüpft. Damit ift aber fd^on eine geringere Seöbarfeit feiner ®efrf)ic^ten unb §umorcä!en ouggefproc^en.

Sefonberö beutlic^ finb alö ©rben beö fiaffif^en unb romantifrf)en ©eiftes einige Drnmatüer. Der «Sc^tefier @rnft SJaupat^ (1784—1852) f)at eine gro|e Sln^at)! i)on jambifc^en 3:;rauerfpie[en gef(i)rieben, oon benen ber ^P^luö „Die §ot)en: ftaufen" befonberä burc^ feinen ungeheuren Umfang freiließ me^r in fc^rcc!t)aftem Sinne befannt geworben ift. Keffer finb feine ßuftfpiele („Der S^Ieic^Ijönbler"). i^ambenbramcn mürben ferner uerfaf3t non bem beutf(^ bK^tenben Dänen ?lbOltt Oc^Icnft^IÖgcr (1779—1850), beffcn „(Sorrcggio" unb „Sofratee" (Srmät)nung ycr^ bienen, feinem ^Ra^o^mer ^o^oim ^^ubtüig Dciii^orbfteiu (1794—1859), bem trüber @. gj^eperbeerö Wiä)aü 23ccr (1800—1833), bem banrifc^en aJHnifter (gbuarb öou 3(^cnt (1788—1841) unb bem Sreit)errn Sofc^^ iJOU ^luffeiibcrg (1798-1857).

^n ber St)ri! fiuD ni&it nur Innette, ^laten, 9lüc!ert unb (Sfjamiffo, bie eine 5ßereinigung mon fiaffifi^en unb romantifc^en ^iig^en §eigen. Der SSerfaffer ber ©riec^en^ unb ^müaerliebcr, äBÜ^elm WMtt (1794-1827), ift noc^ ror ©oet^e ge= ftorben. 3iurf) er mar faft ouSfd^ließlic^ ein 5linb ber 3ftomanti!. (äI)eT fcfion fönnten mir t)ier Des olöcnburgifd;en Dramaturgen SuUuö 9Jlo|cn (1803—1867) ge-- benfen, ber burc^ einige Sieber weiterlebt: „3u 9Jlantuo in Rauben", „Der S^rompeter on ber Äa^bac^'^ „Die legten ^t^w üom oierten Sf^egimcnt'', „grüt)lingälieb" („3Ba§ iftbas für ein ^t)nen fo Iieimlid) füp in mir?") unb „9(uö ber grembe" („SBo auf [)oI>en 2:annenfpi^en"). Der Dreäbencr WMcv ÜJobctt 9icuntf (1805—1852), ein gc= borener Donjigcr, f)at ni^t nur burd) feine Sieber unb 9Jlärdf)en für J^inber fic^ ben Donf ber 9^ad)we(t oerbient. bem Sieblic^ften unferer Sgrif geijören: „D, Sonnenfc^ein, 0 ©onnenfdicin, wie fd;einft bu mir inö ^er^ I;incin", „2Boi)in mit ber grcub'", „SBic ift bie (Srbe fo fd)ön, fo fc^ön", „Sc^ncegI5c!d)en tut läuten", „Der taute S;ag ift fortgejogen" unb „Deö (Sonntagö in ber 9)torgenftunb". ^n 58erbinbung mit iWeinidö .ftinberliteratur feien aud) fogleid) nod^ erwäi)nt ber tl)üringifd;e Pfarrer SU^cIm |)Cl) (1789—1854), beffen gabeln üon Subwig $Rid)ter unb Dtto ©perfter

SBiUibalb SHejis unt> anbcic SrBcn bcs flaffifc^en iinb romantiicfjcii Wciftes. 105

mit f)übjc^cn 3cif^iiii"9cn ijcfdjiiiüdt lüuröcn. "äud) bcr '^rcöloucr 'Btalcr unb -Didjter %nqn\t StOpi\d) (1799—1854) i)at \i6) rad;t nur biird; bic (Siitbcctung bcr ^Bltmen (Brotte auf ©apri (1821) ein '^Berbienft crmorben, fonbern aud; burd; einige 9?0DclIen unb oor aUeni burc^ feine £iebcr, non benen am bcfanntcftcn [inb: „2Bie mar ju ilöln bod^ uorbem mit .^cinjelmänndien fo bequem", „3(Iö 9baf) auö bcm 5loftcn mar", „Sie .^terren blieben am 3^f)eine fteljn" (35(üd)er am :7?^ein, 1813), „'3)60 tieinen 3SoIfcö Überfaijrt" unb bie 58aIIabe uom ^}liäufelurm ju 33ingcn. 3n biefcn 3iM"oinmenf)Qng geljören ferner ber 9J(ärc^ener5äi)[er l'ubtDig 95ed): ftcill (1801—1860), 33ib(iot[;cfar unb ^ix6)imv in 9}(ciningen, bcr aud^ ©ebic^te, JRomone unb 'DloueHen gefd^ricbcn ^at, unb ber 'Bonner ^rofcffor bcr beut|d)en Sprache unb Literatur torl Simrod (1802—1876), bcr f)auptiäd;(id) a(ö Überfe^er mittel^oc^beutf^er Dichtungen, alö .'Qcrauögebcr älterer beutfrfier Söerfe unb Der bcutfc^en 23olföbüc^er, aber aud) afö 'Berfaffer einiger Sieber („1)rujuö' %ot>", „2tn ben 9iE)ein, an ben 9fif)ein, jic^ nicf)t an hcn 9if)ein", „So mar einmal ein .^önig, ein *f{önig roar'ö am Si^ein") befannt geblieben ift. Sic marcn alle gelel)rigc Sd;üler unfcrcr i^laffifer, roaren babei aber mit Sßorliebe in beni 3tnfc^auungs= unb Stoffgebiet ber 3tomantif tätig. 9iid^t oergeffen feien fd^Üeplid^ ber ^unftl)iftorifer granj Slngler (1808 1858), ^aul §ct)fcö Sc^roiegeroater, ber SSerfaffer hc§^ Stubentenliebcci „3ln- ber Saale l)cllem Stranbe" (1826), ber Sicberbic^ter |>cnuoim tlctfe (1813—1888), Seiter ber „58offifc^en Leitung", Sco^olb St^cfei* (1784—1862), bcr 33erfaffcr beä „Saicnbrcüierö", (^ricbrii^ öon ^aM (1812—1843), bcr ein „Saiencüangelium", aber auc^ baö Sieb nom Rieten gejd;riebcn i)at („1)er gro|c 5?önig moüte gern fcl)n, moö feine ©encrale müßten"), ber preu^ifd)e Slultuöminifter |)chmtf) öon SJJü^Icr (1813 1874), ^erf affer ber ^attabc „3« Oueblinburg im Dome" unb bcr luftigen „'Bcbcnflid^fcitcn": „@rab aus bcm SBirts^auö tomm id; l^crauö", bcr fromme .öannoiierancr -iP^Uil)^ ©pitta (1801 1859), befannt burc^ feine Sammlung „"ipfottcr unb .Charte", unb bcr Sänger prcupifdjcn Sc^lad)tcnrubmc., bcr alte präcbtigc ^ricbric^ ©djcrcnbcrtj (1789 1881), erfolgreich auc^ alö 5?oucIlift, bcffen Sd^lac^tengemätbe SBatcrloo, Signi), Seutl)cn, ^obcnfricbbcrg freiiid), uon ©ottfrleb ivcUer alo „patriotifd)c ©efüljlöcifen^ frefferei" cl)arafterifiert, äft^ctifd; für unö taum noc^ crträglid) fiub. Sein ©cbic^t „'3)ie ©pctution" ift ju befonberc. l)ol;en Gl;rcn gelommen.

Sie genannten 1)icf)ter lebten in Greifen, uon bcncn fic nid)t in einer neuen Strömung l)od)getragcn roerben fonntcn, mä^renb fic poctifd) ju unbcbeutenb maren, anbere, ja felbft nur il)re Scfcr mit fid; fortäureipen. Sae mar freili(^ um fo ]d)\me- riger, alö bie erftc ^eit nad) @oetl)eö Xobe, fofern nid)t äßeimarö ©lanj aUeö übrige überftraljltc, PoUfommcn in ber inneren ^olitit aufging. 3Bie bie anbcren 3?ölfer, fo erlebte auc^ Seutfd^lanb im ^ampf um bie perfönlic^c ^'reiljcit eine neue ^"^cnb, unb uon 9J?eer ju 5Jteer, wn SBelt ju 2Selt fpannen fid^ neue öoifnnngen unb neue träume, non bcncn bic ältere Siteratnr nirfjtö rannte.

III.

Im alten ÖfterreiA*

I. i^rans ^viUpax^n^ ßcftcit.

eine beut[(^c Siteiaturgefc^i^te ift iiii^t eine Siteratur§efcf)i^te beä ^eutfrfieu 3ieic^ö. eine geiftige ©ntroidlung ift nicmalä an politifrfie ©renken gebunben. ©clbft bic ©prac^e, bie (Srunblage jeber SlationoUiteratur, fann biefe (Sntroidlung nid^t me^ c^anifd) einengen, roie bic loteinifd^e Siteratur ber ^eutfc^en im SJlittelolter ober ^xito- Tid)ö bcö ©ro^en fronäöfifcEie Sd^riften beroeifen. Qtk\)axH ,,2Balt^ariu§" ftel^t uns iro^ feiner lateinifc^en ^eyametcr niel näl)cr al§ Dtfriebö ©oangeüentiormonic trö^ if)rer beutfc^en 9leimoerfe. 2)er beutfcfic ®eift ift'ö, ber fid^ feinen eigenen Körper bilbet, unb umgefefirt, ©r folgt nicEit ber Sanbfd^oft unb Sprache oEein, fonbern oor allem bem Mut Seutfc^ biegten unb benfen l^ei^t äunäc^ft beutfrf) fein. 3nnerl)alb biefes beutfd^en ©inns aber fudit fid^ bie ^oefie, ber @ebon!e faft immer bie f)o^en «Stirnen unb ftra{)Ienben 3tugen, um borin ^u moljnen: in i^nen ßlü^t, nur wenigen crfennbnr, ita^ ftiEe %n\ct, baö ben großen ©eift grop gemarf)t, boö ©eljirn gciücitet t)at.

9}ion fann baf)er eine jobe Siteratur national foft nur nad) ^tut unb ^erfön^ lic^feit beftimmen. 3{ber mir finb 9Kenfd^en unb leben irgenbmo unb reben irgenbroic, oud^ menn ouö un§ ein ©oet^e ober SiSmarcf werben follte. Unb bann !ommt bie ei)re l)erab auf unfere ©prac^c unb auf unfer ßonb.

SBir Ratten feinen ©oetl)e mel)r, aU ©oetl)c ftarb. B'^^ei ^lal^r^elintc üorl)er mar ^einricf) uon .steift am SBannfee ben ^^reitob geftorben. SBo märe ber gjlann geroefen, ber wie er unternommen l^ättc, mit ©oetl^e um ben Sorb^er gu ringen! Gin 3al)r oor ©oetf;es STobe überfiebelte ^einrid^ ^eine, näc^ft ©oetiie ber bc- beutenbfte beutf^c Stjrifer, narf) ^ariä. ©ottte bie frauäöfif^e ^auptftobt ben 9luf)m ^aben, bie ©rbin SBeimarS 5U fein? Sollten mir uon ber meimarifd^en ?5ürften= gruft äum grieb^of beö 3J?ontmartre pilgern? 35er beutfc^c ©eift f)at beffer mit uns gemeint. 3llg @oetl)e ftarb, waren ©riaparjerä „©app^o" unb „©olbencS SSlic§" icbon gefc^ricben, unb bie romantifc^en 3fiebei jerteilte bas SBort ber 9Jiebca: „Älar fei ber 3Kenfc^ unb einig mit fic^ fetbft." S)iefe (Erinnerung meift unö nac^ 2Bien, bem SBien bes alten, mumärglid^en Ofterreic^, ba0 unö granj I., 5DZettemtc^ unb ©tabion üertörpern.

^ranj (*)iitlparjciv i.'ciHMt. 107

3(m 29. ©eptember 1826 janbte quo öem SBeimorer ©afti^of jum ^^Glcjantcn'' ein fd^lic^ter 3fieifenber @oct{)c feine ^artc mit ber 3lnfragc, ob er i^n begrüßen bürje. @s loor ©rittparjer. 6r e:f)ictt bie SlntiDort, ber iperr (Set)eimrat f)abe (Säfte bei fid^, erwarte i(;n aber abenb» äum Xec ^Die bciben 2)ic^ter traten bamals einanber nic^t näfier. ^n biefeni "^tbenb fproc^ ®oett)e mit jebem ber ©elobenen nur ein paar SBorte. „Sc^roarj geflcibet", cx^äijh CSriHpar^^cr in feiner Sclbftbiograp{)ie, ,,ben Crbcuöftern auf ber Sruft, in geraber, beina{)e ftcifcr Haltung trat er unter uns vo'k ein Stubienj gebcnber 3Jionorc^ .... 2)aö ^beal meiner ^ugeub, ben 2)i(^ter beö gauft, (Staüigo unb ©gmont qIö fteifen 3Jünifter ju fel)en, ber feinen ©öftcn ben Xee gefegnete, lie^ mid^ aus au meinen ^immeln l^erabfaUen. SScnn er mir @robl)eiteii gefagt unb mic§ 5ur 3:iire t^inauegcmorfen l)ättc, iiiärc mir faft lieber geiuefcn." ;ij;n SBeimar maren baniatö, mie ber .'i^apcUmcijier .^ummet feinem Sanbämann ©riß; parger ju berichten raupte, „nur abfc^ä^ige Urteile über bie geiftigc Begabung £)fterreic^ü ju f)ören". Stls ©rittporjer bann tion ©oetfjc ju ^ifrf) gelaben unb mit ^erälicöfeit an ber ^anb in ha^^' «Speifcäimmcr geleitet runrbe, brad^ er in ^Tränen am. 2(n bem borouf fotgenben Xüqc lie^ ©oetf)e if)n mie fo mond^en feiner Sefudf)er äci(^nen 'jUnD fprad^ bei biefer ©elegen^eit üon ber ,,©app^o", bie er, roic ©rillparjer fügt, „ju billigen fd^ien": „morin er freiließ gemifferma^en fid; felbft tobte, benn \6) l^attc fo jicmlid; mit feinem üalht gepflügt." 2tufgeforbert, nochmals abenbö ju ©oetl)e ju ge^en, ben er ollein antreffen würbe, fanb er bogu nic^t ben ^Jint. 3Son bem 3tugen= blid an fei ®üetl)e, auc^ beim 3lbfc^ieb, uicl fdlter gegen i^n gemefen. SSicUeii^t babe er geurteilt, ba^ Unmännlidifeit bes 6f)aratterö aud^ ein bcbcutenbeö Talent 3ugrunbc ridE)ten muffe, „ßr ift mir", fügt ©rillporjer l^inju, „and) in ber yolgc nidt;t gerecEit geworben, infofern id^ mid^ nämlirf; bcnn bocl) tro^ allem Slbftanbe für ben tieften Ijalte, ber nad) il)m unb Sd;itter getommcn ift."

?^ranj ©riHparger würbe ju SBien am 15. .^anuar 1791 geboren. Sein ^ater Sßenjel ©riüparjer war ein uerarmter 5tbDo!at, ber fid) 1789 mit 3tnna "IRaria Sonu= leitljner oer^eiratet §atte, ein oerfd^loffencr Sllann, ber nur an ber 5latur, befouDero ber Slumensud^t in feinem ©arten greubc fanb. Cbwoljt fotl;olifd)cn ©Unibenö, badete er religiös frei unb lümmcrte fidb nid;t um bie SRciigion ber Seinen, wenig and) um bie ©rgieliung ber Slinbcr. Die 2)httter, begabt unb ^eräenägut unb befonberö jur 3)cufi! oeranlagt, aber tränftic^, pliantaftifd; unD reijbar, war frülj abfonbetücben ^been gugeneigt, fo aud; ber SSolluft bes ©d^merseö, unb f)at fidf) 1819, gefm ^ahtc naö) bem Sobe iliree ©attcn, erijängt. (Sl^aiafter unb Sd^irffol ber ßltern räd)ten fid^ an ben üier Söl)nen, uon bencn ber jüngfte, namcuö iHbolf, fic^ 1817 in bie Donau ftürjte, bo er, wie fein l)interlaffcner 3<^^tf^ ausfagte, „immer meljr in hacji Stellen i^incingefommen wöre" : „SSiel gelogen nnb betrogen Ijobe id; bie ^Olama unb ben f^ranj, bod; bitte id^ um $8eräeil;ung unb mir nid^t flud)cn. D ©ott, oieUeid^t werDe i6) in ber anbcrn SBelt nod) üiel leiben muffen, unb wenn einftcnö ber 3^ran3 fidi Der{)ciraten follte unb Äinber betommt, fo foll er fie warnen, "iia^ fie nicljt mir gleidi werben."

5lber ber ^ranj oer^eiratetc fid) nidjt nnti l^atte feine 5Tinber. ^n öüfierei

108 ^m alten Dftciicid).

^^^infclulol)mlng mndp er cinfani auf. grüf)ieif unb el;rgeiäig, ftüräte er ficf) auf Die ^^üc^cr, um feine ;öefeluft 5U befricbigen. &00U äßellumfeglung ^ah feiner ^I)antafic baö ferne 3Bunfd;Ianb Ctal^citi. ^his ben Krümmern feines äerfcfilagenen religiöfen (Glaubens erftanb ii)m bie ^ocfie. ©eine 2el;rer im ©tjmnafium fonnten i^m nichts fein, nic^tö bieten. 1807 begann er bic dU6)U äu ftubieren. Ungeregelt, uermorrcn ging feine ^ugenb bai)m. 2Uö in bem ^riegsjafir 1809, in bem ©riUparjerg leiben^ fc^aftlidjc .^iebc gur ^cimat tief getroffen würbe, auc^ nocf) ber 35ater ftarb, ba traten :}tot nnt> Sorge unb ein bitterer Slrbeitöjmang Ijinju: roar er bod; je^t bie einzige otiifcc feiner ^Jtutter.

^Jiac^bem er eine Zeitlang .gofmeifter in abiigen Käufern gemefcu mar, raurbe er 1813 '^raftifant an ber ^ofbibIioti)ef. ^Ttur müf)fam gelang ii)m im Saufe uou 3roei ^ai)rje{)nten ber 3tuffticg jum ätrc^iobircftor ber allgemeinen ^offammer.

SBic^tiger ift feine bid^terifc^e ©ntroicflung. ®rittpar§er ift einer ber be= beutenbftcn 3(utobibaften. ®er ©d^ule uerbanfte ev am iDcnigften. 3In Sd^itter raufte er fid^ geiftig, poetifci^ empor, daneben laö er bie gried)if(^en Xragifer unb ©i)a!e= fpeore unb überfe^te auä bem ©panifd^en ©alberong „£eben ein %xaüm". ^iefe Über- fc^ung führte it)n mit bem ^ugenbfreunbe feineö $8ater§, bem Sßiener Dramaturgen ^ofepl^ ©d^reguogel (1768 1832), nä^cr ^ufammen. S)amit mar ber SBeg §um jDrama gemiefen. 2tm 31. Januar 1817 mürbe (SriUparäerc- „3(f)nfrau" jum erften^ mal aufgeführt, ^m ©ommcr begfelbcn ^al^reö bid^tete er bie „©appI)o". 3Son bem 3^ürften äRetternid^ unb bem ©rafen ©tabion auögeäeid^net, üerpfüditete er fid^ 1818 für fünf Sat)re alö 3:I;caterbic^ter an bas SBiener Surgt^eater.

Der Dichter ber „3(t)nfrau" unb „©appJ)o" rcar eine fo intereffante ©rfc^ei^ nung, bafs i^m auc^ bie 3(ufmerffamfeit ber g^rauen nid^t fef)Ite. Salb aber machte er bie bittere ©rfafirung, ba^ bie u-on it)m verehrten, ja leibenfd^aftlid^ geliebten grauen, ob fie nun ^atf)arina Sdtenburger ober ©l^arlotte ^aumgarten l;ie^en, feinem Ijbeal nid^t im gcringften entfprad^en. '^ad) bem Sobe feiner SJluttcr 1819 fül)lte er fid^ oöUig ucreinfamt, unb aud^ eme 5Rcife nac^ Italien in bemfefben ^af)re fonnte ifjm bie trüben, ja fc^recfenSüoHen Silber ber testen 3eit nic^t auö bem ©ebäc^tnis tilgen. $ßon ber Siebe SJkrie ^iquotö ju il;m, ber Xod^ter eines preu^ifd^en @efanbi= fc^oftsfefretärs, bie er bei ber 5:;ragöbin ©op^ie ©darüber tennen lernte, ^atte er feine 5if)nung. 2{Is fie 1821 ftarb, fd^ricb fie in il^rem ^eftamcnt, in bem fie if)m fein non H)x gejeic^neteg Silb ^interüc^ unb if)n um eine poetifd^e 3eife für fie bat: „^a, id; i)abc if)n maf)r^aft, mit aller ilraft meiner ©eele geliebt, unb obgleid; er meine Siebe nid^t erroibert, ja nid;t einmal geahnt l)at, fo nerliert er bod^ riel an mir, bcnn bei feinem SDkngcl an ben äußeren Sorjügen, bie baö rceiblic^e (Sef^lec^t meift auö= fd)lie^enb an^ie^en, inirb er nic^t leid)t ein Sßeib finben, 'bic il)n fo l)ei^, fo unouö^ iürec^lid) liebt .... Sagt i^m ober la^t il)n roenigftenö erraten, baf5 id) if)n geliebt unb ha^ id) bas [ben poetifc^en 9^ad;rufj oon il)m forbere gleic^fam alö @rfa^ für bie inifäglid)en Seiben, bie er, oljue ^u miffcn unb ju moUeu, mir üerurfad)t."

3lfö gjlarieng SOtutter ©riUparscr biefcö Xeftament geigte, ^atte er unlängft, ror äraei :3JJonaten, ilatl)arina ^xöl)l\6) feine Siebe geftanben, einer ber uier anmutigen

giaitö ®rillparjev» l'cbcn. 109

Xöd)tci eineö foiferlirf)eii 9{at5/ bie öamalö 21 .^afjre nit luai. 9iafc^ folgte bic SScv- lobiuig mit bem auffaEenb fd^onen unb mufifalij'rficn 3)Idb(^cii, bie olö Scbensbraut Dem ®irf)ter bie ^reue f)ielt, mit ftolgcm Sädictit bie Serocrbungcn niebcrer ©eiftev «blct)ntc unb fid^ fo eineö großen ©ciftec^ unb ber Unfterbli(f)fcit mürbig jeigte. 3Bir roiffen nid)t, marum nid)t jur ."Qeirat tam, aber fie roerbcn co gcmupt I;aben. ^n bcm ©ebic^t „^Jtttgegcnrcart" befingt er fie:

2tbenb§, ineun'ä bämmert uod),

<Stcig' ic^ öier treppen §o^,

^o(f|e an§ Sor,

«Strecft fidj ein ^ä(d(ein öor,

SBangen runb,

^urpurmunb,

!Räd^tig §aar,

©tirnie flar,

2;nnttev mein ^tugenpnav.

Unb alö ilaifer Siubolf in ©rillpargerö Srama „^önig Dttofar" fein DJJdbc^en fragt: „SQßie f)ei|eft huV "öa lüirb i^m bie 3lntraort: „^atF)arina ^röf)UcE), 33nrgcr!inb auö SBien."

2)ic 3cf)meftern g^rö^Ii^ maren frül; genötigt, fclbft für fid) ju forgcn, ba i^r "Bater, Scfi^er einer SBeineinfc^Iogfabrit, leid^tfinnig bcn 5Riebcrgang feineö ©cf^äftö t)erf(f)nlbetc. 3tnna, bie 2tltefte, luon it)ren Sd)meftern unb ^reunben „9icttel", uon ©rillparjcr „ber ©nom" genannt, mar eine 3rf)ülerin bes ^apettmeifterö .^uminel unb unterrichtete im ©cfangc, feit 1819 an bcm Äonfcruatorium ber @ciclljd)aft ber iliufiffreuubc in SÖien. ^n ber äußeren Grfd)einung mad)te fie ben ©inDrucf einer fleincn, btrfen, quedfilbrigen Italienerin. Sic mar aud; bic cigentlidie Scitcrin bcö ,^aufeö, immer praftifc^ unb hilfsbereit. 'Die ^i^t^itälteftc, ^Barbara ober Setti), eben= fallö eine ^ernorragcnbc Sängerin, erraarb fid) als 3d)ülerin 'Daffingerö il)rcn 2ebcnö= unterl)alt burd) SRolerci. Sic l)atte befonbers als Slunicnmalcrin @rfolg, mar aud) eine Zeitlang 3cic&c"fel)rerin. ^n ben äroan^iger l^joljrcn l)eiratete fie einen ^rofeffor am 3Biencr ^onferüatorium, j^erbinanb Rogner, unb fcl)ieb fo, jum 5:cil aud) burd) il)re l5crbl)cit unb Sd)ärfe, auö bem cngften Sdbmcftcrnfreifc auö. Die britte mar ^atl;arina, bie üierte unb jüngfte ^ofept)ine, eine Sd)ülerin beö Söngerö Siboni, bie anfangö in ber Cper beö 3lnglanbei auftrat, fpötcr aber ebenfaHö alö ©cfanglclircrin in SBicn tätig mar. Da auc^ Stattx) alö DarftcHcrin auf ^riüatbülinen 3^riunipl)c feierte, fo mar ee natürlid^, ba^ bie Sc^mcftcrn ^röf)lid) in bem ^hifif unb "Jljeatcr liebenben Sß^ien eine gro^e Siolle fpicltcn. %nx [ie^at ^ran^ Sdjubcrt iiicbrcrc ÖicDcr unb .^antaten fomponiert.

©riUparjerö ^*lerf)ältniö ju ben Sd^roeftern, namentlich ju feiner .^att^, ift fo oft bef(^ricbcn morben, baf, mir unö l)ier mit rocnigem begnügen fönnen. Gr mar nic^t ber 9)Jann für bingebungönoHc, iclbftnergcffcne Siebe. Gin fatter .^aud) gebt iior il)ni ber. ©reifen mir ju feinen eigenen Sinpcrungen. IHlo 3'^'ci»"i>fcff)f)igjöl)riger fcbrieb er in feiner Selbftbiograp^ic : „2Bac> bie .<3er,^enc.angelegenl)eiten betrifft, fo

HO 3m nücn Cftcn-eirf).

lucröe id}, nle^cl• je^t iioc^ fpätcr, it)rcr im cinäelnen ®riüät)nung mQd)cn, obiüoi)[ fic dne gro^e, obiuoI)l Iciber nic^t förberüc^e Sflotte in meinem entroidhmgögQnge gefpicit Ijaben. .^d; bin ^err meiner @ef)etmniffe, nber nic^t bex ber onbern. 2Bie jeber m\)h bcfc^affcnc 5Jienfcf) mite \ä) m\6) uon ber fc^önern §älfte ber 9J?enfd)^eit angezogen, mar mit mir abn md ju lucnig aufrieben, um ju glauben, tiefe einbrücfe in fur^er 3cit ^eroorbringen ju fönnen. 3Bar aber bie rage SSorftettung mn g5oefie unb ^liie^tcr ober felbft baä Sd^roerflüffige meincö äöefenä, bog, menn nid^t abftö^t, gerobe an^ aBiberfprnd^ögcift an^ielit: ic^ fanb mic^ tief oermidelt, mä^renb icf) nocf) glaubte, in ber erften ätnnäl^crung ju fein. 2)aä gab nun ©lud unb Unglüd in näd)fter Mi)e, obmol;! Ic^tereö in oerftärftem SlJia^e, ba mein eigentlid)e§ Streben boc^ immer baf)in ging, mii^ in jenem ungetrübten 3"ftö"i>^ 3^^ er{)alten, ber meiner eigentlic^n ©öttin, ber £unft, bie 3tnnä^erung nic^t erfc^roerte ober roof)l gar unmögüd) mac|ite." 3o fpric^t fein 9Kann, ber eine glücflic^e @I)e ^ätte fü{)ren fönnen. „^c^ ^ätte", fagt er ein anbereö 9)?al, „muffen aEein fein fönnen in ber (gfie, inbem id; oergeffen (}ätte, Dap meine ^rau ein anbereS fei, meinen Stnteil an bem mec^felfeitigen 2tufgeben beö Störenben §ätte ic^ ^eräli(^ gern beigetragen. 3iber eigentlich ju smeien §u fein, rerbot mir M^ ©infame meines SSefenä." ©r bot ^attr) bie Trennung um il)retroillen nn, fie roicö fie um feinet; unb ifjretmiUen ah. ^n rü^renber 3örtli(f)feit blieb fie if)m ergeben, and) burc^ feine jeitmeilige ^älte ni(|t abgefto^en. 3tl§ fic äu 3Bei^= nad^ten 1830 auf einer 3ieife einen 33rief non i^m erl)ielt er fc^rieb feiten , ba fprong fie uor ^reubc im ^i^^wer f)erum, getraute^ fic^ aber ni(j^t iljn ju öffnen. „Sollte i^m unangenehm fein", fc^reibt fie an S^letti, „fo mürbe id^ f)a(t recf)t feiten frfireiben." Sd^lic^Ii^ mürbe au^ fo rieten ^onftiften unb 3tuöeinanbcrfe^ungen eine beruhigte ?^reunbfcE)aft, aus ^attt)§ 33räutigam iijx unb il)rer Sd^roeftern 3^o^"^^^^^i^^-

35on einer ©inmirfnng ber grauen auf feine ^unft im goetliifc^en Sinne fann feine 3tebe fein. 9^ac^ ber „So^jp^o" entftonb gmifd^en 1818 unb 1820 bie Xrilogie „^a§ golbcne ^lieö", 1823 baö ®rama „Äönig Dttofarö ©lücf unb ©übe", 1828 „@in treuer Wiener feines §errn", bann „®cg SDZeereS unb ber Siebe 2BeIIen" (1831 aufgcfül)rt), „^er STraum ein Seben" (1834 aufgefüf)rt), baö Suftfpiel „2Be^ bem, Der lügt" (1838 aufgefül)rt). 3tug bem Dla^Io^ mürben noc^ brei unoottenbete Ijramen üeröffentlic^t : „^ie ^übin oon ^olebo" (1824 entworfen, 1836 abgefc^Ioffen), „Sibuffa" (früf; begonnen, 1848 abgcfd)[offen) unb „®in Sruöcrgmift im ^aufe ^ah^- bürg" (1848). gerner fonben fid) noc^ oiele bramatifc^e ?^ragmente. Seine Stjrif füUt ämei ftarfe Sänbe. ®agu treten ©pigramme, bie beib«n ®räöf)tungen „2)a§ 5iIofter bei Senöomir" (1828) unb „2)er arme Spielmann" (1848) foroie feine ^rofa= ftubien, ^agcbüc^er, 33riefe unb feine Selbftbio^rapI)ie. Sc^Iic^lic^ fei aucf) nocb feiner erften ^ugenboerfu^c gebadit: beä Xrauerfpielg „Slanfa ron ^aftilien", Daö er aroifdien bem fec^jefjnten unb ac^tjefinten ^a^x Dichtete, fomie ber beiben Suftfpiele „2)ie Sc^reibfeber" unb „Sßer ift fc^ulbig?", oon benen baö erftere an Seffingö „9)^inna ron 33arnf)elm", bas ämcite an ®oetl)eg „SJlitfc^ulbige" erinnert.

3Jian foUte glauben, ita^ ein fo reiches Schaffen ben ^ic^tcr befriebigt ^abc. 3)em mar nid)t fo. Ol)ne^in §u griesgrämiger 33etrod^tungSroeife geneigt, füllte er

gronj Öriüparjcry i'cficn. 111

flc^ aud^ öaiui r>erfanitt, menn nic^t ber %aU imi. 3^iel frcilid) l)ai er über fid) crgct)cn laffen muffen. 3" fein^v 'Seamtenloufba^n inirben i^m Scfitrierigfeitcn bc- leitct unb onbere 2Ränner, j- ^- ber 3^reiF)eri; von 9)iüncE|'33eEingt)aitfen, beii luir olö bcu 3)ic^ter ^alm feiineii, üorgejogcn. 3^"!"^ ""-b ^oUjei erbitterten ilju iüieber()oit. 2)iefen SBibcnrärtigfciteu ging er 1826 für eine SBeite burd^ feine fd^on eriüä^nte 3ieife nac^ 2;regben, Söeimar nnb Berlin auä beni Söct^e. ^n Sßeimar würbe er im ^Jiömifc^en ^aufe an^ bem ®ro|^erjog oorgeftellt. ,,@rittparäer", frfirieb ©oct^c bQmalä an gelter, „ift ein angcnel)mer, mofilgefäUiger 3Jiann; ein nugeborcneä poetifc^eS Talent barf man i^m wol)l jnf^reiben; roo^in langt unb mic auäreid^t, luill id^ nif^t fagen. 2)a^ er in unferm freien Seben etroa§ gebrüdt erfdjicn, ift natürllrf)/'

Dkd^bcm ©riHpaijer no6) ajiüni^en befn(^t §atte, fei)rte er nac^ ^ißien jurücf. .Hurj juDor fang it)m bic einftige ^Braut ^f)eobor Äörncrö, 3tntonie iJlbambevger, jefet S^radgerin 2lrnet^ö, beö ^räfotcn im Stift St. jylorian, bie ^DiüHerlieber unb bie üJ?eIobien an^ ©oetljeö ,,ilöilf)elm 9JJcifter".

Sine neue Seibenfd)aft ergriff ihn, beren ©egenftanb 5)iaric Smol! cou Smolenife mar, fomoi)! oor mie i\a<^ i^rcr ^eirat mit bem Tlakx 3)iori^ Xaffinger. ^\)xc gamiüc roofinte ibm in ber fd^malen Sattgaffe gegenüber. Qm :J(nfong ber breipiger ^ai)xc l^örten bicfe 'Bejieljungen auf, bie ben ^»id^ter in feiner ßntmidlung nur gehemmt, nid^t geförbert Rotten.

Scf)roer litt er unter bem ^obe 33eetf)ot)cnö unb Sc^rc^oogelö, fc^merer nod^ unter bem Ijäufigen 3lu§bleiben ber 2tnerfennung feineö meitercn Sd^affenö burd^ ^of unb 3SoIf. Zimmer fpärlid^er flop ber Strom feiner ^oefie. 'iBJiltrauifc^ fct)auie er um ftd^, quälte audf) Äattt) mit nnberedfitigten ßiferfuc^tögebonfen, irobei er in fein ^agebud) falt^erjig notierte (10. Cttober 1832): „^abc Ratti) megen mie I)ei|t er nur? Sc fingt n\6)t etma 'Vorwürfe ju machen, fonbern nur geigen ju muffen geglaubt, bap id; merfc, er intereffiere fie. Sie mar im t)öd^ften ©rabe unraiEig über bie 3iiii^"t""Ö un^ leugnete l^eute unter bQix bitterften tränen, ^c^ glaube faft, id) f)abe if)r unrecht getan. . . . 60 loar übrigens nid^t (Siferfuc^t oon meiner Seite, oicl': mefr ijätic mxd) fjalb erfreut, if)re unglüdüd^e Steigung etmaö f)erabgeftimmt 3U roiffen."

©riUparjerö 2^agcbud) tjmmt an 2Ba^rf)aftigfeit htn Se!enntniffcn Sftouffeauö naije, nur mit bem Unterfd)icöe, i>a^ er oiel oerfc^raeigt, roeil er oerfdfimeigen lüill, roäi)renb ber ^^ranjofc fo oiel aufbeden möchte, njie iF)m beraubt ift. So finb benn bie Eintragungen oft unerfreulich unb bod) auffd)Iuf3rcid^. 6f)araftcriftifd) ift eine ^(Otij üom 13. 3(pril 1833: „?^urc^tbar ift mein .3"f^0"^- SS^^cr ©ebante an ^ocfic oer=^ fd^munben, felbft bie Seftüre rerleib'et. ^^ mag nidE)t benfen. 35on qnälcnben ®c= banten mie oon §unben ongefallen, wei^ id^ nid^t, nac^ roefcficr Seite mid) menben. 3d^ bin förperlii^ ^äplid; gemorben aus einem 3f?i(^tfd^öncn, ber icb immer mar .... 3Keine 3ö^nC/ fonft fo gut, finb angegangen unb bro^cn unauf-geie^t mit St^mer^en. 3^ bin jroeiunbüierjig ^af)re alt unb füf)Ie mic^ al§ ©rei§. ^d^ bin ber Steigerung begierig, bie tas^ cigentlidie 3Ilter mit ficE) bringen mirb. Der SBunfc^, etmaö ^oetifd^eö ^erDorjubringen, uerfolgt mic^ aüentbalben, unb icf) bin'ö ma^r^aftig nic^t imftanbe. 3i" biefer 3<^i'nJorfenl^eit \)qW id) meine S^Ö^n^ 9iigfl>t-ac^t, in il)r mirb fic^

112 3>" n'ten Dftm-eid).

mein mtcv cuDigcn." 2lm 12. 3(pnl 1835 t)ei|t cö: „^c^ roei^, bafj ic^ es nie crveid;eu iüerbc, imö) nm id; ftrcbc in bcr branmtifc^en '^Poefie: hat' Seben unb bie gorm ]tj gn Dcrcinigcn, bü^ bciben if)r uolleö dltä)t gefrf)te£)t. 93ian roirb es uietteid)t nic^t einmal atjnen, ba^ id) ee gciuoUt, uiib boc^ fann ic^ nid^t ünberö/' ^anu 1836: „^d) ()abc bur^ 3c^rci;uogc(ö X^oh uiel uertoren. 9ti^t feinen $Rat bei meinen eigenen ^Irbeiten. ^d) I)abe nie mit jemanbem meine ^(äne ober i^re 3Inöfü()rung bcfpiod)en nnb nie, mit lHuöna()me bcr ,3t{)nfrau', an einem uoUenbeten ©türfe etroaö nad) feiner

9){einung geänbert «Seit feinem ^obe ift nicmanb in 2Bien, mit bcm id^ über

iliinftgcgcnftönbe fprec^en möchte, ja au^ in ^eutfc^tonb rcärc niemanb, bcr mir an= ftänbe, f)öc^)tenö etmo ^eine, roenn er nic^t innerlich ein lumpiger ^atron roärc. ^aburc^ oerfaucre nn^ nerftocEe id) in mir, uuD bic ^robuÜion fteUt \\6) immer ferner.

ift etmaö com ^affo in mir, nii^t uom ©oetljifd^en, Jonbern iiom roirl=

liefen, gjian ^ätte mic^ f)ätf(^eln muffen, nie ®id)ter nämlic^. 3(lö 9Jienfd) mei^ ic^ mit jeber Sage fertig ju raerben, unb man roirb mid) nie mir felber untreu finben. 3lber ber 5Did)t'er in mir braucht ein marmeö (Siement, fonft äiei)t fi^ ):)aö innere JU; fammen unb oerfagt bcn ®ienft. ^6) i)ahc wol)i oerfuc^t, ba'äi ä" überroinben, aber mir babei nur Schaben getan, otjne baö ^ftangenartige meiner Sflatur umänbern ^u

fönnen ^6) bin ^iemlic^ manbelbar in meinen @ntfc^(üffcn, meine 9JIeinungen

finb aber fo eifern mit meiner innerftcn 9ktur oerbunben, bo^, folange ic^ lebe, id)

meines SBiffenö feine geänbert l^abe SRein ®en!en ift immer nur mein ©ucj^cn

uon ©rünben, bivi Jtefultat mar lange üor ber Unterfuc^ung ba."

S)ie 3tbrel)nung feineg Suftfpiclö „SBel^ bem, ber lügt" burcf) ben ^öbef im 2;l;eater unb burc^ bie treffe im ^a\)xc 1838 ocrbitterte ben ^ic^tcr üoUenbä unb ücrfd)cud)te il)n dou bcr Sül;ne. ßr perfagte \iä) jeben größeren Umgang unb ergab fid) grilliger einfamfeit. ®ine 3fleife Ijattc il)n 1836 nac^ ©nglanb unb granl- reid) gefül)rt. @ine neue 9ieife nad; Äonftantinopel unb (Sried)enlanb 1843 erfrifc^tc il;n aud) je^t roo^l ein roenig, gob i^m aber nid^t bie poetif^e Xatfroft raicber. 3""' (efetenmal unternal)m er eine größere Sieife 1847 über Sing, ©munben, ^fc^l, ©alj^ bürg, 9}?ünd)en, Seipäig na^ .^amburg unb uon bort nodi Serlin, mo er mit älleyanfer ron ^umbolbt unb 3Sarnl)ogen äufommentrof.

2)ae Sal)r 1848 fteigcrtc bie fc^mermütige ©emütöftimmung beg ^icEiterö, ber fein Öfterreicf) über aEeö liebte, bis jum offen belannten Sebenöüberbru^. Sein @ebid)t an 3iaöefeft), oon ber 3lrmee mit ^ubel begrübt, uom jlaifer anerfannt, mad^tc i{)n in ben Stugen beö SSolfeö jum geinbe Der ^eöolution, ja jebeä gortfc^rittä.

3m näcE)ften ^a^re gog er gu ben 6c^meftern ^röl)licl) inö ^auö, roo er fortan üier Xreppen ^oc^, ^ür on ^ür mit ben ©c^meftern, in einem einzigen ^inxmer lebte, äu bem man burc^ ein Borgimmcr unb ein Kabinett gelangte, ©eine gjia^lgeiten jebod) nnt)m er mcift im Spcifef)aufe ein. Seit hem i^alirc 1851 befucl)te er regele möfeig ungarifc^e unb öfterreic^ifd)e Kurorte, bereu l)eilfame SBirfung feinen legten a)id)tungen, befonbers ben Drei ^inteirlaffencn SDramen jugute famen. Seibenfc^oftfic^ ergab er fid; im 2ltter ber Seftüre. 1856 rourbe er auf feine Sitte unter e^reuDoUcn rimftänben in ben 3hil;eftanb ücrfefet.

ÖriUpar^er'ö 2lf)nfrQU. 113

35amit begann eine iHcifje t>on @I)rungen, auf bie er nirf)t mi\)x geI)offt (;Qtte. jQeinric^ Saube, ber neue Dramaturg beö 33urgt^eQterö, bürgerte \6}or\ 1851 ®riE= parjer lüieber auf ber Sül)ne ein. ©in großer Crbcnöregen fe^te ein, unb 1861 rourbe ber ^ic^ter fogar jum 9)titg(iebe beg öftcrreic^ifrfien ^erren^ufeö ernannt.

S)aö alleä fümmerte if)n loenig mcfjr, er f)atte mit bem Seben längft auf (Srunb feiner poetifd^en unb politifc^en ®rfaf)rungen abgefc^toffen. 3llä er 1863 burd^ einen oturj fein ©e^ör fd^äbigtc, rourbe er noc^ gebrec^Iirf)er unb nod^ roeniger äugänglicf). ©införmig nerlief ber 9lcft feineö Scbenö. ®en 3lac§mittog oerbrac^te er mit ben S(^iucftern ^xö^ü6), unter feinem Olporträt auf bem Sofa jroifc^en ben ^^enftern fi^enb. 3lnna legte Patience, ^ottt) fa| an {ijxem genfter bei einer -^onbarbeit, ^cpi ging ab unb ju ober fe^te fid) ju i^m. 3Son 5 biö 11 U\)x taö er in feinem ^i^^^J^^r.

3llg Wiüxk V. ©bncr^Sfc^cnbac^ ©riüparjer fennen lernte, mar er ein ©reiö: „^k ©eftalt flein, fct)mäc^tig, etroaö jur Seite geneigt, fcf)ten fc^roer ju tragen an öem mä^tigen ."Qauptc, auf bem bie roeid;en, meinen ."Qaare ]\6) noc^ leicht unb fein n)€llten. 3)ie Stirn pracE)tt)oII, breit unb flai unb roie umrooben oon ben ©eiftern großer ©ebanfen.'^

®ic ©reigniffe dou 1866 roarfen if)n gan^ barnieber, ©ocf) aud) bie ©rünbung beö 2)eutfcf)en Steic^ö in SSerfaiüeö foUte er nod^ erleben, ^m 3tlter dou 81 ^af)ren ift er, mit fic^ unb ber 9Bclt unjufriebcn, am 21. ^onuar 1872 geftorben. ^nx alleinigen ©rbin feineö gefamten ^l^ic^laffeö mar tcftamentarifd^ ^qUx) ^röl^lic^ ernannt.

©rft in ben legten ^alirjelinten mürbe ber "Did^ter für bie größere öffentlid^feit neu entbedt. ^ie Siteratnrljiftorifer auö ber SJiitte be§ ^aljr^unbertö fennen !aum feinen 9?amen.

©ö ift ein ©l)rentitel ©rillparj^rS, ba^ er nicfitg getan ^at, rein äu^erlic^ feinen 3iul)m ju crljöl^en. ©r fümmertc fic^ um feine $Hebaftion unb ^üf)nenl)ilfe. SJerbiffen, aber aufrecht unb ftolj ging er feinen 2Beg oon ber „3ll)nfrau" biö jur „fiibuffa", unb biefer SEe^ ift roert, ta^ awd) mir if)n ge^'en,

®otifd;e §aDe. ^m ^intcrgrunb ^mei Xürcn. 3ln beiben Scitenmänben, lintö unb red)t§, ebenfaflg eine Xürc. 3ln einer 5?uliffe be§ 3?orgrunbeä Ijöngt ein oerroftcter ^old) in feiner Scheibe. Später 2Binterabenb. Sic^t auf bem Xifd;e.

SBer biefe Sjencric auf ber 33ül)ne fiel)t, bem gef)t fd)on ctroQö 3(l)nfraulid^c§ ben ^iüdcn l)inuuter. ^n ben Sßinfeln rül)ren fid) bie ©elfter, unb ber 3^f<^Qi^<^'^ freut fic^, tiü^ er i^re ©rfc^einung nid)t oljne D^ac^barn abjuroarten brandet.

®onn fängt ber alte ©raf 33orotin, ber ba am 2:ifd)e fi^t über einen Srief gebeugt, in bumpfen ^rocl)äen an ^u fprec^en, unb feine ^oc^tcr SSertfja am genftci fügt l)inju, fei eine graufe SRad^t, in ber loögeriffene 2Binbe gleich 5Jiad)tgefpenftern roimmern. ^a§ gel)ört ju ber Stimmung;, bcnn taö ."pauö Sorotin wirb auäfterben. 2)e§ ©rafcn einziger So^n ift alö ^inb ^Räubern in bie .^änbe gefallen unb feitbcm Derfd)ollen. Über beut ^aufe liegt ein grä^li^er Jlud), benn bie 3ll)nfrau beö ©e^ fdf)led)tc rourbe in ben 9lrmen il)reä 58ul)len cor ^dkn oon il)rem ©emolil mit bem

Oel^irc, 3?le beutfc^e Sitcrnhir feit ®oct^c5 Xobc iiflo. 8

114 j^im alten CitciTcid).

^olc^e iiicbcvgcftüpcu luit» iaim fo fegt man ev[t 9iui)e im ©rabe finbcn, lüenii tüQ gonse ©efc^ted^t bei Sorotin cvlofc^en ift. Unb nun ift bie ätnjeige gefommen, 'oa^ beö ©Tdffn SScttciv au^er il)m unb feinem oerfc^oUenen @of)ne ber le^te bei 33orotine, in Ijol^ent Alfter geftorben fei. ®oc^ 33ertl)a felbft barf noc^ ^offcn. ©in eblcr Jüngling, ber fid^ ^oromir uon ©frfien nennt, i^ot fie unlöngft im '^alhc aito Stauberl^önben gerettet unb t^re Siebe gewonnen, unb ber alte (Braf t)at gegen bie ^erbinbung nirfitö cinjuraenben. ^ert^a fpielt i^n nun mit ber §arfc in ©c[)lof unb

ücrlä|6t baö 3i'"'"^i"-

3)a gcf(^iel)t ctmaö Unfa^lic^eö. ^Die U{)r fc^Iägt bie ad^te ötunbe. 33ei Dem legten Sd^lagc er(öfd^cn bie Siebter, ©in SBinbfto^ ftreift burci^S ©emarf). ®er Sturm ^eult üon au^en, unb unter feltfomem ©eräufcfie erfd^eint bie 3ti)nfrau, '^ertf)o an @c= ftalt gang äi)nM) unb in ber £Ieibung nur burd^ einen rcottenben ©d)Ieier unterfrf)ieben. Sie beugt fid^ fd^mcrglid^ über ben ©d^tafenben, ber nun erraac^t bie ©eftali für feine Xod^ter f)att. 3)ie 3(§nfrau ftarrt t^n mit meitgeöffneten, toten 3tugen an, gel)t bann gur ^ür unb antwortet auf feine S'rage, mofiin fie get)e/ mit unbetonter Stimme: „^a^ ^aufe." 3)ann uerfd^minbet fie, mötirenb ber ®raf entfe^t in ben Seffet äu= TüdfäHt unb fid^ von ber ^od^ter, bie auf feinen 9fiuf mit bem ^aftellan f)erbeieilt, nur fd^mer übergeugen lo^t, ha^ er rool;! geträumt t)aben muffe. Stber ber alte ^aftettan @üntl)er gebenft bes ^itbeg ber 3tf)nfrau im Saale, haö fo gang SSertl^a gleid^e, unb mci^ aud£), ba^ fie au§ if)rer bunflen ^Itaufe auf bie Dbermeit ftcige, menn i)cm .^aufe llnbeil brot)c, unb ha^ if)r einziger Sofjn haö 0nb get)eimer Sünbe mar:

2)<irum mu^ fie flagenb )x^alUn "^mä) bie meiteu oben fallen, , - ®ie bie Sünbe einer '?llaä)t

Stuf ein fremb ®efc[)Iec^t %ehxad)\. Unb in jebem ©nfelfinbe, 25a§ entfpro^t au§ i^rem S3Iut, ^a^t fie bie vergangne Sünbe, Siebt fie bie öergangne ©tut. Sttfo §arret fie feit ^ci^ren, 2Birb nod} ^arren jü|relang ^uf be§ ^aufc§ Untergang; Unb ob ber fie gleich befreit, ^ütet fie bod) jeben Streidj, ^er bem §aupt ber Sieben braut, ®en fie hjünfd^t unb fc^eut ^ugleic^.

^oe S(^icffal crfüüt fid^. ^aromir, S3ertt}aö ©eliebter, ift in SBirflic^feit ber Hauptmann ber S^läubcr, bie jene ©egenb unfic^er macEien, unb gugteid; be§ ©rafen Sof)n, alfo Sertl)ag trüber. 5ßon föniglid^en ^äfd^ern rerfolgt, benen fid^ ber ©raf angefd^toffen i)at, ocrmunbet ^oromir biefen töblid) mit bem 2)old^ (ben mit in ber crften Sjene fa^en), ol^ne gu miffen, ba^ eg fein 5ßoter ift, nad^bem bereits Dorf;er Scrt^ia erfai)ren ^at, bo^ i^r ©eliebter ber 9Räuber|auptmann ift. "i^rofebem ift fie bereit, mit if)m ju füeben unb atteS gurüdgulaffen um feinetroiUen. 33ergeblidEi ift bie 3{t)nfrau n)icber{)o(l mit roarnenben 3^i^<^" erfdE)ienen. ^a mirb ber attc ©raf ocr;

©riÜpaväery 3ninfiau. 115

iiumbet iiiö Schloß ^urüdgebrac^t iniD crfäfjvt noc^ furj üor öem ^obe oon bem greifen 3^äitbei- Solejlau in Sertf)ü& (äegciiwürt, bop jener ^arüiuic fein ool^n ift. SerU;a nimmt @ift fo ijat fid^ benn nur no(^ ^aromirs @ejd;icf ^u üoQenDcn. ®ct§ bleibt bem fünften i^lnf^ug uotbcljaltcn. 3Sün ^oleftat) t)ört nun and^ ^aromir bie graufigc SBofir^eit. (Sntfefet bringt er non neuem in b<iö S(f)(of5 ein, quo bem if)m ©rabgcfänge entgegen tönen, unb gelangt jum ©robgeroölbe, in bcffen ^intergrunbc Das ^üf)€ ©rnbmal ber 9If)nfrau, in beffen 315orbergrunbe firf) bie tote S3ertl)n im (Sarge, bebecft mit einem ^uc^e, befinbet. 3c^on finb il)m bie 33erfoIger auf Den ?^erfen. Schauer rütl}t \i)m uon ben SBänbcn entgegen, unb atö fie feine öänbe berüFiren, fäF)rt er äufammen: „.§a, luer fa^t fo falt mii^ an?" 1)a tritt bie 3(()nfrau auö bem ©rabmat mit ben Söorten: „SSer ruft?" ^n I)a(bem SBal^nfinn f)ält ^aromir fie für ■BnÜ)Q, jebocE) fie fagt mit bumpfer Stimme: „^c^ bin beine oc^mefter nic^t." „SBo ift bein 3Sater?", fragt fie ii)n breimal unb forbert if)n bann auf, 5urücf5ufel^rcn, man roei^ ni^t, mofiin. ®od) flief)en foE er, benn fd^on merben bie 2üren eingeiprengt. „Serttja, ^ierfier, meine 'Sertf)a!" ruft er il)r ju. Sie ermibert:

l^eine SertfRi bin ic^ nic^t! Sin bie Sl^nfrau beine§ ^aufe», SDeine SRuttcr, <3ünbenio§n.

Xamit reißt fie ^ai^ 3;nd) uom Sarge. 2)üc^ ^i^romii- I)ä(t bie i!fbufrau nacb nüe uor für feine ©efiebtc unb eilt auf fie ju mit bzn Söorten:

Xa3 ift 53crtf;n§ Stngefi^t, Unb bei bem ift meine ©telte.

2)0 fagt bie 2(^nfrau traurig: „So fommc benn, 5ßerIorner!" Sie öffnet bie 3trmc, er ftürgt f)inein, taumelt fd^reienb jurücf unb finft tot an 33ertf)aö Sarge nieber. ^u biefem 2(ugenb(id rairb bie %üx gefprengt: ber die Äoftellan, 33o[ef(aii, ber ^aupt^ monn unb Solbaten ftürjen Ijerein. ®od^ bie 5tl)nfrau ftrecft ruf)ig bie .^anb gegen fie auä: erftarrt bleiben alle an ber ^üre fteljen. Sie neigt fid^ über ^aromir, fü^t feine Stirn unb breitet mebmütig bie Sargbede über beibe Seid^cn:

9iuu wohlan! e5 ift öollbra^t 5)urc^ ber ©d^lüffe iS<^auernac^t, Sei geprieffn, em'ge ^Rodjtl Öffne bic^, hu fülle Sllaufe, SDenn bie 3lf)nfvau ge^t nad) §au)e.

Wn biefen SEorten ücrfdfiminbet fie in i^rem ©rabmal ber 3?orbang fällt.

SBir glauben l)eute an feine 3lf)nfrau, bie auö il)rer ©ruft ftcigt aber aud& ©rillparjer badete nid^t an fold^e ?Dlöglid)!eiten. SBollte Dod) felbft Seffing in feineu „.iQamburgifc^en 2)ramaturgie" ein gut au fgefübrteci ©efpenft burd^aug ni^t oon ber S3ül)ne oerbannt fel)en. 2Bir tefen ja auc^ 3J?örc^en unb Sagen warum foUten mir ber ^llufion trofe ?)kali§muC' unb '}?aturnliömn§ ni^t aud^ im ^l)eater ben lüciteften Spielraum laffen? T»ic ^unft ift frei.

s*

116 Qm alten Dfterrcid}.

58iel beben!! itf)cr ift bcr unbebcuteiibe ©egcnflonb: bie 5(t)nfrQuen abiiger Ocs jc^Ied;tcr f)aben aufgcl)ört, ein beoorgugter ©egenftonb !ünftlerifd^er ^litfmerffamfcit ju fein, menn bog 9J?otit) iljreg ©rfd^eineng nid^t ©igenwett befi^t. (Sine Stfinfrou, bie ein une[}elic^e§ £inb befommt unb quo biefem ©riinbe oucE) nod^ fpätere ©enera- tionen unoufl^örlid^ beunruhigt, inbem fie in oflen möglichen ©den unb SBinfeln ^erumfpuft, ift rec^t longraeili^ unb laftig. Dh bie Sorotinö ouäfterben ober nic^t, ift gleid;gültig: auf bie 9JJotiDierung fommt an, unb bie erl^ebt^fid^ ni(f)t über bas rein lu^erlic^e. SBaS übrig bleibt, ift eine geroiffe ^eilnat)mc für bie ©efc^roifter, bie ba jum «Sd^Iuffe unter einer ®ede im ^obesfd^tofe liegen.

3)a§ eigentlich ^oetifcEie alfo on biefem SSerf ift gering. ."Qi^^er ift bie bra^ matifd^e S^ec^nif gu bewerten. 5Der ©c^idfatöbegriff ift nic^t im «Sinne ber 2tntife plump aU öu^ereö $8er^ängniö gefaxt, fonbern im Sinne ©d^illcrg, ber bafür in ber „S3rQut üon 3Jieffino" ein Seifpief aufgefteUt fiatte, in ben S^utbbegriff hinein; gearbeitet. Somol^I ^oromir mie Sert^a legen burc^ i^re ^anbfuuggraeife B^ugniö ah für bag leidste S3Iut i^rer Sinnen, unb fie unb bie 2i^nfrau oerfteficn einanber auö: gegeid^net. 5Kit 2Be£)mut, ober aud^ mit Sefriebigung fiet)t man fd^lie^lic^ bie brei im 5Cobe oereint.

SBenn biefeö ©d^idfalöbrama tro^bem nic^t fo ert)aben inirft rote bie „Srout von 9}Zeffina", fonbern ber ganjen Einlage nad^ ben romantifc^en ©(^auerftüden ber aJiüUner, SBerner unb ^ouroalb nöl^er fte^t, fo liegt boö cor attem barün, ba| i^m ber gro^e l^iftorifc^e ^intergrunb unb bie fotaliftifc^e BorfteüungSroelt ber ontifen, maurifd^en unb c^riftlic^=mittelalterlid^«n Kultur fehlen, tiefer el)rroürbtge ®ebanfen= grunb fann burd^ fein feubaleö ©efpenft erfe^t werben, roenn nii^t ©rfd^ütterung in unfreiroiEige 5lomif umfc^lagen foH.

?^reilic^: ©dritter fam r>om olten ©riedienlanb l)er, beffen ß^öre er fogar neu ju beleben oerfuc^te, ©riHporäcr üon groei tollen Srf)aucrgef(^id^ten, bereu S^itel fo lauten: 1. Histoire de Louis Mandrin, depuis sa naissauce jusqu'ä sa mort: avec un detail de ses crudit^s, de ses brigandages et de son supplice (Stmfterbam 1755, 96 Seiten). 2. 2)ie blutenbe ©eftalt mit ^olcE) unb fiampe ober bie Sefc^roörung im Sd^loffe Stern bei ^rag (262 Seiten). 2oui5 3)ianbrin mar ein berüchtigter franjöfifd^er JRöubcr be§ ad^tjetinten ^alir^unbertö (1714 geboren). @r rooHte feinen 5ßater rad^en, ber al§ ^^alfd^münjer ron ^Räubern getötet rourbe, befertierte oom 5Qlili= tär unb enbete als 9?äuberl)auptmann 1755 auf bem Sd^afott. 3luö ber ^arfteEung feines abenteuerlii^en Sebeng na^m ©rillparjer cor allem feine Siebe ju einem abiigen ^^röulein ^faura, in beren Sd)lo^ er bann oer^aftet rourbe, roöljrcnb fie fiel), je^t erft über il)n aufgeflört, mit 3IbjcE)eu oon i^m roanbte unb in§ ^lofter ging. S)ie jroeitc (beutfcEie) ergöfilung fügte bae ©efpenftermotiü Iiinju, roenn beffen in jener ge= jpenfterfreubigen ^e\t nocf) beburftc. Seatrijc pon Sinbenberg roirb unö bort alg eine blutenbe ©eftalt mit 2)olcl) unb Sampe oorgefteHt, bie feit 300 ^a))XQn ruhelos roanberu mu^. ^aö I)Qt feine ©rünbe. 3^"öd;ft entflog fie oom yötcrlidlien Sd^loffe mit bem ^obfeinbe ilires ^aufeS, Sigmunb üon Soben, ber bann il)ren 3Soter tötete. 9ll§ fie, burc^ bicfe Xat abgeflogen, ju einem neuen (Sclicbten übcrgel)en roottte, rourbe fie t>on

©rißparjers 2tf)nfrau. 117

biefeitt/ ber it)r je^t nic^t me^t traute, mit bem ®oIc§e crmorbet. 3" 33cginn bcr (Sr= 5äf)Iung finb bie 300 über fie oer^ängten SBanberja^re gerabe um. ©ö ift bdc 3«ii beö 2)rei|igiäl)rigen Äriegeö. 2)ie roonbelnbe ©eftalt, bie ber ©rlöjung beborf, fann nur marnen, burc^ ©eften, ^änberingen, 2)rof)en unb SSimmern fic| uerftänblic^ machen. S)a fommt Sernarb oon ©oben, ein ücrarmter 2(bliger, oerliebt firf) in bie fd^öne 33eTt^a, bie if)rer Urofine auffattcnb gleid;t, unb raiH fie entführen, ätbcx ba§ erlöfungöraer! ift nur bann möglich, raenn er bie Unfd^ulbige nic^t oerfüf)rt. ©oi^er fteigt an Sertfiaö Stelle ha^^ ©efpenft in feinen SBagcn, bei Deffcn Uinarnumg er, wie man fid^ benfen fonn, in D^nmac^t fäüt.

®ie ©c^idfalöibee f)ot ©riHparger, f)ierin freiließ bei ber Umarbeitung icefents lic^ burc^ ©c^rer)t)ogeI beeinflußt, in ben Stoff crft I)ineingelegt, benn nur feine 3II)n= frau ift burc^ ii)re 9^a(^!ommenf(f)aft, bie burd) ifire Sünbe auf bie SBelt fommt, mit bem Sc^icffal beö ©eftfilcci^tä eng oerbunben. §at fie bicfee ^aii^ burc^ einen gel)ltritt begrünbet, fo l^at fie aurf) mieber auo ber Sßelt ju fd;offen. ^ic 33ererbung mit 3olo§ ober ^jbfcnö i^unft ju geic^nen, liegt ©riHparjer fern. Smmerl)in fagt aud) er: ,,^6) rooHte bod^ nur bartun, ha^ bie Sünben ber SSäter fic^ räd^en biö inö le^ie ©lieb, gang raul), altteftamcntlid)." 3ad^ariaä 2Berner§ „24. Februar" (1809), 2lbolf gKüllnerg „29. Februar" (1812) unb „Sc^ulb" (1813) rul)en oiel mcf)r alö bie „3tl)n= frau" auf bloßen 3"fällen unb Sd)id)al6launen. 2)oö ergibt fic^ jum %di fc^on auö ben Titeln ber Btiide, bie beftimmte 2)aten ju Unglüdötagen für einjelne ^^amilien ftcmpeln.

®ä ift gar fein SBunber, baß ein jungcö Talent mie (Srillparger bamals auf einen folc^en (Set>an!en üerficl. ®ie „9l^nfrau" entftanb 1816. 9fiitter= unb '^änhex- gefd^id^ten ^ befonberö bie oon Spieß unb (Sramcr gef)örten in jener ^ni gur ÜJiobeleftüre. Sc^on (Soetf)e§ „@ö^" unb Sc^iUerö „Sftäuber" f)atten ben SJoben bafür bereitet. 1801 ooDenbete ßl^riftian Stuguft 5ßulpiug feinen „Sfiinalbo S^inalbini''. 3fd^offe fd^rieb feine ©rjölitung „3lbellino, ber große Sanbit". ^n gangen Sdiaren ftürjten fid^ Stäuber unb ©efpenfter auf bie romantifd; bearbeitete 3J?enfd^l)eit, bie anc^ ©d^iHerö „©eifterfelier" noc^ nic^t oergeffen f)attc. ©riUpargcr ergöblt felbft, baß er rcie alle anbern an fold^en Sefeftoff burd^auä gemöl^nt mar. 2)er 13. 3tuguft 1816, an bem er nad^ breiroöd^entlii^er 2lrbeit fein >Drama Sd)re:)üogcl übergab, ^ot bal)er eine boppelte 33ebeutung: er brachte ha^ erfte bcbeutenbe Söerf eines jungen "Siditerö unb gab gugleic^ einer niebercn (Seifteöridf)tung l)öl)eren fünftlerifc^en 2luö= brud. 2Bir mürben jene 2Rorb= unb Spufgefd^id^ten faum noc^ bem Spanien nac^ fennen, menn (^JriHparger nid^t bie „3ll)nfrau" gefcE)ricben l)ätte.

®ö ift mo^l nid^t baran gu groeifeln, baß ©riUpargcr ben Sd^idfatögebanfcn aud^ an fid) felbft erlebt l)at. 3" einem alten unb finftcrn ^aufc mud)§ er auf. So monc^en 3Bin!cl gab eg ba, in ben roeber er \\o6) feine 33rüber fic^ iiincingetrauten. ^n bem großen ^aufe, baä oon ber ^amilie auf bem Sanbe beroobnt rourbe, glaubte er eines ^ageS ein (Befpcnft, eine fd^marge ?^rau mit einem langen Sd^leier, gu jeljeii. 2Bie feljr bie ^inber burd^ bie 3Jiutter erblich belaftet fein mußten, ergibt fid; aus ber Setraditung ibrcr Sc^idfale unb ©baraftere oon felbft. 3luS gal)lrcic^en 3tußcrungen

118 ^'sm alten Oftcrreic^.

©riUpinjcrö üie^t l^eruoiv ha^ er fid^ ntc^t frei ]iii)lic, rieline^r firf) einem uncrträg= IicE)en, luibcfiegbareii Scbcncibnid' anggefe:^! glaubte, ben er uergeblid^ git überunnben Dcrfuc^te.

Hiit feiner 93iutter nnb fei nein jüngften 33ruber ]üof)nte et ber erften -^or-- fteEung am 31. Januar 1817 bei. @r regitiertc 'Qa^ gange ©tüd leife mit, mä^rcnb bie äicuttcr il;n bat, firf; iiiii feiner ©efunbbeit miUen 311 mäßigen, unb ber ficinc ißrubcr immerfort betete, "J^aQ <Btnd möge gut gefallen.

Unb gefiel, befonberö r>on ber brüten 3(nffüf)rung an unb eroberte fic^ eine söü^ne nac^ ber anbern. ©d^on 1817 erfd^ien im ®rucf. Überfe^t mürbe 1820 ins ©nglifd^e unb ^talienifrfie, 1823 ing ?^ran5öfifd)e unb ^olnifc^e, 1824 inö 3:fd^ec^if(^c unb Ungarifc^e, 1832 inö ^oüänbifc^e, 1835 inö ©c^raebif^e.

2)ie ätbfid^t, bie ©riEparjer bei ber „9tf}nfrau" oerfolgte, ift für \^n bejeic^nenb : er moUte, mie er auöbrüdlid^ in bem ©ntrourf jur erften 5ßorrebc fagt, nid^t ein neues 33ud^ fc()rciben, fonbcrn nur ein ©tiid für bie ®ül)ne: bem ^"fc^^uci-" aUein foUte aud^ ber gebrucfte S^eyt bienen.

So trnt er benn juerft als ®ramotifer auf, nirf)t eigentlich) aU ©id^ter. mar ein ®lüd für ©riHpar^cr, ba^ ber Tid^tcr fortfclireitenb ben ^ramatifer überroanb.

„Sie fommt, fie na^t", ruft freubig 9fif)amneö: feine ©ebicterin, ©appi)n, bie .^errin bc§ Sesbog, bie gefeierte ©id^terin unb Sängerin, bie in DIrimpia ben Siegel- franj im poetifc^en SSettfampf erfungen I;at nnb nun 3urücffel)rt in bie ."öeimat, naä) ber rofenumblü^ten ^nfel im blauen 9Keer on SlfienS meftlicEier ^üfte. Iber fie fommt nid^t allein : mit \\d} füfirt fie ^^aon, einen meltfremben fd^üd^ternen Jüngling, ber fic^ begeiftert in Dtpmpia burcf) baö $8oIf ftürjt jiu il^r ^tn, ber Siegerin über i'Ufäoö unb 2tna!reon, unb in ber ?yo(ge il)rc Siebe gercinnt. 2tn feiner Seite- miU fie, mie fie xljxem S80I! nerfünbet, fortan „ein einfach ftiHeg öirtentcben führen, ben Lorbeer mit ber 9}?i)rte gern oertoufc^enb".

^anblung unb ^onffift finb ba mit gegeben, beim bie be^anbernbe Sängerin, nic^t baö 2Beib ^at ^^aon, ber noc^ immer l^alb betäubt baftef)t, begraungen, beraufcE)t. 3Bie rocrben ^oefie unb ^rofa, Hunft unb Seben, in jroei Seibern oerförpert, inctn= anber anfge^n? Sßarnenb !(ingen Sapp^o? 3Borte fd^on im britten 9(uftritt:

^u fennft nocf) nic^t bie Itnermcßli^feit, ®ie auf unb nieber mögt in bicfer 93ruft. D la^ mic^'§ nie, (beliebter, nie erfahren, l^a^ id) ben öollcn 58nfen legte on ben beinen Hnb fänb* i'^n leer.

Vorauf ber gute ^fjaon cf)rfurrf)töDoII nnb befc^ciben mir ju ftammein mei^: „6r= .^abne ?^rou!"

5JleF)r ift fie itjm im ©runbe nie gemcjen, me^r !ann fie iF)m nie fein. 9lbcr Sapp[)o braurf)t mef)r, benn jur Siebe ift ber gjienfd^, 5U,maI ba§ SBcib, erfc^affen.

©rillparsciv „Sarp^o". 119

barüber täufrfit aud) nid^t Der Mui)m f)iiiiüCtj, n)ie fie, Me (Kfcicrtc Dichterin, er= foljrcn {|at:

Uuö leben i[t ja bod) bc§ 2ebeu§ f;öc^ftc§ Q'if^V.

Uni[on[t nic^t ^ot 311111 2^mnd ber SJfufen 6l;ov

^cn unfrucfjtbaren Sorbeer fic^ errt3äC)lt,

Salt, frucf)t= iiub buftlos brüdet er bod ^aiipt,

Sem er ©rfat^ öerfprad} für ninnc^e§ Dpfer.

®ar ängi'tlid) [te^t fidj'3 auf ber SJienfdj^eit -Viö^n,

Unb ewig ift bic arme bhtuft ge^mungen

3" betteln üon be§ 2eben§ Überfluß.

SKelitta, bic lieblid; fd^euc Sflaoin SappI^oS, ift cä, bie beibc, ofine 5U luiffcn unb gU motten, aufflärt über bic rein menf^Iid;c, aücm ^ünftlertum abgcte{)rte (Srunblage ber Siebe. 2nppt)o felbft gibt un§, inbeui fie Sccüttn fc^ilbcrt, ein 33ilb cd;tcn ^rauentumö, ha^ ben 3Jiann im SOionne angieFit:

-Tay liebe 9J?äb(^n mit bcm ftillen Sinn, Dbfd;on nic^t f;o[)eu öeiflS, Don mä^'gcu ©oben Unb unb^efiilfli^ für ber fünfte Übung, 23ar fie mir hoä) üor anbern lieb unb mert Xurd) anfprudjSIofcg, fromm befd;cibne§ 3ii?efen, 2)urdj jene liebeboUe ^nnigfeit, SDie langfam, gleic^ bem ftillen @artenmürmd)en, 2;a§ ^au§ ift unb Semo^nerin jugtcic^, Stetä fertig, bei bem leifeften ®eräufd)e (rrfc^redt fic^ in fic^ felbft ^urüd 3U äie^n, Unb um fid) füf;Ienb mit ben meidjen gäben 9^ur ,',aubernb maget, grembeS ju berüfiren, ^üd) feft fici^ faugt, menn einmal ergriffen, Unb fterbenb ba§> Ergriffne nur oerlä^t.

Sie felbft, (£appI)o, ift anberä: Fiodigcfinnt, männlicbcn ©cifteö, ftolji unb f)erb, im c^anbeln fict)cr, im 3fuöbvud beftimmt, ©eftalterin unb ^^erfünberin äuglci(^ iF)rer eignen ^bcalc, frei unb ftarf in ber Siebe mie im ^a|. ®o^ ein SBeib ift auc^ fie, unb aU !ommt, mic fommcn inu^: nlö ^t)aon mit 3)ktitta, ber er bic erfte 'Hofe i»om 3J?unbe fü^t, fie uerlä^t, Da ficf)t fie it)rcn Sebenöirrtnm ein, jcbod) ju fpät : fie erträgt it)n nic^t unb ftnrjt fic^ com ?yclfen inä SJccer.

Sragifd^ ift bicfco (i'nbc, mcit Sappt)o ein SBeib ift. 'Sei einem 9J?onnc fönnte CO Icid;t löc^erlic^ roirtcn. 2;arum f)at @oetf)e feinen Saffo fic^ auö afinlic^en ^nU täufd)ungcn binaufringcn faffcn ju ftoljem fünftlcrifd^cn 53efcnncn: „2Bcnn ber 'IlJenfi) in feiner Dual nerftummt, gab mir ein @ott ju fagen, umg ic^ leibe." (Sr l)at rc^t, feineö 2zhcm ^ticberlage in einen Sieg feiner Äunft ju manbcln. ^luc^ 2appl)o fottte fönnen, aber alö Sßeib ncrmag fie nif^t, unb fo befc^mört fie, um ben SJtut ju bcm Sprung in ben S^ob ju geminnen, bie ©ötter: ^

D gebt nic^t ^u, bo^ eure ^riefterin (Sin 3icl be§ ^ot)neg merbc eurer gcinbc, (Sin Spott be§ ^orcn, ber fid) mcifc bünft. ^sf)r bradjt bie Stuten, brcdjei aud^i ben Stamm!

120 ^m altcit ÖftciTeic^.

2ü$t micfj DoUenbcn, [o wie idj begonnen, (Srfpart mir biefeS 9lingen§ blut'ge £luat. 3u \(i)\mä) fül^r iä) tnirf), länger noc^ gu fäm|)fen, ®ebt mir ben (Sieg, ertaifet mir ben ^'ampf.

1817, al\o nur ein ^§r nad^ bcr „2(E)nfrau" rourbe bie „SappI)o" üoflenbet, unb bod^, lung für ein ®eöcn[afe! ^u faft attcm !nüpft ©riEporger t)ier an ©oetl^e an: mit ben SorfteUungen pon ber Sintife, ber ^anblung, bie in faum mel^r aU feelifd^er ©ntmidtung beftcl;t, ben SJlotioen mie mir fc^on bei ber @rroäf)nung S^affos fa^en , bem ruljigcn fünffüßigen ^ambu§, überl)aupt ber üaffifd^en ^unftform; ja felbft mit einsehien 'öcrfcn. 58crgtcirf)en mir g. S. g^auftö S3etrac^tung in '^alii unb §ö§fe: „@rl^abner ©eift, bu gabft mir, gabft mir aUcö, raarum itf) bat", mit <Soppl^06 le^tem @ebet: „Sr^abnc, beil'ge (Sötter! ^I;r I)obt mit reichem ©egen mid^ gefd^müdft! ^n meine §anb gabt it)r beö ©angeö 58ogcn, bcr ^icE)tung r>olIen c^öc^er gabt it)r mir, ein ^crs gu füllen, einen (Seift gu benfen, unb ^raft, gu bitben, maö ic^ mir geb-ncöt." Sei @oetf)e f)icß mciter non ber Statur: „^raft, fie ^u füblen, ju genießen/'

35ie „Sappl^o" ift feine „^p^igenie", ift racber bem geiftigen ß^arafter nodö bcm SBerte uadE). ©rillparjer mar ja aud^ fein @oetf)c. 3lber bie 33ebeutung beä ©tücfö liegt bocf) gum %e\l bartn, baß es bie bcutfcEie ^laffif meitcr leitete über (Soetl^eö 9(tter ^inau§.

^n ber '^lb^\ä)t (Sriöparjer§ lag ba§ urfprünglic^ nic^t. 33ei einem Spagiergang im gratet fragte i^n ein Sefanntcr, Dr. 3oel, ob er nic^t für ben Jlomponiften SBeigl bas Sibretto ju einer Dpcr ©appbo fd^reiben mollte. ^m 2Beitergef)en burdt;; bad)te er nun ben Stoff für ein 'S^rauerfpief, in menigen ^ulimocfien mar ba§ "Drama fertig.

Die erftc Stuffü^rung fanb am 21. 3tpril 1818 ftatt mit ©op^ic ©ct)röbcr in ber 3:^ite{roUe. iSotb folgten bie beutfd^e Sud^auögabe unb ga^Ireic^e Überfe^ungen. ®g mar ein großer ^rfofg. ^n italienifd^er ©prad^e las Sorb St)ron boö ©tüd gum erftenmat. „(Srittpargcr'', ftfirieb er am 12. ^anuor 1821 in fein ^agebudö, „ein »erteufclter 9^ame mafirbaftig für bie ^lac^raeft; aber fie müffen'ö lernen, \\)n am- gufprec^en. Sei allem, roaö man auf 9^ec^nung einer llberfc^ung, gumal einer italienifd^en, fc^cn muß, ift bog S^rauerfpiel ©app^o großartig unb erfiaben, ha^ faßt fic^ nid^t leugnen; ber ^DJann f)ot mit bem ©tücfe ctmaS fefir 3::üd^tige§ geleiftet. Unb roer ift er? ^d^ fenne if}n nirf)t, bod^ bie ^al^r^unbcrte werben ibn fennen. ©rtUparger ift groß, antif, nid[)t ganj fo einfad^ mie bie 3tften, aber fef)r cinfadö für einen gjiobernen.^'

Sn ber Srofc^üre „L'Autriche teile qu'elle est" (Öfterreic^, mie'eö ift) trat aud^ ^arl ^oftr=©ea{öfie(b fcbf)aft für ©riHparger (1828) ein, befonberö bie „Sappbo" rüf)mcnb. ©o rourbe ber Dichter in ^ranfreic^, uamentHd^ ^ariö befannt.

9Bie bie „3(^nfrau" ift ja auc^ bie „©appf)o" noc^ üor (Soetf)e§ ^Tobe ge= fcf)rieben. Sicaeic^t bangt mit biefer (Sntftef)ungögeit, auf bie no^ ber ©cfjatten

©riOparserö „©olbenes ißlies". 121

bes lebeiiöeii SBeimarcr ^ic^terfürften fiel, eng äufammen, ba'^ beibe 2)ramen nic^t neue £eime für bie 3"^""!^ enti)ielten. Sic fonben n)oI)t ^aä)a^r\\cv, aber feineu natürlichen ^Roc^rand^s.

,,3)aö golbene 33Iieg" ift eine S^rilogie ober, luie ber ^ic^ter felbft fagt, ein „bramatifrf;eg ©ebid^t in brei 3(bteilungen" : „®er ©oftfreunb" (^rauerfpiel in einem ^^lufjugc), „^ie 3trgonauten" (STrQuerfpiet in üier Stufjügen) unb „g)?ebea" (Xrouer^ j|)icl in fünf Stufgügen). ©er erfte ^eil entftonb uom 29. (September biö 5. Oftober 1818; bie erften brei Stfte beö äraeiten Xeitg folgten in ber 3^^* ^oi" 20. Dftober bis jnm 3. giooembcr. ®o crfranfte beg ®irf)terö 3)?utter. ^^r ^obestag mar ber 24. Januar 1819. ©rinpar^er reifte nac^ Italien, ^m 3Roüember 1819 nnbm er bie 5(rbeit am jrociten S^eil mieber auf. 5Den britten ^cil ootteubete er am 20. Sonuar 1820.

®er „©aftfreunb" ift ein für ha^ 33crftäubniö be§ ©angen freilief) uneut= bef)r(id;eö S^orfpief. 2(ieteg, ber barbarifc^e 5lönig oon ^Ic^iö, ermorbet feineu ©qjtfreunb, ben ©ried^en ^§rij:uö, bor, einem Xraume folgenb, oom §alfe bec ®e[pf)if(^cn Stpotto bag gotbeue 3S(ieg gelöft nnb alö ^fanb beö Siegcö über feine feinblirfien 5ßerraanbten mitjicf» über baö 3Jleer nac^ £o[c^i§ geführt l^at. SSergcbHcß fu(f)t bcä ^onigg ftarfe, felbftfid^ere unb tro^ige 5:oc^ter SJJebea, bie ftetö nur if)rem eigenen SBilleu folgt, ben SJtorb ju binberu. Sc^mere Sd;u(b, fpmbolifd^ Durd^ ben Sefi^ bcö golbeuen SSliefeg begeid^net, laftet fortan auf 3lietcö unb feinem ganjcn ^aufe. 3lud^ bie übermütige 9Jiebca foU erfaf)ren.

S)ie Strgonauten fommeu, an ibrer Spi^e ^a]on, beg ^f)rij:uo SSermaubter, um im Stuf trage beö tfieffatifc^en ?^ürfteu ^eliaä, ber ^afonö Di)eim ift, beä ^§riju§ Xo\) gu räcEjen unb bag gotbene ^ßlies gu f)olen. ©ö gelingt mit §ilfe SJiebeaö, in ber bie Siebe gu bem fü^ncn g^remben errüac^t ift. 33ei ber SJerfoIgung finbet beö Äönigg So^n ben ^Tob, 3[Rebeo aber, in ber bie miberftreitcubften ®efü()(e mögen, mirb oon ^afon nacfi ©riec^enlanb gefüfirt, mo fie fein SBeib rairb.

9Iug Siebe ift 9Jtebea itiren ä(ngef)örigen, it)rem Sanbe, if)rcn SSorfä^en, i^rem ßtjarafter untreu gemorben. 9lic^tö bleibt if)r nun alä ber ©eliebte im fremben Sanbe ift er ibr eingiger Sd)ufe, i^r Seben. ©iefcö 53en)u|tfcin crf)ebt ben brüten ^eil ber ^rifogie, bie ben 9?amen ber ^elbin trägt, gur ^öf)e.

3J?ebea tut atteö, um ^afon gu erfreuen ; fie, bie ßigcniüiUigc, fügt fid; in btiö, mos bie fremben Sitten üon if)r Derlaugcn. Sie ficibct fidb mie eine @rie(^iu, unb ftott bes Speere ift es bie Seier, nad) ber fie je^t greift.

2tber ^afon ift ber 2Raun uid)t, ben fie in itjm gu erfenncn geglaubt l^at. Sdimadjl;ergig, oberfläc^lid^, fclbftfüd;tig, ja in feinen ©ebaufen unb Xaten it)rcr großen Seele unrcürbig, ruenbct er fid^ feiner gricc^ifd^cn ^ugenbfreuubin 5Ueufa gu, fo ha^ 9Jicbea if)n f^üe^U^ rerac^ten mu^. 9kmenIofer Jammer erfaßt fie, bie {^rembe unb Sdbu^lofe, unb nur bie bciben .^iinber, bie fie ibm geboren bat, uer;

122 ^m alten öftcvrcid).

I)inbeu fic nod^ mit bcm ii^cbcii. 3t(ä biefe jebo(^, cor bic SBof)! (jefteUt, bie ^Kutter ober bcn ^Boter mit ^rcufa ju luäl^lcn, fic^ für bie beiben (e^tererf entfc^eiben, ba ergreift fic mitbe SSergmciflmig: fic [enbet Slrcufa ein ©efä^ mit einer gluffigfeit, in ber jene ucrbrcnnt fomt bein ganzen ^alafte, unb lüäfirenb beö 'Branbeg erftid;t fie it)re eigenen ^inber. 2Son .slreufaö 3Sater ^reon, bem Äönig üon i^orintf), nun fort= gciüiefen, trifft ber inö (Jlenb luanbernbe '^a]on auf 5Dkbea, bic aurf) jc^t mieber geigi^ Dnp fie if)n burc^ il;re gro^e SBe(tanfd)auung lucit überragt:

iJiic^t traur' ic^, ha^ bie Stinber nid)t me^r fiiib, '^ä) traure, bo^ fie waren, unb ha^ luiv finb.

^iefcö Seben alfo nior auc^ für bie 5^inber nii^t luert, gelebt ju merben. 3lber fo fpric^t feine 9)hittcr, bie ifire J^inber umgebrai^t l)at; fauni ein SSater roürbe mit io faltcr W.ni)e, roie ©riHporjer ycrniag, über bcn ^effimiömuö pf)ilofopi)ieren. @ine lange 3kbe ber SBeiö^eit richtet Sfebea nod; an ben einfügen ©eliebten, eine r7{ebe, oon ber mir it)r fein SBort glauben: fie fiingt nac^ fot(^en 'Sd;i(ifalen unb Xükn für ein armes Seib gar ^u erl^aben. ^aä golbene ^lieä mitt fie nod^ nad^ Xelp{)i bringen, unb bann raill fie bort ben ^rieftern i^r meiteres S^idfal übergeben:

I aSa§ ift ber ©rbe ©lücf? (£in ©chatten! f aSa§ ift ber ßrbe fRuIjm? ©in 3:raum.

©riDparjerö eigenfte SBeftonfc^auung ift eö, bie im ,,®oIbenen ^lieä" 3(uä= bruct geminnt. ^n 9Jicbea ift er ©eift, in ^a\on J!örper geroorben, mag au(^ SKebeaö Urteil über if)ren ©atten nic^t gang auf ben ^irf;tcr zutreffen bofür braud;tc er ja auc^ mä)t eine bramatif(^e ;?5igur ^u fein.

9?ur er ift ha, er in ber meiten 2BeIt Unb alle§ anbre nic^t§ al§ Stoff gu Xatcn. ^^oll. (Selbft^eit, nic^t be§ 9^u^en§, boc^ be§ ©inn§, Spielt er mit feinem unb ber anbern ©lud: 2odt'§ i^n nad) 9hi^m, [o fd^lögt er einen tot, 35Si(I er ein SSeib, fo ^olt er eine fidj, / 2ßa§ and) barüber brid^t, n>o§ fümmert'§ i^n?

SßunbcrooU liegt in biefen $8erfen ber männliche S::r)puö beö ämanjigften ^aljr^ ^unbertö umriffen. &twü& mn ^afon ^aben mir alle in unö, unb Orittparjer fprad) nur ouö, mag er füf)Ite. Um jo tiefer mu^te er bas Seben oerac^ten: eg ift ja bodj alleä f^Iec^t ober eitel, vanitas vanitatum.

Slngercgt ju ber ^ic^tung mürbe ©rillparjer bure^ ben 9htifel SKebea in c^eberic^ö mt)t()ologifc^em Sepifon, ba§ il)m in bcm Kurort Saben bei Sßien gufättig in bie ^änbc fam. 3Kit ben übrigen 9JJebeabramen ^at feine 3lrbeit nid^tg ju tun, raenngleid) er bie 5}?ebeen be§ ®uripibeci, Sencca unb rieUcic^t auc^ beö Corneille gelefen f)ot.

2Im befannteften ift bie 3)iebea beö ©uripibcö, ein l)eroifc^=barbarifcf|eö SBefen üon männlicher ©rö^e, üon ©c^recfen erregenbem ©rimm. 2)ie SOkbea beö Senecn ']orDoi)l roie bie beö ßorneille ift tin roalireö Ungeljeuer. tl)nlic^ erf(^ien fie in ben

©rißparscrs nationale Sramcn. 123

S)rQmen ^(iiigere uni> ©oticrö. ©riUpaväer juni erftenmaf machte am iinbegreiflid^er 2SiIb§eit unö Uiimenfd^[irf)feit eine rociblic^ natürliche ©ntuurflung, anö unget)euer= lid^en ®efd^eE)nif[cn nnb ^miDlnngen ein folgerirfitigeö Dlnc^einanber oon Sc^ulb unb ©ül^ne, Urfoc^c unb SSBirfung. SSie gnici junge 9Jienfd)en in Icit)cnic^aftli(t)er ^et^ blenbung \i6) ineinonbcr irren fönnen, rcie ein blüfjenbecv ebleä 33cäbc^en jur ^inbeä- mörberin roerben fann, raie jirei oerfd^iebene Kulturen, bie bur(^ 9)?eer unb 5l>öI!ei-= raffen ooneinanber gcfc^ieben finb, il)rer Bereinigung burd) äivci ^J^cnfc^cn öauerub lüiberftrcben baö war üor ©riUparjcr uioljl biöroeilcn roie in (Soetf)eö „^pl)igenie" nngebeutet, ober nod) nie gu einem grof^artigen ©efanttbilbc äufammengefa^t roorbcn.

2)ie Sinbeit biefes 23ilbeö luirb erhielt burd; bic (S;infül}rung beö S^Iicfeö. „^ann cö", fragt ©riHparäer 1822, „felbft olö ein finnlic^eö 3^^^^" beö jffiünidienö= irerten, bcs mit Segierbe ©efuc^ten, mit Unrccbt ©rmorbencu gelten? Ober meU mcljx: ift eg alö ein foId)eö cntfpred^enb bargefteHt? SBenn baö ift, fo mirb biefeö Dramntifd^e ©cbic^t mit ber ^eit mobt unter has^ Softe gejät)It rocrben, was 3)eulirf): lanb in biefem %a(i}c f)erDorgebrac^t l^ot/' ^n bemfefben '^c\\)xc erflärt er freimütig, fo großen, , ins Sßeite gel^enben ^ompofüionen fei er nid^t gemadifen: „Tlan erjä^It uon einem ©enerat, bap er gefagt t)aben fott: ,©inc 5(rmec uon 24 000 2)iann fuun id^ fommanbieren, eine oon l^unberttaufenb fommanbiert mid^/ ^aö foHte für atte 3)id^tcr gefügt fein, oornef)mlic^ aber für mi^. ^^ie 3(f)nfrau, 3appf)0, 'i)a^ maren meine Stoffe/'

3(m 26. nnb 27. iij?ärj 1821 murbc „Dad golbcne iölico" jum crftcnmat im ^^urgtl;eater mit Sopt)ic Sd)röber alö 9Jiebea aufgcfübrt. l)cx (Srfotg beö Stüdeö aber foraol^l auf ber Süf)ne raie im ^Drudf entfprai^ nirf)t bcm ber früf)eren 'Dramen, bie bod^ an ^Reid^tunt ber ßntmictiung, "Siefe bes ©ebanfcnö unb 2Beite ber 2BeIt; unfd^auung übertrifft, ©rft unferc 3<^it ^«t biefeö Sßerf alö ©rillpargerö bebeutcnbfte SdE)öpfung crfannt, in bem ctmaö uorgea^nt ift üon bem ©cift nnferer "Jage, bem ©eift, ber Bölfer unb (E"F)en fc^cibct unb boc^ ben 3)ienfd)en mit bem ncrföbrit, meil fc^Iieplicb im 9^id^tö cerfinft.

Sie bat bic SBett Sc^open^auerö unb 9tict5fd;eö, ^ebbclö unb ^bfenö fiegreirf) burd^fdirittcn, bie äJJebea bcö 2tttertumö, benn ein großer, moberner ©eift gab ibr ncueö Sebcn unter neuen Sebenöüer^ättniffen. "^er SBcIttricg t)at bie J^rage neu bc: frud^tet, inncrt)alb melc^er ©renken baö ©lud ber ^erfönli(^fett auf ßrbcn möglid^ ift. eine cntfc^eibenbc 3tntmort gibt ba^ buntelf)aarige DJäbcben dou ilotc^iö nidf)t, unb büd) fc^aut if)r ein ncueö, im '3)onner bcr ®ef(f)ü|c ücrftörtcö ^''^abrbunbcrt na^r- finnenb in bie uncrgrünbli^en 2(ugcn, bcnn fd;cint ju perficren, maö ©riUpar^erö .<^reufa unb iTIebca gemcinfam ^""1 ©lüde forbern: „Gin einfach .^erj unb einen ftillen Sinn."

5. (^riUlJörserö nationale tvamcu.

ßö mürbe unö mä)t in ©rftaunen fcften, menn ©riUparjer alle feine 2)ramen auf bcr öfterreid)ifd)eu ©cfc^ic^tc aufgebaut l)ätte, benn niemanb tann feine ^ciniat mcl)r lieben unb biftorifd}en Stubicn ftörfer jugeneigt fein alö er.

124 3"t ültcii Oftcii-eid;.

1823 beenbete er bie fc[;on 1819 geplante oaterlänbifd^e ^ragöbic in fünf 5Iften ,,^önig DttofoTä ©lüc! unb (gnbe", bic am 19. ^cbruor 1825 im 33urgtl;eater jum erfteumal mit großem ©rfolg aufgeführt lourbe. 9lu(^ biefeö $Drama ift in fünffüßigen Jamben gcfd^rieben.

Dttofar t)on Söfimen, auf ber §öf)e feiner 2Jiac^t übermütig unb ftolj, laßt fid^ Don feiner ©emal^Iin 3J^Qrgareta, ber er ben Sefi^ Dfterreic^S unb (Steicrmorfs ücrbanft, um ber fc^önen 33erta wn ^Rofenberg roiHen fd^eiben. 3(m 3lrm 3flubotfö oon öobgburg üerloßt 3J?argarcta ben bö^mifc^cn §üf. 2)'amit beginnt beö ©lüdeö hiebet; gang für Dttofar, ber fid^, üon ben ©einen üerlaffen, Slubolf untermetfen muß. 58on feiner gmeiten (Sattin, ber efirgcijigcn ilunigunbe, aufgcftacEielt, jerreißt er febod^ ben mit Shtbolf gefd^Ioffenen 33ertrag unb fällt in ber Sd^Iac^t auf bem SJtari^felbe. 3^ed^t fiegt über Unrerfit. „^o6) Dfterreid^! §ab§burg für immer!" So fd^l'ießt ba§ ©tücf mit SBilbenbrud^fc^er ©efte.

9J?it großer ^unft hat ber 3)ic^ter, ber für fein 2Ber! ausgebreitete ©efc^l^tß; leftüre getrieben f)at, bie ©reigniffe oon 17 ^iQ^ren (1261—1278) in fünf 9lfte ge- brad^t, oljiie ben ^iif^nimenliang ju fälfrfien ober ju unterbred^en.

®ie 3^"fw^ unterfagte gunöc^ft bie 2luffü{)rung. ©d^Iießlid^ aber mürbe \>a^ 58erbot burrf) perföntirfien 33efc{)I beö Äaiferö ^^^ranj I., beffen ®emat)Iin für baö <Btüd eintrot, aufgehoben.

^m September 1825 fanb bie 5lrönuiig ber üierten @emat)Iin be§ ^aiferö gur Königin oon Ungarn ftatt. ©riUparäer mürbe aufgeforbert, ein ^eftfpiel ju fc^reibcn, Dermod^te aber nidf)t, auf f)öf)eren SBunfcE) ju bid^ten. SBä^renb er jcboc^ nac^ einem geeigneten ©toff in ungarifc^en ©Eironüen fud6te, ftieß er auf bie ©ef^icfjte be§ Sancbanuö. ^Daraus mürbe nun freiließ fein ?5^eftfpiel, fonbern ein neuc§ ^rauerfpief in fünf Stuf äugen, OriDparjerä fd^mäd^fteg ©tüd : „(Sin treuer^iener feineö § e r r n ", 1826 begonnen unb beenbet.

Slnbreaö, Ungarns ^önig, läßt bei einem g^elöjuge feinen treuen Wiener 33auc= banus aU SReid^Soermefer gurüd. Neffen jugenbf^önc ©attin @rup fann fid^, t)on Sancbanuä nic^t bel^ütet, ror ben ^lacfifteHungen be§ $erpg§ Dtto oon SJJeran, Sruberg ber Königin, nur baburc^ retten, 'oa^ fie fic^ hae, Seben nimmt. 33ancbanu§ ift ein ©ftawe feineg bem 5lönig üerpfänbeten Söortö: er attein bleibt rul^ig, tritt ben Sfufrübrern entgegen unb oerjei^t bem .^ergog, mäf)renb bie Königin irrtümlid^ er= morbet roirb. ^\xm (Sd)htffe f)ält 58ancbanu§ bann noc^ eine fd^öne, große Siebe.

9JJan mag gur fünftterifd^en Stec^tfertigung be§ ©tüdes fagen, rca§ man mill: es bleibt ein ©efüfilsfeljler unb toirft abftoßenb, folangc gcrabe gerabe unb fd^ief fc^ief I)eißt. ©rittparjer mnr ein großeö 'S^alent, aber fein ^^ü^rer in SBeltanfd^ouungs; fragen.

^er roirflid^c Hergang rcnr ber, baß Stnbreaö 1213, afö er nac^ ©aügien 50g, aUerbingö bem ^atatin ©rafen 33anf unb ber ilönigin ©ertrub bie ?Regentf(^aft übergab, ^n ben ©emäcfiern ber Königin tat beren SSruber Dtto oon 3Jieran bcv ©attin bcö ^alatins ©emalt an, ber barauf mit ben ^erfc^roorenen fetbft ine ©cbloß

©rißparjcrä nationale Dramen. 125

cinörang. ^abei würbe bic Königin, Die man für mitjc^ulbiö fiicli, getötet, n)ä£)renb Cito entflot). ^er ^alatin nmrbe uom Könige begnobigt,

2)ag ift feine fd^öne ©e)(f)i(f)te, aber fie ift gerabc gen)ad;fen, (Srinparjer mad)t fie jur ^orifatur. 5ßon feinem Sancbanug tücnbet fic^ jeber gefunbe Sinn unb mönntid^c ©tjaraftcr ucrädjilic^ ab: in folc^e Untertanentiefen barf fanm ein jämmer^ lid^er ©egenfpielcr, gefc^iyeige benn ein tragifd^cr „^elb" finfcn. S(^on für ben begriff einer fold^en Streue, bie auf ber 9f?u§e alö ber erften 33ürgcrpfli(^t fu|t, fe^it uns ^eute febeö 5ßerftönbniö. 3)a§ ift etmaö Stnerjogeneö, burc^ Sefc^rönftt)eit unb ©c^roäd^e Sebingteö, aber nic^t ber ^antifc^e SSe^riff ber ^flic^t.

2)er brane §on§ Sarfiä ^atte 1561 benfctben ©toff ganj natürlich bef)anbelt in feinem fiebenaftigen ^rama: „9(nbrenö, ber uugarifdie Äönig mit 33ancbano, feinem getreuen ©tatt^olter."

3tufgefü§rt raurbc ©rinparjcrö Stüd, bog man „(Srni)" nennen mü^tc, am 28. O^ebruar 1828. 2)ie ^nerfennung mar bamatö gro^. ^er ^atfer frcilii^ moötc üuö politifd^en ©rünbcn, {)auptfä(f)Iicf) rcot)! megen be§ im 2)rama gefc^ilberten 3"= fammenfto^es jmif^en S^eutfrfien unb 9)?agi)arcn, 'üaä 3)ianuf!ript einjicfien unb bem ^id^ter aUe ätnfprüc^e abfaufen, aUc Sdjäben erfe^en, liep aber auf (SriHparjerä ^roteft I)in biefc 3Ibfidf)t fallen. Unb irar gemi^ \>a^ rerfjtc, eine folc^e 2)ic^tung ni^t in ben 3}iärtt)rerftanb äu crf)eben.

^ntereffant ift an bem Bind au|cr ber tapferen ©rni) unb bem gemifd^tcn ß^arafter Dttoä bie ^ec^nif, bie fic^ on bog Stubium ber ^ramati! 2ope be SSegas le^nt. ©riEparjer E)ot eine SBanblung oolljogen: er fc^rt fic^ oon ber Scelenmalerei in feinen früfieren 2)ramen ah unb begnügt fic^ bamit, bie äu|erli(^ fic^tbaren Gr= fd^einungsformen beö Sebenä ju geic^nen, bie fonfrete ^anblung mit ftrengem 3flealig; mug mieberaugeben. 2)ie r^etorifc^e, fc^önc Sprad;e erfc^t er burd; möglic^ft !nappe, aber lebenbige ätuSbrudöiueife. 9J?an fann nic^t fagen, ba| innerf)alb bcö fünf; fü^igen ^ambuö eine folc^e ©c^wcnfung glüdlidE) iDor.

3Som 3a§re 1824 an bef^äftigte fic^ ©riEparjer mit bem bramatifc^en ^nU rourf @ i n 33 r u b e r j m i ft im § a u f e ^ a b ö b u r g ", ber im 3lad)Ia^ er: galten ift. %nä) f)ier wirb ha^j monarc^ifdie ^rinjip betont. ^a6) ben @rfaf)rungen mit ber ^^nfw^^ ""^ ^^^ ^^U ^i^^ ^^^ ^id^ter jeboc^ ba§ ©tüd liegen. @rft 1850 bat er eg nur für fic^ felbft, nic^t für bie Üffentlic^fcit ooHenbet.

SBir befinben ung im ^rei|igiäf)rigen Kriege, am öofe 9fiuboIfg IL, eineö tQtenlofen, träumerifc^en Äönigg, ben fein faum fähigerer ^:8ruber g}tattt)iüg üoin ^^ron ftürjt. (Srft bog 3tuftrctcn SBaUenfteinö am Sc^tuffe bringt Gf)aratter unb gatbe in baö Btüd. ©rinparjcrg eigener 3J^angel an aBiUenSlraft lie^ it)ni biefcö ©rbübet ber ^abgburgcr fo üortrefflic^ oerftefien unb augbeuten. 5Dlit bicfem Übel DCtbinbet fic^ naturgemäß ftetö, fo aud) im Stücf, ber SBunfd), in ber g}?onard)ie eine Hüterin ber Crbnung, in ber S^eligion eine erjiefierin jur Difjiplin bauernb ju erFjoltcn.

2Bir finb, man fiel^t'g, nod) immer im aUcu £)ftcrreid). l^iefe brei Dramen ©rtttparjere finb im ©ninbe nur öfterreic^ift^^faiferlic^, nic^t national. SBag bättc

"1 20 ;^MU alten Oiicnvid).

eine Station mit bcm Streit ^luifc^en jiüei 33en)erbcrn um einen %i)ion ober mit ftlanij'c^er ©ienerfioftigfcit ^u tun!

©riHparjcr blieb fein ganjeö Scben lang in folc^cn ^orftellungen befangen. ®anun mürben jeine naterlänbifdEien ?Dvomen mef)r 3lnn(t)icn unD nm|cf)reibniuicii gottciomoUtcr ^Ibdängicufcit alö I)od)geftimmte, freie ^oefie.

2t[ö (Srittpar^er naö) bem 2(bfc^Iu^ beö >,Dtto!ar" über neue 3Kotioe unb otoffc nac^bad^te, famen au^er Soncbanus befonberg Sibuffo unb ^exo für if)n in Setrad^t. 1.'827 begann er narf) ber jpätgriec^if(^en ©rjälihmg beg @rammati!er§ 9Jiufäuä (fünftes ;5af)rf)unbert n. (Eljr.) ben $ero=^Ian ausgufüfiren, ben uor if)m metirfat^ Düib, fo= bann 3SergiI unb in ber beutj(^en Siteratur 6(^tttcr in feiner 33aIIabe be^onbelt tiatterr. %u6) "oa^i beutfcöe SSolföIicb oon ben beiben 5lönigö!inbern, bie einanber fo lieb f)otten, ift eine Igrifc^e S3erfleibung beö §cro=9JJütiüä. ©riUparjerö fünfaftige 3iOtnben= tragöbie f ül^rt ben ^itel „^tü 5!Jleereö unb ber Siebe SBellen".

§ero ift f^ion bei SJtufäug, ©riUpargerö Duefle, ^riefterin ber Slp^robitc. 6ie mu^ baf)er unoermö^ft bleiben unb (ebt mit einer Wienerin in einem cinfomen Sturm am 3Jleere. ®in g^eft ber -^t)pri§ fü^rt fie mit Seanber äufommen. ^n leiben^ fc^aftlid^er Siebe fc^roimmt. er nun, oon ber %adel auf il^rem 2^urm geleitet, über öen ^eDegpont, biö er in ^erbftlid^em «Sturm bei biefem SBagniö feinen ^ob finbet. 3llö §ero feinen Seid^nam entbedt, ftürgt fie fid^ oon il^rem ^urm ins 3Jieer. ®rill= parjer folgt im aUgenieinen biefer ^arfteHung, erfinbet aber bie ^erfonen be§ Dber^ priefterö, beö ?iauf(ero§, ber ©Itern unb beö ^empelpterg l^inju. 2öaE)rcnb ^ero bei 3Jtufäuö rafd^ \l)xex plö^Iid^ ermacbten Seibenfd^aft folgt, fämpft ©rittpargerS ^efbin mit i^rem ^flirf)tgefüf)l unb ergibt fidb Seanber mt^x auö Söerounberung unb 9KitIcib Denn aus Siebe.

9Jiit bem 5tnfang be§ Stüdes Ief)nt ©rinpar^er fid; an 'i)a^^ grie(^ifc^e 3:;rauer= fpiei „^on" beä ©uripibeö, mit bem Sc^Iu^ an baö beutfc^e Sßolfölieb an, in bem eine böfe 3^onne bie oon ber ^önigStod^ter angejünbeten Äerjen üerlöfcf)t; bei einem Spaziergang gibt I)ier bie Jungfrau ^rone unb S^iing einem ^ifd)er, ber bie Sei^c beö ÄönigsfoF)nes gefunbcn ^at, unb ftürgt fid^ in§ 9Keer. ©rittparjer manbelt bie !Ronne in einen ^riefter um, ber bie Sampe oerlöfd^t, fonjentriert bie mei)rcre SRonate mätirenbe ^anblung auf brei 2:'age unb fä|t §ero nid;t buri^ einen Sturg ins 9JZeer, fonbem an SiebeSgram fterben:

broudfit fein a)ieer, ber %oh i)at gleiche ^adjt, 3u trennen, ^u öereinen.

3)iefe Siebeetragöbie ift eine ber fd^önften, bie in beutfc^er Sprache gefc^rieben fmb, unb erinnert an St)afefpeareö „Slomeo unb ^ulie". luc^ f)ier bölt ©rtüporger an bem 58emüt)en feft, nad) bem SSorbilb Sope be SSegaä aüt^^ ^nnerlid^e ju öu^erlid^ fic^t= baren SSorgöngen umaugeftaften. ©as befte Seifpiel bafür ift bie ä(rt, in ber bie ^üc^tig ernfte .öero ben 3Bagemut beö Siebenben belohnt: fie forbert im %mm von

(»jnüpaijcr^ 'BJärdicnbraiueii. 127

il)m haö $8erfprcd)eu, Die §änbc auf bejii diüden ju galten; bann erft ftcQi fie öic Sampc bcijeite, bomit biefe baö Unf)cil ni(f)t jcf)e, unb fü^t U)n rofd). SdiUc^lirf) ergibt fie fic^ ifjtn boc^, wie ber fallcnbe 58orf)ang nnbeutet. Xae 5Öei6 tu if)r cnüarf)t.

1829 lüiirbe baö 2)rnma uoUcnbct, am 5. 3(prit gum crftcu 9)?ale mit l)or6em erfolge ouf geführt.

SRa(^ Dieicm griei^ifc^cn ^JMic^cn bearbeitete ©rittparjev ein anbeucö na6 Voltaires er,^ä^(uiig „Le blanc et le noir". S)er erfte ^(an gel)ört freiließ fc^on bem ^af)re 1817 an unb t)iep bamalö „S)eS Scbcnö 2d;üttenbi(bcr", bann „Xroum unb äBa^rl^eit". 5ßon ßalberonö „Sebcn ein ^raum" angeregt, beffcn erftcn 3(ft (SriU; ^jarjer überfe^t Ijattc, nannte et fein ©rarna, bem er bann tion 1822 bis 1831 mit Unterbred^ungcn fic^ mieber mibmete, ,,'35 er S^raum, ein 2 eben". 1817 blieb Die 3trbeit nac^ ^SoHenbung beg erften 3(!tc§ bcötjalb liegen, lueil ber ScEjaufpieler ^üftner, ber ben ^am]a fpielcn folltc, fid^ meigeute, bic 9^olIe eincö Sd^roarjen ju übernefjmcn.

®er ^äger Sluftan raill, begleitet von feinem ^iegerfflauen B*!»^'^/ ^^^ feinen (S^rgeij anfta(^elt, t)inouö5ieben in bie Söelt, obrooi)! bic Siebe feiuee DJiöbdienö, ber üeblid^en ^Dtirja, i^m fein ©liicf in feiner ruljigcn §üttc verbirgt, ^lun 9Iufbrucf) bereit, finft er in tiefen <o(f)[üf, unb nun träumt er, mac' ein Sebcn bebeutet, Unb maö für ein Seben! 58on einer Schlange uerfolgt, u)irb ber Äönig oon Samarfanb gerettet burd^ ben glüdlic^en Speerrourf eines gremben in braunem 5Jiante{, ber bann ucrfd^unnbct ; nuc^ ^liuftan rairft ben Speer unb fel)(t, gibt fid^ aber g(eidE)niol)f, oon 3^"0" beeinflußt, für ben S^ietter auä, rairb beö Äijnigä Scfiroiegerfofm unb tötet borauf ben roirflicfjcn 9ietter unb ben 5vönig fclbft, ba biefer ben 3itiii»""cnl)aug jw ' oFinen beginnt. ^ebocE) beö ilönigö 3:;o^ter ©ulnare, Siuftanö ©attin, ruft baö SSoIt 5ur ©mpörung auf; 9luftan entflicht unb ftürgt auf ber ^öerfolgung I)inab in bie ^iefe eines @tromeö. SJiit bem oeräiueifeltcn Srf)rei: „58erIoren!" crraad)t er bicfeö fieben i>on Sc^nlb unb «Süline mar gum ®lnd nur ein 2:raum. ©rgö^üd^ ift nun fein SBüten gegen ben a{)nung§Iofen B^^^g^^/ &i^ SJlir^a unb il^r Später 3}?affub, fein Dt)eim, erfc^cincn unb il)n barüber aufttären, baf, rcirliic^ nur eine 9iac^t iugroifcben nerfloffen fei. „Gine 3lac^t! unb mar ein Seben", murmelt 9^uftan. „gine Ükc^t. ©ö war ein ^raum", ergänjt ^laffub. ®a ftürjt ^Huftan uor öer aufgebenbcn Sonne auf bie ^nic:

2)anf bir, ^anf! öap jene Sd)rcrfeu,

^ie bie ^anb mit S3Iut befäumt,

2)a^ fie Sßarnung nur, nidjt ^l^cib^lTcit,

g^ic^t gefc^cljen, nur geträumt,

^a^ beiu ©tra^^I in feiner ^lar^eit,

Du (Srleud)terin ber SBelt,

9?id)t auf mid;, ben blut'gen ^-reülci,

9iciu, auf mid), ben 3?einen, fällt.

^reit au§' mit bei neu Strnl)Ien,

Senf tief in jebc S3ruft:

eine? nur ift ©lud l)iouici)cii,

128 ^m alten Dftemicf).

Sing: beS ^im^^"" ftiller grieben Unb bic fd;nlbbef reite S3iuft! ' Unb bie &v'ö^e ift gefät)rlid) Unb ber 9^ui)m ein leereg ©piel; SSö§ er gibt, finb nid^t'ge ©chatten, 3Sa§ er nimmt, ift fo öieL

(Sr gibt S^nqa bic grcit)cit, bie jener fic^ fc^Ieunigfl ^unu^e ma^t, unb bleibt ba^eim, feiner fommenben 5ßerbinbung mit Tlivia fro^. Muö) fjier alfo roieber bie Se()re, bo^ nur in einer gemiffen (Sctbftbefd)ränfung ©lud ^u finben fei, ta^ gerabe bie am mciften gern[)mten Sebenägiiter feinen 2Bert bcfi^en.

3SoItaire, beö 3)i(^terö oorljin erit)äi)nte DueEe, n^äljU ben Hergang etn)o§ nnbere. ^n bcr ^roüinj 5!anbal;ar lebt B^ufton, ber 6o^n eines 2)HrjQ, „maä fo uiel ^ei|t roic 9Jiarquiö bei un§ ober Saron bei ben ^eutf(^en". Seine ©Itcrn rooUen iF)n mit einer Wix^ain üermä^Ien. "^^hoä) JHuftan ocrliebt fic^ in bie ^ringeffin üon i^afc^mir, bie er ouf bcni 3a()rmnr!t gu ^obul ^u ©cfid^t befommcn ^ot unb nun befud^en roill. 'SUxt jmei Wienern, einem meinen namenö ^opaö unb einem fd^rcarjen namenä ©ben^olg, ber il)n pm 3Iufbru(^ nnftac^elt, marfjt er fic^ auf ben 3Beg. Unter: megö oerfd^minben beibe Wiener foroie S^nftonö ^ferbe. ©d;Iie^Iic^ fc^Iöft er ein unb träumt, bie ^ringeffin oon i^afc^mir raoEe fid^ auf 9Bunfd^ i^reö 3Sater§ mit bem 3Ritter ^arbabou oermä^Ien. liefen tötet er im Sraum unb nun eilt et jur ^rinjcffin, bie if)n jebocE) in bem ©lauben, fei Sarbabou, mit einem ^feil bur^; bo^rt. 3n§ fie fieE)t, wag fie getan hat, tötet fie fid;. 9lod^ trdumenb, gloubt 5ftuftan mit feinen beiben 3)ienern ju fpred)cn unb cruiadE)t. 3{uf fein stufen erfc^eint ^opoe, mä^rcnb (Sbenfiolj raeiter fc^Iäft.

©riUparäcr lä^t ^opaö beifeite, madE)t au§ ber „9)iiräQin" eine 9J?irjo, oet: la\i']ii}t ^'afd;mtr gegen Samarfanb unb bringt baö tragifd^e SKoment {)incin: S^tuftanö Sc^ulb.

@in 9}ieifterftürf ift bie ©eftaltniig ber 3:raunifäenc auö ber 3BirflidE)!eit f)eraus, bcnn aDeg, roaä 3fiuftQn träumt, befonbcrö bie @f)aralterifti! ber if)m er= fc^einenben ^erfonen, liegt, für ung beutlic^ erfennbar, bereite in feinem SBad^en oorgebilbet. Unb fo ift auc^ bie Xec^nif berounberngraert, mit ber ©riHparjer, be- fonbcrg im oicrten 2(ft, baö ©rraac^enmoUen unb 9]ic^tcrroac^en!önnen feineg gelben anbeutet:

.<pord^, fc^Iägt! Drei U^r öor Stage, .^urge 3eit, fo ift'S borüber! Unb id) betone mic| unb fc^üttte, ^JRorgenluft me^t um bie ©tirne. tommt ber Sag, ift oUeg flar, Uitb iä^ bin bann fein SSerbrec^er, Ücein, bin hjicber, ber id^ tüar.

3)al)in gef)örcn auc^ bic n)ieberf)oIten Stufe „Sfiuftan, 9fiufton!" Do^ er in lefeter Seit, aufgeregt oon ben ©c^Iad)tenberid)ten S^^n^aä, oiel träumt, \)bvten mir fc^on oon "IRaffub: „3a, beö 9lac^tg entfc^iummett faum, fpric^t pon kämpfen fefbfl fein

©viHparjerä !Diärcf;enbvameit. 129

2;raum." 9Benn lüir olä 3"fc^'^"ßi^ i>önn &ei Sf^uftanä einirf)lummern mib leifer SJJufif ju beö Setteg Raupten grcei Knaben auftauchen jef)en, oon benen ber eine bunt= gefleibcte feine gadet an bcr crlüfcf)enben beö braungeflcibetcn cntjünbet, fo rairb einem jcben flar, ba^ bcr ^ic^tcr jefet aug bcm fernen äßunbcrianbe bei Samarfanö I)inübercilt in baö eigentüd^e S;roumIanb, bie Jgcimat beö 3)?ärrf)enä, bag unumfrf)ränfte Äönigrei(^ ber ^f)antafie.

©rinparjerö gjJärc^cnbrama f)at in ^bfenö „^eer ©gut" ein Seitenftücf er= i)Qlten. 3fluftan rcitt gürft uon Samarfanb, ^cer ©t)ut ^aifer eines neuen erträuntten 5Heic^eö lücrben. Wx^a f;ei^t bei ^bfen ©obeig, bie oielc 3af)re lang auf il)ren in bcr gerne mit 2(benteuern fämpfcnbcn ©eliebten wartet. SIber ^bfen \)at ©rittparjerä Stüd oicEei^t gar nid^t gefannt.

$Dag 3Jtärcf)cnbrama luurbe nicf)t erft oon ©riHparjer auf ber SBiener Sü^nc eingeführt, ©c^on am 6. ätpril 1808 rcurbe im %\)catcx an ber SBien ein 3Jiärc^en in fünf Stften nad^ S. oan bcr 3SeIbe: „Scfjlummre, träume unb crfenne'', aufgefüF)rt, beffcn 2RotiDe benen in ©riHparjerä Stücf fel)r äi)nlic^ finb. 5Dag 2)iärd;enbrama rcar bamalö üolfötümtic^. ^einrid^ oon Äleift f)atte im ,,^ätf)^cn oon ^cilbronn" unb ,,^rin5en oon ^omburg" baö S^raumlcbcn unb ^Jadfitraanbein bramatifcEi bei)ün- belt. ^a, fc^on feit Scfiillerö „Jungfrau uon Drieanö" I)atten bie 3f^onianti!cr, be= fonbern 9f?oa)aIiö, STiecf unb 6. %. 2(. .^offmann, bie „S^Jad^tfeite" ber 9latur, befonbcrö bie träume, poetifrf; auögcfd)öpft. ©riUparjcr cermieb baö ^atl^ologifc^e, lie^ aEeä natürlich 3ugef)en unb I;ütcte fid) auc^ cor gcfieimniöüoDen ^"tfJten im Slfinfrau^Stil. 5Rur bie 3:'rod;öcn erinnern an biefe ©d^idfalötragöbie. ^njraifc^cn f)at @crE)art Hauptmann in ,,^anneles ^immelfal;rt" hüä 'Xrauntgebidit ^u neuen ©l^ren gebracht.

®urd; fein Btüd f)at ©rillparjer bie alten Stcgeln über bie ®inf)eit ber ^anb= fung, ber 3^^^ unb beö Drtö oon einer ganj neuen Seite beleui^tet. ®er unauf{)örlid)e Fortgang beö ®c]d)ef)enö, baö ganj unrairflic^ ift, ftettt {)ier bie einzige ©inl)eit bar, unb biefe allein barf üon einem S)rama gcforbert merben. ©o ift bicfeö 2!raumfpiel ein eigenartiger SBefcg für £effingö Darlegungen in ber „^amburgifcEien ^Dramaturgie".

Slm 4.:Dttobcr 1834 mürbe baö ©tüd in Sßien mit au^erorbentlid^em Erfolge aufgcfüf)rt. ©eitbcm j^at fid) bauernb auf ber 33üF)ne bef)auptet üicEcic^t uon ollen jDramen ©riHparjerö ,'am fefteften unb ift auc^ in bem Urteil ber Siteratur^ gefd^id^tc nod^ geftiegcn.

5Daö brittc 3J(ärd^enbrama ,, £ i b u f f a " ift nur a\i§, ©riüparjerö ^lai^Ia^ be- fannt geroorbcn unb bot au6) bercitö einen rocnngieid^ oon Sagen umgau!etten J^iftori* fd^en ^intergrunb. S)ie brei Sc^racftern 5lafcf)a, ^et!a unb 2ibuffa finb ron gött(id)er ^crfunft: I)icr berübrcn fi^ alfo 3Jiärd)en unb (Sef^ic^te fogar mit ber 9)ii)tf)oIogic.

2)aö böl)mifc^e £ibuffamärd^cn ift burc^ bie Gbroniften Goömoö, ."ciajef, !t;u= braoiuö unb ^ineaö Sphnuö, burc^ |)erberö ,,gürftentafcl" (nac^ ^qK'O in feine" ,,58oItöaebern" auc^ feine 58aIIabc „Daö 3Ro^ auf bcm Serge" ift ju ücrgleid^en , buTc^ 3)Jufäuö' ,,5ßortömärd;cn ber Dcutfd)cn" foroie burc^ Ba^^oi^i'iö SBcrnerö Drama „SBanba" unb 33rcntanoö Drama .,,Dic ®rünbung ^^ragö" (1815) meit befannt c^c-- roorben. ©rillporjer roanbte fid) fcfion früt) bem Stoff ju, erneut 1822, olä bie Stubicn

Oe^Ife, 2>ie tteutfc^e SiteraUit {ctt <&oeti)e$ Zobc ufro. 9

130 3m alten Dfterreic^.

5um „Cttüfar" ilju öen 'böfimifc^cu (E^ronifcn ^ufüfirten. 2tber ^Q^rjef)nte ^itiburc^ f)at bcr 2)icE)ter bcn Sibuffa='i)3fan immer micbcr aufgenommen unb beifeite gelegt. Stuf ber Süljue ^ot baö 2)rnma nic^t t)eimifd; merben fönnen. ScE)on bei feiner erftcn SUiffü^rung nm 21. Januar 1874 lüurbe fül;! aufgenommen. @g E)at biefeö ©cfjidfat nirf;t Dcrbient.

Sibuffa übernimmt bie böl;mif(f)e Krone. 3(ber i^r ^erj ift Siebe unb ©iitc, unb baö 5ßoIf verlangt ftarre @crcrf)tigtcit. ©o mät)It benn Sibuffa einen ©atten, jenen Sauern ^rimiölauö, ber fie einft auö bem ?^(uffe rettete. ^rnftifcE) unb tüchtig, in aEem irbifc^, bilbet ^rimislauö ben fd^örfften ©egenfa^ gu ber überirbifc^en Sibuffa. «Sie f(f)enft i^m ein 5linb, fegnet bann noc^ baö entftet)enbe ^rag unb ftirbt mit fcl;erifd^en Süden vin bie ferne 3itfw"ft-

SDct S5?enfc^ ift gut, er Ijat nur ttiel p fc^affen, Unb tt)ie er eingeln bie§ unb ba^ beforgt, ©ntge^t i'^m ber 3uf(iinmen^ang be§ ©anjen.

^m (Seift ber ^t)iIofop{)ie beö ad)tjel)nten ^at)rf)unbertö werben in ber „2ibuffa'' Serfaffungöfragen, ©efeUfc^aftöpftic^ten, ©täbtegrünbung unb 5[Renfc^enredE)te bel^an= belt. ift, atä F)örc man biöroeilen bie Stimme 3ftouffeau§. Stuc^ ^ieriaber ift ha^ @runbtt)ema ©rißparjerö Sieblingö=, ja SebenögcbauEe: ber ©egenfa^ jraifc^en ^beal unb SBir!ürf)feit. 3Bie ©appt)o, '^thea unb ^ero toirb auc^ Sibuffo 'oa§i tragif(f;c Dpfer beö ®afein§, ha§^ beffer nic^t bafein foHte. ®en ?UJenfc^eu me^r geneigt alö i^re beiben ©cEimcftcrn, mu| borf) auc^ fie bitter für baö ©emanb ial}kn, mit bem ^rimiölouö fie naä) ibrer 9icttung auö bem SacEie rüärmenb umf)üllt.

„Sibuffa" ift ©riHparjerö gebanflidbeö ^eftament. ©ein ^c^ t)at er f)ier jeboc^ mie ®oett)e im ,,^affo" in groei ^eile gefpolten.

3um ®Iü(f finb bie ©eftalten, bie ©riEparger fc^afft, nic^t berufen. 9ieine5 ©lücf ift nur mit größtem Serjii^t üerbunben, fagt ber 2)id^ter. ^odE) mir bürfen nid^t oergcffen, ba^ aurf) ©riEparjer fidf) perfönlid^ gum ©tücf nic^t berufen füt)[te. mar rüie bei ©c^opent)aucr. ^il^re ©ebanfen maren ein flarer ©piegel itjrer ^erfönlid^feit, unb ha§> ^öc^fte, waö ein foId;er ju leiften ocrmag, ift: flar abjufpiegeln, raaö er fieF)t. ^aö mar audf) einer ber ©rünbe, marum ©riEparj^er fo unraiber^ ftef)licf) jum SUJärcficn, jur Unmirflic^feit jog.

^ramatifc^e Sßerfe mie '„^ie 2(t;nfrau", „©appt)o", „®aö golbene Slieö'', bie genannten nationalen unb bie 9}cörc^enbramen geben gerci^, ein jebeö für fic^, einem iDicEiter überragcnbe Sebeutung. ^aö ©(Raffen eincö großen, ac^tgigjät)rigen Gebens mu^ aber aurf) ncc^ in feiner ©efamtjeit geraürbigt werben.

©einen 2Beltrul)m üerbantt ©riEparjer feinen Dramen. 'I)ie in ber ©cl)ilbe= rung feineö Sebensgangcö ern)äl)nten ^ugenbftücfe freilirf) tieften ben fommenben ^ra= matifer noc^ nic^t al)nen. Unb borf) mar ©riEparjerö ©cftaltcn üon ^ugenb auf cor aEem bramatifd). ßinen fprecl)cnben Seraeiö bafür liefert bie ^üEe feiner l)inter;

©nüparser^ Sebeutung. 131

laffeiien bromatifc^en ^läne, g^ragmcnte iiub Stubien, bie pon 1807 big ungefdl)r 1850 reicf)cn. 60 [inb i^rer mef)r afö 120, baninter eine „'^xa^omixa" , ein „BTpaxtalm", ein „^auft". 1812, aV]o lange oor bem ©rfc^einen bcö ^weiten Xeilö von @oetf)eö „gauft", ^Qtte er bie Hbfid^t, beffen erften Xeil ^n ®nbe ju führen. 3JJan finbet jc^t alle biefe ^(äne in "ocn ©rillparjer^Sluögabcn beifanunen. ^aö bebeutenbfte 33rud)ftücf ift bie „@ftf) er": nacE) ber Sßerfto^ung feiner ©ottin SSaft^i raä^it ber ^önig 3i^aöoer uon 33abi)lon bie ^übin 6[tf)er, bie if)m jebocE) if)rc 3(bftammung Derljeimüc^t unb if)ren Df)cim ä)iürboc^ai oerleugnet. Sias bebeutet it)re S(f)u(b unb beö Stüdeg ^ragif.

^n einem anberen, beenbcten Urania ftcf)t ebenfaüö eine ^übin im 3)UtteIpunft ber .ganbhing: in ber in 2^rocf)äcn unb Jamben nai^ einem Stüd 2ope be SSegaö gefd^ricbencn ^ ü b i n o 0 n ^ 0 I e b 0 ", bie ©rittparjcr in ben 5n)anäiger ^af)ren begann unb um 1850 abfc^If^. 3(lfonä VIII. nnrb üon ber jrfiönen ^übin dlal^d feiner ®emaf)(in unb ben StaatSgefc^äften entriffen unb in bie 9fic^e if)rer Sinnlirfifeit gelod't, erroarfit jebocE) oon feinem 9lauf(^ unb finbet fein ©Icic^gemii^t uoUcnbö roieber, qU mennglcic^ gegen feinen SBiflcn unb ofjne fein SBiffcn feine 23erfüf)rerin i)on ber ilönigin unb bcn ©rauben jum ^obe gefüt)rt mirb; benn fein feelifc^cä Sanb })at \i)n mit i^r oerfnüpft. ©riHparjer liebte bie ^uben nic^t, aber ben S^leligioncn ftanb er wie fieffing ooüfommen unpartciifcE) unb if)ren 58ertretern tolerant gegenüber. ©r seic^net 9f?af)elö SSater .^faaf al§ gefbgierigen SSertreter feiner S^affe, rüäf)renb 9?af)e[ö Sc^racftcr ©ftljer unfere 8t)mpat^ic gcminnt.

3u bcn bcbeutenbften Xramen ©riHparjerö gel)ört fein 2uftfpiel ,, 2B e l) bem, ber fügt", 'tia^i am 6. 3Jcär5 1838 jum erftenmal aufgefüt)rt unb fo entfd)iebcn ah- gelefint mürbe, ba^ ber ^id^ter feitbem empört bem XI;eater für immer ben 3Rücfen -manbte. ®en Stoff ^atte er ©regor t)on ^ourö' „@cfd)ic^te bcr ?^ranfen" entnommen. T)ev 33ifrf)of ©regor uon ß^alonä ift bcöf)alb geijig, rocit er haS) Cöfegelb für feinen Steffen 3(ta(uö ^ufammenfpart, bcr fic^ in germanifcfier Sflaücrei bcfinbet. 3llä ber i^ü(^cnjunge Seon, ber biöt)er über feineö Sif^ofö ©cij gemurrt t)at, biefcn ©runb erföljrt, befcf)(ic^t er, iHtaluä ju befreien, ©er Sifc^of ift cinücrftanben, binbet il)m ober auf bie ©celc, nid^t ju htgcn. Seon fäpt fid; nun an Slattroalb, jenen germanifc^cn ©rafcu' uerfaufen, in beffen 3)ienft "äialm arbeiten mu^, gcminnt bur^ feine ilod)funft ^attmaibö ©unft unb ermöglicht gerabe burc^ unbebingte SSa[;rl)aftigfcit, ba^ i^m 3ttaluö unb Jlattmalbö ^oc^tcr ©brita, bie it)m fcl)lic^lid; atö ^reiö äuföHt, bie gemein= fame glucl)t gelingt. ,Md) bem^. ber lügt" ift micber in fünffüfsigcn Jamben gc= fd^ricben. ift eigentlich fein Suftfpiel, fonbern ein l)citercö Scfiaufpiel. 3llö fold;eS aber nimmt burc^ bie Slnmut beö ©eiftcö unb bie tfrifd;c bcr Dialoge einen l;ol)en 3iang ein, unb Ijat fic^ längft bie Süljue, bie ficf) il;:n eiuft nerfcl)lo^, micber erobert.

©riUparjerö 33ebcutung auf bem Okbiete bcö ©ramaö liegi uor allem barin, ba^ er baö Xl)eater feiner eigentlid;en Scftimmung, nicl)tö alö ^^anblung ju peran= fc^aulic^cn, micbcrgcgcben ^at. ^m ©runbe liegt baö 1)rama alö bcfonbere ©attung auperl)alb ber ^oefie, neben ber bie 33üljne atö fclbftcinbigeö ©arftcllungö= unb 3(uö: brudc-mittel feit ber altgriec^ifc^en 3eit erfd)cint. ©rillparser ^at, burc^ 2ope be 3Scga gefd;ult, fortfd;reitcnb biefem ei)arattcr bcä Xramaö entfprocl)cn unb aOeo, maö fouft

)

132 ^m alten Oftcrreid^.

eine 2)ic^tung jiereii mag, in ^anblung umgcfc^t, biefc ober butd^ SScrbinbung mit I anbern fünften, 3. 33. ber a)fufif, bereichert. (Sr I)nt bomit einen bebeutunggootten 3d^ritt in bie 3"^""!^ ber SBü^ne l^inein getan unb bie 33eftrebungen ber 5Homantlf für baö 2;^eater erft lebensfähig gemad)t ; benn bie 3flomantifer roieberum befa^en ni^t bie (Strenge ber ^ompofition unb bie fü^Ie, terfinifc^e Serec^nung ber Sinien, bie ©riHparjer mit ben ^(affüern üerbinbet. ©0 ftel;t er jnm ^eil be§ beutfd^en 2)rama§ jn^ifc^en ber tlaffifd^en ^unft ber g^orm unb ber romontif^cn Uniüerfalität ber 3tn= fc^auung genau in ber SJiitte.

©riHparjerö ©tüde finb Süljucn^ nic^t Sefebramen. ©eine SScrfe Hingen oft ungefc^icft, ja fjolperig, wenn man fie lieft. 2)er ^ic^ter gab ben (Seift unb üe^ bie Sül^ne baö SBort J^injutun.

S)ic S3eranlagung f6on beö Änoben iries in biefc 33al)n. @r mar fe^r muftfalifc^ unb liebte eö, einen Äupferftid^ vor fiep auf bas ^laoier ju fteUen unb nun burc^ fein ©piel rcicberjugeben, moö ba§ Si(b jcigte. 6r f)at mehrere Steber fomponiert, unter anberen ®oetf)e§ SaHabe t)om ^önig in ^^ule unb bie ^orajifc^c Obe „Integer vitae". "änö) ben ^onj aU r]^pt{)mifc^e§ 3(uöbruc!§mittel liebte er.

5in bie SKufi! ricE)tete er bie SSerfe:

©ei bie SDic^thmft noc^ \o gepriefen,

(Sie fpric^t hodj nur ber 9}?enf(i)en Spra(^e,

2)u fpricf)ft, mie man im §immel fpric^t.

2)aä mar ungefäl)r ju ber gleid^en ^üt, als ©(^openI)auer ber 9Jlufi! ben f)ö(i^ften 9?ang unter ben fünften juerfannte. (SriHparjer üerroertcte fie bramatifc^. Sie „2l^nfrau", „©app^o", ,,^ag golbene SSIieS", ,,Dtto!ar", ,,2)e§ 3Jieereä unb ber Siebe SBellen" roerben oon SJJelobien, fei mittelö ber £aute, ber Seiet, ber ^löte ober be§ ©efangeg, burc^gogen. „^(i) l)ahc burc^ bie 2)iufif bie 3}lelobie ber SSerfe gefernf^ fa^te ©rillparjer ju 33eetf)oren mit bcm er fidE) auc^ in ber Slbtel^nung ber ©^e eins mu|te: „^ie ©eifter unter ben SBeibern I)aben feine Seiber, unb bie Seiber feine ©eiftfr." 3n ber 3J?ufif jeboc^ ftanb \\)m. gjlogart ^öf)er. SBagncr, ber mit ber SSer* fd^meljung oon ^oefie unb 3Jiufif ernft macfite, ging if)m bagegen ju meit, benn baron mar er feit feiner ^ugenb überzeugt, ba^ bie fünfte in it)rcn 3Jiitteln burc^au§ t)er= fc^ieben öoneinanber feien; in i{)ren SBurjeln feien fie cin§, in i^ren ©ipfeln geteilt. 35er 2)id)ter fönne ni^t jugleid^ Äomponift üon bemfelben 9?ange fein:

(Sin (3tra|I jugleid^ öt)n ätoei ©onnen, 2)en hielte fein ©terblid^er au§.

(SriIIporjer§ ©ramen f)aben ben 2Bcg befd^ritten, auf bem bie bramotifd^e ^oefie (cbenöfä^ig bleiben fann: ben SBeg jur ^ül)ne. 2Re^r mar r>on ber S)ramatif Im alten Ofterreic^ nicf)t ju erroarten. 2)en neuen ©ebanfen, bie mit bcm ^afirc 1848 einfetten, fonnte feine Äunft nid)t mel)r folgen, ©ie blieb in aEen i^rcn (Srunb= anf(f)auungcn Dormörglicf) geftimmt unb befonbcrö politifd^ in einem engen greife bes fangen, ^n religiöfer ^infic^t backte ber ^id^ter freier: „(Sin gmifcfien gjJauern ein* gcfcfeloffener (Sott fommt nid)t rcieber, bamit ift'S auf eroige 3eitcn oorbei."

©ndpoväei-« 58ebcuhing.

138

^n feiner Sprif lehnte ©riHparäec aUe mufifaüfc^cn Elemente ab, Sciuc ©ebic^te finb beftimmtc ©ebanfcn in beftimmte 3Ser)e gebrarf)!. Sr geF)t tgrifc^ ton- ftruftit) cor unb ^ebt bamit bciö SBefen ber ßpri! auf. ©eine regelmäßig geformten Stropl^en finb 9?efIepionen eineä gciftig I)od^ftef)enbcn 3Jlcn|(f)cn, in beffen Sebenöbnc^ bas SBort ©clbftoergeffen^eit feinen Siaum gefunben f)at. <Bo ift feine Sprif biö auf peniges, in bcm ba3 ©efü^I für 'Oa§> ^aterlanb ober bie ©eliebte bie ?5effeln fprengte, in f)of)em ®rabe unpoetifc^, roenngleidf) gebanüi^ anjiel^enb unb lefenöroert. Unb biöroeilen roHen oucf) [prifd^e perlen aus bem ©ebanfengrau f)erauä, roie bie narf) bcm S:;obe feiner 3Jiutter am 9. 9Jlärj 1819 gebi(^teten $8erfe ,Mn bie üorauSgegangcneu Sieben'' :

@eib i^r üoraulgegangcn, Ciebe ©efä^rten ber Steife, 3Bo§nung mir gu bereiten, 3)cr noc^ im ©taube be» 9Beg§?

©ud^t mir ein Sl'ämmerc^n, Siebe! ©tiÖ unb freunblic^ unb flein, SDoc^ in eurer 9tä^, ^d) bin ni^t gerne allein.

^eimlic^ fei t§> unb ftiüe, ©d^tten mäß'ge ben ^ag, SDa^ ic^ gern fi^en unb finnen, SDic^ten unb benfen mag.

2Bie man jeboc^ auc^ an biefem @ebi(^t fief)t, oerfc^md^te ©riHporjer, nacE)trögIirfi bie %cik ju gebraud^en. 33ei feinen Dramen iäßt ]\6) baö ebenfaEs oft genug beobad^ten.

3II§ 3^ 0 ü c 1 1 i ft ift (SriUparjer nur roenig ^eroorgetreten, unb boc^ ift er ^icr bebeutenber als in ber Sgrif. «Seine erfte Srjcifilung, „2)a0 ^lofter bei S e n b 0 m i T ", erfc^ien 1828 in ber üon Sd^reptjogel herausgegebenen „Slglaja", feine jroeite, 2) e r arme S p i e I m a n n ", in ber „S^is", ^afc^enbuc^ für tai 2SaI)r 1848.

®a§ „^lofter bei ©enbomir" ift eine romantifrfie 9]oDeQe im Stil SBalter Scotts. 3^^i 9^eitcr erreid^en bei untergetienber Sonne ein Älofter, beffen (Snt; fteF)ungSgefd^ic^te ifinen bann oon einem 9Jiönd^ erjäf^it roirb. ®ä raurbc oon einem ©rafen gegrünbet, ber fein ef)cbred[;erifcE)es SBeib tötete. 3lm ®nbe fteUl fi^ ^eraus, baß ber ©rjö^fer felbft ber §elb ber ©efc^ic^te ift, ber feine Tat im .^lofter abbüßt, er [jeißt Starfc^ensfp, fein SReib Slga.

S^iefer 9lame fü^rt uns ju ©erfiart .Hauptmanns bramatifd^er S3erarbeitung ber ^Jooelle. Hauptmann fc^afft burc^ bie .^in^ufügung ber Marina, Starf(^enSfgä pfli^tgetreucr 9J?utter, einen mirffamen ®egenfa^ p feiner ^elbin, in ber er blc felbftfü^tige, lac^enbe SebenSluft nad^ bem 58orbi[b ©riHparjcrS uerförpert. ^ußcrlid^ tritt ferner bie ^tnberung ein, baß ber bcutfd^e 9teifenbe Starf^ensfpS ®ef^i(^te als 2:!TaumbiIb erlebt. '2)aburd^ ücrliert ©riHpar^erS ©inficibnng, bei ber firf) ßrjäfiici unb ^äter als bicfelbe ^crfon fjcrauSfteHen, ben .^auptreij.

5|n bem „3Irmen Spielmann" itat ©rittparjer ftjmboüfc^ fein eigenes, inneres lüie äußeres Scben meifterf)aft bargefteHt. Seine büftere 2ßcltanfc^auunö ift f)ier uon

134 3m alten Cftervcic^.

ben fieitercn ©onncnftraf)len rul)iger Sebcnsironie nergolbet. ^Barbara, bie ®retöier§; todf)tcr, bic ben gelben ber ßrgälihtng, ben armen ^afob, liebt, mu^ ben roljen 3^Iei}cE)cr= meifter I)eivaten unb mirb an feiner Seite eine tüd^tige, braue ^auömntter. 9iie ober fcrgi^t fie baö gro^e 5linb, ben armen Spielmann ^doh, bcffen ©eige fie narf; feinem S'obc mic ein ^ciligtnm tjütet. Hnb mirflirf), ^afob ift eine in if)rcm ©belfinn, ifjrer Selbftlofigfeit, iljrcn Seiben unb ß'ntbe^rnngen, i^rem ^bealiömuö unb il)rer flägüdien ^ilflofigfeit rüljrcnbe ©cftalt. ©iefe ^loüelle gel)ört ju bcm heften, roaö in bcutf^er ^rofa gefd; rieben ift.

9lur alö ^lon erhalten ift ©riUpar^erä (SräöI^Iung „^aS ^ettelroeib 0 0 n 2 0 c a r n 0 ".

©riHpar^erö ilunft ift mie fein Seben alö -©anjeg unbefriebigcnb. 9}ian l)üt bae. ©cfüf;I, fe^It immer nod; etmaö, 'Da^, aucf) nodf) I;öttc gefogt, empfunben roerben muffen. So mar ja aud^ mit feiner Siebe, ©crci^ mürbe er mit feiner ^atl^t üereint, aber erft im ©rabe: fie ftarb ficben ^abre nad) iF)m (1879) unb mürbe neben il^m beigefe^t. Unb fo mar immer unb überall bei if;m: baä le^te blieb ungefagt unb ungetan, biö §u fpät mar unb Staub unb Slfc^e ber SBelt uerfünbeten, bafi ein großer ^id^ter jn nod) ©röterem beftimmt mar, alö fein geben unb feine SBerfe oerraten.

Unb bcnnod^: alö 1891 fein l^unbertfter ©eburtötag auf 55 beutfc^en Sühnen gefeiert mürbe, ba ging ein 3(I;ncn burd) baö gefamte beutfd^e 3SoIf, ba^ biefcr alte öftcrreicf)er unb ^reu^enfcinb gang ibm in feiner ©efamtfieit gel)örte, unb ba| ta§ junge Öfterreid^, geführt oon 2(näcngruber, SRarie ©bner = Sfc^enbacf), 3xofcgger, Sc^ni^fer, .^ofmannöt^al unb Sd;önf)err aUcn ©runb Ijat, auf i^n afö ben erften neueren Segrünber öfterreic^ifc^er ^unft ftolj ju fein.

^m Sturm ber testen ^al^rjetjute trat fein SBerf oft äurücf, benn auf Sc^önfieit mar gebaut, unb bic mar lange, gumal oon ber 33üf)ne, auö bcm Slcic^e ber bcutfd)cn ^i(^tung jugunften rüdfidjtölofcr SBaf)r]^cit verbannt. Sobatb Hebbel unb ^bfen il)r SBerf einmal ganj getan f)aben merben, mirb ©riÜparjerö ^unft ]\o6) 'i)öl)sv fteigen, alö fie jefet f^on fte^t.

33iele lieben ilju nic^t, mic fo bci^ f€ine ^aitx) tat, bie i^n fo gern begtüdt bättc, fc{)en aber gern in ber ftaren '^dt feineö ©eifteö baö bumpfe Seben fid) fpiegeln, f)ören flagenb aufraufd)en jur Dberfläd)e auö S^icfen, in bie feine unglüdlicfie Si^atur iljn immer mieber Ijinabjog. ®r mürbe, ba steift gu frü^ ftarb, ber bramatifc^e Grbe unferer ^laffifcr. (Sin tropfen menfd)Iic^cn ©lücfeö meljr in biefe Scbeuöfdiarc unb mir f)ätten in i^m eineö ber größten beutfd)en ©cnieö, einen ?^ü^rer ber ^öeltateratur befcffen. So aber ift baö ©efamtbilb feiner ^öcbeutung nicfit ol^ne ©nt^ fagung, baö ^auptroort feineö ^afeinö, ju jeid^nen. 2öar biefeö bod; auc^ jcber ^ö^eren BJienfc^enmürbe gegenüber baö ilcnnmort bcö alten Dfterreid^.

8. ©vlttuavscvS öftcrrclt^üdöc ^citt^euoffcn.

3Im 22. ^ai 1871 ftarb, furj uor ©riHporjer, eiigiuö ^^ranj ^ofepl; grcil)err oon 5münc^=53el(ingf)aufen (geboren in ^rafau am 22. 3tprtr 1806), ber fic^ alö ^icfiter

©nHvai'D^'^^ öftcrrcicf)ifcf)c 3citgenoffen. 135

(Ifricbrid^ §olm nannte. 2t(ö Seiter ber ^ofbibliot^ef iDurbe er ©riHparjcr uorge- jogen. 3d^Iic^nc^ würbe er fogar ©eneralintenbant ber faijerlid;en ^oftf;cQter.

^almä erfteö 3rf)auipiel „©rifelbiö" (1834), baö an ^önig 2Irtnö' |)of jn .^arbuH fpielt, unb in bem an^er 3(rtnö ^larjioal, Sancelot, ©aniin unb „2^riftan ber SBeifc" auftreten, in fünffüßigen Jamben gefc^riebcn, F)atte einen unüerbicnten Qv- folg. (Sein ©c^aufpiel „"Der SoI;n ber SBilbniö" (1842), baö in (Pallien fpicü, f)nnbert ^al)xc nacf) ber ©rünbnng 3JJaffa(ienS burrf) ^Ijofäer, mad;te ben l!id^ter nod^ berühmter. Sebenbig geblieben ift jebod^ baranö nur ha^j üon ^ngomar luieber: holte Sieb ^artfieniaö im jmeiten 2(ft:

SDtein iper,^, ic^ anll biet) fragen: 2S?a§ ift benn Siebe? Sag"! „3>Dci 'Seelen unb ein ®ebaufe, 3tt'ei $er,^en unb ein ©c^Iag."

Unb fpvid): luol)ev fonunt Siebe? „Sie fommt unb fie ift hal" Unb ipric|: lüie fcfjiuinbet Siebe? „Xie lt»ar'§ nic^, ber'3 gejc^afj!"

Sebcutenber ift ^aUm fünfaftigeö ^rauerfpiet in Jamben „^er gerfitcr uon Skuenna" (1854): ^^nmclicne, ber gefangene ©of)n beö Slrniininö, jum %cii)kx er= 3ogen, foU in ber 3(rena auftreten unb rcirb, bnmit bicfe Si^anbe ücrf)ütet merbe, uon feiner ebcnfaEö gefangenen 9J?utter ^f)Uöne(ba im Srf)faf getötet.

33on §almö übrigen Stücfen finb nennensmert baö bramatif(^e @ebirf;t „Sßilb; feuer" (1864), ber (Sinafter „^er 3:ob beö Samoenö", 'Div^ Xrauerfpiel „O^er 3{bcpt" fomie bie Suftfpietc „i^önig unb 33auer" (nai^ Sope be 5öega) unb „3]erbüt unb Sefcfit".

^a §a(m auc^ Itjrifd; nic^t über ben ^urcf)fd^nitt ber poctifcf; ^Begabten Ijiu; auöragt, fönnte bie Sitcraturgcf(^i(^te fic^ fü[;[ mit feiner ffürf;tigen ®riüäf)nung be; gnügen, ixienn nid;t feine Grjäfihingcn ^ötjeree Talent »errieten. Sic finb ja ein menig fcf;aurig, aber pacfenb unb jeugen uon ftarfer (iJcftaftungöfraft, foino^t ,/'3)aö 5(uge ©ottee/' unb „^ie 9)iaräipanliefe", luie baö berüd^tigte „.^ano an ber ^Ccrona= brüde": biefer 3ftuggiero f)at feincöglcic^cn nid)t in ber gcfamtcn 2Be[t(iteratur.

©rillparäer näber ftel;t (ycvbiimnb 9?niiuiinb (1790 1836), ber eigenttidie Scgrünbcr beö SBicncr S3o(föbramaö. Sein bürgerlicher 5]amc mar JHaimann. ßr enbete burc^ Setbftmorb am ^n\'d)t, non einem tollen .öunbc gebiffen ju fein. Gr mar Sc^aufpielcr unb ^id;tcr äugfeii^ mie neben ibm ?lcftrot), vox ibm Sbafcfpearc unb isoliere unb nad; \l)m ^(njcngruber.

3.^on Sfiaimunbö äa[)(rcid)en Stücfen finb nur mcnige im ftrengeren Sinne literaturfäfjig. 3(m bcfanntcftcn finb „5((penfönig unb 9]ienfd^enfcinb" (1828) unb „1)er Sauer atö 9JtiIIionäi" (1826). ^n bem juerft genannten „romantifdj-fomifc^cn iliärd)cn in brei Stufjügen" mirb ber crfte 9tufjug mit bem yicfgcfungenen Gf^orlieb gcfd)(offen:

©0 leb' benn mol)!, bu ftiKcy .^au§, 3iMr gief;n betrübt auö biv ()inau§. Unb fnnben lüir ha§> tjödjfte ®Iücf, SSir backten bod) an bid) jurürf.

3?ainiunb I;at feine „3rtuberpoffen", „Criginal:3nubcrmärd;cn", „Sauber; fpiele", „Crigina(;3^"^fiivi'-''f"/ /,Criginaf=tragiid;-tomifc^en 3ii"l^^^1pifff" "i*^'ft i"

136 ^m alten Cfteivctcf;.

^rofa mit ©efangöetnlagcn ucrfa^t. ^m alten üfterreicf) ivar er bcr gegebene ©ic^tcr für tKig 5ßoIf, boö fid^ blöder an puffen im ^afpcrle^Stil vergnügte unb nun bei atter ^armlofigfeit anmutige SSüfinenftüde erhielt, ©o nntrbe 3flaimunb ber ßiebling feiner SBiencr, bie \^m ein ^enfmol erricEitct unb ein S^^eater not^ if)m genannt ^ahen, toie fie einft feine 33erfe in bem „TlaA)6)en oon ber ^^eenraelt" mitjaui^jtcn:

©c^eint bie ©onne noc^ [o fc^ijn, föinmal mu^ fie unterge^n: 93rüberlein fein, Sörüberlein fein. Wu'^i nic^t böfe fein.

9kbcn Siaimunb n'ar im alten Öftcrrcid^ ein beliebter ^{)eaterbi(^ter ^buorb Uon JBauerufdb (1802—1890), nac^ bem Seipgiger Suftfinelbic^ter 3Roberic^ Sene; bif (1811—1873), bem Sdiöpfer beö „Semooften ^auptö" (1841), mit bem baä ©tubentenftüd in ber Strt beö „2(tt=c<QeibeIberg" einfette, genannt ber öfterreic^ifd^e Senebip. ©r mar ^Beamter bei ber SBiener $of!ammer unb fpöter bei ber fiotterie: bireftion. 5ßon feinen Suftfpielen, bie nähere literarifc^e Sßürbigung beanfprui^en, ^aben fic^ auf ber Sü^ne crt)a(ten „^ie SSefenntniffe'' (1834), „Sürgerlid^ unb roman= tifc§" (1835) unb „©ro^jä^rig" (1846). ^u ©rittparjers 3cit galten 33auernfelb forool)! mie 3?aimunb ber l^ö^er fteljt olö {jod;bebeutenbe ©i^ter.

2Ug britter ift in biefem 3ufammenl)ange ju nennen So^öwn S^c^jonill! S^cftro^ (1802 1862), ein ^offcnbic^ter uon noc^ gröberer Strt, ©o^n eines 2(bDofaten, fpoter ©d^aufpieter unb einige '^a^ixe ©ireftor beö SBiener ^art^St^^eaterä. ^eute ift faft nur norf; oon feinen 5ßo[fgftüden „'?Der böfe (Seift Sumpajipagabunbuä ober baä Iieber= iic^e Äieeblatt" lebcnbig geblieben, eine „^ouberpoffe mit ©efang'': anberö taten e3 im alten öfterreic^ bie lieben SBiencr ni(^t. Unb wer felbft mit biefem Sumpaji feinen redeten Segriff ju cerbinben mci^, bem trirb "öa^ fd^öne Sieb an§i ber fünften ©jene beö erften StufjugS roieber ju bem ©eift folc^er ^oefie oerficlfen. „©d^aut'ä mir aufs 5D^aul", f agt ba ^ n i e r i e m , „unb fingt'S alle mit mir jugleic^ :

Sbuarb unb ^unigunbe, S^unigunbe unb Sbuarb, ©buarb unb Slunigunbe, Sl'unigunbe unb ©buarb, ©buarb unb ^^^unigunbe, ^unigunbe unb (Sbuarb.

g- a f f e l. Sag ift toirflic^ einzig. Seim. Drbentlic^ rül^renb. Sl nier i em. ein ©emifcl|t§! Sllfo je^t fingen h)ir bie äloeitc ©tropfe, bie no(f> fc^öner.

©buarb unb ^unigunbe, ^unigunbe unb ©buarb, föbuarb unb ^u

2c im. ^brt''§ auf! ^a§> ift jo aümexl '§> ^iämlic^e. ^nicriem. ^i}x wi^t nid^t, fttag \ä)ön ift."

©nOpar^ei-S ö[terreic^ifcf;e 3eit9e»oiicn. 137

Ober man greife ju einem anbeten feiner bcliebteften Stüde mit i>em poetifc^en ^itel: ,,6inen ^uf roitt er fic^ machen", unb lefe bort baö Sieb mit bem ^e^rreim:

a}?an glaubt nic^t, föie ^äufig ba^ g'f(^ie§t, Unb jc^idt fid^ bod^ offenbar nid)t.

®aä alleä ftef)t mä)i üiel über bem 5Range eineö SSorftabt^S^ariötöö unb ^at nur in einer 6tabt löie SBicn nac^fiattige ^ugf^^ft beroeifen fönncn. ^ennocf) finb 9?aimunb, Sauernfelb unb 3fieftro;) bie bebeutcnbften unter ben S5}iener ^offenbic^tern jener 3cit. SInbere rcie ^bolf JBäucrlc (1786—1859) cerbicnen nur in «Spejialrcerfen über i)Q§ SSolfäbrama ©rmäf)nung.

3lud^ in ber Sgrif beö alten öfterreid; bürgerte ftdi ein traumfeliger SSolföton ein. 2)er fraget ^orl §crIo«ifo^it (1804—1849) bidjtete bas gefüliboHe Sieb ,,SlBenn bie edimalben f)eimmärt§ jiefien^ ^üömiii 5lc))onmf 5ßogl (1802—1866) lieferte ben beutfd^cn Sefebüd^ern ba§ l)übfd;c ffcine (Scbi(^t „^Das ©rfcnnen": „©in SBanberburf^, mit bem ©tab in ber ^anb" fefirt auö ber g^rembe l)cim unb wirb nur ron ber Tlnüex erfannt. ©er SBiener ^oöami ölaüricl Seibl (1804—1875) »erfaßte bie öfterreicEiifc^e SSoIfölirimne nad^ §apbnö älterer SJJelobie. 1854 mürbe fein neuer %qt au§brücEIid^ anerfannt. SBir fennen i^n ferner alö 2)i^tcr ber ,,Uf)r" unb bes „3:^otcn ©olbaten'': „^Tuf ferner frember 2tue". 1844 erfdiiencn feine „&C' bid^te in nieberöfterreidliifd^cr 9)lunbart''.

»ebeutenber ift ber ^rei^err ^ofc^jf) öon 3cbli^ (1790— 1862), befanut befonberö burd^ ba§ ©ebid^t „5Die näd^tlic^c §eerfc^au". 1827 etfd^ien feine Samm; (ung „^otenfränje" in ^anjonen. 3^^^^^' ^9"^ bc\ii^t cblercn Gf)ara!ter al§ bie ber t)orl)in ©cnannten. ©aSfelbe Iä|t fi^ aud; üon bem 3^reif;errn (frnft üon ^nid]= Icr^lcbcn (1806—1849) fagen, ber gum ^^reunbesfreife ©riHparjerä gef)5rte. 2)ie ,,®iätetif ber Seele" (1838), ein empfinbfam freunblid)c§ Geraten in ^rofa für bas ^auö, ^at biefen tü^tigcn SBiener ^rrennrjt ebenfo befannt gemad^t raie fein t)on 2J?enber§fol)n:^artl)olb9 fomponiertc^. 3lbfd)iebclieb : „ßö ift beftimmt in ©otteö 3f?at". 5?ein geringerer aU Hebbel ^at feine 2Ber!e neu berauggegebcn.

9Iuö ber 3JJenge ber oielcn im alten Öfterreid^ f)eben fid^ nur jmei ©id^ter über= Togenb Fierauö: Senau unb ©tifter. 23ePor mir ung il)nen juraenben, muffen mir jeboc^ baran benfen, "tta^ einige politifd^e ©iditcr ba3U beigetragen ^aben, baö alte Ofterreic^ ^n einem neuen umjufc^affen. 5(uoftafiu« ©rüii (1806—1876), ber mit feinem roirtlicfien S^^amen ®raf 9(nton üon 9lueröperg l)ei^t, ftcljt an if)rer ©pifee.

5Dic politifcfie ©ic^tung öftcrreidiß in ben breifiigcr unb üierjiger fahren bilbet mit ber gefamtbeutfc^en eine ßinlicit unb fann an bicfor Stelle nur geftreift werben, ©röffnet raurbc im alten Oftcrreid^ biefer ^ampf um bie ?^reibeit, bem bann baä ^ai)i 1848 befd^iebcn mar, burd) ©rünö „Spaziergänge cineä SBiener ^oeten", bie in ®oetf)eö Xobe9j<J^r erfd;ienen. 5ßon ba an lüurbe j5=rcit)eit auc^ in öfterreirf) „bie gro^e Sofung, beren ^lang burc^jauc^-^t bie 2Bclt". ?tueröperg gcf)örte 1848 bem 5Borparlament unb bann bor ^^ranffurter SRationaloerjammtung an. Seit 1861 mar er ?Kttgtieb beö öfterrct^ifc^cn .^errenl)aufe§.

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9iJjt alten Cftcnctcf).

^rofa mit ©efangSetnlagen ucrfa^t. ^m alten öfterreid) roav er kr gegebene ^irfitcr für baö S3olf, boö fid) Möller an puffen im 5!ajperle:©til üergnügte unb nun bei aller ^armlofigfeit anmutige Süf)ncn[tüct"e erhielt. So nntrbc 3fiaimunb ber Siebling feiner Sßiencr, bie if)m ein ^Denfmal errid;tct unb ein %ljcaUx na6) if)m genannt f)aben, roxt fie einft feine 33erfe in bem „2Röbc^en oon ber ^eenraelt" mitjaud^jten :

(Scheint bie (Sonne noc^ [o f(f)ön, ©inmal mu^ fie unterge^n: S3rüberlein fein, Srüberlein fein. SCRu^t nic^t böfc [ein.

5^ebcn Siaimunb war im alten Öftcrrcid^ ein beliebter ^fieaterbic^ter ^buarb öoii SBaiienifelb (1802—1890), nac^ bem Seipgiger Suftfpielbic^ter Sfloberid^ 33ene= bip (1811—1873), bem Sdiöpfer beö „$8emooften ^auptö" (1841), mit bem ta^^ ©tubentenftüd in ber 2(rt beö ^,2(lt;.^eibelb«rg" einfette, genannt ber öfterreid^ifd^e Senebif. ©r roor Beamter bei ber SBicner ^offammer unb fpäter bei ber Sotterie= bireftion. 33on feinen Suftfpielen, bie naivere literarifc^e SBürbigung beanfprudien, fjoben fid^ auf ber Süf)ne erhalten „®ie SBefcnntniffe" (1834), „33ürgerli^ unb roman= tif^" (1835) unb „(Sro^jäf)rig" (1846). 3u ©rittparjerä 3cit galten 33auernfelb foranl)l mie 9kimunb ber l^öljer fteljt ol§ ljod;bebeutenbe ^ic^ter.

3llö britter ift in biefem 3ufömmenl)ange ju nennen ^o^onn 9fc)Jflm«f ^flcftro^ (1802—1862), ein ^offenbic^ter üon noc^ gröberer Strt, <Sol)n eines 2lbüo!aten, fpäter Sc^aufpieler unb einige 3al)re ©ireftor beö Sßiener Äart-3::f)eaterö. ^eute ift faft nur nod^ üon feinen SSolföftüden „5Der böfe ©eift Sumpasioagobunbuä ober baö lieber= lid^e Kleeblatt" lebenbig geblieben, eine „^aubcrpoffe mit ©efang'': onbcrS toten im alten öftcrreic^ bie lieben SBiencr nid;t. Unb raer felbft mit biefem Sumpaji feinen redeten 33egriff gu üerbinben mci^, bem mirb ba§ fc^öne Sieb an^ ber fünften ©5cne beö erften Slufjugö miebcr ju bem ©eift fold^er ^oefie üerlielfen. „©c^aut'ö mir aufö SWaul", f agt ba ^ n i e r i e m , „unb fingt'S olle mit mir gugleid^ :

©buarb unb S?'unigunbe, .'s^'unigunbe unb Gbuarb, (Sbuarb unb ^unigunbe, ^unigunbe unb (Sbuarb, ©buorb unb S^unigunbe, ^unigunbe unb Gbuarb.

g- 0 f f e l. 2)00 ift föirflic^ einjig. £ e i m. Drbentlic^ rü^renb. St n ie r i em. ©in föemifd)t'§! Sllfo je^t fingen tüir bie ähjeitc ©tropl^e, bie no(^ fc^öner.

Sbuarb unb Stunigunbe, ^unigunbe unb ßbuarb, ©buarb unb ^u

ßeim. ^ört'§ auf! S)a§ ift jo aüen?eil '§> 9^ämlid^e. Stnieriem. ^^r mi^t 'nid)t, \va§> ']ä)'ön ift."

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©viCparjcrS öfterrcic^ifcf^c S^itgenoficn.

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Ober man greife 311 einem onberen feiner bcUebteften Stüde mit i>em poetifrfien ^tte(: „einen ^up roitt er fi^ machen", unb (efe bort ha^^ Sieb mit bem ^el)rreim:

SCRon glaubt nic^t, toie ^äufig ba^ g'i'cf;ie^t, Unb -fc^idt \\ä) bocf) offenbar nicf)t.

®aö alleä ftef)t nid^t oiel über bem Stange eineä 58ovftabt:3Sari6t^ö unb l^at nur in einer Stabt mie SBicn norf)f)aItige ^ugfi^aft beroeifen fönncu. "Jiennocf) finb 9Raimunb, Sauernfelb unb SIeftrot) bie bebcutcnbften unter ben 2Biener ^offenbic^tern jener 3eit. Slnbere mie ^bolf 5ööucrlc (1786—1859) oerbicnen nur in (Spejialroerfen über i>a^ SSoIfäbroma @rmäf)nung.

2tuc^ in ber firjrif beö alten öfteneic^ bürgerte fid; ein traumfeliger SSofföton ein. 2)cr «Prager Uaxl |)crIo^fo5u (1804—1849) bid)tete baö gefü{)lüoEe Sieb ,M(nn bie ©c^roalben ^eimroärtä jie^en". 3ot)ttmi 9Zc))omuf $8ogl (1802—1866) lieferte ben beutfd^cn Sefebüd^ern ba§ I;übfd;e ffeine ©cbic^t ,,^a§ ©rfennen": „(Sin SBanberburfd^, mit bem <Btab in ber .^anb'^ fe^rt auö ber ?^rembe ^cim unb rairb nur üon ber 3Jiutter erfannt. ®er SBiencr ^oöami ©abricl Scibl (1804—1875) t)erfa|te bie öfterrcic^ifc^e 5ßoIföf)t)mne nac^ §apbn§ älterer 5DleIobie. 1854 mürbe fein neuer S^cyt auöbrüdlic^ anerfannt. SBir fennen i^n ferner als 2)ic^ter ber „Ul^r" unb be§ „Xoten ©olbaten'': „STuf ferner frember 2tue". 1844 erfc^ienen feine „&C' bid^tc in nicberöfterreid)iid;cr 2Kunbart".

33ebeutenber ift ber ^ r e i ^ e r r ^ofe^f) öon 3cbli^ (1790— 1862), befannt bcfonberö burc^ ba§ @ebid)t „®ie näc^tlic^e .^ecrfi^au''. 1827 erfc^ien feine Samnt; lung „Xotenfränje" in ^anjonen. ^cbli^' St)rif befi^t cblercn 6t;arafter als bie ber t)orl)in ©cnannten. S)a§felbe lä^t fid^ aud^ t)on bem 3^ r e i I; e r r n ^-rnft Don ?f cucl)= lerSlcben (1806—1849) fagen, ber jum g^reunbeöf reife ©riHparjerg gef)5rte. 3)ic ,;^iäteti! ber Seele" (1838), ein empfinbfam frennblic^cö SBcratcn in ^rofa für iia^ ^auö, ^at biefen tüchtigen Söiener ^rrenarjt ebenfo befannt gemacht toie fein uon 3J?enbel§fo^n:33art^olb9 fomponierteS 3tbfd)ieb£ncb : „(Eö ift beftimmt in ©otteö '^at". i(?ein geringerer olä Hebbel l)at feine 2öer!e neu l)erauSgegeben.

3Iuö ber SJJenge ber oielcn im alten Öfterreid^ Fieben fid^ nur ^mei ^id^tcr über= ragenb l)erauS: Scnau unb ©tifter. 'Sepor mir ung il)nen juroenben, muffen mir jebo^ baran benfen, ha^ einige politifd^e 2)id)tcr baju beigetragen ^abcn, baö alte Ofterreic^ iu einem neuen umjufc^affen. 5(iiQftafiu« ffirüii (1806—1876), ber mit feinem mirflidien 5f?amen ®raf 5tnton t)on 9tueröperg fiei^t, ftcljt an ifirer Spifec.

SDie politifc^e ©ic^tung öftcrretdiö in ben breifiigcr unb uicr3iger ^^abrcn bilbet mit ber gefamtbeutfc^en eine ßinl)cit unb tann an bicfer Stelle nur geftreift werben. Eröffnet rourbe im alten öftcrreiefi biefer ^ampf um bie j^rei^eit, bem bann baö 2!aF)r 1848 befc^ieben mar, burd^ (Srünö „Spajiergängc cineö SBiener Poeten'', bie in (Soet^cö ^obeäjalir erfd;ienen. SSon ba an mürbe ^-rcilieit anc^ in Öftcrreic^ „bie gro^e Sofung, bcren ^lang burc^jaudfist bie SBclt". 9tuerSperg gcf)örte 1848 bem ?k)Tparlament unb bann ber j^ranffurtcr Sfiationaloerfammlung an. Seit 1861 mar et gjlitglieb beö öfterrcidbifc^cn §errenl)aufeö.

138 3nt alten Cftevreid}.

S3on ©rüiiö Sd)(ägen in kn „©pojiergängcn" l^iahcn firf) 9J?etternirf) unb mit ifim [ein ganzer rcaftionärcr Stnb nie raieber erholt, hierin liegt be§ ®tcE)ter§ eigent- Iirf;c Sebeutung, benn bcr poetifc^c 3[Bert feiner SSerfe ift gering. S)er üer§epifcf)e ^Romanäenfrang „®er (c^te Sf^itter", in beut ber ^aifer SDtarimiüan gefeiert wirb, ^at cbcnfoiüenig tuie feine cpif(^en ^ic^tungen „©d;utt", „^fiibelungen im ^vad" unb „^faff üom 5?a^(enberg" 3tnfprud^ auf Unfterblic^feit. ^jn ollebem geigt ficE) faum mc^r alö ^ormtalent. ©ritng Sieblingöüerä mar ber ocE)tfü^ige Xroc^äuö. ^erjtiafter flingt feine Si)rif, gro^ aber auc^ fie nur \)a, wo ba§ natiüna[=poIitifc^e ßmpfinben mad) mirb/ mic in bcm „g^rüfilingögru^" üom Stpril 1848 in g^ranffurt:

(Sc^mettre, bu 2erdje Hon Öfterreid;, ^etl bon ber 2)onau /,um Sf^^ein! 3uble! S)u fommeft an^ SJJorgenrot, 3ie^eft in 50lorgenrot ein.

©c^minge bic^, 5lbler öon Öfteneid), Sebig üon j^effel unb 58anb; 58vinge bie ®rü^e Dom Sonauborb 2l((cm germanifc^eu 2anb!

3aud)5e, bu ^er^e öon Dfterreid),, ^audjge mit jubelnbem ©c^rei: ^eil bir, mein beutfc^eg S3aterlanb, Sinig unb mächtig unb frei.

93rüber, tüxx Soten au§ Dfterreid) ©rü^en eud) trauüd) mit ©ang; ©dalagt i§r mit freubigem ^anbfc^tag ein, §at ben redeten Slang.

ähic^ fieitere Sieber finb @rün gelungen; fo „2)Cd)Cxö SBunfd)'

SBenn ba^ 9ttlant'fd)e 9[)?cer Sanier 6;f)ampagner mär', Tl'öd)te ein <paifi[c^ fein, ©d^lürfte nur SSeUen ein.

SBenn ba^ 3ttlant'fd)e SWeer Sanier ß^ampagner mär', 2Bär' id; öiel lieber nod) Sin ©djiff mit großem Soc^.

@ing lä) benn anä) ^ugrunb', ©d^Iiirft in ber teilten ©tunb 3<^ beincn ©c^aum nod) ein, ©lü^'nber G!^ampagner=3Bein.

®rün tjüt fi(^ ferner atö Überfc^er von ffamift^cn SSoIföiicbern auä ^rain unb ber englifc^en 3fiobin=.§oob=SalIaben ücrbient gemai^t. 9Zad) eine^r franjöfifdieu 3SorIage fc^rieb er bie fleinc ©rgäiilnng „®er Gremit auf ber oierra SDIorena". 2ttö 3eitbofumente raertüoU finb feine 3(uffä^e unb kleben.

3u bilbern miffe er, allein ju bilben nid^t, urteilte ©rillparjer über if)n; mit 3'ied;t. Seine ^oefie beftet)t am f^ön baf)iuraufd)enben SBorten. 3)aö trifft me^r ober minbcr and) für bie anberen politifc^en ^ic^tcr Öfterreic^ö p, unter benen ^ttrl f&td (1817 1879) f)erDorragt. '?flad) feinem 5lel)rrcim ju bem Siebe ,rUnb ic^ fal^ bid) reic^ an Sc^mcräcn": „3in ber ^onau, an ber fc^önen blauen ^onau", fonipo^ nicrte ^5o()ann Strauf, feinen mcltberüf;mtcn SBalger. ^emnäd)ft mären ju nennen 5llfrcb mii^im (1822—1885), SSerfaffcr beö SicberfranjeS „,3iöfa" (1836), unb SiRori^ |)nrtmanii (1821—1872), mn ©eburt ^ube, §cineö greunb, 1848 in bcr granffurtcr ^^ationaberfammhmg befannt alö „bcr fd^önfte 9}iann bcö ^arlamcntö". '^nd) mit ^reiligrati) mar ^artmann befreunbct. 3Im bcftcn gelang if)m fein böly

5iifo(auö öcnau§ Geben. 139

mif(j^er ^cimatroutan „^er Äaiiipf um bcn SBalb". :?i)iijcf) roar oon nUen biefen politifc^en ®id)tern im alten jDfterrcicf) Scd ber bebcutcnbfte.

Sebeutcnbcr mar bie reine 8timmungöh)rif ^einrid^ Sanbeömnnnö, bcr fid) aU ©c^riftftcllcr |)icroii^inut^ I^orm (1821—1892) nannte, ©eboren ju ^lifolsburg In 9J?ä^ren, lebte er jpäter alö ^ournnlift unb ©djriftftcUer in SBien, ^reöben unb $8rünn, mo er geftorben ift. Seine ©ebid^te beljeirfd^t ein ^ejfimiömuö, ben bie trüben Sc^icffate bcö SSerfaffers red;tfertigen : er i>cr[or ollmä^tic^ boö @ef)ör unb ta^ 2tugcnlirf)t unb mürbe bann aud^ no(^ geläfimt. 3(u^er feiner Sgrit fjat er eine gro^e 3tnja^[ üon 9bmanen unb S^ocellen oeröffenttic^t. Sefenöroert finb an6) fein ©poö „^Ibbnl" (1852) unb fein ^rama „3)ie 2(Üen unb bie jungen" (1875).

^n ber £grif fanb ber 3BeItfc^merj inbcffcn üaffifc^cn 3tu§brud bei einem anberen Öfterreid^er, 9lito(auö Senau, bem erften beutfi^en ^i(^ter ftimmungöüoller 9)Jeland;oIie, fünftierifc^ geformten SebeneueqidEitö.

9. 9iifoIfiit$ i*cmnä ilchm,

^tifolauö %XQ\\^ ?^iembfd^ ©bicr uon ©trerjfenau, bcr fid^ alö ®idf)ter unter Verwertung bcr beiben legten ©üben feineö Slamenö Senau nannte, rourbc am 15. 3tuguft 1802 non beutf^en ©ttern in bem 2)orfc ßfatab bei Xcmeöuar im Sanat geboren. £eid;tfinnig ber 58ater, Ieibenfd)aftlid; bie 9}cutter, baju baö füblic^ F)ei^c Älima unb bie fd^mermütige ungarifc^e öanbfd;aft bao rooren bie Stimmen, bie in feine früf)e ^ugenb, in feine ^id)tung f)ineinf[angen. @r lernte junäd)ft nii^ts afä auf ber ^cibc Vögel fangen, ^ann traten bie 3}tufif, Violine unb (Bitarre, an \\)X[ fieran, fd^ticfilid) aud; baö ©tjmnafium. %xü\) ftarb ber Vater. 1818 fanbte bie 3J?utter, bie fid; micbcr öcr^eiratete, 9]ifoIauö ju ben ©(tern if)reö erften 9)]anneö nad^ Stocferau bei 2ßien. 1821 lief er i()ncn baoon/jur glücflic^cn 9}luttcr juriicf. ©r ftubierte bann in ^rc^burg ungarifd;eö $RecE)t, in aSien (1822) "ipi^ilofopbie. 18^3 folgte er feinem ?^reunbc ^riö ^fcplc nac^ nngarifd)=3t(tcnburg, rao er "bie ätderbau- )rf)ure befud)tc; 1824 bis 1826 ftubierte er micbcr in 2Bien, biefeö 3)?al öfterreic^ifrfieö 5Hec^t. S)arauf ging er jur ^Dlebijin über, 31m 26. September 1830 fiel iljm nacf) bem ^obe feiner Waittcx unb ©ro^mutter einigeö Vermögen ,^u, gerabc nad) ber SfJücffe^r t)on einer Grl^olungöreifc ins Sa[,^fammergut. ^cU mar er frei unb un^ abhängig, fc^mcrtid) ju feinem ©fücf. ®er S^anq einer bürgerlichen Grifteuj I)ättc if)n üieKcid^t nor feinem fpäteren Sc^icffaf bemaf)rt.

3tu|crc Ginftüffe mürben in feiner Gntmicfhuig füt)lbar. Gin Ct)eim natjm bem ^inbe bcn ©tauben an; Sott. Sein Sd^magcr unb fpätercr Viograp^ 3(nton Sdiurj regte ifjn 5nm ^ic^ten an. ^ic Vcrbinbung mit Vertt)a, einem einfädln 9JJäb(^en auö bem Volfe, baö i^m eine ^od;ler gebar, aber tro^bem untreu mürbe, ücrbüfterte fein ol)nc()in jur 9)tclandjülie neigeubeö ©cmüt. ^cr 2BcItfd)mer5 erl)iett in if)m feinen (i)rifd)en Äfaffifer.

©r mar jnm gjtatcn, biefer mc(tfd)mer§Iic^c Tid^tcr: b(cid), mit buuflem .^aar, auf bem ^opf eine Violettfammetmüfee mit gotbener Ouafte; oielbemunbcrte feine

140 3m atten Dfteneirf).

(Sefic^töaüge ; ^anb unb %n^ ungeirtö^nüt^ flein; nod^töffig in ber ^altimg, meift gebeugt fi^cnb ober bequem licgeub; bie Reibung gercöl^lt unb jierlic^; foft niemolö o^ne ^anbj^ul;e; hirg, böö, tdqS man eine intereffanie ©rfdieinung nennt.

Siebe, Xob, 2&a^nfinn, Sfloc^t unb 3SeräroeifIung mürben für i§n bic gegebenen 5rf)emen feiner ^oefie. ^ingu famen bie Sonbf^aften feiner ungarifc^en Heimat, bie 3flatur in be§ SBorteö mciterer Sebeutung unb ©ott.

©ein ^tetginengebid^t ,,®er ©efongene" fanbte er nac^ Stuttgart an ©uftoü ©d^mob, ben ^erauögeber beö ©ottaifc^en „9JJorgenbIatte§", ba§ twmalg ba§ ange= fel;enfte ^amilienjournal mar. 3tm 9. 5J[uguft 1831 I)o(te er fic^ in Stuttgart felbft bie Slntmort, bie burc^auö befriebigenb auSfiei. ©in freunbOdjcr 58er!e§r mit U^lanb, 3)^ot)er unb 5!erner fd^Io^ fic^ an biefe§ ©riebnis. Sefonbere trot et ber ^förnilie 6c^mab nä^er, in ber it)n am 22. 5luguft 1831 eine ^licfitc bcä ^^oufcö burc^ iE)r ^ioüierfpiel bejauberte: ©ijarlotte ©melin. ©r Ia§ i§r feine ,3albfapelle", fte trug it)m SeetI)oi5en§ „3tbelaiibe" t)or. ®er .'perjenöbunb mürbe von %mu 6d^mob be= günftigt. ^ebod^ ftellte fi^ bei £enau I)öufiger j^opffc^merj ein al§ SSorlöufer f(^lim= merer ®inge. Sötte ©melin mürbe bie 3Jiufe feiner „©diilflieber".

3unöcE)ft ging er oon Stuttgart nad) ^eibelberg, um f\6) in ber ^Jlebijin gu oerooßfommnen, in ber StbficEit, bann in 3{merifa einige ^af)re lon^ $Bors lefungen über ^atf)ologic unb ^f)t)fiotogie ju f)alten. ©c^on nad) menigen ^agcn gfaubte er auf Sötte t)er§id^ten gu muffen, ©in büftereö ^ofjimmer oermel^rtc feine trüBen ©timmungen. ©r ftubiette ©pinoga unb fürchtete baä 3iufge^en ber eigenen 2(nbit)ibuantöt in ber ©ubftanj. Sötte ober f^eiratete fpciter ben DberamtSorjt ^artmann.

9II§ Senou§ ©ebid^te 1832 bei ©otta erfd)iencn, befanb er felbft f«^ f(^on auf ber 3fieife nac^ Hmcrifa. ©eitbem ber Sonner Strjt ©üben 1829 feine Sieifebefd^rei^ bung üeröffentücEit f)otte, muc^§ ber ©trom ber beutfdjen Shtömanberer t)on ^af)x gu Saf)r an. ^n bem ^a^rscfint üon 1831—40 foUen 150 000 ©eutfd^e über ben 9(tlantifc^en Djean gefahren fein, um fid^ meift in ben pou 2)ubcn empfoI)Ienen 3Riffouri= ftaaten ansufiebeln. ©in Dftinbienfa{)rer brachte ben ©ic^ter („3J?eeregftiIIe", „©ee= morgen") E)inüber. ©r lanbete in 33aItimore, reift« juerft nad) ^ittäburg, rao er feine ©cige t)ören lie^, unb faufte bann 400 3)lorgen £ongre^Ianb in ©ramforb ©ountri am Df)io in ber 9läf)e bcö f)cutigen 33uciru§. ^en erften ^erbft unb SBinter oerlebtc er in ©conomt), mo er ben Urmalb burdfjftreifte unb in Siebern mie „©er ^oftillon", „SBatbegtroft" unb „©ie 9lofe ber ©rinnerung" ben ©ebanfen an bie ^eimot unb on irbifc^e SSergängli^feit nac^t)ing. 5Dur(^ ben Balten Urroalb ful;r er im SBlnter 1832/33 noc^ feiner ?^arm, auf bem Sßege baf)in in bem con if)m befungenen „S3loc!= ^au§" übernac^tenb. ^m ?^ebruar aber mar er fc^on mieber in ^ittsburg unb ©co^ nomt), in einer Äranff)eit gepflegt dou Äat^arina 58ecfcr, ber er bo§ ©ebic^t ^^rlmttla ocriö" rcibmete. ^m Wäx^ ritt er gum 9ZiagarafaII („©egcnmart unb 3wf""ft'0- ©^ippen)ar)=3nbianer, bie auf ®oat§=3§(onb mit allerlei ©c^mudfad^en ^anbcl trieben, erinnerten an fcnc alten ^nbianer, beren ^elbenjeit oorüber mar. ^ier cntftonben

Diifolau^ Scnauä Scben.

141

fein ^^^nDiancräitg" unb „'^k brci l^nbianer". (Sr |uf)r bnnn oon ^uffafo na^ Silbang unb ben ^ubfon I)inab nod^ 9^€iD::2)orf, üon ido er int 3i"iü 1833 auf einem Regler nac^ Bremen äurüdfuf)r. ©uropamübe wax et na6) 3tmerifa gegangen, „nmerifamübe", roie i^n gerbinanb Nürnberger in feinem g[eid;namigcn 5Roman 1856 in bem 3^ic§ter 3JJoorfe(b gef^ilbert l)at, fcf)rte er ^ixm. 3)2it ©rauen backte er an jene oben ©ebietC/ an bie 3)anfeeg, il)re 2)o[larjagb unb ^oefielofigfeit jurüd. £anbfc^aftlirf) {>atten nur ber D^io, ber §ubfon unb ber S^iagara einigen ©inbrud auf i^n gemacht.

^amalö mar gciabc nad) @oeti)eS ^obe ber jmeite Jcil üon beffen ,/^auft" erfd^ienen. 3tlöbalb (1836) oerfuc^te aud^ Senau fic^ an einem „gauft", einem 2Baf)r- ^citöfuc^er, ber jmifrf)en ben pf)iIofüpl^ifd^en unb religiöfen Dogmen uergeblic^ ben 2öeg jum inneren ©lud fuc^t. gauft flicht auf baö 3Jieer F)inauö, entfagt bcm ©lauben, ber Hoffnung, ber Siebe unb erftic^t fic^ fc^Iic^lic^, ,,mit ©ott feftinnigli^ üerbunben", oon 3J?ep^iftopI)eIeß jebod; fogfeic^ in Scfi^ genommen. Ginen SSergleid^ mit ©oet^es $8Berf fann biefeä in gereimten fünffüßigen Jamben gcf^ricbcne @pog, baö ein ftctä unbefriebigteö Suchen nad^ einer feften SBeltanfdiauung barfteEt, nid^t auö^alten.

Senau ging insmifd^en über ©c^roaben unb ©münben nac^ SBien, mo er, ab- gefeiten Don neuen ^Reifen na^ ©d^maben unb bcm Saläfammcrgut, einftrocilcn blieb, ©etangrocilt oon ber im ^od£)fommer unb ^^rü^^erbft t>eröbeten ©ro^ftabt, befucf)tc er nun (oon 1834 ah) oft baö .^auö beö ^offongipiften im 5"inanäiiii"iftci^ii"n 2Rap 2öm€ntf)al, beffen grau Sophie, eine ßoufine üon Senauö ^^ugenbfreunb Älegle, ii)n fortan in if)re Siebe oerftridtc. 5^einc 3Reifc uermod^te ibn mcf)r ganj oon ifjr ju löfcn.

^ief erfd^üttertcn if)n ber ^ob feineö greunbeä siegle fomic bie (Sinfcrferung feiner ©c^mefter 5IRagbaIena für ein 33erbre(^en, ba§ mir nid;t fennen. 9)cit Sophie aber fc^Io^ er fidf) in ^alb mpftijdEier Siebe immer enger jufammen.

^m 3Kärj 1836 begann Senau an einem „^u^" unb „öutten" ju arbeiten. 2)a fam ber fpätere Sifd)of oon Seelanb, §ang Saffen 3Jtartcnfen, nad; 2Bien, traf mit Senau im „Silbernen Naffecljaue" jufammcn unb (enfte beffen ^Sfide auf „Ba= Donarola", ber nun ber ^elb eineö neuen, 1837 beenbetcn unb 2Rartcnfcn gcroibmeten ©poä mürbe, ©tofflid) lag biefem 5RubcIbad)ö gcle^rteö 2Ber! (1835) jugrunbc. 6r^ funben ift bie 33efel)rungäfäene im NünftIcrF)ain, roäf)renb bie ©eftalt Xubalä auä ber SSerbinbung einer ?^igur 33occaccioö mit ber beö cmigcn ^uben entftanbcn ift. 3f?ajareniömuö unb ber bamalö oon öeine ocrfünbigte ^eHeni^imuö merben einanber fc^roff gegenübergcftellt : in prä^tigen 33ilbern erfd^eint üor unö ber .^ampf unb Sieg beö e^riftentumä atö ber Sf^eligion bc§ erlöfenben Srfimerjeö. Senau bat einftf)aft niemalg eine c^riftlic^e SRcnaiffancc erftrebt, gefc^roeige benn er3iclt. 5lber bie poctifdje 9tuffaffung unb ©eftaitungsfraft in biefem ßpoö finb io bebcutcnb, ba^ fein Sd;Iu^ t)ieT jitiert fei:

3)€r alte Tubal folgt ben Seuten 3um ©tranbe, traurig, o^ne 2Bort, 8ll§ fie bie W\d)c nieberftrcuten, (5r jic^t am gluß hinunter fort.

Gr folgt bem Strom, bem fonnenf)enen, ©ebanfenüoU unb h?eint unb laufest Xem langen Seidjcn^ug ber SSkllen, l'er mit bcm Staub oon Irinnen raufest.

142

3m ölten Dfterveic^.

©0 3ief)t er fort am ^Irnofluffc SSom DJJorgcn t)i§ ^um 5tbenblic^t, S3i^ feinem alten, lahmen 5"^^ 3ur SBanberung bie Straft gebricf)t.

3)a fteljt einfam am 2ßiefenraine ©in Sreu^; er lüirft bie ^rücfe (jin Unb finft unb lä^t im 2l6enbfcf)eine ^en (Strom an fid^ tjorüberäie^n.

Unb ftarrenb in bie roten gtut^n ®ebenft er toieber fummeröoll 2)er Stinber, fie§t, ioie fie oerbluten; ®od) fdjmeigt in feiner SÖruft ber ©roQ.

©ein §cr5 empfing bon i^m bie 9JJilbe,

3u bem er fici^ §inüberfef)nt;

(Sr blicft hinauf §um E^riftu§bilbe

Unb ftirbt, ha§> ^aupt an§ .treu^ ge(ef;nt.

1837 modele ber Sf^omonift g^erbinanb 3Bo(f fienau auf haz^ üon g^auriel foeben l^crausgcgebene prooenjalifcfie @poö über bcn Jlreuggug gegen bie 3(lbigcnfer aufmerf; fam. 2I[öbatb begann ber ®irf)ter an einem neuen cpifc^cn ©ebic^t „®ie 2Ubigenfer" ju arbeiten, baö er 1841 abfdjlo^. SCBieberum finb mctapl;t)fif(^e iinb religiöfe ^ro= bleme baö ^aupttfiemo, neben bem bie 9JcenfcE)en felbft jurüdtrcten : ber SSertreter ber ?lutorität ^nnoäenj, ber Seugner ber 3(utorität Stlfas, bie Sfutoritätögläubigen ^ierre unb ^ominicuö, ber freie %ox\6)ex 3^f)eobor, baö SBeltfinb Sieger, ber 2töfet %\xko. .^n ungefähr berfelben ^c\t (1838/42) bic^tcte Senou feine „3iöfa=9f?omonjen".

^ngiDifd^en ^atte er (1839) bie ©opraniftin Slaroline Unger fennen gelernt, äu ber i^n jefet eine pIö^licEje Seibenfc^aft gog. ^eboc^ mürbe bie neue $ßerbinbung, bie mit bciberfeitigem eincerftänbniö gur ®I;e führen feilte, fd;on 1840 mieber gciöft. $Ro(^ in bemfelben ^af)re I)eiratetc Caroline ben ^^ronjofen Sabatier.

^m 3Jiör5 1844 reifte Senau, mie f(^on fo oft uortier, nai^ Stuttgart, um bie fiebentc 2(uflage feiner ©ebid^te, in bie bamalö bie präd)tigen „Söalbliebcr" aufgenom; men mürben, gu oeranftalten. ®ann ging er in immer ftörferer @emütöfranff)eit nat^ 58aben=Saben. ^n ^^ranffurt I)ie(t er um bie §anb eincö 9)iäbd;cnö an, baö er faum crft fennen gelernt ^atte, ber 32 iöt)rigen 9JJarie 33ef)renbö. Seine ^«'^^^""nsöf'^^iä^ feit mar bereitö crfdE)üttert. darauf reifte er roicbcr gu ®opf)ie, bie i^n mit aller Schonung beljanbelte. ©ine neue ^icife nac^ Stuttgart tat ben erften Sd^Iag: eine rec^töfeitige ©efic^töfä^mung trat ein, nad) bereu S3efeitigung eine gauje 3fieil)e neroöfer iieiben fid) geigte, üor allem Sprac^ftorung, ^raurigfeit, 3ittern ber '©lieber unb ftunbcnfangcö Sßeincu. ??uu folgten ^obfuc^töanfälle unb Selbftmorboerfudie, fo t)ü^ er in eine ^eilanftalt, juerft nac^ 2BinuentI;aI, 1847 md) Dber^^^öbling bei SBieu überführt raerben mu^te. . 5tm 22. 5tuguft 1850 ift er ^ier gcftorben. Sopf)ie, bie nic^t aufhörte if)n gu lieben, l)at, gepeinigt oon ben SSorroürfcn ber SJtitmeit, ein fdiroereö geben nod) ein 3JJenfc^eua(ter meiter gelebt. 3(m 9. 9Jlai 1889, in bemfelben 3af)re mie 3Jiarie S8el)renbö, ift fie i^rem leibenben 3)i(^ter in ben ^ob gefolgt.

^on Senauö größeren SBerfen l)at ilin feineö unfterblid^ gemadit. ^u erraäljnen finb au^er ben genannten uoc^ baö 3^ac^tftücf „®ie 3)carionettcn", bie epifdien ®e= bidite „3(una" unb „9JJifd)k", ber finnige Siomanäenfranj „^lara ^cbert", baö bro= matifd)e ©ebic^t „^on ^uan" unb baö bramatifdie Sruc^ftüd' „^cleno". ^aö be^ beutenbfte biefer Stüde ift ber „®on ^uau", ber erft auö bem 5Rad}Iap bcfannt rourbe. (?ö ift für £enauö jerriffene 2ße(tanfd)auung begcidinenb, raenn ^on ^uan, ber feinen

Scnait'J Öprif. 143

^einb ®on ^ebro atö 3)?cifter bcr ^ci^tfunft leidet ju töten uermag, fic^ non ifjni erflehen lä^t, inbem er ben ^egcn mit ben SBortcn beifeite iDirft:

aJieiu 2;obieinb ift in meine J-auft gegeben; Xod) bieg aud) langweilt, loie ha^ gan^e Seben.

Senau mar fein 'Sorbilb für bnö Scben, fo luenig roie ©riUpnrjer ju fein iiermorf)te. Seiben fef)It bic frf)öne @ef(^Ioffenf)eit bcr fcf)mäbif(f)en unb novbbentfd)en 5Di^tcr(^araftere. 33eibe ^aben fidf) am Sebcn unb an ifjrcr Slunft uerbhitet. 3tber nuö if)rem (Srabe eriDnd;ö eine mnnberfamc Slume bcr ^oefie: bei ©riUparjcr hau 2)rama, bei ßenau bie 2x)üt einer ^oefie uon fo feltener 3{rt unb fo berauft^enbcm ^uft, ba| mir fic ni(^t micber finben, aucf) rocnn mir bie gange novbbeutfcE)e Tiefebene um unb um f(^ütteln molltcn. 3)qö alte Öfterrci^ f)attc fo feine eigene Spracf)e, bie in Senauö Stjrif SBcftmclobie geworben ift.

10. Sfuauä ^tjvir.

Sieblic^ lonr bie SOiaienna(f)t, Silbcrmölflein flogen, Cb ber f)oIben g^^üIjüngSprac^t greubig ^ingejogen.

©cf)Iummernb lagen SSief unb §ain, ^eber ^fab oerlaffen; 9fJiemanb al§ ber SJionbenfcfiein SBac^te auf ber Strafen.

§eimlirf) nur boB Säc^Iein fcfjlic^, 2;enn ber S3liiten Träume 2;ufteten gar monnig[i(^ ^urrf; bie ftiUen "Jinume.

SBcirf) roie ^^löten; unb £autenf(ang tönen £enauö 3Serfe. ©in leichter 'glor liegt über feinen ©ebanfen, aber fie frfjmeidjcin fic^ inä D^r mit fanftem 2aut. 3o mu^te biefcr Sprifcr ber Xici;ter alleö beffen merbcn, maö jart, maö traurig, maö feelifd^ ift.

SBaö für eine 9?aturbetrac^tung: 3i(bermö[t(ein im 3)bnbfd;cin, frf)Iafenber 33htmen ^uft, StiHe auf ^ain unb SBicfe unb 33a^. So fielet Senau ben {^rüf)üng in ber 'i^ü6)t. ^oc^ er fennt i^n aucb in bcr j^rül;c bes 2'ageö, ben „{^rü()[ingö: b(id", menn

2)urdj ben S5>alb, ben bunflen, gef)t

§ülbe 5i-ü()linggnun-gcnftnnbe,

S)urc^ i>en 25>alb öom ^immel U3ef)t

(Sine leife 2iebe§funbe.

%üi einen büftern ©eift, bcr fo mimofen[;aft cmpfinbet, niu|te ber ^rü^ling einen f(ücf)tigen ©(üdöraufd) bcö 2eben§ bebcutcn. ^er Si"ü()Hng cntlodt iljm faft bie einzigen froI)en Sieber; er crfd^eint if)m alö ein „f(^öncr ^unge, ben attcö lieben mn^", ofä eine Sicbcsfcicr, bei ber bie 2cxd)C an it;ren bunten Siebern emporficttert. Ticjc Stimmung ift inbeffcn gu Reiter, um für Scnau uon ^auer ju fein, ©r fie^t, mie „läc^einb ftirbt ber F)oIbe Seng baljin, fein .^ergblut ftiU ocrftrömcnb, feine 3]ofeu",

144 3in alten Cftcn-eicf;.

imb oft tut \i)m ber ©ejang ber SSögel, ber ®uft ber SBIumen ml): er füF)(t fic^ traurig roni grüljling auögcfc^roffeii-

5ßiel uertrouter ift bem ^Dic^ter ber ^lerbft. SBenn bie 33Iätter fotten, bann jd^aut er fein eigenes Sebcn unb möd^te fterben mit ben legten ©terbefeufjern ber S^latur, jumni im SBoIbe, luenn burc^ beffen 33aum!ronen ber 2ßinb fät)rt unb Statt auf S3tQtt, bcö Saubeö le^te 9kige, niebertaumelt:

2BaIbe§raufc^en, wunberbor

^oft hu mir ta^ ^er^ getroffen!

Sreulic^ bringt ein jebe§ '^a^x

2öelfe§ £aub unb loelfeä ^offen.

^n biefer feiner £iebIing§ftropt)e, bem SSierjeiter mit je üier Xxo6)atn, bem gegebenen $8er§ ber fd^iucrmütigen ^lage, malt er bie au^ oon Ul^lanb befungene „SBurmlinger 5lapeIIe'' an einem 3lbenb im §crbft, ber feinen ^rübfinn in XoM^- tu^e miegt:

§ier ift all mein Srbenleib

SSie ein trüber 5)uft jerfloffen;

©üße SobeSmübigteit

^ält bie ^eele §ier umfc^Ioffen.

3^id^tö ©d^ted^aftcs, ©üftereö fiet)t Senou in ber 9^atur : fie ift t)a§ poetifd^ empfunbene Korrelat ju feiner gcrriffenen Seele unb oerroanbelt Trauer in S^ranm, Si^merj in SBefimut.

3J?an l^ört fie fallen, bie Slätter, in feinen SSerfcn, ber (Befüt)lälaut ftärferen ;^eben§ übertönt fie nic^t.

©r mar fein Sänger be§ ©ommerS in feiner glü^enben S^lofenprad^t, fein «Sänger ber Sonne, feine Siebe getjört bem .^crbft, bem 2lbenb, an bem ouc^ bie ßiebe am lauteften ju if)m fprid^t:

9ting§ ein S3erftummen, ein Sntfärben, SBie fanft ben SBalb bie Süfte ftreicf)eln, Sein inelfeg Saub i^m abpfd;meid§eln; ^ä) liebe biefe§ milbe Sterben.

S}on Rinnen gef)t bie fülle Steife, 3)ie 3ßit ber Siebe ift öerflungen, ^ie 53ögel {)aben au§gefungen, Unb bürre SÖIätter finfen leife.

©r oermag firf) nac^ ber Siebe nur fogleic^ ben 2^ob ju benfen, wie nad^ bem Slbcnb bie 3^ac^t:

Slbenb ift'3, bie SBipfel malten 3itternb f(^on im ^urpurfc^eine, ^ier im lenjergriffnen §aine ^ör' ic^ noc^ bie Siebe fd)a(Ien.

©inmal nur, beöor mir'S nachtet, 5lu ben Duell ber Siebe fiafen, föinmal nur bie SBonne trinfen, 2)er bie Seele äugef^mac^tet,

SBie öor 9?acf)t ^ur ^^lut fid^ neigen 2)ort be§ 2BaIbe§ burft'ge Sänger: ®ern bann f(i)lief' ic^, tiefer, lönger SII§ bie S3öglein in ben ghJcigen.

L'etmuü l'orit. 145

SBie mit öen ^at)reö= imb 2:ageö3citcit ifl ec mit ben Sanbjc^aften. ^er Söatb ift beö "Dirfiters ßigent)cim, bancben nod) bie roeltrcrforene, einfame §eibe. Sein ©d^önftcö ift ber 2ßa(bfriebt)of, „wo unten [tili ha^:- $Rätfet mobert unb auf in ©rabcö^ Tofen lobert". 1;cr Salb furj cor unb nac^ Dem ©eroittcr, iDcnn Die fc^roeren, großen Xropf^n nieberfinfen, entfpric^t bem 55ilbe feiner Seele, ^m 3Raufd)en ber Saume, im ^luftern ber Duelle gibt fi(^ ber '3)ic^ter feinem äßeltfc^mer^ f)in:

Unb mcnn bie ^Jiä^e oertlungen, 2)ann fommen an bie 9teif) 2)ie leifen (Erinnerungen Unb roeincn fern oorbei!

9?icl)t ber glänjenbe, fonnige ©ee mit frö^lic^cm 9ftuberf(^lag lodt feine "i^oefie, fün= bem ber unberoeglid)e ^'eic^, an beffen jauberbuntfer gläc^c feine „Srfiilflieber'' cntftel)en :

5tuf bem Xeirf), bem regung§Iofen,

3BeiIt be§ 9Konbeg ^olber ®lana,

(^Ie(^tenb feine bleichen SRofen

3" ^^^ @^ilfe§ grünen ^ran^.

^irf(f)e loanbeln bort am .t>ügel, SBIiden in bie ^ad)t empor; 3Ranc^mat regt fic^ ba§ (JJeflügcl ^räumerifd) im tiefen SRo^r.

SBeiuenö muß mein SSlicf firf) fenfeu; Xuxd) bie tieffte Seele ge^t 3)?ir ein füßeS ^eingebenten 2Bie ein ftille§ 9?ad)tge6et.

SBie äu Der Dlatur, fo ift Senauö 3[5erf)ältniö auc^ 3U ben 3)^enfc^en. Siticr; feit, 6el)nfu(^t unb ^ffnungölofigteit me^feln miteinauDer ah. Stcrbenbeö ©lücf ju ,ijeid)nen, ift il)m Sebürfniö. .^er^loö ift bie (Seliebte:

Unb bu ftießeft leicht unb munter SGBie ein (Stcindjcn in beii '^Öad) 3n ba§ öirab mein ®lücf hinunter, ©at)ft il)m ru^ig, löc^elnb noc^,

9Uö er narf) langem J^ernfein in bie öeimat jurüdfe^rt, M finö bie "ölumen, bie 5iad)- tigaüen unb fein 5!JJäbd)cn fort unb mit il)ncn nocf) eineö: feine 3ugenö. ©r läßt „3J?arie unb 2BilI)clm" nur erneut äufammentreffen, bamit fie für eroig üoneinanöcr fc^eiben. ^en Knaben, bem fein $ööglein entflot), roarnt er oor l)erberen 5ßerluften. Sein @efül)l ju einem ^:!JJenfd)enfinbe trägt er am licbften fogleirf) in bie menfd)cn= leere Dbe: „^erj, baö ift ber rechte Crt für bcin fc^mcrjlirfieö 33eraic^ten". i?llö Dichter !cnnt er aber and) feine 5Kac^t, feine golbene @abe. Die il)n oor anbeven nuöjeidjnet, \i)n jum ©lücffpcnber mad)t:

De^lfc, a)ie beutic^e Citcratur feit ©oct^eS lobe iifip. 10

146 3"! alten Dfterreic^.

Xid)ter§er5en fönnen fegnen, 3Sen fie lieben; fremb unb xou^ 3[)kin<'m ^erjen p begegnen $ütc öirfj, bu fd)öne grau.

©anj cinö fül)lt er \i(i) nur mit ber ©injamteit, bie feine Älogen, jeine (Sebete, feine 3^^iK^ Q" ®ott aufnimmt unb mit ifjm teilt, bis fci)Iie^lirf) auc^ er „oon feiner ©infamfeit erf(^rccft, cntfe^t empor ipom ftarren j^elfcn fpringt unb bang bem SBinbe nac^ bie Slrme ftredt".

©elbft ba, wo er baHobenartig frembeö 6(i)ictfal befingt töie bie jubelnbe „SBerbung" im greife dou 3)iagi)aren, fi^üe^t er mit bem ätugblid auf ein früt)eö ©rab.

^orum ift eg fo einEieitlid^ unb üongrein, biag It)rifrf)e £eben biefeä ©id^tcrä,

tneil bie i{)m ^ugrunbe liegenbe ©tf)mermut nid)t geroollt, nid^t für bie £unft jurec^t;

gemad)t mar:

3!)u geleiteft midf) burc^§ 2eben, ©innenbe 9J?eIand§oUe! SDZag mein ©tern fic^ ftra^Ienb I)eben, 3Kag er finfen meid^eft nie!

®ö mar gleidjgültig, ma^ ber '2)ict)ter erlebt« mie er erlebte, mürbe i^m von feiner 9?aturanlage corgefdirieben. (Sr raupte nirf)t, maö feiner ^arrte, mochte aber at)nen:

SKenn mir'B einft im ^erjen mobert, SSenn ber 2)i<^tfunft fü^ne glommen Unb ber Siebe 33ranb öerlobert, Stob, bann bric^ hen ßeib äufammen. *

93ric^ i^n fcf)nell, ni(^t lang) am mü^Ie; Deinen ©änger la^ entfc^meben, Düngen nic^t ha§> gelb bem ßeben 2Rit ber Slfc^e ber @efü§Ie.

Der 2:ob f)atte nichts ©cfiredenbeö für i()n, er \)ai it)n ja fo oft befungen alg ben großen, fc^önen 6d)kf, ber bog M umfängt t)on bem SSöglein im ©eämeig biö au ben ©ternen am ^immcl; unb bie '^a6)t, bie hcn ScEiIaf bringt, nennt er un= ergrünbUcf) fü^:

9limm mit beincm 3a"6erbunfet Diefe SBelt bon f)innen mir, Da^ bu über meinem Seben Sinfam fd^ebeft für unb für.

3^id^t immer raerben mir Senau lefen, lefen fönnen, unb nid^t feber mirb if)n feinen Dicf)ter nennen. (Sr ift ber S3eg[eiter geraiffer Sugenbjaf)re fc^Iec^t^in. Darüber fjinauö aber entfrfieiben bie SSerantagung, bie Sebenöerfaf)rung, bie ^erfönli^s feit unb nic^t julefct ba§ Talent. Denn bem poetifd) gang Unbegabten mirb ber Älang biefer 58erfe in aller ©iDigfeit rerborgen bleiben. ^ il^rer träumcrifc^ meieren 9lrt

tülbalbcrt Stiftevü Scben. 147

l)aben fic iE)rcögleicE)cn nic^t in bcr SBelt man lönnte nur an SomaTtincö „Mödi- tations" bcnfen, bic einige ^aljrc frü()er am See oon ^ourget in 3aD0i)cn entfionben. Äangfam I)at fid) 2cnaü in bic gciftigc 3kd;t t)ineingeträumt. 2Bie eine 5ÖIume ixmrbe feine ^^antafic non Slunft unb Scben entblättert. 2)od) jebeä biefer 33lumen= blätter roax ein Itjrifc^eö ©efdficnf.

IL maihnt eti|tcr§ ßcöcm

9iirf)t nur in feinen SBerfcn unb in Siteraturgefc^ic^ten : in feinem geliebten 33öf)mer SBalbe mu^ man eigentlich; ben 2)icE)ter auffudjen, oon bem ber bort am 26. Sluguft 1877 entf)üatc, tünf5cl)n 3)teter f)oi)e etifter^Cbeliö! nur Stifters 3Borte luieberäufagen raei^, ^oc^ über bem märc^cnf)Qften ^lörfcnfteinfee auf ber fteilcn Scc= manb: „Stuf bicfem 2tnger, an biefem SBaffcr ift ber ^erjfc^tag beä SBalbeö". gibt faum einen Siebter, ber in foli^em ©rabe roie Stifter in Seben unb 5lunft baS ©efd^öpf ber ^eimat geroefcn rcäre.

3lbalbert Stifter mürbe geboren am 23. Dftober 1805 alö Sof)n eineö ücinen 3^Iacf)öI)änb[erö unb Sauern (ber f^on 1817 ftarb) in Dbcrpton, einem ftiEen, melts uerlorenen 3J^arftfIeden an ber oberen 3}lolbau im füblid^en 2;eil beö 58öl)mer SSalbeö. 2)ie ber I)eiligen Siargareta mir benfcn on Stifters ,,5Dkppe meines Urgro|= raters" gemeinte ilird^e, gefc^müdt mit bem 9?ofenroappen bcr SBitifer mir benfen an Stifters „SBitifo^ toirb urfiinblic^ bereits im ^Qf)re 1374 ermähnt, 3Iuf präcf)tigen SBiefen unb §ügc(n erbout, roirb ber Crt umlagert con f)oc^aufragcn= ben (SebirgSmöIbern, bie aus größerer ßntfernung {)crübcr bämmern. ©ie närfjftc größere |>öf)e ift ber Äreujberg (864 m, „SBitifo")/ meiterl)in folgen ber ^f)ilipp= georgsbcrg, ^uffctn>alb, Seffelmalb, Scemalb, .^üttcnroalb, 3f?o^berg unb ber SSalb bes F)eiligen ^f)omaS mit ber 9?uine 2Bittingf)aufcn („öorfimalb"). 2)icfe fübböf)mi= fc^en ©ebiete finb au^er einigen ruffifc^cn in Siiropa bic einzigen, bic fic^ ftrccfcn; TOcife noc^ üoUfommen ben ßf)ara!ter beS UrroatbeS beroa^rt baben. tagelang fann mon bort roanbern, of)ne mit ben Scquemlic^feiten unb Übeln bcr ^iüilifation in 33e- TÜ^rung ju fommen unb obne anbcre lebenbe SBcfcn anjutreffcn als bie 2^iere beS SSalbeS, §ol5fäIIer, Nobler unb üereinfamte Kätner.

Stifters fcblirf)tcs ©cburtsbaus mit bem baüor befinblicbcn Sifeftcin, ben bcr 2)ic^ter in ber ©rjäfilung ,;@ranit" („Snnte Steine") licbcrott abfd)i[^ert unb mit ber tragifomifc^en Sanblung ücrbinbet, ift nafjcj^u nnücränbcrt geblieben. „^5^ fa^", crjäl)lt bcr S^ic^ter, „gerne im erften Ariibling bort, roenn bie milber merbenben Sonnenftraf)Ien bie erfte SBärme an ber 2Banb bcS i3aufeS erseugten. ^^ fab auf bic geacfertcn, aber noc^ ni^t bebauten gelber binauS, icb fab bort manrf)mal ein ®IaS mie einen meinen feurigen ^unfen fcbimmern unb glänjcn, ober ic^ faf) auf ben fernen bfauUcben SSalb, ber mit feinen 3acfen am .^immel babingef)t, an bem bic ©cmittcr unb SBoIfenbrüdbe binabjiebcn."

®en ©Item, befonberg bcr ftillcn, fanften gjiutter, unb ber (Sro^mutter 1)ai Stifter ftetö bantbare 3?ereF)rung gcjoQt. Sie alle brei feiert er namentlich in bcr

10*

148 2im olten Dftea-eic^.

Stubie ,,2>aö |)ciDeDorf". 3cin größter 6r3ie()ci- aber \vkxx vom ber frül;eften ^ugenb nn bie Sflntur.

Untcrrid^tet junädjft in ber be|d)Ciöciicn 6d^ule beö Drtee, tarn er 1818 auf bie 58enebiftincrfd;iilc 311 5lrcmönumftcr, obwohl ber Dberplaner Drtöfaplan erflärt I)Qttc, ber 5?nabe Ijobc fein lalcwt unb jebcr ©rofrfien, ben man für jein ©tubium perroenbe, fei lyepöciuorfcn. @r rcurbe nnn bolb ber erfte in ben klaffen unb erhielt roiebcrf)oIt Prämien. 3lud^ ^^remömünftcr mar Ionbf(^aftüd; fc^ön gelegen, nnb oon l^ier lernte Stifter bie nur wenige 9)^eilen nü6) S'übcn ju entfernten 5npen fennen, bie in ben „j^clbbhunen" unb bem ^^^^ac^fommer" eine fo gro^c Sflotte fpicien folltcn. „^n ben legten jroei Satiren", er5ä£)lt er, „nxir meine SBo^nung in ^remömünfter fo, "öa^, rcenn ict) morgens bie 3tugen öffnete, bie gange SHpenfette in mein 33ett {)ereinj frf)immerte. SBic ricie fjeimlic^e ©ebic^te mad)te id) bamalö, roenn 16) obenbä allein ouf irgenbcincr ^'öl)C unter Dbftbäumen fa^ unb ber unenblic^ garte -^ofenfc^immer liber bie 33erge flo^." Xro^bem jog i^n immer roieber jurüd in feinen geliebten ^öbmcr SBalb, ben er in ben ?^erien naä) aEcn 9iic^tungcn burc^ftreifte.

©c^on alö ©c^üIer uerfud^te er fic^ im ^id)ten, roie ber erfte ©ntmurf beö „^eibcborfö" auö jener ^c\t beroeift. hieben ber ^oefie feffelteti ii)n befonberö '^laü)t- matif, Dlaturroiffenfc^aft unb 3)klerci.

3m $jabre 1826 fu{)r Stifter nad^ beenbeter Sd^ulgeit in Begleitung groeicr ©efäfirtcn nac^ Sßicn, um bort ju ftubieren. ©eine erfte ©tubentenperiobe ^at er felbft launig gefd)i[bcrt in bem „£eben unb ^auö^alt breier SBiener ©tubenten" : wie bie brei in if)rer fümmcrfic^en 2BoI)nung bie bäuöüc^en @efd;äfte felbft übernaf)men unb fie einteilten in bie ftoubigen unb flüffigen, in bcren (Sriebigung fie abroec^felten. ®ie beiben greunbc raaren bie fpäteren ^irgte 3JJügerauer unb ©c^iffler, in jener 3)arfteIIung ^etnric^ Duirin unb Urban ©d)mibt genannt.

©tifterö 5(bfid^t, bie 9^ed)töiüiffenfd)aft ju ftubieren unb bann ^Beamter gu roer^ ben, gerfc^eEtc an feiner 9^eigung für bie naturmiffenfd^aftlic^en gäc^er, über bie er mef)r SSorlefungen aU über ^ura f)5rtc, unb an feiner 2eibenf(^aft für bie ^unft. ©amalö begeiftcrten i^n ©^afcfpeare unb ^ean JPauI. ©einen färglidien Sebeno^ unterf)alt oerbiente er buri^ ^riuatunterricEit.

3u feinen nöc^ftcn j^reunben gehörte au|er ben üor^in (benannten unb bem ^reiFierrn 2lboIf üon Brenner unb ©igiömunb pon ^anbel ein Sanbömann auö bem Böhmer 2BaIbe, 5[Rattf)iaö ©reipl, ©oI)n eineä begüterten Seinraanbfiänblerö in ber naf)e bei Oberpian gelegenen fleinen ©tabt ^riebberg, bie ber '3)ic^ter in ber „3Kappe meines Urgro^oaterö" ^irling nennt, ^on ben üier ©c^roeftern biefeö f^reunbec. geroann bie eine, ?^annt), ©tiftcrg Siebe, ^annx) ©reipl, brei ^afire jünger atö ©tifter, mürbe atö ein rcidieö, fdiöneö unb begabtes 3J{äbd^en fel)r cere^rt unb bege{)rt. %vop bem f)ätte fie gern bem ^ic^ter, ben fie bei feinen ^erienbefuc^en Heben lernte, bie .§anb gcreid)t, roenn fie nur irgenbeine greifbare Hoffnung darauf I)ätte grünben !önnen. 3lber für be§ Sebens praftifc^e 2Bir!Iic^feiten ^atte ©tifter feinen Blicf uno feine gic[fid)crc Xatfraft. ©0 löfte fic^ biefer ^ergenSbunb, noc^ ef)e er rec^t gefc^toffen mar, infolge tves Ginfc^reitenö pon ^annriS eitern, ^m „^cibeborf", „^oc^roalb".

9lbaI6crt Stifterg i'ebeii. 149

„SKüIbgöngcr", in ber „9)^oppc", bem „^kd^jommer" unb fonft lyat Stifter biefcr iin= glüdfeligen Sicbcögcfc^id^tc ^cnfmätcr gefegt, gaimi) i|"t bie ftiQe Siebe fcineö 2eber,ö geblieben, obiuo^I fie 1836 ben ^anieralbeamtcn gleifi^anbert in S^icb (jpäter Sßelö) heiratete. "Drei ^nf)ie ipäter ift fie \\a6) ungfücflic^er ©ntbinbnng mit bem neu; geborenen einzigen ^inbc geftorben. I)en 1)id)terruf)m il)rcö ^uflenbgeüebten [)at fie nid)t erlebt. Stifter ^atte injiüifc^en auf einem '^Balle bie um fec^ö ^alyxc jüngere i^lmnlie 3)?o^nupt fennen gelernt, ein jcböneci, aber biutarmeo Wäbcben, mit bem er fi^ 1837 tiermäf)Ite.

5?od^ immer lebte er, nun mit feiner jungen ?^rau, uoii Dem iSrtrage ber "ipriüat- ftunben unb uon 3<^i<^ni"i9C"/ of)ne irgcnbein ©ynmen abgelegt ju Iioben. ßr ^atte firf) einmal jur Prüfung gemelbet, beftanb bie fd)rift(i(^e auc^ gtänjenb, crfd;ien aber jur miinblic^en nic^t. %n S^orfaU d^aratterifiert ibn. 58iei(eid^t nwr er gerabe mit einem feltcnen Stein ober einem fcbönen ©cmäibe befc^äftigt. T>ie einen nennen ein folc^cö ©ebaren Seic^tfinn, bie anberen ©eni'e.

©rft fpät trat er poetifd^ an bie Öffentlic^fcit. (St mar 35 ^o^re alt, alö fein literarifd^er ©rftling, ber „^onbor", gebrucft rourbe. Unb auc^ baS gcfc^al), ol)ne iya^ er erftrebt l)ätte. Q^j mar an einem Avüblinfl^'morgen beö ^al^reö 1840, alö er im Sd^raarjenberggartcn bie 9biiclle begann unb bie 5RolIe "Rapier bann in bie Mod- ta]&)C ftecfte, über beten 5Ranb fie jebod) l)inauöragte. 31lö er barauf bie ^Baronin Tluü befud^te, jog i^m bereu 2'od^ter bie iHoIIe auö ber Tafcbe, laö barin, ol)nc taiß er bemerfte, unb rief fd^lic^lid; : „3)?ama, ber Stifter ift ein l)eimli(^er Dicfiter; l)ier fliegt ein 9)cäbd;en in bie Suft/' Stifter muf3te bad ^rudjftücf nun norlcfen, fpäter noUenbcn unb an bie „Söiener 3citfd)rift" fenbcn, bereu .^craitögeber ^Bittbauer ben „£onbor" nic^t nur brucfte, fonbern aud^ bonorierte. ^aburd) aufmerffam ge= mod)t, lu'Q i^n ®raf ^ol;. ^laxiäti), Der ."geronögcbcr ber „^^riö", ebcnfallö ^ur ^Btit- arbeit ein. ®er 5ßcrlcger ber „^riö", ©uftau .'gedcnaft, unirbe baraufbin ber Verleger fömtlic^er Sßerte Stiftern unb au^erbem beffen perfönlidicr i^rcunb. ^n ber „^ric/' crfd)ienen alö erfteö Stücf bie „^Vclbblumen". 3" bemfelbcn ^al)re 1840 uollenöctc Stifter nodb ba^i „öeiDcborf". 1841 folgten ber „^od^malb", bie „9iürrenburg" unb bie „3)Jappe mcineö llrgro^oaterö'', 1842 „löergmild)", „3lbbiao" unb „§3rigiita". "Somit mar bie literarifdie SteEung Stifter^ in ber SBelt bcfeftigt. Gine Sr5äblung löfte je^t bie anöere ab. 3"fömmengefa^t erfdiiencn einzelne Stücfe 1844 50 unter bem Stitel „Stubien", anbere 185-2 unter bem lilcl „Sunte Steine". 1857 folgte ber gf^oman „^er 9kc^fommer", 1864—67 ber 9?oman „Sßitifo". 1869 gab au§ Stifters 9]ac^laf3 fein ?^reunb ^ol). 9(prent bie „Grj^äblungen" unb bie „'Briefe" Ijerauö. ©ine beö 2)id)terö nn'irbige 33iograpbic oon ?lloiö ^.aimunb .*oein fonnie jeborf) erft 1904 erf(^einen, ha lange 3cit fid) hierfür fein Tscrleger fanb.

Äel)rcn mir ju Stiftcrä Sebenögang jurürf. Xer Tid)ter bemegte ficb tro^ feiner uubebeutenben äußeren Stellung in einem Durrii ©eburt, "öefi^ ober ©eift aui- gegeic^neten ."»{reife. Gr oerfeljrte bei ber 3Bitme beö J^ürften Scftroarjenberg, mit ber er täglid) ha^i Sßic^tigfte auö i^^r 9lllgcmeinen 3^1*""^ burd)fprad). i^orleferin in biffem $aufe mar bie Xidjterin 33etti) ^aoli. ^ei ber Saronin *i|?ereira traf er mit

löO :^m alten Cftci-fcid).

©riUparäcr unb ^«^''^ife suiammen. Xcx .^ofjuiueHer %ütt, bem er im „fiai)- jommcr" eine, 9?olIe äucrteift hü, rourbe fein ^reunb. ^u6) in beö ^'ürften unb Staatöfonälcrö 5n^etternic^ .^aufc ging er al§ £el)rer unb (Soft an^ unb ein. ©abei befa^ er feineöroegö elegante Umgangsformen. „9iicf)tö, n>aä nicEit feftgenogelt roar", fagt eine %van üon ßottin oon i^m, „blieb cor ifim fidler; er ftie^ überaß an, tonnte alleä nicber." ®r fei aber, fügt fie i)\n^u, „einfach unb fittig wie ein jungeg 9J?äb^en" geiuefen.

1845 reifte Stifter mit feiner ©attin in bie ^eimat. ®ie ^amiüe ©reipl in ^^'ricbberg fanbte if)ncn freubig i{)ren SBogen gum (Smpfange entgegen, ©amalö f'i)rummerte ?5^annt) jd^on fecE)ä ^al^rc in ber @rbe. 58on ^^riebberg^ ging nac^ Dber= plan, wo bie betagte SRuttcr befuc^t unb ber S3öF)mcr SBalb abgeftreift mürbe. ^Dort entftanb ber erfte @eban!e beö „SSitifo'', mürbe bie „9Jiappc'' umgeftaltet.

SSom nöcE)ften ^a^re ah neigte ber ©i(f)ter gu ©rföltungöfranflieiten. ©einen älufentlialt nabm er bafb in SBien, batb in Sinj. ®aö '^<if)x 1848 mu^te biefen roelt= frembcn S^aturbic^tcr erfc^üttcrn unb oufö öu^erftc abfto^en. ®r fiebelte bauernb naö) Sing über, mo er juglcic^ feine ^Dienfte für taö ©d^ulraefcn, bem er eine S^leil^e t)on 9Iuffö^en mibmete, bem ©tattfialter oon Dber=£>fterreid^ jur Verfügung ftellte. 1850 rourbe er jum S^fpettor ber SSoIföfd^ufen ernannt unb fo bringenber roenngleid^ nirf)t aller 9kf)runggforgen enthoben. 9^un aber befam er äu fpüren, mag bebeutet, 33e- amtenpflid^ten ju erfüEen, menn m^an ^urcf) irgenbein '3:'alent ju §ö{)erem berufen ift. ®er ^ampf ^mifd^en ^unft unb Seben begann auf§ neue. 6ine ©inlabung jur !aifer; nd)en STafel in ^fd^I 1854 unb bie ©rnennung gum «Sc^ulrat 1855 maren bal)er nid^t geeignet, Stifters ©lud uoEftänbig ju macEien. S^iel melir beglüdten if)n ein (Sx- bolunggaufent^alt in ben Saferbäufern im böf)mifc^=bat)rif(^en SBalbe 1855 unb eine Urtaubörcifc an ba§ gjleer im ^abre 1857 über 5lremgmünfter, Saibac^, trieft, Ubine, bann jurüd über ^lagenfurt. ^ie 9(mtöfeffern ju gerbrecbcn, mürbe balb fein b^^efter 3Bunfd^: „3J?ancbmat ift mir", fcE)rieb n fc^on 1854 an feinen Verleger .«pecfenaft, „icb fönnte SReiftcrbafteö macbcn, rda§> für alle ^t\Un bauern unb neben bem ©rösten

bcfteben !ann; ift ein tiefer, beiliger ^anf in mir, baju -^n gel)C-n aber ba ift

äufecrlici^ nic^t bie 5Rube, bie fleinen ®inge fd^reien brein, il)nen mu| ron 3(mtö megen unb auf Scfebl ber SRenfdben, bie fie für micbtig balten, abgemartct roerbcn, unb X>a^ ©ro^e ift babin. ©lüdlic^ bie 9[Renf(^en, bie biefen (Scbmer§ nic^t fennen! unb bodb auc^ ungtüdflii^, fie fennen baö ^öd}fte be§ Scbenä nic^t. ^cE) gebe ben ©dbmerj nicbt ber, roeil icf) fonft audb baö ©öttlicbe f)ergeben müfite. ^ätte id^ mein rubige§ Seben (im SBintcr in 2Sien, im Sommer in ben Sergen unter 33äumen unb SBoüen), bürfte idE) nid^tg anbereö tun atg mit ®roJ3cm, 9?eincm, Schönem midb befdboftigcn, oor; mittags fcf)reiben, nadEimittagg ^eicbnen, lefen, Sßiffenfd^aften nacbgcben unb abenbg

mit mancE)cm eblen ^reunbe ober in ber Sflatur in meinem ©arten fein -; aber

ic^ barf nicE)t baran benfen, fonft ergrimmt ber ©ott im SJienfd^en, roie ^ean ^aul

fagt Ginmal roerben eg aud; anbcre miffen, mer raei^, ob biefer Srief ni(^t

gebrucft mirb; aber bann merbe ic^ im ©rabe liegen, bie Seute merben nid^t begreifen, TOütum eg fo gewefen ift, unb merben ibren ^[Ritlebenbcn bodb mieber gerabe fo tun."

matbevt SHfter§ Seben. 151

„%di ©Ott, nur 9^ut)e, unö oor allem ^eiterfcit", i)atie er fc^on am 16. !Roüember 1847 gefc^rieben. ^^n(ic^ f>ei^t 1856: ,,§ätte i^ nur 3^^^ ""^ ^ötte baä 2lmt

nic^t ^c^ roei^ eö, ba^ biefc 3(rbciten mein 9)iinbefteö finb, unb ba| ^iefereä

in ber ©eele frfilummert, baä nur nic^t crroedt rcerben fann, meil mit f^ofben ©lim; men unb göttlichen i!(ängen gerufen merben mu^, je^t aber nur mi|tönige ?^ul^rmanng= Coute iE)m in bic DF)ren freifdEien. ©ie merben mii^ nic^t ^öEinen, roenn ic^ S^nen füge: oft möchte itf) bitterlirf) meinen."

33ei aEebem ftieg ber 3Ruf)m beä ^icE)lcrä oon ^a^r ju .^a^r. 5Die Sd^mefter ®id^enborffä bot i^m fogar au§ SSerel^rung if)r in 33aben bei Sßien getegeneä Sanbt)au§ jum @ef(^enf an, maö ex inbes mit 9^üdfid^t auf ibre 3Inge^örigen able{)nte.

®ie unauff)örlic^e 2)oppcIarbeit foroie ber 'iRangel an Seroegung fc^äbigten feine ©efunbFieit fef)r, obroof)! feine 2Bo^nung, bie unmittelbar an ber $Donau, unroeit ber ^ampferanlegcfteÜe in Sinj lag, Suft unb Sid^t freien 3f?aum lie| unb au^ Ianb= frfjaftlic^e ^Reije bot, „Seim ©d^riftftellern fa^ \i), bei ber Prüfung fa^ i^, bei ber Slmtöarbeit fa^ ic^", flagte er. So ging il)m, raie einft ßeffing in SBolfenbüttel, ber au^ an croigem Si^en geftorbcn ift. „SBir SJienfc^en", f(^rieb er 1859, „plagen unö ah, um bie 9J^ittel jum Seben ^u erroerben, nur ba§ Seben laffen mir bann bleiben." 35er einzige Suyug, ben Stifter fid^ gönnte, beftanb in bem 2ln!auf altertümlicher 'J)inge oon Äunftmert. ^iefe Siebliaberei \)at befonberä im „Jlac^fommer" unb bemnäc^fl in ber „9)?appe" bi(^terifif)en 3luöbrud gefunben

^m ^al^re 1859 ftarb feine treue SJhitter. S^oci Tluhmcxi, an bcnen er fel)r fting, ftarben ebenfalls babin. ©eine 3if^l^t^^^r Juliane, bie X^oc^ter feine§ üeT= ftorbencn ©c^roagers 3Jlo^aupt, nal)m fid^ 1859 in ber ^onau bo§ Seben, nadfibem fie auf einen Mittel gefd^rieben ^atte: „^c^ gelie ^u meiner 2l?utter in ben großen ^ienft."

®o§ alles fonnte auf fo jarte ^Icroen, mie ©tifter fie liatte, nid^t ol)ne nac^= teilige SBirfung bleiben, ©inft ein ^lauberer oon noUenbeter ©pra^be^errfd^ung, bem jur 33cl)agli(i)feit ein gebratener ^al^n, guter 2Bein unb eine au§erlefene Si^'Ji^^c roiUfommen moren, rourbe er mit fortfd^reitenbcm 9Ilter ebenfo leidfit ermübet rote er: mübenb, 9^ur fein Söbmer 2Balb unb er öerftanben einanber biö jum legten 3ltem= juge. 3(ucf) feinen ^^erleger §ecfenaft fübrte er 1856 ju jenem §od)roalbfee, an bem beute fein ©ebcnfftcin ftebt.

©tifter mar ein großer Stumenfreunb. (Sinigc ^i'^nier feiner SBobnung roaren nur für ^flanjen bcftimmt, bie er rounberbar ^u pflegen oerftanb. 33erübmt mar feine ^afteenfammlung. gibt roenige 3)?enfdE)cr, bie fo ooKfommen in ber Statur unb .^unft il)r ^(f) oerga^en rcie er. SSon feinen fianbfdbaftöbilbern finb üiele oon l)obem !ünfterif(^em 2öert. (Slaubte er bo^ urfprängli(^, tvaf; er Don ber 5Ratur nur jum 9J?aler beftimmt fei. ©eine $?ieblingöbic^ter mürben in fpäteren ^J^^i^cii .^omcr, ©oetbe oon bem ftetö einige 58änbe auf feinem Xifcfie lagen unb ©rillparjer.

3Em ®c5cmber 1863 erfranfte er ernftlid). ©eitbem ift er nie mel)r ganj genefen. 3lud^ mieberboftcr Srbolungöurlaub fonnte nicbt belfen; ebenforoenig ein längerer ,^uraufentl)alt in ^arlöbab. ^on bier au§ ging ber 1)icbter 1865 roieber

152. 3m alte" öftermrf).

in feinen geliebten böIimijc^:bQr)ri)rf)en 2BnIb. 3Iuf feinen SSunjd), mit üollem ©cljolt unb bem ^ofratötitel, in ben 9iuI)cftQnb uerfe^t, fonnte er für einen furjen ß^benö^ abenb ta^j ftille ©lud genießen, nad^ bem er fic^ fo lange uer^meifett gefeint t)atte. 1866 fu^r er noc^malö nac^ ^larlöbab unb^ bann in ben ^<;imatlid;en SBalb. !>-öon liefern träumte er ununterbrodicn in ßinj it»ie in .tarlübab: „Sßi« freue i^ mi^ fc^on auf ben ßinflu^ jener ru^cüoüen, n)citl)in gef)enben, ftillen, bämmemben Sßalbbänber unb auf bie fonnigen falben unb ?^elber unb SSicfeu unb Söölbc^en unb ^äfer unb ©c^Iud^ten unb ©röben unb 3[BaIbl)äufcr unb meinen Jürd^türme, raaä atteö auf einem meiten c^afbfreife cor ben ^enftern meiner bortigen S[öoi)nung auögefät ift."

od^roer traf i^n ber ©icg ^reu|enö über öfterreid) bei ^öniggrä^. „^c& ipar mie oernic^tet", fc^rcibt er, „faft eine ^crämeiftung fam in mein ©emüt."

Um fo fieftiger giog il)n gurürf in bie ©iufamfeit feiner SBälber, ju fciueä ^reunbeö ^^ranj SRofenberger, eineö ^affauer Kaufmanns, £a!crf)äufern, lüo Söitüo feine Sertf)a finbet, am %u^e beö ^reifeffclbergcs im boprifc^en Xeile beö SöFimer SBalbcö, ^a§ mar bie S[Bot)nung, t)on ber uor{)iu gcfprod)en murbc. ®r blieb 1866 bie in ben ©pätf)erbft bort. 9Im 11.9JoDember fd)rieb er non l)\cx 3tmalie gum §oc^jeitetagc: „^c^ banfe '2)ir für ©eine roanbellofe Streue unb für "Deine unbegrenjte Siebe in biefen 29 ^lO^tren. ^c^ banfe Dir für aüeö ®ute unb ^er^Iic^e, ba§ Du mir jugcwen: bet baft. Die SSerbinbung mit Dir ift hai ©lud meinet Scbene gemorben .... Du baft mir alleg Siebe in größerem SDia^e juteif merben laffen, aU \ä) üerbicnte. ®ib mir biefes @efd)en! auc^ für bie ^('ü, bie un§ nocb miteinanber ju leben ücrgönnt ift. '^6) merb'e Did^ et)ren unb lieben, folange ic^ lebe, unb mcnn mir baö Sc^bnfte, ma§ mir I)ienifben I)aben, auc^ in ein ^enfeitö mitncl^men fönnen, fo roerbe id^ Did) aud; in biefem ^enfeitö e^ren unb lieben, ^c^ roerbe an bem S^age ®ott bitten, ba^ er Dic^ njof)I unb gfüdfid) erbalte, unb ba| er unö nod) eine ^e\i jufammen gönne unb feines ^u longe einfam auf biefer SBcIt laffe." 2(malie ftarb 15 ^abre nod) ibrem ©atlen, am 3. ?^ebruar 1883, unb rourbe neben ibm beftattet.

2l[0' er gurüdfef)ren roollte, bielt ibn ein Sd^neefturm baoon ah, lüie er in ^^a^rfmnberten nidEit erfolgt mar. ^n ber erjä^Iung „5Iug bem ba^rifc^en SBoIbe" ):)at ber Did^ter biefe meinen SBunbcr gefd^ilbert. Da 51malie erfranft mar, jebrtc bie Ungebulb an itjm, unb bie unauft)örlid) faüenben ?^foden, bie eine roei^c ?^inftevni§ üerbreiteten, crfd)üttertcn feine 3fiemien. So muffte er benn im näc^ften ^a^xc (1867) mieber in .^arlebab Teilung fud^en nergeblic^.

©iner ber legten, bie ben Didbter fennen gelernt f)aben, ronr ^etcr 3to)cggcr, ber \i)x\ in feiner Singer SBot)nung auffud)te. „^cE) folgte i^m", erjäf)It 9?ofegger oon biefem (Sefpräc^, „am raufdjenben SBilbbadic f)in gum SBalbfee. ^eber tropfen fprid)t ein Qk^eimniäüoKes üon ben SBunbein ber DueUe unb beö tiefen ©eeö; jebc ^lume am Ufer ift lebenbig, unb if)re ^^arbentöne flingen gu unferem J^ergen."

!3m Dftober 1867 reifte Stifter gum le^tenmal nadf) Dberplan, um ta^ &vab ber 9Rutter mit einem ©ebenfftein ju fcbmüden. ^aä) ber ^Rüdfel^r erfranfte er Don neuem. Da§ Seiben fteHte \i6) alg eine freb^artige S[BndE)erung ber Seber bcrau§. Trofebem orbeitete er nod^ an ber „^Kappe", bie er fiej eines X'ageS beifeite legen

6tifterö IBcbcutunfl. 153

mu^tc mit ben SSorteii : ,,3(n bicfc Stelle rrirb man frf)rdben : ^ier ift bcr '3)tc^tcr gcftnrbcn." '

3Son bcn ßreigniffen bcr äußeren SBclt ^ottc er fic^ fön^ft abgcmcnbct: „^d^ Icfe feine 3<''^i"'9 me^r, unb \o finbe i^ @ott roieber in feiner od^öpfiing."

^n ber 9?Qd^t t>om 27. nuf bcn 28. ^annar 1868 mürben bie ScEimerjcn jo rafcnb, bofe bcr Äranfe fid^ in (inlbcr ^cmn^tlofigfeit mit bem 3?a[icrmcffer einen tiefen od^nitt am ^alfc bcibracf)lc. ^Uö 3(malie eintrat, fanb fie i^n in feinem ^hite liegen unb ftürste mit einem 3lnffc^rei ju Soben.

^n bid^tem (Schneefall trng man ibn auf bem Singer griebt)(rf ju @rabe. Gin einfacher Dbelisf giert bie ?Ruf)cftätte. Tod) ^entfteine mcrben biefem ^oten mA)\ geredet, ber ungejö^Ite Scnfmäfer au6) noc^ au^erl)a(b feiner SBcrfe befifet: bie ^RiUionen oon 'Säumen, bie im 58öl}mer 2B-albe gum öimmct emporragen, unD bie i'IbermiQioncn uon 'Vögeln, bie in it)rcn SBipfcIn fingen.

12. Stifter« "iöcöctttttttg.

i^lbalbert Stifter gehört nicf)t ju bcn ^ic^tern, bcnen man ifirc üterarifc{)C Sebeutung oon meitem anfict)t. 3(m menigften perraten t^a^ bie 'J^itcl feiner ^id^= tung-cn. ^ie Scgcicfinungcn „Stubicn" ober „33unte Steine" ücrfpred^en nic^t mebr, a{§ bie ©rjäfjlungcn biefcr Sammlungen galten fönnen. Stifter mar fein Silbner im Sinne S^afefpeareCi unb ®oett)cö. ^anblung, ^cnfc[)cn[cbcn, ungeu)öt)nli(^e <i^a- rafterc finb nic^t baö, ma§ il}n unftcrblic^ mac^t; t)ier geigen fic^ Dic[mcl)r bebeutcnbe Sdbroäd^cn, bie ftcücnnTcifc biö gu erftaunlirf)cr llnfäfiigfcit get)cn. Stifter mar nur ein großer 33ilbncr bcr DIatur, am fiödiftcn bann, rocnn gcrabc baö, roaö anbcre ^ic^ter gro^ mad^t, nidit unlö'j(id) mit feinen 9?aturbilöcrn ucrfnüpft mirb: ein bebcutenbeö ^tcnfd^en)d)icffa(. 2Bcr £cibcnf(^aften, ungef)cureö ©rieben unb Spannungen fucE)t, mirb ftctö uon Stifter cnttäufc^t merben : er mirb il)n „unintcreffant" nennen unb fid^ bei S>cbh(:[, ^bfcn unb ^ola cntfcbäbigeii. ?Bo Stifter ift, ba ift $nuf)c unb 3(bf[ärung, feine ^^Infc^auung unb gurürfgcgogencö .ßunftcmpfinbcn. Seine S(f)riften finb gerabcgu ein ^rüfftein für bie ^-einlicit bcr 9Icri)cn unb bie i)?eifc beö fiinftterifd)cn Urteif'ä, menn man oon feiner ©cftattung bcö rein ntcnfrf)licb Sebcutenben abfie{)t. So mürbe öcbbel fein 33crädjter, Stic^fcfie fein 33craunberer.

Öebbcl uerfprad) bemjenigcn bie ppfnifd)e ^ronc, ber Stifterö „Dkdjfommer'' üon 3lnf<ing biö gu ©nbe lefen fönne; 9?iefef(^e erflärt ifjn für ben beften beutf^en 3loman. öcbbct roanbtc fid) mit f^arfcn 2Borten gegen Stiftcrfdic .^[einmatcrei („tie alten 9kturbid)ter unb bie neuen", 1849 in ,^ül)neö 3citfd)rift „Gnropa"):

Sifet if)r, roavum eud) bie J^iifer, bie Butterblumen fo glücfen?

®eil i^r bie 9}?en)c^en nid)t fennt, mcil il)r öic Sterne nidU fcI)!! SdKiutet i^r tief in bie ^er,^en, ioie fönntet i^r frf)Jnärmen für .^äfer?

©ä^t i^r ba§ Sonnenft)ftem, fagt boc^, ma§ mär' cudj ein StrauH"? aber ba» mufete fo fein; bomit il)r ba^ .kleine oortrefflic^

Siefcrtet, f)nt bie 9catur fing eud; ba§ Wrofje entrücft.

154 3m alten Ofterreidfj.

^öreii rair Stifterg 3Intiüort in ber ^ourebe gu bcn „Sunten Steinen": „@g ift einmal gegen mic^ bcmcrft roorben, ba| id^ nur baö steine btlbe, unb "oa^ meine SRenfd^en ftetö gen)ö]^nlirf)e SJicnfc^en feien. SBenn ha^ roa^r ift, bin ic^ I)eute in ber

Sage, ben Sefern ein nod) ilfcinereö anzubieten SBeil mir ober fc^on einmol oon

bem ©ro^en unb 5lfcinen rcben, fo roiU irf) meine 3lnfii^ten barfegen, bie n>af)rfc^ein; lid^ oon bencn üieler anberer SJienfc^en abrceidien. ^aö 2Bet)en ber Suft, baö 9f?iefeln beö SBafferö, boö SBac^fcn ber ©etrcibe, baö Sßogen beö STceereö, bas (Srünen ber ©rbc/ bQ§ ©längen be§ ^immelö, baö Schimmern ber ©eftirne l^alte 16) für gro|: bo§ prächtig einl;er§icl)enbc @en)itter, ben S3Ii^, loelcEier Käufer fpaltet, ben Sturm, ber bie Sronbung treibt, bcn feuerfpcienben Serg, ba§ ©rbbeben, wdä)e§> Sdnber oer= fc^üttct, {)alte \i^ m6)i für größer üU obige ©rfcficinungen, ja, icb f)a[te fle für üeiner, roeil fie nur 2Birfungcn oiel ^ö^erer ©cfefee finb. ... So roie in ber öu|eren S'latur ift, fo ift auc^ in ber inneren, in ber be§ menfd^lic^en ©efi^tei^teö. ©in gangeö Seben ooll ©ered)tigfeit, ®infoc^F)eit, SSegroingung feiner felbft, 58erftanbeö= gemö|f)cit, SBirffamfeit in feinem Greife, 33eraunberung be§ Schönen, -oerbunben mit einem Ijeiteren, gelaffenen Sterben, I)alte ii^ für gro^: mä(i)tige Söeroegungen be§ ©e^ müteg, furd^tbar einl)erroEenben 3otn, bie ^Begier nad^ Sf^^ac^e, ben entjünbeten ©eift, ber nad^ 3:;ätigfeit ftrcbi, umreißt, ünbert, jerftört unb in ber ©rregung oft baö eigene Seben fjinmirft, Ijalte id^ nid^t für größer, fonbern für fteincr, ha biefe ^inge fo gut nur ^eroorbringungcn einzelner unb einfeitiger J!räfte finb mie Stürme, feuerfpeienbe Serge, ©rbbeben .... SBenn mir bie 2Renfrf)t)eit in ber ©efcE)id^te roie einen ruf)igcn Silberftrom einem großen, emigen ^kU entgegengeben fef)en, fo empfinben roir ha^^^ ©rljabcne, baö oorgugöroeife Spifc^e. 3tber roie geroaltig unb in großen B^gen auc^ baö ^ragifc^e unb ©pifd^e roirfen, roie ouögejeic^nete ^ebel fie au6) in ber ^unft finb, fo finb f)auptfäcf)lid^ bocf) immer bie gercö{)nIicE)en, alltäglichen, in Unjaf)! roieber- fcFirenben ^anblungen ber 5[Renfc^en, in benen biefeö ©efe^ am fid^erften alö Sd^roer^ pun!t liegt, gleic^fam bie 9D^iHionen SBurgcIfafern beö 33aumeö beö Sebenö, So roie in ber 9latur bie allgemeinen ©efe^e ftitt unb unauf^örli^ roirfen unb baö SluffdEigc nur eine einzelne tu^erung biefer ©efc^e ift, fo roirft baö Sittengefe^ ftiH unb feelen= betebenb burd^ ben uncnbli(^en SSer!e^r ber gjjenfcben mit 9J?enfc^en, unb bie SBunber beö 3tugenblic!cö bei norgefallenen Taten finb nur ffeine ^Jierfmafe biefer «11= gemeinen .^raft."

©ine folc^e Umroertung ber 2Berte ift einzig, ift in ber gefamten SBeltliteratur na^eju fonft gar nid^t oorbanben. 3lm näd^ften fommt bcm fünftterifd^en Programm Stifterö bie ^fc^ungelpocfie beö ©nglänberö 9f?ubt)arb .Kipling. Stifter letint« bie ,,Stofffreffer" alö Sefer ah. 5Jiit ät)nIidE)er ^öeftimmt^eit cergid^tete etroa Sd^openl^auer auf Sefer, bie fic^ nid^t mit .^ant befd^äftigen mögen. Soliden freunblicficn 3öinfcn foHte man an6) folgen. $Die im geroö^nlic^ ftofflirfien Sinne „intereffanteften" ©rjä^Iungen Stifterö fmb „35rigitta", „5tbbiaö" unb bie „5^arrenburg". Sie finb ^eineöroegö baö 23efte, roaö er gefd)affen l)at. 2tber roem biefe Stüde, bie fic^ benen anberer ©rjöf^Ier am meiften näF)ern, nirf)tö fagen, ber roirb gut tun, feine SeKürc Stifterö abjubre^en unb iiä) nicf)t mit ber „Wappe meines Urgro^uaterö" ober bem „9?ac^fommer" feine

Stifter^ Sebeutung. 155

%aQC ju Dcrberben. liegt DurcfjQUö im Sinne Stifters, ju roarnen, ja 06= 5ufcf)rcdcn.

Stifterö reine ^nncvlic^feit Ijat auf [pätere 3)i(f)tcr großen ©infhi^ ausgeübt, befonbers auf biejcnigen, bie oorgugäroeifc i^ünbec ber 9ktur loaren wie Storm, 9lofcgger unb Seibel. @ciDicf)tige ©rttärungen bcä SSeifaüä unb ber Segcifterung ftrömtcn i^m unb nad^ feinem 3:;obe feinem 5kmen ju. ©ic^enborff lie^ if)m fagen, ba^ er \i)n unter allen Icbenben ®id;tcrn „am innigften liebe unb pere^re". ^uftinuö ferner fanbte „bem lieben, unoergleirfilit^en 2{ba(bert Stifter innigen ®ru^'^ 'Daö; felbe taten in ä^nlid^cr ?^orm 33obenftebt, ^Robert Srf)umann, Sorm unb ©rinparjer, ber if)m „greunbfc^aft unb ®ru| biö anö ßnbc" briefti^ übermittelte. ®ie Sängerin 2iennt) Sinb uergo^ 2:'ränen bei ber SSorlefung ber „^appe". Segeiftert feierte il^n 2JZartin ©reif:

dt iai) bie 2BeIt mit t)ö^ern iBlirfen,

?II§ un§ bie .^raft baju berliet)n,

Unb malte fie, un§ ju erquiden,

2Bi€ fie entfd^Ieiert i§m erj^ien.

3?ofcggcr ^at erfldrt: „^c^ na^m bie SBerfe biefeS ^octen in mein Siut auf unb \ai) bie S^iatur in Stifterfc^em ©eifte"; unb ein anbereä 'tSlal: „Sßenn ic^ ein I)o^eö ^fingft= fcft f)aben raitt, fo jiebe i^ ben Sonntagörod an, geF)e ^inauä jum ftiEen SBalbranb unb lefe 3(ba(bert Stifter." 3tboIf ^id;Ier oerfic^erte, „ba^ Stifterö Söerfe ju feinen f^önften ^ugenberinnerungcn gef)ören". ^octifc^ grüßte ibn ber 33erner S- 33. SBibmann :

Gin neu ^a^r^unbert and) mag banfbar laufc^en, SSie iüir einft beine§ ^oä)toa{hi> eblem SRaufc^en.

Segeifterte SSerfe luibmeten it)m nod) üiele anbere ©id^ter, unter if)nen mit befonberer SGBärme 6c^önai(f);6aroIat{) unb ^erbinanb üon Saar.

Stifters SBerfe bleiben jeber 9J?obe, jeber Strömung, jebem fogenannten 3^^*= geift roeit entrüdt. ^ie 9Jfenfc^en, bie eu fc^ilbert, finb meift n)of)IJ)abenb unb faft immer in irgenbeiner ^öe^ietiung Sieger boö Sebene. ^f^re Siebe, if)r ^a| braufen nicElt mic Drtane bo^er, fönbern TOet)en mie ber leife 3Binb in nmibumfriebetcn ©e^ birgstälern, ju bencn oon ben fc^ü^enben ^öbcn ftille ^äc^e t)erabricfeln. Dft erftarrt . bie 3eid)nung ^eö ©efübtslebenö im gormelfiaften. 2Sie eine groteötc 2Rauer umjief)t bonn ein gemiffeö 3eremonieU in ^rage unb 3tntmort unb aHju umftänbtid)e 5vlcin; maierei bas fcufc^e ßmpfinben, bai auS ber Seele beö 3)ic^tevö in feine ©eftalten l)inüberftrömt. Sobalb bann aber biefe 3Jienfc&en jurürftrcten, erftral)lt bie gro^c '^ahix in if)rer ganzen ^rac^t am Sonnentage mie in ber Sternennat^t.

SBeit fo ift, barum l)at ber eigentlid)e ^nbalt oon Stifters Grjäfirungcn bei loeitem nic^t ben SBert mie bei anberen ^ic^tern. 'Das ^JJotin, bas ®oetF)e fo f)oc^ fdlö^te, ift für Stifter nid)tö eigenartiges unb entfd;eibenbeS. 2Bar bie 9^oücIIe friil)er boS, mas [\)x ^ama fagt: bie ^arftcllung einer anefbotcnbaften 9^cuigfeit, unb rourbc fie tvei ben Späteren, oor aUem bei Storm, in Stimmungofunft umgeroanbelt, fo ifl

156 3m alten Dftemici^.

fic bei Stifter, bcr in bcr aJlittc fte^t, inc^tä alä TDunberinme S^aturmolerci, gro^ burd^ if)re (Siiifac^^eit iinb Soölöfung oon ftofflic^ fpannenben, menj(f)nc^ f)0(f)tönenben SJiotiocn, burc^ i^rc friftoüflarc Sprnc^e, bic frei oom ^^rcmbTOort ift, unb burc^ ben fittfic^en ©eift, ber fie burd;iüe^t, oI)nc irgenbeiner fogenannten Xenbcnj ju folgen. So roirb Stifters 33ebcutung niematö bobiird^ jutage treten, ha^ fic^ >ie gonjc SBcIt ju i^m betennt. ^t)m fann feine bötjerc ätnerfcnnung, feine größere ?5i^^wbe juteil lüerben, alö bo^ fid) bie ^rcnnbe bcr ^ogeöliteratur, befonberö ber ®efellfc^Qft§= romane unb ^branien, gclangnicilt üon it)in raenben. ^Darin Hegt eine äußere 58ürg- fd^oft für feine roerttid;e ^ebeutung luie für feine au^eripeft(irf)e Unfterbüd)feit.

13. Stifters „<BtnWn".

2)ie SJJ'Otiüe unb ©runbfragen fönnen famt ber ganzen ^anblung, in ber fie iören 3ütöörudE finben, bei ber SBürbigung con Stifterö ^ic^tungen beifeite bleiben. ®ie 5Ratur in i^rer ©egcnftänblidjfcit unb it)ren Stimmungen ift faft allein, bie auc^ ben ©eftaften Stifterö, il)rcr ?(nfci)auung unb i^rem ©rieben, bnucrnben 3Bert ucrki^t.

Stifterö erftlingeftubie 1!) e r Jlonbor" tierrat ben Sinfänger. I)tc inoberne Jungfrau ßornelin, bie gegen ben SBillen i£)reä ©eliebten an einer roiffen= fc^aftlict)en Sallonfafirt teilnimmt, aber i>en .^immcl nic^t erträgt unb fid^ burcb i^re 'Xat jugteid^ ben §immcl auf Srben ücrfd^erjt, fagt unö nic^tä, ma§ voit naä) ben Stürmen ber g^rauenemanjipation nid)t fc^on taufenbmal beffer gef)ört i)ötten. Sd^meben mir ba^er lieber mit bem Ballon, ber „^onbor" ^ei^t, jum §imme[ empor : pfeitfc^neU fc^ie^t er noc^ bem J^ommanbo: „Soft bie S^aue!" über bie lädier 'hinauf in ben 2J?orgenftrom bcö Siebtes, balb in Sonnenftammcn gcbabct, ba^ fic^ bie Sinien ber Schnüre luic glütienbe Stäbe an^j bem inbigoblauen ^immel fc^neiben. 'Die ®r= babcnl)eit beginnt, i^re Pergamente auöeinanber ju roUcn. Die SBoIfen aber, bie ber 6rbe if)rc SRorgenrofen ^ufaubten, crfd^einen je^t f)ier oben mie fc^immernbc Giöbcrge, boö ^immeisgemölbe mirb ju einem fd)ra<irjen 9Ibgrunb, bic Sterne merbai jn o()n- rnäc^tigen ©olbpunften, bie Sonne mirb ju einer fc^arf gefd)nittenen S(^eibe, bie feinen Sic^tt)auc^ biefen roefenioien S^taumen fenbet. Unb mät)renb ber junge ilinler non feinem ?^enfter auö mit bem 3^ernrot)r bem Ballon folgt, tun fic^ in biefem äroei fc^neeb[eid)e Sippen auf: „3JJir fcEiminbelt." (Sornelia, bie mie Stifterö ^annt) fd)maräc ?Iugen i}at, ift für bie erl>aben^eit beö .Oiininelö mie ber felbftlofen Siebe nic^t gcfc^affen.

Die 3(n[ct)nung an ^ean '^aiil ift in biefem erften Stüd, baö im roaf)rften Sinne nur eine malerifd)e Stubie ift, un.perfennbar unb finbet fcE)on in ben ilber= fd^riften, bie an ben „Siebenfäö" erinnern, beutlic^en 9{uöbrud.

3n ber Stubie „Daö ^eibcborf" eroberte Stifter fic^ fein eigeneö poetifd)C5 3Reic^, bie .gcimat. Den erf)abenen ^unft, auf bem ber ^eibefnabe fi|t, erreicht man oom .^aufe beö Did^terö in Dbcrplan, menn m<in nacf) Dften jum Seringtr Srünnfein, bann anfteigenb jur 2JJnc^tbud)e unb oon bort über eine graöbeiDadjfene

Stiftcvä „Stubien". 157

^o6)]läd)e gum 3iü|bci-g tuanbert, bcr Ijeutc „3änger^öl)e" ^ctpt. öier bilbctc bev Knabe fid^ feine eigene 3Be(t, bie er aiiö) fpätcr nEeni anöern ijorjog, fefbft ben Rodungen ber Siebe, „^ö) foU unb mu^ 2)ir id)reiben", teilte 9)iQttbiaö ©reipl 1833 bem ^id^tcr mit, „alö ^ein grcunb, hQ)^ meinen ßltern lieber ift, roenn 2)u mit btv gannt) nid^t forrefponbierft." (Sincn ähnli^en Srief erhält l)ier ?^eliy. B^Ö^'^i'^ aber fällt enblid^ ber erfel)ntc fianbregen auf bie biirftenben gelber unb löft bie Srfiiüüle, bie Quf ber 9?atur lag, in Seg^n.

2Beniger reif, attju romantif^, ja fcbmärmerifc^ jugenblid) finb bie ^- e l b -- b ( u m e n ", bie ha^ ^t}ema beö „£onbor" wieder aufnel)men unb ron anbercn Seiten geigen. (So l)anbelt fid) im ©runbe um bie j^ragc ibealer 3)iäb^encräiel)ung. "^n ber Angela geirfinet Stifter feine fpätere g^rau, üicUeii^t and) ein roenig 9iefi dou 2eb; 5cltern, bie fpäter ben j^ürftcn ßoHorebo l)eiratete, in 3nbred^t fict) felbft. ^aö ©anjc ift ein p§antaftifd;eö Sd^ruelgen in Siebe, 3)?atcrei, 3Rufif unb ^oefie. 1)ie Sc^au; p(ä$e bcr ©rjä^lung, bie rec^tfc^affen mit bem üoHenbeten ©lud mehrerer "^aaxc ab- fd^Iiefet, roaren bem Xicftter altpcrtraut : SBien unb Umgebung, befonberö ^ainbad^ {^aimbad)), ^aberöborf, SBeiblingau, SOkriabrunn, Sing, ber 3tlmfee unb t>a<i Salj= fammergut, ':)a^ er 1829 unb 1836 bcfud)t bat, cor aEem 3(uffee, baö roeltcntrüdtc ^aUftatt, 3f<^t u»b ©munbcn, „bie rei5cnbe Uferftabt", wie ber ®ic^ter fic nennt, mit bem bcrrlid;en Si'raunfee, ber 3ingela unb 3nbred)t gueinonber fübrt unb fpäter i^r gemeinfames ^liantafiefjauö an feinem gli|ernben Spiegel fcl)cu foH. ^m Salj^ !ammergut feierte Stifter einft auc^ mit Slmalic ein 2Bicberiel)en. Stuf einer Oebenf; tafel cyi einem S^u^baum im ©oftljof gu öintcrbainbac^ aber ftcljt gefdiriebcn: „.^ier l^at 3tbalbert Stifter im 3Jlai 1835 bie Grgäblung gelbblumen entroorfen."

Die Stubie 1) e r ^ o c^ td a l b ", Stifterö bctannteftc ©rjäljlung, baci Ijobe Sieb beö beutfd^en SBalbcö, fü^rt uns ju jenem faft 1000 m ^od) gelegenen ^lüden= fteinfee im füblidicn 58öl)mcr SBalbe, wo l}eute auf ber Secmanb ber Stifter=Cbeli§t ftel}t. Seeinflu^t ift biefe Did)tung beutlicfe von ßoopcrö „SBilbtöter" follte fie bod) auc^ urfprünglid) „1;er 2Bilbf(^ü§" l;eipcu. )Aüd) l)icr ift bcr ^intcrgrunb l)ifto= rifcb. ^rcitic^ ift bie 33urg 2ßittiugl)aufen im 1;reipigjäl)rigen 5lriege nic^t gcrftört morbcn; 3^onalb alö Boijn (Suftao 3lbolf§ gebort ber Sage an, unb nur ber ^^amc ^einrid) erinnert an bie SBitifer unb 9?ofcnbcrge, bereu Stammfi^e ^ier logen, Uu! fo treuer aber ift bie l)eimatlic^e Sanbf(^aft gcfc^ilDcrt. 2öie oft meilte Stifter auf ber S'iuine oon St. ^l^onwi unb am Ufer feineo perträumten ^oc^malöfeeö, ben er in feiner erjäl)lung malt: „6in ®cfül)l ber tiefftcn Ginfamfeit über!am mid) jcöcömal unbefieglic^, fo oft unb gern id^ ju bem märrfienbaften See l)inauffticg. Gin gcfpannteö 2:ud) ol)ne eine einzige ?^alte liegt er meid) jmifc^eu bem l^arten ©eflippe, gefäumt üon einem biegten ^id)tenbanbe, bunfel unb ernft, barauö nian^ einjelncr Urftamm

ben äftelofen Sdiaft cmporftredt rcic eine einzelne altertümli^e Säule T)a in

biefem ^Bcdcn bud)ftäblid) nk ein SBinb roebt, fo rubt baö SBaffcr unbemeglid), unb ber 2Balb unb bie grauen J^clfen unb ber ^immel fcbnuen auo feiner ^icfe l)erauo mie auo einem ungel)euern fctimargen ©lasjpiegel. Über ibm ftcl)t ein glcdc^en ber tiefen, eintönigen ^immelöbläue. ^?an fann I)ier tagelang meilcn unb finnen, unb fein Saut ftört bie

158 ^m alten Cfterreid}.

burc^ boö ©emüt finfcnben ©ebanfcn, aU etroa bcr %a\i einer Xannenfruc^t ober ber tur5e Sd;rei eines @eicr§." %n biefem See perbirgt bcr alte ^Ritter feine beibcn üeb= H^en Xöc^ter oor ben Sc^reden beö £riegeä unter ber Dbt)ut beö alten S'iö'^^ä ©regor. 2II§ fie aber narf) feinem, fcineä 'Sofjneö unb $RonoIbö Sobe in bic Surgtrümmer jurücffe^Tcn, ha erft finbet bic -Ilatur i^r aiteö ©lücf loieber. ©regor ftreut SBalb- famen auf bic ©teile, roo baö SBolbtiauö ftnnb, unb bie unerme^Iid)en SBälber liegen in licblid^er $Ru^e wie el)ebem, n)äl)rcnb bo§ menfc^lidic ®lüd jerbroc^; benn ber 33(enfc^ oermag nic^t bie ©onnenftra^len an feinen §ut ju fteden. ^iefe (Srjälilung mod^te ©tifter berül)mt. ^^ür niele, bie il)n nic^t näl)er fennen, ift er einfach ber S)id)tex beö „^oc^malbeä". 3Bie aber trauerte er, alö er in ben £aferl)äufiern ju franf roar, um ben ©ec ju befurficn: ,,£r ift geu)ifferma|en mein ©ee, unb iä) !ann il)n nid^t fe^en" (23. Wuguft 1855).

9JJel;r ^anblung entl)ölt 5D i e 9^ a r r e n b u r g ", bie ebenfalls auf beftimmtc Sanbfc^aften beutet. 3)en 5Ramcn ©(^ornftein trägt eine ^Burgruine in ber 3f?äl)e beS 3(tmtaIeS, ta§ ©tifter befud)t unb in ben „?^elbblumen" gefd^ilbert f)at. 58ie^tou ^ei^t ein %al bei Xraunfirc^en. 3Iber auc^ S^amen beS 33öl)mer 5BalbeS finb in ben Slal^men bes 33ilbeS ^ineingefteüt. S)ie erääl)Iung fpielt im ^afire 1836. S)ic romantifc^e ^arftcHung, wie ein junger ^laturforfrficr ficf; als ©rben eines gröflid^en Sefi^tumS l^erausfteHt unb tro^bcm feine ©eliebte, bie 3:od;ter beS reicE^en ©Qftl)of= befi^erS in ber grünen gicf)tau, l)eimfü^rt, erl)ölt if)rcn SBert roieberum üon ber raunberboren Slaturmolerei, bie ^ier au6) ^äger unb Slrbeiter in größerer 2lnjal)l um; fa^t. 2lber auc^ ber Slotur in ben bciben Siebenben mirb ber ©ic^ter geredE)t, roenn er il)r abenbli(^es ^ufnmmentreffen in Der ©artenlaube fc^ilbert: ,,@r jog fie gegen ben ©i^ nieber, unb fie folgte miberftrcbenb, meil foft fein JRaum wax; benn Slnna l)aüe il)n einft fo flein mad^en loffen, ba fie noc^ nicljt mu^te, raie feiig es ^u ämcien ift, ^e^t aber mu^te fie eS, unb bebenb, mei^r fc^manfenb als fifeenb, ftü^te fie fidE) auf bas gufleine Sönfc^en aud^ ber 9J?ann mar beflommen; benn in beiben maHte unb gitterte baS ®efül)l, rooburc^ ber ©c^öpfer feine ^Jlcnfc^beit erl)ält boS feltfam unergrünblid;e ®cfül)l, im Stnfonge fo gag^aft, ha^ eS fid^ in jebe ?5altc ber ©eelc Dcrfriec^en miH, unb bann fo riefcnl)oft, ba^ es SSater unb 3Jiutter unb atteS befiegt unb oerlä^t, um bem ©atten anju^angen."

2)aS fc^önfte ©tücf ber ©tubien, an bcm ©tifter fein gonjes Seben gearbeitet unb geonbert l)at, fein bebeutenbftes 2öerf neben bem „9f?acf)fommcr", ift „® i e SJ? a p p c meines Ur gr o^ü at er S ", bie auf baS ^af)r 1845 gurücfgelit, als ©tifter im ödsten 3al)r feiner Gl)c mit feiner ^rau bie 9Jfutter im alten ^aufe ju Dberplan auf; iu6)tt. ^iefe @rääl)lung ift beimatlic^e SBalbcSpoefie roie !oum eine äroeite. ©tifterS ©ro^uater f)ieB 3luguftinus roie l)ier ber ^oltor, ber fic^ feine 3Jlargarita geroinnt. Sei ber ©d)ilberung bes DrteS ^irling fc^rocbte bem 2)ic^ter ?^riebberg' cor, roo ouf bem benachbarten ©teinbüttel jöbrlic^ ein feftlic^es ©c^eibenfc^i^^en ftattfanb, bei bcm ein meiner, bunt mit 33änbern gefdE)müc!ter ^iegenboc! ben erften ^^reis bilbete. ^er SBirt beS oberen ©oftl)aufeS (je^t ,,®aftbauS ^um «po^malb") ^ie^ bamals ©c^iffler, bcr untere Söirt (.^aus 5«r.31) ^afob ^ernfteiner (in bcr 3Jiappe Sem;

Stifter^ „Shibien". 159

fteincr). I^cr cl)m)ürbige 6f)ronifftil ert)öf)t ben 3tci5 bicjcr fQrb<:npräd)tigen 3(po: tfieofe beö Söt)mer SBalbeö. SDer 3)oftor, ber oou ^rog roeggctit in feine ßeimot, um bort 100 ^eutc Dberpkn ftcf)t, ju lüirfen, ift bcr einjigc unter ben ©ebirgsbciyotinern, ber etiöas anbercö geiel)en ijat qIö ben SBalb. 3(n S(i)Üd)t{)eit ber Sprache fann jcin "XagebudE) nirf)t überboten luerben: ,,2tlö i(f) in ber grauen §ütte angelangt war, auf beren flacl)cm 2)ac^e roie auf bem ber anberen bie uielen Steine liegen, fagte i^ gleici): ,@ott grü| ©urf), 3>ater, feib TDilltomnien, Sd^rocftern! ^d) roerbe jc^t immer bei euc^ bleiben; il)r müpt mir ba baö Seitenfämmerlein aufräumen, beffen groei f;eEe ^enfter auf ben ^üf)cn, fernen SBalb ^inauöfc^auen, ba roitt \d) Die Sadien t)ineintun, bie in Giften üon ^rag fommen, miü bie gläfc^c^en aufftcHen, merbe barin mo^nen unb bie Seute, bie franf merben, f)eilen.' Xer SSater ftanb feitraärtö unb getraute fic^ \üd)t, mcil er nur ein 5^1einf)äuöler mar, ber ein ©efpann Mi)c unb etroaö SBiefen unö gelber I)attc, bauon er lebte, ben 3of)n ju begrüben, ber ein ©eleljrter gemorben mar unb ba f)eilen moHte, mo niemals ein 'JDoftor ober ein 3(rjt gefc^cn morbcn mar. Set Sof)n l^atle aber einftmeilen bog S^änjc^en abgemorfen, F)atte bog 33arett unb ben j^notenftod auf bie 58ant gelegt unb nal)m ben SS'Oter on ber ^onb, legte ben 2trm um ben groben $Rod feiner ©c^ufter unb fü^te il^n auf bie SBangc, auä ber bie ©pi^en bes meinen ^Bartes ftacben, unb on ber bog fd^Iid)te, roei^e §auptl;üar nicberbing. ^er SSater meinte, unb ber Sobn tot fd^ier oud^." ^u roeldjer ^öl;e ber >DarfteIIung aber fic^ biefer einfacfie Stil ju erfjeben cermoc^te, geigt bie Sd^ilbcrung jeneg rointer; Iid)en ©riebniffcö inmitten ber Überfütte oon (gi§ unb ©c^nce. 2)ie t)ier entfaltete S^oturmolcrei ()at if)rcögleid^en nirf)t in ber gefamten Sitcratur: roie ba^ (Siä flingt, bie Säume ftürjen, bie Slenfcben jagen unb bie einfamcn SBanbercr ben fernen 2icf)tern ju burd) bie @efal)rcn f^reiten unb gleiten, boö ift eine großartige ©t)mpt)onic oon färben unb Jllängen. Unb bann bie (Sc^tl;eit, bie natürliche 6"iiifo(f)I)eit in bem Gm4)= finben biefer 9Jienfc^en! 3llä ber ^oftor narf) bem 33erlöbniö mit ^IRorgarita non bem Scf)eibenfct)ic|en in ber '^a6)i narf) ^oufe fä{)rt, ha benft er nic^tö meitcr alä bog eine: „2Baö ift für ein ©tue!, ju miffen, baß ein einjigeä ^erj in biefer SBett ift, boö bur(^auö unb Dom ©runbe gut unb treu mit unö meinf ^af)eim fe^t er fid^ an feinen 6rf)rcibtifc^ : „@ö mar eine SRutje, 8tiIIe unb g^eicrlicfifcit in meinem §aufe. 3IbcT ic^ blieb nid^t lange fi^cn, fonbern id) ftanb auf, ging ju bem genftcr, öffnete unb let)nte mi^ Ijinauö. 5(u(^ braußen mar 'Sin^e, SiiHe, ^eierlidEifeit unb '^xad)t unb es rüfjrten ficf) bie unjäf)ligen filbernen Sterne am .Oimmel."

9J?it ber Stubie „3tbbioö" manbert Stifter ouö bcr .öcimat in bie 2Büftc. Stber bet §elb ber ergäfitung fiebeft fi^ fd;ließlirf) boc^ mit feiner 3::od)tcr ^itf)a in einem öfterreid)ifd)en ©cbirgötal an. 3)a fenft fidb bie größte Trogit berob auf ba? Seben biefes aften, einfamcn 5u^<^": ®it^a, bie ©emitterbhune, roirb uom 33li§ ge^ troffen boö ©emitter „fußt i^r mit roeic^cr flamme bog ßcbcn t)on bem Raupte". 3Ibbia6 ober lebt nod; 30 ^^oF)re unb (änger.

Sfiomontifd) eingefteibet iff bie (jrjät)lung „t'oö alte Siegel" ou^ l)ier aber grüßen unö bie 33crgc „in alter ^ipradjt unb öerrlidbfcit : i^re öäupter merben glönjen, menn mir unb anbcre ®cfd)led)ter bal)in finb, fo.mie fie geglänjt Ijoben, olö bcr

160 3n» aKen Ofterreidi.

Sfiöincr burdj if)rc ^ä(er ging unb bann ber 2(Iemonnc, bann ber §unne, bann anbete unb luicber anbcrc".

Ijn Ungarn [pielt r i g i 1 1 a ", üielfad; alö Stiftcrg bcfte erjät)Iung bc- jeic^nct, in jcDcni gaUc ein SJJcifterraerl ber 3^opeQiftif. 9J{alcrifrf) rcirb Die ungarifrf)e Steppe, aber aud) basi nngarijdje Sanbgut abgcbilbet, in Dem ber Steppenroanberer morgenö erinadjt : „Unten erbraufte ber bunfk 'par! t>on' beni ßärmen ber 585gel, unb alö ic^ aufgcftanbcn unb an eines ber genfter getreten lüar, funfeltc bic ^eibe brausen in einem S'Je^e ron ©onnenftraljlen." ©c^Ue|lici) raenbet er fid) mieber t)eimii)ätt§ : „3Jiit trüben fanftcn ©cbanten 30g id) weiter, biö bie 2eitt)a überfc^ritten roar unb Die lieblidjcn blauen Serge beö 5ßaterknbfö vox meinen 31ugen bämmerten."

$ßon anbcren mieber mürbe ^ e r § a g e ft 0 1 3 " als bie befte beutfdje %otkUq bejeic^net, früt) unter bcm STitel „Le vieux gar9on" inö granjöfi)d)e überfefet. S)a5 Stormfdic %])cma ber ilinberliebe rairb t)ier an SSiftxtr unb ^anna gtänjenb erprobt il;reö getreuen „©pi|" nit^t ju oergeffen, ber feinem jugcnbUc^en ^errn nachläuft bur(^ bid unb bünn: oft tonnte man feigen, „roie ber ^unb neben feinem .^errn ftanb unb bie 3Uigen ^u if)m emporrid)tetc, roenn biefer auf einer 3(nt)öt)e ftinf)ie(t unb n>eit unb breit über bie 2luen fc^aut'e".

^n alle ^Qu^er beä SBalbeg füf)rt unö „^er SB albfteig'', auf bent ber ©onberling S^iburiuä fic^ feine 3Jiarie unb bamit ©efunbt)eit, Seben unb 3ii^"nft geminnt.

S)ie ©tubie „3wei ©(^roeftern", eines ber fd)önften SBerte ©tifterö, fpielt in SBien unb am ©arbafee. angeregt icurbe ber 3)id)ter burd^ baö ©eigenfpiei ber ©c^roeftern SRiranoEo, bas biefe in SBien am 22. 3(pril 1843 eröffneten. 3Im l^äufigftcn traten S^f)erefa unb 9Jlaria im 3ofep£)ftäbter ^t)eater auf, iöof)in uns ©tifter§ erjät)Iung junä^ft fül)rt. ^ie £aubfd)aft beö ©arbafees ift munberm)!! gejeic^net. ©ine präd)tigc ©cftalt ift bie urgefunbe, prattifc^c aber ibeal gefinnte 3Karia.

3u ben wenigen büfter geftimmten ©r^ö^tungen ©tifters get)ört ^ e r b e = f cE) T i e b e n e ^ ä n n I i n g ". $Der ©f)ara!ter biefeö §annö, gehärtet im geuer, bilbet eine ©in^eit mit ber ©d)rofft)eit ber ©ebirgänatur, burd) bie feiner treulofen ©eliebten ^anna leichter unb Dornef)mer Söagen rottt.

©ö finb perlen barfteüenber ^unft, biefe „©tubien", fie geigen um fo mefjr oerborgene Schönheiten, je f)äufiger man ju if)nen äurücf!et)rt.

14, Stifter« „'^nnit Steine '^ tmb ^^-rsä^luttgett''.

SDie ©ammtung „33unte ©teine" roirb eröffnet burd^ bie bei ber ^arftettung von Stifters Seben fd)on ermäljnte ©rjä^Iung „©ranit", in ber ein 5lnabe ©tifter felbft an ber ^anb feines @ro|Daterö üon Dberpton jum ^orfe 3Kelm manbert, bei biefer @elegenf)eit bie gonje (Scgenb im einjelnen bei 9?amen nennen Tnu| unb eine rüf)rcnbe ^inbergefd)id)te auö ber ^eftjeit erföf)rt. ®ie ^unft, mit ber i)\ei ber 2)id)ter Don bem ©rlebniä be§ Knaben mit ber SBogenfc^mierc ^inüber= leitet au ber 3Sergangent)eit ber ^ec^brcnner, tritt nur bei wenigen feiner erääf)lungen

Stifters „Söunte Steine" unb „©vsäddingen". 161

fo t>oQenbet jutagc. 5hic^ §ier erid^eint bic träumcrifrf; lüilbc Sjcncric beö ^oc^iualb-- feeä mit ben umlicgenben SBälbetn: „^oxt [te^cii bic ^Tannen unb ?^id)tcn, ftcF)en bie ©rlen unb 3(^orne, bie Suchen unb anbcre Säume roie bic Könige, unb baö 5öoIf ber ©ebüjc^c unb baö biegte ©ebrangc ber @rä[er unb Kräuter, ber ^Blumen, ber Seeren unb 9)iooic ftc^t unter ii)nen. 3)ie DueUen gef)cn uon allen ^ö^cn \)exab unb raufd^en unb murmeln."

^ic ©rjäfirung ,, 51 o ( f ft e i n " berichtet pon einem armen Pfarrer im .^ar, ber bic 5linber uor ber ©efa^r einer Überfdimemmung bcö 3icbcrf[uffcö frf)ü|t. 2)en 3)iiiteU puntt bilbet bie Sd^ilberung eineö ungcroöf)n[id) ftarfcn ©cmittere, an ber man mieber bie ©infac^l^eit ber ©tifterftf)en Stilmittcl bemunbern faun: „®ie Sfifee fuf)ren rcie feurige ©c^nüre ^erniebcr, unb ben Slifecn folgten fcf)ncU unb fjeijer bie Bonner, bie je^t aUeä anberc SrüHen befic^ten unb in il;rcn tieferen ©üben unb 3(uglöufcn baä

genfterglag eräittcrn unb flirren machten 2)cr Pfarrer fa^ rut)ig unb cinfad;

an bem 3:ifc^e bcä ©tübleinö, unb haö £id)t ber ^ralgfcrje beleuchtete feine ©eftatt. 3ule^t gefc^üf) ein Schlag, aU ob er baä ganjc ^auö aus feinen gugen f)c6en unb niebcrftürjen moUte, unb gleich barauf miebcr einer. 2)ann mar ein aSeilc^en 3tn= iialtcn, wie oft bei fo[rf)en ßrfc^cinungen ber %a]i \\i, ber 9f?egen jucfte einen Slugen: blicf ah, aU ob er erfdjroden märe, fclbft ber SBinb ^ielt inne." i)aö ift erlebt unb angefc^aut, jcbeö fünftlic^ hinzugefügte Silb unb SBort mürbe ben ©inbrucf nur ah- fc^mäi^en.

3)ie büftere S^ODclIe 3:; u r m a I i n " oerlä^t ben 2Ba(b unb fü^rt un§ nac^ SBicn, mo fie unö bie folgen eines 6f)ebruc^ö 5cigt. Sic fann fic^ mit ben anbcrcn „Junten Steinen" ni^t meffen.

D^ciäcnb bagegen, oicHeic^t baö fd)önfte Stüd biefcr Sammlung, ift bic SBeil): narfjtägefci^ic^te t>on ben in Schnee unb ©iö ücrirrten .^^inbcrn: 33 e r g f r ift al I ". SertrauenöüoH folgt bie fleine Sauna il)rcm ücrftänbigcn Srübcrd^en mit ber ftctö 5uftimmenben 2tntmort auf feine tapferen ©rtlärungen unb ^^atfci^lägc: „^a; ilonraD.'' 2)icfcö Sßortfparen d^ar<itterifiert ben ^id^tcr beö Sommer SBalbcö, beffcn Serool^ner of)nel)in fc^roeigfam unb ernft finb, cntfprec^enb ben ftiUcn Xannen; unb Suc^enraänbcn, bic il)re ©infamfeit umranben. ^n bem 3citpunft, ba man im ^ale bie Siebter an; günbct, l^aben bie Äinber ^ier oben nur ben ftral)lenbcn Saum beS Sternenl)immelö, burc^ ben fid^ aus ber '©croittcrftimmung ber SBolfen l)erauö ein fc^immergrüncr Sogen fpannt mit ilronen unb ©arben Dcrfd^iebenen 2id)tcö. Die 9?ettung ber 5!inber geftoltct fid^ ju faft bramatifc^ beroegter ^anblung. ift eine ber fc^önftcn SBeilji na(^tögef(^id^ten ber beutfdien Sitcratur. 1;ic beftimmenbcn ©inbrüde empfing Stifter auf feiner ^Hftatter 9f?eife, unb ift möglich, ba^ iT)m baö Tal Don ©ofau l)ierbel Dorgef^roebt ^at.

3n einer ^anbfc^aft füblic^ uom Söl)mcr SBalb unb nörblic^ üon ber 1)onau fpielt bie Gr^öljlung ^ a ^ en f i Ibe r ", bercn fdjmermütiger 3luöflang baö Ser= fdiroinbcn bcö „braunen ^Jiäbt^ens" bilbet. ')Der ©lan^punft biefcr SDarftcQung ift mieberum eine ^J^aturerfc^cinung, ein furchtbares .^agelmctter, baö unter "l^onncr unb Sli$ auftritt unb bic Äinber famt ber ©ro^muttcr crfc^lagen l)ätte, mcnn nic^t boS

Oe^lfe, Sie beutfc^e Citciatur fett ®oct^e^ Zobe iifm. 11

162 3ni alten Ofterrei^.

^igeimerfinb fie rechtzeitig unter biegfamen ^aielfträuc^ern geborgen tiätte: bte Sffiolfcn fmb grünlich unb faft iiiciJ3ticf)li(^t, öod^ uerbreiten fie eine ginfterniö rote bie 3la(^t; jo luogen fie näljer, unb man f)ört in if)nen ein 5!JJurmeIn, alö ob toufenb Steffel fötten. S»ann fc^tagcn bie .^ügeiferne nieber ir»ie luei^e btinfenbe ©efc^ojfe, unb ber Sturm legt bie Sitfrf;e um. 3JJan mu^ bie Statur mit Stifter in allen i^ren Siu^erungeu einmal erleben, um il;re SBunber unb S(j^önf)eiten gang in fic^ aufjunelimen.

dagegen fäUt roieber fel^r ab bie romantifd)e 5lrieg§gefc[;icE)te 33 e r g mi I rf) ", bie juerft üon allen „SBunten Steinen" (1843) erfdEiien, in ber Sammlung felbft ober an ben Sc^IuB gefteEt rourbe.

S)ie eigentlichen © r j ä I) t u n g e tt ", bie Stiftern ?^reunb ^oI)anneä 3lprcnt bem 9lacE)Ia^ entnaf)m, ent!t)alten neben Sd^roöc^erem boc^ auc^ manche ^erle. ^r o = !opu§" gef)ört in^altli^ gur ,,9Iarrenburg", in ber Sh:ffaffung unb g^orm §u ben Stifterfc^en ^RooeHen, bie mie bie „gelbbhtmen" gu romantifd^er S(^roärmerei neigen, ^n ben ® r e i S cf) m i e b e n i I) r e ö S c^ i cE f o I § " roirb unö has, etraaä unglaub^ iDürbige Sc^idfal eineö SonbertingS etgö^It, ber fic^ ftfifie^Iii^ ber Stßmac^t Siebe in (Seftalt einer f(^önen ^Jiac^traanblerin beugt. ®er „Söalbbrunnen" erinnert an baä „braune 5[Röbc^en" im ,,^o^enfiIber". ©ie 91 o ^ f o mm'e nf cf) af t en " geigen Stifter^ be^aglic^e 3cic[)""Tig >5er guten ®ingc biefe§ ^afeinö: einer reichen ©rbin, rul^iger Siebe unb ungeftörten 2tufget)enö in Sanbfrfiaft unb 3JlaIerei. ®oö alle§ !)at ober gerainnt ber junge 3fiobcrer, ber fic^ fc^Iic^Iic^ bei bem 3Ibmalen beö SKoorä üU $ßermonbten bc§> älteren l^erauöftellt. 2Kit bem 33ef)agen eineö §einrid^ Seibel üermeift bier Stifter bei ben ^Dingen, bie ha^ Scben erfreuen, unb man möchte mit biefen beiben 9^obcrer unter bem Stpfelbaum auf bem §üge[ am Süpff)aufe fi^en unb fo gierlic^ mie ber ülte öerr ben Schaum t)on bem ©lafe Sier roegblafen, ba§ auö feiner eigenen S3rauerei fommt unb baF)er forgfäitig im ®aftl)aufe üon i[)m nac^ge!oftet mirb. ®ie 5iatur aber roirb Ifin pon bem S)i(^ter aU SSererbung gefaxt. finb atte mel)r ober minber Originale, bie ^^acfifommenfc^often bicfer 3f?oberer, unb auc^ Don ben beiben, bie tüir fennen lernen, raiH ber eine ba§ 3Jloor auötrocEnen, ber anberc anomalen, unb bie Sufanne Derftef)t beibeö, benn fie. ift beä einen ^Toc^ter unb roirb be0 anbern ?^rau. 2)er „(Sang burd^ bie £ata!omben" ge!^örte eigentlich ebenforoenig mie bie Si^Iu^abfc^nitte in biefe Sammlung, benn ift faum met)r al§ bie 33efc^reibung eineö ßrlebniffe§ in feuiUetoniftifc^er g^orm. 31 u ö bem hay- rifc^en SBalbe'" fennen mir bereite alö bie Sc^iiberung jenes ScfinecfaEeS, ber emtrot, roälirenb Stifter in feinen geliebten Sa!erl)äufern roeilte. 3tud^ biefeö ift nic^t ein ©rgeugnis ber ^oefie, gehört aber burcE) bie be^errfd^te 3Ru^e ber 3eicE)nung gu bem Sc^önften, roaS' Stifter gefdjrieben ^at. §ier finben ficb ©arfteÜungen beö Söf)mer SBalbeö, bie gum %i\l oEeö ^rubere in ben Schatten fteHen, be§f)alb, roei[ Stifter fic^ l^ier ge^en (offen fonnte unb nid^t an bie g^orberungen fünftlerifd^er ^ompofition gebunben mar. @g beborf foum. ber ©rmäljnung, bo^ ber ^od^roolbfee neue färben erl)äli 2Sor oHem aber lernen mir ^ier eingel)enb ben Sc^ouplo^ fennen, auf bem in ber ^iefe be§ 2JiittekIter§ Stifters „SBitifo" gemonbert ift.

ßrgreifenb ift bie Grgöf)htng „^er SBoIbgönger": 3roei 3Jlenfc^en, bie

Stifters „Siadjfommcc". 163

cinonber über aUeö Heben bis jum Xobe, trennen fic^ oue falfd) oerftanbenem ^flii^t- gefüi)I, roeil fie feine Äinber f>aben, unb bereuen ifiren SebenSirrtum ju fpät. 3""^ SBalbcjängcr lüirb Der SRann, ber freublos fein 3IIter ju ©nbe lebt, roäJ^renb feine Corona in einfamem Xai i^r 2Be^ mit \\(S) f)erumtragi. $^n Stormf^er 3trt roirD ber ^ergcmg erjäf)It. B^^^ft lernen wir bie 2anbf(^Qft unb ben in if)r roanbernben ein= [amen Timm fennen unb öann erft fein S^idfal, baö in jorter 2Bef)mut ouäflingt. ^Daö 3"ifl'^^i"ßnt^^ff^" '^^^ beiben in bcnx ftillen %al \\a6) langen ^fQ^^en ber Trennung ift mit f)öd;fter ^unft, D. \). al\o bei «Stifter mit übcrrafi^enber Scfilic^t^eit gemalt.

^n freunbüii^e Sonne unb blüfienbe 9tofen getaucht ift bie @rjdl)hmg ^ e r fromme Spru^". 9Jtögen biefe feubalen ©eftalten ficE) oucf) fi^emen^aft, ja biä; roeilen mie grote§fe, ju £ebIofigfeit erftarrte 3lf)nenbilber bewegen aug biefen ^ox- mein, bie bisroeilen unfreiiuilligen §umor erregen, fd^aut boc^ ein gefunbcr Sinn unb mand^e ^erjlic^ beutfc^e ©igenart f)crüor. jDie Oeftaltung ber 9Jlenf(f)en ift ^ier be= fonberö fc^mad^, .gerfommen, Überliefenmg unb eF)rn)ürbige formen roerben gefeiert.

3m ©egenfa^ ba^u burc^roe^t ber f)ei^e 9(tem beö 2eben§ mieber bie ©rjöFihing ® e r ^ u I 1) 0 n S e n ^ e ".

9JJon mu| Stifter nicbt lefen mie irgenbeinen anbern ©rjöfiter, üon bem man unterhalten fein roiH, fonbern in it)n bineinfd)auen roic in einen gan5 merfraürbigen unb bo^ fo natürlichen Äunftgegenftanb. 9J?it freunblid^er ^ronie mag man. fogar an manchen 2Renf(f)en oorübetgetjen er ift gro^ genug, foI(^e $^ronie ^u über: bauern; bcnn ni^t baö ©emaltige, bag bie menfd^Ii^e 33ruft in Suft unb Schmer j bnrd^tobt, ift fein ^kl. Seine ^^^eale fxnh frei uon bcm Sturm unb 'I)rang ber Seele, t)on (grfennen unb $8e!enncn, mcnn fünft ber SJJenfc^ in feiner Siebe, feiner Dual üer= ftummt. 3lbeT roer bie 33öd^e beö Sebenö riefeln f)ören, ben ^immef blauen feben, mit einem SS-oxt: bie 9?atur in ibrcr cbten 3Infpru(^5lofigfeit unb ungefünftelten Sinfalt I^aben ittiü, ben roerben aud) Stiftere „Sunte Steine" unb „@rjäl)lungen" nic^t enttöufc^en.

15. Stifter^ „9Jat^fommcr".

,,^6) i)aU noc^ an feinem SBcrte mit fotc^er SBärme gearbeitet", fd)rieb Stifter noc^ Dor ber SSoHenbung beö „9tad)fommer", bie im ^erbft 1857 erfolgte; unb ein anbere§ Wal: „^6) glaube, ba^ baö Suc^ eine Xiefe f)aben foH, bie in neuer 3eit nur non @oetf)e übertroffen ift." 2Bie man auc^ barüber benfen mag: baö eine roirb jeber jugeben, ha^ biefcö Söerf feinen ^itel oerbient, benn au^ bie jungen ^]!}ienfd)en beg 3^omang fd^einen ^rü^ling unb §od)fommer nid)t ^u fennen, reibenfd)aftö(oö, mit cblem, reifem (Seift unb gebünbigtem SßiUcn roanbern fie baf)in. 2Ber alfo einen 9fioman ooU ©Int unb Spannung erroartet, foU bie Seftüre beS „g?ad)fommer" gar nid^t beginnen, ^n flarer 9ftuf)e flicfit bier f)öbereö Seben baber, of)ne ^Serraidlung, obne 5not: baö ^beal eincö Stifterfc^en ^afeinö.

^einri^ 1)renborf, ber SoI)n einer raof)[^abenben ^aufmannöfamilie auö einer ©ro^ftabt, in ber roir SBien erfennen, roirb ron feinem SSater nac^ ganj bcfonberen @runbfä§en, bie oft an 3Rauffeauö „ßmile" erinnern, erjogen unb berangebilbct. Da

11*

164 3tn alten Oftcncid).

er fic^ ä""' 9'latatrforjd)cr, befonberö jum ©eologen unb SJtineroIogen auSjubilbcn itiünfd^t, unternimmt er größere unb tieinere ©ebirgsitKinbcrungcn. SBö^renb eines ©eiüitterö fitd^t er in einem bnrd) feine Sfiojcn auögcgcidjneten 2anbl)aufe, bem Slfper- ^ofc, ^ufl"*^*, beffen 33efi^er, ber greife ?^reif)err non JRifac^, i^m ein neuer gül;rer unb ©rjieber rairb. ^ier erft geminnt ^einrid^ eine 9Inf(^ouung barvon, luae ein l)öl^ercö, nur auf reine S'iatur unb 5lunft abgejogeneg £eben bebeutet. 2)ur(^ 9?ifa^ lernt er ouc^ feine fünftige ©ottin ^ioialie uon S^^orona fenneu, bereu 9JJuttcr einfl üon diiiüd) geliebt morben ift. 1)ie ®efc^id;te bicfeö gcrfprcngten unb erft im Tiaä)- fommer roieber äufammengcfügtcn Siebeöglüdä ift biejenigc ©tifterö felbft, ber, nid^t of)ne eigene ©c^ulb, feine ^^annr) verlor. 3tber nur gebömpft erflingcn biefe Xöne in Der ©rjä^Iung beö alten 3Jianneö. ,3ou f^at mir", fagt 9)iat{)ilbe bei bem erften Sßieberfe^en mit bem ^ugenbgeliebtcn, „einen ©atten gegeben, ber gut ober fremb neben mir lebte, icf) fannte nur bid^, bie ^(ume meiner ^ugenb, bie nie üerbliyf)t ift. Unb bu Iief)ft midi) aud^, baö fagen bie taufenb 9?ofen oon ben SRauern beineö §aufe§, unb ift ein Strafgcrid^t fiir mic^, ba^ id^ gerabc ju ber 3^^^ ^^^^^ 33Iüte ge^ fommen bin.''

3lu§ biefen 3Inbeutungen Iä|t fic^ mol)! ber allgemeine Umri^ ber §anblung crfd;[ie^en, aber aud^ nic^t meljr. 2)enn um ber ^anblung miUen rourbe 8er „'^aä): fommer" nid;t gefc^rieben. ^icr fommt aUeö auf bac 2Bie, mcnig auf baö SBas an. 3m 9?a(^ fommer oon 9lifac^§ unb 5[RatJ)iIben§ Siebe erblüht bie be§ jungen ^aareS gu ungeftijrtem ©lud I)eran. SSiel umworben, Iel>nt bod^ bie fc^öne S^latalie mit fefter Sid)erl)eit beö ^erjenö aDe feelifd) unter x\)x «Ste^enben ab, bis fie in §einric^, ber in 9?ifac^ö 92ät)e bie ^ol^e ©d^ule ebelfter SKenfdienbilbung burd^gemad^t i}at, Den roürblgen ©atten erfennt. ^ier fann, geigt ber Dichter, fein niebereä 3!J?r)tiü, feine Uneinigfeit, feine ^ragif ftören, benn SSeranlagung, ßf>araftcr unb 33ilbung biefer bci- bcn erlefenen 9D?enfd)en finb gu rein unb i)od), gu abgeflärt burc^ baö 9lod)fommerglücf ber Sitten, ^nbem alleö au§> bem 2Bege geräumt mirb, moö einer fiarmonifc^en önt^ rcidlnng entgegenftel^en mürbe, nerfc^roinben freilid) aucE) aEe Steige beö ®urcE)fd^nitt&= romanö. ^eine SBoIfen trüben biefen ^immel. 6o ifl gu ©oet^eö „2BiIf)eIm 3Jieifter'' ein feltfames ©egenftüd entftanbcn. Unb ift ein foId)eö £eben nur in ber 3(nfc^auung beö 'Did^terö bafeinömöglid^, fo f)at bocf) ben $Berfud^ gelohnt, gum erften Wlak biö in jebe noc^ fo ffeine @ingelf)eit ber ßntroidlung f)inein gu geid^nen.

9Jian i)at ©tifter ben 5ßorrourf gemacht, fic^ mel^r um SBIumen unb ©teine ober altertümtic^ee ©erat alö um menfc^Iid^e bergen gu fümmcrn. «So ift aber nic^t: er begreift ben 3JienfcE)en nur innerf)afb beö gefamten ^reifeö, ben 5Ratur unb ^unft gielien, unD ^ätt babur^ gärten unb ilonfUfte, baö 3tEgumenfd)Iic^c in feinen nieberen ©rfc^einungen üon i^m fern. Slicft man genauer ^in, fo fte^t ber 3Jtenfd) aucE) bei Stifter in ber 9Jiitte ber ^arfteUung. 33egeic^nenb bafür ift im „5lad)fommer'' bie SBirfung, bie oon ber ^Bereinigung ^einric^ö mit ^Uatalie auögef)t. ^n ftiHer ^ad^t- feier geroinnt ^einric^ eine neue 3luffaffung beö SBeltaüö mit feinen unenblic^en 2Beiten, unb ta^i ©lud beö ^orfc^crö f)at fid) geroanbelt: „3BieoieI f)atte ic^ in ber 2BeIt gefef)en, roieoiel ^tte mic^ erfreut, an rcie meiern f)atte ic^ SBo^Igef allen gehabt:

Srifterö „3Jac^)ommei". 165

unb nrie ift je^t atteö nic^tcv unD raie ift öaö ^öd^ftc ®lücf, eine reine, tiefe, f^önc menic^Iid)e Seele ganj fein eigen nennen ju fönnen, ganj fein eigen." Über biefe Sebenöroa^r^eit fjinauö aber, bie ja ö{)n[irf) fd;on in bcr „2Rappe meinet Urgro^uaterö" vorgetragen toirb, ergibt fic^ eine SBirhmg bcr Siebe auf baä SSerftänbniö ber ,^unft, bie ©ntfaltung ber ganzen ^erfönüc^feit. 2)ie 5Jiarmorfigur im 2tfperf)ofe, bie gc: fd^nittenen antifen Steine im eitcrnf)anfe äeigen bem übcrrafd^ten SlicE erft je^t bie n)ai)re Bd)ör\i)eit ber inneren unb äußeren ?^ctm, bie ber großen 2Renge niemals gan;; äum 33erou|tfein fommen fann. So ift ber „3'^a(f)fommer" in jcbem Sinne ein arifto^ tratifc^es SBert, raenn man fo eines nennen miH, haS^ auf ben einzelnen roirfen, if)n ju f)öi)erem Seben unb ©lud füf)ren roiU.

®en)i|, nic^t aEc 9)?enfd)en f)abcn bie -Hiögüc^feit, firf) ungeftört ber 3'latur unö ^unft äu roibmen. SBie wenig Stifter fie (;atte, miffen mir. SBenn man bo§ im „S^iadifommer" gefd^itbcrte Sebeti üerallgemelnern roollte, mürbe es fic^ oon felbft auft)eben, ba bann niemanb für bie niebercn 9trbeiten übrig bleiben mürbe. 3lber Stifter bat bos roof)[ gemußt unb fein SBerf auc^ uic^t mit fojialiftifrfjen ©ebanfcn in bieSBelt gefanbt. ©ö ift fein Sud^ für atte; jebod) nic^t xc\6) unb arm, ^oc^ unb niebrig jie^t I)ier bie iSren^e, fonöern baö ^efte im ^enfc^en : bie ^latur. ,^ommt bann noi^ ber günftigc ©infhi^ t)Oc^benfcnber eitern unb ßrjietier f)inju, fo ift ber Sefer für biefen 9f?oman, ber im lanblöufigen Sinne feiner ift, geroonnen. „So f)at @ott", fagt Stifter felbft, „eö auc^ nmncfjen gegeben, bafe fie bem Schönen nad^e^en muffen unb firf) 5u ii)m mie ju einer Sonne roenben, oon ber fie ni^t laffen fönnen. ©ä ift aber immer nur eine beftimmte S'^U üon fold^cn, beren einzelne 3(nlage ju einer bc= fonbercn großen SBirffamfeit ausgeprägt ift. ^^bter fönnen nii^t üiele fein, unb neben if)nen werben bie geboren, bei benen firf) eine gemiffe ^ii^tung nic^t auöfpric^t, bie baö 3tQtägIi(^e tun, unb beren eigcntüm(id)e Einlage barin befielt, ba^ fie gerabe feine fjemorragenbe 2lnlage ju einem f)eri)orragcnben ©egcnftanbe f)aBen."

^eutU^er fann man roof)[ nic^t fpred^cn. .^ft Stifter mithin ni^t ber 5Jtann ber S^'xt, bie auf i^n folgte unb uns ben ^Naturalismus unb in allen formen ben Sozialismus befrf)erte, fo ocrmag er borf) ben einjelnen unb bamit bie gro|e 9J?engc ju ocrebeln. ®enn es bebarf feiner fünftlii^cn Silbung, um il)n ju oerfteben unb ju einem ©ntroicflungsteil bes eigenen 3rf)S ju machen.

3af)lreic^ finb au^er ber 2icbeögefc^irf)te 9?ifac^=gT?atbitbe bie perfönlic^en '^(n= flänge in biefcm ^Roman. SRifarf) ift bem ^TJiniftcr Saumgartner narfjge^eidjnet. 2)ie «5;ürftin ift bie ^^ürftin Sc^roarjenbcrg, ber ^uraeücr Stifterö ^reunb Xürf. 2(ttcS (Sntfc^eibeube aber ift bacs 2Berf ber ^bnutafie, bie fid) ein geben simmerte, mie fie e<3 fic^ in ibren frf)önften Xräumen münfc^te.

3n feiner Sd)rift „3«enfc^ac^cS, 5(nsumcnfd)lic^eö" fagt ^ricbrid) 9iic6fc^e, Stifters „9iad)iommcr" gel)ÖTC „mit ®oetl)eS Schriften, fiic^tenbergS 3Ipl)oriSmcn, bem crften Suc^e oon Siung StiUings SebenSgefct)id)tc unb ÄcQcrs 2cuten oon Selbroijla" ju bem roentgen, roaS oon beutfrf)er ^rofa mert fei, „immer unb immer roieber gelefen au roerbcn". <^rcilid), 3^ic§fd)e mar ein 3lriftofrat bes ©ciftcö, einer jener (Srlcfencn, w)n benen üorl)in bie 3ReDe mar. Stifters SScrleger .^edenaft fc^rieb if)m, eS fei ibm

166 3nt alten Dflerrcid).

„burc^ ben ^lod^fornmcr für feine irbifc^e 3^^^"!^ gleid^fam ein neueö Sid^t auf- gegangen, beffen (Slanj neue unb eblere Sebenääroede 6eleurf)tet". ©tifter felbft emp=: fanb am beften bie B6)V)ä(i)cn feineö SBerfeö, befonberg bie SBeitfc^roeifigfeit, unb raupte fel)r mi)h raen er baburcE) geroinnen mürbe unb roen nid^t, oor allem feinen gar gu jungen ober tro^ l)öl)eren Stlterö unreifen 3J?enfc^en: „Tlel)x aU bie ©tubien fönnte \6) ben 9iad^fommer gum Sefen empfel)len, aber man barf fein ju junger £efer fein, ba ta^j ^uä) eine gereifte ^rud^t längeren Sebenä ift."

Sanbfd^aftlirf) ift ber 5Did)ter feinem Söl)mer SBalbe biefes 3Jial nid)t treu ge^ blieben ba§ oerbot ber weitere ©efic^töfreiö. Die mirflirfien ©c^auplä^e werben au^erbem nod^ mit erbic^teten S^amen üerfcl)leiert. 1)er ^aUftätterfee wirb „Sauterfee" genannt, SBien „bie gro^e ©tabt mit bem fditanfen Sturme", Dberplan ba§ „X)orf DaUfreuä", ^öfermarft „Jlerberg".

Die brei 33änbe beö „Slad^fümmer" mürben narf) bem 2:obe beg Dichters von bem SSerleger auf einen jufammengeftrid^en, ben ^Rofcgger baraufl)in burc^fal^ unb billigte. Diefe getürjte 2lu§gabc l)at benn aud) me^r Sefer gefunbcn, alä man an= nel^men foDte.

'?fl'i6)t für alle ift ber „9lacl)fommer" gefc^rieben. 3lber er ift beö^alb fic^erlid^ nid^t fc^lec^ter.

16. Stiflcv^ ,,Söttifo^

aWit bem „SBitifo" betrat ©tifter baö ©ebiet beö großen l)iftorifc^en 9tomanö, ba§ er urfprünglic^ fc^on burdEi einen breibänbigen „Saroe^d)" fic^ l)atte erobern moHen. Der Dichter mar l)ierfür nicEit geeignet, für bie ^iftorif^e 3cicf)i^u"g ^^i^ fei"^ S'eber p jart, Tüeltabgeroanbt unb oerträumt. ^ft i^m alfo aucf) ber „Sßitifo" in biefer S3e5ief)ung alg @anje§ nic^t geglüdft, fo birgt baö SBerf borf} eine g^ülle t)on ©c^ön= l)eiten. ift fel)r ju bebauern, ba^ ber „SBitifo" l)eute nur nod) in feltenen ®j:em: plaren antiquarifd) ju befc^affen ift, mcil ber Verlag an eine neue 3luflage, nad)bem bie jroeite nur fd^raer abgefegt werben fonnte, nic^t meljr Ijeranjutreten gewagt ^at. Dafür erjielen bie antiquarifd^en Drude unglaublitfic greife.

Der „S5itifo", Der in Den ^a^ten 1865 67 erfd^ien, öat infofern einen öor= rong oor bem „5Rac^fommer", als er in ©tiftere ^eimat gurüdfleitet ; benn SBitifo ift ber ©rbauer jener Surg SBittingl)aufen bie ©tifter in ber ©tubie „Der §ocl)walb" mit fo angie^enben ©eftalten au§ ber 3^it beg Dreißigjährigen tricgeö belebt l)at. 3tn 3)iotiüen ift er erl)eblicf) fc^wäd^er. Der „SSitifo" foüte üu6) nur ben erften Xcil eines großen böf)mifc^en ^Romanjgflug bilben. ^l)antafie aber unb ©igenperfönlid^feit l)aben ben Sluöfott uon anberen SBerten l)ier ni^t erfe^en bürfen, weil ©tifter glaubt, ber (Sefcfiidite wiflenlos folgen ju muffen. „Der UnterfdE)icb", fagt er in einem 58rief an ^edenaft, „gwifc^en einem ^l)antofieftoff unb einem gegebenen ift für mid^ un= gelieuer. ^6) Ijabe eigentlid) einen gegebenen Stoff nie bearbeitet, ^m ^od^roalbe ^obe ic^ bie ®ef(i)i(f)tc alg leirf)tfinniger junger 3J?enfcE) über ba§ ^nie gebrod^en unb fte bann in bie ©c^ubfät^er meiner ^l)antafte Ijineingepfropft. ^rf) fcE)äme mid^ je^t

Stifters „aEitifo". 167

&cinaf)c jciteö finbift^cn ©eboreuS. ^c^t ftcf)t mir bas @cjcf)ef)cne feft roie ein cf)r= jur(f)tgcbictcnbcr ^elö nor 3higen, unb bic ?^vogc ift je^t nic^t mel)r bie: ,2Baö lüiU i^ mit if)m tun?' fonbcrn: Mqq ift es?' Unb bic 3tntn:)ort ift fo ferner, hü^, menn ic^ fic nur jiim 2;^eil finbc unb geben fann, Daö ©egcbcnc uncnblic^ me^r ift qIö bn^j, lüQö id; F)ätte mn(^en fonncn unD in meiner ^ugenb audf) gemocht f)ätte. ä)lan mu^ eben in bie ^Qi)rc fommcn, in bencn baö iBraufen bcQ eigenen Sebenö bcn großen, rn^ig roEenbcn Strom beö nllgcmcincn .^ebenö nid)t met)r überrafc^t, bo| man bem

gro|cn Seben geredet roirb unb fein eigenes aU ein fef)r fleineö untcrorbnet ©5

erfd^eint mir baf;cr im I)iftorifc^en $Romnn bie @efdf)i(^le bie .'Qauptfac^e unö bie ein= gelnen 2)tenfd^cn bic SJebenfacfie; fic merben oon bem gropen Strom getragen unb I)elfcn ben Strom bilben. ^arum ftef)t mir baö ©poö oiet böf)cr alö baä ^rama, unb ber fogenannte I)iftorif(^c Stomnn erfd)eint mir alö baö Gpoö in ungcbunbener -Hebe." @ine böt)mifc^e ^(iabc alfo miE Stifter fc^rcibcn, nur mit ganj anberem ?laturgefü^I alö ber e^rmürbigc gricd^ifdjc Sänger, unb auö anberem Stoffe.

SBitifo, ber Sof)n SBofö unb SBcntilaö, ber afö einer ber ^Rannen beö 33ifd)ofö i)on ^affou nac^ bem Xobe feincö SSaterö bei feiner 5)httter in Sapern gelebt F)at, ikl)t im ^a^rc 1138 in feine böt)mifd)c ^eimat, um bem ^erjog Sobeölam feine 3)ienfte anjubictcn. 33cf(cibct mit braunem 2ebcrgelüa^^, auf bem ilopfe eine 2eb:rbaube, reitet er burc^ 'tia^ bat)rifd;=bö^mifd)C ©cbirge über ben ^reugberg nac^ Cbcrpfan, übernad)tet in einer ^öf)Ierf)ütte an ber 2RoIbau unb fteigt am näd^ften Sonntag jum Xreifeffelfetfen empor. 3(uf bem 2Segc baf)in trifft er mit ber liebti^en Sert^a ju= fammen, ber Xod)ter ^cinric^ö non Sd)auenberg, beren Sd)önbeit unb ©cfang il)n bejaubern. Sie füf)rt it)n bonn in bac. §öuö iF)rcö JBatcrö un? mirb fpäter, nad;bem er in taufenb ©efalircn erprobt unb begütert unb mädjtig gcmortien ift, feine treue ©attin, bie if)m mcljrerc Söt)nc fd;cn!t unb fo baö @efd)(cd^t ber 9f?ofenberger, ber fübböf)mifd)en ilönige, begrünbct. 3fiofcnbergcr E)ei^en fic, meit 33ertba einen ^ccfen:; franj oon blüfienben SBatbrofen im §par trägt, alö SBitifo fic jum crften Wiak fiebt: „Sic finb mir'', fagt er i^r, „ein 3^^^^"/ ^af^ meine ?vnf)rt geüngen mirb." ^amafö ift fie fe(^jef)n unb er jsmanjig ^af)rc att. 3lnö bieieni .^rang manbcrt bic SBalörofe in 2Bititoö SBappcn auf bem Sd;ifbc. ^aö ytofcnmappcn ber 5Bitifer faf) Stifter fc^on alö ^nabe ouf bem 2)ac^fimö ber 5lir^e gu Dberplan. 'Die fünfblättrige 9iofe blüf)t on ber Stelle, bie Stifter in bcn 2atcrf)äufcrn feincö greunbeö Sf^ofenbcrgcr fo oft unb gern bemol^ntc. 2öic ein freunblidieö Sijmbol Icudbtet bie JRofe über ber alten böl)mifd)cn ©cfc^ic^te unb gibt if)r bcn ©fanj, ben bic Xarftellung in Stifterö brci Sänben ot)nc fic biörocifcn nermiffcn (äffen mürbe. Solange ber Söbmcr ®alb bcn Sia^mcn bilbet, mei^ ber 9?aturmater foidjc ©efa^r ber 2id)tlofigfeit ju bannen, Sumal bort, mo fid) um feinen ^od;ma(öfec banbctt: „^}a(i) einer 2öei(e ftanben [\e an bem oberen 3?anbc einer gclöroanb, meld)c in fa(Ired)tcr ?)Jid)tung nicbcrging unb au i^ren ^^ü^cn einen finftcren See I)attc, ber .^mifd^en ;^e(fcn unb SBälbcrn roie in einer ööf)(c unten lag. ^er 2BaIb falzte ibn ein, unb feine Obcrfrärf)e jcigte nid)t5 Sebenbigeö. ®ic Ufer an ber 2ßanb maren ron berobgcftürjtcn Säumen gefäumt. ^er junge ^Reiter trat auf eine Steinplatte, mcld;e pon ber 5i?anb mcg gleid^fam über

168 3m alten Ofterretd). ^

ben ©ee uorrogtc, uiiö \d)a\ik eine geraume 3^^* fjinunter." "3)00 ift bie StcHc auf ber ©ecraanb am ^löctenfteinfee, wo l^eute bcr ©tifter-Dbeüöf ftef)t.

^ft ber <Bd)anpla^ jeboc^ ein anbercr, \o wei^ unö ber ^ic^ter burc^ bie 6in= füf)ning bcbcutcnber I)iftorifc^er ^erfönl{(f)feiten ju entjd)äbigen. 2l[ö SBitüo in SBien bei feiner 3)httter racift, rairb er"2(gneä, ber Sl^oc^ter ^aifer ^einric^ö IV. unb 3)iutter beö ^önigö £onrab, üorgcftellt. 5Da tau6)t ferner ber Äürenberger ouf [oroie §einri(^ üon Dftering. llnb aU Sarbaroffa 1158 gegen SJiailanb äiet)t, ha f^lie^en fic^ it)m bie böf)mifcE)en ScEiarcn an, unb einer bcr 2:^apferften in Dberitalien ift Sßitifo. Sertf)a, längft fein blüfjcnbeö Sßeib, tritt il^m oor feiner 3luäreife mit einem £ranj oon roten SBalbrofen auf bcm .Raupte entgegen, ©nblid) festen SBitito unb 33ert^a auc^ nic^t ouf beul berüFimten ^fingftfeft Sarbaroffaö ^u SJ^oinj im ^ai)xe 1184, tüo fie oon Äoifer unb ^aifcrin f)orf;gcet)rt unb üon alten greunben toie bem ilürenberger unö Dftering freubig begrübt werben. Dftering fonft alö Dfterbingen befannt beutet aud^ an, lüerbe ein Sieb gefdjriebcn werben yon atten 9J?ären unb fü^ner Sieden Streiten, baö 9^tbe(ungcn(icb, alö beffen 3?erfaffer Dfterbingen eine 3^itlang im neun= äei)nten $5at)rt)unbert angcfel)en Töurbe.

So breitet ber 'J)ic^ter gum Scölu^ ben Scf)Ieier ber mitteIf)oc^beutf(^en ®ic§= tung über bie ©eftalten fcincö ^ö£)mer 9Ba(be§, bie er burd; ein 3al;rtaufenb in feinen SBerfen gefü{)rt ^at. 9Ui(^ oon iljm barf man fogen: „"^er ift in tieffter Seele treu, mer bie Heimat Hebt mie bu." ©ie beutfdie ^reue, bie Stifter in fic^ trug, ift baä ©runbmotiu aller feiner SBerfe. Unb fo treu^eräig^naio ben!t baö ^inb beö 33ö§mer SBalbeö, ba^, mer in biefem iüot)ne, miä) treu fein muffe, bie ^reue alö eine (Sobc ber Statur, alö ein ©cfdienf beä ^ocfiroalbeö frf)on auf bie SBeit' bringe, ©arurn ba§ gilt je^t noc^ am @nbe unferer S3etrai^tung ju betonen finb feine ®irf)tungeu bne SBerf ed^t beutfc^en ©eifteö, unb fie foEten unö befonnter fein ole „bö^mifd^e SBälber", benn reo Stifter luanbelt unb fpricf)t, ba ift unb fei in ber SBüftc aud^ unfere -^eimat.

IV.

Das junge Deutfc^land und andere poUtifcbe

Did^ter.

1. ta^ junge ^cut|(^lanb im engeren Sinne.

®05 ^a^r 1813 gab ben bürgern Der prcii^if(^=bciiti(^cn Süiibc nur Im äußeren 6innc bas 33atcrlttnb roteber. 3iii" erftcnnml aufgerufen, freimiHig fic^ für bie ^eimat ju fc^Iagcn, bann burd^ bie ©infüljrung ber allgemeinen 3!Scf)rpf[i(^t unb bie Steinjrf)cu 5ieformen jum Seimi^tfein bauernber 2[5erantmort(i(^feit im ®icnft beg 3SatcrIanbeo gebradit, mürben bicfe Kämpfer üon 1813 unb bao öcfcfetec^t, baö nac^ if)nen fam, fic^ borüber flar, "Oa^ mit folc^en ftaatöbürgerüc^en '^Pflidjten unb 3(ufgabcn aud; ^Hei^te oerbunben fein muffen, größere $Red^te, alö bie beutfrf;cn dürften ücrgeben rooEten. Slber ber gcroedte nationale Sinn, ber einen S^apoleon {)inmcgfegte, lie^ fic^ ourf) in ber inneren ^olitif nid;t länger unterbrücfen. ^ie 3cit bcö Slbfolutismuö mar, mcnig- fteno überall, mo beutfd^ gefprod^en mürbe, worüber.

Mm 22. 3JJai 1815 oerftanb fid) ^riebrid; SBilbelm 111. ju einer ^abincttöorber, bie eine „aEgemeine 58oIfc.repräfentation", alfo bie erfte ©runblügc einer SScrfaffung oerfprad). '3)iefeö 5>erfpred)cn ift freimillig nie gef)alten roorben, ^reu^en blieb bintcr ben fübbeutf(^en Staaten jurücf. ^n5mif(^en aber, ft^on am 13. ^uni 1815, mar In 3cna bie ®eutfd)e 53urfd)enfc^aft gcgrünbet morbcn, bie unter ben ^^arben beö Sü^oiu: frfien Areiforpö, fdimarj^rot^golb, ein einiges unD freieö ^cutfc^lanb fid) jum '^kl fcMe. 3lm 18. Cftober 1817 feierten bie beutfdjen 33urfd)enfd)aftcn auf ber Sßartburg ben ^aljreötag ber Sc^lac^t bei l'eipjig unb haä öeDäc^tniö ber "Ikformation, bie am 31. Cftobcr breif)unbert 3al)re alt rourbe. 3Im GnDc beo ^^eftco, auf Dem (Srnft "Siorife 3lrnbt unb ber ^urnoater ^C[l)]\ neben andern bcgeifternbe 'Tieben I)ictten, mürben ein 3opf, ein 5lorporalftocf, eine Ulanenuniform fomie reattionäre unb unbcutfd)e Sd)riften, baruntcr folc^e uon ilofeebue, oerbrannt. 2)er UnmiHc ber 3legierungen ftcigerte fic^, qIg 3Iuguft t)on Äo^ebue, ruffif^er Spionage nerbäi^tig, am 23. 3)Järj 1819 pon bem Jenaer 23urfd)cnf^after Karl Sanb auö ^unficbel ermorbet nuirbe. 3^un l)aite SKetternic^, ber grofee öfterreic^ifdie ^^übrer Der ofteuropäijd)en ^Keattion, gcmonnenes Spiel. CDurd) bie „Karlöbaber Sejdjlüffe" 1819 unb bie „Söiener Sd)lu^aftc" 1820 rourben bie ^urfd)enf^aften aufgel)oben. ^Sinjero üöerfc flagtcn:

170 Sa« junge ®ciitfcf)Ianb imb anbcrc politifc^e Xidjtei-.

l}a§> S3<inb i[t äer[(^nitten, 2Bar fc^trxir^rotunbgolb. Itnb ©Ott \)at gelitten. 2Ber tve\% lno§ er geluollt!

(Sine 3f"tro^""^c^)"<^""9-'^ojnmiffion jur Verfolgung ber jogenonntn ®em<igogen begann il;re un^etlüoEc ©eljeimtötigfcit. ©o nerbiente unb beutfd^ benfenbe 3J^änner jöie SIürf)cr, SIrnbt unb felbft ber grcil)err üom ©tein famen in ben 2SerbacE)t bema^ gogifd^er Umtriebe, ^ie ^nrifer SRcooIution uom ^iili 1830, bie enblii^ bie 53our= bonen für immer ron v^rQnfrcid}ö ^f)ron jagte, fachte tnbeffen bie flamme beö ouf; rfif)rerif(f)cn ©eifteg aud; in bcm übrigen ©uropa an. 2luf bem ^ambac^cr ^eft bei 3f?euftabt in ber ^falg am 27. 3J?ai 1832 Derfammelten ftrf) ml)qü 30 000 gjienfc^en, um il)rer nationalbeutfdEicn Segeifterung 3(u§brudf ju üerleif)en nnb ben 3tnfto^ jur ©rünbung einer beutfd^cn ^flepublif ju geben.

3mei 9JJonate t)orf)er (22. 93iörg) war (Soet^e geftorben, ber bie l^^^fiß"^/ ^^^^ ^^e 33urfc^enfc|aften, gern gemöt)ren lic^ unb i^re 33eftrcbungen bi§ ju feinem Xobe mit ^i^eilnal^me nerforgte. ®er ©eift biefer ^ugenb röar auc^ burc^ einen SKetternic^ nirf)t aufjufialten, obwohl feine SSunbeggentralfommiffion überall 33erMrf)tige aufftöberte unb einferfcrtc. ^n g^ranffurt o. 9JJ. ücrfuc^ten fiebjig ^djrüäxmev. ben S3unbeötag ju fprengen. hieran ruie and) am ^ombod^er g^eft mar bie Jenaer 58urfc^enfc^aft ,,@er= manio" beteiligt, bereu unfd)ulbigc§ 9JiitgIieb %x\i^ S^leuter baraufl)in bei einem Sefui^e 33erlinö am 31. Dftober 1833 gefangen genommen unb für mef)rere ^a^xe eingeferfert mürbe urfprünglic^ mürbe et fogor §um Si^obe üerurteilt.

1832 erf(f)ienen ©u^forog „Briefe eines Plärren an eine 5Rörrin", noüeQiftifd^e, neugeiftige Klaubereien, 1833 fein S^ioman ,Ma^a ©uru, ©efcE)i(^te eineö ®otte§", eine in orientalifd^eg ©emanb gel)üllte ©atire auf bie religiöfen 3w[tänbe in 2)eutfd^^ (anb, 1835 fein Sioman „SBaUp, bie 3TOetfIerin", beffen |)elbin fic^ tötet, mei[ fie ju feinem religiöfen ©lauben gelangen fann. 2)aö 33uc^ rourbe oerboten, ber Verfaffer eingefperrt. ^m Stprit 1834 raibmete SBienborg feine programmatifd^en „9tft^etif(^en T^elbgüge" bem „jungen ^eutfcf)Ianb", ju bem geiftig cor allem ©u^fora, öeine, Börne, Saubc, Mljnc unb 3J?unbt gehörten, b. l). ©cEjriftfteller, bie burc^ i^re Sd^riftcn unb in ber treffe fic^ gegen bie lierrfc^enbe ^olitif unb ^Religion, jum ^eit aber aud^, roic Börne unb ^D^engel, gegen ©oet^e manbten. ^eboc^ baben fie niemals eine ^rtei, ©ruppe ober Sd^ule gebilbet.

2)er julefet genannte früljerc Burfc^enfc^after Soifgouo SJ^cnjel (1798—1873) richtete fc^on 1827 heftige Angriffe gegen ©oet^e (in feinem SBerfe „Xu bcutf(^c Literatur") unb mar junädEift burrfiouö ein 3lnl)ängcr beg „jungen ^DeutfdEilanb", baju ein perfönlicfier greunb .^eineg, 33örneg unb ©u^forog. 2tt§ jeboc^ beffen „SBaUp" erfrf)ien, eröffnete et im September 1835 ben Stampf gegen bie einftigen ©efinnungg= genoffen, bie il)m ben geraaltfamen llmfturg ju beförbern fd^ienen. ^cr mirflii^e ©runb mar ^auptfärf)licf) ber, ba^ feinem „Siteraturblatt" burd; eine oon ®u^!oui unb 9Sien= barg ange!ünbigte neue 3eitfd^rift, bie „^Deutfc^c 5Het)ne", ber Untergang brofite.

tas junge 'S)eutjcf)Ianb im engeren Sinne. 171

^ebenfollö gelang i^m, bie 3lufmerffnmteit ber teaftionären 9Rcgicnmgen auf boä „^ungc sDeutfdilanb" ju rici)tcn. 3Höbalb beantragte Der ö[tcrrcicf)ii^c ©efanbte @raf von 3J?ünd;=Scningf)anj'cn beim Sunbestage bie Uuterbrüdung aller «Schriften, bie non Der „literarifc^en ^oterie" beö „jungen ©euticfilanb" auögingen. %m 10. Dezember 1835 oerbot ber Snnbeötag öffentlich bie ,,Sc^riften auö ber unter bem S^lamen beä .jungen 3)eutfcf)Ianb- bcfanntcn Iiterarifd)cn Sd)ulc, ju nicicfter namcntiic^ §einric^ .^eine, ^arl ©u^tom, Subolf SBienbarg, ^J)eobor 3Kunbt unb ^einri^ Saube gehören". ■JDamit raar biefc ©ruppc nun aud^ oon 3tmtö raegen abgeftempelt. ®er ßrfolg roor n<itürlid) ber cntgegengcfc^te Don bem, auf ben man f)offte: and) bie fteinen ©eifter im ^^ungen ^eutfcfjlanb" famen nun gu einem gemiffcn 3tn]c!)en. ©rft 1842 rourbe jcneö törid^te 3?erbot roieber aufgeI;oben.

S)ie literarifc^en Seiftungen beö „3iungcn '^Deutfc^Ianb" finb, wenn mir üon Steine unb aUenfaÜö nod) von ©u^forn unb Sörne abfef)en, Ijerjlirf) unbebeutenb. 3)ie fd^n ermahnten „3tftf)etifd^en ^^elbjüge" beö 2(ltonaer Sd;miebfoF)ne§ ^iibolf SiCHs barg (1802—1872), ber bamalö ^riDatbojent in ^icl mar, mürben baä tf)eoretij^e ©efefebuc^ ber jungen Siteraten. a:;er ^ournalift ©uftaö ^iifjuc (1806—1888), üon 1846 biä 1859 Seiler ber „ßuropa", ^at nid^tö oon bicibenbcm SBert f)interlaffen. .t)Ciuri(^ Soubc (1806—1884), geboren ju Sprottau in Sd;Ieficn, ocrfuc^te in Dem rierbänbigen XenDenjroman „^aö junge ßuropa" (1833 1837) bie ^beale bc§ jungen 2;eutfd^Ianb fünftferifdi barjuftellen. 9(Iö Sitcratur aber finb biefeö SEcr! foraof)! mie feine „9^cifcnoueEcn" (1834 1837) mertloe^. Ter -Roman trug if)m eine ^aft Don 18 9}?ouaten ein, bie er inbeffen auf bem 3d)(offe 2l^iusfau bcö ^^ürften ^üdler mit j^amilie verbringen burfte. Sd)(immer mar bie nenn 9Jtonate mä^renbe Unier; fuc^ungöf)aft im mirflid^en ©cfängniö, nad)bem if)m ^Beteiligung an Der Surfd^enf^aft nacfigeroiefen rcar. 9f?ad) einigen 5Heifen, befonberö nad) ?^vaufrei(^ unb 2tlgicr, über: nal^m er mie fd)on frübcr bie Scitung ber ,3eitfd)rift „Tie elegante Sßett" in Seipjig. 1846 erf^ien fein Dramo „®ie ^arlefd^üfer", baö be§f)alb, raeil bcn jungen Schiller im ^onftift mit einem regiercnben ^vürften jeigtc, nad; feinem 6r= idfieincn in ^rcu^en, Cfterreicf), öannoüer, SÖürttembcrg, Reffen fomic in fämtlic^en ®rofef)er3ogtümern unD mcfjreren öergogtümevn ucrboten rourbc. Saubc rourbc 1848 in bie>9^ationalDcrfammIung gemötjlt, 1849 an boö SBiener .t>ofburgtf)eater berufen, Das er biö 1866 leitete unb au neuer ^Stüte brad;te. 1867—1870 ftanb er an ber opi^e be§ Seipjiger Stnbttfieaterö, 1871 grünbete er ein neueö Stabttf)cater in SBicn, beffcn Tireftor er mit 3(uönaf)mc einer furjcn Unterbrechung 1874/75 biö 1879 mar. 1884 ift er im 3((ter oon 78 ^^^of)ren in 2©icn .^cftorben. Seine übrigen ^Dramen mie „®raf Gffcy" unb „@ottfd)eb unb GkHert" finb ebenfo nerbienter 3ScrgcffenF)eit anheimgefallen mie bie ja^Ireidien ^Romane bcö Siterarf)iftoriferö ^^cobor 5)hinbt (1808—1861), ber nur burd) feine „^ritifc^en SBälber" (1833), feine Schrift über „'Tbxe Äunft ber beutfc^en ^rofa" (1837) unb feine „®efd)ic^te ber Siteratur Der ©cgenroart" (1842) pcrfönüdia Sebcutitng gewonnen f)at; benn jene anbere Sebcutung, Die fein jum ®ebäd)tniö ber (J^arlottc 2ticfllitj gcfc^riebencö 33uc^ „3J?abonna, Unter= Haltungen mit einer .^exUc^en'' (1835) unb fein if)r gemibmcteö „^enfmal" erlangt

172 ^aö junge Scutfc^Ianb unb anbere polittfdje Sic^tcc

Ijabcn, pcrbonft er luciiiger firf) jelbft, alö bem tragijc^en Grieben einer jungen 5)icnf(^en= feele, beren 33riefc, ©cbic^tc unb ^agebud^blottcr oon il)m herausgegeben würben.

ßf)arlütte SöiU^öft, 1806 alö S^o^ter eineö Kaufmanns in Hamburg geboren, lernte im Slltcr oon 16 Qa^ren in Seipgig, rool)in if)re g^amiüe übergcficbelt mar, ben Stubenten .^einric^ Stiegli^ (1801 1849) fennen, in bem fie bnö fommenbe beutjd)e 2)ic^tergenie ju erbliden glaubte, ©ie Dermäl)lte fiel) 1828 mit il)m, na^bem er ein ^afjr üorl)er in ^Berlin ®r)mnafiatlet)rer unb 33ibliotl)etar gercorben roar, unb juckte nun ben (Seliebten auf jebe SBeife In großer fünftlerifrfier ^robuftion ju bringen, ju ber fein fc^moc^eö Talent fid^ jeboc^ nid^t im minbeften eignete. 2(Iä 3flcifen unb felbft feine 33efreiung Dom Söeruf nichts fruchteten, reifte in it)r ber ©ntfc^lu^ i)eran, ficf) fetbft gu töten unb il)m burd^ baö trieben bicfeö „^eiligen (St^merseä" bie 2öeil)e unb ilraft ber f)öc^ften £unft ^u oerleifien. 2lm 29. ©ejember 1834 i)at fie fic^ mit ent= fc^loffener §anb erbotest, nacE)bem fie bie folgenben Stbfc^iebömorte nicbergefi^riebeu ^otte: „Ungtüdlicbcr fonnteft bu nic^t werben, 5ßielgeliebter! SBoI)! aber glüdlicEier im mal^r^aften Unglücf! ^n bem UnglücflicEifein liegt oft ein rounberbarer Segen, er roirb fidler über bicf) fommcnü! SBir litten beibe ein Seiben, bu roei^t eg, roie id^ in mir felber litt; nie fomme ein 3SorrDurf über biif), bu ^aft mi(^ oiel geliebt! (So lüirb beffer mit bir werben, oiel beffer jefet, warum? ic^ füf)le eä, o^ne SBortc bafür ju l)aben. 2Bir werben unö einft wieber begegnen, freier, gelöfter! 2)u aber wirft nocf) l)ier bid^ §erauöleben unb mu^t bic^ noc^ türf)tig in ber 2&elt ^erumtummeln. ©rü^e aUe, bie id^ liebte unb bie mic^ wieber liebten! Siö in alle ©wigfeit! 'J)cine ©Ijarlotte. ^d^e bi(^ nic^t fdjwac^, fei rul)ig nnb ftarf unb gro^!"

®urc^ i^rcn ^ob allein i}at (S^arlotte il)ren 9Jtann unfterbtic^ gemad)t, bei im übrigen fein Seben aud^ weiter tatenlos üerbrac^te, biö er 1849 an ber ©l)olera m SSenebig ftarb. Seigefe^jt ift er feinem Sßunfd^e gemä^ neben feiner fd)wärmerifcf) treuen ©attin auf bem berliner Sopl)ienfird^l)of.

®a§ war jebenfaHö ein au^erorbenttic^eä (Srlebnis, baö fic^ baä 3»unge 3)eutf(^= fanb literarifrf) nic^t entgeben lie^. %i\6) Ou^tow Ijat feine „SBatti)" jum ^^eil Wqer feltenen ?^rau nocEigebilbet.

torl ©u^tott mirbc am 17. gjRärj 1811 in ^Berlin alö ©o^n eineä 2)iener^ bee ^ringen 2ßill)elm geboren, ftubierte äunöd^ft 5tl)eologic, ging aber 1831 ju 2Bolf= gang SJienjel nac^ Stuttgart, um an beffen Siteraturblatt mitzuarbeiten. Sein weiterer Sebensgang ift i)'ö6)\t abenteuerlicE). Später oon SJienjel ber „SSaEi)" wegen benunjicrt, erF)ielt er nadf) ^onfiöfation be§ SucE)eö brei 3Jlonate ©eföngniä. (Sr grünbete bann in g^ranffurt a. 5DL eine neue 3eitfcE)rift, ben „^etegrapl)cn für ©cutid^lanb", jog 1837 nad^ Hamburg, 1840 narf) ^ariö, 1842 wieber nac^ f^ranffurt, war 1846 1861 Dramaturg beö §oftl)eaterä in Bresben, barauf biö 1864 @cneralfe!retär ber btut= fd^cn Sc^iHerftiftung in SBeimar, erlitt geiftige Störungen unb machte auö) einen Selbftmorboerfn^ (1865), wünberte bann rulieloe in ber Sc^weis, in ^t^^I'^ri unb 35euifrf)Ianb umf)er unb fanb fd)lie^licf> am 16. ^Dejember 1878 burc^ erftirfen an Äo{)tenbunft feinen Xob ju Sac^fenf^aufen.

33on (Su|fowß ©rftlingöarbeiten würbe f^on gefproc^en (ogl. S. 170). dauern--

Tas junge reutfdjianb im engeren 8innc. 173

ben SBcrt {)abcn ober uon nUeii feinen Sßerfen nur einige 1)ramcn : „3opf unb Bä)wcxi" (1843), ein ergötiHc^eö Suftfpiel, in öem ber Solbatenfönig j^riebrici^ SBiIf)eIm 1. mit feinem Xabaföfoüegium eine .'pauptrollc fpielt, unb in bem nurf) ber fpätcre 3(^qu= ]>ieler etf)of auftritt, ,,T)aö Urbilb beö Xartüffe" (1847), ein fotirifc^cä Suftfpiel, „Der Hönigslcutnant", ein £u[tfpie(, baö jum ^unbertjät)rigen ©cburtstag ©oet^eö oerfa^t rourbe (28. 3tugiift 1849) unb ben burc^ ,,2)ic^tung unb 9Bat)rf)cit" betannten ©rafen 2:^ornnc jum gelben ijat, foroic bag ^rQucrfpiel „llriel '^(cofto" (1849), ge; fc^rieben nad; einer 3i"9f "»^noüclle : „®er Sabbucäer oon 3tmfterbam": llricl luibcr; ruft fein abtrünniges Sefenntniö, oon perfönticEien 5Rotiücn in feiner SBiUenötraft gebrochen, erfrfiic^t fid^ aber, al§^ er fieljt, ba| biefeö Dpfcr feiner Überzeugung per= gcblic^ geircfcn ift, ba feine 3)tutter inzroifc^cn geftorben, feine Sraut mit einem anbcrn t)ermät)It ift. So ^ot biefe ^ragit nid^tö 58efrcienbcö, unb nur bie Stimme beg greifen Sen 2(fiba ^allt in unö nac^, roenn ber 3Sori)ong fäHt:

l^a§> 9?eue ift nur broben! i^')ier mar alle§ Sd^on einmal ba fd)on alle§ Dagcrocfenl

3(Iä @an5cs finb für unö I;eutc unleöbar ©ufeforas gro^c ^fitromanc. 1851/52 erf^ienen bie neun Sänbe „®ie iRitter üom ©eift", ein auf poIitifd;cm Untergrunbc breit anögefü^rtcö ©emälbe auö ber ^ext für bie ^c\L ©ö folgten 1858/61 „Der 3aubcrer üon 9?om", mo ber Tid;ter üor römifc^^gciftli^en Sodungcn mornt, unb 1867/68 „^of)cnf(^n)angau". ßinft einer ber berüi)mteften, ift ©ufeforo ^eute einer ber niclcn, beren SebenSmerf alö Summe nur nod) bem 2iterart)iftorifer ober ^olitifer oerftänblid^ unb intereffant ift.

Xaöfelbe (ö^t fic^ üon ^uba Söro 33aru^ lögen, ber aiö So^n eineö jübifc^cn .Kaufmanns om 6. 2Rai 1786 in ^ranffurt a. 2R. geboren luurbe unb nad; feiner ^aufe 1818 ben 9kmen IHlbUiig Sonic annahm, ©r ftubiertc SJ^cbi^in, juerft in ©icpen, bann in 33erlin, mo er in ben Salonö ber 9?a^et 58arn[;agen unb Der oon if)m Ieiben= fc^aft(idE) geliebten, um 21^ai)re älteren Henriette ^erj oerfefirte, unb ging bann na6) ÖaHe unb .^eibelberg. Sc^on in Berlin f)atte er öic '^^ifuftät gemed)fcft unb ^^ura ftubiert. '^Slaä) beftanbeneni ßjramcn mürbe er bei ber ?^ranffurter "ipolisci in bem '2>€jernat für ^a^angc(cgcn{)eitcn angefteHt. biefeö 5Imt oerlor er nad^ ben Se= freiungöfriegen. Jtad:) bem 5(uöbrud) ber ^uIi=$Het)ofution 1830 ging er nad) '*]]aris, n)o er bis ju feinem 5:^obe am 12. Februar 1837 alö Sd)riftftcIIer (ebtc.

Sörne mar ni^t I)id;tcr, nid)t Genfer, fonbern ^''"i^'iQfift im T>ienft ber 'ISolitif. ©r grünbete 1817 bie „3eitfd^nnngcn", 1821 bie „2öage". 33om September 1830 bis jum '^Släx^ 1833 rid)tcte er an eine ^rau SBobl in ?vi^Qnffurt feine berül)micn „Sriefe auö ^ariö", bie in glänjenbeuT Stil alle 2:'ageöfragen bc)prad)cn. ©rfüllt üon glübcnber 2\Qhc jum beutfd)cn 33aterlanbe, aber auc^ ju allgemein menfd)lirf)er 'i^rei^eit unb jum bemofratifdien ©ebanfen, roomit fid^ ein unauölöfc^lii^er $a^ gegen ben ariftotratifc^cn ©oetlic oerbanb, Ijat er tein bebeutenbcö 3Ber!, aber bebeutenbe :?(nregungen auf bie 9lad)melt oererbt. 6r ift ber Sd)öpfer beö mobernen Feuilletons in 2)cutfc^lanb, juglcid; ein gjJeifter jener geiftrcid)en ^Ipboricmen, bie nur feiten ber germanifdjen 9fiaffe gelingen.

174 2)a# junge Deutfcfyianb unb nriöete politii'djc Xid)ter.

So bef)Qitptct 33örne inncrl^alb beS i^uiigen 3)eut|c^lQnb jcinen 9tartg. ß-<3 gab bo aber nur einen Stifter, ber fpäter 58örneo erbitterter geinD raurbc: ta^j umr ^eine. (^reiüci^: roer von benen, bie fein 33u(^ Der Sieber auffdblagen, ben!t boran, bafi aud^ er einft gu jenem S^'^S^" ^Dentjc^lanb geää^It rourbe, öeffen Schriften \>a^ (Bind fjQttcn, oon einem bentfdfien ^unbeötage nerboten gn lüeröen!

^einrii^ ^eine mürbe am 13. ©ejember 1797 in ©üffelborf als <Bo^n be& armen jübifc^cn ilaufmonnS Samfon ^eine geboren. (Sr tjie^ urfprünglicf) ^arrt) (fo genannt nai^ einem bcr bcften g^reunbe be§ .§anje§ in Siüerpoot) unb na^m ben 3Sornamen ^cinrid^ erft a(ö ß^rift an. ®er SSatcr (geboren 1764) mar in feiner Sugenb aU geborener .^annooerancr ^rooiantmeifter beö ^ringen ®rnft uon (5umber= [anb mit Dffigiergrang. 5Die 9Hutter (geboren 1771) i)ie^ aU 9Jiäbd)en ^eira oan (Selbem unb roanbcite fpäter il)ren $8ornamen in 33ettt) um. (Sie entftammte einer mo;^[f)abenbcn jübifi^en ^^amilie, bie um 1700 aus ^ollanb cingemanbert mar. „^eierc^e" mar in if)rer §eimatftabt ©üffelborf oortreffUc^ erlogen, fprad^ englifrf) unb franjöfifcf; unb liebte befonberS SRouffeau unb @oetI)e. 1797 fanb bie 33ermäf)Iung ftatt. ^n ber 33oIfcrftrape '^v. 602, wo ©amfon ein Xnö)- unb 5)tanufafturgefd)äft eröffnete, !am §arrg jur SBcIt. ©r erhielt bann ©efdjiuifter: 1800 feine Sc^roefter G^arlottc, 1805 feinen Sruber ©uftao unb 1807 feinen Sruber gj^ayimiüan. ^c-^ fonberö an feine ©rfjwefter fc^to^ er fid) eng an.

Sn ber 5lnabenf(i)ule mar §arrt) ftetö einer ber erften. ^ür ^ßiolin^ unb %an^- Unterricht, ber burd^ bie mufifalif(^e SJ^utter eingefüE)rt mürbe, geigte er feine ^leigung. Seffer lernte er geic^nen. DbrooJ)! bie ©Itern freie religiöfe 9tnfc^auungen Rotten, rourben bie J^inber boc^ ftreng jeremonieE erlogen. 58on feinem geeinten Sebenöja^re ah befud^te ^arrr) ein frangöfifdfieg Spgeum. SBäfirenb feiner ©c^ulgeit entftanb olö fein erfteä ©ebic^t, jebenfaHä nod^ ror feinem fcc^§ef)nten 2ebcnöjal)re, „53elfajar". 3u feiner Sieblinggteftüre geprten Seroanteg' „'^on Ouijote" in 3:;iecf5 Überfe^ung iinb „©uHirerg 3fleifen" oon ©mift.

1814 begog ^arrt) auf ben SBunfc^ feiner ©Itern bie $ßaF;rcnfümpffcf)e ^an= be[§fcE)uIe in ^Düffelborf, um fic^ auf ben foufmännifc^en S3eruf oorjubereiten. 1815 befuc^tc er mit feinem SSater bie g^ranffurter 9Jieffe. ^n ^ranffurt rourbe er bann Volontär im Kontor be§ Sanüerö 3fiinbgfopf, mo er jeboc^ nur wenige SBoc^en blieb. Spuren biefeä 21ufent^altö finben ficf) no^ in feinem noüeHiftifc^en ^^ragment „5Der 9Rabbi oon 33acE)era(^". ®r fef)rte nun naä) 2)üffeIborf jurüdE, um bann noc^ ^am= bürg überäufiebetn, mo fein reicher Df)eim ©aiomon §eine fid^ feiner annef)men raollte. 2lber mit jebem Sage rouc^ö feine 2lbneigung gegen ben faufmännifc^en 33eruf, mit bcm feine 3SeranIagung jur Sröumerei oI)nef)in in bebenfUc^em SBiberfprudf) ftanb, n)äf)renb fein poetifcf)eg patent immer beutlid^er I)ert>ortrat. ^ier raurbe er aud^ in bie unglücflid)e Siebe gu feiner ßoufine 3(malie §eine, Salomonä britter Sod^ter, Der= ftridt. Über biefe Siebe fdirieb er an feinen greunb ei)riftian ©etf)e am 27. Dttober 1816 einen 33rief, in bem er aurf) auf feine ^oefie einging: „^c^ bic&te oiel; benn irf)

öeinric^ .f»einc. 175

f)ü6c ^e\t genug, unb Die imgef)euren ■^anbelöfpefulationen inarfien mir ni(^t ütel ju fc^offen; ob meine je^igen ^oefien bcj'fer finb als bie früheren, mei^ i6) nic^t; nur boä ift geroi^, ba^ fie uiel fanfter unb fü^er finb roie in §onlg getauchter Sd;mcrj. ^dj bin au6) gefonnen, fie balb (eö fann inbeffen boc^ üie(e 9)^onatc baucrn) in ®rud ju geben. 3lbcr boö ift bie (Sd^iüerenotöfarfie: ba es ba^u lauter 3Jiinnelieber finb, würbe mir al§ .Kaufmann ungeheuer fdEiäblid^ fein." 3Im 27. ^^ebruar unb 17. ^Jförj 1817 Dcröffcntlidjte er feine erftcn Sieber unter bem ^feubonpm „Sg ^^^reubl^olb Sfiiefenbarf" in „^amburgö 2Bädf)ter". 1818 eröffnete er mit ^ilfc feines Dt)eimS ein eigenes ^ommiffion§gefcf)äft in englifcEien 3}Janufafturn)aren unter ber girma §arri) J^eine & (Eie., baö er inbeffen fd^on im folgenben ^»al^re rcieber aufgeben mu|te. 'sDer DI)eim, ber tüof)! einfai), "Da^ er niemals ein orbentlic^er Slaufmann raerben mürbe, beiüiEigte ibm nun auf feine 33itten bie ^Kittel jum juriftifc^en ©tubium unter ber Sebingung, ha^ er fic^ ben 2)oftorgrab erroerbe unb bann fii^ aiö 3lbDo!at in Hamburg niebcriaffc. 1819 üerliej3 er bie ©tobt unb ging jur SSorbereitnng junärfift narf^ ®üffel= borf. ^n feiner SieblingöIcÜürc geborten bamalö Ut)[anbö Saüaben, unter beren ©influ^ er feine 3'iapoIeon:3'^omanjc „^ie ©renabiere" bid^tete.

?(m 11.2)e3ember 1819 mürbe §eine in S3onn immatrifuliert. 6r ^örtc bie ®efd;i(f)te ber beutfdien SpracEie bei 21. 2B. 3d;Iegel, ^acituö' „©crmania" bei Strnöc unb anberes, befonberS natürlid^ juriftif(^c SSorlefungen. 3" feinen ©tubienfreunbcn gel)örtc..au|cr ©ctf)e unb ^ofef ^leunjig auc^ ^arl Simrocf. ^aö juriftifd)e Stubium rourbe t)on ifjm balb gugunften ber ^^raumbilbcr, Sicbcr unb -Rumänien feiner „jungen Seiben" fomie feiner ©onette ücrnad^Iäffigt. ^n bem ^örfd^en 33eu[ bei 33ünn begonn er feine Tragöbie „^Umanfor". @r befud;te nad; Sd^Iuf? bc§ ©ommerfemefter§ 1820 bie ßltern, mad)te eine Sßanberung burd) 2ßeftfa(eii unD ging banad) für ben SBinter an bie Unincrfität ©öttingen, roo er am 4. Dftober 1820 immatrifuliert rourbe. „^c^ f)öre", fd;ricb er uon ^ier am an feinen j^r^""^ Sri^ Seug()em, „33enefenö Kollegium über altbeutfd)e Sprache mit grofsem 33ergnügen. 'Dcnf 2)ir, ^^ri^, nur 9 (fagc neun) Stubioö I}ören biefeö Kollegium, Unter 1300 Stubenten, worunter boc^ geroi^ taufcnb SDeutf^e, finb nur neun, bie für bie ©pradie, für baö innere Sebcn unb für bie geiftigen ^Reliquien i^rer 5ßäter ^ntcreffe t)aben. D ^cutfdjlanb!" ^aö 3tubium ber 9^cd)te lie^ er auc^ f)ier liegen. 2Bie in S3onn ©d^Iegel, fo trat iF)m F)ier Sartoriuö näl)er, bei bem er @efd)id)te ^örte, unb bor if)m ©rojseö üorauöfagte mit ber ©infd;ränfung: „^nbeffen, i^an roirb Sie nid^t lieben." 3)fiö ©bttingcr Seben, üon i^m fpäter in ber „Vorgreife" cerfpottet, fagte it)m fo roenig ju, ba^ ein it)m megen einer 2)uell= angelegenf)cit erteilteö „consilium abeundi" für fcd)ö 5}ionate it)n nic^t fdjmer traf, ©nbe j^ebruar 1821 ging er na^ Berlin, roo bie (Erinnerung an Seffmg in il;m auf; lebte: ,Mi^ burd)fd)auert'ö, mcnn i^ benfe: auf biefer Stelle ^at oielleidjt Seffing geftanben."

3n Berlin trat er in ben ^reunbeötreiö ber 9ia§el SSariibagen (1771—1833) ein, bei ber er bie Srüber ^umbolbt unb Sd)IegeI, ßfjamiffo, j^ouquö, Xied, Sd;Ieter= mad)er unb anbere traf; if)r roibmete er fpäter fein „Si)rifd;eö ^ntermejjo". ©inffuR gemann fjier auf if)n bie 3)id)terin (Slife t)on -Oobenfiaufen. SSambagen machte ibu

176 ®aä junge 2)eutfd)ronb unb anbete politifd^e Siebter.

(\\id) mit .t>einric^ unb Sl^orlottc Sticgüfe befanirt, beren trogifd;eö Scf)idjal er no^ einem Sefud^e in ifjrcm ^otöbomer ©arteni)Quie corous fal). ^n ber SBeinftub« Suttcr u. SBegcner in ber Seijrenftra^c jed)tc er iDoi)l ouc^ mit SDemient, @. %. 31. .^off; mnnn unb ©rabbc. '^m grüf)Iing 1821 erfuEir er, bo^ feine nocE) immer geliebte Slmalie fic^ mit bem reichen 3?ittcrgutöbefi§er 3iO§n g^rieblänbcr quo 5?önigöberg cermä^It bobc. ^n icincr ßririf brad^ fein S(f)merä fid) Sofin, ®§ mar bie einzige (Sentimen; tafitöt in ^eineö Seben, bie un§ lüd^t ron üornt;erein qI§ unmal)r erfc^eint. ^ir bcnfeu an "oa^j (Sonett „^m ^a^rc 1817" unb bie ©tropf)en ,, ©^öne SBiegc m e i n e r 2 e i b e n " :

^tf idi bid) boc^ nie gefe'^cu,

'Schöne öer^cnSfönigin!

9^immcr war' bann gefdjic^en,

3^a^ \ä) je^t fo elenb bin.

Sn ^5. 2S. ©ubife' 3eitfd;rift „^n ©cfeUfc^after" erfd)ien am 7. Wici 1821 feines ^ird;Ijof-5traumbiIb: ,,3>c^ ^^"i '^t)" meiner .^errin §auö", <iuf baä nun rafd^ anDcrc ©ebid)tc folgten, '^m 2)ejcmbcr 1821 gab ber 5ßerteger ber 3^itf4l^ift (3Jlanbcrfd)e Suc^f)anblung) bie @ c b i d) t c " gefonbert f)erauö, bie oon 33arnI)ogen im ,,(SefeII; fc^after" unb oon ^mmermann im ,,$Rf)einifc^-roeftfäIifd^en 3Injeiger" befpro<^cn unb gerühmt mürben. 3hic^ ?^ouquö cr!annte boö neue Xalent an.

2lm ftubentifd^en 3:;reiben beteiligte ^eine fid^,. gar nid^t; trofebem f)atte et mieber ein ^uell auögufec^ten, bei bem er üon ber klinge in ber Seite üermunbet rourbe. Seine ©tubien füi)rten it)n befonberö ju .^cgelö ^Ijilofop^ie, ju oon ber §agen§ 35ors Icfungen über altbeutfc^c Literatur, ju Söoppö üergleic^enber Sprad^rDiffenfd^aft unb ä^nlid)cm. Slm 4. Sluguft 1822 trat er einem oon ®an§, ^un^ unb 9JJofer gegrünbeten ,,3Serein für ^uitur unb SBiffenfd^aft ber ^uben" bei.

1823 gab er feine red^t unbebeutenben Xrogöbien „2tImanfor" unb SB i 1 1 i a m 9ft a t c f i f f " fomie fein „Sgrifdieö ^ntermejgo" ^erauä. 3f?0(^ in bemfelben ^olire mürbe ber „2l(manfor''' am 33raunfdf)roeiger ^oft^cater ouf= gcfüf)rt, freiließ mit üöUigem 3)li^erfoIg. Sereitö Dörfer (im 9Kai) t)erlie| ^etnc Serün unb begab fic^ nac^ Lüneburg, mo^in feine ©Itern feit mc^r olö einem '^a^it übergefiebelt maren. 33crlinö ßinflu^ auf feines ^oefie aber mar entfc^eibenb: ^ter erft mirfte bie Sf^omantif gan^ auf i^n ein, oor aUem burdfi i^rc poetifc^e Ironie unb bie Dotföliebartige ^^orm Iprifd^er Did)tungen. SSon Lüneburg aug befuc^te er öam^ bürg, roo feit einem $^ot)re aud) feine geliebte ©d^mefter 6f)QrIotte mit bem Kaufmann 3rcori^ ßmbben oertieiratet mar. ^ie Huöeinanberfefeung jmifcE)en Df)eim unb S^cffc, bie einanber immer roeniger ücrftanben, füt)rte 5u feiner 2lnnäE)erung. ^n Suy^afen fa^ er jum erftenmal baö 9Heer. Sd^Iie^Iid) cerlie^ er Hamburg mit bem SSerfpred^en beS D^eims, feinen 2Bed)feI üon 400 auf 500 5CoIer ju er^öf)en unb für jroei rocitere Stubienjaf)re ju beroiHigcn. 1824 ging er nun jum jrceiten 3Jtare nad^ (Söttingeti, üon roo QUO er ju Cftcrn aud) Serün roieber einen SBefud^ abftattetc. ^m ©ommer 1824 untcrnai)m er eine fröf)Iid)C Serienreife burc^ STIjüringen unb bcn ^orj, beren

Öeinrid) ,f">einc.

177

Scf)ilberung, bie berühmte ,, ^a rjr c if e ", 1826 im „©eicüic^after" crfc^ien. ®cr frifcftc, freie 2;on, ber f)ier crftang, ücrie^te baS ^ublifum in ©ntjücfen :

2Iuf bie Serge i<^ [teigen, 9So bie frommen §ütteii fielen, 2Bo bie S3ruit fi^ frei crfc^He^et Unb bie freien Süfte toe^en.

STuf bie SSerge luill iä) fteigen, 2Bo bie buntlen 2;annen ragen, 33ä(f)e rnuf(^en, ^Sogel fingen Unb bie ftol^en SBoIfen jngen.

2e6et tüo^I, i^r glatten ©älc! ®I<jtte Ferren! glatte (grauen! Sluf bie Serge mill ic^ fteigen, Sacf)enb auf eucf) nieberfdjauen.

2r)xi']6) mit fouiel Smpfinbung eingeleitet, beginnt bie ©arftcHung mit einem ironifct)en 3lbfc^nitt, ber fo beginnt: „®ie Stabt ©öttingen, berühmt burc^ if)re SBürfte unb

Uniücrfität ", unb bann oon ben Sen)of)nern fagt: ,,^m allgemeinen werben

bie Scmoliner ©öttingenö eingeteilt in ©tubcnten, ^rofefforen, ^^iüfter unb SSicf), roelc^e rier ©tänbc boc^ nic^tö roeniger aU ftreng gefc^ieben finb. ^er SSiel^bcftanD ift ber bebcntenbfte."

Über Dftcrobe, ÄlauStfial unb ©oölar raonbert .^eine jum Sroden, auf beffcn ©ipfel ber Spötter bie trioiale 3(nbac^t feiner 3JZitreifenben beim Sonnenuntergang erlebt:' „Sßic ift bie %atnx hoä) im attgemeincn fo fc^ön!" ?Rac^ anberen F)eiteren (Spifobcn, bie er fc^arf ju jeii^ncn unb ju fariüeren roei^, fteigt er roieber ben 23crg t)inab jur $jlfc, bie er befingt, unb jur Sobe, auö beren ^al er jur ?Ro|trappe cmpor^ flettert aber raie er felbft fagt: „2)ic .^arsreife ift unb bleibt ein Fragment". (3c- rabc in ber ^armIofig!cit unb 3ibfid^tölofigfeit biefcr ^arfteüung liegt if)r ^Reij.

^n SBcinmr fuc^te er bei ©clegenbcit biefer $Reife aud^ (Soet^e auf: „^a\)Xi lief)", rerfirf)crt er in feiner Schrift über bie „9?omantif(^e Schule", „als irf) i^n in SBcimar befuc^tc unb i^m gegenüberftanb, blidte id^ unroillfürlic^ '^nv Seite, ob ii) nid^t au(^ neben if)m ben 2lbler fät;e, mit ben Stilen im Sc^nabcf. ^cf) mar naF)c baran, if)n gried;ifd^ anjureben; ha id) aber mcrfte, "lia^ er beutfc^ ucrftanb, fo erjätilte \d) il)m auf bcutf(^, ta^ bie Pflaumen auf bem SSege gmifc^en ^cna unb SBcimar fcf)r gut fc^mecften." dürfen mir einem Serid^t 3[Rayimi(ian feines über biefen Sefucf) feineä Sruberä bei bem SBeimarcr Citjmpicr trauen, fo f)ätte ^cine auf ©oct^eö ?^ragc, roomit er fid^ je^t befcEiäftigc, geantmortet: „^it einem j^auft", worauf (SoetE)e gefragt i)abc, ob er weiter feine ®efrf)äfte in SBeimar ^ahc, unb ^einc roicberum geantwortet f)abc: „2liit meinem gu^e über bie Scf)weIIe ©w. ej-jeUcnj finb aUe meine (Scfd^äftc in SScimar bcenbet." (3oetI)c mu^te -^einee burrfiauo auf 2Baf)r^eit bcrnf;enbe 33c: mer!ung für eine breiftc 2lnma§ung bflitcn, ba er felbft bamalä feinen eigenen j^auft nocf) nic^t becnbigt |atte. (Sä Hang wie bie 3ln!ünbigung cineö SBettbcwerbö.

^eine erwarb fic^ no(^ im ^ahxc 1825 bie ^oftorwürbc. ^n ^eiügcnftaDt bei ©öttingcn trat er barauf, um eine JlnftcUung im preupifd^en Staatöbienft erhalten ju fönnen, jum 6I)riftentum über. 58on bicfcm Slugcnblicf ab erft begann er bic c^rifttic^e SRcligion ju Raffen, jumat ba er balb cinfal), ta^ er nun webcr bei 3i"bcn

Cc^lfc, Sic beutfc^c Citcratiir feit ®octöe§ lobe iifro. 12

178 ^a§ junge ©eutfd^Ianb unb anbete politifd^e Sid^ter.

noc^ bei ©[jriftcn ©lud ^attc. „^c^ bin jc^t", fd^rieb er bamalö, ,,bei 6t)rift unb ^ube üerI)o|t".

9)?it 50 iF)m üon bcm Df)eim jur 33crfügung geftellten Souisbors trat er im 5Iuguft 1825 eine ©r^olungäreife nad) S'lorbernei; an, wo nun ber erfte ^eil ber 5Rorb= feebilber cntftanb. 3^ac^ ber $Rücffef)r c^ab er bie Hbfid^t, fid^ in ^mburg aU Stbüofat niebergulaffcn ober fid^ in Berlin gu habilitieren, balb auf. 1826 gab er im Sompe= fd^en 5ßerlage bic 9^ e i f e b i t b e r " (I. ^eil) l^eraus, bie burcf) if)ren freien, gang pcrfönlid^en STon gro^eg 3(uf[eF)en erregten unb iE)m pefuniär einen neuen 2lufent^art in 9'iorbernet) ermöglicf)ten. 33on ha ging er roieber noc^ Lüneburg gu ben ©einen. 3n Hamburg bereitete er bie g^ortfefcung feiner 3fteifebilber uor, bie im 3tpril 1827 erfd^ienen, gu berfelben 3eit, bo it)r ^ßerfaffer nac^ ©nglanb reifte, ©amalä entftauben aud^ bie „^been ober bog SucE) Le grand" (1826). 9lad^ ber 9fiürffef)r blieb er abermalä 14 ^age in Sf^orberne^ unb SBangeroge unb befucf)te bann ben Dl^eim in Hamburg, beffen Ärebit er ftar! in Stnfpruc^ genommen f)atte. 2tuf beffen SSorf)aItungen erraiberte er ru{)ig: „SSei^t bu, Dn!el, bag 33efte an bir ift, ba^ bu meinen 9'iamen tragft." Über biefe ®reiftig!eit mar ©alomou .^eine fpra(i)Io§. ^ö6) fpäter f ogte er gu beö ®icE)ter§ Vorüber : „®en!e bir, er rechnet ficE) noc^ jur 5Cugenb an, ba'^ \6) \i)m für feine 33riefc an mirf) fein fpegieUeä Honorar gu gaf)Ien brauche." S)amalö \ai} er aud^ feine früf)ere ©eliebte mieber. ,,^6) bin im SBegriff'^ fc^reibt er an eineu ?^reunb, „biefen 2J?orgcn eine ?^rau gu befurfien, bie idö in elf Sal)ren nic^t gefefien E)obe, unb ber man nac^fagt, ic^ fei einft oerliebt in fie geroefen. ©ie I)ei|t 9Jlabame ^^rieblänber au§ .Königsberg, fogufagen eine ßoufine üon mir." ^u berfelben 3eit (1827) üeranftaltete er bei ©ampe eine neue SluSgabe feiner ©cbid)te unter bem Sitel: „33uc^ ber Steber."

©iner gefd^äftüc£)cn 2lufforberung ©ottag folgcnb, ging er nun über Gaffel, mo er bie beiben trüber ^afob unb SBilfielm ©rimm fcnnen lernte unb ron beren brittem Sruber Subrcig gegei^net rourbe, über ?^ranffurt a. 9)1., roo er brei ^age lang freunbfc^aftlid) mit Subraig Sörne ücrfel^rte, unb über ^eibelbcrg nacE) 9Kün(^en, mo er für ©otta gegen ein .^al^reggeljalt üon 2000 ©ulben bic „^olitifd^en 3tnnalen" rcbigieren unb an ben 3^itfc^riften „'DaS 2lu§(anb" unb „SJiorgenblatt" mit= arbeiten foHte. ^eboc^ nur ein I)albe§ ^afir f)ielt er es f)ier au§. ^^m 3uli 1828 reifte er über ^nnöbrud nac^ Italien, roo er gunäc[;ft SSerona, SKailonb, ©enuo, Siüorno unb bie S3äber üon Succa befucE)te. ^n feinen „3f?eifebilbern" roarcn in= groifd)en bie „9£enien" erfc^iencn, burrf) bie fid^ -flöten, audf) feiten§ ^mmermannS, beleibigt füf)Ite. 3)er britte S3anb ber „Sf^cifebilber", ber 1830 erfd^ien, erroiberte nun auf ^latens Eingriffe in beffen Suftfpiel „^er romanüfc^e Dbipuö", roo §eine ber „^inbar üom (Stamme 33enjamin" unb „be§ fterblicEien ®efcE)Iec^teg ber SD^cnf^en 3ttterunDerfd)ämtefter" genannt rourbe, beffen Küffe KnoblaucEiägerü^e abfonberten. SBä^rcnb ^mmermonn mit ber 33rofd)üre antwortete : „%ex im Irrgarten ber 9JJetrif uml)ertaumelnbe ^laoalier", fertigte §eine Un Stngreifer mit graufamer Tronic im 11. Kapitel ber „33äber ron Succa" ah; ein 3)id^ter fei ^taten geroi^ nic^t, ebenfo= roenig eine ^erfönarf)feit: „^er ®raf oermummt fidE) mand^mal in fromme ©efül^Ie,

.fieiniic^ §einc. 179

er oermeibet bie genaueren ©efcfilcc^täbejcid^nungen ; nur bic 6ingciüeif)ten follen Uax fe^en; gegen bcn großen Raufen glaubt er fic^ genüg[om cerftecft ju f)aben, icenn er ba§ SBort g^reunb mand^mat auölä^t, unb ge^t i^m bann roie bem 23ogcI Strauß, ber fic^ f)inlänglic^ üerborgcn glaubt, roenn er ben £opf in ben Sanb geftedt, fo ba| nur ber ©tei| fic^tbar bleibt. Unfcr erlauchter 33ogcI f)ätte bcffer getan, roenn er ben Steil oerftecft unb un§ ben Äopf gcjcigt t)ättc. ^n ber Xüt, er ift mef)r ein 3Jcann üon ©teil aU ein 3Jiann dou ilopf, ber ^amc 3)^ann überl;aupt pa|t ni(f)t für i^n." 3)iefer gange ^^oetenjanf bliebe o^ne folc^e ^it^te unüerftänbürlj.

^a6) längerem Slufentljalt in ^^loreng eilte ^cinc narf) ^aufc, roo er feinen SSater nid^t mel)r am Sebcn traf: am 2. ^cjember 1828 mar Samfon ^einc geftorben. 1829 ging ber 2)id;tcr nad; Berlin, «gier fuc^te er ^einric^ unb ß^arlotte 6ticgli^, 2lc^im unb Settina oon 9(rnim unb t3ie(e anbcre ber befannteften ^erfönlicEifeitcn auf. ^m grüFinng lebte er in ^otsbam, im Sluguft auf §etgo(anb, bcfc^äftigt mit bem üot^ ^in erroäfinten legten 3::eil ber „S^icifebilber", ber nac^ ©rfrfieincn in ^reu|en gunäi^ft uerboten mürbe, ^eine blieb je^t einftmeilen in Hamburg. 3(uf ^clgolanb cri)ielt er im $5uli 1830 bie 9^ad^ric^t üon ber frangofifd^en SuIi-5?eüoIution, bie if)n begeifterte. 1831 erf(f)icnen feine „S^ai^träge ju ben Sf^eifebilbern", mäF)renb bie „aJiemoiren beö iperrn oon Sd^nabeleroopäfi", 1831 cntftanbcn, erft 1840 gufammcn mit ben „?5[orcntinifd^cn 9Md^ten" im „Salon" fierauSgcgebcn mürben. ©§ gelang ^eine aber nid^t, ficf) eine fcfte ©teHung ju rerfd^affen. ®a ent= fd^Iol er fid^, ron ajjetternic^ of)neI)in gcmarnt, ber iQcimat, bic fic^ gegen bie ^öraehtcn, aud^ bie getauften, abfcfinenb üer^iett, ben Sf^üden ju menben unb in baö Sanb ber neuen ^rei{)eit gu eilen. Über ^^ranffurt, ^eibelbcrg unb Slarföruf)e reifte er nac^ ^aris, mo er in ben erften SRaitagen 1831 eintraf unb \\6) alöbaib ganj l)cimifd^ füt)(te.

Seine politifc^cn $8eric^te für ßottaS „5Iugöburger 2tIIgemeinc 3cit""9" I'f| er unter bem Xitd g' r a n g ö f i f c^ e 3 " ft ^ n b e " mit einer gegen bie bcutfcf)en ■iJiddEitijaber gerichteten, fd^arfen Einleitung gcfonbert erfc^cinen. 1834 gnb er fein Sud) ,,De l'Allemapcne" I)erauS. ^ro^ aUer 2lngriffe auf bcutfd)eö SBcfcn unb üor allem auf ta^ ß^riftentum üerlie| i[;n bod; niemals ein grcnjenlofcö ^eimme^. 3lllc biefe unb anbere 2(b^anbtungcn, barunter bie über 2) i e r o m a n t i f (^ e S d; u l e ", finben mir l^eute (in beutfcfier Sprad^e) rtereinigt in bem Suc^e über ^eutfc^lanb. 1836 entftanb fein noucKiftifc^cö ^^ragment ^^ l o r e n t i n i f d; e 5Jt ä d^ t e ", hai jcbod) erft 1840 erfc^ien („Salon ")•

^n ber „9ioniantifd)cn Schule" roerben bie ^id^tcr beS 3»"G^" ^eutfd;lanb als bie 9lpoftel einer neuen 3eit gepriefcn. Sltöbalb mürbe biefe S(^rift oon ber preu|if^en IHegierung rerboten mit bem ^ingufügen, „ba| rüdfic^tlid^ ber fämttid^cn fünftigen Iiterarifd)cn ©rjcugniffe beS ^einrid; ^cinc, melcEier bereits ju oerfd;icbencn Sucher; oerboten Scranlaffung gegeben l)at, unb bcffcn bi§l)er erfd)icnene Schriften faft fämt: lid^ bebenflidjen $^nl)altä finb, fic mögen erfdielnen roo unb in roelc^er Sprad)e fei, bicfelben 9J?a|regeln eintreten follen". Unb am 10. 2>e5embcr 1835 l)ie| in ber 3tnflage beö öfterrci^ifd^en ©cfanbten ©rafcn 3J?ünd^=33eningl)aufen gegen bas ^unflc ©eutfc^lanb oor bem SunbeStagc: „2fn ber Spi^e berfelben ftel)t ^einri^ ^cine in

12*

180 'X>a§ junge 2)cittfcf;Ianb uitb anbcve politifd^e T;icl)ter.

^ariö, lüelc^'Cr btefe "Xönc balD iiacf) ber 3u(i=5RcDohition unter ben ©eutf^en guerft angedrungen ^at."

^eincö 5Hut)m fticg trofebem üon ^ag ju S^age. SSon go^lreic^cn Tseutfcfien angegriffen j. S. ron (Suflao ^fijer unb 3(rnolb 'Müq^c •, aber oud; oon üieleii olö S3erül)mtljelt aufgefuc^t g. 33. uon ©rtUpcträer, 3)ingelftebt, &xm, .^erroegi) —, per!ei)rte er ein Qarir lang befonberö mit ^einrid; Saubc, ber fitf) ebenfoUg gettroeife in ^<triö aufl;ielt. ^m Dftober 1834 lernte er in bcm ©d^ul^raarenloben ber STtöbame ajjaurel, an beren Sc^aufenftcr er oft oorübergeften mu^te, il)re Slic^te STtatJiilbc ©refcentio SRirat fennen, bie üon dnem ®orf in bie ©tobt ge!ommen roav, um bei tf)rer %ank aU 2Scr!öuferin tätig p fein. 2(uö bem ^erf)äftniö, baö fic^ nun anbaf)ntc, entTüidelte fic^ bolb mel^r: 3Jiat§ilbe bcjog mit bem S)id)ter eine gemeinfame 2BoE)nung. ©ie mar fo ungebilbet, ba^ fie junäcEift meber lefen no6) fd)reiben fonnte, unb ron feines Sebeutung af)nte fie nichts, ©ie lebten wn feinem Honorar unb oon einer ^a^reärente ron 4000 ^ranfen, bie ber .gamburger Ot)eim bem ^\6)kv ouSgefc^t ^otte. Sine ©r^ö^ung ber Stcnte auf 4800 g^ranfen erfolgte nac^ einem 33efud), bcn ©alomon ^eine bem jungen ^aare abftattete. 3(u^erbem gelang bem Xiiditer, fid^ üon ber frongöfifdien' Siegierung eine jöf)rli(^e Unterftü^ung üon 4800 granfen ju erroirfen, eine (Saht, bie, roie er fagt, „iia^ franjöfifcfic SSoIf on fo üiele S^aufenbc üon ?Vremben fpenbete, bie fic^ burd^ if)ren ßifer für bie ©ac^e ber 3ieoolution mei)r ober minber gtorreid^ fompromittiert Ratten unb an bem gaftlicEien ^erbe 3^ran!reic^§ eine g^reiftätte fud^ten." 2(uf i§n fetbft jeboc^ traf biefe 2tuSlegung fd)merlid) gu. 9Iber ein Tlaxm moraüfc^cr SSebenfen ift §einric^ §eine nie gemefen.

^ngmifd^en fjattc fid) fein ^reunb ^örnc, ber if)m ©{)arafterrofig!cit rorroarf, in feinen grimmigen ^^einb nerroanbelt. §eineä gaujer §a^ entlub fic^ erft nad^ Sörneg S^obe 1837 in bem SucEie, bag er bem früfieren (Segner mibmete. !am barauf ju einem S)uett mit bem Ratten ber SKabame ©trau^, einer ?5^reunbin 33örneS, baö un: blutig üerlief, ^eine jeboc^ nac^l^^r oeranla^tc, fii^ mit feiner 9J^at{)iIbe in it)rem ^intereffe am 30. Siuguft 1841 ürc^Iic^ trauen ju laffen.

©ine jmeite ^riobe in ^eineö poetifc^em ©d)affen begann mit feinem 5ßerö= epoö 21 1 1 a ^ r 0 1 1 ", ba§ im ^erbft 1841 entftanb unb in Saubeö ,,©leganter SBeU" erfc^ien. „"^6) ijättt nie geglaubt", fagt er in einer fpötcren SSorrebe (1846), „ba^ S)eutfd^[anb fo t3iefe faule 3tpfel l; er vorbringt, mie mir bamalä an ben .topf flogen." S)iefer „©ommerna^tstraum" ift eine ©atire auf bcutfc^e ^f)ilofopljie, Sfieligion, ^olitif unb Äritif, gerichtet üor allem gegen jeucö ^ublüum, ha§> üon einem ©ic^ter ©efinnung, aber feine 5!unft rerlangt. ©iefer föftlic^e 3:;an5bär 3ltt'a XroU ift mit feiner 3J^umma unfterblid^ geworben. ©a§ Sieb beginnt:

$Ring§ umragt üon bunflen SBergen, ^ie \\(i) trotzig übergipfeln, Unb öon tnilben SBafferftür^en eingelullet, h)ie ein ^raumbilb,

Siegt im 2;al ha§ elegante dauteretS. 2)ie lüei^en §äu§d^en SJiit ^Ballonen; fc^öne ©amen ©te§en brauf unb ladfien IjerjUd^.

^eine ^atte bae ^prenäenbob ©autcretg au§ eigener 2(nfd)auung foeben erft feuncn gelernt, furg beoor er fic^ mit ©trau^ bueKiertc.

.^cinritf) Steine. 181

^erjlid; lacficnb fc^aim fie nicber 9Iuf bcn lüimnielnb Bunten DJJorftpIo^, 2ÖD ha tanken 58är iinb Sarin Sei be§ ^Xubelfadeä klängen.

^ebo^ "^itia ^rott entrinnt feiner ©cfangenfc^aft in feine .^'öhlc bei bem ^a^ von 3?onceüQl :

Sltta %xoü. unb f'cinc (S^attin, 2)ic gef)ei^en fc^mnrje 3)?ttmnia, ©inb bie 2:än3cr, unb jubeln 53or Scmunbrung bie 93a§fefcn.

2)ort im ©c^o|e ber goniiüc ! Süfecä 2Sieberfcf)n! ^ic 3"n9^n

3flu]^t er au§ öon ben 2trapa,^cn j ganb er in ber teuren §ö^Ie,

©einer glud^t unb t)on ber 9[Rü^faI I 2?d er fie gezeugt mit Tlnmma,

(Seiner 33ölferfc^au unb 95>eltfa^rt. j ©ö^ne bicr unb Jocfiter jmei.

®ie Sef)ren, bie 3(tta ^^roU feinen 5?inbern erteilt, finb tieffter SSeiö^eit oo'.I, leuchten aber oon ungeiDoHter Satire:

2^roben in bem Sternenzelte, 2Iuf bem golbnen :^errfcf)crftu^Ie, 2ßeltregierenb, majeftätifrf), Si^i ein föloffaler (Si§bär.

(Sinmal glaubt 3ttta ^roll brausen ?[Rummag Stimme gu f)ören er ftürjt I)inau§, tönt in ben ^interf^alt unb mirb crfc^offen; boc^ feine "J^enfmalöinfc^rift ift fd^on bereit:

Sltta Sroir, 2;enben36är; fittlid) 9ieligiij§; al§> ©otte brunftig; 5)urc^ 93erfüf;rtfein öon bem 3citgeift, SSalburfprünglic^ ©anäcutotte;

Se^r fcf)(ed)t tan^enb, hod) ©efinuung Sragenb in ber äott'gen |)od)bruft; äJJanc^mal nuc^ geftunfen ^abenb; Slein S^olent, boc| ein S^rnfter.

3JJumma bagegen finbet „eine fefte Stellung, eine Iebcnölängli(^e 3Serforgung" im ^ürifer Harbin bcö ^lanteö,. wo fie mit einem fibirifc^en SBüftenbären fortan jus fammenfebt. Ser ,Scf)fu^gefang menbet ficf) an ^cineö ^reunb Sarn^agen :

Slang ha^ nirf;t lr»ie ^ugcnbträumc, j 2ld^ ift öie(Ieid)t ba^ le^te,

jDie ic^ träumte mit C£§amiffo greie SSalblieb ber JRomantif!

Unb Sörentano unb g-ouque ^n be§ 2:Qge§ 33ranb= \mh Sc^Iaditlärm

Jn ben blauen 9J?onbfcf)einnä(f)tcn? j SSSirb fümmerli(^ öer^Ken.

2)ie £iebe jur 3)iuttcr trieb ."geine 1843 ju einem 33cfu^ in Hamburg, roo er am 23. Dftober anlangte unb biö jum 6. ©csember blieb, ^m folgenben Sommer fnm er roieber, biefcö 2Ral mit 2)}atl;ilbe, bie aber nacf) 14 2:!agen roieber jurüdrcifte. ^ie poetifd^e %xnd)i ber erften D^eife mar baö fatirifc^e 3?eröepoö „T) e u t f d; l a nb. ©in 2Bi nter mär c^en", gcf^rieben im .'Januar 1844 ju ^ariö.

Xmtt cud}, mit ©(^merjen fe^ne ic^ mid) 3lad] 2:orfgeruc^, nad) hen lieben §eibf(^nudcn ber Süneburger ."peib', 9^ac^ ©<iuerfraut unb SRüben.

2^ fel)ne m\d) nad) Iabaf§qualm,

§ofräten unb 3?adjttr>äd^tern,

"^ad) ^lattbeutfdi, S^iDor^brot, ©rob^it {ogor,

9Ja^ blonbcn ^rebiger§töd)tcrn.

182 Saö junge Scutfdjtartb unb anbcre politifd^e ©id^ter.

3Iuc^ naä) ber 9J?utter fe^ne icf) mi(^, 3(i) lüiU offen geftef)en, (Seit bretäef;n ^Q^^^t^ ^f^^' ^'^ ^^^^ ®ie alte grau gefef;en.

Über 2tarf)en, Äöln, ^abcrborn, 3JZinben get)t bie Sfteife:

5)a§ ^albe gürftentum 58iideburg 33Iicb mir an ben ©tiefein üeben; ©0 lefimic^te 2öege :^6' ic^ Idd^I Sfioc^ nie gefe^en im Seben.

^n biefem S;on gcf)t luftig weiter, bi§ ber 9flcifenbe in .^amburg ift:

®ar mandjc, bie ic^ al§ Stoiber t>erUe^, g-anb \ä) al§ Dc^fen toieber; ®ar manc^e§ fteine ®än§c^en warb 3ur ®an§ mit ftol^em ©efieber.

^Mzx rciber SBiDen fc^Ieicf)t fic^ auc^ ftille SSe^mut in bicfen ©pott:

^c^ Wollte weinen, Wo \6) einft ©eWeint bie Bitterften tränen '^ä) glaube, 25aterlanb§liebe nennt SD'lan biefeg törtdjte ©e^nen.

^d) f|?red)e nidjt gern baöon; ift . 9^ur eine Slranffjeit im ®runbe. SSerfc^ämten ®emüte§, üerberge ic^ ftet§ . 'JDem ^ublico meine SSunbe.

Jgeines £eben neigte fic^ bem Stbgrunb gu. 3"s^f* erfaßte if)n quälenbe (Siferfu^t gegen 3Jlatf)iIbe, bie fo einfältig, ungebilbct unb genu^füc^tig blieb, -wie fie om erften 2;age geroefen raar. ^ann ftorb ber Df)eim, unb beburfte erft eincg löngeren ^ampfeö, um beffen ©oljn ^nrl gur weiteren 3öf)Iung ber gangen ^afireSrente unb nad^ beö 5Did)terö ^obe if)rer ^älfte an bie SBitwe §u äwingen. ®ie fd)Ied)ten ^Rac^ric^tcn regten ben Siebter fo auf, ba^ er fid^ eine Säfimung äujog, beren ?^o[gen er nic^t mef)r überrainben fonnte. 3fiafc^ na^m bie £ranft)eit gu, nur 9JiorpI)ium, üon bem er jö^rlid^ für 500 g^ranfen oerbraudite, tinberte feine ©c^merjen. (Seit bem S^ieüolutionäjalir 1848 fonnte er fein Sager, bie „9JJatra^cngruft", nid^t mcf)r Der= laffen. S)ennod^ feierte feine SJlufe nidit: bie ©ebi(^te, bie 1846 51 entftonben, rcurben im 9fi o m a n g e r o '^ oereinigt. ©eine ®cfd)wifter ©uftao, ^Jlaic unib 6t)orlotte befuc^tcn it)n noc^ in feiner Slranff)eit. ©ine junge liebreigenbe S)eutf^c namens ©amiEa Selben üon ^eine bie „Mouche" genannt, weil fie ein ^etfc^aft mit einer eingraüiertcn 3^Iicge füf)rte fa^ in ftillcr 3Seret)rung ftunben- unb tagelang an feinem Sager, laä i^m oor, fd)ricb für i^n Briefe, forrigierte ben S)rud feiner Sßerte unb erntete bie le^te S)ic^tcrltebe. ®§ war bie Siebe eine§ ©terbenbcn, bie er jeboc^ beefialb feiner 2Katt)ilbe nic^t entgog. 3" i^^cm Sttter ^at ßamiHa felbft ben ©c^Ieier gelüftet, ber fo lange über ber unbefanntcn „Mouche" lag. feines lefete Slrbeit waren au^er bem @ebid;t S i m in i " feine 5Ui e m o i r e n , oon benen

Öeineä Sprtf. 183

über nur ein ^^ragment (1806 16) auf ung gefommen ift. ^n ber '^ad)i oom 16. jum 17. gebruar 1856 i)"t er geftorben. 3tuf bem 2J?ontmartre rourbe er beftattet in3(n= luefen^cit 2:f)eop^i[ ©auticrö, 3J?ignetg unb 3lferanber S)umQ§'. 9J?at^iIbe überlebte i^ren ©atten um 27^af)re unb rourbe nad) ifjrem '^obc neben ibm beigefe^t. 2^eu ©rabftein be§ ®ic^ter§ äieren feine eigenen $ßerfc:

2ÖD toirb einft be§ SSanbermüben 2<^te 3^u^eftätte fein, Unter ^almen in bem ©üben? Unter Sinben an bem 3R§ein?

SBerb' \d) mo in einer 3Büfte Singefi^arrt Don frember $)anb, Dber ru^' i(^ an ber ^üfle Sine§ 9}?eere§ in bem ©anb?

I

^mmex^in! Wiä) roirb umgeben ®otte§ ^immel, bort roie ^ier, Unb a\§> Stotenlampen jc^roeben 9Jac^t§ bie (Sterne über mir.

Unfer bebeutenbfter Sprifer nai^ ©octf)e f)nt boc^ mit biefcm faft gar nid)t§ gemeinfam. ^cine erlebt nicbt goetbifcb. 2)ie ©inbrüdc jeines 2eben§ finb äu^erlic^e SBerte, bie Donjenicr ^unft nur ted^nifd^ übernommen rocrbcn. Seine ^oefie roar fetuT innere £onfcifion. ©ä fang unb jaud^jte nid)t in if)m, unb fein ftürmifrfier Sugenbbrang, femUbermcnf^cntum ri^ ifjn über bie ©rcugen ber poetifc^en Jorm \)uu auö. ©rfcnucr roar er, ni(^t Sefenner. 2(ucf) Statur, Siebe, Jrcunbfc^aft, Unfterblirf;; feit, ©Ott, ja, atteä roaö cbcl unb f)0(f), roaö ftolj, rein unb jung ift, (ä^t \iä) ai\§i feiner 2prif roegöenfen, of)ne m^ biefc boburd) aufgc[;oben roürbc. £ann man M^, V)a§> übrig bleibt, bcnn aber no^ 2t)rif nennen? Unb bodf):

Seife gie^t burc^ mein ©emüt

2ieblicf;e§ ©eläute,

klinge, fleineS grü^Iingälicb,

^ling ^inauB in§ Söcite.

^ling §inau§ bi§ an 'bQ§> ^au§, 2Ö0 bie 33Iumen [priesen. 2Benn bu eine Sf^ofe fc^auft, Sag, iä) laff [ie grüben.

©ö ift ein rounbcrfamer l9rifd;er ilfang in biefen SSerfen, ber unö fagt, M^ fjier ein großer £i;riter ju unä fprid^t. Untcriurfien mir bie beiben ©tropi)en näF)ct, fo bleibt nid;t uiel Sd;önF)eit übrig, ^cin tiefer ©ebanfe, feitt^e tiefe Snmiinbung, feine neue ^nncnform! ^üö ©anjeö a^erift biefe Sodpoefie unangreifbar, für ein folc^eä grüfilingötäuten a(ö garten ®i(^tergrup binübcr gur geliebten 3fiofe F)in ^ai ein jeber Dl)x.

eg ift ber ?H^Dtl)mug, ber biefe Sgrit bcfc^roingt. Rem lebenbiger '^ulö ift an if)r ju fpüren, tuie ©ifeöfölte ge^t über bie buftigen 33Iüten, fo jugcnbfrifd^, fo t)eil^cnblau ober rofenrot fie au^ erfd)einen. 'i^^i Sdjöpfer üerlor fid) nid)t m ber ©mpfinbung, auö ber fie berauögeroad;fen ju fein f^einen. 3J?eift finb uier glatt gereimte, ju je einer ©tropfe vereinte SSerfc, beren me(obifd)cr Xonfall faum feineö^ gleid)en i)at. So ift bie „Sorelet)" bog 3R{)einIieb bcö bcutfd)en 3SoIfcö unb barüber I)inauö bie 33ermittlerin beutfd)er @cfüF)Ie, beutfc^er Sentimentalität im 3Iuölanbc ge= worbcn, obroot)t bie „rounberfame, geroattige ^^Jielobei" biefer fagenbaften ^ergjung;

184

S)a§ iungc Scutfrf^tanb unb anberc politifdje 2)id)tcv.

I

frau, bie juerft üon ©Icmciiö Brentano bejungen würbe, nichts anbereä ift alö bie x^x)i\)= niijd^c 3f?Q(^af)mung ber plötfcfiernben Bellen be§ 9^I)einö unb bie träumerifdEic Spiege; lung beö 3tbenbfonnen|(^ein§.

feines £t)rif ift genau fo feelenlos wk gräulein Sorelct); ift it)m gar nid)t eingefallen, fic^ oon ©efüljlen angreifen, gefdimeige benn Derjcljren gu loffen. tarn i^m nur barauf nn, ba^ fein @ebi(^t gut mürbe. 3:;räumeriicE) beutfcE)e§ ©innen ol^ne 3iel roax feine ©ac^c nic^t. 3tber reid^ auägeftattet mit ^f)ontafie unb feinen ^leroen, bie jebc Stimmung aufjunefimcn unb iüeiter5uftf)n)ingen »ermoc^ten, überlief er ficb bem 3::raum, bem bann ein burrfiaus mefenl^aftes ©ebilbe entftieg. 3Jian fann ein mun- berbar mufifalifrf)e§ (Bc^bi befi^en unb burd) eigene 9)ieIobien betätigen, oI)ne bce= I)alb ha^ äu Ijaben, rooö rein menfc^Itc^ burd^ bie SSerorbeitung üou perfönlid)en ^nnen= werten 'oat'^ mufifalifc^e ©enie gum großen ^omponiften macE)t. Unb 'M§> bcfafe ^eine nic^t.

SBar er be§l)alb fein 2i)rifer? ©eroip mar er 'oa^^, er gef)ört ^u bcn größten Sijrifern ber SBeltliteratur. 2Bir rül)ren mit folcfien fragen an bie llrprobleme bet ^unft. 5JJit ber 3eit ift üorbei, ba unfünftkrifdj f)ie^, itwis nid^t cEiaroftertioH mar; bo man jUDor Jlenntnig be§ ©ic^tertebenS brandete, um beffen Söerfe anguerfennen. 9(ber bie Siteraturgcfc^idfite t)at ba§ ^erf)öltniö be§ ©ic^terö §u feinem ©cbid^t fcft= gufteßen, roiE fie feine S^unft unb feine SBirfungen bi§ ju ©nbe begreifen.

^eine unb feine Stjri! finb, fo fanben mir, nirfit basfelbc. J3eine_ machte j^eine ^crfe^___@oetl^e mürbe ponjeinen ©ebid^ten gemacht, beibe bei (Selegent)eit I^rif^er (Stimmungen, bte au^erF)aIb ber SJ^ad^t be§ 3J?enfd^en liegen, unb beren öerbeifübrung oon feinem SBillen unabbängig ift. Sie fommen mit ber ©eburt alö Hnloge auf bie SBett, !önnen nidEjt angctefcn, nid^t anerjogen merbcn. Sie finb 9^erüenfad)c. ^Ttan f)at fie, ober man I)at fie nic^t. ©oet^e foroot)! roie §eine batten biefe Irjrifd^en (Se= famtftimmungen, in bereu 58erlauf bie 5Ratur burd) ©oet^e als i^r Drgan fprad^, niäb= renb ^eine ben 3tugenblid geiftig augnu^te. ©ro|e Si)rifeT maren fie beibe, roenn mir mit bem S3egriff ber <Srö^e nid^t etma§ oerbinben, maö bereits an^ ber reinen ^ftl^eti! F)inau§fü^rt.

9Bie forgfam ift jebes SBort an feinen ^la^ gefteUt in ben üier Stropben beö „9Ifra".

2;äglic^ ging bie ittunberfdpne ©ultangtoc^ter auf unb nieber Um bie Slbenbgeit am ©pringbrunn, 2Bo bie tttei^en SSaffer plätf^ern.

3;äglic^ ftanb ber junge ©flaöe Um bie ^Ibenbgeit am ©pringbrunn, SBo bie meinen 2&affer plätfd^ern; 3:öglic^ iüarb er bleirf) unb bleicher.

(Sine§ 3Ibenb§ trat bie gürftin 2luf i^n ^u mit rafd^en SSorten: „Steinen Spanien milt idj miffen, Seine ^eimat, beine ©ippfd^aft!"

Unb ber ©flabc fprad;: „'^d) f^i^e 9}?oI)ammeb, ic^ bin au§ ?)emen. Unb mein ©tamm finb jene.Slfra, SBelc^e fterben, menn fie lieben."

3J?an bcnfe: ^eine unb eine folc^e Stfra^Siebe! Sßarum aber foUte eS notnoenbig fein, fic^ bei einem jeben ©ebirfit ben S)i^tn üorjufteHen? %\m mir bas nic^t, fo üer=

§cineö 2\.)üt 185

finft unfcrc Jlritif in bcm garten ©eircbc bie|cr 3:;räumcrci üon einer ^uinjeffin, bic Heben unb leben, einem Knaben, ber lieben unb fterben mup, unb non if)rem af)nung§i DoUcn 3uia"ii"f»Ki" //ii"^ bie i^lbcnbäeit am Springbrnnn". Unb boc^ träumt ber ^t^ter mit fetjr fieUcn 3(ugcn : bie crfte otropf^c geic^nct bie Suttanötoc^ter, bic smeite ben 2I)ra, bie britte iE)rc ^ragc, bie üicrtc feine 3(ntn)ort. Sie fünfte müpte if)re er= roac^cnDe 2iebc unb bie fcc^fte feinen ^Tob entF)a[ten. Mcx ber ®idf)ter I)ütet fid^ rool^I, bie träumerifc^e Stimmung, bic über bem Uugcfagten rnfjt, ju ^crftören; unb fo fann benn aud^ anbcrä fommcn, alö Der Sefer glaubt.

ein ©cgenftüd gum „31fra" bitbct „2;ic SßaUfa^rt nac^ itcülaar". Sturf) ^ier mar .^eine alö 33ienfrf) nic^t beteiligt, nic^tsJ lagi^m, ber oom i§raelitif(f)en jum pro= teftantifcben ©lauben übergetreten mar, aber ju feiner 9?eligion ein inneres 58erl)ällniä t}atte, ferner ali Scfiroärmerei für bic .Jungfrau ?Otaria. Unb bod; fpric^t ein fc^lic^t= l)ergigeä Smpfinben auö biefcn SScrfen, bie ben tiefen Sicbeöfummer eincö jungen SJcen^ feigen burc^ ben oon ber Jungfrau näd;tlic^ gebiadjtcn ?oD uergelien laffen; Me SBoÜ; fal)rt f)at if)rcn ^wcd crfüHt: „@elobt feift bu, 3)(arie." ,<öier ift ha^ @nbe bcutli^ Quögefprodjen, mie bie größere epifdjc 58allabc fordert. 3)(an ftef)t an biefcn 33ei: fpielen, mie ber 5)id)ter bie Tonleiter ber ®mpfinbungen unb Stimmungen beficrrf^t.

2Bäre ber 9?l)i)tf)nuiö mä)i, fo füljcn mir frcilii^ oft eine erfd;recfcnbe Seere bort, mo mir poctifc^en ^n^Q^t erroartcn. ©oct^e ^at nicfit nötig, fid; immer um r^r)t^mifc^e Sdimingungcn ober 5}lcimc ju fümmcrn. 2Ba'3 ahn mürbe übrig bleiben, menn mir bcibc ctnia ron bem folgenben 3prud) abzögen:

SInfangS moUt' ic^ faft oer^agcn, Unb id) glaubt', [d) trüg' e-3 nie; Unb id; i)ah' bod; getragen, ^IBer fragt mic^ nur nic^t: mie?

3n ^rofa ift biefe Sßenbung unbcnfbar. ©enau fo ift mit ben „(Srena= biercn", on beren ^Jlapolcon^SSegeiftcrung meber ^eine noc^ fonft jemanb geglaubt l>at. 3tber btr ^lang täufcE)t über bic innere i5of)lf)eit ober .^ä^lidjfeit Deä ©ebanfens f)inroeg:

5Ba§ f(^ert mid) SBeib, ma3 feiert mic^ .^inb, 5^^ trage meit beffre§ 33erlangcn; 2a^ fie betteln gcl)n, wenn fie hungrig finb, SlJZein S^aifer, mein ^aifer gefangen!

^ SBcnige Gmpfinbungen in ber beutf(^cn Literatur finb fo unroal)r mie biefe; b€r ^on aber ift roal)r.

öeincö eigentli^c Siebeölprif oerleugnet ben ßljarafter ber inneren Unroa^r= lioftigteit nic^t unb gel)i3rt gleid)mof)l ju ber lieblic^ften unö jicrtic^ften ber gefamten SBeltliteratnr, menn mir un§ an ben ilfngbrucf felbft galten. Unroiberftel;lic^ ^at fie benn auc^ bic Äomponiften angejogen.

Stuf klügeln be3 ®efangc», ^CTäliebdien, trag' id) bid) fort, 3ort nadj ben fluten beS ©augco, Xort mei^ ic^ ben fdjiinfien Crt.

186 2;a§ junge Sciitfd;Ianb unb anbete poIitifcf)e 2)icf;ter.

©cfünfteft ift ntc^tö an .geineä 23erfen, fotreit bie ^^orm in ^rage fommt. 3)ei- ^nf)alt bogegen üervät fic^ biöipeilen aU äU]ammengcbQd)t nnc in bcn beiben f)äufig ja ironifc^i oerftonbencn ©tropf)en üon bem norbijc^en gtd)tenbaum unb ber jüblic^en ^olme, bre boc^ nid;tä anbereS barfteUcn foHen, nlö ben ®irf)tec in feiner 35erliner ©iniomfeit unb feine geliebte ßoufine in .^Qmburg. 2Inbere biefem 9)iotit)e geraibmete SSerje greifen ni^t Diel tiefer in bie ^latur f)inein:

ift eine alte ©«fc^idjte, '^oä) bleibt fie immer neu; Unb toem fie juft pnffieret, .2)em bricht ha^ ^er^ entäinei.

Unb f)ier ift fcE)on jener fpüttifd;e ^on leife prbar, ber bann bie Siebeätpri! immer ftorfer burc^üingt unb fie üielfac^' in i^r ©egenteit umfc^Iagen I(i|t. 2lm ^eetifc^ fel)en mir ben Sicbtjaber atö SBeltmonn ber ß^araftcrifti! ber Siebe mit überlegenem ^o^n laufd^en :

2tm Sifd;e n>Qr noc^ ein ^lä^c^en, 9}?ein Siebc^en, ha t)aft bu gefehlt, ^ ®u ^ätteft fo l)übjc^, mein ©c^ö^^en, ??on beiner Siebe erää^It.

^,3Sergiftet finb meine Sieber", ruft er felbft aus. Slber fein au|rid)tiger 3orn rci^t i^n I)in, biefcr Siebe^bic^ter gibt fein ^c^ nid)t auf, unb fpöttif^ erinnert er fic^ beä Slugcu; blid§, bo fein Siebc^en i^n unter bem Sinbenbaum bei bem gegenfeitigen "Xreuefdirour in bie ^anb bi^, bamit er fie nic^t oergeffe:

D Siebc^en mit bem ^(ugleiu flar, D Siebc^en \ä)'ön unb biffig! ^aB ©dimören in ber €rbnung toar, S)a§ Söei^cn toax überflüffig.

©in fo[d)eö Stu^cnfte^en vox ben Pforten roirflic^er Siebe, eine fo fü^Ie llber= fcgen^eit über bie 3Jiad)t bcö @efüt)Iö fc^örft freilid; ben Slid für aEeä, mag bie Siebe bei anbern fertig bringt, ^jn mcnigcn SSerfen mei^ ber ©id^ter eine Siebeätragöbie gu jeii^nen, an bie man glaubt, an bie man ot)ne Äenntniö biefer 33crfe aber nid)t glauben fönntc, aud^ menn jemanb fie auSfü^rlid) in ^rofa erjöfilte unb begrünbete:

©ie trennten fid; enblid) unb fa^n fid^ 9^ur nodi) äumeilen im 2:raum; (Sie maren längft geftorben Unb mußten felber faum.

Stber gibt aud) SSerfe, in benen bie KäÜe-ganj oon bem ©ic^ter ju meieren

fcE)eint, 33crfe, bie alö fd)önfter Sd)mud bie mciftcn ^oefie^ätlbumö gieren, mie „©u

bift roie eine 33Iume fo t)oIb unb fd)ön unb rein'', ober i)a§> innige: „3Jtäbd^en mit \>tm

roten 3Jiünb^en". 2Bie traut, fo rcd^t bcutfd) flingt bie jmcite ©tropl^e:

Sang ift ^eut ber SBinterabenb, Unb xä} möd)te bei bir fein, , Sei bir fi^en, mit bir jd^luatien 3m öertrautcn .Kämmerlein.

<Sie liebten fid) beibe, boc^ feiner SSoUt' bem anbern gefte^n; (Sie fa^en fic§ an fo feinbli<^ Unb n)oIIten öor Siebe üergclju.

§etne§ 2i}rif.

187

3SicIeg gibt in öcincg Sijrü, roaä ganj f)crjinnigcö Sicbcögefüf)! ift: „^d^ raoHt*, meine Sc^merjen ergöffen fid^ aU in ein cinjigeä SBort." Unb bann baö ^Jiaitieb:

3m njunberfc^önen SJZonat Tlai, 91I§ alle Slnojpen fprangen, 2)0 ift in meinem §erjen S)ie Siebe aufgegangen.

2In bie trcul^ergige Sprif ßitfK^'^o'^Tfö werben mir bei mand^em ©ebirf;t ."ocineg er- innert. 2(ber ift julclt nic^t bcr mirflidfte ©mpfinbungöinf)alt, bcr beibe mitein= anber ücrbinbet, fonbern jene§ Überftrömcn, jener oolf'jliebartige 9Zaturton, ber bic ganje JRomantif bef)errfc^t unb auf §einc, mie mir faf)en, bcfonbcrö feit feinen erften S5erlincr 3^agcn eingemirft f)at:

5cf) mill meine ©ecle tai\d)m 3n ben Slelc^ ber Silie hinein; ^ie öilie foü flingenb I)auc^en (Sin Sieb bon ber Siebften mein.

Xa§> Sieb fod f(^auern unb leben 2Sie ber .^n^ rton i^rem DJiunb, 2;en fie mir einft gegeben 3n munberbar fü^er ©tunb.

S)em ftebt aber noc^ eine anbere Siebcölgrif gegenüber, bie mir nidit für möglich balten mürben, rocnn mir nur bie mitgeteilten groben fennten. Selbft ber überlegene ^Spott unb bie ^äl'k ber Setrad^tung fenngcic^nen ncc^ nidfit ganj ^eincö crotifc^e Sguü, mcnn fie von ,,SianenS" „fc^önen ©liebermaffcn" ober bem fc^oncn .fanbc unter ben Ser= liner Sinben rebet. ^mmer aber bleibt fie gciftreicf; unb anmutig, fie mirb nic^t finnlicfi plump mie fo oft bie oerrcaubte Spri! ber 3J?obernen.

Sticht nur bie Siebcölgrif ^eincä t)at ibre eigene DIote. ©in feiner Spott riefeit burc^ feine meiften SSierjeiler. c'Qeincö poetifd^e Tronic ging mit S^otmenbigfcit am feinem Seben unb feiner SBeItanfrf;auung Ijeruor. gür nichts E)atte er einen fo fc^arfen Slicf mie für mcnfc^lic|e ©c^mä^en. ©ö mar gcfäbrtic^, fein ?^einb, noc^ gcfäf)rli^er, fein greunb, gcrabe^u üerF)ängui§üoE aber, fein 3Seref)rcr gu fein, ©in paar 5tropr)cn aus bcr „§cinifef)r" mögen aU 33dfpiel bienen:

2)iefen liebengmürb'gen Jüngling ^ann man nic^t genug bere^ren; Cft traftiert er m\d) mit 5tuftcrn Unb mit 9R§einmein unb Sifi3ren.

3ierli(^ filjt il;m 9iücf unb <Q'öv<i)en, %o(i) nod) äierlidjer bie S9inbe, ' Unb fo fommt er feben 5[J?orgen, gragt, ob icf) mid; mof}! befinbe;

iSpric^t bon meinem meiten SRufjme, ÜJieiner Srnmut, meinen 25>it3en; Gifrig unb gefd^äftig ift er, HJiir 3U bienen, mir gu nütjen.

Unb be§ 5lbcnb§ in (35e)eIIid;aft, 5Kit begeifievtem öefid)te, Sieflamiert er bor ben X<imen 9J?eine göttlid^en ©ebic^te.

C mie ift f;oc^erfreuIic^, ■Süldjen Jüngling nod) 3U finbeu, ^efet in unfrer Qeü, mo täglid) Tleljx unb mefjr bie iöeffcrn fc^miuben.

^Treffenb unb äfeenb finb foId)e ©ebidjte, Iprifc^ finb fie cigcntüd) nic^t. Sar= lagmuö tötet bie Stimmung, ^n ^eincö Sprif fc^Iäft faft ftctö ein fleines X'eufcld^en,

188

T)a§ junge Scutfcf^Ianb uitb niibero politifd^c S)irf)ter.

bann and) biäracilcn oufuiac^t, äumal am S^Iiil, roie in bcm (Sebid)t ,,Scegefpcnft": auf bem ©djiffe faljrenb, ftarrt ber S)irf)tcr, in S^räumcrcicn oerfunfen, über SorD, biö iljii ber ^apitön beim %n^ ergreift itnb mit ben Sßorten äurüc!äief)t : „So!tor, finb Sie bes 2;cufclä?" ©o enbet auc^ ber romantifcfie Song oon ber feiigen .^nfcl „"^'i- mini" mit ber trübfeligen ^eftftcllung, ha^ mcnfc^fi^e Scligfeit im ©rnnbe nur auf bem 91id;tö uub bem SScrgeffcn beruhe.

^00^ gcrabc biefe 9^eigung gur poetifc^en ^ronie rocift ^eine nocö ftärfer jur Siüinantif f)in, bic fid^ ja buri^aus nici^t auf ©c^märmerei bef(^rän!tc. Uwb f)ier in „'Sintini" fingt er it)r ein le^tes Sieb, i^r oterbelicb.

SBunberglaube! blaue ^ölumt*, Xie nerfdjollcn jel^t, mie pradjtöoll 58iür}te fie im 93tenf(^en§erjen 3u ber 3^it/ t)Dn ber föir fingen.

GineS 93Jorgeng, bröutlic^ blül)eni>, 3:aud;te au§ be§ Djeane^ ^Blauen glutcn ein SJceertounber/ Eine gange neue 2öclt

©ine neue SlSelt mit neuen aj?eni"d;en[orten, neuen 33cfticn, 9?euen Söiiumen, Slumen, SSbgeln, Unb mit neuen 28eltfranff)eiten.

3JJan fiel)t, ^eine mürbe fic^ nid;t nergeben, feine ^l)antafie umf)erfd;mcifen 3u laffen, o^ne il)r am ©nbe ben ironif^en Seobad;tcr nacf)äufenben. 1>oä) l)örcn mit ben S^iomantifcr meiter, ber, roie bramatif^ einft ßlemcnö Brentano, je^t Igrifd) auf ^once bc Seon gurüdgreift:

©eltfam! 9Iu§ be§ SSunberglaubeng SSunbergeit flingt mir im (Sinne §eut beftänbig bie @efd)ic^te ^^on '3)ou ^nan ^oncc be ßeon,

2iveld)er gloriba entbedte, 5Iber jal^relang öergebeng Slufgefudjt bie Sßunberinfel (Seiner :2e^nfu(^t: 33imini.

3ur %a\)xt nod) Simini labet er nun feine Scfer auf fein auö ^rodiäen gejim=

merteä Schiff:

^^antafie fit^t an bem (Steuer, ®ute Saune blä^t bie (Segel, (Sc^ifföjung' ift ber 2Si^, ber flinfe: Db SSerftanb an Sorb? ^ä) li)eii"3 nid)t.

SBie man nac^ S3imini fommt, uub mie es bort auöfiel)t, baoon fingt ^once \>e Seonö Segleiterin, eine alte ^nbiancrin, baS berühmte Sieb:

kleiner S3ogel S^olibri, (^ül^re un§ nac^ 58imini, »fliege bu üoran, mir folgen ^n beiüimpelten ^irogen.

.Slleine§ 5i)"d)d)en 93ribibi, ^ü^re un§ nac^ S5imini; (S^luimme bu öoran, mir folgen 9iubernb mit befransten (Stangen.

9luf ber 3"f^I 33imiui 931üljt bic cin'gc 55rül)ling§münne, Unb bie golbnen 8er(^en jaudigcn 2Im Sl^ur i^r Sirili.

gerbinanb greitigratt;. 189

^cineö 2r)rif gcf)ört Der SSelt. 2)en f)eftigi"ten SBibcrfpruc^ f)Qt fic in ^eutfd;; lonb gefunben, roo mon fic oaterlanböloö f(^a(t. 9(ber ^eineö Eingriffe rid)tcu fid) iüd)t gegen feine ^eimat, fonbern gegen i§re bamoügen öerren unb ©inricfttungcn. ^eute ift Die 33af)n für fic frei. Unb tief fi|t boc^ in il)m eine rerljaltene Siebe ju aUcm ©cutfc^cn, iräfjrcnb er boö Unbcutfrfie mit graufamcm Spott gcrabe in bcr üölfij^en ©igcnart ju treffen roei^. ^olen I;at baö in Den „5.1icmoricn be§ Ferren üon Sdjnabclc- nwpöfi" unb in bem Siebe con bcn beiben cblen ^olcn quo ber ^ofodei erfaf)ren. So l^at es Denn immer Sefenner beutfdjcn ©eifteg gegeben, bie an6) ^cinc frcubig an:: erfannten unb feinen füf)nen Sluöfpruc^ als luaijr beftätigten:

^d) bin ein beutfc^er SDid^ter, Sefanut im beutfcien 2anb, 9ieunt man bie beften Diamen, So n^irb auc^ ber meine genannt.

Unb lüiiS mir fetjü, bu kleine, get)lt mand;em im beuti'djen Sanb; 9Jennt man bie [djlimmften Sc^mer^en, 0, tt)irb auc^ ber meine genannt.

^

2Ber fic^ nur mit Tloxai unb ^atriotiömuö ber Äunft gn näf)ern uevmag,

ben wirb ^eineö üielblättrige Stjrif notroenbig enttäufdien. 6r mar ein großer 5lünftler,

ber fid) um bie ^a^i feiner Sefer nid)t ju fümmern braucht. Unb raie oft Ijören mir

\\)n in ben 3KeIobicn unfercr ^omponiften! 2ßof)t fein beutfd;er Siditer ift fo oft ücr=

tont roorbcn mie er. @int)unbertunbfed)äigmal mürbe „'sDu bift raie eine Slume", uaFiegu

Ijunbertmot ,,Seife jie^t burd) mein ©emüt" in Tlu\it gefegt. Unb menn feine Sieber

nic^t immer bem Klange entfprcc^en, ber leife burc^ ein ©cmüt jiel)t, fo mögen mir mit

ben SBorten eineä feiner Sieber feiner geiftigen SSeranlagnng unb feineä ücrfolgten

Sebenö gcben!cn:

fiel ein SReif in ber grüf;ting§nad)t, ©r fiel auf bie garten S3iaublümelein, Sie finb oerlüetfet, oerborrcl.

4. S'fvöittanD ^rcitifliat^.

^urd; ^eineö ,,3ttta 2:rolI" flingen 3Serfe, bie Dott Spottcö finb über bcn „fc^maräen greiligröt^fd^cn 3Jlof)renfürftcn". ^n ber 5ßorrcbe nom 5)e5ember 1846 fud)t §eine ben ©inbrucf abjufc^mä^en, aiö t)abc er j^reiligratl) baburc^' Iierobfe^cn raoDcn. ,,33cbarf c§", fagt er ba, „einer befonbcren 5ycrmal)rung, ba^ bie ^arobic eincö ^reiIigrQtt)fd)cn ©ebid;teö, raelcfie ami bem 5Itta STroE mandimol mutmiöig ficrnor^ !id)ert unb gleic^fam feine fomifc^e Unterlage bilbei, fcineöroegö eine SU^mürbigung bee Di^terö bcaroedt? ^6) fd)äfee bcnfelbcn fiod;, jumal jc^t, unb ic^ sät^tc if)n ju bcn bcbcutcnbftcn 2)ic^tcrn, bie feit ber ^uUreootution in 3)eutfc^Ianb aufgetreten finb. Seine crfte Oebid^tfammlung fam mir fef)r fpät gu ®efid;t, näm(ict) eben jur ^üt, alö bcr 9ttta 'JroII entftanb. ßö mochte roof;I an meiner bamaligen Stimmung liegen, üa^ namentlict) ber 3)lof)rcnfürft fo bcluftigenb auf mid; mirtte." ^icfe 3(ncrfcnnung, bie ^rciligratf) gcjoUt rcirb, ift feineömegö ein nercinjctteö SeifpicI. „Seitbem bicfcr ^ier", fagte Sljamiffo oon i[)m 1838, „ju fingen angefangen I;at, finb mir alle Sparen/'

^ie Übertreibung, bie in ford)cn Urteilen unfcrer frud)tbarften ©eiftcr amiid;cn 1830 unb 1848 liegt, ertlärt fid) freitid; nid^l burd; grciUgratl)ö 3aiftretcn im poli^

190 S)a§ junge 2)eut[cr)Ianb unb anbete politifc^e Siebter.

tifcfjcn Scben unb ©id;ten. Unb an6) mx, raenn wir feinen Flamen f)ören ober nennen, bcnfcn nur [eltcn an bie 3»fo»nweni)änge, in bie er bod; rein äeitge|cf)ic^tli(^ in erfter £inie etuäurei^cn ift. ®a^ er nteiir luar alä ein politijc^er ©diriftftetter in b€n frü^^ rcoolutionären Saf)r§ef)nten, baä ijcht if)n über bie meiften anbern l^ier^er gef)örenben S)ic^ter f)inauS unb fiebert il;m eine ^ßorgugSftettung.

^ermann ^^erbinanb greiligratl^ würbe am IT.^uni 1810 aU ©o^n eines Sefirerö in 3)ctmoIb geboren. %üä) jeine 3JJutter ftammte auö einer Sef)rerfami(ie (aug g)tü[I)eim am Sifiein). (Sie ftarb bereitö 1816. ©rei ^a^re barauf ging ber SSatet bcö S)id;terö eine jweitc ©f)e ein, ber cier £inber entfproffen. 3^a(^bem gwei ©c^ireftern gcrbinanbö früf) geftorben waren, ■oerbanb if)n treue Siebe mit biefen jungen 6tief= ge[c^miftcrn Slarl unb Dtto, 5!aroIine unb ®i§berte. ^n benen, bie in ber ^linberjeit ben S)id)ter förberten, gehörte ©rabbeö ©ci^miegeroater, ber ^etmolber 3lrc^iürat (5(o[tcr= meier, ber SSerfaffer ber xcd)t betanntcn ©d^rift „5ffio ^ermonn ben 3Sarus fc^Iug". ^n ßloftermeiers ^aufe lernten bie beiben ^oeten benn auc^ einanber pcrfönlic^ fennen, freili^ erft 1830.

©eit feinem achten SebenSja^re ftürjte fid) ^^-erbinanb befonbers auf $Retfe= befc^reibungcn unb ©c^ilberungen frember Sänber, bie feine ^Ijantafie fortan faft uns auffiörlid; bcfc^öftigten. " ^nö SJtorgenlanb fül;rte ilju befonberg bie SilberbibeL ©^on in feinem fünfjcijnten ^afire nerfa^te er bie abenteuerliche „2ebenägefd)ic^te bc§ alten ©tcpl^an, eines SRatrofcn", in ber er bie ©c^icffale beö ^elgolönbers §oIm erjöfiit. ."Qier finben fid^ bie erften SSorflänge ju feiner fpäteren „^iratenromouge" :

2luf bem SDede ber ©abarre

Siegt het ©c^eif ber S^riften'^unbe,

®ie crlofdiene 3igarre

SSon §aüanna in bem ^ERunbe.

^n feinem ©rftlingöbrama „SBenn bie $Rot am größten, ift bie ^ilfe am näc^ften, ober: S)as ©tüd Scinroanb", bef)anbelt er bie ^Rot ber f(^Iefifd)en SBeber, wie nacE) ii)m in tragifd^^fogiaiem ©eifte ©er^art ^auptmonn. ^^reilic^ finbet 3^reiligratt)§ äwölfjäfirige §elbin, bie fid^ nac^ 'SiiiU^a^i umfd;aut, einen dteikx in bem neuen (Sutsbefi^er. ©«in fpätereS ®ebid)t „2Iu§ bem fc^Iefifc^en ©ebirge" (1844) nimmt benfelben ©toff noc^ einmal ouf, je^t aber mit gan^ anberer Söfung: ber breijefinjäl^rige ^nabe gel^t bei bem 5ßcrfuc^, ^üh^al)[ bie Seinmanb gu cerfaufen, jugrunbc.

3{tö Primaner t)crlic^ g^erbinanb baö ©gmnafium, um nac^ bem Sßunfdfie feines unbemittelten SSatcrö ilaufmann gu werben, unb; trat in ba§ JloIoniat= unb ®arn= gefd;äft feines Dl^eimä ©d^wollmann, bes Sri^berS feiner ©tiefmutter, in ©ocft etn. ©eine freie 3cit benu^te er bagu, fic^ weiter ju bilben unb fic^ cor aEem bie englifd^e ©prad)e bis ju if)rer oöUigen 33ef)errfd)ung anzueignen. ®er ^oefie wibmete er fid^ befonbers wäf)renb eines 33ruftIeibenS, bas il^n gwang, aEc anftrengenben 3lrbeiten ju meiben unb ganje S^age im Dbftgarten feines Df)eimS cor ber ©tabt ju üertröumen. 1827 gab fein SSater fein Stmt auf unb trat als ^eif^aber in bie ©oefter j^irma feines SSerroanbten ein, fo ha'^ ber S)ic^ter nun wieber im S(ternf)aufe leben fonnte. 3"5"'M"'^^" Jjatte if)n bie erfte Siebe ergriffen ju ber ©d)wcfter feiner ©tiefmutter, Caroline

gerbinanb greiligmt^. 191

Sd^njoIImann, bie, jefin ^aljxc öfter alä er, if)n mcl;r aU Sruber anfaf) unb befjmiöelte, aber gern on feinen fünftlerijc^cn Steigungen tcitnafim unb ouc^ feinem SSater, obrool)! fie fd;on einen Bräutigam burd; bcn Job uerloren I;attc, bei einem gemein|d;aftlic^en 33efu(^ beS ^ird;i;ofä üerfprad), J^i^öinanbö SBcrbung nid;t jurüd^umeifen unb iljn nie ju oerlaffen. ®in '^al)x barauf (18^) [tarb bor SSater im ^(Iter von 45 ^a^ren. '3)0? mafs entiftanb, DieEeid)t angeregt burd; bic S3ctrad)tung „^cgräbniffe auf bem Sanbc'' in Si^ingS ©fijäcnbudö, ?^reiligratf)ö @cbid)t „Scr Siebe ^auer", ha^j er jeboc^ nic^t in feiner erftcn Sammlung, fonbcrn crft 1848 ocröffcntlidjte :

D lieb', folang bu Iieb«n !annft!

D üeb', folang bu lieben magft!

3)ie Stunbe fommt, bie ©tunbe fommt,

SBo bu an ©räbern fte^ft unb flagft ...

@r aber fie^t unb f)ört bic^ nicf)t, Sommt nic^t, ha^ bu iE)n fro^ umfängft; 2)er SRunb, ber oft h\d) fü^te, fpricf)t 9iie Ujicber: „^dj öergnb bir längft."

®ro|en ©influ^ übten ouf if)n bie „Orientales" SSiftor .^ugoö au§, bie 1827 er= fd^ienen unb feiner eigenen epotifc^en ^ocfic neue Stnregung gaben, ^n jener ^e\t fd^rieb er in größerem ^^Mömmenl^ange (Söintermörc^cn), ber fpäter üerfd^roanb, bie ©ebid^te „S^ebo" unb „^ie 23ilberbibel". 9^od^ einen anbem Hnfto^ gab if)m granf= teic^ : Samartineö munberDoUe „M^ditations po^dques ", oon ©uftar» Bd)roah in§ 5Deutfc^e übertragen, oeranla^ten il;n fc^on früf) ju eigenen Überfc^ungSoerfuc^en. Saffo, Strioft, ^oraj, 3tuafreon, Scott ('Saüabcn unb 9?oman3cn), SSorböiüortlj, Sgron unb ßolcribge ruurben üon if)m in einzelnen 5:ei[en iljrer ^ic^tungen oom ^al)xz 1826 ah poctif(^ üerbcutfd;t. Seine eigenen ©ebid^te lie^ er im „Socfter SBoc^enblatt", im „Sonntagöbtatt" unb anberen 3<^it"JT^9<^" oon feinem 18, 3al;re ah erfd^ einen.

Stm 18. Januar 1832 überfiebelte er alö 33ud;^nltcr nad; SImfterbam in baj> ®ro|f)anbcI= unb SBec^fetgefc^äft ber j^irma ^afob Sigrift, bereu Seiter ein 3)eutfd;er namenä ?^ranf mar. ^ier blieb er biö jum Sommer 1836.

'änd) in ber ^oIIänbifd)cn ^afcnftabt rcar gunäd)ft fein einziger SSertrauter bie je^t ferne Caroline, mit ber er fid; in^raifdien mirüid; oerlobt f)atte. Seine 2Bof)nung lag in ber 9^äf)c ber jefeigen Uninerfitöt. 2)en ganjen ^ag über blieb er jebod; an büö Kontor gefcffcit, racnnglei^ er auc^ Ijier biSroeilen 2)ic^tungcn, j. 33. ©octf)eö „2BiII)eIm 3)Jcifter" lefcn fonntc. „^d) erinnere mid/', fd)rieb er fpäter (am 7. ^uni 1838) an ^app, „noi^ fef)r root)l beö genftcrpultö auf meinem 3lmfterbamer ilontor, roo ic^ unterm Sd;irm eines mäd)tigen 9tcdjnungöbud)eö bcn „5)?eifter" im ^aljxc 1832 guerft laö. 3u meiner Seite ein breiter i^anal mit Sd)iffen unb 5läF)nen, um mi(f> t)erum Summen unb 9ied;ncn, üor mir mein goliant unb im £üpf baö klappern Don ^[)ilinens Pantoffeln, 9Jiignong eiertanj unb 5mifd;cnburc^, luie SU^e meinem Sd^äbel entjudenb, eigene Sieber, bic bann meift gleid; an Drt unb Stelle auf jerriffc= nen 3Rcd)nungcn ober Briefen nicbergcfc^vicbcn mürben."

192 Stt-j jungi- Scutfcijtanb unö anbcvc politifdje Did;tei-.

Stmftcrbam bot il)m reichen ©toff gur Setrarf)tung unb gur S^räumerei. ^ie ©rarfjtcn, taö ücrfc^Iungenc ^äufcrgeipirr unb üor allem bcr ^ofcn sogen jeinen @etft, bcr nun fc^on fo lange äum grembartigen neigte, nniüibctftei)ttd; an. Dft untetf)ielt er fid; mit (Seeleuten, bereu Grää|)luugen jeiue ^f)anta[ie berei(f)erten. ©er Djean unb allccv maö jenjcitö lag, bel;crr]ii)tc fortan auc^ feine ^oefie. ®ie ©c^iffe, bie er narf) ^nbicn unb Imerüa faf)ren faf), begleitete er mit feinen SSerfen. ©erabe am (Snbe beö brüten ^atirjel^nts, fur^ beüor greiügratt) nacf) 2tmfterDam !am, fe^te bie gro^e Sluc-manberung namentlid; beutfc^er Sauern nad; 9lorbameri!a ein, roo befonberö ha§> (Sebiet am 3)iiffouri Süifieblern empfoI)Ien ujurbe. ^m %nhl\d beä bunt beroe^ten S^reibenö bei ber ©infd^iffung beutfi^er Sanböleute, bie if)n felbft mit aUen feinen @e= banfen gurüd in bie ^cimat füi)rten, fi^ricb ber ©i^ter feinen bcrüijmten ^tagegcjang „5Die 2lugroanberer" (1832) :

3d| fann ben Slid itic^t bon eud) loenben, ^4 witfe ^"^ anfdjoun immerbar, SSie reicht iljr mit gefc^ä[t'gen §änben S)em ©d)iffer eure ^ahe bar.

3n bcmfelben ^aljre entftanben u. o. bie ©ebic^te „Sie 3:anne", „5Sier 5Ro^fd^meife", „2tn ätfrifa" unb „^afengang", 1833 „3}{eerfabeln'', „©ie S^oten im 3«eere", „2)eö 5Räuberä Segräbniö" (fpäter „33onbitenbegräbniö") unb „g^Ioriba of Soften".

Sei ber Übertragung üon Sütor §ugoä „Ödes et Poesies diverses" (1835) lernte er ben ätlepanbriner nöf)cr fennen, ben er bann, freilid; o(;ne S'^inx, für feine eigene £t)ri! benu^tc. 2)icfcr SerSart I)at er ein befonberes @ebid;t geroibmet:

(Spring au, mein 2Sü[tenro^ au§ Sllejanbria!

5Kein Söilbling! (Sold) ein 2:ier belüiiltiget fein <Sd)a§ . . .

S)a§ ift ber IRenner nidjt, ben Soileau gejäumt

Unb mit ^ranjofenmi^ ge[(^ulet!

S)er trabt bebäd)tig burc^ bie S3a^ am Seit^aum nur;

©in §eerftra^graben ift bie leibige ßöfur.

3Bie oft bei ^reiligratl^ finb aud) biefe Serfc oerftiegen unb unnatürli^. 2Bir fönnen nic^t leugnen, ha^ unö bie 9J?cf)räat)I feiner I)Oc^gepeitfd)ten epotifdien ßieber mit if)ren orientalifd)en ober ogeanifc^en Silbern unb grembrcortern nid)töfagenb Hingt, unb nur rcenige ron i^nen laffen wir um if)rer ganj tollen Driginalität luiEen noc^ gelten, oor allem ben „Sömcnritt", ben er in einem S^teftaurant im 3lnf(^auen tanjenbcr ^aare fongipierte:

SSüftenfönig ift ber Sörtje; ttjill er fein ®ebiet burd)fliegcn,

SSkinbelt er nac^ ber Sagune, in bem ^o^eu Sd;i(f ^u liegen.

2Bo ©ajetlen unb ©iraffen trinfen, fauert er im Slo^re;

3itternb über bem ©emalt'gen raufest baS 2aub ber ©t)!omorc.

Diefer ritterüd^e SBüftenfönig fui^t fid) als SReittier eine ©iraffe an^. „Wü ©ebrüü ouf il)ren SRaden fpringt bcr Söwe; mel^ ein 9?eitpferb! ©af) man reid^ere ©d)abraden?" S)ie flüc^tcnbe ©iraffe trägt if)n nun roie im ?5Iuge burd^ bie gange Sßüfte:

gerbinonb grciligrati^. 193

ilaumelnb an bev SSüftc Saunte ftür^t fic ^in uub xöd)clt kife. ^ot, bebedt mit ©taub uub Scijoumc, mirb ba» 3^oß be§ 9ieiter§ Speife. Über 9[J{abaga§f<ir, fern int Cften, [iefjt mau 5"i-"ü^licf)t glänzen; So bur^ipvengt ber 3;iere Sönig uärf)tlic^ feinet ^Rcic^e^ä ©renjeu.

SBoIIte CS ^eute jemanb mageu, ein folrfieö öebicfit bcr Dffcntlic^feit anjubietcu, fo lüürbe man tf)n oiclleic^t bcm Spott prciögebcu. 9tur oon gretligrat^ laffcn mit unö eine folcEic 2Bü[tcnpoefic gefallen, bic ju feiner '^ch an6) ben nüchternen ÄritÜer beraufi^tc. ®abci ift ju berüdfi^tigen, ba^ 2Be(treifen uub größere 2;icrpar!-j bamalö ben SBcItiüunbcrn äujugäfilen waren. 3)ian ftarrte nod) nicE)t auä afrüanifc^en Suruöfjotelö gelangiüeilt auf ben Sßüftcnfanb ^inaue.

^cv ,,2ön>enritt" erf(f)icn 1835 in bem üon Sd)raab unb ©t)amiffo f)erauö= gegebenen „1}cnt]6)c\\ 3)iufenalmanac^". 1838 neröffcntltdite ?^reiligrati) bei ßotta eine Sammlung feiner ©cbi^te. S)urcf) bic fc^mäbifd^en 1)icf)ter unb cor aUeiu Durrf) (Ef)amiffo luurbc er Greifen naf)cgebra(f)t, Die einen ganj anbercn ©influ^ ausribten alö bie Sefer ber bisher oon \i}m bcbad)ten Leitungen. UnmiUfürlirf) ftcUte er nitn felbft t)öi)ere 3lnfprü(^e an ha^ Seben, baö \i)m bic Jlontorarbeit nid)t mef)r auöäu^ füllen DermocE)te. Stnbcrcö fam ^in3u, um i§n jur 3(ufgabc feiner SteEung ju Dcr= anlüffcn. „SBcniger »lein ehemaliger S[Btberit)ilIe gegen ben Ä'aufmannöftanb", fd)rieb er am 15, 3J?ärä 1837 an Sc^ronb, ,,alö üielmef)r meine töglirf) juncf)menbe 5tbneigung gegen bas falte, neblige c'QoIlanb unb bic Überseugung, 'i>a^ idj meiner frumm gcfeffenen 9}iafc^inc eine 3htäfpanuung |cf)nlbig fei, liefen mic^ f^on im 2ßinter 1835/36 Den enifc^lup faffcn, mein 3(mfterbnmer ^crtiältni^J aufäulöfen. häufige SScrbrieplirf»- feiten auf bem Slontor unb eine mir burc^ bie Salärerl)ö^ung eines ÄoUcgen lüibcr- fat)rcne perfönlidje 3"i^iirffc^itng bcfcf)leunigtcn bie 3luöfül;rung/' So uerlic^ er benit im Sommer 1836 Slmftcrbain.

(So ift minbeftenö 5meifell)aft, ob biefer Gntfrf)lu^ glüctlic^ roar. ®ic fpätcren 2ßerfe bcö 2)id)tcrö bringen bafür jebenfallö feinen Sciüciö. ©ö ift ber 3tmfterDamer ?^reiligrat^, ben bie unpolitifc^ gcricf)letc 5lad)melt fennt. ^""äc^ft füf)ltc er in Soeft, Da^ Caroline, bic jc^t 38 ^üi)xc alt mar, i^m nid)t mel)r \)at> fein fonnte, roa^ er fritber crf)offt l)atte. ^n 33armcn nal)m er eine StcUe alö Su^^alter an. ^n 5Büften, Uriralb, ^nbianern, Räubern, Sflaucn unb bcm mciten 3J?eere loill feine ^^oefic fortan nic^tö mel)r 3U tun l;aben. Xn Grfolg feiner je^t crfc^eincitben @e- bici)te liep il)n ben üerf)ängniööoIlen S^crfud; raagcn, fünftig üon bem Grttage feiner i^cber ju leben, ©r perlie^ Carmen, um junäc^ft ntit bcm ^öerlincr ÜJialer Sc^liduut SCBeftfalcn ju burc^manbern. ®aö mar im ^uni 1839. ®ic if}m angebotene Stellung eineö fi"trftlicf)en Sibliot^efars in 2)etmolb lc{)ntc er ab. ^n Unfcl am 3i^ein, nal)C bei iRolanböcd, lie^ er fic^ für längere 3eit nicbcr, nur mit feiner 9Kufe unb feinen i^reunbcn befd)äftigt, ju bcnen jeöt ctud) ^mmermann unb Seoin Sdjüding gel)ürteii. Slnnctte uon ^rofte Ijatte eine 3<^iil«"fl ^»^ 31bfic^t, mit Sc^üding, grciligrat^ unb 3lbele Sd;openl)auer jufammen ein Sanbgut ju bcjicljen, um ganj bcr ^oefic ju leben, daraus mürbe nichts. W\t 3Jia$crat unb Simrod grünbete ^rciligratl) Damalö bao „9il)cinifdje 3al)rbud) für 5lunft unb ^oefie", ta<j jum crftcnmal 1840 erfc^ien.

Oc^lfc. S>ie bcutfc^e aitctatut fcU ®oel^eS 2obc iifro. 13

194 2>a§ junge Seutfd^Ianb unb anbcre politifc^e ©id^ter.

Sn bie[em 2t<i|re lernte er im ^aufe feines 9^ad;bars, beg Dbcrften oon Steinäder, bie 22 jäl)rige ©rgie^crin ^ba 3)teIoö, Xod^ter eines SÖeimorer ^rofefforä, tennen. 3Uä Äinb l^atte fie auf (SoctI)e§ ^nien gefeffcn unb mit feinen beiben ©nfeln gefpielt. Sie mar ebenfo mie ber S)ic^ter üericbt. ^eibe löftcn il^r 3Ser[öbniö unb ijaben einanber b^s ^aroort. 3tber boö ^erauptfein fc^merer ©c^ulb Caroline gegen; über, bie fici^ gramooH in boS UnabänberlidEie fügte, I)at ben ©ic^ter nie ganj Derlaffen.

Um feine 3"^""!^ fic£)erer gu gcftalten, reifte er über SBeinöberg, wo er ^uftinuö ferner auffuc^te, ju ßotta, mit bcm er bie weitere Verausgabe ber ©ebid^te orbncte. Sn ®ro|;9Jionra, n)ot)in bie 9Jiutter feiner S3raut 1832, üier ^at)re nacb Dem '^obe it)reö ©otten, übergefiebelt roar, üerlebte er einige frot)e Sßo(^en unb au^ noc^ furjem ^loifrfienaufent^alt in SBeimar ba^ SBcil)nad)täfeft. ^ie $8ermö^[ung fanb am 20. 3Jiai 1841 in bem ®orf @ro^=?leu^aufen bei äßcimar ftatt. 3^o^ in bcm- felben SRonat 50g bas ^aar nad^ ©armftabt, wo nun ron ber 3)ic^t!unft ju leben galt. Vier entftanb int S^ooember 1841 ha^;> ©ebic^t „3tuS ©panien", in bem bie befannten SSerfe auftaurfien:

®er ©id^ter fte^t auf einer I)ö|ern SBarte Stiä ouf ben 3innen ber ^'artei.

(Segen biefen Stuöfprurfi raanbte fid; bann ^cxwt^l) in bem Siebe „^Die Partei":

©elbft ©öttet ftiegen Dorn DIt)mp l^ernieber Unb fämpften ouf ben 3innen ber Partei. *

3luf Sßeranlaffung beö ^anjlers oon SJiüHer unb 2llejanber üon V-^i^^oIbtö raurbc bem ©id^ter non ^^riebrid^ SBil^elm IV. ein ^at^reSgel^alt üon, 300 3!alern Derlief)en. Später foHte er eine StnfteHung an ber 33erliner Vanbelsa!abemie erhalten. 1842 oerlegte er feinen SBo^nfife üon ^armftabt nac^ St. ©oar am 3flt)ein. Seine crterartig oorgebaute SBot)nung bic^t am Strome taufte er nod) beren 33efi^er, bem 3lpot§eter ^t)I, „^t)Huni". 2öäf)renb biefeS rl)einifd)en 2tufcnt^alts, fc^on im Sommer 1842, fal^ er riele berüt)mte ©öfte bei fid^ monatelang Suife üon ©aU, bie fpälere ©attin Si^üdings- unb ]ä)lo^ ^^reunbfc^r.ft mit ^anxx) SongfeEom, ber bama[§ in SRarienberg bei $8opparb lebte. 3tm 16. September mürbe er auf einem 33aE in Äcblenj auc^ ?^riebrid^ 2ßilf)e(m IV. norgefteUt. ätufgefu^t raurbe 3^reiligr<it§ in oer ?5oIge au6) oon ©eibcl, 3luerbad^, ^infel, ferner, Sapl)ir, ^offmann üon ^^aUerSleben, 2IIefiä unb Stnberfen. ©eibcl mibmete biefen Erinnerungen feine ©ebdc^te „3lbf^ieb oon St. ©oar" unb „9tn ^^reiligrat^".

Tlit ^^reiligratt) üolljog ficE) in biefer 3eit eine politifcE)e SBanblung: oon all= gemein liberalen 3lnfrf)auungen ging er über jur fcE)ärfften bemofratifd^en Dppofition, rooju befonberö beitrugen bie ScfdE)rän!ung ber ^re^frei^eit, bie SSerftörtung ber 3enfur unb bie £anbtagöabfrf)iebe aus bem '^qI)xc 1843. „ßö mürbe", fd^rieb er nm 3. gebruar 1844 an ScE)üc!ing, „bie ©renjen eines ^Briefes überfdEireiten, roenn it^ bir i)m entroideln rooUte, roie idE), feit mir uns jule^t fatjcn, burc^ Stubium, 9iacf); benfen unb oor unfern 3(ugen töglic^ fic^ jutragenbe ^'aüen immer roeiter HnfS ges

gcvbinanb gvciligrat^. , 195

brängt loorbcn bin; irie iÖ), oI)ne bie 9?CDoIution ju rcottcn, kniiocf) einfef)e, "oa^ bie ^Reform nottut. . . . ^d^ mu^ baä log fein, irf) roiE meiner Überzeugung gcmä| bie reine unjroeibeutige Stellung einncf)mcn, nad) ber meine Gf}r(id^feit lec^jt, ic^ irf)Ioge bem %ü^c ben Soben ein."

2tm 3. 9Jioi 1844 fiebcite er m6) 2(^monn§f;auicn ükr. (Segen bie ^ronc, luie bog ©c^tu^gebid^t auöbrüdlirf; fagt, richtete er je|t (1844) eine Siebcrfommlung, Die er ,,®Iauben§befenntniä" betitelte, ^^rcilii^ entfpric^t hierin burc^ouö nic^t aUeä ber politifc^en ©runbtenbeng. Sei ber Verausgabe beö 33uc^eö oeräicEitete ber Xic^ter auöbrüdlid^ auf fein Saf)re§gcl)alt. $r)o er ftd; in ^reu^en nid^t me^r fieser fül)ltc, ful)r er nad^ einem 58cfud^ bei feinen 2tngel)örigen nad^ SScI^ien, bann nad^ ber Sd^etj, lüo er bei 9?appcrörDt)l am ^üric^er See ha^ Sanbl)auö 2Regcnberg mietete, ^ier rourbe i^m 1845 feine ^oc^ter £ätl)c geboren. ?^rünj Sif^t fpielte il)m l^ier feine itompofition be§ Siebcö „D lieb, folang bu lieben fannft" üor. 9Iuc^ üon ^cinri^ 'oticgli^ rourbe er befuc^t. Salb fiebcite er inbeffcn na^ ^ottingen bei ^nxxi} über. 184(?öeröffentlic^te er fecf)ö ©cbid^te unter bem ^itel ».^a ira", bie baö ^koolutionä; lieb „Sor ber %al)xt" nac^ ber 93Jelobie ber 3)larfcillaife eröffnet:

3E)r fragt erftaunt: SSic mag l^ei^en? 2)ie Slntioort ift mit fcftem Xon: SBie in Öfterreic^ fo in ^reu^eu §ei^t ba§ -Sd^iff: „$Reüolution!" |)ei^t ha§> ^d)i\\: „gteoolution!" (S§ ift bie einj'ge ri(i)t'ge ^-ä^re 2)rum in ©ee, bu fccfer ^irat! 2)rum in ©ee unb tapre ben Staat, S)ie berfaulte fc^nöbe ©aleere!

grifd^ auf benn, fpringt ^incin! '^xx\ä} auf, i>a^ ^ed bemannt!

©to|3t ah\ (Sto^t ab! S!ü^n burd; ben (Sturm! Su^t 2anb unb finbct2anbf

Xo^ erft, bei fd/mcttcrnben Xrommeten,

9tod) eine ,^meite milbc Sc^Iac^t!

©djmar^cr Sranber, fd^Ieubrc 9kfctcn

3n ber ^irc^e fc^einl)eirge 3)ac^t!

3n ber ^irc^e fd;einl)eirge ?)ad;t!

5luf bc§ S3efi{3e§ ©ilberflotten

$Ri(^te füljn ber Slanonen Sc^lunb!

2Iuf bc§ SJicereg rotligem ®runb

2o^t ber §abfu^t Sc^l5e oerrotten! *

grifd) auf benn, fpringt hinein! '^n\d) auf, ba^ X-ed bemonnt! <Sto^t ah\ Sto^t üh\ STii^n burc^ ben Sturm! Suc^t öanb unb finbet2anb.'

C ftoljer %aq, menu fold}C Siege 3)a§ Sdjiff be§ S3olfe§ fidj erftritt! SBenn, gu Soben fegelnb bie 2ügc, 3um erfe^nten föeflab" glitt! 3uni erfe^nten ®eflab' glitt!

13*

196 ®a§ junge Seutfc^Ianb unb anbcve politifc^e Sicfjtev.

3um grünen ©tranb ber neuen ©rbe,

SSo bic gtei^it §CTTi(^t unb b<i§ 3Rc(f^t,

9Bo fein SIrmer [töf)nt unb fein S^nec^t,

no [\ä) fel&er §irt ift bie ^erbe. grifd^ auf benn, fpringt hinein! grifc^ auf, baö S^ecf bemannt! ©to^t ah\ ©to^t ab! .^ü^n burd^ ben ©türm! ©u^t 2>anh unb finbclSanb!

253o nur ber 6intracf)t '^ai^nm hDe^en, 2Bo un§ fein §aber me^r ^erftücft! S5Bo ber 2Renf(^ öon ber 9Kenfd^l)eit §öt)en Unentcrbt burdj bic ©(^öpfnng blidt! Unenterbt burrf) bie ©c^öpfung blicft! D neue SSelt, nac^ ©türm unb gei)be Söie erquidt un§ bolb bcine 9lul)!

5ine ^er^en pocf)en bir p

Unb ber Sranber liegt auf ber 3Reebe!

grifc^ auf benn, fpringt ^inein! e^rijcf) auf, ha§> S)ed bemannt!

©to^t ahl ©to^t ab! Stü§n burc^ ben ©türm! ©uc^t ßanb unb finbetfanb!

(So ift, qIö {)obc ber ©ic^ter nicE)t nur boö ^jofir 1848, fonbern aucE) ben 9lo: nembcr 1918 bis in jebe @inje[f)cit i)inein oorQuSgefeI)cn. 58efonber§ bog eierte BtM ber ffeincn Sammlung, betitelt „2öie man'ä nw^t", gibt bafür roettere ^Belege:

ein 2Rurren aber rollt burc^'§ §eer: „'äud) to'ix finb SSoIf! 5E?a§ föniglid^!"

Unb plb^Iic^ bor bem S3ettelfa(f fenft tief bie 5lblerfa§ne fic^!

SDann Su&c^'^i^ci- »SSir finb mit euc^! ®enn tüir finb it)r, unb i()r feib wir!"

„Canaille !" ruft ber Slommanbeur rei^t ein Seutnant i§n Dom S:ier!

Unb föic ein ©türm ^ur ^auptftabt ge§t'§! Stnfc^toillt i^r 3"9 lan)inengleic^! Umftürät ber 2§ron, bie Strone fällt, in feinen Stngeln ädf^t ha^ Sfteic^! Stug S3ranb unb S3lut erf)ebt bag 93olf fieg^ft fein lang vertreten §aupt: SBe^en §at jeglic^ ®eburt! ©o ttjirb tommen, elf' ii}x glaubt.

3>a ber ©ic^ter einfa§, ba^ er con feiner ^eber auf bie 2)auer bo(^ ni^t mit feiner ?^amilie lekn fönne, ging er im Sommer 1846 nac^ Sonbon, um roieber Jlauf= mann gu merbcn. 3)a§ ®cbicl)t „3^ac^ ©nglanb" malt feine Stimmungen:

SBörft bu einzeln, ernfter ÜRann,

©agt ic^ bir: „Sleib' auf ber SBelle!

SJZeibe 2iliput fortan,

©ei be§ ©lementS ®efelle!

Gintag§unru§', (Sintagäftreit,

SSoU' auf meinen ©runb fie tauchen!

Dbem ber Unenblid)teit

2afe micf) in bic 33ruft bir ^ucf)en!

Slber nid^t bei 3JJaft unb 3^au, ^Zic^t auf ^laufen, fturmburc^näfeten - 3arte Slinber, mübe grau SSollen toanbeln auf bem geften! 2>orum, h3o bie (Srntc maüt, 2Billft bu fä'n unb millft bu pflanzen; SBo ber Särm ber ©tobte fc^aHt, 90?it im ®liebe inillft bu fc^n^cn:

§luc^ ein 3Kann, ber ©teine brid)t: Stud) ein 9JZann in ©ifenl^üttcn! Öaffe nur bem Sltltag nic^t SDcinc 2)i(^tung bir berfc^ütten! ©ci, ber gtoiefacf) reifig fte^t 2luf ber frifc^ erfämpften ©renäc: 2;agclöl)ner unb ^oet, (Sine bcibcv Stürben .^rän^e!"

gerbinanb gieiligratO. 197

Slm^eftcHt in bcm ^anbclö^ufe §utl; & So., jog er ba(b neue geiftige j5rcunbc in feinen Äreiö, barunter Sulroer unb ^cnngi'on. (Sin 5)cQbc^en, baö jcbod) halb ftarb, unb ein Änabc, mö) (Soetf)e SBoIfgang genannt, raurben x^m geboren, ^ie 3trbeit nm baö Srot aber faftcte um fo fc^iücrer auf x^m, unb bie Smpfinbungen kr armen 5?äf)crin in feinem narf) ^I;omaö ^oob gcbic^tcten „2ieb com ^cmbe" motten bamalö mebr benn je bie feinigen fein:

Sd^affcn ©cfjaffen Sc^ffen,

33ig ha§> §irn beginnt ju rollen!

«Schaffen ©c^affen ScfKiffen,

35i§ bie Slugcn fpringen irollen! ....

C ®Dtt, b<i^ 33rot fo teuer ift

Unb fo mo^Ifeil Jvicifcf) unb 33lut ....

'äd) ja, nur eine '^xi\i,

3Bie fur^ aud) nic^t ^ur greube!

yiein, au33Utt)€inen mic^ einmal

So redjt in meinem 2cibe.

^iefcö 2ieD trögt baö 3)atum: „ßonbon, (Sommer 1847." t)od) nun !am tau ^ahx 1348, tam bie 9?er)ohition, bie er nod) uon Sonbon au§ begleitete mit ben 2iei>crn „3m ^oc^ianb fiel ber erftc '£cf)nfe", „^ie iRepubiif", „33crlin" unb „I^aö 2ieb vom Xobe".

Xie ^reif)eit bort, bie ^rei^it !)icr,

®ie 5"i-'6i^cit je^t unb für unb für,

Xie ^reiljcit ring^ auf ßrben!

So fang er im c^oc^Ianböliebe. 3" bcr ^9RepubIi!" beginnt er mit ben 3Scrfen:

, Sie SRepublif, bie JRepublif!

^err ®ott, ha^ war ein Schlagen! 1)a§ ttxjr ein ©ieg au§ einem (Stücf! 2)a§ mar ein SSurf! bie SRepublif! Unb alleö in brei Ziagen!

So war es 1848 eigentticf) nic^t; aber ber 9., 10. unb 11. 9?0üember 1918 Ijabcn biefc ^oefie jur SBirtüc^fcit gemacht, irr fät)rt bann feurig fort :

2öer rebet öom ©nt^iüeien?

2Ba§ S3öIfer^B! ^ie Tiepublit! ....

S3on ^cute an bie 9?cpublif!

3tt>ei Säger nur auf ©rbcn:

SDie f^reien mit bem füt>nen S3lirf,

5)ie ©flaoen, um ben $)al§ ben ©trief! . . . .

^cin Kriegen mef)r unb Spalten! *

9hir feflcr Sunb ju Sieb' unb ©lürf!

ycur Srüberfc^aft bie 3\epubli!!

Unb menfc^Iicf) ld)ün ©ntfatten! ....

SBo^Ian benn, 9}^ein unb 6ibe!

Sonau, mo^lan bie i}\epublif!

^iefeö @eöirf)t ift nm 26. gebruar 1848 Dcrfa|t. ?(m 2b. ^är^ fc^rieb et in bem (5Jcbid)t „33erlin" bie 5ßcrfe:

198 2)a§ junge Seutfc^Iaub unb anbeve poütifdEie ©id^tcr.

SDa^ ®eut[<f)I<jnb flarf unb einig fei, SJ>a§ i[t anä) nnfer 3^ür[ten! '^oä) einig n^irb nur, iwnn frei, Unb [r€i nur o§ne dürften.

%nä) F)ier nncbcr ^at nic^t baö ^afjr 1848, fonbcrn bog ^a})x 1918 beä ^ic^terö

Hoffnungen erfüllt, ^n leibenfc^aftlid^en SBorten feiert bog „Sieb rom 5Cobe" bcn

Xob ,,für bic 5Kenfc^F)cit, ha^^ 3SatcrIanb", ben 33cfreiertob, ber ficEi I)ier felbft an bie

Kämpfer wenbct:

Unterm blauen, luftigen ^immelg^elt,

SDa burc^flieg' iä), ha Itct)t' iä) bie jaucfiäenben 9ftei^n; ^a merf iä) fie ^in auf ba§ ?Iderfelb, Stuf bie S3tumenflur, auf ben ^pflofterftein!

©g litt ben 2)ic^ter nun ni^t länger im Sluölanbe. ©c^on im 3J^oi 1848 langte er in ©üffelborf an, oon ben ©leic^gcfinnten mit ^ubet begrübt, ^m ^uli entftonb fein berül^mteö (Sebic^t „S)ic ^oten an bie Sebenben", ouf ©runb beffcn er angeflagt, cerliaftet, cor ein (Sefc^morenengerid^t gcfteHt, aber freigefprorf)en mürbe. SBie ein STriump^ator mürbe er an biefem ^age, bem 3. Dftober, non ber 58olf§menge nai^ feiner SBo^nung geleitet, ^enes ©ebic^t erinnert un§ raieber möc^tiger al§ irgcnbein anberes an bie ©reigniffe, bic crft 70 ^ol^re fpöter eintreten fönten, an ben 5iQoember 1918. ^öreu mir nur einige ©djln^uerfe :

6udö mu^ ber ©rimm geblieben fein o, glaubt un§, ben ^otcn!

(£r blieb eud^! ja, unb er ermac^t! er mirb unb mu^ ermac^en!

S)ic §albe Sfteöolution gur ganjen mirb er marfjen!

®r hKiTtet nur beB 5lugcnblirf§: bann fpringt er auf atlmäcljtig,

©e^obnen Slrme§, me^nben §oar§ bafteijt er milb unb präd^tig!

S)ie roft'ge S3üd^fe legt er an, mit g-enftcrblei getaben:

SDic rote ga^nc lä^t er me^n \)oä) auf ben 58arrifaben!

©ie fliegt öoran ber SSürgerme^r, fie fliegt öoran bem §eere

3!)ie 3:§rone ge§n in g-lammen auf, bie dürften flie^n jum Tiectel

2)ie Slbler flie^n; bie 2'ö)X)cn flie§n; bic J^Hauen unb bie 3äl}nc!

Unb feine 3uEunft bilbet felbft baä S3olf, "i^a^ fouüeränc.

SBenige SBod^en barauf jog ?^reiligratl) nac^ ^öln, möl)renb f(^on bie (Segeu- reüolution in oollcm (Sänge mar. @r trat in bic ©d^riftlcitung ber „'J^eucn 9f?l)cini= fdjen 3ßi't'""9" ein unb lie^ baneben bas crfte §cft ber „5Reuercn politifc^en unD fojialen ©ebic^te" erfc^cincn. SBieberum mit 5ßcr^aftnng bebrobt, ging er nacb ^oUanb, bann, üon l)ier auögcroicfcn, alö ^cijer uerflcibet nac^ ^öln, r>on "oa naä) Sil! bei SDüffclborf unb fc^lie-^lic^ inieber, nac^bem haS^ gmeite ^cft ber „!lteucren politifc^en unb fojialcn ©cbic^te" erfc£)icncn mar, im 9Jlai 1851 narf) ©nglanb. '^m folgcnben '^a^ie raurbe il)m l)ier in ^acfner), einer 5ßorftabt Sonbonö ein fünfteö .Stlnb geboren, ©ine bcfd}eibcne faufmännifdic SteEung bot fic^ i^m in ber ©ro^= ^anblung 3^ofep§ Dfforb. 1856 übertrug i^m bic ©cEimeiger ©eneralban! bie Seitung i^rcr Sonboncr ?^lliale, bie freiließ 1865 mieber aufgeljobcn murbc. ^wd ^a^re uorber (1854) bcfuc^tc er ©binbnrgl) unb bas fd}ottifcf)e ^oc^lanb foraic Stijrf^ire, bcn

gcrbinanb greiltgmt^. 199

©eburiäort ron 58urn<5. 1857 überfe^te er i^onflfeUonio „Qiamatha" unb roieö auf

ben amerifanifc^en X\<i)kx Sßalt Sß^itman \)in, bejfen eigcntümtid^e Strccfücrie er

ebenfalls oerbeutfc^tc.

Sllö ber 2)i^ter burc^ bic 2tuff)ebung feiner 33an{filia(e in Sloi geriet, ocr^ nnftalteten feine SSarmcr ?^reunbe eine Sammlung in ganj ®eutfcE)(anb 5U einem ©f)rcn: gefdjent. ^m 2Iprit 1867 erfd^ien ber erftc 2(ufruf in ber „©artenlaube", eröffnet Don 9^itter3^auö mit einem fd^mungüollen ©ebic^t. 5Dcr ©rfolg mar glänjenb: 60 000 Xaler fomen äufammcn. 2tläbnlb am 24. ^uni 1868 trat ber ^ic^ter bie .^eimreife an. ^m D!tober üe^ er fid) in Stuttgart nieber. ^m folgcnben ^ü[}xt fa^ er bie ©tötten feiner £inberjaF)re raieber.

2^-aö ^a\)v 1870 entlodte i{)m bcgciftcrte iiieber mic ,,^urra (Sermania" unb „Tic 3:rompete von ^ionoiEe". Wit bem ®cbirf)t „3ln 5Deutf^Ianb" eröffnete er 1871 feine „©efammetten ©id^tungen", bie bei ©öfd^en crfcf)ienen. 1874 fiebelte er nad; ^annftatt über, rao er unmittelbar am 9?ecEar n)oI)nte. ^n bemfelben ^al)Xt itbernal^m er bie Leitung einer ^albmonatöfi^rift, beö „Illustrated Magazine" in ^aU- bcrgers 33erlag, bie eine Stuöma^I englif(^er ^ocfie enthalten foEtc.

^cbod^ mar feine ^ätigfcii auf biefem neuen gelbe nur furj. Seitbem er \\6) im vvrüt)ling 1875 beim ©infteigen in einen ^ferbeba^mragen am ©(^ienbein oerle^t ^atte, genaö er nid)t niel)r DöHig. Hm 18. SKärj 1876 ift er geftorben. ^r\ Äannftatt 3Durbe er beftattet.

llberfd^aucn mir greiligrot^ö Sebensraerf, jo bfcibt er unö als 2)i^ter nur oon ber eyotifi^en Seite neu unb bebeutenb, fo menig onbcrerfeitö bicfe ^oefic er- neuerungöfäF)ig ift, benn bie fremben ©rbtcile finb unö nic^t mef)r fremb, ja nic&t ein; mal meF)r fern. 5Die {)oc^gefpannte ^^antafie, bie ju biefer ©attung grei(igratF)fc^er (Sebi^tc unbebingt gef)ört, enttäufc^t, fobalb fie ba§ ej-otifrfie ©cbiet oerlä^t unb firfi mit nafieliegenben ©egeuftänben bcfc^äftigt, roic in „"Der 33(umen Sftac^e".

^ic äroeite Sebcutung ^at ^reiligratf) lucniger alö !Did^ter benn aU politifd^cr SSorfämpfcr unb ^ropf)ct. Seine poHtifrfie £t)rif ift jeitgefi^irfitlid) löcrtöoll. 1)aS Seben, um boö fi^ biefe ^oefie raufte, mutet unö an roie ein Stbenteurerroman, bem mir bo^en S<^roung unb ftüljc ^beafe nic^t abfprcc^cn fönncn. 1)arum finb mir biefem fieben fo eingef)enb gefolgt: fpiegelt fic^ boc^ in ibm baö Sdöidfal feineö SSotfeS, ja ber 5ffielt, iunerf)alb eineö ganjen ^af)rf)unbertö mtber.

©ine britte überragenbe JBebcutung tommt bem oiel ju uieuig betanntcu über; fc^er (^rciligrat^ ju. Seine jablrcic^en Übertragungen auö bem graujöfift^en, ©ng^ lijrfien (mit (Sinfc^Iu^ 3fmcrifaö, bag befonberö burc^ Songfettom unb Srct .<3artc Per= treten roirb) unb ^^talienifctjen (9J(an5oni) finb faft burd[)meg -iJieifterftüde. 2[?on ben ^^ranjojen finb 58iftor .^ugo unb ^Hfreb bc.'I'Juffet, üon ben gnglänbcrn SBalter Scott, iRobert Surnö, Xfjomaö 3Koorc, ?^cücia ^emanö unb Siobcrt Soutt)er) beoorjugt.

gfreiligrat^ i)at gemußt, ha^ man fc^on bamalö alö feine roid)tigfte ^oefie Die eyotifdje anfat) unb biefe auf ber einen Seite cbcnfo bemunberte luie auf ber anbern oerfpottete. Sein £cben f)at gejeigt, bap er [elbft im (Srunbe beulfcb unb nicf)t erollfcf) backte.

200

Sa§ junge ©eutfcf^lanb unb anbete poUtifdf)c Sid^ter.

beginnt fein an Äarl

3nnt Xeufcl bie Sliimcle, 3um STeufel üuä) bie 2eun! i-auf(i)t burcE) meine ©eele 3)er alte beutfdic Sftljein.

jimrod gerichtetem ©ebid^t „3Inc^ eine 9Rf)einfacie".

v^n

einer fpötcren StropI)e ffacfte er bann I)umoriftifrf) :

3ir»at jagt man, ba^ ju Sagen ^c^ uiel äu unbeutfc^ bin, Slucf), fieifet e§, 3U bombaftifrff.

2Bie beutfrf) bog (prifc^e ©mpfinben biefeö Söracn: unb SBüftenföngerö luar, .^cigt feine faft ganj nnbefannte Siebeätprü, bie freilii^ nur in jroei an ^ha ^Dtcloö, feine fpätere (Sattin, gerichteten ®ebid)ten befteljt. .'Qöi^ft eigenartig: abgefallen jeber äußere Sici^'Jt/ j^^ö pt)antaftifcf)c Seircerf, jebc roHenbe ^^rafe! liefen greiligrat^ l)aben wir noii) auf feiner bcr üorigen 'Seiten fcnnen gelernt barum mag ei mit bem eckten, einfachen ^ergenölaut üon unä fd;eiben (1840):

din^c in b e r

So la^ micf) fi^cn olßxe Snbe, So lofe mic^ fi^cn für unb für! yeg' bein« beiben frommen §änbe 3Iuf bie er§i^tc ©tirne mir! 2luf meinen Sfnien, ^u beinen e^ü^en, 2>a la^ mid§ ru^n in truntner 2uft; 2a^ m[<i) bog 3Iuge feiig fd)lie^en 3n beinern 2htn, an beiner 33ruft.

2a^ e§> mid} öffnen nur bem Schimmer, 2;er beine§ tounberbar erbeut, 3n bem id) rafte nun für immer, D bu mein 2eben, meine 2öelt! 2a^ mic^ öffnen nur ber Stxäne, Jie brennenb ^ei| fid) i^m entringt; 3^ie ^ell unb luftig, e^' id)'§ tuä^ne, I)ur4 bie gefdjloffnc SSimper fpringt.

® e n e b t e n.

So bin id) fromm, fo bin ic^ ftille. So bin i^ fanft, fo bin id) gut! ^d) ^ahe bi(^ hü§^ ift bie gülle! ^4 |q6c ^i<^ inc'" SBünfc^en ru()t! SDein 2lrm ift meiner Unraft Sßiege, 5ßom 9}?o^n ber Siebe fü^ umglü§t; Unb jeber beiner ^Item^üge ^aud^t mir in§ ^exj ein S^Iummerlieb.

Unb febür ift für mid^ ein Seben! ^a, fo äu raften 2;ag für Xag! ßu laufc^en fo mit fel'gem S3eben Sluf unfrer §er^en SBet^felfdjkg! 3n unfrer Siebe ^aiijt derfunfen, Sinb mir entflo^n aua 2öelt unö ^eü: 2Sir ru^n unb träumen, luir finb trinifcn ^n feiiger SSerfdjolIenl^eit,

5. .0cinri(^ ^offmann lion ^aikv^Uhcn.

^ einem ®ebid)t üom SRai 1844 gebeult greiligratl; in 3l|mannö^aufcu bes 16. Sluguft 1843, ta er in Sloblenj mit ^offmann üon ^^allerölcbcn bie ^^oliti! burc^^ iprocö unb oielleidit cntfdjcibenbe ©inbrücfe empfing:

SBo h)ir ben GI>ampagnerfdjaum

33on ben ®Iäfern bliefen;

2Bo mir leerten ®Ia§ auf ®Ia§,

S3iö ic^ aUe§ mu^te,

S3i§ ic^ beinen ganjen ^a^

St^meigenb e^ren mu^te.

Düfter mit DeTfoI)Item SDoc^t

gladerten bie ^er^en; 2)üfter unb öon 3otn burd)po^t, brannten unfre ^er^en; 2)enno(^ oft, gleid^mie ein 93Iid j^inftrer SBoIf entquollen, Srad^ ein Sachen, bracf) ein "Jßi^ ^ell burc^ unfer ©rollen.

SBcnige ^<if)re uor ^^rcifiavatli f)Qtte and^ er ben rcaftionären ©eiralten ben ^c{)bc; ^aubjc^u^ f)ingciüorfen (1840), imb nun fcrntc er an icincm Scben fcmieii, inoö bo§ in j^ner ^dt pcrfönlic^ ju bcbeutcn i)atk.

3(uguft §einric^ .^offmann, bcr ben i>iamcn jeineö ©cburtSortcö J^aUcröicbcu im £üneburgii'd;en ju bcm eigenen f^injufügtc, raiirbe nni' 2. 9(pril 1798 ale Süljn eincg ^aurmannä, ber jugleii^ 33ürgcrmci|'ter max, geboren. 1816 bejog er bic Unts ucrfität ©öttingen, um ^fjeologie jn ftubiercn. iöalb aber raanbtc er fid^ bcr ^^I}iIo= logie, bcfonberö bem ffaffifc^cn iHftertum ju. ^Hö er jebod} 1818 narf) .^vciffcl fom unb in ber SibHot^ef mit ^nfob <35rimm fprad), fragte if)n biefer: „Siegt 3f)neu ^l)r 'Baterlonb nid;t näi)cr?" fortan ftanb bei if)m feft, ]\6) bem Stubium beö ^cnti'd)en ju roibmcn. ??ac^ bem Jobe feines 5ßaterö ging er na6) 33onn, ido focben, am 18, Dftober 1818, bie ncugegrünbetc Uniucrfität eröffnet luar. ^offmann ftuDierte junäc^ft S^änifd^ unb JQoüänbifi^ unb fammeüe 5ßol!ö[ieber. Si^on je^t glücfte i^m ein föftlii^er ^unb aug ber art{)od)bcutfc^en ßiteratur: auf bem 3»n<^^ii "^^^ Öoljbedcn ber Summa Theologiae beö ^f)omoö uon 3Iquino entbedtc er ^ergamentbfätter, Die Fragmente oon Dtfriebä ©uangeHcnbuc^ cntbalten.

Seine erften „Sieber unb SRomnnsen", jum 2^ei( angeregt burd^ ein ^armtofeS Sicbeöüerf)ältuiö ju (Sretc^en, ber S^odjter feiueö Söirttv erfd^ienen 1821. ©bcnjo rafc^ jebod) niie biefe Steigung uerflog eine ernftere ju ber gefdfiiebcnen Henriette üon od^ac^enberg. '^a6) ber ^Bonner Stubienjeit ging er für fur5e 3^^^ nad) .^oüanb, um fic^ in attc .^anbf^riften unb 2)rude ju oerfcnfcn, unb bann nac^ Scrün, mo er in 3Keufcbac^ö ^aufc mit 3lrnim unb 33ettiua, Sauigni), .^cgel, ©neifenau unb (Slaufcroi^ bctannt umrbe. 1823 erf)ie(t er eine Stnftellung nlö .^uftoö bei ber 58ib(io= tf)e{ in 33reö[au, reo er fic^ jugfeid; an ber Uniüerfität babilitierte. S^on 1823 rourbc er üon ber Uniüerfität Seiben für feine „Horae belgicae" pm tioftor promouiert. ®iefe nieber(änbifcf)en Stubieu ent()ieltcn u. a. eine ber älteften Sprid)uiörterfomm= lungen, fon^ie 33oIfßIieber, er3äl)lungcn unb CDramen. 1830 mürbe er in SBreöfau jum au^erorbcntlid)cn ^rofeffor ernannt. 1834 entbedtc er auf ber gürftcnbergifd)en Sibliot^ef in "ißrag baö SBruc^ftüd einer poctifd/en Grbbcfdireibuug auä bcm elften Sa^r^unbert, ta^ er unter bem Xitel „3l?erigarto" herausgab. 2Son 1830 ab (bis 1837) He^ er bic „J^unbgruben für ®e)d)id)tc bcutfd)cr Sprache unb Sitcratur" unb 1836 bis 1840 mit "ilJcori^ §aupt bie ,/3iabcutfd;en Blätter" erfd)einen. 3u feinen bebeutcnbftcu ;^unbcn gef)örte baö aIt^od)beutid)c Subroigölieb auf bcr Sibliot^e! ju ^^alencienneö. (gr gab ferner 1834 ben „?Rcine!e 51?oq" unb 1836 „2)te bcutfdhe ^t)iIo(ogic im örunbri^" fjcrauö. CDiefer B^it geboren aupcrbem an feine ,,®efd)id)te beS öeutfdjen .^irc^enliebec bis auf Sutf)cro 3eitcn" unb bie 2amm-- fung „Sd)tcfifcbe 33oIfölieber mit g^clobicn" (1842). Ginc orDcntücfie ^l^rofeffur rourbe i^m 1835 übertragcu tro^ ber ablclinenbcn .^nltung feiner Sreöiancr 5lmtö= genoffen. ^Perfönüd) erlebte er auc^ fonft manche Gnttäufcbung. Seine SBerbung um 3Kcufebac^ö Xod)tcr ÄaroHue raurbc abfd)lägig befc^icben. ^^m SBiuter 1829/30 lernte CT in Breslau bic ©eucralötoc^tcr "Taüiba üon X^ümen fenncn. ^m ;?rübjabr 1831 oertobte er fid) mit i^r. ^ebod) fc^on im näd)ften ^abre (öfte er büd ^erbältuis mieDci.

202 ©a§ junge Scutfcf^laiiö unb anbeve politifd^e Siebter.

Sr ift ein rufictojer imb ftetö uiibefricbigter ©eift gcrocfen. 1836 crfrfjicn feine It)rifd)c ©aminlnng „Surf) bcr Siebe".

3Jtit bem S^^J^c 1^40 begann ein neuer 2(bfc^nitt in bem ßeben beö 5Di^ter§, bcnn feine je^t er[rf)'einenben „Unpolitifc^en Sieber" geigen i^n auf ber «Seite ber Dppofition gegen bie Sf^egierung ber ^^ürften unb f)errfc§enbcn Stoffen, ^urj üovf)er I^Qtte er, luie er biö ine einzelne in feiner SeIbftbiograpt)ie auseinanberfe^t, auf .^elgolanb baci Sieb gebid;tct, ba§ jum beutfcEien ^Rationalgefang geraorben ift: ,,^eutfc^; lonb, ©eutfc^lanb über olIeG". Unb fo fei)r bie f)ier pm Stuöbruc! gebra(^te 3Soter= loubsfiebe ber fotirifc^en Sefämpfuug ber 9tea!tion entfprac^: bamalö ba^te man Qiiberä.

^offmannö politifrfie Sprif ift nic^t gonj fo reoclutionär luic bie gretligratf)ä, raenn \^x anä) an ©i^örfe in ber %ocm nic^t fef)It. ©inmal kä! er in öftli^en Leitungen folgenbe ^oü^ (30. ©ejember 1839) : „^\c SlUer^öc^ft^n ^errfc^aften beftiegen ben fiöc^ften (Sipfel bee $8erge§, fnieten nicber unb flehten jum J^ö^ftcn." 2)Q fcfirieb er feine 5ßerfe „§öc^ft unb 3(IIcrf)öc^ft":

SlUeg Srüer^öc^ft' auf ©rben

3ft Don S?Dnige§gef(^(cc^t,

Unb ha^ fann bo<^ ®ott nirfjt werben,

S)enn bo§ ift füt i§u 3u fc^Iec^t.

©inen 3:^eil ber ©c^ulb, ba^ in beutfc^en Sanben nic^t oorroärts ge^e, fc^iebt er b«n „^umanitätäftubien" gu (1. 9JJär§ 1840):

©Ott ift nur ber §i3c^ft' auf Grben, 2)od) ber Sirier^iJclfte nic^t. 5BiI(ft bu beffen inne merben, 5?un, fo §aft bu §ier 58eric^t.

^ie§ ©efd^Iec^t, frf)icn geboren S^Zur in 5Rom unb in Sitten, Unb me SDeutfdfjIanb ging derloren, Sieben fie gern gef(|cl;n.

SSenn nur ®ötterru^' unb ^rieben 3^re matte ©eete fanb, ^un, ha^ Wax für fie ^icnieben 9Jle^r al3 je ein S3aterlanb ....

2)cutfd^e 3ugenb, bu Don ^eute, 53oII bon ©riec^ifc^ unb Satein, SBirft bu auc^ ber Sßormelt S3cute, 2^u un§ aud^ Derloren fein?

©in ©efc^Iec^t, ha§ in SSofabeln 2Sie ber D^§> im '^oä)e gie^t, ®a§ öor grauen ©ötter|abeln ^eine ©egenmart met)r fie^t?

3t^nlic^ fpricf)* er fid^ barüber in „Virtus philologica" anö. ^n bem ,/Stlten Siebe" TOenbet er fi(| gegen bie ©taatäreügion:

S)ag alte Sieb, ha§> a\ie Sieb, S)a§ elü'ge Sieb'bom Unterfci)ieb: 2Ber nidjt be§> ©taate§ ©tauben .^at, 3ln ben üuä) glaubet nic^t ber (Staat.

^n „3ftotofoö ©laubenäbefenntniä" (18. 3JJoi 1841) fpottet er luftig über ben ©louben ber ©inföltigen an bie Segnungen ber SRonarcbtc. .^öftlicfie Stanbgloffen maxist fein ®ebid)t „SBie ift bo^ bie Bettung intereffant" :

9Ba§ ^ben loir ^eute nidjt atle§ bernommen! ^ie gürftin ift geftern niebcrgctommen, Unb morgen Wirb ber .t)erjog fommen, §ier ift ber .^ön"ig fieimgefommen,

§einric^ ^offmami ooii gaÜeviSleOcn. 203

^ort ift ber ^aifer burc^gefommcn, SBnIb inerben fie alle 3u)'ammenfommen , 2Sq§ ift im§ nidjt nUc§ berichtet iDorben! (Sin 5|3ürtc|)ee[äf)nricf) ift Seutuant gctuorben, ©in Dber^ofprebiger erhielt einen Drben, ^ie Sijfaicn erf)icltcn [ilberne Sorben, 3)ie ^öc^ften ^errfdjaftcn ge^cn nadj ?iorben, Unb ^eitig ift e3 (}rüljling getüorben Sßie intereffant! luie intereffnnt! ©Ott fegne boä liebe 25<iterlanb.

Scharf geißelt er ben beutfrfien Untertanenfinn {„'^k^- unb ^irilftimmcn"):

Xod) brüllt fein Drf)§ unb cS gntnjt fein ©c^mein, 3loä) ©c^nfe bläfen unb gröfc^e \ä)xc\n (So untertnnigft, jämmerlic^ft me^mütigft 3II§ beutfc^c Untertanen tiefft bemütigft.

^Qö „Sd^naberfiüpfcl" roci^ ben ©ang ber politif^cn 2)inge in gürftcnrcid;cn ju crflärcn:

5)er fviirft unb ber 5lbel ftef)n immer im S3unb, ^er g-ürft ift ber Säger, ber 5lbcl ber ^unb. ®er ^ürft ift ber ^ägcr, i)aa, Sßolf ift h(i§> Söilb, SBeil me^r ha^ 9tegat al§ i>a^ aKcnfd^cnrec^t gilt.

2)er „^eutfc^e 5RationnIreic^tum", ben bic 3)eutfd)en, menn fie nac^ 3lmerifa gingen, mitnetjmen fönnten, lüirb am 22.Tlai 1841 fritifc^ jcrpflüdtt:

Hammer^errenfd)lüffel Diele Södef, ■©tamm= unb SSolIblutbäumc bidc ^ädel, ^unb' unb Segenfoppeln tciufcnb ßaftfn, £)rbcn§bänber ^unberttaufenb haften, Sc^Icnörian, SBorf^bcutcl unb ^erüdcn, ^riüikgien, Sorgenftü^I' unb .Brüden, §ofrat§titel unb .^onbuitenliflen ^eununbneun^igfjunberttoufcnb Stiften, (Steucr=, 3oIf% 2:auf=, 2;rau= unb ^otenfc^eine, ^äff unb 2Sanberbü(^er, gro^' unb fleine, S3iele l}unbert ßeuforinftruftionen, ^olijeimanbnte brei 9!J?i(Honen.

5BieIc biefer 2iebcr finb und) einer non ^offmann felbft angegebenen 2)JcIobie ju fingen. ®aö gibt il;ncn einen bcfonbcrcn (EI;Qraftcr. ^cn ^itel „Unpoütifc^c fiicbcu" erfann er nac^ einer ^(^raeijer 9kifc in 9)Mrburg in ©cgenmart beö fpötcv reoftionärcn ^rofcfforö 58i(mar. 5)iaf(^ oerbrcitete firf) bicfe St)rif unb uerfc^affte i^rcm 58erfaffer üffentad)e Seliebtijcit, aber oud) 33crfül(^ung: fie mürbe in ^reuf^cu 1841 famt bcm ganjen Gampcfd)en 3.kr(age uerbotcn. 3" ^■"5)c beö $^af)rcö 1842 rourbc .^offmann auc^ feines 3(mte§ entfefet.

3n ben folgenben ^afiren füf)rtc er ein aBanbcrtebcn, boö nur ber (Sebantc an fein poütifc^cö gjJärtijrertum, ber Beifall ber 9(nf)ängcr unb feine ^oefic i()m cr^

204 Stt'o junge ©cutfdjianb unb anbere polttif^e S)icf)tcv.

träcjlid^ mad^tcn. 'OJac^ furjcm 3(ufciit()alt in %ü\icx§>khc\\, oon wo (b. 1^. ouö bcm Äöiiigrcic^ .^annoucr) er auögcroiefcn tüurbe, ging er üütv Scipjig unb 5)reöben nac^ iloblcnj, roo er mit ^rciligratf) äufonunentraf. 1)Qnn tmv er luieber in 33reälQu unb Serün, wo er mit ben 58rübcrn ©rimm uerbarb, ba er an beffcn ©eburtätag bie Stuf- mcrfi'amteit bcr Stubenten bei if}rem, SBil^jcIm bargebnu^ten, ^^adelpge auf fid) Icnttc, cljne baö ju mollen, unb fo bcm %c]t eine politifc^e SJiotc ju geben fc^ien.

3n biefer ^^it i^ciftc er [oriel um^cr, ba^ es jraecfloö märe, i^m gu folgen, (iö cr)cf)iencn üon if)m 1844 „X)eutfd)e ©efeUfc^aftölieber bes 16. unb 17. 3al^r= fjunbertö", 1845 „©penben jur bcutfc^cn £itcraturgefd;ic[;tc" ; au^erbem Iprifc^: 1843 „2)eutfd)e ©affenlieber" unb „^cutf^e Sieber auö ber ©c^roeij", 1844 „^offmannfdje tropfen" unb „9}iaitranf", 1845 ,,5[)iarclim" ; baju 1843 in britter 2luflage bie ,,@cbid)te^ mit bem 5lomponiftcn ©ruft Siic^ter gab er 1843—47 ,,.tinberliebcr''', mit Subiüig ®r! 1848 ein „^eutfc^eS 33oIfögefangbu(f)" {)erauö.

3Uö 33eglcitcr bcö ©rafjc^aftöbefi^crö Stenge reifte er 1844 nad) Italien über SJ^ailanb unb ?^Iorenä nad^ 9?om , o^nc jcbocE) etma§ anbereö alä bie ©atirc in ben „3)iaDoIini" heimzubringen. @inen ^laii, nac^ Xepaö ju jief)en, roo iF)m ein Stüd Sanb unb eine Srod^ütte gcfc^enft roorben maren, fübrtc er mo^IroeisHd; :üd)t ouö; er begnügte fid; mit „S'ejranifc^en Siebern".

3)?ef)rfad; trat bie Siebe mieber an if)ii Ijcran; guerft ju ber fünfunbsroaugig^ jäf)rigcn ©lüira Detroit, bie if)m jebod^ nur g-reunbfdjaft barbrai^te unb fpäter feinen ^Vreunbv ben ^rofeffor 5\arl (Slje, t)eiratetc, bann ju ^of)anna ^ap-pf ^od^ter be§ ^eibclberger ^rofcfforä, bie jebod^ Submig ?^eucrba(j^ liebte, alfo roeber ^offmannä nod) fpätcr ©ottfrieb ^ellerö Steigung ermibern fonnte. ^üffmann gebac^te ibrer in ben „^oF)annaHebern", fetter im „Sanbrogt non ©reifenfee".

dlad^ bcm prcu^ifcfjen 3(mnefticerla| oom 20. 9}cärj 1848 gelang cS if)m, mieber in '^Preupen %u^ ju faffcn unb fogleic^ rocnigftenö ein SBartegctb oon 375 Malern gu ert)alten. 1849 fiebeltc er nad) 33ingcrbrüd über, ^n biefem 3af)re üermäf)Ite er fic^ aud) mit ^ba jum 33erge, feiner adjt^e^injälirigen ?Ric^te, Xod)ter feiner älteren 3d;roeftcr 3tugufte unb bes ^aftorö jum Serge in 33ot{)feIb bei .Oaiwooer.

9?un begann ein neueä fröf)Iic^eg Schaffen in bem befc^eibcnen .!Qeim ju 33inger= brüd. 3u"ä^ft erfdjienen „®aö Parlament gu ©c^nappel", eine ©ammtung politifc^; f)umoriftifd)er ©rgätihingen, bann (1851) bie „Siebeälieber" unb „5Rf)einIeben". 1851 jog baö ^aar nac^ D^eumieb. Sieben mcitcren Igrifc^cn ©aben fe^te nun ^offmann auc^ feine alten „Horae belgicae" fort. Sanf ber 5ßcrmittlung 33ettina üon 3(rmmö mürben bann er unb ber" junge ©ermanift Däfar Schabe com ©ro^^erjog ^orl 2Hej:anber non SBeimar beauftragt, ein „SBeimarifc^eö ^a!)rbu^ für beutf^e 'Spradie, Siteratur unb £unft" für ein Honorar uon je 500 ^^alcrn fierauSjugcben. ^n SBeimar trat er bcfonberö Sifjt unb greller näf)er. ®aö ^a^xhnä) gebief) nur big jum fecf)ften 33anbe, banac^ erlofd^ aud^ bog Honorar, ©o fci)rte bie ©orge jurüd, gumal ba if)m 1855 ein Sof)n geboren mar. ©nblic^ erhielt er 1860 bie ©teile cincö ^Bibüottjetarä auf Sc^tol ßoroei) bei ^öjrter an ber 2Befer. 3tber in biefem ^a\)Xi

§einrid^ .yoffmann von gallergk6cn. 205

ftorb i^m feine junge (Snttin mä) bcr ©eburt cineö toten 5!inbcö. S'tun führte ihn bte Sc^mägcrin 5Uroine ben §QuäF)aIt.

2)amalö begann er fic^ feiner 6e(bftbco'grapf)ie ,3cin ßcbcn" 5U lüibmen, bic bis ^um ^at)rc 1860 fü^rt. 3Son ben jüngeren rourbcn ßmil 9flitterCibauö, ^nünö SBoIff unb Gilbert Präger je^t feine ?^rennbe.

6e§r bcfd)äftigtc iljn bie ßr^icljung fcincö Sot)neö, unb mandjcs pätingogifd}c Urteil QUO jener 3cit beftätigt feine frül)eren 3Infic^ten, bic fid; (grifc^ geformt fjatten. „9)?öc^ten boc^", fd;rieb er an feinen greunö Gbcling, „nUc i^ätcr einfc^en, bnj3 i^re ^inber in unferen jc^igen ©rimnafien gu ilrüppeln an ©eift unb Scib ocrbi[bct roer= b^n. Seit ^af)ren i^abc i6) in jeber gamilic, luo i^ uerfcljrte, nur klagen gehört, bop bie Äinbcr burd^ bic Dielen Sd^utftnnbcn unb Schularbeiten, bei bcnen fie oft bi5 in bie 3'lQ^t fi^en müßten, ju feiner ©r^ohing gelangen tonnten, burd) bas craigc (Sricc^ifc^ unb fiatein, 'öa§> 3(uöroenbiglerncn von 5ßofabe(n unb grammatifdjcn 9^ege[ii unb 3IuänaI;mcn gar m6)t me^r jum ^cnfen gelangten unb, ftatt fi^ frifc^ unb frof) geiftig unb leibfid^ p entnncfeln, äurüdblicbcn unb faft ucrfimpclten. 2Bäre id) nur 20 3ai)re jünger, \6) woUk einen SSerein ftifteu gut Stusrottung beö Satcin unb ®ricd)ifci^, bcibeä follte am bcm Siaatötcben roenigfteng oerbannt nierben unD nur ben ©ele^rten unb fatfiotifc^en Pfaffen übertaffen roerbcn."

2)ag ^a^r 1870 faub auc^ in i^m ir»ie in g^rciligratl; einen bcgciftertcn Stimmfü^rcr. Sein „^eutfc^Ianb, iJeutfc^Ianb über aEeö" brad; fid^ nun mäditig Saf)n. 5ßie[ gefungcn untrbc auc^ nad) 9)tarfc^nerö ^Relobic fein ©ebic^t „2Ber ift ber greife Siegcöl)clb". ^ebod; nid)t mef)r lange burfte er fid^ an bem neu aiif= blübenbcn beutfcE)en fiebcn erfreuen : am 20. Januar 1874 ftarb er bei einem 3iueitcn ScÖIaganfaü.

2Bir fennen ^offmann oon Jaßcrötebcn nor allem als ben 'I^ic^ter ber foebeu genannten üatcrlänbifc^en Sieber unb ber nolfätümlidicn G)ebid)te „^reue Siebe biö jum ©rabe" („Sd)mur")/ f,S^v\i^cn j^ranfrcic^ unb bem 33öl;mermatb", „^rei unb unerfc^ütterlid; raad) fcn unfre Sid)en", „'^Itte ^ögel finb fdjon W, „2Ber Ijat bie fi^önften Sd^äfc^en", „3}torgen fommt bcr 2Beil)nad)tömann", „£> mic ift falt gc= morben", „3Ibcnb mirb es roieber, über 'iBaih unb ^elb" unb „®ie Sterne finb er; blid}cn mit it)rcm gülbnen Sd)cin". ®aö ift ed^tc, traute, beutfc^e ^oefic, bie fid^ nidit machen lä^t, roenn fie ficf) nid)t fclbft macf)t. Sie genügt für ben 3(u)prud) cincS 2;ict)terö auf Unfterblidjteit.

5)ic Sangbarteit feiner Siebcr ift etmaö, rcaö |)offmann nor nieicn auö= jcic^net. ßr mar biö in fein ©rcifcnaltcr l^inein ein fangeöfrol)er unb trintfcftcr Surfc^e, ein ftctö fröt)Iid)cr, äuuerficf)tlic^er unb geniütlid)cr 2ßanöerer burd) bie Seit unb burc^ö Seben, uon unnerfiegbarer ^raft biö gum 2:obe unb unücrmüftliriKv Saune. SBir ftetten nnö biefen $ünen am fic^erften im 58ilbc eineö fingcnbcn SBanbcrcrö oor, bcr feine 3Jiü^e tec! jurüdgcfcfjobcn Ijat („®cö Sängerö Xroft"):

9Bd Srcit)eit, Sieb unb SBein '^oä) lebt in Sang unb 2Sovt, X-a lebt il)r Sänger, aud) Xer löngft bcgrabnc, fort.

206 T)a§ junge S)eutfcf)Ianb iinb aiibere politifcfjc Xicf)ter.

Df)nc ein gcioiffcö 2IJq| von ßcicEjtfinn finb ©eftolten roie er unb ^reiligrotf) nic^t benfbar. 3lber luemi ruir unö feine ^bealc unb bic reicE)en ^^rüc^te auc^ feines raiffen; f(f)aftlid^en (Sd^offenS üergegcnroärtigcn, bann fönnen mir auc^ if)m bie Slnertennung nic^t üerfagen, bie er felbft g^ranj Sifgi jottt (1854):

©eboren «»erben ift feine STunft, Sefonberä unter be§ ®IüdeB ®unft. ®Qr mancher ©eborene blieb geboren IXnb ging fpurloB für bie SBelt üerloren. 2lud) §öd)ftgeborene finb naä) '^ai)xm Stur immer geblieben, iüa§> fie maren.

SDodj f e I b ft fic^ ju mü^n unb anjufac^en Unb au§ fidj felber etföag gu mocE)en, <Bid) gleic^fam lüieber crfc^affen unb luerben: ^a§ ift eine S^unft, ein ?5erbienft auf ßrben! SBo foId)e§ ein ©terbliclier ^at öoltbrac^t, 2)0 toerbe öon Sterblichen feiner gebac^t!

9Jid^t gro^ ift bie 3«^! feiner fünfticrifcben 9)?otiüe; aber fie finb immer empfunben, nid^t gcba(^t. 2Bir fpüren om Xon, aud^ in ben 2iebe§Iiebern :

2Bär' iä) ein ißbgekin, §ätt' auc^ 5)riei glügelein, (^lög id) äu bir. glöge bon Drt ^u Drt, ^Bliebe bann immerfort, 3mmer bei bir.

^art, oft in Sfiüderts SBeife, berührt er bie Saiten; fo in bcn „.^oI)annaIiebern" :

3 c^ H e b e b i c^.

3D^ir ift, al§ mü^t' ic^ immer fagen:

^ä) liebe bic^, Unb mag nic^t auyjufpre^en mögen:

3(^ liebe bic^. S)ie 9}iaien lüfte föufeln nieber,

2c^ laufd)e ^in, Unb' olle 33lütenjn)eige flogen:

3«^ liebe bic^. SDer ©ong ber SSögel ift ertuod^et,

3(^ loufc^ ^in, Unb olle 9^acl)tigall'en fc^logen:

^d) liebe bit^. (So frag' bie Süfte, frag' bie 93lumen,

^ie 58Dgel oll, SSielleic^t, bo^ fie für mid) bir fogen:

3(^ liebe bid^. ^ä) tttonble fern öon bir unb ^be

^üx einen 2;roft ^n biefen fc^önen grüi)ling§togen:

'^d) liebe bic^.

©ottfrieb Äinfel.

207

a'icijenb finb bic ^inbcrficber, üou bcneii bie befannteften üorl;in fd^on genannt nniiben. Slbcr norf) ciele anberc jieren nnfcre Sefc; unb ionftigen Sammclbüc^er.

9J?Qifn[cr fumm jumm fumm, 9Zun i<3g' mir an: imnum?

Slucfucf, Sxucfncf ruftä ün§ bem 2öalb?

2a[fet iinä fingen,

Sanken unb jpringen,

5rül)ling, grü^Iing »oirb e^ nun balb.

SBintcr, ahel Scheiben tut n>e^.

So jc^ben mir mit Song unb ftlang: £eb too^I, bu irf)Dner 2BaIb.

©e^t, ha \tci)t er, unjer Schneemann! Do§ ift ein ©efclle!

es ift ein foTtmäI)rcnbeö ^audi^en unb jubilieren, 3ingcn unb klingen in ^offmannö Siebem. ^^m ge{)t bie Sonne nur unter, um fii^ um fo ftro^Ienbcr ju erijcben:

2Bie fingt bie Serc^ fdjön 3m 2;al unb auf ben ^öi}n, 2&enn ber SD^orgen graut Unb bie Slümelein

grifc^betaut ^arren auf ben Sonnenfrf)ein.

So fing', mein ^er^, nun auc^ Söeim frifc^en äUorgen^auc^. ^aft bu audj gewacfit Unter ®ram unb ^ein

Diefe yiad)t 2)ein aud) ^arrt ein Sonnenfc^ein

2)ic ganje 3^atur fc^eint immer freubig nur auf ifjren .^offmann ron ^allcrölcbcu ju n>arten, um mit ifjm i^r ©lud ju genießen:

SlUe§ fie^t mirf) freunblirf) an, So a\§> mollt' fragen: 25iir§ bir benn, bu lieber 5J?ann, ®ar nic^t ^ier betragen?

^ie beutfrf)e Literatur ^at fo oicl tiefe, büftcre, ja untere unö überiücltüdie ^id^ljer ha fann fie aud^ ein ^aar (cic^t liebensmürbige braud^cn, bie in anDcren ^änbern bie Siegel finb. SDcnen aber feblt eincö, ha^ ^offmann in ^üÜc bcfi^t: baö beutf^, innige ®emüt.

«. (i)ott|vicÖ «infd.

SBeniger bie ^oefic alg bag 2eben jlelit Äinfel, ben Sänger „Cttoö beS Sd)ü^en", in biefe poIitifrf)en Greife.

^ol^ann ©ottfrieb Äinfel raurbc am 11. ^^(uguft 1815 in Obcrtaffel bei Sonn geboren. Seit 1831 ftubicrtc er 2:{)cologie unb ^^ilologic in S3onn, feit 1834 in Berlin. 1837 fjabilitierte er fic^ an ber ^Bonner Unioerfität für (Spegefe unb ÄiTcf)en-

20b '7)a^ junge S5cut|rf;lanö unb anbcix ^jolitifcfje 'iSid^tev.

geic^ici;tc. ©eine ^kigunci jur bilbenben Äunft trieb if)n noc^ in bemfelben Sla^rc ju einer Steife öurd) bie <B6)WCV^, ©übfranfreid^ unb Italien. dUd) ber 'iRüdU^t trat er in Sonn ©cibef, grciligrntt) unb ©imrod näf)cr. 1840 ci-IjicÜ er bie ©teile eine? J^ilföprcbigcrö in 5löln. 1843 oeröffentlic^te er feine „(3eh\6)tc'% unter benen fid) Qudf) „Dtto ber ©d^ü^" befnnb; gefonbcrt erfc^ien bicjcr 1846.

tiefes fteine SSeröepoö, auc^ üielfad; a(§ Dpernteyt benu|t (1886 oon Sunge), bot einen gong ungewöf)nlid)cn ©rfolg gcf)nbt unb ift ein ßieblingöbud) befonberä ber beutfdjeu ^ugenb geraorbcn. SBir begreifen jo ^eute nid;t met}r gang, roarum biefcr Dtto fid) gerabe olg unbetanntcr ?^ürftenfüf)n befonbcren ^ntereffeö erfreut t)at, unb fo muj3 ung bie gonjc ^nnblung üIö öu^ertid), ja alö finbüc^ crfc^einen. ^ann aber fef)en wir, ha^ hoö) meljr in biefer ©id^tung liegt. Dtto entflicht bem S^anq bcö Älofterö unb erringt fic^ in fd)Iid)tem ^ägcrbienft bie Siebe ©löbetH ber eieocfc^cu ©rafento^ler, bie er fd^Iic^lic^ ftolj aU fünftiger Sanbgrof oon Reffen l)eimfü!)ren barf, ba in^iuifdien fein älterer 58ruber geftorben ift. ©iefer junge SJieifterfi^ü^e mad)t ben ©c^lu^fprui^ beö ©ic^tcrö roal)r: „©ein ©d)icffal fd)afft fic^ felbft ber SJiann."

5Doö 2ob ber freien, felbftänbigen 9)tanncötat je'bod) ift cS n1d;t allein, bos biefcn groölf 3lbcnteucrn in 5ßerfen Sßert gibt, fonbern ift vov aEem ber po^tifd^e ©c^mclä, ber 9^ei(^tum an ©timmungen, ?^arben unb 5!längen, was unö gu ber l^arm= lofen ©ic^tung wU Siebe unb 3::atfraft äiel)t. 3" Dergleichen raäre „Dtto ber ©cl)Ä^" am cl)cften mit ©(^effelö „Trompeter oon ©ädingen". Sie ©age felbft mar fc^on Don 3lrnim in bem ©romo „Ser 3{uerl)al)n" oerraertet. 2(ber 5linfcl mei^ allen ^f^^^^'^' ber alten iHomantif auf fein (5poö auSjugie^cn, nur mit bem Unterfd^iebe, ha^ er bie romantifc^en Unarten, ©atirc unb gciftreid^eö ^rrlidjtelieren mcglä^t unb bie ^anb= hing nid)t auf @el)eimniffc unb übernatürliche .S^f^^nii^f^^än^e, fonbern auf gcfunbe ^orau§fct3ungcn reiner 9}}enfc^licE)!eit grünbet.

3n flarer grül)ling§.abeubprad}t, SSenn [d)on ber ©lerne §eer erlüQd)t, SSenn fü^l ber a^onb im Dft fiel) ^zbt, SDie glur mit blauem Suft ummebt, 3nbe§ im Söeft be§ 3Ibenb§ ©trollen 5)en §immel l)ei^ mit ^urpur malen: SSenn 9^ad^tigallenfd^lag er[c§<illt Unb brein im '^a<^t\)aüä) raufest ber SSalb; SBenn .au§ be§ SBaffer§ bumpfer ©d^müle Ser giic^ mit luft'gem ©prung fid) fc^nellt Unb in ber meicE^en ©d^lummerfü^le ©0 ftill unb l;eimlic^ liegt bie SBelt; SBenn in ber Ufermeiben 2)unfel 2)er ßlfcn K§or ben SReigeii fc^lingt Unb au§ bem ©trom ein lei§ ©emuntel S)€r SfJijen auf ^um Sichte flingt: ^0 ift bie jauber^fte ©tunbe, 2So 2:ag unb ^Jiad^t im gleicfien 58unbc 2)id; fränjen mit bem fd)i3nften ©c^cin, 2)u j^ürft ber ©tröme, trauter SR^ein!

©otifiicb mnkl 209

3m ©ruiiDc finb Daö mir iuüt)Igcjct^le Sorte imb 58er [c .^(inc(f(nng mijäite fie ber ernftc 5lritifer nennen. Hbcr fiie finb hoä) \)üb]ä) nnb bieten [ic^ in fo axi- mutigen ^uffimmfn^öngen nur icitcn bnr. Unb roenn nun Ctto auftritt unb bcn 2Keifter)c§u| tut, ta gönnen nur i^m nße feine (Slöbeif;. (E'in folc^eä ^bijU fnnn nid;t mef)r geben, als ber 9lntur feiner ©attung md) barf. 3^eue ^bente uerfünbet ja and) fein Stilleben. ^ol)c 3(nfprüc^c ftellt fie nid^t, biefc traumfclige ^Tcinnebic^tung mit bcm ein bi^c^cn nniucn ^.^tbfc^hi^ ber ftanbc^gcmä^cn ^cirat aber gäbe fie mef)r, fo njöre fie nirf)t niebr bie poetifc^e c^armlofigfcil, bie fic^ bie unbefangene ^ugenb erobert bat.

Sliden luir uon l;ier üu§> fogldcE) über ÄinfelS fpätere "I^icfitungen [;in, fo finbcn luir nur roenig, luaö fid; feinem erften ©pos an bie Seite fteUcn tonnte, ©in racitercs (rpoö fc^uf er 1868 in bem „©robfc^mieb non 3(ntiiierpen", ber 1872 erfd;ien. J^ramatifc^ üerfagte er ganj („9limrob", ttjronncnfeinblic^eö 2:raucrfpiel, 1857). 3SieI l)bl)cx fte^t feine Xorfgefdji^te ,,9)^argret". S^on feiner unpolitijc^en Stjri! ift befonberö feine ^etru^^SaUabe (,,2BeiI uerftodt ber ^ube Simon $Romaö ©öttcr ^ot gcfc^mä^t") befannt gemorbcn foiuie fein geiftlirf)eö 2ieb:

©§ ift fo ftill gelüorben, Sßerraufdjt be§ Slbenb^ 35>e^n, dlun §ört man allerorten Xer Gngel güge gef;n. 9iing§ in bie 2;ate fenfet ©i(^ ginfterui^ mit äJtac^t Söirf ah, §erä, ma§ bid^ fränfet, Unb ma§ bir bange mad)t.

i'iu§ feinem 9Iad)laj5 würbe bog „^hx)U anö ®ricd)enlanb": „^anogra'' üeröffcnt[id;t.

Salb nad) feiner italicnifdjen 3ieife mibmcte ^infet fic^ größeren miffenfd^aft- liefen 5Irbeiten. 3Son ber ^^Ejcologic unb bem fird)lid)cn 'iJogma löfte er fid) na<^ fdiiüeren kämpfen loö. 1846 erfrfjien ,,®ie %i)x, Sanbfdiaft, @cfc^id;tc unb 3?o[fö= leben". $8or()er fi^on (1845) üeröffentli^te er ben erften 3:^eil feiner „®efd)id)te ber bilbenben 5lünfte bei bcn c^riftlic^cn 585ifcrn". 1846 crl;ie[t er eine au^crorbentHdje ^rofeffur ber 5l'unftgefc^ic^te in 33onn.

3im '^ahxc 1848 trat and; er atö SSorfämpfer ber repub[ifanifrf;en 33croegung Ijeroor. 3U§ 33crtreter 33onnö rourbe er aU 3(bgeorbneter in bie jiucite preupijd;e .Kammer gemäl;lt. ^lad) 9(ble^nung ber ilaifcrfrcne burd; ^ricbrid) äßinjetm IV. \d){o^ er fic^ bcm babifc^en 3tufftanbe an, rourbe 1849 oermunbet, gefangen genommen, pm xo'üQ uerurteilt unb nur burc^ 33cttina oon 3(rnimö unermübHc^e ^^ürbittc ju tebenölängiic^cm 3urf)tt)auö bcgnabigt. (Sn fa§ j;uerft in 9?augarb, bann in Spanbau.

Sc^on im ^a^re 1843 ^atte er fic^ mit ber ficruorragcnbcn ^ianiftin ^^»^«nna 9JJodet (geb. 1810) oermäf)(t, ber ^od)ter eincä 33onner @t)mnafiaUcf)rcrö, bie fic^ oon ibrem erften ©atten, bcm 5Bud)= uiib ^lunftbänbfer ^Jat^ieuj iu Äöln, tjatte fdjctben iQffcn. 3nfammen mit ^infcl gab fie 1848 (E-r^äijIuugen i)erauö. 33ctannt mad)te fic^ biefc bebcutenbe grau awi) burd) ^ompofitionen, jum 2:cil ju bcn fiicbern 5linfc[ä,

Oe^[fe, 2)ie beutfc^c Literatur fc» ffioet^cä 2obe ufiu. 14

210 5)a« iunge JJeutfdjIani) uiib aiibeve politifc^e 2)ic^ter.

jorote burcE) „Slc^t Briefe an eine ?5'i^ciinbtn über ^llaüieruntcrrii^t'''. 2lu§ if)rcm Siod^- lo^. üeröffcntüd^te ^tnfel 1860 bcn ^Romon „^an^ ^beleö in £onbon". Sie %ah bic crfte 5Inregung jur ©rönbung beö ,,9}kifäferbnnbeö", ber bie rf)einij'd;en ^unftfinnigen um ein (Sd^erjblatt, „^Dcr SJ^aiföfer", fd^ortc. ^of)annn nun roor eö, ber in treuen, nufopfernbcn Tineen gelang, Jlinfel mit §ilfe beä Stubenten ^arl ©c^urj im 3^0= pcmber 1850 omq bem ©cfängniö in Spandau jn befreien unb if)m bie %l\\ä)t nad) ©ngtanb ju ermögUc^en. äBie ©cEiur^, ber alö "Jii^rer ber ®eutfcE)en nac^ bem ©ejeffiongfrieg jenfeitö bcö DjeanS berühmt würbe, manbte fid) au(| ^infel, jebod) nur üorübergetjenb, nad; ^Imerifa (1851/52) unb übernafjm bann eine ^rofejfur om Sonboner ^pbe ^arf College. Stm 15. 9iot)ember 1858 trof it)n ber fc^racrfte Schlag : 3io{)anna ber er uor ber $ßermäE)(ung einft im W)t'm ba§ Seben gerettet lt)atte ftürjte fic^ infolge fc^iperer ^er^beflemmungen an§i bem genfter gu ^obe. ©rfc^üttert niibmete j^reiligratl), ber ?^reunb beö §aufee, \i)x ein 3lbfc^ieb§lieb jum ^cgröbniä:

3ur SBinterg^'cit in ©ngellanb,

S3erfprengte Tlännex, §aben

SBir fd^eigenb in ben fremben ©anb

SDie beutfd)« grau begraben.

2)er 9^au§froft ^ing am §eibefraut,

2)od^ [onnig lag bie ©tätte,

Unb [anften Quqß t)at i§r geblaut

SDer @urr€^^ügel ^ette.

Um ©infter unb SBac^oIb^rftraucl) <3c^n>ang girpenb fic^ bie 9}Jeife, SDa njurbe bunfel manches Slug', Unb mancher fc^lud)iäte kife; Unb leife gitterte bie ^anb ®e§ greunbeä, bie beioegtc, ^'ie auf ben ©arg ha^» rote 95anb, SDen grünen Lorbeer legte ....

ga§r iDo^l! unb ba^ an mut'gem Solang

ߧ b€inem ®rab nid^t fe^le,

©0 überfc^ütt' mit ®e[ang

SJ^ie f rupfte 2er(^enfe^le!

Unb 93?eer§auc^, ber bem g-reien frommt,

©oll flüft^rnb umfpielen

Unb jcbem, ber §iet pilgern fommt,

3)a§ ^ei|e Sluge füllen.

©rrcä^nt fei, ba^ ^oliannaö ?^reunbin SRalroiba oon 9Ket)fenbug mar (1816 —1903), bie SScrc^rerin 5f|ie^fc^fö.

SDemfelben 3ial)re 1858 gel)ört bie ©rünbung ber beutfc^en B^itung „^ermann" burd^ 5linfel an.

S)ie fpätercn ©c^icffalc ^infelß, ber eine graeite ®l)e einging, bieten ni^ts mel)r, maß bie ©efc^ic^te ber Literatur ober ^olitif nä^er intereffieren tonnte. 1865/66 l)telt er in ^ariö oor 5Deutfd^en öffentliche SSorträge über ^unftgefc^id;te, 1866 mürbe er ^rofeffor ber ^unftgefc^id^tc am ^olr)ted)nifum in 3üric^. ^ier ift er om 12. SRooember 1882 geftorben. ©ein lefeteö größeres SBerf mar baö „^ofoif aur ^unftgefc^lc^te" (1876).

©ottfrieb ^intelö poetifd^eg unb miffenfc^oftlid^eS Sebenäroerf ift nidE)t gerabe überragenb gro^. war bunt unb üielfeitig mie fein £eben, baä bod) raieberum ein 'otüdf ©efc^ic^te bifDet. 6r i^at in feinen ^ic^tungen feinen neuen, eigenen ^on ge- fc^affen unb \)at an6) politifcfi nic^t ai\& \id) ^crauä ber 3eit neue ^been 5ugefül)rt.

©eoig ^erroeg^ itnb anbete politifc^e Std)ter um 1848. ^11

SIbcr roo§ bicfe frei^citfieknbcn 3J?äunev (itten, unb me fie fänipftcn, baß oevmögcn ifir ^eute nid^t mcl^r fo gong ju ücr)tcf)en.

(5ö mar eine neue 2Belt, bie in if)rcn ©eelen emporftieg, eine 2Beft, in beren (S^Ibftoerftänblid^fcit lüir (eben. ®arum foE une auä) ^infel ctrooö mel)r bleiben atö ein ^ierO^cö Porträt auf einem föefc^enfcinbanbc feines rbeinifrfKU ©efangeö von Dtto bem S^ü^en.

7. ^corrj ^cvm^ti mib ttiiöcrc ^oUtijt^c t'xd^itv «m 1848. 3^er eigentlii^e ?^ü^rer im poIitifcE^en ©treit ber SReDoIutionöjafire war Ocorg |)erü)Cg5» ©ineö onbern/ 3lnnftafiuö ©rünö, rcurbe früher fc^on geba(i)t (III, 8).

^ennegf) rourbe om 31. W,ai 1817 ju Stuttgart geboren; er befucE)tc M^ ©ijmnafinm feiner SSatcrftabt, ta^ t^eotogifd^e ©eminar in 3Jiaulbronn unb baä tI)eo- fogifd^e Stift in 3:'übingen. @r rourbc bann 3[Ritarbeitcr an ber von !Muguft SeroalD (lerauögcgebenen ^^'tfc^rift „(Suropo"/ mu^te raegen eineö @t)rcnl)anbelö mit einem Dffijier Sßürttemberg oerlaffen, ging nad^ ©mmiöl^ofen im 5!anton %'i)üxg,a\x, wo er on ber rabifaten „3SolföE)alIe" mitarbeitete, unb fc^fie^Iid^ nad) ^ii^^^c^/ ^o er feine berüt)mten „©ebid^te eineö Sebcnbigen" l^erauögab.

2luc^ ^erroeg^ ift, raie greiügratf) unb ^offmann uon gaUeröIeben, ein ^ropijet ber ©reigniffe geworben, bie fic^ mit unb nacE) bem SBeltfriege 1918 abfpielten. '^n ber @c^(u^ftropt)e bes ©ebic^tö „5Der lefete 5lrieg" (1841) ^ei^t eä:

D Ujalle f;in, bu Cpfcrbranb, ^in über &inb unb Tlcex, Ünb f(^ling ein einig g^ucrbanb Um alle 5SöIfer I;er; ©0 lüirb er un§ befcf)iei>eu, Xex große, gro^e ©ieg, SDer etüige 33öIfeT»5rieben, grifc^ auf ^um f)eiligen S^rieg!

6in ausgeprägt friegerifd;er 5llang gclji burif) feine 5ßerfe; jo im „Stciterlicb" (1841), tiaQ im SSkIttriege roieber auflebte:

®ie bange 9iad)t ift nun f)erum, SSir reiten ftill, wir reiten ftunim Unb reiten ind 5ßerberben. 2Bie n)e§t fo frfiarf ber aJZorgciüoinb! grau SBirtin, nocf) ein &{c§> gefc^roinb! S3orm Sterben, borm Sterben.

?^curig menbet fein „3(ufruf" (1841) fic^ an bie ^Reoohttionöftreiter :

9?ei^t bie Str€u^ ai\^ ber ßrben! 5nie follen Sd^ioerter inerben, ®ott im ^immel tt)irb'^ öcr^ei^n. 2a^t, 0 (a^t ha^ 33erfefrf)ttieiöen! ^uf ben ^mboß legt bag Sijcn! ^eilanb fod \)a^ Gifcn fein.

14*

212 ^ ^oä junge 'J)eutfc^lanb unb anbcre poHlifc^e 25ic^tei-.

^amp\ prfbißt er in bem ,,ßieb oom ^affe" (1841):

SSefämpfet fk o(}n' Unterlaß, 3)ie 3^t)rann€i auf ©rben, Unb l^eiliger ioirb uu[er ^a^ 21I§ unfre ßiebe tüerben. ^ . 3315 unfre ^anb in ^Ifcf^c ftiebt,

©DU fie öom ©c^föert nid>t laffen. SSir ^ben lang genug geliebt Unb Collen enblic^ f)nffen.

T)er 2:itfl bicfer Sieberfanimhing „©ebid^te eineö Sebenbigen" foEte ben (Segeujafe bcicic^ncn ju ben „53riefcn cineö SScrftorbcnen" bcg ©rafen ^ücfler = 3)Juö!au (1786—1871), SSerfafferö oucf) ber ,,3:utti=grutti".

^errocgl) ging nun für turgc 3^it "(^c^ ^ari§ unb u)arb bann (1842) in Deutfc^; fonb 9)UtQrbciter für eine neue B^i^fc^i^ift' ©efeicrt uon ben $8oIfögenoffen, aud> oon ^cinc, ber \i}i\ ,,§ern)egf), bic eiferne Scrc^c" poclifd^ anrebete, rourbe er t»on Jricbric^ SBtl^elm IV. empfangen, fpöter aber an^ ^rcu^en auägeroiefen. ^avauf antwortete er mit feinen „21 Sogen quo ber Bö^rvei^" (1843) nur 33üc^er biö ju 20 Sogen unterlagen ber ^cnfur. 'tRaü) feiner Beirat mit (Smma Siegmunb, ber Tochter cineö reichen jübifc^en Sanfierö in Serlin, lebte er üiel auf S^leifen unb ücp fid^ jutefet in ^ariö nieber. 1849 aber bracE) er mit einer 3lrbeiterid)ar in Saben ein. 3Im 27. 5lpril 1849 bei 8c^opff)eim uon ben SBürttcmbcrgern gefc^Iagen, flüchtete er über bic (Srenje. (Seitbem lebte er baib in ^ariä, balb in (Senf ober 3"^^^- ^^^^ ^reunb ^^erbinanb £affalles fc^rieb er 1864 baö „SunbcöHcb bcs allgemeinen bcutf(^cn 2lrbeiter=58ereinö", bie beutfc^e 9trbeiter:9JiarfeiQaife:

SKann ber SIrbcit, aufgemacht! Unb erfenne beine Wa<i)t\ me mhn fteljcn ftill, SBenn bein ftarfer ^rm miü.

deiner 2)ränger Sc^ar erblaßt, 2Benn bu, mübe beiner Saft, 3n bie ®cfe Ie§nft ben ^flug, SBenn bu rufft: „(5§ ift genug."

Srec^t bQ§ ^oppetjoc^ cnt^mei! Srecf)t bie 9tot ber ©flaiöerei! 99re(f)t bie ©flQi>erei ber 3'?ot! Srot ift grei^eit, g-rei^eit 58rot.

^ic „3teuen ©ebirfite" (nac^ 1844) finb erft uon .^erri)egt)Q ©attin nad; feinem 3:obe ^erauögegcbcn roorben, I)aben alfo fd^on auö Diefem ©runbe nic^t in bcm ®rabc auf feine 3^^* geroirft mic bie „©ebid^te eineö Scbenbigcn", obmot)t fie ftcllenmcifc größeren 6d)rcung geigen alö jene. Unter i§nen befanb fid^ baö foeben jitiertc Sunbcös [ieb. ^n ^rcu^en mürben fie alöbalb auf ©runb beä Sojialiftengefe^eä oerbotcn. 2ßie rüttelten bie 58erfe „D mag' boc^ nur einen %aq", (1845) baö 3?oIf auf:

SEad)' auf! tvaä)' auf! bie 95?orgen(uft (2d;Iägt ma^nenb an bein D^r 2lu§ beiner taufenbjätir'gen ©ruft Smpor, mein Solf, empor!

Oeovg ^^erroeg^ unb anbete potttifc^e Jüid^ter- um 1848. 213

ÖQß fommen, maä ba fommen mag: S3Ii|^' auf, ein 2Bettev|(^ein! Unb h)ag'§, unb tväx'^ nur einen Taq, Sin fieifä ??oIf ju [ein!

Gineö ber itrimmigfteu lieber ift „Crbouanjen" (1846):

Crtonanäen! Crbonan^^n!

5}?eine ^öUti muffen tonnen,

2öie ic^ i^nen aufgefpielt!

(Jin§ ^luei brei unb Stunbe! SRunbe!

^'anjet, i^r getreuen ^unbc,

SSenn ber ^onig befiel^lt ....

^sd) bin euer ^opf unb 3Kagen, SIntmort n^d)" auf alle fragen, 3l[l€r 9{ebe (e^tcr Sinn; ^s§r ber Slbglnn^ nur be§ dürften Unb rtler magte nocf) ^u bürften, 55?€nn ic^ felber trunfen bin? ... .

3<^ ^"^ ^önig, meine ©rünbe 3i;onnern burd; J^anonenfc^Iünbe

3n be§ ^öbelg taube§ C-§r; Staffelt irgenbiro bie 5tette, ^unberttnufenb Sajonette Schaffen 9ht^ une ^uöor ....

grei^it inelrf)' ein toll S3ege§ienl Ja, ber genfer [oll fie lehren ^ud) 3um (Sc^recfcn unb ^um ®rau3; ??trb ber S3orrat ^ier ^u mager, .^pilft ja gern mein lieber ©cfiiuoger ^ir mit feinem 03tilgen aug ....

^^ berbiete, ic^ erlaube, 24 ""1^ benfe, ic^ nur glaube, Unb i^r alle feib befe^rt. 5i€ben 3*PfiKl löft bie $?nute: S^at man benn ha§ Slbfolute 5n S3erlin umfonft gelehrt?

3.Uit biefeni S(f)lu| beutet ^ermegt) auf bie ^irfuiigeu unb 3{bfi(^icn Der ^egeljc^cn ^^l)ilüfopf)ie l)in, bie jn non ber preu|ifc§cn 3f?cgicrung au^crorDentlid) begünftigt unO ftcfcirbcrt mürbe.

'illö bann Die ^Rcuohition ron 1848 faft im ©auDc ucrlicf, ba flogtc ber Did)tei („pulbigung"):

©eftern mar c§, bafe fie riefen: 93arrifabcn! ^Barrifabenl Unb in SRufilanb Dor bem S3olfe ftanb ber &on öon ©otteä Knaben. Unnü0 in ben Staub verronnen- ift baä k^tc .s>?lbenblut, Sd)nedenfaft ber 9ieft ^um färben cine^? ^urpurmantelö gut.

214 I)aS junge ©eutfd^Ianb unb anbevc politifd^e ©Irfjter.

11 nb fpäter, qIö nic^tö gejd^af), nlö ba^ in S^ationaberfammlungen gcrebet unb roicber gcrebi't rourbe, ba fpottetc er (1860) im <0eine=6til:

2>ng finb bie Kämpfer für SRerfjt unb Sic^t! ^d) \ei)' mawä) lieben 58efannten, '^ä) fe§' auä) monc^e^ ©d^ofSgefidit llnb mani^en ^omöbianten.

©§ ift ber alt€ 9!J?ummenfc^an^, S5on bem fie tuieber träumen; 2)eutf(^Ianb fud)t inieb^rum beim (Scf^man§ 5)en föfel aufäujaumen.

^eutfc^Ianb lä^t bor bem -Tatettbli^ 2)en ®onner ber 9?ebe rollen, Tlein ®eut]c§Ianb polftert ben alten ©i^ SO?it neuen ^rotofollen.

Sn feinen „'^reu^if^en i^onflütgpocfien" auö bem Januar 1883 roanbte er ftc§ mieber erbittert gegen bie 9)?onard^ie:

3:)ie ^nfönterie, bie ^dixiKerie,

^ie 5trtiIIerie entfoltcn

2)ie ®otte§gna'benmonard^ie ^

^n breierlei ©eftalten .... *

^ie brei finb ein§ unb nji^t i§r'3 nic^t, ©0 foUt i^r'ä eben krnen; SDreijä^r'gen ®I<iuben§untwric§t förteikn bie ^afernen ....

S3on ®otte§ ®naben ift mein 3;:^on! ^lxd)t Oc^fen finb'g norfj Kälber, 2)ie mir Quf§ §aupt gefegt bie ^ron'; ^df) na§m bie ^rone fdber ....

'^dj Ifabe tt)€nig mic^ befö^t Wxt SDicEitern, nur ben Slinfel ^enn' xö) ben idi) erfc^offen faft ^n einem geftungStoinfel.

^ermeg^ gef)örte ju ben raenigen, benen baä ^ai)x 1871 nid^t bie ©orge nai;m üor 3>eutfd^Ianbg 3"funft. 5Dafeurc^ untcrfd;eibet er fic^ oon ben meiften poiitif^en ^rei^eitäbtt^teTn. ^n feinem „Spilog jum Kriege" fd^rieb er im gebruar 1871 :

©d^on lenft ein ^aifer hid) am Qamxi,

©in ftrammer, ftrenger Qepiexi)ahex,

^ofbarben fingen il)re ^faltcx

2)em auferftanbnen SD?itteIaItcr,

Unb 89 tt)irb ein 2;raum.

ßin 3;r<ium? 2)u faf)ft, mie granfreid^ fiel iDurrf) einen Gäfar, falift bie ©ü^ne Sßolljogcn ouf ber ©^redenSbül^ne ^eutfd^Ianb, gebei^e, hxic^fe, grüne, (Geläutert bnrc^ bie§ Xrau^rfpiel.

©eorg .viertueg^ unb anbcvc poütifc^e T)irf}tev um 184«. 215

Unb ]o glaubte er auä) nic^t an eine glücföer^ci|enbc 3"funft ""ter biefein ^aifcrtum („©er f^Iimmfte geinb", 1871):

&iti(i) S?"inberu la^t i^r euc^ betrügen, 58i§ i^r ^u fpät erfenut, o tüei)\ 2)ie 35kidE)t am 9t^ein roivb nic^t genügen, Xer fc^Iimmfte geinb fte^t an ber ©pree.

©r lüarnt bfe „©iegeötrunfenen" (1871):

9iur biefe mar'§, bie wir erftrebt, ®ie Sin^eit, bic man auf ben 9?amen ©er ^rei^eit auä ber ©aufe ()cbt; Xoä) eure [tammt öom ©eufel: 5lmen.

^n bem ©ebid^t ,,@ro^" üerglcid;t er bie neu gewonnene äu|erc ®rö^e ©eutfc^Ianbö mit ber inneren ^Ieinf)eit, bem Mangel an pcrfönli^er grctf)eit. ©aä „neue ©eutfcf}^ lanb", fagt er in ber ,,9lbfertigung", „bleib mir fern unb 3äf)Ie mi^ ju feinen ©oten".

3tbcr biefer jorngemutc unb mag fo feiten ift biö ,;^nm 2^obe fic^ felbft getreue Streiter, ber ficf) burd^ feine nod^ fo großen patriotifrfjcn ©rfolge um bic ^beale ber SBelt betrügen (ic^ er fennt aurf> bag feifc @(ücf, baö bie ^^atur, baö bie £iebe gibt, ©anon fprid^t manches feiner fiiebcr:

?5rüf;Iingäna£^t.

©0 fel'gc ©title tra[ icf; nie! ^aum lifpelt'ä in ben ßli^eigen, Sllg l^ätten ein ®e[;eimni3 fic ©en 5[)'Zenfd;en '^u üerfrfjtueigen.

.^aum plätfrf)ert noc^ bi« SBelle fort, Jlaum fnofpet'ä in ben ^eden, 9II§ gälte e§, bic ©terne bort SIm ^immel nic^t ju toed^n ....

^n ben „jinei Siebern" greift er bic JlUbcäiuingerin Siebe (1868): ©ie Siebe ift ein ©belftein, " 1 Unb Siebe ^at ber ©terne 2Kad}t,

©ie brennt fal^rau§, fie brennt jaf;rein Unb f<inn fic^ nid)t öer^etjren; ©ie brennt, folang no4 .t'i'^tt^^l^Ii'J^t 3n cine§ 9}?en|(^n Slug' fi^ bricf)t, Um brin fid; ju öerflären.

Greift fiegenb über ^ob unb Ü^ac^t, S?ein ©türm, ber fie Vertriebe! Unb bli^U ber Jpa^ bie 25klt entlang, ©ie manbelt fidler ben alten öking, S;)oä) über ben 3IBoUen, bie Siebe!

©in gro|eö SSerbienft eriuarb fic^ .^ermegl) burc^ bie Überfe^ung oon Samartinc5 JÖcrfen, bie 1839/40 erf^ien unb ben nac^ germanif(^em ÖJefc^mad meitauä grof)tcn aller franjöfifc^cn ©i^ter jum erftenmal in größerem Umfange ben ©eutfc^cn betannt mad^te.

.^ermegt) fiebettc 186G nac^ 33aben:^abcn über. .§ier ift er am 7. 9IpriI 1875 geftorben.

Stieben i^m finb noc^ mcf)rcrc 9?cüoIutionöftrciter ju nennen, bie inbeffcn bic bisher 2(ngefüt)rten an 33ebcutuug nic^t erreichen, ^rmij ©ingdftfbt, geboren 181-1 ju ^aiöborf bei g)?arburg, trat 1841 in bie Seitung ber 6ottQfd)cn „allgemeinen 3eitung" ein. ^n bemfelbeu '^a^ve crfc^icnen feine „Sieber cined toömopolitifd)cii ^at^tiüäc^terö", bic an ©Fjamiffcö „5lac^tumd)tcr(icb" antnüpftcn. .^icr befang er ntil

216 . ^a§ iungc ®eiit|cl^(anb unb anbete poIiti[c^c ^tcf)tcr.

feinen fatiriic^en Spieen bic f^reiiiett tüie bie onbern 3Jten|d^I)eit§ibeolc, bic von ber 9?eaftion bebrol^t roaren. ©r jebo^, ber einft (1842) gefpottet f)ntte:

©enji^, gciDi|! ^dj finb' nod), 9Keiu Ie^te§ Qkl auf biefer Grben, 3rf| mit^ ©e^eimer ^ofrot iwrben

er He^ fic^ luirtfic^ (1843) gern von beui 5!ömg üon aßürttemberg jum 58tbnott)efnv nnb jQofrat ernennen. Seine bebeutenbe STötigfeit begann, feitbem er ^Dramaturg beß ©tuttgartcr ^oft^eatcrö rourbe. SÜS S3ü^nenleiter erntete er bann in 3Künc^en, SBeimar nnb SBien bie größten ©rfolge. 1867 ranrbe er geabett, 1876 in ben grei- ^errnftnnb erhoben. 1881 ift er in SBien geftorben.

Stöbert ^'ru^ (1816—1872) Jiat me§r burc^ feine ©djriften jur beutfciicii Sitcratnr, feine Sf^omane (,,3)a§ ©ngefc^cn", 1851) unb bie Satire „^ie ^olitift&e SBoc^enftubc" (1845), alß burc^ feine politifd^c 2v)nt firf; einen boncrnben Sf^aincn erworben, ©urc^ bie non 2(rnolb 9Ruge l;erauggegebenen „§QlIefd;cn ^a^rbücf)cr" (fpätcr „T)eutfc^en ^a^rbiic^cr") lüurbe er in bie oppofitionellc ^eiüegung hinein^ gejogen. 1849 lunrbc er ^rofeffor ber Siteraturgefd^id;te in Qaüc. 1859 trat er Don feinem §(mt gurüc!. ^m 2((ter oon 56 ^a^ren ift er, julefet (bis 1866) Seiter Der 2Boc^enfcf)rift „^cutfc^es 9J?ufeum", in feiner 33aterftabt Stettin geftorben.

Sn bicfem ^iifajmncntjangc ift ber beiben Srüber ^fijer ju gcbenfen. (guftoö ^ft3cr (1807—1890), ^;5rofeffor bor Siteratur in Stuttgart, bat freiiirf; burdj feine 2)id^tungcn nic^t in biefe ?^ragen eingegriffen unb überf)aupt fid; mit feinen poIitif(^en SSntcrcffen auf bie n)ürttembergifd)e SSerfaffung befc^ränft. Sein 33ruber ^^^mil ^fi^cr a801— 1867) bagegen ^at burd^ feinen „Sriefn3cd;fel jnieier S)eutfd)cn" (1831) auf ■ßreu^cn alß %üi)xn ®eutfd;Ianbö ^ingercicfen.

einen (Scgenfat) gur bemoEratifc^=renolutionären^id)tung bitbete ber junge Sdjleficr ©raf 9Jlori^ Uoit Stradjioi^ (1822—1847), ber fd^on im 3Uter von 25^a^ren ftarb. ^n feinen „$?icbern einee ©nuartenben" (1842) unb ben „^ieuen ©ebic^ten" fpiegelt fid^ eine ganj anbere 2öettanfd)ouung alö bie jener t^rei^itöfonger. Seine befannteften ©ebic^te finb „^er Strom", „9^oIf ^üring", „5Daß .^txi Don ^ougtoß'' unb „^elgcß 2;reue".

er, ber ^üngting, ber ni^t einmal ha§> ^a^r 1848 erlebt unb nidjtß alß bie alte 3eit in fi^ empfunbcn unb oerarbcitet l^at, mar freiließ ni^t jum beutfc^cn ^ro-- pi)eten berufen.

Unaufl)altfam gel)t bie Sßeltgefc^ic^fe i^ren SBeg. ßrbarmuugöloß jermalmt fie 9)iilIionen mer biirfte fie auflagen, mer ber ^orfeljung ^alt gebieten? SBie bie politifc^e (Scfd;td)tc allmäl)lid) einen anbern, rein fultureü bcbingten 6l)aratter an^ nimmt, fo üeränbert fic§ entfpred)enb bic politifc^e 2(nfd^auung unb mit ibr bie politifd;e 2)ic^tung. 2Baß einft gro^, ja l;öc^fteß ^beal mar, erf^eint ber S^ac^roelt entioeber felbftüerftänblic^ ober unbebeutenb. 3)ie ^olitif ift vetgänglid), eroig ift nur bic .^unft.

V.

Die rcbwäbifcben Dichter.

SJian taim nic^t tjcrabeju uou einer fd^n)äbi)d;en ^ic^tcrfc^ulc fprc(f)eii bie beteiligten ^ic^tcr i>aht\\ felbft bagegen (Sinfpnirf) erf)übcn. 3lber in Sc^raaben bilbcte \i(i) ein 5lreiö gteid;gefinnter 3}cänncr, bic in ^oefie nnb fiebcn meift jnfammenftanbcn imb, nur raenig berübrt uon bcn großen 2Bett[türmen, bcittic^e ^beale, bentfc^cS ©efül;! unb beutfc^c ^unft nuf i^rc gute fc^umbifc^e 5lrt l;orf) f)ietten. ^er 53ebeutenbfte oon i^ncn njor Ubianb.

Subnng IHjIanb luurbe nm 26. 3{pril 1787 aU britter Sofjn beö Uniuerfitätö^ fetretärö in 3:iibingcn geboren, ©c^on q[ö ^nabe machte er lateinifc^e unb beutfcfjc Jßeri'e. 5(ber nidEit "üa^» Ua\i\']d)C, fonbern "oai beutid;e 31Itertum mar eS, baö if)n auf bie 3)aucr feffcitc. SBefouberö ha^, 3libe(ungeuficb fjat if)m frfion frü^ angetan. 3(u9 bem Saxo Grammaticus fc^öpfte er norbiftfie Überlieferungen, auä bem 2önf= t^arilieb mittellnteinifd^e ßpit. 3f?ad)bem er \d)on 1801 in bie Uniocrfitätöliftcn eingetragen war, tnä^lte er 1805 an§ prattifc^en ©rünben baö juriftift^e Stubiuin. Seine Siebe jcboc^ gel)örtc narf; mc vox ber ^^oefie. ^n bem ,,Sonntag§blatt", einer ftubentifc^cn ^citfcfirift, erfrfjienen nun uiele feiner (3ebirf)te.' ^u bencn, bie ftrf) um bicfcö 53latt fdjartcn, geborte auf5er iljm ^uftinuö Ziemer, beffen SSatcr mit bem feinigen entfernt oerwanbt wax. ^^re ^ic^ternnmen in bem 58latt maren ^^lorenö unb Saruö, eherner waren mit Uljlanb feit ber ^ngenbjcit bcfreunbet Marl ^3cai)er, ?Ref)fueS, fpätcr 58crfaffer beo 9bntanö „(Scipio Gicala", unb $8arnl)ogen uon Gnfe. 5Dic id;önftcn ;i"iugenbgebid;te Uf)lanbö erfd;ienen in 2eo uon 3erfenborffö 93iufenalmana(^ 1807 8: „Sd)äferö Sonntagsticb", „'3^ie Kapelle", „Sc^lop am i^icer" nnb „Xcö 5lnabcn Serg; lieb". 2Bie bicje Sijrif rein ftofflid) jcigt, neigte HblanD bamalö jur 9^omantif, über bie er auc^ einen 3lnffa^ im „Sonntagöblatt" üeröffcntlic^te. 9(ber hai eigcntlid; ^K^üumntifdje, bie 3'-''-"riffcnl;cit ber ^erfi3nlid;teit unb ber 5?unftform foiuic bie ^-Be- tonung bes Subjettiuen unb ^nbinibuellen, lag il)m gan^ fern, ßr fagt felbft, Dap er „für eine ^oefic für fid), uom 58olfc abgemcnbct, eine ^oefie, bie nur bie inbiui^ bueöen Gmpfinbungen anöfprid;t, nie Sinn gehabt" fjabe.

3m 3al)re 1810 crmarb er fic^ mit einer ^Irbeit „Über bie Xeilbiutcit ober UnteillKirfeit ber Seruituten" bic I^ottormürbe. ^anac^ mnd;te er eine 3?eife nac^ ^ariö, um bicr baö franjöfifdje 9Rcd)t ju ftubieren, baö ber fraujöfifd) gefinnte griebrid)

218 'Jic td;aHibi)df)cu Tiicf^tcv.

üon SÖürttembcrg, ein 2)^itglicb beö JR^einbunbeö, in fein ßanb eingeführt (jatte. 3lber lücnigcr ber Code Napoleon ntö altbcntfd^e nnb romanifc^e ^anbfd;rtften be- fc^nftigtcn il^n in ^arig, wo er gern mit bem ^^itologen Immanuel 33e!fer t)erfet)rte unb bnrd^ 33arn^agenö 33crniittlung nuc^ ß^omiffo !ennen lernte, ^n biefen ©tubicn in ber ^^]arifer Sibtiot^cf Ijoben lüir ben Urfprnng feiner (iltfraujöfifc^en 58aüoben „^rein 9bfanb", ,,9?oranb ©d^ilbträger", ,,^önig Äarlö g)?eerfar;rt" unb ,,^nillcfer'' ju fud;cn. Wt einem ©eitenbücE auf ben finfteren Sßütcric^ 91apoIeon birf)tete er „^eg Söngerö ^lud^". ^n einenx 3(uffa^ über bnö altfranjöfifc^e ©poö fuc^te er bargulcgen, ba^ ber ^ytiuö ber alten norbfranjöfifdiien ßpen ein Seitenftüd jn bem 9libcluugen(iebe nnb ben ®pen .^omerö fei.

"^Raä) ber 9^ücffef)r üon ^arig gab er äufammcn mit ©nftaü Sc^mab unb ^uftinuö ."Rerner ben poctifc^en 2)infenalmanad^ für 1812 Ijerauö. ©in '^al^x barauf lüurbe üon it)m, Jlerner, g^onquö unb anberen ber ,,5Deutf^e S)id^terroalb" üeröffent- lid^t. ^n biefer ^dt trat er u)äf)renb eineö 3tufentf)a(te§ in Tübingen bcfonbers ©c^mab näf)er. 1812 mürbe er na^ furjer 3(bt)ofatentätigfeit (feit 1811) Beamter im ^ufti5minifterinm. ^m 3)M 1814 jeborf) trat er üon biefer Stellung jurüdf, jumal ba feine 33emerbung um ein ©efrctariat abgeroiefen mürbe, unb lie^ fid^ in Stuttgart mieber nie 2(büofat niebcr. ,,©o barf ic^ nun", fc^ricb er bamals an feine ©Item, „aud; auöfpred^en, mag i6) biöf)cr nie gegen Sie geäußert t)ahc, ba^ burd^ mein längeres Se^arren in meinen bisljerigen 33ert)ältniffcn unb nun noüenbö burc^ ein entfdiiebeneg einfetten an biefelben mein ^nncreg von ^ag gu ^ag mel^r gelitten f)aben mürbe. ^Md^t a[ö ob mir unmöglich geraorben märe, mid; mit ©ingen ju befc^äftigen, bic mir non 9^atur fremb, ja nicbrig finb, ober alö ob eg mic^ ju fef)r gcfd^merjt fjätte, bie ©ntmidlung fonftiger ^5äf)igfciten, bie ®ott in mid^ gelegt, aUjufe^r gel^emmt ju fe^en ic^ glaubte beiberlei Übelftänbc feit geraumer ^t\t fo giemlid^ übermunben 5U l^aben nnb felje mof)I ein, ba^ man ficf) gunäcfjft eine ©yiftenj grünbcn mup unb in gegenmärtiger S^\t am menigften feinen £iebf)abereien leben fann; allein in ben= jenigen (Befc^äftgüertjäitniffen, morein ic^ f)ier immer tiefer rermidfelt mcrben foütc, ^ätte id^, je mef)r id; äu|erli(^ uorgefd^ritten märe, um fo mc^r an Seelenruf)e unb innerer Selbftänbigfeit verloren."

1815 erf^icn bie erfte Sammfung üon Uf)[anbg ©ebic^ten; fie ^at \i)n bc- rüi)mt gemacht unb feinen 3Bo^(ftanb begrünbct, mennglci(^ nic^t fofort. ©rft feit ben brei|iger ^Q^^'^n folgte eine 9(uf(age unmittelbar auf bie anbere.

Uf)Ianb ift nid;t eigentlich ßgrifer, fonbern ©pifer. ®ag ©ebiet, für bog feine Äraft uorsügtic^ taugte, mar bie SBaUabc. 3(u^er ben fcf)on genannten 53 a 1 1 a b e n f)aben if)n unfterblic^ gemacht „lier blinbe ilönig", „3)cr SSirtin ^Töd^terlein" („ßg jogen brei 33urfd^cn mof)I über ben 9tF)ein"), „^Der gute ^amerab", „iSertran be ^orn", „1)er roei^e ^irfd)", „Sd)mäbifd)e ilunbe", „®raf ©ber^art) ber 9Ranf(^ebart'', „Siegfriebg Sd^mert", „®ie 9kc^c", „^ag ©lud üon (5benf)all", „®er Sd^enf oon Simburg" „Ver sacrum", „^eUg STob", „(Sraf 9?id)arb D^nefurdit", „5Dag Sc^roert" unb „SDag Sc^iffiein". 2Jiit einer gemiffen Mi)U umfängt ung biefe brao erjäfilenbc -l[5oefte, bie fo üiel 3nf)alt unb fo roenig 3}?e(obie Ijot. ®er Stoff ift eg, ber UFjIanb

Subiuig lU;Ianb. 219

noi- oHem intcrcfficrt. Sc^illerö ^atboö unb ®oetf)€ö natürlicl;c 3(nmut fehlen if)m ganj. Scbac^t iwip er Söort iinb 58erö wie ein ^f)iforogc, ber iinterfuc^t itnb vcv- gfeic^t; überaug glucflic^ finb bic aBivfungen feiner 2öaf)[, unb gelingen if)m auc^ iDic in bem „St^Io^ nm 9J?ecr" unb ber ,,ÄQ^eEe" luirfHci^ poetifc^e Stimmungen, jm ganzen aber roirb er bie nüd;tcrne, profaifc^c ^Jlatur ftärfev anjiefien, bic bei ber ^.ieÜüre feiner ^anblungöreic^en 33aIIaben feiert auf if)ie 5loften tommt, mä^rcnb fc^öpferifc^e unb nac^ ber Seite ber ^t)antafie hcc^ahU ©cifter in Hf)(anbö ^ic^teif^ain fo ime in fc^nurgeraben, aber fallen 3(IIeen manbern. ^arum eignen fic^ Uf)Ianbö SaUaben befonberö -für bie Schule, in ber üor allem auf flare ©lieberung unb burc^fic^tigen ^in^an eineä .^unftraerfö anfommt, unb barum I)at aurf) ber ftumpfcfte (Beift für nt)Ianb immer ehmö übrig: ibn t)erftel)t er roenigftcnö.

^n bcn [t)rifd^en 2 i e b e r n üermod^te fic^ ein foId;eö, Dormiegenb logifrf) bc= bingteä Talent meniger ju entfalten. 9lef)men mir teilnc^mcnbe unb bebaditfame „Sieb eines 3(rmen": luie forglic^ mei^ ber 2)id^ter üou einer Stropl)e gur ouDern mit einem „boc^" ober „no6)" überzuleiten unb bie Sd^lu^ftrop^e mit einem ,,einft" unb „bann" alö fold^e ju fennjeic^nen! 3tuc^ „®eö Knaben '^crglicb" enthält Die 'Öcfrad)tung eineö nad}benfüd^en ©eifteö, ber ficf) aUeö ber 9?ei|e nad^ i)üh]6) f(armad;t.

2grifd^ ift bie 3Birfung con U{)Ianbö @ebid)ten nur bann, wenn fic gan,^ für^

finb, alfo gar feine 9JlögIid^leit ju auöfü^rlid^er ^cnfbnrfeit bieten, ©in 33eiipicf ift

bie „j^rü£)(ingSa^nung" :

C fanfter, fü^er .^aud)! <S(^on mcrfeft hu miebcr 9J?ir (3"i^ii^li"9§lifber. 33alb blühen bie Sßeilc^en ai\d].

So rairft and) ber „^rülitingeglaubc":

3!)te linben Cüfte finb exwa&)t,

©ie fäufeln unb meben 2:ag unb 9iad;t,

(Sie fc^ffen an allen ©üben.

C frifd^er Xuft, o neuer Solang!

5^ie SSklt lüirb fdjijuev mit jebem %(\c\, 5DJan ipei^ nic^t, ma§ nod) n>crben mag, 2DaS S3Iüf;cn irill uic^t enben. blüljt baä fcrnftf, lieffte Xal;

9?un, arme'3 ^^^^h^> K^ "i<^Jt bang! 3hin, avmeS ipcr^, ocrgiB ber Dual!

9?üu mu0 fid) allcö, aüey menben. ' 9iun mufj fid^ alley, al(e§ menbcn.

Sobalb llf)lanb in biefen Iprifc^cn ©ebic^tcn etmaö ^n erjäljleu fiubet, ift er feiner ^unft aud; in größerem 5JJa|ftabe fid)er. Taö ^cigt bie „ßinfel^r" („58ci einem 3i5irtc rounbermilb"), bie fid^ mit ben befteu unter ben Heineren Öoet^if^en ©eDi^ton nerglcic^cn taun.

3Son feiner uaterlänbifdien 2i)rif ift faft nur „9Benu l)cut ein öeift l)ernieber= fliege" in roeitcre Greife gcbrungen. ni)lanbs 33alerlanb mar in erfter Sinie fein geliebteö 2Bürttemberg, unb auf bcffen „alteö guteö 9^cc^t" faiu i^m boc^ mel)r on qIö auf bie bcutfd^e Äaiferfrage, fo febr er fi^ and; mit biefer fpäter nod) ju befc^äftigcn Ijatte.

Urlaub l;at fic^ fclbft nid)t für einen erlefenen 2i)rifer gel)altcn. ^aö untere fc^ctbet ja bic gro|cn Sprifer raic ©octlje, ^eine ober Senau oon ben T)ic^tcrn, bcneu

220 Xie fc^tuübifc^cn Dichter.

auc^ manc^cö Iprifc^e ©ebic^t gelingt, ba^ jene xiixe ifincu angeborene Äunft mcift it)r ganjeä ficben Ijinbur^ nuöüben, roä^rcnb biefc nur in i§rer ^ugenb con grü^Iing, Siebe nnb 91atur fingen. lU;lanb mad)t booon feine 9luönaf)me nnb bo^ei^net un= befangen feine Stellung in ber beutfc^en ßtjrif am beften mit ben erften nier Strophen fcineä ©ebic^teö „?^reie ^unft":

Singe, inem ®e[ang gegeben, 3n beni beut)c^€n ®ic^tern>alb! ®aB ift grenbe, has, ift geben, SBenn'g öon alten gmeigen frf)altt.

9?ic§t an lüenig ftolje 9?<imen 3ft bie Sieber fünft gebannt; 2lu§geftreuet ift ber Samen Über alteg beutfd^e Sanb.

Xelne», sollen ^er^eng Iriebe, ©ib fie fecf im Slang« frei! ©äufelnb iTKinble beine Siebe, Sonnernb un§ bein 3orn öorbci!

©ingft bu nic^t bein gan^eä Seben, ©ing boc^ in ber ^ugenb 2)rang, fRüx im SBIütenmonb ergeben 9?oc^tigaIIen Ojitn Sang.

^n ben roürttembcrgifdien ^öerfaffungöfämpfen uon 1815 biö 1819 fpieltc Hfilanb, ber auf ber ©eite beä Stbelö unb ber ©eiftlic^feit im ©egenfag oucf) äu feinem ^reunbe ferner om 5{It^ergebrad^ten bing unb fo eine fonferüatioc Dppos fitian gegen bie 5lrone bitbete, eine bebcutenbe poIitifd;e SfJoIIe. ^\ix geier ber ein- ftimmig angenommenen SSerfaffungöurfunbe raurbe am 18. Dftober 1819 Uf)lanb§ 3)rama „©ruft üon (Schwaben" am Stuttgarter ^oft.^eater aufgefüfirt. S>er ^nfialt bicfes fjiftorifd^cn Sc^aufpicls beutf^er 3:reue ift folgcnber: ^erjog ©rnft, ber 6tieffot)n be§ £aiferö Äonrab, ein Sot)n oon beffcn ®emat)lin ©ifeta auö if)rer früf)ercn (Sf)e, le^nt \id) gegen feinen faiferlicfien Stiefuater auf, inbem er Surgunb qIö fein ©rbe oertangt. (Sr luirb aufftänbifrfj, rairb gefangen genommen, auf ©ifclas ?^ürbitte raicber freigetaffen unb bereut feine ^at. 2l(ö jeboi^ fein trcufter ?^reunb SBerncr oon 5liburg fic^ gegen ben ^aifer ergebt unb ©ruft nun fc^mören foE, Skrner als einen ®eäd;tctcn gu rerfolgen, bo weigert er firf;, mu^ f (ächten unb, beflagt oon feiner ©eliebten (Sbelgarb, umf)erirren, bi§ er gufammen mit SBerner im Kampfe fällt, daneben get)t eine ^anbtung, bicnoc^ einen anderen 5lon[litt betrifft. @ifcla bat ,bem J!oifcr, al§ er ©ruft freiließ, gelobt, nie mieber für ben ©of)n ju bitten. 35ü fie nun felbft für biefen nic^tö tun fann, fenbet fie if)m 3tbalbert ju $ilfe, ber i^ren früf)eren ©ema^t getötet Ijai unb fie mögen i^rer gmeitcn ©l)e jur 3f?cbe ftellt, ba fie ben legten SBillen beS ©terbenbcn buri^ i^rc neue ^eirat mi^ac^tet l)(ibc. Sie ircift bie 33or= würfe burc^ ben §inraeiö auf ben Segen il;rer 'Sätigfcit jurüd unb jeigt il)m, roie er felbft bur^ Untcrftü^ung beo ©o^ncö bie 33lutfi^ulb an bem S^^atcr fübnen fönnc.

9J^an mu^ bie ^anbtung biefcö ebcl gebarfiten ^^in^f'tbramaä um feiner frü; ^eren ©eltung unb um Ufilanbö miUen fd^on erjagten, benn freiraiflig roerben ec- l)eute ni(^t mef)r oiele uon 3(nfang biä ju (Snbe (efen. Ul)lanb mar noc^ roenigei ein 5Lramatifer als ein Sprifer; feine ^crfonen beflamicrcn; fie rcben; fie leben ni(^t. SBir l)ören immer nur ben ^id^ter, ber un§ fc^öne ©cfinnungen unb beiuegte Situationen mitjuteilen l)at.

^licfit anber§ fielet mit bem jmeiten t)iftorifc^cn ®rama „Subroig ber S3ai)er" (1819), bog inolge eineg ^reiöauSfrfireibenö ber 9J?ünc^ener §oftl)cater-

Öubnjig Urlaub. 221

intcnbanj für ein Bind auä bcr 6Qt)rifrf)Cn ©cfc^id^te entftanb. 3(ud) bicfcs ©c^aufpief ocrfKrrlic^t bic beutjrf)c Treue: bc^anbeft bcn .Honffift jioif^en ßubraig bem ^^aycrn, bcm bcutid^cn i^aifer, unb feinem ^i^öcnbfreunbe Jriebric^ uou öftcrreic^, bcr von jenem in Der Scf)Iac^t befielt unb ^efonflen ;^enommcn rotrb. 3II§ tx jeborf) üon Cubmtg frcic^elaffen mirb, ba üerfuc^cn ucrgeblirf) fein 'Srubcr fieopolb, feine ©attin ^fabella unb bcr papftlic^c lÖcgnt, bcr i^m mit bem Äir^enbanne brof)t, i!^n üon feinem Scv^ic^t auf bie .'ilrone abjubrinöcn. Xai 3(uftrcten bcö bcfanntcn alten Sc^rocppcr: mann gibt bcm 3)ialog üotfötümlic^e ^üqe.

9Jiit bem ^n^re 1820 ift Ul^lanbö bici)terifrf)e ^Täticjfeit faft gänjUc^ ju ßnbe. T^ovtcm ift er nur ^olitifcr unb ©ele^rter. 58on feinen bramatifi^cn Sntroürfen feien w6) .,^önig ©gin^arb", ,,.^onrabin", ^.Ctto üon ^öittelöbad/', ,,Xie 9^ibclungen", „Jrcnceäta ba 9f?imino", „T^ie 2Bcibcr üon SBeinöberg" unb „9.üxl bcr ©ro^e in ^'scrufalem" ermähnt. SSon feinen miffenfc^aftU(^en 3(rbcitcn ncrbienen ficrüorgelioben 5U riKxhQn 3S a ( t b c r d o n bcr ^ o g c ( ro c i b e " (1822) unb bie 3tbf)anb(ung ,, 3n t e f)o6) - unb n i c b e r b e u t f (^ c ^ o ( ! ö U e b e r " (1814) foraie in feinen „'33or[efungen über ®efrf)id)te ber bcutfcben Tirf;tung im 9Jiittc(a[ter" (1830) bie ?(b]c§nittc über bie beutfc^c ^eibenfage, ben ®xüI unb bcn 3Jceiftergefang. 18:'6 erfci^ien aU crfter 'Sanb uon „SQgeuforfd;ungcu" ,,^cr ^Ttptfiuä von %l)ox'\ T^icfcs 2öcrt ift cbcnfemenig lüic eine üiclücriprcd^enbc „Bä)]väh\\i)C Sagenfuube" ucUcnbct niorben.

^m ^af)rc 1829 crljielt er eine nupcrorbcntlid^e ^rofeffur für bcutfc^e fiiterntur in Tübingen, nad; bereu Übernahme er bie eriDö^ntcn 33or[cfungcn f)icft. 3tlä er jebod^ 1832 nlö 5ßertrcter Stuttgarts in bcn neuen Sanbtag gemäblt unirbe unb uon bcr ^Regierung feinen Urlaub crbicit, (egte er bie "i^rofcffur 1833 nieber. 1848 untrbe er SJiitglieb ber granffurtcr 9^ationalDerfammIung für bcn Tübinger 3öab(frciö. .^icr f)iett er jroei bebeutenbe 5Rebcn, bic crfte am 26. Cftober 1848 gegen beu ^hiöid)[uf{ Öfterrei(^ö, bie jmeite am 22. Januar 1849 gegen baö ©rbfaifertum. ,,@ö wirb", fo fc^lo^ er, „!cin ^aupt über ^eutf(^(anb leudjten, baö nid^t mit einem uoUcn Tropfen bemofrQtifd)cn ÖIö gefalbt ift."

£eit 1820, bem ^üljxi, in bem feine poctifdie 3(ber oerfiegtc, mar er ücrmäblt mit ©mifie SSifc^cr, Tüdjtcr ber ®mine ^iftoriuö (auö erfter ©f)e), bcr $Rücfert feine elf Sonette „9bfen auf haö ®rab einer eblen ?^rau" gemibmct ^at.

Ubfaub rerbrad)te bie Icfeten ^o^vsefintc feincö Sebenö in Tübingen, mo er ficb 1836 ein ^auö faufte. ©ö lag an ben Slecfarmicfeu unb bot eine präd)tigc l-luöfidt auf boö Tai unb bic Scf)U'übifd}c 2ilb. 3luf bem Stuttgarter £d)iücrfcft bictt er 1859 bie gro^e ^eftrebe. 33ei bcm 33cgräbniö feincö greunbcö ilerner jog er fid; eine (Sr: fättung ju, an bereu 3^oIgen er am 13. SRopember 1862 ftarb.

llf)Ianb ergänzt bie beutfcije Literatur aufg glüctlid)fte mit feiner tfarcu '^oefie, feinen ooltälicbartigen, babei aber funftiiollen, fräftigen unb bemühten klängen unb ber ©cfc^loffen^eit feincö Sßefcnö, ber geftigfeit feincö ßfiaratterö. (Srnft unb nernünftig mar fein T^enfen unb Streben, fo gauj anberö alö baö beö jungen ®eutfd)[anb unD anberer poIitifd>er Ticf)tcr um 1848. 5tufrcci^t ift er feinen 2Beg gegangen, frei uon

222 2)ie frf)tüä6ifcfjen Sid^ter.

genialen Hniuonblungen, ^crb, felbftänbig unb nüchtern, ^ebe ^ofc ift if)m fremb, jebc ^t)rQ[e üei1;a^t. ©er S^omanti! naf)m er iljr ^immclögeraonb, um i§r ein berb= irbi[(f)cö ^Quöfreib anjujic^en. SBenu er rebet, roeiin er bid)tet: er roiE uerftanben inerbcn ouc^ ha, wo er nur onbeutet, roie bei bciu „'B(i)io^ am ^Jlcer". ^Jiännlirf) lüie fein Seben ranr feine 5lunft. ^Den ©toff feiner @ebic{)te nabm er foft immer oug Sudlern, feiten auö fic^ felbft. S)aä £öftli^fte, mas bie ©eelc bergen unb nur ijalb üuöfpred^cn fann, mar i^m nic^t gegeben. 60 ift er ber Siebling§bic^ter für bcn geiftigen ^urc^fc^nitt, unb mo§ barunter ift, geraorben, anhererfeitö aber and) für gro|c, fraftüoHe ©eftalten ber ^jraftifc^en Slrbeit, beä profaifd)cu ®afein§ unb Mtags. ©in jeber, ber ben Spanten UJ)Ianb ougfpric^t, ift fic^ bemüht, auf feftem Soben ju fielen, frei üon jeber ©efa^r, mit bem 6d)eitcl bie Sterne gu berühren. Unb auf biefem feften ^obcn ift nic^t nur reifes Jlorn, ift bod; ani^ fo mancEie Sfume geroad^fen.

2* Sttftinu^ tcvttcv itnb attbcrc fd^ttJädijr^c ^\ä^Ui\

U^tanbg ^^reun^b unb SSermanbter ^uftiuuö ferner raurbe am 18. September 1786 alö So^n eineö DberamtmannS in Submigpburg geboren. 'Slad) beö 58<itcvö ^obe mürbe er guerft 3:;uc^macE)erIef)rling. 1804 bi§ 1808 ftubierte er in Tübingen, mo er mit Uf)Ionb, SJiaper unb Sc^mab t)er!ef)rte. ©r befuc^te bann Sßien, mo er mit ^riebridE) Schlegel jufammen mar, f^ranffurt a. SJu, Hamburg, 33erUn, mo er ©f)amiffo unb g^ouquö näf)er trat, unb Bresben. 1810 mürbe er praftifcf^er Slrjt in ^Dürrmenj, barauf in SBilbbab, 1812 in SöeljJieim, 1815 Dberamtöarjt in ©eitborf. Sc^Ii^^tic^ (1818) lie^ er fi^ aU Strjt in SBetnöberg niebcr, mo er 1822 ein eigenes §au§ erboute unb üiele ?^reunbe oon nai) unb fern fierbeijog. ©r ftarb am 22. Februar 1862. Über fein £eben ptaubert baS „33ilberbuc^ aus meiner Änabenjeit" (1849).

tiefem S)ic^ter ftedte bie S^iomantif mit il)rer Siebe jum ©ef)cimniäootten unb tlbernatürlic^en üiel ftärfer im Slut aU UI;Ianb. ^m fpöteren 5Uter trieb it)n feine Söerantogung gur 9J?r)ftif, gum Stubium ber .^tipnofe unb ^ellfct)erei, an bie er crnft- t|oft glaubte. So rourbe er ein SSorläufer beg SpiritiömuS. ®r blieb auc^ \)axt- näcfig bei feinem ©tauben an ©eifter unb äljnüc^en Spuf, obroo^I iljn ftare £öpfc mie Ul)lanb unb ^mmermann biefer im „5J?ün(^l)aufcn" : „^oltergeifter in unb um SßeinSberg" mit Spott überfd)ütteten. 3" benen, bie ftd) feinen magnetifc^cn .^uren anuertrauten, gef)örte aucE) bie neroenfranfe ^aufmanngfrau ^rieberife \§auffe auö ^reoorft bei Sörcenftein (Sßürttembcrg). ^lad) mel)riäl)rigcr 33el)anblung vtv- öffentlic^te er über fie im ^aljvc 1829 bie beiben ^änbc „"I)ie Seherin oon ^recorft". Sein Sol)n gibt notiere 2luffcE)lüffe über bie i)kx^n gel^örenben 2lbfidE)ten feine^' SSaters unb bie „Set)erin" felbft. „©r rooUte", fagt er, „ba^ aUeS, roa§ man balb ba, balb bort fic^ ängftlid) erjölilt, raoran baä 58oIf glaubt, raaö bie einen fc^redt, bie anbcren fpöttifd) üerlad^en, mag ©louben, Unglauben, 2[Bal)rl)eit, Xoufc^ung ober Betrug fein, bo^ aU ba§ nid)t ignoriert, fonbern fefiriftlid) fixiert unb miffenfdiaftlic^

unterfudit roerbe Stm 25. ^^ooember 1826 fam eine fc^mertranfe %xavi, grieberife

^auffe, unter 33egleitung beö Dr. Dff oon £öroenftein unb einer SSerroanbten in SBeiuöberg an, um fic^ meinem $8ater in S8el)anblung ju geben; fie fanb im parterre--

:J^«|'timt'^ ilevner unb anbcrc |cf)uHxbt|'cfje 2)icf;tev. 223

jimmct eines ficincn §Qufeö, md)t weit oon bcm meiner Eltern, Untcrfunft

9Kcin SSater, ber bie bem ^obe 58erfallene nnr unfern noc^ in 33c^anblung na^m, f)offtc anfangö burc^ ein rein ärätlic^cö I)Oinöopatf)ifd;eö $ßcrfQ{)ren wod) einigermaßen I;elfen unb fie quo bem fomnambulen ^iiftanbc j^erauöbringen ju fönnen, aber immer mef^r natjm bie Bd)ixiäd)c ju, unb ftünb(id) mar ber ^oö 3U ermarten. ®<i üermo^te mein $8ater nid^t ju raibcrfte^en unb oerfurfite alö Ic^teö 9J?itte( bcn 9}lagnctiömu§. @(cic^ nad^ bcn erftcn ©trieben füf)(tc fie [id; g^f^örft, marcn il;rc Seiben geminbert/ !onnte fie fic^ etmaö aufrid^tcn. 9]un fe^te mein 5ßater biefe 33e^anblung fort, fie mürbe baburc^ immer mcf)r in bie fomnambulen Greife gebogen, unb roaä fie in biefen 3uftänben fü^It«, erfc^aute unb fprorf), \i)x ferneres Sebcn unb 6nbe, ba§ aUcS ift in meines SSatcrs meit oerbreitetem, in fec^s Stuffagcn erfc^ienencn 58uc^ ,^ic ©cijerin oon ^reoorft' ousfüfirnc^ entfjalten unb gcnugfam befannt. ^c^ mar äef)n ^at)rc alt, als bie Traufe nad^ SBeinoberg fam, unb fann mid; beSE)aib noc^ gar gut erinnern. 2)ac. totenblaffe, üon Ärantf)eit unb Sd;nieräen abgemagerte feine GJefid^t nqnnenartig um= xai}mt oon einem großen meinen Xud;, baS .^aarc unb Schultern um{)ülltc, bie großen, in feftfamem £id;te ftraljlcnben 3(ugcn mit ben langen fc^marjen Sßimpern unb beu fc^ön gebogenen 2lugenbrauen, bie elfenbeinmeißen, burd;fid)tigen §änbe, mcr fie cinmct gefel)en, fonnte fie nimmer oergeffcn, unb id) fat; fie jafirelang unb täglid;, faß oft an i^rem S3ette mie ein Schmetterling an ber 9hbet unb fei)nte mid^ aus ber trüben ^ranfenftube \)\nam in bcn ©onncnfd^cin/'

2)od^ nidf)t eigentüd) mit biefer ßigentümlic^feit ilerncrfc^en ©etfteö f)at eS bie ©egenmart ju tun unb auc^ ni^t mit bem 33crfaffer ber fc^merocrftänbli^en „9teifefc^atten oon bem ©c^attcnfpielcr 2ud)ö" (1811), fonbern oor allem mit bem Sijrifer, ber uns ©ebic^tc gegeben f)at mie „^reifenb mit oiel fcf)öncn Sieben", „^ort unten in ber 3Küf)(e", „SO&ol)rauf nod^ getrunfcn", „3Iuf ber 23urg gu @crmcrst)cim" („^aifer Sf^ubolfs $Ritt jum (Srabc"). SSeicf) im illange unb romantijd) in ber 2tuf : foffung f)aben biefe Siebcr ferner einen e^rcnoollcn ^la^ neben Urlaub gefiebert. 58c- fannter aber als fie ift boc^ noc^ baS SBcinSbcrger 5\erncr^aus geblieben, für ^octen unb grcmbe ein roalireö 3:aubenl)auS, ber ©ipfel bel)aglic^cr, ec^t fc^mäbifc^cr ©oft; frei^eit. ©ein Sol)n roeiß baoon jn erjäljlcn: „^Keinc gute g)hitter fud)tc barum and) bei fc^on überfüQtem .^anic jebem ©aft roomögli^ eine beffcre ©djlaffteüc ju be=

reiten SBenn mir Äinber im fogcnannten ©argjimmer oben fc^on längft im

beften Schlafe lagen, rief fie jur ^ür t)erein: ,^inber, ftel)t auf! (SS finb ©äftc gc-- fommen, il)r müßt ^iim^ei^ »"b 33ett ^ergeben/"

Sie rcaren unb finb alle gemütuoll, biefe fcf)mäbifd)en Sänger, ^n i^rem gWittelpunft ftanb and) (Buftoü 8d)tt)al). Er murbc am 19. ^uni 1792 in Stutt= gort geboren, ftubierte ^l)ilofopl)ie unb ^l)eologic, mad)te 1815 eine 5Reifc nad) Dlorö^ beutfc^lanb unb mar bann äunäcf)ft 9lepctent am tl)colo<jiid;cn Seminar in Tübingen. 1817 murbc er ^rofeffor am ©pmnafium in Stuttgart, 1837 Pfarrer in ©omaringen bei Tübingen, 1841 Pfarrer in Stuttgart, 1845 Dbcrftubienrat unb DberfonfiftoriaU rat. er ftarb am 4. ^Hooembcr 1850. 2Bir fcnnen Sc^mab mittelbar \d)o\\ burd) Ccnau, ben er in bie fiitcratur eingcfül)rt l;at, unb mit beffcu Sc^ilfliebern im hf-

224 ®lc icf;iüä6ifcfjen S)id)tcr.

fonberen er tuxd) [eine dV\d)k Sötte ©mctin ucrfiiüpft bleibt. 2Bir fennen i§n abn ferner burc^ einige gan^ befannte 58nllaben: ,,!3)aö ©eiuitter", ,,^cr S^lciter unb ber ^obenfee" unb ,,^oljanncS 5lant", burcf) fein frifd^eä „Sieb eineg absiet)enben ^urfc^en" („33cmoofticr 33urid)c äicl) id^ au^j") joiDie burc^ feine Snmmelbüc^er „Tie fd^önfteu Sagen beö flaffifdien Sütcitumä" (1838/40) unb ,,^cutfc^e ^l^olföbüc^er" (1836). ©ainit finb feine fdjriftftcUcrifc^cn ^^erbicnftc gcn)i^ nic§t erfd^öpft. ^n mehreren 'Sd^riften ^at er bic .'Qciniat gefc^itbert (r,^ie 3Rednrfeite ber fcfiroäbifc^en 3tlb'^ 1823. ,,^er Sobcnfec", 1827). Seit 1827 beteiligte er fic^ an ber Verausgabe beö Süttaf^en 9)]orgenb(atteö. Wit (E^amiffo gab er 1833—39 ben ,,®eutfc^en 3)?ufcnalmana(^" I)eraug. ©ine eigentürf) felbftänbige Sebeutung I)at B^mab nic^t, er lehnte fid^ ftetö an anbete an, befonberö an Uf)(ünb/ ats beffen erften 'Sd^üler er fid^ aud^ bcgeid^net I)at.

3^od^ rceniger freitid^ treten anbere in biefem Greife alä fünft(erifd)e ©igen- perfönIidE)feiten E)cri)or. Uaxl 9Jtai)cr, geboren am 22. 3){ärj 1786 ju Sledarbifc^ofö^ ^eint, würbe 1809 Slbuofat in .'peilbronn, 1818 ©eric^töaffeffor in Ulm, bann in ©^^ lingen, 1824 Dberamtörid)ter in SBaiblingen. 1833 mar er liberaler Stbgeorbneter ber raürttembergifd^cn 5lamntcr. 1843 luurbe er Dberfufti^rat in Tübingen. Seit 1857 lebte er biö ju feinem 3:^obe am 25. gebruar 1870 im 3fiuf)eftanbe. Seine (Sebic^te uerbienen nur jum ^eil ben ^o^n, mit bem §eine fie mie überf)aupt bie Sgri! biefer Sc^iyaben bebaute, '^üx bie 5\cnntnis beö gangen fd^rüäbifi^en ilreifeö mürbe bie he- beutenbfte Duelle 2)iar)erö Schrift „Subroig Uljlanb, feine ?^reunbe unb ^eitgenoffen''. j^erner uerbiencn genannt gu werben Sil^etm SBoibliugcr (1804 1830), ein Schüler Sd^roabö, ber Stuttgarter Stabtpfarrer Gilbert ^Uü|)p (1798—1864), ber burc^ haä ©ebic^t „3)ie Sinlabung" („Gin frommer Sanbmann in ber ^irc^e fa^") befonberS befannt gemorben ift, ber jcl5t micber fet)r beachtete 2ef)rer !3öl)nmi (iicorg ^ifc^Cf (1816—1897), u.a. SScrfaffer eineö ^ramaö „?^lorian @et)cr", ber mit feinem Srub^r gufommen fd^on früfier crmäfinte ©uftaü ^figer (1807 1890), b^r fromme Vofprälat toi (Bttot (1815 1890) auä 33aif)ingen, beffen @ebic^tfamm= fung „^almbtätter" (1857) meniger „^fingftrofen" fic^ baö beutfd^e ^auö, beffen „^ifd^gebet eineö bcutfc^cn Knaben" fic^ vox allem bie Schute erobert ^at, unb |)cnilomi äüx^ (1813—1873). 2tn 2ßi[f)elm ^auff (1802—1827) gef)en mir ^ier Dor^ über: er ift jroar Sd;n)abe unb überragt alle biefe S)icf)tcr einfd^üe^lid^ Uf)(anbö aber fein früher S^ob, ber fünf ^atjrc oor bemjenigen @oet{)eö erfolgte, unb feine SSerfe, bie il)n enger alö ben lXl)tanbfrcis mit ber 5Romantif uerbinben, rocifcn il)n einem älteren ©ntmicElungöabfd)nitte ju.

©in näl)ereä ©ingel)cn Darf aber ber focben genannte ^ermann Äurj enniirten; ni^t bcöl)arb, roeil ^folbc Svurg in il)m il)ren 33ater ücrel)rt, beffen Seben fie aud^ be= fd^rieben i)at, fonbern weil feine SBerte, üor allem feine beiben 3fiomane, baö oerlangen: „Sd)iEerö §eimatjal)re" (1843) unb „5Da- Sonnenrcirt" (1855). ^n bem le^tcren roirb Sdiiöere ©rjälilung „Xer SSerbrcc^er auö oerlorener ©l)re" breiter unb pfijc^O; logifc^ fein, jeboi^ ol)ne 2lbf^lu^ auögefül)rt; in bem crfteren ift Sd^iüer nid^t ber eigentlid)e ^elb ber ^anblung; gerabe barum gelingt Hurj, bem ©eniuö beö ^id^terS

3uftinu§ ferner unb anbeie fcfjiuäbifcfje ^idjter. 225

311 fjulbigeti. ®ie §auptperfon ift ^einric^ SfioHer, unb na6) \^m [oute ber Sftoman uv- ipningli^ Qucf) genannt löerben. SSor bem erfcEieincn beö Sanken rourben in ßottaS 'JJiorgenblatt 5iDei ^rurf)[tücfc abgebrudt: „©exilier alö S^aufpiefer" unb „©in 'TKittagSmal)! in ber {)o^en ^nrlö)d)u[e" ; in Seiuolbö „ßuvopa" folgte bann no^ „«Sctjülerö 2;raum". SBertooHe Duellen luaren bic Slufjcic^nungen ron Sd)iIIer§ greunb ^eterfen unb bie münbüc^cn 33erict)te frül)crev ilarlöi(^ü[er. (Betreu ift S^ubart gejci(i)net roorben famt feinem Reiniger 5Riegcr unb bem Pfarrer ^al}n. 2)er W.x)\t\Ur, ber bei ßottc^enä glu^t eine 3RoIIe jpielt, ift ber ^f^eofopt) Dettlingcr. Wt 3Rotter, ber frei erfunben ift, treten in ©cEiillerö ^^reunbeetreife aud) ^eterfen unb ^aunedcr auf. 3(urora, 2(malie unb Saura finb ebenfaUö frei erfunben. ®er 3Roman •enbet mit bem ^obc beö ^erjogö, bei beffen ^eftattuug Äurj^ bcn ^it^ter bic SBorte fprcrf)en lä^t- „^a geF)t eine ^e\t ju ©rabe."

Unter ben fleincren ©rjä^hmgen, bie ^urj gefc^rieben f)at, ragen fierüor ali) frü^efte ,,®aö 2Birt§^auö gegenüber" (1836), bann „^ie beiben Xubuä" unb ,,3>er 2ßeif)nac^tsfunb". 2)2it ^aut ^epfe, ber il)n für bie Offentlic^feit neu entbecft !)ot, gab er 1871 ben „®eutf(^en ^fiouellenfc^a^" tjerauö. 9Uä Übcrfe^er i)at er fid) mit großem ©efc^id ©ottfrieb von ©trapurgö @po§ ,,^riftan unb Qfolbe", ju bem. er felbft einen <B6)ln^ tiinjubicfitete (1844) ber 9iamc feiner 3:oc^ter erinnert baran , 3Irioftö „Sfiafenbcm $WoIanb" unb ^I;omaö 9)Jooreö 2i)i\t geroibmet.

®eboren rourbc ^ur^ (ber fic^ biö 1848 ^urt;\ id)rieb) am 13. 'JJouember 1813 in 9teut(ingen. ©r befuc^te feit 1827 bie 3Jiau(bronner 5?Iofterfc^u[e, feit 1831 baö Xübinger ©tift, ftubiertc bann 3:f)eofogie in Stuttgart, mar 1835/36 ^ifar in (Sliningen unb lebte barauf alö Sc^riftfteQer in ucrfd)iebcnen Drten. ^n Stuttgart uerfefirte er mit &6)mah, WöxxU unb Senau. 9ta^ forgcnooUem Seben unb pclitif^en ^rojeffen mürbe er 1863 llnipcrfitätebibfiotbefar in ^Tübingen, roo er am 10. Cftober 1873 ftarb.

9Jlan r)ermed)fle mit biefem 'I)irf)ter nid^t einen neueren Sc^riftftcIIer, ber aucf» ^ermann ^lurj I)ei^t, ^erfaffer beö 9f?omanä „Stoffel .s^i^" (1907), je^t aber meift Äur5=Deibt genannt roirb.

3116 ^{)eoIoge mar ."germanu 5?urj ber Schüler beö Subroigöburgerö 2)at>iD griebrif^ etrail^ (1808—1874), beffen „Ceben ^efu" (1835/36) ber fdiriftfritifcben i^eologie neue 33a£)ncn micö. 3{uc^ Straup mar ein freiließ menig bcfanntcr fitjrifcr („^oetifc^eö ©ebenfbudi", 1877 nad) feinem Xobc erfc^ienen). "öcbcutenb bagcgcn finb feine (iterarI;iftori)d>cn 9Irbeiten über Sc^ubart, j^rifd)Iin, .^uttcn unb SReimarnö.

^od) eincö anberen Submigöburgcrö muffen mir t)ier gebenfen, ber ganj roie Strauß junädift ^Repetent unb bann ^rofcffor mar, unb ber bie fc^mäbifd)c Eigenart roeber alö Genfer nod; alö ®id)ter ucrteugnete, menngleic^ er nic^t ju bem engeren fc^möbifc^en Dic^tcrfrcife gefrört: ift ^ricbrid) 2;öcobor 23ifd)cr. 3ii^ci» ^i^i>ft er afö »ertrauter ^reunb 3J^örifcö 3U biefem bie gegebene GJebanfenbrücfc.

aSifc^er mürbe atö Sof)n eincö proteftantiid)on ^farrerö am 30. ^uni 1807 in Submigöburg geboren, ^ufammeu mit 3). g. Strauß unb ©uftau ^fijcr bcfurfile er baö ©tjmnafium in Slaubeuren. Qx ftubiertc bann in ^Tübingen ^bcologic, beftanb

Ce^ire, a;ie bcntfc^c Citeratur feit ©oct^eö Zobc iifro. 15

226 S)ie fd^raöBifd^en 2)icf}ter.

Qiic^ bie Prüfung unb ipurbe junäc^ft SSifor, wax ober [päter ^riootboäcnt für 5Jtftf)ctif iinb beutfd^e Siteratur an ber S^übingcr llniocrfität, lüo er 1837 au^erorbentücfier ^rofc[[or tüurbe. ^n ber erften ^älfte ber brei^iger ^a)^ie mochte er S^leifen narf) ©öttingen, S3erlin, ^DreSben, SBien, 5[RüncE)en unb ^irol, in ber grueiten noc^ Italien (biö ©ijilien) unb ©rierfjenlanb. 1844 raurbe \^m eine orbentIirf)e ^rofeffur über= tragen. Stuf Setreiben ber fircf)Ii(^en "ipartei rcurbe er für jraei ^af)re üom 2(mte fuöpenbiert. 1848 wax er liberaler 2lbgeorbneter ber g^ranffurter 5Rationalüerfamm= lung. ^n ber ^eimat alö 2Ritglicb ber Dppofition oft mit 5Ri^trauen üon ber 5iegierung be^anbelt, folgte er 1855 einem Sf^ufe an bas ^olpterfinifum in ^ütic^. 6eit 1866 leljrte er am Stuttgarter ^olptcc^nifum, guerft bancben anä) an ber ^übin; ger Uniüerfität mie frül)er. @r ftarb am 14. September 1887 in ©munben.

5ßif(^erg bebeutenbftes SBerf bleibt bie brcibänbige „2tftl)etif ober Söiffenfdiaft beö ©cE)önen". 33on l)artem ©ebanfenmetall, ed;t unb jd^rcer fc^roer freiließ auci) als ©anjeö aufjuneljm'en ift biefer paragrapl)ifd)e Sfiicfenbau. §at man fiel) aber erft einmal in il)m gurec^tgefunben, fo tel)rt man immer gern gu il)m gurüd. 3SifcE)erä berül)mtc „ilritifc^e ©änge" (feit 1844) unb feine 3al)lreid^en SSorträge geigen il)n alg einbringenben, feinen ©eift auc^ auf bem ©ebiet beö 5?onEreten unb 2tnfcl)aulid)cn. ^n biefcm Genfer roar suglcic^ ein betracfitfamer ^Dic^tcr cerborgen, ber juerft Duroj bie (Srgänjung beö ©oetl)i]rf)en „?^auft" in einem britten ^eil on ba§ SidEit trot, freilid^ unter bem ^feubont)m „^eutobolb ©gmbolijetti Slllegorioroitfd^ 9Jct)ftifijinö!i"'' (1862). ©egen bie (Spiell)öllen ricE)tete er 1867 feine „Epigramme auö Saben". 1872 erfd^ienen bie „2x}x\\ä)en ©önge" mit einzelnen jüertuotten Stüden, roie bem „.^elbengebii^t" uon ber ^f^iaö. ®aä Sfljema biefeö ©ebiditö erinnert bereits an jenen D^oman, kr 58if(^erö Flamen feit 1879 in allen £ebenöfreijen bcfonnt gemadlit l)at: „2lucE) einer." SBenigftens jroei 33egriffe finb baraus jebcm gelöufig geroorben: bie „3:üde iveö Dbjeftö" unb haö „Tloxaü]d)e, baS fic^ immer üon felbft Derftel)t". ^en Snl)alt beä 3Romanä bilbet bie förperlicl)e Unäulänglid)fcit im ilampf mit ben fc^önften ^bcalen, ein immer n)iebcrfel)renber ©dinupfen als 33c^errfcl)er eines geiftig reii^ begabten SJienf^en unb alö g^olgerung auö aUcbem eine fatirifd)e 2ebenSpl)ilofüpl)te, bie in ber ©inlage, 'ber ^fa^lborfnooelle, aucf) auf bie ©cgenroart 33ejug nimmt (j. S. SBagnerö 9)hifif parobiert). 6ie fteUt nit^t ben ^ül)epunft ber ^unft bar, biefe fraufe unb närrifdjc ^oefic beö Jlatarrl)S mit il)ren fortrcäl)rcnben geiftreid^en (SinfäUen, aber fie ift in ilirer 2trt einzig geblieben. ߧ ift ein ^^\6)m für bie unoeränberte 33eliebt= Ijeit beö S^omanö, ba^ obgefe^en Don ga^lreirf^en Stuflagen 1904 l)ot eine ^olU- ouögabe erfc^einen fönnen. ®er 9J?eiftcr ber Satire offenbart fic^ auc^ in bem ge= reimten fomifdlien ^elbengcbidjt „auö bem S^ad^la^ blcö feiigen ^l)il. lllr. ©d^arten^ maper": „^er bcutfc^e 5?rieg 1870/71."

Stber bie Satire ber Sd)roaben ift niemalö biffig unb nerle^cnb, fie bilbet ben fd)ärfften ©egenfo^ gu ber beö jungeu 1)eutfd}lanb, üor allem ^eineö, beö mciteren auc^ ^latenö unb ^n^n^ctmannö. ®aö fd;öne, ftille 2Bürttemberg, bie .^eimat Sd)illerö, ift ein roal)rer 9kritäten!aften für alle möglichen Stu^erungcn beS beutfd^en ©emütö.

ebuaib Woiik. 227

©buarb Tlöxik lüurbe am 8. 3cptcmber 1804 alö Sof)n eineä 3(rjtcö in ^ijiibiuioöburg geboren, ßr war baö brittc uon neun 5\inbcrn. Seine 3Jtiitter [tammtc QUO einem ^fQrrl^au[e. SSon feinen Spielgefäljrten fennen wir bereits bie beiben CubiDiggburger ^. %. Strauß unb g. 2:^. SSifcfier. 1817 ftnrb ber 3Satcr. Um ber SBitiüc ben ^ofeinöfampf mit if)ren bamafö nodf) fieben .^inbern ju erleidjtern, na^m ber Stuttgarter Df)eim (Scorgi, ein Dbertribunaipräfibent, ©buarb in fein §nuä. tiefer bcfucEite nun in ber Sanbeöl)auptftabt baö ©pmnafium unb banad) ha^ tljco- fogifd^e Seminar in Uradj. Sein ©ebic^t „Scfuc^ in Uracf)" (1827) jeigt, mie )ef)i er aud^ fpäter an bcm Ianbfrf)aftlid) prächtigen ©ebirgöort gel;angen unb mag bic[er für i{)n alö ®irf;ter bebeutet ^at:

X-a feib i^r alle wieber nufgeridjtet,

58e[onnte Reifen, alte SBoIfenftüt^Ie..

Sluf Söälbern fdper, wo fanm ber ?0?ittag lidjtct

Unb ©d)atten mifc^t mit bal[amreid)er gdjWüle.

^ennt if;r midj nod), ber fouft I;iert)er geflüdjtet,

3m 9}?oü[e, bei jü^=|'d)Iäfernbem ©efü^Ie,

S)er Sllcüde Sumfen t;ier ein £F)r geliehen,

2ldj, fennt i^r mid}, unb wollt nid;t bor mir fliegen? . . .

D 2:al! bu meines 2e6cn§ anbre Sdjweüe!

2)u meiner tiefften Strafte [liller ^crM

2)u meiner Siebe 2Sunberne[t! ic^ f(^eibe,

Seb' wo(;l! unb fei bein (Sngel mein ©eleite! . '•

Seine @efunbf)Cit würbe fur^ nad; bem S3cginn feiner neuen Stubien burd)f ein Sd^arlac^ficber erf(^üttert, baö i{;n uielleii^t für fein ganzes 2eben gef(^wäc^t Ijat. 2)ie erfte Siebe wanbte ber junge Seminarift feiner ^nfe 5\(ara 91euffer ju,- bereu 33ater in bcm naf)e bei Subwigöburg gelegenen 23enningcu Pfarrer war. löalb" ober ueriobte fic^ bie ©cliebte mit bem SSifar G^iiflian Sc^mib. ^n feiner turjcn feIbftbiograpf)ifd^en Süjje, bie für eine neue ©emcinbe a(ö ergäujung ber 3{ntritte^ prebigt ucrfa^t war unb barum für Siebeöangctegen^eitcn feinen 9(aum fjatte, wirft 3)iörife einen ^lid gurücf auf 3^eufferö §cim: ,/Son jef)er f}atte jwifdien ir^m nur» ben 2Reinen ein ftctcr oertranlidier SScrtcIjr beftanben^ in feinem gaftfrcnnblidjen .S^aufc war bie reinfte 3(nmut eineö {jeitcren, gefeUigen J^amdicnlebenö ju finben." :

^m ^afire 1822 bejog ber Seminarift baö S^übinger Stift, nad)bem er bie j^erien bei feiner jefet in Stuttgart (ebeubcn 9Jtutter üerbrad)t ^atte. W\t SSaiblingcr unb Subwig Sauer fc^lof? er einen engen ?\-reunbfci^aftöbnnb. 9?ac^ ber 23eriobung. .^laraö 1823 erlebte er eine neue euttäufd)ung mit ber fd)önen ^Abenteurerin SUava 'iSlaxiü a)hiT)cr, üon ber er fid) nad) warmen, anfänglich and; brieflid; fortgcfe^ten 33e^ äiel)ungcn abwanbte, ba fie fid; feiner, wie er meinte, alö unwürDig erwieö. iHber fie- lebt fort alö Bigeunerin Glifabetl) in feinem „^Jaler 5Jolten" unb in feinen ber 3rem= ben unb grembartigen gcfungcneu „'i^eregrina'^Sicb'ern (1824 ff.) :

Gin l^srrfal fam in bie gjJonbfdjeingärtcn :

©iner einft l^eiligen Siebe. j

Sdjanbcrnb entbedt' id) üerjäl;rteu 53ctrug.

15»

228 3)te fc^iuäbifc^en ©id^ter.

Unb mit lüeinenbem S9(icf, boc^ graujam,

§ie^ icf) "lia^ \d)lanU

^uber|afte SiJ?äb(i)en

gerne geljen Don wir.

SIcf), it)re ^of;c (Stirn

2öar ge)'enft, bcnn [ic liebte mirf);

3I6er fie 309 mit ©c^meigen

f^ort in bie graue

SBelt §inQug^

^ranf feitbcm,

SBunb i[t unb mefie mein ^er^.

^flimmer föirb genefen!

2tB ginge, luftgefponnen, ein 3au^erfaben

S3on if)r ju mir, ein ängftig 93anb,

©0 ji^l^t e§, gief^t mic^ [c^mac^tenb i^r n<id)\

SSie? ttienn icf) eine§ Stagg auf meiner ©c^meHc

(Sie [i^en fänbe, iuie einft, im 9)?Drgen3tt)ieIi4t,

SS)a§ SBanberbünbel neben i^r,

Unb i!^r ?luge, treut^erjig ju mir auffrf)aucub,

(Sagte: ha Bin id) lieber,

^erg^fommen nu§ n)eiter SBelt!

®ic ,,^cregrina" (=3^rembe) mar ju @d^afft)aujeu in ber S(i)n)eiä uon reiben lS;(tern geboren. (Sie mar frf)ön unb jur Sdjroärmerei geneigt. ^\ixd) eine unglücf; (irfie ßlcbc Qug bcni leclifc^cn ©IcicEigeiüic^t gebracht, fcf)to^ fie fid) inbrünftig bcr mpftifdEicn j^rau vcn i?rübener ati, f)ierfür von it)ren ©Itern mit bcm glud^e belegt (1818). ^m Sommer 1819 fonb fie eine 3"ftw^t ^^ .^aufe beö @cricf)tö= fd^reiberö Münö) in 9?f)einfclbcn. Neffen ©o^n (Srnft, bcr balb barauf heiratete, braute bie f^önc ^eregrina aU Scfrf)Iie^erin in einem ®Qftt)of unter. Sie flo^ üor ber Su^^^i^S^'c^fcit ber SJcänncr, unb il;r 33efc^üfeer f)at bonn nic^tö mciter i>on if)r gcl^ört.

2ßic biefeö (Erlebnis auf 9}?örifeö garte ^latur roirfen mu^te, Iä|t fid; leicht beuEen. Sßicberum fiel er in eine ^eftigc 5lranff)eit, treu gepflegt oon feiner gebrcc^:; (id);ftillen Sd^raefter Suife. ©eine legten ?^erien ücrlebtc er 1826 in S^ürtingen, im- \)m feine 9J?utter gebogen mar. @r ging bann alö SSifar nad) Dber'33oit)ingen, mit innerem SBiberftreben befonber§ gegen bn§ programmäßige ^rebigtmac^en : „3lIIc§, nur fein ®eiftlid)er!" Seine näd)ftc SteEung mürbe \i)m noc^ in bemfeibcn ^al)vc in aJiö^ringen bei Stuttgart angemiefcn, mo er cor allem bcn Stieffo^n feineö ^fnrrerö ?u unterrichten !)attc. Set)r nat)C ging i^m mic fc^on früljer ber %oh feines 58rubcrö 3tuguft, fo je^t ber feiner Sc^mefter Suife, on beren Sterbelager er im 3^rüf)]al)r 1827 eilte. 58on 3)Jö^ringcn fül)rte it)n fein 58eruf barauf nad) Longen, bag nur 1 V- Stun- ben oon bcm Sßoljuort feiner 5Ruttcr entferut mar, unb mo 5llaraä SScrIobtcr fein $ßor-- gänger gemefcn mar. ©nblid) erjmang er fic^ einen längeren Urlaub, ©iner flü(^= tigen 3^cigung ju 3?ofcpl)ine, ber ^o^ter eineö Se^rerä, entfprong ba§ ©ebic^t ,,9^immcr: fatte Siebe" (1828):

(gbuarb Woxite. 229

So i|t bk Sicb'I So ift bie Sieb'! Wii Slüffen ni^t 511 ftillen: SBev ift ber 3^Dr unb luill ein Sieb 3D?it eitel 5Ba[ier füllen? .Unb fdfjöptft bu an bic taufenb 5^l)r', Unb fü[[eft elDig, emi(] c^ar, ®u tu[t i^r nie ,yi 2i>illen.

5]ad;bcni er furje 3cit olS ^auSlel^rcr feincö nlten Dl)cimö ©eotgi i^inbcv unterri(^tet i)atte, trnt er, ba ilju nad) luic uor baö ^rebiqcn nbftie^, alö 3}Utarbeitev in bcn SSerIng ber ©ebrübcr j^ranf^ ein. 3lber frf)on nnc^ juenigcn 9J?onQten jog er borf) baö mi^ad^tcte gciftlic^e Hmt jener ^ntigfeit vor, bei ber fic^ feine ^oefic, roif, er meinte, bie Srf)n)inbfuc^t f)ote, @r ging nnn als 58ifar nac^ ^fluinmern bei 9^ieb^- (ingen an ber ^onou, bann im 50ki 1829 nad^ ^lattenljnrbt, i)i bcffen ^farrf)aufc Suifc 3^au, bamalö 22^aljrc alt, fein ^erj gewann: il)r SSater, ber Pfarrer, mar im J^^ebrnar gcftorben. Scl)on im 3lngnft uerlobte fid) ?[Rörife mit it)r. ^br finb bie Siebeöliebcr bicfer ^alire geraibmet. 3"^^'" f^nt literarifrfier ©lanj ouf fic burc^ bic 33riefe, bie ber ©id^tcr iljr fi^rieb, fcitbcm fie im Dbnembcr 1829 mit il)rer ?yamilie na^ (Sröfeingen gebogen mar. 3lbcr and; biefeö nene ©liicf foDte nid^t banern. ^a^- bcm fic^ SJJörife üicr ^af)re lang um eine feftc Sebengftellung beraorben ^atte unb mäl)renb biefer ^e\t alö SSifar neu einem Drt jum anbern gemanbert mar, mürben bie 33e3iel)ungcn jmifi^cn ben Siebenben nad^ unb nad) bitter, biö fid^ bann im ^erbft 1833 bie 3?crlobnng löfte. Unb fanm ein ^albeS ^a^r fpäter, im 3Jiai 1834, crl^ielt er bie ^farrfteHe oon (Elcücrfnläbad^.

^^n^^mifdjcn u)ar im ^al)rc 1832 ber 5Homan „'llialer •)? 0 1 1 e n " erfd;iencn, an bem gj^örife feit 1824 arbeitete. Sie ©oet^eö „2ßill)elm 9Jieiftor" ift biefeö Söerf eine ^ünftlergefd)id)te, aber in romantifd^cm Stil, cm ^^ilbungöroman mit tragi^^ fd)em 9luögflng, mit einem „pl)antaömagorifd)en 3'i^ifcf)<^'ifpif ^" f'^^^ ^^^^^ .^önig t)on Drplib" unb mit einer SRufifbeilagc. Ter SRoman, in ben ber Tit^ter fein eigencö Scben l)ineingemebt l)at, ftet)t unö mit feinen mpftifd^en 3ii9^n/ ^^^ ^arftellung ber Tämmerungöjnftönbe ber menfc^lic^en Seele, bcö Somnambuliömnö unb 3)cagnetiö- muö, bie mir ja aud) bei bcm Sdjmabcii .'ixcrncr fanben, foroic ber fraufen 3ßi^"it"S ber eiujielnen 5l5orgänge inncrlid) rcc^t fern, tro^ ber flaren ©prac^f unb ber feineif Vft)d)üU)gifd^en 33c5anblung ber gjiotioe.

Ter ^nljalt ift folgenber. Ter junge ^alcv "J^cübalb S'lolten gcroinnt bitrd; feine 3Jlrbeiteu baci ^ntereffe einer 9?cfibcnj. Gr fagt fidi non feiner Sraut 3lgneö, ber Xod^ter cineö ?^örftcrö, toö, meil fie il)n getänfd)t \)ahc in 2öirflid)feit ift fie il)m immer treu geblieben unb menbet fid) bei .^ofe ber fcf)önen ©räfin .^onftnnje ju. Ten 3?erbac^t bot auf 3lgneö bie 3ifl<^ii"fi^i" ßlifabetl) gclenlt, bie ben 3TJaler infolge eineö Sc^irffal5fprud)eö für fic^ beanfpruc^t. Um 3lgneci für S^olteu ju retten, füF)rt beffcn j^reunb, ber Sd)aufpieler Sartcuci, unter ?loltcnö ^JJaöfe bcn Sricfmecbfcl mit 3lgneö fort, mad)t bic ©räfin mit biefeu fd^eiubar fortgefe^ten ^-Bcäie^ungen bcö j^rcunbcö ju ^Igneö bcfannt unb flärt bonu auö ber 3Serborgen^eit, in bie er fiel) jurüdgcjogeu t)nt, 5?olten über alleö auf. Tiefer, ber auö 5tgneö' Briefen nun il)re ^reue fennen lernt.

'230 Sic fcfjiDä6tfcf)eu Sicf)tev.

bcfcnnt fid^ roicbcr 311 \^x, jebod; ju fpät. 2(gne§ erföEjtt ottcö, roii'b irrfinnig unb ftirbt, Sarfcnä moc^t \d)on t)orI;er [einieni i^m läftigen Seben ein 6nbe, unb ■Holten folgt beiben bolb in bcn %'oh nacf).

^n bcn ^a^rcn 1853 75 arbeitete 9Jiörifc Den 'üomon um; uollcnoct r)at tiefen jcbod; in ber graeiten g^affung crft Ttöxlte^ j^reunb % illaiber.

^n bcm Siomon erfc()ienen au^er bcm Drplib=6piel mcf)r alö brci^ig @ebicE)tc, unter i^nen bic ^cregrinQ=Sieber unb bic Sonette auf Suife 9fiau, ha^^ Urbilb gut Sfgneö.

®ag DrpIib=SpieI gc^t auf bic alten ^fit^" luxiid, ba WöxiU in ^Tübingen gufaminen mit feinem g^reunbe fiubroig Sauer fic^ in ein I)ocf)geiDö[btcg 33runnenftübc^eu jurürf'äog, unter bcm cg raufrf)tc unb riefelte, unb baö oou ge^cimniSPoHem jlcrjenlid)t beleudjtet inurbc. ^m SBalbe erbauten fie fid) eine ^üttc. ©icfe gange ^urüdgegogens f)eit, bie SBcIt it)rcö Traumlebens, nannten fie Drpüb, ein S^eic^, für baö fie eine be: fonbere 9JJt)t^oIogie unb ©pra^e erfanben. Sauer fc^rieb bann feine Dramen „Dr= plibö Icfete S^age" unb „©er t)cimlic^e 3J?aIuff", roo in ber Einleitung f)ei^t: „S^u fc^en Hmerifa unb 2tfien, im ©tiUen 9Jleere, lag nor ^dkn eine mä^ig gro^e ^ufet. ^ie ®inmot)ner berfelben mußten nid)tö oon ber übrigen SBelt unb glaubten an^, ha^

au^er ifincn !eine 9)ienfc^en gäbe, ®ie ^nfcl I)ic| Drplib ^n einer tiefen

(B<i)ln6)t entfpra^ig ber ?^Iu^ SBaijIa: feiner Duelle gegenüber, auf einem fteiien j^elfen,

/ag baö <Bä)lo^ 3TJariü'oa. 2)aö raar ber ©i^ beö ilönigö 2Jla(uff 9?od) etma

20 ©tunben öffnete fid) baö SBaglataL ©a fal) man ror fid) einen fc^önen, l^eUen ©ec, S^irariö genannt, ^n feiner Wüte ragten rounbcriid) geftaltete ?^elfen empor, nuf ifinen lag bie ©tabt Drplib, in metc^er ^önig lUmon f)errf^te." ^n SJiörifeö Drp[ib;©piel ^anbelt fid; um ben legten i!önig ber ©tabt, ber burd^ einen ?^een= gaubcr gum Sebcn gcgmungcn roirb, obroof)! Drpüb famt allen Sen)of)nern fd)on uor mef)r alö 1000 ^a^xen einem ©trafgeri(^t Der ©ötter gum Dpfcr gefatten ift. ©d)Iic^= lidE) mirb Utmon oom %inä)e befreit unb burd) bcn S^ob erlöft. ©tarfcn (Sinfful l)ahcn auf baö ©tüd mit feinen ©Ifcn unb feinem ^Rüpctfpiel ©l)afefpcarcö „©ommer^ nac^tötraum'' unb „©türm" auögeübt. 3)ic Sanbfc^aft rairb nät)cr beftimmt burc^ bcn ^Kummclfcc, in ben fid) ber ^önig nom ?^etfen f)inabftür§t mit einem legten ©^cibcs gru^ an Drplib:

&e{)ah hxä) rt)ot)I, bu lüunberbare ^sufel!

Son biefem Xoge lieb' ic^ iic^; fo k^

9}?id) finblid; beinen Soben füffen; gicar

Sl'cnn' idj bid) menig al§ mein S3aterlanb,

©0 ftumpf, fo blinb gemad)t burd) lange '^al)xe,

S^'enn' ic^ nidjt meine SSiege me^r; gIeid)DieI

2)u lünrft gum rt)enig[ten ©tiefmutter mir,

^d) bin bein treufte§ Stinb 2eb' mo^t, Drplib!

Wöxih i)at biefcö SBunfc^Ianb, bicfe ^nfei ber ©eligcn, biefcö erträumte ©rben^ porabieg, baö ^cine Simini nannte, auc^ Itjrifc^ gefeiert burd) bcn „©efang 2Bct)Iaö" a831):

SbuQvb aKörife. 231

Tu bift Crpitb, mein 2anb,

©a§ ferne leudjtet!

S3oiii 9JZeere bampfct bein befonnter ©tranb

®en SfJebel, fo ber ©ötter SSonge feud^tet.

Uralte SBaffer [teigen

SSerjüngt um beine Ruften, ft'inb!

Sßor beiner ®ottf)cit beugen

©id) Könige, bie beine SSärter finb.

^11 fein ftiHcö ^farrborf „^lepperfelb", raie WönU ßkücrfuläbad) nannte, jogen je^t ju if)m feine 9}Jutter unb feine Srfuncfter ^lara. 2Son ben 3u9e"^fi^eunbcn ttot i{)m in biefer S^it befonberö SBilijelin ^artlaub i\ai)c, bcr ebenfatts Pfarrer (in SBermutö^aufcn) geroorben mar. ^^rcunbtic^ uergingen bie näd)ftcn 3^f)i^f/ getrübt nur hmä) ^ranff)eitcn. ©in reger ©cbanfenauötaufc^ mit ^nftinus i^erncr, mit bcm [)in; fid^tlic^ mgftifc^cr 5Reigungcn 2)lörifc mefcnöüermanbt mar, mit 3trau^ unb Sauet belebte bicfcö Iänb(i(f)e ^bgll.

5Die erfte ©rfd^ütterung brachte im ^a^re 1841 bcr Xob bcr 3Jlutter, bie nun neben ©c^iUerä 2Rutter ouf bem ?^ricbl)of in ßleoerfuljbac^ beftattet raurbe. ^ür bcibe (Sräbcr f)at ber 2)i(f)tcr treulirf) gcforgt. 3'^ci ^aljre barauf, im Sommer 1843, lief; er fi(^, üon feinem 3Imt mie immmcr gebrücft, in ben 9hif;eftanb üerfe^en. 2Rit feinem 9luF)egcf)a[t üon jöf)rlic^ 486 3)carf jogcn er unb feine ©(^roefter ^lara juerft nad; ber SaHncnftabt ^aE am ^od^er, bann nad^ 9}tergent^cim (1844), roo er fc^on frü{)er gcmeilt l;attc. 'S^ief ergriff il)n 1845 bcr Xob feincö alten greunbeö auö Crplib, Subroig 33aucr.

©eine graeite S[ßoF)nung in SRergentljCim gel)örte bem franfen Cbcrftleutnant Don 3pcetl), mit beffen ^oc^ter 3JJargarcte ^Jiorifeö Sdimefter unb er fclbft innige f^reunbfdjaft fd^Ioffcn. ^arauö entroidcitc fid) ein neuer Siebcöfrü^üng für ben 'Diditcr. 3la6) bcö SSaterS S^obe mu^te er freili^ nod^ mef)rere ^a^xc roarten, bis er feiner 33raut, beren fatf)o(ifd)e ilonfeffion jmif^en il;ni unb feinen j^rcunben, befonberö §artlaub, Sebenfcn unb SScrftimmung erracdtc, eine neue fiebcnöfteKung anbieten tonnte; er mürbe burd) SScrmittlung be§ S'teftorö Sßoiff com ^atf)arinenftift in Stuttgart an biefe Slnftatt alö £c^rer bcr 2iteraturgcfd)id)te berufen unb riermäf)Ite \\<i) baraufl;in mit 3Jlargarete am 25. 9^ouembcr 1851, natjm jcbod; and) bie Sc^mcfter, bie feinet; roegen mcfirercr Semcrber abgerciefcn I;atte, in ha^ neue .^auö mit. ^arauö ergaben fid^ naturgcmäf3 £onfli!tc, ba fUara nad) mie uor bie ?rül)rung beö ^aucfjaltcö bcfjicit. 3JJörite mar fclbft üicl gu fd)raac^, um irgcnbcin entfi^eibenbcö Sßort ^u fpre^en. %\x bürfcn fagen, bafi er bem SBiEcn, bcr Gbaraftcrfcftigteit, bcr männlid)cn ^attraft nad) auf ber ßifte unfcrcr ®icf)tcr am unteren @nbe fteF)t. ^cboc^ 50g fic^ biefeo 3iM'«""»c"= leben tro^ aller I)äuö[id)cn SSermirrungcn unb Ö3cn)itter über ^man^^ig ^al)xc Ijin, biö fd^Iie^Iicf) bie grau, bie bem ^ic^ter groci ^Töc^tcr gebar, bcr Sc^mefter, uon bgr er fid^ ni(^t ju trennen uermodjtc, meid^en mu^te.

2tm ^atfiarinenftift {)iclt er cinnuil in jebcr Söod^e ben Schülerinnen ber bciben

232 T)ie fc^tnäbifc^cn 1)id)tct.

oberen 5^Iaffcn einen $8ortrag über bie beutfi^e Siterotur, wofür er \ä\)xl\6) juerft 50, ]d)ae^li(^ 350 ©ulbcn erljielt. 1864 trat bnju eine :3of)rc§penfion üon 300 Xaiern, bie il^m üon ber ©d^illcrftiftuno anägefe^t imtrbe. 1866 rcurbe er wegen feiner bau^ ernb fc^roäd^lic^en ©cfnnb^eit mit üoHem @ef)alt penfioniert. §ier in (Stuttgart cnt= ftanben feine 9J?eiftermerfe in ^rofö, bie ^u^elmännleingefc^ic^te anb bie SJlo^arts noüelle, foraie bie ^btjlle Dom alten ^urm^al^n.

1855 erfreute ii)n ber 33efu(^ ^I)eobor StormS. '^iöireilen jeboc^ luurbe iF)m ber eljrenben Sefu^cr ju üiel, lüie er überl)aupt bie ruhige ^erfonnenI)eit über aEeö liebte, ©rfrifcfit rourbe er burd) 9f^cifen nad^ beni Sobenfce unb ber Sc^wetj, foroie burd^ cinfen längeren Stufent^alt in 2ox6) üom ^uni 1867 bt§ ^Jonember 1869. yio6) immer mar feine (Sattin bei if)m. 1873 jebod^ trennten fie fid): @retrf).en jog mit ber öfteren 3:^oc^ter nad^ 9Jiergent(;eim.

3^ur menige ^a^re roaren i^m noc^ nergönnt. ^crföl^nt mit feiner ©attin, bie er an fein Sterbebett rufen lic^, ift er am 4. ^uni 1875 im 2((ter von 70 Saf)ren geftorben.

3Jiörifeö bic^terifc^e ^ebcutung beruf)t nidjt auf feinem breit in S^omantif gc= taud^ten ©rftlingeroerf, bcm 3f?.oman ,,3JlaIer 9flolt<en" (1832), ber mefir feIbftbiogra= pl)ifc^cn alö fünftterifcf)cn SBert t)at unb bat)er au^ t)orI)in gcfonbcrt innerhalb ber ^'ebenögefd)id^t'e befprod^en mürbe, fonbern auf feinten Siebern, ^^bpllen unb 5looetten.

®en Sprüer WöxiU f)aben erft bie legten ^al)räel)nte entbedt ob für immer, fte^t bal)in. ©c^on' 1828 unb 1829 roaren im „Stuttgarter gjJorgenblatt" unb ber „Stuttgarter ^amenjeitung", fobann 1832 atö ©inlagen im „2JiaIec 9loltcn'' nad) romantifdE)er 9trt einzelne (Sebidf)te etfc^ienen. $ßon ^ermann ^urg georbnet unb bem ?5reunbc ^artlaub gemibmet, fam bann bie erfte fetbftönbige lT)rifd)c Sammlung 1838 bei ©otta fierauö.

„3Son ber fc^roäbif(^en ©ruppe ber romantifc^en Schute", fagt %. H^. 3Sifd^cr Don 9)^örife, „Ijat er bas 5Rait)e, oon ber norbbeutfcEien bag 2^raum^aft=^{>antaftifcE)c, Dou ber ttaffifdien ^ßerjrocigung unferer legten poetifc^en Stute baö rein menfcf)Ii^e, gried^if(^ fcE)öue ®efüt)I ^ölberlinö, öon @oetf)e bie plaftifd^ eble Scelenmalerei in ber Sdiiföerung tiefer ©mpfinbungötömpfe." $ßor allem aber l)at SJJörüe alö ecE)ter ^io-^ mantifer mieber einmal ben 5ßolföton getroffen, ©arum l)aben feine Sieber audf) inele ^omponiften gefunben, not attem 9f?obert ^^^ranj, Stöbert Sd)umann, ^oljanncö Sral)m0 nnb §ugo Söolf.

®ö ift ein ftiücr ©arten, in ben mir treten, wenn mir SJlörifeä Sieber l^örcn ober lefen. ©raupen faffen muffen roir bog roufd)enbe SBort, bie flangooKe ^l^rafe. 5Jiöriteg Sieber, gleic^uiel roeld)eg ^l^emo fie bel)anbetn, moHen empfunben fein. Sie laffen fic^ fingen, aber uicE)t be!lamiercn ; fie f)aben gar nic^tö üon Sdfiiller, rcenig oon ^eine unb Senau, mond^eö oon ©oict^e, jebocf) in einem engeren Sejirf, in bem nur leife Stimmen \)'öxhax finb. ^n mäbc^enl)aften garten ^önen ücrfünbet er bie Sunber ber ^^latur unb ber Siebe, melbet er ba§ Italien be§ ?^rüt)lingö („Sr ift'ä", 1829) :

gbuavb a}Jöi-ife.

233

grü^Iing läßt fein blaue§ S3anb

SBiebcr flattern burc^ bie Süfte;

(Sü^e, too^Ibcfannte 2;iifte

Streifen ol)iuing§boü ha§> 2anb.

Sßcild^en trönmen fdjon,

SBoQen balbe tommen.

^oxä), bon fern ein leifcr .^avfentonl

grüfiling, ja bn bift'3!

2)i(^ f)ab' irf) öernommen!

©in anbereö 9)?nl fogt er: „Sieber, lieber 3)tai, ac^, fo marte norf) ein SBeilc^en!" So jart tpirb ourf^ boö gro|e ©rieben in ber Siebe gemaft („"Dnö uerlaffene ^IDMgbicin", 1829):

grü^, toenn bic §ä§ne frä^n, ©^' bie ©ternlein öerfrffföinben, Tlu^ id) {im §erbe fte^n, •9Ku| geuer 3iinben.

(Sd^ön ift ber (^iQ'iuii^n Schein, (5§ fpringen bie ^unfen; 3d^ fcf)ane fo brein, ^n Seib uerfunfcn.

^Iütßlic§, ba fommt ed mir, Srenlofer 5?na6e, ^a^ id) bie 9f?Qd}t t)on bir ©eträumet [;obe.

2^iäne anf 2;ränc bann ©türmet f^ernicber; ©0 fommt ber 2;ag ^eran O ging' er inieber!

©0 rcd;t bcjcic^ncnb für SOcörifeö ninfjcgten (tjrifcben ©arten ift fein gcnitg- famc§ „©cbet" (1832):

§err! fdjide mag bu luiüt, (Sin Sieben ober 2eibe§; 3rf) bin nergniigt, ba^ beibe§ ^u§ beinen ^önben quillt.

SSofleft mit ^-renben Unb h)oI(eft mit Seiben VJlxd) mdjt überfdjütten! 3:od) in bei- ai?itten Siegt f)oIbcä 33ef(^eibcn.

Sie Hingt menig männfid), biefe Si)rif, nnb bie 51ienfi^en, bie if)r ©lud nic^t imnur im „^olben ^Befdöciben" nnb in ber gofbencn DJIitte fu(^en, finb fid^erlic^ ni(^t bic f(ölecbte[ten. 3Iber fo mar SJcörite, fo mar fein Sebcn, nnb ba ift ein SJorjng feiner Stirif, ba^ fie ronrbc mic er. ©ö ift innere ^erjen§fad)e be§ einjefnen, fie an5uncbmcn ober objule^nen.

®cr Eigenart einer fo mäbc^enf^aften Si^rif entfpvid)t bic S?ermenbnng uon 1)cm'inutiüen „lein" unb „d}cn" unb unf[ettiertcn 3(bje!tiiicn (mie bei ber be= rannten 33aEabe „Sd;ön=3Robtraut", 1838), fomic non ^Inörufen (s- 33. „mic füft"!). Sieblingömorte g^örifcö finb „fanft", „tief", „{)olb", „cnt^ftrft", „fiif?", „beben", „.Öaud^" unb „SBonne". ^ctcx Sc^mung liegt biefem Sgrifcr fern.

©ö gibt nicle 35erel)reTr W6x\h?>, nielc aber au(^, bencn feine St)rif nichts fagt. %üx biefe fei ein gcgenftänbfid)cö Oicbid)t .zitiert, baö gonj am ber 5(rt f^Iäat nnb 3Körife alö ^crfaffer nid)t obncn lä^t (1837):

234 Sie fd^iüäbifcf^eu S^id^ter.

Stbf^ieb.

IXuangeflopft ein ^exx tritt aBenb§ Bei mir ein:

„3cf) ^ahe bie fö^r', ^^r 'Ste^znjeni ju fein."

(Sofort nimmt er ha§> Sic^t in bie ^anb,

58efie^t lang meinen ©Ratten an ber SBanb,

'Stüdt na^ unb fern: „9^un, lieber junger 9)Zann,

©e:^n ©ie bod^ gefättigft 'mal 3^re SfJaf fo öon ber ©eite an!

©ie geben gu, ba| ha§' ein Slu§tt3ud)§ ift."

„Sa§? Stile 2Setter gewife!

ßi §afen! ic^ barfjte nic^t,

3III mein Sebtage nic^t,

S)a^ ic^ fo eine SBeltgnafe fü^rf im ©efi^tü"

®er SJtann fprarf) no(^ S3erfcE)iebene§ f)in unb f)er,

3^^ ii^ßi^/ Quf meine (5f)re, nid)t me§r;

Steinte bielleic^t, id) follt' i§m beichten.

3ule^t ftanb er auf; id) tat i^m kuckten.

SSie mir nun <[:{ ber treppe finb,

®a geb' ic^ i§m gang fro^gefinnt

©inen fleinen Stritt,

Unb fo üon f)inten auf§ ©efä^e, mit

Sllle §agel! marb ha^ eini ©erumpel!

(£in ©epurjel, ein ©e^umpel!

dergleichen ^ab' id) nie gefe^n,

SIU mein Sebtage nidjt gefefjn,

©inen 9J?enfc^en fo rafcf) bie Xxepp' ^inabge|n.

SSon 93lörifeg 3^9^^^^ ift ^ie bef anntefte „©er alte Xnxm'^a^n" (1840 52), mo ber ^'ü^n auf bcm £ird)turm gu ©(eoerfut.^bQC^ in ^nitteloerfen be- fungen rairb: er roanbert üon ber meltbc^errfdienben Si^urmfpi^e jum bef)aglid)eu 5!a(^cIofen beS ^forrt)aufcö, unb non ba ouö beobachtet er pbilofop^if^ bie Umgebung, bog £eben unb ben ^errn Pfarrer 3)Jörife:

greitag ^u S^oc^t, noc^ um bie 9^eune, S3ei feiner ßampen Sroft alleine Tlexn §€rr fängt an fein 5ßrebigtlein ©tubieren; anberS mag'§ nid)t fein, ©ine 2öeir am Dfen brütenb fte^t, Unrutjig I}in unb bannen geljt: ©ein Sejt ifim fc^on bie SIbern reget; ©rauf er fein SBerf gu g-aben fd)Iäget. ^nmittelft einmal aud) etföan §at er ein ^^enfter aufgetan 5Rit Raufen bringet gu mir ein. ... 2t|, ©ternenlüftefdimall n)ie rein. Unb ic^ bon meinem ^oftament Slein Slug' ab meinem §errlein loerib', ©efy, n)ie er mit S3Iiden fteif in§ 2id)t ©innt, prüfet jebeS 2Bort§ ®emid)t, ©inmal fac^t eine ^rife greifet,

ebuavb Wötih. 235

5Süm ^od)t ben roten Sut^en ftreifet. . . .

5nbe§ ber 2Bäd;ter elfe fc^reit.

3}?ein §err benft: i[t erf)Iafen§äeit,

iRudt feinen (2tu^[ unb nimmt ba§ iiid;t;

a5ut' maä)t, §err ^fan! Sr §ört nicf)t.

3m ^-inftern mär' \d) benn allein.

S)a§ i[t mir eben feine ^ein. . . .

SBinbmeben um ba§ 2:ädjlcin [tieben;

^sä) f;öre, mie im S5?alb ba brüben

50?an ^ei^et im SSogeltroft

^er grimmig SSinter \\d) erboft,

ßin Sic^Iein fpcilt't iähliug ni't .knallen

(Sine S3ud|e, ha'^ bie J^öter fc^allen.

®u meine ®üt', ha lobt man [lä)

©0 frommen Cfen ranfbarlic^!

(£r mörmelt f)alt bie SfJadjt fo [)in,

fög ift ein magrer ©egen brin,

®er ©c^mabe ift nn \i6) fdion ber gegebene ^bijUcnbii^ter, roieoicimctir nun ^^örifc, beffen 3ficigung gum ^btjllifc^cn feine 2:'Qtfraft fo fe^r in Steffeln fd^Iug, ha^ fein äu^ercö £cbcn fe{)r menig ibpKifd) mürbe, ©a liegt bie ©efa^r : nid;t bor ^bpUifer Dermag fid^ ein ibgllifi^eö ^afein ju fc^affcn. 3tbcr ber ^ic^ter miH unb foU ja aurfj für anbere leben unb finncn.

©rfjeblic^ größer ift bie ^ b 9 H e u 0 m 33 0 b c n f c e " (1846), bie fieben ©efänge umfaßt unb in ^eyametern gcbiditet ift. 2(uf ben ^n^alt beutet ber Untere titet „9J?eifter 9}^artin unb bie ©focfenbicbc": ^owq, bem fein 9)täbd)en untreu gemorbcn ift, bält fic^ an ber Schäferin 9)targaretc fdiabfoö, mäf)renb fein ?^reunb jene Ungetreue bem aUgenieinen Spott preisgibt. 3)törife i)at bicfcö aU^^n breite unb wenig gcfd)[offenc SBerf fef)r überfdiä^t. „^n meinem Sebcn", fagt er, „\)ah' irf) nic^tö unter fo glüd; liefen, aud^ nur t)on rocitem äfjuficfien llmftänbcn gemacht, unb ginge ni(f)t mit redeten fingen ju, roenn man ber 2(rbcit nid)t anfälje." ??un, innerem ©iücf, mie bem 5Did^ter auö feiner 2icbc gu SJJargarete oon Spcctf) bamatö erroud^ö, uiQfl n^^ii ber felbftjufriebeuen ^btjUe roo^t anfc^en, mcniger aber ben ^-lügcl^aud^ ber ^unft.

3SicIIeid;t bie gröf^te Sebeutung oon DJJörifcö Sßerfen fjabcn bie SJtördjCn unb ßrjä^Iungen. 6ein erfteö 3Jiärd;en mar „®er Sc^at?" (1836), baö ganj unter bem ßinflu^ ®. %. 3(. ^offmannä fte^t. ^rärfjtigc 9}Mrd^cn finb ferner „1)as ©tuttgartcr §u^el mann [ein" (1853) mit ber eingefügten „.^iftoi^ic 0 0 n b e r f ^ ö n e n 2 a u ", ^ e r Sauer unb f e i n o 0 [) n " (1839) unb „®ie ^anb ber Segerte" (1855). ^aö S^önfte oon aUebcm ift mol;! bie in baö „^u^elmännlcin" beffen .^anbfung ,^ur ^dt Cberl}arbö beö ©reinerö in Sc^moben fpielt eingelegte ßrjäl}(ung uon ber fcf)önen 2)onaunipc Sau, bie nic^t ein (ebenbeö 5linb gebären fann, biö fie fünfmal uon .^crjen ge(ad)t Ijat. ®aö gelingt \i)X benn and; in föftlidficr SBeife. ' ®iefe meiblid;cn 2Scfcn uom ©cfd;lcd;te ber Hn- binen unb 9?anntenbelein Ejabcn in ®eutfd;(anb ©lud.

SSon ben 'J^Duellcn ^at bie erfte, „9JJi^ ^ennt) ^arromer" (1834) ober, mie fie

236 2)ie fcf)iüiiBifcf}en ^idjtcr.

ipätcr f)i€p, „£ucic © e { m er o t f; '^ mc^rfnd^e Umarbeitung crfnf)ren: bic (Bc= idiidjtc luirö öiierft uon einem englifc^en 0eiftrid)cn, in bcr jmcitcn ?^offung oon einem öcutfd^cn ©clef)rtcn erjäf)It. Sucie beäiri}tigt fid) fe(bft einco 9Jiorbeö, um ben ^^reunb ju fci^üfecn, ber ben treulofcn ©eliebten \\)vcx Sd^roefter 31nna im ^'^eif^rttpf getötet kcitf ba fle uor^er ^u i(;m gejagt Ijatte: ,,9]äd)e bic Sd^mefter, luenn bu ein 3Jcann bift." i?(nna Ijat ben ^reubruc^ nid;t überfebt. 6d)(ie^(id} fonimt bie SBa^rbeit an ben 3;ag, nnb mir crfaf)ren, 'oa'^ ber ©rjäfiler £ucie a(ö ©attin I)eimgefüf)rt ^at.

'^Ind) bicfc 6rääf)hing joigt ganj baö ©epräge ber Sfloniantif, bie of)nc ®ebeim= niffe unb bercn Söfung nid)t au§fam. 5[Rörife§ 9}ZeifternoüelIe bagegen, „2Rojart auf ber 3i c i j c n n (^ ^ r a g " (1856), bebeutet jugleid) bereits einen ©d)ritt jum jy^caliömus Ij'm.

'J)er 2)ic^tcr iütjrt unö einen 9f?eifetag bcö ^omponiften oor; Diejer fäf)rt mit feiner ?^rau ^onftanje nac^ ^rag, um bort feine Oper „®on ,^uan" aufjufüfiren, gerät unterraegö, banf einer fünftlerifd^en ©eifteSabmefenljeit, bie if;n bajn cerfüfirt, eine ''^omeranse üon einem ©artenbaum ju löfcn unb fo fic^ ftrafbar gu madjen, in baö Sc^Io^ eineö ©rafen, für beffeu 9^id)tc gerabe eine 9?ad)feier il)rer SSerlobung uer= nnftnftet roirb, unb nimmt nun mit ^onftanje fröl)lid; unb mit mufitalifd^en ^Bcitrögen teil, empfängt fogar jum ©d)Iu| nod; einen pröd)tigen S'ieiferoagen atö ©efdienf. Die Dorfteüung, mie SJJojart bic 58oDenbung feineö „Don ^uan" fc^ilbert, gebort ju Dem od^önftcn in ber beutfd^cn J^unftprofa. Daö bei)agIid;:gemütüolIe unb boc^ geiftretd)e unb meltgcmaubte SBefcn beö SJJcifterö umfpinnt feinen fünftterifd^en 33ürtrog mit einem eigenen ^(iiiber: „Qv löfd^te 'ol)ne weiteres bie bergen ber beiben neben i^m ftetjenben :?(rmleud)ter an§>, unb jener furd^tbare S^oral: ,Dein Sad)en enbet uor ber •IRorgenröte' erftang buid; bie ^oteuftiüe be§ ,3i"^nierS. SSic oon entlegenen Sternen^ freifen fallen bic Xönc aug filbcrnen ^ofaunen, eisfalt, 93larf unb ©cete buri^; fcbncibcnb, berunter burc^ bie b'Ioue S^Iac^t/' 3lber auc^ grau ^onftanje ift burd;auy nid)t eine uniucfentlic^e 9]ebenfigur ü'OU ©tatiftenrang, mcnngicid) fic na-turgcmä^ im ßJIanäe iljrcö ©atten luanbelt unb bie aEgemciue 9{ufmerffam!cit bnrc^ eine ©rjäbfung an§ beffcn fieben feffeft. Den B6)h\^ bilbet nad) ber 2(bfaf;rt beö ^ünfttcrpaarcs am näd^ften ^}3iorgen ein met)mütiger 3(u§blicf ber mufifalifc^ fein oeranlagtcu Sraut auf 3)bjart6 @cfd)i(f : „®ö marb it)r fo geroi^, fo gauj; gemi^, bafe biefer 9)cann fic^ fcfmcK unb unanfbaftfam in feiner eigenen '©Int ücräcljrc, ba^ er nur eine flüchtige ©rfc^ei; nung auf ber ßrbe fein !önnc, lueil fie ben Überfhi^, ben er Dcrftrömen mürbe, in SBaf)r^eit nid)t nertrügc." Da fäHt il^r ein ^tatt in bie -t^änbe mit einem böl^mif^cn 33oIföacbe, in SBirt(id)fcit einem ©ebic^t gjiörifeö:

®iu ^ännkin grünet n:io, SSer )x>d^, im SBalbe; Sin Ü^ofenftraud), mer fagt, ^sn rtieldjem ©arten? Sie finb erlefen fd)on, Denf e§, o ©eele! 5Iuf beinem ©rab ,yt muräeln Unb 5u mac^fen.

gbuaib mövik. 237

SJtöiifcö übrige 3trbcitcn, öaruntci- and) brnmati)d;c 33erfii(^e unb l'lb€r= traguiigcn auö beiu ©ncd^ifc^en {„%\)cotni, Sion unb ÜRojc^oö", 1855) bcbürfcu f)icv feiner naijeren Scfpred^ung. ©§ fommt ja nic^t auf baä uielc an, njaä man fc^reibt, fonbern auf bag wenige, rooburc^ man ift. ^m ftrengften Sinne ift biefeö, rcenn lüiv nn unfere großen 2)i(^tei- beuten, bei üJiörite bcm Umfange narf) uiirflid) luenig. 3lbev au^ bei bem anbern, roaö er fc^ricb, f)at er oor nielen bebeutenbcn ©eiftern bau eine immer üorauä, ba| er nid^tö fcf)rieb, maä er innerlich nic^t mar.

VI.

Von der alten zur neuen Kunft

2)Qö ^a^r 1848 fd;eibet bo§ neun^c^nte ^o^rljunbert poIitifcJ) in gtnei §ölften. 3lud^ literarijd^ tritt ungcfäljr um bicfelbe ^üt eine bcutlidje SBnnblung ein. S)aä ift jeboc^ nirf)t fo gu ücrftci)en, ba^ fid^ ^lüei ^eitlidie ^ilbfc^nitte umgrenzen unb entiueber ber alten ober ber neuen S^unft juraeijen liefen, ^atircögapen ücrfagcn bei biejer Sc^eibung burd^auä. $Dcr einzelnen ^erjönlicfifeit muffen mir folgen, roenn mir ben nEmä^Iic^cn Übergang ber ^unft oon ben altcii f[affifrf)en unb romantifc^en ^jbealcu 3um 9ieaIiSmuö unb ber mobernen Söeltanfc^auung beobachten wollen, gleirf)üiel, mann biefe ^erfönnd)feit geboren unb gcftorben ift.

6"inc bebeutenbe 5RoIIe übcrnaf)m in ber @ef(i)icE)te bicfer literoriftfien Sßanblung ber ©ialeftbid^ter. 3Bäf)renb er auf ber einen ©eite ben 5lunft; unb Silbungögel;alt feiner S^'ü in fic^ fc^Io^, graang it)n boc^ fd^on allein bie urroü^fige ©praij^e beä fo; genannten ungebilbeten SSoIfcö Dom Sanbe gu realiftifc^cr 3ci(i)nung. ®ag lö^t fic^ bereits an ben treuf)eräigcn alemannifc^cn ®ebid)ten ^ol'iJi" ^cter .^ebelö (1760 1826) erfennen. älber erft nac^ ©oetf)eö 3:^obe ermarben fic^ unfere beiben größten )Dio(eftbicE)ter, g^ri^ Sf^euter unb J^Iauö @rott), i^ren 9hif)m, oon benen ber erftcre fünftlerifc^ t)öf)er ftanb, menngleid) feine Stuffaffung bie berbere mar. ®r ift au^ an .Qa§ren ber öltere.

%n^ Mtüttx mürbe am 7. ^JioDembcr 1810 in bcm ücinen £anbftäbtrf)en Stauent)agen geboren, baö im früt)eren ©ro^fierjogtum 9JtedIcnburg=iSc^merin na!)e ber pommerfd)en ©renge liegt. «Sein 3Sater, ber ^ura ftubicrt f)atte, murbc ^ier 1808 Sürgermeifter unb oermaltete biefeä 2fmt nafiegu oier ^jatirgetinte. ©eine 5Jcutter, 3:oc^tcr eineö ©tabtricf)terg, früf)er ©rgiefierin, mar 13 ^aljre jünger alö il)r ®atte. 9Ia^ ber ©eburt it)reö jmciten Sot)neö tierfiel fie in eine fctimcre i^ranf^eit, bie i^r eine fiä^mung gurüdlie^. ßine treue Stü^c blieb it)r ber alte Slmtöljauptmann SScber,. ber if)r auö) Süd;er guni £efen lief). Sc^on 1826, alö ?^ri^ 5Reuter erft 16 ^alire alt mar, ift fie geftorben. SBir fennen bie ?^amitie ^Reuter unb ganj ©taoentiagen mit Ginfc^Iul oon Dnfel ^erfc, 3f?euterö ^aten, befonbers gut burc^ beö ©iditerö „granjofentib". ^aju tritt alö DueEe, namentlich in begug auf bie ©c^uber^ättuiffe, bas Kapitel „3Keine SSaterftabt ©tauentiagen" im „©c^urr=3JJurr".

58'on 1824 ah befud)te Sieuter bag ©ijmnafium in 3^riet)Ianb. ®r mar fein

i

gri| iHeuter, Älauä ®rot^ unb anbere Süaleftbidjter. 239

guter, aucf) fein pflichteifriger Schüler unb trieb fid; lieber in Sßalb unb ^^clb f)erum. 1828, offo jroei ^otire naä) bcm 2;obe [einer 3]^utter, übcrficbelte er an bas ©tjmnaiium gu ^Qrd)im. ^nex^t voax er f)icr bei bem 2)ireftor in ^enfion, bann wotjnte er bei bem Säcfcr ^ilgenborff. Seine erfte Siebe galt bcr fieb5el)njäf)rigen 2tbel^cib ^^üft: ^off, 3:oci^ter beö ^arc^imer Sürgermeifterö, ber iljm jeborf) feine ^^enfterpromcnaben balb oerlcibete, raie S^euter felbft in ber „geftungötib" erjäl)lt: „Söcnn if bat nic^ fm let, benn 5cigte ^ei't bi'n Sc^oulbirefter an." 1831 legte er bic ^Reifeprüfung ab.

2)em SBunfc^e feines SSaterö gemä^, mit bcffcn nüchternem, praftifc^cm 3inn er faft nie übereinftimmte, ging er §unäcf)ft nacf) )Ro\tod, um ^nia ju ftubieren. Sein eigener SBunfcl) richtete fic^ oergeblic^ auf Sf^aturiuiffcnfcfiaften ober ha^ 58aufacl;, unb alä Uniöerfität f)ätte er am liebften iQaUc gcmäljlt. So blieb benn aud^ fein juriftif^eö 2Irbeiten ol)ne jeben ßrfotg. 1832 burftc er Sioftocf mit ^ena oertaujc^cn, n)ot)in er mit feinem ?^rcunbe ^arl Krüger über Scrlin reifte, ^icr in ber prcu^ijc^cn S'tcfibenäftabt fticgen fie in bem ^otcl „3iim i\önig oon Portugal" ah, "öaS^ in ber Surgftra^c liegt unb gu feinem alten 9flul)m (Seffingö „9}^inna oon 33arn^etm", §ouff§ „Sängerin") fpäter neuen burc^ 3^eutcrö „S^cif nac^ 58cEigen" gemann. ^ann ful)ren fie nad^ ^aUe, oon mo JHeuter allein gu gu| burd^ baö Saaletal nad) ^ena roanbcrte. J^ier trat er gu feinem Unheil a'löbalb in bie 33urfd)cnfd)aft „@:rmanio" ein, bic ebenfo rcie bie anbcrn Surfd;enfc^aften bamalö fii^ ben rcoftionörcn ^Regierungen gegenüber in politifc^cr rppofition bcfanben.

Df)ne fid) an ben 2(uöfd^reitungen ber „©ermania" politifi^ gu beteili-gen, mar 3leuter boc^ aUen leiteten Stubcntenftreid;en gern geneigt, fam bal)er and) ^öufig mtr ^oligei unb 9[Rilitär in .<ilonflifte, bie il)m nic^t nergeffcn mürben. :Huf bcm 33urfc^en= tage gu Stuttgart, SSciljnacE)ten 1832, rourbe bcr S3cfc^lu^ H^f^Bt/ i^^ ?5rül)|af)r 1833 in 2)eutfc^lanb eine 9?CDolution ^eroorgurufcn. 2)iefcm 58ef(^lu^ ftimmten bie Tele; gierten ber „©ermania" gu, nic^t aber etrüa SRcuter, ber oiclmclir am 22. Januar 1833 mit 14 anberen Stubenten feinen 3Iuötritt erflärtc. ©ö mar gu fpät.

^n ^cna fonnte unb mocE)te er nun ni^t bleiben. 6r ging gucrft nacb Hamburg in Sacf)fen=3Jieiningen, bann nacE) Staoenl)agcn, roo fein micbcrum nuMoo iicrbracl)tcö Stubienjaljr gcmi^ fein erfreulid)cö ©cfpräd;ötl)cma gmifc^cn 3Satcr unb Sol;n bilbcn fonnte. 6r roagte fid; bann über ^Berlin nad; Seipgig, murbc aber an biefer Uniöerfität ni^t aufgenommen unb rooßte miebcr über Berlin ^eimfel;ren. 2)a mürbe er liier in ber preu^ifcl)en .Ipauptftabt, mo man fd)on lange nad) i^m unb anbern 3Scrbäd)tigen fafinbete, am 31. Cftober 1833 ocrbaftet unb auf bic berliner Stabtoogtei gcbradjt. SSon ba an begann feine ficbenjäl;rige „geftungötib", bie feine fpätere 3<^i^r»ttung bur^ baö Übermaß bcr genoffenen alfol)olijcl)en ©etränfe ucri"d)ulöete.

SBicbcrljolt uerl;ört, gepeinigt befonberö uon bem ^riminalrat Tambad;, bcr [eine perfönlidE)e £aufbal;n mit unglücflidjen bcmagogi)d;cn Cpfcrn, mie 3Rcuter mar, crfaufte, l)at biefer 11 9Jionate in bem ungefunbcn ^aueoogteigcfängniö oerbrad)t. ®Qö Urteil gegen iljn lautete auf Xobcöftrafe l;atte er bo^ in jebem j^alle boö Sieb „{dürften gum Sanb l)inauö" mitgcfungen , murbc aber oon gricbric^ 2Bill;elm 111.

240 93on beu alten jur neuen Äunft

in brei^ißJQf)rige ^^eftungöftrafe umgciuanbelt. ®en mobcvncn 9J?cnfcE)en mag freiUc|i ein ©ruicin überfommen bei fo für|tli(^cr ©uqöc.

3(m 12. 9ioücmbcr 1834 iruibc S^eiiter äucrft naö) ber ?^cftung ©itbcrberg im fc^Icfijc^en ßulcngebirge gefc^afft, wo er 2100 %i\^ über bem 3)]eere fid^ gefunb; ^citlic^ nur feücn woi)l füf)Itc. 3»^ gebruar 1837 fnm er auf bie ^^cftung ©logou, einen 3)lonat fpäter naä) SRagbeburg, roo et junädift, folonge bet ^ommanbant ©ruf ,^acfc, ein erbitterter geinb ber 33urfc^enjc^Qfter, lebte, mit befonberer ^ärtc beijanbelt mürbe. S^^ergeblic^ maren groci ©nobengefud^e feineg SSaterö an ^^riebrirf) 2Bill)elm III. ©r[t bei ®elegenf)eit von beffen üierjigjäl)rigem SRegierunggjubiläum am 16. 5Rooember 1837 erfolgte eine ^erabfe^ung ber brei^ig auf ac^t ^eftungöjafire. SSott 3)Jagbeburg mürbe Sf^euter nad^ ©rouben^ gefc^idt. Stuf bem Transport mu^te er einige ^age in feiner alten S^^^ ber berliner ^auöoogtei »erbringen, unb ber ^riminalbircttor 3)amba(^ bemiHigte nid^t einmal bem SSater, ber nac^ ^Berlin gefommen mar, eine ^ufammenfunft mit bem ©efangenen. ^n ©raubenj, roo biefer im grül)ia]^r 1838 anlangte, fanb er üiel beffer. 2(ber ein erneuteö ©nabengefut^ mürbe abfc^Iägig befdE)ieben. ^e^t griff jebo(^ auf beä alten 33ürgermeifterö ©efud^ fein SonbeöI)err ein, ©rol^erjog ^aul ^^riebrid^ r>on 3JJedIenburg:Sc^rocrin, ber ©c^roieger)oI)n ^^riebric^ SBil^elmg III., inbem er fic^ an biefen mit ber 33itte manbte, Steuter ben S^tcft ber ©träfe .auf ber medlenburgifc^en Seftimg 2)ömi^ abbüßen ju laffen. darauf Üe^ 3^riebric^ 2öifi)elm feinem ©c^miegerfoF)n rcörtlid^ folgenbe 3tntroort juge^en, bie beffen SBunfcl) erfüttte:

S)ur(^Iaud^tigfter g^ürft, freunb(idE) lieber 58etter, trüber unb Sc^miegerfül)n!

^n 9iüdffic^t ber rool)IroolIenben SSermenbung @m. ^öniglicEien $ol)eit für ben Stubenten 3^euter auö ©taüenliagen l)abe ^d), nacE)bem 5[Rir über bie je^ige Sage ber ©a(^e ^eric^t erftattet morben, ber aJiintfterialfommiffion aufgetragen, benfelben jur 3lBbü^ung beä Sf^efteö ber om 12. 9^oüember 1834 angetretenen ad^tjä^rigen @efängni§= ftrafe auf ber ?^efte S)ömi^ ber gro^I)er3üglid)en Siegierung ausliefern ju laffen, n)o= gegen er ftc^ oerpfli^ten roirb, Steine Staaten nic^t roieber ju betreten, ©ö mürbe jeboc^ eine etwaige weitere ©rmä^igung jener Strafe ol)ne SlU'ine ©inraittigung ni^t eintreten tonnen, aucf) erforberlid^ fein, ba^ auf bie Sauer berfelben bie ben p. 3fieutcr in 3)ömi^ beauffic^tigenbe 58el)örbe bem ^ammergeridf)t l)ierfe(bft oon fec^g ju fec^ö SO^onaten eine 3Jlitteilung über i^n macfie. ^nbem ^cf) ®ro. ^önigücE)en ^J^eit an^ ^eimgebc, le^teres angnorbnen, oerbleibe 2^

©m. ^g;l. ^olieit freunbraiUiger SSetter, 33ruber unb Sd^miegeruater

3^riebric^ 2Bill)elm. »erlin, ben 2. ma\ 1839.

2ßelcl)e 3J?oberluft fteigt uns auö folrf)en ^Briefen entgegen! Unb mie fel)v übcrglänjt ber „p. Sieuter" uiele ^^ürften von einft!

^n Sömi^ mar es benn nun freilii^ gang anbers. 9teuterö SSorberjimmer

gi-ife Dieuter, ÄlauiS ®rotf) unb anbete Siafcftbicfjter. 241

^aik jitici freie unucrgittertc ?5^enftcr. ßr fclbft biirfte in bcr ©tabt effen unb bi§ 9 Uf)r abenbö ausbleiben, au6) 3{uöf[üge in bie Umgebung machen, ^er ^ommanbant Cberftleutnnnt oon 33üIon) lub if)n biöroeilen jum ^ce. ^üö er aber einft beffen 'Zo6)in grieba auf ben ^nien feine Siebe gcftanb unb babei üom Äommanbantcn überrafc^i rourbe, l^örten biefe Sinlabungcn einftrocilen auf. ^Reuters erneuteä Kneipen in 1)ömit ueranla^te ferner bie Seftimnuing, ha^ er fd^on um 5 Uf)r fic^ in ber j^eftung roieber einjufinben l)ahe. ®ann aber tat er fic^ boburc^ ^eroor, bap er in ber 2Bo{)nung bes Jlommanbanten einen 33ranb im ®ntftcf)en erftidte. darauf lüurbe if)m raieber 3"*^^*^ in bie gamilie gemäfirt, nacfibcm er bem SSater f(^rift(ic^ gegeben f)atte, ba^ iljni „oon jefet an bie ^öc^ter beö Dberftleutnantö aUe gleicfigültig feien". 9Za(^ bem 2^obe ^riebrid^ SBil^elmö III. am 7. ^uni 1840 lüurbe am 10. 3(uguft eine allgemeine Stmneftie für politifrfie SSerbrcc^er crlaffcn. S)a S^teuterS 9kme in ber ßifte üergeffen mar, orbnete bie mecflenburgifrfie 3f{egicrung fetbft feine ßntlaffung an, bie om 25. 2luguft erfolgte. „Säben ^o^r", fagt er am ©d^Iu^ ber „geftungötib", „legen ad^ter mi, fäben froore ^oF)r, un wenn if o! up Stun'nS in'n öanjen luftig öoroon oerteEt Ijeiüm, fei legen mi bunn froor ^entnerftein' up't $art; in befe ^oljren roaö nidfö gcfd^eit)n, mi üörroarts tau F)elpen in bc SBett, un vaat fei mi möglich nü^t fieroroen, bet lagg beip unnen in'n garten begramen unner ^a^ un %ln^ un ©rugcl; i! niüggt nid^ boran rögen; 't roaä, füE if ©rämer upriten un fütt minen Spo^ mit 2)obentnafen bcbrimen" (3)oben!nafen = Xotenfnorfjcii).

3unäcf)ft na^m er in §eibclberg bag juriftifd;e Stubium micber auf, nad^bem ibm in Tübingen bie Slufnal^me cermeigert mar. 3tber feine ^eiinaljme an ©elagen unb Slneipcreien mar erfieblicf) größer alö bie an 33orfefungcn unb Jlrbeiten. Gr mu|te ha^ Stubium aufgeben unb fanb nac^ furjem Stufcntljalt bei einem Df)eim, bem ^aftor Deuter in Babel, eine Stellung alö SSotontär auf bem ©ute ^emjin bei Staoent)agen. $ier blieb er, üon bem Scfi^er 3fiuft in jeber Sßeife geforbcrt, brei 3aF)re. SBäf^renb biefer ^eit lernte er and) bie um fieben Saf)re jüngere Suife Äun^c", feine fpätcre ©attin, fennen. Selbft STodjter eineö ^farrcrö, mar fie bamalö (gr5ief)crin im ^aufe beö ^aftorö 2luguftin in S^ittermannö^agcn, baö nal)c bei ^emjin lag.

1845 ftarb Sfleuterö SSater. Sein ^cftament mar bem Sol)n nic^t günftig: biefer foHte fein ©rbteil oon 4740 Xatcrn baö fonft an bie Sc^roeftern fallen fönte nur bann erl)alten, menn er brei ^alire lang feinen 9f?ücffaU in feine ^rinf-- leibenfc^aft gel)abt l)abcn unb menn er nic^t l)eiraten würbe. i?(uf biefe Söeife l;offte bcr alte Sürgermeifter grö^ereö llnl)eil ju rcrl;üten. 3(bcr fc^on nad; brci-uicrtel Sal)ren tranf ^ri^ S^teuter guoiel bei ber 2ßei()nac^öfeier, fo ba^ er in oerämeifclter Stimmung, namentlid) Suife gegenüber, S^emjin (icimlic^ ocrlicfj unb junäd)ft feinen Sreunb ?^ri^ ^eterö in ^ommern auf bem ©nte Xl)alberg befuc^te. ^m ^cai 1847 pcrlobte er fid) mit Suife. 1850 rourbe er Sprac^= unb 3cic^cn(el;rcr ju Treptow in Sommern: bie ^unft beö 3eic^nenö l)atte er fid) in feiner {^cftungS^eit erworben, loic er felbft launig erjäfjtt. 1851 fanb bie "Qeirat ftatt.

ermutigt oon feiner ^rau unb feinen grcunben, gab er 1853 feine gereimten 3lncfboten, bie „ßäufc^en unb 9Rimclö", im Selbftocrlage ba jroei 3?erlcger ab--

Oe^lfc, Die bciitfc^c Sttcratur feit ©ottlje« lobe uftu. 16

242 33on bei- alten sur neuen 5lun[t.

lcf;nten I;crQUö, bte einen ungeaf)nten ©rfclg Ijotten. «Sein SSerleger rourbe bami ^inftorff in SBiömar. ©inige ©tücfc ber „Säufc^en", luie „De ©auffionbel", „De SBebb" unb „Dot Püffen ut ßeira" finb im meiteften ©inne üolfätümlic^ geworben.

®r ücrjuc^te cg nun au6) mit Süfincnftüdcn in plattbeutfd^er 3Jlunbart, i)attc aber bamit feinen ©rfolg. 1856 überfiebelte er nad) ^leubranbenburg, roo er fortan gatTj ber ?^eber unb uon ber ?^eber lebte. <Bd)on jraei ^a^xc vox^cv loar bie föftlid)e „^Heif naä) SeUigcn" (1864) erjc^ienen, mo bie Hbenteucr einiger medlenburgifrfien Säuern, namentlich in 33crlin, in broEigen SSerfen gcfdE)ilbert werben, o£)ne ba^ jeborf) beöl^alb ber Did^tung an tiefen ^ergcnötönen fef)Ite. 1858 folgte „^ein ^üfung", eine Dichtung, in ber bie ^omif ganj jurücEtritt. ®in @ut§f)err fteEt feiner 3JlagD nac^ unb t)crt)inbert il)re betrat, big ifjn beren beliebter, ein ^ne^t, tötet. Diefer ffief)t, mö^renb bie ©efliebte mit feinent £inbe gurüdbleibt unb mal^nftnnig rctrb. Sc^Iic^Iicf) !ef)rt er gurürf, um fein 5!inb nad; 3lmerifo gu ^olen. 1859 erfc^ien „^annc Sflüte", cbenfaEä eine ernfte, geiftig roie fittlid) I)oc^ftef)enbe S3eröerjäf)[nng, 1860 aU crfte ber ^rofaergäfilungen, ber „DUen ^amcEen", „Ut be ^^ranjofentib".

StUein in ^rofa cermag Steuter feine gange 2Reifterfc^aft ju geigen. S^äcEift ber „©tromtib" ift bie „^ranjofentib" baä reiffte feiner 2Ber!e. Die ^anblung jpielt grö^tcntcilg in feiner 58aterftabt ©tai)enl)agen, fnüpft an bie rairflid^en ©eftalten unb 5um 3::eil aud^ an bie 9^amert an unb befielet barin, ba^ eine 'än^a^l von braoen 2J^edIenburgern ®elegent)eit finbet, ifire efirlic^e, fernfefte, beutfdie ©efinnung gegen-- über oer^Iaufenem ^^ranjofengefinbel in f)umoriftifd^en Situationen ju geigen. Unb roic finb alle biefe ©eftalten an§> bem Seben gegriffen: ber aufregte, uornefim benfenbe l'(mt§I)auptmonn SBeoer, ber mönntic^ ftorrföpfige Söürgermeifter, in bem ber Dichter ben SSoter portrötiert, fomie beffen fanfte, leibenbe ©attin, ber gutbergige aber unfrei= raittig fomifc^e 9ftatäl)err Dnfel .^erfe, ber alte 5D^üEer 33o^ unb fein „%\Un'% bie Sic^t; geftalt beg gangen Sf^omang, nid^t gu oergeffen bie el)rfame 3JlamfeE Sßeftpfialen unb ben ©lüngel gri^ ©afilmann.

SSon ber ©rgcit)Iung „Ut mine ?^eftungstrb", bie 1861 f)eraugfam, rourbe bereits mef)rfad^ gefprod^en. Die büftere B^it ber ^^eftungsja^re roirb I;ier in bie %axhe f)eiterfter Saune getauft. Die leidsten ©d^erge unb ©ttuationen, "oa^ äu^erlid^ ©pafi= bafte unb Säd^erli^e überroiegen. ©o ftet)t biefes SBer!, roenn eg auc^ menfc^Iid^ fo tief empfunben ift roie fein groeiteg, im 2tugbrud boc^ ben „Säufc^en unb 3flime[g'' unb ber „S^leif' nai^ SeEigen", t)on benen eg fid^ aber üor aEem burdf) feine ^rofa unterfd^eibet, am nöd^ften.

3fieuterg roeitaug bebeutenbfteg SBerf, bag in feiner 3trt nie errci^t ober über; troffen roerben fann, ift „Ut mine ©tromtib" (1862—64), obroof)! bie ^aupt^anblung nur in bem SSerfud^ beg roud^erifd;en ^omui^elgfopp befte^t, feinen jungen, unfäliige» ©utsnac^barn ^%d non 5Romboro aug feinem Sefi^tum f)inaug; unb fic^ bafür f)inein; ^ubrängen. 2tber roelc^eg Seben entroicfelt fidE) um ben bünnen ?^aben ber ^anblung ^erum! Diefer el^renfefte, fleißige ^arl ^oroermann, biefer gütige finge ^aftor mit feiner lütten, kroeglidien ^rau ^aftorin, biefer einfilbige unb geiftig unbe^ilflic^e ^oc^en 3flü^ter mit ber gongen predigen 9^ü^ler=3Scrroanbtfd)aft, mit feiner rüfirigen

grii 3fleuter, tiau« ©rot^ unb anbete ^ialeftbic^ter. 243

unb tatfräftigen ^^rou, ber „"^n^Uxn", unb feinen beiben frif^en unb munteren ^öd^tern Sining unb 3J?ining, bie beibe ben ri(^tigen 3Jiann befommen, biefei flein-- ftäbti|c^e ilaufmann ^urj unb ber oE' 3?e!tor, biefer alte ©elbmann 3Jlofe§, ber burc^ feinen ©bclfinn fo üiele anbere befd^ämt jumol feinen mißratenen ©o^n "^Dacib unb ben 9JiitteIpunft einer ber fc^önftcn Svenen bilbct, biefer f)of)Ie unb [erd^tfcrtige STpel üon 9?amboiü, biefer SBinbbeutcl 3^ri^ 5::ribbelfi^ unb alö ^rone beg ©anjen biefer Dnfef 33röfig, feineö 3fi^enö „ßntfpefter'', ber, fo brollig an6) fein 2Befen crfd^eint, bod^ nad^ ß^orafter, SBeltanfd^auung, ^Iugl)eit unb 3J?utterrai^, roenn man nlleö äufamniennimmt, ben anbern rceit überlegen ift baä finb ©eftalten au0 einem Ouß, bie nur einmal gelingen tonnten.

®ie ^crfonen beö S^iomanS finb außer ^omud^elötopp, ©Iuf'ul)r unb 3JJofe5, bie nod^ 9ieuter§ eigener 9(uöfage roirfiidjen ^erfonen nad^gcbilbet finb, frei erfunben. ^omud^elöfoppä Urbilb luar ber ©utöbefi^er ^ol). Sembfe au§ 2iIt=:Süf)äfon) bei 2;eferoit). ©tufubr F)ieß in Sßirtli^fcit üietteid^t Sd^röbcr unb mar ju 9?euter§ ^eu 9btar in ^ieubranbenburg ; jebodf) tommt olö Urbitb aud^ ber SBinfelabpotat Sampe in Staoenljagen in g^rage. 3)?ofeä mar ber ©taüenl)agener 9J?ofeö 3faaf ©alomon (1768—1837).

2lber ni(f)t nur bie einjetnen ©eftalten finb eö, bie ung in bicfem 9?oman 33e= ttmnberung abnötigen, fonbcrn gugleidf) bie meifterl^aft ge^eidfineten Silber beg poli; tif(^en, religiöfen, bürgeriid^cn unb länblic^en Sebeng. Ob Söräfig im Sftcformoerein non ber „^on)^ertcb" fpric^t ober ber junge ^err ^aftor bei feinen ©rbfen mit ©c^roeing= ol^ren gegen bie neuen 58eftrebungen beg SSoIfeö eifert, ob bie alten Ferren ®!at fpielen, bie S^amilie fi(^ um ben ^affcetifc^ fammelt ober bie ^od^jeitggäfte nac^ ber 2Relobie „2)u, bu liegft mir im ^^erjen" jum SBorjer antreten immer fpürcn mir, baß ^tcr oug tiefftcr, Iebeugfrifcf;cr SBirfüc^feit gefc^öpft roirb, unb begleiten bie einzelnen bei if)rem ^un unb Sieben, alö geijörten mir ju it}nen. ©elbft beö braoen ^Soi^en ?iüß(er fte^cnbe SBenbungen merben unfer erprobter !Sefi^: „'3)at ig atleng ag bat Sebber ig" unb „2Bat faE ßcner borbi bauf)n?" Sßag ecE)te medlenburgif^e Siebe ift, bag er= faf)ren mir ftörter noc^ alg an ben jungen paaren an Dntet 33räfig unb ^xcin 9Jüßlern. Stber nidf)t nur bicfe Siebe bet)errfc^t ben 9?oman, fonbern aü6) jene große, eble 9}?enfd^enlicbe, bie ben Sd^murf gerabe ber beutfcf)cn Sitcratur feit je^er gebilbet unb fic^ in beutfc^em ®[ücf unb Ungtücf, in nationalen unb reoolutionären Stürmen in gleicher SBeife bciuäfjrt fjat. ^aruni tonnen mir bag '^abjX 1848 taum bcffer alg burc^ S^euterg „«Stromtib" tennen lernen.

^njmifrf)en mar ber Sinter roiebcr^oft auf Steifen gegangen: nac^ .O^in^^HTg, ?Rügen, bem dll)cu\, Seipjig, 33crlin, Sübecf unb X'tiüringen. ^ier befct)(oß er nac^ einer längeren ^ur in Glgersburg, na^ ßifcnac^ überjufiebeln, roo er firf) am j^uße ber SCßartburg ein eigeneg .^aug, bie f)eute alg 5Reuter;'iUJufcum bctannte 33iIIa, erbaute. 58or^er mürbe er oon ber Uniuerfität S^oftocf jum ®l;renbottor ernannt, ^n bem 3a^re 1864, in bem bie llberficbclung ftattfanb, nafjm er mit feiner ©attin an einer ®efcllfct)aftöreife über SBien unb ^Trieft nac^ jlonftantinoper, Smprna, 3ItF)cn, 23enebig unb 58crona teil (18. 3Jiär5 big 13. 9J?ai). Die Iiterarifrf)e 51fruct)t mar „1;ic mecflens

16»

244 93on ber alten jur neuen Äunft.

börgfd^en 3}iontecc^i un Sapuletti ober ®e D^eif na ^onftantinopel" (1868). 3iüct 3al)rc üor^er cr|d)ien Die föftUc^e @efc^icE)te ,,®örc^läuc^tiug" (1866), bic bcu ^crjog ^Ibolf ^^ricbric^ IV. oon 2JiedIenburg=©treU^ fatirifd; geidinet, baneben aber enifte ©l^arafterc, roie bcn Slonreftor unb fein 2)ürten, unb nid^t minber ernfte ^onfiitte bel)anbelt. ®ö ift in gemiffer Sejicliung ein Seitenftüd in ^roja jn ber 5ßeröer5äf)lung „5lein ^üfung": ^ier bie 2Innia|ung ber ^errjdienben klaffe, bort bic bcö bunnnen dürften.

$Renterä politifc^e Slnf^auungen roanbelten fid; feljr im Soufe ber ^üt, er luurbe ein großer 5ßere^rer Siömardö unb ^at au6) mit biefeni joiyie mit feinem Sonbeö^ fürften, bem ®xo^i)cx^oQ g'riebrid) ^^ranj II., beffen ^^orfaf)re aU junger 3J^ann am ©d)lu^ Don „'Dörc^fäuc^ting" auftritt, freunbIicE)e 33riefe gemerfifelt

2Bei§nad)ten 1868 befu(f)te er feinen alten grcunb ^etcr§ auf ©iebenbottentin. ßä mar taä k^te 3JiaI, t^a^ Sfieuter in ber Heimat raeilte. ^m %xix);)\a^x 1874 traf tl)n ein ©d^Iaganfatt. 3Im 12. ^uli besfelben ^al)reg ift er geftorben.

33on Sieuterg ©diriften mürben nod^ nid)t erroät)nt „SEßoonä i! tau 'ne .%xvi fomm" eine gong frei erfunbenc (^ef(^ic^te --, ba§> ^^ragment „Urgef(^id^t oon 3Jiec!eInborg", bas 1859 begonnen mürbe, bie erften üier Xcile beg „©^urr=3Jturr" (1861), „2Bat bi 'ne ^merraf(f)ung 'rute famen fann", „^annefifen", „3(benbteueT beö ®ntfpefter ^räfig, bürtig auö 9JiedeInborg=Sd)merin, oon il)m felbft ergöf)It" unb „^on 't ^irb up ben ©fei" fomie fleinere Strbeiten, bie jum größten ^eit in f)0(f)bcutfc^er ©prad)e gefrf)rieben finb. ®en Sicutcr, ben mir aUe fennen unb beffen „©tromtib" in aEe SBeltfpradien überfefet roorben ift, fönnen fie freilief) nic^t ucrtreten.

2)ie ^öebeutung Sfieuters mäct)ft mit jcbcm S^age, ber bie Überfpannt{)cit ber mobernen Siteratur um neue ©rabe erf)ö^t. Unb folange bie 3}ienfd^f)eit if)r Ijcrslic^eä Sachen unb i^re g^reube am Seben, roie mirfliif) ift, nic^t erlernen möd^te, folange fie bie ^beole nirfit in oerftiegenen ©ebanfen, fonbern in ben eroigen Sßerten fudfit, bie in jeber noc^ fo einfad^en ©eele rut)en fönnen, folange mirb auc^ Steuterö £iar= ftettungälunft unentbel)rlid^ bleiben, ©in bip;en Sonne auö feiner lierälic^ l^eitcren unb fcE)licE)tcn SBelt ift mel)r mert alö ber büfter aufgetragene Schatten, ol)nc ben mand^er künftige Slealift unb 9fiaturalift nid)t auösufommen meint. 9fleuter§ gefunbe, mirflicE)feit5ec^te ^irfitung ift gerabeju ein ©egengift gegen alleö, roaö ber nä^ftc ^ag als ba§ „StUermobernfte" auöfc^reit.

2Böl)renb S^ieuter burd^ eine ganje fftn^e von SBerfen ^ebeutung geroonnen I)ot, ift bei bem Vieler Siteraturprofeffor ^lauö (BtoÜi (1819—1899) nur ber „Duicfborn" (= Sebenebrunnen), eine ©ebid^tfammlung in ber bitl)marfifc^en 3Kunb; art bes ^lattbeutfc^en, bie il)n berühmt gemadit l)at (1852). Ste^t er nun auc^ Igrif^ unb rein fprad)licl) l)ö(}er alö Sf^euter, fo fann er fi^ aU ©eftalter nicE)t im geringften mit biefem meffen, fdf)on be§f)alb nic^t, roeil er bie ©elegenl^eit baju gar nicf)t gefud)t i)üt. Unb roenn er glaubte, in feinen „Briefen über ^od^beutfd^ unb ^lattbeutfc^" bie naioe 9)tunbart $Reuter§ oon oben I)erab fritifieren ju bürfen, fo l^at er fiel) über bie erften SSorauäfc^ungen bid^terifcE)er (Srö^e getöufrf)t. 9Jlan fonn bic beiben ober au^ gar nic^t miteinanber oergleid^en. "sDie garte Sprif ©rot^ö ücrträgt

ilofepf) miov @cf)etfer. 245

iiid)t neben fid; Die Derbfräftige ©pit 9kuterci. ^crDorragenbe ©ebic^te im Ouidborn finb ,,®nt 1)örp in <once", „3tbenbfreben" unb „@n 33recf". SSon feinen iibric^cu Scbriften feien nur bie @pen „9?otQetermcifter Samp un fin ^0(^ter" unb „1)c ^ciötertrog" genannt.

@rotf)S Seben luar nicbt fo nbenteuer(id) luie bacijenige SReutere, aber and) hart genug. 2tm 24. Stprit 1819 ju ^cibe in "sDitfimarfc^en geboren, luurbe er jucrft Scf}reiber, bcinn 2RäbcE)enfc^uIIei)rer in feinem ©eburtsort. Seine 33i[bung oerbanttc er nur fit^ felbft. ©ntfd^eibenb beeinfhi^t mürbe er Don §ebef§ Söerfen. ®er (Srfü[g beö „Ouirfborn" trug if)m bann @f)ren aller 9(rt ein. 1856 ernannte ii)n bie Sonner Uninerfität jum ß^renbottor, 1866 rourbe er ^rofeffor in .^icl. 3(m 1. ^uni 1899 ift er geftorben.

'yiebax ^Reuter unb @rot^ nef)men fi(^ oHe anberen munbortlic^en ^Diditer un: bcbcutenb au§. ^n nennen finb ber 9ioftocfer ^o^M 53nnrfmflliu (1814 1870), ber Hamburger SBillcm (^(^röbcr (1808—1878), bie ^olfteiner Sodann |)inric^ gtör^ (geb. 1838) unb 3o5oim mt\)tx (1829—1904), ber Sübeder üaxl l^oUx @öbcv$ (1855 1912), bie Sägern g-ronj öon tokll (1803 1882), Uarl etielcr (1842 1883) unb g)JofinüIian Sdjmibt (genannt SBalbfc^mibt, 1832 1920), ber ^fäljer Äorl (i^ottfricb 9hblcr (1809 1849), ber grantfurter gricbrit^ (Stolpe (1816 1891), ber öeipgiger (PbüJiu SBomioim (1851-1912) unb ber iDfterreic^er (^roua ©tcl^^omer (1802 1874).

jDaö 3(nfc[)en ber SRunbart ift in ben legten 3at)r5et)nten unaufl)örli(^ geroa(f)|en. Sefonberö baö ^[attbeutfc^e Fiat fic^, feitbe^i mir einen niebcrbeutfrfien ©prarfiüereiu I)aben, feinen 3Beg in boö gro|e Iiterarifrf)e Seben gebaf)nt. ^n ber ^ext, in ber bie 3:ageöpreffe in fteigenbcm SRa^e bie 2Sortfüf)rerin aud^ im üterariff^cn Seben mürbe, mar ber Jungbrunnen bcö ^ialeftö eine unentbel)rlid^e £)ilfe für bie (grF)aItung ber reinen ©prarf;e unb ber oon gro^ftöbtif^cr ^aft unb (Sliquenliteratur bebro^tcn .^unft bcä 5ßo(feö. 2ßic einft baö 3SoIföIieb bie trüben $5a^rf)unbertc literarifc^er Df)nma(^t in '3)eutfd;(anb burd;feu^tet unb überbauert \)at, fo oermag uielleid)! bereinft einmal ber 2>iale{t baoon ju äcugcn, mie gro^ bie fittlic^c unb fünftlerifc^e ^raft beö beutf^cn 33olfeö felbft in ben fd;ümmften Jaf^ren ber 3(uölanbö= unb Sd^Iagmortliteratur gc= mefen ift. 2Ber freilid^ ben Sinn für nieberbeutfd;cG Seben unb Gmpfinben aud) bann nid)t in fid^ entmicfeln fann, roenn er 9?euter lieft, ber niu^ fid) mit beffcn poetifdiem 33orit>ort jur „Stromtib" getröften : „Jnbeffen boc^ benn belpt bat nic^!"

•>. SofcHi) V>Uiox Srfjctfd.

$o(itifd)c ßreigniffe Ijaben an fid; für bie Öiieratnr feine cntfd)eibenbe Sebeutuug. 3{)i" (^influf, ift oft unuerfennbar, aber bod) nur Da, mo Gkiftcr (eben, bie non ??atnr bereit finb, ilm auf fidb rcirfen ju laffcn. ^rife ^•lieuter, ber größte 23ertre'ter ber beut' fc^cn "l^ialeftbidjtung, mar gcmi^ ftarf in bie politifdie Strömung Ijineingcriffcn unb beinaf)c fogar in i()r untergegangen. 'üRan fann aber nic^t fagcn, ba^ ff>"f Serfe, fefbft bie „"^veftungötiD", irgenbmie politifd^cn einid)lag jeigten.

246 33ün bct olten juv neuen Äunft.

©0 ging aurf) bas ^al)r 1848 an üielen beutfc^en 5Dirf)tern lebiglic^ aU ein politifci^eö ©efcEie^niö oorüber; ee fiaftete nicf)t qI§ inneres ©rlebniö in il)nen, fonnte alfo Qud^ in feiner SSeije if)r Stnfd^auen unb 33efennen umgeftalten. ©ine gro^e 3tn= jof)! füf)renber ©eifter I)iett bie ^oefie frei oon ben Söanblungen ber 2lu^enroeli/ Die fie aU (Störung empfanben, wätjrenb anbere, bie auSgefproc^cncn Stealiften unb 9lotu: rauften, barauf ein üöttig neueö fünftlerif(f)e§ (Schaffen grünbeten.

Stber au6) nur biefe beiben literarifc^en ©ruppcn toffcn fid) in geraber Sinie üon ber politifc^en ©ntroidlung ableiten, unb ourf) nur bann, rcenn man fic^ an ben engften, ftrengften ©rfiulbegriff t)ält; benn ^Realismus ift nid^tä, roaS fic^ einer ©ruppe oHein jutei[en lie^e. ^Reijüott rairb eine jebe ^unft nur ba, lüo fie in g^reil^eit auftritt, ^e nac^ ber ^erfönlic^teit geftaltet ficf) eine ^oefie, bie gleic^ rceit entfernt pon fd^ul; mäßiger Sflomantif roie t)on fd)ulmö^igem Sfiealiörnuä ift.

Um bie 2Ritte beö neunjel)nten 3af)rf)unbert§ traten ^idfiter I)erüor, bie [i^ aEein unter foId)em ©efidEitöpunft betrad^ten laffen, b. f). bei bcnen ber 5Romanti!er ?Romantifd)eg, Der D^ealift Dfiealiftifd^eä finben fann. Sie cjel^ören alfo ^u Denen, Die unä aU 33inbeglieber t>on ber alten jur neuen i^unft führen, ©er S3ebeutenbfte von iönen mar ©d)effcL

Sofepl) SSiftor Scheffel mürbe am 16. ?5^ebruar 1826 in ^arlSru^e aU ©oI)n eine§ babifd^en Dberbauratö geboren. 33eibe ©Item ftammten au§ bem Sc^roarjroalb; gebiet. 5Die bidf)terif(f) begabte 3JJutter unb bie ®ro|mutter lenften ben Slict beg Knaben fd^on früf) auf bie ©cfcf)icf)ten unb (Sagen ber ."geimat, unter benen bie üom ^ot)entmiel eine fieroorragenbe (Stelle einnaFimen : ftanb borf) bag ©Itcrnfiauä ber 2Rutter im §egau am Sobenfee. ^u Scheffels Sieblingäbii^tern in ber ^nabenjeit gef)örten ber l^eimat- lid^e Slealift ^o^ann ^eter ^ebel unb ber romantifd^e St)rifer .^einrid^ §eine. 3filedP)nen mir f)inju, ba^ er in einem fonfernatio benfenben ^aufe aufraudfiS, mitl)in uor jcber politifd^ freien S^G^^ft bcf)ütet rourbe, fo oerfteljen mir, ba^ biefer mirflic^feitsfrolje unb freie ©eift boc^ ben gemaltigen fojiaI.en Strömungen fernblieb unb fidf; lieber in ba§ ^Mittelalter ftürjte, obraof)! er 1848 alö Sefretör be§ ^^eid^gfommiffarg Sßelcfcr in j^ranffurt a. 3Ji. poIitif(^ tätig mar.

3U§ er 1843 bog ®t)mnafium rertie^, wollte er aj^aler merben. '^^x ?8atcr jcbod^ beftimmte il)n gum juriftifd^en Stubium, baö er nun in 2J?ünrf)en begann. S)aneben befc^äftigte er fidE) l)ier mit ber bitbenbcn ^unft. 3laä) gmei ©emeftern ging er nad^ ^eibelberg, roo er in bie Surfd^enfd^aft eintrat, ©r mar nad^einanber '^U- manne, 2:;eutone unb granfone. ©g mar eine ^dt fröf)lirf)en 2Banberng unb Äncipeng. 9lac^ roieberum graei Semeftern bejog er bie Uniüerfität ^Berlin. 3Son l)ier aug mad^te er einen 2tugftug nadf) 5Rügen unb ber pommerfd^en Jlüfte. ©ein poetifd^eg Talent jeigte [\6) noc^ immer nur üerftoljlen. ©rft alg er fid^ im ©ommer 1847 in ^arl§= ru^e jum ©yamen üorbereitete, entftanben einige feiner be!anntcn Sieber raie ber ©e^ fang com ^^Jerg ^erfeo. ©eine erften ©ebidite, bie „Sieber eineg fal)renben Sd^ülerg", crfc^ienen in ben 9Jiüncf)ener „g^liegenben blättern", ©einer enttäufc^ten Siebe 5u ^ulie, ber %o6)kx beg 3JJünd^ener ^iftoriferg oon ©rf)li(^tcgroll, bie fidf) [eelenru^lg mit einem anberen üerlobte, fe^te er ein ©enfmal in feiner 33allabe oon bem üer=

Sofep^ Sittor Scheffel. 247

Hebten gering, „^etg, frad^ unb bric^ nid^t", fcfirieb et banuilö an jcinen j^reunb eggers.

9Jiitten in ben politifd^en Unrufien jener 3^it beftanb er fein (Syamen. 2(I§ 9?ed^täpraftifQnt trat er barauf in ba§ ^riminolbureau beö Dberamtä ju ^eibclbetg ein. .^ier würbe er eifriges 3}iitglieb be§ ,,®ngern", einer ^neipgefeHjc^aft, ju ber unter onberen ber ^iftorifer ßubrcig ^äuffer, ber ©erinanift ^arl 3Iuguft §abn unb ber 3iegelf)äufer Pfarrer ©cfimejer, baS Urbilb beö ,,^farrerö Don 3I^niann§f)aufcn", geborten, ©ö ging oergnügt gu in bem „©ngcrn'',

SSo eine treu benDä^rte greunbegfc^av

2)en SJiitttDDc^ in ben 3)onner§tag ju längern

S3ei golbnem 9?^eintoein oft befliffen tt3ar.

Da fiel'S nid^t fcf^tüer, bie ©aiten ^ell 5U fc^Iagen,

Selbft würb'ge ^farrf;err'n tourben fingenb Iniit,

SBenn un§ ein 9}?eifter, beffen Zob tüix flogen,

ÜJ?it funb'ger §anb hen 9Kaientranf gebraut.

$Dort erflang fcf)on mand^eö ber fpöteren ©aubeamuä^Sieber, unb bie Literatur bes beutfd[;en ^ommerfee rourbe um mcl^r als einen 2!ru^gefang bercid)crt.

^m Januar 1849 rourbe ©treffe! juni Doctor juris promoricrt. ^n bie kämpfe ber babifd^cn Steüolution auf ber (Seite ber fonftitutioncKen nationalen g^ort^^ fd;rittSpartei F)ineingeriffen, fd^rieb er prop^etifc^ an feinen ?^reunb Sdjiuani^: ,,©s af)nt mir, ha^ alles bis je^t 3(ufgetaud^te nur ber S3orbote eines großen curo;iäifdf)en ©cneralfrac^S mar." @r leitete eine Zeitlang in 5!arlSruf)e bie „3[iatcrtänDifd;cn Siätter". 2lls 33ürgcrmef)rmann naijm er an ber SSevtetbigung beS ilarlöruf)cr S^wq- f)aufes gegen bie 3lufrüf)rer teil.

'^flad) einer SBonberung burrf) bie ©raubünbener 3npen, bie er ^ufammen mit ^äuffer unternaFim, raurbe er gu (^nhe bes ^al^res 1849 als ^icnftreuifor an bnS 33e: ^irföamt beS oberrfieinifc^en SSalbftäbtd^cnS S ö t f i n g e n uerfe^t. ?^aft ^mei I^al^rc blieb er t)ier, erfrifcE)t burc^ bcn Umgang mit ben !ernigen Seroobnevn beS .öaucn- fteiner Sonbes unb burdE) ben „grünen Sergfee", bas „^^annenbunfel" unb bie anberen freunblid^en Sanbfd^aftsbilber, bie er fpöter im „Trompeter" ins litcrarifcl^e lieben gezaubert f)at:

©ei gegrüßt mir, SSalbeSfriebe!

Seib gegrüßt mir, alte Scannen,

Sie if;r oft in euren gd;atten

Wxd), ben 9}^üben, aufgenommen

Sei bem ?^ifd;gug im See, ber junäc^ft einen „nambaft alten Stiefel unb 'ne platte gebrüdte RxöU" jutage förbert, nerliert fid^ ber Siebter bes ., Trompeter" in traum= feiige ©rinnerungen an bie Säfünger Sanbfc^aft:

CftmalS fa^ id) auf bem Sleinblorf, Sen ber Staune milbe S5?urj^el 5^eft umflammevt, ,^u ben (VÜßen 3BDgt ber (See in leifcr Strömung; 5BaIbc§id;atten bedt bie Ufer,

248 SSon ber alten 5ur neuen Äunft.

2)Ddj inmitten tongen fümmernb Stu[ nnb ab bie ©onnenftra^Ien. ^eil'gc gro^e ©tiKe ringsum, 5?ur ber SBalbfpec^t picfte einfam §ämmernb an bie 2:annenrinbe-n; S)urc^ ba§ 9}?oo^ unb bürre S3Iätter 9^nfcf)elte bie grüne SibedjS, Unb [ie f)ob ha§> fdtge 3iuglein (^-ragenb nac^ bem fremben S^räumer. 3a, ic^ r)ati' auc^ bort geträumet. Oft nod) luenn bie dlaä)t fierabftieg, Sa^ icf| bort, gog ein $Roitfdjen ®urdj ben ©c^ilf, bie SSafferlilieu §(3rt ic5 rei§ ,^ufammen ftüftern.

Siicfer ftitte ©rbeniinnfcl trat if)m fo rec^t innerlich na^e. ^n ber 3d)i(bcrung „3(uö bem ^auenfteiner (Sd;uiarjraalb", ben ©öfftnger Spifteln unb bem 2^ro:npetcrnci> nom ,,§auenftcincr 9?nmmcl" !^at er fein ^ntereffe für .^ebelö fuorrige Sanosleute einbring; üd) bcfunbet.

3u 9leuiaf)r 1850 traf er in Säffingen ein. ®r übernachtete 3unäd)ft im „©otbenen Jlnopf", ben ber „Trompeter"" fo gut fennt :

3n ber §effenftube fa^ ber

SBirt fium St'nopf juft mit jung SSerner,

§att' ein ©tüdlein roten 9\au(^Iod)§

3^m 3um S^'Si^ üorgefel^et.

©c^effel rüof)nte bann bei bem Sürgermeifter See im „Sabifd)cn ^of" unb ,^ute^t im 5r>eutf(f)'OTben§=3f?ttteri^auö ber ^ommenbe S3euggen an ber 9fit)einbrilcfe, ha§i ^eute aU ©d;cffcl^auö neben bem SJ^ünfter beö ^eiligen gribolin ©äffingenä größte (Se^en§= rüürbigfeit ift. ©anj in ber 9^äl;e fanb ber ©ic^ter baä Sd)füf3 ber 3^rci^''rr:n Don Sc^önau, unb in bem alten ^rauenftift, ha^» je^t bem ScjirfSamt biente, ftubiertc er feine 2tttcn. 2tm (Sonntag nad^ bem 6. Wläx^, bem ^age bce^ Tjeüigen ^ribotin, fal) er bie ^riboIinSprogcffion genau wie fein ,,^rompeter" :

greunblid) fd^ien bie ^IJ^äräeufonne S(uf bie ©tobt ©anct gribolini, 2ei§ öerTjallten Don bem SOcünfler geierlic^e Crgeltöne, 2II§ jung Söerner bur(^ ha^ 2'or ritt, ßilig [udit er für fein Svo^Ieiu Unterfommen unb er fdiritt bann fflaä) bem buntbclebten 9[Rar!tpIaö, Sdiritt hinauf ^um grauen ^oc^ftift, 3"nt portal entb[i)Bten §oupte§ ^rat er, unb er fa!^ bett großen Jeft^ug i^t borüberäiefjn.

^n ber ?(u^enroanb ber ?^riebI;of§fapcIIe fanb ©c^effel einen ©rabftcin; barauf mar

uerjeic^nct „baö an gcgenfeitiger Siebe umoerge^Iic^c ©tjcpaar .^err ^ranj SSerncr

.Rtrc^fiofer unb grau aj^aria Urfufa uon Sd)önaum". SBerner rcnr am'31. 3Kai 1690,

3ofep^ SBittor ®cf}cffer. 249

3Kana am Sl.SJ^örj 1691 geftorbcn. ©ö ijing bic Sage, baß bieier >^ürgcilii{)c ein 3Jiufifer geiüe[en fei imb nid^t of)ne 3(bcnteucr fidf) fein abligeö SBeib errunt^en l)abe. Unter ben 5ln[tnnien beö ©cf)Ioffcö (ie^ ficf) in einer Sierinirtic^nft treffiic^ bnoon träumen. So entftanb in ber Seele beS 2)id^terö bcr /,Sang uom Dbcrr[;ein'', ,, 1) e r Trompeter o o n S ä f f i n g e n ", ber freiließ erft 1853 in fec^ö auf ßapri rer(cb= ten ^rü^IingsiDürfien, befrnd;tet bnrd) ein ^er^enöcrlebniö, fiin[t[eriid;c ©eftnlt gcinnnn.

Sfnfprnc^SnoH ift er nic^t, biefer epi[d;e ©efang (in ^rocbäen) non beut jungen Studiosus iuris SBerner Jlird;f)ofer, bcr §cibelberg vertaffen mu^te, weil er und) einem fc^arfen 2^runf mit bcm ^^ofnarren beö Hnrfürften, beut B'^crg ^erfeo, bie ^urfürftin Seonore angefungen ^at („^jd) fnie vor f2:ud) als getreuer SSafaH, '^falj; gräfin, fc^önfte ber g'rancn")/ ber bann in ©äffingen alc- 9Jlufifu? be§ atten ?^rci(jerrn fid) in bcffen @un[t unb in bie Siebe non beffen Xot^ter 9)iargareta I)ineintrompetct unb- biefe fc^He^üc^ auc^, freilid) erft nac^ langer Trennung, alö fein SBeib fjeimfüljrt, Dom ^apft, beffen ÄapeUmeifter er injmifc^en gcmorben ift, in ben 3lbe(ftanb erfjobeu. S)iefe teils fc^Iic^te, teilö unmafirfd^einlic^e ^anblung ift eQ nic^t, bie bem SBerfe ben Sfieij oerIeif)t, fonbern bie l^crjerquidenbc ^^rifd^e ber 2(uffaffnng unb beö ^oneS. T^ie 3eit ber Trennung ber Siebenben füEt ber ©id^ter mit einem Sieberftranfie au§, in bcm Ieud;tenb prangen „®aö ift im Scben tjä^Iidi eingcri^tet" unb ,,@infam umnbfe beine ^al^nen, ftiHeS §erj, unb unuerjagt". 33orI)er fd)on, im graeiten ©tücf, ftebt baä berüf)mte ©tubentcnlieb ,,2{It .^eibclberg, bu feine", baö in ber erften Sätfinger ^üt entftanbcn fein mag unb oietlcid^t anä) in ber fröbfidien 3^'rf)gcfeIIfd)aft im „©olbenen .^nopf" biöroeilen angeftimmt rourbc.

^em „Trompeter non Säffingen'' entftammt ferner' eine gange 3lei^e non ge- flügelten SBorten, bie fid^ Icbenöfräftig bur^gefe^t unb crf)n(ten baben. ©cnfcu mk 3unäd[)ft an ^ung^SBerners 9fted)töftubien:

Siömifc^ D^edjt, gebenf id) beiner, Siegt'S »nie Stipbrnd auf beut -t^er^cn, . 8iegt'§ wie 5D?üf)Iftein mir im 5Rogen, 3ft ber ^Dpf wie brettoeruagclt .... Sinb berbammt wir immerbar, ben ©ro^en ,^nod;en gn benagen, ^en al§ SlbfaK ibre§ gO?nl)Ie§ Un§ bie Üiömcr i;ingeWorfen? (3ol( ni(^t and) ber beutfdjen Grbc ßignen 9iedf)te§ S3Inm' entfproffen, SSalbeSbuftig, ld;Iid)t, fein üppig 2öud;ernb (2d)Iinggewöc^ be§ (2üben§?

^cr 9?f)ein, ber fo fraftnoll non ben 33ergen bcr ^Hpcn f^eiabfpringt unD fd)Iicf;lid) öurdf) bie nieberbeutfd)c Xiefebene fd;Ieid)t, ruft unö mal;nenb jn:

Unb im (Sanb, ben idf> fo töblid) ^affe, fc^tepp' ic^ miib mein Xa[ein, Unb icf) bin frf;on lang geftorben, e^' ba§ 99?ecre§grab mic^ aufnimmt. Öiif bidj, I)iit' bic^ nov 33evianbung:

250 33011 ber alten jm- neuen Äunft.

3Iuö 3J?orgnrctaö ^eilnaf)mc für ben rerraunbcten SBerncr frfjöpft bei: Xiic^ter ha^ be= fanntc SBort: „93titlcib ift ein frud^tbar (grbreirf) für boö ^fläiiälein Siebe"; unb au§ ber Unmö(]Iid;fcit, bie ^üffe ber £iebenben gu jä^len, jeneä anbere:

2)ic^titng unb Statiftif [tefien

Seibet auf gefpanntem gn^^- ®er ^Qiiptüertrcter ber Söeltroeiöljeit ift jeboc^ „ber biebere Jloter" beö greifierrn, .

§ibbigeigei, mit bem fd^arjen

©amtfell, mit bem mädjt'gen ©c^toeif.

toar ein ©rbftüd [einer teuern

g-rü^öerbli^'nen ftoljen ©attin

Seanor äRontfort bn ^Iefft)§.

58ei ber ©rf)ilberung gerabe ^ibbigeigeiö jeigt fid^, mie fe^r ©d^cffel non .§cine, bem ^ic^tcr beö ,,2ttta Scroti'', beeinflußt mirb. ©g ift, aU I)örten mir ben ^arifer ©pötter über beutfd^eö SBefen, menn mir non biefem (iterarifcf) befannten ^ater fefen:

2)enn er fja^te bie ©em^infc^aft

W\t bem beut[c^en ^a^enboIEe.

„Q\üax fie mögen" alfo bad)t' in

©tollem ^"aterfelbflgefü^i er,

„®uten ^ergenB [ein unb einen

gonb be[i^en Don ©emüle,

'^od) fe^It an gutem S^one,

ge^It an S3ilbung, an ^^ournüre

©änglic^ bie[en orbinären

^2Iutod)ti)on[cf)en SSalbftabtfafeen."

^m (September 1851 nerliep ©c^effel ©äffingen. ^n ^arl§ruf)e fc^rieb er pnoc^ft feinen 3tuffa^ „3lug ben rf)ätifrf)en SItpen". ^n biefer 3^tt fot) er feine Jlufine eigentürf; 5Rid)tc ®mma §eim auä ^eß «m ^ermannöbac^ miebcr, Die 2:^od^ter eineö 2Ipott)eferö. S§re ©roßmutter mar eine «Sc^raefter t)on ©dieffelg 58ater. 3ulefet {)atte er fie al§ ^inb gefef)en, je^t mar fie fec^jefin ^alire alt unb bezauberte if)n. 3tber feiner oufflammenben Siebe brad)tc fie nur t)ermanbtfc^aftü(^cg 3Serftänb: niö entgegen, ^^m ©ejember mar ber S)id^ter ©efretär am ^ofgeric^t in ^5ru(^)aL §ier traf er mit ßmma in ber (SefcH[d)aft jufammen.

3Son feiner Steigung gur 9JiaIerei getrieben unb entfd)Iof[en, früfier ober jpätet

mit bem juriftifc^en Seruf §u brechen, ging Sdieffcl, gang non ©mnmä S3ilb erfüllt^

im 3Jlai 1852 na6) Italien, mo er längere 3^it &Ii«^&. ^on feinem italienifc^en Seben,

©innen unb ®ic^ten ergöijlen bie Sieber aug Dlenano foroie bie ^rofaepifteln, bie er

bem ^eibelberger „®ngercn" fanbte. ^m SBinter lernte er buri^ SSermittlung bes

gemeinfamen greunbeS ßggerö ben SfloncUiften ^aut .^e^fe fennen, mit bem er im

3Jiärj 1853 nad; Sapri [)inüberfuf)r. c^ier entftanb nun ber „S^rompeter non 'BäU

fingen" au(^ ©d;effcl f)atte fic^ refigniert, mennglcic^ in anberem ©inne, non @mma

trennen muffen roie ber ebenfaEg nad; Italien pilgcrube SBerner non 3Jiargareta:

'§> \XKXx in 9?Dm. ©c^rtjer lag ber Sßinter Sluf ber ©tabt ber fieben §iigel, ©^mer [elbft 90^arcu§ S3rutu§ f)äti' fic^ Ginen ©cfinupfen gugejogen,

3ofep^ Sßiftor ©c^effel. 251

Unb be§ 9tegen§ toax fein ©nbe;

S)a [lieg inie ein 3;roum ber ScfjUiar^JDnlb

S3or mir auf unb bie ©efc^ic^te

33on bem jungen ©pielmann Sßcrner

Unb ber [djönen DJhirgareta.

2In ber beiben ©rab nm 9i^eine

Stanb id) oft in jungen Sagen.

Slber erft auf ®on ^oganoö '^a^z in ©apri taftierte er feine inerfü^igen 2:rürf)äcn ob,

unb bann fanbte er ben Sang ben ©Item grü^cnb in bie §eimat mit ber @ntf(J)ulbi;

gimg, bicfer einfad^en SBalbegpoefie mangele es an mand^em, g. 33. an .^eineä tenben=

giöfem 2Bi^ ober 9?ebn)i^en§ frommem SBcifiraud^. ,,Scibcr", fagt ber ©ic^ter in ber

,,3ueignung",

j^e^It i^m tragifc^ ^of}er ©tel^gong, ge^It i^m ber ^^enbenj SSerpfeffrung, ge^It i^m auf^ ber amarantf)'ne SSei^raucf)buft ber frommen «Seele Unb bie anfprudjSüoUe S3Iäffe. 5J?e^mt i^n, loie er ift, rotluangig Ungefc^Iiff'ner Sol^n ber Serge, Stnnn^toeig auf bem f^Iidjten Strofj^ut.

(5;in 3}Ja(er roor Scfieffet frcilirf) in Italien nid^t geroorben. ^m 3)ki 1853 teijxte er l^eim, ha feine Sd^raeftcr 3Jiaria il)rc SSerlobung mit einem babifc^en Dffigier auf= ge(öft f)atte, erfranft mar unb nac^ i^m oerlongte. 3Iuf einem SBalbfpa^iergang in Dffcnburg iüäf)renb eines l^eftigen ©emitterö im ^uli 1853 bat er fömma um iF)rc ^anb uergeblid^: fie f)atte fic^ bereits mit bem Kaufmann 50lacfenrobt inögef)eim uerlobt. damals entftanb haä 2;rompeterIieb „33ef)üt bic^ ©ott". 3Im 10. Sluguft 1854 fanb in ©(^effels ©egenroart bie ^odigeit ftatt.

®a if)m üor bem juriftifc^en 3lmt graute, moHte er fic^ an ber ^eibclbergcr Uniocrfität al§ ^Dogent nieberlaffen. 2IIg ^abilitationöfd^rift roäl)(te er eine 9lbl)anb= lung über ba§ altalemannifd^e 2?oIförerf)t im je^ntcn $jat)rt)unbert. hierbei ftie^ er auf bie „Casus Sancti Galli", bie if)m ben ©toff gu feinem unfterblid;en ^Homan e ! f e t) a r b " lieferten, jnmal ba ber ©ermanift 3(boIf ^ol^mann [\)\\ in biefem äöinter 1853/54 anregte, ßffeljarbs I. lateinifc^eö @poä „SBaltl^arinö" in beutfcf)C 58crfe ju übertragen, ^n ^oc^^citötag Smmaö bringt für bie nnglüdlid;e Siebe ^tU- l^arbä, ber auf ber ©benalp ©cnefung finbet, roie aud) ©(^effelö fclbft bie 5öenbung. ^er 3^oman erf^ien 1855 unb mai^te feinen SSerfaffcr rafd) berühmt.

^njmifdicn %ab ber 3^ic^tcr bie £aufbat)n beö ^ojenten auf, ucrlie^ .«geibclberg unb bamit aud) ben aftoertrauten Äreiö beä „©ngcren" unb ging mit bem erften Qlh- barb^^cnornr in ^Begleitung 3tnfelm geucrbac^ö im Sunt 1855 nad; SSenebig, non mo fie inbeffen balb bie Spolera uertrieb. ©ine f;eftige ©rtranfung luarf bcu ^id)leu auf ber 3Rüdte{;r nieber unb I)interlie^ if)m für fein 2ebcn eine ^tntage jur 3)ieIand)olic. ^m ©ommer 1856 mad)te er mit feinem 3)Jünc^cner grcunbc (Sifcnfiart eine 9?eife nac^ ©übfranfrcid). 3tufg neue erfranft, genaS er unter ber ^H'^eßc feiner Sc^mefter aiiartf. ^un nioUte er nad) if)rem ^ilbe eine ^ic^tung fc^affcn t)on ^ijianö fc^Öner

252 55oii ber alten jur neuen .^unft.

S(f)üfcrin ^rcnc oon ©pielberg, bie SCoffo unb ^olje anregte, uub (üb 3)iarie nac^ 50(üuc^en ein, gumol ba fie fid^ qIö 9)iQlerin auöbirbete. .^ier jeboc^ ftarb fie plöfelid) am 18. ?^cbrnar 1857 am %x)ip^nä. ©cEimerjerfülIt gob er ben geplanten uenejtanifrfien y?oman auf nnb machte eine SBanberung burd^ ben (Sd^raarämatb, barna^ mit bem SloneKiften ))liet)I bnrc^ ben 9lf)eingan.

'^kl)l gel)örte jn SJianmilianö, beö ^önigä i'on 33ai;ern, Xicbtcrf reife, unb üuc^ ©djcffct [üEte ^biefem beitreten. Lorano rourbe nic^tö. ^n ®onaue[cE)ingen mad^te er aU ^ibIiott)efar be§ ?5^ür[ten üon ^ürftenberg uom 1. ^ejember 1857 biö 9)^1 1859 ©tubien für einen „S^ibelungenromon",. Deffen ©ammetpunft bie 2Bart; bürg, beffen ^efb alfo raof)! Dfterbingen werben fottte. ^ie SInregung baju goo iF)m 9Jlori^ non Sc^minbs ©emölbe oom ©ängcrfrieg. ^m September 1857 ücr^ fprac^ er einen foIcE)en SBartburgroman bem @ro^f)er3og Süeyanber uon SBeimar. '^nx 3lu§füf)rung jebocE) !am eS nid)t, obmot)l ber ®ic^ter an bem ^tan norf) in ben fpoteren ^o^ren nnb in üerf(^iebenen Drten arbeitete, ^ie ^aupturfa(^e mar eine 3c^i^üttung ber 9ieri)en, bie \i)\\ infolge feiner neuen S3eäiet)ungen ju feiner geliebten ©mma be- fiel. Seine Sßerbung um bie ^eibelbergerin ^utie Sfrbaria mar erfolgtoö geblieben.

@mma mar in i^rer ©J)e nic^t glüdlid; geroorbcn unb üertraute fid; unb i^r £eib nun bem fcinfüt)Ienben ^DicEiter an, in beffen Sc^merj um if)ren SSerluft fie ben einzigen 3:;roft, in beffen ^reue fie if)re Stü^e fanb. ^n biefer ^e\t entftanben auf ©runb beö neuen ^ßerljältniffes jur ilufine ßiebcr mie „^jrregang", bie gufammen mit Söartburglicbern ben ©ebic^tbonb „?^rau ätoentiurc" füttten.

5ßor{)er erlebte ber T)i(^ter einen ^iif^f^i^^tt&i^ufj^ feiner ^raft. ®mma fam 1860 nac^ 5varlöru^e, mo- er fid) auffielt, unb teilte il)m mit, ba^ il)r SJ^ann eine Stellung in S^tu^lanb erl)alten i)ah<^, unb ba^ fie nun mit biefem nad^ Petersburg über: fiebele. Xiiefe Trennung ertrug er ni(^t. Salb barauf, am 10. 5Jlot)ember, oerficl er in eine fc^mere neruöfe ^ranfl)eit, oon ber er nur langfam genaö. ^n ber fd}mäbifc^cn 2tlp unb im ©ngabin erl)olte er fic^ ooHenbö. $D:er 9tofeggiogletfc^er erfüllte je^t bei t{)m eine äl)nlic^e 3lufgabe wie ber Söntiä bei @ffet)arb. ^m 9Jiai 1863 erfd)ien „^rau Sloentiure. Sieber au§ §einri(^ DfterbingenS S'^'iV, baö einzige, mos Don bem SBartburgroman übrig geblieben ift.

2lm 22. 2luguft 1864 t)ermäl)lte fic^ Scheffel mit einer jungen ?^reunDin feiner SJJutter, ber feinfinnigen 5laroline üon SJlatfen, ber 3:;oc^ter beö baijrifc^en ©efonbten in'Äarlerulje. ^a§ ^aar lie^ fiel) junädift in einenx ßanbl;aufe ju Seon am ^aH^ rotier See nieber (Stargau). ®er (Sl)e entfpro^ ein So^n 33iftor. 2(bcr fc^on 1867 trennten fic^ bie ©atten al§ i!atl)olifen ol)ne S^eibung , ba fie ntd)t miteinanDei leben fonnten. Caroline lie^ fi(^ in 9)iünd)en nieber. ^mü '^a))xe rorl^er, ein l)albeö ^af)x nod; ber ^oc^jcit, ftorb bie 3}iutter beö 5Dic^ter§. 1867 rerlor er aucf) ben treuen ?^reunb ai\^ bem „©ngern", Subroig |>duffer, burd) ben :£ob. tiefer Ijat bag ®rf(^einen ber fröljlidien Sieber nid)t me^r erlebt, bie an bie Sifeungen beö „Sngern'' erinnern unb fc^on bur^ il)ren SommeD: titcl „Gaudeamus" (1868) bie l)erjl)ofte Xrin!poefie be§ Surfc^entumö bejeid): nen. Sie finb unfterblid), biefe l^armlofen Sieber nom Sc^roarjen SBalfifc^ ju 3l§falün,

Sofep^ Siftoi- Scheffel. 253

Dom ^ct)tf):;oiauruö unb ©uano, oon ^ilöcbranb unD feinem Bo\)nc .^ambranb, ooit Der ^cutobiirgcr Bd)lüd)t unb beut ^errn nuinctiliuö SSaruö, wm SRobcnftcincr unb bem fjeiligcn ^cit t>on Staffelftein. 2)ie jd)önften Sicbcr finb mit if)rer 3)klobie uu^ DerHcrborer 33efi^ beö ganjen beutjrfien ^olfeö gemorben.

2ÖoI;Iaui, bie 2u|t ge[)t \x\']ö) unb rein,

SSer lange ji^t, mu^ roften:

S)en allerjonnigften Sonnenfdjciu

Sä^t un§ ber ^inimel foften.

^el^t reicht mir ®ta6 unb Crbensfleib

Xer fa^renben (Scfjolaren,

^d) tt)i(I 3U guter (Sommerzeit

3n§ 2anb ber gronfen fahren.

UnD bann bic märd)cnirf)önc „3luöfal)rt" :

^Berggipfel erglütjen, SSalbJüipfel erblühen, S3om Sen^^aud; gefdjniellt; 3ugöogd mit Singen ßr^ebt feine 2djrt)ingen:

a)?ein ^utf(^mud bic Diofe, SDZein Sager im SJZoofe, SDer ^immel mein 3elt: SlJlag lauern unb trauern, 2Ber föill, ^inter SD^auern:

^ä) fa§r' in bie SBett j 3d) fa^r' in bie SBelt.

6in Printer ift Scheffel niemals gemefen. Sr liebte bas 2ehcn uiib beii 5Ö5ein, äuüiel nur noc^ "Oem 9Jia^ftab oben ^f)iliftertumö.

3)ic legten SBcrfe Sc^effclö f)aben geringere 58cbcutung. 1866 erfc^ien bie ^^rofanoocUe ,, ^uniperuö, ©efc^ic^te eineö ^reuäfaf;rerö", 1870 folgten bie „^crßpf ahne n", 1877 bic fanbfc^aftlidjcn Stimmungöbilber ,, SBaIbein = famfeit", 1884 bie ©rjäljlung „^ugibeo", bereitö 1857 anlä^Iid) bcö ^^obcö ber Sd)n>eftcr 3}iarie begonnen. SBcilercö bradjte ber 9?ac^(a|/. oor allem ®cbicf)te, Gpiftcln unb 5Rcifebilber, bie jum ^cil fd^on frül)er einzeln gcbrucft maren. ^Quftriert mürben Sd^cffelö Söerfe üon feinem greunbe 3lntou üon SBerner.

1872 fiebelte ber Xic^ter nad^ ^Ikbolf^cU am Unterfee über, mo er fid^ ein eigenes oorneljmes Sanbljauö, bic fogenanntc 3cel)albe, erbaute unb hcn Sommer uer; lebte. 1876 bcjog er eine SSilla auf ber oorfpringenben Sfiabolf jellcr .^albinfet 3Jtettnau.

^n feiner legten ßebeng^cit trat il)m aud) @mma, bie 1873 SBitmc gemorbcn mar unb 1877 nad) 2BaIböl)ut übcrfiebelte, mieber nä^cr. Tft mcittc fie mod;cnrang bei i^m in 3J?ettnau, mo fie if)m bann bcn .*Qauöl)aIt füljrtc, feine "öefuc^cr empfing unb feine Äorrcfponbcnj erlebigte. Sic trafen fid) ju anbern ^c\m\ auc^ in Singen, um Gttcbarb unb ^^ran ^abmig! bcn ^ol)entmiel ju beftcigcn. (ibenfo l)oltc Sdieffel (5nima ju einem iHusflug nac^ Säffingen auö 2ßalböl)ut ab. ^m Sommer 1878 roanberten fie pfammen buri^ 5:l)üringen, mo er ibr alle Stötten feiner !:ltücntiure: Erinnerungen geigte. 3luf bem Äidcl^al)n rcjiticrte er if)r ©oet^eö Sieb „%n ben 3)Jonb". ^m Sommer 1881 bcjog fie mit feinem Sobn 58iftor fein iQaiiö in 5lorl6-- rulje. 3"^ci 3al)re barauf jDg fie nad) ^^ranffurt a. Jil. ^f)X järtlic^eö ^crljältniö üueinanber blieb aber bacfclbe. SRod) am 21. September 1884 befd)lü^ er einen :öricf an fie ,,mit einem ihife auä alten 3^'*«»" ""^ ^er 58erfic^ernng, ba^ er fie biö ju 6nbe

254 SBon ber alten gur neuen Eunft.

Heb I)oben luerbe. ßmma bejuc^te il)n iioc^ einige TlaU. ^m 2Bintcr 1884/85 gingen fie in Stuttgart gemein[am in bie 2luffüf)rung Don 9Ze^ter§ „Trompeter uon Bäl- fingen'', ober er blieb nur biö §um jraeitcn Stfte, roeil er fic^ über ha^ Sibretto ärgerte, boö [einem alten %xc\l)nxn eine ©(^roägcrin angebicE)tet f)atte. „2Bie ic^ für ^id) bie Sieber jc^ricb", fogte er gu ©mma, „ba§ roar ganj onberS/' 3""^ le^tenmat^faf) fie ii^n in feinem .gaufe im ^looember 1885. 58on feinem Sterbelager ^ielt fie ficE) jurüd, fie mochte bie ^fabe feiner ?^rou, bie gu i{)m eilte, nic^t freugen. 2tm 9. 5IpriI 1886 ift er geftorben.

®mma überlebte il)n um faft ein 9J?enfc[;enaIter. 1891 üermöf)Ite fie fic^ gum gmeiten 2J?aIe mit bem Kaufmann ^oä) quo ^ranffurt o. 9)^., ber inbeffen fc^on oier ^5at)re barauf ftarb. '^a<i)\ monnigfacEien 33erluften inncr{)Qlb if)reä engeren unb meiteren g^amilicnfreifeä fiebelte fie im ^a^re 1900 nac^ Scriin über, mo fie bi§ jum 22. Februar 1910 gelebt f)at.

©in ©id^ter, beffen SBerfe in über einer SHittion Don ©yemplaren nerbrettet finb, bebarf feiner befonberen Stnpreifung feiner ^oefie. 2Iber in unfeter fofilen unb nüd^tcrnen ^^it ift ein ©ic^oerfenfen namentlich in ben „©ffefiarb" eine ©rquidung, bie niemalö üerfagt, unb für bie ^ugenb, befonbcrö bie Stubenten, fprid^t ^^^reiligratb in ben 58erfen, bie er Sdf)effel jum 50. ©eburtstage raibmete:

(5r h>arb, toon ^IpoKoS ®noben, ßin gürft bon ^o^enlluiel, Unb ^eut befrän.^t i^m S3aben ©ein §errlic§ ©aitenfpiel.

Unb, UDO (Stubenten nianbern, ©ei'§ Sfl^ein, fei'S S)Dnauftranb, ®a [(f)üttert bon ©alomanbern 3u S§ren i^m ha§> Sanb.

3. 6(^cffcl§ „mtefinvt^''^

SBer Qu§ bem Sc^margraalb über ^riberg jum Sobenfee fälirt ober umgefe^rt, fief)t avi^ ber ®bene beö ^egou einige ^f)onoIitf)=58ergfegel emporrogen, oon benen ber <Öof)entraieI unb ^of)en!rät)en befonbers auffaEen. SSenn man in ber fleinen Stabt Singen, bie fcE)on im neunten Saf)T^"ni>ert urfunblic^ erraöfint rairb, ben 3"9 tjerlö^t, erreicht man in 20 3Jtinuten gu %u^ ben ^olientroiel (691 m), auf beffen falber §öf)e eine SBirtfd^aft bie gu ber Surgruinc f)inauffteigenben gremben eintäbt. ^ier fa^ unter einer mächtigen Sinbe im Sommer 1854 ein 28 jähriger ©id^tcr, bem ein ^af)r juoor fein erfteä größeres 2Berf, ber „Trompeter oon Säffingen'', allgemeine älnerfennung eingetragen f)atte, unb lie^ feinen 33Iid fcfiroeifen über bie ^egau=9fluinen, über ben Unterfee, über bie graifcEien Dbftgärten eingefc^acEiteltcn DrtfcEiaften, ober aud^ über bie fernen ^a^rf)unberte, gu benen if)n furj üor^er in §eibetberg fein Stubium ber St. ©aller Ätoftergef^itfiten geführt l)atte.

Unerme^Uc^ aber ift bie 9flunbficE)t üon ben Sl^rümmern ber Surg aus, bie nad^ langer, in ben Stürmen bcö 30jäl)rigen Krieges erprobter 33lüte bie grangofen im 3al)re 1800 unter SSanbamme niedergelegt ^aben. ^m ^ßorbergrunbe auf ber einen Seite Singen unb bie umliegenben Dörfer, bereu SicEiter abenbö ju bem einfamen e^eläfegel f)eraufbli^en, auf ber anbern bie beuacEibarten Jluppen unb ^ügel unb rings im fernen ^ronj beä ^origontä ber Se^marärcalb mit bem g^elbberg, ber Sd^roeiäcr

i

Scheffels „®ffc^arb". 255

Siura, ber fd;immernbe Sobenfce mit SkboIfjcU, roo ber altcrnbe 2)icE)ter fidf) anfiebelte^ mit ber ^n\e[ Dlcid^cnnu unb i^rcm oom ^l. ^irmin im iHuftraoic £arl 5JlarteIlö 90= grünbeten ^Bcnebittinerflofter, n)eitcrf)in mit ^onftonj, unb fcf)Iie^Iic^ bie fdinee^ bebedten SHpcn ^Bapcrnö, 3::irorö unb ber Srfimeij, qu§ ber ben ®irf)ter roie bcn Sefer be§ „^Uci)(ixh" ber ©äntiä grüpt! ^ort übet ben 33obenfee tarn ber Siebter, roie er im 3Sorn)ort feincö ^Romano fclbft cr§äf)It, uon ber eljrroürbtgen 33ü(^erei beö f)eiügen ©aHuö in i(^aufelnbem £aF)n f)erübcr gu ber S3urg ber ^erjogin ^abroig, unb fc^Iiepiic^ ftieg er „nu^ gu ben luftigen 3ttpen^ö^en beö <Sänti§, roo baö SBilbfirc^Iein fed roie ein 3IbIerI)orft ^erunterfdEiout auf bie grünen Slppcnjetter ^äler". „$Dort", fagt er, „in ben S^coieren be§ fd^roäbifc^en 3)ieereä, bie ©ecle erfüllt yon bem 2Balten er= lofcEicner @efd^led^ter, bnä .^erj erquicft oon roarmem Sonnenfc^ein unb roürjiger 33erg= luft, ^ah' [^ biefe ©rjäfitung entroorfen unb jum größten ^eil niebergcfcEiriebcn."

^n bie ältefte 3cit beä ^ol)entiüiel fül)rt un§ ber 2)irf)ter nid)t, benn fd)on bie 3flömer erridjtetcn l)ier eine Dpfcrftätte, bie fie ®ueEium (bal)er troiel) nannten. 2(ber üon il)rem 353alten unb bcm ber l)ier unter Subroig bem frommen angcfiebelten 9JJön(^e roiffen roir ni(^tg. Srft feitbem Surf^arb ron 3(^roaben in ben Scfi^ beö Sergeö fom, geroinnt bie %e\t6 33ebeutung. 33urtf)arb IL refibierte ^ier Don,945 ab unb ^interlie^ bie Surg bei feinem ^obc im ^a^re 973 feiner jungen unb geiftüollen ©e; ma{)lin .^ a b ro i g. Hlö biefe 994 ftnrb, folgte i^r im 33efi^ ^aifer Dtto III. , ber fi^ l)icr roieberl)olt aufl)ielt, fo ouc^ in bem oon i^m alä (Sc^idfalSroenbe crroorteten 3a|)re 1000.

^abroig roäre un§ auc^ of)ne S(^effel feine ^^rembc, b. l). feine ^ürftentocl)ter, für bie roir ol)ne biefe ©igcnfi^aft in unferem ®ebörf;tniö nii^t diamn i)ahen roürbcn. Sie tritt unö nä^er, roenn roir un§ erinnern, "oa^ fie bie ^ocEiter jeneö ^einrid;, -^crjogS üon Sägern, mar, ber mit feinem 33rubcr, £aifer Dtto I., in ?^ef)be lebte unb erft 9Beil)nacbten 941 „ju Dueblinburg im 2)ome" (§. ü. 9)^üF)Ier) feine 33cräeif)ung erF)ielt. 3(uBerbem aber f)atte biefe nad) 8c^roaben üerf)eiratete 9iid;te beö beutfdien .ftaiferö aus bem berühmten Sad)fcnftamm eine I)öd^ft gebilbetc >Sd;rocfter nameuö ©erbirg, ibtiffin uon ©anberölieim, bie in bem cinfamen 5Ronnenflofter bie^ £ef)rerin ber erften beutfi^en ^ic^tcrin freiließ in Iateinifd)er Sprache rourbc, ber ^rotöroitl) „9loöroitl)a" fagen roir, roenn roir unfere 3""9S mcnfc^lic^ beliatibeln.

Diefe junge f)cräoglic^e Sßitroe dou 3d;ronben nun lie^ fic^ tatfä(^lid) auö ©t. ©attcn, roie effel)arb IV. (f 1060) in ben „Casus Sancti Galli" crgä^It, als ßel)rer beg Sateinifc^en unb ßrflärer beö ^irgiliuö ben Tlön6) Gffel)arb II. fommen, bcfannt fonft alö ^ortfefeer ber mufifalifd;en 3lrbcitcn 2:uotiloS. ®a^ bie ^erjogin fd;ön geroefen fei, oerfic^ert unö auf lateinifd; ber awd) oon Scheffel jitiertc 2lbt ber Sfieic^enau, ber ben gur 33urg roanbcrnben neuen Se^rer neibifc^ anrebct: „^u ®Iücflid)er, ber bu eine fo fd)öne Schülerin in ber ©rammatif untcrrid)ten barfft" (Fortnnate, ait, qui tarn pulchrani discipulam docere habes granimaticam). 2öir fönnen alfo allerlei alö Ijiftorifd) anfel)en oon bem, roaö Sdieffel in feinem 9?oman 9efd)el)cn läpt, fo frei er fonft mit bem 8toff unb ber Gljronologie gefd;altet l)ot. ®a^ nic^t effel)arb II., fonberu fein SSorgängcr in ber St. ©aller 5!lofterf(^ule, ©tfeliarb 1.,

256 23ou ber alten 3ur neuen Äun[t.

bcr S3erfn[fer beö iu beu 9^oman eintjcftorfitenen 3BaItf)Qriliebeä ift, ober ba^ Der Stlte in ber ^eibcn]^öE)Ie iminöglitf) ber abgefegte Raxln Raxl ber ®icfe fein !ann, roeil ber fd^on ungcfät)r i^uiibert ^nf)re tot raar raie übrigens ©^cffel in ben Stnmerfungen berufjigenb felbft crroäljnt , ba§ tut ber inneren 2Baf)rf)eit gnr feinen unb ber äußeren nur geringen 'äbhvud),

®ie ."ganblung beö 9?omanö fanb ber ®icE)tcr in feiner Duette üor: ßf!e= l^arb II. fommt al§> ße^rer ^abmigS üon ©t. ©atten auf ben ^oiientmiet. 3(ber lueld^eö Seben erblü{)t bem ©ic^ter aus biefen S^iuinen!

3tnTä^(i(^ einer Steife, bie ?^rau .gabmig jroedö SSertreibung ber Sangenraeife über ben 33obcnfee äum J^Iofter 6t. ©atten mac^t, lernt fie ben jungen 9)löntf) !enncn. Süö Pförtner trägt er fie über bie ©cEiraette, bie feines SBeibeS %u^ berüf)ren öarf, unb ha, mit ber ©id^ter mit §umor bemerft, „hnxö) 2(nnät)erung lebenber Körper unfid^tbar luirfenbe Strafte tätig werben, auöftrömen, incinanber übergef)en unb felt= faniUrfie S^egieljungen f)crftcllen", fo inunbern wir uns nic^t, ha'^ biefer Spontan ge^ fd^rieben warb, um baö SSer^ältniö bes 3:;rägerä ju feiner Saft ouf feinem SebenSroege gu entroidcin. Unb eS wirb mic bei (Sfiriftop^ornö : bie Saft wirb fc^raerer unb fd^merer. ®ie anfängti^e ^""ßigu^g ber jungen .^erjogin oerfd^erjt fid^ ©!fel)arb Durd^ fein uniuittfürlid^eä g^eft^alten an ben geift(icE) fanonifd^en ^f Herten unD burc^ ben SRangel jeben SSerftönbniffeö für bie ^rauenfeefe. ä(I§ er jum ^crou^tfein feiner eigenen Siebe fommt, ift gu fpät. ®ine leibenfcEiaftlid^e, von feinen geiftlic^en g^einben unt)erbrücf;cne Umarmung ber ^ergogin in ber Surgfapelle fdfileubert i^n in ben Kerfer ber ^urg. SSon ber onmutigen ^rajebis, ^abwigS griec^ifcEier ©efell: fc^afterin, befreit, erfteigt er flüd()tenb ben SäntiS, unb Ijicr auf ber ®benalp finbet er nad^ einer l^eftigen Krifis, bie i^n auf baö Kranfenlager mirft, ©enefung in ber Kunft: er bii^tet nac^ ©c^effel, benn in SBirflid^feit mar ja effef)orb I. ber 3Ser= faffer 'Oü§> Sßaltfiarilieb, ba§ er böun ber ^erjogin in bie ^äube fpielt als einen 2(bfrf)iebögru^. „®a neigte bie ftol^e ^rau i^r §aupt unb meinte bitterlirf).''

®as ift baS @nbe biefer ^erjcnsgefdjirfite, bie fo oiele Sefer gerconnen ^at. ^fiid^t fie ober ift bie ^auptfoc^e, fonbcrn baS reid^c Kulturbilb aus bem je^nten Saf)rf)unbert, bns firf) ba wr uns entroUt. 9tiemanb f)at baS K I o ft e r l e b e n fo <üer= ftänbnisinnig erfaffcn unb barftetten fönnen roie ber modere Kumpan aus bem §eibe[= berger „®ngern". ©ottfelige g^römmigfeit ift etraoS ©rfiöneS, boneben jeboc^ eT= fc^üe^t \id) uns in ©t. ©atten unb ber S^ieid^enau nod^ onbcreS. ©ifrig fifeen bie Kiofterfrfiüter über 2(riftoteIes' Sogico unter bcs geleierten S^^atpcrt Scitung. 3((s ober bie ^ergogin erfd^eint, nefimen fie fie gefongen unb ergroingen fo eine jäfirlid^e S^ieu: fung üon 6 j^eld^en aus bem Bobcnfee. Stitt malt ber funftfertige j^olforb bie 33uc^= ftobcn bes ^fotmenbud^S mit feinem (Sofb. 5lbcr ber böfe 9Jtönc^ ©inbolt ergrünbet auf feinem Sd;ragen beS DoibiuS oerboteneS 33üdE)lein „58on ber Kunft gu lieben''. Sluf ber goftli(f)en 2:ofel erfcEieint moljl pnöd^ft ein bompfenber ^irfebrei, „ouf bo^, iner gcraiffenliaft bei ber Spiegel bleiben motte, fic^ boran erfättige; aber ScEiüffel ouf ©rf)üffel folgt'', ^n bcr 3lnmerfung mad^t ber ^ic^ter ouf bie reid^e ©peifeforte beS KlofterS on ^'ofttagen norf) bem urfunblidE)en „über benedictionum" nod^ befonberö

ed}cfte(5 „etfe!)arb". 257

aujmertjam (^attemer, ^enfmolc III. 599). ©r 50g biefe Sd)ilbcrung nid^t auä ber ^I)antafie. 9Ioc^ üergmiglic^cr ge{)t im ^lofter Steid^enau ju, roo bcr geller; meifter S^ubimann bie SJioftprobc l^ält, anböcEitig einen ^rug nai} bem anbcrn foftet iinb perfelientlic^ babei bie Dbermagb ^crf)ilbiö !ü|t, babnrcE) freilid^ ben i'rfilafenbcn etfcf)arb aufioedt unb ficf) beffen ^rügel jugie^t. Unb fo fte^t in ber Dueüc („At illa de camera egressa salutans compatrem, hospitem illum dormire putans, optulit viro mustum, quo ille impigre hausto vaseque reddito mammam foeminae titillat assentientis." Gas. S. Galli c, 3.)

2ln biei'er Seite bc§ ^(oftcrlebens finbet cor allem .^err Spajjo, bcr ^ergogin Kämmerer, feine greube, ein ^eii)n nocf) bem ^erjen bcö B^^i^Qö ^erfeo, benn er „naf)m'ö nid^t ntg eine leichte 'Ba6)c beim 2Bein ju fi^en, er bauerte quo Dor ben trügen mie ein Stäbtebelagerer unb fa^ feftgegoffen auf feiner 33an! unb iranf als ein SJJnnn, bcr fprubelnb ätuff^äumen ben Knaben überlädt, ernft, aber üicl". 3110 ©aft b,er 9fteic^enaucr lä^t er bie 9Jiönd)e iF)ren SSefpergefang allein Italien, „^d) roej'be eud^ lieber erroortcn", entgegnete er unb fc^aute in ben bunfeln ^al§ beä 6tein= frugg. gg mogte brin no^ fattfamer S3ebarf für eine ©tunbe." Unb fo ftef)t er a\i(^ an ber St. (Satter 5l(oftertafel feinen 9)?ann : ,,(Sin großer 9flf)einlac^§, ber ^ifd^e beften einer, mar fd^ier unter feinen ^änben rerfc^rcunben, fragenb fd^aute et fidf) nad^ einem ©etränf um." S^ro^bem ift .^err Spajjo nicfit a[§ ^raffer unb ^ag^bieb auäufpredpen, fonbern eine pflicf)tcifrige, fernige ^crfönlirf)feit, treu im 3)ienft unb topfer in ber Sdfilac^t.

3^iefe .gunnenfd^Iac^t unb bie ©reigniffe, bie fxcf) an fie anfd£)Iie^en, finb, jum ^eit ebcnfattg forgfam nac^ ber lateinifc^en Duette gemalt, ©langftüde beö ^Ro; mang, ©agu gel)ört bie liebliche ©pifobe mit Slubifay unb ^abumot^, bie nic^t von- einonber laffen fönncn unb für i^re anf)änglic^e Siebe mit bem ^unnenfd^a^ beIoI)nt roerben.

ift ein befonberer SSorjug 3^cffclfrf)er ®id)tun^, \ia^ er bie 6 1) a r 0 f ; tere ber ^f^ebenfiguren mit ber gleid^en ßicbe bc{)anbelt mie bie ber ^aupt= perfonen. $Diefe geroinnen gerabe baburc^, ba^ fie fid^ oon einer reicE)en 5ßiel^ett ah-- F)eben, um fo Iebf)aftere garbe. ®ie ftol^e, ebte, aber {)crbe ^erpgin roirb mit roenigcn Strichen ju 2tnfang gcfennjeicfinet, ba^ mir if)r 33ilb nacf)f)er immer roieber er= tennen: „^ie ^Jlafe brac^ uncermettt furj unb ftumpflirf) im 3rntli^ ah, unb ber f)oIb= feiige aKunb mar ein wenig aufgeworfen, unb baö Äinn fprang mit füf)ner ?^orm oor, alfo ba^ baö anmutige ©rüblein, fo ben grauen fo innig anfteF)t, bei iF)r nid^t ju finben roar." 2(udE) ^rayebiö, baö ©rie^enfinb, roirb mit einem Sa^ gefc^ilbert : „ein blaffeg fcingejeid^neteg ^öpf^en, auö bem sroei gro^e bunfle Singen unfäglic^ rocfimütig unb luftig jugleid; in bie Söelt t>orfrf)auten". B^ifc^en beiben ber ernfte Träumer effef)orb, mit iF)nen ben SSirgil lefenb im t)ot)en Surggemarf), unb tief unten bie ferne SBelt mit if)rem roeiten ^orijont baö ©anje ein ©cmälbc, roie auö bem ^Jiittelaltcr -oon ^oetent)anb fo anjicfienb nic^t jum jroeiten 9J?aIe oorFianben ift,

'Jjie 33ebcutung biefeö 9fiomane berul^t ferner barauf, ha^ eg bem ®id;ter gc= lungen ift, bie 9lotur, genauer: ben Sinn beö mobernen 3J?enfc^en für bie 3^atur,

Oe^Ue, 2te beutjc^e fiUetahit feit ©oet^eS Zobe ufro. 17

258 3>on bcr alten ^m neuen Äunft.

in bnä graue itnö papicnie, in ?^ormcIn unb ^ergomenten, gciftlirfier Sa^ung unb übtigcn 33orred;ten erftarrte SJtittelaltcr Iiincinjutragcn. 5Die ©mpfinbung, mit ber lüir ben 3(nfang U\m, märe ben 3Jlönc^cn unb Äriegäleuten beö jel^nten ^a^rl;unbcrtö fremb geblieben: „3Soin SSobenjee f)ex raogten bie 9lebel uberö '^m unb rerbedten Sanb unb Seute. 3tuc^ ber 3:;urm üom jungen @otte'3l)Quö 3ftaboIfö3eIIe roar eingebüßt, aber ha^ ^^rü^glöcffein max luftig burd^ ®unft unb ^ompf erflungen." 9Jiit fo frifc^eni Sflaturgefül;! attcin raar biefe 3Sergangent)eit beuticf)=IateinifcE)en ©einö wteber Icbenbig ju machen, ^aruni md) nax cS na^eju notmenbig, ju 35urg unb Jllofter eine britte ©infamfeit in ber freien Sergluft ber 3flpen gu malen, ©ä ift, aU mürbe aud^ bem 2efcr ha§i 2(tmen leidster, menn er nun mit ®!fef)orb t)inauf ju "bm Sennen ber ©benalp am SäntiS pilgert unb il)n mit bicfen 3^oturfinbern ober gar brumn:enbeii 33ären traulid)e 3Jüiefpra(^ Ijalten t)ört, ober menn er if)n mit bem alten Seutpriefter 9)ioenga[ auf bem ^Bobenfee faf)ren fieF)t.

3[^ieEcic^t üegt es baran, ba^ mir in folt^em 3"fömmen^ang bie gro^e ©inlagc, bie Übcrfe^ung bcä 2B o 1 1 ^ ar i u § " in bcutfd;c SSerfe, nid;t aU ftörenb empfinbcn: ift biefer ^efbengefang bod^ nicEit nur mit ben SS'orgängen im Surggarten uerbunoen unb eine ^anfeöfc^ulb gegen bie öerjogin, bie üon 6ffct)arb eine ©rjöl^tung ju or^ märten Ijat, fonbern üor attcm auf freier .^ö^e angeficE)t§ beä majeftätijc^en ®Ietfrf)er= unb 3^elfenfran§eö ber 3(Ipen entftanben. ^ie poctifc^e 3Serboutf(^nng ift neben bcr neueren SBinterfelbö bie beftc geblieben.

@g fam ^ier barauf an ju geigen, ha^ ber „@ffc§arb'' bie ^^ o I f § t ü m li c^ = feit nic^t nur bcfi^t, fonbern auc^ oon ©runb (in§ perbicnt. 2Bir mürben feinen @rfa^ für i[;n l^oben. ®r ift bie g[üc!tict)ftc ©infü^rung in baö frufje beutfd^e SRittel^ alter. 2Bir fe^en fo rec^t, menn mir jüngere futturt)iftoriicE)e ^Romane mit bicfent 3Jieiftermerf Dergleichen. Unb wa^ fott anbererfeitg baö beutfi^e 5ßolt mit bem g,e: le£)rten 33at[aft anfangen, menn fic^ nirf;t ber 3)i(^tcr feiner erbarmt? „^as «Sommeln altertümlicEien Stoffen", fogt «Sd^effel im SSormort mit 9^ecf)t, „fann mie ba§ ©am= mein üon ©olbförnern ju einer Seibenfd^aft merben, bie äufammenträgt unb gufammcns fd^arrt, eben nm jufammenjufc^arren, unb gong t)ergi|t, ha^ bas gemonnene 3JletQtt auc^ gereinigt, um^efd^moljen unb üermcrtet merben foH. ^enn roaö roirb fonft er; reicf)t? ©in emigcä S3cfangenbleiben im S^iol^mateTial, eine @leid^mertfcE)ä^ung bes Unbebeutenben mie beä Sebeutenben, eine ©c^eu üor irgenbeinem fertigen 3lbfcf)lie^en, raeil ja ha ober bort nod) ein ?^e^en beigebracf)t merben fönnte, ber neuen 3tuffc^lu^ gibt, unb im gangen eine ßiteratur oon ®elel)rten für @elef)rte, an ber T>k 9Jicf)r; la^l ber 5^ation tcilna^mlog oorüberge^t unb mit einem S3lid gum blauen ^immel il)rem Schöpfer banft, ba^ fie nid^tö bacon gu lefen braucht."

^er ^ol)entroiel ift un§ ein Sd^lüffet gu bem alten unb bod^ immer gleich neuen Sebcn unfercr 3lltoorbcren gemorben, mir 1)aben feinen befferen. >DoS roiffen bie ^aufenbe, bie bortl)in pilgern. Unb ob fie nun mie ber ®i(^ter frieblid^e 3i^9^i^ ""t^^ ben riefigen ^^rümmerftücfen ober gange Sd^af^erben an feinen 3lbl^ängen roeibeit fef^n, fo umfd)mebt fie babei bo^ guglei^ bie befeelte 9Belt, bie nur ber fd^öpferifc^e (Beift einem Ort gu fd^enfen oermag. %n biefer 3fiuineneinfamfeit mix'iß fid^ fortön

Stjrifc^e (Spifer. 259

jeber ^^itentuanbct of)nniä(^tig errocifen, bcnn bie ©ebantcn iinb ©efü^lc ^er @egcn- lüort i}at ber 2)ic§ter in bcr 3^orm ber SScrgangcnljeit ^in^ingeftcEt.

®amit aber ift er über ben F)iftorif(f)en Vornan ber Siomontif t)inQu§gefc|ritten, bcnn blutoolle SBirfücfifeit, geftü^t auf queHenmäpige Überlieferung, fommt bei \\)m 3U 2Bx)rt. Unb borum ift uns auc^ „Sffef^arb" tro^ feiner ^3)iönc^äfutte ein ^üfirer gcroorben oon ber alten jur neuen Äunft.

(Scheffel §at befonberö in brei Stic^tungen fortgeroirft : im Itirifc^en ®poä, im {)iftorifd;en 9toman ber teilroeife mit jenem ju einer @inf)eit oerfc^motj unb im 2Banber= unb ^neiplieb. ©rreid^t f)at if)n niemanb, obtüo^t biefe Gattungen gerabe 5U feiner ^^it auc^ unabhängig uon if)m von anderen ftfiöpferif^ beorbeitet mürben, ^efonbcrä baö Itirifc^e (gpo§, burc^ ^infefö ,,Dtto ben Sc^ü^en", §eineä „3ltto SroE" unb Sd^cffelä „Trompeter con (Söffingen" auf eine ^ö^e gehoben, auf ber onberc Sünber frf)on in ber 3eit ber 3fiomantif angelangt roarjen 3. 33. ©nglanb burc^ «Scotts „gröulein com See", ^^ranfreid^ burd^ Samartinee „^ocelrin" , fanb je^t giüifcfien ber alten unb ber neuen Äunft eine 9?eif)e uon fangeäfro^en 5ßertretern, bereu leichte, ffeinc 2r)xit man mo^I auc^ aU 58u^cnfcf)eibenlr)rif oerfpottet f)at. 2Bar if)re £unft auc^ oft nur Sd^aumgolb, bas ernftcrer Prüfung nid^t ftanbl^ielt, fo bli^te unb fun- feite fie bo(^ nic^t minber alö roirfli^cS @oIb, beffen Schwere, ®d^tf)eit unb SJictaHroert ja boc^ nid^t jeber unb nic^t jcbe§ 2tltev ju roürbigen iöei|.

Solc^eg „Xruggolb" ift beifpielöroeife bie ©rjäfjtung 9?uboIf JBoumbQi^^ (1878), bie biefen ^itel trägt. 3Kan fönnte fie ein Iprifd^eö ®po§ in ^rofa nennen, obmot)! fie gugfeic^ roie bcr „Sffe^arb" in ber beutfc^en ^ulturgefc^ic^te rouräelt. Saumbad^ mar bur^auö unb überatt oon Scheffel beeinflußt. 3lber e& fel^It ben ^erfonen be§ „^ruggolb" an Sebenö-märmc, an SBefeuömirflid^feit. 2Bir glauben an bk SKenfd^en im „®ffe^arb", an ^3^rau ."pabroig roie an bie 3)^önc^e, aber mir glauben mdjt rec^t an biefen ^oftor 3?cpontifo ober 3)tagiftcr Xplanbcr, unö läßt unö falt, baß fid^ bcr jugenblid^e ?^ri^ ^lebcric^ fd^ließli^ baö ^öt^terlein beö .^errn 3lpotl;efcr 3^l)omafiuö geroinnt, ha er burc^ BufoH ©elegenlieit finbet, biefen auö ber ^anb beö ra^fü(f)tigen 9'^efromanten unb feineö ^anöraurft ^lipperling ju befreien, ©anj äußerli^ ift auc^ bie untertänige ^ineinjicliung bcg Sanbeöfürften in ben Äon; flift unb beffen Söfung: 9tocE)uö dou ©otteä (Snaben Jürft oon 3(mmerftabt;3^infen: berg. 2Bie f^abloncn^aft tritt biefer auf! 2Bie uicle rein menfc^Iid^e ^üqt \)at Süffel bagcgcn feiner ^erjogin abgelaufd^t! '^a^n fommt ^ier nod^ ein ^rei^feln wn jierlic^en Sä^en, bie altertümlich auöfel)en motten unb nid^t finb. Unb bod^ nähert fic^ aud^ bie 2Iuögabe bicfc§ SBerfö bcm l)unbertften ^aufenb.

9tubolf 33aumbac^ mürbe am 28. September 1840 ju ilranic^felb an ber 3^i" in Sad^feTi:3Jieiningen geboren. ®r ftubi-erte in Scipjig, 2Bürjburg unb ^cibelberg 9?aturroiffcnfd^aften, promoüierte unb mar bann in mcl)rercn Stäbtcn öfterreic^ö (Oroj, 33rünn), jule|t in SCrieft, alö 2el)rer tätig. 5Daö 1)rängen feiner j^reunbe oom llpenoerein, bie fein „ßn^ian, ein ©aubcamuö für Sergfteiger" jum ^rud beförber=

17*

260 SSon ber alten jur neuen Äunft.

ten, ma6)k il^n jum ©d)rtftftetter. SSon feinen größeren ©id^tungcn ftnb bie befonn^ teften fein ®poö ,,^latoxoa,'' (1877), gebic^tet nac^ einer flooenifd^en llpenfage, nnb ber ©ong oon „%xau ^olbe" (1881). 3""öd^ft fc^rieb er unter bem ^feubongm ,^aul S3ad^. ©ein Sefte§ finb feine jafilreid^en SBonber;, Stubenten= unb ©pielmannS; lieber, ron benen bie „Sinbenrairtin, bie junge" bemnöd^ft „SBo§ bie SBelt morgen bringt" alle 3tu§fid^t fjat, burd^ ©efang unfterblicE) ju werben, ^^^ifcfien Sanb= ftra^e unb ©c^enfe fd^roeift biefe moberne $8ag,antenpoefie am liebften um^er, unb fie ift felbfiänbig genug, rou t>a§ Siebd^en „^eber nacE) feiner 2lrt" le^rt:

5Rie lüerben Srauben fü^ unb \(Sp)ex 2In ^afelbüfc^en reifen, ®er ®iftelfinf lernt nimmermehr SBie eine ©roffel pfeifen.

<Se|nfüc^tig flagt im ^oIIerftrQud^ 2>ag S^ac^tigallenmännd^en, '^äj finge nac^ S3agantenBrau(| SSeim ^lang ber SDecEelfännt^en.

S)eT feilt an einer fölegie, ®er fc^miebet eine j^abel, ^ä) finge in bie SBinbe, n)ic ®etoacE)[en mir ber ©c^nobel.

3c^ ^ah'§> gelernt im grünen SBalb Beim ^Raufd^en alter ^öl^ren, ünb toem mein ^ingfang nid^t gefallt, 2)er braud^t nic^t guäul^ören.

„©ingfong" ift ba§ benn aud^ in SBirfli^fcit ber ^id^ter brächte anberu:: foHö bog 9Bort gar nid^t über bie Sippen. Seid^te, gong ^übfd^e 9Jiiniaturpoefie, nic^t foftbor !ommt nid^t borouf on, ob üiel ober wenig boioon oerloren gef)t.

S^ic^t genug befannt ift Soumbod^ olö 3Jiörd^enbid^ter. 3^omentIidE) üon ben „©ommermärd^en" rerbienen f)erDorgef)oben gu merben: „®ie Teufel ouf ber ^immelö^ wiefe", „©c^Ieierroei^", „©oö SBoffer be§ 58ergeffen0" unb „^er ^obolb im teDer"; Don ber ©ommfung „®g mar einmal" ctmo: „Vorüber ^Iou§ unb bie treuen ^iere" unb „®ie ftumme Königstochter".

Sfm gangen ift 33aumbadE) ein fpielerifc^er 2tbleger ber beutfd^en S^lomanti!. ®ie Sflotur gu malen ift it)m am beften im „3lotorog" gelungen, mo eine blüfienbe SHpe üon ber ®ottI)eit unter (Bletfdfiern unb ^^'elfen begroben roirb. SBie bie 9?omüntif gef)t er om liebften in bie SSergongen^eit gurüd. ^Dog geigen oud^ feine „SIbenteuer unb ©^mönfe, alten SJl'eiftern nod^iergäf)It", beren 3:^t)emen g. X. fel)r befannt finb, wie „5Dog ©d^neefinb" unb „®ie 9fleife in§ ^arobieö".

©eit 1885 lebte 33aumbacE) in 9J?einingen. ®rei ^olire fpoter ert)ielt er ben ^ofrotötitel. 2lm 22. ©eptember 1905 ift er geftorben.

9Jlit 33aumbadE)§ üingenber Kleinfunft no^e oerrconbt ift bie ^oefie bcö älteren Otto 9fJoquctte. 2tm 19. Stpril 1824 gu 5lrotofd^in geboren, ftubierte er in ^eiber= berg, Berlin unb ^oEe ^{)iIoIogie unb ©efc^i^te. 3la^ einer Steife nod^ Italien mürbe er Äefirer, 1862 g^rofeffor ber Siteroturgefcf)ic^te on ber Berliner Kriegöofobemic in biefem ^oEire erfd^ien feine „©efc^ic^te ber beutfd^en Siterotur" , 1869 om S)ormftäbter ^ortjted^nüum. §ier ift er am 18. 5marg 1896 geftorben.

©obolb mir feinen 9^omen I)ören, crüingt in un§ bog unoerge^Iic^e Sieb „9^0(^ ift bie blütienbe, golbene ^eit, noc| finb bie %oge ber 9flofen", bog freilidp üiet ber 3JJeIobie gu bonfen tjot. Biet gcfungen roirb ferner „D roär id^ om ^edax, o roör ic^ am 9f{t)ein". aber oud^ ein gTö|ere§ SBerf non if)m, bog leichte, luftige Berg-

Sorifd^e ©pifct. 261

epoö „SBoIbmeifterg Srautfa^rt" (1851), in bem b<t§ fiieb oon bct „blüljenben, golbenen 3eit" ftef)t, näiiert fic^ mit [einen na^egu lOOäluflagen bem ©rfolgc 3d^effelf^-er ©i^tungen, o^m fid^ im minbeften mit bicjen an innerem SBert meffen ju fönnen. aSon feiner übrigen ^oqie feien genannt baö ©poö „^an^ ^cibefucfucf" (1855), bcr 3ftoman „ßupfirofgne" (1877) unb ba^ „31cm gioocttenbuc^" (1884).

^ier ift junäc^ft anjureif^cn Der greifierr £)0far Don 9icbüJi$, beffen t)önigfü|e 3Jiärc^ennoüeEe ,Mmaxant\)" im ^a^re 1849 aEe§ entjücfte, mag ben geiftigen unb politifcfien Siüdfd^ritt »ertrat, ©ein 9?oman „.^ermann Star!" (1869) ift ungenie^= bor. 9ftebroi^ mürbe om 28. ^uni 1823 ju Si^tenau bei Stnäpacf) geboren, mar eine Seitfang ^rofeffor ber Siteraturgefc^ic^te in SBien (1851/52) unb ftarb in ber ^eil= anflalt ©t. ©ilgenberg bei Sarireut^ am 6. ^uli 1891.

Stud^ bie „Hmarant^" I)at baä erftc f)albe 2tuflagenf)unbert bereits längft über^ fd^ritten. 9?i(^t geringen ©rfolg ^atte bie 9JJärd^enfammlung „SBas firf) öcr "^alh cv- iä\)Ü" (1850) be§ fpäteren ßuftipiclöic^terä ©uftaö ju ^uUi^ (1821—1890), ber eine 3iei^e uon ^Tl^eatern leitete unb aiö ©rbmarfd^aU uon Sranbcnburg ftarb. ^n ben 9}?är(f)en aber lebt berfelbe [t)rifc^=epifc^e 3:^on mie bei ben oor^er (Senannten.

?Jur roenig i)'öl)n ftef)t ta^ fprifc^e ®po§ „"Dreiäefiniinben" (1878) beö fatf)o- «fc^cn Strjteä griebric^ Sil^clm Scbcr (1813—1894), eineö SBeftfalen, üon bem fonft nid^tä Sefonbereä gu melben ift. 2Bie biefe breite ^arfteHung Der 58efebrung eineö Sac^fenjünglingö jum 6F)riftentum (in ber ^di Subroigä beä {frommen) §u i^rer Seliebtfieit gefommen ift, ift freilii^ nic^t burc^ ifjrc fünftterifc^en, fonbern buri^ i|re fonfeffioneüen SBerte gu erflären.

^n einen bic^terifd^ raeiten ®efic^täfrei§ treten mir mit „^irmela" (1887), einer Itjrifd^ abgetönten ©rjälilung beö eoangeIifd;en ^farrerä ^cinrii^ Steinhaufen (geb. 1836 in ©orau), obmoF)! fid^ auc^ biefeö 2Berf in feiner 2Beife mit ©c^effelö „(StfeI)orb'' t)erglei(f)en lä^t. SIber ber 3^^^^'^ echter, romantifd; mei; mutiger ^oefio liegt bod^ borauf. 2In einem ^fingfttage be§ 14. ^af)r^unbertö fteigt b-^r alte trüber 3)iet^er im 3ifterjienferfIofter 9J?auIbronn nad^ bem ©otteäbienft I)crab con ber Orgel, bie er gefpielt, jum ^reuggang, ber ben fteinen ^ricb^of ber 3Ibtei umgibt, unb ^ler, bem ©rabftein na^e, ber bie 2Borte „Irmela virgo" enthält, er3äl)It er jroei jungen g^reunben bie ©efc^id;te feiner S"9cnb. ©g ift bie (Sef(^id^te ^rmelaö. 3t[ä Sßaife bem ^lofter anoertraut, roirb er, ba man fein S^alent erfennt, im 3J?atcn auögebifbet. Um ein foftbarcö Silb ju fopicren, mirb er na^ ©petjer gefanbt, babei aber auf bie ©Ijeburg beö ©rafen ßbert)arb ücrfd^Iagen, beffen liebliche 9iid^tc ^rmeta er nun in bcr Äunft beö ©(^reibenä unterri^tet unb lieb geroinnt. %u<i) fie ift if)m äugetan. ®e= fungen unb gebi(^tet F)at er fd^on immer, ^ii^'"^^^ I^^i^t il;n bie Saute fpicien. ©o roirb er nun aud^ ein ©ingemeifter, ber feine eigenen Sieber mit eigenem Sautenfpicl begleitet. S)od) ba0 roirb i^m jum Unf)eil, benn ol§ er bei ber 3fiüdfe^r na^ 3JiauU bronn auf freiem SBiefenpIan oor ^ii^niela fingt, bie fic^ mit bem 9?effen bcö Sif^ofö Don ©pet)er, einem ^Ritter, oerlobcn mu^, erregt er "bei bem 33rduti(jam §a^ unb ©ifer: fud)t, gerät in ©treit unb roirb in ben Werfer geroorfen. 3"5'^M^en aber ift feine abiige ^ertunft entbedt, bie (Sefabr alfo für bie (Segcnpartoi nod) größer geroorbcn.

262 SBon bei alten gur neuen Äunft.

fo ba^ fie trüd;tcn imt^, iljn für fein 33cr9e£)cn gegen beS illofterö 3Sorjcf)riften un= fc{)äblicl) 5u modfien. ©ein "iSakx, bev ©inficbfer .33runo, ber unerfannt it)n fc^on früfier beraten unb fid^ jc^t bem ©rnfcn ©bcrf)arb olg alten ritterlichen ^^rcunb 511 crfcnnen gegeben Ijat, erreicht ba^er burd^ feine ^^ürfprac^e roenig. ®ie mit §ilfe ^lingöofirö berocrtftelligte glurf)t gelingt nid^t, ba ^Diettier fic^ babei für ^rmek, bie er l^einilicE) anffud^t unb, üon ben SSerfoIgetn überrafc^t, nicEjt blo^fteEen roiU, opfert unb fo mieber bem ^cxUv uerfäEt. ^lö^IicE) aber faßt Sic^t in feine §aft: er roirb auf freien ?^u| gefegt, mit ritterlichen 3JlitteIn au^geftattet unb beä ^loftjergelübbeö entbunben. ^omit ift fein ^erjcnömunf^ erfüEt; boc^ er mei^ ni^t, mie eine fo[(f)e ©inneöönbcrung feiner Dbercn, üor allem be§ 33ifc^ofö Don Sperber, möglich mar. ^offnungSüoH uerlö^t er ha§i ^lofter. Untermegg trifft er ben treuen ©cfellen ^ling&oi^r unb S^ann^äufer. J!lingöol)r mirb nun üon il)m mit einem 33rieflein §u ^rmela geftinbt. Slber fie antrcortet if)m, er möge fic nergeffen, fie xci^c freiroittig il)rem SSerlobten bie ^anb jum 6l)ebunbe. ^erämeifelt pilgert er nun nac^ 9iom, um feinen $8ater gu fucEien, ber il)m oon ^icr einen 2(bfd^ieb§brief in ben Werfer gefanbt i)at, nad^bem er wergeblidE) bie päpftlid^e §ilfe für ben (Sofin erflet)t l)atte. ^eboc^ finbct er nur noc^ bo§ ©rab Sruno§ bei einem ©remiten in ben 33ergen. 5)a er nun Qlle§ oerloren unb feine S^rcube mcl)r an ber einft fo l)ei^ erfel)ntcn SBelt l^at, fel)rt er freimißig in fein altes ^lofter prücf. ®ort trifft er gerabc roäl)rcnb cineö S5e= gräbniffeä ^ein: ^rmela ift eö, auf bereu Sarg bie ©rbf^otten rollen. 2luf bem ^^rieö^ l)of üon S)iet^erö ^lofter f)atte fic beftattet merben moHen. ^f)rc le^te 33eicf)te rairb il)m burc^ bie |>anbfcl)rift eineö ©ciftlic^en übermittelt, ©arin befennt fie, auä Siebe äu ^ietl)er, um il)m feine ^rei{)eit gu geminnen, in bie ^eirat mit bem SSer^a^ten ein= gemiHigt gu l^aben. Unter biefer Sebingung fei er frcigelaffen morben. 3tbcr nod^ t3or il)rer .^oc^äeit ift fic, üon Kummer gebrochen, auö bem 2thm gefd^ieben. ^en ©rabftein, ben ber greife (Srgäliler feinen ^"^örern jeigt, „finbeft bu" fo fdlilic^t ber 2)id^ter „in 9)laulbronn noc^ l)eutigen Si^ageö".

Steint)aufen l)at noc^ üielicö anbcrc, barunter §umoriftifcE)eS, gefc^rieben, aber nie TDieber einen äl)nlicf)en (grfolg geljabt mic mit „^rmela", bie er am 27. ^u^t 1916, feinem 80. ©eburtötage, in 28. 2luflage ^inauöfenbcn fonnte. ^enfioniert lebt er feit ^jalircn gu Sjt^öneicEie bei ?yricbrid^§l)agen. 1913 erfc^ien feine Selbftbiograpliie.

^u ben cblcren Iprifi^en ®pi!ern ber Übergangöäeit gel)örte ber Dftcrreic^er D^obcrt |)QmcrIing. ©r mürbe am 24. gjiärg 1830 in ^irc^bcrg am SBalbe al§ <Bo^n eineö SSeberS geboren, ftubierte flaffifclie ^l)ilologie unb raurbe bann Opmnafiollelirer, guerft in SBicn, bann in ©rag unb S^rieft. 2tm 13. ^uli 1889 ift er im S^tufieftanbc in ©rag narf) langjährigem qualuoUeu Seiben, faft immer an bo§ Sager gefeffelt, geftorben.

^amerlings SBebeutung beruht ]\\6)t auf feiner Sprü, fo umfangreicE) bicfe anö) ift, fonbern ebenfalle auf feiner lt)rifrf)en ®rgät)lung. SBciteren ilreifen befannt mürbe er erft bnxä) fein (Spoö „3{l)aeneru§ in 3fiom" (1866). 2tt)aäüer ift bei iljm nicf)t ber eroige ^ube, fonbern eine Äainegeftalt, bie jur !^e\i 3'lcrog auftritt unb ber leibenbcn ^(enfcl)^eit bie 3fiut)e bringen roill. ^m ^fil^ftf^" f^fr ^ieformation fpielt baö @po«

2;ei' 3JZiinc^eitcr Sic^tcrfrei^. 263

in ^cyamctcrn „Tier ^öuig Don Sion" (1869), bcffen $elb ber 2ßicbcrtäufer ^ü£)ann Don Segben i[t. ^on feinen übrigen Sichtungen üerbient nur bie „3lipQfiQ" (1875) genannt ju roerbcn, „ein ^ünftlcr= unb Siebeöroman anö 3nt;§cIIaö", be[fen .^elbin bie befannte ^etärc be§ ^crifteä ift. ©ö ift §uuiel ^I;iIo]opf)ie unb ju rocnig ©rtebniö in biejcm S^omon. ®cit)i| roar ^amerling fein „^cnbenjpoet", aber ift il)m boc^ nirf)t gehingen auöjufü^rcn, roaä ber le^te Sa^ feines ^orroortö oerfprirfit: „'I)ie reine abfid^tölofe ^oefic begleitet bie ^bee auf bem 2Bcge ber 33erimrflic^ung am liebftcn bis ju jenem fünfte, wo fie, um in iljrer $Rcinf>eit firf) roieber f)cräuftellen, pj^önifgfeid^ bem ^lammentobc fi^ felbft überliefert." ^nbeffcn mir F)abcn nic^t üiele !I)ic^tungen, in bcncn bie alten ©eftalten mic Sofratcö ober 3tlfibia'beö fo gebanfenüoH mit unä oerfe^ren.

S)er fünftlerifc^ ©(^mäc^ftc unter bicfcn Ir)rifci^en ß'pifern ift ^uliui? Solff. 6r mürbe am 16. September 1834 in Dueblinburg geboren, übcrna(;m f)ier, nadj- bem er in Scriin ^^iIofopt)ie unb ßameralia ftubicrt t)atte, bie Xud)fabrit bes ^ater§, jog fpätcr nac^ 53crlin unb ftarb in ßf^arlottcnburg am 3. .^uni 1910. SBoIffö Igrifc^e gpcn finb befannter, aU fie oerbienen aufgcpu^tc, flad^c ©eft^id^ten für 2efc= rinnen im gtügclfleibe. 2(m begct)rteften finb moljl noc^ immer ber „^Rattenfänger üon ^amctn'' (1875), „'5)er railbe ^äger" (1877), „^ann^äufer" (1879), „Suriei" (1886) unb „Scr fliegcnbc ^oüänber" (1892). ^n bemfelbcn Igrifd; geF)obcncn Stil gcfc^riebcn finb bie bem ©c^alt nad^ beffcreu ^rofaromane „'^ti Sülfmciftcr" (1883), „®er 5Raubgraf" (1884), „®aö JRed^t ber ^ageftolje'' (1887) unb „Sie ^o^önigö^ bürg" (1902).

3Jtit SBotffS Sid^tungen nafie uermanbt finb bie eincö jüngeren, beg rtjeinif^cn ©pifcrS unb (Srjät^ferö Sofep^ S?nilff (geb. 1855), ber beöF)aIb f)icr uormeg ermät)ut fei. SSon feinen ®pen fei „^(auö otiirtebccfcr" (1893), oon feinen 9Romanen „^itije ^ittjemitt" (1903) genannt.

Sie äulc^t genannten lT)rifd)cn ©pifer I)abcn feinen ©influl auf bie gro^e Siteratur ausgeübt. 3tbcr fie roerben nod^ immer eifrig gclefen unb fönwn nic^t üet= atten, folange ^onfirmationögefc^cnfe unb 3if)nlid)cö gibt. Sic^erlirf) finb fie im= ftanbe, üiele ju erfreuen, ja ftunbenmeife gerabegu glüdUc^ ju machen, unb fie finb nid)t ftarf genug, ju oerflac^cn; benn n>er feine ^iefe f)at in ben ift fie auc^ nid)t bineinäubringen. Sarum foll man bicfcö Spieljeug ben geiftig 3trmcn loffen. Snf. Sefte ber ganzen ©attung bleiben Steinbaufenö „^rmela" unb einige Sieber 33aum= bac^ö unb $Roquetteö, nic^t aber bie eigentlichen SSeröepen, bie bod; feit Sa)effclö „Srompetcr" bem ganjen 5lreife ben Sfjarafter geben.

5. tcv 9Kntt(^cncv tirötcvfvciö.

Um bie ^itte be§ ^al)r^unbertö muvk 9Tiünc^en, 'öagerns .s>au-itftabt, ju einem 2)iittelpunft fünftferifd;en unb miffeufd^aftlic^en Sebenö, obiüof)! ^amab nur 150 000 (vinuio{)ner jäfjttc. 1850 gab .^ernuinn uon Sd)mib ein 3'i^r^"rf) i>fö 1848 gegrünbeten ^ereinö für beutfd}e Sid)tfunft in iiiünd^cn t)erauö. ^or aa.m aber fe^ie ber Sof)n unb g^ad)foIger beö funftliebcnben Submig I., ber junge ^önig uon ^^aijeru.

264 SJoii öer alten 5ur neuen ^uni't.

3)layimiüan IL, feine ®f)re barein, ©testet unb ®elet)rte an feinen i^of ^u sieben. S)iefer ^önig 9Jlay mar eS, bem JRanfe bei einem Sanbanfent^olt in Serc^teggoben bic berühmten SSorträgc über bie ©pod^en ber neueren (Sefc^ic^tc l)iett. 1852 würben (Seibet, 1854 $ei;fe unb Sobenftebt, 1855 B&iad t)om ^önig nad^ 9Künc^cn berufen, liefen Äreis oerüoDftönbigen ßingg, ber feit 1851 in 9[Rün(f)en roar, ©roffe (feit 1852), ^er^ (feit 1858, gaftireife aud^ ^orban), ©reif (feit 1867), 9ftief)I (feit 1854), Seut^olb (feit 1858), ©tieler (feit 1861), ^opfen (feit 1862), SBilbranbt (feit 1859), foroie ber S'tationolöfonom Tla^ .^ausfiofer (1840 1907), ber 3JiineraIoge unb 3)ia- leftbic^ter granj üon 5^obeE (1803—1882), ber ßfiemifcr ^uftuä Siebig (1803—1873), ber ^iftorifer ^einrid^ oon @pbel (1817—1895), bie ^uriften ^o^. iRafp. Siuntfc^Ii (1808—1881) unb SBern^arb 2BinbfcJ)cib (1817—1892), ber 3fte^tg^iftori!er gelij ©a^n (1834—1912), ber bamats (1857) ben g^ünc^ener ®i(^tern jugleid^ aU Sprifer na^eftanb, ber S;i^eatcr=^ntenbont ^^ranj ©ingclftebt (1814 1881) unb enbtic^ ber ^umorift 2Bil^cIm S3ufc^ (1859).

9J?an barf fic^ natürlich bie §ier genannten 5Ramen nic^t alg eine gefc[;[ojfene ®rupp[e oon 9Jiännern oorfteßen, bie eine freunbfc^oftüi^e Xafelrunbe ober eine geiftige ®int)eit gebilbet l^ötten. $jf)re SSegie^ungen gneinanber unb jum ^önig rcaren fei)r nerfd^ieben. ^brc ^wfantmenftellung §eigt t)ielmef)r nur an, roa§ 3Jiünc^en in jenen ^al)ren, gum ^Teit infolge 'be§ S^tereffeg unb ber Betätigung beä J^önigö 3Kaf, geiftig bebeutete. 33ei biefer (Gelegenheit fei nid^t oergeffen, ba^ ber i^önig 1858 bic ,/^iftorifd^e 5?ommiffion'' ing Seben rief, an beren ©pi^e S^tonfe trat, unb an bereu elften ^a^reSoerfammtungeu nod^ ^afob ©rimm teilnafim, unb bap 1875 ron i^r bie „3ittgemeine beutfd^e S3iograp{)ie" gefc^affen rourbe.

tiber iJircn 30^ünc^cner 3(ufentf)'0lt l^ablen bie ©enannteu jum ^eil ausführliche

ETufgeidEinungen gemad^t, befonberä $auöI)ofer („2)ie Iiterarifd[;e S3Iüte 9Jiünc^en§ unter

Äönig maic IL", „IDgemeine Leitung", 15. unb 16. gebruar 1898), eä)ad („©in

§Qlbe§ Saf)r^unbert", 1888), Sobenftcbt („(Eine ^öniggreifc", 1879), (Sroffe („SebenS^

erinnerungen", 1896), ^epfe („^ugenberinnerungen unb 33efenntniffe", 1900), ®a§n

(„Srinnerungen", 1890—95) unb Singg („3)^eine 2ebenSreife", 1899). SBir fmb

Qlfo über bie SSorgänge in biefem Greife unb bü& fünftterifc^e SBoUen ber einzelnen

gut unterrid^tet. ©c^iuanfenb blieb ber $8oben immer etroag, ba er oon ber föniglid^en

Saune obf)ing. ^a^er begrüßte ber 9?eba!teur ber „2tug§burger SlUgemeinen 3eitung''

nomeng 2((ten]^öfer bie neuen (Säfte (Scibel unb ^et)fe mit ^mei mi^igen SSerfen, bie auf

5)ing'e[ftebt, Sobenftebt unb Siebig anfpielen:

Mextt eud), ii)x (Deibel, §et)|e, bie ein SBinb be I i c b i g brcl^t, §ofgunft ift ein 5) i n g e l , ba§ auf feinem feftcn 33 o b e n ft e ^ t.

Äönig gjjay ^atte eine f)ot)e 9J^einung uon fic^, mar aber jebem ^erbienft gcgen= über befcEieiben unb für ©d)meid^elei nic^t gugänglic^. (Sr lebte in einer Sßelt ber ^beale roie fo oiele SBittelöbad^er. ^n (Seibel erblidte er fogleidE) einen oertraueng= roürbigen Berater aud; für feine eigene poetifc^e Siebf)aberei. ®r fonbte iE)m feine ©ebid^te mit ber ?^rage, ob er fie jur Veröffentlichung für geeignet Italic, unb mar i!jm banfbar, ba^ er i^m abriet.

Der aKüncfjenei- Dic^terfreu'. 265

SqIö bilbeten fid^ innerf)a[b Des großen Äreijes flcinere 9linge. ©cibet tarn in einen anrlegenben 3Serfcf)r mit bcr SBitroe eines Staatsrate uon Sebebour, einer ge= borenen S^tuffin, unb if)rer Pflegetochter Siüic 2)reuttel unb fül)rte auc^ ^e^fc bort ein. ®a beibe gong in ber 9^ä^e biefer alten ^ame rootinten unb nur um bic ©de ju ge|en brandeten, um it;re 2Bo{)nung ju erreid^en, fo nannten fie ben neuen geiftigcn 6ammetpunft „^Die ©cfe". «gier, rao fic^ aud^ 3iiet)I, SdEiacf unb anbete 3)tünc^ener Äünftter einfanben, würben ©ebid^te, Dramen unb S^loüeUen gelefen, unb 3ftiel)t brachte feine ^auömufif mit. tiefer SSerfefir baucrte biä gum ^obe ber oere^rt^n ©taQtl= rätin im SRocember 1863.

Sebeutenber mar eine größere ^Bereinigung, ,,^aö ^rofobil", beffen 3J?itglieber, bie ^rofobile, fic^ ebenfaUs um ©eibel unb ^egfe frfiarten. 3)cn Dramen erfiielt bicfcr herein nic^t uon ©eibels befannter ilrofobitromanje („®in luft'gcr 3Kufifaute fpasiertc cinft am ^Jiil"), fonbetn oon Singgä ©ebirfit

5Daö ^rofobit ^u ©ingapur

3m ^eil'gen Slei(^ ju ©ingapur, 2)a liegt ein alteg S^rofobil 5Bon anwerft grämli(^er 9latur Unb faut an einem 2oto§ftieI.

(53 ift gau^ alt unb ööKig blinb, Unb menn einmal friert be§ ?iad^t§, ©0 meint mie ein fleineä Siinb, ®ocf; menn ein [d^öner S:ag ift, ladjt'^.

„®er erf)abene 6f)araftcr biefeä 3tmp^ibiumä", fagt ^aul ^etjfe in feinen Sr= innerungen, „fd^ien unö trcfflic^ jum 2SorbiIb ibcaUftifc^er ^oeten ju tougen, unb mir l)offten, in unferem 3J?ünd^ener ,^ei[igeu 2;eic^' bermateinft ebcnfo gegen bie fcfinöbc profaifd^e SBelt gepanzert §u fein roie jener uralte SBeife, ber nur noi^ für ben SBec^fel ber 5temperatur empfinblic^ mar. SSon einem befreunbeten Si(bt)auer rourbe ein Ärofobil in ^on mobeEiert, an beffen Sodel bie ocrfcEiiebenen 9^epti(e, nai^ benen mir unä genannt fiatten, in l)ierogIgpl^ifc^en ^wgc" eingegraben mürben, ^c^ infolge meiner Sa5ertenlieber ber ©ibec^ä jubenamft bema^re biefe 5?eliquie nod^ lieute." ©eibel rourbe roegen feiner Dorliin erroä^nteu Jlrofobilromanje baö „Urfrofobit" ge= nannt. @raf <B6)ad l)ie| ba^ ®^renfrofobil. 2ööcl)Cntlid; fam man einmal .^ufammen. 3uerft tagte nion bei 33ier, fpäter bei 2ßein (üier SBinter bei bem Söcinrairt 3Jirirf:i^el am ^ultpla^, ben .^er^ empfal)l). SDem 58ercin traten auc^ 2Jield^ior 3Jiei)r unb 3Jiorife Karriere bei. ©öfte roaren furje B^^t SBil^elm ^cnfcn unb ^ofepl; SSittor ©c^effel. 2)ie Sichtungen beö Ärofobils erfd^ienen in 9lu§roal)l gcfammelt 1862 üon ©eibel im „3Künd^ener 2)ic^tcrbucp", 1882 uon öeijfe im „9?eucn STiündl^encT 2)ic^terbuc^".

Sie 3fiid^tung bicfeö gangen poetifdben ©trebenö roirb burd^ bas SSort ^bealiö^ mul allein nid^t genügenb gefennäci^nct. Sie l;icr üerfammelten ^^c^^^'ftfn griffen auf einen 2tuöfprudf) @octl)eö jurücE: „Sie böc^ftc 3lufgabe einer jcben £unft ift, burc^ ben ©(f)ein bie Sl^äufc^ung einer l)ö^eren 2BirtlidE)fcit ju geben, ©in falfd^cö Streben ober ift, ben Schein fo lange gu oerroirfüc^en, biö enblid) nur ein gemeines SBirfli^cö übrig bleibt." Sal)er ertannten bie ^rofobile feinen ©egcnfa^ uon 'J^ealiömuö unb Sbealiömuö an, t>a il)nen juerft auf bic j^üUc unb 2Bal)rbeit beö realen Sebcnögcljaltg

266 ^lion bei aUcii juv neuen Äunft.

mifnm. 3Eo fie bcn nermi^ten, fonnte fic fein JRcij unb 3lbel bcr äußeren gorm für bie mnngcinbc tiefere 35>irfung cntfd)äbioieu. Slnbererfeitö inbeffcn max feine Spornt ncid) il;rer 3in[ic^t bem ©cift ein .^inberiiiö^ feine £ebenöfrnft ju ern)ei|cn. 3o mußten fie bie fpötere gormlofigfeit beS ^flaturoliömnö unbebingt cibtel)nen. Sie begriffen liiert, bal ber SScrg im ©roma feine ©teile fiabe, imil „wixtlidjc a)knfd)en" nid)t in 3Ser[cn fpräc^en: .^nmlct, Scar, B\)\)lod ober bie ^erfonen in £teiftö „3e^"&^oc^<^»<^"^ 5\rug" crfd^ienen if)nen üiefmel^r alö fef)r real. (Sie fd^euten feine ^eitfd^ranfe, ha brt§ 3}?enfc^fnjüefen feit beginn einer f)ö^eren 5lultur in feinen ©runbtriebcn fic^ glei^ gc= blieben fei, nnb betonten gegen bie ^orberung einer fogenannten 2{ftnalität ba§ aU- gemein 3)?en[c^Iic^c, üoranögefe^t, ha^ ^ngleic^ ein „ungemein" 9}ienic§tid)eö jei. ßö fam für fie boranf ön, baö jeitlidf» Entlegene burc^ f)ö(^ftc Scbienbigfeit unb naiivc 9jQturgemaIt bem £efcr ober ^örer fo na{)e ju rüden, ha^ man es tro^ ber ceränberten Sebenöformen aU etmaö SSIutgoermqnbteS empfinbe. 3)al;er hielten fie bü§ f)iftorifcE)e ^roma äcitmeife für bie f)ö(^fte gorm ber ^Dirfitung.

@ine brittc ©clegenfieit für bie ^^fo^^'^i^i^'^unft biefer ©eiftcr htn öu^eren tlmftänben nac^ fogar bie roic^tigfte boten bie regelmäßigen Stjmpofien beö ^önigö. ®ie ©äfte l^atten in %vad nnb fc^maräcr 33inbe §u erfc^einen unb festen fic^ bann mit bem ilönig unb feinen 3(bjutQnten an einen langen ooafen %\]d), über ben eine grüne ■Iiecfe gebreitet mor. Sarauf mürben Sanbmiifjeg unb Sier in fleinen ©läfern Ijerum- gereid)t, unb ber ^önig, ber fein Staucher mar unb faft immer an ^opffc^merjen litt, günbete eine üon ben ^^S^rren an, bie mitten auf bem S^ifc^e ftanben, unb tat ein paar ^ügc barauä, nur um bie anbcrcn eingulaben, feinem 33ei]piel gu folgen. Ser ilönig mtarf eine 9^eif)c üon fünftlerifc^en unb miffenfc^aftlirfien ?^rogen auf, ober nnirbe uorgctcfen, eine 2&ci(e mot)I auc^ im ^Rebenjimmer Sillarb gefpielt, bebattiert, geftritten, biö ber ^önig um 10 nt;r aufbrad;, roäl;renb bie übrigen no^ bei einem einfad;en Slbenbcffcn beifammcn blieben. 3)en feften «Stamm biefer ot)mpofien bil; beten ©eibel, Qcx)']c, Sobcnftebt unb Siebig, bcr großen ©infhiß auf bie Se[e^ung ber £e{)rftüt)[e an ber 3DKin^cner Unioerfitöt ausübte.

•Sditießlic^ üeranftaltcte bie 5!önigin auf SBunfc^ unb in Slnmefenl^eit if)res @emat)Is S^eeabenbe, ju bcncn einige Siebter roie ©cibet unb ^ei)|e ebenfalls getaben mürben. Seiber Iiatte bie i?önigin nid)t bas gcringfte ^ntercffe für Literatur. Sie liebte nur Ieid)tc ^(anberei unb baö ©ebirge. ^m 3:f)eater fai; fic lieber in baö ^ubli^ fum alö ouf bie S3ül;ne. SBurbe on iljren 3::eeabenben üorgelefcn, fo blöttcrte fie im ^^otograp^iealbum ober flüfterte mit ben ^ofbamcn, einmal fo laut, baß ber gerabK? Dorlefenbe ©eibel ha^i 33nd^ auf bcn ^ifc^ legte unb mit finfterlem ©tirnrun§eln oer; flummte, raäfirenb ber ilönig, aufs peintid;fte bcrül)rt, feiner ©emaljlin einen unmiHigen 33licf jumarf unb bann ben !I)i(^ter mit einer liebenSmürbigen ^anbbemegung einlub fortäufal)ren. ^ct)f€ erljob in fofdien ^äilcn nur feine Stimme ftärtcr, mcnn er üom Sofa bas glüfiern ücrnal)m.

3)?it bem Xobc bes 5lönig§ im ^al)rc 1864 mar bem .Greife bie fidlere ©runb^ läge entjogen. ^max bel)ielt §et)fe feine 1)i^terpenfion, Dcrgiditctc jebod^ auf fie, als ©eibel bie feinige üon fiubmiglJ., 9)iayimilianS Sobii unb 9(ad)folgcr, uier ^alire

®eiM unb §eDi"e, bic Jül^rer bcs iDiündjcner Dic^tcrfreifc^. 267

fpäter entjo^cn rourbe, mcil et ben ©1113119 bcö prcu^ifd)en ÄöiiioS SBiltjcIm in feiner SSoterftabt 2üUd mit ^aifcr^offmuigcn poeti]d^ begrüßte:

2)a^ noc^ bereinft bcin 2luge fic^t, Sßie ü6er'§ 9icicf) ununterbrochen SSom gel§ gum a^eer beiu ?lbler ^ie^t.

einige ^o^re f)oiiften bie Ärofobitc noc^ in itjrem ^cid), ben fic balb I;ier^in, balb bortt)in, jutefet in baö ^auö iljrcö SSorfi^enben §cgi"e ücrlegten. luper ©eibel cexlie^ quc^ ^obcnftebt a)iünc^en. Sc^acf 30g fic^ gonj in fein §auö unb feine ©akric gurücf. So fc^roanb ber 3"f'ai"nicn^ting ollmö^Iicf) gang ()inn)eg. 3luö ber Siteratur ober finb bie £rofobite nic^t pcrfd^iunnbeu.

6. ^tiM unb ^e^je, ütc ^nf^vtx HcS 9M\\d^tntx ^it^terf reifet.

ßitcrarifc^ wie perfönlirfi laffen fid; biefe bciben g^reunbe foum i>oncinanbcr trennen, roie wir nac^ ber 33ctrad)tung beö 3)iünd^encr ®i(^tler!rcifeä bereits ücrmuten fönnen. S)er raeitnus 2ittere, ber ^ei)[e cntbecft, gcförbert unb Qurf) äu^crlirf) \\6)cx- gcftettt ^at, war ©eibel, für nnS äugleic^ ein 3^ü^rer üön ber alten 3ur neuen ^unft.

©monucl ÖJeibcl irurbc am 17. Cftober 1815 afö Sol^n eines evangelifc^er. ©ciftlic^en geboren. 3" feinen Sc^ulfreunben gef)örte ©ruft ©urtinS, ber 3lltertumg; forf^er unb 33erfaffer ber gtängenb gefc^ricbcnen ,,@ried;if(^en ©cfc^irfite", ber burc^ feine ^unbe in D[t)mpia bie ©rnbungcn ber mobcrnen 5(rc^äoIogie angeregt I)at. ^mmer roieber f)at ©eibel feine SSaterftabt poetifi^ gefeiert, unb and) hai üolfc-tüm- lid^ffe feiner ®ebid)te, „®er 50lai ift gefommen", oerbanft feine ©niftebung einer SBanberung in SiibcdS fanbfc^aftlid) reid^cr Umgebung. (Sine feiner fd)önften Dbcn ift bem Ugtcpfce gemibmet:

S3on §ügeln bicf)t umfdjluffen, ger^cimniSüoIl 33er^üÜIt in ^Bnlönadjt, bäinmcrt ^cr Uglcl)fee, ©in bun!Ie§ 2tuge, öa§ 5UV Sonne

9iur um bic Stunbc bc§ ä)tittag§ aufblidt. SüJeltfrembeS Sc^nicigen n?altet undjev, regt .^ein §audj be5 2tbgrunb§ lauteren Spiegel auf, 3?ur in be§ 3'D^'flf)on9^ SßJipfcIn broben SSanbelt lüic ferner ßJefang ein S3rau|en.

3ugleid^ jebod; uerfcnfte fic^ bie ^f)antafie fd^on beö Primaners in bie ge^oimniöDOÜen £anbfc§aften ber grembe, mie bie 3ifl'-'itncr[iebcr geigen. S)aö „3H]cnnerIeben" fie^t er oor \\6):

^m ©chatten bcy 2i>QI^ey, im 33u(^engc3h:)cig, Xa regt fid)'§ unb rafc^eltS unb flüftert ^ugleidj; f lodern bie flammen, gnufeit ber Sd;ein Um bunte ©cftalten, um ^oub unb öcftcin.

2)ie ^eimat beö 3inennerö oerriegt ber junge Xid}ter nad; Spanien, n>oI)in fic^ and) fein „3igeuncrbube im Oiorben" febnt:

^evn im Siib ba§ fd^önc Spanien, Spanien ift mein ^''^iinatlanb.

268 äJon ber alten gur neuen Äunft.

3u Dftern 1835 bejog er bie Unioerfität ^onn, um 3:;i)eorogie unb ^§ito[ogte ju ftu- bieren. 1836 ging er nac^ Serün, roo er mit ©trad^mi^ unb ^Sd^od befannt tourbe unb in ben Greifen 6I)amif|oä, Sllefiö', @aubt)g, Euglers, ©i^enborffö, .^ifetgä unb 33ettina oon SIrnimä uerfel^rte. ®urd^ Settino unb il^reä ©c^roogerö, beö ^uriflen ©aoignt), ^ßermittlung erf)ielt er eine ©rjiefierftelle bei bem ruffifd^en ©efanbten ^Jürften Ratata^i) in 2ltf)en. (Sried^enlonb fcnnen ju lernen, mar oon je^er fein größter SBunfc^ gemefcn. 3fiun nafim er bie ©d)ä^e beö 2llt]ertum§ mit eigenen Stugen in ftc^ auf, gufammen mit Dtfrieb 3J?üner unb feinem greunbe Surtiuö, mit bem er bann (1840) bie „^laffifc^en ©tubien" I)erau§gob.

1840 oeröffentli^te er nad) ber §eim!el)r feinen erften Sanb „(Sebid^te", ber ifjn rafcf) berühmt machte, ©inige 3eit perroeilte er ois ©oft beö gT€iI)errn Äorl Don ber 2Jlalgburg auf <Bd)lo^ ©fd^eberg bei hoffet, wo er fic^ neben floffifc^en ©tubien befonberö ber fponifc^en unb frongöfifc^en Literatur roibmete. ^u ^Reujofir 1842/43 erf)ielt er uon ^^riebric^ SBilJielm IV. ein ^o^rge^olt wn 300 3:;alern. ®a§ gleiche gefd^af) bomolä g^reitigrotf), mit bem ©eibel borouf enge ?^reunbfc^aft fi^to^, unb mit bem gufammen er oud^ eine B^itlong in St. (Soor mol)ntc. ©pöter finben mir if)n bei Öuftinuä ferner in SBeinöberg, bei bem ©rafen ©trod^mt^ in ^eterroife unb fcfilie^Hd^ mieber in £übec! unb Säerlin (1848), n>o jefet ^aul ^epfe in it)m ben ©önner unb ?Jreunb gemonn.

Sounig ergö^It ^epfe üon bem ©ntfte^en unb 2Bo(^fen biefer ^reunbfc^oft. 3JJit brei onberen ©c^ulgeföl)rten, unter benien fic^ ein Urenfel ©I)arIotte oon ©tein§ befanb, f)atte er einen poetifd^en £Iub gegrünbet, ber in ber ^enfion§n)of)nung eines 9J?itgIiebe§ namens Sf^jc^orb ©öl)be om ©ncfeplo^ 3 tagte, ^m brüten ©tod beSfeÜben Kaufes rooI)nte ©eibel, bem 9iid)arb eineg S^ogeö bog gemeinfome ®idf)terbuc^ jeigte, unb borouf öu^erte ©eibel, raerbe if)m SSergnügen morfien, bie SSerfoffer perfönlic^ fennen gu lernen, ©efotten Ijotten i{)m faft au§f(^Iie|tid^ -^erifeä Seiträge. „Stuf bem ©d^reibtifd^", ergöfilt ^ey\e, „oon bem ber ©ic^ter fic^ ert)ob, un§ mit fierjlic^em J^änbebrud gu bemiEfommnen, log boä corpus delicti, unfer 'Suä) in bem rot marmorierten ©inbonb. ^oä peinliche 2Serl)ör ober, bos mir fürd^teten, unterblieb, ©eibel, bomolg 31 ^olire olt, begrüßte unö mit oöterlid^em 3Bot)lmoEen olä l^offnungä^ rotte junge Sieute, bereu löblid^cä ©traben mit feinem 3flot ju förbern ilim ^reube mod^en mürbe. @r ^ielt unö, bo mir fclbft befd^eiben oerftummten, eine fd)öne Heine 'Stehe über bie ^flid^t, burd; ftrenge ©elbft§uc^t fi^ ber ©unft ber 3Jhtfen mert ju mod^en. SSor ottcm fottten mir un§ bemüf)en, etmoä Sted^teg §,u lernen, mit ollem SSiffcn ber 3eit unferen ©eift gu nöl)ren, bo ber S)ic^ter auf ber .^öl)e feiner 3^it fl-^'^ß" muffe, menn er il)r Seitftern merben motte. S)er fou'ore ^long feiner ©timme unb bie prieftertidf)e SBörme, mit ber er fpra(^, mod^ten einen tiefen ®inbrud ouf mi(^. ®r l)otte fofort mein jungeö ^erg gemonnen, meit fi(^erer, olä m^nn er ftd^ ouf bie freunb^ lid)fte Äritif meiner SSerfe eingeloffen l)ätte. 3Jlit einer 3trt ©^rfurc^t betrachtet« ic^ bog oon brounem, lodigem ^oor umrol^mtc, gro^ gefd^nittene ©efid^t, quo bem unter ber fc^öncn ©tirn bie l)etten, feurigen Stugen unö gütig onblidten. ^m ganzen freiließ i)atte id) mir einen ^ic^ter onberö oorgeftettt. 3J^it bem olteu grünen ©cbnürro'd unb

©eibel unb ^cpfe, bie güörer beS OJhmc^encr 25tcf)ter!reife§. 269

Dem lofe umfci)lungenen %vl6) um ben offenen ^qI§ machte bic ftämmige, unterjcfetc ©eftalt mc^ ben ©inbrucf eines alten Stubenten ober eineä drva^ üerroo^rtojten franjöfifc^en STroupierä, an ben aud^ ber ftarfe ©c^nurr= unb Änebelbart erinnerte, eg mar mir aber lieber, if)n fo ju finben, aU-, menn er in ber ©eftolt eines Sarben ober ^roubabourö erfcfiienen märe. ^Dagu maren feine SBorte benn boc^ oon bem tiefen Itjrifc^en ^aud^ burc^roe^t, ber feinen ©cbi(^ten ifiren 9f?eij üerlief).''

^m ?^rü{)ja^r 1852 folgte ©eibel bem SRufe be§ ^önigö 3JtapmiIian II. t)on a3at)ern. ©r ^atte in 3JJünc^en auc^ eine ^rofeffur für $tftf)etif an ber Unioerfität inne. ^n bemfelbcn 3aF)re oermätilte er firf) mit Stmanbo Suife Xrümmcr au§ Sübod. 3f)r gelten bie ©ebic^tc „3tba, ^agebuc^blätter".

toar im tiefften 2öaIbreoier, Unb mie ic^ fog ben ^immelSftra^I,

3m 2Roo§ 3U g-ü^en ru^t' id) bir; S^Tcging in mir ber (Srbe dual;

^ein 2üft(f)en ging oom blauen ^e\t, &etaud)t in beiner Siebe ©djein,

<So ftill ber Ort, fo fern bie SSelt. 5)a marb iä} jung, ha marb i(^ rein.

S)o fa^ auf beinem Slngefic^t Unb burc^ bie S3ruft mir, frifrf) unb fiif)l,

3c^ blü^n beg §immel§ reinfte^ Sid^t, ^inrann ber ©migfeit ®efü^l,

(5§ glänjt in beinem Sluge feucf)t ' 2)arin bie ©tunbe '^ab)xe Wiegt, 2)cr Siebe ^eiligfteg @eleu(^t. 3i" Sltem^ug ein Seben liegt.

<B6)on im ^^ooembcr 1855 ftarb jebo^ feine junge ©ottin. $DamaI§ cnt=

ftanben bie SSerfe:

SBac^ft bu nod^ einmal auf jum ^Sc^merj 2lu§ bumpfem (S<f|Iaf, jerbrüdteg ^erj? SSag frf)Iäfft bu noc^? D ®ott, fie ^aben OKein 5Beib unb mein ©liidE begraben.

5Ra^bem er nac^ bem Xobe beö Königs infolge beä 58cgrü|ung§gebid^teö jum ©injug 2BiII)eIm§ I. in Sübecf bde ©unft Subrcigö II., ber felbft auf ben ^aifertt)ron fioffte, unb bamit auä) feine baprifc^e ^enfion ü^rloren t)atte, jog er 1868 roieber narf) 2übed, mo er nun roieber preu^ifc^S ©e^alt ert)ielt. ^en beutfc^-franjöfifc^en Ärieg begleitete er mit fc^roungcoHen Siebern; t>or allem maren es ta^ „ÄricgSlieb'' („empor mein 5ßoIf")/ ,/®cutfc^e Siege com 3(uguft 1870" („^abt if)r in I)of)cn Süftcn ben donnerten gef)ört?")/ ,Mm S.September 1870" („5?un la^t bie ©locfen oon Sturm 5u 2^urm burrf)'S Sanb fro^foden im ^ubelfturm") unb „9ln 2)eutfc^Ianb" („3^un roirf F)inroeg ben SBitroenfc^Ieici").

3tm 6. 3IpriI 1884 ift er in Sübecf gcftorben.

©eibel ift ein ©id^ter, beffen gro^e SSoIfStümlic^feit einftrocilcn üicQei^t ab: nel)mcn roirb, roenngleid^ feine ©ebic^te bur^ bie S^önl^eit i^rer j^orm unocrroelflic^ finb; au^er ben berieitS genannten etroa „Cita mors ruit", „^xxehxx^ Siotbart" („^icf im Sc^o^e beä 5lt)ffl)äufer"), „aKorgenroanberung" („2Ber rccf)t in greuben roanbern min, ber ge^ ber Sonn' entgegen"), „^ürmcrlieb" („SBac^et auf! ruft cuc^ bie Stimme"), „SBcnn fid^ jroei ^terjen f^eiben, bie fi^ bereinft geliebt", „3(^ ijobc bid^ lieb, bu Sü^e, bu meine Suft unb Dual" („SpicImannSUcb"), „2Bo ftiH ein .^erj voll Siebe glüljt", „$DcS XeutfrfiritterS 3lDe", „©ubrunä ^lage", „SSoIterö giarfitgefang",

270 Sßon ber alten sur neuen Äunft.

,,SDcr 3:0b bcö Srikriuö'O „5ßon bt^ ^aifcrS 33art" unb bic „Dftfeelieber". ®o§ fc^önfte feinet Sieber ift tüof)I bie „Öffnung", in ber in rounberfamem ^on bo§ ß;r= luac^en bet @rbe im ^rüf)fing mefir angebentet alg bargeftellt roirb:

S^a mac^t bie (Srbc grünenb auf,

2Bci^ nirfjt, lüic if)r gefc^e^en,

Unb lac^t in hen fonnigen ^''imniet hinauf

Unb mb(^te öor 2u[t öerge§en.

(Sie flicht fic^ Blüljenbe ^'rän^e in§ §aor

Unb fd^mücEt fic^ mit Sfiofen unb ^i^ren '

Unb iä^t bie 33rünnlein riefeln flar,

2II§ toären 5"^ß"ben3är;ren.

®rum ftill! Unb tüie frieren mag, ^ ^erj, gib bid^ gufrieben! (S§ ift ein großer 9i?aientag S)er ganzen SSelt Be)(^ieben.

3lbcr aflc biefe Sieber leben faft nur burd^' it)rcn ^tang, ber bod^ f)ciufig an bie patl^etifc^e ^f)rafe erinnert. 'sDcr Sijrif fani biefer SBortfd^mung immerfiin 0"- gute, unb ©eibelä S^eale: ^oifertnm, 9?eIigion, 3lltertum liefen fid^ in folc^em ©e^ monbe rool^t ücrtreten. ©agte er t>od^ felbft non ficE) : „5Dret finb einer in mir, ber ^ettene, ber ßfirift unb ber ^eutfc^e." ©anj verfügen mn^te er aber ouf bramatifc^em Gebiet: feineä feiner Dramen („5?önig Sioberic^", 1844. /,^önig ©igurbs SrauU fa^rt^ 1846. „3JJeifter 3lnbrea", ein Suftfpiel, 1855. „S3runl)ilb'', 1857. ,;©opE)oni§be", 1864) f)at fid^ al§ Iebenöfäf)ig ermiefen.

^(x6)\t feinen Ir)rifd^en Sammlungen („©ebid^te", 1840. „^untuälieber", 1848. „^erotbSrufe", 1871. „©pät^erbftblätter'', 1877) finb feine Übcrfe^ungen afg fein eigentlid^eö Sebenömerf angufel^en. ^0, biefe ftefien nod^ über jenen, ba t)ier nur auf bie Se^errfd^ung ber po^etifd^en ^orm anfam, unb barin rairb ©eibet nod^ f)eute t)on niemanb übertroffen. HIS Sd^üter ^latenö roei^ er in feiner Umbidjtung bie feinften Sinien raieberjugeben. @r oeröffentlid^te mit ^oul ^cgfe 1852 ein „Spanifc^eg Sicberbud^", mit ^einric^ Seut^olb 1862 „pnf Sucher franjöfifc^er 2i)rir unb aEein 1875 ein „^laffifc^eg Sieberbuc^", nielleic^t bo§ bebeutenbfte SBevf feiner g^eber überf)aupt, „nel^mt aEe§ nur in oUem".

©eibet mirb Ijäufig üon ber ^liti! in ben 3:'agegfampf gebogen, unb ouc^ bie ^ird^e beruft fic^ nielfad^ auf \i)n, obroof)! r>on if)m SJerfe ftammen, bie iF)n burd^aus in bie 5J?äf)e ber ^pf)igenie ob«r %at))am beö SBeifen rüden:

So^I mit jebem 33efenntni§ öerträgt ein frommes ©emüt fid^, Slber ha§> fromme ©emüt ^ngt öom S3efenntni§ nic^t ah.

®eibel mar nidjt ein 3J?ann, ber fid^ irgenbeiner ©ruppe, einer Partei bienftbar gc^ ma6)t f)atte.

(£^e fie biente, ber 53oIf§pflrtein

Qtoxetx<x(i)t njeiter ju tragen,

Sieber »otlf ic^ am näc^ften Stein

2)iefe §arfe jerfd|Iagen. ^ «

@ei5el uub .i3epie, bie gurret beä Jlfüiic^eiicv I^ic^tertreife-S. 271

3Jiit bicjcr ©efinmuig luar ii)m biirc^aiiö cxnft. Sr mar ein ^ötcnjc^, ju bem feine ,3citgeno[fcn of)ne Shiönnl^me mit ©Ijrfurd^t aiifbUcften, rein in feinem SBotten, cjroß in feinem 55)enten. Seine gnnje ^crfönlic^feit fpricE)t firf) fd;li(^t, kfi^eiben unb roolir au§> in bem „®ebet", bnö tief cmpfnnben baä Sefenntniö eineö jeben Tic^terö fein fönnte unb' fein fotttc unb gar nid^t genug gebrudt merben fann:

§err, bcn id^ tief im ^er^en trage, f€i bu mit mit! ^u ©noben^orft in ©liirf unb ^lage, fei bu mit mir! ^m 23ranb be§ SommerS, ber bem DJhinne bi€ 3Bange bräunt, Söie in ber 3"9^r^^ 3RDfentage, fei bu mit mir! Se^üte mid) am 33orn ber ^^-reube öor Übermut, Unb tt)€nn ic^ an mir felbft üer^age, fei bu mit mir. ®ib beincn ®eift ^u meinem Siebe, ha'^ rein e3 fei, Unb ha^ fein SBort mid^ einft berflage, fei bu mit mir. ®eiu (Segen ift mie '^an hen 9fteben; nic^t§ fann iä) felbft, 5)oc^ ha^ \ä) fü^n ba§> §öc^fte mage, fei bu mit mir. D bu mein 2:roft, bu meine Stärfe, mein Sonnenlid^t, 33i§ an ha^ ©übe meiner 2;age fei bu mit mir.

Sflebcn ©eibel trat in 2Rünc^cn, mie mir hei ber Sctrad^tung jcneö Greifes bereits fallen, ^aul -^C^fc, gepriefen alö ber fdiönftc 5!JJann feiner 3cit-

^epfc rourbe am 15. Wiäv^ 1830 in 33erlin alö So^n bcö Spra(^forf^crö itarl 2BiIf)eIm ^etjfe geboren. Seine SHutter entftammte einer jübifrf)cn g^amitie: fie mar bie Xod^tcr bee ^ofjumcUerö Saaling. sDer ^nabe befuc^te baö 3^riebri(^= 2!ßil{)elmö=@t)mnafium in ber £o(i)ftra|e. W\t fiebjctin ^a^ren bejog er bie 33crUner Uniocrfitöt, rao er bei feinem SSater fomie befonb^rö bei ^oed^ unb Sat^mann flaffifc^e unb germauifc^e ^fjifotogie ftubicrte. ®urd^ feinen 35ater, ber in ber ^amiHe 2RenbeI§; fol^n ^üuölcljrer gcmcfen mar, ergaben fic^ Se^iefiungcu/ bie ber So^n namentlich na^ ber mufifalifd^cn Seite bei ^annq öcnfc[:5RenbeIöfüf)n auSnu^tc. (Seibei fül^rtc ii)n in taö ^au§ beö Äunft^iftoriferS ^^ranj ^ugler ein, mo bamalö faft baö gonge fünftlerifd^ bebeuteube 33erlin üerfel^rte. ^ier lernte er feine fünftige (Sattin äRargaretc, öie ^oc^tcr beö .^aufcö, fennen. ©ine ^rimanerliebc ju ber Urenfelin 6l)arlütte üou Steinö nomcn-S 3(nna, bercn ßltcrn jeitmcife Don bem Stümmfdf)loffc Äo(^berg nac^ Öerlin=Sc^öneberg übcrgefiebelt roaren, mar t>on beiben 53etci[igten injroifc^en mit tSrfolg überrounben morbcn. ^m 5luglerfcf)cn ^aufe traf er aud^ mit ^^^KP^ ^O" ©ic^enborff, 3lbolf 3)leu5el, 3:^cobor j^antane unb '^atoh 33urcfl)arbt jufammen. Sßeiterc 3lnregungen bot if)m bie SSereinigung oon Siteraten unb i^unftfrcunben in bem bt- fonnten „Xunnel über ber Spree", beffen 3Kitglicber bcfonbcre 9?Qmcn füfirten. So i)k^ g^ontane Safontaine unb .dci)fe ^öltr), ba er fid^ burd^ ein felir fcntimentalcö ®t'^ bi(^t einführte. ?iadf)mittagö fam man l)ier jufammen, laö üor unb fritiftcrtc boö (Selcfenc.

2|m ^a^re 1848 trat ^etjfe frci^eitöbegciftcrt in baö freimifligc Stubentcn^ forpä ein unb gab mit einigen ^^cunben ein .^eftc^cn Sprif l)crauö. ?5ann ging er nad^ 58onn, tüo er fid^ unter ^^riebric^ 2)ieä befonberö ber romanifc^en "(piiilologic mibmetc. ipier oeröffentlic^te er unter bem ^fcubonpm eineö „fal)rcnbcn Srf)ülerö"

272 Sßon ber olten gut neuen Äunft.

feinen ^.Jungbrunnen", eine ©ammlung wn 3J?drd)en, bte er in 33erlin für ^uglerS ^inber gcbid)tet i^otte. darauf folgte ha§> SSeröbrama ,,^rance§fa ha 3ftimini", boö er nun unter feinem üollen 9^amen bei Sßilfielm $er^, bem SBefi^cr ber 33ef[erfd)en Söud^^onblung (feit 1901 J. ®. ßotta), l^erauägab.

3m 9Jiot 1852 beftanb er ha^ S^oftoreyamen mit einer ^Differtation über ben Sftefrain in ber ^oefie ber ^roubobours : „®ie ^oDegen meineö 58aterä", er§ä^It er, „glaubten eS if)m fd)ulbig ju fein, \\)x Jntereffe on feinem ©o^n boburc^ gu bezeugen, ta^ fie iijxi fc^orf in§ ©ebet na!^men. Unb fo ermies mir ber alte ^oedf) bie ®!)re, fid^ über eine ©teile in Slriftoteleä' ,^oetif lateinifd) mit mir gu unterfialten, 3:;ren: belenburg griff eine üon mir aufgeftettte %^z'\e über ©pino^a ouf, ^Ranfe Iie| fic^ unter anberem bie ^^il)t ber gotifc^en Könige, bie in ©ponien ge^errfc^t, t)on mir fierfagen jum ®lixd IjatU \<i) fie mir guföEig eingeprägt bis auf einen einzigen; ben Sfianfe felbft b«nn l^injufügte ber greife von ber ^agen legte mir feine SluSgabe bes D^ibelungenliebes oor unb lie^ mid^ ein paar ©tropfien überfefeen/' '?flü6) ber Prüfung, bi'e ber grimmige ©yaminator Immanuel 33e!fer rerooKftänbigte, fanb noc^ an bemfelben ^^age bie öffentlid^e SSerlobung mit 9Jlargarete ^ugler ftatt. 5Dann ful^r ber junge S)id^ter unb S)oftor, auögeftattet mit einem ftaatlid^en S^icifeftipenbium, in Segleitung feines ^S^reunbes Dtto 'tRihhed naä) Italien, um bie bortigen 33ibriotf)efen ju burd^forfd^en. ®iefe S^ieife mürbe für feine ^unft entfc^eibenb.

Unb nid^t nur für feine ^unft. ^ier in Italien empfing er bie 9lnregung, ber Sßeltliteratur burd^ l'lbertragungen gu bienen, roic feine fpäter erfd^ienenen ©amm= lungen, baS „Jitalienifc^e SicberbucE)" unb feine ©efomtouSgabe ber italienifc^en 2)icE)ter bes 18. unb 19. Sal)r^unberts in fünf Sänben beroeifen. 2lm liebfteu mar er in ©orrent, mo er am 11. 3IpriI feine „^cimfel)r jur ^flatur" bid^tete; mc feine 9Jleifter= no-oeHe „L'Arrabbiata" entftanb; mo er mit bem g^reunbc ©c^effeC, ber üon ©apri fierüberfam, in ber Verberge j,Rosa magna" fa^ unb fid^ ron ben .IgauStödEitern jut ©itarre fingen lie^; mo feine St)rif reid^e ^lönge fanb:

2Bie bie 2;oge fo gelben verfliegen, 2Bie bie 9^ac^t fitfi fo feiig berträumt, 2Bo om gelfen mit Sßogen unb Sßiegen ^ie gelanbete SSeKe oerfc^äumt, S3o fid^ 58Iumen unb grüd^te gefeKen, ^a^ ha§> §er5 bir in ©tounen entbrennt D bu fd^immetnbe SSIüte ber SBellen, ©ei gegrüßt, bu mein fc^öneS ©orrent.

^oneben rerga^ er nicEit, nad^ ungebrudten S^ejten ber ^roubabourS ju fud^en. 2lber in ber oatifanifd^en 33ibIiotI)cf litt man ben 3)id^ter ber „?^rances!a ba 3?imini" nid^t. 33alb nad^ ber ^eimfef)r raurbe er burc^ ©eibels 58ermittlung ron aJlapimilian IT. t>on 33ar)ern mit einem ^id^tcrgel)alt oon jäl^rlic^ 1000 ©ulben nad^ 3J?ünc^en berufen. 3(m 15. 3Jlai 1854 I)eiratete er, unb ac^t S^age fpäter traf baS junge ^aar in 3Jiünd^en ein, mo eS balb I^eimifdl) rourbe, obrool)! alle biefe „5RorbIic^ter" oon ben ©übbeutfc^en äunäc^ft wenig freunblic^ angefefien mürben. ^^In ber S'olge mürben i^m oier Äinber geboren.

©eibel unb |)epfe, bie güfirer beä 3Künc^ener 35ic^terfreife5. 273

3Son bem literariji^cn ßeben innerl^olb b€§ Wlün^encx Äreifcä ift bereite Die ^zhe gen>efeTi. ^n bem näd^ften ^a^rje^tit fd^rieb ^erifc unter anbcrem bie er|'ten vier Sänbe feiner '^oveUen. 1858 errang fein ^tama „$Die Sabinerinnen'' in bcr uon ^önig Tlajc anögefc^riebenen ^onfurrenj ben ^t^eiö, ben bie norbbeutid^e ©ruppe um fo freubiger begrüßte, als ber ^Jiame beä 25er[afferö oor ber SSerfünbigung bes Urteilä unbefannt blieb.

ein 3af)r Dorfier machte ^er)fe auf einer ©c^roeigerreife bie Se!anntid;aft ©ottfrieb £eEer§. "^n ^Künc^en ftanb er bem bamalä oon (Sorgen bebrängten 3(rnoIb S3öc!Iin jur Seite.

5Durd) bie 58ermitt(ung ber SJiutter feiner erften ©eliebten, ber ©nfelin bcr ^rou von Stein, lie^ ber roeimarifcEie @ro^f)ergog if)n fragen, ob er nid^t 3Jiün^en mit 2Beimar üertaufc^cn möchte, ^eboc^ -^e^fe Ief)nte ah unb rourbe bafür mit einer (ix- ^öi)ung feineö ©e^alteg um fünf^unbert ©ulben ouögejeidEinet.

©rlebnisrcicf)e 3:;age oerbrac^te er al§ ©aft be§ Jlönigö in Ser^teegaben unb in ber ^pfalg fomie in SBien, roo er Hebbel unb ©riHparjer fennen lernte. Sllö feine ©attin nad^ ber ©eburt be§ oierten ^inbeö an ber Sunge erfranfte, 50g er mit if)r nod^ 3J^eran. SSergebtid^! „^rfi barf nic^t flagen", fagte fie, „bin fo glüdlidE) gemefcn roie rocnige." 2fm 30. September 1862 ift fie geftorben. 9iur IV2 '^a^n fpäter, am 10. 3JJar3 1864, fd^ieb auc^ ber ^önig auä bem Seben. Unb im Dftober beöfelben ^at)reö oerlor .§et)fe feine 3J^utter.

Sn bicfer traurigen 3eit, in ber feine Sd^miegermutter ^tara i^ugler feinem ^aufe üorftanb, manbte er fi^ mcf)r ber ^^ragöbie gu. ^ngroifd^en fernte er bei feinem ?^eunbe, bem Eomponiften 3flobert oon ^ornftein, in beffen .^aufe er im obeVen Stodf roo^nte, gefegentlid^ einer StbenbgefeUfd^aft ein junges, no^ nid^t 17 jäf)rigcö 9}^äbd^cn aus feiner bürgerlidEier ^^^amilie, 2tnna Sd^ubart, fennen, beffen „fd^Ianfe, F)ocf)geroa(^= fen^e ©eftalt unb an füblid^e Sdf)önf)eit erinnernben ^üq,\:" it)m „fd^on öfters (Sinbrucf gemacht F)atten, menn fie mit if)rem Ieicf)tcn, anmutigen ©ang in einer ber 5)?ünd)ener Strafen an ber Seite ifirer 2Rutter" it)m „üorübergcfc^ritten mar". ScE)on am 6. ^uni 1867 oermöf)Ite er \i6) mit if)r, unb er t)atte tro^ be§ 3t[ter^unte:fd;icbe§ üon ^maujig ^af)ren nic^t ju bereuen. ^ einer ein f)olbc§ 3aF)rt)unbcrt roäF)rcnben ®F)e, bie nur ber ^ob groeier Äinber trübte, I)at er neues üoHenbetcö @(üc! gcfunbcn. 6r felbft geftef)t, bei biefer gmeiten 3BaF)[, jumal cineö ganj jungen 3JJäb^cnö, „mef)r ©lud alä SSerftonb" gehabt ju ^aben, benn „roieoieleö gcl)ört ju einem ruf)igen, l^ar= monifc^en ei)eglüd, roaö felbft bem jei^entunbigften 5lugc fic^ nid)t foglci^ entl)üllt, fonbem erft in längerem ^"f'i"^"^^"^^^^^" jutage tritt", unb, fo fügt er ^'m^n, „in meinem glatte baä 2BidE)tigfte : bie leife, fidlere ^anb, mit ber bie ©rjieliung junger ^inber geleitet fein roiU". 2)ie jQo^jeitäreife fül)rte bas ^oar nn^ Italien.

1871 perlor ber 2)ic^ter feinen ämeitälteften Sol)n ©ruft, roenige Stunben, beoor feine ©attin einem ^inbe haö Seben gab. 1873 ftarb fein j^reunb ^crmonn Äurj. 1874 na^m fic^ fein Sd^rcager $ans ^ugler, um feinem quaUiollcn Seiben ein ©nbe äu macfien, baS Seben, unb unmittelbar barauf tat baöfelbe feine Butter, beibe mittels 3Jiorpl)ium. 1877 ftarb aud^ baS an jenem UnglüdStag« geborene Äinb. So

Oe^lfe. Die bcutfc^e ßitetatur feit ©oct^cÄ Xobc ufm. 18

274 ißon ber alten jur neuen tunft.

trafen ben 2)irf)ter rajd; nac^einanber bie ©cEiidfalöfc^Iäge. ^Tncbcrum lucEiten Die ©atten in Italien boö ©lud, baS i^nen fo ftorf erfrfiüttert raar.

SHu^ig üergingcn bk nöd^ftcn ^Ql)rgcl)nte. 1899 ertrnnfle er, früher [d^on netoös feibcnb/ nn Sungencntäünbung. S)ic nad^ften ^a^te vcrkhte er mit feinet ^amilie meift in einer Scilla ju ©arbone am ©arbofec. Später mürbe bag .^auö üon einem Seipjiger SSerlage angefauft unb p einem ®r^oInngsf)etm für feine 5Jutoren beftimmt.

3u feinem 80. ©eburtstage 1910 mürbe bem ^ic^tcr uon ?[Rapimilifin§Il. 33rubcr, bcm ^rinjregenten Suitpolb, ber perfönlidEie Ibel, oon ber Stabt 9)Hin(^en bag ©I)rcnbürgerre(^t nerliei^en. Sßenige Wlonait fpäter erf)ielf er t'on ber ©toc!: bofmer 3Ifabemie ben 91obcIprei§ für Siteratur. 2tm 2. 3tpril 1914 ift er im Kter üon 84 ^iaf)ren gcftorben.

§ei;fe§ 9?ul)m berul)t mit S^ec^t auf feinen munberfam feinen ^flopellen. Sr rerlangt, bo^ bie S^ocelle unS bnr(| einen nngnnöfinnc^en SSorgang, einen bcfonberen feelifd;en, geiftigen, fittlid^en SBiberftreit im fleinen 9iaf)mcn mit fc^arfem Umrife neue ©eiten ber 9)ienfd)f)eit offenbare, ^ebe 9lot)cIIe muffe it)ren Ralfen {)oben (nad; 93ocoaccio§ „§et>erigo mit bem Ralfen"). 3Son feiner erften (1855) nnb freilid) fdjönfte ^RoüeHe („L'Arrabbiata") an f)nt er feine eigene gorberung erfüflt. %u6) biftorifd^e ^erfönlid^feiten lä^t er auftreten, mie mit befonberer QUeifterfdEiaft in „9]erina" ben oerhüppelten ©id^ter bes ^ieffimi§muö, ben ftalienifd^en ©rufen Seoporbi. ?^reilic^, alle biefe 9^oüeIIen finb mc^x ?^orm alö 3BaI)rI)eit. 9J?an bemunbert fie ben SJiarmor if)rer fünftferifc^en 58ilbung mel^r, alö ba| man fie nacherlebt. Überall fud^t ber ^Did^ter ben inneren 3lbel beä 3Jtcnfd)en, fuc^t er bie ©c^önf)cit auf, aud^ im äu^erlid^ ^ö^Hd^en. 3)abei beüorjugt er bie SSegiefiungen jmif^en Wann unb Sßeib. ^axt, faft frauenl)uft finb bie 3ügc/ t)ie er jeic^net. ^n ber ^SerSerjäpung („^er Salamanber", „^bptten ron ©orrent'', „<St)ritf)a", „^önig unb ^riefter'', „®ie S3rüber", „'^ie ^urie", „^aö ®oet^eI)au§ in SBcimar") mirb er nur oon menigen errei^t.

^et)fe Ijat ungefähr ein Ijalheß ^unbert 3)ramen gefd^rieben, oon benen fic^ nic^t ein einjigeö als Iebenöed;t erraiefen l^at, „§an§ Songe" (1866) unb „^olberg" (1868) nidE)t ausgenommen. $Da§ alles ift $De!Iamation, aber nicf)t ^anbfung. ©elbft „3JJario oon SRagbala'^ oerbiente fc^merlid^ ben SSorgug, oon ber ^oli^ei oerboten gu roerben. Sein befties ©rama ift mol)[ „§abrian".

S[Böf)renb hü§ Urteil über ben 9^ooeIIiften unb ben 2)ramati!er ^et)fe giemlid^ feftfte{)t, ge^en bie SJieinungen über feine Slomone no(^ ^eute fel^r auSetnanber. SBirf: Iid)e Sfiomane^finb eigentlid) nur ber „3toman ber Stiftsbame" unb „ßrone ©täublin". ^ie übrigen bagegen finb m'el)r epif(^e ©ntmidrungen beftimmter ^robtcme. ?iie^fc^e§ Seigre be{)errfd)t „ilber allen ©ipfeln". ^n ben „JRinbern ber SBelt" bel)anbelt ber S^ic^ter in roenig anjie^enber SBeife bie ?5rage, ob bie ©löubigfeit beS ^Jienfd^^en feinen 2ßert beeinftuffe. @r antmortct natürlich „uein"', ©efinnung unb %at allein Der= mögen bae. ^er 9fi'oman „^m ^arabiefe" mibmet fid^ ben ?^ormen ber 33«rbinbung oon 3JJann unb 2ßeib. ^m „3)ierlin" mirb ber lam^f beS ^bealiömus gegen niebere

SBobenftebt unb bie übrigen S^ic^ter beg aWün(^encr Äieii'cs.

275

^läc^tc gcäeic^iiet. ift arfo immer ein ©runbgcbanfe, um bcn fid) bie barflcficUtcn ©reigniffc friftallifieren.

3ßenig hetmmt ift ber Si)rifcr ^cr)\c, uiiD iioct) mcnigcr ber @pruc^bid)ter. '3)a§ liegt baran, ba^ man gerabc auä) auf bicfcii ©ebietcn uici empfinbuiig ober oiel 2Beiö^eit, aber wenig ©löttc erioartct. (Se ift ein fd)rerf)teg £ob für ^gfce ©ebic^tc unb Sprüche, ba^ an if;ncn fo gar nichts ju tabe[n ift. ^od; ift nic^t alles fo. ®rgreifenb finb tro^ i{)reT öuperen ^unft bie ^^^otenlicber", bie „$Rifpctti'' unb „2:riftien", fc^ön bie „Stäbte- bilber" fomie bie jal;rreid)en Sonette, in benen er anbcrc ^id^ter d^arafterifiert, roie atorm, Heller, ©cibel, ©ic^cnborff, Äurj unb Singg. Unb fo rec^t au§ ticfftem ©runbe ^eroufgefungen ift baS Sieb, tia§, auä) feines Sebens ^nfialt gcmefen ift üon Einfang bis ju ©nbc, ,,über ein Stünbicin":

Xulbe, gcbulbc bic^ fein!

Über ein ©tiinblein

5ft beine Slammer t)o(( S

oune.

Über ben girft, mo bie ©loden l^angcn, ^sft fc^on longe bei Schein gegangen, @ing in be§ S;ürmer§ genfler ein. S^er am niic^ften bem Sturm ber ®Iocien, ©infam mofjnt er, oft erfdiroden,

Xod; am früfjften tröftet i^n Sonncnid;ein. 2Ser in tiefen &a\\en gebaut, .§ütt' an ^üttlein le^nt fic^ traut, ©locfen ^ben i^n nie erfd)üttert, SBetterftral^I ifjn nie umgittert, Slber fpät fein 9[J?orgen graut.

^ö^' unb Siefe ^at 2uft unb 2eib. Sag i^m ob, bem törigen 9?eib; "^Jlnbrer öram birgt anbre SBonne.

Dulbe, gebulbe bid^ fein!

Über ein Stünblcin

5ft beine Kammer öoK Sonne.

7. ©oiJcnftcÖt unö bie üöriflcii tit^tcr öcs( ÜIJiüiK^cttCv Äveijcö.

3Jon bcn 2)ic^tern beg 9)iüncf)enct 5lrcifeS ftanb ou^cr ©cibel unb .§et)fe bem Äönig Tla% II. am näc^ften ber Sänger ber Siebet Tlir^a Sd;afft)ö.

Jricbriclj Jöobcnftcbt mürbe am 22. 3(pril 1819 in ^eine bei .§ilbcöf)cim ge; boren. Urfprünglid) für bcn faufmännifd;cn ^ernf beftimmt, bcfuditc er boc^, auto-- bibaftifc^ oorgebilbct, bie UniDcrfitätcn ©öttingcn, 5[Rün(ibcn unb 33cr(in, um ^f)iIo: fop^ic unb ^f)i[oIogie gu ftubieren. iBefonbcrö con bem Sebcn frcmber Sprachen an; gcjogen, naf)m er 1840, alfo im Stitcr uon 21 3al;rcn, eine Stellung a(g §auö(cf)rer bei bem g^ürftcn ©ali^in in 3J?0öfau an. ^icr blieb er brei ^abre, mäl^renb bereit er oud^ bie llfraine unb anbcrc ruffifd)e ©cbicte fcnncn lernte. 1843 rcröffentli^tc er eine Sammlung t)on ©ebic^ten ^ufd)tinö unb Scrmontoffö, 1845 tlcinruffifc^c 58oIf§Iieber unter bem ^i^itel „®ic poetifci^e Ufrainc" in beutfc^cr Übcrfe^ung. Sdjon im 3icd)rc 1843 folgte et ber ßinlobnng bcS ©enctalö oon ^Hcitljart, Statil)altcrö beS Äaufafuö, in X^ifliö ein @rjiet)ung?=^nftitut ju leiten, ^n biefcr 3^1* ^'^i^ er fic^ t>on ^Kirjo Schafft), bem Steifen ron ®jänbfl)a, im Xatarifc^en untcrtid^tcn. Wi feinem i^cunbc SRofen untetna^m et einen größeren 3Iu§flug naö) 9trmenicn. gcrnct bcfuc^tc er bie ^rim, .Konftantinopcl, Älcinaficn unb tcbrtc über 3ttl)cn, bie gried)ifd)en ^^ff^"/ 5lorfu unb Trieft nad^ ^eutfd^lanb jurücf.

18*

276 'Hon ber alten giir neuen Äunft.

^ier fc^rieb er junäc^ft fein Suc^ „®ie 5ßöl!er beö £au!ofu§ unb it)re grci^eits= fömpfe gegen bic gfiuffen". S)en Söinter 1847/48 üertebte er in Stdien. 1848 rebigierte er ben „öfterreid^ifd^en 2loi)b". ®ann ging er nac^ 33erlin, üon wo er 1849 aU 5ßertretcr ber beutfc^en greif)onbeIgpartei m6) ^oriö gefonbt TOnrbe. 1850 überno^m er bie 3flebaftion ber 2Bef€r=3eitung in ^Bremen, ^n biefer Seit (1849/50) erfc^ien fein 2Berf „Xaufenb unb ein S^ag im Drient" mit ben „Siebern beö 3Kirja ©c^afft)", bie bann (1851) üu6) für fic^ aUein l^erouSgegeben mürben. SBäfirenb bort bie Oebic^te als SBerfe be§ Söeifen oon ©jänbffia eingeführt mürben, üerrät I)ier fc^on ber Sßibmungöprotog „9In ©blitam" (rücfmörtö ju lefen), ba^ ee ficf) um ganj perfön= Hdie SiebeSbefenntniffe beS ^ic^terg S3obenftebt l^anbelt:

foll be§ 2eben§ frif^er 3)Tang 9iic^t in gefudjtem ®ram berfümmern Unb nur ma§ greube bieten mag, (Sott auferfte^en im ©efang! SSec^altner ©djmerj unb ftete (Spannung gü^rt gur (grfc^Iaffung, jur Entmannung. ^a§ ©d)Iimme ftellt öon felbft fic^ ein, Unb Wer fic^ freun miß, mu^ bannen, Gin fro^§ Sieb, ein 58ec^er SCBein: Unb oUe ©orge ^iefit bon bannen! 9iur Wer fic^ recfjt be§ S€ben§ freut, ^rägt leichter, ma§ (Scf)Iimme§ beut

SSott Don Siebe gehöre biefe Sammlung ©blitarn: ^Xie bu ben grieben mir befc^ieben, S)ie bu bie Siebe felbcr bift. ®iefe ©blitam mar 3)latilbe Dftermalb, ^oc^ter eines ^effifc^en DffigierS, mit ber fi(^ ber ©ic^ter bamals üerlobte unb balb barouf auc^ üerf)drotete.

®ie Sieber bcä ^J^irja Scl)affr) näl)ern fic^ ber 200. Stuflage. (gin Suc^, bag in mel)reren ^unberttaufenben üon (gyemplaren nerbreitet unb nic^t allein als ©e= fc^enf für aJiäbc^en unb ?^rauen beliebt ift, trägt einen geroiffen SBert ol^ne weiteres in fic^. ®ewi^ finben wir in biefen 5ßerfen nic^t gro^e STiefe. 2lber au^ ba§ Seiditc unb duftige („SBenn ber ^rül)ling auf bie Serge ftcigt") ^ai feinen wo^rerbtenten ^k^ in ber Siteratur. ©ä wäre \6)m um ben ^nl^ait ber oielen ^oefieolbum§ fd^obe, wenn bie ©intragenben biefe unnerfieglid^e Duelle nic^t l^ätten. (Geflügelt fd^weifen bie Sieber burd^ ©orten unb ©alon.

®g ^at bie ^o\t \\ä) beflagt, 3)a^ gar gu fd;nell ber ®uft berge!^, ®en i|r ber Sen^ gegeben \)abe ®<t fyih' \ä) ilir äum Stroft gefagt, ^^ er bnxä) meine Sieber we^e Unb bort ein eWige§ Seben ^aht.

Sltö Sflofenbuft mog man biefe ^oefie gelten laffen. ^er 3ftofc fü^er 2)uft genügt, Tlan brauet fie nidE)t ^u bre^en Unb wer fic| mit bem ®uft begnügt, ®cn wirb i^r SDorn ni(^t ftecfjen.

33obenftcbt uiib bie übrigen 2)ic^tec bes 2)iünc^ejicr Ärcifce. 277

SBorum aljo f ollen rvh un§ mit folc^em Sfiofenbuft, ift er aud^ ein bi|d)en fd^road^, n'idft begnügen!

©Ott ^ie^ bie ©onne glühen Unb leuchten bur^ alle 2öelt; ®r l^ie^ bie 9?o[e blühen Stuf buftigem Slumenfelb.

(Sr gab ben 58öglcin ®efieber, 2)em SCJJeere fein e>t>ige§ 9Rau)cf)en, 9}?ir gab er finnige Sieber, (&uä) D^ren, i^nen gn laufd^cn.

SJJon ift leicht üerfucEit, Sobenftebt mit Siüdcrt ju Dergleichen, älber ba^ ift falfd). 3fiü(fert mar ein ernfter ©pradfiforfc^er unb 2)enfer. 3)er 'Did^ter ber SJJirja ©c^affp; Sieber fprirf)t nur 2)inge aug, bie jebes 9JIenfd^enfinb qu^ ot)ne il)n mei^. ^arum mirb er fo fleißig gelefen: er marf)t !einc 3tnfprüd^e nn bcn (Seift. (g§ ift gang un= möglich, ifm nid^t ju oerfte^en, ift aber raof)I möglich, nid^t ju üerftef)en, roarum er flad^e 2Baf)rf)eiten mit großem 3tufroonb an blinfenben SBörtIcin unb 5ßer§lein i)or= trögt. S)od^ raurbe ja fd^on gefagt: aud^ biefe ^oefte f)at \\)x ®afein§red^t.

SF)r erfter S^iafimen, ,,5raufenb unb ein '^aq im Drient", unterfcEieibet \i6) nur baburc^ ron einer Sfieifebefd^reibung gemötinlid^en <Stir§, ba| f)ier ber ^^ontafic größere g^rei^eit gemöf)rt ift, namentlid^ bei ber ©d^iiberung be§ roaderen SJiirja Schafft) fclbft, rom 5. big gum 10. unb fobann im 22., 26. unb 28. Kapitel, rao bie legten Sieber erfd^einen. ^m '^ai)xt 1849 f)atte eine foldEie ^ultur= unb 9?eifcfc^ilbe= rung notürlic^ einen gang anberen Sßert aU fieutc.

®ic näd^ften ^a^re rerbrad^tc ber ®ic^ter in Gaffel, ^^ricbric^roba unb ©ot^o, big er 1854 üon ^önig SJ^ap 11. nad^ SJJünd^en berufen murbc. ®omit mar eine ^rofeffur für flamifd^e Sprachen unb Siteraturen an ber bortigcn Unioerfitot rer: bunben. @r f)ielt baneben bcm ^önig SSortroge über 9f?eifen uub nid^t nur über bie eigenen, naf)m regelmö^ig an bcn (8t)mpoficn teil unb begleitete feinen ©önner 1858 auf einer SBanberung burd^ ba§ bat)erifd^e ^ocEifanb. 33on ben 2(rbeiten biefer '^df)re finb bebeutenber alg bie poetifd^en bie Überfc^ungen, bie in ber breibänbigen Samm- lung „©I)a!efpcare unb feine 3ßit9^offcn'' erfc^ienen. 1861 übertrug er Sbnfefpeareö Sonette ing ^eutfd^e. 1867 mürbe er infolge feiner SF)afcfpeare=Stubien üon bem funftfinnigen ^ergog ©eorg oon Sa(f)fen=3J?einingen jum S^fieaterintenöanten ernonnt. 1)a ^önig 9Jtaj: 1864 geftorbcn mar, folgte er gern bem 9Ruf. ^eboc^ fc^on na^ gmei ^ofiren lie^ er fid^ jur 2)igpof{tion fteHen, ba er bem 3tmt fiJrperUc^ nic^t ge= roa^fen roor. ^n ber g'olge oeröffentlid^te er, getrieben non ber Sorge für feine uielföpfige f^amilie, eine $Reif)e üon ^Romanen unb Sf^oDeüen. 58ön feinen ft^ifd^cn Sommlungen fei bog Sieberbu(^ „9lug bem 5f?acf)Ia^ 3Jfirjn Srfjaffpö" (1874) erroäl)nt. 1878 Iie| er fic^ in SBieSbaben nieber.

Sobenftebt mar ein ^id^ter ber ©efcHigfeit. 9(uc^ f)ieiburcfi unierfrfiieb er fic^ lebhaft ron bem in befd^aulid^er StiHe finnenbcn S^üdert. Sieidf^cr Umgang mit SJienfd^en mar iF)m 33ebürfniö. SBer bag rechte Sitb oon i^m Iiobcn mill, mu^ [\ä) if)n beim ©lafe Seft beuten: plaubernb, rejitierenb, improoifieicnb. 3^aft immer In darmlog glüdlit^er Saune, \)Qt er moF)I niele nid^t befriebigt, aber ou^ fid^ feinen mirflid^en ^einb gefcf)affen.

Seinen legten Sebengjafircn gef)ören neue oergeblid^c ^crfurfie an, fi^ als

278 ^oit bev alten gut neuen Äunfi.

3)ramatifcr burd)5ufc^en. &r über[c|te ferner 1877 ^a\i§>, ben „Sänger uon Sd^iraö", uiib 1881 bic „Sieber unb Sprudle be§ Dinar ©fiajjäm" aus bcm ^erfifc^cn. 1880 maä)k er eine 'J^eife nad^ 3tmerifa, bie er 1882 in [einem S3u^ ,3om 3ttlanti= fd^en jum Stillen C^can"' jdfiilberte. 3Uö ^eranggeber roor er gule^t auf ber „'^äg= (ic^en Sf^unbfc^au" genannt; inbeffen befcEiränfte ficE) feine SJlitarbeit auf bie ®in- fenbung gelegcntiicficr poctijc^er Beiträge. 3lm 18. 9(pri[ 1892 ift er in 2öieöbabcn geftorben.

^t;rer ganzen gciftigcn ©igenart nad^ laffcn fic^ non ben '3)id^tern beö 'Diünc^encr ^rcifeö mit ^Sobcnftebt nm cl^eften iiergleid^cn Sc^ad nnb ^er^.

dkttf 5tbolf J^'ricbrid) öon ©djorf mürbe am 2. 3Iuguft 1815 in Sc^merin gc= boren. ®r ftubiertc in 33onn, .^eibelberg nnb ^Berlin 3ura, orientaüfc^e Sprachen unb Sitcraturen, bereifte ben Drient, Spanien nnb Italien, mar einige ^a^vc medtcn- burgif^er ©efc^äftöträger unb ging 1855 ju ^ön'ig SJiay II., bcr if)n eingelaben l^atte, nad^ 3JJünd^ien, roo er feine fpäter berübmte S3ilbergalerie fcf)nf. ®r {)at mefentlic^en 2lnteil an bem 2BcItrur;m 33öcflins, g^euerbac^ö, Sd^minbö nnb ßenbac^ä, ben er mit größeren 9ütfträgen nad^ Italien unb Spanien fanbte. 2lls Sprifer I)at Sc^ad felbft nur geringe Scbeutung („©ebid^te", 1866. „Sotoöbtätter", 1882. „2^ag= unb ?torf)tftücfe", 1884), aU It)rifc^cr Überfe^er bagegen unb gü^rer burc^ ben ©eift frembev Literaturen ift er unübertrefftid^ („Spanifc^eg 'X'ij^akx", 1842. „^elbenfagen beö ?^irbufi", 1851. „Sftomanjen ber Spanier nnb ^ortugicfen'', 1857, (efetere ju; fammen mit ©eibel). Seine t)iftortfdf)en 2(rbeitcn gur SBeitliteratur bebaupten and) ^eute nod^ i^ren 2Bert („^oefic unb Hunft bcr 3(raber in Spanien unb Si^iüen", 1865). Seine epifd^en ^Dic^tungen (§. S. „®urc^ atte 2Betten", 1870. „2)le ^lejaben", 1881) erfreuen mcniger burc^ ibren äufammenfabuücrten S^il;alt, alö buicb ben SBo^tftang ber SSerfe. Sf^cc^t einfd^ä^en fann man ScEiad nur unter bem mert: literarifdfien ©efid^töpnnft : F)ier ift er mirflicE) bal^nbredjcnb geworben. 1876 mürbe er oom ^aifer in ben (Srafcnftanb crfioben. 2Im 14. 3(pril 1894 ift er in 3ftom geftorben. . .

^m (Begcnfa^ gu Sd^ad, an ben fein Talent im übrigen erinnert, roibmete fic^ SÖilÖclm §cr^ faft ausfc^tie^lid) ber .^eimatöpoefie. ®r rourbe am 24. September 1835 in Stuttgart geboren unb ofs junge SBaife im ^aufe feiner ©ro^mntter erjogcn. _ 3uerft erlernte er bic Sanbmirtfd^-aft, bann (1855) manbte er fid^ bem Stubium ber ^llilofopbic unb Stftlietif ju. ^n perfönlic^e 33eäief)ungcn trat er ju lllilanb. 3Rtt ber Scfjrift „Über bie epifd^en ®ict;tungcn ber ©nglänber im 5!Hittclatter" ermorb er bie ^ottormürbe. 1859 erfi^icncn feine „(Sebid^te". @r mar bann eine 3^itf^"9 Dffijier, ging aber balb na6) SJlünd^cn, mo er fid^ an ber Unioerfttöt liabilitierte. Stubicnrcifcn füljrten il)n nad^ ©nglanb nnb ^ranfreid). 1869 murbc er au|erorbent= lieber, 1878 orbcntlidier "profeffor für bcutfc^e Sprad^e unb Literatur an ber SJ^ünc^ener •Sec^nifdien .§od;f(^ule. @r beteiligte fid^ an bciben 9Jlünd;ener ®id)terbüc^ern unb n>or auc^ eifriges 9Jfitglicb bcö „5!ro!obil". ^erfönlid) mirb ibm nad^gcrübmt, bof5 fein golbenes Sad^cn niemanb lad;tc fo! jeben in bcr Seele frol) gcmad^t l^abe. Seine eigenen epifdjcn ^ii^tungen roie „Sangelot unb ©incina" (1859) unb „^ugbietric^ö

Sobeuflebt unb bie übrigen Siebter be§ iDKind^cner ÄrcifeS. 279

^5rautfQf)rt" (1863) erneuern in ^ierlic^er ^orm Die mittel^ot^beutfrfien oagenftoffe. 3tm befanntcftcn ift iein ÄIofterniärrf)cn ,,58rubcr Sinufi^" (1882), wo ein f)eibnijc^cö 2Birf)teImän-nd)cn bie[e§ Dinmens, ba§ ^a^rljunbcrte in einer 33ergeöfpQlte rerjc^lafcn liat, nun auf feine 2Beife in bem an jener StcHe iujwifd^cn gegrünbeten ^lofter in ^ötig!eit tritt. ';)hi(f) ,^er^ aber mar roie S(^acf in erfter Sinie Übcrfe^er unb nm= bic^ter. ©ottfrieb i>ün Strapurgö „STriftan unb ^fotbc" (1877) unb ^^olframö „^arjioal" (1898) genianncn fid^ in iF)rem neuen ©emanbe je^t erft ungeääf)Ite Scfer. ©ein SJiciftcrftüd ift baä „Spiclmanngbuc^" (1886), eine Sammhmg fraujöfifc^er @peu auö bem 12. unb 13. 5aF)rf)unbert. .^er^ ift e§> ju banfen, wenn dou ber rülirenbcn Siebe 3(ucaffinö unb ^licolcteö beute nid^t allein bie Siterarbiftorifcr uuD Sprnd^forfd)cr etiüaö tuiffen. 3(uc^ baö „9?oIanböIieb" röurbc t)on ibm uerbeutfrfjt. 31m 7. Januar 1902 ift er geftorben.

^er^ tjot fo in ber Sinie meitcrgeroirft, bie Raxi Simrod (1802 1876), ber tBüuner ^rofcffor, mit fooiel ©lücf be^eid^net fiatte. Xo muffen mir beun fog[ei^ nod^ etneö onbern SJianneö gebcnfen, ber, menn er aud^ nic^t ganj in biefen ^reiö gef)ört, bodf) jcitmeife mit iF)m oer!ef)rt unb nlö @aft am ^ifd^ ber „^rofobile" gefcffcn bat. ^a§ ift Si^il^dm l^orbou. ©ein Seben mar bcroegt. @r mürbe am 8. Februar 1819 in ^nfterburg geboren, ftubiertc in ^önigöberg juerft ^I)coIogie, bonn ^f)iIo: fop^ic unb 3^nturmiffcnfc^aften, fc^te barauf feine ©tubicn in Berlin fort unb mar bann an ncrfc^iebenen Drtcn nlö Se^rer, Sd^riftfteller unb ^ournalift tätig. 1848 mürbe er inä ^rnuffurter ^artameut^ gcmäl)ft. 3((ö Sefretär be§ ^T|fJarincauöjd;uffeö mürbe er penfionicrt. ©pöter reifte er atö ^ortragenber umber unb fam fo aucb nad^ 9Jiünc^en. 3Bic 53obenftebt mcilte er fogar ^eitmeife in 9^orbamerifa. 3tm 25. ^uni 1905 ift er in Jr^^^^fii^'t geftorben. tiefer j^reifieitöfanatifer I)at fic^ cbenfaEö ntd;t burd) feine mannigfadicn 3!;id;tungen eigener Grfinbung („^emiurgoö", 1852 54, u. a.) 33af)u gcbrod^en, fonbern burc^ feine llmbid^tung beö ^cibclungenliebeö („©iog= frieöefage", 1867/68. „.«^ilbebranbg ^cim!e^r", 1874) in patf)etif(^en Stabreim= oerfen unb in mobernem (Seifte. S^aö 33efte bcä alten Siebeö gcf)t frcili^ babei üer= loren, o^uc in eutfprcd^enbcn SBerten Grfa^ gU finben. ^orbanö Xramen unb ^cd- romane („2)ie ©ebalbö", 1885) uoHenbs finb faum ber ©rmätjunng mert. Tie üou ibm angeftrebte ^Bereinigung dou 2Biffcnfc^aft unb ^id)tung ift if)m jcbenfallö ni^t gelungen.

3u ben 3)Mtg(iebcrn bcö engeren iDfünc^ener ilreifeö, üon (Reibet cingefübrt, gct}örte ^crmaiiii IHlinn« ®^ mürbe in l'inbau am 22. 5;anuar 1820 geboren, bc^ \u6)k bog ®i)mnafium ju Kempten, ftubierte in 3Künc^en, Sertin, ^rag unb ^reiburg SJicbijin, mürbe bat)rifd;er 3JU(itärar5t in 9lugöburg, Straubing unb ^affau, Iic| fic^ bann penfionieren unb 50g 1851 nac^ 2IJünd)en, mo ibm üom .Honig ^DJar IJ. ein ^abrc§get)a[t auögefetit murbc. ®r ftarb am 18. ^uni 1905. SinggS ^auptmerf ifl baö riefige ©poö „'^k 3^>öltcrmanberung" (1866 68). 9(ber mir begmingen bit'e fd;ön gebauten Cttaüerimen nur noc^ 5um flcinften Teil, ^ie Silber finb übertrieben, bie gau^e 3?orfteUungümeife ift übcrfpannt, ber ^nl)<ili langmcitig. W\6)i vid böF)cr fteben feine Tränten („Tie ^15>a[fiiren". „ßatitina". „Tor ©obn ^cö Togen").

280 33on het alten gur neuen Äunft.

S)Qgegcn lieft man bie „Spgontinifc^en S'lweEen" tro^ ber üu6) f)ier unkugbar oor« t)anbenen Über[panntl)eit nocE) immer gern. 2lm beften ift £ingg§ Stjtü, Don ber leibet meift nur eineg ber fd^mädpften ©tüde, „S)er fdimarje Xob" („ergittre 2Belt, i(^ bin bie ^eft")/ befonnt ift. ©eibel unb ^e^jfe f)oben ben ßgrifer Singg befonbcrg ^o6)i gcfdiö^t. Sitö Sitiggö „©ebid^te" 1854 mit einer Borrebe ©eibeB I)eraugfamcn, beurteilte §et)fc fie mit treffenber Schärfe (11. 1. 1855): „@§ finb (Set>icf)te oon großer ^forl^eit unb ^unft ber g'orm unb bod^ I)äufig of)ne jene runbe abfc^Ue^enbe Raffung beö Snt)Qlt§, beren felbft bie mä^igften Polente l^eutjutage balb SJleifter roerbcn, Stnffänge an bie ftotjefte ^rad^t beg Scf)itterfd^en ©ttl§, neben rüt)renb ein=: fachen, mel)inütig tierauägefungenen Siebern, bie ooUfte 9Jiac^t übet bog Sßott, um innerlid^e 9]öte com ^erjen abäulöjen, unb ein fpärlic^et ©ebrauc^i biefer 3Jlad)t, bie boc^ fo tröftrid^ ift." 3tlg 33eifpiel gu §epfe§ ^ritif mag f)ier SinggS ©ebic^t „§eim= fcfir" folgen:

3n meine ^eimat fam i<f) mieber, ®§ n>ar bie alte §eimat noc^, ^iefelbe Suft, biefelBen Sieber, Unb alle§ mar ein anbte§ bod).

2)ie SSelle raufc^te toie botjeiten, 2Im Söalbtueg fprang toie fonft ha§, 5Re^, SSon fem erftong ein Slbenbläuten, 2)ie Serge glänzten au§ bem ©ee.

J)o(^ öüv bem ^üu^, mo un§ bor ^ü^xen 2)ie SKutter ftet§ empfing, bort fa§ '^d) frembe SKenfi^en fremb gebaren; Sßie we^, mie met) mir gef^a^!

äRir tbar, al§ rief au§ ben SBogen: glie§, flie!^ unb o^ne SSieberfe^r! ®ie bu geliebt, finb fortgejogen Unb fe^ren nimmer, nimmermehr.

3lu^er ben ©enannten maren auögefproc^cne Sprifer beg 2Jlün(^ener Steifes ©roffe, 2eutf)oIb unb ©reif.

Suliu^ ©roffe rourbe 1828 in ©rfurt geboren. @t mar §uerft 2lr^iteft unb ©eometer, ftubierte 'bonn in ^alle, roo er Sf^oqucttes ?^reunb rourbe, unb fam barauf (1852) nad^ aJiün^en, mo er bie „^fleue 3Jiün^ener B^itw^ö" rebigierte, o-ot oUem ober gufommen mit ben „^ro!obiIen" bic^tete. Stlö ©eneralfefretär ber SBeimaret Sd^iüerftiftung ftarb er am 9. 'Mai 1902 gu 3:;orbole. ®r üerfo^te Heinere 58eräepen („5Dag 3Käbc^en ron 6q?ri", 1860. „©unbel com Äönigäfee", 1864. „®a5 5BoIEram§Iieb", 1889) unb Dramen, mar aber nur aU Stjrifer erfolgreid^. ©roffc ift menig befannt unb geF)ört bodE) 5u unfern feinften ©timmungSfünftlern. Tleijx alg anbete unter ben 9Jlünc^enern, bie if)n „ben legten ^tomantifer" nennten, ift er ein %üi)xn pr neuen, ^nx mobernen ^unft gemotben.

3m lätmenben Sag, im ftürmenben Strang 2)ie (Stunben fommen unb ge^en; @in fü|e§ @e^eimni§ fc^on jaf)relang S3Iieb Ieu(^tenb barüber fielen. '^m raufc^enben 2BaIb, am lollenben 93ker, 2ln (5reunbe§gelage§ S3ränben Sßanbelt' läd^elnb neben mir ^er, Umfc^Iang micf> mit meieren ^änben. Unb fin!en bie S'Jebel in bunfler Öuft 5luf totenftillet ^eibe,

•23oben[tebt unb bie übrigen 2\d)ter be^ SDWind^enet Äreifeö. 281

©0 fpielt unb finft mie im ©omienbuft

Wüten im mächtigen Seibe.

2)ro&en bie Steine, btunten bie (Seen,

g^ing§ trauernbe Ginfamfeiten

f^ü^r iä) in mix beine Seele mefjn,

SSanbl' xd) in Sroigfeiten.

SDiefe ©timmnngsfunft bleibt bem ^ic^ter au6) bann treu, mnn feine Sprif in§ ßpifd^e f)inüber!Iingt.

^n ber Kapelle ttiar'g. 33eim 9:ex^en]ä)tm ^ie 3J2effe flüng. SDie genfter au§ unb ein Um ijo^e Säulen Sc^alben älüitf<^emb flogen. Qroax \pxad) mein 9JZunb ju bir im 2ieb€§f^lDur, Seflommen nur bo(^ in bie 3uf"nft äogen ^Beflügelte ®ebanfen i^re Spur.

§inau§ bann traten loir. gern überm See 2)a§ Äird^Iein bli^te unb ber 2IIpenf(^nee ^oä) lang un§ nac^ in leic^tbeföegten 3SelIen. (Sriöft toar, tt)a§ ha^ ^erj am liebften benft, SSernommen ^atteft bu'§. ^aä) jitternb gellen 2i(^tbliden mar bein Sluge ftill gefenft,

2)ie 5Rofe, bie ic^ morgen^ bir gepflüdt, 3ftu^t über 2;ag an beiner 58ruft beglücft. 21I§ fie am Slbenb weif fanf in bie gluten, Xa blühten beine Sippen auf unb lang 3m Sternengtanä fie auf ben meinen ruhten Xer ftille 9}?Dnb ging Ieu<^tenb feinen ©ang.

^m „2)fün(f)ener 'S)icf)terbuc^" rcnrbc ron ©eibcl ber 1862 ou^ mit i^m fünf 33üc^er frangöfifcEieT St)rif Iicrauöc^ab ^ciliricö ^Clltl^olb eingeführt, ©r t)at ein fcfimereö 6dE)icEfaI gelobt. 2lm 9. ätuguft 1827 raurbc er in SSe^ifon bei 3ütid) geboren. S^ac^bcm er ftubiert f)atte unb £ef)rer in Sanfanne geroefen raar, fam er 1857 nac^ 3Jlüncf)en. $ier erregte er bur(f) bie gormooHenbung feiner ®cbirf)te er^ freulicfieö, burc^ feine oerbitterte Stimmung unüebfomeä 2(uffet)en. Seine innere Un= jufriebent)eit mar nii^t nur bie ^^olge feiner gebrückten Seben§üerf)ä(tniffe, fonbcrn oor nöem ber SSorbote eineö fieibcnä, baö fc^licplic^ in 2ßal)nfinn auöartete. 3)a§ führte be= reitö oori^er 5u feinem 2(uötritt ouä bem „^rofobil". ^n einem ber 3Jiünd^ener Sßinlel: bIattcE)en erfd)ien ein Spottgebic^t gegen Julius ©roffe, alö beffen SSerfaffer Scut^olD bejeidinet mürbe. 2t(ä if)m bei ber näd)ften Sifeung ber 'Sorfi^cnbc, bamalö ^egfe, •^ö 33Iatt DorI)ieIt, überflog eine bunüe 3Röte feine fat)Ie SSange. @r fprad^ fein SBort, ftanb auf, ocrüe^ bie SSerfammlung unb erfc^icn nie roieber. 1877 mu^te er in bie i^rrenanftalt SBurg^öIgli bei Qüx\^ gebrarf)t werben, mo er am l.^uli 1879 florb. 3" feinem ©poö „^entf)cfi(ea" bcgciftcrte \i)\\ eine Gnfcün Söil^elm oon ^um- bolbtö. 3tuö feinem ^a^la^ trat 1907 ba§ ©poö „^annibal" jutage. SBirtlic^ Iebcnö= fä^ig ift bod) aber nur icinc £'t)rit, ^ie gcfammelt nac^ feinem Tobe non (Bottfrieb

282 5Bon ber alten jur neuen ,*^iinft.

fetter unb ^afob Säd)to[b I;ernuögegeben würbe. @r wax ein Sänget ber 'Jiatut, bie er in 2Binb unb Söogen ju fuc^en liebte. Stber mid^ für ben ftitten SBnlbjee fanb er ^orte Sinien unb weirfie SBorte für ben „^ölötterfnU" :

Seife, ttJinbüerlDe^te Sieber, Wögt i[;r falten in hen ©anb! 93Iätter |"€ib i^r eine§ S3aume§, SSelc^er nie in 33Iüte [taub. SBelfe, lüinbüerme^te 33Iätter, S3oten no^er 2Binter§ru^, gallet \aö)V. i^r becft bie ®räBer 9JJanc^er toten Hoffnung ^u.

®r ift ferbft, oon bcm er f)icr üerän>eifelnb fpric^t. §at er bod^ im „$crbftgefüb("

öergeblid^ gebeten:

SSie ringsum a[k§> ftirbt unb enbet! Sei biefem Söelfen unb SSerberben glef; i(^: o ®ott, la^ mirf) ni(^t fterben, &f id) ein fc§öne§ $E3erf öollenbet.

SBelc^es ©übe i^m brpf)tc, f(^ien er ju cifinen („ä(uf ben Xob eines jungen Sic^tcrö") :

SÖD^I, luent frü^ fc^on ber S3efxeier Sob fic^ na^t, inem ^ölberlin Dber Senau glei(^ bie ©d^teier ©anfter 9tac^t ben ®eift um^ietjn.

2tm befonnteften non ben brei äulefet genannten Sgrifern ift 'iUJttrtin (b'rcif, unb fic^erli(^ ift feine ^unft bie reiffte. ©ie nerbinbct ©efc^loffenljeit ber ?^orm mit ber be§ ^ntialts. ©ine 3fleif)e feiner Sieber ift in0 SSolf gebrungen, inie ,Mn ^eutfc^^ lanV („6ei gegrüßt, bu ^elbenmicgc'')/ //^n ,@oetf)e" („©^reitet bcm fterblic^cn 2Renfc^cngefd;IecE)te einmal ein Se^er beutenb Doran, nimmer nergeffen raerben bie 3üge, benen bie ®ottf)cit ©prac^e uerlietjn")/ „3(benb[ieb" („©cEiattenbeö jammern tief unten im Xal") unb „58or ber ©rnte":

9^un ftöret bie f(^ren im g^Ibc

©in leifer ^auä), SBenn eine fic^ beugt, [o bebet

2)ie anbre auc^.

ift, al§ Qr;nten fie alle

Xer ©icfiel ©c^nitt 2;ie Slumen unb fremben ^alme

Gr^ittern mit.

'Über ©reif befi^t nic^t bie ©timmung-j fünft ©roffeg, nid^t Scutf)otb§ garte Stnpaffung be0 Ätonges an ben ©cgcnftanb. ©eine Sramen uoEenbö finb nirfit ber Srmäljnung roert. 3)er S^iame 2Rartin ©reif mar ursprünglich ein ^feubonpm. Xier ^ic^ter i}\Q^ in SBirflic^feit junärfift ^^riebrid; ^ermann ^^reg. @r mürbe am 18. ^uni 1839 ju ©petjer geboren, mar baprifi^er StrtiUerieoffijier, naf)m aber 1867 feinen älbfc^ieb unb lie^ fi(^ in 9J^ünc^en nieber. 1882 legte er fic^ fein ^fcubouym afö bürgcrlid^cn 9iamen bei. Gr ftarb am l.Stprit 1911.

3u bic[en SJQüuc^ener Sprifern gcljört feiner gangen 2(rt nac^ ber ©c^roabc M' ®wrg gtft^cr (1816—1897); er miro jcboc^ mcift überjdiäfet unb baffer I)icr

Sobenftebt uub bie üBrtgen iBid^ter bei iDJünc^enec Äreifel. 283

nur anbeutungöroeife inuerf)alb eineö ^reifeö erwö^nt, mit Dem et äu^erticf) nicf)tö ju tun l^at.

^n bcr ^rofa war ber Sebeutenbftc ber ^JJiünc^ener G3ruppe Sif^clm |)tiurid^ 9Jic5L ©r würbe im ^ai)re 1823 gu SSiebcrid) a. iRl). geboren uub befucEite 'oa§, ©9m; nnfium in SSieSbaben unb SBcilburg. Über bn§ leitete plnubcrt er launig im erftcn StücE feiner „ilutturgefcEiic^tlid^en ©l^orafterf öpfe" : „^ie ^bijUe eineö ©pmnofiums." ^m SBcitburger Sßalbe begeifterte er fid^ für ©octtje, oc^iUer, Älopftoc!, Berber, ^eon ^Qut unb SBalter Scott. „2tlö ^tejenfent", fagt er am 3(f)Iu| jener S(^itbe= rung, „untcrfrfiieb ic^ einmal jroifd^en Sürfiern, bie man im SBalbe lefeu fönnc, unb folc^eu, bie nid^t einmal im SBalbc genießbar feien, worauf mir uerfc^iebenc Sc^rifi= fteffer if)r ucueftcö 33u(^ überfcEiicften mit ber frcuublic^en 9(ufforberung ^ur ,3öalb- leftüre'." 6r ftubicrte in 2Rarburg, ©öttingen unb ©ief^en 2't)eo(ogie, ^bitofopbic unb 3Kufif, barauf in 58onn Äulturgcfc^id;te unb mar in ber ?5oIge au ucrfc^iebencn Drteu afö ^ournatift tätig. 1854 erl^ielt er in 5D]ündf)en eine ^rofeffur für Staate-; wirtfc^aftölc^re/ 1859 ebenba für £u(turgcfc^ic^tc. Saö mar bie ^dt, in ber er mit ben anbereu SJhindfjener ^ic^tcrn in eine enge @emeinf(^aft trat. Seine -Roücllcu: famiaiung „2(uö ber Sde" bezeugt no6) befmiberö jenes 3iM^i-'i'i'-''Mcin mit ©eibel unb ^ei)fe bei bcr alten Staatärätin uon Sebebour. 3IIö i^m bamaU ein Soi;n geboren nmröc, mareu bie beiben anbcren SSäter auö ber ©de ^aten, unb baö ^inb erl^ieü bcn 9iamcn ©dbert. ,,^c^ fdirieb ^RooeHen", erjä^Ü 3^icF)I im 5öorroort gu ber foeben er; mäl)nten Sammlung, „juerft für bie ©de, bann au§ ber ©de. W\ä)t a[ö ob Daö meine erften Dlooellen gerocfen mären! Seit meinem 18. £cbenöjaF)rc, mo id) meine erfte, gottlob (ängft vergeffcne 9(0PelIe in einem beHetriftijdicn 33Iattc I;atte brudeu laffen, mar id) unter ber .^anö ftetä uerfd^ämter Sf^oucIIift geblieben. 3(ttcin bie meiften ^iooeüeu cor ber ©deugeit taugten nid)t fonberlirf) üiel. Unb benno<^ bad)t: ic^ immer mit Se^nfud)t an baö tinblic^c @h"id 5urüd, roeft^cö mir i)ic 3{bfaffung meiner erften SlooeEe bereitet f)atte. Unb fie mar gebrudt, ja fie mar fogar I)onoricrt lüorbcn! ^c^ erlieft einen bniben ilreuger für bie gro^e l^rudgeitc, in Summa 3ef)n (Sulben, unb für bicfeS Honorar mad^te ic^ eine Xaunnö;, 3H;ein; unb .2af)nreife von 14 3:agen, ^atte in g^rauffurt bie ?^reubc, meine Hcbftc Oper, bie .3(iuberf(öte', ^um erftenmat ju ^ören, unb faufte mir für beu I;eimgcbra(^ten :7^cft beö ©elbcö nod)

3)ioIiereö fämt(i(^e 2Berfe antiquarifc^ ^ie 5lritif ber ©de öffnete mir juerft

bie 5(ugeu, unb id) banfe inöbefonbere meinem Heben -Jrcunbe .Ocpfe, 'i)a^ er mir, ircun aud^ nur in flüd^tigen SBorten, juerft ein Sii^t aufftedte über SEefen unb i?unft= gefjeimuiö bcr StopcEe." So crfd)icn hcmx 1856 bcr erftc Sammetbanb unter bcm l:itel „ihitturgefc^i^tlic^e 91oDctten". ©0 füfgtcn 1863 5mei 'Bänbc „(33eid)id)ten auO QÜer 3eit", 1868 ha^^ ,,gReue g^ouellcubud)", 1874 bie Sammlung „iMuö ber ©de", 1880 „3tm ?5eicrabeub" unb 1888 „S?ebenövätfcl". ,^n fiebcn täuben gab bcr ©ottajc^e 3Ser(ag 1898 aUe fünfzig SZouellen f)erauö.

9Jiod)te $KieF)( fclbft fein 2)ic^ten and) anbcrö aufef)en: if)u infereffievtc Dod) mef)r bie Hulturgefdiid^te alö il)r Präger, bcr Hicnid). '2?ir febcn eo an ben bübidi jufamniengeftellten ^^oueHen, mir boren ang ben 5&orten, mit beuen er feine ^icle

284 Sßon ber alten jur neuen Äunft.

be^eidinet. Seine S^ocelle roiH etraos, unb bie ^unft foH nirf^tö loofleu. 3lIfo feine '^hveUc mxU ein noc^ bie ©egenraart befcE)öftigenbe§ „pfgd^oIogifdEieä Problem löfcn, ein geiftreid^eö ^orabopon feineg fd^einbaren SBtber|>rurf)g entfleiben, ober nicf)t burc^ eine IeF)r^afte $8ciüeiäfnf)rnng in SBorten, fonbern burc^ bie poetifdEie ©ialeftif ber Si^Qtjnc^en, burc^ bie ortig oerflorfitene ^onblung einer ®efcE)ic^tc, bäe unüermerü gum überrafrfienben unb bennoc^ überjeugenben ©d^Iuffe füf)rt". 3luc^ Stimmung roirb man in 9?iei)Iö SloueUen oergeblid^ fud)en. 3tber fic finb menf^Iid) malir unb fultur^ 0e|c^icf;tIic^ treu, ajieifterftüde finb „©er Stabtpfeifer", „©er ftumme Slatö^err", „5Der gluc^ ber Sc^önf)eit", „3tm DueK ber ©enefung" unb „Slfieingauer ©eutfd)", TOO bie beutfd^e ©efinnung be§ SSerfafferö !öftlic^ ironifcE)c SBorte finbet, benn er Id^t einen rainbigcn, cljrlofen Sebienten ju bem roaderen ©(f)uttf)ei| auf bie g^roge, roa§ er eigentli^ für ein SanbSmann fei, fagen; „^ti) bin SSeltbürger, obgleich au§ ScEiroa-- haö) gebürtig, aber id^ l^abe fc^on in ber l^atben 2Bett gebient." aJlag biefe Sfiouelle fünftlerifc^ oon anberen überragt raerben, fo fann bocE) feine bem ©eutfc^en größere ^rcube; machen.

33cn ben raiffenfrfiaftnc^en Strbeiten 3f{ief)lö ■^aben einige gru^e 33ebeutung; fo befonberg bie „£ülturftubicn an§ brei ^a^rfiunberten" (1859), bie rierbänbige „3^atur= gefd^ic^te be§ ^ßolfeä" (1853—69) unb „©ie beutfc^e Strbeit'^ (1861).

^f^ie^I murbc 1883 geabelt unb 1885 gum ©ireftor be§ ^gl. 9^ationaImufeum§ in 3Jiünd^en ernonnt. 3(t§ ©e^eimer 'Siat ftarb er am 16. 3flwember 1897.

®inen großen ©romatifer J)at ber 3J?üntf)ener £reiä ni^t befeffen roir müßten benn 5(boIf Sßilbranbt aU einen fotd^en bejeid^nen. 9lber eigentlid^ gro^ mar er meber im ©rama norf) in ber ^rofa. 6r mürbe am 24. 3tuguft 1837 in 9ftoftod al§ SoI)n eines Uninerfitätöprofefforä geboren. ®r ftubierte '^nxa, ^^ilofopfiie unb ©e^ f(f)id^te, erroarb in 3JJünc^en ben ©oftorgrab, mürbe bann ^ournolift, bereifte %xanh reic^ unb Italien unb I)ielt fid^ Don 1865 bis 1871 mieber in 3JiüncE)en ouf, wo er mit ben „^rolobilen" unb befonberS im ^aufe ^aul ^epfeS vzxh^xk, ber auf il;n großen einflu^ gewann, ©r ging borauf nac^ SBien, wo er 1873 l^eiratete unb 1881—87 ©ireüor beS 33urgtf)eater§ rourbe. 1884 üerliel) i^m ber ^önig dou SSa^ern ben 2tbel. Stis er feine bramaturgif(^e 3:;ätigfeit in SBien aufgab, §og er fic^ in fein« ^eimatftabt 5Roftoc! prücf, wo er am lO.^uni 1911 ftorb.

3unäc^ft bürfen mir nicE)t oergeffcn, ba^ SBilbranbt 1863 einen grof?en ©iditer faft neu entbecft t)ot, .^cinrid^ oon ^leift, bem er eine 33iograpI)ie roibmete. 5ßon ber unget)enren 50^enge feiner 5Dic^tungen ift ^eute nur nod^ wenig (ebenbig; üieHeid^t bie 2;ragöbicn „©er 3J?eifter üon ^almrjra" (1889) unb „Strria unb gj^effalina" (1874), bae ^ünftlerluftfpiel „©ie 2J?aIer" (1872), einige ^Ronellen mie „©er 2otfenfomman= beur" (1882) unb f)ö(^ften§ noc^ ber 3fiomon „^ermann Sffinger" (1892). Sc^raereg, traumF)afteg ©rübeln, cerbunben mit geroiffen^after 33ead^tung aller Äunftformen, gibt feinen meiften Schriften baö ©epräge. ©urrf) §epfe fam ein teid^terer, freierer -^nq in feine ^oefie. 2tber nod^ 1895 entftanb ein fo gebanfenfd^raereS, babei unfünft^ Ierifrf)es ©ebiibe mie ber 5Roman „©ie Dfterinfel''.

3n feinen „ßrinnerungen" fomie in feinen „©efprärfien unb 3)ionoIcgen" t)ot

33obenftcbt unb bie übrigen Dichter beä QJlündjeuer Äreifeä. 285

SBilbranbt loid^tigc Sefenntniffe Ijinterlaff^n, bie ein 33i[b [einer oieifeitigen ©eiftcs^ arbeit geben. „3tuö ^ictät", fagt er, „roarb ic^ ^urift, auö Steigung ^iftorifer, ani Patriotismus ^ournalift, aus 3^aturtrieb ^oet." ,,^6) mai", ergdf)It er in bem .®e: fpräd^', baä faft 3ur 33iograpf)ie roirb (1875, crfdiicncn 1889), „35 ^oFire att, als mein erfteö Srouer[picI über bie Bretter ging, unb boc!^ l)ah' \6) jc^on mit 12 ^af)ren S^rauerfpicle geschrieben. 36 roar ic^ alt, als id^ ,(3ebi(^te' I)erau§gab, unb boc^ gibt es no(^ ein fIcineS ^cft mit finnrcrrairrenben 3eirf)nungen unb ftredcerfigen ©ebic^ten, bie iä) als (^ec^Sjäfirigcr meinem SSater gum ©eburtstag bejdjerte. ^JZeine'- gauje ^nabenjeit l^inburc^ fanb \6) eS \o. felbftüerftänblicf), ba^ ii^ bic^tete unb mic^ jum

2)id^ter ausbilbete, rcie etmo ein Äronprinj \\6) ouf ben ^Regenten üorbereitet ^6)

ftubierte ©pracfien unb Literaturen com SRorgen bis gur S^iac^t; i^ warf mic^ meinem 5ßater guliebe auf bie ^uriSprubeng (mie fonbetbar ift mir je^t gumute, menn \6) mit^ erinnere, ha^ \6) bie ^nftitutionen bes römifcfien S^ied^tS u)örtli(^ ausmenbig gemußt \)ahe\), id^ brütete bann in ^Berlin über ber ^cgelfd^en ^f)i[ofopf)ie, marb 3tgt)ptolog unter SepfiuS unb als griebrid; ©ggcrS' ^reunb in ?^rang ^uglerS ^auS jünger ber 9.m\\t-- gefc^ic^te. ^d^ trot in 3)cünd^en in (St)beIS l^iftorifd^es ©eminar unb geroann mit

einer ©c^rift über ©ottfricb ."pagenS 9?eimd^roni! ben ^reis 31IS bie in 3Jiün:

(fien lebcnben Patrioten bie ,3übbeuti(^e Leitung' grünbeten unb gu meiner Über^ rafcf)ung mid£), ben 3i^eiunbäman3igjöf)rigen, bagu warben, marf id^ meine neuen

poetifc^en SSerfud^e beifeite Überfe^er, 5?orreftor, .^ritifer, 3:f)eaterreferent,

geuiUetonift, Seitartifler, politifd^er 3fiebafteur, Überroad^er ber ©rucferei, oft (Sf)ef unb alles ^uqUiö)/' ®eroi^ aEeS mar er, aud^ als ^ic^ter oerfagte er auf feinem ©ebiet; nur mar er uieHeic^t bod^ nic^t ®id)tcr genug, um unfterblicE) ju rocrbcn.

eine gang anliefe (Srfc^einung ift ^öil^clm S^cnfcii, ber ebcnfaEs als ©aft bei ben 9]tünd^ener „^rofobilen" fröf)Iirf) gu Xifdfie fa^. ©eine Stomane unb ^ftooeUcn fmb in if)rer @e|amtt)eit meber gu überfe^cn no(^ gu lefen. Setbft feine bcfannteftcn ^Romane roie „£arin üon Sd^meben" (1872) unb „5Jiirmana" (1877) ein blutiges 3eitbilb aus ber frangöfifc^en Sfieoolution finb mie aurf) fein üicIgcnanntcS (SpoS „^ie ^nfel" (1874) fünfttcrifc^ gerfioffen unb bleiben baf)er als ©anges faft cinbrucfs^ fos. dagegen gelangen il)m ron S^xi gu 3eit fleincre Sßerfe oon überrafc^enber Sc^ön= ^eit. ©r ift ber 2)id^ter bes 6l)iemfeeS geroorbcn, ben er oon feinem 2anbl)aufe in ^rien im «Sommer fgft täglich üor 3lugen l)atte, feitbem er nac^ 3Jiün(f)en übcrgcfiebelt JDar. 1895 crfc^ienen bie 6l)iemgau:3^orenen. Sie ^erle uon allebem ift bie Gr^ gäl)lung „^unnenblut. (Sine 33egebenl)eit aus bem alten Sljicmgau". 2öie in S(f)cffels „ßfteliarb" l)anbelt eS fic^ fner um einen ©infaE ber ^unnen in baS fübbeutfc^e Sanb bis ^inouf gum ©l)iemfee, roo eine Spönne aus eblem ®efcf)lcrf;t namens Ofila einem milben ^unnenliöuptling gum Dpfer föEt. 3luS ilircm (3c]ä)k6)t ftammt baS „$unnen= blut" ber ergöl)lung, bie fünf 3J?enfc^enalter fpäter im 11.3;al)rl)unbcrt fpielt. '3^cr l)unnifc^e 9Ibfömmling ^ututung räc^t fein l)ei^ geliebtes eDelfvöulein 3Ibell)arb an feinen SSlutSoerraanbtcn, bie i^r ben ©atten getötet l)aben. 3tber er \)ci biefes nidit oerl)üten fönnen unb erfäuft fic^ baljer roie ein $unb, ber unmac^fam unb untreu ge: loefen, inbcm er aus bem Ginbaum mit einem j^elsftücf um ben öals in Den See

286 5ßon bcr alten 3ur neuen Äunft.

ipringt. StintimnigöuüK fd)Iic^t bcr T)icf)tcr: ,,5ßon (eifern Slbcubiuinb bewegt, trieb Der f)erren[ofc ©inbaum bQr;'in. ®as Äfofter oon ^Roiutcniüört^ fpiegelte fein grauc§ ©cniäuer im See, inib bnoor fd^raomm bie £üngel§au, wn gIeidE)em rotem £i(j^t be§ Sonnenunterganges beglängt, in bem f)iIflo§ einft Dfilo über bie üeiue ©rbfc^oEc üor il}rem ipilbcn, fc^margmäbnigen SSerfotger ^ingeirrt wax. g^riebtii^ glöttete bie furj bemegte, glimmernbe SBafferfteHe firf) au0, unb in ewiger, gleichmütiger Sf^ul^e fa^cn bie rotgIüI;enben ?^eI§!ronen ber f)oI)en Serge ouf ben ß!)iemfec ijnab/'

Senfens ^eimot mar ber ß^iemgou nic^t. @r mnrbe am 15. ?^ebruar 1837 ju .^oeiligen^afen in ^nolftein geboren, befuc^te baä ©tjmnofinm in ^iel unb Sübed, ftubierte juerft 3J?ebijin, bann ^{)i[ofopf)ic unb Siteratur in 5^icl, Sßürjburg unb Sreölau. ©x lebte barauf in ben oerfd^iebenften ©tobten, journaliftifrf) unb fcfiriftfieüerifc^ tätig, unb gog 1888 nod^ SDlünc^en, mo er bereits in ben fec^jiger ^aiiun aU ©enoffc bcr „^rofobile" gemofint i^attc. 2(m 24. 3loit)ember 1911 ift er in S^^alürd^cn geftocbcn.

3)ie übrigen ^id^ter biefcö üreifeS finb weniger bebcutenb. ^arl ©liclcr (1842 1885), ber So'^n beö ^ofmorcrö Subroigö I., f)at au^er "Sialeftbicbtungen {„^-dV^ mi freut'', 1876, u. o.) aud^ ^od^beutf^eö ocrfa^t. @rit)äl)nung nerbient öa§ „SBinteribriH" (1886), ba§ feinen geliebten unb auc^ fonft befungencn Xegcrnfec lanbfc^aftlicb inö rechte Sic^t fe^t. ^anö ^opfeu (1835—1904), geborener •üSJlün- cE)ener, fpäter ©enernifcfretär ber ©(^iUerftiftung in SBien, aU Sririfer ron ©eibel im „3Jlünd^ner SDid^terbud^" 1862 eingeführt, ift noc^ burdf) 'Romane unb ^orf= gefd^id)ten, üor ollem aber burd^ feine SSaHabe oon ber Senblinger 33auernfdE)lac^t bcfonnt. ^QJ ^miö^ofcr (1840—1907), ein eifriges gjlitglieb bcg „^rofobil", im übrigen ^rofeffor ber ©toatSmiffenfc^aften an ber ^eifinifc^cn §ocE)f(^uIe, f^at fid^ in allen ©attungen ber ^oefie ni^t of)ne ©lücf üerfucfit. Stu^erbem fa^ bo alö ©oft 9J?cIc|ior 3)ic^r (1810—1871), ber au§ (geringen im 9fiie§ ftammte unb nad^ 58eenbigung be§ ©tubiumö mcift als ^ournalift tötig mar. SSon feinen ©id^tungen f)aben fic^ nur feine ^eimQtgcfc§icE)ten, bie „Srjä^Iungen aus bem D^ieS" (1856), bel)ouptet. feinen nödfiften ^^reunben gerabe in 9)lündE)en (feit 1852) gef)örte ber bortige ^rofeffor ber 3ilftl)etif ^ori^ (£nrrterc (18817—1895), ber ebenfalls nidfit nur mit bebcutenben n)iffenf(f)oftlicl)'Cn 2Ber!en, fonbern oudf) mit poetifd^en SSerfud^en („©ie Ie|tc 3^ad^t ber ©ironbiften") lierDortrat.

SdEifie^lid^ bürfen mir "ben lofcn ^umoriften Sil^clm IBuft^ nicl)t oergeffen, ber longe in biefm Greife gelebt unb gemirft l^at. 6r mürbe om 19. 9lpril 1832 ju 2Biebenfaf)( bei 6tabtl)agen in ber ^rooing .^annooer geboren, befucf)te bas ^olt)- tcrf)nifum in ber Stabt ^annooer unb ging bann, um bie 3J?aIerei §u ftubiereu, nad^ ^üffelborf, Slntmerpen unb ple^t nacE) SD^ündlien, mo er 1859 9Kitarbeiter an ben „glie^enben 33löttern" mürbe. @r ftarb am 9. Januar 1908 in 3JJed)tSf)aufGn bei Secfen. 2öie tonnten mir uns benn of)ne SBilfielm 33ufc^ ben!en, o^ne bie föftlid^en 3eicf)nungen unb SSerSlein ron „9Jlap unb 3Ji'ori|" (1865), bem „^eiligen ätntonius" (1870), ber „frommen Helene" (1872), „'^oter giluciuS" (1873), „§errn unb ^rou .^nopp" (1877) ober bem „mdex J^lecffel" (1883)? ©S ift ja gang unmöglich), ol)ne biefc tief aus bem Seben gegriffenen ©eftalten auöjufommen. 9Jlit bewunberungS-

ernft aaicf)evt. 287

UJÜrbiger 2reffficf)crf)eit luei^ SSiifcf) bic ücrborgcucn ober ücrlcugnctcn Sc^irä^cn ber 3)?enfc^en gu finben, unb mit unraibcrftc{)Iirf)em "pumor gibt er ifinen t^pifc^en 2Bert imb le^rreid^e 33cbcutung. ©in Schüler ^nriüinö unb ®c^openf)Quevö, mar er im tiefften ©runbe ^cffimift mic jebcr gro^e ^umorift, inib feine 2BeItanfrf)aiiung mar burc^ouö nic^t bie feines jufricbenen ^I;iliftcr§ ^nopp. 3tber feine Äunft n)ei| bic peffimiftifc^cn Schotten t)on Silb unb 3SerS ju bannen, fo bo^ mir in eine f)eiter In(i)cnbc (Sonnenraelt fd^aucn, in ber aU eine Inftige ^flic^t erfc^eint, bie S^ingc in if)rer ^iatt^cit p fc^n. S^oä ift bas @ef)eimni§ beö beifpiellofen Erfolges bei biefem ^ünftler: ber S^or roie ber SEeifc, ber bcfc^ränftc ivopf raie ber freie ©eift fommt ^ier auf feine Soften.

3)tunc^cn ift gemi^ fein SBeimor geworben, älber ba§ muffen mir jngeben : an SSielfäftigfeit ber fünftlerifc^cn unb roiffcnfc^aftlic^cn ©rfc^cinungen unb an 58untl)cit ber 33ilber fann fic^ fein literarifc^cr ^reiä mit bem 9}lünc{Knei^ mcffen. Seine 33e= beutung ober liegt vor allem barin, bafj er gegen bie in ber realiftif^en unb natura^ liftifc^en .3fit äunel)menbe ä^ermilbcrung ber ^unftformen mit S^iac^brud (Sinfpru^ crf)ob, oI)nc beSi)aIb mie einft bie 3^omantifer ober mancEie ber jcitgenöffifcficn It)rifq)en ßpifer inö jQimmelbfau ber ©mpfinbungcn ober in baö tönenbe (Seraufcf)e ber ^^rofcn unb ba§ OefHngel mit lieblichen SBörtlein unb SScröIein ju geraten. ®ie SJIünd^ener jeigten, ba^ man ein bebcutenber Sid^ter fein fönne auc^ bann, menn man ein SJJeifter ber äußeren g^orm ift, ba^ man aber oljne biefc 9}?eifterfc^aft felbft bei iunerftem @r= leben boc^ nur SBerfc fc^afft, bie aEenfaflä für bie ©e^cnroart 3Bert f)aben unb üicüeic^t Don i^r bejubelt raerben, bie aber ber 3eit, bie fie in i^rem ^lugc mit fi(^ rei^t, feinen Sßiberftanb entgegensufc^cn fäf)ig finb. ©o bilben bie SJiünc^ener 2)irf)ter, ba fie jU; glei^ 2BirfIi(f)feit unb Scbenömal^rFieit auf iF)re ^af)ne fd^rieben, eine fefte 33rücfe oon ber alten jur neuen ^unft.

8. e-rnft mäitvt

ßiner ber ?5üf)rer ber SJJünc^encr 2:;ic^tergruppe, ^au( §et)fe, fagt im Sc^fu^= fapitel beö 1. Sanbcö feiner „^ugenberinnerungen unb S3cfenntniffe", nad^bem er al§ feine greunbe ^ermann ^urj unb Subroig Saiftner erroäfint f)at: „3^orf) eines britten ^^rcunbeö mu| ic^ f)ier gebenfcn, mit bem irf) über brei^ig ^a^rc aufö innigftc uct- bunbcn blieb: ©ruft SBi^ertS. ßr mar faft genau ein ^al)v jünger aU \6), am ll.Tläv}, 1831 in bem preu|ifcE):Iitauif(f)en Stäbtcften ^nfterburg geboren, ^atte bann bi§ 1859 bei feinen ©Itern in Königsberg gelebt unb fic^ ber ^urifterei gemibmet, uer^ f^iebcne ^mter in t)erfcf)icbenen Stäbten Cftpreu^cnä beflcibet, unb mürbe enblic^ im ^Q^re 1888 aU Kammergerirf)törat na6) Scriin oerfc^t. ^oc^ neben feiner juriftifrf)cn ^ätigfeit, mit ber er fcl)r ernft naf)m, l^attc er fic^ f^on frü^ im 'JDrama oerfucf)t, äunä^ft in ^iftorifc^en ©toffen (fein erfteö ©tücf „Unfer ©cneral '^orf", 1858, bann ber „2Bitf)ing oon Samlanb", julc^t „SIuö eigenem SRedjt", raomit er in Scriin einen großen Grfolg errang), bann in Suftfpicien, Don benen ber „'tRarr beö ©hicfö", „biegen ober bre^en", „©in Scfiritt com 2öegc" mit ©lücf über oiefc Sübncn gingen. Später roanbte er firf) bem f)iftorif(f)en SRoman ju, beffeu Stoffe er anQ feiner oftpreu^ifdien

288 53on ber alten äur neuen ^unft.

.^eimat noi)m gro^e, treffltc^ !oinponicrte itnb mit lebtiaftcr ^arbe Dargeftettte ©efc^id^täbilber, benen er fleinere noocßiftifrfie 2lrbeiten folgen lie^ unter bem Xitel „Sitouifd^e @ef(f)i(f)ten", ba§ für feine 2(ner!ennung in breiten ©d;i^ten ©ntfc^eibenbfte, moö TOoI)! ouc^ auf longe f)inou§ feinen 9?amen lebenbig erfialten wirb, ©eine bra= matifd^en ©rftlinge f)atte er mir in ben fec^jiger .^ofiren gugefc^idt, eine nö^ere 3tn= fnüpfung ergob fid^, bo er eine meiner d^inefifcfien ?tot)ctten in SSerfen, „®ie 33rüber", gU einem Sibretto für diiä)ax\) $Süerft bearbeitete, ©in balb borauf folgenbeö per= fönlic^eg S3egegnen ftiftete eine ^^reunbfc^aft ämifc^en unö, bie oI)ne jebe ^Trübung in brüberlid^cr SBärme big on feinen %o\) glitte ^onuar [21. 1.] 1902 fortbouerte. 2)ie ©efc^ic^te ber Siteratur meift met)rfad^ ?^älle auf, roo fi($ fc^arfer juriftift^er SSerftonb mit reicher bic^terifc^er ^^antafie üerträglirf) äufammenfanb unb ein ^uftigrot unb

^oet boju morgeng jum Süro ,mit Uten, abenbs auf ben ."gelifon ging ^t

länger iä) iJ)n fanntc, je mel)r lernte i(^ bie tiefe S'teblic^leit unb oHem ©d^ein ah- geneigte ©üte feineö ßl;arafter§ fd^ä^en, unb je banfbarer empfonb id^ e§, ha^ x6) an biefem öu^erlid^ fdf)IidE)ten unb fogar etwa§i nüd^ternen 9Jlanne einen fo' raarmen ^'reunb geraonnen fiatte." gjlit SBic^ert gufammen grünbete ^ei)fe 1871 bie ®enoffcnfd)aft beutfd^er ©ramotifer unb ^omponiften, bie bis gum 1. Dftober 1899 lebte.

5Dem Urteil über 2ßidE)crt oug fo berufenem 3^reunbe§munbe ift perfönlic^ nur roenig tiinjupfügen. ©eit 1896 befanb er ftc^ im 3fiu{)eftanbe. 5Den ©toff ju feinen „Sitauifc^en ©efc^ic^t^n" (1881) fammelte er 1860 aU Preisrichter gu ^röfulg an ber ruffifd^en ©renje.

@g ift fo, raie ^et)fe fagt : bie S i t a u i f c^ e n ® e f d^ i df) t en '' l^aben SBid^ert oolfstümlid^ gemacht, obraof)! fie oon „^einricE) con flauen", einem ber beften beutfd^en S^tomane, ber in bemfelBen glüdlicEien ^otire 1881 erfcfjien, naturgemö^ weit in ben ©d^atten gefteHt werben. ®ie Dramen bagegen finb nur 9Jiitte[gut.

S)ie befte ber „£itauifd)en ©efd^ic^ten" ift fd^merlid), roie man oft beljaupten f)ört, bie erfte, „3(nfas unb ©rito", raenngleic^ aud^ fie ju .SBidEiertä '©lonjftüden gel^ört, fonbern „®er ©c^aftarp". ®er 3)idf)ter fdEieint baS felbft empfunben ju f)aben, benn in ber 3Sorrebe, einer 3tnfpradE)e an feinen ?^reunb Souiö ^affarge, meift er ouf biefc ßrgätilung ganj befonbers I)in. „®ie (Segenb", fagt er ha, „in meld^er ber ©d^aftarp f)auft, f)aben mir cor einigen 3al)ren gufammen burcEiroanbert, fie l)at einen raefentlid^ nnberen ßF)arafter oI§ ber ©trief) Sanbes an ber ruffifd^en ©renje. . . . 9^ur bemerfe Id) nidf)t für ®icE) , ba^ ©df)o!4arp ein litauifd^eg SBort ift unb eigentlid^ ,jn)ifd^en 3n)eigen' bebeutet. 3Jian |)at eben on bie ^cit ju benfen, roo in biefem ben Über= fdEiroemmungen ber großen ?^Iüffe aufgefegten ©ebiete bie Sßege nur burc^ aufgelegte Soumjmeige, alfo ^erfteüung eines ^nüttelbammeö, gangbar gemad^t werben !önnen.'' ^er Drt ber ergreifenbcn ^anblung ift genauer bas ®orf ®ilgc am 3tu§flu^ bes ©ilgc; ftromes, ber gmifc^en ^regel unb 3J2emeI (^liemen) in bas ^rifd^e §aff münbet. „@in fd^arfes Stuge", f)ei^t eS in ber ®rääE)Iung, „erfennt in raeitefter ^^-erne ben grauen ©treifen ber 3Ret)rung."

5Diefe literarif^ fonft oöEig unbefanntc ©egenb geroinnt, banf ber £unft be§ Dichters, je^t in ben ätugen be§ SeferS ungeatinte Steige, ©in .ipauc^ t)on ©c^raermut

©ic^cvt^ „^einrid) uon -^Plauen". 289

logevt über biefcr $aff; unb gfu|ranbicf)aft unb i^ren i8en)ül)ncnt. Die fo (cbeiiörcal)r aus bcm eigenartigen 9?af)nien f)crauötrcten. SSefonberö bie j5rauenge[ta(ten finb beni 2)ic^ter gelungen: biefe ftorrfinnige aber braue grau (Brita unb i^re maqt) (glfe, bii baut if)rer ^erjenötnc^tigfeit fc^ücplirf; t>oc^ bie 3"ftiini"un9 i^rer ^errin ju öcm ebebunbe mit bereu 3of)n ©nbrif geiuinnt, ^aben bie beutfrfje Siteratur aud) nad) Der Seite bcr Sfiaraftergeicbnung f)iu neu bereichert.

®ie „Sitauifc^en @e|"c^irf)ten" finb fleincre ^tucfc^uitte auö bem ©efamtbilbe ber oftmärfifc^en Sanbjc^aft, ber SBic^ert einmal burc^ ein gro| augelegteö, in \>xää)-- tigcn färben id;immernbcö ©emälDe titerarifc^e Uuüergönglic^feit t)cr(ief)en I)at : in bem 3Roman .auö Der legten ©(anjjeit be§ 3)eutfc^en Sfiitterorbenö, „^einridj non flauen".

%üv ein ^u^enb i)luftagen I)at biefer breibänbig« $Roman ein 3JJen)^enaIter, runb brei^ig ^a^xc, gebraucht. ®aä ift ein günftigeä ©rgebniö, aber er f)ätte raeit met)r üerbient,

SBir befinbcn un§ im $jal)re 1410 unb erleben 3unäc§ft mit Dem gelben ber erjäfilung ^einj uon SSalbftein, ber fpäter alö Soljn beä Komturs t>on (Sd)roe^, ^ein= rid)ö üon flauen, auftritt, ein ©efec^t an 33orb cineö ^lüeimafterö mit Seeräubern auf ber Dftfee, gerabe gegenüber ber ^eIa:Spi^e, mätirenb ber %ai)xt von Sübed nai^ ^onjig. 3luf bcmfelben Schiffe befinbet fic^ au^er bem ^anjiger $Rat5l)errn 33artI)oro; maus @ro^, bem S(^n)iegcrfof)n Dcä 33ürgermeiftreä ^onrab Se^fau, Der .^unfer ^ani Don Der ^ucf)e, ber mit ^einj greunbfi^aft fc^Iic^t, unb Deffen Sc^irefter 'JJatalia fpäter ber a)HttefpunEt beö eigenttirfjen 'Jlomaneö mirb. Xann fat)ren mir in bie 2Beic^fc( unb i^ren 91ebcnarm, bie 3Jiot(au, ein, vorüber an bem Drben5frf)[o| in ber Surgftra|e, baö I)eute nid;t met)r ftef)t, an ber ;^angen 33rücfe red)tö, Der Spei^erinfel linfö biö 5um ^^oggentor, bem tieutigen Sanggaffer ^or. SBir roerben nun mit Stabt unb Sc^Io^ fomic ben nät)eren 2ebenöüert)ältuiffen ber 9legierenben unb 3^egierten in leidjter, erjäijlenbcr g-orm befannt gemad)t unb begleiten barauf bie ^reuuDe, uou benen ber eine, ^einj, injmifc^en fein .^erj an bie anmutige ^anjigerin 2)?aria §uyer oerloren I;at, nai^ Sc^me^ jum i^omtur ^einric^ üon flauen, roo ^ein^ feine Sc^roeftcr SBaltrubiö finbet, ju ber §ans aläbalb in Siebe entbrennt, unb bann ju bem menigo DJJeilen oon ©raubenj unb ber SBeic^fcl ablicgenben 3Jlelnüfee, an beffen Ufern ^an^j in Sud^malbe ju §aufe ift. ^ier lernt ^einj in bem fiuftern 2ßalbmeifter OunDrat junäc^ft feinen ©ro^uater tennen ül)ne ju loiffen , benn mit beffen Tüd)ter 3JJed)tl)ilb mar ber Dritter ^cinric^ oon flauen miber beu Tillen ibres 3Satcrö eine l)eim(i(^e 2iebesel)e eingegangen, unb ber ^oter ^atte barauf, alc er ^]Ked)tl)ilb n:i.-f) langem Suchen enblid) fanb, fie in auffteigenbem ^ölljorn erfd)lagen. gerner begegnet Jpein^ l)ier ber Sflatatia, Der fc^on genannten braunäugigen £>albfc^mefter fcinC'S greuubeö, in bereu '.?(Dern beutfd^eö unb potuifc^eö 53lut roHt, beun \i}x SSater batte nad) Der ©eburt il)reö ^albbruberö unb bem '^crluft feiner grau, einer Deutfd)cn, eine ^olin gel)eiratet. ?iatalia, leibenfc^aftlic^ unD ungeftüm, im ©runbc aber ebel unb jart benfeuD, mirb oon Siebe ju ^ein^ ergriffen. Xamit ift ber 5?onflift De«3

Oe^Ite, Xte beutfc^e Siteratur feit (Boet^eö Zote uftD. 10

290 33on bei alten 311V neuen tunft.

S^omanö gegeben, junml je^t polnijc^eö Slut in üielfarfiem ©inne mit beutfc^cm ftteilet. ^v.h\d) ^Qt bor ®idf)tcr S^ataüa burc^ bcn 9Jlunb if)res ^Brubcrö olö tt)pifrf)eö ^Rij'd;; bhit rf;arafterifiert : „Qö treiben firf) jraei ©cifter in \^x um, unb meift tauchen fie immer nedifd) auf unb ah, fo bn^ bnlb ber eine, balb ber nnbere in rnfc^em SBcdjfel fein @cfid;t geigt. 2)u fprirfift mit if)r gong ernft, unb im näc^ften 3{ugenblid fliegen ibrc ©cbanfcn bauon wie eine Sc^ar ©pn^en. ^u ^ijrft fie über ein 9lic^tö auSgelaffen Inc^en, unb glcid^ barauf fragt fie bic^ etmaö, baö fein ^rofeffor beantroorten fann. So ift fie mie ein red^ter ^obolb, ben man ftetö fangen möd^te unb nie galten fann."

33om 9}kInoifee folgen mir §einj nad) ber ^o^en 5IRorienburg an ber 9{ogat, t)em ^auptf)aufe be§ ^euifc^en Orbenö, mo ber ^unfer nun in beö §od)meiftcrö lUrid) uon ^ungingen perfönlidien 'J)ienft tritt, g^aft unmittetbar barauf gc{)t {)inauö, bem anrücfenben ^olenfjeer unter J\önig ^f^Ö^tto entgegen. ®cr ^ag ber ©dilac^t uon ^Tannenbcrg brid)t an. ^ie ^o(cn fiegc.n, ber ^ot^meifter fällt, .^einj bleibt fc^mer pcrmunbct auf bem @c^Iad)tfclbc liegen in büfterer Sc^önf)eit entrollt fid) cor un§ biefeö meltberü^mte ©d)lad)tcnbilb. ®amit fd^Iie^t ber erfte 33anb.

Qe^t geigt fid^, ben S'atfadicn ber @efc^id)te gemä^, .^»einrid^ oon flauen in feiner ©rö^e. @r mirft fic^ in bie 9JJaricnburg unb rettet baburc^ fie unb baö ßanb uor ben ^olen. .^anö uon ber S3udf)e, ber it)m bie Sd^recfenöna(^rid)t gebradit unb feinen 58ater ebenfalls in ber Sd^Iacfjt uerloren Ijat, finbet bei feiner Slnfunft am SJJelnofee, ba^ 2Rutter unb Sc^mcfter nac^ bem polnifc^en ©d^Io^ (Scjanomo unmeit ber ©rcnge an ber SBeid^fel übergefiebeft finb. ^ortt)in mirb, roät)renb er fetbft SBaltrubig nac^ ber SJIarienburg begleitet, ber oermunbete ^eing gefc^afft. 9)iit l)in; gebenber Siebe mibmet fic^ 9latalia ber Pflege, bod^ gelingt if)r fc^liefslid^ nur ba^ burc^, ben S^obrounben bem Scben gu erl)alten, ba^ fie ben Seibargt beö Jlönigö, einen I;ä^lid^en ^uben, mit einem ^uffe begal;lt. QngroifcEien gelten bie großen ©reigniffe if)ren '(Sang, ber ^önig ^agello mu| t)on ber SJiarienburg roieber abgiel)en. ^eing raei^ nichts bat)on. 5Ratalia ftü^t il)n, alö er mieber gu g:el)en anfängt, fie fpielt mit il)m ©d)acl), fie ift immer allein bei il)m. ©ein gang€ö ©ein beginnt fid) feiner Sf^etterin juguneigen ba bringt il)m ein ^anbelöjube 9lad)ri(^t mon 9Jkrio, unb ber Xrnum Derfliegt, gum ilummer S^ataliaö, bie, nac^bem il)r ©tolg burc^ bie Siebe gebrocfien ift, il)n mie iljren ©efangenen beroadjt. ®oc^ er fliel)t nac^ Gängig, mo je^t oon bem bortigen l)interliftigen J^omtur bie beiben 33ürgermeifter unb 58artl)olomäuö ®ro| bem 2;obe überliefert werben, ^ie Sf^ad^ridit l)ieroon erreidljt ben ^o^meifter im SlönigS- berger ©d)loffe, mo fiel) nun auc^ §eing einftcUt, bocE) nur, um alöbalb nac^ 3)angig gu gel)en.

^er britte ^anh beö ^Romano beginnt in ^ud^malbe am ^JJelnofee, mo Öan§ alö 6rbe feines 33aterö fein ^am einrichtet, mäljrenb feine 9JJutter in ^^orn bleibt unb 5Iatalia üerftört balb l)icr, balb bort ift, meift milb in ber .^eibe berumreitenb. %m liebften begleitet fie ben alten SBalbmeifter ©unbrat, ber ingraifd)en in ^einrtd; üon flauen ben 3Serfül)rer unb ©eliebten feiner Xod)ter crfannt bat, auf ber Sagb, ober fie fud)t fiel) von einem ^räutermeibc einen Siebeötranf g,u befdliaffen: auf baö cmige ^eil, fagt fie, leifte fie SSergid^t, fofern fie nur ^icr auf ©rben über einen eingigen

äÖtdfjediS .sjciiivicf) üon flauen". 291

9)?cnfc^cn ^Ud)t cr[)n(tc, bcn [ic liebe iinb fiaffe ^n%k'iä). 'Mlö fic erfährt, bn^ ^e\n^ mit 9)?Qria geneii ben SBillcn i^rcö 5ßaterö m^^ ^^anjig f(ief)cn luill, eilt fie bortf)in unb vereitelt im (c^tcn 3(ugenb(icf bie %[mi)t, inbcm fic fic^ öUfl^fi«^ o^nc Scbenfen bem ,3orn beS uon t^r ©eüebten auöje^t: „^nö Scbcn i)"t mir nid;fö niert, ber Xob m'iU- tommen. Sic jcf^hic^gte plö^Iic^ fnnt auf. )}{(i), t>n wc\\]t md)t, mie cknö bii mic^ (jcmai^t f)aft."

®aö ^ilb biefeö 3J?äbc^enö ift bem ^ic^tcr mei|tevf)aft flcliiiißcn. 3IIImäf)Iic^ nerroirren fic^ \i)xe 3imie, innere ©lut nnb ^ßcrjmciffung ucrje^ren fie. Sie mag nid;t mcf)r bei ber SJhittcr bleiben, aud) nid^t bei bem trüber, bcr inäroifd^cn, ban! beö alten ©unbrat Eingreifen, ^(auenö ^öc^terfein SBaftrnbiö ()at ef)c(i(^en bürfen. ßinmal fofgt fie ^ißcitnc^"» "nc^ ber nngarifc^en ^auptftabt, luo fic in ^lanenö ^ienft a\i6) ^einj micberfinbet. „iRimm micf) ju bir", flefit fie, „mcnn bcin ^erji fi^ meiner erbarntt. ^(^ raill bcinc 5!J?agb unb bein StaDbube fein." (i'r niufe baö jurüdmeiieu unb üerfuc^t uergcbli^ fie ^u beruhigen, ^n f)a(bcm 2Ba^nfinn mirb fie bann für einige 3:'age bic ©etiebtc jcneö jübifd^en '^(rätcö, ber S>Q\n^ gef;eilt [)at, unb ucrfuc^t, biefen le^teren in pfö^fid^cr ätufraaUung unb 5öerjmcif(ung ju iicrgiftcn, bamit er nid)t ■Karta gcf)öre. T)ann ift fie miebcr uerfcbmunben mic ein ^rr(id)t. 3(ls §einj aber feine Sd^roefter in Sudjmalbe am 'üccfnofee bcfuc^cn min, ba finöct er an Stelle beö alten 2Ba(bmcifterö in bcffcn §ütte 9?ata(ia, bie je^t f)ier in ber Sffiilbniö ^auft: „^.d; mu^ -mid^ nor bcn SD^cnfc^cn uerftedcn, fic fprcd)en fdf)fcd)t von mir." ©etreulic^ bc; ridfitet er \i)v alleö, raaö er an S3ittcrem unD Sd^mcrem erlebt ^at, unb fic rid)tet il)n mit tröftenbcm ^iMprud^ auf unb erffef)t meinenb feine ^cr5cif)ung bafür, ba^ fic if)n auö lauter Siebe i)ab(^ vergiften raoHen. (Sr fd^Iäft eine d}ad)t mit Ülatalia in ber glitte, unb am nädiften 9J?orgcn geleitet fie if)n noc^ ein Bind 3Begcö. ,3f)re mirren ^"neben Ijabcn \\d) feit geftern rounbcrfam gctlärt : „^as madjt bie gute 5iacbt, \ä) id)licf nod^ feine mie bie." Unb nun bringt fie il)m baö lefetc Cpfer ir)rcr Siebe: fie crjäfilt iF)m, ba^ gjJaria nic^t tot fei, mie er glauben mu^. 9^id) me^mütigem :^lbjd;icb fcbrt fie um, nimmt ©ift unb jünbet bie glitte an, in ber fic fid^ cinfam jum Sterben nieberlegt. 'Jlod) an bemfelben S^ac^mittage tcljrt §cin^ mit bem greunbc unb ber Sc^mcftcr ju il)r äurücf, finbet aber nur nod) bic Dcrfof)lte Seilte.

Über iQcinric^ uon flauen brid)t in^miic^cn baö ^iftorifd;c ©ejc^id Ijercin. Gr lüirb abgefegt unb einftmeilen auf einer ^^olje am grifd)en ^aff smifc^en ."»iönigöbcrg unb 33alga untergebrad^t. „3?on feinem fleinen genftcr auö jc^aute er über ben breiten SCßafferfpicgel nac^ ber famlänbifdicn .Küftc, bie mit bid)tem SBalbc befe^t mor. j^ifc^erboote freuäten täglid) baö ^aff batb fannte er ein jcbcQ an ieincm Segel. 3Jtituntcr jog in ber ?^crne auc^ ein Schiff vorüber, ba^-> in 5lönigöbcrg mit ©etrcibc bclaben mar unb bcn 3luögang in bie freie See fud)tc." l^cinj gcminnt nad) ^abrcn als Hauptmann von 2ühtd feine 3J?aria in ^anjig, ju Dericlbcn 3eit, ba [ein ^^atcr, ^einric^ uon flauen, nic^töaf)nenb alö ©cfangener in bcr Xanjiger 33urg fifet. I^m ^al)re 1429 aber, ba er im Filter alö Pfleger nac^ bem Schlöffe Soc^ftebt auf bcr Sübmcftfpi^e bcö Samlanbeö gebracht ift, erlebt er bic ^xcn\>Q, bie bcibcn grcunbcö-- paare mit il)rcn iiinbern, alfo feine £inber unb ßnfcl, einmal aUc sufammcn bei fid;

10*

292 3]oii bcv alten juv neuen Äunft.

^u fet)cn. ^eiiij i[t feineö Sd;iüict3erüQterö 9kcE)foIger unb ^anjigcr 3^atgl)err gc= iDorbcn, ^tinö l)at feine Scfi^ung S3ucf)ii)afi)e am SKelnofce oerfauft itnb fic^ im <Sam= lanbc angeficbclt, ]o t>a^ SBaftrubiö bem greifen 58ater baucrnb nolje geblieben ift, ^n bemfefben Sal)re no(^ ift bann ^einrid^ vm flauen, ber 3fietter beutfd^en SBefenö unb bcutfd^er .'peimot mir ^oIcngefaf)r, bort oben nm .^aff geftorben. ^n ber ^6)= meiftergruft ber 9Jinrienburg liegt er bcftattct.

@in iinuiöerfamer Sieig gef)t uon biefem tiefgrünbigen 9ionuin aus, beffcu .^auptintinlt für bie ^ugenb nod; gcfonbert unter bem 2;itel „.^einj von SBalbftein" i)Ou Quberen «erarbeitet ift. 5)cr Sioman uerbient eine ^Verbreitung, roie fie ©d^effelö „effe^arb" f)at; benn marum foE nur 9Jiittel:, ©üb= unb SBeftbeutfd^Ianb ben 58orjug f)aben, literaturfät)ig ju fein? 3)ie ftiHe treue Dftmarf, mit beutfcfiem 33Iut gegen fremben 3tnfturm fo oft be^ouptet, f)at im ©egenteil ungleicf) l^öf)ere 3flecf)te an beutf^c £i'ebe unb beutfrf)e§ Sefen alö bie üon ber römifc^en Kultur fd^on fo früf) bebad)ten (Segenben Sai^ernö unb 3cf;maben5. (Serabe bie Literatur oermag f)ier Diel, wenn fie lünftterifc^ ^od;fteljt wie SBic^crtö „^einrid) uon flauen", ©in 2)enfmol alfo nid)t nur öer neueren Siteratur ift biefer 9loman, fonbern jugleid^ beö beutfc^en ©ebanfenö, ber nic^t an ©Ibe unb Dber !^altmacE)t, üielmel)r bie ßänber beutfd^er S^nQ^ überfpannt uon ben 2llpen biö jum ?^rifd)en nnb Slurifc^en §aff, pom %clä jum 9Jleere.

10, ÖJuftaU S-rctitrig.

©d^ön ift'ö, wenn fd)on ber 9JJorgenroinb eine befranste ©tirn umfpielt. 3lber lä^t \\d) beobachten, ha'^ ^id^ter, bie erft in reiferen ^al)ren ^nm 9^ul)me tommen, fefter unb bauernbcr in ber Siteroturgefi^ic^te rourjeln. 33efonberö gilt 'i)a^ für bie großen 3[Reifter ber ilnnftprofn. Stifter, SBidjert, ^re^tag nnb uiefe anberc finb 3?ei= fpiele für biefe SBal)rl)eit.

ätud^ Si^c^tag gebort nod; ber ölteren 5lunft on, wenngleich er, namentlid) im Xiuftfpiel, bereits neue S;öne anft^Iägt, unb er l)atte aud^ ju Dielen nadE)f(affifc^ ober neu= Tomantifd) gerid^teten Tutoren perfönli^e Sejieliungen. 3)iit SBicEiert unb ^et)fe, ber i^n in ©iebleben befuc^te, beteiligte er fic^ an ber ®enoffenfcf)aft beutfc^er ^Dramotifer unb ^omponiften.

©uftaü 3^rei)tag, über beffen £eben mir in feinen „ßrinnerungen" (1886) eine ergiebige QueEe befi^en, mürbe am 13. ^uü 1816 gu Slreujburg in ©d^lefien alö Sol;n beö Sürgermeifterö geboren. 2)« bie fleine ©tabt t)art an ber ©renje lag, !am eS lläufig ju Streitigfeiten mit ben ^olen, bie ftetä ju Übergriffen bereit waren, ^ter alfo fa^ ber ^nabe jum '3:;eil mit eigenen 2tugen, waö er fpöter in „Soll unb ^oben" fdjitbcrte. ^acfelbc iä^i fic^ ühö) für feinen Übergang nacE) 33reölau ju Dftern 1835 fagen, nur ntit bem UnterfcE)iebe, ba| er nic^t wie fein §etb 2lnton alö ^auf= mann, fonbern alä Stubent bort^in ging. Unter anberem l)örte er al^ einjiger 3"= l)örer ein ^riDotiffimum in beutfi^er ^anbfd^riftenfunbe bei ^offmann Don %aUev^' leben in beffen 2ßol)nung. Über feine erfte Siebe laffen wir i^m felbft ba^ 2Bort: „©ö ift eine ^rofefforentoc^ter, bie mir gegenüber wol)nt, einziges £inb, eine 3Hutter ift nic^t Dorl)anben. Sie erfc^eint mir engelfd^ön, brünett, eine eble ©eftalt; 3^äl)ereö

1

@u)taö 5yrci)tag. 293

uermag icf) m6)t ju erfcnncn, luegen be§ fuqen ©efic^tö. ^^ ic()e fie am genCtcr fi^cii, ein roenig oorgcbeugt, fic lieft ober arbeitet, jumeilen jelje icf) fie auf bem 33aIton ftcf)cn ganj in Sc^roarg, offenbar in 'Seibe, unb id) fteHe mir oor, lüie erf)aben unb liebenöroert fic fein muf;, menn fie im ^aufe bcm ^atcr gegenüber Tee bereitet ober in ben rJ^äumen i^rer ftattlid^en SBoi^nung Sefuc^e empfängt. 3lnc^ id; fi^e am genfter unb uerfurfje tieuc^Icrifd) g" 't'fen, unb \d) fi^e abenbö im 1)unMn unb ftarre lange hinüber, juroeilen erblicEe ic^ einen Sd^atten am erleuchteten ^-enfter, ic^ a{)ne, fie ift cö, freilief) fonntc aud^ ber 33ater fein, ^rf) raeifie iF)r begciftert unfid^tbare ^ulbigungen, faufc einen 58ei[(^enftraufe unb fe^e if)n im ©lafe auf ben Tifc^, id) g^efie nad)benflicf) auf unb ab unb bilbe mir ein, ba| \d) if)r PorgefteUt merbe, b<i§ idb \i)x fage, mie innig id) fie i)eret)re, ^a^ fic mir fagt, roie fie mir uor aßen anberen 3)tenfc^en nertrauen unb mir if)r gangeö Sd[)ictfa( mitteilen roolle, unb über ber ©rjät^hing merben mir beibe beroegt, fie legt ibr öaupt ouf meine Sd^ulter, unb ic^ magc, iF)r haQ f^marjc .^aar gu füffen. 1)iefe get)eime 3örtlid)teit nermoc^te aber nid)t über bie Strafe biö un if)r ^erj gu bringen; baö ?^(ämind^cn ertofd), meil i^ meine 33ef)aufung merfjfetn mu^te."

^m .§erbft 1836 ging gregtag nad) 53er(in, mo er auf ber ßeipjiger 8troße ju feinem ©rftaunen bie llfenfcfien gä^len fonnte, fomeit bae Singe rcicf)te, roaö bei ben bic^tgefüllten ©äffen S3reölauö unmöglich mar. @r ftubierte bier ©ornuiniftit bei Raxi £orf)mann, beffen S3orfefungcn über bie Diibelungcn unb bie :^iteraturgefrf)idE)te bcy 9TJittelalterg nad; ?^ret)tagö eigenem 3f"gi"5 bie ©rnnblagen feineö SBiffenö mürben. Gr ermarb ficb nun mit einer 3(rbeit über bie '^(nfängc ber bramatifrfien ^ocfie bei ten ^mt\6)cn bie 'Doftormürbe unb bnbiliticrte firi) barauf (1839) mit einer fateinifc^en 9lbf)anblung über bie 2)ic^terin §rot'5mitb uon ©anberöl^cim an ber ^Breölauer Uniüerfität.

3u ben (Familien, in beucn er in ^Breslau am liebften ucrfcljrte, gel)örte bie beö 5\aufmannö Tlieobor Diolinari .>\üfoniafniarcn unb ^robufte , beffen .^auö bcm ^i^ter bei ber Sfic^^i'^n ber ?yirma t. D. Sdf)röter in „Soll unb ^aben" oor- gefcbmebt l)at, fo fel)r firf) au^er ber ftoljen 'Ticblicbfeit bie beiben (Sbarattcre narf; gregtagö 5tugfage unter fd^ieben. SBenn mir aber l)ören, ba^ biefeö ®efd)äft eineö ber grölten in 5d)Iefien mar, uieie 3lgenten in .^ratau unb ©aligien bntte unb and) "^Stx- treter inö 3fuölanb fanbte, fo ftebt m\^ micber „Soll unb .»öaben" oor 3lugen.

2ln ber Unioerfität laö ber junge ^rioatbogent über mittelbocbbeutfdie unb ncucro beutf^e Siteratur fomie über beutfd)c ^oefie feit ©oetbe unb 6d)iller. gür firf) felbft macbte er iJIuögüge auä ben Monumeiita (kM-iimniae unb fammelte namentlirf) fultur- gefd)id)tlicbe ^totigen, bie il)m fpäter bei ben ,;M)\Kn" unb ben ,/öilberu auö ber beuU j^cn 3?ergangcnl)eit" fe^r guftatten famen.

1844 nic^t 1842, raie grcQtag meint übernabm .^arl oon ^oltci Mo ifeitung beö Sreölauer Stabttl)eaterö unb lernte {Vret)tag teniien. „SCßir gemannen uns lieb", geftebt ^oltei gegen Sd)lu| beö jmeiten Sanbeö feiner „33ierjig ^abre". Unb {^reptag erjälilt: „35>ir nmrben balb gute 33efannte, faf;en nebeneinanbcr am "üJiittagötifrf) unb fpielten Tomino um ben 5laffee/' Dann fnm '^ertl)olb iHuerbad)

294 5>on ber alten jur neuen Äunft.

narf) S3rcölau, luib mit U;m jd;fo| ?^rei)tag Daiicrnbe grcunbjc&nft. X;a er in3imid;eu ©rnmen ju f^rcibcu begonnen Ijatte, ftubicrte er 1846 in fieipäig praftifcf) bie 58ü{)nc unb if)rc ®tnrid)tungen nnb lernte babci ."peinric^ Saube fennen. ^n ^Dresbcn begegnete er bem ©romatnrgen bc§ bortigen §oftt)caterö ^arl ©n^foro. 1847 überfiebelte er ganj nndE) ©reöben unb rirf)tcte ficE), [oebcn uerinäfjlt, 'einen eigenen ^am\)aÜ ein. 3(u^ mit SubiPig ^iccf unb SfJic^arb Sßagncr luurbc er f)ier befannt. ©eine Hbfic^t war, nad)-- bem er ben gelehrten SBeruf gang aufgegeben f)atte, jäf)rncö ein ®rama für bie ^üf)ncn ^u frf)rciben.

^a fom baö ^aljr 1848 unb lenftc aud; ^^rerilag yom S^^eater gur ^olitif. „ßö mar", berid;tct er, „in ben crften 9JJonaten beö S^^i^^ö, a(ä idi bei einem 33efud; in Seipjig einem fleinen ^errn gegenüber fa^, bem I;übfd)e blonbe Soden ein runb= lic^eg, rofigeö J^inbergefid)t ctnfo|ten, unb ber hinter gro-^en ^rillengläfern ftorr unö fd^roeigfam auf feine Umgebung faf). ©ö rcurbc mir gefagt, ba| biee Julian odimibt, SSerfaffer beö gelehrten 3Berfeö ,@ejc^ic^te ber iRomantif fei. Söngere 3^'t f)örte er fc^uieigenb bem politifdjcn ©efpröc^ mit S3cfannten ^n, ptö^Iid) aber, qIö \^n\ irgenb; eine S3er;auptung mißfiel, brac^ ber ©trom ber Stiebe auö feinem Innern mie fc^äumcn; ber SBein am entfortter g(afd)e. (Schnell unb fräftig floffen bie SBorte im fd;arfen oftpreufufd^en ©iateft. SBaS er fagte, mar fo f(ar, energifc^ unb raarm, ba^ aEe ücr? munbert gufiörten, unb hü'^ bie Unterljaltung nic^t mieber in 3^Iu| !am, and) alö er geenbet Ijatte unb fic^ mieber fc^meigcnb I)inter feine SriUe §urücf§og. "Darauf gerieten mir beibe in ein ©efprädj, baö lange bauerte, unb ergab fic^ eine folc^e Ü'berein; ftimmung in ben 3lnfid;teu, nic^t nur über ^reu^en unb bie beutft^e Unorbnung/ aud) über üerfel)rte literarifc^e ^Infic^ten ber ^^i*, ha^ i6) in großer ^od)ac^tung üon i^m fc^ieb. (Seitbem fuc^ten mir einanber, fo oft fi6) bie ©eiegent)eit bot." 3Jfit Julian Sdjmibt, ber bamalö fein berliner £e()ramt aufgegeben l)atU, gab er nun bie 3Bo(^en= fc^rift „Die ©rengboten" fierauö, bie oor einigen ^a^i^^n oon bem Dfterreic^er ^uranba in Belgien gegrünbct, bann nad) fieipgig uerlegt mar unb je^t für alle nationalen unb Äugleid) liberalen ^been eintrat, g^regtag gog nun nac^ S<^iPöig, mo an ber Uniüerfität bomalö Tloni^ ^ainpt nnb 3^f)eobor 9}Jommfen [ef)rten. Wäi ^aupt unb feiner Itugen t^rau fa^ er gern „in ber 3(benbbämmerung auf feinem alten Sofa", in if)m fanb er bog llrbilb gu feinem ^rofeffor SBerner in ber „^ßertorenen ^anbfdjrift". ä(ud) mit HJtommfen fc^Io^ er ^reunbfc^aft. 3Son 1857 biö 1865 mürbe in 3)tori^ 33ufd), ber bamatö gerabe auö SImerifa jurüdgefefirt mar unb fpater burd) fein ^ertrauenöperpltnis ju ^iömarcf befannt mürbe, ben „©rengboteu" noi^ ein befonberer t)erantmortüd)cr y^ebatteur befteHt. Der .^iftorifer ^einri^ uon 3:^reitfc^fe unb ber Direftor ber Seip; äiger Ärebitanftalt, Raxi Watljx), ueroollftänbigten ben £rei§, ber fic^ um ^^rct)tag fc^arte. 1861 ging 5d)mibt nac^ Serün, 1886 ift er geftorbcn. ?^ret)tag felbft blieb ben „örengboten" biö jum ^aljic 1870 treu. 3Son ba ah wibmete er fic^ gan§ feinen größeren üterarifc^cn 3{rbciten.

Dramatifer mar ?^rei;tag nic^t. 9lur fein Suftfpiet „Die ^ o u r n a I i ft e n " (1854) ift mit 9f{e^t feit je^er a(ö eineö ber beften beutfi^en ^omöbien gerüfimt raorben. 3(n ber „^i^rautfaf}rt" (1844), bem „©el'c^rten" (1844), „SSalentine" (1847),

©uftaü J^reDtag. 295

„®rnf Sßalbcmnr" (1850) unö Den „g^obicni" (1859) Dagegen ift nic^t ine( ju loben, ©rft 1855 begann mit Dem 9ioman „Sott n n b a b e n" fein lüefenttirfieö Schaffen, 'tiefem 3)ieiftcnüer! folgten 1864 ber ^ioman „1)k oerforene ^anbfc^rift", bcffen gjtittcrpunft bie ^orjc^ung na6) einer uerfrfiollenen Xacitnö^öanbfc^rift bilDet in SBirtürfjfeit f)atten .§aupt unb ?^rei)tag einmal eine gorjcf)ungöreife nacf) einer 2ir)iuc= ^onbfc^rift machen mollen , nnb 1872 1881 bie fci^öbännige 3?omanreiJ)G „^ie Sinnen". $jn biefen SBerfen liegt greptagö ^ic^ten befc^foffcn.

3u ben unuergängtic^en SBerten bentfc^er ilunftprofa gebort gcmi^ /^ ^ i e u e r = 1 0 r c n e § a n b f cf) r i f t ", ^eren c^anDiung jnnäi^ft in Seipgig fpielt, nnb ift gut unb treu empfunben unb auögefüf)rt, raie ber §err ^rofcffor ftatt beö alten Sacituö fein SBeib ^Ife unb fpäter fein ^inb finbet. ©länsenb ift im bcfonbcrcn öer Gingang, bie erfte ^älftc beö erften 53anbeö. 1)ann aber tommen Sc^nörfet, ein cc^raelgen in ber Tarftellung gcleljrter unb (}öfif(f)cr Intrigen, baö anö bem 9latür(ici^en ber gangen 3(nlage fjerauöfäDt. 2)aö SScrf)aften be^j ^rofefforä icirb, je rociter bie G"rää[;hing fort= fcbrcitet, immer meniger g[aubf)aft, unb .^Ife ucrüert narf) unb nad^ bie menfc^Iicbcn formen : fic roirb fo etmaö mie eine germanifrf)e 3Ba[türc nnb Seherin.

9)(it üic[ größerem 3^ed^t burfte ba^i rein ©ermanifc^e in ben „3t t)nen" b:tonl raerben, bereu §anb[nng uoni oierten ^af;rI)unDert biö gum ^af)re 1848 fü{)rt. -Dem SBeiterrüden ber ^e\t unb 3Irbeit cntfprcc^cnb freiüi^ finft aucf; I)ier ber SBert. ^rd(^= tig finb tro^ ber poctifc^ gef)obenen Spracfie an bie man ni(^t ju glauben üermog, nenn man fic^ bie betrcffcnbe ^uüurpcriobc nergegenmörtigt bie erften Sänbe. tiefer SSanbale „.^ngo", ber ba auä ber 9^ömerfrf)(ac^t bei Strafjburg im ^ai)u 357 ju bem 3:f)üringer dürften Jlnomalb fommt, bcffen ^odjter ^rmgarb im Sturme «lö fein SJßeib entfübrt un? bann mit if)r jufammcn in crgicifenbem öclbenfampfe untergef)t, bleibt in unferem Sinne nnb @ebä(^tniö, unb auc^ ^ngraban, feinem ^lat^fommen jur ^eit beö Sonifajiuö, folgen mir mit innerem Stnteit uom ^ai)xt 724 an biö ju feinem Dpfertobe für ben geliebten Sif^of. So umfcfiliept ber erfte Sanb bie kämpfe ber f)eibnifc^en ©ermanen mit ben ^Römern, ben Slanen unb miteinanber fomic bie erfte 6l)riftianifierung. Xer jmeite, „^as 3^eft ber ^t^i'^fönige", beginnt mit bem ^^abre 1003: ^ngoö unb ^ngrabanö 9krf)fomme .^mmo geminnt an ber Spifee feiner fed;ö SrüDer feine .ipilbegarb unb fpielt a(ö ein flciner tbüringifdjer £önig, ein 3nHnfönig, eine bebeutenbc SfJolIe in ben Stampfen beö größeren 5lönigö, öeinric^öTI. Spannung rcrfolgt ber £efer bie Greigniffe aucb im britten 3ll)nenbanbc, ben „53rübern oom beut; frfien ^aufe", bereu .^anötung mit bem ^a^re 1226 einfe^t. öier entrollt ber Ticbtcr ein farbenreirfieö ^Silb ber SRitterj^eit mit iljrer 9}^innc, il)rcm Sang, il)rem l)üfifcl}cn 3^rauc^. ^elb ^oo aber l)olt fid; bie 3»0f"^0<^iP''^'^i"' ^'^ "'^^ "^^'Qc ^auerntcd)ter griberun, jum 2i>eibc, na^bcm er mit bem ^oljcnftanfen ^riebric^ IT. im ^eiligen l>anbe getämpft bat, unb mit ibr gicbt er fd;licf?lid) nac^ Den Ufern ber aBeic^fel, luo er Die Stabt SToron (Xl)orn) grünbet unb alö erfter Den Crbenomeifter ^ermann doh «Salsa bei fic^ empfängt, ^m Cftcn alfo, uon mo einft Der 3?anbalc 3»ao in bie i^rembe ging, bleiben mir nun mit ben lebten ^änben. 5i>ar to6) bie Cftmar! bC'5 S^ic^terö Heimat, „^m 3at)re 1510" ift bie :^(nffd)rift ^nm erften .Rapitcl beö inerten

296 95cn bcr alten juv neuen Äunft.

33anbeö ,/IiJarcuö Äönig", bcffen ^fjema bes (Snbe beö ^eutfrfien Jiittcrovbetiö unb baö fiegrcid^e 58orbringen ber 9f?eformatton bilben. 3^U^<^" ?^rct)tQg§ 3. unb 4. 2II)nen; banbc lie^e fidE) bemnad^ SBic^ertä „^einric^ oon ^louen" fuIturgcf^ic^tlicE) mit 9iu^en cinfdjicben. ^^reptag lä^t I)ier Sutl)ev felbft auftreten, obrcol)! ber ^ouptfdjaupla^ baä ii;e|"tprcu^ijd)e £anb, cor allem 3:^orn unb bie 3Jiarienburg, bleibt. ®er fünfte Sanb, „"Die @t)d^n)ifter", beftef)t auö jmei leiten, oon benen ber erftc, „®er ^^ittmeifter üon Slltrofen", mit bem $jal)re 1647 beginnt, alfo nod^ in ben 3)rei^igjäF)rigen ^rieg fällt, wäf)renb ber jmcite, „'3)er ^^reiforporal bei SO^arfgraf 2IIbrerf)t", ung in baä ^abr 1721 unb 5u bem preu^ifcEien ©olbatenfönigc griebrirf) SBilfielm I. fü^rt. ®er fec^fte unb le^te Sanb, „9tuä einer Ücinen Stobt", umfaßt bie lange ^citfpanne oom ^aiire 1805 big 1848. ^Der Sflieberbrurf) ^reu^enö, bie 33efreiungsfriege unb fcEiIie^Iid^ bie innere politifc^en Äömpfe geben biefem ^ilbe ben 6I)ara!tcr. 9Iu§ bem ®ejrf)Ied)t ber a[t= gcrmanifc^en g^ürften finb journaliftif^e SSorfömpfer für bie nationalen unb liberalen ©cbanten beä 19. ^a]^rl)unbertg gemorben, unb nur in ©tubentenüerbinbungen leben bie alten «Stammeönamen ber 5ßanbalen unb 3:l)üringer fort, ^^re^tag fd^lie^t bie ^l)nen mit folgenben ©ä^en : „^e länger has^ Seben einer ^Ration in ben Sal)rf)unberten läuft, um fo geringer mirb bie smingenbe SJiadit, roelcbe burc^ bie ^aten be§ ^Ibnen auf ha^i Sc^idfal beö ©nfelä ausgeübt roirb, befto ftärfer aber bie ©inmirfung beg ganjen SSolfcc. auf ben einzelnen unb größer bie ?5^reil)eit, mit loeldtier ber 9)iann fid) felbft ©lud unb Unglüdf gu bereiten rermag. $Dicö aber ift baö ^öd)fte unb ^offnunggreic^fte in bem gel)eimnigüolIen SBirfen ber ^ßolfgfraft."

®ie £anbfcf)aften, in benen bie erften ^Romane fpielen, beftimmte ber ^i^ter fpäter in feinen „ßrinnerungen" nod^ genauer. ®en ^erren^of beö Slnömalb („^ngo'') foHen mir unö am 2luggange beö ^Rein^arbgbrunner ^aleg benfen. ^ag ®orf beg alten Sauerngefcl)ledf)tg ift griemar, bcr S^lame beg ^bigbac^g (geenbacl)) ift jefet ^^, unb an ber Stelle ber S^i^^ni^Ö erl)ebt fi(^ bie gefte Jloburg. ^n bem jroeiten ^eil beg erften Sanbeg „.^ngraban" ift ber ^of beg gelben etma bort gebacEit, tM' je^t bas Sonifajiugbenfmal ftel)t. $r)ie ^öl^le, in roelc^'er ber ©ebannte Raufte, ift eine äl)nlic^c mie bie @ipgl)öl^le bei ?^riebrict)roba. ^m „9^eft ber ^««"fönige" liegt bie ^aupt= befi^ung um bie brei ©leieren, SSorbergc beg 3:i)üringer SBalbeg, big in bie 9läl)e ©rfurtg. 3Bie ^ngoä Sol)n burc| ?^riba gerettet mirb, fo frf)ü^t ^vo auö ^ngoö ®e^ fc^lerfit fpäter griberun, bie oon ?^riba abftammt. S)ie Sanbfc^aften ber übrigen Sftomane finb beutlic^ begcii^net. ^n ber legten ©rjäblung ift ber einfame ^farr^of mit feiner alten ^ol§fircl)e bag ®orf SBüftebriefe bei Dt)lau, in bem gregtagg ®ro^= Dater mütterlic^erfeitg ^aftor mar. einige Gegebenheiten beö ^al^reg 1806 beruf)en auf ^atfac^en; fo ber Sinbrud^ bat)erifd^er ^lünberer in bie fcE)lcfifc^e ^farrmol^nung, erjälilt nac^ ?^amilienerinnerungen erfunben ift bie 58erlobung mit bem klinge unb bie Belagerung beg geinbeg im ©aft^ofe. ^n ben Unterl)änblern, bie bamalä am 15. ©egember 1806 in 9^amglau burc^ bag genftcr ju bem Gelagerten ein= fticgen, gel)örte ber ^ofrat Seffing, ein 3^effe beg 2)id)terg.

3)ie „3ll)nen" rul)en ouf ben G i l b e r n aus ber b e u t f rfj e n ^ e r = gangenlieit" (1859—62), einer 5l'utturgcfd}icl)te in einjclbarftcllungen, bie ebenfo

' greotag^ „Soll uub .pabcii". 297

tüie jene ^^omnnrciljc Dem Saufe Der ,3a^rl)unbcrte folgen. Xa fie ahn nid)t Diir(^ Die gorm gegen Die 3SergängUc^feit gejc^ü^t finb, luic eine Xiirfitung ift, fo fönnen fie if)rer ganzen 2{uffQffung nnb ^Infdiaunng nad; in ^iifu'U't "idjt uui)x ben glcid)eu 9Bert befi^en, Den fie einft Ratten, '^ai gilt in noc^ f)öf)erem ©rnbe uon Der ^cnbenj= fe^rift ,, ^er ^ronprinj unb bie beutf^e ilaifcrfrone" (1889).

9tuf ein gnn^ mibereg ©ebict fü^rt bie tfieoretifc^e :Jlrbeit „^ \z X c (^ n i! beö 2)ramaö" (1863), bie in ^oefie unb Schule unermc^lid;eö Unheil angeridjtct l)at, fo ba^ man if}r nic^t me^r unbefangen gegenübcrftcf)t. SBäre baä nirf)t ber %aU, fo müßten luir bicfe fd^arffinnigc Unterfud^ung aufö I)öd)ftc fdjä^en.

Sd^Iic|lic^ feien i>on ^^rcijtagö profaifd^cn Schriften noc^ erniäf)nt bie Sebenös bef(^reibung bcö babifc^cn ^olitiferä £ a r I 9)t a t f) t) -(1870) unb bie fpäter üon funbiger ^anb ((ilfter) uerme^rte Sannniung feiner fteineren M u f f ä ^ e (1888).

3)oc^ lüir f)aben ber 5d)ifDerung feineä l^ebenö uorgegriffcn. Sc^on 1848 cv= icieä fic^ feine ©cfnnDl^eit in Der ßeip^iger Stabthift als nii^t fe{)r iinberftauböfäl)ig. 6r eriiKirb ba^cr 1851 ein Sanbbauö mit ©arten ju Siebicben bei ©otfja. ^m 3ln; fange beö ^aFirfjunbertö von einem 6otf)aer 5Dtinifter erbaut, f}atte es oft unter bem ■l^amen „^Die gute Sd)miebe" alö ©äfte auc^ ben SSeimarer ^erjog ^ar( 3(uguft, ."Qcrber unb @o«tf)e beherbergt. §ier oerlebte S^eptag nun regelmäßig ben Sommer, ^er; fönlid^e Se^iefinngcn ergaben \\<i} jn Dem .^cräog oon iloburg-öotlja, Gruft II. ^cvner fam er in freunblic^en ^^er!ebr mit 9üibo(f ^atjm in ^aüc unb ^^ricDrid) 3iücfert iu ?ieufe|. Neffen „9?al unb ©amajanti" Uiq ?^rci)tag im eigenen .^aufe oor. ©r frfirieb bann bem SSerfaffer, roie fel^r er fic^ über baö SSerf freue, unb erhielt bie 3Intiuort, ba^ bem ^i^ter fclbft „Samitri" h(\ö li^bfte feiner Gpen fei.

^n ber erften 3uli{)ä(fte 1870 mürbe ?^ret)tag cingclaDeu, im ^Hauptquartier beö i^Tonprinjen g-rieDrid) 2Bilt)eIm oon ^rcußeu Den «^elDjug gegen g^raufreid) mit: 3ucrlebcn. ^n biefer 3fit entftanb in it)m bie ^bee 5u ben ,/ilI)nen", bie ex 3uerft bem Äconprinjen mitteilte. 3lle Sc^aupfa^ iräbüe er jene ©cgeuben, bie er genau tannte: ^T^üringen, mo er mo\)x\te, unb ha^i öft(id)e Xeutfc^Ianb, feine engere ^eimat.

2)en SBinter uericbte er in fpäteren 3af)ren iu 55>ieöbaben. ^ier ift er am 11. 3lpril 1895 geftorben.

^retjtag ift tein Tid;tcr, ber auö bem unucrfieglic^eu :i8orn ber ^f)antafie fd)öpft, uub mag Stimmungctunft ift, fc^eint er gar nid)t },n miffen. 'I)af)er ift i()m aud^ aUeö Ii^rifc^e Sebeu frcmb geblieben. (St mar ein fernfeftcr, tiid;tiger '-öürger, i)o6) unb breit gemad)fen, ungebeugt big jum ^obe, mit fleincn 3(ugen in einem tebl^aft geröteten ©efid)t, flug, bercbt, fid;er, immer tlar unb immer bcutfd). SBaö man qu^ an ii)m ^ermiffcn möge fcfjon eineö allein würbe \l)\\ über oiele ^cben, bie bic^terifd) reicher begabt maren : er i)at bem beutfc^cn ^aufc ben beften beutfc^en 3^oman gefd}enft.

11. ^rctitöß« „^oü nnö ^aacn^

33e3eid)n^nb für greptags Sd)affcn finb feine eigenen :?tngaben über bie ^t}U fte^ung feines erften unb bebeutenbften iHomanö. ,,^6) crbadjte mir", fagt er, „juerfl bie ganje ^anblung im i^opfe fertig, babci fudite id) fogleid) für afle mic^tigeren @c=

298 55on bei- alten 5111- neuen Äunft. '

ftnitcn bie 9laiiicu, luelrfjc nad) meiner G;mpfill^ung ju it)rem 2Be[cn ftimmten feine ganji leichte unb feine uniin^tige Slrbeit , cnblid) jd^rieb i^ anf ein SIntt ben furjen ^nljalt ber fecf)ö i8üd;cr unb if)rer jämtlic^en 3(b)d)nitte. '^aä) folrfier SSorbereitung begann i^ gu jc^rciben, nid^t oom Slnfong in ber 3f?eibcnfolgc, jonbern wie mir einjelnc 2(bf(^nitte ä"föllig lieb unb beutüc^ mürben, ^^ii^^^ift joli^e am ber crften ^älfte. 3lIIeö rooö bnrd) bic Sdirift befeftigt mar, i)ül\ natürlich ber fc^affenbcn ©eele bie neue ©rfinbung für noc^ nii^t ©efdiriebeneö anregen."

®er Jioman I;at eine ©rnnbibee: ber 9}ienic^ fott fid) !)uten, ba^ ©ebanfen unb SBünjc^e, meiere burd) bie ^i;antafie in if)m aufgeregt werben, nii^t aUju gro^e ^errfd)aft über fein Scbcn er{)alten. tiefer ©ebanfe tä^t fic^ an ber ©ntraidlung fänitlic^er ©rcigniffc unb S()araftere beö Sfiomanö mn{;elüö feftfteüen.

31ns ber fleineu jd)(efifc^en 5lrciö[tabt Dftrau, unmeit Der Dber, manbert nac^ bem 5^ob<c beiber ©(lern Stnton 3Bof)Ifart, Sof)n cineö armen foniglid^en i?aIfu(atorö, nac^bem er glücflid; bie 9^eifeprüfung beftanbcn ijat, na6) ber ^roüinjiaII;auptftabt ^reölan gu einem großen 51'aufmann namens Sdiröter, bem fein ^ater einft einen S)ienft ermiefen f)at. 3(uf bem 2Bege baf)in erlebt er feinen erften ^ünglingöroman: er gerät in ben ^arf eines f)oc^I)errfc^aftIid)en ©utee, rairb von ber %o.^kx beö ^aufeS, Senore üon ^Jiot{)fattef, einem f)üb)d)en, fclbfibcmufeleu Sacffifdj, freunbtid) um!)er- gefü()rt unb nimmt nun einen 2::raum in fein fünftigeö faufmännifd)eö S)aiein mit. 3ug(eic^ mit ibm manbert fein früherer Sc^ulfamerab SSeitet ^^ig biefclbe Sanbftro^c entlang, gefeilt fic^ gu i(;m unb mei^ \l)m uiel uon ben ©ütcrn, an benen fie oorüber fommen, gu erjäl^Ien, unb uon bem ©lücf, baö er in ber ©tabt gu machen fiofft. ^n Breslau trennen fic^ äunäc^ft iijre SBege, aber ber ^on ift angefc^Iogen : beibe treten ju ber gamilie .jenes ^errenfjaufeS unb gu biefem felbft in beftimmte Sc3i'el)ungen, Stnton in freunbiic^e, SScitel in feinblic^e. S)ie ^^antafie ^at ^errfd)aft über fie gcmonnen.

^n brei uerfc^iebene SpI)oren werben mir je^t eingcfül)rt: bie bürgerliche Simons, ber in feinem neuen 2Birfungöfreiö noUe 33efriebigung finbet, bie abiige berer um bie g^amilie von S^otljfattel unb bie mu^erifc^e um SSeitel S^ig. ®iefe brei !Spf)ören merbeu burd; ^mei ^erfonen, bie über fie l)inmegragen, glüdlic^ miteinanber üerbunbcn, loline boc^ bcslialb im ©runbe ciuanber nä^er ju fommen. ®aö finb ber §err gri^ non 3^inf, ©olju ber großen girma ^^inf & 33eder in Hamburg, 9JIillionär unb abiiger llacalier, ber im ,§oufe %. D. @cE)röter äufammen mit 3tnton im Kontor arbeitet, unb ber geleierte ^bealift Scrnl)arb eijrcntbal, ber 3of)n beä jübifdien @e-- fd)äftsmannes unb 2!ßud;ererö, in beffen S^^ienft 33eitel ^^ig getreten ift. S)ie|e br i jungen Seute raerben ^^reunbe unb iierl)üten boö Unglüd ober machen bioic^ mieber gut , bas SSeitel ^^ig unb ber alte ßl)rentl)al über bie gamilic 9fiotf)fatte( bringen, 2)er Sd)lu^ ift ber, ha'^ ber alte g^rei^err, rettungslos in Spefulationen üerroidelt, fein SSermögen, bei einem Selbftmorboerfuc^ bas 2lugcnlid;t unb bei einem polnifc^en 2luf= Xüi)x feinen einzigen Sol)n, einen jungen c^ufarenoffiäier, uerliert; ba^ ?^inf bie ur; fprünglic^ uon 2lntou oereljrte unb in einem ^Tauägirfel ber ^auptftabt umfc^raärmle Senore unb 3lnton Sabine, bie Sc^roefter feines 6l)efs, als gTiitinfiaber ber girma

i

gi-einagä „Soll imb .Oabcn". 299

%. C. Schröter ^eimfüfjrt ; ba| 6-f)rcntf)a(, gebrochen burd) Den %oh jeineö 3üf;neö, bcn Scritiinb ücrliert, iinb ta^ Beitel ^^ig, bcr feinen Scljrer in SBiic^eriacf)cn unb fpäteren 'Duälgcift, ben alten ^ippuö, crniorbet ^at, von liXntün um bcr (^nniitie Siotl^iattci miüen verfolgt, bcn STob in bcmielben 2Baffcr finbct, in hao er jenen geftopen ))at

^röc^tig ^cben fid) bi'c Gbaraftere uoncinanDcr ab, befonDero bcr jorgiofe Icid;t= finnige, ober cDle gin! uon bcm geipiffcn^aftcn 2Soi)(fart unb ibucn genau entfprcd;cnb l'cnore non Sabine. 2)er ^ic^tcr felbft Ijat in feinen ,,©rinnerungen" bicfcn ©rfolg ertlärt. „SBiH man fic^ aber bie müi)c geben", fagt er, „bie gcfd)i(berten gj^cnfd)en gegencinanber ju (teilen, fo fann man finben, ba'^ fie unter einem eigentümnd;cn 3iunnge gcbilbct fin^ bem Deö ©cgcnfa^cö: iHnton unb ginf, bcr Kaufmann unb 9totI;= fottel, Senore unb Sabine, ^ip unb Spcd)t I)aben einanber cerania^t. 1)cnn mie in bem mcufd^üc^cn Huge jebc garbe if)re befonbcre Grgänjungsfarbe f)erüor(odt, fo treibt auc^ in bcm erfinbcnben G3cmüt ein liebgemorbener l£f;araftcr feinen {ontraftieren= ben fieruor. Mud) (Ef)araftcre, meiere biefelbe ©runbfarbe crfjattcn mie e^rcntl^at unb 3^ig/ mcrben burd^ bie 3i'»"i<^u"9 ^fi' beiben ©cgcnfarben ooneinanber abgehoben. 3)icfeö S^affen in ©cgenfä^cn gcfdjiebt ni(^t als goigc ucvftänbiger ß'nuägung, fou:: bcrn mit einer gcmiffcn 9taturnotmcnbigfeit gauj uon felbft, beruht auf bem ^e= ftreben ber fd)öpferifd;cn 5(raft, in bcr nac^ ben Sebürfniffcn bcö menfi^lic^cn ©emütcö 5ugcrid;tetcn Scgcbenfjcit ein ^Ibbitö ber gefamten 9J?enfd;enmc[t im ficinen ^u geben."

Qtmaö 2il)nlid)eö tö^t fid; and; für bie Situationen Der ^anblung feftftellcn, ülme hü^ man immter genötigt märe, naä) ©cgeufä^jen ju forf(^en. 2tber biefe finb ungefuc^t ha, \a fic merben burd)einanber gefc^oben unb I)eben \\6) t)o6) fi^arf uoncin= anber ab. ^aö befte Scifpiel ift bie föfttidic Sscnc im fünften Hapitcl beö erfteu öanbeö, mo ju gleicher ^Q\t im itontor Sd)rötcr bcr 3(geut 'Braun uon einem Seefturm erjäblt, ein« 3^rau bettelt, ber 6f)ef bie fragen feiner :?(ngcftellten beantmortet, c^err Stcpban bie Sf^euigfeiten feiner Stabt erjäfilt unb bcr jübifdie ©alijier 3d)mcie ^infcicö 120 3cntner SBoHe an bie %\xn\a ucrfauft unter einem ©ef^ac^cr, 'Qaö ber Zeichnungen cineö SBif^cIm 33ufd; mürbig umre.

2)Qö fütjrt unö jur SBürbigung bcc Jrcijtagfd^en .^umorö, ber in allen feinen •Homanen trculjcrjig unb fc^iagfräftig f)erauofommt unb aucE) bcmirft Ijat, t^a^ von feinen 1;ramcn bie Suftfpicie bie bcften finb. Sßer fönntc bcnn biefcm Sc^mcte liutclcö n)iberftel}en? (St ift ein gclungcncö Öcmifc^ uon 58crfd;mi^t[)cit, banfbar^gutmütiger Sinncöart, broUiger Dkivität unb gcfüf)h)oIIer 5kigung, nac^ ilräften ben (icbcn ^Jiädiftcn 5u betrügen, menn es bicfem bcbci nic^t gerabc ans Sebcn gcljt. Unö fo be- fommcn mir eine güUe f)umoriftifd;er S5encn: bie 33efud)C, bie CI)renti)a( bem grci: fjcrrn, ober bcr Scfuc^, bcn j^int im §aufc G()rcnti;al mad)t, fo bap gro^e i^lufregung entftet)t: „2a| gi^fauen boten, Sibonie."

1)icfcr Gfjrentljal ift, poctifd; gcfcljcn, eine öcr bcitcn (>jcfta(tcn unb bem 6f)arofter naä) im g^ioman nid;t bie aUcrfd;lcc{)teftc. Sd)on feine 3iebe mirft au^er^ orbcntlicf), fo bei ber t)cimlid)cu iHbmad^ung, mie mau am bcften ben greibcrrn betrügen fönne. Saffen nur bem Xid)ter ba^^ Söort: „Gtjrcntfjal ftü^te fd;mcrmütig bcn .ftopf onf bie ^anb unb fagte mit einem Seufjer: ,Sic fönnen glanbcn, Sömenberg, eo madjt

300 53on ber alten juv neuen Äunft.

mir fc^iDcrc Sorge/ ,60 nnrb niic^ [ein ein jd^öner 5ßorte{(', tröftcte ber anöcre. ,3lber mad^t ©org^', [prod; ^err @^rent^a( gebeugt; ,grauben Sie mir, ^öiuen^ berg, id^ bin fo aufgeregt üon bem Sf^ac^benfen, id; t)(ibe feine ^a6)i, mo \ä) fc^Iafen fann, wenn ic^ liege in meinem 33ett. Unb mcnn meine %xan m\6) fragt: ,3d)Iöfft M, ®f)rent§of?', fo mu^ ic^ if)r immer fagen: ,^d^ fann nic^t fc^Iafen, Sibonie, ic^ mu^ benficn an bie ®e)d)äfte/ "

Über fo(d)e ^eic^nung oon 6{)arafteren unb Situationen crnfter fomie f)umorifti= fc^er 3Xrt I^tnang aber crf)cbt fic^ ber 9ioman ju großen ©emälben ber üötfifc^en Kultur unb ©cfc^ic^te. 9iic^t nur bie Stänbe unb Berufe raerben forgfam in if)rer ©igenart unb if)rem JQcrfommcn gemalt, fonbern ber gro^e meltbiftorifdie ilampf jmifd^en Seutfc^tum unb Slamentum fpielt ficb uor unfern 2lugen ab. ^ie %a^xt bes ^auf= manng mit ^Inton in t)a^ ©ebiet ber aufftänbifd)en ^olcn, bie feine ^^^raditmagen jurüdfiorten, foruie ber 3tufru^r auf bem neuen polnifdjcn @ut bes greifierrn bei ber Stobt 9ioömin geboren ju bem 33eftcn, maö mir an fuIturf)iftorifc^ mertüoHer "Dichtung in beutfd^er Sprad^e befi^en.

91idf)t aEeö ^aQ Dermoc^te ?^rei)tag aug ber ^f)antafie ^n f(^öpfen. 5(ber mar ja bie üertrautcfte ^eimat, bie er fc^ilberte. ^aä ^auS beö ilaufmanne mar i^m* urbilbüc^ in bem feineö ^reälauer g^reunb*eg Sr^eobor 9JtoIinari naf)egerüdt, mie bei ber 3)arfteIIung feinet Sebenö bereits ermäfint murbc. ^m übrigen fagt er in feinen „Erinnerungen": ,,^6) felbft bin mit meinem greunbe 3:f)eobor beim 3(uöbruc^ ber polnifd^en SReüoIution in bie 9]ö[;e yon Krafau gereift. Unb tioUenbö bie SBuc^er: gefc^äfte jübifd;er ^änblcr ijabc id^ grünblic^ fcnnen gelernt, 'Qa \6) alö 33eooEmäct)tigter eines lieben 33erraanbten jahrelang üor ©erid^t gegen einige üon if)nen ju ftreiten f)otte. ^hiä) bie 33i[ber auä bem polnifdien 31ufftanbe fiaben ö^uu 3:'cil ©runölagen. Sin ^ampf, mie ber in ber Stabt S^ogmin, unb baö ^erauömerfen ber polnifi^en ^nfur; genten f)at im ^af)rc 1848 ju Strgelno mirfli^ ftattgefunben. ®i« mutigen 2)(änner, meldte bort bie beutfi^en Gräfte fammeltcn unb modjenlang ben ^olen miberftanöen, maren ber Dberamtmonn Jlüf)ne, ein Sd^üler ^oppeö, unb feine S^fpe^toren Sa^manu unb ü. Jlleift. Unb bie meid^enbcn ^olen f)aben bort mirflic^ bie blauen 5?artoffeI= magen unb bie g^euertonne für HrtiHerie gef)alten."

Unfere ^beale ju ermeitern, ift biefer 9toman für baä ^ai\§> ntc^t imftanbe, raoFjI ober unfere Qbcale feft ju oeranfern. 3t(g 9Jcotto giert ha§ erfte Titelblatt ein 3(uöfpruc^ Julian Sc^mibtö: „2)er ^Konuin foU baö beutfc^e 33olf ha fnd;en, mo es in feiner 3:;üc^tigfeit jn finben ift, nämli(^ blei feiner 2lrbcit/' 2)a f)at ?^ret)tag feine ^eutf(^en gefud)t, gefunben unb bid^terif(^ feftge^alten. ®ie Sßorte „beutfd^" unb „tüchtig" finb bie beibcn ^^ole ber '^c^fe, um bie fic^ f)ier baö gange innere unb äußere öefc^e^en bref)t.

^ft baö ni(^t bi'e ^ö^e ber Äunft, fo f)at bod) ber S^ioman ber Sßeltliteratur, mcnn er grop genannt merben fann, biö^er auf biefer ^ö^e l)altgemad^t. 58on ^idenö, bem 50^eifter be§ 9?omanö, bem S^öpfer be§ unfterblic^en „Sauib ßopperficlb", ber fünf ^ai)xc vor „SoH unb ^aben" erfd^ien, ^at ?^ret)tag bie Sej^ränfung auf ficf)t= bare ^bQak bei epifd^ breitet TarfteHung lernen fi3nnen. ^Iber and) l)infi(^tlic^ ber

griebric^ Spieltagen. 301

reülifti|rfjen Sluffaffuiig itnb 9Iiiöfü{)nmg ucrlcugiict fi(^ bcr Ginflu^ großen cttg= l\'\(f)(n ^i^terä nid^t.

^em niobcrncii 3Rcafiömiiö roibcrftrcitet nod) bic poetifc^c 3prarf)e in ^rentngs SBcrfen, bcfonberö in ben ,M^r\en'\ Xanim \\t er !ein SScrtreter ber neuen ^u:i[t, ober mirf) er füf)rt bereits entfc^ieben 511 i()r l)'m. grcilic^ {)ätteu lueöer er nocf) bie früf)cr benannten fi^ \i)x angefd^Ioffcn [ie f)ätten jonft i[;r Seftcs opfern nuif[oi>v unb mx finb frol;, ha^ nur I;aben.

/J^nö Soll nnö ^abeii bcö ^laufmannö Ijat crft burd; j^reijtag nii^t [c^oii burc^ Snunerinann, @oet{)e ober bie 9?oinanti! ©injug gef)alten in bie i)öf)ere Slunft, l)at \\d) in feinen fi^ttlic^en unb äftf)etif(^en SBerten nuegemicfcn unb fo feinen 3(n= fprud) an'] 9Jiitlcben im ©cift ber ©cbilbetcn bnrgctan. 3Iud^ boö ift eine Sciftung, bie nic^t übcrfef)en luerben bnrf unb burd^nuS mobern ift, Unb oertreten lyirb ber ^nnbe( nicbt allein von bem fteifteinenen od^rötcr ober bem attju tugenbuollen 2Bof)i; fart, fonbern aurf; bem unternefimungöluftigen 33ruber Siebertirf) ginf, bcr borf) in feiner meltmnnnijc^cn, fübnen unb f)üc^t)eräigen 5Irt jo rc^t ber 'Jppuö einer neuen 3t'it ift.

3icf)en mir bafier f)ier in faufmännifc^em ©eifte einmal bie 'Bifanj auf fünjt; Ierifdf)em ©ebiet, fo finben mir, ha^ baö §aben beä 2)ic§terö S^^egtag in jebem gaUc bag SoU roeit überfteigt. Unb ift aud^ bie f)unbertftc 3tuffage bcö 3fiomanö noc^ nic^t ganj erreicht, meil jebe 33ücf)crei i(;n auöäulcibeu oermag, fo braucht man bod) um fie nic^t be)orgt p fein, bcnn öiefcg 58ud^ nimmt im bcutfi^en Sprachgebiet biefelbc Stellung ein mie im engiifc^cu ^cr „GopperficlD": ift bcr 3bman bcr 3iomanc.

^m 2liärg{)eft 1860 bcr „Stimmeu ber 3cit" erfdjien über gret)tagg ,/5-abicr" ein tritifcljer 3luffa^, ber Ms> SBcrt fef)r ungiinftig beurteilte unb infolgebeffen ?5rc9tag unb ben ^ritifer perfönlid^ baö gange Scbcn t)inburc^ auScinanbcr t)iclt, obmo£)I fie firf) gcfcljcu f;abcn, am @otf)aer ^ofe einanbcr uorgcftellt mürben unb Julian Sd)mibt eine Zeitlang mit bem Ärititer in Scipjig an bemfclben §otc(tifrf)e ju ücittag afe. ^cr ^ritifer mar Spieüjagcn, ber burd) feine 3>cran[agung unb 5Homantcc^nif ftarf an ?5rei)tag erinnert; ber ebenfallö ni^t ein ^ic^ter im @oetf)ifd)en Sinne mar unb reid;er aus ber ilultur unb ^olitif alö auö ber ^fiantafie fcf)öpfte; ber baburd^, ba^ er bie ©egenmart rea(iftifdf) für ben 3fioman ucrarbeitete, anbererfeitä aber an bem alten Stil feftt)ielt, ebenfallö eine SSerbinbung Ijcrftcllt uon ber alten jur neuen 5lnnft.

i>(ud) über fein Seben finb mir burd) feine „GTinncrungen" (1896) i)ortrcff(id) untcrricf)tet.

gricbricf) Spielljagcn murbc am 24. gcbruar 1829 in 3)?agbeburg geboren alö &cr üierte uon fünf Söhnen eineö 33aubcamten, bcr 1836 nad) Stralfunb ucrje^t mürbe, er monte ficf) juerft bcr llJebijin mibmen, ftubierte aber feit 1847 in 58erUn unb 'Sonn ^nxa, bann f)icr unb in ©rcifcmalb ^.pi)i[o(ogie. ^icfe Stabt begrübt er in ieincn „©rinnerungen" mit ben SBorten: „®a mar id) benn in bem ©rünmalb meiner ^Romane. ^cf| f)atte in ber Stabt, oon ber ic^ rnobl gefpottct ^ahc, fie fei fo ftiU,

i^02 Sßon bei alten gur neuen lunft.

bo^ man bnö ©raö ^lüifc^en l)en ^ffnftcrftcinen iimd)icn Ijören tonne, mid^ nod^ in einen gonj bcfonberg [tillen SBinfel eingemietet: gegenüber einer 5lird)e, auf beren 5riebf)of bie 3^enftcr meineö SBol^näimmerä gingen, unb beren bef)aglid)eö 33im unb ^am mir feine mepI;iftopIjc(ijd^en Sc^mergen mad)k." @r trat bann in ta^ .^eer ein, unirDc ."pauölefirer unb 1854 (5)t)mnafiaUet)rer in Seipgig. ^n biefer 3eit raurbe feine -erftc 3irbeit gebrucft, ein 3(uf]a^ üb'er ^omer, ben KSu^forn in feine „Unter^Itungen am fläuölidicn ^erb" aufnafjm. 1857 crfc^ien feine S^oueUe „£Iara 3Sere", 1858 „3luf ber ^üne". 2^amit mar if)m ber SBeg gemiffen. '3)en erften ^eil ber ^ r 0 b I e m a t i f cf) e n 9^ a t u r e n " fc^ricb er noc^ in Seip^ig, ben groeiten f^on in ^annwer, roofjin er fur^ nac^ feiner 33ermäf)(ung im .<gierbft 1860 als gentHeton: ^kbafteur ber „Leitung für Sflorbbeutfdilanb" überfiebelte. 2)ie beiben ^af)re in ^annooer maren nad^ feinem Urteil bie glücEIirfiften feineö ßebenö. ©r mürbe bann 9?ebafteur ber „®eutfrf)en SBoc^cnfi^rift" (fpäteren „^cutfrfien S^omanjeitung") in Serlin unb 1878—84 ^erauögeber üon „SBeftcrmannä gjlonatö^eftcn". ^ule^t jog er nad^ ß^arlottenburg, mo er, treu get)egt uon feinen 3;öc^tcrn, befonberö feinem 9JJaienfinb .gebba, bie ingmifc^cn SBitme gcmorben mar, am 25. gebruar 1911 ge= ftorben ift.

©piel^agcnS Stellung in ber Literatur f)at fic^ fef)r ceränbert. ^orfjin mürben nur bie ^i(^tungen genannt, bie il^n einführten. SBer raoHte l^eute eine Überfirfit über feine jaljtrcid^en beinalie gul^Itofen Sfiomane unb ^Jioüellen gu geben für mert I;alten! 2)ie S^xt feiner unbcbingten ©eltung im gangen ift für immer worüber. 6r ftat bie gciftige unb politifc^e ßiitraicflung beö beutfd^en SSotfeö bic^terifcf) begleitet, ^onferyatiüe, liberale unb Sogialbemofratcn finben ebcnfo raie ^ofitiniften, 9)?ate: rioliften unb ^nbiuibuatiften i^re if)nen forgfam gugeroiefene SteEe in feinen 3eit= romanen. ®oc^ roen au^er ^ofitifern unb bie menbcn fic^ lieber an anbere Duellen intcrcffiert ^eute im einzelnen foldfie ©ruppierung, roenn biefe nic^t burcf) 'oa^ rein 9JJenf(^lic^e unb 5lünftlerifc^e auf eine ^öljere ©tufe gehoben mirb!

®arum frfieiben für eine nähere ^etrarf)tung uon Dornl)erein felbft bie 9?omane üuö, bie biö^^er in ben Sitcraturgefc^irf)tcn meift auöfü^rlicE) um il)reö ^Q\U unb ^bcen= gel)alteö roiUen befproc^en mürben : ^ n 9fi e i ^ unb ©lieb" (1866) mo Seo ©utmann ein ^OTträt Saffalleö ift , § a m m e r unb 3f m b o ^ " (1869), 2{ 1 1 § e i t t) 0 r a n " (1872) unb O u i f i f a n a " (1880).

2)anf ber uorijin geforbcrten ßigcnfc^aft ^at firf) bem Staube ber SScrgönglii^; feit entzogen ber 9Joman „Sturmflut " (1876), ber ein großes 9?aturereignig, inbem er üon Slnfang an barauf ^inmeift unb alle ©reigniffe ftral)lenförmig gu biefem SJIittelpunft l)inlenft, raunbcrfam mit bem menfd^lic^en Seb.en gu uerbinben rcei^. T)aö gro^ftäötifc^e treiben im ©cgenfa^ gu ben einfamen SDüncn ber pommerfrf)en 5lüfte, ber S&ogengang ber ]^ol)en ^olitif bort, baö SBellenraufc^en ^ier, ber finangietle 3"= fammenbru^ in ber ©rünbcrgeit ber fiebgigcr $jal)re unb bie gemaltige Sturmflut, bie tatfäcl;li(f) am 13. 3^oücmber 1872 ©rcigniö mürbe 'oa§> ift gu einem großartigen ©emälbe oerarbeitct, baö bicfen 9fioman bem Soften in ber beutfc^cn Literatur gumeift, gumal ba auc^ bie SJJenfc^en tief unb cd^t auö bem Seben gegriffen finb, üor allem

^er ^rofefforenromon. 303

bic präcfitigc @cnera(otod)tcr Glic ticr cniftc unb fefte Kapitän, Sciitnant uiib Soticn; !ümmanbcur Sc^mibt unb bie föftlic^c 2Ricting, bic i^rcr @tie io fliig bic Söirfiidjfcit cntfc^Ieiert : „5Jiit uujcrcin )So\\ unb unfcrcn abligcn ^rätcnfioncii, loci^t hn, boö ift ja aUeg bummco S^uq. ^auon mirb fein ilienfdE) glücfiirf), bcjoiibcrö ivcnn [o gnr nid^tö bal)intcr ift."

'^od) jcicn Don Spic(I)agen gcnnnnt ,, SB n ö um I ( 'o ao in c r b c ii " (1886), 2B a ö bic S c^ ro a I b c fang" (1872), ,, X o b 1 e s sc o b 1 i o- e " (1888), „Stimme b e ä § i ni m c ( ö " (1895), @ c ( b ft g c r c rf) t " (1896) unb bic TiOc ucllc „2)ic ^orf fofctte" (1868). 5(uct) Dramen unb ©cbic^tc Ijat er {)crauö; gegeben.

l^az geflügelte 3Sort, bns Spicibngeuö erftcr S'iomnntitel geicf)affeu ()at, ift nirf)t of)ne Sinflu^ auf feine ^öolfötümlidjfeit geblieben fc^icnen bocf) uielc 3laturen, je meltcr bie 3^'* uorrücftc, um fo problcmntifc^er gu merbcn; unb maö märe f)eutc nid)t protlcmnliirf)! 9tbcr Spicltjagcn mirb anä) ot)uc baö nie gang uergeffeu merbeu, bcnu mit ber „Sturmflut" ^at er ui(^t nur beu heften feiner 3<^it genug getan.

13. ^ev ^vofcjfovcnromatt.

(i'ö ift fein fcf)mcid;clf)after, aber !cin unucrbienter 9?amc, ber Den SBerfen ®af)nä unb ßberä' gutcil gemorben ift, bcun fo hilturgcfc^icf)t(ic^ bebeutenb uni> t)äufig aud^ menjcf)Iirf) fpaunenb biefe SfJomauc fein mögen: fie legen meijr öcm ^rofcffor aiä bcm ^i(^ter ß"f)rc ein. 9tm beften (äffen fie fic^ an öie l^id^tungen Jretjtagö unb Spielgagenö, fomic jum 5ei( an bie ber 50Jünc^ener ©ruppe anfnüpfen, ,vi ^cr ja Xahn Qwi) eine ^cittang gehört i)at.

^Cltj 2)fl$n mürbe am 9. ^^^'^"(it^ 1834 in Hamburg geboren, ftubiertc in 9Jh'inrf)cn unb 'Berlin ^ura unb habilitierte fic^ 1857 in 5ltünd)en, mo er ©eibei, öegfe unb ben anberen „S\rofobi(en" nähertrat, für bcutfdicö :)ied)t unö 5ie(^tögef(^id;te. Gr mar bann ^rofeffor in SSürjburg, Äönigöberg unb feit 1888 in Srcciiau, mo er am 3. Januar 1912 ftarb.

Xa[}m '^aUahen bc^anbeln ebenio mie feine Dramen („ilöuig 3ioberict)", „Siübiger uon Sed)(aren") unb Sbmanc mit 3?orliebe t>C[^:' germanifdjc iHItertum. ^c- rüt)mt gemacht (jat if)n fein üierbänöiger (jpäter in brci 'Säuben bcrauögegcbencr) ^)Jomau „@ in Äa mp f u m M o m ", ber 1876 erfd)ien unb ben ()elDenbaftcn Untergang Der Cftgoten in Italien fd)ilbert. §ier crt)cbt fic^ ber 3?erfaffcr ftellenmcifc äu einer Tar= fteÜung, bic ed)ter ^oefie fef)r na^e fommt. Scfonberö ber Gingang (im ^s(ii)xc 526 nac^ 6t)riftu9), bie Steilen, in bcnen ber übrigenc frei erfunbene (Sctbeguö alo SSertreter Siomc, fomic 3:oti(a unb Teja auftreten, lieben fid; mirfungönoU non bcm meiten tulturi)iftorifc^cn ?){af)men ah. 1)a^ in biefen Sänbcn mel;r erbolc^t, crfd)(agen unb crfäuft mirb, a(ä eine Seferfcctc über 16 3if)r<^" gutmitlig erträgt, mirD bod) mic?er bur^ tQC} ^fjema unb bie gcmäblte 0efc^i(^töperiobc gercd)tfertigt.

Xa{)n, ber burd^ feine Stubien befonberö in ber ^ch ber ^lHi(ferman^erung ,:iu |)aufc mar, ift nid^t bei bcm einen Sßerf ftcljcn geblieben. erfd^icuen 1880 „Cbl)inö STroft", 1884 „O^ie 5^rcujifat)rer", 1887 „»iö jum Tobe getreu" unb „2ßao ift

304 SSon ber alten jur neuen Äunft.

Siebe?", 1894 „Quaan bcr SXbtrünnige" un'b oon 1882 in 13 Sanben bie „Äletncn D^ionuine aii^ ber 3SöIfenpanberung". 3Son biefen jeien „^iffula" (au§ bem ^a^re 378) iinb bie rier ©r^äfihuigen Ijeroorgeljoben, bie gufanmien „^m §of ^errn ^arl§" be- titelt fiiib. ©eine ^Romane nug ber SJieromingerjeit fc^recfen burc^. aDju ftorf Quf= getragene g^arben ah. ^n bem ©poö „©inb ©ötter?" rairb baö norbifc^e ^eibentuni in ©egenJQ^ gnm ßbriftentum gefteüt (wie in „Dbf)ing "S^roft"). ©ein Söunfc^, bc-- jcnberö in ber Qugenb bie Segeifternng für bas germanifc^e SBefen ju roecfen unb roacf) ju f)ültcn, ift \i)m, wenn ber Steifere anä) faft immer bie 3(bfi(^t merft unb fo poetifd; nerftimmt roirb, in ben meiften ?^ätten n)oI)[ gelungen.

Über ^eflamation fommt ^a^n aber nic^t f)inau§, jelbft in feinem üeineu 3Jieifterftücf, ber ^allabe „'3)ie Tlctk von ^JJarienburg", einem erlefen'en 2Berf für ^ortragsfünftler.

SBeniger laut, bagcgen u)iffenf(^aftn(^ reicher gcgrünbet unb ausgeführt, freiließ oud^ entfprei^enb matter unb langroeiliger finb bie $Homane von @bcr§. ©ennocf) ift biefer als geiftige ^erfönlirf)feit bcbeutenber.

®eorg (Skrö mürbe am 1. 9Jiörj 1837 in 33erlin (Seip^igcr Strafe) geboren, inerjefjn 3:^age na^ bem ^Tobe feines 33ater§, ber Sanfier unb gobrifant gemefen roav unb ben Seinen ein immer nod) großes SSermögen t)interliep. 2t(ö ^nabe üon ll^atjren erlebte er bie S^ieüolution. 1856 ging er nad^ ©öttingcn, um ^ura gw ftubieren. 6r trat bort alsbalb in bas ^orpö ber „©acE)fen" ein unb mietete in ber 2Beenberftraf?e in bemfelben c^aufe, in bem baö ^orpö fein §eim batte, eine SBo^nung, not)m aucf) fein 3nittag§mat)I §ufammen mit feinen ^orpöbrübern in ber „£rone'^ fo 'i)a'^ an innere ©aijnnfung gu ernfter 5(rbeit einftracilen faum gu beuten mar. 5In bie ©teile beö S^ec^tsftubiumö mürben bann ©ef^ic^te unb ^t)iroIogie gefegt. 58on einem ^ölutfturj befaüen, mu^te er nac^ ^oufe jurücffetireu. §ier befucf)te i^n eines SCages roöf)renb feiner ^ranff)eit bie ©attin SBii^elm ©rimmS, unb fie fanbte it)m ^afob ©rimm olc- 33erater, ber \iä) oon i^m über feine neuen ögriptologifc^en ^ntercffen berieten Iie|, unb if)n an Sepfius empfaf)L ^amit mar fein eigentliches StrbeitSgebiet unter fidlerer ^5^üt)rung gefunben. ®r ftubierte nun auc^ bei ^rugfc^ unb Soecff) 3lr(^äo(ogie unb StItertumSfunbe unb oerbracfite ben ©ommer gum ^ei( meift in SBilbbab. Sßä^renb feiner 3trbeit an ber ^abilitationSfdjrift fiel it)m bie ©rgö^Iung beS |>eroibot auf bie freificf) fcf)on oor feiner ilritit nicE)t ftanb^ielt „oon ber faifcfien ^önigStocf)ter, bie ber ^^arao Stmafis bem £ambi)fes als ©emal)(in gcfanbt t)atte, unb bie jur un= fc^utbigen UrfacEie beS i^rieges geraorben fein follte, infolgebcffen bas ^t)araonenreic^ feine ©etbftänbigfeit oerlor". ©o erjäfilt ©berS in feiner 5(utobiograpf)ie (1893). eigen- tümlich unb le^rreid) mar bie 3tuSeinanbcrfe^ung bes ^orfc^erS in i^m mit bem ®i(i^ter. „^iep es", fagt er, „treulos gegen bie SBiffenf(^aft banbeln, menn id^ ber ^oefie bie ©tunben roibmete, bie anbcre ben ^^eierabenb nannten? ®ie 5^rage raurbe bem inneren jHicf)ter fo gefteUt, ba^ er „nein" fagen mu^te. 9J?it gutem ©rfotg furfite icf) mic^ ju Der Übcrjeugung gu bringen, ba^ id^ biefe ©rää^Iung junöi^ft nur fc^reibe, um mir ben gefammelten SBiffcnSftoff , lebig' ju machen unb mir bie ^erfoncn unb ^uftänbe aus ber B^it, bereu ©efcbic^te ic^ gu fc^reiben münfc^te, fo nat)e gu bringen, als oer=

ä

5^ev ^rofefforenroman. 305

fcf)re irf) mit tf)nen unb iDcile in iJ)rer 3)titte. 2Bie oft n)icbcif)o(tc ic^ mir biefe an firf) nid^t unbegrünbete ©ntfc^ulbigung ; in SBa^rI;eit bvängte mirf) abtx qQcö, roaö in mir wax, jum 3)id)ten/'

©0 entftanb ber crfte Sbman, „Sine ägQptifdjc .Uönigc'toc^ter", ber 1864 ex- fd^ien, unb bcffen ©eftalten auf beftimmtc Urbilbcr jurücfgcficn. „Sßie niclc ^üqc Der 3J?uttcr", erläuterte fpäter ®bcr§, „trug bie fdjönc, mürbige ©reifin ^Ifiobopiö. ®er ilönig 3{mafiä roar j^ricbrid^ 2Birf)e[m lY., ber ©rieche ^Iianee. batte oiel mit bem ^räfibenten Seiffart gemein. 3luc^ bie 9^iteliö fannte ic^, mit ber 3(toffa b^tte ic^ üft genug gefc^erjt, unb in ber ©app§o mar bie reijeube ^ranffurter ©oufine 33e^9, mit ber ic^ in Sf^ippolbSau jo fd^öne 3:;age uerfebtc, mit ber t)olbfcIigcn ^rafemi^cr Sina ron 3lbeIöfon oerraoben," Sepfiug nannte baö ^]!J?anuffript, beoor er fannte, „5(ttotria", unb bot i§n, feinen „®elcf)rtennamcn burrf) foldie ©jctraoaganjcn nicf)t üon üornF)erein ju fompromittieren", mar aber nac^ ber Seftüre biivci^aug jufrieben für ben SBert ber ©id^tung ein bebcnflic^eö ^ai^jeii: ber ^^ad^gelebrte fiatte in bem lUutor bc§ Siomanö ben ^rofeffor erfannt nic^t ben ^ic^ter, obn)of)( er ha^ glaubte.

^ie weitere ©ntmicflung ber X)inge ift allgemein bcfannt. ©bcrä habilitierte fid; 1865 in ^cna für ^(ggptotogie, mürbe 1868 I;ier ^rofeffor, reifte 1869 unb 1872 nad; 3tgt)pten unb Iet)rtc uon 1870 biö 1889 alä orbent(id;er ^rofcffor an ber £eip§iger Unioerfität. ^n ^u^ing am Starnberger 6ee ift er am 7. 3(uguft 1898 geftorben. Seine befanntcften iKomane au|er bem (Srftlingömcrf finb „Uarba" (1877), mo mir in baö 14. Sat)rF)unbert vox 6f)riftug jurücfüerfe^t merben, uns alfo in einem roaliren ägtjpttfd^en ^^raumlanbe befinbcn, „Homo sunu" (1878), „^ie Sd)meftern" (1879), „2)er Äaifer" (1880) unb „Serapiö" (1885). CDer öfteren bcutfc^en ©cfdji^te ge^ l)ören bie roenig gtücflic^en SRomane „®ie g^rau 58urgemei[terin" (1881) uiib „'Sarbara Slomberg" (1896) an.

®berö crrci(^t mit feinem t)iftorif(^en SRoman nidf)t ben feiner beften 5ßorgänger unb 3eitgcnoffen. 3fu(^ bie englifd^en SRomane „.^ijpatia" oonSlingöIeg unb „"Die testen läge uon ^ompeji" üon 33ulmer finb f)infid)t(i^ Der eigentlichen Grääbfung bcffer, fo gropc Sdjroäc^en fie fonft t)obeu mögen. S^atürlid^ mcrben fo cicnbe ^fjantaficn mie Sßallaceö „33en ^ur" uon @berä racit übertroffen. £ein befteö SBerf ift mof)[ „nonio snnv"; jebenfattö ift eg gefc^toffcn unb fpannenb. SIbcr ber 'Jieiä ber erften ^ugenbfrifc^e liegt bod) nur über ber „2tgt)ptifd)cn 5{önigötod)ter", bie aud) baö reid;fte 3Jiatcrial jur u)iffenf(^aftlid)en ©runblage f)at.

eberö ^at ben dlu\)u\, ben ^eutfc^en beö 19. ^aljr^unbcrtö baö Sßuuberlanb beö 5nil juerft gemiefen unb crfd^toffcn ju t)aben. ^aö fommt bann jurüdflutcnb ber 3BiffenfdE)aft gugute.

S^amcntlic^ burc^ feine fianbfc^aftöbilber überragt ßberö ^af)n bei mcitem. 2Bic l)üh\6) unb ansie^enb ift gleich ber Anfang ber „^Jigijptifc^cn .^önigötoc^ter", mo ber ^i(^ter=^rofeff'OT unö im 3at)re 528 uor 6I)riftuö in einher 2lionbnad)t an ben ^J^il fü^rt, in beffen SBaffer fic^ ^atmen, Si)tomoren, SBeiben unb Silberpappeln fpiegeln, iDäfjrenb in ber %cxr\c am «porijont ber Irjbifc^e "pötjenjug fic^tbar ift. ^(aue unb roei|e fiotoöbtumen fdjroimmeu auf bem j^hiffc, bie 9?ad)t ift uom ^uft ber 3aömin=

De^lfe, Die öculfc^e ßitctatur fett ®oetfic§ lobe iifm. 20

306 SSon bev alten jur neiieti Äunft.

bluten erfüllt, in bcn i^ranen öer Säume frf)IununcTn witDe Stauben, am Ufer ftel)en ^ctihine unb 5vrantrf)e. ®ng Spicgelbilb beö 9Jionbeö felbft frfiroimmt roie ein filberner ©d^ifb auf ber 2BQfferf[äd)c ha burdf;f^neibet eine Sarfe bic ?^htt. SBer ba n\ö)t ßuft befommt, lyenigftenö mit .^itfe biefeg 9ionrang nac^ 2tgi)ptcn ju reifen unb bott Sl'ufentf)alt ju nefimen, ber mu^ felbft cntracbcr ^rofeffor ober 3)id^ter fein.

©0 (;at boä) ber ^rofcfforenroman feine SBirfung getan, unb er tut fie nod) immer. ®er ^auptgrunb bafür, ba^ auc^ ber ungelcfirten unb unerfalirenen ^ugenb biefe Sfiomanc bi§ ouf einige erotifc^ gar gu milbe uon ®af)n gern in bie ^anb gegeben mcrben, ift bod; ber, bo^ ha^ fulturgcfd)ic^tlic^e SBiffen ber Slutoren nid^t geringer mar atö \l)x poetifd)eg Talent, ©arum foH man fie n\ä)t fc^elten, 'i)a^ fie jugfeic^ SDic^ter unb ^rofefforen maren.

14. ^adlättöcv «ttb attöcrc 9Jomattfr^ri|tftctter.

.^acflönberö Sf^ame ftef)t Ijier nur beö^alb uoran, meil er unter ben ju ^f^ennen^ ben ba§ bebeutenibfte ©rgätilertalent ift. 3Infnüpfen aber moUen mir an bie 9?omane ber ^rofefforcn äunäd)ft anbere, bie in 2(uffaffung unb 2)arftellung ffarfier finb atö fie.

9Kit eberö' ^iomanen ou§ ber römifc^en Üaifcr^eit berüf)rt fid; ber ^ournatift @rnft ^(fftcin (geb. 1845 in ©ie^en, gcft. 1900 in Bresben) in feinen 9tomanen „S)ie etaubier" (1881), „^rufiaö'' (1887) unb „9tero" (1889). ®ie ©pmnafiaftcn miffen au^erbem, ba| er eine fteine ßr3ät)(ung, ben „33efuc^ im karger", unb SSerroanbies gefd^rieben f)at. Sein ©d;affcn lä^t fid^ al§ freunblid), aber literarif^ faft uüUig mertfoS begeic^nen.

Unter bcm ^feubongm ®corgc Satjlor fc^rieb äI)nIicE)e $Homane ber liberale ^eibelberger 3:f)eol'oge 5iboIf "oauöTatl; (1837—1909). ©ein „5Intinou5" er= festen 1880.

®urd^ I)iftorif(^e 9f?omane matten fic^ ferner geitraeife einen Spanten 5(bolf ®Iafcr („©c^li^mang'' 1878, „©oüonorola" 1883), «ubtoig !^aiftncr (1845—1896), ein jüngerer grcunb ^epfeö, X^, ^. ^antcniuö („^ic üon «Redeö", 1885), Wlfrcb 2)oDc („ßarocofa", 1893) unb Tregor ©omoroto (eigentlich Döfar gjkbing, 1828—1903), beffen Zeitromane („Um ^epter unb ilronen", 1872. „©uropäifdie 3J{inen unb ®egeit= minen", 1873. „Unter bem meif^en '5tb[cr", 1892. „®ie Eltone ber ^ageUonen", 1896) einft ungel)eure SSerbreitung fanben.

Tlit 9?nboI[ bon ®ottf(^aü !et)rcn mir gur ernfteren Siteratur jurücf, obraobl aü(^ er früher fef)r überfc^ö^t morbcn ift. @r l^ot uiele @ebid)te, (Spen unb S)ramen gefcf)rieben, ift aber niemalö ein ©ic^ter gemefen. 2(ud^ ju feinen S^iomancn, bie großes S3emüF)en unb Dringen geigen, fagt man am beften gar nid)tö. ^1}V SCitel, g. S. : „Öw Saune beö fdimargen ^fbferö" (1876), ift bie befte ©ctbftfritif. @ottf(!^aE rourbe om 23. September 1823 in Sreslau geboren, ©eabelt unb aU @ef)etmer ^ofrot ift er 1909 geftorben. SBir befi^en üon if)m aud; me£)rere titerari)iftorifc^e SBerfe, unter t^nen eine „@efd)id)te ber beutfc^en Siteratur im 19. 3a^rf)unbert".

S)em ^rofefforenroman mü^te man bie 2)id^tungen be§ ®reäbener Siteratur= profefforä %M\ ©tcrn (1835—1907) 3ujäf)(en, menn er fein ^Talent nic^t l)auptfäd^l{c^

Jpacflättber iinb anbere Diomanfc^viftfteüer. 307

in bcr fleineten ßrjöfihtng betuiefen Ijätte. SSon feinen Sfionionen feien ^ier nur „^ic festen ^umoniften" (1880) genannt, unb feine Spen unb ©ebic^te perlangen innerlicfi burc^aus nid;t nac^ bev £)ffcnt(ic^!eit. ein5elne ^loueHen aber, wie „^ie glut beä ßebeng", „3Im ^önigfee" unb „®ie Sßiebertäufer" finb gerabeju ilabinettftücte reifer Äunft. 3ÜÖ 9?arf)foIgcr ^ettncrä auf bem 2ef)rftul)[ ber Sresbener §oc^fc^uIe t)at 3tern ourfi Iiterarl;iftorifc^ fortgemirtt. ßr fefete SSilmars Siteraturgefc^ic^te fort, frf)rieb eine' ^iograpljie Dtto fiubroigä unb i)eröffentlicf)te 1895 eine Sammlung biograpf)ifc^er 3tuffä^e unter bem 2;itel „Stubien jur Siteratur ber ©egcniuart" in jroei befonberä ftatt(id)en 53önben.

^iftorifc^ gcförbt finb bie anfpruc^ölofen 3fiomane J^cobor ^JDiüggei^ (1806 —1861), oon benen ^lamentUrf) „®er SSogt '-Don ©pit" (1851) Sefer fanb. 3Kügge fann alö ein ^Doppelgänger Sealöficlbä Clßoftlö) bejeicfinet rcerben. ^n feinem 9loman „^Touffaint" (1840) gab er ein oeitenftücf ju Sealöfielbä „SSirep unb bie 3lriftofraten" (1834). ©r fd^ilbert ba ben greil)eitöfampf auf ber ^nfel St. Domingo unb ben ©egenfa^ gmifc^en ber roei|en unb fc^margen $Raffe. Sin im 3tuöfterben bcfinblit^cä 5ßolf, bie ?^innen, fü^rt er in ber „Slfraja" (1854) im Kampfe gegen bie fie oer- brängenben ^äncn uor. @r be^anbelt alfo basfelbe 3:'^ema roie Sealsfielb in „'J)er Segitime unb bie Siepublifaner". ^er alte finnif(^c Häuptling 3lfraja unb feine 2:od^ter @uta finb Sealsfielbö ^nbianer^öuptling 3;!ofea^ unb feiner anmutigen ^oc^ter ©anonbalj nac^gebilbct. ^n 3)iüggeS bänifc^em ^ionier unb J^ifd^f)änbler ^elgcftab ^ot Sealöfielbö S^at^an Strong, ber Sqatter^S^cgulator, 3JJob€tt geftanben, roenn mir t)on bem ©nbe ^elgeftabö abfel;en.

^n frembe Sönber füf)ren anä) ©rjäljlungcn OJuboIf V'iiibaiii? (18-29—1910), bes Sruberä beö 2)ramati!erä unb X^eaterleiters ^aut £inbau (1839 1918), befon: berö narf) ^apan, 6l)ina, 3lmerifa unb ber 2^ürfei. 3"f^ft ^t^ ^auölefirer unb bann al^ Diplomat lernte er bag ätuölanb grünblid^ fennen. Seine 9?0DeIIe „Oute (SefeII= f(^aft'^ (1880), beren Xitel ironifcf) gemeint ift unb in ^ariö jur S^xt beä jmeiten ^aiferreicf)ö fpiclt, begeid^net bag ^auptgebiet, bem er fic^ gumaubte, unb baö am bcften mit ben eingefüf)rten Scf)lagroortcn „©efeUfc^aftö;, Sitten; unb 3<^itrüman" ju um-- fd^reiben ift. Sinbau mnrjelt not^ in bcr alten i^unft, ift aber burrf)auö 3?ealift.

Süjjenliaft finb bie größeren erjä^lungen §01K^ Sadjcn^ufcn^ (1827—1898). 9IQeö baö finb mcl)r ober minber nur Unter^altungöromane. ^n biefem 3i'f'J'"'"<^"= l)ange feien mväi)\\t ^^ilip^ (Bahn (1817—1819) unb tnrl ^xt\\]cl (geb. 1827).

^n oiclen feiner ©rää^lungen ift auc^ gricbrid) Sil^clm ^Qtflöubcr nur Unter; l)altungsf(f)riftfteEer. S^riftcn raie „53ilbcr auö bem Solbatcnleben" ober „3ßa(f)t: ftubenabenteuer" tragen ja biefen ß^araftcr fogar an ber Stirn. 3lnbere miebcr, mie „euTopäifc^eö Sflauenlcbcn" ober „^er Slugcnblid beg ©lüdö", in flüd)tigen Stunben lei(^t l)ingefd)rieben, finb es gcmorben, ol)ne eg gu mollen. ^abei aber roerben 9bmane überfcl)eu mie „'3)er lefete Sombarbicr", einft ein 33uc^, baö inncrl^alb gemiffcr ©renjen fogar ©pod^e ma^te unb mit feiner SScrbinbung uon berbcm militärifd)on .^"'"or, realiftifd)er Beic^nung ber meiften 6l)araftere unb romantifc^er ©eftaltung ber er= eigniffe unb Situationen ein mcrfmürbigeg, aber anjiebcnbeö ©rjeugnig älterer 3bman;

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308 SBon bcv alten gitr neuen Äiuift.

fünft bleibt. 3Bie i)üh\^ unb tlax treten biefer Pfarrer, Sc^uIIc^rer, aJJüüer, biefe Dffiäiere unb SJionnfdjaften oor unä f)in! ©ie finb fo, wie roir fie im geben fennen. Unb babei eine Zigeunerin, bie eigentli^ eine ©räfin ift, rote 33IanbQ, unb eine anbere, bie fein fönnte, roie Rohm. §(uf ber einen ©eite luftige Scherge unb frifrfier iXbev: inut, Quf ber anbercn p^antafteüoüe Drionnöc^te unb gang ungiaublirfie ©mpfinbfam; feiten. ^ebenfoHö f)at biefer 9^omon in feiner 3Irt faum feineägleirfien, unb er ift üiel= leicht eigenfräftig genug, |)ac!tänberö Flamen oon bem 5ßerfauf feiner S^riften im 3ßarenf)aufe rcenigfteng in ferner 3"f""ft roicber gu erretten.

©eboren rourbe ^acflänber am 1. Sflouember 1816 ju $8urtfrf)eib. ©r rourbe juerft Kaufmann, bonn preu^ifc^er StrtiHerift. 1843 ernonnte it)n ber Slronprinj uon SBürttemberg ju feinem Sefretär. ©r grünbete 1855 mit ®bmunb ^öfer in Stuttgart bie „^auöblätter", 1858 bie ^eitfc^rift „Über Sanb unb 5meer". ©eabelt unb atä ®ef)eimer §ofrat, ^ofbau= nnb ©artenbireftor ift er am 6. ^uli 1877 auf feinem Sanbfi^ 2eoni am ©tarnberger See geftorben.

Stile biefe 3J?önner finb geroi^ nid^t ©id^ter grüben Stilö; nur ^adlänber, fo feltfam bag gunäc^ft erfcöeinen mag, l^ätte mit feiner fruchtbaren ^I)antafie ein roirf(icE) fcf)öpferifd^er ^oet roerben fönnen. 3Iber bie BufommcnfteUung biefer 9?amen ift nicf)t eine ^at Iiterar{)iftorifd^er Sebrängniö, bie nianc^en fogenannten ^ic^ter nicE)t unter= 5ubringen uermag; fonbern mir fel)en aud) bei ben ©cE)roäcE)ercn eine bejeicfinenbe Un; ficf)crt)eit, ein 9?arf)a^men gang üerfd^iebener 5lräfte. SDie alte ^unft ftanb üielfättig l^oc^ oor if)nen ba, bie neue bagegen brac^ fid) müt)fam Sat)n unb rourbe baf)er uon il^nen groar in i^rer S3ebeutung nic^t erfannt, in ein5el!)citen jeboc^ bereits mit ®rfoIg auggcroertet.

. 15. 55cd^olö mttxha^.

3)er mobernen Äunft üicHeidjt am nöd)ften ftet)t ron ben ^^tlteren Stuerbad^, ber bie 2)orfgefc^ic^te nid^t begrünbet, aber üolfötümlic^ gemadE)t unb iljr ^ö^ere Silbungä= freife erfd^Ioffen ^at. ©r ift oon ber roirflid^en ©rfaffung länblid^ einfarf)en SebenS nod^ roeit entfernt, ^a, er ibealifiert gerabegu Arbeiter unb Sauern, fo bo| fie aud^ im ©alon ber ^auptftabt mit 2tnftanb auftreten fönnen. Slber ift bodE) fdE)on ein großer Unterfc^ieb, ob man eine ©enerotötocbter ober ein Sarfü^ele in ben 3)iittc(punft einer ^anblung fteHt.

33ertt}oIb 2(uerbad) rourbe am 28. ?5^ebruar 1812 ju Sfiorbftetten im f^roäbifd^en Srfiroarjroalb alä ©ot)n jübifd^er ©Itern geboren, ftubiette in S^übingen ^ura unb ^!)i[ofop^ie, ba er firf) ftröubtc, S^abbiner gu roerben, roar olg politifd^ 3Serbäc^tiger geitroeife auf bem ^o^enaöperg gefangen gefegt unb rourbe bann ,3ournaIift. 1838 rourbe er 3)iitarbeiter an Seroalbs „©uropa" in granffurt a. Tl. ©in ^af)r uorf)er roar fein Sioman S p i n o g ü " erfdE)ienen, bem ein ^al^r nad^f)er (1839) ber JRoman „3)i(^ter unb 5laufmann" folgte, '^n beiben trat er für baä ^fi^bentum unb beffcn ^Befreiung üon unroürbigem ^od^e ein. 1840 ging er nad) Sonn unb SJZainj. ^rei Sat)re fpäter begann er bie S df) ro a r j ro ä I b e r 2) o r f g e f df) i d^ t e n " Ijer: auszugeben, bie nun innert)alb eineö ^^afir^etints (1843--53) rafd) aufeinanber folgten

SBert^oIb Jruer&acf}. 309

unb feinen 3?uf)m begiünbeten. ^q| ber ^irf)ter in öen ©ej^alten öeö SDorfeä faT), mag fie nic^t raaren unb ni^t fein fonnten, ^at bod) bie Qu^erorbentHc^e SBirfung auf biefe gonje poetifc^e ©attung nid^t in j^rage fteUen fönnen. ^orfgefi^irfiten rouc^fen nun überoE gerabeju auö ber @rbe. gür 3Iuerbarf) [elbft bebeutete ber Übergang com jungbcutfc^en ^dU unb 'SiibungSroman jur ^orfnonelle einen ungef)euren ©cfiritt in ber ©ntroicfiung einen Schritt, ben mit it)m faftbie gefamte @r5äf)Iunggnteratur getan ^at ^I)ie beften biefer ©efc^ic^ten finb „^vo ber ^airie", ,,ebeln)ei^", //^^ofcpf) ini Scfinee", „^ietfielm uon 33u(^enberg", „®ie ?^rau ^rofefforin" oon ßf)arIotte 33ird)= Pfeiffer fpöter bramatifiert unb „Sarfü^efe", in öcm ber Stoff üon ©oetf)eö ,,,6ermann unb 5Dorotf)ea" in anberer 2Beife roiebcr auflebt.

^eine feiner fpäteren Schöpfungen f)atte einen ä{)nlic^en ©rfolg. Sluerbad^ eignete fic^ mel^r für bie S^oueEe alg ben Jfioman, ber if)n lei^t ju rebfeliger breite t)erfüf)rte. ©ö erfc^ienen 1852 „!Reueö Sc ben", 1865 „3luf ber §öf)C^ 1869 ,,^a§ fianbfiauö am 3^f)ein", 1874 „SBalbfrieb" unb 1878 „fianbotin oon 3f?euteröf)ofen". Slu^erbem ^at er fic^ ou^, freiiid^ erfolg^ log, al§ ©ramatifer oerfuc^t.

9tac^ bem ©rfd^einen ber „©orfgef^icbten" roibmete \i6) 9tuerbo(^ auöfi^Iie^Iit^ fc^riftfteHcrifc^er 9(rbeit. ©r khtz nad^ ber SJ^ainjer !^c\t in SBeimar, Seipäig, SBien, 3)re5ben, Serlin, ^Breslau unb roieber 33erlin, wo er feit 1859 meift blieb. 3tm 8. Februar 1882 ift er in ßanncg an ber fübfran3öfif(^cn ^üfte geftorben.

3üterbac^ ift nit^t nur burc^ feine ^i(^tungen, fonbern jugleic^ bur^ feine Sbcorie ber 'Vermittler jmifc^en jraci cinanber miberftrebenben 2BeIten. ^en ^Bauern füfjrt au(^ er in bie Siteratur ein, aber erft, noc^bem er i^m, roie er fclbft fagte, „ben 3Dlift oom )Rod gemif^t f)at". So betonte er fi^on in feiner 33orrebe ju „Spinoja": „^oefie ift fid^ f)örf)fter unb einziger Setbftjroed"; unb ju „©icfiter unb ^'aufmann'' bemerft er einleitenb: „^ag rein 3J?enfd)Iic^e unb ^oetifcfie, baä über allen 58efonberf)eiten unb ^enbengen fd^iuebt, galt mir auc^ I)ier roieberum a(§ baö ^örf)fte." ^aburc^ erf)ebt er fid) ftcUenraeife j. 33. übjer Spie(f)agen, ber iF)m jebo^ in ber ^ompofition großer ©emälbe meit überlegen ift. ^er gro^e 3"9 f^^^^ 2tuer; bac^ burc^aug.

Überbücfen mir 2(ucrba(f)ö gcfamteg Schaffen, fo merben mir öoc^ mof)( ben „®iet{)e(m oon 33uc^enbcrg" an bie Spi^e ftcllen. SDie beften Jlenner ber «.S^oüelle, Don ^aul ^et)fe big ju ^u^i«" Sc^mibt, f)abcn biefe eräö-^fung ein aJiufter if)rcr ®at= tung genannt, unb 3JJörite fagt in feiner frfimäbifd^ treuherzigen 3lrt: „1)ag ift fo ein Suc^, menn man eg nac^tg lieft unb bag Sii^t ift einem abgebrannt, ftcf)t man auf unb fuc^t überatt na^ einem 2id)tftumpf, big man i^n gefunbcn ^at; man mu^ eg auölefen, mnn ^at feine dlüi)e. 9)kn f)at fie aurf) nicf)t, menn mau cg auggclefen ^at, fo pacft es, aber eg ift boc^ aug." ©g ift bie @efd)ic^te uon bem 53ranbftifter, ber, gepeinigt non ©emiffcnobiffen, fc^lic^tic^ alg Cbmann ber ©efdimorcnen im ©eric^töfaal fein 33erbrcc^en befcnnt: „^iö^lic^ mar eg \^m, alö märe er mit milben Xieren eingefperrt, bie it)n jerf[eifrf)en raoQtcn. ßr rerfangte nad; einem Sc^tud SBein, nac^ einem Siffeu Srot, aber bieg mar ben 2d)murricbtern rerfogt, beipor fie i^r 9(mt üoUenbet. Dict=

310

Son bcr alten jui- neuen Äunft.

l^elm fiil)lte feine Sßangcn brennen, ein i^ungerfieber mad;te il;n gittern ®r

fc|ilug fi^ Qnf bte Sruft, ba^ bröf)nte: ,^rf), ic^, ic^ bin fd;ulbig, ijüb' birf) uer; brannt, atteä oerbrannt. ^rf), ic^, \d) bin fdinlbig.' ©r brac^ in bie Änie, bie B^rnnv- (jenoffen wichen oon il)m jnrüd."

S)aä ift feine JRl^etoTif, feine ©eflamotion me{)r, ba§ ift empfunben .unb an= geflaut, ift moberne Ännft. Wix benfen an Xolftoiö ,3arf)t ber ^infternis" nnb ö^nlid;eö. ^arum nutzte 3(uerbad^ l^ier feinen befonberen ^lo^ f)aben, benn rocnn er aud^. fein SToIftoi, fein Sjörnfon, fein ^bfen ift, etrooä üon ifinen allen ftecft fcf)on in biefem gebilbeten ^uben beö Sd^mabenlcinbeg.

16« ^vaticnütcrtttttv»

9tid^t allein um bie Literatur, bie üon g^rauen, fonbern nuc^ bie für ?^rauen gef(^rieben rourbe ober bod^ faft aflein für fie genießbar ift, I;anbelt jid) l^icr; um ein 5laffeeftünbc^en junödift in ber „©artenlaube". 1853 con ®rnft Jleil ing Seben gerufen, ^ot biefe ?5ami{ien3eitfd)rift ^9al)räe^nte tiinburd) Dü^ beutfd^e ^ant" mit geiftiger 9^a§rung üerforgt. ^en ^öl)epunft aber erreid)te if)re Seliebtfieit boc^ erft, feitbem ©ugenie ^o\)n, befannt unter bem 5Romen (?♦ SWarlitt, l^iet if)Te Siomane Der= öffentlic^te, auf bercn ^ortfe^ungen baä meiblidie ©eutf^ianb mit fieberf)after -By^aw- nung martete.

®ö f)ätte feinen ^S'^vcd, cor biefet feltfamen SCatfac^e bie ä(ugen ju ncrfd^fief^en. ^eben 2^ag fann man biefelbe ^robe matten : in geroiffen Sefcrfreifen fc^Iägt bie ^^JJartitt nod^ f)eute jeben nod) fo fpannenben ^id^ter beä ^n- unb ^^luölanbcs auö bem %dbe. ^^l)xe SBirfung rcurbe m<^ non ©ottfricb Heller angeftaunt, ber feine Sangeroeiic bei ber ßeftüre i§rer @efd)ic^ten empfanb. „^c^ l)ahe'\ fagt er, „\>q^ ^^rauengimmer bc; munbert. 2)ag ift ein 3"9/ ^i" %^^'^ ^er ©rgö^Iung, ein Sdinning ber Stimmung unb eine (Sematt in bcr ©arfteEung beffen, mag fie fief)t unb füf)It ja, roie fie t^a^ fann, befommen mir bas alle nic^t fertig, ©g Übt in biefem grauenjimmer etma§, ba§ t)iele fc^riftfteEernbe 9JJänner nic^t ^aben, ein f)oI)cö ^id. "Diefc ^erfon befiel ein tüchtiges ?5^reif)eitggefüf)I, unb fie empfinbet mafiren ©c^nterg über bie llnüoEfommenbctt ber Stellung bes SBeibeS. 9Iug biefem $Drang f)eraug fdfireibt fie." Sßir mevben bafier „bie 9JtarIitt" nid)t mit rornetimem 2(d)feljud€n abtun fönnen, fonbern uns auc^ für if)r^eben mit etwa^ me^r alä ein paar allgemeinen SBenbuugen yon gemoQter ®rö|e unb tatfödilid^er illeinf)cit intereffieren muffen, ^m 10. 33a übe öcr ^oiU- auggabe, ber i^re „2;f)üringer ©rjäfilungen", ooran „3tmtömannö 5}iagb", entbält, finbet man eine befonberö eingef)enbe Sd^ilberung i^reö Sebeng,

2(m 5. 3)egember 1825 rourbe ®ugenie ^o^n ju 3lrnftabt in ^fjüringen geboren als 3:oc^teT eines Kaufmanns, ber einft @oett)eö ©efretär geroefen mar. 5ßon il^rer SHutter erbte fie bie ®obe beö ©efangg, bie unter ber ^roteftion ber funftfreubigen i^ürftin üon Sc^roargburg=Sonbergf)auien alsbalb forgfam auggebilbet mürbe. 5)a-- neben aber überrafd^ten in bem ^öl)cren Silbun^ggange, ben fie buri^mad^te, balb ifire beutfdien 3Irbeiten. 8c^on f)atte fie ben ^itel einer ^ammerföngerin erf)altcn, als fic^ pIöMid) ein ®et)örleiben einfteüte, baö fie in ber ^^olge Dom öffentlichen 3tuftreten

graiienliteiatiif. 311

öuö|rf)lo^. 2{u|crbcm begannen fi^ id^mcräloje ^Ncrbicfungcn tut ©elenfe ju jeiöeti, fo bn| fie in bk .^eimnt änrücfginci unb nun bei bcn ^firigen bie ,,gnte 3tube" mit baranftolenbem ©dfilafäimmer beraot^nte. 3t)r ©e^olt luar i{)r belaffen luorben.

^c^t, im ^a\)xe 1863, fanbtc fie iFire erften beiben 91oDeIIen, „Sc^ulmeiftevö 3)?Qrie" unb „®ie ^m'öl] ^tpoftel", an bie SRebaftion ber „Gartenlaube", bie fie barauf= ^in ol^nc Sögern ju ftänbiger 9)titarbeii einiuö. ^et SBecj jum ßrfofge raar frei: „©(^ulmeifterä 3JJarie" freilid^ rourbe bamalg nid^t gebrudt, meil bie „QJartenfaube" ^orfgefc^ic^ten uon 9^^c^al}mern 3fuerbac^ö bereits in adjugro^cv ^a\)[ gebraut f)atte. 9lun fanbte fie bie „©olbelfe" unb beirirfte baburdf), ba| ber c"Qerauögeber ber „@arten= taube", Keit fclbft, fie nuffuc^en u'ollte, immer noii) in ber ?Oieinung, ß. 9Jiartitt fei ein männlicher 58erfaffer. ^aö ^^feuboni^m nmrbe nun bcm "J^ertcger gegenüber auf; gegeben, ^er ßrfotg ber „©olbelfe" aber mar, ber 33rcite nac^ gemeffen, ungeheuer. ^ie 3tufragc ber „©artenfaube" ftieg in turjcr grift auf 167 000, bann auf 210 000 ß-yemptare unb biö jum 1. Januar 1868 auf V4 SJtiUion. „T^aö ©c^eimniö ber alten 'HcamfcH" mad^te ben Sieg biejcr wcib(icf)en ßrjäljiungöfunft uoQftänbig. 3tlö 1874 „'3)ie jraeite ^rau" erfc^icn, mar ber ^tbonnentenfreiö auf 325 000 angemac^fcn. ©in ©reiguiö mar bann mieber 1884 nad) fo mand}cm anberen , baö ©rfc^einen ber „^rau mit ben ^arfunfcifteinen". ®rei ^a^re fpäter, nm 22. ^nni 1887 ift „bie 3J?arIitt", mit it)rem S^^eumatiömuö längft auf ben ^abrftu^I angewicfen, in 3(rnflabt bei ben ^tirigen gcftorben. ^^r marb perjönfi^ ein fc^rocreC', geiftig unb materiell ein glänjenbeö 2ü§. ^on all' bcm ©lud, baö fie auf i^re .^elbinncn unb .Reiben ftreute, ift i^r nidit uicl gutcit geworben, ©cmi^, finb burd;meg ^enfd;en, bie nad) berfelben Sc^abtone gearbeitet, non uornf)erein baju beftimmt finb, nad^ allerlei ."pinbcr- niffen, bereu Gntmidümg ben ^nt)a[t be§ 3iomanö bilbct, einanber ju „friegen". 2tber nur rcenige ^id^ter t)abcu an^ foüiel Sefer glüdlic^ gemad)t mie bie ^Dfartitt bie if;rigeu. llnb baö fon auf fittUd; i-cinen i^cgen nic^t fo gan^ Ieid)t jcin, bort man fagen.

^Der ©til ber 9)^arlitt mürbe nun DorbilblicE). Sßir braudien nur ju nennen @. Scrncr (eiifabett) 33ürfteubinber, geb. 1838), a^erfafferin ber ersä^Iung „ßin ^clb ber gcber" ufro., S. |>ciniburg (Serta Set)reuS, 1850—1912), ^erfafferin beö Stomanö „Sumpenmüaers Siesdien" ufro., unb 9?atallj Don (^[djftrut^ (geb. 1860, oermätilt mit d. Hnobelöborff;Srenten[)of), 33erfaffcrin ber erjä^Iung „^olnifd; 58(ut" ufm., um ben ganjen ^rei§ ju umjetdinen. (Stroaö t)öt)ere Slnfprüc^e machen Silöclmine öon |)iUcni (1836 1916), bie 2:oc^tcr ber 6f)ar(otte 33irc^: Pfeiffer unb 33erfaffcrin ber „(5)eier::2Baat)" ufm., Cffip Srfjubill (Sola Äirfdiner, geb. 1854), ^Ubcrta üoii ^uttfamcr (geb. 1849) unb formen 8l)löa geb. ^rinseffin ju 2Bieb, bie frül)ere Königin Slifabet^ üon ^Rumänien (1843 1914).

9tuf einem anbern 33(att fielen bie 9^amen ber grauen, bie mie Waxk 9^at^ufiu5 (1817—1857. „^agebud; eineö armen gräutcinö", 1854), Dttilic Silbcrmut^ (1817—1877), 3o^aima Svpri (1829—1901 unb Vlgnci« Snppcr fic^ im befonbcrcn nu bie ^jugcnb unb an ha^i i8o(f im mcitercu Sinuc menbcu. '}U\d) fie aber geigen fid) no(^ unberührt non ben rcnofutionären Strömungen ber neuen !Runft, bcä rüdfic^tS: fofen SftcaliömuS unb ber mobcruen ^ft;d)o(ogie.

.312 fßon ber alten jur neuen Ätnift.

^n einer SSejie^ung raeift bo^ auä) bie ?^raueulit«ratur fi^on auf eine neue 3eit ^in: burcf) bie cinfncbe ^Qt[ad^e, bn^ roeiblid^eö ©icE)ten aufi)ört, qIö Sluönofimc cmpfunben ju icerben wie noä) in ben Sl^ngen ber 3ftomantif unb beä jungen ©eutfc^Ianb. ^lo6) frcitid) Ijielt bie g^rau für geraten, fic^ al§ SSerfafferin eineö SflomanS unter einem SDecfnamen ju oerftecfen. 58alb inbeffen fiel au6)' biefe ©cE)ran!e.

Unb ba§ roar ja bie 3tufga&e ber neuen 2BeItanf(^auung raie ber neuen Äunft, 8c^ran!en nicbergurei^en, ber menf(f)Iicf)cn llrfraft, wie file fcEiöpferifc^ au§ ber Seele ftcigt, 9^-aum ju fc^offen bi§ ^itiab in ber @rbe S^iefen, bis f)inauf p ben ©ternen, nicE)t aber in 3::rauni unb ^rren, fonbern im bemühten ^oügefü^t gegenmärtigec SBirflic^feit unb erbent)nften ©eins.

Vfl.

Die neue ödeltanfcbauung*

L ^Ic ©ttttaidlung Her öagcmciticn tiiltur im «cuttsc^wtcu Sa^r^tuibcit

®te beutfc^e Siteratur m^ 1848 umräclt in ber nUßemeinen 5lultiir, bercn Gni = nnrfhtng noc^ bic ganje Sebenögcit ®üctf)cö einfc^üc^t. Sßeaniifcfiainigen fallen nid)t ^ilö^lic^ onö ben SBoIfen l^erab, um fid^ bnnn einem jebcn barjubieten. 3f)r SBcrbon ift bebeutungcvöoHer alö i^r unfein, benn nur mä^renb fic mürben, lebten fie nnb be^ frud;tetcn bie Siterotur.

SBcnn mir unö nun ber neuen SBcItanfd^auung, bie nod) bie ©egenmart umfapt, ßuroenben, um bie if)r entfpringenbe Siterntur ju üerfte^en, fo muffen mir if)r SBerbcn gurüdnerforgen jum minbeften bis gu 3iüuffeau, beffcn Söefcn unb SBirfen in ber fran= jöfifc^en Sf^euolution ftaatenbilbenbe ©eftalt gemannen. So unmittelbar rcie an bie[en franjöfifc^en Genfer auö ber 9J?itte beö 18. ^a^rfjunbcrtö ift unfere 2öeltani(i)auung, pofitiü ober negatiiv mit allen i^ren ©egenfä^en unb 5lämpfen, an feinen anbcren gefnnpft. ©r füljrte bcn 9J?enfc^en gum erftcnmat ganj auf fi(^ felbft unb bie 3?atut jurücf, befeitigtc ben Segriff menf(^IicE)er 3(utorität unb ]ä)uf bie SSorauöfe^ungen für bie ©ntmicflung bemofratifc^er unb fü5ialiftiirf)cr ^been, bie fid^ ganj ober teilroeije in aEen ^urturlänbcrn mcnn uirf)t unbebingtc .öerrfctjaft, fo öoc^ bcbingte 9(ncrfcnnung uerfcfiafft ^aben.

Um iiä) burc[)3ufc^en, bebarf ein ©ebanfe cbenfo mie ein 2Renfc^ beö Süiber^ ftanbcö, beö 5^ampfeä. ^oetifd^ mirb ^iefeö Gntmicflung'jgefefe burrf) ©oetbcö „^auff be(eud)tet. !^nx 3Ittion get)ört baö ©egenbitb, bie 9^caftion. ^n biefem Sinne ftcl;en bie 3^amen 9buffeau nnb 3)tetternicf) auf berfelbcn Seite ber i^ultnrgefc^ic^tc. „'^vei' F)eit, ®[cic^I;cit, Srüberfic^feit" ttang feit 1789 burc^ bie gan^e Söelt. Unb ma*j gefdE)a^ im 19. ^a[)rf)unbert? ^cber noc^ fo tieine Staat I)o(te [\ä) feinen jvürftcn, ba§ Segitimitätöprinjip feierte unerfjörtc ^riumpf)e, bis bic internationale Sojial- bemofratie unb ber SBeltfrieg in bicfe Sßeftanfdfiauung micber 33refc^c legten. Xeutjc^; (onb frfiritt tro^ aller ?^reil)eitäibeen in romantifd^cr SRittcrrnftung inö 20. ^a^rl^unOert, lüie tro§ ber Sfieoolution oon 1848 in 3SerfaiUeö ta^i alte .^taifertum 1871 micber crri(f)tet l)atte fo ging Ijin unb l^er 5mifc^cn ben Gytremcn. ^er Urfprung aber aller biefcr 3(uöeinanberfe^ungen liegt in ber GJebantcnmelt S^ouffeauö, alfo in ber großen ^erfönlic^feit, bie bann ®octl)e fünftlerii(^ unb 9?apolcon politifd) ^ur ©cltung brad)ten.

^14 ®ie neue SBeltanfc^auung.

%n ^ampf jroifc^en ben 33egriffeit SBelt unb Staat, aJien[djt)eit unb ^Jlation, S^olf unb ^nbiüibuum ift unö aEen fo inö Seifu^tfein gegraben, Ijat fo oiele SRiiltonen Don 3)icn[(f)enrcben gcforbcrt, ba^ er feiner befonberen Scfiilbernng bebarf. Öiterarifd; haben in biefcm 3i^fonnnient)ange im legten ^af)rf)unbert SfJonmntif unb Dfcaturaliöinuä einanber befef)bet, ipcnn man fie nic^t al§> Sd^uien, fonbern afs geiftige Sirömnngen auffaßt.

©tärfer aU früfiet trat bie Siteratnr aU Drgan beö ©cfamtbemu^tfeine ber ^Hfenfd^^eit auf, mürbe fie fit^ beö großen S[öeItgefcf)ef)cnS bemüht. ®aä mar nic^t nur burd^ ^Verbreitung bcä bcmofratifc^en ©ebanfenö feit Stöuffcau gegeben, fonbern auc^ burc^ bie ©ntraidtung bes SSerfel^rg mitteJö ^ampfö unb ©leftriäität foroi'e jeber anberen 5te(^nif, bie ja auc^ ber STagesprcffe, bem SSentil ber öffcntlidöen 3Jieinung unb beä 9laci^ricf)tcnbienfteö, eine gang anbcre Sebeutung gah. SBurbe beut einzelnen aber tia^ gange SScItbilb näfier gerüdt rote Dielmel;r fein eigenes 2Sol!, an beffen innerer unb äußerer ^oütif tcifjunctimen inämifcfien fein 9f^ecE)t unb feine ^flic^t geiüorben u)ar. Stile «fragen, bie baö Sebcn -einer größeren ©cmeinfcfiaft betreffen, gleidf)üiel ob es fid^ um ^olitif, 3^eligion, ^äbagogi! unb fo uieles anbere t)anbelt, mürben nun in gang anberem ©rabe als frül)er ©egenftanb ber Literatur, ©ie mürben niclit mel)r in afabemifc^er, oon ber ©cgenmart abgezogener ^orm beljanbelt mie ctma in ©oet^es „SBillielm 3)Jeifter" ober ^mmermannS „©pigonen", fonbern in lebenbige 33e5iet)ung gur SBirflic^feit, gum ^afe'in von l)eute gefegt, ja, fie mürben beffen getreues Spiegel; bilb mie bei ^bfen unb Hauptmann. ®S ift ein langer unb nic^t immer geraber 2Beg, ben bie Sitcratur uon il^ouffeau bis jur ©egenroartSpoefie bcs ^Naturalismus ge; gangen ift. ^

Sluf biefem SBegc finbcn mir ben fünftlerifc^en Sf^calisnuis als förbernbe, 9io= mantif unb 3fieuromantif als t)emmenbe Seraegung, abfeits aber eine üertroumte 9Natur; poefie unb ^erfönticl;lcitö!unft, ol)ne bie baS ©efamtbitb cinfeitig bliebe., ^m engeren literarifc^cn 6inne mirb baoon ja nod^ ^öufig bie Siebe fein, ^ier fommt eS junärf)ft auf bie ^erü^rungSpunÜe ber Literatur mit anberen 9)täcf)ten unb auf il)rc me(^fel= fettige ^efrud^tung an, oon ber bie gefamte ©ntmidlung ber geiftigcn Jlultur mit^ beftimmt mirb. ®cl)en mir alfo üon ber literarifd^en Sinie ab, fo fommen mir, menn mir mieberum an 5Rouffcau anfnüpfcn, gunäcbft ju ^^ilofop^ie, Steligion unb 9iatur: raiffenfd^oft.

Die pl)ilofopl)ifc^e Sßcltanfdjauung orientierte ]\6) im legten ^af)r^unbert nacl; ^ants ^ritijismus, ber auc^ bie ©runblage für (Sc^openl)auers großartigen (Sebanlen^ bau mürbe. Neffen pcffimiftifc^es ©epräge ftimmte burc^aus ju ber fid^ anbal)nenben Literatur bes 9?ealiSmuS unb 9laturaliSmuS: bie l)ier gejeid^nete SBelt mar es raert, ha^ man i\)x entfagte. ^m ©egenfa^ ju ©c^openl)auerS metl^obifc^^einfieitHc^em 2)enfen ftet)t 3Niefefd^eS apl)oriftifc^cS unb fi)ftemlofeS ^rop^etentum. '3)ic 2lbtötung beS SBiücns gum Seben mürbe abgelöft burd^ ben SBiEen gur SJtac^t, ber SBeltflüc^tling burd) ben llbermenfcEien, ber baS ©lud ber grünen 2Beibe nic^t minber meibet, aber an feine Stelle ftatt beö 9?id)tS bie fraftbemußte ^of)e ©ingeltat fteHt. 5Da§ mar nun freiließ etmas anberes, als cS ber SogiaüSmuS erftrebte. 9fiie^fc^e bilbet fo eine Qx-

iCie ©ntraicflung bcr allgemeinen Kultur im ticiinäcöntcu Csal)if;intbcvt. 315

gänjung juni 5hturnliömuä unb ^at tro|bem mit feiner nriftofratifc^cn aBeiö{)eitGfe^re manchen ^emofratcn unb mand^cn Slatnraliftcn benfcn roir nur an Strinbberg lüefentlii^ beeinflußt.

^efonbcrö eng ift ber 3uf'.immcnf)ang biefer ^{)iIü)op^ie mit ber religiöfen ®nt= ii)i(flung, bie i^rerfeitg mieber auf bic Siteratur gurncfmirft. T)aö firc^li^e 1)ogmc beö 3J^itteIa(tcrg l^ntte ja fc^on burd^ bie ^Heformotion unb bann bnrc^ bie lufffärung roefentüd^e SBanbhnigcn unb ©infdjränfungeu crfaf)ren. ®ie 5l>cri)ülIfommnung ber mobernen SSerfe^römittel in ^erbinbung mit ber fo ftarf angcfpannten luot^entägli^en 31'rbeit, namentlicf; in bcn ^abrifen, ift rein äufierlirf) bcm iTird)cnbefnc^, an Dcffen Stelle f)äufig ]ä)0]\ morgenö ber Stuöftug am ©onntag trat, nirf)t günftig gcmcfen. ^nnerlidi mirfte in berfclben 9?id^tung bie neue 9^aturmiffenfd^aft; i[)re Srgcbniffe festen bie frii^cte ^ritit aller tirdjlid^en Überlieferung burrf; bie Wufflärer praftifd) fort unb rid^teten fid^ fetbft gegen bcn 5lern ber d)rift(id^en 2ct)re, bie im 3(nfang bcö 3a^rF)unbertö jugunftcn bcö ilatf>oIigi§muö burd^ bie SRomantif unb jugunften beä 'proteftantigmuö burd^ Sdf)(cierniad)crö (Sefüt)(öreIigion uorübergctienbe 5lräftigung erfaf)ren l)attc.

^urd^ @oetI;cö 2d;riften über bcn 3iyii<^<^nficferfnod;cn unb bie SDJetamor: pt)ofe ber ^flangcn roar bie ©ntraidhtngölcl;re in ^cutfc^fanb fc^on norbercitet. 1842 entbcdte 9iobert SJcatjer baö @efe^ ber Gr^altung ber ©nergie. Sd^Icibcn unb 3Sird;on) begrünbetcn bie ^cllenlcljre. 1844 crfc^icnen Sicbigg „Sbcmifd[)c "J^riefe'', 1852 ^Otolc- f^ottä „^rciöfauf beS Sebenö". lim bie Wüte beg neunjebnten ^a^rl)unbertö gab ber ©nglänber 6f)arleö ©armin ber Gntmidfungöfctirc bie notmcnbigen fi)ftcmatif(^cn Gkunbfagcn. J.8b9 neröffentiidbte er bie 8d)rift über bcn „llrfprnng ber i)(rten", 1871 über „3)ic 9(bftammung beä 3}icnfd)cu". 5(lle Icbcnbigc Gntmirflung crffärc fid) allein burd^ bcn rürfficf)tölüfcn i^ampf unt§ ^afein. 9Iur bic am bcftcn organifierten 3Befcn feien mittels natürlid^cr 3it<^)*i^'«W ba,yt berufen, fic^ burd) ^ortpflanjung jiu erhalten. 5Daö entfprac^ burc^auö ber ^bilofopf)ie Sd^openfiaucrS, ber baö irbifd)C Sein alö ein bUnb gemoütcö Unbcil, baö ?tid)tfcin alö @tüd bcjeid^nete, ftanb bagegcn in fc^roffem SBibcrfpruc^ mit ber d;riftnd;en .§ciIöIcF)re. 9iod) meniger nermoditc fid; bie d)riftncE)e ^irdie mit ber 2tbftammungötI)corie bcö ^arminiömuö ju ncrföt^ncn. ©in Sd)ü[cr ^anuiuö, ber bcutfc^e ^tr^t Submig ^üd)ner, ließ 1855 feine Schrift „Äraft unb Stoff" crfd)cincn, bie in bie roeitcften 5?reife brang unb bcn gjiaterialiömuö gerabeju rolfötümlic^ mad)tc. ^r. g«üller, ^. ^ogt („^bijfiologifc^e 3^ricfe", 1845^ unb ®. ^aedel Ijaben burd^ bie ?^ülle il)reö 33eobad)tungön!aterialö bic Sebre ^arminc weiter auögebilbct unb gcfeftigt. ^nöbefonbere finb ^icr ©ruft .^acdelö „gjZonograpt)ic ber 5!a(ffc^roämiuc" (1872) alö Spcäiatmerf, fobann feine „9^atürlic^e Sd)öpfungö= gefdiicbte'' (1868), bie in jiiuölf Spradjcn überfe^t luurbc, unb feine „SS^ctträtfcl" (1899) 5u nennen, .^aedclö 2öeltanfdjauung ift ber 33ioniömuö, ber aQc natürtid)cn ©rfd)einungen unb ^atfac^cn auf ein einjigeö ^rinjip, bie Ginbeit ber 5lßelt, jurürf= füf)rt unb fon)ot)l ben pofitiuen SReligioncn mie ber ibcaliftifdjcn ^^3biIi-'»fiH'f)it-" ^'lö 9Rcdil unb bie 3J?öglid)feit abfprid)t, ber naturmiffcnfd)aftlid)cn ©rflärung ber aöcltuninbt'r brein|ureben. Seine Scbrift über bcn „3)cüniGmuö aiö '^anb jmifc^en 3kfigion unb

316 ©ie neue Sßeltanfc^auung.

Sßiffenfrfiaft" (1893) beiueij't äiuar, bo^ bie moniftifrfie ^f)i[oj'opf)ie fid) nirf)t gegen bie S'^crigion roenbct, luenn man biefe in ^oedelö Sinne üerftef)t. Dffenbarungäreligionen aber luie taS^ ß^riftcntum al§ firc^Iid^es Scfenntniä fönnen niemals im 9JIoni§niuö auf: gef)en. 2)ie 3)Joni[tcn fc^foffen \iä) 1906, i§re geifteöraiffenfc^aftücfien (Segner 1907 ju einem 33unbe (^eplerbunb) ^ufammen.

SnätüifcEien raurbe bie fircEiüc^e Sefire auc^ auf tlieologifc^en SBegen angegriffen, ©(^on 1835, alfo wenige ^jafire nad^ @oet^e§ S^obe, f)atte 3)aüib ^riebrid^ ©trau^ mit fc^arfer ^ritjf ber llberlicfernng fein „Scben S^f"" oeröffentlic^t, eine Strbeit, bie 1863 von ßrnft dlenan romanhaft ruieber aufgenommen imirbe. 9Jief)r alö ein 3}Jcnfc^enalter fpätcr, im ^jo^re 1872, Iie| ©traup fein fritifc^eg ^urf) „SSom alten nnb neuen ©tauben" folgen, mo er feftftctten ju fönnen meinte, ba| niemonb im eigent; licfien Sinne mef)r ein ß^rift fei. Subroig geuerbai^ äeigte fc^on in ber erften ^al)X' f)unbertf)ä[fte, ba^ ber SJ^enfd^ in ber ©otteäuorfteEung nur feinen eigenen ibealifierten (Sattungöbegriff anfrfiaue nnb im (Slauben für ma^r f)oIte.

3ule^t fam bie 3ifft)rioIogie. 1903/5 gab ?^riebric^ 2)eli^fc^ unter bem Xitef „58abcl unb Sibet" oier llnterfiid^ungen ^erauö, bie ben bobtjronifc^en Urfprung all; teftamentlirf)er ßegenben auf ©runb neuer ©rabungen unb ?^unbe nacE)-roiefen.

Stile biefe ^orfdjungen beeinflußten naturgemäß auc^ bie fc^öne Literatur, in ber bie retigiöfe @ntrcicffung beä eingetnen atä ein ftetienbeö 3:t)ema gu allen mögticficn äRotiuen in ^egiel^ung gefegt mürbe, ^er ©ottfuc^'er ift eine tgpifcEie ©rfc^einung bcä mobernen 3fiomonä geworben.

5Die religiöfcn ©egenfäfee unb 3Biberfprüdf)e mürben noc^ oerfcfiärft burd^ ben TOac^fenben ^i^iefpalt gmifd^en 5!att)otifen unb ^roteftanten, ber in ^reußen burc^ ben Äonftift äiuif(^en 3^cgierung unb ^apfttnm feit bem ^efuitengefel oom 4. $juti 1872 ?^orm unb 3^onten eineö „J^ultur!ompfe§" annatim. 2tuf ber einen Seite be!ämpfte bie 5lurie ben unrömifc^en 3^ationaIiSmu§, auf ber anberen ben internotionalen iTRober- niömuS. ^t)r gur Seite ftanben bie ^efuiten nnb ber 33onifatiuöoerein, rcd^renb bie ^roteftanten fic^ auf ben „eüangelif(^en S3unb" unb ben „©uftao=2tbotf=5ßerein" ftüfeten. 6inig maren bie beiben J^onfeffionen nur benn aud^ in ber äußeren 3)liffion bt= fel)beten fie einanber in ber feinbtid^en .Igattung gegen bie unbürgerti(^e unb nn= cf)rifttidt)e Sojialbemofratie.

@g mürbe gu roeit fütiren, bem SBerben unb SBai^fen ber fojiatiftifcEien Sc- megung einerfeits, ber inbiribuatiftifd^en unb bodE) aii6) reoolutionären anberer= feitö im einzelnen gu folgen, einige titerarifdfie '5)aten muffen atg 9tn§altöpunfte genügen.

©ä mar im ^atire 1845, at§ 3JJaf Stirnet (£afpar Sc^mibt, 1806-1856) fein 33ud^ „^Der ©innige unb fein ©igentum" ueröffenttic^te. „®a ift nid^tö, aber auct) nichts", fagt fein Siograp^, ber „®betanarc^ift" 2Rocfat), „maß Stirner olä feft=

ftebenb unb gegeben annimmt, fei benn bag eigene ^d^ 5Die ftarre g'olge;

rirf)tigteit feiner Sc^Iüffe f^ridt oor feiner, auc^ ber testen ^onfequenj nic^t jurüd. ßr ertaubt bem Sefer nid^t, feine ©cbanfen biö jum ßnbe i^reg ©ebieteg ju füfiren; er iut eg fetbft. Segriffe, bie biöt)er unanfectitbar erfi^ienen, löft er einen nac^ bem

Sie ßnttüicflung bcv aagcmeinen ÄuÜur im neuttäc^ntcn 3a^vf)imbcrt. 317

anbcrn auf unb lä^t fie in firf) 5crfQEcn. gr fpürt bcm 3iiinc ber 3Borte narf), biö er ben redeten erfaßt, ber nur ju oft in üöEigcm SBibcrfpruc^ ftctjt ju bem, bcr ihnen biöfier gegeben nnirbe. @r cntfleibet bic ©ro^en if)rcä ^ompcö unb jeigt fie in if)vcr |»oI)If)eit, unb er bringt bie 9Jii^ad)tetcn, burrf) ben Sprad^gebrnucf) 3Scrfet)mtcn, micbcr ju e^ren. So kljrt er iinö crft if)ren rid^tigen ©ebrnud). 2)a^ \i)m biö^er fein einziger innerer SBibcrfprnd^ nadjgcnnefen luerben fonnte, iriH raenig bebcnten. 9{ber aurf) bie ^nfunft rcirb nicf)t§ anbereö ju tun ^oben, alö weiter auSäubaucn, luaö er bat)in; cjefteUt f)Qt für olle fommenben Reiten. Sceuc 9(nfid)tcn merben fic^ in ^üHc eröffnen. 3)en Streit aber ^at er beenbet."

Stirner ertlärt bie Soslöfung beö einjelnen uon ?^ami(ie nnb Staat für be= red^tigt unb feiert ben ©gotönuiö in Derebeiter j^^orni. gebe feine Sünber. „iKan bat immer gemeint, 5[Rir eine an^erf)alb 3J?einer liegenbe ^Beftimmnng geben gu muffen, |o baf^ man jnle'^t Tlix zumutete, ^d^ folltc baö 9)Jenfc^Iid^e in 3tnfprud) ncbmcn, mcil ^^-Mm^ä) fei. ®ieä ift ber c^riftlic^e ,3auberfrei6. 3(urf) gic^teö ^6) ift baöfelbc SBefen au^er 3)Jir, benn ^6) ift ^eber, unb f)at nur biefeö ^(^ 3ficd)te, fo ift ,ba5 '^6)', nid^t ^d^ bin eö. ^c^ bin aber nid^t ein ^cf) neben anbcrn ^rf)en, fonbern 'i)a^

alleinige ^6) : '^6) bin einzig 2Baö, bin ^6) bagu in bcr SBctt, um ^becn ju

realifieren? Um ctma gur ^ßermirfiidjung ber ^bee /Staat' burc^ mein Bürgertum baö yJteinige gu tun, ober burc^ bic ß^e als ef)cgatte unb SSater bic ^^bee ber ?^amilic gu einem ^afein ju bringen? SBaö fic^t 3)iic^ ein folc^cr 58cruf an! '^6) lebe jo luenig nad^ einem 33erufe, alä bie Slume nacf) einem ^Berufe mäc^ft unb buftet .... Man fagt oon @ott: ,9]amen nennen bic^ nidf)t.' ^aö gitt non 3Jtir: fein 'Begriff brüdft Wl\6) Qu^, nid^tg, maö man atö mein SBefen angibt, erfd;öpft W\i); es finb

nur Flamen ^ebeö f)öf)ere SBcfen über Wx, fei ©Ott, fei ber 'iDJcnfri;,

fdfimäd^t baö'Scfü^l meiner Sinjigfeit unb erblcid;t crft üor ber Sonne biefcö ^e= rou^tfeinö."

3Jlan fief)t, ba^ Stirner, ber fe^r feiten mörttic^ jitiert unb mirftit^ gclefen mirb, burc^auö ni(^t gu ben geiftigen ^Bcgrünbern irgenbeiner politifc^cn '^avtci gejäljlt rocrbcn fann. Seine ©runbfä^e ber Sinjigfeit beö ^nbiuibuumö finb 5. i8. gerabeju baö Oegenteil cincö bemofratifd)en Sojialiömuö, beuten üielmeF)r auf ben fpätcreii 3Serfed)ter beö großen .^c^ö, auf S^ie^fc^e, l)in, ben Umiucrtcr ber SBertc. „2Baö gut, rcaö böfe", ruft fd)on Stirner am S^In^ feineö SSoriuortö an^i, „^d^ bin ja fclbcc 3}Jeine Sad)e, unb ^6) bin mebcr gut noc^ böfe." ^nbeffen bilbet fein Suc^ bodj einen ergiebigen 9^äf)rboben fojialbemofratifdier ^^bcen, namentlii^ in ber SSenbung gegen bie nationaliftifdie 2luöbcutung beö ^nbiuibunmö 3. 33. auf bem Sd)[ad)tfclcic: „^ie ^nbiuiDuen finb ,für bie gro^e Sad)c beö 58oIfö' geftorben, unb 'Qa^ T^olt fdiirft i^nen einige SBorte beö ^anfeö nac^ unb f)at ben Profit bauon. ^aö nenn' ,"\dj 3)Hr einen einträglidE)en ßgoiömuö." ©r fann ben 5^ommuniömuö nic^t anerfenncn, rceil er rceit über it)n f)inauöget)t. 9iic^t g[eicf)c 3(rbeit bereditige jum gleid)en ®enu^, „fonbern ber gleid)e ©cnu^ allein bcrecfjtigt ^irf) jum gfcid)en ©cnufe. öcnichc fo bift ^u jum ®cnu^ berechtigt, ^aft ^u aber gearbeitet unb läffeft 2)ir ben ©cnu^ entjief)en, fo gcfd^ief)t Tu rec^t". Die angeborenen i)lerf)tc lä^t er fid) atfo gc=

318 Sie neue SBeltanfdjauung.

fallen lüie ein 3)tann mit fonjcruatiDcn unb frommen ^Infc^aiiung^n, aber auä ganj anberen ©rünbcn: benen bcw egoiftlfcf)en 5Red)t§. ©tirner ift nidjt fonferoatb, nidit liberal, nid^t fojial, nid;! foinmuniftifd) gu beftimmen: er ift „ber ©innige".- Übrigens ift er 1856 im 2(Iter oon 50 ^a^ren in Berlin in größter ^ürftigfeit gcftorben.

5Die eigentlich fojialbcmofratifi^e S3cmegung ranrbe eingeleitet burc^ bog „TlanU feft ber fommnniftifd)en Partei", baö ^arl aKarp unb ^^riebrid) ©ngetö 1847 oer^^ öffentlid)ten. ^ae '^a^x 1848 brad^te bonn bie reuolutionöre %üt. 1863 grünbete gerbinanb Saffattc ben „Stttgemeinen beutfc^en 3trbeiterüercin". 1867 gab aJJory fein grunblegcnbes SBerf „^a§ £apitol" ^eranö. ©o reifte fic^ ©ticb an ©lieb bi§ jnm 9; Sloüember 1918 unb jn unjcren S^agen. Siterarifdie Sebeutung f)at biefe politifdie ©ntiüidlnng abgefef)en Don ber Umftellung be§ gefamtcn geiftigen SebenS unb ber innerftoatüi^en llulturpti^iitif cor allem für ben 9ktura(iömug, ber namentlich in sDeutfc^Ianb faft ausfd^lie^lid^ burc^ ben SogialiämuS bcbingt unb beftimmt tDurbc.

®ie moberne Literatur fteJ^t nod) üiel mebr alg bie ältere in enger SSerbinbung mit allen SBanblungen ber iluftur/ namentlid^ auc^ ber bilbenben 5!unft, obmo^I biefe ja ftetö mit ber ^oefic me^r ober minber §anb in ^anb gegangen mar, fc^on im alten @riecE)enIanb, für ba^, % S- Söindelmann baä ©efe^ ber eblen ®infaft unb ftitten ©rö^c afö ma^gebenb in attcn fünftlerifc^en ^u^erungen feftgefteHt f)atte. (So f(^uf fid; nar^ ben S^^agen bc§ flaffifd;cn ober ©mpireftilg in 3)eutfd)lanb ouc^ bie 9?omantif in ber bilbenben mie ber rebenben £unft gteic^äeitig il)r ^ätig!eitöfelb, unb nid)t anber§ mar in ber Sf^cnaiffance gemefen. Stber feiner biefer 3ufammenl)änge mar fo innig rcie ber jtmijc^en ^mprcffioniöniuö unb Sf^aturaliSmuS.

^sm 3(nfang beg neun^elinten ^Q^^^^iii^fi^tö unb noc^ nad; ©oelljeö XoDe hc: ^errfd)tc bie Stomantif bie bilbenbe 5lunft in tl)ren mannigfad^en SSerjmeigungen. $5)anii brai!^ fiel) ber ^Rcoliömuö Sa^n. 3" einer ganj neuen ^unft ber UnmirÜic^leit unb pl)antaftif^en Farbenpracht leitete ber ^bealift 2lrnolb Söc!lin (1827—1901) l)in-- über. %üx bie breite Slulturftrömung entfc^eibenb aber mürbe bie naturaliftifi^e 2Ralerei in g^ranfreid), bie erft nad; 1870 ben Flamen ^mpreffioniömnä erhielt. 9^aturmal)r ift nur ber rcirfli(^e ®inbriicf (,,impression") in einem beftimmten Stugenblid, mög= IicE)ft geroonnen unter freiem ^immel (en plein air), nic^t in ber @nge eines SttelierS. ®ie franjöfifc^en SCRaler beö ,,Paysage intime" (b. l;. ber „intim" gefcEiauten „Sanb=: f(^aft") ftubierten im SBalbe oon g^ontainebleau bie reine 9iatur impreffioniftifc^. 3tu§ biefer ©^ule uon ^ontainebleau gingen ^eruor ^ere ©orot (1796 1875) unb Si^an ?5ran^'oi§ 3}Httet (1814 1875), beffen fümmerlic^ gur ®rbc gebüdte „^^renlcferinnen" einen ^roteft barftellten gegen bie ^euc^elei ber fd)önfärbenben Äunft. 5Diefeö reoo; luttonäre (Streben na6) Sßalir^cit in ber 9Jialerei entfpracE) ben 9f?omanen SolaS^, ben Dramen ^bfeng unb ^auptmannö. ®er eigentlidie j^'ü^rcr ber ^inpreffioniften unb Sreitid)tmater raor ©buarb gjlanet (1833—1883), mit beffen 6onberauöftcEung im Sal)re 1867 bie naturaCiftifc^c 33eraegung in ber bilbenben Jlunft iliren öffentlich meits f)m ficf)tbaren Stnfang na^m. ^n ^eutf(^lonb gelangten bie fünftlcrifc^en ©runbfä^e beö 9?oturali§mug unb im_befonberen ber Freilichtmalerei bereits üor 3Jianet jur 3tn; roenbung burd) ben 9lealiömnö 2lbolf aHenjels (1815—1905), beffen feine 33eobad)tung

. -1

T)te ©»tiüirftung bcv aügemcineti Äultuv im iieun5ef]ntcn ^afjrfiunbert. 319

ber 3lrbeitöftQtten bcr (Sro^ftnbt mit il;rcm Taufenbcrlei uon 3)la[cE)inen, be)c[)äftigtcn Rauben unb ©efic^tern entipred^cnbc 33i(bcr in beu Sitcratur uorbcrciteto. 1)cr bcut)rf)C SKiHct Timrbc 2öiII)eIm ScibI (1844—1900), ber für feine 3){otii)e ben ßanbmann unD boö itiebcre 33olf beüoräugt'c. Überzeugten 9]aturaliömuö üerfünbcten bann bie ©cmdlbc 3Knf ßiebcrmnnnö, n)äi)rcnb anbere 'Slala lüie ^Qn§ 3:boma bcn romantifrfien öc; banfen neu belebten, D)cay Hlinger feine eigenen pt)antaftifcf)cn SSege ging unb in bem 3)toorborf Sßorpsiyebe bei 33remen feit 1884 eine ©ruppe uon ^ünfttcrn bie färben^ leuc^tenbe S(^önf)eit ber bentfc^en 3J?üorlanbfc^aft entbedte. 1)nö ®infad;e, früt)er aU nebenfä^Iic^ 33eracf)tete gercann jefet in ber biibenben i^unft roie in ber Literatur un= gent)nte S5>erte.

^n gnnj neuer SBeife rourbe anä) bie 9)?ufif in bie ©ntiuicflnng ber dUgemeinen Kultur einbezogen, feitbem Sd^open^oner i^r ben f)ö(^ften 9tang unter bcn 5lünften juerfnnnt I)Qtte : nic^t raie bie onberen fünfte fei fie 2(bbilb ber ^becn, fonbern 3tbbilb öes SSeltroilleng felbft. „®cr Jlomponift", fagt er, „offenbart baö innerftc SBcfen Der SBelt unb fpri(f)t bie tieffte 2ßei5f)eit auö in einer Sprai^e, bie feine 3Sernunft nic^t ücrftebt; roie eine'magnetifcfie Somnambule 9(uffrf)(üffe gibt über ^ingc, von bcncn fie UHidjenb feinen Segriff I;üt." Sc^open^auerö 33eref)rcr unb pf)iloföpf)if^er Bä)ük\: 3ftirf)arb Söagner ^at bann gerabe bie beutfc^e SJcufif, bie ja f(^on üorf)er burd) ©lud, ^apbn, ^änbef, Sac^, 9)?ojart unb S3cet^open 2Beftruf)m erlangt I)atte, in einen roeitcren 3wfammenl)ang mit ber attgemeinen Kultur gebrad^t, unb fo ift Sarjrcutb nid^t nur baö Symbol einer neuen nationalen 5^unft, fonbern ber ^Bereinigung ber !?ünfte gercorben, in ber SSerarbeitung romantifc^er ^been äugteid^ ein SSoUmerf gegen bie naturaliftifd)e ^od)fhit.

2)ie '3)eforationc.hinft ber 3J?eininger unb bcr -Reinijarbt^SSübnen f)at bie ge^ rcnitige ßntmidlung bcö 33hifif=, 58erö: unb ^^rofa;T)ramaö begleitet, unb 3hiffüf)rungcn in bem riefigen 3?unb eineö ^\vtn§i foraie "oa^j Dkturtbeater f)aben bie 5lunft üolfö^ tümlid;er gemacht, alö fie früljcr mar. ^n bicfen 3)icnft, bem 5ßoIfe bie Ä^unft näl)er ju bringen, ftcEteu fi^ üon ber (iterarifi^cn -Seite neue ^c'tfdjriften roie bcr „^unftmart".

31nbercrfeitö ergab fic^ burd) bie SSernoIIfommnung ber Ted^nü, bie ben uorfiin crn)Qf)nten Grfc^einnngen ju .§ilfe fam, auf oicleu ©ebieten eine ungcmoUte 'i>erf(ad^ung. S)aö laffeefonjert, im ad)täe^nteu Qatjr^unbert eine fünftterifc^ geleitete Scltenf)eit, bie feelenlofe Tle6)amt beö 3J(ufif=3(utomaten, ^ianolaö unb ©rammop^onä unb ber .^inematograpt) forgten für bie uielfeitige Unterbaltung, aber uid)t für bie "l'crebclung ber breiten 3)Jaffen.

5ßor bem SBeltfriege mar au^erbem mit bem fteigenben Sßol)lftanbe eine äu^cr= lic^c ©rmeiterung ber Sebenöfreife eingetreten, bie nic^t obne 9[lürfmirfung auf bie Literatur bticb. ^ie gemütliche ^Biebermeierjcit mit if)rer ibijllifc^eu 3elb|t^uifi"'f^c"- ^cit, tE)ren befd)eibenen greuben im ©tit t)on ©eibelö „ßeberec^t .^ü^nd)cn" unb tcw bajugefiörigen ^arfteüungcn in ^oftüm unb SilDmerf eingeleitet burc^ ©ic^robtä ®ebid)te „53iebermaierö £ieberluft" in ben „gliegenben blättern" blieb boc^ um bie 3Jiitte bcö nei«n5ef)nten $^af)rl)nnbertö mit aOen ibren 9hid;f(ängen nur eine Gpifobe,

320 f^ic jieue JBeltaiift^auung

^ie uor bcm ^otaftf)otcl unb bem ojcnnifc^cn ^rocfitbampfer Derfrf)ii)Qnb. 3)ie 3B^It; reife beö ©tobetrotterö luurbe jum SJta^ftab ber 33tlbung. ®ie ^^^raucnmobe mufUe minbcftciiö in jebem ^nf)re einmal beroeiien, ba^ ber Unfinn ber g^ormenücrunftattung iirenjenloö fein fann. dlnx in geTOä{)Itcni ©inbanb rourbe baö'33ucE) fatonfä£)ig, innerlid^ oft nur burc^ SSoIföbibüotljefcn t)or bem D^iebcrgange beraaljrt. $Der SJiobebic^ter be= l)errfrf)te bn§ Sagcögefprä(^, roas uor ^jbfen (ag, galt alö oeraltet. ®aä Feuilleton ncrbrängte bie ernfte 2tbf)anblung, ©rünbertum unb ©pefulation bie ernfte taufs männifd^e 5lrbeit. ^nx Statur tarn man bcina{)e nur nod^ mit ^ilfe ber Sanatorien ^iirücf, unb aurf) bie ^ranf^eit erf)ielt if)ren ©rfiliff: 2JHgröne unb ^nfluenja traten an bie ©tctte beö Jlopfmet}g unb ber ©rfättung, unb lüer firf) ben 3Xuf gaben ber 3^^* nicf)t gemad^fen fat), ber nnirbe „neroös". SDkn fuc^te ni(f)t meljr baö 3cE)öne unb ©ro^e, fonbern bag SluffaUcnbe unb öö^Iirf)c, i!ranfi)afte nnb SSerjcrrte. 3cE)ün H'i junge naturaliftifc^e ©eutfc^lanb ^atte folc^e (Srfc^einungen. 3lEe§ mar ertaubt, nur nid;t baö ©emötjnric^e. Sf^ie^fc^eä Übermenfc^, ^h'\enp unb Qola^ fojial gericf)tete 5lraft= imturcn, bie fentimentale SRötrcffe beö jüngeren ^umaö, ber europäifd^e ^anbt) ha^ finb fel^r oerfc^iebenartige, aber beutlirfi'e ©gmptome für bie Steigung beö ^eit; geifteö gum Stu^ergemöbnlic^en. ®ie S^etonung beö '^ä)§>, ber au^erorbentIi(f)en ^crfön= lid^feit, bie bei ©trinbberg, SBi'lbe unb SBcbet'inb biöroeilen groteöfe g^ormen annaf)m, übertrug fid) ouf bie gro^e 3JJenge alö ein jebeö t)öt;eren Sebenögmedeö barer ©goiömuö, ber fid^ fc^lie|Iic^ in bem „3af)rl;unbert beö ^inbeö" and) atö SBiUe gegen baö Slinb unter bem !)armIofen S^iamen ^/^^^^i^ii^'^ß'^fpftßi"" offenbarte. 5Dafür fet)Ite ber ?^rau nic^t an „Smanjipation": fie gog meift gerai^ baju bcrei^tigt in bie S(rbeit§= ftätten ber SRönner ein, jerfcfilug ben 5[Riniftern, raenn fie \l)x baö ©timmred)t per^: lüeigern rooUten, bie ^enfterfc^eiben unb oertaufc^te bie 9Iäf)nabet in ©eutfcfil'anb mit ber g^eber, in 2tmerifo mit ber 3f^eitpeitfcf)e unb 2tutomobiIi)upe, in ©nglanb auf ber unteren «Stufe üielfac^ mit ber SSranntracinflafc^e. 3)a mar für baö rocibtirfie roie für haQ männli(f).e ©efdbledjt nod^ ein ®Iücf, ba^ eine Schöpfung beö mobernen ^cbcnö ju ber Überreizung beö ^ampfeö umö ®afein, ben bie emporfommenben 2Barenf)äufer foraie ber Übergang ber ^anb= gur 9J?ofrf)inenarbeit noc^ üerfcf)ärften, ein ®egengeTOi(f)t bilbetc: ber Sport. ®aö Sfiennen mit 3^o^ unb Schiff, S^enniö, ßroquet, ®olf, $Robelu unb Sfilauf mürben ebenfo Selbfioerftänblic^feiten im mobernen S^oman mic ®ampfer= unb (Sifcnbaf)nfataftropf)en. ®er Sportpla^ erfe^te nun aud^ bie ?^licberlaube, in ber fic^ frütier bie ^erjen fanben. ^ebenfaEö f)at ber Sport bie ^beale auö bem ©ebanfens Toinfel f)inter bem Dfen an bie frifi^e Suft bcförbert unb fid^ baburc^ ben 'Dan! ber ^oefie oerbient. ©iefer gangen Sntmidlung entfprad^ bie 3lbnaf)me t)umaniftifdE)er, bie ^unQ^nie realiftifcfier Stubien, äu^erlii^ gefennjeic^net burc^ baö 2tufblüf)en ber ^ecf)ni)rf)en ^ot^fd^ulen unb ber anberen realen Siibungöanftalten. S" bemfelben 3JJo|e roie bie Spegialifierung unb ^^ntralificrung bei Strbeit muc^ö bie Sel)nfu(^t ber einzelnen ^erfön[i(f)!cit nai^ inbioibueUem SBert. 5Diefcr ©egenfa^ finbet feinen 3^ieb€rfc^lag in ber gefamten neueren Literatur. ^T)pifc^ if^ ^i^ ©eftatt beö jungen ®ro^ftabt=3Jliaionärö unb ^abriffierni, ber eine Seele fuc^t, unb fei es au6) nur bie eigene.

Slrt^ur @d^opcnl^aucr§ Scben. 321

^njtoif^en finb neue Sc^Iagraorte rote ?^uturi§mu§, ^ubigmuä unb ©ypreffioniö^ mu& aufgetcmd^t, of)ne bo§ fie biäl^er oon einer großen neuen ^unft gejeugt f)ätten. Unb injroifcfien f)Qben rcir ben SBeltfrieg erlebt, ber einen Stbfd^nitt bcr ^ulturgcfc^icfite ber 2J^cnfci^f)eit ju beenben frfieint ^n einer fold^en ^^it cermag man nid^t einmal bie le^te 3Sergangenf)eit ju beurteilen, gefc^rocige benn bie ndd^ftc unb bie fernere ^n- funft, bie legten ®nbe§ bod^ von ber großen ^erfünlirf)!eit abf)ängt.

3tn einer neuen SBeltanfd^auung l^aben fi(f)erl;id^ alle fieroorragenben ©eiftcr mitgearbeitet, gleic^üiel ob fie Stöntgen ober 3J?arconi I)ei^en. 3tber nur bann, raenn if)re ©cbanfen ober Xaten oon if)nen felbft in fünfttcrifd^c ?^orm gebrad^t werben, gc^ roinncn fie noc^ ein näheres 58erf)ältni0 jur Siteratur. ^n biefer Sejie^ung nun treten brci 5Ramen, bie roir junöd^ft an anberen Stellen al§ in einer $?iteraturgefd^ic^ic [»(^en nmrben, in ber 3ßit "od^ ©oet^es ^obe au§ bem großen Greife berer f)erou§, benen bie SBcItanfd^auung ber ©egenroart if)re ©runblagen üerbanft: Sd^open^auer, S^icfefc^e unb S[ßagncT, alfo jroei ^f)iIofopf)en unb ein ^omponift. ®ie ^unft if)rer fprad^Ucfien 2)arftcnung fteHt fie mef)r alö onbere in bie literarifd^en 3"fai"ntcnf)cinge Fiincin, benen ibre SBerfe au^erbem unenblid^e Stnregungen gegeben fiaben. ^n (Srf)opent)nuer§ (3t'- banfcnbau ift bie rounberüotte ^rofa, bie oFine roeitereö jur großen Siteratur ge: i)ören roürbe, aucE) wenn man nidfitö üon biefer gangen ^^iIofopf)ie gelten lie^e. SBog borübcr ^inaus 9^ie^fdf)e Igrifc^ unb epifd^ („3aratf)uftro"), SBagncr bramatt)d; be- amtet, brauet nur flüchtig erraäf)nt ju roerben.

gibt me^r al§ einen, ber bie SBeltanfc^auung !cineö biefer brei füfjrenbcn ©eifter al§ ma^gcbenb anerfennt. S)ie ßntmicflung ber Kultur aber im neunjefinten $5a^rF)unbert märe für ben ^wrüdblidfenben o^ne bie befonbere 33efrud^tung ber Sebenä^ arbeit ©d^openf)auerö, 3Bagner§ unb 5Rie^fc^€ö in feinem g'alle flar ju ertennen.

2Irtf)ur St^open^aucr gebort gu ben bcbeutenbftcn ^rofaifern ber 3BertIiteratur. 33efannt mürbe feine 33ebeutung erft in ber groeiten öölfte beö 19. 3al;rf)unbcrtö.

9lm 22. ^ebruor 1788 rourbc Scbopenfiauer in 3)angig (.^eiligegeiftftra^e 14-1) alö Sof)n eine§ rcidfien Kaufmanns geboren, ^m 3ltter üon frtnfäel)n S^^rcn bereifte er jufammen mit ben eitern ^ollanb, Gnglanb, ^ranfreic^, ba§ er fc^on üon einer frül)eren Steife f)er !annte, unb bie Srfnüeig, mo befonberg (E^amounip mit bem 3J?ont: btanc einen tiefen ©inbrud in il^m tjintcrüe^. ®urd^ 33at)ern ging bann na^ öfterreid^. Sängerc 3cit tjictten fic^ bie $Reiienben in SBien auf. darauf bcfuc^ten fie ba§ $Ricfengebirge. ®cr SRunbblid non bcr ©c^neefcppe ocrfcfete ben ^üngfing in entjüden. 3Son 2)reöben au§ marfite er fpöter mehrere STuöfliigc in bie Särfji'ifdie Scfiroeij. 3)er 3Sater fet)rte nunmef)r narf) Hamburg jurücf, mof)in er fc^on 1793 ge- jogen roar, unb roo 3Irtf)ur bie ©d^ule befuc^te, mö^renb bie 3J?uitcr einftmeifen in Tan,vg blieb. 1805 ftarb ber SSater infolge cincö Unfallö er ftür.^tc bei einer ^:8efid)tigung ieiner Speicher burc^ eine 2u!c in bie 2:iefe unb bie DJiutter fiebettc im nöcfiftcn Sa^re mit it)rer 2:o^ter %Mi (geb. 1797) nac^ 2Beimar über, roöf)renb 5trt^ur nod)

Oe^Ifc, '^ie bciitftfie Citcrntut feit 0octf)c§ Zobc uiro. 21

322 ®ie neue a!Beltau[cfjaiiuitg.

in Hamburg ineiter arbeitete. 9)Ht ^uftinnnung ber DJluttcu iiertaufd^tc er je^t jeöod) ben if)m 'oom SSater oufgenötigten !aufmännifa)en Seruf mit bem gelet)rten.

^o^anna iSc^opent)auer roar eine fluge ?^rau unb f)at nic^t nur burc^ it)ren Bofjw, fonbern au^ burc^ i^re S^omone unb bur(^ if)re ^ceabenbe, an benen ©oett)c f)äufig iF)r ®aft roar, einen 5Ranien befommen. ^t)x 3Serf)äItni§ ju i^rem ©o^n ronr eigenartig unb roirb am beften burc^ einen 35rief beleut^tet, ben fie am 13. ©e^ember 1807 furj üox feiner 3tnfunft in SBeimor an it)n ricf)tete: „3^un ^u deinem 5ßert)äftniffe l^ier gegen niic^, unb bo bünft mir am beften, ic^ fage ®ir g,U\6) o{)ne Hmfc^roeife, roaö icf) roünfc^e, unb roie es mir um§ .^erg ift, bamit roir einanber gleid) üerfteiien. ®a^ ic^ sDid; rec^t lieb t)abe, baran groeifelft ®u nic^t; \6) i)ahc Dir beroiefen, folange id^ tebe. ©g ift gu meinem ®Iüd notroenbig gu roiffen, ba^ Du glüdlic^ bift, aber ni(^t, ein ,3^"9£ baüon ju fein. I^cf) £)abe Dir immer gefagt, möre fe^r fi^roer mit Dir gu leben, unb je näf)er i(^ Did) betrad)te, befto mel)r fdieint biefe ©c^roierigfeit, für mic^, roenigftenä, ju§unef)men. '^6)' oer^e^te Dir nic^t, fo^ lange Du bift, roie Du bift, roürbe id) jebeg Opfer e^er bringen, aU mid) bagu enl= fd^Iie^en. ^c^ uerfenne Dein ©uteö nic^t; aud) liegt baö, roaö mic^ oon Dir jurüd- fc^enc^t, nic^t in Deinem ©emüt, ni(^t in Deinem innern, aber in Deinem äußern SBefen, Deinen Slnfic^tcn, Deinen Urteilen, Deinen ©eroo^ntieiten furj, ic^ fann mit Dir in nic^tö, roaö bie 2lu^enroelt anget)t, übereinftimmen. lud) Dein SKi^mut ift mir brüdenb unb üerftimmt meinen Ijeiteren ^umor, lO^ne ba^ Dir etroag I)ilft. ©iet), lieber Strt^ur, Du bift nur auf ^age bei mir gum Söefuc^ geroefen, unb jebeö= mal gab l)eftige ©jenen um niditö unb roieber nid^tö, unb jebeömal atmete id) erft frei, wenn Du roeg roarft, roeil Deine ©egenroart. Deine klagen über unr)ermeiblid)e Dinge, Deine finfteren ©efic^ter, Deine bizarren Urteile, bie roie Drafelfprüc^c oon Dir auögefproc^en werben, ol)ne ha'^ man bogegen etroag einroenben bürfte, mic^ brüdten, unb mefir noc^ ber eroige ^ampf in meinem ^nncrn, mit bem ic^ aUeö, ronö {6) bogegen einroenben motzte, geroaltfam nieberbrüdte, um nur nid)t ju neuem Streit Slnla^ ju geben, ^c^ lebe je^t fel)r ru^ig, feit ^al)r unb %aq l)abe ic^ feinen un=

angenebmen 3Iugenblid gcf)abt, ben id; Dir nid)t gu banfen ^ätte .^örc alfo,

auf roeld)em %u^ \6) mit Dir fein roiH. Du bift in Deinem Sogie ju ^aufe ; in meinem bift Du ein @aft, ber immer freunblid; empfangen roirb, fi(^ aber in feine l)äuQlic^c

Einrichtung mifd)t. Um biefe befümmerft Du Did) gar nii^t ic^ bulbc feine

©inrebe, roeil mi^ uerbrie^lid^ mad)t unb nid)tö l)itft an meinen ®efellfd>aftö=

tagen fannft Du obenbö bei mir effen, roenn Du Dic^ babei beä leibigen DisputiereuS, "oa^ mi(^ auc^ uerbrie^lic^ mac^t, roie aud^ aUeö Samentiercnö über bie bumme SBelt unb baö menfd^lic^e ©lenb entl)altcn roiHft, roeil mir ha^j immer eine fd)led)te 9ia^t unb übte Si^räume mad)t unb ic^ gerne gut fd^lafe."

Der Srief beantroortet im oorauä cicle ^^ragen, bie roir an ben ^l)ilofopl)en unb 2RenfcE)en (SdE)openf)auer rillten fönnten. SJJan fagt rool)l ni(^t §UDiel mit ber Semerfung, ba| im allgemeinen feine 9JJutter in biefer SBeife an il)ren <Bo^\i fd^reibcn bürfte, felbft roenn atleö, roaö fie ^ier fagt, jutrifft, unb roir l)aben feinen 3lnta^, Daran ju jroeifeln. 2(rtl)ur erbte oon feinem 58ater bie 9)Jdanc^olie, üon feiner 3Jiuttcr

Slct^ur 3c^opeitf;auer5 2e6cn. 323

ben grenjcnfojcn, fültfinnigen egoismug. ^iefc* ßigenfc^aften finb bie ©runbpfciler [einer ^^ilofop^ie, bie ja eigentlich meftr eine 5lunft n[ö eine SBiffenfc^aft ift, unb jeincö ;2cbene geworben, ^ofiannaö 33rief roornt unö cor feiner 2t\)u. SSir begreifen aber aud), luarum er fo früf) ein 3Seräc^ter bcö SBeibeö raurbe, öer „europäifc^eu ^amc".

3Us 3(rt^ur münbig wnrbe, mu^te if)m bie 3)lutter ben auf if)n fallenben 5;cil i?eö näterli(^en SSermögens (57 000 ^axt) aiiöjaf)Icn, non bem er auf 3iiveDen ^fo^onnaö ungefäf)r ein drittel einer ^nnjigcr 2Bcingrofet)anDlung (■lUhif)!) ju f)of)em 3inöt»P liel). ®r befurf)te nun juerft (1809) bie Uniwrfität ©öttingen, roo er ficf) alö Stubent ber SJiebijin einfdjreibcn Iie|. 'B6)on Doni graeiten Semefter ab roanötc er \\6) jeborf) ber ^§i[ofopI)ie j-u (er roofinte im erften Semefter in ber Sangen ©eiämarftrape ?lr. 64, banacf) im Sotanif^en ©arten, beffen SDireftor i^m einige 9iäume überlief). 3?ot allem ftubierte er ^tato unb Rant. Tiod) jctin ^af)re fpäter prieä er fein ©öttingen: „@ö ift bie roürbigftc, üieEci(^t bie erfte Uniuerfität ber Sßelt." ^m ^uni 1810 macfjte er eine $Reife über ben 3)tei^ner nad^ Gaffel unb im ^erbft 1811 in ben §arj. ^ie Serien oerlebte er regelmäßig in SBeimar, wo er für bie um ge^n ^af)re ältere S(^au; fpieterin ÄaroUne ^agemann, bie 5[Rätreffe beö ^er3ogö ^arl 9(uguft, fc^märmte (roie ©roinner berichtet): „"Sjiefeö SBeib mürbe i6) I)eimfü^ren, unb raenn iä) fie Steine ffopfenb an ber Sanbftraße fänbe." Sein eingigee SiebcQgebirf)t aus bem SBintet 1807 gatt ifjr. 2ttö j^rau üon ^epgenborf Ijat fie i^n nocf) in granffurt a, 9Jc. 1834 befuc^t unb fid^ an ber öamatö gerabe Don \i\m erfunDenen ^arabc( uon ber ©cfettfdjaft Starfielfc^meine (^arcrga II, §413) erfreut. 3)Jit SBietanö I;atte er eine intercffantc llnterrebung. „3üiö bem roirD", fott ber greife ^ic^ter ju S^openI)auerö 3Jcuttcr ge^ fagt ijahcn, „noc^ einmal etroaö ©roßeö roerben."

58on ©oetf)e mit einem ©mpfctilungöfc^reiben an Den ^biioiogen J^ricDrid) 3Iuguft SBoIf üerfe^en, ging er 1811 nad^ 33crlin, rao er and^ 5i<i)te f)örte. ^^m |)erbft 1812 mar er mit äRutter unb Sc^roefter in Bresben unb 3:ep[i^ jufammen. 3t[ö er im grüf)ja^r 1813 nad^ SBeimar fam, fanb er im .gaufe feiner 3Jiutter alö il)ren Seetenfreunb ben 3flegicrungörat 3)iütter, genannt v. ©erftcnbergf, beffen f^riftfteÜcrifc^e SScrfucEie bie erfte 3(nnä^erung an ^oI;anna ergaben unb bann ju einem intimen SScrfiähniö füf)rtcn. 3Inbere 3^reunbe roie Gonta, gernom unb o. ^ügelgen tanien binju. Der iüacf)fenben ßntfrembung jmifd^en lUiutter unb So^n folgte im ^ai 1814 ber 33ru^: fie i)ahc]\ feitbem cinanber nidlit roiebcrgefel>cn, bie ^]}iutter üernit^tcte alle an fie ge- ricl)tctcn Briefe 3lrt^urö unb oerbot ani) ber 'Jo^tcr einftroeilen jebcn mcitercn 33rief= iüecl)fel mit il)m. ©erftenbergf beiratete 1825 eine ^od)ter beö ©rafen ^äfelcr.

3Son SBeimar alfo ^og 5d)openl)auer fc^on 1813 nac^ ^ena unb 9iuDolftaDt, mo er feine IDiffertation „Über bie inerfad)e 2ßurjel beö Sa^eö oom jureidjenben ©runbc" beenbetc. ^m Cftobev 1813 erfolgte feine Promotion. 'üJJit ©oetljc, Den bie 2Ibl)anblung, befouDerö il)r fcc^fteö 5?apitel, lcbl)aft gefcffelt f)atte, fam er in biefcr 3eit in einen anregenDen ©cbantenauötaufd) über bie 3^arbenlel)rc, bem feine eigene Sd)rift über bicfeö Xl)cma cntfprang. ©oetl)c nennt Sc^openbauer einen „merf; mürbigen unb intereffanten a«ann" unD finbct i^n geiftrcic^. 9llö fid) in einer &e- fellfdiaft einige junge Damen über Den „in mürrifd}cr ^Ibfonberuug in ber gcnftcr;

21*

324 ©ie neue SBeltanfd^auung.

nifrfic ftci^enben" ^i)ilojopI)«n luftig maä)kr\, tief iljnen (Bodlft nü6) feinem ©intritt in baö 3^'^'"^^ ä^^- //^inberc^en, ia^t mir ben bort in 3tut)e, ber mäd)ft unö nodE) einmol QÜen über ben ^opf." 3tni 8. HJJai 1814 trug er if)m in baö Stammbud^ bie für ben ^effimiften geprägten ^erfe ein:

SBidft bu bid) beine^ SBerte^ freun, ©0 mu|t ber Söelt bu Söert berleil^n.

darunter fd^rieb er: „^m ©efolg unb gum Sfnbenfen montfier oertrauIicEien @efprä(^e.^ ®e§ ^f)ilofop^en ^ouptraerf ^at @oett)c mit gro^enx ^ntereffe gelefen.

3)ie 3al)re 1814 1818 oerbrad^te ber junge S)oftor in. ©reöben, wo feine ©d^rift „Über bo§ (Selben unb bic ?^arben" entftonb. 2tuc^ ©c^openI)auer Derroorf 9ien)tonä ?^arbent^eorie, fom aber roeiterf)in ^u onberen ©rgebniffen aU @oeti)e, ber feinem ^rger barüber in gmei be!annten Epigrammen 2tu§brud gab:

S;rüge gern noc^ länger be§ 2e^rer§ 95ürben, SBenn ©d^üler nur nid^t gleic^ 2e§rer mürben.

2)ein ®utgebac§te§ in fremben 3Ibern SSirb fogleicf) mit bir felber Ijahem.

^ie I)eutige SBiffenfd^oft fann mebcr ©oet^eg nod^ '©cE)openf)<auerg %))zoxi^n an- erfennen unb ^at 9^emtong Sef)re beftätigt. ^n Bresben noc^ fd)rieb ©d^open^auer oud^ fein ^auptröerf nieber: „®ie 2BeIt alä SBiUe unb SSorfteHung." ®ine mefeni= lid^e SSorbebingung ^iergu roar feine ®infüf)rung in bie inbifcfie ^{)iIofopI)ie burdE) ben Drientaliflen %. 3JJojer, beffen Sd^rift „^xaijxna ober bie 3fleligion ber ^nber'^ in bem^ felben ^a^re mie „®ie Sßelt alä SBitte unb 33orfteEung" erfc^ien. ©d^on 1816 be= !annte Schopenhauer: „'^d) geftefie, ba| id^ nid^t glaube, bo^ meine 2ef)re je {)ättc entftel)'en fönnen, eliie bie Uponifd^aben, ^lato unb Äant ibre ©trablen gugleic^ in eineö 9Jienfdf)en (Seift werfen fonnten."

S^odf) n)äf)renb be§ ®rucf§ feines SBer!es, boö bei 33rodEI)au§ erfd^ien, reifte Sd^open^auer noc^ Italien. Über $ßenebig, ^ologno unb ^loreng ging er im ^erbft 1818 nacE) 3fiom. ©amalö befanben ficE) au^er it)m no6) gmei anbere ^effimiften ber SBeltiiteratur in Italien, Seoparbi unb 33t)ron, an ben er fogar ein ®mpfef)Iung§: frfireiben oon (Sfletf)e f)atte. 3)a| er biefeä nirf)t überreicEite, f)at er fpäter fef)r be; bauert. 2tuf ber 5Rüdfe^r erfuhr er nocE)* in Dberitolien, ha^ bie ©angiger ^irma 3JiuE)I 33anferott gemacht ^ahe. %n§ bem 3wfo"^J"^i^&i^w^ retteten feine SJJuttcr unb 6d)n)efter nur ein ^Drittel iE)re§ 3Sermögen§, er fclbft jebod^ fein gangeS Kapital famt 3infen baburdE), ba^ er einfadE) ,bem 2tf!orb ber ©laubiger nic^t beitrat unb feine SBed^fel innerE)aIb beftimmter ^^riften fünbigte. ®r merbe fid) freuen, fcE)rieb er an 9J^uE)I, raenn iE)m fpäter mieber gut ginge: „3flur barf ^i}x ©lud nic^t auf ben S^rümmern beö meinen erbaut fein, ^fire £inber raerben mir nod^' l)ier in brillanten ©quipagen t)orbeifaf)ren, TööE)renb idE) aU ein alter abgenu^ter llnioerfitätslel^rer auf ber ©tra|c feudie: ©lud unb ©egen bagu, fobafb ©ie mir nichts fcE)uEbig geblieben finb. 2lber meine S3efriebigung ift bag le^te Dpfer, bag Sie gu bringen I)aben, ef)e ©ie ^fir neueg 3BoE)Ifein bcgrünben: bann mögen ^f)nen §immet unb ®rbe günftig fein." „©ic

Slrt^ur Sc^openfjauerS Scben. 325

fef)en", fc^reibt er in einem früf)eren 33rief, „ba^ man mof)! ein ^^itüjopl; fein fmin, oF)ne beöfiafb ein 9Zarr ju fein."

^m ^af)re 1820 habilitierte er fic^ an ber Unioerfität Serlin. Sercitä bei ber öffentlichen ^iöputation geriet er in afabemifc^en Streit mit ^egef, beffen Softem bamalö feine ^riumpfie feierte unb ben ©ebanfen beä jüngeren 3Imtygenoffen webcr je^t nocf) fpäter 3flaum gur ©ntfattung liefe. ®a Schopenhauer feine SSorlefungen über oHgemeine ^f)iIofopF)ie unb bie ^f)eorie be§ ©rfennenö ju ber gleichen Stunbe abhielt mie §egel, fonnte er ftc^ über if)ren fcJiraac^en 33efucf) fnum rounbern. (Gr roo^nte bi§ 1829 in ber 3)orot{)eenftra|e ^v. 30, fpöter 33e§renftrafee 70.) Seine afabcmifd^e Sl^ätigfeit unterbrad^ er burd^ eine grceite 3fieife nac^ Italien, auf ber er 58enebig unb $Rom inbeffen nic^t berüf)rte. '^aä) ber 5Rücffef)r Ijatte er in ^reöben Umgang mit S^ied. ift für S(^openF)auerö ^f)ifofopf)ie bejeic^nenb, ha^ bie S)ic^ter 3- S. ^eon ^aur, ber bie ,,2Belt alg SBiUe unb ^orfteHung" rüf)m€nb re5enfierte mef)r mit i^r anzufangen roufeten alö bie ^rofefforen beg Ja^ö.

^m ^af)re 1825 trieb er fpanif(^e Stubien, um ©alberon unb (Eerüaiiteö in ber Urfprad^e lefen ju fönnen. 5ßon bem ßrfolg fetner Semül^ungen legt feine Über- fe^ung 33aItf)afor ©racianö ^ßUQniö a&. 1831 oerliefe er Serlin, um ber Sf)oIera ju eniget)en, ber §egel in bemfelben ^a^rc oitd^ rcirflic^ erlag, unb fiebeltc nacf» ^ranf= fürt a. 3Ji. über, roo er abgefef)en von einem fürgeren 2lufentf)alt in 93iannF)cim bis ju feinem ^obe blieb. 3"^^i ^al^re oor^er Ratten feine 9)?utter unb S(^roeftcr SBeimar mit Sonn im Sommer Unfel bei 33onn oertaufi^t. 3Jtit 3tbelc Eiatte er fd^on früf)er roieber bei oerfc^iebenen 9(nläffcn forrefponbiert ; je^t, nad^ 18 jäf;rigem SdEiroeigcn, fam auä) ein Sriefroec^fel mit ber 3J^utter roieber juftanbe, bie injiDifc^en einen Sd^Iaganfatt erlitten ^atte. Sie ging fpäter nad^ 3>ena, n>o ibt ein ^uFjegcIb beö jungen ©rofeliergogä üon SBeimar ju ^ilfe fam, unb ftarb 1837, mit ber 3lbfaffung if)rcr 9Jiemoiren befcfiäftigt. 2tbele, bie in ber 3)iittc ber uiergigcr ^afire mit ©octfieö üer= roitracter ScE)roiegertot(f)er Ottilie unb einer anberen g^reunbin eine 3tcife nac^ ^^^^icn ma^te, lebte unnermäf)It big jum ^afire 1849.

Sd^openf)auer roecE)fe(te in ?^ran!furt micberbolt bie Sßobnung unb ging f^lie&= lidE) 3ur 2(nfcE)affung ron 3J?öbern über. Über bem Sofa I)ing ein Öfbilb ©oettieö, auf bem Scf)reibpult ftanb bie Süfte lantö. Seine ^Jlaljljeiten nal)m er im „ßnglifcbcn ^of". Seine groeite Sebenöljälfte uerging unter ftitten Stubien in aQcr 3Ru^e. 9?ur ber ©rimm über bie 5^icf)tac^tung feiner P^ilofopbie Durct) bie J^ad^Icutc unb Den lueiteren Seferfreiö je^rte an tF)m. ^m 9nter fammefte er mit Seibenfrfiaft alle öffent; fielen 2Iner!ennungen, bie i^m juteit mürben.

SSon jef)er I^atte er grofee Siebe gu Vieren, ^n ^ranffurt f)ielt er [i6) rege[= mäfeig einen ^ubet, ber mit if)m bie Gini'amteit teilte. 3(IIgcmein befannt mar fc^on bhmalö feine 3tbneigung gegen bie ©be. ^er 3JJann, roelc^er ficirate, ber balbiere feine JRec^te unb uerboppele feine ^füc^ten. Sein ^afe gegen bie „Manien" fannte feine ©renjen, er felbft fprac^ nur üon SBeibern unb empfahl ja aud) bie S^ietmeiberci, lie^ aber 3Iu5naf)men gelten. Sein 3(uffa^ „Über bie 2Beiber" übertrifft burc^ S«afe[ofigfeit im 9luöbruct nocb ben „Über Die UniuerfitätöpbiIo)opbie", mo gicf)tc, Scf)cQing unD

326 2)ic neue Sßcltanfdjauung.

§egel mit faum gloublid^en SBorten liberjd^üttet raerben, 33eibe ^luffäfee föniien Oerabcju aU Seittägc gur f)umoriftif(^en Literatur gelten, -rrieberjugebeu finb fie nid)t.

©eine SebenSireife blieb firf) faft immer gleic^. @r ftanb jiDifc^cn fieben und üd)t Uf)r auf, mnfcE) fic^ ben gangen Dberförper mit einem großen Si^roamm unb tauchte haö (Sefid)t mit offenen 3lugen in faltes SBaffer, roeil er glaubte, ba| bieö beni Seinen) gutröglic^ fei. darauf no^m er ben oon if)m felbft zubereiteten Jlaffee. ©an« arbeitete er graei ©tunben lang, ßine ^afbe Stunbe fpielte er geroö^nlicf) ^lote. ^anad^ rafierte er fic^ unb ging im ^^racf unb meiner 33inbc jum ^Jiittageffen ine ^otel. ■Raä) bem ©ffen fc^Iief er gu §aufc eine ©tunbe, tranf bann ilaffee unb machte mit feinem ^ubel einen raeiten ©pagiergang. ^m Sommer babetc unb fcEiroamm er im 3Jiain. SßäFirenb beö @ef)enö im freien raucfjte er mof)t av.ä) eine tjolbe 3^9^^^^'^ ^^^ giueite §älfte ^idi er für fc^äblic^. ©päter befuc^te er ha^ ^afino ober bie £efe; gefeUfc^aft unb nat)m im §ote[ eine falte g^Ieifi^fpcife. 1)en Slbenb oerbrad^te er ijn .Bongert ober %l)mttx ober aber gu §aufe bei einer pfeife unb leichter £e!türe. ®r fd^Iief ftetö bei offenem ^enfter, nur in eine leichte ^ede gcf)üllt, unb niemals rourbe fein ©d;f.afgimmer gel)eigt. ^n allen 3(ngekgen^eiten {)ielt er auf peinlid^fte Drbnung. ^m 3^rüI)Iing machte er lusflüge in ben 3:aunuS, unb im ©ommer fu(}r er narfimittagä oft nac^ 9)laing gu ben ^iiitärfongerten. @r mar ein Sßo^Itäter ber 3trmen, o^ne M"^ man riel baoon erfuhr, in biefer .^infid^t alfo 3lltruift.

^n ber ^ranffurter ^txt entroidelte er fein ©pftem nocf) meiter in einer %üUe oon 6ingielfrf)riften : „Über ben SBiUen in ber 5Ratur" (1836), „Über bie ^reifieit be§ menfc^IidEien SBiUenö" (1839), „Über gunbament ber 3Jloro[" (1840) bcibe ©d^riften 1840 gufammen f)erauggcgeben unter bem Xitel „^ic bciben ©runbprobkme ber etf)if" , „©ie Sßelt alö 2öiIIc unb SSorfteEung", 2. 58anb (1843), „^arerga unb ^aralipomena", 1. unb 2. Sanb (1851). 3(uS ben: 9lac^(a^ gab ©buarb ©rifcbad^ f)crauö „^aft^afar ©racianö ^anborafel", eine S^eilje ffcinerer 3(b^anblungen fomic bie „5Reuen ^aralipomena".

^m ©eptember 1860 erfranfte er an einer Sungenentgünbung, non ber er fic^ fd)einbar erF)oIte. 3lm 21. ftanb er rüie gen)öf)nlid) auf, nafim feine falten 2lbmaf(^un: gen ror, fe^te fic^ auf bas ©ofa unb rooHte feinen J^affcc trinfen ba fanf er tot gurüdf, Don einem Sungenf(J)Iage getroffen. 9luf feinen SBunfc^ burfte bie ©ranit^ pfatte auf feinem ©rabe nur feinen Flamen entf)alten, fonft gar nic^tö, nid^t einmal 5af)reögal)len.

©ein SBunfc^ mar eö, l)unbert Sal)re unb älter gu raerben. 3ln feiner Unftcrb; lidjfeit f)at er felbft am roenigften gegraeifelt.

^ie SBirfungen feiner ^Ijilofopljie fpiegeln \iä) l)unbertfältig anä) in ber fd)önen Literatur, ©in 33eifpiel für üiele ift SBill^elm 'SiaaU, beffen ^Romane „3tbu Xelfan", „^ie Seute auö bem SBalbe", ber „©rf)übberump" unb ber „©topffuc^en" aus ©cE)openl)auerä ^becn il)re 3Beltanfd)auung nehmen, unb in bef[en ^Rooelle „Sulen:: pfingftcn" ber ^^rantfurter ^l)ilofopf) felbft gegeirfinet mirb, raie er mit bem Segationä; rat 3lleriu5 uon 5Rebelung auf ber ©tra^c gufammenrennt, „ein alter frifc^er §err mit

Sd^openJ^aucrS Seltanfc^auuiig. 327

roei^em Sncfciibart, lücificr öoföbinö:, im %xad, unb begleitet uon einem brau= nen ^ubel".

9tber nic^t nttein burc^ foIcf)e ßigeutümlic^feifen unö burrf) bie ülac^bilbung unb bie ^unft anberer lebt Sc^openfjauer raciter, jonbern burd) jeine eigenen SSccfe, bie gor feiner fremben Sfiomane unb 3?oücIIen ju if)rer 5ßerbreitung bebürfen: finb fie bod^ felbft ein einziger großer JKonmn bcr ^IKenj'djfjeit,

3. 8(^o|)en^ancvS SBcltanft^auuni).

,,2Bic biefeö Suc^ gu lejen fei, um möglic^crmcijc ucrftauDcn lucrbcn ju fönnen, Imbc \d) i)m onjugcben mir üorgeje^t. SBaö burcf) baöfclbc mitgeteilt merben foU, ift ein einziger ©ebanfe. ^ennocf) fonnte \d), attcr 'Semüf)ungen ungead}tet, feineu fürjeren 2Beg i^n mitguteilen finben als biejeö gange Su(^." So beginnt Sc^open- bauer bie SSorrebe p feinem .ÖQuptroerf, beffen ^itel jenen einen (i>ebanfen bereite flar iiniäeic^nct: „^ie SSelt als Söille unb 58orfteQung." 3^ouffeQu gibt ha^-i erftc 93iotto: „Sorsde l'enfance, ami, reveille-toi"(,/Sei fein ^inb mef)r, mein ^reunb, eriüQc^e").

1)icfeö SBerf, erfenntniätl^eoretifrf; uorbereitet burcE) bie ^iffertation über hen 3a^ üom äurci(^enbcn (Srunbe, ä^rfällt in üicr Sürf)er, üon benen baö erfte unb brittc Die 2BeIt alö 33orftcIIung, bog gmeite unb oierte bie SBeit alQ SBillen bef)anbe(n.

^qS erfte Sud^ mirb eröffnet mit bem Sa^e : ,,iDie SBelt ift meine ^orfteUung/' :?(Ucö, maö für bie ©rfenntnio ba fei, bie gange fogcnanntc 3BeIt, fei nur üort)anöen alö bie "Slnfc^auung eines 3{nf(^auenben, fei nur Dbjeft in ^egief)ung auf ein Subjeft. 3c^üpenl;aucr fu^t alfo auf ber 2ef)rc Äantcv roie er felbft betont. ®ie ^orm beä Cbjeftö fei ber 3ai5 oom ©runbe in feinen ocrft^iebcnen (Beftaltcn. T)aö eigcntli(f)C, innere SBefen ber SBeit bürfe man mitljin nic^t auf biefcm SScge fud^cn, auf bem man immer nur relatiüc 2Bal)rl)eiten finben fönne. "Die 3SorftelIung alö Mi Dbjeft bebarf beö '■l^orftcllcnben alö beö Subjefte, fie ift nur bie äupere Seite bcr ,SBclt, bereu SSefcnö; fern aud) ^ant no^ nirf)t gefannt unb baf)er „'3)ing an fic^" genannt [)at, 5cf;opcnf)auer ober na^ ber unmittelbarften ber Cbjettinaticnen „Söille" nennt.

®Qö jroeite 58ucf) raenbet fic^ biefer Cbjefti'oation beö SBilleno gu. 2)em Sub; jeft beö ©rfennen^ ift ein ©egenftanb auf jmeifat^e SBeife gegeben: ber eigene Seib, ben ein jeber ni(J)t nur olö SSorftellung uon au|en, fonbern aud; unmittelbar alöSßiQenö: aft ron innen roa^rnimmt. ?iac^ 3Inalogie biefeö SSorgangeö muffen mir bie gange SiJelt üon groei gang oerfd)iebenen Seiten alö 33orfteIIung unb 2BiUe faffcn. Sd^opcn; l)auer mäblt biefeö SBort gur 33egeid)nung beö gule^t Unfa^bareu, mcil ec jebcnfaHö beffer alc. ein anbereö 'i>a<i roirflid)e SBefen ber SBelt begeic^nc. „O^er 33egriff SOBille", jagt er, „ift bcr eingige unter allen möglichen, mcld^cr feinen llrfprung nid)t in ber ßrfc^einung, nic^t in bloßer anfd)aulid)er ^Sorftcllung l^at, fonbern auö bem ^nnern fommt, auö bem unmittelbarften 33emu^tfein eines jebeu l)cruorgel)t, in meldiem bicfcr fein eigenes ^nbiuibuum, feinem SBcfen nad), unmittelbar, ol)ne alle (Vorm, felbft of)nc bie oon Subjeft unb Tbjcft crfennt unb gngleid; felbft ift, ba l)ier bas Grfennenbe unb

baö Srfannte gufammenfüUcn Spinoga fagt, ha^ ber burc^ einen Stop in bie

Inift fliegenbe Stein, menn er 33cmuptfein l^ätte, meinen mürbe, nuö feinem eigenen

328 j)ie neue SBeltanfc^auung.

Sßitten ju fliegen, ^c^ fefee nur n:o:c^ flinju, ba^ ber Stein redEit f)dtte. ®er Sto^ ift für iJ^n, roaö für mic^ bos 3Jiotit), unb wa§> bei iJ)m olä ^o^öfion, ©c^rcere, 33eJ)Qrr; lid^feit im angenommenen 3wftanbe erfc^eint, ift bem inneren 2Befen noc^ baöfelbc, raa§ i(^ in mir alö SBiDen erfenne, unb maä, wenn au6) bei if)m bie ©rfenntniö I)injuträte, cu{j^ er alä SBiUen erfetinen mürbe/'

3mifc^en bem SBitten unb feinen eingelnen ©rfd^einungcn ftet)t ate feine alleinige mirttic^e Dbjeftioitöt bie ^bee, bog 9Jhtfterbilb, bie eraige ?^orm ber merbenben unb mieber ücrg«l)enbcn ^nbiüibuen. So ftel)t 3. S. §mifrf)en bem SSiEcn unb mir, ber ic^ geboren merbe unb fterbe, alä feinem SBed^fel unterworfen bie ^bee „3JJenfcl)"/ biic fid^ on ber ©pi^e einer longcn ©tufenreil^e biö l)inab ju ben nieberen ^been ober Db= jeftioationen beö 3BiEen§ befinbet. 3tlö blinber 'J)rang unb erfenntniölofe.ä Streben erfd^eint ber SBiUe in ber gangen .unorganifc^en Statur, in ben urfprünglid^en Gräften, beren ©efe^e üon ber ^^t)fif unb ©^emie feftgeftellt merben. 33on ,Stufe ju Stuf« objeftiüiert fic^ ber SBitte ta^ ^flanjen= unb S^ierreic^ l)iuauf immer beutlic^er, bi§ 'oa§> (Se^irn gur ®rl)altung beg ^nbiüibuumö unb ?^ortpflan§ung beö ©efc^ted^tä als ^ilfömittel auftritt. „3tltein mit biefem Hilfsmittel fielet nun mit einem ScEilage bie SBelt al§ SSorfteHung ba, mit attcn il)ren ?^ormen, Dbjeft unb .Subjeft, Qdt, 9taum, SSiel^eit unb ^oufalität. S)ie Sßelt geigt jefet bie gmeite Seite. S3i§^er blo^ SBiUe, ift fie nun gugleic^ SSorfteUung, Dbjeft beö erfennenben Subjefts. 2)er SöiEe, ber big l^ier^er im ^unfein l^öc^ft fi(^er unb unfebibar feinen Srieb oerfolgtc, l^at fid^ auf biefer Stufe ein Sic^t angegünbet alg ein SJiittel, n>elcE)eg notmenbig rourbe gur Stuf= l^ebung beg S^oc^teilg, ber au§ b^m ©ebrönge unb ber fompligierten 39efc^affenf)eit feiner (Srfd^einungen eben ben üollenbetften erroad^fcn mürbe. 5Die bigl)erige unfel)lbare Sid^erf)eit unb ®efe^mä|igfeit, mit melclier er in ber unorganifc^eu unb blo^ Degetü= tivzn '^aiux rairfte, beruhte barauf, ha^ er oUein in feinem urfprünglid^en SBefen, alg blinber ©rang, SBille, tötig mar, ol)ne 33eil)ilfe, ober aud^ o^ne Störung oon einer gmeiten gang anberen SBelt, ber SBelt alg ^ßorftellung, meldte gmar nur bag 3tbbilb feincg eigenen SBefeng, aber bod^ gong anberer ?latur ift unb je^t eingreift in ben 3ufommen: l^ong feiner ,®rfc£)einungen. ©oburd^ l)ört nunmel^r bie unfe^bare Sic^er^eit .ber= felben auf. ©ie stiere finb fd^on bem Sd^ein, ber ^äufd^ung ouggefefet. Sie l)obcn inbeffen blo^ onfd^oulidlie SSorfteHungcn, feine Segriffe, feine Sf^efleyion, fmb bal)er an

bie ©•egenraort gebunben, fönnen nid^t bie 3itf""ft berücffidlitigen ©er SJlenfd^

mu^te, um befte^en gu fönnen, burc^ eine boppclte ©rfcnntnig erleud^tet merben, gleid^= fom eine ]^öl)cre ^oteng ber anfd^oulid^en ©rfenntnig mu^te gu biefer l^ingutreten, eine S^leflcjion jener: bie SSernunft otö bog SSermögen abftrofter Begriffe. 3Jiit biefer mor S3efonnenl)eit ba, entlialtenb tlberblid ber 3ii^wnft unb 58ergangenl)eit, unb infolge ber= felben Überlegung, Sorge, ?^ö^igfeit bcö prämebiticrten, uon ber (Segenroart unab= l^angigen ^onbelng, cnblid^ aud^ üöttig beutlidEi-eg ^öemu^tfein ber eigenen 2BiIIens= entfd^eibun^cn olg fold^et.''

Dag ©rfenncn mittelg beg oud^ bei ben Spieren üor^anbenen SSerftonbeg unb ber bei ben SJienfc^en nod^ ^ingutretenben Vernunft bient olfo nur gur ©rfialtung beg ^nbiüibuumg unb ber 9lrt roie jebeg onbere Organ beg S^ibeg. ^n eingelnen 3J?enfd^en

Sd^openf^auerä ffieltanfcfjauung. 329

jeborf) Dcrmag bie erfenntniä fic^ biefem 2){enft ju cntjiefien unb a[ä flarcr Spiegel bie ewigen ^been, fei fünftterifc^, fei p^itofopf)ifc^, roiberjuftrafilen. tiefer Xax-- ftcHung ift haQ brüte SBuc^ geroibmct. Sßirft eine folc^e oom SöiEenöbienft loögelöfte erfenntniö auf ben SBiUen jurücf, fo fann beffen Se[bftQufF)ebung im einzelnen 3Jien= fc^en eintreten, b. ^. Stefignation unb (Srlöfung oon ber SBelt. 3)ag roirb im oierten 33u(j^ auögefüf)rt.

2)ie fünftferifc^e 33etracf)tung ift bemnad; bem Safec üom ©runbe nic^t untere lüorfen, innerf)o[b öeffen SSirfunggfreiä feine ^bee firf)tbar raerben !ann. Sobolb man nid^t mef)r nad^ bem SBo, 2Bann, SBarum unb SBogu fragt, fonbern nur noc§ nac^ bcni 2Baö (burd^ ruhige ^ontempration bcö gerabc gegenroärtigen natürlid^en ©egenftanbes), bann l^at man nid^t mef)r "öa^ einjclne ^ing, fonbern beffen eraige ^bee üor 2(ugcn, unb ber fo ©rfennenbe ift bann felbft nid^t mef)r ein einjelneö ^nbiüibuum, fonbern reineä, miUcntofeö, fcfmiergrofeä unb geittofeä Subjeft ber (Srfenntniä. ^iefe 33e^ trac^tunggart ift ber Urfprung ber ^unft. 2)er (Seniuä bebürfe, fagt Scf)open^auer, ber ^fiantofic, um in ben Singen nic^t bas ju fef)en, mag bie ^^atur mirflic^ gebilbei fiat, fonbern roaä fie ju bitben fic^ bemüf)te. Stärfe ber ^^antafie fei atfo 58ebinguug ber @€nialität. ^üx ben geroö^nlid^en 3Jienfd^cn, btefe g^abrifioare ber Statur, ber nur boju bcftimmt fei, bie 58ermef)rung beö 9Jienfc^engef(^Icd^tö ju beforgen, fei baö ©rfenntnigoermögcn bie Soterne, mit ber er feinen eigenen 2Beg finbe, für ba§ ©enic bagegen bie ©onne, meldte bie SBeft beleud^te.

®ie SBelt nun ift es al§ S(^öpfung eines blinbcu SBiUenS nic^t roert, baf3 fie fei, unb ba^ man in i^r lebe. 58on einer eigentlidfien 6tf)if fann in if)r aud^ feine 3iebe fein. Sie ©runblage ber 2JtoraI ift für ©d^opcnf)auer haä 2Rit(eib, neben bem als SJtotioe nur nocE) (SgoismuS unb SoSfieit in 33etrad)t fommen. ^ants £cf)re uom inteEigiblen unb empirifc^en ß^arafter roirb ron if)m übernommen: crfterer fei ber SBitte als Sing an ficE), fofern n in einem beftimmten ^nbioibuum erfcE)cint, lefetercr aber biefe cinjetne ©rfc^einung felbft, mie fie innerf)alb oon ^^it unb 5Raum nac^ Dem Sa^e oom ©runbe ^anbelt. Scr SJJenfd^ oermag nii^t ju rooHen, roaS er erfennt, fonDern er erfennt, mag er ats ©rfd^cinung bes Singcs an fi^ roiH, benn er felbft ift ja im SBefenSfern nirfits als SBiDe. So trögt er bie 5ßerantraortung für fein Xnn, of)ne ficE) Sied^cnfd^aft barübcr ablegen ju fönnen.

Sem SBefen bes SBiUenS cntfpricf;t cS, ba^ er nie bcfriebigt lucrben fann. 3lQeS SBoUen entfpringt ber Unjufricbenf)eit mit bem jeiueiligen ^uftanbe, unb fc^ioeigt einmal baS Sege^ren, fo ftellt firf) bie Sangemeile ein. <Bo penbclt baS Sebcn jroifc^cn unauf: {)örlirf)€m SßoEcn unb öbem 9iicf)ts i)in unb ^er, unb ba^^u fommen aUc bie ßeiben unb Scfimerjen, ^ranf^citcn unb Sorgen. 2Ber bem 2)MtIcib narf)fonimt, banbelt, roie mir faf)cn, moraüfc^, aber bod; nur auf ber nieberen Stufe; bie f)öf)ere 9)?oraI beftef)t barin, ben SBitten jum Seben ju oerneinen. SaS gefd)ief)t nid;t ctma burc^ Scfbftmorb, benn 6er ^ob jerftört nur baS ^jnbioibuum, nic^t beffen 5^ern, ben 2öiIIen felbft. UnD auc^ bie fünftlcrifcf) oom SBiden abgezogene 33etrnd)tung bor ^bcfn permag ja nur für 3lugcn= blicfe ju crlöfen. 3lnv bie ocHigc Slbmcnbung oon aßen ^ntcreffen biefer 2Belt, bie entfagung. Das innere 'ilbfterben beo luahren SBeifcn, Me Eingabe an bas

330

Sie neue Jßeltanfd)auung.

! 9lid^tö bringt J^ulje, ."pcitcrfeit, @lücf unb eilöft für immer uon bicfcr |d)lecf)teftcn aller SBelten.

®er ^ünftler unb Dcnfer l^at boc^ menigflenö jene ^ugcnblicte, bie if)m oou 3cit ju 3eit fi" fjöfjercs ^afcin ermöglichen, ^ronifd) betrautet ©c^open{)auer aber bie ,,t)iel5UüieIen", mie fpäter 9Uc^)c^e fagte : „®ö ift unglaublich, raie nic^tsfagenb unb bebeutungöfeer, pon Qu|en gefelien, unb roie bumpf unb befinnungsloö, uon innen cmpfunben, bae geben ber aEermeiften DJtcnfd^en baljinflie^t. ift ein mattes ©e^nen unb dualen, ein träumerifc^eö 3:^aumc(n burcE» bie üier Sebenöalter jum Xo'be, unter :öegleitung einer S^eil^e triDiaFcr ©ebanfen. 6ie gleid^en Vi\)xwtxUn, wd6)e aufgewogen rt>erben nnb gef)en, o{)ne ju miffen roarum ; unb jebeSnial, ha^ ein 9)^enfdE) gezeugt ober geboren morben, ift bie ll^r beä SRenfc^cnlebenö auf§ neue aufgegogen, um je^t il)r fd£)on ja^Uofe SJtale gefpielteö Seierftüd abermals ju roiebertjolen, <Ba^ cor @a^ unb Taft oor 3:^oft, mit unbebeutenben SSariationen." Über bie Sefc^affeni)eit biefer ®n^enbmenfrf)'en roirft bann ber graeite ^amb bes ^auptraerfcö ergö^Iict)e ©treifüditer. ;Sei"onberö tief ftefien für 'Sc^openf)aucr bie 9Jtenfc^en, bie lärmenb auftreten unb £ärm gut augl^altcn. ,,^6) bcge", fagt er, „mirflic^ längft bie 3)teinnng, ha^ bie Duantität Särm, bi'C jebcr unbefcf)iüert oertragen fann, in umgefeF)rtem ^erijältniö §u feinen ©eifteöfräften ftef)t." 3)en g^rauen fpric^t er 'bie 9JiögIirf)fcit ju, S^alent, aber nic^t ©enie gu f)aben, benn fie blieben ftetö fubjeftiu. ®a bem SBillen nur auf ®rf)altung nnb ^^ortpflanjnng ber ©attung anfomme, fei i^m bnrd^auö entfpret^enb, red^t nicle „orbentlic^c 9)Htglieber beö "^ßad^» ber 9)?cnfcbl)eit" gu erl)alten, bagegen fui^e er t>a§> förperlic^ Sc^mad^e augjufd^alten. 3" ^em Kapitel non ber „3J?ietap^r)fi! ber @e= jcf)lc(^töliebe" fteUt ©cfiopen^auer barüber intereffante Beobachtungen an.

2lfö S(^openf)auer ein SJ^enfd^enalter nai^ bem ©rfc^einen beö ^ouptroerfs bie jmeite 3(uflage l^cranögab, erging er firf) in bitteren Betrachtungen über ha^ 6cf)id)a( feiner ^l)ilofopl)ie. ®r fanb bie (Srflärung für il^ren bamalö nodö geringen Erfolg in bem einmütigen SBibcrftanbe ber ^l)ilofopf)ieprofefforcn gegen biefe gottlofen unb barum brottofen ©ebanfengänge unb fobann in ber SJtinbermertigfeit beö £efcpublifum§, „benn", fagt er 1844 in ber Borre'bc, „bie unglaublid^ gro^c 50kl)räal;l ber 3)Zenfc^en ift i^rcr ?iatur zufolge burc^üus feiner anbercn als materieller 3^'^'^^!^ fof)i9/ JQ/ ^^on feine anberen begreifen." ©ie ne^mc lieber ©arftcUungen auö grceiter §anb oon il;reägleic^en, obmol)! fie ha txaö ©c^tc, 9Bal)re unb ©d^öne beö (Senieö nic^t fennen lerne, „benn bie ©ebanfcn jener au^erorbentlicEien ©eifter fönnen bie Filtration burt^ ben geroö^nli(^en ^opf l)inburc^ nicE)t oertragen. ©eboren l)intcr bcn breiten, l)ol)en, jd^ön gcmölbten Stirnen, unter meldten ftral)Ienbe klugen l)ert)orlcuc^ten, fommen fie, menn oerfe^t in bie enge Be^aufung unb niebrige Bebad^ung ber engen, gebrücften, bicfmanbigen Sd^äbel, ouö iüelcf;cn ftumpfe, auf perfcmlic^e ^ivcde gerichtete Blicfc ticruorfpä^en, um alle ^raft unb alleö 2eben unb fef)cn fiel) felber nid^t me^r ä\)nl\d)." T)a§ er bereinft aber ju ben gelefcnften ©(^riftftellern gel^ören mürbe, beren Sßerfe bie örunblagc ber Bilbung feien, baran f)öt er nie geäroeifelt.

Unb er Ijat red)t beljoltcn, obiüof)l fein eigentlirfieö (Sebanfenftjftem burcE) bie nationaliftifcf) gericl)teten Tcnbcn-^en ber beutfcEien, monard^ifc^ regierten 'Biaaten üon

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Sc^opcnr^aiicvs i^-dtanfdiauung. 331

bcn Schulen inöglidjft fcrngcf)Qltcn unb nat^ roie oor oud) auf bcn Uniuerfitäten unb in ben §anbbürf)ern im 33erglcic^ mit niibercn nur unjulänglic^ bef)Qnbc(t mürbe, dagegen finb feit ^:^räcf)nten bic 2(uffä^c feiner „^arerga unb ^aralipomena" in bie breitcften SJiaffen ,beö SSoIfeö gebrungen. 3luc^ bie f)ier gegebeneu ©cbanfen finb unentbehrliche Seftanbteitc feiner gefamtcn SBcÜanfcfiauung.

Xex erftc 33Qnb enthält miper ß-rgänjungen beö ,§auptmcrtö unt) nnberem vox Quem bie berüf)mten „"^(pf)oriömen gur £ebenc>meiöf)eit": „3Son bem, roas einer ift, i)üt unb uorfteüt/' SBic fann man, frogt Sc^openf)aucr, in biefer SBcit beö glenbeö leib: iic^ leben? @efunbl;cit unb ^eitcrfeit finb bie @runb[agen perfönlic^eu ©lüdcv benn Seift fann nion fic^ nic^t g^ben, meun man \l)\\ nicf)t I;at, unb ©efeüigfeit fann il)n nic^t erfe^en: ,/itm @nbe bleibt borf; jebcr allein, unb ba tommt barauf an, mer jc^t allein fei." ^er gciftig überlegene 3)ienfd; errege in bcm anberen, ber im (Srunbc nur p^t)fifrf)e Sebürfniffe ^abe alö ^^ilifter meift fennttic^ burc^ einen bumpfeu, trodenen ©ruft , t)eimlicf)cn ^Jcib, SSibermillen, ja ,5)a^, ta er il)m bao fäftigc @efü[)I Don Inferiorität jum Scmuptfeiu bringe; unb nirf)tö fud;e unb liebe ber iTcenfi^ mel)r, fd^on in ber Unterf;altung, alö bie Inferiorität bcö anberen. xHuf biefcu Xon, ber, roie aDeö, roaö Sci^openI>auer fagt, auö feiner eigenen ^crjönlirf;fcit f)erauötlingt, finb aud) bie „^aränefen unb 90?ayimen" geftimmt.

>Der jmeitc Sanb ber „^arerga unb ^aralipomena" ergänzt ha^i ©cfamtbilb non 2d)open^aucrö,©ebanfcnmeIt burd) eine gro^e Sln^a^i cinsciner 3(uffä^e über be= ftimmte Xtjemcn, bie mcift in engem 3ufannncnf;ang mit feiner pt)i(ofopf;ifd)cn 2cf)re ftet)en, in ber jiüeiten ."pälftc beö 33ud)C5 aber meitere streife 5ief)en mic ber fi^on er; iuät)nte 3luffa^ „Über bie SBeiber". ©reifen mir fjieruon nur noc^ einiges bcrauö. vsn beni Kapitel „Über (Selef)rfam!cit unb ©cfeljrte" crtfärt er, ©eifter erften 3\angcö fönnten uiematö im cigeutlid)cn Sinne 3^ad;gc(ct)rte fein, benn nur ta^ 3BefcntIic^e unb StUgemeinc ber ^ingc, nic^t bereu befonberc Schiebungen jucinanbcr ucrmögen hai ©enie bauerub ju intereffieren. ^er ^atriotiömuö fei im dlc[ä)c ber iffiiffen: fd)aften ein fdjmu^iger ©efellc, ben man bnuntcnicrfeu foUc. 9(uf ben ©tjmuafien fei ber Unterricht auf alte Sprachen, @efd;icl)tc, 3}Jat£)cmatif unb beutfc^en 3til ju be; fc^ränten, auf ben Uniuerfitäteu muffe Mq erfte '^al)x eineö jcben ctubenten allein ber ^l)ilofopl)ie ju ergäujen ift rool}l : Sdjopenljaucrö ^l)ilofopliie mit ibrcn l)ifto: rif^en 33orauöfe$ungen geroibmet fein, ^n bcm ilapitel „Über Sd)riftftcllcrci unb Stil" befcnnt er fic^ im ©egenfa^ juScjfing al^ einen ^einb jcben Scl)riftftellcrl)onorarö, benn nur um ber Sad)c, ui^t um beö ©clbcö lüiQcn bürfe mau fdjreiben. 'Sefonbcrö ^ournaliften, non il)m alö „^agelö^ner" oerbeutf^t, forbcrn feinen äi^in bcrauö. ^m übrigen menbet er fi(^ fjier unb in einer nic^t in biefcm 33anbc befiublid)cu, auö bcm ?cad)tap f)erauögegcbencn i^lbbanbluug „Über bie 33crl)un5ung ber bcutfcf)en Sprad)c" gegen bie fortfc^rcitenbe 3prad)üerbcrbuiö, für bic er eine gro^e ^-Heilie uon 'Seifpiclcn anfüljrt, jum Xcil in toftlid; l)umoriftifc^er gorm, bie and) bic Seftüre feiner größeren ?ßcrte felbft ben unpf)ilofopl)ifc^ gericf)tcten ©eiftern gum ©cuuf5 mac^t. 'beginnt er ober gar über gemcinucrftäublid^c 1;iugc gn fcf)clten, luie in bcm flcincn 'Jlrtifel „Über i?örm unb ©eräufd)" auf ben ^citfcf)cnfnall, fo ift man gemürjtcr Taiftcllung ficfter.

332 T)te neue 2Beltanftf)auung.

^ören roir eine ^robe : „58ei allem 9fleipeft üor ,ber ^orf)I)eiUgcn ?iüfelic^feit feJ)e ic^ bod^ nid^t ein, ba^ ein ^erl, bor eine %üi)xc Sonb ober 3Jlift oon ber Stctte frfiafft, baburc^ bag ^rioileginm erlangen fott, jeben etwa auffteigenben ©ebonfen in fufjefftoe jel^n: taufcnb köpfen (eine f)albe ©tunbe ©tobtroeg) im £eime gu erftirfen. ^ammcrfcEiIäge, ^unbegebeE unb Äinber^efc^rei finb entfe^Ii^; aber ber^ rechte (Sebanfenmörber ift ottein

ber ^eitjc^enfnatt ©§ fann nic^t fc^oben,.ba^ man bie Proletarier auf bie ^opf=

orbcit ber über if)nen ftel^enben klaffen aufmerffam mac^e: benn fie I)aben cor atter Kopfarbeit eine unbönbige 2tngft. ®a^ nun aber ein Kerl, ber mit Jtebigen ^ojlpferben ober auf einem lofen Karrengaul bie engen ©äffen einer t)oIfreicf)en ©tabt burrfireitenb mit einer flafterrangen ^eitfd)e ous Seibes!räften unauff)örlidE) flatfc^t, nic^t oerbiene, fogleic^ abjufi^en, um fünf aufrichtig gemeinte ©todprügel gu empfangen, ha§i merben mir alle ^f)iIantt)ropen ber SBcIt nid^t einreben." hierbei ift gu bebenfen, ba| ©c^opens l^auer ben mobernen Sorm ber (Sro^ftabt com Stutomobil biö jur ©c^reibmofc^ine nod^ gar nid^t einmal gefonnt ^at.

Sn ben ouö bem 3^ac^Ia^ herausgegebenen „^Reuen ^aralipomena" erfc^einen ä^nlic^e ©ebanfengänge auf pf)iIofop^ifd^en unb nid^tpt)iIofopI)if^en ©ebieten. S)aä intereffantefte Kapitel biefeS 33anbeg ift üon bem ^erouSgeber @buarb ©rifebad^ über-- fd^rieben : „Über fid^ felbft." <Bd)on in feinem 17. Sebenäjafire ^ahz if)n ber Jammer beö Sebcng ergriffen. Sie $ßernad^(äffigung, bie er in ber ©efettfcEiaft erfal)ren haU> fei i§m na^e gegangen, big er bann erfonnt ijah^, ba^ eg feine geiftige Überlegenheit geroefen fei, bie il^n ben anberen rer^a^t gemacht '^ah^. S^i^^n^ finbet er, i)a^ er unb fein Zeitalter nid^t gueinanber papten. <S(^on an anberer ©teile beflagt er, ha^ mir bie ßrben beg 3}litteralterg feien: roieüiel 9abe in biefer SegieEjung bag Stttertum üoi unferer ^e\t üorauggef^abt.

Söie fommt eg nun, ha^ ©^open^auerg SBerfe ftd^ iro^ il)rer fd^roierigen ®c= banfenarbeit lefen laffen roie ein 3^oman! ©tängenber ©til, ingbefonbere !Reid^tum an Söilbern fann bag allein nid^t erüären. ©d^openf)auer felbft oerrät eg ung f)ier: „3J?ein Kniff ift", fagt er, „bag lebl^aftefte 3tnfc^auen ober bag tieffte ©mpfinben, mann bie gute ©tunbe eg ^erbeigefüE)Tt ^at, plöfelid^ unb im felben 3JJoment mit ber fälteften, abftraüen SfJefleyion gu übergießen unb eg baburcE) erftarrt aufäuberoafjren. 2tIfo ein f)o§er ©rab rou S3efonnenf)eit.''

®g ift gemiß, ba^ ©(^opcnfiauerg ©ebanfen für feinen 3Jtenfd^en irgcnb etmag 33erbinblid^eg im Seben l^aben motten unb fönnen. ®r felbft mar üon perfönlic^er ©ntfagung meit entfernt, genoß fein Seben nad^ feinen ©onbcrlinggroünfrficn in üotteii 3ügen, ftrebte alfo in feiner SBeife nad^ bem ron it)m aufgeftcttten ^beal, ben SBitten ju biefem Seben peffimiftifc^ ju üerneinen. 3Sie(mef)r roitt ja gerabe feine ^fiilofop^ie eine Xröftung, ein SBeg ju innerer 3wfi^tebenf)eit fein. @r ließ fici) in ottem nur oon feiner eigenen ^erfönlid^feit belehren unb l^ord^te in fic^ nac^ ber finnlic^en unb fitt= (idEien ©eite l^inein, um bie 2öa^rl)eit ju entbeden. SSon fi^ fc[)Ioß er bann mit 'am- logie auf bie anberen.

Darum gibt feine Se^re fo roenig eine affgemein gültige 3}letapf)i)fif mie öie cineg onberen. ßr ift me^r Künftler alg abftrafter Genfer. Darum aber aucfi gehört

iRic^avb iföanneis öeben. 333

er beinal)c mefir in bie @efcf)trf)tc ber Siteratur aU ber ^i)iIofopE)ie. Seinen ^effi= mi§muö, feine gonge SBelt qIö SBitte unb SSorfteEung roürben roir nötigenfattö gern preisgeben, roenn unä if)re g^orm, fein Sdirifttum al§ folrfieö, erf)alten bliebe. 2In feiner SBeltonfrfiauung ift baö SBefentlirfie nid)t feine Sßelt, fonbern feine Slnfc^auung, bie it)n für bie Siteraturgefd^itfite felbft über Rani I)inQU§I)ebt.

4* 9iirf)arÖ JBJat^ncvö Ccöctt.

„^c^ Ijahe bie eine .^Öffnung für bie Kultur beö beutfi^en iSeifteö, ba^ bie ^exi fomme, in mdä)zx (Schopenhauer gum (Sefe^ für unfer ®en!en unb ©rfennen gemacht werbe." So fd^ricb 9fii(j^Qrb 2öagner 1868 an g^ranj Senbadf), beffen ©c^openf)auer= bilbniö über feinem 2lrbeitstif(f) I)ing. Seitbem ber ^F)iiofop^ 1854 uon ^uliuä grauenftäbt neu entbcdt raorben war, lebte SBagner in biefcr SBeltanfc^auung, bie feine 3(rbeit reirf) befrucEitete, big ju ©nbe, roenngleirf) er ben unbebingten ^effimiömuö fpötcr ablehnte, ^nbcffen geigt boö immer roieberfef)renbe 2RotiD ber $öerneinung beä 23iIIen8 gum Sebcn, ber tragifd^en freimittigen ßntfagung, nod) e^e er Sc^openfiauerä ^i)iIo= fop{)ie fannte, ba^ -oon jef)cr feine SBeltonfcfiauung mit ber beö ^I)iIofopI)en roefenö= nerroanbt v>ax, bo^ alfo bie „SBelt aU SBitte unb SSorfteüung" i^m nur gum flaren 33e= rou^tfein er^ob, mag längft in i^m lag unb f^on cor 1854 fünftlerifd^e g^orm geronnn: im „?5^Iiegenbcn ^oHänber", „S^annl^äufer", „2of)engrin" unb „^^ing be§ 9iibelungen". 3la6) ber Seftüre oon Sd^opcni^auerö 2Ber! fcfirieb 2Bagner an Sifjt: „Sein ^aupt= gebanfe, bie enblic^e 3Scrneinung be§ SBiUenö jum Seben, ift üon furchtbarem ©rnfte, ober einzig erlöfenb. 5IRir fam er natürlicf) nic^t neu, unb nicmanb fann if)n überf)aupt benfcn, in bem er uic^t bereits lebte. 3Iber gu biefer Riax^tit txmtdt F)ot mir if)n erft biefer ^^ilofopf)."

3ftic^arb Sßagner raurbe am 22. 9J?ai 1813 in Seipjig geboren. Sein 58atcr, ein ©eric^teaftuar, ber oor^er bie 9?ecbte ftubiert ^atte, geigte gro^e SSorliebe für baö X^zakx. @r ftorb fc^on ein fialbeö Saf)r narf) ber ©eburt bicfeö Sof)ncö. 2)ie 3)?utter ging im nörfiften ^a^re eine groeite ef)e mit bem ebenfaüö afabemifc^ oorgebilbetcn Sdjaufpieter Submig ®er)er in 2)rcöbcn ein. So rouc^ö ber ^nabc in enger Serüljrung mit bem ^i)eaterleben ouf. Sein um t)iergcl)n ^al)xc älterer Srubcr 3llbert, ber gucrft äT^ebigin ftubiert F)atte, foroie feine Sc^rceftern 3fJofalie (geb. 1803), Suife (geb. 1805) unb ^lara (geb. 1807), bie fpäter ben SScrfcger Srocf^auö heiratete, waren ebenfaHö gur SüF)ne gegangen. 9^acf) ©eperö ^Tobe im ^afire 1821 fefirtc bie ajiuttcr oon ^reöben nad^ Seipgig gurürf.

1831 lie^ fid) 9lirf)arb 3Bagner alö Stubent ber 3Kufif unb ^fiilofop^ie in fieipgig einfdjrciben. 58on ber Scf)ule brachte er ^efonberc ^Sertrautl^eit mit bem flaffifcfien älltertum mit, unb baö engrtfcf)e batte er fic^ oF)nc ^ilfe angeeignet. So mürben t\6)i)lm, Sopf)ofleö unb Sf)afefpeQre feine fieitfterne. '!Ra6) einem gu= raeilen red)t rcilben Stubentcnlcben, baö er in feiner ScIbftbiograpFiie fc^ilbcrt, mufu fnlifrf) ingmifd;en bcfonberö üon 2:f)eobor SBeinlig gcförbert, ging er 1833 olö Gf)or= birigent an baö SBürgburger StabttF)eater, roo fein 33ruber alö Sc^aufpielor, Sänger unb SRegiffcur tätig mar. 1834 mürbe er 3J^ufifbire!tor in 3Jiagbeburg, 1836 in 5lönigä^

334 25ie neue SBeltanfc^auimg.

berg. ^n biefem '^aljxc f)cirntctc er bie Srfiauj'pielerin Winna '^tauer. ^iefe ®t)e erniicö fic^ jc^oc^ ofö ein großer SeBenSirrtum: fcEjon früt) burc^ Me (ciöenfd;aftnc^ften SCßirrungen gcftört, brad^ fie enblic^ 1859 gang auöeinanber. 9Jlinnn ftarb 1866.

3icbo^ wir greifen oor. 1837 ranrbe SBagner Slopellmeifter am ©tobttl^eater ,)U 9f?iga, baö üon £arl oon §oItei geteitet rourbe. ^ier fc^rieb er ben Xe^t gu feinem „S^ienji", ben er an ber ^arifer Dper anzubringen t)offte. "S^arum reifte er mit feiner ^rou 1839 über Sonbon nad) ^ariö. 3)ie a^ieife im ^oftiragen roöre ju teuer geioefeu unb t)ätte bie SJiitno^me i^res .^unbeö unmöglii^ gemarfit. Sie fuf)ren guerft nad^ ^illau unb gingen bann an ^orb eines Segelfc^iffö, bas fie an Jlopen^iagen unb §ef= fmgör Dorbei burrf) J^attcgat imb Sfagerraf unter tjeftigen ©türmen unb anberen @e= fat)ren gur 3:;^emfe brachte. 3Son 9J?et)erbeer f)ier mit ©mpfefifungen auögerüftet ^uhuer, ben SSerfaffer eineö Siienjiromanö, traf er feiDer nicf)t in ßonbon an , ging er narf) ^ariö, reo nun ^oge roirffid^er 5Rot für ii)n anbra(f)cn. ^ie gro^e Oper blieb il)m nerfi^loffen, unb fo mu|te er fic^ burc| ."Rompofition Don Siebern, ficine f^rift^ [teüerifc^e 3trbeiten für franjöfifc^e unb beutf(^e ^Blätter foraie burrf) Hnferligung nou .^lauieraugäügcn auö größeren SBerfen unb äf)nlic^e§ müt)felig ernähren. §ier in ^oriö fa{) er ^einric^ Saube raieber, bei bem er nun auc^ ^einric^ §einc fennen (ernte. ,,58eibe", erjäfilt er, „unterf)ielten fid^ oft in gutmütigen ©(^erjen, bie mirf) felbft gern ^um Sachen brachten, über meine rounberü(^e Sage." $J)ie fleine 9^oi)elIcnfammhing „@in beutfc^er SJiufifcr in ^ariä" fpiegelt bie abenteuerlicEien ®r(ebniffe SBagnerä in jenen ^o^ren raiber. „hierin ftcHte \ä)", fagt SBagner fetbft, „in erbic^teten 3"9f" unb mit ziemlichem .gumor meine eigenen ©c^icffale, namentlii^ in ^ariö, bi§ jum mirf(i(^cn ^ungertobe, bem ic^ glücfli(^erraeife allerbingä entgangen roar, bar. 2öaö ic^ fc^ricb, mar in jebcm 3"9 ein ©(^rei ber ©mpörung gegen unfere mobernen £unft= Zuftänöe."

^n biefen ©rfa^rungen rourzelte Söagnerö rerolutionäre ©efinnung, bie in ber '^otge audg auf feinen Sebenögong ©inffu^ auöübte.

3n ^ariö üoEenbete er bie ^ompofition beö „SfJienji" unb fd^rieb, angeregt bi'.rc^ ^eineö 3fieifebi(b üon 9lorbernet) unb öauffö „@efpenfterfd)iff", ben „j^Iiegenbcn ^ottänber". ®er ^^Stienji" mürbe üom ^teöbener ^oft^eater angenommen, unb fo ner: lie^ benn SBagncr 1842 ^ariö, um in 2)re&ben bie 3Iuffüt)rung feiner Dper oor^ zubereiten. 2tm 20. Dftober 1842 fanb biefeg für lieutfc^Ianb unb bie übrige 2Öe[t fo bcbeutungsüoEe ßreigniö ftott. 2tm 3. Januar 1843 folgte ber „gliegenbe -^oEön: ber". 6g mürben jraei 3^riumpt)e, SSagner roor fortan ein berühmter SRann. %m 1. g^ebruar bereits raurbe er aui^ gum 5löniglic^en J^apeEmeifter ernonnt. ^f)m perfön^ licE) miberftrebte biefe ©tcEung frei(idE), aber er l)atte rein menfc^lidf) ^fli(f)ten ju er= füUen nnb ^arrte bat)er auö. §ier in Bresben fc^rieb er ben „pCann^äufer" unb „£oI)engrin" foraie bie erften ©ntmürfe gu ben „9Jleifterfingern" unb bem „3fiing Dec. 3RibeIungen".

^m Stnfang beö 3^ebruar 1848 rourbe if)m ber Stob ber SJiutter gemelbet, ju beren 33cgräbniö er nacf) Leipzig eilte, ©ö mar bie 3fit, in ber „So^engrin" entftanb. Dann fam bie 3f{coolution, bie in ^Dregben erft im ?5^rül)ling 1849 friegerifc^e 3^ormcu

Slic^arb T\5agncrä Sebeit. 335

annaf)m. ©ö raar am 3. ^a\, afö Sßagner auf Der Strafe ,,Pom na£)eu Jiirme Der Sfnnenfitc^e bnö 3^ic^^" ö"i^ 2liiöbnicf)e mit Der Sturmgfodc" f)örte. ^icjcr Äfaiig mad^te auf {f)n „einen entfc^eibenben ßinDnicf". Gr beteiligte fi^ än)ar in feiner 23ci)e an ben 23arrifabenfämpfcn, ucrfc^rte aber mit ben revolutionären gülirern, Inöbcfon: bere bem talentuollcn 3ftuffen ^öafunin, unb fam fo, jumal ba er {)äufig bie Sc^au^ ptä^e bcö i\ampfeö auffud^te, in ben ^erbad^t ber ^eilnaf)me am 3(ufftanbe, ber übrigens rafc^ unterbrücft lüurbe. 3Son ben greunben gemarnt, entjog er fic^ ber SSer^aftung junäc^ft burc^ f(J)Ieunige 3Ibreife narf) SBeimar. iDIit §ilfe ?^ranä Sif^tö erhielt er je^t einen falfc^en ^a^ b. f). ben eines ^rofcfforö SSibmann unö flüchtete über bie ©c^raeijer ©renje nac^ ^nx\6). @r füllte fii^ jefet frei nnb giüdtii^, Dem 2)reöbeuer ^raange entronnen gu fein, „.^c^ fam mir", fagt er, „mic ber 58ogcf in ber Suft uor, Der nicf)t bcftimmt fei, in einem Sumpfe gUgrunDe ju gefien."

9la(^bem er noi^ ^oriö einen neuen furjen 'öefurf) abgeftattct f)attc, bticb er Das nä(^fte 3fl^)i"äef)nt f)inburcf) in Qüxid) abgefef^en oon Serienreifen bur^ Die Sc^roeij fomie nai^ Sonbon unb ^oriö. ©ine S^ieifie oon gj^^u^bcn unterftü^te if)u Qiöbalb in 3üti(^, roo er ad^t Saf)re lang ben SRufifücrein feitote. 3^' feinen frei; niiEigcn geifern gef)ijrtcn ber reidfie Kaufmann Dtto SBefeuboncf unb beffcn ©attin 3}tat^ilDe, ju ber SBagner bann mit tiefer, aber entfagenbcr Seibenfc^aft f)in5og. ^Oüon fÜngt es roibcr in „^riftan unb ^folbe". I)aö Gf)epaar fiatte, roie SBagncr felbft beri(^tet, ber luffü^rung einer 53eetf)0Denfd)cn 5t)mpf)onie unter feiner ^ireftion beigcroof)nt, nn'infcf;tc nun if)n für ben Umgang 5U geroinnen unb [teilte if)m unD feiner 3^rau im 3IpriI 1856 ein anmutig gelegeneö ßf)afet auf it)rem Oute bei S^i^irf) jni" 35cr: fügung. g^rau 9JJatf)iIbe fannte if)n bereits uorf)er quo feinen S(^riften unb roar für i()n begeiftert. 3f)re „fünf @ebirf)te", üon if)m fomponicrt, aber aucE) i^re übrigen 25i(f)tungcn unb ^Järc^en jeigen i^re f)o^e Begabung. Keffer aber nocfj lernen lüir fic auö ben ingroifc^en oeröffentürfiten 33riefen unb 2;agcbuc^b(ättern 9ftid)arb SBagnerö tennen, bie fie entgegen feinem 2Bunfd^ aufberoaf)rte. Sie roar eS, bie SSagnerö Sein unb ^enfen auc^ nac^ feiner 3tbrcife iion ^änä) im Stuguft 1858 bis ^um T)Cflember 1863 oor allem anbcrcn auöfüUte.

2Ratf)i(De roar 24 .^af)re alt, als er fie fcnnen [ernte. Sic luar bie 2o^tcr bes Äommeräienratö 2ucfemet)er in ©tberfelb. 1848 ucrmäf)(te fie fid) im 3(rtcr pou 20 3ia[)ren mit SSefenboncf, 2'eil^aber eineö großen 5lcro 'iOorfer SciDcnbaufeo, Xao ^aar roof)nte ^unöc^ft in 2)üffeIborf, roo ber crfte Sof)n geboren rourbe. 1850 reiften SBefenboncfo nac^ 5Imerifa. ^nx närfjften 3af)re roäf)ltcn fie 3»i^if^ <^» 'f)^*^'" 2Bobnfi8. ^ier rcurben ibnen in furger ^e'xt jroei Sö^ne unD eine Tod)ier geboren. 3luf Dem ^,grünen .gügei" in ber „Gnge" erbaute SBefenboncf ficf) eine :i>illa. Die oon ber J^amifie im 3luguft 1857 bejogen rourbe. Sereitö im gebruar 1852 rourDe Söagner im ^aufc eines greunbeö mit ifjnen perfönlicf) befannt. 5Iber „erft 1853", cr^äl)It grau 3)iatbilDc in i^ren ßrinnerungcn, „rourbe ber 2Serfcf)r freuuDfcbafttic^er unD vertrauter. 3Uo- bann begann ber 'iöJeifter mic^ in feine Intentionen nä()er ein.^uroeiben. 3""ö*ft ^^^ er bie ,Drei Dpernbi^tungen', bie mic^ entyicften, bierauf Die Ginleitung Daju unb oIImäf)[i(^ eine feiner ^rofafcfiriften na^ Der aiiDern 5Baö er am luirmitiag

336 T)ie ^eue aSeltanfdiouung.

fomponicrte, bo§ pflegte er am ^Had^mittog ouf meinem ^^lügel rorjutrogen unb ju prüfen. (5ö mor bie ©tunbe jmifcEien 5 unb ßlXl^r; er felbft nannte firf> ben ,S)ämmer;

mann' Slnregung brarfitc er ba^in, voo er fic nid^t fanb. S^rat er ja einmal

inö Qmnux, firf)tlid^ ermübet unb abgefpannt, fo mar fc^ön ju feti-en, roie nad) furg^er 9taft unb ©rquicfung fein 2(ntn^ firf) entroölfte unb ein Seutfiten über feine

3ügc glitt, menn er fid^ an ben j^ffügel fe^te ®r mar ein großer S^aturfreunb.

^n feinem ©arten belaujc^tc er baö 3^eft(^cn ber ©rasmüde, eine S^tofe auf feinem Sdjreibtifdf) fonnte it)n beglüdcn, unb bag SBalbmeben im ©iegfrieb erjäfitt üon bem ©eflüfter f)ot)er SBipfel im ©if)ItaImoIb, moE)in er auf meiten SSanberungen, öfters

in ©efeüfc^aft be§ ^ic^ters ©eorg .^erraeg^, feine ©cf)ritte lenfte 3fli^orb

SBagner liebte fein 3tft)I, mic er fein ncueö ^eim in ber @nge bei 3üric^ nannte. 9Kit ©d^merj unb Trauer ^at er eg oerlaffen freimiHig oerlaffen! SBarum? 3Jlü|igc ^rage! SBir i^aben auö biefer 3eit ba§ SBer!: ,^riftan unb Sfolbe'! ®'er 3left ift f(f)meigen unb fic^ neigen in @f)rfurc^t."

®ef(f)ilbert (non 3^?. ^lol;!) alg „eine f(^öne ®rf(f)einung/ eine meiblid) an- mutige unb poetifc^ finnige Statur", ^at 2J^att)iIbe SBefenbond bem i^omponiften biefe ^üric^er ^af)re jur 33Iütenjeit feineg Sebeng gemotzt, oi)ne i^m mef)r gu geben alö fie burfte unb moEte. ^reilic^ aud^ fie liebte i^n unb entfagte mie er. 3)ie S3ejief)ungen ber beiben gueinanber finb üon 3tnfang big gu ©nbe ouc^ für jeben 3tu^enftef)enben ein= roanbfrei geblieben,

befreit üon ber ftäbtifd^en ©tra^e mit i'ijxcm ^laoiergcflimper fonnte SBagncr nun in ungeftörter 3?ut)e feinen SBerfen leben, „^er SlrbeitgtifdE)", fc^reibt er am 8. 3Jiai 1857 on Sifgt, „ftel)t an bem großen g^enfter mit bem prarfitooEen Überblid beg ©eeg unb ber 3(fpen". Unb jurüdfcEiauenb fagt er in einem Srief an 9Jiat!)i(be oom 10. 3{pril 1859 : „^em eine f)ö(^fte Slütengeit I)at in mir eine folcfie ?^ülle non ileimen getrieben, "oa^ id) je^t nur immer in meinen SSorrat gurüdfjugreifen Ijahe, um mit k\ä)kx Pflege mir bie Slume gu erjicl)en."

2)ag eiferfüd^tige Sluftreten feiner 3^rou 9Jlinna matfit« biefem ^hrß ein ®nbe. SBagnerg langer 33rief an feine ©cfimefter ^läre t)om 20. Stuguft 1858 aug ©enf f)at ja ingmifcfien bie gange ©ntroidlung biefer auf bie Sauer of)nebieg unerträglit^ien 35erf)ältniffe big ing üeinfte flargelcgt. 2(n 3)iat^i(be fc^ricb Sßogncr nai^ ber ^ren= nung om 6. ^uli 1858: „SBie fonnte ic^ Sir ejrmibern alg Seiner mürbig? Sic ungeheuren kämpfe, bie mit beftanben, mie fönnten fie enben alg mit bem ©iege über

jebeg SBünfcfien unb Segefjren? 2tlg ic^ ror einem 9Jionate Seinem SJianne

meinen (5ntf(f)lu^ funb gab, ben perfönlic^en Umgong mit ®ucE) abjubred^en, l^atte id^ Sir entfagt." 2lm 16. 5luguft erl)ielt fie fein Stbfc^iebgmort : „Sebemofil! Sebemol^l, Su Siebe! ^d^ frf)eibe mit S^ul^e. 2Bo irf) fei, merbe ic^ nun ganj Sein fein. Suc^e mir bag Slfgl gu erl)alten. Stuf SBieberfel)en! 2tuf 2Bieberfef)en! Su liebe Seele meiner (Seele! £eb' mol)l auf SBieberfe|en! "

SBöl)renb nun im ^ai)ve 1859 bie 3:;rennung non 3Jiinna erfolgte, ift Sßagnerg 3^reunbftf)aftgt)erf)ältnig ju 'ber ?5^amilie Sßefenbond unneränbert bagfelbe geblieben. 1862 mürbe biefer bag te^te ^inb geboren. .3e^" 3al)re fpöter joß fie

3ltc^arb aßagnerä Se6en. 337

m^ ^€§bcn, unb lüieDerum mä) jef)n ^afjrcn, al\o 1882, nadj futgCm 3tufenÜ)aIt in ÄQiro, nac^ Serfin, wo fie feit 1887 ^n ben Selten ^v. 21 roüf)nte. 3f)r Sommerfi^ roar feit 1878 ber Sanbfi^ ^^raunbiicf am ^rounfee im Saljfammergut. ^icr ftarb ^xau 3JiQtf)itbe, feit 1896 SBitroe, am 31. 3Iuguft 1902.

9J?otI)iIbe SBefenboncf rourbe oon 2Bagner, raie fie felbft in if)ren Erinnerungen berirf)tet, aurf) in Sc^open^auerä ^^iIofopf)ie eingefüf)rt. roar im ^erbft 1854, als SBogner jum erften Wak ©c^openfiauerö „SBelt a(g SBiUe unb SSorfteüung" in 3üric^ Iqö. er mürbe burc^ ^erroegE) auf biefeä 33uc^ aufmcrffam gemocht unb füf)Ite fic^ f(f)on bei ber erften SeJtüre „bebeutungöüoH ongegogen". .^ermegt) roieä if)n, bo er Qu§ ber {^eiteren grie^ifc^en SBcltonfc^Quung Jierous auf fein „ilunftroerf ber B^funft" fa§, barauf f)in, ba^ jebe Xragif burc^ bie einfielt in bie 9^i(i)tigfeit ber ©rfc^einungö^ weit bebingt fei. „^c^ blicfte", fagt SBogner in feiner Sc(bftbioQrapF)ie, „auf mein Siibetungengebid^t unb etfannte ju meinem ©rftaunen, ba^ ba§, moä mid^ jc^t in ber 2f)eorie fo befangen marf)te, in meiner eigenen paetifc^en iton^eption mir längft Der: traut geworben mar. So cerftonb icE) erft feibft meinen ,2öotQn' unb ging nun er= fc^uttert oon neuem an baö genauere Stubium beö ©c^opent)auerfd)en Surfieö. ^efct erfannte ic^, ha^ oor aH'em barauf anfom, ben erften ^eil bcäfelben, bie ©rfldrung unb erweiterte ^arfteHung ber ^antfcfien Sc^rc oon ber ^bealität ber biä^er in ^eit unb S^iaum fo reat gegrünbet erfc^iencnen SBelt 5u oerftefien, unb meinen erften «Schritt auf bem SBege biefeä 3Serftänbniffe§ glaubte x6) nun burc^ bie ©rfenntniö ber un^ gemeinen S^wierigfeit besfclben getan ju {)aben. 58on je^t an oerliel mi(^ baä Sud^ üiele ^a^rc l)inburrf) nie gänjlid^, unb bereits im Sommer beö barauffolgenben $^abre§ l^atte id^ jum oierten SJtale burdfiftubiert. ®ie f)ierburdf) allmöf)(icf) auf mic^ fi^ einfteüenbe SBirfung war au^erorbentlirf) unb jebenfaüg für mein ganjcö fieben ent;

f(^eibenb SBenn irf) fpöterfiin in juföEig angeregten fc^riftfteUerifdEien 3Irbeiten

mic^ wieber über ha?> mid^ befonberö angc^enbe 2^l)ema meiner ^unft üernef)men (ic^, fo war biefen juoerfii^tlic^ anjumerfen, wa^ \6) I)iermit alä ben ©ewinft auä meinem ©tubium ber SdE)openi)aucrfd^en ^^ilofop^ie be^ei^ne. ?^ür je^t füf)[te ic^ micf) bewogen, bem ocref)rten ^f)iIofopf)cn ein ßpemplar meincö 5iibelungcngebic^teö jU ü&erfenben; ic^ fügte bem ^itet mit meiner $anb nur bie SBortc ,auö ^Berel^rung-

bei ©g war wo^t jum ^eil bie ernftc Stimmung, in mel^i mi(^ Schopenhauer

üerfe^t f)atte, unb bie nun na^ einem efftatifd^en 3Iuöbrudc if)rer ©runbjügc brängte, ma^ mir bie ^onjeption eine§ ,Striftan unb 3Sfolbe' eingab." Sd)opcnf)auer erwäbnl feinerfeitö Sßagner nacf) jener Senbung unb fonft nur flü^tig, oon einer SBcc^fef: wirfung fann alfo nit^t bie Siebe fein. 3" einem Srief com 10. Januar 1855 (an 2)a|) bemcrft er, einige f(f)öne gebannte ©eifter in S^ix\6) : $Hirf)arb 2Bagner, ^crweg^ unb anbere {)ätten if)n im S^ejember bortI)in eingefaben; er fügt mit einem gewiffen Srfireden fiinju: „^aä wäre etwaä für mirf): im S^cjember nac^ S^r\ä)\"

®0(i) fef)ren wir ju SBagner jurücf, um junäc^ft rein äu^crürf) bie ^^rüc^te feiner ^üti^er ^eriobe aufjugä^lcn. ^n ben erften '^ai}ven oerfafjte er eine 3Rei^c Don ^rofafd;riften : „3)ie ^unft unb bie JHeDohition" (1849), „2)aö ilunftioerf ber 3utunft", „£unft unb Älima" (1860), „Oper unb Drama", „ßine Mitteilung an

Oe^lfe, S)ic beutfcfte Ciletatiit feit (»octöf? 2.obe iiim. 22

338 ©ic neue aBeltanfd^auimg.

meine ^^reunbe" (1851). ©onn folgten gum ^eil ber gro^e „9iing bcä 3^ibelungen" unb ber „^riftan" in bcn ^oliren 1851 bis 1859, foroie ber Sntraurf jum .?arfifal".

?flü6) bem 3(bt(^ieb uon 3üi^idi ^^"^ SRot^ilbe famcn neue 3Bnnberjaf)re. ^üa\i ging er, als er bie Sc^roeig oerlaffen f)Qtte, nad) ^ari§, roo et bi§ 1862 roo^nte. ^n biefem ^qJ)xc fiebelte er nad^ SBien über, roofjin et jTOeimal fdion 1861 gefommen war, um 33e3ieJ)ungen jur .gofoper gu geroinnen. S^icifen p ^ongerten unb Stuf; fül^Tungen feiner SBerfc brarf)ten \l)n naö) ^rag, Subapcft unb Petersburg, ^nbeffen fefirte er immer roicbcr nac^ Sßien jurüd. Sturf) ^nx\6) befu(f)te er roieber. 9^irgenb aber geigte fic^ ein SJugmcg quo bem ungeroiffen ^uftanbe bürgerlidier (Syiftenjiofigfeit. Sein SöegnobigungSgefuc^ mar com ^önig üon ©ac^fen obfd^Iägig beft^ieben roorben. 3m j5^rüt)Iing 1864 ging er narf) Stuttgart, um mit ^arl ©dert, bem ^apeEmeifter beg roürttembergifc^en ^oftf)cater§, über feine näc^fte .3^ifii"ft 3" beraten.

„2llö icE)", ergöljlt er in ber ©eIbftbiograpf)ie, „am 3lbenb be§ 2. 9Jiat im ©dertfdien §aufe mid^ über alle fold^e ^inge unter{)ielt, rourbe ^ier, giemlic^ fpät, bie ^arte eines ^errn an mid^ abgegeben, roeld^er fidE) ©e!retär be§ Königs oon ^Sägern nannte." 2lm nödE)ften S^age empfing er if)n im @aftf)of: „®r überbracEitc mir ein Sillet beö jungen Königs ron 33apern, gugleic^ mit einem Porträt foroie einem Sfting üU ©efc^en! beSfelben. 3Rit wenigen, ober bi§ in ba§ ^erg meines SebenS bringenben feilen befannte mir ber junge SJJonarc^ feine gro|e 3u"ßigii"9 füt meine ^unft unb feinen feftcn SBiÜen, mic^ für immer als j^reunb an feiner Seite jeber Unbitt beS Sd^idfalö ju entjief)en."

3Jiit bem eingreifen Subroigs II. won Satiern begann für SBagner ein neuer, oon nieberen Sorgen freier SebenSabfc^nitt. ^reilic^ mu^tc er ror ben politifc^en ^Intrigen feiner Oegner bie ^anptftabt 33oi)ernö felbft fd^on nacf) einem 3af)re roieber im ®inoerftänbniS mit bem ^önig oerlaffen, fo ba^ er nic^t ^tit fjatte, i^ier üiel gU f(^affen. ^n biefes ^ül)X (1864) fällt 'i^a^ ©rfc^einen feiner Schrift „Über Staat unb S^leligion". 3lu^erbem i}ai er am „^arfifal" unb an ben „SJieifterfingern" gearbeitet. 3lm 10. 3)ejember 1865 oerlie^ er SRünd^en unb ging nad) ber Sd^meig, roo er bei Sujern auf einer Sanbgunge am SSierrooIbftätt^r See ein einfameS £anbl)aus, „^of ^riebfc^en", mietete, ^ier lebte er fed^S 3af)re.

1866 (am 27. ^onuar) ftarb, roie f(^on an anberer Stelle erroäf)nt rourbe, feine feit 1859 oon if)m getrennte ?^rau 3Jiinna (3BiIt)eImine planer) in if)rer ^ater; ftabt Bresben, ^n 5triebfd^en rourbe nun Sifjts ^o^ter ßofima, beren crfte ®^e mit ^ans üon 33üIoro gefd^ieben roar, SBagnerS ©attin. '^v. \\)x fanb er baS folange ent; bef)rte Sebcnsglüd. „@ib mir ein ^erg", ^atte er frül)er einmal an Sifjt gefd^ricben, „einen ©eift, ein rceiblid^es @emüt, in ba§ idE) mic^ gang untertaud^en !önnte, baä mid) ganj erfaßte roie roenig rourbe id^ bann nötig ^aben oon biefer 2Belt." 3)a§ mar nun 2ßaf)rf)eit geworben in einem fo roört(icE)en Sinne, roie feiner oon beiben ge: bac[)t f)atte.

^n ^riebid)en entfaltete er eine rege fcf)öpferifc^e 3:ätigfeit. ©r ooUenbete bie „3Jieifterfinger" unb bcn „Siegfricb" unb fomponierte bie „©öttcrbämmerung". ^^erner

aeßagnerä Scltanfc^auung. 339

frfirieb er „Über bog dirigieren", „Über bie 33eftimmung ber Cper" uiib über ,;^eetf)ooen".

2)er ^rieg oon 1870/71 brockte SBogners ^Inn, ein neucö nationales %cp i>ielf)ouö gu grünben, gur Steife. Sc^on am 22. 2J?ai 1872 raurbe in Satjreulf) ber ©runbftein gelegt, «pier erbante er fic^ je^t auc^ fein eigenes §au§, bic befannte SSilla SBafinfricb. 2)ie trften ^eftfpiele fanben 1876 ftatt. ^m näd^ftcn 3af)re ooDcnbete er ben „^arfifal", ber 1882 aufgefülirt rourbe.

58on 1879 ah üerlebte SBagncr ben Söinter in Italien. Seine (Satlin gebar if)m äiüei ^inber: ©oa, bie fic^ 1908 mit bcm 6c^riftfleIIer «poufton Stemart ^amhcx'- loin (1896: SBagner^Siograp^ie) rermä^Ite, unb Siegfrieb (geb. 1869), ber felbft ein erfolgreid^er J^omponift geworben ift. 3Son i{)ren 3:örf)tern auä ber erften ef)e mit ^anö oon mioro heiratete S^aniela ben ^rofeffor «penrij ^f)obe, Slonbine ben ©rafen ©raoina unb ^folbe ben ^apeUmeifter granj 35eibler.

3J?itten in neuer Strbeit ift ^Ric^arö SBagner am 13. gebruar 1883 in 3Senebig geftorben. ^m ©arten ber SSiDa 2Bo!)nfricb mürbe er beftattet.

©0 ift biö^er oon ben 3Ingriffen nic^t bie -Rthe geroefen, bie 2Bagner fein ganges Seben ^inburrf) üon ber Kritif gu erleibcn f)atte, unb auc^ nic^t oon ben ©nt^ täufc^ungen, bie it)m aug ber SSerftänbniöIofigfeit beö ^ublifumö errou(^fen unb noc^ ha^ 33at)rcut^er geftfpielf)auö gcfö^rbeten. 9Jian foU über bie ^ragif eines folc^en Sd^idfalS nic^t ^inroegfe^en. darüber einge^enb ju fprec^en, f)ie^e aber SBagnerä Dkmen mit Unroürbigen belaften, bie er felbft abfd)üttelte, als er burd^ bie weiten ^aEen feiner Xonmcrfe gur Unfterblirfifeit cmporftieg.

liefen brei @ro|en: Sd^opcnl^auer, Söogner unb 9licfefc^e, ift ror allem ge; meinfam eigen bic ariftofratifd^e ©runbanfd^auung, bie fie jurücffc^rccft cor bcm bemotratifc^en ^rinjip „gleich unb glci(^". SBagnerS 9tebe im SSatcrianbSöerein uon 1848 bejcirfjnet ben Kommunismus als „bie abgefrfimacftefte unb finnlofefte :öet)re". (Sr, ber oon fid) gefagt ifat: „2Reine Sarfic ift 9?eüoIution ju marfien, mof)in ic^ fommc", ift bod^ niemals Sfieoolutionär im fojialiftifc^en Sinne geroefen. @r glaubte eine d)aotifrf)e 9KenfcE)i)citSrcüoIution feit bem Siege bes „rci^otutionären Staatsmannes" ^erifles gu erfennen unb fa^ fc^on in ber ^cit politifc^er 9?caftion bic fogialc 33eroegung üoraus, bie bas Snbe ber „^J^otftaatcn" unb guglcid) aller "^Politit bringen mürbe. SBagner f)at einerfeitö 6f)riftentum unb Königtum, anbererfeits Slnarc^ic unb „9Ibi frf)offung bcs blcirf)en 3J?etaIIö" gcforbert baS ift fein Söiberfpruc^ für ben „Künftler, ber mit flarem 3(uge ©eftalten erfcljcn fann, roie fie ber Sel)nfud)t fic^ 5<^igcn, bic no^ bem eingig 2BaI;ren bem 3)lenf(i)en oerlangt". Gincr poütifrficn Partei lä^t er ficf) nic^t anreihen, benn fein 9^eic^ ift nic^t oon biefer SBcÜ. 2ßitt man i^n politifd) c^araftcrifiercn, fo fann man if)n nur alö ecf)t bcutfdi begei^ncn.

^t)itofopI)ifc^ er()ielt feine Sßeltanfc^auung, mie mir feftftcllten, ifire ©runb- lagcn im entfrf)eibcnben 31ugcnblicf burc^ Scfjopen^aucr, narf)bcm er anfangö Jeuerbad) berounbcrt ^atU. Sc^on oor ber Sefanntfrfiaft mit S(^openf)auerS ^{)iIofopbic mar

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340 2)tc neue SBeltanfd^auung.

er im ticfften ©runbe ^effimift. ^c^t (1854) ]af) er fein eigncö 2Befen in fiebere (ogifc^e j^ormeln gefaxt, fic^ geftärft, rcie er fogte, ,,in einer fel)r entfc^eibenben ^atoftropl^e feines inneren Scbeng jur 2tuäbauer unb £roft ber ®ntfagung". Stber roie feine politifc^'e, fo roar au6) feine pf)irofop]^ifc^e 2tnfc^ouung fünftlerifc^ bebingt, unb ouc^ feine empirifc^e, pf)iIofop^ifc^e unb religiöfe 3ftegenerQtion§[eI)re, bie befonberä in ben ©c^riften feiner testen ßebcngjafire entE)oIten ift, lö^t fic^ gonj nur au§ ber Seele be§ ^ünftlerS fierauö üerftel^en.

3Son ber ^unft auö raanbte er fid^ ben Söeltanfc^auungäfrogen im einjelnen 3U, a. 33. ber SHaffenfroge in feiner befonberö befannlen Schrift „^aö ^ubentum in ber SJJufif" (1850), lüo er uor bcm jübifc^cn ©influ^ auf bie beutfd^e ^unft warnte. SBo^in er aud^ blicft: bie SBirffamfeit ber iRunft bleibt für if)n ftetö entfdieibenb.

2)ag gilt fogar für feine religiöfe ^luffaffung, bie fid^ im ganj-cn olö ein fon^ feffionetofeö unb unfirc^fic^es ß^riftentum umfd^reiben lä^t. „®q§ tunftroerf", fagt er in feiner ©c^rift „®o§ ^unftmerf ber 3u^u«ft"/ ,/ift bie febenbig bargefteHte 3fteIigion'^ 5Die d^riftlid^cn 33efenntniffe I)ielt er für unfäl^ig, if)ren ^w^d gu erfüllen, nur burd^ bie ^unft fönne fid^ 3?engion mcfenOed^t offenbaren, nid^t aber burc^ Dogmen, gu bereu 3luäbilbung ha^i ^ubentum Ijerongegogen fei.

9iac^ allem ergibt fid^, to^ mir SBagner einzig aU fünft[erif(^ ocEiaffcnben mürbigen fönnen, unb fragt fic^ nur, von roelc^er ©eite. ®ie ©dE)riften, in benen er feine 5!unftlel)re entmidcÜ, ge^en me^r ober minber nur barauf auö, bie ^ö^e unb 2Bürbe ber £unft ju geigen. S)aS ^öc^fte ^unftmerf ift il^m t>a^ 2)rama. ©iefeö ift ^unft x«r' e^ox^v, b'erufen alö SSoHenbung aller ^oefie bie SSifion beö ©efierä bar= gufteDen. $Dag ooHfommenfte 5Drama rcieberum ift ba§ rein mcnfd^Iid^e, üon atter ^on; pention, oon allem ^iftorifc^=gormolen loggelöfte. ©iefeö 3)roma mirb in ibcaler g'orm gefd^affen oon bem 2Bort=S:;onbicE)ter, benn dou allen mcnfc^Iicben fünften ift bie 3Kufif bie eingige, bie augfc^Ii'e|Iid^ rein menfcE)Iic^ ift, b. ^. nur ha^ allen ©emeinfamc jum ^usbrucf bringt. 33üf)ne unb 3J?ufi! finb 9Iuge unb D^r beä fünftlerifd^ fc^affen= ben ©ef)erö. ^Die 5IRufif, fagt er, „tönt, unb ma§ fie tönt, möget il)r bort auf ber Sül)ne erfcE)auen ; baju oerf ammelte fie ni6) : benn roaö fie ift, ba§ fönnt it)x ftet§ nur afinen; unb b'eölialb eröffnet fie euren Soliden fid^ burd; baö fgenifc^e ©teic^nie, mie bie 3Jluttei: ben ^inbern bie 3J?r)fterien ber ^^eligion burc^ bie ©rgöpung ber Segenbe tjorfülirt". 9JJufi! unb ®rama gel)örcn alfo naä) SBagner organifcE) gufammen; ol^ne ha§> ©rama oermag bie 9Jtufi! nic^t gu geftalten. ©o mu^te SBagner mit bem über= lieferten Segriff ber Dper unb il)ren S^eyten brerfien unb gu feinen SRufifbramen fommen. ^er SBortbic^ter bcfrud^tet, ber Si^onbid^ter gebiert.

^m 2Bort=^onbrama rairfen olle fünfte gufommen, aud^ STcimif, ^loftif unb 3JlaIerei. ^l)nen aßen aber gibt bie bramatifc^e ^anbtung „9Jla^ unb 2tbfic^t". (Sin folcf)e§ ^rama ift baö „Äunftmer! ber ^ufunft".

9JJit biefer 3luffoffung ber Jlunft ^angt 2Bagner§ g^eftfpielibee eng jufammen. (Sine 2luffül)rung fonnte if)m niemals üoEfömmen, b. \). feftlic^' genug fein. (Ss foDten, oerlangte er oon jel)cr, lieber weniger, bafür aber forgfältig oorbereitete unb f)armonif(^ obgetönte SSorfteüungen gegeben merben, bamit ber ©efc^macf bes ^ublifumö oerebelt

aißagnerä 3BcItan)c^amntg. 341

Gn\taü oerborbcn werbe, ^n biefem 8innc ipiacf) er fic^ fcfjon 1848 in jeincm „Q,nU rourf 3ur Crganifation cincö beutfc^en ^Rationolt^eaters" aus. 31I§ er bann bcn „'Siinq beö S^ibelungcn" fcf)uf, irurbe er fic^ borüber flar, ba^ biefc Tetralogie auf feiner geraöfinlic^en 33üf)ne eine äufammenfiängenbe SluffüFjrung ju erI)offen I)abc. 9iur in geweiften, feftlicf) Ijc^ren ^^ormeu oermoc^tc er fid^ bie S^arftcüung bicfcs SEerfeö im ST^eater gu benfen. ^m ^a^xc 1851 erfd^ien bie berübmtc „2JiitteiIung an meine ^reunbe", in ber f)ei^t: Jin einem eigenö 'oa^n beftimmten ^eftc gebenfe \6) bereinft im Saufe breier S^age mit einem SSorabcnbe jene brei SDramen nebft bem 33orfpicIe auf jufüt)ren : ben ^raecf biefer 9luffüf)rung erad^te id^ für noUfornmeu er= reicht, menn mir unb meinen fünftlerifc^en ©enoffen, bcn rairüic^cn ^arfteüern, gelang, an biefen oier 3tbenben ben 3uf^aiiern, bie, um meine 3trbeit !enncn ju lernen, fic^ üerfammelten, biefe 3lbfic^t gu roirflic^em @efü^Iö= (nirf)t tritifcFicm) "Bcrftäubniffe fünftlerifc^ mitzuteilen. Sine weitere ?^oIgc ift mir ebenfo gleichgültig, alä fie mir überflüffig erfd^einen mu^." ^m näd;ften ^al)re fd)a:ieb er an Sifjt, er fönne fic^ alö 3u^örcr nur nod^ eine SSerfammtung oon ?^reunben benfen, bie in einer flcineren Stabt mie SBeimar ju bem ^mtde äufammenfömen, fein SBerf fennen gu lernen. 3lber erft ta^ ^al)r 1870 mit feinem 3luffcf)n)unge beuifcl)er ^raft ermutigte ifjn, ben ®e= banfen eineö ^^eftfpiel^aufeö in bie 'A^at um^ufe^en, unb tro^ gernbeju fanatifcf)cr 9tn; griffe burd^ bie treffe ift baö SBcrf fd)lie^lidf) gelungen, ein national=beutfd;cr Tempel {}öc^fter ^unft erftanben, ber nad^ be§ SDxeifterö S^obe fidE) ber gürforge feiner fünfte freubigen ©attin unb feineg mufifalifd^ ljocf)begabten 'Sol)ne§ Siegfrieb erfreuen burfte. 33at)reutl) bebeutet inbcffen bem beutf^cn 58olf mef)r alö ein ^auä ober ein ©ebanfe: beute mcf)r benn je ift eS il)m eine ftiUe 3ufunftäl)offnung geiuorbcn.

Slic^arb SSagner mar roebcr ein großer 2)cnfer no(^ ein großer ®irf)ter, fonberu ein großer SJtufifer. ©eine 2BeltanfdE)auung l)at ungcf)eure $8cbcutung gemonnen, aber nur beö^alb, meif fie in 9bten geic[)rieben muröe. ^arum mu| man feine 2Bort; ^onbramen nic^t lefen, fonbern f)ören. 5)ie 2®elt feiner ^öne ift eö, in ber mir leben, ni^t bie 3Belt feiner 2Borte. ^icr frf)eiben \\6) bie 25?cge einer Siteratur: pon bcnen einer 9J?ufifgefrf)id^tc, fo fe^r gerabe SBagnerö iöiufif bie Stoffe beutfdfier Sage unb Sichtung mit neuem lieben erfüllt bat. 2)arum fei am 3d)lu^ nid)t feiner einzelnen 2)ramen, fonbern ber 3J}ufif gebarf)t, bie fie fünftlerifd) befeelt.

3in feiner Sd^rift „Über bie Slnmcnbuug ber 3Jiufif auf "Ooti Urania" fagt et an einer Stelle flar jufanimcnfaffenb: „^ie neue gorm ber bramatifdjen 3}iufit mu^, um roieberum alö 9J?ufif ein ^unftroerf ju bilben, bie ßinljcit bes Sgmpljoniefa^eß aufroeifen, unb bieg erreicE)t fie, menn fie im innigftcn 3»io'»"'c"l)""9C mit bemfelben über baä ganjc ^rama fi^ erftrecft, nicf)t nur über eiuj^clne, roillfürlid) fjerauogc^obene Xeile beöfelben. 2)iefe ßin^eit gibt fic^ bann in einem, baö gonje ^unftroerf burc^- jiel^enben ©eroebe dou ®runbtl)emen, mel^e fic^ äfjnli^ mie im Stjuipfioniefa^e gegenübcrftel)en, ergänzen, neu geftaltcn, trennen unb oerbinben: nur ba^ bier bie auögefübrte unb aufgefüljrte bramatifcf)e £)anblung bie ©efefec ber Sc^eibungen unb 33erbinbungen gibt, meldjc bort allcrurfprünglicbft ben "^eipegungcn bco Xan^es ent-- nommen roaren."

342 5!)ic neue SBeltanfd^auung.

SBügncrö ©runbtljeum, haä fogenannte Seitmotiü, tritt jum erftenmal in (^x- fc^einung cntiu'ebcr in SSerbinbung mit bem birfjterifc^cn 3(uöbru(f, ben d^arafterifiert, über mit einer entfprec^enb beutüc^en ©ebärbe. 9Jleift erfc^eint 'i^a^:, Seitmotio im Drd^cfter nnb roirb t)on biefem meitergeleitet, l^armonifc^, melobifcf) unb r{)t)tf)mijrf) , umgeftdtet, biömeilen jebürf) auoE) in ber Singftimme, Don ber bann baä Drd^efter übernimmt.

Söaö ber ©ic^ter üerfc^roeigt, rerfc^meigen mu^, raeil tas, Unouöfpret^borc fic^ nur allein fetbft fagen !ann, bas oermag ber SRufüer bocf) noc^ ^um S^önen ju bringen.

S)iefe „tiefe Äunft beö tönenben ©d^roeigcnö" ift r)ietteirf)t ba§, moä mir on SBagner am mciften bemunbern, meil fie feiner ftärfften ^raft (Selegent)eit gibt, fi;^ gerobe in ifirer ©insigfeit gu entfalten.

SBer fönnte in SBorten auöbrüden, maö SBogner ber SBelt gemorben ift finb bo6) feine 2Birfungen unfagbar mie bie SJlufif, bie fie Iiercorbringt, unb ftatiftifd^ ift if)r am raenigften gebient. (Schopenhauer nic^t lefen, ha§i ift ben!bar. SBagner nid^t E)ören, unb fei auc^ nur einmal im ßeben, bag ift unmöglicE), roenn man nid)t ein ^af)r^unbert uerf^Iafen miD, benn feine 9Jiufi! ift ein ^eil jener großen 3)ienfd)= l^eitefunft, bie fic^ oon felbft t)erftef)t, unb beren S^räger über ^o^rtaufenbe tiinraeg einonber bie §anb reid^en, weil if)rer fo roenige finb.

9Jiit bem S^amen Schopenhauer unb SSagner bleibt untrennbar cerbunben baö ßebenömerf 9lic|fc^e§. ^nbem er fic^ ron beiben freifömpft, fdireitet biefer '3)enfer einem neuen ©efc^tec^t uoran inö jmonäigfte ^a^tfiunbert.

griebrirf) Jtie^fcfie ftammt au§ einer tt)üringif(^en ^aftorenfomilie. ^er ©rop; 'oater mar Superintenbent in ©ilenburg, ber SSoter Pfarrer in 9iöden bei 3^aumburg, ein ©ro^onfet mar (Seneralfuperintenbent in SBeimar, bie ©ro^mutter unb 9}lutter ftammten oon ^aftoren ah. ©eboren mürbe er am 15. Dftober 1844. 35er SSater unb ein jüngerer trüber ftarben früf). ®ie SJJutter 30g na^ bem 2^obe beö ©atten (1849) mit bem fünfjährigen Knaben unb feiner breijä^rigen Sc^mefter ßüfabett) nad^ ?iaumburg. 2ltö ^^^^jä^i^iger fcbrieb er feine erften ©ebic^te nieber. ^n S^ulpforta, ber ©d^ule Htopftodä, erbielt er 1858 64 feinen ^auptunterric^t. Um ha^ Saf)r 1860 mürbe er ein begeifterter SSereJ)rer 9ti(^arb SBagnerö, ben er juerft burc^ einen Älaüierauääug beö „^riftan" fennen lernte.

Qm 3([tcr üon 20 ^a^ren (1864) be5og er jufommen mit feinem Sc^ulfreunbe, bem fpäteren ©rforfi^er ber inbifd^en ^t)iIofopf)ie unb Sd^opent)auerianer ^aul '3)euffen, bie Uniuerfität Sonn, um flaffifd[;e ^t)iloIogie gu ftubieren. ®rn)in 9to^be trot i{)m f)ier als 3^reunb unb p^ilologifd^ 3)iitftrebenber, griebrirf) Sflitfd^t alg £ef)rer na§e. ^ebocf) auc^ ber größere ilreis eines frö^lic^en Surfd^enlebeng gemann i^n für fid^ : er mürbe mit anberen früheren Zöglingen auö Sd^uipforta 9J?itgüeb ber Surfd^enfc^aft ^ranconia. 3JIit SRitfc^I, ber nac^ Seipjig ging, uerlie^en bann jeboc^ auc^ 9tiefefd^e unb 3ftof)be bie rt)einifc^e Unioerfitöt.

Sm Dftober 1865 lernte 9iic^fd^e bie ^f)itofopf)ic Sd^open^auerö fennen.

;3riebricf) 9Jie§fc^e5 Sebe». 343

2)ie 3(uffQ|fung ciueö ftarfen, naturfic^ci-eu uiiD imturbcrec^tigteu ScbenöraiQcng, bcr ^ultuö beö ©enieg unb ber 3JJufif, bie mefir fünftlcrifd^ intuitio atö [ogijd) begrünöctc SBeltonfc^auung unb Der glänjenbe Sti[ mußten bcn Späteren 3arat^u[tra=l)icf)ter magnetifdf) anjiefieii unb anregen, '^atiädjüä) i[t 9lic^fc^e, roie roir if)n fennen, o^ne Sc^openfiauer gar nic^t ju benfen. 3llöba(ö machte er mit feinem rerefirten ^f)ilo= jopf)en auä) feine greunbe S^io^bc unb 3)euffen befonnt, bie nun im ©egenja^ ju if)m unbebingte 3In§önger bicfer 2ef)re audf) in ifirer jroeiten Sebenäf)älfte blieben, ©in gro^eö Srfebniö iu Seipjig mürbe ferner für ?lie^f^e bie perfönücfie 33efanntf(^nft mit 9?irf)Qrb SBaguer 1868. ^m näc^ften ^a[)ve mürbe er, nod; nor ber Promotion, infolge einer ©mpfe^Iung 3fiitfd^Iä aU nu^crorbentUt^er ^rofeffor ber floffiftfien ^£)i[oIogic an bie Uniuerfität ^afel berufen. 3Im 23. SJcärj 1869 erijielt er fein ^oftorbiptom, am 21. Stpril traf er in Safet ein, roo er balb barauf Drbinariuä rourbe. ^n ber erften ^eit erteilte er au^erbem noä) in einem Opmnafium Unterricfit auf ber Cber= ftufe. Sein 33ortrag mar fangfam unD leife, uon f)äufigen i^unftpaujen unterbrod;cn. 33on feinen neuen 3(mtögenoffen an ber Uniuerfität mürben befonberö .^afob 33urc!f)arDt unb 3^ranj Doerbccf feine g^reunbe.

©ae 2ßeif)nac^töfeft bcr ^jafjre 1869 unb 1870 üerkbte er in 3:riebf(^en am 33iermalbftätter See bei S^ic^arb SBagner, bem er auc^ fonft roieDert)oIte 33efuc^e ab- ftattete. ^n einer 9k(^t, alö er bort gerabe ®aft mar, rourbe SBagnerö oo^n Siegfrieb geboren. -Itic^fc^eö 3(f)mefter Slifabeti), bie afö üierte I^in3utam, mei^ uon bem ^n- fammenfein allerlei ^erfönlic^eö ju erjäfilen.

®er Stuöbruc^ beö beutfi^^franjöfifc^en Krieges oeranla^te 'Tcie^fi^e Da er ie|t alö Sc^roei^er '^rofeffor nic^t ju ben SBaffen cnttaffen merben fonnte, ob- IDO^I er niilitörifc^ gebient Ijatte alö iiranfenpfleger fic^ Dem SSaterlanbe 3ur SSerfügung §u ftcUen. Gr mutete fic^ äuoiel ju: bie Stnftrengungen warfen ifjn aufs ^ranfenlager.

3fm ^a^re 1872, in Dem er eine 33erufung nad^ ©reiföroalb ablef)nte, er- fc^ien feine crfte größere cc^rift, „^ie ©eburt ber 2:ragöbie aus bem ©eifte ber SJiufif". SSie mu^te fdion Der 2:itel SBagner ergreifen! „Sieber greuuD", fd;ricb er nac^ ber Seftüre an ben $ßerfaffer, „Sc^onercö al§ ^)^v '5uc§ habe \6) noc^ nid)t ge-- lefen! Slüeö ift fierrüc^." ^ag Suc^ oerrcicfclte 5lie^jd)e in eine auögebet)nte ""IJofe: mif, u. a. aud) mit bem jungen ^f)i(o(ogen SBilamoroi^^^iöttenborff, ber bie alte oon SBiudelmann übernommene 9(nfd;auung beö ^eUeuentumo ücrfoc^t. Xie ^olge biefer iUuöeinanberfe^ungen, an benen fic^ auc^ ?Rot)be beteiligte, mar bie ?Heif)e ber uier „Unzeitgemäßen Setrad)tungen" (1873—76): 1. „^D. Strauß, ber Setenner unb bcr SdiriftfteUer." 2. „)l>om ^hi^en unb 9?ad)teil Der öiftorie für'ö Seben." 3. „Sc^open^ t)auer alö Graie^er." 4. „9f{. Sßagner in ^aijreutt)." ^ic moDcmc Ätultur fei oer^ fälfc^t, füfirt 9Jie6fd)e iu Diefen ^Setrad)tungen am, fie uuid^c Die -llicnfc^en ju ^öilDungö-- pf)iliftern.

^njrcifdjen tjatte fic^ Daö 5ßcr()ä(tnio ^u S3agner ju löfcn begonnen. O^er große Äomponift fa{) in ?Jie$)c^c ben gegebenen Xolmetfdjer feincö eigenen Vebcnö:

344 Sie neue SBeltanfc^auung.

iTcrfeg, unb -Rie^frfie luieberum \)üik ber 3J?enfd)I)eit mel)r ju bieten alö bie ^nter^ pretQtion eines anbercn ©eifteö. ^ie etfte 2luffü^tung ber 33at)reutl^er g^eftfpiele com 13. biö 30. 2(uguft 1876 bebeutete für if)n eine enttöufrf)ung. „^^ fof) ein", jcfireibt er fpäter mit bem Sfiüdblic! auf jene ^eriobe feiner ©ntroicflung, ,,ba^ bie I)öcf)fte 3eit lüor, mic^ auf mic^ jurücfjubefinnen."

?iod^ in bemfelben $^of)re ging er nad; Italien, ^m Dftober 1876 tarn er in ^ieapel unb ©orrent an. UnerträglicE) würbe il)m ber ®eban!e, ba^ er f)ätte fterben fönnen, oI)ne bie Ianbfrf)aftlid^e ©d^önfieit bes italienifd)en ©übeng ju fel)cn.

Salb borauf gewann ein fd^trereg 3J?igräne= unb Slugenleiben in gunel^menbem 3Jla^ bie §errfdf)aft über if)n. ^m ^al)xc 1879 rief ber getreue Doerbecf ®Iifabetf) S^ie^fd^e an baö Äronfenlager be§ ^reunbe§. 3Jiit if)r ging ber ermottete SebenSbenfet nad^ ©rf)Io^ Sremgarten bei 33ern nnb bonn r\ü6) bem ©ngabin. ®ie ^rofeffur mu^te er 1879 aufgeben. SSon je^t ah blieb bei ru^elofem Sßanbern unb ebenfo ru^elofem Schaffen. (Srf)on 1878 mar erfc^ienen „3JienfcE)nc^e§, 2tE§umenfrf)ticE)e§, ein 33ud^ für freie ©elfter", bem als ^ortfe^ungen angereil)t mürben 1879 „^ermifd^te 3Reinungen unb ©prürfie" unb 1880 „®er SGöanberer unb fein ©rf)atten". ^m Dftober besfelben ^af)res ging er nad^ 6tref a, im S^orember nad^ ©enua. ©in ^a^x barauf gab er I)er<iuS „2)lorgenröte, ©ebanfen über bie menfd^IicE)en SSorurteile". ^m ^uli 1881 mar er in S^ecoaro, bann in ©ils 5[Raria im ©ngabin, im ^erbft mieber in ©enua. ®a§ ^a^x 1882 bracEite bie „%xb1)i\6)c 2ßiffenfcE)aft". er reifte bamals nai) 3Jieffina. 9luf ber 9f?ücffeF)r Tuben iF)n feine olte ?^reunbin 9Jialroiba ron 9Jlet)fenbug unb fein junger ?^reunb ^aul '3i6t, mit benen er bamals in ber SSiUa 3Rubinacci ju oorrent ibtjUifcEie 5:;age reriebt I)atte, nac^ 9^om, um il)m eine 21 jäfirige S^luffin, ^räulein 2ou Salom^ aus Petersburg, üorguftellen. ©S fc^eint nid)t, als ob £ou einen roeiblic^ nad^^altigen ©inbrud auf il^n gemarfit Ijäbc; aber fie mar bodE), ba er mit \^x fpötet au^ in ©eutfd^Ianb jufammentrof, ber Slnla^, ba^ es 1885 jmifdEien il^m unb feiner ^amitie gum Srudf) fam, roenngleidfi er in bemfelben 3at)re roiberftrebenb feine ©in- miUigung ju ber ^eirat ©nfabetI)S mit bem if)m roenig gufagenben 2tntifcmitenfüI)reT SernI)orb g^örfter gab, ber mit feinet jungen ©attin bann als £oIonifator nadf) Uru- guat) gog. ^eborf) aurf) Sou, oon ber er firf) sunädEift ganj rerftanben gloubte, ent^ täufd^te il)n, fo bo^ er, üon aßen üerlaffen, in eine furrf)tbare ©infamfeit jurüdEfiel. „'^ai)xdar\% fein £abfal", flagte er fpäter, „fein ^Tropfen 3}ienfcE)lic^feit, nic^t ein ^auc^ oon Si^be."

3n biefem ^ufönimenfiang« ift eS ron 33ebeutung ju roiffen, meldten ©inbrudf £ou if)rerfeits ron if)m crf)ielt. Bk berirf)tet in ifirem 9flie^fc^e=33ucE) : „®ic 3tf)nung einer oerfd^miegenen ©infamfeit, bas mar ber erfte, ftarfe ©inbrudf, burdf^ ben 3fiie^fc^es ©rfc^einung feffelte. S)em flüd)tigen 33efc^auer bot fie nid)ts 3luff aUenbes ; ber mittelgroße 9Jtann in feiner überouS einfachen, aber aucE) überaus forgfältigen ^leibung, mit ben ruf)igen 309^" ^^^ ^^"^ fdE)IidE)t gurücfgeftrid^enen braunen ^aar fonnte Ieid)t überfef)en werben. 2)ie feinen, fjöd^ft auSbrucfSnoUen 9JiunWinien mürben bur^ einen »ornübergefämmten großen ©d^nurrbart faft oöllig cerbedt; er f)attc ein leifes 2acf)en, eine geräufd)Iofe 3lTt ju fpred^en unb einen oorfii^tigen, nac^benftid^en

griebrid^ Iiiicijfcfie^ Sebcn. 345

@ang, tüobei er \i6) ein roenig in ben Schultern beugte; man tonnte [ic^ jc^roer bicjc ©cftQlt inmitten einer 3)tenfc^enmenge txorfteUen, fie trug ha^ ©eprägc Deä MitiU-- fte^enö. nnücrgleic^tic^ cbet unb fc^ön geformt, fo ba| fie ben ^lid unmiUfürlid)

auf fic^ äogen, rcoren an ^iie^fc^e bie ^änbe ^n boä innere blicften biefe 3(ugen

unb jugteid^ roeit über bie näc^ften ©cgenftönbe Ijinrceg in bie. gerne, ober beffer: in ha^ innere mie in eine gerne."

^ie Siebe beö SBeibeö war e0, bie ?iie^frf)e im Seben feF)Ite. 5c^on früf)er I)Qtte er in ©enf t)ergeblid) um eine junge öoEänberin geworben.

Snäiüifc^en roar er 1882 in 9taumburg, Sapreutl), Berlin, Joutcnburg {Xi)n^ ringen) unb Seipgig, 1883 in ^Ropallo, diom, Sita ^maria, ©enua unb ^'^a, 1884 in SSenebig, ©itö 3«aria, ^üric^, ^mentone unb ^lijao, 1885 in 5ßenebig, Sil§ 3)kria, 9lQumBurg, Seipjig, gloreuj nnb S^igga geroefen gaft in jebem ^atire erfc^ien ein bebcutenbeä SScrf: 1883/84 bie erften Xeile be0 „3aratf)uftia". folgten 1886 „^enfeitä oon ®ut unb 33öfe, SSorfpiel einer ^t)i(ofopt)ie ber ^ufunft", 1887 „3ur ©encatogie ber 2JioraI", 1888 „®er %aU SBagner, ein 33^ufifantenprobtem", 1889 „©ö^enbdmmerung, ober raie man mit bem Jammer pt)iIofopt)iert". SSon beut gc^ planten ^auptroerf „2)er SBiEe jur ma6)t, 5ßerfu^ einer Umwertung aller SSkrte", würbe 1888 nur ber crfte S^eil ooEenbet: „2)er ätntic^rift, ^erfuc^ einer Äritif beö 6t)rtftentum5".

2lud^ bie legten Qatire biefes unauft)örlicf)en S^offen§ rergingen unter fort- wät)rcnbem Steifen oon einem Ort gum anbern. 1886 war er in Sf^ijja, SScnebig, 3JiüncE)en, 9^aumburg, Seip^ig, Site 3}laria, 3fluta unb wieber 9iiääa, wo er biö jum Tläxi 1887 blieb, ^ann ging er narf) ßannx)bio, ^üri^, 6i)ur, Silö 'S'Jaria unb 33enebig unb wieber D^igga, im grüt)Iing 1888 na^ 2:urin, 3ilä 3)iaria unb wiebcr ^urin. ^ier würbe er im ^egember oom Sdjiage getroffen. 33ei einem 2tu§gang ftürjte er nieber unb würbe oon feinem ^auäwirt in bie SBo^nung gcfcEiafft, wo er nun gwei STage lang, feiner ^cwegungäfäfiigfeit unb Sprache faft gängüdf) beraubt, auf bem ©ofa lag. S^acf) bem ©rwadfien geigten fid) beutlirfje 3puren gciftigcr 3Scr: wirrung. Dt^erbed, ber oon 33afel herbeieilte, brarf)te ben greunb in eine bortigc JInftalt, oon wo il)n bann bie 3Jiutter junäc^ft in bie ^i'xml 33inöwanger5 gu ^cna, Dann (1890) nadf) ^^auniBurg überfüf)rte. 3la<i) il)rem S^obe im ^ai)xc 1897 na\)m it)n bie Sc^wefter ßlifabetf) ju fict) narf) SBcimar, wo er bei licbeDOÜfter unb forgfamftcr ^<flege biö gum 25. 3tuguft 1900 lebte.

6o umfing langfam fortf^reitenbe Dämmerung niemals oöQigc Um: noc^tung einen ©eift, beffen ^lennjeidien in crfter fiinic gcfunbe, gur gübrung bi- rufene ^raft gcwefen war. 35 ^at)rc gät)ltc er, al?» er auö bem i)Imt fcbeibcn mu^tc, 45 3at)re, alö bie ^aratpfe if)n gum wiDenlofen 5tinbe mad)te, 56 ^qI)xq, als i^n ber ^ob erlöfte. So blieb fein Seben unb Deuten in jebem Sinne Jragmeut. iCiellcl^t aber liegt gerabe barin, ba| er firf) nirf)t ju ©nbe auögufprcc^en ocrmo^tc, ein be= beutenber Grfförungögrunb für jeine ungcf)eure Ginwirfung auf l>ic 2Boltanf^auung be§ mit il)m bcginneuDen ^^abrbuuberts.

346 '3)ie neue SBeltanfc^auung.

SBie ©c^opcnf)Quer itnb SSagncr ift 9iie^iif)e im tiefften ^ern feineö SBefeu» ^ünftler. 9tur a(§ joIcE)er fonnte er fo bebeutenben @influ| gerabe auf bie Siteratur ausüben, ©r ift ber eigentlii^e S3egrünber ber £uIturpi)ilofiopI)ie, bie er jeboc^ nii^t aU ein @ebonfenfr)ftem logifcE) aufbaut unb oortrögt, fonbern in bie gorm beä geift= reichen, g. 33. poetijc^cn 2(pf)origmuö fteibet.

Sn feiner geiftigen (Sntraicflung laffen fic^ mehrere ^erioben unterfc^eiben.

feiner erften ^eriobe ging er Dom Griechentum unb ron ©d^open^auer auö, of)ne biefe beiben geiftigcn 3)?äd)te jeboc^ fo ju itbernef)tnen, wie fie i^m über^ liefert würben. @r erfonnte bie Serecf)tigung beö ^effimiämug auf fittli^em ©ebiet an, -Derneinte aber beet)alb baö Seben nid)t, fonbern bejal)te mittele bes äft^etifcfien ^ringipö. „9iur als äftfietifc^eö ^t)önomen", fogt er, „bleibt bie SBelt eroig geret^t^- fertigt." ©o rourbe il)m ber ©ipfel be§ ^afeinö bie Äunft. 3).er probu!tit)e 30^enfc^, roie er in ScE)openbaucr unb SBagner i^m erfd^ien, üerburgt if)m im '©egenfa^ gum „Sitbunggp^ilifter" allein ben 2Bert beS Seben§, baö im übrigen bebeutungötoö in bei @efcf)icf)te Derfinft. ©o wirb i^m jebe SBiffenfc^aft, aucE) bie ^t)ilotogie, jur Kultur; raiffenfc^aft. „3)ie ßrgeu^ung beö ^fiilofop^en, bes ^lünftlers unb beS fettigen in unb au^er uns gu förbern", ift bie 9tufgabe ber J^ultur, bie alfo auf eine geiftige 3lriftofratie be§ SWenfrfiengefc^Ied^tS Einarbeitet.

, 2)ie groeite ^eriobe beginnt mit bem ^afire 1878. 2lktap{)^fi!, Jlunft unb S^^etigion treten i§re ^fieitsrec^te an bie SBiffenfc^aft ab, bie fortentroidelt unb beutet, rcas jene beginnen. Stuf (Srfenntnis roirflic^er SSafir^eit fomme es an.

2)ie britte ^eriobe, bie 1883 eintritt, roirb beE>errfcf)t oon ber ^bee bes Über= menfd^en, ben 3oi^ött)uftra rerfünbet. ©ie ©ntfte^ung ber tanbläufigen, längft brud^igen 3)ioraI roirb erläutert, ber neue „.^mmoraiismus" roirb begrünbet. ^mmer ftärfer roirb ber ariftofratifdEie ©t)arafter ber neuen Svultur betont, bie ebenfo über bie bemofratifc^en roie nationalen ^btaU f)inroegäuf(i)reiten ^obe. ©c^open^auers „SBitte §um Seben'' tritt jefet auf ats „SBiUe jur SJiac^t" im Übermenf^en. S^tic^t ein nieberes ©ic^ausleben im @enu^, fonbern bie gefteigerte £raft auc^ jur ®ntfagung in einem fünftigen ungebrochenen 9}JenfcEenit)puS fennjeicEinet ben 2öeg beS ^JJenfdfiengefc^Ied^tö jur ^öt)e. 'Sflit feiner Umroertung ber SBerte cerroirft er ben SKa^ftab beS §erben= menfc^en unb bie cfiriftticfie Kultur.

3^ie^fcEe f)at für feine SBeltonfc^auung bie oon 33ranbeS geprägte Seäcic^nung „ariftofratifc^er 3fiabifalismus" angenommen unb bamit gegeigt, roie er ucrftanben fein roitt. ©in ^ol! fei nur ein Umfc^roeif ber Statur, um gu einem falben ®u|enb großer 9Jiänner gu fommen. ®as ©lud ber grünen SBeibe, roie eS bie attgemeine SBo^tfa^rt uertangt, fei nii^t bafeinsbcred)tigt. S)aS Seben berulje auf bem ©runbfa^ ber Untere brücfung beS ni^t 2ebenSfät)igen.

^n fdiroffem ©egenfa^ gu ©c^openfiaueT ^a^t ^If^ie^fc^e je^t baS 3Jiitleib, boe jener für bie ©runblagc ber 3}JoraI erftärte. ®ie ©cE)onung beS ©c^road^en bebeute bie größte @efat)r. Gine ©eud)e ber mobernen @efenfrf;aft nennt er bas 3JJitfcib, ein irf)recf[id^eö Safter ben 2t(truismuS. §errfrf)te bas SJJitteib auc^ nur einen ^ag, fo ginge

D?ie|ic^el aßeltanfc^aumig. 347

bie SBelt 5ugrunbc. lue ftorfen ^ükn unb Dorne^mcn Kulturen roic Die 3?enaiffance F)ätten bos 3}?it[cib für ctroaö SSeräc^tHc^eö gcfiatteii. £eiben ief)cn tue wo^l, leiben mad^cn noc^ lüol^Ier: biefcr f)arte Sn^ fei ein men)d;[ic^cr, aHäumcnfc^lic^er öaiiptfüfe. 2)en ©(^loac^en [oHe man boBei bcl)ilfü(^ fein jugrunbe ju ge^en. 3J?it[eiD oerrate of)ne roeiteres ben §erbenmenf(f)en, ber fogennnnte @ute fei ein üeräc^tüc^er "tJcfabent. 9JJoraIif^ bcbeute ftetö mittelmäßig. 2t(ä 3fie(igion bes ^Ttitleibö ift i^m au6) baö G^riftentum eine 9?eIigion beö 3Ibftiegö, bie ben 3^t)puö 2)ienfd^ an feiner ©ntmicflung jur ^ö^e f)emme. ©c^on quo biefem ©ninbe fiub if)m bie ^uben afö Segrünber Der StlatJenmoral uerf)a|t. S^aubfud^t, ©raufamfeit, ©efrfirec^tötrieb, .^ärte unb ^crrfc^; fuc^t führten in SBirflid^feit ju Isolieren 3i^I^"- ^^^m meiften fei bie 2Bett burd^ bie fogenanntcn böfen 2Renfc^en geförbcrt raorben. 3)er Stecher unb SSerbredEicr fei ber tüa^TC ©Ute, ja ^eilige, ^en ©eiftcrn üott fröl^lid^er ^oc>l)cit gilt feine Siebe. CScfar 33orgia fei ha^ gcfünbefte oEer tropifc^en Urtiere. Sitte Ijöfiere Kultur beruf)e auf ber 'Vertiefung ber ©rnufamfeit. Sd^Iei^teä ©eroiffen fei ha^j Symptom einer ©rfronlung.

(Sine 3^eif)e feiner fittlic^en gunbomentalfäfee befinbet fi^ im jroeiten Slbfc^nitt jeiner Srfirift über ben „3Inticf)rift" : ©lud fei nur M^i ©cfüi)I baoon, ha^ bie Wia<i)t roadife.

2)ic „'BllavamioxaV ber 9fJäc^ftcn(iebc mad^c bie 9)cenf(^f)eit !tein, ertöte Da§ ^clbentum, has^ man ^um Übermcnfrf)entum beranäujüc^ten I)a6e. 2Baä in ben 3(ugen ber frf)iüac^cn unb befc^ränften $8ieI=5U=üieIen alö böfe erfd>ciuc, ha^ fei gerobe ba^ ©Ute, meil ftarf unb rüdfirf)tä[oö bie 9^id;tung aufmärtö weife jur tünftigen Überart. Tiex 3Jienfd) fei ctmaö, ha^ burdf) bie ^errenmoral übcrmunbcn roerben muffe, Diologiftf; 5u begreifen alö 33rüde groifd^en ^ier unb llbermenfd^, für ben einft bie gcgenroärlige 2Renfrf)enart baöfclbe fein werbe roie für unö ber 2tffe: ein @cläcf)ter ober eine fdimerj: li^c Sc^am.

Slriftofratifc^, entii)id(ungöti)eoretifrf), inbinibualiftifc^, uii: unb übcrfiiftorifd), uu= unb übermoralifc^ unb antid^riftlic^ fo muß man 5ufammcnfaffeub 9tic|fc^eö Sßeltanfc^auung (^arafterificren.

^aö beutfd^e SSolt, boö feine 2e^re nic^t begriff, mürbe il^m üerf)aßt. Xcn frf)mar5en ßrbtcil furf)e er in Der 3^äf)e berDflorbbeutfc^en. oc^opeubauer, öeinc uiiD er feien ein ^ufatt unter ben ©eutfdien. ^n ^ariö mcrbe ^cine geliebt, aber „mos müßte beutfc^eö •Qornüie^ mit ben d<51icatesses einer folc^en 9?atur ansufangen".

©0 crtlärt er mörtlirf) in feiner Scf)rift „^iic^fc^c coutni Söogncr" (1888). ©egen SBagnerö 3J?ufif rcDoltiert fc^on fein (^uß, „er l)at ba§ 33cDürfuiö nac^ Jafi, ^ans, 5Dkrfcl)". SBagnerö 9J?ufif bebeutet für i^u eine roUtommeue Gutartung bcö rl)i)tl)mifcf)en ©cfül)[ö.

9Ils 5ßernic^ter unb unabläffig Strebeubcr ^at 9lic^fc^c mit einer ilraft auf bie jüngeren ®cfc^lccl)ter gcmirft roie oor [i)m uietteic^t nur nod) rTiouffcau. SBaö ber cinjelnc and) crrcid)en möge, muffe übcrrounbcn merbcn. '^on S^d geF)t ju 3if^ "»c^ ber Übermenfd) bilbct nur eine i)'6l)cxe entmictlungoftufe ber 'iDIcnfdjbeit. Go gelte immer Ijöbcr ^u ftcigen, immer mcitcr ju )d)aucu. hierin liegt ber Ggoiomuo in

348 S)ic neue äöeltaitfc^auung.

9iie^fd^eö ©inn, nic^t in bem äufriebenen äluSmünjen beä @rTeid)bQren. (5§ fomme liiert borauf an, glüdlirf), fonbern I)art ju feiri, unerbittürf) gegen ficf) unb anbete.

6r l^Qt im (^egcnfa^ §u (Schopenhauer feinen Sei)ren bur^ fein Seben 3nl)alt gegeben. 33on Statur ber gütigfte, liebenäraürbigfte 3JienfcE), brarf) er mit oDen, bie il)m lieb maren, fclbft mit bem cerei^rten SBagner, aU beffen „^arfifal'^ oom ßl^riftentum fang, mit ben ©einen unb mit bem eigenen Seben ; benn fein geiftiger ^ufammenbrui^ mar bie S^olge ber unerl)örten Stnforberungen, bie er an fid) felbft fteUte.

®er ^l^ilofopi) ging im 9J?enf(f)en auf: feine £t)rif unb fein @po§, im f)öl)eren Sinne Siterotur al§ feine anbern Si^riftcn, geugen baüou.

©d^on wn feinem ä^f)ntcn ^of)re an \)at ^Riefefdie ®ebid)te niebergefd^rieben. |)erau§gegeben mürben fie jebocf) erft t)on feiner ©c^raefter menige Sq'^^c ^^^ feiriem ^be.

3tm 2. gebruar 1858, öem ©eburtötag ber 9}iutter, nat)m er fic^ oor, fortan „momöglicf) jebcn Stbenb ein ©ebit^t gu mad^en". ©r füE)rte ha^ aber nur einige äßoc^en burc^. ©päter fc^ob er bag S)ic^ten ganj beifeite. „@r fof)", fagt feine ©cEiroefter, „birf)terifd^e SSerfuc^e mit fanftem ©pott aU reine SlDotria an, bereu man firf) neben ben ernften, pi)iIofopf)ifc^en, roiffenfcEiaftlic^en 33eftrebungen im ©runbe ju fcEyämen F)atte." Iber feine ®ebidE)te au§ ben fiebjiger unb ac^tgiger ^at)ren cerbienen mel)r noc^ alö befproi^en fie bcfprec^en fid) felbft , fie Derbienen gitiert ju roerben, benn nicf)t oHen finb fie fo befannt, mie fie fein foHten.

9lie^fc^e§ Sririf flingt mie bie ©lode oon (Serfiart Hauptmanns ©lodengie^er Heinrich nic^t im %al, fonbern nur auf ben Sergen. '^\6)t jeber mirb fid^ gu biefen klängen in gleichem 9J?a^e Iiingcgogen fül^len; fie erinnern menig on ^ölberlin, foft gar nid^t an ^eine, bie beibe bod^ ^^lie^fc^eS frül)efte 2ieblinge maren. ^Den ^on gibt fein berüi)mte§ ^ugenbgebidfit an, „^Dem unbefonnten <Sott":

^oä) einmal, e^ ic^ roeiteräie^e Unb meine 33Iide borttKirtS fenbe, §eb iä) uereinfamt meine §änbe 3u bir empor, ju bem ic^ fliege, ' 2)em ic^ in tieffter §eräen§tiefe 2lltät€ feierlich gemeint, 5Dq| allezeit

Wiö) beine (Stimme mieber riefe. 3)arauf erglüht tief eingefc^rieben SDa§ SBort: ®em unbefonnten ®otte. ©ein bin idf), ob \6) in ber greoler 5Rotte 2lu(^ bi§ jur ©tunbe bin geblieben: ©ein bin iä) unb idf fü^I bie ©df>Iingen, •jDie midf) im ^ampf barnieberäie^n Unb, mag ic^ flie^n, 5[Ri(^ boc^ äu feinem 2)ienfte jnjingen. 2cf) mill birf) fennen, Unbefonnter,

3Jte^fc^e§ Spiif.

349

Xu tief in mein« Seele ©reifenber,

3Kein 2eben toie ein ©türm Xurt^fc^meifenber,

3)u Unfaßbarer, mir S3em>anbter!

3c^ toin tid) fennen, [elbft bir bienen.

Ofufftcigeni) cr!ennt er groar nid^t ©ott, aber ficf; fetbft: ,,Ecce horao'*:

3a! 3^ loeiß, hjo^er ic^ [tamme! Unße[ättigt glei(^ ber flamme ®Iü^e unb Derje^r' id^ mic^ ßi^t ttiirb alle§, lüa§ id} faffe, ^o§Ie alte§, lt)a§ ic^ laffe: glammc bin \d} [ic^erlid^.

©roß, geroaltig unb Düd) einfach f)eben fid) 3^ie^)"d)€ä <Seban!en aus Dem Scfiroebcn unb 6id^=.§eben beö Sfi^pt^muö, auä bem SSeUenfpicI ber Silber empor, unb immer er felbft ber ©eiftcr ©eift, ber fie alle tief unter fic^ läßt roie im xanjücö „m ben 3«iftrar:

Spange nun auf taufenb 9tüden, SBellenrücfen, SBellentüden ^eil, roex neue Sänje f^fft! Sanken mir in taufenb SCBeifen, grei fei u n f r e ^unft geheißen, grö^Iic^ u n f r e SSiffcnfc^aft

3agcn loir bie ^immel§trübcr, SSeltenfc^lüärger, 2Botfenfcf)ie6er, gellen mir ha§ ^immelreic^!

SBraufen mir o aUer freien

©cifter ©eift, mit bir äu jlDeien Srauft mein ©lücf bem Sturme g(eicf).

Unb ha^ emig ha§' ©ebäc^tniä (Solenn ©Iücf§, nimm fein 33ermäc^tni§, 5Jiimm ben ÄTanj ^ier mit |inauf! SSirf i§n Ijö^ex, ferner, meiter, ©türm' empor bie §immcl§leiter, ^äng' i^n an ben Sternen auf.

Wber mit biefer ftolsen ficgesficfieren ^öf)e ift ©efalu" oerbunbcn:

SfJidfit me§r ^urücf? Unb nic^t t^inan? ' So mart' ic^ ^ier unb faffc feft, 2tu4 für bie ©emfc feine S3af;n? I Sag 3Iug' unb §anb mic^ faffen läßt:

günf guß 33reit Srbe, SD'Jorgenrot;

Unb unter mir SBelt, 9!J?eu|dj unb !tob.

ßö ift, al§ ob biefcä 3)lanncö Söcttanfc^auung fic^ hjrifc^ 3u menfc^lic^cr itlage vtx= birf)ten meiste, baß ^^ü^rermut unb gül^rerglut il)n immer mcitertricben, biö er nie: maub ber ©efäfirten mc{)r bei firf) fie^t unb in ber Übe ftc^t allein, „^ercinfamt":

iRun fteffft bu bleich,

3ur SSinterJDanberfd^ft berfhi(^t,

S)em Siauc^e gleich,

^cr ftet§ narf) fältern ^immeln \üd)t

glieg, 53ogeI, fc^narr

2)ein Sieb im SBüftcnoogefton!

S3erftecf, bu 9Jarr,

5)cin blutenb .t>er3 in Gi^ unb ^o^n'

Xie ^rä^en frfjrein

Unb ^ie^n fcfjmirren ?^Iug§ jur Stobt:

93alb mirb frf)nein,

9Be^ bem, ber feine ^eimot t)at.

350 Sie neue aBcItanfd^ouung.

3Iber broben bleibt er in feiner ©infornfeit, anbern juni Segen. „Der

SBeife jprid^t":

®€m SSoIfe frcmb unb nü^IicEf hoä) bem SSoIfe, 3ief) icf) be§ 2Bege§, ©onne balb, bolb SBoIfe Unb immer über biefem SSoIfe.

3lu(f) i^m, bem föniglid^ ©tarfcn, SSegireifenben finft bie Sonne, \i)m alljufrüf):

3:ag meine§ Seben§!

2)ie ©onne finft.

Sd^on fte^t bie glatte

^lut öergülbet.

2ßarm atmet ber geB:

©cfflief too^I äu SKittag

2)a§ ®Iücf auf i^m feinen 9D?ittag§fcf)lQf?

3n grünen Siebtem

©pielt ®IücE noc^ ber braune SIbgrunb ^evauf.

^ag meines Seben§!

®en Slbenb ge^t'§!

<Bä)on glüf)t bein Sluge

^alb gebrochen,

©(^on quillt beine§ %an^

Sränengeträufel,

©c^on läuft ftiü über mei^e 9}?eete

S)einer Siebe ^urpur,

SDeine le^te gögernbe (Seligfeit

§eiterfeit, gülbene, fomm!

®u be§ Sob€§

^eimlic^fter, fü^efter S3orgenu^!

Sief iä) äu rafcfj meineg 2Sege§? ^e^t erft, loo ber ^n^ mübe ttiarb, §Dlt bein S5IicE mic^ noc^ ein, ^olt bein ® I ü cf mi(| noc^ ein.

3Ring§ nur Sßelle unb ©piel.

3Ba§ je ft^ttier inar,

©auf in blaue SSergeffenfjeit,

aJiü^ig fte§t nun mein ^a:^n.

(Sturm unb ^^a^rt mie üerlerut er baS!

2Bunfc^ unb ^offen ertranf,

®Iatt liegt Seele unb SDteer.

Siebente (Sinfamfeit! Wie €mpfanb ic^ 5J?ä^,er mir fü^e ©ic^erl^eit, SSärmer ber Sonne Solid.

©lü^t nic^t 'i>a§> (5i§ meiner ©ipfel no^? (Silbern, leicht, ein ^ifcfi,

Sd)mimmt nun mein 9?ac^en ^inouS

5Me^lc^eg „3arat^ufira". 351

9^ie^fc^e§ fc^önftc ©cbid^tc entftanöcn im Umfrcig Des SBeijen, beffen ©eift i^n jum erftenmol in ben Sergen beö (Sngabin ju ,,Si[Q=3)iaria" berüf)rte:

$ier fafe i(§, ttwrtenb, mortenb boc^ auf nichts, 3en[eit§ öon ®ut unb Sol'e, balb be§ 2idi)t§

©enie^enb, balb beB (Sc^atten§, gan^ nur Spiel, ©an^ ©ee, ganä SRittag, gan^ 3cit o^ne 3iel.

2)a plö^Iid^, greunbin! tourbe ein§ gu jwei Hnb 3<ii^ai^ui"tra ging an mir öorbei

2Bir i)dxm „^axa\^n\tva^ Sieb" üon bcr tiefen aJütternoc^t :

2Be§ ipricfft: ißerge^! 2)Dd^ alle Suft toill (Smigfeit SBill tiefe, tiefe (Stt)ig!eit.

3luc^ il^m mar F)öd)ftc 2uft Siebe, con ber ein anbercö „S^ac^tlieb 3aratf)uftraö" rebet:

5Rac^t ift e§, 9?a^t!

9iun reben lauter alle fpringenben Srunnen,

HJJeine ©eele ift ein fpringenber Brunnen.

S^ac^t ift e§, maä)t\

^fJun erft ermatten alle Sieber ber Siebenben,

Unb aud^ meine Seele ift ha^ Sieb eineS Siebenben. -

(Sin Ungeftillteg, Unerfüllbare^

5ft in mir, ta§> will laut werben.

Sine Segierbe nac^ Siebe ift in mir,

Xie rebet felber bie Sprache ber öiebe.

md)t ift e§, mad)t.

?iic6fcf)e0 Sgri! ift t)albe ^rofa, mie feine ^rofa l^albe St)rif ift: fie begegnen cinonber f)art an ber ©rcnje. 2Iber man barf nirf)t üergcffen, ba^ fein biont)fif(^ ge^ fd^mungener, bitl)t)rambifc^er Stil eine ^unftgattung für firf) certritt, i^m allein ge= fjört, auö ^rofa unb ^ocfie munberfam gcmifrf)t. Unc immer micber mu^ man an fein eigenes Urteil über bie ^unftprofa erinnern: „5ürn}a()r, man fc^rcibt nur im 2lngefic^te ber ^oefic gute ^-profa." Xic großen 3Jkifter ber ^rofa feien faft immer aud) 2)icE)tcr geroefen, unb bie fogenanntcn ^rofamenfc^en f(^riebcn nur fc^fe^te ^rofa.

65 ift gar tcine ?^rage, ba| biefer '^^rofaifer 5U unfern flaffif^cn ^i^tern gc; fjören mürbe, roenn er feine gonge Äraft bcr ^ocfie allein jugeroenbct E)ätte: l)at er i)o6) bas f(f)önfte beutfc^e Gpo§ beö legten S'i^j^^un'^ci^ts gefrf)riebcn, baö einzige/ ba§ mir nod^ mobern nennen tonnen. Unb biefeä poctifrf)e SBort, biefeö tiefe poctif(^c ßmpfinbcn, ta^ l^rifc^ unb cpifd) auö it)m f)erauötlingt, lcF)rt bo(^ aurf) jugleic^, ba| es nic^t urgrünbig in feiner 9?atur lag, ein 3?crneiner unb 33crni(^ter ju fein. (Sä gibt nicf)tö SebensooIIereö, SiebeI)ei^ercG, nic^tö baö fo roenig negatio in ber ^ocfie märe, alö bcn „3aratl)uftra".

9. rnt^t^ „8orotf)uftvfl".

„3Ufo fpvQcf^ 3«ratf)uftra. Gin Surf) für :?UIe unb deinen", f)ei^t ber roü^ ftönbige ^^itel r>on 9^ic$frf)Cö ^auptmerf, bas in ^unbcrttaufcnbcn oon ©remplarcn in bcr ganjen Äulturmclt ucrbrcitct ift.

352 j)te neue Söeltanfc^auung.

2öie tarn 91ie^fd^e ^n Qüxat^n^txa, bem perfifd^en 2Bei[en, ber man(^em beffer unter bem SZamen 3oroafter befannt ift, ber um 660 uor Sf)riftu§ geboren, beffen ,Mve\ta" im ac^tjefinten ^Qf)rf)unbeTt m^ S^riftuö in bie europäi^d^en Sprachen überfefet, ber von öerber gerüfimt, uon ©leim befungen würbe, unb ber aU ^x^ul^n gur 9f?einf)eit unb 3BoF)r^eit, alä 5ReIigionäftiftcr unb ^rop^et im ueunseEinten 3a^r= l^unbert litcrorifd^e Sebeutung gewann? ®qS atte§ erüärt noc^ md)t, warum gerabe er t)on 9lie^fc^e afö SSerfünber beö Übermenfd^en gemäf)rt rourbe. ^em 9^ad^bcnfcn über bie ©rünbe biefer S[ßoI)i üb€rf)eben uns 9Zie^f(^eö eigene SBorte: „9JlQn I)at mic^ nici^t. gefragt, man f)ätte niic^ fragen foEen, waö gerabe in meinem SJiunbe, im 3Jiunbe bcS erften ^o^nio^oliften, ber 5Jlame 3öratl)uftro bebeutet: benn waö bie unget)eure ein^igfeit jeneö ^erfer§ in ber ©efc^id^te auömac^t, ift gerabe baju ba§^ ©egenteit. 3aratf)uftra f)at juerft im ^ampf beä ©uten unb beä 33öfen ha§> eigentliche dlah im ©ctriebe ber ®inge gefeiten bie Überfe^ung ber 9JioraI in§ 9Jletap!)^fii(f)'e, ol§ j^raft, Urfad^e, ^voed an fic^, ift fein 2Berf. 3tber bicfe g^rage wäre im ©runbe bereits bie 2(ntwort. ^^^i^^tl^wfti^Q f^"f biefen oerfiängniSüoHften Irrtum, bie 3JloroI: folglich mu| er auc^ bet erfte fein, ber il)n erfennt. 3fiid^t nur, ha^ er ^ier länger unb mef)r SrfaEjrung l^ot o[§ fonft ein 3)en!er bie gange ©ef^id^te ift ja bie ©jperimentafwiberlegung com ©a^ ber fogenonnten Jittlic^cn SBeltorbnung' .... ®te ©elbftüberwinbung ber Woxal aus SßaJirtiaftigfeit, bie ©elbftüberwinbung beä 9J?oraliften in feinen ©egenfa^ in mic^ , ha^ bebeutet in meinem ^JJunbe ber Gliome ^axat\)n\txa/'

klarer fann nidf)tg fein aU biefe Stntwort: 3orat{)uftro unb S^ie^f^e, jwei ©eiten beöfetben 33Iattcö ber 9JJenf(^^eitggefd^id^te! ©alier ift biefeö 2Berf auc^ fo fe^r ber Inbegriff beffen, wa§, ^^ie^fc^e un§ ju fagen ^at, bo^ faft aUe feine frül)eren ©ebonfen fic^ barin poetifd^ friftaEifieren, if)re Sin^eit finben in ber ©eftalt be§ Über= menfc^en. ®en eigentlid^en 3(nla^ jeborf) gur erften Iiongeption biefe§ ganjen ^been= freifes gob bie 33orfteI(ung einer ewigen SBieberfunft, für 3^ie^fcE)e bie ^öc^fte ?^ormel ber 33e|af)ung, bie überF)aupt erreicht werben fann. ^m ,,Ecce homo", einer feiner autobiograp^ifc^en ©figgen, ergätilt er, wie er gu 3ilg=?0^aria im (Sngabin im Stuguft bc§ ^ai)xe§> 1881 „fec^ötaufenb '^u^ jenfeits oon SJtenfd^ unb ^iW plö^Iic^ entberft l]aher ha^ ^axüt^n\txa in if)m wiebergefelirt fei, um feinen einftigen ©ebanfen quS biefem nämlichen ©ebanfen t)e¥au§ in baö ©egenteit gu oerfe^ren. „3E(^ ging an jenem S^age", fagt er, „am (See üon (Siloaplano burc^ bie SBälber; bei einem mäd^- tigen, ppramibal aufgetürmten ^lod unweit ©urlei mad^te id^ f)alt. ®a !am mir biefer ©eban!«."

©r woHte S'^^otfiuftra felBft bie Seigre ber ewigen SBieberfunft bitl)prambifd^ portragen laffen. S)ag erfte ^uc^ foEte, wie ein ©c^ema oom 26. 3luguft 1881 jeigt, Don ber Sntinenfc^li^ung ber Statur, ba§ gweite t)on ber ©inoerleibung ber ®r; fat)rungen, ba§ britte oom Testen ©lud bc§ ©infamen, baS oierte oon ber unauf; fjörli^en SSerwanbfung ^anbeln: „^u mu^t in einem furjen ^^it^^i^iTi^ burc^ üictc Snbioibuen f)inburc^. ®aö 9J^ittel ift ber unabläffige ^ampf."

2)iefen ^lan f)at 9^ie^fc^e nicf)t auägefüt)rt. ©rft im ^^ebruar 1883 begann

3?te|fc^e§ „3arQtf)uftra". 353

er an ber italicnijdjcii JRioiera, in ^qt^üUo, ben erften Xül nieberäufc^rciben. ,,^n 5ßt)rmittQg^ berichtet er, „ftieg ic^ in füblidjCT 9fiicf)tung auf ber {)errlic^cn Strafe i)on Boagü f)in in bie ^oFie, an Linien corbei unb iceitauö tü^ 3Jceer überfrfiaucnb; be§ 3la^imUaQä, fo oft nur bie @ejunbl;eit erlaubte, umging i^ bie ganje 33u^t Don Santo 2Rorg^erita big F)inter nac^ ^orto fino ... 3tuf biefen beiben SBcgcn fiel mir ber gan5e erft« 3aratf)uftra ein, cor allem 3aratf)uftra fefber, aU ^tjpuö: richtiger, er überfiel mirf)." ^n jeFin ^agen ftanb ber gange erfte ^eil auf bem Rapier, mar bie Seit, ba $Rid;orb SBagner in SSenebig ftarb. ^er groeite ^eil entftanb jmifc^en bem 26. ^uni unb 6. ^uli beöfelben ^af)reä in BiU-Maüa. „5eimgctcF)rt", fagt 9iie^frf)o „gut ^eiligen Stette, mo ber erfte 3311^ be§ 3aratf)uftra=®eban!enS mir geleuchtet F)atte, fanb icf) ben äiuciten ^aratl^uftra." 2tuc^ biejeS 3)car gaben i[)m 2Banberungen bie ^^üUe ber ©cbanfen, bie er mit SIeiftift gunäc^ft in fein ^afcfienbuc^ fc^rieb. „^m 2Binter barauf", fagt er, „unter bem I)aIft)oniic^en §immel ^liggaö, bcv bamaiö ,5um erften Tlak in mein Scben f)ineing[änäte, fanb id^ ben britten 3aratF)uftra unb mar fertig, ^aunt ein ^a^r, furo ©anje gered;net. ^ie(e oerborgene giede unb ^öf)en aus ber Sanbfc^aft Slijgaä finb mir burc^ uncergcpüc^e ätugenblicte gcioeil^t; jene entfdieibenbe Partie, me[d;c ben ^itel „uon alten unb neuen ^Tafetn" trägt, raurbe im bef^roerlid^ften Sluffteigen pon ber Station gu bem rounberbaren maurif^cn geljeni ncfte ©ja gebic^tct, bie 3JcugfeIbel;enbigfcit mar bei mir immer am größten, roenn bie fd^öpferifi^e Äraft am rcid)ften flo^." 2)ie 2{nfängc beä rierten 3::eilä mürben bann int September 1884 in ^üxid} nicbergefdiricben. j5ortgcie^t mürbe bie Slrbeit im ?ioüember 1884 in 3Jtcntone unb beenbct im 3o"Uör unb g^cbruar 1885 in S^isja. S[ßäl;renb bie erften brci Steile alsbalb nad) it)rem {^ertigmerben erfc^ienen, lieB 9^ic§)"d)e ben Dierten alö 3}canuftript auf feine tieften bruden, ba er feinen SSerleger bafür fanb. ©r beftimmte iljn nur für bie näc^ftcn J^reunbe. @rft 1892, brci ^af)re nad; ^JJie^fc^cö" 3ufammenbru(^, mürbe er Ijerauögegekn. ©eplant mar aud) \\o6) ein fünfter unb fec^fter STeif, gu benen inbeffen nur einige ^iöpofitionen corfianben finb.

^n tiefer, tönenbcr SBcisFjeit erflingt in biefem GpoS bie 2et)re non bem f)ör;eren 3Jtenf(^cn, ben ber ^ropf)et af)nenb fc^aut.

„2tlä Sfii'fit^iM't'^ß" fo beginnt bie Xic^tung „breifiig '^aljic alt mar, üerlic^ er feine ^eimat unb ben See feiner ^eimat unb ging in baö ©cbirge. -öier geno^ er feines ©eifteö unb feiner ßinfamfeit unb rourbe bcffcn 3cf)n 3al;re nic^t mübe. ßnblic^ aber üermanbelte fid; fein ^crj." ©incö 3)?orgcns fa|t er ben ßnt; fc^Iu^, mieber fiinobjufteigen ju ben 9JJcnfd)cn unb i^nen üon feinem ©eiftc ju geben. „3(Ifo begann 3f'i^QtF)uftrag Untergang."

©r f^reitet aEcin baö ©ebirge abmärts biird) bie S!I>ä(ber, in bcncn ein greifcr ©infiebler if)m begegnet unb abrät, ^u ben 3)(Cni"d;en ju gcf)en: „5öiIIft bu i[)ncn geben, fo gib nic^t mef)r aiö ein Sllmofen, unb fa^ fic noc^ barum betteln." Toä} er ge()t, ftaunenb, ba| ber .^eilige ©ott liebe ftatt ben 3JJenfd;en: offenbar miffe er nod) gar nic^t, ba^ ©Ott tot fei. So tritt er cor baS Sßolt in ber näd)ften Stabt, baö fic^ uerfammelt i)at, um Sciitänjer unb ^offenreiper jn febcn, unb fprid)t ju if)m: „'^6) Ie()re cud) ben Übermenfdien. 2;er 3)Jenfd) ift etums, baö übermunben werben joll.

Ce^lfe, tie bcutfc^c Citetahir feit ffioct^ee lobe u\w. 23

354 Sie neue Süeltanfc^auung.

SBaö l^nbt ii)r getan, i{)n ju überrpiiiben? ... ^c^ bc[rf)n)öre eud^, meine Grübet, bleibt bcr ©rbe treu unb glaubt benen ni^t, nieli^e eurf) dou überirbijd)en Hoffnungen reben . . . ©inft roax ber g^reüel an @ott ber größte ^^reoel, aber (Bott ftorb, unb bamit ftarben auc^ biefe ?^rene(I)aften. 2tn ber ®rbe ^u frcueln, ift jc^t baö g^urcEit^ barfte." 2llö er fo fprirf)t, lad^t baö §8oIf in bem ©tauben, er rcbe üon bcm @ei(: tön^er, ben es je^t aber aud) gu fcf)en oerlangt. ®aä ift 3ai^Qtt)uftroö erfte ©rfat)rung narf) ber ^lüdk^x ju ben 3Kenfc^en. ^Der ©cittänäcr üerunglücEt unb flagt ^oratljuftra, ber bei it)m bleibt, it)n erwarte je^t bie ^oEe. 3Iber 3ai^ott)uftra ricE)tet it)n feetifd) auf: aug ber l©efaf)r ^ahe er feinen Seruf gemacht, baran fei ni(^tä ju oerad)tcn : „Slun get)ft bu an beinern 53ernf ^ngrunbe, bafür miü icE) bic^ mit meinen Rauben begraben."

©ö folgen nun bie Sieben 3orotf)uftra§ ot)ne ml)m SIngaben über ^t\t unb Drt; nur eine ©tabt wirb genannt, „bie bunte Jlut)", um bie er \)od) auf ben bergen l^erumraanbert. @r finbet f)ier einen Jüngling, ber if)m oorfier auSgemic^en ift unö jefet an einen 33aum gelet)nt müben S3Iicfeö in ba§> %al fcf)aut. ^n it)m geroinnt er feinen Singer unb ©c^üler baburcE), ta^ er ibm fagt, roaö er in feiner ©eele lieft, baö ©treben gur ^ö^e unb gugleirf) gur "Siefe. ^'^i^'^tljuftra löft il)m ba§ 9?ötfel biefcä 3iüiefpaltä mit bem fc^önen ©IcicEiniä : „ßö ift mit bem 3Jienfd^en wie mit bem Saume. 3ie mel;r er l)tnouf in bie ^öfje unb .^eüc raiE, um fo ftärfer ftreben feine SBurjetn erbroärte, abmärtö, ins :i)unfte, S^iefe, in§ SBöfe."

®aö ift bie 3iebe „SSom Saum am Serge". 3)ie nädifte ^anbelt „oon ben ' ^rebigern beä ^Cobec" : „^oE ift bie @rbe üon Überflüffigen, perborben ift bas Sebcn bur(^ bie Siel^ju^üiclen. SJJöge man fie mit bem ,eiüigen Seben au^ biefent Sebcn meglodfen!'" liefen luibmet er auä) feine 9iebe „Som neuen ©öfeen": „3Siet ju üicle

werben geboren : für bie Überflüffigen raarb bcr Staat crfunbcn 'Dort, roo ber

Staat aufl)ört, ha beginnt erft bcr 9Jfenf(^, ber nic^t überflüffig ift." 1)iefen Siel;gu= nieten fte^t ber eine gegenüber, ben ^Qi^at^uftro in ber iRcbe „^om Söege beä Sd^uf-- fenben" preift, menn er haö ift, wag er fein foU: „eine neue 5^raft unb ein neucä Siedet, eine erfte Semegung, ein auö fic^ roEcnbeö 3ftab". Unb er warnt: monclier werfe mit feiner ©ienftbarfeit feinen legten SBert weg; je ^ö^H man fteige, um fo fleiner erfd)eine mon bem 2tuge beö 9^etbe§, unb am meiften werbe ber ^^liegenbe gel)a^t. „Unb f)üte bid) oor ben (Buten unb ©cremten! Sie freudigen gerne bie, welche firf) i^re eigene 3::ugenb erfinben fie l^affen ben ©infamen." 3(n fid^ felbft ^at ber Srf)öpfer beö „3aratl)uftra" gebad)t auc^ in bem S(f)lu^wort biefer Mehe: ,,^6) liebe ben, ber über fiel) felber l)inauö fdjaffen wiE unb fo gugrunbe gel)t."

3)ie folgenbe 9fiebe lianbelt „üon alten unb jungen SSeiblein". 2)er Sdiülcr Sd)Dpenl)auer§ ift unoerfennbar. „S)u gebft gu grauen?", fprac^ ba§ alte SBeiblein, „üergi^ bie g5eitfcl)e nicl)t." 3)er mann fei für baä Sßeib ein 5D^ittel, ber 3wecf immer nur baö 5linb; baö SSeib fei für ben SJJann ein Spielgeug, aber ein gefäl)rli(f)e§. 2)ie Hoffnung ber Siebenben muffe fein, ben Ubermenfd;en ju gebären. „®aö ©lücf beö 3J?anneö ^ei^t: ic^ wiE, baö beö 2&eibeö: er wiE." SBenn auö Siebe gel)orc|c, werbe bie SBelt für baö Sßeib noEfommen. „5Deö 3J?anneö ©emüt ift tief, fein Strom

We^fc^e^ „3aiatt)uftra". 355

raufest in uiuerirbifc^en ^öi)kr\: ta^ SBeib ai}nt feine ^rnft, aber begreift fie nid)t." 5Diefe ©ebnnfen fe^en fic^ fort in ber 9f?ebe ,,Don JlinD unb ß^e". 3Jiit beipcnbem ^of)n fprid;t 3^i-"'^t^"fti^<i f)ifi' über bie ßl)e ber 58ie(-3u=üielen: „3lcf), Diefe 3lrinut

ber Seele ju äroeien! SBelifieä ^inb f)ätte ni^t (Srunb, über feine ©Item ju

ireinen? SBürbig fc^ien mir biefer ^ann unb reif fxir ben Sinn ber SrDe: aber aU \6) fein SBeib fot), fcf)ien mir bie Srbe ein §Qug für Unfinnige, '^a, \6) mollte, ha^ Die @rbe in Krämpfen bebte, menn ficf) ein ^eiliger unb eine (Sans miteinanber paaren, tiefer ging roie ein ^elb auf 2Baf)rf)eiten auö, unb enb(irf) erbeutete er fitf) eine ttcine gepu^te Süge. Seine ©I)e nennt er'S. ^ener mar fpröbe im ißerfef)r unb mäblte mäf)Ierifrf). 3lber mit einem 3)}a[e oerbarb er für alle üRale feine (Sefeüfcfiaf t : feine ©{)e nennt er'ö. ^ener fud^te eine 3)iagb mit ben Xugenben eineä ©ngetä. 3Ibcr mit einem )SlaU mürbe er Die 2Ragb eiueö 2öeibe§, unb nun täte not, ba^ er barüber ncc^ jum 6nge( merbe. Sorgfam fanb icf) je^t aUe Käufer, unb alle J)aben liftigc ^ugcn. 31ber feine j^rau fauft auc^ ber Siftigftc norf) im Sad."

5(m ©nbe beö erften ^Teileö gcbcnft ^i^'^'^tljuftra, ber injmifcfien eine 3d)ar oon ^5Üngern um fid; nerfammelt i}ai, in ber Stiebe „uom freien ^obe" S^rifti, Der ^n früt) gcftorben fei: „SBäre er bod) in ber SS^üfte geblieben unb ferne oon ben ©utcn unb ©cremten! 5ßicncid)t I)ütte er leben gelernt unb bie ®rb€ lieben gelernt unb bog 2ad)en bogu! ©laubt mir, meine 33rüber! ®r ftarb ju frülj; er felbcr hätte feine Se^rc miberrufen, märe er biö p meinem 3([ter gefommen! ©bei genug mar er jum SlMberrufcn."

3aratl)uftra ucrabfdiiebet fic^ nun an einem ^reu5meg von feinen ^""öei^"' benn er ift „ein ^reunb beö :?(IIcingel)€nö". ßr mill erft bann mieöerfebrcn, itienn fie aUe iF)n oerleugnet (jabcn ; bann moEe er feine Verlorenen mit anDeren :Jlugcn fud)en unb mit einer anbercn Siebe lieben.

:?(m 3(ufang beö jmeiten ^cilö erfabreii mir, ha^ er mieber in das ©ebirge unb bie (Sinfamfcit feiner ^'6i)k gegangen ift. 3}Jonbe unb ^a^re i)crgef)en, unb feine Seele ift voll UngcbulD unb Segierbe nad) benen, bie er liebt. Seine SBeiöbeit moc^ft unb mad)t it}m Sc^merjen burc^ il)re plle. Unb er fteigt nieber, übermütig unö traftbcmupt, unö Ic^rt, ouö ber güHe ber Sdjöpfung unb beö ©lüdes f)erauö nic^t auf einen au|errce[tHd)cn ©Ott, fonbcrn auf ben fünftigen Übermenfd)en ju frf)IieBcn: „@ott ift eine 3)tutmafeung; aber id) mill, ha^ euer 3)hitma^cn nic^t meiter reid)e alö euer fd;affenDer 2ßiEe. könntet if)r einen ©Ott fd)affcn? So fc^meigt mir büc^ non allen ©öttern! 2BoI)I aber fönntet i^r ben ÜbermenfdKn fdjaffcn. Sticht i^r ineneid)t felber, meine ©ruber! 'äbn ju 5öälern unb 3?orfaf)ren fönntet

il)r e\\6) umfd)affen beö Übermcnfd)en SBaö märe benn ju fd)affen, menn ©öttet

ba mären!" Gr rcbet unb fingt fein gro^artigeö 3^ad)tlicb, fein Xaujlicb, fein ©rab= lieb, bem ein 33ilb üorfc^mebt mie Södlinö ^oteninfel.

3mmer beutlic^er mirb ber 3(bftanD jmifcbcn il)m unD Den übrigen üJJenfc^en, ouc^ ben ©ele^rten : „©leid) foldjen, bie auf ber Strafe ftebn unb bie Seute angaffen, meldie üorübergel^n, alfo märten fie auc^ unb gaffen ©cbanfen an, bie anbere gePad)t

f)aben Unö als icb bei ihnen mof)nte, Da mot)nte ic^ über if)nen. darüber mürben

23»

356 Tjte neue SBeltanfci^auung.

fie mir gram, ©ie rooEen nicE)t§ banon l^ören, ba^ einer über it)ren köpfen raonbclt." Unb bann fommt „bie ftiUfte Stunbe", bie if)m fagt, bn^ fcineö ^leibeng nicfit ift unter biefen Q\ii^'öxexn. ®ie (Seraalt be§ <£c^mer5e§ überfällt il^n, rceil er ein 3J?enfc^ ift, in ber ©tunbe beö 3tbfd^iebö. '®ie 2(ufgabe unb bie eigene ^raft finb größer aU bie Seelen berer, bie fie in'fic^ ocrarbeiten foKen.

^m britten ^eil f)ören rair, ba^ ^Q^'it^wft^Q roieberum gurüd"!el)rt ju Sctiiff ron ben glücffeligen ^nfel" a"^ 3]^enfcf)I)€it. ^m erften ^eil wirb boö 5ßoIf, im gioeiten werben bie jünger, im britten bie legten g^reunbe nug ber ^^äl^e bes ©el)eiligten fortgebannt. @r beginnt feine „einfamfte SBanberung": „^inab ouf m\6) felber fe^n unb nod^ auf meine ©terne : bas erft Ijie^e mir mein Oipfel, baö blieb mir notf) gurüd olä mein le^ter ©ipfel." SDie ©infamfeit ruft if)m gu, er fei- unter ben üielen uer^

laffener qI§ bei it)r. Unb bo fe{)rt er ju il}x ^nxiid : „D feiige ©tiDe um mid)

Tlan mag feine SBeigf)eit mit ©locfen einlöuten: bie ^römer auf bem ?[Rar!te merben fie mit Pfennigen überflingeln." ®r fennt ben SRenfc^en nun ganj: „33ei 2^rauer: fpielen, ©tierfämpfen unb Slreugigungen ift eS iJ)m bistjer am moI)Iften geroorbcn auf ®rben; unb als er fid) bie §öEe erfanb, fi'elie, ba mar bo§ fein ^immel auf ©rben."

9(Ig 58erfünbiger gel)t .gfl^Q^^iiftTa gugrunbe mit ben oielen aber oEein fet)rt et mieber, benn er gehört gu ben Urfac^en ber emigen 2Bieber!unft: „^6) iiebe bi(f), 0 ©roigfcit."

®a§ Dierte Sud) geigt 3öratf)uftra, mie er gealtert, mit meinem ^aar, oor feiner ^öi)U fi^t unb auf ba§ 9Jieer fd^aut. ®in neuer 3fiiebergang beginnt ju ben fogenonnten ^öfyercn 9Jtenfc^en, bie boc^ Krüppel finb, SSertreter nur einer ©igenfc^aft Don aUen benen, bereu ©umme ben Übermenfd^en begeid^net. ®er ^rop^et lobet fie einzeln in feine ^öf)k. 2tm 3J?ittag fc^Iöft er allein unter feinem Don Sßicin um= jponnenen ?fiavLm. SBie wenig genügt \l)m gum ®Iüd: „®a§ roenigftc gcrabc, ba§ ßcifefte, Seiditefte, einer ®ibc(^fe 9lafc^eln, ein §aud), ein ^ufd;, ein 3lugenblicf roenig madit bie 2Irt bc§ beften ©tücfs. ©tiH! Sßos gefd^af) mir: ^orc^l ?^Iog bie 3eit rooI)l baoon? ^oHe id) nid)t? '^kl icE) nic^t f)orc^! in ben Brunnen ber @migfeil?" 33crbannt ron aUer SBaf)rf)eit, „nur ?larr, nur ©ic^ter", oerläfet ^axa- tf)uftra fc^Iie^üc^ feine $öt)Ic, alö feine ©tunbe, fein 3)^orgen, fein Xag anf)ebt, ge- märtig beg großen ^[Rittagö, „glüf)enb unb ftorf mie eine 3)^orgenfonne, bie ouö bunflen Sergen fommt".

Überbliden mir biefe ja mef)r geiftig oI§ finnlic^ roaI)rneE)mbare ^anblung beg gang'en ®pog, fo fönnen mir feftfteHen, ba^ ber erfte ^eil ben Übermenfc^en felbft in feinem Serf)ältniö gur Umraelt geidmet, ber groeite bie ©efbftüberrainbung ol.g SBeg jum ^beal eineg folc^en tlbermenfd)entum§, ber britte ben ©ebanfen ber eraigen Sßieberfefir, bie ©runblagen einer jeben neuen, üon ©tufe gu ©tufe ouffteigenben Kultur, beren SSorausfe^ung freilid^ fc^on bie 9?ebe im britten ^l^eil „t)on alten unl> neuen S^afeln" bilbet.

3fiiefefd)e ^at roeber baö l^beal noc^ ben Segriff beö „Übermcnf^en" gefc^offen. „2BeId)' erbärmlid) Orauen fa|t Übermenfd^en bic^", Ijei^t eg jo fcfion in ®oet{)eä

2)ie SBeltanfc^auung (Sbiiarb von ^attmann^ unb anbeier Senfer ber legten 3a^rjef)nte. 357

„gauft", beffen ^elb in Sliegfc^eä Sinne mit bem Sebcn fämpft, freiließ mit einer gonj Qnberen, ber djriftlicfjen ^Deutung angenäf)erten ?yorm überminbet.

3aratl)uftra, ha^^ inbioibualiftifc^e ©egenbilb jum jojialiftii'c^cn ^auft bicfer ©cbanfe braucht nic^t oon allen in ifjr perfönlic^eö geben fjineingearbcitcl 311 merbcn, er bleibt bocf) lebenbig. Unb roenn roir raeber Übermenfd^en finb noc^ cieEeic^t werben icoKen, fo erfrenen roir unö ho6) fünftlerifc^ roie literarifc^ in jebem ^aUe an bem neu aufgcftettten 3Jienjd)f)eit§ibeaI.

^Sielen, felbft ben 3SieI:ju=DieIen i[t Dhefefc^eö „3arat()uftra" eineä i\)xtx 2ebcn6= büdjcr unb ba§ ?iie^ic^c=3Ird)iD in SBeimar, oon beffen ^öf)e fie über bie ftiUe ©oet^e^ Stabt bliden, oon 9iic^fc^e§ Srf)roefter gütig empfangen, üieHeid^t ein perfönli^eä (Sriebnig geroorben, jcbcnfallä aber ein ^cntmat jener ^öd^ften @eiftcö= unb 2BoEeng= fultur, bereu 3Sertrcter 9iiefefc^e ben fo oft mi^oerftanbenen 9^amen „Übfrmenfc^" Ieif)t.

10. ^ie SBcltanjr^autttig ©öatarJ) öon ^artmannä unb ötibcrcr tcnfcr

Her (e^tctt So^vsc^utc.

58on ben pf)i[ofop^ifc^en S)enfern ber legten ^a^räef)nte I)at näd^ft Scfiopen- f)auer unb Sf^ic^fc^e roo{)I ©buarb üon ^artmann ben größten ©influ^ auf bie Sitcratut ausgeübt, ^amit ift notürli^ nic^t gefagt, ba^ er unb aud^ oon Sd^open^auer unb 3^iefefc^e tann itap nic^t objeftio bel)auptet roerben bie anbcren ^^i[ofopF)en in ber groeiten ^älfte be§ neunjebntcn Saf)rI)unbcTt§ entroertete. ^aben roir boi^, um nur einige ju nennen, no(^ nic^t einmal .^erbartö, g^ed^nerö, So^eö unb Sßunbtö ge: bacf)t, roenn roir fd)on ^^id^te, oc^eEing, .^egel a(ö oorgoetljifc^, iF)re (Srben als blo^c ©pigonen beifeite laffen rooHen, um nur $Raum für bie 3ci<^nung ber febenbigen (Snt= roidlung bis ju unfcren Xag^en I)in ju geroinnen.

33on ben ©enannten 'gat uieEeit^t am rocnigften ^ iJ ^ im n j^ r i e b r i d) ^ e r ; b a r t (1776 1841) auf bie Sitcratur geroirft, obroof)! feine realiftifd)c 2BcItanfd)auung für bie jroeite ^a]^rl)unbertf)älfte nic^t of)ne 33ebeutung geblieben ift. ^-öcfonbcrä bie 3Ser: binbung ber inbiüibucllen Gtf)if mit ber fojialen ^at fid) alö fruchtbar erroiefen. ^crbart leitet aus fünf fittüdien 3}iufterbegriffen, ben fogcnannten praftifc^en ^been ber inneren ^reil}eit, ber SSoIlfommenljeit, beö Sßo^lrooUcnS, beö Sfie^tS foroie ber Vergeltung unb SiiHigteit fünf anberc ah: bie ber befcelten @cfellfd)aft, tei Äulturfijftcms, beö SSer^ roaltunggfr)ftemö, ber ^ec^tögefcüf^aft unb beö :^ol)nft)ftcmG. (Sro^en @influj3 Ijat er auc^ auf bie ßntroicflung ber ^äbagogit auggeübt, bcrcn S'^ele er etbifd), beren 'üJJittel fr pfrjdjologifd^ begriff.

©inb ^erbartä Schriften in öer j^orm trodcn unb nüd)tern, fo geigen bie bet anberen (Senannten einen jum ^eil reichen 2d)mud auc^ an rein titerarifc^en Sfficrtcn. ©uftao^ljeobor gec^ner (1801—1887) Ijat fic^ fogar ben rociteftcn 5lreifen he- fannt gemacht huxi) fein „58üd^tein uom 2cbcn nad) bem Tobe". Seine 2Beltanfd)auung näbert fid) bem cpino^^iömuö roä^renb ^erbait gerabe bem ''^antfieiömuß feinblic^ mar unb einen perfönlid)en ©ott annahm unb fa^t Seele unb Scib alö jroei uer-- fd^iebene ©rfc^einungsorten einec ^)iealen auf. Mcx im ©cgenfa^ ju Spinojo fuc^t

358 T;ie neue SBelta'nfcfiauung.

er bic ©efc^c bcr SBec^felroirtmig groifd^en Seib unb ©eele ju erforfc^cn, ©er Körper, fogt ©pinoja, fönne bie Seele nid^t gum ©enfen, bie ©eele ben J^örpcr nic^t gur ^Seraegung beftimmen. ?^crf)ner bagegen fteUte burrf) epafte ^f:)(^opI)i)fi! fo(d)e urfärf)= lid^en ^ufo^'^^icn^^öngc fcft. ©a bei if)m nur eine einzige erfa^rungögemä^e %aU facf)e gibt, haä 33ennt^tfein, löft fid^ ber fd^einbare ^Dualiömug feiner SBeltanfd^auung in einen ibcaliftifc^en SJ^oniömug auf.

^n I)öi)crem ©inne nie fouiele anbere ^i)ilofopI)en gel)ört aud) 9f{ üb o I f ^ e r = mann So ^e (1817—1881) ber Siteratur on 'burd) fein 2ßer! „TlitxoMmo^, ^been 5ur 9?aturgcfc^idE)te unb ®ef(^ic^te ber gjlenfi-i^f)eit". @r fu^te bie (Srgebniffe notur; n)iffenfc^aftlic^er ©rfenntnis mit einem teleologifc^en ^beoliömuö boburrf) ju rerbinben, ba^ er ben uon il)m aiö überall gültig anerfanntcn faufalen 3}led^aniömuö legten ©nbes erüärt alö bie 35crn)irflid)ung einer Sßelt fittlii^er ^wcd(.

^erbart foraof)! rcie g^ec^ner unb 2o^e fteUen, roie man fiel)t, ben f^ärfften SBiberfprud^ jn ©(^openI}ancr, SBagner unb ?iie§fd)e bar unb burftcn f)ier fd^on bcöljalb nidf)t übergangen merben. dagegen fnüpft ar\ ©dE)üpenf)auer an (SbnarD o o n ^artmann (1842—1906). ©eine ,,^^i(ofopf)ie beö Unberou^tcn" (1869) I)at nöd;ft ©d^openf)auerg unb ^f^ie^fdieö ©c^riften üon allen pl)i(ofopI)ifd^en Sßerfen ber legten ^ct^rgelinte ben größten literarifc^en ßrfolg gehabt, ©r nennt fein ©cbanfenfijftem einen tranfgenbentalen 9?ealiömu§, ber bie üon ©d^openbauer feftgefteHten S3egriffc ,,2ßiEe" unb „58orftelIung" übernimmt unb auffaßt alö Slttribute beä Stbfohiten, jebod) als einanber DöHig nebengeorbnete ?^unftionen beö unbewußten ®eifte§. 3tud^ ^art: mann ift ^effimift: baä Slbfolute tritt nur beöljalb ftufenroeifc in bic ©rfd)eiHung, um auö bem ^uftanbe bes Unberoußten auf^ufteigen jum ^erou^tfcin, ha^ alöbatb bie 3BertIofigfeit beä SBeltmillene beleudjtet, erfennt unb il)n beät)alb verneint. sDas fitt- IidE)e .^anbeln befte^t a{fi> nur barin, an ber Stbfürgung bes Seiben§: unb 6rlöfung5= rcegeö beö SBeltroiHenö mitzuarbeiten, ^n ^et)feä unb Spie(l)agen§ ^Romanen fpielt biefe ^§irofopl)ic beö Unbemußten eine große $RolIe. 9)lit ber metapl)t)fifd;en Stuffaffuug l)öngt roic bei ©d^openf)auer unb 9^ie^fd)e bie religiöfc eng jufammen. ©ott bebürfc ber (Sriöfung oon bem 9^icE)tfeinfoIIenben in ifjm. '3)er SBeftfc^merj erl)cbe fid; jur Uncnblid)feit im ©otteöfd^merg. ©ie Sfieligionen bebeuten erft ben 3Infang ber ©ottes: crlöfung. ©a§ Sf)riftentum fei bereits tot unib ber ^roteftantiämuö fein Totengräber. 2lber baö ganje Seben folle ein ununterbroi^ener ©otteäbienft fein, j'eboc§ rool;! oer^ ftanbcn : @ott fei nur unperfönlic^ ju benfen, er fei in uns unb mir feien in il)m. 3J?it 3^ie^f(^eä ariftofratifd;er SSeltanfcfiaung berührt fid; fteUenmeife aud) bic bee ©öttinger ^rofeffors ^ a u l 'b e Sogar be (eigentlich 33öttid)er, 1827—1891), bcr in feinen „©eutfd)en ©d^riftcn" oor allem neue ^bcale forbert.

5ßon ^artmanns ^eitgcnoffen \)at fonft 2öirf)elm Bunbt (geb. 1832) fic^ baburd^ einen SBcItruf oerfd^afft, baß er alö erfter bic experimentelle 9Jietl)obc auf oHe ©eiten beö ©eelenlehfnö auöbclint unb bie 2öiffenfdE)aft ber 3Sölterpfi)dE)oIogie begrünbet f)at. Sfiubolf eucfen (geb. 1846) glaubt an ha§i ©afein einer überperfönlidien ©eifteöroelt, bereu ^ufammcnljang mit ben ^nbiüibuen l)eräuftcllen unb 5u erfennen, ©inn unb 31ufgabe beö Sebenö fei, unb oertritt fo ben ©lanbpunft eineö S^euibealiö;

1:ie ÜBeftanfc^auung (Sbiiarb von §artmoiiniS unb anberer Xenfer bcr legten ^sa^rjefjntc. 359

muä. S)er Sd^öpfer bcr @rfenntiiiöt[)coric bcr ®eiftC5iiii[fenid)aften in if)rcr Sclb- ftänbigfctt gegenüber ben 5Raturnn[fcnfc^nftcn ift i I f) c hn 1) i 1 1 1) e t) (1833 1912), ber unö an bic fd;on früf)cr berührte SlnSeinanborfe^nng 5UMid)en ben notur- nnffcni(^aflHc^en 3Jioniften nnter ^üf)rung ©rnft ^acrfels nnb ben gcifteöiuiffen: jcfjaftni^en ^cnfcrn nnter |^üt)rung ^ r i e b r i d) ^ a u ( j c n ö erinnert. 3Son ^iItt)C9 ift bann ßbnarb ©prangcr anögegangen.

©in lücitercä ©inbringen in bie ^f;iIoi'op[)ie bcr festen ^ül)r5ef)ntc, bie Ijier ja nur oon großen 2Bcttanfd)auung§fragen auö flüchtig berüf)rt merben fonntc, raürbc uns mit 9lotuienbig!cit quo bem 5lrcijc beö 2ita-nrijd)en ()eranöfüf)rcn, bnö oI)nc {)öl)crc 5{nnftform unb allgemeine äftf)eti|^c @e[ic^t§pnnfte nid^t ju benfen ift. 3)fan fann fagen: fouicle 2}tenfc^en, fouielc SBcItanfdiauungcn! Seit .^antö ^riti3iQmuö gibt es feine aJtetapfjpfif a(§ ^iffcnfdjaft mcfjr. 3d)üpcnl)ancr unb :)üe^f^e get)ören ja au^ e()er jur ^unft als gur ^.^iIofopf)ie unb barum jur Siteratur. Der "I^idjter ift cö, ber bie Sßcltanfd^auung beä ^f)iIofop^en mit nnrflid)cm Seben ,^u crfüUcn Iiat.

9^irgenb jeigt fic^ bas fo bcutli^ mie in ber großen ©eifteäftrömung, bie oon Jpebbel ju S&fen füf)rt, bem unbebingten tnnftlcrifd)cn Dftcaliömuö.

VIII.

Qber See*

2tm 18. 2luguft 1833, olfo wcnic\c TlomtQ md) ®oetf)eg ^obe, ma^te iDcr amerifanifc^e S)Qmpfer 9tot)al SBiüiam bic Sfieife m6) (Suropa über ben 3ltlanti[d)en Djeon auöfdilie^Uc^ mit ^Dampffrnft. S^omit begann ein neues ^^itölter, ba§ @oett)e nic^t me^r fc^auen fonnte.

SBir fönnen ben ©ebanfen faum no6) faffen, ba^ graei Saf)rtaufenbe mit SBaffer unb SBinb nic^t anberS fertig gu töerben üermoc^ten alö burc^ bie (Srf)rüung!raft ber ©egel unb Sauber; ba^ über[eei|d;e (Srbteile bcr 5!Jienjd^f)eit nicE)t oiet nä£)er lagen aU pfiantaftif^e 3::räume; ba^ Stmerifa für ben ^Bürger ber Sinnenlänber faft immer [o unerrei^bar blieb wie bie untergel^enbe ©onne. Umtoft üon foüiel Gräften, bie ber ©eift erft im neunjefinten 3^^^^)ii"^^i^t entfeffelte, fe^en mir in ben Seiftungen beö 2)ampfe0 nic^tä Sefonbereö mel)r; unb hodg l^at er bie ^been beflügelt, bie in ben SBerfen unferer Älaffifer bie gefomte 9Jtenfrf)f)cit umfaßten unb gu einem ©anjen auö= geftalteten. ^e^t erft mürbe ber 33egriff ber SBeltliteratur fijrperlic^.

^^^reiOd^: fowenig eine ©dfimalbe auf if)ren ©c^raingen bag Sßeltall ju tragen oermag, fomenig uermoc^te 'oa§ ©ampffc^iff allein ©eifter geiftig gu üerbinben. Stber eine jebe ]^öf)ere 2BettfuItur ift $8er!ef)r. ®ie 9Jiafcf)inen, bie je^t burd^ bie Söafferbergc f auften, brachten mef)r alä Särm unb ^auf mann^finn üon Djean ju D jean : fie brauten bie ©eroi^fieit, ba| auc^ bie gciftigen ©üter ber SSöIfer burd) !ein ^inbernis oon bem großen Xüu\ii)cn unb 33efru(^ten auögefd^Ioffen rcerben fönnen.

Über Sanb mar bie Literatur anberer Srbteile fc^on gu ben ®eutfcE)en gc^ fommen, fo Jlalibafaä „©ohmtala" au§> ^nbien, §afts quQ ^erfien, unb ®oetI)e rourbe einer if)rer erften SSerfünber unb SSermittler. ^efet aber fam fie über ©ee.

Über ©ec ju fatiren, gu leben, §u beuten, gu reci^nen finb mir längft geroolint. Über ©ee werben mir, menn nic^t ein Sßeltfrieg perFiinbert, ernäf)rt; über See fliegt folange fc^on mit golbenen ^^^lügeln beä beutfc^en X)icf)terä ^f)ontafie. Siterarif^ oerfolgen lä^t fid; bie ©ntraicflung jebod) erft feit ben Xagen, bo SBeimar aufl)örte/ eine SGßelt in ber SBelt gu fein.

^n bem 3tugenblid, in bem eine geiftige Kraftquelle üerfiegte, begann fic^ eine ungeiftige litcrarifd) geltenb gu machen. ®ie englifd)e Siterotur Ijatte ein ^at)rf)unbcrt ^inbur^ 3)eutfc|Ianb befcfiäftigt unb uon ^ranfreic^ abgeteuft. ''Roä) biä in feine

Slmcrifa. 361

legten ^Q^re I)inein f)attc ©oetfie 33i)ron imb Scott ftubicrt unb auc^ feinen treuen ^auögenoffen ©cfcrmann immer mieber auf engfonb ^ingeroiefen. ^c^t richtete ©uropa feine S3(icfc ouf haä neue ©nglanb jcnfeitä bc§ Sltlantif, roof)in bie beutfc^en 3Iuö= iDQnbercr u1imiberftel;acf) jog. ^n Ooet^eö ^obesjaEir beobachtete unb befang ein junger Kaufmann in 2(mfterbam namens gerbinanb greiligratF) biefen beutfc^en ^ug in bie raeftlic^e i?eme, ber fc^on fic^tbar rourbe, noc^ e^e bie 2)ampffraft if)n förbern !onnte :

D fpred)t! njarum jogt i^r üon bannen? ®ag 9?ecfarta( ()at Söein unb ß'orn; ^er ©d)tt)ar5tDalb [tel)t üoll finftrer Pannen, Sm (Speffart Hingt beä Stlplers ^orn.

2Bie ttjitb e^ in ben frcmbcn SSiilbern ©ucf) nac^ ber ^eimatberge ©rün, ^aä) 2)eutfd^Ianbg gelben SBeiäenfelbern, ''Jlad) feinen 9fc6en!^ügeln i\e'i)nl

Stmerita l)attz oor ©uropa au^er bcm 9?ei5 beö Unbcfannten ben ber ^fUGcni^ Dorauö. ^ebeö amerüanifd^e Äinb, fagt 3)?atf S^roain, trägt bei feiner ©eburt fc^on bQ§ ^a^r 1492 im 5lopfe. ®ie ameritanifc^e Sitcratur aber rourbe erft breiF)unbert 3Qf)re nacE) ber ©ntbecfung beö Sanbeö geboren, ^m ^a^re 1607 entftanb im üirgini= feigen i^ameötoron bie erfte bleibenbe 9]icbcrlaffung bamalö fd^ricb Sf)afefpearc in ©nglanb „^roiluö unb ßreffiba". 2)arum mu^ man äniifd)cn jiDci Sßirfungcn 3tmeri= tas auf unfere Literatur untcrfrf)ciben: ber, bie baö Sanb felbft, unb ber, bie fein ©d^rifttum auggeübt \)Qt.

^ie guerft genannte SBirfung lä^t \id) noct) I;eute an jebem beliebigen 3lomau oerfolgen, ber in Stmerifa fpielt* Sefonberö ber amerifanifc^e 3Ibcnteurerroman ift nit^t meljr gur 9^uf)e gefommen, feitbem 2)efoeä ,/J?obinfon" 1720 in beutfcEier Über^ fefeung erfcf)ien unb in @rimmelsf)aufenö Stn^ang jum ,,3implijiffimuö", in cc^nabels «S^fcl gelfenburg" unb Gampeö „9Jobiufon bem jüngeren" feine 5lac^foIger erf)ielt. 2)ie ^itenifdpe ^nfel $juan ^^ernanbej, auf ber Slleyanbcr Selbfirf, 3?übinfonö Urbilb, Raufte, ift für jebeä beutfc^e Äinbcrgemüt i)on unfagbarem 3«»^^^ uniäogen. ^aniit ifl aud^ bie gmeite ber SBirfungen bereite bejeidjnet.

SBq§ 2)cfoe begonnen F)atte, ueroollftänbigte ()unbert ^'^\)xc fpäter 3 ^ '" c 5 Brennt more Sooper (1789 1851), ber St^öpfer ber 3"^i'i"frgefc^irf)te, unfcveö ÄinbbeitöparabiefeiS.

Unter bem 75. Sängengrabe meftürf) uon ©reenmid; unb füblid; beö 43. 53reitcn: grobeö liegt ^eutc an bem für anierifanifc^e :')iaumocrI)ä(tniffc fteinen Dtfcgofee ber Drt Soopcrötomn, ber in Goopcrö SRoman „®ic Slnficbfer" (1827) Xcmpletomn I)ci|t. (Soopcrö SSatcr l;atte bort ben Urmalb gerobet unb bie 9(nfieb(ung angelegt, ^icr n?uc^ö ßüoper auf unb erlebte bie SBilbniö in it)rer Urfprünglidjfcit, roic er fie fpätei (1841) im „SBilbtöter" fc^ilberte; benn a\\6) ber ©limmerfpiegcl biefeö 9iomanö ift ber Dtfegofee. SSeroolIftänbigt mürbe bie bleibe biefcr ,/v'ebevftrnmpf=erjäblungcn".

362 j^fier @cc.

mie man fic und) \i)vcm gelben nennt, burrf) ben ,,2e^ten 3)Jo{)ifQner" (1826), bic „Prärie" (1827) nnb ben „^fabfinber" (1840).

©er litcrarifc^e 2Bert biefer 9f?ouiane gel)t über ben bloßer 3nbtanergcf(f)id)ten erfieblid^ f)tnauö. ??ur für ben Knaben, bcr fidf) 33o9cn unb Pfeile fowie- ben Xoma- hamt fc^ni^t, finb bie luöjüge befttmmt, bie aU ^ugenbfd^riften unter jenen 3::iteln ben 33üc^ermartt überfc^raemmen. 3)ie Seftüre ber ganjen SBerfe gibt ein anbereö Sifb. ©in einfoc^er SRenfc^, roic bie Statur, aug ber er f)ernu§raäcf)ft, fo treu unb unoerfälfc^t, beraal)rt fid^ bie fd^önen @igenfci)Qften, bie in i^n gelegt finb, weil er fic^ fernf)ä(t von ber Kultur unb fc^Iie^tid^ ücr bem iSd)[nge ber 3(yt, bie ben Urraalb nieberlegt, fic^ äurücfäief)t in bie ©infamfeit ber meftlic^en ^rärien. ^n gang neuer S[Beife raurbe f)ier ^louffeauö ©ebanfenreuolution in öanblung umgefc^t: „^nxM jur 9^Qtur!" Unb ©ooper luieberum, ber lange in ^ariö lebte, gab ben $Ruf meiter üpu Ojean §u Dgean, unb fetbft im ftiUen Söljmer SBalbe nnirbe er uernommen, roo Stifter nac^ ßooperö SSorbilbern feinen „^ocfimalb" fc^rieb. %\\x eine ®f)renrettung beö inbianifc^cn SSoIfeö bagegen ober für eine Sobpreifung ber amerifanifd^en ^oltöfeele f)aben im ncuti^efiuten ^af)rf)unbert nur menige empfinibfome ober faufmännifc^ he- redbncnbe SJ^itglieber beö beutfc^en 3So{fe§ etroaö übrig gcljabt.

dlaüx) Sumpo, ber feines ©c^uffeä ftetä fiebere SBiibtöter, erlebt (1743) am baumumranften Dtfego bei ber milbfd^önen ^ubitf) feinen erften, aU „g^alfcnauge" unb „^fabfinber" bei ber fröftig anmutigen Solbatentocbter 9J?abeI feinen jroeiten ^erjenäroman (1757). ©er natürliche SBut^ä feines ©fiarafterö füt)rt il^n über betbes f)inauä. ©ojmifd^en liegen anbere ©rlebniffe: gcftü^t burd) bie g^reunbfc^aft mii bem ^nbianer ß^ingad)goof, ber „großen Schlange", bem er bie liebliche SBa^ta^mal) er= ringen l^alf, begräbt er nad^ bereu frül^em S:'obe aurf) i^reö unb feines ^reunbes So^n Unfag, ben „testen ber ^IRübifancr", ben eine ftiHe Siebe ju ©oro jog, ber ^oc^ter beS Cberften 3}(unro, mäf)renb beffeu jmeite ^orfjtcr 9(Iicc uon einem englif(f)en 9JJajor geliebt unb fpäter geheiratet mirfe. SÖie 5Ratti) Sumpo, ber f)ier „bie lange 33ücb[e" F)ci|t, feine £cf)upefo^Ienen in ber ^cH ber cnglifcb=f'^fi"ööfifcf)en Jlämpfe in Dtorb^ amerifa burd) bie SBöIber geleitet, in beneu fid^ baS ©el^eut railber ^iere mit bem ber parteincf)mcnben ^nbianer mifd^t baö finb pröd^tige SSilber, an benen aud^ baä lanbfd^aftüc^ ücrroöl)nte Stuge ber Urteilsfähigen feine g^reube ^ot. ^m Sturm beS SebenS unb ber Seibenfd^aft uerblättert bie ^ugenb. 58on ^^einbeS^anb fterben ®ora unb Unfas. SBic aber begegnet ber Sßafbfäufer ben Sa()ren, ba bas S(ut oerblüfit? ®r gef)t in feine ^ütte, bie an bem See feiner ^inbbeit fte^t, unb ots 'ü)n üon bort baS frö^[id)e „9{nfieb[er"=Scben auffc^reclt (1793), in bem fic^ fein S^ü^Iing ©buarb mit bes 5Rid^terS Remple ^^od^ter ©lifabetb fo mof)I füf)lt, ba roanbert er weiter gen SBeften, roo fi(^ bie Prärien enbloS bet)nen, bis aud) I)ier ber Sd)(ag ber 2trt an fein C:f)r Hingt (1804). ©oc^ nod) als ©reis bleibt er ber ?iatur treu, ungebrodien oon Öeib unb Suft, bis jum ^obe er felbft. Unb um biefe trofe monier ^Breite im ©cnten unb $Hebcn ibcate ©eftalt beroegt fid^ eine gro^c 3(njaf)( ocrfi^iebenartiger SDlenfdjen, Deren Ieben5roaf)re 3e^"inig eines großen ©id;terS roürbig ift.

^n biefes .toforit ift ber ^^nbianerroman bes neun^^ebntcn ^af)r^unberts getaucht,-

3tmcrifa. 363

in feinem 2anöc in fo t)o[)eni &xüM lüic in Xcntjdjlani) ; er Ijnt aber feiner bajn bei- getragen, bic (iterarii"rf)e ^Jlnfmerffamfeit aucf) anf bic übrige ®i(f)tung 3(merifnG ju lenfen unb unö bie nmcrifanifcf)c 2anbj(f)aft picl oertranter ju machen alö etroa bie franjöfif^c ober engUfd)c. ^cx ^uDfon mit [einen 35>afferfäIIen, ber Cntariojec, ^öqü^ fton mit feinem Cuell, am bcm Unfaö fcfiopfte, nnb bic ©benen roeftlicf) beö 3}iiffiffippi "Oa^ finb für unö 3(nfrf)nunngcn, nfdit nnr gcogrcipbif<^e :öegriffe.

SBeniger i)at ßooper burd) feine Secroninne, uon bencn „2)er rote Freibeuter" ber belicbtefte geu1or^cn ift, unb ^urc^ nnberc i^'ricgögejd^id^ten, mie ben 9Baf()ingtün; 3Roman ,,^er Spion", auf bie beutfd;e Literatur feit @oetf)eä Xobe cingemirft, fo fel)r aud; bicfc @rjäl;hingen bic g^reubc namentlich ber ^ugenb geblieben finb. Unb ni(^t (tma erft in ber jroeiten 3af)rbunbertf)ä[fte i)üi fid) Sooper burc^gefc^t. ^n ©oet^eö 2:obe§jaI;rc fügte Samuel %. 58. 3Jcorfe, ber (Srfinber beö cleftrifc^en Telegraphen: „^n jeber üon mir befud;tcu Stabt tS'uropoö liegen bic SBcrfe Gooperö auffällig in ben ^enftern jeber Sudjijanblung. Sie merben in 34 oerfc^iebenen Crten ßuropaö ebenfobalb oeröffentlidfit, alö er fie probu^iert. Sic mürben oon amcrifanifd)eu 9kifen: ben in ben ©pracficn ber 5:ürfei unb ^crfienö gcfcfien, in 3tgt)pten, in ^erufalem, in ^öpa^an." 3IUcin fc^on bie 2luffinbung uon brei fo überauö frui^tbaren Stoffgebieten: De'ö ^nbianer:, See= unb amcrtfanifd;cn 9fieüoIutionäromanö mad;t ßooperö Ükmen nnftcrblic^ unb leitete and; für bie bentfc^e Literatur feit ©octfieö xobc einen menn; gfeicf) feiner ^atur nad; begrenzten neuen 3lbfc^nitt ein.

@oetI)eö Xobeöjaljr bebeutet aber in nocf) anbercr ^ejicfiung für bie 2Bcd)fe[= mirfungcn ber beutfi^en unb amcrifanifd;cn Literatur einen 5Rarfftein, benn gcrabc 1832 beenbetc ^{)ilip ^renau, ber Xi&ikx ber amerifanifc^eu ^^eoolution, feine X!auf= bai)n, Deröffcntlid)tc SBiüiam ßuüen 33rt)ant feinen umfangreid)ften ©ebicf)tbanb unb fd)rieb Samuel ?^ran(;-oiö Smitl) bic 5iationalbi)mne ., America", "taä mar baö 6nbe einer brühigen Gpodie 3(merifaö unb ber 3(nfüng einer neuen, bie burd^ bie 5{amen ^^oe, ^s^iftler, i^ongfeüom, ©merfon, §olmeö, Sometl, 3)Jar! Tmain nnb Sret sparte beleuctjtet mirb. ^n ^entfcfjlanb l)abcn uon bicfen nnr '13oc, SongfcUom, Gmer^ fon, 3)iart 2:main unb $8ret öarte größeren ©influp ancgeübt. I^iefer einflu| freilid) mar oor ©oet{)eö ^obcöjabv nid)t nur nic^t norfjanben, fonbern rein unbenfbar, unb barum muffen mir ibn foglcic^ J)ier baö ^^al^rf^nnbert binburd) rerfolgen.

©bgar Milan '^oc (1809—1849) ift ber Segrünbcr ber amerifaniid)cn furzen Grjäljlung, ber sbort stoi-y, bie ficf) and) baö bcutfc^e, unbeutfd) genug genannte „f^euinetou" ber Tageöpreffe erobert t)at. Xen gröf^teu Ginbrucf mit bcm fleinften 2(ufmanb uon iUiittcln f)erüürjubringen, mar ^oe§/ ift ber short story ^>auptabfid)t; fic ift, mie man jugeben mirb, fcl)r prattifd) unb barum ed)t amerifanifd). ^Dic short Story bringt ein fleineö realiftifcfjeö SebeuöbilD. (Sin einzelner, an fic^ incacicf)t un-- bcbeutenber, aber cfjarafteriftiicber ober ti}pifd)er lUufall mirb befd)rieben. ^ür bicfe 'Bcfc{)reibung mirb nur eines oorauögefe&t: Stimmung. Gg fommt nic^t auf ben 5!Bert ber S<icf)c ober ber ?^OTm an, fonbern auf bic Totalität ber a5?Mrfung. iUcifter bcv Short storv finb Tiufecr ^oe, ber graufigc, unglaublid)c, überipanntc Gffcfte liebt,

364 Über @ec.

Stüing, ^awii)oxm unö Sret .^orte. 3lber nur ber leitete i)at in Xeutfrfjlanb B6)nk gemacht.

§ranciö^ret^arte (1839 1902), oon greiügrat^ Ui un§ eingefüfjrt, 9ef)ört ^u ben am meifteii üerbeutfd^ten unb in ©eutfd^Ianb gelcfencn ^i^tern bc§luS= lanbeö. ©eine short story {)at ärcei befonbere j^enngeic^en: ben falifornifc^en hinter; grunb unb ben ©bclfinn im ^ßerbrec^erÜeibe ober minbeftenS im Stra^enftoube. pDen ©ofbgräber, Spieler, d^incfi[c^en Strbeiter, bie ^olbmclt, ba§ Seftenraefen ^alifornienö f)at er mit 9Jiei[terj'd£)aft gefc^ilbert, unb in ber ^roia^Siomanje „^m SBalbe oon 6ar= quinc^" eri)ebt er ficf) burd^ gefieimniäüoDe $8ejeelung ber SanbfcEjaft ju bidE)terifc^er ^ül)e.

3turf) Tlaxt STmoin (1835—1910), ber eigentlich «Samuel fiang^ore ©lemeng f)ei^t benn ber 9^ame „9}iar! 3::main" == „marfiere ^mei" beutet auf feine Sotfenjeit jurücf , ift ein SSertreter ber short story. Seine literarifcl)e £aufbal)n begann erft ein SUenfc^enalter naö) (Soctljeö ^obe, gehört aber in bie ®ntii)ic!tung hinein, bie im neunäebnten ^oljrljunbert in ben Sejieljungen äraij'd)en '^eutf^lanb unb 2lmerifa be= gann. ©er trodfene Junior '¥tavi ^^mainö gob ber short story mä) x^xt be= fonbere 9Jiarfe.

3ln 2llter unb Sebcutung il)m rocit überlegen ift § e n r t) 2B a b § ro o r t ^ ßongfellom (1807—1882), ber eigentliche illaffifer ^Jorbamerifag, ber Itjrifc^ mic epif(^ aud^ in ®eutfcE)lanb ju l)ol)en ©l^ren gefommen ift. Seine rül)renbe ®ef(^i(f)te in ^epametern „©üangeline", in ber bie Sraut ben üerlorenen Bräutigam il)r ganjeS £eben ^inburdf) fuc^t unb enblic^ im Stlter raieberfinbet, fein Snbianerepo,§ in ^rod^äen „§ia= matbo", beffen "gelb glücflic^ fein „lac^enbeö SBaffer" ^linne^a^a lieimfü^rt, fein 3fio= mon „^pperion", ber beutfcfieö Stubentenleben unb beutfcfie ^oefie rerfierrlic^t, unb bie „©olbcne Segenbe", bie an .^artmann oon 3lueö „3lrmen ^einric^"' erinnert, l)aben firf) neben manchem feiner ©ebic^te in ©eutf^lanb gerabeju ^eimatöred^te erroorben. blieben ben (Benannten fommen fo bebeutenbc 3)id^tcr roie ^roing(1783 1859) ober 2Bl)itman (1819 1892), oon benen namentlicl) ber lefetere faft rein amerüa^ m\d) in aEen feinen 2luön)irfungen geblieben ift, für ben beutfd^en 2efer unb ^id^ter oiet loeniger in ?^rage, unb felbft fo befannte ®ffat)iften mie ^alp^ SBalbo Smerfon '(1803 1882) ^aben bodf) nur einen engeren ^rei§ oon SSere^rern gefunben. 1)ie feid^te ©ebanfenmelt Wmerifaö al§, fold^e, bie faft auäfc^lie^lic^ ju frömmeln ober ju moralifieren oermag, \)ai fid^, wenn nid^t bie poetifd^e ©infleibung mit ber tppifd^ amerifanifd^en Sanbfd^aft l)in3utrat, europäifd^er 3lufmerffamfeit nid^t roürbig gegeigt.

©cblieben finb al§ literarifdtje SBerfe nur ber gemaltigc Umri^ ber Sinien unb bie ©igenart ber Stoffgebiete, bie fi^ aus ber !Ueul)eit unb ©rö^e 3Imerifa§ oon felbft ergeben. 3"^ erftenmal taten fid^ oor bem bentfi^en 3)idE)ter röumlicl) rate feelifrf) unbegrenzte 3)iöglicf)feiten auf. Sßeld^e ^üUe oon Problemen fc^uf allein bie 9f?affen= frage, bie ber Sfioman „Dnfel ^om§ ^ütte" ber ^erriet Seeclier^Storoe 1852 neu be= lebte, unb ber fid^ felbft beutfd^e ^eimatbicE)ter mie ^beobor Storm in feiner 3f?0DeUe „3Son ^enfeitö bcs Tlmtö" nic^t entgogcn.

tiefes ungel)eure £anb mit feinen Prärien, Urroälbern unb Sfliefenftrömen, in feiner inneren SSerberbtbeit unb ^altlofigfeit oon ^icfenö im „gjJartin ß;i)Uji3leiüit"

S^orlcS Searsfielb (tavl ^oftl). 365

]0 richtig abge3eirf)nct, gab ber fei)niüd;tig in bie unerme^licfic gerne fc^raeifcnben ^ban= tafic beg beutfrf)cn 2;ic^terö immer roieber neue ^Rafirung. ®5 mar narf) £Inf[it unb 3?omontit ein ooEftänbiger 5luli[fenmed)iel. Stnftalt ber Spl)igenien begann nun eine farbenbunte ©efeüfc^aft burcf) einen 3:eil ber beutfd^en Literatur ju roanbeln. 3(ud; ber ernftere ©eift fonntc fid; bem neuen, weiten «Qorijont nid;t ganj üerjc^liepen, benn I)in unb l^er ftrömte abenteuerluftig ober erroerbsbegierig über ben Dgean. <3ie olle, bie ßfiften^Iofen, bie naditg in ben großen ^arf§ ber SJiiUionenftöbte 2lmerifaä I)crum: lungerten, roie bie t)aftenbcn SIrbeiter ober bie 3niIIiarböre in i{)ren ^aläften ber fünften 3iücnue, raurben ein Seftanbteil ber beutfc^en Literatur, an Den gu @oetf)e§ 3^it nod) niemanb gebadet I)atte.

^ier galt einjufe^en. 9Hd;t bie politifc^e 9f|euorbnung fennjeid^net ben neuen 3lbfci^nitt ber beutfd)en Sichtung, unb nidit literarifd^e Überlieferungen leiten bie 3eit nad^ @oetI)eg 2::obe ein. 3Iuf bem freien ©cbiet ber £nnft bürfen mir meber preu^ifdie nod) fgftematifd^e ©ebonfen einer ©ntrcidlung jugrunbe legen, bie nur oon ben roeiteften ©efid)t§pnn!ten anö ganj erfannt raerben fann. ©oetlje fclbft bätte mic alle unfere Äfaffifer fic^ f^fipig umgefd^aut, um feinen Segriff oon ber SBeltliteratur unb i^ren Segiefiungen pm Seben ber Stationen §u bereid)ern.

Unb menn unö and) fd)cint, alö fei bog burd; 3tmerifa gegebene literarifdje 9leulanb nur baju ta, \iä) oon Suropa befruchten unb oerebeln ju laffen, alä fei bie Trapper;, ^äger= unb ^^armerlitcratur im ©runbe feine Literatur niel^r, fo mag es hoä) bem beutfd)en ©eift nid^t gcfdE)abet I)aben, an fold^cr Cberfläc^Iid^feit feine eigene S^iefe 5U meffen. Unb of)ne .S^iu&fr ift fie nid^t, bie ^oefie, bie, oon ber SScIIe öcö Djeanä oon Sanb gu Sanb getragen, in ben 2Serfen beutfd)er ^iö)tev roie in ben j^elfen- ftürmen ber Kocky mountains lebt.

2. (Si^axic^ eeatäficli» (Slaxi Wti)^

31m 3. 2l?ärj 1793 rourbc ^taxi ^oftl, ber fic^ alö Sc^riftfteHer GljarleS Scnlö-- fielb nannte, ber iBegrünber beö etf)nograpt)ifdien, ej:otifd)en ^ulturronianö in 2)eutfd)= lanb, alö ©of)n be§ ©emeinbei)orftet)erS in bem ^orfe ^^]oppi§ bei ^naxm in 3)iä()ren geboren. ®em geiftlidien ©tanbe entzog er fid) burd) bie ^hi6)t nod; 9lmerifa. :,^m ^erbft 1823 fanrcr in Df^ero Drlcanö an. Sein erfteö SBerf über bie !i>ercinigten Staaten erfc^ien 1827 im ßottafc^en 33crlage. ©in 3at)r barauf noUcnbcte er ben SRoman, ber feinen 9^u{)ni begrünbete unb unter brei Titeln befannt gemorben ift: „ßanonbaF)", „Xofea^" unb „^er ficgitime unb bie 3fiepublifaner". Urfprünglid) er-- ld;ien er in englifd^er SpracE)e unter bem Xitel „Tokeuh or the white Rose an Indian Tale".

Wan fann nic^t jagen, ha^ biefeö Sffierf fünftierifc^cn :}(nfprüd)en an(b nur entfernt genüge. 9(ber alö in bcutfd)er Spradje ein ^ül)r na^ ©oettjeö Xobe berauö^ fam, bilbete eine grope Überrafd)ung: ber 3un '"^ Unbcgrcnjte, nodj nie ÖJefd)aute, baß e?otifc^c be§ 3nt)aaö, bie Jreilieit beö ^enfeuö, bie lüilbc 9Bud)crung ber {formen roaren unerl)örte 3fJeuI)eiten.

Sc^on ber 3Infang, ber uno beute in aBiIbniefter3a()Iungen fo geläufig ift, mar

366 Über ©ee.

büuials norf) ein Stücf oenjotion. 2Bir raerben ba in ein rou{)e§ SIoc!f)auö gefüf)vt ha^ unter einem ^^^clfcnuorf^irung an ber ©tro^e uon Soofa narf) 3JUIlebgeüiEe in ©eorgien liegt. „®ö iimr", I)ci^t es nun, „eine ftürmijcEie ©ejembernndit, ber SBinb fjeulte furd^tbor burc^ ben fduunrgen ^5irf)tcnraQlb, nn beffen 3(b!)Qnge bie .^ütte gelegen mar, unb haä fcEmeH oufeinanber folgcube ^rac^en ber 33auniftämme, bie ber Sturm mit bonneräljnlic^cm ©etöfe pr ©rbe brod)te, oerfünbete einen jener roütenben Drfonc, bie )o t;äufig §iüifd^en ben Shite 9)^ountQinö üon 2:enncffee unb bem flarfjen 5rtijfiffi;ipi= laxibe if)ren ^iia, nefimen unb auf biefem SBälber, glitten unb 3)örfer mit ficf) füljren. iD^ittcn in biefem tobenben Sturme üe| firf) ein teifeS Wappen an bem ?^enfterlaben

ber .^ütte Dernef;men " ^ie Stimmung unb Spannung, bie ber ®rgä{)Ier

fci^nffen mollte, finb ba. ^nbianer bringen ein S!inb, bie „mei^e 3fiofe", bie fpäter roof)I il}r ©lud finbet, aber boc^ nid)t bie eigentlid)e .gelbin bes 9iomQn§ ift; bas ift oieI= mef)r ©anonbab, bie lieblic^ ernfte unb tatfräftige SToc^ter beö alten ^nbianerf)äuptling5 %oha^, Don bem ber SSerfaffer fagt, er mürbe in einer äiDiIifierten Spf)äre ein ^etb unb 9Bof)Itäter üon Xaufenben, ron 9J?iEionen gemorben fein. Slls Ganonbal) in bor .^odijeitönac^t pon ben S^ugeln getroffen mirb, bie if)rem geliebten @I So! galten, ba meiert ber gute ©enius oon if)rem 58olfe. So ijabcn mir benn auc^ f)ier ein tragif^cö Sieb Dor unö üon htm großen Sterben ber inbianiftfien Station.

^er ämeite %ül biefeg Siomans becft bie gong'e tunfttofigfeit unb bamtt bie Sc^rcäc^e ber ^orm auf. ®arin lag ja aber äugleid) etmaö burc^auä 9^eueö. 3llle§ Silbungsgut, baö ^al)rtaufenbe ber 9Jicnf(^l)eit befd;afft l)attcn, fehlen in ber Urfprüng= lic^feit unb ©igantif ber amerifanifc^en 91atur §u oerfd^minben mie Schaum im Ogean.

5ßon ben fpäteten SBerfen Sealgfielbe finb bie bebeutenbften bie 9tomane „S)er SSiret) unb bie Iriftofraten ober gjJepifo im ^a^r 1812", „gjforton" mo bie 9JJac^t beö ©elbeö gefcl)ilbert mirb, unb ba§ „^ajütenbud)", eine 3f?af)menerää^lung, bie 1841 cr)d)ien unb baö größte 3Iuffcf)en erregte.

-Oier geigte fi^ bie ungefud)tc 3)arfteEunggart Sealöfietbö uon il)rer beftcn Seite^ ^ie einfacl)e grage bei einem ^errenabenb : „SBie famt iljr nac^ STeyaö, Oberft?''' erfdjtieBt uns eine 9retl)e pradjtooUer 33ilber, beren fdjönftec bie „^rärie am ^acinto" geblieben ift. 3)er ©egenfa^ gmifc^en beren reiclier S^ön^eit unb bem Unglüdliclien, ber afinungöloö auf \i)x im jlreife l)erumreitet, ol)ne ben ^luögang auö biefem buftenbcn 581umenlabr)rintl) gu finben, üerrät bie ^anb eine§ epifd^en 3Ji'eifter§. <pören mir olö ^robe bie Sc^ilberung einer Qacintomimofe: „a3or mir ber enblofc SBiefen^ unb Slumenteppid) mit feinen 3Jlt)riaben oon ^rärierofen, ^uberofen unb gjJimofen, öiofer fo licblirf), finnig garten ^f lange, bie, fomie t{)r in it)re 9]öl)e !ommt, mit il)ren Stengeln unb blättern fid) aufrid)tet, eud^ gleid)fam anfd^aut unb bann gurüdfc^ridt, fo fid)tbar gurüdfdiridt, ba^ il)r ftaunenb anl)altet unb fc^out, gerabe alö ob il)r er= martct, fie mürbe eud) f lagen-, biefe feltfame ^f lau je! ®l)e bie in^c meines 3]tuftangä ober feine %ü^z fie berührten, fdiraf fie fc^on gurüd: in ber ©ntfernung üon fünf wd)ritten fal) id) fie f(^on aufluden, mid) gleic^fam fd)eu, Derf(^ämt, oormurfcioott anbliden unb bann gufammenfc^reden. S)er Sto^ nämlid^, ben ber ^ferbe^ ober 3JJenfc^entritt oerurfac^t, mirb ber ^flanje bur^ ibre langen, ^orijontal liegenben

Jnebricf) ßjevftöcfer. 367

SBurjeln mitgeteilt, Die, erfc^üttert, ciiic^ Stengel imD 'ölötter juden machen, ßiu unrflirf) fciti'anteö 3"f^"""^n3"<^<^n S(^redcn! ®rft wenn if)r eine otrede geritten, erfiebt fie firf) roieber, aber jitternb unb bebenb nnb gong lüie eine ^olbe ^ungftan, bie burd; eine roI;e ^anb betnftet, and) beftürjt unb ertötenb bos Höpfc^en, Die 2(rmc finfen Iä|t, fie erft, roenn ber 3?o{;e gegangen, inicber er{)ebt." ::)Iu^ bie ©eftalten, bie ©ealöfielb ^ier oorfü^rt, inaren treu nad) ber 9ktur jenfeitä beö DgeanS geseic^net unb festen bnrc^ \i)xc Driginalität, bie tüilbe Mraft il^reö SBeiens, Die beut|'d)e Scfer; roelt in (i;r|"taunen, befonberö Sob unb ber tcyanii'c^e 3iic^ter.

■sDer ®id)ter I;Qt nid)t nur Sdnerifn bereift, ^n ©nglanb traf er mit SBaltfter ©cott jiufammen, ber i^m ben '3tat gab, fid) nid)t um bie literarifc^e itritif p fümmern, menn er Die 5!raft jum Straffen in fid; füi)(e. ^n ^ariö Derfe^rte er mit ßubiuig Sörne, ben er roegen feiner Sobrcbe auf ^ean ^aul befonberö I)üc^id)ö§te. dagegen roid) er .^eine ale einem 3}Janne uon fittlic^ „uerborbenem ©erüiffen" aus.

Seit 1832 (ebte er in ber Sc^meij, wo er mit üielen befannten ^erfönlidifciten, j. 33. ber 5lönigin ^ortenfc unb bcm ^ringen Souis, bem fpäteren 3flapoleou 111., Unu gang f)atte. ^n SoIotI;urn taufte er fid) ein '5aucrnt)auö, haö er baö „^au§ unter Den Xannen" nannte, meil es uon Den Tannenbäumen beö naf)en SBeipenfteiubcrgcö, dou beffen ©ipfct fid^ ein prad)tuoner S^Iid auf bie Sllpen eröffnet, bef^attct murbc. ©ö lag eine S^iertelftunbe oon ber ©tabt entfernt. §ier lebte er nun roie ein (Siinfiebler. 3m Filter roUenbete er nod) brei 9iomane: „Sin 9Jiann aus bem 58o(fc" (feine eigene Sebenögefd)id)te), „Dft unb SBeft" (bie ^^ortfe^ung uon „®eutfd^=amerifaniid)e )Sid)U neriüanbtf(^aften'') unb „9)Jemoiren aus älrenenberg". Sr uerbrannte aber alle Diefe unb feine anberen uuiieroffentlidjteu 93Januffripte por feinem ^obc, meil er meinte, feine 33erlcgcr Ijätten iljn nid;t genug ermutigt, unb mcil er füri^tete, anbere .^erau^.^ geber mürben ben Sinn entfteKen.

^n feinen legten beibcn Sebenöjafjren feffelte ii)n ein Unterleiböleibcn an Das ^Quö. l^tu^erbem broI;te iijm iiöUige ßrblinbung, fo ba| er fid) genötigt ]a\), fein ^anö bunfel gu Ijalten, um bie 3higen ju fd)oneu. So fam er bei mani^em 3)örfler in ben S^uf, ein SJiann mit bem böfen 33(id, minbeftenö aber ein 9)len[d;enfeinb p fein, ßt ftarb am 26. mai 1864.

©rft nac^ feinem 2:übe infolge ber 5ßeröffcntlid)nug jeineö ^Teftamentö lid;tete fid) hü^ @el)eimniö feiner ©eburt: man crfuf)r, bü^ SealSfielb eigentlid) ^^oftl ^ie^, ba er fein ^ßermögen feinen mirflic^en 33ern)anDtcu l;interlie^, bie nur mußten, bafe er 1823 oon ^rag geflol>cn raor, aber nie roieber etmaö uon il)m gef)ört f)atten. ^efct: tüiEig l)atte er auc^ angeorbnet, bap auf feinen ©rabftein bie ^"itiale 6. '^. mit feinem ©eburtöbatum gefegt merbe.

Sealöfielb:^oftl mar in Deutfc^er Sprad;e literarifi^ ber erfte Pionier ber neuen SBelt.

3. ^ricDvlf^ (VJcvftrirfcr.

©uropamübe mie ^oftl mar and) fein bebeutenbfter 9iad)fotger {5riebric^ (Serftäder (1816—1872).

Sin Hamburg als So^n eines berühmten Sfibnenföngerö geboren, ben er im

368 über See.

Filter Don 9 ^jal^rcn bitrd) ben 2:ob uerlor, rourbe er in Sraunjcfityeig im ^Qufc feines D^eimö Bä)ü^, Sd^nufpielerö am ©tabtt^eoter, erjogen unb foHte fid^ bann in Gaffel aH Kaufmann, fpäter ju ©oben bei ©rimma alg Sonbroirt ouöbilben. 9{bcr er roarf biefcn ^f'^ong üon fid^ unb fc^iffte ficf) 1837 nac^ yicro 3)orf ein. ^iefe erfte 9f?eiie auf einem ©egier, ber oon 33remerl)aüen abfuf)r, unb ben burd^ fie eröffneten erften 2(ufcnt§art in hcn ^bereinigten ©taaten, ber 6 ^aljxe bauerte, f)at er in feinen „Streif- unb ^^Öi^Sügen" gefc^ilbert: l^armloö, mit lei^ter g-eber, oi)ne Stnfprüd^e auf fünft; lerifd^cö ©elien unb 5^önnen. Bo ift oudf) in feinen gatjIreicEien fpäteren ©dfiriften geblieben, ^n f)öt)erem Sinne gefiört er gar nic^t jur Siteratur. Stber fein 3luf= treten ift tppifrf) unb d^arafteriftifdf), unb fo unüerroüftlic^ ift bie 2eben§fraft biefeä befd^eibenen, aber ruFielofen ©eiftcö, ba^ feine Schriften no6) t)eute nac^ faft J)unbcrt l^a^ren ii;re B^rifc^e unb i^ren Seferfreiä bet)alten f)aben.

5113 ^önbler, j^armer, $jäger, feiger unb üieleä anbere roanberte er raftloö umfier, bis feine SJcutter, eine Sängerin, 9Iu§§üge anQ feinem über See gefanbten 'XüQehni} in ben „S^ofen" ceröff entließen lie^ unb i^m baburd; eine neue ©yiftenj ermögIicE)te. ©r gab nun gunäc^ft eine fünfbänbige „Steife um bie SBelt", bann ein breibönbigeä SBerf „Std^täei)n 2)tonate in Sübamerifa" fierauö. 2(ber nidEit biefc Sanb= fd^aftö; unb ^utturbilber macEiten if)n oolfätümlic^, fonbern feine Sftomane unb SioüeUen, benen er feine ©riebniffe frei gugrunbe legte. 1846 erfrfiienen feine „9f?eguIatoren in Strfanfag", 1848 feine „glu^piraten beä 2Jliffiffippi". (Sin bunteö, milbeö Seben entroEte fic^ f)ier, baö cor attem bie Suö^"^ (odte. Sie finb ja nic^t recf)t gefeUfc^aftös unb literaturfä^ig, biefe tro^igcn unb ffud^cnben SSerbred;ergeftaIten üon SBilbiyeft, aber fie brachten 9tacf)rid)t üon einer neuen SBelt, bereu StnfdiauungSfreife gerabe burc^ ifire Änltur: unb £iteraturIofigfeit in ©rftaunen festen unb minbeftenS bie ^I)antafic ber ^eronmac^fenben Knaben nac^l^altig bereicherten.

Qu ben 3al)ren 1849—1852 fül)rtcn raeitere Dkifen (Serftäcler tnx^ Süb= amerifa, Kalifornien, bie Sanbmi^§= unb ©efeEf^aftöinfeln, 3(uftralien unb ^aco. 2Iuf einer brüten 9?eifc 1860 berüf)rte er bie beutfc^en Stnfieblungen in Sübamerifa. 1862 begleitete er ben .^erjog oon Sad^fen = Coburg - ®oti)a m6) Stgijpten unb 3Ibeffinien.

ift ta^ 6rfreuli(f)e an biefem SBeitroanberer, ha^ er im (Segenfa^ ju fo Dielen fpäteren „©lobetrotters" in feiner ©efinnung unb feinem Stuftreten ftetö beutfc^ geblieben ift unb feinen nationalen Stanbpunft unb vftotä auc^ in ber j^rembe roie in ber treffe, befonberä ber „Kölnifdien Leitung", immer roieber betont unb gur ©eltung gebracf)t t)at. ®aö bürfen mir iE)m feinenfaEs üergeffcn, aud^ raenn mir feine obers f[äcf)IicE)en ©cfd^idjten felbft nicE)t ober nid)t mel^r lefcn mögen. (Smpfinblic^ roirb bie 2eid)tigteit, ja Seicf)tt)eit ber 2)arfteEung namentlich in feinen ^umoreöfcn, faEä ibnen bie fremblänbifc^e ?^ärbung fef)It. ^ann wirb auc^ bem Urteii^Iofen balb tiar, ba| ©erftacfer nur ein ^tauberer, fein ernftt)after ^arfteEer ift. ^ft boc^ fogar um bie elementaren ©runblagen feines Stilö t)örf)ft m\^V\6) befteEt.

2Iuf feiner eierten unb legten Sfleife befuc^te er (1867—68) roieberum 5Rorb= amerifa, fobann 3)ierifo, Scuabor, SSeneauela unb SBeftinbicn. ^n SBraunfc^roelg ijit

Sie iHcifelitecatur in ber ^toeiten .^"»älfte öe<> 19. ;5al)r^"nöert». 369

er am 31. 3Kai 1872 im ^3tltcr üon 56 3af)ren gcftorben. 51uf Dem borti^en ^iJJagni-- fird)F)of unmeit Seffing liegt er begraben.

SBoUen mir eine 3luömQt)[ unter feinen 5(^riftcn treffen, \o merDen mir auper ben i'c^on genannten i)icllcirf)t no^ bie folgenben anfrieren; von bcn {(einercn ^cr^ ftreuten (SboeOen): ,,33crt;ängniffc", „2)ic ?^luc^t über bie «RorDiUercn'', „Xei 2Btlb-- bieb" SSorlage für S^ic^arb '^o^' llragöbie „Sc^ulDig" , „^ie 3Koberatorcn", ,;35cr 3Sier3ct)nte", ,,®er ^oüjeiagent", „(Sine 3)icöaüiancc", „^n ben ^ampos", „©a§ SBrad", „®er 95?olbnienic^" unb „^n ben '3Jianglaren"; non ben größeren (^Romanen): „3'" 'Sufc^", „Sie 33laucn unb bie ©elbcn" unb smeibänbig „^ ■üJiepifo". 2)iefer jule^t genannte (liftoriicöe !?Roman bebanbeit baö unglüdiicöe 5(fridfal beö Äaiferö 3JiafimiIian.

©crftädere Scbviften gctiören iieute fauui nod) in :öibIioti)eten, öic man ernft nehmen möi^te. Ütber in ihrer Sraüi)cit, 'öuntfarbigfeit unb öeiterfeit bleiben fic ein ■Dentmal an^ einer ^cxt, 'Qa bie frif(^c Ojeanbrife jum erftenmal über Europa 50g. ^\)x geringer literorijc^er SBert ift aufgegangen in ber großartigen ©ntroidlung Des 23crtel)rö, ber uns bie Sänber über See üon immer neuen Seiten crfc^lo|. ^^bod) roenige l)abcn es öcrmüd;t, unö mit foüiel 3(nteil an ben 2anbfct)aften unb bem fieben jenfeitö ber Djeane ju erfüllen roie biejcr f^lic^te (Seift, ^n ber erftcn ^'J^i^^u"^^^*^ ^älfte bilbcte bie ^raft, bie (Serftöder in bie 2Belt, unb bie feine ^^cber über ba3 Rapier fül)rte, eine 3)iad^t auc^ auf literarifd)em (Gebiet, ^enn nic^t bie ^tunft-, ©ebanten= unb ®efül)löroerte üUein entfd^eiben über bie literarifc^c (Sntroidlung eineö SSolteö, fonöern aud) bie äußere i'lnfd)auung, mit ber baö ^inb aufroäcbft unb ins geiftigc Sebeu tritt.

4. tic ^cijditcratuv in öcv siueite« Hälfte Öcs IJK ^a^r^uulJcrt«.

9iod) beni 'ilnfang bes neunjeljnten ^a^rl)unbertö get)ört in feiner ^ugenD Otto ^JiujJ^jiu«« (1819—1864) an, ber mie (Serftäder einer ber erften literarifc^en ^ionicre 'Dcutfc^lanbg in ^Imerita mar. 'Diefe ^atfad^e ift roic^tiger aH feine Schriften finb, unter bcnen bie 3ioniane „^er 'ipcblar" unb „^as ^crniöd)tniö bes "i^leblarS" Ijeroorrogen. ^er ^^eblar ift ein jübifc^er .'^ufiercr, bem bie .^auptperfonen bei Siomane i^r @lüd nerbanten. 'Diefee ©lud ift flac^ unb bamit cd)t ameritanifc^. ßä beginnt auf einer S3anf im ^art oox ber 3^em 3)or!er (5itr)=.<0aU unD enbet im 2;^caterfaal berfefben Stabt, pfrj^ologifd) im Umfreife uan Slotetterie unD oberflö^ liebem SebeuiSgenuß. iDtenfdjlic^ näl)cr tritt unö feine biefcr (Scftalten. ^iod» geringer ift ber 2Bert ber !teincren (Jrjäl)lungen. Xppifd) aber unb d)<iratteriftifd) ift raicber ta^ Seben biefee, ju feiner 3^'^ pielgclefcncn Sc^riftfteüero. 3" @laud)au in Sac^fen geboren, rourbe er juerft Kaufmann, bann Sf?cgimentöfd)reiber, l)ierauf 'öuc^^änbler in fiangenfalja unb fd)lieplid) ^oltöfd)riftfteUer in Berlin. 3lls er 1848 für einen 'iirtifel über bie 5luflöfung ber preupijdben 'Jiationalüerfammlung 9 ^}Jionate Jeftung crl)ielt, ging er nad) iMmerita, roo er juerft alö ^ufiflel)rer, bann als iHebattcur an ber „'^m Dörfer Staatsjeitung" fein Srot ücrbicnte. 1859 grünbetc er in St 2oui6 bie

De^lff , S5ie bcutfc^c Citeratur feit »oetöeS lobe u\m. 24

370 Über 3«.

^2Beftlict;en Sldttcr". SDie in "iPreulcn 1861 erlaffene Slmneftie etioubte itjm öle 'MdU^x in bic J^eimat, roo er in ber ^^olge an ber „©ortenlaube" mitatbcitet« unb in Serlin baö ^Sonntaggblatt" inö Seben rief. 9iuppiu6 ift ber erfte, ber ta^i 2)eutfci^= tum in Slmerito oon möglic^ft oielen ©eiten ju erfoffen fachte, .^ierin jictfid^eret alä (Serftädfer, ftanb er biejem boc^ an SBeltfinn unb ?^rifc^e raeit naö).

jünger aU 9luppii\0 ift Solbuin 9)?öfll^on|cn (1825—1905), ben roir faft au9= fc^Iie^Iid^ alö ©c^riftfteHer ber reiferen ^ugcnb onfprerfien muffen. @r würbe in Sonn geboren, f^lo| fid^ 1850 einer ©ppebdtion bes ^ergogö ^quI oon SBürttemberg in Die ^odx) SKountaing, 1853 ber beg ßeutnontä 3Bf)ippIe, 1858/59 ber beö Seutnontö ^peö an, jog 1860 naä) ^otöbani unb 1868 naö) Berlin, wo er mit bem ^rinjen %xiehvx6) Äarl oerfel^rte unb im 2llter oon 80 Satiren ftorb. ^on feinen je^t in 30 33änben rörtiegenben 9fieife= unb 3tbenteuerromaneu, bcren 3:on unb (Beljalt ebler finb aU bei 9?uppiu§ unb ©erftdcfer, bie ober f)inter ben Schriften biefer beiben bur^ einen geroiffen 3JjQngeI an Urfprüngli^feit gurüdfte^cn, feien ^ier nur genannt „©et ^olbinbianer", „$Der ?^lürf)tling", „®er 3Jiojorbomo" unb „®cr ©pion".

@onj jur S;iefe l^erabgejogen lourbe ber überfeeif(^e $Reife: unö 2(benteuer= roman burc^ ben fatf)oIifc^en 2:enbenäfd)riftfteIIer ^arl SJioij (1842 1912), ber juerfl 5ßolfäfd^uItef)rer mar, bann ficf) nac^ mand^em gel)Itritt, ber if)n mit ben ®cfe|en in Äonflift brachte, auf S^ieifen begab, fein S^alent jum ^olportagefc^riftftctter entbedte unb nun me^r ale 40 Sänbe S^eiferomane nerfertigte. 33i0 jum 33eginn beö 2ßelt= friege§ roaren ungefähr eine 3)iinion 600 000 ^a\) = SBänbe oerfauft, banf ben raffi= nierten SJJitteln, mit benen ber SSerfaffer unreife ßefer ju fpannen unb ju feffeln roci^. ©ine fold^e ©rfd^einung Eann man, fo mert fie beffen roöre, nid^t mit ©tiDfc^roeigen übergef)en, benn fie ift bejcic^nenb für bie ungünftige Seite be§ überfeeifd^en ®in= f luffeS auf bie beutfc^e Literatur, jum minbeften auf bereu 2ef er : wirb bo^ bic llrteil0= fö^igfeit babur(^ gefcf)roörf)t. 2Bäre eS bei ben brei SBinnetou^Sänben unb ben erften fed^e SBüften: unb 33aIfongefrf)irf)ten geblieben, fo mürbe fidf) ein freunbtid^er Seiten^ büd auf bie 2eb^aftigfeit Ianbfcf)oftIid^er ©c^ilberung unb fittU^en 33emü^en6 tro^ aUer Unglaublid)feit, 9iot)eit unb ftiliftifc^er Unfät)ig!eit ermögüct)en laffen. SBaö bann aber folgte, mar jum größten S^eil entmeber S[Btebert)olung ber alten ?ORotipe (jum xeil fogar mörtlid) unter anbeten ^erfonennamen) ober abfto^enbe ^t)antaftif (be= fonberg in ben 33änben 25 big 33), bereu moraIifdE)=frömmeInber Unterton um fo greuürfier roirft. 9tn einem geroiffen ©rjdfilertalent bcö 3?crfaffeTg ift bagegcn gar nic^t JU jmeifeln, unb ba bei ^arl 3Jior) in allen ©rbteilen nac^ ^erjenShift gefiauen unb geftoc^en roirb, muffen feine ©efdEiic^ten ben richtigen beutfc^en ^[ungen ^öc^üc^fl befriebigen. Sefeitigen laffen fid^ folcfie 2(uöroücf)fe ber ÜberfeeUteratur nic^t fo mag man fie fic^ auörou^ern laffen, roenn fie, roie biefe, rcenigftcns in gefc^lec^tlic^er Sejieljung einroanbfrei finb, biö bann einmal ber gefunbe ©eift beö 3SoIfe§ über fie als eine literarifcfie Sonberbarfeit be§ erften ÜberfccjabrEjunbertS fiinmegf^reitet. ^ae ift fd)on oft gefrfie^en roer roü|te l^eute nodE) etroas üon ben binnentänbtft^en Slitter; unb 3fiöuberTomancn, bie um bie SBenbc beg ad^täet)nten unb neuuje^uten ^aijv: t)unbert6 alg fpötc ^acbroirfungen oon ®oetl)eö „(äöfe oon 3^rlirf)ingen" erfc^ienen unb

2)ie JRetfcliteratur in bcr ärocitcn ^ölfte be<^ 19. 3a^rN"i>crt^- ^71

lange 3<i()r5eljntc [)inburd) non einem begeiftcrtcn l^efcrtrciK iKtabeju ncrjc^lunt^cn tüutbcn?

®ic ©eiianiitcn finb bic f)Qitptfäc^nc^ften SSertrcter be§ 9teiferomanö, ber in ■Qberfee fpielt. Stber ar.d; bie einfädle 9i<:tfebei(^reibung roanbte [\6) f^on oor ©er: jiäcfer ben übcrfccifc^en ©ebieten ju, in oorbilblic^ roiffenfc^oftIicf)er ^^orm bei Stlcyanber üon §umboIbt, beffen ,,9?eiie in bie S^tquinoftialc^cgenben" (in ber @efeIIid)Qft be§ ^ranjofen Sonplanb 1799 1804 QuSgcfüf)rt) 1814 in franjöfifcfiei unb 1815 1829 in bentfc^er ©prad^c cr|rf)ien, uon bem SSerfaffer fflbft jeboc^ erft in ()of)em 3llter 1859 beutfd^ ^eranSgegeben,

^umbolbtä jroeibänbigeö SBerf ift ein el)rroürbigi'g ^enfmol auä ber bampf: unb fniturlofen ^dt bcö S^eifeng, nnöergänglid^ burd) luiffenfi^oftlid^en ScEiarfbiid unb eble ?^orm. 3SieIe 2Ränner bcr 3Biffenj'rf)Qft finb injroifi^en ^umbolbt gefolgt, feitbem bie 9iQturforfd^ung it)ren oorfier nirf)t gcaf^ntcn Stuffcfiraung genommen I;at unb Segionen oon Kämpfern aEe Djeane burcEiquert fioben. ift nidfit möglid^, oucf) nur einen ^eil ber 3Irbciten, bic au§ foli^cn j^orfd^ungörcifen ^eroorgingen, im Staljmen einer 2iteraturgcf(^ic^te gebii{)renb ju mürbigen. Somit au§ bcr äroeiten 3al^r^uubert= ^älftc bod^ cineg biefer ftreng roiffenfd^nftlic^en 3^eifcroerfe genannt raerbe, fei auf 31. SBaftinne rcertooUeä 33ud^ „®in ^aljv auf Steifen. Äreuäfal}rtcn jum Sammele be^uf auf tranSatlantifd^en ^clbern ber (St[;no[ogie" F)ingcroiefen, ba§ im ^al}xt 1878 erfd^ien.

ßaum ein '^a^x ift namentlich feit ber Segrünbung be§ übcrfeeifc^en ^anbels unb ber flotte in Scutfc^knb ucrgangen, o^ne SReifcbcfrfircibungcn aüer 3lrt auf bcn literarif^en SRarft ju roerfen. ®er ?^0Tfd)er, ber geuilletonift, ber ^enfionär, ber 3!)irf)ter unb ^Denfcr fie aEe füf)Iten luäl^rcnb ober nacf) bcö %aQ,e^ SJJü^cn nic^t nur baö SSebürfnig, über <See ju leiben unb ju genießen, fonbcrn au(^ ju fagcn, rooö fie litten unb genoffen. S)icfe 58cfenntniffe jeborf; gehören nid^t o(}ne roeitcrcs ^ur 2itcrntur, benn bie ^^orm aUcin fann bem nid)t fünftlerif^ aufgenommenen unb uermitteltcn ^nbalt Iiterarifrf)en SBert oerleifien. ®ie STatfad^en felbft ge^en, auc^ lucnn fie auf tiefgrünbigen ^orfd^ungen rul)en, in ber n)iffcnfrf)aftlic^en Gntmidlung ober, roenn fie rein jcid^nerifc^er Statur finb, in ber Unter{)altung beä %aqc^ auf.

S^agu traten bann in beutfd^cr llbcrfc^ung auölönbif^e ?^orfc^ungörcifcnbe roie ber ©nglänber Siüingftone, ber 2tmerifancr Stankt), ber Sbrrcegcr ?Janfcn unb ber Sd^rccbc ©oen ^cbin, ber fid^ burd^ fein mannl;aftcö ©intreten für bic bcutid)c Ba6)e im Sßeltfriege au^erbem nocf) bie ^cr^en ber i>eutfd;cn 2efer geraann,

V SSon ben beutfd^en j^orfc^ungercifenbcn ftanb litcrarifc^ am l;ö(^ftcn 9?irf)arb ^anbt, ber 1918 ein Dpfer beö SBeltfriegeS würbe, ßr roar nid;t nur ber ©ntbeder ber 9ii[qucIIc unb ber politifc^ erfolgreiche 9'^efibent beö oon il)m jucrft erforfd)tcn oft= afrifanifd)cn Sanbeö 9luanba, fonbcrn ragt al§ ©c^riftfteQer in feinem 3iciferoer! „ßaput ?lili", ha^ 1905 in jroeiter 31uflage crfdjicn, mcit über ben Surd)fc^nitt {)inauö. ^unftnoü unb geiftrcic^ malt ber SSerfaffer ha^ perfönlid)e Srlebniö äußerer roie innerer 3lrt, bie gelbe übe CftafritaS, bie gj?eIand)olie ber großen 8cen, bie <B6)önl)t\t ber afrifanifc^en 5Iad)t. ^ier eine furje ^robe: „Unb bie 3fläd)te mie benn oermöd^te

24*

372 über See.

iä}, bic 9Md)tc 311 icl)ilöcin unb i^re Sdjöul)eit, Die uid)t ooii bkfer 9BeIt ift, on ber jeöeö SBort jiim 33ciTat roirb, bie meine Seele lüie ein töftli^cö ®cl)eimniö empfanb, ba^ bie ©ottfjcit i(;r onDertrautc, SBenn über bem SBaffer ber 9lebel brnut, roenn ber 'üJionbj'd^ein auf 2&nlb nnb SBiefen riefelt, n)enn ©über von jebem ^^latt tropft, ju Silber aUeö ©eftein lüirb, racnn übernD ein filberner 3)unft luoEt unb löogt unb flutet bann beginnen bie ©eifter fic^ gu regen. ®ann ftel)c \6) atemlos I)inter einem 33aum unb fe^e, lüie fie 3^ebeln gleic^ auä allen 3:;iefen iljre burd)fid^tigen filbernen i'ciber erl)eben, lüie fie in nic^t cnbenwollenbem ^uQt feierlii^ über ben %Ivl^ jic^n, :cie fie im 3f?etgen fid^ bret)en, roie fie auäeinanber ftieben, roenn ber plumpe ^opf eines fd)naubenbcn 5ÜIpferbö a\iß ber %k'\c plö^Iic^ 3n)ifd;en it)nen emportau^t, mie fie in toEem ^IRut in bie SBipfcI ber 33äume ftettern unb üon oben fic^ roieber f)inunter:: ftür^cn, mie fie als fc^mimmenbe Sd;tangen um bie ^^^elöblöde [id) minben ober als fc^mere gcfangbfe ^ögel burd^ bie Süfte jieljen ober alg menfc^Udie llngel)euer mit langen scrfe^teu 9)läntelu burc^ bie 33öume fc^Ieic^cn, oft bi^t an mir Dorbei, bofe id; it;ren falten feuchten 2ltem an meiner ©tirn fpüre. Unb baö Slaufc^en beö 2Binbc§ im »Sd;iff begleitet bie ^eier mit eintönigen SSeifen."

5Die 9leifebefc^reibung ift in baä $Reic^ ber ©timmung getreten. Überfeeifc^e Stimmungebilber finb l;cute bie Siegel. Sßaä war benn, el)e ber Söeltfrieg auäbrad), «ine 9?eifc i\a6) 3lmerifa ober ^nbien! Sßeniger alö frül)er eine %a'i)xt oon 33erlin nac^ ßeipjig! 3Benn ©erl^art §Qiipt"^«J"i i" i'fr „3ttlantiö" eine Djeanfo^rt nac^ Slmerüa unb 3^id)arb 5ßo^ im „^eiligen .C>a^" eine anbcre nac^ ^nbien jum ®egcn= ftaub eines 9fiomane maci^ten, fo erfd)eint unö ha§> felbftrerftänblic^. .^aben fic^ bod^ auc^ ^eimatbid^ter roie ©uftati ?^renffen literarifd) nad) 9Ifrito in bie 5lolonien begeben.

'^ic SBclt ift jel)r tlein gemorben. 3n)ifd)en Sonnenauf^ unb -Untergang liegen feine Xröume mel)r. (Seit @oetf)eä 3:agen ift ber 1>eutfd)e über Sanb mie über See ju ^ufe unb mit ibm feine Siteratur.

(Sine SonberfteHung nimmt in ber Überfeeliteratur ber 3)i^ter=3"9enieur 5maj: egt^ (1836—1906) ein.

6r mürbe in bem fleinen mürttembergif^en Drte J{ir^l)eim geboren, ftubierte am Sd)öntl)aler Seminar ^f)ilologie, bann auf bem Stuttgarter gJolptec^nifum 9Jf?afc^ inen bau, arbeitete barauf praftif^ in ^eilbronn unb 33erg unb ging fc^üe^lic^ auf 9ieilcn, 1860 nad^ ^ari§, 1861 nac^ Stntmerpen unb Sonbon. ^n ber fleinen Grjälilung ,,5Der btinbe ^affagier", bie fein befanntefteö Sammelbuc^ ,,^inter ^flug unb Sc^raubftod" eröffnet, mei^ er ergö^lic^ feine entfd^eibenbe Überfal^rt oon 35elgien nad) Gnglanb ju fc^ilbern. 3]ac^ üielen uergeblic^en 35emü^ungen gelang i^m, in oer Courier id)en 3JJaf deinen fabrif ^u Seebä eine Stellung 3U finben. §ier roibmete er fic^ bcfonbers bem bainalö ganj neuen Problem beö ^Dampfpflugö, ben er in ber f^olge in ber l)olben SBelt einbürgerte. 3u btefem 3med fülirten ilin oon 1862 biö 1882 gro^c Steifen burc^ faft gang Europa fomie nad) atten anberen Erbteilen au^er StuftraUen.

2Säl^rcnb bicfcr 3cit luor er brci ^aljvc Umc^ (1863 66) (S()efiii9enieur beö ägpptijc^en ^ronfolqcrö ^olim ^ajd^a. öicrübev berid)tct er in feinem „SBaubcrbudi eiiieö ^w- genieurö" (1871 84), baö 1904 gefürj! 9lufnaF)mc fonb in feinen brei Sänben „^m Strom unferer B^it". 5ßorI)er crfd;ien bcr Sioman „l5er 5iampf um bie ©bcopö- pijramibe" (1902), nQ(^I;er „^er £d)neibev uon Ulm". 1882 licp er fidf) in ^Sonn a. 9if). nieber, um üon ^ier quo bic ©rünbunc^ tier „^eutfd^en !L^anbir)irtf(^üftögcfeII= fc^oft" uor^uberciten, bie er bann uon 1884 biö 1896 Teitete. 3""^ (ikf)cimen ^ofrot ernannt unb geabelt, oerbrod^te er bcn 9Reft feineö ){?cbcnö in Ulm, mo er im 3lltet Don 70 ^oi^i^cn ftorb.

3lud^ von ßrjt^ö Srf)riften tann man fageu, ha^i fie I)oI)en .tunftmert uid)t bc- fifeen, rocnngfeid^ fie nac^ ^tuffaffung unb Stil er^eblid) über ade genannten 3Sot= ganger au^cr .^anbt Ijinroegragcn. SBao ii\)ti) Don ben älteren '^^ionieren in Übcrfce trennt, baö ift in erfter Sinie "oaci moberne 2ebcn, baö in il)ni pulft. .^at bod) baö neunjeF)nte Jjöljrljunbcrt ben 58cruf beS ^ngenicurö crft gef(^affcn. (St)tf) aber rourbe ber ^Ingenieur, ber beutfd^e ^i'ec^nif unb ^at!raft, freitid^ noi^ mit englifd^en ^}JJafd)inen, über bie Däeanc trug, ber, bamit nid^t aufrieben, nad; bcr i^eimfelir in bie bcutfcbe ^eimat fein SBelterleben litcrarifd) formte unb ben ?tiul)m bcr bcutfd)en 3Irbeit jcnfeitö beä 9J?eereö unb ba^eim mäc{)tig ftcigcrtc, unb ber fd^licplic^ nod) burd) bic 3Sercinignng oon 9loTb unb Süb, Dft unb SSeft in ber beutfd)en l'anbnnrtfd)aft t)a^ 3Ber! noü cnben ^alf, baö £ut^er burd) bic Sd^affung bcr beutfd)cn Sd)riftfpradic unb ÜBioiiiard bnrd) bie beö ^entfc^en 9?ei(^eö begonnen batten.

@cmif3, feine cfijjcn bcanfprudjen tcine bcroorragenbc Stellung in ber 2ite= rotnr, unb feine mcnigen 9\omanc befi^cn feine. 9lber ber literarifd;e :Hufd)auungös frciö TDurbc burd) ii)n mciter gcjjogen. Hub nid;t nur ift fein eigencö ,<3auptiücr! he- reitö in faft ()unbcrt Stuflagen erfd)ienen: fie alle l;aben uon ibm erleben, arbeiten, er- jäl)len gelernt, ber SBcltrcifenbc juie ber 3lrtifelf(^rcibcr, Der Aorfd)er mie ber ^id;ter.

3tu§ Gritl)ö Sd)riften brid^t uor aQcin bai mutige 15raufloö beö beutfdjen SBelterobererö bcrauö. 3ßaö er fd)rcibt, mirtt äftbetifd^ unb etbifd) jnglcic^: reifit ben Stumpfen mit fid^ fort unb lel)rt bcn feurigen, fid) in (Bebulb unb ^robfinn ä" bejä^men, ju Darren, biö bic Stunbc fommt, bie %n\d)t föHt. Taö alte Sprid)U)ort, baf5 bem 3)hitigen bic SBelt gel)öre, mirb oon ßi)tl) in (Bolb gefaxt. ^TJiit beibcn J^^ü^cn fpringt er morgcitö in ben jungen 2:ag, ber ibm unter ben ^i)ramiben ^fgt)ptcns oDer am 2JJiffiffippi l)craufbämmert. 9lber bicfcr tatcnfrobe ?(rbeilcr ift fein bicbercr ^biliftcr, fonbern ein moberncr 3Jccnfc^, ein 3Jcann mit jener 'il(ifd)ung non .öumor unb Slegan^, mic il)n bie gro^c 2Bclt an leitenben Stellen braud)t. Ta^ babci bcr bcutfc^e 6l)aratter ni^t oerlorcn gcl)t, ift ein cbrcnooUeö 3f»nni5 für beffen )voftigfeit.

Sel)en mir unö oon feinen 5dE)riften bic beftcn nä^cr an: „.f^inter "iPflng unb Sc^raubftocf" unb „^m Strom unferer 3^'*".

3n jenen „Sfijjen nm bcm l:afc^enbud) cincö ^ugcnicnrö"' fd)ilbert er mit töftlic^er Öaunc bic cingeftreuten ©cöicbtc mag man überfdjliigcn -, maö er in ©nglanb, ^tgtjpten unb Slmcrita l)intcr bcm Pfluge erlebte. Sie er einer 'S^aidif Sbmi), bie ibm ftatt Slle gebrad)t mirb, bie .^iibn{)eit ncrbanft, aufö Gieratemohf

374 Über 6ee.

ito(^ ©nfilüjiö 5U faf)reu unb fo fein Sebcnöglücf §u fcf)mieben, baö raei^ er mit f-eitien noDcQifti[(^en 3ö9cn 511 jeid^nen. Sann fäf)rt er auf ber ©c^elbe ber 9?orbfcc ju, über bie eine fteife 33rife jagt. „6ine eigentumn(J)e 33eTt)egung bes ©c^iffcö unterbrach U)n. 3)ie .^ängcfampen neigten fid^ I)öf(id^ nad^ linfä gu mir berüber. ®ie Seeffeule

mad^tc eine faum merflic^e, gefpenftifc^e 33eroegung auf if)rer platte ©tott beö

bumpfen ©emurmelö ber ©öftc mor eine p(ö^licE)e ©tiHe eingetreten. ,3^ benfe, xQ\x fmb branden!', fagte cnblirf) mein Sanbemann erbleic^enb." ®onn fommt bie 6eefronf]^eit, fommt nad; fc^roebenber, fd^aufelnber 9^acE)t ber 3JIorgen, unb au^ @r)t^ errood^t: „@in feuriger ©c^red fut)r burd^ mein jermalmteä ^nnereä. 3ft mögli^?

§oben mir f)aben einige üon wc^^ biefe 9^ac^t überlebt? $Die übrig gebliebenen

^en[c^enre[tc frf)Iummerten glüdflic^ einem neuen Seben entgegen."

®oc^ ei)t£)ö ?5eber ift o.\x^ ben reicfieren färben beä Orients, bem 9?affen; unb '43ölfergeu)immel in ben SSereinigten Staaten, bereu innere ^o^I^eit er wie ©icEenö bloßlegt, fomie ber 2:ragif bcö 33crufö geroac^fen. S)er testen (grjäfilung in bem Sucl^e „|>inter ^flug unb ©c^raubftodf", bie mit ber ©rün^euftra^e beginnt, brauefite fic^ ber bcbeutenbfte ^Darfteüer nid^t au fd^ömen. ®a ift geben, 3:iefe unb eine gro^e ^ei= Jpettiüe, roie fie p ©oetbeg ^t\im megen beö 3J?ange[§ einer fio^entmtcEelten ^tec^nif noc^ ni^t möglich roar. ®er 9Jiaun, ber, um feine ^rau ju geroinnen, eine geroaltige iSifenba^nbrücfe bittig, aber aUjuIeicbl baut unb bann roä^renb eineö ©turmeä, nacb= bem er föngft tieffinnig gemorben ift, im 3^0^ f)inüberfaf)renb mit ben jufommen- brecbenbcn Pfeilern ^ugrunbe gcljt ber 9Jfonn ift ein ©tjmbol unb eine SBornung auö ber ^eit für bie 3cit. Unb I;ier opfert, mie oud^ an anberen ©teilen, ber ^^loüellift ben oerftanbegnüc^ternen S"9enieur, inbem er "^a^ ®eF)eimnig literarifd^ ^eranjicbt. 3n bemfelben 3(ugenblicf, "ti^j, jener 3w9 <"it ©pt^ö ?^reunbe über bie $8rücfe braufte ()iuab in bie ^iefe, nad^bem bie beibeu bei einem ©lofe 2BI)iöfg nocf; eine ©tunbe mit= einanber üerbrac^t f)atten, „ba" raffen mir ©ptf) fprec^en „poffierte baä 2Bunber= lid^fte biefer '^<x^i\ faft fc^eue id^ mid^, in biefem mafirl^eitggetreuen 33erid^te ju ermähnen. 3(I§ ic^ mid^ bem S^ifcf) gumanbte, um mein ©lag ju fütten, roaren beibe leer, ^c^ f)ätte borauf gefc^mcren, ba^ id^ bo§ feine noc^ oor ge^n 3Jlinuten §olbt)oU gcfebeu ^atte. Unb bo^ irf) nidf)t berührt tiaben fonnte, auä S8erfel)en, in ©ebanfeu, fpürte ic§ an ber Stroc!enl;eit meiner ^efiie." Unmittelbar barauf nal)t bann bie llnc^lücföbotfc^aft.

„;;^m ©trom unferer 3eit" roerben mir ^unäc^ft in bie ^ugenb beö ^ic^tcr= Sngenieurö geführt, in fein .^offcn, ©treben unb Wüt)en, bann mieber nad^ tgtipten, Serien unb 3fmerifa. „SBeun man jemanb", fagt (Sriti), „ben unmiberfte^lic^en ©rang in bie ?^erne auftreiben raitt, fo fe^e man i^n in einen amerifanifrfien ©ifenbafinroagen unb taffe i^n bie Union in aßen 3ftid^tungen burcfifreujen. .^ilft bies nic^t, fo ftccfe man if)n in ein 3'larrent)auö. ©ine ©tabt genau mie bie anbere, ein ©aft^of mie ber anbcre, biefelben ©petfe!arten, biefclbcn Sergrüden, b. l;. gemöl)nlirf) feine, biefelben

ebenen, SBätber, ^lüffe unb ^-Söc^e, man mag ^ingei)cn, roo^in man raiH 2Jc^

^abc ben ^rörieftoat oon einem ©nbe jum anbern ^efei)en unb bin feiner unbef^rcib^ liefen 2:roft[ofigfeit in menigen Tagen faft erlegen." ©er äroeite S3anb fü^rt un6

>JRaf @ot^. 375

faft burd) bic gan5e übrige SBelt unb lQ|t une aud^ Den Ärieg 1870/71 mit Gpt^ in ©nglanb erleben: biefc rounberoollen X^eutfc^en mit il^rer Drganifation. 3)er britte 29anb bringt enblic^ bie großartige, geniale (Brünbung ber ^cutjc^cn 2anbn)irtfc^aft^= geiellfd)aft: ,,®aä gange 2)eutf(^(anb foH fein! SDaä Ijabe id| fc^on aU ied;öjä^riger ^unge bei jeber poffenben unb unpaffcnben ®elegenf)eit gejd^roorcn ober id) rö^re bie ©efcfiic^te nic^t an." Q;x)t\) [tampfte ben ^Berbanb auö bcm SRic^tä t)erauä; unb an t^m %a%e, 'Oa er bic 3üg«l nieberlegte, t)atte jener 12 000 3J?itgIiebcr, ein jäl^rti^eä @in!ommen oon 300 000 2Rarf, ein Soroermögen oon 1 200 000 9Karf unb roar un- übläffig tätig für einen Seruf, beni bamale 22 ?[RiIIionen "IDeutic^e i^re Sebenöbebin: gungen oerbanften. ®aoon rebet ha^ ©enfmal ©t)t[)ö, ha^ nor bem ©ebäuDe ber ,,2)eutfd^en ßanbroirtf^aftögefeEfd^aft" in Seriin ftef)t.

3tber nic^t alä 5luIturpionier, Ingenieur, Sanbinirt unb ^^oütifer finbet Sptb bie ^iteraturgefd^ic^te offen; auc^ nid^t eigentlid^ alö ©ic^ter, fonbern alä Vertreter eines neuen @ebantcn= unb 3(nfc^auungöfreife6, bem er literarif^ ©eltung Dcr= fc^afft ^at.

©ine jebe Literatur, bie übet ©ee in bie gerne |rf)n)eift, jc^eint an ber Ober= flädje f)aften ju bleiben. 3)ie Slomane unferer mobcrnen ^iditer geigen oud) '3iaahe§i „Seute auö bem Sßatbe" finb oon biefer Ungnnft beö Sc^idfalö ni(^t frei. ^as liegt in ber 9Zatur ber 5r)inge. 'Durd^ baö farbenbunte ^u$cre bringt ber fonft DteHeid^t gefül^lg: unb gebantentiefe ©eftalter nur fd^irer ju ben eiuigen Problemen oor, bie außerhalb oon 3iaum unb 3cit lootjnen unb roeber über ^anb noc^ über See fo re^t gu erreichen finb. 3lbcr mir finb 5J?enf^en, bie ni^t inö SBefenlofe gu fd)auen oermögen unb mit jeber Srroeitcrung unferee äußeren .iporijontö größer unb freier rocrben.

2Bic foHte fid) bem bie Siteratur eutgie^en tonnen, ba bod), mie fc^on ®oett)e mußte, im engen Ärcifc fic^ ber Sinn rcrcngert unb neben bem l^atcrlanbc aud) bic SOBelt auf ben 9Kann ju roirfen l)at. Unb oieHeic^t ift bie ^tit nic^t me^r fern, in ber bie Literatur fic^ nur no^ mü^fam baran erinnert, baß fie nid)t immer über See geroanbcrt ift roie feit ben Xogen, "öa SBeimarö (Slang ertofc^. 2>ann mögen Diencid)t auc^ über See ber Literatur biefelben Sterne roie in ber ^eimat lcud)ten.

IX.

Der Realismue.

®cr poetifc^e S^cnliömuö ift fo alt lüie bie .f^unft öber[;cupt : ^Realtften Jünrcrt mehr ober minber aüe großen 5Did)ter. SKie foKten S^otefpeareä unb ®oetI;cö SBcrfe ouBcr^alb bicjcö S3cgriffg ju f offen unb ^u begreifen fein? fonn fic^ olfo nur um einen gan5 beftimmten, enger umgrenzten SteaHörnuä ^anbeln, roenn mon barunter eine literarifc^e Strömung im legten ^^o^r^unbert oerfteljen roitt. Snffen mir unö baljcr 5UDor oon einem ^üiftex biefer ^Bemegung, Dtto Öubwig, eine florc Definition geben. „Der Segriff beg poetif^cn ?ReQliömu§", fagt er in ben „Dromaturgifc^en 3tp^oriö:

men", „föDt feineömegö mit bem ^JaturaHömue «^ufammen ^anbelt fid^ Ijier

von einer 2BcIt, bie oon ber fc^offenben ^l^antafie uermittelt ift, nic^t oon ber t;c^ meinen; fie fc^afft bie Belt noc^ einmal, feine fogennnnte pf)ontaftifc^c 2BeIt, b. I). feine äufammen^angfofe, im ©egenteil eine, in ber ber 3ufammenl)ang fic^tbarer ift Qlö in ber mirflic^en, nic^t ein ©tilct 3ßclt, fonbern eine ganjc, gefc^Ioffene, bie ntte

if)re ^Bedingungen, aUe it)re folgen in firf) felbft I)at Der ^auptunterfd^ieb bc§

fünftrerifc^en SReoHömnö uom fnnftferifd^fn ^bealiöniuö ift, ha^ ber S^ealift feiner miebergefdiaffencn SBelt fo oiel uon ibrer breite unb gjJannigfaltigteit lä^t, alö firf) mit ber geiftigen ein^eit ocrtragen roill, mobei biefe (5inl)eit feftft äwar üielleid;t frfiraerer, aber bafür roeit großartiger in§ 3luge fällt. Dem ^aturaliften ift mebr um bie gj?annigfa[tig!eit gn tun, bem ^^bealiftcn met)r um bie @in{)eit. Dicfe bcibcn 9fii(f)tungen finb einfeitig, ber fünftlerifcbc ^caliömuö tiereinigt fie in einer fünfte Ierii6en gjJitte."

3Iber auc^ unter biefen ^f^ealiften geigen fid; mcitgel)enbe llntcrfdjiebe in ber auffaffung. Der erftc, ber im Drama über unfrud;tbarc ^^corien innerl)a[b beö neuen ^Infc^aungsfreifes I)inauöbrad)te, mar ber oiel uerläftertc ©robbe, eines jener nnruf)igen beutfd^en ©enieö, beren Anregungen ftärfcr finb nie. i^re 2Ber!e. 58on il)m fcnntc man äbniid) roie @oetl)e oon bem Stjrifer (Stjriftion m\ü\)ex fogen, er ^obe Ttd) nic^t ju gä^mcn geraupt, unb fo fei ibm fein Seben mic fein Dichten jerronnen.

GI)riftian Dietrid) ©robbe rourbe am 11. Degember 1801 in Detm43lb geboren als 2o^n eines 3ud)tt)augDerroo[tcrg, ber oor^er ^oftbote gcroefen mar. 58on fru^cfter ^ugcnb an faß er mit Seibenfc^oft hinter ben S3üc^ern, unb bie erften feiner auf uns Qffommenen «riefe on bie (Sltern fmb benn aud) mit (eibeiifdjoftlidien 3^üd)ermünfd)en

t)ictn<i) ©rabbc. 377

pcfiiUt. |)örcn ifir bcn [iebjclmjä^ric^cn ©gmnafiaften, imc^bcm er crflärt hat, er bcbürfe bcr 2ßcrfe ©f)Qfefpcarcö, bcnn nnc^ bcr Stiibiciijeit müffc man fc^riftitellern, um @clb 511 ücrbiciien (?^ebritar 1818): „^d) fami aber b(o| ^ai \6)XQibcn, iüqö in ©bafcfpeareä ^ad) f^lägt. ^urd) ctnc Xrogöbic !ann man \\d) 9?uf)m bei 5l'ai)crn' unb ein Honorar oon ^oufenbcn cnnerben, nnb buri^ Sbafejpcareö ^rac^öbicn Tann man lernen, gute ju mad^en, benn er ift ber erftc ber 2Öe(t." Tiramenfcf^rciben mürbe benn aud^ feine ^anptbcfd^äftigung, als er feit Cftern 1820 in Seipjig 3?ecf)tö; roiffenfdöaft ftubicrte. 3.^on feiner 58aterftabt batte er fcbon iPrut^ftücfe eineö Xrouer= fpielö, „^erjog 2;f)eobor oon @otf)(anb", mitgcbrad)t, an dem er nun roeiter arbeitete. (Sr fd^eint ober onc^ mef)r, aU feiner @efnnöf)cit ^uträglid) mar, baö freie, jügeüofe ©tnbentenleben gcnoffen ju I)abcn, freiUcf) fomcit fic^ o^ne iUn- menbnng bebcntenber ©elbmittet, bic er nid^t bcfa^, crniöciIidHMt lie^. iliit feinem beino^e beenbit^tcn 2)ram<i ging er bann (1822) \\c\d) ^^erlin, wo er fein ^Huinufhipt auc^ öeinric^ ^eine überrcidite, an bcn if)n mie ."oeine in bcn ,/}Jiemoiren" er= jäbü bcr ^rofeffor ©ubii'i uerroiefcn Ijabe. '^Ud) einer anberen (.^arl .^aöd^tjö) 'äDar^ ftcQung jcigte @ubi^ felbft 'üa'^ „ucrrüctte ©cfd^rcibfel" c<Qeinc, bcr barin blätterte unb fc^tic^Ud) erflärtc: „Sie irren fid), lieber ©ubi^, ber "?Jicnfd) ift nid)t nerrürft, fonbern ein ®enie/' JQeine f)at fid; auc^ fpätcr günftig über @rabbe geäußert, n\d)i aber ©rabbe über §eine. „^d^ mitt ^ier nur bcmcrfcn", fagt .öeine in feinen ,,9Jcemoiren", „baf, befagter ^ictric^ ©rabbe einer ber größten bcutfc^cn ^idjtcr mar unb uon allen unferen bramatifdfien ^iditcrn mobi alg berjenigc genannt mcrben barf, ber bie meiftc S!^ermanbtfd)aft mit 5{)afefpcarc [}at."

Um ha^ beffer ]n ucrftcbcu, luaden mir ,5unäd)ft in einige DJonoiogc ®otb= ianbo bineinblicfen :

3^rftören, unerbittlid) '^oh

Unb Sebcn, ®Iürf unb Unglürf an

©inanberfettenb, berrfdjt

2Rit alle§ nicbcrbrüdcnber ©etoalt

^aö ungef)cnrc 2d)irf)a( über unfern .Cinuptcrn;

?Iu§ bcn Crfanen flid^t

®3 feine ©cipeln fidj .^ufammcn

Unb peitfd)t bamit bic 3\offe feineö SBagcnö buvd)

2)ie 3eit unb fd}lcppt, mie

^r ^Reiter an beä ^fcrbe>3 (2d}JtKMi bcn

befangenen mit fid) fortreißt,

Xa§> SBcItad Ijintcrbrein!

^ie $)immeIybogcn finb getrümmle 25?ntmcr,

Unb frompf^aft ringeln fic

Sidi unter feinen '^ü^en

3d) meine nid)t? So ftür^et ouc^,

Ifyx Reifen, bic i()r um mid) {)crflcl)(,

3ermalmenb auf mein ebrneg ^er^,

35i§ baß 2öe^ empfinbet!

3cr|d)mel^et t^, i^r J^lammen bc§ ®emifffn§,

Unb läutert cd ,^u einer 3'räne!

$)ilf bu mir meinen, S^Jeer!

378 3>cr iKeali^mue.

>Do§ ift bcrfclbc ©otf)lanb, bcr crflärt, bic ^cnfctjcn feien Saufe, jpätec aber lüieber traumcrifdic 3Scrfe [prid)t:

25ie bei b«§ j5rirt)Iing§ioinbe-3 murinem SSe^n

®ie 33Iumen an ba§ ©onncnli^t fid) btänqen,

©0 erf^Iie^en

3n mir fid^ bie (Srinncrungcn ücrfrfimnnb'neT Stagc,

§oIb unb fct)ön

2Bie biefe feelcntooQen SRelobien

Sönt <iu(^ bie fro^c ©age

93on meiner .^inbljeit SRojen^eit.

Unb rcer bann etina ben l)ier ni(^t roiebergugebenben 3tbfrf)lu^ ber erften ©jene tt§ brüten 2tfte§ lieft, bem erfc^einen bie ^roftou^brüde in ®oet^e§ „®ö^" at§ linöe« Säufefn cineö SenjrcinbcS. Tlan ux\Ul)i 9^af)el 3Sarni)Qgen, roenn §ctnc rerf)t be- richtet: „©c^on gegen Sllitternac^t Iie| mic^ g^rau uon SSorn^agen rufen unb befc^TOor midb um (SotteöroiUen, boS entfe^licE)e 9)ianuffript roiebcr gurüdjunelimen, bo fie nid)t fcfilafen fönne, folnnge fidEi baöfelbe noc^ im ^oufe befänbe." (Sin foId^eS llberma^ Don ©reuelfjenen unb leibenfcfiaftlic^en '3tu§brü(^en mar fclbft in ben ©tücfen ber Stürmer unb ©ränger nidE)t jutage getreten.

©iefeö ift nun gemi^ nic^t, mag ©rabbe uon ©^afejpeare gelernt ^at. 3Iber and) bic 3^reif)ett in ber bramatifc^en Huffaffung, bie Urfprünglid^feit in ber ©cftaltung ber 6t)araftcre unb bic geift= unb bilberreid^e Sprarfje bleiben meit binter bem SSor; bilbe gurücf. ?^ünf ^q^xc fpöter (1827) erffärte ©rabbe in einer 2(bf)anbhiitg „Über bie © t) a f e f p c a r 0 m a n i e ", er i)che fefbft an biefer ilranf^eit gelitten, „©er (Sot{)Ianb", fagt er im SSorrcort, „feincö ber übrigen ©tüde, trägt pieDei(J^t einige Spuren baron, jebod^ glaubt ber SSerfoffcr, ba| foroüljl ber @eift beö ®otf)Ianb al§ auc^ feine formelle 58cf)anblung im ©anaeu me^r cigentümlicl; a[§ fbnfefpearif^ finb." (Sr ftellt l^ier brei fragen: mol)er bie 33ercunberung ©^afefpeareö in Deutfrf)lanD '!omme, ob biefe in foldf)cm gjia^e bered^tigt fei, unb rool)in fie baä beutfdje Xl^eoter füt)r<;n mürbe? ©aö mcf entließe ©rgebniö feiner Unterfuc^ung ift bieg, baf? ©l)afe^ fpearc, fo gro^ er aue^ fei, boc^ ni(^t oerbiene, „baö ^öcfiftc befannte SDhifter ber 3:ragöbie g<:nonnt ju merben"; er Ijobc nie fo meit gebrarfit luie ^Ifcbpluä ober ©opbofleö, unb im Suftfpiel Ijahc er „meber fo tnel 3^cl)Icr rermieben nod) fo oiel öuteö geteiftet als gTcoliere". ©araus äiel)t ®xahhe einen ©(^lu| in nationalem ©inne, ber Die burd) S^ffingö fiebge^nten Siteraturbrief eröffnete ^eriobe abjufd)Iief5en fdieint: „SBir roollen fein cnglifi^eö Xl)eotcr, fönnen nud) feines ^oben, mir rooHen noc^ rocniger

ein f^afefpcarifc^es, mir roollen ein bentfc^eö Suftfpiel ©erabe ©bafefpcarc

mimmelt oon englifd)en ßigenfd^aften unb 9^ntionalt)orurteilen, gerabe ba§, maö bei

i^m faft überaa feblt, ift bas, roona^ ba§ bcutfd^e SSolf fic^ am meiften febnt

9Kit ©^afefpearc, b. b. burc^ ©treben in beffen gjtanier, ermirbt fic^ fein ©ic^ter Originalität ; bei jc^igem ©taube ber 58ül)ne mirb er beinal>e f(fion baburd) ein Original, bof! er ©l)afefpcareö ^el)ler oermcibet."

'^ii bem „©otl)l<inb" 3ufammen, nlfo iioc^ 1822, oollenbete ©rabbe ein £uft

^ietrid) &vabbe. 379

fpicl in brci Siufjilgen : „Srficrj, Satire, ^i^'^nic unb tiefere Sc = b c u t u 11 9 " , baö im (Segenfcife 311 ben freien SSerfen beö ,,®ot^[onb" bie ^rofaform jcigt. S)er ^ic^ter lö^t fic^ felbft ausbrüdüc^ unter bcr Seäeic^nung „(Bvahhc, ber ^Serfaffer bes 2uftfpiel§" barin auftreten. 9limmt man I)in3u, ba^ au^ bcm 2!eufel, fomie feiner ©ro^mutter unb if)rem Sebicnten, bcm Haifer 9?ero, 5RoIIcn ju^ faUcn, i)at mon eine SSorfteHung baoon, raie biefc ^^itfatire im romantifc^en Stil aufgefaßt fein rcill. ^n berb realiftifd^cr 3tu§brucf§n)eife werben f)ier bie jeitgcnöffift^e ^olitif j. ^. bcr beutfcfie ^Ijil^eHenismuö , bie treffe, bie ^id^tung ufm. ocrfpottet. 3tls ©an^es jcbo^ ift biefe farifierenbe Äomöbie mef)r eine Sammlung toller 2Bifee aU ein SDrama.

3n jener ^di fc^rieb ©rabbc einen Srief on ben Kronprinzen üon ^reu^en mit ber Sitte um Unterftü^ung. (Sä ftcftt jebod^ nid^t feft, ob ba§ Schreiben mirtüd) abgcfanbt rourbe. 2(m Sd^Iuffe f)ei|t bort, nac^bem ber ®icf)ter feinen üergebüd)cn ^erfud), S^aufpielcr ju merbcn, erroöF)nt ^at: „5ßiele nannten mic^ genial, ic^ meiB inbcä nur, ba^ id^ roenigftcnö ein Äcnnjcic^en bcö ©cnicö befi^e, ben öunger/' 9Iu Subroig %ied, bcr i^m auf bie 3"f^"^u"9 "^cS „@ot{)Ianb" mit n)ol)(iiioEenber Kritif geantwortet ^atk, fd^rieb er am 16. S^ejember 1822: „^c^ gäfifc erft 21 "^s^^liic, Ijahc aber [eibcr frfion feit bem fiebäef)ntcn faft aUe ^öFicn unb ^^iefen beä Sebcnö bur(^= gemarf)t unb fte^e feitbem ftiH." ^w^ffi*^ '"it biefcin 33rief fanbtc er ^ied bae norijiu genannte ^uftfpiel.

5J)a§ brittc UniDerfitötöja^r ging ju 6nbe, ot)ne M^ ©robbe einen iDirfUdjcn 3lbfcl;lup feiner ©tubicn, auf ben bie ©Itern gerecE)net Ratten, erreichte. „Sir fönnen nit^t inel^r alö ©Itern tun", fcfirieb if)m am 18. j^cbruar 1823 bcr 33ater. ©rabbe reifte jefet nac^ ^rc§bcn in bcr Hoffnung, burd^ S^iecfö SSermitttung bod) uodE) afs Si^aufpieler am %\)mtci angenommen 5U merben ücrgcblid). 33on bort ging er über Seipgig unb 23raunfd;meig nad) feiner $8aterftabt, uon luo er alöbalb, am 29. Huguft 1823, an Xicd fdEirieb: „So fc^Hd) i^ mic^ nad^tä um 11 Ut)r in baä vtx- münf^te Sctmolb ein, roedte meine Sltcrn auö bem Sd^Iafc unb roarb uon iljnen, bcnen id) il;r ganäcöjleineö SSermögen roeggefogen, bie ic^ fo oft mit teeren J^offnuugen getäufd)t, bie meinetmegen oon ber batben Stabt perfpottet merbcn, mit ?vreuben: tränen empfangen."

©rabbeö bricflidje 33efenntniffe matten einen perföulid) uiiangcucl)men (rinbrucf. 2)a5 ^erriffene unb ^eibeufc^aftlid)e, baö mir in feinen ^ic^tungcu finben, fpicgclt fic^ aud^ ^ier. 3Jlan mu^ freiüd) feine 3!JIotinc im 2(ugc bebattcu unb nic^t minber ben 3ui't'i"b feiner ^erjroeiflung, menn er am 22. September 1823 an ^^ied fc^reibt: „gjJeinen eitern lüge ic^ ftünblic^ wr, ha^ \6) in ber ^erne angeftettt bin, unb fie freuen fic^ nid^t lucnig; müßten fie baö ©egenteif, fo mürben fie wie Schnee uerge^en; bennod) roünfdjc idi aiifi üoUer Seele, hü^ fie eincä fanften ^obcö fd)on läiigft geftorben mären, bann roäre i{)ncn beffer, unb ic^ märe frei ... 0 ^crr! jebcö 2Bort non ^^nen gilt uiel; iDcnn Sie mir in 2)re&ben, 33erlin ober ßeipjig irgcnbmo ein fd)maleö Untertommeii bei einem 33ud)f)änbkr ober Tbeater ufm. fdjaffen tonnten, fo hätten Sie mic6 unb jiwi alte Scute glüdlid) gcmadit."

380 Scr ;RcaIicimu5!.

^iccf niuiüortctc gar iiid^t, unb fo blieb ©rabbe nic^tö anbcre§ übrig, ate borf) nod} iciii jitriftifd^cö eynmen ju mncfieu (2. ^uni 1824), in ^etmolb 3Ibüofat ^u iDcrben uiib bnncben eine 9)tiIitär=9IubiteurftcUc QnjuneF)mcn. %U nun jein ?^rcunD .Stettembeil einen ?franffurter Sßerlog übernQj)m, hva6)tc er 1827 ©rabbeö I^^gcnb: juerfc im 2)ruct fjcranö; baju gel)örte au^er tren beiben fc^on genannten 5)ramen, einem ^^ragment 9}? a r i u ö unb © u [ I o " unb bem Sf)afefpearc=9(uffa^ : 5R a n = nette unb 5R a r i o ", ein „tragifc^e?' Spiel in brei ^lufjügen", ba§ bcr 3)i(^tcr mit beu üieljagenben Sßorten einfüi)rt: ^^^Sieüeicbt üerföf)nt biefeö Stücf monc^en Sefet mit bem, morau er im ©otf)Ianb glaubte 9(nfto^ ncl^men ju muffen," Sanfte fünf= fü^ige ;i^amben [c^einen haSi ju beftätigen, mcnn Seonarbo fpri^t:

(So flüftert tüo^I bie 9io[c, cl)e fie

^en buft'gen Slätterfeld) bem ^-rü^linge

entfaltet.

3luf berfelbcn Seite aber, fur^ üort)er, \tci)t cd)t Örabbefdic *!)3rofa, gefproc^en oon 9?annctte, bie beö alten ^farrerö Strafrebe cor anberen 9}täbrf)en nod^mad^t: „SIKeint [i)x, iö) mii^te nirf)t, ba| il;r beö 3lbenb§ uor ba§ 2)orf lauft unb bort Xänje beginnet roie bie ^ffa^en, roenn fie trocfnc ©erftc gefreffen f)aben?" ^er Unterfrfjicb ber beiben ^rauerfpicle bleibt immerl)in gro^ geuug, fo ba^ man obne mcitereg in ber ^at nic|t auf Denfelben 33erfaffer roten mürbe.

^ae '^üö) erregte gro^eö 3{uffet)cn. SBoIf^ang 9Jccnjel aber, ber il)m nur bt- bingteg £ob sollte, nannte erft bie 1829 crfd)einenbe oicraüige mit ^rofa burd)mi)c&te ilambcntrogöbie „®on ^uan unb j^anft" eine tottfrf)öne 'Dirfitung, mo ?ie Scbonfen ^li^e, bie SSorte Bonner unb bie (Smpfinbungen Sd^töge finb". ©robbe ftcllt t)ier bie beiben ©eftoltcn im ^ompf miteiuonber um eine Spanierin unb fc^üc^UÄ i^ren Untergong bor, o^nc inbeffcn 33i)ron ober (Soet^e ju erreid;en. J^auftifd) genug ift freiti^ bie Sprache biefeö ?^auft (II, 1) :

3eigc mir X>en ^bgrunb, meieren id) nidjt bobenlofer, 3)en ®ipfel, ben ic^ mir uid}t j(^minbclnbcr, Xa§ SS^eltall, loelc^e^ id) mir nic^t Unenblirf) größer benfen fönnte SSa§ S3i§ jei^t id) öon ber 2BeIt erfannte, ^at 50?ir nur bemiefen, baß ®rü$' unb SHeinljeit T'arin nid)t gibt. .

^k ieifx ober ber (5)oetf)ifd)e gauft ift, beffcn (5(^o l^ier lout mirb, läpt fic^ mit Sid^erfjeit bcfonberö bei ber Seftürc ber jroeiten Sjene bes erftcn iHttco er= fennen. ©reifen mir nur einige SteEen t)erauö:

JRom. 3immer bc§ 3)oftor gauft auf bem ^loentin. (Sine i'oinpc brennt, ^auft (erf)cbt ficft nom Scfjrcibtifci^e) :

Uniel'gc g?adjt, miüft bu benn nimmer enbcn? SBct)' mir, fie ^t erft eben angefangen 'Jlod) jdjlug'ä faum elf. ^üxM ^ur ^Irbeit alfo.

Sictrid) öjrabbe. 381

3uv Slrbcit! 3"i" ©tubi^rcn! Bdjmad) unb ':^samm«r'

Xöblic^er Xiirft unb nie geflillt! Sanbforn

3itnt Sanbforn fnnimctn, gren^enloic

Unb immer c^ien^enlofre Sßiiften um

©id; ^er äu bauen, unb fobann barin

©ic^ lagern, )"d)ni<Kf)tcnb unb öer^mcifelnb!

S5>er ^t gestrebt it»ie ic^? SSo \\t ber ^fab

2)er S?unft, ber 3Siffenjd)a[t, ben ic^ nidjt fc^ritt?

(S§ blieb bic Sonne hinter mir äurüd

ttiar ein f(i)i3nre§ Sic^t, noc^ bem id) fuc^te!

Unb fdjüu, ba ift ta^ 3^^!: ^or mir ber 5lbgrnnb,

^n ben bie Strome ber ©ebanfen, be§

©efü^leS braufenb nieberjc^äumeu, oljne S^üdfe^r

SDu großes 33u^, bu Sibel (5^elg beS @lauben§, jagt mau) 53on SSarianten tioH unb Soppelfinn,

S3oI( 2öei§f;eit unb Oo(( fonberbarer Sprü(^e,

9Kit feinem [ic^ern 53aubbod} überlüijlben

^n biefem bunflen ©türm midj beine 33lättev.

%au\i fdjlägt bann aud) ein „33uc^ ber ^iefe" auf, be]d)mört öen Teufel „Äönnf ic^ enö) f üblen, tieffte ^ulfe ber 9ktur!" unb unter[c§reibt mit ein paar Xropfen 'öluteö ben bcfannten ^a!t. ^n berfclben Sjenc aber ftnbct ]id) ein Dater- länbifc^er .^■)r)mnue, ber unö mobl an @oetl}cc ^pbigenic, aber nid^t au feinen ^auft erinnert:

SßkiS ift mir näl)er nl§ ba§ ^aterlanb?

®ie ^eimot nur fann un§ befeligen,

5ßerräterei, bie g^^^i^^c öorgugiel^u!

9?id)t 5"0uft loär' ic^, loenn id) fein 3^eutid)er tt>äre!

O 2)eut)d^knb! 33atertanb! Xic Iräne ^ängt

2Rir an ber SSimper, lüenn id) bein gcbcnfc!

^ein 2anb, ha^^ ^errlid^er al§ hu, fein 33olf,

2)a§ mäd)t'ger, eblcr aUi roie beine§!

^05 patriotiid)e @cfül)l entflammte il)u aud) ju feinem ^rameugnftuö „^ie ^0 t) e n [taufen ", uon bem nod) in bemfelben ^a\)xe 1829 bie bciben fünfattigen ^ambentragöbicn „Haifer ^i^iß^^i^ 33arbaroffa" unb „it a i ) e r e i n = ri^ VI." üoUcnbet unirben. „©id) unb bie 9?ation", fd)rieb ©rabbe begeiftert an Äettembeil, „in 6—8 Dramen ju uerl)errlid)cn. Hub mel&iex ^fiationalftoff! 5lein 3Solf f)at einen au^ nur etiDa gleich großen. Unb roie foU faft jcber irgenb bebeutenbe beutfc^e ?^Ied perf)errlid;t merben; im ©ounen)c^ein foU unfer ganzer beutfd)c ©üben liegen, 3lbler über Xirolö 33ergen fc^roeben unb bie See um .<^einrid;ö beö £ön>en Staaten braufen mie eine Söroenmöljne." 3lber nic^t einec» biefer beiben allein auö- gcfül)rten ©türfe i)at ber ^ic^ter auf ber Süljiic gefeiten, ir>äl)renb ^-IRaupad) feinen farblofen Sv^lm oon 16 .^ol)enftaufenbramen gerabe in bem in evragc fommenben 3al)r5el)nt (1830—37) im 58erliner 2:l)eater unterbrarf)tc. Unb ©robbe l)attc Dod) nud) ber $ol)eni;ollern im „Sarbaroffa" gebüd)t, menn ber Äaifer ju jvriebrid) üon J^oJ^enjoIlcni fpri^t:

382 S)cr Jleari^nms.

3(^ a\)n'^, i>Qß nubre J5rifi>i-"i^c niid) einft (Srfe^en, fet'§ üu§ meinem §au[e, fcfö 5Iu§ eurem! „§o(f)" I)ei^t unfrer Atomen 33or[iIbe, f;odj, bem ©c^idfal ©titM bietenb, 2a^ uns bem geinb begegnen! Sq^ bu un§ 9?ic^t niebrigci nl§ unjie Spanien fein.

3lud^ biefe bciben S)ramen geigen bi§mci(en bie ^rofa unb ou^erbem oereinjelte lyx\]6)c ©inlogen. SBie immer bei ©robbe liegen bie ^Borgüge mel}r in ber fül^nen, originalen Spracf)e uiib ©eftaltung beö Sjenild^en, im eigentlich) ©romotifd^en unb ber 3eic^nung ber ©lioroftere.

3m ^Qlire 1829 entftonb aud^ \>a^ bromatifc^e 2Jiürc^en 3t f c^ e n b r ö b e l", haö 3:iecffc^en ©influ^ oerrdt, roieberum eigenartig oug 3Ser§ unb ^rofa gemifc^t ift unb baäfefbe 3Jiotit) oerwertet mie fpöter Hebbel im Suftfpiel „$Der 3)iamant": oon bem ^uben, ber bem ^utfc^er bie oon il^m aufgegeffenen Obligationen au§ bem Selb [c^neiben roitt. t)k 5ßerbinbung be§ berb SBirflicfien mit bem 9JJörc^enl)aften erinnert boc^ roieber baran, ba^ ©rabbe oon ©^atefpeare l)ertommt, beffen „©ommerno(^t§= träum'' freilid^ oon bic[en geengefängen bei weitem nic^t erreicht roirb. 3lllau auf= bringlid^ fd^iebt [id; auc^ bie 3eit[atire l)inein. ^ören mir ein ©efpro^:

^ ö n i g i n b r g- e e n.

58leib ru§ig nur, toaS bu nun bift, Unb leb' unb [tirb al§ frommer ß^rift. ^ U t ) d^ C T (eine Dermanbelte 9ialte):

S3iel lieber leb' unb fterb' ic^ ouf bem 3J?ift! Königin b€r geeu.

5)a§ ^arabie§ tannft bu oerfcE>mäf)n ? ^ u t f cf) e r.

3<^ mag gar ni(^t fe^n! ^n euren ^immel will id) n\<i}t, in ben 9latten^immcl

toill ic^ iro b€r 9lattenfönig mit fieb^igtaufenb iRottentöpfen auf feinem

X^ron fi^t unb fiebgigtoufenb ©cfilDänge (®er Äutfcfjei- luirb ouf einen 2lugen5Itdt ^arabafe) lang unb o^ne §aar toie Srimeter be§ ©rafen 5)3laten {hie ^arabafe roirb raieber Äutfc^er) um bie SBelt f^lägt unb fie bamit feftplt.

Später fättt aber au^ mandieä oerftänbige fritifrf)e SBort, j. 33. ta^ folgenbe: ,,S)eutfc^lanbö Literatur mirb im 2tuölanbe enblid^ anerfannt? ©o merben mir batb auc^ bei unö gelten, unb unfer rol)e§ ©olb wirb gut gemünjt ju un§ jurüdfommen unb courant werben: Sc^iEer burc^ ^Benjamin ßonftant, ©oet^e burc^ ©arlple."

©rabbeg bebeutenbftes SSerf, baä fünfaftige umfangreiche ^rofoDrama /, Slapoleonoberbieljunbert^lage", 1829 begonnen, 1831 beenbet, würbe oon ^JTiwetmann fogleii^ wad) feinem richtigen 2Bert erfannt unb beurteilt, „'^n biefem SBagftücfe", fagt er, „l)at ber ^ic^ter baä 33efte, wa^ iljm feine ^iftorif^e Segeiftcrung gufül)rte, gegeben, er i)at barin ba§ ^öd)fte, wogu fein Talent überl)oupt beftimmt war, errcicf)t." 33efonber§ bcwunbert er bie Scl)lacf)tenbilber, bie oorl)cr fo in ber beutfcfjen Literatur nic^t gegeben \)Qh(t. „3)abei", fügt er ^ingu, „oerfä^tt er mit einer folctjen geniolen £eic^tigteit, ba| man il)n einen 33lüd^er ber ^oefie nennen

2)tetrid) ©robbe 383

tonn." l^anbclt fict), roic ja fc^on bei Xitel anbeutet, um bic Sc^lad^ten von 'iS\%nx) unb SSBaterloo. ©reifen roir aus ber leiteten eine ©pijobe l^eraus, ben Der5cblid)cn Slngriff franäöfifd)cr ^üraffierc auf bie ©nglänber unter SBeUington:

iKil^üub (äu feinen Mraffierbiüiftonen) : S^amerabeu, einge^uen! ^, meiere SBoUuft, biefen SZarr^n, bie 3^n nic^t einmal tenncn motten, bicfjt cor i^rer g^ont in bic 3ä§ne 3U rufen: §oc^ lebe ber ^aifer!

SERil^aub: Unb ^ocf) unfrc ©c^merter, um \o tiefer auf bic i^umpen nieberju« flammen.

(Sie Äüraffiere oerfudjen einjuljauen, ©erocljcfalDen empfangen fie. iSlanä)c ftütjen, aber an ben '^anjem ber meiften roCen bie 'j"^-lintentuneln ab.)

aSa§? ^at un§ ber ^üifer ni^t fefte Söeften gegeben? Unb frfiabe, übet

mir finben ©djiüffel, bie iore biefer SSierecfe ju fprengen!

(SKit ber linten :panb ein ^iftol ^eroorreifeenb unb auf einen englifdjen in iRei^' unb ©lieb fte^enben Hauptmann anfdjlagenb.)

^uptmann "öa i»a^r€ beine ©paulette, ba^ fie nic^t fc^mu^ig roirb (Sr fc^iefet \i)n ju/^oben unb fprengt über tcn Öeic^nam in t>a^j Äarree.)

^0 f)uffa!

©iner ber Sfüraffiere ^tnit r)cn übrigen nadifprcngenb) : S^^ne t)er ! ©nglifc^er gähnen tröget: (£^r mein S^bcn ! S'ürafiier: @o nimm ben Sob!

(§aut i^n nieber unb nimmt bie gatme. S)ic StrtiHeric bc5 5?arree<? fc^iefet

mit Äartätfcf)en.)

iJi i l ^ a u b : 5)ieie S^anonen übcrgeritten!

(@r ftürmt mit ben Süraffieren auf fie ein. Sic Äanonicrc brennen nocf) einmal bie

©efc^üge ab unb flüchten.)

^, unfer bie Kanonen! 2Jernagelt fie!

3Ji e ^ r e r e Ä ü r a f j i c r e (fpringen von ben "^Jfcrbenj: 'Da§ Derfte^n mir! I)ct

2;eufel felbft foll fie ni<^t toeiter gebraudl)cn fönnen! 9J?il^aub: SßormärtS, bormättä in unb über bie anbcrn S?ürrec§! 2>a3 feinblic^e

^eer aufgerottt öom Slufgang bi§ ^um 9?iebeTgang! ®er ®ott ber ©iege um-

ütmet unfre §elmc! ^eijog Don SSellington: 2orb Somerfet, je^t an bie (Spi^e ber ®arbe-

faoaUerie unb warte meinet SBorteg. Soib ^omerfet : ßnblic^ ®ott fei gelobt!

einenglifc^er Offizier: ®a ^ut ber 5WiU}aub hai, oicrte Slarree ^ufammen! ^er^og Don SBellington: Xiefegmal j(^eitcrt er ^ier an bcm fünften!

©e(|äig 9tefert»efanonen ^ercin! 3Ril^aub: S3ier S^arreeg 3U ©tüdcn - 3" i>aö fünfte! ^erjogtjon SBellington: S^xx ©eneral, öffnet \\d) dou (elbft

(Sag Äarree öffnet fid), unb fec^jig fd)iuere ©efd)ü5e berfelbcn geben R-cuer) SRil^aub: ^eiliger Sf^ame «otte^ . S3ormärt§ in biefc $öaenfüd}c, unb

roerben mir auc^ felbft barin gebraten ^amerab, mo bein red)ter gu^?

©inS^ürafficr: >IRein guß? ©atrament, ba fliegt er ^in, ber 2)e|erlcur' 2Ril^aub: ^Ite bid) am S^ttelfnopf, mirft bu Dt)nmä^tig ^cur brauf unb

bran! S^ein ge^t nic^t 2Bir bellten fonft fein gan^eä Ij^ferb ^um

ßurüclfommen! Slbieu, meine sperren mir jprcrficn un5 Ijeute noi^ einmal

gleich nad) bem ^meiten .^ugelfegen beä SfaiferS.

fSJZit ben Äiiraffieren ab.) ^ei^og Don SEellington: Jefst, Somcrict, gib i^nen ba3 ®eleit!

384 Der JRealiömuö.

SBcldjc 3lnforDerungcn eine jolrf)e ©jene jogor an eine moberne Bü^nc ftettt, t)t oI)ne lüeitercö Uai\ ©ö legt ober ©robbe ß^re ein, bQ| biefeö ^ebenfen if)n nic^t oon ber Sluöfüljrung jurüd^alten fonnte.

SBä^renb ber 3trbeit am „S^apoleon" oerlcbte er fid^ mit Henriette SÄe^er, Der Sdjroefter einer ^etniolber ^aufmannöfrou. ^eboc^ bolb löfte -Henriette bas ^n- löbniö anf nnb t)eiratete einen anberen. ©robbe, ber junäd^ft bnmpfer SScräroeiflung »erfiel, fd^ricb bolb boronf nod; it)rem frül)en 3::obe on ^mmermonn : „^d) fül)le nichts, nein, id^, ber id> noc^ fo oft on fie gebockt, bin Ijeiter. ©ie ift nun mein, mafello^ä."

3m ^a\)x( 1831 befiic^te it)n in ^Detmolb ^Inimermonn, ber if)n fc^ilbert (an bie ©räfin 5lf)lcfclbt) olö „ein jd)maleg fpörlid^eö SJJännd^en, mit einem länglichen ooolen ©efic^te luib einem nid)t übel gebilbelen 9}iunbe, beffen bloffeö 9lntli^ aber burc^ ein fo^leö §auptt)oor noc^ tonlojer unb miticibcnümürbigcr mürbe. 6r fproc^ ftiU unb fc^üd^tern." 2Ber [oUte I)inter biefer ^erfonolbefd;reibung bcn 'Dichter bee „©ott)Ianb" unb „?lapo(eon" nermuten!

2Im 6. 9Jtärj 1833 i)ermäl)lte [ic^ ©robbe mit ber ^o^iter Des Slrc^iorots (s;ioftenneier, bie getin ^o^re älter mar olä er unb in i^m junäc^ft nur ben ®id)ter fa^. ^ie ©I;e mürbe fe^r unglüdlid; unb bot ben frü{)en @robbe=33iograpI)en Äarl ^i^fi^^i^' feinen ?^reunb, i)eranIo|t, im Soljre 1855 roofire ©c^ouergefc^ic^ten ju üeröffei^tlic^en, bie mon am befteu gong übergef)t. SBem läge beun auc^ etmaä baron? S)ie ?^oIge biefes onbouernben Unglüdg ober mar, bo^ ber ^id^ter ouc^ fein Slmt Dernad)(äffigte unb fc^Iie^Iic^ fro^ mor, bo^ mon i^m im ^a^xe 1834 obno^m.

3neboIb roibmete er fic^ gonj feiner neuen Srogöbic § o n n i b o I ", bie fünf juerft in Jamben geplante, bann in ^rofo gefd^riebene unb Don ^mmermonn ue= fonberö betitelte %tk ääf)It: 1. Hannibalanteportas, 2. gf^umontia unb ßopua, 3. 3lb= fc^ieb üon ^tolien, 4. ©iögon, 5. ^önig ^rufios. (Sine gemi^e ©rö^e ift auc^ biefem ©romo nod) Slnloge unb Stil nid^t obpfprec^cn. 3>er SluSbrud ift gemäfügt, freili(^ auc^ rccniger mcfensedjt. Slber man ertennt bie froftüoH fernige ©proc^e ©rabbee, roenn mon Jgonnibol t)ört, roötjrenb er mit feinem getreuen ^Turnu ©ift nimmt: ,A>, au6 ber 9BeIt mcrben mir nic^t foUen. 2Bir finb einmal barin. STrinf!"

®en „^onnibol" brockte .^mmermonn on bie Dffentlicf)feit. ©robbe ocrlie^ 1834 feine ob ber 2)ieuftent(offung rofenbe grou, ging junäc^ft nac^ ^^ronffurt ju Äettembeil unb fd)rieb üon bort oue on ^^mmermonn, ber in 2)üffeIborf jefet nic^t nur DberIanbeögcrid;tärot unb 35ic^ter, fonbern aud; Sü^nengcrooXtiger mar:„3c^ gloubc nämlic^, ic^ unb eine afte 9)?utter finb nerloren, roenn ©ie mir nic^t ju I)elfen fuc^en. Broor tjob' id) feit 1 '/^ ^o^ren eine jiemlid) reiche grau, jeboc^ fo intereffant, bo^ id;

fie nur in ber %emQ, jefet von ijkx ouö, bemunbern tonn .Reifen ©ic olfo mir,

unb tonnten ©ie mir auc^ nur ein ©tübc^en fd)affen unb etma (nwS ^Ijnen nid)t fdjroer foHen fonn) juriftifd)e ober nid)tjuriftifd)e 3lbfc^reibereien gegen ein SBiUigcö. 3tuc^ i)ätte id) ctmaö für einen ^ucf)t)änbler, mooon fo red^t nod^ niemonb n>ei^: mein Öannibal ift foft üoücnbet. SBenn ©ie mir ju fo einem ouc^ I)ülfen, i)ättt id} roofjt mos SBinterfoft für meine ungrüdlid)c 3Kutter beiju." ^n einem fpäteren Srlef meint er, feine ?^rau möd)te er in it)rer ©ier unb Unrootjrtjeit burc^ouö einmal in einem

griebnc^ .pebbelS hieben unö Sdjoffen. 385

•Dromo frfjilbeni. ^"^"^«'i^i"^"" ini ©egenja^ ju SBolfgang iDIenjel in otuttgart, ber auf ein ä^nlirf)cö ©efud) ©rabbcs gar nii^t antiportcte Iiib if)n nad) ©üffelöorf ein. „Qx gcl;örte", jagt ^inmermann, „^u ben ÜDfcnfc^en, bie über nii^tö gleit^gültig

bic Sippen bewegen tonnen Sefonbers roirtte er auf bie grauen, ju beren ^er=

iDunberung auc^ ba§ 3JtitIeib fid) gcfcUtc. ^6) foimtc fidler barauf rechnen, ba^ in jeber ®efeIIfcE)aft, bie iä) um \\)n uerfammelte, er ber 3)Jitte(punft beä ^ntereffeä rourbe." ^n 2)üffelborf jd)rieb er nun aud) noc^ ha^ ftatt in 3{tte unb Svenen in einen ©ingang, brei ^age, brei 9^öcf)te unb einen Sc^Iu^ gegliebcrte ^rojabrama 1) i e ^ er m a n n f (^ I 0 c^ t ", ha^ \id) in feiner 3lrt ebenbürtig neben bie ^ermann- ftüde ^lopftodä unb Jlleiftö fteüen fann. 9iaul; mutet bic 2Birflic^feit an, bie ©rabbe ^ier malt; j^umar bie alten ©ermanen merben feineöTüegä üon i^m ibealifiert. äfber in biefer 3{califtif fünbigte fi^ eine neue £unft an, bie ben Klaffüern fremb mar.

^ermann: (ärgib bid)! 5)u follft gut bel^anbelt merben. S5aru§ : ®anfe! ^d) bet)anble mid^ lieber felbft.

(@r ftürjt i'icf) in fein oc^iuert unb ftirbt.) ^ermann: ^od) im Zoh ein ^§rafenma<^er.

S)er „Sc^Iu^" fpielt in 3iom, mo äluguftuö, fdimerserfüHt über ben Untergang jeiner fiegionen, feine £loge mit einem 33eric^t über einen 33rief beö ^erobeö enbet, ber it)m oon einem neugeborenen alg @üttl)cit beäeid)neten 5linbe in 33etl)le^em gef(^rieben ^abc: „^efuö 6l)riftuö nennt man ben 2Sunbertnnben." ^yiaö) biefen 2Borten ftirbt ber Äaifer.

51ic^t fange roäf)rte baä @ini)ernef)men jmifdien ©rabbe unb 3"ii"crmann, beffen $Bemül)ungen um M^ 'Sl^eater feineöraegö üon ber ^ritif feineö ©d)üfelingö oer^ fd)ont blieben.

3Son unl)eilbarer 5Rüdenmartöfrantl)cit ergriffen, tel)rte ©rabbe 1836 uac^ '^»etmolb jurüd, roo er am 12. September im ^aufe feiner 3^rau, aber in ben Firmen feiner (ängft oermitmeten '3JJutter ftarb. ®iefe überlebte if)n um jmanjig ^saf)re (t 2. 10. 1856).

©rabbe ift fein auSgegIid)eneG ©enie mie ©oct^e unb S^iQer. 2tber gerabe barum, hnxd) baö ÜberraaUen feineö leibenf(^aftlid)en ©efüf)l§, fprengte er 5^etten, bie nod) immer aU l)eilig galten, befeitigte er ^unftformen, bie nur bem ©efc^ be^r Sd)önl)eit unterlagen, mürbe er ber 3[>orläufer ber neuen realiftif^en ^oefie, bic uns befonberö |)ebbel unb Subroig cerförpern.

2. ^-ricövit^ öcööclS l^eöcn unö Sc^nffeu.

©taub ©rabbe nod) mit mani^cn 3lnf(^auungcn auf romantifd)em iöoben, fo Dottjog \i6) mit Hebbel ber Übergang ber beutfd^en "I^ii^tung ju einer ganj neuen 2Belt, eigentlid) ber älteften unb urfprünglid)ften: ber SBirflidjfeit, bie l)inter ben ^Hufionen beö ^ic^terö nur nic^t immer fid;tbar gemefen mar. "^Slan barf biefe 3BeIt .^ebbelä inbeffen nidit mit ben 3tugen bcö 9iaturaliften ertenncn motten : fein 9Reali§mu5 ift meit entfernt uon bem ber ad^tgiger ^oljre, unb .^auptinannö Dramen unterfc^eibeu \\<^ üon ben feinigen minbeftenö in bemfelbcn ©rabe mie biejenigen ©oetl)eä.

OeE)lte, «Die beutfc^c 2iteratur feit ©oet^cö lobe ufro. 25

386 Sei SiealiiSmus.

g-ricbrid) .^ebbcl imirbc am 18. 90iäij 1813 in 2BcffeIburcn, einer fleinen

.^rciöftabt 2)itfjmnrf(j^cno, bcs iüeft(id)cn 9)Jarfd)Innbeg in ber ^roüinj 6cf)[cöroig=

-polftein, alg 6ü{)n einec SJtanrcrö c|cboren. ©eine 9JJittter 'ijatU vox i()rer "^er;

Ijeiratung in bcni er)QngcIifd)cn ^farrljoufe beö DrteS alg 9JJagb gebient. iHvmlic^

alfo marcn bie ^erf)ältniffc, in benen er aufn)ud)6. Seine ^inbf)eit Ijat er in einer

nnDoUcnbcten ofiggc fclbft gcjc^ilbcrt. 9lur ein ^ug fei biefer fleinen 3hitobiograpbic

entnommen : bie Sd^ilberung ber erften Siebe, bie ben ilnaben biö in fein acf)t5ebnteä

^Vf)r begleitet {)at. 3Ibcr nnr ben beginn auc feinem vierten Sebenöjoljre l;at er nng

mitgeteilt. Sie f)ie^ (Smilic, mar bie 3:od)tcr beö .^vird)fpieljd)reiberö, ein blaffeö,

id)lanfc5 a)läbd)cn nnb baö erfte SBcfen, hüQ er naö) feinem Gintritt in bie S^ulftnbe

bemerfte, meil fie it)m gerabe gegenüber fa|3. „Gin (eibenjd)aft[id)eö 3^t^^rn überffog

mid)" fo erjäfilt er , „ha^ 33hit brang mir jnm l^erjen, ober and^ eine ^Icgnng

Don oc^am mifc^te fid) g(cid) in mein erftcö Gmpfinben, nnb id) fc^Iug bie Singen

fo rafd) roiebcr ju S3oben, alc ob id) einen greoel bamit begangen f)ätte. Seit biefer

Stnnbe fam ßmilie mir nid)t mef)r auö bem Sinn, bie oorljer fo gefnrc^tete Sd}u[e

mürbe mein 2ieblingöaufent{)alt, meil ic^ fie nur bort fc^en fonnte, bie Sonn= nnb

Feiertage, bie mic^ oon il)r trennten, maren mir fo oer^a^t, alä fie mir fonft ec=

münfi^t gemefen fein mürben, id) füljite mid) orbentlic^ nnglüdlid), roenn fie einmal

ausblieb. Sie fc^raebte mir oor, mo id) ging nnb ftanb, unb id) mürbe nid)t mübe,

ftill für mic^ l)in i^ren 9lamen auöjufprcd^en, mcnn id) mic^ allein befanb. Sefonberg

maren ibre f(^roargen 3tugenbrauen unb il)re fel;r roten Sippen mir immer gegen=

u'ärtig älHein nicmanb burftc al)nen, mag in mir oorging, unb ©miüe am

menigften: ic^ flol^ fie aufe ängftlid)fte, um mid) nur ja nid)t ju uerraten; \ö) ermieg il)r, roenn bie gemeinfd)aftüd)en Spiele unc. bennoc^ 3ufammenfül)rten, el^er ^einb= ieligfeiten üIz^ etroag g-reunblid)eö; icf) ^upfte fie oon l)inten bei ben paaren, um fie tod) einmal gu berühren, unb tat il)r mel) babei, um nur feinen S3erbad)t gn erregen. '"' Ginmal jeboc^ fiel er über einen 9J(itfd)ülcr l)cr, als biefer Gmilie mi|l)anbelte, unb mupte erleben, ba^ fie für il}ren oermeintlid)en geinb um .^ilfc rief unb fo uerriet, „ba^ fie il)n lieber i)a\k alö ben 9täd)er".

.^ebbel berid)tet ferner, ba^ er fc^on in feiner erften i^inbl)eit eine nai)c^ü franfbaft reijbare ^l)antafie be)a^; j. ^^. uerfe^ten \i)n Slumennamen in feiner gibel unmittelbar in ben ^rül)ling unb Sommer, fo ba| er fie oor anberen gern laut bu(^= jtabiertc unb fid) jebesmal ärgerte, menn bie 9^eil)e nid)t il)n traf; bagegen fragte er mit ben SfJägeln bog SBort „9iippe" aug feinem .^'atcd;i5nHiCi aug, um fid) nid)t einen oermoberten Änoc^en oorftellen ju muffen.

Gr mar ber auggefproc^ene Siebling ber SJJutter. Ser $ßater, burd) bie fc^mere 3lrbcit oerbittert, geigte foft nie ein frol)eg @efid)t. Gr ftarb fd)on 1827, unb lo blieb eg bem $8ierjel)njäl)rigen cripart, bas 9J?aurerf)anbroert gu erlernen, '3)urc^ 'I^cr-- mittlung feines Se^rerg ^et^leffen mürbe er gunäd)ft Sd)reiber in ber .^anglei beg ocrmögenben ^ird)ipielüogts mohx in SBeffelburen, in ber er ac^t lange Sal;re aug= l)arrtc, obrcol)l er mit bem £utfd)er gufammen effen unb in einem SSerfci^lage unter ber Xreppe fd)lafen mu^te.

gricbrid) .^ebDcl» Sebcii uiib 2cf}affcn. 387

„ßä ift unglaublich", jagt Hebbel, „was bcr 3)tenfd), ber gcäiimngcn ift, fid) ber Iföelt unmittelbar gegenübeiäuftcUcn, il)r mit eigenen .Gräften abjugeminncn oermag/' Sein eigcneö geben f)at bie SBal)rl)eit bicics l'luöiprudbö crmiefen. ^ap feine 3tuf-- [affung bcö ücbcm babei fein 33lütcntraum mcrben ober bleiben fonnte, ift flar. ^smmer [tärfer geigte fic^ feine geiftige Begabung, unb er fud)te fid) 33üc^er gum Sefen jiu uerfc^affen, wo er nur fonnte. ßr fc^ricb an auomärtigc ATCunbc, um ber 5c^reiber= ftube ju entrinnen, fa^te ben ^lan, Scf)aufpieler ju mcrbcn, unb ftellte \i&f ucrgeblid) einem Hamburger 3:i)eaterbireftor uor, ja, er manbte fic^ im :?luguft 1832 bricflirf) an ben uon il)m ^oc^üerefirten Ublanb, ber il)m tro^ ber SInertennung ber iljm uber- fanbtcn @ebicl)te ben diät gab nod) auöjut)arren. 9?a(^bem nod) ber ^lau, nacf) @ricd)enlanb auSjumanbern, äcrfd)ellt raar, befreite iljn enblic^ bie ^erauögcberin ber „3flcuen ^arifcr ^Itobeblätter" in .^amburg, Slmalic 3d;oppe, bie fi^on rüiebcrbott <3c- bid)tc üon il)m Deröffentlid)t unb je^t einiges Selb unb greitifc^e für if)n gufammen; gebrad)t Ijatte. i^lm 14. gcbruar 1835 ging er nad) Hamburg, um fic^ auf l)ö[ieie Stubien uorjubereiten.

5d)on in biefer ^dt geigten fid^ feimartig bie 9lnfd}auungen beö jufüuftigen 2)ramatiferö, ber fid) barüber flar ift, ba^ bae, „roaö eine S^ragobie jur ^^ragöbie mde^t, nur im Kampfe bcö 3}knfd^en, nie aber im :^Iuögange biefcö itampfcQ liegt", daneben fe^te er bie fd)ün in SBeffelburen begonnenen noueüiftifc^cn 23erfud)e fort. Sein „33arbier ßittcrlein" fanb 2lufnal)me in .^einrid; gaubeö „2Ritternac^töäcitung": biefe ©rgä^lung mar ganj uon G. SB. (Eonteffa beeinflußt. 3"crHer entftanben in ■Hamburg bie ^^oüclle „.§crr ^aiboogel unb feine ^^amiüe" fomie ber 3tnfang beö fomifdjen ^Romano „Sd)nocf".

$jn5mifd)en mürbe fein äu^ereö Sebcn immer briicfcnber. ®ic ^reitifd)e in ben reid)en ilaufmonnöl;äufcrn bemütigten il)n, unb aud^ ha^j SSerbältniö ju ber moljU meinenben, aber geiftig unbebcutcnben unb i^n bal)er nerftänbuiöloö beurteilcnben „Toftorin Sdioppe" blieb mit Hebbels fteigenber ©ntmicflung nid)t baöfclbe. ©in: quartiert Ijatte fie il)n bei „3}iamfctt fienfing", bie, faft um 5el)n ^ol)re älter alö .^ebbel fie mar am 14. Oftober 1804 ju 2enjen a. b. ©. alö 2^oc^ter eineä Stabtd;irurguö geboren , mit iljrer SJtutter unb i^rem (Sticfuater ^icfe, einem Sd)iffbauer, am 3tabt= beid) rool)nte unb fid) uon il)rer §änbe 2(rbcit ernäbrtc. ^br 33ater mar frül) bem 3Saf)n: finn üerfallen unb in einer ^^rrenanftalt geftorbcn. infolge ber ^ilnfpiclungcu feiner ©önnerin mäl)lte Hebbel fd)on nad) fed)G 2Bod)en eine anbcro 5Bol)nung, aber ein erftcö Sebenöglücf l)attc fid) il)m aufgetan.

„^^d) möd)te", fagt fein pfreuub unb 'iMograpl) tmil .^ub, ,M^ tauigfte 3Bort l)afd)en, ic^ mö^te felbft ein 3)id)tcr fein, nur um bicfeö OJcäbd)eu, bie je^t in fein fieben eintritt, in il)rer rül;renbcn Dpfermilligfeit, iljrer erfcbütternbcn .^ilflüfigteit, bie ben tiefen j'jrauennaturen eigentümlid; ift, mürbig anfünbigen ju fönncn. ^a i^ bieg nic^t oermag, fo nenne id^ blo^ i^ren 9?amen. 3ie bic^ Glife i'cnfing."

eiife mar burdjauö feine „9?äf)erin", fie mar jnr l'e^rerin auogebilbet unb f)otte jeitmeifc eine fold)C Stellung in .({albc inne. ^liouffeauö .,Conf«'SHions" j. 33. (nö fie in ber nrfprad)e.

2ö*

388 2)er iHealismuö.

^\)vc felbftlüfc .^ingobe iinö gläubig^iiinige 33en)unDeriing machten attein je^t Hebbel bcn 3IufentI)a[t in .goinburg crträglirf). 2ln eine ®i)e mit \i)x i)at er nie gebac^t. „2Benn meine tünftigc %xan'', frf)rcibt er 1835 in fein Xagcbnc^, „bie ^ätfte für mi^ cmpfinbet, fo bin ic^ §ufricbcn/' <So üerftanbeöüil)! I)Qt felbft ein ©oetlje ni^t einer ßbriftiane, gefdjn'cigc bcnn einer ?^rieberi!e gegenübergeftanben. ®oetI)e naf)m guöem Sf)riftiQne famt i^rcm gangen Inf)ang in fein 3JfiniftcrI)aus unb gog ftolj alle ?^olge^ rungcn. Hebbel lie^ ©life aUeö für if)n opfern, raaö fie ^atU, je^t nnb fpäter, unb oerlie^ fie bann, unb nic^t fein 3Serbienft, fonbern baö ibrige mar eö, ha'^ fie innerlich beäf)olb mit iljm nidjt brac^, fo gro^ aucf) i^r äßel; mar. S)iefe S)en!ung§art geborte 5u bem gangen 3)iaffiü bcö ^ebbelfc^en ©eifteö, bcr poctifd) bic 2inien beä fid^ in collcr j^reil)eit bilbenben GI)arafterg ebenfaUö inö llngef)eure unb Unfaßbare jog, wo nur noc^ bie bibantifd^e SffiiUcnötat bcö großen ©ingelnen fic^tbar bleibt aber ber SJtenfcE), nidjt bcr 5Did)tcr Hebbel, fte^t bier bem gjienf(f)en gegenüber, ber Tlann bem 3)Jäbc§en, bem er perfönlic^ ®ntfc^eibenbe§ üerbanft. 3tngema|te rid^terlid^e Urteile t)aben angeficf)tö biefer ^atfac^e feine ©eltung unb Sßirhtngöfraft, an ber ^^eftfteüung felbft aber barf niemanb, bcr fein Hebbel ift, ac^felgucfenb oorübcrge^en.

^ngmifdien l)attc er erfannt, ba^ feine 3Sorbereitung nad^ ©tjmnaftaftenauöma^ il)n nicbt rceiter. förbern fonntc. 3llö ba^er feine mitftrebenben unb il)n j. %. hc- lel)renben g^rcunbe ®rapenl)orft unb Sf^enbtorf bie Uninerfität ."Qcibelberg bejogen, he-- f^lo^ er, i^nen ju folgen, ^^orljcr aber, im ?^ebruar 1836, befucf)te er bie ^eimat, Don feiner 5IRutter freubig millfommen gcl)ei^en. 2:;iefeö Tlal, angefic^tä feines fommenben 3^lugeg in bie 2Belt, fül)Itc er fid^ in Sßeffetburen fro'^ unb gufricben. 9Jiit einigen l)unbert 9)Jarf, bie iljui uon feinem .^amburger ©elbe übrig geblieben TOoren, manberte er bann, fofern fiel) nicE)t biEige ?^al)rgelegenl)eit üon %ä\i gu %afi bot, über 33raunfrf)roeig, ©öttingen, Gaffel, granffurt nad) ."Qeibelberg, mo er am 3. 3lpril eintraf, ©eine Scbenöerfaljrungen moren l)ier trübe genug. ^116)1 nur, ba^ er immer tiefer in Iroftlofe^ürftigfcit ücrfanf: feine innere (gntroicftung fül^rte gu feiner entfd)eibenben Seiftung, unb baö juriftifd)e ©tubium gab er gang auf, noc^ cl)e er ^eibelberg am 12. (September 1836 banf ®lifenä §ilfe mit 9}iün(i)en^t)cr- taufd)te. ^en ©tubienfreunb, ben er in ^cibclbcrg gefunbcn ^atte, (gmil Sfiouffeau, Derlor er balb barauf burc^ ben Xob. '^n bemfelben ^erbft 1838 ftarb aud^ feine 2Rutter, ber er bag l)arte fieben nic^t mel)r freunbüc^ liatte geftalten fönnen.

2luf feiner SS-anberung nai^ 5JlüncE)cn befudite er ©uftau BifWüh in «Stuttgort, Der il)m einen ©mpfel)lungöbrief an Ul)(anb nad^ Tübingen mitgab, ^n 9Jtünd)en f)atte er ein £iebcSDerl)ältniö mit ber ^ifcblertoditer ^ofepf)a ©d)marg, bei bereu ©Item er rool)nte, ol)ne bcöl)alb bie 58egiel)ungen gu Slife miffen unb aufgeben gu fönnen unb gu rooUen. Gin ©rlebnig in ^^ofep^aö g^amilie gab il)m fpäter baä SKotit) gur „3Jiüria 3)Ragbalena".

3n)eiunbeinl)albes '^a))i: blieb er in 9J{ünd)en. Im 11. 3JJärg 1839 roanberte er roieber gu %n^ i\a^ Hamburg, nur. begleitet uon einem treuen ^ünbcbcn, baä il)m als ein ®efd)ent feineg toten ^^reunbes 3^onffeau l)eilig mar.

j^riebric^ .pcbbcl^ 9ebcn iinb Sd^affen." 389

3lm 28. Januar 1840 becnbctc er jchic erftc '2:rQgöbie, ha^ entfd)cibenbc ifficrf feinee 2ebcnö: „^ubitF)".

,,6{c ift", jagt ^ebbct 1839, ,,bcr crfte %ahcn bcö in mir liegcnben .Oö<^[tcn, ber fic^ abraicfcln lie^, meine S^^i'J'ft ftefjt je^t üor mir mie eine neue Söelt, bie id) erobern mill." SBäl^rcnb inbeffen bie „.^ubitl)" niei)reTe SJioIe in 33erlin aufgefül)rt mürbe, DoUjog fi(^ enbgültig bor 33rutf; jniiirfjen iljm unb 2{malic ©d^oppe. (Slife reifte am 23. ^uni r\a6) Söittenbergc. @r fclbft lernte in ßmma ScE)röber ein jungeö 9)iäbd)en auö oorne^mcr Hamburger gamilie fcnncn. „Söelc^ ein licblid^eö 3Käbc^en!", frfirieb er in [ein SagebucE). „®ie -J^ofe, bie fie mir [djenfte, beraufc^t mid; no^ mit i^rem ®uft." ®r f)at feine ßmpfinbungen ©life nid)t üer^eimlid)t. „Seit bem %a%", f(^rieb er i^r, „ha^ ic^ bies liebliche 3}iäbd;en faf), bin lä) roie im 9taufd) uoU im ^erjcn unb ooE im Äopf. ®u rairft Xic^ beffen freuen, roenn id) ^ir fage, t)a^ id^ bem innerüdifteH Grftidcn nai)e mar. ^Xie S5>c(t brängte auf mic^ ein, mie ein jufammenfaEcnbeö ©emölbc; mar ein glückten in§ '5:teffte binein, ein St^Iüpfen unb SSerftecfcn in ben üerborgcnften SBinfel. ^e^t bin id) roieber frei, unb fommt

etmaö ani mir ^erauö ^d^ brad)te bie S(^röber gu ^aufe. ©önnft SDu

mir? ©emi^!"

2lian mn|te ßlife Senfing fein, um if)m ba§ gu gönnen, ßö ^rjat ^jebbel nie an 2BaI)rt)aftigfcit, ©üfc nie an opferfreubiger Eingabe gefet)lt. 3Son ^ier au0 fommt man ju einer milberen Beurteilung biefeä merfmürbigen ^crt)ältniffeö. 3tuä iltünd)en l^atte er i^r gefd)ricbcu: „®a§ smif^en unö beftel)cnbe 3Sert)äItni§ ift auf einem fitt^ lid^en ?5^elfen, auf gegenfcitigc 3td[;tung gegrünbct; trat ein ©innenraufc^ ba3mifd)en, fo mcllen mir baö nid^t bebauern, benn mar natüvlid), ja, bei ber Sage bcr Dinge,

unucrmeiblid) deinem 3Jtenfd)en in ber SEelt fd)rcibc ii^ Briefe raie 2)ir ; "Du

genicBcft mit mir mein gefjeimftcS £eben; frage '^\6) einmal ernftbaft, ob mo^[ innigere Berbinbung mögli(^ ift."

®mma Sc^röber jcbod) 50g fidb uon ibm jurürf, uub it}m rourbe mieber einmal tiar, maö er an ßlifc bcfa|. „^c^ möd;te", fd)rieb er ifjr, „ben ganzen ^ag üor Dir auf ben i^nien liegen unb Did^ um Vergebung bitten, ba^ id) X\6) fo oft gequält, im i:iefften cerle^t, bitter gefd^mät)t I)abe. D, es ift oft eine folc^e Berrairrung in meiner 9tatur^ ba^ mein bcffcreö ,^d) öngftlic^ unb fd)üd;tern 3mifd)eu biefen d)aotifc^cn

Strömen uon Blut unb Seibenjd^aft, bie burd;einanberftüräeu, umherirrt S5>ie

boc^ fteF)ft Du über mir, Du, bie Du fo gang Siebe bift. Du, bei bcr id) ron bem glud^ unb ber Sd^anbe unfereö gangen (Sefd)Ied^tö, bem egoiömuö, nie etroaö entbedte', nie aud^ nur fo viel als nötig ift, ben 9)ienfdKn im 5lampf mit ber feinb= lieben, nid;tömürbigen Sßclt äufammengufjalten!"

^n ford)cn i^u bin= u^^ bergiebenbcn ©efüblöftrömungen cutftauben im öcrbft 1840 bie erftcn Sgenen bc§ DrauerfpielS „©enoueua". ^m "-lioiiembcr gebar ibm fölife einen .Knaben. £0 mar ha^j Seben uon böc^ftem Ginfhife auf biefe Dichtung, bie am 1. aJiärj 1841 oollenbet mürbe. S^nfdjen bem brittcn unb oierten 9(ft fd)ricb er no^ bie 5?oreIIc „3)iatteo", boren Dbenui bem ber „©cnoneua" nermaubt nun.

390 2)er Dkafi^mu'^.

Ter Soimiicr 1841 ucroing, oI)nc if)m weitere Jvi'iicf)te ^u tragen, ©infam 501] er \\d) in fid) |e(b[t ,^uriicf. ^m ^crbft erfuf)r er Don einem S3erliner ^rciö= onofd)reiben für bae befte SnftfpicL Taö gerb if)m bie 3lnregung, feinen ,,Xiamanten" ^u Derfnffen unb frcilid) obnc Grfolg einäufenben. ^m näd)ften ^abre uer: öffentlidjte er ferner feine erfte Sammlung „©ebidjte", bie ebenfalls bie (STlcbnifie unb bie Stimmungen feiner ^ugenb ergreifenb lüiberfpicgctn.

lim bcm nad) mic vov cmpfinbfid)en Trud ber 3?erf)ä[tniffe, bcr in «pamburg bleifd}mcr auf ibm (ag, begegnen ^yt fönnen, entfc^Io^ er fid), angeregt burd) eine bieöbe,y'ig(ic^e Unterrebnng mit bem fc&reönngid)en (Brafen ^Utoltfe, nac^ £openl)ageu SU geben unb fidj an ben Töncnfönig Gbriftian ^'111., ber bamalö ja in Tit^marfc^cn bcr X^inbeöl)err mar, mit ber 53itte um eine ^ilfe, fei in gorm einer ^rofeffur ober eines Stipenbiume, ,yi menben. Ter 3Sater feines toten greunbeö $Rouffcau (ieb ibm ctmas ®efb, unb bao ."öonorar für bie „©enoueca" nerbiieb (Sfife unb ibrem Heineu 3JJay.

^m 5buember langte er in .^opculjagen an, roo er banf ^]}io(tfeS ©mpfeblungen bolb bem Stömq Dorgefteüt mürbe, ^meimat in ber 2ßod)e fam er mit bem bänifdicn Tic^ter 3(bam Öbleufd)(äger äufammen, ber ibn.i bie S3efanntfd)aft mit bem 23ilD= (jauer Tf)oroaIbfen uermittette. iXud) ben ÜJJärd}enbid)ter unb 3?erfaffer bcö „3m= pronifator" 31nberfen fernte er fenneu. Sein non Öf)(enfcb(äger uuterftü^tes ©efud; an ben ^önig um ein 9teifeftipenbium bfltte fd)lie^fidj Grfolg, fo ha^ er für aiuei ^^abre ber brüc!enbften Sorgen überboben raurbe.

^n ber legten SBartcgeit mar im %xüi)\al)x 1843 arbeitete er eine 3lb= ()anblung „Gin SBort über hai Trama" am, bie tl)eoretifc^e ©runblage feines ganzen bramatifd)en Schaffens, über bie er fic^ bann mit einem 3lngreifer, bem bänifd)en ^rofeffor .^eiberg, in einem 3ufa^ „aUein SBort über ha^ Trama", noc^ weiter unterl)ie(t.

•Hebbel fal) eine brüd)ige .flultur anfammenftürsen unb eine neue entftel)en, ^u Deren mic^tigften SBerf-^cngen nad) feiner 5meinnng baS Trama geborte. Sd)on 1837 batte er aus 3D(ünd)en an ßlife gefc^riebeu: „Tie SBeltgefd)id)te ftebt je^t uor einer ungcl)euren 3lufgabe; bie ^öüe ift längft ausgeblafen, unb il)re legten ^-lammen babcn ben |)immcl ergriffen unb ner-5el)rt: bie ^bee ber @ottE)eit reid)t nid)t mel)r am/'

Ter perfönlicbe SBille unb ber SBeltmillc ftel)en nac^ |»ebbel in einem er= barmnngslofen, croig erneuerten Klampfe mitciuanber. Taö blo^e Tafein beö ^nbioi^ buums begrünbet bereits ben Segriff ber Sd;ulb, rcie fie in ber Tragöbie erfcbeint. ^:8on 58erfel)lnngeu, Sünben unb 5ßerbred)en roei^ alfo bie .^ebbelfdje 3(uffaffung &er Tragi! nid)ts. „Tac i^eben", fagt er einmal in feinem Tagebud), „ift eine furd)tbare 9iotmenbigfeit, Die auf Treu unb ©tauben angenommen merben mu^, bie aber feiner begreift, unb bie tragifd)e .SUinft, bie, inbem fie tao iubiüibuelle Seben ber ^bee gegeu^ über uernictjtct, fic^ ^ugleic^ barüber erbebt, ift ber leud)tenbe «li^ beS menf^lic^en

33en)uBtfcinö, ber aber freilid) nichts erbellen tann, waS er uid)t jugleid) perjel;rte

Tie tragifd)e .ftunft nmcbft allein am fold)en 3Infc^auungen beroor mie eine fremb: artige, unl)cimlid)e ^^hime aus bem 9fJa^tfd)atten, benn menn bie epifc^e unb bie

gnebnc^ .s^icBBcf» £'c(hmi iinb SdjaTTcn- 391

(i)vi|(^c ^ücfic aud) ()ui unb loicbcv mit bcii bunten 33Infcn ucr 6"rf(f)cinungcn fpictcn biirfen, fo bat bie brnnmtifd^e burd;aiiö bic Oninbucrfiältniifc, innerhalb bereu allcö i)erein5c(te unfein euti'tcl)t unb perget)t, ine 5(uge ju faffeu, uuD bie finb bei bem be; jcf^ränften ©c[id)töfreig beö SJ^eufc^cn n^"fiiicn{)Qft/'

SSeuben rair uns ^u bcni erftcn „SBort über biiä Drnuia", iüo er fic^ ^uuacfii't über bn(- $8erl)ä(tuiö ber 5luuft jum ^eben auöjpridjt: bae innere unb äußere Seben roerbe oon ber ^oefie äugteic^ bnrgcfteüt. I^qö ^rnma im befonberen üergegcnroärtige bcn i^'bcnöproäc^ an fi(^ in bem Sinne, bnfi M^i bebenflid)c SSerI)ä(tniä beö ^ubiüi: bnumö ,ytni ©an^en bef)nnbele unb bic eroige Sßabrbeit nricberliole, mit bem Seben

„alö SSercin^cIung, bie uid)t SDiap ju bniteu roei^" fei nucf) bie Scf)ulö ^uglcic^ gegeben; alfo nic^t roie bie rf)riftlic^e ©rbfüiiDe eutjpriuge bie Sc^ulb auö ber SSillenö; rid)tung, fonbern unmittelbar auö bem SBillen felbft, an^ ber ftarren eigenmächtigen !:?{ucbe(jnung beö ^rfjö. l)ie 6t)araftere bürfen nid)t als fertige im 1)rama erfd}eincn

ibre ßntroicflung im ^ampf mit bem SBcltroiUen fei ja gcrabe haQ 5:l)cma. „Taö poüfommcnfte Sebcuöbiib", fagt Hebbel, „entfte()t Dann, roenn ber .^auptd^aratter M^ für bie kleben: unb (Segenroartöd)araftere roirb, roas ta§, ©efd^id, mit bem er ringt, für ibn ift, unb menn ficf) auf foId)c SBeifc alleö, biö ju bcn unterftcn 5lbftufungen f)erab, in, burd) unD mit cinanöer entmideit, bebingt unb fpiegeit." X)er bramatifdje '2)id)tcr fönne nidjto geben als feinen eigenen i2ebenöpraje|, aud} ?ann, roenn ev biftorifdjc Stoffe roaf^It. 3)ie ©efd}id)te fei für ibn nur „ein 'Cet)ifcl ,^ur i^ertörperung feiner ^(nfc^auungen uiiö ^becn".

^ie üorbanbenen 'Dramen teilt Hebbel in fOöiale, biftorifc^c unb pbilofopbifc^e; alle biefc 3iid)tungcn nereinigen fid), fagt er jum Sd)luf}, in feinem T^rama, unb er bc^^iel}t fid) babei auöbrücflic^ auf „^uöitl)" unb „©enoucua".

3ur ©rgän^ung ift auö ber Grroiberung auf ^eibergö 'Eingriffe „9)Jein 2Bori über Mt^ 'Drama" nid)to unbebingt 32otroenDigec. nad)jiutragen. ©rflärt .r^ebbel boc^ felbft, er rooUe nic^t etma öie ^uDor gegebenen 3iefultate feineö jabrelangen '^adr- bentenö berid;tigcn, fonbern nur bie Durcb .'C^ciberg angerid)tete SSerroirruug befeitigen. 3{ber bie eine berül}mte Stelle, Die freilid) burd) eine perfönlic^e ',)(uöeinanDerfe^uug mit bem ©egner unterbrod)en roirb, barf in feiner Siteraturgefd)id)te feblen. „^^n ber 3)ia^lofigfeit", fagt ."gcbbcl, „liegt bie SdjulD, guglcid) aber auc^, ba ha^i ^X^ercinjcltc nur bann maBloc ift, roeil es, alö nnuollfommcn, feinen illnfprnd} auf T^awo: bat unt) becljalb auf feine eigene 3c^"ftörung binarbeiten mu^, bie 'SSerföbnung, foroeit im .Greife ber ^unft barnad) gefragt roerbcn fann. Diefe Sd)ulb ift eine uranfänglidie, üon bem ^Begriff bes -LOieufdicn nid)t ,yi trennenbe \u\h faum in fein ÜSerou^lfein fallenbc, fie ift mit bem Seben felbft gefefet. Sie giebt fid) alö bunfelftcr '^at^cn burd) bie Überlieferungen aEcr !Sölfcr l)inburd), unb Die (irbfünbe felbft ift nicöts roeiter alo eine am \i)v abgeleitete, djriftlid) iiiobifi^ierte i{ünfequcu,v Sie l)ängt t)on Der i^iicbtung beö menfd)lid)en SBillene nid)t ab, fie begleitet alleö menfc^lid)e ^anbeln, roir mögen unö bem 0)uten ober Dem 'Böfen (yiroenben, \}afj ^?a^ fönnen roir bort überfd)reiten roie bier." Daö erfdiütteruDfte "öilD ergebe fid) bae roiberfprad) allen f ruberen Xljeoricn! gerabe bann, roenn ber .r-^elD an einer oortrcfflidien 'i^eftrebung

392 ©er iRealismue.

äiigrimbc 9cl)e. „®Qg ^roma, luie irf) fonftruierc", föl)rt ^ehhcl fpäter fort, „fc&lie^t feineenjege mit bcr ©iffonanj, bcnn löft bie buoliftifc^e g^orm be§ ©eine, fübalb fic 5u fd^neibcnb Ijcroortritt, burdf) fic^ jelbft roieber auf, fteEt, roenn ein ©lei^niö erlaubt ift, bk beiben Greife auf bem Söaffer bor. Die fid^ eben baburd), Da^ fie einanber cntgcgcnfrfiniellen, gerftören unb in einen einzigen großen ^reiö, ber ben jerriffenen Spiegel für boö ©onncnbilb roieber glättet, gcrgel)en. 2lber lä^t aUex- bingg eine S)iffonan5 unerlebigt, nnb groar bie urfprünglid)e ^Diffononj, bie es üon iHnfang an überging, inbem es bie SSereingelung, oI)ne nad) ber causa prima ju forfc^en, aiö mit ober oI)ne ©reation unmittelbar gegebenes ?^aftum I)innal)ni, eS lä^t bälget nic^t bie Sd^ulb unoufgeboben, woi)l aber ben inneren ©runb ber ©cE)utb un= entfiüUt. ®oc^ bieS ift bie ©eite, roo bas Tiramo fici^ mit bem Sßeltmpfterium in eine unb biefelbe 9lac^t cerliert. 3)oS ^öc^fte, roaS eS crreidit, ift bie Satisfaftion, bie CS ber ^hee burd) ben Untergang bes i^x burc^ fein ^onbeln ober burd) fein ©afein fclbft roibcrftrebenben ^nbiüibuumö oerfc^afft, eine Satisfattion, bie batb unnoUftänbig ift, inbem baS ^nbioibuum tro^ig unb in fid^ perbiffen untergef)t unb baburd^ im PorauS Derfünbigt, ba^ es an einem anbern ^unft im SBeltaE abermals fämpfentv I)eroortreten luirb, bolb uoUftänbig, inbem baS ^fnbitnbuum im Untergang felbft eine geläutertere 2lnfd;iQUung feines SSerl^öItniffes §um '©anjen gewinnt unb in ^^riebcn abtritt. S)od^ bieS genügt aud^ im groeiten %aU nur ijalh, benn roenn ber 9ti^ fi^ aü^ roieber fd^Iie^t, roarum mu^te ber '3i\^ gefd^el)en? .^ierauf ):)ühQ icE) nie eine 31ntroott gefunben, unb feiner roirb fie finben, ber ernftlic^ fragt."

S)ie ungeljeure Sebeutung biefer ©runblinien für bie gefamtc moberne ^ra= matif "rforberte il)re roörtlidje Sßiebergabe. 2Bar bo^ bamit bie bi§f)er geltenbe Dramaturgie auf ben i^opf geftettt. Stu^erbem erlieÜt aus ben angefül)rten Stellen Hebbels perfönlid^es SSerböItnis juni probuftiuen Sd^affen: „baS SDrama, roie id^ es tonftruiere"! .^ebbel fonftruiert! SBelc^er ©egenfa^ gu Sturm unb Drang, gur ^Romantif, ja felbft gum flaffifd)cn Drama ©oet^es unb Sc^iHerS, unb roeldier 3Beg gar uon Sf)afefpeare bis Hebbel! 33ei Sf^afefpcarc finb bie ^"^ii'^^wc" ^^^ ^^^ $anblung unb SebenSgeftaltung roiHen ba. ^e^t bebcuten fie nur nod^ etroaS alä Xräger üon ^been. 2tucE) bei SdjiHer üertritt ber tragifd)e ."pelb eine ^bee, aber er ge§t nid^t an bem Seben, fonbern im Klampfe gugrunbe. Die ^ragif beru{)te aud) bei il)m nod) auf bem Grbabenen im Subjeft=Dbjc!t: ber SBille fe^t bei ibm bem Seiben bie Unenblid^feit feiner 3^reit)eit entgegen unb triumpl)iert über bie fiebcnsbebingungcn, bie if)n unterbrüden roollen. ^einricf) uon ^leift fe|te 6f)araftcr unb ^^Q^^'twnö ^" neue 33egie{)ungen gueinanber, Iie| aber bie ^bee gurücEtreten. So t)at Hebbel eigentlich feinen großen 33ortäufer.

Dod^ fef)ren roir gu Hebbels Seben gurüd. ©nbc 3{pril reifte er gu; näd)ft naö) Hamburg, roo er am 8. September gu Sd^iff ging, um über ^aorc ^aris gu crrei^en. ^ier fud)te er mit einem @mpfef)IungSbrief beS gemeinfamen S3erlegers Gampe gunäc^ft <0einrid) ^eine auf, beffen „Sud) bcr Sieber" er 1841 im „£)amburgifd)en .^orrcfponbenten" anerfennenb beurteilt i)aüe. greilid) l)ielt et ibn nur für ein großes, ju allem fof)iges unb oorurteilölofes ^^ormtalent. '^od) 1858

gnebric^ ^ebbel^ Seficn unb Schaffen. 393

äußerte er, bei .^einc ginge ber „gro^e 9ii^" (j. o.) itirf)t cinmar burd^ bie SBefte, ge^ )(f)it)cige beim burd^ ha^ ^etj.

2Benige SBoc^en und; [einer 3Infunft in ^ariö er{)ielt er bie dlü6)v\d)t, ha^ jcin unb (Slifeng Söl^nc^en geftorben fei. ©§ fanb feine 3tu^eftättc in einem 3(rinengrab. Unb je^t begann ein lange nac^rairfenber unb nad^Ijallenbcr .^ampf mit Slife, bie neuen SJlutterfreuben entgcgenfa^, um ba§ 35anb ber bürgerlicf)en @I}e, baö Hebbel im 53emu|t)ein beffcn, moä für iljn babci innerlich, Üinftlerifd^ auf bem Spiele ft'anb, nerfagte. ^a§ mar bie 3cit, in ber feine in ^openf)agcn unter bem ^itel ^^^larn" gefd^riebenc, je^t 9Karia 9)iQgbaIcna" genannte ^ragöbie ausreifte. Sie mürbe am 4. ^Degember 1843 beenbet.

3n mcfentlid^en 3"9ci^ c^^öönät »»b beftätigt baö auöfüf)rli(f)e SSorroort .^ebbelß i)ort)in befprodjene bramatifdje Xljeotie. ©r erflärt baö ®rama,für ,,ein ^robu!t ber 3eit, aber frcili^ nur in bem Sinne, morin eine folc^e ^e'ü felbft ein ^robuft aller üür{)ergegangenen ^^^ten ift, baö oerbinbenbe 3)titte[glieb jmifd)en einer ^ette von ;3at)rf)unbertcn, bie fid) fc^Iic^en, unb einer neuen, bie beginnen rciE". SBicberum [teilt er bem Drama bie größten 5lu(turau[gaben, joKe ben meItf)i[torifd)en "^rojc^, ber in biefer ^eit üor fid) gel^e, beenbigen l^elfen, b. f). bie üorI)anbenen ^nftitutionen öeö menfc^Iidjen ©e[d)Iec^te nid)t umftürjen, fonbern tiefer begrünbcn. ^ebe ed)te ^oefie fei in fold^em Sinne seitgemä^. T)arum Ijabt er im SSormort ber „©enoDena" feine Dramen alä fünftterifc^e Dpfer ber ^dt be^eid^net. „^c^ bin mir beraubt", iäi)xi er fort, „ha^ bie inbiuibueHen Scbcnöprogeffe, bie iä) barfteHte unb nod^ bar= ftetten roerbc, mit ben je^t obfc^roebcnben allgemeinen ^rin^ipicnfragen in engfter ^erbinbung ftcJ)en, unb obgleid^ mid^ nid)t unangenel;m bcrül)rcn fonnte, bafe bie Äritif biäb»^t faft au£i[d)üe^(ic^ meine (Seftalten inö 3(uge fa|te unb bie ^been, bie fid^ repräfentieren, unbcrüdfid)tigt lie^, inDem id^ f)ierin moI)I nid^i mit Unred)t ben beften Semeiö fiir bie mirflidje Sebcnbigfeit biefer ©eftalten erbiidte, fo mu^ id) nun bod^ roünfd)en, ba^ bieö ein @nbe ncl)men, unb ba^ man auc^ bem jroeitcn gaftor meiner Dichtungen einige SBürbigung miberfcl^ren laffen möge, ha fid) natürlicf) ein ganj anbereö Urteil über Einlage unb 3tuöfü(]rung ergibt, rocnn man fie blo^ in be^ug auf bie be{)anbelte 3Jnefbote betrautet, aiö menn man fie nac^ bem ju beraältigenbeji 5(beentern, ber mand;eö notiDcnöig mad)en fann, raaö für jene überflüffig ift, bcmif?t."

Der (Bcbanfe alfo ftef}t Hebbel über bem Silbe, ber Denfer über bem Did)ter. ^on t)ier auä mu^ man fic^ ibm nät)crn. ^ebod) ift ha^ nic^t fo aufjufaffen, aH beljerrfdje nun bie ä^kfiepon fein Drama, ^m (Segenteil uerfic^ert er, ba| (Sebanfen mie übrigcnö aud) ©mpfinbungen nid)t an fid;, fonbern immer nur fo roeit ins Drama I)incingel)örcn, a(ä fie fid) unmittelbar jur ^anblung umbilben . x'tud) tiiefeö über ift nic^t einfeitig ju oerftcben: .^^anblungen feien „feine ^anbhmgen, menigftenö feine bramatifd)e, menn fie fid^ o^ne bie fie norbereitenben ©cbanfen unb bie fie bc= gleitenben &mpfinbungen in narfter 3{bgeriffenf)eit mie 3iaturi)orfäIIe t)inftenen, [onft niöre ein ftillfd)meigenb gezogener Degen ber .^öf)epunft aller :)lftion".

9Jiit „3Jiaria iDtagöalena" betrat öebbel ein neueö bramatifd)eö 0)cbiet: ba» bed feit Seffing fo oicl bearbeiteten bürgcriidien Drauerfpielß ' „^ubit^" foroobi mir

394 T>cr OJcali^muä.

„GnMiüiicurt" uniräelit jn in Gk)c^id;tc iinb ^aqc. 3(ud) auf bicjc befonbcre ©attiing gebt cv in [einem SSoriuort ein: fie fei, meint er, in 9JJi^frebit gcfommen, baburcE), bo^ man fie nidjt am if)ren inneren ©Icmenten aufgebaut, fonbern aus allerlei Siu^erlic^; feiten juianiinengcflidt bnbc, „5. S. aus bem 9)tangel an (Se(ö bei Überfiup on |)nnger, uor allem aber anz-^ bem ^itü^'^n^^nftofien i^cö britten Stanbeö mit bem jroeiten unb crften in .Öiebeöaffären". „'3Dann auc^ baburd)", fäbrt er fpätcr fort, „ba^ unjere "•ßoeten, menn fie fid; einmal ^um SSoIf f}erniebcr liefen, rocil ibnen einfiel, ha^ man bod) ineUcidjt blo^ ein 9)(enfd) fein bürfe, um ein Sdjidfal, unb unter llmftönben ein ungel^eur^ö 6d)ic!fal I^abcn ^u fönnen, bie gemeinen 3JJeni(^cn, mit benen fie fid) in folc^cn pertorenen Stunben befaßten, immer crft huxä) fc^öne 9fveben, bie fie ibncu üuö if)rem eigenen 'Schafe üorftrcdten, abetn, ober au^ burd) ftörfige 33orniertt)eit no^ unter if)ren mirflic^en Stanbpunft in ber SBelt I)inabbrüden ^u muffen glauben, fo ba^

ib;re ^erfoucn unö jum ^eil alö Derttninfc^cne ^rinjen unD '»^rinäeffinnen uorfamen

C5ö ift an unb für fic^ gleichgültig, ob ber ^ei^n ber Ul)r non @oIb ober oon 9)ieffing ift, unb ec tommt nid)t barouf an, ob eine in ftd^ bebeutcnbe, b. t). fr)mboIifd)e ^anb= hing fid^ in einer nieberen ober einer gefellfd)aftlicf) pf)ercn Spf)äre ereignet."

SBie „5IRaria 3JcagbaIena" bereite anbeutet, -mar fein inneres Sonncnlebcn, Daö Hebbel in ^aris befd^ieben mar. Mwd) mit feinem ©elbe mu^te er fic^ fel)r ein^ fdjränfen. ^m 3JJai 1844 mürbe il)m oon (Slife ein groeiter Sot)n geboren. Xa§, mar mobi ein ©rfa^, gugleid) aber auc^ eine neue S3elaftung.

^m September besfetben ^a^reö ncrlie^ er ^ariö, mo er noc^ öljlenfd)(äger batte begrüben fönuen unb in geliy Bamberg unb Strnolb 9iuge üerftänbniSuoHe neue greunDc gefunben bntte, unb fctjte feine gro|3e ©uropareife v.ad) dloni fort. Dbroobl er fid) i)icx burcbauö nicbt befriebigt füblte unb auö) mit feinem ©elbe nidit mebr n^eit reid)te, oermodite er ficb bocb üon ^^«lic'^ "i^t ^u trennen roobi aber i)on JRom : bie bilbenbe 5\unft fagte biefem 3Sertreter ber ^oefie bei mcitem nid;t baöfeibe roie einem ©oetbc. ^m Sommer 1845 ging er na^ 9JeapeI, roo er u. a. aucb mit bem Sitcraturbiftorifer «permann Lettner befannt mürbe. Über feine ^^efteigung beS 58efuD'j n-.ie fd)on über mancbeö anbere S^cifecrlebniö rorber Ijat er eine Scbiiberung binterlaffeu, bie fo recbt d;arafteriftifd) für ibn, ben rcaliftif^en ^effimiften, ift, nan.entlicb «'" Scbhi^, roo er „baö fcbrecf(id)e Silb" in [einer „Xotalität" erfaßt; „28clfen unb Siebet legten fi^ aU ^al)mcn berum unb fd)nitten ab oon ber übrigen aBett. Xie Sonne pa^t nicbt gu einem fenerfpeienben SBerg, bie ^öHe mu^ ficb [e(b[t beleucbten, er[t nacb ibrem Untergang [cblo^ [icb ber ßinbrud in [einer gangen (5igen=

tümticbfeit ab ^lacbbcr ging ber 3)conb auf unb brad)te burd) [ein milbes un^

[d)utbigeö £id)t einige ^?er[übnung in bie bü[tere Sgene, nie ein ergrei[enbeö S3or[pieI eines testen ^eitmomentö abqah, wo bie Grbe [ein wirb mie bic[er S3erg, fabl unb öbe unb ben Elementen jur oölligen 3er[törung überontmortet."

3m Cftober 1845 uertie^ Hebbel Italien unb ging nacb SBien, [rob barübcr, bn^ er jc^t mit 9JJen[d)en umgugeben rciffe unb fein üer[d)üd)terteö SBefen uerforen bnbc. Gr befucbte bicr nun bie fübrenben ©eifter, aucb §tüm unb (Srillparger. Broci ^^erebrer [einer ^oefie, bie beiben jungen ©rafcn ^erboni, gaben ibm ein J^eft, unb

griebrid) §cbbcl'o 9c6cn unö Scfjaffcii. 395

je^it imirbc bic öftcrrcirf)ifrf)e ^nuptftaöt anfmcrffam. 2)ic 3(^aufpic[criu am §üfbiirg: rbcntcr (S^riftinc ©ngliaiicv bic er ]6)0\\ in önniburc^ C!cic{)cn I;nttc, jcit 1840 in Sien, ricr 3al)re jünger nlö er, alfo faft uierjcl^n ^af)re jünger alö ßlije, periuanbte ficf) für il]n, um bie ^Rollen jeiner '3)rnmen uerförpern ^u bürfen. i^lber er gcnjnnn mehr an if)r: fic i'elbft. Unertröglid) mar iiim t)ic ilette gemorDen, Pic il}n an Glije fcffeUc: er gerri^ fic unb ucrmäl)(tc fid) mit (Sljriftinc am 26. 2)iüi 1846. „SÖcnn bie :)hibc bee ©emiffenö", fdireibt er in feinem ^ii^l^'cörücfblic! uom 31. 1)eäcmber, „bic ^robc Dcö .'panbelnö ift, fo i)ühc \6) nie beffer gebanbelt, alö inbcm irf) bcn Sdjritt tat, anö bcm (Slife mir eine Xobfünbe mad)t." l)aö jnnäd)ft uöllig ^crriffcne 'Banb jog ficö unter Gbriftincnc Ginflu^ fpäter mic^er ein mcnig äitf^^nni^^'n. „Xu fiaft feine yUnber geboren", fagte (Ebriftine eineö xHbenDö meincnD ^n ibrem G)atten, „id) mci^, rnic haz' tut, unb beflage fic uncnDlidi." ^m 3Jtai 1847 ftarb Giifens unb ^cbbclö jiüciter Sobn Grnft, ben fein ^^atcr nie gefe^cu f)at. Mnd) Dicfcr Sobn fanb feine ji'nbeftätte in einem 3(rmcngrab. .£-)cbbc( i)at \iä) um bie (Sräber feiner Hinber nie befnmmcrt. 3{uf Gbriftineuö 23itten fam nun Glife in öebbelo ^auc<, wo fic ein i^vobr blieb. SSenn Sefud^ fam, ging fic mit Selbftücricugnung ftill binanc, fo M^ mebcr ^u^ nod) anbcrc erfubrcn, raer fic mirflid) mar. iUit (5f)riftincnö non .^ebbel adoptiertem 3obn 5lar( fel)rtc fic nad^ i>imburg äurüd. „^clM tft", fdiricb fic fpätcr an GI)riftine, „unfer S^crbältnic. gemi^ einco pon ^enen, Deren menige gibt." ■^I^on einer inneren 3Serfö{)nung fann inbeffen nid)t bie r)ki:)e fein.

Giife ftarb jd)Dn menige ^abre barauf, am 18. '}iouembcr 1854, einfam unö Dcrlaffen. „2Scld) ein ucrmorrcncc Scbcn", fdjrieb 4^ebbc( in fein Xagebucb, „mie tief mit Dem meinigen uerfiod^ten, unb bod) gegen bcn SöiHen bcr 9^atur unb obnc bcn red)ten inneren Sejug! T)cnnod) mcrbe ic^ nicmanb Heber afs ibr in bcn reineren ^Jlegionen begegnen, menn fic fi(^ mir bercinft erfd)(ie^cn." 3lud) Glife niu^te üon ben Firmen begraben merbcn. Später murbc bie Scid)e nadb Cbföborf überführt, mo tlir Hamburger ilunftfreunbe einen Xcnfftcin fetzten mit bcr ^^nfc^rift:

931umenfräu,^e entführt bem ^IJcnidjcn bcr leijefte SSeftminb, 2)ornenfrünen jebod; nirf)t bcr gciimltigfte Sturm.

^nämifcf)cn fd)on im September 1846 hatte ^ebbct begonnen, feine Selbftbiographic ,^u uerfaffen, bei ber er inöeo nid;t über bic erfte ^ugcnb hinauöfam. i'luö Italien ^atte er .^roei bramatifd)c ^Uöne mitgtbrad)t, bie er im ^aljrc 1847 DoIIenbetc: bic cinaftigc Xragifomötiie „Gin ^rancrfpicl in Si.^iücu" unb bic Drei= aftige XragöDie „finHa". iHbcr crft 1848 gelang ihm miebcr ein groper Surf mit feinem padenbcn 5:rauerfpic( „•gcrobcö unb ^Hiariamne". ^n Dcmfclbcn ^sahre cr= fc^iencn feine „bleuen Webid)tc".

3ied)t hcimifd) ift ber fd)meigfam ernftc .^öolftcincr in Sien nid)t gemorbcn. 3iur menige Dfterreid)cr traten ihm frcunDfriiaftlid) näher, uor allem Gmil Sinl), bcr fpätcr fein 33iograph murbc, unb ^JlDolf %'idiler. Überauo glüdlid) murbc bic Gbc mit Ghriftine.

:?IU ^^Inhänger Der fonftitutioncllen -i1ionard)ie uernuid}tc .»Debbcl Der Gntmid

396 25er Dteali^muö.

Iinig bcr ^icuolution nur mit bebingtcr Xci[nd;me unb ?^reube p folgen. 3ln Der opi^e einer Deputation beö Sßiener Sd^riftftetterüereinö ©oncorbia ging er 1848 narf; ^nnöbrudf, um qIö Spred^er ben Sl'Qifer gur ''JiüdMjv nadj SBien einjulaben. &in politifcfieö ^rauerfpiel „©n§ erfte Xobeöurteil" blieb in ben 3tnfängen fteden.

5lbgcfeE)en oon bem Suftfpiel „®er Sf^ubin" I)Qt f^ Hebbel in biefen l^Q^i^c" porniiegcnb mit öft^etif(f;eu Slbljanblungcn befc^äftigt, bie i^m burc^auö nicf)t leiert mürben, „©in 2Iuf[afe foftct mid; mel^r alö eine ^^ragöbie", fc^rieb er im Wäv^ 1848 an feinen alten g^reunb Bamberg. ®ama(ö (1847) b. ^. nod) cor „^erobeä unb ^iariamne" entftanb feine Unterfud^ung „Über ben ©til beö Dramaö", bie feine früfieren bromaturgifd;en arbeiten mieber in mand^cr SSegiefiung ergänzte. Die Did^= tung, erflärt «r, ermac^e auö ber StnfcEiaunng, Ijahe mit bem fielen ju tun unb fei beffen opi^e; boä fprad^Iicfie ^robuft, ha^ cntftefje, menn ein pofitio inbiinbueüer ©eift (bcnn negatio inbioibueE feien fie aUe) ben oEgemeinen burc^bringe unb be= fruchte, merbe ©til genannt; fefee beibe gaüoren mit gleirfier ^iotroenbigfeit üor- auö, fei barum 2Iu§brucE pgleic^ ber Silbung me ber Slrtung eines ^"i'ioibuumö. Slufö neue betont er, ha^, Drama fei bie ^'öä)\U ^orm ber ^oefie unb ber ^unft über= [jaupt, l)übc aber „nic^töbeftoroeniger bie 9(ufgabe, baö Seben in feiner Unmittelbar^ feit gur 31nfd)auung gu bringen unb ben aUeö umfaffenben SSerftanb, ber il)m im (Sangen gugrunbe liegen mu^, im Singelnen l)inter anfc^einenber SBiüEür ju Der- ftecfen; foE eine SBelt fein, feine Ubr. Die ßöfung biefer Stufgabe Ijöngt nun gmar 5unäc^ft oon bem 2öec^feIgeflecE)t ber ß^araftcre unb Situationen ah, üon bem ©rabe, mie biefe fid^ gegenfeitig bebingen, unb bem SSerljöItniö, roorin fie ^üm Sbccngentrum ftel^en, fie finbet ilire oottftänbige Siealifierung aber crft in ber ©pracbe." Sefonberö djarafteriftifd) ift bann nod^ für ben benfenben Dicfiter Hebbel fein 9(uffa^ (1847): „SBie üerl)alten fid; im Did)ter ^raft unb @rfcnntni§ ju cinanber?" Diefe beiben 33egriffe, fü^rt er auä, feien bei bem poetifcl) ©diaffenben oufeinanber angemiefen, bcnn auc§ bie unbcmu^te ©mpfängniä beg ©enieö fei eine ©rfenntnig, jn ber fi^ bie bemühte Iraft ber ©eftaltung gefeEen muffe.

2Bäl}renb er noc^ immer an bem längft begonnenen „9)fotod)" roeiter arbeitete, ron bem nur jTOei 3tfte erhalten finb, beenbete er furg uor SBei^nac^ten 1850 tm groeiaftigc ^ünftlerbrama „9Jlic^cl 3tngelo". Daö nöd^fte ^q\)x brad^te roieber ein großes SBerf, bag ^rauerfpiel „2tgneg 53ornauer", bog im 3Rär5 1852 auf ber 3Jiün= ebener Sül)ne gegeben raurbe. Das SBiener ^ofburgtfieater ocrfc^Io^ fid^ tf)m, infolge beö (Begenfa^cg, in bem er gu ben ©ebanfcngängen unb Didt)tungen bes jungen Deutfc^^ lanb ftanb, naturgemöf^ oon bem 2tugcnblicf ah, ba ^einric^ Saube bie Seitung über; nal;m (1849). Hebbels Dramen, erflörte ^anhe, feien äufammengeba^t unb he- miefen, ba^ il)r SSerfaffer nic^t bie Spur einer plaftifc^en ^fiantafie befi^e.

Jlx6)t nur nac^ 9JJünd)cn fam ,§ebbcl in biefer ^eit fonbern and) nad) .6am= bürg, Berlin, mo er %kd befu(^te, Dresben unb ^arienbab, too er mit bem religiöfen Xid)tcr ^riebric^ üon ÜcE)tri^ t)erfel)rte. ^m ©ommer 1855 faufte er ein fleineö ^ouö in Crt^ bei ©munben, in bem er nun jeben Sommer lebte. Äurj üor^eu fjatio

griebrid) .f>cbbel?j £'eben uitb 3d)affen. 397

er icin ©raimi „®i;geö unb fein 3ting" beenbct, in bcmiclbcu ^a[}xc, in Dem feine cinftige ©önncrin 3Ima(ie Scf)üppe .^aniburg uertie^ unb nac^ 3tmcrifa nuenmnbcrte, n.0 fic bolb ber %oh {)inrofftc, unb in bem, luie roir uns erinnern, and) ßlife ftarb, bie biö gule^t üon bem ©^epaar c'gebbel Dor äußeren Sorgen gefrfjüßt blieb.

3n feinem §cim, gumal in feinem ©ommerfiaufe, fanb er ha^ ©lud, ta^ [\)Vi\ bie Äritif unb ^umal Saubeö ®egnerfrf)aft im öffent(id)en 5hinftleben oerfagten. „ßö gibt eine ^lir", frf)reibt er an feinen ^rcunb ^ul), „auö ber id) nic^t IiinauSgeinorfen iDccben fann, unb einen ©arten, über beffen ^tanfe id) nacE) ^Belieben tiettern ober fpringen borf, of)ne ta^ mir irgenbein SRenfc^ ctvoa^ barein ^u rcben ^at. 'J)aö ift für mi(^ ein i}'öi)\t pofficriidjeö ©efübl, benn ic^ ^abc in frü{)cren 3al)ren fo menig barauf gered^net, ©runbbcfi^cr p mcrbc'n, alc id) je^t barauf 0)k, ^vlügcl ju be= fommen, unb ic^ fönntc mir felbft bie ^yenfter einwerfen, um 5U erproben, ob id) mirf(i(^ Eigentümer fei." ?vrüf)er batte er bem ?^-reunbe auf bie ?^rage, ob er nid)t eine SSo^nung auf bem Sanbe bei SBien mieten werbe, geantwortet: „SßOgU? ^^6) bebarf bergleid)en nid;t, id) brauij^e bie gro|e Stabt! ^i^ iicrjcl)re SRenfc^cn!" ^^^t plauberte er oergnügt unter bem fd^attigften ber 3(pfelbäume, babete in ber Xraun, fd^Iief mittags wof)[ aud) auf bem ^euboben unb fa^ abenbö biö tief in bie 3^ad)t {)inein im 3JJonbfd)ein am ?^enfter, ouf^orc^enb, wenn ber bumpfe ?^all eines 3tpfelö ober einer 23irne fid; oerne^men üe^, benn bann fdiweiften feine ©ebanfen in bie ^inber^ jeit jurüd, alö er in äf)ntid)er Situation fic^ mit feinem S3rubcr um eine fo entbedte %vv<i)t bolgte.

3luö foId)eh Stimmungen f)erauö fam er gunädjft ^u feiner 'J^ragöbie, fonbern 5u bem fleinen ibtjllifc^en ^eyametercpos „3JJuttcr unb ^inb", beffen fiebenten unb le^le.i ©efang er 1857 beenbcte. würbe uon ber 2;iebge=Stiftung in ^reöbcn preiögetrönt. ©ine 9Jiutter, bie \i)x £inb üor ber ©cburt einem reichen, tinbertofcn ©^cpaar perpfänbet, nermag fid) nad) ber ©eburt baju nic^t me{)r ju entfd^licBen. ®iefc mebr aU ^weitaufenb SSerfe geigen flar, ha'^ Hebbel fein ©pifer unb gumal fein ^sbijllücr war. ©inem 3So| unb einem Hebbel woren fid)ern(^ nid)t bie gleid)en ©oben t)erlief)en. ^on einem fo umfangreit^en ©poö mufe man aber bie erften ■Hl)t)ti)mcn boren:

(Sben grauet ber 9J?orgen. ''Jlo<i) flehen bie ^itternben (Sterne Wn ber StBoIbung be§ .^immelg, bie faum am ^){anbe ^u blauen 5lnfängt, wnljrcnb bie SQtitte noi^ fc^tuar^ wie bie Srbc I;erabl)ängt. ^rierenb fricc^en bie 3öäd)ter mit Spie§ unb ffnarre nöd} .V)aufe, ^od) fie erlöfte bie Ubr unö ni^t öie fteigenbe Sonne, 5)enn nod) ruljen bie Snrger ber Stabt unb bebürfen be§ Sc^ut^e^ ©egcn ben id)Ieid)enbeu Xieb, ben fpäbcnbe klugen gewäf)ren.

Sc^on [ange cor 5tbfci^{u^ biefee ©poo f)atte fid) Hebbel mit bem 'i)^ibelungen; ftoff befcbäftigt. 3110 ©Ijriftine einft bie ©briem^ilb in ^aupad)5 „5]ibelungenf)ort" fpieltc, ba gewann in it)m ber ^lan ©eftaü, felbft eine Umbidjtung ju wagen, ^m ^Joüember 1855 begann er mit ben erften S^icberfc^riften. 1857 befugte er auf einer Steife burd) 1)eutfc^tanb jufammen mit bem 9?ibelungenbid)ter ^orban ben "ipiiilo:

398 'T^cx 31eali§muä.

jü^il)cn Sd)opciiI)aiicr in ^rnnffurt ü. ili., mit bcffcn SBcItanfc^auuiu] er fidj furj juüor bcfaniit gciHad)t liattc; in Stuttgart )itd)tc er iliörüc, in SBcimar 1)ingelftcbt auf. §ier brad)te if}m im nädjften ^a^re bie 'i(u[fiif)rung bcr „©enopcoa" einen überraji^cnb glän^enbcn (STfolg, nn beut gan^ ^eutft^Ianb unb Dfterreic^ tcitnaljmcn. 3ln 'I)ingcl:: ftebt [anbte er bcnn and) im ^erbft 1859 bie erften beiben Steile ber 9]tbehingen- Trilogic; ber le^te ^eil raurbe am 22, SJJärj 1860 roäl^renb beö erften grül}lingö- gcmittc'rö \cvuq,. !Diefe Strbeit, geftanb JQcbbel, f)abe jum gri3f3teii ®[ücf feines Gebens gefjort. 21m 31. Januar 1861 gingen bie beiben erften 5tüc!c in 3lmi)cfcnf)eit Deö 'Sii^tercv ber foebcn in 3JJünd)en unb ^^ariö gcrüefen mar, über bie Bretter ber 333ei= marcr 33itf)nc, rciebernm mit ungeheurem Erfolge, ^e^t erft ftanb ^chhdö 3{ul)m fcft alö bcö größten 2)id)terö feit (2d)iUcr unb ©oettje, i'üie nad) ber SSiorlefung bcö britten Stüds ber ©ro^t^erjog ju iljm fagte. g^reiTid) ergab fid) baburd^ ond) ein nnlööndjcr Honflift mit SBagner, bcr nod^ neun ^a^re nn^ ^^cbbelg Xobc bcffen ,/?Jibc(ungen" in bcm 3(uffa^ „l'lbcr 3d)aufpieler unb Sänger" f}erabsüg.

,t)ebbe(ö (ctUeö Söerf ift ^-ragment geblieben. mar raie bei ©exilier eine „T;emetriuö"=^ragöbie. Gin fd)einbar nur rfjeumatifdieö Seiben, ba^ if)n fd)on lange quälte, offenbarte fic^ fc^lic^lid) alö ß"rmeid)ung ber Söirbelfäulc unb bcr Stippen. 2(m 18. 3}?ärä 1863 tonnte er nocl) feinen fünfjigften ©cburtetag feiern, ©ine be^ fonbere greube mürbe iljm in bicfem Icfetcn Sebenöjalirc bur^ bie .»ürönung feiner „S^ibelungen" mit bem Si^itterpreife jutcil. Salö fül)lte auc^ er, ba'^ er nic^t äu reiten mar. „0 ©Ott", rief er in ben legten SBoc^cn, „roie gern Ichc id)! ^c^ bin ja fo gan^ aufrieben! 5liemanb ift fc^läfrig äum ^obcsfd^laf; jeber l)at noc^ Suft, ein Stünbc^en aufzubleiben."

3ün 13. ^e^ember 1863 gegen fed)ö Ul)r morgens ift ?^riebrid) >^ebbel ge= ftorben, bie gule^t von feiner ©attin unb ^üd)tcr mit Siebe umgeben.

(Sine fo uiel angcfodjtene ^erfönlic^feit mie bie feinige bebarf nocl) einer ^u^ iammcnfaffenben SBürbiguug, für bie raiebernm fein if)m fo eng bcfreunbeter 33iügropl) e-mil £ul) bie ©runblagen liefern mu^. ©§ fam ^roar jum 33ruc^ §mifc^en ben beiöen ^-UJännern (im ^al)re 18-60), t>a j^ul) m6)t raic ber i)orfid)tigere 3lbolf ©lafer fid) ben l;crrifcf)en 2lnfprüd)eu Hebbels red)tjcitig entzogen l)atte unb fid; jnU^t nur gemaltfam ioölöfen fonnte, um fein 2elbftbeftimmungörecl)t ^u roal)rcn, aber an .^cbbelä Sterbelager fnüpftc fid) bcr jerriffene j^aben raieber äufammen.

9?iemalö, fagt Äul), jci er einem 9Jtenfd;en begegnet, ber l)eftiger, leibenfd;aft= lid)cr unb gugleicf) gerechter geroefen fei alö <Qcbbel. Unb fo fc^arffantig fein SBefcn in feinem perfijnlic^cn 2luftreten mie in feinen 3)ic^tungen in ©rfc^einung trat, fo tinbtic^ pietöt= unb fcl)onungöi)oll ift er im 2}Jenfc^licf)en mie im ©eiftigen geblieben, bcfonberö überaU ba, „roo il)m" fo berichtet fein greunb „bie menfcl)lic^e ^Se= bürftigfcit aufging, unb m,o glcicl)fam bie Statur felbft um Scl)onung bat. ^cr ld)lofcnöe roic ber effcnbe 3JJenfc^ luar il)m l^eilig 'anb roaö bem einzelnen alö l)eilig

galt, ebenfaHö (5r achtete jebe mirflic^ fromme ßmpfinbung, jo fogar jebeö

55ornrtcil unb jebe Ginbilbung, metin er fpürtc, baf3 einer mel)rloö in il)r befangen

war. Xcv ^^raii, bie burd)nu£' iiid^t 311 brciäcl)n ipcifcn luoEtc, erteilt er tein-e ii'et Jen £ef)rcn; bie njittciliing, bn^ ein Sterbenber fic^ bei feinem liebften ^reunbe QUO raciter ?^erne nngemclbet l)abc, f)örtc er, nienn bicfev [ie uoubrodite, mit ireii- tjerjiger ®läubi(]!eit nn."

.^ebbcl mu^te, '!)a\3 ec nid^t leicht rvax, mit il}m ju (eben, beim ieine unjäbm= bare ^eftinfcit brad) oft beruor luic ein 3SuIfan. 3" fcc(ifd)er (Sinfnmfeit gro| gc: morben, mar er non unfäg(id)cr Siei^barfcit. ^aju gefeilte fic^ eine gemiffe, auf bcm 33erou|tfcin feiner beben tünftlerifcl)en nnb fulturellen 93?iffion fu^cnbe 3e[bftfud)t, öie natürüt^ ni(^t mit ber gemöl)nli(^en ju i)ergleid)en ift. (Sr habe fic^, erjäblt fein ^reunb, bie ?^äbigfeit jugefprod)cn, ein 3Jtcnfd)enniefcn, bae er befeitigen molle, bnrd) bie blo^e .Konzentration beö 2ßillenö aiid ber SBclt binanösubcnfeii. (Sine „gebeimniS; noü bannenbc roie erfd^recfenbe SBirfung auf bie 5!)?enfd)en" fei dou ibm ausgegangen. „3Beil aber", fagt er, „^ebbelö .^eftigfeit gleid)fam bämonifd) geräubert mar, barum nerle^te fie ni(^t im gemeinen Sinne roie bie 3(ufmallung einco robcn 9laturellö, u^^ meil man, einmal mit ibm uertraut, an bem milb erzürnten SJtanne immer aiii) ba§ i^cibcn empfanb, fo ucrga^ man, inbem er uerrounbetc, feiten, baf3 ber 3lngrcifer gleic^fam blutete." Hebbel ijahc \i&) wohl gefannt, fei aber sufl^cid) überzeugt ge^ mcfen, ba| auf feiner Ski^barfeit ber bid)terifd)e ^roje^ bcrube. „SBenn id) fie ber^ einft nic^t meljr l)abe", fagte er, „bann mirb and) fein erträglid)er 33erö mef)r juftanbe tommen." 53efonberö in fittlid^er .^pinfic^t fannte fein Temperament feine ©renscn. Gine ^iertclftunbe lang tief er in ©munbcn mit rl)cumatifc^en ?^ü^en binter einem 'lHanne l^er, ber ficb ,yi einer bcbufd^tcn Stelle am See gefd)lid)en bitte, mo firf) mel)rere grauen nad) bem 53abe anfleibeten. „^c^ i)äüc ben .K>rl erfdilagcn", rief er nac^fjer, „roenn er mir nid)t entmifi^t märe.'"

©ö ift bejeidjnenb für biefen großen Seelenlefer, bafi er am Gni)e uon ben SO(enfc^en ju ben Vieren flob unb bie ©efelligfeit, nad)bem and) ber 'örud) mit 5{ub nolljogen mar, nur nod) bei feinen beiben (Sbriftinen, b. b. C^attin unb Xoc^tcr fud)te. Sefonberö liebte er mie ^^can ^aul bie Gid)fä^d)en, uon benen er jmei ^abme felbft befa^. SBcnn es falt mar, burften fie ibm fogar unter ben ^)vocf in bie 3(c^fetl}öble fdilüpfcn. Gr nerga^ fie nic^t einmal, alö er §u furj^eui Sefud) in Sonbon raeilte. ?iad) bem ^obe ber beiben Xierc^en, bie er eigenbäubig uiit SBeljmut begrub, ucr= fcbaffte er fid) ein brittec, mit bem er noc^ auf bem Sterbebette fpielte.

.^:>ebbel ift in feiucr Totalität fid)erlid) nid)t ^er "^^idjtor für alle. Gin jebcr fafjt ibn anberö auf. ;J)er eine fud)t 9iomantif in ibm, ber anbere nennt ibn mit fidjerürf) üiel gröfierem 9ied)t ben unromautifd^ftcn ^DJenfdjen feit ben Tagen 0er ^{omantif. Gr fprac^ ju feiner 3Jiengc, fonbern immer nur ju bem einzelnen in ibr. Tiiemanb mufete beffer alö er, ^a^ ber 3JJenfd) im ©runbe allein fei. ^n feinem C^cbirfjt „2)u bift allein" flingt auö mit graufamer .öürte:

Cl)ne befolge betrittft bu bie ilBelt unb ül)ne Oieleilc ®e^ft 'i'U miebev t)inau§.

:?lber gerabe .^ebbelö ©ebic^te geigen unc, Oap er nur mit Srf)mer5en allein mar.

400 Der 'Jiealtömu^.

Die i3u Über bie ©lerne iüeg

SKit ber geleerten Böjah 5tnffc^ttiebft, um [ie am etü'gen 58orn

(gilig wieber gu füllen: (Sinmal fc^tüenfe fie nod), o ®lüd,

ßinmal, läd)elnbe ©bttin! ©ief), ein einziger Sropjen f)ängt

9^oc^ berloren am Sftanbe, Unb ber einzige tropfen genügt,

©ine :^immlifc^e ©eele, ®ie |ier unten in ©d^mer^ er[tarrt,

SBieber in SBonne ju löfen. ^c^! i"ie meint bir fü^eren 2)anf,

Sll§ bie anöeren alle, SDie bu glüdlic^ unb reid) gemad)t;

2a^ i^n fallen, ben tropfen!

tiefes ®eöicf)t, oieHeid)! boS fc^önftc, bas Hebbel gelungen i|t, entt)üüt üoÜ- fommen ben (S^araftet feiner £t)rif, ift ein oorbilblic^er SSerireter biefer gonjen poeti^ fc^en ©attung, bie i^m bie „unmittelbarfte ^Vermittlung gmifd^en ©ubjeft unb Dbjeft" he- beutete. S)iefe Unmittelbarfeit gerabe, bie einen Hebbel frfimere ©d^meräen nnb Tl^tn foftete, ^at anbererfcits i3crl)inbert, 'i^a'^ feine St)rif leii^t ben Sßeg ju anbern 9Jlenfd^en= bergen finbet, benn bicfe finb in ben meiften grauen gang anberö geartet alg bei ,§ebbel. 2Sor oEem roirb bie ©pröbigfeit ber ©mpfinbung unb be§ 3(uöbrudö, bie ouc^ in bem focben gitterten „®ebct" Ijörbar mirb, ben l)aftig Dorübereilenben fieben^roanbcrer, ber ben ^lid auf feine ^kk unb feinen Xag l^eftet, nur feiten berüljren. ^Darüber mu| fid) flor fein, roer mit unbefongenem '(Senie^en ober befangener ^riti! an ^ebbelö i'ieber, Sattaben unb anbere ©cbidite ^erontritt.

Xro^ biefer ^erbl)eit oermag nid;te fo übergeugenb mie feine 2t)x'\t ben iSin; rcanb gu entfräften, ba^ .^ebbel nur ein ^^eenbilbner nur, unb roieniel märe boi) ]6)on ba^il geraefen fei. St^^t^muö unb 5{eim marcn il)m reftlos unterton. S)er 2Bol)l!lang ber 5ßerfe im „5Rac^ttieb" erinnert an Sprüer raie .^eine unb Senau, bie bod) ben tiefen, fdimergrünbigen ©ruft beS ^ragifers nic^t Ratten:

Duellenbe, [djtnelknbe "iladji,

53oll üon £id)tern unb (Sternen: 3n ben eioigen gernen,

©age, ma§ ift ba ermadjt?

^erg in ber Sruft mirb beengt, ©teigenbeg, neigenbe§ Seben, 9liefenl)aft füf)Ie id)'§ mcben,

2Belc^e§ ^aa meine oerbrängt.

©c^laf, ba na^ft bu bid^ lei§,

2Bie bem Hinbe bie Slmme, ^ Unb um bie bürftige 'flamme 3ie^ft bu ben fc^ü^enben Sireig.

3nan füblt mit bem 3)ic^ter, mie er um bag treffenbe 2öort ringt, baö feinem Snnerften entfpred)cn foU, wie fein Oebi^t er fetbft ift, fein 33efteö in il)m, unmittel= bor erfd)loffen unb mitgeteilt. (So gel)t oft mie ein tiefeg 3IufftöI)nen burd^ bie Iprifc^en

iiebbel« Sprif. 401

"ijlerjc bicfco 3prööeftcn öev Spröbcu, luic ^ind)! unD ^o? iiiiD önbei öod) aiid) in Der i'tiUcH Trauer über önö ^a^in für immer bie 3nni(^tcit oc-o Sebcnö; io im „:)icqiiiem" :

©eclc, ücrgi^ fic nidjt,

<SeeIe, bergig nic^t bie Jotcnl <Bie^, [ie umid)n)eben öid), 'S<^uernb, öerlaifen, Unb in ben ^eiligen ©luten, ^\c ben Firmen bie Siebe [c^ürt, ?Itmcn fie auf unb ernxirmen Unb genießen ^um le^tenmal ^i)x öerglimmenbeS Seben.

©eelc, bergig fie nid)t,

-Seele, üergiß nic^t bie Joten! Sie^, fic um)c^n>eben bid), ©c^auernb, ocrlaffen, Unb hienu hu bid) erfnitenb 3^nen Dcrfd)lieBeft, erftarven fie 35i§ ^inein in baS-' 2;ieffte. SDann ergreift fie ber Sturm ber 9ind)t, SDem fie, ^uf^mmengeframpft in fid), Strömten im S<i)o^e ber Siebe, Unb er jagt fie mit Ungeftiim ®urd^ bie unenblid)e Sßiifte f)in, 3Bo nid}t Seben me^r ift, nur .^nmpf, So^gelaffener Slräftc Um erneutet Sein.

Seele, öergiß nid)t bie Jotcn!

Seele, ocrgin fie nid)t I

iDicfcö, ber Äampf um ?üö Sein, bie ®rcnjlinicu jmifc^en ixnn, iuqö (ebt, uuD bem, roaö tot ift, mußten ben Spriter .^^cbhel bijfonbcrö befc^äftigeii, meil fie Die ^orauäfc^ungen feiner trngifd)en 2)ic^tungen maren. SBeltfd^merj unb 'Ufclandjolie, mie fie quo Scnnuö Siebern flingcu, blieben inöeffen .^ebbelö Sprit fern, rocil feine Seele oiel ju nac^bentlid) mar, alö ba^ fic tebiglidi traurigen Stimmungen nac^ gel)angen ^ätte. ^on fanfter Trauer, ja überhaupt uon clegifd)er Stimmungöpoefie ift in feinen Sicberii nid)tö ^u fpürcn. Qx muf?te ftetc, maö er fagen unb formen mollte, unb er roolltc, maö er mu^te beuten mir nur an feinen Huffatj über @r-- fenntniö unb geftaltenbe Mraft im 1)ic^ter. T)arum batte fein Sieb and) meift bie Steigung, ju trüb befinnlid)er Gr,^äl}luug, jur 'Ballabe Ijinüberjumedjfeln. (iö ift nun gau'i merhüürbig, mie meuig betannt feine 33a[Iaben finb, mie geringe 'Jteigung fie geigen, nolfötümlid; ju merbeii. UnmiHtürtidi fü^lt ber Scfer, ber .»pörer, baR bie Sd)önl)eit biefcr 'Ikrfe ftreiigem 'Jfadibenten cutftamme, ta^ fic fid) mebr an ben SScr^ ftanb alö an iia^i (Scmüt menbc.

2ßic feine Dramen, fo baben aud) feine Öeöidjtc ctiuaö Crrbarmungc-lofcö. J^cbbcl roül)lt in bcm Unljcil, baö bem bloßen Tafein entquillt. ^T^ir miffen, mie Der

Ctljite, tii beiitfc^e üitcrntiir fflt WoeUie^ Zobt m'ro. 20

402

T)ev 3?calt§muei.

slünftlcr in iljm bcn 9)iciif(^€n nicbcrsraang in feinem 3L^erE)äItniö p ©life Senfmc^. 5Dic hölierc .^raft untcrrcirft fid^ bic nicberc, gfcid;gültig ob babci ein SJlcnfd) feelij'd^ juctrunbc gcl)t. '^n 2)i(^tcr nimmt mic bcr 3JiaIcr bem 3Käbrf)en bic ©eck, um fic in feine ©cfiöpfungcn I}inein3iiftecEen, unb' lä^t fie barüber fterben. ©aä ©ntfefelic^e biefeö S^orgongeö fammt bem SJJenf^cn Hebbel jum $8cmu^tfcin, ergreift unb fd^üttelt if)n ex tnnn nidjt anber^v aU bonbeln, mk et tut, aber er !ann cc- fünftlerif^ fagcn, in 5Diarmor bauen :

©in SKflIer trat ^eron ^u mir: „'^d} maU bir i^r S5ilb!"

3c^ fü^rt' i^n olfobolb ^u il;r, ©ic litt freunblid^'milb.

©r malte unter ©piel unb ©djcr^

^a§ fü^e Stngefidjt, ©ie fii^It« feltfamlicf)en Sdnuerj,

®od) fagte fie nid)t.

@r malte i^rer SBangen 9Rot, SDc§ 2Iuge§ ©laus jugkid),

®a inarb il)r Slugc blinb unb tot Unb i[)re SBange bkic^.

Unb al§ fie gans bollenbet ftanb,

Xk Ixebliäje ®eftaU, ®a griff ic^ nad) beg 5D?äbd^n§ ^nb,

®od^ bie hwr feucht unb falt.

J)er SJialer fa^ mir fc^lüeigeub ^u, SDann rief er fpöttifc^ brein:

„^d; tDünf<j^' ber Jungfrau gute 3tul)', (Sie loirb geftorben fein."

:^Q, boö Reiben unb Sterben ift aiid) in ^tbhcl^ ersdl^lcnbcn ©ebidjten bcr eigentliche SBcfenöfcrn, fclbft ba, wo ftc^ mie in be.r „Obialiöfc" um baö X^emo ber böd^ften 2eben§[uft I)anbelt. %k eblcre Siebe aber finben mir bei i^m meift al§ {)erbc ©rinnerung an ein ©inft rcie in ber h^rifc^en ^Reitic „©in früt)cö ßiebeölcben", mo ber ftiüe griebljof mef)rcrcn gefül)Iötiefen Siebeöliebern be-n ©Ijarafter gibt. 9lbcr mer ^ötte ber «Siebe ein fc^önereö Sieb gefungen alö Hebbel in ben mortfargen brci ©tropI)en „'^6) unb ^u":

2ßir träumten üon einanber Unb finfen j^urüd in bie S^ac^t.

SSir leben, um un§ ju lieben, Unb finb baöon ertoad)!,

5)u tratft au§ meinem Traume, 3Iu§ beinem trat ic^ ^eröor,

S5?ir fterben, menn fid^ ©ine§ 3m SInbern gan.5 oerlor.

3(uf einer Silie gittern

Swei tropfen, rein unb runb, 3erflie^cn in ©in§ unb rollen

^inab in be§ Slelc^eg ©irunb.

©ine munberfamc J^eierlic^feit ruF)t man ac^te einmal barauf auf allen r^cbid)tcn !öcbhck->, allen obne 9Iuönaf;me. ^n üielen ?^ätlcn fteigert ficb bicfcr priefter^ lid)e Xon ^u einer 2ßeit}e, bic nic^t biefer ©rbc anjugeliören fd^cint. ©a überfd^rcitet bcr 1)id)tcr bie «reni^c beö 35ieöfeit§, unb cljrfürc^tig fc^auenb bleiben fteben, bic ibm folgten, .öörcn mir feinen leifen öijmnug auf „®ie 2Beil)c bcr Tia6:)i":

4)e6be(ö Stjiif.

403

md)t[id)c StiUc! ^eilige güUc,

2Bi€ Dou göttlid^i'm Segen [djinev,

©äufclt <3»§ cn3ig<;r ^^crne "ba^cx.

2Ba§ ba lebte,

Sa§ aug engem Greife 3luf in§ SBeit'fte [trebte,

©anft unb Ici[<: (Sauf in fid) felbft ^uriicf Unb quillt auf in unbettiu^tem ®lürf.

Unb bon allen ©lernen nieber (Strömt ein irunberbarcv Segen,

2)a^ bie miiben Slväite tuicber ©i<^ in neuer ^^rifc^c regen,

Unb au§ feinen ginfterniffen 2:ritt ber §erv, fo n^eit er fann,

Unb bie 5-äben, bie ^erriffen, ^üpft er alle luieber an.

^aö eble '^Sati^oS feiner £t)rit lä^t iF)n alö 'oef)er erfrfjcincn, ber einfam unD uuDcrftanben burc^ bie SBelt frfireitet, betcnb unb fcgnenb, geiüeifjt buri^ bie güOe ber ©c^mcrjen unb ßntbelirungen, bie if)m ba§ Seben bcfc^ieb, für ein l)öf)ere§ So§:

®e^t ftumm an bir norbei bie 2öelt,

<Sd füt;Ie ftol^ unb anbac^t^üolt: ^d) bin ein Steld), für ©ott beftellt,

2)er i§n altein crquiden foll.

2)aä ift freilid) ein Serup mit bem [idj feiner ncrgleid)cu fann. Unb fo fagt er an einer anberen ©tcQc noi^ einer ?(potf)cofc an ben 5d)mcr3:

©reife in3 SÜI nun f)inein!

SBie bu gefämpft unb gcbulbet, ©inb bir bie ©btter öerfdiulbct,

9cimm bir, benn SIUe§ ift bein!

5cun öerfagcn fie ^Jlid){§>

5II§ ien legten ber Sterne, 2;er hid) in bämmernber ^-ernc

Stnüpft an ben Urquell be§ 2id)ty.

3^m entlüde ben S3Iit3,

SDcr bid), bein ^T^i^'f«^^ Der^ef^renb

Unb bid) mit j^eucr üertlärenb, Soft für ben eloigen Si^.

3u biefem Silbe fügt \id}, ba^ bie auf3crmenid)Iid;c 3^atur nur bann 5llang gciüinnt, rocnn menfd)lid)e ©rgriffcnl^eit i^r itjn [eiF)t. ^ier tritt .^ebbel in fd)roffcn ©egenfa^ ju einem epifdicn ^id)tcr, ben er ob ber ^arfteHung bcö kleinen unb ber oon 'Sienfd)en nid)t belebten Statur gering ad;tete: 9(balbert Stifter, ^aö i^ä^c^en raie ber ^unb feiner ^ugenb leben bod^ nur burc^ iljrc 'Se^ic^ung ju iF)rem menfd)Ud)en ^rcunbc rociter:

26*

404 2)er ;}ieali'3muö.

(2d)nu icf) in bic ticfftc ^-cxne

Steigt mit SSater itnb mit älhiltev §iiid} ein §uub au§ feinem ©rnb.

3Jtan fc^afftc bic[en treuen ®efäl)rten feiner ^linberjeit beifeite, weil er beu gel)ler tjatte ju mnd)fen unb 9?al;rung ^n ncräefircn, unb ber Sc^merj beö ^inbeö um feinen greunb in-iuf^t biefem Unfterblid)feit.

Hebbel aeigt in feiner 2i)x\t ftrcnge Scobad)tung ber äußeren gorm. ^ie .Slorg^ beit feineö Shiöbrucfö i>ertrug firf) gut mit bem ©onett unb bem antifen SSeräma^, bem er foroobi in ben c^epametern feineö "^^U^ „9Jfutter nnb ^inb" mie in ben ©ifticften feiner 5al)Ireid)cn Epigramme 9ted)nung trug, gür biefe le^tercn fam freilid) nod) feine S^ieigung jur ^iefleyion unb 5U bemüht fünftlcrifc^er ©eftaltung beö nbftra!ten ©ebantenö förbernb bingu.

Unerbittlid) bart ift bic 9Bir!(icbfeit, bie aud; in ben epigrammatifdien ^ic^tun= gen ^ebbclö mie „aBüftcnbilb" ober ,,3c^mQlbe nnb fliege" jutage tritt, ^ennocf) ift er roeit uom 9Jaturaliömu§, ja felbft üon ber Sc^ilbcrung gropftäbtifd;en eienbö ent- fernt, mie mir fie bei 2)idenö finben. 33'eäeicE)nenb ift fein ©pruc^ „3tn bie 3?ealiften" :

SBaI)r^eit mollt i^r; id^ 'aviä)\ SDod) mir genügt e§, bie Sräne ^luf^ufangen, inbe§ Soj i[;r ben ©d)nupfen gefeilt.

ßeugnen lä^t fic^ nid)t, er folgt i^r im Seben beftäubig, Xod) ein gebilbeter <2inn fc^aubert nor fokljer 9Jatur.

SBenn man it)m, ber 3Jaturbid)tcrn mie Stifter uormarf, 3}icnfd)en nid)t bilben ^n fönncn, üort)icIt, er felbft bilbe nur ^been, nidjt ©cftalten, fo antmortete er, aud) \)\n-- burd) roieber feine reaIiftifc^=pft)d)o(ogifd)e Jiunft umgrenjenb („3bee unb ©eftalt"):

93(umen nur f;ätt' id} gemalt unb 93äume nnb ."^trauter, nic^t§ meiter? Sieber Stabler, nur fo mirb ja bie ©onne gemalt.

(Spigramme mu^ man einzeln roürbigen, ift boi^ fcbes ein ©türf oon bcö Üluiorö ©eift, bao er abfplitterte mit ber auöbrücflid)cn Seftimmung, ou^cr^olb eineö größeren ^wfammenl^angeö aufgenommen unb uerftanben ju merben. 2ßir tun bal;cr gut, bier einige befonberö (^arafteriftif(^e für fic^ felbft fpredien ju laffen:

^^riebrid) ber ©ro^e.

f^riebrid} fud^tc bie .Stunft, ni^t cin^ufd^lafen, 0€rgcben§; Slnbre ^aben bie ftnnft, nid)t ^u ermac^en, entberft.

'^ebingteö SSertrauen.

."peute trau' id) bir nod), bot^ morgen nimmer, bu bift nur ^arum gut, meil bu gloubft, ha^ bie anbercn finb.

Hojuo sapiens.

3Be((^ ein 3iorr ift ber ÜKenfc^! ^n altem mu^ er \\6) fpiegeln! Selbft in Sonne unb Tlonh Ijat er fein 2(ntlil5 entberft.

2K a ^ n u n g. Jürdjtc bie fd;Ie(^tefte fliege! ©ie tann hm ebclften 5föein bir ^od) öcrberbcn: fie fällt eben l)inein unb erfäuft.

.pebbelci 3iouclIcii. 405

@ 0 c 1 1) e ö '5 i 0 c^ u Q p I) i c. Slnfaiigg ift ein ^imft, bcv Icifc jum M'rcije fidj öffnet, 5(ber, mnc^fenb, umfaßt biefev iinx Sube bie 5S?ell.

^ i c b c u t f d) e £ i t e u a t u r.

Xentfd)C Öiterntur, bu fcl;nuvvinfte§ ©taninibud) bei '-iHÜfer' ^eber fd^reibt \\d) fjinein, inie i^m eben nefoKt.

^0 ( i t i f d; c Situation.

Dbcn brennt c§> im SDarf), unb unten rauchen bie 9JHnen, 5rbev mitten im .^au§ \(i}läc\{ man \\d) nm ben 33efil3.

iU u ö (^ l c i d) u n (]. ©int'ui anirf \d) im Sc^iffbvud) ein 33rett ju. 5>üm %oii( qeiettet Sprnd) er: „ÜIhiö foftet hcii Srett? Xianfbav be.vil}!' id) bas .spol^!"

^ a ö Sterben.

3ft ber 2^ob nur ein (Srf)laf, mie faiui bid) i)a§> Sterben erfdjvcrfen"? ipaft bu je nod) gefpürt, meun bu be^ Slbenb? entirf)liefft ?

Ö a 1 1 n i d^ t s u f e [t

V)alt nic^t ^n feft, nm» bu geumnnft, Unb fdjlati'iä bir anS' bcm Sinn, Denn ef)' bn'§ rccf)t beiDcinen fannft, •öift bu id}on fcIBft baf)in.

Xiefe f leine :Jtuö(efc jeifit ben ."Qebbclfd)en (iTnft and) bei toniifd)en üJetienftän'bcn. '3)ie T)iftid)cn finb cljcr fd;n'erfänin unb raul} alö flüffifl unb elegant. Sic I)aften aud) nic^t im £ln lüie biejenigcn ©oetfieö unb Sd^iUerö ober anbercr uiel c^crinflerer Did)ter. 'Ulan muffte fie mübfam erlernen, um fie im C^ebäd)tnic< ,yi bef)alten. ;'lud7 mit ten blanfcn, glatt gefeilten Sinngebid;tcn i;^effing^j laffcn fie fid; ni(jbt nergleidien.

Um fo roenigcr möd)ten mir fie miffen. ^eber 2Serö .'Qebbelö l)at uon feinem ^ebcnöblnt getntnfcn, unb ha^ mar ein feltcned, toftbarcö 33lut.

4. ^cbDcU 9toUcUcm

^ramatifd;c unb h)rifd)c '^robuftion laffe fid) u'of)l pereinigen, nid)t abcx txa- matifd)e unb epifd;e, bat .^ebbel felbft einmal gcfagt. Die größten Didjter ber SfficU- literatur cntträften freilid) feine Seljauptnng, unb aud) für if)n trifft fie nur bebingl aU. Gin (Spifev im Stil .^omerö mar er gercif? nid)t, unb "^Joueüift uiar er aud) nur auf ber 58orftufe jnm Drama in feiner ^ugenb. Da<s fann nnö aber nid)t l)inbern, feine 9?0üencn für fic^ ju betrad)ten, unb {ann nnö uid)t neranlaffen, feine nonelliftifd)e .Hunft flU unterfd)ä^cn.

Der ©rjcibler A,}ebbel fd)eint fid) üormiegenb an tcn :')iomüntifern, an ^V'an '^aul, Q. X. 31. .^offmann unb .^einrid) non .^Icift f)erangebilbct ju baben. Gine grofie 3ln}Ql;l üon nid)t auogcfül)rten ^^'tänen unb '3Jiotinen, bereu iHufjeidjnung biö in fein 2:obeö)aI)r reid)t, beutet inbes baranf bin, \)a^ ber Dramatitcr .Hebbel audi ale i>?i.niellift

406 Set 3ieaH$Smu^.

gaiij fclbftäubige SBcgc gegangen märe, mcmi er bie brnnmtifc^e ©eftaltung nirfjt oor- flCöOgen l^ätie.

®io frü{)efte feiner ©rgälihingen ift baö ^fJac^tgeniälbe ,, § o I i o n " auö öem ^Qbre 1830, in bem bereits bie pe|fimiftiid;e Söeltanjc^auung unb ber realiftifc^e ©d)lu^ olö ©egcnfä^e gU ben uor^in genannten SSorbilbern auffallen. „2)ict)teä ®un!et", fo beginnt ber fiebgefinjäljrige Hebbel, „bebecfte ben ®rbfcei§; fein freunbtid) «Sternen- auge blicfte auf if)n I)ernieber; fd;aurig pfiffen bie SBinbe; praffcinb troff ber 9f?egen. ^olion, ber arme, matte .'^üngling, fc^raanfte einfam auf ben bergen umi)er, gefoltert Don unenblic^em Ivummer : feine 33raut roar iuö 3fiei(^ beö Xobeö f)inübergef(^Iummert.'" 5DaS füngt romantifc^, unb romantifd^ ift auc^ bie ©inüeibung : ber g,ute ^olion träumt, roenn au6) nicEit roie S^oualiö' Dfterbingen, oon ber bleuen 33lume. „Unb er ertöac^ic", fd^Ue^t §ebbel. ®amit ^ätte ein 9f^omantifer freitid; ntd)t fc^Iie^en bürfen.

@in ^al)x fpäter entftanb bie (Srjäfifung „®er Srubermorb". ^a§ ift eine recE)te fc^recflic^e ^ünglingägefi^icElte, pon ber man mirfüc^ nur ben 2^itet ju fennen braucht. 9lber ift es mii)t, alö Ijöre man ^ean ^aul, roenn ^ei^t, not^bem ©buarb ben oermeintüc^en 5?utfc^er unb ®ntfüt)rer feiner Saura, feinen 33ruber, cr= fd^offen i)at: „/Die Siebenben lagen ciiianber in ben Slrmen gmei morgenrote 3BoI!cn, bie in eine ^ergel^en"?

3ln @. X.'Sl. .»goffmann bagegen erinnert beutüd) bie 'JiooeEe ® er 3)1 a l e r " (1832), nid;t nur mit bem ©runbgebanfen : beö ^ünftlerö ©el)nfu(^t nad) bem ^beal barf nie bure^ ben mirftic^en Sefi^ abgelöft roerbeu. $Der ^elb ber 3^oüette ift 3laffael Sansio. 2(uffaffung unb 3luöbrud finb romantifd;, jumal bie Sergleic^e, auö bcnen inbes ^,%. aud; bie ^ugcnb beg 2(utor§ rebet; fo menn i§m baö SJiäbd^en „blai^ roic eine Silie, ober |d;ön mie ein Sngcl" erfi^eint, mie „eine oerförperte §immelö^ mufit". 1;emferben ^at)rc (1832) gcljört bie nid)t mtnbcr romantift^e „3fiäuber- braut" an. ®ie ^id)tungen ber S^öuberromantif merben Hebbel ni(^t fremb ge= blieben fein. Seftimmte 5lnflönge finbcn fid; aud) -— namentlid) für feinen gelben SSictorin in ßonteffas „^obeeengel", ^offmanne „,^gnag Kenner'', ^]6)oUe^ „3lbäl- tino" unb üietteid)t fogar in ©diiOcrS „9^äubern" (^ofinöft)). ."Qei^e Siebe, oerfolgtc Unf(^ulb unb am ßnbe groei gerfd^mettcrte Seid)name ha^i aEe§ ift ebenfo romantifcf) rcie bie Silber: gur 5lü^lung bcö ®efül)l0 reicht !ein SBeltmeer |in, unb alö oottenbetc 9J?anneäfc^önt)eit fc^reitet ^ictorin in einem ft^margen ©eroanbe mit blutrotem ©ürtet, in bem 3)olc^e unb '•^3iftolen ftarren, burc^ bie „^Balbescinfornfeit". SBie roenig betannt ift biefer junge SflooeHenbiditer!

©inen bebeutenben ^oTtfd)ritt ^eigt ber uon Hebbel fpäter alö feine erfte (Sr 5ä^lung bejeidinete S a r b i e r 3 i 1 1 e r l e i n '', ber crft 1835 in Hamburg auö^ gefül)rt mürbe. Gonteffaö (i;influf5 ftebt freiließ auc^ bier aufier ?^rage, befonbcrö burc^ bie gtoüelle „^er Xobeöengel''. §ebbelö ©cfd^id^tc ooii Seonbarb Biegler, ber alö SorbiergcjeUe bei ^itterlein eintritt, bie Siebe dou beffen STo^ter 3lgat^e gewinnt unb )d)lie^lid) ben 3}Jeifter burd) fein unb 5lgatljenö Äinb übi?räeugt, ba^ er fein Satan fein tann benn „5linber fommen oon @ott" , ift f)eute nur noc^ mit literarf)iftorif(i^em Sntcreffc jn lefen. 1)amalö erregte fic iHuffebcn. ^ie 3«i;ftif, ber tUierfcbmang Deö

y ebbeis D^oDcÜcn. 407

l'(u&örucfcv 3iltcrleiu& nfacnteuerlicl)cö 33ettlcrlebcn, ?ic ^icicunerüi, tne l9rijct)en 6ui lagen, jumal bic „%ax graiifige 3f^onian5e" : „Gö luar ein ^Dcüb(^en, n)ot)l ftolj luiD jd;ön" baö QÜeö finb roieberum bcutlidjc iHttributc ber SRoinantif.

^ic Gntftcljung ber roeitercn 9]oPcEcn ift nirf)t buvif)roeg ficf)er ber 3fit "i^cf; 3" bcftimmen; bo fie inbeffen nid;t geeignet [inb, of)ne 3u^iffcnat;me ber 3)ramen ein Silb Don .^eBbelö ©ntroidlung ju geben, fo !ommt I)icr auf bie genaue (Efironologic au6) nicf)t an. 33on ben beiben Sfijjen beä ^afireö 1837 ® i e D b e r m e b i j i ;i a h r ä t i n " unb ,, © i n 3( b e n b in Strasburg" überrafc^t bie erftcrc burc^ il)ren rai^igen Sd^Iu^, iüäl)rcnb bie (entere me{)r ein romantiid)er SRonoIog alö eine (Sr5äf)[uiig ift. Giner nod^ früf)eren, ber crften Hamburger 3eit gef)ören einige ^iopeflen an, bie in it)rer urfprünglicben ©eftalt nie gUtage getreten finb. ^a ift jnerft ^^ c r r £> a i b = ü 0 g c I u n b f e i n e ^ a m i H e ", eine (Srjäf)lung, bie nur in einer Überarbeitung oon 1847/48 Dorliegt, aber unter bem Sitel „§err 2Bei^'' fc^on 1835/36 oerfa^t rouroe. ^anbelt fi(^ f)ier um einen ^rat)ler, ber ben großen §errn jpiett, fid) babci .^ugrunbe rirf)tci, öaburd^ ober bie Gnergie feiner ©attin loecft, bie nun bie B^gel in bie ^onb nimmt. GbenfaHö noc^ in .'öamburg entftanben ift „^aulö me r !ro ü r Di g ft e 5fiad)t", 1847 neu bearbeitet, ^^aul ift feige, mitt aber nur für Dorfirf)tig gel)alien ipcrbcn. Um neun Utjr abenb§ lieft er hinter bem Dfen eine rHäubcrgefcbiditc, feinen ^ubel ^u feinen ?^ü^en. ^a bringt it)m ber 33ruber, ein Schreiber auf bem iHmt, einen 33rief, ben er nac^ ber jmei 2ReiIen entfernten Stabt tragen foll. 2Biberftrcbenb über; nimmt er, einer 9J?orbgefd;id;tc im 5i>od)enb[att eingeben!, ben ^hiftrag. 3)ie leeHjc^cn Sd)rccfniffc n)ät)renb bee 2)tarfd)Cö lüerbcn nun gefc^itbert, bis er hinter fic^ laut feinen 5iamen rufen ^5rt. Gntfe^t fliet}t er banon, läfet am Stabttot ben 'Cerfolgcr oertiaften unb erfennt nun, ha^ fein g^rcuub ^atob ift, mit bem er in aller ^)hit)e ben 3Beg bätte jufammen mad;en tonnen. 2)aö ift aUeö unb öod) nid)t allco, beim bier offenbart fid) eine pfijc^ologifd^c ?vcin"i^ferei, mit ber ein mobcrner ^mprcifionift Gbrc einlegen fönnte.

ilni 8. :5uni 1836 uoUenbete ber ^idjter in .s^eibelberg bie :)iopette ^ n n a ", bie n)ieberum 1847 in ein neueö ©emanb geftedt rcurbe. ^tteine- Urfac^en, grof^e 3©ir: hingen: bie junge unb fteipige 3)fagb 3lnna, ber tbr uerlebtcr ©ebieter Jvreiberr uon Gic^entol ucrgeblid) nadjgeftcüt J)at, roirb oon biefem megen it)rcö ©efangeö an einem ©onntagmorgen ;.ur !jRebe gefteift, bann, rocil fie in Der 3Sermirrung eine ^^errine jer^ brid)t, geoi)rfeigt, unb nun erfjält fie ben 33efef)I, anftatt raie bie anberen gefälligen, (eidjtfertigen 3Jiägbc jur ^irmfe ju get)en, biö in bie ^iac^t %{ü&}z^ jU bcc^etn. I)ic Sc^ilbcrung bes ^ufranbeö, in bem fie baö tut, jeigt .öebbel mieber als pfi)d)o(ügiid)on ^eifter : „Sie fe^te fid), 'ba^ ©efidjt gegen bie Aenftcr geroenbet, fo, \><x\^ fie aUe ^röb^ lid)en, bie anö bem ^crfe auf bie .Kirmje .^ogen, )c()en unb ibre munteren 0eipräd)e boren tonnte, an bie 5hbeit, bic fie in bumpfcr Gmfigteit begann, unb, menn fie und) flumeilen in unbemuf^teo ^inbrüten rerfont, Dod) fogleid) aus biefem roie oor '5d)langcn= unb Xarantclitid) fdiredbaft auffabrenb, mit oerftiirftem, ja unnatürlid)em Gifcr fort^ fetue." :5)urd) ^ufaU ftedt fie mit bem Xiidjt bie A-lad)<3famnier in 53ranb, nad)Dem fie fpcben nod) ^ricDririio, beo ibr geneigten ':J^cbicnteM,53itten,,5um Tan3e5u fommen, ftanö

408 Scr iHealiömus.

I)<i[t abgclcl)nt l)üt. iiÜIöbalb fte^eii Sc^Iop iinb 2)orf in glammen. C^ntjc^t ftüv^t :Hnna öanon, bann fud^t fie tobcömiitifl ju löfd^cit unb ju f)elfcn, ücrlicrt ben 3Ser[tanD unb ftürät \id), alö j^riebdd; fic retten will, in bie ©Int. 5Dcr crc^rimmtc !I)iencr ftö|5t bcn ivrcil)crrn mit bcni ?vn^ c]cgcn bcn £eib, bap er rüdflingö jn $^oben fd)läQt, nnb lä^t fid) bann yerl)üftcn. ^cr ?^rcil)err bcfiel)lt am näd)ftcn XaQ,c, aU er bie Urfad;c bcö 23ran= bes crfäl)rt, 5innaö ©ebcinc „anö bem ©(f)utt Iicruoräufud^cn nnb fic auf bem ©ti)inDancier ju iier|d;arrcn. ^ics gcfd;al)." '^Man fiel)t, es ift eine rid)tigc ."pcbbclfdic ^i^ragöbic unb mit bcn biöf)cr bet)anbclten SJtotiüen nur äu^erlid^ ucrraanbt. Jlnö fittlid)cr (^)iü^c entmidclt fi(^ in biefcr unmüralifd)en 3BeIt unerbittlid;c Xragif, unb !ein SBort bcr •£eilnat)me, bcö 33ebaucrnQ mci^ bcr ©ic^tcr bcn bcibcn 2Börtd)cn jnjufügen : „©ieö flc= fd^ol)." Unb bramatifd) fpicit fid; and; biefcs Stüd ^cbcn oor unö ab, man brandet ^u bcn Sieben nur in ^)ioIlenform bie ^Jlamen gu fc^cu.

2Bie bie „'"?Inna", bie oiclfac^ an §. ü. itleiftö SioueUiftit erinnert, entftanb in .^">eibclber0 (1837) bie )cl)r befannte ßrjäljlung (S i n c 9i a c^ t im ^ ä g e r ^ a u f e '', Die in einer Bearbeitung uon 1842 crl)alten ift. ®iefe anctbotenI)afte @efd)ic^tc uon ber (Siufd)nc^terung jmcicr ©tubenten burc^ einen ^öger, ber iijrc abföDigen 33cmcrtun; gen über feine 9)iutter bclaufd;t )^ai, mcifen metjr auf Tied ober @. %. 91. |>offmann als auf Hebbel.

lim bie SBenbe beg ^al)reö 1836/37 fd^uf Hebbel fein „nicberränbifd;eo ®e= möli>e" ö d; n 0 d ", baö in neuer ©cftolt 1850 anö £id;t trat. ^\wox mu^ man ben ^id)ter fclbft barüber fjören (in einem S3ricf com 12, ^niunar 1839): „^d; I}abe in bicfcn 2:agcn bcn 3c^mel5[e uon ^can ^aul, ber mir gum ©d;uod bie erftc 2(nregung gab, einmal raiebcr gcicfen nnb mid; übcräcugt, baf? ©d;nüd nic^t ber blo^ fortgcfpieite Ijafenf)er3igc gelbprcbigcr, fonbern ein gang neuer (SI)ara!tcr ift. ^6) fürchtete mirflid), baö 33orbi[b möge ftär?er cingemirft I)aben, alö mir lieb fein !5nntc, hoä) nteine ?^urd)t war ©ottb'b nngegrünbct. %ir 33öömilligtcit !ann mir 'i)iad)af)mung norrocrfen, Schnöde S^igtjcit ift eine gan^ anbere alö Sc^mclälcö.'' Die beiben (Sf)araftere unterfdjciben fic^ t)onptiäc^lid; baburd) uoncinanber, ha^ ber gelbprcbigcr S^mcläle bur^ bauernbe Sebenten unb übertriebene 3Sorfid;t feige mirb, raä^renb ber 6c^reiner ©c^nod tro^ feincö nngcmöbnlic^en ivörpermaleö ein, .^?inb bleibt unb infolge über^ triebencr griebfertigteit Der ?^cigl)cit rerföllt: ein 9)iann, „brcitfd)ultrig, r»on geroa(ti= gem Änoc^enbau, aber mit einem GJefic^t, morauf t>ai erftc .f^inbergrcinen über emp^ fangene 9fiutenftrcid;c uerfteinert ^u fein fd)ien ; ein 33är mit einer .^^aninc^en=^t)i))iog: uomic". Schnöd feibft ift cö, bcr einem 3Reifcnben bie tragifomifdjc @cfc^id;te feines Sebene crjäblt (im jrociten tapitcl, it)äl)rcnb bae erftc unb brittc alö Stammen bem .Sc= ric^terftatter eingeräumt roerben). ^n biefcr örjäl^lnng, bie man and; einen ftcineu l)umoriftifd)en 9ioman nennen !önnte, tommt bie rcaliftifd)c Mleiumaicrci .^cbbelö oiel Ieid)t am ftärfften jur ©eltung.

Der „Sd)nod" fällt bereite in bie 3Jtünd)encr ^eit bcö I)id;tero, in ber aud) ber „Sdilägcl", bie „SSagabouben" unb ber „Sflubin" gcf(^rieben mürben.

„Sie ift mir lieb, aber faft niemanb fann fie auöftcl)en", fd)rieb Hebbel an iöanu berg am 27. Wiax 1847 oon feiner bamalö erfd)cinenbcn, aber fd)on 1837 DoUcnbctcn fomi^

Ajebbel? ißoDcUcn. 409

fd^cn piaDcUc /, ^ c v 5 d) n c i ? c r in c i n c r 9?cpouiiif Schlägel auf ^cr Jrcubcnjagb". Crinentlid) bietet er (\av feine ©rjälilung, fonöern nur \{)x er|te5 l^apitel, bie blo^c G^nraftcriftif bcö „gelben". Srf)[ägcl ift bcr Xijpuö bcr -}Jienid)en, bic \i)X 58erqnügen barin fitd)en, überall einen lüinlaf} jum 3^crbrn^ jn entbeefcn, nnb bie gerabe^u nac^ Stoff für if)rc ©alle forfd)en. 6ine fo nnliebcnöinürbiote :i)iatnc mar für einen Hebbel bcr geeignctftc (Begcnftnnb fünftterifdier "Tiadjbilbnng. 5d)lägel füolt fid^ ftetö üernndilöffint nnb l^intangefcfet. 33ctte(finber fönnte er burd)prni]e(n, lueil fie ifjn nic^t anbetteln. 5)iiHtärmnfif am 3c^niancn=^lafe 3d)(äf(ct, geboren im :Hlbred)t- l)ürer=$anfe gu ^^irnbcrg, I^anft in 5)tün(^en ergoßt il)n nur, lucnn grimmig fatt ift nnb bcn SpicUeutcn bie ?>-inger erftarren. 23ei ^eftcn „l)ä(t er fid) am (iebften in bcr 3Mbe beö fogenanntcn Sicttnngsjeltcö für SScrnnglücfcnbe auf, bat aber feiten bie 3atiö; faftion, einen (S'rgnctfditen, uoni '^feibe ©cftürgten ober fcnft '^efdiäöigteu binein^ bringen jn fel)en, nnb fd^impft barnm baö ganjc ?yeft eine Snmperei." :?lffo mirtli^ ein i-.Herliebfter (i:i)arafter! ©incm fdjönen 'DMbd)en nninid)t er -^n bem ("'beliebten „etiuaö, maö fie nid)t uerlangt". 3tänbiger ')inU\^ ,^um i'frger ift if)m bao vräd)tigc •Öaar feiner %van: gmci Ä'ronentaler unirbe einbringen, menn fie \\d) abfd)ncibeu lie^c, unb fie tnt nic^t. So roeif3 er alfo andi burc^ bic Gf)e feinen galligen Sebnrf= nifien gu genügen.

5?ur menig fpäter cntftanbcn 1) i c b e i b c n 'l> a g a b o n D e n ", eine 35e= trugönoüclle banbelt fi(^ um bao föo(bmad;en , bie ebcnfallö A-ragment ge- blieben ift unb üon Gonteffaö „Sci^at5gräbcr", i)ieEcid)t and) Tiecfö „:?(btabam XoneHi" bceinfhifit ju fein fd)eint. ®ic 9(rt ber (Srjäfitnng fdilägt bier in baö föcmütlid)- 33ct)ag[id)e f)inüber, ctmaö bei .\3ebbct fcbr Seltenes, .^ören mir nur beu iHufang: „(So mar in ber alten guten 3eit. 5lod; faf, ber Teufel fo rubig nnb unangefoditen auf feinem 5:!f)ron mie bcr liebe @ott; menn jn bunfter 5]adit,^cit in bcn Süftcn rumorte, fd)rieb man nid^t bcn milbcn (hänfen ju, fonbern bem milben ,^äger nnb griff nidit 5ur ^'ugc[büd;fc, fonbern gum 9iofcnfran(V"

"^üd) llh'ind)cn gctiört aucb nod) bao l'iärd)cu „Xer ^K u b i u " (1887), Dao oon Öebbc[ fpätcr gU feinem glcid)naniigen ^uftfpiel un.igeidjaffen nnirbe. 1)ie ßini^ fte^ung beö 'iiiärdjcnö ()at er einem 'iBefannteu (.Slnlfe, „erin.nerungen", S. 68 f.) felbft crjäl)[t: „:^d^ ging mit einem >yrcnnbe fpajicren. ^m Saufe beö (Sefprädio lief? id) bcn Sücf gleidjgüttig über bic CS"rbc fd;meifen, \>a marb mein 5(ugc uon einem 'ö(ii>ftial)f ge: troffen, ber Don einem funfefnbcn Stein f)ernorgc)d)offcn tarn. Sd^neller aber traf ber otral)! mein 9(nge nid;t, alö mir fotgenbc ^^bee burd) ben ilopf fnbr. "Bcnn [Mdjic id), inbem id) mic^ bücfte, um ben Stein anfjuljcbcn, o()ne meinen Arcnnb in feiner 9(uS^ einanberfefeung im geringftcn 5U nntcrbrcdien) in biefcm Steine eine ^m'Gfi'i^" "*^r= fc^loffen märe, bic auö bem 3tinbcrbanu nur baburd) gclöft mcrben tann, t)\.i'^ ber (Eigen- tümer beö Steineö fid;, ol)nc baf, er barnm mcif5, freimiUig beofclbcn cntäupert; menn ferner ber Stein, gcrabe megen beo in if)m gebannten ©efeno, bcn ^cfitjcr mit einer fo magifc^en 3JJad)t anjiel^t unb fcffelt, bap er lieber fein Scben 5U Dcriieren alö bicfen Stein iKTaugebcu fid; entfdjlicfjen fönnte; meld) ein munberbarcö ^JJotio märe M^j ju einer 3^cibe ron Äonfliften! '•^llöelid) ftanb and) bür, ganje 5^ilb fertig oor meiner

410 Set JRealiämu«.

Seele." ,^cbbcl bcvirf)tct öieö als 33e(cQ bQfür, bap Die ßrfinöunt^ unb 2Baf)I öcr Stoffe nic^t t»on bem 2)idE)tcr ab{)äiuiCTi, fonbern unberufen unb bü^artig ju ibm fommen.

3JJit ber ffeincn S^ooeUc „Tlattto'' bcfinben roir iin§ bereite luieber in ."pomburg; mo^iii Hebbel ingroijd^en jurücfgefeljrt mai. begonnen luurbe fic im .^erbft 1839, ooHeiibet 3(nfang 1841. „^c^ ^olte fie", fd)fieb ber 1)ic[)ter in fein Xogebud), „für mein Scfteö in biefer Gattung, ©in roa^nfinniger ."gumor berrfc^t barin. Der burd) !omifd^e Wxttei ben ^öc^ften tragifc^cn ®ffeft crjielt/' ©ine foli^e 33emer!ung Iä|t nnö nnfljord^en. ©ö ift eine recE)t graufige ©efc^it^te. Srfinlbfoö uon fc^ruerer Ärantbeit entftettt, n)ill ber ^ouptträger ber .^anblung ergrinunt ber Schürfe merben, qIö ber er bei bfn SRenfcfien infolge feines 2tntlifee§ gilt. Stber gerabe feine ^ä^licb= feit üerliilft il)m ^um ©lud, boö fcfjeinbor fo fur^tbare ©(^idfal crraeift fiif) aU fegcnö^ reict). 3JJatteo ift ein junger ©enuefe, ber groor uon niebriger ^erfunft, aber fleifiig, ftiH, bef(f)eiben nnb glüdflicE) ift. 5ßon ben Slottern befallen, malt er ficf) auf feinem £ager auö, luie fd;ön eg raäre, roenn je^t ein liebenbeö 2Beib bei it)m fö^e. 5'teben ibm roofint eine SBitme mit if)rer fcbönen ^ocliter ^clicita, bie er fd^on oft be= iounbcrt f)at. "^flad) feiner ©enefnng fc^recEt feine 33latternarbigfeit oKe, bie i^n anbcrs gefannt ^oben, ^unäd^ft jurücf, auc^ geticita, bie fid) injmifcEien üerlobt i)at Überall roeift man feine Strbeit ab, nur als SJiörber miß man iljn bingen. ©ntf^Ioffen, mit öilfe eineö vorn ^ßater ererbten $DoI(^eS §u morbcn, tut er, burt^ ben 3"f«tt g^oTOungen, eine 9?eit)e guter 2:;aten, bis im entfc^eibenben 9lugenbticE ein .*ilinb, ber fleine ©oI)n beö 9JIanneö, ben er töten null, ibm bie blanfe SBaffe wegnimmt, um bamit gu fpielen. 5Denno(^ fommt c§> ju einer Sluttat, jeboc^ gU einer anberen: iUtatteo ftö^t ben 3Jiann niebcr, ber if)n jum 3Jiorbe Ijat anftiften rooHen unb bie a}lutter beö ^inbe§ oerfü^rt \)at ^e^t fommt biefer bie ©rfenntniö i§rer <Sünbe, bie ©J)e lüirb nun crft Daö, roaö fie fein fod, unb SETiatteo tritt in ben ©ienft ber SSerfö^nten. SSon feinem 2Bunfc6 nact) einem SBeibe ift feine 3fiebe meljr, er ift je^t burc^ feine §ä^Iirf;feit glüdticf) geroorben. 2)iefe ganje ©rgäi^Iung mutet an roie ein @efüt)lgfef)Ier. 'Der Sd)lup mag bafür als 33eifpiel bienen. ^a^ bem furd;tbaren ©riebniö foll bie g^rau ben Scid)nam felbft forttrogen, racnn fie roiH, ha^ if)r ©atte ibr glauben foU. ®a§ er[äf;t er ibr bann, nad)bcm fie cerfudit bat. „'^k %tan üerbanb 9)iatteoö SBunbe unb trug ii)m ein guteö ?tac^teffen auf, unb SüJatteo backte bei fic^ felbft, ha^, roenn er fic^ in einem fo guten Saufe, reo i^m auö aEen ©den bie SBobtbäbigfeit entgegen lachte, fo plö^Iicb untergebracht fäf)e, er bieg einjig unb attein feiner ^ö^Iic^feit üerbanfe, unb föfjntc fic^ mit ber eroigen Tla6)t, bie ben ?Reif, innerf)alb beffcn ein mcnfc^(id)eö ^afein fid) beroegt, roof)I jurociten gcrbric^t, aber ibn boc^ aud) gur rechten ^äi roieber jufamnicU'- fügt, in feinem ^er^en einigermaßen roieber auö.'' ©ä geboren ^ieruen baju, öicfcn ©ebanfengang famt bem guten 5Rac§teffen, roäbrcnb ber SUtonu bie Scid)C roegf^afft, rul)ig in fid) aufjuncfjmen, jnmal baö urfprünglic^e "^Moüv mit gelicita unb ädern onbern gar nid)t roieber auftaudit. ^er 9tueigong roiberfpridit ."^ebbclö .^-been oom ^ragifd)en. ©eroiß ift biefe 3^oüe(Ie feine 2:ragöbie. 5Jfan fiebt aber, roie bem !RoT)et[iftcn Hebbel crgef)t, roenn er einmal einen anbern Srfjhtß aU ben unerbittlid) bartcn roQf)It, ber in biefer jum Ungh'id berufenen SBett ber eigentUd) gegebene ift.

!Qebbel^ Dramen. Hl

'^lad) bicjcr 3?0DcIIe ^ot ^^chbcl nur iiocf) eine c^f fi^neben : „Sie Ä u b " (1849). Mn<i) i)m fe()It es nid^t an ©iä);ficf)em unb Ungefjeuerlic^em. 3"9»^»"bc Hcflt ber &t]d)\d)tt eine roieberfiolt nuftnud)enbe Slnefbotc, bie §ebbe[ fi^ 1843 auä einer Leitung notierte. Gin Snner raill mit einer Hnja^l oon ^laffenfc^einen eine gefau[te Üu^ be5a^[en, bie er erroartet. Um nac^5ufel)cn, ob fie nod^ nid^t fommc, gef)t er f)inQUö. ©ein fleineö Sö^nc^en cerbrennt injroifrfien nbnungyloö bie Si^cine am Sicf)t, roeii ibm bie ?^Iamme geföEt. ®er jurürffcljrcnbe SSater fc^Ieubert i>a§ ^inb an bie SBanb, ha^ ftirbt, unb erf)ängt fic^ auf bem 33obeu. ^tlö bie grau uub Der A\ued;t fjeimte^ren, fteigt biefet auf ber Sciter mit ber Saterne auf ben SBobeu, fielet bie Sei^e, erfcbridt, überfd^Iägt fi(i) unb brirfit ben c'gatö. S)ic Saterne fällt in einen StroI;t)aufen, unb Daö ^an^ gef)t in ?^[ammen auf, in bcnen auc^ bie of)nmö^tige grau umfommt unb fogar bie gerabe erfc^ciuenbe S^nl), bie bireft inä geuer läuft. Solrf)e Stoffe unb SJf^otiue liebte ^cbhcl, an il)ncn fonnte er fo rerf)t bie ef)erne ^flotmenbigfeit ber tragifd^en 3ibce, bie traurige ^nfäHigfeit bcä gau5 unmoraUj(^en 2BeItgefcf;ef)eng aufzeigen. 35Iieb er habci fonfequent roie in biefcm %aU, fo bat man raenigftcnö (Gelegenheit, bie pfgcbo^ logijc^c 2;urrf)füF)rung öeö (Srunbgebanfenö 5U bemuubern. 33itter aber rockte e5 ficf), menn er, roie im gaUe „SDiattco", üon fein{jr Sinie abfprang unb eine ^RDoelle ju fd^reibcn rerfud^te, für bie feine befonbcre Veranlagung nicE)t bie notürIid)eu 2Sorau§- fefeungen t)ergab.

3tuö aUem ergibt fid;, ba^ Hebbel fein 3^oiieIIift mar uuD nur iufofern 33ebeutung ouf biefem (Sebiet befi^t, alö in Schiebung ju feinen Dramen gebracht werben fann. $^mmcrf)in ift bie .gebbelfdie .^unftprofa, fei eö, anä meti^cm ©runbe aud) immer, nid^t baju beftimmt, in ber 2iteraturgefd)id^tc, beren ©ntmicffung im neunzehnten ^afir^ ^unbert o^ne il^n ni(^t bentbar ift, übcrfeben ju merben, aiö fei fie überf)aupt nic^t Dor- l;anbcn, jumal fie über fein inucrfteö Sefen unb fein crfteö fünftferifdjcö 2?erben lange cor ber „.^ubitb" neue ::?(uf)d;Iüffe gibt.

5. ^cbhtH Aromen.

SBer §ebbelo 2;ramen nid)t mir äft^ctifd) in fid) aufneljutcn, fonöern näber auf i^ren 2Bert unb i^re 'öeftaubteile ^in unterfucbeu unb tritifd) betrachten miU, ber tut gut, fxc^ juDOr mit feiner 2:t)corie beö ^Dramaö, 5umal beö S^raucrfpieiö, bcfannt ju machen, bie bei ber Sdjilbernng feineö Sebeuögangeo ftissiert murbc. Tdd)t einmal bei Seffmg ftet)t ha^ bramatifdjc 3d)affcn fo auöfdjIicfUid; im Srcnnpunft tt)eorctifd)cn 35enfenö roie bei Hebbel. 23ir aber bürfen jefet baoon abfet)en, bie einzelnen Dramen nun (ebiglic^ alö Seifpicie, aio iJIufc^auungömaterial für eine ^^bce norzunefjmcn fön bod) bie ^efie mel)r fein alö eine '3)ienerin ber 9U'fIerion. 2Bir meuben unö a[fo nunmehr feinen 2)ramen alö 3)id;tungcn an fid; ju, b. I;. of)ne bc- fonberc 9fiüdtfid)t auf ibren 3iif^n^"ic"^(i"A ^"it feiner Tbcorie unb feiner fünft- ferifdien ßntmirflung.

33ci ber (Sntftebung feines bramatijc^cn Grftlingo, ber „Jj u b i t b" (1839), mujj man Urfad^e unb ^nlap mol;! unterjd)eiben. 3d)on in 33Jünd)en trug er fic^ mit bem ^fon, eine Tragöbie ju f(^reiben, bie borftcllen foUte, baf; öio Öottbeit nid)t imftanDc

4:1a Ser Sealiömus«.

fei, il)r 5u ]^öf)ci-cn .^lücdcii gcbraud)tcö mcnjd;({rf)Cö Sßcvfäeug a(ö 3»i)iyiö"»ni uov bev 3]crnid)tung (gciiiä^ bcii eigenen göttlid^en ©efe^en) gu fd^ü^en. 1)ie[er (Sebünfe tarn il)m bei bcm Stubiuni uon Sd^iHerö „^ii^öfröu uon Drieanö". ^n ber 9J(üncf)cnei (Snievie fnl) er bann ein ^^nbitljbilbniö ^fcubo^öiulio 9?omanoö. ^cr eic|cntlid)c 3in= lu^ aber gnr ^nbitbbidjtnng |d;eint eine SBette gemefen g-u fein, nie ."gebbel bereite iDicber in c^amburg max: @n^!on),5 foeben erfc^ienener „Soul" fei leicht buvd) ein nnbereö bibtifd^cö Urania ^n überbieten.

^en 6toff, bcn ifjin bqö Qpofrt)pf)e 53uc^ ^i'öitt) (im 16. ilapitel) barreid)te, tonnte er nur alö 9(uögnngöpunft braud^eu : bcö 3lffi)rcrfönigö Siicbufabncjar fiegreid^ev ^efbf)err öoloferncö unrb uor 58ett)ulien uon 5[liauü[feö fi^öncr jungfräulidier SBitiüe 3nbitl> nQd)bem fie fid> il;m mit Hftiger 33erec^nnng ergeben I)at, geföpft, mölircnb er trunfen uon reid;Iid; genoffenem SBein baliegt, fein §eer luirb barauf leidet non ben 6'bräern gefd;Iagen, unb nun feiert ba^ 3?ol! mit ^jubitt) brci 5!Jionatc [nng feinen unb i^ren Sieg.

%nx ben ^i^rngiter i^ebbel gab bac nid;t yiel f)er: eine §elbin alten Stile mar ifim feine. Sagegen Ijatte fd)on ^einc über ha^ ^ubitlibilbniö beö fronjöfifc^en 9Jlaler§ .^orace 3Sernet gefd)ricbcn : „^n il)rem 3lugc funfeit fü^e ©ranfamfeit unb bie £üftern= I)eit ber dladje ; bcnn fie i)at and) ben eigenen belcibigten Seib ju rächen on bem l)ä^= Iid)en .Reiben." ©iefeg rairb nun für Hebbel M^i einzige Moüv. 3Sol)I roirb and) feine ^ubitl) ju i^rer Scibftcntäufierung burc^ iljrc i)aterlänbifd)e (Befinnung oeranla^t. '^sm 3lugenblicf ber ^at aber ermad^t i^r i^rieblcben, baö fie iljrcn gangen 'Corfafe üergeffen lä^t. So mirb benn and; bie nai^folgenbc "i^ötung beö ^oloferneö nid;t ber :Mbfd)lnf3 eineö patriotifd)en Tpferö, fonbern ber 3fiad;eaft eines belcibigten, meil gur Sünbe finnlid) entflammten SBcibeö, h.lj. ein 3}türb. So fei in SSirflic^feit, beutet ber 3?ealift ^cbhei an, nid)t fo, mie bie 53ibel ober irgenbeine fc^öne ^D^^fii^i' auömalt. „9JJein 33olf ift erlöft", erlennt ^uWl), „bod; wenn ein Stein ben c^olo= fernes gerfc^mettert l)ätte co märe bem Stein mel^r !Dan! fd)ulbig alö jeljt mir." SJlirga, il)re 5[Ragb, lenft iljrc ©ebanfen auf einen neuen (Sefid)töpunft : „.^oloferneö l;at bid) umarmt. Sßcnn bu il)m einen Sol)n gebierft : maö mifift bu antmorten, menn er bid) nad) feinem 33ater fragt?" Unb baö ift ber Sd;luf5, gugteid; bao le^te SBort bes 2^ramaö: „^d) mitt bem §oloferneö feinen Sol)n gebären! '^ete gu ©ott, baf? mein Sc^oof^, unfruchtbar fei. 3^ielleid)t ift er mir gnäbig." Snllte boc^ gefd)el)cn, fo l)ot fie fid) für biefen ^aH alö Soljn ben 2:ob auobebungen, benn bonn ift ber Semeiö erbracht, "öü^ il)r Sol;n il)r ^(nfläger merben mü^te, ha'^ alfo iljrc 3:at unljeilig unb in il)rer tiefften SBurgel unfittlicf) gemefen ift. „^n ber ^ubitl)", fagt i^ebbcl im Tagcbud;, „jeidjne \d) bie ^at eineö SBeibeö alö ben ärgften itontraft, bieö SBoHen unb 9(id;tfönnen, bicö Xm\, maö boc^ fein .^anbeln ift." Ser Sieg beö fulturell l)5l)erftel}enben ^ubcntumö über bae .öeibentum ift baf)er auc^ nur ein zufälliger unb äuf;erlid)er. Sdjon biefe ^roblernfteüung geigt ein nöHig neueö 3Serl)ältniö gu ben bramatifcl)en 2lufgaben, bie fid) biöl)cr auf ben 3luötrag gmifc^en bem gmeifelloö ©utcn unb 'Söfen bcfd)räntt I)Qtten. .^icr roerbcn rceber a)?itleib noc^ ^urd;t uon unö erwartet, fonbern nur bie 3lncrfennung, bafs bie nor unferen älugen fic^ abfpielenben ^5orgänge gmingenb mabt

■Ocbbels Sramen. 41

o

jcien, ma\)x öWölcid; nlö ii;mbülijd)c 3"-'Wfl"ilTc f"»^ öic cibarmuiigölofc ^^oimcnbigfcit beö 2!Bc(tgcf(^ef)cnö, von bem bcr einzelne, namcntüct) bcr f)eTiiorragcnbe Wenidi 5er- j(f)incttcrt lüirb.

^n feinem nndjfteii Urania, bcr W c 11 0 v c v n " (1841), in bei er bne Jbemn jeincö frü[)eren ^^ragmcntö ,/3JcirQnbüIn" u)ieber aiifnaf)m, tritt Sßeib nur idjein; bar qIö Trägerin ber ."Q'^iölunpi in bcn '^Eorbcrgriinb : ber il:>c(b ift ©olo. ^m ^^cbruar

1839 bcfdjäftigte ^^cbhd fic^ mit bcn 1)id)tcrn bcö Sturmco unb T^rongeö. Dabei fielen \i)m aud; bie ©enoDcuafrngmcnte ^Dealer 9)tüüerG in bie §änbc, unb nun entiüarf er einen eigenen ^lan. ©olo bürfc Hid)t ber Teufel fein, mie im 3So(töbud): auo menfc^tid^en 58erocggrünbeu, alfo mit 'i'iotrocnbigfeit muffe er tcufüfc^ {)nnbe[n. „(Solo liebt ein fd^öneö SSeib, bnö feiner §ut übergeben luarb, unb er ift fein SSertber: barin liegt fein Ungtücf, feine Sdnilb unb feine ^teditfertigung." 3o tonnte bem 1)icotcr anö) '^[^iedö Drama „Seben unb Tob ber Iieiligen ©enooeoa", taö er im ^erbft

1840 fcnneu lernte, nidjt met)r nicl fagen, a(c. er an bie i^uöfübruug fd>ritt, im (^egenfa^ jur ^rofa ber „^ubitb" bicfcö 2Ral in fünffüßigen Jamben.

SBie in bcr „^^ubitl)" tritt ber greHe Duatiömuö, jener große 9üß jutage, ber wa&i JQcbbcIö Tf}eorie burc^ bie Scft geF)t. SBar bort bie beibnifc^c ilraftnaiur bcö .^oloferneö, fo §ier bie (^riftlid^e iünbüdjfcit beö @oIo, benen bie (Sd)önf;eit bes 2Beibeö jum naturnotmcnbigcn 3>erI)ängni«o roirb. ßc tommt für bcn Sd^ufbbegriff uid)t üiel barauf an, mie einer ift, unb maö anö i()m mirb, ber einzelne unb fein 8d;id' fal fmb nur bie SJJittcI einer f)öl)ercn ^bee. 3(ud) in ber ©enoocoa fnüpft .^ebbel, „bie ^nbioibuen alö nid)tig übcrfpringcub, bie 5vi'f>gcn immer unmittetbar an bie (Sott-- f)eit an" barin faf; er bcn roefeutlic^en llntcrfd)icb junfdien fidi unb ben anbercn jeitgcnöffifd)cn Dranuititeru. Der Siebeömabufiiiu, ber öolo ergreift, •^um Übeltäter an Wcnoiiena mad)t unb [l)\\ f(^(iefs(id) antreibt, fid) fclbft ^u riditcn, ift bie Dat ber ?Jatur, mie fic bie feinige ift. n)nmäc^tig ringt I)ier ein cbier J^üiigiing mit einer i^eiben- fd)aft, bie mit elementarer Äraft il)n niebcrjmingt, ol)nc ba^ feine Seele bas ^emupt; fein iljrer fittlid)en ^Serantmortlicbteit ocrlöre. Unb fd;ulbloö bulbct öcnoücoa :

Widjt weil id) fünbigte, erleib' \d) bie5, 5d) leibe e§, weil id) bcr ©ünbe mid^ föemcigcrt l)abe.

äßie @olo im ©runbc nid)t gegen ©cnoucoa, foubcrn gegen fid) mutet uuö fo bcn l)artcn "öeltmiUcn ooüjicljt, fo ift aud) bie cble Dulberin nur ein Symbol für t>a^ allgemeine ^enfc^cnlcib, haQ mit ber ©eburt beö cinjclncn gegeben ift unb gerabe burd) bie gropen Seelen eine meitl)in fid)tbarc 53cbeutung crl)ält.

^n einem „'i)Jad)fpicr' fül;rte ."öcbbcl 1852 bie 5öerfbl)nung äioifd)cn Wcnoucoa unb Sicgfrieb bcrbei. 'Jlber biefeö 91ad)fpiel ift feine barmonifdic Grgänjung bcö Stücfö, bcnu nur für einen öolo, nid)t für ibren (Sbegemabl mirb eine ©enoocüa oon ber 5?atur beftimmt alö baö ^öc^fte, maö biefe bem ^Mannc ,^u geben ncrmag. Arcilidi rechtfertigt ^a^ 9?ac^)piel erft ganj ben 'J'itel beö Draniaö, baö oljnc jenen eigentlid) „Wolo" beißen müßte, obmol)l aubererfeitö allen (Sbaraftcren wn Einfang biö ju iini>c

414 2)et atcaliämug.

nur biird; il;ie 33qicljiiii(} 511 ©enoüera \i)x befonbcrer ß^araftcr unb i^r B6)id)al ju= fleiüic[cu lucrbeti.

$Da^ ^ebbcl unmittelbar nad) bcr „®cnovtx>a" ein Suftjpiet „3) er ^'la- m Q 11 1 (1841) [c^reiben !onnte, begreift ]x6) leichter, roenn man \i6) üergegeuiDortigt, ba^ nad; if^m bie .^omöbic cbcnjo rate bie ^ragöbic berufen ift, ben ©egenja^ jroifcfien ber ^bce bc\: Söeltorbnung unb ber gemeinen 2Bir!(i(^!eit barjufteHen. ©erabe biefet Äontraft graifctjcn bem befc^ränft ^nbiüibuellen unb ber 2:;otaIitttt beö Söeltbilbeä ergebe bie tomifc^en SBirfungen, bie ben großen ,,9ii^", ben ©uaüämuä ber ®afein§ibee fafl norf; beffer nerbcutlic^en, aU bie tragifc^en tun. ^ebbelö Suftfpiele finb bal)er'l)öc^ft ernftc 3)ramen, bie an^ berfclbcn ©ebanfentiefe fteigen raie feine 2::rauerfpiele. „^0= möbie unb Xragöbie", fagt er au§brüd[ic^, „finb ja boc^ im ©runbe nur ä^^ei ocr^ i^iebene ?yormen für bie gleiche ^bee."

3u bem SRotio im „diamanten" inurbe Hebbel burd) baö „Seben ?^ibelö" dou ^eon ^aut gefüf)rt. 6iK Suftfpicl ift fein 6tüc! gerabe bcö^alb nii^t geraorben, roeil in SBirfIid)feit nid^t erE)eitern, fonberu quälen raiU. ©iefer ©iamont, ben ber ^ube nerfd^Iudt unb erft in ber S^obeäangft raieber iion fidEi gibt, lyai ja bie Säeftimmung, immer aufö neue beö 3)tcnfd^en raal)re 9^atur, bie fid) au§ ber @ier ber einzelnen *^er= fönen nadi bem Stein ergibt, aufjubeden unb ju äergliebern. ^abei mag benn Dem ^ufd^auer unb Sefer bie .^eiterfeit t)erge!)en. 33cit Hebbel jufammen fann unb foll man, aud^ auf fomifc^em ©ebiet, nidjt (ad)en, fonberu nad)finnen, laufdien, trauern. S)a| er fefbft ben „diamanten" lange ^^it für fein befteS SBer! I)ielt, ift f)iernad) rao^ ju üerfte{)en, benn er fa^ mit feinen 2(ugen. „^c^ glaube", fd^ricb er 1843 (an &iax' lotte Stouffeau), „ben ®cutfd)en in meinem diamanten baö jraeite Suftfpicl gegeben 5U ^aben. RIeift im ^erbrodienen .trug gab baö erftc. 3)ic Sai^e ift fo, "Oa^ roei^ td) gemi^, Ijanbelt fic^ nur barum, ob fie morgen ober crft in ge^n ^a^ren ein= gcftef)en/' 1)aö Stüdf, eingeleitet burd; einen anmutigen ^rofog in oicrfü^igen Jamben, ift im übrigen in ^rofa gefc^rieben unb jä^it fünf 3Jfte.

©0 raenig eine %atnx raie .^ebbel für bie ^omöbie gefdiaffen roar, fo fel^r mar er für biejenige tragifc^e (Sattung berufen, in ber juerft Scffing in $5)eutfc^lanb üor= ongefd^ritten roar: für ha^ fogenannte bürgerliche ^rauerfpiel. Sleineö feiner Sßerfe f)at fo find)tbar fortgeroirft raie 9Jl a r i a gjjagbalcne" (1843), eine "Crofo; tragöbie in brei 2(ftcn. fommt ^ehb^l nidjt me^r bor-auf an, baö 33ürgerlid)e alö ©egenfa^ gum Stbligen, $ßornef)men ober .§eroifd)'®öttIid)en ju betonen, fonberu er rottt bie tragifd;en ^onfliftc gerabe burd; bie ®ngc ber fleinbürgcrlid^en Segrcnjung begrünbcn unb ucrbeutlid)en, bie Xragöbic entftcljen loffen „anö ber fdiroffen ®e; fd)(offenf)eit, raomit Die aller ^ialefti! unfäf)igen Qnbioibuen fic^ in bem befi^ränftcn Äreife gegenübcrftc^cn unb auö ber t)icrauö entfpringenbcn fd)rccfUd^en ©cbiinben^eit beö Sebenö in ber ©infeitigfcit'",

3n 9Jiünd)en raar er ^cng^t geraefen, raie man ben 23rubcr feiner ©eliebten, bcr Xifd)[ertod)tcr Q^^f^P^ Sc^raarj (genannt 33eppi), ocrliaftcte, unb Seppiö ©r- innerungen lieferten if)m barauf rocitercn Stoff für bie ^Sganblung feineö fpäteren ^rauerfpiclö. Xcx rcd;tfid;c Xifd)Iermeifter 3Inton mu^ erleben, ba^ fein So^n

i)ebbcl5 'Dramen. 415

Äarl unter bcm SSeröadit, ;3"i^<^^fn cntrocnbct 511 )^abc\\, abgeführt luirD, t)a^ feine ©Qttin, 5\QrIö 9Jtuttcr, touni o^n fc^niercr £rQnff)cit gencfcn, unter bem ©inbrucf biefer 3lüd)xi6)t tot 5U Soben finft, bo^ feine ^od)ter 9,iaxa, auf bie er fid; fcifcnfeft ucrlaffcn Ifat, ücrfübrt unb t)on htm 3Serfüf)rer tro^ feines SSerlöbniffeö uub @I)ei)erfprecf)cnö qu§ materiellen ©rünben im Sticfie gelaffen roirb unb ficf) baraufE)in in ben Brunnen ftürjt, unb ha^ ^avl fc^Iie^Iid^, feinem üätcrlicfien SßiUeu jum %xo^, al§ Statrofe in bie SBeft gef)t. Über oHc feine 3tnfd)auungen unb ©runbfä^c frf)reitet bie ©ntiuidlung ber 5Dinge Mi Ijinroeg, fo ba^ er am Snbe, rccnngleirf) mit ^J^eftigfeit, betennen mu^: „^ä) üerftef)e bie 2Belt nicfit met)r." ©in ec^t ^ebbelfdjer Sd)lu^ : ein SSoter, bor, roie bie le^te fjenifc^e Semerfung forbcrt, „finuenb ftef)en bleibt", roätirenb man if)m bie Scid^e feiner ^lara bringt unD beren 9fiäd;er, ber ©efretär, ju fterben ge^t. 3)ie flein^ bürgcrlid)e 5Segren5tf)eit prin^ipienftarrcr 2Beftanfd)auung fc^afft t)ier bie 'Si^ragif unb le^rt fie gugleid) oerftel^en. ©iefer 3Jieifter Slnton ift, luie mit if)m im roirflit^en £eben oiele anbcrc, nic^t beölialb eine tragif^e ^igur, meii fid; in feiner gamilie ha^ Unglücf t)äuft, fonbern njetl er fid) nid)t mit SSerftönbniö in ben ©ang ber @ef^ef)niffe ^ineinjufteüen, fie nid;t ^u perarbeiten unb ju lenfen uermag; lueil bie @infeitig!eit feiner ^nbioibualität Eeiue ßöfung ber Sebenöprobleme für if)n unb bie Seinen 5u(ä^t ; nnb roeil er enblic^, wie Hebbel felbft einmal fagt, ,,5[Rül)Ifteinc alö §a(öfraufe trägt, ftatt bamit inä SBaffer 5U ge^n". ."pättc 9Jteifter 5tnton feiner %o6)Ux nid)t gebrof)t, menn fie i{)m Sd^anbc mai^e, werbe er fid; umbringen, fo mürbe fie fic^ nic^t getötet t)abcn. %m feinem unerbittlichen ©^rgcfüt)( cntfpringt mitfjin Ätaraö (Sntfc^Iufi, in ben Xo^ 3U gct)cn. SHö i\)x ^Z5crfüf)rcr 2eonl)arb \ijx entgegenijölt, fie fönnc nic^t Selbft; mörberin rocrben, ol)ne ängleii^ j^inbeSmorberin ju merbcn, erroibert fie: „Seibeä lieber als $ßatermörbcriu! C 16) rccip, ba^ man Sünbe mit ©ünbe nid)t bü^t! 3lber mao \6) jc^t tu, baö fonuut über mid; aOein! @eb ic^ meinem 3[^atcr boö SReffer in bie .^anb, fo trifft'o il)n luic niid;! Wäd) trifft'^ immer." üiit eiserner 9?otmcnbig!eit fdiliept fic^ ber tragifdie 3Ring unlösbar äufammeu. 2)aö einjelue ^c^, geigt bie Xra= göbie. ift ju uiiuollfonnuen, um fid) mit ber ^hee ber SSelteutmicflung in Ginflang ju bringen.

©ö bebarf tcineö ^inmeifee auf bie 23ebcutuug, bie biefcö Xrauerfpiel für bie folgenben ^a^r^ebute beutfd)cr ^oefieA iuöbcfonbere ben ^laturalismuQ l)aben mu^te. 5taturaliftif(^ finb in faft noc^ l)öl)erem ßhabe bie beiben Dramen, bie im 2lnfd;Luf5 an Hebbels italienifd)e Steife entftanben: „6 in ^^rauerfpiel in Sijilicn" (1847) unb „^ulia". ^eti 3nt)alt beö gnerft genannten Stücfö flisäicrt ^^bbel felbft im 33orroort ber S3ud)auGgabe : „Gin 9JJäbd)en fliel)t auö bem §aufe i^reö SSaterS, um fid) burd) einen fd;on gcmonneucn ©eiftlidicn mit it)rem ©eliebteu ucrbiubcn ju laffen unb fo einer 3i^Q»göcl)e ju entgcl}en. Sie erfc^eint ju frül) auf bem für bie S^- fammenfunft beftimmten ^la^ unb fällt jtuei (Scuöbarmeu in bie öämbe, bie il)r erft ben mitgenommenen Sd)mucf rauben unb fie bann ermorbeu. 9116 ber ©elicbtc nun tommt, roerfcn fie fid; über ibn ber, beftreid)cn il)n mit '^lut, fd)lcppen ibn cor ben '^obefta unb flogen ibn ber 9)Jorbtat an. 9Jatürli(^ finben fie Ölaubeu, unb maö am '^cmeife feblt, erfett ibr Sd)unir. 9lbcr ein 5^aucv, ber fid) nor i^nen mit geftobleuen

41ti Iscc iRealiämusi.

J^rüdjtcn auf einen '^auni i^eflüd}tct nnb aücc mit angeicfjcn l)ot, entlnrrt [ic." ®tcfe Kette von ^niä\i\c\h'üen füll nnebcrnm tragifd) unb bie ^ßcrbinbung bee Sdjredlic^en mit bem l^ädjerlic^en, bne uor allem bur(^ bie ©cftalt bec nerborgenen 'Säuern gegeben ift, tragifomifd) mirfcn. 9(ber nu^er Hebbel felbft merben woi)i nur roenigc fid) über bie pjjetifd^e 3ln'jfü{)rung bicfer ©efrfiic^tc in einer ^ragifomöbie oon ii)oI)lgefefeten fünffüßigen Jamben äußern mögen mie er: „SBenn fid) bie 1)icner ber ©erec^tigfeit in 5Rörbcr ucnuanbeln luii) ber 3Serbre(^er, ber fid^ jitternb uor ii)nen nertrod;, i^r 2ln- !fäger mirb, fo ift bae ebenfü furd;tbar qIö barod, aber and) ebenfo barod aU furd)t= bor. Tiau möd)tc üor ©raufen erftarren, boc^ bie Sad)muö!cln juden äugteid); man möd)te fid; bitrd) ein ©eläd)ter uon bem ganzen unf)eimlid)en ©inbrud befreien, bod) ein jvrijftelu befd)Ieic^t uuQ irtieber, el)e un§ haö gelingt. 'Jhin uertrögt fic^ bie £omcibie nid)t mit SBunben unb '5(ut, nirb bie S^rogöbie tann baö 33arode nii^t in fid)

aufnef)mcn. '^a ftellt fid) bie 'Si^ragifomöbie ein " SBem olfo 'bei ber

9(ufnal)me biefeö Stndö, in bem ein unfd)urbigeö 5Ji-äbd)en t>aQ Dpfcr eines jebe§ menfc^(id;e ©efübl empörenben ^iift^ßö nnvt\, „bie ^ad)muöfeln juden", für ben ift ee gcfd) rieben.

T)ie ^anblung beö breiaftigen Xranerfpiele in ''^rofa „^ulia" (1848) ift Vfi)diülogifd; uernndelt, ja problematifcl). ©in junger, burc^ eigene ©c^ulb rerlcbter, bem S^obe entgegenfc^enber ©raf Bertram rcid)t einem non il)rem ©eliebten unb r>on iljrem 58ater üerlaffcncn 9!J(äbd)en bie .^anb oor bem 5t(tare, um burd^ biefe eble 2^at ii)x bie geraubte SI)re unb fid) bie 2ebenöbered;tigung jurüdpgeminnen, 'Ol)ne irgenb= n)e[d)en 3tnfpru(^ auf il)ren niirflid)en 23efi^ ju ergeben. 'I)iefcn (S:be(mut ertennt außer ber unglüdlid)cn ^^ulia and) i{)r 9lntonio an, ber ]\6) fd^Iießlid;, bem 53anbitentum in= 3roifd)en in bie 3lrme getrieben, einfteHt unb fein Sfiec^t begehrt. §ijren mir ben ©c^luß, an bem ber !^trjt 3(lbertü rebeub unb löfenb beteiligt ift. 33ertram miß baö le^te Opfer bringen nnb fid) felbft auc- bem SBege räumen:

5t l b e T t 0 (5u @i-af 23cvtram): ©e^eu ©ie nic^t ^u meit! ^^J^^ ©d)ulb ift getilgt, ift me^r al§ getilgt! ©ie I;aben ber SSelt ein Sßoppetlebeix erhalten, ba§ i^t fc^on fidjer üerloren mar, unb ©ie föunen bod) nimmermehr glauben, bafj !julia biefem 5!Jianne eine .^onb, öle nur burc^ ba§ furd)tbarfte SOiittel frei merben fann, rci(^n, über bafj er fie ergreifen mirb! 3^r 95Iut ober ein D^ean ^mif^n un§ beiben, i^ benfe, beibe§ ift gleici^.

©raf Sertram: XaS ift m<il)r! (üeifo (Sbeufü mal)r, ol§ ba'^ xä) fterben muß! ^d) merbe ©emfen jagen, fo lauge ©emfeu jagen, bi§ ein öerunglüdenber ©prung mid) ,^,mingt, bie 2;iefc eine§ 2lbgrunb§ jn meffeu, au§ bem man nid)t einmal aU yeid)nam mieber I^erauffümmt! deinen Wonat fotl'ö bauern! Unb bann S>a, ey tommt mir bod) üor, al& ob nod) eht>a§ folgte, a\§> ob, mer reblic^ büßte, irf^enbloü auf einen frennbli^en ©mpfauß red)nen bürftc. (3u 2tI6erto.) ©ie t)aben red)t! (Qu 2tntonio unb ^ulia.) 2Bir bleiben beifammen, folange ba§> ©^idfal ujill! 5tbeT menn ic^ fterben füllte, eine§ natürlichen ^obe§ fterben füllte, fo bas öerfpred)en ©ie mir bcibe

3 u l i a : Xann -

Antonio: Xanu loollen mir un§ fragen, ob mir nod) glürflid) fein bürfen!

3ulio : SüMv tüüllen un§ fragen, ob mir nod)! glüdlid; fein tonnen!

^ie66etö Dramen. 417

'^nxd) Die 3^it'i'Hl'j£'*^ „teineii 5){onat" raiU Hebbel Der ^xciQt öorbeiipen, loie man firf) beim boä weitere Sebeii biefer bi:ei oorjufteHen ^obe, luenu man fi^ ctroa fo auf ben ^oben pfgdjologij^ iierftäirblicf)er 2BirfIid)feit ftcllcn luill, loic er in ber „;3iubit{)" getan {)at. ®ie ©ntäuperung ber eigenen ^nbiinbualität in ber Seele bed trafen Sertrnm ift geiui^ ctmng fittlic^ S^oi)i^, ha fie norf) uor feinem Xobe erfolgt. 5lber roir bürfcn nid;t uergeffen, bn^ ber SRann, ber \\6) fo übcrioinbct, förperlirf) wk feelifc^ nid;t meljr bie ^erfönlirf)feit ift, bie er einft mar. 1)ie pat[)ologifrf)c ^iluobcutnng eineö fold^cn „%Qliz>" mirb fic^ uielen mobernen 'Betrachtern anfbrängen unD il)re ^e-- munbcrung ber ^bee ^erabnünbcrn. @6 ift ja aud^ ein llnterfd)ieb, ob ein öireiö ober ein Jüngling oerjic^tet; unb f)anbelt fid^ um biefen lyie in unferem ?5alle, fo Ijaben üor bem 'ipfgd^ologen ber S^iologe nnb ber '^trjt ha^ 3Bort. 6rft bann, roenn alle biefe 3nftanjen gcfprod;en l)aben, ift ba§ ^elb frei für bcn ^ic^tcr, ber über bie bramatifd)c öranc^barteit bcc Ocgenftanbcö unb beffen ^ejie^ung ^ur tragifd)en ^bee ent- fc&eiben roiQ.

^iluf bie beiben jule^t be^anbelten Stüde, bie fic^ mo^l nur menige ^reunDe, jebenfaüö nic^t bie 'Bül;ne geroonnen l)aben, fällt bereits ber 3d)atten eineä SBerteö, baö bemfelbcn ^alire loie bie „$julia" angcl)ört unb Hebbel mieber alö pfpc^ologif^cn 2)?eifter jeigt : ^ e r o b c ö unb ajf a r i a m n e " (1848).

Ten Stoff fanb er bei bem ."piftorifcr i^tauinö 3ofepl)uö. ^icberum fonnte er bie örcigniffe nid}t fo oermerten, roie fie überliefert waren. So fam il)m nid;t bar: auf an, ein Stücf anctbotenbaftcr @efd)i^te ju Qv^äi)kn, fonbern inncrl)alb eines großen 3^'tbilbe§, in bem jroei .Kulturen miteinanber ringen, ein ©Ijeproblem ju löfen. ^erobec- oerförpert bie alte, ^tariamne bie neue ^dt. @r forbert Sc^roüre, fie 3Ser= trauen. -Mlö fein 'Bii^traucn fie jmeimal cnttäufd;t unb fie empfinbet, ha^ er i^re ^nucrlidjteit gar nic^t crfennt, ba^ er fie nur befi^en roiU oi)M "öeaditung il)rcr ßigen^ pcrfünlid}feit, ba oersmeifelt fie: „^c^ wnr i^m nur ein l!ing unb roeiter nic^tö." Sie lenft nun bie ©rcigniffe fo, ta^ er ale il)r d{\d}tcx fie, bie Unf(^ulbige, aU ©l)c-- breriierin l)inrid^ten lö|t, um bnrc^ bie 3tufbecfung ber 2Bat)rf)eit nat^ il)rem ^obe iiidjt frül^cr i^n at)nen ju laffen, luen er eigentlid^ in i^r befeffen ^at. So ftirbt fie Den DpfertoD für bie grof)C 91(enfd)l)eitöibee, bie mau alö meiblidje 2ßürbc bejcid)nen mag:

^(inn '\d) mit bem nod) leben, ber in mir 9iic^t einmal Sottet GbenbilD mef)r e^rt?

^cn .Honig trifft bie ^unbe fo, mic fie il)n treffen fann:

2Bär meine Shone 2Rit allen (Sternen, bie am .*pimmel flammen, S3efel3t: für 9Ji(iriamne gäbe ic^ Sie f)in unb, l)ätt' idj il)n, ben örDball mit. 3a, fönnte irfj fie baburd), Dafe ic^ felbft, fiebenbig, tok xä) bin, inä Öirab mi^ legte, ©rlöfen au^ bem iljrigen: id) tät'g, 5d) grübe mid; mit eignen .<pänben ein!

Dr^lfe, Die bcutfcfte CUetatiir feit ®octOe§ 2übc itfro. 27

418 5)cr JReaUgtuiic.

Sinein id) tmxn^ nic^t! 2)arum bleib' id) nod) Unb tjalte feft, Jüa§ ic^ norf) ^ab! ^q§ ift ^xä)i öiel, bo^ eine Ärone ift barunter, SDie je^t on SSeibeg ©tatt mir gelt€n foU.

3)en ^eft^ biefer £rone fc^eint if)m ein neucjeborencö ^inb in Sct{)lel)em [treitig mnd^en 5U rooKen : alöbalb gibt er bcn ^ef et)I, atte .^inber ju töten, bic in jenem ^a^xe bort <jeboren mürben, '^önn brirfit er mit 9)?nriQmneng Flamen auf ben ^3ippen obn= möd^tig jujammen.

'Sflan fie^t, ha^ meber er nodE) SJoriomne awberö merben fönnen, alä fie finb. 3luc^ ber Xob ücrmag boran nic^tö ju änbern. 2(m fernen ^orijont aber flammt bnö £idE)t ber djriftlic^en Seigre auf, unb in biefem neuen Schein fetjen mir bnö finftere Zeitalter be§ ^erobe§, baö bie ©firfurd^t ror bem 2Jienfc^en f(^led^tl)in. nic^t !ennt, fid^ auflöfen.

3)ic näc^fte bra-matifdie Slrbeit beö 5Did)terö mar micber ein Suftfpicl, 3) e r 9ftubin" (1849), in bem er feine gicicfinamigc, gegebenen Drtö oorI)in bereits be- fproc^enc DJoDeHe al§ SSorlagc benu^te. ©ein <Btüd ift ein ©reiafter, in fünffüßigen Jamben gcfd^rieben, unb fpielt in 58agbab. ©in Jüngling namenä Slffab finbet bei einem ^umclier einen Siubin, ber if)n auf rätfel^afte SB.eife onlodt unb ^,um ?Rnubc reranfaßt. SSer^aftet, raiU er gern fterben, menn er bi§ jum legten Stngenblid ben Stein bebalten barf. ©in ©reis rettet i^n unb nerrät il)m ba§ (Sel)eimni§ beö (Steineö, in bem eine fd)öne ^rinjeffin oerborgen fei. 3Iffab fönne fie fpre(^en, wenn er um 9J?itternac^t alle feine ©ebanfen auf fie fonjcntriere unb ben JRubitr breimal tuffe. Sßirtlic^ gelingt il)m, ^atime ^ernoräujaubern, jebod) nur, um fie gleich bnrauf roiebcr ju oerlieren, biö er, aufs neue rerfiaftet, ben ©tein, ben er herausgeben foU, in ©egenroart beö Kalifen in ben gluß wirft: „9fiun roirb il)n feiner l)aben." S)aburd) mirb gatime, beö Kalifen (ängft uerloren gegloubte Stod^ter, au§ ber ?)iad)t eines 3auberers befreit, mie fie, nuumel;r lebenbig, erflärt :

SSer bcn SRubin befaß, ber follte it)n

SSegmerfen mie ber ,^nab' ben ^iefelftein

'^oä) (Sbelfteine ^ält ein jcber feft.

J)em ©elöbnis beö i^alifen gemäß befteigt an feiner Stelle, dou bem gel)eimni§ootten ©reife ermutigt, 2lffab, bem bie ^anb ber ^ringeffin pfäUt, ben 2;i)ron:

Se^t öffn' ic^ benn bie Werfer meine§ 9?eid^§, ^oß 3:aufenbe um ©egcn für mid) fielen.

©egen jebe allcgorifd)e 91u§beutung biefes 3«ärc^enbromaö ^at fid) Hebbel felbft ge= menbet. „^d) braudje", fd;reibt er {m Mi}m), „^Ijuen mol)l nic^t erft ju fogen, boß id) an bic barin (in einer 3lbl)anblu)ig über ben ,9ftubin') entmicfelte i^lttcgoric gar liiert gebad)t f)ahe. Wn in meinem fieben l)offe id) alö ilünftler fo tief ju finfen, baß id) ju aücgorificren anfange, aber es roirb einem felbft tnum mel)r geglaubt, menn man gegen bcrgleid)cn proteftiert."

3iel)t man freilid) bie ^Jlöglic^feit ber aIlegorifd)en Deutung ab, fo bleibt oon biefer Xi(^tung nic^t wiel außer ber mQrd)cnl)aften ^anblung übrig, fei benn ber

§eb6el§ Dramen. 419

(Sebanfe: unfer freiiuittigev SSerjid^t auf bie SScriuirttid^img bcr ^bealc, bie unferet £'ie6e unb unferem ^ielbeiuu^tcn ©treben nic^t gelang, oermag mig fcf)einbar jufäUig ta§) fd;on für immer ^aufgegebene allein ju ücrfd>affen. ^ebcnfaUä ift bae Stücf als Suftfpiel felbft in ^ebbelö ©inne uerfel)(t au^ nid;t eine einjige ©teUe übt fomifd^c Sßirfungcn ouö.

®er fleine ^weiafter 3)i i d) e l 3( n g e I o " (1850) füf)rt unö ben italienij^en Äünftler vox, ber fein „SReifterftüd", bie noc^ oon niemanb gefd^autc ^upiterftatue, auf bcm ^lapitol rergräbt unb fie bann uon berüf)mten Slrd^aofogen al§ antuen ^orfo ausgraben lö^t. 3)iefelben ®elet)rtcn unb Äünftler, bie biö^er feine eigenen SBerfc nid)t genug ^crabäief)en !onnten, fpenben bem unbe!annten (Sd)öpfer ber Statue baä f)ö^ftc £ob, biä SJiic^et 2tngeIo bie ©rgrimmten aufflärt. 2)en Sd^Iu^ bilbet bie ^er= föbnung bcö ilünftlerö mit 3?affaci, ber allein 9Kic^el 2tngetoä ^unft an bem SBerf crtennt, unb ber ^apft Julius ift e§, ber bie beiben jueinanber füF)rt:

©0 rec^t! ^e^* öffn' idj cnd) bie ^(i\)n\

iin 3iQffa('I) 2)u äierft mir meinen SSotifan,

(ju md)^ Stnacto) ®u fd^müdft mir in ©anft ^cter§ §au§ ^ie präc^tigftc Kapelle an^l Unb ma§ ifir mit üereinter ^raft 2)ort ©d^öne§ unb (Sr^abueS fc^afft, SSirb ^e^r fein tük ber ^e^re ^om Unb emig lüie iia§> em'ge 9tom.

^n ungefähr bcrjclbcn ^dt cntftanb ber graeite 2(ft bcö „^olo d)" (1850), bcr nid;t barüber I)inauö gcbiel)en ift. Urfprüngüc^ feit bem 3tufentt)a[t in Ü^capcl 1848 fönte biefeä Stücf bcr 2lnfang einer gangen ^ramenreif)e merben, in ber bi« gcfamte ©ntmicfhing ber 3Jtcnfd;I)eitefu(tur abgebilbet merben foQte. Sei bem ^Dtofoc^^ fragmcnt aber ift geblieben. S^er greife 5lartf)agcr §ieram rettet auö feiner burd; bie Siömer in 33ranb geftecftcn $öaterftabt baö eiferne ©ö^cnbilb beä 3Jtoloc^ in baö 33arbarenrcic^ beö ^önigö ^Teut, wo er in einem SBalbc aufftcHt, um ha^j S3oI! unter Diefc 9)iad;t ^u beugen unb fo ju i)ö\)cxcv SMtm, bamit aber auc^ jum 5vampf gegen ?Hom ju füf;rcn. 3)ie beiben becnbcten 3tfte idjlic^cn mit bcn erftcn Erfolgen auf fulturcücm ©cbict ab unb laffen bcn raeiteren ©ang bcr .^anblung bereits abncn: ber 2J(Oiod;, gebraud;t nur alö Söcrfäcng nationaler unb pcrjön(id;cr ^a6)t, uerfinnbi(blid)t am ©übe bie maljre @ottI;cit, ba bie SBirfungcn, bie üon il;m auögeF)en, fein 3Jienfc^en; lücrf mel)r finb. 3110 33crförpernng einer ^bcc mäd)ft baö ©öfecnbilb in baö ^nncn; leben bicfer Barbaren unb and) ^ieramö f)incin, äugieid) aber baburd;, aiö 5^ertreter r>eö 3ingemcinen, über fie alle f)inauö, non benen ein jebcr nur ein Scfonbcrcö, ein ^c^ ift. !Der .Ocbbelfd;e ^uaiiömuö fanb I;icr ein bvamatifd; ijödjft mirtfameö Spmbof.

^aö Stüd mürbe nid)t auögcfül)rt, ftatt bcffcn trat 1851 bie I)iftorifc^c Xragöbie „9(gneö 53ernauer" anö £ic^t, mo ja cbcnfaUö baö SSer^ättniö bcö cingelnen jum SBcItganjcn beleuchtet mirb. „(So ift in ber 2lgncö 53ernauer", id;ricb Hebbel an Jlarl 5ßcrner, „ganj einfad^ baö 2SerF)ä(tniS beö ^nbiuibuumö gur @efcU=

27*

420 S)er gtealiämuS.

fd;(ift bargcftcüt unb bemgemn^ nn äroei ©fjorofteren, uoii bencii bcv eine quo ber ()öd)i'teii 9icgion I)cruoiging, ber anbere quo ber niebrigfteii, anfdjautid; genwd;t, bo^ bQö 3"^ii'ii'"""i/ lüic I;errlid) unb grö^, mie ebel unb [c^ön immer fei, fic^ ber ®e- )eIIfd;Qft unter nUcn Umftänben beugen mu^, roeil in biefer unb il)rem notroenbif^en formnlen 3htöbrud, bem ©tont, bie gonge 9)ienfd)l^eit lebt, in jenem ober nur eine ciugcfnc ©eite berfelben gur ©ntfaltuuig fontmt. 3)q§ ij't eine ernfte bittere Seigre, für bie ic^ üon bem F)of)[en S)emofrQti§mu§ unferer 3^it feinen ^anf erroarte; fie ge^t aber burc^ bie gonge ©efd;id)te Ijinburci^, unb mem gefäUt, meine frül)eren Aromen in if)rer S^otolität gn ftubieren, ftott bequemenucifc bei ben ®ingell;eiten ftel;en gu bleiben, ber wirb fie aud; bort fd;on üerneljmlid; genug, fomeit cd ber jebeömalige 5lreiö gcftattete, nu§gefprod)en finben."

@g bleibt freitid) bie ^^rage, miemeit bie 3wfii'ift ben ©taat qI§ SSertreter bet "DJienfdjI^eit gegenüber bem eingelnen gelten kffen, unb ob nid)t gerabe biefer bie SDIenfc^^eitöintereffen fpäter einmal gegenüber bem ©taat alö einem bod) nur tieinen unb bcftimmt umgrengten ^cil 'ber 9)lenfd;f)cit gu certretcn I;aben wirb, ^ür Hebbels ^bec mürbe ein foldier Umfd)roung -oerliäTigniäooE fein.

®ä ift diarafteriftifc^, ba^ Hebbel gerabe auf tm gefd)id)tlicf) uerbürgten ©d)(u^ anfam, ben bie onbern ©ramatüer, g. 33. Dtto Subroig, nic^t brauchen !onnten : bie 58erföl)nung beö jungen c'getgogä Stlbred^t Don ^Bopern mit feinem SSater ^ergog ©ruft, bie guftanbe tarn, obwohl 4>iefer t)orI)er, am 12. Dftobcr 1435, beö ©oi)ueö bürgerlid;e ©emal)lin, bie fd)öne ^aberötodjter 3(gne§ Gemäuer, in ber ®onau bei Straubing im l^öl^eren ^ntereffe beö ?Rc[d)§^ ^otte ertrönfcn laffcn. 5Dag ©ittltc^e an biefer $jbee uerfte^en mir ^eute nic^t mebr benn 2tgneö mar rein unb fc^ulbloö , §ergog 3nbred;t aber unb Hebbel I^aben cg üerftonben: aud) ber ©iditer lebte nod^ in einer Qdt, für bie fürftlic^e Segitimität mebr ober minber eine SSorauöfe^ung beö fogenannten ©taatögebanfenö mar ober boc^ fein tonnte. 5Rau modit aber eine 3^ee ?iirf)t baburd^ maF)r, ba^ man bramatifd; oorfülirt, raie fie einft in ber ©cfc^id^te tat- läc^Iicf)e ©eitung i)atk. Hebbel jebenfaflö oerfolgte mit feinen 3)ramen ^kk, bie nur bann gu oerfte{)en finb, mcnn bie Sered;tigung ber bramatifdj be^anbelten ^been nod) in jebem 31ugenblid nadiraeiäbar ift. 'sDaö ift in ber „Stgneg 33ernauer" nur vl)9fif(^ mit bem 3(ueblid auf bie Siedete unb ^flid;tcn einer üom SSoter auf ben ©of)n erbenbcn 3)tjnaftie, nic^t aber pf9(^ifd):ett)ifc^ möglic^. ^n i^rer I)iftorifd)en ^ebingtt)eit jebod; mirb bie ^bec in biefem, mit leibenfdiaftlic^ bemegter unb bod) objeftioer ^rofa gc^ fdiriebenen günfafter crfolgreid) bargefteHt.

2Sn eine gang anbere SSelt üerfc^t uns ^ebbelö näc^ftcö, mieber in fünffüßigen Jamben oerfaßtes ^rauerfpiel ® i) g e § unb fein 9R i n g " (1854), gearbeitet nac^ einer üon ^erobot überlieferten Slnetbote. 5Dcr Sijbcrfönig .Svanbauleä gibt bie nadte Sc^ön{)eit feineg SBeibcö 9ll)obope bem Süd feineö gricc^ifd)en ?^reunbeö ®r)ge0 preis, um burd; bcffen 33cmunbernng fein ®(üd crft re^t ^n empfinben. Unfid)tbQr gemad;t burd) einen gef)eimniöüoUcn 3iing, bleibt ©ggeö ber Königin boc^ nid)t gang verborgen, bie fid) nun entehrt füf)lt, oon .^onbauleg ben ^ob be§ ^remben unb, qIö fte erfäf)rt, baß \l)x ©atte ber eigentlich ©d)ulbige ift, üon ©pgeö ben 2:ob beö .^an-

.v)c56cl5 Sramcu. 421

baules ocrinngt. SDiefcr fällt und; eigenem SBillen im 3iu>^ifömpf dou beu jQaiii> bee i^reunbcö. -Rl^obope reidjt ^ni 2ßicbcrI)crfteIIung it)rer Gl^re ©tjgeö bie ^anb am 3tltarc unb gibt \i6) bann ben ^ob. ©o wirb bev {^etjlgriff cincä im übrigen bo(^= finnigen 5[itunneS nnc^ iueib(icf)or £ogif, ber bie 9JJänncr folgen, mit bem ^abe beiber ©otten gefüfjnt. Unnntnftbar, beutet ^^lebbel an, ift bie ^erfönlirfjfeit beö 9Jceufd;en, bie äußere n)ie bie innere. 2&irb fie in einem fo garten 3Öefen mie Si^obope auc^ nur leife angegriffen, fo fiit)re ha§i ju tragifd^em 3(u§gang. 3"'" ~obe aber mürben mir Ijeute raeber .^anbaule'!. no(^ 9^f)obope nerurteiten, ^iefe Xragif ift, mag man and) Die 33crfe preifcn, bie fie |C^meid;Ierifdj barbieten, überreizt, menn man fie unbefangen am f)ellen 5:'age prüft.

„^c^ mar mir fonft", ft^reibt Hebbel am 14. ^e^ember au Üd;tri^, „bei meinen 3(rbeiten immer cineö gemiffen 3ibeenl)intergrunbc§ bemüht, megeu beffeu id) feineö; lücgs, mie man mir auf eine mi^ierftanbene ^l^orrebe {)in moI;[ fdjnib gab, probujierte, ber aber bod; mie eine ©ebirgöfette ju betrachten mar, mctc^c bie £anbf(^aft abfd)to^. ®aran mangelte bieömat ganj, mic^ reijte nur bie 3tncfbote, bie mir, etmaä mobifi; jiert, au|erorbentlid) für bie tragi]d;e ^orm geeignet fd;ien, unb nun i)a^ otüd fertig ift, fteigt plö^Iic^ gu meiner eigenen Überrafd^ung mie eine 3")^^ ^"^ ^^"^ Ogean bie ^bee ber Sitte als bie aUcö bcbingeubc unb binbenbe baranö fierwor."

3Son einem für Den ilomponiften S^nbinftein 1858 uerfa^ten Operntept ß i n S t e i n m n r f ober D p f e r um Opfer'' unb einem für ."gebbelä ^öd)terd)en gebid)teten jmeiattigen Äinberluftfpiel 3S e r f te i b ung en " (1858) bürfen mir Ijier abfeljen. ^n bem Sibretto I;anbelt fid) um bie mat)nfinnige Siebe beö 5Rabbi Söro ju ber bö^mifd;en ."Qcrjogin Sibuffa.

2Bir fommeu alfo nunmel;r gu ber legten bramatifdien Tirijtuug, bie Hebbel uollenbet f)at, ber großen 9M b el u ngen^^r i to gi e " (1855—60). Die i)lb= fic^t, mit ber er an ben Stoff bcö miitefalterlidjen Gpoö I)crantrat, f)at er fpäter felbjl flar begcidjnet (15. Januar 1861 an 'l^ingelftebt) : „Somcit id^ urteilen fann, f)aben meine beiben SSorgäuger S^anpad) unb ®eibe( in gmei ^^unften uerfeljcn unb barum bie 2Birfung gang ober gum 3::ei[ üerfcf)(t. (Siumat glaubten fie, fie bürften 'Qa^j alte ®ebic^t gerftüdein unb eingelne ©lieber miUfürlid) nerarbeiten; baö gel)t aber nid;t, {)ier l)c\^t ee: alleö ober nid)tö! ^ann I^ielten fie ben Ton nicfit einfach genug; man mu^ bei einem foId)en Stoff aber auf Vio ber 5lultur 3?ergic^t leiften unb mit bem 9ieft bod) auötommen, of)ne trorfen gu merben. Taö ift bie gange .Ülunft, aber bie Ferren wollten mit ibrem ^^d; nid;t gurüdtreteii unb nid)t umfonft im nenngeF)nten 3aF)rf)unbert geboren fein. Xo^ id; mid; fctbft uerlcugnet I)abe, mirb eine gercdjle 5^'rttif frütjer ober fpäter einräumen; icb mollte bem '^^nbfifum blof? ba<!' grof^c 9?ationaI; epoö oljnc eigene 3i'tat bramatifd; nä^cr rüden."

3n ber Xat fef;It ^l^aupod^ö Urania bie innere Ginbeit, unb ©eibel in feiner „53runt)ilb" ftellte bie Sd;ön()cit über bie Sßaljrljeit. ©cibel bef)anbe(t ein pfi)d;o-- logif(^eö Problem, .^ebbel ein Sßeltproblem : bie alte SBelt, oerförpert in bem ftarr i^einernen .^agen, burd; .^riemf)ilbö 3^ac^e gur Selbftuerniditung gebrängt unb crjetjt

422 <Dei- 3fleali(3mus.

burd; bic neue SBelt, bie biird; beii 3JJunb ^ietrid;ö uoii Sern mit ben (eMen SBovten ber ^Trifociic bem §eibcntnm bae 6t)riftentum entgegenfe^t.

© tu I : Sfciin follf xä) rid)ten räd;en neue S3nd)e 3n§ S5Iutmeer leiten Xod) cl inibert mid), 3dj fünn'S nid)t me^r mir it)irb bie 2üft gn j^wer §err SDietric^, mc^mt mir meine fronen ab Unb fdjieppt bie SSelt <tnf eurem 9tüden loeiter SD i e t r i d) : '^m tarnen beffen, ber am ^reu^ erBIid).

■^lad) ©eibclö ©igrun, aber an^ nac^ ©riHparjerä ©ora im „©olbenen SSlteö" l)ai ^chhel rielleid;t bie ^^riggaroüe gebilbet.

Hebbel fnd)t nid;t mie ©eibel bie fogenannte tragifd)e ©dinlb ber einzelnen ju begrünben rcir miffen ja, wie fern if)m folc^e 3tuffoffung ber SCragöbie fag. Gr lä^t einfad; bie 9^aturen anfeinanber fto^en unb auö bicfem 3"f'''nnnenfto^ bte S^ragif aU etmaö gang SelbftoerftönbIid)c§, meil urfprünglid) mit ber 2Beltfd;üpfnng ©efe^tec, ^eroorgel^en.

©ie brei STeiie ber 3)ic^tung finb : ba§ ^orfpiel ^T) e r g e t) ö r n t e 6 i e ti = trieb"', © i e g f r i e b g Xob" unb ^ r i e m f) i I b g 9^1 a d^ e ". ©ie fd)ae^cn fid; in allem Sßefentlic^en eng an ben ^nf)alt beö mitte(f)od)bcntfdjcn @poä an, beuten innerf)a(b ber gegebenen Sinien pftjdjifd^ reid)er an§ nnb meieren nur in tcd)nifd)cn ©ingeljügen ab, um ha§: ©ange in tieHere Beleuchtung ju rüden; ^. S. lä^t Hebbel %vau Ute mit Äriemf)itb üom ?5^enfter ang bag ^ampffpiel beobachten n. a.

©einen © c m e t r i u ö " t)ermod)te ber 3)ic^ter nid^t we^r jum 3Ibici^[u^ üu bringen. «Sc^iEerö ©runbgebanf'en, ®emetriu§ ju Beginn ber .^anblung alö S3e= trogenen, nid)t alö Betrüger einjufüfjren, mac^t er fit^ ju eigen : fein §elb ift rairftid) 5in)anö @oI)n, menngleid^ aii§> nid;t red;tmä^iger ®^e. ^n bem 3(ugenb(id, ba '3)e= metrius ben ©lauben an fid^ jelbft verliert, brid)t baö ©tüd ah, obmol^I aiu^ von bcm fünften 5Ift nocb einige Sgienen erl;alten finb:

^d) f)ab' [ein Blut geerbt, bod) nic^t fein HJec^t.

^en gjJenfd^en malt er, nic^t mie ©filier ben .Reiben. SBicber geigt er, mie eine ^erföntic^feit gugrunbe get)t, weit fie, obgleid; unfc^ulbig, in Äonflift geraten ift mit ber fittlid^cn SBeftibee, bie fic^ im ^öi^cntum irbifd; oerförpert ^at. 2ßät)renb ©diiUerö ^emetriuö nad; ber ©rfenntnis be§ mirtlid^en ©ad^uerfialtö, erregt barüber, ba§ il^n baö ©(^idfal getäufd;t ^at, nun erft rec^t feine gange .^raft aufbietet, um bic ©teile beö ed)ten 3)emetriue ju beljaupten, üon Berbredien gu Berbred;en fd)reitet unb fc^Iiep= l\6) bem üerle^ten ©ittengcfe^, b. t). i^rem 2Ber!geug, ber Berfc^iuörnng, gum Dpfer foHt, mirb .^ebbetö 3)emetriu§ t)on bem Bennt^tfein niebergefc^mettert, unberufen eine t)eiüge Söürbe für fid) in 3(nfpruc^ genommen unb üertreten gu l^aben. ©ein 3(us= gong Ijättc baF)er in gang anberem ©inne tragifd; fein muffen, ba ber ^{onflitt Don ben Qu^eren (Sreigniffen gang abgegogen unb in bie ©eelc gelegt wirb. Hebbel folgt ben 6l}arafteren, befonbers auc^ bem ber max\a, biö in il;re SBurgeln. „^c^ bemunbcrc ben ©d)incrfd;en ^orfo", fc^ricb er fd^on am 2. Dftober 1858 an bie ^-Pringcffin 5Bittgenftcin, „unb habe \f)r\ üon jel)cr ju feinem 3{llerbeften gerechnet, fann jebod)

Otto yubroig. 423

feinen einzigen ^^erc bauon brauchen. (Sr jefet fjici mie immer aQeö Doraud unb gibt fid) nie b<imit ab, bie SBur^eln ber DJ^enf^en unb ber X)inge blo^julegen .... gv Eä^t ben ©türm elemcntarifrf) in feine SBcit i)ineinbraufen, icE) fud^e il;n am 9ttemjügen entftcF)en ju laffen, unb "oa^) finb [o ganj Derfd)icbene <£ti(nrten, "oa^ nix uns mirflicf) nur in ber ©runbibee unb in ber festen SBirfung begegnen fönnen." 5if)nli^ berichtete er einige 2ßod;cn fpäter bem 3[?erleger ßampe, er benufee nur 6(^iEerö ©runögebanfen : „6r [elbft mü^te feinen ^lan mobifijieren, menn er je^t lebte unb ftatt eine§ geucr= lucrfö ein fiiftorifc^eö 33i[b beö ungeF)eurcn Sfarcenreicbo geben roollte, roormtf es bei mir aßerbingö abgefc^en ift."

.^infid^tlid; ber ^^bec erinnert ber „^emetrius" an „3lgneö 33ernüuer": ^iet rote bort ocrförpert \\d) ber SSeltgebanfc in bem fürftüctien Präger beö ©taatögebnnfenö, unb biefer zertrümmert ba^ ©injelmefen, ba§ unbefugt, roenngleicf) ai)nunggro§, bie im ©runbe nur milltürlic^ b^naftifc^en Siebte uerle|t.

©ro^eö i)at ."pebbel für bie ^eit geleiftet, bie unmittelbar nac^ i^m ?am, für me^r nlö ein I;atbeö ^a^rf)unbert ; unb wer oermö^tc bie weitere 3"fi'"ft abjufd;ä§en! Ob biefe aber feine poetifd^en ^onftruttionen nlö gefucfit unb unbercd)tigt, roeil auf oeraltetcn Überlieferungen ruf)enb unb innert)alb übenuunbener ©renjen fdimebenb, ablei^nt ober aber if)nen ju neuen feelifd^en ^^ernen folgt, "ixiö fommt erft in ^weiter Sinie in ^^rage; in erfter ftebt bie ?^eftftellung, baf, in einem entfdieibenben 9tugenbüct ber bcutfd)cn Siteratur, alö fie fid^ namentUc^ auf bramatifri)em ®ebiet in rofenroten 5RebeI aufjulöfcn brO'f)te, ein Hebbel erfd^ien.

SBie foHten imr ^eute ^bfen unb Hauptmann, mie aber auc^ Sc^iQer unb ®octI)e qU ^ramatiter irürbigen unb uerftcben fönncn, menn bajmifd^en nic^t Hebbel ftünbe! mürbe ein ocrgebiic^cg Semüben fein, ihn burd) einen (Srillpar.^er ober anbere in biefer Se^iefiung ju erfe^en.

'3)amit wirb fein abfolutee, fonbern nur ein biftorifc^eö SBerturteil geroogt, bog üon ber je^t üblid)en .^ebbelüerbimmching bentli^ abrüdt. .^ebbel i^ f^on feit längerer ^cü bie ^errfd^enbe 3Jtobe gemorben, unb roer fie nid^t onerfennt, roirb per; femt. SSenn er biefen 5lultuö febenbig übcrfteE^t, bann aUerbingg bat er roof)l feine ^ Unfterblic^feit auc^ für bie erroiefen, bie feine 3BeItanfd)aunng nidjt anerfennen ober feine ^^oefie gefüf)lsmä|ig ablehnen.

(>. Ctto eubitJig.

^er britte gro^e ^fabfinber beö bentfdien 3ftealiömuö, Dtto Subroig, mürbe am lii. Februar 1813 in (Siöfelb nie ©olju eines Stabtftjnbifuö geboren. (Sr uerlor ben 33ater fc^on im jrcölften 2eben§jal)re bnrc^ ben ^ob. ^oc^ bie gjiutter ließ ibn bie 2üdc nid)t aDju fc^mer empfinben. Sie mar, berid)tct er in bem 58rud)ftücf feiner Selbftbiogrüpl)ie, „eine grau noU £iebe unb ®üte, ron Ieid)t erregbarem ©ntliufiaömuö für alleö Sdjöne unb ®ute, bie mit ftral)lenben klugen unb geröteten SBangen mir uon Sofrates, Seonibaö ufro. crjälilte mie i>om ^oftor Sutl)cr."

9Ib ^nabe laß er eifrig Xiecf, (^. 'T. 3(. öoffmanu, Schiller unb ®oetl)c unö üerfud)te ficb im 1)id)ten fleiner bramatifd)er Stücfe, um blefe bann mit feinen

424 Xier Dieali^mus.

Spiclgeföfirten nufjufü^ren. 1828 begog er haö ©tjmuQfium in $i(bburgf)Qufen, ino er aber narf) feinem eigenen ^öefennlniö „üiel nicl;r gcbid)tet als getrottet" t)al. Sdfjon ein ^ai)x fpäter trat er im ^inblicf auf bie bürftige Sage feiner STiutter, öie balb baranf (1831) an ber Sc^minbfuc^t ftarb, aU £el)rling in baö ©efc^öft einee Cf)eim§ in ©iöfelb ein. 5lid;t lange ertrug er biefes £eben. 1832 bejog er bog Sgjeuni be§ aften ©täbtd;ens Saalfelb. ©in ^al^r fpäter inbeffen fe^te er feine ©tubien im §aufe be§ ©iöfelber Df)eimö autobibaftifd^ fort. S3efonber§ mufitalifd) bilbcte er fic^ meiter. ©o blieb eö, big ber junge Äomponift, ouSgerüftet mit einem 'IReininger otipenbium, im ^erbft 1839 nac^ Seipjig, einem 9)HtteIpunft be§ 9)^ufiflcbcnö, reifte.

3(IImäi)lid) DoIIjog fid) nun in \l}m, bcförbert burd^ fran!I;afte 2tnf(^n)cIIung feiner ^önbe unb Sl^erfteifung ber ?^inger/ rooburd; bag ^laüierfpiel erf^rocrt raurbc, ein Übergang uon ber Tlii\it ju ber fc^on immer geliebten unb aiiggeübten ®i(^tfunft. @r mar nun in ber näc^ften ^c\i „ein \)alhtx Xragifug, ein Ijofber 3Jiufi!ug". Dbmol}^ ein 3Kenbe[gfoI;n;33artt)oIbg fein 2el)rer geroefen mar, rourbe ibm bod) bie ^oefic bie ,^unft fd^Icd^ttjin. (Jntjüdt Don einer Süiotette im 3lnguft 1840, fc^rieb er ö»(l^ei^ in fein ^Tagebuc^: „%od) genügt mir ba§ 3Sage ber SJiufif nic^t me!)r! ©eftaltcn mu^ id) l^aben!" Unb mit aller ®eutlid;fcit erfennt er: „©ouiel id) bis jc^t an§ mir flug geroorben, ift eg bag poetifdie Clement in ber 3JJufif, bag mid; ju bicfcr gejogen i}ai."

^m Dftober 1840 fet)rte er in bie 5ßaterftabt unb bag ^aug beg Ot)eimg jurürf. ?lug bem SSinter 1841 befi^cn mir bie fpöter niebergef(^riebene ©^itberung feiner ^erfönlic^feit oon feinem jüngeren £anb,gmann ^^rie'brid; ilramer. „Otto Subraig", fagt biefer, „mar bamalg nod) nid)t 29 ^al)re ait, uon ftattlic^em Sßuc^g/ gefoinber ©efid^tgfarbe, feinen 3i'fic» "»^ cbler Haftung. 6eine boFie Stirn, fein brauneg milbfeurigeg Singe, feine gcminnenbe ^^reunblic^feit unb trcu^erjig originelle

Spradie berührten angenehm unb gemiuncnb oobalb er fein Irbeitgjimmev

betrat, 3*og er feine meit Ijinaufreic^cnbcn 3:;robbeIfoden unb feinen unanfebntidien Sc^Iafrod an. Söaren bann bie erften SBöIfc^en feiner langen Xabafgpfeife entfticgen, io fdjritt er ncubelebt unb unter bäufigem ©d)ütteln mit bem ^opfe ftunbcnlang finucnb

im 3inimer auf unb ab 33or ber Stbenbbämmerung oerjebrte er fein ?(benb=

fffcn SBenn er am Spätnachmittage im 3(rbeitgjimmer mieber erfd;icn,

bradite er unter bem 9lrm jmei ilrü^e uoll 33ier mit, bie er in ben $tbenbftunbcn reblic^ mit mir teilte. 9Ibenbg non 8 big 11 lll)r trieb er ©nglifc^ ober oertieftc fid) in bie Sßerfe Sljafefpeareö ober @oetl)eg. ®ann fonntc er ftunbenlang lauttog fi^cn, o^ne äu bemerfen, ba^ ber Dfen falt gemorben mar unb feiner ^abafgpfeife fein Söölfdien rm\)x entftieg."

Sig Dftern 1843 mürbe il;m bag 3)]eininger Stipenbium beroilligt. ^^n Äeipjig, mo er feit bem Sommer 1842 roieber meiltc, gab er fid^ mit ©ifer ber 33earbcitung feineg STrauerfpielg „5Der ©ngel oon 2Iuggburg" \)u\, bag burd) bie ^ßermitliung einer entfeniten 3Serroanbten, ber gefeierten ©regbencr Sc^aufpielerin ^oroline S3auer, qu^ in 3:iedg ^änbe gelan<5te. ^m ^rül)Iing 1843 ging Submig na6) ®rcgben, um ber bortigen berül)mten Sül)ne näfiergufommen. ^n bemfelben ^a^re ftarb fein D^eim, ron bem er fo oiel erbte, bnfe er einige ^cilirc binburdi forgenfrei leben fonnte. i^ür

Dtlo l'iibroig. 4:25

ffin bi(^terifd)cci SrfjQffcn bcburfte er ciueö ftiUen 3iniuni)iiife(ö, bcn cv beim aud; in ^er fogcnnnntcn auf einem grüijlinööfliisflug entbectteii Si^lcifinüljlc ju Sliebcv^ ©arfebad; bei 5)ieipen fanb uiib in ber golge bcmotinte. „W^c'mc 5Öcrtftatt", id)i-ieb er üon f)icr mtö am IQ.^uni 1844 an feinen grcunb 9(mbrunn, „']<i)iaQ \d) balb l)ier balb ba auf, einmal 5ii)iid;eu ben ^elöblöcfen an ber ^riebijc^ na{)ebei ein aller

(Srlcnftrim! Ijälr mir baö ^intenfa^, bie lUappe nuf meinen Linien ift mein Xifd;

Üb x6) gleid) allein bin, ^abc idj nic^t bie minbefte Sangemeile; id; meube meinen iTopf um, fo i)ab' id; ha^ %al mit cbeln, guten, eruften, lomijd)cn, böjen 33emol)ncvn beuölfert. 2öenn mir's gefällt, gel) id) mit ©öttcrn unb i^i)nigen um, in einem 5(nfaü non .«gcrab^ laffunq bagcgen tann xö) mit ^Bauern tegeln."

3n biefem ^btjK fanb er aud; fein iiiebeö= unb i'ebenöglücf, roie 'i)a<i mag unö feine 23raut unb fpätcre föattin in il;rcn „^ugenbcrinncruugen" erjäl^len, (imilie SBinfter, bie S'oc^ter ciueö gjJei^ner 'bürgere, bie mit it)rcm 3Sater, einem großen 5?aturfreunbe, oft haSi 3:riebifci^tal bnrdjftrciftc : „2Bir marcu eineö 9]ad)mittag6 auf unferm SBcgc fd^on in ben ein famern ^cil bcö Xaleö gelangt. Da begegnete uns ein junger ftattlidjer 9Jcann mit breitem Strol)l)ut auf bem munbcrbar fdjönen Raupte, beffen ^licf id^ plö^lic^ mie fud^enb auf mic^ gerid)tet füljle. ©r grü^t, bleibt ftel)en, unb alö mir an eine 33tcgung beö SSegeö gelangen unb mein 5Satcr jurüdblidt, fie^t er i!)n nod) immer ftel;en, unö, bie er glcid)crroeifc alä eine unermartete ©rfd)einung betrad^ten mod^te, finnenb nad)fd;auenb. ©inige ^agc fpäter uuiren mir auf bem gleid;en SSege, id) eile, Slumen fudjenb, uoraue ben 33erg über bem Sufc^bab l)inauf, bem ßicblingspla^ meines SSaterö entgegen unb eben bort unter ber großen ®id)e, bie nod; uom 33ufd^merf verborgen - je^t frei oor mir liegt, fi^t Otto £ubmig. 6r ergebt ftd; grü^cnb; ber lautlofen unb bod; fo bemcgten Stille mac^t haö !Quv^n- treten meincö SSatcrö ein Gnbe. Submig bittet, ob er, bcc> 3Begeö unfunbig, \\6) unö

ünfd;lief5en bürfe. 3[i>ir ncrlobtcn unö im Ji^iufe ber nädiften 9J?ouatc bcö gleid)cn

Sommerö."

2)cn SBintcr nerlebte er in bem ®orfe 9kubni^ bei Seipjig, nielfad), mie fd)on früher, oon ernften ^ranfljeitöanfällen geplagt. SSie er geiftig ju arbeiten pflegte, l)at unö fein greunb anö jenen Tagen, %. ^re^fd)mar iiberliefert: „^n eine faft un^: burd^bringlic^e Söolfe üon Xabaföbampf gcbüüt, faf5 er tief über ben Tifd; gebeugt." („Sartcnlaube" 1865, 3. 222.) Tic udd;ftcn Sommer iicrbrüd)tc er mieber in ber Sc^leifmül;lc, mäljrcnb er für ben 2[i?inter 1845/46 nad; iTJcif^en überfiebelte. „^lu^er meinen 9lrbeiten", fd;reibt er nod; am 1. ^^anuar 1848 a\\ feinen J^reunb Sdjallcr, „ift ©milie meine eiujige ®cfellfd)aft, unb fic fennt biefe i^lrbeiten genug, um mid) aufmuntern ju fönnen, maö fie red)tfd)affcn tut." Sein äuf^creö Sd)idfal entfd)icb fic^ burc^ bie SBoHenbung bcö Xraucrfpiclö „T)er ©rbförfter", beffen .öanbfd^rift am 1. ^uli 1849 feinem treuen brümaturgifd)en ^^itgcber (Sbuarb T^cnrient juging.

5m §erbft beöfelben ^^'fji'fö jog er nad; !3)rcöben, mo er im Januar and) Wnftao ?\^rei)tag unb Scrtljolb 31uerbad; tennen lernte. T^ie 3luffül)rung beö „Crbförfterö" am 4. a^örj 1850 mar ein ©reigniö. !Drei 2Bod;en fpäter erflörtc fid) Öubmig gegen Sdfnitler befonberö bcutlid) über feine fünftlerifc^en 5lbfid[)ten: „Taö beiliegenbe Stürf

426 Der JRcalismuö.

ift eine Kriegöerflorung gegen bie Unnatur unb tonücntioneücn ^HJanicrcn Der je^igen ^l^eatcr|>oefie fowol;! aU ©c^aufpielhmft. ^d) Ijabe alle bic ^unftftüd(^en, mit bencn man haä ^ublifum padt, anä beren immer neuer 3iif«i^tnen[tcIIung man [elt jwanjig 2{al;rcn, man fönnte jagen feit fed^jig ^a^ren B^au-, Trauer; uuib £u[tfpiele ^ü- fammengeiüürfelt, barin über S3ori) gemorfen, 3flatur, 2ßa{)r^eit, frf)öne nic^t 5,11 enggenomiuciie SBirfIicE)feit fint> meine ^unftftüde gciüefeu, bie ic^ angeroanbt."

5Der ©ic^ter Iie| fic| nun bauernb in 5J)re§ben nieber. ©eine Krönung mit ©miüe fanb cim 27. Januar 1852 gu 3Kei^en ftatt. ^n biejcm ^aljxe DoUenbetc er feine smeite gro^e ^ragöbie ,,^ie 3Jia!faböer". 1854 entftanb bie prächtige ©orf- gefd)id)te „5Die §eitcrctei" mit i{)rem SBi'berfpiel/ ber F)umorifti)^en Stoüette „3luö bem 9?cgeu in bie Traufe", 1865 bie gro^e tragif^e Srjäblung ^^^^üif^en .^imniel unb erbe".

©lücflid; im ?5^amilienfreife mit SBeib unb 5linbern, faf) Submig fid^ met)r unb mel)r ^ranfl)eit§anfällen unb a\\6) äußeren ©orgen auägefeht. 33iö jule^t oerfenfte er fic^ in feine ,,©f)afe|peareftubien", um oem neuen beutfd;en 5Drama feine unoer^ äu^erfid;e ©runbfage gu f(^affeu. 3Im 25. Februar 1865 ift ev nocb f(^roeren £eiben§ jaliren geftorben.

5(m menigften betannt ift Dtto Subwig alö ß t) r i f e r , fd)ün bee^alb, roeil er felbft gor feine Sammlung feiner ©ebic^te üeranftaltet t)at. ^a, nur raenigc finb überhaupt gcbvudt morkn, unb na^ bem „®rbförftet" Ijörte feine lt)rifd)e ^robuüion gang auf. Urfprüuglid; bcabfic^tigte er, feines SSaterö ®ebid;te jufammen mit ben eigenen ^erauöjU9?bcu.

^m ganjen laffen fic^ brei I^rifdie ©erien bei it)m unterfd)eiben: 1. feine erfte iugenbiprif, bie big gum ^a^re 1841 reid^t, 2. feine „Suidjlicbcr" au^j ben 3af)ren 1844/45, bie feiner Siebe 3(uöbrud geben, unb 3. feine „^•^«olitifc^en ©ebic^te'' auö ben ^a^ren 1845 big 1848.

©g {)at biefem I)erben ^Wealiften meber an njeicf)en ^(öngeu norf) an vi)t)tf)- mifd)er ©mpfinbung gefehlt.

9fJur bem ift atm bo§ öeben, ' ®ex mit armen 5higen fie^t,

i)eiBt in einem fleinen ®ebid;t, bag mit ben 'Serien beginnt:

(Selig, bem

SDie ®ötter geben

©in reines, ebleS .f)erg.

3Kan glaubt einen 3Romanti!er bei ben erften ©tropljen aug bem Ä^Iagegefang „^ee Traufen Ungebulb" gu ^ören, unb boc^ fagt bie Überfcbrift, mie tief biefe ^Ißoefie aus ber 2öirflicf)feit beg Sebeng gefdjöpft ift;

'ühi] ben Söinben mödjf idj reiten, ga^ren auf ber SSolfe 3iiirfen; O rt)ie 3ög' ic^ mit (Sntgiiden %nxd} bie fernen, blauen äi^citcn!

Dtto Subroig. 427

Söie beengen bicje 9iäumc, 2)ie[e .^ügel, biejc Serge! SBirbeln möc^t' ic^ mit ber ^cxd)c ^od) im 58Iouen meine ^rnnnie.

O wie eng, liiie bln^ bie 9?ä[;e! SBer bie loeite, golbne gcvne, S53er bie meiten golbnen <Stevnc Unter feinen '^ü'^en fä^e!

2Ber mürtve bei bicjen 5ßer[en nuf Dtto Submig raten! Xcs l?i)iiterö „'tobeö; f«F)niuui" fönncn mir unö nitfjt in feine ^rofa u.nb feine 3)ramen bincinbentcn:

2eg mic§ ^in in§ ftttle SDnnfel ®urcf) be§ 33Drneg leifen gall, ©tarf unb ftnrfer bog ©cfunfel, ^eht i'id) nen bie Stad^tignK. •Sief), fie fdjnnnbet f)od) im SBlnucn, ©tiller, bleirfjcr 9?elfenbnft, 9}iäc^tig 2öogen lic^teä ®ranen ©tili ift ber 2:Db, ber rnft!

^n pQntt)ciftifd)er @elbftüergcffent)cit gcljt ber 2)irf;ier mit „^'früljlingötruntciu ()eit" auf in ber 9?atur, fo ha^ man baä alte ^nbien ober 9iiidcrt ober Sobcnftebt ^u ^örcn meint :

3d) bin ein flcine^5 53ö^ein, 2)a§ ^orf} herunter fief)t ^Tuf SBalb unb ©trom unb iBcrge Hub fingt ein trillerub Sieb.

3<i| bin bie fdjmanfe SEoge, STie fern an Reifen fcfjlägt; 3cf) bin bie fleine ?Ro\e, Tic fie Olli Sufcn trägt;

^ö) .yef) mit Silberfcf)lnäneu 2)ie Ji^'reife burrf) ben See, Unb in mir fingt toie 8d}iünne ©efjnfüc^tig 2nft unb 2Se^!

Dod) regt fid; bie cntgegcnmirfenbe 5lraft auc^ Iprif^ („Stimmen ber

^ial;nuug") :

2Baä loillft bu, töridjt ©e^nen in bie ^rne ^ad) blauem SSerg mit lidjtcm SSoIfenjug? S^rögft bürf) in bir ben ^immel unb bie Sterne, Jyliegft aii'i bir nie im tül)iificii ^lug.

Tiefer (Jrfcnntnic eutfprid;t ein tleiner poetifd)cr Sprud) mit ctmaö anberer SBci'bnnn :

D fndje nie bein Wlürf 5m 2i>eltgemimmel; 3e tiefer in bic^ .yiriicf, ;je ^öf)er im öimmcl.

Ter ,/-bu)djliebcv" finb nid)t uictc; aber jart unb Icifc bcrüljrcn fie bie f)ciligftcn, innigfteii (impfinbungen beö i:iebcolcbeno mie !"HrideriG ober (il;amiffoö

428

2)cr Sicaliennts.

2iebcölr)iif. %i\ä) bei Subraig t)ernel;meji mir neben bcn Siebern bcs ÜKannes „I)eö iDJnbcbenö Sieb" (1844) :

©(fyiuft bu mir fo innig 3n iiü^ §hig' l^inein, ©pridjft bn, eioig Bin irf;, SJlieine Siebe, bein; 9Jin|5 \d) bir erfc^einen 3n§ ein töricht S3Int; Sq^ mid^ bann nur lüeinen; 2öeinen tnt )o gut.

grogft bu, tueld; ein Seiben Wiä) äu Slränen ,vt)ingt? ^ann'§ bie ^arfe meiben, ®a|, berührt, [ie flingt'? SBie ber ^lang erfc^inen 9J?u^, ber in if}r ru'^t ©ie^, fo mu|3 \d) weinen; 2Seinen tut fo gut.

2öie b'i^'§ 5tDingt ^u bid)tcu, 3ft bein §er5 erregt, . Sföie bidyg mu^ bernic^len, SSaS bid| fo ben^egt, ^QudE^ft i)U nic^t in beinen Siebern <iu§ bie ©lut; ^er5, fo mu| id; ineinen; ^Seinen tut fo gut.

3)ie „politifdjen Sieber" geigen Subraig alg ed^ten 1)eutfc^cn, ber beö ^^ater:: iQiibeS ®inl;cit über oUe ^arteiung ftettt. ^n ben ©türmen ber 3fienohition JQud^atc and) er ber ^reif)eit, bem „58ölferfrüf)ling" entgegen:

SSie ba§' huxd) o((e S^^^^ig^ fd^allt, Sluffd^auernb bebt ber bunfle SSalb; Sluffc^auernb finf ic^ in bie S^'nie, ®e6etet fjab \d) frijmmer nie ^I§ bei bem Serd^enfubel:

(^rül^Iin^, grüt)ling auf ißerg unö Za\, 3n 3)eutfdjlanb§ ®auen alläumol. 2)er fd^önfte (^rül^ting fommt in§ 8<inb, grei^^eit, greiljeit ift er genannt, grei^eit! o S^ölferfrü^ling.

®amalö mar bie 33ielt)eit ber Staaten, ber leibige Jiirftcnbunb, Der ©ruub ber patriotifd^en ^fage; baju ber 9JJangeI eineö lüirfüd^cn ^arlamentö. 2Boö Dtto Snbmig aber 1848 biditete, baö Ijättc auc^ genau 70 ^a^u fpöter entfteben fönnen:

2öie bift hu t>od) nerad^tet, 9Kein beutfc^e§ SSaterlanb! Xa^ mir bie ©eele fdjmad^tet, OJJein §er^ ift mir entbrannt, <Bci} \d) bid), ha§> fo prächtig 93or öden fonnte fteljn, So ärmlicf), fo unmäc^tig Unb fo nerfpottet ge[;n ....

Unb beine ^inber fdjauen ©leid^gültig beinen ©d^mcr^; 3n beinen iueitcn ®auen 9^ic^t ein, ein meitcS ^er^? ©oir§ nimmer anber§ werben? SDic (Bd)mad) unftcrblit^ fein? ©ie^t benn fein 3Jtenfc^ auf ©rbeu, ,'??ein ©Ott im .^immel brein? . . .

Unb burdj bie beutfcf)en Sanbe

@in «Sprung, ein föriff, ein «Schlag

©lorreic^ bie alte 'Sd^anhe

©elöft an einem Xag!

Unb niemanb foU birs meieren,

Qu prangen tabellog,

O S3aterianb, boK (£fjren

33or allen S3ölfern groß.

Otto SubiDti}.

429

häufig {;at 2ubraig niid; ben 58olföIiebton, jc^oii in feiner ^ugenblrirü, getroffen, ^arin tarn i^nt fein mitfifolifc^eö Talent ju .^ilfc. 2^nrum fonntcn i()ni a\x6) S^allaben unb JRomnnjcn mo^I gelingen. 3" ^^" beften gel)ören ,,^100 jcrbrocf;ene $crj" im Unbinenton ?^onqneö ober 2ore:.5ag=Xüu ^Brentanos; ferner ,,X/ic ^inbeömörbcrin" :

S!)a unter ber öinbe, Da liegt mein ^inb, ®a n)ef;en bie 2öinbe -So fc^aurig linb.

®ic Seute im ®orf - Senn bie müßten!

3)a unter ber Sinbc,

Ikx fü^t' er mic^;

Da loel^teit bie 3Sinbe

So monniglid)

®ie Seute im SDorf - 5E3enn bie '§> müßten!

^ie alte Sinbe, ■iDie loieg nnf mic^; f)öl)nten bie SSinbe - Da rauft' icE) mic^. S)ie Seute im ®orf - 2Bcun bie müfsten!

Da unier ber Sinbe, Da lyah id) bei 9iad)t Dein armen Islinbc ©ein ©riiblein gcmad)t! 2)ic Seute im Sorf - 3Beiin bie müßten!

tl)nlid; ift "oa^ ^Jiotiü in „galfc^er Siebe Sof)n", einem ^ifi^^Ö^IVi^öd) jmifdien 9)lutter unb 3;^o(^ter ganj im 3:on bes alten beutfi^en 33o(föIiebeö:

„D Soc^ter, bu finfft mir in§ ©rab f)inab." „9^ote 5Rofen, bie "pflanzt mir auf mein ®rab."

©rgreifenb mirft bie 33allabe „Der: böfe %kd", beffcn Sd;fn| bie 5Birfung inö (S^raufige fteigert: *

Unb reitet oorau unb fjerum unb ^inum

Unb reitet unb reitet unb ficf;t fid) nic^t um.

Unb reitet unb reitet Ijerum unb f)eran, Dod) nimmer ba§ 33angen uerreiten fann.

Unb mie bie äiuölftc ©tunbe fd)lägt, SDer bleiche ^nnfer nid^t mef)r trägt.

')Rod) brummt bie Ölodc Dom ua^en Schloß; Der bleiche ^nnfcr, er finft bom 9to^.

Dex HKonb, ber fd)eint I^erab fo ftill; Dtx bleidjc ^i'"^^^' öergel)en loill.

i^on auf3en fafet i^n ber ftarfe Dot; 33on innen fa^t il)n bie ftärfere 9?ot.

„§err ft3ott! fdjon luieber bie Slumeu ba? Die finftern, bie rau)d)enbcn (Srien fo nal)?

^er grüne ^ügel fo lang unb fdjmal,

Unb brüber ba§ S^reuj unb \>a^ fteinerne Wol?"

ein blutig Sßeib fi|}t auf bem Stein: ,,§crr ©Ott! (Srbarm bid) ber Seele fein."

430 2)er Dicali'Jmuä.

Siibiuigö „£icb uon bcr 33enmuerin" bemeift, 'oa^ er benfelben ©toff Itjrif^ jDie bvQmatijd; ju meiftern raupte. %n6) in feiner £r)rit ift baö ^unftüoUfte ber '^lalo^, bie in ben SSerö gefleibete menfd^Iid;e S'febe, unb haQ beutet bod; barouf, ba^ bie für i^n in erfter Sinie gegebene ^unftform bo^ ^rama rcar.

©c^öpferifd) fam er gn biefer poetifrfien (Sattung uon einer gang anberen Seite aU Hebbel, an beffen Dramen er \ä)üx\e ^ritit übte. „®ie ^ebbelfc^en ©tütfc", fegt er, „fonunen mir immer nur oor raie ber rofie ©toff ju einem i^unftraerf, ni^t roie ein

fülc^es felbft 58ei Hebbel crjäfilen bie ^erfonen iljre ßljoraüerjüge in fleinen

3lnefboten unb miffen fid^ felbft ctwa§> bamit, mag für ganj eigene 9)?enfcf)en fie finb, inät)renD meiner 3J?cinung nod) fi(^ ber d^cixaltcx einer ^erfon ol)ne if)r SBiffen, jo miber ii)ren SBiUen geigen mu|/' 3Bol)l fud)t aü6) er bie „^bee", ben „©enerols ncnner", aber erft bann, mcnn er bie einzelnen (Srfd)cinungcn, öeren 3uif<i"iii'-'i^^ö"9 je^t ibeeE feftgufteEen ift, bcrcitö beifantmen t)at.

3tuf ben eigentümlid^en SSorgang Submigfc^en 5Did^tcnö I;at fdion ©üftao g^re^^ tag in feinem Sfiefrolog („©rensboten" 1866) ^ingcmicfen, inbem er il)n felbft jitierte. lUibrcig fagt: „3Kein S3erfal)ren ift bieg: (S§ geljt eine Stimmung ooraus, eine mufi= falif^e, bie rairb mir gur «^arbe, bonn fei) ic^ (Seftolten, eine ober meljrere in irgenb; einer Stellung unb ©eberbung für fid; ober gegeneinanber, unb bieg roie einen Tupfer* ftic^ ouf Rapier üon jener ?^arbe, ober genauer auöge'brüdt, roie eine 5}Jarmor? ftalue lober plaftifdie ©ruppe, auf meiere bie Sonne burd) einen 5ßorl)ang föttt, ber jene ^arbe l;at. 5Diefe ^^arbenerfd^einung l)ah' id) aud), roenn ic^ ein S)ic^tung§roer! getefen, ta^ m\6) ergriffen l)Qt; üerfefe' id^ mid^ in eine ©timmung, roie fie ©oetljcö ©ebidE)te geben, fo l)ab' id) ein gefättigt ©olbgelb, in§ ©olbbraunc fpielenb; roie Sd^ittcrs, fo ^ah' ic^ ein ftraljlenbeg J!armoifin; bei Sl)afefpeare ift jebe Sgene eine 9^uance ber befonbern ?^arbe, bie bag gange Stücf mir Ijot. SBunberlic^erroeife ift jenes Silb ober jene ©ruppc geroöl)nlic^ nic^t ta^ Silb ber Äataftropl)e, mand^mal nur eine c^arafteriftifdf)e ^igur in irgenbeiner pat^etifd^en Stellung; an biefe fc^lic|t fic^ ober fogleid) eine gange 9ieil)e, unb com Studie erfahr' ic^ nicl)t bie ?^abel, ben not)elliftifd;en ^nl;nlt guerft, fonbern balb nad^ uorroärtä, balb nac^ bem ©nbe gu uon ber erft ge= fel)enen Situation auö fd^ie^en immer neue plaftifd)'mimifd)e ©eftalten unb ©ruppen an, big ict) baö gange Stüdl in allen feinen Sgenen ^aht; bies aEeg in großer §aft, roobei mein Serou^tfein gang leibenb fic^ üerl)ält unb eine 3Irt förperlic^er SBeängftigung mi^ in ^änben l)Qt."

ein größerer ©egenfa^ gu ^ebbelö bemühter ^onftruftion lä^t fid^ faum benfen, unb boc^ finb 2ubroigä beibe 2JJeifterbramen, „®cr (Srbförfter" unb „^ie 93Jaflabäer^ nad) gang öl)nlid)en fünftlerifdjen ©efic^töpunlten gegrünbet.

3n ein roirtlic^eö, nic^t ein geträumteö ?^orftl)auö unb gu roirflid^en, nic^t nur uorgefteUten 3JJenfc^en fül)rt unö t)ü§> in ^rofa gcfd;riebene fünfaftige ^raucrfpiel X e r G r b f ö r ft e r ", ba^ abroec^felnb im $3ägerf)auö oon 2)üfterroalbe unb in Steins Sd)lof) gu SBalbenrobe, einmal im britten 3lufguge in bcr ©rengfc^enfe unb im ^eimlic^en ©runbe fpielt.

„aj^ein ^ater l)at oor mir bie Stelle gel)abt unb mein ©ro^rater üor meinem

Otto Subrcffi. 431

^-liütcr; fie I^ei^cn niid; Den ßrbförfter im ganjen %a[." Dnö ift tai 9flccf)t bicjeä eigcufinnigcn, brauen unb roarmfjerjigen 5Uten, aber ift nicfit ha^ ber ^uriften. Sein ©el^alt luirb i^m uerboppelt aiö ^enfion angeboten, lüenn er freiroittig auf feine Stelle oeräid)ten lüill, borf) er letjnt ah: „BoW^ ein ©nabcngetjalt fein? ^c^ brauche feine ©nabe. '^6) tann arbeiten. Umfonft nef)m' id; nid;t5. ^ä) nc{)me !ein Stlniüfen. 3ici^ luei^/ er fann mic^ nid;t abfegen, raenn id; nic^t fd)(cd)t geiüefen bin."

2ßie fotueit l)at fommen tonnen, jeigt ber erfte '^Itt. ®er ?^abrifant Stein, feit jraanjig ^af)ren beg alten g-örfterö Ulric^ befter ?^reunb, ift feit geftern fein ©runb- tjerr. ^{)r täglidieS ^artenfpiel ift faft immer oon reblid)cm, xü\ä) mieber auägcglid)e; nem ^ar\t begleitet gercefen, bcnn Stein brauft feidjt auf, unb Utrid^ ift I)artnäcfig unt> rau^, beibe aber finb f)eräen§gut. ^ente foE bie 3?erIobung it)rer i^inber, Robert Steins unb 9Jiarie Utridiö, gefeiert roerbcn. T^a !ommt jum Slonflitt: ber @utöl;err, gereift tnxö) Unglücf im Spiel, beftet)t auf bem 2)urd)forften, fein görfter jebcK^ (a(^t i(;n auö, lüeil er ben $8ortei[ feinee ^errn im 3Iuge bat. Ulrid) mirb abgefegt, ber unfäl)ige $8ud^jöger ert)ält bie SteDc. SSergeblid^ üerfudjt, mie mir t)ort)in fa^en, ber alte Stein einjulenfen. 9lad) einer 5Rei£)e aufregenbcr ©rlebniffe wirb ber ©rbförfter fälfrfitid) benad;rid)tigt, ba^ fein Sof)n burc^ ben feineö je^igen ?^einbe§ erfd;offen fei. ^n 2BirtIid)feit ift ber ^ud)jägcr uon einem 2Bi(bbicb mit ber cntmenbeten ^^linte feineö (beä ßrbförfterö) Soljueö getötet unb finb bie beiben Jünglinge bei ber SSers folgung beä SRörbcrö micber ^reunbe gemorben, nadjbcm ber ^m\\t ber ^^äter fie oor= f)er cbenfaHö auSeinanber gebracht Ijat. Stufg I;ö(^fte ergrimmt, fd;ie^t nun ber ©rb^ förfter auf be§ ?5'einbeg So^n nac^ bem ^ibelfprud;c „3(uge um 3tuge, ^aljn um 3a{)n" , trifft aber bie eigene 5rod)ter, bie ben ©elicbtcn mit i[)rem Seibe becft, unb richtet fid) bann fetbft, micbcrum nad) einem 53ibe[fprud) : „2Bcr irgcnbeinen 9JJenfd^en erfcblägt, ber foK be§ ^Tobes fterben." ®ae le^te Jßort in bem Stüd t)at ber ^aftor: „^t)m gefd;et)e, mie er geglaubt."

dU6)t bie ^anblung ift eö, bie biefer Xid)tung ben 9Bert gibt, benn fie cnttjält alliUDiel llnmafjrid)ein(id)feit, fonbern bie ©cftaltnnggtraft, mit ber bie ßF)araftere gefdjilbert finb. ®aö ift fprnbetnbeö geben, umö mir ha vor nm fel;en, frei oon jcbem Schema unb jebec Saune ber ßinbilbungöfraft, mit einem ülBort: ^Realität.

®ag jrocite gro^c T;rama Submigä, ^ i e 9)J a 1 1 a b ä e r ", füt)rt anö ber (S:nge tteinbürgerlid)en ^afeing in bie 2Beite ber ©efdjidjtc. Sea, bie grau bcs 3)?attatt)iaö, eineö ^ricfterö ju 9JJobin, ftol,^ auf il)re 5(bftaninuing auö bem .üaufe Dauib, üertraut if)rem £ieb(ingefof)n ©teajar an, ba^ it)r uor feiner öeburt burd) einen 2;raum gemeisfagt fei, er merbe ^oI;erpriefter unb 5tönig ber ^uben merbcu. 'l^ou il)ren fteben Söt)nen ift if)r ber .^elb $^uba uerlcibet, mcit er ein 9Beib namcuö ^Jaemi auö nieberem Stamme gcmäfjlt I;at. 2(uf bie ^unbe, baf; ber jübifdje Cberpricfter in 3lerufalcm, bas unter ber ^errfdjaft beä fprifdjen Stattbaltcrc- :J(ntiod)uo id)mad)tet, famt feinem ganzen .^aufc niebergemac^t roorben fei, Ijält ber eitle unb auf feinen ^elbenbruber ^uba neibifd;e (Slcajar feine Stunbe für getommen unb jicljt jur jfibi= frfien |)auptftabt. 93tatlatl;iaö ftirbt, nac^bem er nod; ^nha, ber bie in baö %al cin= bringenben Sijrer vertreibt, feineu Segen gegeben bat. (Jleajar roirb abtrünnig.

432 'Der JRealiämug.

fehle jütiöeren Srübcr geraten famt i^ver SJiuttcr in bie @ej^angen)d)aft Der yctnbe, bie ^erufntem belngerii. 5n§ \it ben Sijrertönig 3(ntiod;uö 6pipt)aneö um büö ßeben i^rer brei jüngftcn .tinber fle^t, nnrb \l)x ha^ jugefic^evt, fnllö jene Don if)i-cni ©laubcn ah- fallen, ©ic iierfprid^t, iljnen bie§ ju raten, üermag nbet \i}X SSerfpredjen nirf)t ^u \)alkn, aU fie erfc^einen : üielmel)r forbert fie fie auf, intern ©lauben treu ju bleiben unb ju fterben. ®a tritt auc^ ©leajar auf bie (Seite ber Srüber unb roirb mit il)nen jum Xobe gefül)rt. ^njmifdien ^üt fiel) ^uba ju feinen beibcu treuen Srübern nad) ^erufalem burd); gefdilagen. ^e^t wagt er einen 3{uöfatt unb erreicht eö, ba^ ber .^önig objie^t. 5)ie fterbenbc Sea ma^nt \i)r\, fid) bamit ju begnügen. ®aö 5ßolf bietet il)m bie ^önigö- mürbe an, bocö er iniE nur beö SSolfeö ^riefter fein, benn ber 5"ben ^önig fei ©Ott allein.

®aö ^ranui, in fünffüßigen Jamben gejd)ricbcn, bat eine dic\\)c überaus roirf^, famer ©genen, lößt aber uor allem bie ßinl)eitlid)feit üermiffen, beren gerobe ein l)iftori)d)eö Stücf bebarf, wenn cS nic^t uerroirrenb mirfen foU.

Um bie 3)?itte ber fünfziger .^afire naf)m Submig einen Stoff mieber auf, ben er ein ^alirjelint uorljer beifcitc gelegt l)atte, ol)ne inbeffen aü6) biefeö 3JJal jum '^b^ fcbluß 5u gelangen : 5!) i c 2B a l b b u r g '^ ein büftereS ?^amiliengemölbe. '^m ©nt- n)urf finb alle fünf 2lfte biefeö Strauerfpiel^ (in ^rofa) uorljanben. 3luc^ bie übrigen bramatifc^en ?^ragmente SubmigS, i^on "benen bie beiben ®ntiüürfe ,yir „3lgneö 33 e r n a u c r " forcie ® e n o t) e o a " (in 58erfen, 2lnfang bes 1. ^lufjugs) unb „StiberiuS @racd)uö" (teilö SSerfe, teils ^rofa) l)erüorgeboben feien, bilbeu namentlid; für Dramaturgie unb ^oetit ergiebige ^nubgruben.

S)raniatif(^ roirb Subroig jebod) ber "J)id)ter beö „ßrbförfterS" bleiben. Der nod) bmk bei ber Scftüre mie auf ber 58ül)ne einen jeben in feinen SBann 5iel)t.

©in äl)nlid)er ©rfolg mar Subroige ©rgäl) hingen befd)ieben, oor allem bem 9)?cifteru>erf 2m\]ä)Cj\ ^ i m m e l u n b ß r b e ". 9hir finb mir uns beffcn ni(^t in bcm Orabe bemußt, n^eil an realiftifc^er Äunftprofa um bie 3Jlitte bes ^of)rl)unbertö bei meitem nid^t in bem ©rabe mangelt mic an rcaüftif(^er 2)ramatif. Slber biefeö ^rübcrpaar, ber gemiffenlofe ?^ri^ unb ber gemiffenl)afte 3tpolIoniuä, ragt bod) Ijod^ über bie ©eftalten anberer ©rjä^ler jener 3eit l)inauö. Sind) an ber ©c^ilbe-- rimg bes "sDac^bcderljanbrncrfö fonnte ber Dichter fo rec^t bie ^leinmalerei beroäl)ren, in beren 2Birtlid)feitc.treue er faum überboten roerben tann. ©iefeö Seben fpielt fid) in me^r alö einem Sinne „jroifc^en Fimmel unb ©rbe" ah: 3(pollüuiu5 Sflettenmoir fc^ließt fic^ felbft c^arattcrfeft ben ^immel ju, am bem er feinen elenben 33ruber t)at berabftürjen muffen, fein £og ift Stefignation; aber ber SL^ergic^t auf bie geliebte unb jo fjciß begehrte S(^raägerin leuchtet meit^in unb überzeugt, weit er untrennbar ift von fold)er ^erfönlid)feit. Das raar ja iiaii ^leue an ber ilunft biefer 9?ealiften, aud) bas Unglaubmürbige burd; bie forgföltigfte ©ingelfdiilberung üon Situationen unD ©l)araftercn, raenn nid;t poetifd) ju uermirflidien, fo boc^ glaubl)aft gu machen. (Sin Äabinettftüd für fid) ift bie 2)arftcllung beö $Rettungäroertö, alö ber ^^li^ in ben ■^irc^tiirm gefc^lagcn l)at. 9lber and) bie frül)ere ©jene, aU Der truntene %xH^ Dem iBriiber auf bem STurm nad) bem Seben trachtet unb felbft ftatt feiner in Die 5:iefc

Subraig Sriijenflrubcr. 433

ftürjt, F)at an padciiber 2ebcnöiüQl;rf)cit in bem engeren greife bcö beutjc^en StealiömnS nidf)t il^rcöglcic^en.

SefenSircrt finb aQe ©r5<i^rnnöcn Dtto Snbroigö, uon ben fleinercn namentlich „3JJaria", „S)ieroaf)rF)oftige ®cfc^id;texion ben brei 2ßünjd)cn" 31 u ä einem alten S d^ n l m e i [t e r l e b e n " nnb ta^ SBiberfpiel jur ^eiteretei : „2luä bem Stegen in bie 3::roufe", mä^renb anbcrc, roie ,,®ie gmanäipation ber 5Dameftifen", bic ,,Sufrf)nürtelle" unb baC „gjtörcfien uon bem toten ^inbe" bet ^ritif nic^t in gleichem 3)la^e ftanbf)alten.

$ßor allem aber ift bie präcf)tige 2)orfge[d)ic^te ,, 2) i e $ e i t e r e t c i ", bie bie if)r feit jcl;cr gcjottte ^Bercunbernng mit Stecht uerbient. ^n Ijerjig jd)lid)tem 2^on wirb ba auf einigen Ijunbert Seiten nur erjäfilt, raie .^olberö ^^ri^ nac^ manrfiem SBiberftanb fc^Iic^lirf; bodj feine ^eitcrctci jum 3lltar fü^rt, benn beibe, ber Übermütige unb bie Söiberfpcnftige, l)aben fic^ aneinander emporgeläutert. Unb nun nad; Der 2:!rauung le^nt fie i^r ©efid^t an feine 33ruft unb befennt il)m allerlei, maö man nid)t oft ju l^ören bcfommt, benn „über DIadjt", fagt ber ®id;ter, „ift bic 33lnme ber ^nma,- feit üöEig aufgebrod;en". „^a| i^ ben SJJänncrn bin fcinb gemefen", gcftpf)t fie bo, „"öa^ ift oon meinem SSatcr feiiger gefommcn. 3flö ein flein ^inb l^ab' icf) muffen fel)en, mie er meine SRuttcr ^at gcfdilagen, ha'^ fie mand)mal beinal) ift liegen blieben. 2)o '^ah' i6) meine 9Irm um bic 9)iutter gefd;lungen/ ba^ er mic^ mit l)at treffen muffen, roeil id)'ö auc^ nid^t ijah' bcffcr l^abcn motten, qIö bie 3Jtuttcr i)at gehabt, ^c^ 1)ü%' il;n au<i) nie lieb gel)abt, ocrseif) mir'ö ©ott. ^6) i)ah n\6)t gefonnt, mag red;t fein ober nid^t. Unb ba l)ah' id/ö eingcfogcn, ba^ baö .^ciraten ein Un: glüd für ein 9)täb(^cn mär', unb bof5 ic^ ben STcännern ^ab' gum ^ol)n getan, maä ic^ l)ah' getonnt." Wian fiel)t, bn^ man biejer ^eitcretei für nid^tä gram fein unb il)r nur juftimmen fann, roenn fie in il)rer glürflicl)en (Sl)c micbcr^olt ju il)rcm Slianne fagt: „^6) bin nur frof), ba^ bu mid; liaft."

Unb biefeä SBort lä^t \iä} andy auf baö 3SerI;ältni§ beö 1)id^terö gur bcutfd^eu Siteratur anroenbcn: fie fann frof) fein, bo^ fie unter ben 33cgrünbcrn bcö beutfd)cn 9?ealiömuS neben einem f^riebrid^ ^chhd einen Dtto Subroig Ijat, ber beffen melt; umbilbenbc S^ecn aw^ größerer ©rbcnnäl)e ergänzte. (So fann feinem 3^^cifcf untere liegen, bo^ Hebbel, rein geiftig betrad^tet, oon beiben ber raeitauö Scbcutcnbere ift. 5Com Stanbpunft bid^terifd^cr ©eftaltungötraft ani inbcffcn mirb mel;r alö einer Otto fiubroig bie ^alme reichen. So rcd^t Dolfötümlic^ ju roerben l;inbcrt beibe bie äu^erft beraubte 3:'ed;nif i^rer 3!;arftcnungöfunft, bic fid; biö in bic garteftcn Jafern (jinein oerfolgen unb ftubiercn tä^t. Seibe gufammen erfc^en mci)X alö ein fgfic: matifd)es £el)rgebäube ber ©eifteöfultur.

7, Cttöniig ?(ttsci!rtru6fv.

(Srabbe, Hebbel unb Subroig maren 9?or^beutfc^e, ^Ingengrubcr mar C^ftcr-- rcid;er, jene roanbten fid^ an me^r ober minber erlcfene 5lreife unb fetjten fic^ mit ben .tlunftt^eorien auöeinanbcr, biefer manbte \i6) an baö 33olf im meitcften Sinne, ^eni: na^ mödite ^Injengruber, jumal er noc^ in ber erften 3ial)rl)unbcrtl)älftc (1839) geboren

Offiirc, ^ic bculfc^c Citctatiir fett ®oet^e« lobe iif». 28

434 ^ei' 9teali§mu§.

löurbc, incllcid^t bcffer ju ben ®id)tcrn bcö ntten Öfterreid; §ii rerf)ncu fein. Soor er jn t)od; nud^ ein SBicncr iliitb luie ©riüpaiäer unb S^nimiuib!

9(luT in biefcn 5!veiö (3cf)ört er nid;t, eine SBclt liegt bajiüifd;eiL ::)floiniunb bat nid;t einmal baö ^al)r 1848 erlebt, ©riHparjer ift balb nad) ber 33egrünbung bes 5)cut)djcn $Rcid;cä gcftorben, el)c nod; Hnjengrubcr feine grof5en SBirfungen ouö^uüben yermoc^te. ©rinparjerö Öfterreid) ftarb 1866, unt> 9taimunb ii>nr ber ^i^ter bor ibt)nii(^=t)orniär3lid)en ^onauftabt. iHnäcngruber fclbft luar ftd; biefer .'illuft bemüht. 3ni ©pilog 3u 9Rainuinb§ „S^erfd^roenber" fagt er:

®eänbert ^aben fid) bie 3eiiß"'

Unb bic ßjemiitcr iüurben falt unb I)art,

'^oä) fennen fie fein SSiberftreiten

®en 30?eifter 9i<iimunb§ anmutlüüüe ^ilrt ....

(Sr fd;en(^tc meg öon fid; bie 3l^nung,

SJ)ie nun be§ StRenfdjen ©eele bang bertjegt,

W\t jener fnrd;tbar ernften 9JiaI}nung,

jDo^ jeber felbft fein Sog im ^nnern trägt,

®a^ nidjtS t;eran bon au^en bränge,

SS>a^ if)n t»on an^en hielte feine S[Rad;t

SBenn er nid^t {)arten ®riff§ beätnänge

SDen ^ämon, ber i^m in ber SBrnft ermadit.

3l(fo negatiü: biefe ^eit unb i^re 5Diii^tnng in löfterreic^ mar nid;t mct)r Die feine. Unb pofitin : feine 2tuf foffung be§ Sebenö unb feine Äunft ftetlen i^n neben bic oorl)in befyanbelten norbbentfd^en Sf^ealiften, obn)ol)l and^ fie jener frül;eren ^e'ü an- gehörten unb nidit roie er 5llaffi!cr ber SSauernfornobte unb ber 9Jlunbart maren.

Sn einem Srief uom 14. g^ebruar 1873 an feinen grennb ©d)lögl fprid)t fi^ SlnjengruBer ergö^lid^ über feine 3Jiufe aus: ,,®iefe nielbefproc^enen Söauernfomöbien finb nur auö bem ©runbe ilomöbien mit Sauern gemor^ben, rocil fiel) berlei Jlonflifte in ber ©tabt in fel)r unpoetifd)em £id)te geigen mürben. Unb marnm foU id) benn an- fangen, ftatt luftig gu probujieren, unb menn einmal aucE) ein fd;mö(^ereö ®eifteö= finb mirb, mit 9lebelbilbern ^pionifd^eg g" treiben? ^c^ mu| geftelien, abgefeljen ba- von, ba^ an^ \)a^ örmere 5linb meiner 3J?ufe nüc^, ben SSater, bod) burcb einige 3:;an= tiemen unterftü^t, wog gang angenehm ift, benn lüarum foEen gerabe anbere M& 'iprinilegium l)oben, ein gangeö Seben lang mittelmäßige 2lrbeit \\6) teuer jal)Ien ju, loffen, unb id^ foU in befcl)ränlteften SSerl)ältniffen 3ufel)en, abgefel)en banon l)at bic •Sac^e einen ernftcren, id) mö^te fagen patl)ologifcl)en, pft)d)iatrifc^en ^intergrunb. (Seftalten, 5lonflifte mie in meinen biöt)erigen ©tüden wad^fcn nid^t mie Brombeeren. . . . . ^dl) möchte gern geiftig unb lörperlid) gefunb bleiben, etroaö @elb babei oer- bleuen, nnb rcenn ic^ eine Offenbarung f)abe, bann werbe ic^ fie ber SBelt m6)i Dor- enthalten, biefclbe in ben ©tunben ber 2Beil)e nieberfdjrciben, luie ic^ biölier getan. 3tur jum gJrop^cten non ^rofcffion möge man mid) nid^t mad^en."

2ßir muffen boc^, roie wir feben, au?^ ^ebbelö ©ebanfcn^ nnb ®efü{)l§melt tief flinabfteigen, beoor mir ju biefem fc^lid)ten Biener (55eftalter gelangen. 9tber ber 53obcn, aus bem 9lnjengruberg ^oefie i^re 5traft -^ie^t, nrmirtlid) unb urgefunb, ift

Öubroig aTnjengruber. ^^^

öer näm(id)e: baö Seben, luic ift unb nnvl>, nidjt luic eo Ijäite fein fönnen, iinb nidjt roie njcrben fönnte.

„?3(cin Sßater", erjät)!! bcr ®id;ter 1871 in feinem Xngebud)Watt „33iö ^um ^ertigiyerbcu", „luar ^o^o»" Sfnäengntber, ein Cberöfterveic^ev, ber Beamter ber ^ofbit^^altung tuurbe; roaö er aupcrbem raar, foniite ber fiefer in SBurjba^ö bio= i^rapl;ifc^em fieyifon narf^jc^Iagen bort ftel)t öic[c^rieben, ba^ er ein ^ic^ter \mx. 'Seine SBerfe l)ahen jebod; iiicbt b«ö £ampen(iri)t erblicft, unb ift je^t feine 3^it, ber 2Belt bie nad^geloffcncn SÖerfe in bie i^anb ju geben, bannt |"ie fid^ fclbft iiberjcuge. ^^d) bitte alö S8en)eiö für meineö SSatcrS S^alent ben narfigelaffenen lebenben Äom: mcntar ju neJimen, ber ic^ fetbft bin. 2Reine 3?httter, eine SBienerin, geborene ^Roria ^erbid), mu^tc niid) cr3iel)en, benn ber 3Sater ftnrb, atö \6) fünf ^al^rc alt loar. 3Ba3 biefe 3)tutter ift, baö ftet)t in ben Stättern mcineö .^erjenä mit großen Sndjftaben ein; gefc^rieben .... ©eborcn mürbe iä) am 29. S^ooember 1839 .... 2(I§ gan^ tlein \)abe id) mic^ fd)ou öurt^ eine güüe non ^^lantafie auögejeic^nct, idj l)ab\^ ibealc ©ärtnerei getrieben, id) \)Qbt bie 3ii^i"ci^ff^d)e eingeteilt in 58eete unb fogar einen prächtigen unerfd^öpflidjen Brunnen inmitten beö 3i^"i^i^'' inftaHiert, id) fonnte laut

auff(^reien üor «Sd^merj, mciin man meine Silien ober 9?ofen jertrat 3lber

nic^t bie ÖJartenfunft mar mein Scibro^, mar bie Sc^aufpielfunft. 3<i) bramatificrte nuö bem Stegreif jene ©rääl)lungen, bie mir 5U biefem ^wcde tauglich jdjienen, meift buof^enifc^, um fie mit ber .^öc^in unfereö Kaufes aufjufülu'en ; ic^ roei^, Da^ bie Slaubartfage biefeö ©lürf gcno^, unjäliligemal tragiert ju roerbcn."

^a6) unregelmät3igcm Sc^ulbefud;, ben er burd^ eifrige Seftüre ergänzte, lam ^Injengruber im 3tlter t)on 17 ^a^ren ju einem 33ud;ljänbler in bie Seljre. daneben begann er ju malen unb jn rabieren. 9icunjel)njäl)rig oerlic^ er ben 58u(^l)anbel unb iDibmete fid^ ber S^riftftcllcrei. „i^c^ fc^rieb ^uerft SSolteftüde", erääl)lt er, „id) bemegte mic^ ^u SBicn ja auc^ nur in 33olföfveifen." ©ine Stubie nac^ ^^eftrop mar baö erfte, mos er feinem SSormunb jeigte. ^ann nnirbc er Sd)aufpicler. ^on 1860 big 1866 fc^lofj er fidi ocrfd}iobcnen roanbernben @efenfd)aften an, ftetö uon feiner treuen ^.^Jutter begleitet, tiefer 3?organg l)at ni6)t feineöglei^en in ber gefamten SSeltliteratur. Slnsengrnber mirtte fd)lie^lid) auf einer SBiener Sü^ne, t)erfud)te fid) bann aber als freier Sd;riftfteller in '^ßoltöftüden unb ^looellen unb lanbete julefet alö ^IngeftcUter in einer 2Öieueu ^^Polijciftube. ^m ^al)re 1860 ooHenbetc er fein ^olfö= brama „3^er Pfarrer oon 5lird)fetb", beffen 3tuffnbrung am 5. 5?0üember 1870 im ^l)eater an ber SBien über feine 3"f""ft cntid)ieb: bie DarfteHung bcö ^löH'ipol^^ ,imifd()en bem alten unb neuen ©lauben in nolfötümlid)er ^^-orm traf bie rcd)te Stelle. mar ein 9J?eifteräug.

5Bon Slnjengruberö meiterem i^eben ift nic^t uiel ju berid;ten. 1875 uerlor er feine geliebte 3Jtutter burd; ben Xob. Seine 1873 geid)loffene (St)e murbc 1889 ge= fc^ieben. S^od; in bemfelben ^a^re, am 10. ^e,^ember, ift er alö günfjiger roie Hebbel unb fiubmig nad^ furjem Seiben geflorben.

Tramatifer mar ^In^engruber unb bemnädift (rri\äl)ler. ©eroir? bat audi er ©ebidito gcfc^riebeu, unb fie finb \vaf)x empfunben.

28*

436 2)er 5ReaIt§mu«.

'Skid) anber Wüa^ ber 3^^^/ ° ioQ/ Sßo^I fönnten mir berlangen, ^n§ unfer beiber §^1^3^" ®^fög 3m feiigen Umfangen?

9^i(f)t nc^tenb, n)a§ ba fommen mag, 53ergeffenb, tt3a§ vergangen; (£§ fann ber 9J?en|c^ allein Dom ^ag, ?5om %a% nur, ®lücf empfangen.

3Bcber feine eigentliche Sprit inbeffen, fo mefenöed^t fie aucf) meift ift nod) feine epi)t§ geiialtcnen ^(Seftalten unb ©efc^ic^ten" geben biefem ®i(i)ter ben St)ara!ter. ^öd^ftens fönnte man tia an feine tnenigen munbartlid^en ©ebic^te benten, j. 33. „SD' ^anpt- fücb'" (1886):

SSotjer mir fimmt, bei meiner Seel',

3cf| rat nit, Würb' id; nodj fo oH,

Ob oaner §ernimmt, mo b'r toöll',

3lüx ^aben, ^aben mu^ er f)olt!

^m 2lnfd)tn| an feine Sprif finb anö feinem Sf^ac^la^ no6) 21 p ^ o r i s m e n nnb ©infälle i^erauSgcgcben morben, non benen menigftenö einige ber SSergeffcnljeit cntriffen feien mieoiele mürben fonft jemolö non il)nen etmaä erfal)ren;

SBer ber SBelt ein ^eilanb p fein glaubt, tut gut, mit breiunbbreifeig ^o^ren ju fterbcn.

®a§ öcbcn ^at nid)t me^^r 2Bert, al§> lüir i§m geben.

Sünftter mirb nur ber, ber fic^ X>ox feinem eigenen Urteil fürd)tet.

5)ie Siberalen nehmen ba§ S^olf für flüger, bie 9ieo!tionäre für bümmer, al§ e3 ift.

2)ie e^riebengliga ift ben ©ebanten ber 3eit, uid)t aber ben Satfad^en entfprec^enb. 3^r ^abt nid)t bie 9Kad)t, alle SSölfer burd^ grieben§lieber einzulullen. Selber nic^t. SDer aber, ber öermödite, ein einjelne^, märe ha^ ebelftc, einju^ fc^läfern, ha^ e§, unbereit, maffenloS unter ben anbern baftünbe, er märe nic^t ein greunb ber 9Kenfd)^eit, fonbern nur ein geinb biefeä S3oIfcg. (So ftet)t leiber. 2)arum feine griebenSprebigtcn, feinen .•^ogmopolitiSmuä, fonbern 58e- tonung beg Sf^ationalgefüfiB. 2)er krieg mirb fdjlie^lic^ ben ^rieg unmöglid) mad)en. gjid;t bie 3)Zilbe, ber ©reuel, ber ^tmmelfd)reienbe ©reuet mar oon je ber Seigrer ber 5Rölfer.

5)ie Segitimiftcn brauchen einen .^errn, um SDiener Ija'ben ^u fönnen.

^Eebod) menben mir un§ je^t 5ln5en9ruberö eigentlid)em fiebenöroerf, bem 3) r 0 m a , ju, junädift feinem fd)ion ermäf)nten „^otfäftüd mit ©efang in vier 9lften" : „X(x Pfarrer non Äird)felb."

ift ein reblid)er 30iann, ber ^ird^felber Pfarrer, jebod^ nid^t im ©innc bei* Sifc^öfe, ber DrtF)obopen nnb Stbligcn. ©r oerfünbet bie SfJeligion ber Siebe unb l)at nic^t einmal gegen &f)en jroifd^en ^roteftanten unb .^atl)olifcn ctroaö einjuroenben, menn fie fi(^ nur lieben. Hub l)übfd)e 33ctennermorte finb cö, bie biefcv '^Pfarrer -ÖcU

l'ubiDJg ?lnöeiiflruber. 437

)0 Ijcifet er in öaö firc^Iic^e uiiD feuöale ^uufel luiift, luic öev ©raf 'i]3cter wn ^inftcibcrg oertritt. „SBcr jo lebt, Derftel;t öirf;, Du @ott ber Siebe! Hub nur ber, ber ein ^er^ in i>en engen ©rcnjen feines ^aufeö rec^t erfaßt unb vcx\ki)eu lernt, ber raci^ fie alle ju faffen, alte ju üer[tef)cn, bie ^erjen, bie in ber raeiten SEelt porfien unb E;änimern, benn roaö a\\6) bie SBelt an ilinen gefünbigt, aug ber ^anb beS ©^öpfcrö finb fie boc^ glcii^geartct f)erDorgegangen eine fd^raadjc jitternbe SD^agnetnabel, über bie bie ©tröme beä 2ebenö {)injieF)en unb fie oielfarf) ablenfcn, bie fi^ aber boc^ nid^t irre mad;en lä^t unb il;ren ^^iorben fud;t bie ewige Siebe!" iJlu^er feinen grunbfä^[id)en Oegnern, ben ^unfehnönnern, i)üt er noc§ einen anbern j^einb/ ben fein SSorgänger im 'Jtmt um ha^ ßebenäglüd gcbrad)t i)at, ben atbeifti]rf)en SBurjetfepp. tiefer erfpäf)t bie @elegen{)eit, alö ^eU ein ücrraaifteä ^irnbl, 3tnna Sirfmeier, jur Sül)rung feineö ^auöl)alt6 geiüinnt. Um i^ren geliebten .^errn aue bem perleumberifc^en ©erebe ber ^enfd;en 5u bringen, lä^t fic^ baö 3lnnerl üon il)m mit einem prächtigen Surfi^en ncrmäl)lcn. 3lbcr M .gell cbelmütig bie 'J}hitter beä Söurjelfepp geiftlic^ beftattet, obmoljl fie alö Selbftmörberin gcenbet l)at, erfüllt fic^ feiu ©c^idfal: er mirb feineö Zimtes entfe^t nnb gel;t lfm, um uon feinen 9ftid;tcrn feine ©träfe entgegen^uneljmen : ,,9sielleic^t ruft eine freie Äirc^c im SSaterlanbe mid;, il)ren treuen ©ol)n, jurüd au§ ber 58erbannung, wo nic^t, fo rciH id) bort an Stelle burd; eiferne 33el)arrlid)feit, bie fid) nie^t fc^rerfen noc^ tirren lä$t, fie al;nen inffen, bo^ benn bod^ bie ^jbecn, bie bie Qext auf \i)xt gähnen fc^reibt, mächtiger finb, alö eines 9Jienfd)en SBiQe/' ^jn bem ^a\)xc ber 3luffü^rung bc§ ©tüdä rourbe biefeö einen SRenf^en, beö ^apftcö, Unfe^lbarteit uertünbet. Xa war fein 3Bunber, baf? ein fold)er Pfarrer nuu^tuüll an bie 9}]enfc^enl)erjen rührte.

3u ber 3Solfötümlic^teit bcö 2)ramaö l)at ein mcnig and) bas Sieb beigetragen, "öd^ von bem 3lnncrl üu 53egtnn bee britten 'ilufjugeö gefnngcn luirb, unb beffen üierte unb le^te ©troplie fo lautet:

SSufjt' nir an^ufauflen,

39in -^um ^crrgott gangen;

„^ärf ic^ '3 58üflberl lieb'n?"

„Si ja freili," fagt er, unb Ijat g lad)t,

„SBcg'n en 53üaberl l;on id; Xernbt g'madjtl"

„©ic mögen nod) fo oiele 3[5olföftürfc fd)reiben", fagte SRofegger bei ber erften Begegnung ^u Slngengruber, „aber ein größeres merben ©ie nidjt niet)r fc^affcn, als ber j^farrer* ift." „3d) merbe ein nod; größeres fe^affen", ermibcrte ber T)id)tev. ©r bad)te an ben 3JJ e i n c ibb auer " (1871), ber in ber Xot ben „Pfarrer i>ou Äird^fclb" roeit überragt, i^tn biefev rounberponcn öeftalt, ber „a^roni", bie uon it)rcm O^cim, bem Derbrec^erifd;en itreujmegtiofbauern Dktljiaö ?^erner, um ll)r ©rbe be- trogen tüirb er befd)niört üor CiJerid)t, baf, fein ^Teftameut uorljanben mar, unb üer= nicktet feineö 33rubcr6 letjten Sßittcn , mag fid; and) ein iicrl)ärteteö unb oerbüfterteö ©emüt aufrid;ten. 53eglüdt burd) bie Siebe feines ©ol)neö j^ranj möchte ]\e „'nauö- jaud>jen inö Sanb". Sßiebcr atfo ift bie Sehrc i>on ber großen Siebe, bie alleö ujiebcr gut madjt, mao baö Seben uerbrac^.

438 - 3)cr 3leal{§mu§.

33on einer uod; Uebensmürbigercn ©eitc lernte ninn im näd;[lcn ^aljre (1872) biejen ^idjtcr Wj projaifc^cn SSoIföbialefteö in ben 51 r e u j I f c^ r c t b e r u " fennen. ßö ^anbelt \id) ba um ein ö^nlic^eö ^^roblem rate in ber „Sr)fiftrata" beg 3(riftopI)anc5. $Die 3^1't'ntborfer ^Bauern unterfrf;reibeu einen ^roteft gegen fivd)üc^e Sefrfilüffe mit \l)ven ^reujeln. 3Iber bie Pfaffen gerainnen bie SBeiber ber Untere gcid^ner, unb ber Äonflift ift ba, ber fid^ jc^Iie^lid; in einer allgemeinen UmarmungS; [jene ouf baö t)eiterfte löft. ©ine prä(^tigc 5^igur ift ber luftige <Steinffopfer(}nnö mit feinem meifen .ßebenöfprud) : ,,®ö fann bir ni^- g'fd)cl)n."

33on ben raeiteren ©tiic!cn Sinjengruberö forbern nur no(f) j-raei 33aiiern- fomöbien unfcrc befonbere 3tufmer!fQm!eit: „^er © 'roif f e n §raur m " (1874) unb 3) c r ® 0 p p e ( i e l b ft m 0 r b " (1874/75). ®a§ juerft genannte ^roma fteUt bor, roie ber reid;e Souer @riIIf)ofer auö feinen oeelenqualen (O'roiffcnöiüurm), ein 9J?äbc^en in ©knb gebrad)t ^u baben, burd^ bie ©rfa^rung beg (Gegenteile erlöft roirb.

© d^ I u p I i e b.

S)rum forg' für ha^ SDeiue 9D?ad) nientanben irr' .

Öi r i 11 ^ 0 f e r.

Unb mifd) bic^ net eini, '^u friegft nij bafür!

^erjerquicfenb ift anä) t)a§ jule^t ongefüI;rte 6türf, eine „33auernpoffe mit ©efang in brei Slften". OI;ne ^inleft unb oljne ©efang ift i^luäengruber auf ber 33ü{)ne gar nid^t ju beuten, ha^ mu| man raiffen. ^n biefem %aUc ^anbclt fid^ um ha^ Xi)tma in ^eller§ 9^ooefle „'Sionwo unb ^ulie auf bem ^orfc", jebo^ mit fröl)[id;; glüdlidjem 2tu§gang ta§) fagt mel;r olö bie längfte 39efd^reibung.

3Son ^tngengruberg ^rauerfpielen ift bas bebeutenbfte "D a ö u i e r t e ® c = bot" (1878) : bie SHten rid;ten ha^ ©lücf ber jungen gugrunbe. ®aö ©tücf fpielt in 9Bien. ®ie fd^raere, jumal bie ftäbtifcfie ^Tratidbie mar nid;t beö ^Did^terö ©igen: gebiet. $8iel roertuoDer mar bie f)ier uon ber ^üljue uerfünbete 2el)re: „5IÖenn bu in ber ©c^uF ben 5!inbern le^rft: ,ei)ret 3?ater unb gjfutter', fo fag'ö auci) üou ber Kantet ben (Sftcrn, ba| 'g banadi fein foEen."

9Jlan mu^ für 3tn^engruber ein gemiffcg Drgan mitbringen: ^erftönbnie für bie SpracEie beg bäurifc^en, überf)aupt beg niebcren 33üI!c3. ^m 'J^tieatcr ift es nod^ Jtid;t einmal fo fel^r notraeubig. 33ei ber £e!türe feiner ©rjä^Iungcu aber mirb cg offenbar, ob man if)m folgen fann unb miU ober nid)t.

®cn ©ipfel feiner epifc^en ^rofa bilben bie beiben ^Dorfgejd^ii^ten „"Der ©rf)onbfIec!" (1878) unb „®cr © ter nfte i nl)o f " (1885). Dort banbelt eg fi^ -um ein 9)iäbd;en, bag eine glücfüd^e ?^rau unb SJ^utter wirb, obmoi)l cg in Sd)anbe geboren ift, ^ier um ein fraftooUcö SBeib, bog burd; erfolgreiche (Segenraort if)re ni^tgroürbigc 3[?ergongent)eit auglöfd;t: „3Bcmi Helene flirbt - nid^t nur i^rrm eigenen 5tinbc roirb bog .^erj fd)mer merben, oudf) ha^ frembc mirb \i)X I)ei^e Xränen nQrf)roeinen, bie ^iMrmen iti ber Umgeg^nb unb alle jene, bie gcmo{}nt roorcn, fre«nb=

gerblnonb Don Saar mib atibcre realiftifctjc ©rjälifer ber ^■ntfijeit. 439

nadjbnrlirf) fic^ Mai unb 5Cat ju erbitten, luirb ber Xa(| bebrücfen, an inelcfjem bcv 2:0b bie 'Bäuerin F)inn)egf)oIt t>oni SternftcinI;ofe."

9?id;ti(ie Slnjengruberlcfer luirb man l^eute nur no^ feiten finben. ^ic Qx flärunc^ ift einfad^ : idqö einft neu unb unerl^ört nun-, ift f;eute uieF)r alö felbfinerftäiib lid^ geworben, ift uerultet. ^^ifd^cn unö unb 3(n3en9rubcr ftet)t ber 9?Qturaliöumö biefe eine Erinnerung fagt unö aUcä. (Sie ruft unö ober juc^Ieid; fein ^fabfinber= uerbienft in bie Erinnerung : war feine ©ro^tat mel;r, narf) ifjm auö bem SSoIfo für bnö 33oIf ber 2BirfIirf)feit mit poetifd^em unb bod^ urfprüngtic^em Selbfttnul ©eftalt 5U geben.

8. ^crbiitauö Uoit ^nax unö niibcvc vcaliftif(^e ^vsäljlcr öcv '^xü^^tit

3u ben ätteften SSertretern rcQliftifd;er ^unftprofa gehört ber SSoger Wtldfiot 9J?C^r. ©r luurbe am 28. ^funi 1810 ju erbringen (bei 9törblingen) im ?)iicg ciH 8of)n eineg Sauern geboren, n>ar alfo älter al§, alle großen ©rjäl^Icr unb (^x^äljU- rinnen, ron benen l)ier im 3"f"ini»^ii^ong mit bem Stealiömuö bie Sflebe mar. ©r befud;te bie Sd;ule in Sflörblingen unb 3tugöburg, ftubierte in 9}lünc^en unb ."geibelberg ^ura, in Erlangen, roo er mit 9tüdert uerfcf}rte, '13l)iloiopf)ie. 53efonberö oerfenfte er fid^ in Sc^eHingö Sef)rc. Er luurbe bann ^ournalift unb lebte mcift 1840bi§52 au^ in 33erlin in 9}^ünc^en, mo er am 22. 3(pril 1871 geftorben ift.

^nüe ift 9)ce9r in roeiteren 5lreifen nur uoc^ burd^ feine „Erjä^Iungcn anö bem 9iieö" befannt, bie 1856 erft^ienen. finb ^orfgefd;id;ten mit oiel Scben unb .Junior unb ein bi^cEien oiel 9)coral. 93Jet)r mottle boc^ aud^ tro^ fdneä 2BirtlidE)teitö- finneä bie iBilbung aufbeut Sanbejur ©ettuiig bringen. 3^'ic eingeflod)tenen ^kflcyionen mären in ber jüngeren realiftifc^en 5lunft uumöglid;. 2lnbererfeitö finb feine ©eftalten lief innerlid; erfd;aut, unb ber l)äufig angeroanbte ^ialeft forgt bafür, ba^ bet börfifd;c Eljaraftcr biefen ©efd^ic^teu gema^rt bleibt. 9)let)r ift jugleid) einer ber erftcn 5?orläufer ber fpäteren 4?cimatbid;tung. Unter bem 3?ieö üerftel)t man einen nörblid^-ber 2)onait gelegenen ©au, von bem ein 2^eil 5U 5)aijern, ein auberer im 5iorbmeften ju SBürttemberg geijört. 5)ie bebeutenbfte Stabt im ^)?ieö ift Slörblingeu.

5!J?epr Ijättc fid^erlid; nid^t geglaubt, tva^ fein 5^ad)rul)m ouf biefen ad)t Er= jä^lungen gegrünbet bleiben mürbe. 3lu^er anbern 9?oüetten unb r)?omanen („Emigc Siebe'', 1864. „SueE unb E^re", 1870), auc^ einem grofKU politifd)eu 'Jloman „^Bier ^eutfd;e" (1861), l)at er eine ^Injal)! i>on oormiegeub l)iftorifd)cn Dramen gefd)rieben. ©enannt feien bie Xragöbic „granj üon Sidingcn" (1851) unb JXaxl ber ^ül;ne" (1862) foroie taö Trama „.^crjog ^^tlbred;t" (1862), in bem ber ^Igncä^. 5Bernauer::3toff bel^anbelt mirb. 3(ud^ ein Sänbdjen ©ebid^te bcfifeen mir oon il)m.

9ReaIiftifd)e Torfgefd;idjteu l)aben ferner oerfa^t bie Söaqcrn ^ofcp'^ ^ric^ri^Ö Zentner (1814—1852), m\oi(\ StcaO (1812—1888) unb ^ermann Sdiniib (isiö 1880). !Die tl)üringifc^e Xorfgefd;id)te fanb einen ''Isertreter in §ciliri(ft ©djan«« bcrgcr (1843 1874), ben man ju ben filteren red)nen miifi, ba fein frül)er Xo& feine Entfaltung in fpätercr ^fit nid^t meljr julief?. i^or allem aber geljöven Ijierljer bie t^fterreidjer ^ofc^J^ JRflitt (1816—1896), ber 1842 Er^äljlungen „9luö bem '&i)\)\n(X:

440 ®cv JHeali^muö.

lüafb" Pcräffeutlic^te, a)?ori^ ^nrtmann (1821—1872), beffeu dloman ,,®er ^riecj um bcii SSalb" (1860) eine Böf)mif(^e ©orfgeid^i^tc auä ber Qdt SKorio ^^erefiaö ift, inib ?5crbinanb öou (Saar, ber alle oorlier ©enonnten überragt.

©aar würbe am 30. September 1833 in SBien geboren. §ier befud;te er baS ®i)mnafium. @r mürbe öfterreidjifc^cr Dffigier, I)eiratete 1881, rerlor jcbo(^ feine 'Jrau [(i)on nad^ oc^t ^ai)ren burc^ ben ^ob. 1903 mürbe er SJ^itglieb beä öfter: reic[;ifd;en .^errenE)au[cö. 2n§ er in fc^mere 5lranfl)eit oerfiel, erfrf)0^ er firf) am 24. ^uU 1906.

©ö ift biefem S)id)ter ä^nlic^ ergangen mie 9Jler)r: be!annt ift er ^efern nur no(^ burrf) feine 5?unftprofa; mit ^kdjt, obmoljt in feiner St)rif, namentlich in ben „SBiener Plegien'' (1893) bie erfte ©ammlung „®ebirf)te" mar 1882 erfcE)ienen , manche ^erk verborgen rui)t. ©einen Dramen aber, benen er fouiet Siebe unb Sebenö; fraft gumanbte, ift jeber mirflidie ©rfolg uerfagt geblieben, ©eine erfte ©ic^tung mar baö ©oppelbrama „^aifer ^einric^ IV." (1865/67). ^iftorifd) mar aucE) ba§ ^rouerfpiel „S)ie bciben be SSitt" (1875). ftellt ben J?ampf bar jmifdien ber 0figard;cnpartei ber nieberlänbifc^en 9?epublit unb bem ^aufe Dranien furj üor bem tragifdien Untergange ber bciben trüber ^oljann unb ßorneliuö be SBitt. ©rft ein :3at)r5el)nt fpäter folgte bie S^ragöbie „^^affito" (1886), bie ben Untergang beö Saperuf^erjogö im Äampf mit ^ar( bem ©ro^en bef)anbelt. ^en ©inftu^ Stnjeu^ gruberö oerrät boä 3So[!sbrama „©ine 2Boi)ltat": bie SBotjItat, bie Saron ©itffen()eim ber armen '^axia ermeift, f)at bereu fc^Iie^Iic^en Untergang gur S^olge.

©rgäfjter ift ©aar nic^t nur in ^rofa, mie fein fteineö 33er§epoö „.^ermann unb ^orotf)ea" bemeift. 2)iefeö ^bijE in ^epametern beutet natürlid) abfic^tUc^ auf baö ©octt)ifd;ie ©ebidjt l;in. ©in junger beutfd)er ©utöbefi^er in Tlä^xcn, namens ^ermann 3)kttuf(^, fef)rt, nac^bem er alö ©olbat gebient fiat unb gereift ift, in ha& ^eimat(id)e !I)orf gurücf, mo baö ©lamentum injmifi^eu baö ^eutfc^tum äurüdgebröngt ^ot. ^ermannö früf)ere ©eliebte, bie ^oi^ter beö Sfc^edjenfüljrerö ^egif, i)at in- gmifd^cn einen reiben SSrünner Kaufmann geheiratet. 3(uf einem 5ö'crein§; unb ©d)ul= fcft bor ^eutfdien in bem benachbarten ©töbtd;en lernt er ein junges 3)Jäb(f)en,, ßel^rerin auö Sßien, tennen, bie fid^ ben anbern fitnftlcrifi^en Darbietungen burc^ eine SSorlefung ouä ©oet^eö „^ermann unb 3)orotIjea" anfc^Iie^t. 3tud) fic t)ei^t T)orotJ)ea. Unb ba fie, mie @oett)eö ^elbin, am nädiftcn ^age nid)t me^r in bem ©täbt^en fein, b. \). nad) 3Sien jurüdreifen mirb, fo entfd)Iie^t ficE) .*0ermann rafcf) gur SBerbung am ftiHen SBalbfaum unb empfängt üon 3)orott)ea, bie ebenfalls oorl)er fd^on üerlobt mar, bas ^amort. 3tm ©c^Iu^ ftel)t baä ^aar gefd)Iüffen ebenfo ben flarcif^en ©efal;ren gegenüber mie baö ©oct{)ifc^e ben frangöfifcf)en. Wan fie^t, es ift ein Sßibcrfdiein flaffifc^er ^unft, üon ber 3Beft= an bie ©üboftßrenge gemorfen.

S;a^ fic^ folc^e Dichtungen nic^t gu Ijalten i)ermod;ten, nimmt ni(^t rouiibir. SBir {)aben baf)er im ©runbe auc^ nur mit bem ^looeHiften ©aar gu tun.

©aars 5RooeIIe erinnert an bie eines norbbeutfd)en Did^terS, X(;eobor ©tormS, uid)t nur infolge ber refignierten ©timinung unb ber autobiograpljifc^en ©infteibung, fonbcrn aud; buvc^ bie Betonung ber .^eimat, „S^ODcIIen aus Öfterrcic^'' nannte

gerbiiianb uoii Saai- unb anberc rcaIiftifd)o (Sr3äfilci bei- ^riUjjcit. 441

er fogleid) feine erfte «Sammlung. 9]od; beffer perfteF)t mau bie 58eriuanbtid>aft mit Storm[cf)cr ^mift, luenn man bie uicl jitiertc Stelle nm i)(nfang bcr 3ioneIIc „Tic ©eigerin" lieft, bie inellcid)t geeignet ift, if)m j^rennbc 5U werben. ,,^6) bin", fagt er ta, „ein ^reunb ber 3Scrgangcnf)eit. 5lic^t bn^ \di) etiua romantifc^c Steigungen ^ätte unb für baä ^Hitter^ unb 3}linnemcfen frf;n)nrmte ober für bie fogenannte gute alte 3eit bie niemals gegeben ^at ; nur jene ^^ergangenf)cit miü ic^ gemeint miff^n, bie mit if)ren 5(uöläufcrn in bie ©egenmart Ijineinreic^t, unb meldper id), ba bcr 3J?enirf) nun einmal feine ^ugenbeinbrüde nid)t Io§ werben !nnn, noc^ bem ^erjcn nad) an= gehöre. ©0 füt)Ic id; mic^ ftetö ju Seuten bingejogen, bereu cigcntiid^eö Seben unb 2Birfen in früEjcrc ^age fällt, unb bie fi(^ nic^t mel;r in neue '^er()ö[tniffe ju fd)icfen lüiffen. ^ä) rebc gern mit .r>anbuierfcrn unb 5lauf[cuten, meldje ber ©emerbefreitjeit unb bem bflftcnbcn SBcttfampfc bcr ^nbuftrie jum Dpfcr gefallen; mit Beamten unb ^Rilitärö, bie unter ben Krümmern gcftürjter 3t)fteme begraben mürben; mit 3(rifto= fratcn, meiere fümmerlid; genug uon bem Icfetcn Schimmer eineä crfand)ten Samens 5e^ren: lauter ti)pifd;e '^Perfönüdjteiten, bencn id; eine gemiffe ^cifnabmc nic^t ner; fagcn fann. ^enn aUcö baö, maö fie jurüctmünfcfien ober müfjfam aufred;t cr[)alten lüollen, f)at bod^ einmal beftanben unb mar eine 2}iadjt beö Sebenö mie fo maud)eö, M& ycutjutagc befielt, mirft unb trägt. 1)al>cr \)(ihc id) a\\6) eine SSorliebe für bie alten ^lä^c, bie alten ©äffen unb .C^äufer meiner 3?aterftabt unb bin nod^ jumcilcn in jenen öffentlid)en G5ärten ju finbcn, bie infolge neuerer Einlagen il^r ^ublifum oer- lorcn ^aben \mh uerblübtcn ©ouDcrnanten, brotlofen £d;rcibcrn ober äl)nlid;en .^<immergcftaltcu in (iditfd)euer .Tilcibung tagsüber geiuiffcrmafien alö SSerftcd biencn." 9iur einige feiner jal^lreidjcn llloticllen fönncn bicr bcfonbcrö ^croorgcbobcn luerben. ^m „Seutnant 'öurba" fcljcn mir einen armen bürgerlidien Cffigier, bcv eine "^Prinjeffin liebt, fid; micbergeliebt glaubt unb barüber jugriinbe gebt. vS» -Viic victis'* mirb eine ©Ijctragöbie auf bem Jpintcrgninb bcö unglücflic^cn ^^clb^ugö 0011 1859 bargeftellt. ®er Skaliömuö Saarö tritt uieUeid^t am ftärfften in ber ^^oncKc „2)ie 6teinflopfer" l;erauö. ©enannt feien ferner „^ambi", „2d)lo^ .ruiftcnifc" unb „liottor 3:rojan", mo ein äbnlid)Cö 5Jfotiu ncrmertet mivb u'ic in 3tormS SJonellc „ein 53efenntni5".

Xser beutfd)e Sänger, l^ei^t in Saarö ?Rl)apfobie „Tem italienifd)en ^idjter", i)aU üiel fd;nicrer, jur iHncrtennung jn fommen, alö ber italicnifc^e. >Dao Sd)ic!fal, bo§ er (jier malt, ift jum größten Xeil bas feinige geroefen unb biö jur ©egeumart geblieben :

Zanb bleibt il;m ein iPolf Don „Xcnfern",

®a§ J^Dte feiert,

Um ^obenbigc ein^ufargcn;

Gin iHi(f,

^a^ feit jel)ev

?Im liebften fremben .Q längen gelaujd)!,

?ln l;cimiid;cn tabcinb, ukiö ejs an jenen prcift,

Unb, fdjulmeifternb, beftönbig forbert,

Sa§ e§, ftumpffinnig,

?lm ©ebotenen nid)t erfennt.

442 Xer JReali§mu*i.

«So, me^r uiib nief)T in |"i<^ jclbft qebrürft, 33crfümmert er, f^-reublüg eiufam, Unb lebt lüie fein @eift in ungelefenen ^öücf)€tn Sin Iöf<^)japierne§ fieben!

9iüüeUift n)ic ©aar mar ber ^ommer ^'bmunb ^öfcr (1819 1882), Der eine 3eitlang mit .'ryadlänber jufammcn in ©tuttgart bie „^ouöblätter" fjerauegab. 'Staabt trat beiben bort nä^er. greilid; l^at §öfer auä) eine gro^e ^Inja^I non Sftomonen gefd^riebcn, aber fie reirf)en an bie fCeineren ^ic^tungen feiner ?^rül;äeit, j. S. bie „örjäfjlungen eines alten 5Cambour0" (1855) nnt) „©cEinjamnief" (1856), bei meitcni nic^t I)eron. 'tOlii Vorliebe lö^t er feine @rjöt)huigen an feiner §eimat= füfte fpielen.

3)}\t größerer realiftifc^er §eimatbicf)tnng ftetten fid; neben ©aar alö Qci6)mx goIiäifd)en Seben§ «co^olb üou <^aii)tX'Ma\o^ (1836—1895) unb üaxl ©mil ^rcnjol (1848—1904). SSon bem erfteren feien ber 9floman „®aö SL^ermäc^tniö ^ainö" (1870) unb bie „(Saliäifc^en ®efrf)ic^ten" (1872), oon bem letzteren bie ©rsäiilungen „®ie Suben oon 33arnoit)'' (1877), „Sin £ampf umä 9?ecf)t" (1881), „^ubitl) STrad^tenberg" (1891), „3>er 3Ba{;r^eitfnc^cr" (1893) unb „S)er ^ojaä" (1905) genannt. Sei beiben fteljt ba^ Sn^entum DftcuropaS im SSorbergrunbe ber 33etrnc^tung. SacE)er-9}iajo(f)ö 5ßaterftabt ift Semberg, g^ronjoä ftammt non jübif(f)en ©alijiern unb ift in einem pobolifrfien ^^orftl^aufe geboren. granjoö f)at and) intereffante Steife; befc^reibungen unb eine feIftbbiograpf)ifd^e ©cfirift („©cfd^id^te meinem 6rftIingS= roerfö'') neröffentlidit.

HIö älteren öfterreid^er reitjen mir I)ier am bcften gtrbinanb Äürnbcrgct (1823—1879) an, beffen üunftprofa freilid; bie SSorgüge beö neuen 9fleali§muö nur raenig erfennen lä^t. 9Kan nennt il)n meift im ^"ff'ww^^^^ö^gc wit feinem Senau= roman „'3)er 2(merifamnbe" (1856). ^ie l)efte feiner 9Iooetten ift üieKei^t „Serg= fc^red". (5rn)äf)nenöit)crt finb ferner bie jübifdjen @§cttogcfd)id)ten ?COpolb ^ompcrtö (1822—1866), ber ebenfaHö oug Öfterrcid^ ftammt.

3(m ©d^Iu^ biefeg 3tbfd)nittä ift ber brauen, realiftifc^ treu auö bem Seben gefdjöpften @efd)ic^ten breier S^oIBbid^tcr ju gebenfen, bie in ber 3^genb bie j^reubc üielcr bebeutenben SJlönner maren. finb ber 5Iugöburgcr i:)om!apituIar (£^^rtfitO<J5 ©(^itiibt (1768—1854), ber proteftantifc^e Pfarrer 2BiIt)c(m Dertel i>on .^orn, pfeuboni)m: SB. £). Öon «^ont (1798 1867) unb alö ber roltetümüc^fte oon ibnen ber auö Bresben gebürtige 2c§rer unb fpätere Sc^uIbircÜor dJuftQd Slicri^ (1795—1876). gjJit \i)xcn naiüen er§öf)Iungen finb fie im bcften Sinne - meit tiefer inö 5ßoIf gebrungen alö bie meiften mobcrnen Übcrfünftler.

210.0 biefc 9^amcn finb nid^t baju beftimmt, bem ©d^Iagmort 9lcaliömu6 als 9lelief ju bienen. i'Jkaliftifd) ift me^r ober minber jebc ed)te unb gro^e .tunft, eS !ommt nur barauf an, mie man baö 9Bort oerfteljt; unb I)ier ift fo ocrftanben roorben, bo^ unter feinem ^^i^f" ^i"^ 3fieif)e üon GrääI;Iern äufammengcftellt morbcn ift, bie im ©egenfatj ^u ben Steigungen ber Ilaffifer unb Siomantifer neue "^pfabc in

i'uife uoii 5ran<;;oiö unb Tlatk ron (5bncr = ®fcf)enbacfi. 443

bcr Munitproja bcfdjvitten lüie neben if)ncn nod; mniicl)cr aniKTc, Der önc 1)untel ber 3Scr<;ün9cnf)cit nirf;t mit gicidjcr ©tövte übcruuinbcn \)üt. Sie finb noc^ nid)t ganj iicucftc Okgeniuart, bicfe ^icftter oieHeicf)! ift boä ber @runb, bn^ mir unö be- fonbcrö ju if)nen f)iTigeäO(^cii fnl)ren.

9. ßnifc Hon ^vaiH'oiö unb Wiartc tioti C?6tter=C?fdjfnöa(^.

3ln ber ©pi^e ber renlifti)d)cii .Slunftproia [te^cn aiid), ivcnh mir uon bcr älteren 9Innette üon S)rofte;.^üIöt}off abfel;cn, beren ©eburtötag nod; in baö adjtjc^nle ^^a§rl)unbert fällt, ^rcei ^rnuen, bic bcibe nic^t rcic^öbentfdicn Urfvrunnö finb. ßuife oon j5-rangoiö ftnnimt mk ßi)amiffo aus einer nad^ ^entfd)(Qnb ncrpflanjten franko: [ifc^en ^ugcnottenfamine, wenngleid^ bicfe feit bem fiebäel;ntcn 3ai)rl)unbert gan,^ in beutfc^eni 33htt nnb beutfd;em ?5"iififc'^ nnfgcgangcn roar, nnb ^Iiiarie non ßbncr ift t)ftcrrcid;erin.

^Utfc öon ^ron^'oi^ imrrbe nni 27. ^nni 1817 in ^erjberg bei SJJerfebnri^ nie Xocbter eineä Dffijierö geboren. ,,;jnngfer ©rnnbtcji" baö loar \i)v Seiname monbte früi; il;r ^ntereffe ernften, nnffenfc^fiftlic^en Tingen ju, bcfonberö ber @c- fdiic^tc bcr SBefreinngöfricße, über bie fic bann anc^ ein 53udE) f^rieb. ^tjrcn "ißater ^ot fie nidit gcfannt, ba er fd^on ein ^a^x naä) if)rer ©ebnrt ftarb. «Sie ocrlobte fi^ mit einem Cffijicr, ber fid; aber non \l)X foöfagte, alö fie il)r Grbteil üerlor. Tiad;bem fie einige ^üi}xc (1851 1855) in .<QaIberftabt nnb ^otöbam bei einem DI)cim, bem föcncrat Äarl non ^^rangoiö, gelebt f^atte, U^xte fie naä) SBcif^enfelö an ber ©aale, ber ^eimatftabt il;rer 9J(ntter, äurüd. .^Mcr blieb fie nnb begann, getrieben non bei 5(0t, fi^ (\n fc^riftfteEcrifd;en 3trbeiten ju nerfncben, bie fie jnnädift bem 6ottaid)en litorgenbtatt anbot, ^n ber ^olgc uerijffentnc^te fie nnn eine gro^e 3tn,^afi( uon SRomanen unb erjä()Inngen, bie ganj inbcffen boc^ crft on il)rem ScbcnSabcnb unb nad) i^rem STobe (am 24, September 1893) non ber ^ritif gemnrbigt mürben, mäl)rcnb ber größere Seferfreis fidi mcift nad) mic nor nur an ibre „l^e^tc :liccfcnburgcrin" (1871) {)ä(t.

3n ber 2:Qt ift biefer Dioman, if)r crftes gröfKreö :©crt, Had)bcm fic einige 3at)re wrber (1868) eine SnmmUnig non 9bneIIcn Ijerau^^gegeben Ijatte, ibie beftc ^icötnng geblieben, ein präd;tigeö ^cxU unb 6f)arafterbilb in bem Ijiftorifd^cn rHalmien, ben bie friegerif^en ©reigniffc nor unb nac^ ber ^^al)ri)unbertmcnbe (feit bem iirim- felbjuge oon 1771) jict^en. 58on il)ren übrigen $ß?erfen nerbienen befonberö hcTuor= gef)oben ju merben „^rau ©rbmutbeng 3miUiugöföt)nc" (1872), „©tnfen)al;re eines ©tiicffidjcn" (1877) nnb „^er ta^enjnnter" (1879). ^}(ud) ein Snftfpicl, „1)er i^often ber ^r<iu" (1882), t/at fie gefd;rieben.

9?ät)er fcnncn gelernt Ijat man biefe finnige unb fräftig flargciftigc Did)terin aue i^rem 1905 ncröffentlidjten Sricfmec^fct mit Gonrab Acrbinanb OJiCijer, beffen ^reunbfd)aft neben berjenigen mit 9liarie Gbncr it)rc Üinfamfeit an bcr ftiUcn Saale Derfd)öntc. SBirfte fie auc^ neben ben anbern großen "'^^roiaifern nidit ba()nbred)cnb, fo ift fie bocf) alö Scbriftftellcrin eine rnl)menömerte Grfd}einung iunerl)alb ber 'l^ei(d)cn^ unb ^er<^iftmcinniditromanc, bie gerabe ju ihrer ^c'W in ber „Wnrtenlmibc" blübten.

444 ©et JRealigmuä.

(SrI;ei)Iid; bcbeutenber freiließ ift 9)?aric \)on (£I)ncr=^)t^cnba(^. ©eborcn würbe ilomteffe 3)hirie 2)uböh) nlö ^acf)ter eines rüI;mUd; befaniiten grei{)eit§!ömpi'cr5 am 13. September 1830 auf bcni inät)ri]rf)en ©d^Ioffe ^biölarai^. ^'tjre 2Jtutter, eine . fäd;[i[d;e ^^reiin uon 3SodeI, ftarb bei ber ©eburt. 2lud) i{)re erfte Stiefmutter, ciiic greiin noii Snrtenftein, blieb nid)t lange om £eben. 3(c^tgeljnjät;rig uermä^lte DJJarie fid; mit it)rem 58etter, bem Baron 9J?ori^ oon ©bner=6;fd^enbad), einem begabten Dffijier, mit bem fie au^ Iiterari[d;e ^ntereffen üerbanben. (^r mar ^uerft ,^eI)reT bet S'iaturmiffenidiaften on ber ®cniejd;ule in SBien, bann ^u ^(ofterbrüd in STtdljren. Seit 1864 mo^ntc bie ®id)terin in SBien ober auf bem cäterlic^en Sd)Ioffe. ©Üidli^ unb forgenfrci (uerflo^ if)r Seben. '^^xe S^e blieb finberloö. ^i)x ©atte ftieg biö ju ber SBürbe einest ?^elt)marfd)all:£eutnantö auf. 1898 ift er im 3{Uer üon 83 ^ai)Xin geftorben. W(axk ©bner erreid)te ba§ gleid)e 2nter: fie ftarb 1913.

St;rc fcE)riftfteIIerifd)en Stnfönge rcaren bramatifdjer 'Jtrt. Sie uerfudjte fic^ in ber f)iftorifc^en STragöbie („SJkria Stuart in Sc^ottlanb", 1860. ,,3Jtarie 5RoIanb", 1867), im ©efeUfd)aftöftüd (,,^ie Sd)aufpielcrin". „®aö ©eftänbniö")/ im 3Jiärd;cnbrama {„t)k ^rinjeffin oon Banalien") unb im leichten Suftfpicl (,,®ie Selbftfüd)tigcn". ,,®'aä 3BaIbfräulein")/ jeboc^ ol)uc nadj^attigcn ©rfolg. Qx- Tt)öt)nt feien auc^ bie fleinen ©ramen „^ie SSeilc^en", „£)l)m Siebe" unb „3lm enbe". 2lm bebcutenbften oon allen biefen Dramen finb boc^ bie beiben ^ragobien fomic baö „2Ba[bfröu(ein", baö fid; 1873 and) längere 3^it am SBiener Stabttl)eaicr ^ielt. 3lber wex fennt l;eute SJiarie rton ßbnerö Dramen? fo fc"^r Ijat il)re ©rjälilungöfunft il)re früf)eren ©ic^tungen in ben Sd;<itten geftellt.

3)ie erfte Sammlung i^rer „(Srää^lungen" erfc^ien 1875. Darunter befinbet fid^ bereits ein fo reifeö SBert mie „Die ©ro^mutter". ^m näc^ften ^al;re fam il)r erfter 3^oman tjeraug, „Bojena". Da werben mir mitten in ba§ mäl;rifd;e ßeben in ©tabt unb ßanb Ijineingeftellt, mo baö Deutfd;e fic§ fo oft l)ort mit bem Slamif(^n bmd)xt. Bereite il)re erften (Sräöl)lungcn red^tfertigen bcn Sammeltitel, ben fxc fpäteren Sd)(3pfungen gab, alö „Dorf: unb Sc^lo^gefd)id;ten" (1883, 1886). Sie fa^ ebenfo f(^arf in bie Seele ber armen Dienftmagb fo in „Soäena" wie in bie ber ©räfin fo in „Unfü^nbar", ebenfaUä einem größeren Sioman (1890) , be= fonbcrä wenn fid; wie in biefen gäHen um bag Sfingen mit fc^merem Sd)ufb= berou^tfein in ber Seele eineg Sßeibeö l)anbelt. 3l;r äSirflic^feitSfinn gerreifit aUe fdjönen ^Unfionen, lucnn eg gilt, bie 2ßoljrl;eit gu geigen, mie fie ift unb mirfen fonn. ©raufamer geigt fie baö an xljxex ©röfin 3Jlaria Dorna(^, bie nad) Sntl)nnung i^reö ^^el)ltrittö rcfigniert bem %o\>t entgegcnfiel)t, atö etma ber 9^ealift ?^ontane on feiner (Sffi SSrieft. Unb boc^ erljebt fie mieberum burc^ ben ^^inmeiä barauf, wie ftarf fic^ boö innere Sd;ulbberau^tfein auömadifen fann, bie fittlic^e ^bec gu einer 2J?ad)t, bie alle äußeren c^emmungcn unb SSorurteile überminbet.

2llö gjJarie ebnerö .^auptmerf gilt i^r 9tüman „Daö ©emeinbefinb" (1887), ber ben Slnfto^ gu feinem entftel)en einer 58egebenl)eit auf bem l)eimatUd;en Sd)loffe Sbiölaroi^ erl}altcn Ijaben foD. 3llö bie Dichterin eineö ^ageö fic^ auf bem Sd>lo^= ^ofe befanb, fragte bie Ortöobrigfeit an, raaö mit einem gerlnmpten 3iii"fif" '-tnb einem

ßuife Don j^ranvois un'ö SUarie oon (£6ner=®fd)enDad). 445

Tlaod gci'c^cl)en [olIc, bcrcn (Sltevii megeu eineö ^iebftQl)lö im ©efängniö ia|cn. " S)icfe Äinber geftaltete fie in i{)rer ^f)anta[ic ju bcn ©cfi^rDiftern ^acel unb SRilaba. 2>eren 33Qter I;at roegcn eiiicö ^ricftcrniorbeö uirb ^irrf;cnrQubcö am ©olgen geenbet, unb iE)re iinllenlofe ilan)ii(I;c 53iutter, uon bcm 2Scibred;cr in baö Unglüd vox @crirf)t F)in= eingcjcrrt, ift mit jcljn ^^af)rcn 3"f^^^önö beftroft. ®ic @nt§{)crrin uon Sülcfd)Qu nimmt fid^ nnn beö 9)iöb(^cnö nn, mä^rcnb ber ^nobe aU „©emeinbcEinb" üon bem 3)orfc oufgcbroc^t merbcn mn^. SKitobn, inö ^lofter jn ^labifc^ gebrnd)t, bamit fie bnrd; gottgefnlliQcn l'cbenöuianbel bie Sünbe mn ben ©itcrn ncl)me, roeil;t fic^ jU biefem 3'uccf aU jngcnblirf;c 9J(ärtr)rerin bcm ^obe. ^auel bogcgcn, ber im ^auje cineö geroiffwilofen 6äufcrö, bcö @cmcinbet)irten, aufmäcEift unb ^erfiif)rungcn aller ülrt ausgefegt ift, rafft fid; au^ biefen 3(bgrünbcn allmäl;lid) äum Sidjt empor. Xrci Sage na^ 3JciIabaö ^Dbe feljrt bie üiutter auö bem 3"(ä^l^^owö jurüd ju bem 5ül)n, ber fi(^ injroifrfien feine eigene ßTMtenj gegrünbct f)at unb nun für bie 9kttung feiner Sd^mefter ju fpät erfät)rt, ba^ fie bie 9}^utter fc^ulbloä ift. sDaö mirb ibm ber I}cd;ftc fiol^n unb 'tiaö fd)önfte ©h'id in feinem Öebcn. ?(u^ in biefem Stonmu malt 3)krie (S'bner mit rürffid;töl0G rcaüftif^er Sreue. ^artienmcife mutet bie Xid)= tung roie ein SSert beö cntfd;iebcnen 9JaturaIiämuö an.

6ine ^rieftergefd;id^te ift 9)^arie uon (Sbnerö britter großer 3tüman ,,@laubenö= lo§?" (1893). Hl)]\l\d) mic in 9iofeggerö „emtgem Sid)t" merbcn bie ilämpfc be9 jungen jraeifeinben "ipriefterö See Jünger burc^ feine SSerfc^ung in ein 3t(penborf in ein neueö ©tabium gerücft. 3(uö ber fic^tbaren i^ird)e tritt er inncrtic^ in bie uuficf)t: bare f)inüber, bleibt aber ^ricftcr, benn andi ben geiftlidjcn Seruf fa^t er in einem höheren Sinne: „Äann id; i^n nid)t erfüDcn, bann ftütjst mir aUeg jufammen. ^c^ crfai)re an mir bie Scbeutung beö Sßorteö ber Schrift: ,^erufen, nid)t auöermäbü.'" Bo enbet aud) biefe Seelengcfd;i(^te in ftiller Stcfignation.

Unter ben Heineren Grjätjlungen 9JJarie ©bnerö ift uieQeic^t bie fc^önfte „ikam^ bambuü", bie Srjäfilung non bem ^unbc, ber bei einer feinblid;cn Begegnung jiüifc^en feinem früfjeren .^errn, einem SÖilbcrer, unb feinem jefeigen, bem ^örfter, nid)t mcif;, roie er fidj oerfjaltcn foH, fc^Iic^iic^ bem alteren bie Xrcue f)ä(t unb bafiir in 3el)nfud)tö-- pein nac^ bem fpäteren Jperrn unb ber traulid;en SBof)nftätte eineö elenben Xobeö ftirbt. ©enannt feien ferner bie (Srjäljlungen „2otti, bie U()rniad)crin", „itomtcffe ÜRufc^i", „2;ic ^apitaUftinnen" m fid) an ber 3eid;nung .^rneier ^ur Jiutje ge= legten 2cl;rerinnen 3JJarie (jbnerö .^nmor ben)äf)rt / ,,^ertram 53ogcIiüeib", „9iltt= meiftcr Sranb", „(Sr lapt bie ^anb tüffen", ,,^er ^reiopljijfifuö", „^atob B^da" unb „Uneröffnct ocrbrcnnen". ^^rc Ic^te crjä^Ienbe ^id;tung mar ,,^ie arme .rtfeine" (1903).

£d)on 1860 (jatte fie aud) einen 33anb non ,/:i(pl)oriömen" neröffcntlidjt. ^yein gebockt, reidien biefe bod) nic^t an bie ber gio|en 3)kifter beö iHpI^oriömuö, i^id;ten= ber^, Schopenhauer, ^Jiitic^e u. a., f)eran. ^^hifeerbem l)at fie hübfd)C g}Järc^en unb ^«arabeln gefd;ricben, unb it)re antobiograpf)iic^e Schrift „3)Jeine ilinberjatire" (1906) ifl eine ergibige g-uubgueOe für bie ©rfc^licfumg i^rer menfc^tid)cn mic biditerifdien Gntmicflung gemorbcn. $?t}rifdi ift fie nur menig (jerDorgetreten.

446 2)ev 3fteaH§imici.

3lüd) 5U iljicn i'ebjelten \)at bie ®id;terin Die allcjcnieine ^ilnertcnnung unö ^cve^ning erfafircH, bie üjr gebübrt, unb aud) bcr doctor honoris causa ift ihr ulc^t evipart geblieben. Unter ben beut)d;en ©d^riftftcHeriniien nimmt [tc I)entc ben nn= beftrittcn erften ^fn^ ein. Sf)re literarifc^e SBirfung auf baö jüngere ^^raucngcirfiterf)! lä^t fiel; nocf) nic^t rec^t nbji^ä^cn. ©o üiel aber fann man bereite jagen, t»a^ ein (Seift roie ber irrige gernbe nnter ben 9Romnnbid;terinnen in aUen ^al)rl)unberten rereinjelt bleiben lüirb.

10. 5;ijcol>ov Fontane.

Söenige uriferer neueren ©rsäijlcr finb in bem Sinne roic ?^ontane ober '^aabt alg ^Healiften anäufprerf;en. 3)er rcaHfti[rf)e Stoff, ba§ ©reigniö be§ Slütags, Derbinbet ©torm mit Spontane. 9lbcr mie mcit liegen bie bämmerf)aften StimmungS^ ^uftänbe in Stormö ^loüeüen uon ber flaren, nüd)tcrnen Söeft Fontanes entfernt! Unb mie follte man ben äft(;etifd; entrüdten 9fleaü§muö 6. %. 9Jiet)erg mit bem j^on^ taneö in eine 9fieit)c fteHen fi3nnen! ®er Sflealigmuö ift ein Sd>lagmovt, baö gar nid)t weit genug gefaxt merben fann, bann aber freiüd) feine ^raft uerliert. SBoUen mir für bie ^unftprofo einen beftimmteren 5EJJa^ftab gemtnnen, bann muffen wir unö on SBerfe galten, wie fie bie fü^e Sß3irtlid)feitöbeobac^tung g^ontoneä geliefert ^ot.

Über 3':0"i'^"cö ßeben befi^en mir bie ergiebigften dueHen üon it)m fetbft, oor allem bie beiben nntobiograpf)if(^en ^arftellungen „?[Rcine ^inberjal)re" (1894) unö „5ßon ^wanjig big brei^ig" (1898). ^^erner finb ^ier in roeiterem Umfreife ^u nennen „ein Sommer in ßonbon" (1854), „Sluä @nglanb. Stubicn unb ^Briefe" (1860), „^enfeit bee ^meeb. S3riefe unb S3i(ber au§ Sd)otttanb" (1860), „Sßanberungen burc^ bie mavt 58ranbenburg" (1862—1882), „<Der fd)leSmig^f)ütfteinifd)e .trieg" fl966), „<Der beutfd)e 5lrieg von 1866" (1869/71), „^riegögefangen" (1871), „Sluö ben ^ngen ber Dffupatioii" (1872) unb „©er Ärieg gegen ^ranfrei^" (1874/76).

„2ln einem ber legten SDMratage beö ^jal^reö 1819", er§äl)lt er, „^ielt eine ^albd)aife i>or bcr Sömcnapot^efe in 9leu;9f?uppin, unb ein junges ^aar, üon beffen gemeinfdjaftlidiem S3ermögen bie Stpotbefe furj Dorl)er gefauft morben mar, entflieg bem SBagcn unb mürbe ron bem ^augperfonal empfangen." maren feine ©Itern, 9lad)fommen üon franjöfifd^en SSertriebeneu ; ber ^ater flammte »on einem 9)Jaler ab, bie 5U?utter oon einem Seibenfaufmann namens Sabrp. 33alb nad) ber ^Infunft in Tceu=9Ruppin, am 30. ^Dejember 1819, mürbe iljnen \^x So^n 5tl)eobor geboren.

Seine erften £inberjal)re «erlebte ber ®id)ter in biefer Stabt, bie il^m fo mit ber ganzen ©raffc^aft SRuppin ju feiner .^eimat raurbe. "iHoö) fein le^teö SBcrf, ber „Stedjliu", fnl)rt un§ ju i^r l)in. Später gogen bie ®ltcrn nad) Smiuemünbe. 3)er Änabc crl)iclt juerft ^riüatftunben, befud)te barauf ba§ ©pmnafium unb in 'öerlin bie ®emerbefd)ule unb mürbe fc^licfjlid) £el)rliug in ber 9fiofefd)en 3lpotl)ete ju Söerlin in bcr Spanbaucr Strafte. ?iad>bem er 1839 baö ©yamen beftanben ^atte, arbeitete er in 9lpotl)efcn a6)t ^aljxe na(^einanber in 33urg, Seipgig, Bresben unb Berlin, ©onn gab er biefen 33eriif auf unb rourbe in SBerlin ^[ournalift (1849). ^m ,§erbft 1850 oermäblte er fid) mit ßmilie Plummer.

S:i)eot)or Jontane. 447

3u feinen fvül;efteii literarijcbcn <cd)öpiun(jen c^cfiören [eine „®ebirf)ic". ©r iputjte fefbft, bnf, er fein £i;ri!er war. ,,5S)nö ,i^i)ri)d;c", jd;rcibt er [d;on 1847 an feinen ^^reunb Söilljelni 2ßo(ffoI)n, Jjabe id) anfciecjeben, id; möd)te fagen blutenbcn .^crj^en^n ^6) liebe eigentlich nid)tö fo id)x nnb innic3 luie ein id)öneö 2ieb, unb bod) nmrb mir gerabe bie @abe für bcn:^ :Cieb ücrfagt. 9Jiein Sefteö, ma§> id) gefdjiieben ^abc, finb SSnüaben unb (S^artifter^eid^nnngcn t)iftorifd)er ^erfonen."

2Rit feinen Sa Hoben ^atte er fc^on 1844 feine iHufnaljuie in ben „Bunuel über ber ©pree" erreii^t. ^ie ön^cre 3lnrcgnng ju feiner 53anabcnbid)tunö gaben \\)m bie ^BnUaben bec förafen Strac^mi^ unb ^ercij§ Sammhing „Ri-Hques of Auck-nt English Poetry-*. 3^ie f(^önften unter feinen eigenen 33aIIaben finb tncllcid}t aud) Diejenigen, bereu Stoff ber euglifd)=fd;ottifc^en föefd)id)tc entnommen ift, oor allem ber oon Horl Söme uertonte „^itrd)ibrtlb 3)oug[aö", „'öarbara 3(Ilen", „§aftingöfelb", ,Max\a unb Sotf}meU", ha^i „2kh beö ^ameö 9J(onmoutf)" unb „Tie Hamiltons ober bie ;2ode ber Sftaria Stuart". 9(ber aud) feine märfifd)cn unb preu^ifdien @ebid)te erfreuen burd^ if)ren IjeKeu Klang unb ben frifc^en, meüfreubigcn, feruigen C^ieift, ber in il)nen lebt, befonbers „.^etr uon -Hibbed auf 9f?ibbec! im .^aüeüanb", „3tuf ber treppe oon Sanöfouci", „®er alte S)erfflinger", „1)er alte Bitten", „Sei)blife" unb „^er afte 3)effaucr". ß^aratteriftifd) ift bei allen ©ebidjten ^ontaneö if)r gcmütDod fd^lid)ter 5ton, fie crfd;einen gemifferma^en in einfad;em 33ürgcrf(eibe of)ne jeben j^cft^ fc^mucf. ©ö gibt feinen größeren ©egenfatj alö ben smifc^en ben Safiaben ??ontancö unb S. %. Wcx)cx<i. a){an fann freilid; nid)t atte er3ät)Ienben ®ebid)te gontaneö alä SaIla^en be^eid^nen mie foHte man ben ernften „1)ougIaö" bem fc^alf^aften „5)]ibbccf" gleid)ftellen fönnen! ^TjJan fann maud;c @ebid)te ^J^egerö alö fteine ^erönoiiellen be= aeid)nen, fo mani^e (Sebid;tc J-ontancs alö ^eröanefboten, bie freiließ immer ebenfo luie jene einen tiefen Sinn unb einen meiten allgemein mcnid)lid)en, uötterfunöUd^cn ober biftorifi^en ^intergrunb t)abeu.

^m ^o^re 1844 befud)te er ©nglanb jum erftenmal. 1852 ging er im ^luf; trage ber „^reu^ifd)en ^^itnug" unb „'^üi" unb brei ^ai}xe fpätcr no(^ einmal bort; l^in. 3luf englifd)em SBoben fafite er auc^ ben ^lan ju feinen „SBanberungcn b u r c^ bi e 9K o r f S r a n b c n b u r g ". ßr fclbft berietet : „3luf einer ^our in Sd)ottlanb, angefic^tö eines im Seöanfee \\d) erl)ebcnbcn alten Touglaöfd;loffeö roar ec, mo mir jnerft ber ©ebanfe fam: je nun, fooiel i)at bie ^laxt 33ranbcnburg aud^. (Sei; t)in unb jeig e$." Unb nid;t nur feine 'Isorlicbe für bie märfifd)e l^inbf^aft ^at er l)ier literorif(^ bemiefen, fonbern aud^ für ben märfifd;en !^unfer im Stil ber 33reboiüö, Qui^omö, ^Ttocfiomö, Cppenö, 5lrad^tg, "Xrcöfomö, Sd)lieffeno, Sd)liebenS, Ud)tenl)agenö unb luic fie alle beiden. 5)?and;e lHbfd)nitte biefeö rein befd)reibenben 3Berfo finb gerabe^u SaHaDen iu ^rofa. Gingeteilt ift baö C^anje in oier ''i^änbe: „@rüffd)aft ?}iuppin", „Cbcrlanb, Barnim unb Öebuö", „Oftl^anellanb, bie i^anbfd)aft um Spanbau, ^otöbam, Sranbenburg" unb „Spreelanb, ^Bceöforn^Storfon) unb 5l3ar= ninuTeltoro". ©ö l)at in ber Sßeltlitcratur nid)t feineöglcid)en, t)a^ ein grofeer ^ic^tcr fi^ in öiefem Umfange ber Sd)ilberung feiner .^cimat gcmibmet bätte.

Salb nad) feiner legten (Sngtanbreife trat er (1860) in bie !lU'battion ber

448 ©er <RcaIt^mu§.

„Äreuä^dtiniQ" ein, bcv er biö jum ^atjre 1870 angeljörte. 5Daö bitterfte Sitiiflen um bie blo^e ©yiftenj war bomit uorü'ber. HKon borf nicbt nergeffen, ha^ Fontane erft im f)üt;cren Stiter bie Wax^i fanb, Slomane ju oerfaffen. ^m 45. 2ebenöjoI)re begonn er, htrj vor t>em 60. bcenbcte er feinen erften SRoman. „^d; {)abc ju leben", jd)reibt er üor ber ^weiten Sf^eife wciä) ©nglonb an feinen ?5^rcunb 2BoIffoI)n, „unb bo§ rcifl in biefen finngrigen 3eiten eigentlid; fc^on oiel fagen. ^^reilic^ mu^ ic^ ju biefew Sc()u|e arbeiten wk ein ^ferb; nnb ^^^^""9 fc^teiben unb ©tunben geben finb kr nobelfte

^eil meiner Xätigfeit 3}inn betrnd;tet biefe ^laderei qIö ein ^urd^gangö^

ftnbium unb fc^meic^elt fid^, bai)inter lägen bie ^nfeln ber ©eligen, mo bie ^lüfi^: fofoö ftcf)cn nnb bie .tatböbrntcn modifen, unb roo man SSerfe ju mad)en gebenft frü^ biö abenbö fpöt."

^n allen brei preu^ifd^en J^riegen mar er Äriegöberid)terftatter. 3ltä folc^er geriet er 1870 in fran^öfifc^e (Sefangenfc^iaft, würbe aibcr burd; SiSmardö ©ingreifen lüieber befreit. 'tRaä) bem legten Kriege rourbe er Xljeaterfritifer an ber ,,58offifc^en Leitung", .^m britten Stocf ber ^otäbamer Straf5e 134 <= I)at er oon 1873 biö ju feinem 3:^obe am 20. ©eptemiber 1898 gemolint. 3(u§ feinem fortan rul)ig ba^in= flie^enben Se'ben fei nur nod^ crmöl)nt, baf; er bi« ^alire 1874/75 in ^tolien oer= brad^te unb 1894 oon ber Uniuerfität 33erlin ^um 6l)renboftor ernannt rourbe. 3)em ,,oIten Fontane" Ijiat roa^rlic^ an ®I)rungen nid)t gefef)It, ben jungen I)obcn roie ge; roo^nüd) nur röenige geroürt)igt.

SDer erfte 9ioman erfc^ien 1878 ein ^ot)r barauf rourbe ber ®id)ter fed^gig ^al)re alt! @g mar „3Sor bem (Sturm". ®er ©türm ift ber 33efreiungäfrieg üon 1813. ^n bem SBinter ror^er fpieft bie ^aniblung, atfo in ber ^e\t jroifc^en ber ^a<i}x\(i)t üom Untergang ber großen 2(rmee in Sf^u^Ianb, ber Kapitulation bcö @eneral§ 3)orf unb bem beginn beö Kampfes. tl)nlic^ Ijatte ja Slteyiö bcn Unglüdörointer 1806/07 gegeicEinet. 3)a§ roirffidie @efc^ef)eu tritt gianj jurüd im ©runbe ift ber Überfall be§ alten 3Sifecroi^ auf bie franjöfifc^e Sefa^ung in granffurt a. D. baä einjige nennenöroerte ©reigniö. Sluf bie breite ^Darfteüung ber gcfd^id;tli(^ bebingten Stim= mungen, Situationen unb ßl)araftere fommt bem ^Dic^ter an. 33efonbcr§ geiungen finb if)m bie ©eftniten ber ^ifeeroi^ unb ber ^Dfarie Knief)afe foroie ber uml)cimlid)cn ^oppenmorie.

©traff ift ber graben ber ^anblung in ben nädiftcn tteincren (Srjä{)lungen. ^n ,, @ r e t e 3Jt i n b e " (1880) crgäfilt ber ©ic^tcr nad; einer alten St)roni! auö ber ^Reformationöjeit bie ®efd;i^te jcuer unglüdlidjcn ^atrigiertod^ter, bie fd)Iie|(i(^ ^ur Sranbftifterin roirb unb in bcn g^Iammen, uiufommt. 5Die erjä^tung ift reid) au crgreifcnben 3^9^"/ ^i^ ^^n großen ©eftaiter uerraten. Sefonberg anmutig gc= fd)ilbert ift bie Kinberliebc jroifc^cn ®rcte unb 5ßalentiu, ^n ber bann ber tragifc^e Sd)[u| einen roirffamen ©egenfa^ bilbet.

^oä) erfdjüttcrnber roirft bie ^ar^cr ®rjäl;lung (S 1 1 e r u f I i p p " (1881), bie in ber ^weiten ^älfte beö aditjelmten ,^af)rl;unbertö fpielt. 33a[^er 53od>o(D, ber .^eibereiter, ftö|t feinen ©oI;n in eiferfud;t uon ber ßUernffipp in bie Xiefe unb

J^eobot gontane. 449

t)tiiatci bann fefbft Die 3l!)iiiuigölo)"e, jeine ^^flegeioc^tev ^ilbc, bis itjn bie Stimme beä 2^oten in ben eigenen S'ob ruft jur ©Ilernfüp^.

2im nädE)ften 3af)rc (1882) erjrfiicn „L'Adultera'-, ein 2Ber!, mit bem gontane bie gro^e 9?eii)e feiner 33erliner Stomane eröffnete. 3iii» erftcnmal manbte er ]\6) einem mobernen Stoffe ju, bem 6i)ebru(^ in ber berliner ©efellfd^aft, ber aber nad)träg[ic^ oon bem ©ema^I ber'treulofen 3Jielanie, bem Snnfier oon ber Straaten, ücrjieljen roirb unb ciurf) pfij^oloijifc^ ju gutem (Snbc füljrt, ba fid) in ber §elbin neue Gräfte ent= falten, alä ii)r jmciter ©atte fein SScrmögcn oerüert.

3n eine früljere 3^'^ ^^^ ^aljr 1806, fü^rt roictcr bi« nüc^fte 6rjäf)Iung ^Srf^Qc^ Don 2ButI)enon)" (1883) ^urüd. ®er nbli'ge Siittmeifter Scfiac^ con 2Butf)enom, einer ber Sieblinge beö ^rinjen {^erbinanb, l^ulbigt ber SBitme ^ofepf)ine oon ßarapon, bcrcn anmutige aber blatternart)ige Xo(^ter SSictoire \\6) ifjni i)ingibt unb nun oon \\)m. auf ben SSunft^ ber SRntter jümie ^riebrid^ SBilfielmä III. unb ber ilönigin Suife aU ©attin Ijeimgefü^rt mcrben foÜ. (i'r läpt fid; aud; roirtüc^ mit i^r trauen, crfd^icpt fid) bann aber in feinem SBagen, um ber 2ä(^ertid^feit ju entgegen, jumal \k'- reitö anonyme Äarifaturen im Umlauf fini>, bi<^ fic^ über feine 2Bai)l luftig mad)en. 2Bie eine frembe 2Bett mutet unö f)eute ber 3nl)a(t eineö folgen 3ftomanä an.

^n SBien fpielt ber $Roman © r a f ^^ e t ö f t) " (1884). (sin alter ungarifd;er UJiagnat l^eiratet eine junge norbbeutfc^e Sdjaufpielerin, um jemanb ju I)aben, ber il^m etmaö Dorplaiibert, unb nimmt fid) b<iö Seben, alö er bnrd) einen ©olbreif an ber ^anb feineä Sf^effen ögon bclef)rt roirb, ta^ biefem bie Siebe gtan^iötaä gefjöre. 2Bar alfo im „Sd)ad) oon 2öutI)enorc" ta^ 9}Iotiü ber g)?ann ^mifdien jwei >vrauen, fo jefet bie '^xau smifi^en jroei 9}iänncrn.

1885 folgte bie 3rtorbgefc^id)te „Unterm Birnbaum", ©in ruffifcber ^anblungöreifenber roirb oon einem 'Dorffrämer ermorbet, ben bann ein .^erjfc^lüg tötet infolge feiner Slngft cor ben ©ebcinen bes loten im ileller.

3Jtit bem 9?oman „ß^cilc" (1887) fel;rt Fontane ju ben 33al)ncn ber „L'Adultera";(gpif äurüct. ©ö ift bie @efd)id;tc einer fc^önen polnifc^en j^rou, bie nid^tö gelernt i)ai, „a{§, fid) im Spiegel ju fe^en unb eine Sd)leife ju fteden". ßecile SBoronefd) üon S<^d)a mirb juerft bie (Sclicbte eineö dürften, beiratet nad) beffen Xobc einen Dberftcn, ber mögen \i)xti ?8ergangenl)eit ben 3tbfd)ieb nel)men mu§ unb jroei 3Känner il)retroegen im Suell crfd)ic^t. ®em sroeiten, bem ^iüilingcnieur oon (Ecölin- (Borbon, ben Steile liebte, roic er fie, biö il)re 3Sergangcnljeit basroifc^en tritt, folgt fie freiroiCig in ben "Job, niebcrgcfd;mettcrt burc^ bas Unl)eil, M^ il)re Sd)önl)eit üngevid)tet Ijat.

3tuä ben l)öl)eren Greifen beö Jraueulebcnä fteigen mir in „Errungen, SB i r r u n g c n " (1888) l)inab ^u £enc, ber Tochter einer 2!?afd)frau, bie i^r .^crj on ben 65arbcoffiäier 'Botl)o non JRienädcr perliert, il)m aber gar nic^t uerbenft, M^ er fc^lie^lic^ eine ariftofratifcbc 53afe beimfül^rt, roäl^renb ^cne ben brauen ^Kafdji nenbouer ®ibeon ^ranfc l)ciratct. 5^id)t tragifd), aber in einem roebmütigen, fc^merj^ üollcn (intfagen unb SfJie^^öcrgeffen gebt bie Siebeögcfd)id)te an^, bie gar nic^t alltäg; lid) ift, benn nid)t jebe fiene roirb bei bem lebten :?lbfd)ieb bie 5Borte finbcu: „\iebi

Ce^lfe, t)lc bfutfc^e Qltcrahic (fit ®oct^c§ lobe iifro. 29

450 . ®er JRealiSmuö.

iDO^I, mein ©injig^r, unb fei fo glücflidE), tüic bu üerbienft, unb fo glüdli^, mie bii mic^ gemod^t l^aft. 2)ann bift bu c^lüdliä)."

6in ©eitenftücf ju biefem 3ioman ift S t i ii e " (1890). '3)er fränflic^e (Sraf 2Baß)em<ir ^albern wriiebt fid^ in ©tine (3lb!ürjung quo (Srneftine), eine f)übj(^e Arbeiterin, unb üergiftet fic^, alä fie feine el)rlid^e SBerbung auö (Srünbcn uerftdnbigct Überlegung abrceift. ©ie rcirb fo beutet ber %i6)ki an feinen %ob nicE)t lange überleben, ^n beiben Sfiomonen leiftet ber berliner ©ialeft ber ©Ijaralteriftif roefentüi^e SDienfte. //^ott", rerfurfit g^rou ^aufine il)re ©d^roefter ©tine ju tröften, „er roax

ja fo roeit janj gut un eigentlich ein anftänbiger 9Jlenfd^ Slbcr üiel loa roar

nid^ mit il)m; er rvax man boc^ miefig/'

Stn ,,6tternflipp" unb „Unterm Sirnbaum" erinnert bie tragifc^e (Sef^id^ie „Duitt" (1891). ©er ©teHmod^er Sel)nert, ber, um bem ©efängniö ^u entgegen, ben oer-^a^ten ^^örfter Dpi^ crfc^offen l^at, fliegt nacEi 2tmerila, finbet bort aber im ©cbirge burd^ einen Slbfturj ben ^ob, beror er 9flutf) ^ornboftel, bie ^oc^ter be§ Dberl^aupteS ber SHennonitengemeinbe, bie il)n aufgenommen f)at, I)eimfüf)ren fonnte. SBie ben alten „33o^orb''' in „©Dernflipp", fo jog audE) il)n bie ©timme bog "Xoten ^inab in ein ät)n(id^eS ©c^icEfal.

^n „Unroieberbringlid^" (1891) treten loir mieber in ariftofraiifd}e Greife. 5Der 9?oman fpielt gur 3^it ?^riebrid^ SBilfielmö IV. am ^ofe ju ^open^agen unb in ©d^lesroig. ©raf ^olf gerftötl; leitfitfinnig feine ß^c, of)ne ben erF)offten ©rfafe gu finben, ba xi)n iboö ^^räulein ©bba oon Sflofenberg abmeift, unb treibt fo feine ©attin böjit, ben ^ob in ben SBellen beS SJteereg gu fmfien, an bem ©^lo^ ^olf liegt.

1892 erfd;ien ?5^ r a u ^ e n n t) 2; r e i b e I ", ein 33ilb auö ©gmnaftallc^rer^ unb 3^abrifanten!reifen in 33erlin. ^ennt) S3ürftenbinber I)at in x^xex ^ugenb ciel für SBiübalb ©d^mibt, ben ^wnQcn an^ ber 5Rac^barfc^aft, übrig gel)abt, ber fie Derei)rte^ bot aber, ba fie nur ein ^erj befi^t für bog „^onberable", b. F). für ba§, roo§ in» ©emi^t fönt, bocE) oorgejogen, ben reichen S:reibet gu heiraten. 3II§ g'rau ^ommerjieu: rätin fuc^t f:e if)rc ^erfunft au§ einem fleinen SJ^ateriotroarengef^äft möglidE)ft gu oer-- geffen, betont aber, ba| fie mit ben ^bealen unb ber ^oefie l^olte. ^m ©egenfaß boju roei^ fie freilidf) bie SSerlobung iE)reg ©oI)neö Seopolb mit ßorinna, ber permögenl- lofen 5Corf)ter if)ree einftigen £iebl^ober§, je^igen ©pmnafialprofefforö ©cEimibt, ju f)intertreiben, aber biö ju (Snbe nad^ aDen ©eiten if)re 2Bürbe gu roafiren. „%ä) meine liebe ©orinna", fagt fie gefütjfooE in il^rer SSitta gmifcEien ber ^öpenider ©tra^e unb ber ©prec, „glaube mir, fleine 5ßerf)ältniffe, bog ift haQ, roaS oEein glüdlid^ madi)t/' SSergebtic^ ^at ber SSater feine ©orinno gercarnt: mit jraei g^amilienportrötö unb einer oäterIid)en 33ibIiotF)et fönne man allenfalls in eine §eräog§=, aber nidE)t in eine reirfie ScrHner Sourgcoiöfamilie I)ineinl)eiraten. ^ro^ig, t)ergenä!alit unb feCbftberou^t tl)ront grau ^enni) 2:reibel in ber beutfc^en Literatur, I)umoriftif(^ befeud^tet burd^ bie ^unft, mit ber fie ni(f)t nur anbere, fonbern üor allem fid^ felbft über i^rc innere ^obl^eit f)inmegjutäufcE)en fucf)t. ©ie ganjc .^anblung befteljt nur barin, ba^ firf) bie ermähnte Verlobung jcrfcblägt unb jmei neue SSerlobungen fid^ anbal)nen: Corinna uerbinbet fi^ mit it)rem SSetter, bem tüd)tigen unb n)arml)crjigcn Oberlehrer SJ^orcell SBcbberfopp,

2;i^eobor gontane. 451

Ceopolb mit einer reichen ^amburgerin. ^ie broHige Srjäfilung ift reic^ an eigen; artigen ©eftalten, unter benen grau ©cfjmolfe, SEirtf^afterin unb SBitrae eincä B6)\x%' manneä, teinenfaüö fcl^Ien bürfte.

3tuf ^umor eingefteüt ift au^ bie föftlic^e fleine ©efc^irfite ,, ®ie ^oggen = puf)Ig" (1896), bie boc^ aucf) einen tragifcfien Unterton ^at, ba fie ba§ glänjenbc eienb ariftofratifc^er Dffigieräfamilien nac^ bem Kriege fc^iß>ert. 2tm ©nbe ftirbt ein Dnfer, unb feine ?^rau gibt nun ber ^^amifie ron ^oggcnpu^I, b. f). einer SGBitioc, beren ©emal)! bei' ©rauelotte gefallen ift, fomt groei Söf)nen unb brei Slö^tern etroaö @efö. ®aä ift bie §anb(ung. 3tber cntfd^eibenb finb roie immer bei Fontane bie Situationen unb ©eftalten. ^iefe ^oggenpuI)Ig mu^ man fprerf)en frören, jeben in feiner 2trt, fonft F)at man feine ^ßorfteUung ; jumal ber junge So^n £eo, ber Siebling ber g^amilie, ift mit einer Sd)ärfe ber SSeobad^tung gejeic^net, mie fie bem 33erlinct £eben gegenüber gerabe bei unbebeutenbeu 2JIenfd^en üieHeic^t auper SB. 3llejiä unb ^. Seibel in einjelnen gäDen nur g^ontane jur 3Serfügung fte^t.

^n tiefes ©c^roarä getouc^t ift bagcgcn ber 'Vornan @ f f i 33 r i e ft '' (1895), bei beffen ©rfcEieinen baran mu^ man roieber einmal erinnern ber ^id)ter bereite 76 ^o^re alt mar. ^e^t er^ob fic^ feine ^unft gang ju i^rer ^öf)e. SBicber F)anbeÜ ficE) um ©fieirrungen. ©ffi, ein ficbjefinjäl^rigeä 3Jtäbc^cn aus abiiger gamilie, t)eiratet auf SBunfd^ if)rcr ©Itern ben fünfgigjäfirigen Sanbrat non ^nftetten, ben einfügen £iebf)aber i^rer 5IRutter, erliegt in il)rer 6f)e ber SSerfüI)Tung eineä aubern, beö SKojorS Srampaö, ber bann nad^ fieben ^a^ren , alö biefeö an ben 2^ag fommt, Don ifirem ©atten im ®ueE getötet roirb. T>k ®^c mirb gefd;ieben, Gffi ficf)t gebrochen ber 3f?u^e entgegen, bie allein ber ^ob if)r bringen fann. 2tuc^ I)ier uermag bie 2tnbeutung beö ^nl^alt» ben SBcrt ber 3)icf)tung nicf)t ju entf(^Ietern. gra.ucngcftaltcn roie (Sffi unb ßöcile f)ier, Sene unb Stine bort laffen fid; !aum nac^jeic^ncn, mau mü^te benn bem ®id)ter fefbft feitcnmeife baä SBort erteilen, ^mmer miebcr ergebt fid) ber ^^roteft beö eblcn, ed)tcn @efüf)Iö gegen baö faltfinnige unb felbftfüd;tige Strebertum, unb unreife §iIftofigfeit roirb in rein fac^Iid^er 2)arftettung ber oerftanbeSmä^igen 33erbammung burdf) bie fogenannte .torrcflI)eit entzogen.

Spontanes Ic^tcß SBcrf benn ben ^(an, bie ©eftalten ber norbbeutfd^cn Sec^ räuber Rlan^ Störtebefcr unb ©öbife 3)hd;e[ö in einem 9f?oman „®ie Sigebeler" ju neuem Seben p errceden, focrmoc^te er nic^t mc^r auöjufüfiren ift 3) e r 5 t e d> = lin" (1899). Sn bem .^crrenfiauje Stcdjiin an bem gleichnamigen See mirb baö 3IIter burc^ bie ^ugcnb, eine ^t\t, bie fi^ überlebt l)at, bur^ eine neue abgclöft fo ungefäf)r fönnte man ben $jnl;alt bicfeä 9lomanS mit ein paar SBortcn be5cid;nen. Sonnenuntergangöftimmung üon Infong biö 5U (Snbe! 2)er alte 3)ubölani, beffen Seben bo in Qtter ©tiHe erlifdit, ift fo red^t Fontane auö bem Jperjcn gefd;riebcn. Bi^^^id; roor biefe 3)ic^tung ein roef)mütiger 3lbfc^iebögru^ an bie Sf^uppiner öcimat, mcnfc^üd) rcrfö^nenb, lanbfdE)aftlid; uertlört. „Gincr ber Seen", fagt ber ^id;ter mit liebeootler ^leinmalerei, „l)ei^t ber Sted)lin, runbum oon ölten 33uc^en eingefaßt, bereu S^n%e, oon ifirer eigenen Sd^mere nad; unten gegogen, ben See mit iljrer Spifee berüljren. ^ier unb ba roäd)ft ein SBenigeä oon Sd)ilf unb 33infen auf, aber fein 5lal)n jie^t

29»

4:52 2) er 9teali)§mu§.

feine 3^urd;cii, fein 33oge( fingt, unb nur feiten ift eö, 'oü'^ ein i^abi^t baruber hinfliegt unb feine ©chatten auf bie (Spie^clflad^e roirft. ^Ueö ift ftitt I)ier. Unb boä), oon 3eit äu 3eit roirb on eben bief^r «Stelle icbenbig. ®aö ift, wenn weit brausen in ber SBcIt, fei'ö auf ^elanb, fei'ö auf ^ava, ju rollen uni) ju grollen beginnt ober gor ber Slfd^cnregen ber Ijaraoiifd^cn Sßulfane bi§ roeit in bie ©übfee f)inouögetrieben wirb. S)onn rcgt'ö fic^ aud) I)ier, unb ein SBofferftraf)l fpringt auf unb finft roieber in bie ^iefe, raenn'ö aber brausen roaä ©ro^eö gibt wie yor l)unbert ^aliren in Siffabon, bann ftra^lt ein roter §a^n auf unfc fräl;t laut in bie ^an'ot l)inein."

SSor bem „©tec^lin" i}attt ^ontone noc^ einen 9loman begonnen, ber aber erft ouö feinem Sbd^la^ Ijerouögegeben rourbe, 9Jt a t ^ i l b e 3JJ ö r i ng ". 3)er "S^i^ter fonnte an il^n nirf;t mel)r bie le^te ?^eile legen, ©in üieberfpred^enbeö SBer! ift bamit bem obfd^lie^enben Urteil unb ber beutfc^en Literatur entgogen.

©einer ganzen 3lrt nnc^ murjelt g^ontane tiefer als ©torm unb bie ©c^meiger i^etter unb aJkger in ben breiten ©d^ic^ten beä 3Solfeö, n)iemol)l eine anbere SBelt ift, bie I)eute ben SfkJ^men um baä perfönlic^e ©rieben aurf; in ^reu^cn fpannt. Slber nid^t nur mit bem alten ^Jßreu^en bleibt ^^ontoneg ?iame oerfnüpft er l)at immer mit ber S"9cnb gehalten, nod; al§ ©reiö, un^ barum üerfc^lie^t fid^ auc^ ben SBerfen fcineö StlterS bie 3"f""ft nic^t.

11. mif^tim 92aaae$ Mm.

^n ben fed^giger, fieb3iger unb adptjiger ^al)ren beö ueunjel)nten ^al)rf)unbertä rourbc "^aabe roeni'g gelefen. 9lac^ bem ©rftlingöerfolg ber „©perlingägaffe" ]6)xiih Hebbel: „©ine oortrefflic^e Duoertüre, ober wo bleibt bie Dper?" 3tber aud^ noc^ ©rfcEjeinen fo montier „Dper", befonberö naä) Hebbels %&hz 1863, als nun ber „^ungerpnftor" unb bie anbern großen SBerfe ^erau§!amen, blieb bei einem 3flul)m in einer begrenzten SRaabegemeinbe, 5ßolfötümlid^ mürbe biefer fo ect)t beutfrf)e 5)fd^ter eigentlid; erft feit feinem fieb,5igften (SeburtStagc 1901, ba bie öffentlicE)cn ©l)rungen auf il^n l;erabfauften.

2tud^ 9taabe ift D^ealift in einem gonj anbern ©inne als bie i^m uer^a^ten Sfiaturaliften. 3tuS überftrömenber ^l)ontafie quellen i^m ®inge unb ©eftalten, für bie CS nur in oereinjelten e^ötlen ganj genau entfpred^enbe Urbilbet gibt, menngleid^ b^r SDid^ter immer nur unmittelbare 2Bir!lic^feit fdfireibt. SBer aber oermöd^te ben ??äben ber 3)?enfcf)en!cnntnis unb pfi)d)ologifc^en S3eobad^tung bei einem großen realifti-- fd^en 'J)ict)tet in olle Urfprünge unb SSerfnotungen l^inein ju folgen!

2Bitl)elm ^aabc mürbe am 8. September 1831 als ©ol)n eines 3{ftuarS in bem brounfc^rocigifc^en Sanbftöbtc^en ©fc^eröfiaufen geboren. ^o6) fcl)on ocfit SBoc^en noc^ feiner ©eburt mürbe ber SSater als Iffeffor noc^ .^oläminben tierfe^t, mo bie Familie nun ein ^tifirs-cl^nt blieb. 3tuf ber <inbern, meftfälifc^en ©eite ber Sßcfcr, on ber biefe Äreis^uptftai>t liegt, fommt man ^u ben burdl) SRoabe poetifd^ belebten ©tätten ."pöyter unb ©oroer).

'SiaabcQ SSater mar ein aud^ literorifc^ ^od^gebitbetcr SD^onn, ber über aUeS feinen Xocitus fteUtc. „SJJeine g^utter", fogt ber ®id;ter in feiner fnrjen ©elbft=

SBil^ctm !T{aabc'5 Seben. 453

biograpl^ic („.pcibjcrfnieubev", 1907), „\]t gcroefen. Die mir t)aö Sejcn auö bcm ■Hobinfoii ßrufoc uii)"creö alten Sanbömaniiö iiuö ^cen[cn, ^soad^im ^einrirf) (Sampc, beigebracht i)at. 2Baö \6) nac^[;er an] Sßült§= unb 33ür(^eric^u[cn, ©gmnaficn uiib aiif ber Uniücrfitüt on SBiffenfd^often jucrrDorben ):)abc, f;e[tet fid^ oQeö an ben lieben feinen Ringer, ber mir nmö ^Ql)r 1836 ^erum ben ^nnft über öcm i mies." 9lod^ nu[ bem Totenbette fagte bie 9)?utter ju i^ni: „2Bir Ijaben inifere !^uft aneinanbcr gehabt." 35on beiben eitern, erflärtc ?f{acü)e, ijahe er bie SScranlagnng für bie ^umoriftifd^e SebenSanfc^auung geerbt.

®er 5lnnbe befuc^te .^unäc^ft bie Sürgerfc^ule nnb bann i)ai ®t}mnafium, beffen 9ieftor 33itterbecf er fpäter in „^oracfer" nnfterblid^ gemnd;t I>nt. 1842 tarn ber ^Sotet ölö ^i^ftijamtmann ntid; Stabtolbenborf, einer fleinen :?anbftQbt, bercn Umgebung befonbers im „^unfer oon ^enoit)" gemalt ift. ^rei ^al)re barauf ftarb plö^(irf) ber ^ater, nnb bie SBitroe fiebeltc nnn (Dftern 1845) nac^ Sßolfenbüttcl über.

©in guter ©d^ülcr ift ?Raabc nie gemefen, er oermorf^te fid^ ni^t auf ®egen= ftänbc 5U fon^entrieren, bie if)n nic^t gerabe anjagen. 5^ur im beuifd}en ?tuffa^ Iciftetf er .^roorragenbcö. So üerlicl er bcnn fd^on 1849 bie Setunba bc^^ S&olfenbütteJer ®t)mnafium§, um als Sefjrling in bie 6reu$irf)e 33urf)f)anb[ung ju ^l]cagbcburg einju-- treten; fie lag in bem .^vaufe „S^'^i golbenen Seinfap", baS mir in bm „^inbcrn oon ^infenrobe" unb in „Unfcreö .OerrgottS ^anjlci" mieberfinben. 1)er .^ang .^u ben Supern fd^eint i^n p biefcm Sernf getrieben ju f)aben.

„®cr l^at nod; nie gelefcn", bcifU eS in ben „Slftcn 9Ieftern", „ber nie t^a^ roieber las, mos i^m in feiner feiigen ^i^igcnb, menn eS in feinen ."Qänben ertappt murbc, als ,bas bümnifte 3^"n 'i"f ®otteS Grbboben' um bie Dl^rcn gefditagen nnirbe." Unb er mar ein eifriger Sefer, ber junge SRaabe, gerabe foldier ®efd)id^ten mie ber „®e- bcimniffc oon ^ariS" oon Gugen Sue ober beS „trafen uon gjionte Sl^rifto'' non i^IIeranber ®nmaS. $8on engiifd^en 9(utorcn rairften namcntlid) freiließ erft fpäler Xl^aderap unb ^idfens, ben feine ^Tiutter mit 33orIiebe las, auf if)n. ©eine eigene Ännft mürbe ferner oon Saljac unb ?(nberfen beeinflußt. $?pri|d) maren eS r>or anbern Seine unb ?5^reiligratl), bie er bemunberte.

3?ier ^s^^hvc blieb ?Raahc bem ^Budidanbel unb ber Stabt "iöJagbeburg treu. 3" Oftern 1853 feierte er jn feiner 9}iutter nad) 2Bo[fenbüttef jurüd, um fid> auf bie ?flc'\\(^ Prüfung oorjnbereiten. @S gelang ibm aber nid)t, biejeS ^kl ^u erreid)en, unb fo fonnte er benn im nöi^ften ^aljre nur als .C>örer, nidit als immatriFulierter Stubent bie berliner Uninerfität bejie^en.

6r moI)nte in '33erlin bei bem Sd)nciber unb .Ugl. Taielbecfer 25uttfe in bem erften Stocfmerf ber Spreegaffe 11, mo er im 9?onember 1854 feine erfte Tidjtung nieberjufc^rcibeu begann, bie „Gbronif ber Spcriingogaffc". „3^er "iJiooember", jdireibl er einige Sal;re fpäter an einen T^reunb, „ben bie meiften 5)ienfd>cn baffen nnb fnrd)ten, ift mir in meinen 5Irbeiten ber millfonuuenfte ^louat." T)ie|er ""Brief entbält eine fo bejcic^nenbe Selbftc^arafteriftif, baf? einige Stellen I)ier normeg jitiert feien: „Tröge unb inbolent im bödiften ßrabe, bin id) bodi ber gröfiten Energie fähig, ©inen <Ilorfa$, ^fan, 9«unfdi gebe id) ielten auf. ^d) fomme bartnärfig anf ben Webanfen ^uific!.

454 S5er SRealiämuS-

luenn aud^ ^ol^re feit bem erften 3Iuftaucf)en oergongen finb. ^ä) ^obe niemals ein •J^rauerfpiel ber fronjöfiftfien Elaffücr bur^Iefen fönnen. ^ür bie antife SBelt ift mein ^-ßerftänbniä unb meine 3:'eilnail)me eine geringe. (Soetlie lefe iä) erft feit brei ^a^xtn, ben ,2BiI]^eIm 9)?eifter' ))aht \^ no(^ nirf)t ju @nbe gebracht, bagegen raupte \6) f^on 3u 2}?agbeBurg ben erften ^eit beö gauft gang anöroenbig. ^on ^ean ^quI ^abc \ä) weniger gclefen, aU man ben!en follte; \6)' befi^e Don ii)m nur bie beiben erften Steile beä ,©iebenfüä* unb ben ,^afeenberger'. Sc^iHer motf)t bruc^ftücfroeife unb in geraiffen ■Stimmungen großen ©inbrucf ouf mic^. ©ö ftecfen eine 3J?enge ©egenfä^e in mir, unb feit fru^efter ^ugenb ^abe irf; mi^ feCbfiguäferifd^ mit if)rer 3tnalt)fe befrfiöftigt. ^m gcfeUfd^aftlicEien Seben mirb niemonb ben ^octen in mir erfennen; ein oftI>etifc^e§ @efpräc| !ann mid; in ben ©umpf jagen. ^6) Hebe einen £reiö guter ©efeHen, eine gute 3^901^1^2 iin^/ wenn fein mu^, einen guten ^run! .... 5Die ?5^iguren meiner S5üd^er \mb fämttic^ ber ^^antafic entnommen ; nur feiten ift ba§ Sanbfc^oftli^e na^ ber '^atm gegeic^net. ^a§ SSoIfStümlid^e faffe ic^ inftinfliü auf. 3Son 5Ratur etroos blöbc unb \ä)cu, merbe iä) beS^alb oft für l^offörtig unb anma^enb gel)alten."

5Jii(^t ganj entftanb fein erfteä SBert in ber ©preegaffe jum ^eil f^rteb ^aabz eö, um Neigung ju fparen, raäfirenib ber 58orIefungen. ®r mo{)nte nacEi^er in Serlin in her DbermaII= unb f(f)Iie|Iic^ in ber S)orpt^eenftro^e. Dftern 1856 fef)rtc, er nac^ Sßolfenbüttel gurücE, unb im ^erbft beäfelben ^aI)reS erf(f)ien bo§ SBer! anongm, üon ber ^riti! freunblicf) begrübt, einftroeiten jebod^ menig gelefen. Sf^aabe nannte fid^ ^afob 6oroinu§, ba bie S^laben jo meift ben Flamen ^afob erf)altcn.

^atte ber ®id&ter l^ier nod^ 5U ben ®rud!often beifteuern muffen, fo begog er für ben „SSeg jum Socken" bereits fein erftes Honorar im Setrage üon 14 Katern, für "öa^i er pfammen mit feinem in ©ötttngen ^ura ftubierenben 33ruber i^einric^ unb anbern Stubenten eine größere ?^u|reife burd^ ben 5Cf)üringer SBalb mad^te.

^n SBoIfenbüttel trat er allmöf)lic^ in gefettigen SSerfe^r. (Semeinf(f)aftü(^e Spaziergänge unb Sonntagöfaffees uereinigten regelmäßig eine Slnjal^I oon ^reunben, 5u bencn fid^ gelegentlich auc^ 3lboIf ©lafer, ber Herausgeber uon Sßeftermonnö 9Jlonat§= heften, gefettte. ®urd^ feine ^ante 9JHnna ^eep geb. Seifte I;atte ^aahe Segietiungen ju ber ^amiüe bes ^rofuratorö Seifte, mit beffen ^orfiter 33ertf)a er fic^ am 24. ^uli 1862 oermät)ac. ®er ©roßüatcr Sert^aö, ber Sc^ulinreftor Seifte, ^atte no(^ freunb^ fd^aftiic^ mit Seffing i:):erfef)rt. ^n biefer 3^it befonberö üerfuc^tc "Siaabe f\6) ciüä) rt)rif(^ ; na^ 1862 ift fein nennenSmertcö ©ebid^t mer)r üon if)m nerf aßt worben.

'^oä) oor feiner SSerlobung, im ^rüfiling 1859, mad^tc er eine größere SRcife, beren 3iel StQÜen mar. ^Mx\t ging er nac^ Scipjig, mo er mit ©rnft Äeit, bem •Herausgeber ber „Oartenfaube", in 3?erbinbung trat unb an beffen StammtifdE) ^ricb= rid) ©erftäcfer fennen lernte. 3tud^ ©uftao ?^ret)tog, ber bamalS bie „©rengboten'' leitete, fucfitc er auf. ^n Bresben oerbra^tc er barauf mebrcre 9Ibenbe mit Äorf (Su^foro. Ütcr ^rag reifte er nun na6) SBien, mo er ben ^talienplan ber attgemeinen .^riegSftimmung megen aufgeben mußte. Gr ful)r boFier bie ^onau ^inouf, befucE)te Sinj, Ulm, ^ünd)en, roo er ^ermann Singg fal), unb Stuttgart, roo er oft mit §ac!^ länber unb §öfer jufammen mar unb gelegentlich ün6) SBolfgang 3JJenäel fennen lernte.

SBin^elm 3iaabe§ Cebcn. 455

®ann ging jum dlijtin über 3JjQinä unb SGBieöbabcn unb fc^Iie^Iic^ im §crbft rf)cin^ obTüartS no^ SBoIfcnbüttel jurücf.

Sf^ad^ ber ^eirat im ^o^re 1862 fiebelte er naä) ©tuttgort über, bos \\)m. fc!)r gefallen ^ottc. §ier blieb er a6)t ^aljic, freubig begrübt oon ber 1)id^tergeicIIfc^oft beS 33erggartenö. 3lu|cr üielen nnbern bebeutenben ^erfönli^feiten trat er je^t auc^ 2Bil^erm ^enfen näf)er. „^t^nfc" ^^^ Wr etjäEilte er einmal launig, „lernten uns lennen, aU mir beibe 1866 mit anbern 2)eutfcf)nationaten auä einer ^erfammlung in ©tuttgort f)inau§gen}orfen mürben. 2ßir fielen unö buc^ftäfclic^ in bie Strme."

Unmittelbar oor bem Hu§brud^ beö beutfrfi^franjofifc^en 5lricgeö, im ^\il\ 1870, jog er mit feinet ?^amilie nac^ 35raunfrf)n)eig. ^n ber ©emeinfc^aft ber „@^rlirf)cn ÄleiberfeEer", bie juerft im „@rünen '^äqex", bann in bem einft oon Seffmg oiel: befuc^ten „©ro^en SBeg^auö'' unb enbtid^ in ber ^crbftfc^en SBeinftube am S8aF)nI)of tagte, fammelte [i6) um 9f?aabe roieber ein .^rciö gleirfigefinnter 3Jlänncr, üon benen nur ber ^öbagoge unb ^ft^ctifer 2öilF)eIm SSranbcö, ber Stabtar(^iiiar Submig §änfe[= mann unb ber 5llaüierfabrifant 3:^f)eobor Stcinroeg genannt feien.

©titt oerlief ber Sebenöabenb beä ^i^terö, aus beffen 3^eber injroifcEien eine reic^ g^üEe er^äfilenber ^id^tungen {(efloffen mar. ^m legten ^af)rjcf)nt bcö üorigcn 3af)rl)unbcrtä brad^ fi^ fein 'Stu^m enblid^ mcitc 33a^n, laut oerfünbet für alle, bie ^ören mollten, befonberg 1901 an feinem fiebenjigftcn ©eburtetage, ha ®n]tav 9ioetF)e if)m im Sluftrag ber ©öttinger ©eorgia lugufta bie SBürbe eines ®f)renboftorS übertrad^te; unb bas mar nur eine ber oielen ©f)rungen, bie i^m bnmals unb fpfttcr juteil mürben, ©ein SebenSroerf mar abgefd^Ioffen. Staunen mag man, rocnn man ftrf) einmal im 3"fQ"ii"cn^nnge bie 9RciF)e ber (Schriften üergegenraärtigt, bie er t>on 1857 bi§ 1899 ueröffentUrfite. 9luficr ben fd()on ermähnten, ber „Gfjronif ber 'Sperlings^ goffe'' (1857), ben „5linbern üon ??infenrobe" (1859) unb bem „.^ungerpaftor" (1865) feien ^um Sd^Iu^ nur bie bebcutenbften f)eruürgeI)oben : „Unfcreö |»errgottö JlanjUi" '(1862), „SDie Seute aus bem 2SaIbe'' (1863), „2Ibu 2:crfan" (1867), „Ter S^übbc-- rump" (1870), „öoradcr" (1876), „^räfienfelber ©efc^ic^ten" (1878), „SBunnigel" (1879), „^eutfc^er 3lbel" (1880), „Sllte ^leftcr" (1880), „2)aS ^orn uon 2Banja" (1881), „3um roilben Waiim" (1884), „^q§ Dbfclb" (1888), „^topffuc^en'' (1891) unb „3)ie 5{ften beS 3SogeIfangS" (1896). ^orf) roieoiel ©rjäl)lungcn, unter benen [i6) perlen ber ©pif befinben. Hegen ungenannt bajroifc^en! 3f?aabeS le^teS SBerf mar bie (Srgä^hmg „.^aftenbecf" (1899). UnuoUcnbet blieb ber 3Roman „3lIterSF)aufen".

3tm 15. Sfiorember 1910 ift ber ®i(()ter in Sraunfrfiroeig geftorben.

2)as 3tuS[anb roirb Tiaabe nie ganj bis ju Gnbe mürbigen unb begreifen fönncn. Skju geF)ört ber gemütlid;e SBintcl in einer beutfc^en Stube ober eine laufc^ige Stelle in einem ed)ten, rechten beutfc^en SBalbe. Unb fo attein roill biefer Siebter aufgefaßt roerbcn. ^n „(Sulenpfingften" ^ei^t eS: „©§ ift boc^ ber f>örf)fte ©cnufe auf Grben, beutfc^ 5u Derfte^en."

3flaabe i)at bie 5lunft, beutfc^ ju uerftefien, neu unb einbringlic^ gclef)rt, inbem er poetifc^ auf bie Urgrünbe juritcfgebt, aus benen bie nationalOcutfc^en (Sigenfrf)aften cmporroarfifen, unter biefen als bie rieUcic^t fc^onftc bie cigcntümlirf)e 'ilJiifrf)ung

•456 ©er 5HettIt§mu«.

ibeQlifti)d;cr iinb reQliftijdiei SBcItanfd^nuunc^ unb 3lrbeitenrt/ mic fie auöflingt in bcm Seitniotiü bcr ,,2eute aus bcm SBnIbe": „Sie^ uad) ben Sternen! <3xh arf)t auf bie ©äffen!"

es lüitt) nid^t genügcnb bm6)tet, ba^ bie alterSmübe Sebenöbetro^lunß in iRaaUä erftlingöroerf $D i e 6 1; r o n i f b e r © p e r I i n g e g a f f e " t)on einem 23 jäfirigen Jüngling I)crrüF)rt. ©eroibe barin jeigt fid^ bie frül)e 3}ieifterfc^aft biefeö 3)ici^terö, ber erft in I)ol)em 5llter ju rerfiter Slnerfennnng tarn. S^lur raenig fanb bcr altt 9laabc an ber «Schöpfung beö jungen bei fpäteren 3luflagen ju öerbeffern. Unb fid^crlid^ blieb eg nicf)t o^ne SSorteil für biefe ®id;tung, bo^ ein junger ©eift raar, bcr feine ^raft ooit ber ^bee bcö 3lltcrö 3ÜgeIn lic^.

il'bcT Sfiaabes 3[?orbilber wirb noc^ immer oiel geftritten. ©§ mag fein, ta^ er burd; XI)acferat)ö feuiUetoniftifc^c er^öJ^Iung „Our Street", bie 1848 erf^ien unti ebenfalls in ber ^(^form gefialten ift, ceranla^t würbe, baö Seben innerl)atb einer Strafe pfpd^ologifd^ ju beofaad^ten unb pl)antafierott augjugcftalten, roenn^leic^ borl öer Setrac^ter ein junger 3JJonn ift, ober ba^ er burd^ 3(nberfcng „Silberbud^ oljne 33ilber" Stnregungcn ert)ieft. SBic^tiger ift für fein gefamtes ©d)affen entf^ieben ber cngfif^e Sfieolift unb .gumorift ßf^orfcö S)icEenö, ben er gerabe in ber ^Berliner S^it eifrig laö. S)i(ieu§' „£onboncr ©Eiääen" loffen fidi jebcnfaHs nid^t roeniger al§ bie Dorf)in genannten ©c^riften aU 33orbiIb anführen, '^a^n tritt bann ^ean ^aul mit feiner fraufeu ^Darfteüunggort, feiuer SJlifc^un^ con ©efü^I unb SBife, feinen Stb- fd^roeifungen, feiner Si^orliebe für ©onberborteiten unb äfbnormitätcn, für lange ^eriaben unb rcbcnbe Ülamen (j. 33. glüftcrDogel, 5lludl)ul^n ufro.). Unb f)icT haben mir aud; bie Sinie, an ber fid^ dlaabe^ Äunft mit ber romantifd^en bcrü{)rt. ilöelt- üerforen unb bod^ tDcItinnig ift ber S:^on in biefcn rcffcitiereuben ^agebud^blättern bes alten 9Jlanneg auö ber ©perlingSgoffe. ^m Unbebeutenben unb .^leinen ^eigt 9?aabe "oa^ unoergänglicf) ^oetifd^e mic ^ean ^aul, unb fubjeftio finb bie ^efenntniffc raie bei ben 3ftomantifern. Slber bie ^anblung 5erflattert bei il)m nid)t roie bei jenen inö j^ormtofe, unb fein SBirUid^teitsfinn I)ütet fid^ wo^l, ©cEiemcn unb ©d^atten ju malen ober bie Ü6ergänge aufjufud^en, bi« t)om Seben jum 5traum, oon ber ßrbc ^u ben SBoIfen führen, „^ah odE)t auf bie ©äffen!", ruft er, wie mir fafjen, auc^ bem äu, beffen Slid er ben ©ternen juroenbet. Unb menn er, mie bie SRomantifer liebten, 'fi^ ebenfalls gern in früliere ^alir^unbcrte begibt, fo oerliert er bc§t)alb bod) nid^t bie ©egenroart auö ben klugen, ©r bebeutet anä) feine befonbere ^unft^attung, benn bie fuIturf)iftorifd^c 3^oüclIe meiftert er nid^t mcniger alö ben 3citroman, unb er geigt ftt^ im ©runbe gar nid)t dbf)ängig oon anbern 9)?uftern, roenn il)n aud^ manc^eö mit einjetnen oerbinbet. J^od^ über bem ©etriebc ber 9)ienfd)I)eit ftef)t er unb ]d)aut Iä^e[nb, maö fid^ ta begibt, unb bag erjälitt er mit innerem 3lnteil unb einer .öerjenö; roärnw, bie oud^ mit ben trüben, peffimiftifdE) gefel)enen unb gebeuteten Sebensbilbern oerfö^nt.

©ntfprang bog crfte 2öerf an&i fertig unb fnuni wrbefferuu'gefäFiig bem .&aupt

3?aabc^ 31omam- unb Srjä^fungcn. 457

bcö jungen ^idjtcrö, [o ftanb iljm boc^ feine ©ntinictlung nod) bcoor. i1kn fann mcfjrere "iperioben, jiuei, bvci ober üier, in feinem Schaffen unterfc^ciben. oagcn luir üier, fo ift bie ciftc bie bcö rein befc^QuIid)en ^(nubernö unb ©rjäfileno, bie fonft firf) mcift erft im Stlter bemerfbar mo^t; fie mürbe fi^ üon bem Srftlingömerf etroo über bie ,,Ä'inber üon ^^infenrobe" unb ,,Unfereö §errgottö Ännjlei" ju ben Reineren ncrroanbten D^oueUen erftrecfcu. 'Die jraeite, uormiegenb peffimiftif^ geftimmt, mirb- bejeidjnet burc^ bie üon 9?aabe felbft jufQmmengefa^te 1)reiljeit ,,^ungerpüftot", „©d^übberump" unb „5Xbii Xelfan". ©ine britte, gefenujeic^net etroa burd^ „^oracfer", „SBunniget", ,,3lfte 9^eftcr", „'I)er 1)räumling" unb „©as ^orn üon SBanjo", üer= flört bie 3::rübi)eit beg ^afeinö burd; einen Qmnov, ber in ben frül)cren ^criobcn f^on oft genug f)erüortrat, je^t aber erft fieg^ft bie od^atten überrcinbet. '^W uierte ^eriobe enblic^ märe bie beö alternben 'J)id^tcrCv beffcn le^te 2öer!e jum größten Teil bas in ben 3?orbcrgrunb rü(ien, maä bi§ baf^in nur 9?an!cnroer! geroefcn mar: bn5 ©onberbare, S^ätfelooKe, Unbeutfid;c. ^n aUen üier ^crioben, bie ficf) uatürlii^ nid)t fd^Qrf ooneinaitber trennen unb nur {ak> öilf^mittel für ben Sefer) mit größter 3Sor= fic^t anroenben laffen benu wie fönntc man eine organifc^e fünftlerifd^e ®ntroidhing üon au|en mitttürlid^ aufteilen! , bleibt ?(laahc im allgemeinen ben engen Scbenö- ^uftänbcn treu, bie er gegenüber bem fdjcinbarcn äußeren (Slanj, ber fogenannten großen 2öelt, nad^ iF)rem inneren SBert i^erauöarbeitet unb ^um 3::riumpf) fül)rt, fomeit fein l^ebenöpcffimiömuö ba§ sufält. 3lm beften gebeil)t feine .^unft bal)cr auc^ im ?Ral^men beö ^leinftaatö unb ber "illeinftabt, bie bem "J^eutfc^Ianb oon 1870 ja an^ ben tt)pif(^en ©I)ara!ter gaben.

(Sin ^Ieinftabtibt)Q ift bcnn aud) bes ^id)terö näd)fteö bebcutenbcrcö tia- jimfdien liegt baö in ber .^ompofition menig gefdjloffcuc „.^alb 9Kä^r, \jalb m e ^ r " (1859) 2Bcrf, ® i c £ i n b e r t) o n ^ i n f e n r o b c ", beffcn munber^ lic^e ©eftalten boc^ gerabe baö i^Ieinlcben ^oc^ gu ©Fircn bringen, üergolbet bur6 gemütDOÜen, ^erjgeroinncnbcn önmor.

^n bie 3Serg'angeu{)eit fteigt 3huibe 5uerft mit ben „'Slättcru anö bem 53irber' buc§ beö 16. ^a^rl^unbertä" fjinab, bie ben Dbertitel ^ e r I) e i l i g e 33 o r n "^ (1861) tragen. (So ^aubeft fic^ babci um ben ^i)r monier 3^rnnueu, ju bem fidi feit bem 3a{)re 1556 baö 58oIf brängte. 2)er ^ic^ter erjiä()It bie G5cfd)id)te ^^ilippö, be§ legten ©rafen uon ^rjrmout auö bem öaufe Spiegefberg, ber, burc^ bie fc^öne .'^urtifane gaufta la Tebeöca, (a ^ac[a um fein ©lücf gebracht, in ber Sdilad^t bei 2t. Quentin fönt. (Sine 9?eil)e nieberbcutfc^cr @enrcbilbd)cu belebt bie ^anbluug.

•Der f)iftorifc^c 3ioman U n f e r e ö ,C^ c r r g o 1 1 ö .<? n n ,^ I c i " (1862), mit bcffen Xitel bie bem ^i^ter auö feiner 39ud)l)änb(er,^eit fo rooI)lbefannte Stabt ^JDJagbc-- burg gemeint ift, ucrfctjt un§ in bie SReformatione.jeit. Der .(^aiupf ber Stabt, bie auf bcT proteftantifAen Seite ftanb, gegen 3Jiorife uon Sud)fen bilDct ben .^intergrunb ber perföulic^en ßrfebniffe.

mt ben :? e u t c u a u c b c lu aS a ( b e " (1863) beginnt ein neuer ?(bfd)nilt in 9?aabc§ Sd)affcn. Ijk .öanblung mirb ftraffer fort^iefülirt, ber 3^oman alö fofrf)er tritt flärfer fierror unb feffelt mcitcrc 5lreife. ?lm (Snbe geminut Robert ?öoIf, ber

458 ©er 9ieali^mu§.

^elb bcr ®^f(f)icf)te, auf bem SBege über Kalifornien, roo er Die geliebte ^ugcnb= freunbin fterben \k\)t, in ber ^eimat baö (Stüd, ba§ ouf ber rc(^ten SSereinlgung be§ 2fbealen mit bem S^^ealen im Seben beruht, mie biefe SDic^tung lel)rt.

®er 5?onflift ber beiben foeben ermälinten Sebenämä^te bilbet aud) baö %i)tma beg närfiften ^Romano, ber am befonnteften geworben ift, beö ,, ^ungerpa ft or " (1864), roirb ciber f)ier in ganj anberer SBcife gelöft. ^iefeö SBer! fefet bie 9teit)e ber großen beutfd^en ©ntraidlungS: unb SSilbungSromone felbftänbig fort unb er= innert in mondier Söe^iefiung, namentlit^ bnrc^ bie ©egenüberftettung beö beutfrf)en unb jübifd^cn %r)ipu§, an g^reptags „®oE unb J^aben". (Sin groeifac^er junger roirb ^ier bargeftellt, ber noc^ bcn ibealen ©ütern, raie if)n §onS Unmirfc^ oertritt, unb ber nad^ ben realen, üerför|>ert in 9Jiofe§ g^reubenftein alias ^f)eopt)iI ©tein. „^cf) l)ahe mir", fagte bie 9)?utter beö erftercn, „in meinem frfilc^ten SSerftanb immer gc= bad^t, bo^ oug ber SBelt nic^t riet roerben mürbe, meun nic^t ben junger barin gäbe. 3lber bas mu^ nirf)t blo^ ber junger fein, ber nnc^ ®ffen unb 2^rinfen unb einem guten ßeben oerlangt, nein, ein gang anber ®ing." 3ii^if<^f^ bicfen beiben großen Sebenölinien gi^t nun nod^ «^enfociel anbere, aU ücrfc^iebene 3lrten beä ^ungerä gibt i^ungert man boc^ auc^ gutoeilen, meint ber ©id^ter, nac^ Siebe, ©^re, 3tnerfennung. Unter biefem ®efic^t§punft alfo mu| man bie einzelnen 6I)oraItere unb il)r Eingreifen in bie ^anblung betrad^ten. ^anö, ber <Sd)uf)mac^erfof)n, ift jo re^t bie 58erförperung beutfc^en SBefenö, bog fic^ nac^ Sitbung unb 3SerinnerIi^ung fe^nt, mag i^m oud^ barob ber leifclic^e .junger brol^en. 2ln feine ©(^icEfafe in feiner (ctubenten= unb .gauöM;rer§eit fuüpft ber ?^aben ber ^anblung eine 'SRüljt Don ©itten: unb ©efeEfc^aftSbilbern aug ©tabt unb Sanb, bie ben ffeptifc^ fc^arfen SBIicf beö ®i(^terg offenbaren. ®er ©runbton bleibt peffimiftifi^ : biefeö Seben mürbe nicf)t mert fein gelebt ju mcrbcn, menn nii^t unb bieö ift 5Raabeg befonbere 9lote ber einjetne aus fic^, b. ^. aus feinem ßf)arafter i^erauö lebenSmert macEite, menn £iebe unb ©üte, treueö (Streben unb ^flid;tgefül)[ nid^t immer mieber ben Urgrunb uEeg SKenfd^ndfien aufbedten. So fd^Iie^t ber ©id^ter beun auc^, uadEibem er feinen gelben mit feiner ^ranjisfa in ber ^un^erpfarre oon ©runjenom an ber Dftfec rebücE) untergebracE)t l^at, mäl)renb er ben SSertreter beö atibern SBelt^ungerö mitten im ^arifer SBol)[Ieben fiiüiö) jugrunbe gel)en Iä|t, feine §ungergefcE)icl)te burc^auS ni^t fleinmütig, fonbern l)offnunggfrol) : „©in ®ef(ilerf)t gibt bie 2Baf f en beö 2eben§ rceiter an bü5 anbere; erft roenn ber 3?uf: ,Jlommt mieber, 3Kenfc^cn!inber!' jum lefetenmal crflungen ift, mirb mit il)m gum lefetenmat ber junger geboren roerben, rocldfier bie beiben Knaben oue ber Kröppelftra^e burc^ bie Söelt fü^rt. ®ib beine Sßaffen roeiter, ^anö Unroirf(^!" ^räcE)tig gegeic^net'finb au^cr ben ."pouptperfouen namentlid^ ber Dt)eim ©rünebaum unb bie 33afe ©cfilotterbed foroie auf ber anbcrn Seite bcr Probier Samuel ?^reubenftein.

3u 3fiaafccö nun folgcnbcm SRomon gelangen mir am leid^teftcn uon einer befonberä peffimiftifclien Stette im „^ungerpaftor" auö : „^nlfc^lieit unb freche Selbft- fuc^t, bejammernömerte Sc^mäclie, ftörrige S)umm§eit unb frömmelnbe ^offoljrt, Seic^tfinn, Überljebung, Spott unb Übermut ouf allen Seiten; o es mar waJ^iUä)

SRaabeä JRomane unb Srjäfjlungen. 459

eine SBett, um borin -öunger ju empfinben, junger norf) bcr Uiij^ulb, ber ^reue, ber Sanftmut unb Siebe."

©er 'Sioman „3(bu^elfan oöcr bie ^c\mU\)x DomSKonö-- g e b t r 9 e " (1866) erjäljlt, raie Seonf)arb ^agebud)er ergrimmt fein SSaterIjauö ju 33um§borf im ^önigrei^ ©odlfen «erlöst, jeborf) ju 3lbu ^elfan im afrifanifd)en Sanbc ^umurfie als Sflaoc unter !Regcrn fid; narf) bem alten ©lenb in ber ^eimat ^urücffcf)nt, jurüdE fe^rt unb nun tod) roieber ba§ Unglüd in ber g^rembe für geringer f)ält. „Qx bntte", fagt ber ®i(^tcr, „oiel gcbulbet biä gu feiner ^Befreiung burc^ .gerrn Cornelius oan' ber 3Koof; bann mar er in bem |>aufe feiner ßttern ermarfit unb ^atte jene feltene ^Tcinute beö üoHen fidleren ©lücfcö <jefoftet. 3tber fc^neU rai'e immer mar biefer Slugen-- blicf üorübergegongen ein 9Jcorgenf(^lummer, ein fonniger ^ag in ber ®üiöblatt= Taube, am 3(benb ein ©ang burcE) bie Sßiefen unb lornf clber nac^ bem 2Batbe ! ©cE)on bog näd^fte Grrooc^en brad^te roieber lia^ erfte leifc 3{nfpülen bitterer ^^luten, unb nac^ od^t 2'agen mar SeonF)arb .^ageburf;er oottftänbig baf)eim, baö ^ei|t, er n}u|tc ^-Befi^eib, unb 33efd^eib äu roiffen, gcf)ört unb ftimmt geroöbnürf) nic^t im geringften JU unb mit bem ©lud/'

Sei fo refignierten Stimmungen ift ?Haabe aber nic^t einmal fteben geblieben, n)ie /, © e r o c^ ü b b e r u m p " (1870) jeigt, benn roa§> roiH £eonl)arbö elenbe .^eim= fe^r fagen neben bem bumpfen 3fiattern unb foltern beö Sdf)übberumpö, jeneä jlarrenö, mit bem um haQ ^ai)x 1615 bie 2eirf)en in ber ^eftjeit Ijaufcnmeife in bie ©rube gefcEjüttct mürben, „^orc^, roaö mar ha^"? SSieUcic^t traf bog SRab beS roibcrnuirtigen Äarrenö auf einen Stein im Sßege, unb \o mürbe bie fc^aurige Saft ein menig äufammcn-- gerüttelt, unb ben S^on üernaljmen mir mitten im fröl)tid;en 33el)agen be§ Safeinö, im J^reife ber ?^reunbe, einfam am marmen Dfen in ber SBinternac^t, auf ber $ül;e beS ©elagcö, unter ben ^rän^en ber ^od^äcitöfeicr, im ^T^eater, am 2Birtöl;auätifd;e ober im tiefen, traumtofen Sd^lafe. ®aö ift'ö! Unb man fäl)rt mit bcr ^anb an bie Stirn: üicl Sit^ter um unö l)er angejünbet fein mögen, fo t)eU bie Sonne fi^einen mag, auf einmal roiffcn mir mieber, ba^ mir aus bem ©unfein fommen unb in baö ©unfle 0el)en, unb "oa^ auf ©rben fein größeres SBunber ift, alö ba^ mir bieö für ben türjeftcn 3J?oment oergeffen Eonnten. ©ann benfen mir mit Schauer berer, roeld;c geftcrn ftarben,

unb berer, bie in taufenb ^afiren fterben werben biö baöfelbe SBunber aud)

unö oon neuem roibcrfäl)rt unb baö 3Jieffer; unb ©abelgetlirr beö Sebenö aud) unö üon neuem betäubt unb obenbrein unö rec^t oergnügt ftimmt."

3n bie ^eftjcit fül)rt unö an<i) bie 3J?eifternoucIlc „Teö 3?eid)eö ^rone". Selben roir jcbod^ gunäc^ft uon ben Heineren ©rjälilungen ab unb fucbcn mir überl)aupt nur nad) bem Scbeutenbftcn, fo fommen mir ju „.^oracfer" (1876), „©aö Dbfelb" (1888), „^aftenbecf, „Stopffud;en" (1895) unb „©ie 9lften beö 33ogclfangö".

9Ktt „^orader" follte man bie Seftüre ber 9?aabcfd)en Sdjiiftcn bc; ginnen, ©er 5lame bebeutet einen jungen barmlofen iKenf^cn, ber fi(^ in ben )S}>aU bern F)crumtreibt unb pon ben braren Älcinftäbtcrn unb ©örflern für einen 3f?äubcr unb ^örbcr gehalten mirb, mäl)renb bod; nur 3(ngft unb Siebe bie treibenbcn 3)Jäd)te finb,bie il)n Don ben gjlenfc^en unb if)rer 3iüilifotion fernhalten, ©ie .^anblung bcftelit barin.

bofe auf einem g^ericiiuiiöflug ber Ä'onveftor (Sderbufc^ unb ber 3ei^en[e^rcr 2ßinb= mebef ^alb mit ®äte, I^alb mit ©eroolt, üor oDem ober mit ®ffeu unb mit §ilfc ber ■^Ji-uttcr ^oracfcrö bicfen ^offnungäüoUen ^jüngling einfangen unt>, o^ne rec^t ju miffeu, feinem Siebc^en äufn^ren, bag injraifc^en im ^farr^aufc SBincHer liebeooUe 3(ufna^mc gefunben i^at aber roaö fagt ein Seric^t über Die .^onblung in einer %iQbefc^en ©efc^ic^te! i^m ©runbe gar ntc^tö, nur menige feiner @r^äf)Iun^en loden burc^ frembortige ©pannunggmotiüe an. man mu^ biefcn !öftltc^en tonreftor, feinen 3eirf;enlef;rer unb ben Pfarrer mit ifiren prä(^tigen grauen oor fic^ fe^en unb fie rebcn t)üren unb if)nen gegenüber bie aufgeblofenen, bünfelf)iaften Vertreter Der neuen ,,3ugenb", ben DberleFirer 5Reubauer unb ben 2tffeffor, man mu^ fel'bft aus bem frifcf)en Sebcn^queü SfJaabefc^cr ^id^tung f(^öpfen, um ^u miffen, luarum er gepriefen mirb. Junior unb ^Rül^rung arbeiten l^ier einanber in bie c^änbe. ^ic ©gene auf ber SBalbblö^e graifd^en ben beiben Se^rern unb „?^amilie" ^oracfer unb ha^ 2Bieber= feigen jmifc^en ben beiben Siebenben ror bem ^aftor^aufe finb Don be3n:)ingent)er .pcräenömörme unb ©d;alf^aftigfeit.

„S).as Dbfelb" unb ,, «^aftenbcc!" finb tro^ ber üeiujügigen 2lu§- füf)rung gro| angelegte I)iftorifc^e 9fiomane ou§ bem ©iebenjä^rigen Kriege. © t o p f ^ fud^en" ift ber Seiname .^einrid^ ©d^oumonnä, roeil er alg ^inb an 3lppetit md)t feljlen lie^. ©rraac^fen, gef)t ber ©infame gu ben ©infamen unb finbet bei i^nen fein ©lücf. ^ie „3lften bcä SSogel fange" bel)anbeln bie ©c^icffole bei frufiereu ©pie[gefäi)rten beä 9f?egierungärat§ ^rum^arbt auö 33ogeIfang, bem 58orort einer «einen norbbeutfc^en Sfiefibcuäftabt. ^'en refignierten ©runbton in foft allen 3)id^tungen $Raa6eö üerleugnet aud) bie leibcnf^aftlid^c ©cfc^id^te beä ^Selten StnbreS nic^t, bie mir auö ^rumf)arbtg „3l!ten" !ennen lernen, ^n biefem SBer! bcö 3Uter5 fef)rt ber 3)i(^ter ju ber ^cd^nif feiner crften, um 40 ^al^re jurürfliegenben ©id^tung, ber „6f)ronif ber ©perlingögaffe", gurücE.

3Son ben 3aI)Ireid)cn flcinercn erjäblungcn finb bie jd}önftcn ,,^eö 3?cid^eö trone", von ber fc^on flüchtig bie 9^ebe mar, unb „@Ife üon ber %anne". 2Bie fic^ in 2) e ö ?R e i (^ e S t r o n e " bie fdjöne ^Jiec^t^itb in bie 3lrme beä unf)eilbar franfen ©cliebten roirft unb fic^ mit i^m in bie grauen^ofte 9Bettücrfaffenf)eit ber oon ben onberen 93lenfd^en abgefonberten ©iec^cn t>erbannt, büö ift erfd^ütternb unb ^exx- lic^ jugtei^: „2)i'e ©rbe ift für un§ beibe untergegangen, aber mir beibe, bu unb i6), finb bod; gerettet." "^x^t minber ergreift bie büftcre, tief inncrlid^e Xragi! in S I f c ü 0 n ber 5C o n n c ", einer ®efc^id)te ax\§> ber ^tit ber ^ey euüerfolgung mit einem !!JIotiü Siebe eineg (Beiftüc^en ju einem üerbäc^tigten SJiäbc^en , roie es ©torm in ber „9?enate" bezaubert ^at

^ 5(u^er ber gulefet genannten ®rjäl)lung fpielen in bes 2)id^ter§ engerer ^imot u.a. „Wörter unb ©ort) et)", „©ie alt'e Unit) er fit ä t", „SIuö bem S c b e n ö I a u f b e ö S d^ u [ m e i ft e r [ e i n s 3J? i d^ a e l ^ a a ö ", .0 0 r r u n b e r '- H ü t e ", 3 m © i c g'e ö f r a n 3 e ", ^ i e § ö m e I f d) e n "il i n b e r " unb 2) i c 5 n n c r ft e ". 9(lur im norbbeutfc^en Sßefen je^nfaüg ift 'Siaahc gang ^u .<3aufc, Ianb= |d)aft(id) bcfonbcrs in ber ©egenb groifdien ©fbc unb 5Iöefer in ber m\)c bee^ öoraee.

iHaabeo iHomanc unb Grjä^lungen. 461

'Slaä) -FicdknbuiQ f ü^rt er miö in öcn „hänfen d o n 33 ü ^ o lo ", narf) ^olftein im ^®eutfd)en 3Jionbi d; ei n ", n<id} Sfiöbeiitjc^Ianb ,,3flot^enburg im xal lüoUen mir 'Da'} Stäbtlcin nenneii/ o6moI)l ni(^t fo I)iep" im S c fe t e ti -Kerf)!", roo bcr @d)arfri(^ter SBoIf Sd^effcv im 3lnfang bcö ac^tje^nten ^aljr^unbertä fein lefeteä 9iec^t, auf boö er fo po6)tt, in ungeaf)nter Sßcifc erhält, b. l). unter ben %xüm' mcrn be§ ^auieö, baö it)m infolge bcö Selbftmorbe bes Scfi^cre „Don 9fledE)tä roegen" jufällr, begraben roirb. „^u merfen ift", fogt ber >Dirf)ter am Sc^lu^, „ba^ alle 3J^en= fc^n unb alle Sa^en in biefer 2öelt einen 9(ugenblid I)aben, in melc^cm ifinen baä fefetc 3ied^t gegeben roirb."

Siöweilen aber roänbert '3laahc anö) anö, luie roir f(^on in bem SRomau «Sie £eutc au§ bem SBalbe" gefeljen t)aben. 3l\6)t fo meit -nad) Kalifornien , immerhin auö Seutfd^lanb I)inauö leitet bie ©r^ö^Iung „Sie f c^ ro a r 5 e @ a [ e c r e ", bie roie „Soä le^te -Kec^t" 1865 in ben „{fernen Stimmen" erf^ien unb in ^Intmcrpcii im ^ai)vc 1599 fpielt. ^"ö I;anbctt fi^ ba um ben Kampf ber Sföaffergeufen gegen bie ©ponier. 5Bon Skabeö ©igenart ift hier oiellcidit am roenigften ju fpüren, man mürbe iJ)n nid^t alä SSerfaffer erfenncn, menn bie ^flooeUc anonym erf^ienen märe. 3i[f)nlid; ocrplt ficf) mit ben größeren SJomanen © t) r i ft 0 p I; ^^ e d) li n " unb 3Ji e i ft e r 3t u 1 0 r ".

©ctilie^lid) feien uuüergeffen bie t)eitere ®ef(^id;te ber ©c^illerfeier ju ^^pabbenau „Sräumting" (1872) foroie bie für 9iaabc befoubcrö c^arafteriftifdien ßrjäfilun: gen ,,2tlte ^Tiefter" (1880), „Saö §orn oon SBanja" (1881), „^rin = äcffin ^i\ä)" (1883), „ßum roilben ^JJ^ a n n " (1885) unb „^m alten e i f e n " (1887), oon ben älteren aud; nod) 2B u n n i g e l " (1879) unb S e n t = fc^cr 'ättl'' (1880). 3luö ber legten ^eit ocrbient t>ai K I 0 ft e r Sugau" (1893) l)erüorgel)obcn ^u loerben.

2Beit liegt fc^einbar biefe ganje 2Beltanfd)anung auä ber ©ro^oaterseit hinter unö; üietes crfc^eint l)eutc ab eng unb fpiepürgcrlid) ; unb bod) ftcbt 3kabeö unmber^ fame unb n)unberlid)e Kleinftabtpoefie über ber 3cit.

^n „.gorader" fagt er felbft, er fd;reibe nur für einen unter je taujcnb. Sa roirb rcofil nur ein ^eic^en für bcii 3tuffticg ber 2cfermelt fein, menn fid) biejcö 3al)lenüerl)ältniö ju ^^aab^^^ ©unften oerfdiiebt. ßr l)at uns gezeigt, mie ber einfache, gute aJienfc^ auc^ im oerftaubtcn 2Bin!el, ben feiner beachtete, fein ©lud ,ju finbcn oer- mag. Unb biefeö ©lud ift nic^t blo^ ha^j feinige, es ift baö ber 5Kcnfd)l)cit, bie über bem äußeren gortfc^ritt ber fogenannten Biuilifation nic^t ocrgeffcn foll, brip es eine innere Kultur gibt, bie nid)t oerloren ge^en barf, bie Kultur beß ^ans Ununvid) unb ber grau ^aftor SBinrflcr unb ber fc^önen 3)ic(^tl)ilb. Unb biefe Kultur foU auö ber Sperlingögaffe ^erauöfd;reiten unb fid) immer luieber neu bie 21Öelt erobern.

X.

J^orddeutfcbe Stimmuncfspoerie*

1. If^tohox Sturms ficftett.

^n Sprif unb ^rofa trat ber 9?ealiömu§ nid^t mit berfclben ^lö^Iidf)!cit unb 6nt[(^iebenf)eit ouf rcie im ©rarno. ^ntmerlnn finb bie Unterf(f)icbe etioo jiüifd/en ^regtogä unb ^ellerö ^tomonen, 3luerbQrf)§ unb 'SSlavk ©bnerö 2)orfgefd)i(^ten beutlic^ unb \ä)av] genug, ©iner ber gang ©ro^en fte^t in ber Tlitk, i\t Stealift unb JHü- mantifer jugleid^: in ©tormä fünftlerifc^er 3tuffa[fung unb ©arftettung oerbinben fi^ bie beibcn ^or;rf)unbertl}ä[ften gu einer natürlicEien ©inl^eit. ©torm§ ^joetifd^er Sf^eaüS; mu§ entfernt [ic^ pon bem ber anbern neueren ©r3äl)lcr minbeftenö ebenfo raeit lyie con ^[affif unb f(f)ulgered;ter Sf^omontü.

S:;^eobor ©torm rourbe am 14. September 1817 in ^c'bbzU engerer .^cimat, in ^ufum an ber fcEifeöroigfi^en SBeftÜifte geboren, „ßg ift nur ein fc^mudlofeg (Stäbtd;en, meine Sßatcrftabt", jagt ber 5Dicf)ter in „<St. Jürgen" ; „fic liegt in einer baumlofen ^üftenebene, unb iF)re Käufer finb alt unb finfter. ©ennoc^ I;cbe id^ fie immer für einen angenet)men Drt gel^alten, unb jmei ben 9Jlenfc^en I)cilige SSögel fcEieinen bieje 3Jfeinung gu teilen. 33ei {)o^er (Sommerluft fcE)ireben fortn)ät)renb Störche über ber Stabt, bie ii}xe iRefter unten ouf ben ©äd^ern l^aben; unb wenn im 3IpriI bie erften £üfte auö bem ©üben me!)en, fo bringen fie gemijs bie Sd^roalben mit, unb ein ^ad)hax fagt'ä bem anbern, ha^ fie gefommen finb." 33efannter ift fein Ii)rifd^er ®ru^ an „^ie ©tabt":

^m grauen ©tranb, am grauen Tlecx Hnb [citab liegt bie ©labt; ^er S^iebel brürft bie 2)äc§er fd;tt)cr, Unb burd; bie ©tille brauft ha^ 5IRecr Gintönig um bie ©tabt.

rauftet fein Sßalb, fd^Iägt im ÜKai .^ein SSogel o^n' Unterlaß; S)ie 2Banbergan§ mit ^artcm ©c^rei 9^ur fliegt in $erbfte§nod^t borbei, 9lm ©tranbe tt^e^t 't)a§> ®ra§.

Siocf) I)ängt mein gmigcg ^er^ an bir,

©u graue ©tobt am 9J?eer;

5)er Sugci^b Qaubex für unb für

9lu^t läc^elnb bod) öuf bir, auf bir,

SDu graue ©tobt am 9J?eer.

3f?id)t unmittelbar an ber See liegt ^ufum, fonbern etraae fanbeinmärtö an bem glüpdien ^ufumerau. ^n ber ^fugenbjeit beä 2)id)terä fc^fo^ fid) nörblid) unb öftlic^

S^cobor etormS SeBen. 463

Die blüljenbe ^eibe h\ä)t an bie Stobt. Sübüd) lag bie 3J?arf^. ^ie alte £ird)e, bie in bcT S^oncUc „3f?enate" roiebererfteFjt, roar 1807 einer neuen gerai^en. ^m 91orben liegt "Qa^ Don ^erjog i?(boIf I. im ]ec^äcl)ntcn 2iQl;i^^unbert alö SBitraenfi^ für bie ^err= joginnen erbaute ^ufumer Bd)lo^, baä Storm ebcnfaUä birfiterif^ üerflärt \)at.

2)ie ^eimat ^at für Stormä ^unft eine Sebeutung roie cor i§m nur für bte= jenige Stifterö. ©ein ganseg Sinnen unb Set)nen bleibt ibr jugctDaubt, feine befte Äraft njurjelt in i\)xtx Sanbfc^aft unb if)rcm 58oIfätum. ^uö ^eibebuft unb 91orbfee: brifen gerooben fiub feine ^JlooeUen rcie feine Sieber.

Sein SSater, ber uon bem 3JIüIIer in bem benarfibarten 2ßeftermü§Ien abftammtc, luar HbDofat. Seine 3J?utter gef)örte ber ^ufumer ^atriäierfamilic Slßolbfen an.

^n ungeftörtem ©lud oerfloffen bie ^inberjafire. ®ie üppigen ^Karfdiroicfen, bie einfamen 3Jbore, baö natie 3JIeer mit feinen ^nfcln, Sßatten unb ®ei(^en, bie ©ecft mit il)ren liefern unb if)rem braunroten .^cibefraut, bie alten Sauroerfe ber Stabt nnxy weiteren Umgebung, befontvere bie gerfaHencn ita^ aEeö bot ben Spielen unb ber ^^antafie be§ Knaben jenen Stoff, ben fpäter feine ^unft gonj erfcE)Io^ unb geftaltete.

„©rjogen", fc^reibt er im 3l[ter (1873) an ®mil Aul;, „rourbe wenig an mir; ober bie £uft bes ^aufeö mar gefunb ; dou ^Religion ober ß^riftentum \)ahc irf) nie reben §ören ; ein einjelncö 3JtaI gingen meine 5Dhitter ober ®ro|muttcr rooI)l gur ÄircE)c, oft roar eg nirf)t; mein SSotcr ging gar nid)t, oud; uon mir mürbe nic^t üerlongt. So ftel)e i(^ bem fef)r unbefangen gegenüber; ic^ I}abe bur(^auö feinen ©laubcn auö ber Äinbl)eit f)er, roei^ alfo auc^ in bicfcr Sejieljung nic^tö oon ©ntniicftungöfämpfcn; ic^ ftoune nur mitunter, mie man SScrt barauf legen fonn, ob jemanb über Urgnmb unb ©nbjroec! ber S)inge bieö ober jcneö glaubt ober nicf)t glaubt."

3u StormS früf)eften Erinnerungen gel)örte bie groj5e Sturmflut in ber 9lad;t com 3. jum 4. gebruar 1825, bie er im „ßorften Gurotor" unb im „Scf)immelreiter" gefc^ilbert ^at 3^o^ oicle anbcrc ©rlebniffe unb 2tnfd)auungcn auö ber .^ugeubgeit f)at er noücHiftif^ uerraertet. ©in alteö ^reppengieberfiauä an ber @cEe beö 3Hartteö, ba§ 1898 burcE) einen 3f?eubau erfe^t rourbe, ift in „Aquis submersus" noc^gebitbet: bort frfireibt ber 3JiaIer 3oI;anncö feine 2ebenögefcf)ici^te nieber. 2Iuf bem im SBinter jugcfrorenen insmifc^en trocfcn gelegten 3JlüI;Ienteic^, einem anfe^nlid;en 2anö- fee bei ber Stobt, gleitet ber Sc^iebfrfilitten ba{)in mit Sore, ber öclbin ber S^^ooeHe „5luf ber Uniucrfitöt". ^m „Sc^ü^enfiof" auf ber Sübcrftro^e fül^rt ber ^:puppen: ipieler ^cnbler in „^ole ^oppcnfpälcr" „gauftö ^öEenfaf)rt" auf. ^n berfelben Süberftrofee moI)nt „'^ötjcr 33afd)". ©incö ber bebeutenbften ©rcigniffe bcö ^a^rcd im Stormfc^en §aufe bifbetc feit jel)er bog 2BeiI)nac^t0feft, baö in bem ^bijH „Unter bem 2;annenbaum" bic^tcrifd; feine Stelle gefunben f)at.

Söiö jum 9. Scbenäja^re befuc^te Storm bie fogenonnte itüppfc^ule einer alten ^omburgerin, bonac^ öon ber Duorta ob bie ®clel;rtenfc^ule feiner ^Isaterftabt, auf ber freiließ rocnig für ben Untcrrid)t im ^eutfc^en abfiel. „Unfern Scbiüer", fagt Storm, „fonnten mir moFjf, ^ober Ul)Ianb I)ielt ic^ noc^ aU Primaner für einen mitteU Qlterlid)en 3Jiinncfänger, unb oon ben Sfiomantifern F)Qtte ic^ nod) nid)tö gefcben olS- einmal ßubroig ^iecfö Porträt ouf bem Umfditage ein'eö Sd)reibbu(^cö." Unb an

464 Siorbbeutfdie StimmungjSpoefie.

auberer Stelle: „Qm alteö ©yemplar oon (Soet^es ©eöidjteu furfierte einmal unter unö; ba^ iiber tebenbe beutfdje 35i(f)tcr gäbe unb gar fol^e, roelc^c nod) ganj anbcrö auf mid^ ratrfen mürben alö [elbft 33ürgcr unb §öltt), baoon ^atte mein ficbje^nlä^rigeö "iprimoner^crj feine 2ll)nung."

3{m fi^önften rom es, wenn er einige ^age ber Schule fernblieb, roaö gonj un= bemerft gefd^cf)en fonnte. ^ ®ann fud^te er mpi)l bie $eibe auf: „Rt'm 3Jien)^, fein ^ier loor ju fefien, forceit bo§ 3luge reid)te. ^c^ legte m\&i neben beni 28äffer(^cn im ©c^otten beö fc^önen Saumeö in bas Jlraut. ©in ©efüljl üon fü^er ^eimlic^feit ht- id)l\d) mid;; ouö ber g^erne l)örte icf) baö fanfte tröumerifdie Singen ber ^eibeler(^e; über mir in ben Slüten fummte boö Stenengetön; juroeilen regte fic^ bie Suft unb trieb eine 2Bolfe oon ^uft um mid^ l)er; fonft raar ftiU big in bie tieffte '^txnt/'

^m ^alire 1835 fanbte il)n fein SSatcr na^ Süberf, wo er in bie ^rima beö ^atl^arineumö eintrat. §ier »erfe^rte er in ben bei'ben nun folgenben ^al)ren mit 3^erbinanb 3löfle unb beffeu ^^reunb (Smanuel ©eibel, ber in feinen erften ©tubenten= ferien nad^ feiner SSaterftabt £übecE fam, mit ©corg unb ©ruft Surtiuö unb mit SBattenborf). SSon beutfc^en ^Dic^tern roirften namentlicE) Urlaub, ©tc^enborff, ^eine unb ©oetl^c (mit bem „g^auft") auf it)n ein. ©eine erfte eigene Sprif blieb einftrceilen unoeröffentlicE)t, n)äf)renb (Seibelä ©ebic^te aud^ üon il)m f(^on bamalg bemunb^rt rourben. ^n ©tormö ^i^^tti^i^ fd^rieb ©eibel feinen ©ang ber ©el)nfud^t nad^ ©riedbenlnnb tiieber: „^dg hiid' in bie SBelt."

3^ Dftern 1837 ging ©torm nac^ £iel/ um ^ura ju ftubieren. „(So ift baö ©tubium", ]6)xkh er fpäter an ^ut), „ba§ man obne befonbere 9leigung ftubieren tann ; auc^ mar mein SSater ja $^urift. ®a bie Sßiffenfd^oft beö gefunben 9Kenfcf)en^ oerftanbeö ift, fo mürbe id^ auc^ mol)l leiblich mit meinem 3fti(^teramt fertig. 3Kein ri(^terlid^er m\b poetifclier 53eruf finb meiftenö in gutem 6inoernel)men geroefen, j-a id) f)Qbe fogar oft alö 6rfrifd£)ung empfunben, auö ber Söelt ber ^^antafie in bie praf^ tifd^e beö reinen SSerftanbeö cinjufe^ren unb umgefel)rt."

3n feinem britten ©emefter bejog er bie Uniüerfität ^Berlin. 58on l)ier madjte er einft einen Stusflug in größerer ©efeUfd^aft nadf) einer ber ^auelinfeln, mo man übernarfitete. ©torm nal)m in ber monbflaren 5Rac^t einen ^al)n unb fu^r ben ^lu^ ^inab. ^n ber g^erne fab er auf breiten blättern eine roei^e Sßafferrofe. ©d^mlm- meub oerfud^te er fie ju erreid^eu uergeblid^. "Diefeö S3ilb finben mir in feiner ©rftlingönooeUc ,,3mmenfee" wrmertet.

%ad) einem 33efudf)c ^re&benä fel;rtc er im ^erbft 1839 nai^ ^iet äurürf, loo er nun mit ben trübem %X)ä)o unb ^l)eobor 3Jlommfen unb mit £arl 9Küttenl)off e^reunbfcbaft fd^lop. ^n biefer 3cit nahmen bie greunbe, befonberö ©torm, bie ^iiefie beö Don X^eobor SJcommfen entbedten 9J?örife begeiftert in fid^ auf. ©torm unb bie beibcn 23rübcr SHommfen, feine Sanböleute, rooHtcn eine ©ammlung fd)lcöroig=l)ol'' fteini|d)eT ©agen unb SD'Jörc^en herausgeben, oon benen fie bann aud^ fpäter (1844) «inige in Siernafefis „5ßolföfalenber für ©d)leöroig = ^olftein unb Sauenburg" oer= öffentlid)ten (ber 3fleftor 53iernafefi roor ein ©ol)n beö .^aUigbic^terö). ^ie ^ortfc^ung bradjte 3}hillenl)off oQcin in feinen „©agen, 3Kärd;en unb Siebern ber öerjogtümer

Sfieobor ©totmä Seben. 465

@c^lc6n)ig=,Öol[tciii unb Sauenburg". Sierna^ti max cö, beffen Sitte um einen poe-- tijrf)en S3eitrag in .^rofa Stormö noüeUiftifc^cr 5!unft ben entf^eibenben äußeren 3ln- fto^ gob. 3"ßi^ft erfrfiienen im „'^olUtaUntn" 1847 bie Süjje „3]RartI)c unb it)rc UF)r" unb ©ebid)te; 1850 folgten u.a. ,,3nin^c"fee" in ber erftcn Raffung unb baä „Dttaberlieb". 6d^on i>pr{;cr (1843) erjd;ienen im ,,2ieberbu(^ breier i5reunbe" ®e- bid^te ©tormö unb ber trüber 3Jiommfen.

2tai<i) auö ber ©tubentcnjeit roanberte mel)r alö ein ©rtebniä in ©tormö S^oücHen. ^n bem SBirtöl^ouö an ber ^^üfternbrofcr Slllee, baä in ber 5RoüeIIe „3luf ber Unioerfität" gefd^ilbert roirb, laö Sflöfe ben ?^reunben, unter benen auc| ©eibet roar, ein 9JiärcE)en oor. %\xv ein jeF)njäf)rigcä 3){äb^en namenö 33erti)a oon 33ud)au, baö ©torm lieb gercann, f^rieb er 9Jtärd^en, fammelte er SSoltöIieber unb 9iätjel. 3llö fie ^erann)U(i)§, mürbe fie in Sßirflirfiteit feine erfte 2iebe, o^ne jeborf) feCbft oon gleichen ©mpfinbungen für i^n berül;rt p rocrben. ^n einigen @ebid;ten („9?el!en", „2)ämmer' ftunbe", „?^rage", „S)u bift fo jung" u. a.) foraie in ben ??oüelIen „^mmenfee" unb ,,SSon jenfeit beö 3)?eereö" fanb biefe^'erfönlic^e SebenSenttäufrf)ung poetifd^en 3hi&brucf.

S)aö ©nbe ber Stubienjeit (öfte ben g^reunbeefreiä auf. %x)^o 2Rommien roanbte fic^ gan^ ber ftrengen ^l^ilologie, bcfonberö ^inbar, 2;f)eobor 2Rommfen ber römifd^en ©efc^irfjte gu, n>äi)renb Storni nadf) ßrlebigung beS juriftifc^en (Spamenö fid) 1843 in feiner 58aterftabt aU 3lbt)ofat niebertie^. 3((g eifriger ?^reunb ber 3Jiufif unb mo^lgefc^ulter Sänger grünbete er ^ier einen ©efangoerein. Seinen §au§f)oIt füt)rte i^m ein arte§ Fräulein, G^riftine Sricf, beren Grjä()Iungen auö i^rem Seben er ben Stoff ju feiner erften ^Rooelle „3Jtartf)e unb il)re l\l)x" ocrbanft. ^n jener 3eit gab ein ©riebniö, i)a§i 3iuffinbcn eineö SJkbaillonö mit einer ^aarlocfe in bem eingeftürjteu Sarge ber „^ante ?^ri^e" SBolbfen, bie SInregung ju ber 9^0DeIIe „^m Sonnenfc^ein".

:3m Sommer 1843 roar Stormö frfiöne Äufine ^onftanje ©ämar^ (geb. 1825) (Saft in feinem GIternf)aufe. Salb fanben fid) bie ^erjen. 3" ^e" 3tuäflügcn, bie unternommen rcurben, gehörte an6) ber na6) bem na^en 3)orfc S^roabftcbt, bei beffen SBirt ^eter S3el)renö man frö{)Iid) eintet)rte. 2)aö ift ber 9taf)men ber S^oocIIe „'^nv 2Balb= unb SBafferfreubc". ^m ^a[)re 1846 fanb bie ^eirat ftatt. 3n jener 3eit entftanbcn bie ©ebii^te „'^un fei mir (leimlid^ jart unb lieb" unb:

©djließc mir bie Slugen beibe W\t ben lieben §änben äu! ©e^t bod) alle§, ttwä ic^ leibe, Unter beiner .<f)anb ^ur 9?u^.

Unb wie leife fid) ber Sc^merj SSeir um 2öelle f(^Iafen leget, 2Bie ber le^tc ©c^lag fi<^ reget, güUeft Ui mein ganje§ ^erj.

Önjroifdjen Ratten bie politifc^en 58erf)ältniffe in Sd)[eöroig auc^ bie gamilic Storm tebf)aft berülirt. 2)er bänifc^=beutfd)e ©egenfafe uertiefte fic^. 3Iu§ biefcn Stimmungen f)erauä entftanb am 28. Dttober 1848 baö berüt)mte „Ottjsberlieb", mit bem ber 2)id)ter bie Sorgen 5U oerf^euc^en gercillt max:

^cr g?ebel ftcigt, föüt bog ßaub; ©^nf ein ben SBein, ben ^otbcn! SBit wollen un§ ben grauen laq 5Sergolben, ja oergolbcn!

Oc^Ue, Die beuMc^e öitetatur feit ©oet^eä Zobt ufiD. 30

466 3?orbbeuti'(^e ©timmung^pocfk.

^H Äamvf unb 9?ot ftonb 6torm feft auf ber Seite bes'^eutjditumö. „®aö £anb ift unfer, unfer fott bleiben", fd^lo^ er 1848 fein ©ebid^t ,,Dftern". 2lber bie (Steig; niffe fd^ritten 5unädE)ft über feine patriotifc^e Sprif f)inroeg. ®er Sieg ber 2)dnen bei 3ibftcbt, ber Dergeblic^e 6turm ber Sd)Ie§n)ig:^oIfteiner auf griebrid£)ftabt lieferten baä 2anb ber bänifdieu ^errfrfiaft auö, bie nun t>eutfc^eö SBefen ausrottete, roo unb roie fie fonitte. ^od^ ©torm üerjogte nid^t („3'w ^et^bfte 1850"):

SDcnn fomntcn wirb ba§ frifc^e SBerbe, 2)a§ auc^ bei unS bie '^Raift befiegt, ®eT 2;ag, wo biefe beutfd}e (Srbe ^m Sfving be^ großen SReirfjeg liegt.

S){e 5Coten, bie für bag SSaterlanb gefallen rcaren, feierte er in bem (^ebic^t „(Sräber

an ber Äüfte":

S3ef(^ü^en tonntet ii)x bie speimat nic^, S)od^ ^abt i^r fterbenb fie öor ©c^moc^ gerettet.

^n feinem „Epilog" raieö er ^offenb auf bi« ^ufunft l)in, in ber fic^ norf) einmal „ber ^lang t)on grüI)ling§ungeTOittern" ergeben routbe unb mit it)m ber ^oet:

Unb burd) ben ganzen ^pimmel rollen | §eil allen ERenfc^en, bie ^oren! SBirb bicfer le^te Bonner fc^lag; Unb |cil bem ^id^ter, ber bann lebt

5)onn mirb wirflid) grü^ling werben Unb üu§ bem offnen ©(f)a(|t bc§ 2ebeni

Unb ^o^er, geller golbner 2;ag. ®en föbelftein ber ^id^tumj ^bt.

^n biefen .^ol^ren entftonben tro^ aller politifd^en 3lufregungen u. o. „3fm Saal" (1849), „3immenfee" unb „©in grüneä 33latt" (1850). 1851 erfc^ienen feine „Som= mergefc^id^ten unb Sieber", üon ^aul ^egfc bem Verleger empfol)len, bei ^lepanber 5)under.

^m närf)ften ^a^re mar mit feiner 3lboo!atur ju ®nbe, ba fie oon ber bdni= fd;en Siegierung nicE)t beftötigt raurbe unb er felbft nad^ mie t>ür feine beutfc^e ®es finnung über feinen perfönlic^en 5ßorteil fteEte. gelang il)m inbeS, 1853 im prcu= lifc^en 3iuftijbienft SlnfteEung ju finben, biö Sdilesmig roieber beutf^ mürbe. 3^= nöd^ft trat er alö Slffeffor bei bem ^reiögericE)t in ^otsbam ein.

2Sn Berlin öffnete fiel) il)m ein neuer ^rei§. ^^riebrid) (Sggerö, ber ^eraus= geber be§ „5Deutfd)en Äunftblattes", fül)rte il)n bei 3:i)eobor Fontane unb ^ranj Äuglcr ein, in beffen ^aufe er bann ben jungen §et)fe unb ben alten (Sid)enborff fennen lernte. 2lu^ bie ^oetengefettfcl)aft be§ „^unnelö über ber ©pree" nal)m il)n unter bem Flamen „2;ann^äufer" in il)rer 3)^itte auf. 5ßerl)a^t waren il)m bie offisieEen 9laturf^ön; l)citen ^otöbamS, bie funftreidien föniglic^en ^artanlagen. „^ie ^otäbamer Statur", erjäl)lt ber ©diriftfteUer Submig ^ietfc^, mit bem er bamalö oerfefirte, „fehlen il)m gleic^fam infijiert üon bem il)m wiberroärtigen preu|ifd)en ^of=, ®arbe= unb Sa!aien= geift, ben it)m alle§ in bem preu^ifd^en SSerfaiDeg, bie Säume unb Steine wie bie 9Jlen- fd)en, ju atmen fd)ien. %üx if)n gab immer nur eine 2anbfc^aft, ber feine Siebe galt, bie iu i^m mit oertrauter Stimme fprad) : bie feiner fc^Ie§wig=l)olfteinifcf)en ^eimat."

2)a6 ^eimwel) l)ielt ben 'sDid^ter in ber ganzen ^t\t gefangen, bie er fern uon

2;^cobor StoimS Sebcn.

467

feinem .^ufurn oerkbte, befonberö in ben brei ^otebamer ^a^icn uon 1853 biö 1856. „%n iDunberft ®ic^", fc^rieb er an feinen 2Satcr am 9. ^uni 1856, „mie irf) ^cimmclj liahen fönne, id; luiE S)ir fagen (,3(m 2:eic^', ergänjt fpäter biirc^ bie oierte Stropf)c unter bem ^itel ,9JIeereöftrQnb') :

9In§ ^aff nun fliegt bie Wötoe, Unb S)ämmrung bricht {)erein; Über bie feuchten SBatten ©piegelt ber 5Ibenbf<^ein.

®rQue§ ©eflügel ^uf(f>et 9?eben ben 2arf)en [bcm SSkiffer] ^er; SBie iJräume liegen bie 3"f<?Itt 3m 9JebeI auf bem S[Reer.

^d) §t3re be§ gärenben Sc^tammeä @e^eimni§ooHcn S;on, (£infame§ SSogelrufcn ©0 toax immer f(^on.

[5Roc^ einmal fc^auert leife Unb fc^meiget bann ber 3Sinb; SSerne^mli(^ merben bie ©timmen, 2)ie über ber 2;iefe finb.]

2in iluglerö .^oufe fal; er nod) 19 ^o^rcn feinen alten j^reunb @eibel mieber^ ber jur ^oc^jeit ^aul ^ei)feg mit ^uglerä ^oc^ter 3Jiargarete Ijerüberfam. 3J^it 3^ontanc rooUte fid), rcie biefer felbft beri(^tet, fein Ijer^ndjeä 3SerI)ältniä fierfteEeii laffen: „9ßir rcaren ju cerfcEiieben."

Sluf Spajiergängen in ben ftitteren Partien beö ^artcö uon ©ansfouci gc= ftoltete ©torm feine SloüeUe ,,3m <Sonnenfd;cin", über bie i^m bann feine 3JJutter oerftänbniginnig fi^rieb: „Söie fd^on fo oft bift ®u in 3)einem Sonnenfcfiein ju deinen ©ro^cätern unb ®ro|tanten gurüdgefel^rt. ^antc ^^ränjcl^en [Sc^mcftcr non ©tormö ©ro^Dater SBolbfen] mirb oicllcic^t ein menig ibealifiert, auc^ einmal mit Spante ßf)riftine [Sdirocftcr oon ©tormä ©ro^mutter 2Bo[bfcn] oermec^feU in bct ßigenfcfiaft aH gute 9^ed)nerin. ©od; eine foId)e grei^eit ftcfjt ,bem ©ic^tcr ju. %n6) oerlegft 3)u bie erfte ©jene ganj nad; ©ro^muttcrä (Sarten, roo^l beäEjalb, mcit feine 2age foraie "oa^ £uft^au§ onfprcd^enber finb."

^m ©ommer 1855 befud)ten ©tormä Altern iF)n in "i^otöbam, bann reiften fic mit iF)m nac^ ^cibelbcrg, mo SSater ©torm ftubiert F)atte. ^n Stuttgart rourbe am 15. 2luguft 5Dlörifc aufgefud^t, ber ©torm feine neue ©rjäljhmg „^Jiojart auf ber Steife tiodf) ^rag" auä bem SJ^anuffript üorlaä. 2)iefem SaF)re gcifiört ©tormä 5ioucUe „3tngenfa" on. Wöxih unb ©torm f)aben eifrig forrefponbiert.

Sei einem Sefud) in ber ^eimat im ©ommer 1856 erhielt ©torm bie ^Ha^^ ridjt üon feiner SlnfteKung alö i^reiGri(^ter in ^eiligenftabt (unmeit ©öttingcnö), wo-- ^in er barauf mit ?^amilie jog.

2(d^t ^a\)xe ift er ^ier geblieben, nad^ mie vor üon ©eF)nfuc^t nad^ ber ^cimat erfüllt. Salb nad) ber Überfiebelung, im 3^rüF)Iing 1857, fd)ricb er feiner i^onftanjc bie Serfe „(Sebenift bu noc^?"

S^iun ^orc^' id> oft fd;IafIo§ in tiefer 5^arf)t, Db nic^t ber 2öinb ^ur SRürffa^rt mi3ge mc[;en. 2Ber in ber §eimat erft fein ^auS' gebaut, X^r füllte nidjt mefjr in bie J^rembe gel}en! ^ad) brüben ift fein ^uge ftet§ gemanbt: Tod) einc§ blieb ft>ir geilen Jponb in ^nb.

30»

468 5Jorbbeutfd)e StimmungSpoefie.

Wät SBefaniiten ma6)U man üon ^eiligenftabt nuö monnigfac^e Stuöflüge, unter bentn eine 2öogenfaf)rt md) ben beiben „©leicfien" bei ©ottingen fid; ©tonn tief einprägte. ,,^c^ roei^ nic^t"/ fogt er, ,M\i i<i) f#n jemalg oon ber jQuberf)aften ©d)önl)eit eines ©rbenfledeö fo innerlidjft berüf)rt roorben rcäre." ^Jn einem ©efangoerein beraö^rtc er [eine alte S)irigenten!unft.

SSor allem aber blül;te feine noüeUiftif^e ^oefie neu auf. 2Beii)na(i)ten 1853 Jüurbe „Stuf beut ©taatSt)of" üoHenbet. „2(u|cr einer bunflen 2lnfcE)auung beö alten ciberftebtfrf;en ©taatsl^ofeö", fc^reibt er an ben 58ater, „au§ ber 3eit/ mo er noci^ wi- öbet ftarnb, unb rao mir einmal vpn griebric£)öftabt mit jungen Seuten beiberlei ®e= fd)Ied)t§ eine 3:^our batjiu marfiten, ift alleö barin reine ®icf)tung." SSon 1859 biö 1862 entftanben bann nac^einanber „©pöte 3fiofen" (1859), „Grüben am 9Jlar!t" (1860), „:3m ©c^lo^" unb „SSeronita" (1861) unb „Stuf ber Uniuerfität" (1862). ®en JRalimen biefcr ^loüeHen bilbete roieber bie ^eimat. „^m ©c^Io|" mar j. X. mö) bem 35auernf)of „SSorbamm" bei 2öeftermüt)Ien (in ber 5löt)e ^ufums) gejei^net. %üx Sore, bie .^elbin ber S^oiüeEe „Stuf ber Uniüerfität", t)atte er »ein ^orbiib. „©ie äußere SSerantaffung", fcf^rieb er an ?5^ontane, „gab mir ein ©d^neibermäbcE)en, bie, atö i(^ in J^iel ftubierte, au§ 5Cro^, meil fie fic^ ron il^rcm £iebften, einem ouf ber SBanberfc^aft befinblic^en jungen 3)Ienfc^en, üerlaffen glaubte, fid^ ben ©tubenten In bie Slrme marf. Stlä eg gu fpät mar, fam er äurüd. gür bie übrigen ^erfonen gibt CS auc^ in meiner ©rinnerung feinen ^nlialt; fie finb rein erfunben. ®en ^intergrunb bilbet ,bie grane ©tabt om 2)Jeer', im äroeitcn Xc'xl liefert Äiel bie ^eforation." Unb

in einem S3rief an Srinf mann fagt er ergäns-cnb : „S3ei bem oorlefeten Kapitel

roin ic^ nid^t leugnen, ba^ ber §a^, ben ic^ mein Sebenlang gegen bie ^orpSftubenten im Iterjen getragen ^ahe, mir gum ^Jloc^teile ber ®icE)tung bie 3^eber gefüljrt l)at."

S)ie Sf^onellen finb bem ©i^ter nic^t fo leicht geworben, mie fie fic^ lefen laffen. S)a bie g^amilie auf gro^e ©parfamfeit angemiefen mar, befc^rönfte fie \\6) im 2Binter auf jTDei fleine 3iwttier, bie gel^eijt mürben unb äugleid; auc^ ben ^inbern jum Stufent: f)alt bienten. „^orin fifeen", fc^reibt ©torm launig 1861 an ben SSater, „^an§ unib \6), gu arbeiten, .^onftange, gu fliden, ©ruft, ^arl unb Site, ju malen unb gu f(^ni^cln, barin fdf)läft baö ^iepcEien, tändelt mit if)r, menn fie wai} ift, baä ^inbermäbcE)en

Ottilie ^n biefer betäubenben fleinen SSelt l)abe {6) in ben legten beiben

9)conaten eine 5Jlot)elle [„^m ©d^lo|"] gefc^rieben, bie mo^l um ein drittel länger alö „^mmenfee" ift, ma§ ic^ in meiner fünftigen Siograpl)ie nid^t ju oergeffen bitte." 3)abei ging bie fünftlerifclje Slrbeit fel)r longfam roeiter, unermüblic^ menbete unb feilte ber 2)ic^ter ben StuSbrucf. „^ebe meiner ^avzUcn", fagte er felbft einmal, „üerlangt an 2trbeit üon mir bie SSormittage oon 4 bi§ 5 ober 5 big 6 9Jionaten, unb jmar üon 77^ big IV2 Ul)r." ^n ben ^o^ren 1863 unb 1864 entftanben bie beiben SÖel^noclitg^ noüeUen „Slbfeitg'' unb „Unter bem 5Dannenbaum". ®ie S^looeEe „©ine ^Malerarbeit", bie erft 1867 ang £ic^t trat, oerbanft il^ren Urfprung bem Stufent^alt beg fleinen ucr: rcacf)fenen gj^alerg ©unbe 1857 in ^eiligenftabt. 3u SBeil)nad^ten 1863 oerfa^te er feine 3JJärcf)en „^ie 5Regentrube", „Sulemanng §aug" unb bag unwoßenbete ,,©piegel".

S^eobor 2torm§ Cebcn. 469

^ie (Sreigniffc bcä ^a^res 1864 (nad) beut %ohc grieörid;Q VII. am 15. fio- cember 1863) befreiten au6) ^ufuni von ber ^änenf)err)(^aft. 3IIä ßanbüogt lüurbe ©torm in bie SSatevftabt änrüdgerufen. Sq^ fie preu^ifd^ lüurbe, roiberftrcbtc iljm freilid^ er war burc^auö antipreu^ifc^ gefinnt. ^n ^reu^en, meinte er (an ,Srinf; mann, 27. ^uli 1867), l;abe nur bcr ein $Hed)t, ber bie ©cmait befi^e : „^Dabei biefe unnmrbige Stellung bcr Scamtcn, biefe illeinlic^feit."

®aö folgenbe ^at)r rcurbc für Storni 't^aö beö größten Sdimer^eö: er ucrtor am 20. 9J?ai 1865 feine geliebte i^onftau^e na^ ber ©eburt ©ertrubö, ber fpätcren i^erfafferin ber Siograp^ic if)reg SSatcre, bcr aud) biefe Sfigge ba§ 33cfte uerbanft. dlad) bem ^Begräbniö fc^te fic^ Storm an baö illauier unb fpielte ftunbenlang. ift für it)n bejeic^nenb, ha^ bie 5Dcufif feine befte 5:'röftcrin roar. 3tber mir erinnern uns jngleid^ ber SSerfe, bie er einft an bie ©eticbte gerid;tet Ijatie:

2Bet je gelebt in 2iebe§armen, Xer fann im 2eben nie üevarmen; Unb niü^t' er fterben fern, allein, @r füljlte no^ bie fel'ge Stunbe, 3Bo CT gelebt nn i§rem SJiunbe, Unb nr:(^ im ^obe ift fie fein.

2ln bem Slbenb bcö Xageö, an bem Äonftanjc bcflattei lUurbe, fc£)rieb er baö erfte ®e- bi^t ber „liefen Schatten":

3n ber ©ruft bei ben alten ©argen (Stellt nun ein neuer ®arg, jDarin bor meiner 2icbe 'B'xd) ba§ jü^efte 5lntlil3 barg.

Setannter finb jene anbern ergrcifcnbcn SSerfe, bie nidjt ber foeben genannten lieber«

reibe angelioren :

33egrabe nur bein 2iebfte§! ^^ennod) gilt'3 9?un ineiterleben; unb im Xrang bc§ Joge§, Xein 3^ be^uptcnb, fteljft balb irieber bu.

(So jüngft im .^rci§ bcr ^^reunbc loar e§, »o ^inrei^enb 2Bort ju lauter SRcbe id)iüü(l;

Unb nirfit ber (Stillften einer mar \d) felbft. 5)er SBein fd)ofe perlen im friftallnen ©la§, Unb in ben (Schläfen ^ämuicrle txxi Slut; Xa plö^lid) in bem l)cllcn Stofen liort' irf)

5JJic^t iäufdjnng iüar'§, hod) aninberbar ju fagcn Qlu§ toeitcr Jcrne "^örf id) eine Stille;

Unb einer Stimme Saut, mic mü^iam ;>u mir ringenb,

Sprach tobc§müb', bod) fü^, bafj ic^ erbebte:

„2Ba§ lärmft bu fo, unb mei^t bod), bafe id; fc^lafe.**

?lm 1. September 1865 folgte Storm einer Ciulabung beö ruffifc^en Xid)lcr«J ^urgenjem, bem "ifietfc^ uon bem greunbc crjäljlt l)aiic, mö) 33abcn=^abcn. :3luf ber Jli\\i befud)te er in 3«inben bie Sc^riftfteUcrin Glife ^olfo, in bereu ^oefic mand;cö OH Stormfrfie Stimmungöfunft erinnert, forcie in ^ranffurt ben alten ^rcunb Ti)d)0

470 9ioibbeutfcf)e StimnmngSpücfic.

SJiommfen. ^n bem 5!rcifc ber bainolö 44jäfirigen it)eltberüt)mten Sängerin ^aulinc ^iarbot, mit bcr ^ietfc^ unb Sl^urgenjen) befreunbet mnren, befanb fic^ ber 6önger ©torm ganj .an feiner ©teile. 3)ann ging über .^cibelberg, g^ranffurt unb SJioinj ben 9if)ein I)inab nnrf; £öln.

S)ie ÄinberfcEiar in feinem .^aufe unb ber ^anS'^alt beburften immer bringenber einer liebenben meiblic^en gürforge. (Sine ^ugenbgefpielin feiner ©c^wefter ßäcilie, ®orotf)eo ^enfen, mar, raie er feEbft einft bemerfte, mit ber Siebe ju it)m auf bic SBelt gcfommen unb ^attc tl)m ^reue get)alten tro^ monc^er Semerbung unb tro^ felneä Iangjäf)rigen ©{)eglüdö, bnä jeine einfüge 9^eigung pi i^r in ben ^intergrunb gebrängt §ntte. ^onftanje felbft, alö fie einft mit it)rem ©atten über ben ^ob fpra^, l)aiU geraünfc^t, menn er raieber f)eiraten wür»«, fo rooEte fie am lic'bften „^Do"' il^re ^inber onoertrauen. ^m ^uni 1866 fanb bie SSermä^Iung in aEer ©tiEe ftatt.

3n)ei ^al)re narfi Slonftanseg ^obe entftanb au^er ber bereits ermöf)nten ?IoüelIe „Sine 3}Joferarbeit" ein 3)ieifterftüd: „^n ©t. Jürgen", für ba§ nur eine 2J?ittei[ung aus einem alten ^oiUhnd)t etmaö hergegeben f)atte. „'^a a'ber", fcfireibt ber ®i(^tcr an ^ietfc^, „mirb ber 9Jknn mirflic^ untreu, unb babei ^ätte an^ \6) es iaffen foHen. ©ine reelle ©d^ulb mar beffer als biefe ©c^mäc^e/'

^m ^aljre 1867 lernte ©torm üerfcfiiebene ^oeten tennen: ^[auS ©rot^/ 2BiI= f)elm ^enfen unb ^ermann §eiberg. ©ein Seben ging im übrigen jefet noc^ ftiHcr, jugleic^ aber aud) nod; forgennoEer ba^in als früf)er. g^rau „'3)o"S anfönglic^e ©rf)mer= mut innerf)afb i^res neuen ^flic^tenfreifeS, bcr moncEic inneren ^onflifte barg, mid; bei ber ©eburt eines 2;öd;terd)enS. ©iefe ©timmungen im ^aufe ©torm unb if)rc Söfung fpiegeln fid) miber in ber 3fioüeEe „Viola tricolor" (1873). 1869 gab ©torm eine ©ammtung bcutf^er ©ebidite fieranS unter bem S^itel: „^auöbuc^ aus beulfd^en 3)ic^tcrn feit (StaubiuS.''

58on ©torms Seben ift nidit me^r oict S3ebeutenbeS ju berid^ten. 1874 ftarb ber SSater, 1-878 bic HKutter. 1880 trat ©torm in ben ^Äufieftanb. ©einen ZtUn^-^ abenb t)erbrad)te er in bem §oufe, bas er fic^ bei ^obemarfdien unroeit feiner 58atcr= ftabt cxhank. 3fiod) möljrcnb feiner 9lmtSäeit f(^rieb er u. a. bie 9loueEen „'Draußen im ^cibeborf" (1871), „33eim 58etter ß^riftian'^ (1872), „"ipole ^oppenfpöler" (1873/74), „aßaföraiufel'' (1874), „@in ftiEer Wl\i\iiar\t'' (1874/75), „^ftjdie" unb „3m 3fiad>barljaufe linfs" (1875), „Aquis submersus" (1875/76), „.ftarften «ituro^ tor'^ (1877), „$Rcnate" (1877/78), „3ur 3ßatb= unb SBiafferfreube" (1878), „^^m 5lH-auerf)aufc'' (1878/79), „Gefculjof" (1879) unb „5Die ©öl)ne bes ©enatorS" (1879/80).

2)er S^loiieEe „^rauf^en im ^eibeborf" liegt ein ®reignis gugrunbe, bas er tu feiner omtlidien ©igenfdjaft als Sanboogt oon 3lnfang bis gu ®nbe erlebte unb in einem Sricf an ^orotf)ea ^enfen (17.5.1866) ausführlich fc^ilbertc. t^nü^ ner^iclt eS fiel) mit bem „SBalbminfel". „^c^ l;abe", fagt ©torm, „ben ©toff baju, b. l). bic Ur= ^eEc, fcl)lanfroeg aus ber SBirfüc^feit gefd;affcn. ©in fünfäcljujälirigeS 3J?öbc^en, auf bie ein ©d;ullel)rcr, if)r ©tiefoater übrigens ein l)übfd;er Timm einen folgen ??erfud) gemacf)t ^attc, unb gegen ben id) bie 33orunterfucbung fübrte, machte mir ben

S^cobor Stormä ficben. 471

(Sinbrucf. 2)a^er ^at c6 einen nnfcijöncn 3{nfangöpunft nnb, jumal ba ber ^öger n)oE)I etrooS ju fubaltcrn gehalten ift, ein peffimiftifc^eö ©nbe." Sei ber „^)t)(^e" nui^te ^an§ ©pecfter, ber ©tormä ^auöbu^ iUuftriert I)atte ber So^n be§ if)m 6efreun= beten befanntcn 3eirf)nerö Otto ©pedter mit einigen te^nifc^en 3luölünftcn F)elfen. ©torm fragte ,if)n briefU^: ,,§ier ftef)en bie Cd)jen am 58erge. 2Berfftatt eines jungen SiTb^auerö frül)er SDejembermorgen er fiel)t inä 9Jiorgenrot geftaltet fi^ in i^m. ?Jun alfo : fann \6) fagen, er ergriff einen jur ^anb liegcnbcn 53aIIen loeii^cn ©ipfeS? 2Baö braucht man jum 9}iobeIIicren, bie ^^inger unb roa§ fonft, j. 33. um baä ©efid^t ju matten? 2Bie roirb ber ®ip§ ober S^on, ber gebraui^t roirb, angefeucf)tet? Äann er fiä) über 5Rad^t meid) in einem 33nIIen ob«r fo erF)aIten? 2ä^t fic^ ein auf= gefteHteä SRobclI in übernatürlicfjer ©röpc (brauner ^on, eine 2Ba[füre) benfen, ba§ unten unooHenbet märe, unb roic?"

3Iuf eine roirflid^e 2tnfd)auung gef)t auc^ „Aquis submersns" jurüd. ^n ber olten S^orftirc^e ju ^rel^borf (©c^teörcig) I)ing ein gro^cä Silb, büß auö uier Hbteifungen bcftanb. 3luf ben 3Jcitterbi[bern befanben fi^ in lebensgroßen ilnieftüden ber ^aftor Stnbreag Sonnen unb feine ?^rau, red)t§ unb lints baoon bie Silber i^rer .^inber, eines 2Räb<^eng unb eines 5lnaben, neben bem im Bijm^mext beS S^aFimens ein ^awh lief mit ber ^nfc^rift: culpa servi aquis submersus. Sena(^bart {)ing ein ©emälbe, bas benfetbcn Knaben barfteEte, roic er tot bafag, mit einer roten ^^effe in ber ^anb.

^en ^intcrgrunb jur „9?enate" bilbet bas ^.orf Sd^mabftebt, ben Stoff lieferten bie „Silber auS bem ^rebigerleben ber Sorjeit" in ber erroäF)nten Samm- lung SiernafefiS.

„SD-er Sßalb; unb SBafferfreube", [agt Storm, „Hegen feine ^atfa^en jugrunbe, fie mürbe mir fd^mer. ^n erfte ^cif ift mir nid^t rcd;t, ic^ ba^tc oft, eS gebt ni^t mel)T. SefonberS ein fo jarter Stoff, roo bie Svenen alle aus ber Suft ^eriibgefponnen werben muffen, barum f^ricb id) barübcr:

^Rod) ein Serfnc^ im (2d)metterlinge-,^angen, Slflein ber ^erbft, fcer SIbenb ma^t mi^ bangen!

3m ^meiten ^eile glaube ic§ benn boc^ ben Schmetterling gefangen ju ^oben."

®ie ^^oüeHe „^m Srauerl)aufe", jucrft „^er ?^ingcr" betitelt, beruht auf einer tliberlieferung aus befreunbctcr gamilie. „eefenI)of" ift angeregt burd) (Et)ami|fo9 ©ebidit „Ter (Seift ber 3Kutter". Xen 9lnftop ju ben „Söhnen beS Senators" gab eine Stelle in ber (Efironif ber ^amilie Sßolbfen. 2)ort roirb aber berid)tet, baß bie Gntjmetung ber ^atbbrübcr ^riebric^ unb Simon megen beS ^um ^ad)[affe ibres Saters gel^örigen (SartenS bis an if)r Sebencenbe gemäl)rt ):)ah?.

Tann folgten bie 9?oi)eIIcn aus ber 3cit beö 9hiI)eftanbeS in .Ortbemarfc^cn, junäd^ft (1881) „T)er (StatSrat", ber fid) aus einem alten fd;rift(id)en 3tnfange ent= midcite: „3l[fo Sie l^aben bie Seftic noc^ gcfannt?"

ein Sefuc^ bei ber ^o^ter Sisbet^ in C^eiligcnbafen im ^erbft 1881 lieferte ben etoff ju „|)anS unb ^cinj 5?irc^". 2)ie Scgeben^eit l)atte [\i) oor fahren in biefem Stöbtc^en roirflid) jugetragen. '^ex Schiffer l)ieß Sranbt, fein Sobn ßbriftian.

472 5?orbbcutfd^c ©timmungSpocrtc.

^rragifrf) folltc aud^ „Sd)roeigcn" cnben, oBcr ber ®id)ter gab ben ^Bitten feiner ^öc^ter um einen ölüdlii^en 3lbfd^Iu^ naä). 1883/84 entftanb „^\ix Sf)ronif üon ®rieöf)uuö", 1884 „(S§ waren jroei Äönigsfinber", gegrünbet auf ein ®rlebni§ be§ SoI)nee ^axl, ber in ber ^RoueHe eingefül)rt ift qI§ „mein 58etter, ber 3Jlufifer, ber fid^ bie ©rtcmbniä gu einer langen pfeife auSgebeten ^atte", 1884/85 „©in ^eft auf ^aber§let)t)uuö". „$^oI;n ?Rkw" (1885) gel)t jurürf auf ein (Srtebniä in .^abe- marfd^en, mo fid^ ein alter ^unggefeüe ^. an einem büftern ©arten ein ^au§ baute. 3)ie beiben na(^ften S^ooellen roarcn „Sötjer 33aftf)" (1885/86) unb „@in i)oppe(= ganger" (1886). 9ladf) ber ©encfung üon einer fcfiroeren Sungenentjünbung fd^ricb Storm 1887 „(Sin S8cfenntni§". ©eine lefete S^ooeHe unb fein SReiftermcr! mar „^er Sdfiimmelreitcr" (1888). ©in neuer ^lan, Mt Strmefünberglocfe", ift nic^t meljr gur 9(u§fül)rung gekommen.

©ö bleibt norf) übrig, auf ©tormö Sebenöraeife unb g^rcunbe&freiö in bem legten ftiUcn ^al;r5^]^nt einen 33Iid ju werfen. 2tl§ er im Sommer 1877 in SBürgburg feinen ©ol^n ^n§ befud^te, rcolinte er bei ber ?^rau be§ üerftorbenen ^rofefforS ber Zoologie ©tredEer, bereu %o6)kx SBaEi mit bem jungen ©ermaniften ©ridE) ScEimibt oerlobt mar, 'sDiefer trat if)m nun mit ben grauen freunbfcEiaftlid^ näl)er, taufd^te Briefe mit i^m unb befuc^te iF)n aud^ einmal in .^abemarfd^en (am 31. 'S^ejember 1884).. ©torm mibmete i^m bie SSerfe:

S)u ge^ft im 9}?orgen', iä) im 2I6cnbIid)t Safe mic^ bie§ 93uc^ in ©eine ^önbc legen; Unb fonnt' it^ jem<Jl§ ®ir ba§ ^erj 6ert>cg€n, Jßcrgife ni<^t.

3[n bemfeüben ^afire 1877 eröffnete ©torm auc^ feinen Sriefirec^fcl mit ®ott- frieb ^eEer, ben er übrigens nie gcfef)'en l^at. ^l)x gemcinfamcr g^reunb ^eterfen in ©d^Ieäroig crleid^terte bie 3lnnäl^erung burcE) bie (Srü^e, bie er auf feinen jäljrlid^en Sfieifen üon bem einen gu bem anbcrn brad^te. ^mmer mel)r oertiefte ficE) bie ^^^reunb; fc^aft mit ^aul ^eijfe. ^m ^aljXQ 1881 fu^r biefer nad^ ^abemarfdfien, untf^ritt leife ba§, ^au§ unb trat bann in bie SSeranba, wo er in einem fiiegeftul^I eine ber 5:'öc^ter ©tormä antraf. S^un folgten frö^Iid^e ^age. 9^ur nod) einmal, jiuei ^abrc fpätcr, föf)eu bie beiben ©ii^ter einanber in ^ambur<i mieber. „^cE) macE)te il)n", er^ göFirt ©torm, „barauf aufmerffam, bafe 3Enno 52 bi§ 54 in ^Berlin unter bcnen, bie fid^ bei ^ugEer oerfammelt, unb in unferem ,3?ütli' [einer 3tbjireigung be§ .XunncE*], mir uns am fernften gcftanben f)ätten, unb ba^ nun mir bie feien, bie gufammengeljnlten I)öttcn unb fid^ om nötfiften ftänben. ©r entgegnete: ,^a, Sicbfter, baö mad^t, weil mir beibe fortgearbeitet ^aben.'" 1883 mürbe aud^ 2tlfrcb Siefc, ber jefet ju ben ©torm=33iograp]^en gcE)ört, bamalö junger ©t)mnafiaIIeE)rcr in 5?iel, burc^ ©tormS ©oE)n ©rnft in ba§ gaftlic^e ^auö eingeführt, in bem er nun ebenfalls ftet§ roill^ lommen mar.

3m 3J?ai 1884 reifte ber ®td)ter mit feiner grau md) 53crlin, lüo mit ?^ontanc, 5IRommfen u. a. ein frobeö 2BieberfcE)en gefeiert, audE) ber geifteöuermanbte 9{oüelIift JoeinridE) ©eibcl nufgefud^t rourbe. 3^^' Wrc fpöter brachte ©torm feine

Stomtä S^rif. 473

%oö)tn eifabe und) SSeimnr, rao fie 9J^ufi! jlubicren foQte, unb fanb bort in allen Greifen, m6) bei ^ofe, oerbientc 3lufmer!famtcit. 1887 mad)te er mit feinem Jreunbc gerbinanb Xönnieö eine 3ieifc na6) SSefterlonb auf Si)(t. ^a[\> bavnuf feierte er ben fieb^igften ©cburtötag. SDiefer murbc befonberä bereirfiert burc^ Die crfte Stornu ^5ix)grapf)ie, beren SSerfaffer ^aul Schufte, ein junger ^reunb bes ^aufeö, jinei ^a^e ■nad} ber 3^eier einem 33Iutftur5c erlag.

Stormö Sebenömeife blieb im 9IItcr fo cinfad;, finnig unb innig, raie fic in ber ^fugenb gemefen mar. 5Den fc^önften 2^cil bcö Xaqc^ miM6)t bilbete bic 3:ce- ftunbe nad^ oier Uf)r. ®ann mürbe, meift oon ©form felbft mit teifcr roüf)IfUngenber Stimme, corgelefcn. 3tuc^ narf) bcm Stbenbeffen nerfammeltc fid; bie f^amilie im ^oetenminfel um bie Seftüre.

W.t ganger ^raft unb Siebe l;ing Storni an bcn ©einen unb äugletc^ am Seben überfjaupt „2Bic föftfic^", fd;rieb er 1880 an ©ric^ Sc^mibt, „ift eS ju lefien, blo^ ju leben! 3Bie fc^merjüd), ta^ bie Gräfte rüdmärtä ge^en unb anö balbige Qntrt mahnen." Unb im g^amilienfreife änderte er: „'^a^ emigc ©inerlei t)on %a(\ unb '^la6)t ift mir ein fc^recflic^er ©cbanfc. ^a^ id) nid;tä mel)r oon eud) roiffen barf unb ni^t mef)r tcilnef)men fann an bcm, luaö eud; betrübt ober beglüdt, en6) ni(^t me^r ^ur Seite fte^en barf mit 9?<it unb §ilfc, ba§ ift f(^rccflid)."

^I;eobor Storni ftarb am 4. ^uli 1888; mie bei ber ©eburt folgte unmittelbar barauf ein ©croitter. 3tuf bem St. ^ürgcn=?^rieb^ofe in ^ufum mürbe er beftattet. Seinem SBnnfc^e gcmä| mürbe bei bem 33cgräbniä !ein 2Bort gefprocben, unb fein (Seifttic^er mar anmefenb. 3lber bie ©toden läuteten.

©ä gibt ntd^t aUju uiele S)id)ter, bereu pcrfönlic^eä Seben fo rein unb oor- bilblic^ unb jug(ei(^ tro^ aller Sorgen fo innerlid^ glüdlii^ gemcfcn ift mie baö fein ige. DF)ne 23erirrung unb of)ne ^Ri^ftang ging ber 3Kenf^ mit bem ^ünftler, [djöpfte Die ^oefic ang bem Scben, o^ne an SBert ju ucrHeren; ja fic gemann mit j«bcm ^a[)xc bes 5nterS. ^er 33egriff beö goetbifd^en (rricbenö ift tnxd) StormS 33iograpbie üor mobernen 2Ri^bcutungen gcfd)ü^t morbcn.

2. Stovmg Cl)vif.

3]ou ber £grif ift Storni ausgegangen, unb fic bot if)n fein ganjcö Sebcn ^in^ burc^ begleitet. (Sr fetbft fül)ltc fii^ in crfter Sinie a(ö 2i)rifcr, unb mcnn er nur eine fleine Sammlung üon ©ebic^ten neröffcntfic^t l)at, fo ift baö nic^t burd; llnuermögen, fonbern burc^ bie ftrengen Slnforbcvungcn ju erflären, bic er an bie Sijrif ftellte. „^aö Itjrifdic (Sebid)t", fagt er in ber SSorrebe ju feinem „.^auöbut^ auö bcutfc^en ^ic^tern feit Glaubiuö", „foU in feiner Sirfung bcm Scfer juglcic^ eine Cffcnbarung unb ©rlöfuug ober minbcftenö eine ©enugtuung gcmäfjren, bie er [id) felbft nit^t Ijütte gefcen fönnen." Unb ebenbort: „^on einem Äunftmcrf mill idj, mie rom Scben, un- mittelbar unb ni^t erft burd) bie ^Vermittlung beö Xenfenö berührt roerbcn; am DoQenbetften erfcljcint mir baf)er baö ©ebid)t, bcffcn 2Birfung junäd)ft eine finnlid)f ift, a«S ber fic^ bann bie geiftige oon felbft ergibt mie aud ber ^Ifitc bie 7^rud)l."

474 3'Joi-bbeut[c^c Slimmung'opocfic.

©iiicn ©trau^ luunberfam lieblid;er, tief in unjerc Seele l;ineinblü^enber fiieber f)at ©torm getüunben beunocEi bleibt an feiner S^rif faft immei: etroos ^rofii Soften. Umgefe^rt fann man aud) üon feinen 3^ooetten fagcn, ba^ fie Iprif^ emp= funben unb auägefproi^en finb. ©torm manbelte ouf ber fc^maten ©renjfd^eibe jnnfd^en Sgrif unb ^rofa wie fein beutfd;er S)icE)ter neben it)m. ®r beburfte, um fein innerfteä SBefen gu entljüHen, ber gebunbenen ?^orm, beö fing^aften, IlongooUen SSiortes. Slber bie 2\)x\t mar it)m nid;t in bem Orabe unbebingt notmenbiger 3tu&brucf beä £eben§gefü{)lö roie ®oetl;e, ^ölberlin, Senau unb ^eine. ^n fol^em %aUz ^inter= lä^t ein fiebgigjäfiriges 3)id)terleben au^er fünf Sflpüellenbänben boc^ me^r als einen l9rifd)en 2lnl^ang uon noc^ ni^lt l^unbcrt ©eiten. Slnbererfeitö mi^ber jeigt getobe bie einzigartige ©timmungSfunft feiner ^rofa, in ber er üon feinem anbern ^floneUiften crTeid)t wirb, ben geborenen £prifer. ©ein Talent fd^mebt in ber SUiitte unb roill fo aiii) geroertet mertben.

®iefe ®rfenntni§ liefert ^ugleid) einen Beitrag für bie ©rflärung, roarnm er fomo^I 3ur S^omantif raic jum 9teali0mug ju jäfiten ift. Sßenn ©rid^ ©^mibt non ©tormä SlooeHen gefügt Ijat, bo^ fie „au§ ber Dämmerung l^eroorjufi^njeben unb roieber in ©ömmerung äurücfgutauc^en fd^einen", fo trifft er bomit i^ren Igrifc^en Urfprung. 2)aö ^Dämmerfiafte, SSerfc^reierte, (SeI)eimni§üotte, bQ§ roe^i-mütige ©i(^= (Srinnern, ha§ leife ^ladil^aHen unb (Sntfc^meben ift in ber ^oefie oorraiegenb Igrifi^cr Statur. £)ie ^rofa erftrebt junädift ^Iarl)eit unb SBirflic^feit, jielftrebigeä Setou^t^ fein unb fidieren ©ang. SBeil bie 3fiomontifer baö nid)t lüoEten, barum ift i^re ^roja im ©runbe feine, ©torm aber, ber ßgrifer, ber ben lieb^aften SSoIföton fo gut unb beffer trifft alä bie Sflomantif, fc^reibt guglei^ ffare, roirfnd)feit§e(^te, äielftrebig he- raupte, fid;er gefienbe ^rofa mie bie 3flealiften. S3lo^e ^'^antaftif, ta^ gonje S^raum^ gemirr ber Sf^omantif Ief)nt er ah. %üx ©efpenfter ift er nid^t ju fjaben, ftatt folc^er (Srufe[gefd)id;^en fc^reibt er 3J^ärd;en.

ift alg ob ©torm eine gemiffe Segren5tf)eit feiner lT)rifc^en Äraft gefüllt i)übe, benn überrofc^enb ift angefid)t§ ber menigen ©ebic^te if)r 9f?eid)tum an HJlotioen. ©torm fagt auf ein paar ©eiten ba0, maö anbere Sprifer auf ganje Sanbc pcrteilcn.

Sei ber ©arftellung feines Sebenö rourbe bereits ermäfjnt, "oa^ bie ©runblage feines ©^affenS bie ^eimnt mar. ^n biefem 3ufQi^"^^"'^^"9^ ^^^ f^i"^ vatex- lönbifc^e £r)rif ju SBort einfc^rie^Iic^ beö DftoberliebeS, ba§ im ^erbft auf ben ?^rü^nng uerraeift unb bie grauen Sebenötage felbfttatig ju oergolben aufforbert. Unb bann mar bie 3f?ebe non feiner SiebcSlprif, bie ja oon feinem ®l)eg(ücf nic^t ju trennen ift unb in ergreifenben Xotenflagen um bie geliebte ^onftanje ausffingt.

%iix beibeS, ^eimat unb Siebe, mar Itjrifi^ mic nooelliftifc^ ^orauSfefeung ein tiefes ^Jiaturgefü^t, baS fid) üon bem anberer ©i^ter ber SBeltliteratur burd) bie ec^t beutfc^e ^nnigfeit unterfc^eibet. %uä) baö kleine unb ^üei'nfte in 2anbf(^aft unb ,9J?enfd)enIeben ift i^m liebeooEer Setrac^tun^ rcert. ©as ift ja bejeic^nenb für alle ?)ic^ter ber §eibe, beren ©d)önl)eit eine fo g^nj anbere ift als bie großartiger (Se= birge unb SSlumenparfs.

Stonns Stjrif.

475

2t 6 1 e i t ö.

i&§> i[t fo [tili; bie ^eibe liegt 3m marmen 2J?ittag§[Dnn€nftra^Ie, ©in Tofenroter ©rf)immcr fliegt Um i§re alten ©rabermale; SDie Kräuter blü^n; ber §eibebuft Steigt in bie blaue ©ommerluft . .

Sfaum äittevt burc^ bie 3}?ittag§tu§ ©in S^Iag ber 2)orfuf)T, bet entfernten; Xem Eliten fällt bie SSimper 3u, ©r träumt don feinen §onigernten. .^ein ^kng ber aufgeregten 3cit Xrang nod) in biefe ©infamfeit.

aj?an I)at Storni mit 9Jiörife unb bem Sanbfc^aftömaler 3flut)öbael uergli^en. ©id;erHcf) ift iE)m etiuaä Don beiben eigen, aber nürbbeutfd):fd)mermütigc ^erträumt= I;eit gibt feinen ttjrifc^en Slaturbirbern gegenüber bem munter pinubernben ©d^muben unb bem rufieoollen SReifter üon ^nrlem if)re befonbere -Jlote. lud) er begnügt fic^ oielfad; mit einem ©tüd SBalb ober ^elb, einem einfamen öaufe, einem .^ügel oDcr 33ufc^mcr?; aber mit fefinfuc^tSDoIIeu tiefen 3Rätfelaugen fd)aut ron einem fo flcinen j^Ietfd^en ©rbe Stormö SRufe empor in bie lTnenbIid)!eit beä 9?aumeö, in 3^iten unb Drtc, roo roir nid^t finb, rcol^in nur traumf)Qfte (Stimmungen unb leife IRufi! gelangen, obmolil aHeö ganj beutlid), ja realiftifd) nor uns ausgebreitet roirb.

3m 2Balbe.

§ier an ber lBerg€§l)albc ^erftummet ganj ber SBinb; SDie 3^219^ ^ngen nieber, darunter fi^t ha§, ^ini.

©ic fi^t in 2!)ljmiane, ©ie fiijt in lauter 5)uft; 5)ie blauen 5^i<^9^" fummen Unb bli^en burc^ bie Suft.

©§ fte^t ber SSkilb fo fc^tDeigcnb, ©ie fd^aut fo flug barein; Um i[;re braunen Coden ^inflie^t ber Sonncnfc^in.

2;er Sludud ladjt Don ferne, ©§ ge^t mir burd) ben ©inn: ©ie ^at bie golbnen fingen 2)er 5C?albeBfönigin.

S)ie lefete Strophe erinnert befonberö an baö, maci \\)n mit 2)iöri!c ocrbinbet: ben SSoltöton, baö naiue ©mpfinben. S^c'i Sieber l)at er gerabcsu „^m 5?olföton" fiberfc^rieben, nod; fc^öner aber finb anbere, cor aEem bie berül)mte Igrifc^c Ginlage tn ,,3mmenfee": ,3eine 3JJutter l)at'ö gemoEt"' ober bog „Sieb bcö ^arfcnmäbd;enö". Ober 'Oaü trauml)aft al)nungöiione „®aö mad)t, Ijat bie 51ad)tigall bie ganje ^ac^t gefungen".

gjur biefe ©tunbe 93ift bu nodj mein; ©terben, ad) flerben ©oll if^ allein.

^eute, nur Ijcule Sin id) fo fd)i3n; 9Jcorgen, ad) morgen 3J?uf5 alled oergcl)n!

'J)icfen SSolföton trifft befonberö bie mcland}olifd)c Stimmung, bie in fooiel 6tormfd)en Siebern lebt, ©ine leife Srl)nicrmut fcnft fid; luic eine leicbte 2«olfc oft oud) auf feine Siebeölijuit. ®ie ©ntfrembung, bie ftille ^Refignation, ber bcimlid)e .^^urnmer finb ba gegebene ^Jiotine; fo in ben „ÖQn^intljon" unb ben „"fficifKn 5toien":

476 JJorbbeutfci^e ©timmung^poefic.

9Sa§ cinft fo iiberjelig mar, fÖx'xö^ nun i)a§> ^er^ entäWei; ®a§ 8Iug', ba§ meine ©eele tronf, ©ie^t fremb an mir üorbei.

£!ag geroagte 3)lotir fünbiger ©efc^mifterliebe, in ber ^looettc ,,6efcnI)of" oermeitet, wirb aud^ Ttjrifd^ üon ©torm gu einer unferer frf)önften SSoünben, „Oefc^raifterblut", geftaltet. ®er eingigc SftettungSroeg ift ber frei gemäfilte Xob:

^ie <Bä)tDe\iex öon bem Suaden fein Softe bie garten ^änbe: SBir tooKen 3U SSater unb SKuttcr ge^n; ®<i l^at ba§ Seib ein (Snbe.

S)er $8oben, auö bem bie ©c^iüermut in Stormä 5ßerfen empjorfteigt, ift roie in Den S^ooeEen üielfad; träumerifrf) flagüoUe Erinnerung, bie un§ ber ©id^ter m{t= erleben, nid^t nur mitanl^ören lö^t.

Ü b e r b i e ^ e i b e.

über bie §eibe ^Ket mein (Schritt; ®umpf au§ ber (Srbe iixinbert mit.

^erbft ift gefommen, grü^Iing ift mcit ®ob benn einmal feiige 3eit?

SBrauenbe 9lebel geiften um^er;

'Bdjtmx^ ift bQ§ ^raut unb ber ^immel fo leer.

5Bär' id) t)ier nur nirfft gegangen im 9}?ai! Seben unb Siebe wie flog borbei.

®er 2)i^tcr beborf ber Siebe als ©egenmerts gegen bo§ ^Dunfel, bag il^n fc^on aus ber ^erne trübe ftimmt:

3^ fe^' bein Iiebe§ Slngefic^t,

34 f^§^ ^^^ ©c^tten ber 3ii^"^^ft i^i<^*-

tiefer fc^mer mutige 3:;on in ©torms Siebern mag fid^ jum ^eil au§ Sanb^ f^aft unb SSrut ^erauö erflären. ©ie fiaben faft aUe etmaä ernft ^lad^benfücpeS, blc frf)Ieön)ig;^oIfteinfc|en ^irf)tcr: ^^bbel foiuol;! wie grenffen unb Kroger. ®er ^eibe: bid^ter ©torm mar ein ^ic^ter jener großen ©infamfeit, bie baö leichtlebige SScItÜnb nur feiten unb ber geroölinlic^e ©eift gar m6)t fo mie ber ^ünftter ju empfinben üermag.

®ie ©infomfeit ber SanbfdE)aft mirb auf baö Scben übertragen, burc^ baö ber ftille SBanberer fcf)reitet. ©0 flingt eg fc^on in ben ermähnten „2Sei|en ^Ttofen" am ScE)Iu^:

2)er SBcg ift gar fo einfam, ®§ reift ja niemanb mit; ^ie SBoIfen nur am ^immel galten gleichen ©cfpritt.

^d) bin fo müb' jum ©tcrben; ®rum blieb' i^ gern ju ^u§ Unb fc^Iiefe gern ha^» Scben Unb Suft unb Seiben au§.

etonn« Sprtf. 477

(Sin anbcres einfam traurigeö SebeiiS^SBonberlieb ift „SSerirrt" mit luunberbar (ci[en Itntertönen :

©in !Cbglein fingt fo fü^e S3or mir üon Ott ju Drt; SBe^, meine munbcn %ü'^c\ SDa3 SSöglein fingt fo fü|e, ^sd) itKinbre immer fort.

SBo ift nun l)'\n ba§ Singen? ©c^on fanf ba^ Stbenbrot; ^ie ^ad)t ^at oerftecfet, ^at alle§ ^ugebecfet 5föem fing id) meine 9?ot?

^ein ©ternlein blinft im SSalbe, 2Bei^ lüeber 2Beg no^ Drt; Xie 93Iumen an ber |)albe, ®ie S3Iumen in bem 2öalbe, ®ie blü^n im ©unfein fort.

©torm liebte boö Seben, unb eg graute il)m wr bem 3:^obe, luie mir fii^en. 2Bie ein büftereg ©c^icffal fteF)t ber 2;obeSgebQnfe fjinter feiner Sprif. Selbft im ^öc^ften Sebenggefü^t ber Siebe taurfien foIrf)e SSorfteUungen in feiner Seele empor, mirb ber 2){c^ter fic^ bemüht, „raie ba§ Seben rinnt'':

öa^ einmal no(^ burd) meine 33ruft Xe§ bollften 2eben§ Schauer loe^, ©^ feuf^enb in bie gro^c 9?ad}t 2luc^ meine ©terne unterge^n.

®ie ®infül)lung in btefen ®cban!en f)at bem Siebter unb bamit ber Sßelt eine ber f^önften X^otenflagen befeuert, in ber graifi^en jener unb biefer SBelt eine SSerbinbung fiergefteHt wirb, feelifc^e ^äbcn gefponnen roerben jroifc^en ^ob unb Sebcn froft ber Siebe, bie aJicö überrcinbet ober bpcf) ju übevmiuben ficf) mü^t:

D, bleibe treu ben 3:oten, ©i€ lebenb bu betrübt; D, bleibe treu ben Stoten, 5)ic lebenb bi(^ geliebt! .

©ic naiven bir in Siebe, SlKein bu fü^Ift €§ nid)t; ©ie fc^aun bi<^ an fo trübe, S)u aber fie^ft ni(^t.

©ie S3rürfe ift verfallen; ^iun mü^en fie fid} bang, ©in Siebc§lDort ju kllen, S)a§ nie ^inüberbrang.

3n unö, fagt ber ©ic^tcr, ift ber Xoten Stimme, fonft nirgenb; barum muffen wir i[)x laufc^en, mir tonnen es.

®te 3Kt)ftit F)at in biefer Stjrif feine Stätte, attcö ©cl^imniönotte, baö ©torm boc^ md;t minber alö bie ^flomantif liebt, mirb natürlich gelöft. 'jDie Vorgänge in ber ^Iflatur roerben nirf)t roie bei ben mobernen Sattabenbidjtcrn in unerflärlidicm ^otbbunfcl gelaffen; uiclmel)r ift aud) bie 2)ämmcrung in St^rmö ^oefie ein 3"ftnnb, ben \\ä) jeber auf feine SBeife pf^d^ologifd; erflären fann. 3JJan benfe an ben 5(nfang unb Sd^Iu^ ber „Sturmnadit":

478 3iorbbeiitfcf)c ©timmungSpoefie.

^m ^intcr^auä, im gliefenfaal

Über Urgroßmutter^ Zi\d) unb Sänfc,

Über bie alten ©c^atullcn unb ©df^ränfe

SBanbelt bcr gitternbe a3?onbenftra§(.

SSom SBalb fommt ber SSinb

Unb fä^rt an bie ©Reiben;

Unb gefc^Ujinb, gejdjlüinb

@c£)toa^t er ein SBort,

Unb bonn rt)ieb€r fort

3um SSoIb über 5öl;i-"ei^ ""^ ©iben. . .

Stber broben im §auB

3m be^glic^en 3inimcr

S3eim ©turmgebrauS

Saßen unb [djlra^en bie Sllten noc^ immer,

5Jlid^t ^örenb, mie brunten bie ©aaltür fprang,

SBie ein Slong mar ermarf)t

^u§ ber einjamen ^adjt,

2)er fd^oUernb brang

Über 2:repp' unb ©ang,

bran in ber Slammer bie ^inber mit ©c^rccfen

?luffur;ren unb [d^Iüpften unter bie SDerfen.

SBefentlicE) für tiefe jeber 9JlgftiE feinblicEie, naturfinnige SprlE mar bie ab- Ief)nenbe ^oltung ber ?5^amilie ©torm gegenüber ber rfiriftlic^en ^irc^e. '^n feinem Igrifc^en Spruc^ „S)er ^^^if^^" f^Ö* ^^^ ©id^ter:

S)er ©laube ift jum Stufen gut, 2)od^ bringt er nic^t bon ber ©teHc; 2)er 3^üeifel in e^rlic^er SJJännerfauft, ^er fptengt bie Pforten ber §ölle.

^^ro^bem geigt auc^ ©tormö Sgrif I^erjenged^te g^römmigfeit; fo in bem atzten ber ,,neuen f^iebellieber" am Stbenb:

2)<i nel^m' üucf> ic^ ju guter ^Jad^t 3ur $)anb bie ®eige mein; 5)a§ ift ein flingenb 9lac^tgebet Unb fteigt ^um §immel ein.

kleben bicfe§ mufüalifd^e ©ebet fteEt ficfi ein anberes, ba§ bcm SSatcrIanbc gilt (Im jefinten g^iebellieb):

§err 65ott, bie ©oaten fegne SQ?it beiner reidjen ^anb, Unb gib un§ grieben, grieben 3m lieben beutfc^cn Sanb.

hierbei mögen mir ferner bes aBeit)nad^töfefte§ gcbenfen, ba§ im ^aufe <Storm eine fo große 3Roüe fpielte unb wie in äwei Sf^oüeHen („9lbfeitS" „Unter bem Tannenbaum"), fo au^ Iprifc^ 3Iu§brucf fanb, oor allem in bcm „9BciI)nac^tätieb" :

©tormS Sr)til

479

9Kir i[t ta§> ^cr^ [o frot) cri"d)ro(fen, 2)a§ ift bie liebe Slßei^nac^t^^eit! ^ä) ^öre ferner ^ird^englocfcn SKid^ liebiic^ ^eimatlicfi üeiloden 3n märd^enftiHe ^exxüäjkü.

Gin frommet Sauber 1)011 mid; mieber, Slnbetenb, [taunenb mu^ i^ ftc^n; finft auf meine 5IugenUber (Sin golbner ßinbertraum l)ernieber, 3«^ fü§r§, ein aSunber ift gefd}€§n.

^Q^ er allen religiöfen tu|crlirf)teiten fritijrf) gegenüberftanb, ift felbftücr= ftänbac^. 2(ber er roar fein Iprifc^er ^fronifer toie ^me. Selten fmb SSerfe rote bie fofgenben:

3) e r 2 u m p.

Unb bin \d) aud) ein rec^er 2ump, ©0 bin xd) beffen unberlegen; ein frec^ ©emüt, ein fromm ®eficf)t, ^er^bruber, finb ein toa^rer Segen I

Öinfig ne§m' Don ß^rifti DJiantel ic^

(Sin 3ipfetcf)en, ha^ mir biene,

Unb Ted^l§ bn glaubft nicfjt, mie bo§ becft

9fte<^t§ bon t)c3 ^önig§ Hermeline.

©efegnete SJ^a^Ijeil.

©ic l^aben wunbertjott biniert; Sknrm unb be^glic^ rollt if)r 93Iut, SSoU ÜRenfd^enlieb« ift i^r ^er^, <Sie finb ber gangen Sßelt fo gut.

©ie fc^ütteln görtlirf) fid^ bie iponb, UmltKinbelnb ben geleerten Xifc^, Unb münfc^n, bo^ gcfegnet fei ®er 923ein, ber 95raten unb bcr f^i\(i).

®ie ©eiftlic^feit, bie S5?eltlic^feit, SBie fie fo ganj oerfte^n fic^! 2cf> glaube, ®ott üerjei'^e mir, ©ic lieben fid^ Ijerjinniglic^.

©tormö Junior ift uon ()erber 9(rt, er !ann ben norbbeutfrf;cu nac^benflic^en §rnft nic^t Derleugnen. ^arum mar er eigcntlicE) ber geborene ©ebanfonltjriter. ®em aber rciberftrebte feine bilbf)afte 2tuffaffung, fein SSerfunfenfein in bo§ bunte ßebcn ber ^^ontafie, fein §ang ju meltüerforcner Si^räumerci. 5leinc Stropf)e, feine ^o= ueHenfcite ift oF)ne (Sebanfen, aber fie finb ßeib geworben. SBie er fein 2ani)frf)aftS: mafer im Iprifc^en Stil 3Jtattf)iffong unb im profaifrfien Stifters ift, fonbcrn bie Sanbfc^aft nur olö Staffage jum 3JJenfrf^cnIeben, alö Pforte jur Seele mertet, fo ijl er auc^ fein ®cbanfenbicf)ter im Stil ^Rüdcrtö. Seine (Sebanfcn finb üou feinem poctifdPien ©eftaltcn nicfit ju trennen. 9lur wenige ^ernfprürf^e f)at er gcfc^ricben, unter ifinen bie berüt)mte jmeite Stropf)e beö ©ebii^tö „^üx meine Söf)ne":

93Iüte cbelften (5)emüte§ 3,fl bie 3iücffid)t; bocfj äu,^eilcn Sinb erfrifc^onb mie (yemitter (Solbne iTxiirffid^tälofigfcilcn.

480 3?orbbeutf(^c Stitnmung^poefie.

Slud) g-cbantenlijrifd) bricf)t bie Stormfc^e Sflefignatioii, Die Dur(^ faft alle feine StoüeEen gicl)!, immer roieber burd^. >Do§ Seben fo jc^ön, aber fo flüd^tig, ein .^oud^, ein ^ergel)en. ^n ben „grouen^Sfiitornellen" I}ei|t es:

©unflc 39pteffen ®ie 2öelt ift gar äu luftig; ©§ irirb hoä} a\ie§> bergeff^n.

Unb im ,,epruc^ beö Stlterö" :

Sergeffen unb SSergeffentoerben ! S5>er lange lebt auf ©rben, S)er ^at mo^I biefe beiben 3" lernen unb gu leiben.

©u(^en mir gelegentlicE) biefer ©cbanfenlgrif na^ einem großen ©egenbilbe ju ©torm, fo mögen wir an Seffing beuten, bei bem fic^ aUes jum ©pigramm jufpi^t, ber feine ^Dämmerung, feine poetifd^e 5^räumerei fennt unb überall nac^ ^lor^eit unb S3eftimmtf)eit beö 9Xuöbrudf§ ftrebt. 2tuc^ bei ©torm finbet fic^ (Spigrammatifc^eS, ober ba ift eg mef)r ber finnlid^ roaf)rne^mbare ^lang ber SBorte unb ^erfe, baä poetifrfie Silb, aU bie Äürje ber SBenbungen ober ba^ Überraf^enbe be0 ©ebonfenä, rooö ouf unö mirft; 3. ^. raenn er fagt:

S)ie ©enfe rauftet, bie 2t^re fönt, ®ie Sierc räumen fc^eu ba§ g-elb, SDer 9Jtcnfcf} begehrt bie gonje SSelt.

©inen Übergang oon ber 2x)x\t jur poetifcf)en ©rjälitung, jur ^iooettc in SSerfen, jum $8er§epo§ f)at ©torm nie gefud^t. Slud^ bie eigentlii^e Slomang-enpoefie ift ii)m fremb geblieben, n)oI;l weil feiner ©timmungöfunft bie ^Breite üon Statur roiberftrebt. ©r l)at ja oudf) feinen ^oman unb fein S)rama gefc^rieben. ?lur baS ^^f^önblidie, ba§ \id) in Stimmung tauchen lä^t, ba§ SBort, ba§ mie eine ferne 3JieIobie oerf^roebt, Ift fein ^crrfc^aft§gebiet. ©0 rourbe er ber größte ^RoüeKift ber SBeltliteratur.

3. <Btotm§ 9ioMtn.

^m 3llter fpracE) ©torm einmal mit feinem greunbe ^epfe über beffen ©rfimiegerüater Äugler unb beflagte ben früf)en 5Cob biefeg auSgeäeic^neten 9Jlonne8, in beffen berliner ^aufe er einft üerfeljrt Eiatte. „ßg tut mir an^ leib", fügte er ^inju, ,M^ er ni^t bie groeite ^eriobe meiner ^looeHiftif noc^ erlebte." „^a", meinte ^epfe läc^elnb, „alg bu in öl gu malen anfingft".

."Oier ftetten beibe ^id^ter ausbrütflic^ groei ^erioben in ©tormä ©cEiaffen feft. 3iel)t man ben ©c^nitt bei ber ÜBerfieblung oon ^eiligenftabt na^ ^ufum (1866), fo lo|t fidE) noc^ ein britter 2lbfdE)nitt aibfonbern, ben ber ^Did^ter bamal§, als er bieä fogte, felBft nod) nidE)t ju überfel)en nermod^te : bie legten 9?u^ejaf)re in ^abemarf^en, in benen bie SJ^eifternooellen entftanben.

58ei ber ^arftellung feineö Sebenögangeö finb alle mefentlid^en 9^oa)ellen in il)rer (^ronologifc^en 3fieil)enfolge anfgeja^lt, auf il)re entftel)ung fomie auf il)re Duellen unb

StormS JJooencn. 481

if)ren 2Btrtlid)feitöge!)Qlt f)in untcr[ud;t luorben. ßinc ^etrad)tung il)re§ 9ln(^cinnnbcrS innerl^alb ber perjönlic^en ©ntiuicfhmg beä ^id^terä erübrigt fidf) a{\o ^icr. ^aö ßrgeb= niö roürbe auc^ in feinem j^oüe überrafcfien, benn bei Storni ift bie poetifcfie ©ntiuirflnng cinbeutig, nnb fie liegt flar üor otter 3lngcn. ®ic n)ei(^en 9'iefignationönoücEen ber erften 3eit fennjeidincn fidf) alö 3lrbeiten ber S^Qcnb, ber bie I)erben ©inbrüde nnb Sdimerjen beö ^ö^eren SRanneg: unb (SrcifenalterS nod; ferngeblieben finb.- Stormö pfgc^ologifcfic ßinienfüljrung wirb mit jebem ^Q^re fräftiger, fcfter, beiDu^ter, Sfijje, 3fici;nnng, 3IquareII bleiben liegen: er beginnt «in Dl gu malen". ®aö fann ein jeber müf)eIoö im einjelnen feftftellen, für fi(^ felbft freiließ nic^t of)ne ©efol^r, benn gerabc 3tormfcf)e 'TJoDellen uertragen baö üiele fritifrf)e SScrgleid^cn nid^t, fie finb jn jart, nnb if;r 'Scfteä gef)t bann bem Sefer U\6)t uerloren.

Überblicfen mir Stormö Dbceüen in if)rer (Sejamtl;cit, fo finbcn mir bod) Don „^mmenfee" biö gum „Sd^immelreiter" biefelbe ^nnft, benfelben Sleij ber ®ar= fteHung, nnb obmof)l me^r als ein 3J?enfd;enaIter ba^mifc^en liegt, nur geringfügige Unterfi^iebe in bem, raaS bcn ^id)ter c^arafterifiert. ,J!eineörocgö lä^t fic^ Storm3 ^oefie im 3Utcr aU reatiftijd;, in ber SuQcn'^ 0I0 roanantifd; bcjeic^nen, benn fi^on fein ßrfttingömer! „50?Qrt^e unb if)re UF)r" ift ganj realiftif^ geformt, roäf)renb ber „S(^immelrciter" fpuff)aftc Erinnerungen ou3 ber 33oIföfage im ^pn ber 9?omantiter bringt, ßntfd^eibenb ift in beiben g'öllen bie träumerif^ gcfd^aute ?^erne, bie mef;- mütige (Stimmung, bie im „5ßorüber" ruljt.

3i m m e n f e e " ! Tlan foHte ficf) eigentlid^ mit ber SRennung biefeö SBortä begnügen, firf) t)ö^ftenö auf 3(nbcutungcn bcfc^ränfen, um StormS erfteö grö^ercä 2BerE nad) 2Befen unb 2Birfung jn erflären. ^enn ba^ jmei, bie cinanber lieben, um etuanber betrogen werben, rocil ifjneu in iF)rer crften ^ugenb on ©ntfd)(uf5fraft fet)Ite unb bie 2Rutter beö 9)^äbc^enö anberö ^,gemoIIt" baä ift nid)tö unert)öit 92eueö. Sei Storni fommt auf ben Oegenftanb, baö 3ßaö nic^t an, fonbern auf baö 2Bie. 2Bir manbern mit bem alten 3JJann burt^ bie Strafen, ge^en mit ibm auf fein ^i'^'^^r/ i" ^^i" ^ic Dämmerung aHmä^Iid; bem abcnblic^en ^unfcl roeid)t, biö ein 9)2onbftraf)l bie Silber an ber Sßanb ftrcift, folgen feinem 33Hc! biö ju einem fleinen Porträt, baö gerabc uon bem Stc^t berüfirt rairb, unb f)ören it)n ben ??amen „©lifabctl)" flüfteru, ber \l)n in bie ^ugenb uerfefet. Unb nun burd;[cben mir in feiner ©rinnerung feine unb if)re Jlinbcrträume, bie oon bem Seben jerftört merbcn, folgen if)m jur legten 2'rennung in „^nunenfee" unb 5ur testen Cntfagung ba rcirb bem 3(Iten bie Sampe gcbrad)t, unb er oerfenft fi^ in jene 3i"flC"bn*^i^^)^ten, bie i^m treu geblieben finb, bie 33üd;er. ^aö ift, äulerli^ gefe^en, Stormfc^c Xid)- nif, 3(ber meld)e S^üHe uou munberbaren 5]atur- unb Sebenöbilbcrn ftecft in bicfcm iHaf)men jnerft bie j^inbcr im SBalbe, fpäter bie .^aljufa^rt SJeinbarbö mit (rliiabctb, ber ©üttin beö greunbeö, auf bem See! ©ö ift eine anbere SBelt, in bie mir auö bem 5(Etag t)inüberg[citen, obwol)! aUcö aHtäglic^ jugelit. Xaö uermag \o nur Storni.

5linbf)eitöerinncrungen unb alte Gfjroniteu finb bie tijpifc^en (^runblagen feiner Grjäfilungöfunft. ^ie ^erfouen, bie er fd)i[bcrt, gehören burri)mcg bcfaunten bürgere Iirf)en Greifen an nnb murjein in ber gamilie, merbcn auficrlmlb bicfcö 3uia'"'»f"-

Cc^Ifc, (Tic beiitfdic ßiferahir feit ®oet^cS lobe iifro." 31

482 Silorbbcutfc^e 6timmung§Iprtf.

tjongeö, in bcn quc^ meift .^eimat unb aSnterI)auö einbejogen werben, gar nid)t gebaut unb entiüicfelt. 2Bic nun bie einzelne ^erfönlirf)feit innerhalb fold)er 33cgrcnätl)eit um il)r ^c^, unt if)re Siebe ringt, \\6) md) bem Stnberöfein fe^nt, gerüttelt unb ge= jrf;üttelt wirb t)on urftarfen ©efü{)Ien, 2eiben[c^nftcn, 3fiatur^ unb Sebenäcrcignifjen, fic^ frei mod)t in ^ot unb ^ob, fic^ üerjef^rt in ^pffnungölofigfeit, entfagt in ftiller ^raft ober bcr ganzen Söelt, ourf) ber ober bem beliebten tro^t ha^ burc^ fein ge= n)äl;lte ©jenen leicht anjubeuten, ift be§ 5Dic£)ter§ Stufgabc. $Die Siebe ift meift auf ben STon bes alten SSol!ö[icbcä geftimmt, beffen Slnfang „Sä umren jmei ^önigöünber" @torm aud^ alö ^itel einer ^Hooette gewählt t)ot: „©ie fonuten gncinanber nirf;t fcmmen, ba§ Söaffer mar viel ju tief." 3'lid)t immer ift bie Siebe auf beiben ©eiten Dor^anben raie in „^mmenfee", „©t. Jürgen", „9flenate" unb „Aquis submersus" balb leibet ber 3)?ann allein mie in „©§ waren ^mi ^önigStinber", „Sine gjlalerorbcit" unb „Grüben am 9Jlarft", balb ta?^ 3)löbc£)en mie „9Iuf bem ©taatöljof" (2tnne Sene), „3tuf ber Unioerfität" (Seoiiore 33eauregarb) unb „^m Sßalb^ unb Sßaffer^ freubc" (^ötti Bi'PP^O- Sefonberö ba^ ungemiffe ©^idfal, bem bie arme liebeö- tranfe £ätti entgegenmanbert, ftimmt mefimütig ift bodj baneben SeneS unb Sore^s S:ob im SBaffer wie ein oerföt)nenbcr 2(bfrf)Iu^. 3tber gerabc in ber ^unft, nic^t immer bas lefete gu fagen, ben Sefer gum SBeiterbii^ten Fieranäugie^en unb if)n fo für immer mit bem ©elefenen jufammeuäutun, I)at ©torm nicE)t feineögleicben.

3tber auc^ bie glüdlidfie Siebe roei^ er meifterl)aft ju f(f)i(bein beulen mir nur an „^fijc^c", „33ün ^enfeitö beö 3Jteereö", „^olc ^oppcnfpäler", „Viola tricolor", „58eim $8ctter 6I)riftian", „©c^raeigen" unb menn mir oon bem tragi= fc^cn Untergang ber beiben abfel^n bcn „©c^immelreitcr". Sefonbers bie ©^ön- f)eit§offenbarung „^ft)d)c" unb baö ^anbrnerfeibgU „^ote ^oppenfpäler" finb ©(anä-- ftücfe feiner ^unft.

^er ©efc^mifterliebe, bie nocf) nic^t fünbig ift, aber ju werben fürd)ten mu^, frf;Iic^ti^ jebodf) gu reiner 3lbltärung unb @rI5fung gelangt, ift bie 5RoDelte „©efen= I;of" geroibmet. $Der Sruber erfäf)rt in ber g^rem^bc juerft baö ®ef)eimniö ber gleicficn 9Ibftammung. Seife get)t ber ©icfiter nun üBer bie Söfung F)inmeg: wie ©etleo nad^ bcr 9flüdfef)r ^eilmeg gu ben gemeinfamen ^inberplä^en im SSalbc fül)rt: „Über eine ©tunbe ift bann mol^t oergüngen, unb ber ®e!enf)of ^at mie rerjaubert einfam bagelegen. Seife breiteten fic^ bie ©rfiattcn ans unb oer^Ieic^te ba§ SicE)t be§ ^immetö. Unb aU im testen 2(benbfc^ein bie beiben jugenblici^en ©eftaltcn au§ bem 'Dunfel be§ SBatöeö roicbcr aufgetaurfjt, bo ift ba§ SJiäbc^en mit ben fc^marjen ?^[cd^ten bla^ mie eine Silic geroefen, unb bie blauen 3tugen I)aben roeit offen unb oon ITränen roll gcftanben. 9Jitt gefenüem Raupte ging fie neben if)rcm crnftblicfenben ©enoffen. ,Unb ift benn ganj, ganj gerai^Iic^ TOa^r?^ frug fie leife." ®ie ©c^meftcr rettet bann bem Sruber bas Seben, unb fcfjtie^Uc^ geF)cn fie jufammen fort, oon beiben „t)at firf) jebe ©pur oerloren".

■iJaö SSerbältniä jmifd^en $8ater unb ©oF)n finbet ergreifenbe 33eI)onbIung in „S^tjer 58afrf)", „Warften Kurator" unb befonberö in „^onö unb ^eing ^irrf)", bem f^önften 3e"Ö"i^ für ©torm§ 9leali§muä, baöjenige jmifd^en 33rübern in ben „©ö^nen

StonnS ?iopeatTi. 483

bfö Senator^", einem ruhigen ©cnrcbilb wie „3m 3onnenfd)etn" unb „Späte iRo[en" finb. g^reilic^, bie 3f?u^c liegt nur in ber 3cirf)nung, fc^roerc Sturme {)Qben in ber Seele getobt, jumal in ber bes 3Kanne§, ber über feinen ©ejc^äften ni(f)t ]a\), ein roie fd^öneö unb liebenörccrteö SScib er f)Qtte, unb ber für fie ju fpät erfennt.

^m ©egenfafe 5U biefen ftiHeren ^faben, auf bcnen Stormö 5vunft roanbelt, jeigeu leibcnfc^Qftli(^ beicegtc ^anblung befonbcrä „6in 2)oppe(gänger" eine SboeHe, bereu furd^tborer 3lBfcf)Iu^ ein graufameö ©egenbilb ju bem lieblid;cn beginn barftcllt , „^So))\\ 9fiieiü", „©in SBefenntniö" ein ^Irjt befreit nu^o Siebe feine leibenbe grau, if;ren Sitten nac^gebcnb, bnr^ töbüi^es ©ift dou i()ren Sd)merjen unb mu^ biefen Sebcnöirrtum bitter bn^en unb „Aquis submersus", eine ber 3JleifternoüeIIcn. ©injig ftel^t ber „StatSrat", boä 33ilb einer fierälofen „Seftie" in 3Jlenf^engeftalt, untet Storm^' 'J^id;tungen alo 33urleäfe ba, ber boc^ bie fd^raere Xragif ni^t fef)lt. Üluf einen tiefen tragifct)en 2:on geftimmt finb nurf) bie büftcr-fc^önen 9loüeIIen „@in j^eft öuf ^abcrölcD^unö" unb „3ur ßf)ronif uon @rieöl)nu5".

^er SSerfuc^, unter Stormö ^^oneHen eine engere SBatjt ju treffen, unrb immer roieber gemacf)t unb mit immer üerfd;icbenem Srgebniö. ?iur folange man ben .^reiö weiter jiefjt, einigt mon fid; gciuöbniic^ auf ben „Sd^immelreiter", ber niemalö fcf)It, „^ole ^oppenfpäler", „Aquis submersus'", „SKniatc", „6e!enl)of", „!^\ix ©I)ronif ron @rieöf)uuö", „^n St. Jürgen", „^ft)d;e", „>^anö unb ^einj £ird)", „Äan ften .'Rurator", „^(mmenfee", „3ur 2Öalb= unb SBafferfreube" unb „^i<: Söl;ne be§ Senatorö". Sei bem „?^eft auf .öaberöleDl)uuö", „Sötjer Sarfcö" n- ^i-/ gcrai^ ^]3Jeiftcr= noüeHen, geljen bie 2Reinungen bereitö auöeinanber.

^a§ ?onn ni(^t munbernefimen, bcnn Stimmungönoueden mie biejenigen Stormg, berüljren in jebem 3J?eufd)en ganj uerfd)iebeue Saiten. 2öir brauc^n fernci nur an bie Beurteilung ber einzelnen 9^i>ücIIen burc^ Stormö 3citgciioffen ju benfcn, um biefen Unterfd;ieb nod; bcutHi^er ju er!euncn.

3)ie nictbcmunberte „^ftj^e" rooHte ^epfe, ber „^m 9?nd)bart)aufe linfö" „mit großer ?^reube unb bem eigentlid)en poetifc^n ©rufein" laö, „nid)t red)t ein; gel)en": „^nö SRotiü non bem Sd)mimmer, ber eine Sabcnbe rettet, l)at auf ^hxe ^f)antafic gemirft, unb nun mollen Sie eine ©efi^i^tc barauo mad;en, ebc noc^ red)t eine @efc^id)te barauö gemorben mar. Unb bo^ ift baä Tlot'w, ba auöfdjliefelid) auf bem @efül)le ber Sd)aml>aftigfeit bafiert ift, nic^t günftig. Sie l)aben fic^ bc^ mü^t, äuperft bejent ju bleiben, um fo aufgeregter arbeitet bie "^l^antafie beö fiefere mit. Saben benn 3JJäbd;cn fplitterfafernadt? Unb mcun nid)t, mic fann ein im Stranbfoftüm ol;nmäd)tig ben Stellen cntriffencö jungeö Xiug gerabc eine Silbl)auer'- fcele fo mäd;tig entjüdcn, ber fo mit gniijer Tcadtl;eit uer traut ift?" Son „Aquis submersns" bagegeu erflärte er in Übereinftimmung mit bem aUgemeiuen Urteil: „^u ^aft nic^tö Scffercö gemacht, nid;tö uon fo eigen l)erber Sü^e unb reinfter Tlamv- baftigfeit beö Sc^meraeö." „5larften Kurator" l)ielt er für „eine trefflic^ geformte unb nac^brüdlic^ft ^ingefteUte ©efc^icbte". Die „^Renate" lao er „mit großer Se= munberuug". entjüdt mar er oon „^bans unb J^einj 5lird)". .,E«t, ost, rst", fd)rieb er, „unb oon ben allcrfeinften unb auö bem beftcu SUJulterfüffe biefer ftarfc Xrunf, Den

31»

484 Üiorbbcutfrfie StimmungSpoefic

^id^ gefterii auf einen ,3"9 genoffen I;abe. ®r Ijot mir alle 9Ibent fc^Iagen niacEien, itnb irf) fül)Ie r\o6), roie er mir inö ^ölut gegangen ift."

^lauö ®roi{) mürbe ron „^anö iinb ^einj ^ird)" „bi§ in bie Änoc^en er- frf)üttert". „3)iein ^erj", fd;reibt er meitcr an ©torm, ,,ftocfte, unb id^ überf(f)lug jule^t Beilen, um nod) ^raft ju t)aben für ben legten 6d)tag. 1)ann lief id) burc^ bie erleud)tcten ©trafen Äielö." ©tormö fonft fo aufnabmefreubiger greunb ^eterfen Dagegen Iel;nte bie S^oneüc ob. ^üx ein SD^eifterftücI mürbe fie oud^ üon 2Bili)etm ;;^enfen erflärt, ber im übrigen „Aquis subraersiis", ,,£arften Kurator", „^Renate" unb „^\n Sl)roni! oon ©rieä^uuö" rül)mcnb I)eroort)ob. ®ie jule^t genannte 9^oneIIc mürbe i>on 5n)eobor ?^ontanc aU "öa^ Sd;önfte be5eid)net, maä ©torm gefdirieben \)abt, aKerbing§ neben ber „9?enate", ron ber er raörtlic^ fagt: „^d) finbe ^Renate auö= ge5eic^net unb jmar oI)ne aUeö SBcnn unb 2(ber. ^c^ ftede fie über ,Aquis subuiersus', über beffen ©c^Iu| bei I)öd)fter aSürbigung be§ ^erjenö fid) ftreiten Iö|t. ©o mufe gearbeitet merben, aber mie menige fommen bem nad)."

^^ontaneö Urteil mirb man aud) I;eute nod; beiftimmen unb in ©rmägung be§ Umftanbeö, ba^ ju ber B^it, ba er bieö td)rieb, ber „©d)immelreiter" nod) ni^t ent^ ftanben mar, biefen beiben Sloüettcn bie ^alme reid;en fönnen. 2ßie bem aud) fei benn ein ^Slicf in irgenbeine Siteraturgefd)i(^te jcigt fogleid) bie Unmöglid;feit aü- gemeingültiger SSertung , jebcnfaUä finb „9tenate" unb „1)cr ©d)immelrciter" mert, ber üorI)iu etmaö näl)er betrod)teten ^ugenbnooeUe „^mmenfec" alö tppif^e •FJeifternoüeHen beö Stlterö gegenübergefteHt ju merben.

3unäd)ft „?Renatc": ^eimat, Äinbcvlicbe, eine alte Sb^oni! alfo ein ed^ter ©torm!

„^n einiger ©ntfernung" fo beginnt er „üon meiner 58atcrftabt, bo^ fo, ba^ für Suftfal^rten ba^in nid^t ju meit ift, liegt ba§ SDorf ©d^mabftebt, rcelt^er 9^ame nac^ einigen G^roniften fo üiel I)ei^en foU als : ©uaueftätte, b. i. lieblid^er Drt." 2)er ^i^ter fübrt un§ bann in ben alten £ird;fpiclfrug: „^ie lange Sinbcnlaubc mit bem fc^[o{)raei^ gebedften Äaffeetifd^ barunter, bie fteile gronitne ^^reppe, bi^; unter ben alten ©itberpappeln jum %h\^ I)inabfü{)rtc, bie 5la^nfa{)rten jmifi^en ben fc^roim- mcnben ^eid)rofcn, biefc ^Dinge raerbcn bei oielen älteren Seuten ein f)übfd;cä 3lbfeit§ il)re§ ^ugenbparobiefeö bitben." „Unb ©c^roabftebt", fäl)rt er fort, „bot noc^ anbereä für bie jugenblicEje ^I>antafie; benn ©age unb balberlofctiene ©efc^ic^tc flecfiten if)reu bunffen ©feu um biefen Drt."

©0 l^at er bie ©egenmart mit ber 33erg'angen{)eit burd^ ba§ Seben uerbunben, bnö einen jeben SBanberer balb an biefen, balb an jenen Drt bringt, 'ifloö) finb mir in unferer 3cit, ba mir ein feitmärtö liegcnbeö „bem SSerfaü preiögegebcneö ®el)öft" erbliden. ©in alteö SBeib aber, baö ber er^äf)Ier bort antrifft, mei^ ju erjö^Ien, ba^ auf bem @el)öft einft eine §eye anfäffig gemefen fei, bie „'Dümel&marf" betrieben ^abe; ©onntags um bie i^irdijeit fei fie „nad) ^^orben ju in §cibc unb 2Jtoor f)inauö= geritten". ^lö^Iid) Ifahe biefcö aufgel)ört, unb feitbem {)aU fie i^r 3iJ"nier nid)t mef)r perlaffen; nod; il)re Urgroßmutter „t)abe baö bfaffe ©eficfit mit ben großen brennenben 3lugen f)inter ben fleinen ^enfterfdieiben fi^en feljcn."

Stovnt'j 5?ot»eneit. 385

2Bir nf)nen: Daö ift Sficiuitc, unD (jinteu Dem Slanipf um bcn ^eji-englaubcn einet rerfimfcnen SBelt birgt fic^ ber mobcnic ilonflift 5iui)c^en bem fird>Iid;en ©louben unb bcr ffarcn ©rteniitniö, luie if)n ber 5Dic^ter in ncu5citlicf)em 3ftal;men in „"öcroniEa" berüljrt ^nt.

2)ic 2lntn)ort bringt roie in „Aquis submersus" ein ahti 3)tnnuifript, bos ber ©r5Öf)Ier auf bcm Soben feincö 33aterl}Qu)"e5 finbet, alä er md) be§ ©ro^uaters Bräutiganiöbricfen an bie ©ro^mutter fud)t. ©in äI)u(irf)Cö ^3J^otiu alfo lüie in otifterö „•iDiappc". 1;ennorf) ift ^öc^[t ire[entlic{), \>a'^ mir mit bem Crt unb bcr ^ctDin bercitö ucrtraut [inb,,beüor unö bic .Ot^nöi'rfirift in t^a^i '^ai)i 1700 juriidDcrfe^t,

Ter alte "ipfarrer ^jofiaö erjäl)[t feine 2ebcnögefd)id;te ; roie er unb Sienale, beren treuer ^unb if)n als ilinb in @efül)r gcbra(^t, am bcr fie if)n errettet [jat, cin-- nnbcr in Siebe juneigen; mie fie, bie uerftänDige Iod)tcr beö fortfc^rittlic^ bcnfcnbeu unb fcfiaffenben ^ofbmiern, gfeic^ bicfem in bcn SSerbadjt ber ^eyerei fommt unö megen i^reö unfir^Ii^en Sinneö dou ^fiaö, ber inäiuifdjcn bcr 9]ad)folger feinco geiftlic^en 3Saterä gercorbcn ift unb bicfem auf bcm Sterbelager üerfprod)en ^at, non itjr 5u laffen, aufgegeben roirb. Xo6) me[d)e dualen, n)c(d;eö ©lud, metdie kämpfe liegen baämifcftcn, beuor es fo roeit fommt, unb tonnen mir I;injufügen iücld)c Mc^tcrifd)en Sc^önfjciten! 2anbfd)aft unD Siebe erfd;cincn alö ßinl;eit im Silöc Der 9ktur; j. 33. in jener 9}ionbnad^t, afö ^ofi^^' ""b y^enate baf)inmanbeln : „SBir fc^Ioffcu unfere .^änbc ineinanber unb fc^ritten fo mitfammen über bie meite ^offtatt nad) bcm gluffe 5U. 2Baö mir fpradien, mag nid)t üiel gemefeu fein; bo6) ift mir no^ bemüht, mir faf)en beib' auf unfere Schatten, mie fie vereinet nor unö auf ben 9?afeu fielen, unb fo baö 2Ronb(ic^t 3mifd;en if)nen ^lafe geminnen mottle, neigeten mir unö fc^mci- gcnb jueinanber unb fcf)auctcn barauf Ijiu, mie fie aufö neue in einö jufammenfloffcn. Tann ftunben mir auf bcr Uferl)öt)c unö fallen fcf)meigcnb in öug Sanb f)inauö unD hörten auf baö Strömen bes ?5^(uffeö, ber baruuter mit feinen SBaffern nad) bem 5Jiecrc I)inab5og." 2ßo ift bcr S^ooellift, ber mit fo furjen 3»^^" ^ic Siebe ,fo innig ju malen unb fie f)icr burc^ baö '-öiib bcr bem 'Dieere juftrebcnbcn SBettcu mitten in bic llncnblic^feit tcQ SBcItattö unb boc^ ingteid) renliftifd) treu auf ein tleineo Stüdc^en t)eimat[id)cr ©rbe ju ftcücn raupte!

3Kit iHefignatiou cnöct bic ^anbfd)rift, in bcr es an von bem Xic^ter natür- lich gemottten unb forgfältig motioierten Sücfcn nid)t fcljlt. iHber ber Begleitbrief, mit bem einft baö SDianuftript bcm Urgrof^onfcl bcö Grääl)lcrö überfaubt moröen ift, bringt einen Sid)tblid, ber ßnbe unb 9lnfang ber !:)loiieUe jufammcnfc^licpt, beun jefct crft erfahren mir, maö mit bem 3(uQrciten ber „.^eye" für eine '^cmanbtniQ bat : in bol)cm !:Ultcr i)ahcn fic^ bie ^crjen, bie nie ooncinanbcr gclaffcn l)aben, aud) äupcrlic^ micbergefunben, unö bic einfame S^enate l)at oon iljrem ©cljöft üuö, aus bcffcn un^ mittelbarer Sflälje ^ofiaö fic^ ^attc mcgücrfeben laffcn, ben greifen ©elicbtcn Sonntago nm bie Äirt^^eit, alG er fclbft längft nid)t mcl)r beö :)lmtee maltctc, ju ^^3fcrbe auf= gefuc^t, \i)m aud) feinen ^epenglaubcn genommen, ja i^n uon alten Vorurteilen einer toten 3cit befreit. Unb fo ift fie aud) in feiner 3:obcöftunöe bei il)m gemefcn. 'üJlaii fagt, fie \)abe „unter Vorfpiegelung trügeiifd)ei ijcilfunft öem armen ^errn ^ofiaö bae

•486 3?orbbcitiicf}c ©ttmmujigäpoefic.

l'cbcn nbgciuomien". ,Mn nbcr", fdjlic^t bcr ^ic^ter, „luiffcn beffer, irer fie war, bie feinen legten ^oud^ i[;m oon ben Sippen nai)m"

©0 üerbämmert ein Siebesleben, unib ber (Sebanfe be§ Sejer§ fliegt juvücf ju bcm abfeitö liegenbcn „bem SSerfatt preisgegebenen @el)öft", ju bem il)n juerft ber (Srjä^ler fülirte. 2öic eine ferne 9JJufif üerflingt ber le^te 3:^on au§ einer oerf^oHenen 3cit mit $tnfrf;wuungen, bie ühcxtjpli, entwertet finb; unb bod^ finb lüir bie (Sntel jener 3)Jcnfc^en, unb il)re Irrtümer nnb ©d^merjen finb bie unferen, benn norf) l)eute gibt es mandEien fd^road^en Sofias unb mand;e ftnr!c 3fienQte unb umge!ef)rt in .^eimnt unb g-rembe, unb manrfie ©Itern glauben nod^ l)eute, lüenn fie i^rem ©nbe nal>c finb, ouf bie ©eelen il)rer Äinber 3tnfprüd^e erl)eben .gu bürfen, bie im ©runbe ganj unberedjtigt finb unb ju gar nichts oerpflid^tcn, benn felibft bie ^Religionen fagen, "öa^ nid)t 'iNOler unb 3)hitter, fonbern (Sott bem 3Jtenfcl;cn bie ©eele gebe. %nx ©torm aber ift es d^arafteriftifc^, ba^ er folclie burd;anS mobernen .Probleme in haä l)atbe Sid)t ftellt, baS üon einer lücfenl)<iften ©^roni! unb münblic^er fagenljafter Überlieferung ausgebt, ba^ er unfer S^ac^benfen l^ierüBer ntit ©timmungen umfängt, roie fie ein roe^mütig ner- baHenber ®efang eines nie (Sefet;enen l)eriiorbringt.

%üv „^Renate" mie für bie meiften anbcrn Sflou^Ken ©torms ift oon Sebeulung feine Sluffaffung beS ^'ragifcEien. „^er uergeblid^e i^ampf gegen baS'^ fagt er einmal (1. 10. 1880), „maS burd^ bie ©d^ulb ober auc^ nur bie Söegrenjung, bie Unjuläng-- lic^feit bes (Sanken, ber 9)leufd;'l)eit, oon ber ber (mie man fic^ auSbrüdt) $elb ein ^eil ift, ber fid^ nid)t abjulöfen üermag, unb fein ober feines eigentli(^en Sebcns l)erbeigefül)rter Untergang fc^eint mir baS 2(nertragifd;fte (,.tarftcn 5lurator-, ,3Renote', .Aquis submersus*^, bei meldten id) an feine ©dfiulb bes ^aares gebadet l)abe)."

5Diefe 3:^ragi! ent^üEt fic^ in gleid;er ©d^i3nl)ett im © d;i mm el r ei t c r ", ber bod^ aud; roieber neue 3üge unb ^'arben seigt, mäbrenb bie ^^efignationSftimniung bcr früfiercn ©tormfc^en ^RoiueUen juriidtritt v>ox ber fröftigen ^Betonung bes SebcnS unb ber Strbeit. 2Bie in „SRcnate" n)cl)t aber <iuc^ l)ier ein fortfd^rittlid^er, moberner ®eift, unb bie ©oge mirb ju blntuoller, TOefenSftarfer ©egenrcart.

SBieberum merben wir nor ber eigentlid;en ©r^ablung mit bem ©diau^ pla^ befannt gemad^t. ^Der 2)id^ter fcnnt ben ^nl)alt bcr ?lor)elle auS einer S^it- fdirift, bie er als ^nabe bei feiner Urgroßmutter gelefen ^at. ^ei^t atfi> berieslet er frei aus bem ©ebäd)tnis nad) bem bortigen ®eraal)rsmann, ben er rebenb in ber ^c^=gorm einfülirt. tiefer nun ift nid)t ber roirflidie ©rjäliler, fonbern gibt auc^ nur roeiter, roaS er felbft üon einem alten ©d^ulmcifter r\a6) einem fonberbaren ®r= Icbnis erfäl)rt. Sin einem Dftbbernac^mittog giuifd^en 1820 unb 30 ©tormS (Se= burtsja^r ift 1817! fei er bei ftar!em Unmettcr auf einem norbfriefif^cn ^cid^ cntlanggerittcn : „^m Sinfen ^atte ic^ je^t fd)on feit über einer ©tunbe bie öbe, be- reits oon aOem 58iel) geleerte SJJarfdj, gur 9fled)ten, unb jiuar in unbel)aglid)fter 9?äbe, boS SBattenmeer ber ?iürbfec; jmar foÜte man üom 5Deid^e aus auf galligen unb ^nfeln fel)en fönnen; ober id; fal) nidjts als bie gerbgrauen SBelleTt, bie unouf= l)'ox[[6) mie mit SButgebrüa an ben ®eid) l)inauffd)lugen unb mitunter mic^ unb baS ^ferb mit fd)mufelgem ©diaum bcfpri^ten; babintcr un'tftc T'ämmcrung, bie öimmel

Storms ^JoDcHcn. 487

unb ®tbt' m6)t untcrfd;eiben (ic^; bcnn an^ ber I]nlbc 9J?onb, bcr je^t in ber ^ölje floni), xoav meift ooii treibcnbcm SBolfenbunfet ilberäogcn." 1)ie ^la^tbämmerung beginnt, roirb immer finftercr. /,3efet aber tam auf bem ^eic^c üma^ gegen m\6) I;erQn; id) Ijörte nid;tö; aber immer beuüirfier, raenn ber ^alhc 9)Jonb ein targeö fii^t I;erablic^, glaubte i^ eine bunffe ©cftalt ju erfennen, unb balb, ba fie näf)er fam, \ai) irf) eö, fie fa^ auf einem ^ferbe, einem t;od)beinigcn I)agern Schimmel; ein buufler 3)cantel flatterte um ifire Schultern, unb im 'Vorbeifliegen faf;en mid; jroei brennenbe 2(ugen an& einem bleichen 9IntUfe an. SKer lüar baö? 2ßa§ luolltc ber? Unb je^t fiel mir bei, \6) fjatte feinen .'Quffd;Iag, fein 5lcud)cn beS ^ferbeö uernommen; unö 9lo| unb SReiter maren bod; f)art an mir üorbeigefat)ren! ^n ©ebanfen bariiber ritt id^ raeiter, aber id^ f)atte nidjt tauge ^c\t jum ©enfen, fc^on fu^r pon rücfu'ärtö roieber an mir uorbei; mir mar, aiö ftreifte mid) bcr fIiegen^e 9JcanteI, unb bie Sr^ j^einung mar, wie baö erfte 50^al, lautloy an mir uorübergeftobcn. ^ann fal) ic^ fie, fern unb ferner uor mir; bann mar'ö, alö fäl;' id) plö$(id) ibren Sd)atten an bot Sinnenfeitc beö ®eic^e§ binuntergef)n."

3m 2Birt§^aue, ba§ er nun balb erreid)t, finbct er bcn ®eid)grafen mit anbcrn Scannern, unb atö er nun feine feltfame Begegnung ermäF)nt, gef)t eine Semegnng be3 ©d^recfenö burd) bie ©efeüfc^aft. „S)cr Sd)immclreiter!" I;ei§t eä.

©torm lä^t jebod; ju rid)tigem ©rufein nid;t fommen, benn ber alte Sc^uN meifter, ein friiljerer 2:'f;eoiüge, ber je^t bie S^oUc beö ©r3äf)[erö übernimmt, roeift non üornf)erein auf ben 9tberglauben f)in, ber mit ber ®cfd;ic^te uerfuüpft fei: ber ®e- fd)id)te ^ank .^aienö, cincö übcrragenben 'IRenfd;en, ber \iä) um bie Wiüc beö a6)U jc^nten 3al;rl;unbertö burd) fd)arfen 33erftanb unb ^atfraft auö örmnd)ften iscrljält: niffen jum 'J)cid)grafen emporfdjmang unb barübcr f)inauö in genialer ßrfenntniö, '!:'a^ bie aiten fteilen "S^eidie fc^räg abfallcnbcn mcidjcn müßten, um bem JinpraU bc5 SBafferö fit^erer ju miberftef)en, juni 2Bof)ttäter feiner .^eimat rourbe. 3(10 fölc^er nntrbe er aber ju feinen Scbjeitcn nur ron menigen gemürbigt, uor allem nou feiner 6Ife, ber ^od;ter beö früf)eren 2)eic^grafeii, bcffeu Stü^e, 9?ac^fo(ger unb Sd)n)ieger=: fo^n er mirb. Unverftanb unb 5]eib ^inberten i()n, fein ST^erf fo auöjubauen, ba^ allen Stürmen miberftanb. Gr gab nad;, baö mar feine Sd)ulb. Unb bennod; uormag et bei fc^merer Springflut in le^ter Stunbe alle S8eniol)ner ju retten ba fiel)t er fein SBcib unb ^inb im SBagen if)m feI)nfud)töiioU uad;fafjren unb jugrunbc gcljn. SSergeblic^ ftrecft ©tfe noc^ bie 3trme ju il)m f)inauf ba fpornt auc^ er feinen Sdiimmef jnm ^obeöfprung in bie SBellen: „.^err ©olt, nimm mid); uerfd^on' bie anbern!"

Seinen Schimmel ()ier rerbiubet fid) baö 33ilb biefcö cl)renfeften ß^araftcrS unb überlegenen ©eifteö mit bcr ^olföfage. 2Bie ift ^aufe ^aien ^u feinem Schimmel gcfommenl

Gin paar taufenb Schritt uon ber .Oofftellc beö ®eid)grafen „inö SBattenmeer {)inau§ unb etmaö meiter uon bem gegenübcrlicgenben 9}carfd)ufer entfernt fal) man bcrjcit eine »eine C^aQig, bie fie ^eueröfanb, auc^ ^euerö^allig nannten''. 9loc^ fräber mar fie alö Sc^afroeibe benufet morben, unb ein paar mei^gcbleic^tc ,<lnod)engerüfte

488 , 'Jforbbeutfcfje Stimmuiig'jpoefie.

crtninfencr Sc^nfe [oiuie bnö ©erippe eines ^feibeö inottte man bort crfennen, ,,iüenn bcr 2Ronb uon Dftcn auf bie .gallig fi^icn". 2In monb^ettcn 3lbcnben aber \ü^ man auc^ „bie Sfiebclbünftc Ici(i)tcr ober |c|)'roerer barüber ^injiel^cn". 3)a erblidte man plö^Iic^ einen 6(J)immel auf ber ^attig raanbcin unb f reffen, wäljrenb ba§ ^ferb= gcrippe oerfc^munben luar. 2)eö ©eii^grafen ^Dienftjunge ßarften, ber f)inübcrrnberk, fanb nichts als bag ©erippe, mä^rcnb man oom Sonbe an§i bcutticf) fa^, roie baö ^ferD „ben ^opf E)ob, alö ob ftu^e", unb bann fortroeibete. Sllä ber ^unge nac^ ber 9h"icffei)r micber faf;, padte if)n ©ntfe^en. 5tun gefd)a!^ eö, ba^ ber ^eii^graf ^anfe 4>aien balb banad), alö „bie 3^äd;te bunfel geworben i»aren", jnm <Srf)recfen feineö 3)ienftjungen einen abgemagerten ©cE)immcI f)eimbrarf)te, ben er einem oennilbcrten ©loroofen abgefouft Ijaik unb nun felbft fo pflegte, ba^ fic^ barauS ein prächtiges 9^ü| cntraicfelte. ©§ trug aber nur il)n unb marf jeben anbern ab. 2ßaS aber ^atte ber ,3unge entbedt? 'Ciaö ^ferbegerippe auf bcr gallig lüar oerfdimunben, er ^atte fic^ fefbft übcräeugt. „^c^ fann bir fagen, mo es ift", fagte er ju bem 5lncd)t, mit bem er bamafs ben gefpenftifc^en ^Tatbeftanb unterfucf)t f)atte, „eS ftel;t in unferem ©toU". 5)ie Sad;c mar ftar: ber 'Deidigraf ftanb mit bem Teufel im 33unbc. Seitbem bc= trad;tcte man ben 'I)eidjgrafen mit abergläuibifc^en 3Iugen. Unb als nun bcr „<B6)m- melreiter" in ber j^Uit ben ^Tob gefunben I)atte, ba ift „jenes roeif5e ^ferbgerippe mieberum mie uormals im 9}ionbfd)ein auf ^eoerSljaHig gu fel)en gemefcn; bas gan^e ^orf rain es gefe^en f)ai»en/'

®aS märe ja nun fo etwas wi-e ber fpu!§afte ^licgenbc ^oEänber unb ber ßrifönig unb ift im ©runbe bod^ nur eine rannbcrb-are Sd^ilberung ber ^aEiglanb= fd)aft, bereu meif3c 9Rebel im SBinbe gefpenftifd;e 3^ormcn anneljutcn nnb fi^ bemegen mie lebenbe SBefcn ber 33crid)terftatter, bem ber «Sc^uhnciftcr bie ©efc^ic^te erjäfilt, f;at es jo bei feinem 9iitt felbft erfal;ren, für mas man im ^unfein oorüberjagenbe Sfiebcfftreifen galten fann. ©ntftanben ift bie ©age uom (5rl!önig unb ^tiegenben .^oHänber aus ganj ä^nli(^cn ^orfteüungen f)erans.

Storm ucrraertct aber biefeS 2anbfd)aftSbi(b mit aller Deutlic^feit für bie ©eftaltung ber Sljaraftere unb ben burd)auS moberncn ©runbgebanfcn feiner 3)i(^; tung, benn, fo meint ber Sdjulmeifter, eS fei nid;t mei)r leicht, einem S^ofrates ©ift ju trinfen ju geben ober 6£)riftus ans 5!rcuj ju fd)Iagen, aber „einen ®ema(tsmenfrf)en ober einen böfcn ftiernadigcn Pfaffen jum .^eiligen ober einen tüditigen .^er(, nur roeii er uns um Kopfeslänge übermac^fen war, gum Spuf unb 3]ad)tgcfpenft ju machen bos gel^t noc^ aEe ^age".

Gr f)at feine eigene SBelt, biefer 3tomantifer unb 9tealift, biefer ^reunb beö i)erfun!enen Ginft unb mobernen ^e^t, biefer ^erc{;rer beS foufcroatioen nnb fort= fd)ritt[id)en öebanfenS; unb fo F)at er auc^ feine eigene 3(ftjl)etif, bie bisweilen ganj nur innerf)a[b feines noueUiftifdien ©^affcns 33cre^tigung bat. @r ift nid)t wie §ei}fe ein 2!arfteIIer bes Sd)önen unb ©bleu fd;Ied)tf)in wie I)ätte er fonft ben „GtatSrat" unb „Xoppeigönger" fc^reiben fönnen? ©runbnerfc^ietien finb feine 3J(0- tii)c nnb Stoffe, aber er weif, fie immer in eine Beleuchtung ju rücfen, bie wir i)orf)cr nicf)t rannten, unb bie uuö traumfjaft über unS felbft erl)ebt.

^einricf; Seibelä 2ebc\\. 4B9

2Bnö fi^ in ©tonn ju [eltcncv 5lunft ucreinigt, \>a^i i[t im cinjchieu luic in ber @eJQmtI;eit rein bciitfd^. 2ßenn lyiv baö ncun3ef)ntc 3afjrl;unbcrt nnc^ einem 2)id)tev burc^forfd;en, in bcm fi^ bcutidjCö SÖefen am tlarften auöpräcit, fo fi^öcn mir feinen, ben mir in bie^r 33cäiel)um3 über Storm fteUen fönnen. ®aö liegt in erfter Sinie nn Der 33ertiinming bcö 9to(^bcnf[id)cn, 23c|"innlic^cn mit bcm ©cmiitooUcn, Sßerträumten. ®nö beut[c^c Qüw^j, ber Deutid)e Sßnib, bie beutfc^e öcibe, ber bcutfd)C ©{)Qratter baö otteö, in eine Silbe gebrnd)t, f)ei^t Storni.

gibt ^ic^ter, bie t)on ben beiben ©cjd)lcd)tern cbenfo mic uon Den Sebenö- ahern ücr[c^iei>en bemertet merben; "Dichter and), bie mel;r für Cptimiftcn über .^ei'fimiften jn fd;reiben id;einen. Soldic Unterfd;iebe fallen Storm gegenüber faft ganj fort. 3Serfd;ieben bemertet mirb er je nai^ ber met)r ober minber reid;en 58er; anlagung beffen, ber il;n lieft, aber nid;t auf Stu^crli^feitcn fommt babei an. ^tan fann rul)ig fagcn, Da^ biejenigen, bie Storm roieber unb mieber Icfen, bamit non iiornl;erein einen gemiffen Seroeiö erbringen, ba^ fie beö Umgangö mert feien, ben ber ^efer etma feinen 5linbcrn münfd^en nu)d)te; benn fo fel;r StormS Dbnelle in Der {^amilie murjelt, fo iierlja^t ift i[;m atteö Spic|bürgerlid)e, (Sng^eräige unb ^anaufifc^e.

Unb meiter: Storm, fo tief er feine ©cbanfeu aucfpiuut, mirb niemalö lel)r= l;oft, gefc^meige benn pebantifd). S^od; a(ö ©reiö fur^ uor feinem ^obe fragte er bc- fdjeiben, nad>bem er Den „Sc^immelreiter" ben Seinen uorgetefcn l;atte, inbem er mie liebfofenb mit ber §anb über bie Blätter ftric^: „3ft es nic^t langmeilig?" 9)lon foHte feine i?(rbeiten nid;t lefen, meil fie fc^ön feien, fonbern man follte il)re Sd^önbeit entbecfen, inbem man fie laö unb mieber laö, anö 2uft unb o[)nc 3i"^"9-

3|n bem 33ebürfniö, „nur baS mirflid; ^oetifd;e barinftellen", Ijat Storm fi(^ auf ben tnappen 3h-il)meu ber Sf^oucIIc befd)ränft. Steuer pricö ibn 1875 alö „ftiUen @olbfd)mieb unb filbernen (^iligranarbeiter". 1;er S^ooeHe I;at er oor ber SBelt ein gotij neneö 3(nfet;en gegeben, er ^at fie ju einem neuen ^ö(;epunft ber ^oefie gcmad)t. 9Iud) oon biefer Seite mup man Storm feljen unb mürbigen. ©s gibt feinen eingigcn beutfc^en ^iditer, beffen gefamteö Sebenömerf auf fo geringem 3Raum fo niele Sc^ön- fieiten birgt unb foniel ^eDeutung gerabe für bae ^eutfdie in unferer Literatur befifet.

4. ^citivit^ Sclöelö ßcöcii.

Sie f)abcn einanber pcrfoulid; gefannt nuD alö Xic^ter l)od)gcfd)A?l, Storm unb Seibel, bie bebentenbftcn Vertreter norbbeutfd)er Stimmungöpoefie. 3Iuf ben elften 33lid fd;eint eö, alo feien il)re ^kk cbenfo ncvfc^icben mie i^re SBege. So bufter, meland;olifc^ unb refignicrt Stormö ^fJouellon auoflingen, fo beitcr, lad)enb unb glüdlid) finb Diejenigen Seibclö. tiefer fudjt nic^t mie jener mit ^Unliebe ^Ruinen unb alte (Ebrouiten auf, um fie bnrcb neue Gieftalten unb mebmütige Träume ^w beleben, unb ben fd;meren, fc^mermutönollcn ^ebcuöproblcmen mcidit er gern auö. Unb boc^ bauen fie, beibe mit ec^t norbbeutfc^er ^nnigfeit, auf bemfelben ©runbc: Oee Stimmung, bie fie nor allem in ber 5]atur erlaufdien.

|>einrid; Seibel mürbe am 25. $;^uni 1842 ju Berlin, einem ^orfe in 3)cec!lcu^ burgrSc^merin, alö Sol;n eine^i ''Pfarrerö geboren, ^ier blieb er biö jn feinem neunten

490 5Jorbbcutfd^c Stimmung^poefte.

SebcnöJQ^re, unb bcr gropc ©arten bilbcte fein ^inberparabicg, beim „er enthielt pielc Sauben unb bid;te ©cbüfc^e, in Denen man einfam f)auicn unb 9?obinfon unb ©infiebler fpielen fonnte". 2)er Heine ^after^^cineri^ raar unter ben ^orffinbern fein ©pielüerberber. ©eine Sieblingg&efdiäftigung inbeffen beftanb barin, an\ bcn ^nien cor einem ©tu{)l ju liegen unb ju lefen. (So imirbc bem Knaben frfjmer, fein l^ugenbborf gu oerlaffen/ alö ber 33atcr nad^ 6(f)it)erin oerfe^t würbe. 5}iu^te man hoä) fogar oon bem alten treuen ^au§f)unbe ^t)t)Iaf fc^eiben, ben ein befreunbcter ^aftor üor^er in einer ©foöfutfc^e abholte. „%Ut fanm", ,fo erjöl)It Seibel in feiner 6eIbftbiogropI)ie, „'i}Citk man ben ^unb {)ineingeIodt unb bic ^ür gefd)[offen, fo fprang er aud^ fcE)on ,mit einem mächtigen ©a^e burc^ bie Hirrenbc (SlaöfcOcibe roieber fjinaus unb au^er fid^ ror ?^reube über feine Befreiung an unö in bie ^bl)e. ülber Ijalf iljm nic^tö, er rourbe in einen Bad gefterft unb mu^tc tro^ feines jammerüoHen ©cminfelg boc^ mit. mar ^erggerreifeen^. 'Man i)at baä treue ^ier in bem neuen SCBcl^norte an bie ^ette gelegt, ,meil fonft nicfit geblieben mdre, unb bort ift batb auö ©ram geftorben." 2{Ifo eine Srinnerung mie bei .öebbcf, nur mit onberem iUJotiü!

®e§ Änaben träumerifc^eö SBcfen trug il;m in ber ©d^roeriner S(^ule bie S3cinamen „®römer" '(^Träumer) unb „Slapmü^" ein. (Sin guter ©d^üter mar er nicbt. (Sinmaf mürben if)m 25 Pfennige uerfproc^en, raenn 'ü)m gelingen foEte, im Zeitraum einer 2Bodf)c nic^t „nad^jufi^en". 9lber er gewann ben ^rci§, roie er fidb mit 33efricbigung erinnert, unb faufte fid; uon biefcr Prämie eine HJlauItrommel. Um fo bebcutenber mar er in "SQalh unb ^elb, jumal an ben Ufern bes na^e gelegenen ^innomer Seeö, ber mit feinen beiben fleinen ^nfcln eine S^n'oc ber Sanbfc^aft biTbet. Über bie eine ^nfef, bas fogcnannte ^aninc^enmerber, bie f)ügelig unb be= mafbet ift, fagt ©eibel : „(So mar ber ^raum meiner ^ngenb- unb ift nod; je^t ber S:;raum meines beginnenben 2((tcrS, biefe ^n]d gang für mic^ .allein ju befi^en unb in frieblic^er ©tiHe in biefem fleinen ^arabiefe ju I)aufen." ^ür bie g'erien traten alö (Srgänjung bie (Süter jrocier Dl)eime l^inju, S3rcbentin bei ©üftrom unb ^ncefe bei (Sabebnfc^. So erttört fic^ in ©eibetö ,'Sid;tnngen rieleö, maö fid; auf baö Sanb^ leben bejielit, auä 3(nfdf)auungen, bie bereitö ber i^nabe gemann.

„^u ^einrid^", fagtc eincö Slbenbö fein brcije^njä^riger .Sruber ,^u if)m, alö fic fd^on im Sette tagen, „ic^ mitt mid^ nun auc^ cerlieben. ©ie tun oHe.'' „Sei^t M benn fc^on, in men?" fragte ^einricE). „^a", fagte er unfe nannte ben 5Zamen, „morgen frü^ fong' id^ an!" ®ann brcfjte er fid) gegen bie 2Banb unb fdjiief ein. ^ünftlicf) unb gcroiffcnt)aft erfüllte er am anbirn 5Jbrgen fein ^erfprec^en. ©o blieb benn ou(^ ^einric^ nidjtö anbereö übrig, ©ie l^ie^ Helene, ^m ©eifte befreite er fie a(ö füfiner )R\tkx an^ taufenb (Sefal^ren, aBer gefprod;en Ijat er mit \i)x nid)t.

^n ber testen ©djulgeit befd)äftigte er fid; befonberö üicl mit *^t)i)fit unb (^I)cmie. (Sr entfc^to^ fid; benn aud^, „9J?afcbinenbuger" ju werben, '^ad) bcr ton= firmation (1859) trat er a(ö 2ef)rling in bie ©c^meriner 2ofomotiD::3'?eparaturmcrf; ftötte ein. (Sin 5af)r barauf, alfo im 2Uter üon 18 ^a^reu, bejog er baö ^olgtec^nifum in .öannooer. ©eine erfte 2Bof;nung f)at er am 3(nfang ber „2ebered)t öüf)nd)en^(Se= f^id)te" gefd)ifbert. öier in .öannoper folgte auf ^efene üorübergeF)enb ein $annrf)cn.

.^■»ciitrif^ Seibcfs Scbcn. 491

ba§ fid; aber jc^lie^lic^ afg ein gor ju gro^cö ©änäc^cn eriuiec.. :Die 3""cigunq bc§ jungen ^o[!)tcc^nifcr§ iinirbe ^^jebcömal mit faltem 3BQ[fcr begoffen". SHö fie beii .Kometen üon 1861 bcroiinbcrten, meinte Seibel, ber uon 1858 fei gcöBer gciocjcn. ©Q blicfte ifjn ^onnc^cn evftnunt nn: ,,^nbcn Sie ben niirf) ge[el;en? Sie marcn bot^ bamalä nocf) gar uic^t in .^annouer."

Sr arbeitete bann in jmei 9}lairf)inenfnbrifen ju ©üftrom, ebcnfo am Srf)raub; ftocf unb 3lmbo^ mie am ^eid^enbrett. ^m Dftober 1866, alfo im 3I[ter luni 24 l^^^abrcn, ging er nad^ 23erlin fo erffärt fid; ber Xitel feiner fc^altf^aftcn Se(bftbiograpf)ie «S5on Berlin nac^ Scrlin" , nm bie ©eroerbeafabemic jn bcfuc^en. ^a^ er, mic fein SoI)n SBoIfgnng fpäter uermäl^It mit feiner 33afe '^na Scibel, ber je^t be= fannten ^irfitcrin in ben „Srinnernngen an ^einrid) Seibel" 1912 t)ert)orF)cbt, „in feinem Äoffer bie .^onterbnnbc It)rifd;cr ©cbid^te unb äbnHd)cr Suftgefpinfte mit fic^ fil^e, ba^ er beim Sd)rnnben|d;nciben 58erfe mad^te unb bie Seiten feineö tcd)nifd)cn '^ad^falenbere mit g)Mrd;enfd)iIbcrungen bebedtc bas alleö blieb fein forgfam ge= F)ütete§ ©ebcimniä. Tngöüber l)odtc er über bcm 3firf)enbrctt, roäf)renb um il)n bie Sfciftifte unb 9iei^febcrn feiner SJiitarbeiter fd)arrtcn, etmaS ftubenfarben unb gan^ in bie oerborgenen Sc^önl)citcn einer 3i<-'9^I»'ttf(^i"C P^fr einer 9J?ül)le oertieft, und) j^eierabenb jebocf) unb biö tief in bie '^aä)t I)inein lag er auf feinem gebirgigen Sofa, trönf bünnen 3:;ec unb uerlor fid; in ben ^rrgängen üon Xied§ ^tjantafuö."

9?ad}bcnt er 1868 feine Stubien nbgcfdiloffcn battc, trat er in eine berliner 2Rafc^incnfabrif ein (SSöl)lert in ber (E^auffecftruf^e), wo er Sofornotiuen bauen F)nlf. 'il'^ad^ weiteren jmei 3al;rcn fanb er eine Stellung im 33nrcau ber „^erlin='ipotöbam= IRagbeburger ©ifcnbaljugefcllfdiaft", mo er eiferne "Jiäd^er, 'örücfen u. a., auä) für ben ^otöbamer 53nl)nl)of in "öernn, entmarf. ^m Sf^oucmbcr 1872 finben mir il)n al5 Ingenieur im Bureau ber „S3erlin=9lnbaltifd)cn ©ifenbabngejetlfdjaft", mo er t>or aEcm beö ?(nl)nlter ^al)nl;ofä öanen=Überbad;ung, eiferne ?^enfter unb l)i)brauli|d)e Slufjüge fonftruiertc, ferner bie Unterfnijrungen ber 9)orfftrii^e, bcö Sd)iffal)rtö{anal§, be§ 'J^empelbofcr unb bc§ .^aricfd)en Uferö in Berlin. 1880 gab er biefen Beruf auf, nni fortan 'alö freier Sd^riftfteller ju leben.

^ur^ feinen Sanbönuinn ^riebrid) Gggerö, ber an ber ©emerbeafabemic über Äunft-' unb Äulturgefc^id)te loö bei Dtto 9^oquette l)örte Seibcl 2iteraturgefd}id)te , rourbe er bereits ein ^aljr nad^ feiner 9lnfunft in Berlin mit jmei anbern mcrflen^ burgijc^en Stubenten in bie berübmtc, 1827 gegrünbetc ^octenoereinigung „Tunnel über ber Spree" eingeführt. 3" "^^^ tctjten Sifeung, an ber ^aul .^epfe teilnal}m, am 5. Januar 1868, nntrhe er unter bem Tunnelnamen „^une 3(nafreonS" ale^ ^]niil: gliet aufgenommen. .<3icr la5 er feine erften Kardien unb Okbid^te nor.

Seit 1875 iicrmäT)lt, bepg er eine 5Bol;nung in ber ^robenftraf^e 3C, fünf ^ü^re barauf %m ^arlöbabe 11, mo feine bebeutcn'bfteu ®erfe entftanbcn. ©r lebte üMIig jurürfgejogen feiner ??nmilie unb feiner ^oefie, unb feine einjige Sorftreuung mar, mnn mir bie Bciud;c feiner ^veunbe unb ben Berfcbr mit ber ^atur abred)ncn, bie Scitungöleftüre im JPeinbaufe uon ^u\l) am ^otöbamer ^UatJ.

^er l)eriiorragenbfte jener >^reunbe mar Xl)eobor Storni, bem bor jüngcrf

492 5?orbbeutfcl)e Stimmungöpoefie.

©eibcl fciiic elften poetifc^en SSerfuc^e äiiianbte. ^eboc^ uiicingefc^ränüe 3lnerlennung jollte ©torm erft hcw 9louetten „Daniel ©iebenftern", „Dbvffeiiö", „Engelbert" unb „®ic grüne ©tbcd)[e". 6r fönne firf), fagt ©tonn einmal uon ©ei'bel, „ber 3Sor[teEung nic^t ern)et)ren, alö jeien beibe mir äroei Slütenäroeige eineö unb beöfelben ©tammcS".

9Mc^ft ©torni finb I)ier ouö ©eibelö ?^reunbeöEreife vox anbern 511 nennen ^oljcinneö Trojan unb ©mit ^ocobfen, biefer Don ©eibet in „£ebered;t ^üf)nd)en" unter bem ?ianien .Ooi^cImüUer unfterblic^ gcinad)t.

^fol^anneö Trojan f)at unter bcn ^reunben ©eibcl am nö(^ften geftonbcn. 3{ber nid^t nur beöljnlb uerbient er in einer Siteraturgei'cE)i(^te genannt ju roerben. (Seboren am 18. 9higuft 1837 in ©anjig, ,f)at er jaljräet)ntetang (feit 1886) als 3?c= batteur beö berliner „^llabberabatfcf)" eine Iiterarifrf)e unb po(itiid;e 9Jlad)t bebeutet. 3(ud) er ift ein ©timmuugöfünftler, ber ,in ©rää^lungen unb ©ebic^ten baS Seben in bcr ©ro^ftobt mie in ber S^iatur ju üergolben mei^, racnn it;m ai\6) feineö poetifc^ meit bcbeutenberen g^reunbeö ©eftaltungsfraft nic^t ju ©ebote ftc^t. ©ie lernten ein= anber 1879 fennen unb [djtoffen ^^reunbfd^aft, jumal na^ gemeinfnmeni 3(ufentJ)aIt in SSarnemünbe, in beffcn 3läl)c eine riefige ©tranbbiftet an ber beraatbeten Äüfte für bic forgcnben 25 ^af)re bie ©teile i{;re§ I^äufigen Qi^f^iinincntreffenö bejeic^nete. sDicfe fogenannte Sbftocfer ^eibe ift ber Sd)auplafe uon ©eibelö (Srjäljlungen „SDie golbenc 3<^it"/ //Engelbert", „®er 3:aufenbmarffc^ein", „®er «O^fcl^^wi^i"" unb „Xer ^afe[fd)[ag". Xrojanö unb ©eibetc- 39riefmec^fel bitbet eine anmutige 9Jlif^ung au§ ^eräfic^cn ©efinnungen, gamiliennad;ric^ten, S^reubc an ber 3fiatur, inSbefonbere ^ffonjen, 5ßi3gern unb ©d;metterlingen, unb t)eitcrem ©djerj, ber namentlich bie ^inge beö alltäglidjcn Sebenö ju roürjen oerftelit. 5löftlid) gu lefen finb bie 53riefe, bie Trojan megen 3JiajeftätöbeIeibigung uerurteiU auö feiner SBei^fefmünber ^■eftungöljaft an ©eibel fdjricb. „B6)\dc mir, wenn bu fonnft, etmaö Sinariafamen im SBrieffuuert, f)ier ift cermitterteö ^TRauermcrf", F)ei^t in einem ©d)reiben beö ©efangenen uom 24. ^uni 1898. 3(ud) gereimte Gpifteln fanbten fte einanber ju. 3um 60. ©eburtötag 3. 33. ftiftete ©eibel bem ?freunbe 60 .^rebfe mit ^umoriftifd^en S3egfeitrerfen, bie ju SHürfbücfen auf bic 33ergangen^eit aufforbcrn:

SDrum für jebeS ^o^i' nimm ^ier ©inen SlreB§, bie§ ütürfmärtSticr, 2)€nn er fann bie Singen bve^n

Unb bamit nac^ rürfmört§ fe^n

SDeine HIjr foU niemals flel)en, Steine 58üd)er füllen ge^n, ®ein€ .^inber fro^ gebeil;n

Unb bein 95Seib ein (Sngel fein

3<3ud)äcnbc S3erleger fotlen

^ir bcgeiftert Seifalt äollen,

Unb felbft bie mit ®ummifutfd)en

S^or bir auf ben Slnien rutfd^enl

Sßkic^ien folten beine O^enten,

3)rci 9}?illionen 5l6onnenteu

Soll ber .^labbernbatirfj gettiinnen

^teinric^ Seibels öeben. 493

a.^011 jciner 31m er unreife (1900) gratulierte irojaii jeinerfeitö Seiöel eben= fallö poctifd):

Seit id) Don (Suropenö Stranbe ' ^n bic C[;ren laut bir i'c^all e^,

aJZir Äum ^eilc mic^ eutfcrnt, i "^a^ nuu folgt ein SBeifcr fpricf)f§,

^ah' ic^ in bem frembcn Sanbc i S>arum mcrt'^! ©efc^ft ift allcö,

53iel gefel;en uiib gelernt. j Unb bie ^oefie ift nidjt»

SBic bu lebft, mirft bu mit nickten Sammeln Diel an S^ah unb ®ut, Xu üerfäumft bie 3eit mit ®icf)teu Unb gel;ft tiiel äu oft ju §ut^.

2)iefen fd;er5{)aften Xon crl;ielten fic^ bic beiöcn biö inö ^o^e :?ntcr. 2Bic alle großen |)umoriften maren fie im ©runbe ^effimiften, aud; bcr SSerfaffcr „2ebered)t ^ül)nd)cn§" S^rojan beftätigt unö auöbrüdlid) : „Unö beiben ift ber fogenannte Dptimiömuö unfpmpatljifd;." Unb (Seibclö So^n Söolfgang erflärt für ein Stüd Don feineö 58atcrä 3)tcnfd)enbcurtcilung, raenn biefcr im legten ^anbe beö ,/JicinI)arb ?5'[cmming", feineö legten 53uc]^cö übcrljaupt/ „ben fd^nurrigen ^^Jolijcibiencr 3)hibra(^ ben monumentalen Stuöfpruc^ tun läfet: ,^d^ l)abc ja in meinem mül)ei)üllen unb un= banfbaren Scruf foöiel mit ben friminellen ©d)atteufeiten bcr menfd^lic^en Kopulation ju tun gcliabt, ba^ \ä) im allgemeinen bcr 3lnfic^t bin, fie ift feinen Sd^illing lucrt.' Bo erflärt fid; aud^ jum ^eil Seibelö inniges 5ßerl)ältniö jur S^Jatur, in bereu 'i5er= ftänbntö unb .^enntniö im einzelnen er beinal)e mit 2lbalbert Stifter Ijättc auf= ncljmen !önucn. So mar er ftolj barauf, ba^ in feinen 1;idjtungen immer bie ridjtigcn Sd^metterlinge an^ ben rid)tigen @ebüf(^eu Ijeranöflögcn, unb baf? feine Slumeu nid)t bie in ber Literatur fo uerbreitete @emof)n^eit l)ätten, in ncrfcl^rtcn ^})buatcn ju blül)en. 9)kn mag fein ©lud ermeffen, als er enblid^ in Sid^terfclbe ju einem eigenen §aufc awd) einen ©arten fein nennen fonnte!

©in großer SSere^rer bcr 9Iatur mar auc^ Seibelo anberer ^^reunb, bcr 6l)cmifcr Gmil ^acßbfcn, ein fatirifc^ ueranlagtcr Sonbcrling, ber mie 'Jrojan auö 1)anjig flammte unb am 11. ?^ebruar 1911 im Filter oon 75 ^abreu in (Sl;arlottenburg ftarb. ;^5n bcm ^ül)nd^cnfapitcl „'^^adj Xegcl" fc^ilbcrt bcr 2)icl)ter ta^i jtn^ere bicfeö oii-- gineUcn alten ^unggefcllen. (ir fd)lief?t : ,/^Iuö bcm bräunlich getönten G5cfid)te flauten burd) eine golbcnc ^^rillc jmei gutmütige, aber etmaö meland^olifdje :}lugen. Giue ©igcntümlid^feit non Xoftor .^aucImüUer mar, t^a^ er faft nie lad;tc, fonbcrn auc^ bic größten ^oll^eitcn unb luftigfteii Sacljcn mit einem mebmütigcn Tone um) forgenDollcn ©efid^töauöbrurf norbrad^te, moburc^ bie SBirfung foldjer Spä^e bebeutenb cr^öf;t mürbe."

Seibclö fiieblingöbidjtcr maren ©. T. 91. ^loffmann unb Gbarlcö I)idcnö, alfo, menn mir bic Sitcraturgefd)id;tc fragen, ein Sbmantifcr unb ein 3lcalift. 3?c5cid)ueiiö ober ift bcr Spiud), ben er auö ben „Scrapionöbrübern" beö ?)iüuiantiferö als 'üJiotto feinen eigenen 2Bintcrmärd)cn üoranfteOte: „lieber prüfe mobl, ob er and) mirflirf) baö gefdjaul, maö er ju nerfünben unternommen, el)c er magt, laut bamit ^u

494

Sorbbeutfc^e StimmungSpoei'ic

n'CTbcn/' hierin jci, meinte er, ba§ ®el)eimniö aller ^unftiüirfung nuögc|prorf)cn. 2Ran fic^t/ in rceldfiem ©inne er felbft aU 9fiea(ift aufgefaßt fein möcf)te,

©cibelö Sebeutnng in ber Sprif unb im 3Jlärcf)en tritt fe^r gegen ijic in ber ^toüelle äurüd, inenngfeirf; man i^n auf jenen ©ebieten alö 3Jieifter unb ^rciö^ lichter anerfannt l^at. ©u raenbet fic^ ba oorroiegenb oti bie $^ugenb, bic i^m piele teiäcnben Sieber unb ®efc^i(i)ten rerban!t. ©ö erfrf)ienen feiue ©ebic^te 1889 unb 1893 als „©locfenfpiel" unb „9?eue§ ©rocfenfpiel", feine SJ^ärc^en dou 1880 biö 1889 : ,3intermärd;en'^ ,,®ie SO^onate", „'J)er ^ofetrourm" unb „Söolbfrdulein §eii)ta".

3lm 7. SloDcmber 1906 ift er geftorben, mit I)eiterem 9lnt(ife. ®en f^onften "9?ad^ruf mibmete ibm fein alter ?^reunb Xrojan:

Ü^ief nic^t ein S3ogelftimmdjen norf) 2lu§ blauer Suft ^erab, 31I§ lüir erft thm rt>ar hod} ®efenft bic^ in ha§> ®rab?

mar an reinem ®oIb fo reicf) ®ein f|eitere§ ®emüt, Unb toa§> bu gabft, ben 39Iumen gleicf) 3ft öon felbft erblüht.

Um un§ n)irb'§ [jellet grü^Iing^tag 93ei beni, h3o§ bu un3 fc^ufft, Unb 3fiolcnbuft unb S^ogelfc^Iag <Sinb ba, h:)o^in bu rufft.

®u ^a\i gen^al^rt bir lebenslang Gktreu ber Seele Sinf; Unb auä} ben letzten fd^iüeren ©ang ©ingft ftiti unb Iärf)elnb bu.

5* 6etDeU ^n'^ä^tungem

^n Seibelö bi(^terifcf)er ©ntraidlung laffen fi^ meljrerc ^erioben uuterfc^eibcn. Seine erfte (Srjöfihing n;ar menn rair von einigen SRäri^en abfef)en ber „$Rofen; fönig", ber gerabeju alö ein 3(b(eger ©tormfdier Slunftprofa erfc^eint (1869/70). ®aö gan5e Sa^rje^nt t>on 1870 bis 1880 geigt ©eibel nod; in einer gemiffen Stb^dugig-- feit Don ®id)tern, bie er vox anbereu bea)oräugte. ®a lueifcn auf ®. X. 31. ^offmann bie g^oüetten „^aö alte ^auö" (1875), „^rof. 3Jlucfcnfturmö SebenSretter" (1875) unb „Daniel Siebenftern" (1877), auf 9f?einid „erifa",.auf Storni auc^ noc^ „Son^ nenuntergang" (1870), „3)ornrööd)cn" (1874) unb „^^orinbe" (1880), auf Stifter unb u)ot)l ebenfaDö Storm „^a§ 3rtelier" (1877/78).

9(m Qnhc biefer ^eriobe fe^te mit bcm erften %c\[ r>on „£ebered;t ^übndjen" (1880—1893) ba§ üöllig felbftänbige Sd;affen, bie eigentliche SBIüte beg 3)i(^terS ein, bie man bis jum 3{bfc^lu^ feineö ."oauptTOerfeö, b. )). biö jum ^af)re 1893 rei^uen, alfo gerabeju alö ^ü^nc^enperiobe bejeidinen fann. ^i" b'iefen üierget^n ^o^i^en entftanben feine beften ^eimat^ unb SSorftabtgefc^icbten.

^Die dritte unb fe^te ^eriobe reicht oon ber SBeenbigung „.§üf)nc^cn§" biö jum Xobe bes ®id;terö, atfo uon 1893 bis 1906 unb ci^arafterifiert fic^ burc^ baö Seftreben, bo§ eigene ficben getreu nac^ perfönlic^en (Srinnerungen („3Jou ^ertin na(^ SBerlin", 1893/94) foiüie in poetifd)er Umgeftaltung („Stcin^arb j^remmingö 5(bcnteucr", 1. »anb 1898/99, 2. unb 3. 33anb 1905/06) feftjuf^alten unb auSjumalen. 9tu|cr= bem tritt jefet bie reine ?iaturbeobarf)tung unb i^re ^TarftcHung nod) rief ftörfer aU früher in ben 58orbergrunb.

Tas Sßerf, baö if)n am meiften be!annt gemacht i)(\\, „ßebered^t ,^ ü f) n =

6eibeli8 Grjä^tungeu. 495

d)en ", TOQr i^m burcfiauö iiic^t baö liebfte, fc^on beötjalb, lueil i^n bie [alf^e 3tuf: fajfung oerftimmte, er f)abc ba beii ^ppiiö eincö Dptimiftcn jei^ncn mollcn. SBicbcv: um ift ratfom, I;ierüber sunä^ft ben ©of)n bcö 3)id;terö ju f)örcn. ,,1)ie '^(cl", fagt er, „mit ber er (^üljnd^en) bie SSelt überiDiubct, ift nid^t f^armlofe 331inbfjcit gegenüber ben SBirtlirfifeiten bcö Söfen unb beö Übels, fonbern ber uue ber Siebe ge: borene SßiHe, ber nic^t nur ben ©eift ber natürticfien Selbftiucf;! burd; bel^arrlidie Cffen= barung beö ©utcn gu befiegen trautet, fonbern aud; ben im Sebenöfornpf 58cnadjtcilig= ten alö ©rfa^ für t)ergänglid;e Singe bie ewigen ©üter beä inneren Ccbenö, ber äu ben ©ternen fliegenben ^^nntnfie, beö guten ©emiffenö anbietet, ©ciui^ prcbigt jeneö 33ud^ ©enügfnmfeit, nämlid) in bem Sinne, ba^ ber nm rcicbften ift, ber am rccuigften bebarf. ©benfo aber üerfünbet ec., in einem f)öl;eren Sinne, bie Ungenügfamfcit, Daö unerfättlid)e SSertangcn nnc^ Sid^t unb 2ebcn, nac^ innerer ^reibeit un^ iiroft brüber^ lieber Sarmiierjigfeit. ^n einer ^iw, bie bem materialiftifd)cn ®ogma nerfaKcn ift, tonnte es nic^t ou&bleiben, ba^ bie unbequeme Wal;nung, bie auf allen blättern biefer einfallen (i'rjäl^Iungen in ber ?vorm einer icbenbig angefd)auten ^erfönlid)!cit auö-

gefproc^en rourbe, ben 9}?afel pljiiiftcvbafter 58cfd)ränftbeit crl)iett 3ßenn man,

oon ben beften Stbfic^ten befeelt, bie ©eftalt ^ül)nd;enö mit meinem ^ateu gleidife^te, fo burfte man bieö tun, fomeit in i^r jene eigentümliche ülac^t tatträftigcr Siebe uer^ onf(^anlid)t roirb, bie er fefber ben Seinen norgetebt I;at. ^m übrigen \)a\. er \\6) alle ^reil^eiten eines ^octen genommen unb SBefenöjüge Ijinjuerfunbcn, bie ibm felber nidit eigen roarcn, and) üielcö auögefd;ieben, maS il^ni, aber nid}t jener ©cftalt ju^ gef)örte." 5(u^er bem .gelben ber ©rjät^Iung finb, bamit mir baö fogieid) iiormcg- nef)men, ^aüehnüHer unb ber 9}iajor befonberS getreu nad; bem Seben gejeid;net. i^m allgemeinen lie^ ber Sid^ter aud^ in feinen anbern Grsä^iungen frei bie 'ij^^antafie fpielen unb fid; nur oon ber Sanbfd^aft ober oon einem zufälligen äuperen ©rlebniö, ctnKi einem ©efang, 5.33. für bie „öolbene 3cit", anregen. 1)00 Sefte aber, fomobi nac^ ber fünftIerifcE)en wie rein menfd)(ic^cn Seite f)in, fdiöpftc er bod) allein auö fi* felbft.

Unb fo ift es c^w^ bei Sebered)t |>übnd)cn. 9?ur auö einem fonnigen, fd)t beutid)en ®emüt berauö fonnte eine foId)e ©rfc^einung Sebcn geminncu.

.^ü^nd^en, in ^Berlin befd^äftigt „in einer ber großen ^})?afd)inenfabrifcn nor bem Oranienburger 2'or", befa^, mie ber Sid^ter fog(eid) im crftcn unb fd)iinftcn 5lapite( bemertt, „bie ©obe, a\\?> allen 33(umen, felbft a\\<j ben giftigen, .^onig ju fangen". 3lid;t länger alö fünf SRinuten lang oermodjte er oerftimmt ju bleiben „bann brad) ber un= Dcnoüftli^e Sonncnfd)ein feines 3""<^i^" fiegreicb mieber beroor, unb er luu^tc oud) bie fdilimmft^? Sadje fo ju brel)en unb ju menbcn, baj? ein ^Rofenfdjimmer oon ibr ausging". 'I^ie <I)ad)fammer, in ber er fd)läft, mirb faft ooUftänbig oon feinem 33ett QuögefüQt, fo "bc^^i^ er, menn er fid) ani biefem fifeenb bie Stiefel anjicljen mill, juoor bie 3:ür öffnen mu^. 9tn biefem Seifpiel fiel)t man bereits, mie Seibel feine 6barafter= fc^ilberungen in .Junior p tauchen meifj. ßö-ift ein berjerfreuenbeö Sachen, baS er ouölöft, ein Sachen ber Siebe ju bem, maö ben ^JJeiifcben über baö fiebrige binauöbebt.

©§ wäre ein müßiger ^erfud), .6übnd)cn6 Sc^icffale nad)erjäblen ju mollen.

496 3?ocbbeutfdE)e Stimmung^poefie.

beim im ®runb€ Ijüt er gar feine, fei beim, man fäf)e aU foI(f)e bie $8ermäl)Iung feiner ^oc^ter unb bie ©eburt feiner 6nlel on. 3lber bie 3trt, wie er fid^ jum Seben, äu 9)len]rf)en, Vieren unb ^flanjen ftellt, raie er ®öfte bewirtet, ^efte feiert unb £nnb= pnrticn mad^t, f)at in ber Literatur nic^t iI;reögleicE)en. 2Bir be!ommen foglei^ am 3Infang ein 33ilb bauen, menn mir iF)n ein ©i üerjel^ren fef)cn. „©ief) mal, fo ein (Si", fagte er, „eS enthält ein gangeä ^uf)n, braucfit nur auä^ebrütet ju werben. Unb menn bicö gro^ ift, ha legt mieber ©ier, au§ benen norf)maIg ^ü^ner werben unb fo fort, ©enerationcn über (Generationen, ^c^ fe{)e fie uor mir, jal^Uofe 6d^aren, bi'e ben 6rb; ^nU benölfern. 9lun mtync \ä) bie§ ©i, unb mit einem ©d;Iud finb fie t)ernid;tet ! 8iel; mol, bag nenne \6) fc^rampampen."

^räc^tige 6{)Qra!terfiguren finb aucf) bie an'bern ©eftalten in biefem S3uc^, üon benen au^er ben fd^on genannten nod^ erwö"f)nt feien ber f^üd^ternc alte ©rarn, oeffen SScrlobung ban! ^ü^nc^enä (Eingreifen nacf) 25 jäl;rigcm Sßarten bod^ nod; gu= ftanbe fommt, ^ber joinale Dnfel ^flebenbal)! unb ber ß^t)ara!terrabe ^oppbignay, ein 33orIäufer ber bunten Süerwelt eineö jüngeren D^or^beutfd^eu, ^ermann £önö, ein ?iad^fomme ^flüdebeutels in ®iden§' „Sarnabt) 9?ubge".

Sünbfd^afttid^ ift e§, wenn wir non §üf)ndfjeng ©tegli^er ^äu§d^en unb bem ®roj3ftabttreiben ^öerlinö abfegen, cor allem ber nörblid^e 58orort ^cget mit feinem See, feinen SBöIbern unb ben .^umbo[bt=(Srinnerungen, ben Seibel f)ier literarifd^ unfterblid^ gcmadjt l}ai.

^egel gibt aii^ für eine ber fleineren SSorftabtgefdiid^ten („Sonnen- untergang bei 2:;eger') ha§> Tlotw 'l^er. ^Die ^ed^nif, mit ber Seit)el ^ier bie eigent= lidfie (Srjät)Iung einfüF)rt unb ben £cfer fofort in eine beljaglid^ fein £ieblingö= wort! träumerifd^e Stimmung oerfe^t, ift ti)pifc^ für i^n: „^ie fteine Äünftfer= fneipe in bent Stabtba[;nbogen war leer; wir fud^tcn ung eine abgelegene (Sde, festen um an einen ber wei^ gefd^euerten ^if^e unb befteHtcn eine ?^lafd)e 9f?uibeöt)eimer. SSon brausen burdf) bie geöffnete %üx fd^aHte Slonäertmufi! unb baö unabläffige .^nirfdien ber auf bem ^ieö üorüberwanbcinben 3^ü^e; guweilen rollte mit bumpfem Bonner ein ^nq ber Stabtba{)n über un§ I)in unb lic^ bie ©läfer auf bem 33üfett mit feifem flirren erbittern, unb fo waren wir mitten in ber ftrömenben I)aftenben SBelt unb boc^ ganj allein mit nn§."

SIbfeitö fc^reiten biefe 5ßorftabtgefd^id;ten, onf ftiHen, ocrborgenen SBegen unb in entlegene 2BinteI, unb mandfier Sonberling begegnet bem Sefer wie bie beiben .gelben ber „^I)üringifd^en ^artoffelftö^e", ber liebloä gefc^wä^ige ^err Dmnia, ben fd)Iie^Iic^ hafi 33er^ängniö in ©eftatt einer anfef)nlic^ graufamen Scfi-wiegermntter ereilt, ober ber „fd^weningernbe" 33ornemann, ber feine Spicfganö mit bem tröftli^en 5öewu^tfcin üerjel)rt: „©eflügel t)at mir ber 9Ir5t erlaubt." 9Iber auc^ F)oI)c unb crnftc ©ebanfen leben in biefen ^Blättern, eingeführt burd^ bie erfte, bie feiernc^=fc^öne Siebenfternffi^^e. ^ie rüljrenbe ^ilffofigfeit beö ^inbe§, bie 33erlaffen-^eit irgenb- cineö ©efd^öpfes, unb fei ein .^ünbc^en, im Sraufen ber 3)?iIIionenftabt wirb ber 3Iu§gang5pun!t für eine farbenreiche, mit 2öet;mut unb ueriöf)ncnbem .^nmor jugfeic^ betrachtete ©ntwicfhmg.

Seibelä @rjäf)lungen. 497

^abcn bie 53orftQötgefc^ic^ten jum größten Xexl Den ©tjarafter oon Sfijjen unb Sc^attenri[[en, fo fteUen bie .!q e i m a t g e ) c^ i c^ t e n ben ^auptbeftanb bec 9loüeEiftif 6etbcls bar. ©eic^ic^ten luie ,,^ie golbene Seit" unb „etKi" im er[ten, „®er ©rfia^" unb olö Surleöfc „engen ÄniHer" im jroeiten ^onbe gel)ören ju bem heften ber bentfc^en ^nnftprofa. Ti)pifd) ift babei bie j^igur beö ^ngenieurev Der fiel) an§ bem (Setriebe ber 3Jiaid)inen in bie 3latnr rettet, jur ^eibe, jur 15ünc, ja felbft nur ju einer ftillen 2a\\be bid)t oor ber ©ro^ftabt, unb babei fein ©lud finbet ober in refignierte (Srinnerungen oerfinft. Unb biefe le^tere literarifc^e 2inie, baö 3J?otiü beö SSerjiditenö anf ein f)ei| begel)rteö ©tücf unb bec iüeF)mütig=träumeriid)en ®e: benfenö, üerbinbet ©eibel aufö neue mit feinem 3SorbiIb unb ^^reunbe Storm.

^n ber 9?oi)eIIe „'3)rei 9iofen an einem S^eifi"' ^cren Sinüeibung offenbor oon ©ottfrieb .^eHerö „Sanboogt oon ©reifenfee" angeregt ift, fpric^t Seibel firf) einmal bur(^ ben 3T?unb beö alten .^funggefeHen ©annenberg unb ^iunSQefellen mer^ ben ebenfalls oon \i)m roie oon ©torm beoorjugt , eincö poetifc^ begabten ^iblio- t^efarö, ergö^üc^ unb bocf) IeF)rrei^ über baö 3Ser{)ättni§ auö, in bem ber ^ic^ter jur Siealität unb S^^alität fteF)en muffe. Sllä ^ax\c, bie Xocfiter feines ^reunbeö, fid) borüber rounbert, ba^ er al§ ©ic^ter fii^ mit 2'eifna^me unb ^enntniö über (Sffeu unb SCrinfen, ja über 5lodE)funft mit ifirer Sd)mefter unterbalten Ijabe, iüäl)renb ein ^oel bod^ nur an ibeaten Thingen 3tntei[ ncF)men follte, erioibert "^annenberg, iubcm er „bef)aglirf)" oor firf) [;inf(^aut: „'^a, mein ?^räu(ein, mas finb ibeafe 1)inge? 3" effcn ftnb fie jebenfaHö nid^t, mie Sie anjune^men fd^einen. 3""öc^ft mu^ ic^ oorau§= fd^icfen, ba^ id^ einen oielleic^t ungeredf)tfertigten §a^ gegen bie i8e5eid^nungeu ibeat unb ^bealisnuie ^ege. ^cf) bin ber 9Jfeinung, biefc 3(uGbrüde f)abcn bie ^^iliftcr cr= funben, um bamit eine 9Irt oon I;ob[cr, optimiftifc^er ?Rl^etorif ju be;^ei(^neu, bie i^uen imponiert, unb bie fie loegeu ifirer tönenben ©emcinplö^e für ^oefie tjaitcn. 'T'iefc 3trt 355ertHemuö fängt genau bort an, mo bie 5lenntniö ber ^Birflit^feit aufbort, unb foli^e 9trt oon ^oefie ift fe^r bequem auöjuüben, loeil fie nur ein roenig formale ^e= gabung unb eine mögli(^ft gro^e Unfenntniö ber Sßett erforbert. 3IIIe mirflic^e .Runft aber ift realer 9^atur unb gleist einem Saume, ber feine SBurjeln tief in bie ioof)I= gegrünbete (Srbe ftredt unb auö ibr bie ,^raft fangt, feine ^rone meit auöiiubreiten

unb f(f)immernbe Sfüten unb fc^toellenbe ^rüc^te ju zeitigen ®er 2)ic^ter

ift boc^ eben ein 9)knfd; roie anbere auc^ unb unterfd^cibet fi^ nur baburrf) oon ber großen 3J?euge, ba^ it)m gegeben nnirb, bie T>inge bicfer 2Beft mit neuen iHugen an; jufe^en; benn nic^t, maö man fief)t, fonbern loie man fief)t, baranf fommt ec an. Unb ba foQte es if)m entgegen, niclrf)er Schafe oon ^pefie im Gffen unb ^rinfen liegt, ben allernotrcenbigften 33eid)äftigungen ber ganzen ^enfd)f)eit? 'J)em roabren 3)i(^tcr fon ni^tö 9J?enfdj(i(bee fremb fein unb nic^tö su gering, baf; er nic^t oerfuc^c, mit licbenbem 33Iid ju burdibringen, um feine ©igenart ober Sc^önbeit sutage ju förbern."

Tlan fief)t, in roelc^em Sinne Seibelö ^oefie reaUftifc^ ju nennen ift. SBenn ein $Did;ter beftrebt ift, bie SBirftic^feit ju oerüären, ju oergofbcn, fei burc^ .^eroor-- ^ebung iF)rer freunblid)en Seiten ober burc^ Junior, bann ift er ftreng genommen fein Stealift me^r. So fd)ilbert 1)icfenö baö Scbled)te nur, um baö ©utc um fo (jeUer er=

Ctbltt, 2)ie bcutft^c Uiterahir frtt ®oct6eS lobe iifm 32

498 IWorbbeutfc^e totimmunöSpocfte.

ftral)leu unb am (^nte triumphieren ju laffen, unb .^ä^Iid)e& erjdjeint bei i^m nur in I;umoriftifrf)er Äoritatur. ^tü^nli^ ift bei 6eibel, nur mit bem Unterf^iebe, ba^ er bem ©lenb unb ben großen ^onfliften unb Problemen mögli^ft au§ bem Sffiegc geljt/ ha^ 3ibr)llifd^=33c{)aglirf)e beüorjugt unb cor ollem im (Segenfafe gu '3)icEenö fid^ in bem ^leinfeben bcr 9^otur üerliert.

2>aö oerleugnet fid^ aucE) in feiner närf)[t „Seberec^t ^ül)nrf)en" größten @r= 5äl)Iung ni^t, bem „©rf)a^", lüo 3Sergi^meinnic^t unb ©rfimetterlinge ein SebenSglüd begrünben unb es am ©nbe glei(^gültig ift, bal ber äußere ©(^afe ber ^amiüe t)on Jiebf^un, ben fie oergraben glaubt, in ^orjellan beftel)t, ba§ fie fc^on lange befeffen ^ot, o^ne feinen SBert ju fennen.

^Jorbbeutfcf) ift bicfe ^ocfie narf) Sanbfd)aft, ^erjeneton unb 6l)orafteren roie bei ©torm. Unb roie bei biefem ift fie reine ©timmungspoefie. Söi'r l)ören abenbö Dor bem ®infrf)lafen ben ^oljrourm im Oebält piden uiiib ein 9Jiäuörf)en be^utfam oor ber %üx rafdfieln, roäl)renb bie Dftfee taftmä^ig gegen ifjre Ufer raufdit, roir ermatten mit bem ©ejroitfc^er ber 9fiaud)fc^roalbe unb bem S(^mcttern ber ^infen unb erfreuen unö tagö on bem ©aufen unb ©ingen ber Sßipfel. Unb unter bem ©inbrud biefer 3tatur= ftimmen erleben roir anbere, bie au§ ber ©eele tommen, traumbeflügelt unb unerflörli^, eine gefieimnigüolle ^fniif^inufif.

3im 3llter I)at ber 3)i^ter biefe ©timmungöfunft bem ilnalbenleben, ben ®r= innerungen an feine eigene Äinbt)eit gugerocnbet in bem unnollenbcten S^toman 9fl e t n - l)arb?5Iemmingö 3lbenteuer juSBoffer unb ju ganbe". ©ine ^^üüe origineller ©eftalten belebt biefe brei fleinen Sänbe, bie bem ®rroacl)fenen oiel me^r ju fagen l)oben olö bem Äinbe, bcnn in bem ©rieben iviefer Knaben fei nun ein ^rebsfang, eine richtige JRobinfouabe auf einfamer '^n\Q\, eine SSerbrec^erentbecfung, ein ^nbianerfpiel, ein 33li^f(^lag mit nat^folgenbem 35ranb, ein ^eftmal)l ober ein al)nung§Dolle§ 58erlieben fpiegelt fii^ immer bie Sßirfliclifeit eineö Sebenö, baö .^nabenaugen nur jum S^eil crfennbar ift. ^ei ber S^^nunG i'cr S'lebenfigurcn, 5. 33. bes föftlid^en ^olijeibienerö 3[Rubrac^ unb feiner jroeiten ©l)eliebftcn, entfaltet ber ^ii^ter ein urroüd)figeö Talent ju braftifcf)er .^omif, baei roir nirf)t bei ©torm, fonbcrn etwa bei ^rife ^Reuter roieberfinben.

Unoerglei^Iid^ l)öf)er ftel)t ©torm, boc^ roarum oergleidjen: ift boi^ ouc^ ©eibclö ^ocfic in i[)Tcr friebfam ibpllifd^en Unfd^einbarfeit unnadE)at)mlirf), unoergleid^li(| eine leichte erfrifc^enbe ©eebrife, bie beö ^erarbeiteten unb erregten ©ro^ftäbterS et- l)i^tc ©tirne füf)It.

(). ^anö ^offmaitn itiiö aiibcrc nov2)Dcutid)c ^r^ä^Iev.

3u bem ?^reunbe§!reife ©eibele get)örten t)on norbbeutfd^cn 6r5al)lern au|er 3o^amicö ^rojnii, von bem fc^on in ber Sebenöffijje ©eibelö bie Siebe mar, Julius ©tinbe unb in roeitcrer 33cjiel)ung $an§ ^öoffmann. 58eibe laffen fid^ juglei^ für bie Stimmungsfunft in 3lnfpruc^ nel)men.

SBie ©eibel ftammt auct) ^iiliu^ ©tillbc auö einem ^farrl^ufe 5torbbeutf(^' lanbö: er rourbe 1841 in Äirc^;9'iürf)el bei ©utin in .^olftein geboren. Urfprüngll(^

^anS :g)offniann unb anbere norbbeutjc^e (jräö^Ier. 499

3lpotf)efer, überlief er [ic^ fc^tie^Iic^ raic Seibel 90115 Iiterarifd)cr Xätigfeit, uiib roic biefer fonb er in Berlin, roo er fid; 1876 niebcrlie^, bie Statte feiner bicf)tcriic^en 2BirfungömögHrf)teit. SerüFimt gemacht Ijat if)n feine „?^anülie 39iic^J)ot^" famt bcn J^ortfe^ungen, ico er ba§ SBcrIinertum im fpie^bürgcrlic^en 3lod ^nmorooll ju ^eirfinen irei^. 33on fooiel cerfcfiiebetien ©cfic^töpunften auö mar ber SSilbungspIiilifter noc^ nie hdvü6)Ut roorben, unb babei fpürte man überall tiefes ©emüt, I^erjinnige 2Bärme. ©tinbe§ ©timnumgöpoefie mu^ man freiließ nid)t in biefer 2BeIt ^Berliner .f>umor§, fonbern anberöroo fud^cn, 5. S. in feinen menig betannten „Sßalbnouellen", bie üielfad^ febf)aft on Seibelö unb Stormg SBafbpoefie erinnern, ^n bem S^ioman „^cr SicbeT= mac^er" (1893) bitbet bie ^Berliner ©efellfd^aft ben 9lal)men für baö tragif^e ©rieben beä Sid^terljelben, ^m ganjen fielet Stinbe ungefähr jmifdjen Seibel, ^^ontane unb '^inkv, an bie er freitid^ bei meitcm ni^t F)eranreici^t.

dagegen roirb ^an§ ^offmann biöraeilen fogar über Seibel gefteHt, iüoI)[ nic^t mit '?Rcd)t, menn man babei an bie roirüid^e ©eftaltnnggfraft bentt. 3"9^^<^" ^^^^ i""^ man, ba^ er fi^ feine ^kU I)öl)er ftedt,

9ru(f) ^offmann mar ber Sobn eincö norbbeutfc^eu Pfarrers. (Er mürbe am 27, 3iun 1848 in Stettin geboren. Seine Si^üler:, Stubenten; unb ©tjmnafialleFircr; üeit ift burc^ feine ftimmungö= unb IjumorüoHe ^rofabid)tung fo befannt geroorben, ba^ faum eines meitcren 9Borte§ barübcr bcbarf. ®r gab fd^Iiellid) bie Oberleljrcr; Iaufbaf)n auf, mar eine Zeitlang 9^eba!teur unb roibmete fid) bann auöfc^Iie^Hc^ feiner ^id^tung. 2BieberF)oIt nahm er im Süben 9lufentF)aIt. ßr lebte, roenn mir üon feiner pommerfd^cn ^eimat, inöbefonbcre feiner Se^rtätigfeit in Stofp („Stolpenburg") obfeljen, in ?^reiburg, 33o3cn, ^otöbam, 9Bernigcrobc unb 2ßeimar, rco er am 11. Siuli 1909 alö Sefretär ber Sd^illerftiftung geftorben ift.

2ßie Seibel ift <poffmanu ein gjieifter ber Keinen erjäblung, obroof)l er auc^ ®ebid;tc („SSom £ebenömege") unb größere ^Romane, fogar mit f)iftorifc^em ^intcr= grunb, gefd)rieben Ijat. 58ou bcn lefeteren erfd)icn .yierft (1884) „^rigitta oon SBigbt)". 3m „eifernen $Rittmeifter" (1890) unb im „Sanbfturm" (1892) be^anbelt er gj^otioe auä ber ^^ranjofenseit in ^rcuf5cn 1806—12. „®er Sanbfturm", in bem namentlid; bie Stimmungsbiiber ber ®ünenlanbfcf)aft gelungen fmb, ift inbeffen mebr eine 9loücEe alä ein 9?oman. ^n bem breibänbigen I)iftorifd)en ^oman „SBibcr bcn ^urfürften" (1894) fdjilbcrt er bie Belagerung feiner 33aterftabt Stettin burc^ ben Oro^en ^urfürftcn.

5ßon ^offmanns größeren unl)iftorifd)en ®rääl)Iungcn ift bie bcfanntcftc „^man ber Sc^recflidic unb fein .^unb", bie am ©pmnafium ju Stolpenburg fpielt, aber nid)t ju ber nad) bicfcm Ort genannten gfloücncufammlnng gebort, ^cr Xitel ift ber ^cu name, ben ber neue 9Jtat^cmatifer ber 9tnftalt roegcn fcincö borftigcn ftovi- unb 53art= l)aarcs unb feiner milbcn ©cficbtöjügc crbaltcn l)at. Sein 55iufecrco trägt il)m nuiftcr= £)afte X)ifjiplin ein, ba [xd) felbft bie fc^limmften Subeu üor if)m äiigftigen. ^n SBirf^ li^teit oerjerrt fid) fein 3lntlie nur aus Sampcnficber unb gurd)t uor ben ^Rangen fo fd)redlid). 9?id)t minbcr l)ä^Iic^ ift fein »gunb. 9llg biefer uon einem oorneI)men .^ci^^ fporn angcfd)offcn mirb unb im Äot ber Sanbftra^e liegen bleibt, gibt il}m fein ^crr

32*

500 9?orbbeiitfrf)c 6timmimgäpoene.

ben ©iiabcn[tü^. ®Qim bringt er bie blutige Saft auf feinen 3trmen nat^ ^aufe, um fie ju begraben, oI)ne 9h"icfficE)t barauf, ba^ er fi^ befubelt. 51n biefem 33eifpiel bt- fonberS wirb ^offmannö 3Ser^öÜni§ gum 3ftealiömuö beutlic^. ®r gel)t bem ^ä^li^en unb ©(^mn^igcn üirfit au§ bem SBege, wenn burc^ eine I)5l)ere ^bee, fei eS auä) nur burci) ^nqt beutfc^en ©cmütö, gef)oben, üerfi^önt, geabelt tüirb.

^m aflgemeinen üermoi^te ^offmann einem ?Roman ni(f)t gerecf)t ju werben, ba er Bei größerer ©pannroeite fic^ in allerlei Sftefleyionen oerlor unb barüber bie ©inl)eitli(^feit bcr ^anblung aufgab. 3tudE) in feinen 3)lär(^en („^Sojener 9J?ör(^en unb gJ^ären^ 1896. „Dftfeemörc^cn", 1897) liegt nirf)t feine befte ^roft, fo fel)r fic über ben SDurc^fc^nitt l)inauöragen. SBurbc hod) gerabe i^m bei einem ou§gefd^riebe; neu SBettbemerb auf biefem oielbegangenen ©ebiet §ufanimen mit ©eibel unb S^rojan ha§) ^reiöric&teramt übertragen. 2(uö feinem 3la(^laf? traten no(^ mehrere roeniger befannte 9Jtärrf)en befonber§ an§> bem ^arj („©c^attenfeite." „^ie S;eufel§mauer.'' „^er ^orfd^ungöreifenbe." „©oölar") neben roeitercn ^ftooeEen ane Sic^t.

©eine erften DfloüeKen: „Unter blauem ^immel" (1881), „^m S-anbe ber ^Ijä- afen'' (1884) unb „S^eue 5?orfugefcf)i(^ten" (1887) fpielen im ©üben, mol)in biefen fc^önl)eit§freubigen ^ommcr immer mieber 30g ©tolp fonnte il)m 3tt{)cn nicE)t er= fe^en. 2)ie fpäterc (1891) ®r3äl)lung „®ie 5Reife nad^ 3(tl)en'' gibt einen 33egriff oon fold^er ©eljnfuc^t unb ibren 3lnf(^auung§grünben. „®ie ©onne ging auf über §inter= pommern", bei^t es ha, „ober fie -üerfud^te hoä) : entmcber mar fie ni(f)t ftar! genug, ben froftigen ^erbftnebel gang gu bur(^bringen, ober fie Deräirf)tete freimiHig barauf, mo^l raiffenb, ba^ fie bod^ nirf)t Diel ©el)enömertes barunter finben werbe. 2Benigften3 nic^t in ber ©egcnb oon ©tolpenburg; raaS bort gu fe'^en gab, waren (Sl)auffeen, üon Rappeln wie üon aufmarfcE)ierten (Senöbarmcn begleitet, unb Sanbwege, an benen bie Sßeibenftümpfe gleich budligcn 33ettlern l;erumfroci^en, unb bagwifc^en in langen, langweiligen ©treifen ^artoffelfclber unb 9f?oggenfelbcu unb ^aferf eiber unb -.Kartoffel; felber; unb alte btefe gelber fallen aus, als ^abe man Ijicr auö 3Serfef)en ftatt ber ?^ruc^t 5um gröf,cren Xeile ©anb gefäet. 3)ie Saubfc^aft fcf)ien ben ?Rebet recf)t mit ^er= gnügen feftjul^alten wie einen grauen 9Jtantel, ber bocb ein wenig i!^re S3lö^e bcbecfte."

'J)a§ waren fic^erlicE) nic^t nur bie 3lnfcl)auungen beo Dberlel)rerS ilanolb, ber 36 ^a^re lang ju einer Sfieife nad) 9Itl)en fpart unb fc^lie^lirf) an feiner ©teile feinen Sieblinggfd^üler reifen lä^t, fonbern auc^ bie be§ ©tolper ®t)mnafiallel)rerS ^anö ^offmann. Unb boc!^ finb gerabe feine ^eimatersäfilungen feine beften unb ftimmung§= reicl)ften. ©dE)on ber „.gcyenprebiger", ber 1883 erfdjien, alfo ju feinen ©rftlingen in ■iProfa gel)ört, gibt ein ergreifenbeg 33ilb au§ ber B^it ^^^ ^epenglaubenä in ^om= mern (fedigelinteS 3al;rl)unbert), in ber 5lrt üon ©torms „Sflenate" ober SRaabeS „ßlfe oon ber 2;anne". SGBie biefer elirfome ©tetti'ner Pfarrer 2öacf)f)oltiuö burcf) (Sertrub§ unfc^ulbige 3lugen au§ einem ^epenoerfolger ju einem Kämpfer gegen ben ^eycnwa^n umgewanbelt wirb, ba§ ift ein feelifc^er SSorgang, ber fi^ nur ben 3tugen eines wirf= licfjen .^ünftlers ju offenbaren ücrmoc^te.

■Die bebeutenbften ^RoüeHenfammlungen ^offmannS finb bie folgenben: „SSon 5^rül)ling ju grüliling" (1889), wo bie ©eftalt feiner SiUi befonbers ftral)lenb l)eroor=

S^an§ öoffmonn unb anbero ncrbbcutfc^c grjähler. 501

tritt, ,,®Qö ©TjmnQfium ju Stotpenburn" (1891), „@efrf)id;tcn auö ^intcrpommern" (1892) unb „^hiö ber Sommcrfrifrfic" (1898). Seine 3Sorbi(ber in ber 9?oüeUiftif finb ^QuI .6ct)i'e unb ©ottfrieb ilcUer. Mhev ftcfjen feine ßrjäblungen trofebcm, lucun n)ir oieHeic^t non ben füblänbifd^en abfegen, oeibels unb ©tormg norbbeutid^er 3tiTn= munfjöpoefic, j^umal bann, wenn ber ^iimor j^u 2i?ort fomnit. ^em in ber ^^orm eleganteren ^epfe j. 33. ift §offmannö gemütuoH I)citcrc 3Iuifaffung ganj fremb.

9^ef)mcn mir gunöd^ft eine ber befannteften ©rjäl^lungen, „©ic .^anbfc^rift A". tiefer ©c^ulamtöfanbibat Gbriftian ©infe ift fo rerf)t eine ?^inur, mie öoffmann fte liebt: brao, ^bcalift oom .topf biö %u^ in einem ®rabc, baf; er borüber bic 9^ealitäten be§ £cben§ nerfennt unb fein ®IM uerüert. Mci nod) meljr liegt in biefer 5toüclIe, wa^ ^offmann ivicberum mit Seibel unb Storni, nid)t mit .^ci)fe nerbinbet: ber Junior begleitet ein finfenbeö Sd^irffot, in 3?efignation tönt biefe ^oefie auö. ©ö ift nid^t fo, ba^ "J^infe fd^Iic^Iirf) feine 3Inna norf; ju red^ter 3eit I)eimfübrt. S^adibem er bnrc^ fein ©intreten für bie öanbfc^ri'ft A be§ ^libcfunflcnliebeä fid^ bie bürgerlid^e Stellung i'erfd;er,^t I)at, roeit fein ßjcaminator auf bic .öanbfd;rift C fd^roört, uerfinft er in troftlofer öbe ; bie ©^e, bie i^m nad^ 25 jäbriger .§ilfslc^rcrtätig!eit erblüljt, ift feine mebr, unb feinen bcffagen mir fo roie ^^ränlcin 5{nna (55ebbart, geprüfte öcfirerin, bcrcM Seben biefem Sc^mad)ling jum Dpfer fiel.

©in trauriger .tfang ge^t burcb ^offmannä ^umoreöfen. 5Iud} fein Sebenä: Heb rebet Pon bem großen 3>cr,iiditcn unb ift tro^ aller ibeanftifd)cn (Befinnungcn auf einen peffimiftifc^en Ton geftimmt, meif er an ber trüben Ji^irffid^feit nidjt oorbeificiit, fie rielmebr in fid) aufnimmt unb perarbeitet, ^^reitid) neigt ber ^Did^tcr f^ierbei jur Übertreibung, fo ba^ fid^ ibm mandjeö 33i(i), mie in „©Junfö ?}iabonna", ^^ur .tarifatur nerjerrt. Sdiöpfte er auö bem cigenftcn ©rieben, mie in ber Sfi.^.^e „©rfüDter 33eruf'', mo ein unfäbigcr Se^rer, aber präd^tiger 9}ienfd) unb ©ciebrter fein unerniüblid)cä Sud^en nad^ ber rechten ^DJctbobc olö ©reiö mit tragiid)cm Tobe auf bem 5latbeber befiegelt, ba greift er nid)t fe^I. SUö ber afte 2ef)rer ni^t mebr ju fpred;cn, fon^ern feine Knaben nur nod) licbePoH an^ubliden ncrmag, bo crft merben fie ruf)ig unb gc- fittet, „unb ift gemif^, baf^ fie einanber nerftanben baben. Ter mübe Wann batte feine 9)?et[)obe gefunben".

3m ©cgcnfa^ ^u .^offmannö gcfeüiger ^rofü finb bie ©rsäf)rungen ^uliu« S'Jobcnbcrrjfi! uon Iijrifdjen Stimmungen burdjtönt. ©r ^ie^ eigentlid) Sein) unb nannte firfi mie ^offmann oon ^aUcrc.fcben nad) feinem C^kburtöort. 3([ö Segrnnbcr unb erfter •Herausgeber ber „2)eutid)eu l'lhinbfc^au", für bic er S^eiträge uon @. .<leller, 6. '^. Wet)er, Storni, Warie pon ©bner^ßfdjenbad) unb Fontane gcmann, bat er im ^n- unb 3lu5ranbe feinen Manien U'cit mcl)r bcfannt gcmadit, a(o feine Tid)tung Pcrmod)t tjätte. Unb bod) ift fie alljuicbr im Sdiatten jener OJrö^eren geblieben. 33ecinfhifet pon ben engiifd)en Xid)tern Tirfen§ unb Tbacferai), ift and) er in bebingtcm Sinne S^eafift. ^en lanbfd)aftlid}en unb gefd)id)t(id)en 3?abmeu lieferte ibm ebenfaHö baupt-- fäd)Iid) ©ngianb, baö er burd) auögebel)nte ?){eifen fennen lernte.

S^obenbcrg mürbe am 26. ^juni 1831 in bem g(eid)namigen beffifdien Stäbtd)en geboren. 33i§ jum 14. ^abre mürbe er Pon ^auölebrern unterriditet. ^n .'öannooer

502 9Jorbbcutfcf)C ©timmungSpoefie.

befud^te er b«nn bie ^ürgerf^ule, in Stintehi boö ©tjmnafium, in ^eibelberg, (Söttingen, Sevlin unb 93lar6urg, wo er 1856 bie juriftifc^e ©oftorroürbe cnunrb, bie Unioerfität. Seit 1856 umr er immer mie^r auf englifc^em, feit 1884 mic^ auf itafienifc^em Stoben. 3Iu|erbem befiic^te er ^arig unb SBien. ^n ^Berlin, eingefüF)rt bei 58Qrn= flogen uon @nfc unb ben 58rübern ©rimm, jc^uf er fic^ bnlb feinen eigenen ^reiö. ©d^on aU ©c^üfer ^ntte er ein i^anbfd^riftlic^ rerbreitetes Slöttd^en rebigiert. 58on 1864 bis 1867 leitete er baö Feuilleton beö „So^^ir", wn 1867 bi§ 1874 baöjeni^e be§ „©alon", ron 1874 big ju feinem Xobe (am 11. ^uti 1914) bie ermäljute ,,S)eutf(^e 9^unbfc§au".

%in bie Kenntnis feiner ^erfönlid)feit unb feines Sebenögangeö fmb norf) cr^ giebiger alg feine fefbftbiograp^ijrfien ©Triften („3tuö ber Äinbt)eit'^ 1907. „(Bx- innerungen auö ber ^lugenbjeit", 1899) baä nad^ feinem 3::obe (oon 6. ^eitborn, 1919) herausgegebene 2^agebud^, baä Don 1849 bis 1908 rcicEit. „SttteS, roaS ^ier ouf; gefd^rieben rnirb'', üerfic^ert ber 3(cE)tje^njäf)rige, „mu^ erlebt, mu^ mafir fein." Unb ^obenbergö ©rieben fnüpft [\6) an bie bebeutenbften beutfc^en Flamen eines f)olben ^af)rF)unbertS, felBft menn man fie mie feine ?^reunbe ©ottfrieb ."Rinfel unb ^erbinanb ?^reiTigratb geitmeife in ©nglanb furf;en muj3.

2Us bebingter 9f?ealift rourbe er oor^in bejei^nct. ©c^on 1849 befennt er nac^ ber Seftüre non ©e^nerS ^bpHen: „©oE auc^ bie ^oefie bas ^^^eal bes roirflie^en Gebens geben bürfen unb nielleirfjt muffen, fo barf fie boc^ feineSmegS baS beS unmir!; li^en 2them geben, infofern fie fo jebenfatts eine potenzierte Unroirflid^feit fein mürbe." Wan fielet, mie 9^obenberg, ber bod^ fpötcr fefbft an We ©pätromanti! als ^ic^ter anfniipft, fo früb feine ?^äf)ig!eit ermeift, bie Sebeutung eines ©ottfrieb Heller, einer 9Karie ©bner gu erfenncn. 'Ssamals mar er nodb ©ptnafiaft in ^Rinteln, ^on ©öttingen aus fenbet er feine Ii)rifcben Grftlinge mit ©rfolg an Sottas 5J?orgenblntt. ©pörlic^ fiub bie Eintragungen auS ber ©tubentengeit. ^n ber ?ReidE)S^auptftabt lernt er 1853 SRoquette fenncn, ber iljn mit ^aul ^e^fe be!annt mad)t. „Er ift ein junget, fef)r f^öner 9)iann", berichtet er am 21. Dftober, „gtatt unb IjöfUcf;, faft unnahbar, ober bo^ febr noc^ bcm ©eift auGfef)enb, ber mir bereits anfängt ju imponieren. ^6) roerbe mir ju tfein, ju unbebeutenb.'" Unb oon jc^t ob fd^reiten unoblöffig bie he-- rül)mten 9J?änner unb ?^raucn burc^ biefe Blätter, unb bei if)rer ß^arofteriftif erfd^lie^t firf) unroittfürlic^ au(^ SfiobenbergS inncrfteS Sßefen, jumol aucf) bie politifc^en ^erf5n= Iicf)feiten, 5. 55. ber te^te beutf^e 5laifer unb feine Umgebung, in ben .treiS ber rec^t fritifc^en ^Betrachtung gejogen merbcn.

^eborf) !el)ren mir ju bem ®idf)ter ?Robenberg gnrüd! ^n feinen JRomoncn ftnben mir fteDenroeife bie tröumerif^e ©timmung, ben ©emütSsauber micber, bie in ©eibels unb ©torms ^oefie leben, ^obei ift feine 5!unft in i'f)rem tiefften Sßefen nic^t rocniger reoliftif^ beuten mir nur on „®ie ©ronbibiers" ober an feinen mobernen 3Roman „^ic ©tro^enfängerin oon Sonbon" (1863), mo boS ©ro^ftabtclenb mit gerobeju naturaliftifcf)er 2:reue gejeic^net mirb. tiefes SBert unb ebenfo bie „33ilber aus bem ^Berliner Seben" (1892) erinnern an '5)icfenS, beffen „5ouboner ©üjsen" für

$an« JporTmann unb anbete norbbeutfcöe (5rjöf)ler. 503

foldje 3(rt (iterarifc^er ^etra^tuiig, für baö mobcrne j^euiUeton unb bic omcrifanifc^e Short Story bal)nbie(i)enb geworben finb.

Siobcnberge bebeutenbftc Sßerte finb feine beibcn luenig betannten l^iftorift^en ^omam „@ine neue 8nnt)f(ut" (1865) unb „$8on ©otteä ©noben" (1865). Dort bel)anbelt er bie Sc^idfale bcr ©eliebten ©eorgö IV., ber Öabt) Slliot, ^ier ben Diftotor Gromtüell im 9ftal)nien feiner 3^'^.

3J?it befonberer 33ctonung ber ^ugenbliteratur fc^lie^t fid) an biefe JHeibe norf) ein anberer norbbeutfcfier ©rsä^Ier an: Si^ütor JÖIiit^gcn (1844--1920), beffen Äinberltjril mit berjenigen Seibelö ju tierglei^en ift. Seine ^rofa mirb oietfo^ unterfc^ä^t unb mit bloßer llnterbaltungöliteratur jufammengcroorfen.

©(i)Iie^I{(^ mußten mir an biefer Stelle 3©in)crm ^fcnfen mürbigen, roenn wir if)n nic^t frfjon in einem anbern 3wfani'^'-'n{)ange betrarf)tet Rotten.

9iorbbeutfdf)e StimmungSpoefie ift ja aui^ feine 3eitftrömung ober fünftferifc^e SÜd^tung. 2Ber moHte benn Stimmungen geograpf)if(f) orbnen ober F)iftorif^ beftimmen! 2lber ber gefcEiilberte ^reiö norbbeutjc^er Did^ter fällt in jener ^e\t, bcr gerabe be= ginnenben jroeiten ^älftc bee ncunjel)nten ^o^^f'unbertö, bacmrcf) auf, ba^ bie breiten SBege be§ ^^ealiSmuö burcb if)n fiinbur^fü^ren, ot)ne bie Stimmungen feiner abfeitä liegenben TaufcEiigen 2ßinfel ju jerftören. Daö ift mebr, al§ man felbft oon ben großen ^fabfinbern beö SRealiämuö fngen fann.

XI.

Die großen Schweizer Didhtcr.

@rft fpät ift bie ©d^roeij in ben ^reiö ber Sänbcr getreten, bie bcr SBeltütcrotur bie großen ^nf^nx gegeben I)Qben. ©ottfrieb ileUer unb 6. %. SRe^er fioben aber einen 3Sortäufer, beffen ©eburtetag norf) bi§ in bae ac^t^el)nte ^io'^i^^iin^ci^t jurudgreift: 2t I b e r t 33 i fe i u ö , ber fid^ aU ©d^riftfteEer Sei'emiQä (Sottf)eIf nannte.

33ifei'u§ würbe am 4. Dftüber 1797 als Sol^n eines ^farrerö ju 9Jlurten in ber ©c^rceiä geboren, ^ier unb in beni SDorfe U^cnötorf uerlebte er feine Äinberjabre. So lernte er frfion frül) ben 33auernftanb !ennen. ß-r befnrf)te bann bie B6)nU in 35ern unb ftubierte banad^ on ber bortigen 3I!abemie ^f)eologie, ilJktI)ematif, ©efc^ic^te unb ^FiiIofopI)ie. ©eine Sieblingsfäd^cr roaren 3Jlatf)emattf unb ^t)t)fif. 1821 fefetc er feine ©tubien in (Söttingen fort. ®r mad^te bann eine größere 9leife burd) 3)eutfc^= lanb. 'yiaö:) bcr ^eimfebr tat er jutn jnjeiten 9T?aIe 'J)ienft aU 3Si!ar bei feinem 58ater, ber 1824 ftarb. 1826 mürbe er 58itar ju ^erjogenbud^fce im Dbcraargau, 1829 ju 58ern, 1831 ju SüfeelflüF) im ©mmental. $ier muite er im närf)ften '^aljre als Pfarrer angefteKt. 1833 t)ermäf)Ite er firf). Sfiarf) fegenöreidE)er 'S'citigfcit als ©eel= forger unb 58oItSerjiet)er ift er am 22. Dftober 1854 geftorben.

Oottfrieb ^eUcr t)Ot \i)n felbft alö feinen SSorgänger anerfannt unb iE)n „o^ne oUe 9(u§no^me baS größte epifcbc 2:!alent, roeldieS feit langer ^t\t unb t)ielleid;t für lange ^z\t gelebt \)at" genannt, ©t^erli'd) ift bie Sebcntung ®ottI)eIfö ni(f)t gering, menn man i^n aurf) mit .Heller unb Tler)ex ni(f)t in bie üorberfte Sinie ftetten barf. 3tber ba§ bejieljt fic^ nur auf baö 3(bmägen be§ üorliegenben fertigen 2ßer!eö, beun etroaä F)Qt er Dor beiben üorouö: bie reformatorifcf)c ^at. 6r ift eS, ber nii^t nur in ber beutfrf)en ©d^roeij, fonbern aud) im gaujen übrigen beutfdien ©prad)gebiet bem 3?ealt§s mus in ber Äunftprofa 5BaI)n gebrod^en unb alö einen SBcg baju bie ©orfgefi^ic^te ent= bedft \)at nidit als crfter bie ^orfgefd)id)te, aber bie entf(^iebcn rcaliftifc^e 1)orf= gefd)id)te.

3J?e^r nodi als ber ^Realismus unb bie '3:)orfgefd^id)te oerbiubet il)n mit ®ott-- frieb .(leller ber ^eimatlid)e 3Rabmen ber ©c^rceijer 33ergc. Of)ne biefe finb bcibe faum ju benfen, unb roie foHten mir baS bei (S. %. 3J?ei)er oermögcn! IDiefe brei gc:= l^ören ol)ne 5)Rücffid)t auf fünftlerif(^e ©trömungen unb anbere (Sru^pen untrennbar jnfammen.

Sercmiaö ©ott^clf. 505

3(n 33oI!öfrf)rtftfteaeru imliö), wie ®ottf)eIf es im ©egenfafe ju ileOer unb namentlich 3Ket)er mar, f)Qt ber Sc^roeij nie gefetilt. Sc^on 1761 f^attc ^ol;. Äafpor ^irjet, Staötarjt in ^ürid;, fein 5Bucf) ,,®ie SSirtfc^aft eines pf)iro)opf)iid;cn Sauern'' ^erauögegeben, beffen ^ctb illcinjogg einem mirtlicficn 3ürid;cr Sauern nac^gebilbet mar. ^eftalojai ^atte 1781 ,,2ien{)arb unb ©ertrub" üevüffent(id;t. .^ier^er gclpren anä) bie ©diriften oon ©ott^elfö älteren 3eit^ unb 58oItögenoffcn lUrid; Regner auö 2Bintertf)ur unb ^einrid) 3fd;offc, ber ein geborener DlJogbcburger mar, aber allmäfilic^ gan5 im 6d;mci3er ©enfcn aufging unb mit feinem „©olbmac^crborf" aud; alö 3?or- iQufer ©ottbelfe anjufvredicn ift. Hub boc^ ^at erft @ott[)e(fs „Saucrnfpiegcl", ber ämei 3oi)re vox ^mmermannö ,3Jünc^I)aufen" mit bem lueftfälifc^en Oberr^of^SfbtjO erfc^ien, eine neue ^eriobe in ber ©d;ilberuug bcö Sauernlebcnö begrünbet.

3Iuf ®ottf)e[fö SSerfe freiließ ift injmifdjen ber ©chatten feiner beibeu ^adf-^ folger gefüDen, bie gröf^cr nwren alö er. Unb feine meiften Sd;riftcn tonnen fid) in ber 3Kenge auögeaeid^ncter realiftifdier ^^kofa au§ ben (e^ten 3iar;r5ebnten auc^ nur mit ^]5?üF)e behaupten, ^aö liegt üuni großen ^eil baran, bafe er bie Äunft nid;t befi^t ober nic^t befi^en miß, ben gaben einer ^anblung ftraff ju jiel^en, ba^ er fic^ alljn fe{)r in ^l^ebcnbinge bineinuerliert. ©iefee ift aber anbercrfeitö gerabe eine golge feines ^alentö, ^erfönlid^tcitcn unb Situationen fc^arf ju erfaffen unb oon immer neuen Seiten ju c^aratterifieren. So gefjt ibm ba roie ^icfenä ober aud) ©ottfrieb .(Heller fcfbft, bie aber mit berouf^terer 2:e^nit ben 2Beg sur ^anptfad)e jurürffinbcn.

1836 crfdjien alö fein ©rftlingömcrf „"^^er Sauernfpiegel ober Sebcnögefd)id)te beä ^cremiaö @ottI)elf, uou ibm felbft befc^rieben". (iö ift ein „Simpli5iffimuö" beä ncun5c[)nten ^ol^rliunbertc; unb ^eigt bie Seobadjtungögabe bec ^id;terö bereits in I)cIIem Sic^t. ^ann folgten üeinere (ir,^äliluugen unb bor polemifc^^tenbensiöfe Q:x- jie^ungöroniau „Seiben unb ?yrcubeu cincc. S^ulmeiftcrö". ^ie immer micber allju bcutlid) {)eri)ortretenbe STenbenj biefcö ftreng tonferoatincn unb ortl)oboren ©eiftli^eu beeintrQd)tigt ^umeilen bie tünftlerifd^e 3Birfung feiner Sd)riften. 1841 erfd)ien fein bebeutenbfteö 2Ber!: „SBic Uli ber .tned)t glürflid) mirb, eine (S>ahe für ^ienftboten unb SUeiftcrlaite." Ter arme .^ned)t Uli mirb ein mof)l^abcnber Sauer unb geminnl fid^ mit feinem SSreneli einem lieblidien micbelid) geborenen 2l?äbd)en, ju bem als ©cgenfa^ bie l^cr^Iofe ftol^e Saucrntod)tcr (ilfi ge^eidmct mirb , fein gan^eö ©lud. Gine g'ortfefeung biefeö uru'iidifigen Sauernromanö ift „Uli ber ^iid)ter" (1849), mo ber Segen, ben ber ."oefb in feiner ©attin errungen \)a\, erft ganj jutagc tritt, ^on ben jal)lreid)en übrigen SBerfcn ©cttbclfc feien nur nod) genannt ber jmeibänbigc ^oman „2Bie 3tnne Söbi ^omäger bauöbdltet unb mie mit bem Toftorn gebt" (1843/44), ber ?Homan „Ter ©elbötag" (1846) fomie bie GrÄäblungen „.^ätl)i bie ©ro^mutter" (1847), „!öam ?5oggcli" (1848) unb „(5lfi, bie feltfamc g^iagb", eine ^erle ber 5tunftprofa; ift bie tragifd)e ©ejd)id)tc ron ber reid)en g)hillerötoc^ter, beren oerbärtcter Sinn fid) erft angefidito ber ©nabr ibreo ©eliebtcn manbolt; fie ftirbt mit il)m j^ufammen ben Tpfertob.

^eremiaö ©ottbelf W mie mcnige ben gan^ unromantifd)en, bcred)ncnpen Sdjmeijer befonberö Serner Saucrnftanb ju fd)ilbcrn oerftanben. '35aö einfache

506 ©te gro&cn Scf)roeijer Didjtev.

Scben beö cuifnd)en iDiamieö ^at er Dabei Üinftlerifrf) ju ®f)rcn gebracht, ^orum ift er im ebelften ©inne ein SSoIföj'd;riftfteIIer gcmorbcn unb geblieben, bcn uion in feiner fc^rceijerifdien ^eimnt noi^ üiel eifriger lieft als Heller. Sein f)ö(^fter unb fi^önfter 3iu^m ift aber boc^ ber, ba^ er mit ftarfem ?^üf)rerfcf)ritt einer ganj neuen .^unft Dorangefd^ritten, ba^ er ein 5ßorgänger (Sottfricb 5!eIIerö ift.

®ie ^imbertfte 2Bieberfef)r beö ^ageö, on beni ÄcIIer geboren mürbe, bat micber erfennen loffen, mie tief biefer fnorrige ^ünc^^t gerabe in ben 35oben ber gefamt; beutfdfien nirf)t nur fübbeutfcfien ober beutf(^4<i)"^eiäfnj'd)cn Stteratur hinein- gerood^fen ift, mie feft i^n ba§ attgemeine SSoüöbemu^tfcin trägt. B^Ö^ci^ aber ^ot an biefem 19. ^nü 1919 bie SteEung beö ^i^terö literarbiftorifrf) erneute Klärung erfal^rcn.

3lud^ Heller Iä|t fic^ fo roenig mie ©torm mit bem ©c^tagroort irgenbeincr Strömung, etrva ber reoliftifc^en, c^arnfterificrcn; auc^ er lebt fein poetifc^cö Sonbcr; bafein, unb menn er bier ^ufammen mit feinen engften Sanböleuten unb ^eitgenoffen aufgefüf)tt mirb, fo ift baö mir in bem ©inne 3U verfte^cn, ba^ biefe mint)eftenö ebenfo mie bie früfier gufammengeftcllten OfterrcicEier 3lnfpru(^ barauf ^aben, ifir an baä ^eutfd^e yieiä) grengenbe SSaterfanb felbftänbig ^u nertreten, jumal Heller, ber he- bcntenbfte ^eimatbid^ter beö beutfc^ fpred)enben ©übenö,

©ottfrieb .^eHer nntrbc am 19. ^uli 1819 §u ^nx\6) in bem ^aufe „3""^ golbenen SBintel" alö ©oI;n eineö ©re^flermeifterö geboren. 3tlö er fünf ^oFire alt mar, ftarb ber $8ater. Sßar fc^on gu beffen Sebjeiten fi^mal im .^auöl^aft jugegangen, fo erft recEit je^t, ba ber SBitme nur baö ^a\\^ jur „©id^el" blieb, beffen Sfiöume Der; mietet mürben, auc^ an 5(rbciter unb .^anbmerfögefellen, fo ba^ ©ottfrieb retc^li^ ®elegenf)eit f)atte, ©tubien für feine „geredeten ^ammac^er'' ju treiben, ©eine 3JIutter ©lifabetf), geb. ©c^euc^jer, fomobl mie feine ©d;mefter 9?egula, bie au^er il)m aUetn üon fed;ö Äinbcrn leben blieb unb i^m fpäter ben .^auö^alt füf)rte, maren brao, ffei^lg unb fparfam unb taten alleö für il)n, l^otten frcilidj für f)öf)ere ^beale feinen ©inn. Slber auö Siebe I^aben fie iF)m i\)x Seben bargebrad)t, fo gut geFien mo^tc mel^r uermag niemonb ju tun.

©■ottfriebö Erinnerungen, bie in fo reid)er ?^ülle im „©rünen ^einrii^" auö* geframt roerben, reid^en biö in bie frül)efte ^inberäctt ^urücf. „^(^ mar", erjd^It er, „ein ^inb Don fnum fünf ^at^ren, afö ic^ oon einer ?iac^bariu fagen f)örte, man rccrbe t^re $8ermäf)Iung feiern, ^db üerftanb 5ßermel)lung unb träumte barauf, rote We ^erfon entfleibet in einen Sadtrog gelegt unb mit 97Jcbf eingerieben unb jugebedl rourbe, unb biefer ^raum t)interne§ mir einen fe^nfücbtig traurigen (SinbrucE, ber mic^ longe ^o^re tro^ allem ®e(äc^ter nie oerlief;.''

^em SBunf(^c feineö nerftorbenen SSaterö gemä^ befud)te (Sottfrieb com fcc^ften 3a^e ah bie 3lrmenfc^ule, uom jmölften ^al)rc ah baö fogenannte Sanbfnaibeninftitut, roo aufeer ^eutfc^ unb ^^raujöfifd; auc^ ^talienifcb gclel)rt rourbe, i>om oierjelinten ^a^xt ah bie ^nbuftriefc^ule, bie ju ted^nifd^en ^Berufen vorbereitete. Sin ^abr barauf fcboc^

©ottfrieb tcnei-ä Heben. 507

nmrbe er wegen falfc^ gei)eiiteter 2:eilna[)me an einem ficinen ^nai)entuniult uon ber Slnftalt üenuicfen. 'fortan i)al] er fic^ nutobibaftifc^ lüeiter. 2tbge[ef)en uon feiner Sßorliebe für baö ^uppenf^iel wanbte fic^ feine ^leigung, angeregt burc^ bic jäl^rlic^en ^unftauöftellnngen in ^üxlä), balb ber Sanbfc^aftömalerei jn, Der er fic^ junäc^ft in bem nofjen ^orfe ©fattfelbcn roibniete. Seine erften fdjriftfteüerifc^en SSerfucf)c ftammen ai\§> bem (Sommer 1836, alfo feinem fiebjefintcn Sebenöjabre. Seine erftc Siebe gef)örte ber Sd;mcfter eine§ frül;eren S^ulfamernben, Henriette Heller, bie fc^on neunae^njäbrig ftarb, hat^ llrbilb ber 3lnna (im „©rftnen .^einric^")/ ^i^ «h"o "'c^t mic ;^ubitf) ganj erbic^tet ift.

2t[ö er sraanjig ^al)xe alt mnrbc, mar er äupcrlid), berufUdi noc^ in gar feinem beftimmten ©leife. 2Bcnn er gcol^nt F)ätte, ba^ er au^ Jiucjnjig 3af)re fpäter no^ nid^t fein mürbe! ,,^6) ]q^-\ fd^reibt er am STage nad) feinem cinnnbjroan^igften ©eburtötage an feinen ?^rcunb ^o)). 3J?üIIer, „eben trüb nnb uerftimmt in meiner Kammer unb überfa^ mein bietierigeö regellofcö unb oft fc^Iec^t angcmenDeteö Seben." Tki 3ieJ)t if;n f)inauö, er erfteigt ben Ütfiberg nnt) ranc^t bort unter ben gropen ^jelfen feine pfeife, raä^renb fi^ ber Fimmel mef)r unb met)r bcroöttt unD fcftlie^(id) ein ®c= roittcr Ioöbrid)t : „'SDenfe bir ben göttlichen ^fnblicf, menn ber rote Slib auf einmal bie gonje finftcre 2onbfd)aft crleud^tete, fo ba^ man einen 9higcnblicf lang tief in bie glül^enben S(^neeberge unb ©letfd^er f)ineinfaf) unb nörblic^ burdi'ö ganje Siminattal hinunter unb in'ö 9^t)eintal Ijinübcr afte bie .^ir^fcin unb ^örffciu gtänjcnb im röt; lid^en Sichte, biö mieber plo^Iic^e J^infternie- allcö bebcrfte; unb bann im SSorbcrgrunb bie frarf)enben ßid;en unb ^^id^teu unb bie fd)niar5eu Sf^agefflufinuiffen, unter bcnen ic^ fa^. ^d) fagc ^ir, mar ein l)immnfd)cr 3(nbli(f, unb id) ^ätte mir biefe Stunbe um ^unbert 9J?a^ 33ier nidjt ablaufen laffcn. ^aö ©emittcr ging porüber; bie Sonne ftac§ blutrot nod; einmal burd^ Sß>o(feu \)tvvox unb fanf bann f)inunter, unb id) [)uiupcttc ebenfaHö mieber jufrieben nnb glüc!(id)cr, alö id; gcI;offt haik, ben ^erg I)innntcr/'

So feid^t fid) fetter, roic man fieF)t, burc^ bie Sc^önt)eit ber 9tatnr für bie Gnt= töuf^ungen, bie er in feinem erften fünftlerifdjen Streben er[ebte, cntjdiiibigeu lieft, fo mar boi^ biefer ungemiffe 3"f*«"^ ^»f ^'^ '3^auer ni^t battbar. 'J)a fi^ mebrere junge 3üi^i<J)er ^upferftedier unb ?JiaIcr fomie fein >^reunb ^o\:). gjJüüer In 9Künd;en bcfanben, nnirbe il)m ber (Sntfc^luft nid;t fd)mcr, 1840 cbenfatlo bortbin ju gef)en. ^n 3)^ünd^en mürbe öamatö gerabe bie tlaffijiftif^e 9tid)tung in ber ^irjnferci pon ber romantifd)en abgctoft. .Heller fc^manfte jmifdKn beiben. traf fic^ un= glürflic^, bafi fein Hgent[id)eö ?i(\ä), bie Sanbfdjaftömatcrci, an ber ^ündiener .<tunfl= fd^ule gar nid^t oertreten mar.

^it feinem Übergang nad) 5l?ünd)en begann fein jumn^igjäbriger .(lampf mit bem äußeren Tafcin, baö für ibn oft mit Glenb nnb .<3unger glcidibebentenb mürbe. (Sr nal)m tagelang nur ^rot unb böd)ftcnö ein (^(aö 33ier ^u fid), obmobl feine ^Hiutfer in roieberf)o(ten ?fällcn für ibn Öe(b entlebnle unb ibm fanbte. einmal blieb er luillig mittelloö }^m\ Tage lang, obne ,^1 cffen, im 33ett. 5llö er aufftanb nnb üboraU im Simmer nad) einem oerfäuflic^en ®egenftanb fud^te, fanb er einen fleinen ?iVn\c\, für ben er brei (Bulben erl)ielt. ^n einer .^raftfnppcnanftalt gcnoft er bann beglücft

508 ^ie groficn Sd^inciäcr ®irf)ter.

mehrere Suppen, ^cmfelbeu Sibneljmer üerfaufte er feine ?^löte, auf ber er vori)tx eine Slrie uortragen nm|tc, für brei^ig ^reujer. So ift bog gtötenrounber bes „(Srünen ^einrid)" iDirflicf) erlebt. Sc^Iie^lic^ bocf) auf bic Strafe gefegt, ba er bie 3Jlicte ni(^t begal^len tonnte, fel)rte er betrübt narf) S^xii) jurüd, rao er nun bie nä(^ften Jed^§ '^a\)Vii er felbft I)Ot fie aU oertorene bejeic^net jubradE)te.

Tili bcm näd^ften ^a\)xe (1843) enbetcn feine ©tubien in ber SJioIerei. ©ofur begonn feine Sprit fid) ju entfalten, angeregt befonbcrä burrf) .^erroegl)^ (Sebic^te unb ®riin§ „Schutt", ^er (Seift ber revolutionären ^c\t ergriff aud^ if)n. ^n B^ti^ lernte er g^reiligratl) unb ^offmann oon g^aHeröIeben tennen. 1846 lie^ er bur^ 58et=: mittlung feineö ©önnerö 9Xug. 3tb. Subrc. Rotten (1794 1855) bei bem biefem be=- freunbeten 5ßerteger SBinter in ^eibelberg fein erftcö ®ebi(f)tbänbd)en erf(i)einen, noct)- bem fd;on t)orf)er im „^Deutfc^en ^üfd)enbuc^" bie erfte ^älfte aU „Sieber eines 3Juto: bibotten" Ijerauägege^en mar. ^on bem Honorar machte er eine tteine ©ommerrcifc nac^ ©raubünben.

9?a^ bem 3:^obc feiner Henriette Um er erft in biefer ^Q\t in neue SiebeSfonflittc. Seine 9tngebetetc f)i'e^ Suife S^lieter awQ 2Bintertt)ur, unb it)r t)at er ben berüf)mten btieflid^en §eirat§antrag gemad^t (im Dttober 1847), in bem u. a. f)ei^t: „3tber genieren Sie fid^ ja ni^t, mir ein red^t runbe§ grobeö S^cin in ben 33riefeinrourf ju tun, roenn Sie nic^tö für midf) fein tonnen; benn \6) roill mir nad^f)er fdE)on aus ber ^atfdie {)clfcn." ©r fei ii)retn)egen bie ganje 9Bod^e „in ben SBirtöf)äufern t)erum= geftric^en", meil il;m beim 9tlleinfein angft unb bange gemefen fei ; fie fei baö aUererfte 9J?äbrf;en, bem er feine Siebe erftäre, obmof)! i1)m „fd)on mehrere eingeteui^tet" Ratten. 2)a Suife 9f|ieter, bic oft bei SSermanbten in Bürirf) ficf) auffielt, nicE)t nur ein fd^önes unb l^eitereö, fonbern aud^ ffugcö 5D^äbd^cn mar, fo überlief fie it)rer SJiutter, bem fonberbaren ^Bewerber j^unäcEift einmal jart in bie „^atfd)c'' bineinju^elfen unb if)n fo t)or gemi^ größerem Unglüd p bemaliren. Tiad) bem erften Sufammentreffen mit i{)m t}atte fie an if)re SJlutter gefd^rieben : „!Der ®id)ter .Heller fprid;t roenig unb f(^eint cl^cr pf)IegmatifcE)en Temperaments ju fein. @r b^^t fetir tfeinc, turge Seindien; fd)abe! benn fein ^opf märe nid)t übel. 39efonber§ intereffiert er midi burdi feine au^ei- orbentlid; \)ol)e Stirne."

3)a§ tu^ere bcö 3^id)terö mad)te in ber %ai biefcn ©inbrucf. ^ie Seine maren turj unb fdimad^, ber 9?umpf mar ftämmig, ber ^opf gro^. '^^er ©i^ricfe rourbe jum 3mcrge, fo'bafb er fic^ oom Stu^I crijob, unb baö riefige .^aupt fd)ien burcb fein ©emicfit gur Grbe gebogen ju merben. ^eber längere ?[Rarfd^ ftrengte il)n fc^on i'n ber ^ugenb an.

?^rauen tonnte er nur feiten gefallen. 2Benn er feinerfeitS nac^ bem meiblic^en Sbeal fud)te, fo mar er bod) rec^t frol), ba^ er nid)t fanb ober ficb burc^ ben Sefi^ oom (Segenteil nic^t überzeugen ju laffen brauchte. Siebe unb tunft maren bei \i)m nidE)t einö. (5i mad^tc ficf) ^u ?^reiligratl) barübcr luftig, ba^ man feine Siebeslieber für bare 9)lünje genommen l)abe, erft nac^ il)rcm ®utftel)en l)abe er fid; „roirtlid) mit aller 3Jlad)t ucrliebt". ®amit fd)altete er alfo bie ^jugenbliebe ju Henriette aus. Denn bicfe ftarb 1838, mäf)renb feine 27 Siebeslieber 1844/45 entftanben.

^m 5;abre 1848 verlief er bie §cimat, um beutfdK .^otf^frf'i'ff" i" befuc^cn

©ottfrieb neüevi^ ßcben. 509

itnb Qu^erbem bie bramatijct)c Saufbal)n einjuic^Ingeii, 511 bcr er fic^ je|t berufen füljlte. er ging jucrft nacf) ^eibelberg, roo er bem ^riuatbojenten für ^ftfjetit unb Äunft^ gefc^ic^te ^ermann Lettner (1821—1882) nä^er trat, ©ro^cn (Sinfhi^ übten auf il;n bie SSorträge Subraig geuerba^ö aus, bcr in feinem 33ud) „Über öaö Jöcfen bes 6I;riftentum§" bie 3tnfic^t ucrtretcn ijatte, ba^ bie d)riftHrf)e ^Heligion ^Kcnfcfieniüerf unb mit bem (Seift raa^ren ß^riftentumö oft nicf)t jn üereinen fei, unb ber in einer Srfirift über %ob unb Unftcrblirf)feit bie Unjertrennlic^fcit oon 5^örpcr unb Seele mit oUen fi^ barauö ergebenben ^Folgerungen lehrte. „2ßie id)", fc^rieb Heller bamals an j^reiligrati^, „mit bem lieben ©ott ftel^e? ®ar nic^t! Subraig ^^euerbarf) unb bie Äonftitutionellen in ^^ranffurt nebft einigen groben pf)gfioIogifd;en ^enntniffen f)aben mir olle lufuriöfen träume oertrieben. 5Die rationelle 3JJonarc^ie ift mir in ber JHcli- gion fo miberlid; geworben raie in ber ^otitif .... 3Ug ic^ @ott unb Unfterblirf)fcit ent= fagte, glaubte irf) guerft, \d) mürbe ein befferer unb ftrengerer IRenfd; roerbcn, \6) bin ober roeber beffer nod) fd)fcd)tcr geroorben, fonbern ganj, im ®uten roie im Sd^timmen, ber 3(Ite geblieben."

häufig fe^rte Heller jenfeitö beä 3fle(far bei bem ^ofrat ©briftian .<lapp ein, bcffen ^od^ter ^oljanna oicr ©ebidite gemibmet finb.

9}?it einem neuen ©tipenbium ber 3iii^i<^fi^ SRegierung anögcrüftet, ging Äeller 1850 nad) 33erlin. ©r fuF)r junäc^ft rfieinabmärtö, befud^te in 5?öln g^reiÜgratl), bcr au§ feiner Sonboner SSerbannung oorübergel^enb nad^ ®eutfcf)[anb gefommen umr, unb longtc ^UJitte 3(prit in Serlin an, mo nun bcr ."i^ampf um baö tägtid^e ^5rot mieber be- gann. '3^0 er nid^t gefellfd^aftlic^ entfprci^enb aufzutreten nermoc^tc, 50g er fic^ gang in fi^ feübft unb ein frcigcmäf)Itc§ ©inficblerleben ^urürf, „ftumm unb nüchtern roie eine ©c^ilbEröte", mie er an ^vveiligratl) fd)rcibt: „bringen Sie 2Baffer f)ercin!" „Tne Speifefarte!" „^df) F)abc feine .^eijen mel)r!" „^c^ münfd)te ein ^u^cnb 3igarrcn!" finb fo siemiid) bie einzigen Sßorte, roet^e mand;mal modienrang über meine Sippen fommen." SBieber fehlte \^m oft am S^otmenbigften. 9l(ö er einft fid) nöc^ einen ©rofc^en für ben folgenben ^ag aufbeuia{)rt I)atte, um fic^ 58rot faufcn ju !önnen, ertüieg fid) baö (Selb alö fa(fd): er mu^te ha^ 33rot im SBäcfertabeu mieber jurüdlcgcn, befc^ämt hinausgehen, ben ^ag oF)ne ^ffen uerbringen, unb am näc^ftcn borgen etiuaö ©clb borgen, ^n biefen Umftänben fd)ricb er ber 5)?utter, bie in grof?er Sorge um if)n mar, überhaupt nid^t me{)r, um fie nicfit ju befümmern unb ganj niebor^ubrürfcn. 3u feinen menigen ©enüffcn gefiörte biöroeilen ein Stüubd)cn mit bem llnterbibliotbcfar im ^riegSminifterium unb Sd)Iad)tenepiter ©fjr. 5^r. Sd)erenberg (1798-1881) in einem .taffeegarten bii'tcr einem Srcttersaun an ber ^otöbamer 33rüde. Cincn freunb= ad)en Umgang erfc^Ioft ibm baö .§an§ beS ^Jerlegerö J^ran^ 'Duncfer unb feiner r^rau Sina.

.^ellerö Iiterarifd)c Setötiguug begann eigentlid) crft in Berlin. 5lud .^eibel^ bcrg brad)tc er fein bramatifd;eö Fragment „Xt)erefe" mit, für baö \\)\n äufterlid) ^ebbelö „^lc\x\a ^JJagbalcne" alö gjiufter gebient ju haben fc^cint. ©ottbclfä Qx- jäl)[ung „eifi, bie feltame gjiagb" moUte er ju einem ^rauerfpiel ummanbclu. Unb fo plante er noc^ allerlei ^ramatifd)eö. 1851 erfc^ienen bei ^Sicmeg in 53raun)d)mci8

510 ®te grofeen ©cfinjeiser Siebter.

feine „Skucren ©ebid^te", unter benen ficf) fd^on bie ,,2Öinternarf)t" befonö. Sein 53crlincr ^auptiuer! aber roor ber autobio^rapI)ifc^e Sfloman „^er grüne ^einrid^", für beffen ^nfiolt freiließ au^er ber ®ortd;en ©c^önfunb=@pijobe ÄeHerä 31ufentl)alt in 33erlin faum etiüoö beifteuerte. ^ortd^en war eine SSerlinerin namens 58ettt) ^enbcring, bie Heller auc^ ju ©cbid^ten begeifterte unb, bo er in ber Siebe fein ©lud t)atte, Diel= mef)r eine gange ^(njat)! üon ^orbd^en eri)ielt, i!)m inbireft aucE) ju prügeln üerf)otfen i;u I)aben jc^cint. ^cHer liebte 9f?anfcreieii au^erorbentlid). 3(uf ein foId)e§ (Srlebniö beutet jebenfallö bie (Erinnerung in einem 33rief on £ino '3)itndfer auö bcm ©ommer 1857: „^^ burfte alö guter Bürger in S^xid) feine 9täufcE)e trinfen, um mir borüber iueg,3u^e[fen raie rceilanb in Berlin; benn ju §aufe fann i'd^ bergleicEien nidf)t aufführen, fonbern mu^ aDe§ Unzeit gang nndf)tern unb trocfen ju paaren treiben, roaö übrigens auf bie ®auer bocf) baö ^"rfpric^n^ere i[t. S3ei biefcr ®elegenl)cit mup i^ 3f)nen noc^ nad^träglic^ geftef)en, baf? jcneä blaue Stugc, mit roeld^em irf) cinft bei '^^\m\ erfd^ien, obgleid^ i^ obgeleugnct, bennod^ üon prügeln I)errüf)rte. ^d^ f)attc nämlirf) nid^t nur ben ©. geprügelt, fonbern in ber folgenbcn 9^ad^t mieber einen, megcn beffen i^ tierflagt unb uon ber ^olijci um 5 3:^aler gebüßt mürbe, ^n ber brüten 9lad^t jog ic^ roieber an^, fanb aber enblid^ meinen SReifter in einem ^auöfnec^t, ber mi^ mit bcm ^au§fdf)[üffel bebiente, morauf id^ eublid^ in mid) gin{^. ©S mor eine ©onncrötag§:, 3^reitag§: unb Sonnabenbönad;t, rao id^ fo mit gebrodienem .'gergen mid; um^ertrieb unb anbern Seuten mir jur ©rlei'd^ternng an ben köpfen fragte. 3lber mar bod^ eine l^üBfd^e ^dt, unb je^t gel^t gar nid^tö SfJed^teö mef)r üor." Sf^nlid) mac^t ber grüne ^einrid^ feinen fiiebeäfdfimerjen (in ber ^ortd^en=®pifobe) Suft.

Lettner fiatte bem ^id^ter ben SSerleger 58ieroeg jugefü^rt, ber, begeiftert für ben „(Srünen ^einrii^", biefen 9?oman übcrnaljm ober Dielmet)r ii)n ftücfmeife bem 2tutor abrang. Iffieber I)ielt fetter SBort, nod; lag i^m etma§ an fdEiriftftellerifcEier 9lu§fü^rung baö ßrfinnen unb ©rbid^tcn mar feine Suft. ©enau fo oerfir^r er übrigeng mit feiner 5lorrefponbenj. S^otmenbigeö mürbe nid;t gefagt, angefangene^ blieb 9)?onate liegen, 9t'bgcfdf)loffeneö rourbe nid^t abgefdiidft, ©ein gröltet ^^reunb mar üiellcid^t fein ^apierforb. ©o ftrid^ er mo()( ba§ üorau§gejal)lte .^onorar oer^ gnügt ein, badete aber gar nid^t baran, feinen 58erträgen nac^jufommen unb bie 3)tanuffripte abzuliefern. „23ud;ftäblict) unter STränen fdlimicrte" er, mie er fagt, am ^almfonntag 1855 ha^ lefete Kapitel bcö SBerfeö, baö fünf "^aljxe lang unter ber treffe gemefen mar, alö es im 2Rai crfd^ien unb SleHerö 5Ru^m begrünbete, ©in '^al)v Darauf folgte ber erfte 33anb ber „Scute oon ©elbmpla".

91a^bem er ber SInregung, 2iteratur= unb ^unftgef^id)te an bem neu gc= grünbeten ^ürid^er ^oli)ted;nifum ju leieren, 1854 auögemid^en mar bie Stelle mürbe ?^r. ^f). SSifdier juteil, rocil)renb Lettner md) Bresben berufen mürbe , ging er alö freier 9Kann, ba feine ?5^reunbe jur üorläufigen 'Tilgung feiner SdE)ulben eine Summe gefammelt l)atten, nod^ ju 2Beil)n<id;ten 1855 in bie ipeimat jurüdf, roo et 3J?uttcr unb Sdiroefter gefunb ontraf. „©rfterc", fdE)ricb Heller im Januar 1856 an fcina Xuncfer, „ift fel)r bauerl^aft unb l)at fid) in ben fieben 2fal;ren faft gar nic^t ocr- äni)ert; fie mad)t aUeö felbft unb lä^t niemanb breinreben; aud) flettert fie auf aUe

©ottfrieb ÄeOerä Sehen. 511

i^omntoben unb Sc^ränfe hinauf, um ©c^ad^teln f)erunter3u()oIen unb Dfenflappen ju- jumac^en. ^6) mufete mir eine Seroiette jum ef[en förmlirf) erfämpfen, unb bo gob fie mir enblirf) ein ungefieureö ß^tuc^ aug ben neunjiger ^ifliflif"/ i>on bem fie bc: {)üuptete, ba^ menigftcnö oierjefin %aqc auörcic^eu müffc! ^rf) fann luic einen ^ubermantel um mid; I;crumfrf)lQgeu beim (Sffen. 3Keinc Sc^mefter i[t eine Dortrcff=

lic^e 5per[on unb Diel beffer als id) Seibe I^otten gro^e ^reube, alä \6) tarn;

übet \6) f)abe it)nen and) nid)t im minbeftcn imponiert."

^n 3ü^i^ lüurbc er nun nud) in ben 9Sejenbondi'd}cn 9.im aufgenommen unb lernte ^Ri^orb SBagner fennen, ber iF)n auf Sd)openI)auer anfmerffam mad)te. 1861 mäl^Ite man il^n jum erften (Staatöfc^reiber, fo ba^ er nun in eine gefi^crte 3"^""!* I fol^ unb mit 9)Iutter unb Sdimefter eine 3tmtön)ol)nung bcjog. Die 2)iutter, an il)iem 2eben§abenb fo bod^ beglücft, ftarb 1864 im 2(Iter uon 76 3iaF)ren.

©d^on 1864, olfo nodi ror feiner Ernennung, (;ntte il)n 58ert^oIb SUierbn^, mi.t bem er fpäter (1865) in '^im6) 33rüt)erfc^aft tränt, für feinen „5SoIföfa[enber" um einen 33eitrag gebeten. ÜUUer fanbtt eine ©rjäfilung, bie uon ^tuerbncb //^aö ^äf)n= lein ber fieben 3tufre^ten" betitelt rourbc unb fpätcr in bie „3nric^er ^ftooellen'' j(1876/77) überging. Dagegen blieb bie oon §einee. ,3iomanserü" (1851) angeregte Di^tung „Der 5{potbcfer uon S^amouniy", bie in ibren 9(nfängen auf bie 3at)re 1852/53 5urücfgef)t, tro^ mef)rfa(^er Umarbeitung liegen, bie fie fd)Hep(idb 1883 in ben „©efammelten ©cbic^ten" erfd^ien. ©benfaKe fcfton früF) (1854/55) maren bie „Sieben Segenben" begonnen morben, bie erft 1872 anö Sid)t traten.

^n biefem ^abre mad^te ber Did^ter eine JHeifc nad) 'Diündjcn, mo er mit bem ^rofeffor i!arl Di(tf)eg bie 5lunftfammlungen befud)te unb auficr anberen and) ^aul Öepfc roiebcr begrüf^te, im folgenben ^aF)re an ben llfonbfee ;;u feinem ^^reunbe 'ifbolf ßyncr, mo er ben fd)on in 33erlin eibad^ten „Dietegen" ju ©nbe fd)ricb. Die S^ouelle bereicherte feine neue Slnögabe ber „Seute oon Selbmt)(a", bie 1874 berauötam. Die ?^reunbf^aft mit .^epfc mar oon Dauer, .^epfe mar übrigeno roeitfi^tig, Heller furj= fid^tig man 'i)at barauä Sd^lüffe für bie 3trt and) i^reö inneren Sc^auenö gejogeii.

^m näc^ften '^ai}vc uerlcgtc .Heller feine Söobnung auö bem alten, büftern 0e- bäube ber Staatofanjlei in bie 58orftabt ©nge auf b<iG ^orf)gelegene o'bcre Sürgli, unb 1876 nal)m er feinen 3lbf^icb, um auf bicfer fd)önen .^öbe mit bem meiten S^unbblid / bie legten ^abre ganj ber Did)tung ju leben, ^ier erft entftanb im ^fanuar 1879, nlfo in Hellcrö 60. 3al)re, baö munberbare 5(benblieb „9(ngen, meine lieben )Venfterlein". ©eitbem er in ben 3tubeftanD getreten mar, fapte er and) crnftlid)cr ben fdion frübcv erroogenen ©ebanfen einer Umarbeitung beö „®rüneu öcinrid}" iuc 9luge, ber, nun^ mel)r mit glüdlic^em 3(uögang, 1879/80 erfc^ien. Unmittelbar bavouf, nod) im ^abre 1880, folgte „Das ©inngcbid)t", non bem ber i?lnfang nod) ber ^i^crliner Seit angehört unb urfprünglid) unter bem Ditel „Salatea" für ben Duncreridjcn T^crlag beftimiut mar. SIber nod; roäbrcnb beö 5lbfc^luffeö äuf5crtc Äeller getreu ben bcgeifterten öer= auögeber *»er „Deutfc^en 9hinbfd)au", ^bbenberg, bem er baß ^anuffript jur erften ^eröffentlid)nng übergab, er fei nid)t fic^ev, ob auo bem „Siungebic^t" nid}t el)er ein „Unfinngcbid)t" merbe. 1883 gab er feine „(Bcfammelten ®ebid)te" bcrauä. ^n \xr

512

Die großen ©c^tüeljei Siebter.

„^cutjd^en rKunbf^au" erf^ien j^üe^ürf) 1886 Der äeitge)c^irf)tHd)c Sfbman „"iSlaxtin Salaiiber".

^u ^ellerg le^ter ^eit fom eine met)r ober minber flüchtige S3erül)rung mit [einem engften Sanb^monn ©. %. 9Ker)er [oroie (feit 1877) ein freunbfc^aftlic^cr ^rief= roe^fcl mit %f). ©torm juftanbe. ©onft mar Heller im allgemeinen nic^t fe{)r ju^ gänglic^, jumol für neue ^erjönlic^feiten. ^m ^erbft 1882 oertaufd^te er fein [(^öne§, ober unmirtlic^eö unb in ljöt)erem Stlter befrfiroerlic^eö „33ürgli" mit bem „%\)aUd", einer fc^Iic^ten 9JJietroo'f)nung am 3^It"^ß9 i" Rötungen.

(Segen ungebetene ©äfte üer^ielt fid^ Heller fef)r ungemütlich. ®r mar in fd;roffem ©egenfa^ ^u S. %. 9)let)er ein auögefprod^ener ^^reunb bel)agnc^en 2Birtöi)au5' lebenä, ha§i il^n ju ni^ts ocrpftirfjtete. 9lm Sonnabenb faf? er mit feinen g^reunben abenbS in ber „9)^eife" unb fprad^ fomo^I bem ©ffen mie bem 2Bein aufä befte ju. 3)en <Sdf)lu^ bilbete ein fd^mar^er .Kaffee mit einem ^ogna!, bismeilen ouc^ franjöfifc^er Seft. ?iacE) 9)iitternad;t gog mau über bic £immatbrücfc in ein flcine§ 53icrbau5, roo noc^ 1 bis 2 ©tunbcn gepkubert rourbe. ^m Sonntag fanb eine Üirjere SSieberFioIung ftatt. ®r mar ein fefter Scä)tx, ber |>err (Sottfrieb, jartem 3)tinnebienft bogegcn ab- ()olb. 3Son ber frangöfifrfjen Literatur ft^ä^te er befonberä ben „Dnfel 33enjamin", roeil ba, anftatt ©fie gebrod^cu/ unenblid^ oiel getrunfen merbe.

©eine literarifd^e S3cmunberiing galt im übrigen oor allem ©cfiiHer unb 3i. ^. ^ebet. 3(uf feinem ©dfjreibtifcE) ftanben il)m fiets t)anbgered)t bie 2Ber!e Seffings, 3)anteä unb Sf^abelaiö' foroie bie 33ibel.

2Rit fteigenbem 3Uter jog er fid) immer me^r in fid) felbft jurüd, unb btc (jrieägrämigen Stimmungen nof)men überl}anb. ®ö mar of)nef)in nic^t leidit, mit if)m ju üerfet)ren. 3Son jö^em, aufbraufenbem Temperament, burd^ feinen langen £eben5= fampf unb feine ©nttäufd^ungen in ber Siebe yerbittert, mürbe er nid^t feiten ol)nc rechten ©runb fc^roff unb üerle^enb, unb eine neue g^ueunbft^aft rote bic mit bem jungen Strnolb 33öcf(in Wieb gang nereinjelt. 3tlö im D!tober 1888 ai\6) feine Sc^roeftcr ftarb, fc^ritt er faft rereinfamt mie ein .^Iau§ner in fein fiebenjigfteö 2ebenöjat;r, \>a^^ an feinem ©eburtötag üon ben ©ebitbeten ^eutfd)Ianb§ unb ber Sc^roeij einmutig begrüfit unb gefeiert rourbe.

2lm 15. ^uli 1890 i|t ©ottfrieb .Heller geftorben. ®ie ©inäfdierung rourbe für 3ürid) ju einem großen Sl^rauer; unb ©ebenftage, roie il)n bie ©tobt nod) ni^t gefef)cn ^atte.

Seine ©rabfc^rift Fjatte 5lettcr fi(^ oor niergig ^af)ren felbft gefc^rieben (,>2)te Seit ger;t nic^t, fie ftet)et ftifl"):

(Sä ift ein mei^eö ^ergoment S)ie 3eit, unb feber fd^reibt OJiit feinem roten 93hit barouf, 53i§ i^n ber ©trom bertreibt.

.mn birf), hu munberbare 2Belt, 2)u ©d)önl;eit o^ue (5nb', 2lud) \d) fc^reib' meinen Siebe^bricf Sdn] biefe§ ^ergöment.

^xo\) bin id), bafj idj aufgeblüt)t 3n beinern tunbeu ^ranj; 3um 2)an! trüb' \6) bic Dueric ni^t Unb lobe beinen ©lanj.

Äcflcr« fiprif.

513

3, ^cUcr« C^vir,

3)Jan braucht nur ^eücrö „©rünen ^einrirf)" ju Icfen, um ju miffcn/ bo^ baä ©runbelemcnt feiner poctifd^en Sc^obung nicf)t Itjrifc^ raar. 3jqö bcfiaölic^ breite 2lu§; fpinnen ber 3ru)tiüe unb (Situationen ift 5ßorQU§fe^ung für ben großen ©pifer. ^jn bei erften ^eit entroarf ^eHer benn auä) feine ©cbirfite juerft in ^rofa, beoor er fic^ an 33erfe tDogtc. ^a§> ift fo rec^t bejeirf^nenb. blättern wir jeboc^ in feiner Itjrifd^en ©ammfung, fo finben löir ©ebid^te üon einer ®mpfinbung§it)Q{)r^eit unb ^[angfd;ön^eit/ bQ^ er burcE) fie aEein fd;on ^ätte unfterblid^ roerben tonnen. 2)Qron§ ergibt fic^, Da^ bie ©rösten im 3ieid^ ber ^ocfie feine ©renjen ber poetifrf)cn ©ottung für fic^ felbft ju jiel;cn broucfien, ba^ fie reic^ genug finb, um anä) in fern gelegene ©eifteöiänbcr reifen, bort lebtn unb anbere bcgiüden ju föunen.

^eUer-j befonbere ^unft ift eö, burd; unmittelbare 9(nfd)auU^!eit ber SBorte unb SSerfe gu lüirfcn. 2)Jan fönnte feine Sr)ri! gerabeju farbig nennen. 3)abei erinnern TOir unö, ta^ er urfprünglid^ ja 3J?aIer roerben roollte. ^umal fein ©pcjialfad), bic £anbfd)aft§mnlerei, cerlangt SSorliebe unb latent für eine foldie Uumittclbarfcit ber 3lnfci^auung. ^n ber St)rif mar nun ebenfallg bie £anbfc^aft, baä, roaö roir Statur nennen, baö junäd^ft ©egebene für feine ^unft. Unb fcf)cn roir unö feine ©ebiditc baraufl^in an, fo finben roir tatfäd^Iic^ faum einö, bem baö farbige 9^aturbilb nicfit feinen ©f)aratter unb fiöd^ften SBcrt gäbe.

3(uc^ bann ift baä ber ^aH, roenn Heller, ber ^lealift, jum Stjmboliften, jum ^^iomantifer roirb. Stormö romantifc^e ©timmungöfunft ift if)m frcmb. Stber ba« SSifionäre in Silbiid^feit unb ©rieben unb mand;cö anbere nerbinbet if)n mit ber 9^10= mantit. 3(m fc^önften oicHeic^t fommt bnö jum Shiöbrurf in ber „SBintemad^t", bic roic ein 33ödlinfci^e§ 33ilb roirft :

9iid)t ein glügclfd^tag ging butdj bie 2BcIt, (StiU unb blenbenb lag ber roei^c (5(^nce. 9Jid^t ein S5?ölflciu f)ing am ©ternen^elt, ^eine SScöe fc^Iug im ftarrcn ©ee.

5(u§ ber Xiefe flieg ber ©eebaum auf, a3i§ fein 2BipfeI in bem (5i§ gefror; 5In ben Elften flomm bie W\x' Ijerauf, Sdjtiutc burd) baä grüne (Sii empor.

9Iuf bem bünnen ©lafc ftanb Id) ha, 2)a§ bie fdjmar^e Sicfc oon mir fd)ieb; Xidjt ic^ unter meinen %i\^cn faf) ^l)xe mei^e Sd^nf^eit ®iieb um ©lieb.

aKit crflidtem Jammer taftet' fie ?ln ber f^arten ^^rfe ^cr unb tyn, '^d) oergeff hai bunflc ^(ntlib nie, 3mmer, immer liegt c3 mir im Sinn.

tiefem Ii)rifd)en ^JMrc^en muffen roir jcbo^, um ileHer nic^t nur oon bor einen ©eite ju feljen, foglcic^ ein realiftifd) empfunbeneö unb geftaltctcö ©ebid)t gegenüber-- ftetten, in bem greic^roobl jene unmittcrbarc ?(nfc^aulid)tcit nidit minber an.^utreffen ift; ctroa baö britte feiner fd;önen Söanberlieber (,/Sountagö'^ nu8 ber berliner Seit (1852):

L'äjfig balb unb n)icbcr fdjncUer '

©reifenb in ben blauen .t)immet |

Xrel)t fid) eine graue 9}?ül)(e _ j

Xort am fditueigenben XDlenf)ain. |

Ot^Itf , a;ic beiittd)« SiJfrntut feit QJoctfje« lobe ufro.

Grüben glön.^t be§ fiönig? .Kuppel; ©tin ift'§ ouä) in jener Oiegcnb, ©djuioKcnb lö^t CT ®ra§ crgrüncn S3or bem riefigen 5^urgportaI.

33

514

®te grofecn ©c^tDetjei Dichter.

5Iii§ bell Hoxtn jummt unb brummt e§, Unb ba§ 3Scid;bilb jd)iüirrt bon ® eigen; ?^-crn^iii iixitet in bem ©anbc !Stmi6aufvegenbe§ S^olt S3erlin§.

Slbev auf bem trägen Jl'MK 5af)r€n [tille 2!?enbenjd;ifie; SDurd; bie Sßipfel in bie Jycviic ®oIbcn fonnige Segel ^iefin.

2(n^er biefen SBanberbilbcrn Ijot JleEer aud) ein „Söanberüeb" gefc^rieben, boö auäflingt in einem ^reil)eit§iang, bn§ aber anhebt mit ®ic^cnborffid)er ?^rij(^c nnb 5lniinlät:

ö)Iüd auf! nun mill id) manbern 53on frü§ bi§ abenb§ [pät, Soweit nuf biefer ßrbc S)ie Sonne mit mir gc^t!

3^ ftil)re nur Stab unb 33cd)ci, HKein Ieid)te§ ©aitengetbn; 3c§ hjunbrc mic^ über bie 9[)?a^en, 2öie'§ üBerall fo \ä)'ön\

^ellerä ^iiO^ni^IVi^i^ ä^igt äu^erlid) ben ®influ| .§ern)egl)ö unb ©rünö foiöie |)cine§, auf ben jo and) bie 33eröerjä^(ung „Der StpoC^cfer oon ©fiamouniy" beutlidi binmeift. $icr joroie in nnbern ©ebi(^ten ift inbe§ ber erroäljnte romnntifd)e @in[df)Iag nuc^ in ber Sluffaffung unücrfennbor. ©aö Xraumfyafte liegt burd^QU§ in ÄeUere gonger ^oefie in jeitjamem SBiberfprnd) ju feinem übrigen erb; unb fernfiaften 2Be[en. 3(n ^eine, aJbcr nud) an 3^ot)nIi§ unb ^ölberlin, ni(^t aber an biefen fnorrigen unb edigen «Sc^roeiger inöd^ten roir §unäc^ft benfen, tücnn roir feinen @ru^ on bie 9la(t)t lefen („Unrul)e ber 5fJnd)t"):

9tun bin ic^ untreu n^orben '3)er Sonn' unb il)xcm Schein; 5)ie 9fiad)t, bie 5'?ad)t fott ®ame Sflvm meines ^erjenS fein!

Sie ift Don büftrcr Sdjönf)eit, ^at bleiche? 9f?orncngefidjt, Unb eine Sternenfrone 3^T bunf(e§ ^aupt umflicht. . .

Sic ift eine alte Sibi)I(e Unb !ennt fid) felber faum; Sie unb ber ^ob unb lüir alle Sinb träume oon einem 3;raum.

3c^ föill niic^ fc^Iafen legen, ^er ÜJiorgenioinb fd)on ^iel^t 3^t 2;rauern)eibcn am .^ir^t^of, Summt mir mein Sc^lummerlicb.

^Jtt)nlid) tiingt baö Sieb „Unter Sternen":

^eilig ift bie Sternenjeit, Öffnet alle Prüfte: Stra^lcnbe Unfterbli(^feit SBanbelt bur^ bie Süfte.

ßin anbercr 3fiac^tgcfang („2)er 5Rad)tfcl)n:)ürmer") fud)t in ganj romonti)(^ec 'itrt ben 2Beg ber Siebe:

So n)ill id) i^r ein Stänbd)en bringen, ®a§ hjcit^in burc^ bie Süfte fdjallt, Unb fpicle bu ^u meinem Singen, ®eift ber 5^ad)t, auf %a{ unb SBalb! '5)en SKinb la^ mit ben Xannen fofen, ■JJie h3ic gefpannte Saiten ftc^n, Unb mit ber SBeHen fernem STofen 5)er 5f?a(^ti galten G^or bermc^nl

attütxi iir)tit. 515

^m ,/Jtad>^alI" roirD öiefer ic^iDärmerijc^c Rlanq öev ^3kd)t unD Siebe am Sc^tu^ be= rcitö ironifd; geroenbet:

SIrmcr ^Rittet, lafe unä ge^en,

§urtig [u^ beiu füljleö .s^au^3,

^enn be§ äJJorgenminbeö Soeben

öac^t un§ gTü^e .^inbcr au§!

^ie ^nubfc^aft 9ktur im loeiteren Sinne , nid)t Die :^iebe, mie mir fru()er jafien, gibt 5lelIerS SiebeSltjrif baö ©epräge. Sei einen: 3JJanne, beffen Siebe niemnlö glücf^ lic^ mar, tonnte a\i6) goet^i[rf)e Siebeölgrif nic^t entftefien ; unb Äeller mar eine oiel ju traftuoüe unb i'elbftbemu^te 9?ntur, um fein Sebentang atö f^madjtenber, unbelüt)nter SRitter bie [c^önen ®amcn an^ufingen. Unb bod^ lebt in feinen Siebeöliebern eine t)tx^ü(i)t ^mnc^tc'ü, bie ©efjufuc^t narf) bem trauten ^iMtiinnTenfein, ba§ if)m in Sßirf- Iid;tcit Derjagt blieb. 3" fuuftlofen SBorten quiüt e(^teö (Sefü^l t)erüor; \o in bem «<S(^ifferIicbrf;en" :

©djon ^t bie 9lac^t bcn ©ilberfc^ein ^d) I)öre jc^on bcn 33runnen gef)n

S)e§ ^immelS aufgetan; SDcm ^förtlein neben<jn,

9f?un fpült ber ©ee ben ^Biberfc^in Unb biefeg ^at ein gütig 2?ebn

3u bir, äu bir ^inan. i SSon Dften aufgetan.

Unb in bem ©lan^e fd)aufe(t fid) (Sin leidster bunfler ^al)n; Xex aber trägt unb fd)aufe{t mid) 3u bir, 3u bir I;inan!

3)a§ Sternlein fc^ie^t, Dom 95oume fällt Xa§ SSIuft in meinen ^c^n; 3la(^ Siebe bürftet ade ^eU, 9?un, <Sd)iffIein, leg bid) an!

2)er SSolföton, ber f)ier E)örbar mirb unb ein meitereö Öinbeglieb ^mifdien Heller unb ber SRomontif bilbet, ift ni^t rein j^ufäHlg. Unter bem 2:itel „3nte SBeifen" t)at ber Did)ter eine JHeiFjc t)on Siebern gefcbaffen, bie bemüht im ^olföton gebalten finb. 3^aG beuten fc^on einjetne 3[nfänge an (5. S. „Xie Sor' [ifet im ©arten", „3c^ fürest' nit ©efpenftcr", ,,Singt mein Schüfe mie ein ginf", „^ööc^en bife ben Gipfel an", „2Bonbr id) in bem gj?orgcntau", „^aö .^öblermcib ift truntcn", „^aö ©örtiein bic^t oerfdjtoffen"). STabei moc^t fid) .Slctterö Sc^a(fl)aftig!eit geltenb, bie feiner ^rofa befouberö Diele ^reunbe gemonuen bat. 5ßir Ijören ben SSerfaffcr ber ,/Sieben Segen; bcn", menn er in bem Öärtfeiuliebe ben £d)nee mit göttlicber 2öäfd)e uerglcic^t:

?l(§ l)ätt' ber gnabenrei(^n 2)Jariir reinftc ^anb !5m <2onnenfd)ein ,^um 3^leidicu ^sf)r .*pemblein au^gefpannt.

Ober in einem anbcrcn biefer nad) ©rfinbung unb Schelmerei rei,^enben Siebd)eu:

2Bie glänzt ber tjelle ^JJ^onb fo falt unb fern, 'Tod) ferner fc^immert meiner 2rf;ön^eit Stern!

Si1üt)l raufd)et mcit üon mir be^ SReere^ ©tranb, ^od) mciter^in liegt meiner 3i"9^"^ Sanb!

O^n' aiab unb Teid)fel gibt'3 ein ^Pägelein, •Drin fa^r' id) balb jum ^rabied l)inein.

33»

516 2)ic großen ©c^roeiger 2)id)tcc.

a)ort [i^t bie a)?utter ®ottc§ auf bem lJ;^ron, 3Iuf i^rcn ^niecn fcf^Iaft t^r ferger ©o§n.

©ort fi^t ®ott S3ater, ber ben ^eil'gen ®eift 2lu§ feiner §anb mit §immel§förnern fpeift.

3n einem i©ilberfdfleier fi^' irf) bann Unb fcfyjue meine toei^en Ringer an.

(Sanft betrug aber gönnt fid^ feine 3flnf)', §o(ft öor bcr %üx unb flicft bie alten ©d^u^'.

Unb roie angefd^aut ift atteö aurf) in biefer uolfötümliti^en St)rif! 3llte ah-- genügte Silber unb SSergleid^e befommen burd^ einen unmcrflid^cn ^n^ai^ neuen ©fanj, onbere miebcr itberrafd)en burdE) if)re Urfprünglict^fcit unb ©innfäHigfeit unb juglei^ burc^ il^re ©infad^f)eit ; fo in ber ergreifenben Älage be§ armen 3Beibe§:

SlUe meine 2öei§I}eit I)ing in meinen §aoren, Unb all mein 2Biffen lag auf meinem roten SRunb; SlUe meine 90?ad^t fa^ auf bem niafferfkren, ^c^, auf meiner Slugen blauem, blauem ®runb.

^unbert ©(^üler l)ingen an meinem meifen 3)Zunbe Unb liefen fic^ öon meinen fingen Sorfcn fal^n, ^unbert .^ec^te fpä^ten nad^ meiner Slugen ®runbc Unb maren il)rem SBinfen unb S3linfen Untertan.

9?un 'l)ängt totenftill ba§ ^aar mir armem 5Seibe, 9Bie auf bem 9J?eer ein <Segel, menn feine öuft fid^ regt, Unb einfam pod^t mein ^erj in bem berla^nen ßeibe, 2Bie eine ."^^ucfurfSu^r in leerer Sommer fc^lngt.

SDie bigl)er zitierten ©ebid^te fclieinen bie 58ermutung nal^ejulegen, bafj ÄcHer für ©cbnnfen^unbSfiomanjenltjrif befonberc^lcigung unb 'Solent gel)abt l^aben muffe. 2(ber fo ift nidE)t. ©ö ift ridE)tig, ba^ er einen ©ebanfen gern meiter ouSfpinnt unb baburc^ feinen Siebern größere breite gibt. 2tber ift weniger ber Genfer alö ber (Spifer, ber dier ben Stjrifer ergönjt. '^ann, fo foHte man meinen, umre bie SaHabe, bie Stomanje bae (Segebene. $^ebod^ geigen bie Segenben unb fleinen @rjäf)Iungen, ba^ in fol(^em j^atte'ber ©pifer bem £t)rifer bie ^^eber §ugunften ber ^rofa auö ber ^anb naf)m. So finb ber ergäl)lcnben @ebidl)te nicfit oiele im 6tile ber „.^leinen ^affion", bie ben 1)i^ter gugleid^ aud^ Igrifc^ alä g^reunb unb SeobacE)ter ber ^Ciere jeigt: ift bie Sd^itbecung beö fterbenben 3J?ücfleinö, baö fidE) ju feiner ©rabftötte ba§ glänjenbe Rapier eines auf; gefcl)Iagenen poetifc^en 33ucE)eö erlefen f)at. ®ie 5lunft beö SUjpf^muä, ben .teKer no(ft feiner eigenen 3luöfage erft nacE) ber Sefanntfd^aft mit ber scitgenöffifc^en politif^cn fitjrif gemeiftert i}at, belebt biefe fleinc poetifrfie ©rjölilung:

<£o lie^ ben S3anb id^ aufgefc^lagen Unb fa^ crftaunt bem Sterben ju, 2Bie langfam, langfam o^ne klagen, SDa§ 2:ierlcin fam ju feiner ^uf)'. "J^rei 3'age ging müb' unb matt

Äcaer« Soiit. 517

Um^cr auf bem Rapiere;

'2)ic {^lügelein Don (Selbe fein,

(Sic (^läixjten alle bicrc.

9lm öierten Xage ftanb ftiQ

®erabe ciuf bem SS^örtkin „ioin!"

Äetterö Sgrif, fo fef)r fie immer roieber ju feiner ©pit ^infü^rt, entfpric^t bacf) ber feit J?Iopftoc! unb ©oet^e erhobenen gorberung, bn§ alle rnntliä) gro^c S^rif erlebt, ein 33efenntniä fein muffe. 33ei Heller ift eö, biö ju einem gemiffen Orobe me^r ober weniger burc^meg, fogar bie ^rofa: weli^eö ^uä) roore me^r erlebt olö ber „®rüne ^einrid)"! 3Ran fann aber allein au§ feinen ©ebic^ten ein abgernnbeteö 33ilb feiner ^-Perfönlii^feit unb SBeltanfd^auung geroinnen.

©ö rcurbc fc^on gefagt, ba^ feit Feuers ^eibelberger 5:ogen unb feiner ^e-- fanntfd>aft mit ^enerbac^ biefe SSeltanfc^auung auf feinem irgenbroie firc^Iic^ ju be= ftimmenben religiöfen 33oben mef)r ruf)te; unb roenn man bie üort)in jitierten legcnbcn: artigen Sieber oon gjJaria unb bem ^arabieö betrachtet, fo roeife man oI)ne roeitercS, ba^ fo(d)e (Sd^clmerei feinem gläubigen Sfiriften möglid^ roäre. ?tnbererfeitö nennt er im „2lbenb auf ©orgat^a" g)Jaria baä Sßeib, baö 6f)riftu§ „jur gjJutter fic^ fc^uf". @r liefe fid> non ber 9?atur juriidgeben, roa§ if)m ber B^^ifel ^" ^^^ fird^Iid^en Übcr= Hcferung na^m. S'" „^flac^tfalter" berichtet er, roie er bei Äerjenlic^t, „ermattet uon be§ 5Cageö 9iot unb ^ein", „ein roilb unb gottnerleugnenb Sieb" l)abe f^reiben roollen : ba fei ein kalter ber ?^famme ju nabe gefommen, bie „roic fein Si^idfal flacferte", urtb er felbft \)cihe ibn, „ju feiner Stettung innerlid^ gegroungen", fc^nell erfaßt :

Unb trug i^n lüeg. §inau§ in§ bunflc 2anb i>at er auf rafd^ni ^^ittid^ fic^ gefc^ttmngcn. 'l)d) aber [)emmte meinet 2iebe§ 2auf Unb bob ben Einfang biS auf nieitrc§ auf.

Wxi ber gleid;en tiefen ^nnerlic^feit ftef;t er ben Problemen beö XobeS, ber llnfterbUcbfcit gegenüber. @r jmeifelt nid)t baran, bafe mit bem Tobe aUeö "iperfönlidje ju ©übe fei. 3(ber biefe ®eiui^f)cit (äfet ibn nic^t oer^roeifeln, ixe ftäblt ibn ju fräftigcr SKannestat unb IeF)rt if)n bie 2BeIt um fo mebr lieben. Siefignation ift au6) feiner iBeiöfjeit le^tcr S^Iufe, aber berb unb bemufet flingt fie auö, ntd^t roci(^ unb flagenb roic bei Storni. 58ci bem ^ilnbHcf eineä Sc^roaneS auf „füblem ©nlbfee" fagt er („@tiner 5rugenblid") :

?Itme nur in öotlen 3üg<?ii "5)ief€§ fricblidje (Genügen (5inf<im auf ber ftiflen ^lur' Unb boft bii bid) fiar cmpfiiiiben, Wochen enbon beinc Stunben, 9Bic jcrflief^t bie Sdiroanenfpur.

„9Bir foüten", fragt er, „bie föftlidie SReige S^\t mit bem ©ebanfcn ber (Sroigfeit ocr- bünnen?" („Ungemtfd;t".) ©inft Ijabc er, fagt er in einem anbern (Sebicbt („^(b ^ab' in falten SBintertagcn")/ baö „Trugbilb ber Unflerblidifeit" ficb ganj auö bem Sinne gefdifagcn, unb jefet fe^e er, bafe er red)t getan bnbe-

518 2)ic grofeen ©(^roetjer S)id)ter.

3d) tt)ci|, mie I)eU bie glömme c^\üi}€t, ^a^ id^ glcid) bir t>erge^cn mufe.

3)iejcS unbeirrbare ©terblid)leit§betüu|tfein ftimmt \i)\\ am ßiibe frol):

SBir n>äl)nten lange recf)t ju leben, ®oc^ fingen mir eg törid)t an; 2)ie 2:age liefen loir entfdjmeben Unb bauten nid)t an§> ®nb ber $öat>n!

9iun t)obeu toir bog 33Iatl g^wcnbet Unb frif(^ bem ^lob in§ 9lug' ge[d)aut; ^ein ungett)iffe§ Qkl mefyc bicnbet, 5Dod) gritner [d)eint unö Sufc^ unb ft'rout.

Unb lüämier marb'S in unfern ^er^eu, i^eugt'g ber fro^ gemorbne 9)Zunb; ^06) unfern 2iebern, unfern ©^er^en Siegt aud^ be§ ©c^eiben? förnft ^u ®runb.

©g ift baö 9Kotit), ba§ roir in feinem be!annteften unb f^önften ©cöic^t n)iebcr= finben: bcm ,,3tbenblieb" '(„9lugen, meine lieben j^^eufterlein'O- ^ic le^tc T^olgerung bleibt fid^ immer gleid):

3:rinft, 0 klugen, roal bie SSimper I)ält, SSon bem golbnen Überfluß ber SBelt!

^olitifd) raor Heller ein beutfc^er ©diroeijer in ber 2öortc mal^rftcr S.bcutung. 3^ibernb begrii^t er einmal '(,,®egenüber'') eine (Stcüe auf ber baben^fc^meijerifrfien ©renje, rao er beibe§ fein ju bürfen f^ rec^t füf)It :

3!Bo^I mir, ba^ id) bid; enblicf) fonb, SDu ftiüer Drt am alten $Rf;ein, 2Bo ungcftört unb ungefannt

2Ö0 ic^ hinüber rufen mag,

2Ba§ freubig mir ia§i ^erj bemecjt,

Unb mo ber flnre SSellcufd^Iag

'^ä) ©c^eijer barf unb 5)eutfc^er fein! j SDcn 2Biber^aI( jurürf mir tröflt.

^a^ üOT allem bie engere fc^roeigerifdie Heimat mar, an ber er mit ganjer 6eele ^ing, brausen mir bei bem 58erfaffer ber „3ünc^er SfioneHen" gar nid^t befonber§ ju betonen, ©djroeiger Seben unb £anb fpicgelt fic^ in aEen feinen 2Ber!en, unb fein F)errH^eö fiieb „3ln baö SSaterlanb" fagt allein fd^on me^r alö taufenb 33änbe:

O mein ^eimatlanb! D mein SSaterlanb! 5Bic fo innig, feurig lieb* i^ bid)! ©d^önftc ^Rof, ob jebe mir oerblic^, ^ufteft nod) an meinem oben ©tranb

D mein ©djtüei^erlanb, oll' mein ®ut unb ^h^. SBonn b^reinft bie letzte ©tunbe fommt, Db id^ ©^lüoc^er bir oud^ nid^t gefrommt, 5^i^t öerfoge mir ein ftine§ ®rab.

SBerf id^ oon mir cinft bie§ mein ©toubgemanb, S3eten n^ifl id^ bonn ^u ®ott bem ^errn: „Saffe ftraf)Ien beinen fd;önften ©tern 9?icber ouf mein irbifd) ^ßoterlanb."

^ux mcnige ^Dic^ter bürften fo üiele ?^eftlieber bei feierlid)en @eleg€iT{)eiten für bie Heimat oerfo^t ^ben. ?(ber berfetbe ÄeHer bot fic^ bod) au^ fe!)r bogegen oerroa^rt,

Äcllerä Somane unb Jioocncn. 519

nur qIö ic^iueiäerijd) aufgefaßt ju lucrbcn. ,,33ci aOcm ^^^atriotiömus", jngt er einmal, „ücrftef)c ic^ I;ierin feinen Spa^. ^ebcr f)at fid) an \)a^j gro|e Sprad;gcbict 5u [galten, bem er anget)ört." Unb ein anbereö 3)(q[ gebenft er ber politijc^^natiünnlen 5ßicl= forbigteit jcincö ^einmtlanbeö: „®er franjöfifc^e 3cf)ii)ciäeu fc^iuört 511 (iorneiüe, Racine, 3J?oIi^rc, ber Xejfiner glaubt nur on italienifdie 3J?u[if, unb ber beutjc^e ©d^roeiäcr lac^t fie beibe auö unb f)olt ieinc 23ilbung auö ben tiefen Sdjac^ten beö beutf^en SSoIteö." @r üerarf)tete i)aty „©efc^lcrfit uon ©affern", öie uon ^^rantreid) etroaö erhofften unb „nid)t cfier tiug roürben, alö fie eine tüdjtigc ilellc Dott ßlenb in ben offenen 3Jiunb befommen F)aben". ©0 I)ielt er bcuu aud) 1870/71 treu ju ^eutfcfi: Kmb. ?5^rel(id) luar er freier i^Jepubfifanev, ber Die baniaügen beutid)en unb nomentlid; prcu^ifc^en Staatöforiuen nid)t ertragen ^Kittc. 1)00 „2öanberlicb" non 1852, „^n einem Suftmalbe", baö ber iöeriiner 3eit angebört, ift unämeiDcutig:

3d) bin ein ^rember f)ier ju Öauöe, ^0 ^rongeiunlt I)evrid)t allcruiärlg, Mxä) binben nid)t bie ftarrcn 93anbe, '^od) biefer .<r)ain erfreut mein ^cr^.

33on fd^mciäerifdiem mie beutfd^em ©biiuniniömnö mar Heller roeit entfernt. 3lud) er erfebutc bie allgemeine $8ü[feri)crbrüberung, baö mar fein „5rüF)nng§gIaube":

Q§, lüüiibert eine fcbönc Sage SIBie 33cilcf;enbuft nuf Grbcn um, 2ßie febncnb eine 2iebc§ffage

^a§ ift ba^ Sieb Dom 55Dlferfrieben Hnb Don ber yjlen\<i)i)e\t letztem Wliirf, 53on gol^:Icr 3^'^ bie einft bicnicbou.

®ef)t fie bei Jag unb Tiad)i fjcrum. , Xer Jraum ab3 'ilHiI}vf)eit, fcfjvt ;,urii(f.

So tritt in .^eüerö Sgrif feine gan^^e 'i?erfönlid)feit ieuc^tenb jutage, bie in aUcn

iF)ren 58efenntniffen tief befd^eiben bicibt, mie baö „SpicfmannoUcb" jcigt : er fei fein

reid^eö 3lcfcrfe(b, fonbern „ber offene 2Beg", auf ben and) einmal „ein irrenb ©amen:

förnlein" falle:

So fliegt ein bungrig ^-l^öglcin ber Unb id)lviingt fidj mit ;^um .v>imme( auf.

4. .^leUcvS iHomauc itnti ^JtoucUcn.

S^od) i)cnU ift ©ottfrieb 5\eIIer für üicie nur ber 'lunfaffci beö „®rüncn ^einrid)" unb oieHeidit einiger 9]ouelIeu. Daö ift jebenfaQo be3cid)nenb für bie nad^; (jaltige SOSirfung, bie gerabe biefeö ^ugenbmerf ausgeübt bat.

„©er grüne ,0 e i n r i d) " ift, mie fid) bei ber Tarftelluug non .SUlIer-J Sebenögang ergab, in ^m\ ?yaffungen oorbanben, obmobl Aellcr bemübt mar, bie erfte '^Huögabe, afö er fie 1878 umarbeitete, nac^ 11(ög(id)feit om bem ^?ud)banDe( ^u sieben, ©er Snbalt ber elften brei ^änbe fomnit ber Sl'irflidifeit beö non .Weiler Grlebten fo naF)c, baö fie faft alö Selbftbiograpbie gelten fönnen. Xer oierte 'öanb eröffnet bann poetifd^ ben 3lbgruub, an bem ber ©id)ter in JCMrflidifeit bart uorübeigefdiritten ift. ©ie Umgcftaftung bee tragifdjcn Gnbeö in ben fpätcren glücriid)en -?(bfd)(up, ber .^lellcrö Tüirflid)em geben entfprad), luiberte and) ben (efeten ^nnb ftnrfer bom antobiograpbi»

520 ^ie großen Sc^jueijer Siebter.

fc^en S8erid)t, erfüllte aber nid)i mel)r in gleichem ©rabe bie hmftlerifc^en gorberungen eines Sitbungöromanö, beffen Gnbe ber inneren ©ntraidlnng pfp^obgifc^ treu ent-- fpredf)en mu^.

©ö f)ie|e im gongen 5?ellerö Seben nod; einmal erjo^Ien, wollten mir bem gelben ^einric^ See, ber in feiner $^ugenb rcegen eineö grünen 3ln3ug§ feinen 33ei= namen befommen f)at, ouf feinen Sebenöroegen im einzelnen folgen, gjiit Mnftler^ äugen fie^t ^einric^ fi^, fein ©cf)icffar, ja felbft feine tote ©eliebte ,im ©arge an. 2tber bie SBelt «erlangt juglei^ einen c^araftcrfeften unb tatfräftigen 2Jlenfc^en. ^cin: rid^§ n)efentlirf)fter gel)ler ift gjlangel an ©ntfc^iebenlieit. Sßie er jmifc^en ben fünften f)in unb ^er fc^manft, fo au6) gmifd^en ben grauen, ©^lie^(irf) ftirbt er mit ©etbft= antiagen, ba er nac^ fiebenjäfiriger ertragtofer 2tbn)efenl)eit oon ber ^eimat bei ber 9?ücffe^r bem Seic^enjug feiner 9J^utter begegnet, bie ibm alles geopfert ^at unb aus ©ram um i!^n baF)ingegangen ift.

Sn ber erften ?^affnng beginnt ber Sf^omon mit bem 3tbf^ieb §einric^S oon feiner gj^utter, als er nac^ ^ünc^en ge{)t, nm gj^aler ju werben, ^ier lieft er ein Sc^riftftüd bur(^, au§ bem mir in ber S<i)form bie ©eid^icf;te feiner ^ugcnb fennen lernen, ©ann fe^t ber ©ic^ter bie ergäfjlung in ber brüten ^erfon fort.

Sn ber gmeiten ?^offung ift baö ganje SBer! in bie ^^^form übertragen, fo ba^ nun ber 3fbman mit ber tinbfieitSgefc^idite anfängt unb fo fortgefü{)rt wirb bi§ ju bem oerföfinenben ©c^Iu^: §cinric^ unb bie welüräftige ^ubitf) leben freunbfc^aftüc^ unb tötig nebeneinanber I)in. ®ie gj^utter ift bei feiner ^üdfeF)r nod) ni(^t gcftorben, auc^ f)ier alfo ift bie tieffte ^ragif befeitigt.

Tlcin !onn aber ein 6f)ara!terbitb unb feine (gntmidtung nic^t einfeitig baburd^ umgeftaltcn, ba^ man bie tec^nifc^e Übermittlung beä Stoffs, foroie ben 5lnfang unb ben ©c^Iu^ änbert. "Der „©rüne .^einric^" Ijätte bann nod^ einmal gefd^rieben roerbeu muffen, ©in 3J?enfd^ raie biefer reid^ veranlagte, aber ^altlofe llnglüdspcter ift nid^t lebensreif, ift für ein tragifd^es ®nbe beftimmt, menn mir an bie fünftlerifd^e "^oü- üierung roäfirenb beS ganjen Fortgangs ber .^anblung glauben foHen:

^m ©runbe freilid^ fommt eS bierauf bei bem .„©rünen ^einridl)" gar nic^t nn. ^ie entroidlung bes gelben ift roie bei ©oetbes „2öill)elm 3Jleifter'' ober 9J?örifes „3JJa(er 5JloIten" nur ber ?^abcn, an bem bie perlen aufgereil)t finb, aber aud^ nic^t mcl)r. @S ift fein S3uc[;, bas man oon Stnfang bis gu ©übe roie einen fpannenbcn SRoman ju lefen l)at, fonbern baS man balb l)ier, balb ba auff(^lagen fann, jumal bie eingeftreuten ©rjäl)lungen aurf) biefeS SBerf faft ju einem S'loüellenätjfluS geftalten, beffen 5^ormen ÄeKerS fünftlerifdjer SBefenSart am beften entfprad^en.

SBie am 3lnfang, fo ftel)t aud^ am ©übe feines ©rf)affens ein 5Homan, 9J? a r = t i n S a l a n b e r ", ber urfprünglid) nadE) einem ©ebic[)t SongfeHomS „©yjelfior" (= „§öl)er f)inauf") ?)ei^en foDte. SSiel weniger befannt als bn „©rüne .^einridfi", auc^ hm6) Kellers 2eben nid)t o^ne weiteres ju erflören, oerlangt biefeS SSer! einige näl)cte 3(nbeutungcn über ben S"'^''^^ ^f" Sebenölauf feines ^itellielben, beffen Stellung junäd)ft burrf) ben ©egenfab ber beiben ^^amilien beftimmt wirb: ber 2Beibelirf)S, bie in jüngerer ©enerotion trofe ©^araftcrlofigfeit ju ©influ^ unb 3tnfel)en fommen, unb

ÄcDerS Dlomane unb J^oDeacn 521

bet Gnlanber. 3)er optimiftifc^e 3JtQrtin, ein grüner. Jgeinric^ im 3}innneäQrter, gibt bcn i2e()verberuf auf unb roirb, oon fortfcfirittac^en ^hun erfüllt, ©efc^äftömann. T)a er für einen onbern fafinenfiüc^tigen ©cf)ulmeiftcr nomcnö 2Bof)rn)enb, feinen Jrcunb, fic^ uerbürgt I)at, nni^ er S5^eib unb Äinb ncrlnffen unb m6) Srofirien auöroauDern. Sei feiner S^üdfe^r noc^ 9J?ünfterburg finbct ber feurige Stepublitancr bie 3uftänbe ungünftig Dcrönbert. (Sr erfäf)rt, bafe Sßof)tnienb if)n abcrmalö gefc^äbigt hat 2Bieberum 5ief)t er ^inauö. ^q6) brci ^al^ren feiert er reic^ Ijeim, aufö neue umtreift oon bem Sc^roiublcr 2Bo()ln)enb, ber aber fc^iie^Uc^ wx 3)Mrtinö So{)n baüonfüe^t. 2)iartin§ STöc^ter üerf)eiraten ficf) mit ben Söfinen ber SBaf^frau SSeibelid), bie jmar ju ^Rctaren ernannt rocrben, aber bann mcgen 33etrugö 3uc^tF)auöftrafe erholten, niäf)renb if)re grauen ju SBaier 3Kartin jurücffefiren. ^er unücrbcfferlic^e ^olU- beglüder nimmt alleö gelaffen (;in, bid i^m am Qnhe fein ©o^n 5(rnolb bie ^inge in tl^rer rcaliren (Seftalt 5eigt.

S)er „S!}?artin Salanber" ift ebenfomenig roie ber „®rüne ^einric^" ein SRoman im eigentlichen Sinne; el)er fönnte man ibn eine Satire gegen bemagogif^e (Sefinnungö^ lofigfcit nennen. ®er faifcfie Dptimiömuö ber Dolföbeglüdcnben jöben 9?cuerungen, gan5 ju oerftelien boc^ nur im engeren Sejirf ber Sc^meijer 3!?crf)ä(tniffe, wirb in fritifc{;e 33cieud)tung gcrücft unb einem gefunben, !üb[ abroägenbcn 2Seiterbauen an bem 33ofte^enben gegcnübergefteÜt.

^n feinen festen Scbenöjabren äußerte .Heller uictfad^ bie 9Jbfi(i)t, bem „Martin ©alanber" eine ^ortfc^uug ,^u geben, bereu ^etb 2(rnülb mcrbcu foEte. ^uv 3Iuöfür)ning ift ee inbcö nid^t meF)r ge!ommen.

58on ^ellerö ^^oncHen f)aben bie meitefte ^Verbreitung gefunben bie 2 e u t c 0 0 n © e I b m 1) I a ", üon beuen 5^iefefd^e fagte, fie vox allem neben 9(b. Stifters „^adj- fommer" unb Sid)tcnbergö ^Ipborie-men feien roert, immer unb immer miebcr ge= lefcn ju merben.

9(uc^ Scibmjjfa Hegt in ber S^meij irgenbmo eine gute halbe Stunbe ron einem frf}iffbarcn g(u^ entfernt augelegt „jum beutlirfjeu 3*'idJf"' "^a^ nichts barauö werben folle". 5Iber biefcc^ Sclbmtjla ift jugleic^ ein tppif^ce- ©ebilbe, baö man überoll fucften unb finbcn fann. 3tn biefem „mounigen unb fonnigen Ort .... mitten in gnmen 35ergen mit uuabfcbbarcu 2BaIbuugen, bie bas? 3[sermögcu ber Stabt auömadjcn, benn bief^emeinbe ift reicf) unb bie 'iBürgfd)aft arm", lebt ein forgloö fuftigcö ^I^ölfleiu. ^n ber fpäteren ^ortfefeung biefer ®efd)it^tcn mirb nou bem alten Selbunjia ein ncueö unterfd)ieben. ®ie S^eufelbimjler finb einfilbiger, [ad;en meniger, fpefulieren in ?{ftien, SaummoIIe unb Seibe, empfangen unb fenben ^epcfc^en unb finb uon ber ^oliti! ganj abgcfommen, ba fic glauben, biefe füi)re immer jum ^Iriegsmefen, maö if;ren angef)enben 53eri^ bebrof)e.

®ie erftc Sammlung umfaßte nur nier Gijäl)fungen: „"^antraj ber Scf)molloi", „grau 3fiegel 3(mrain u. i. S.", „SfJomco unb ^ulia auf bem ®orfe", „'^k brei gered)ten Äammadjer" unb baju ba§ gjJärc^en „Spiegel, baö ^ä^d^en". Wt golbenem .C^umor Seidjuet uns ber 2)ici^ter l)ier ©eftalten unb Sjencn dou unüermelffid)em Öebcnö-- unb ßigenmert. ^I^anfras, ber ju .^aufe, jumal beim ßffen, ju fc^mülleu liebt im ©runbe

522 1£)ic grofecn SdtiJtieigcr 'J)i(^ter.

beöF)nlb, nieil er fid^ fcincö Uninertcö bewußt ift, unb fo 9}cutter unb Si^iucftcr Hai Glichen faucr ma6)i, wirb burrf) bie 9^ot be§ Sebeiiö, eine %ian unb einen Söiüen i>on feinem ©d;moIIcn gelieilt, raic er bei ber §eiuifet)r ben 'Seinen launig ju bcricEiten n)ei|. ^n biefer 91oüeIIe ftedt, wie man of)ne roeitereö errät, oiel ©elbftcriebteö.

SReguIa Stmrain, non if)rem 9}?ann im ©tid; gctaffen, erjief)t i^ren Sot)n in rorbifbUc^ pefunbcr 9Beijc. ift eine I^erjerfreuenbe ^äbaftoflü, bic biet bar= gefteUt mirb.

.^eHerö 9J?eifterftüct ift baö tragifdie ®or|ibt)tt „^omto unb ^ulia", baö auf eine 9^otij in ber „^m\6)ex g^reitagö^eitung" oom 3. September 1847 jurüdgeljt, roo unter ber S^ubrif „©acf)fen" ^ei^t: „"^m X>orfe 2l[tfeIIerI)aufcn bei Seipjig liebten )i(i) ein Jüngling dou ncun^eiin :3al)ren unb ein 3[Räbc^cn non fiebse^n ^abren, beibe 5linber armer Seute, bie aber in einer töblid^en ^einbf(f)aft febten unb nic^t in eine SSereinigung beö ^aareö milligeu mollten. 9(m 15. Sluguft begaben fi^ bie Verliebten in eine 2Birtjd)aft, roo fid; arme Scutc ücrgnügcn, taugten bafelbft bis nad;tä ein U[)r unb entfernten fid^ {)ierauf. 3lm 9J?orgcn fonb man bic Seid^en beiber Siebenben auf bem (^elbe liegen: fie Ratten fid; burd; ben Jlopf gcfdioffcn." ^er ^it^ter änbertc ben Sd^fu^ infofern, alö er bie beiben nacl; einer in uoEen Bügen genoffenen 2iebe§na^t im Strome untergefjen lö^t. ^aö tragifd)=fd^öne ®nbe ift fittlic^ tiefgegrünbet. 35ie T^einbfd^aft ber^ SSäter ftcHt fid^ erbarmungöloö juiifcf)en bie Siebenben, bie boc^ oou: einanbcr nic^t laffen fönnen. 3IIö fie- 5ufnmmen non 35rend)enö Vater überraf^t werben, fdjlägt if)n Sali nieber, um bie ©eliebte üor feiner SBut ju f^ü^en. ®o ber Vater non biefem Steinfd)Iag ben Verftaub nertiert, fo ftel)t nun ein emigeö öinbernis äroifd^en il;nen, baö fie jur ^Trennung ober jum Xobe treibt. ^l)rc eroige Vereinigung im ^obe unb mit einem legten ®lüd jielien fie ft^tie^tid) uor, 9J?it rounberootten ?5^arben finb befonberö biefer Sonntagöfpajiergang unb bie ^^a'^rt be§ flu^abroärt§ gleitenben 2iebe§= unb ^obeöfd)iffeö gemalt: „Stic bic 53torgenröte aufftieg, taufte jugleid; eine Stabt mit it)ren türmen ou§ bem fitbcrgraueu Strome, ^er untere gel)enbe 9JJonb, rot roie ©olb, legte eine gtänjenbe Vat;n ben Strom I)inauf, unb auf biefer fam baö Sd;iff langfam überquer gefat)rcn. ^tlö fi^ ber Stabt näherte, glitten im g^roft beö ^erbftmorgenö jwei bleiche ©eftalten, bie fid; feft umroanben, uon ber bunficn gjlaffe Ijerunter in bic falten ?^Iuten."

^ie ©r3ät)(ung non ben „^rei geredeten itammacberu" ift eine glänjenbe Satirc auf bie fogenannte ,^orreftt)cit ber ©efinuung, I)inter ber fid^ mebrige Selbftfut^t oer; birgt. 2)rei ©efellen, ber Sad)fe ^obft, ber Vni)er ^ribolin unb ber Sc^roabc ^ietrid^, roarten, ein jeber für fid;, auf ben Vanferott iljreö 9J^eifterö, um bann baö ©efd^äft in it)ren 58efi^ ju bringen. Gin fomifd;er 2ßett(auf entfd;eibet i^r Sc^idfat: .^obft er: ^öngt fidt), il^ribotin üertommt, unb ^DietricE) roirb burd) bie .<pcirat mit ber nid)t minber „gered;ten" 3!u"gfct 3üö Vün^Iin uietteic^t am I;ärteften beftraft.

■liaö 5[Rärd;en „Spiegel, boö ^ä^cEien" ift gauj in romantifd^em Stil gel)alten.

1874 erfc^ienen bie neuen Selbrorjlcr ©efc^it^ten, eröffnet burc^ bie ^äx6)m' nooetle „Kleiber ma^en Seute": ©in armer Sdineiber geroinnt infolge einer Verfettung üon Umftänben bie Xo^ter eines reid)en 3(mtöratö im %xan, bie il)m am ©übe treu

ÄcOerg 5iomane unb erjälilungcri. 523

bleibt, fe(bft old [id) ^erauoftent, ba| er nic^t bcr uonicfjmc .öcvr ift, für ben man if)n auf feinen feinen ilinjng Iiin gel)alten Ijat. ^ev (Scfd;id)te liegt eine roalirc 33cgebenl)eit jugrunbe, bie fidi in SBäbenc-iüeil am 3ürid;cr See abgefpielt Ijai.

^06) in Berlin entftanben luaren bie bcibcn 5kmellen ,,1)er ©c^mieb feinet ©liideo" unb ,,®ie mi^braud;tcn Siebeöbricfe". Sie )oiüol)l nne bie le^te 2elbnu)ler ©efc^ic^te „^aö üerlorene Sachen" merben trofe il)rer originellen unb finnigen (SinjcU juge raeit überftrnljlt uon ber l)iftorifd;en ^ioneUe „Dietegen", bie fic^ gleid)iiicrtig neben „9lomeo unb ^^nÜa auf bem 1)orfe" fteUt. 5ie ^ie^ uv)prüngli(^ „Seben au5 2:0b" unb rcurbe erft burd; £ellerö ^-reunb ©rner umgetauft. 2öir befinben uns im ffinfäel)nten 3al)rl;unbcrt. 3luf ©runb alter 3?ed)töbräud)e, bie Heller ber Schrift Tle\6)m £d;ülerö „l)\e Xaten unb Sitten ber Sibgenoffen" (1842) entnahm, rettet guerft ein 9)Ubd;en nainenö i^üngolt einen Knaben namenö ^ietcgen vor bem ©algen. 2)ietegen, ber nun mit i^r jufammen anfmäc^ft, oermag il)r fpätcr \)a^j> gleidie ju tun, ba fic alö 3«nt^ci"i" gcbenft mcrbeu foll, unb nun fiebt hao feelijd) mie äuf^erlid) niel- geprüfte Siebeöpaar ungeftörtem ©lücf in bem altnertranten ^eim ber gemeinjamen ;^ugenb entgegen,

Xen neuen Selbmyler (Bcfd)id)ten folgten roenige ^abre fpäter bie 3 ü f i d) e r 91 eilen", non bcnen bie erften brei in einen größeren :iHa^mcn tiineingefteUt merben. ®er ^idjtcr fd;manfte bei ber Xitelmaljl; il;n felbft, meinte er, mürben 5ranf= furter unb Stuttgarter ^UtoeHen menig locfen. ^ie Einleitung „$err ^acqueö" fübrt ein jungeö 3i'i'i(^)ci' .'pcrrd)en uor, baö banad; ftrebt, ein Original ju fein unb alö fol^eö ju gelten, biö \i}m fein f(^alff)aftcr ^atc 5U ©emüte fül)rt, baf? nur ber ein gutes Original fei, mer 'Dcad)aljniung uerbiene. „"iiJadigealjmt ,yi merben, ift aber nur ber TDÜrbig, wer baö, maö er unternimmt, rec^t betreibt unb immer an feinem Drte etmoö ^üditigeö leiftet, unb luenn bicfeö and; nidito Unerljörteö unb ßrjurfprünglidics ift." ^er ^ate erreicht feinen ^mcd im mcientlid;cn baburd), ha^ er „^crrn ;3iHqueö" brei ®efd)id;ten crjäljlt, bereu .öelben mirflidic Originale, menn aud^ ganj uerf^iebener 3lrt, maren : „|>ablaub", „X)er 9^arr auf SJIancgg" unb „Xer Sanbuogt uon ©reifenfcc".

^er c^pelb ber erften 5^0DelIe ift jener 3i'i"irf)fi" iKinnefänger an^i bem breijebnten 3al)rl)unbert, ^ioljnnneö .»öablaub, beffen ©cbid)te bie berüljmtc llcaneffefd^c i.!iebcr= l)anbfd)rift 5ieren. Xiefc befanb fid) bamalö, alö .fetter bie 9]ooeUc fd)rieb, nod; in ^ariö, mol^in fie ^ur 3^'* 5?iipolconö I. am $Hom gemanbert mar. 5kd) ;'^talien l)attcn fie im ^rcif5igjäl)rigen .Kriege bie Spanier aus öcibelbcrg, voo fie je^t mieber liegt, mitgenommen. ®cr ^nl)alt biefcr @ebid)te unb bie iljnen beigegebenen ilJiniatur: bilbniffe liefern bem 2)id)ter ben Stoff ber ©r^äblung. .^ablanb, fo nimmt er an, cineö fd^lic^ten 33auern Soljn, mirb burd) ^m "Jlbfdjreiben alter beutfd)er lUinneliebev felbft ju nac^afjmenbem ®id)ten angeregt, ^umal J^ibeö, bie bcimlid)e Tod)ter t>ci .^onftanjer S3if(^ofö ^einrid; üon Älingenberg unb ber Biiiif^K^^ ^^ürftäbtiffin iTunigunbe oon SBafferftelj, fein .per5 erobert ^at. Der Sifd^of unb ber .Cierr 9^übiger oon "iDianeffc (t 1304) begünftigen im ^ntereffe ber l'iteratur bicfeö poetifdje Öicbeöfpiel, muffen aber jule^t erfahren, boB nid;t baö gro^e Sieberbud) allein ben 'i>orteil bauon \)at: ^-ibeö reicbt il)rcm funftflnuigen 3.5erel)rer l)öd)ft anmutig unb befiimmt bie ^anb ju ebclidicm 5^unbe.

524 2)ie gvofeen Sc^roeijer Sichtet.

^m ,,3'iorren auf SDloncgg" unrb ben 3^a^fommen ber 3)ianeffe, bcrcn erfter 2tf)nl)crr für baSi ^ai)x 1224 feftgefteUt ift, noc^gefpürt, ju bercn illegitimem ^wü% ber geifteöfc^iuQc^e le^te ^nfaffc ber 58urg 3Jlanegg gef)ört. 3öti(i)er ßl^ronüen qu§ bem fed)5ef)ntcn ^afjrfiunbert bcri(i)ten in ber %Qt, bo^ noc^ einem j^oftnoc^tögelage im 3Q{)re 1409 übermütige ^unfer cor bie cerfaEene SBurg gebogen feien, bie feit 1393 in ben 5öefife be§ 3ütirf)er Älofterä ©elnau übergegangen roar, unb ?^euer an bie Xrümmerrefte gelegt f)ätten, in benen bann ber „^larr", Suj j^alätf^er genannt, um= gefomnien fei. 33ei Heller wirb 33uj famt bem oon \t}m gefto^lenen ^abloubfc^en ßieberburf) gerettet, aber ber 8c^recfen, ben er auögeftanben ^at, tötet \^n.

^m arfitgelinten 3«f)^^u"i>ßi^t [pi^ft «®^r Sanbüogt oon ©reifenfee", eine 9?oreEe, bie innerl)alb beö ^acqueö;3flaf)men§ mieber weitere Sinjelergä^Iungen um- ral)mt. ©alomon ßanbolt, ber Sonboogt, crjä^It feiner broüen ©c^affnerin 3)iarionne bie ®efd;ic^te feineö ^erjenö, baö üon fünf geliebten grauen auö fel)r üerfc^iebencn ©rünben abgelehnt mürbe: ©alome, ?^igura, SBenbelgarb, 33arbara unb Slglaja. ©r labet fie nun alle ju fid; ein, fie fommen auc^, unb in l)erälid)er öarmonie unb mit einer brottigen ^robe auf bie ®(^tf)eit it)rer ©efinnung gegen i^n üerlduft biefe n)ef)= mutige g^eier gemeinfamer Erinnerungen an§> ber ^ugenbjeit. 5Die Duelle beä ©ic^terä mar bie Sanbolt:33iograpl)ie üon T)ar)ib .§e^ (1820); benn ber £onbr)ogt ift eine ^iftorifc^e ^erfönlidE)feit, mit bem @oetl)e TOieberl)olt jufammentraf, unb mi bem SBicIanb, Jvlinger, Senj, ^eftalo^ji unb anberc il;re greube l)atten. 1776 mar er in Serfin, mo il)n griebrid; ber ©ro^e für feinen ^ienft geminnen moUte unb ber alte Rieten foroie Sl)obomiecfi freunbfd)aftlid) mit i{)m üer!e{)rten. ©eit 1781 mar er Sonb^ oogt Don ©reifenfee bei Biii^ic^- 2ln ber ©pi^e feineö ^auöt)altö ftanb mirflic^, getreu nac^ ber ClueEe gegetc^nct, 3)carianne ^lai^ner (f 1808). SSon feinen (Srlebniffen in ber Siebe mei^ fein ?^reunb §e^ freili^ nur gu beri(^ten, ba^ er „l)eftige £eibenfd)aft nie, t)ingegen innige 3lnl)änglic^!eit in üerfc^iebenen Epochen gegen groei grauenjimmer empfunben" Ijobe, „bie feiner 3ld)tung allerbings roürbig waren", ^m ^al^rc 1818 ift er geftorben. Heller ^at nod) manche anbere Cluelle für ßinjeljüge üerroertet, fo auä bem ^eftalojgi^Suc^e ber '^xan 3e^«ber=©tablin mel)rereö über bie ?^amilie be§ •Reformation0l)errn Seu. ®ie Hauptrolle für biefe präd;tige ^unggefellenapot^eofe in ^rofa ober finb fi^erlicE) ^eEerä eigene ^erjenSertebniffe ; fo roiH man in g^igura Seu, ber reiäenbft^n biefer ©eftalten, Suife Sfiieter, in 3(glaja ^olionna ^app roiebererfennen. ^f^i^t unern)äl)nt bleibe, ba| in ber ^^iguranoüeUe aud) ber alte 3»^if^^^ 'Dichter Sobmer auftritt.

3u biefer gangen 3flal)mengefd)id;te, bie ber 3^ame bes §errn ^acqueö begei^nct, traten bann noc^ bie beiben ©rjö^lungen „^aS gä^nlein ber fieben 3(ufrec^ten" unb „Urfula". 2)aä „pljnlcin", gefonbert fd>on 1861 in 2luerbac^ö „SSotfSfalenber" oer= öffentlid)t, mar ber 2Birtlid)feit getreu na^gebitbet. Sieben .^anbroerfömeifter, g^einbe ber Striftofraten unb Pfaffen, einige nod) mit Kellers 5ßater befreünbet, bilbeten eine @efcllfd)aft, bie möc^cntlid; ämeimal jufammenfam, 1842 jum eibgenöffif^en ©angcr- fcft nac^ 2larau fuljr, mo bann ber jun^e Äarl SBuljrmann it)r ?^äf)nlein trug, unb 1844 jum {^reifd)ie^en nad) 33afel ju reifen befc^lo^. ^a aber l)lerfür feiner bie 9Rebe

ÄeDere Jlomane unb erjä^Iunöcn. 525

Übernehmen moUU, lain ^unäc^ft ju einer gutgemeinten Schlägerei unter ben alten ^rac^crn. «ReQer flocht in biefen ftac^Iigen 5tranj eibgcnöffifc^er ^ernf)aitigfcit bic frifc^en $Rofen bcr ^»genb, bie boc^, roenn fic and) baö i>ater ergänjen unb ftüfeen mu|, fo gut ju bem (Sejamtbilbe ftimmt. 2llg Termine i^ren Äorl fü^t, bn fagt fie nur: „^m mu| ober rcc^t f)ergel)cn bei unö! 3}^ögen lüir folnngc leben, alö 4Dir brau unb tüd^tig finb, unb nic^t einen Tag länger 1"

®ie lefete ber ^üric^er 9ioT)elIen, „Urfula", fü{)rt unö in bie ^Jtefovmationöäeit. Urfprünglirf) roar fie narf) itjrem gelben „^an^ü ®i)r" betitelt. 3tuf bem ^intcrgrunb ber ge[({)irf)tUc^en (Sreigniffe in ber Srf)racij non 1525 biö 1531 malt ^eUcr ein rüf)renbeö gebens- unb Siebeöbilb. ©rotartig ift bie Sc^ilberung ber Sc^Iac^t bei ilappcl, in ber S^ingli fällt utib Urjula if)ren ©clicbten bem fieberen 2:obc entreifet.

©in 9?oueIIen3t)f[uö oon feinftem ©olbroert, mieberum in gorm einer Sfla^mens erjä^lung, ift bas ,, S i n n g e b i d) t ", bag alö 58urf) 1882 erfc^ien.

2)cr Sfioturforfd^er 3?ein^a;t f)at infolge üou 2(ugenfc^mcräen feine ^uft jur (Stubenarbeit mel;r unb begibt fid; an einem ©ommcrmorgen ouf Steifen, begleitet uon einem foeben gelefenen Sinngebirf)t beö alten Sogau, baö i^n jum 9]a(^ben!en üeranlafet:

2Bie Jüillft bu meifee iiilien ^n roten Stofen madjcn? ^üff' eine meifee ®alatee: fie wirb errötenb lachen.

(Sr möd^tc bie ^robe auf ba^ Stempel madjcn unö bie jur %xau nehmen, bei ber fid) ber ©pruc^ beraal)r[jeitet. ©ine l)übf^e 3öUncrin, bie an ber 33rücfe ben ^oü forbert, läfet fic^ 5roar füffcn, lac^t aber blofe baju, o^ne ju erröten. (Sin ^farrcrä: tö6)texk'm, bei bem er bann oerfuc^t, rcirb rot, tad^t aber nid^t. ^ei ber SSirtö^ totster im „SBalb^orn" fäQt bcr Äufe gan^ auö, ba baö ©rgebniö bei biefcr Jungfrau oon oornf)crein auöfic^tölos crfd)eint. Steinliart reitet meiter unb ocrirrt fid) in einem großen ^arf, mo i^n bie ron ber ^farrcrötoc^ter ibm fd^on genannte fc^öne fiucie trifft unb in baö Sanbi^auö il^reö Cljeimö, eineö Cbcrftcn, fü^rt. ^ier fommt es nun ju einer Untcrijaltung über hai Sinngebic^t unb bamit über bie S^orauSfefeungen einer glücflidien ®l)e. Skinbart bef)auptet, @lci^l)eit beö Stanbcö unb ©eifteö fei am 6nbe entbel)rlicf). 2)arauf ergä^lt ßucie alö ©egenbcmeiö bie @ef(^i(^tc bcr „Xoridjtcn Jungfrau", jener SBirtöto^ter Salomc. 3Reint)art antmortet mit ben erjäl)lungen non „Sleginc" unb bcr „2lrmen Saronin". ^m crften %a\ic l)anbelt fi^ um eine ßT)e, bie wegen 3}?angclö an gegenfeitiger DffenF)eit jur Xragif fü^rt, im jmeiten um eine ^eirat am 3JJitlcib. ^er Cbcrft crjäljltc nun eine gegen 9?cinbartö 'J(nfid)t gc= ri^tete fiiebeögefc^ic^te, bie feiner eigenen Altern: „®ie @cifterfcl)cr", auf bie 3hMn= ^art, inbem er fid^ gegen bie Überl)ebung bcö mciblidien ©cfd)lcd)tö lücnbct, mit ber (Öefc^ic^tc be§ portugiefifd)en 3(bmiralö „'^ow ßorvca" evmibert. tiefer mufe feine erfte ^^rau tro^ if)rer fc^einbaren 33ilbung fd)licfelid) l)ängen laffcn, finbet bagcgcn ooUcö ®lüd in feiner jmeitcn ei)e. ilcller marf babei bie C^rlebniffc beö geid;ic^llid)cn abmiralö (1594—1688) unb eineö gleid;namigcn fpanifc^en 5lbcnlcuroro (f 1557) äufammen. Sucie erjäljlt je^t jum Sd;lufe bie „^crlocfcn"=©cfc^id)tc, bie ilcller au3 ©rimmö Correspoiulance littcrairc (1777) gefd)öpft l)ai : eine ^nbianerin ucrfpridjt einem fran5öfifcf)en ©beimann it)rc 2iebe nur, um feine- Ul)rbcrloden ju crbaltcn, bie

526 'J)ie großen Sd^roeijer I)tc^tet.

bann iljr 33räutigam an ber ?Jq|c trägt. i^Oa^^M^)^" ^'^^^^ haben iReinljart uub bic fd;alfl)afte Su? cinnnber gcfimben, fie fe^en baö ©inngcbirf)t Sogauö felbft mit beftem ©vfolge in bie 3Sir!üd)!clt um. „Sei ©ott", fngt Sucie banad), „je^t i)aben mit boc^ ^i)X fc^Iimmeö S^ejept uoii bem aiten Sogau au§gefül)rt! "Denn ba^ mic^ gelöchert ijat, mei^ irf), uiib rot lucrbc id; l}offcutü(^ aud) gemoi;ben fein."

^aul §ei;fc mar uon bem ©djhi^ ganj ent^üdt. ,,^ie ©jene uor ber ©c^ufter; ftube", fd^rcibt er am 12. Dftober 1881 an ileUer, „mie ba mitten auö bem oerrücttcn ©ingfang unb ber gnnjen f)errlid)en Strmfeligfeit ber ©ituation bie lang \)zxan- geglommcne SSerlicbtljeit plö^Iirf) in einer Ijeüen flamme auffc^(ägt unb fie, oijnt üiel SBefeng ju marf)cu, fic^ füffen, baö ift fo ein5ig fd;öu, fo, mie nur ^Du machen tannft, ba^ id) m6) je^t loieber, ba id) jum jmeiten 2Rale laö, oor lauter 58crgnügen bie 3Iugen überge{)en füf)(te."

2(Iö S^oüellcn fann man auc^ .^ettcrö „©ieben Segen ben" bcjeii^nen, bic urfprünglid^ in baö ©inngebi(^t bie alten ©alateanoueüen f)ineingearbeitet n)er= t)cn follten, fd;üepli(^ aber ganj anQ biefem 3»fonnnenI)ange gelöft mürben. Sntmorfen fd)on 1854/55, traten fie boc^ erft 1872 anö Sic^t. ©ie finb baö ©c^önfte, roaö Heller au^er feinem 3(benblicb gefd)rieben \)ai, tieffinnig unb bod; anmutig lcid)t, pon riif)ren= ber ^nnigfeit unb roci{)et)üllem ©ruft unb bod; fi^alfljaftem, fonnigem .Junior, ^eu geplanten 3^ifafe 3""^ ^it*^t //2luf ©olbgrnnb" lie^ er auf 5ßifc^erö 5Hot als prötenttöö fallen, ©eine Duelle ift bie firc^li(^ gehaltene Segenbenfammlnng %i)toh\ii 5lofegortenä ^1804), ber feinerfeitö mittelalterlichen Segenbenroerfeu in "iprofa nad)erjäl)lt.

9Jtan fann jmci ©ruppen nnterfc^eiben : brei Segenben, bie ju ben Reiben: diriften nac^ 3llcj:anbria unb an ben ^ontuö (Suyinuä fül)ren, unb brei ^aricnlegenben. %nx \\6) ftef)t ha^ ^an5legenbd)en.

SDer erften (Sruppc gehören an „Sugenia", „^DorotljeaS 58lumenEörbc^en" unb „$Der fd)limm;f)eilige SSitaliö", bie fämtlic^ in feiner Duelle oorgejeic^net maren. 33ei bem 5ßitalt§ benft man u. o. an bie Segenbe üon ber l)ei(igen %^a\§', ber Sudlerin, unb bem l)eiligen ^apl)nutiu§. ®ic beiben erften 9J}arienlegenben, „®ie Jungfrau unb ber teufet" unb „SDie Jungfrau aU Stitter" bilben eine 3ufammenl)ängenbe (Sin^eit, benn nai^bem bie ^fungfrau 2JJaria in bem erften ©tüd bie fd)öne Sertrabe üou il)rem f^änb= liefen ©attcn unb ben 3^ac^ftellnngen beä ^eufelö befreit ^at, fud)t fie i^r im ^meiten einen beffern @emal)l, ben brauen Q^^^^I^'^f^- ^i^ brittc 3}iarienlegenbc, „2)ie Jungfrau unb bie ^f^onne", be^anbelt ein befonberö befaunteö unb bic^terifd) üermerteteä 3Jtotit): roie eine fc^öne Sflonne, bie baö ^loftcr um ber Siebe mitten üerlä^t, in i^rct ©eftalt öon ber ^lUnofi^«» SJJaria jal)relang bicnftlid) uertreten mirb, mää^renb fie in- jroifd)en if)rem ©atten ad)t ©öt)nc geboren l)at, bie pc^fte &üU, bie fie bem .^immel barbringen fonnte. 5Diefer 3u9 gefunb:fröl)ti(^cr SBeltlid^feit d)arafterifiert 5!ettcrö Segenben, obmoljl fie gang l;immelöfetig unb naiü breinfd;auen. 2)a§ „^an5legenbd)en" ift eine ^ic^tung üon einer ^artljeit unb SBortmufü, ba^ man anäurül)ren fic^ fc^cut, in ber 33eforgniQ, fönne 3crgel)en roie ©d^oum auf fonueubeftral)lten Söetten.

5leller§ 9ftomanen unb '^lovcUtn ift ant)angöroeife nod^ anjurei^en feine 58crö- f rjä{)lnng ^ e r 3t p o 1 1) e f e r d o n 6 l; a m o u n i p ". ^n ber 3fit. ^ ^eineS

Äeflers JRomane unb erjaljlungen 527

„dlomanitvo" (1851) erfrfjicn, laö er in bcr Bcitung oon einem 9(pot()efer, beni feine eiferi'üc^ticje ©cliebte einen Iärf)eilid)cn S^ob jncjcbadjt {)abe. Bd)on 1852/53 geplant mit bcm 5?cbentitel „®er ficinc ^iomanjero", erirf)ien bie Xid;tnng bod) erft 1883.

3m erften 3:eil roirb bie ®e[d)ic^te von bem 3(pot[)efer Xitnö in 6f)amüunif cvääf)It. ®ie §anbid;ul;^änbIorin ^iofalore, [eine ©clicbte, eifcr[üc^tic| auf ha^ ^gerg; mäbc^en ^lara, ftridt il)m eine ^a(5fd)ärpe, bie fic mit Sd)ic^baumiüolIc auöftopft. Xituö, ein eifriger ^öger, legt bie «S^ärpe aud) iDirflic^ jur Stcinbocfjagb um unb gel)t baüon, mäl)renb 9iüfaIore if)m I;eimli(^ nad;fotgt. 3llö fie auf einer ^elfentlippe erfdfieint, ^äit er fie für ein Sßilb unD erfd)ic^t fie, wobei jebo(^ ein Junte bie Schärpe entjünbet. "^^er itopf nnrb \i)m abgcriffen. SDlit bcm Xotenuolf muffen nun bcibe über bcn Serggrat manbern: er trägt bie 3d;ärpe unb fic feinen ilopf.

3m jtueiten S^eil mirb 5unäd)ft §eineö „^tomanjero" berüt)rt. 1)ann fieljt ÄeQer, raie .^cine mit biefer 3)i^tuug um 3J}itternad)t fid; von feinem 3d)merjcnölager erijcbt, um ©ott ^u fuc^cn. ^n bcr .^alle ber Unftcrbüd)feit trifft er juerft feinen alten ©egncr ^laten, bann @octt)c, Si^iUcr unb Scffing, bis piö^Ud; fein grimmiger ^einb Sörne cor ifjm fteljt. ^Hö fic cinanber anfaulten, broljt ^>ieffing fie in ein übcrfd)immeU teö S^inteumeer ^inabäu|djmei|en. 3)a nun §eine uon S3ürne einen Sto^ er^äft, bamit er I)inabfaIIe, crmac^t er in feinem ^arifer cdjfafjinimcr. ^ulc^t aber fief)t ber Xic^tcr ilju im Sterben unb bann auf bem ^Rontmartrc im ©rabe liegen. 3" ^^^ '^a6)i öffnen fid; bie ©räbcr, unb bie Xoten umfreifen bie neue ©ruft, .'geiue mirb von il)neu aufermectt, auf fed^ö ©rifettenfc^ultcrn jum Xal uon 6l)amouniy unb bann ju ben eifigcu Spieen beö 3J{üntblanc getragen, mo im falten 'Jicinigungc-ort bei armen 'Seelen bie tote ^lara beö '^{potf)cterö Xitu§ iljrc Seibenfdjaft abbüf^t.

3n biefer merfmürbigen ^ermifd;ung ber Siteraturfatire mit uaiiuMi "Diaiur^ üorfteHungen gibt {'•j präd)tige ^^artien, bie bcfannter ju fein oorbicHcn, alc fic co finb. 33ei ber 'XarftcEuug ^^lateuö mar bereite- banon bie iHebc.

Sßas Sleller aud; barftcUen mag, (5röl;Uc^cö ober Xragif(^eö: bell mirb es oor unö ausgebreitet. "Da^i unterfd;cibct il)n non ber ftimmungcioollcn Xämmerunciö!unfl Xljeobor Storniö. 2ßaö er fd;reibt, bel;ält aud; in ber Xrauer fonnige 3"9f- Seine ®id;tungen finb farbcnfrol; mie ein liebcooU gepflegter Blumengarten, in bcm jeber ctiuaö für fic^ finben mag; benn Heller oerlangt gemi^ nid;t, ba| mic in öcffingö „S^iat^an" l)ei^t „allen Bäumen eine 3fiinbc mad;fc". ßr fclbft ftetttc bie l;öd;ftcu 'Jluforberungen an ficf) unb licp lieber ein IKanuftript jal;rjcl;ntclang in feinem "ipult liegen, olä ba^ er irgcnbruclcfie 3"0t'Mnbniffc macf)te. illuö ber 5d;melä^üttc feiner SBertftatt, in bcr unabläffig bac @ute jum Bcfferen, baö Bcfferc jum Bcftcn umgegoffcn Tüurbe, ging nid;tö l)crüor, mao man nidjt in feiner :Mrt oolltommen nennen fönntc.

^eutc, ba an ileUcrauögabeu unb 5leUerbiograpl;icn fein lliangcl ift unb baö f)uni)ertjä!)rige Jubiläum einen mal;rcu Bcgciftcnmgofturm im beutfdjen Blätterumlb rerurfadjt l)at, tann man freilid) faum i)erftcl;cn, ba^ aud; ein fold;ci Tidjtcr, bcr bod) jum Bolfe fo fprac^, mie cc uon Jgers ju ^erjen gcl;t, fo fd;mcr fid) ,^u öffcntlid)er %n'- erfennung l)ot burd;ringeu muffen. 3lber gerabc feine (Sljaratterfraft, bie nid)t rcc^tö nod) linfö faf), unb it)m freiließ für fein gan5eö Ceben bie tro^ige Sclbftänbigfcit ucr=

Ö28 2){e großen ©rfnuetjer 1)\d)tet.

bürgt \)Qt, mag fic^ 5unärf)ft ^rotfc^en il)n unb ben 9^uf>m gefteUt i)aben. ©icfc mac^t= i^olle ^erfönlic^feit ift eö, bic roir in SiliencronS SBibnunig ertennen :

ÜKetftCT, bu [iegteft! Unb einerlei

SSar bit ber ^ämi[(i)en Unfengefdirci :

2Iuf ber ©^ulter bQ§ mädjtige nacfte 3d/.t)ert,

2ef)nteft bn an beinern Sempel^erb.

®ag Seben unb bie ^unft beä brüten großen Sd^raeijer ®i(f)terä im neun= 5ef)nten ^Q^rl)unbert (offen fic^ nirf)t lüie bei 5leIIer oon ber erften ^ugenb an alö ©in^eit üerforgen. (Seine erfte ^rofanoüeUe, ,,3)ag Slmulett", f)Qt 3)?et)er erft mit 47 i^ofjten uoHenbet, unb feine erften ®ebirf)te Iie| er mit 39 ^a^ren erfd)einen.

2(m 12. Dftober 1825 mürbe Gonrab ?^erbinanb 9Jlei)cr alö (3of)n eines ifte: gierungSrotö in ^üx\6) geboren, ©ein 33ater foroot)l roie feine 3Jlutter gehörten alten ^otrijierfamilien an. ®er ftreng fonferoatio gerid;tete 58ater f)aite urfprünglid^ bies felbe ©teDung eineö ©taatöfc^reiberö mie fpäter ©ottfrieb Heller innc. „®ie beiben eiiegatten", erääf)It ber ©c^raeiäer % ®. S3Iuntfd^Ii in feinen ,,5r)enfrcürbig!eiten", „l)atkn ttma^ faft jungfräulich S'^xteä unb 3^eineö. aJieper roor ein e^ter ^Repubtifaner,

fd^Iic^t unb üerftänbig Sie erfc^ien mir mic bos lebcnbig geroorbene ^beal ber

3Beiblic^!eit. ©ie mar tief religiös, ober nidit unbulbfom unb nid^t topf^ängerifc^. ©ö mar etroo§ Ungeraö^nlic^cö unb baf)Gr Unberec^enbareö in i^r. ^aburcE) mar fie i^rem SOIanne, fo l^od^gebilbet er mar, bo^ g^iftig überlegen."

®er SBater ftatb fdpon 1840, alfo in beg ©id^terö fünf5et)ntem Sebenöja^re, fo ba| bie ®rgief)iung ber beiben 5linber, ©onrab ^^erbinanbä unb feiner ©c^mefter Setfr), bie bem S3ruber fpäter ein 58ud^ ©rinnerungen geroibmet ^at, ber fefteu, fieberen ^anb beraubt rourbe. Unter ber ?^ül)rung ber p^antafieüollen 9)iutter fam ber ^nabe ins S^räumen f)inein. 58or aEeni aber crf)ielt fein Seben fc^on frül) etmaö 3ieI(ofe§ unb Ungeroiffes, rda§> ftetö ouf i^m getaftet Ijat. „®cr g^ünfgel^njä^rige", ergälitt feine ©d^rcefter, „foHte fic^ für ein beftimmtes 35erufgftiibium entfd;ciben. ©olange ber ^ater lebte, f)atte er fid^ eine folc^e g^rage ni(f)t geftellt. ©ä mürbe angenommen, er fteige burd) bie klaffen beö ®t)mnafium0, ftnbiere bann an ber Uuiuerfität unb oerfolge Die üätertidje ^aufba^n; benn jum ^fieologen ober 9}iebijiner jeigte er roeber Seruf noc^ 2{nlage. ©in rein roiffenfd;aftlid^eö ober nad^ eigenem ©rmeffen fombinierteä ©tubium lag bamalö für if)n au^er bem Sereic^e ber 3)?öglid^!eit unb ber ©ebanfen. 2)ie juriftifdie Saufba^n füf)rte in ben ©taatöbienft." 9Iun entroidelten fi^ ober noc^ beö SSaterö 2:obe bie politifd^en SSerl)äUniffe in bemofrotifc^er 3flicE)tung, fo bo^ foIcEien ?^amilien roie ber be§ 5Did)terS ber geeignete SSoben für bie Stufnot)me unb politif^e S©irffam!eit entzogen mar.

3unäd)ft ging er 1843 für ein ^a{)r nad) ßaufanne, um feine ©d)u[fenntniffe ju oeroollftänbigen. „^c^ gab micE)", erjälilt er felbft, „miberftanb§lo§ ben neuen ©ins brüden ber franjöfifdfien Literatur I)in unb Ue| .fllaififer unb ^eitQcnoffen auf mid^ roirfcn, bie f(affifd)e ilomit 5IRoIiere§ nid^t meniger a(ö ben Iprifd^en SCaumelbe^er

föonrab J^erbinanb iöJepcr« l'eben. 529

üHfreb bc ^J^uffetö." (So waren aber iDenigcr fran5ö)'iicf)c afö oielme^r romani|cf)o (£111= pffe fc^fec^tfiin, bie je^t auf iE)n roirtten, öcmi and) in baö ^taUenifc^e lebte er fid) ba-- malö ein. ,,5nirf)t alö ein geicüfc^aftlicf) fc^neibig geiporbencr junger 3J?anu", berid^tet Setfij, ,,ber baö unferer 3Jiutter Hebe ^ranjöfifd; fliei5enb unb gern geiproc^en f^ätte, tarn er jurücf, luie fie öielleid)t geI)offt {)atte, ba bicfe greube anberen ^TJiüttcrn miber: faf)reu roar, fonbern alö ein 5lopf ooH gärenber 3^een, mit breiter, [tarf auogcprägter, üon üppigem ^aar umfraufter Stirn auf einem, meinte fie, ^unbeugfamen" Fladen, ber roie it)r f^ien, im täglicf)en Seben nod^ roeniger 5Raum ()attc, atö ba er fortging, 'äüüf ucriautete, in ßaufanne \)abe er niel)r ^talienifd) getrieben alö granjöfifd) .... 1)ic ^ranjofen ^bcn nie etiüaö anbereö alö eine urbeutfd)e 9^atur in meinem 'Brubor er:

fennen roollen 3)er gro^e fegenbringenbe Sturm, ber enblic^ feine Sege[ füllte,

unb burc^ ben fein Sd)iff bie (}o^e See gemann, mar bie '^(ufcrftcf)ung bes Xeutfc^cn 5ieid)eö." ^amalö freilid) ftcHte er in feinem 3ii"'"cr iHntoren auf, bie er in !slaufanne getauft datte: SSittor .^ugo, ©eorge Sanb, Samennaiö, ^ofept) be ^iJiaiftre, -nJuffet unb S)ante. Unb tarn to6) fo, bap er fid) einftmeilen ber beutfc^en Sprad)e fd)rifttic^ gar nid;t mel)r bebiente. „^Daö beutfdie Sprac^gefüi)!", fagt feine Sd)ir)efter, „ging unter in ber 3)?affe feiner oielfprad)igen Seftüre auö ^3J?ange( an Übung, ba er ein @in= famer rourbe."

5f?ac^bem er aud) in ®enf feine ^i[^ung ergänjt [)atte, (egtc er in feiner ^ater- ftabt bie ^)?cifeprüfung ab unb ftubicrte Dann ^ura unb ®efd)id)te, ol)ne ba^ feine 3nutter irgenbmie feine perfön(id)en Steigungen unb 2iebt)abereien ,5u begrenzen fud)te. 55ie j'familie mar rool)(l)obenb, ein bringcnbec (Srioerböjiel alfo mar nid^t gegeben. 5)arin lag aber jugleid) für eine fo fenfible ??atur eine ©efal^r. „(Einmal", fagt er, „^at mic^ bie 3ie^fofigfeit meines "Ijafeinö faft jiur SSer^meiflung gebrad)t, unb nur eine fd^nettc gludit in bie fronjöfifc^e Sdjuieij bat mid) gerettet. 5Baö mid) bann micbcr neu belebte, maren mieberlplte $Kcifen inö :3luölanb." Sr lae, ftubierte, jeic^nete, tuanbte fidj jcber ^unft ju, machte jum 3luögleicb and) .'Qod)touren inö GJebirge, liit unb fd)raamm, ol)ne bod} ju l)armonifd;er ^^luöbilbunt^ feiner :?lnlagen unb felbftäuDiger 'iirbeit ju gelangen.

1852 mu^te er in bie öeilanftalt ^r<^fargier bei Neuenbürg überficbcln. „ßi ift nid;t frant", loutete ber Spruch ber bortigeu bärste, „aber er ift fein Ijarmonifd) be^ faiteter, gleid)mä^ig auögeftattetcr unb entmidelter S^tormalmeufd). Xap er biefe lange 9lbgef(^loffcnl)eit ertragen bat, beutet auf bie SÖiberftaubölraft feiner reinen, un= üerborbenen Slatur. ^eßt gilt neu anfangen! Siidit mebr in bie alten ^erbältniffc iurücf."

©ro^en (rinfluft gemann auf il)n ber ^^irofeffor ^iiullicmin, Der .^iftorifcr bcr Sc^meijer Skformatiüu, bcr it)m befonberec ^[^ntereffe für gcid)ic^tlid)e ^^[^orgänge ein^ flößte, ibm bie 9Reformationöepod;c näl)erbrac^te unD il)n tiefer an6) in bie franjöfifd)c 2it€ratur einfül)rte. Gr regte iljn an, :?luguftin Xbierrgo ,.K(VitH des tempH M^rovingiens", bereu poetifdje -iUaft ibn fdjon frül)er gefcffelt l)attc, ju uerbeutfc^eu.

©c^rocr traf il)n ber Xob feiner gjtntter, ben fie, fd>on längere 3cit gcmütöfranf, in ben ^BeOen beö 3^euenbnrger Seeö felbft gefud)t bntte. roar im öerbft 1850.

Ce^lfe, tle bfiitf(^f lüterntiir feit »ortbeö lobe ufro. 34

530 ©ie grofecn St^roeijer '2)id)lci.

„äßir atjnten etroaö baDon", fd)retbt SBetfp, „roemi rotr bie immer bloffer, feiner unb fd^n-Qc^cT SBeibenbe onfat)en.'"

$Der ®tdE)ter ging nun in§ 3tu§Ianb, juerft nac^ ^ariö, bonn (1858) in Setjpö 2?egleitung na^ 9lom. 2Baä namentlicf) ^töl-i^'^ für it)n bebeutet«/ baö bemeifen feine Stenoiffancenooellen. „SBie gro^ unb entfd^eibcnb bie ©inbrüdfe waren", fagt feine (Scfiroefter, ,,bie er n)ä{)renb feineö nid^t ciel über jmei ^rüfiUngämonote bauerben 3tuf= entl^alteö in 'iRom empfing, roie uoU ron ,'3^een, fünftlerifdien ©toffen, 3lnregungen

jeber 3trt er nad) ^aufe U\)vU, rä^t fxc^ ni(f)t befrf)reiben SBo fein j^u^ J)introt,

ftanben ©eftalten ber flaffif^en 58ergQngeni)eit vox i't)m ouf ober treten if)m bie ^ifto= rifd^en Erinnerungen auö bem mittelaltetlicEien 3flom unb ber ©efc^ii^te ber 'Ißäpfte entgegen. ®er Süt^erftoub fiel ah von feiner einfam geroöf)nten ©eete."

SSon ber ©tobt ^üri«^ sog er nun fort unb beruof)nte oerfc^iebene ßanbbäufer am ©ee, in ^üönac^ unb in SJleilen, roo er in ben fec^jiger ^^ifjren mit bem Ehepaar grongoiö SBiUe unb (Slifa SBille in 33erfef)r trat, bie it)n gu poetifc^er ©eftaltung leb= f)oft ermutigten, ©eine SSerbung um ßlelia SBeibmann n>ar erfotgloö. 'jDie ftitte unb liebli(^e, bem Seben oif)neI)in frembe junge ©ame ftarb balb barauf.

1864 Ue| ber 3)ic^ter „3wan§ig 33aEaben oon einem ©(^roeiäer" erfd)einen unb unter feinem Spanten 1869 bie „5Romanäen unb Silber". Stber erft ber ^rieg 1870/71 gab feiner ^oefie ben entf^eibenben 2Infto^. ^sn biefem SBinter entftanb t>a^ SSerSepoö „^uttenö le^te Xage", ta^» 1871 erfd)ien, 1872 „öngelberg". 2)ann folgten bie ^rofanooeHen, eröffnet 1873 mit bem „3lmulett".

„1870 war für midEi bog fritifd)e 3at)r", t)at (E. ^. 2Kcr)er fetbft geftonben. „S)er gro^e Ärieg, ber bei un§ in ber ©cEiraeij bie ©emüter äioiefpältig aufgeregt, ent^ fdfiieb aud^ einen ^rieg in meiner ©eele. SSon einem unmerflidE) gereiften ©tammeäs gefü^I je^t märfitig ergriffen, tat \d) bei biefem raeltgef^i(^tlid)en älnlaffe baö franjöfifc^e SBefen ab." ^uttenS rein beutfrf)e§ Silb erfc^eint auf biefem ^intergrunb wie eine erfte 3ufunftöI)offnung au§ alten STagen. ©er ©id^ter erjä^It, ba^ Jgutten feinen legten 3ufIurf)töort auf ber Ufenau, ber fleinen grünen $^nfel im ^üri^er ©ee, erreicht l^at, ron bem Pfarrer gaftfreunblid^ aufgenommen morben ift unb nun in feinen legten Xagen fein Seben noc^ einmal in ©ebanfen uorüberjiet)en lö^t. 3i9natiu§ Sot)ola, auf einer SBaIIfa{)Tt nad) ©infiebeln begriffen, lanbet an bem ®ilanb unb ift für eine 3lQd)i ;gutteng ®aft. 5ßon bem naiven S^el fommt ber abenteuerli^e ^arajelfug I)er= über, um otä 2trjt bem iranfen ben ^ulö ju füt)len. lud) ber .flüchtige ^erjog Ulrich oon Sßürttemberg erfd)eint, bem ©terbenben jum legten trgerniö. ©o fef)It ber ©i^tung trofe if)rer ibt)llif^en 9lul)c nic^t an 33emegtl^eit ber ^anbdung. 6I)ara!tc= riftifc^ aber für ba§ ©anje ift bie ^^eftigfeit ber (Scfinnung bei biefem c^t beutfrfien 3?iitter, bie fic^ befonberö am ©d)lu| feiner einzelnen 58etrad^tungen unb ^ernfprüc^e jeigt, in ^erbinbung mit ber ®en)i^I)eit be§ mi)tn ^obeö, ber eine tiefe 2öef)mut unb le^te fiebenöfreube inmitten ber fd;önen ©cEjweijer Serge in if)m ermedt:

«Rid)t allju foftlid;, reid)e (Srbc, t)üft 2)u m\d) bewirtet, beinen armen ®aft!

gjun ncfim' xä) Urlaub unb jur ©d)eibe5eit ©TWeifeft bu mir öUe 2icblicf)feit.

eoniab Jycibinanb WieiKt^i fiebrn. 531

2>as romonttfrfie SSeräibtjO „ßn gelb er 9", oon bem ^ic^ter aSeröIcgenbc genannt, ift im lüefentHc^en eine poctifc^ 5arte Sd^ilberung. ber Xarianb[c^aft, nad) ber ben Dramen trägt.

3m Dftober 1876 oermä^lte \iä) ß. %. 3)Jct;er mit Suife Siegler, bie cbenfuns QUO einem ^üric^er ^atrigier^oufe ftammte fie rmx bie %od)tex eineö eibgenö|fi[c^en Oberften. 'Jla6) ber <0od;jeitSrei]e, bie baö ^aar nac^ Sübfronfreirf; unb ilorfifa führte, faufte 3«ei)er 1877 einen 2anbfi^ in £ilcf)berg bei ^üric^. ©in ^a^r üort)er tüor fein 'Vornan „^ürg ^cnatid/' crfd^ienen. ^n ^ilcfiberg entftanbcn feine anbern 3JJeifterrcerfe : ,,®er ^eilige" (1880), „®ie ^orfiaeit bcö 3«önc^ö" (1884), ,,25ie 9tic^. icrin" (1885), „®ic 3Serfuc^ung beä ^eöcara" (1887) unb „Stngela Sorgio" (1891); boneben bie fleineren erjä^ungen „®cr 6c^u| oon ber ^anjel" (1878), „^lautuö im 5Ronnennofter" (1882), „©uftaü 3lbolfö ^age" (1882) unb „^ie Seiben eineö Ännben".

2BieraoF)[ fic^ mit feinem fteigenben 9^u^m aurf) Me Scfud^er meF)rten, gab ber ^ic^ter hoäf fein jurücfgcjogeneä Scben nic^t auf. @r loar mit überfeinen, f)öc^ft rei5= boren ®efüf)Iöorganen auögeftattet unb rce^rte olle f)cftigen (Sinbrüdc ab. Seiben- fc^aftlidfieö 2Iuftreten unb ftürmif^e ^erfönlic^teiten moren iF)m ein ©reuei. So- genannten „Sjcncn" ging er forgfältig am bem 2Bege, (Sbenfo oermieb er alleö 9t^e= torifc^e unb 2:f;eatralifc^e. SSorträge politifc^er unb religiöfer 9?atur regten if)n nic^t an. SlUeö ©eiualttätigc erf^ien iljui alö innerlich unroa^r. j^onflittcn unb feclifc^en erfc^üttcrungcn waren feine 3^err)en nic^t geraac^fen. So lenfte er fein unb licbenä: roürbig aucf) bas ©cfpräd; ftetä in ruf)ige 33af)nen, mo feine Siif'^mmenftö^e 5U brül;eu fd)icnen. ^m ©egenfa^ ju ©ottfrieb JleHer, mit bem er ^äufig, befonberö in bcn Sefc* fälen ber 3»i^i<^t'r 3Jiufeum§gefcUfd)aft, äufammentraf, mar er jebem SöirtsFiauöIeben abgeneigt, ^en feinften Supuä nannte er gute Suft, bie er in feinem ©arten unb feinen rociten SJäumen reid)(id; gur SScrfügung f)atte. 9Jiit feinen alten ^rcunben auiS .ber ^ugenbjeit üerfammelte er fic^ gern in i^rem ober feinem ^aufe, roobei bie ^e; lüirtung 9tcbenfad^e blieb. 3tm liebften trän! er ben buntelroten 33eltliner 2Bcin, bcn Qud^ ©d^effel bei ber Sd)i[berung beö 6t. ©aller g^eftmaljlö im „Stfcbarb" rü^mcnb ernjä^nt. ®en 33orraum ju feinem SIrbeitöjimmer burfte man nur mit fc^üdjternen 6oF)[en betreten, bcnn aud) bie (eifefte Störung mu|te oon if)m ferngebalten lucrbcn. 9JJeI)r aU baö ©eräufcf) ber 9Räbcr auf ber Strafe ftörten \\)i\ SRebcn, bie anoul_)öien er gejmungen mar.

SSon feiner Strbeitömcife entrcirft raieber feine Sd^roefter ein anfd)aulid)e§ ^-Bilb: „SDq ifin bie me^anifc^e Übung beö Schreibens bei feiner .Rurjfic^tigfcit, feinem I;o^cn SGBu^ö unb feiner ni^t ju fifeenber Sebenöart eingeri^tcten beaiegungöbebürftigcn ^Ratur" me{)r ermübete alö mic^, fo jog er üor, in feinem großen 3immer auf: unb uieberget)enb, baö 33Iatt mit feinen 9lotijen in ber .^awh ober im j^rcien feine 3ifli^rrc

rau(^enb, ju improuifieren unb mi^ ba§ @el)örte mit ber g^ebcr fixieren ju [äffen

2Bqö feine poetifc^c ©eftaltungöfraft felbft betrifft, fo ftanb ic^ mit immer neuer Über; rafc^ung oor bem SBunber einer jeben feiner neuen Sd)öpfungen. 2BoI)l ocrftanb '\6) fic, n)u|te fie ju raerten unb freute mic^ baran ; roic aber bieö Sd)önc auf einmal Iebcn=

34»

532 -j)ie grofecn Sc^roeiser J)icf)ter.

big cjcmorben mar unb boftanb, raupte \d) nid)t ju ertlären Jjn b€r närf)fteu

2liorgenfrüI)€ geftaltete er bann baö SBert mit erneuter ^raft um. ©r lorrigicrte Tiid;t im einjelnen. ©ä cntftonb etmaS 9leueö, oft ganj Umgefd^affeneö. ©ein gcrooEtcö 3icl erreichte er gemöl)nlic^ in jmei ©cf)tDüngen, feiten auf ben erften SBurf/' ^ebe feiner Srf)öpfungen müljlU if)n aufö tieffte auf, rang firf) nur unter Sc^merjen dou i^m loö, jumal er, roicberum im (Segenfo^ ju bleuer unb auc^ ju Storm, eine burc^ouö l^umortofe S^latur mar. 6elteu fc^mingt ber §umor in feinen ^irf)tungen mit etroa in ber 9'lot)eIIe „'^cx 'ScE)u| uon ber .^au^cl", ber erften nac^ feiner glüd(id)en 3?er= möl)[ung. :

^m ^af;re 1880 ernannte i^n bie 3iii^'<^<'i^ Unicerfitöt jum Dr. h. e. 3n ruf)igem ©lud fd^ien ber Sebenöo&enb Ijeraufjujietien. 2lber bas buntle @d)idfal ftanb frf)on bereit. 2luf ©runb ber uon ber SJiutter ererbten ©cE)mermut unb infolge Über; onftrengung entmidelte fid; 1892 eine ®ef)irnfranf^eit, bie ben ©id^ter in bie .^eif^ anftait 5lönigöfelben bei Srugg trieb, ^aö) einigen 3JZonaten fd^cinbar roicberl)ergeftettt, l)Qt er borf) bie fnH;erc @efunbl)eit unb jumol feine ©diaffenöfraft nic^t miebergeroou:: nen. (Sincn geplanten §of)cnftaufenroman, ber baö 3Serf)äItmö ^riebrirf)ö II. ju feinem Äonjier ^eter üon ^inea 5eic^nen foEte, foroie eine fdjmeijerifc^e @rjä{)Iung „X>er S)i)naft", bie ben legten '2:^oggenburger ju bel)anbetn unternaf)m, bat er nic^t me^r auä= fü'firen fönnen.

5(m 28. ^^opember 1898 ift ©onrab g'erbinanb 3)ier)er in ."»^ilcijberg geftorben.

6v^. ajjcijcrs ßtjrif.

^on ber $8aIIabe ift ß. %. SJieper ausgegangen, "^^aö ift ein beutlicfieö 3cii"^f "' ta^ an6) fein St^alent im ©runbe uormiegenib epifc^ mar. ®inft meit unterfc^ä^t, rairD feine Sprif jefet beinaf)e aH bie bebeutenbfte fünftlerifc^e ^at ber jmeiten ^al)rbunbert= Ijälfte gepriefcn. Sßäf)rcnb man il)m früf>cr üorroarf, er beljerrfc^e {x)n']6) nur bie unsere ^orm, feiert man nunmct}r gerabe Mi tiefe (trieben, baö fic^ in biefen ^ic^tun= gen fpiegelt. SBie gercöf)nlid) bürfte bie SBaijr^eit in ber 9JUtte liegen, 'ük^er mar fein 3lugcnbli(fölr)riter, bem auf einen SBurf ein ergreifenbeö Sieb gelang. ^Jlan ucr^ öleirf)e nur einmal feine beiben erften frf)roacl)en Sammlungen „SaUaben" unb „'^o- mangen unb 33ilber" mit ben „©ebic^ten" oon 1882: mie in eiuen ^"nö^runnen finb bie ^Dic^tungen Ijinabgeftiegeu, je^t erft finb fie feinee 3fiamenö mürbig. Unb mir treten biefem ®icl)ter fi(^crlic^ nirf)t ju nabe, roenn mir gerabe feine tünftlerifc^en {formen rül)men, jene roanbefbar reiche 'Sprac^= unb lißeröfunft, bie ©ottfrieb Kelter treffcnb „Srofat" genannt I)at. Sie ift eö, bie plefet feiner ^rofa ben untcrfc^eibenben GboraÜer gibt.

Xia| ein ^Reifter ber ^iftorifct)en 9lot)elIe in ber 58aIIabc unb 9ionianje baö ^örfjftc frfjafft, fc^t ni^t in ©rftaunen. SGßir braud^en f)ierbei nicEit ju oermeilen, oiel-- mc{)r nur auf unfterbli^e 3d)öpfuugcn l)in5uroeifen mie „'J)ie %ü^i im ?^euer", bie „Settlerbattobe", ,,^ie eöl)ne ^arunö'^ ,,g«icl)elangeIo", ,,®aö 5(uge beö Slinbfn", „^as Dcrlorene Sc^mert", „^aifer ^riebric^ Tl.", „1)00 ©löcflein", „1)ie ed)nttfc^uf)c",

©. ??. ^Dienere l'mif. 533

„2)ic 9^oie üon ^kroport", ,,®er ^aifcr unb baö ^räulein", „^ie fleinc Slaiirfje", „3IItc S<f)rociäcr" unb „^a6) einem 9^iebcrlänbcr". finb mel^r ober miiibcr flcine 9loi>clIcn in ^J^erfen, cbclftcv SBein in fein ge)d)Iiffenein, bÜ^enbem ^ofol. 5(Ic> ^robe fei f)ier eine ber fürjeften biefer SScrönoüeHen jitiert : S n m o e n ^' ".

GamoenS, ber iO^ufen öiebling, Öag erfranft im §ofpitale. ^n berfelben armen Stammer Sag ein ©c^üler au§ (Soimbra, 3^m beg 2<jgeg Stuubeu fürjenb äRit unenblic^em ©cplauber.

„©bicr §err unb großer 5)ic^ter, SSoB fie melben, ift 9Sa^r§eit? 2>a^ gefcf)eitert eineS Jage§ 2Im ®e[tab bon Goromanbel ©ei ba§ unbanfbare J^-a^r^eug, I^<i§ Beef)rt mar, Sud} ^u tragen? ^<i6 3^1^' fämpfenb in ber 53ranbung, 9}cit ber 9ied)ten füf)n gerubert, 2)od; in au§gc[trerfter 2infen Unerreidjt üom Seüenmurfe fQicUet (5ure§ £iebe§ ^anbfc^rifl? ©{^tücr mirb foI(^e§ mir ju glauben, ^err, aud} mir, loann id) ocriiebl bin, ©inb 5lpüüo§ Sdjiw[tci-n günftig; 'äbcx ging' mir an§ Seben, j^Iattern meine [djönften 33erfe Öiefe' ic^ iual)rlic^ mit bcm ülSinbc, 33vaudilc meine beibcn 2Irmc!" Slntmort gab ber Xidjter (äd)elnb: „(Sold^eg tat id}, ^reunb, in SSatjrheit, 9tingenb auf bem 9J?eer bc§ 2eben§! SSiber 53o3f)eit, W\t>, i^verlcumbung !5?ämpft' id} um bc§ 2:agc§ 5Jotburit SJt'it bem einen bicfcr 5(rme. 9Kit bem anbern biefer ^ilrme ^ielt idj über 2;ob unb ^Ibgrunb 3n be» Sonnengottes (Straf)Ien 9[J?ein ©ebidjt, bie Snfiaben, 93i§ fic mürben, loa«? fie bleiben."

©e ift nun fef;r intereffant jn fc^cu, mie bno epifc^e Xalcnt bcn ^id)ter bi6 meit in bie Heine unb fein abgetönte Stimmungödjrit Ijinein begleitet, ^ie bei faum einem anbereu ncrmäljlt fid) bei if)m bie ptaftifd)e, fcelenrubige (Srjäljiung mit per- fönlirfier ßmpfinbnng unb innerlid^er 2Bal)rnef)mung. ;"^n hen „Toten ^reuubeu" beridbtet er uon einer %al)xt auf bem See, alt, er „mit lauter jungem 33olt" gejcd)! : ba benft er feiner toten ?vreunbe, mit benen er einft beim Ollafe fafj:

534

55ic grofeen Sc^töeigcr Dichtet.

3n beu (fluten brüuft ein fturmgebäm;)fteT 6^or, Sedier läuten au§ tiefet ^adjt em]3or.

6. g. 9}tei;crö einjelne Stropljen finb f[cine, für fid) fertige 33ilbd)en unter ©las unb $Ral)men, bte gor nic^t bcö gongen 3ui'awi^enf)önöeö bebürfen, um ju toirfen. ®as ftarfe 2eben, boö in it)nen pulft, erfc^eint geläutert burc^ bie ^unft. ®ie Vorgänge, bcnen ber ©pifer folgt, werben gleic^fam Iprifd; cergolbet.

®er fc^öne Xaq.

^n fü^Ier 2:iefc fpie^elt fid) 2)e§ 3"^if)^^^"^^^ marmcä 33Iau/ Sibellen tan5en auf bei g-Iut, ®ie nid>t ber ficinfte <pnud) bewegt.

Qmei Knaben unb ein lebig Soot <Si€ fprongen iaud^jenb in ha§> 39ab. 2)cr eine tau(^t gefüllt empor, ®cr anbre fteigt nid)t inieber auf.

Sin milber ®d)rei: „^cr S3ruber fanf!'* S3on Sooten wimmelt'^ fc^on. 9D?an fifc^t. ®en einen tubern fie an§ Sanb, ®er fa^I h3ie ein SSerbred)er fi^t.

®cr anbre ^nabe finft unb finft ®ema^ ^inab, ein ©dilummernbcr, ©efc^miegt haS^ fanfte Sodcn'^aupt ?In einer 9^t)mp^e n>ei^e Stuft.

®er 5Cob ift I)ier in (S^önl)eit untergegongen, aUe fc^redenben 3üge finb i^m genommen. 3).aö ift bie 2lbflörung burc^ bie 2Jia^t ber ppetifd)en Sprache, bie 6. S- SJleper gu ©ebote ftel)t.

3Jian fann immer roieber beobachten, mie bei i^m ein inneres ©rlebniä unb gormtolent miteinonber ringen, mie baö J)od)ge^enbe ®efül)l plöfelic^ in ©iö getaucht, in 59iarmor getf)anen roirb. ©ö gibt fein fdiönereö SBeifpiet für biefe ^raft, ba§ Seben üon feiner Segrengung objulöfen unb gu oeremigen, ein ^nnereö nac^ au^en (;in ju oer= gegenftänblid)en, alö eineö ber SJleiftermerfe unter feinen ©ebid;tcn, ® i e g e = 0 e i ^ e 1 1 e ^5 f 9 d) e " :

2^0 t)on alter ©d)önl)eit STrümmcrn 5CRarmor^en bie ©öle f(^immern, SBinbet bla^ unb lieblic^ eine ^|t)c|e fid) im ?!J?armcIfteine.

Unfic^tbarem ©ei^elf)iebe Söeugt fie fic^ in Ouol unb öiebe, ^uf hen jarten ^niecn liegetib, ©nge fid) gufammenfi^micgenb.

glel}enb I)alb unb I^alb gebulbig,

2:rägt fie ©djmac^ unb »ei^ fid) f^ulbig.

^^re ©c^meräenäblide fragen:

„Sicbft bu mid)? nnbfannftmi^fdjlagen?"

©on bid) ber DIt)mp begrüben, Slrme ^ft)d)e, mu^t bu büfeen! (5rD§, ber bi(^ fud)t unb peinigt, SBitI bid; fclig unb gereinigt.

aBeld)e @Iut ber ©mpfinbun^ unb bo^ mie gebönbigt oon ber 5iaeinf)errfd;c= rin ^oefiel

6. %'. ?met)er ift einer ber größten SBortfparer. ©ö ift, aU gäbe er jeben ^er§ nur jogernb I)cr mie eine feltcnc ^oft"bor!eit, bie man nid)t üerf^teubern bürfe.

©0 nimmt ber ^i^tcr aut^ eine befonbere ©teHung ein in ber ^Iflatur-- unb Siebeölijri!. 33eibe§ ift fo, mie mir bei ®oetf)e unb ben anberen großen Sprifern fcnncn, gar nid)t bei il)m voxljanhen. $Der naiüe Slu&brud beö ©d)ön'cn ift, oI)nc bc§: ^alb unmirflic^ ju werben, einer I;öt)eren ^unft, einer öft{)etifc^ bcfonneren Darftellung

6. g-. ÜRepcr^ Sprit 535

gcunc^cn, glcic^oiel ob et in ben SBoIb pilgert O.Sebt reDe öu". -- ,,abcnbrot im SBoIbe'O ober bie „Stbcnbroolfe" betrachtet, bic roie eine Sarfe im Ät^er ber 9JlQien= naä)t bQf)infegeIt :

^ie 39arfe füll unb bunfcl gä^rt ^in in ^ämmerfc^ein Unb leifcm ©tcrngefunfel 3Im ^immcl unb tjinein.

^ft I)ier bie ^immlifd)e ©jeneric romantifc^ empfitnben, \o Dcrleugnet bod; (§,.%. Tltyex einen \\)m eigenen 9leati§mu§ nici^t; nur bop er i^n niemalä in un[c^önen; Dcrbilbcnben ?^ormen barfteüt. 2Bie f)ätte rcot)! ein S^oturalift naturroa^rer, mirflic^: feitöed^tcr, ja graufamer au^brüden !önncn, nKJö 6. %. 3Jlei)er in ben brei Strophen 21 m ^ i m m e I ö t 0 r " erfd^ütternb [agt :

äRir träumt, \6) fomm' an§ ip^n^i^fl^tor 1 2)u iüu)d)eft, luujc^eft o^ne 'iRa\\'

Unb finbe bic^, bie ©ü§e! j ®en blenbenb mei&en (2<f)immer,

^ufo^cft bei bem Oueü bnüor S3egannft mit munberlidjer §aft

Unb n>u[(^eft bir bie güfec. ! 1)ein SBcrf tton neuem immer.

3(i> frug: „2Ba§ bnbeft bu bi(^ I)ier HHit träneunaffcn SS^angen?" "liu fpr<i(f)[t: „9Beil \ä) im ©taub mit bir, ©0 tief im ©toub gegangen."

aj?it crbarmungölofer ^ältc mirb I)icr 'oaii (Sretc^enmotio unb nic^t nur bicfeö üon einem 5lünftler bei)anbelt, ber fein ^er5 im Seibe ju t)aben f^cint. ^li^Ui aU bie Xatfad^e unb il)re gcftfteUung burd) [d^Ii^te 5^rage unb 3tntmürt, bic nur jum @d)Iu^ burd; bae „jo tief" ber Älage einen rüf)rcnben Unterton erbätt. 'itbcr roie padt gerabe bie|c furt^tbare 2Bortfar(it)eit! 'sDenn bat)inter i'tc^t baö ganjc ßlcnö ber 6rbe, [tel)t bie ©roigfeit, bog unmibcrbringlid) SScrIoren einftiger Siebeöfeligfcit.

2ßie bie Xragi! beö Sebenö, baö Erleben iibcrl)aupt, ]p roerbcn auc^ bie ®e-- banfcn in @cE)önE)cit gefleibet. 2)er Genfer mirb burc^auö bem ^ic^ter untergeorbnct. „Sebcr ©cbanfe", [agte S. ^.3«eper einmal ju feiner ©d^rocfter, „mup feinen fc^önen Scib f)aben. 5^ur feine grauen Xfjeorien. 3n ber ^oefie mu^ aUcö in Sd)önt)cit ein; getaucht fein." Unoergleic^lid; ift feine ilunft, baö ©eiftige ju rerfinnlicben. .öörcn iDir ben @mpfinb(id;en über bie 9? a c^ t g e r ä u f d) e " :

SKelbe mir bie gjadjtgeräufc^e, SJ^ufe, 5>ie an§ D§r be§ ©d}UimmcrIoicn fluten! Srft i>a^ traute SBoc^tgebeU ber Jounbe, 1)onn ber abgeääF)Ue ©c^Iag ber ©tunbc, .Tkinn ein ^•iid^er,^iüiegeipräd) am Ufer, ^nnV 9?id)t§ loeiter al§ ber uugeioiffe ®eifterlaut ber ungcbvüd)neu ©tille, 2?ie bay 9Itmen eincg jungen 5)ufenä, 9Bie bo§ 9J?urmeIn cine§ liefen 3kunnenS, ?&ie baö ©djiagen eine? bumpfen 5Rubcrd, 'J^oun ber unge^örte Tritt beä ©rf)(ummer«.

'^36 3)ic grofeen ©dE)tt)eijer Siebter.

^ic Sautmnlcvei ift bei einem fold^en ^id^ter iiaturgemäl oufs Iiöd;ftc Quögebilbet. Tlan föinite S. g. 33kt)er einen Spejialiften beö fc^mürfenben 33eiroortö nennen. ^Sn- gleidjen mir nur bie ©igenfc^aftäraorte in ben beiben ©tro|>I)en „Qmxo, jung ift nur bie ©onnc": fic fa^en unö immer 9^eue§ unb borf) urfprünglic^ 2Büi)rcö: baö üergeffene ^ngenbtal, bie oeröbete ^alfof)Ie, bde fal)lcn 33erge/ bie burf)enbunfeln ^ü£)en, bie eroig fdpöne 6onne, ber f(^t(figc ©rumb, bie mübe Sorfie, bie lebenbtge ?^lut, bnö monbcrnbe ^erbgetön! 9]ici^t minber aber meiftert ber 5Did;ter bas X^dtigteit&iuort, roie fein bt- rübmteci fleineci ^dbinettftüd jeigt, ® e r r ö m i j rf) e 33 r u n n e n " :

Sluffteigt ber (Str<jt>l, unb fatlenb gie^t ®r öoll ber aJ?armDr[d}aIc 9tunb, S)ic, \\(i} öerft^leiernb, überfliegt 3n einer ^lüeiten ©c^ale ®runb; iSic j^lüeitc gibt, fie hjirb ju reic^, ®er britten ttjollenb i^re gUtt, Unb jebc nimmt unb gibt ^npleiii) Unb ftrömt uub tuf)t.

2Bir feigen bcn Strahl fteigen, Ijören il^n nieberfotten, boö SBoffer über ben Jinnb ftrömcn Dou ©tufe ju 6tufe baö ift oEeä, eine finnlid;e SSorfteUung für immer in SBortc t)ineinge5aubcrt, üon benen feineö juüiel, feines juroenig ift. '©qö ncrmag fo nur biefcr 35id)ter. 9)?an fie^t, ift nic^t naiüe 91atur, ift beraubte ^raft, bie fic^ bn entfaltet, unb cntbedEt nn biefer Äunft boci^ nichts Unnatürlid)eö. Sin anbereä 33iü>: ber ©ic^ter fä^rt abenbö auf bem (See im 58oot unb jietit bie Mnbex ein („ ® i n - gelegte 9t u b e r ") :

Steine eingelegten 9iuber triefen, tropfen fallen langfam in bie Xiefeu.

Sflid^tS, ba^ m\d) ücrbro^! ^^Mdjt^, ba§ mid) freute! 9?ieberrinnt ein id)mer3cnIofe§ §eute!

Unter mir ac^, au§> bem 2id)t oerfc^unben ^^räumen fc^u bie [dfönern meiner ©tnnben.

5Iu§ ber blauen Stiefe ruft ha^ ®cftern:

„©inb im 2id)t noc!^ mand)e meiner ©djujeftern? '

^ud) an biefen ©tropfen fonn man bie Seoba^tung mad^en, bafe fie il)ren SBert bet)olten, aud) menn man fic noucinanber löft, foroie an einer 9J?armorfigur Itopf iinb £eib unb J^anb nod) immer fd)ön bleiben, a\i6) menn man fic für fid^ betracbtct.

6igentlid)e ©cbanfenlijrit ift alfo bei ©. %. 3J?er)er mie bei ÄeUcr unb ©torm oiiegefc^loffen. ^lüe brei finb gebanfcnnolle ^erolbc finnlid^er ©d)önl)cit. äBenn (£. %. '^leifcx einen ©prud) fagt, fo entl)ält biefer nid)t faf)le 2Bet§l)'eit, fonbcrn einen lebenbigen 3[^organg, ber eine SBeiSl;eit Dcrfinnlid)t ; j. 33. ber ©ä er f p r u (^ ":

33eme^t b^n ©c^ritt! 33eme|t ben ©djujung! 5)ie ©rbe bleibt nod) lange jung! 5)ort fätll ein Slürn, ba§ ftirbt unb ru^t. Xie ^Jlub ift fü^. l)at e^ gut.

(5. Tt- 2Ket)ers Ötirif. 537

Sp'xtx ein§, öa§ burc^ bie ScfjoUe brid}l. §al eg gut. Süfe i|t ba§ i^ic^t. Unb feinet fällt au^ bicfer 35>elt, Unb ieb€§ fäüt, lüie'S ®ott flcfällt.

e. g. 2)lever ^olt bicfc Silber nic^t nuö ber p;niitQ|ie allein, ^u feiner ciften :,'^uflcnb war roo^I fo, öü^ fein reidjcr ©eift fic^ fclbft genücjtc. 55on feinen frühen Sattoben unb Sloniansen fagt er fogar nod) felbft (in „gjJein (STftling": „^uttenö leOte ^age", 1891): ,,5)iefc ©ebic^te bejeic^ncn unb fc^He^cn eine Sebenöepod^e ä)tl)cti)C9er 33efd>aunc^feit, mnnnigfaltigfter, nielfprac^igcr Seftüre, öcrfcl;iebener ^ntercffen, o^ne bie ®Iut einer enuärmenben ^nrteinaf)me beS ^erjenö unb ine(er iindj^altiger 3iei)e= embrüde, bereu ftärffter neben ber uniuiberfteblid^en 3In5ief)uug meiner I)eimifd)cn 'od^neeberge bie alte Äunftgrö^c unb ber fü^e J^immel ^totienö war. So l>atte ii^ mid; of)ne üffentlicf)c STötigfeit in eine ''^Ijantafieiuelt eingefponnen, unb es fonnte nit^i cuöbleibcn, baf^ bei meiner übrigenö fräftigen 5ktur bicfce Traumleben ein ßnbe nei)men mu^te unb irf) ju einer fdiarfen SSenbuug bereit mar, etma mie fie ber M^e'm bei 33afel nimmt". Seine ßprif ift fclbft ber befte ^cuqc bafür, ba^ fie uid)t auf 3:räumen ruf)t. 3Sergleid)en mir bie erftc mit ber jroeiten 3tro;iljc im :)i eq u i e m " bie crfte eine gau5 allgemeine !Öetrad;tung, bie jmette ein gunj intimcö Cjigcur crlebniCv auö bem alfo aud) bie erfte il)re 3lnfc^aulid;teit l)erual)m :

^ei ber ?Ibenbfonne 9i>aiibcrn, ^Jtod; ein ®lörflein l)at iicid)ioicgcn

SSann ein ^orf beu (Stroljl oerlor, '^^liif ber .s>ül)e bis ,^ule^t.

SHagt fein 2^unfel ci ben auberu 9hin beginnt fid} ^u roiegen,

Tlxt vertrauten Stönen dor. ^ord), mein .^Tild)berg läutet jefet.

SBuubcrDoQ mei^ ber ^id)ter ju erjöfilen mit gauj leifcr, nerbaltcuer Stimme ~, molier er bie Seelen ju feinen Siebern gerainnt, auf mie iierfd)miegeneu, ber übrigen SBelt ni(^t malirnelimbaren ^fabcn bie li)rifd)en "lUotiiie (iu ihm fommcn

(„Sieberf eelen"):

3n ber 9Jad^t, bie bie 33äumc mit 53lüton bedt,

^arb id) öon fü^en Weipenflern erfdjrcdt

©in 9kigen fc^mang im ©arten fid),

^cn id) mit leifem ^uf? befd)lid);

5Bic ^arter ©Ifen (Il)or im ^King

Gin meiner lebcnbiger 2d)immcr ging.

"Die Srfjemen l\ah' id) fed befrag!:

aSer feib i^r, luftige SiJefen? Sagt!

„'^d) bin ein iBi3ltd)cn, gefpiogelt im See." „^d) bin eine 5)veil)e üüu Stapfen im Sd)nee." „^d) bin ein Seuf.^er g^n ."pimmel empor." „3d) bin ein föcl)eimni§, gcflüftert iuS Ct)r." „^d) bin ein frommeö, geftorbeneä Minb." „5c^ bin -ein üppigeö 'JSlumengeiuinb „Unb bie bu iDäl)lft, unb ber'ö befdjicb Tie ®unfl ber Stunbe, bie mirb ein i'icb "

538 Die cjroßen Sc^tneiser Dichter.

5Dcn tollten ^on, ben frf)metteriTben 3SQterlniiböge]Qng, boö Setenneu ^immel= ftürmenber Siebe, tro^ipen ^elbentumö ta^» unb onbereä roirb man in 6. %. ^Jie^erö 2r)vit nic^t [uc^en btirfen; and) nid)t jenen Urlaut felbftüergeffcner ^lugenbltde, in benen bie ©timmnng ben geborenen 2t)rifer über fein eigene^ 33erou^tf€in I)inauötrdgt. 6. %. 2J?et)er raupte ftetö, rconn, roarum unb wie er ein @cbi(f)t macEite. '^n cbler JRu^e formten ficE) il)m bie ©ebanfen, umfc^niebten iE)n bie 33i(ber, bie er forgfani ^ prüfenb bann nerroertete.

©0 ift er fein ßprifer für ba§ 58oIf, für bie gro^e SJlenge ber ^immeöioc^ ^fau^jenben unb ju Stöbe betrübten, fonbern für ben Sfteifcn, für ben, ber rcei^, ix)o5 Seben unb raaä 5lunft ift, unb äumal für ben, ber beibeö tief an fid) unb in ft^ erprobt. Unb S. %. 3Kei)er raiU ouc^ feine anbern 3wt)örer f^aben, er fc^reibt nic^t für ha^ %al, fonbern für bie §ö^en, für bie ®ert)art Hauptmanns (Slodengie^er feine ©lode gie|t, er mö^te Ieud)ten wie feiner Serge g^ i r n e U d) t ", mie ©ottfrieb Heller feiner geliebten Heimat trenefter Spiegel:

9^ie praljlt' irf) mit ber ipeimot no^, Unb liebe fie oon ^erjen boc^! ^n meinem SBefen unb ®ebid^t Staüberall ift girnelic^t,

S>o§ gro^e ftitlc Seu(f>ten.

, S!B«§ fann id) für bie ^eimat tun,

33eüor i(§ gel)' im ®rabc ru^n? 2Ba§ geb' i4 ^a^ bem ':io\) entfliegt? ^öielleic^t ein SSort, öielleic^t ein ßieb, ein flcinc§ ftitle§ Seudjten!

3n feiner Äunftprofa f)at ©. %. SJRepet manc^eä mit Heller unb ©torm gemein^ fam, f(^on in ber öu^eren ©infleibung: er lä^t bie ©efdiii^tcn gern r>on anbern cr3dt)len, bisraeilen and) nieberfdireiben. S)aö gibt bann bem oft tragifd) ferneren ^nfialt eine k\6)k j^orm unb täufd)t einen rut)ig:frie4)fomen 3"f^önb üor, ber erft allmäl)li(^ einem graufamen ©rieben roeid)t. 3htc^ bie ,3"i^iicffö()tung bcö Seferö in eine ferne 33cr= gangenl)eit unb ber fulturgcfc^id)tlid)e ^intergrunb finb 3^i9^/ ^^^ i^" "^it "^^^ anbern beiben großen ©rgö^Iern oerbinben. ©ennoi^ ift feine 5lnnft oon ber iijrigen grunb- oerfi^ieben. SDie betjagtid; breite ^lauberei, ber fonnige ^umor, bie fraufc 3eici^nung, bie Sonberbarfeit ber Einfälle, baä gemütoott ©roEige unb 5?norrige ©ottfrieb ^eUerö tft feinem SBefcn ganj fremb unb ebenfo bie mefimütige, melobifd) roeid^e, traum^ unb bömmerf;afte Stimmungäfunft ^^eobor StormS. ^alt, gemeffen, fein ausgemeißelt unb prac^tüoU nergicrt, üon 3(nfang biö ju ©nbe einf)eitlic]^ gef^Ioffen in ber ^onblung, o^ne epifobifd)cs ^Beimerf bod) reid) umranft unb of)ne bie übrigen foeben er= roötjnten d;arafteriftifcf)en eigentümlic^feiten ber beiben anbern 5Dic^ter ftreben feine S^onellen mie 3J^armorbiIber in einen fül)lblauen roolfenlofen Fimmel hinein.

^1 6. %. ^eper ein geborener ©pifer, nic^t eigentlich Stjrifer iDor, jeigt fic^

6. %. 3Weper§ 5«0Deaen 539

and) barin, t)a^ er oon jeincn ^Battaben unb SRximnnjen fefbftfritiicf) fortfdjritt biä ju ben fpäteren ©ebic^teii, auf bcnen [ein 3f?ul)m vu^t, n)ät)rcnb er e\>\]d) jc^on mit bcm erften Stücf ® a § 91 m u [ e 1 1 " (1873) alö 2Jieifter Iierüortrat. ^lefe ^ugenotteiu ge[d)irf)te mit ber glänjenbeu 3d;ilberiing ber ^arifer ^art()olomäu5nad)t, er5äl)lt uon Dem reifen Sllter, ^aä firf) feiner ftürmifd;cn ^ugenb erinnert, wirft mie ein färben^ fatteö ©emälbe, in beffen SSorbergrunbe ein Sicbeöpaar bie uml;erraügenbcn 5cf)attcn oergeffen läpt. ^5mmerl)tn ift eine ber Heineren ©rääljlungen, unter biefen freiließ eine ber fc^önftcn. ©incm er3äl)ler in ben 3}hinb gelegt finb vm ben flciuereu ?lo- üeQen and) 'ip I a u t u ö im 91 o n n e n 1 1 o ft e r " unb „^ie Reiben cineö Ä n a b c n ". S)ort bericfitet ber florcntinifdje ^umanift ^Ißoggio eine luftige ©c)c^id;tc aus ber ^üt ber ?^rü^renaiffance. befonbcrer Siebe meilt (£. %. 3)J€t)cr ourf) in fetner .^unft auf bem 58obcn ^toHcnö, t>a^ er Ii)rifc^ fo beroegt gepriefcn ^at („La Rose") :

^o<i) einmal barf in füblic^ i^anb ^d) IRorbgebürner n^allen, 5Bertaufd}cn meine gelfcnnxmb fOlit meißen 9[J?armor§alIen. ©egrii^t, ^talia, Sic^t unb i?uft! 3<^ preifc meine 2ofcI ^u bift an unfrei ßrbe '-Bruft ®ic ^ofe, ja bie 3^ofe.

^n ben „:iiciben eineö Knaben" ift ber ©r^äblcr g^agon. Der Seibarjt 2ub= rofgö XIV, unb ber ^'rau uon 5Raintenou. ^Diit if)rcr fd^alf^aflcu, bormlofen ;$?aune fjat unter ben Heineren Srf)öpfungen eine befonbere ©teile „^cr ©c^u^ oon ber Ättn^el", wo ein 3iii^irf)cr ©eneral namenö SBertmüQer ber im „^cnatfd)" aU junger Offizier auftritt bie SRoUe ber 5ßorfe()ung übernimmt gegenüber bem fein gejeid)neten Siebeöpaar unb bem 3[5ater ber 58raut, ber bie '^a(\,h mebr liebt als feine Äanjel unb baburcf), ba^ er mit einem gclabenen 2:^erjerol in ber ^alartafc^c roäbrenb ber ^rebigt fpielt, fein unb feiner Xocl)ter ©lud forbcrt. ^n bie 'JReformatiou'j.^cit fül)rt bie f leine 9lopellc @ u ft a u iH b o l f ö ^ a g e ", wo bie Sage uermertet mirD, be§ ©c^mebenfönigä ^age Seubelfing fei ein i^n innig licbenbcö OJJäbd)en, bie 2:od)ter aus Dornefjmem beutfc^em ^atrijicrl^aufe gemefcn. ^n tnljmu ^m^n malt ber 1)id)ter ^icr n)irtlid)feitöe^t @efc^id)te.

Sein bebeutenbfteö 2Berf auf biftorifd^em Untergrunbe ift bie 53ünbner: gefc^ic^te 3 ü r g ^ e n a t f d) ", mebr ein r)loman alö eine ^loueUe. 'Den Stoff ju biefcm reiben Üulturgcmälbc beo 17. ^abrljunbertö frfjöpfte er auG einem 5öcrf beo S^itterö ^ortunat Sprecher pon Söernegg: „@efd)id;te ber bünbncrifdien 5lricgo unö Unrul)en". (Sg Ijanbelt fid; um bie ßreigniffe im 53ünbncrlanDe jur ^eit bc6 ©rei^igjöbrigen 5lriegeö. Ter ^elb ber ®efc^id)te, ber Pfarrer püu Sc^aranö ^ürg Senatfd;, eine l)iftürifd)e ^^erfönlid;feit, ift in feiner luilben, fc^roffen Gigeuart unb ^Iben-- tcuerlid;feit, feinem ftarfen Söillen unb feiner SSatcrlanböliebe von bem 'Dic&ter treu nad) b€r ®irflid)feit gebilbet morben. 5lber er ^at 3»nc gclöfd)t, bie baö ibeale '^ilb biefcö

540 ®ie grofeeti ©dfiniciger Siebter.

^Jiolfö^clben entftellcii. ^m SSorbergrunbe ber tragiid)cn ©cj^e^niffc fte[;t bie 2icbc jroi; \6)cn Siirg uiib Sucretio, ber er ben SSater, ^otnpejuö Planta, mit eigener ^anb erfd^lägt. „©ief)ft bii nid)t, ßucretia", ruft er il)r ju, „roie wir nllc in biefen 33ürger!ricgeu (Ge- borenen ein fred^eö fd^xilbiges ©efi^Iedjt finb! unb ein unjcligeg. ^ort ^at ber Sruber ben SBruber erfc^Iagen, unb Ijier liegt trenncnb eine 2eirf)e jnn)rf)en äroeien, bie fid; lieben unb angef)ören. ^arurn la^ nnö nid^t f feiner fein aU unfer £oö! ^6) fte^c om Steuer unb lenfe 33rinben§ Sc^ifftein burrf) bie .flippen mit frf)on löngft btutüberftrömten ^änben. ^Jlimm ein Sauber unb I;ilf mir!" ®ie I)iftorifd)c ^atf)arina Planta t)at rate bie ber ®id;tung bie SIutrQd)c an ^ürg ^enotfd) üoll^ogen, aber fic war eine anbere. ©in liebenbeö 2Beib erfd^Iägt ben ©eliebten nid)t mit bem S3eif/ aud) menn er it)re ganje 3?ern)anbtfcE)aft getötet f)Qt. ^a^ rcir aber, folange mir 2efer biefer 6rjäf)lung finb unb unö nid)t 3'ied;cnfd)aft über hü^, ©elefene ablegen, biefe ©ntraidlung einer ^ugenb^: liebe unb fie liebt il^n in bem 3lugenblid, in bem fie il)n erfd^lägt, fo ftar! mie nie äUDor, i)ai fie il)n hod) foeben üor onberen retten moUen rul)ig l)innel)men, baö ift ©rgebniö einer pfi)d)ologifc^cn geinmalerei, mie man fie nid)t uielen jutrauen mö4)te.

2tlö gro^e 3fitgemälbe tommen neben „^ürg ^enatfc^" nor allem „®er ^eilige" unb ,,$r)ic 9flid;terin" in ?^rage. SBie bie Sünbnergefd)ici^te, [o entftanb, menigften§ jum 3:'eil, aud) „^er ^eilige" in 3Jleilen am ^ürid^er See. S. %. 3Jier)crö Sd^roefter roei^ barüber anfd;aulic^ ju plaubern: „9Bäl)rcnb ber langen Sommertage fc^rieb mein Sruber am liebften unter ben grj>^en, buntein 5laftanienbäumen' am Ufer. Sie befd^atteten bie bciben unteren inö SBaffer ^i'nouögebauten Scfen ber maffiren ®arten= maucr. S^ed^tö unb lin!ö baoon fpicgelte bie j^lut unb lagen auf fanft anfteigenben, fiefigen Sanbunggftcllen bie ilä^ne ber ^^ifdlier, unferer 9lüd^b-arn, im Sc^ufee ber l;ol)en ^Jiauer geborgen, ^er eine biefer roeitfd;attenben Säume bilbete meineö 33ruber§ Strbeitöjelt, in bem ,3ürg ^enatfd/ unb gum großen ^eil ,^er ^eilige' auf einem üon Sönfen umgebenen breiten Xifdlie niebergcfd^rieben morben fiub."

I)ie ®cfd^i(^te bcö ^eiligen, b. l). be§ ^l)omaö S3edet, Srjbifd^ofä oon Santcr= burt), ber üon ©itbert 33ecfet unb einer Sarazenin abftammt, mirb ^icr üon ^an§ bem Slrmbruftcr, ber felbft im ®ienft jenes ^oni'gö .^einrid) II. non ©nglanb geftanben l)at, am 3:'age beö injmifc^en Ijcilig gefprod;enen 'X\)on\üs> einem 3üricl)er ®l)orl)errn namenö 58urf^arb er3äl)lt. SBieberum l^at ber ^id;ter eine fd^merc pfi)d)ülogifd^e 3lufgabc übernommen: ju cntroidfcln, mie aus bem racltfro^cn ^t)omaS, beffen iierborgeneS 2:öd)terd)en ©race auö feiner (Sl)c mit einer maurifdien 'iprinjcffin non Dem Äönig bod^ aufgefpürt unb .ju feiner ©eliebten gemacht, oon ber Königin ©llinor aber baraufljin in ben Xob getrieben mirb, plöfelid) ein ^eiliger mirb, ber fic^, ur^ fprüngüc^ ber treuefte Jlönigöbiencr, narl) feiner (Ernennung jum ^rimaö mit attet Ma(i)t unb ^lugl)eit gegen ben bieljerigeu ^errn menbet, biö er alö 3J?örtt)rcr fein Seben lö^t, ben ©ebieter aber in feinen Sturj mitreist. Ti\6)[ $a|, nic^t 3Ra^e finb Die entfc^eibenben 3::riebfcbern in biefem reid^en ©l;arafter, aber fie rairfcn fort untet ber SdiroeHe bcö Semu^tfeinö unb geben ber ."panblung bie (Slut beö treibenben ©e- füblö. Cbraol)l il)m ber Äönig ba« .^ärtefte angetan, l)a{ er il)n bod; gercarnt, itm auä feinem ^ienft in ben ber Äir^e ;;u ftellen. .^ier liegt ber 9lngelpunft beö GJangcn: „Sei

©. g. iKeper^o ^JJopeaeii. 541

ee ftüf)e ®cn)o{)nf)eit bes |>errenbienfteö, fei bie 6-t9cnid)aft meincö Stammcö iinb Sluteö/ id) tonn bem gefalbteu Raupte unb ben f)ül)cn 58raucn bcr ^lönige feinen SBibev^ ftnnb Iciftcn. Unb ba bu fo glüdlic^cr Sänne bift unb ein 2Öol}lgefQlIen ^aft an beinern i!necf)te, erfü^nt er fid), bir in biejer traulirf)en einfamfeit einen 'Dlat ju erteilen : (\\h m'xd) nie quo beiner §anb in bie ^anb eincö ."perrn, bcr mä^tigcr luäre alö bn! 'I^cnn in bcr Sc^mad; meiner Sanftmut müpte id) if)m allermcge @et)üriam Iciftcn unb feine i8efel)le ausfüljren, auc^ tjcgcn bi^, o ^onig ron ©ngianb." 9(Iö es boc^ iieid)ic^t, bu erft ficf)t ber 5lönig, roeldje furchtbare 3^atur i^m gegenüberftcljt. 3(Jid)tö i)i(ft il)m, ba^ er fid^ uor feinem frütjcrcn Wiener bemütigt unb fid) fogar fclbft geiBclt bie 2)in9e treiben if)rem tragifdjen ßnbe ju. Seiunnbern&mert ift an bicfer ^Dbüclle namentlich, mic gerabe im 2Runbc cineö ergrauten einfad;en iTtanneö, bcö cinjigen 3(ugenjeugen, bie ©reigniffc bei aller Sßortfargljcit fo (ebenöec^t gefdjilbert luerben, bafe mir ftctö babei ju fein glauben.

©eroö^nlic^ roi'rb „^er .Reuige" als S. %. ^Kegcrö fdjönfteö 2Öer! bejclc^net. 3(ber ® i c 9t i c^ t e r i n " bürfte bod; nod; barüber fteben. ©cmaltig mirft fd)on ber ^itcf, roenn man ben .^onflift fcnnt : Stemma, bie allgemein ucrcfjrte unb gcfürd)tetc 3iid)tciiu in 5Bünben jur 3cit Äarig bes örofeen, fommt in bie bittere Siotmenbigfcit, fid) fcibft ju richten. 2Iuö bci"iH(^cni Öicbcöbunbc mit bem gelcf)rten ^ercgrin ift ii)r eine ^oc^tcv namenö ^a(ma eru)ad;fcn, auö ber ^l)c mit bem ibr oom 5ßater aufgejmungcncn iäc- mal)l, ben fie fpäter ermorbct, ein 5o!)u nameno SBuIfrin. ^c^t mu^ fic erleben, baf^ i^re beiben .flinber in Ieibcnfd)aftlid)cr Siebe ^ncinanbcr entbrennen unb fo bie SBabr^ f)eit anö Sid)t, fie fefbft aber oor baö (Scridjt ibreö eigenen (Semiffeuö (^ebn. 3tarf unb ftarr jiebt fie bie Folgerung, bleibt fic bie iudicatrlx, bie fie mar: fie ent^ecft ^cu beiben, baß fic ©efdjmiftcr finb, unb gebt in ben frei gemä(;(ten Tob. 2Ber nid)t „Tic JRid)terin", aber anbere 5loueIIen 6. %. ^icperö fcnnt, mag aijnen, me(d)c ^•üUe non färben ber Tiid)tcr bei ber 'J)arfteIIung biefcö Problem':- an^^umenben Wefegcnbcit but. ^iefe ^JioncUe gebort ju bciu 3d)5nften, maö bie 2BeIt(itcratur in ^rofa überbauet befi^t, auf noueHiftifificm föebict ctma neben StormS „3icnate" unb .He.IIerQ „Segenben".

(5ine Grjäi)iung am bcr ^eh bcr ^•Tienaiffance ift mieber X i e .^ o ^ j e i t bes 3JJ ö n d) ö ", bargebrad)t non feinem Oieringeren alö Tante, bcr in feinem 3iii""fr am ^ofe ju SSerona fein ^cuer finbet, an bie ."öcrbflamme bes jvüi'ftcn tritt, mo fidj fein bcitcrer .^reiö üerfamnicit bat, unb bort bie Okfd)id)te bcö IIKindjcc) ?fftorrc mit» feiner 9(ntiope Dorträgt, inbem er ^nglcid) feiner ÜRoocKc bie 5lamcii unb @cfid)tcr.bcr 9lnnicfenöen Ieif)t. „^d) bi^bc", fagt er, fid) ^um Sd)luffe erbebenb, „meinen %^la^ am ?^cuer bcja^It unb fnd)c nun baö ©h'id bcö Schlummers." Unb ber Tid)tcr cnbct: „3iner 3lugen folgten ibm, ber bie Stufen einer facfelbcllen Treppe (angfam emporftieg."

3u ben 3tenaiffanccnooeUcn gel)ören ferner T i e '5 c r f u c^ u n g b c o '^cii- c a r a " unb 91 n g e l a ^ o r g i a ", uon benen jene 1525 nac^ bcr 3d)lad)t oon ^ODia, biefe jur 3fit ber Sucre^ia 5öorgia in J^crrara fpielt. S^'icv mie bort folgt bcr ^idjter mit berounberungömürbiger ?tcinbeit unb tiefer Seelenfunbe ben Intrigen, bie 3JJenfc^cngrö^c, 3)Jenfd)cnlci"b unb 3JJenfd)en liebe umranfcn. Taö (Brauen, baö man oft bei ber falten Tarftcllung jener uergifteten ^Itmofpbäre empfinben mag, mirb bod)

542 Sie grofecn Stl^tüeijcr ®td)ter.

gemilbert unb überraunben \mx6) ben Srfjimmer, bcr auö einer eblen Seele übet baö (Sonje fäHt, bort aus ber beö ^eöcora, ber feine Xobeöiuunbe fc^raeigenb in fic^ trägt/ l^ier QUO ber Stngela SBorgioö, bie il)rem ©eliebten baö if)m geraubte 2tugenlid^t burd^ ein ^inb roiebergeben roirb.

Tlan ^at ©. g. 9}kger 2}laniriertt)eit beö ©titö üorgeiuorfen. ©ä fonn nic^t auö= bleiben, ba^ ein ^ünftler, ber mit folc^er Serou^tl^eit aller feiner Drgane im 5Dienft ber reinen tft{)etif arbeitet, ber jebeö SBort mögt unb rcieber raägt, fic^ gerabe in ber g'orm om ©nbe feibft gu übertreffen fud;t. SBie jemanb, ber ein leifeö ©eroufc^ nicEit ertragen fann unb mie fe^r trifft baä auf S. %. 3Jiet)er ju , alöbalb ba§ leifere unö luieber no^ leifere alä befd^roerlirf) eLmpfinbet, fo fann auc^ ein fo fein befaiteter fcböpferifd^er ©eift fd;Iie|Ii^ 3u immer erlefeneren ^unftformen unb bamit ju einer immer Heineren ^unftgemeinbe fommen. 3Iber maniriert ift beSl^alb fein «Stil ge= toi^ nic^t. 9flicJ)t§ abelt biefen ^ic^ter me!)r als feine unauf{)örli(i)e Selbftfritif, bie et in bem ©ebic^t /,plle" in bie einfachen SBorte fleibet: ,,®enug tann nie unb ni'mmet= mel)r genügen." Unb ba§ bürfen mir bod^ nirf)t üergeffen gerabe fein „mct)t ge= nngen" bebeutet für uns ^ö(f)fte ?^ülle.

XII.

Im neuen deutfcben Reich-

h druft tiott ^Hhtnhxnäi,

©g ift bod^ nid^t of)nc eine geiuiffc Sebeutung für bic Literatur bes jungen ^ütferreid^ö waä) 1870, ba^ ber beutid;c ©eburteobel it)r bie erften {jeroorragenben i^üfirer gab: SBilbenbrud^ unb Siliencron.

SSilbenbrud^ö ,, ® c ncr a If elbob er ft " (1889) ^o^quu ©eorg, ^Jkrfgraf Don Sranbenburg, füt)rt am beften in bic Stimmungen bicjer Kunft ein (I):

5)er ©türm bläft öom ^immel botjer,

er geißelt S3olf mib^r S3oIf,

^er griebe berfinft, auB ifjren Xiefen

©teigen bic Teufel, bie brunten [erliefen,

jt)Q§ beutfcf)c ßanb wirb ^um äJJeer,

®ie b€Utfd)en SDJenfc^cn, üom 2:ob umbranbct,

^Rennen, flüchten um^er unb jammern:

SSo ift ber Pfeiler, an ben mir un§ flammcrn? . . .

S3ranbenburg§ <Scf)meTt [ei Xeutfc^IanbS SBe^r,

^o^en^ollern ber .'pafen, loo 2^eut|cf)tanb (onbet!

5Rod) cf)ara!tcriftifd;er unb guglcic^ für bic ^ext, in ber mir leben, bebcutungä- Doflcr flnb bie <Sd^tu|t)crfe, bie 3of)ann ©corg ju SDobna fprid^t:

§aft bid) äu ^ab§burg§ Sorgen gemad>t,

öebcn follft bu unb [efjn,

SSic bic Seelen öerfinfen in 3Jad)l;

©otlft E)ören ben S<^rci ber 9?ot,

®cr bir berfünbet am )d}rccflidjen läge:

CDcutfc^tanb ift tot!

^sa, bu mirft flerben, bod) nid)t iicrge()n,

^eut)d;lanb, unb bu mirft aufcrftefm

®u mein Grbenanteil unb T\ed)i, ^o^n,^ol(ern, bu mein ®eid](cd)t, Xir meine Seele ncrmad)' id) ^ier! Tir mein Tcnfon, Scbncn unb iMebcn, , Tiefe I)cilige .C)cr;,cu§not,

Xie mid) beut in ben Tob ?yür bic beilige S<id)e getrieben! .^ier ba§ Grbleil, ba§ id) bir laffe, Ta§ id) mit glonbcnbcr Seele umf^iffe: Teut|d)lanb' Xcutfdjlanb! Xeutfd)lflnb!

Ö44 gm neuen beutfc^en Seid;.

'^liic^ SBilDenbtud) i)üt öiefem Deutfd)lant) feine Seele uermad;t, and) er burfte ,!Qüt;en5oQern [ein ®efd)lec^t, fein ßrbenanteil unb S^lec^t nennen, benn er feLbft ftammte, lüenn and; in unebenbürtiger 2inie, auzi biefem preu^ifd^en Äönigö^ unb beutfdKu ^aifert)auie.

Srnft uon SBilbenbrud) JDurbe geboren am 3. j^ebruar 1845 ju ^Beirut tn ©tjricn qIö ©ül)n beö bortigen ©enerolfonfulö, beffen 3Sater ^rinj Souiö ^^erbinanb uon *preu§en mar. Seine erften .^nobenjafjre cerlebte er in 2ltl;en unb 5lonftantinope[, 3m ^o^re 1857 fefjrte er mit feiner SDhitter nac^ 2)eutfd)lonb jurücf. @r befuc^tc bQr= auf bie Sd)ule in ^aHe unb 33erlin (^rnnjöfifd^eö ©pmuafium), mürbe 1863 Dffijier im 1. ©arberegiment ju ^otobam, nat)ni bann aber feinen 3tbfd;icb unb ftubierte in Serün ^ura. 1866 unb 1870 nat)m er am '^elbjuge teil, ^n ben folgenben fieben ^afjren tat er juri'ftifd)en ®ienft als 9^eferenbar, Slffeffor unb 5Rid)ter in gran!= fürt a. D., ©Berömalbe unb Berlin. 1877 mürbe er ine Siuämärtige Imt übernommen, ^m j^rüljling 1885 ocrmäit)ttc er fid; mit 9}farie uon SBeber. 2tlö (äef)eimer ßegations^ rat trat er 1900 uon feinem '^Imt jurüd. ©r jog nun nad) Sßeimar. 6ier ift er am 15. Januar 1909 im 'illter uon 64 ^aijren geftorben.

SBitbenbrud) trat als 2)id)ter Iprifd), epifd) unb bramatifd; l;erDor. S^ix'ii mit ben beiben unbcbeutenben ^ricgöepen ,/^ i o n o i ( l e " unb @ e b a n " (1874). Seinen 9fiu^m begrünbete bie erfte 3luffü£)rung feiner ^ragöbie ,/ ^ i e Ä a r o I i n = g er" in bereu SSorbergrunb ^ubitl), Subiuigs beS gronimen jroeite @emal)lin, ftei^t burc^ bie 3J( e i n i n g e r am 26. Dftober 1881 in 33erlin. S)iefe 2;t)eater= truppe bee ^er^ogö ®eorg dou 3JJeiningcn, bie 16 3al;re (1874 1890) ^inburd; mit t^rer norbilblid) forgfamcn, inbiinbucK pein(id;cn ^nfäenierung unb i^rer rüdfid)t§- lofen ©inftettung bcö einzelnen in baö ©efamtbilb, b. f). il^rer Betonung beä ©nfembleö, ber beutf(^en 33ü^ne ben ©l;arafter gab, fd)ten gerabcju auf 2Bilbenbru(^g t)iftorifd)eö ©eforationöbrama gemartet ju ^abcn, um fid; unb baburd) an^ roicber biefen patl)e- lifdien SDic^ter jur ©eltung ju bringen. Tlii bcm ebten ©(^mung feiner ^iebe unb feinem f)od)fIiegen!ben ^^ealiömue roieö er auf (Sd;itler jurüd. 2ßaö aber bei biefem oüU in ^oefie auöflang, ha^j blieb bei ilßilbenbruc^ bod; mef)r tönenbe ^eflamation, bte begeifterte, bilbooEe 9if)etori{ eines d)arafterüoIIen, patriotifc^en, rornefjmen, voo^l- moHenben unb f)od)6cgabten 9)Jenfd)en, ber im bcfonberen aucb nod; ^tid unb ©e- )(^id für ben fogcnannten 33ü^neneffcft befa^.

^n bem 1898 gef^riebenen i^tnffa^ 1) a ö b c u t f d) e 2) r a m a " äupert fid) ber '3)id)ter über bie Stufgabe, bie er bei feinem erften bramatifd;en auftreten t)or fiä) iai): „3meierlei mar mir tlar, einmal, bap ein SSiebcrauflebcn großen bramatifd)en <Smpfinbenö im beutfc^en Bolfe nur mögli^ roar, menn i^m gezeigt mürbe, bap größere ?^ragen unb raic^tigere ^onflifte für bie a}^enfc^l)eit gibt als bie in ben bcut- fd^en Dramen ber legten ^dt nad^ franjöfifdiem 3JJufter abgel;anbelten ©tieftanböfragcn unb ©^eftanböfonflifte ; fobann aber, ha^, menn je eine B^it gefommen mar, um ju ben großen älufgaben ber bramatifd)en Äunft gurüdjugelangen, biefe ^e\i je^t mar, unb bafi, menn jc^t ber 9tugenblirf uerfäumt merbe, fie uieHeic^t nie roieber gefommen fein vaiirbe ^eutfc^lanb mar politifc^ reif geworben. 5f?ur für ein politifd) reifes

ernft üon aBilbenbrudj. 545

uftb gugleirf) F)offnun{^ö[tarfcG 3Sol! tnnn ber 3)i^ter f)iftoriici^=püUtif^c ^Dramen fc^affcn."

3n biefcr Sdifage liegt bie ganje Orö^c unb jugteid^ bie gonje 33cgrenjtf)cit ber 3Birbenbrud^f(f)en SDromatif. ©in ©tama, baö für eine beftiminte er!enntniö: unb ©cfüf)I§ftufe eineö beftimmten SSoIteö gefd^rieben loirb, ift nur seitgefd^icfitlicf) unb roterlänbifc^, ober nirfit rein fünftlerifrf) ju roerten.

©0 tarn 2Bilbenbruc^ ju feineu natijjnalbrnmntifi^en 3f{{)etorif. SSon feinen 6rftUnggüerfu(^en auf bramatifdicm ©ebiet j. 33. bem fiinfaftigen SdE)aufpiel „3(uf ber I)of)en ©c^ule", baä 1875 auf ber SBeimarer ^ofbü^ne aufgefül)rt lüurbe bürfen wir abfeilen, ©ein erfteö bebeutenbeä 3)rama luar ber ^ a r o I b ", obn)o{)I biefer erft hnxä) bie 3luffüt)rung ber „Karolinger", neu befruchtet, feine Ic^te ©cftall erhielt. „SBenn id)", fagt SBiibenbrurf) bei biefer (Gelegenheit, „ein Stüd t)on miu Quffüf)ren fef)e, oerraanbelt fic^ mein ^nnereö geroifferma^en in einen 33rei üon I)eij5ein, flüffigem SKetolI, auö bem man aDeä formen unb geftalten fann, ober rid;tiger, ba§, raaö ic^ in ©ebonfen i}ahe, roirb folc^ ein 33rei, ber jegli(^er 3^eugeftaltung fät)ig roirb. ©0 jerfd^molj mir an jenem 2lbcnb ber „§aroIb' ; id^ raupte plöfeüd^, ba^ er in ber bis^ f)erigen ©eftalt, mo Hbele nur eine üorüberraufd^enbe ©pifobe mar, nirf)t möglid) für Die 33üf)ne fei, meine ^^antafie griff mit beiben ^änben in boö aufgetöfte ©tüd."

^ar^Ib, ber le^te angelfäd^fifrfie J^önig, uerfprid^t bem ^^iormannen^erjog 2BiU I)clm bie Ärone ©ngfonbö nad^ bem 2^obe Sbuarbö, 2I[ö er fein 33erfprec^en ocrmirf^ liefen fott, rerftridt er fi(^ in ©d^ulb : er fefet fid; felbft bie Krone auf. gei^tenb fäHt er auf bem ©d[;lad^tfelbe oon ^aftingä. 2)er 1. 3(ft fpielt in SDooer, ber 2. in 9^ouen unb Sonbon, ber 3. in SRpuen, ber 4. in Sonbon, ber 5. in SZoucn unb bei ^aftingö. 2lufgefüF)rt rourbe "oa^, ©tüd gum crftcnmat am 7. SJJärj 1882 am Kgl. ^oftljeater in ^annooer. ^arolbö lefete SSorte finb fo rc^t SBilbenbru^, eine oertlungcne 3cit:

llnb fterben mir, fo foll ber O^ean Xa§ ©rablieb bonncrn über un[rem §ügcl, Unb rollenb foU er burc^ 5Q^i^^""'><^^tc ^on 2anb ju ßanb bie ftoI,^e S3otfd}aft tragen: S3oran ben Slönig ging in ben '^ob, §errlic^ unb tjodj, "oa^- ^o\t ber ^Ingelfadjfen!

Df)nc Station alfo fein ^rama, meint 3Bilbenbruc^, au§ ber ®efd)ic^te fangt feine Sebengfraft. 2)arum ift allein baö I)iftorifd;e ^rama für i^n „baö eigcntlid^e". „3e mel)r'' ju biefem ©a^ uerfteigt er fic^ „ein ^rama [id) baoon entfernt, um fo me^r bü^t ben GFjarafter feiner ©attung unb bamit feinen 3[?ert ein."

^er „^arolb" entftanb in ber erften ?^affung noc^ in ^i^rantfurt a. C. (1875), ber „gjJennonit" fc^on in ^Berlin (1877). ®en Stoff ju biefer Xragöbie fanb SBilbenbruc^ in ber ©d^rift beä 23ifd)ofö ©giert über ^riebrid; 2BiIf)eIm III. I^ort roirb iM>n einem t)oc^finnigen Jüngling auö ber ^anjiger ©cgenb erjäbU, ber [xi) 1813 gegen ben SBiUen ber (Sltcrn unb oor aQem gegen bie fird)Iidjen 0efet5e feiner 3J?ennonitengemeinbe in bie 9lei^e ber 58cfreiungöfämpfer fteHt, bei feiner ^Hücffcbr qU Cffijier, gefc^mücft mit bem ßifernen Kreuj, oon ben ©einen geäd)tet mirb unb

Oe^lfe, £)ie beutfi^c Üitcratut feit ©oct^c* lobe ufm. 35

546 ^m neuen 35eutfc^en iReicf).

halt borauf ftirbt, bo fic^ and) ber S^JermittlungSocrfud) be§ 5lönig§ aU oergebli^ n- ipeift. 33ei SBilbenbrud^ bringen bie SJJennonitcn ben jungen 3Rein^olb nid^t nur um fein 2eben§= unb Siebeögtüd, jonbern fie liefern if)n on bcn Sanbeöfeinb, bie ^^ronjofen, avi^, bie il^n nad) ©angig Qbfül)ren, um il^n ju erfd;ie^en. SRein^oIbö Segeifterung grünbet \id) auf ben Flamen be§ SRojorä üon B6)\U, beö Tlamie^, „ol)ne ben 2tbcr= glauben märe, bo^ 3)cutfcf)tanb0 6rbe SRönner je gebar", ^n einer fpäteren «Raffung ift ta^ Xrauerfpiel gum ©c^oufpiel umgemanbelt, ber tragifd^e ©(^hi^ alfo befeitigt, oI)ne ba^ inbeffen ba§ 6tüd boburcE) an 9^aturma^rl)eit gewonnen I)ätte. ®a| bie 23ouern in 58erfen fprerf^en, Iie| fi(^ in ben fiebgigex Sorten nod; ertragen. Stbcr db- gefeiten oon bem Patriotismus finb bie SJ^otiüe üerjeic^net/ unb felbft baö üaterlänbifd)e ^atI;o§ ift übertrieben. SBeld^c SSergleid^e broud)t beifpielörocife ber meftfälifrfie 33auer ^ennecfer, um auf 3fkinlK)Ib gu mirfen:

S)a§ ift bie beutf^ (Srbc 9üngä um bic^ liegt fie ganj in Dämmerung, ein ungeheures Slntli^ öoller Jammer, ^n beffcn Slugen bie SSeräineiflung loo^nt. §örft bu bie S3äume flüfternb fic^ betüegen? ^u meinft, fei ber SBinb, hu irreft hiäj, ®ie ©eufjer finb e§, n)eld)c SDeutfc^tanb fti3^nt. ©iel^ft bu bie 3:ropfen perlen per im ®ra§? ®u meinft, [ei ber 2;au bu irreft bic^, SDie Sränen finb e§, n^elc^e ©cutfd^knb meint.

^n ben SBefreiungöfriegen fpielt aud) baö S^aufpiel „SSäterunbSö^ne" (1880), beffen erfte Stfte freilii^ nod) bie fdimac^ootte Übergabe ber S^eftung Äüftrin im ^a^re 1806 nod) ber ^ataftrop{)e oon ^ena barfteüen. 3^eu mar in biefem ®rama bie SSermenbung be§ berliner ®iate!ts, ber bem bonnernben ^atf)0S be§ ©ic^terS f)öd)ft roo!)Itätig entgegenroirft. SBenbungen roie ,,inö ?^euer mit bem ^rempef, immer rin inö SSergnügen, ic^ merbe bir bie f^Iötentöne fd^w beibringen" trauen mir rooI)l bem ^lalfaftor $Rie!ebufc^, aber !aum feinem bid^terifd^en ©d^öpfer ju. ©ine foIcE)e 3Kifd^ung uon ^rofa unb 5ßers bleibt bei SBilbenbruc^ üereingett.

'?fla6) biefen erften pftorifc^en, b. ^. „eigentlid^en" 2)ramen Derfu(^te er [\6) bo^ auc^ an mobernen ©tücfen. 1877 rcurbe „®ie §errin it)rer ^anb" ooB- enbet. t)anbelt fid^ ba um ein 2J?otit), bas man „fin de siecle" nennen fönnte, roenn man ein ingmifcEien neu geprägtes ©d^Iagroort braud^en rcoEte : bie ^elbin bietet tro^ aller 9f?üdfidE)ten ouf bie ©ebote ber ©d^icllid^feit bem geliebten 9)lann felbft il)re. $anb an, metl fie fein anbereS 3}^ittcl roei^, um il)m, bem SSerfannten, ju Fjelfen. ©b^ munb SBefter^olg aber ift nur einer ou§ ber 3?eil)e, ein SBiXbenbruc^fc^er ^t)puS, mic il)n im übrigen aud^ ©artenl)ofen, .^eibenftein unb ©d^ottenbauer irer!örpern. 3fn ^Ißrofa gefc^rieben mie biefeS ©tücf ift aud^ bas fünfaftige ©c^aufpiel D p f e r um Opfer" (1882): in einer beutfc^en llniüerfitätsftabt bringen bie beiben STöc^ter eines oerftorbenen ^rofefforS, 6l)riftine unb ^ebmig, für ben ©eliebten, einen Bilaturforfc^cr, Opfer um Opfer, ^ebrcig fogar in fold^em ©rabe, ba^ fie om ßnbe feine „j^reunbin fein tann", obmo^bl fie ©^riftine fein ^erj überlädt.

emft von iffiilbcnbruc^. 547

ma ber Dic^tertracjöbie „©^riftop^^marloro" (1884) betrat SBilbenbrud) roieber fein eigentlic^eö ©ebiet, bie ©efc^ic^te. 2tu§ bem 3J?otii) in 2;iccfä DIoücQe „^Did^terleben" : ber ^ic^ter 3)krIoro über[tral)lt bur^ Sf)afefpeare, geftottete er mit ^ilfe ber oon \\)m frei erfunbenen SBalfirnj^om^^onblung ben tragif^en^onflift. ^}JJar: (oroö lefete SBorte oex^errlid^en ,,@nglanb§ großen Solin" 6I)afcfpeare, ber mit einem ^amfetoerfe um ben ©terbenben flogt: „D luelc^ ein ebier (Seift ift ^ier jerftört."

Sn ben ^ompf gmifc^en ^apft= unb ^oifertum gur ^c'ü ^einric^ö IV. füt)rt SGBilbenbrud^ä ^ramo „'^a§> neue ©ebot" (1885), boö er frei nad) gcfc^ic^tlic^en Duetten („Vita Henriei IV.") gcftaltete. „^qö neue ©ebot", fc^reibt ber I)ic^ter 1888 an ben Söeimarer ©eneralintenbanten üon 33ronfart, „ift ni(f)t allein baö ©ebot beö 3önbat§, fonbern ift ber üon 9tom au§gef;enbe Sefef)!, bie fieilige 3Sorf(^rift bc§ 9Kenfcf)cninneru ju untcrbrücfen vov bem 2Borte, baö uom ^apft auögefprodien roirb. ®arin beruf)t ja eben bie 33ebeutung beö SBerfö, ba^ Sßimar ^nerfjt in feiner ^erfon ben Äampf burc^fämpft, ben im 16. $^a]^rt)unbert ba§ ganje beutfc^e SSoIf burrf)fämpfte, burc^ ben neuen, mäcE)tigen 2Bimar jum (Siege gefüf)rt. ^ie Heiligtümer ber beut: fc^en ©eele: ©otteägefü^l, Streue jum ^aifer, Siebe jum 5öeibe in ber ©l)e, foüen Srfiritt für Sd^ritt aii% SBimarö ©eele gcriffen roerben. hiergegen le^nt er firf) im brüten 3tfte mit bem SBorte: .SBaö roei^ ber roelfrf)e SJianu oon meiner Siebe?' auf, unb aug biefem Kampfe gef)t er alö Sieger (jeroor im oierten 3lfte, roo 33runo fterbenö feineu Segen erfIcFjt." SBimor ^ned;t ift ber 3tame beö fünfzigjährigen Pfarrers oon SSoIfcrobe im @id^§fclb. ^ei'nri^ IV. tritt in biefem ^ersbrama gar n\ä)t auf, roof)I aber feine @eniaf)ün Sert^a.

®urrf) bie ^ot^jeitörcife na^ ^itöH^n mürbe SSilbcnbru^S 33licf auf bie HoI)en= fiaufcngeit gcicuft, bie cv bann atö .^intergrunb für fein fünfattigeö ^rauerfpiel in ^rofa „^er^ürftoonSSerona" (1886) benufete.

Sejifer aber aU mit biefen ©uetfen unb ®f)ibenincn Deö breijefjnteu ^abr^ f)unbert§ mar er mit ben 3)^ärfcrn unb jumal mit feinem eigenen $aufe, bem ber HofienjoEern, oertraut, benen er mit ben „QuiMi^s" (1888) baö crfte borf)ragenbc 3^cnfmoI fe^te. baute fic^ auf aus bem 5!JIateria[, baö pfricbricf) oon i^löben ju= fömmengetragen i)aüe in feinem breibänbigen tulturgefc^idjtli^en 2Berf „2)ic Oui^oroö unb i^re 3eit" (1836/37). ^n prächtigen ©eftaltcn jeic^net ber ^ic^tcr bie brei ei'uanber gegcnüberftel)enben 9J?äc^fe ?^ürftenf)crrf^aft, 9lbel unb ißürgertum tn ber 3Jlar! jur S^xt bcö erften 3}Jarfgrafen oon Sranbenburg an& $oben,^oUern: gefd^Iec^t. ift fo gang Söilbenbruc^, racnn ber fterbcube .^onrab oon Oui^om bem Burggrafen ^^riebric^ mit bem $Rufe „^oFien^oUern" in bie 9Irme fäUt, unb man ocr^ ftef)t ©ottfrieb Heller, mcnn er im ©ebanfen an ben „'^rinjen oon .^omburg" meint, ^ei'nrid^ oon 5Heift fei in SBilbenbruc^ gefunb rcicbcr auferftanben. 'l}\ac\ man über biefe rI)etorifrf)en 58erfe ben!en mie man roiU fic^erlirf) finb bie „Ouifeoroö" einö ber beften Stüde SBilbenbrud)S.

„SBenn ©ott mir ^raft oerlei^t", )d)rieb er 1888 an Si^mann, „gcbente ic^ an bicfeö erfte ^ol^enjollernftücf noc^ eine W\he anberer ju fügen, in bcncn \6) bieö mäc^-- ttge ©efc^Ied^t jum 3J?itte[punft fefcc, unb feit id) bieicn ^lan gefaxt, bin id) mcrfioürbig

35«

548 ^m neuen ^eutfd^en JRclct).

rut)ig unb fcft getüorben." ^^J^öd^ft folgte bet fdjon am Stnfang zitierte „©eneral: felboberft" (1889), an ben firf) bann baä in „arfit SSorgängen" firf) abfpicicnbe SScrö=: brama „®cr neue ^err" (1890) anfdtilol, baö britte ber ^Dramen, in benen, lüic ber ©ic^tcv felbft ertlört, „bie ©ntraidlung $8ranbenburg;^reu^enö in feinem ^er= i)äüniö ju ©eutfd^Ianbö ®efc^icf)te" bef)anbelt rcerben foEte. Urfprünglicf) ^ie| ta^ Btüd „Tloxii^ 3luguft oon 9flod^oro". „d^ fpielt oor unb n)äf)renb 1640", fc^rieb SBilbenbrudE) 1890 an feinen ?^reunb ©tange, „unb bie ?^igur, bie im 3KitteIpunft ftef)t, ift ^xiehxid) 2BilJ)elm, ^urprinj, feann Äurfürft oon Sranbenburg." ®ie ©eftalt beö ©rafen Slbam ©(^tcargenberg ücrbinbet ben ,,9^euen ^errn" mit bcm „©eneral: fcfboberft", ba er beffen Stnüage, „ba^ er Sranbenburg jum Sd^emel für ^abgburgs ^ü|e mad^en moße, triumpl)ierenb nerl)öl)nen barf, möl^renb er in bem groeiten Stüd üor ber nömlid^en '^ntlaqe, bie if)m ^riebrirf) 2BiII)elm, ber neue ^err, ins ©efic^t fd^Ieubert, fd^ulbbemu^t jufammenbrid^t."

2)ie 6nttäufrf)ungen, bie Sßilbenbruc^ biefe ^Dramen eintrugen, üor aUem beö: l)o[b, roeil tro| Siömardö ©rlaubniö bie 2(uffüf)rung beö „©eneralfelboberft" verboten rourbe, fpornten il)n an, baö 5^{)ema ju raed^feln unb ju geigen, ba^ feine Äunft au^ gonj anbcre SBege ge^en fönne. 2lu§ fold^en «Stimmungen I)erau§ entftanben feine bciben fojialen ^rofobramen „5Die Rauben lerd^e" (1890) unb 9)i e i ft c r 33 a 1 5 e r " (1892). ^ür ba§ gucrft genannte Stürf marfite er burd) Vermittlung be§ 5)ru(ier§ feiner ©Triften namenö 33olI eingel)enbe ©tubien über ben ^Betrieb unb bie %c6)n\t ber ^apierbereitung in einer ^apierfabrif, für ba§ gmeite über Ul)reni fabritati'on fcEjon al§ 9f?eferenbar ju ?^ranffurt a.D. im Ul)renlabcn 3lbolf Sal^erö. ,,^6) entfinne mid^", fd^rieb er fpöter an ben Herausgeber ber ^eutfc^en Ul)rmacE)er= jeitung, „ba^ id^ einftmals bei i^m (33al^er) ein großes, beinal) ungeE)eure§ B^ff^i^l'lQtt in ber SBertftott ftefien fol), unb auf m.eine S^rage, roaö baö möre, erful)r irf), ba| bas eine ^^urmu^r für ba§ ©orf Sfiofengarten merben follte. 3^) ^Q"" ^'>l)l f^^Qc^/ ba^ auö biefem bomolö noc^ gang leeren Zifferblatt ta^ Btüd ,3Keifter 33alger* I)crau§' geroarfifen ift. SBie fic^ baö aber gemad^t, roie mir gu bem alten Ul)rmad^er feine ^amiüe, namentlid^ bie Sötte, feine 5Cod^ter, I)erangeraarf)fen ift, unb ber Dtto, fein (Sel)ilfe, ba§ fann id) rairfli'd) nic^t fagen, benn ic^ roei^ felbft nidt)t."

®ie beiben ©tücEe waren fein ^wgeftönbniö an ben ^laturaliömuö. Sänge e^e oon biefem bie 9iebe mar, I)atte fid; ber ©idfiter mit ©toff unb 9Jlotiücn befd^äftigt, menngleic^ bie geitgenöffifdfie ^ramatif ber S^laturaliftcn unroitlfürlid^ il)ren ©influ^ auggeübt Ijaben mag. Unb ift möglid^, ba^ SBilbenbrud^ felbft an ben 33eginn einer neuen ©ntroidlung feiner bramatifcE)en ^oefie geglaubt I)at. ©ie meitere ^^olge feiner bebeutenberen ©tüde I)at taS^ frei(i(^ roiberlegt. ©ö erfd^ienen 1892 ^ a S t) e i li g e Sac^cn^ 1896 „.^ einrieb unb§einric^§ ©efdjled^t", 1897 „2öine = Mim", 1899 „©eroi'tternac^t", 1900 „®ie 2:oc^ter be§ eraSmuö", 1902 „tönig Säur in", 1905 „^ie Sieb er bc§ ©uripibeö", 1907 ® i e 91 a b e n ft e i n e r i n ". ©päter traten nod) „(Srmanarid^ ber tönig" (aus feinem '^ad)la^) unb 35 e r b e u t f c^ e Ä ö n i g " ans Sid)t. ^n bem 3)oppe^ brama „^einrid) unb 6cinrid)S ®efd)led^t", beffen fel'bftonbige 3:eilc „Äöni'g ^einric^"

Srnft ooti Jßitbenbruc^. 549

unb „ÄQifer ^einrirf)" t)ei^en, greift ber ^ic^ter auf bcn ic^on im „^T^euen ®cbot" benu^ten @tofffrei§ jurücf: „c§ ^onbclt fic^ um »pcinrirfiö IV. ©ang nnc^ 5lano)Ta unb c^einric^g V. 3f?ac^e an Dem ^apfttum". ^em ©tuet lourbe ber Sc^illerpreiö juteil. „®ie ^o^tcr beä eraömu^" ücrfefet un§ in bog erfte ^a^rjefint ber beutj'c^en 9fie= formation. Unt)erftänb(ic^ bleibt eö, ba| ber ^etb ber er[ten brei "älU, Ulrich oon ^utten, ber noc^ focben 3J?aria, bie Xocfiter bcö (Sraömug, liebeg[ü{)enb an fic^ geriffen f)at, bann üoüfommen pon ber Süf)ne oerfc^minbct. 2öir f)ören nur oon 3Jtaria, M^ eraömuä i^m bie 2:ore oon ^Bafcf fc^lieBen He^, unb "oa^ er nac^ F)artem .^ampf mit junger unb ©lenb fc^Iie^Iic^ geftorben i[t. Straffer ift bie ©ntmidlung im „^onig Sourtn". ^fieoberid^ö 2!oc^ter, bie Dftgotenfönigin 3tmalafunta, üergebli^ geraarnt por ber Xüdz beS 3^ci^9'fönigö Saurin, ber bie ©ermanen üernic^ten möchte, üerf^mäf)t bie fiiebe be§ bfonben 3lma[unger§ 91malri(^, obmofil fie iF)m geneigt ift, unb gel;t nad) Sri^anj, um fid^ mit bem oftrömifc^en ^aifcr 3i"ftinian ju oermäfiren. 6ier aber roirb fie fd^mäf)Iic^ getäufc^t; fie ftirbt ucreint mit bem (Beliebten, ben man injroifd^cn im br)jantinifdf)en Werfer geblenbet F)at, unb hii^t fo ibre ilberF)cbung unb it)r trügerif^eö Serbftgefüf;!, baö fie germanifd)cö unb meiblicbcö Gmpfinben jurücffcfcen liep gegen bie Beregnungen taüer Vernunft, ^n beu „Siebern beö 6uripibe§" ^anbelt ficb um bie fi^ilif^e Grpebition im peloponncfifc^cn Kriege, ©in Befuc^ Sizilien« rief SCßilbenbru^ ein alteä 3J?otiü auö ^lutard^ö Seben beö 9?ifiaö (im 29. .^op.) in öie Erinnerung. ^Da roirt» erjäEift, einige ber atfienifc^en ©flauen bättcn il^re ^Hettung bem ®uripibeö, beffcn ^Rufc befonberö in ©ijilien gefd^ä^t rourbe, uerbanft. So fei Qud^ einem üon ©ceräubern oerfolgtcn Schiffe non ben ^auniern ber 3"9fl'Hl S" ibrem ^afen erft bann geftattet roorben, alä fie auf i^re S'ragc erfaf)ren Ratten, bnfe bie öeute auf bem Schiffe einige Sieber beö ßuripibcö fcnntcn. Söifbenbrucf) aber geftaltet eine Qouj neue .^anblung unb oerlegt bie brei in freien 3?f)t)t^men gefcfjriebenen 3Ifte narf)= cinonber nac^ 3It{)en, Safamiö unb Stjrafuö. 3tm ©c^fu^ erfc^cint roie in ber „^^pJ)t- flcnie" beö ©uripibes ber deus ox macliina, 3It(}ene fefbft: fic „breitet langfam, majeftätifrf; bcibe 9trme auö", unb bann fällt ber ^orfjang. 5?eu ift bei biefer „^är auö 3nt=.f)eIIaö" i^re ^erbinbung mit ber 'iöiufit. „^cx Icgenben^afte, beinah) an bag 9J?ör(^en gemaf)ncnbe Gbarafter beö SSorgange", fagt 2Bi(bcnbrud), „Hefe notmenbig erfc^einen, bem gefproc^enen SB-orte norf) ben ©d^feier ber 5J?ufif überjunierfen. 3luf bie 9trt ift ein Söert entftanben, bog nirf)t Cper, and) nicbt 5Relobrama, in bem riclmc^r SBort unb 9Jlufif ^u einer üieUeicbt norb nid)t üb(icf) gcmefenen 33ereinigung gebracht finb." ^er 3luffü^rung biefeö ©tüdeö ftcllten fict) benn aucb nic^t geringe ©djnnerig^ feiten entgegen, ^m Siegeölauf aber eroberte jlcö bie Bübnen „^ie i-'Habenftcincrin", für bie SBilbenbruc^ ben gcfc^icf)t[ic^en .öintergrunb auö ^anfcä „'Deutfc^er ©efcbidjte im Zeitalter ber S^tcformation" geroann ba mar non einem 9titter oon ^abenftoin unb ber ^^tftörung einer ^^aubrittcrburg ^albftein burc^ bie 3(ugöburgcr ^u lefen , mäf)renb baö 3J?otiD an ^lellers „^ietegen" anflingt. 3(ber erft eine 3(uffübrung oon ©fiafefpeareä „©ommcrnac^tötraum" im jvrüf)(ing 1905 gab ber ®eftalt ber ^Berfobc baö Seben. 3tuc^ burc^ biefc ^lofa beä fccb^bnien ^abrbunbertö jittert ba« rlnjt!)-' mifrfie ^atboö be8 ^of>enjollernbicbterö. ^ie fünfaftige Tragöbie „(Jrmanarid) ber

550 3m neuen S^eutfd^en Sfettf).

Äönig", in S3erfen gefi^rieben, bringt uns ju ben Dftgoten äurödt in eine no(^ uicl frü{)ere S^\t als bie bes ^5lönig ßaurin": in bos ^a^t 375, bo bi'e .^unnen in ©uropa einbrod^en unb bcr junge 3llQTi(^ bie gotifd^e Bw'fi^nft vertritt. ®qö le^te 3)rama SBilbcnbrud^S, „^er beutfd^c ilönig", gefd^iditlid^ gef^öpft »or attem ouS 2Bai^' Sfa^r- büd^ern bcS ©eutfd^en 9fieid^s unter ^öni'g ^einric^ 1., ftcHt eine 33erbinbung jroeicr 9J?otiüe bar: ber Übertragung ber ^önigSfrone t)on 5lonrab auf ^einrid^ unb bcr Stettung ^einrid^S jroifrfien jraei g^rauen, ^ateburg unb 3JlatI)ilbiS, ber ©nfelin SBibu= finbs, ber ©tommutter ber Dttonen. 2tu^ I)ier ift roie im ,,©rmanarid^" bie rf)etorif^c, SBilbenbruc^ eigentümlirfie ^rofa angeraanbt in üaterlönbifd^er Segeifterung mit bem Slusblid auf bie berül)mte 9Jlog^arenfd^Inc^t non 933 bei 9Kerfeburg, rao ber beutft^c Äönig ^einrid^ ^eutfcE)IanbS 33efreier mürbe.

SBitbenbrud^S ^Dramen finb mt^x rI)etorifrf) prunftjoüe ^etlamationen als ^Did^tungen, fie bebürfen beS Organs, ber Tlirnit unb bes ^oftüms. ^n ber ©tiHe rein geiftig aufgenommen, mirfen fie leidet groteSf, ja fteDenrceife läd^erli'd), ^umal in einer 3cit, bie feine ^ibeale unb fein ^atl^os nur uodE) in gefcE)id)tIidEier S3ebingtl^eit unb aus einer geraiffen ®rbfrf)aft beS 33IuteS l)erauS begreift.

®er aU^n begeifterte 6d^raung bes SGBortes t)at aucf) SBilbenbrud^S 2 g r i f ges fd)abet. 5DaS ©ebi'et, auf bem fie l)eimifrf) roerben fonnte, gab if)r ber 18. ^Eanuor 1871 („S)eutfrf)Ianbs ^ubellieb"):

2)enn fd^lüingt boä Qeptex »tiieber eine§ beutfdfjen ^aifer§ §anb, Unb ^ben beutfd^ Sieber SBieber nun ein S3aterlanb.

SBaS er beutfc^cn ^ramatifern juruft, baS gilt nii^t minbcr für feine ß^rif:

SBie j\ä) au§ ber 5ßölfer 2:aten SSeltgef^idfite mächtig tozhi, SDic^er, la% bein Sßolf fe^en, Unb bein 5ßoIf mirb bi^ berfte^cn, ^a§ &e\d)\d)te felbft erlebt.

6in großer 3:eil feiner Sprif fann öls patriotif^e ©elegen^eitspoefic bejeirf)net roerben. Renten roir nur an bi'c betannteften (Sebid^te: „2öir fjaben il)n no^'' (3u Äaifer SEillelmS 90. ©eburtstage), „Äaifer SBit^elmS %oh", „^Dcs toten ^aifers dio^" ;(3um »cgröbnis ^aifer SBil^elmS), „Unfer gri^" (Stuf ^aifer f^riebric^S 111. Xoh), „^em prften SiSmarc!" unb „Stuf SiSmarcfS 2:ob", „3JloItfe" (3um 90. ®eburts= tage), „^em Äaifer grang ^ofepf)" unb „©eutfc^tanb unb bie SBctt" (gJMrj 1889, naä) bem ^t)ronrocc^feI) :

SSenn ict) an SDeutfdjlanb benfc, %ut mit bie ©cele n)e^, iBcil ic^ ringS ^cr um 5)€utfc^l<inb 2)ic bieten f^einbe fe^.

^ biefen fiiebetn, auc^ in bem jule^t geiwnnten, lebt mant^eö proptjetifc^e 2lf)nen :

®mfl 0011 23ilbcnbvucf).

551

!I)ic SBelt, bie gro^e, reicf)c, Sßkirb übe, arm unb leer, 5)ie 2J?cIt l)<it feine (Seele, Sie fjat fein STcutfdjIaub nict)r

jtränen, irie bu [ie ineinteft, ^at nie ein Sßolt geiüeint, 3n folc^m ^obe§iammer War nie ein Sßolf berfteint.

^odf) mitten in bem Jammer, 3n 2;obe§not unb ®rau§, 9Zie lofdj ba§ Sic^t ber (Sterne 3n beinern ^craen qu§

Unb tt)a§ fie bir genommen, (Sin§ Warb bir nie geraubt, Seutjc^lanb, bir blieb bic 3"fw"tt, 9!BeiI bu an fie geglaubt.

SBitbenbruc^ mar ber gegebene 5)ic^tcr für geftprologe im beften Sinne. Ob er bei ilörner ober SBagner ober Schiller oerroeilt immer ift ber patriotifi^e Unterton, ben er im neuen ^eutfc^en S^ieid^ f)eraufflingcn lä^t.

2)agegen tritt fclbft feine Si'ebeöttjrif 3urncE. ©ie ift fonücntioneQ unb beoor= äugt SBorte unb SBenbungen mie „fü^'', „^rüf;nngö{}aurf)", „^kc^tigaü", „ffüftern*' unb „inniglich".

3(m beften finb in 2Bilbenbrud^ö Si)rif bic SaUaben, aud^ fie meift getragen uon oaterlänbifc^er 33egeifterung. ®eö Sauern ©cbet mar aud^ ba§ feine („S3elel)nunfl ^riebric^e I."):

93?ein gelb ^ot loiebcr ©rnte

Unb meine f^inber 93rot

(5§ fommt ber spo^en^oUer,

©in ©nbe fjot bie 9?ot.

9Jiit Stecht gevüf>mt rourbe unb wirb baö „^eyenlieb" es ringt nad; SIejitation. 6ine F)et^e ©lut n)e{)t burc^ biefe 33erfe, in benen gefc^ilbcrt mirb, mie ein unf(^u[bigeö 9J?dbdf)en alö ^cye oerbrannt mirb, roeil fie ein Sieb fang, bas fie oon iljrer fdjon früfier oerurteilten ©rofjmntter erlernt fiatte; mie fie uergeblii^ il^ren 33ciditigcr ^e- barbuö um 9^ettung anfleht; mie fie bann auf bem Sd)citcrl)aufen nod) einmal bae ßieb fingt:

S3on feiigem ©lud, ha^ für cmig uevlorcn.

SBie ber ©efang ben 9JJebarbu§ nun fein Sebcn l)inburc^ ocrfolgt unb il)m in ber Xobeeftunbe auf bie Sippen tommt jum ©ntfe^en ber frommen Srüber:

„^d; ^öre bid)", rief er, „ic^ bin bereit, 2)u reinc§ S5?eib, bo§ fie ."öeje genannt, 2)u füBor Seib, ben fie fd)änbenb oerbrannt, 3T)r |d)nienenben Sippen, if)r klugen oofl t^ütc, ^u, fpielenber ©lieber fü|^ queKenbe '^lüte, 5)u licbenbe 95?onne, bie cinft fic^ mir bot, Unb bie id) oerad}tenb oerfticf^ in ben lob, 9?<ic^ fünf.^ig 5«^if» i^oH 5^>'lV »"b ^ein, * !^d) fominc, um eioiglic^ bei bir ju fein."

3Ibgefel)cn uon foldjcn 3(uönaf)men rul)t 3Bilbcnbrud)G bauernbc "öcbcutung iHiuptfäcbli^ auf feinen G r j ä fj I n n g e n. %nd) bier frcilidi finb grofec SBevtunters

552 ^ni neuen Deutfcfjen iReid).

f^iebe nicf)t ju üertennen, Stuöjuf^eiben finb üon üornfierein bic eigentüi^en 3ftomanc roic © c^ tt) e ft e r f c e I e ", © e m i r q m i § ", 35 a ä f c^ lo a r 5 c ^ 0 1 3 " unb „Sufrejio", benen fic^ [eine ?^eber nicf)t geroarfifen seigte. 6ine frfiarfe Trennung giuifrfien 9Roman utib S^oueHe ift bei SBiXbenbrui^ nid^t burrf)äufül)ren. ©r^ ^ebt firf) aber eine größere ©rjä^hmg fünftlerifrf; über ben 5Durc^jrf)nitt, g. 33. „®ifernbe Siebe", bann uerbanft fie e0 nirf)t i{)rcr ©ntmicflung im ?Romanftit, fonbern noüeIIi= ftifc^en 3ügen.

SBilbenbrud^ö befonntefte ^RoueHen finb biejenigen, bie fic^ mit ber Äinbeöiecle be[c^äftigen (je^t vereinigt in bem 6. 33onbe ber oon Sifemann F)erou§gegebenen ®e- fammelten SBerfe, 1913) :„^inbertränen" (,,®cr £e^te" ,,^ie Sanbpartie"), „®a§3Jiörc^enDonben3rcei9flofen", ,, ®aö eble331ut", „^aö Drofel", „?Reib^ 3Sice = 3)U m a " unb ,,3^r rf) ambou Ib ''. eigene (Erinnerungen, fei auö ber ^e\t beö i^abettenlcbenä, ber juri'ftifc^en SSorbereitung in ^ronffurt a. D. ober im „21rc[;ambaulb" aus ber am 33o§poruä üerbroc^ten 3ugenbjai)re, aber aud) perfönlic^e ©rlebniffe anberer g. 33. im „(Sblen 33fut" bie mirÜi^e erjöl)lung beö Dberften üon (ScE)aet)enbad^ in einer g^ronf furter SBeinftube ^aben F)ier rcunberfam rielfarbi'ge unb ergreifenbe S3ilber gef^affen unb bem ^i^ter gcrabegu ben 9f?uf eineö ^inberpoeten eingetragen, ben er freiließ im beften <Stnne aud) oerbient; nur wirb baburcf) ber ß^arafter feiner ^looeKifti! nirfit üottroertig bejei^net.

®enau ein ^afirgefint t)or ben erften ^inbernooeHen („^inbertränen", 1883), im Sommer 1873, fcf)rteb ber ^((^tnnbgmangigjö^rige feine erfte fteine ^rofaerjäI)lnng, „^Daö 9iied)büc^ö(^en, eine ®efd^i(^te au0 alter märfi'fdE)er 3^it", angeregt burrf) ben Slnblid eines in ben §önben einer ^ranffurter ^^amilie bcfinblic^en 33ifam= büd)öc^eng, "oa^ au§ maffiüem ©über gearbeitet mar unb au§> bem fed^jel^nten ^aj^r- f)unbert ftommte. 3lm 2tnfang ber 91ot)eIIe, bie in itirer ganjen (Sinfleibung unb ©tim= mung lebhaft an ©torm erinnert, erjöl)(t ber ©id^ter, bas fleine ©efä^ fei „tief im SBafbe jroifcEien SBrie^en unb ^^'rcienroaibe, bebecft oon 9)Jooö unb ©teinen, aufgefunben roorben", unb füt)rt unö bann in bie 3eit beö märfifd^en ^urfürften ^oac^im II. ^eftor. 5)en fulturgefdfiid^tlic^en ^intergrunb bilbet ba§ ^tuffommen ber ^Reformation in ber Tlaxt 33ranbenburg : ®in ©raf ©c^elia finbet baä 33üc^äcf)cn im SBalbe, fteHt ber 33cfi^erin ©ertrub, ber jugenbfc^önen 3:^od^ter beS ftreng fatboIifdE)en §errn oon ©parr, micber ^u, ber i^n jebod^, ben $?utF)eraner, als ©ibam nod^ auf bem STote'nbette t)cr- fdimä^t. 3Wit bem ^urfürften in ben ilrieg nac^ Ungorn j^ielienb, nimmt ©dielia boS 9Ricc^büc^S(i)en alö ^^iebeöjeid^en mit fic^. 3fls er jebo^ ^urücffel;rt, ift ©ertrub, gequält Don 3n)eifeln an ber 9?ed^tmä^ig!eit bi'efeö SiebcSbunbes, ine. 5fi.ounen!lofter ju 3el)beni(i gegangen, baö er nun in SSer^mciflung breimal umreitet. ®ann fprengt er baoon. Sin ber Stelle, roo er einft baö 58ü(f)ö^en gefunben bat, roirft er meit oon fiel). 33ei 9J?ü^lberg ift er im ^ienft beö ©c^malfalbifc^en Sunbeö im ^ampf gegen bie fotbolifc^en fpanifcl)en Sfieiter-.^aifcr .tarlö gefallen, ^^u leife SfÖebmut getaucht, jeigt bicfe erfte ©rjä^lung 2öilbenbru(f)ö bereits ben raerbenben gjieifter.

©cc^S ^alire m^ bem „3?iecf)büc^öc^en" entftanb feine bcfte 9looette: T) e r ^eifter oon ^anagra" (1879). ^üx baö SSerftänbniö beö ^otioö unb bor

(srnft Don ffiilbcnbrud). 553

(?ntftcl)ung unentbef)rlic^ i[t ein Srief S[BiIl)enbriic^§ an feinen £e§rer grid nom 7. 3)lör3 1880. „^m ^af)re 1873", fc^reibt er, „rourben auf Der Xrümmerftätte ber einftigen böotifcfien ©tabt Xanogra ^errafottenfigurcn in großer 2(njaf)I ausgegraben. S)ie Sc^önl)eit ber ^Jiguren unb jugleii^ i^re eigentümli^e, uon ben formen ber biö()er befannten griec^ifc^en ^(aftif abroeid^enbc ©eftalt teuften bie allgemeine Slufuiertfanu feit in fo ^of)em 9JJa|e auf biefclbeu, ba^ fie fi^ in türjcftcr 8cit über ganj ©uropa oerbreiteten. ©injelne berfelben famen bei ber ©elcgcnljeit auc^ na^ Serlin, unb l)\ex mar mir bie 9JJögIic^feit geboten, fie im ?icuen 3Jiufeum, roo fie jur 3IuffteIIung ge- langt roaren, aüö eigener 3InfcE)ouuug feunen gu lernen, ^er ©inbrucf mar ein gcrabcju überroäitigenber. Stellen Sie fid^ eine IHn^at)! fleincr taum einen (falben %\i^ großer Figuren auä gebranntem ^on oor, bie, rounberbar gut erl;alten, jebe ßinjclf)eit ber wal}il)a]t ent5ricfenbcn feinen Slusfü^rung erfennen laffen. ^ie (Seftalten, meift rocib^ li^e, bie offenbar bemalt gcroefen, benn fie jeigen noc^ jefet bcn 3tbglan5 ber cinftigen jorten ?^arben, [teilen einfädle SSorgängc beö f)äuglid)en 2eben§ bar, großenteils !IJiäbrf)en unb ?yrauen in ben t?erfd)iebenftcn fc^reitenbcn, ftcfjcnbcn ober fifeenbcn Stellungen, alle in ber eigentümlich reisenben ©emanbung if)rer 3cit unb it)rcö Drtcö. ©aö ©anje rcirfte auf micf) oermöge ber ber 3(ntife fonft fo frcmben ^inbiüibualifieruug ber einzelnen ©eftaltcn mit ber Sebenbigfcit einer rerförperten .^btjlle au§ alter f)cllenifcf)cr 3cit; baju fam bie poetifd^e 3)un!el^eit, in meiere fid) i{;rc 6ntfteF)ung büllt, ba mau bcu urfprünglid;en ©rfinber unb 33erfertlger ber ffeinen 5!unftuierfc uid^t fcunt, unb fo mar mir mit bem erften 3inf(^aucn berfelben ber ©ebanfe geboren, bie Sd)öpfuug unb bcn 3i'- fommenf)ang ber j^igüri^en ju einer "iJioüelle jufammen5uarbeiten. ^aß bicfelbcn i^xix 3eitbeS ^rayitcleö entftanben, nimmt man jefet allgemein an; infofern bcrutjt meine 6"r= 2ät)Iung auf f)iftorifc^er ©runblage, alleö anbere ift freie ©rfinbung." Stimmt man binsu, t)a^ (Sriec^cnianb bem ^Did^ter feit ber Änaben^eit ein oertrautcr Sobcu mar, unb baß 1877 ber „^ermeä uon DIgmpia", ber in ber ^Jooelle ju bcn ^errafotten in Sejiefiung gefegt rairb, anä £id)t fam, fo i)at man alle äußeren (Srflärungögrünbe für bicfe Gr- jäl^fung beifammen. 3lbcr man meiß bann nod) nid;tö uon ber 3^rtl)eit, mit ber bie Siebe jmifi^cn 3JJt)rtolaoQ unb .<peEanobife gefdfiilbcrt mirb, nic^tö uon ber Sidierbcit, mit ber bie Sinien in ber ßntroidlung beö .gelben gejogen mcrbcn, nid;tö oon tiem befc^roingten unb bodf) rairflidf)fcits.treuen Xialog. llnb bie Ssenc, in ber bie gerettete ©eliebte x>ox bem einfd^lummern bie ^anb beö lljqrtolaoö faßt „raie ein Äinb, baö im einfd^lafcn nac^ feinem licbften Spielseug greift", mäljrenb er je^t bcn golbbraunen S:^on beö 33adjcö faßt, §elIauobifcö ©cftalt formt unb fo ber 3)icifter uon Tauagra mirb, tft ein i^unftmcrf für [\ä}.

Stuf biefe „5lünft[crgefd)id)te auö Sltt^^ellaö" folgte 1880/81 ^ r a n c e « f a .oon Sflimini", angeregt burd) ein fo betiteltes ©cmälbe beö 3J^alerö C>ofmann^ 3n^, baö auf ber großen :öerliner .^hmftauöftcHung oon 1878 oiel bemunbert mürbe, auc^ Don SBilbenbru^, ber bem 5?ünftlcr fogar anonym ein bcn 5>organg rerberrlicbcu- beö ®ebid)t fanbte. 5^ic^t ber meltfrcmbc SeutnaAt mit ber Ä^ünftlcrfeclc ^aul wn ®artenf>ofen ift ber ^elb ber Gr5äl)lung, bie auf mirflid;e Jvranffurtcr Grlebniffe jurücf^ gcl)t, obrool)! gerabe mit iljm ber 1)id;ter einen neuen (^arafteriftifd)eu Tt)pu6^gefuuben

554 3m neuen 3)eutfc^en Seic^.

^at „©ic ^hce ift", fagt Sßilbenbrud^ brieflid; felbft, ,,ju jeigen, luie in einem meib^ lid^en SBefen, ba§ fid; infolge bebeutenber, namentlid) inteüeftueller $8eranlagung über bie Sebürfniffe ber 9fiotur entrüdt glaubt, bie 9?atur jum 3^urc^brud^ !ommt, unb rote biefet 3)urcE)bruc^ jur 3Sernid)tung jeneö SBeibeö füF)ren mu^, roenn eö, roie %xar\ce§ta getan, eine ber Statur roiberfpred^enbe «SteEung angenommen \)at, ?5ranceg!o ift §aupt= pcrfon, unb borum I)ei^t bie ^RoceUe nac^ il}x/' 3)ie ^^ragif berul)t Ijier barauf, ha^ in ber jugcnblicfien ©attin bcä alten ©enerals ju jpät bie £iebc ju bem Scutnant erroadfit. @r opfert fid^ für i^re ®l)re im ©ueH, unb fie rafft barauf ein g^ieber ba^in.

%o6) mcl)r alö biefe SlooeHe trägt bie folgeub«, „2Sor ben ©c^ranfen'' (1881), 3^9^ aus beä ©ic^terg innerftem ©rieben. ^l}x liegt ein 93orfatt auä feinet Xätigfeit bei bem ©eric^t in ©bersroalbe ou& bem 3lnfang beö ^a^reä 1877 jugrunbe, alö er in einer 90?orbfad^e bie Unterfuc^ung führte unb ben 9}?örber ju ü-ertiaften l)atte. 5)aä Urbilb ©tfjomburgö bagcgen roor ber märfifcE)e ^tauber 3}?afc^ qu§ ben fec^jiger Sauren. SDiefe ©efd^ic^te ber 3Jiarie Sude, bie fc^lie^lid) opfermutig für il)ren 58er= teibiger cor ©eric^t, ben jungen Steferenbar ^eibenftein, burc^ baö SJieffer beö $Räuberö, iljreö frül)eren (beliebten, ftirbt, geljört bem ^adenbften, iüqs SBilbenbud^ ge« fd^rieben l)at.

ein gemiffeä Übermaß in Sluffaffung unb 3luöfül)ruug jeigt bie „33run- ^ i l b e " (1882) fie l)at freiließ auc^ mit einem menfdilicfien Übermaß, einet riefenl)aften 5tierbönbi'gerin, ju tun, bie auf ^enno Stoiber einen üerl)ongni§t)ollen (ginflu^ amüht ©ro^en 33eifaE l^at ftete bie 2) a n a i b e " (1883) geerntet, eine ÄriegönooeHe, bie unö in ben Januar 1871 unb in ein fran^öfifc^es ^orf ber ^icarbie fül)rt: bie \6)'ö\k g^rougöfin Steine ©outjou beäal)lt bie oon if)r gewagte Stettung eineö jungen beutfc^en Dffijierö mit bem Seben. ^n ber § e i l i g e n ^xa\i" (1884), ber erften ^iooeHe 2Bilbenbrud)ö, bie in Berlin fpielt, wirb mit bem ^Citel auf bie Königin Suife l^ingebeutet, bereu ©enfmal im (S^arlottenburger 5IRaufoleum für bie arme ^ilbegarb, ein l)armlofeö SKäb^en. au§ ben unteren ©täuben, ba§ ©^mbol roeib= lieber 3::ugenb, ja ber ^eiligfeit roirb unb bieö aud; mittels einer p§otograpf)if^en 2lb; bilbung foroie eineö fleinen elfenbeinernen SBilbmerfg bleibt, al§ 5lurt oon ©teigenborf fie furg üOT feinem Stffefforeyamen rerlä^t. (Sä ift bie alte traurige ©efdii^te uon bem l^ergigen unb unfdiulbigen 9KäbdE)eu, ba§ an ber Siebe im ©ro^ftabtelenb jugrunbc ge^t. Unter biefen berliner S^ragöbien ift biejenige .^ilbegarbö eine ber ergreifcnbftcn, bcnn meifterl)aft l)at ber ®ic^ter in it)r ta^ roir!li(^c Heiligtum, ba§ ber l)ingebcnben roeiblii^en Siebe, gemalt. ^Daö 9Jtotio ber „?5rance§!a uon 9?imini'^ lebt bann roiebcr auf in ber größeren, barum aber auc^ roeniger gelungenen ©rgäl^lung „®cr 31 ft r 0 n 0 m " (1886/87) : bk %xan jroifc|en jroei 9}tännern, ^n biefem f^alle aber oergiftet ftc^ Sucie ^mmenliof, roeil il)r jum 33erou§tfein !ommt, fie fei für beibe, fo=. n)ol)l für ben 3tftronomen, il)ren ©atten, roie für beffen jüngeren trüber im ©runbe überflüffig. ^oä) umfangreirf)er, uon beut ^id^ter an^ al§ 5Roman be^eid^net, ij^ «eifernbe £i<jbe" (1892/93), boc^ mel)r eine ^fJoüelle: in roenigen gjtonotcu roirb bie ftol^e unnaljbare ^atrijicrtoditer ^orotl)ea ^feiffenberg ba§ Opfer i^rcr Icibenfc^aftlic^ eifernben Siebe ju bem ^ünftler .^einric^ 33erl)ei^er, ber für ben an

@nift oon ÜBilbenbrud). 555

ber unteren ©fbe gelegenen Sanbfi^ i^res $8aterö bie ©otenjc^rac^t gemalt I)nt. Sie erträgt nic^t, ba| fie für i^n fünftleriic^eö Cbjeft bleibt, bo^ jeine ^unft nic^t in feiner Siebe Qufgefit, unb finbet ben erjefintcn Sob an bcn flippen üon ßapri. SBilben. bruc^S 9?eife mit feiner jungen ©attin norf) Italien gab bem ^roeiten ^eil ber Qv- 3Qf)rung ben äußeren 9?aF)men. 3)Jeiftcrfd)Qft ber ©eftaltung aber jeigen nur bie erftcn Partien, in benen ber SBelt beä gefc^äftöfüf)(cn ^errn ßtatsrat unb ber üorne^m ruhi- gen „roei^en ®orotf)eo" ber tünftlerifc^e SBilbling gegenübertritt.

^n ben ^fol^ren 1893—97 entftanbcn bie DloueEen a Ib g e f i d; t " an^ geregt burc^ eine Beitungönotig unter ber Überfcfirift „^Jorb" , „©taubios ©arten", „^er Sau&crer ßriprianuö", „"Der Siebeötranf", „3)ie Sirten unb bie 3i"ngen", „!Daö roanbernbe Sic^t" unb ^ i c 3B a i b f r a u ". ^öd^ft eigenartige 3)btiüe, 5. %. legenben^ unb märc^enl)after 3Irt, rcerben i)ier ocrarbeitet. 3tls befonbcrö gelungen ift junäcfift ber „SiebeötranI" Ijer^ üorjufieben, n>o bie arme ungeliebte 2(urelie, üon bem armen betörten 3Q"tebur als oermeintlic^e 3öi'i>erin ju ^obe getroffen, ibn ftcrbenb burd) if)ren 2iebeöblicf nad) fic^ lkf)t: „^6) jürne mir nic^t, bn^ id) bic^ fo geliebt ^ahe." ^k hux6) 6. %. 3l.^off= mann beeinflußte, pftjdjotogifd^ gang unbegrünbete 2Ba^nfinnögefd)id)te „^aö man; bernbe Sic^t" fpicit auf bem ^ibeilommifigut ber ^amitie ?)orcf, ^lein^OIä bei Of)Iau, auf bem ber 3)irf;ter feit 1858 mit feinen ©efd;raiftcrn meift bie oommcrfericn üer^ Tebte: eine S^roeftcr mar mit bem SoI)n be§ bamaligen 5Rajorat§^errn oermäf^It. 'J)ie bebeutenbfte bicfcr ©rjäfilungen ift „®ie SBaibfrau", gcfc^öpft aus bcä 3)i^ter§ (Sriebniffen mäbrcub fcineö 3(ufentf)afteö 1865/66 in 58uvg bei 9}Jagbeburg. ^er junge ^ugo ift ein Selbftporträt be§ ^id^tcrö, ber „^iretior, ber cinft fein öauölelircr ge= roefen", ift Otto '^vid, bie SBaibfrau entfprici^t ibrem Urbitbe iT)r Tlanw bifß ^äger , bie SBoIjuung, in ber baö furje, fc^merjH^e £tcbeöibt)ll ju fuc^en ift, lag in Dem .^aufc ^i^^fobiftrafic 9, bag bamalö einem Jräulein ^acobi gehörte, ^er junge ©arbeoffijicr, ber bann bei Äöniggrä^ fäHt, unb feine 2tufroartefrau finb l)\er in fo crnftc, tragifc^e 33ejiel)ung jucinanber gefegt, fo neu unb eigenartig gefeben, baß biefe ^ 'J)id)tung ju ben beutf(^en 3J?eifternoDeIIen ju jäfilen ift. 9?amcntlid^ ber (Ebarafter ber SBaibfrau fclbft ift munbcrbar fein beranögcarbeitet. ^ie ßinffeibung ber 3f?0DcDe er- innert an ©torm unb Seibel: eine fialbuerbtidieue ^botograpbie füf)rt mitten auö bem ptaftifc^en nüchternen 31lltagäleben ben Scfer in bie traumfelige 3^<ergangcnbeit. SDabei ift jebc Sentimentalität oermieben. ^ie SBaibfrau, bie an^^ i^rcr erften ßbe mcbrere Äinber f)at, fieiratet längere 3<?it nac^ jenem furzen Sicbeöibijll einen brauen ^J^üIIcr. 3ln biefeS 5IReiftermerf ragt feine ber fpätercn 9?0DcIIcn 2BilbenbrucöS cin^ nur entfernt l^cran : bie tragifc^e ^rcbigergofd)i^te „Unter ber (^U i f^> e I" (1901), bie mieber auf Erinnerungen ber Jvvanffurter 5Heferenbaräeit jurücfgreift, „"Dag SBun^ ber" (1902), in bereu 3J?ittcfpunft roiebcr ein ^inb fte^t, menngicid) il}r bocb nic^t eine Stelle unter ben übrigen ÄinbernoueHen gebübrt, ber X i n t e n f i f c^ " (1908), beffen ^elb in ber erften 'Triebe rfd^rift feinem Urbitbe entfprecbenb bcn 3?ornamcn 26alter fü|)rte. tiefer Xitel ift nur einem 33erglei^ entnommen: an einen Xintenfifd) muffe man bei einer ^erfönlid)feit mie ber beö gefeierten Sd^rififtellor« 5lirf)fd)nifefr

556 ^m neuen ^eut[cf)en JReicfi.

benten, ber quo S3ereci)niing bie 33eret)rcrtn feiner ©rf)riften l;eiratet unb if)r ßcben 5er[tört Ijötte, toenn ntc^t bie rai'rflic^e Siebe eineö onbcrn, geiftig freilid^ unbebeutenben 3J?enfd)en il^r gum ©c^Iii^ bog verlorene ©lücf iDiebergegeben ^ätte. ©in 3JlotiD roic boö i)kv bef)anbelte ift in biefer 5tusfüi)rung in ber Siteratur nicf)t roieber oor^anben.

£cf)on einige ^afire DorI)er gejd)rieben, aber erft 1909 oeröffentli^t rcurbe „3)ie le^te Partie": eS fionbclt fic^ um eine le^te Partie ^BiQarb jroifc^en jroei greifen Srübern in S3erlin, beren I)Qlb li^betüoIIeS, ijalb fc^roffeö 58erf)ältniö jueinonber n)ieberum im iüa{)rften ©i'nne oon SSilbcnbrucf) erlebt morbcn ift. ®ie graufig gc= ^eimniöooEe %e\[nal)nu beö 5Coten on biefer legten Partie, ju ber if)n ber Sruber er: roortet, lö^t unö mieber an ®. %. 2t. ^offmann beuten. ift ein SJ^eifterftücf, bicjc furje, ploftifc^e ©orfteHung erf)ter Sruberliebe in grunbt)erf(i)i'ebenen ßtjorafteren, bie fogar bie ©d^ranfen beö SCobeö nieberrei^t.

SßilbenbrucE) ift naturgemäß unferer ^e\i ferner gerüctt. $jn boppeltem Sinne .^ot)engoEernbic^ter, roirb er in ber näd^ften 3i'^u"ft ""i* f<^tt^" ^^"^ qvo^e öffentlii^e ©emeinbe fi'nben. SBirflicf) getroffen roerben inbeffen burc^ bie poIitifd;e ©ntroidlung nur feine 5Dramen, unb oud^ fie mürben ben ©cEiIag lei^t überrcinben, raenn nur iJire innere tünftlerifc^e ^roft größer märe, ©o ober roirb man i^r SSerfc^roinben nid^t alljufel^r ju beflagen I)aben.

®er ^loüeHift SBlIbenbrurf) aber unb ber ^i6)Ux beö ^eyenliebeä {)ot 31nfpruc^ ouf Unfterblic^feit, um fo mel)r aU er feiner Sflic^tung, feiner ©(^ule jujujä^len, ja mit feinem anberen fo rec^t ju cergleic^en ift. Seine .^inbernoueHen, fein ,,3Jieifter fon S^anagra", fein „Siebeötranf", feine „SBaibfrau", feine ,,£e^te Partie" geben ibm einen ßl^arofter, ber gang nur mit feinem 3^amcn ju bejeirfinen ift. ®aä eine ober läßt fid; fagen, baß ein 2:^alent roie ba§ feinige allein im neuen SDeutfd^cn 9Rei^ UQc^ 1870 ftd^ auölöfen unb gur ©eltung fommen fonnte.

2* ^tUttf tJOti ßiUcttcrom

©ine gang anbere .^unftanfd^auung al§ bei SBilbcnbruc^ finben mic bei Silten: cron, ber, of)ne ju rooHen unb gu roiffen, bem beutfcEien ^mprefftonismus ben SBeg geboFmt f)ot. 3luc^ er ober rourgelt allein in bem 33oben beg jungen beutfc^cn Äaiferreii^S.

3^riebrici) genannt ©etlex) %xc\i)exx üon Siliencron rourbe am 3. ^uni 1844 ju Äiel aU SoF)n eines 3oßt)erroalter§ geboren. Seine 9Jlutter roar bie ^o^ter eines amerüanifd^en (Senerafs oon garten, teilet) befuci^te bie gelehrte Schule feiner 33ater= ftabt unb rourbe 1863 preußifc^er Dffigier in Sfflaxn^. ©r focfit 1864 gegen bie auf- ftönbifcfien ^olen, 1866 gegen Ofterreicf), 1870 gegen granfreic^ unb rourbe mehrmals oerrounbet. ?5^ünf ^af)re barauf naf)m er frf)ulbenl)arber tcn Stbfc^ieb unb ging nod) SImerifa, fel)rte aber balb gurücf unb rourbe 1882 'Dei(^f)auptmann unb .^arbeSoogt auf ber 5;nfe[ ^eHroorm, roo er bie ,,9lbjutantenritte" fc^ri'eb, 1884 ^irc^fpieloogt in Äellingfjufen. Soroofjl feine erfte Gf)e mit c^elcne grciin t>on 33obenI)aufen (feit 1878) roie feine jroeite mit Hugufte Sranbt (feit 1887) rourbe aus ©rünben roirtfcf)aftlic^er 9?ot gefd^ieben. Seine Sc^ulben brängten ifjn aud) aus bem 3tmt. @r lebte nun ein

iJctlcD Don Ötlicncron. 557

3al)r in Tlnnö)in, wo er mit ben naturoliftifc^en ^üngftbeutfrfjen oerteI)rte. 9llö er f)ier ^oläciiö Se{)re uom tonfequciiten ^iaturatiöiiiuö fennen lernte, fc^rieb er i^m bi-- geiftert (30.11.1890): „^xavo, ^xcmol ^unai) wn I)ier biö mi) Serlin." ®a9 3Ql)rjeF)nt uon 1890 biö 1900 oerbrac^te er in Dttenfcn bei ^amburg^SIitona. 1899 oermä^Ite er fic^ jum brittenmal mit Slnna gTiid)eeI. 3llä Hauptmann a. ^. mutante er fortan, auögejeic^nct burc^ eine faiferlirfie @f)renpenfion, in 3tIt=^JiQf)Iftcbt, rco er am 22. ^üü 1909 ftorb, alfo in bemfelben ^a^xc raie SBilbenbrud;.

9Jte^r norf) olö SBilbenbuicE) roar Siliencron ein begeiftcrter 23erebrer nationaler, friegerifc^er, folbatifc^er ^beale. ®ie ©rtältung, bie feinen %ot Ijerbeifüljrte, jog er fi^ burd^ einen SBefuci^ feiner alten Sd)larf)tfelber anö bem beutfrf)=franäöfif(^en Kriege gu. „SBarum la^t {\)x m\6) auf bem ©^lad^tfelbe allein liegen", rief er in feinen ?^ieberpl)antafien. ^o6) bem Sterbenben nui|te feine ©attin auf bem Placier feine Sieblingömärfrf)e üorfpielen, cor allem ben ^of)enfriebberger nnb ben 5lurfürftli^en 9leitermorf^.

fiiliencron tüar innerlich fein ganjeö Seben Ijinbnrc^ fönigötreuer Offizier, in feinem ®mpfinben nnb Slnfc^auen 3friftofrat, obraofil er fojialiftifrficn ^bcen teiU nel)menb unb mit ^eUem W\d für bie 3^ot beö SSolfeö, bie er ja felbft oon ©runb auö erlebt ^at, folgte, au^, raie mir fal)en, feit ber 9riünrf;ener 3<^it ben natnraliftifc^en ©ic^tern freunbfc^aftlicf) nal)eftanb. 2lber bereu SJiotine unb Stoffe waren nic^t bie feinen, ©g ift c^aratteriftifd^ für il)n, ba^ uon allen feinen ^ r o f a m e r f e n , |oraol)l ben 3?omanen „33reibe ^ummelöbüttel" (1887), „2)er 3JMcen" (1889), „gjtit oem linfen ©Eenbogen" (1899) unb „2eben unb Süge" (1908) roie ben DJonellen, bie in feinen „©ämtli^en Söerten" feit 1904 jufammengefa|t finb unter ben Stiteln „3lu§ aJiarfrf) unb ©eeft", „5!önige unb Sauern" unb „9?oggen unb SSeijen", nur bie „^riegönooellen" (1894) lebenbig geblieben finb.

^ier tritt auc^ beutlirf) jutagc, inmiefern fiiliencron alö einer ber erften ^er: treter be§ fünftlerifc^en ^mpreffioniömuö auf jufaffen ift. 3lugenblicfsbilber finb üon ungemöl)nlirf)er ?5rifrf)e unb 3Raturn)a^rl)eit, Sfijäen in ber 3lrt ber amcri= fanif(^en short story, in jebeni ^nq aber urfprünglic^ unb roefenöecfit, maö man uon jener meift fünftlii^ äurecf)tgemadE)tcn ©rgälilnngöart nic^t fagen tann. Eilfertig ^üpft bie ^nblung, forceit man uon einer fold;en übcrl)aupt fprccf)en fanu, baljin, taleiöo= ffopartig roec^feln bie Silber. 9^ei(^en ©ebrauc^ marf)t ber ^icl)ter non ber Sautmalerci lüie alle 3J^'Pi^ßffio"iften, bie aber !eineön)egQ feine 58orbilber finb. (rr felbft nennt einmal (im „2öärterl)äu§^en") aH Seifpiele für „bie paar ^id)tcr4lünftler" Sl)afe= fpeare, ©octlje, ^einrid^ uon .ftleift, Storm, ^^ontane, ^oftojemöti, Xurgenicm, Xolftol unb ajJaupaffant.

3)ie 9^ait)ität beö Siliencronfdien ^mpreffioniömuö unterfc^eibet il)n uon irgenbeinem anberen, l)at il)m frcilidj and) ben Grfolg nerbürgt unb bie 9taturaliftcn auf i^n aufmerffam gemacht, fo ba^ fie il;n alö einen ber ^l)rigen begrüßten.

Ss mar unter ben 5{ünften guerft bie SJJalerei, bie fid) bemübtc, ben augeu: blicflic^en einbrud alö allein mögliche 5Öaf)r|eit and) bei ber (3eftaltung feft5uF)altcn. (Sinbrud I)ei^t franjöfif^ „Impression", ^a am Gnbc ber fcd)jigcr ^abre fron-

558 3m neuen S)eutfct)en ^Mid).

jöfifrfie 2IZaler luareii ollen uoran Tlanei , bic nad) einer foI(^en 9]aturroal)rt)Cit ftreBten unb ancE) bie 2nnbf(^Qft nic^t im 3(telier, fonbern im ^^reien (en plein air) Quf bie Seinraanb bracE)ten (?^reilid)tmaler), fo Iioben fid) bie fronjöfifc^en 3Iu§brücfe, oor aEem ba§ SBort „^tnpreffioniömuö", aucE) in ®cnt[tt)lanb jur Sejeid;nung biefer gangen $Rirf)tnng eingebürgert. 5Do(^ fagt man f)ier feit längerer 3eit banebcn bereite ,,einbruc!öfunft", ber ficf) je^t mit bem ©ypreffionismug bie ,,9tu&brucE§funft", bie (Seftattnng be§ Eigenen, ^ntuitioen, SSifionären üon innen fieroug; gegenüber^efteUt ^at.

Soor unter ben fünften guerft bie 3J?aIerei, unter ben (Gattungen ber 3)icE)t: fünft juerft bie S 9 r i f , bie ben i'mpreffioniftifrfien ©runbfofe jum ©iege füi)rte. Unb unter ben Sgrifern f(f)ritt Siliencron üoran, ber bamit eine neue ^tii eröffnete. 35ie fonuentionette/ jur ©eflnmotion beftimmte St)rif eineg ©eibel unb Sßilbenbrud^ trat jefet äurüd. 3)cr frifd;e 9ioturIaut brac^ fid; 33al)n, boö in einem beftimmten 2tugen= biid roirflic^ ©efc^aute geroann allein Sfbcnöre^t.

58 i e r e r ä u g.

Jöorne öier nidenbe ^ferbeföpfe, Sieben mir äfoei blonbe 3JJäb(^engöpfe, hinten ber ©room mit ttiid)tigen SWienen, 3In ben 3ftäbern ©ebeU.

3n ben Dörfern luinbftillen Seben^ ®cnüge, Huf ben gelbern fleißige <Bpaien unb pflüge, Sllle§ ha^ üon ber ©onnc befi^ienen, ©0 §cll, fo ^eE.

©in beffereö Seifpiel für bie neue impreffiöniftifd)e 2t)rif alö biefe S^erfe ift faum ben!bar. 5Der S)ic^ter fagt nur bo§, rcaä er in einem StugenblicE fie^t, unb roic er fiel)t, er gibt oon einem ganj unmefentli'dien SSorgange feinen ©inbrud mieber. 3i^n intereffieren ni^t bie einzelnen l)ier gefc^ilberten 2^atfad)en an fic^, fonbern bas 3uftänblid^e an i^nen, bie lebenbige, farbenreiche, ftimmungöDolle 58ej{e^ung, in bic fie in biefem Slugenblid jueinanber treten.

5Der ©inbrud ermeitert fid; inbeffen aud) über baö roirtli'^ ©ef^aute l)iriouS, aber bod^ nur fo, ba| bei bemfelben 9lugenblic!§bilbe bleibt.

SBeite 9luöfid)t.

©teilt eine aJlü^le am ^immeBranb, «Sc^rfgejeic^net gegen mäufegraue 2Bettertt)onb, Unb ma^It immerzu, immerju.

hinter ber 3J?ül)le am §immel§r<inb,

Öl^ne §immel§ranb, ma^lt eine SJiü^lc, aUbcfannt,

SRa^lt immerju, immerju.

S^nbfrfiaftlic^ ift es oor allem bie ^eibe, bie es auc^ biefem nieberbeutfc^en 3unfer angetan Ijot. 3lber ber §eibebid)ter ift injroiftfien in bie ©c^ule be«

DctIeD oon Sillencron 559

fünftlertjc^en Sieaüömuö 0egangen, er tommt Den Stilgefe^cn öcö ^laturaüömuö

3n ^erbfteätacjeu brid)t mit [tarfem glügel "J)er atei^er burd; beii -Jicbelbuft. SC&ic ftiü ift! faiim l)bx' irf) um ben ^ügcl 3Rod) einen 2aut in lüeiter iiuft

3)cr ülte 33auer mit öerfjaitnem (Schritte

©rf)Iei(^t neben feinem 2B<jgen Xorf.

Unb f)oIpernb, ftolpernb jdjleppt mit lahmem Stritte

^er alte ©t^immel i^n in§ I)ox\.

3;n ber £icbe jur nieberbeut|d)en ^eimat berütjrt er fid; befonberö mit ^fjeobor 6torm, um ben er flagt :

^ein anbrer mo^ 9fiaf)m fo ben (Srbgeruc^ mi§ SSalb unb (^-elb

3n [eine Sdjrift ttiie bu

Sßiel bunfelrote Diofen [d)ütt idj bit Um beine§ 9[Rarmor[arge§ mei^e 2Bänbe Unb [enfe meine «Stirn bem großen ^id)ter, S)en id) fo fc^r, fo fe^r geliebt.

Stormö poetifdjer ^^ealiömuö ift Silicucrono ilunft naf)e ücrmanbt. Seibc roiffen bem ätUtägli^en ©timmung nbjugewinncn unb unterfd)eiben fi^ babur(^ üon ben 9^Qturnliften. (Sin bebcutungölofeö 9^irf)ts, ein gnnj flfu^tigcr ©iubrud genügt, um ein ©riebnig aus ber 3SergangenI)eit ^erüorjujanbern, boö ber ^ic^ter nun, \m- geac^tet aller ^riuialitäten, bie if)u umgeben, uergotbet. Gr gcF)t unter ben Sinben fpajicren, ried)t '?Ra\i6) im ©tra^eniärm unb mirb baburd; nn ben %oh cineg .^ricg§= fameraben bei einer quaimcnbcn 3Jiüf)(e erinnert:

tniftert, ber diaud) um5ief)t mein ®cfid)t;

2eb uioI)l, Mamcrab, id) oergeffe bid) nidjt.

Unter ben iUnben, Dorbci ift ber Spo^,

Xrinf \ä) bei .'gillcr ein ftilleg ®Ia§, ,

ein ftifleS &la§ auf ein ferne§ ®rab;

^nn lieber in§ 2eben, bergauf, bergab.

Siliencron fu^t bie 33orgänge unmittefbar jur Slnfc^nuung ju bringen unb rolrft fo oft genug TOortfd)öpferifd) :

®en 9ied)en über bie (Schulter quer SBippmappt 3um ."geuen bie öretc bo^er.

3n biefen SSerfen jeigt fic^ jene 9icigung ^u gefunbem $umor, bie für blcfcn ^ic^tcr nic^t minber diarafteriftift^ ift unb it)m namcnttid) bei bem erjaf)Ien bient. Dann greift er rooF)I auc^ jum gemütlichen ^ialeft, j. 33. bei ber „Sallabc in U - Dur", roo er fc^ilbert, roie ber ßerr üon Äarfunfel fein .^luörec^t audi )^rcunb $cin gegen-- über roaf)rt :

560 3m neuen ®eutf(^cn JReic^.

®r tt>ar juft l;unbcrt 3<J|re,

Unb fam mit fic^ inB flate: 3(^ fterbe ni(^t.

SSeg mit ber öerfludjten SBo^re Unb ä^nlic^er 2ei(i)enmare! ipol fic bie ®icf)t!

SBeib' id), neugiertrunfcn

^n§> ®artengra§ ^iugcfunten,

©ntbedt t)ou bcm alten ^lunfen,

SDann grunzt er plump:

Stört», ©umpf^u^n, id tt»itt bi glie!§ tunfen,

3n ben Utjienpfu^I ju ben Unfcn,

®u fc^rumpliger 2ump

dloä} t)ent lebt ^err .^unj bon ^arfunfel

SJ^it [einet berrunäclten ^unlel

2lu[ feinem ©c^Io^ ^unfpunfel

3n ©tille unb ©türm.

©eine £eBen§ge[^i(^te ift bunfel,

©§ murmelt unb raunt mandj ©emunfcl

Um [einen Xurm.

58on feinen ernften S3aIIoben ift^'einc ganje 9?eil)e üortstümlid^ geroorben, am nieiften roof)! „^ru^, 33lanfe .^an§".

Sturf) ber figriter Siliencron aber ift in erfter Sinie ©olbat, ber fd;on beglüdt ift, menn „bie 3)2ufif fommt". 3In biefem fleinen ©ebic^t laffen fid^ foft aUc ©igen; tümlirf)fcitcn feiner Äunft [tubieren; cor allem ber 3ntpteffioni§mu§ : ber '3)i^ter gibt nur ben Stugenblidföeinbrud mieber; er fpric^t auö, roa§ in fein 3lug? fällt mie bie 3)iufifer, ber „.§erre Hauptmann" „unb bann bie Ferren Seutnontä" „unb bonn bie ©renabiere'' „unb bann bie Üeinen 3J?äbc^en", unb mag in fein ®e^'öx föEt, „fUng; fling, bumbum unb tfd)ingbaba", unb fobalb ber ®inbrud oerfc^iüinbet, fd^meigt au6) ber 3)i(^ter:

3og bo ein bunter ©djmetterling 3:fc^ingt[<^ing Bum um bie Grfe?

Siliencron, ber 2)irf)ter ber Steiterv/^tttacfe" „m.it ^urra brauf in %iu\6) unb ^u]6)", mit „^lingenfreuj unb ©Charten", fann nur unter biefem, bem friegerifc^^ nationalen ©efic^töpunlt, rcie i^n ba§ neue, beutfrfie ^aiferreic^ ergob, richtig ein= gefd^ä^t werben. 9J?it feinem in n)of)Igeformten S^erjinen gefd^riebenen „^oggfreb, funterbuntem ®poä in jroölf ©antuffen" (1896) ober mit feinen ^D r a m c n ;(„£nut ber §err", 1885, „®ie ^Ran^oro unb bie ^ograifc^", 1885, „®er 3:rifelö unb ^ofermo", 1886, „Slnbeit abelt", 1886, „35ie gjJerominger", 1888, „^ofaI)O'nta§'0 ^at er ja nirf)t einmal feinen ,3eitgenoffen genügt.

„So lebe ber i^önig!" fo flingt bei Siliencron raieber unb mieber. 9Bic roeit feine Sebeutung an biefen SfJuf gcbunben bleibt, mag bafiingefteHt bleiben, ©ic^er- Ud) I)at aud^ ber ^Patriotismus fein SebenSred^t in fold^er Äunft, beren Urfprüngli^feit unb gefrf)id)tlic^e 9IuSrair!ung nicf)t in ^^rage gefteEt werben fann.

3. ^atriotift^e S^rif.

'J)ie üotcrlönbifd^e ^idf)tung ift burd^auS nicE)t immer impreffioniftifd^er S^iatur roie bei Siliencron unb ben meiften £t)ritern beS SffieltfriegeS 1914/18, ben roir ^icr

■ipatnotifc^c Üprif. 561

in bie 3)QrftelIung eiitbejief)cn muffen ju 'ü)m füfjrt fein anbcrcr 5Beg ah ber iibn baö ^aijx 1870 unb Doö neue ^eutfd)e 5Reic^.

„3J?orgenrot", ruft SBiltjelm .^nuff, „knä)tc\t mir jum frühen Xob''. $übfc^ georbnet, crfi^cint fein ©ebanfengang alö ein üorI)er überlegtcö @an3eö. 2Bcnn bie trompete bläft, bann loirb nuö biefem 5}?ürgenrot ein 3lbenbrot. 3Jom ftoljcn 9ioB ^crabgefc^offen inö Ui\)k &xab, uerfd^iunnben roie bie 9iofe, beren 'öiätter fallen! Un= abroenbbar ift biefce ©c^icffal, unb barum mit ®ott in .^ampf unb Xoh alä braret JReiterömann. 2Bic anberö ^ugo 3»cfeiinannö ^ieiterlieb ^unbert i^a^re fpäter. "Der 9teitcr fieljt plö^Iic^ jiüci 3>of)ien, bie büfter auf feinen ^ob ju roarten fd;einen; maS Hegt baran, er fämpft alö 'Jieiterömann. (Sr reitet raeiter unb fiel)t nun jroei Stäben qIö neue Ungiüd§boten. 3Baö liegt baran : niel bunberttaufcnb ^Heiter Ijat öfterrei^. 3im Slbenbrot fieiit er bann jroei ^xäijcn fliegen, ber Tob fd)eint il)m geroi^ ju fein; boc^ roaö liegt baran, fiel)t er bie eigenen Salinen nur nod) lue^n auf Seigrab. ®er augcnblicflic^e ©inbrucf erfefet t)ier bie bort uorlier beftimmto ^orfteHungöreibe. „Stc^ ic^ in finftrer 3JJitternac^t fo einfam auf ber ftiUen 5Bac^t", lä|t berfelbe ^auff feinen ©olbaten fingen, boc^ nur in ber 3[5orauöfe^ung, bap ber Sßac^tpoftcn bie fed)ö Stro: pl)en biefee Siebes l)übf(^ im ^opfc babe; benn feine Stropf)e lä^t fic^ au^erl)atb Deä 3ufammenl;angeö begreifen, gefcfjmeige benn mit (Smpfinbung fingen. "Damit ücr= gleiche man äl^nlid^e Sieber nad) 1870 ober 1914. ^ajToifdjcn liegt fünftterifc^ ein 3tbgrunb, überbrüdt juerft uon Siliencron.

Der öntftebung beö pntriotifd^en Sicbeö gilt alfo in erfter Sinic unfere 3lufmerffamfeit. Unfere frül)eren 3Saterlanbs= unb ^riegölieber finb mit menigcn 3lu6nol)men frieblid;e @elcgcnl)eitöpoefic. Die preu|ifd)=beutfc^e jflaiferl)i)mnc ^ e i l bir im Siegertranj" gel;t auf ein Sieb beö ^olfteiner ^rebigerö ^arrieö oom 27. Januar 1770 für ben bänifc^en ^önig ßbriftian VII. jurücf. 179-2 erfd)ien entfpred)enb uerönbert alö berliner SSolfögefang in ber Spenerfdjen Teilung/ gcmib= met ^riebrid) Söil^elm II. 3um ©cburtötage 5!riebric^ 2Bill)clmö III. im 5;al)re 1833 njurbe ber Xeyt auf§ neue uerönbert. ^aä) biefem bietete ©eibel bann einen äbnlidjen für baö fiegreic^e ^eer 1870/71:

^eil euc^ im Siegerfrauä, (Streiter be§ S3(iterlanb§, ©Ott nxir mit euc^

(Sä folgen ebenfaQö brei Stropl)en, J>eren le^te fo lautet

SiUilje, bu beutfd)eä 3\eid), 2Bad;ic, ber @id)e glcid), üKarfig unb ^e^r! ?fTiebe beglücfe bid), f^rcit)eit crquicfe bid), .^Öcrrlic^feit id)nnide bid) 5?om t^€l§ diim 2Jt€er.

33<'trac^ten mir junäd)ft bfe 6ntftel)ung unferer übrigen allbcfannten Olotional liebet Dor 1870.

Cr^lfe, Die beutfc^e QUetatui frU (Boet^eS.Zobe ufis. 26

562 3»n "cwc" ^eutfd)cn 9?eid).

(Einige ^afjrc nor bcm 3iuäbruc^ be§ beut[c^=f^o"äöficf)en ilrtcgcS, am 3. 2luguft 1867, fang bie ^armoniegefeUfd^aft in ^alberftabt ein Sieb, ba§ einer tl^rer SJiitbürger, ber ©gmnafialbirettor S3ernl)arb ^{)ierf(^, für biefen %aq t)erfa^t l^atte: ,,^6) bin ein ^reu'^e, fennt if)r meine ?^arben". 58oI!§tümUd) aber rourbe baö Sieb erft in ber üon 9leibt)arb, bem Seiter bcs berliner ^om(f)orö, fomponierten

^m 3Eaf)re 1840 lourbe 9lapoleon§ Seid)e von ©t. ^elena nad^ ^ariö überfüf^rt. ^oriö rourbe neu befeftigt, unb ber frühere franjöfifdie ^räfibent 3:^ier§ fprac^ roieber^olt bie 3tnfirf)t auö, ba^ nur ber 9tf)ein bie ©renje jroifd^en ^eutfd^lanb unb %xQntxe\6) bilben fönne. ®ama(ö Mietete S'lifoIauS Seder, (Seric^t§au§fultator ju ^öln, bie 5ßerfe „©ie follen if)n nic^t i)aben, ben freien beutfc^en 3^1 f) e i n ", unb ber 3nl)aber einer BÖ^mci^ex ©ifengic^crei, 9)kj: ©c^necfenburger, ein geborener SBürttemberger, fd^rieb ergrimmt bie flammenben 6trop!)en nieber : ® ö brouft ein $Ruf roie ^onnn erhall, roie ©d^mertgeflirr unb SBogenpral l." SBaö biefe 2öarf)t am St^ein fpäter einmal bebeuten follte, fonnte ber SSerf affer freilid^ nic^t at)nen, benn er ftarb fc^on 1851, faum einige brei^ig Solare alt. ©rft brei ^a'i)xt nad^ feinem ^obe erftanb bem Siebe in bem ^refelbcr SJlufifbireftor ^arl 2BiII)eIm ber geniale .^omponift, beffen Sebenöobenb babur^ feit 1870 üerf^önt raurbe.

6in berüiimter ^^i^S^noffe S3ederg unb Sc^nedenburgerö, ^offmann oon B^aUersIeben, fulir im. '^aljxe 1841 nad^, bem bamalä ja englif(^en ^elgolanb unb bic^= tete l^ier bag Sieb „2)eutfd^Ianb, SDeutfd^lanb über alleö", baä fd^on im Dttober be§felben 3al)re§ in ber ^apbnfd^en 3JieIobie auf „®ott erhalte S^ranj ben £oifer" von freif)eitIic^;patriotifd() geftimmten ©änger; unb ^urneroerbonben in ^am^ burgs ©trafen gefungen rourbe.

(Srinnern mir unö fd^Iie^Iidf) nod) eines Siebeö, ba§ unä roie „§eil bir im ©iegerfranj" in bie ^eü uor @oetl)eö ^ob, ^u ben 33efreiung§friegen jurüdfüf)rt. ^n ben erften Söintermonaten beä ^al^reä 1813 fuf)ren in einem ©d^Iitten jmei in ^elje get)ü[Ite 3Jiänner über bie ruffifdien ©teppen ber beutfd^en (Srenge ju: ©ruft ?9tori^ 2lrnbt unb ber %xz\l)txx rom ©tein. ©ie fprac^en üon ber fommenben nationalen ®r; f)ebung. 2(IIee muffe gegen S'lapoleon aufgeboten roerben, meinte ©tein, ^reu^en, öfterreicE), ©a(f)fen unb fo ha^ gange ©eutfd^Ianb I)interbrein. „^a, baö ganje ©eutfrf); lanb foU fein'', rief Slrnbt, unb nun fang er fid^ mit froftbelegter ©timme fein Sieb aufammen: „SBa§ ift be§ ^eutf^en 58aterlanb?"

Oeroi^ finb aud) 1813 patriotifd()e Sieber auf bem ©c^ladjtfclbe entftanben, roie bag ieud^tenbe Seifpiel 5tt)eobor Körners jeigt. 2tber eS tommt ja aucfi auf baä innere ©rieben an. 3)ie patriotifc^e 33egeifterung am ©dE)reibtifdE) ocrmag fogar bie unmittel= bare 2(nf^auung bes ©rfilad^tfelbeg gu erfe^en. ^aä) bem in ber ^alberftäbtcr ^eU tung gebrudten Äriegöberid^t beö ©rafen üon ©d^mettau, beffen ©o^n firf) im ^Jlooember 1916 ebenfalls burc^ eine ^ooallerieattacfe auSjei^nete, fcbrieb ?^rei(igratf) 1870 in mörtltcf)er 3{nle{)uung feine „trompete üou 33ionüiTIe" : © i e t) a b e n ^ o b unb ^ßerberben gefpi en."

'ißatriotifcijc Sprif. 563

3la6)ttn\ roir feftgcftcüt I;nben, bü^ bie ß-iitftcljung unfeter befannteften 33ater= loiibS^ unb JlriegöUcbcr l)öd)\t Der[d)icben roar, in jcbem ^aUe aber bem 2luff[nmmcn be§ 9lQtionargefüf)Iö in einem biöroeilen burrf; ben 3»fott bcftimmten 2Iugenb(icf ent:: iprad;, roenben lüir unö nunmcf)r ber ge[d)ic^tlid^en ©ntroicftung oor unb nad) bcr SBegrünbung bes neuen S)eutf(^en 9?eic^cä gu. 5Dqs ift, rcenn bcr nationalbeiitf(^e 3uiammenf)ang geraa^rt roerben fx)!!, m6)t möglirf) o^ne einen roenn aui) nur flüd^tigen SRüdblid auf bie 9(nfänge beutfd^=patriotifc^cr 2r)ri! überljaupt.

^er äücfte beutfc^e ilriegögei'ang ift 'oa^ Subroigölieb anö bem 3a^rc 882, ge-- bid^tet auf ben Soljn Subroigö beö S)eutf(^en, Urenfel ^arlö beö ©rü|cn, ber an ber ©pi^e feiner ^ranfen bie Slormanncn bei ©aucourt befiegte. ®ie beutf^e iHittergeit F)at unö um baö 5af)r 1200 in 2BaItf)crö uon ber ^öogelmeibc „^r fult ipred;en roille; fomen" eineö ber fc^önften SSaterlanböIicber ge[rf)enft, im übrigen aber mel)r gcift: lic^ afs national bebingte ^ampfeältjrif Ijinterlaffen. 2tuc^ bie Sanbetnerfite manbicn fic^ fpäter mit cinbringlid;cn 58erfen mcift an ben ^errn bcr iQeerfc^aren unb feierten iF)re gelben roie (Sorg grunbsberg, ber „bie Sdifac^t non 33aüia geraunnen". ^m 2)rei^igjöf)rigen Kriege ging ber S^ieft patriolifd^er £t)rif ocrtoren. einige 5Jiamcn r9rifd;er ^clbeuüereljrung mie ber beö ^ringen ©ugen, beö ebten 3fiitterö, hielten bann bie Erinnerung an baö gcmeinfam ©cutfc^e feft. Grft alö fi^ am ©nbe beö fieb3el;nten ^afirljunbertö ber Staatöbegriff beutlit^er F)erauöbi[bete, rourbe tai beutfc^e i^riegö: iieb nationaler. 5Der alte ^Deffaucr unb g^riebrii^ ber (Sro^e mürben bie gefeierten ^riegö^elbeu/ ^reu^en fam empor. SF)riftian ©roalb uon ^(eift bid)tete 1757 feine Dbe an bie preu^ifc^e Strmee, ©leim fd^ricb feine ©renabierlieber, 5?fopftoc! ucrbcrr= lidite in mad;tüoIIen ©itljijramben fein ©cntfc^Ianb unb ben ^ob furo 33atcr(anb. ^cinric^ ^o^, ^itglieb beö oatcrlänbifc^ begeifterten ©öttingcr Jgainbunbcö, ftimmte ben ©efang ber ^eutfc^en an: ,,2Bir aUe, mir aUe, roir I)abcn ^erj unb .^anb, rufe 3)knn unb SBeib, baö ^inb am Sufen laue ,$eil ^reil)eit bir, f)cil SSatcrlanb'." ^rieb= rid) Stotberg fd)ricb baö ,,2ieb eineö beutfd;en Knaben" unb rid)tetc an 5l[opftod bie Dbe ,,gjJein ^aterlanb". 2Rit (Sdjiücr brac^ bann baö nationalfte aller 3al)rl)unberte an, eingeleitet burd; ben SBcdruf in ber „Jungfrau üon Drlcanö" : „giid)tömiirbig ift bie ^Ration, bie nidjt il)r 2lllcö freubig fe^t an i^rc ©l)re", burc^ 9lttingl)aufenö ftolje lD?al)nung im „2Bill)elm ^ell", fid; anö 33aterlanb, anS teure, anjufd;lic^en, unb burd; ben J^ütlifc^rour : „2Bir müllen fein ein einjig 3?ol! üon Sriibern, in feiner 9^ot unö trennen unb @efal)r." ®ic Sid)tung griff fortan ben (Srcigniffen oorauö, bcr 2i)riter fang feine ^eutfc^en jielfidier in i^r neueö 35aterlanb hinein, ^ie patriotifd^e beutfc^e £t)rif ronrbe jur ©roBmac^t. 2)er litcrarifdie 5Iu5brud beö 9?ationalgeffil)lö luurbc im Saufe beö ^a^rlmnbertö politifcl)C SBirf lic^teit : baö ganjc ^eutfd;lanb foUtc fein, ^einric^ oon 5lleift, ber bie Sefreiungölriege nid)t niel)r erlebt Ijat, fd)ricb ben £M)mnu5 „©ermania an il)rc £inbcr": „etel)ft bu auf, ©ermania? ^ft ber Tag ber 9lad)c ba? 58rübcr, roer ein beutfc^er 9J?ann, fd^licj^e biefem 5lampf fic^ an." Gnbct bod) nucl) fein „^rinj non öomburg" mit fd^mettcrnber ilricgöfanfarc: „^nö ^clb! ?!nö ?fclb! 3ur ©cfilocbt! 3um Sieg! 3um Sieg! ^n Staub mit aUcn ^cinbcn 3?ranbcn= burgö." 2Baö bie ^T^omantit nod; nic^t oermodit l)atte: bie eigene ^crfönlid)feit ent=

36*

564 ^m neuen T)eutfcf)en JTldc^.

iagungönoE olö ein glnnälolcö SRic^tö bem 58aterlanbe 511 opfern, baö forbcrten je^t rüc!ficE)töIoö 9trnbt, üörner, ©cfienfenborf unb 3flüdfert, roö^renb Sc^ürnI)orft unb ©neifcnau bicfen ©cbanfcn inö 3JIilitQrifc^e übcrje^ten. 2IIg Sfiopoleon au§ bem bren- nenben 33böfau flüchtete, ha war bie beutfc^c 5lriegö[t)rif, bie nn biefem bie j^ndel iintionalcr 33egeifterung entjünbete: „j^rifrf) auf, mein 58oIf, bie ^^lommenjeic^en randjcn." 2Banbte isomer fid) I)ier an otte, fo ©^enfenborf noc^ im befonbcren on bcn Sanbfturm. liefet mürben Stnbrcaö ^ofcr, ber ^J^ajor üon (Sd)ill, ber alte 33lücöer 3. S. in SIrnbtö Siebe „2Bq§ blafcn bie 2^rompeten" bie gelben beö SSoltes. ^lur ber Äaifer feljite nod), „ber alte 33arbaroffa, ber .taifer grieberid)", üon bem SRücfert ergä^rte, unb bie oerfuufene 5lrone, üon ber Urlaub fprod^: „©ie liegt feit grauen ^afiren unb niemanb fuc^t nad) i[)r." Unb rourbe mit bem ^aifertraum nod) mdjti auf bem SBiener 5longrc^, fo prebigte ©djenfenborf üon .taifer unb ^c'xä), fclbft „menn atte untreu merben".

Unb ber %aq ber Erfüllung fam. ®em 25. ^uli 1870 mibmete grciligrat^ fein „^urra ©ermania". ^n bemfelben 2}Jonat rief 3ftuboIf uon (Sottf^aüö ^riegölieb baö beutfc^e 33oIf auf uon beu 3IIpen biö jum SJJeer. ®ic 2i)rif fagte es, roie (Serot in „2)eö beutfc^en Knaben ^if^gebet", nun ber jüngften Siugenb, roa§ bie 2Bod)t am Jlbcin bebeute. ©eibet jubelte 5um Scbontage:

. Sflun lo^t bie ©loden öon '3:urm ^u Surm 3)urd;§ Sanb fro^Ioden im ^u^^lf^urm.

Unb im Januar 1871 rief er 3)eutfd)Ianb frolllodcnb ju, ben SBitmenfi^leier megju= raerfen. ©anj mar biefeö oÜgemeine ©rroad^en jum nationalen ©in^eitägebanfcn nur mög(i(^ geraorben burd) bie SSerfaffungötömpfe in ber erften 3>Q^i^^""^^i^t^ölfte, bur^ bie berüd)tigten 35emagogen, burc^ bie '^urfd;enf(^aften, burd) bie uieberfolgten Sprifer beö jungen SDeutfdjlanb unb anbere, oor allem §erroeg^, ®rün, §offmann non g^aüeröleben unb j^reiligratl), bie fid) mutig gegen fürftlidje unb firc^Ii^e 9Rea!= tion gemanbt Ratten. 9^un aber mar fomeit, ta^ aud; ein neuerer 58or!ämpfer für bie ?^rei^eiten beö ^olfeö In ber inneren ^olitü, Gilbert 2:räger, 1874 Iprifc^ fagen fonnte:

^c§ ©iegcS boüc dränge fd^Iingen

Um un§ ein un^jerreipar S3anb.

9?un ioU'§ in Smigfeit erflingen:

(Sin S3oIf, ein ^et^, ein ^ßaterlanb.

2ßir fallen, ba^ jenen Siegen aud) Siliencronö unb SBilbenbrudiö Sieber entftammen. ^m gangen aber ^ai bie Sgrit beg Krieges uon 1870/71 bie ber Sefreiuugäfriegc an innerem SBert ni^t crrei(^t, i>bmof)I man 12 000 Sieber gejä^tt I)at, üon benen fic^ niete nod) finben in ber Sipperf)eibefd^en Sammlung „Sieber ju Sc^ut^ unb S^ru^".

3Im reid)ften mar ber niebere §umor üertreten, mie er fic^ im ^utfd)feliebe bc§ mecftenburgifc^en ^aftorö ^iftorius auöfprod^ ober in bem 33ernnif^en Sieb „3luf einem <Qcuboben üor 3Jle^" : „Wi einem SBort, f)ier ift jrä^lid)." ©ine gütte üon •iPQrobien rourbe Doltötümli^, roä^renb fi^ oon 18LS roof)[ nur bie eine erliaftcn \)at,

^atriotifrfic Stirif. 565

bic bem Sntjcrnföiiifl aicayimiUnn galt: „Öutcr ^ax, bu flet)ft fo ftiOc bind) bie .ßricgeSroolfcn Ijin."

SBqö 1870 gcid)afren luuibc, mufetc 1914/18 ucrteibigt roerbcii. Mev Xcutiä)-- lanb unb mit il;m fein neues ^aifertum brad; jufammcn. 3ln einem 2)?angel biegte: rifrfier 33cgeifterung tjat ce nic^t gelegen: bereits im crften ^af)r lonrben V/^ mu lioncn patriotifc^er .^riegelieber in ^eutfcfilonb geä4f)[t.

2)ic ®elegenl)cit, .^elbcntaten ju greifen, mar freilid; um baö pnffad)e ge-- mad^fen, bcnn bie STec^nif f)at ben Jlrieg nic^t nur auf unb unter bas Söoffer, fonbern QUO) unter bie ©rbe unb f)oc^ in bie Suft gefanbt.

®ie 2Bnd;t nm 5Hf)cin evftanb im Sluguft 1914 ju neuem Seben. Slber nic^t fie fc^Iang baö Sanb um alle ilamerabcn in 9?orb unb Süb, in Dft unb SSeft, nid)t \\)xe 3J?e(obie mar eö, bie mit einem ©d)[age bie Söälber unb Stäbte burd)jucftc, am ^-Boäporuö unb an kr ^üna crffang, lonbcrn eine fehfame ©rgänjung beö Uf)IanDfd)en !öiebeS im S^olfston:

3rf) ^att' einen .^amcrabeu,

Sinen beffcrn finbft 'bu nit,

®ie Trommel fd)lug ^um Streite,

(£r ging an meiner Seite,

©loria, ®Ioria, ©loria, ißiftorio,

3a niit ^er^ unb ^anb für'S 53öt€rlanb!

Xie S3DgIein im SSalbc,

Sie fangen all fo munber munberfd)ön,

3n ber .C->cimat, in ber öeimat,

^a gibt'S ein 2öieberfcl)n.

2Bir, bie mir ben 2BcItfrieg I)aben {)creinbred;en feljen, menn mir jebc O)?elobie ver; gä^en: biefe nid)t. 2ßir mad)ten mit il^r auf unb gingen mit i()r fd)(afen, unb in biefem älugcnblid, ba mir uon ibr fprcd)cn, fingt unb flingt fie mit, übertönt fic aKcG, mag mir von ber patriotifc^en 2r)x\t beö SBettfricgeö benfcn unb fagen fönnen. T^ao i^ieb mar plo^Iid; ba, in ber crften .^riegoftunbo juglcid) in SScftpren^cn mie in 53ai)ern. $jn ©[fa^=Sotbringcn foll cntftanbcn fein, unb bie Syanberpögcf trugen nod) im ?5ricben burd^ ^orf unb .fpeibe. S?üm Öanbe brad) oo bei ber 'DJiobilifatiou ftürmifd) berein in bie 3tabt unD pflanzte fid; fort burd; bie Straften unb .^afcrnen. ')Jeue ^tropfjcn gab ja ni^t ju lernen auf, unb ber ^subalt mar allen c\U\ä) teuer : treue üamerabfd^gft, abfc^icbefd)mcre Siebe jum ^aterlanbe unb bic Hoffnung auf ein 'Äieberfebn in biefer ober in einer anbern Jpeimat.

^ie SKanbernogclbcmegung Ijat fo nnbemnfet ber .UriegGli)rif einen ®eg frei gemadjt. ^aö ift neu. Sflen ift ferner bie Tatfadic, bafe ber einfadje :illrbeiter fid^ an ber ernften patriotifd;en 2t)rif fcböpfcrifd) beteiligte. .<^arl 'Kroger fprad) im i^anuar 1915 in ber granffurter 3ci*""n <iuö, maö oielc Proletarier baditen : ^mmer fd)on l)aben mir eine ?iebe \u bir gefannt, ^lof5 mir babcn fic nie mit einem ^Uamen genannt. .<perrlid) offenbarte e? erft bcinc gröfjtc ©efabr, Xa^ bein ärmfter Sül)n aiid) bein getrfueflev nxir. Xenf e§, o Xcutfd)Ianb!

566 . ^m neuen f)eutfcf)en Seid).

©ine 9ieil)e uon Slrbcitern unb ^anbroerferii/ unter benen [id) ber j^effelfc^mieb c^einrid; 2n\6) ^exvoxicit, loonben beni tiefigen 58oIfäf)eere unb feinen unerhörten Staten Itjrifc^e ^ronje.

©onj neue 5r{)emen gab eö, raie fc^on angebeutet rourbe, bi(f)terij'd) ju ücr= arbeiten. 9?a^ 1870 raupte man nicf)t0 üon bem unterirbif^en SteUungsfrieg, üon bem <Sc^Ia(f)tfelb, auf bem XclepI}on, Scheinwerfer, Slutomobile bie Ferren finb, t)on bem glcic^marf)enben ?5^elbgrau, uon ben 3Jiiniarbenfiegen ber ^riegäanleifien, oon ber {)arten ^rofa ber £ebenömittel!arten ; benn md)i ein ^al^r bauerte jener Ärieg, unb ber oon 1866 ift nac^ ^ogen ju jätilen. Unb man TDu^te niid^tö oon ?^Iiegerfämpfcn unb 3^PPeIinen, beren ^fug über ben englifdjen 5lauol ©ruft giffauer impreffioniftifd) gemalt ^at:

©nglanb träumt

S)urd^ bie Suftftiüe rinnt ©urren.

Über ben blaffen, glotten

S^ad^tl^immcl eilt langhin ein Sd)otten,

SBiberfdjattenb auf Sßiefe unb %a\.

^nglanb träumt fc^luer . . . feine 3Bälber murren.

SDer ^immel tönt,

3mmer fieller, immer f(^neller,

§ord), €§ braufen bie Propeller,

ßnglanb träumt . . . Guglanb ftö^nt.

3Jlan mu^te oorf)er nid^tö üon bem 5r)rö{)nen unb ber SBirfung unferer f^merflen SJiörfer, beren fic^ alöbalb ber 5ßoIf§mi^ bemächtigte, wie baö Sieb oon ber „'jDtden Sertfja" geigt, rerfa^t oon ®ord) %od, ber in ber ©c^Iac^t am ©fagerraf am 31. 9J?ai 1916 mit ber „SBieöbaben" unterging.

Unb man raupte enblid; noc^ nid)t5 uon ber ^leinigfeit eines 2ßclt!ricgeö, beffen ?^ieber alle 3)kcre unb aUe ©rbteite ergriff unb ben ^eutfc^en eine nodf) nie gefe^ene 3J?ifc^ung üon ^Raffen entgegenmarf : Stmerifaner unb ilanabier, Sluftralier, 3lfrifaner, 2tfiaten, befonberö ^nbier unb Japaner. $r)arauff)iu entftanb ein neues patriotifd)Cö Äinberlieb, bas in feiner ftitten ^^eierlid^feit feltfam abftid)t oon ben frül^eren barm= lofen ^inberoerfen be§ Scbrcrö %, SS. ©riH (f 1879) : „SBer roitt unter bie Solbaten, ber mu^ \)aben ein ®emel)r."

^ie beutfctje Sprif beg Sßeltfrieges unterfi^cibct fi^ ron ber früheren patrio= tifd)en ahtv nic^t nur burd) SJ^erfmafe, bie oI;ne raeitereS gegeben finb burd) neue unb itncrt)örte St^atfadjen, foubern mir fönnen 3%^ ^n \\)x beobachten, bie auc^ an ber .^riegsltjrif ber oerfloffenen ^afirje^nte unb ^at)rf)unberte Ijätten auffallen fönnen, unb bie bod) in biefem (Srabe nur je^t feftjuftellen maren.

©ö finb 5unacE)ft bie biftorifcE)en ©rinnerungen, befonberö bie 33erufung auf bie beutfd)en Kämpfer oon 1813 unb 1870, aber auc^ auf gro^e SUJänner überFiaupt roic Sigmarcf unb felbft £utf)er. ^er ©runb ift Ieid)t ju fernen : erft in biefem Kriege fonnte baö beutfd^e ®emeingefüF)[ auf bie SSergangenI>eit äurücfgreifen. 5Rod^ 1870 t)ätte ein 58aper feinen preu^ifd;en .öelben feiern mögen.

-]Jatriotifc^e fiprif. 567

Umgctetjrt löfc^te bie @e|d)id)tc c^aratteriftijc^e 3ü9e ouö Der früheren ilriegö^ lijrit. 9iQrf) ber reftlofen 3Serftnatlirf)ung be§ triegerijc^en ©ebanfenö, na6) bcr (Snt- roirflung ber [troffen militärifc^en 3)knncö3U(^t unb ber ^erfc^mcljung ber Äojerne mit bem Söürger^cnife fonnte feines jener ßoblieber auf folbatifc^c Ungebunben^eit mel)r entftefjcn, roie frül)ere Reiten fie gefannt t)Qben, befonberö naturgemäß ber 2:)reiBigjäf)rige ^rieg, auf ben oc^iEerö 3fteiterlieb im „©allenfteiii" ^inbcutet: ,Mol)\anl ^ameraben, aufö ^ferb, aufö ^ferb, inö ^elb, in bie i^rei^eit gebogen !"

3n bie ^rei^eit! ©raufame ^i^onie beä Sc^ü^engrabenö!

©d^ittcrö 3Serfe ert)cben fic^ bann ^u jener t)öi)crcn 5rfif)eit, ungef)emmt burc^ innere unb ändere 53eben!lid;feiten bem ^obe in§ :3lntli^ fi^auen ju fönnen. ^iefc crfite unb fc^öne 5Reitcrfrcil)eit aber nannte ber $?i)rifcr bcö 5Bcltfriegcö nic^t met)r mit btefem Spornen, ba bcr 3ufammen^ang mit ber perfönli^en Ungebunbenf)eit in ber Eingabe an bie ^fli^t beö engften Kreifeö unb öiiO^^i^^ ^c^ 3J^ilIionent)eereö jerriffen mar. Selbft Sü^orcä luilbe uermegene ^aqh, mochte fie i)m ober M ficf) auc^ noch einmal im SBelÜriege erleben laffen, fonnte ber Sijrif feine ^^cale mef)r bieten, ba bie eiferne (£elbftäud)t aiid) für ben .^ai>alleriftcn baö .öö(^fte gcmorben mar.

Unb bod^ befi^en mir 'J^eiteriieber oon präd)tiger ^^rifc^e auc^ auö bem SBelt: friege. ^enfen mir nur an bas oorljin befprorfiene .öugo 3"<^ci^'"^n"ö'' "^^^ i" ber 'B6)lüi}t gefüQcn ift, ober an ba^ (Sebii^t SUeyanber Sc^röberö:

SBir reiten oon SBälbern unb <Bä)lüd)tcn öerborgen, 2öir traben fjinein in ben bämmernben 9JZorgcn, 2)eut[d;Ianb, ^eutirf)Ianb!

T)u Sprit bcö ^Bcttfrieges ift ©egenmartsigrif unb bamit fommen mir auf bie 3tnregungen bcö ^mprcffioniömuö jurüd, mit beffen 58efprerf)ung mir bicfen 3(b: fd^nitt an bie Si)rif ßiliencronö anfnüpften; fie arbeitet mit 33(i&licf)t fefbft bei ben fieiligften SSorfteHungen. 5Ri^arb 'J)ef)me[ frf)enfte bem §eerc ein neueö j^a()ncnneb: ?^a{)nen(ieb:

©ä i^ie^t eine ^^ne dot unö ^er,

^errlid^e '^ai}ne.

Qi c\ci)t ein ölauj oon ®emef)r ,^u ®eme^r,

&\an^ um bie ^ai)ne.

So ift biefe ©egcnmartölijrif Situationöpocfic. Tcnfen mir au einige '-Bei- fpiele; etma

nn ^ubolf ^er jog^ :

©in il?elbereitcr, am ^elm bie S^ni>:

„^crr ©eneral, ber (^-einb im l'anb!" an U(rirf) 3Raufd)erö:

Stegenflurm über J*önig^berg,

^ote (Srf)iffc mit leeren Waften,

on ©crbart .Hauptmanns :

®g fam mo^l ein J^ran^of bafKv „3Ser ba, mer?"

568 ^m Tieufji ©eutfd^cn JReid).

an gcrWtianb 3(ticrtariuö' :

„(Stirigcftanbcn! ^räfeuttcrt'§ ®citier)r!"

an 3?idöarb 9lorbI)aufcnö :

9?un fa§t ber ^aifcr-bcn ^cgcnfnauf, ^cr ^aifcr läfet attadicren.

^em entfprid^t oft baö Sieb im SSoIfgton mit feinen furj abgcbrod)enen, bis^

n>etl€n faum nod^ üerftonblid^cn Snuten, jum 5CeiI mit beraubter ilnnft angeroonbt;

fo oon ^rmann Sönö, ber ebenfaHö für fein 5ßaterlanb gefallen ift:

^ei^ ift bie Siebe,

^alt ift ber ©d^nee, ber ©rfjnee.

Sdjeiben imb 9}?eiben,

Unb ba§ tut ttje^

8luf meinem ®rabe

(SoII'n rote 9iofen, 3tofen fte^n,

®ic Totcn 9lofen,

Unb bie finb fc^bn.

®er ^urrapatriotiömuö, wie er nad^ 1870 in ^reiIigrQt{)6 „^urro @ermania" erflang, fuc^te nad; onberen, ernfteren, tieferen 2luebrücfen. ^ie nationale ^t)rafe trat jurücf cor ber ©rtenntniö, ba^ ein jeber ein mitbcftimmenber, barum aber ouc^ mitleibenber Xeil beö 5^ater[anbeö fei.

6in menfd)licE) reinerer 3^9 Ö^^t burd) oiele ®ebid)te beö SBeltfriegeö. '^it ^erfönlidifeit beö fterbenben ^riegerö rourbe immer micber befungcn, fo oon JRubolf ^rcäber in bcm 35rief beö ©rcnabiere an feine 3)hitter: „5Du mu^t nid^t glauben, ba^ mc^e tut." SDie alten SJJotioc blieben: ®ott, .^leimat, bie Sieben ju ^aufc, ber frif(^e, fröl;lid)e .^«mpf gu %n^ unb ju ^ferbe. SBefentlic^ ergänjt mürben fie burd) bie 33orfteItung beö 3J?eereö, auf baö ber englifc^e ?^einb aud) bie £i)rif ftärfer l)inau5= f-^dte. „§eute moUen mir ein Sieblein fingen", beginnt ^ermann Sönö: „Seb rool)l, mein ©c^a^, leb rool^l, benn mir fal)ren gegen ©ngellanb." Siffaucr f^rieb feinen .pa^gefang gegen ©nglanb. SDer ?^lotte galt befonbere 33egeifterung : „Sd^iff o^nc 4')ofen, S^iff ol)nc dln\), fliegenbe, fliegenbe ©mben bu."

©ie maren ba, unfere ®id)ter, alö baö 5öaterlanb rief, faft aUe, befannt unb unbefannt, au^er ben genannten auä) bie anbern ung oertrauten mie golfe, ^uffe, %l)oma, ?^laifd)len, @angl)ofer, ©i'njfet), 9JIünd)I)aufen, ©c^aufal ber Slüdertö Sonette miebcrl)plte , ©c^aeffer, 33obman, Söilbganö, bann bie 5fleuen roie ßloubiuö, ^^ley, 3edb unb ©ternberg.

3)aö SRotio freilid^ ift bei faft allen größer alö bie .^uuft. 9liematö merben o^ne^in Äriegölieber ber 5D^enfd)l)eit baö ^öc^fte unlb Se^te fagen tonnen, ©c^eint bod) fogar bie ©tunbe f^on gefommen ju fein, in ber fie alö eine 3lrt nationaler SSerirrung beifeite getan merben.

Sfn ber ©egenraart aber finb fie im roül;rftcn ©inne nodt) unfer, cincö ber menigen 33efi^tümer, bie ber geinb bem beutfc^en 33olfe nid)t l)at rauben !önnen.

SlutooEes 3!e^t, ©aat vm unferem ©ein, ©aat ber 3"^""ft! Patriotismus ift ja auc^ fein 33egriff, ber irgenbroie abhängig märe oon bem ber 3JIunitionäf-abrifen. 3Iu(^ in ber crl)offten SSölteruerbrüberung mirb bicfer Segriff nic^t fel)len bürfen.

2Ber roollte l)eute fagen, meldten ©eifteö bie patriotifd;e Stjrif ber beutfd)en ^ufunft fein roerbe! Sicher ift nur, bafe fie in beutlid) uerftönblidier beutfc^er ©prac^e gefd)riebfn merben mirb.

XIII.

Der ]N[aturaU9mu9 und feine Gegenftrömungen«

1. ^änft(crif(^c Strömungen int ^n^lande.

2)ie legten 3a{)r3cl)nte beg nemijeljnten :3of)rI)unbertö bcbeutcn auf Itterarifd^em (Sebict in ber ^aiiptfodic eine Stusciiianberic^ung jroijdjcn ibcali[tijrf)cn unb rcali-- ftijd^en 3lnfc^auun9eii.

^öS Problem fclbft luar md)t neu. Solonpe cg Sitcratur gibt, \)at man bcn 3n)iefpQlt bemertt unb erörtert, auc^ in Deut|rf)Ianb. 2)a^ iHealiömuö unb 3bcnUö= tuuö ni^t unüeriö()nlid)e @egenfä|c jcicn, batte ja Sc^iHer in feiner 31bf)anblung über ben 6^or betont. „2Bic bic .^unft", fagt er, „jugleid; ganj ibeell unb borf) im ticfftcn Sinne rceU fein -- mie fic bac SBirf(ict)e ganj uerlaffen unb bod) aufö geuaucftc mit

ber 91atur übercinftimmen foU unb tanu, baö ift'ö, maß njenigc f äffen Sßcm

bie Statur jiuar einen treuen Sinn unb eine ^""infcit bes ©efüljlö nerlieljen, aber bie fd^affenbe ©inbilbungefraft uerfagte, bor mirb ein treuer SJJaicr bcö 2Birf(id)cii fein, er roirb bie juföHigen Grfdjeinungen, aber nie ben ©eift ber 9ktur ergreifen. 'i)hir ben Stoff ber Söelt roirb er unö mieberbringen; aber loirb eben barnm nic^t unfet 3Berf, nic^t baö freie ^robuft uufereö bilbenbcn ©eifteö jcin unb tann alfo aud) bie n)of)(tätige SBirfung ber 5{unft, meldte in ber ^reif)eit beftef)t, nid)t l)aben. Srnft jiuar, boc^ unerfreulid; ift bie Stimmung, mit ber uuq ein fo(d)er Müiiftlcr unb Xid)ter ent- läßt, unb mir feigen unö burd; bie 9(.ur\\t fefbft, bic nm befreien [oUte, in bie gemeine enge 2Birt(ic^teit peinlid) jurücfoerfe^t. 2l^em I)ingcgcn jmar eine rege "iPbautafie, aber o^ne (Semüt unb (£l)ürafter juteil gemorben, ber mirb fid) um feine 2BaI)rljcit betünu niern, foubern mit bem SBeltftoff nur fpielen, nur burd; vbantaftifd;e unb bijarrc Kombinationen ju überrafd)en fud;cn, unb mic jelu ganjeö Tun nur Sd)aum unb Schein ift, fo roirb er jroar für bcn :?(ugcnb(id untcri^altcn, aber im C^Jemnt nid)lö erbauen unb begrünben. Sein Spiel ift, fo roie ber ®eift bcö anberen, fein poetijcfjcö. ^()antaftifd)c ©cbilbe roiOfürlid) ancinanbcrrcUjcn, bei^t uid)t ino ^'^bcaie gcf)en, unb baö 2ßirf(i(^c nad)af;menb roieberbringen, f)eiBt nid)t bic '^hitur barfteUcn. 33eibe f^orbcrungcn ftebcn fo roenig im SBibcrfprud; mitcinanbcr, t>(\^ fic üiclmcl)r eine unb bicferbe finb; ba^ bie Kunft nur babnrd) roabr ift, bafi fic M<i 2ßirf(id)c ganj rcr. lä^t unb rein ideell loirb. "Die Statur felbft ift nur eine ^bee bcö ßieiftcö, bic nie in

^70 ^er 9?atmo(i§mu§ unb feine ©cgenftrömiingen.

bie ©inne fällt. Unter ber 2)ecfe bcr ©rfc^eiiuingcn liegt fie, aber fie [elbft tommt niemnlö gur (Srfd^einung. Slo^ ber Äunft beö ^i^beols ift oerliefien, ober üielmei)r, ift i^r aufgegeben, biefen (Seift beö IHKö ju ergreifen unb in einer förperlic^en g^orm ju binben. Stuc^ fie felbft fann if)n jraar nie oor bie «Sinne, aber boc^ burd^ i^re frfiaffenbe ©ercalt üor bie (SinbiTbungöfraft bringen unb baburci^ n)al)rer fein aU alle SBirflic^feit unb realer alö alle ®rfal)rung. ©& ergibt fid) borauä oon felbft, ba^ ber Ä^ünftler fein einjigeö ©tement an^ ber Sßirfüd^feit braudien tann, wie er finbct, ba^ fein SBerf in allen feinen 3:!eilen ibeeü fein niup, wenn al?> ein &an^§> Sftcalität ^aben unb mit ber 9Jatur übercinftimmen füH." ~

^n 5Deutfd^lanb umren ferner, wie mir fal)en, ^zhhd unb Subiuig über biefen Stanbpunft ©d^iHerS bereits l;inauögefc^ritten, oljne bod; bie legten ^Folgerungen auä tl)rer realiftifd)cn Sluffaffung ju äiel)en. ®ie ©cftaltung beö 3"^iui^"ettf" o" ©teUe beö 5tt)pifc^en, ber etnpirif(^en SBirfli^feit im einzelnen an Stette ber ^lormalibeen, bie bei ilinen fd)on ju finben ift unb bcn ©egcnfafe jroifrf)eii ^bealiömuö unb Sf^ealiämuS be^eid^net, bebeutet bod; noct) feine getreue Slopie beö begebenen mit allen jufälligen, gleid^üiel ob fcE)ünen ober l)ä^lid;en 3Jiobififationen. 1)iefcn ©c^ritt tat erft ber 9?aturaliömuö.

SSon bcn neueren ^itftl)etifern l)at fid) befonbers griebrid) >Cl)eobor SSifc^er (1807—1887), befannt u. a. alö S?erfaffer beö fatirifc^en ^Romano „2luc^ einer" (1878) unb einer gortfefeung be§ ®oetl)if(^en „j^auft", mit biefen Segriffen befd)äftigt. ©in birefter ®egenfa|, nuint axid) er, befte^e ämifc^en ^bealiömuö unb Slealiämuö ni^t. ^Realiftifd^ üerfafiren Ijei^e Ijincingrcifen in bie Scftimmtl)eiten, bie jebee inbioibueUc ©ebilbe l)ahe, i^ei^e bie Sitten unb Äoftüme ber 3)tenid^'en fc^ilbern, fo mie fie nun einmal feien, unb babei ol;ne ©c^eu 9JliMormen unb 'sDiffonan^en aufnef)men, aber bafür forgen, ba| ein barmonifc^er ©efamteinbrud entftebe. S)er SRealift gebe alfo ©d)öneö auf einem llmmege, aber er gebe cS, unb ©f)a!efpeare fei fo gut ibeal mie ©opl)ofle§, nur eben inbirett ibeal. „^nbireft ibeal", fagt SSifc^er roörtli^, „nenne ic^ ein Äunftmcrf, bas uns burd^ Unfc^önl;eiten ^uerft einen ©to| gibt, roorauf mir bann aber, näl)er oermeilenb, finben, ba^ bie c^armonie an anbcrn ©teilen biö jum üoUen 2Bol)lgcfallcn l)ergeftcllt mirb unb unö ^ier üietteid;t noc^ mel)r befricbigt, alö roo fie ünbebiugt erfc^eint." ®er ^^aturalismuä bagegen fei ftreng oon bem ^Realiöniuö ju unterfc^eiben al§ bie „bi§ inä ein.^elnc gel^enbe 9^oturnad)al)mung an einer ©teEe, roo fie nic^t geforbert ift". tiefem Seftreben fte^t er fritifd) gegenüber („tftl)etif" 111,2, §513): „2)ag @efe^ ber 9^ad)al)mung löft fic^ im ^erfud), jtreng feftju^alten, in fid^ felbft auf, benn eigentlich im engften ©inne bie 9ktur nad^gualimen, ift gar nid)t möglid^, ba felbft bann, roenn bcr 5lünftler jebeö 3ltom burc^ ha^ SScrgrö^erungöglaö betrachten mürbe, nicl)t ber gau^e Umfang ber ©rfc^einung jur 2BaI)rnel)mung unb ^iac^aljmung gelangen fonnte; lä^t man aber auc^ nur burcf) bie fleinfte S3refd;e ein 2Bät)len ju, bann ift notürlic^ baö ^rinjip aufgegeben."

tiefer fonfequcnte fricnliemuö iebenfallö l)Q\^t S^aturaliömuö beffen ©tctge: rung miebcrum ber fpäter ^u beljanbelnbe fonfequente 9?atnraliömu§ barfteHt -- ober and) nacl) bem 3talieniicf)cn : Der SSeriSmuä.

.^ünftlevi|d}e Strömungen im "iiuiJlanbc. 571

ilUö ^i^ater oller moöernen 3BirfIic^feitöbi(f)tunfl iptrD dou bem J^rnnjofcn 3ola fein Sanbömann Libero t (1713 1784) bejeic^net, ber mit Den 5>erfafiern Des „Systeme de la natiire" ben ®runbin§ ber 3:ol9crtdjti(\feit ber 'JlaUix, ber med)a= nifc^en ^iotrocnbigteit mifftcHe. ©a aOeö in ber ^Zalur tic^tici, j^iucrfüDÜ unb wal)x |ci, fo fei auä) alleö %Uii) mert, bargeftcHt ju roerbcn.

5DQmit n)ürbe bie ^unft i^u \\)xcn erften iHnfänc^en, die ftctö naturnliftifd) fiuD, jurüdftreben. ©ö ift begreiflich, ba^ naturaUftifc^ unter ben ilünftcn bie 3)iQlcrei, unter ben poctifd;en ©attungen baö lirama unb unter ben SSölfcrn tfa^^ franäüfi)rf)c Die größten ©rfolge Ratten, benn "ipinfel unb Sü^ne oermögen ben ßinjelficiten ber 5^ntur am leid^teften ju folgen, unb fein 5ßolt übertrifft "oa^^ franjöfifc^c an geiftigor 'Scrocg^ lic^feit, ^umal bann, roenn fic^ um ein ^tu^creS, um bie ^opie einer Cberflä^c l;nnbclt.

SBiffenfc^nftlicf) mar bie Scmegung uorbereitet burc^ ben ^ofitiüiömus beö gran- jofen 3Iuguft Somte (1798 1875), ben ^jnbuftrialiämuö bcö ©nglänberö ^er = bertSpcncer (1820 1903), be§ ^Begrünberö ber mobernen euolutionöpbilofopljie, urib ben gcfamtcn 3tuffrf)mung ber 9laturforfcf)ung, befonberö bie ©arminfcfie Sclire, uon ber fc^on früf)er bie Stiebe mar. ^ie empirifrf;e 2Biffcnjd;aft[ic^!eit bemorfjtigte fi^ ber Äunft unb übertrug auf bicfe bie 9[lletbobe inbuFtiuer ^geoboc^tung unb 33er: gleic§uug. ^ie ^F)antafic mürbe beifeite gcfc^oben, bie einzelne ^^atfac^e nUein fd)ien ber 58ca(f)tung mert, bie ^oefie Dcrior ben ))lanq aU ucrflärenbe, läuternbe, bofreicnbe 5^unft: fie rourbe rcrmiffenfcbaftlic^t, ber 3)irf)ter oerrannbelte firf) in einen möglirf^ft aufmerffamen, fc^arffinnigen unb, namentlich auf pbpfiologifctiem ®cbict, fenntnis: reid)en Sd^riftfteUcr. 3ln ber mobernen ejcpcrimentellen 2Biffeufd)aft bilbetc ficf) bie neue 5lunft fteran, für bie Der ^^ranjofe i p v o l y t c T n i n e (1828 1898) bie erfien tformeln auffteUte.

Xa^^n tarn bie Gntmirflung Dcö jojialiftifcfjen ©cbonfenö, ber Ühifftieg bcö ^roIc= tariatö. 3^ie neue SBiffcnfdjaft ber Soziologie übertrug bie ©efc^c ber "iPioIogic auf ben fo5iaten 5?örper. Überall fprad) man jc^t uon 33crerbung unb bem natürlid)en „^ampf umö ^afeiu". ^ie Sebenobcbingungen be§ unteren Stanbec änbertcn ficf) in= folge ber ^ihiögeftaltung ber aj|afc^inented)nif, bie bie iHrbeitor in ben Gabrilen ein: anber näber brachte unb jur 3iM^»^'"fiU'ilTi'"9 i(li^<-'r 3i"tercffen unb Gräfte anregte. Sn ibren ^ienft ftellte fiel) bcrcitmitlig bie neue 5^unft, bie cineö il)rer .C>aupt5iele nun: mel)r in bei „i^Irmeleutemalcrci" erblirfte.

'^Uid) bie ^oefie mürbe reoolutionär unD Damit einer nidit mel)r fünftleri)d)eu Slbfidjtlicfttcit, einer beftimmten Xenben^ Untertan, ^i'^^ilfc Uim ibr bie Gntmidlung ber 3cit»»0/ ^ci^f" literarif^e {formen fiel) auf bie gro^e l;id)tung übertrugen. 3)}au braucht aber nur bie ^rembmorte ^u prüfen, bie biefe ^-ormen umfcl)reiben, mie ?^cuiUe: ton, Gffap, (Sntrefilet, 3ieportage, ^nterinem, um axii) bier ben Ginfufi bcc uoraufdircl^ tenben 3luölanbö ju erfennen. ^ie „ßpifobc" gemann ror ber gejc^lofTeneu bid)teri|d)en Ginbcit ben 33orfprung, Tofumente unb ©fijjenbü^er mürben bie allein gan\ mabr: beitögetrencn Spiegelbilber bcö in ber ?1atur mirflic^ (begebenen, beffen Gin.^clbciten

572 2)er JicturaltSmuS unb feine ©egenftrömungcn.

jn burd) jebf f)öl)ere leitcnbe ^bee, jebc B^fon^n^f'^föffuiig au (Srfjtl^cit ju üerlicieu fc^eincn.

3In bie Stelle ber ariftofratifd;en SBo^t oon 9)totiöen unb Stoffen trat bie bc- niofratifd;c. Sd^eu rourbcn bie ^aläfte, bie SSurg^n gcmieben; bie ^ütte, bie Söerfftatt, bie 2nftert)öf)Ie ber ©ro^ftabt löften fie ob.

Unter ben ^id^tern \)at bem 9laturali6muö ber realiftifd^e fran5öfij(^e 5Roman: fd^riftftetter ^onor^ be ^Baljac (1799—1850) bie erfte 33ot)n gebrodien. Braar be^anbelt aud^ er noc^ beftimmte ^rjpen ; er ftellt bei feinen ©eftalten eine ©igenfdioft in ben 58orbergrunb/ bei ©OTiot bie SSatcrIiebe, bei ©raubet ben ©eij, bei ßoufme 53ette bie ®iferiudE)t. 2(ber bicfeö ^nuentar ber Scibenfc^aften, ^ugenben unb Softer ber ©efettfd^aft lüirb ber 2Bi'rt(id;feit inbioibucll ücrfdiieben abgelaufc^t. %nx if)n ift ber 3}?enfd; bereits ein naturrüiffenfd;aftlid)er ©egenftaub, ber Sf^omanfd^riftftcHer ein mebi3inifdj=p^i)fioIogifd)er ?^ad}mann. >Der erften ©efamtanögabe feiner S^riften gab er ben bejei^nenben Dbcrtitel ..La com^die hnmaine" (1842 1848). 3J^it n)iffen= fd;aftlid;er ^einüc^tcit wirb fjier baö 3iiftänbfid)e in jebem einjehien %a]lt aufgefu(^t unb abgebilbet.

3luc^ ber ?^ranjofe © u ft a i) e g l a u b e r t (1821—1880) ift rooI)I 3fiealift, aber nod) ni^t im ftrengen Sinne Slaturalift, benn bie 3^bee ftel)t bei ii)m feft, e^e er an @e= ftalten benft. SBie iöal^ac inbeffen fuc^t er bie 6t)araftere unb bie SJJotiue i^reS .^anbelnö rDiffenfd^aftüc^ ju erfennen, auö i{)rer Umipelt I)erauö5uarbeitcn unb getreu na^ ber 9latur 5U fopieren. ®ie ©efc^ic^tc ber unglüdlid; rerbciratctcu „SRabame Sooart)" (1857) unb bie ber graifd^en juiberftreitcnben 3Jtädf)ten unb ©efül)ren ^in= unb ^er= geriffencn £artl)agerin Salammbö, ber '3^od)ter ^»amilfarcv geben mit graufamer 3tüd= ftdE)tö[ofigfcit über bie 33ebenfcn ber alten tftl)etif ^inmeg: bort bie Stidluft öbeften 33ürgertum§, ein 6()ar'nftcrgrau, ha^^ fein 2id;tftra()I burcf)bringt, I)ier u. a. ber qual= DoHe .^ungertob üon uielen taufenb Sölbnern!

1864 erfd;ien bann bie „©erminie Sacerteuy" ber beiben franjöfifd^en Srüber © b m 0 n b unb ^ u I e ö b e © o n c o u r t , bie ®efcf)i(^te eincö allmä{)lid) werfommenben ^ienftmäbd;enö. 'Die 3tbfid)t mar, ben 9)knfc^cn fo ju fi^ilbern, mie er im 2tugenblic! ber 33eobad)tung erfcEjeint. 9}k^r ak^ 33afjac unb j^Iaubert tieferten bie ßoncourt im^ preffioniftifc^e Stubien na^ ber 9tatur. „2Bir F)aben unö", fagten fie, „jum ^iek gefegt, bei ber ?{ad;roelt unfcre S^itgenoffen aufleben gu laffen burd) bie gIüF)enbe Steno: grapf)ie beö ©efpräd;ö, burd) bie pft)djifd;c ÜberrafdE)ung einer ©efte, burc^ bie ffcinften 3ügc (riens) ber Seibenfc^aft, in benen fid; eine ^erfönlid^teit entliüUt."

>Der eigent(id)e Segrünber beö ■Raturaliömuä, ber „lltt^rature rosse", ift, rcenn mir con bem 2:^coretiter ^ a i n e fomie S e c q u e ö ..Corbeaux" unb „Pari- sienne" abfegen, ber Sd;riftfteaer (Smile 3oIa (1840—1902), ©r mar ^ranjofe unb ftammte aud^ oon einer franjöfifd)en 5IRutter ; fein 58ater aber mar ein lombarbif^er Italiener, ber fid; in ber ^rooence aufiebelte, fein ©ro^nater ein 58enetier, feine ©rofe: mutter eine ©riec^in.

3oIa mad)t mit bem ©ebanfen rcftlog ©ruft, ba^ ber ®id^ter ein experimentier rcnbcr Spejialift mit bem 2(rbeitögebict beö ^t)i)fio(ogcn fei. Daö mcnfc^Iid;e Dafein

.fttinitlerifc^e Strömungen im 3iu§lanbe. 573

lücröe txixi} jroei ®e[e^e bcftimmt : t)c\^ ber S]ei-erbung urib haö beti aj^ilieuö, D. \). beö cntf^eibenben einfhiffeö ber Umgebung, ^er $Roman ift ein ßyperiment, um bie Se-- 5iel)ungen jroii'c^en ber ererbten 3lnlage, bem burc^ bie ^f^atur gegebenen 2:emperQment -- burrf) bieten Segriff n^irb ber beö ß{)ara{tcrG erfe^t einerfeitö unb ben Um^ ftänben, unter benen es ficf) cntmideln unb burrf))e§en mu^, anbererfeits aufzuzeigen, alfo eine immer neue ^robc auf ta^ immer glcid)e ^-yempel. :Hm beftcn laffcn fid; 2Ser= erbung unb SJcilieu natürlid) an mebreren aufeinanberfoigenben ©efdjlcdjtern ftubieren. So erflärcn i\6) 3ofaö S^omansynen, bie „9?ougon=3)}acquart", bie ©efc^ic^te einer junefimenben gamilienbegeneration infolge "JUfofionömuö unb ©eifteöftörung, unb bie „^rei ©täbte". Sie SSirflidjfeit, bie ber Sc^riftfteUer !opicrt, ift aber auä) nur in bebingtem Sinuc natnrnialjr, benu auc^ er ift ja ein nur unter begrenzten 3?orau§; fe|un<jen, b. l). innerliaib eines beftimmten 3Jti(ieuö, einer befonbcren Umgebung, bcnf- bares Temperament, ^ebeö ^unftmerf ift mithin ein :?üiö)c^nitt auö ber !Ratur, gc-- fe^en burd) ein 5:'emperamcnt.

„!J)cr 9^aturaliömuö", fagt ^ola, „ift nid;t meine ©rfinbung; er ift bie ßrfin- bung beö ^al)rf)unbertö, er mirft in ber @efenfd)aft, in ber SBiffcnfd^aft, in ber Site^ ratur unb ^unft, im po(itiid;en Sebcn." Sen ©yperimentalroman erfiärt er als eine i^olge ber roiffenfc^aftlid;cn ^rtjebung beö .3at)rf)unbertö : „Gr fetJt öic ^f)i)fioIogie fort unb crgänjt fie, bie fid; miebcrum auf bie ^^tjfif unb ©fjemic ftü^t; er fe^t ein bie Stelle bc5 Stnbiumä beö abftraften STienfc^en hat-' beö natiir[id)cn, ber ben pbt)fifa= lifc^cn unb d^emif^en ©efeßcn untermorfen unb burd) bie (iinflüffe ber Umgebung bc; ftimmt ift." Sie ^ocfie Ijattc alfo fortan mit ber ^Iiantafie nid)tö mebr ju tun, fie raurbe ju einer auf genaue 'Beobachtung gegrünbeten, mög(id;ft Ieibenfd)aftölojen, Iogi= \6)en Senfarbeit. 3119^^''^) ergab fic^ barauö bie lel)r^afte ^lufgabe ber .^unft : fie roiH nid)t erfreuen ober begeiftcrn, fonbern überjeugen, fie mirtt bioaftifdi, tenbenziöö. „3Kcine 9?omane", fc^rieb 3o(a auö feiner Verbannung, „finb ftetö mit einem l)ö()cren 3iel gefc^rieben alö bem, blop ber Unterljaltung zu bienen. 3^ '}i^t^i' i^"^" ^^"' ^■IRoman qIö einem SRittel ^nni :?(uöbrucf non Oebanfcn eine fo Ijobe 3J?einung, ha^ id) bicfc j^otni geraäl)lt l)ühe, um ber SBelt f^ifien, roaö id) über bie fozialen, niiffenfd)aftlid)en unb pft}d)ologifd)en Probleme mitzuteilen münfd^e, bie ben Weift benfcnber llcenfc^en befc^äftigen. ^6) l)ätte bao, maö id) Z" i'^Qf" nn"infd)c, ber 2BcIt in anberei A^rm mitteilen fönnen. 'Jlber ber 9Roman ift aufgeftanben non bem ^lafee, ticix er im \.'aufe beö legten 3al)rl)unbcrtö am ^eftmabl ber fd)önen .fünfte einnaljm. %v\d)cv mar er baö flüchtige Spiel ber eilenben Stunbe unb batte einen fcbr beid)eibenen "^^laß z'i'iif^f" ?fabel unb ^t^ijUe. .^eutc entl)ält er alleö ober faun aUeö enthalten, unb meil bao meine Überzeugung ift, beöbalb bin id) ^Tiomanfc^riftftetlcr."

^nnerl)alb beö 9^aturaliömnö an^ in ^-ranfreid) lafjen fid) swci Strömungen unterfd)eiben : eine mel)r pbi)fiologiid)e rertreten vor allem burd) ^ola unb ^DJ a u ^ p a f f a n t , bei bem M^j iDiilien zurücftritt , bie fid) auf baö p)i)d)i)d) (>^egebene Per ßrfd)einungöiuelt befd)ränft unb in baö feo(iid)e 3"»f"If^^f" "if^)' einzubringen fud)t, meil fie nic^t alö 2Birflid)feit erfennt, unb eine mebr pii)d)o(ogifd)c, Die alle empiriid)cn Säten beö Scelenlebenö fammelt, au^ menn fie ibren Urfprung unb ibre ?lbfid)ten

574 2)cr 3?QturaIi5mu§ unb feine ©egenftrömungcn.

m6)t ertläien tann, unb mit if)nen nQturaliftifd)e ©yperimentc onfteUt. §ier^er gc; l^örcn u. n, bie g^ranjofen S t e n b f) a I unb 33 o u r g e t. ®iefe Flamen beuten auf bic ^unftprofa. 2lber oud^ im ^Drama üoEjog fid^ ber Umfd^mung. ^ie ©prac^e bcr unteren ©täube, bie biä^er nur in ben ^Kelobramen ber ^orftobttFieater gu I)ören raor, eroberte firf) bie ernfte 33üf)ne.

3tu^€r ben gronjofen ^oben be[onberö bie JRuffen unb ©fonbinauier auf bic beutfd^e Literatur eingeroirft. ®erf)Qrt Hauptmann j. 33. I}Qt fetbft er!färt, bo^ fein ©onnenoufgangöbrama oon ^olftoiö „Wia6)t ber j^infterniö" beeinflußt fei. Sfm übrigen treten bie ruffifd^en ^ic^ter etmoö jurüdf. ^q§ liegt baran, baß bie ruffijd^e ©id^tung il)xe befonberen ^luüurgiele im ^axcmcid) ju rerfolgen I)atte unb in ifirer ftimmung^üollen 3}lelonrf)olie einen eigenen Xon anfd)lägt, ben ganj nur bie floDifc^en 33ö[fcr ocrfte^en. 3mmerl)in geljören ?5ß^or ©oftojeroöüö (1821 1881) ©e; portiertenromane „SRemoiren be§ toten ^oufeö", befonberö aber fein ,,3iaöfolni!off" (,,©rf)u[b unb ©ü^ne") ju ben giänjenbften ©ofumentcn feclifc^er ßntmidEIung. 2turf) er mibmete fid^ cor allem bem ©lenb, ber ©ntartung, ber erblicfien 33elaftung. S^acE) 33ererf)j nung eines ruffifcf^en ^fgd^iaters I)at er 25 pfgd^opaffiifcf^e giguren gejeii^net. ©raf S e o 3:o Ifto i (1828—1911), bei bem baö ^ft)c^opatf)ifd^e in ben ^intergrunb tritt, fc^itbert nic^t minber mal^rfjaftig 'i>ai feeli'frf) unb förperlic^ Untergeorbncte, biöiueilen mit fol^er ?^oIgeri(^tigfeit, baß bie !ünftlerifd;e ®inl)cit babei oft genug verloren gcf)t. Söerfe roie „2(nna ^orenina", „'3)ie ^reuäerfonate" ober „2tufcrftel)ung" fönnte man beinal)c ouflöfen in 3(b]^anblungen unb ©entenjen über Kultur, 3Jiorol, ©oäioliömuö, ®f)e, Ärieg unb ^rieben unb oor altem 9teIigion. Tla^ im @orfi (Slley. ^jefdEioro, geb. 1869), ber ©d^öpfer eineö neuen SSagabunbentripuö, ber 5llaffifer be§ ruffifc^en ©roß; ftabtelenbs in ber Siteratur, {)at ben 3taturaliömuö biö ju 6nbe fojialifiert.

^n 3)eutfc^Ianb aber befd^ränfte man fidf) meift bamit, biefe ©id^tcr ju über^ fe^en, roöf)renb man ben norbifrf)en SSorbiTbern folgte.

^er norroegifrfie .'Qüne Sjörnft ferne 33jörnfon (1832 1910), ein el)r= lid^er, praftifc^cr, bcnwlratifc^ gerid;teter ,^olitifcr, ift roie wenige üor unb nocf) i{)m mit allen fo^ialen ?^ragen feiner ^c'xt mitgegangen, ja mitgerannt. SJiit il)m rourbe befon= berö ba§ ^Drama gang unb gar „aftuett". ®ie ©ebanten feiner 3^it t" Siterotur um= ^ufe^en unb fie baburd^ in t)ö^erem ©inne lebenbig gu mad^en bo§ rourbe bie große ^unft, bie mit iE)m begonn.

3u Dcrförpern, roa§ er an ©ta<it unb ©efeEfc^aft auäjufc^en fonb, baö ocrftonb er roie neben if^m nur ^enxil ^ b f c n (1828 1906), ber eigcntlic[;e ©^öpfer be§ pfi)rf)ologif^cn @efeIIfcf)aftSbroma§. i^bfen ^at roeiter geroirft, roeil er nic^t fo bc= grenjt norbif^ unb politifd^, roeil er aßgemein mcnfc^lirfier geftoftete. 33jörnfon fprad^ im 9lamen ber ©eroiffenöpartei feines SSolfeä, $^bfen nur in feinem eigenen. Sügcn aufjubeden, roo er fie fanb, fie in ^rofa ju formen, ba§ mar für ^bfen ^oetenpfüd^t. ^icl)ten fjeiße, fagt er roörtlic^, ©eric^tstag balten über fic^ felbft. freilief) fann ber .^unftroert bialogifierter 5ßerneinungen für bie große 3J?affe, bie il)nen am ^ultur= grünbcn ^ujubett, ganj erft beutlicf) roerben, roenn bie S^it bo^in ift, in ber fie litt unb

Äünfllctifc^e Strömungen im 3Iuö(anbe. 575

))a^U. ^ie 9catuvniirflid^feit, jeigt '^hicr\, ift nic^t flfclcfjbebeutcnb mit bem, raas mau iDirflii^ nennt.

3»bfen ift nicfjt SJatuialift in bem Sinne eineö 3oIq ober 3lrno Ö0I3. ^oju l)at i()n erft bie gefrf)icfte ^ropac^anba gcmiffcr materiell ober litcrariic^ intereffierter Greife gemacht. Mar blicfen mir f)eute bnrc^ ben fünftlic^ erzeugten Dampf I)inburc^. 2Ben ^bfen äugrnnbe gef)cn tä^t, öcr ()at biefcS Sc^idfal faft immer felbft ücrfcf)nlöct. ^bfen Iä|t SBege ^ur Sefferung nnb ©rtiebung offen. Schlimm genug, rcenn man fie nic^t befc^reitet. 33efonber5 gegen baö ©pie^bürgcrtum ber fjcimatiic^cn ÄIein= ftabt ätel)t er ju ?^elbe, im weiteren Sinne gegen alle ^eud;clei. Die Gf)e fa^t er beinaf)e auöfc^Iie^üc^ im ©cgcnfa^ j. S. gu ©erl;art «Hauptmann oom iüeiblid;en Stonbpnnft. Hebbel unb S^ff" fii^iJ bie beiben gegebenen Sieblinge bcr moberncn ?^rau. ©emeinfam aber ift ^bicn unb ben anbern ber ungeftiime 3)rang nad; un= mittelbarer ©rtenntniö unb ©eftaltung bes 2ßirtüd;en. 2Ber ein Safter ererbt ^ahct merbc alö ein fc^Icc^ter 3T?enft^, aU ein 9J?enfd) groeiter ©attung gerichtet, ^n 2öa^r: f)eit fei F)icr bie Slotur bie S^ätcrin. Sa^ ber 5Realift jenc§ Safter in feinen Grfi^ei; nungöformen, fo ber JJaturalift in feinen rocitüerjrocigten 2BnrjeIn. iffiir fommen t)icr alfo roieber gu .30I00 SSererbungöt^eorie jnrücf.

©d^on früher f)aben bie meiften 58ölfer naturaüftifd^e ^erioben get)abt. ^Se= rücffid)tigen mir aber, 'da^ faum ein $^at)r^unbert bie ^eudietei ju fo fieroorragcnber 5?unft in ^ix^e, Staat unb ©efettfd^aft entmidette mie baö nenngc^nte, luä^renb bie (Srfenntnig fortfd^ritt, bann rounbcrn mir unö nid^t mef)r, ba^ unfcre Seften, nnfere Segabteften, unfcre ©^rtidjftcn Skturatiften mürben unb bamit auf 51?evte ocrgid^tcten, bie am ©nbe bod) allein ber Qro|en ©id;tung ßmigfeit Der(eil;en.

Sie f)aben nad) bem Sinn beö Sebenö gefud;t, biefe 5?aturaliftcn bes ^u6: lanbä, eine befriebigenbe 3(ntmort f)aben fie nid^t gefunben. Tolftoi, ber 58crfaffer ber „^la6)t bcr ^infterniö" (1886), enbctc in ber ^bee beö Urd)riftentum§, bie alle feine früheren SBerfe alö nid^tig anf{)ob; 33jörnfonö (efeteö SBort mar bie ^JJgftif; 3bfenä, beö großen SScrneinerö lefeteö SBerf „SBenn mir Xoten ermad;en" ftang in ?lRe- fignation auö; ber ftetö infonfequente Sc^mcbe 3lnguft Striubberg (1849 1912), ber eine feltfame 3>cifc^ung oon ^eittenbenjen ocrtörpcrt: 3Ibclömcufd)cntum unb Sogialiömnö, 9^aturaligmuö unb i'Homantif, tef)rtc gulc^t ju ber einft fo ^eiß bcfcbbctcn .^ird^e jurücf.

9?id)t auf bie 33erfct)ieben(}eit biefer Sd)riftfteIIcr fommt cg i}kv an, benn fie rcirftcn auf bie beutfc^e Literatur nidjt burd) baö, maö fie trennte, fonbcrn bnrd) baa, raoö fie 5ufamnienfd;Io|. Xaö mar oor aUem bie ^eobacf)tnng ber menfd)[id)cn 2?er: berbtijeit bcr ©cgenmart, baö eigentlich internationale an biefer 'Scrocgung. Tabci fann man über bie ??aturaliften raeit Ijinauögreifcu; man benfe in ^raufreid) an 2t u g i e r unb ben jüngeren D u m a ö, in ^vlanb an beu ^ronifer ©corge Sern Ijarb Bi)aro, an ben bänifd)cn ^l)ilofopl)en Sören 5lierfcgaarb unb ben Sitcrar: l)iftorifer ©eorg 33ranbcö fie aUe richten, poetifd) ober miffenfd)aftlidj, il)ven Slid auf bie 3luön)üd)fe ber mcnfd;lid)en ©cfeüfd^aft unb fd)lief5en, fei auc^ nur fritifd) Dcrgleidienb, einen Äreig mit benen, bie baö gleid)e tun. 9hir unter fold)en

576 ®et S'iaturaU^mu^ unb feine ©egenftrömungen.

SSorauöfe^ung«!! rermoc^teii namentlich 3ola unb S^fcn itiren roeltbe^errfc^enben ©influ^ 311 geroinnen. 5Die 2(tmofpf)äre war elettrifd) gelaben, beburfte nur geringer 35eronberungen ber SBolfenlagen, um beti jünbenben unb boc^ anä) befreienben, ent= [ofteuben W\^ gu ermöglidien.

3m 33orbergrunbe ber gefellj(f)aftürf)en Probleme [taub naturgemäß ber Betriff ber ^^amili'e/ bem je^t namentlid) ber beö atteinfte^enben SBeibeä gegenübertrot. ^ier foßte man ja ben i^ern ber ©efcUfc^aft, beö ©taateö, ber gejamten fojialen SBelt. 'Sic moberne ^rauenberoegung, oon Strinbberg, bem breimal unglüdlicE) S?erl)eirateten, fo bitter gef)a|t, gab ber naturaüftifd^en Literatur einen ^auptanftoß. 21I§ ©iubentin, ^Irgtin, Beamtin, .^ünftlerin, ja al§ breifter Sadfifd) griff je^t baö Sßeib, roie eS in ber Literatur erfd;ien, in bog Seelenleben beö 9)Janne§ ein, gegen bejfen ©ouüeränitöt fi(^ mit ©ntrüftung aufle{)nte. ®Iei'cE)Berec^tigung roar bie ^orole, im Staat foroot)l mie bei ben beiben @efd)Iecf)tern. 2)ie j^rou uerjic^tet barauf, baö ©pieljeug, bie ^uppe if)reö SJJanneö ju fein, mie ^bfenö „9Jora" geigt, fie oerlangt nac^ ^reil)eit, ^^ätigfeit unb feftcn Sebenögrunb)ä§en. ^amit roirb baö ^^ema ber ©Ijefc^eibung beliebt, betont j. 33. non bem granjofen Sarbou : „Divor^.ons"! "^janeben treten refignierenbe 3^rauen auf, bei ^bfen leibenb Slline ©olneß, fraftüoH ^anbelnb ^rau Hloing. 3)aS 3f?ec^t ber ?^rau auf ben @l)ebru^ roirb erörtert, rocnn il)r Mann fie boju anregt, fic^ ©rfa^ ju fud^en. Iber aud; bie iCi)pen beö bämonifrf)en SBeibeö, ber „blonben 58eftie", beö 33tauftrumpfö, ber ©efollcnen bcroeifen x\)xt alte 2lnjie^ungöfraft in neuen, roeil mobern jured)tgefc^nittenen 3RoUen.

^emnäd)ft geroann baö SSeri^ältniö jroifc^en .^inbern unb Altern, fc^on infolge ber 3J?otiüe ber Vererbung unb beö 9Jtilicuö, 33cbeutung unb roeitreidienbe 2(uöroirfung. ^00 uncl)eli'cl)e ^inb (®umaö'„Le Fils naturel", „L'Affaire Cl^menceau", SlugierS „Les Fourchambanit")/ baö 5ßorurteil ber ©Item gegen ben ^ünftlerberuf ber ^inber, in SDeutfc^lanb 5. S. oon ©ubermann in ber „^eimat", oon ^irfd^felb in ben „2Rüttern" bel)anbelt, bie ^^^^^üttung beö ^amilientebenö id)led)t^in, eingeleitet uor ollem burd) erblidie Setaftung bei ^bfen j. 39. in ben „©efpcnftern", bei @. Hauptmann im „?^riebenöfeft" baö roaren bie gegebenen 9luögangöpunftc für naturaliftifd) lobnenbe .^onflifte.

Man fonnte baö 'J)afcin ja am beften patbologifd) begreifen. 9hd)tö ftelltc man bal)er lieber bar alö Äran!l)eiten aller 3Irt, Sjörnfon in „Über unjere Äraft", ^bfen in „9ioömerö^olm", ®. Hauptmann in „?^ul)rmann ^enf^el". Xiie 58crfrüppe= lung roor für ben naturaliftifc^en Siebter ein banfbareö gjJotiü, fo für ^h'ien in „Älein ©t)olf", nid)t minber ber 2öal)nfinn (Strinbbcrgö „3Sater"), ber ©elbftmorb (^bfenö „9Roömeröl)olm" unb „^ebba ©abier", ^auptmannö „SSor Sonnenaufgang", „®in= famc 3J?enf(^en" unb „^^u^rmann ^enfdiel", ©ubermannö „Sobomö (Snbe"), unb Strinbberg brat^te im „3Sater" fogar bie ^Ji^'OUöSJQde auf bie 58ül)ne.

2)aä roar ein roenngleid) roenig beneibenöroerter 33orteil ber naturaliftifd)cn 1)x6)tnn^, baß fie ted)nifd) üor nic^tö gurüdjufc^euen brauchte.

Sem naturaliftifc^en Äunftprinjip gegenüber fann mon ja oon fünftlerifd^er Xec^ni! eigentlid) überl)aupt nid)t mel)r reben, benn roaö ni^t natürli^e 2Birfli(^feit

Äünftlcrifc^c 6trömungcn im 3Iu«lQnbe. 577

ifi, barf anä) nic^t inel;r ^uuft fein. (So ift ba^er meF)r ober minber üom 3ufaII ah-- pngig, roie roeit j. 58. im ^ranm bie fogenannten einl)citen jiitage treten, ^bfcnß 'Dromen [teilen foft burc^raeg ben Slbfd^tup einer ©ntn^idlung bnr, bie uor beni Scgin)i bcö StücfeS liegt, fie finb, roie Sifemann l)nbi6) fagt, nur bie Spi^e einer ^vramibe. Um fo genauer m[)m man e§, entfprerfienb ben naturaliftifc^en j^orberungcn, mit ben Sül^nenanmeifungen, bie mancf)cn Stft oon einft crfe^en. Strinbberg uerlangt, ^a^ folgenbe ftumme ©jene in ,,gräu[ein ^ulie" gefpielt rocrbe, alö i'ei bie Sc(;auipie(erin roirtlic^ allein: „©Ejriftine, bie ^öc^in, ift aCein; in ber M\)c mirb getanst, man f)ört fcfiroac^e 33iolinenmufif. Gf;riftine fummt bie 3)iufiE mit, räumt ben Xifcf; ah, wo 3ean gegeffen tyit, wä]6)t ben STeUer am 3(ufroafd)tif^ ah, trodnet \l)n ab unb fefet if)n in einen @rf;ranf. ®ann legt fie bie ^üc^enfrfiürje ah, nimmt einen tteinen Spiegel am ber 2^ifd^fd)ublabe, fteHt if)n gegen bie ^xuh mit ?5fieber auf ben ^ifd^, jünbet ein ^Talglid^t an unb mad;t eine ^aarnabel ^ci^, mit ber fie i^re Strähnen tiäufeÜ. S)arüuf ge^t fie an bie ©taötür unb laufest, fommt roieber an ben %i]6) jurüd, finbct bog ^afd^entud; bee gräuleinö, nimmt unb riecht baran, bann breitet fie in &e- banfen auö, ftreid)t glatt unb legt üiermal jufammen."

®ie 9?eottion fonnle nid;t auöbleibcn. ^ola^ 91ad;fo[ger übernaf;men nur ben ßifer, bag 9]iebrige unb 3tbfto^enbe aufjufudien unb ^u topieren, fie ücrroed)felten 3roed unb SJtittel. SlJaupaffantö p^t)fiorogifd;e ^^cinl^eit würbe gur ^arifatur, Sjörn- fonä, ^bfenö, ^oftojeraäfiö, 2:'olftüiö pfpd^ologifi^e unb fojialc 3Serarbcitung ber ^cit- ibeen rourbe in ben ^ienft ber ^olitit unb beö.perfönlic^en ^»tc'^cffcö gcfteÜt. ^aQ 9?ac^tfaffee mar ber f)auptfäd)lid) gegebene Ort für ben Siebter, feine naturaliftifd;e Sefä^igung ju erproben unb nac^juroeifcn, unb bie ÄcHnerin übernaf)m neben bem entgleiften Stubenten bie .^elbenrüUe. Tumoö' immerf)in jicrlic^e ^amclicnbame ner^ manbelte fid; in bie Stra|enbirne nntcrften 9^angeö. ^aö C^äf,(id;e genügte nid)t mcl)r, menn n\d)l gugleid^ P^9fif<^ anmibcrte. Sd;Iie|(id) crfd)öpfte ber 9?atnra(iömu5 feine Stoffbef)äIter, bie er ja nur getreu auöleeren burfte, unb begann fi^ ju micbcr= l)oIen. ©inb aber fünftlerif^e SBieber^oiungcn fd;on an fic^ faum erträgii^ mie^ uiel mcniger naturalifti'fd^e. Sd)lie|lid; moHte baä 3(uö(anb nid;tö mcl)r oon foIrf)cu Sc|eu^Iid;feiten miffcn unb roanbte fid), roäfjrenb bie 2)eutfc^en auö eigener 5lraft gur $Homantif, inöbefonbere ju bem uon Subroig '^ulba unb ©erl^art Hauptmann neus begrünbeten 3JJärd;enbrama jurürffcljrtcn, ben fc^roff cntgegengcfetjtcn ^i^enren ju.

Seit bem ©nbe ber ac^tgigcr ^abre mar ber ^laturaliömuö, ber in Teutfdjianb gerabe erft einfette, in ^^ranfreidj fdjon übcrrounben. 3" 3iöri§ 5tarl öui)ö = manö' (1848—1907) JHoman „Lä-bas" (1891) crfc^eint ber naturaüftijdje 3d)rift= fteUer bereite aU ein SSerirrter, SSerbfenbeter. ßinft gläubiger iHul)äugcr S^^la^^' '^''^^i fic^ ^utjömanö äulcfet roie Xolftoi, roie Strinbberg ber 3Jtt)ftif, bem Unbegrciflid)en in bie 3(rme.

^aö Sd)icffat beö g?aturaliömuö mar befiegelt. ^er fran5üfifd)e fiijrifer '^aül 58 e r I a i n e (1844—1896), alö 9)Jenfd; ein bem i)lbfintl) unterroorfencr 9^euraftl)cnifer, fül)rtc gerabe gur Unnatur, jum 3(bftieg, jur „Döcadonce" unb Hämmerte fic^ an baö Stjmbol. (Sr forberte für bie 5|3^fic 3}^ufif, Seele, ^lang an SteOe ber TiaUw-

CtlilU. Die bcitlfc^c Citeraliir fett fflocl^c« Xobc iifm. 37

■oTS ^cr ?iaturalt§muö imb feine (S5egenftrömungen.

jrir!Iid)fcit. S3ceinflu^t non bcm älinerifancr ©bgar ^|?oc, fd)uf er eine neue, öurd; i()rcn Snuttlnnci unb il^rc vl)i)tljnti]d)c 33einegtf)eit luirtcnbe SBortfunft, bie neben unb nad; iljm S t e p I) a n 9)tanarm6 (1842 1898) anöbilbcte unb unter SBcgloffunc; flUer ^ntcrpunftion inö Siätfelbnfte fteigerte. 31 r t f) u r 'M i m bauD (1854—1891) fdiritt biö jur 3S'Crnd)tung aller ßiteratur, aud) bcr eigenen, unb wrior fid) in oiflonären 5Rnu[c^. SBaö trauml;aft auftaud;tc unb raieber i)er]d)raanb, galt biejen be!abentcn ©ijmbüliften allein alö bie n)ai)xc .^unft.

9Bie bei ber ©ruppe ber früf)ercn logenanntcn „Farnassiens" rourbe bie ^oefie ein Kulturgut beö feltenen, crlefenen ©ciftcö, b, f> fie lüurbe it)reö fojialen 6f)arafterg entüeibet: baö ©ebid^t nur für ben ®i(^ter unb feine^Sgleid^en, bie 5lunft für bie 5lun|^ („L'art pour l'art")! S5?äljrcnb aber bie Parnassiens, vor allem JI)<?op^ile ®au= lier, forgfam bie ?vorm, bcfonbcrö bie beö SScrfeö, bcobad^teten, gingen Die © t) m = b 0 I i ft c n , fo grope SJceifter ber ?^ürm fi(^ and) unter if)nen befanben, j. 33. 3SerIaine, i)^n über, bie g^orm ju nii^ad)ten, ja gelegentlich ju befeijben, ha fie ja nid)t bas 5Ding, fonbern fein Spmbol, ni(^t bie fefte, flarc ^hee, fonbern bie 3l{)nung, baö 5ln- Hingen geben rooKten, ba fie anbeuteten, nic^t geftalteten.

^ie Äunft mürbe jum Selbft^raed, ber 5iftf)et, bcr "Danbr) nerbrängte ben i?ebenebetra(^ter. 3)er .tultuö ber Sd)ön^eit, biö inö ^ranft)afte unb ^^eroerfe ge^ fteigert, erfe^te ben ber 2Ba!)rbcit. ®a§ SHrjfterium geraann allein '3)afein§red)t, er= reid)t nur iion ber ®fftafe beö n)irflid)feitömüben 5lünftter§.

Qu oft ganj oerfi^iebener SBeife, bie t;ier m6)t nö^er erörtert roerben fann, ent- fprac^en ber ncuroniantifc^en, n)ort!ünfttcrifd)en 5U>!ct}r uom Dlaturaliönius in Belgien bie lieber @milc 5^erl;aeren§ (geb. 1855) unb bie Dramen 93? a u r i c e IR a e ^ t e r I i n d ö (geb. 1862), in Italien ber ^I)rafenraufd; ©abriete b'älnnuujicö (geb. 1864), in (Snglanb bie paraboye „L'art ponr l'art" = ®id)tung beö jeber menid)= lidien unb bid)terifc^en ^erocrfität ergebenen Dötar SBilbe (1S56 1900). "Der ^Sebeutenbfte non itjuen ift 9Jiaeterlincf ; aud) ber .^lonfequentefte.

9]aturaÜömuö unb .^inpreffioniömuö ^icr, 'JJeuroniantit unb (Sijmboliömus bort aöc bicfe Strömungen I)atten einen 58orläufer in bem 3(merifaner a ( t SBitljman (1819—1893), Der, ein gauji neuer 5J(cnfd) auf neuer ©rbe, feiner litera^ rifd)en Sdjulc angef)ört unb bod) auf eine jebc gemirft bat. 3)Jobern, bemofratifi; gerid;tet, ncrmirft feine ^ocfie alle Üiberficferungcn, unter biefen aud) bie ?>-orm beö •Reiniö, unb erflärt alleö für poetifc^ richtig, mag für baö ^eben fctbft 33ebcutung l)at. 9(ber feine reimlofcn, rbptbmifd) befc^mingten ^gmnen erbeben fid) ^u neuen ilm- brudsmittein, mic fie mot)! ber Srimbotift, nid)t jebocb ber 9iaturalift begreift, unb ein ©eifteöariftofrat mie 9lic^fd)e, obmof)! er ben bemoh-atifd}en ®ur(^id)nittömenfd)en feiert, manbert er jenfeitö ron gut unb böfe, in beiHgem ?Raü\d) aud) jcnfeitö atleö ©efd)id)tlid)en, jenfeitö beö blofe '^^erftanbcömä^igen unb ^luöbrüdbarcn im Unauö- gefprod)enen.

Bo mupteu 2B{)itmanö reimfofe ^erfe aud) noc^ auf ben curopäifd;cn ©y- V r e f f i 0 n i ö m u ö ibren Ginfhi^ anöüben. 1)er einbrud beö äu^crlid) SBabrcn unj) '?JaturTuirf[id)en (Impression), ben bie ^icbtung bcö Sfiaturaliömuö feftl)ält, n)eirf)t

SKünd)cn unb 43eiliti. 579

bem ^iiisDrucf (('xy)rossion) bcö innerlich ©cfd^autcn, bcm Die "iHatur fremb, j<i feinb ift. 3tud; Incr ncifc^minbcn 9f?cncln, !:)Unmc, Übcrlicferunncu, bcr poctiid)c Wcflcnftanö i(^afft fic^ fein ci^encö 5ffiort. .öier finb wieDcrnni in crftcr :^inic ^ic bi(^cnben .^ünftlcr ^c^i 3(uölanbcv bic mcitcr roirften auf bic ''^Joefie. ^^n :;;'^tQUcn unircn es bie f u t u r i [t i i'd) cn Waikv 33occioni, Sencvini un^ (Sorrn, bic bcn .ftnnipf flehen Den nitcn ^mpreifioniöniuö iinD Den neueren ^^Viintilliömuö (^feoimprejfioniömuö) bc; flonnen, inbem fic bcn @eacn[tanb nid)t alö ein ^Kulicnöec, jonbern nlo ein 'Seiuefltc5 barftellten unb ilin ben garb= unb 5vornibejicl)unflen ber giädic untcrorbneten. Die franjöt'ij'i^eu 51 u b i ft e n 9)le^inger, ©Icijccv 2^'fler unb J^elnunop ner^id)tcten auf alle SJanmpInftit unö 'iPcrfpeftiüe, auf ^orber^ unb öintercirunb unb fteüten alleö nur fläd)i(^ bar. '3^ie ©rfenntniö, bn^ ber einzelne öei^enftanb über[)aupt nidjt, fonbcrn nur bie garbe, bie ?^orm jur SDarfteüunn n^^t'^ad;! luerDen tonne, fü()rtc in ber ^oefie ju ber Scbauptuni), t>i\^ Ijm nur 2Borte unb :Kf)i)t()men qebe, ba§ öanblung, ®c- banfen unb ©egenftänbe als unmefcntlid) am ber T)id)tunn nerfdinnnben müßten.

2Bie meit narf) aUebem ber Ginflu^ bcö 3(uölanbö auf bie beutfd)e Did)tun9 in ben legten ^^iriir^ebnten 5(nfprud) auf iHnerfennunp {;abe, ta?) cntjief)! fic^ in bct ©cqenniart bcm objettinen Urteil bcö einzelnen. '3)afi aber eine ni^t nom i)(uölanb 6eeinf(ufite, rein beutfc^e .^unft erftrebenomert ift, merben aud) bie nerfdiiebencn 3tn^ t)änger eines biefer =iömcn ancrtcnnen.

^m ©runbc bat bic c^cfamtc Dic^tunq beo ^Jluölanbö in Den legten ^Vif)rsebnten einen einbcitlidjen (Sbarafter, ja eine ein(;eitlid)e Xenben,^: nadi^^umeifcn, ha^ ber 3JJenfc^ ein cIcuDcö 5lid)tG in ber £d)icffa(öftröniunc^ fei. ^Jaturoliouuio unb Si)m= boHöuiuö c\ef)en bii'r einträdjtip ^^ufammen. „Der ^3Jienfd)", fac^t 3)iaeterlind, „bcm bie llnc^Iücföftunbe (iefd)lacien l)ci\, luirb non einem iSirbel erfaf^t, bcn er nidit mahr- nimmt, llnb feit 5at)ren meben biefe ^33iäd)te an bcn ,^at)l(ofen 3"tänen, bie il)n in ber notmcnbiflcn 3J(inutc pemiu .^u Dem '^}untte fübren muffen, wo bie tränen feiner ()arren."

2. mUiäitn unb ^crliit.

Die neue iiiteratur mar, fomcit ber 'DiaturaliomuG in ^ra^c fommt, in crftcr Sinic ©ro^ftabtliteratur. Die ganjc litcrarifd)e Üntmirflunq bradjtc bao mit fi(&: Dkturaliömuö in ber .H'unft ift SojialiömuG im geben, unb mo bätten fic^ bic fo.^alcn j^raiKU bcffer ftubieren (äffen alö in ber ©rofM'tabt, wo fid) Glcnb, 'J(uc.fd)meifunii unb nciftiflc !:?Irbeit ^ufammcnbriincitcn, mo baö *ipro(etariat ,^u .<öaufe mar unb bic "l^cr^ fommencn i()re letjtc 3»flud)t fud)tcn in irnenbeincm „'il?ad)taii)l". ^ihin mar ja %u'\^ ein Sdjanplafe für öic intcrnationate Tid;tun(i nidit erft feit Si^'ii ^ 'i'*-^ ''■'*"l't ^ättc j. SB. 3)hm^'rö ..Vi.« de liolKMuc" fpiclcn foUcn a(ö ba\ ^n Dcutfd)(anb aber mnr eine foId)e S^orauofctuiufl burdiauö nid)t uorbanben. Gg pab l)icr nur eine 3tabt von nnbct)errfd)enDer Iitcrarifd)er "i^cDcutunn; aber "ili>eimar mar feine C^irofiftaM. ®icn t)at literarifd) and; ,^u (virillpar^crG ^cH feinen 3amnielpunfl mie ^oUi^i "i^ariö ober Dictenö' ii^onbon flcbilbet, unb b<?r .^reiG, ben .Hönifl ^JJ^irimilian um fid) uerfamntede, ftanb j^u ber bayrifd)en .söanptftabt felbft in faft nar feinen inneren 'i^e,^icl)uniu'n. Dnö neue Berlin mar mobl burd) Fontane, 3piell)aj)cn, Scitiel, Stinbe unb Trojan in bcn

37»

580 2)er 9?ahirali§muö unb feine ©egenftrömungcti.

legten 3ö()räel)ntcn literarifrf) mel)r in bcn 58arbergninb getreten, unb bie SRomanc ^OUl Einbaus (1839—1918), ber einem Bpfluö gerabeju ben ©efamttitel „SSerlin" gab, %x\^ SDJaut^ner« (geb. 1849), ber fein „Berlin W" frfirieb, unb |)crmonn §ci= bcrgS (1840 1910) liefen erfennen, einen raie guten 9lal)mcn für rcaIiftif(^cS)ar= fteHungen bot. Slber crft ber 9'loturQliömu§ gob ber preti^ifci^=bcutf(^en ^auptftobt in literarifd^er ^infici^t ben ©iiarofter, fcfmierürf) gu ii)reni 33orteil. ®er ©ieg lüurbe ben naturaliftifcfien X>id^tern ^ier um fo leichter, al§ auf ber ©egenfeite faft nur bie bramatifd^e ^oljenjotternbeflamation 3[öilbenbrud^ö ftanb.

3)0^ aJiünd^en biefeö Wlal, unQbI)ängig üon bem ©influ^ Serlinö, mit biefem jufammen faft ju gleid)er Qtit üoranfd^ritt, mar ber reine BufoÜ. ^n 9J?ün(i)en lebte nac^ feiner ^Mtdjx auö ^ariö 1882 9JJit^ocI @corg ^^onrob (geb. 1846), ^Ba^er oon ©eburt, feit ben fiebjiger ^al^ren ein bcgeifterter $8erel)rcr ^oia^, beffen 3lamt fortan für itjn b<ig Programm bcö eigenen fünftlerifdien 2cben§ bebeutete. 3" einem ^r)tiud pon j€{)n 9lomanen, oon benen brei erfd^ienen fiub („SBaö bie ^'ar raufd)t", 1887, „®ie fingen Jungfrauen", 1889 unb „®ie Scidite beö S^larren", 1890), rooUte et, eingeben! ber „9tougo>n=2Racquart" ^oia^, bas SKüncfien feiner ^eit malen, ©ö finb ©fijjen unb Silber, fofe aneinanber gereift, 3lugenbli(föabbrüde ber Sßirfli^feit. 3)enft man an feine früiieren unb fpöteren ©c^riften, 5. 33. an ben pl)antaftifc^en 3u!unft§roman au§ bem brei^igften 3al)rt)unbert „Jn purpurner j^infterniö'^ (1895), ber S^ie^fd^cS ©influ^ jeigt, fo roei| man, ba| aud^ ßonrab feine bcfonbere ®ntmtcr= lung gef)abt f)at. darauf aber fommt ef- l)ier weniger an, benn er teilt ba§ ©d^idEfal ber 33rüber ^art, burrf) Slnregung unb Drganifation für bie Siteratur bebcutcnber ju fein als burd^ eigenes bic^terifc^ee ©eftalten.

2lm 1. Januar 1885 erfdE)ien baö erfte c^eft ber Pon il)m als SSerleger unb Herausgeber in 9)lündE)en gegrünbeten „realiftifd^en SBod^enfrf)rift für Siteratur, Äunft unb öffentlid^es geben" unter bem bejeidlinenben Dbertitel ^ i e © e f e 1 1 f ^ a f t ". ©ie Beitfd^rift „wirb", fo l)ei^t in ber ßinfü^ruug, „feine Stnftrengung fd^euen, ber l)errfd)enben jammernoEen SSerflad^ung unb SSerroäfferung be§ literarifc^en, fünft; lerifd^en unb fogialen ©eiftes ftarfe, manrtf)afte Seiftungen entgegenjufe^en, um bie entfittlic^enbe 33erlogenl)eit, bie romantifd^e ?^lunferei unb entncrrenbc ^l)antafterei burd^ "öQ^ pofitiüe ©egenteil mirffam ju befömpfen. 3Bir fünben ;^ef)be bem 3Scr; legenl)eitsibeali§mus bes ^l)itiftertumS, ber 9J?oralität§notlüge ber alten ^arteien= unb ßtiquenn)i'rtfdl)aft auf aßen ©ebieten be§ mobernen SebenS."

i^reilicE) barf man beöf)alb, meil in 3Jlünd^en bie „©efelIfdE)aft" crf^ien, biefe Stabt nun nic^t etma als 3Sorort beS Sf^aturaliSmuS anfel)en. @inc 3eitfd^rift ift ]a aud) gar nid;t in ber Sage, bcn ^reis i^rer Mitarbeiter nacE) geograp^ifd^en ©efid^ts^ punftcn }u roöl)len unb ju begrenzen. %üv bie „©efellfd^aft" fdlirieben ®id)ter unb Genfer aus allen beutfrfien ©auen unb and) nid^t nur etma 9taturaliften : Sfleber, .^re^er, 3lrent, ßonrabi, @d[)laf, Sienliarb, 33erg, Siliencron, ^artleben, $ille, Sier^ bäum, Slücnarius, .^eiberg, ,^rögcr, g^alfc roer roottte biefe bunte SRei'lie gruppieren, il)re äluSroal)! anbers als burd) baS moberne Seben felbft begrünben! Jn ber „©cfeH; frfjaft" liefen fid) ?^rauen ^ören mie 33ertfja t)on ©uttner, 3llberta oon ^uttfamet.

IKünc^cn unb 'Berlin. 581

©ugenic öflle ©rojie, ^Inna (iro}ffnnt=9fiuft. ^ier erfd)ien ©n:f)art |>QuptmQnnö erfte 3'iot>eIIe „33aE)nn)ärter ^(jicl".

3u bem engften .Ereile nef)öiten SBolfganri Äiirc^bnrfj (1857—1906), ber bie 3eitfc^rift mitbegrünbet, [pötcr aber befämpft i)at, bcr ^öerliner .^orl SIcibtreu (geb. 1859) ber SoI;n beö bcfonntcn Sc^Iac^lenmalerö ©eorg Sleibtrcu , ^\U arbeitet com erften, 3)iit^erQiiögeber uam oierteu ^al^rgang an, unb - fritifc^ Sonrob ?llbcrti (^[eubonijm für oittenfelb, geb. 1862).

3fm 3JiitteIpunft blieb aU SSorbifb Bofa. ^ad) ber \ieftüre bcö „©erminal" crflärte an6) SIcibtreii: „^(^ i)ahc mein ^amaötuö gefunben."

9J?it 33(eibtrcii aber finb tüir bereits in Berlin, ^iefeö uon 'ouöermann ge= aeic^nete ©obom, beö neuen 3fieic^eö neue iQauptftabt, in ber ©rünbcrtum unb Sitten^ ücrberbtF)eit um ben SSorrang ftritten man erinnere [ic^ j. 33. an Spiel^ageniä 9floman „Sturmflut" , roar tod) bie ^auptfäc^Iic^e Plattform für &ie ®eban!en jeneö ^^ranfrcid^, bas man bamalö nur förperli(^ ober fagen mir „biemardifd)" über; lounben ^atte.

3m .^erbft 1877 famen bie beiben 53rüber ,f)einnd) |>ort (1855—1906) «nb 3»ulin3 §flrt (geb. 1859), jener alö ®irf)ter befonberS bc!annt bur^ fein gro^ ange: legtcö epoö „®aö ßieb ber ■iDieuii^fjeit", biefer buri^ feine ^t;rit, miffenfc^afttirf) aucb burd; feine jmeibänbige „©ef^i^te ber 2BcItliteratur". ^n crfter Sinie aber luaren beibe geborene, gerabeju f)ettfe{)erifc^ begabte 5?ritifer. '^i)xc „J^abrt nac^ "öeriin" ^at $^uliuö in ber Erinnerung feftgel^nltcn unb inipreffioniftifd) nac^gejeic^net :

2)ie gcnfter auf! ®ort brüben Hegt Scriin!

^ampf toallt empor unb Dualm, in fc^loarjen B<i)k'\exn

^ängt tief unb fteif bie ^^olfe brüber ^in,

^ie blei(^c iiuft brücft frfjrcer unb liegt raie bleiern

©in j^cuerl;erb barunter ein 53ulfan,

33on SJZillionen Jeuerbränben lobernb

(Sin ^arabiel, ein füfeeS S?an<ian,

6in ^öüenreirf) unb Srf)atten bleirf) ö^rmobernb.

§inbonne«nb rollt ber Qüc\\ (S§ fauft bie ßuft, (Sin anbrer raft bumpfraffelnb rafc^ oorübcr. 3<ibrifen raucf)geid}n)ärjt, im Söafferbuft ©länjt fvtfl'n"^ "'" glömme, büftcr, trüb' unb trüber, Sngbrüft'gc ^^äufer, i^f^fter fd)mal unb Hein, SSolb brauft bumpf burrf) bunfle S^rücfenbogen, 93alb bli^t e3 unter un§ mie grauer S5?affer[cf)ein, Unb unter S^'ä^nen manbeln miib' bie S^ogen.

33orbei, oorüber! unb ein geller ^^ififf!

SBei^ fliegt ber Xampi . . . eiic «nirfd)ou an Den o<f)ienen!

■ißie 33remfe fto^nt laut unter ftarfem Wriff

Sangfamer nun! G$ glänzt in allen aKienen'

©löi^llen über un§, ringä aRenidjenmirr'n

Öalt! Unb 33erlin! ^linau? cin^ engem 5l3agen. „Berlin!" „^Berlin!" g?un borf) bie junge Stirn, ^n& roiFbe l'eben laß bid) mäd)tia tragen.

582 ^cr Jlaturalt^iTiuä unb feine (SJegenftrömungen.

über bell erfteii berliner 3lufentl)ölt ber iSrüber, bie botb inittcüoö iinebci {)eimfcl;reii miifeten, i[t nid^t uiel 511 jaoen. ^u intern Umgangöfreife gehörten bnmalä SUJoi: Stempel, C^tnr ^inrfc, Siic^orb 3So^ unb ©ruft üon SBilbenbruc^. 1879 c^vmv- beten fic ben ,,®cut[c^en Sitcraturfafeiibcr", beii fie bann frcilid^ uom fünften ^a^rgang ah an 3'ofepl) ^ürfd)ner abtraten. (Srft it)r jröcitcr ^öerüner 3tufent; ^alt ^ah ilyvan ^Jluftveten ben entfdiei'benben (E^orafter uiib ßrfolg. 1882 crfdiien ba§ erfte .^eft toer üon il)ncn gegrünbeten 3e'tf<i)i^ifi /, ^^ r i t i f c^ e 2B a f f c n = gonge", xoo unter bem ^itel „Sßo^u, SBogcgen, ?ßofür" (5. 7) roörtlid) Ijei^t : „iRei^en ratr bie jungen ©ciftcr los aus bem 33iarinc, ber fic umfängt, mad^en luiv il)nen Suft unb ^lut, fagen mir iijnen, ba^ baö §eil nid)t am äggpten unb §ellaö fommt, fonbern ba| fie fc^affen muffen am ber germanifdjen 3SolföfeeIe fierauä, ba^ mir einer ec^t nationalen ^i^tuug bebürfcn, nid)t bem Stoffe nac^, fonbern bem ©elfte, ba^ mieber anjutnüpfcn gilt an ben jungen ®üet()e unb feine .ßcit, unb ba| mir feine weitere J^ormenglättc brauchen, fonbern met)r 2^iefc, mei)r ®Iut, mel)r ©rö^e. in bis signis pugnabimus. nur um foI(i)er ^\(k roillcn magen mir eö, unö ein eigenes Dr^an ju f(^affen unb teitjuneljmen an bem stampfe, ber entbrennen mu^ unb aud) an eingcinen Stellen bereits jum ätuöbruct) gcfommcn ift."

Um bie Srüber .«port fammeltc fid) je^t ein neueö Serlin. Seibe t)aben „(Sr- inncrungen" gefc^rieben, fo ta^ mir über jene mic über bie fpätere ^t\i anö) burcö fie felbft aufs befte unterrid;tet finb.

3unäd)ft mar es perfönlid) bas reine 3i9f^i'if^"^^^'-»/ ^on Sßoljogen fpätcr im „Sumpengefinbel" farifiert. ^aö ®efd;Ied)t biefer neuen Stürmer unb oranger, ber fogenannten ^üngftbeutfd}cn, batte nid)ts ^u effcn unb Diel ju fagen, roaS fid) ntd)t in bore 2Rünje umfe^en lie^. ^n ber bürftigen 3Bof)nung ber !Srüber ^ort fanben fid), mie ouc^ ^Bölfdje er^ät)(t, bie feltfamften ©eftoiten ein, bie afle non ben menigen ©rofd^en ber beiben jebrten. ^aS 3tbnorme allein f)atte xHuSfidjt auf ä(ner!ennung in biefer neuen ©eniepcriobe: „ß"S galt für eine befonberc G1)re, ^rrfinnöonroanb= lungen gu ^oben. Trumpf roor es, menn einer nad)roeifcn fonnte, bafe er bereits einmal, incÜeid)t meI)rma(S einige 3cit i" fi"^^ 5Jeri)enf)ciIanftaIt ober gar in einer 3lrrenanftalt mitgebracht I)atte."

%\e erften ^^^roben il)res poetifd)cn "I^alents lieferte biefc ^iiflcnb in ber Iprifc^en Sammlung 53( 0 b c r n c 1) i c^ t e r (^ 0 r o f t e r e ", bie 1884 oon Stl^clm %xtnt brci^igjöl^rig fiel er in geiftige Umnadjtung mit einem 58ormort Don ^ermann (£oiirabi (geb. 1862) unb f arl .^cntfcll (geb. 1864) bcrousgegeben mürbe, ^ie Slntbologie, für bie unter onbern awd) bie 33rübcr §art, ^olg, .s^ort^ leben unb ilirc^bad) Seiträge lieferten, manbtc fid) ftürmifd) gegen aUe fonuentionclle .^unft, gegen bie Sd)abIone, gegen bie „morfi^c unb I)a(tIofc ^^abriforbcit". ^oS fd)önfte Stücf in biefem erften T)id)terbu(^e ber beutfd)en 9laturaiiften ift ober bod) roo^I boS „öepenlieb" SBi(benbrud)S geblieben, ben mir innerli^ nid)t gu ben ^l^rigcn jöblcn fönnen, menn er oud; ^eitmeife mit i^nen lebte, bid^tete, bebottierte unb um bie gro^e beutfc^e 5lunft ber Sufunft ftritt. Silicncron fel)lt.

3Bie febr bie meiften bier uertretenen SdiriftfteUer and) fonft mit ben fojialen

a)htncf)cn uiib i\^d\n 583

©ebmifeii ber 3>-'it mitninncii, äcic^cii bcifpiclöuieifc bic aBortc, bic in .Ociicfclö (Siebidjt über einen (Bclicntird)enev Streif bie ©rnbenleute uor bem i'xnifer fpredicn:

95>ir Lierlnn(ien, 2Büö lüir ererbt, S^d)tftün^il•^c Sd)id)t, ÜJiel)r üürberl)anb nid>t.

3u bcn „.^ritifdjen Sönffenciäni^en" c[c']cViU fid) 1885 eine Ünmpficörift <^avl ^leibtrcuö : ?)i c n o ( u t i o n ber ^ i t c r a t u r ". ^Heinbolb 2cn.^, ber Tid^ter bcö alten Stnrmco unb ^rnnt^ecv luirb f}icr ,yiionitncn mit Tictrid) ©rabbe a(o fünft- lerifc^eö 33orbi[b (lirnjcfteOt. ^ie j^ra^cn beö oo;;ialiömiio uuD ber ^D^ationnlitäten crtlört er für bie c^ro^en ^bcnicn ber Sufunftopoefie. .^oclöfung uon aücm >^ürm= Siuang unb fonoentioneller ^}Jiorn[ ift and) feine ^orberunn.

5n benifelben 3al;re 1885 c^ah .C^eiuric^ .«löart aud) nod) bic ^-W e r l i n e r aUo nci t ö^ef t e für IMterotnr, ."Rrilif niib Tbcntcr" bcnincv Die freilid) nur ein t)all)eö ^^ai)x lebten.

'3)ie natnrnliftifdje Semet^inn bnnft übcrt)aupt ihre (irfoli^c .^um Icil bem ^Qrm, mit bem fie norninn, vor allem Der (lefdiicftcn ^'^^ropaiinuDo ihrer 2?ereinc. Tu ift an erfter Stette ber uon .^ioiirob Äilflcr, i'co iöcrg nnb (vnj^cii 'Ä^olff, ber boö cd)(anmort „^ie :3Jkibernc"' neprüi]t I^nt, 1887 (;ienrünbetc 'l^erein T; n r d) " 3U nennen, in bem auc^ bie "örüber .Oart, ber rcli(^iöö=fü5ia[eÜ^nnio Siüc {(\d\ 18(50), ber ^arminianer SilfKlni SöölfrfK (iicb. 1861), ber fpätere (iH'fd)id)tid)roibcr De-o „^ün(]ftcn Xentfd)(anb" ^(boIDcrt Uoii <N>niiflcill (1861 1904) fomie bie foniequcnten 9?Qturanftcn .t}ol,^, Sd)laf nnb C^). .Hauptmann uerfebricn. Ta,^u traten u. a. 1890 bie uon .öeinrid) ^nrt iiic Veben (H'rnfene a r c i e 1 i t o r a r i f d) e (^i e f e 11 -- fc^oft" in 'Berlin, bie uon (SonraD in l)iünd)oii lU'a.rnnbctc W c 1 c 1 1 f d) a f t f ü r m 0 b e r n e ö 2 c b c n " iomic bie nod) beute beftebeuDe V i t e r a r i f d) e ö e f e 1 1 f dl a f t " in Jöambnri^, ,^u bereu trcibeubcn Kräften iL'iliencron i^i'^Hn-te.

ße^cn Gnbe ber ad)t,^itKr yS^hic nberfiebelte ein (^rofun- Xeil Deo juniien '^er^ liuer Xid)tcrncid)lcd)tö Dcmouftratiu nufö ii'anb. Tao uuiren bie fdiönen 'iciiyc, bereu (Srinnerung fid) tnüpft befouDcro an bie 'i)lamen ber beiDcn "in^rorte IS'rtuer, luo .Oaupt^ manu ^nerft u)ol)ntc, nnb raun a r i e b r i d) c b a (^ e n , mo fid) am linbe aOe ein: trQd;tifl ^ufamuieufanbeu.

„Teuf id) eurer, o ^lage oou J>riibrid)c.baiien", ruft C\nliuo A>art in feinen ()ierl)er (iel)öreuben, ,^nerft 1909 ueiöffentlidUeu, 1919 n'ejontlid) eri)iin,uen ^^'ebeiic^ erinnerunqen, t>ie mitbin allein literarbiftorifd) nod) nid)t lU^".^ lu'nueriel finb - „ha mir an beu SBaffern Deo Diünflclfeeo fafu'u, io fteint ec mie ein ÄinMubuft um mirf) auf, löie ein Gooe fliiuit eo anc- bioni)fiid)eu ::1(äd)len unb ein l'ad)eu ber '^iatnr unb ©rbe. 2Bie ein (Silaub [a(\ nnfer Möniiireid) mitten im Wemiibl ber 5i.^eltftaM unb bod) meit, meit fern uon ibr in einem ftilleu C.^eau - mo mir, ein nnbeid)u»orener 33uub ber ?vröb(id;=^-reicn, burd) floifticie unb ^erjlid)e 3nmpatbieu miteinauDer uei; fnüpft, unter Sann unb caitcnfpiel ber "DIatur, ber A{unft unb ber V.'icbe freiitebiii opferten ^^n meinen t5rinneruu(\eu leud)ten bie J^-riebrid)c.banenev ^"^abre

584 - J)cr 'JJatiiraliömu'3 unb feine ©egenftrömimgni.

meineö ßebenö uiib f^öter bie ^al^re einer , bleuen ©emeinft^aft' am 6c^Iad;teiiiee nur roie eine glücflid^^^I^Ö^ S^fel ouf-" ®aö ^rimitioe gerabe, ba§> bamalö no^ bäuerlich) Sänb[icE)c biefeö SßorortS lodte. ,,^er ^au6) ber ©rbic^oUe, ber am äßann^ fee bereits gan^ gefdimunbcn, mar I)ier noc^ träftiglirf) gu fpüren." S^^O^n unb ^öi)e gab i)a unb einen ^irten, wie i^n bie neue 5lunft brauchte, benn er „fnl) oöttig naturmal)r aus, börfü^ [truppig^ruppig unb voi) fcf)on uon weitem I)er fräftig nac^ ©ton, 9J(ift unb ^fü^e. SBeber eine SJleininger ^ü^nenfunft nocf) Dtto 33ra^mö burrf)gefüf)rtcr D^aturaliSmuö ifätkn i!)n beffer unb d)aratterifti[cf)er I)erftellen fönnen." 2)en 9)littclpunft biefeä ^r€ife§ im 33erliner Dften bitbeten mit Hauptmann unb ben Srübern ^art bie beiben üorI;in genonnten SBiUe unb Sölfd)e, in ©rfner ai\6^ no(i} ?(rnc ©arborg, ber normegifc^e 33auernbi(^ter, in ^riebrid)öt)agen ber fc^iücbifc^e 5JloDeIIift Die t^onjfon , auc^ SSerfaffer be§ SBerfeö „$Daö neue ©fanbinanien". "SDiefe beiben ©tanbinaüier foroie Hauptmann, SBiUe unb 33ölfd)e luaren f(^on bamalä rer- ^etrotet, non einem allgemeinen 3iöcunerlebeu !ann man atfo ni(f)t met)r reben. Söet ^anffon iüoI)nte eine 3ßitlQ«g ^"(^ ©trinbberg, beffen auffaflcnbe äußere ®r= fc^einung non Julius ^art plaftifcE) gejc^ilbcrt mirb; „Unter einer prac^tuofl ef)ernen Stirn üoU Isolier europäifc^er ^nteUigenj ein paar grüblerifd^ fuc^enbe 3tugen innerer Unrul)en unb Dualen, unb barunter eine plumpe geroölinlic^e ^^lafe .... ein fleiner ariftofratifcfier 9Jlunb mit üollen unb üppigen finnlirf^en Sippen, bie narf) bem 2Bcibe fu^ feljnten, unb barüber ein !ecfeö üermegeneö ©c^roebenbärti^en, nac^ oben ge= flrdubt .... ©ine 3tbenteurcrnatur unb reoolutionäre ©eele [tecfte in bem rebellt= jc^en Sodengemirr unb tro^igen ^aargeftrüpp .... ©in ^inn o^ne alle ©nergien, ber t)öc^ften ©c^roöd^e unb 2ßiIIenIofig!eiten, fataliftifdier Untermiirfigfeit unb ©r= gebungöbcbürfniffe." 35er ^ömon 3lIfoboI l^atte ibn in ber ©emalt: „'Daö delirium mit tanjenben 9)?äufen rcarf einige «Schatten neuer 3tngft unb inneren feelijc^en ©raufenö über bie fonft fo i)oI;e/ fd^Ianfe unb fräftige Q5eftalt." Um ©trinbberg oller^ bingä gruppierte ficf) auc^ bamatö ein jigeuner^aftcö treiben, bem bie 3^ricbrid^ö= Ijagener g^reunbe im allgemeinen fernblieben, ©ein Hauptquartier in feiner SSerliner Seit mar ein ®elifateffen= unb jlolonialroarengefc^äft in ber bleuen SßiHielmftro^c na\)e ber ^orot^eenftra^e, wo [\6) unmittelbar neben bem Saben, burcf) eine ^ür ob= getrennt, ein fleiner S^-aum mit ^legalen für bie Sßein; unb ©pirituofennorrötc ber j^irma befanb, ber ©rfiaupla^ näi^tlicf)cr ©elage biefeö ©trinbberglreife§. 'J)a über ber 3lu^entür beö ^aufeö eine ©c^meineblafe alö 2Bat)räei(^en angebro^t roar, murbo üon feinen literarifc^en S3efurf)crn „®aö fc^roarje ^^erfel" getauft. .^\ex ergrünbcte man baö 2Befen ber ^unft unb trän! ben fd^mebifd^en non ©trinbberg jubereiteteii „^obbt)" ©rog Don Äognaf mürbe ber '^eutfd;e mit jroei anbern grembroorten fagen. „^u ©trinbbergö j^ü^en aber", erjöliU raieber ^nfiuö .^art, „lag in tiefften Stnbetungen unb ©fftafen bie polnifd)e ©eele ^rjpbpc^cmöfis oerfunfen unb !ü^tc nad) alten flaroifc^en ©ittcn bie Siodfäume beö größeren germanif^en Sruberä .... 9Ri(^arb Xeljmel aber ftanb mit pricfterlic^ fegnenben .Oänben über beiben unb feierte ben ©Ijebunb jmifc^en germanif^er unb jlamifc^er SRaffe unb .tunft." ^en ?5riebric^ö= Rogener Sixei^ erweiterten non 3eit ju ^e\t auömärtige 33e)ud)er wie ^artleben, S[Bebe=

Wünc^en unb iSeilitt 585

finb, ^laifrfjlen, ^albe, Tlada\), «öollnnber, öcgclcr, ©umppenberg, .^irfc^felö, ^olenj, (5. Hauptmann, 2J?er|er=^örfter unb bcr mahx Seiftiforo. ^m ärnilid)en ^tämmerlein ju ^anforr>=Sc^önl)aufen aber bid)teten ^olj iiiib Schlaf \i)x unb beö bcutfcficn 9Jntura= liSmuä entfc^eibenbeö erftlingöbroma, bie „gonülic Sclictc", iiiä{)rcnb @. Hauptmann „SSor ©onnenoufgang" fc^ricb.

^e^t I;ntte bie 33erliiier 'Ml)m ha^ SBort. ^n ^ariö l)ntte 3ln t o i n c, iirfprüng= lic^ ein Äommiö, taö „Th^atre libre" gegrünbet, baö am 30. grjärj 1887 eröffnet rourbe. ®aä roar eine 33üi)ne, bie iinaufgefiil)rten Studien junger ^icf)ter jur Öffent= Itc^feit unb 5?riti! oer^alf. ^nran backten SBoIff unb färben, alö [ic an bie 3luö^ fü^rung eineö ^kneä gingen, ben in anberer Sßeife cinä) bie 'Iküber .^art frfjon cr- lüogen f)atten. „ßineö 3(benbö im %l)ca{cx", er5äf)It ^uliuö, ,,trat in ber 3iuiic{;enpaufe 3::f)eobor SBoIff an mic^ tjeran, ber bnmalö aH blutjunger 2Infonger t^eatertritifd; beim .Serliner 'Tageblatt' tätig mar, unb überbrad^te einen ®ru^ non 3.1? a p i m i l i a n färben." 3JJan motlte einen bramatifrf)en 33erein grünben, ber eine 'Süi;nc für bae üon ber f)errfd^enben Slid^tung perfemte ^rama f^affen foQte. ,,®inige Xage fpäter fam bann noc^ ein ^riefiein, melc^eö ju ber grunblegeuben SSerfammlung nad; ber SBein- ftube üon ^empinsfi einlub, mo \iä) jur feftgefefetcn Stunbe bann unter anberen neben ben ßinlabern DttoSraf)m,^aulS(^Ientf)cr unb 3 u li u ö S t e 1 1 e u I) e i m einfanben, 3 o n a ö al§ 3Rec^töanmaIt unb juriftifc^er 33erater unb S. ?^ i f rf) e r , ber SSertegcr." ^ier mürbe nun an einem 9)Jär5fonntage bie Sa^ung beg "i^ereinö ^^ r c i c 33 ü f) n e " feftgefteHt, beffen meitere, nid;t bei ber ©rünbung anmefenbe, jafjlcnöe 5RitgIicber nur 3Infprud; auf ha\ ^^eaterbefud;, aber nicbt auf bie Xeihiabme an ber tünftlerifc^en i?citun<j i)übcn [oUten. 3(lö jum e^üFirer Ctto 53ral}m gcmäblt murne, f^ieben SBofff unb färben auö, unb an beren (Stelle traten Submig ?vulba unb ^^rife 9}?autl)ner. %nx bie Slufful^rung mürbe ta^ ^eutfd^e 5:i)oater gcmonueu. ^m @e: genfa^ 5U bem fronjöfifi^eu llntcrnef)men 9tntoineö foUte hati beutfdic nidjt materiell geiüinnbringenbcn Qxvcden bienen, mie id)ün 1889 3c^lentl;er betonte (in ber S^rift „SBoju ber Sörm? ©enefiö ber freien '5übne"). „Gö foOen", biep es ferner in bcr 9(nfilnDigung, „raäf)renb bee XT)eaterjaljreö in einem ber erften 53erliner 3d;aufpier= f)äufer etma gel^n 3(uffüf)rungcn mobcrner Tramen mm {}crrorragonbem ^^utercffe ftattfinben, meldte ben ftänbigcn Dülmen ibrem SÖcfen nad) fd^mercr 5ugänglid; finb."

^ergegenroärtigen mir unö nodjmalö bie Flamen ber ©rünber: 5l>ülff unö färben als 3(nreger, .^fini^ic^ ""^ ^uliuö .öart als bemnäd;ft 03cla^ene fic rejenfierten bamaU in bcr „2:äglid)en ^)iunbfd;au" , bann 33ra()m unb 3d;lcntber, ?^ulba unb g«autf)ner, ^onaö unb S. gifc^er; im ganjen jclju, nac^ bem iUuöfdjeibcn ber beiben 3Inregcr a^t

^m September 1889 mürbe bie „greie Sü{)ne", ber eine glcid)namigc ^c'\U fdirift aur Seite trat, mit ^bfenö „öefpenftcrn" eröffnet im ^läx^ b^tte übrigens baö ^gl. Sc^aufpielt)auö bereits ^bfcuö „^rau uoni 3)Jeere" aufgeführt -- nnb von ben forgfam auögeroä^Iten Sdiaufpiclern, oor allem 3lgneö Sarmo alö ^Icgine, ju glän^

aenbem Siege geführt. 3>anac^ „gab'ö bn Kempinöfi ein ^eftmal)l bie Speife-

!Qrte mar mit einigen 9lnipic[ungcn auf ben 'X^idjtcr gegiert, unb alo .^auptlccfcrbiffcn

ö86 Xcv 9?aturQli«nni'^ unb feine ©egenftrömungeii.

cjnb'ö ,2Bi{beiite'." 3llö jiDcitcs ©tüd ivurbe .*^iauptmannö „330v Sonnenaufgang" gegeben.

1)amit tomincn wir ^um !onfequentcu ?IaturaIiönui5. ^^oriucg aber ncl)men nur einige ®aten. 3(lö jiDeiteö natura(iftifd;ee X^cater traten bolb barauf bie 'S) c u t [ d^ e 33 ü I) n e " fonne unter Seitung dou 33runo SöiUe bie g t e i e 33 0 1 1 ö b ü ^ n c " (1890) inö lieben. ®ie (entere bcftel)t in einer Slbj^raeigung mit Dielen STaufenben uon 3Jci'tgüebcrn alö 91 e u e freie 33 o l f ö b ü ^ n e " noc^ b^ute. Ctto 33rabm aber nnirbc bcr Seiter beö ®eutjd;cn unb beö Seffing-X^eaterc in 33erlin, ^aul oc^Ientt)er ber beö 33urg=X()eaterö in SBien. ^ie Leitung ber 3«itjd)rift „Xle freie 33ül;ne" ging anö ben .^änben 33rabmö in bie uon ^uliuö i^art, Söiüe unb '-öicr^ bäum über, biö fic fcblic^Iid) auo einer SBodjcnfcbrift in eine ^Jlonatfi^rift unter bcm Sitel 9^ e n e 9t u n b f d) a u " umgemanbelt mürbe, je^t geleitet uon 0 ö f a r 33 i e.

>Der beutfd)e 9?aturaliömuö roar ba, boran liep fid) nid)t mebr ^meifeln. 3lber ci tam ju fpät, baö Sluölanb I)atte boö 33efte f(^on gefagt, ha^ ©rö^te getan. „iQeutc", fagt aud) ^uliuö .^art, „lüo bie naturaüftifdie Gntmictiung nöEig abgcfc^Ioffen l)inter unö liegt, fann man nid)t mel)r leugnen, tia^ bie bcutjd^e Jlunft biet bod) im Hinter- treffen geblieben ift ^ie ©rbfd^möd)e aud^ unferer .^unft beftanb barin, ba^

fic ficb immer mieber latinifiert, itaüanifiert, franjöficrt unb anglifiert t)atte."

2(ber bie neue bcutf^c £unft fanb bod^ auc^ il)re eigene 9lote: ben fonfeqncnten ^laturaliömuö, ju bcm unö .^olj, Sd)laf unb @. .Hauptmann füf)ren.

*^. ^er foitjciiuentc 9iaturali^mui9.

^er S3egrünbcr beö fogcnannten fonfcguenten 9laturali'ömuö ift %n\0 .f)ol3 (geb. 1863 ju 9{aftenburg in Oftpreu^en). 'I)ae @efe^ biefer beutfcben ?^orm ber internationalen naturaliftifdjen .^nnft lautet: „'I^ic .^unft f)at bie ^enbenj, mieber bie 5ktur ju fein. Sie mi'rb fie nad) 9Jia^gabe ibrer jemeiligen ^kprobuftionöbebingungen unb bercn ^aub^abung." 3Lkröffcntlid)t rourbe biefeö ©efe^ uon ^otj in feinem 33uc^e „®ie .^unft. ^l)x SBefen unb i^re ©efe^e" (S. 116), bae 1891/92 in ^Berlin erfdbien unb 3- Sdjlaf gercibmet mar.

3[ßic ift ^olj jju biefem ®efc^ gefommen unb roaö bebeutet eö?

^Juögegangeu ift ^olj uon ben großen SSanbfungcn in ber fran,^öfifd)en ßite= ratur. Sr blicft jjunädift auf bie literarif(^e (Sntmidlung jurücf. 3otn fei praltifd) non 33al^ac, tf)Coretifd; uou ^ainc beeinflußt. ^olaQ „Oeuvres crltiques'' fteljen genau in bemfelben 3lbbäugigfeitöüerbältniö ,yir „Philosophie de l'art" beö einen rcie fein „Rongon-Macqu;n't"=39fl^i'ö ^ur „93icnfd)lid}en Äomöbie" beö anbern. 33eibe

5ffierfe mären obue biefc 33orgänge nid)t gefd)rieben morben 9Jlit 2:'aine l)ob

in ber 5tunftmiffeufcl)aft eine neue 9tra an. ©r mar ber erfte, ber bie naturmlffen- |d)aftlid)e 9JJetl)obe in fie einfül;i:te; ber fie nid)t mel)r auf 'iI)ogmen gegrünbet roiffcii rooUte, fonbern auf G5cicfcen. (Sr mollte auö ber .flunft eine 9?aturmiffenfd)aft madjen, „une Sorte de botani(itie ;i|)|)li(jue, non aiix ])lai>tcs, mais aux oeiivies hiiniaines". 3(ber, fagt .»Qolj, ein in ber '^pijojitafie burd)gefül)rtcö ßyperimcnt ift ein Unbing.

©r beginnt bann (S. 107) ein fleineö ßrlebniö ju erjä^leu. „33or mir",

Tor fonfcqiicntc D?atura(iomu6. 587

fnqt er, „auf meinem ^ifd; liec^t eine 5d)icfertnfel. mt einem oteinqriffcl ift eine Jic^nr auf fie i\cn\ah, am bcr id) abfolut nidjt Ihn] werbe, gür ein Tromebar l)at fie nid;t 33eine genng, unö für ein ^eyierbilb: .5Bü ift bie ^at:>V tommt fie mir mieöev ja primitii) vor. 'am cl)eften möd)te ic^ fie nod) für eine 3c^(inc;;iflanje ober für bcn (Srunbri^ einer Öanbtarte Ijalten. ^c^ mürbe fie mir oergeblic^ ,^u erflären ücr^ fachen, mcnn id; nic^t müfste, ta^ il)r Urijcber ein tfciner ^unge ift. ^d) I)ole il)n mir alfo Don brausen auö bcm ©arten ^cr, roo ber Sengel eben auf einen .slirfc^baum ge^ tlettcrt ift, unb frage il)n: ,'^n, maö ift baö [jierV Unb ber ^unge fiebt mld) ganj nerrounbert an, ba^ ic^ \)acj über()an;it nod) fragen fann, unb fagt: .©in Sulbat."'

SSarnm, fragt ^olj, mar btefer „Sulbat" fein rid;tigcr „colbat" gemorbcn? Dnö lag erftenö an bem fc^Ied)ten aJiatcrial, jmeitenö an bcffen mangelbafter .»panb- babung. ^m übrigen bcftel)c jroifc^en biefem „Sulbaten" unD ^Kaffaelo ciytinifc^er llkbonna fein 'litt-, fonbern nur ein @rabunterfd)ieb. ^aö .^unftmerf roiß ein 5tücf 3iatur fein, unb fommt auf bie ^Tkprobuttionöbebingungen unb bereu öanbbabung an, roie roeit baö gelingt.

(^ ergibt fid) für ^ofj atfo bie f^Heic^ung:

ilunft - 'i)Jatur x.

2)ie jebcömalige ®rö^e ber betreffeuDen fiüde x mirb beftimmt burc^ jene bei^en Umftänbe: „nid)t blo^ burd) bie febeömaiigen ^)IeprobuttionQbebingungcn bcr Shin\t rein alö foldier allein, fonbern aud) burd) bereu jebeömalige, bem immanenten '^\el biefer Tötigteit mef)r ober minber entfpredienbe .^anbbabung".

1)cr £a^ ftö^t für ^otj bie ganjc bic.I)erige 3(ftl)etit um uon i?lriftr»teleö biö Xaine unb beffen „'!|3apagci" S^la. ^nfolgebeffeu gfaubt er auc^ bie neue .^unft für national beutfd) erflären ^u fönnen, uid^tö fei if)r uon jcnfeito ber 5?ogefeu zugeflogen. 9J?it „'^ü]}a .^amlct" (1889) Ijabc bie neue üterarifdje (rntmirflung ihren iHufang go nommen. ^aö ift eine uou öolj unb feinem ^•reunbc S^Öonnci? 3tf)lnt (geb. 1862 jju •Querfurt) nerfafite 6rjäI;Iung unter bem "ipfeuboni^m i^jarne ''^-H'ter ."polmfen: ein Dr. Sruno ^^^ranjiuö erjäljlt in einem 'inirmort bcn - natürlid) frei erfuubenen !l^ebcno(auf beö uon il;m im fotgenben fdicinbar überf etilen ^Jormegero .öolmfeu. Tic SWeite ^robe auf ^aö ßyempel madjten bie beiben ^reunbe, bie fid) allerbingc ein :;"\abrjef;nt hanad) um it)ren Anteil an biefen Tidjtungen ftritten, mit einem Trama: „^ie gamilie Sciicte" (1890). ^ad) beffen iUuffübrung fd)rieb ber alte Aoutane in ber „5lUiffifd)en 3f>tung": „6icr fd;eibcu fid) bie '^((\c, ()ier trennt fidi alt unb neu."

Ginc tiefe .^fnft trenne if)n, betont i)o[,^ immer mieber, aud) oon ,»^oIa uup ^bfen. eine gonj neue 2prad)e fei für bie iluuft notmenbig, bie täglid)e Umgänge fprad)e, bie für ben 9Jicnfd)en allein bie natürlid)e ift; unb ein gan,^ neuer (^iegenftanb fei 5u fd)ilbern: bie Sari)e niri)t nur mie fie mirflid) ift, fonbern mie fie in jcDem 5lugenblicf mirflid) ift. T.id)tung mirb fo ju mirflid)feitoed)tor c^n)tanbofd)ilberuug. „©r cutmiefelte", er5äl)U .C^einrid) .t>art in feinen (i-rinnerungen, „feine :?lnfiri)t am Seifpiel eineö nom 5.^aume fallenben ^^latteö. Xie alte .Wunft bat lum bem fallcnbeu 5^latt meiter nid)to .^u melbeu gemufU, alG baf> eo im "UMrbcl fid) brobenö \\\ 'i^obcn

588 2)er 3taturaltäinu§ unb feine ©egenftrömunfien.

flntt. 5)k neue .^unft fdjilbert bkfen SSorgüng oon ©efunbc ju Sefunbe ; fie fci^itbert, löie bog Slott, je^t auf biefer ©citc com Sid^t bcgiönjt, rötlid) aufleud)tet, auf ber anbern fd^ottengrou erfc^eint, in ber näc^ften Setunbe ift bie ©ac^e umgefe^rt, fic fd^iübert, wie boö Slott erft [entrerf)t fäHt, bann jur ©eite getrieben trirb, bann roiebcr [otred^t fättt" ufro. '^loö) bejfer rcirb btefe 5lf)eoric begreifen, rcer bcn „^opa ^amlet" lieft, gumol beffen britte ©tubie „ein 5Cob", wo jroei ©tubcnten gemeinfom ^oc^t: n)Q(f)e am ©terbelager i'f)reö im 3)ueII oerraunbeten ^^reunbeö tjaltcn,

©c^on ^ola f)Qtte gefagt: „3)ie 5lunft rairb naturaliftifc^ fein, ober fie roirb ni'c^t fein." S)Qmit mar bem 33egriff fünftlerifc^er ?^rei{)eit bng Urteil gefproc^en. 3^iemanb ift me^r gebunben aU ber S^laturalift. "iDarnm crjic^en i'ljn ober auä) feine eigenen ^emmung-en jum ^iftator für onberc.

„Unter un§", er§äl)lt ^uliuö .^art, „fii)ritt älrno ^olj er^ob^nften ^aupteS boI)in, Don ©elbftbeiuu^tfein bur(i)brungen, barin mi^ fogar ^orl 33Ieibtreu noc^ überlegen, ©in fül)leö, fQtirifcE)4ronifd^cg, überlegenes Säbeln, raeli^eö feine Sippen ^umeift umfpielte, mai^te unä allen, raenn lüir mit if)m fprac^en, flor, roie roenig man iE)m gegenüber in ber 2öelt bebeutete. " Unb boc^ ^nt fid^ gerabe auö biefem Greife bie befte ^ritif jener 5Cf)eorien erl^oben. Saffen mir roiebcr ^utiuö ^art ha^ 2Bort roaö er ^ier fogt, oerbient immer roieber gebrucft p werben : „^eute ift faum nocE) nötig, ha& (Sinfeitige, 33efc^ränfte 3olof(i)er wie ^oljfc^er ^unftkf)ren barjulegen unb auf eine ©efcfiic^te f)inäuroeifen, bie unö anä) immer roiebcr baö gerabe Umge!el)rte geigt, roie 3'iatnr unb Äunft fid) fliel)en, al§ \)öä)\k ©egenfä^e, antipoIarif(^ einanber gcgen= überfteF)en. 3Jiit genau bemfelben ^fiec^t fann man au^ uon einer S^latur fprec^en, bie allein bie ^enbenj ^at, 5lunft gu rocrben. %u $Darftellung beö SBirüid^en roie fie bie allgemein europäifc^e ^tftlietif in ben ai^tjiger ^al)ren prebigt ift roeit melir unb e^er eine 2(ufgobe ber SBiffenfd^aft, bie SBal)rl)eit§forberung eine roiffenfc^aftlic^e ^orberung. ©anj ri(f)tig betonte befonberö bie 3olafcl)e ^tftljctif, roie fef)r bie ^unft be§ 9laturali§mu§ üon roiffenf(^aftti(^en ^wedcn unb ^enbenjcn bel^errfcEit mar. ^em- gegenüber fprac^en mein 33ruber unb ic^ non bem ibealifcE)en SBefen ber ^unft alö" einer befonberen £raft unb ®ah( bcö menfrfilic^en ®eifte§, planmäßig fc^öpferif^, neu= bilbenb unb umgeftaltenb in bie 3'Iatur einzugreifen unb fici^ über fie ju erl)eben, fie ju fleigern unb ju »erüoEfommnen, gu üerebeln unb ju oerbeffern. Sßenn ein roiffen- fc^aftli^eö ^enfen unb ©ef)en unö geigt, roie bie Sßelt roir!li^ ift, fo l)at bie ^unft \\)x Orö^tes unb S3efte§, il)r ©igentlic^fteä in einem ibeal=DorbilblicE)en ©c^auen erroiefen, roie attee aud) roo^l nodb anberö unb beffer fein unb rocrben fönnte. tiefer fünftlerifi^- pTomet^eifd;e ©eift ift eä, ber in eine S^iaturroelt erft bie noc^ gang anbere neue .Kultur; roelt rein menfc^lic^er ©rfinbungS; unb @ntbedungöföl)igfcitcn biucinfe^tc. ®ic 3Ser5- fpra^e beö 'sDiditerS ift unb foH nod) ctroaö anberes, oiel 33effereS, ^ö^eres, ^oll= fommenereö fein als bie 2intagö=2Bir!lid)feitöfprac^c, roie fie üon jebermann auf ©tra^e unb ®affe gerebet roirb. ®er fonfcquente 9laturaliömuö eines 2lrno §olj fanb bicfe 2intag5fprad)e roal)rl)aft rein, nolltommen, fonfequent entroidelt oor allem in ben (SlenbSroo^nungen ber ^interl)äufer, 5?eller unb '5Dad)fommern. ©ort ^atte ber 2)i^ter JU lernen, roie mon fprid)t, roie man ftammelt unb ftottert. ©oUte eS aUi

Der fonfequentc iRaturalismu*. 58J)

üielleic^t iiic^t boc^ beffer unb rirf)tiget fein, raenn bie tinbcr bcö Siatags, bcö ^er^ fömmlid^cn unb ®etr)ö()nlic!)cn lernten ^u fel)en unb fprecf)en, luic ^ic^ter rei)en fönnten?"

Dieoolutionöreg ©cbafjven, Suc^t norf) Originalität im 2Iuöbrucf, i^ampf gegen Äonoention, ©ogiolifierung beö ©ebanfenö, STrimalifiernng ber Sprarfie, ^luföecfnng öller mögrid;en Schaben nnb Übel, peinUdje ^^arfteüung beö ©[enbä, in ber ©efc^ic^tc ©rfaffung ber einzelnen Umftänbe unb Scbenöbebingungcn ha^ aües fennjeic^net biefe 33en)egung, bie baburrf) bod) nod) feine neue 5lun|t ju jrf)Qffen cermoc^tc. Unb bie üon iljr erftrebte 9Baf)rf)eit: getreu fopierte (Sinjelljeiten ber Sßirflic^feit luerben gerabe baburc^ unroal^r, baf? fic unter einen beftimmtcn fünftlerifc^cn ©eficfitepunfi, (lifo in einen mef)r aber niinber neuen 3iiiainnienI)Qng gebrQd)t roerbcn. 2)icfeö nnrb f)äufig genug boö jeigtc fic^ ja fd;on bei ^olas 3f?omanen burc^ eine befonberc Icf)rf)afte 3lbf{c^t beftimmt. ^ie ^Tenbcnj aOein madit bie tünftlerifc^e ©cltung bec» tonfequenten 9laturaIiSmuö bereits unmöglirf).

2)amalä inbcffen fa^ man nur ha^ 9(cue, Unerliörte. Unb maren boc^ 3af)rc, bie eg roert moren, erlebt ju mcrbcn. SBie bie bciben ^oeten in il)rem 23orort ^ouften, erjäl^lt unö ^oiy. ^^Unfere ffeine Sube I)ing luftig luie ein 3SogcIbanerd)en mitten über einer rounberboren 2ßinterlanbfrf;aft, Don unfern Sc^reibtifd^en auö, por benen roir bafo^en big an bie Olafen eingemummelt in grope rote 2BoIIbcden, fonnien mir fern über ein oerfc^neiteö Stücf ^eibe meg, baö uon .^räl^cn mimmelte, aQabenblic^ bie märd^enfarbenften Sonnenuntergänge ftubieren, aber bie SBinbe bliefen unö burc^ bie fd)lec^tüerfitteten kleinen g^enfter oon allen Seiten an, unb bie ?^ingcr luaren unö tro^ ber üierjig bi'den ^re^fo^len, bie mir aQmorgenblid) in ^cn Dfen f(^oben, oft fo froftoerflammt, ba^ mir gejmungen marcn, unfere 3{rbeitcn fd)ün auö biefeni ©runbe jeitrocife einjufteHen. Tcnn mitunter mußten mir fie an^ nod^ auö gonj onbern ©rünben quittieren, ©o 5. S. roenn mir auö ^Berlin, mobin mir immer ju 3Jiittag effen gingen eine gan^e Stunbc lang, mitten burd) tSiö unb 3d)nee, mcil Dort .billiger' roor mieber gar 5U bungrig in unfer ^i^ogelbauerc^en ,^urüdgefrod)en marcn, menn unö ab unb ju, um bie 3)ämmerjeit, mäl;renb braui5cn bie ^-arben ftarben unb in du ber ©titte ringö bie Sinfamfeit, in ber mir lebten, plö0li(^ börbar mürbe, börbiu unb fül)lbar, bie 3JieIand)olie überfiel."

^m ^a\)xe 1899 tarn .^olj in feiner Sdjrift „iKeuolutiou ber Üvfxit" auf fein @efe^ mieber jurürf, inbem er je^t baö 2Bort „mieber" meglie^ unb für „jemeiligc S^eprobuttionöbebingungen" „9)Jittel" fagte. Sßae inbcffen non nornljercin nur be: bingte 2Bal)r]^eit mar, uermodjtc and) nad) einem ^ahr.^bnt nidn unbebingte ©cltung ju geroinnen.

3n 9?ieberfd)önbaufcn laö .^ol^^ 1889 ben „^^3apa .^amlet" ÖJerbari .Oaupi-- mann uor, ber nun ber j^rceite 3lnl;änger ber neuen .(tunft murbc. iJ^uf bcm Titelblatt bcö Dramas „58or ©onnenaufgang" l)eifet cö: „Sjarne ^. .^olmfen, bem tonjequcn: teften S^lealiften, ^ßerfaffer oon ,^apa ^amlct', i^ugeeignet in freubiger 5lnerfennung ber burd) fein Su^ empfangenen entfdKibeuben ^Inrcgung. lirfner, bcn 8. 3nli 1899.'*-

590 Der SWatarali'SimiS imb feine ©eciciiftröiminflen.

4. (S5ev()avt -l^oiHitmnnn.

9}uin iiuu] über ben ^Jlaturoliemuö ober über .Hauptmann benfen luie iiinii ruill: tu ^er l'itcratiirflefd)i^te, bie c^cifttc^e 2Berte oitö cinnnber ableitet unb burd) einnnber crflärt, l)nbeii [ie (}cute, ein 9Jienf(^cnaUer imd) iljrem 3luftreten in ^eutfdjtanb, i^re ijüc^ Qufrac]cnbc Stcüe.

®er fransöfifd)e ^kturalisniuö mar eiqenllid) jd)on 1891 tot, alö .^uret feine Umfrage „sur l'^^volution litt^raire" ueranftaltete. X)er beutfd;e aber {)atte no^ iiid^tä ficlciftct, bevor ©erbart Hauptmann auftrat. "J^aö finb ^atfac^en, an benen niemanb ad)tUK. ii'orübergeI;eu fann.

®er 20. Cttober 1889, an bem alö jmeite Seiftung ber „freien 58ül)ne" im berliner .^ef[infl=Xbenter „^or Sonnenaufqanc^" 5um erftenmal gefpicit uniröe, be- beutete, rein Ijiftorifd) gefe^en, in jebem ?^alle einen ©rfolg. 2Rit ber ^ifflönberei bier, ber patriotifdien 3^f)etorif bort ging ni(^t meiter. ®in 8üd)ner, ein Subroig, .^»ebbel manbeltcn boc^ imi)x in au5gefa{)renen ©eleifeu, als junäc^ft beutU^ mar. @eften t)örte man aucb in ben rcaliftifd)en 1)id)tungen einen S^laturlaut, unb ber fünftlidjc Telegrammftif, ber bie ^erba ei'nfad) meglie^, j. 33. bei 33feibtreu oDer ^er- mann ^5at;r, fonnte ibn ni^t erfe^eu. 3crbflctte ^rofa ift ebenforoeuig 5iaturaliömuö mie 2:t)caterbe!(amatiou ^ramatif. "iDieje manbcite bemüht ober unberou^t, von Sutt- {jaupt neu aufgeftut^t, in ben Satjnen ©uftau ^vfc^tagö, ber in feiner 1)ramaturgic forbert: „'J)er moberne ®id)ter I)at bem 3"f'^'iiifr ^i^ ftolsc ^^reitbe ^u bereiten, i>üx^ bie Söclt, in ber er fie eiufn()rt, burd;aus ben ibealen ^orbcrungen entfprid)t, meld)e (Bemüt unb Urteil ber ,§örer gegenüber ben ©reigniffen ber SBirtlii^feit erbeben. iT?enfd)[id)e SSerunnft crfc^eint in bem mobcruen 1)rama al§ einjig unb einö bem ©öttfid^en, atteö nnbegreifli'd)e ber SBeltorbnung nacb Den ^Sebürfniffen unfereö ©e= mütö umgebilbet."

®er naturaliftif^e ^ramatifer @erf)art .Hauptmann trat biefer 5Iuffaffung nid)t tbeoretifd) er fornol;! mie ^bfen 0'er3id)ten auf alle tbeoretifc^en 3(uöeinanber- fe^uugen , um fo mef)r aber mit f^öpferifd)er 3(rbeit entgegen. 1)ie innere @r- bebung über ben Untergang beö menfd)ficb ©ro^en uerft^minbet unb mit ibr ber finnüoQc 3(uögleid) beö ^ragifd^en unb 9lieberbrücfcnben burc^ bae perfönfic^ $clben= bafte unb 3?orbi(b(id)e. äfn menfc^lii^e ©röfee im alten Sinne glaubt Hauptmann nid^t, baö I)at ja ,ytle$t nod) feine ©rjäbtung „1)cr .te$er non Soana" beftäfic^t. ^er einzige .^e(b, ben man il)m aücnfallö nad)rceifen !önntc, märe ^forian ®et)er aber nud) mit bem märe ein 1)i(i^ter ber bcroifd)en ©efte mie 8d)iflcr gemi^ nicbt j^ufrieben.

tiefer 3»^/ ^ie menfd)Iid)en '^cmcggrünDe auf ibre roabre 9Jatur, auf it)re 5Uein{)cit neben bem crbabcnen Sdjirffal ,^urüct^ufüf)ren, gebt burd) bie uaturatiftif^e mie bie fr)mbo(iftifd)e iflunft; mir finben fie bei .Hauptmann mie bei '5)JiaeterIincf, mit bem er ja auc^ fonft manches ©emeinfamc f)at. 2öir merben ba auf bie ftillen 2Bir= fungen namentlid) ber beutfcben ^Ijiiofopl^ie 5urücfgefül)rt, auf S(^openbauer, .^art- mann unb Dlicöfdje. Über Sd)opcnf)auerö blofec 3Serncinung biefer fd)(ed)teften attcr Sßclten get)t (SDuarb von ^artmann meiter mit beutlid)er 9(unäbcrung an ben Stanb^ punft .^auptmannö. „^er ^effimiömuö", fagt er, „ift ganj mefentlid)c ^eibenfcbaft,

®cr[)art £'>auptmann. 591

f)cifecr aöuni'd) unb SBifle, tinö eIcn^ bcs Tn)ciiiö ,yi inKöevn unb bit Sd;äDcn ber @cicUid)nrt ^u bcffcrii. lir iDcifj jcl)r lüol)!, bap oQ jciri ^öciuül)cii in (c^tor Sinie eitel ift, lucil i>ie 2ßclt uoii bcii uier i^ropcn ilbcln: ©cburt, i^lltcr, Mrnntlicit, 3:ob nicf|t er= löft lücröcn fann; aber er läf,t bod) nid)t nh von jeineu iiiebciiö^ miö Öcibeiiöbrübein. (Sr üer5id)tet barnur, bnc. SScItiuel) aii|-;u()ebcn ; ober er arbeitet mit (iTiift, (iMfer uiiD (jntl^ufitiGimiG baran, bicö SBel; jeineu 3)iitmenid)en mcnigfteno erträfiLic^ 511 luacbeii." Unb 3Jietj)d)C, bc[fen 1^'brc 5U c^auptniannö Tid)tun(^ ben fdiärfftcn Gkcicninti bilDet, crtlärt ben müra(i)d) @ntcn für ein Detabenteö .»perbentier, bao uoni (S{)riftentuni, aber mic^ üon Sd^openlKuicr anertnnnte ilJitleib für öao c^röftte nllcr ^'after, für bie le^tc Sünbe, t>a ce ben iJluffticcj Der ':yienfd)l;eit, ihre Ciiitu)idlun9 jur Stärfe, jum Über= men[(^entiini l;inbere.

3(IIc biefe ©ebanfen, jo jcbr [ie im einzelnen noneinmiiier abmeidien, i^ben ben ^^oben l)er, auf bem fid; baö :?(ntfnnebrama Dec '^uiturnlicmuc. nufbnut. iHucb Öau^tmann ift ein ilinb feiner ^m, nud) feine ^•^üefie ift nerneincnD unb nntlapenb <(uc|Ieid), oi)Uc fid) jebod) mit her 3BeItQufd)auuut) 3d)openliauerö, .partmauuc' ober (^nr ^Jiie(jfd)ec. in eine l'inie brinc^en ,^n hiffcn.

^k naturaliftifd;e 'Seobnc^tuuf; bes uiirflid;en iiebeuö muf3tc i()n ebenfo rcie ^-Boljac, ^ola, Toftojeraöft unb ^bfen ju peffimiftifdjen (E'r^ebniffen führen, -llian er fennt baö lei^t an feinen nur patljologifd; c\an^ nerftänMid)cn C^Jeftnlten. ceine Trn= nien liefern flerabc,>n eine Tabelle für ^lranf()citen, bie fid; burd) 'Isererbuup, ?l(fi>boliQ= niuö ober anbere befonbere llniftänbe erflären. 3[>on bem "yal^nmärter Tbiel nei)t eine [anpe Seibeuöliuie über ben 9?euraftt)cniter 3Socferat unb fo niele anDcre, ,v '-y- ben a(terömeland;o(ifd)fn, feyuell nid)t mebr gan,^ normafen iUiifer .Horl -ju bem bnuieu ISmanuel Ouint, bcffen rcligiöier ®al)ufinu geiuiffcrmapen bie Spiße biefcr ^iUjramibc tion qleidjmobl naturmal)ren 'itbnormitäten bilbct.

iföo bleibt ba ber begriff nienfc^Iid)er im Tronui trai\i)d)cr 3d)ulb! ^ie :?lnf(afle nermanbcrt fid) in crfdjütternbc S{U\c\(. llnD bier feben ipir ben 2Öecv Der ,^urnrf ]\n .C^ebbel fü^rt. Ter Tidjter ,^urft bie i'(d)feln: „^\(i) faiin nid)i Dafür, t>c[^ bie Jßelt fo ift, aber fie ift leiber mirflicb fo." Sie alle fterben unfd)u(Diii, A3elene iilraufe, .Oeufd)e( unb Die übriiien, fie leiDen, meil fie geboren nntrDen, fie tragen Die SdjulD ibrcö Tafeiuö ab, unb ift etiuaö SBabres Daran, menn '^ullbaupt fagt, baf; fogar bac fleine .Manuele im Sterben bie fleiue Jvanft gen .^immel ballt.

Tie ^"yorm, in ber fid; .C>anptnuinn mit biefen ßrunbfragen Deo l'ebeno auc- einauDerfetjt, ift febr uerfd)ieDen unD meidjt oft genug uon Der naturaliftifdien ab. Jvreilid) bat geraDe er bie Aorberung beo fonfeguenten 'JJaturaliomuo, bie täglidie lim gangofprad)e ^u gebraud)eu, burd) Die 3InmenDung feineo fd)lefifd)en .OeimatDialeftö, Den oor ibm nur menige, ,5. "i^. .öoltei, angenniiiDt batten, genau erfüllt. 3eit Der 8turni: unD XrangperioDt' mar Die 3prad)e Deo mirtlid)en Vebenc, nnc Die unleren 3tänDe fie fpred)en, auf Der '3übne nur in lu'rein.^elten, uid)t d)arafteriftifd)eu ,'\-iillen /in boren gemefen. feinem geid)id)tlid)en Trama „Florian Wei)er" begnügt fid) ■{■Hauptmann Damit, Den 3d)riftftil Der Gbroniten jener 3eit ,^u übernebmen, obmobl ja geraDe Der oou Der 5i^irflid)feit nieit entfernt fein mnfue. Tanebcn bat .Hauptmann

592 ®cr 3?oturaIt5mu^ unb feine (Segcnftrömungcn.

feit bcni „öannele" aiiä) ba§ 3iomantifd^e, ^ijantaftifdfie, ©ijmbolifdie oufgcfuc^t, er })at fein roinantifd^cg 3)iittel t)er[d^mäf)t, am aUeriDeni'gften ben 33er§. Überall aber bleibt Hauptmann bcr moibernc £eben§reali[t, felbft bo, rao bie SRomantif gur Unform mirb, lüie in „Unb ^ippo tonät", bleibt er ber peffimiftij^e 2BaI)r]^cit&|'u(^er, für ben ©ntartung nnb 5?rnnfi)eit and) in S^rnum unb 9J?ärrf)en im 9JiitteIpun!t be§ ^nter= effeö ftel^en.

®Qö ift bie allgemeine ©runblage für baä $ßerftänbniö be§ ^id^tcrö, beffen ^erfönlid^feit, rcie fic feinen ^reunben erfc^ien unb uon biefem 3ufQ"^^«n^ß"9 mußten mir ja üorl^in unb muffen mir aud^ je^t roieber auögefien , bem in feiner SDic^tung fid^tbaren SBeltbilbe entfprad^. 2Ba§ er alö ^ünftter fdf)uf, mar bie @eftal= tung Don inneren ?5^orberungen, bie er alö STcenfc^ gu erfütten gemiUt mar- ©ine fol^c .^armonie mirft immer ft)mpatf)ifd^ unb foDte ba^er nirf)t uergeffen merben. 2affen mir aud; über ben jungen ©erfiart Hauptmann in feiner ©rfener 3cit 3"^'"^ -Ö^i^t ba§ 2Bort/ ber in feinen Erinnerungen mit frifc^er Sebenbigfeit beö 5toneö berid;tet: „^n früt)en S^^ren fd;on t)erF)eiratet, ein junger 3Sater, wrmöl^nt üon ber järtlidien Siebe einer fcelcnooll=gütigen ?^rau, bie mef)r mi'e ein SJJütterdjen alö roie eine ©eliebte um il^n ju malten fd^ien, l^aufte er in einer ftattüi^^mofinlicEi^n SSitta. ^n Serlin, an ben 3lbenben be§ ,®urd^', einer uon ben oielen ©efettf(^aften, bie überall jur ^örbe: rung ber neuen 33emegung bamalö auftaucf)ten unb rao id) if)n juerft fenncn lernte, crft^ien er, ftreng gcfleibet nad^ ben SSorfc^riften beg ^ögetfdien SBoHregimeä, boä eben alö 2lllt)eilmittel gur SBiebergeburt ber 3J?enfc^^eit angefünbigt mürbe, ©r fal^ auö, mie baö unuerborb^ne Sli'nb ber Serge nnb ber SSälber, baö fdE)on burdE) fein öu^creö ©rfc^einen atten etl)ifd^en SBiberfpruc^ gegen bie ©itten bcr SBeltftabt ju er= Ijeben fdf)icn. 6r mar auögefprodfiener 9^atur= unb ©efunb^eitöapoftel unb f)atte in 3üric^ ein ^eiligeö ©elöbniö abgelegt, feine Seele unb feinen Seib nie mieber mit tierifdf)cr J\oft unb mit fpirituöfen ©etränfen gu befleden, unb trug feine r)ege= tarianif(^en unb antiaIfoI;olifd^en ©laubenöbetenntniffe mit bem ftrengen @ifcr eineö ^rofeti)tenmad)erö nor. ©arnit unterfd^ieb er fid) fd)on fel;r unb l)ob ficE) aufföEig ab i)on ben mciften anbcrcn 3eit: unb ^unftgenoffen, benen ba^ berliner Sfiac^tfd^roärmen, boö ^ofulieren an ben SBacd^uötafeln mie gur graeiten ?iütur geraorbcn mar, unb bie, oon ben g^rüditen ber freien Siebe fd^maufeub, oon ben ^{)iliftcrbanben ber 6^e ni^tö miffen mod)ten/'

©erfiart Hauptmann rourbe am 15. Dlooember 1862 ju Dberfaljbrunn in ©d)Iefien geboren. (Sr befud)te guerft bie ©orffd^ule, bann in 33reölau bie 9?eaIfcE)uIe, mibmete fid; üorüberge^enb ber SanbmirtfdEiaft (bei ©triegau), ging mieber jurüd naä) Sreölau, mo er oon 1879 81 ber Eunftfc^ule angel)örtc, F)örtc barauf jufammen mit feinem 33ruber £arl 58or(efungen auf ber IJniocrfität ^eno unb begab fi(^ bann auf 3leifen, bie if)n über |»amburg nadf) Spanien unb i^t^iIifJ^ fül^rten. 1884 mar er ^nm gmeiten 3)^ale in Italien, mo it)n bie Semunberung 9Jiid)cl 9lngeroö erneut 5u bem SSerfud; antrieb, 33ilbf)auer ju merben. '^a^ feiner 9?üdfet;r r)crmöf)lte er fi(^ 1885 mit feiner ©c^roägerin 9JIarie 5J:f)i'enemann üon bcr er fid^ einige ^a^re fpäter jebod^ fc^eiben Iie§, um 3}?argarete 3J?arfc^aIf ju heiraten unb lebte in ©rtner bei Berlin.

®er[;art ^pauvlmami. 593

1885 evfc^ioi als feine erfte ^ic^tung fein ©poö ,, ^ c o ni e t f) i b e n l o ö ", eine 9kc^Ql;mung „(S^ilbe "oorolbö". ©rft feine gbueOe ,,«a^nroärter %\)\c[" (1887) aeigte ha^ gro^e %aknt ^xo^ ber rcoliftifc^en ^arftcQung nxxU ^ier ein ©timmungö^auber, bcn man nic^t in otten SBerten Jßanptmannö finbet. W\t im^ preffioniftifcfier ^unft fü^rt er im oben ^iefernforft nad) Sonnenuntergang Den 5Ba^n= jug an um vorüber : „(Sin bunffer ^unft am «porijonte, 'oa m bie ©eleife fic^ trafen, oergrö^erte ficfi. 33on ©efunbe au Sefunbe inadifenb, fcf)ien er to6) auf einer oteQe ju ftef)en. ^lö^üd; befam er '^emegung unb näherte fi^. 2)urc^ bie ©efeife ging ein 33ibrieren unb ©ummen, ein rl;t)tf)mifcf)eä ©eflirr, ein bumpfeö ©etöfe, boö, (auter unb touter roerbenb, jute^t ben 2tuffc^lägen eines fieranbraufcnben 3fleitergefc^iuaber3 nic^t ünä^nlic^ war. ©in ^eudien unb 33raufen fc^rooll fto^roeife fernher burd; bie ßuft. ^ann plö^fid; jerri^ bie StiHe. ©in rafcnbeS ^Tofen unb ^oben erfüllte ben Sioum, bie ©cleifc bogen fid> bie ©rbe aittcrte ein ftarfer ßuftbrud eine SBoIfc oon ^tanb, ©arnpf unb Quatm, unb haä Ungetüm mar Dorüber."

®iefe 3"ftönbgfc^itberung oon ©ehmbe au ©efunbe mar jo fd)on jener fon=. fequentc St^aturariämug, ben «pauptmann bann (1889) in ^olaenö „^apa ^amlct" fennen lernte. S)ie ©prac^e mar noc^ nic^t bie beg aUtäglic^en Sebens, obrooI)l bie Slrmeleutemalerei bereits boau ^inübertodte. 2)er ^onflitt unb feine Söfung aber ber burc^ feine 9latur in ©c^ulb oerftridtc ^a^nmärter rcirb maf)nfinnig uno crfcf)Iägt fein a^'eiteg SBeib, beffen Brutalität er feinen 2Biberftanb entgegengefc^t l^at beutet bereits auf ha^ foaiale ^ntereffe beö 35ic^terö bin, baö nun in öianuv tifc^en ©d;öpfungen ©eftalt gemann.

®aö ®ramo 33 o r © o n n e n a u f g a n g " (1889) eröffnete, mie mir faf)en, bie natura[iftifd)e ^Rei^e auf ber beutfc^en 33üf)ne. 211s „foaialeS ^rama" mirb fdpon im ^itel eingefül^rt. ©S ift ein ^roteft ber ©nterbtcn gegen baä ro^e ^ro^cn^ tum, ein ^roteft aber augleii^ gegen bie bi&()erige 33ü^nenfpra(^e; als fol^er f)ot es feine hilturgefd)id;tlicf)c SBirfung getan. Unb fie leben mie fie lebten, biefe rauften unb Qbfto|cnben ©eftalten, mit il^rem apnifc^en (Sebaren, beffen SUBirfung bnxä) ben fd^fefifd^en 3)ialeft nod; erf)öf)t mirb. 3)er faltfinnigc ©oaialbemofrat Sotl;, ber feine Siebe feiner ^^eorie ainn Dpfer bringt, ebenfalls getreu nad^ ber 2BirfIid)feit gefpiegett, bietet bur(^aus fein ftjmpatfiifd^eS ©cgenbilb. Äonfequenter fonnte ber 'iHaturaliömuö ni^t fein : ber bctrunfene SSater Jlraufe oergreift fid) auf ber ©a<ne an feiner 2;od)ter Öetene, I;inter ber ©aene f)ört man bie 2Bö^nerin, Helenes ©c^mefter, mimmern, unb ber für Helene beftimmte Bräutigam, ein 2'rottel fc^Iimmfter ^trt, fcf)Ieic^t nur (jalb beftcibet aus bem ©d^Iafaimmer feiner fünftigen ©d)unegcrmutter unb Tante. Xafl roar im Ttjeater nod^ nic^t bagemefen. SRi^t auf ßffefte inbcffcn ift blcjcS Stürf ein- gefteHt bie 3J?enfd^en finb nii^t ein (SraeugniS fünftfi^ nac^fc^affenber 'ipijantafie. (Sä fragt fid; nur, inner()atb mclc^er räumlichen unb aeitlid)en (Brennen ein folc^er 3lb brud niebrigfter „5latur" fünftterifdje Bebeutung bef)ält. W\t grellem -Button fc^lie^t bie ^anblung: raätjrenb Helene, bie allein Unfd)ulbige, roenn man ben Segriff fittlic^, ni^t p{;t)fifd) fa^t, oon Sotl^ ocriaffen i^rem Seben ein 6nbe mac^t unb roir mit Qx fi^ütterung oon i^r fc^ciben, geQt ifjreS roieber betrunfenen ^Baterä ©timme burc^ bcn

Oe^Ife. 2>ie beiitfc^e Gltetatut feit ©oet^e« lobe ufm." :iH

594 S)er SRaturoIlSmuS unb feine ©egenftrömungen.

5RQum: „)Dol)ie f)ö! J^oo iid^ nee a poor i)ibfrf)e Xäd^tcr?" Solltet ©iffonan^ ift bie Slbfi^t gar ju beutUd^ anjumerfen. 5Die ©c^ioäc^e beö Sf^oturoIiämuS/ bie Xenben^, offenbart fi^ aud^ \)kx. 2Baö bie Bfii^^ung ber ®injeli)eiten, bcö 9JZiIieu§, (jut ma6)i, lüirb bnrd^ bie ^ufönimenjteUung wieber oerborben. (Sine in fünf 3lfte gebrannte ^önfung üon SIbnormitäten, roie bie fogiale ^ramatit bcr 5laturaliften fie un§ immer roieber bef^ert Ijai, ift, fo naturrcatir jebe einzelne ©jene fein mag, alö @anje§ Un^ notur. 2)aö gilt jo ebenfo für ben 9?oman, au6) für benjenigen ^ola^,

3n berfelben 2inie weiter fd^ritt ber ^ic^ter mit ber breiaftigen ^omiIien= fotaftropl)« $D a § g r i e b e n ö f e ft " (1890), bie firf) abfpielt „an einem SBei^nac^tö; abenb ber ad^tjiger ^^al^rc in einem einfamen Sonbfians auf bcm S(f)üfeent;ügel bei ©rfncr". 2)aö X'iicma ift baö 5ßererbungöprobIem roie in '^h\ex\^ „©efpenftern": roie !önnen fid^ ^inber entroidfeln in einem ^aufe, roo ber 3Sater bem ^i^unt unb $8er= forgungöroaI)n »crfaHen, bie 9Jiutter ein fittlid) roie geiftig untergeorbneteö ©efc^öpf ift? 6g ift bie reine 33eobacE)tung oon ^ranft)eitSerfc^einuugen, bie mef)r burd^ fjenifdEie 2lnroeifung unb Wunit aU burd; ben Dialog jum ^Xuöbrud lamen. Zu- gegeben, ta^ nur wenige 9}lenf(^en ganj gefunb, gang normal fein mögen. 2tber ein foldfier SBei^nod^töabenb roie biefer roiH erlebt roerben, roenn man an il;n glauben foU. 3;)a§ ©rlebni^ ift an fid; fd^on ein geroi^ nur oereinjelteg Unglüd. S&arum eS mit 2tnftrengung aller Jl'räfte auffud;en? äßarum fünftlerifd) feftl)atten, roenn bod^ nur eine für 9)Jebijiner i'ntereffante ©eltenl)eit ift? ^rü{)er bad)te mon barüber anberö, ba§ aUeS roar ja fo neu, fo unert)ört. .*Qeute ift baö- längft nid^t me^r, bie Sinne finb bagegen auf poetifd^em ©ebiet abgeftumpft. 9^enraftt)enie unb alle anbern 5^en)enleiben finb biö jum Überbru^ oller in bie (SrfcE)einung getreten. ®§ ift un- roa^rf(^einlid^, ha^ ein foId)cg „3^rieben§feft" nad; einem SBelttriege biefelbe ©teEung in ber ^unft behalten fann, bie in einer literarifdEien Sturm: unb ^rongpertobe gefiabt f)at. Uns feljlt einfad^ bie Qdt, um aud^ nur ncroög ju fein, ba§ ©elb, unä mit ^^eroofität (iterarifd^ ju befdiäftigen, bas ©ffcn unb ^rinfen, um ben ^Reroöfen auf ber 33üf)ne unb im ^n6) mit ^ui)^ öftl)etifd^ auf unö roirfen ju laffen. Unb bie 3^^^- frage ber crbli(^en 33claftung fie tritt jurüd !)inter bie ber Untcrernäl)rung, beö öungertobeö, ber allgemeinen (Sfiarafteroerberbnig, vor allem aber f)inter bie beö unters gef)enben ®eutfi^tum§ über{)aupt, ©einer ©igenart naö) l)at gerabe ber S^aturaliö; mu§ unter bem SBanbet ber ^cii unb i^rer ^jbeen am meiften ju leiben. Sßag einft a(g malgebenbcr ^Ttipus auägeboten roerben !onnte, f)at biefen 3(nfprud^ längft üor anbern 5rt)pen nennen roir nur bie be§ fogenannten „©d^iebertumä", ba§ im SBelt^ friege entftanben ift uerloren.

3)od) roir befinben unö im ^a^re 1890. ©in ^^^Ijr barauf crfd)ien ^aupt^ mannö fünfafti'ge§ ß^cbrama „©infame 3Ji e n f (^ e n ", t)on bem ®idf)ter in bie ^änbe berer gelegt, „bie gelebt Ijaben". ©§ ift alfo oon t)ornl)erein ein engerer ^rci§, ju bem er l)ier ba§ redete ^Bertraucn ^at, unb roenn fo roeite Greife i^n ocr^ ftanben l)aben, fo erflört baö mand^^n ®rfolg be§ 9?aturali6mue ouö fel)r menfd^Iid^en Srfal)rungQgrünben. Sie roareu cin§, biefe ®id)ter unb biefeö ^ublifum, fie fül)tten glei^, unb fo mufete ber Oebanfe, ber fie einte, auf bie S3üF)ne treten.

Ocrrjart Hauptmann. 595

®en e^elidKn Äonflitt aU bramotifc^cä l^ema J)at nirf)t erfl ber IWaturnliör muS erfunben ober renuertct. Tian beute an 3[ßid^ert§ „®:id;icben", SKilbranbtS „3luf ben Brettern", S?o^' ,,(güa", fiinbauö ,,ec^ntten'', ^epfeö „Slfriebe''. 3Ibcr ^jbfenö „9lo5merö^oIm" unb ^auvtinaniiö ,,®ini'ame ^Jicnfc^en" festen eine gonj Qtibere ©cbanfcnftrömiuic^ Dorauö. 3(uc^ Sibfenö ,,58aumciftcr Solnefe", „$ebba ©übler'' unb „?^rau oom 3Jlcere" gel^ören mittelbar ^ier^er. 3Inberericitö uuter[d)cibct fid^ ^ouptmann aü6) uon ^l^Kn. 33ou einer bloßen Seelcnüenünnbtld;aft lüic 5n)iirf)en JRoSmer unb Sftebetfa ift bei ^Socferat unb 2(nna 3JiaI)r nicf)t bic 9?cbe. Hauptmann Wtont uielmei)r ha^ naturnotwenbigc 9^ed)t ber einzelnen '!Pcrj'önUd;tcit, eine ^erjenß: rval)l, bie fie einmal getroffen f)at unb bann als falfc^ crtennt, aufjuliebcn, faHö bic eigene ßntmi'cflung jur $öl;e ba§ üerlangt. ^a^ SSoderat 6c^ülcr ber ^f^aturforic^er SDaririn unb ^ädel unb jugleic^ 9ieura[t{)eniter ift, gibt biejer 3JiüggcIfectragöbie ben befonbcren, naturaliftifd^ bcbingten 6{)arafter. @r tonn nid)te für feine 9^atur, mic fv felbft fagt; ba borf man fid) ni(^t raunbern, ba^ er im SJJüggcIfce ben ^ob fud;t, na^bem bie ®eutf(^=$Huffin enblic^ enblic^, man begreift if)rcn 9IufcntI)a(t längft nid^t meE)r fein unb feiner licbenben ^^rau ^aii^ ücrlö^t. 3lber biefeö Stüd ift in erfter Sinie jo au(^ für bie beftimmt, bie es gelebt f)aben ober bie eS ju leben fäbig finb, mit anberen SBorten: bie „für iF)re '^aint nid;t§ fönnen".

2)aö bebeutenbfte "iDrama beö beutfd;en 9?aturaliömuö finb „2)i'c e b e r " (1892), beren ^anblung ein roirfli^er 3lufftanb ber armen fd;Icfifc^eu SBcber in unb bei bem S'utengebirge gegen i{;re 2of)n^errcn jugrunbe liegt. „Xeinc Srjä^; lung oom ©ro^oater", fagte ber ^ic^tcr in ber SEibmung an ben 23atcr, „ber in jungen ^f'^^^c"/ ein armer SBeber roie bie ©efc^ilbertcn, binterm 2BebftuI)[ gefeffen, ift ber ^eim meiner 2)ic^tung gemorben." mar geroi^ nid;t "Oa^j erftc fojialc 2trbeiterftücf in beutfd^er Sprache, ©in 2Irbciteraufftanb mar f^on 1850 uon 2eopoIb ^(ein in „^laoölier unb SIrbeiter", eine 2ßeberreoolte oon ^. Sc^auffcrt im „SSater Sraf)m" 1871 gefdiiibert roorben. ^icrl;er gef)ören mef)r ober minbcr and; ©ruft SBic^ertg „?^abrif uon ^nieberbronn", Sult^auptö „3trbeitev", Submig ^uibaö „5?er-- loreneä ^arabieö". 3Iber erft Hauptmanns SBeber finb mirflid^ SBeber, bie feine onbere ©prac^e als bie il)rige rcben, ben ^ialeft ber fd;[efifd;en „2Baber" unb .yigleid) bic Sprache bc§ ©renbö. ^n biefer rechnen fie mit bem brutalen unb gemiffen[ofen j^abrifanten unb feinen Kreaturen ab. ^er i^ampf ber 58er5iüeife(nben gegen bnö 9J?i[itär bilbet ben ©c^Iu^ ber ^anblung. ©?• bebarf feiner raeiteren ©rftärung bicfeö ©ramaö, beffcn poetifc^e roie fu(turgcid)id)t[id)C 33ebeutung, gumal nad) ber ^ioocmber-- reoolution 1918, äroeifclöfrei fcftftebt, ein ^odjragenbeö ^enfmal ber naturaliftift^en S^eubenjpoefie.

3)iefe brei ^rauerfpielc, roenn man ben ^Begriff für brümatifd;e :;3been^ unb 3uftanböfd)ilberungen überf)aupt braud;en barf, rourbcn jctjt abgelöft burc^ jroci naturaliftifd^e ^omöbien. „College Srampton" (189'2), angeregt burc^ eine 3luffüF)rung t)on 5)ioIitHeö „L'Avare", bie Hauptmann auf einer berliner 33übne faf), erinnert ein roenig an g^iebergaUö „^atterid)". 3lber bie ©eftolt biefeö I)alb ocr= fommenen ^rofefforö unb ficI^rerS an ber ^unftafabemie mar bod) neu, meil and) \ic

596 'J)cr 3?at»raIt§muS imb feine ©egenftrömungcit.

\6)on äu^erlirf) als 5vrQnfI)eit&erfd^einung aufgefaßt fein lüitt. „©eine Stugen", i)eij3t in ber Söüljncnannjeifung, ,,quellen \)zxvox, ^aben oft einen oben unb ftieren 2(uö= brud unb üerrotcn ben 5Crinfei*. ©r üermeibet eS, n)enn er fprid^t, faft immer bie HJlenfc^en anjufetien; beim 9tnfe|en blidt er on if)nen vorbei." 2öir miffen nicEit xc(i)i, roie lücit mir biefen f^erjenäguten unb l^offnungSüoIIen Sroutüater ernft nelimen fönnen, toenn er fic^ am ©c^Iu^ ju ber SBillenSäu^erung auffe^roingt: ,,^e^t muffen mir fd^uften, SRaj:, roie jroei ^uliö." Unb mir foHen il)n nid)t gar ju ernft net)men/ follen if)n fo Tief)men, roie er i'ft mit feinem ^beoIiämu§, feinen ^Eufionen, feiner S(^morf)e, Qu§ bem Seben gegriffen, mit §eiter!eit unb 2ßeF)'mut anäuf(i)auen üon aEen £eben= bigen, bie nid^t ju ben i{)m unb bem ©icEiter rerf)a^ten ^I)iliftern gcpren.

S)Q§ ^Qtl)oIogifcE)e tritt bagegcn faft gonj gurüdE in Hauptmanns beftem Suft-- fpiel, bem 33 i b e r p e I j " (1893). ®ief e oieraftige 2)iebe§!omöbie ^at ber beut= fc^en Literatur bie präcf)tigen ^'t)pen be§ oufgeblofenen, bummen, reaftionären, feu= balen SSerroaltungSbeamtcn üon 2ßef)rf)al)n unb ber fd;Iauen, biebifrfien 9)lutter SBoIffen befdiert, bie ba§ gnnge bei Berlin geba(^te 2)orf nad^ ifirem ©inn ju len!en unb gu täufc^en roei^, pmal ben §errn 3tmtäoorfteI)er : ,,Sßenn'§ bruff an= fommt, bem ftef)P icf) a ©tu^I unterm ^intern roeg/' Unb fie roei^ aud^ if)ren SSlann, ben trägen ©c^iffSjimmermann, gu regieren unb nieberjureben, n(§ er baran jroeifelt, ta^ bie 3:^od^ter Seontine, „a ^^rauenjimmer roie a ©rogoner", imftanbe fei, „beim 2;^eater g^arure ju marf)en": „®u l^oft feene 58ilbung, Julian. 58on 33ilbung pft bu oorf; feene ©pur. SBenn ic^ ne geroeft roör', ^ulion! 2ßaö roör od quo ba SJiäbeln geroorben? ^6) 'i)ah' fe gebilb't erjogen, üerftel)fte. 2)e Silbung ficutju^ tage bc ^auptfoc^e. ®a§ gel^t nid^ a fo uff eenen ^ieb. ^mmer een'g nac^'n anbern, a pee a pee. 9^u mag fe mal erfdE)t a 2)tenft fenn'n lern'. S)ann ge^t fe meinöroegen rein nac^ ^Berlin. ®ie I)eite nocf) oiel gu jung ferfc^ ^J)eater." ®ie ^unft, mit ber unter if)rer Leitung geroilbert, ^olj unb oor allem ber foftbare 58iberpelg geftoljlen unb bie ©inroo^nerfd^aft bc§ Drte§ gegeneinanber auögefpielt roirb, ift lefenöroert unb fel)enöroert unb roirft in ber (Srinnerung nocf; einmal fo ftar! bei ben föftlic^en ©(^tu^= roorten, bie 2Bel)rf)af)n fpricfjt, inbem er ber Söolffen auf bie ©cf)utter flopft: „®aä ift nämlic^ l^ier unfere fleißige 2öafd)frau. SDie benft, oEe SJJenfd^en finb fo roie fxe. ©0 ift'ö aber leiber nid^t in ber SBeit. ©ie feigen bie 3Jfenfd^en üon au^en an. Unfer- einö blicft nun fd^on etroaö tiefer."

3Jiit H 0 n n c I e g ^ i m m e l f a F) r t " (1893) betrat ber ®icf)ter ein neues ©ebiet, bie S^raumbid^tung, bef)ielt aber bie fogi'ale S^enbeng unb bie naturaliftifc^e 9JIiIieu§eici)nung bei. ©o roenig SUiangel an beutf(^en 3:;raumbicE)tungen roar biefeS arme ^tonnele, baö, oiergefin ^af)re alt, ron bem 5ßater, bem uerfoffenen 9J?Qurer= meifter, faft ju 2:o'be geprügelt, in ben %q\6) fpringt, rool^in ß^rifti ©timme eS ju it)rer toten 5!Jlutter ju rufen fd^ieu, ron bem Sel)rer ©ottroalb t)erau§gegogen unb tn§ 2trmenl)au§ gebracht roirb unb nun unter plb fc^redfenben, i)alh befeligenben ?^icber= träumen fterbenb geroinnt, roaö im Seben nie gepbt f|at , ptte ben Wlzn- fd^cn bo^ mci)x ju fagcn alg bie t)orongef)enben S^runfenbolbtragöbien. 2Bie i^x Gbriftuö erfrfieint in ber ©eftolt beö geliebten 2ef)rerg ©ottroafb, roie fie nid;t jer=

©er^art Hauptmann. 597

lumpt in ben Fimmel fommen mag, [onbeni getteibet luie eine ^^^rinäeifin, bnö ift fo pfpc^oLogiirf) ma\)v roie menid;Iic^ crgreifenb. ^ier bcreitö becjinnt ber ^idjter bie ^rofa beö Mta^§, biird; bitberreic^c ^erfe abäulöien. Hauptmanns „^annele" ^ot alö STragöbie eineg: ^inbe§ fein ©eitcnftnd in ber Siteratur. ^n 9Rüman unb 3'^oüettc fämen f)örf)ftenö in %xaQt S^icfenö' „Dliuer %m\ii'\ S^aubetö „^ad" unb (5. ^. Stcpcrs „Seiben eineö ^noben", auc^ einige ©rjäfilungen SGßilbenbruc^ö. gjiotiue, Hinter^ grunb unb 5'ed^nif finb aber grunbüerfd^ieben.

SBeniger gelungen ift nac^ biefcm g)?ciftcrftnc! bem ^idjter bie fünfaftige llia- g&bie be§ S3auernfriegeä „^^lorian ®et)er" (1895). ^m f)iftorijc^en ®rnma ^otte er fic^ fc^on in ber erften ^ugenb mit bem „(Srbe bcä 5:iberiuö" oerfuc^t. Später f)at er biefe $ßerfucf)e nic^t raieberfjolt. 3mi"er^in ift er, rocnn mir ütelleic^t Don ©mil $8rac^DogeIö „9(balbert üon Sabenbcrg" (1858) abfel)en, ber erfte ge: wefen, ber bie auftretenben ^erfonen in ber ©prnc^e if)reö 3citalterö, tyex alfo ber SReformationöjeit, fpre^en lie^. 5Der gute 9iitter ©ö^ uon 33erlirf)ingen, ber aurf; f)ier mieber auftritt, f)at eg fic^ fici^cr nid;t träumen laffcn, ha^ er beinaF)e in jebem literari'fd^en <Sturm unb 3^rang SDeutfd;lonbö eine 9loIIc mürbe übernef)mcn muffen. 2Iber merd;er Unterfd;ieb gegen einft: ©oet^e brandete einen gelben, .g»aupt= mann brauste e^er baä ©egenteil. ^ener jei^nete bie ^ragif cineö gropen einjigen SebenS, biefer bie fragil eineö Krieges, in bem ber grofee einjigc üerfdjroinbet; bort alfo ein inbiüibualiftifd^er unb ariftofratifdier, f)ier ein fojiafiftifi^er unö bemo= fratifc^er @cfid;töpunft. ?^rcilid^, 120 ^afire beutfd^er "ipotitif, 6rj\icliung unb .^unft lagen ba^mifc^en.

9^ac^ bem 3JJi^erfcIg beö „f^-Iorian (Seiner" folgten junödift bie fed)ö büftercn (S Ig a " = Sjenen (1896), gebid;tet nod; ©rillparjerö 'Jiouellc „Taö ^lofter üon Senbomir", ber fic inbeffen in ©infieitUditeit unb 2Ba^rfd;ein[i(^teit nic^t glei^= fommen, unb ba§ bramatifd;e 3^ragment „.§eIioö", beffen ©todcnmotio bann überging in ha^ fünfaftige 3J?ärd)enbrama 2) i e uerfunfene ©locfe" (1890), baS, obgleich üiel umftrittcn unb nod; fjeutc angcfcinbct, ganj of;nc 3'i^cifel ^an\)U mannö befteö SBerf geblieben ift. Unfterb(id;fcit oerbürgcn if)m üielleid)t nur .öannele unb 3Rautenbe[ein, b. l). bie Seelen araif^en ^inb unb SBcib.

®a§ 9J?ärc^enbrama ift, mie mir miffen, nid)t crft uou .'Hauptmann erfunbcn niorben. 2Bir braud;en ja nur an bie 3nit^croper C^^occÜ), an bie lliärd;enpoefic ber 3fiomantif, oor allem bie „Unbine" ^^ouquc'^ö unb 2or^ingö, ju bcnfen. ^ann fommen alö 33orläufer in g^rage itreifelö „ilönig 5(lIgo(b" unb „gingerf^nt", ^auffö ^}J{ärd)on pom fteinerncn ^erjen, SS^ic^crtä f)ierauf fuf?enber „"^Pcter 3ltunf", ^mmermnune „3J?erIin", 2BiIbranbtS „g)?eifter oon ^^a[mt)ra'' (1889), ^Hub. «otljard „55?ert ^e« fiebenö" (1892), „9Rauc^" (1894), „SBnnfd/' (1895), .qird;bad)ö 2;ramo „^ie Testen 9)?enfc^en" (1890), ^agomö „SfJatibor" (1893), 23o^' „Slonbc ilatbrcin" (1895), eine 9tac^a^mnng bcö „^annefe", 2ammerfe' „^hjmpljcnfpiel" (1895), Glfa iöernfteinö (pf. (Srnft SfJoömer) „^önigöfinber" fomie in mand;er 58cjief)nng, namentlich nac^ ^beengeljalt unb Si)mbolif, ^bfenö „?^ronb" unb „^eer ©piit''. ^Iber" nur bie ganj

598 £)er 3?aturüli^mu'j unb feine ©egetiftrömungen.

onberö geartete, naive Unbiue jc^QUt um fo tief unb innig in tau Siuge, in bic Seele, wie Skutenbelein :

SSei^ nid}t, iüo§€r irf) gefommen bin,

mei^ nic^t, too^in i<^ gel^';

ob \d) ein ^Balbböglein bin

ober eine g-ee.

^ie 58lumen, bie ha quillen,

ben SBalb mit giu^' eifüHen,

\)ai eine je öernommen,

lüoi^er bie finb fommen?

SIber mandjmni fü^I' ic^ ein S3renncn:

nti3d)te fo gern SSatcr unb 93?utter fcnncn.

^<inn nic^t fein,

füg' \6) mic^ brein.

93in bocf) ein fc^öne^, goIbI)öarige§ 2BaIbfräuIctn.

^er ©locfengiefer ^einrid; ^ot eine ©lode gcfcE)affen, bie oon bunflen 9)?Qc^ten in ben ©ee gefc^Ieubcrt rairb, alö fie in ben, ^urm ber Sergürc^e gebracht werben foE. 5Der ©lodenrcagen bricf)t, ber 9Jieifter rciE bie ©iocfe I;atten nnb ftürjt mit i^r I^inob. S3on ber ®Ife ^Rautenbelein inö Scben jurücfgerufen, roirb er bonn ju ben Seinen, feiner t^rau 3)lQgba unb feinen ilinbern, getragen.

3<i, mein 2Berf loar fd>Ie(^t: bie ©locfe, 9J?agba, bie ^inunterfiel, fie roax nirf)t für bie §ö^en nid^t gemod^t, ben SöiberfdjoII ber ®ipfel oufäutoeden.

91un aber ift eine SBanblung in i^m vorgegangen:

5ßag in mir ift, f^it i<^ bort oben ftanb, lüiti bergiünrty fteigcn, im Sllaren überm SJebelmeere monbeln unb Sßerfe tuirfen au§ ber Straft ber §ij[)cn!

Unb rcieber flingt bao quäfenbe ST^ema ber .tünft(erel)e in ^^rau 'äRagbaö SBorten empor:

SBü^t id), nionac^ bu ledjijeft, aufäufinbcn: ben 93runnen, beffen SBoffer ^ugenb gibt n)ie gerne lief ic^ mir bie (SoI)Ien munb. 3a, fnnb id) f eiber in bem Duell ben %oi) : roenn er nur beinen Sippen ^ugenb bräd^te.

^cn Seibenben Ijeilt unb nerjüngt ^^autenbelei'n, je^t eingefüljrt al§ bie ftumme 5Jiagb 3lnna auä ber 3}ti^elöbaubc, bie Sefen feilbietet unb eine SBeile an feinem Säger ?5rau 3J?agba auf bereu SBunft^ nertreten fott:

SLl^eifier, fdjlummre ein! ?9ad)ft hn nuf, fo bift bu mein.

©r nerlä^t nun SBeib unb ilinb, um mit neubelebter S^öpfcrhnft, begeiftert oon Sflautenbelein, auf ber ööbe b«r Serge inmitten ber ?Ratur ein neueö 3Öer! 5U fd;affcn :

©er^art Hauptmann 599

es i[t ein SBerf, ime id) nocf> fcincä bockte: €in ©locfenjpiel au§ ebelftcm SRetaO, twä au§ fic^ fclber, flingcnb, fi^ bciücgt.

Jßergeblic^ fuc^t iI)Ti ber Pfarrer bcn Scii)o{)ncrn beä 2:qIcö, uor nnem Den Seinen, roieberaugeiüinncn. 3}Mt Oeiualt luoUen \\)n bie Dörfler jurüdI)olcn - fie lueic^cn ber ©etoalt, bo er if)nen gronitne Slöcfe entgegenfd;icft. 3Iber in if)m ergebt fic^ baö ur= ercige Problem ber ^ünftlereinyamfeit ; er jagt 9kutenbclcin mit SBorten, bic an jVouftä ^lage über bie beiben ©eelen in feiner Sruft erinnern:

3rf» bin ein 9Wen[4 ^annft bu bie^ faffen, ^inb: fremb unb ba^eim bort unten fo {}ier oben fremb unb ba^eim.

$)q erfährt er, feine 3)kgba liege bei ben SBaffcrrofen im See, üon feinem 2Burf ge- troffen, unb bie oerfunfene (Slode beginnt ein rounberooUeä Symbol quo ber 2:icfe emporjutöncn. %{ud) ruft er je^t über JRautenbelein unb eilt boüon. ^aö ©Ifc^en f)ärnit fic^ ob unb ftür^t fid^ in ben ^Brunnen, fie roirb beö oer^o^ten 58cmerbcrö, beö uerfpottetcn S^idelmnnn, beö frof^artigen SBaffermannö tote Sraut. 3lufö neue üon ben ©örficrn oerfofgt, fe|t .^einric^, ber injroifc^en fein neueä SBerf felbft jcrfd)[agen ^at, fie^ auf bcn $Hanb beö Smnnenö, auä bcm eine Stimm« noc^ oben Hingt :

J^einric^, bu lieblidjer ?8u^Ic mein, bu fi^eft auf meinem 93rünnelein. ©tel; auf unb qely. tut mir fo tt)cf>.

Sterbenb empföngt er ben legten Äu^ SfJautcnbelciuö, bie auö bem Sruuuen emporfteigt ;

§ocf) oben: ©onnenglocfentlang!

^ie (Sonne . . . @onne fommt! 5)ie 9?ad)t ift lang.

®ie ^Bereinigung be§ liebli^ S9mbolif(^en, beS 3}cärd)eni)aften, mit bem Söirf- lidien unb SUobcrnen Ijat biefcr SDic^tung einen unüergänglid;cn poetifc^en SRcij gegeben, ^ouptmannö „SSerfunfene ©lode" gcf)ört ol)ne S^ucifct h^ ben bebeutenbften 2Ber!cn ber 5ffieltliteratur unb ergebt fid) üor allem turmljod) über aQe S^öpfungen beö beut-- fc^en 9lQturaliömuö.

S)a§ 3:^ema ber „(iinfamen 3)?enfd)en" unb ber „^-öer)unteucn Wlocfc" lebte in ünberer 3^orm rcieber auf in bem j^ragmcnt 21 u e ben gj} e m o i r e n eines ebelmonnö ", baö ber 3)id)ter am 25. ^ejember 1907 im „Tag" neröffcntlidjte.

©in früheres Fragment, baö „.^irtenlieb" (1898), bebeutet bic oor^ übergel)enbe ^ibmenbung .öauptninunö uom 5?nturaliömuö unb fijmbolifiert micbcrum bic Se^nfucf)t nac^ einer ^oefie ber Sd)önl)eit unb beö Sic^tö. pr einen armen 5?ünftlcr, ber bem (Sngel feine 9lüt flagt, uerraaubclt [\6) bic ^oeile beö (Slenbö in ein ^irtenlieb, bie trübe ©egenmart in bie ibeale ?vcrne, mo ^afob unb dla[)d erfd)einen :

Du »üivft nidjt auf bcm TloxU, nidjt in ben Oiaffcn, nid^t in ben Mirc^cn, nodj in ben ^läflen bie roeifje Xaube finben, bie bu fuc^ft.

600 2)er 9?aturQliSmu§ unb feine (SJegenftrömungcn.

9^<itural{ftifd) beWngt aber lütir^n bann roieber bie fünfattige ^rofatrngöbic „^ni)xmann ^enfd;er' (1898), bic bie (Seftolten ber SlooeUe „33Ql)nn}ärter Xi}ieV' aufnimmt unb roeiterbilbet, baö rieroftige ^ünftlerbromn ,, 9Jl i rf; q c I Ärömcr" (1900), beffen ßinien ju „College Srompton" gurücEfüfiren, ber „SRote J^ a 1^ n " (1901), rao bie aü§> bem „33iberpclj" befannte SBöIffen, jc^t in il)rer gmeiten ©f)e oI§ Si^au ?^ieU^, mieber ouftaud^t unb trübfelig enbet, unb „$Rofc Sernb" (1903) mit bem SKotiu ber ÄinbeSmörberin mir benfcn Qu^er an ®oet^e§ ©retrfjen im „^auft" an ^. 2. SBagner§ „^inbeömörberin" (1776) ober m. SSo^' „?tle?anbra". 9Itte oier ®ramen entrollen ergreifenbe Silber menf(I)Iicf)en Jammers, auf bie mir l)ier nirf)t nöl^er eingefien fönnen.

5Dojmif(^en liegt junärf^ft has^ eigenartige (Srf)eräfpiel „<B6)iud unb Siau" (1900). ©et ^Bettler in gürftenlleibern ift nicf)t erft feit 1001 3flac^t eines ber be= liebteften 2;i^emen ber SBeltliteratur, 9J?arco ^olo (f 1323) berietet in feinen 5Rcife- bef^reibungen, ein g^ürft ber Stffafinen ))abt junge Seute burcf) einen ©c^Iaftrunf be- täubt unb if)nen aUe ^^reuben bes ^arabiefeS Dorgefü!)rt; nad) bem ©rmarfien I)ätten fie bann bie SBirflid^feit nic^i mel)r ertrogen unb firf) raillig oon iF)m für feine mörbe; rifrfien ^^oecfe broudien laffen. 33iüe§, ber bie ©efdiic^te t)on einem ^erjog oon Sur- gunb erjö^It, Iä|t aU erfter einen groben Xrunfenbolb in biefer 3f?oIIe auftreten. Über; l^ebung geigt eine äl)nlid;e ©cftalt ^uerft in einer englifdien ^^rofacrjäI)Iung, un.b eine ^I)eateroorftettung rcirb if)r in einer oor (5f)afefpeare erfcE)i'enenen „3ä{)mung einet SBiberfpenftigen" oorgefüljrt. 3(Ig ^exbax^t tritt ber ?^ürft fd;on in einem 1639 ge= brucften ^efuitenbrama auf. ^n ßliriftion gelij: SBei^eß (1726—1804) Spiel „5ßom tröumenben 33auern am ^ofe P;ilippi 33oni" jeigt ber betrunfene 'Stinpzl Suft an Boten unb SBeiBern, ^^erner ift an be§ $Dönen ßubmig ^olberg (1684 1754) ©rama „S^PPC Dom Serge ober ber oermanbelte Sauer" ju beulen, ba§ auf Sibermann§ „Utopia" jurüdgel)t. ^f^PP^/ ^cr §elb biefeö bönifc^en <£d^raanfe§, ein fauler unb betrunfenet Sauer, t»on feinem SBeibc oerprügelt, roirb oon bem Saron im ^errenbett mit ©eft au^ oergolbeten ©löfern trafticrt. ®r geberbet fic^ als I)od^mütiger 2^t)rann. ©dilie^^ lid) rcirb er auf feinen 9J^iftf)aufen 5urüc!gefd;Ieppt unb foü gebangt rcerlben, finbet ober Segnabigung.

Hauptmann bereid)ert biefc ?^abel uor allem um bie 3^tgur ber ©ibfelill, bcien S^ome fc^on in ber altbänifdien SoUobe t)on fd;ön ©ibfeliH unb 9f?itter ^ngeborg er- fd^eint. 3luf bem ©emütSuntergrunbe refignierter 9JieIand)olie, bei ^an 9Ranb unb feiner ©ibfeliH forool)! rcie bei iljrem greunbe, bem 2ßeltt)eröd)ter ^axl, fpielt nun bic bcrbe ^offe rcie eine Serfpottung beS ©afeinS überf)aupt, beffen 3tnd;nungnaturanftiid^e 3üge jeigt. 5Diefe beiben Sonbftreidier, ber Iaunifd)=l)errifci^e ^au unb ber rceid^e gut- mütige S^Iucf mit feinen „oielcn ^inften", finb nid)t nur als ©egenföfee 'i)ö<i)\i be^ luftigenbe unb lebenSrco^re ©eftolten ber Siteratur unb ber Süfme. 5Diefem .^umor aber liegt bie SßeisFieit beö ^effimiSmuS gugrunbe, bie aus ÄarlS Srbfd^iebSrcorten an 3!au fierauStlingt :

Qöib birf) aufrieben, SJJann! ®u ^aft geträumt. ^0^ i<^, rcie id) ^ier fte'^c, an^ ber ?^ürft, nuc^ feine fraget, all fein 5nfl<^['"be,

®erf)art Hauptmann. 601

mit träumen, unb für jebeu fommt bie ©tunbc 3:ag§ [iebeumal unb mc^r, ino er fid) fagt: nun mac^ft bu auf öorI;in ^[t bu geträumt! ^a, nimm bie§ ®olb unb tröfte bic^. ^c^ bin im ©runb ein armer ©^lucfer \o mie bu. Unb mcnn bu fnir[c^cnb überm Sranntmein la<i)\t, \o i[t bein Sachen meinem fefir berrtianbl.

^od) üor ,,$Rofc 58ernb", aber nad; „Sc^Iud unb ^au" crfc^ien in fünf 3?erö: atten bie ,,beutfd;e Sage" „2) er arme ^einrid;" (1902), gebid)tet nac^ bem bcfannten mittel{)Oc^bcutfc^en ©poö ^artmann oon iWueö (um 1200) mit einem bei Hauptmann feltcnen glüduerfiei^enbcn ©dilu^:

Safet meine g-alfen, meine SIbler mieber fteigen.

„SBenn ic^ einmal einen ©ommernat^tätraum fd)reiben foHte, fo fann et nut bort oben fpielen", erttärte Hauptmann, luie fein Siograpb (Sd^(entf)er berid)tet, al§ beibe im SDegember 1891 an bem bei Bitf^iuig an bcr Sö^ni^ gelegenen Si?e beö S3antier§ ^f)iencmann oorbeifufjrcn, auö beffen §aufe bcr S)id)ter unb jwei feiner Srftber \i(i) bie ©attinnen gef)oIt F)aben. Stuf bicfem alten 53ifd)oföfi^e fpicit bie ^omöbie „S)ie Jungfrauen u o iii 33 i f d^ o f ö b er g " (1907), in bcr einem farifierten Dberlcfjrer bie Sraut abgejagt mirb. ©§ ift, menn man uon biefcr no^ mand^em ^tbftrid; ii)ül)lgelungenen .U'arifatur abfief)t, ^auptmannö fc^iräc^fte Seiftung, faum m)^ feines 9?amenö teert.

3Jiifetungen ift aud) ha^% üieraftigc @[aöl)üttenmärd;cn „Unb ^13 i P P a t o n j t" (1906/07), ha^ im fd;Iefi]d)cn ©ebirge ^ur 3<^it i>fö ßod^uiinterö fpielt. 2)ic)e§ „©^mbol bcr B6)önl)c\t in feiner llJad^t unb 5ßergängH^feit" mirb als folc^cö mof)( nur feiten cmpfunbcn mcrben. (5ö ift mögli(^, ba^ bcr T)i(^tcr fjierin bie f)öd)ftc 3(n= erfennung cibüdt unb bei anberen f)ierfür SScrftänbniö finbct. 3lud) ha<ö .^ünftlerbrama © a b r i c l © c^ i 1 1 i n g ö g I u cf) t ", bas erft 1912 crfcf)icn, ftcljt am bcftcn mit ben beibcn voxi)cv genannten 3tüdcn auf bor unterftcn Stufe ^auptmannfd;cr .^unft jufammen.

®aä Segcnbenfpiel 51 a i f e r i{ a r l q (^ c i f c I " (1908), mcnn aud; nidjt üiel ()ö^er cinjufc^ä^cn ift, bcanfprud;t bod; fcfion am biftorifd}cn (Srünbcn gröficrco 55ntereffe. 5Rad^ ber fogcnanntcn j^aftrabafagc I;at 5larl ber @rof^e fid) nad) bem Tobe feiner britten ®emaF)Iin ^^aftraba nic^t uüu il;rer Scid;e trennen mi)gcn. ßr glaubt, fie fc^Iummcre nur, unb erlaubt nid;t bie 33cftattung, mndjt inelmebr '^aci unb 9?ad)t an i^rcm Sager. ®er eräbifcf)of ^urpin cntbedt fdjlie^lid) bcn örunb bicfcß 3«"^^^'^ i" einem Slinge, ber in ben paaren ber Toten verborgen ift, unb nimmt ibn an fid). Äarl üerlä^t bie 2eid;e alsbalb unb fülilt fid; an ^Turpin gcfcffelt. Tiefer luirft bcn JRing in einen 6ee bei 5lac^en, baö jc^t ilarlö ßicblingöfitj luirb. 3n bcr Anffung bc« 6ebaftiano Grijao (Sei gioruatv) lernte .Hauptmann bie Sage fcnncn, bie Öattin ift bo bereits jur (Sciicbten gemorbcn. 3(n bie Stelle bet 33cjaubcrung burd) bcn ^ing ff^t bcr ^id}tcr bie burc^ ir)ir!Iid}c Siebe, anftatt ^aftrabaß crfd)cint eine biefcr Siebe

602 i)et 9laturalt§mit*! unb feine Sttmmungäpoefie

ummirbige j'cd)äel;njäl)rige ®irnc. %vcmb uiiD greQ tonen bic ^Serfe beö nur potl;o- logifd) oerftönblid^cn 3)romaö.

9fiidE)t oiel l)ö^er ftel)t bie in ^rofn ge[^riebene ,, ©rifelba" (1909), ein roeitperbrciteteö ©ramenmotiü, juerft üerorbeitet in Boccaccios ,,S)efomeron". 5)ie ftin bulbcnbe ©rifelbiö ber alten ®id;ter (Uranien feit bem breigef)nten ^al^rliunbcrt) fc^eibct iid) bei §alm oon if)rem ©cma^t, aU fie erfennt, ba^ er fie rcegcn einer 2öette gequölt l)aU. Hauptmann betont raicber bog ^atf)ülogiic^e, ©rifelbaö (Satte unb beffen 5ßüter fmb nic^t gang normale Tlm'\6)er\. ©erabe ©rof Ulrid^ aber ift al§ S^arafter nid^t auö einem @u^.

S)ie Berliner 5£ragifomöbie mit bem un)d)öncn ^itel „®te ^Ratten" (1911) ift bie ^ragöbie beö unbef riebigten g)lutterinftinft§, ber ju ^a^nroife unb ©elbft^ morb füf)rt, umranft oon fomifrfien ©jenen, in beren SJiittelpunft eine (Seftalt im Stil ber ßrampton unb 5!ramer ftet)t, ber föftlidie 2:;f)eaterDireftor ^arro ^affenreuter. ®ic ^affenreuter^Sgenen follte firf) niemanb entget)en laffen, 3^rau 3Kaurerpolter 3>ol)n aber ^at uns nicEjt üiel ju fagen, obmoI;[ \i)xc ^anblungSroeife pfjpfifrf; genügenb bur^ bcn ^auömeifter erflärt roirb: ,/S(f)on mo fe bet erfte ^inbefen I)atte, nu jor noi^bem, mie et geftorben iö, mar eene Schraube loö bei bie ^b^^."

9Jiit ben beiben legten bramatifc^en SBerfen /, '2) e r ra e i ^ e ^ e i l a n b " unb „^n bip oF)b i " (1920) manbert Hauptmann ju einem inbianifcEien Urool! unb feinem ©ötterglauben, beutenb unb prop^ejeienb. ©tärter al§ jene „^I^antafie über bie fponifc^e ©onquifta" fcffclt unä poetifd; „^nbipoljbi", nirf)t nur etroo bc§l)alb, tueit ber S^ame beö auf bie ferne '^n'\d cerfd^Iagenen ^rofpero mit Berou^tfein SRantel unb ©tob Quf SF)afefpeare§ „©türm" f)inroeift. 3"^^^ ^riefterfönig erijoben unö mit ber jungen %ci)üxa t)ermäf)It, genia^t ^rofpero göttlidie 6§ren. ®a erfrfieint an ber ©pi^e einer ©olbgräberfc^ar fein ©o^n Drmann, ber itin einft rom ^Ijron ge- fto^en ^at unb bann felbft oerfc^oEen ift, tritt in §eräen0beäie!)ungen ^n feiner, oon il)m nid)t erfannten ©c^rcefter ^t)rrf)a unb foU, bem ©efefe gemö^, ben ©öttern ge= opfert metben. ©er SSater jebocf) opfert fi^ für i^n : er fteigt jum Krater beä ?^cuer= berge§ empor, rco i^n ber Giebel ücrf^Ungt, unb läutert burrf) biefe %Qt ber ©elbft= üerteugnung ben ©olju, ber nun „reif unb bereit roie er" ift, „ben legten SBeg gelaffen neben i^m ins 3^ic^tg ju ge^eu". ©o^ nic^t bie inbifc^e Sef)re ber SBeltoHneinung triumpf)iert: t)iergegen raenbct fid; fd^on ^rofperoä ®nbc, jumat in bem Bemu^tfein, ba^ über oUem bie Siebe leucfitet unb bie SBelt nic^t „nur feineö ^anhex^ 'Xäufcfiung Töor". 5Daö S)roma l)at auä) burd; hivi Tloüv be§ Dpferä noc^ ein befonbereö ^t^t^^effe, ba anfnüpft an ben 5!onfIift in ©oetf)e§ „3pl;igenie". ^rofpero t)at ben ^nfulanern perroefirt, nad) uraltem Braud; ben ©öttern Jünglinge ju fc^lad;ten, bod) ftcf)t ber Opfertempel noc^. ®amit mar ein alteö Problem für eine neue ßöfung gegeben. 3)en ^Citel beö ©tüds mag I;ier ber $Did)ter felbft burcf) ben 2Runb feineö J^elben erflören, ber ]i6) alö einen 92ac^fommen beö raeifen ^nbipol)bi erfennt:

^rofpero: 2q^ un§ raften, jagteft bu. ©ie 9Raft,

bie Ic^te öor ber legten 9ftoft! 3ft'3 hjirflic^ bie te^te uor bet legten? S^icmanb toei^ eg.

©erhalt ÖQuplmann. 603

Je^ura: <Bo nannte [einen flröfjten <gcrrid}cr ciujt

ba§ 5öoIf, bem idj cnt[lamnie: „gjiemanb rociä eä." S)ie§ Reifet in unfrer ©prad)e: :5nbipor)bi.

^roipero: Unb lonrum nannten fie il)n [o?

3:ef)ura: g^id^t nur

weil er bie§ SBort oft au^iprarf).

^i^i^lpero; 2;at er bog?

2 e ^ u r a : ßr tat c§.

^Tofpero: Sükr er benn ein 3meiflcr?

Xcl)ura: 5hc^tn}if[en f^ei^t nidjt: äWet[eIn.

^rofpero: Sllfo fticfe

er mit bem ^'infler nur an jeneS ^iirfjtg, bai> aac§ ift.

3" et) uro: gr f<im aii§ jenem !Ric^t3,

unb i[t lebenbigen 2eib3 bortl^in entfcf^munben. ®g f)k%: Wo fommt er ^er? wo c^ing er ^in? SIuc^ be§I)alb, weil niemanb fagen fonnte, gab i^m bie SSelt hen 9?amen ^ni^ipo^bi.

Stuc^ biefeö bebeutenbc S)rama, baö berufen ju fein fc^eint, htn „SBei^en ^ci^ lanb" in ben Sd)atten ju [teilen, beftätigt, bo^ Hauptmanns befte iTraft fc^meilirf) in naturaliftifd^er ©cftaltung liegen Fnnn, ba'^ feine fjöc^ftcn Sciftungcn üiclmcl)r im ^^antafie: unb 9J?ärc^enbrama ju fuc^en finb. ©oute er nod; immer ben „2:orgriff in ber §anb" bflbcu, fo ift faum jmeiferijaft, binter metd^cm Tor bie llnfterblid): feit roin!t.

S^rifd^ ift .Hauptmann mcnig, ahex mit ©lud bcrnorgctreten. 5Beit cv- giebiger ift feine neuere ^ r o f a.

$8on feiner erften D^ooelle „58aF)nn)ärfcr %\)\q{" mar fc^on roieberF)oIt bie ^chc. llngcfölir glcidijeitig mit „5laifer .^arlö (Beifei" erfdjien baö impreffioniftifc^c Tagebuch feiner SfJeife nad) ©ried^enlanb ,, @r i e d) i f d^ er ^früljling" (1908), reid) an ©d^ouen unb innerem ©rieben, fparfam mit 2ßortcu, baö unbefangene ^cfenntniö cine§ SRaturfinbeö p gried)ifc^er 3d)önl)eit unb flaifi)d)cu ©rinnerungcu.

S)ie fleine noüeKiftifc^e Stubie „®cr 2lpoftcl" (1895) mag unö oljne mei- tereö ju bem großen religiöfen D^oman beS ^al^rcö 1910 I}iuübcrlciten: „2)er 5^arr in 6l)rifto G m a n u e l Du int". (Jö ift ein mciftcrl;aft cutworfencö Seelen- gemälbe, bi'efer arme (Biercborfer 33urfd)e, ber ani unermublid)er ^^ibellcftüre ben ©laubcn fd^öpft, er bürfe unb muffe ben 5)knfd;cn 33ufec prebigen, benn ba^i Himmel- reli^ fei nal)e Ijcrbcigefommcn, ber fid) bann für ben luiebercrftanbcnen Gbriftuö felbft l)Qlt unb fd^liefilid), non allen gcmicben unb uera^tct, obcrt)alb beö ©ottl^arbbofpi^es im Sd^nccgeftöber ^ugrunbe gel)t. 9f?ül)renb ift bie (Seftalt ber ott5u garten (Bärtuerd= tod^ter 3Rutl), bie, non bemütig bingcbcnber Siebe 5U Gmanuel getrieben, ibm folgt unb non einem ©Surfen mif(braud;t unb ermorbet wirb.

iHod^ jwei groficre ^rofabid)tungen Ijat Hauptmuun feitbcm uerfapt, bie !:7lomanc ^5ltlantiS" (1912), wo ber Untergang bes "JJoftbampfcrö „!:)iolanb" 1892 bcu SJHttcIpunft ber H<i"^f»"P bilbet, luäfjrenb ^riebric^ unt» ^ngigerb ben 5?efer wenig

604 S)cr 9?aturaH§mu§ unb feine ©egenftrömungen.

intereffieien, unb „3)er Äe^er oon ©oono" (1918), eine ^rofalirjmne auf bic ^errlic^feit beö finnlidfien Siebenö unb ßebenö in ber Statur, ju bcr fid; ber junge fat^o^ fifd^e ^rieftet mit feinet Stgota t)inburd^ringt, ein ^riump^gefang auf bte ureraige göttliche ^eugunggfraft beö 2tn§, „baö lefete 3rct)fterium" : max eben bas, toarum ©Ott fcE)uf, unb warum er ben Xob in bie SBelt gefegt, ifjn gleic^fam in ^auf ge= nommen E)atte.

SBer ba§> lefete ^roforoerf Hauptmanns !ennt, ber mei^, ba^ er no^ üiel oon i^m 5u ermarten f)at. ©d^einen bod^ biefe einfad^en unb tro^bem oon bitl^^rambifd^em ©d^TOung getragenen ^rofafö^e eine neue SBIüte feiner ^unft onjufunbigen.

©erijart Hauptmann fiebelte im Sal)re 1892 oon ©rfner noc^ ©cEireiber^au, bann nad^ ber ©d^eibung oon feiner erften ?^rau naä) 9lgnetenborf im Sfliefens gebirge über, mo er nod^ f)eute lebt, ©eine SBerfe finb je^t aucE) in einer roofilfeilen fec^Sbänbigen SSoIföauSgabe erfcE)ienen.

3)oö te^te SBort über if)n gu fpred^en, rairb bem lebcnben @ef^lecE|t unmögltd^ fein fc^eint boc^ nodE) nic^t einmal feine eigene bicf)terifc^e SntroicEIung abgefdE)loffen. ©ef)en mir un§ aber unter ben lebenbcn unb toten ©ic^tem bcr ©egenmart, b. I). benen um, bie ungefähr feines 9XIterS finb, fo finben mir feinen, ben er nic^t überrogte. SI;m gebüF)rt, fo verloren bie <Ba^e be§ oon ^eit ju ^t'ü oon tt)m oertretenen 9loturaHSmu§ auä) fein mag, f)eute nod) bie ^alme.

5. ^crmnnu Cndpvmann.

SBoEten mir oon Hauptmann in ber Sinie beS fonfequenten 5fiaturaligmu§ meiter- frfireiten, fO' mürben mir ja{)Ireid^e ©rcuälinien fragenb berüljren muffen, on benen mir anii) ©ubermann antreffen mürben alö einen oon oicien, nic^t aber als einen ber ?^üt)rer. ®ef)en mir aber oon Hauptmann aus mit bem SBunfd^, aus ben ®cbanfen= freifen feiner 3eit eine überragenbe bicE)terifc^e ^erfönnd)!eit ^erauSjufinben, fo fto^cn ' mir juerft auf ©ubermann.

2lm 30. ©eptember 1857 rourbe ^ermann ©ubermann ju ?[Ra^ifen bei Het)be= frug in Dftpreu^en geboren. ®r befud^te bie 5ReaIfd^uIe in ©Ibing, bann bas 'tRcah ggmnafium in ^ilfit unb ftubierte 1875/76 in ilönigöberg ^{)ilologie unb ©efd)ic^te. 1877 ging er nac^ 53erlin, mo er als ^auSlefirer au6) in ber ^^amilie ^ans ^opfenS tötig mar, unb oermäEilte fid; 1891 mit ber S5?,itme ^laxa Sandner geb. ©(^ulg, einer ©d^riftfteüerin.

©ubermanns erfter 3f?ul)m grünbetc fid; burd; feine 3Romane. 1887 erf^ien „grau ©orge", 1888 „®er j^a^enfteg". ^n beiben mar nichts 9taturaIiftif(^eS, in beiben feEien mir ibcaliftif^ gejei^nete gelben als S^räger ber ^anblung.

3n „?^rau ©orge", auf bie SjörnfonS „SCrne'" ®influ^ geübt ju f)aben fdf)eint, gibt ber 5Did;ter bie ©ntroidlung ^aul 9J?et)f)öferS, eines gcbrüdten, träumerifd^eu/ mißachteten 5lnaben, ben bic ©orge burd^S Scben begleitet, ju fteier, I;errlic^er 5Dtanne§'' tat. Steid) an ©befmut, an StüFirung, an junger Siebe unb fpätem ®Iüd, mac^t „%xa\i Sorge" auf ben erften W\d ben ©inbrud eines SlomanS im alten ©til. ^etxa6)kt man bann aber ^auls 5ßater, ja it)n felbft ben ,,.^elben", mie er fic^ bemütigt oor benen,

^ermann Subeniiann. ö05

bie feinen 6cE)ipeftcrn bie ©t)re genommen I)nben, ftubteit man bie einzelnen 3"9<^ öicfer (Seelenge[d^irf)te, jo erfennt man ben nnerbittlid)en Skoliörnuä ber 3tuffnffung. 9iiii freilid^ fe^It ni^t an 6ffc!ten, roie fie SBilbenbvnd) liebte, 'tälan lefe ctiuo ^eIt 9lnfang &e§ 23. Kapitels : „®cr 3Sertcibi(\er F)attc geenbet. ©in a)hirmc[n ging bnrrf) ben weiten 6d;n)urgeri(^t§fooI, beffen ©aleri? Don bid)tgebrängten Slöpfen ftarrte." 2Bqö 'oa^ '^l)ema, bie ^anbtung, ben S^ia^men and) ben Ianbirf)aftlid)en betrifft, fo rcirb ber Sioman mit 9tcd)t immer raicbcr mit grenffenö „'^bxn Uf)l" Dcrgli(^en, bcr bcinnl;e ein SJtenfd^enoIter fpäter (1901) entftanb, alfo loot)! beiuu^t ober unbeiou^t auö biefer 5ßor[tcEungSwe(t gcfc^öpft f)at. ©emibmct f)at ber Tid;ter „grau Sorge" am 16. 9^oüember 1887 feinen ©Itern mit einem @ebi(f)t, baö oerbicnt, nirfit ucrgeffen ju roerben:

grou ©orgc, bie graue öerfcf}leicrte j^rau,

^erjliebe Gltern, i§r fennt fie genau;

fie ift ja fjente oor breißig ^a^ren

mit eu^ in bie g-rcmbe (jinau§gefal)ren,

bo bcr triefenbe 9loöembertag

f(^h3eratmenb auf nebliger §eibe log

unb ber SSSinb in ben 2Beiben3meigcn

cud^ pfiff ben ^ocf),^eit§reigen.

9llä i(;r nadj langen bangen (Stunben

im Sitauerföalbe ein S^Jeft gefunbcn

unb äagenb ftanbet an ober Sd;n)cIIe,.

ta war auä) 'j^rau Sorge fc^on miebev ,^nr 2tcQe

unb breitete fcgucnb bie ^Jlrnie an§'

unb fegnetc cud^ unb euer fQau§>

unb fegnete bie, bie in hen 2:iefen

öunoc^ ben (Schlaf be§ 9Mc^tfein§ fd}Iiefen.

®ö rann bie 3eit. Sie morfdje 3Biege, bie jcl^t im Sunfel unter ber Stiege fic^ freut ber lang ocrbientcn 9?aft, fa^ oiermal einen neuen ©aft. 2;ann, wenn bie 3lbenbglut oerblid^en, tarn au§ bcm SBinfel ein S(^atten gefd)lidjeu unb tuud;§ empor unb mauftc ftumm erhobenen ?lrmg um bie 2öicge ^erum.

2Ba§ eud) j^rau Sorge t)a Dcrfprad),

i)a§> 2eben ijat ey allgcmac^

in Seuf,^en unb S5?einen, in 9Jot unb ^Uagc,

im SO^üljfat trüber SSerfcltagc,

im ^onimer mand; burd;mad)ter 'Jiad)t

ad) fo getreulid; tt)al)r gemad)t.

3^r murbet berioeilen alt unb grau,

unb immer noc^ )d)leidit bie iierfd)leierte J^rau

mit ftarreu klugen unb fcgnenben .spänben

jhjifd>en bed ^aufea armen üicr 5R?änbcn

606 S5er SBaturati^muiS unb feine ©egcnftrömungen.

öom bürftigcn %\]ä) äum leeren (Sd)rcin,

öon <Bä}\vtlle ju ©djtuelte au§ uub ein,

unb lauert am §erbe unb bläft in bie 5*I<>J"i"ß"

unb f(^miebet ben Zaq mit bem Xage jufammcn.

^ergliebe (SItern, brum nid)t beringt!

Unb l^bt i^r eucf> rebli^ gemüht uub geplagt

ein langes frfjmere§ 2eben lang,

\o wirb eud^ bei ber Xage Steigen

ein g-eierabenb oom Fimmel fteigcn.

SSir ^ui^Qcnä [inb jung tüir I;aben ^raft, un§ ift ber SKut nod^ nic^t erfc^Iafft, wir roiffen ^u ringen mit S^lot unb SCRü^n, mix toifien, tvo blaue ®lücf§blumcn blür;n; bolb feieren n)ir Iad}enb ^eim nac^ .§au§ unb jagen grau ©orge jur Xüx f)inau§.

^n feinen 2Bir!ungen nod) bebeutcnber mar ® c r Ä a ^ c n ft e g ". S3oIe5s lom Don ©rfiranben fu(f)t uergebHrf; feie ©c^mad^ feineö 3Sater§, ber fein 2anb on ben ^einb »erraten l^ot, burd^ ^elbenmut im SefreiungSfriege 5U tilgen, ©nttoufd^t ferner burrf) eine ^ugenbliebe, finbet er in ber einftigcn ©etiebtcn fcincö injmifdien Der* ftorbencn 33oter§, ber ^unbetreucn S^tcgine, bag SSöeib, baö feiner mert fein fönnte märe nirf;t ju fpät, gu fpdt in boppeltem ©inne : Sf^egine ftirbt für ben 2tf)nung§Iofen ben Dpfertob oon ber ^anb i^re§ trunfenen 5ßaterö, unb er fclbft eilt üon neuem ins ^elb „bei Signg foH er g^fatten fein". ^Dic fd^önftc ©jene ift 9?eginen§ 58eftattung burrf) 35cv(eölam, unb ba fagt er SBorte ber ©rfenntniö, raie fie aud^ ber 9taturaU§muS üorausfe^tc. 2Ber mar biefe 9tegine geraefen? „(Sine jener $8ottfreaturen, roie fie ge: frfiaffen mürben, als ber .^erbenroi^ mit feinen läl)menbcn ©afeungen ber SlUmuttet 'tilainx no(^ nic^t in§ ^anbmerf gcpfufc^t l)atte, aU jebe§ junge ©efcf)öpf fic^ ungel)emmt äu blül)enber ^raft entmideln fonnte unb ein§ blieb mit bem ^^iaturleben im 33öfen

roie im (Suten ®aö, roa& man baö (Sute unb baä Söfe nennt, roogte l)altlüä in

ben 9JcbeIn ber DberflödE)e uml^er, brunter rul)te in träumenber ^raft bo§ ?latürlic^e."

»

1)ie übrigen ^Romane („ ^ 0 l a n 1 1; e ö ^ 0 d; j e i t ", 1892. @ § mar'', 1893) unb erjälilungen („ ® c f c^ i d) te n im ^miclic^t", 1887. „®e* f d) ro i ft e r ", 1888) ©ubcrmanng reid^en an feine erftcn beiben ^ro'faroer!e nic^t entfernt l)eran. 3u rül)men finb bie „ß it aui f d^ e n ® e f c^ i c^ ten" (1917). ©etnc 3?omane unb 3^ot>eIIen finb je^t in einer fed^öbänbigen @efamtau§gabe erfd^ienen.

3(m 27. S^onember 1889, alfo in bem für ben 3flaturatiömuö entfcf)eibenbcn ^al)re, rourbe ©ubermannö erftcä ®ramo ® l) r c " aufgefülirt. 'Daä ©tüd gel)ört ber 3eit, in ber gefd)rieben mürbe, mit feinem ^ontraft jroifd^en $8orber= unb .^linter; I)au§, jroifc^en ber Spraye bcö ©alon§ unb bem SSclföbialett. „Sobomä ©nbc" (1890) fd)Iie|t fic^ a(§ bramatifc^e 3ln!Iage gegen ^Berlin W aud^ im fojialen (Seifte folgerid)tig an, obrcol)l eg abgelehnt rourbe. ®as britte ^rama bagegen, Jg e i m a t"

^'^f'^n^anii Subcrmaim. 607

(1893), brorfitc il)m uiigef)euren (Srfolg. ^ii6) m biefem Stücf {janbclt \x6) im ©runbc mcl)r um bie @^re, ^u bereu ^ertreteriu eine uerfto^eue Oberftrcutnontötoc^ter, je^t naä) smölf ^al)ven eine berüf)mte ©ängerin, mit uucf)elid)cm .^iube cvforeu roirb, nlö um bie alte ^eimat. läbcv ba§ Problem bcö emanzipierten SBeibeö, baä 3lnjpru(^ auf freies 2RuttevgIüc! ergebt, mar mobern. Hub roic jeitgcmä^ mar baö f)icr ironificrte Urteil bcö ©eneralö: „2Ber bie ibealen ©ütcr bcr ?Jatiou pflegen nnU, ber fann ja einem i^riegercerein beitreten." 3J?ancbcö {)übfd}e Sßort fteljt in ber „öcimat", bas auc^ von bcn Äritifern be§ ©anjcn afs ^unftroerfö nid)t ücrgeffen merbcn follte. Gin fojiales 3lnf[agebrama ift nid;t minber bie S d) mc 1 1 e r I i n gö) d) I ad; t " (1893), mö^: rcnb baö ® I ii cf im 3B i n f e T' (1895), beffen gjiotiu an ^bfcnö „%xan nom 2Recre" erinnert, üon r»ornf)crein einen mcnji^Ii^en, nid)t tTjpifdjcn öinjelfall im 3(uge bat. 2)ie bret unter bem Xitef ..Morituri" (1896) nereinigten 6ina!ter ^c j a", j^ r i ^ ^ e n " unb ® a § e m i g 3)i ä n n I i c^ e " mürben ni^t ber 3iM"Q'"i"f 'i= faffung bebürfcn, um ^unftmcrt ju babcn. :8cfonberä bie CffijicrStragöbie jcigt mebv aU l)oä) cntraidelte 2:^ed;nif, fie ift aus ber lebenbigften 2Birt(id)teit gcfdiöpft. 1)ie ^o^anncö" ;^ragöbic (1898) beljanbelt ben au^ burc^ ^»ebbel, SBilbe u. a. be= tannten <Stoff. ift Subermannö crfteö ^iftorifc^eö Stüd unb olö foId)eö freilid) nid^t ganj geglüdt. ^n bcn „®rei $R e i 1^ er f eb e r n" (1898), einem ftjmbolifc^cn SRärdienbrama in 3Serfen, folgte er mit ©(ücf bem ^nc^c ber 3eit. 2öic in ^auptmann'5 furj jUDor erfc^iencner „^3?erfinifcner (Blode" fud)t f)icr eine ©eftalt nimmer rubenben fauftifd)en Se^nfudjtöbrangeö, ber 5Rärd}cnprinj SBitte, nad) bem fernen ©lücf, ba§ fid) bod^ an feiner Seite befinbet unb von ilim jcrftört mirb. 9hiö einer ^^onelle „Xaö 3Jot= ftanböfinb" crroudiS bem '3)i(^ter uniierfef)en§ ein 2)rama ^ o b a n n i ö f e u e r " (1900), baö mit feiner ed)ten Tragi! mieber einen ©rfolg bebeutete. 3" ^f"' Stürf „eö[ebebaö£eben" (1902) fnüpfte er an bie Probleme ber „.<3eimat", in bem 33 t u m c n b 0 0 t " an bie beö "Dramaö „Sobomö Gnbe'' an. ^n?it bem „Sturme gefcllen Sotrateö" (1903) bie Sturmgefellen ftnb ein (^ebcimbunb betrat er baö ©cbiet bcr politijc^en .^omöoie, bereu ^intergrunb bie bemofratiid}cn f ämpfc oon 1848 bilben. Sojiaf gerid;tct ift roicber baö "Drama „Stein unter Steinen" (1905), me(d)cö baö Sd;idinl bcr 33eftraftcu nad) ncrbüüter Strafe (jersenöec^t beljanbelt. Unter bem ^Titcf 3i o f e n " crfd)icncu 1907 bret meitere Gin= after, bie mit 3hiönalime beö erften Stürfö menigcr alö jene erftc Sammlung für fic^ cinnefjmen. 3)tit ben S t r a nb t i n be r n " (1909), bie in bie 3eit beö SDeutfc^cn S^itterorbenö fül^ren, unb ber 3?erötragöbie a\\^^ ber alten @efd)id)tc Ti e r Settier üonSgrafuö" (1910) betrat ber X\6)tcx mieber t^a^^ I^iftorijdjc ©ebict, mdf)reub baö ®ro|ftabtbrama „2) er gute 3^1 f " (1912) bie alte ^JJJciftcric^aft in ber Seljanblung bcr ©cgenmartöbramcn jcigt.

Subermann ift ron bcr .^ritif in bcn bciben legten ^ar)r}c^utcn meift alö cffeft= ^afd)enber Xf^eatralifcr abgetan unb bcifeitc gefdjobcn morpcn. Ginft übcridjä^t, mirb er ^cute jum großen Teil meit unter feinem 2Bcrt beurteilt. ^Jtber nicnitnb, au(^ bif Äritit nic^t, rermag ber i^ocfie einen 2Bcrt ju geben ober ju ncbmen. Sie bat ibn ober F)at ibn nidit, unb erft bie ^kdimelt fpric^t baö (cfetc 21ßort.

608 -j)er 9?aturaliämii§ unb feine ÖJegeiiftvömungen.

6. 8))mbQitSmu$, 9{eu((ajft$i§mui$ und @£|)rcj|tQuiömtt$.

58ei ber 33efpred;img ber tünftleri|rf)en ©trömungen im 2tu§Ianbe ift j(^on uon © 9 m b 0 1 i ft e n unb ©ypreffioniften bie 3Rebe gewefcn. Stuf biefen 2tbfd)nitt jei bo^er f)ier auöbrüdlirf) äurüdoerrciefen, benn in beiben %äUer\ fnüpft bie beutfc^c ^oefic an bie frembe on.

Tla]lüvm6 unb SSerlaine rourben bie SSorbilber für ben 5?reiö, ber fic^ feit 2ln; fang ber neunziger ^ofire um Stefan ©eorge unb feine 3^itfc^rift, bie S I ä 1 1 e r für bie ^ u n ft " bilbete. Q% maren oor ottem |>ugo ÖOlt ^ofuionnöt^al, 9Jiof 2)flut$enbci|, ^aul ©crorbi), torl SSolföfe^I, dii^axh <PcrI§, JJubtoig tlogcö, fpöter oucf) ernft liarbt, ^arl ©nftaö «ottmöacr, Döfar ®^mi^ unb ^uguft Ö^lcr. ^ünft= lerifc^ Quögeftattet raurben bie ^eitfd^rift unb SücEier biefer ©ruppe üon Mtl^iot^tä^itt.

^unäd^ft freiließ raaren iEire SBerfe gar nid^t für bie öffentlid^feit, fonbern nur für fie felbft unb wenig ©riefene beftimmt: bie ^unft nur für bie ^unft! Sereitä Flierin lag eine fc^roffe SBenbung gegen ben S^iaturaliämuS, ber an§> bem 2Sol! für boä SSoIt fd^öpfte, fid^ nid^t genug tun fonnte mit Sflad^raeifen fo'jialer ©efinnungen.

^emjufolge wirb junäc^ft ba§ jDrucfbilb fc^on äu^erlicE) inbioibualifiert. 3(m liebften lüöre es biefen ^Dic^tern, roenn für jebeö if)rer SBerfc bcfonbere Settern fjer- gefteUt mürben, ©ob bie naturaliftifd^e ^oefie möglid)ft oiel 3>"terpun!tionöaeid^en, fo bie fgmboIiftifcEie ber „33Iätter für bie ^unft" fnft gar feine. '3:;enben3, Sßirflic^fcit, ^atm, SBeltanfc^auung§= unb SBeltoerbefferungSfragcn merben au§ bem 3'?eicf)e bici'er 5Di(^ter uerbannt. ©tatt beffen fierrfcEien je^t Stimmungen, 5Cräume, j^arben, klänge, bie /,äarten 3(bfd)attungcn", unb man meift bemunbernb f)in auf ^ölberlin, 5^ot)aIiö unb 3i^au ^aul. 2Bie bei ^ölberfin, ober oud^ bei SSerloine roirb bie ^oefie ju roeidEier oerI)oEenber 3Jiufif,

3Ufo eine 3^euromantif mit Betonung bes Sr)mbolö, boö an bie Stelle ber grobfinntid^en ©egenftönbe ber noturoliftifc^cn ®id)tung tritt! Stnbeuten, nic^t be= fc^reiben, olinen loffen, nidjt borfteEen ba§ ift bie ?^orberung. Stiä Stoff foU fic^ ber ^idE)ter wäljUn, moö „ben größten unb fdE)önften teil ber f^wingenben feete ent^ f)ölt, bog bie onbern in feinem tieferen rcefen raiberfpiegelt unb bog fic^ burcE) feine Dottfommenere g'orm am meiften ber unbebingten ein^eit, bem f)öcE)ften troum nät)ert". ©amit beginnt ein 3(rtiften= unb 5tftl)etentum, boö bie ^oefic üornel)m oon ber Bwfll"!^ beö ^ageg obfc^Iie^en möchte.

3tlö 9JJeifter unb ?^üt)rer gepriefen roirb con SUlitgliebern biefeö rairfli(^feit§= unö noturmüben, Icbenöbcfabenten .flreifeö Stcfon ®Corge (geb. 1868 gu 33übe§I)eim in Reffen), bcr ^cnü^e, Unüergleic^lic^e/ 1918 olä günfgigjä^riger oufö neue üiel ge^ feiert. 2(ug bem freien Sßolbe giel^t ficE) feine ^oefie in ben forgföttig gelE)egten ^arf, ben mit feltenen ^flonjen beftecften ©arten gurüdE, in ben feinen 3"ti^itt ^^^^n ber ^öbel unb baö geben, in bem allein ju c^oufe finb bie Sd^önf)eit unb bie ^unft ber roenigen.

H 3)?cin garten beborf nic^t luft unb nic^t toärmc

ber garten ben idf) mir felber exhaut unb feiner böget leblofe fc^märme ^obcn noc^ nie einen früf)Iing gcf(^ut.

@i)mboIi»mu^, JJeuflafi'iäiämuä unb ßfpreifioniiSmug. 609

^ic ^unft wirb jum ^md aUtx ®inge, in if)ren ^ienft ftellen fic^ ®cfüf)[, ^att, 'Sii)X)Ü)mn^, forgli^e SSerteilung ber SBorte unb SSolale. ^oö) über bem, iraö man 3nf)alt nennt, ftef)t bie gorm.

3^ac^einanbcr gab ©eorgc folgenbe 3?er§bü^er f)crau§: „^tjmncn" (1890), „Pilgerfahrten" (1891), „Sllgabal" (1892), „®ic Sücfier ber §irtcn unb ^reiögebic^te, ber Sogen unb Sänge unb ber {)ängenben ©arten" (1895), „^aö '^a\)x ber Seele" (1897), „^er ^eppic^ bcö SebenS unb bie Sieber üon Xraum unb ^ob" (1900), „Xie gibel" (1901) €ine 3luörcQf)l erfter ^öerfe unb „^er fiebentc 9Ring" (1907). ^a^n fommen no6) mef)rere SSänbe poetifc^er Übertragungen, bei benen [ic^ bicfe 2Bort: fünft nufö f)ürf)ftc beraäbrt (ST)afcfpcarcö Sonette, ^Saubcfairc, 3Roffetti, Sroinburnc, ^orafon, ^acobfen, £[oo§, SSerroet), 3Serf)Qeren, 5ßerlaine, SJ^aHarm^, Sfiimbaub, be iRegnier, b'Slnnunjio), foune ^lufjeic^nungen unb ©fijj^n: „^age unb X'aten" (1903) unb „3}^ajimin. ßin ©ebcnfbuc^" (1906).

^ören roir junä(^ft alö c^arafteriftifi^e ^robe ber Übertragungen baö „Sec: Stud" beö ^änen ^acobfcn:

Über bie flippen ber [c^ultern ber inei^en

2)cr äugen blinfenbe§ 3»üilling§lid)t

^tral)lenb bridfit.

2)e§ atemäugS ire^ungen taue unb Icife

Heber bie flippen ber fc^ultern ber meinen

©a(^te gleiten.

^nbe^ gegen flcibe§ [pit^enfiiftc

<Sdl)lt)eUenb fic^ mälzen bie niogenben brüfte

(5c^aumn.->ei^ bix^ ftumm.

5Id) luenu borf) flänge

©(f)inel,^enb meic^ unb

3auberif(^ milb

§in äu fic^ tragenbc§

Siebe = f lagenbe§

5[J?eerfrauenIieb.

®aö ift ja nun ^acobfcn, nicf)t ©eorge, aber bod) uon bicfcm geuiäl)lt unb narfigebilbet. ^J^an benft unroittfürüc^ an ben SSergleic^ ber ^folbe mit einem ^om in beö Stjmboliften ^arbt „Tantriö ber 3f?arr", benn ba „marf)fcn fc^mcflcnb Säulen l)inauf äum Stral)Ienbomc iljreä Seibö", unb bie „23rüfte finb fjciligeö ©elnofp bc8 Stra^Iengartenö".

9lu0 feinen brci beftcn 33ürf)ern jiticren lüir jcfet ©eorgcö eigene ^<erfe. Xa§ „3af)r ber Seele", n>of)l fein befteö SBerf, luirb im erften mid)nitt Jui6) ber Scfc" mit folgenben SSerfen eröffnet;

S?omm in ben totgeingtcn parf unb id)au: 5:cr fc^immcr ferner lädjclnbcv gcflobe. SDer reinen nuilten unucTt)offte§ blau ßr^ellt bie mei^r unb bie bunten pfabe.

Oe^üe, Die beutfc^c Citftatur feU ©oct^eS 2obe ufro. 39

610 'T)ev 3?atui'ali0mu§ unb [eine (Segettftrömungcii.

SDort nimm ba§> tiefe gelb, haa meiere grau SSon birfen unb öon buc^. ber SSinb ift tau. 2)ie floaten rofen toelften nD(^ nic^t gang, ©riefe füffe [ie unb flicht ben Sranj.

S3ergt^ 'Ouc^ biefe legten aftern uic^t. ®en purpur um bie ranfen toilber reben Unb auc^ lüQg übrig blieb üon grünem leben SSertüinbe leidet im ^erbftlic^en gefielt.

3u feinen gartcften Siebern gef)ört haä eine ,,üon Xraum unb ^ob", ein ^enf: mal biefer gangen in fic^ felbft jurüdg^jogenen 91euromanti!:

©ei rebe bie blümt ©ei [ruc^t bie betört 3)ir lieb unb gerühmt . . '^üx meibe luag ftört

255a§ fiedjt unb öermorfcEft SBag ^aftet unb brüKt . . . S3on i'eltnen erforfc^t 2)cr menge üerl^üllt

^ege^re ha§> graun

S)a§ fd)tüellt nid^t me^r [prengt

2)a§ \<i}öm ^u fc^aun

SDa§ toärmenb nic^t fengt

S9i§ traumftill auf §D^n SDer ftra^I in bir taufest 3n golbnem getön SDein leben üerrauf(^t.

S)ie Siebe fpielt in biefem ^ünftlerfteife eine meit geringere $RoIIe alä bie ^reunbfd^aft, baö leichte 3tneinanber!Iingen gleidigeftimmter Seelen. Siebeölr)rif f)aben fie al^er tro'^bem gefrfiaffen, au^ George g,. ^. in ben Siebern beö „Siebenten 9fiingeä" :

3m lüinbeS = toeben 2Bar meine frage 9^ur träumerei. 9Jur lächeln tt»at 9So§ bu gegeben. 3lu§ naffer nac^t , Sin glan^ entfad)t

S'Jun brängt ber mai. 9f?un mu^ iä) gar Um bein aug unb £)aar Sllle tage 3n fef)nen leben.

5ßon ben übrigen 9Irtiften biefe§ ^reifeä fönnen {)ier nur ^ofmonnSt^al, '^avL- tl)cnbet) unb ^arbt nod) etmaö nöljer betrachtet meiiben.

C)Ugo öon ^ofmonn^t^al (geb. 1874 in SBien) übernahm oon Stefan ©corge üor allem ben mufifalifc^en 2ßof)Itaut ber 33erfe, ben Siun für bie feiert rerle^üdie 3ariE)eit ber ^orm. Soroof)! an feinen Üangreic^en ©ebid^ten mie befonberg an feinen beiben epifc^=bramatifc^en ©efängen ,,®er %oh beg S^igian" unb „^er ^or unb ber Xob" fann man baö ftubieren. ^ie jule^t genannte Did)tung, ein ^JJeifterroerf ber beutfi^en Siteratur, ift jugteid) bas üiettei'c^t allein unfterblidie 3JJonument biejeä &t' fdjledjts bes 3iiebergangö, roie eg fic^ in granfreid) felbft nannte, ber „D^cadence",

SpmBoIi:5mii^, DJeutlalnjismuS unb eyprefftonismu^. 611

bie boc^ gerabc barum ben 3Infpruc^ auf bie fiöc^ftc, gröberen D^ernen einig ocrborgene ^imft er^ob. (Eloubio, ber junge lebenäfrembe unb lebenöfolte 3tltl)et, niup fic^ oon bcm 2:obe, ber plö^Iic^ oor \l)m fteF)t, fagen laffen, ta^ er fein 2eben Durc^ eigene oc^ulb uerfäumt f)abc: „grft bo ic^ fterbe, fpür' ic^, ha^ idj bin." Xaö ift in einem 00$ ber ^ni)alt biefer fauftifc^ geftimmten 1)iQfoge, unb man mertt es: fie alle ronnbcln in bem riefenfjoften Schatten @oetf)ecv Die ci)nibo(iften iric bie 9lnturaliften, unb an feinem „gauft" biegten roir alle irgenbroie noc^ jeben 2:ag f)erum. 3Iber es ift boc^ Diel eigenes in ber -Situation, roie ber Xob erfc^eint als ein greunb, alö „ein großer ©Ott ber Seele", ber bem giebernben geigt, tpaö er einft oon fid) geftopen, rcelc^c Sdjä^e er bcfeffen unb uerfcfierjt, of)ne fie gu fennen, ju faffen, ju f)alten unD roie ^er Tob bann fc^eibet, nad^bem er fein SBerf getan:

„2Bie wunberODÜ [inb biefe SBefen, 2)ie, tüa§ nirfjt beutbar, bennod) Deuten, 2Bag nie gejc^rieben UJurbe, lejen, 93erft)orrene§ ber)errirf)enb binben Unb Sßege noc^ im ®mig=2unfeln finben."

entftanben in früher ^ugenb beö 3)ic^terS, erfdiienen beibe ©efängc erft fpäter: 1900/01. 58creitö ein ^aE)r oor^er gab er abgcfcfjen oon ber frütjen bramati)(^en Stubie „©eftern" (1891) ha§> „%^tatex in SSerfen" f)erauö, ta§i brei in ber ?5orm flongooDe Stüde enthält: „Xie grau im genfter", „^ie -ipodijeit ber Sobcibe" unb „^er 3Ibenteurer unb bie Sängerin". 2^raurig unb graufig bie ^anblung, überall! Snt erften ^rama wirb ^ianora, bie if)rcn ©eliebten erroartet, üon it)rem jäf)5ornigen ©atten erbroffelt, inbem er fie ju firf) nad) oben jicijt, unb ift nur gut, ta^ Den Sc^ru^ bie fjenif(^e ^nroeijung bilbet: „^nDeffen ift ber 58orf)ang fd)nc[I gefallen"; im jrociten ftürjt fid^ in einer alten perfifc^en Stabt bie einem älteren Äaujmann an= getraute Sobeibe t)om S^urm, nac^bem er fie juoor ju i^rem ©eüebten entlaffen unb fie biefen als unrcürbi'g, if)Ten 3Jiann, ju bem fie reuig jurüdfcfirt, als liebenömcrt erfannt })at; im britten, baö tiefe SJicIanc^olie atmet, roerben mir in baö SJcncöig beö ac^tjel^nten 3af)rt)unbcrtö oerfe^t. „i^leinc Xramcn" f)at ^ofmannötfial auc^ fpäter norf) (1906) f)erauegegeben, mir tonnen um if)nen bier ni^t mibmen. ©ebac^t fei nur nod^ feiner nad^ Sopf)otIcQ gebi^teten 58erütragöbien „Steftra" (1903) unD „.Honig Öbipuö" (1905), in benen ©raufen unD Gtftafe einanber ablöfcn, feiner na^ GuripibeS gebic^tetcn Tragöbie „^^llteftiö" (1911), beö O^ramaö „3Iriabnc auf 5}ayoö" (1912) unb ber ^omöbie für 9Jhifif „^cr 3fiofenfat)alier" (1911), in ber freiließ angefirf)tö ber oerroorrenen öanblung bie 3}?ufif baö 6ntfcf)cibenbe fein mü^te.

.Oofmannött)al get)ört ju ben ^ic^tem, bie ernft Stellung ncbmcn ,^u ben fragen ber 3eit, inöbefonbere ber ilunft. SBaö in feinen gcfammcitcn ^rojaidjriftcn fteF)t, rauröe jum Teil oorl}cr alö SSortrag einer .öörcrgemcinbe ober als iHufia^ ben Sefern oon 3eitfrf)riften befannt. Xci^j Jcuillctoniftifc^c barin nerrät jcöorf) burc^iueg ben tieferen Sebenöton beö Xic^terö, ber bie Sprad)e meiftcrlid) banbbabt. 3" bem erften biefer Stüde, ha^j fid) fd)on äu^erlirf) ab eine öffentlirf)e 3kbe fuHDgibt, „Ter Tid)tcr unb biefe 3eit", fpric^t er fid) in l)öd)ft begeid^nenber SEcife über bao Sßejen

39*

612 2)er 3'laturoliämug unb feine ©cgenftromungen.

ber ^oefie, if)r jeitlofeö ©riebniö ou§: „%üx bie ober, bie jemals f)unbert ©eiten oon S)ofto|eit)öfi gelebt ^aben ober gelebt bie ©eftalt ber Dttilie in ben 2ßaI)I»erroQnbt= [c^often ober gelebt ein Ocbic^t oon (Soetl^e ober ein ®ebicf)t r>on «Stefan ©corge, für bie fage ic^ nic^tö 33efremblicf)eg, roenn ic^ i§nen uon biefem Sriebniö fpred^c aU oon bem religiöfen ©riebnig .... SBer gu lejen oerftcl^t, lieft gläubig. S)enn er ru^t mit ganzer ©eele in ber SSifio^n. @r lä^t nichts oon fic^ brausen .... SDaö einzelne ift i^m für oieleS: benn er fiel)t frimboll^aft .... ^c^ f)öre be§ öfteren, man nennt trgenbmefc^e ^üc^er naturaliftifi^e unb irgenbmelc^e pft)cf)oIogifdE)e unb anbere ft)mboIiftifii)e unb noc^ anbere ebcnfo ni^töfogenbe 3^amen. ^ä) glaube nid^t, ha^ irgenbeine biefer SSe^eic^nungen ben leifeften ©inn I)at für einen, ber ^u lefen ocrfteI;t.'' S)o§ UnJieil, baö bie fogenannten ©c^Iagraörtcr über bie Literatur bringen, wirb I)ier gut getroffen, obmo^Eil bie 3)icf)ter, bie fie oerurteiten, an bem ©ntfte^en nid^t unbeteiligt finb. 2Ber unabläffig ba§ SBort „©t)mbor' unb „33ifion" im 5Kunbe fül)rt, barf fid) über 'bie Sejeic^nung „ftjmboliftifd^" nic^t lounbern.

S" 9Jl0f 2)aut5cubcl)ö (geb. 1867 in SBürgburg, geft. 1918 in ^aoa) Spri! fteigert firf) bie Tlr)\i\t biefer tiefinnerlic^en DffenbarungSbic^ter oielfadE) jur Unnatur, gu lebensfremlber Sßortfpielerei, bie firf) namentlich an <5Jlei^niffen nic^t genug tun !ann. «Seine @ebicE)te finb leuc^tenbe ?^arbenfleye :

SBeinrot brennen ©etoitterloinbc,

purpurblau ber ©eeranb,

§t)a5int^entief bie ferne Sl'üfte. '

©in 9?egenbog.en, beilc^enf(^n)ül,

fc^mil^t burc^ toeü^rouc^blnue ^Ibenbtoolfcn.

3m ^aubunfel loc^t eine ^ei^e S^ac^tigall.

5ßie[ SBortmufif, SSoIalflang, 9'l{)t)t^mu§, aber aurf) oiel Sßerftiegenlieit! ©anj furj mu^ ein Sieb 55)aut£)enber)ö fein, barf niiiit jur $8efinnung, ja nic^t einmal jum ^raum fommen laffen, mu^ oorüber£)ufc^en rate ein einzelner Sonnenbli^, ein Stofenbuft bann mir!t e§:

®ie 2uft fo [rfjtoer,

SBoIfen fielen mei^ unb ftill,

ber §immel l^o^I unb ofcf)enteer,

ein 91abenf(^rei ,

unb freifdjt borbci.

^ie 93äume ftet^en folt um^er,

ift, qI§ ob ha§> le^tc ^erg geftorben fei.

jünger al§ $ofmann§tf)aI unb ©aut^eriber) ift (?rnft .^orbt (geb. 1876 in ©raubenj), ber für fein 2)rama „S^antris ber 9^arr" 1908 beibe Sc^iEerpreife ertjielt. HucE) t)ier Stjmbolü: ^fotbe erfennt nur ^riftan ben freuen, nidf)t 3:^antri§ ben ^reu; lofen. Sturer einer ® u b r u n '' = 5Cragöbie (1911) unb anbern ©ramen f)ot er 3^ooeIIen unb ©ebic^te gefc^rieben, oon benen raenigftenä eines al§ 33eifpiel für biefe ftimmungsrei^en Sautmelobien gitiert fei, ba§ „Slbenblieb" :

©pm6oli5mu0, 3?eufrafi'i5ilmuö unb erpreffionismuä. 613

©tili! Ser SSalb ift fc^oara geworben,

äu Xale jie^t beä ipirten DJielobie

S)ie 2üfte lu^en nächtige Sßögel entflattern lautIo§ jebem Strauc^. S5?albbunfel träufelt 'Zan nnb 2üfte, ben Slronen [tirbt ber SBinbe ^aud), bie riefeln in bie dbne nieber unb fpielen mit bem ^iittcnrauc^. ^fJun breitet ginfternig bie glügel, nun fd^tt)inbet ha§: ®elänbe and)

©tili! ^er 35kilb ift ftumm geworben: 3nt fernen ^agt be§ §irten 2}?eIobie: „öelie . . bte bu . . ©elie . . bte bi\ . . ."

3n ber Kultur ber formen f^lo^ fic^ am Slnfang beö äinanjigften 3Q^rf)unbcrt§ on bie 3fleuromQntif bie ST^eorie beS fogennnnten Sf^e u! I af f i^iö mu § nn, oor- bereitet burc^ %t), 2(. SDic^cr^ Scfirift „®aö Stilgefefe ber ^ocfic" (1901), ucrtrcten Dor oHem oon Sil^clm öon ©t^olj (geb. 1874) in feinen „(Sebonfen jum Trama" (1905), ^aul ©rnft (geb. 1866) in feinem „2Beg jur gorm" (1906) unb enniucl Mlin^fi (1868—1910) in feinem „Stuögang ber 9Jioberne" (1908). 3Iuc^ bicf)tcrifc^ ^oben fie Sebeutenbeö gefd^affen, ©c^olj namentlich burc^ feine ^ragöbien „^er 3iube von tonftanj" unb ,3croe" fomie burc^ fein (Spoö ,>§o^enfIingen" unb feine Sijrit, (Srnft burc^ feine 3?omane „©er fc^male SSeg jum ©lud" unb „©ie fetige ^nfel" rooI)I fein befteö SBerf foraie burc^ feine ^ragöbien „Ganoffa" unb „Srunf)i(b", SublinSfi burc^ feine Dramen „©untrer unb 33runf)ilb" unb „^aifer unb .^anjler". S)ie S^euflaffijiften fcfiren jur ftrengen ?^orm unb im 'J)rama jum ^Ibcntt)puä 5urüd. SIber bie 2:^ragübic foE nid)t ?^urc^t unb SJiitleib ermeden, roie 3IriftoteIeö unb Seffing fagen, fonbern burdf) bie 3)arftellung beö notroenbigen Kampfes jmift^cn fitt: lidfien 3JJäc^ten g. 33. roie bei 3Intigone än)if(^cn 9?eIigion unb Staat , in bcren OJHtte ein ^eröorragenber 9Jfenfc^ ftel)t, (Energien auSlöfcn. „SKir cmpfinben", fagt ©ruft, „baö Seben nie fo ftarf alö beim Untergang beö gelben." 3)Jan fie^t: junfi^en bem alten unb bem neuen ^laffijiömuö ftebt ber ^roblemfu^cr unb ^roblcmlöfcr Hebbel. Srfiarf menbet ]i^ ber Sf^euflaffijiömuö gegen baö mobernc iJiilicubrama beö S'iaturaliömuö, cor aEem gegen beffen fojialiftifrficn 3"9/ bie 3trme(eutcmalcrci, gegen bie 2)arfteEung ber (E'nge, ber erbli(f)en Selaftung. ©er burc^ baö Glenb obgeftumpfte, hnxd) ben Xrunf oertierte Proletarier fomme für bie ^ragöbie nur feiten in ^xaa^t. ßi^er nod^ l)at fic^ mit einer foI(^en ßrfc^einung ber aitc ^laffijiömuö abfinben fönncn. „33emitleiben", fagt ©ruft, ber bocf) einft ebenfo mic Sublinöfi alö D^aturalift (gemein: fam mit 3lrno ^olj 1897) begann, „fann ic^ auc^ ben .Ccf)fen, ber in fcf^merer Sonnen^ glut ben ^flug jielit; aber er fann feinerlei tragifdjc ©mpfinbungcn in mir beroor- rufen." 3tl)nlirf)e ©cbanfengängc oerfotgen Srnftö 3lnf)ängcr is^ublinöti unb ber felbs ftänbige Sc^olj, ber einjige oon ben breien, bor niemnlö 'Jiaturalift mar. 3c^Ij fmpfiel)lt für ein ©rama ben 3J?T)tI)0ö. Crt unb '^ext finb am bcften rocit entlegen ober gar pljantaftifd;. 2o fpicit benn and) feine „SDierot*" im iiorgcfd;ic^tlid)cn illfien.

614 ©er 3taturaUömu§ unb feine ÖJegenftrömungen.

Su ber ^monotöfc^rift „^axon" f)aben 9JuboI| ^flnntöi^ (geb. 1881) unb Otto jur !Öinbc (geb. 1873) ein Drgan gefdfiaffen, bos jrcifc^en ^olj unb ©corge einen SSeg fuc^te gu einer neuen freien £unft, bie mit ^ol^ aEe a priori gegebenen ?^ormen ableijnt, mit ©eorge bie pJ)onetifd^en ©runbprinjipien feft{)ält unb nic^tö ©eringerec^ roerben möd^te alö baö mofire „9)tenfcE)f)eitöj'ein". ^a biefe ^oefie jebem ®ogmo feinb ift, roirb ber ^laffijiömuö oerbonnt. ,,®ie £unft", befiniert Dtto §ur Sinbe, „i[t ber S^rieb unb bie ?^ö§ig!eit, feine ©einemöglic^feitcn in möglic^fter ©efamt^eit üor bem Dbjeft (im raeiteften ©inne) inä ©leii^geroid^t ju bringen." 33ejonberö Iprijc^ ift biefer ^reiö an bie öffentlic^feit getreten.

©er Überblicf über biefe Strömungen märe unooEftönbig of)ne bie @rn)ä!)nung beg fogenannten ©fpreffi'oniemuö, nic^t bes{)alb, rceil er burd^ ben Sßert feiner %^eovk unb feiner Schöpfungen ein Slnrec^t barauf erraorben I)ötte, vox fo oieten anbern literarifc^en ©ruppen crrcäf)nt unb bet)anbelt ju merbeu, fonbern meil er ba§ ©egenbilb gum ^mpreffioniöraug, b. ^. natürlich Sugl^ic^ ä^m ^RoturaliömuS borftcEt. 2)er £unft beS ©inbrudö tritt je^t bie bes Stusbrucfö, bem mec^oniftifc^en ^lac^bilDen oon Qu^en ein fc^öpferifrf)eö Silben üon innen entgegen. ®a§ intuitioe ^rfennen, bie SLHfion tritt an bie ©teile ber 6rfal)rung. ®ie S^iatur f)at in ber ilunft überhaupt nti^tö md)v gu fuc^en, unb boäfelbe gilt oon irgenbmie überlieferten £unftformen, gleid^oiel ob ron flaffifc^en ober romantifcE)en. 5Do§ ^nnenbilb im 3)i'c^ter fc^offt fic^ felbft feine ^^'orm, al§ 5ßerg fomol)l rcie alö ©a^, olö SSort. ©orauä ergibt fi(^ nac^ ber 2tnf{(^t ber ©ypreffioniften bie 9KögticE)!eit ber 'Bai^- unb SSortoerfürjung unb ganj neuer SBortbilbung. SDeflinoticn, ^Konjugation, bramatif^e ^anblung, 58ergma^ nur im 9Jta^Iofen beraegt fic^ bie Äunft! werben entrechtet. ?lur ein öupereä ©eftaltung§prin§ip, baö in 2Bal)rl^eit aber ein inneres ift, giBt uod^, ben 9^l)i)t^mu5. Mein in ung, nic^t au^er un§, ift bie Slunft, fie ift fertig, el)c fie ?5^orm gewinnt unb l)inouötritt alö Slusbrucf (expression) eines ßigenen, innerlich ^)nv6) SSifion ©egebenen.

3tls erfter 58ertretcr ber bcutfc^en ©ypreffioniften gilt 5tuguft Stramm (geb. 1874), ber 1915 im SBeltfriege gefoEen ift. |)crtoart^ Solbcn grünbete 1910 bie Beit-- fc^rift „©er ©türm", ber ein %t\l ber ©ypreffioniften ©efolgfrfiaft leiftet.

§eute liegen bie ©inge fo, ba^ ber eine ©icEiter für eine ®l^re, ber onbere für eine ®l)renfränlung anfiel)t, j(i)on, noc^ ober überl)aupt alö ©ypreffionift abgeftempelt gu merben. SJ^an oeräidE)tet bal;er am beften gan^ auf biefe 9Jlar!e bem einzelnen gegenüber, roeil fein 9Jlorgen bem ©eftern ni&it mel)r entfpric^t, üielfa^ ja auc^ au§ ©rünben ber ©ntrai'cllung nicl)t mel)r entfpred^en fann.

SBieroeit bie ©turm=£unftabenbe, ©turm^^unftauöftcEungen unb bie ©turm= bül)ne iljre rorbereitenben 3(ufgaBen gu erfüEen fäl)ig finb, o^ne ^unft, ©efcE)äft unb Sflellame in Äonftift miteinanber ju bringen, fte^t bal)in. 91oc^ mic^ti'ger ift bie ?5^rage, mieroeit ber 2Beg inö tX'ber: unb llnma^ fül)ren, unb ob er nic^t im oöEig 3^orm= unb ©inntofen münbcn rairD. ^'bealiftifc^ roiE unb mu^ biefe ^unft fein, bie mit ber Sflealitöt nicf)tö mel)r gemeinfam l)ot, unb ba fragt fiel) roieber, mieraeit ^beale ol)ne 9latur möglicl) unb jumal fünftlerifc^ faßbar finb.

©pmboligmitg, Jlcuffaifisiömug unb (Srprefi'ioniismuä.

615

eypreifioniftifc^e groben, lucmi [ie afö folc^e progrommatifcf) auftreten, finb foum lüieberäugeben o^ne @efaf)r unfreiraiDiger ^eiterfeit. Zitieren roir öcti ÜInfang einer bramatijc^en, in ber „Sturmbüf)ne" (September 1918), bem ^a^tbuc^ beö 2:f)eatcrö ber efpreffioniftcn, abgebrucfteu Sirf)tung:

^ a ^ t a m p f Ä inner Don Sveslcr (Sommer gel[eu Serge ftorren in blauen §immel ®rüne Matten befjnen fernliegen läng§

uferlofer 2iefe 2Beg fteigt ben ^aß Sonne fpötet ben 3:ag SKäbd^en tan^t fpringt offene^ "paar lüe^t

blanfe S^niee §iip[en Wäb(i)en: Xu iDie 2Intrt)ort: Spiel Mähdjen: ßomm 5)ie SIutn?ort: (Seinen Tlähdjen: Tle'ine Strmc rccfen Serge bic ben ^immcl raubeit Mein ^er^ taumelt milbe ©erlöge rafenbc

fpringenbe (Steine 9Keine Slugen fucf)en locfcnDen örunb dJldm Ci)xen laufc^en fc^ürfenbe?? ©ie DJteine Sinne piljlen mirbeln f^ciße

Stürme 9J?cinc Sippen [euj^en jubeln 2;ie Slntiuort: 2)ic^ 9)cäbcfjeu: Sf^arr nur Xie 5(utiuort: 3hir SD?äbcf)en: Xic^ S)ie 5Intrt)ort: Xtc^ Sof)n: Steigt ^u i^r 9roäb(^en: 3" mir 3:ie 5Intn)ort: 2Bir So^n: 2!ic Pfeile meiner Se^nfuc^t fliegen

Ieu(^tenb auf SD^öbc^en: ©lattönenbe platten Sc^ilbc

beden meinen Seib ©o^n: ^^c^ \ä)xe'K flimmenbc 2Bünfrf;c

empor 3JZäbc^en: 2öecfe

Sor;n: ^^r blonben Soden ranft ein goU beneä Seil

9JZäb(^en: Stürme

So^n: ^^^r Sergfeeaugen miegt einen fliegenbcn 9.ai)n

DJJäbc^en: 9iaube

So^n: ^^r fc^nceigen fc^lanfcn ®lie^er fpannt friftaüene Srüden

So^n greift

ÜKäbdjen nedt 3ur ^aßfjö^e

9}Jäb(^en: 5'fl»9

So^n: 2lblerraufcf)enber Jlug

9J?äbc^en: Sc^ü^enber Stein

So^n: 5el§tt3anb f)emmt bannt 9J^äbd)en: Serggcift türmt franf ]pi^ 5J?cffcr

^orn fd)ncibct Sof;n: SSoIfen fofen Xeinc 3innc SJ^äbc^en: Sonnenftraf)Ieu 3crfocf)en ver- fließen Sofin: Siebe fettet Sruft an Sruft DJlöbc^en: fd^micgt ^süngling ^icl^t 3J2äi)d;cn

^«(üngliug [infcu 3)catte SKäbc^en: ilraum 5l6enb So^n: SJZorgcn ©ruß 3J2äl)d)en: Jage brennen So^n: ©Otter g^ac^t 9D?äbc^en: Siüffc mic^ tüffe mic^ Sobn: S5?ir fd^minl'cln Jiefe 9J2äbd)en: 95}ir beben oerfc^moIvencS

Sd)iDingen So^n: Sod)enbe ©tut 9D?äbd}en: 9[)?ärd)cn (ifpeln So^n: 't^^cücx lobcrn SDJäbc^cn: Alürf)tiger .v^aud) So^n: SScrbrennen Serge ^Ibenbrot lobern Ici§.

9Jian lüirb jugebcu/ baf^ bicfc ^oefic minbcftenö eigenartig ift unb f^on alö Seltenheit nerbtcnt, fcftgebaltcu ju roerbcn.

^n bemfelben für bic (Sbarattcriftif ber Sciuegung mistigen 3citfc^riftl)cft rcr- breitet fi^ l^ot^or ©djrcljcr, einer ber Sturmfübrer, über bao SBcfcn ber neuen §(\u\H. Einige §auptftcllcn feien I^icr mörtlic^ roiebergegebcn :

616 S5er 5Raturali^mu§ unb feine ©egenftrömungen.

„SDer ©jprcffioni§OTu§ i[t bie geiftige 33etüeguug einer ß^it; ^i^ ^^^ innere Er- lebnis über i>a§ äu|eTe SeBen jtellt.

S)er ejpreftfionigmuS in ber ^unft fcE)wfft bie ®e[toIt, in ber ber SQienj^ jein innereg SrIebniS fünbet.

2)ie @egenn>art errid^tet ein 9ieic^ beS 65ei[te§

(5§ gibt feine Seben§ir»a§r^eit. SBir leben nid^t toaiyx. (£§ gibt in Söa^r^eit fein Seben

©§ gibt feine ^oefie un^b feine ^roja. ®§ gibt a\x6) in ber ©pradie nur S^unft unb g^ic^tfunft

2)ie ^umaniftifd;e Silbung ift ber g-einb be§ ®eifte§. 2)ie §umani[tif(^e 93ilbung ux\i) i^re ^armonifc^e ©eftalt |aben bie beutfc^e Sprache in f^effeln gefcf^tagen. SDie geffeln finb geriprengt. 2)ie ^raft be§ 9i^t)t^mu§, ber ungeheueren 5Kad)tge[taIt ber (Gegenwart, niac^t bie gebunbene (Bpxaä)t ungebunben. ^Tfur bie ungebunbene ©prarfie loirft ben ®ei|t. S^iur bie freie ©pracfie loirft ha§> SöortfunftWerf. ^m bie Un- gebunben^eit be§ S^^^t^muS fünbet bo§ gciftige (Sriebniä.

2)er 3^§9t^mu§ ift ha^ ©eftaltungäprin^ip ber ©egenmart. 2)eun er ift ein SluSbrucf ber ^adi)t S)ie Harmonie mit! enblic^"eit, SSoUfommenfieit. ®ie SDlac^t luill fein (S:nb^. ©ie ift nie üoUfommen. UntooUfomnien, unenblicfj ift ber 9i^Qtf)mug. ©r ift bie Sluflöfung jebeg SJJa^eS. ®aä Si'unftraerf bec ©egenmort ift af)armonil(^, ift r|Qtf)mifd^

©in 'üBerf, ha§> mit einem Tla^ au&gemeffen werben fann, ein SBerf, ha^ naä) einem dJla^ gearbeitet ift, ift ein ^anbtüerf unb fein dieiftmerf, fein S'unftlrerf. ®er öer^ängniSöDÜe ^''^i^tum ber S3ergangen^eit toax ber ©laube an ha§> SlUeinfeligmac^en be§ S?önnen§. 2)er SSergang€nf)eit ift bie Stunft ein können. Unb i)a§> können ift lern» bar. Sernbar aber ift nur ein grembe§. ®a§ ©igene fönnen n>ir nic^t lernen. X'a§ (Eigene ift in unS. ©§ lüöc^ft in ung. SBir lüac^fen in bie Söelt. ^unft ift S^unbe biefeg 2Sac^§tum§

Seber ®ic^ter ift SSortfc^öpfer. ^eber 3)ic^ter ^at jebeg Söort neu gu fc^offen, Ser Slugbrucf für ha§> ungreifbare (£rlebni§ be§ S!'o§mD§ fann öon niemanbem über» nommen U)erben. Sie ®eftalt ftellt fid^ mit gfiotmenbigfeit ein, toenn ber SSJienfd^ ein- gefteüt ift in bie ©infieit be§ m§>. SBo ber 2)'i(f>ter bie ®eftalt au§ ber Sf^ottDenbigfeit f^öpft, f^afft er.

2)ie ©runbfä^e, bie unfere ©egentnort, unfere Äunft geftalten, finb Drganifation unb 9i^t)t^mu§ " ^

il'onjentrieren fei ^Didfiten, erflärt ©(^rcger. ^onjentration beä Si"^^^^^ ""^ ber ?^orm fei notroenbig. S)oc^ laffen mir if)m lieber felbft ba§ Sßort barüber, mic mon fi(^ eine folc^e ^ongentration, b. f). 3)ic^tung, norgufteHen f)ot:

,Mit möglicf)ft toenig Sautmittcin ben SJegriff p geftalten, ift ba§ Qkl SBort» öerfürgung ift bie ?5oIge.

SDie SSortüerfürgung fann auf iia^ ©tammlnort gurürfge^en.

33ären für gebären fdjtoenben für öerfc^tüenben nxinbeln für bertoanbeln.

S)ic ©nbungen ber SDeflination unb Konjugation fönnen wegbleiben. 2)€r 5lrtifel fef)It überall, too er nidjt notmenbig bebingt ift.

©tjmbolilmu^, Jleuftaffisigmug unb erpreiTionigmus. 617

2tu§ ben Sßortoerfüräungen «erben SBortDcränbcrungen.

2)ie SSortüeränbcrungen führen 5111- Silbung neuer SSorte. 2IuB Sßerben n^erben ©ubftantiDe, au§> ©ubftantiDen S3erben gebilbet, 3. 33. aü§> Slinb bog «erb finben.

3)ie SSortgeftalt ift ein SSortfafe, menn bie Segriffggeftalt nic^t in einem einher- »ort 3U geben ift. S^er SBortja^ ift-ioic ba§^ (Sinjelmort eine Sin^eit md) ^nbalt unb ®eftalt.

3:ie Stonäentration n?irb im SSortfafe erreicht burc^ Umftellung ber S33orte ober büxd) ©a^öerfürgung.

®ie §aupt[tellungen be§ einfachen Slusiageja^eä mit öerjc^iebencr ^onäentratiou [inb folgenbe:

1. 2er grü^Iing ijt gefommen.

2. 3ft ber grü^Iing gefommen.

3. ©cfommen ijt ber g^ü^Iing.

4. 2er grüljling gefommen ift.

5. 5jt gefommen ber gi^ü^ling.

6. ©efommen ber grüfiting ift.

2ie ©a^berfüräung ift eine ßrtt)eiterung ber SSortoerfür^ung.

einfache Sa^derfür^ungen finb haS» Studiaffen ber ^räpofitionen, ber Kopula unb bie tranfitioe SScrtt)enbung intranfitioer 53erben.

3n ben einfad^en ©a^öerfür^ungen n)irb baS für bie 2Iu§fage Überflüffigc tt^eg- gelaffen. Sie finb nod^ feine eigentlichen .Konzentrationen.

Sßie fid^ au§ ber einfachen SSerfür^ung bie ^Konzentration nac^ ^n\)ah unb ®eftalt entmicfelt, geigt folgenbeg Seifpiel:

2)ie Saume unb bie 93Iumen blüfjen ift eine einfache Slu^fage.

SDie 55äumc, bie S3Iumen blüfjcn ift eine einfache 53ertür3ung. 2ie 5lopnIa bleibt meg. (Sbenfo ift

SSäume unb 33Iumen blühen

eine einfacf)« Serfürjung. 2)ie SIrtifcI fallen »eg. SIbcr

S3aum unb SSlumc blüfit

ift feine einfache S^erfürgung mei^r, fonbern eine Ston^entration. 2er 33cgriff ift tiefer gefaxt. Slber bie ßin^eit ber Segriffe Saum unö Slume unb SIiif)cn taun noc^ fon. zentrierter geftaltet merben. <2o ift bie Joi^n^ mögli^

Slü^enber Saum, blüf)enbe Slume.

?lber f^ier ift nur bie ©infieit be§ SIü^en§ gcbilbet. Soum unb Slume finb aI5 Gkgcn- fä^e gefaxt, ßrft bie go^"^

Saum blü^t Slume

fügt bie brei Segriffe ju einem (Sin^itsbegriff ^ufammcn. 2ic§ ift ein SSortfo^.

Xiefer 2!3ortfa^ fann noc^ bi? in ein (Sinjelmort fonjcntriert ttierben, »nenn bie SSortreifie feinen 8a^, fonbern ein SSort forbcrt. Xicfed SBort Reifet bann

Slüte. 2ie fomplere Sorftellung be§ 2Bortcy Slüte umfaßt Saum unb Slume im Slü^cn."

618 2)er 9?aturaliömu'3 unb feine ©cgcnftrömungen.

Dh S3en Stfiba ongefic^tö biefer ^oefie unb if)rer ^fieorien bei jeiiiem 2lu§fprucE) : „(Scf)on aEe§ bogeraefen!" bleiben würbe, ift nic^t gonj ficEier, man mü^te benn in bie prä^iftorifc^en 3JJenfd^]^eit5perioben gurüdgreifen. 2ln bem ©ypreffioniämuö ift fg, feinen S)afein§roert nid^t nur in ber bilbenben £unft, fonbern aucE) in ber ©icfitung burd^ Seiftungen ju beroeifcn, bie über bie I)ier genannten j^üt)rer unb Flachläufer t)inauö3urair!en föt)ig finb. X)op roirb bie ©ruppe ,,©turm" aUein t)iettei(f)t nicfit im: ftanbe fein, benn „im engen ^reis oerengert fi(^ ber <Si'nn". Unb f)öE)ere ^v)Qd^ t)at mon f)ier bod) gemi^ im Stuge.

. XIV.

Die Dichtung der letzten jf^l^tzebnte in und neben den großen Strömungen.

ift utimöglit^, über bie ©egenroort ©ejc^ic^tc gu fd)rcibcn, foiucit fic^ nic^t um bie ßl^araftcriftif großer Strömungen Ijanbelt; unb bie legten 3Qf)rje{)ntc finb jo Qurf) für bie jüngeren unter ung noc^ ©egenroart. ^aä 3Ringen ber ©eifter um 9lnerfennung ift erft bnnn flar p erfennen unD gu beurteilen, menn bie ^i\t, in ber fic leben, ben feften 3JtQpftab beö SSerteö f)interlQffen iiat. Wian rerniag nid^t bie Äroft beö Stromeg gu meffen, in bem man jclbft frf;mimmt. SSao a()o über bie 2)i'(^tung ber legten ^atjrgebnte gefügt merbcn tonn, baö ift nm meiteften uon bem 3(nipruct) entfernt, allgemeingültig ju fein. 3lnbererjcitö ftet)t ber fjier ben 3)irf)tern ber ©egenraart gemährte 3kum iwä) mcniger in gcomctrijcE)em 35crbältniö gu i[)rer abfotuten 33ebeutung, aU ha^, in ben uort)erget)enben 23üd)ern erftrcbt mirb.

2Bie märe es möglicE), bie mobernc Sprit nnberö alö perjönlirf) niiöergufpicgeln! 3^i(f)t iijx 33efte§, ^nnerftes : faft nur ben ^lang gibt man weiter, ben fie im .Cf)r t)inter: loffen l)at. Unb fo ift es in 9toman, Sf^ooeHc, Gpoö unb ^rama, fünftleriid)cn ©ot; tungen, beren gorm burc^ eine jebe neue ©egenmart umgebaut, gefprengt mcrben fann unb of)ne einen beftimmtcn lebenbigen 3fitge^alt it)ren Gmigtcitömert n\6)t geltenb, n\6)t fid)tbar machen fann.

58ei ber 2r)vit befonberö tut man gut, mögli^ft menig norf) ßruppcn, crfifag: mortem unb (Srf)ulbegriffen ju fucfien, metjr ^^roben alö Grtlärungcn unö Xicutungen äu bringen, fie fi(^ felbft unb itjren SGßirfungcn gu überlaffen.

9iämlicf) ba§ Seien non ©cbicf)ten

ift jnxjr fe^r einfat^ ,yt tierridjtcn,

aber gerabc bie einfactjcn 'Zadjen

pflegt befanntlid) ber SJJcnjd) fid) \d)Wev gn iiiadjcn.

ißor allem: fudj feinen „©runbgcbanfen"!

fonft fommen beine paar 8inne ing S5>anfen.

9?i(^arb 2)C^nitI (1863—1920), beffen „Xenfgettel" an bie Scjer in ber brei= bänbigen Sluögabe feiner „©efammelten 2ßcr!c" (1918) bieje S^erfe entnommen fino, ift im 3ufQnii"enl)ang mit bem jüngftbeutjc^cn 3turm unb Trang fd)on genannt iDorben. 3tber er ging feinen eigenen 9Beg, ind)enD, grübclnD, Icibenjd;a[tlid) erregt,

620 Sie Sichtung ber legten 3a()r8e{)nte in unb neben ben großen Stvömungcn.

in bcr SBaf)I bcö 2}iotiDö nicE)t eingeengt burdE) bie foäialiftifd^en ^been, fo fcf)r er au^ mit bem einfallen Tla\m auö bem SSoIfe §u füEjIen cermag.

9^ur 3ßit! tüir tüittein ©ejüittertoinb, toir S3Dlf. 9?ur eine fleine ©njigleit un§ fe^It ja nichts, mein SSeib, mein Sinl),

al§ all iia^), Jüa§ burcf) un§ getici^t,

um [o fü^n äu [ein, mie bie S3ögel finb

5«ut 3eit!

^roifc^en Söirflic^feitsfinn unb ?^ormgefüf)I bemegt fic^ feine 2r)x\t mit letzter Slnmut. ßr teilt bie ?^reube ber 9Zeuromanti!er an jarten j^arben, an ©timmungsjauber unb SSortmufif.

SBeic^ fü^t bie 3toßi9^

ber mei^e dJlonh;

ein ^lüftern mo^nt

im Saub, al§ neige,

üU fc|lDeige jid) ber §ain gur diui),

©eliebte bu.

S5:er SBei^er ru^t, unb

bie SSeibe fd^immert;

i^r ©chatten flimmert

in feiner glut, unb

ber 3Sinb meint in ben Säumen.

2Sir träumen träumen.

2)ie SSeiten Ieuct)ten

Seru'^igung;

bie ^iieberung

l)eht Udo) ben feuchten

©c^Ieier ^in äum ^immeBfaum.

D l^in 0 Straum.

©r liebt es, bie Slod^t ^u malen, aber aurf) it)ren Übergang jum Sid)t.

Unb bu merfft nic^t im ©(^reiten, mie ha§> Sid^t ber^unbertfältigt fic^ entringt ben S)unfel^eiten; plö^Iic^ fte^ft bu übermältigt.

2Ran ^at 3)et)met§ Sprif Sßeltanfc^auungSpoefie genannt, man ^at fie alä metapf)t)fif^s tief gerütjmt unb olö allju finnlic^ gefc^olten unb babur^ boc^ nur gezeigt, ba^ if)r mit ein paar geläufigen Segriffen nid)t beigutommen ift. (Sin ®ebirf)t mie haä folgenbe fönnten mir beifpielöroeife impreffioniftifrf), naturaliftifrf), fo^ialiftifcf), flaffijiftifc^ unb romantifc^ nennen rcaö !ommt barauf an? 3JJan befommt eine SSorfteHung t)on i^m mie übertiaupt con aßer Stjri! nur burcE) bie mörtlic^e Sßi'ebergobe.

(£§ ^ält bie ^aäjt ben ©türm im ©c^o^, unb morgen get)t bie SIrbeit log. äRo^Ie, mü^k, ma^Ie!

fommt ein bunfleS Slbenbrot, biel arme Seute fc^rei'n nad^^ Srot. a^afile, giKü^Ie, mo^le!

(£§ fegt ber ©türm bie gelber rein,

eg mirb !ein SKenfc^ mۤr junger [cfirei'n.

9Ka^Ie, mü^h, ma^Ie!

Xet)mel ift fein ^opi'ft ber 3?atur, aber auc^ fein 3tnt)änger ber Set)re bercr um ©eorge, ta^ bie Äunft nur für bie ^unft beftimmt fei. (Sr lä^t ficf) ben offenen 33Iicf für \)a^

2r)iU. 621

Schöne burc^ oft^etifc^c ©rroägungen nid;t trüben. (Sr bleibt er )c[bft unb forbert jeben auf, firf) felbft getreu ju bleiben, bem eigenen SBillen, bem S^riebe : „^tcib jQcrr beineö vStrebenö!" SSir wüßten feinen niobernen 2i)x\Ux, ber fo unbefangen unb fclbftänbig in unb neben ben großen Strömungen feine 33abu uerfolgte roie 2)e^mel. 3fiealiftif(^ ift feine ^unft, unb boc^ roanbcrt träumenb fein „33[icf in§ Sidit", unb „märi^enblütenblau umgaufeln" feine „%ai)xt bie S^ilftibeKen".

®ag unterfd^eibet \l)n gugteid) con üielen unb empfaf)! ibn für bie erfte Stelle biefeS 3ibfc^nittcö, ber eine ^ofge unb bod) auc^ eine ©rgänjung beö vorigen fein niu^. i^rjrifer werben uon febem anberö aufgefaßt. SBiU man fic üerfteJ)n, fo mu| man fie, nidf)t über fie, lefen. §ier fann ber SSermittIcr meift nur fdiaben, unb je mef)r er ficE) barauf befc^ränft, ein aH^u auffäEigeä §in unb ^er ber (Stimmungen, ein 2)ur(^ein: anber ber einanber SBiberftrebenben gu ncrmeiben, im übrigen aber ber 2r)ril fclbft '5um SBorte gn üerFielfen, um fo beffcr für biefe unb it)re 33eurteiler.

St)rif(^ fammelten fid^, raie rcir unö erinnern, bie jungen 2)id)ter junädift um Siliencron. 9'teue Xönc waren e§, ^önc frifcEien, ungeaF)nten, augenblidlid) gegcn= rcärtigen Sebenä, bie man bo vcxnaf)m. S]on ^ier gingen au^er 2:;ef)me[, beffen £t)rif fpäter üon Siliencron geliebt unb gerüf)mt würbe, yiele anberc aus, beren Sebeutenbftec ©Uftad gölte (1863—1916) ift.

g^alfe gef)ört ju ben mobernften unb hoi} trautcften Sprifern beö beut)d)cn ^aufeö, ber Sänger bes „^erbbämmerglüde":

2luö bem ^a!t.

SD^^in SBeib unb all m'eiu ^olber ^reiS, mein ^inb unb all mein Iad)enb ®lüd. 3d) TÜ^re an bie ©aitc Iei§, lüie t)eU flingt ^urüd.

9?ur manchmal, ittenn bon ferne xä) bie großen Ströme raufdjen ^örc, hjenu fid^ ber üollem 2eben§(^örc ein 2:on in meine Stille jc^li^, f(^rei laut ic^ auf unb ^ebe Sllag: 3Jlei)x 2i(^t, mcl)r 2'\6)t, nur einen ^ag!

Unb blutenb leg id^, abgemanbt,

mein ^erj in eure 2iebc§^nb,

bi§ öon aller 3lngft cntbunben

unb ttiieber feinen Xaft gcfunben,

ben ®leirf;tatt äwiic^en Söunic^ unb ^flid)t.

§erbbämmerglürf, ^erbbömmcrlic^t.

3:)aö ftille (Slücf, baö ein jcber nur in fic^ unb ben Seinen fiuDet, nidjt in ber unbegrif= fenen j^erne, f)at er ]o oft gemalt.

S^on ftanb fie brau^,en an ber Pforte, er l)ört nur noc^ bie ^bfc^iebgmorte: „5Sergife mxd) nid)t, xö) mar \>a^ ©lud."

eine folc^e Si)mboli! mar md)t „ilunft für bie ilunft", mar Äunft für aUc. 3Bcib unb 5linb unö ©Itern, mit einem SBort: bie gamilie gibt if)r ben erften unD t)öd)ften 2Bert; juerft oon allen bie SJIutter:

622

S)ic iDic^tung ber legten i^afirjefiutc in iinb neben bcn großen Strömungen.

©ie f)at gar [eine D§ren, i^r ge^t bon beine§ ^erjeng ©djlag, oblüo^l bie Sippe [rf^lüetgen mag, aud) nid^t ein Icifer 2:on üerloren.

« |)erjinnig ift fein Sicbeölieb, uon ®ef)ntel§ ©rotif grunbüerjc^ieben:

Srtüa^t.

2Bie feiig ^at mic^'g gemacht, bo^ unfere SBege fic^ trafen. 9^un lieg ic^ in ber '^adjt unb fann ni(^t fc^Iafen.

D, tDeIc|e Siebe tt>ar in meinem ^er^en öerBorgen unb ioartete ^a^x für ^ai)X auf i^ren SJJorgen.

I)a fam i^r Xag unb Sic^t, unb fie ertoac^te. ®u, bein fü^e§ ®efid)t lüie feiig mi(i)'§ mad^te!

^nnereö ©rieben iDiU ^alfe, mie er felbft fagt, ju SBort, ^on unb (Seftalt uerbid^ten; Dom 9JtaIerifc^en möchte er jum 3)i'd^terifc^en, oom SIenbenben gum (ScI)IicE)ten, uom Sauten gum StiHen üorbringen. 3)iit einem ®efül)l inneren (Slüdeä mag rool)! auc^ ber äeitmeilig ©lüdlofc biefe Sieber oug ber ^anb legen, auc^ menn fie oon roel); mutiger Erinnerung unb Dom ^obe reben.

5Run träum id^ bie alten 2;räume unb rü^re leife ben <Bä)a^, fac^t raufclien bie alten 33dunic, unb alle§ am alten ^la^.

50tir ift, al§ fönnt' id^ ge^en nur grab' in» gelb hinein, mit gefdEiIoffcnen Slugen fel)en ben flaren 53DlImDnbfdf)ein.

Unb leife ©cCjauer trieben fü^I mic^ mieber an, unb bie alten ©terne fielen über bem träumenben SDZann.

'äuä) galfe ift äuglcid) 2ßirflirf)feit5: unb 3:rQumbic^ter, aber er ^ält beibe§ ^üh\ä) auöeinonber.

©ine gan^e 9teil)e moberner Sprifer bleibt nid)t minber felbftänbig, ja fogar, roa§ man non '^eijmü unb ?^atfe nid)t fagen fann, faft unberührt üon ben großen Strömungen. ®ie alten ülänge leben lüeiter, Steinte unb 9tl)pt^men bel)altcn il)r 9f^ed£)t, unb nur in ben SJiotiüen, in ber Stimmung, in ber SBeltanfc^auung geigt fid^ eine leife Sßanbfung, fünbigt fic^ baö groanjigfte 3a|rl)unbert an. ^ierljer gef)ören unter oielen anberen üor attem 58ierorbt, Schüler, 2lDenariuä, ©(^oenaicE)=ßaroIatI), bie beiben 33rüber Suffe, 2tbter, SBeiganb, ©aluö, ^nobt, Senjmann, Stern, 33utcfe, 3raeig, Setf)ge, ©oerö, ©ingfet) unb Sc^aufal.

■g»cinnc{) Jßicrorbt (geb. 1855) oertritt noc^ ein älteres ©efc^Ierfit, baö fit^ am liebften in ©efcfiic^te unb Sage oerlor. 2turf) bie Sanbf^aft rairb gern in überfinnlid^e Spl)ären getragen.

Stjrif. 623

Um 9[)?itternQc^t im 9!)?onben)^ein bie Segel fdjillernb fc^mcüen nad)t§ ]äi)xt ber Slönig ber Slorngeiftlein

Um 9J(itteTna(f)t im 9J?onben[(^ein loiegt )i^'§ halb unten, halb oben:

feine Segel Sibellenflügelein, ^ . _.,,^

feine 2:aue öon Spinnweb geiroben. ' auf'bcn bleichen, filbernen äVli'en

9^ur rocnig jünger ift gricbrit^ ^Iblcr (geb. 1857), ber in ben ,,gjJobernen 2;ic^terc^arafteren" ftanb, ober nic^t üicl mit jenem Äreife gemein f)otte. ßin inniger 2:on fäUt in feinen 5ßerfen auf.

^ämmerftunbc

Spri<^ nur, fpri^!

id^ ^öre bie iRebe rinnen,

ic^ §i3re bid).

Durc^ ba§ C^v naä) innen gleitet bie 2SeIIe; ?5rieben trägt fie unb <pelle tönenb mit fidj.

^d) ^öre bie SSorte rinnen idf loill mic^ auf fcin§ befinnen: icf) ^örc bi(^.

9f?eIigiöö=p^iIofopf)ifc^e Setrac^tungsart ifi in noc^ ^ö^erem ©robe bem fcf)r üiel jüngeren ©uftot) St^ülcr (geb. 1871) eigen, ber ebenfalls in ber früfieren ^unft rDUx^üt 3SieIe ^üge erinnern an J^alfe.

SBaö ift hat^ ©lücf?

9Sa§ ift ba§, &lüd?

ßin flimmenöe§, fc^nmmenöeS J-Iiegcn?

Gin Siegen,

ein 5lugenblicf,

tvo bu ber Sonne jaudj^enb mintft

unb bann oerfinfft?

Ober ift ba§ treue Schauen,

Jt)ie ficf) Söolfen au§ SSoIfen bauen,

bi§ fi^ eine mit rotem Sionb

f)od) I;inftcüt über bein Grntelanb?

Überaus fpmpatfjifd; finb bie Irjrifc^en mie cpifc^cn („^cilanb ber Tiere'') ^id)tungen beö freilief) cpigonenf)aften ^rinjen Gmil Uoil Siftociiaitft=(iQroIat^ (1852 1908), ber non Attopftodö unb Seffingö geinb ßI)riftop^ ron Scfjoenaid) ab- ftommt ein 2Ra(er, ein ^bealift, ein 'iDicnfd):

9?un fc^ipellen bie roten 'iltofcn, 65 liegt ein Jroum auf ber .^eibc,

nun l)ah' id) im Sen^gelüft, am iKain mcbt Sommerbuft,

in '^ubel unb 35?inbe§to'fen i raufest auji golbnem Oietreibc

mein frf;auernbe§ Sieb gefügt. , bie Serc^e ^oc^ in bie 2uft.

r nimm ouf beincn Sd)Joingcn, glücf^itternbe 'jpilgcrin, mein ."gerj ooü ^ube{ unb Singen mit bir jum $)immcl I)in.

624 ®ie Sid^tung ber legten ^a'i)Vit^ntt in unb neben ben großen Strömungen.

,,^n bie großen S^ic^terbol^nen lenfen nnx raieber ein", [)ie^ in einer Iprifci^en Sammlung Pon 1892, bie Uaxl S3uf[c (1872—1918) eröffnete. „Morituri te salu- tant", grüßte if)n fein Seigrer @ric^ ©c^mibt. ^wqx jeigt er fitf) beutlic^ beeinflußt ron Siüencronö ^mpreffioniämuä.

Sommeroormittag.

9fttng§ in runbBIü^enben <Bäjaxen fte^t toter SBiefenflee, traben rote §u[aren auf entfernter E^auffee.

2eu(J)tenbe ©onnenfronen glü^n über ßatib unb 2uft, reiten bie beiben ©ditoabronen in lauter ©lang unb ^uft.

S)ie fc^metternben ganfaren burc^flingen bie ©ommerru^, bie roten ^onig^^^ufaren reiten immerzu . . .

©ajroifd^en aber f)ört man fo ganj anbere Solange ouä ben ,,großeu 3)i^terba§nen"

oon einft:

!S)onn toerb ic^ jä^Iingg mit fiegenber ^raft beine igolbeneu <Strä§nen paden, bann rei^ iä) in tru^iger Seibenfc^aft bein §aupt ^intüber jum 9iaden,

bann n>irb meine§ SKunbeS brennenber ®urft bir Don toilber Siebe eräö^Ien, unb bro'ben lüirb orgelnb ber ©turmlüinb geljn mit mächtigen S3rautd^oröIen.

3)er Vorüber biefeö ^ic^ters, ©cortj 25uffc=^oIma (1876—1916), teilt feiner Sgrif oft teife 9}leIanrf)oIie mit, bie SJieland^oIie feines eigenen jerriffeuen Sebenö.

e i n f a m e r SS e g.

über tt)elfer fronen SBiegen fe^' ic^, S;ob, bein Seuc^ten fliegen. 2luf nod^ ungegrab'nem §ügel ru^t bie 2Bei^e beiner j^lügel.

9J?'üb' be§ fteten ®ramgeleite§, müb' be§ ©turmeä unb be§ Streite?, fc^reit' ic^ ftiU auf ftillen 2Begen beinern milbcn Sici)t entgegen.

3»n biefer Sf^eil^e mären junäcEift meiter gu nennen ^arl 58uffeä ^reunb unb ßonbömann l^ubtoig 3;oü)In)ttiö!i (1868— 1900), ma^ öctocr (geb. 1861), ©ori^ g-ojt (1880 1916), »Jcin^olb gu(^5 (geb. 1850), 9luboIf ^rc^ber (geb. 1868), ^cinrit^ epicro (geb. 1876), (SmanucI öon Sobman (geb. 1874), ^to Orciner (geb. 1876), Saliner 5Icj(geft. 1917), ^ctcr Soum ;(^eb. 1869), oon ben filteren au^ no6) Sil^clm Söeigonb (geb. 1862), beffen Süd ju ben ^ö^en fd^roeift nic^t nur mie im foU Qcnben ju benen ber Sanbfc^aft oI)ne jebocf) ben feften S3oben unter ben güßen ju oerlieren.

2x)xit. 625

SSor ^^en S8crgcn.

®oIbne Sommerluft, ld}immerh3cißer See! 9?ein im S<^Ieierbuft blinft ber Serge '8cf)nee.

Siebter Ji^nen .^ran^ j^Iie^t bie 9SeIt mir äu, ^ütet 2 out unb ©lanj ^eilig tiefer 'Siu^'l

SS-ie ein 5Ibgrunb blaut aller ^immel (Schein, unb ein Serc^enlaut locft mic^ tief ^inein.

Sluc^ ^ugo ealu^ (geb. 1866 in Sö^mif(^=2eipa) ift fein ^Träumer auf Soften ber 2ebengfroirflirf)fcit ; unb n)ie alle üort)er ©enonnten beobarf)tet er forglid), biöiüeilen fpielerifcfi, bie äußere ?^orm bes SSerfeö.

§eut ift ein "folc^er Slbenb, talt unb rau^,

ha^ fölücf vertieft fic^ mir in biefen ^Räumen:

le^n feft t)ein §aupt an mic^, geliebte grau,

rec^t feft an mic^ unb k^ mic^ träumen, träumen!

^räumerifrf) unb narf)benfli(^ unD bocf) fcften o(^rittö rcanbelt quc^ bie 3Jiufe tarl ernft Änobt« (geb. 1856) baf)in.

Gine ^annc,

2Baä raar ic^?

ma§> mx iä)? a&a§ föar irf)?

eine 93Iüte,

bie in ber Sturmnac^t ftarb. ' bie tief im SBalbc fanf. Gin Settier, ber am Söege Gin SSöglein, i>ah au§ einem

müb' unb §ungrig öerbarb. bitteren Srünnlein tranf.

Gine SBoIfe, bie am Fimmel fid) leif im 93Iau üerlor. Gine Seele, bie üor Sc^nfu(f)t naci^ if)rem ^im erfror.

Gine bebeutenbe Sonbcrcrfrf)einung/ bie jmifdjcn bcn Schulen ftcljt, ift ber 3fi,I)einlönber ^to Stcritbcrg (geb. 1876). 2)anf feinem 9ii(f)tcrbcrufc uon litcrarift^en Ginflüffen nic^t gefä^rbet, erfüllte er feine ^idjtung um fo me^r mit mcufdjlid)cn ^n^ galten. 2Bie 9taturnäf)e unb foemifc^c 3Bc(tücrbunben()eit bie iHngetn feiner i'ijrit finb, fliegen il)m au§ lebenbigcm gcfrf)ic^tlid)cn £inn unb Scrmurjiciung in 5ßolfötuÜur unb beutfc^er Sanbfc^aft bie Kraftquellen ju feiner Saüabif unb "^Profa. ^n fnnen |)ouptprofobänben „^er $ßcnuöberg" unb „Son '^xcnbc grauen finb genannt" ift nit^t haä ^irn, fonbern ba§ ©cfüljl am SScrtc. Seine Sallabcn („Ter ^clbcn=

Oel^Ifc, ®ic bculf(f)e Cifcrntiit fett ©oct^cä lobf ufro.

626 Sie ©td^tung ber legten 3if;r3c^ntc in unb neben ben grofeen Strömungen.

ring") fefeen boS 2Berf ^^ontoneö unb 2Jiünc^f)Qu[en§ mit neuer ^roft unb mit B^^^unft für bicfe S)i(j^tungöart fort. ®r f)Qt beren epifdie ?^orm ju einem ©ebilbe oon Igrifc^em ©runbge^alt mit bramotifc^er 3i^fpifeiiii9 roeiterentroicfelt unb ift, ouc^ roo bie ©toffe auf norbifi^em ©(^auplo^ fpielen, gang ©rfinber. ©eine gelben merbeu/ ha fein ©efc^ic^töpant^eiämus fie gu 5Crögern emiger ©efe^e mad)t, ju SRitlebenben jebeö ^üt- alterö. „(Sriöfer'', „®ic Freifrau üon ©tein", „5öei)a", „9JJargareta üon ^lormegen", „^n ben Zwölften" get)ören gu feinen be!annteften ©tüden. ©er ^rieg Ijal bie ®r= lebnigraeite beä ©ic^terä noc^ met)r aufgeriffen. ®ie ©pannraeite ©ternbergg, ber fic^ burd; 9)Zonograpf)ien auc^ funftmiffenfc^aftlid) ucrbient gemacE)t l)at, entfaltet ficf) in feiner Sririf, bie ben 2J?itteIpunft feines SBefenS bilbet. ©ine mt)tl^enbilbenbe ^f)antafie, erbennat)e ©egenftönbnc£)!eit unb bie SJiufif ber ^iefe fennjei^en bie reiffte feiner üier ©ommlungen: „^m SBeltgefang." ®r ift ein ©uc^er nac^ ber großen ©gntf)efe in bem ®inen unb ©migen. Stber fo beraegt infolgebeffen feine lebenbeja^enbe, auf ber et^if(^en ©runbtage eineä neuen beutfcE)en SJJenfc^entumä beruf)enbe 2)i(f)tung im 3tuä: brucf ift, erfiebt fie im ©egenfa^ gu ber aufpeitfcfienben SBiUen&funft ber ^üngften mieber bie eriöfenbe ©ntfpannung bcö @efül)lg jum ©diaffenSprinäip.

<S e f a n g.

SSa§ finbeft bu fo fd)ön, bu fc^toorjer Slbenböogel, ha^ bu im 33aum be§ ©arteng noc^ einmal fingft, loä^renb ber SJJo^n bie ©onne, bie er tranf, f)iniau§glü§t in bie SDämmerungen?

SDenn ftrömen mochten meine Sippen aud^ öon bem, toa§> bu in§ SBeltall [^ütteft . . . 6rt)obenen 5Irm§, bon blauer ®It)3inientrauben golbkubigem 2^ore überbogen, fte^e iä} betenb unt) ^abt fein SBort!

£), finge m'id) anä), bu Stimme! ©c^Iuc^^e mi(^ mit, lüic bu ben bunflen ®uft ber marmgeglü^ten SSIütenlixinbe fingft ... 21I§ f^melgeubfien 2;Dn be§ SlbenbS finge mic^, ©e^nenben, f)-in!

©er S3Iütenboum.

SSon bem ibreiten SSIütenbaum ber ©terne, ber bi§ auf 'bie Grbe ^ängt, gli^ernb übertoolbt ift alle gerne.

©c^tofberfenft,

ru^t bie tflüäft unter bem SBeltenbaumc

unb bie ©c^öpfung bic^t barumgebrängt . . .

3n ber SBur^el fingt bie Duelle i§ren ©ilberjang im 9flaumc . . .

Giner ber innerüc^ften biefer üon ben 32itft'^ömungen unobt)öngigen SgriTer ift ^cnö öcnsmann (geb. 1869).

ÖDiif. 627

^n gelben ^tf)ren

SSir gingen in gelBen ^t^ren.

5J?ac^mittag§ftiIte! 53on ®rtllenr;eeren

nur ein fummenber (Sang,

nur ber leife ^lang

öerliebter SBorte,

üon beine§ S?teibe§ feibener S3orte

ein glüftern in gelben Si^ren . . .

SSir legten un§ mübe nieber.

SeiieS ^niftern bon beinern ÜJJieber . . .

S!ornbIumen jtanben

3U Raupten un§; mir »üanben

äu Slränjen fie unb bliefen öom 9}Jo^n

bie roten gönnen fein 3:on!

nur ftni[tern öon beinern SJJieber . . .

Unb ber Slbenb füllte bie Staren. Unfre Singen, bie Iiebefcf)meren,

tranfen ben ^urpurinein

ber Slbenbröten in fic^ hinein;

unfre ©eelen in [ic^ üerjanfen,

in 2iebe§gebanfen, in ^rieben, in Iiebefrf)iuercn ...

Senamannö lanbjcfinftnc^e Stimmungöh^rit l)ai no6) eine befonbere ?lote: er gef)ört äu unferen beliebtcften ^eibebi^tern.

SBie Silber glänjt ber ipeibeianb,

bie §unlmeln läuten burd^ ha§ S^rmit,

ftill über§ flad^e §ügellanb

fd^mimmt ein bermorr'ner ©locfenlaut . . .

2)er 3)eutirf)ruffe 9JiQuncc iRein^oIb öon Stern (geb. 1860 in JRcnal) lüirb biö= nieilen gu ben ^^aturaOften %c^äi)li, lüeil er Der [oäialDcinofratii(^cu Scbre 5uncigtc unb 33eäief)ungen jum ^üngften ^cutf^Ianb I)ntte. Seine £t)rif roirb baburc^ inbcffen ni^t gefcnnäeic^net.

^c^ möchte glei^ meiter manbern, 2^ie Stabt mit ben ©rfern unb Stiegen

[ort lüie alle bie anbern bleibt träumenb im ^JJonbjc^in liegen,

auf Sfiimmenuieberfe^n. | bod) id) mu^ ioeiter gel)n.

Sllte Sieber in neuem rciäüottem ©eiöanbc l)at and) Stall Ü3nlde (geb. 1876) gefc^affcn, biöroeilcn non ©tormid)cm Stimmungöflnng.

Gs ift eine alte Stabt

ift eine alte Stobt, ©§ ift ein alte3 ^u3, fernab ber ©tobte §eer; berfd}Ioffen ift lange ha^ %ox;

ber Sturm brauft über bie Stobt, au^ grauen 2Rauern fpric{3en

unb brausen bonncrt ha§> 9D?eer. j grüne ^alme ^eröor.

ift ein bangc§ ^erj

fremb unb allein;

bie Stobt unb ba§ $)au§ unb ba^S ^crj

meine Sufl«^""^ lrf)loffen fie ein.

Sicf) fclbft c^araftcrifiert nm bcften allein etqj^an BttJClg (geb. 1881):

40*

628 ®ie 'Sichtung ber legten Sa^rje^nte in unb neben ben großen Strömungen.

3<^ tr>iü tt)ie ba§ ßc^o am SSalbranb fein, ba§ fängt 'bie flingenben ©timmen ein unb |oTcf)t auf fie in I^eimlic^em ©lücf unb fingt fie au& feiiger ©eele jurüd. ©0 ifing i^ mein Seben: ber 3;age ©lang, ber hää)tt Iiebebur(^n)obenen Strang, bie S3ilber, bie mir ber 2:raum gebracht, bie ©tunben, bie ic^ in 2;ränen üermac^t. , Unb toenn mir ha§> feiige SSunber gefc^ie^t,

ba^ mir ber ©runbflong öolt ©onne geriet, ■bann jaudjge ic^ ftiH in mein ^er^ hinein unb iDill bem Seben re^t banfbar fein.

©in ^ünftler üielgeftaltiger g^ormen unb rei(f) abgetönter ©timmungen ift §an§ 23ctl^gc (geb. 1876). Sßie Siliencron l^at er bem toten ©torm ein Sieb gefpenbet.

3t m ©rabc StormS.

2Iuf §ufum lagen 9^ebel bic^t unb f(f)lt)er, am §afen fa^ man taum bie ^alligfegel. SDie Suft toax öoll öon Stufen grauer 33ögel, unb ^interm SDeic^e regte ficE) ha§' Wleex.

3c^ trat an eine fteinern fa^Ie ©ruft, ^art an ber ©tra^e, too bie ^inber fpielen. 3)ie Sinben, bern Slüten f(^on entfielen, öerftreuten il^ren legten SDuft.

^ein ^reug. ^ein 3Bort. ^er ^la^ ift fc^tner ^u finben. ^ein (Sfeu, ber fi(^ um ben S[I?armor fIidE)t. ^ein ©onnenftra^I, ber burcE^ bie B^^^iQ^ bricht. ©0 falt. ©0 ijbe. ©raufam föäre nic^t ba^ ©piel ber ^inber unb ber 2)uft ber Sinben.

®er öfterreiclier fort ©in^fc^ (geb. 1871), befannt aud^ alö $ßerfaffer eineö 2ßattl)er non ber 3SogeIn)eibe::9f?omanS, gef)t ebenfaUä abfeitö üon ber großen ^eerftra^e ber Spri! feine ftillen, oerfonnenen ^faibe.

2B i e e ä f a m.

(£r pochte an mandje ^ergenätür, unb brinnen rief'§: herein! ©r bat um einen Siffen S3rot, man gab il)m einen ©tein.

Unb fo befam er ©tein für ©tein. (5r trug fie ^eim^atmärtS unb baute fid^ ein SO?auern)erf ring§ um fein eignet ^erj.

©0 ift auc^ ^ronj (PöcrS (geb. 1871) ein ^ic^ter, ber wie bie mciften anbern nic^t frei oon ^oncention, bafür aber frei oon Unnatur geblieben ift, oft ju überfinn; licfiem 33etracl)ten, ja gur 3Jit)ftif geneigt, aber auc^ crbl)aft unb faft immer urgefunö:

(Bdj/mex hjogt im SBinb ha§ SBeiäenfelb. ^er golbne ©egen fenft fein ^orn . . . 3n lüeißen Sträumen liegt bie SSelt. (£§ reift bie grud)t . . . reift ha^ ^orn.

Sprit. 629

©nbüc^ tüäre f)ier abgeief)en oon ben oicien, bic nid)t genannt rocrbcn fönnen, obiDof)! mef)r qIö eines if)rcr ©ebic^te baö oerbicnte jRit^arb ^ijauM (geb. 1874) angereiht, einer unferer begobteften Sprifer, bei bem bie Giniüirtungen Des SmpreiTio^ nic-mus bereits ftörfer crfcnnbor finb.

Ä u d u cf .

(Sie §at ben ßurfurf gefragt: „^udnd, loie lang noc^?" dreimal rief er unb fd^ieg. ©ie Ijarrte bang nod)

©tili lüar ber SBalb. ^nä Xat fa^ fic befangen. Über bie Sonne finb SBoIfen gegangen . . .

^ennoc^ überwiegt bie alte poetifc^e 2(uffafiung mit if)ren H)ot)lgcfefeten ©ebanfen unb 3Serfen.

©ei Signer o^ne S^Q^n: Sieger ttwgen.

Stud^ bie bemofratifcfi gerichtete Satirc ift iF)m nirf)t fremb. ^ier ein mobcrues Seitenftücf ju S^rangers „3Jiarqui§ be ©arabaä":

Porträt bes 3Jiarquiö be . . .

^alte mir einer öon cuc^ Saffen mein ^ferb, ^ole mir einer öon euä) Sumpen mein Schert: ic^ lie^ bei einer 2)ame liegen.

Saffe einer öon euc^ Scf)urfen einen Ralfen fliegen: ic^ mill i^m nac^fefjen unb mirf) in§ S3Iau oerlieren, ftöre mic^ feiner öon euc^ Vieren!

,2)ie bisher aufgcjäfilten Sprifcr bilben, roie mir fo^en, feine ^ronotogifc^ ober gebanflicf) georbnete 9ieit)e. 2Sor unb nac^ if)nen unb ju if)rer 3cit mürbe aud^ Die idr)x\t üou ftarfen Strömungen erfaßt, teilö üon benen, bie mir fc^on fcnnen, teilö üon fülrfien, bic fic^ duf biefe poetifc^e ©attung aUcin belogen, llnb bas allein mar ja Den bisF)cr ©enannten gemcinfam, ha^ fie im mcfent(i(^en neben, ni(f)t in biefen 3trö: mungen gu finben finb.

©incr ber erften, bic bemüht gerabc bic 2r)v[t 3U erneuern trad^tctcn, mar gfcrbinanb 5löcnariii^ (geb. 1856), ber Segriinber bcö „i^unftroarts" (1887) unb 3Sorfi|cnbe bes 2)ürcrbunbcö. W\t feinem ^auptrcerf, ber Tic^tiing „2ebc!" (1893), rerfurf)tc er bie „gro^e Itjrifi^e {^orm" ju begrünbcn, D. l). eine '^o{c\c von Iprifcfien ©ebic^ten, bie ni(i)t nur alö 5lunfteinf)citen, fonbcrn suglcic^ burd) bereu ^c- jiefjungcn gucinanber roirten füllten. Sine innere ^anblung, eine 6f)araftcrcntn)lrf: lung, ein feelifd^cr ^'ebenGöorgang in It)rifd;cn Stimmungsbilbern bargcftcüt barauf ungefäf)r fommt t)inauö. ^ie Iprif^cn ißersfürmen foQen babei cbcHfo mcd}fcln luie bie üon ifjncn abgebilbeten ©efü^Ie unb Stimmungen. Gin 3ii'il"f^)C"l>i"9 nlliJ ärcifc^en epifrf)er 2i)rif unb lt)rifcf)er Gpif. S3cfenncn mir aber aufrid)tig: bicfc „gro^e tprifrfie j^orm" ift in ber §auptfacf)e cpifd;, baö liegt in jcbem Gntmidlungö-

630 Sie Sichtung ber legten Saf^i^je^nte in unb neben ben großen Strömungen.

begriff. Unb fo könnten loir 2lüenariu§ t)ier oerlaffen, roenn er nirfit £t)ri! oerfa^t t)ätte, bie feiner X£)eoric beborf.

33orfrüf)nng.

S5erIoren im ^Raunte ein erfter SSogelruf,

SDoc§ fc^tner I^infc^nauBenb burc|§ bampfenbe SKarfc^Ianb mit bem Sifen burd^ü^It'S ber getoaltige ©tier. Unb feften Sritt§ f)inter i^m [(^reitet ber SEJienfc^,

bie Körner ff^leubernb, IDO ougeinanber mit fc^arjroten SBellen [c^äumt ber ®runb.

9?egenf(f}iDanger

ber §immel barüber,

breit lagernb

in fc^Iafenber ^raft.

3Bir roenben ung nun gu ber Iprifi^en 33en)egung, bie auä bem naturaliftifd^en Sturm unb ©rong I)erDorging. ^tir Urfprung fällt mit ben „3Jlobernen ®idE)ter; c^arafteren" noc^ in bie Qrf)t3iger ^a^xe. 3Son benen, bie in onberem ^uf^mmeu: l^ange fc^on erraäf)nt raurben, feien gunäcEift nodimolö <g)ennoim (S^onrobi (1862 1890) mit feinen berüf)mten „Siebem eines ©ünberö" (1887) unb Sü^elm %ttnt (geb. 1864) jitiert, beffen niefQnd;flIifc^e ©eifteöftimmung Iprifc^en Stu&brud fuc^te:

2)rau^en grünen bie 33äume, glur in Slüte fte^t meine Sieber finb (Schäume, bie ber SBinb öertt)ef)t . . .

^en fogialiftifc^cn @ebon!en jener 2^age bilbete inbi'oibualiftifcf) ouä ^o^H ^enr^ Wlaäat} (geb. 1864 gu ©reenocf in ©c^ottlanb), ber „Sbelanari^ift", ber oer: biente Siograpl^ beg üon i!)m gefeierten 9JJay Stirner, beffen SSeltonfc^auung ani) feinen It)rif(^en Sammlungen ,,Sturm" unb „®a§ ftor!e ^af)r" (1888) boö ©epräge gegeben f)at. ®o§ ift legten (Snbes eine St)rif ber inneren ^oütif. 3tber auc^ anbere klänge i)at er gefunden:

3c^ tnerfe beruhigt bie 2Infer

in Söaffer, faum bettjegt, über bie mein SBunfcf), mein fc^toanfer,

für l^eute fic^ fc^Iafen legt . . .

Unb nun muffen mir gurücfgreifen auf bie 3)ic^tungcn ber beiben Segrünber

beö fonfequenten 5RaturaIiämus, ^olj unb Schlaf. ®a geigt e0 fid^ benn, ha^ be§

le^teren 2t)rif feineöroegö ben SSerfaffer beg „SJieifter ölge" aEinen lä^t. 2Bie fefir

aber ber Stt^pteffipniämuä fic^ in i^m burc^gefefet ^at, mögen einige fleine Stimmung§=

bilber geigen:

Hoffnung.

©in njei^eS ®rau |üllt lueit ben §immel ein.

(Sin ftumpfer &lan% liegt ouf ben Ufermeiben.

3:räge, mit gurgelnben SBeden treibt ber gelbe ©trom.

^d} mu^ mic^ noc^ befc^eiben,

id) föill noc^ ein ©tücfrfjen fo tüeiterge^^'n.

58alb muffen ja alle §i3^'n

in l^ellen grü^rotfeuern fte^'n.

Sprit. 631

S p ä 1 1) e r b ft.

^rin^ ^uderfant

fommt in§ 2anb.

'©eine ^rad)t jc^immert auf gelben 53Iättern,

an Stamm unb Slraut,

auf bunflem Slcferbraun.

Söie ^eimij^ ift fie ^u fcfjaun! 9?un fönnt ic^ i)ier immer \o bei ben grauen SSciben ftef^n unb bie blinfenben Kröpfen fallen fe^n!

2trno §ol5 aber, rabifal raie immer, uerfurfite aucf) bie 2t)rif ron ©runb aus ju erneuern, ^n allen poelifc^cn (Sattungen folgte er ja feinem eigenen 2Baf)lfpruc^ :

^ein rüdtüärtgfdjauenber ^rop|et, geblenbet burdj unfa^li(^e 3^o^^- mobern fei ber ^oet, mobern oom (Scf)eitel bi§ ^ur Sof)le!

^m Saf)re 1885 crfc^ien fein „Suc^ ber 3^^^. Sieber eineö 5)Jobcrncn." Xa^y alfo mar feine Iprifc^e ^eilnalime an bem naturaliftifcEirfojialiftifi^en Sturm unb Trang. ^abei.ift er inbeffen nic^t ftel)en geblieben. 1898 gab er jroei Iprifc^e S3änbd}en unter bem ^itel „^^antafuö" ^crauö, bie uorerft für fic^ felbft fprcd)en muffen:

©ieben Millionen '^s<^f)xz toor meiner ®eburt toar ic^ eine Sdjn^ertlilic.

9}?eine 25?uräeln

faugten fi(^ in einen Stern.

Sluf feinen bunflen 35?affern

fcf)tt)amm

meine blaue Ütiefenblüte.

<Bd}'öm§, grüne§, meic^e§ Ö5ra§.

3)rin liege id).

Wüim unter ^Butterblumen!

Über mir

roarm,

ber Fimmel;

ein iceiteä, jitternbeS SBeiß,

bai> mix bie Slugen langfam, ganj langfam

id;lie^t.

SBefjenbe Suft . . . ein jarteS Summen.

'D^un bin ic^ fern

Dou ieber SBelt,

ein fanfteS ÜJot erfüllt mic^ ganj,

unb beutlirf) fpüre \d), mic bie Sonne mir burdjy 33lut rinnt

^ minutenlang.

SSerfunfen alle*. 9hir nod; id}. Selig!

632 2)ie 2)ic^tujig ber legten Saf^rse^nte in unb neben ben grofeen ©tvömungen.

unter ©c^utt unb 2;em|3eltrümmern

lag ic^ in fc^toaräer <£rbe.

3tDif(^en roten Sifteln im Slbenbfd^ein tüeibeten Riegen,

über mein BIüf)enbe§ @xah bliefen Wirten.

Saufenb ^a^ve ioor ic^ tot.

3e^t fcf)eint bie ©onne, ber ^immel \aä)t, i^ lebe!

2Iuf meine ©c^Itern burd^ ge^acfte§ ßaub fallen gittembe Surfen.

5Reine klugen,

toeit geöffnet,

ftorren auf ein grüne§ SSaffer.

^n breiten, über^ängenben ^aftanienblättern

fpiegelt fic^ unb fpielt

fein Sic^t. *

3n rote gijfterniDÖlber, bie berbluten,

peitfc^ iä) mein glügelro^.

2)nrc^!

hinter aerfe^ten g?Ianetenfi)ftemen, hinter bergletf^erten Urfonnen, I^inter SBüften ou§ 9^ac^t unb nic^t§ hjac^fen f(f)immernb neue SBelten Trillionen Slrofuäblütenr . . . .

3d^ bin ber rei^fte 9J?ann ber 2öelt!

9J?eine 'filbernen ^ac^ten

fd^tüimmen auf alten 9J?eeren.

®oIb'ne S3iIIen gläsern burc^ meine Sßälber in ^apan,

in ^immeI^D:^en 3II|:>enfeen fpiegeln fi^ meine ©^loffer,

auf toufenb ^nf^In gongen meine purpurnen ©arten.

2(^ beachte fie faum.

3ln i^^ren au§ SSron^e geiDunbenen <2^Iangengittern

■ge^' ic^ dorbei,

über meine Diamantgruben

Io|' id^ bie Sämmer grafen.

X'iz ©onne fc^eint,

ein SSogel fingt,

i^ büde mic^

unb pflürfe eine fteine 2BiefenbIume.

Unb pIö^IicEj trei^ i^: ic^ bin ber ärmfte S3ettler!

Sin 9Jicf)t§ ift meine gan^e §errlic^feit

bor biefem 2;autropfen,

ber in ber ©onne funfeit.

Gin ^af)r borouf erfc^ien bie SSerteibigung unb tt)eoretif^c 33egrünbung biefer ^oefic unter bem Site! „^Renolution ber ßgrif". ©egcnüber ber epigonen^ I)aften £t)rit, beren 3^^t)tl)muö feine ©yiftenj rein al§ folc^e freue, nerlangt ^dIj eine neue, „bie auf jebe 9Jlufif burc^ SBorte als Seibfigroed cer^ic^tet, unb bie, rein formol.

Sprif. 633

lebiglic^ burc^ einen ^^x)tl)mm getragen roirb, ber nur burd) \)a^ kbi, roaö burc^ i^n 5um Sluöbruc! ringt". Mc übrigen gormmittel, 5. 33. ber 9ieim, fmb überfh'iiüg. „Der erfte", fagt er roörttic^, „ber cor Saf)rl;unberten! auf Sonne SSonnc reimte, auf ^erj Sc^merj unb auf 58ruft Suft, roar ein ©enie; ber taufenbftc, Dorauä^ gefegt, ha^ if)n biefe golgc ni^t bereitä genierte, ein Kretin. 58raud)c ic^ benfclben SReim, ben ror mir fc^on ein anbcrer gebraurfit f)at, \o ftreifc ic^ in neun fällen oon je^n benfelben ©ebanfen. Ober, um bieö befdjeibener auöjubrüdcn, X\oä) raenigftens einen ät)nlic^en .... So orm ift unfere Sprache an glcic^auötautenben Borten, fo menig liegt bieä ,9J?itteI' in ii)x ur|priinglirf), 'oa^ man fid;cr nid)t aH^u fefir über: treibt, roenn man blinb befiauptet, 75 ^rogent i^rer fämtlic^en ^ofabcln maren für biefe Siedinif oon üornlierein iinüerroenbbar, eyifticrten für fic gar ni^t. 3ft mir aber ein 2Iu&brud üerroef)rt, fo ift mir in ber ^unft gleidigiitig mit if)m auc^ fein realeö ^Itquiüalent. ^ann unö alfo munbern, ba| un§ ^eute ber gcfamte ^orijont unferer Stjrif um folgerecht 75 ^rojent enger erf^cint alö ber unferer 2öir!nd)feit? 2)ie alte ^^orm nagelte bie Söelt an einer beftimmten StcUe mit Srcttern 5U, bie neue rei^t ben ^aim nieber unb jeigt, ha'^ bie SBelt auc^ noc^ ^inter Diefe 33rettcr rci^t. . . . 5)tl)nlic^ bie Stropfie .... ©benfoirenig mie bie Sebingungen ftetö bicfelbcn bleiben, unter benen ^unftroerfe gefdiaffcn raerben, genau fo änbern fid) aui) fortmäl)rcnb bie 33ebingungcn, unter benen ^unftroerfe genoffen roerben. llnfcr Df)r f)ört l)eute oiel feiner, '^mö) jebe Stropfie, aud) burd) bie fc^önfte, !lingt, fobalb fie iüieberl)olt mirb, ein gefieimer Scierfaften. Unb gerabe biefcr Seierfaften ift co, ber enblid^ raus mu^ auö unferer Sprif."

?iic^t einmal W fogenannten freien 9f?l)t)tl)men, j. 33. ©oet^eö, läpt ^olj gelten, unb aud^ nic^t bie reimlofcn fiangäcilcn Sßbitmanö. grei^eit foU ja gerabe burc^ Sflaturnotrocnbigfeit, ^atl)oö burc^ ©infac^ljeit erfe^t rocrben. Den 5Rl)i)tl)muc. aber brauche man gar nidit ju fudien : roer baö, roaö er empf inbet, auebrüde, ber l)abe il)n bereits, benn biefer 9^l)t)tl)muö road^fe jcbeömal neu aus bem "^nljah Ijerauö. ^icr fnüpft, raie man ficl)t, bie neue Se^re beö eypreffionismuö an.

Um nun bie ^ocfie uon ber ^rofa, b. f). ein bloßes 9ieferat non tvcr Tar^ fteüung ju unterfd)eiben unb r^t)tl)mifd)e 5llangroirfungen ju crmöglid)en, gruppiert ber 2t)rifer mangclö bcfferer tt)pograpl)ifc^er Wxttd einzelne, regelmäj3ig abgeteilte feilen um eine 3)iittelad)fc, mie eS bie öorl)in äitierten 33crfe aus bem ^^au; tafuö feigen.

Der bebeutenbfte unb bebarrlic^fte ber Itjrifdicn 3iciiolutiünäre, bie $oIj ©e^

folgfdiaft leifteten, ift (finft B6)m (geb. 1876), ber für bie ^Ijeorie auc^ feinerfeitö

ein 33eifpiel bringen mag:

Dein Scbcn fei ein cn)ige§ ©U(^cn,

ein Srren, ein Rubeln, ein 93erflud)en,

bi§ bu bie gan.'ie 9Jfad)t orfennft

unb meine 33unbev beine ncnnft

unb ftillft

bie ^ei^c, brenncnbc (2ud)t,

bie bid) mit neuer innrer S5?ud)t

634 j)ie ©id;tung ber legten ^afFseFinte in unb neben ben großen Strömungen.

in meinen gellen §immel lei^t,

bic beinen fu^enben, irrenben ®ei[t

crfc^auernb ireift:

5öi§ bu im ^nnern bic^ ^etiüüllft,

unb gerflie^t unb fc^merg^iaft beine SBotluft fü^Ift

SDünn lüirf bein Se^tcS in bie ©dualen

bann foH bein 33Iic£ \\ä} fierrlic^ meiten,

bringen in ferne ©eligfeiten:

bon beiner (Seele

fallen

le^te

tieffte

^eimlid^feiten.

3!)ie neue ®ic^tung§art erhielt ben Seinamen „2x)x\]^zv S^elegtammftil", olä ber ajJufenalmanac^ Otto Suliuö JBicrkuui^ (1865—1910) raeitere gj^ufter brarfite. tiefer Sprifer, iber ^ic^ter be§ „S^ingelringelrofenfranj", bem SBoIäogenS „Überbrettl" in ber SSertonung oon Döfar ©trau^ gur SSolf§tümIic^feit t)erf)alf, unb jaf)Irei^er übermoberner, meift rec^t feic^ter unb geiftreid^elnber Sf^omane („©tilpe, ein 3^oman aug ber grofc^perfpeftiüe" „^rin^ ^ucfucf" u. o.), ^^oücHen unb 9?eifefc^ilberungen, ^ielt fic^ feinerfeit§ burc^auä ni(i)t an .goIäenS 9tet)olutionötf)eoric. 33on oormiegenb [prifi^em S^alent, fanb er feine garte klänge, benen roeber S^ieim noc^ ©tropl^e etmoS üon ibrem SBert nehmen fönnen.

3tbenblieb.

S)ie Dkc^t ift niebergegangcn,

bie fditoar^en ©c^leier f)ongen

nun über Sufc^ unb §au§.

2ei§ raufest in ben ^uc^en,

bie legten Söinbe \üdjen

bie dollften Söipfel fic^ gum ^riefte au§.

5?o(f} einmal Iei§ ein 2öe§en; bann bleibt ber Sttem ftel^en ber müben, müben 2BeIt. 9?ur noc^ ein 3age§ Seben fü^r bur(^ bie SZac^t id^ f(^eben, auf bie ber gi^icbe fdne §änbe ^ält.

^ür 'bie folgenben ^ic^ter gilt basfelbe. .golg fann if)nen feine entfi^eibenben 9fiatfct)Iäge ober SBerturtcile geben. 2lber mit ber literarifc^en 3Sergangenf)eit t)aben aiidg fie enbgültig gebrx^d^en.

Srauc^en mir baä bei „Dtto @ric^" ju betonen? ^em SSerfaffer ber fr5:^ric^en £ore = ®efrf)ic^ten, ber ^omöbie ,,2Ingere", bie ha^ 3JJotto giert: ,,3Serac^te ba§ 2öeib", ber ^roletarierfomöbie „§anna Magert", ber fogenannten Dffi: aierstrogöbie ,,9?ofenmontag"? Otto (grid) fortleben (1864—1905), geboren in £tauötl)ol, mar ein ^ic^ter, aber bü(^ nur ein Igrifd^er, jebcnfalls ein mef)r alö mo= berner, ber mit feinem „3)Jopprf)en" tiarmlog^armüott lebte unb leben lief, ber ben DoHen Sec^er fo raenig liebte mie ben leeren. (Sein ®afein mar ein flüchtiges Ütuf= leucl)ten, haä in feiner 3SiEa ^alft)one am ©arbafee jäl) erlofc^. SBiU mon il)n (^axaU

Sprif. 635

lerifieren, fo mu^ man fagen : er wax ein gcinb beä ^^iliftcrtumö unt> ber überlieferten ^Jorm in Btaat, Sitte, ©ebanfcn, ^unft, übcratt unb immer. 2I6er er wax fein flacher Sebemann, fein bloßer SBifeboIb einen Sebensfe^infuc^tsmenfc^cn fönnte man il)n nennen, üon beffen Sippen an6) erF)abenc, fef)crif(^e SSorte ftrömen fonnten:

©efang beä 2eben§

aii^ bem Siogence.

® r 0 ^ i[t ba§ Scben unb rcic^! Smige ©Otter fd^enften un§, läc^elnber ©üte boU, un§ ben Sterblichen, 5^eiibegef(^ifenen. 2lber arm i[t be§ 9[Renfcf)en ^erj!

S^nell öerjagt, bergi^t ber reifenben grüßte,

3mmer lieber mit leeren §änben _

fi^t ber Settier an ftaubiger Strafe,

brauf ha§ ©lud mit ben ti3ncnben ^äbcrn

leuc^tenb üorbeifu^r.

@g mar ein braujenbeg, f)ellgcifti'gcö ^UQcni^Iebcn, bag Cito ©rirf) in ben acfit; jiger unb neunziger Sa{)ren mit [einen greunben in 33erlin füf)rte, mit ben 33rübern ^art, biömeilen an6) in @ebanfen=2fuötaui"c^ mit ^Hfreb .Cel)lte, bem liberalen ^oütifer, bem ^annbäufer;@elel)rten unb Xaffo4'lberfe|er, mit Dlicfcrt, öeinemann unb i'o oielen anberen. Seinal)e ift eg ]d)on jur Segenbe geroorben, biefeö Scbcn, man lefe bal)er Otto (jricf)ö Briefe av. feine ?^rau (Scriin 1908) unb feine g^reunbe (53crlin 1912),

®ie jubelnb nie ben überfcf>äumtcn Sedier gehoben in ber ^eiligen 9)?itternad)t, unb benen nie ein buntle» ^J^äbdjenauge, 5ur Sünbe locfenb, [prü^enb 5ugela(^t

bie nie ben ernften Tanh ber SBelt öergaßen unb [reubig nie bem Strubel [id; üertraut 0 fie finb fing, fie bringen'^ meit im 2cben . . . ^d) fann nid)t fagen, mie mir bobor graut.

Seine Sgrit unb oon feiner ^rofa minbefteuö fünf Seiten, bie @cfd)ic^te /,Xcr bunte 33ogeI" baö ift jebenfaUö ein @rbe, mit bem mir uon biefcni Ctto Gri^ mandjcä trioiale SBort freunblid) übernef)men; bcnn an ber 5ßcrflad;ung feines 3eitattcrö \)at er im übrigen roader mitgearbeitet.

3n biefer Seäiet)ung untcrfd;cibet fic^ fc^r uon il)m ein anbcrer Rubrer ber mobernen Sijrif, gttcfar ^^laifdjlcu (geb. 1864), bcffcn 9hit)m mit feinem Qutobiograpbifc^en, ganj, Ii)rifc^:rt)i)tf)mifc^ ge!)altenen 2'agebu^: unb Sricfroman „>ft Setjfrieb" (1904) begrünbet murbc. gtaifd)[cn ift uor allem 2t)riter, bem and) bie Unterfuc^ungcn cineö 3trno JQolä oicl ju äupertid; unb tcc^nifc^ maren. „Tcd)ni( allein", fagt er, „mar nie 5lunft" ; unD ein anöcreö aJJal : „3e f leiner bie Xat, bcflo größer bie Tbeoric." 2eben, tünftlerifd) fein Seben fagen, unb mcnn baö SBort nidjt ausreicht, co nid)t fagen, anbeutcn, fei auc^ nur burd) fünfte, Striche unb l'iiden

636

©ie 2)icl^tung ber legten ^ja^räel^nte in unb neben ben großen Strömungen.

3^IaifcE)(en liebt alö moderner ^mpreffionift

2öaö mübe maä)tl

3)a§ i[t c§;

lüa§ mübe mad)t:

bie[e§ ^eimlic^e Sßnrten,

biefeg ruf)eIoie

ftille ^orc^en nad} ber Steppe,

biefe§ Stufi'pringen,

toenn flingelt . . .

ftatt ber ermarteten g-reube aber

mit bli|enbem Sluge,

mit kc^enbem SJJunb,

ftet)t ein [rierenbe§ ^inb brausen,

»erwärmt unb elenb;

itnb bittet toeinenb

um ein ©türfc^en S3rot.

baä ift eö, moö ber Sgrüer üermag. bie ©figje:

Sfiügen. .

Sief unb ftill

in grauem biegen

liegen Söolb unb / '

liegen 2Bie[en ... '

tief unb ftill

mit müben, fcfitoeren

SBellen

fc^'Ieppt ha§> SD^eer gum ©tranb . . .

graue Ttöiotn

■flügelfc^kgenb

fc^reien um bie Sreibefelfen,

unb im toei^en

S)unft ber gerne

giei^t in breitgeballter SBolte

birfen Dualmeä,

h)ie ber fc^toaräe

(Biipoan be§ %ohe§>,

^ori^ontentlang ein SDampfer,

tief unb ftill

in grauem 3fiegen.

2lnbere @ebid)te aber l)ötten au^ ein 3al)r^unbert früt)er entftel)en fönnen. SSon ben ?ieuen, ben S^ieüolutionären fpracfien mir. ®a bürfen mir ben ©in= flu^ bes Greifes um ©tefan ©eorge unb feine neuromantifrfien ©eifte&üerroanbten aud) in ber Sgrif nicE)t überfel)en. 3'ipcl)mal§ fei l)ier an bie £r)ri!er §ofmann§t^al unb ^Daut^enbet) erinnert, fie Derbienen eg. SBeiterfc^reitenb, treffen mir auf bie ^f^an^ tafti'f be§ ©angigerä ^aul ©t^ccrbört (1863—1915), beö 53abenerö %{\xth 9Komkrt (geb. 1872), beä 5müncl)energ g^riftion ^Korgenftcrn (1871—1914), ber gorten @tim= mungggauber über ©eele unb £onbfcE)oft breitet, impreffioniftifd^ unb flaffiäiftifc^ äu= gleic^, immer aber bel)utfom mobernen ©eifteö, mit unb ol)ne Sinbung burcE) 9teim unb 9tf)t)t^mu§.

3n beine langen SSetlen,

tiefe ©locfe,

leg i(f) bie leife ©timme

meiner SJ^raurigfeit;

in beinen ©cf^lüdngen

löft fie

fanft fid) auf,

berfc^tmiftert nun

bem e)t»igen ®efang

ber 2eben§<ilo(fe,

©(^icffalgglocfe,

bie

gu unfern Raupten

läutet, läutet, läutet.

Smt. 637

9r6er SJlorgenftern ift jugleic^ Satirifcr fein tüftlicf)er „Stubentcnfc^ers", ber m6)-- gebic^tete .^orog („Horatius travestitus") f)at betüiefen. Unb fo blieb and) bie gormfpielerei ber Slrtiften unb St)mbt>li[ten nic^t üon feinem je^t in ber Siteralur bereits berüf)inten Sehers oerfrfiont; Slrno .^ola aber irürbe fagcn, Das gerabe fei eS, iDQä er befämpfe:

Gin SBiefel

fa^ auf einem .^icfcl

inmitten S3arf)gcricfel.

SBifet ifir,

me§^Ib?

2)a§ 9KDnbtQlb

Derriet mir

im Stillen:

ha§ raffinier«

. te 2:icr

tat'§ um beS jReimei millen.

einer näheren SSürbigung bebarf 9?omcr ÜWoria 9?ilfc (geb. 1875 in ^ragV ber eine eigene ©emeinbe um firf) gefammclt i)at, ein ^ünbcr unb Deuter, ber ganj allein ftef)t, raenngleic^ bie ^cnÖenjcn attcr anberen Sruppen, bcfonberS ber Stimbotiften, bei if)m ju ©afte ju fein fc^einen. Gr felbft fpric^t feinen inneren SSiberftreit auS:

Xü§ ift mein Streit:

fef}nfu(^tgemei^t

burcfj alle Sage fd}n3eifen.

Xann ftarf unb breit mit tflufenb SSur^elftreifen tief in öa§ Üeben greifen

urtb burdf) ha§ 2eib

ttieit au§ bcm ^cbeu reifen,

toeit au§ ber ^c\t.

ßr ücrförpcrt bie 3ef)nfud)t nad^ einer neuen Sieligion:

3cfj lebe grab, ba ba§ ^'^^^^^"'^^^^^ 9^^)^- 9J?an fü^lt ben SSinb oon einem großen Slatt, tü§> &0Ü unb bu unb ic^ befc^ricben ^at unb iia^ fict) i)0^ in frcmben ipänben brcf)t.

9?ur mgftif^ üermag er bie SBcIt ju begreifen. :?turf) ber einzelne ift jo nirf)t ein ein: facf)C5 SBefen,. in il;m finb bunfle SSergangcnljeiten in neuer ©eftalt raiebcr auf: erftanbcn :

9liemal§ bin ici^ allein.

33iele, bie oor mir lebten,

mebtcn,

webten,

an meinem Sein . . .

^anit)ciftifcf) ift biefc 2BcItanfrf)auung. Sßie feicrIirf)eG ©locfenläutcn rebet fie ju un3 unb borf) aud^ mie bie monotone Stimme ber altinbifc^cn Sßeifen:

638 3)ie ®itf)tung ber legten Sa^'^se^nte in unb neßen ben grofeen ©trömungen.

3c^ finbe bi^ in aüen biejen 2)iugen, benen i(^ gut unb tüie ein SSruber bin; aU ©amien fonnjt bu bi^ in ben geringen, unb in ben großen gibft bu gro| hiä) ^in.

S)o§ ift ha§> tDunber[-ame ©piel ber Gräfte, ba^ fie fo bienenb burc^ bie S)inge ge'^n, in SBur^eln ■toacfjjenb, fdjtoinbenb in bie ©c^äfte unt> in ben Sßipfeln luie ein Sluferjte^n.

©0 cr'^ält benn aucE) fein ©ebet einen neuen Sinn, ben ber inneren Dffenbarung, bie g. S. auö ber c^riftlitfien «S^öpfungögefc^if^te bog ®IeicE)nig nimmt, um pant^eiftifc^ ausjubeuten :

{5§ bu tüicber SBdb n^irft nnb SSaffer unb toac^fenbe 2i3ilbni§, in ber ©tunbe ber unerfo^Iic^en SIngft, ha bu bein t>erIorene§ S3ilbni§ t)on allen S)ingeu surüdöerlangi't:

gib mir no(^ eine fleine 2BeiIe 3^it, ic^ njill bie ^inge fo tüie feiner lieben, bi§ fie bir alle ttiürbig jinb unb tt)eit. '^ä) tü'iH nur fieben 2:oge, [ieben, auf bie fic^ feiner noäji gefc^rieben, fieben ©eiten ©infamfeit.

3lber ©ott, ber (Seber, mirb gugleicE) jum Sf^efimer, ber ©c^öpfer, ber ja anä) in bem ®icf)ter ift, rairb jum ©efc^öpf.

2c^ liebe meinet 3Sefen§ ®unfelftunben, in n>el(^en meine ©innc fic^ vertiefen; in i^nen §ab ic^, toie in alten ^Briefen, mein täglid} 2eben f(f)on gelebt gefunben unb toie Segenbe meit unb übermunben.

®u, ^üäßax ©Ott, menn id)- hiä) mancf^e^ 9}ZaI in langer 9loc|t mit l^artem Sllopfen ftöre, fo ift'§, ineil id> bic^i feiten atmen ^öre unb tüei^: 2)u bift ollein im ©aal. Unb toenn 2)u etlüaS braudift, ift feiner ha, um beinem 2;aften einen Sranf §u reichen: id) fjoxö^e immer. @ib ein fleineS 3s^<^"- 3c^ bin gau'ä na^.

Sfiur eine fc^male SBanb ift jtt)ifd)en un§, burc^ B^ÜolI; ^^1^^ ^^ fbnntc fein: ein 9f\ufen beincS ober mcine§ äJlnnbä unb fie bri(^t ein

gan^ o^ne Särm unb Saut.

*

^u§ beinen 58ilbern ift fie aufgebaut.

Sprif. 639

2)iefeö ©in unb IQeö ber ofteften 3Jienic^f)eitäpf)iIoiopf)ie roirb perfönlic^ abgebilbct, ücr= liert fic^ nirf;t in Spinoaiftifc^e gormeln bcnn dVük ift :i:ic^ter, nicf)t logifdier 2)enfer :

©Ott, bu bi[t groß.

'^ü bift fo gro|, baß ic^ fc^on nicfit me^r bin, lücnn ic^ mic^ nur in beine S^ä^e [teile,

^u bi[t i'o bunfel; meine Heine §elle ■an beinern (2anm ^at feinen ©inn. 5:ein SSille geljt toie eine 2BeI(e, unb jeber %aQ ertrinft barin.

Smmer raicber gcftattet 3^i[fe fein SScr^ältniö ju ©ott in neuen SSorfteüungcn unö in rounbcroottcr Sprache, bie an ben „efierubinifc^en SBanberömann" Des alten 31n9cluö Silefiuö erinnert:

25>enn h\i ber Träumer bift, bin icf) bein 2;raum, Socb menn bu njod^en n)illft, bin \d) bein SSille unb ttierbe mächtig aller §errlid;feit unb rünbe nüd) ttiie eine ©ternenftille über ber n^unberlic^cn Stobt ber 3eit. . . .

2)u bift bie fid) bertoanbeinbe ©eftalt, bie immer ein|am au§ bem ©djidfal ra^t, bie unbejubelt bleibt unb unbcflagt unb nnbeic^rieben h^ie ein milber 2SaIb.

S)u bift ber SDinge tiefer Inbegriff,

ber feinet Sßefen§ Ie^te§ S?ort bcrfc^iüeigt

unb fic^ ben anbern immer anber§ 3eigt,

bem (5rf)iff al§ Stufte unb bem 2anb aU5 Sifiiff. . . .

2Ba§ tttirft bu tun, ®ott, Wenn ic^ ftcrbe? ic^ bin bein Strug (rcenn xd) jerfcfjerbe?), id) bin bein 2rant (menn ic^ ocrberbe?), bin öein ©eioanb unb bein 03emcrbe, mit mir Derlierft bu beinen Sinn.

2Ba§ mirft bu tun, ©ott? Jd^ bin bange . . .

SDiefe religiöfe 3BeItanfcf)auung rubt auf tiefem ©laubcnogrunbc:

^u barfft nidjt warten, bi§ ®ott ^u bir ge^t unb fagt: id) bin.

©in ©Ott, ber feine Stärfc eingeftcl)t, ^at feinen <Sinn

2tm treffenbftcn bcjeirfinct oicQei^t baö folgcnbe 33ilb Siilfcö ^luffaffung göttlic^n unb menfd)Iirf)en Seins:

SBir finb wie albern im Safalte

in ®otte§ i}axtex ^errlidjfeit.

6-40 2)ie Sii^tung her legten SoJ^rsef^nte in iinb neßeu bcn gvo|en Sttömungen.

^te großen literorifdien Strömunc^en ^aben biefer ^oefie nid;t§ ©lei^roertigeä an bie Seite gu fe^en, raeber ^olj unb bie übrigen ^iaturoliften, nod) bie eigentlirfien Stjmbolifteii unb bie ^flcufloffigiften, beren Sgrif üon t^eotetifc^er (Enge glüdlid^erroeife frei bleibt, ^ören rair ben [c^on befprodienen ftimmungg= unb gebonfcnreid^en SU^clm

®er f'rembe Sßanbrer fingt ein Sieb

Don ber 9?ot.

<S§ laufest i^m ber graubärtige ©d^mieb

unb fein blonbc'S SBeib, bie beiben ^""Qß"

finb fpicienb mieber fortgeiprungen.

Ser frembe SSanbrer ift grau unb bla^ öon ber S^^ot.

©ein riffiger SO^antel äft fd^iüer unb na^. Unb, lt)a§ ber frcmbc Sßanbrer fingt, l^art an bie nieberE SJJauern bringt.

3ii^il"<^en be§ 2iebe§ Söne flangen §ammerfc^Iäge auf (Sifenftangen.

S)ie meiften ber genannten ^Dic^ter, unter if)nen andg Wüh, finb nidit ttwa nur S^rifer. 3Iber bie Sprit gibt it)rem Straffen bod^ "Qaä entfc^eibenbe ©epräge, ben eigentlichen Sßert, mag man if)nen anä) auf bem ©ebiet beö $Roman§ unb ber 9^oüeIIe ofcer be§ Sromaö begegnen.

©in oerbinbenbeö ©lieb groifc^en ben brei poetifd^en ^auptgattungen ift bie Sattobe, bie gerabe oon hen mobernen £t)rifern beüorgugt roirb man benfe nur an 5Ioenari'ug, Siüencron. Unb t)ier nun ift junöd^ft bie Sefprec^ung gmeier älterer ©ic^tcr nac^ju^olen, bes beutfd^en Sc^meijerä Äarl ©pittclcr (geb. 1845) unb beä 9J?aIer= ^id^ters 5trt^ur g-itgcr (1840—1909), bereu Sr)ri! immer roieber inö ®pifc^e ^inüber= greift, bis boun bie SSaKabe fid^ enbgüüig jum @pog raonbelt. ?^itger mürbe balb, auc^ aU SSerfaffer be§ ^ramaö „^ie ^epe", attgemein anerfannt. ©pittelcr aber, ber in ben erften ac^tsiger ^atiren in bie Öffentlic^feit trat, l^at erft aU i)oi)ex g^ünfjiger am 3tnfang be§ groanji'gften ^af)rE)unbertö ben ^^nit^ feines 9?ut)me§ erreicE)t, alö fein ®po§ „.Ort)mpifc^er ^rü^ling" (1900—1904, in enbgültiger gaffung erft 1910) erfrfiien. 3ebod^ felbft ber ^^antafie unb ©eftaltungöfraft eineö ©pittcfer ift nicfit ganj ge= [ungen, mit feiner mptf)oIogifc^en SBeItenbidE)tung in fcrf)§fü^igen Jamben ba^ ®poä ju verjüngen, roät)renb firf) fein epif(f)eä iCalent in feinen S3attaben üott bercö^ren tonnte. 5Die 58ebeutung Spittelers für bie Siteraturgefc^ic^te überf)aüpt ^ängt gum 2^eil üon ber ©ntmicflung ber 33eröepif ah.

Dbroof)! 6pitteler ein ?5^einb ber „SJZoberne" in jeber ©eftalt ift, geigt feine ^oefie burrfiauö rea(iftifrf)e SH^> ^i^ Quc^' tnitten in rfiriftlid^en Segenben unb f)eibnifc[}en 2JJr)t{)en noc^ erfennbar finb. Seine peffimiftifc^e ©runbanfd^auung tut bem ©olbglanj ber 5ßerfe feinen ©intrag ; er fcf)aut, roie er felbft non jcbem ©pifer f orbert, „burcf) ben Sonnenfrf)ein ber äußeren SSelt in J)o{)Ie, finftere ^Tiefen".

Unter ben jüngeren 33attai)enbic^tern ragt ^emor ?^reit)err Sortier öon 9J?ünd)s

ÖDrit. 641

j^flufcn (geb. 1874), beffen Sprit aber ourf) foiift rcicf) an eigenen 5Roten ift. <Qier eine ^robe:

9( b c n b am See.

'^n STbenbgluten fc^luimmt ber ©ee, bie Sonne [inft hinter ben 33äumcn, S3rann, fommermübe fte^t "oa^ S(^ilf unb flüftert in ttteidjen 2;räunTcn. 2;ie le^te 9}?öme äief)l in ber 2uft i^re grofeen einfnmen Streife, im 2lbenbftrof}Ic röten [icEj bie meinen (Sc§n}ingen kiie.

Unb bie Sonne toerfinft, [c^njarj liegt bie Jlut,

ber 2öinb läuit froftelnb bnriiber,

fcf}cu über bie blauen S3erge blidt

ber rote SD^onb f^erüber.

Septembcrnebel fteigen im Ja!

über bem Xorfe, bem müben,

ein le^ter [cf)ril(er §eimn3ef)ruf,

bie 93?5me ^tetjt gen Süben.

^n ber 58aIIabe ^abcn firf) inncrljolb ber legten ^a^rje^ntc bcfonbcrö bie grauen fieroorgetan, allen üoran ?lguc^ Wltc^Ü (geb. 1879), Deren „Srf)önc eignete", mol;! nur ganj roenigen noc^ unbefannt, in ber %at ju ben perlen neuerer beutfc^er Xic^tung gel^ört. §ier fei mit 9iüdfi(f)t auf ben IiterarI;iftorif(^ n)irf)tigen Stoff iljrc „^^Igneö S3ernauerin" jitiert:

(Sie föugen am §erb, al§ bie ^-lamme f^ieb: „(5ä ift ein $Rof' entfprungen." Sie iprncbcn ju i^r, al§ berflnngcn ha^ 2ieb: „2Ba§ ^oft bu ni4t mitgefungen?

2Bo§ bift bu [o bla|, 2lgne§ Sernauerin, tt)a§ ftarrft bu [o öor bic^ nieber?" Sie fprac^ ttiie f(^Iafenb üor firf) f^in unb f<^Io^ if;re fd))oeren Siber:

„SpfZir träumte in ber Slnbreadnacfjt, \d\ fei an bie Xonau gegangen; ber ^immel glomm in blutiger ^racf)t, unb bie roten 2öe((cn fangen.

Sie trugen mir ,^u in fcfjaufcinbem 'Xan^ eine Slrone, fternbefc^icncn, unb lüie irf) fie ^ob, mar'y ein Sterbffranj öon roeifcnben 9io-3marinen."

5(uc^ i^re reine Stimmunggiprif ift mert, i)\n bie 5?unft ber i^rau iibcrf^aupt ju oertreten :

Oe^ire, S>le bcutfc^c ßitcrahir feit «oct^e« Xobc iifro. 41

642 S)ie Sichtung bcr legten ^safjvjcfjnte in unb neben bcn großen Strömungen.

2)? a { n 0 (^ t.

^0^ benfe iä) manche ©tnnbc j Uwb über ben SinbeiiUüipfelu jener Xaq,e am Dftfeeftvüiib, i füi^rten im S3li^c§fc^ein

tüenn in ben grauen (S<i^Iuc^ten jeber Saum in Slüte ftanb.

bie alten ^reu^engötter ii^ren erften grü^Iing^reil^n.

3c^ benfe ber ftiUen Wä^k, : gerben unb (Saaten jegnenb,

am offnen genfter burc^mac^t; 1 fc^onbcn fie über ha^) Wleex;

ferne ©en^itter rollten i§re ^o^en Sernfteinfronen

im Söeften bie gan^e ^aä)t. \ büßten noc^ lange ^er.

S5en SSolföton ber SaUobenbicfitung niei^ fie gelegcntlid) auf anbete Sieber ju über=

tragen, in benen freiließ bod) eine bem 5ßoIföIieb frembe J^unft unb frembe (Shit ju

fpüren ift.

3Jläb(f)cngebet.

^rf) bitte bic^, Herrgott, burd^ S^rifti S9Iut, bett>a!^r mir meinen lieben Siebften giut!

^d^ 'bitte 'bic^, Herrgott, ou§ ^er^cnSgrunb, bö^ mid) mein Siebfter fü^t auf meinen SO^Junb!

kniefällig bitt äc^ bid^, bei meiner ©eUgfeit, gib, ba| er ftirbt, toenn er ein' anbre freit.

2([ä 33anabenbicf)terin fommt näd)ft 3(gneö 3KiegeI jnerft Sulu bon Strauß unb ^oritc^ (geb. 1873 in Südeburg) in Setrat^t, beren Stimmungö(t)ri! inbeffen nicE)t minber reid^ ift. 3Son biefer-f)ier ci'ne ^robe:

SBalbabenb.

3m 2SaIb bie Sid^ter üerglimmen

in golbenem ©d^ein.

®e§ XaQe§) lärmenbe Stimmen

3?errau)d}t am Ufer ber Stille ber (Strom ber Qext meitum bie fc^meigenbe f^üUe

fd^Iafen ein. ber ©infamfeit.

SDa§ SDunfel minft au§ ben ®ritnben ; mit bkffer §anb

mie foll id^ ben ^eimmeg finben in§ 5D?enf4enIanb ?

Dl^ne roeitereg fei neben if)r au§ mci)x a(g einem ©runbe ^clcnc ^oxqt- 2)icbend)g (geb. 1876 ju 3KarienI)off in Sd^Ieöraig=^oIftein) genannt, bie groar be- fonnteu ift burc^ i^re ^rgä^tungen au§ ber ^eimat, aber aud^ Itjrifrf) nicEit nergeffen werben barf.

3!öo^t unter (Srienbäumen | Unb nun bift bu gefommcn,

am füllen ®raben^ang i ^aft au§ bem bleidtjen ©riin

njoUt irf) bergeffen tröumen, ! gum ®arten mid^ genommen,

träumen unb [äumen mein Öebenlang. | ino 9)?o^n unb bunffe JRofen blüf>n.

SKoman unb 9iopeUe. 643

58on älteren Dichterinnen fei f)ier nur alä 58crtreterin für oCe 3)ülbc tun (geb. 1853) aitiert:

3! & r 3f? e cf) t.

2In milb t)erira(^fener Stelle

ba liegt ein 9J?armorn3ei6.

(Sie liegt öerf(^üttet, roäc^ft boS ä)coD§

um i^ren ©ötterleib.

©ie fü§If§ unb fonn fic^ nic^t legeii, nur tiefer berfinft i§r §aupt.

D ftünb' fie auf ^o^em ©eftelte,

fie tüäre fc^ön wie ein Strourn.

Xer fc^Icic^enben J^e'mhe finb all^uoiel,

fie fommen unb tooKen ben 3\aum.

Xie .^Iräuter, bie J^Iecf^ten, bie )ßloo\e, .... ein gan^eg Btt'ergengefc^Iec^t,

Söie fann bie ©ottm ein SBunber tun, fie frieden unb machen über i^r ju,

trenn niemanb an ©ötter glaubt? fie fagen, fie finb im 9tec§t.

i'tjrifc^eä ^Talent aeigen ober jcigten ferner bie 33oIfgbicf)tcrin 3oI)onna 2tra» broM (^oigt, geb. 1854), SWorgorctc löcutlcr (geb. 1876), S'^cflfl i'ingcn (geb. 1866), ^ikarbo ^u^l (geb. 1867), auf bie mir noc^ jurüdtommen, 5liina JHittcr (geb. 1865), SWaria 3anit|(^cf (geb. 1860), ^cbtoig 2)ranöfdb (geb. 1871), %\ia C^riftcn (1844 —1901), ^riba Sdiona (geb. 1859), ^tmmt öoii ^reuft^cn (geb. 1854), Stiicc öon ®oub9 (geb. 1862), eine 91ic^te beä Dichters ^rana oon (SJaubg, 3na Scibcl, eine 3^ic^te be§ ©ic^terö ^einric^ ©eibel, oermäfilt mit beffen eot)n SBoIfgang, maxqaxttt ^uömon (t). Senbemann, geb. 1834), §cbba Soucr (geb. 1875), permätilt mit bem bcfannten ^roger SiteraturI)iftorifer 3Iuguft ©auer, ©Ifc :^flöfer=Sd)ülcr (geb. 1876), 9J?aric 9KabcIeinc (o. ^uttfamer, geb. 1881), matia g-ugcnic bcüc @ro3ic (geb. 1864) roer fennt fie oEe, bie Sängerinnen in beutfrf)en Sanben!

2)ie 2v)vit t)ängt nicf)t ah üon bcr 9Ri(^tung, in ber fic^ bie Siteratur cineö 3SoItc§ entroicfelt, unb fie t)ängt and) nicf)t ab oon ber 2)rucferfrf)tüär3e. Gin 3SoIf, feine Sieber me^r bictitet unb fingt, mü^te Dor{)cr biö auf \xiä le^te (Scfrf^öpf, baö feine Spraye rebet, auögeftorben fein. SBie foUte nun gar ein 3So(f Iijrifrf) Derarmcn, 5U beffen ^auptbegriffen ha§i uielbeneibetc 2Bort „(Semüt" get)ört! Xarum mirb auc^ an neuen Siebern ben Xeutfcfien mo^I immer am mcnigften fet)(cn.

2. iHoman unD ^JJoUcüc.

2{ud) bie 5lunftprofa t)<it, mie mir fat)en, it;ren 3lntcil an ben großen literarifcfjen Strömungen ber legten ^af)r5ef)nte, entfc^eibenbcn 3Intei( aUerbingö nur in Jraufrcii) unb 9iuplanb, mä^renb in ben germanifc^en Säubern bie „9lirf;tung", baö 3rf)Iagmort ben 2Bcg faft immer üicr bie Sü^ne nal)m. Dem naturaliftifc^cn Sfiomau ^oUk^, bem foäiü(ogifd>;pft)d)o(ogifc^cn 3{oman Doftojemöfiö unb Xolftoiö f)at bie bcutfdjc Siteratur innert)alb folc^er fünftlerifc^en 3:enbcn3cn nidjtö C^Icirf^mertigeö an bie Seite ^u ftcllen.

Sn Deutfrf)Ianb finb 9Roman unb 9?oi)elIe faft immer abfeitö pon ber großen ^eerftra^e gebiel^en, unb bnö ift \i)x I)öc^ftcr 3hif)m, barauf bombt '\i)xc ^Bebeutung. Der gro^e (Spiter bebarf bcr StiUe, ber 3?uf)e, roill er emig gültige Aormcn bem ^JJiarmor abgeroinncn. Die ^aft beö Xageö, bie flüchtige, ücrge^enbe Dt)coric, bie ganje Unraft eineö ^eitalterö !önncn it)m nur fdjaben. So I)aben fic^ bcnn auc^ unfere größten

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644 S)ic Sid^tung her legten Saf^rjel^nte in unb neben bcn großen Strömungen.

^^rofaifer, ein Storm, Heller, 3Jie;)er in iJ)xem eigenen Schaffen um bie Stbfit^ten irgenbeineö 9ieali§muö ober anbern =iemug überl)aupt nid)t gefümmert; unb fo {)ot beifpielsiüeife ber fonfequente Dflaturaliömuä feinen 9ioman ron bteibenbem SBert f)interlaffen, ben man aus anbern als ItterQrf)iftorifc^en unb rermanbten ©rünben ^eute norfj lefen möd^te. 3)er großen Unterftrömung ber 3^^t üermag fic^ ganj aber an6) fein ©pifer gu entjief)cn. SBir munbern unö baiier nicEit, bo^ auc^ 9loman unb SlooeHe ber legten 3a{)r5ef)ntc üor oEem realiftifd) bebingt finb. ^o§ gilt ebenfo für ^J^atura; liften wie ©rimboüften unb ?leuflaffi§iften, für ^mpreffioniften roie ©ypreffioniften, aber au6) für ®i'rf)ter, bie unberül)rt blieben t)on äf%tifd)en unb tecEinifcEien 2tu§ein= anberfe^ungen, bie nur auö fic^ felbft unb für ficf) felbft fc^öpften, au§ bem SSoIf für ba§ SSoff mie ber Öfterrcidjer ^cter 9fiofcggcr.

2lm 31. ^uli 1843 mürbe er gu Ärieglac^=3tlpl, einem roeltentrücften (Sebirgä; borf ber grünen ©teiermarf, geboren. SO^it feinem ^erjen ift er immer f)ier ge= blieben, ^n feiner ©elbftbiogropf)ie „3Kein SBeltleben" (1897) erjölift er launig t)on feinem ^eimraeJ): „®ö gibt SSalbpflonäen, bie eben nicE)t üerfe^bar finb. 3luf ber ^nfel 9tügen fiahe iä) bie 3^eber ans Rapier gefegt unb nirfit fönnen bieten; in SSenebig l^abe ic^ bie Saute §ur ^anb genommien unb uid^t fönnen fingen, ^n aEer SBelt ^aht id^ nad^ ben oon if)r gebotenen ?5^rüc^ten gelangt unb nirf)t fönnen glüdlicf) fein .... ^or etma ge^n ^ö^^^i^ ^^^ ein unternef)mungöluftiger ^mprefario mic^ nad) Stmerifa fcf)Ieppen moEen, um bort ^orkfungen gu f)alten. W\i jenen 33efonnten, bie mir ta- mala gu biefer fc^önen 3fieife märmftenS geraten l)aben, fprec^e iä) no(^ I)eute fein 2Bort. ^6) empfanb bog 2(nfinnen mie eine perfönlic^e Seleibigung. ©igentlid^ f)ätte ic^ fie gerichtlich üerftagen fönnen wegen älufreijung jum (Selbftmorb. ©in anbereö märe meine Sf^eife nac^ unb burdE) 3Imerifa nic^t gemefen. 3Sor einiger 3ßit bot eine üornefim gefinnte ®ame im ^inblicE auf meine fd;roa(^e ©efunb^eit mir \[)t ^au§ an ber Sfliüiera gum-2Binteraufentf)aIt an. Um bem ^eimmef) aEen ^orroanb ju untergraben, foEte id^ aud^ bie ?^omiIie mitncf)men. Tlit SBeib unb ilinb unter bcn Ölbäumen, ^almen unb Sorbeeren gu roanbeln im 2lngefid^te bes 5Keereö unb beö golbenen ^immelä mit feinem fübtic^ mitben ^audE)! ^errlid^eö Seben! SGßaö gefc^af)? ©d^on im 5ßor= gebanfen an ben 3(ufent^alt im fremben Sanb rourbe mir übel. ©cE)on üorroegö befam ic^ ^eimroef), unb jroar fiebenfarf)eö, für Tlarm, %tan unb fünf Jlinber. '^m norbifc^en SBinter f)aben mir unferen Gt)riftbaum gefeiert bofieim."

2)aä ift ber ©eelengrunb, auä bem bie beutfd^e fogenannte ^eimatfunft fierouö- geroad^fen ift, vorbereitet bur^ Raxl ^mmermaun unb Stnnette üon ®roftc;.^üI&f)off für SBcftfalen, üon 3^ri^ ^Reuter für SJ^ecflenburg, gur Slüte gebracht burcE) Stbalbert ©tifter für ben 58öf)mer SBalb, 2:f)cobor ©torm für ©dE)Ie§roi'g=^oIftein, ©ottfrieb ÄeEer unb G. g. 3Jiet)er für bie beutfc^e ©cfiroeig. ^n biefen 5lrang flid^t 9lofegger jefet bü^ Silb ber öfterreirf)ifrf)en, gumal ber fteirifc^en 3l[pen.

Sf^ofeggers Seben ^at alg ba§ eines 2tutobibaften, ber fic^ aEe 33ilbungä= unb übrigen Kulturgüter f)art erfämpfen mu^te, 3tnfprud^ auf befonbere 33ead^tung. 3(Iö ©of)n eines armen Sauern, felbft gu fcf)macE) für biefen 33eruf, trat er, üon einem alten S^ulmeifter ein wenig unterrichtet, mit fiebgel)n ^a^ren bei einem ©d^neiber in bie

SRomaii unb DJooeüe. 645

£eF)re. daneben aber fc^ricb er aUcxld. Seine erften otiääcn fanbte er an ben ^rofeffor oDoboba, ben 3ftebafteur bcr „^ageepoft" in ©rag, ber fic^ nun für biefcö Salent öerraanbte. 9?ofegger würbe jc^t pnäc^ft in Saibac^ 33uc^f)änDler unb befucfite barauf bie .ganbelgafabemie ju ©rag. öier blieb er üier Saf)re. ^n biejer ^cit ent^ ftonbcn feine ^^ialeftgebic^te, bie 1869 unier bem Xitel „3itf)er unb ^acfbrett" mit einem 33orTOprt oon Stöbert .gamerling erfdfiienen. ßin fteirifdjeä Stipenbium ermög- lichte il)m eine Steife nac^ ^eutfc^lanb, ^ottanb, Sc^iueben unb Italien. Gr gab bann fleincre ©rjä^Iungen fierauö. Sein erfteö größeres SBer! erfd)ien 1875: „a)ie Sd)riftcn beö 2BaIbfrf)ulmeifterö/' ^m näc^ften ^afire griinbete er in ©rag bie 3citfc^rift „iQcim= garten". 3Son feinen jaF)[reic^en weiteren ^rofabic^tungen feien aU JQauptmcrfe nur genannt „^eibepeterö ©abriel" (1875), „®er ©ottfu^er", „^afob ber Sefcte" (1888), „3JJortin, ber SJiann" (1891), „^etcr SJJai^r, bcr SBirt an ber 3)?af)r" (1893), „^aä eroige 2ic^t" (1897), „©rbfcgen" (1900) unb „SBeltgift" (1903). Jiofeggerö rocitcreä ^eben blieb oon Stürmen ücrfc^ont. ^n erfter ef)e mar er mit 3lnna ^icf)Ier, bie fc^on nacf) jroei gtüdlic^en ^aljren ftarb, in groeiter mit 3lnna ^naiir uermäf)lt. ^m 3llter pon 75 ^af)ren ift er 1918 gcftorben.

S^iofeggerö ^erfönlicf)feit ift ben ßefern feiner S(^riften mel;r gcroorben aU ein S^riftftetter im Süc^erfc^ranf. 2)aö Sefte über fic^ f)at er ja in feine Xid;tungen ^ineingef(^ricben. 3(bcr Tuaö roei| er nic^t allcö fonft nod) uon fic^ ju fagen, roaö il;n unä näf)er bringt! ©lüdlirf) ift er, afö er rcäl;rcnb feiner ©rajer Stubiengeit jum erftenmal ein 3iinmerd;cn für firf) allein befommt: „©ö roar nur fccf)o gup ffl"9 ""^ fed^S ^u^ breit unb giemlicE) faminartig f)oc^, aber f)atte alleö ^la^, roaö id; bcburfte; roenn bie %üv nic^t gerabe aufgemad)t rourbe, fogar ein Seffcl. 35>urbe fie aufgcmadjt, fo fonnte man ja ben Seffel auf ben Xifd) fteEen. ^n biefem 3ii»i"C'^<^en jufammens gepreßt mar uiel ©lüc! für m\ä). Qn ifjm las id^ Stifters ,Stubicn' unb Sd^effelS ,(S"ffcf)arb', in i^m fdirieb ic^ meine erften S^Joüellen, in if)m fd)ricb i(^ bcn crftcn iBricf an Stöbert ^amerling, in ibm erf)iclt ic^ feine erften ^c'iUn. 3in biefem 3i»ii"etd^cn beforgte ic^ bie erften ^orrefturbogen ju .3itf)cr unb öacfbrett*, in i^m betrad^tcte id) mein erfteö fertig geroorbeneö 58üc^Iein. ^n biefeö Stübc^cn rooUtc cineö Xagcö 3(naftafiuö ©rün eintreten, fonnte aber erft, alö i^ ibm ^ia^ machte. Gr fafe auf bem StroF)fcffer, id^ auf Der $8ettftatt, fo befprad) er baö 33üd)[ein mit mir unb fagtc: ,3?ofegger, je^t ift mir nid)t me[;r bange für Sie!-" 3" biefem Stübd)en lebte er biö 1869, alfo biö ju feinem 26. ^ü\)xe.

So ift nic^t möglich, f)ier näl;er bie Gingeljüge im iXntli^ biefeö Ti(^tcrQ ju ftubieren, ber ganj ber ^latm unb bem SBalbe gel)örtc unb boc^ faft immer franf roar, bcr fooiel Siebe gab unb naijm unb bod) fo oieic ^cinbc batte, jumal unter ben 5{(erifcrn, ber rccber SSagner noc^ Xänje ertrug unb bod; bie 3Tiu\\l liebte, bei glänjenb uorloä unb erääl)lte unb bod) in ber ©efcüfc^aft fid; nic^t ju f)clfeu rouf^tc, bcr oon attcn gcfuc^t rourbe unb boc^ feinen fud)te. „So ^at fid)", fagt er, „im Saufe ber 3cit unb ©rfaf)rungen ein Ieibenfc^aftlid)er ^ang nad) Ginfamfeit in mir auögcbilbct, bcn man !ranff)aft nennen fonnte, roenn er nic^t fo f)eilfam roärc." Unb an einer anbcrn Steüe: „Till graut oor bem SItenfdjen, roo er in .gerben oortommt. Gr mad}t mid) franf.

646 S)ie ^Jtc^tung ber legten Sa^rjc^nte in unb ncBen ben großen Strömungen.

ein mir gleic^gültigeö ©efpräc^, bei bem icf) mittun mu^, oerfti'mmt mic^, vnüx\a^t eine 2lbfpannung, bie oft tagelang anhält .... ^a§ Strmfeligfte mar, raenn ein graufameä ©efc^icf fo fpielte/ bo^ mir bie Stufga-be gufiel, im ©alon, im ST^eater, auf Spaziergängen eine 35ome ju unterf)alten .... 3Jiein ungefc^idteä S8enet)men ent= ftammte lebiglic^ ber Stngft, bie ©tifette gu oerlefeen. ©o fonnte eine 8aIonpuppe norf) fo gefpreigt unb bumm fein, ic^ mar immer norf; um einen ©rob gefpreijter unb' bümmer .... aBirütdf) angeregt ^ot mic^ immer nur bo§ ungefel)rte, ftiDfruge 3J^äbc^en unb bie üerftänbige, fic!^ ungeniert t)erI)oItenbe ?^rau. 3Sor bem ^au&oerftanö f)atte icf) überhaupt gu aller 3eit gefinmal me^r Sfiefpeft olö üor atter ®ere{)rtl;eit unb ©eiftrei'c^igteit, bie irf) in iljrem Sereid^e gmar gu arf)ten meifi, bie mir aber bei fonft unbebeutenben Seuten unföglid^ guroiber ift. ®ing oon ben gmeifel^aften' Elementen ift in ber ©aEongefeüfc^aft faft immer rorf)anben, unb fo !ommt man au§ bem Unbef)ogeu nic^t I)eraug, unb in ber Sefangenf)eit beg^I)t man llngereimtf)eiten, roenn aud^ nic^t aEemal in bem 2}^a^e, mie jeneö ßanbmöbd^en auä ber ^^it beö lac^enben ^^iIofopt)en eine beging, bQ§ in einer feinen ^ifc^gefeUfc^aft gur Xafel gelaben mar. ,2Benn bei %x\di ?^Ieifc^ fommt'r fjatte i§re 3Jiuttcr fie belehrt, ,fo lege bie .33eine fein auf ben . STeller.' Unb bog ?latur!inb legte rirfitig bie Seine ouf ben %i\^\"

9iofegger0 ©icfjtungen finb nic^t frei ron STenbeng. (Stäbtifrf)e Überfultur unb flerifale Stnmo^ung I)at er mit aller 3)'eutlic^feit aud^ in feinen ergäfilungen befdmpft. 2(ber bag mar meniger ein Sluöflu^ feineö SßiUeng als feiner 58eranlagung. ©r mar ein naiüeä Sf^oturfinb, tiefgrünbig unb Tauter unb mürbe, of^ne rec^t gu rciffen unb gu motten, gum SSoIföergiefier. SSerga^ er boc^ fogar t>a§, mag er felbft oerfa|t fiatte. „So \dgkä)t", fagt er, „ift mein ©ebäc^tnig, „ba^ iä) bei manrfier SflooeHe, bie einfl oon mir felber gefcJirieben mürbe, in ber fjöc^ften Spannung bin, mie fie auggel^t.''

2)ag %i)ema, bog bei if)m immer rci'eberfe^rt, ift bog ©inbringen beg oerberb= licfien, entfittlic^enben ^nbuftrioligmug in bie reine unüetfölfcf)te 9^otur ber Sllpenbörfer, gumol in SSerbinbung mit religiöfen 3J?oti't>en unb erlebt oon einem SJlenfc^en, beffen Seefe i)oä) über bem ©urc^fc^nitt ftefjt unb einen ©ntmicflunggfampf gu beftefien f)at. 5tt)pifc^ bofür ift fein reiffteg SBerf „S)og emige Si^t". ^iefeg innere ^elbentum feiner ©eftoiten unb bie Segeifterunggfä!)igfeit beg ®icf)terg für bog ©ro^e unb Schöne ber 3Kenfc^f)cit trofe otten ©lenbg, aEer Slrmut, oEer Sd^lec^tig!eit trennen if)n mit aller ©ntfc^ieben^eit oon bem fonfequenten 9fiealigmug unb ^floturoligmug, Strömungen, mit benen im übrigen fein Sf^od^bilben ber Söirflic^feit, feine Söeoorgugung ber einfo^en 2ii\te oug bem S3otfe, gumol ber Sauern unb ^ogelöl^ner, feine ^ei^^nutig beg 3Jlitieug big ing fteinfte f)inein unb enblic^ ouc^ bog Sfiggen'^ofte, mon fonn rul^ig fogen: ^m- preffioniftifc^e feiner S)aTftettunggart übereinftimmen.

3fiofegger beutet ober ourf) oiel meniger in bie Vergangenheit olg in bie 3"= fünft, er mar meniger ein Stngeregter otg ein Stnreger, nomentlic^, mie f^on txwä^ni rourbe, auf bem ©cbiet ber fogenonnten ^eimotfunft.

"Die 3Upengefc^icf)te, um bie man fic^ feit Si'^oiU unb ©louren ni'c^t mel;r üiel gctümmert i)aüe, rourbe gerabegu 3Jiobe.

einer früt)eren 3eit geljört 5tboIf pc^lcr (1819— 1906) an mit feinen „?(aer=

SHoman uitb 9?0Deflc. 647

fianb ©efc^ic^ten quo 2;i'rot" (1867). 2(ber noc^ 1897 erfc^ien cine§ feiner be[tcn ^rofQbüc^er: „^oc^routen." Stlö Sprifer, (Spifer unb ^ramatifer bagegcn ift biejer cinft S]ielgc[e[ene inäiüifc^en mel)r in ben «pintergrunb getreten, garbcnreic^ finb feine felbftbiograp^ifc^en 3(rbeiten „2)Qg Btuxm\a\)x", ,,3u meiner 3eit" unb „3luä 2:Qge= büd^ern".

2(n5urei^en finb ^ier gunäc^ft erfiroeiger ©raäfiler roie % 5B. Sibmaim (1842 —1911), met)r ^tauberer qI§ ilünftler, bann % (S.. |)Cfr (geb. 1859), ^Serfaffer oon guten 3ftomanen wie „2In f)eiligen SBaffern" unb „2)er ^önig bcr 58ernina", (frnft Ba^n (geb. 1867), ber namentlich für feine fletneren realiftif^en eräät)Iungen einen großen Seferfreiö gcfunbcn ^at, ^mxid) %ttitm (geb. 1866) fomie bic jüngeren ^aü\ 3^9 (geb. 1875) unb ^ofob edjQffncr (geb. 1875).

©ö fonnte bei bem gune^menbcn 9'{ci(^tum 3>cutfrf)Ianb5 nic^t auebleiben, ba^ bie „©c^ireijer $Heife" auc^ für minber 33emittelte eine 2)Qfeinönotroenbtgteit mürbe. ®er gute Unter^nltungöromon folgte fold^en ^'enbenjen, rcie man fid) Ieid)t beuten fann. ©er Dberboper 9tuboI| 3tra^ (geb. 1864), beffen iRomone bie Stimmungen ber 3^it gemanbt aufgreifen ein Seifpiel ift etroa für ben Oegenfa? 5roif(^cn @ng= lanb unb 2)eutfc^[anb „Seine englifc^e ?^rau" , läpt mef)rere feiner betannteften Oefd^i^ten in ber Sc^roeiger @Ictfrf)ermert fpielen. 2Iuf bem ©ipfel beö „3Jiontb[anc" ftirbt fein fraftgenialer Stfrüareifenber ben ©yjetfiortob, unb „©er roei^e ©ob" ift ober= Ijalb 3ennattö auf bem 3JJattcr(jornmaffit) ju ^aufe. @eroöt)nli(^ roerben auf bem Sc^meiger Sd^aupla^ S^cprobleme gclöft ober boc^ auögeglirfien. 'Sflan möchte fic^ über bie menfc^Iiij^'en 3'Iieberungen mittelö alpinen Sports and) fecfifc^ crF)cben. ©i)pifct) bafür ift ©5cobor Sßunbtt^ ^oc^gebirgeroman „9JJatter^orn" gefc^mücft fogar mit einer Injo^I üon ^^otograpf)ien , in bem fic^ fd;lie^nrf) bie ameritauifc^c ^Tiil^ liorbärin mit bem beutfrf)en ^bealiftcn na^ bem l^lbfturg beö amerifanifcf)en Wü- bemerberö unb bem ©rfc^öpfungötob ber fid; aufopfernben beutf^en ©attin ju neuem nur aHju begreiflichem! Seben äufammenfinben. 2Ber felbft einmal uoni „'Dlont Geroin" auö ba emporgeftiegcn ift, lieft unb fielet frci(id) foIct)e Gr3ät)[ungen g<:rn aud) o^ne weitere 2(nfprüd)« an fünftlerifd)e ilonjeption.

©ic^tcrifc^ F)ö^cr fteljeu bie 2IIpenromane non 9iid)Qrb 5Bo& (1851—1918), ber im übrigen feine ^f)antafie nod) meiter fc^meifen lie|, im „.^eiligen C^a|" fogar biö iiac^ ^nbien. Seine beftcn ^RoueUen fpielen in Italien unb iltgtjpten. 3Son feinen „tgi)ptifcf)en ©efc^ic^ten" jcigt bie le^tc beö erften ^Janbeö, „©ic roei^e Stabt", eine ungercöl)nlic^ feine Scfeelung. ©ie Sünberin, bie ba für ben «cliebtcu flagloö ben il;m üon il)r gef)eimniöüoII ooranögcfagten Dpfertob ftirbt, gel)ört ju feinen !üuftlerifc^ beften ©eftatten. 5ßon feinen ^Hpenromanen ift pfijdjologifcf) bcfonberö ju rüf)nicn „Smei 2)knfd;cn": biefc ftimmungöDott burc^gearbeitete ®cfd)id;tc rou bem ^unfcr 9?ocf)ug, ber bem ^rieftcrtum feine Siebe barbringt unb boci) am GnDc neben ber c^araftcrfeftcn, biö a»'" ^obe fic^ unb it)m getreuen ©cliebten bcr mcitauö Scf)mäd)crc ift, reit)t fic^ ben Seiftungen unferer großen ^rofabic^ter mürbig an.

^aä) ©irol fü()ren bie ©rjätihingen uou Ühibolf Wrcinj (geb. 1866). ©ie

648 ®ie 2)ic^tung ber legten 3nf)i^8e^tite in unb neben ben großen Stvömnngen.

©tobt Sojen im befonberen f)at if)re 2)irf)ter in ^an^ öon ^offenStl^ol (geb. 1877) unb 9ti^arb ^ulbft^incr (geb. 1872) gefunben.

S)ag batjrifd^e ^od^Ionb raurbe bereits uon älteren ©c^riftftellern roie $(ntott öon ^crfoK (geb. 1853) unb ^rt^ur %^kitntx{%eb. 1858) poetijc^ oer^errHc^t. ^ublöig ©ang^ofcr (1855—1920) ift befonberg gtücflicf) in fulturljiftorifc^ umral^mten Silbern, roie fie fein „Sltofterjöger" unb feine „3}Jartinäftaufe" barbieten. Surcf) folcfie ^inter- grünbe unb burc^ lanbfc^aftUd^e ©ingelgüge er{)eben fid^ manche feiner ^Romane über ben ^urd^fd^nitt bloßer Unter^aftungöromane, an benen er im übrigen nitfit ganj unbeteiligt ift.

SBenn ©ang^ofer üielfac^ am ber ^l^antafie i^erauä ibeaüfiert, fo ftel)en ber üolfätümlic^ realiftifc^ien 2(rt 9fiofeggerö nä^er bie ®orfgefcE)ic^ten beä euangelifd^en ^;5farrer§ ^Tbolf ©(^mitt^cmicr (1854—1907) unb beä fatt)oafc^en ^farrerg |)cinri($ C>Ollöiafob (1837—1916), mit benen mir auä ben 2ttpen l)erau§ jum beutfc^en mitkh gebirge, oor allem §um babifc^en ©c^margmalb fommen. 2tud^ ^anöjafob roenbet fic^ roie Siofegger gegen baä Vorbringen ber mobernett Kultur in bie fti'Uen ©ebirgötöler, unter benen i^m natürlich om näc^ften ftel)t fein geliebteä ilinjigtaL ®ie (Srf)nd^tl)eit beg ©mpfinbeng unb ber ©arfteHung raitbt i^m immer neue ^^reunbe. 9iacE) 2(uf= faffung unb ©tilart märe it)m oon ben jüngeren etn)o an^ureilien ber talentüotte fatf)0: lifc^e 58offöfc^riftftener ^ctcr 2)iJr|rcr.

^en Dbenroalb mag l^ier 5tbom ß^orinoii (geb. 1853) uertreten, beffen (Srgäf): fungen fic^, rcie fd^eint, fteigenber Beliebtheit erfreuen, ©ein le^teg 2Ber! „3lbamö ©ro^üater" (1917) geigt if)n burc^auä auf ber ^ö^e feiner ©^affenöfraft.

2tuö bem Segirf ber tppifd^en ^eimatfunft treten ä^nlic^ mie ßariEon bereits {;eraug bie ©teiermärfer Sil^clm %i\ä)tx (1846— 1916) bäef er befonberg mit tec^= nifc^ feinen 'Novellen au§ ber 9ienaiffance unb Ü?uboIf §onö 83artf(^ (geb. 1873), roenngkid; namentlid^ ber le^tere fein Sefteg boc^ raolit auä ber ^eimat gefc^öpft '^at, roie feine „^u'ötf ouö ber ©teiermarf" anbeuten. ©ic^ere ß^arafteriftif jeic^nct if)n aud^ in ber ^Rouette au§.

©er SBürttemberger ^ermonn §cf|c (geb. 1877) lä^t feine befanntefte ®ic^= tung, ben tppifd^en ©ntroidlungöroman „^eter ßnmenjinb", in bem ©d^weiger ®örf- d^en ^Rimifon fpielen. 3Iber roie roenig l)at biefe ouö bem roirflid^en 3>un<^uleben ge= griffene, fo gar nid^t „fpannenbc" ©efd^icEite mit ben früf)er genannten alpinen Unter= Zeitungsromanen gu tun! a)2it biefeni ^eter ©onbcrbar roanbern rcir oielmel^r auf ben ©puren ©ottfrieb ^etterö. ilöftüc^ gumal roirb bie Siebe beS ®ümmlingöl)elben gef(^ilbert, ber für feine auä ber 3^erne ongebetete 9iöfe ©irtanner auf f)alöbred^erifd^en ^-Pfaben bie legten Stfpenrofen mit SebenSgefaf^r erringt unb fie nad^ fünfftünbiger Sa^n^ fat)rt auf bie treppe i^res ^aufeö legt, o^ne je gu erfahren ober erfat)ren ju rooHen, ob unb Don roem fie bo gefunben roorben finb. ®g ift molji aü6) fein Sn\aU, ba| ge= rabe im „ßornenjinb" ^eUerg „©rüner ^einricf)" unb „©elbrotjler ©efc^iditen" alg „biefe einzigen Sürf)er" bejeirf)net roerben. 2Baö bei folc^en ©efc^ic^ten lierauäfommt, ift ja äu^erlid; nic^t oiel: „®ie grau, bie icJ) liebte unb immer noc^ liebe, erjieJit in Safel it)re jroei t^übfc^en ilinber. ®ie anbere, bie mic^ lieb ^atte, l)at fic^ getröftet

SRoman unb )}loveÜe. 649

unb finnbelt u)eiterF)in mit Cbft, ©cmüfc unb Sämereien. 2)er SSater, mcgen bejfen ic^ ing ^c]t (Kimgcfef)rt bin, ift roebcr geftorbcn norf) genefen, fonbern fi^t mir gegenüber auf feinem ^^anlbettlcin, fie^t micb an unb beneibet mirf) um ben 33efi§ beö i^eücrfc^Iüi^ fels." 3(ber biefer ^cter ^ot aud) uod; ein paar ßngel im <Qimme[ roof)nen unb i)at gute S:aten unb ©ebanfen hinter unb oor fic^. Unb ift nid)t fcf)on l;o^e ^oefic, raenn ein 9^omnn einmal mirflic^ rocber mit ber .^eirat norf) mit bem tragifc^en (inbe beö gelben fdjlie^t? 3(uc^ in feinen nnbcrn erääf;(ungen uiiD in feinen Siebern be= wäl)xt ]id) ^effe aiö fieserer ©eftalter.

©ein «anbömanu MtDiq i^M^ (geb. 1876) n)äf;(t ben Sc^aupla^ für feine i^unftprofa ebcnfaHö mit greifieit. Sein ^eimotgefü^l tritt inöeffen boc^ r;enior, g. ^. wenn er in ber ,,9f?eife nad) XrippftiU" bie Sel)nfuc^t ber fc^raäbifc^cn Seele in bie gerne äeic^net. ®er 2Bert oEcr biefer ^irf)tungen ift aber in erfter Sinie pftjc^o^ logifc^ gu fuc^en. 3)aä gilt auc^ für einen anbern Srf)raaben, ben ftiU für fi^ finnen= ben unö arbeitenben ^tmiö) «ilicnfci« (geb. 1879), beffcn 5af)lreirf)e O^ramen, mie er felbft auc^ über fie benfen möge, borf) meit überflügelt merben uon feinem i)toman „2)ie gro|e StiUe" (1912).

Tili pfr)(^o(ogifcf)en SBertungöünien fommen mir mciter gu ankrn fübbeutfc^en ergöfirern mic Jöcrn^arb tcücrninim (geb. 1879) unb gu Silöclm C^oIiOmcr (geb. 1870), ber alö iRf)eini)effe fc^on auf ber 2Ritte fte^t groifc^en Süb unb 9^orD.

%üi bie ^eimatfunft üon großer Sebeutung mürbe (^ricbriJÖ l'icn^Qrb (geb^l865), £t)rifer, T)ramatifer, (Spifer unb ßrgäljler. Sein feelifrf; reicher i)Joman „Cberlin" fpielt gur 3cit ber frangöfifc^cn Slerolution. 2ienf)arb gehört gu benen, bie firf; für bie ^eimotfunft auc^ au^erl)alb beö eigenen Srfiaffenö tatfräftig einge[e^t f)aben. W\i befonberer Siebe belebt er bie aften Stoffe ber mittel: unb früf)neuf)orf^bcutfc^en Literatur.

©Ifäffer mie Sienfjarb, ber feine erften Sieber fogar auöbrüdiid; alö bie eincö ©Ifäfferö f)inauögcl)cn lie^, ift ber @rgäl)ter anmutenber ^orfgefrf;i^teu <g)crniaiin Stegemann (geb. 1870).

Seit ben ^agen 5ri)cobor Stormö ift aber bie ^eimatfunft fo rerf)t baf^eim im nieberfärf)fifc^en Sanb. Jpier bic^teten unb birfiten ber .^annoneraner ^einrid) So^iircU (geb. 1859), ebenfaüö ein SSorfämpfer für ben'^eimatgebanfen, mit 9^e^t gerüf)mt alö SSerfaffer fd^Iic^ter unb boc^ lebeneuollcr f)annoüerfrf)cr ^orfgejc^ic^ten, Üaü Sö^Ic (geb. 1861), ber bie Süneburger .^eibe mit Silbern unb ©eftaltcn belebt I)at, unb ber früt)ere ^aftor ^icbrid) Specfmonn (geb. 1872), aurf) er ein Xid;tcr ber Süncburgcr .^eibe. 2)aö ©rübicrifrfjc feiner fpätcren iKomane „.»peibebof Sobc" unb „Grid) .v>ei)ben; reid^ä ^orf" tritt nod^ gang gurücf in ber empfi'nbiamcn unb bod; natnrfräftigen ^ünft(ergefd)id;te „^eibjerö ^eimtef)r" (1904), auf ber, menn mir bilblid) fprcd;en moHen, fo etmaö funfeit mie in ber ^eibe bie ^^autropfcn in bei •üJorgenfonne.

^ox anbern aber finb je^t ?5^rcnffcn, 2öm unb Timm iCröger gu nennen.

Ouftaü (^renffen mürbe am 19. Cftober 1863 in bem Stranbborf "öartl (X'ül)- marfc^en) geboren. 6r befurf)tc gunödjft bie ^orffd)uIe, bann in "DJ^eiborf unö ^"»uium baö ©ijmnafium, ftubierte in 2:übingen, 33erlin unb Kiel ll;eoIogie, mar eine ^fit^'^'Ö

650 ©ic Sid^tung bev hinten ^ai)Viii)ntc in unb neben ben grofeftit (Strömungen.

im c^aufe ^rupp 0I0 §auelel)rer tätig unb rourbe 1892 ^aftor in jemine, ^n biefer ©tcHung oeröffentlicfite er feine erften 3tomane, 1896 „"Die Sanbgräfin", 1898 „'^k brei ©etreuen", 1901 „^örn Ui)V^, beffen au^crovbentÜc^er ©rfolg ee ii)m ermögürfite, fein 9l:nt nieberjulegen unb noc^ Sfkiborf, fpäter na<i} Slanfenefe überjufiebeln. ^n bet ?^oIgc li'e^ er erfci^eincn ben rcltgiöfen SfJonian „^iHigenlei" (= .^eiliQenlanb, 1906), ben 33eric^t eineg i^oloniaüriegerö „^eter 9}loor§ ^at)rt nac^ ©übrceft" (1907), ben bix)grap{)if(^en ^oufmonnäromon ,,5!rauö ^umä) 58aaö" (1909), bie (Srjäl)hing „®er Untergang ber Stnna ^oEmann" (1911) unb ben 3ftonian aus bem SBeltfriege „^ie trüber" (1917). SSon feinen Aromen bürfen rcir f(f)rüeigen.

?5^renffen ift ni'i^t, roie man biöroeilen fagen f)ört, ein Sf^omanbii^ter ber alten 3eit, ber olten ©c^ule, mag aud) in feinen erften 3)icf)tungen mancEier 3^9 fo gu beuten fein. Seine bebödjtige tiefbenferifdfie Strt, fein ru^igeö (Srgäfilen unb 5ßerfnüpfen fann mof)( äu folc^er 2tnfic^t uerfüfiren. Stber feine 30lotiüe unb (Seftalten finb burcf)au0 mobern gefef)en unb norfigebilbet, unb auc^ feine 3:;ec^nif ift burcf) ben ^mprefftoniömu§ gefcEjuIt. 5Denfen rcir nur an bie prärfitigen S3Ii^IicE)tbit'ber ber ©c^Iac^t t)on ©raoe: lotte im „3örn 1X1)1", ber ©c^iffsfataftrop^e im „Untergang ber Stnna ^oEmann", ber ©eefc^IacE)t am ©fagerraf in ben „S3rübern"l Unb wie realiftifc^, roie mirflic^feitSerfit ift baö „3JiiIieu" geäeic^net, befonberö auf bem Sanbe im Sauerni)aufe, im ^ta^i, auf ben ^elbern, im ©aftliof, aber auc^ in ber großen ©eeftabt ^amiburgl SSor aUcin aber: bie 3JJenfc^en refeen i^re eigene ©pracf)e, für bie ber S)icE)ter auö bem 5Diale!t frifc^eg Slut fcE)öpft, p^ne be§l)alb, wie man if)m biöroeilen oorrairft, in SJ^aniriert^eit p oerfaEen, unb fie leben il;r Seben, ni(^t fo mie ber S)ic^ter {)aben möchte, fonbern loie €ä jüirfliü^ ift, brausen im ©afeinäfampf, brinnen in ilirer Sruft. 2tu§nof)men mie ber 2BeiI)nac^t§f(f)Iu^ im „^örn UI)I" beftötigen bie SRegeL

^^reilicE), ein 3^aturalift ober auc^ nur ein fonfequenter Sftealift ift ^renffen nid)t/ bie Sbee fte'^t il^m f)öJ)er alä gegenftänbücfie 91i(f)tigfeiten ober gar ^ä|IicE)feiten au^erl^olb eineä fünftlerif(^en 3"ffli"Jii^"^<i'^9^^- ©erabe ba§ aber machte feinen ^lid unb feine §änbe frei für plaftifc^eä Silben nac^ ber 3ftatur. ©0 entftanben feine prä^tigen unb boc^ fo einfachen nieberbeutfd>en ?yiguren, ibie e^rli^en Träumer rcie J0eim .^eiberieter, bie nad)benfli(^en, ungefc^icften, lei'bgereiften unb pflic^tberou^teu Sebeuöfämpfer raie ^örn Ul)I, -bie frö'^nc^=frifc^en, tatfräftigen SJläbd^en mie dm SBalt unb Sena S^arn. Unb gar eine fo broEig befinnli(^'C, babei fierjenögute unb tü^tige ©eftnit roie ber geruhige X^k^ %i)k'\\zn i)at i^reSgieii^en nid)t in ber SBeltlitcratut ä(ber aud) ha, wo üon einer 3f{omanl;anbiung !üum bie 'iR&'M fein fann, in bem 3^elb= 5ug&berict)t ^eter 3D^oorä ?^renffenö beftem Sßer! neben bem „^örn U§1" , ber an ©c^Iirf)tung ber Stuffaffung unb beö Stuöbntds faum überboten merbcn fann, aiiö) ba f)ört man nic^t SBorte, lieft man nirf)t ©rjä^Iteö, fonbern lebt mit ben 9)lenfd;en mit, bie man greifbar üor firf) fiel)t. ©inen eigenen Sf^eig bietet b^er 2JIärrf)cnton, ber burd^ biefc 2)ic^tun^en jief)t, oi)ne if)ncn ii)re 2Befenöed)tf)eit ju rauiben, anbererfeitö ober manche Stunbe bargeftcEten 3)tenfciE)enelenb& roof)Ituenb, üerfölmenb bur^flingt.

©in ganj anberer 2)ic^ter ift Yermonil ^ön^. ®r mürbe am 29. ©eptembet 1866 ju Äulm in SBeftpreu^en geboren, befuc^te in 3)eutf(f)=ilrone bie ©c^uie, ftubiertc

SRoman unb DioDeüe. 651

in 3Jlünfter ajtebiäin unb DhtunpifieufcfiQft, roiirbe bann 9icbafteiir unb lebte jule^t in ^annoper. ^m erften ^afire bes SBertfricgeö, im öerbft 1914, ift er gefallen. Seine ^^ic^tungen, betitelt „3J?ein grüneö 33uc^" (1901), „mt'm brouneä Suc^" n]w. (nacf) feinem 2:übe erfc^ien baö 2:ierbudf) „5Bibu") in gplb, blau unb bunt, finb mcf)r 3{ugenblicfö= unb Stimmungöbilber quo Söklö unb §eibe afö ©rjäölungen, obraof)! er aurf) folc^e gejc^riebcn f)at; bic legieren finb ober nur bonn ganj geghtdt, wenn fie au§ bem ^ierleben gegriffen finb, ireniger bagcgen, wenn fie ein 2Jtenfc^enfrf)icffaI be|anbetn rcie im „3Be^rropIf" (1910). 2)a reicht Söne an ^renffen bei weitem nic^t F)cran. 2lber bie föftlic^en ©efc^ic^tcn üon bem .^oien 3)h'tmmeimQnn, vom Socf unb ?^ucf)ö unb S^ingeltauber unb von aU bcn anbern ©efö^rten feineö ^ägerlebenä irenben fic^ nic^t nur an bie fieincn unb großen 5linber biefer SBelt. ©efcfjrieben in einer ^ö6)\t eigenartigen, auö tiefftem Spra^gefü^l gefc^öpften ?^orm, geben biefe Sfigsen unt)erfäIfcE)te Dktur. Giner fo reiben 2rf)i[be= rung ber Sanbfc^oft mar nur ein bebeutenber ^icfiter, einer fo fc^arfen Seoba^tung ber ^iere nur ein erfaijrener 9)knf^enfenner fäf)ig. 2)aö §örf)fte unb Se^te permag Sönö unä nic^t ju fagen, unb Dielleic^t ift in SBalb unb ^eibe, in i^rem blül)enbcn 2ebcn bie grünte beö .^ägerS ha^ ©ntbe^rlic^fte, TOeil üon ber 3^atur nic^t ©egebenc. 3ü)er folc^e Betrachtungen finb ja ebenfaHs ein ©rjeugniö ber Kultur, bie "Oa^ mcnicf)Iirf)e 2Jiit(eib jum Sc^u^, nirfit jur SSernic^tung n:)eI)rIofer ©efc^öpfe aufruft, ni(^t ber 9?atur, bie erbarmungsioö roütet oon ^ier gegen %\cx, üon 3Jtcnfcf) gegen )Slcn]d), raenn um baö nacfte ^afein bes ^6)^, ber g^amilie, beö 3SoIfeö gef)t. 3luc^ fold^c 9Bal^rf)iiten fielen in biefen SBalb; unb Sßiefenbüd^crn gef^rieben, bie fo neben roie in ben groj^cn Strömungen ber Seit if)re Stelle unb if)re Sebcutung f)aben.

SSieberum uerfd^icben foraol;! uon ?^rcnffen mie t>on Söns ift 'Jimm .^rögcr (1844 1917), einer unferer liebenöraürbigften unb lefcnöroerteftcn ©rääf)(er, bobcn: ftänbig, lebenöec^t, rairtlicfifeitöfrol). Sein Jtoman „l)ic 2Bof)nung beö ©lüde" (1897) bc3eirf)net nic^t ganj feine ßigenart, bie faft auöfdjlie^lid^ in ftfincn, fein gcrunbetcn S^loüeEen jutagc tritt. 3" ^c" beften feiner Sammiungcn gehören „Um ben Söegjoü", „9fuö alter ^ru^e", „Seute eigener SIrt" mit bem d)ara!tcriftifcf)cn Untertitel „^o- reHen eines Dptimiften" unb „ßine ftiHe SBelt. Silber unb (Bcfd)id)tcn auö SQloot unb ^eibe". "31x6)1 träumerifc^cs SicfiDerliercn in ber 3lrt anberer §eibc= unb 5Jioor= bicl)ter, fonbern gerablinigeä Sd;auen, fefteö ^ufaffen, rcaliftifd)eö 2lbbilbcn ift 5irögerö bicf)terifc^e ©igen^eit. 3)ie Stimmung roirb ben fingen, mie fie in SBal)rbcit fmb, untergeorbnet. Überatt ^eigt fic^ bie Siebe jur Scholle, jum ^nncnfein beö einfachen 3J?anneö, gumal beö niebcrbeutfcl)cn 33auern. 2)oc^ auc^ im Unbebcutcnben löft .^Uöger fpielenb Probleme man benfe nur an bie ^übfcf)e 5linbergefd;ic^tc „Söobin?", bic fic^ mit bem „lieben ©ott" auöeinanberfe^t , unb ber oft ueriuertete Tialeft trägt ta^n bei, ta^^ poetifc^e Seben in biefen fd;licl;tcn Grjäblungcn 5u uertiefen, gleidnncl ob fie mel)r rit^ren ober erweitern, ^bealificrt unö jum "Jijpuö crl)obiMi nertrctcn Ärögcrö ©eftalten eine ^eimatfunft, bie troO il)rer 3{ea(iftit ber naturaiiftijd)cn feinb= lic^ gegenüberfte^t.

SSleiben mir äunädift im nieberbcutfd^en 58ereid), fo finD l)infid)tad; ber Gr*

652 S!)te ©ic^timg ber legten i^al^rjel^nte in unb nefien ben großen Strömungen.

Sä^fung unb beö ^eimotgebonfenä roeiter ju nennen für ^lamburg 3I[c f5rflHn=^(unian (1852—1908) unb D«o ©rnft (D. 6. ©c^mibt, geb. 1862), ber fic^ a\x6) lr)xi\ä) unb bromatifd^ t)erfurf)t I)Qt nac^ Hamburg gehört oucE) ©uftat) ?^alfe§ Stonian „9Jlonn im 5^eber (1899) für Sc^leöinig.^olftein 3ba S3o^*(gb (geb. 1852) g|arIottc g^icfc (geb. 1854), ^clcnc ^o^U^\thtn^§ (geb. 1875) unb Düomat anfing (geb. 1867), Don bem 1916 ber ©fieromon „9J?onegunb" neröffentttdit tourbe.

3um Sf^ieberrfiein füfiren unö bde üielgelefenen Spontane 9?ubi)If ^crjogS (geb. 1869 in formen), ^iftorifd^en ^intctgrunb f)aben feine „Surgünbcr" (^n^ fang beä neun3et)nten 3>ai)T§unbertö), ©eine beftcn 3Irbeiten finb ^<o6) raoI)l ber SBiippets loler ^^abrifroman „"^^ie SBiäfottenö" (1905) unb ber .Hamburger ^aufmannäroman „^anfeaten". 1918 ceröffentlic^te er 5Rot)eIIen unter bem 3:;itel „Jungbrunnen". Sofcp^ !Öauft (geb. 1855) ift ebenfaEö Sl^einlänber. ®rraäf)nung§n}ert finb üon feinen (Sefc^irf)ten „®et mönä) üon ©t. <Bthalh'% „.^ärreüef" unb „^ittje ^ittjeroitt". Söonbern rüir oftrcärtö, fo finben mir aU 33ertreter ber .^eimatbid^tung in 5tl)üringen mattU 'Sttmta %mtt (geb. 1851) unb miguft ^riniug (1851—1919), in ©rfilefien ^oul Heller (geb. 1873), in ^ommertt ®corg ©ngcl (geb. 1855), in Dftpreu^en bie beit>en 9)^ofurenbic^ter trüber ^ri^ (geb. 1858) unb midfütb (geb. 1862) ©fottron-- ncl fomie ^fo^onncö mi^axh jur 9Wcgcbe (1864—1906), in ilurlanb Xf), |». fm-- tcniuö (geb. 1843) unb ben ©rafen ©buarb tion ^c^fcrUng (1855 1918), in ber 3Jiar! Sronbenburg bie Stüber ^am§ (1853 1918) unb gebor öon Boöclti^. %üx S3erlin fei noi^molö auf ®corg ^ermann (®. ^. SBorc^arbt, geb. 1871) I)ingemiefen, bei bem inbeffen bereite bie naturaIiftifcE);foäiaIiftifrf)e ©(^ufung ftärfer l^eroortritt.

Stbfic^tlitf) mürbe i)\n bie ^eimatfunft oorangefteHt, i^r oerbanfen mir 9flomane unb D^ooeEcn üon bleibenbem SBert, mäfirenb bie großen literarifc^en Strömungen in ber ^rofa me^r ^eifpiele, Belege, ^rogromme a(g bauernbe ^unftraerfe ptage ge^ förbert (;a'ben. 3)ie f(^on befprod^enen %üfjxcx beä 9^aturaliömuö : G^oitrob, SBleiötrcil, G^onrabi, 3l(bcrti, ^olj unb 6^Iof Ijoben gemi^ and; geifti'g t)oc^ftef)enbe ©rjäfilungen gefd^rieben, unb biefe finb burrfiauö nic^t nur naturaliftifc^ gu begreifen. 2tber fie !önnen nic^t mit benen ^olaä ober anberer naturaüftif^er 3(u,glanb§bic^ter in eine 9^eif)e geftettt rocrben.

©eitfamermeife Ijat ficE) am ber ©ruppe ber SJiüncEiener „©efeHf^aft" gerabc öcrt^a öon ©Uttncr (geb. 1843), bie hen ^^laturaliften nur äu^erlic^ nal;e ftanb, aber mit il^rem Seitrag „2Baf)r^eit unb Süge" jene 3eitf<^tift eröffnete, burd^gefe^t mit bem $Roman „®ie SBaffen nicber", ber in bem HterarIjiftorifcE)' benfroürbigen 3at)re 1889 erfd^ien. ^i'e SSerfafferin wollte, raie fie in it)ren £eben§erinnerungen 1909 berichtet, ber ^^riebcnsliga einen ^ienft errceifen. „Jd^ laö", zx^äijU fie, „in bicf= bänbigen ©efcEiid^teroerfen nad^, ftöberte in alten Leitungen unb 3trdE)i't)en, um 33eric^te ber ^ricgsforrefponbcnten unb SOlilitörärgte gu finben; ic^ lie^ mir oon foId)en meiner S3efannten, rae(cf)e im ^el'be geftanben, ©d^lad^tenepifoben erjöliren, unb mäfirenb biefer ©tubienjeit rouc^ä mein 2(bfdE^eu oor bem 5!riege biö jur fd^merjlic[;ftcn Jntenfiiät l)cran." Jür ben (E()arafter i^rcö gelben ftanb \l)x ber eigene ©atte SKobeE. 3f)r 22erf rourbe jebocf) pnädift überaE abge[e{)nt mit ber 33emerfung, tro^ feiner ^ßorgüge

SHoman unb DioDeOc. 653

m

fei Quögefcf) [offen, bo^ in einem gJiiHtärftoQt ceröffentlic^t roerbe.^ 3f)r SSerIctjcr ^ierfon riet i^r fogar üor ber 3{nnaf)me, fie „möge bas 3}innuffript einem erfafirenen Staatömann jur 3)urcf)fic^t geben mit ber 33itte, afleö jn ftrcidpen, moö 3(nftofe geben fönnte". freimütig gitiert fie feibft auc^ boö gpigrnmm, baö geiij: Xa^n nac^ bem ©rfc^cinen beö 3flonianö oeröffentlic^te:

2t n b i e ro e i b I i rf) e n n n b m ä n n I i c^ e n SS q f f e n f rf) e u e n.

2)ie Sßaffen :^o(^! Xa§ ©c^iüert ift 5[J?nnnel eigen, föo 9J?änner fechten, l^nt bog 23eib ^u fc^ineigen, bod^ freiließ, 9Känner gibt'§ in biefen 3:agen, bie füllten lieber Unterröcfe tragen.

^om nun ouc^ bie Senbenj biefeö SfiomonS ben fosioliftifc^en ^bcen, bic uon ber nQturQliftifd)en Scmegung getragen mürben, entfc^icben entgegen, fo mar ^ier boc^ im übrigen nur wenig, roaö etraa an ^ola erinnert. 2)iefcm europäifd;en SScrtrcter beö noturaliftifcfien 9iomanö fc^[ec^t^in ftanbcn in Xeutfrfjlanb am närfiftcn Ärefeer unb 51. SSiebig, jener „ber bcutfd;c ^qW, biefe „bie beutfc^e ^olfliöc" genannt.

9Waj treuer (geb. 1854) fct)i(bert 'aa^ (Slenb ber ©ro^ftäbt 33erlin unb gibt in ber rüdfi^tsloö raal)r^eitögetrcucn 3cirf)nung ber SSerfommenbcn bcm granjofen nichts nac^. ,33eäeic^ncnb finb ja fdjon 9?omantiteI mie „Xie 33etrogenen", „Tie SSer- fommenen". ^n feinem berüi)mtcftcn 3fioman „9)Jeiftcr ^impc" .(1888) ftellt er bor, roie ein el)rbarer 2)red)flermeifter im Äampf mit ber ficgrcid) üorbringenben gabrit= wäre gugrunbc gel;t.

SSief fpäter liegt bie f^riftftcEerijc^e 33Iüte Slora 2.?icbig^ (geb. 1860), beren ©d^affen mir unö f(^on beö^alb auö bem naturaliftifdien S^ia^men nic^t fjinmegbcnfeu fönnten, raeit fie bie ?^rau na^ mobernen, por allem pi)t)fio(ogifc^en 0cfid;töpun!ten in ben 3J?ittcipunft fteUt. ©eboren in Syrier, lie^ fie i^re ??OücUcn unb 9iomane („Äinber ber eifel", 1897. „2)oö Sßcibcrborf", 1900. „Xaö ilrcuj am %i\m" , 1908) mit 33orIiebe in ber ßifefgegenb fpieicn, unb fo ift in bicfcr 33cjie^ung a\\6) ii)rc S)id^tung ber §eimathinft 3U5U5äI;Ien. 3Iber roenn a\\^ baö „5lrcuj am 5yenn" an Sofag „Sourbeö" erinnert, ba ee ben fulturfcinblid)cn ßinflu^ beö ilatboti.^iömuö hc= fianbelt: ganj ücrbient illara 33iebig if)rcn 53einamen bod) nur burd) ibrc Öropftabt; er^äfjiungen, oor allem burd) ben Xienftbotenroman „Xaö täglii^c Srot". 5iom 5latura[iömuö unterfdieibct fid; bie Xic^tcrin burd) auögcprägt nationale 3»nf/ ^if in bem 3fioman „®aä fd)Iafcnbe .^eer" (1904) bei ber 2d)ilberung beö ©cgcnfa^eö jroifc^en flaroifd^ unb bcutfd) unb in bem Xüffelborfcr .^hilturroman „1)ie 2Pad)t am JRbein" befonberö beutlid;en, menngicid) in ber gorm naturaliftif^ bcbingtcn 3(uöj brucf fanben.

6ine neue S^otc gab ber naturaliftifdjen 'i^rofa &er 6()riftnöroman mir er- innern unö an Hauptmanns „©manuel üuint" , mie \\)\\ iUctjer mit bem „®efid)t G^rifti" (1894) unb gclij ^oDäntJCr (geb. 1868) mit „^cfuö unb ^ubaö" gefd)riebcn I)Qben. jQoDänbcr f^ilbcrt einen Stubenten, ber ben 9lrbeitern ein 3cf"S merben

654 ^ie 35icf)tiing ber legten 3af)i^5e^nte in unb ncBen bcn großen ©tvömungcn.

möchte unb i^nen ftatt beffen ein ^ufeaä lüirb. 3" ^em „SBcg bcö %^oma§i %xud'' feieren luir ju ß^riftuö jurüd 1918 erf^ien fein Vornan „^cr Xänjer". ^oDänber fte^t na^e ^anö Sonb (^feubongm für ^ugo Sonbööerger, geb. 1861), ber 1917 „®Q,ö. golbene g'ricbelc^cn" üeröffentlic^te.

®§ ift ja ![ar, ba^ bi'e ^roja ber S^aturaliften jum Sffieltonfc^auungSroman F)inftrel)en nm^te. . 9JJenfc^^eit§gfücf, SBeltreüoIution, SBeltreligion, 3SöIfert)erbrübe= riin^ ha^i finb einige ^f)emen, bie nid)t nur bem poIitifrf)en Sogialiömus angeprten. ^agu fommt bann nod; bi'e 3Serraertung ber D^laturmiffenftfiaft ror allem für bie ®nt= roicflung ber ß^araftere, für bie ©rfenntniö unb ©nrftcHung ber 3Jiotioe, für bie pl^gfiologifd^en unb pft)cE)oIogifc^en SSorauäfe^un^en be§ gefamten ©efd^el)en§. ©o finb jebenfaHö ^u raürbigen bie 3?omane Sil^clm Sölft^cö (geb. 1861), Sill^clm ficoclcr^ (geb. 1870), Saliner eicgfricbö (geb. 1858), %nm 6:roiffant=9?uflö (geb. 1860), Sil^clm tJon dolens' (1861—1903), 93nino Siöcö (geb. 1860), ^o^ii ^cnr^ madü\)S (geb. 1864), ©tani^lab ^rä^ö^f^ctoöfiö (geb. 1868), Söil^clm ®rfimibtbonn§ (geb. 1876) unb |)crmami ®tc^r§ (geb. 1864), ber ©dilefier iric ®erf)art §aupt= mann unb lüie biefer ein 3}leifter in ber ^Inraenbung beö I)iale!t& grübferifd^ einbringt in bie liefen ber 3)lenfcf)enfeele unb barüber fogar bi&roeifen baö (Beftalten uernac^Iäffigt. ©ein 9ioman „^er begrabene ©ott" ift ein großartiges J^fagelicb ber gequälten 9Jtenfc^f)eit. S)iefe 9J?agb 9Jlarie ©yner, beren @ott non ii)rem niebrigen 3Jiann gerfc^Iagen roirb, bie bann in i^rer legten Hoffnung enttäufc^t wirb, ein elenbeg, f)ößli(f)e§ ^mh ^nv 3SeU bringt unb fd^fießüc^ in bem üon if)r felbft angepnbeten §aufc ben ^ob ber SSergweiflung fuc^t, l^at boc^ fo üiel Kienes ju fagen, roag man tro^ aUer naturaliftifi^en ^ic^tungen nod^ immer nic^t in beutfc^er ©prac^e gef)ört ^otte. ^n bem S^^oman „Tlüa ^onegen" wirb bie tt)pifc^e X^ragif ber @§e mit fünftlcrifd^er ?^einf)ett f)erauggearbeitet : ben 9Jiann ber f)ier ein ^rofeffor ift erfüEt bie 2(rbeit, bie ?^rou bie Siebe. ®er 2}Zann roeiß nic^t bie SrücEe über biefe tluft gu finben. Sd;üej3lici^ get)t 3Keta ber ^^ftic^t üerloren unb Wü^t ent^f)rt 'Otn ^ob. 3(ucE) in ber realiftifd^en 9?oneIIe erraetft fid^ ©te^r alä 9J?enfc^en!enner unb ©eelenlefer. SSeniger glüdii^ ift er in romantifd^ gearteten ^^antafien. SSon ben wr il)m ©enannten ftef)t il>m n)of)l am näc^ften ©c^mibtbonn (cigentlicf) : ©c^mibt auö Sonn), ber x^m im ©eftalten überlegen ift, aber ben SBnrf nur bromotifc^ fo inä ©roße wagt. Stuf bie übrigen foeben criräl;nten, an fic^ f)ö(^ft bebeutenben ®r3äl)ler !önnen wir ^ier nid^t notier einget)en, ba if)re SBerfe bem inneren SBefen unb ber öußeren ?^orm nac^ nid;t in fold^em ©rabe Donei'nanber abraeid^en, baß fic^- it)re SSereingelung in biefem Überblicf ermöglicEien ließe.

3)aneben hxa6)k fic^ ber reaüftifc^e ©efeEfd^aftäroman älteren ©tilg nad^ lüie nor jur ©eltung, in ben testen ,3al;rjef)ntcn befonberö t)on ber g^rau certretcn, bie ifjre 3^ec^te bem 9Jianne gegenüber betont; unb ha ergaben fid^ bann ot)ne roeitereS 33e: 5iet)ungen gum ?ioturaIismu§, aud^ wenn beffen ftrenge ^unfttF)eorie gar nidf)t ober nur teilroeife übernommen rourbe.

3n erfter Sfiei^e finb l^ier gu nennen ^clcnc JBö^Iau (geb. 1859), bie aber mel^r burcf) i^re altroeimarifc^en „9fiatömäbelgefct)ict)ten" (1880) alg burcf) i^re frauenrcc[;t-

SHoman unb üiooeUe. Ü55

Icrifc^en S^eromane bauernbe 35cbeiitung erlangt l)ai, unb (V^abriclc ÜJcuter (geb. 1859), beren gebet ebcnfallö ber „Jrnu oon fjeute" übcratt f)in folgt, felbft in boä „^ränenfiauä" (1909), m bie grau f)eimlicf) bie 9]ieberfunft erraartct. UHa SBofff, pfeubonijm lllri(^ ^yronf (geb. 1850), r^at bann einen Jlionian unter beni -Xitel „Jrauen Don fjeute" gcfd^rieben. gerner l^aben ©ejcUfc^aftöromane in biefem Seifte ucrfa^t Helene ^e^Ier geb. o. gjJonbart, |)feubönt)m ^aih$ öou ta^Icnbcrfi (geb. 1870), ^xM öon SÜIott) (1857 1908), bie baneben noc^ bie eigentümliche ©attung bed öeutfc^en ^^oloniolromanä begrünbet f)at („^er ilonful, 1890. „Subroig non JHofen", 1892. „XropenfoUer", 1896. „i^aro", 1897. „^m Sanbe ber 58erbeipung", 1899), %Mt ©cr^orb (geb. 1868), bie fic^ quc^ in wiffenfc^afttic^en 3tbt)anblungen mit bcn ^Xfiemcn 3Jtutterfc^aft, £onfumgenoffenfd;a|t, Sojialbcmofratie unb anberem auö: einanbergefe^t l^at, unb (Slifobetf) ^einrotF), pfeubongm .^(aui^ 9iittlanb (geb. 1861).

35ie Dramen berer, bie fid^ bem mobernen rcaliftifc^en ©efeQfc^aftöromon ju= geroanbt f)aben, finb faum ju jäl^Ien. X^tjpifc^ bafiir finb aud^ mebrere f(^on genannte 5ßertreter ber ^eimatbic^tung roi'e §onnö oon 3of>efti^. 33or anbern gef)ört l)ierF)cr ©corg üon Dmptebo(geb. 1863). eine 3lbart ift ber 3ftoman ber Ieirf)ten ©ropftabt^ liebe, bie oon Dmpteba in ben „^rof)nen" be^anbelt rcirb, bie aber if)ren Spejialiften in §cin3 Robote (geb. 1864) gefunben I;at. Soc^ »on einer gortfüf)rung biefcr Sinic itiof)l gar biö ju ben ^agebüd^ern einer 5ßer(ovcneu ober einer anberen beutfc^nmbeut- fd^en Hamelienbame bürfen wir abfef)en.

'Sead^tensroert ift b^r realiftifd^e ©cfeKft^aftöroman bcö ^Berliner Sütger: meifterä @Corg 9Jci(fc (geb. 1863), beffen „©rüneö .^u{)n" (1902, 9?ame einer Spar; bnrf)]c) roeit üerbreitet ift, fomie feineö Äönigöberger Sanbömanneö .^arl Söuldc (geb. 1876). ^n meiterem Umfreife be§ S^ealiömuö, ber bod^ fein auögefprorfiener ^latura; ligmuG ift, fommen fc^Iie^Iid; an biefcr SteDe in Setrac^t SWaf §Qlbc (geb. 1865) mit ber „3:at beö 2)ietric^ Stobbaeuö" (1911) unb „^o" (1917), groiij ^bam ÖC^crlcirt (geb. 1871), befannt befonbcrö burrf) feinen antimilitariftifc^en ?)?oman „3ena ober Seban?", ©mft bon Sol^ogcu (geb. 1855), Sßiftor Jölüt^gcii (geb. 1844), ©mil (Srtl (geb. 1860) unb jCtto 3uHll^ Jöicrbouin (1865—1910), beffen ^loman auö ber Jrofc^perfpeftiüe „Stilpe" (1897) üteravifd) baö erfte beutf^e 'l^uidtes Siteraturt^cater im Stil beö fpätcrcn llberbretttö Dorgejeicf)net ^at.

3unt ©egenpot beö natura(iftifcf;en Dtomanö, bem neuromantifcfien, gelangen wir am leic^teftcn auf ber rea(iftifd()en Sinic, bie ju ber ernften, Icbcnömirflidjcn iinD boc^ romantifd) bem Staube entrücften Äunft ^icarba §ud)^ (grau (Seconi, geb. 1867) I)inaufleitet, jumal ba biefc über 33Iüte unb SSerfatt ber Dbmantif and) miffenfc^aftlid) gearbeitet i)at. ^l)x ^auptraert finb bie „(Erinnerungen non 2ubolf Uröteu bem jüngeren" (1893). ^n bem illofter Ginficbcln fd^rcibt ber Hamburger ^atrijierfobn, ber fid) auö ben SBeltftürmen in bie Ginfamfeit jurürfgejogcn bnt, eine refigniertc (S|roni! feineä ©efdjlcditö unb feines Scbeno. ©ö ift bejcid^nenD, ta^ anä) in bem 5Roman „Stuö ber Xriumpt)gaffc " ein ^atrijier baS SBort l)at: er fd)ilbert baS Scbcn ber (Sienben, bie in feinem 3in§f)aufe in ber Xriumpl)0affc mol^nen. ÄVitab

656 2)ie S)icf)tung ber legten ^a^vse^nte in imb neBen ben gvofeen (Stuömungen.

liegt biefe Sluffaffung unb ^DorfteUungSort ron ben ^kkn unb SBegen beä '^atn- raliSmuö.

®ie anberen '^oinant, jumal bie ^iflorif^en, finb ber ®icf)terin rccniger ge= hingen. Um ben fnlturgefd^ic^tlid^en Siomon, ber ja ber Df^euromonti! me^r qI§ bem Stlaturaliemnö entgegenfom, ftef)t überl^anpt in ben legten S'ifli^S^^nten nirfit be= fonberö gut, qucö wenn man ^tugilft '^ptlU (geb. 1862) teblic^e Strbeiten berücffi(f)= tigt. W\t ©rfolg ^at Scriicr ^nnfcn burc^ feinen Sf^ibelungenroman „^reue" unb feine „®ubrun" ben altgermanifc^en Stoffen neues 2eben einge^au^t.

Sttö geinb beö 9^aturali§mu§ tritt aucf) in ber 5lunftprofa Sil5clöl Scigcnb (geb. 1862) auf, ber freiließ nur einen großen 9toman, baö I)übfc^e ^leinftabtgemälbe „®ie ?^ran!entf)oIer" (1889) gefc^riebcn i)at. 3^ic^t minber lefensroert finb feine S'^ODeEenfommlungen „Tli^ad ©(^önfierrö 2iebeöfrüf)Iing" (1904) unb „^er SHeffios; üüd;ter" (1906).

Sn biefem 3"foi«wenf)ange fei nocE)maIö ber Sfolbc ^rj (geb. 1853) gebadet, bereu „g^forentiner DflooeHen" SBeiganbS unb Sflicarba ^uc^ö £unft nal)eftef)cn. ^ie italienifc^e S^lenoiffance bietet ii)ren ß'rgä^Iungen auc^ fonft ben 9ia§men. ©ie fommt übrigens nic^t, wie fie felbft rerfic^ert i^at, auä ber ©(^ule ß. %. 3Jier)erS. 3fleben if)reö 93ater§ ^ermann Jlurg ©(^iEerroman trat 1912 1918 ber vierteilige teiben= frf)aftlic^e Sc^ilTerroman Sfööltcr tJon 55?oIo8 (geb. 1880), ber 1918 aud^ einen ^ioman über S^riebrid^ IL veröffentlicht Ijat („?5^ri'ebericu§").

^m Umfrei'fe ber S^euromantif finb gu begreifen bie ©rjö^Iei Hurt SJZortetl^ (geb. 1870), ber 1910 auc^ über „®ie Siteratur in 5Deutfc^Ianb" gefc^rieben l)ai, ®uftoö Wtt^ml (®. 3net)er, geb. 1868), beffen pfiantaftifdier 9ioman „Sßalpurgis^ nad^t" (Spg. 1917) faum nocE) fünftlerifd^ ju nennen ift, unb menngleid^ \d)on an fic^ unb bann aud^ ju üerfd^iebener ^eit fef)r nerfd^ieben bie beiben Vorüber SJJann. Sefannter ift burcfj feinen Sübedfer ^Familienroman „S)ie S3ubbenbroof§" (1901) ber jüngere geroorben, SJ^omaö 9Jtann (geb. 1875). Urfprünglic^ mar er 3Jiitorbeiter on ber 3JlüncE)ener „©efeüfd^aft", unb feine „S3ubbenbroofö" geigen ja aud^ naturaliftifd^e Seobarf)tung unb 3JliIieujeic^nung. Slber 3Jtann ift bodf) meit mef)r 2tftt)et unb Slrtift als S^aturalift. @r fd^reibt nidf)t auö bem SSoI! für baö SSoIf, er frfireibt aus ber ^unft für bie ^unft. ©eine ^arfteEung mirb burdE) $jbeen unb Seitmotioe beftimmt, unb bie ftitiftifc^e g^orm fpielt bei iJ)m eine ganj anbere 5RoIIe atö bei ben ?laturaliftcn. „SBelc^er Sa^", fagt er, „ift n)icE)tig unb n)eld;er nid[;t? 2Bei^ man benn junor, ob ein 3a^, ein Sa^teit nid^t üieHeitijt berufen ift, miebergufefiren, alg 9Jiotio, ^lam^ mer, ©t)tnboI, ^itat, 33eäiel)ung gu bienen? Unb ein ©a^, ber (^meimal gef)ört werben foll, mu^ banadf) fein. @r mu| idt; rebe nid^t non (Sd^önf)eit eine gemiffe $öf)e unb fgmbolifc^e «Stimmung befi^en, bie il)n mürbig mad^t, in irgenbeiner epif^en 3ufunft raieberauertiingen." Strtiftifc^ ift auc^ bie ^rofa|)cinrii^ SiJlannS (geb. 1871), als beffen ^auptroerf angufefjen finb „®ie ©öttinnen ober bie brei S^omane ber ^erjogin üon 2{fft)" (1902/03), roo bie neo4mpreffioniftif(^e ^^ec^nif angemanbt mirb, 2Jionotoge unb Dialoge fo bargubieten, ba^ bem Sefer vorbehalten bleibt, fie ju riner ^ufommenljängeniben ©inf)eit gu verbinben. ©^arafteriftifd^ ift eö, ba'^ er bie

SRoman unb Diooeüe. 657

^onblung feiner ©rjäfilunöen mcift luic^ Italien cerlegt, roo er [ic^ ouc^ am liebften aufjul^aaen fc^eint. ©eine legten 3tomane finb „l^ie Strmen" (1917) unb ber tenbengiög raenig erfreuU^e „Untertan" (1918).

3tuf bie „^ntenfität ber reinen 58ifion" legt ^aUh Saffcrmonn (geb. 1873), aSerfoffer gaf)IreicJ)er, aurjeit üielgerefener 9?omane („^ie ^ben uon ^irnborf", 1897% bcn entfd^eibcnben SBert. 3Daä 3JiiIieu ift für if)n nur ein 9)^ittel, ß^aroftere ju ent= roideln unb Sd^icffale ju motiüieren. 2tu^ er gel)t feinen eigenen SBeg, ofine fic^ oiet um gro|e unb ftcine 5?unftftrömnngen ju befümmern.

2)ie ©igenbröbler I;Qben in ber ^rofa oon jef)er ben ßntimcflun^roman be^ Dorgugt, in ben fie it)r ^cE) ganj unb gar ^ineinftedten. .^aben roir biöf)er unterfd)icben mel^r nad^ ben ©efi^t^punften ber .^eimat!u-nft unb ber literarifdien ©ruppen bie ^unftprofa ber S^euflaffijiften ^oiil (Srnft unb Sil^clm öou S^olj luurbe ja fc^on früf)er ermähnt , jo fucE)en luir jefet nur nod^ nac^ ber einjelnen ^erfönlicf)feit^ bie fic^ oud^i in Sfiomon unb 9'lorelle feelifc^ felbft entfaltete.

3)a mü^te man benn freiließ junäd^ft auf bie ^einiatöid;tung jurücfgrcifen, ebenfo auf ^effeä „ßamenäinb" wie ouf 3^renffen§ „^örn Uf)!", unb bann ebenfo auf Siicorba ^ud^ä „UrSleu" wie auf ©er^art ^auptmannö „©mannet Duint". 9)?an fann bie Literatur nid^t in taufenb S(^ubfäd;cr Derpaden unb bann oerf^Iiepen, man mu| fic im einzelnen immer mieber f)cn)ort)oIen, benn fie lebt unb bebarf ber ;Cuft. DJcan mu^ bie ?iamen orbnen, fo gut in einer Überfid)t möglid^ ift. %n bie julc^t ©enannten laffen fid^ fogleid^ jroangloS anbere 2)id)ter mit gleid^en -Jiamen anfnüpfen. Uaxl ^mt|Jtinann (geb. 1858) Ijat u. a. ben ©ntroidlungöroman eineä Äünftterä „©inF)arb ber Sanier" (1907) gef(^rieben, ber üon ^enbenjen frei bleibt/ unb bie bcibcn 3Settern Sfiubolf (geb. 1862) unb j^nci'riJ^ ^^^ (9^^- l-^^^) fef)en if)re Stufgabe ebenfaüö barin, bie ßfiaraftere in if)rem SBerben, bie ^erfönüd^feit in bem ^in unb .§er bc§ Sebenä ju ftubieren unb ju gcftalten. 3" bemfeiben ^afire 1907 erfd;icncn sraei it)rer bebeutenbften 3)ic^tungen : üon 5Rubolf „^ie beiben $Rittcr^cIm", uon gricbrid) „^lao'\ 5Injureif)en mären t)ier alä burc^auö felbftänöige Ci)icf;tcr ^ic^arb S^orb^aufcn (pf. (Taliban, geb. 1868) unb S33olbcmar 2^l)iiiian (geb. 1879).

3u ben ^auptoertretern beS mobernen (Sntmidlungöromanö mit feiner xage- bud)= unb SBrieftcc^nif gef)ört (i'ä\ax ^\ai\^U\i (geb. 1864), bcffen „Soft 3ci)fricb" (1905) für Diele bcn 2:on angegeben Ijat. Xiefeö SBcrt mar urfprüngli^ für bie 33ü]^ne beftimmt unb follte bie STrilogie rernoUftänbigcn, beren beibe erfte 2:cilc bie Dramen „2:oni Stürmer" unb „3Jkrtin £e{)nf)arbt" bilben. ©ö mcnbet fic^ gegen jebe (Strömung unb ^unfttljcorie, fei fie naturaliftifd) ober ftjmboliftifrf), unb min Äunft unb 2eben neu mit einanbcr oerbinben. ^n ber gorm ftcüt eine feltfamc :öiifd)ung uon ^rofa unb ^oefie bar, bie oorbilbüd) rociter gercirft bat unb babcr burd) eine ^robe f)ier uertretcn fei:

.Qomm, Iti^ mid; bcn 5topf bir in bcn ■Sd)0^ legen ... fo! . . . unb nun . . .

tuei^t bu, nun . . . roollen mir bie 2l«gcn jumadjen unb gan^ ftiU fein unb

lüie mir fo oft träumten [träumen . . .

in regnerifc^n 3Roöcmberlagen,

uns 9J?ut äu matten:

Oe^lfc, Sic beutfc^e Uiteiatiir [eit ®oet^c§ 2obe u|ro. '*-

658 Die Did^tung ber legten ^a^rse^ntc in unb neben bcn großen Strömungen.

tüie fc^Dit tüäre: \o an Wouem 9}?eer ä" [i^en

^oä) auf ber SDüite, . ,

frö^Iirf^ a}Zen[c^en om toei^cn ©tr<inb

unb (Sonne, ©onne üBer 9}?eer unb 2anb . . .

toie \(i)'ön toäre: unbefümmcrt einm<il um morgen,

o^ne rechnen p muffen unb forgen,

glücEHc^ 3U fein

unb un§ be§ 2lugenBIid§ p freun! . . .

llnb bann . . .

i>n barfft fagen, mann!... bann loollen iüir gang fc^neü fic lüieber auf»

bann ift t§> fo! bann ift eg fo! [machen unb . . .

luie im 9Kärc^en!

unb nod^ biel fc^oner! nocEf toiel fc^öner!

bann fi^en lüir ba:

f)odf auf ber SDüne

unter raufd^enben t^ö^ren,

fro^Iic^e 9}?enfc^en am Weisen ©tranb,

unb ©onne, ©onne über SO^eer unb ßanb!

?^ür bie ^oefie bcx Qnlun\t mei^ ber ©et)frieb ein üiel beffereö SJiittel aU bie ?5^üf)rer ber =i§men: „91eue SJienfc^en gilt ^u werben! neue 6eelen gilt ^u fc^affen, neue Sebenöroerte! ®onn finbet ficf) bie neue ^unft üon fetberl" Stuc^ ^aul (Snbcr* IJHS {„S^i]<i}^n %at unb ^roum") fuc^t neue SJicnfd^en unb neue ^beale.

®inen ber beften mobernen ©ntmidlungöromone l^at ©ruft ^cilborn (geb. 1867) mit bem ,,Sofuo Werften" (1908) gefc^rieBen. ©§ f)anbelt \i6) ba um einen 3iOurnaliften, ber aU une^elicfier ©of)n eineä S)ienftmäbc^en§ üon reirfien (SItern on ^inbeöftatt angenommen ift, aber unter bem Tlahi biefer ©eburt unb ber Saft ber 58erE)öItniffe bittereö Seib erfäf)rt. 9JJit föftlic^er ©atire rairb ba§ ^ftt^etentum SSerlinö oerfpottet. einige Partien nefimen on f)umoriftifcE)er ^raft mit 3^ret)tag§ Suftfpiel „Sie ^ournaliften" auf. .^eilbornö übrige 3flomane „^leefelb" (1899), „®er ©omos riter" (1901), „®ie fteile ©tufe'' (1910) unb feine f feineren (graä^Iungen („Sf^ing unb ©tab", 1905) finb buri^ ben „^ofua Werften'' aEju fefir in bcn ^intergrunb gebrängt, bie 2inienfü§rung aöer ift in ifmen oft gorter unb pfi^c^otogifd^ feiner.

Sebeutenbeö S^alent geigen bie foeben üeröffentli(^ten S^ooeHen 9?ic^arb So^nfcö (geb. 1868), beffen feffeinbeö ap^oriftifc^eä SBeiS^eitgbüd^Iein „5ßon ber 2J?enf(^en 2(rt unb Unart" weite Verbreitung gefunben I^at. Sie rorliegenbe ©amm= lung, betitelt „SJ^ein 3^reunb Sinbmurm unb anbere ©rjö^Iungen" (Sielefefb unb Seip^ jig 1920), gcraibmet ^al)nfe§ ©o^ne, ber im 2B.eIt!riege fiel, bietet neben ©cEiraöcfierem perlen er^ä^ienber ^unft. ^einric^ ©eibels SieblingSmort „befiaglicf)", ba§ bereits in ber erften ^nk auftouc^t, beutet auf ben gemüt= unb ftimmungöooHen S^arafter biefer erääl;lungen f)in, in benen au^ ber ©onberling eine mefentlic^e 9?oIIe fpielt. 3^aö tiefe öer§en§erlebnis bc0 Philologen unb ^äbagogen, mie un§ fo anfc^oulic^ .§on§ ^offmann na{)egebrac^t ^at, erfc^eint f)ier in gonj neuen, überrafd^enb biD- f)aften Bügen. %hex anbere Seiten, anbere 2tnfd;auungen finb e§, auö benen ^o^nte fc^öpft. ^n feinen ©eftalten lebt ber ©eift ber ©egenmart, unb bie fc^Iirfiten SBortc

SHoman unb JioDeüe. 659

%xi^ ^Rabemoc^erS foffen bie fo^iolen ^robremc bei if)rcc SBurael. Df)ne jene politifc^c einfteHung, bie fo f)äufig ron Un SBerten ber ^Roturaliften abfc^recfte, roenbet fid^ biefe fittlic^ reine ^rofa mit i^rem r^erjlic^en ©efüEiIätoii auä) an bie jüngfte ^ugenb, äumal ba fie befc^oulic^cs SBanbern burc^ Xäkx imb iJlieberimgen bem füfinen ^lug jur $ö^e ojorjiefjt.

2(uf ungen)öf)nlicf)e Erfolge feiner SBeItanfc^auung§= unb gntraicflungöromane bctrf ferner fc^on ^eute ber Gängiger ^fQrrf)err uon St. 5Dkrien ^rt^ur SrmifctDCttcr (früf^er pieubont)m St. Seroett, geb. 1864) jurücfblirfen. SSie gotifrfie ®ome, im Spi^bogenftil, reid^ ebenfo an Ii(i)ten unb bunten 3)urc^b[icfcn roie an tiefen unb ]<i)mx- mutigen Schatten, getragen üon ben Säulen uöHig uerinnertic^ter JReligiofität unb inniger Siebe jur ^eimat, ftreben feine ^rofafunftmerfe empor jum liditen 33Iau, tüi fie, wenn mir bei bem Silbe bleiben lüollen, mit bem ^ubeltaut ber ©toden grüben. (Senannt feien ^ier nur „^ac ©lüct" (1898), „SDic ^albfeele" (1903), „5lönig Sear" '(1905), „®ie neue ©öttin" (1908), „^er ^err Don 33orfenI)agen" (1910), „Stirb unb werbe" (1912), „SBer bie ^eimat liebt luie bu", „^on ^uanä ßrlöfung", „Taö neue ©lücf" unb „^ie gro^e Siebe" (1918). iRealift ift auc^ Srauferoetter. Slber bcö^alb lä^t er fic^ oon irgenbeiner 2:i)eorie roeber i)ie fünftlerif^e greil)eit no6) bie leitenben ^been nef)men.

Sn biefe 9fteil)e gehört fobonn ber l)errnl)utifc^e Subenromon „Oottfrieb Kämpfer", ber ben befannten Siteratur^iftorifer ^ermann 'Jtnbcrö Erügcr (geb. 1871) jum 3Serfaffer f)at unb ein Silb oielgeftaltiger innerer ©ntmidlung gibt. 9li^t riclc i)erfteJ)en ben religiöfen 2:^oti fo be^utfam unb bod^ fo voU anjufc^lagen roie bie narf) ^unft unb SBeltanfi^aunng legten ©nbeö ho6) rerfit cerfc^icbenen Sraufemetter unb ^riiger.

^m übrigen ift ber ©ntmidlungö: unb SEeltaufdiauungöromane Segion. ^nn barf ja ouc^ bie 2^otfacE)c nidit au§ bem 2(uge ocrliercn, ta^ 2Beltfrieg unb -Revolution iljren Sinflu| gang erft oielfpäter aud) tünftlerifc^ gettenb mad)en roerben.

S3eifpielöroeife ift eS fraglich, roie fid^ in einer ferneren 3uf""ft bie neue 3»gcnb ju SBöItcr Slocm^ (geb. 1869) niclgelefenen im^jreffioniftifdicn unb suglci^ nationa- liftift^en 3?omanen über bie S^it von 1870/71 („Daö eiferne ^a^x" ufro.) ucrf)altcn roirb. ^n biefer lcid)teren llnter^altungölitcratur treten öo^ bie ©eftaltcn beS alten SfJeid^ä lebenbig unb in frifd)er 3lnfc^aulid)fcit aue- bem po(itifd;=^iftorifc^en 5naf)mcn ^rauä.

SBenigcr oom Sßanbel ber Reiten berührt roerben iltomanc mm jrocifelloö fünftlerifd;em SBcrt, roie fie, meift mit einer menfd)lic^=ticf bm"'-'"^iftiic^cn 5^ote, ^^aul DShx Dörfer (geb. 1865) gcf^riebcn l)at. 3luc^ bie ^Rouellcn unb auögcfprod)enen ^umoreeten biefcS licbeneroürbigen ©eftaltere roerben nmbrfrfjeinlicf) bie b'ln^t be« 2;ageä fiegreic^ übenninben unb überbauem. 1917 erfd)ien fein bebcutfamer „Silier 9toman".

SBenn bie ^unftprofa jur Unterhaltung auc^ roeiterer Äreifc beiträgt, fo ift baö on fid) ein SSor^ug, fein SSorrourf. ©ö tommt nur barauf an, roelc^er 3Irt biefe Unter:

42*

660 S)ie S)ici^tung ber legten 3af)rse^nte in unb neben ben großen Strömungen.

^Qltung ift. 3Ran barf i\6) barüber freuen, bo^ geiftig l^ocEifte^enbe %xaüzn oud^ in bicfer Dlic^tung oerebelnb on ber 58oI!äbilbung mitorbeiten.

5ßon älteren grauen oerbiencn ha §unä^ft genannt ju werben <Sop^t 3ung!^an§ (geb. 1846), |>crminc SJittingcr (geb. 1849), ©mmo 25cl^ (^feubonr)m für (gntma ©inton, geb. 1848), 9Kargoretc ton Derben (geb. 1854), i^uifc Scftfirt^ (geb. 1853), 6mil SSWarriot (^feubongm für (Smilic 2Ratoja, geb. 1855) unb ©lifabct^ öon ^le^fing (geb. 1861), 58ettino oon 2lrnim§ ©nfelin, bie namentlid^ burcE) bie „^Briefe, bie ifin ntc^t erreichten" (1903) unge{)eure innere me öu^ere SBirfungen erjielt, aber oud^ fpäter no^l fd^öne, fünftlerifd^ bere^tigte ©rfolge gehabt ^at. jünger finb ^uguftc Bvipptx (geb. 1867), bie feinfinnige Watk ©ugcnte bette ®raate (geb. 1864), 9Jt(^orb S^orbmann (^feubonpm für 3Jiargarete öangfammer, geb. 1866), ^amtj ^ambxtä)t (geb. 1868), beren Sporne an SBebeutung jufefienbö gewinnt, Helene ^^riftotter (geb. 1872) unb ?(nna 8(^ieber (geb. 1872), bie fic^ namentlich aud^ in Heineren er= jö^lungen beroölirt ^at.

®§ bleibt unä noc^ übrig, auf graei Originale ber Siterotur ben 33lic! ju lenfen, feltfame (Srfc^ einungen, bie aber burc^ ©ebanfen^ unb ®emüt§tiefe fo riete anbere übertreffen. ®g finb bie beiben ^eter, ^itte unb Stttenberg.

^eter §itte (1854—1904), ein Sugenbfreunb ^einric^ ^artö, war ber %x)]>\x^ eine§ literarifc^en SSoganten mel)r noc^ al§ Dtto ßric^ ^artleben , eineö roan= bernben SBeltpf)ilofopI)en, ben cg nirgenbö lange litt, ^eute barbenb, morgen !oftenb unter ben ?^einfd^medern, bolb in biefem, bolb in jenem SBinfel @uropo§, in Sonbon, Stmfterbam, diom, Qüxid), fc^leppte er in „braunen ungefieuerlic^en ©äcfen", mie be= richtet mirb, feine gange ^obe mit fic^, gu ber ror aEem 33ünbet mit befd^riebenen ^apierfd^ni^eln, ^riefumfc^lägen unb ^^goi^i^entüten gehörten: baö roaren feine ge= fammelten 2Berfe. ©ein erfter 9f?omcn „®ie ©ogialiften" erfc^ien 1889. ®en ^inter^ grunb bilben ©nglanb, ^ollanb unb ©eutfc^lanb. ©ein ©rgie^ungöroman „®ie ^affen^ bürg" fpielt in feiner §eimat SBeftfalen. ß^araüeriftifd^ für ben ^id^ter fmb ©ifiggen unb 3lpl)ori§men, mie ja faum anberö fein fonnte, befonberS li)rifdE):epifdE)e .^rofaffiggen, an benen fid^ feine I)ol)e ©pradjiunft beraöi^rte.

eine gang ä^nticlie ©ic^tungeart tritt bei ^cter Miltenberg (1859—1919) gus tage, bem SBiener 33ol)emien, ber für £ürfd^ner§ Siteraturfalcnber ha^ 6af^ ©entrol, mo er feine ©figgen unb (SinfäEe nieberfc^rieb, al§ feine SBofinung begeidf)nete. ^es geiftcrt für aEeä ©c^öne unb ^ol)e ber SBelt, matete er burd^ il^re S^ieberungen, ol)ne bie innere 3fleinl)eit unb ben poetifd^ üerflärenben ^Ixd gu üerlieren. 2Son l)eftigen ©eelenfämpfen biö gu feinem ©nbe gerriffen, bis in bie legten ^age l)inein pf)ilofop^ie: renb, lac^enb, fpottenb, finnenb, träumenb, gigeunerte er mie §ille im ©runbe al§ ein großes ^inb bur(^ bie SBelt, bie er nicEit begreift, mie er von i^r nic^t begriffen mirb. 2lber ba§ ftört feine Saune nid^t, lä^t feine ©arfteüung ber ©timmungen in il)m nid^t gu bitterer ^lage werben. ' ©r ift ber ©dliöpfer beg fogenannten S^etegrammftilö ber ©eele. ©ein ^aupttl)ema ift ba^ SBeib, ©on ber geiftig ober gefeEfcE)aftlic£) I)oc^ftef)en= ben ^ame big gur 9Jiarftl)öferin unb gur ^irne, feine eingige 2luffaffung0möglidl;feit bog fubjeftioe „2Bie ic^ fel)e'' (1896) ober „2ßa§ ber STag mir guträgt" (1900). 2Ber

X)rama. 661

jö^Ite rooF)l bie 2(ne!boten über ben unucnüüftlic^cn ^eter Miltenberg, ober mer fam= melte fie! eine ^robe jeineä Stilg muffen roir bocf) n)of)l bringen, am beften au§ feinem legten erft nad^ feinem S:obe I)erau§gegebenen ^uc^ ,/3Jiein Sebenöobetib" (1919). 2)a tebet er oon feiner ^ugenb : „Sßo ic^ auc^ öffentlich lernte 3eit meines «ebene, ic^ üer= ftonb nie ein ein^igeg SSort. ®Qg mar bei mir ,patf)oIogifcf)'. ©ö begann fd)on im ©ijm^ nafinm. ^c^ I)ielt attes für ^inefiftf). ebenfo auf ber Unioerfität. ^c^ f)ielt üor allem atteö für überflüffig unb üerjroicft . . . ^cf) oermi^te bie 3trbeit gar nirf)t, mein SSater fagte, er rciffe tiic^t, n)al)in ic^ fteuere, aber e0 fei nirfit feine tSac^e . . . Seiber vcx= ftanb er, mie oiele, oiele onbere, fein 2Bort in meinen ^Stij^en'. ßr fagte: ,biefer SSiftor ^ugo!' ,Les Travailleurs de la mer', tDel(^e ^^antafic. ,Les Miserables', welche (Spannung unb 3lufregnng, ,1813', meiere ^iftorie, ,Han d'Islande', meiere ^ataftropI)e! Slber bu, faum fängt es an, ift bereits ju Gnbe! Unb um roas breljt fic^?! £ein 3)ienfc^ roei| eä. ©ö tut mir leib, in baä roerbe irf) mid) nie I)ineinlebcn! SB'ieoiel perbienft bu roenigftenS mit biefen Sadien?" 2tm Scf)Iu^ feiner Stufjeid^nuu; gen befennt er freiüd^ oon fi(^ felbft: „SBie bumm ^aft bu gelebt ober pielmel)r m6)t gelebt, bift eigentlid^ nur fo gleitenb fiingeftorben."

^eter Miltenberg ift ficf)erli(^ nirfjt aEein, aber boc^ anö) ju feinem ^Teile tppif^ für ben 33cginn i)eä äroanjigfien ^al)rl)unbert5, in beut I)ier unb ba unb oieEeid^t ift baä gu wenig gefagt ein beutlid^er ^Riebergang ber ^erfönlic^feitöroerte mie ber bi(^terifc^en ©eftaltungölraft unrerfennbar ift. 2Som Sfioman l)erab 5um lofen &C' banfenfplitter gel)t rafi^er als üon bicfem roieber hinauf jum -Koman, ber inbcffen als poetifc^e ©attung uniiergänglid; ift: f)aben borf) gerabe immer bie heften if)n als ^unftform in il)ren rcifften ^erioben geroäl)lt.

3. ^rama.

2ln ber ^eimatfunft ift aurf) baö 2)rama beteiligt, aber boc^ ni(f)t fo, ba^ mir berechtigt mären, l)ierauS einen .^auptcfiaraftcräug feines SSqeuö in ben legten 3i^)r= ^el^nten ju folgern unb unter biefem ©efi^tspunft roie bei 3Roman unb Siooellc bie ©lieberung ju beginnen, bie großen Strömungen beifeitc ju fe^en. es ift uieli mel)r ganj beutlirf), ha'^ biefe, jumal ber 9^aturaliSmuS, fic^ üor^ugSmeifc bas 2)rama auSerfel)en ^aben, um i^re j^raft gu erproben unb in greifbare Crfc^cinungen um- jufe^en. 2Bir muffen bal)er juerft narf) 3)Jün^en unb S8erlin jurüdfebren, um ben lei'tenben ?^aben gu finben, an bem mir baS Urania ber legten 3Q()i^3f()"te in unb neben ben großen Strömungen bis gur (Segenroart üerfolgen !önnen.

Sn ber 9Jiüncl)encr Beitfc^rift „^ic ©efcllfc^aft" famcn eigentlich nur jmci Siebter bramatifc^ gu SBort, 23o^ unb |)albe, mäl)rcnb ®erf)art .^^auptmannö „3?or Sonnenaufgang" feltfamerraeife bamalö gurüdgcmicfen mürbe.

SJil^arb SBo^ (1851—1918), als Grgäl;ler frf;on ermäbnt, l)at firf) auf ber S3üF)ne nur mcnig burdjgefefet, obrool)l er eine gro^e i!lngal)l dou Tramcn gcfc^ricbcn F)at. 3n ber „©cfellfc^aft" erjd;ien bie „JUeyanbra" (1886). Seine befanntcftcn Stüde finb „Soa", „3JJutter ©ertrub" unb „^ürg ^cnatfcl)", mo er bcnfclben Stoff wie 6. %. 3Kei)er in feiner ßrgäljlung bcljanbelt, oljnc inbcffen bei glcicljen ÜJiotiven

662 S)ie ®i(f)tung ber legten 3af"^8el^nte in unb neben ben großen Strömungen.

ben graufamen Srf)Iu^ Sucregia erfrfilögt, um ben SSoter gu räd^en, ben ©eliebten TDalirfc^einlid^er ju mad^en. ift bodfi oiel ^^tu^erlic^eS, rein Xe6)ni]6)t^ an SSo^* 3)ratnen; fein befteö bleibt bod^ n)oI)I fein 3Jiärc^enfpieI nac^' 2(nberfen „2)ie bloubc ^at^rein" (1895), bent er brei einleitenbe 3onetie coranfc^icfte :

25ie'§ benn ouc^ enbe bie§ äerquälte ©ein

umgittert ftiller SlBeubfonnenf^ein,

ein (M)o üon öeiflung'nen iefgen Sön^n.

2Bie leb^oft 3So^ an bem treiben ber ^üngftbeutfc^en teilgenommen |ot, ift nur wenig befannt. ^ünftlerifrf) gehört er faum gu il^nen. Umgefef^rt fc^eint ^olbe in jenen ilreifen perfönlid^ ciel weniger üerfei^tt gu ^abm, roäfircnb feine Dramen, roenn; gleid^ mit ^rei^eit, burc^auS im noturoliftifd^en ©trome fd^roimnxen.

9Jlaj $0lbe.(geb. 1865), neben Srouferaetter ber bebeutenbfte ®icf)ter 2&cfts preu^en§ in ben legten ^al^rjet)nten, ift für üiele leiber nur nocE) ber S)icE)ter ber brei= aftigen Siebeötragöbie in ^rofa „^ugenb", bie im polnifd^en SBeftpreu^en fpielt unb nod^ immer mie in bem ^al)re if)reö 6rfc^einen§, 1893, i^ren alten 3awber bemälirt. 3mei 2td^t3eI)njöf)Tige erleben unb erleiben ben erften ^rü^Iingöraufc^ I^ingebenber Seibenfd^oft, wie er fo nur il^rer gebon!enlofen ^ugenb möglich ift. '^n bem 2tugen; blidf, alö Stnnc^enä „Dnfeld^en", ber roeltüuge Pfarrer ^oppe, firf) anfcE)idt, au§ bem UnFieil ber ©egenroarl ein (Slücf für bie 3i^^"ft h^ geftalten, fällt 3Inntf)en ber £ügel beg fd^modf)finnigen 5öruber§ gum Dpfer, bie ilirem ^an§ gegolten l)at, unb bü^t fo boc^ noc^ ilirer SRutter Sünbe üiel fcE)merer, al§, ba§ il)r oon bem aäfetifd^en ^optan genriefene ^lofter oermocEit I)ätte. §olbe§ „^ugenb'' fann mon bauernbe ^ugenb propJ^egeien, fo le^en§DolI unb pacfenb ift ber ©ialog, fo feCbftüerftänblidl) bet ?5ort- gang ber ^onblung, fo gegrünbet auf ©c^idfol unb ßl)aro!ter gugleid^. SSererbung unb 3Jiilieu werben forgfam in ba0 ©efamtbilb l)ineingeftettt, o^ne boc^ irgenbwie ouf= bringlid^ einen ^ilf§bienft für bie 3:^^eorie beä 3^aturaliSmuö übernel^men gu woDen.

^n feinen frül)eren ©ramen „®in ©mpotfömmling" (1889), „?^reie Siebe" "(1890) unb „®i&gang'' (1892) l)atte ber ^Did^ter ftärfer ben Xl)emen unb ber £unft= ouffaffung ber 3f'>t D^edEinung getragen. 9öie in ben erften beiben ?^äEen bie %itzl fd^on al^nen laffen, tommen bie neuen ©ebanfen be§ ©ogialiämuS gu ilitem Siecht, ^er „®i§gang" beutet im Silbe bie wac^fenbe fogiale 23eroegung an, bie atte ©ämme burdE)bric^t, unb ift in ber g^orm ein naturaliftifi^ Dotbi'lblicE)e& 3Jlilieubrama, in bem ba§ 3#änblicE)e plaftifc^ ceranfc^aulic^t wirb. ©§ l)anbett fic^ um einen ®i§gang auf ber SBeid^fel, ber nod^ in einem anberen ®rama ^^albeö, bem „©trom'' (1904), bie äußere ^anbtung, bie 3Sorau§fe^ung beö inneren ©efc^el^enö biCbet. 2tuc^ biefe§ ©tüd fann fid^ fel)en laffen, man begreift nid^t, wie falbes fpätere ©ic^tungen t)on fooiel minberwertigen anberer ©ramatifer in ben ^intetgrunb gebrängt werben fonnten. Die SSrüber 2)oorn unb ber alte UlridliS finb präcE)tige, aug ber SBirflid^feit gegriffene ©eftalten, fie finb fidler, üon allen oerftanben ju werben. „^au§ 3f?ofenl)agen'' (1901) gcl)ört gu ben bül)nenfic^erf{en '3)ramen, bie wir überhaupt befi^en. $8iel befannter ift „9Kutter erbe" (1898) ber %\td erinnert an ©ubermannS „^eimat" , mit ber aber bereits ein 5Racl)laffen bramatifc^er traft fid^ anfünbigt, obwol)l biefeä ©tücf früher

25rama. 663

fönt, ©enannt feien ^ier nur noc^ ba§ baüaben^ofte „^raufenbjä^rige W\ä)" (1900), bic ^ic^terfoniöbie ^^alpurgistag" (1903) unb bie bTamatijcfie Segenbe „Sd)IoB 3eit= ooTbei''. ^kmaU abn foHte man cergeffen, ba^ wir in «ßaCbe einen Tramatifcr hc- fo^en unb oietteic^t noc^ befi^en, ber neben Hauptmann unb Subcrmann an bie brüte ©fette gef)ört. 1918 ift ber erfte Sanb feiner ©efammelten SBerfe in 3Jiünc^en crfcf)icnen.

3Son bem ^rama ber berliner 3^aturaliften rourbe fc^on gefprorf)cn, auf i^m berui)t ja ber gange ©rfolg ber $8eraegung. SBie foHte man fic^ ben beutfc^en 92atura^ liämuö oFme ^ola^Sc^Iafö ,,gamiae eelidc", Hauptmanns „3Sor Sonnenaufgang" ober ofme bie Segrünbung ber „?^rcien 58üf)ne" tooI)1 rorfteUen! ^nx folc^e ^ramc= lifer atfo fommen noc^ in ?^rage, beren ^icfitung, o^ne ju füf)ren, fic^ in ober fjart neben ber naturaliftifc^en Strömung befindet unb er^eblid) über bie gropc 3)lcnge ber SJiittöufer f)inauöragt.

^oc^gefd^äfet ron ©erbart Hauptmann als attein ernftlic^ 2JJitftrebcnber ift ba juerft ®corg ^irfi^fclb (geb. 1873) ju nennen. 3tber er F)at hoä) nic^t gef)alten, roaä fein 2)rama „3)ie 3JJütter" (1896) gu nerfprerfien fc^ien: Sftobcrt greri, ber fein g3atcr= f)au§ :>crlä^t, um feiner ^unft unb feinem 9Jiäbrf)en, einer 2{rbeitcri'n, ju leben, tefirt nad^ bem ^obe feineö SSaterö ju feiner 3JJutter jurücf, ofine gU a^nen, ba| feine (Se^ liebte, bie i^n frei gibt, fic^ für if)n opfert, ta fic felbft SJhittcr ju werben I)offen, fürdfitcn borf. 2Jiütter mar fo rec^t ein naturaliftifc^eö Problem, baö in anberer t^orm auc^ in ^irfc^felbä nöc^ftem Srama „3(gneö ^orban" (1898) crfrf)eint. 25ün ben fpäteren Stücfen üerbient befonberö "oa^ 3)Mrrf)enbrama „2; er 3Beg jum 2ic^t" (1902) genannt ju merben.

58on ben S^aturaliften beö 3Iuö: unb ^nranbeö, bcfonberS roof)I üon 'Hauptmann, beeinflußt mar ferner 9Waj ^Xttjtx (geb. 1862), bcffcn „^robcfanbibat" (1899) feinen Flomen eine ^^itlang gerabeju uolfstümlic^ machte. 5(ber biefc poctifrf)e 3Ser: f)errlic^ung ber übergeugungg; unb opfcrföliigcn Scfenntniötreue ift oicllcicfit am roenigften geeignet, beir ©ic^ter in feinen S3c5ief)ungen jum 9^aturaliömuö ju d^araftc: rifieren. S)a muß man jurüdfefjren ju feinen 2)ramen „^rci" (1893) unb „SBintcr^ fi^Iaf" (1895). %u6) fpäter ober bleibt Brevier nicf)t gauj frei uon Übertreibung unb effeft^afc^erei man lefe etroa „^eä ^farrerö '^oc^ter oon Strelaborf" (1909), ein moberneö Seitenftücf ju 33ürgerg „!t)eö ^farrcrö ^od;ter oon Xaubcnr>ain"'.

ßä fönnte feltfam frf)cinen, baß mir erft jc^t Äarl |)aiiptmann (geb. 1858) berühren, obmo^t feine Dramen burrf) if)re forgfamc 3"ft«'i^öfd}il&erung unb 3BirtIic^= feitsfrcube unb burd) it)r ^eimatfotorit, ha§> fdilcfifc^e ©clänbe unb ben fd)(cfifcf)cn S)ialeft, benen feineö jüngeren unb bcrüljmtcren 33rubcrö G5erf)art fo nabe ftc()cn. STber feine Jlunft rüdt bei fd)ärfcrcni 3»ff^)cn erl)cb(id; non ber naturaliftifd^en ab, mm er auc^ immer entfc^ieben realiftifd; üerfäl)rt. 3" ffi"C" 33etrad)tungcn „3(u3 meinem 2:agebuc^" (1900) fogt er: „^aö, maö legten Gnbeö im ^nncrft^n mirflic^ werben mill in ber ^unft, wirb bod; immer ber weite ^orijont auö ber i^igclfc^au, ber offenbarte ©eift im ^ufammen^ang fein." Gin fc^ärfercr ©egcnfafe bcifpielöweifc au 3j)[aS Xfieorien läßt fic^ !aum benfen, unb alö örjäl^ler fein „(iinfjarb ber ^äc^Ier" würbe fc^on frül;er genannt ift er auc^ mit großem ^^ortcil bem Jranjofcn

664 ^ic ^id^tung ber legten ^a^i^je^nte ""i' neben bcn großen Strömungen.

gegenübersuftetten. Sebeutenbe ©eftoltungöfroft lö^t \iä) it)m auc^ bramatifc^ nic^t obfprec^en. ©ein ©cE)aufpiel „®te Sergfd^miebc" (1901) mit bem eroig jungen ?^auft= ti^emo roirb freiUcE) üon feinem anbeten feiner (otüde errei(^t, onc^ nic^t oon ber t)ier= oftigen 3:^ragöbie „^ie 2tu§trei'bung".

Biete roören f)ier angureitien, ^ofcjj^ JRucbcrcr '(geb. 1861) mit feinen naturos nftifdf)en ^auernbramen, (Srnft 9io^mcr C^j. für ©Ifa Sernftein geb. Jorges, geb. 1866), ^l^ili|ip !^ongmonn (geb. 1862) unb onfoere. 3tber auf 58oIIjäI)Iigfeit fann bei foli^en bic^terifc^en SBerten, bie bod; nid^t bleiben, am roenigften onfommen. Sf^oämer unb Sangmann finb Öfterreic^er unb weifen im befonberen nocE) SBien, rool^in nun an^ mir junäc^ft bie ^lide lenfen muffen, gu Sa^r unb ©c^ni^ler, mit benen mir roeiter oom S'laturanömu^ a'brüden.

^ermann f8af)i (geb. 1863) bebauptet triumpFiierenb in jeber Siteraturgefefiiei^te feine ^erfönlic^f eit : ift gonj unmöglich, i^m onberö alö ratenb, beutenb, entroicflung§= gefcEii(f)tn(^ naf)eäufommen. ^n jebem ^a^r fd^eint er ein anberer ju fein. ^ari§, bie frangöfifc^e ^unft eröffnete if)m ein neues 2eben, menngleic^ er fpäter felbft geftanb, ba^ im ©runbe feine birei berliner ^a{)re oon 1884 bis 1887 alles, rooS er fei, aus il)m fieroorgelplt f)ätten. ^Mv\t ift er Staturalift unb ©ogialift, bann überroinbet er biefen „großen fo^iaüftifi^en ^ufel": „als ob gerabe bie 2trbeiter weniger ©efinbel wären, als es fcE)on mal unter ben 3JJenfc^en 33rauc^ unb .^erfommen ift". ©eine SSorbilber finb bie ©oncourt unb ©tenb^t, beffen „Rouge et noir" für if)n bas 33ud^ ber SSücE^er ift. 3!)en ^efabenten, jumal SSerlaine, ^upSmanS, SBiföe ftreut er eine SBeile ^almen, bann wieber anberen. Unb wer oermödfite feinen Dramen unb ®rjäl)lungen nad;äugef)en in ber 2lbfic^t, ein ©efamtbilb feiner fünftlerifc^en ^erfönlid;feit ju erf)alten! 5Do§ Sefte an feinem «Sd^affen ift bie anregenbe SBirfung ouf bie ^unft ber 3ßit/ f^^ eS in ber ?^orm ber Äritif, beS Sffais ober auc^ ber eigenen ©ic^tung. 9Ber es in biefem ©rabe oermag, if)eEf)örig 6timmfüf)rer für einanber ablöfenbe ©pochen unb ^erioben gu werben, ber f^at fo gut wie anbere ^ünftlcr für mef)r als ein 2Jlenf(^enaIter gelebt.

©ine ganj anbete ^erfönli(^feit ift ber Söiener %xÜ\ut i&^ni^Ici' (geb. 1862), ber fic^ burcb feine SDialogfommlung „^tnatol" („©ieben bromatifd^e Silber", 1892) einfül)rte, bann au^er ^Hooetten („Sterben", 1892) unb 9tomonen („©er 2Beg ins ?yreie", 1908) eine gro^e 9leil)e oon ©ramen fc^rieb, u. a. 1894 „©as SD^ärd^en", 1896 „Siebelei", 1899 bas SfteooIutionSbramo oon 1789 „©er grüne £afobu", 1901 „©er (Schleier ber 58eatrice", 1903 „©er einfome 2ßeg", 1905 „©er S^inf beS 2ebenS". 3luc^ ©c^ni^ler fommt oom ^Naturalismus, jumol oon ^bfcn f)er, wenn man bobei an bie pft)d)ologifd)e 5öeobad)tung unb StuS^ beutung beS SBirflic^en benft. St)pifd) bafür ift bie oori^in abfic^tlic^ erwölinte SlooeUe „Stetben", wo ein Sungenftanfet, ber nur nodE) ein ^i'O'^r §u leben l)at, wünfd^t, ba^ fein Tläb6)en il)m fern bleibe unb lebe, wöl)renb fie mit il)m fterben mö^te unb bei il)m bleibt, bis fidE) bann attmöf)licE)' beiber 2BünfcE)e in i^r ©egenteil oerfel)ren. ©oS ift ja bie S8ol)n, auf ber §ebbel mit feiner ^ubit^ ooranfc^ritt unb ^bfen folgte. Slber Sdini^lers Sökfen ift bamit nid^t gefenngeic^net. SBeber Sa^r nod^ bie 9Naturaliftcii baben biefc StimmungSfunft, biefe leifen, oft melond^olifd^en klänge, bie bann obgelöft

Siama. 665

werben oon einem garten Sautber Sfepfiö, ber bitteren Sebenöerfaiirunci unD 3)knirf)en: !enntni§. 3Son Sc^nillcr löpt firf) jagen, ba^ niemanb, ber if)n nic^t ielb)t lieft, eine einigermaßen jutreffenbe SSorfteDung con if)m fiaben !ann.

«Sc^ni^Ier ift ein 33inbeglieb ämifcficn 3^aturaliömus unb 9leuromantif, sumaf auf bramatifc^em ©ebiet. ^ofmann^t^al unb ^arbt finb njir alö ncuromantifc^cn ©gmboliften bereite begegnet. 33eibe geftalten uormiegenb bramatifcf). ^m ^rac^ttleibe fc^reiten i^re SSeröbialoge einlier. SBie roeit baS S)rama ber ^uhinft biefen Jüljreru wirb folgen Eönnen, ift jum großen ^eil eine grage einmal ber ©ntmidlung ber inneren aJienfc^f)eitöfnttur unb fobann ber 58üt)ne.

^n funftooEer Sprache \)at ©buorb Stutfcn (geb. 1865) bramatifcf bie mittel^ alterlic^e Strtuöfage, namentlich burcE) feinen „©aman" unb „2an5e(ot", neu belebt. SIber man fott nichts oerfc^raören : üielleid)t befcf)ert er mie ®erf)<jrt Hauptmann uns nod^ einmol meyifanifc^e 3)ramen fü^rt borf) bereits feine neue bebeutenbe 9bman= trifogie „SBeiße ©ötter" narf) 3Jiefifo, mo aud^ fonft beutfcfie 2;i^ter ber ©egenmart fic^ anäufiebeln beftiffen finb. g^eft ftef)t jebod), ha'^ gerabe 'üa^ bcutfd^c 3JütteIültcr mit feinen 3Jlr)fterien »Studenä ©eftoltungäprinäip unb gormenfinn roeit cntgcgenfam. Gin gang eigenartiges Xalcnt fanb ha ben rechten 9^ät)rbobcn.

2)er attbeutfcf)en Sage entnat)m au^ {yricbri^ SJicnl^Qrb (geb. 1865) 3Jiotire für feine Dramen. S3ei if)m erfreut bie ftärfcre 33etonung bcö oaterlänbifc^cn ©e^ fic^töpunftes. 2lu5 jüngftbeutfrf)en Greifen ^erauö ift er felbftänbig fortgqd;ritten äum nationaIeti)ifc^en 2)rama, beffcn bas beutfd^e 5ßolf immer bcbürfen roirb. ^n £icnf)arbs bramatifc^em ^van^ blüljen bie Iiterarifd;cn ©rinnenmgcn befonberö bec- 2:t)üringcr Sanbes fort, gefnüpft an Dramen roie Dflerbingen, bie f)eiligc ©lifabctl; unb £ut^cr, unb ber SSerfaffer ber «Schrift „'3)a§ ftaffifc^e SBeimar", ber IebF)aftc göröerer ber @oct^e=^®efeIIfcf)aft, f)at natürlict) aud) ben SBeg jur ncubeutfdjen tf)üringijct)en Slütc gefunben. darüber l}at ber ßljäffer aber feinen „©ottfrieb dou Straßburg" nid)t oer^ geffcn. SBer 2ien{)arb t)eute i)öxt unb lieft, benft babei freilief) nid;t an fein jo5ialifti)^c§ 5Drama „2Beltret)olution" au§ ben legten acf)täiger ^abren.

3tuf neuromantif(^en ^faben tommen roir inbcffcn nid)t eigentlich ju Sienljarb, roo^I aber ju tel ©uftaü JBoümöIIcr (geb. 1878), ber ju 'ber ©ruppc um Stefan ©eorge gel)örte. 2(Ig Sd)roabe er ift in Stuttgart geboren mag er oon oorn; f)crein ftörfer als anbere Steigung unb 3lnlage für bicfe klänge mitbringen. 58efonbercö Sluffe^en I)at er burc^ fein pI)antafiei)oll untjeimlic^eö 5iacf)tftücf „5{att)criua ©räfin ücn 3Irmagnac unb il)re beiben 2iebt)aber" erregt.

^er ebenfaHä früher jitierte romontifcf) gericljtetc 2i)riter iHaincr Watia 9Jilfc f)at einige Dramen („D^ne ©cgenroart" 1898. „^as täglidje Ji^cbcn" lü02) gc^ fcljrieben, in benen fic^ feine Spracfimetobie unb feine ©cbanfcntiefc nidjt ucrlcugnen.

^aö neuromantijc^e T)rama ift nic{)t auf feine 33eflrünber unb erftcn ^^crtreter befc^rönft geblieben. 1901 cerfammelten fic^ auf bem bod;gclcgenen d\o\m bei ©öttingen eine 2ln5al)l junger ^oeten unb Dcranftaltcten barmlofe Sängerfricgc. ^ra^ matifer unter il)nen mar aUcin .f)anö gri^ öon i^wc^l (geb. 1833), ber SoF)n bcö be^ fannten ßrobererä oon 3Jlaubeuge unD fpäteren ©ouuerneurö oon ^introerpcn. ^m\)[

666 T)ie ^idjtung bcr legten Qal^rjel^nte in unb neben ben großen Strömungen.

fleibet bie ©eftolten feiner ®icE)turtgen mit 58orIiebe in bie ^rac^tgetränber ber ©agc

übet löngft oerfunfener ®efcf)ic^t§epod;en, um bie neuromantifc^en Probleme ber Siebe

unb beä Xobcä in if)rer unent)Iidf)en SBieberfe^r aU ercig empfinben, fid^ unb anbete

butd^ bie ^^orbengfut be§ Silbeä beroufdjen ^u Ia[fcn. 3)er fataliftifcEie ^antfieismuä

unb bie fünftletifcE) ooHenbete ^utd^bilbung ber 'BpxaÖ)^ etinnern an 3fiil!e unb §of=

mann§tf)al. Slber wenn eine bet ?^touen in bem $Dtama „(Sl^atpbbis" oon ben (Siemens

ten fagt:

©ie folgen bem, tt)a§ fie Befeelt, ba§ föftlic^ unb finnlog ift unb enbIo§ mic andi) wir unb :^ben feine (Stimme, um ^u fragen, ob tüir bcran gugrunbe ge§n, ob nic^t,

fo fptic^t fic^ botin eine fd^metälicf) ueriangenbe ?^reube am Seben au§, bie oon ber mibben ^Refignation ^ofmannötf)atö unb ber ©ottetgeben^eit Wde^ gleicEiroeit entfernt ift. %ü6) 3^eF)I fttebt 3Birfungen an, bie benen ber 3Jiufif naf)efommen. ©r mt- meibet ober, ha§ SBort oEein um beö J?Iange§ miHen anjuroenben, unb fd^Iic^t fic^ bamit enger an bie früf)ete Übetlieferung an. ©r f)üEt bie ©ebanfen nicE)t in SJlgftü, fou'betn mcU ilinen ein fprod^Iic^cg ©ewanb, bag fid^ if)ren ?^ormen bis jur fleinfteu Regung anfcEimiegt. ®urc^ bie Jllangforbe unb butd^ ben leibenfd^aftlid^ bewegten dl^yt^muä fu(^t et auc^ bie feinften (Seelenregungen unb Stimmungen ju übertragen unb gugleid^ ben ©ebanfenin^alt friftaUflar l^etuottteten gu laffen. SSeröffentlic^t f)at er big^er fec^ä ©tamen: 1905 „^ottenfe", 1906 „®ie fc^öne 3J?iriam'', 1911 „^etfep^one", 1913 „6;i)arr)bbi§", 1916 „D^aV, 1918 „®obit)a". 3Itte biefe S)icf)= tungen l^aben einen mefir baUabeöfen alä eigeittlid^ bramotifd;en ©tjarafter, finb aber bod^ fo fe^r für Stuge unb Df)r gefc^rieben, ba^ fie faft burd)treg an größeren 33üt)nen äur 2tuffüt)rung gelangten.

3m weiteren Umfreife be§ neuromantifc^en ®rama§ fto^en mir etwa auf ha^- jenige ©ulenbergö unb Ät)fer§, ot)ne bamit jebod^ irgenbmie ©d)ulbegriffe feftftetten ju moHen.

|)Crkrt ^ulcnkrg (geb. 1876) teilt mit ber 31euromantif bie Betonung ber ©efü]^Iä=, ^^antafie: unb 3:;raumroette. 3tbet bie Seibenfc^aft feinet ©f)ato!tergeftar- tung unb feiner Sprache ift bod^ oon ber ftiEen, roeltoerlorenen S^räumerei unb bet 33efeelung tomantifd^et 3ttt ted^t weit entfetnt. @f)et fönnte man bie Stütmet unb .Dränget unb if)t gto^eg 2SotbiIb S^afefpeare jum 33ergleic^ Iierangiefien. 3)o§ Un; gemö{)nli(^e, 5DunfIe, S^ätfelEjafte ift fein (Segenftonb. 5ßon ber „2tnna Söalemsfa" (1899) big jur „©offanbra" (1903) get)t eine ©lutmeHe, in ber bag menfd;lic^e ^d^ üetbrennt, weit eg nur aüäufefir ein ^d), eine attein butd> ficf) feEbft bebingte Sebeng; ftcy"t mat. llnb bod^ : aud) im Unma| if)tet ®rfd)einungglinien macEifen biefe ?^iguren m6)i aug ber 2Bitf(id)feit f)etaug in ein SBolfenteic^ I)inein, fie bleiben unfeteg 33Iuteg unb ©eifteg.

3JJanc^eg {)iett)on gilt auc^ für einen anberen bebeutenben ©tamatifet, ben SBefts pteu^en §an« ^[cr (geb. 1882), bet in feinet fünftlctifc^en ©ntroidlung bei feiner S:tagöbie „9JJebufa" (1910) nid)t fte^en geblieben ift. 3)^it bet „©tgieliung jur Siebe'^

Srama. 667

(1913) 'unb ber erneuten ^romatifierung ber tragifc^en efiarlottc^Sticglife^Seic^ic^te ouö ber jungbeutfc^en ^eit ift er raeiter ge]rf)ritten, namentlich ju einer benni|teren, reineren Stilfunft.

(gulenbergg unb %fer§ ^ormcnfultuä erinnert biöroeilcn an bie fc^on befproc^c^ ncn g^euflaffiaiftni ^aiil ©rnft, Sil^dm öon ^6jo\i unb Samuel Jiibliih^Ii. 91ät)cr inbeffen alö Jlt)[eT unb (Sulcnberg, bie boc^ §u ganj anbern Bieten lyanbcrn, fouunt ein: mal ber gieuftajfijiftif ber junge T)ramatiter gricbrid) Sartdö (geb. 1877), beffen ,,2Biöufinb"=5:ragöbie (1905) ^roar nic^t gerabe oopf)oflcö jum 3)hifter nimmt, aber boc^ beifpielSmetfe com 9taturaliömuä au§ über{)aupt faum nod) ju erreicfien ift. Seine ©egenroartstragöbie „greie 3J^enfc^en" (1911) bagegen fcf)eint ju ^bfcnö unb öflupt- manng SBelt^ unb i^unftanjc^auungen ^urüdfe^ren ju rooEen. ^In^ureitien wäre Ijier nocf) ber nic^t unbebeutcnbe SBiener 2)ramatiter 9iit^Qrb Sccr=§ofmonn (geb. 1866).

5n einer 3eitV bie an $ßermorrent)cit fünftlcrifc^en SBoücnö mit jebcr frü^e^ ren aufaunelimen cermag, unb bie, fo ober fo, legten (gnbeg immer nad) ber SBal^rfieit fuc^te, mochte fie auc^ nur bie be§ ®ei[te§, nic^t ber förperlid;en SBirtfic^feit fein, n^ar felbftücrftänblid), ha^ \i6) bie ©atire, bie ^arobie, ja bie Äarifatur cinftclltc. ^u- mal ber D^aturaliömuö mu|te unroiQfürlic^ gum ©roteöfen brängen.

§crmonn dttld) (geb. 1868), ber ©ntbccfer beä alten 3)Jimu§, beä 33oIföf(|au: fpiefä ber 3lntife unb feineg ^taffiferä ^t)iIiftion , bcö Urbramoö präfiiftorifc^er Seiten, baö mit feinen ?larren unb Gtoronä, feiner an§ ^rofa, 3prerf)uerö unb Sieb ge= mif(^ten, alfo 3§afefpearifcf)en gorm aQe 53üf)nen be« gried^ifc^^römifc^en 2öc(trcirf)ä bet)errfd;te, ift bem beftimmenben ©infful biefcr Sitcraturgattung auf ha^ i^unftbrama burc^ baö 5IRitteIaIter über baö inbifc^e miD oricntalif^e Sc^aufpicl nad^gegaugen über ^rotöüit^ unb bag 2Rt)fterium biö auf (SI)afefpcare Gfclmimuö im „Sommer^ na^tötraum" ! , 3JJoliere unb wcxtcx big ju ®oetI;eä „(^auft" ober gar ^auptmannd „5ßerfunfencr ©lode". 2Som 5IRimuö erraartet )Rc\ä) gcrabeju eine Grneucruug unb ^erjünpng ber bramatifc^en 5lunft. ®r fprid;t oon ber Sknaiffance beö 2RimuG, ber, oerfd^moljen mit ftaffifd)em 2)rama unb 3)ct)fterium, büö neue S^rama ber 2BcIt bc; grünbcn foH. ^n feinem oon bionpfifi^em 9kufd) befeciten Drama „Die glotte" (1918), einem ^gmnug auf ben ^clbenfampf beö beutfc^en SSoIteä unter bcni Silbe ber ^crfcr^ friege unb beö 2;f)emiftoffeö ber aber ni^t nur alö ein ^eroö ber j5rcil)eit, fonbcrn juglei^ alö ein göttlicher Streiter für bie 3IfropoIiö bcö ©eiftcö auftritt , lueift 9Ici(^ ben mimifdien b. t). poffen^aft farificrcnben 3i'9<^" i^^^ "^"^ untcrgeorbnetcn SRang ju; unb ift bejeid^nenb, ba^ ber mimifd^e Glomu ilrofobeiloö bie iicrftäubni^-Iofe llJaffc gegenüber bem ©inen, ©ro^en: bem Dbcmiftoficö, oertritt. ^n feiner neueftcn 3:ragöbie „3trbaIio" jeboc^ finb 3Jcimuö, tlaffifct)eö Drama unb 3lJi)fterium alö fünft: {erifd)e ®ebanfencinf)eit gleicf)mä|ig Ijcrauögearbeitct: ber I;eroifd)e Alampf 5Uii)d)cn biont)fifcf)em unb galiläifc^em 3Jienfcf)cntum in Slrbalioö Seele cnbct in tragifd;=mi)ftifd)Cr 35erflärung, begleitet üon bem 5llang ber filberncn ©lörfleiu an ber 'Dhurenfappe bcS SJMmuö. Diefe SSerfc^mcljung m.imifd;--burleöfen unb l)croif(f)en SEBefcnö jcigt fic^ gleicl)fallö in Sleic^ö erjöljlung ron fcineö grcunbeö ^aul oon SBinterfclb munber-- famem Sebcn unb Sterben unb ber Xraumlicbe beö mobcrncn Eremiten unb iUiönc^eS

V

668 ®te ^td^tung ber legten 3a^r5e^"te i" ""b neben ben großen Strömungen.

ber 3Irbett ju einer neueren ©ic^terin. 2Rimuö unb 9tot)elIe finb ja oI)nef)in, loie SReic^ feftgeftellt I)ot, weltliterarifc^ eng oerbunben!

^n roeld^er 3ftic^tung bie[e bebeutenben Oebanfengänge unb ©d)öpfungen bic entroidlung be§ ©ramag beeinfluffen werben unb fönneu, fielet bal^in. ®ä ift nid^t ouögefd^loffen, ba^ bie Stuflöfung be§ ®rama§ olä einer befouberen ^unftgottung, fo= fern fie au^er^ofb ber 33ül)ne olä folc^e auftritt, boburcf) befc^Ieunigt wirb, ^mmers l^in: bie S^ragöbie beä ^elbentumö auf mimifc^em Untergrunbe ift ein neuer Sßeg, bcn bog crnfte, beö uaturaliftifc^^fojialiftifc^en ^a6)a^men§ unb ^rebigenö überbrüffige S)rama ge^en fönnte, wenn fid^ bie 3BeItgefcE)icE)te i'f)m nic^t l^emmenb entgegenroirft, unb gugleic^ eröffnet ber f(^allf)afte 2Rimu§ felbft einen Huöblid auf weitere Q:ntro\d- lungömöglic^feiten be§ Suftfpielä, bog alö SSerfpottung ber ^ef)rfeite ben f)o^en ©ruft jenes fc^ou oon ^^lie^fc^e porgebac^ten bionpfifd^en 9toufc^e§ in ber tragifcEien ^unft ju förbern oermog. ^ier fönnten wandle (Strömungen gufammenlaufen, aucE) ber D^atura^ (iämug, benn bog ift fieser: of)ne fein 2tuftreten wäre ber moberne 3}iimu§ weber poefie^ nocE) büf)nenföt)ig. Stuc^' Hauptmann lie^e ftc^, äumal mit feinen Suftfpielen im Stil beö „58iberpelä" wie mit feinen ^ünftterbramen, in biefe Stiftung eiuorbnen, unb feine fo^ialiftifd^ orientierten Xragöbien tragen ebenfo wie feine fauftifc^en Stüde ift boc^ oud^ ©oet^eg 9J?epI)ifto eine mimifccie ?^igur: ber bummfluge Teufel! mimifd^e 3üge, etwa „Sc^Iud unb ^au" fowie „Unb ^ippo tanjt". ©elegentlic^ Ijat c^oupt= monn felbft ja oudE) ben 2Rimug unb ^^iliftion erwäl)nt, inbem er baburc^ feinen ®anf für bie Don $Reid^§ ?5^orfd^ungen erhaltene 3tnregung gum 2tu&brud brachte.

Stber nic^t ju Hauptmann fommen wir aus biefem ©ebanfenfreife juerft, fon; bern ju bem 3Jiünc^ener ^^ranf Sebcfinb (1864 1918), in bem ber alte 9Jlimug tat: fäd^Iid^ wieber auferftanben ju fein f(^eint, oI)ne ba^ er fid^ felbft beffen bewußt ge^ wefen wöre. Unter bem mimifdfien ©eficEitöpunft t)erftet)t man Sßebefinbg ©rotegfen üiet beffer. ©in paralleles Seifpiel lö^t fic^ in bem jüngft ins 2then gerufenen „^aba: igmug" finben, ber f)o^nüoE aug ben Urlauten ber 9Jlenfd^I)eit, wie fie ber «Säugling in feinem „ba bo" laHt, eine neue 9f^i(^tung ableitet unb baburc^ mit ben übrigen breift gefc^affenen =igmen in fpöttifd^en Sßettbewerb tritt. SSon bicfer fritifc^en, fünftlerifc^ negaticen Seite mu| man aucE) SBebeÜnb fe^en, wenngleid^ er boc^ mefir fein mö(^te, alg ein ©eift, ber nur oerneint. 33etrad^tet man aber bie 2lrt feiner Sebengbejaf)ung nätier, fo ergibt fidf) freilief) nic^tg Sleibenbeg au^er ber oorougi fe^ungg: unb bebinggfreien (Sinnenfreube. ®ag geigen feine bebenflicf^e ^inber; tragöbie „?^rü^Iingg ©rwad^en" (1906) wie fein „ßrbgeift" (1902) unb bic anberen 2)ic^tungen, bie je^t in ber fec^gbänbigen Stuggobe feiner SBerfe oereini'gt finb. 6g ift gut, folange mon txxtx]6) ©ebadEiteg aud^ alg gewollte ©rotegfen fritifc^ aufnimmt. 2tber welcher Unbefangene oermöc^te bag bei SBenblag jommerDoHem <Sd^idfaI! 3tt)nungöIog ift bag 14 ^2 jöfirige 9KäbcE)en ber Seibenfc^aft beg Änoben 3JleId^ior ouf bem ^euboben jum Dpfer gefallen, unb nun ftel;t ber 3tr3t on itirem Sager, um ii)r gegen bie Sleic^fud^t ^iUen gu üerorbnen, mit benen er „bie eflotanteften ©rfolge'^ erjielt l}al 2)ag ift ber reine 3)^imug, aber bag ^ol^ngeläd^ter ber SBeItfcE)öpfung, bie biefem 5linbe üorjeitig gum Äinbe ueri^alf, erftidt im SBeinen. Sßebcünbg Sßelt ift

S^rama. 669

ber Umfreis beö ©efd^Icc^tötnebcS.Qls folc^en. ^aä ^ierifcfie, grinolc [ott if)m baju bienen, eraige (Sefefee flargulegen. (Sine neue 3)^oraI m'xU er fc^affen, bercn f)öd;ftc3 (Sebot bie Sc^ön^eit ift. Stber ber eigenartige d^axaUtx biefer ganj auf ©innad;feit gefteHten ©tücfe, bie gum ^eil ja boc^ nichts anbereö fnib afy noturaliftii'c^e ^arifa-- turen, bringt mit fic^, ba| roi'r I^öc^ftenö an bie ß-f)rli(f)feit foId)er poetifc^cn ^^Ibfic^ten, aber nic^t an fol^e ^beale glauben, geic^roeige benn an bie ^J^ittcl, mit benen fic oer^ roirflic^t roerben [oEen.

^alh (Sturm unb ^rang, ^alb miebergeborener 3J^imuö, bog ift SBebeÜnb, boö ift in anberer SBeife §ann^ öon ©um^pcnbcrg (geb. 1866), ber fic^ ein SSergnügen borouä gemacht f)at, in einzelnen burleefen ^id^tungen bie ^auptftrömungen, Sflatura^ li&muä unb Symbolismus, gu parobicren. ^bjenö „^xan oom DJJeere" erfc^ien jefet aU „bie ?^rou oon ber ^far". 3)ie „®If Scf)arfrid)ter", bie brei Sänbe „Überbramen" foiDie Itjrifc^ fein „^Tcutfcfieä ^ic^tcrro^, in allen ©angartcn uorgerittcn", finb töftlic^ ju lefen. ^n feinen nic^t fatirifi^en Dramen, bie rocniger befannt finb, fud^t er eine neue SBeltanfc^auung feftjuiialten, bie er im 2Rr)ftijigmuS finbet. ^q6) einer 3)icffia§= tragöbie (1890) unb anberen «Stücfen feiner ?^rüE)5eit üeröffentlic^tc er ^Hufionöbramcn aus fernen ^^iten mie Söil^clm üon ©d^olj ober $an§ ?^ri^ oon 3"^c{)I. 3" inbif^cr SSorgeit fpielt 3. S. „3ttteg unb S^ic^tö" (1894), in feftifc^er „^ie SScrbammtcn" (1901). ©in S^rugbitb ift baö £eben, man fann nur entfagen, fid; opfern für anbcre ober la^cn unb genießen. 2Bag rairtlid^ ift, 'oa^ ift unbegreiflich, ju at)nen nur üon bem ^eta-^ pfipfifer, 3u f(^auen pieUcic^t dou bem 3Jit)ftifcr ober gar bem Spiritiftcn. 3Iu^crbcm ^ot ©umppenberg gro|e f)iftorifc^e 3)ramen unb fteine leidjte ^Spiefc {>,'^\c Slcinnc^ fönigin", 1894) gefd^rieben. ^m ganzen ftet)t er hoä) ber 9f?omantif am nä^ften.

^m ^iftorifd^en ^rama finb glüdlid^cr geiDefen |)crmann 5(nbcrg Krüger (geb. 1871), ber SSerfaffer be§ früf)er ermäE)ntcn 5Romanö „QJottfrieb Kämpfer", mit feinem 2)rama „5r)er ^ronprinj", wo fic^ um ben oielbeFianbelten ©egenfa^ jiüifdien f^ricb; tic^ II. unb feinem 3Sater Iianbelt, £)tto Srlcr (geb. 1873) mit feinem „3ar ^eter" unb 5lbo(bcrttJon|)anftcin (1861— 1905) mit bem Stüd „Um bie ^ronc''. ^oc^ biefc oereingettcn ©rfdieinungen oermoditen nidfit, if)re 3Serfaffer ju großen Xramntifcrn ju ftempern.

Sebod^ oon bem 9Jiimu§, oon SBcbcfinb unb (Sumppenbcrg fü()rt unö ber Seg junäd^ft aum „Überbrettr' (Prnft öon SoI',ogcn^ (geb. 1855). ^m ^o^rc 1900 m6) bem $ßorbilbe be§ F)öf)ercn franjöfifc^en ilabarettö gegrünbet, ^at baö tlberbrettt nid)t lange gelebt, fo oolfötümlic^ auc^ murbc, namentlich burc^ ^Mcrbaumö „l'uftigen (Seemann" unb Silicncronö „^ie 3)^ufi! tomiut". Xnxd) fein iuftigeö 23olK-mcMama „®aö Sumpengcfinbel" (1892) für biefeö nntcrne{)men eingeführt, oermodjtc boc^ auc^ SBoIjogcn, ^^erfaffer oieler erjälirungen, Xramen unb 0ebid)te, auf bie Trauer nic^t fc^arf bie ©rcnjiinie ju jie^en ^mifc^en bem l'cic^tcn unb bem Seichten, ^aju traten gefc^äftfic^e |»emmniffe. So erging feiner fcf)r ernft auf bie ^ßcrebctung bc« ©efc^macfg ai)3ielenben ^itettantenbübnc nid)t beffer alö fiilicncronö Suntem unb Sicrbaumg ^rianont[)eater. Smmeri)in war baö llberbrettl ber gegebene Ort für alle möglichen ©roteefcn, ^arobicn unb mimifd)cn ^offcn.

670 S5ie ©td^tung ber legten ^a^xiz^ntt in unb neben ben großen Strömungen.

©d^irer unb fiart lieben ficE) oon biefen neuere Dramen ah, bie in bem burc^ ben großen 9IotnraIi§mu§ ®uropa§ gejc^affenen 33oben raurgeln, aber frei unb eigen; fräftig oufftreben ju Iicf)ter ^oi)t, wo bie S^een tI)ronen über bem 9liebrigen unb SSereinjelten : bie S)i^tungcn ©rif^ St^Ioifjerö (geb. 1867) unb tel ©trcdcrö (geb. 1862), vox oHem aber ©c^mi'btbonnö, ©d^önljerrö unb ©tat)enl)agen§.

Sil^clm ^t^mibtfionn (^feubongm für Sßilli Scfimibt auö SSonn, geb. 1878), befannt auc^ alg SSerfaffer oon r^einif^en 9fioüeEen („Uferleute", 1903. „gf^oben", 1904), bie ben ©influ^ beö ?laturalt§mug nicEit uerleugnen unb äugleitf) ein 6tüd .geimaüunft barfteUen (j. %. Riaxa SSiebi'g geraibmet), I)at bramatifc^ guerft burd^, feinen „©rafen oon ©leieren" (1908) einen entfd;eibenben ©rfolg errungen, obrooi)! btefeö ©tücf nic^t fein erfteS raar („SJ^utter Sanbftra^e", 1901. „®ie gotbene %ixv", 1904). (Spötere Dramen roie „®er 3orn beä 21cf)ille§" (1909) unb „®er oerlorenc (Sof)n" (1912) ^aben fein poetifd^eä können in erfreulirfiem SBac^fen gegeigt. SlucE) im Suftfpiel („®er fpielenbe ©roä", 1911) unb in ber S^ragifomöbie („^ilfe! ©in v^inb ift Dom ^immel gefallen", 1910) ^at er eine glüdlic^e ^anb bemiefen. ©er- epifd^e „Sobgefang be§ 2eben§", mit bem Drptieuö ficf) bem S^teicf) ber Soten nähert (in ben 1911 erfc^ienenen $Rf)apfobien), borf alö ber feinige gelten, fo büfter auc^ monc^e ber oon if)m mit realiftifcEi'eT, j. %. naturaliftifcEier SSeobac^tungötreue gejeic^= ncten 33ilber finb. 9lm ßnbe gilt boc^ fein Sßort:

3n bein Soot, Xoh, fpring ic^!

^la^, i:^r 5toten,

bem 35Iumenbef rannten!

2)a^ iä) ni(ä)t foHe

unb mir bie golbene §iarf^ nic^t gerfpringt.

greube bring ic^!

2)ie SSerbinbung beö ^Realiftifc^en mit bem 3ftomontifc^en borf man bei <B6)mihU bonn nic^t überfeJien. t^nlic^^ i)erl)ölt es fi^ bei ^orl <B^'m^m (geb. 1868 §u 2Ijam§ in ^irol), ber obenein ja ebenfalls ber .^eimatbic^tung gugured^nen ift unb biefer eben[o mie gelegcntli'cE) ©cEi-mibtbonn nod^ befonbere, burc^ ^auptmonnö naturaliftift^eä S)rama freiließ bereits überlieferte ©ienfte mit ber Slnroenbung bcö T)ialeft§ ermeift. 3uerft mef)r ^rofaifer unb Sgrüer, Ijat er fid^ im groanji'gften ^o{)rf)unbert mel)r unb met)r bem ®rama pgemanbt. ©eine großen ©rfolge begannen erft 1907 mit bem 2uftfpiel „ßrbe", beffen bialeftifc^ auSgefprodf)ener 58oIfSf^umor Iebl)aft on Stngengruber erinnert, unb festen ficf) bann fort mit bem ^roucrfpiel „®Iaube unb |>eimat" (1910). 5Diefer ^itel ift für ©cE)önf)err oon tt)pifcE)er Sebeutung, benn ber ^id^ter mirft mit SSorliebe irgenbeine gro^e SJienf^^eitSfrag« ouf unb beantwortet fie baburcE), bo^ er gmei SJJotioe, gmei 3}Jä(^te einanber gegetiüberftellt. „©laube unb ^eimat" ift im befon^ beren bie „^ragöbi'e eines SSoIfeS" gur 3eit ber ©egenrefotmation in ben öfterreid^ifc[;en Stlpenlänbern, aber bie $8ouern S^iott finb berbfröftig aus bem Seben ber ©egenmart gegriffen. 1915 erfc^ien bas abfto^enbe ®rama „^er SBeibSteufel" mit freiließ rounberbarer einfacf)t)eit im 2(ufbau: es treten in allen fünf Stften nur brei ^erfonen auf, ein 2J?ann mit feinem SBeibe unb ein ©renäjöger, unb ber ©rfjaupfa^ bleibt bicfelbc

Srama. 671

Stube, in ber fc^IieBIicf) ba?^ totte SBeib über ben toten Tlam unb beffen 3Jlörbcr trium^ p^iert: „^^x 3)knnöteufeL ©ud) ift man noc^ über." (Sin erfreuac^creö Silb bietet ba§ beutfc^e ^elbenlieb „3SoIf in S^ot" (1916), eine neue 3Inbreaö.^ofcr=^ragöbie, bic ber SBeltfrieg in§ ßeben rief. ^ ber 3eit 2)ürer§ ift boö etroaS üenüorrene oieraüigc SSoltömärc^en „®a§ ^önigreic^" (1908, neue Ausgabe 1917) gebac^t, in bcm eben-- fan§ ber S)ialeft feine ©teile gefunben i)at. 1919 erfcfiien bic breiaftige ,,5linber= tragöbie".

Sn berfelben Sinie, bie ju 3lnäengruber gurücffül^rt, fte^t m6) Stuffaffung unb 3Iu§bru(i (©ialeft) ber frül) uerftorbene ^ri^ ©taöcn^ttflcn (1876—1906), ein 3J?cifteT namentlirf) onf bent ©cbiet ber mo-bernen, naturaliftifc^ bebingten Sauerntomöbie („^e bütfcl)e md)ü", „5De rüge §off"), in ber oft berb genug ^erge^t. Cb ©tQoen^agen ein leben§fäl)ige§ nieberbeutfcfieä SSoIfäbranm Ijätte begrünben tonnen, ftel)t boljin.

®a3 Suftfpicl l)at an6) in ben legten ^atiije^nten nur geringen ßrfolg in 3)eutf erlaub geliabt. 3Son ben ^offen D^for Slumentfiolö (1852—1918) finben unr ben SBeg jur ^omöbie mit ernftem ^intergrunb nur mit ^ilfe öeä ^loturaliömuö, ju^ mnl ®erf)art §auptmonn§.

S^ic^t nur aU überauö roirffamc 53üF)nenftü(fe finb ju mürbigen bie menn^ gleich fonpentiüueU gebauten Suftfpiele :ÖublDig ?yuIbo^ (geb. 1862), ber ja oucf) n(ä ein SJieifter ber ilbcrfe^ung g. 58. 3}?oliere§ unb aU 2}Iitbegrünbcr bes mobernen 9J?är: d^cnbramaö („^er SToliäman", 1893) ju rülimen ift. ^n ber tecl)nifc^en Seberrjc^ung beä SBortcö unb SScrfeö nefimen in ber ©egenroart nur roenige mit i^m auf. SBenn ein ßuftfpiel roie „®ie ^^ittingSf^roefter" (1901) tro^ ber Unmalirfd)einlid;feit bes SJJotioö eine g^rau roirb ron il)rem 2Ranne nid)t erfannt uub mit i"^rer 3d)H)eftcr ocr; mec^felt! fic^ fogar auf ber Sü^ne burc^jufe^en oermoc^te, fo ift baö ein 3^<^<^" für bie inftinftipe (Si(^erl)eit bcö 2)icf)ter5, ber mit feinem engeren "ipublifum, bem ber berliner ^nteUigenj, in feiner licbenöroürbigen SBeife fpielenb iierfcl)rt.

<Satirif(^ gefärbt finb bie ^omöbien !^bli)ig X^omas? (geb. 1867), ber freiließ mel)r burd^ feine föfttid)en „Souöbubengefc^iditen" (1904) unb anbere einfalle '^ctn Sd)lemil^lö (fo aucE) in bem 2Bi'$blatt „Simpli3i|fimu&") bie Öffentlidjfeit für fic^ gemonnen i}üt. ©enannt feien feine ßuftfpiele „2)ie 2otaIbal;n" (1902) unb „iliorar (1909).

2)Qö 3)rama ber ©egenronrt ift no^ immer ein ungelöftcö Problem. 2Bn§ binter ben 5luliffen t)orgel)t, ift oft mefcntlid;er als bie 3(uffül)rung. ^aju fommeu bie Sd^lngmorte, Sd)ulbcgriffc, bie SReftome in jeber ?^orm, bie bübnenmäftige ?luö: nu^ung fepueUer SRotiue, um ein tlareö Urteil jn)eifel{)aft 5u mndjen oPer gar ju ncr: l)inbern. 2)ag ^Tbeatcrbilb ber legten 3«bre ift uon 3(uonal)men natürlich ab-- gefel)en fo unerfreulich rcie feiten ein frül)ereö.

3um ^eill)at fic^ ber ©FpreffioniSmuö, ron bem im rorbergehenben (13.) Suc^e gefpro^en mürbe, anä) bes 'Dramaö bemä^tigt, biöroeilen f^on an ^tu^erlid)feiten 3u erfennen. 2Senn ober beifpiclsmcifc bie ^erfonennamcn roeggelaffen unb mie in

672 ^ie Sid^tung ber legten ^aljvic^nte in unb neBen bcn großen Strömungen.

Soltcr «^flfcnclcöerö (geb. 1890) ,,©o^n" erfe^t werben burrf) allgemeine Sejei^s nungen („®er SSater, ber (5oI)n" ufra.), fo brandet man jo nur an ®oetI)eö „9latür; li'd^e ^od^ter" gu benfen, um biefe tppifc^e 33e^riff(icpeit roieberjufinben. Sötc^tiger alfo finb innere 5[RerfmaIe. (Sin ^ouptproblem be§ jüngfien ©ramaS ift bie p']r)^0' logifd^e 33eoba^tung ber ?^amili'enmitglieber in i^rer perjönlic^en ©ntiridlung unb in i^rem 33erl^ä[tniö jueinanber mie ouc^ im ,,<Sof)n'^ , unb I)ier fnüpft ber @y= preffioniämuä an ben 3^oturaIi§mu§ etraa ^auptmannä ,,?^riebengfeft" an, freiließ in gan^ anberem ©eifte. 2Im (Snbe ift, mie man immer raieber erfennt, nur inbioibueH, nic^t f(^utmä^ig4(^oblonen^aft roeiterjufommen, unb ba borf man fagen, ba^ ^afen^ derer ni'd^t ot)ne literarifc^e Bw'fwnft ju fein fd^eint. 1919 erfc^ien fein „Sletter'^ ©ein-e roirfli'c^Eeitgfremie „3tntigone" mutet unö freiließ menig fopl^ofleifd^ an.

©ine ganje S^ieilie bearfitenöroerter ©ramatifer fann F)ier nur namentlich auf= geführt werben: ^cinrit^ ©t^liofitl (1896 1916), befonberS mit ber 9Bi!inger=3anT= bentragöbie „®ie SBieberfefir", 9J?o|; ^ulöcr (geb. 1889), in beffen „Sflobert ber Teufel" romantifd^e Tloiivt unb ©timmungen auftaud^en, ^ertDort^ Salben, ber ^Äl^rer ber eyprefftoniftifcEien ©ruppe „©türm" in Berlin, %xan^ Scrfcl '(geb. 1890), ber erfolg- reiche ^tad^bic^ter ber „^roerinnen" (1914) be§ ©uripibeö, ber eypreffioniftifd^e 9naler= bid^ter O^lax ^oU^a (geb. 1886), gjcin^arb Sorge (1892-1916), ^ermann ©fftg (1878—1918), tarl ©tern^ein (geb. 1881) unb ^oul tornfelb (geb. 1889). über fie alle, bie t)on fel^r ungleicfiem SBoHen unb können finb, lä^t fid^ f)eute unenblic^ üiel fagen wa^ morgen bereits aU überfjolt in einen ganj anberen entrai'dflungögefc^ic^t; tid^en ^ufanimenffang gerüdt werben mü^te. Sßiffen mir bocEi aud^ ni(^t, roaä ber frü|e ^ob in ©d^nabel, Sorge unb @ffig on poetifc^en SBirftic^leitöroerten nernic^tet ]^at! ®aö Sebenöroerf biefer unb anberer ^oten alö foIcEier aber beüorjugen, b. ^.e§ fc^on l^eute in feiner ©efamtl^eit überfd^auen, l^ie^e oiettei^t mand^em fd^mer um 2Iner!en= nung ringenben lebenben 3)id^ter Unred^t tun.

33efonbere 2tufmerffamfeit inbeffen barf mof)I (Ueorg ÄOtfer(geb. 1878) felbft bei fold^er 3«i^ücff)oItung beanfprucEien. @r fnüpfte ftärfer an naturaliftifc^e Sinien, pfpc^ologifc^ befonberg on S^fen an, ift bann ober boc^ im Saufe feiner ©ntraicflung alö $r>ramatifer gang neue Sßege gegangen. ®§ ift ja nid^t fd^roer, fic^ auf irgenbeiner größeren ^üi^ne fetbft baoon ju überzeugen, unb ein folc^er ^inmeis ift bei einem jüngeren ©id^ter eigentlid^ SBürbigung genug, ©ro^e Unterfc^iebe finb in ben Dramen eineä ^oifer unb benen ber ^^rül^eren offenbar, man braucht nur einmal bie (Stellung ju betracf)ten, bie etwa in ÄaiferS „Koralle" bem SBeibc, ber Siebe jmifd^en ben ©efd^ted^tern jugeroicfen roirb. 2luf bie Söfung fittli'cfjer unb anberer Äonflifte unb Sebensrötfet, gerobe audf) mit ©inbesiefnin^ ber ?^rau, bie bem 9Kann l^elfenb gur Seite ober feinbüd^ entgegentritt, fommt an, nic^t mel>r auf ^DorfteEung unb feeii'fc^e Segrünbung ber Seibenfrfiaft, ber großen Siebe für bog Seben, beö feelif^en Sic^= finbens. 2)ie erotifcfie Senfation tritt gurüd. 3Son efftotifc^en Übertreibungen be3 ©ppreffioniemuä ifält \iä) ilaifer fern. STec^nifc^. entfaltet fic^ feine ^ramati! fo, ha^ er bie Spannung fteigert, burc^ ben Sc^Iu^ inbeffen enttäufcf)t. (genannt feien ^ier nur nocf) bie „^Bürger üon Garaiö" (1914) unb „§öEe, SBeg, ©rbe" (1919).

Srama. (i73

2)er SBicncr ^^hitou Silbgouö (c3cb. 1881), aucf) dlö 2i)xiUv, äumal alö Soiict. tenbic^ter (,/3tn @Qi>") ju rüf)men, f)at beionbereö Sluffeljcn biirc^ jeinc Dramen „%xm\ü" (1914) unb ,,ßiebc" (1916) erregt. S)ag ©iiiäctne, ^nbiüibiieae tritt siigunftcn Dc§ Mgemeincn unb ^Tgpifc^cn jitrücf. Xaö jeigt bie cyprciiionifti)rf)C 3f?eigung, bie Ein- gabe luirflic^er 9lamen ju üermeiben. SBejeicfmenb ift aiic^ ber SBec^icl jnnic^en ^oefic unb ^rofa. <So folgt auf bcn uicrten ^rofaoft in Dcni ef)cbrQmn „Siebe" ein fünfter in SSerfen „quasi epilogus sub specie aeteriiitatis''. Unb aucf) I)icr lüic bei foüiclcn onberen 2)ramen fpicit eine gro^e MoUc hivi 3)Jotiü ber ^eitigteit, kr 9Ibfe^r üon ber SBelt, bie asfetifrfie 33crf(ärun9. 2)qö bebeutet aber jugteic^ 3lbrocnbung Don bcm SBirtlic^en, ®yftafe, ein JRaufc^, eine ©ntjücfung, raie fie felbft ben entfrfjicbenen 9leu: roniüntifern fremb geblieben jinb.

3n einer 3ßit/ ha nod) immer bie Dramen eineö Sßebcfinb nUgemciue JSeromu berung ernten, [ä|t fic^ über bie ®ntn)icf(ung beö ^rnmoä überf)aupt nichts fngcn. ^a mag baö Äinematograpf)entF)eater, ba§ augenb(irflirf) bie ernfte 53 ü l) n e für bie 3)?affen beifeite gefcE)oben i)at, norf; nic^t baö größte Übel barftcden. (So foll luoljl fo fein, ©ie tecfinifcfie Hebung ber Süfjnenfunft, um bie fic^ 33üi)nenlcitcr mie !?iibU)ig Scrna^, ^'nul Sd)lcnt^cr, Cüo Jöra^m, 9J?av 9fcin$arbt unb er befonberö / 3tl|rcb Uon Scrgcr unb Wa^ 9}Jartcrftcig üerbient gemacht (;aben, fomic bie berufs= mäßige ^urd^bifbung be§ ©(^aufpieterö finb auf bramatifdiem ©ebiet bie ^eruorragcnb-- ften ©rgcbniffe ber tefeten ^alirjei^nte, fofcrn fie mef)r bebeuten follcn, a(ö ben Öornei« für eine 3:'^eorie ober bie Untcrt)altnn<^ für einige Stunben.

2Ber luoEte bem 2)rama ^eute eine 3"fi'"f* propI;e5cicn? ^a, mn oermöc^te aud^ nur rein äu^erli(^ t)orauSjufeI;cu, ob bag S^aturtljeoter ober ber riefige ampl)i- tf)eatranfd;c 9?aum beä ^xxluö bie fünfte ber alten ^of^ unb Stabtt()catcr abjulüfeu berufen finb, ober ob ni^t bie Mü\xI baö ^rama gau} in fid; auffangen rairb? Dbcc ob mand^er fic^ nic^t gar jurüdfinben wirb ju bem 53cfenntniö 9iic^fd)eö, ber bie 5Büf)ne, biefe tünftlic^e Sd)öpfung beö gricd)ifd)en ©eiftcö, überijaupt abgelehnt f)at? „SBaö ge^t mic^", fagt er, „baö Xf;eüter an? 2Baö bie Krämpfe feiner ,fitt[ic§cn' (^U ftajen, an benen haö iöolf unb roer ift nid)t ^Solf ! feine Genugtuung I;at! 2öaö ber gange ©ebärbcn^ohiSpohiö beö Sc^aufpieierö! 3)?an fie^t, id; bin mcfentlid) antitljeatralifc^ geartet, id) l)ahc gegen baö 2:r;eater, biefe "iüfaffcufuMft parexcellence, ben tiefen ^o{)n auf bem ©runbe meiner Seele, ben jeber SIrtift f)eutc i)at"

©ö fteHt ber beutfc^cn .f{unft ein gutcö 3cugni§ anö, ba^, fofern bei iljr non einem 9]iebcrgange gefprod;en mcrbcn tann, biefcr boc^ me^r bao ^tu^erlid)c ber 1)rn-- matif betroffen i)at. 2luc^ im ^rama uerleugncn fic^ bie beut)d)e ^unigfeit unb bie brutfc^c Sriefe nic^t. ^aö f(ad)e 3d;augepränge ift ber bcutfd^eu Seele ocrbafU. T)lc Dramen nnfercö ffrö^ten ^ic^tcrö @oetf)e finb mcl;r £efc= alö Sübnenftürfe. üerbient ein 2)rama nic^t bie £cftüre, bann ucrbient aud; nur l)öd)ft feiten bie 3luffül)rung, bie mir anbererfeitö fc^on im ^inblid auf bie Sßolfßbilbung faum nod) cntbeljrcn fönnten.

(So ift jiemlid) gleichgültig, mit lueldjem 3luöbrud mir Ijeutc bie einjcinen Strö^

Or()Ife, <l5ic brutfc^c ßitctatiit fcU ®oct^eS lobciifm. 43

674 2)ic 3)id)tuiig ber legten Qol^rgc^nte in imb neben ben gvofeen ©trömungen.

mungen unb 9^ic^tungeu bejeic^nen, wenn nur bo§ einzelne SBerf, baö wir in if)nen entbcden, eine roirflic^e 5Dirf)tung ift. Sft baS, bann braurf)ten wix, wenn fi^ um ein fogenannteä ©roma I)anbelt, im 9lotfolle meber 3:f)eatergeböube nod^ B6)an' fpieler.

ÜberoE, wo bie beutfcfie ^unft ou§ fid^ fefbft ge[c^öpft, roo fie nic{)t fremben Flitter geborgt f)at, ift fie gro^ unb reic^ geworben, I)at fie 33erounberung unb Siebe ge- erntet, ©elbftbefinnung unb oöIfifcEieg (Sigengefül)! werben bafier mot)l bie ©terne fein, bei beren Sic^t fie niemals irren fann.

Hnmerkungeti.

©. 1. Siöliograp^tc. 9?idöt ein fDitematifd^ angelcgte§ ßiteraturberaeic^nie finb biefe Süimertungcn unb aud) n\d)t ein Quelkmmd))vtx§ , foiibcrn eine (£rfläii3ung be§ '3:eite§, toie td^ im ?3ürlDort anbeulete, Ijicc ober gur SBornung uiigejdOuIter 2cfcr toieber^olc: bic SD^e^r» 5af)l bei- 9?amen ift ja üDcr^aupt iiicl)t mit 2Inmcr!iiiigcn Oebad^t lüoibcn. a3i6IiogrQpf)ifc^e |>ilf^mittel ^abt id) in meiner Bei Sl'el^ogen & ^lafing beröffentlic^ten Üiterolnrgefdjid^te S. 429 genannt. 9iuf SRob. g. ^(ritotb^ „9[Dg. 93üc^erfnnbe jnr neueren beutfdjen Siteratnrgefdjid^te* (©trafe&urg J910, jegt in 2. SInfl.) imb 9t. Tl. 9Kei}er§ „©runbrife ber neueren beiitfc^en Öiteratur« gefc^irf}te" (2. Shifl. 1907) loeife id) [)ier noc^ fiefonberä ^in. ^ofep^ 9?Qbler§ „ßiteratnrgefc^icfite ber bentld;en Stömme unb 2anbfd)nften" (1912 ff.) gu nennen, l^abe idj mir für biefe SteQe bot» Behalten, lüeil fie bnrd) i[)rc ©liebernng unb ©efidjtSpunftc gerabc für bcn boiliegenben ©anb IBebentnng ^at unb in mand;er 9tid)tung inciterfü^ren fnnn.

3tu§ bin im 93orlüort angeführten ©rünben t)o6e id^ mid^ befonberS oud^ bei bcn fran3üfiid)en Siteratur^iftoritern nmgefe[)en. gür bie a3e5ic^ungen jur bentfd^en fiitcratnr fommen ba anfeer ber bcfannten bergleid^eiiben S^ibliogrop^ie „La Litteiatuie conipareo" bon 2oui§ ^. 93e^, bie in bem Sefefaal jcber gröjseren 9}ibIiot[)cf ftc^t, in crfler fiinie in 93e« tradjt 33irgi[e 9toffel§ umfangreid^eS SBert „Ilistoire des R-lations litteraires ontre la France et TAllemague-' (5part§ 1897) unb al§ 2:i)pn'3 9f. 93oifert§ „Ilistoire de la Litterature Allemande" (III. (£b., 5pari§ 1907), bic id) nod) mcl^rfad) Bernn^iel^en tücrbc: idö ^allc für nü^jHd), ein fo bcrbreitcte§ SBert luie biefeS einmal bon gafi 3u gnü burd)jnbcrglcid)en. Süirgilc DtoffciS ^nd) fd)eibet ficö in bic beiben Xeile „®entfd)e ßiteratur in granfrcid)" unb „gran3üfifd)c Eiteratur in 2)cutfd^lanb". 9fid)t gerabc ri)aubiniftifd), aber bod) national 'franjöfifcft geftimmt, fleOt er fcft, ba'^ bie beutfd)e fiitcratnr am meiften bon aüen bon jc^er frembcn Cfinflüffen offen getücfen fei, unb fo fei @oct[)e gciuorbcn -le premier grand ouvrier de cette ÄH'Itlileratur qu'il anuon^ait". ©ine fold^e OioQc 3U überiicr)men, fei jebod) bcn 25eulfd)en nnmöglid): „Ni leur Idiome, ni la tournure de leur esprit ne leur permettent de remplir le röle si allegrement tena par las lettres fran^aises". 5öon ber beutfd)en fiitcratur biSioeilen neu befrud)tct 3n tocrben, Jnic Dicnan forberte, fönnc aßenfatlv für bie .,race gauloise" bortcil^oft fein. Om übrigen ift granfreid^ für i§n bie ccolo dart, 3)cul)rf)lanb bic öcolo de scienco, jcnc-3 njcnbc fid) mit bcn „Oeuvres de pure imagination" mebr an bcn „esprif, bicfc3 me^r an ba& „sontiment",

SBaS bie im folgeuben sitierten (£in3elid)riftcn, gleicftoiel in Jücld)er Sprad)c, betrifft, fo ift c3 immer ein, loenn and) nid)t jebeömal Qu3gefprod)cncr, burdj bcn 2crt gegebener Slnlafe, ber fie bier alfo mebv gitfäüig auf bcn H>Ian ruft, niib fclbft in füld)em gaOc 3toingt mid) ber 9iaummangel oft 3um ^l^cr3id)t. S)er bon mir für eine fpötcrc ;Jcit iu "ün^* \id)t gefteOte lüiffcnfd)aftiid)e 3(pparat mirb unter güuftigercn iyerbältniffcn ja »uo^I boc^ ein» mal 2:atfad)c hjcrbcn unb beiben lüiinben ccft bic gcljörigc ©rnnblagc geben fönnc».

©. GS. 9lnncttc. 2)a§ ^abc 1914 brad^tc 3tDci locrtboae ?lrbeitcn über bic Dichterin:

© g?^. g?feifcr§ berliner 25iff. über ibrc 2l)rif unb g. .^^citmann, „91. b. ^Droftc^i. olö Gf

Säblerin" (SJJünflcr).

43«

676 " SInmei-fungen.

©. 72. «ßlatcn. ®inc big tu§ Heinftc erfd^öpfeube 5ßIaien«93iograp]^ic Ijat SRub. ©d^löffcr, bei* frül^cte S)ircftor bc§ ®oetlöe«©döiIIer = 9lrd^ib§, in gtoci ftorfcn Sätiben gc« [daneben (2«ünd§en 1910—14). ©er er[tc 93Qnb fül^rt bon 1796 bi§ 1826, bcr atücite 6i§ 3um Xobe. "©aS SSerf ftellt, toie ber 93crfaffer im «orlüort l^übfd) fagt, nid^t fo fe^r ba^ 93ud^ bar, bo§ er über ^. fjabc fd^reibeii tooHen, al§ bieimcbr baSjcnigc, t>a§ er über 5ß. l^abe fd^reibcit inüffcn, benn fei bie nottoenbigc grud}t feines bi§ in b'ie grü^äeit feine§ geiftigen 2Berben§ gurüdfreid^enben tiefen $ergen§berpltniffe§ gu bem 2)id^ter. Sn einer Scgiel^ung frcilid^ bleibt audf) bie§ SBerf gragnient: <Bä)l begnügt fid^ bamit, „bie eigentümüd^e crotifd^e Söeranlagung be§ 2)id^tcr§ einfad^ nntcr bie gegebenen S3orau§fe^nngen" gu fteöen, ba er fid^ nid^t äutrmite, ber „tief einbringenben SJel^anblnng be§ gleichen 5ßrobIeni§ in ßubtoig bon ©d^efflerS ergreifenber SRenaiff ance « ©tubie iSP^idCjelangelo' (Stltenbnrg 1892) ettoaS and^ nnr annäliernb Ebenbürtiges an bie ©eite gu fleHen". 5ß.§ 93riefm. ift ebenfaHS bon Sd^l. l^eranSgegeben ttjorben. Über 5)5.6 ©afelen ügl. <q. Xfd^erftgS 2)iff. (.Qcxpm 1^07, f. <8re§I. «Beiträge, 93b. 11), bie einen weiteren Sufamnienl^ang gJ § mit bcr [Romantif belegt, ©iefer ftel^en bie @. baburd^ nal^c, bofe fic fo oft ben S)id^ter nnb t)a§ 2)id^ten felbft bel^anbeln. gcrner erinnern mcl^rcre an bie romantifd^e SBeltanfd^auung, ba^ ben ©ternen cttoaS ^ßerfönlid^eS , ein Eigenleben, innetoo^ne. 5>gl. nnd§ ©. g?c§et, „gJ.ä 93erl^ältni§ gnr Stomantif" (SWünd^en 1911). 1918 ift ein gebanfenreid^er 5ßlaten = ütoman („2)cn alten ©öttcrn ju") bon ^an§ b. hülfen erfd^ienen.

©. 76. «Rfirfcrt. Überfe^er loirb 9t. geloürbigt bon ^. äRacfe (^rogr., ©iegbnrg 1895), inbem groben hjörtlidier Übertragung neben bie freiere 9i.§ gcfteUt irerbeu. 2)a§ ift g. 18. Icl^rreid^ bei ber .^aniafa 9lbu S^cmmanS, einer ©ammlung arabifd^er ^olMieber, imb geigt yi3 ^nnft in glängenbem ßid^te.

Gm SBcimarer ©oetl^e'Sdöiüer'Slrd^ib fanb id^ aufeer bem bekannten 93ricf oom 9.2Wai 1811, mit bem dl. nl» ^ribatbogeitt in ^cna ©oet^c „ba§ erfte ^robnlt" feincS „Juiffenfd^aft* (id^en ©trcbenS" überreid^t, ein ©dfjreiben bom 1.5. 9Jobember 1843 an ben Rangier bon SJiüßer, in bem 9^ mitteilt, er luerbe in 93erlin aU ^unggefcKc tbolinen, inogu il^n gar nid^t locEc 3Jier SBod^en fpäter (10. 2)e3ember 1843) fd^reibt feine grau fiuife an äWüHcr u. a.: „@o geeiert luar id^ al§ erftannt, ba% ®tu. ($i"g. nad^ fo langer 3eit fid^ einer ^lufeernng bon mir über ein ®ebid)t SRüdfertS erinnern, ibeld^eä mid^ frül^er ein loenig gequält l^otte. ift nid)t ba^ einzige in bicfer 3lrt, aber bie '^sxt unb ba§ 2o§ ber ^auSfrouen, benen bie i^rofa über ben ^opf ibäd^ft unb bie ^oefie nebft ber (Siferfud^t mit loegf d^lüemmt , bot aud^ mid^ betroffen, unb fo fage id) benn mit @emüt§rul)e, bnfe id) mic^ bod^ geirrt, nnb ba^ ba§ bjol^l bamalS bon mir gemeinte, fo fd^ön f omjjonicrte : ,®u S)uft, ber meine ©eele füllt' nid§t mein gel^ört, fonbern aiemlid^ furj bor meiner S^^t b. b- bor meiner fiiebeSgeit mit 9tüdEert gemad^t Ujorben ift. Slud^ in ben ßiebeSfrübUng l^aben fidö ttwa 3 4 fold^er ßieber toie (BudfudtS » Eier in§ frcmbe l«eft gefd^ltdjen". ^gl. aud^ grang a«uncfer§ Heine 9Konograp^ic (Bamberg 1890). «öttig bergeffen fd^eint ©ottfrieb ÄinfelS 9?ebe auf m. am 2. gcbruar 1867 (gebrudt güridö 1867), bie ba§ unpolitifd^ 9?ationalc in 9i.§ SBefen betont.

©. 94. S^amtffo. ©tefen Siebter aä^len bie grangofcn balb gu btn Seligen, ^gl. 1'. ©rouiUon, ,,Un poete allemand de nationalite frangaise" (9leim§ 191Q).

©. 99. «tcft§. 2)ie 93c3{ebungcn 9l.§ gu bem englifd^en 3?omanfd^riftfteEer ©cott f^at cingc^enb ^. ßorff in feiner S)iffertation (^eibelberg 1907) unterfud^t. 3)er erfte Xeil feiner ©d^rift hztxüä^ttt ben biftorifd^en 9loman in feiner berfd^iebenen (Seftaltung burd^ ©cott unb 21., ber ahjeitc ben ^iftorifd^en 9toman in feiner ©nttoidlung. ©. 140 roerben bie 9iefultate gufammengefafjt: ©cott blieb ftel^en, begnügte fid^ mit bem Erreichten unb berfani in l)anb« hjerfämäfeige ©d^reiberei, loäl^renb 31. immer nieitcr „mutig auf ba§ Problem eines neuen ^iftorifd^en 9ioman§ loSfteuerte" ; aber biefeS fei ein unenblid^cS getoefen. 3n neuerer ^cit ift umgelcl^rt aud^ bcr Einflufe bcr bcutfc^en ßiteratur auf bie englifd^e in jener Epodjc toieber» ^olt be^anbelt hjorbcn; bgl. barüber 3.93. 2^. Seiger (93erlin 1901), bcr bcfonberS EampbeH, SSorbSUjortb, ©outbet) unb ©gellen beriidfidfttigt.

2(nmerfungett. 677

®. 103. ÜWetn^oIb. 1)ie „58ern|lein^ei-c" lüiirbe bon 2au6c fogar bramoHficrt.

©. 105. ®(^cfcr. ©ine auSgeseic^ncte SBürbigung bietet in feiner gefrönten gJrei^. fc^rift e. 93renning (9?eue§ Snufi^er ST^agasin, 60. 93b., l.,^-)eft, @ürli| 1884, S. 1-200). Wlan "ifatti bor^er ©d^. tneift nur fo mitgcfc^Ieppt ali ein «ßrobuft anberer. 2)emgegenü6er ^icüt 93. feft, bofe ©d> sui iuris fei unb nu§ fic^ fclbft ^crnu§ begriffen hjerben muffe, ni^t aus, (jin. flüffen unb Stnrcgungen.

©. 105. ©(^ercnbcrg. ©tau berfäume uid^t, S^. gontaneg Scfirift ,su lefen über „e^r. g. (5rf). unb ba§ literarifdje «Berlin bon 1840 bi§ 1860" (93erlin 1885). Um Sc^.g ei^orafter gu geic^nen, teilt g. (©. 227) eine t)ü6fc^e gomilienfaene mit: hjic (Bd). gegen 4 U^r frü^ im SBinter \vaä) föirb unb nid^t früher einfc^Iafeu fann, 6i§ feine Xod^ter ben Sd§nec= fd^ippern ein paax ©rofdjeu gebracht f)at, Mh fie fiel) 'rva§ SBnrme§ taufen". 2abei fommt fo xi^t gontanefdjer §umor in ber ©arftenung gur ©eltung. 5?gl. femer SR. Ulic^, „e^r. gr. Sc^., - Seitrag aur 2iteraturgefd}ic^te be§ 19. ^a^röunbertg" (ßeipjig 1915). 11 fd^i3pft, befonberä für bie ©efd^idjte be§ „SunnelS über ber ©pree", a\iB ungebrudten Stufjeidjnungen. ^n mehrere ßiteraturgefd^id^tcn l^at fid^ ein falfd^e§ 2)atum cingefc^Iid^en: „ßignti" ift nic^t 1849, fonbeni 1846 erfd^ienen.

(5.106. öfterrcii^. über „^ie eutmirflung bcä SBiener X^eaterä bom 16. jum 19. ^al^r^unbert" ift eine bon ^. 'Ulabln angeregte, bon % ©auer geförberte, überaus lebr« reid^e Slrbeit in gJoei Sänben bon aWorig ©nginger erfdjicncn («Berlin 1918 19, 93b. 28 29 ber ©d^riften ber ©efeüfd^aft für S^eatergefdöic^te)-

©. 106. ©riaptträcr. Xie 2iteratxtr über @. ift in ben beiben legten ga^rje^nten rtefenf)aft geinad^fen. 93iogrop^ifd^ fei gubor aufmerffam gemad^t auf ©etti) ^aolis Huffa^ (Stuttgart 1875), Sl. ©auerä ©tubieu unb ^. dian, „®. unb fein 2iebe§Iebcn" (93erlin 1904). ®.§ Sinnen finb bon ^. ©loffi) nad^geiuiefen hjorben in SBaiaentird^en. Über ®. unb Slnjen- gruber bgl. im 9(n^aug ju beffen 93riefen (1902, 93b. II, ©. 385) 9(. 93ette(^eim. @. in feinen iBegiebungen gu ©d^opent)anerö ^^büofopl^ic h)irb betrad^tet im 5. ^a^rbud^ ber ©d^.» @efeafdöaft.(ÄieI 1916) bon §. (Beifeier auf ©runb einer früheren 3)iffertation. ©d^.§ ginflufe auf (8. batiert h)ie ber jenige be§ 5)tftt)ctifer§ 93outcrloef auä bcm ^af^xt 1819, in bem ®.-3 Stuffäge „3ur itunftle[)re" entftanben. !J;iefc geigen, bn^ ®. fid^ ©d^.S Ce[)re bon ben beiben berfdjic bcnen SJJoglidjfeiten ber Beltbetrad^tung angeeignet ^alte. Später fdjtoanfte dJ. jiüifdien ©c^.ä unb ^antS Obcenlel^re tyn unb bet- -lu§ einem erft fürglid} bcröffentlidjten 93riefe ® >3 au feinen greunb ®eorg 9lltmüCter fei bicr fc^liefelid) nod^ eine ©teile nad&getragcn, bie fein 93er« l^nltniä gu Siatf^i gröf)lid^ burd^ bie gragc berührt, ob er fic loirflic^ liebe. „2Sontc ®ott", fd)reibt er, „id^ fönnte fagen ja! SBollte ®oÜ, mein 'Ä'efen tuäre fäbiß biefC'3 rüdfidöt^lofen ^iugebeno, biefe§ ©elbftbergeffenS, biefeö llutergebenS in einem geliebten ®cgenftanb: \)lber id^ ibeife nid^t, foll id^ l^od^fte ©elbftbcit nennen, menn nirijt noc^ fd^limmer; ober ift blofe bie golgc eine§ unbegrenatcn ©trebenS nad^ ihmft unb Jüaö gur ^unft gebort, toa9 mir oHe anberen l;iuge fo au§ ben 5üigen rüdt, bafe id) fie luobl auf yiugenblicfe ergreifen, nie ober lange feft^alten fann. OTit einem SBort: id^ bin ber lUebe nic^t fäbigl ©o fcbr mid» ein loerteS Sefen angieljeu mag, fo ftet)t bod) immer nod) ethja§ böbcr, unb bie ©ciocguugen biefe-S ettüoS berfc^lingen afle anberen fo gang, bofe md) einem .*C)eute boO ber glübenbften gärtlic^feit leidet o^ue 3iüifd§curaum , o^ue bcfonbere Urfadje ein SRorgcn bcnfbar ifi ber frembeften ^älte, beä «ergeffenö, ber geinbfcligfcit mödjtc id) fagen. M) glaube bcmcrrt äu l^aben, ba^ id) felbft in ber ®elicbten nur baö 93ilb liebe, ba5 fid) meine «.|3^autafie bon i^r gemad^t bat, fo baf5 mir ba§ SBirllic^e gu einem ^unftgebilbc luirb, ba« mic^ burd) feine Öbereinftimmuug mit meinen ©ebanfeu entgüdt, bei ber fleinften 9lbu»cid)ung aber um fo heftiger aurüdflöfet. Siann man ba^ Hiebe nennen? 93ebaure mid) unb fie, bie eS »oabrlic^ berbicnte, toabr^aft unb um ibrer felbft ipiKeu geliebt gu merbcn."

©. 135. JRaimunb. ^gl. SU. ©auerS auögeäcid^ueten '«^luffae in bet Wagcm. Teutfdjeu löiograpl^ic.

678 2tnmerfmtgen.

©. 137. 3cblt^. Über 3-, ben ®t(^tet be§ ©oIbaten6üd^Iein§, bgl. ©b. 6aftle, ü6cr 3-, ben ®t(f)ter ber „^otenfränae" : D. §eainamt (ßeipsig 1910). „©oll bem 2)i(i)ter", fo fd^reiBt $., „ein 5ßln^ in ber ßiteraturgefc^td^te gefid^ert Bleiben, fo lann er il^m nur angetoiefen trerben auf ber ©nttoidlungSlinie, bie bon ben ^otentränaen au§gel)t unb über ßeuau, 9lnaftofiu§ ®rün 3U ben £)fterreid^ifd^en greir)eit§[t]rifern ber bier^iger 3al)re fü^rt."

©. 137. ©rün. 93on neueren Sirbetten finb gur ©rgängung be§ %e^h§ befonberä toefentlicf) ^. S- ^entfc^el (SBien 1905) unb ©t §ocf (2Bien 1906). Stber aud) 5ß. b. 9iabic§ (ßeipgig 1879) ift nod^ immer l^eranaugiel^en.

©. 139. Scuttit. 1904 'i)at ein granaofe namen§ 2. Uietjnanb ein 83ud) bon bieten l^unbcrt ©eiten über 2. gefdjrieben, t>a§ bie ItenntniS feine§ 2eben§ unb feiner Söerte bereite borauSfe^t. S^ro^bem förbert biefer ungel)eure ^ß^rafenfcfinjall nid)t. 3um „S)on Quan" bgl. $. .giectel, „S)cr§ S)on 3uan = 5^robIem in ber neueren S)id)tung" (©tuttgart 1915). über ^ürnbergerS ßenau^SRommt „®er Slmerifamübe" ^at ber Slmeritaner ®. 2(. SP^uIfinger (^^ira= belp^ia 1903) eine ©rf)rift beröffentlid^t. ^. fdf)öpftc bie im SHoman enthaltenen ßenntniffe auS SReifeberic^ten. Sie biogra)jf)ifd)en ©arfteHungen über ßenau bor bem ^ai)xe. 1855 beftimmten t^n, 30?oorfelb, ben |)elben ber ©efifiid^te, mit ßenau äufeerlid) gu ibentifigieren. Wft.§ 5lrbeit ift im 5ron eine ©d^mä^fd)rift gegen ^ , gu berfteben nur bon bem nationalen ©tanbpunft be§ Slmeri!aner§ au§, ber feine 2anb§(eute in ©d)u| nimmt; g.S. nennt er i^n ©51 „feige genug, bie §auptquetlen be§ 9^oman§ gu berfd^rt)eigen".

©. 147. ©tifter. SBenigc bentfd)e ®id)ter finb eine 3eitlang in bem ®rabe unter« fc^ä^t unb bernadiläffigt rtjorben tvh ©t. §ält man boc^ Ijeute nod) nid)t ber SJJübc für tocrt, feinen „SBitifo" aud) nur teilioeife neu gu bruden, unb ber „9?ad)fommer" ift mit ftarfen ^ürgnngen erfd^ienen. 5lud) i[)m toerben bie bon Sei^mann unb mir b^rauSgegebenen „ßiteratur' loerfe an§ bem 18. unb 19. ^a^ri^imbert" gu^ilfe fominen. 3m 5tu§Ianbe itjirb er 3. %. über» fd^ä^t. S3offert 3. S3. bringt über i^n mel^r oI§ über ©torm. SBenig befannt ift, ba^ ibm in bem foeben ertoäbnten „9Zac|fommer" 93ettl) ^aoli (®lifabetb ®lücf, 1815 1894; über fie bgl. £). SBalgel unb SR. Tl. SBerner, ^refeburg 1898) SKobett geftanben bat- ^ingeloiefen fei ferner auf bie große prächtig iltuftrierte ©tifter = 93iograp:^ie 9t. Di §ein§ (^rag 1904). SefenSföert ift auc^ ein ^ßortrag ®. SertramS (Sonn 1919). fieiber mad^t man aud^ in ©t.§ ^eimat mit ber geringen S3oIf§tümtic^feit biefe§ tä)t beutfc^en ©id^tcrä bi»h)eiten nod^ trübe (Erfahrungen. SBeber in ßin^ nod§ in feinem fteinen (BeburtSort Oberptan lüu^te eine gange Stngabl bon \t)of)U fituierten, 3. %. beamteten Ißerfonen mir ettoa§ bon feinem §aufe gu fagen. 2Ber ben 93öbnter» tüotb he\ud)t, berfäume nic^t ben 93lödenftein= (b. i). §od^tDatb=) ©ee, tüo ©t. im Uja^rften ©inne bal^eim ift.

©. 169. 25aä iSunge Xicutfii^Iani). über biefeS liiema befi^en ibir ^ol^. 5|Jroet&' „SSud^ beutfd^er @eifle§gefd)id^te", ba^ fid) tieft tbie ein 9lomoit, aber tro^ feine§ Umfangä ben un» gcbeuren Stoff nid)t erfd)öpft („1)a§ jimge ©eutfd^tanb", ©tnttgart 1892). S3on g5. unb 93ranbc§ angeregt, bon SBalget geförbert, bat Q. ötoefc^ eine ©iffertation über „2)a§ junge ©eutfd^lanb in feinen 93eäie^ungen 3U grantreid)" (93ern 1903) gefd)rieben mit befonberer Serüdfid^tigung ber SSirfungen ber 3uIt=3flebolution. 2?gt. aud) §. ^. ^ouben, „3ungbeutfd)er ©türm unb ©rang" (fieibgig 1911).

©. 170. 9KenäeI. SSgl. über i^n m. U«. 9Ket)er in ben „^robtemcn unb ©eftatten" («Berlin 1915).-

©. 171. Saube. ©inen bead^tcnStoerten 93erfud^, S.§ ßebeu unb ©ntmidfimg bar» 3uftetten, machte §. ^ouben im erftcn 93anbe ber bon i§m berauSgcgebenen SBerte (Seipatg, ^cffc§ 9leue 5ltaffi(er = 2tu§gaben). 93gl. 5ß. SBeigtin, „©u^foltJS unb QaubeS ßiteraturbramen" (Palaestra CHI, 93ertin 1910).

©. 171. aWitnbt. 5ögt. ncnerbing§ D. 2)raeger, „%i). 2)?. imb feine 93e3iet)imgcn 3um jungen 2)eutfc^tanb" (in ©Ifterä „Beiträgen", SKarburg 1909).

Stnmerfungcn. 679

©. 171. ^. u. 6^. ettcgli^. §. ©t.§ Sdb\tbioQxap'i)\e lüurbe 1865 bon 2. eiir^e I|erau§gege6cn; fie entl^ält u. a. (S. 519) eine Übecfidjt über feine Sdjriften, and^ bie einjclnen auffäge wnb @ebid}te. ^einridjS &tab lüirb nur buud) 9Jamen unb "^aten, (if)arlotten§ Qud^ burc^ i^te legten SBorte beäeid^net: „SBir luerben un§ ttjiebec begegnen, freier, gelöflct." S)rei 2:rauerlüeiben befd)atten bie bon einem eiferuen ©itter nmfdjioffene ©rabftättc. 2^er» felbc ^prebiger, ber am 1. Januar 1835 ß^arlotte jur legten Düi^e begleitete, rief aud) ^einrid^ 14 .^a^re fpätcr t)a$ legte SBort nad^ : „Sit terra ei levis!-' ©roßeS Sluffe^en l^nt biefe» (£r» etgniä nud^ in gcanEteic^ erregt. 58gt. ©eiltiere, „Une Tragedie d'amour" (ißariä 1909).

(5. 172. ®u$fow. §ouben§ ©tnbien über ®.g Sramen (^ena 1899) finb fritifc^ auf« junel^men, tonS aud) ®b. 9Keti§ („®. alä ©ramatifer", Stuttgart 1915) nidjt ^inreic^enb be« aäjttt ^at 1901 l^at ^ouben ©-gunbe beröffcntlidjt, auf bie fid) and) Xic\dj be5iel^t: „G. et la Jeune Ailemague" {^axx§ 1904). ©er grangofe rü^mt ®. befonberS, loeil er „n'a jamais admis la paix arinee et Fesprit de defiance eotre les peuples.'' 2)aB ir)m bon ®.§ SBittoe 93crt^a ermöglidjt luurbe, eine unbefanntc ©.«^anbfdjrift ^u beröifentlid)en, geigt fo rcd^t i>tn Siefftanb beutfc^en SZationalftoIgeS. ©inigc biefer ©ebanfenfpnne gebe id) f)ier mieber:

1. 2)e§ 2eben» SBeiSf^eit befielet barin, forttuä^renb fid} in ber 2age gu miffcn, bon gmei Übeln ba§ geringere toäblen.

2. 9Kit 2id)tgebanten muß man nid)t gteicO gu SSorten fahren , 9?id}tgebanfen erfdjeincn fie un§ in ^a^ren.

3. SDie bcftc SKufe ift ein fleißiger Slopift. ©r treibt ben Slutor borh)ärt§, er läfet i:^n nidjt gur 5Rufie fommen.

4. ®§ ift redjt fd^ön S:^arafter l^aben, hjenn nur mel^r 2>Zenfd)en ba hjüren, bie c8 gu luürbigen toüfiten.

©. 173. Sörnc. 93.§ SSerfe liegen je^t in 12 93bn. (23erlin, 5öong) bor, bcranögegcben bon 2. ©eiger. 2öid)tig ift bie neue ®iff. ^. Santtinö, „93.Ö einfhifs auf ^ciue" («yonn 1913). einen n^cnig befannten 93örne = i){oman („Sie jünger 93ürne§", 1846) Ifat Tlhma 2>?auer gefc^rieben.

©. 189. ^rciligrot^. 5ßgl. bor attem 93ud)ner, 5(ucrbadE), gd)mibt'SEciBenfcI§, Dlobcn« berg, ©d^n^ering nnb Seffon (S^aü^ 1899). g. al§ tlberfeyer lüirb gciuiirbigt bon Di. Diidjter (in 2«uncfer§ „Sorfdjuugen", «erlin 1899), al3 polit. 2:id)ter bon 51. ^olbcrt (^iff-, üJJün» fter 1907).

©. 200. öoffmauu b. gallcv^leDcu. ©.§ aufeerorbentlid) frud)lbare Jätig!cit in bcn Sauren 1818-1868 luirb bibIiograpt)ifd) gcmuftert bon 3. SR. 2i>agncr (Söien 18ü9). gür ©er- maniften ift bie tnic fdjeint Ijalbbcrgcffcne 5lrbeit unentbebrtid). i^gl- aud) bie „©crmaniften» briefe bon imb an ^offmann b. gaacr-ileben", bcrau^Jgegeben bon g. i<c^rcnb (5?crliu 1917, 2iterarturarc^ib = ®efeIIfd)aft, aJJitteiUmgen 23b 14i.

©. 207. @. u. :3. Sltnfcl. Q3on neueren Strbeitcn bgl. bef. 3- g. Sd^ulte, „Jobanna mnfel" (aJJünfler 1908) nnb ß. ©nberS, „©ottfrieb itinfcl im Greife feiner ilölncr ^ugcnb« frcunbe" (Sonn 1914). ^arl ©c^urg' „ÖebenSerinnernngcn" (a3erlin 1906) finb natürlid) uncnt» befirlid^.

©. 217. ^ie fr^wöbtft^cn ^tt^tcr. SWan barf nie bcrgeffcn, bof; bor ^Uamc einer fd)luäbifd^en ®id)terfd}ule gac feine 4^ered)tigung I)at. Weiabc bie 3d)iuabcn, gu bencn ja aud) ©d)iaer, $anff uff. geboren, bürfen Slnfprud) barauf u.ad)en, bofe man bei biefcm Ianbf(^aftlid)'-bölfifd)en begriff nic^t blofs an bie lU)lanb«®ruppc benh. Xa8 «luMonb tut baö aud) nur feiten, »offert d)aratterifiert Sdjiunben aUi eine Si^clt für fid), bie ifir eigene* 2ebcn unb iC)ren eigenen ffleift ^abe. mid) in ber bentfd)en Literatur bollgiebt fid) fiditlid) eine Ifr. »Weiterung jenes a3egriff§, feine Befreiung bom 2d)ulmnfjigen. ®enn mau g. 3.V bcn luel bcö bon g. Xfiiejj 1915 (Stuttgart) herausgegebenen «Puc^cS: „Xie StcDung ber Sd)njaben gu

"oO 5Änmevfimgen.

©oct^c" lieft, fo fömtte man 3itnärf)i"t im Stoeifcl fein, hjci; gemeint ift. ißatürlid^ Be^onbelt ber 53erf. nid^t nur bie 2)ic^tev um Ul^Ianb.

©. 217. U^Ioub. (Soe6en (1920) tft^. ©d^uciberS bortrefflidjc U.'SSiograjjl^ie al§ ein 2)oVpeIßanb bon ©ruft §ofmann§ „®eifte§^elben" (93crltn) erfciiienen. ©ine grofee ßücEe ift bomit Quggefüat. Om übrigen fei nur nuf gtüei Sirbetten be§3a^re§ 1899 aufmerlfam gemacht: ^. 2Ro^nc§ ©cvliner ©iffertatton „Über U.§ gugenbbid^tung", Wo BefonbcrS ber ©influfe ber SRomantif nuf ben jungen 11. (©. 31 ff. u. 45 ff.) lidjtboa bargefteßt toitb, unb SWicb. 93ernQt)§' Sluffa^ über U. at§ gorfd^er germanifd)er ©age unb ©id^tung i;im 3. 93be feiner „gd)riftcn jur ^ritif unb Sit.« ®efd)id^tc", Seipaig). 93gl. au^ % ^artmann? Heine 2«onograp£)te ((Stuttgart 1912). ll.g 83viefn)ed^fel, ]^erau§g. ö. 9. |>artmann, erfd)ten in bier Seilen 1911 16 in Stuttgart.

©. 222. terttcv. „®o§ ^erncrr)au§ unb feine ®äfte" ift bon ßerncrä ©ol^n 2;[}eobnlb liebcboll gefd)ilbert lüorben (2. 5lufl , Stuttgart u. Seipgig 1897). ^öl^ere literarifd^e Slnft^rüd^c ergebt biefeg freunblid^e, iauftrierte Sud^ ntd)t. @äfte be§ ^aufeä toaren u. a. SBilf). aKüüer, fienau, greifigrotl^, ©eibel, 5?tfd^er, 9Jiörife, Sluerbac^, a)Zofen; ferner, um bie „©el^erin" feunen gu lernen, ©örreS, önaber, ©djeHing, Sß^xUx, @. ©d^ubert, 2). ©traufe, gJoffabant, ©d^Ietermad^er, ©c^i3nlein, ^öflün. „Stufeer biefcn" fo er^nl^lt Si3 ©ol^n „in greifbarer 5Jtenfdl)engeftalt erfdieinenben ©cfud)en famen and) unfieimlid^ förberlofe gu ber ©e^crin; id^ l^örte biefe mit i[)nen rebcu, bod) f^ired^en unb nnttoorten l^örte ic§ bie ©eifter nie, id^ l^abc anä) nie einen gefeiten, incSljalb id^ aud§ balb alle 3lngft bor il^ncn berlor." 2)ic (Erinnerungen 3;f)eobaIb ^.§ Bejtel^en fic^ auf bie gange '^txt bou ber (Erbauung be§ ^erncrl^anfeS bi« gum S^obe feines 33ater§, alfo bon 1822 bi§ 1862. Son ber übrigen Literatur bgl. befonberö g. ^eingmann, „3- ferner alv 9?omantifer" (Tübingen 1908).

©. 223. <Bä)Wat. ©c^.§ fiebcn ift ebenfalls bon feinem ©o!^ne, gl^. %f). ©djioab, er= gä^It tborben. (greiburg i. 23. unb 2:übingcn 1883.)

©. 225. gv. Zff. SJifj^cr. $8gl. g. geilbogen, „gr. 2;^. iötfc^erS ,Slud) ©iner'. ©ine ©tubie" (gürid^ 1916). 83erfafferin ibeift nad^, ba% tvxx bier eigentlicEi mit gbjei berfd)iebenen Sudlern gu tun I)a6en, fpürt bie Ouetten gur ^fablborfgefd)td)tc , gur ©djitberung 9ZorhJcgen§ auf unb beutet bie 2Bagner»©atire. S?gl. aber aud^ gifeelerS 2)tffertation bon 1913 (©öttingen) unb 5^ürb§' ©tffertation bon 1915 (SKünd^en).

©. 227. 9Jl5rifc. 2Bie biefe fd^loäbifdien 2)td)ter im SluSlanbe belfertet Iberben, aeigt al§ 93eifpiel 93offert§ ibieberl^olt gitierteS 2Ber!, ba§ über 3«örife 10 Qcilen, über ©d^toab breimal fobiel, bagegcn etlba bergletd^Sföctfe über ©c^effel bier ©eiten bringt. 2)ic ©rnnblage ber i^euttgen bcutfd^en a)Jörife = gorfd)ung ift ^. 5Wat)nc§ je^t in 2. SUtflage bor= licgenbe SSiograp^ic (©tuttgart unb 93erlin 1913). ©el^r berftäubig lel^nt aWa^nc im S3ov= luort ob, für bie augenbUcElid)C Überfd^ägung be§ 2)id)ter§ beranttüortlid) gemad)t gu Werben. SBefentlid) ergängt ift bn§ SJJercgrina» Kapitel, .«hierüber nod^ foIgenbeS. öm 2)?ärg 1843 bc- richtet SRörifc bem grcnnbe ^artlaub über fein 3iifo"""e»fci» "lit ®- g- ©trauß: „SScil l^iex bon einer Noli me tangere = 53crgangenl^eit bie Siebe ift, fo mufe id^ ciuä) nod) fagen, ba^ mir ©traufe einen langen ?(bfd^nitt in ben SDcnfWürbigfeiten (ibenn t)a§ ber S^itel ift) beä berftor= benen .^ofrat§ (£. 9Küud) anffc^lug, in lüelc^em er bie ©efd^id^te einer jungen ©d)Jbänuerin ciu^ ber ©d^tüeig nnb feiner bortigen Jünglings = @rlebniffe mit if}r ergn^It. SDiefelbe fotl einerlei ^erfon mit Maxxa 9«et)cr fein, bor unfcrcr 3eit. Sei bielem, loaS auffaKeub gutrtfft, ift faft ebcnfobiel, Worin lüenigftenS i(^ fic nid^t erfennen fonute. ®a aber ©trauß mit Mmä) borübcr fprac^ unb fid^ bie 3bentttüt ber ^erfoneu betätigen liefe, fo ift ba§ 2)Zangelt)afte imb über-- triebene ber ©arftetlung , bie eine luiberlidje (Sitelfeit be§ 5ücrfoffer§ au§fprid)t imb mitunter fc^r plump ift, mir nur berbriefelic^ geWefen " 2)iefe 2)en!Jöürbigfciten finb bie „Erinnerungen, Eebenäbilber unb ©tubien nn§ ben erften fiebennubbreißig 3«I)ren eine§ teutfc^en (Belehrten uflu." bon (Jrnft SKünd^, bie 1836 gu S^arläru^e in gloei 93änben erfd^ienen unb bor 9Körife§ 93ctannt= fd^aft mit 2«aria SKe^er faüeu. 83on i^m ift ba gar nid§t bie Dkbe; mit SOTincttc jebod^ ift fidierlid) ^ercgrina gemeint, (famererä S(nfid)t, 9Karia l^abe in WlöxxUi ßcben nur eine

2(innertungen. Q^i

flüchtige 5«e6eni-oae bon initergeorbnetei- Scbeutung mpklt, ge^t loo^I ,511 toeit, ift aber niAt bon ber ^anb gu h)ei)en. mit nocfi Belferen ©riinbeu argumentiert e. 4.eiI6ont in bcm ißaraaelfaac 5«obali§ unb ©o^j^ie bon ßü^n. On Sieöesfac^en ift SWörifc biet >:i3er|rf;n,omnien» l^eit äU3utranen. - 9Zeuerbing§ ift anci& a«ürite§ reicher Sriefmcrf^iel immer me^r jutage ge- treten; t)ingeiDiefen fei l^icr nur auf ben mit ®cf)ibinb (1918), eine ergän^nng ber ©aed)tolb= fd^en ^hibUtatton bon 1890, unb mit ©torm (Stuttgart 1919), iüo je^jt jum crften Wah ciud) ber - bon nur tm STe^t 5ci ©torm beriüertcte - «3rteftoed)fel ber beibcn ©itiuen erfd}cint Herausgeber ift in beibcn gäOen ^. SB. diatf). 9Jatürli(^ toirb ber Söert ber friir)er fcfton befannten $öriefc m.§ (3. «8. an bie 93raut) burcT) biefe 5)Jubltfationen nicfit erreid)t.

©. 238. Violett, eine Überfidjt über nieberbeutfd^e ©c^riftbenfnuiter gibt ba^5 an« fe^nlidje, hjiifenfdiaftlic^ Suberläffige „^anbimdi jur ®efd)idjtc ber plattbeulfd)eu Öiteratur" bon 5Rub. (gctart (Bremen 1911). gür ba§ 19. ^a^r^. i)at ^. ©eelmann eine bortreffUdjc 3u= fammenfleaung geliefert. «orbiIblic^e§ in ber ©ammlung, «öearbcitung unb ,'öerauögabe mittel- nieberbeutfd^er unb friefifc^er §anbfc^riften l^at ^onrab «ordjling geleiftet, ber befannte ®er= manift ber Hamburger Uniberfitnt.

©. 238. ^. «Reuter, gür biefen SJbfd^nitt bgl. bef. % SBilbranbt (2öi§mar 1883), Si. Z^. ©aeberö (2Bi§mar 1894-1900), 5(. «Römer (33erlin 1896) unb Sß. SBamfe (<8erlin 1903). Über bie lit. SSeaiefjungen 3U 2)iden§: §. ©eiftä SDiffertation (^aOe 1913). gerner: 9Jf. SD^oaB. „91. im franaöf. ©etüanbe" (©prottau 1869).

©. 245. S3rinrfmann. «gl. über i^n ba^ mdjUin SB. ©djuiibt^ OJofiorf 1914).

©. 245. ©(^effcl. Sic ibcrtboOfte öercidiei-mig ^at unfere iienntnis ©d^cffelS unb feiner ©id^tung in ben leisten 3ar)r3cr)nten erfahren burd^ (£rnft S3oerfdjeI'3 unifangrcid}e5 SBerf „3- 33. b. ©d^cffcl unb (£mma ©eine, ©ine 2)id)terliebc" («:üerlin 1906), ba^i bon ber greifen grau ^od^'ct'eim, ©d)cffel§ geliebter 93afe, lebhaft gefinbert lüurbe. SBic ber i^erf. im syor= njort berid)tet, begleitete fie iCm fogar auf einer 9{eife 3u ben ©djeffelflättcn. „©ie beibe ftanben im grü^ja^r auf ber SBartburg boi bcm ©ängerfricggcmälbc 3)?ori<} bon ©c^iuinbc-, bon bcm au§ bie fd^n^ereu ^abre ber „grau Stbeiitinrc" it)ren Sfnfang nahmen; fie \tanben auf bcm Scfilofeberg bon ©eibelbcrg bor feinem, cin§ ft^öpferifd^cr (Zeclt geborenen Xenfmal unb gingen bnrdj bie ©trafeen 5itarl§ruf)ca. ©ic fdjvittcn bon Offenbuvg bntdß irin3igtal unb unb am 5Sibcrad)er 93ergrüdeu borbei uac^ ;>,cC( am .^armcr-sbac^ 3ur l'Unutjefc bc§ allen .v^cim, in ber ^nma geboren luar, ftiegen bei ©engenbac^ aufc- „i8erg(e" unb faBcu in Siirfiugcn im „©ulbcncn .^uopf" beim 2Ru§fatcQer. ©ic ftanben auf bcm .»(jo^cnttoicl unb gingen fc^Iieß' lid) bei 5RaboIf3er( ben ©tätten nad), an bencn ber SUternbc in ftiCfcr S^cfricbignng bie legten ^a^rc feines 2eben§ bcrbrad^tc. 9(n jebcm orte ftrömteii neue ©rinuernngcn berbor, bie S'c» jic^nngeu, bie fie 3U ©dficffeI-3 Qd^en unb ©djaffen Ratten, Ujurbcn bcutlidjer nub unmittel» barer." 5ö.ö ^ßublifation l^at jcbcnfallg feftgeftcUt, ba\i bie 93c3ic^ung ©mmao ju Sdjcffcl« S^idjtungen bie eigentlich cntfd^cibcnbe ibor. SBöbrenb ber „Jcompctci" gebidl)tet »uurbe, Imu bcitc fidj bei ©djeffel um eine boffnuug-jjollc, nid}t um eine bcriorcnc l'ii-be. Ta* (i)cbid)t „93el^üt bid} ®ott" entftaub uinnittetbnr nadj ber Dffenburgcr '-i^egcguuiig mit limma im l^^uli 1853. %m ir». 'iluguft bcrlobtc fie fid) mit bcm i^iaufmann ÜJJadenrobt. ?lm 20. Xc3cmbcv

fd^ricb ©d)cffel an fie au§ ©eibelberg : ,,53crcörte ßonfine ©mma Oc^ bitte Tic^, mir

aud) im neuen [ial^re foiucit gcttjogcu 3U bleiben, ol-s eine 58afe überbauet ibrcm ^^clter bon

9ied)tsh)cgcn gclbogcn fein füll Hub bamit bebüt Xxd) ©ott!" Ter „Irombctcv" alfo

ibor feine I^idjtnng ber Diefignation. l'lbnlid^ berbält c>3 \\di mit „grau i'lbcntiure" „'i'ou Öicbc unb i?cben fc^cibcn" murbc im ©ommer 1860 nad) einem ©efud) ©mmaS in 4iorl»Jrubc gebid^tet. l<^nbc Oftober laS c8 ibr ber Siebter im ®aiten ber Stebbn»ic"ftrnf',c bor. Ommer loicbcr fprad) er beiuegt unb nad^brüdlid^ bie Aborte: „.t>icr luor'<<, 0 mein (Sin unb StOcS, ibo icb bid^ berlorcn l)ab"'. „^Ibcr ^^ofcf, Juit baben unö ja nidjt bciloren", bcrubigte (Emma. 2)a fajjtc er ibre beibcn ©iinbc unb j'refetc feinen 5!opf barein; „(Sottlob, (Sottlob, »Dir ^abcn un§ md)t berloren:" (33)

682 Stmnerfungen.

92cuc§ über ©dj. l^aben ferner feine 1915 (©htttgart) beröffentitdöten 93rtcfe an 5Inton bon SSerner, bcn Qnuftrator feiner 5ßoefie, geBrad^t. ®§ r)anbel?fi(^ lun bie ^a^vt 1863 6i# 1886. 9lm 16. ©cptcinOer 1875 fd^reibt er an§ ©ee^albc: „®cr §er6ft ift tt)itnberfd)öu. ^ä) tvat geftern in SRoengalSloeife int ^atin gtoei ©tunben auftoärtg bon ber ©eemünbung ber Slad^, l^od) bon ©djilf überragt, ber glufe mit fd^toimmenben SBafferpflansen bi§ gu 20' S:iefc biä)t berftrü^H)t, bon SSilbenten tranlid^ belebt, ber ^o^entiriel lieber im ^intergrunb."

1919 finb ©d)effel§ SBcrfe in 4 93änben in Tlct)Zt§ Maffifer=9Iu-3gaben erfd)icnen, ^^erau-Sg. bon griebr. ganger. Über ben „©Efetjarb" al§ biftor. SRoman bgl. ©. ©. 9KuIert (SKünfter 1909). ein ©ammelbuc^ über „§eibelberg unb bie bcutfd)e 35id)tung" ^at 5ßb- SBitto^j ber- öffenllid;t (Berlin nnb fieipgig 1916).

©. 261. 3'« 2S. 2Bc6cvw ©ine umfaffenbe SBiograpbie 2B.§ berbanfen toir ^nl. ©c^toe« ring (^aberbovn 1900). S3efonber§ anfmerffam gemad^t fei anf bie ©ammlung ber beröffent= lid^ten Urteile über ,,®rei3e:^nlinben" in ben 51nmerfungen unb ©rgänjungen ©. 408 ff. ©in« leitenb berid^tet ©dj. über bie übrigen meftf. Siebter („©id^tung auf roter @rbe")-

©.262. ^amcding. §.§ ©elbflbiograpbie ^öt ben 2:itel „©tationen meiner 2eben§= i^ilgerfd^aft" (2. 9lufl., .^ambnrg 1889); ber ßefer foüe, meint ber 5?erf., babei Weniger an ®ifenbnlbn= al§ an 2eiben§ftationen benfen. Df^ofeggcr bergleid)t biefeS Sud^ mit SRouffcau§ SSefenntniffen. Di. ^at einen Sanb ^erfönlid^er ©rinnerungeu" an §. t)erau§gegeben mit neu beröffentlidjten ©riefen (Söien, 5ßeft, ßeip^ig 1891). 58gl. auä) 31. Slltmann, „9t. §amer= Iing§ SBeltnnfdjauung ein £>ptimi§mu§" (©algburg 1914). 9Zid^t übergengenbl

©. 267. ®cibcU ®.§ ^ugenbbriefe finb 1909 (Berlin) bon ®. g. gebling in Sübecf l^erauggegebcn. ©ie urnfpannen bie geit bon 1833 bi§ 1840 unb finb faft fämtlid^ an bie SJhittcr gcridjtet. ©oebefe ijattc fie fd)on 1869 für feine (unboHenbete) ©eibeI'93iograpE|ie banbfd^riftlid^ benugt. ön feinem legten 93rief au§ 2lt^en bom 11. 9lpril 1840 erlnii^nt er feine bamal» foeben erfd)ienenen „^laffifd^en ©tubien": „S)a§ f leine 93ud), ba§ ©urtiuS imb iä) gemeinfd)aftlid) ifcvan^gzQsbtn , toerbet ö^r je^t boffentlid^ erbalten l)aben. SKie foQtc mid) freuen,- hjenn 53ater gefiele! 93ermöd)te ibm eine bergnügte ©tunbe gu bereiten, fo toürbc mid^ fein lüeitereS ©d)irffal inenig fümmern- SSenn bie ©tocEpbilologen \a irgenbhjo ber ©eaditung mert Italien, fo fc^lagen fie genjiß tot, lueit gu toenig ©rubition barin ift nnb mand;e poetifd^e greibeit." 53on ber iceitfc^iditigen ßiteratur bgl. fonft befon* berä „®. ®eibel=®enftt)ürbigfeiten" bon ^. %f). @aeber§ (Berlin 1886), in benen burd)iDeg neue SSeitrüge gegeben lourben. gerner ^at ©arl ©. %. ßigmann, ber 58ater be§ S3onner ßiterarbiftoriferS, burd^ eine 9leibe neu beröffentUd^ter ©riefe über feinen ßübeder 93tttfdjüler ®. (S3erlin 1887) ebenfo lüie ©. (Eurtiu§ (burd^ feine ©rinncrungen an ©. ©.") neue§ ßid^t berbreitet. SBtdjttg ift and) bie neue Slrbeit bon g. Söbme, „gerbinanb 9tDfe. ©in greunb ©eibelS" (Öübed 1915.) ©ine «eine ®.»93iograp§ie, berfa^t bon W. 9Kenbt)eim, ift 1915 auc^ bei Steclam erfdjienen.

©.271. §c^fc. 2)ic §el)fe = gorfd^nng ift in ben legten ^abren aufeerorbcntlid) ge* förbert toorben burd^ bie SSeröffentlidjung feinet 93rtefit)ed)fel§ mit ^alob ©urtbarbt f^t^Q- bon ©■ $e^et, ber über £>. al§ Sramatiter gefd^rieben i)at, ©tuttgart 190i, unb bon bem luir njobl and) nod) eine ©. = 93iograpbie ertoarten bürfeu. S)er SSriefJöedjfet erfd^icn 1916 in aWünc^en. 93. unb §. lernten fic^ 1847 in ^uglerä §aufe fennen. ®er ©riefroedjfel toai^xt bon 1849 bt§ 1890 mit STbeobor ©torm (§eran§g. ©. ^. Ißlotfe. 1. 93b. 1854 1881, SKünd^en 1917) unb ©ottfrieb ^eOer (§eran§g. Tt. ^albed. Hamburg, 93raunfd)lncig, 93erlin 1919). Sie forttaufenbe 93c5iebnng gn ©torm beginnt erft, tuie flotte feftftcllt, „in bem 9lugenblid, luie beibe £id}ler im 93efil3 einer bnrd) Seiftungen errungenen literarifd) bcbeutfamen ©teUung in tl^rcr Umgebung Umfc^au landen, um jeber auf feinem eigeutümUdien ©ebiet 9J?ufterfammlungen, 93orbilber beftimmter bid)terifcE)er Gattungen, ßljritunb 9?obelle, gefeben burdj ein au§gefprodbene§ Iünftlerifd)e§ Xetnperament, gu beranftalten. 2)ie 5lnfrage ©tormS megen cine§ U)rifd)en 93ei« tragS gu feinem „§au§bndj an§ beutfd^en ®id)tern feit ©laubinä" ertoibert ^el)fe mit einer

Sdimerfungen. 683

Slufforberung, 311 feinem mit ^ermomt ßiträ ]^crau§gecie6enen ,':i:eutfc{)eit 5?obeaen)d^a^' eine S^oüette 6ei3U|"tenei-n." 5(lfo nid)t ein bloßer Gkbanfenandtnufd^, fonbern ba§ prattifdöe l'eben unb Strbeiten öat bie Dciben längft (Erprobten guinmmengefüfjrt. 9lu^ bem «nefiDedjfel mit Aieüer fei ^ier beffen ©rief an§ 3iirid^ üom 3. 9?oüember 1859 zitiert: „Öicber ^ceunb! ^rofcifor 53ifd§er Iiat mir O^r neueö 9?übcacnbu^ frcunbüd; überbrac^t nnb mir gteid) meinen 9himen öorgeluiefen, mit luelrf^em Sie 3f)r guteS SBert üerun.Uevt ^aben in anmutiger Öaunc be§ SBo^ttooEenS .... Sie ^aben mit biefem ©enre tUva-i gnna 9?er.eä gefd^affen, in biefeu italicnifdien 2Räbd§engeftalten einen XijpuS antit einfndjer, eC)rIid^er Öeibcnfc^aftlidjfeit in brennenbftem garbenglange, fo ba'ii ber einfadje Drgani§mn§, Uerbunben mit bem glü^enben ilolorit, einen eigentümlichen Sauber fjevöorbringt. On ber 3tt)eiten 9Jobe[Ie baben Sie mir ein aWotib lüie eine Sd;nepfe bor ber 9tafe lüeggefd^offen, nämtidj ba?^ feine «Snmmeln a^eier 58erliebten einen fd^önen Xog ^inburc^ in einer fdjöncn 2anb)djaft, looburdj ba^j bcmuüte (£-nbc berbeig^efii^rt loirb." Wxt bem neuen 9?obenenbud) ift, loie ßatbecf anmertt, ber iiicüer ge= Ibibmete 3. «8b. ^Jobeüen („9?eue ^Jobeöen" 185Ü) gemeint. (Jr entt)n[t bie bier 18.^7 unb 1858 entftanbenen ©rsn ^hingen: „Sie ©infamen", „Einfang nnb ®nbe", „a^aria granci-3ca" imb „®a§ S3ilb ber SJhttter". Seine aWeiiternobcne ^atte ip. 3uerft irrtümlidj La Rabl.iata ge^ nannt (fo nod) im Oiiginalbrud be§ bcaelriftifdjen 5af)rbud)ea „3lrgo" bon 18.53 unb in ben erften ©cparatauSgaben). ©rft fpäter erfolgte bie ^(nberung in L'Arrabiata (= lueiblic^er Ixo^- fopf, analog bem 93raufefopf ber Slppaffionata, 93eet^obea§ F- Moli = Sonate). ®eibelä J^rcunb ^arl ©oebefe erfannte biefe SJobeQc trog feiner ?lbueigung gegen fotc^c g?roiabid)tungen an nnb gefte[)t, tvk Si- :^erbort)ebt, „er fenne feine Si-^ilbnung troyiger aJJäbc^enlaunc, bie fid) mit if)m meffen fönnte. 2)a§ ^aar im 9?ad)en fei gleidjfam nur Staffage im füblid)en IDhcx, ba§ mit feinen Umgebungen, Sorrent, (£apii nnb bem uncnblidjen .^ori3ont, fanm eriuiibnt tuerbe unb bod) nn§ Juie gegentuärtig umfängt nnb trägt." Sogar lealiftifd) fü^fe itritifcr trie ®eorg 9?ranbe§, ber in feinen „ajioberneu ©eiftern" (grantfurt a. 11?. 19 j1) .vcnfe, Mlinger, SRenan, glaubert, bie ©onconrt, S^urgeujeiü, 9(nberfen, 2cgner, ©jörufon unb Obfen bcbanbclt, berlueilt tjierbei mit Sefriebigung. gür §el)fe fei ba§ Sd^önfte in ber 9?atur ber 3)?äbd^enftol3 geiüefen; bie Selbftbe^auptuitg be» SBeibei fei fein 2iebling§t^ema.

S. 278. Stuart, i^gt. ®. 2BaIter§ <Differtation „Sdjacf al5 Überfetjer", «^redlau 1906 (fie^e aud) 93re§Iauer Beiträge 1907), eine im eiu3elnen fritifc^ bcrglcidieube 5Ubeit

S. 278. ^crlj. Über i()n bgl. beionber-3 dl SBeltcic^ (Stuttgart unb 2.<crlin 190-).

S. 279. Singg. 93gl. 2.§ Sclbftbiograp[)ic „9Jfeiue ßebcn-Sreife" Oi^crlin 1899) fotuie über i^n grieba Sßoü (Ü«ünd)en 1912).

S. 282. ©reif. iJgl. über i^n Si. Ti^idy' (SBicn 1900) unb 2?. ßofd) (2eip3ig 19(i7).

S. 284. 3i>iI6roubt. 33gl. feine „®iiunerungen" (Stuttgart 1905) unb über iljn 53. iüemperer (Stuttgart 1907).

S. 285. Senfcn. 5l?gl. über i^n ®. 91. örbmann (Seipaig 1907).

S. 287. aMt^crt. 53or aQem loid^tig ift SB.§ Selbftbiograpbie „ÜUditcr nnb Siitcr" (Sertin 1900). 9Kan tut gut, bie l'cftiire be§ „,v>cinridj bon H>Iaucu" mit bem ^lueitcn 33anbc 3U beginnen unb bie bc§ erften, ber 3U crmübcn pflegt, nadj3ufjoIen. !2)a§ Äk-rf foUlc jcbcm öertraut fein.

S. 292. ^reijtag. ^em 9luffd)(üfie bradjte 5y. 33ölfö Tiffertation: „Ticfcuö' eiufluf; auf g." (^rogr., Sal3burg 1908).

©. 303. *|Jrofcfforcnroman. Unter biefem litel bnt C ilraub ein IcicnSiücrte« "Ihidt gefdjrieben (§eilbronn 1884). ^IqI über ben 3{oman nud) iü^icirc, „Ter beutfd)c ;Hüman be8 19. ^a^r^unberta" (4. 9(ufl., Bresben 1912), dl gürft, „1^cutfd)Ionb^^ »Jornan im 19. gabr- ^unbert'^ («Prag 1903), 2B. Ce^lfc, „Ser beutfdje Dloman" (^.^iclefclb unb ile'mxQ 1920). unb SKorfier, „Romanciers a'leinands contomporains" (%^ari3 1899).

S. 303. Tn^n. ©ine reid)c CucHe finb feine „erinncrungcn" (l'cipjig 1800 Ol-.

©. 307. 5H. Üinbou. il^gl. über i^n ^. Spiero (33etUn 1909).

"84 Stnmerfungen.

(5.307. ^adiänbtv. 53 gl. f. ©elöftbiograpl^ic „©er SRotnan meines ße6en§" («Stutt* gort 1878).

©. 308. StucrBar^. Ü6er i^ii bgl. «Bettel^eim (©tuttgoit 1907); in ttjetterer SBejic^ung ®b. mb, „S)ie beutfd^e S)orfgefd§it^tc bi§ auf Sruer6nd§" (Tübingen 19C9), SDiffertation (boneBcn auä) S. b. ©traufe unb S:orne^, „SDie ®orfgcfd^i(|te in ber mobeinen ßiteratur", ßeijjaig 1906, in @räf§ Seitr. 3ur ßtt. » ®efd^.). 9t. fommt 3U bzm ©d^Iufe: „©d^olten toir ba§ ^iftorifd^e au§ unb Betonen »üir bQ§ ^robingieüc , fo !önnen n)ir bel^aupten: bic S)orfgef(^id^tc ift bie @e6urt§ftätte ber mobernen SBirflid^feitSbarftettung."

©. 310. ^rouenütcratuv. Ü6er bic beutfdjeu „femme.s auteurs" maä)t Sofiert folgenbc ©loffe: „Dans l'ancieQne Grece, les femmes poetes etaient honorees du nom de dlxieme Muse; dans la moderne Allemagne, une femme auteur de romans s'appelle volontiers la George Sand aJlemande. Jusqu'ici, aucune n'a eu le genie de George Sand. Celle qui s'en rapproche le plus par son tour de phrase, c'est la comtesse Ida Hahn- Hahn."

©. 315. aSüt^ncr. über 2. 93.§ «ruber @eorg bgl. Tla^ gobel bon Sobeltife, „@eorg S3üd}ner. ©ein ßeöen unb ©cfiaffen." 93crlin 1915. 33erf. unterfud^t 6efonber§ cinge^enb a3.§ politifd^sfo^iolc ©nttoicflung.

©. 316. 2). ^. ©frttu^. «gl. ^^. 3iegler§ 93iograp^ic (©trafeburg 1908). Qm erftcu 93anb freilid; fielet abfid^ttic^ ba^ „geben ^efu" fo fel^r im SSorbergrunbe, ha^ ba§ ©io» grapi^ifd^c faft bol^inter berfd^luinbet.

©. 316. ©tirncr, 2)ie ©ruublage für nnfere Kenntnis ©t.§ ift bie fd^öne 93iograp^ie bon Oo^n .<penrt) Ttadai), ber bic 2. Stuflage feine§ 2ßerfe§ mit ben elcgifd^en 5Borten einleitet: „Slbölf ^Q^tc finb ni3tig gertjcfcn, um bic erfte Siuftagc biefe§ 83uc|e§ gn crfct)öpfen. ©§ fielet nid^t gu l^offen, ba J3 nad)bem ba§ erftc Ontereffe befriebigt unb bic erfte 9?eugier gefüllt finb fid^ biefe gtoeite fd^neHer berfaufen tuirb. öc^ toerbe alfo eine britte fanm me^r erleben." Tlan lennt bon ©tintcr mcift nur fein §auptlöcrf „2)er ©ingige unb fein Eigentum". Od^ möd)te bal^er boy bon ä)?acEai) auf ©eitc 288 feine? Sud^c§ gelieferte SScrgeidniiS ber anberen ©dCjriften ©t.§ famt !unbigen JRanbbemerfungcn 2K.§ ^ier mit Äürsungcn tbiebergeben: 1. Sie @efd)idjte ber 9ka!tion. S^on Wla:c ©tirner. 2 S8bc. S3erlin, Sldgemeine beutfd^e S^er-- lagäanftalt 1852. (©rfte Slbtcilung. Sie SSorläufer ber 9?eaftion. 3ioeite Sfbteilung. 2)ie

mobernc 9tca!tion. S?crgriffen unb bon größter antiquarifc^er ©clten^eit ) 2. 2)ic 9?a«

tionalöfonomen ber grongofen unb (Snglänber. §erau§gegcben bon S)Jaj ©tirner. Scipaig, 1845 1847. ©rfter bi§ bicrter 8?anb: 5lu§fü]^rlid^e§ ßel^rbud^ ber praftifd^en politifd^eu £)fonomie. S3on ^3. 93. ©at). 2)eutfd) ntit Slnmcrfungcn bon SKaj; ©tirner. fünfter bi§ ad^ter 93anb: Untcrfudiungen über baS SBefen unb bie Urfad;en be§ 9?ationalreid^tnm§. 5üon Slbam ©mit^. S5eutfd^ mit Slnmerhuigen bon 9Waj; ©tirner. 2)ie 9Zationalöfonomen crfd^cinen nid^t gerabc feiten in ben Slntiquariat§ = Katalogen .... 3. Kapital unb 3i"§f«B, eine Slbl^anblung bon 3. S3. ©at). 2)cutfd^ mit Slnmcrfnngen bon Wa^ ©tirner, nebft einem aSorJoortc bon 9. ©. 9Wet)er, geloibmct bcm §errn @eorg griebrid^ 9?orlt)erd. glbcite Stuflage. Hamburg. 4. 2>Jaj ©tirnerS flcinere ©d^riften unb feine Entgegnungen auf bie ^iti! fcincS SBerfe»: „2)cr ©ingige unb fein ©igentum." 3üi§ ben ^al^rcn 1842 1847. .^erauägegeben bon ^o'i^n ©enrt) Tladatj. 5rreptoltj bei Serliu 1898.

©. 318. fioffttüe. Über S. bgl. befonber§ ®. «ronbeS (93erlin 1874) unb 91. Oncfcn (©tuttgart 1904). 2.§ SBebentung für bic beutfd^e ©ogialbemolratie l^at ncucrbing§ cingel^cnb 83. $arm§ (gena 1909) unterfud)t.

©.321. Sii^o^en^aucr. ©nmbicgenb: ?ßilOelm b. ©loinnerS ©c^.»93iograt)^ie (3. 2tuff-, ßcipäig 1910). 2)ie bon 2)amm bei Dleclom l^erauSgegebcne 93iograp:^ie ift nid^t frei bon Süden unb grrtümern; bgl. <Bübb. ä«ouat§l^eftc ^al^rg. XI, ^cft 7, ©. 167 f. SBcfcntlid^ geförbcrt toerben bie S3er breitung unb ba§ ©tnbium ber Siograp^ie ©d^.§ burd^ bic ©d^o|)cn]^aucr» ©efeüfdjaft unb i^r ^a^rbuc^. «gl. avii!^ @. g. SBagner§ „©uji^flopäbifc^eS JRegiftcr au ©d^.§ äBerfen" (Äarläru^e 1909). J)er granaofc 2t. ©offert, ber ©dj. eine befonberc SWonograpl^ie

2(nmerfungen. 6g5

gelüibmct f^at. fc^ränft beii baucrnbcn Vlaä^xuijm ©c^.§ auf bic &01111, bic ©prad^c ein {©.913)- ,Ce qui fera vivre Schopenhauer, lors meme que son neobouddhisme ue sera plus compris de personne, c'est son style. II a debarrasse la langue philosophique des barbarismes inutiles dont les hegeliens l'avaient chargee."

©. 333. 9i. aSttflttcr. 9luf bie aügemein Befannten ?8.» «Biographien (iitodj, 6I)amI)cr= lain ufio.) Braud^en luic ^iev nid)t einauge^en. 2)ie bebeutenbfte H?u5IifaHon über 2ß. quo ben legten ^a^ren ift ©uflab SRoet^eS 9(5^anblung „3um brnmatifc^en Süifbau bcr 2yagnerfd)cn a«ci[terftnger" (©ifeungäberidjtc b. preuB- 9lfabemic 1919, dh. 37), hjo biefe Jid^tung im 3u< fammen^ang mit anberen Tonbrameu 2B.§ äft^etifd^ unb literar^iftorifd; unterfuc^t luirb. 'Box unfereu Singen boDjie^t fic^ ber IHnfbau ber „Weiftcrfinger" gleid^fam an§ 2B.§ lebenber Seele ^erau§. Sn feinem S!ßagner = «8üd)Iein (aJJünd^en 1913) berfuc^t £)§tar SBalsel gana fubjettiu, „unferer 3eit begrciflirf) gu uiad^en, loarnm fie üon 2ß. absnrücfen beginnt": nnd^ er beginne an fic^ „3U füllen, ba^ unfere rafc^ borhJürtSeircnbe 3eit bon 5B. loeglodt". (93ci biefer ®e= Icgenl^eit fei I^ingeiuicfen anf beäfelbcn RJerfaffer^ Schrift über „28cd)felfeitige ^rl^eüung ber Mnfte". gj^ilof. ^üortrnge ber ^antgefcafc^aft, l^cranSgegeben bon 9t. Ciebert. Serlin 1917. 2ßal3cl fufet auf SBorringero „gormproblemen ber Öorif" unb 2ßiflfflin§ „S?nnftgefdjidjtli(icn ®runb' begriffen". (Jr fommt 3U bem Sd^Iuß, bafj für ben gorfd^er ratfam Jei, „9lrt unb Si^eife ber gorfc^ung eine«5 anberen ^nnftgebiete§ auf fein eigene« jn übertragen, gemiffe ßunftgriffc eines beriuanbtcn gac^e§ au nügen, ja feine Xerminologic für bie eigene gorfc^nng fidO anau- eignen". ©efonber§ fommt 28. uatürlid^ auf bic Sidjtung axx. ©r aeigt am Sdjiufe, ba^ SüIffünS öarodfategorien auf ^ropfiodS „9Wcffia§" jutreffen.) Seit 1906 erfd^eint in Seip^sig ba§ 9tid^arb = 9Bagner'3abibud), ^eran§gcgeben bon l'ublnig /"yranfenftein, in bome^mer 9tn§= ftattung, ba^ bie „93at)reut^er iölätter" al§ ein Sammclpunft für bic gorfc^ung »oirfungSboD ergänat. (£. SB. (fuget i)at 1913 feinen unb S. JRödlö 2Bagner=ilalenbcr au einem ^rad^tiucrf umgcftaltet, auf ba^j bie SSagnerfreunbe aufmerffam gemad}t feien: „9t. ?8agnerö £'eben xuxb SBcrfc im 93itbe", 2 93be., ßeipaig- "iUid) im testen ^a^raefint finb aa^Ireid^e Heine (Jinfü^nuigen (Sciling, Stttmann ufm.) berfafet loorben. Über 28.§ 38ettanfd^auung bgl. 3{. 2oui-3 (öeipsig lb98). 1914 erfd^ienen iJRegenSburg) 9t. ©eibl§ „9?euc SBagneriana". über bic Sebeutung, bic SB. für granfreid^ gehjonneu t)at, unterrid^tet ®. Sid^tenbergcr, „R. W., poete et pen.seur'- (^ari3 1898). (£inen SBagner = SRoman i)cit neuerbing» d. 3QbcI unter bem Xitel „1^er SReifter" beröffentlidjt (qSerlin 1914).

©. 342. 'iiictiiäie. 2)ic bieibänbige unb f leine aiueibiiubige iV.=^iograp^ic, bie bon jiincr Sd)»nefter ©lifabet^ görftevsSJ., ber ©rünberin unb |)ütcrin be§ Söeimarer 9i.«9tr(^ib§, ^errüf)rt, ift bic felbftbcrftänblid)e S3orau§fe^ung für jebe nähere 93efanutfd^aft mit 9i. Die bieten, bie mic ii^ fid^ biefer löt'd^gcfiunten grau aud^ perfönlid^ l^abcn nähern bürfen, miffen ibv Söerf audj rein menfd^lid^ nod^ beffer einaufd^ä^en. „Die ßiebc t)at bicfeö ©ud^ gefdjriebcn, treue innige We» fd^toifterliebe", fo beginnt ftimmungSboC ba-i Soriuort. „9tl3 im tiefftcn .'ocracleib, grcnaeuloö bereinfamt im fremben fianb, am JHaubc be§ UrlualbS biefe 9lufaeid)nungen xd) nicberaufd)reiben begann, ba gefd)0^ mir felbft jum Xrofl." 45ou anberen grauen, bic 9?. im i.'cben natie- ftanben, lourbc £ou 9t. Saforno fd)on im Xcj:t aitiert. Der Xitel i^rc^s ■i.hxd^eo ^cifjt: „g- ??• in feinen Söcrfen" (SBien 1894). 93gl. aurtj m. b a)ict)fenbng, „C^nbibibnalitöten" (^i^crün 1901). Unter ben neueren Sdiriften über 9?. ift eine ber beften ^rnft ©ertramS „31, 'i^erfuc^ einet 9Wl)t^ologie" (93ertin 1918). 3^rer programmatifdjcn 23ebeutung loegcn möchte id) - gona objeftib eine SteCc an6 bcr ®infü^rung ^ier aiticren, fie ift d)nrartcriftifd) für mand)e böc^fl intereffante ©efdjic^t^fdjreibung unferer läge: „9lfle.3 ©ctoefcnc ifl nur ein ®Ieiri)niö. SUxxxe ^iftorifd^c 9«et^obe ber^ilft un§ ttjie ein nniber ^iflodfdjcr aicaliSmuö bc8 19. Jiotjröanbcrt« fo oft au glauben fd^eint aum 9tnblid leibhaftiger SBirltidjfeit, ,h)ic fie eigentlidj gctuefen'. ©efd^id^tc, ?,uUlit bod) SeetenlDiffeufdjaft unb Seelcnfünbung, ift niemal« gleidjbebcutcnb mit JRefonftruftion irgenbcine§ ©emefenen, mit bei miiglic^ften Slnnätjeiung aut^ nur nn eine ge» luefene SBirflid^feit. Sie ift bielmet)r gerabc bie Chittoirriidjuug biefer ehemaligen ©ir!lid)fcit.

686 2Inmerfungeti.

il^re 06erfül^ning in eine gan3 anbzx^ Kategorie bt§ ©einä; ifi eine 3Bertfe^ung, ntd^t eine SBirflid^feitS^erfteüung. . . . SBir bergegcnträrtigen un§ ein bergangeneS ßeben nid^t, hjir eitt= gegennjörtigen e§, inbem Wix l^iftorifc^ Betrachten. SBir retten nid^t in nnfre 3cit ^in= über, hJir mad^en ei§ geitlog. Snbem ftir nn§ berbentlid^en , beuten lüir fc^on. SBa§ bon tl^m bleibt, toic immer toir gn er£)e(Ien, gn bxird^forfdEien, nad^guerleben un§ müEien, ift nie ba§ Sebcn, fonbern immer feine fiegenbe. 2Sq§ al§ ©efdjid^te übrigbleibt bon allem ©cfdiel^cn, ift immer gulegt ba§ SBort gang ol^ne !ird^lid)e, romantifd^e ober gar romanhafte Dbertöne genommen bie ßegenbe. SDie Segenbe in fold^em entfird[)lid^ten ©inne ift bie lebenbigfte gorm gefd^id^tlid^er Überlieferung. . . . 2)ic Segenbe eine§ SRenfd^en, t)a§ ift fein in jebem neuen ^ente neu loirffameS unb Iebenbtge§ 93ilb. 92id^t al§ SiZieberfc^lag eine§ ietoeiligen ©tanbe§ ej:after gorfd^ung, audC) md)t aU betmifet lünftlerifd^c 3iifa"iii^^"taffu«9f at§ p^ilofopl^ifc^e ©eutnng eineS serftrentcn unb befeelbaren SKaterialä. ©in eigenlebenbiger DrganiSmnä biel= mei^r ift bie§ 93ilb, ber feine felbftänbige ©jifteng fü^rt. SBanbelbar, itjanbelmidig ift unb toanbelt fic^ aud^ ftet§, geigt immer tnenigcre, immer größere ßinicn; mirb gugleid^ tt)pifc^er unb einmaliger, gugleid; parabolifdö unb unbergleid^bar." 83on ben übrigen Slrbeiten über 9i. au§ ben legten ^a^ren fei ^an§ ^ai£)inger§ ©d^rift „SR. al§ gJ^ilofop^" (Berlin 1^16) genannt, „eine tenbenglofe, «iber barum nid^t i^aratterlofe ©arfteUung", ein „Slriabnefaben burd^ ba^ lüunbcrbare, aber gefä^rlid^e ßabtirint^ feiner bieten taufenb 3tpl^ori§mcn". „5R.§ ßebre", fagt 5ß., „ift pofitib getoenbeter ©d^opeitfiauenaniSmuS, unb biefe Umtoenbung (ober, toenn tüir moHen, lUn'ltiertung") ©d)openl)auer§ gefd^a^ imter bem ©influfe be§ 3)arn)ini§mn§. 2)ie§ ift bie S^^efe, bie ic^ auffteüe, unb bie id^ toeiterl^in ausführen unb begrünben toiH." SSon neueren ©c^riften be§ Stu§Ianb§ über 31- fei l^ier nur gittert Klaire SRid^terä 93ud^ „N. et les Theories biologiqaes contemporaines" (g5ari§ 1911), tvo fie 9f. in ©egiel^xmg fe^t gu fiamardt (1744 1829), bem fran5Öfifd}en 93egrünber ber ©efgcnbengtbeorie unb 53orläufer ®arhjin§, fo ba^ benn 9?. al§ ein Stbleger frangöfifd^en ®eifte§ erfdjeint. grau görfter'S'i. ergäbltc mir, ba^ man in granfreidö neuerbingS geneigt fei, i^ren 93ruber al§ einen in§ ^^ilofopl^ifd^e überfe^ten S3ig,marcf (SBiUe gur ä)?ad)tl) aufgufaffen, alfo aU eine SSerlörpernng beutfc^er ©etoaltpolitif.

©. 358. Sogarbe. a3gl. je^t bie ß. = Siograp]^ie fiubmig ©d)emann§ (fieipgig 1919), bie bon Ouftab 9ioet^e u. a. geförbert morben ift. ©ie bringt aud^ ein bisher unbefanntcS 93ilbni§ 2.§. ®a§ S5?erf berbantt namentlich aEbeutfdjen Greifen fein ©rfd^etnen: „SWöge il^r ©intreten" fo erflärt ber S3erfaffer felbft „für biefe (Bad^t al§ ein neuer Seitrag gur Sl^aratteriftif bon bereu magrem SBefen geliertet irerben."

©. 361. Sioöinfon. $8gl. grb. b. gobelti^, „©ine 93ibliograp:^te ber Dtobinfonaben" (Seitfd^r. f. 93üd)erfreunbe, 9?r. 8,9, 1898). §. g. SBagner, „üiobinfon unb bie ai^obinfonaben in unferer ^ugenbltteratnr" (iJBicn 19ü3).

©. 364. Songfcöoto. 2. l^at bon ben amerifanifd^en 2)id^tern befonber§ reid^c 58c« gie^^ungen gnr beutfd)en ßitcratur, Wk ^. ^. SBorben (^alle 1900) feftgefteHt l^at.

©. 365. ©col^fictb (^oftl). «on Sinterifa ge^t bie ©iograpbie ©.§, be§ „"Did^terS beiber ^emifp^ären", au§, bie Sllb. S. gauft in 2)cutfd^lanb (5Beimar 1897) beröffentlid^t f)Qt ^erfaffer betont, ba^ ©.§ ©öarafterbtlber ftet§ „alg SReilcnfteine in ber amecifanifd^en Kultur* gefdjicf)te gelten UJÜiben". Unter ben beutfc^en 9^omanfcl)rififtelIern fei er ber erfte ^self-made man". Slber ©. ftanb imter bem ©influfe beutfdier Siebter, luie fc^on Julian ©d^mibt nad^» getoiefen ^at, g. 93. ^tan ^aul§ unb ber Üiomantiter, mit benen er bie ©diilberung über= natürlicher 2aubfd^aft§bilber unb fdjtoanfenber Reiben gemeinfam l^at.

©. 367. ÖJcrftötfcr. ©r ift oft ©calöfielbS Doppelgänger genannt, bod^ tool^l nid^t mit SRed^t. ©.§ gelben finb meift 5lmerifaner, ®.§ S)eutfd)e. ©icfer fteflt bie grofee beutfdje ?(u§manberung nac^ Slmerita bar, jener baä ßebcn be§ ameritanifdjen SSoltes in berfd^iebencn SSer^ältniffen.

©. 370. S. mati. 28cr fid§ für m.§ gJerfönlid^feit intcrcffiert, fei auf feine felbft« biograp^ifc^e ©d^rift „9Kein £eben unb ©treben" (3. 9lufl., SRabcbeul l9i4) berhJicfen.

2(nmeitungen. 687

©. 372. etjt^. SDaS S8c\te i)at er felbft Ü6er [id^ gefaßt. 5?gt. inbeffen nud, bic f leine ©d^rift 5t^. ©bnerS (^eibelberg 1906).

©. 376. (BvaUc. ©ie erfte ®. = 93togrQp^ie, bcrfafet Ijon feinem giennbe SI Siegler („®.§ 2e6en nnb ßfiarafter", Hamburg 185.5) ift nod) immer tro^ it)re§ luenig anfprcc^enben 2:pne§ unenlbet)rli(§. (Sic tvax nolioenbig aU ®egenid}rift gegen boä t)on ber ©itiüe burc^ 2)uner in bie SBelt gefegte Sügcngeöäube, ba^ ben ©idjter al§ Xenfel nnb feine grnu alä engel barfteflen möchte. 93ereit§ bie 2«ntter gab il^rcr ©mpörnng über biefe Sd^mnbfd^rift berechtigten SUiobrnd. ®.§ SScrfc liegen jcfet gefammelt bor in ber 5(n§gQbc öon SBnfabinübic unb in bier bon ©b. ©rifebad^ ^eran^gegebenen «Bänben fomt ben S3iicfcn nnb einem bio» grap^ifd^ SUberlöffigen Stn^ang. SHd^t unermät)nt bleibe, ba% ®.§ Sdjanfpiel „.vcinrid^ Vl." om 3. 2Rär3 1918 im S)re§bener ©d^anfpiel^onfe icirflic^ anfgefii^rt luorben ift. 3n grnnfrcid^ gilt ®. al§ „romantique renforce", in il^m l^abc bie romantifdjc llnbeftimnit^eit i^ren legten SlU'Sbrud gefunben.

©. 385. ^cöBcI. Über ©life Scnfing nnb i^r «erböltni^S an $. I^at «(Ibred^t Oanffen in §ambnrg lüertboIIcS SWaternal bcigebrad^t. 5?gl. feine ©d^rift „Sic grauen ring'3 nm ^^ebbel" («Berlin). Sulegt ^at er fid) am 18. Cftober 1919 in ben „C^ambnrger 9Jad)rid)tcn" eingebenb gu bcm 2bei"(i geäußert. £)ie .'p. = 93iograpben finb (£Ii)e nodj immer nidit gnns gered)t ge« lüorben. obre ©riefe, nad^ be§ <Did)ter§ 2übe bon Sbiifüne aurürfgeboüen nnb für ba^ SBeimarer 9(rd)ib befiimrat, finb in ßbnftineS 9?ad)Iafe nidjt gefunben toorben. So ift eiife ber 2)?öglid)feit beraubt n^orben, für fid) felbft 3U fpred^en. Sidjerlid) bitten biefe «Briefe ^. feine (Si)mpntbien eingetragen. 3Kit 9Uidfid)t auf bie gaffnng bc§ jtej-ted mnrbc ^anffeu bier bortoeg enunl^nt. Om übrigen läßt fid) bie ^.'Öiteratur fnnm nod^ überfeben. g'ür ^.§ Slufent« l^alt in g5aii§ iuid)tig ift bie Sdjrift 91. «Kugeö „3iDci ^a^re in «-Pariä" (Öeipjig 184»)). iBio« grapbifd^ bgl. näc^ft Siul) befonberg SR. SDJ. SSerner («Berlin 1904) ber aud) $.§ QJriefc in fieben 93äuben I}erau§gegeben l^at (iBcrlin 1905) unb befoubera äüxt i^üd^ler (1910). «Die „2:ragübie g. §.§ nad) ibrem Sbeengebalt" betrad)tet (5. 91. ®eorgl) (Öcip.^ig 1904). „,^. al§ S)id)tcr ber grau" lüirb überfd^tuenglid) bon ^ilbc (£.'9Dfitfd)erIid^ gefeiert (rrcöbcn 1909). „§ebbelä grauen", fagt fic u. a. (S. 5), „finb mit ben ©ebeimuifien tyntn unferen Stirnen beiüoffnet unb füubcn fein S)enfen, fein DJogen, b(\§ bie 9?atnr im SSeibe nidjt felbft gebeut. Hebbel ^at ba§ 50ienfd)belt)uJ3tfcin in ber grau gerettet, ibren Selbfl.^iuecf unb ibr Selbft» cttuagsfein. ®r l^at fic ben nicberen Onfiinrtgefet5cn enlriffcn unb bcm gror,cn Syelifittcngcfee unterfleEt." (Srnft fiabuftein bebaubelt ba§ „^Hoblem ber 2:ragif in .s> § grübjcit" (Stutt« gart 1909). ®§ fei, fü^rt er au§, feine äftbetifdje, fonberu eine 2Jienfd)beity frage. T;arum fnd^t er ju erforfd&en, „tute bem 93knfd}en unb 2)id)ter §. ba§ ^vroblem ber ÜJ?cnfd)enlüö« 2:ragif in ©rlebniS unb ©rfenntni§ aufgegangen" fei. ©ine rcidjc .'^•>ebbenitcratur brodjtc ber lOOjäbrige ®eburt§tag (I9i:^); bgl. barübcr g. «43. 2-, 24. «3b., 1, S- 341 ff. Xa^n geborte aud) bic (Separatau§gabe bon elf neu aufgefunbenen iHiefen .<£>.§ unb fünf Briefen an unb über if)n (herausgegeben bon g. §irtb, 2. «.)(ufl., SDJündjcn nnb 2eiPäig 1913). 9luö ber Sd}ulc Tlci^ Oerrmann§ ftammt bie grünblicbe 9(rbeit (J. lanncnbnnmS „g. .^■lebbcl nnb ba^5 Ibcater" (93erlin 1914). ©ine 2üdc ber ,s>.' Literatur füllte 9i. Cibbarbt bnrd^ feine Srf)vift an.5 „.V- al« SJobcüift" (93erlin 1916), too er im einzelnen bie ja liingft befanntc latfadje belegt, bafj ^.8 «Robeüen nur bie ^üorftufen für bie Tramen gemefcn feien, über „9lgned 93cntauec" ^at «8. ®ol3 19:iü eine pftjdjologifdjc Stubie beröffentlidjt, bie auf ^ b. 5tleift binii'cift. S^cnig 9lnflang f)at §. im angemeinen in granfreic^ gefunben. 35ie granaofen Jjaben ibn noc^ gor nid)t begriffen. Tlan bore Soffert: „Les peiisee.s de liebbel ont ordiuairement le döfaut d'otre ä la fois obscures et banales; lorsqu'on a leussi a les decouvrir sous les complications de l'in- trigue, on se trouve le plus souvent en presenco de lieux communs. Ilebbel est tout siraplo-

tment un poete tres imparfait; il n'avait que de la fouguo. 11 se faifiait du thcAtro une idöo particuliere; il n'y voyait que de la poesie ou de la philosophio dialoguees, 11 n'avait tii assot r"

688 SInmerfungen.

des regles et pour creer une forme dramatique qui lui füt propre." 1911 l^at %ibal ein umfangretdOe§ 93ud) über §. gefd^rieben („H., sa vie et ses oeuvres de 1813 ä 1845", Paris), ©r läfet bem ©id^tec auf Soften be§ SDenferg (Bered^ttgfeit Jüiberfal^rcit, Befd^ränft fid^ Q6er meift auf 5ß:^rafen im SRange ber folgeubeu: „La grande decouverte qu'il fit entre 1839 et 1844, c'est qu'il etait uq auteur dramatique. Les drames de Hebbel ont ete le produit de l'instinct encore plus que du raisonnement."

©.423. D. Subwtg. ß.§ „©äuitlid^e SBeife", unter SWitloirlung be§ ®oet^c» unb Sd^incr*S(rd^ib§, luerben jc^t in Q3cr6inbmig mit S3ord^erbt, ipöfer, gScterfen, ©d^mibt, SBalael ]^erau§gegebcn bon Sß. Stterler (Srjündjcn). 93efonber§ niertöoll finb bie bort pfommcn» gefteHten ©ntlrürfe unb Seaarten, g. 93. jur ^funftprofa im 3. «ßbe. (9?otjenenfragmentc ©. 209 ff.), äum „(Srbförfter" unb gur „SSalbßurg" im 6. «8be. (1914). über 2.§ bramatifdfje gragmentc bgl. ©rief) <B^mibt§ 83or6eric^t im 4. «8be. ber 1891 in fieipgig ((Brunoto) löcrauggcgebenen „@ef. ©d^riften". 5Der für alle grunblcgcnbe Süiffa^ (Buftab gre^tagS über Sublüig fielet im 16. 93be. ber OJef. SBerfc (1887) unter btn „^luffö^en gur ©eft^id^te, Literatur unb ^unft", ©. 20 ff. Über 2. ift eine befonber§ grofee Slngal^I bon Siffertationen gcfd^rieben toorben, bon benen l^ier nur SRid^arb SRüIIer, „Über 2.§ ©rääC)lung6funft" (^Berlin 1905) l^erborgcl^oben fei. 2.§ ©rgä^hmgcn lüerben in granfreid) !^od§gepriefen; 3. 93. ^aul 93aftier fagt in feinem umfangreid^en ^erf „La Nouvelle individualiste en AUemagne de Goethe ä G. Keller" (5ßari§ 1910), ©. 435: „Pour bien des nouvellistes allemands, les paroles d'O. Ludwig pourraient servir de devise, resumer l'experience par ils passerent: ,Le vague de la musique ne me suffit plus, c'est des figures plastiques (dJeftaltcn) qu'il me faut'."

©. 433. SfujcngruBcr. Sl.§ erfle gebrucEtc S5orfgefd)ic^te unter bem 2:itel: „©efd^id^tc bon 2ublüig ©ruber: 2'ob unb 5teufel" ift bon % Settcl^eim aufgefpürt unb im 5(n6ang ber bon i:^m 1902 herausgegebenen 93riefc SIS, 93b. 2, ©. 300 ff. neu beröffentlid^t hjorben. Über 81. bgl. befonberS ©ig. griebmann (2eip3ig 1902).

©. 440. gfJcaliftifc^c ©räö^rcr. Über ©aar bgl. 3. 2«inor (2Bien 1898), \?r. ©tern („©tubien gnr 2iteratur ber ©egentoart", 9Jeue golgc, ©reiben unb 2eipäig 1904) unb §. ©piero („^eutfdfie ©eifter" 1910), über „©a(^cr SRafod^ unb bzn S!«afodji§mn§" S. g. ©c^lic^tegron (Bresben 1901).

©. 448. S. ». ^van^.oiö. 93g(. ©ruft ©d^roctcr, „2uife bon grau9oi§. 2)ie ©tnfen« jal^rc ber "Did^terin. SBei^enfelS 1917. 3um 100. ©eburtStagc." 5Den 93rieflbec^fel gtoifi^cn 2uife bon gran^oiS unb (£. g. 2fiei)er ^at 21. 93ettel^eim (93erlin 1905) l^crauSgcgeben. SKeljcr beginnt Oftern 1881 bic ^orrefponbena , inbem er fid^ al§ „ßoHege in ber SRunbfd^au" unb aU greunb i^rer (2uifen§) ®r3ä^lung§funft borfteüt, bo il^m bie il^r „eigentümlidje SKifd^ung bon fonfcrbatiben Überlieferungen unb freien ©tanbpuniten burd^auS l^omogcn" fei. ©ie be« fejmt i^rcrfeitä, nod; nichts bon il^m gelefcn gu l^aben, hjorauf er il^r „bic leiblicheren" feiner ©d^riften äufcnbet. Erfreut banft fie i^m nnb beftätigt auf feine Stnfrage , ba^ fie „aUcrbingS mutterfeelenaaein in ber SRanfarbc ber f leinen ©tobt ifir bünne§ 2eben§fäbd;en an (Snbe fpinnt": „S5ie Sefc^äftigung biefer legten Slpriltood^e !^at mid§ toieber jung gemacht, b. f). bie toeiblid^c 9Zeugier angeregt, bie bon ben SBerfen nad) bem Sßeifter fragt". 6ie taufd^en il^r Silb an§. „g^r Silbc^en", fdjreibt SWetjer am 16. 2«ai 1881, „ift gut unb bic 9tugen fe^r fdjön. 93cneibet ein 6ife(^en l^abc id^ 3^re ©d^lanf^eit xmb ©d^mall^eit, benn id^ bin ein ftarfer ^err bon 55—56 ^af)tm." 2)er 93riefn)ed§fcl fd^licßt mit einem 3Keinung§au§taufc^ über „2lngela 93orgia" 6nbc 1891, obtbot)l 2uifc b. g. noc^ atoei (©. g. SRcljcr noc^ fieben) ^ot)« gelebt fiat 9Kcl)er§ fc^toere ©rlranfung allein, nid^t cttoa ein aWifeton, Ibar bie Urfadie be§ «Ibbruc^eä ber ^orrefponbena.

©. 444. 9W. ». (£ancr=ef(^en6flc^. S)a§ erfc^einen i^rer legten ©d^rift („Erinnerungen an ©riaparäcr", 93erlin 1916) liat bic Did^tcrin nit^t mei^r erlebt (f 12. aWärg 1916). Über fie bgl. befouberS ?J. 93cttcl^eim (93erlin 1900) unb SR. 5«crfer (aWünc^cn 1900).

2tnnieifungeit. 689

©. 446. ^oittttuc. Sögr. m. m. Tlei}n in beit „«ßroblemen inib ©eftolten" (Serlin 1905); ü6er „g.i «8aCnbenbiif)tung" §an5 3i^l)n§ [treiig p^ilologifcfie lliilerfuc^ung (Sern 1914). ^ex 100. ©eburtStag g.§ 1919 l)at eine güOc neuer giteratut gegeitigt, tion ber ^ier nur ge» nonnt feien bie 9(r5eiten Otto 5ßniotüer§, Äonrnb SüBonbrelj^, (Srnft ^eilborn^, griebric^ Biß. monnS, gSaul $offmann§ uub gri^ 93e^renb§, bon bcm jc^t ond^ ber erfle Sonb feinet oage» mein mit ©pannung crrtjarteten 3Wonograp^ie be§ „2unnel§ über ber Spree", 3eit 1827—1840, erfrfjiencn ift (53erein f. b. ©efc^ic^te Serlin§ 1920).

©. 4.52. maaU, Sie ßiteratur über 9fi. ift in erfreulid^em Slufftieg Begriffen. 3n gronfreic^ ^at i^nx ©elma gliefe (©renoble 1912) ein umfangreid)e§ SBert gemibmet. 9Iud^ fic betont ®icEen§' ©influfe, ber 9t. „des elements romantiques" (I) gegeben ^abe (©. 126, 190ff.). $Da biefer gJunft biel umftritten ift, fei eine ©teüe (©. 206) gitiert: „Comme Dickens, Raabe ne s'est jamais lasse de dire les joies, les peines du jeune äge. Sur ce point seul l'ascendant de Dickens est reste visible. Pour le reste Raabe s'est vite affranchi de I'influence de son modele; 11 le surpasse sans bien des rapports. Car Dickens, observant la vie, prend plaisir au jeu de relaboration poetique des mille details qu'il a vus; il devient un conteur de genie. Eaabe, lai, pread conscience de la fayon dont il envisage les choses et devient philosophe en observant la vie." Übrigens feiert i^n bie S3erfafferiu aufä i)öä)\it, er fei „debout h la porte du XX« siecle, attendant tous ceux qui souffrent de la vie, pour les introduiro dans la cite de sou amour".

©. 462. (Stonn. SDie erftc ®t. = ©iogrQpi:)ie, Derfaßt bon feinem jungen greunbe Sd^üßc, ift 1911 in 3. Stuflage erfd^ienen. Sd)on lb88 bot 91. Sicfe in ben bon ©ug. SBolff unb 2co 93crg berfafeten Siterarifd^en Söoltöbeflen 9h-. 9 (93erlin) einen 9lnffa§ „2:^. (Storni unb ber moberne 9?ealt»mu§" gefc^rieben unb babei feftgcfteflt (®. 44), bofe er ben gefunben moberuen JRealiSuiuä mit fünft Icvifd^eni ObeaIi§muv bereinigt I)abe. 93. ijat bnnn 1917 (Seipsig) feine Heine Storni »Siograpl^ie (167 ©.) folgen Inffcn, bie am ©d^Iufe eine auSgeiuäblte ®ibIiograpl^ie cntf)ält, unb 1919 Storm§ SBcrfe in bier iöänben (Seutfdje S^Iaff.'9?ibl.) berau§gegeben. i^on ßöftery fritifrf^er 9(u§gabe finb bi§ber bicr ©iinbe im 3ufel = 53erIog eifd)ieuen (bgl. aud) feine bie§beäügüd}en 5|Jrolegomena, ßeipgig 1918). Storni^ Jod^ter ®erlrub l^at nidjt nur i^re§ 93ater» 93iograp^ie gefd^rieben, fonbevn and) feine ©riefe an feine ilinber (©raunfc^tüeig 1916) unb feinen Srieflücd^fel mit feinen gteunben 9?rinfmann nwb ^^etetfen (©raunfc^meig 1917) l^crauSgegeben. 2)er Svieflücd)fel gtuifdien Stonn mxb iieller toiube bon 5löfter beröffcnlidjt (2. Sluflage, 23erlin 1904). ©rft im ^nbre 1902 öffneten fic^ bie 9lrri)ibe in 4)ufum unb 3i'ric^. (£ö f)anbett fid) um bie 23riefe jmeier ©reife ouä eineui ^oJ^rgebut. !iDe§ Srieftüed)fel8 mit ^et)fe hjurbe id^on frül^er im 5:e;L:t gebad)t. Om einjelnen bgl. befouberS ^. eidjentopf, „St.8 ®r3äC}rung§fnnft in il^rer ©ntmirfluug" (in SlfterS „^^eitriigen", Worburg 1908); !q. Stamm, „ein 83eitrag 3u St.-3 Stimmungefunft" (Xiff (Srlaugcn 1914); 9J. S^cubt, „^^ic ÜKufif in Bt^% öeben" (Diff. ©reifäiualb 1914). «ögf. ferner SiMüralb Ticefen über „St.§ a^erbiillni« jut SRomantif"; gran^ ^obe», „^iubbeitSeriunerungcn unb ^eimatdbejiebuugen bei Xf). <5toim in S)td)tung uub Sebcn" (93erlin 1917). ^. jeigt im eiiMeluen, ttjie febr St.S ^ocfic im mefcut« Iid}en ^eimatgpoefie ift; er erfd^liefet neue Cueflen bcfonberS für bcu „Srfjimmcircitet" uub „Dtcnnte". 5i3gl. aiidj Xf)cre|e 9^odeubad) über „St.'3 (^bvonirnobetlcu" (I!n6) uub 53inber über „«on jeufeitä be3 ^DJeereS" (im 10. ©rgän^ung^beft ber 3Jfdjr. f. b. btfd). U). ©nblic^ ^. 5ef5, „2^. Storni. Sein 2zbzn unb fein Sdjaffen" («rnunfdjtueig 1917). eine einfüljrung luic 93iefe§ Storni = 93ud^.

S. 498. ^. .^offiurtun. ^^gt. über ibu O. Üabenborf (ft^erlin 1908).

S. 504. Über bie ilitcrntur ber St^wcis untcrridjtcu biftorifc^ oufjcr iPiidjtolb (1892) St. Sailfd)icf („9JJeifler ber fd}iuci,^erifd;cn 2)id)tuug bc3 19. ^a^rbnubcrtö", gmuenfelb 1894), ber aufeer ©ottbelf, wiener unb a)iei)er and) Öeutbolb uub £ranmor (gerb Sdimibt) bcbonbelt, unb neuerbiugä (Sern unb yanfanne 1910) ©ruft Oeuul) unb *i<irgile 9loffel in i^rer a»oei« bänbigen „@efd}id)te ber fdjlüeiserifdjcn Öiteratnr".

S. 504. ©ottlielf. ©.§ fömtlidjc ^ii>erre finb in 24 ©änbeu im (ftfAeinen begriffen. Cc^rre, S)ic bcutfc^c Cileratur frit «oct^cs lobe iifm. 41

690 Srnmeihingen.

©. 506. (SJ. ScKcr. 93iogra^iI)tf(^ bgl. ©äc^tolb uub ©cmatinger; ferner bie toertboöen arbeiten ^öfter§, g-rel)§, 93rat)m§, fotcie bie hjeniger 6ebeutenben 9Süfl§, 93albenfperger§, SR. §n(^§, ©tocfelS u. Q. ^.§ erfte perfönlid^e S3egcgnnng mit ^anl ^eljfe fanb auf bcffen atoeiter ©d^lueiser SReife am 4. ^uü 1887 in gürid^ ftatt. «gl. bcn bon 'SRa^ ^alßecf 1919 beröffentlidöten 93ricflüed)fel ber beiben ©id^ter. 2Bie ttjeuig tief ba§ greunbfd^aftögefülil in ^. lebenbig toat, geigt ber ©Icid^mut, mit bem er %f). (5torm§ 2;ob oufnal^m. ©torm§ fe^tc 93nefe (12. Januar imb 9. S)e5em6er 1887) liefe er unbeanttuortet. 1916 ttjurben ^.§ 93riefc unb 2:agebüd^er (1861 1890) üon ©rmotingcr (©tuttgart unb Serlin) l^eronSgegeben. 3m eingelnen: Über „Öottfrieb ^ellerS bramatifd^c SSeftrebungen" l^at 9Knj 5ßreig jjIRar« bürg 1909, in @lfter§ „Seiträgen") eine auffc^lufereid^e Slbbaubtung gefd)rieben. gj. [tedt feft (©. 169), ba'i^ ^.§ ^unft nur in ber breiten ipil^m S^arfteünng, in ber Meinmalerei, „in ber fa^ung§Iofen freien g-orm gum 5Iu§brudf fommen" !onnte. Über ba§ bramatifd;e ^^rogment „S^erefe" bgt. gftic^arb 2Beifeenfel§ in ber ©öttingcr 3citung bom 19. gebruar 1920. Slls ßtjrifer trurbc ^. bon Wt SBitlop 1911 (greiburg) betrad^tet. 3ur «ßrofa bgl. ^. 93ert« ram§ berliner ©iffertation Queaenftubie gu @. ^ellcr§ ^ablaub" (©tettin 1906). 23. be= ^anbelt 1. ba$ güridf; ber Sl'iancffe, 2. .^ablaub felbft unb bie 5ßari|er Sieber^anbfd^rift in ^ellerg FJobede, 3. bie ^ompofition ber SRobeUe. Unentbebrlid^ für ba^ 33erftönbni'? unb näbcre ©tubinm bet ßegenben ift bie 3iifawttienfte(Iung unb 93erarbeitung ber Quellen burc^ 2ll6ert ßci^mann („QueUcnfd^riften gur neueren beutfd^en ßiteratuc" 9cr. 8, ^oHe 1919). @ine Slrbeit bon <B- ©Hufe, ber im Kriege gefaEcn ift, über „(B. ^eücrS Haltung gnm (Stoff in ben fieben ßegcuben" ift leiber noc^ nic^t beröffentUd^t. ©ritjäbnt fei nod) ^aut ©d^affner, „®er grüne ^eiuricC) al§ ^ünftlerromon" (Stuttgart 1920), ®. ©teiner, „®. ^eUer", fcdi^§ 33orträge, imb al§ ©onberbarteit ©bm. §itfc^mann§ „@. ^., 5pft}c^oanalt)fe be§ 2)id§tcr§, feiner ©cftaltcn unb SKotibe" (3üric^), bie fid) natürlich auf ©igm. greub§ pftjc^oaualtjtifd^e Se^re grünbet: luol^in fommen luir mit fold^cn ©iagnofcn! SZü^Ut^ bleibt 93äc^totb§, burd^ ba§ 3ubiläum§= jal^r freilid^ überholte Heller =33ibliograp!^ie (93ertin 1897).

©. 528. 6. %. 2Jle»)cr. 33on neueren ^ublifationen feien nod^ l^erborgeboßen 1)lug. ßangmefferS (93erlin 1905) unb g. g. Saumgarten§ SKonograp^ic (SP^ünc^eu 1916), folüie ber bon 2angmeffer (93erlin 1918) :^crau§gegebene 93riefmed;fel gtüifdien Tl. unb SRobenberg bon bem 93riefmed)fel mit ßuife bon granyoiä toar ja fd)on bei biefer bie SJtebe , üon älteren St. grel)§ Siograpbie (©tuttgart 1900, je^t in 2. 2tufl.). 3n ber berliner ©efeEfd^aft für bexttfd^c Literatur bel^anbelte lürglid^ §cinric| So^re anfdiaulid) „Aufbau unb ^nuftmittel ber 9hibe(Ien (£. g. 3)Z§". Qn ber bon @. SSranbeg :^erau§gegebeueu ©ammlimg „2)ie ßiteratur" (Serlin) f^at Otto ©töfel 1906 ein ßebenSbilb S. g. S)?.§ cutluorfen, in bem bie fünftterifd^ aufgeführten SHuftrationen befonbere Scac^tung berbienen.

©. 543. 95ßt(bcn6ntc^. SB.§ 2Bcr!e toerben ja je^t in muftergültiger SBeife bon feinem greunbe unb S3iograpbcn (1- S^- 1914, 2. Sb. 1916) «Bert^olb öi^mann ^crau§gegeben. ®cr 1. <8b. ber SBerfe erfd)ien 1911, ber 13. 1918. 2)er legterc btaä^te ou§ bem SRac^lafe ba§ 2)rama „Srmanaric^ ber ^önig". gür bie „SBaibfran" bgl. bie tueuig bcfanute ©c^rift O. XüfelmannS „©. b. SB. in 93nrg" im 46. ga]^re§bcrid)t be§ ^Mftoriagt)muafium§ gu 93urg, ©. 1—16.

©. 556. Siücucron. Über 2. befi^en tüir je^t bie grofee S3iograp^ie §. ©piero§ (»crlin unb ßetpgig 1913). ©agu bgl. .^. «Seuämann (ßeipgig 1904), 9M)ter (SBien 1909), Dfiemer (Serlin unb ßeipgig 1904), Dppen^etmer («erlin 1897), SRerlüin (ßelpgig 1906), g. goemenbcrg (Hamburg 1904), ßi^mann (Sonn 1910), ^ül)l (Berlin 1902), ©reing (Serlin 1896), ©err)arb (Diafecburg 1910), 93ierbaum (3«ünd)en 1910) unb Sad^mair (ü«ünd)en 1909). 3u rechter ÜBürbi» gung bc§ ©pierofc^en SBerfeS fei l^icr eine ©tette au§ bem Sornjort gitiert. „ßilicncron felbft", Reifet ba, „l)atte mer)r al§ einmal mir gegenüber ben SBunfd) geäußert, ba'& iä) fpäter eiu' mal feine 93iograpbic fd)reibcn foüte. Od§ i^atte ja in ben legten ad^t $5at}cen feineä ßebcitS biet, an 3eitcn täglid), mit i^m berfel^rt, an feinen Iüuftlerifd)en g5(äncn unb an feinem ßeben

"^(nmeifiiiigeii. 691

STnteil neljmen büvfeu itnb im ©efpiiid) uiib im 93nef niicf) für bie öiuiicflicöcnbc 3eit uicl 2BertboIIc§ cvfa^icu."

®. 571. 2?tc unturaliftifc^c makvci in S-ranfrcic^. On feiner „®efc^irf)te bcv mobenicit gO^alerci" fteHt 2Rutf)er folgenbeä ^.^ci-jeidjniS au§ bcm Stoffgebiet btx iintiirnliftifcficn finu» 3üfifc^eu Ttaln auf, boS and) für bic Sidjter gelten !Qnn. SlUeö Icerbe barQefteüt: „Xie Sd^mieben, bie 93a^n[)öfe, bie aWofd)inenf)aaen, bie ^Jtr6eit§ränmc ber .'panbiuerfer, bic olid)cnben Cfen ber ©d^melsJüertc, bie offi3ieaeu ®ala§, bie ©atonS, bie ©jenen be§ ^iinölirijen CeDenö, bic gafe§, SKagoßine nnb Watltl)aa.in , bic 9?ennen nub bie «öörfe, bic Silnb$ nnb bic 93nber, bie SRcftaurant§ mit teuren greifen uub bie bumpfen ^^üotfStüdjcn, bie Cabinots partieuliors unb ber (Si^ic ber kremieren, bie D^üdfefir aiiB bcm Söoi» unb bie ^^roniennbe am 2)Jccre§ftranb, bie 93anfpufcr imb SpieU)öaen, GafinoS, 93ouboir§, Sltelicr» imb S(eepingcar-3, I'lDcr^ielier, äJJünoclcä uub rote g-räcfc, 93äae, ©oireen, ©port, 3WontecarIo unb Xronüiüc, bic .oöifälc ber Uniüerfitäteu uub ba^ jau&erifdje ©trafeengetüimmcl ber 3lbcnbe bic gaujc ÜTienfdi^cit, lr)erd)er @efellfd)aft fie ange[)ören luib lucldjc 2:ätigtcit fie treiOen mag, 3n .C->anfe, in ben Jpofpitälern, in beu ^leipen, im 2;f)cater, auf ben ©quareS, in ben örmlid}en ©äffen imb meiten cleftrifd) 6etcud}tetcn 33ouIeüarb-3."

©. 571. ^tbcrot. 5aif S).§ Syerfe, fagt S<^la, muffe man ftets 3nrürfgef)cn „comme aux seules sources viaies de cos (Euvres modernes".

©. 571. 2:rtinc. 3n ber ^orrebe gu feiner Sd)rift „De rintelligence " gibt er bereits ben 2öeg an für bic 2Rilieu5cidjnung ber 9?atnraliften: „De touts petits faits bien choisis, im- poitants, äignificatifs, amplement circonstancies et minutieasemeat notes, voilä aujourd'hui la niatiere de toute science." *l?gl. über bic „2^[)eoiic be§ aJiilieu", namentlich bei Jaine, bann aber aud; i[)re ©nttoirftung bei anberen Senfern bie, tüie fdjcint, in feinem gröBcren Sßerf an§genugte lücitPoüc Siffcrtatiou ©ugenie 2)utoit§ auo 93ern (cbcnba 1899). 5(nf laine? ©tanbpimft ftanb löinfid)tlid} bc§ Siomand in 2)eutfd)Ianb übrigens auc^ ©iU). Sdjerer.

©. 572. B"!". ^on 3-^ tf)eoretifdjen ©djriften gc[)ören ^icrl)er , Le Naturalisme au Theatre", „Les Komanciers naturalistes " uub Por allem „Le Koman experimental'' (SßariS 1890), 100 ()eiBt (Nouv. Ed., Paris 1905, ©. 3): „Le but de la methode experimentale . . . consiste a trouver les relations qui rattacheut un phenomene qtielconque a sa cause pro- cbaine, ou autrement dit, a detenniner les conditions necessairps a la manife.station de ce phe- nom'ene." 2BiU man bei ^ola einmal l^eHc, Iid)tc i^arben fcnneu lernen, fo Icfc man ct»n bic 9Jaturfd)iIbcruugcn in ,.La faute de l'abbe Mouret". iHiiuctii're („l/- Koman naturalisto", ^ari§ 1902) itjcift nad^, ba^ bie .öanptfcnnacidjcn beä 9?aturali'3mnS fdjon lange bor beffen ■iluftrcten im Sioman beimifd) maren. r^üx ©aubet unb TirfenS nimmt er ben i^cgriff eine« fentimentolcn iRealif^mn^ in <Jlnfprnd). Über 3ofa fänt mand;c§ fiitifdie S^ort: .,M. Zola n'avait plus qu'une choso a faire; il l'a faite; il ebt devenu son propre critiquo." ^IJon ber einfügen SHomantit mag audj er nid)t§ me^r luiffen: „Nous en avons assez de ce mari toujours bete et brutal, de cette femme toujours incomprise et victime, de cet amant toujours noble et beau; nous en avons assez, et jusque par-dessus la tctel C'est le mensongo; la verite est ailleurs.'- 9lbcr er rtJciB, i>a\l and^ ba§ ^nbc be§ 9?aturali§mu§ r)cranoefommcn tfl: „On n'ose plus etrc naturaliste; on se dcfend de l'avoir etö; les plus ignores eux-memes de ses disciplos, les imitateurs qu'il ne se savait poiut, ont deja commence de trabir ,le ilaitre'. . . . I/; natura- lisme avait sa raison d'etre, dans le siecle nous sommes; il on avait meme plusieurs, que nous avons plusieurs fois dcduites; et, ces raisons, nous n'en voulons do rien plus » M. Zola que do les lui avoir, l'uno apres l'autre, et pour longtemps maintenant, enlevees ..."

©.574. ^afcn. 9?eueä fanb id) in (f[)r[)arb8 ©dirift ..Ibsen et le thöätre contem- porain" (i^JariS 1892) unb ai^mannö il^orlcfnngen übet 0- (Hamburg unb L'eip.iifl 1901). ^<gl. auc^ @. L'enebeu, „Ibsen et Maeterlinck" (^ariS 1902).

k©. 577. Die 9Jeuromnntif in ;srnnfrctd). Slegnanb crflärt (in feinem 'iMid)c über ficnau), 5)?omantif unb ©limboliämuö feien gcrmanifilicn llrfprnngvV 21MII man njiffcn. m.i«

692 Stnmerfungen.

ber gransofe mttcr 'Jtomanttf beifte^t, fo fi^Iagc mau dtoa ^ffaxU^ 5öaubclairc§ „Curiosites esthetiques" (^^ariS 1904) auf, too er bejiuiert („Qa'est-ce que le romantisme^'?): „Le roman- tisme n'est precisement ni dans le choix des sujets ni dans la verite exacte, mais dans la maniere de sentir. 11s l'ont cherche en dehors, et c'est ea dedans qu'il etait seulement possible de le trouver. Pour moi, le lomantisme est rexpression la plus recente, la plus actuelle du beau,

II y a autant de beautes qu'il y a de manieres habituelles de chercher le bonheur

, . . Qui dit romantisme dit art moderne, c'est- ä-dire intimite, spiritualite, couleur, aspiration vers l'infini, exprimees par tous les nioyens que contiennent les arts."

®. 579. 9)liin(f|eu imb SBerrin. gür bte le^te ©pocEic ber ßiteratur big gut 9?eu= tomantil ift imht bielcn auberen ©djtiften, bte td) ^kx mä)t äittcren fann, 6efonber§ Wijx- reid) bie S)nrfteIIuug Stbolbert bon ^cmfteiuS: „S)a§ jüngfte S)eutf(^Ianb. 3^^^ 3a^r= geljute nüterleDtcr 2iteratuvgejd)td;te" (e6eufo tüte ©oergelg „Siditung unb ©idöter ber 3ett" bei 93t)tgtläuber erfd)iencn, fieipjig 1901). S)er naturaliftifd^eu SSeluegung in ©eutfd^Ianb fielet b. .§. E)öd)ft Iiitifd) gegenüöer. 23rar)ui fei uid^t guiu ^eil ber beutfd;en Siteratur ber eigent» lic^e Spiritus rector geluefen (®. 143 ff.). „2)id6ter, bie nie JJaturaliften getuefeu finb, luie ber Qbeengrüöler 36feu unb ber ffJeligionSneuerer S^olftoi, mnfsten burc^ gefdbidte 21u§h)al)t i[)rer 28er!e mit biefer neneften SlJobemarfe abgeftempelt luerben .... ®afe öbfen feine größten ©ramen in l^iftorifdiem ©etoanbe fdjrieb, ba^ öjörnfon feinen nationalen Üiul^m feiner ©igurb= Sragöbic berbanft, ba'Q er eine 5ÖZaria ©tuart unb ö^nlidieS gefdiaffen, ba§ berfc^loieg man." engen SBoIff, 53erf. be§ a3ud)e§ „®ic beutfd^e Siteratur in ber ©egehluart" (ßeipgig 1896), in ber er bie gcfd)id;tlid)cn Suffii^iiien^'^itöc feit ©l^atefpeare bel^anbelt, f)at in ben bon il^m unb £eo $8crg t}erau§g. „ßiterar. 53oIf§[)eften" 9?r. 5 einen Stuffa^ gefdjrieben über „Sie jüngfte beutfdie fiiteraturftrömung unb ba§ ^ringip ber SWoberne", ber eine grofec S3ebeutiuig für bie naturaliftifdje 93ett)egung geluann. ®r greift gurüd auf bie „^ritifd^en Söaffengänge" ber S3rüber ^^axi mib ftellt feft, baf3 jene au§ bem i^reife um SBilbenbruc^ l^crborgingen {©. 9). S)a§ ©ange ift in bie gorm bon llntertialtimgeu gtoifd^en einem Sbealiften, einem ^iftorifer, einem Stft£)eti!er, einem S)?oraIiften, einem ®id)ter unb einem S'Jaturforfd^er gefletbet. 2eo S3erg ]^at cinä) nod^ eine ©djrift ,,®cr 9?aturali§mu§" (9Küud)en 1892) beröffentlid§t. 33gl. ferner SBit^. ffiölfd^e, „2)ic naturlüiff. ©rnnblagen ber ^oefie" (ßeipßig 1887), ^rolegomena einer reali« ftifdjen iJlftöetif. ®r berlangt gcrabegu al§ ©runblage für iia§ aufmad}fenbe !Did)tergef(^led)t „gütjlung mit ben 9?aturluiffcnfd)aften". S)a§ S5ud) ©bgar ©teigerä, „S)er ^ampf um bie neue Sidjtung" (Seipgig 1889), ift nur eine ber bebentenberen 3;enbeu3fd)riften jener S^age. seiet bebeutenber ift 9J?. ®. 6onrab§ ©c^rift „«on Sota bi§ Hauptmann" (fieipgig 1902). 9Kit toeldier ©enngtuung man im 5tu§Ianbe feftfteOt, ba^ bie beutfdie ßiteratur fid^ mit 53or« liebe nad^ fremben SKuftern untfdjaut, geigt eine ©teile in 'ab. 93offert§ neuem 93ud^ über Berber (^ari§ 19161), luo i^eifet: „Aucune litterature n'a vecu sur l'etranger autant que la litterature allemande. C'est au point qu'on peut se demander ce qu'elle aurait etc, ou si eile aurait seulement existe, sans la Grece, Rome et l'Orient, saus l'Angleteri'e et la France. Certes, aucune nation moderne n'a echappe ä rinfluence de l'antiquite; mais lorsqu'il s'agit de l'Alle- magne, le mot d'influence ne dit pas assez; c'est l'emprunt sous toutes les formes; et ä l'antiquite il faut ajouter le moyen äge et les temps modernes. II y a differentes manieres de traduire, depuis celle qui se borue k faire passer une pensee d'une langue dans une autre, jusqu'ä celle qui s'applique k reproduire la couleur et la forme de l'original: rAllemagne les a toutes connues; on peut meme dire qu'elle y a excelle. " SBenn ein 93oIf geiftige Stnlei^en bei fremben 53ülfern gemad;t l^at, bann ift fic^crlid^ in erfter 9tei[)c ba§ frangöfifc^e.

©. 586. 2)cr fonfcqucntc 9ifit«raU§mu§. 3Jlit ber bon ^olg aufgefteHten 5tt)eorie bgl. man bie Stnft^anungen ©rifUiargerS, ber fid) eincrfeit§ menbet gegen bie „Obecnbidjter, bie irgenb einem i^albberrüdten ©a^e einen gang auSgerentten unb bertrüp^^elten ^örjjcr an« gubaffen ftreben", anbererfeits gegen „bie ©idjtcr be§ 2Birflid^ = 2Ba!ören, bie nämlid^ ifire eigenen

Slnmevtungen. 693

lumpigen 3u|täiibc für [o Bebeiitenb galten, ba\i fie btcier6en bom 3J?unb auf in ben C'>iinmcl bcr q?oeiic einaubütgern l^offlen." „Sic ßunft", fagt er pofitib, „ift bie .'öerUor bringung. einer anberen 3latut aU ber, toeld^e nn§ umgibt, einer 9?atur, bie mer)r mit ben 5-orberungen bc-5 'i^erftnnbeS unfercr ©mpfinbung, unfere§ ©d^ijn^eitsibeais, unfeveS Strebend und) Gin^eit übereinfiimmt. SScnn mir babei bie äufeere Statur nad^o^men, fo gefrf)iebt nur, tueil mir iniferer Schöpfung Qud^ eine S^iftena geben unb Dom leereu 5traumbilb untcrfrfKiben inorien." SSa§ bie anbem (3. ©. bie 9?aturQliften,) intcreffiert, „ba§ finb bie Pürübergef)euben Toten ber empirifd^cn ®rf(|einung§lüelt. S)q§ ©roBäügige, ba§ ©cfü^I§mäBige ber 5jQturber|entung ftöBt fie ab, fie lüenben fid; bcr oberfläd^Iidjen Slußenfeitc bt§ fiebenS unb 2:reiben§ 5U." Sie entfd^ei» benbe ©d^rift Pou 5(rno §013 („2)ie ^unft, i^r SBefen unb il^re ©efetie", ©erlin 1891) t)at aiid) ciuf feine Sichtungen ftiirler bie Slufmerffamteit gelcnft al5 nuf bicjenigen Sd}[nf5. ®ic bie beiben fpätcr in tiäfelid^fter SBeife auÄeinonber fnmen, läßt fid) 3. <8. eam. üublinSti« polcm. ©d^rift „§013 unb ©d)Iaf" (Stuttgart 1905) enluef}men. f)anbelte fidj bor aUem um ben bid}terif(^en 9(nteil an ber „gamitie ©clicfc". i^gl. onc^ g ©d)(af, „9Jod) einmal 9lrno§ot3 unb xd)" («Berlin 1902). ^ DJotermunb, „3. Sd)Iaf" (SKagbebnrg I9ü6j. genier allgemein: £). SoeO, „Sie ©ntlüirflnng ber naturaliflifdjen gorm im jüngften Trama" (^aCe 1910). 9(Ioi)§ 9Job. (5d)Ii§mann, „Beiträge 3ur ®efd)id)te unb S^ritif beS 9?atnrali'3= muä" (S^iffertation, ^iel unb 2eip3ig 1903). 9?idjt bergeffen fei gr. Zt)Cob. 53ifd^er, „^a9 <Bd)öm unb bie 6^'Unft" (9iad}geL 53orträge, ^ernuSg. bou S)?ob. ^Ufd^cr, 1898). Sic bcbeu= tenbfte ber einfdölägigen 5(rbeiten in granfreid) ift luobi bie 2oui§ 93enüift = .s:->annnppicr8, J.e Drame naturaliste en Allemagne" («ßariö 1905). ^r befpiid^t suniidjft mit ^^crttjun« berung bie berfdjiebene ©cbeutung be§ SBortc^ „ßiteratur" in Seut|d}lanb. iRcoIi-Snuiö, 9?aturati§mu§ unb 53eri§mn§ braucht er a[§ gleid)bcbeutenbe Segriffe. Sa§ militärifc^c Scutfc^« lanb ift if)in grünblid) berriafjt: bem SBaffeuerfofge entfpreri)e „un recul de ridealisme", ü^evlin bOü SBeimar berbrängt l)abe, ribalifiere mit ßbicago. ^aüi berrfdje geifiig und) »oie bot über Seutfdjianb SBilbcnbrnd) unb 9(n3engruber, bie einaigen beutfd)cn Sramotifer, bie nac^ bem Kriege 1870/71 in 93etrac^t gefümmen feien, ibürben uiemal» „uno celöbrite proprement nationale" erlangen. SBieber l^abe granheid) mit bem ThcVitre-Libre bie neue 9lnreguug gegeben. 53erf. bergleid^t bann SSbfen, ^■>ebbel, ßubtoig unb Hauptmann miteinanbet: ,.TaDdis qu'Ibsen se distingue de Hebbel et de Ludwig surtout par l'apport de tluMiies Deuf.s (alcoolisme, heieditö, questions sociales, feniinisme, etc. . . .), Hauptmann difföre d'Ibsen plutut par reniploi de procedes autres en ce iiui concerue le dialogue, la mise cn relief de ,rindividuel' et la conduite de I'action."

<B. 590. ÖJcr^nrt Hauptmann. ^. Sdjlenl^cr§ &. .vnnptmoun = 5?iograp^ie ift nur für bie crfte ©ntluidluug be<ä SidjtcrS luidjtig. Sie r)at bie lofe gorm büu Ijiuflcinoricncn geuilletong unb l^nt nur burd) ben 9Jameu be^S i^erf. unb feine 9?e3ie[)ungcu 3U biefcn Siditcr« freifen ©ebeutung. 33iel ge^altbofler ift 3uliu§ Dlö^ry Stubie: „®. ^.9 bramatifd)e§ Sdjnffen* {93erlin 1912), bie mir mebrfad) ^intnelfe bot. 3" ,<^ounelc": eine gute Hberfid)! über bie fflc« fd^id^te be§ Xraumftüdö big etiua 1830 gibt Stefan .^od: „Ser 3: räum ein l*eben" (Stuttgart 1904). 3u „©rifelba": Pgl. aBeften^oIa, „Sie ®rifelbiöfage in bcr 2itcratuigcfd)id)tc" (1888) unb (Suftab SBibmann im „(£upr)orion" (iBaub 13 unb 14). <q.§ (Eintreten für bie Obcalc bcr Humanität Joirb in granfreid^ betont: „Hauptmannest, avauttant, uu pliilauthrope. un sincere amour de l'huiuanite determine toutes ses pensoes et regle toutes ses ambitions."

S. 004. Subcrmann. 5?gl. über S. befonberS !q. Önnb^^bcrg (33erlin 1901). 1919 erfd^ien S.§ Srama „Sie 9iafd)offö" auf bcr ©ü[)ne mit grofjem Erfolge.

S. 608. ©eorgc. 5^gl. g. ©unbolf (pf. für ©unbclfinger), „Stefan ©corgc in un- fercr Seit" (2 9aifl. C>eibelbcrg 1914), Si Syanbrcl), „St. ®." (Strofjburg 191'J) unb g Sül- berg (9Künd)cn 1908). 5you ber Literatur, bie if)m fein '>() ©cbnrtotag bcfdicrtc, feien nur bie ficine aJJonograpbic Söitt. Srijcücro (ifeip^ig 1918) unb ein eigenartiger, bou % Sdjoeffcr xiub 2. Straufe Orig.--^^ribatbrud be§ Onfelberlagd crh)öf)nt.

694 3Iiimev!ungen.

©. 610. ^ofmniiU'5tf)ol. ^gl. über §. bie flehte ©djrift (£. (5uIger = ®e6iQii§ lÖcipatg 1903).

©. 612. ^arbt. Sögt. ü5er §. bie Heine 93rofd)üvc ®. ^^ompecfi§ (2cip3ig 1908).

©. 613. Sufiliu'Slt. Metft unb .^eb&el nennt ©. in bem gitierten „Snc^ ber OppoH» tion": „2)er SIu§gang ber 9Jioberne" (©reiben 1909) bie „Beiben größten ©id^ter be§ romonti^ fd^cn 5Drama§" .(5ßcntt)e[ilea unb ^ubitf)). ©. Be^iel^t ficf) gurücE anf [ein 93ud^ „Söilona ber 9Koberne" (1905), Ido er fid^ mit bem berf($eibenben 9?atnrali§nm§ an§einanberfe^te. ^e^t luenbct er fid) 6efonber§ gegen bie 9tenromanti!. (£r tritt gunädift für eine neue Kultur ein, o^ne bie feine neue ^nn[t benf&nr fei. ®ie 9[Robcrne fei gefdjeitert, lüeil if)r ber ®Iau6c an menfd)Ud§e ©röfsc gefe()It l)a&e. Qtoci Äranff)eiten muffe bie SKoberne oblegen: 1. bie 53er= lued;flung ginifd^en SBiffenfd^aft unb ^unft, 2. ben 2(na(^toni§mn§ il^rer rebolutionören ®e= finnung. S)ie neue Kultur muffe auf bem ©angen ber ^Wcnfd^ennatur berni^en xmb ft)ntl^eti= fd^en (E^arofter i)aben, b. i), fie bürfe lieber fogiologifd), romnntifdj, mi)ftifc^, nntionotiflifd;, fonbern fie muffe ntte§ gufammen fein.

©. 619. '^Si^tung ber legten ^n^räcfjutc. föine felbftänbige unb barum bead)tens« luerte ©figge ber £iteratnr = ®ntloidvung bon 1885 1905 gibt ^ermann ^ölgfe in bem 33üd)= tein „3toan3ig ^ai)it bentfdjer ßiteratnr" (93rQimfd)tDeig 1905). ©r gliebert Irie folgt:

1. Stürmer unb, oranger: (£onrob, 93Ieibtreu, 2llberti, 93ni)r, 9(rent, ©onrobi, ^endcß, SKadal).

2. Eiliencron.

3. 3oIaiften: ^re^er, 93iebig, ^oleng, ^^SQzht, 93el}erlein.

4. ^onfequente 9(aturaliften : .^olg, ©c^taf, ijauptmaun, §albe, ©tc^r, ,v)irfd)felb, ©d^ui^fer, [Ruebcrcr, ßangmann, glaifd^Ien, 5jJ. ©ruft, ^olgamer.

5. SRoberner ®efelIfd}Qft§reaIi§mn§.

a) gemäßigt: ©ubermann, ^oKünber, Sanb, SSaff ermann, b. Om^^tebo, %i). 3)?ann, SReide, grapan, 93öE)lan, Dieutcr, ^anitfdjef.

b) ©efabence: 3:oüote, ijartleben, a3ierbaum, ip. SRaim, ö. SKonbart, 9K. 9J?abe= leine, Gid)I)orn, 2a§fer = ©d)ütcr, ©d^olg.

6. 3)er bon ber S)?oberne beeinflußte 3:ei( ber alten ©djxde: ^eibcrg, ^-öofe, 2)kgebe, gntba, SBilbenbrud), 5ßerfaE, Söolgogen.

7. ®ie bon ber 2)?oberne au§get)enben ©fleftifer: 5)re^er, O. ©ruft, ^acobotü^fi, S3uffe, Dritter, Spiegel, ©troufj.

8. ©i)mboli)ten: ^. .s^art, ©clpiel, galfe, (£ber§, belle ©ragie, ©eorge, §of- mannSt^al.

S)aran fdyiieBeu fidj aB ?(bart (®rotc§fc unb S?omif) SBebefinb, Slltenberg. ©d}eerbart.

Über bie ßiteratur be§ 20. ^a^rlnntberts bgl 9K. ©eifeter (SBeimar 1913). 3n granf-- reidj: 9?i. 2)?uret, ,La Litterature allemande d'aujourd'hui" (^:|Sari§ 1909).

©.619. Sljdf. ^Ql $Ridj.'ginbei§, „®efd^id;te ber beutfdjen £t)rif" («erlin 1914). ©öfd^eu, 2 83be.

©.619. 2)cl)mcl. 2)em toten grcunbe toibmet ein auc^ ftofflid^ bead)ten§ltjerte§ er= innerimgSblatt Julius ^art in «elt}agen u. .niafingS aWonotgl^eftcn, Tlai 1920.

©. 624. ^acüBonjcifi. Diefer Sid)ter ift urbilblidj loieberguerfcnnen in 6. Q3iebig§ ,M lebe bie ^unft" unb .^->oaänber§ „Stomas Srud".

©.634. ^nrtlcöcn. Über i^n bgl. e. glaifd|len (Berlin 1895) fotoie feine eigenen ]z^t herausgegebenen unfogbar fladjen S3riefe an feine grau (Q3erlin 1908) unb feine grcunbe (93erlin 1912).

©. 640. ^pitteUv. ©r r)at fic^ über fic^ felbft in ben beiben guU^eftcn 1908 be§ ^ufttüortä au§gefprod)en („SRein ©djaffen unb meine SBerfe")- ©djon als 22 jähriger QtU'- beut i^abt er bie epifd^e ^-Poefie al§ feine SebenSanfgabe crfaunt: „3d^ hjürbe, aud^ toenn mir'§

Stiimerfungeit. 695

ba§ Sci)idfQl eilnu6t ^älte, nie eine anbeve geile gefc^rießen f)n6cii." 5lJg(. micf) S- SBcin= gavtner, „6arl gpittelei;" (Wüncf^en 1904).

©. 644. ajofcflgcr. 2)ie bebeutenbfte Q3iogiapf)ie JHojeggeiS fjat 2^. ÄlQppftein (Stuttgart 1904) geld)vie6eu. greilid} trirb bocf) me^r referiert qI§ djarafterifiert. giim „2BQlbfd)itIineil"ter" Ugl. 9ai5eiigrii5er§ ©rief (in Diofegger öom 31. ^an. 1875 (fierauegegeben üon 21 SBettel^eim, Sluttgart iinb 9?erlin 1902, ©.242): „"^d) Droud)c ^()iieii uid)t erft bie Sßerfidjenmg nieber5uid)rei6en, ba^ id) O^r QUBevorbeiillid;eo Jaleiit ^od))d)ö^e, bafe id) in bem feftcn ©lauten an beffen gortenltuidlung unb Gntfaltung lebe bor nidjt gor langer geit fc^riebnür 5ß. S!. Dioi'cgger: ,3d) trerbe eineS ^ogeö tief, tief in ben SBalb gelten, fo lief, luo nod) fein SWenfd) bor ntir gelDefeu luar, unb ba tvnbc id) eine irilbe SBalbrofe finben, roie fic nodi fein SDteufd) gcfc^cn fint bor mir, unb bieje luevbc id) ber Si>elt bringen: dtlidje 3eit borriod), bn tunr Diofegger im SBalb geloefcn, luenn and) noä) nidjt fo tief, loo nod) feiner bor if)m geluefcn loar, aber bod) tief genug, ba^ auf feinen 5Eeg ein 93Iatt jener SRofe ^ingeioc^t lunrbe, unb biefeä ©latt nannte er „©djriftcn beä SBalbfdjuInteiflere". 3n granfreid^ toirb 3t. fel)r gefd)ö§t, feine meiflen SBerfe fiub in§ gran3Öfifd)e übefegt. 5(. 5>uÜiob i)(it \i)m eine S>ionograp()ie („KboK-me et Toeuvre", SJvariö 1912) geJribniet, luo er aud) feiner lileraifiiftori» fd)en 93ebeutung gcred)t su tuerbeu fud)t. 2)a ^eißt (S. 504): „Le premier, il allait traiter de )a vie rurale en connaissance de cause, avec une competence jamais en defaut, et teile qa'il n'est pas une besogne du paysan dont il ne put parier pertinemment. eo ,homme du motier' qui se trouve etre en meme temps un artiste.'"

©. 646. ^it^Icr. Über ^. beridjtet einge[)enb im 1. 33b. bou beiieu „@cf. Üi^erfen" 02. 5lufr., aKünd)en n. 2eip3ig 1905) S. Tl. ^rem. 9Jodj loertboßer fiub ^.pidjlerä barauf folgcitbe autcbiograpi^ifc^e erinnernugen ,,'^n meiner Seit, ©djatteubilber au^5 ber 3?ergangenbcit". Iß. betont babei, ba^ er feiner Partei augel^öre. ©r ber^idjtct auf ein^citlid)cn 5(ufbau unb löfet äuk'tjt nur nod) abriefe fpred)en, bie bon 2(pf)ori§men u. a. abgelöft luerbeu.

(g. 648. (iJaußfjüfcr. ©.-S Selbftbiograp^ic trägt bcn litel „Öebenelauf eincS Cptimiftcn" (Stuttgart. 2. 9(ufl. 1910). 5Den Dptimi§mu-3 erflärt er burd} ben guten aMücn ((£. 584): ttjenn ba§ öeben tuirtUd) „feine erquidlidje <Bcid)c" fein fodte, „fo Iüf}t im§ au§ bem Qthzn ctloaö (Sd)i3ue§ madjen".

©.648. ^nnejttfob. 3n feinen üagcbndjblättcru „geierobenb" bcfcnnt er, bafj it)m mit Dtüdfidjt auf feine jcbcr 2)ienflbaifett abgeneigte dlohix ber gcifilid)c Staub im Öaufe ber 3af)re eine uneiträglid^e Saft gcluorben fei (S- 21 u. 250). S^. ^at bereits brci iyiograp^en gefnnben: b. ^^fifter, »ifc^off unb (1918) g. Ä. Sempf. £e*r le^jtere ^atte ben 3nt)alt feinet 93ü(^Iein§ g. Z. sucrft in 93b. 158 ber f)iftor. = poat. 9?U. f. b. rat()oI. Seutfd)Ianb (SJJünc^cu 1916) beröffeut(id)t. ©in ^inätgtater föar übrigen^ aud) ber C^rofebatcr Sd)effelv, unb geQ (bgl. VQ"^" jatobS „«ogt auf 2>Jü[)lfteiu") luar ber Crt bon Sdjcffel-? 3)id)tevlicbc (©afe (£mma .^eim).

S. 654. ^id)tcnbc ^-roucn ber (L^cftcuiuart. Über biefeS I^cma bgl. 2:^. ftlaiber, ber a)i. b. 2«ei)feubng, Tl. b. (£bner, S. fiagerlöf, SK. .'Tmk^, 3. Sluxi, .<c>. Q^öljlau, % Sfram, (5. JBiebig unb ^. 53oigt''Xieberid)-3 bc^anbelt.

S. 655. JRic. ^ud). ^i^gl. über fie O. S?alje[ (fieipäig 1916) unb feine Sdjule foiüic ebg. 3(. SRegencr (Scipsig 1904).

S. 659. ^. 9(. Slrüflcr. Über Si. bgl. ©• ilammcrt)off (Öcip^ig 1910).

S. 661. Srama. «luä ber ungct)curcu Literatur fei ()icr nur einige« für ben Jej-t SJBefentlidje I^erau3gc[)obcn. Über „£a§ beutfdjc Xxama in bcu [iterotifdjcn «^eioegungcn ber ©cgentoart" ()at 1894 (.<pambnrg n. i.'eip5ig) ^i<- i-'iljmanu eine i){eit;e bon 'i^orlcfungcn berüffcntad)t mit bcfouberer 93erüdfid)iigung SBilbenbrnd)«, Obfcn«, Hauptmann« unb Subet- mann§. «gl. ferner ©bgar Steiger, „25a5 ÜBeibeu bcö neuen Tvamaö" (iPcrlin ISOS). unb Sllfreb ^err, „S^aS neue 2)rama" (23crlin 1907). Ciarl S^eitbied)! bot in fctncm <yu* „Taö bentfd)C TDrania. ©rnub^üge feiner \>(ft[)eiif" (93erliu 19<Xj) ein bcgreuätcrcS Seitenfturf ju grei)tagö „Xedmit be>3 2)rama§" gegeben. - teincn rafdjcn Überblicf crmi^glid)! &. ®ttfo!D«ft.

696 3fnmevfungen.

„S)a§ beutfc^e S)rama im 19. ^al^rliwnbert" (öetpätg 1903). S)em „beutfc^en 2)raina bcr ©egentoart" liat eine Iün[tlenfc^ illuftrtcrte JOionogvap^te geJuibmet 9?uboIpl) ßotöar (SKünd^en u. fieipsig 1905), bie in crftcr fitnie eine 5tcd)uif be§ mobcrnett S)ramQ§ auf pro!« tifd^er ©runblage geben toiH, alfo eine mobecne Dramaturgie im Stnfd^lufe an ba§, lua§ ;|eute auf ber 58ül^ne lebt. ®er 1. S;eil Bezaubert ba§ SBerben be§ mobernen ©ramaS, ber 2. 2:cit eingelne ©id^ter unb Dramen. Der ©tanb)junft ift alfo nid^t ber be§ 2iteratur^iftorifer§. Über „Da§ mobcrnc Drama" l^at ferner SRob. g. Strnolb glüölf intereffante S8orIefungen beröffent« lic^t (©trafeburg 1908). «8gt. auc^ 93. 58uffe, „Da§ Drama" (3 S3be.).

©. 667. 9Jltmu§. §icr geftalte id^ Slnregungeu Leiter au§, bic ^ermann 9iet(^ in feinem epod^alen SSerfe „Der Wixnn§" (93erlin 1903) gegeben :^at. SH. :^at auf ber ©runblage eine§ ungeheuren, gegen früher beräet)ufad§ten 9Waterial§, ba§ bem biäl^er üblichen Dilettan- tismus auf biefem ©ebiete mit fritifd^er ©ele^rfamfeit ein ©übe bereitete, bie ®efd)idf)te bi§ antifen 93oIf§brama§, be§ 9Kimu§, gefd^rieben unb beffeu crftaunlid^en (ginfluf} bi§ auf i)a§ inbtfd^c Drama, ben türtifc^en ^aragö^, ba§ orientalif;i)e 5^afperlefpiel, ©"^afefpeare uflu. ber» folgt. Damit lüar eine i^öd^ft fotgereid^e unb frud^tbringeube ©ebantenbelnegung in me'^reren toiffenfcfiaftlic^en Disziplinen eingeleitet. Die gorfd[)ung über bie ©intöirtung be§ 9JfimuS auf ©^alefbeare i)at «Reii^ felbft fürtgefe^t im (5f). = ga^rbuc^ 1904/05. ®eorg öranbeS fü[)rte 91.S S3etüei§fü^rimg Leiter in einer 2lbl)anblung bom 8. Degember 1904. Ont' „^önig mit ber Dorncnirone" (ßeipgig 1905) mad^te SR. bie ©gene ber Dornentrönung E^rifti als eilten alten SKimuS mat)rfd)cinlid^, ben bie ^riegSfnedite auffiü^rten. SSilt). SBunbt i^at im 2 83anbe feiner „??ölferpft)d^ologie" ben 9Kimu§ in ber ^oetit, Slftljetif unb bie @ntmidlimgSlel)re eingefügt. Der Dcientalift ^of. §oromi§ lt)ieS in bem fc^önen 93ud^e „©puren griedjifd^er SWimen im Orient" (33erlin 1905) weitere mimifc^e ©infUiffe im Orient nad^. ßeop. b. ©djroeber, ber SBiener Snbologc, fd^rieb über „STiimuS unb 5Ri)fterium im SRigtoeba" ein auffd^lnfereid^eS SBert. Der ©tl^nologe unb SteligionSmiffenfdiaftler ^. %l). ^reufe gab in feinem S3ud^c: „^^allifd^c g^rud^tbarleitSbämonen als ^Träger beS altme^ifanifd^en DramaS, ein 93eitrag (t^nx Urgefd)id^te beS mimifd^en SBeltbramaS", üon 9^. angeregt, erftaunlidie 5ßaraEelen gnm SWimuS auS alt« megifanifd^en 93ilber!^anbfd)riften. ^aul b. SBintcrfelb, bereits im SÜe^t ertoäl^nt, folgte ben mimifd^en ©puren im SRittelalter in feinem bielgerü^mten, bon Üi. licrauSgegebenen SSerfe „Deutfd^e Did^ter beS lateinifdicn $KittelalterS in beutfd^en 93erfen" (SKünd^en 1913). ©n^inger fteüte feine ergebniSreid^c gorfd)ung in ber „(Snttoidlung beS SBiener S^beaterS" (93erlin 1918) toe enttief) auf ben SRimuS. Der Safeler S^bßQtßt^ittt^tt'^ant ßert entbedte in feinem ©ud^e „SRogart auf bem ^beater" ben 9JJimuS als ben Urquell ber fomifd^en Oper. Slud^ Did^ter l^abcn bzn SWimuS auSbrüdlid^ begrübt, lüenn fie fic^ lüie ®. Hauptmann burd^ i!§n gcför» bert füllten.

©. 672. ^ofendctjcr. ®S ift bieüeidjt nid)t ol^ue Qntereffe f eftsuftellen , bci^ §. politifd^ bcr unabl^ängigen ©ogialbemofratic guneigt unb in §eft 4/5 bcr iWonatSfc^rift „Das jimge Deutfd^lanb" S3erfe auf ^. Siebfned^t bcröffentlidöt l)at

©.673. JBüi^ttC, Über „DaS beutfd^e 3;t)eater im 19. ^a^rbunbert" liegt ja nun (fett 1904) aWog 3«arterfteigS 93ud^ bor, beffen evfte Kapitel aud^ bie frül)ere Qeit in ben ^ciS ber S3ctrad)tung giel^en unb UmfcE)au im SluSlanbe Italien, fo bofe cS auä) als ©efd^ic^tc bcS XbeaterS fd^tc($tl)in gelten fann. Tl. er!lärt bic gragc ber <Bd)anbü^m für „eine gragc beS fitttic^en SBoöenS". eine überrafd)enbe gal^l bon Slrbeiten über bie 83ü^ne l^at baS 3al)r 1918 gebracht; über 9leinl}arbt aOein bon ©. ^acobfobn („DaS ^alir ber 93übtte"), ©tern* ^cralb („9ft. unb feine 93übne") unb 9K. ®pftein, beffen anregenbe unb fad^lid)e 9t.«9»onograpbie augleic^ ein ©ammelbud^ für X^eatcrfragen barfteOt. ©obann f^at in biefem ^al^re % Äutfd)cr über „Die SluSbrudSfunft ber 93ü^nc" gef daneben, b. l). „©runbrife unb 93aufteine anm neuen 3:^eater" liefern lüoßen.

Rcgiftcr.

Mc^Ieitner, ^xtijut 648 Slbambetger, Srntouic 111 31 biet, griebrid^ 623 2iboIf»griebri(^ IV. Uon

TlcdlcnbuxQ- <Bd)tvctxn 244 5l^lcfclb, ©räfin 384 2tlBertt, eoitiob 581. 652 3ll&red^t, §er3og ö. aSatjern

420 SlIcEonber, ©rofe^ergog b.

ÜBeimnr 252 2(IeEi§, SBimealb 99 ff. 194.

268. 448. 676 3llten6cro, ^etcr 660 9llteubiirgcr, Sat^oiinn

108 Sntmann, «. 682. 685 Slltmüller, ©coig 677 Slmalafunta 549 9linafi§ 305 9lnalrcün 191 auberfen 3. 194. 390. 453.

456. 683 b'Slnnungio, ©aßriele 578.

609 9lprent, 3o^. 149. 162 9üttotne 585 9(n3cngnt6er, ßubloig 134.

433 ff. 440. 677. 688. 693.

695 9lqutno, S^omag ü. 201 9lv6aria, ^ulie 252 9trcnt, SBil^elm 580.

630 5lrioft 191. 225 9(rimatl^ia, ^ofcpl^ D. 9UiftoteIc§31.42. 256. 272 Vltnbt, ©rnft ^oüt} 57. 169 f.

175. 562. 564

582.

13

91 mim, 9Ic^int b. 54. 57. 59.

97f. 179. 201 9Irnim, «öettina ö. 65. 179.

201. 204. 209. 268 9tvnolb, Dtobcrtg. 675.696 tfd^l)ru§ 333. 378 9lffiug, 9iofa ^aüa 98 'üiutxbad), öert^olb 194.

293. 308 ff. 425. 462. 511.

524. 679. 680. 684 9(ueröperg, @vaf 9hTtoii b.

137 9luffen6erg, ^ofcpf) b. 104 9lugier 575f. 9Iuguftug 385 9Jbennriu§, gerbinonb 568.

580. 629 f.

$laaber 680

«Jarfj 319

93ad)matr 690

«üäc^tolb, ^alüb 282. 681.

689. 690 f. 93acou 32

S&alii, ^cimomi 590. 664 «Balbenfpcrger 690 aSalgac, ^onore bc 453. 572.

586. 590 öatßcr, 9lboIf 548 93afuniu 335 93 am 6er g, ^-cUe 394. 396.

408 93anc6nnuö 124 93avDnroffa 7. 168 93arnQt), fiiiblrig 673 33artfc^, iRuboIf ^nnS 648 53afliaii, 9(. 371 ©afticr, ^aul •)88 »aubelnire 609. 692

93aucr, Öiibicig 227. 230 ff. S3aucr, Caroline 424 ©äuerle, 9lbolf 137 93aucrnfelb, Gbuatb b. 136 93a um, ^eter 624 93aumbarf),iRubolf6I.259f. 93aumgarten, g. g. 690 93aumgnrtnei- 165 ©ed)ftein, Öubmig 105 «öed, earl 138 93ecfcr, Älntt)arina 140 ©ecfet, 9MfüIaii-? 562 93ecfct, jr)omaö 540 93ecque§ 572 58eec^ec«©toloe, .varrict

364 93eer, W\d)ad 104 93ect»^">ofmanii, SRidiarb

667 93ect^obcn lil. 319. 683 ©e^icub, grio 679. 689 ©el)tenb8, SKoric 142 ©e^ieiiö, 23crta 311 «öciblci-, graii3 339 93e!ter, ^mmnmiel 218. 272 iöcnbcmaiiii, iD^ugarcte 0.

643 (f. ©iiSmau) 93encfc 17) 93ciiüiit'^annappict,

ßouiö 693 9? e n j m a n it , .'i^onö 626 f. 690 9?t''raiigcr 98 <öcifl, yco :.H0. 583. 692 SJcrge, jum 204 i Q3crflct, «Ifrcb b. 073 iüernauer, 9Ifliic« 3'JG. 419 «yernat), iUiid). 080 ftJcriiitcin, ©Ifa 597. 064 ffiertram, (Jmft 678. 685

k

698

3tegiftef.

S3crtcam, ^. 690 93cifon 679 93et^ge, ^^an§ 628 93ettel^cim, 21. 677. 684.

688 f. 695 i8e|, 2oui§ qj. 675 ©eugl^em, grt^ 175 93eutler, 2)?nrgarete 643 «8 CID er, SJJoi 624 SSet)crIctn, grang Slbam 655 93ie, DStar 586 5B t e r 6 a u m , Otto 3uliu§ 580.

586. 634. 655. 669. 690 93icniafe!t 464f. SBiefe, Sllfreb 472. 689 «8tller6ecf 453 S3iiibcr 689 Sin§lt)anger 345 Sird)^^fciffcr 309 SSifd^off 695

S3i§marcl 244. 448. 550. 686 93iiiin§, Sllöert ([. ©ott^elf)

504 S3jörnfojt, fBjöraftjente 310.

574. 576 f. 604. 683 SleiBtreu, ^xl 580. 590.

652 93Ioem, SBaltcr 659 «Btoefd^, §. 678 83 lud) er 170. 382. 564 S3Iumentf)ar, DSfnr 671 93Iuntf(f)li, 3or> ^afp. 264.

528 931 üt^ gen, mttox 503. 655. 93occaccio 4. 64. 141. 601 S3occtont 579 93 öd an, 9lntoIb 273. 278.

318. 355. 512 93oben^aufen, geleite b.

556

93obe:i)tebt, gricbrid^ 155.

264. 275 ff. 427 93obman, ©manuci öon 568.

624 93übmer 23. 25. .524 93 0 cd!) 271 f. 30i 93ö^me, g. 682 93 0 Corner, griebrid) 79 930^ lau, Helene 654. 695 93 oH 548

58üIfcöe,2BÜ]^e(m 583f. 654.

692 3JontfQ3in§ 295 93oiH3lanb 371 93oj3p 79. 176 93ord^erbt 688 93ord)Iiug, .^onrab 681 93orgia, Slngela 542 93orgia, Sucre^ia 541 93 or manu, ©blriit 245 93örite, Submig 170. 173.

178. 180. 367. 679 93ocr[d;eI, ©rnft 681 93o)fert, 2lb. 675. 678.679.

680. 684 f. 687. 692 93öttid;er 358 93oiirget 574 93outerlüef 677 S3ot) = (5b, ^ba 652 $8rod)t)ogeI, ©mil 597 93ra^m,€tto.584[. .586. 673 93ra^in§, ^oi). 2.32. 690 93ranbcS, ®corg 575. 678.

683. 684. 690. 696 SrnitbeS, SBil^elm 455 ©raubt, Saigu[te 556 93raufetDettcr, Sfrt^ur 659.

662 93reuuer, 5(boIf b. 148 S r e n t a u 0, ©ettina (f. 2(ruim)

54. 129 «Brentano, glemen§ 17. 53 f.

57. 79. 184. 188. 429 93ret ^arte, granctS 199.

364 93rtd, efH-iftntc 465 93rindniaun, So^n 245.681.

689 Srion, grieberite 38 5Sröger, kaxl 565 Söronfart 547 Sroutllon, 2. 676 Srugfdj 304 a3runettere 691 S r t) a u t , Söiaiani = euOen 363 Sud)ner b79 93üc^ner, ®eorg 684 f. »üd)uer, Subloig 315. 590 93ubb^a 3 93 uff, 2otte 39

93ulde, ^arl 627. 655 93üIoh), Slanbine b. 339 58üIott), ©aniela b. 339 ©ü(oir), grieba b. 655 93üIottj, §an§ b. 338 93iUoto, öfolbe 339 93ult^aupt 595 95ullüer 197. 305. 334 Suufen 78

93urdt)arbt, ^afob 271. 682 93ürger, ®. SC 18. 464 SurnS, «Robert 199 93ufd), SBil^elm 264. 286 93uffe, 93. 696 93uife, 6arl 568. 624 «8uffe = lßaltna, ®eorg 624 «Btjron 51. 120. 191. 324. 361. 380

ßalberon, 77.108.127.325 galißan 657 6amoen§ 533 eampbell 676 ©ampl, Soocfjini ^einric^

361. 392. 453 earitlon, 5(bam 648 ©arl« Sluguft, ^ergog bon

©a(^feu = 2Setmar 39 earltjle 382 Earmen, ©t)Iba 311 earra 579

Karriere, 2Rori§ 265. 286 gäfar 8 eaftle, ®b. 678 SelteS, eonrab 6 6erbante§ 4. 174. 335 (£]^am6erlaiu, ^oufton

©tetrart 339. 685 e^annffo, StbcIBert b. 94ff.

175.189.215.218.222.224.

268. 443. 676. <£fte3i), ^eltnina b. 96 f. ejiobonjiedi 524 ßl^riftaller, Helene 660 e^riften, 2lba 643 e^riftian YII. 561 ei^riftian VIII. 390 eijriftiane 40 eijriftuä 10 eicero 8. 21

IHegifter.

699

eianbiuS, mam)xa§ 470.

473. 568. 682 eiaurcn, Qt'mxxd) 75. 103 eiaufclüi^ 201 eioftermeier 190. 384 epleribge 191 6t>mte, Sdjguft 571 6 ü n r a b , Midjaü ©eorg 580.

583. 652. 692 (i:onrabi, .'pcrmamt 580. 582.

630. 652 gonftant, Senjamin 382 eouta 323

eonteffa, e. 28. 387. 406 (£ooper, ^ameS, geimimore

157. 361 eoni eitle 122. 519 ßorneltug 78. (Sorot, 5ßere 318 6o§mo§ 129 (Eramer 24. 117 Sroiii"aut = 9iuft,S{nna 581.

654 (iurtinS, ®eorgu.eraft268.

464 682 (Sur^e, ß. 679.

tciijw, gelt); 264. 303 f. 683

2)Qffinger, 9Kon\} 111.

25amDac^ 239

©ainrn 6S4

2)Qiitc 23. 512. 529. 541.

2)annecfet 63

2;nrtüiu, e^arleS 287. 315.

571. 595. 686 Raubet 597. 691 Xaut^cubel), 9Waj;608.612 Sabib 19 3)efoe 361 2)e^mel, 9\id;arb 567. 584.

619ff. 694 2) c i n {) a v b ft et n , ^of). Subh).

104. ©elaunal) 579 !DeIi^fcO, giiebiid^ 316. S)e§cartc§ 32 S)cf jaitev 563 2)etf)tefieit 386 ©etcoit, eiütra 204 S)euffen, 5ßout 342f.

S)cbiient, ©biiacb 176.425 S)idtcn§,e^arle§ 4. 300.364.

404.453.456.493.496 501f.

505. 597. 681. 689. 691 ©ibcrot 28. 570. 691 2)ie3, griebrid} 271 ©iltficl), ^nrl 511 ©iltöetj, Syil^elm 359 ©iugelftebt, g-cQii3 180.

215f. 264. 398 ©ot^e 252 Sörflei-, «petei- 648 SDoftojelDäfi 557. 574.577.

591 ®obe, 5afreb 306 ©oiufou 609 !Di-aeger, O. 678 ®ranmor 689 2)ran§felb, §ebiüig 643 2)iei(f) 679

2)reefcn, SBiaratf) 689 Dretjcv, Mav 663

25roite»^üri^off, 5(miette

D. 68 ff. 675 f. 2)u6iabiu§ 129 2)üI6ciG, g. 693. ©ullec 687 2)uma§, 3(Icranbei- 183. 453.

575. 577 2)untn§, b. 3ii"GCve 575 f. 3)uncfer, 9llcranber 466 !

Sun der, granj .509 ]

2)undcr, Üina 509. 510 2)ürcr 671 2)utoit, (higniie 691 2)iiücriini), 6t're§ 95

CfOeling 205 eOerS, ©coig 304 ff. ebert 24 G6f)Qvbt, !H. 687 ebner, %l). 6S7 Gbnei'Sfd^cnbnd), i'forie

Ü. 113. 134. 443. 444ff.

462. 501 f. 688. 695 ©dort, 9iub. 681 ©dermoun 361 edcrt, iuul 3.38 ed)teiii, enift 306 eggerS,griebridj250.466.491

eOrOavb 691

eic^euborff, Oofcp^gr^r.u.

57. 98. 154. 187. 268. 271.

275. 464. 514 ®id^entopf, Sq. 689 eic^robt 319 ef^of 175 „effe^orb" 531 effeljnrb I. 251. 2.-.5 effef)arb II. 5. 25öf. effeOarb IV. 255 eiifabett) b. SHumnmen 311 eitiiB, S. 690. elfter, ©nift 297. 678.689.

690 eise, ^tirl 204 ein Oben, tif}arlotte 176 emeifon, Dtolp^ ^Kotboiu

364

enberling, ^^mil 658 enber>3, e. 679 engel, e. 23. 685. enget, giiebric^ 318 engel, ©eoig 652 engljany, eöriftine 395 enting, Ditoninr 652 enfc, i^arnfingen ö. 80. 217 en;»inger, Tlonii 677. 69ü epftetn, m. 6'.t6 eraStnno üon Stotterbom

20. 549 erbmann, @. 9t. 683 eri330, Scbnftinno 601 erf, Sublüig 204 ertcr, Ctto (im ermntingci 6;»0 ©ruft, .t>er3ügü 4<m)cni 420 ernft II., .'^cr3üfl n. Siobnrg«

&ottta 29 r ernft, Dtto 652 ernft, ^Jnnl 613. 657. 667 enden, Dlubolf 358 engen, H-^rina 563 eulcnbcrg, -verbeit 666 euriptbcd 122. llC. 549 efdjenbad), 2i<oIfrQm üon

14. 17. 279 eft^ftrntl), Sfntali) ü. 311 eömard), iTonftanse 46.'> effifl, .'£>crmnnn 672

700

iHegifter.

@bcr§, grmtä 628 ©jner, Slbolf 511. 523 eijicrt, ©if(§of 545 ei)t^, SKo£ 372 ff. 687

Aragon 539

gonc,©u[lab568.580.621f. gallerSlcBen, ^offmamx

§etnrid) b. 194. 200 ff. 292.

679 gannt) 22 gauriel 142 gaxtft, SUß. g. 686 ged^ner, ©uftaü S:i^eobor

357 f. %zbitt\:, .speinrtd^ 647 gc^Iing, ®. g. 682 ge^r§, 3d:^. ^mrid) 245 geilöogeu, g. 680 gcrtioto 323 geu(^tet§le6eu, @rn[t b.

137 g euer 6 ad}, 3(nfelin 251 gcuerßac^, ßwblüig 204.

278. 316. 509. 517 gtdite 53. 57. 317. 323. 325.

357 gincf^, ßitblmg 649 ginbet§, dUä). 694 girbufi 79 gtfd}er, 3of). ©eürg 224.

282 f. gifdjer, «Heitata 9Kart^a652 gifc^cr, ©. 585 gif (^ er, 2Birf}cIm 648 gitger, Slrt^wr 640 glac^Slnnb, Caroline 36 glai festen, ßoefar 568. 585.

635 f. 657. 694 glaub ert, ©uftabc 572. 683 gle;L:, SBalt^er 568. 624 g liefe, ©elma 689 god, ®oxä) 566. 624 golleu, 9(ug. 9{b. 2ubln.

508 goutane, S^cobor 100. 271.

446 ff. 466. 472. 484. 501.

557. 677. 689 görftcr, ©ern^arb 344 görfter, griebrid) 4. 100

gouque57.59. 95. 97f. 175f.

218. 222. 429. 597 grau9oi§, ßuife bon 443.

688. 690 granf, Ulrid) 655 graufeuftein, ßubtoig 685 graugl. 106. 124 grouä, mobext 232 grau30§, ßarl ©mil 442 grapau'Sifuuiou, Qrfe652 greiligrat;^, gerbinanb 64.

69. 138. 189 ff. 208. 210.

254. 361. 364. 453. 502.

508 f. 562. 564. 679 f. greimuub Dieimar (f. müh

ferO 77 greuau, 5ßf)ilip^i 363 greuffen, ©uftab 372. 476.

649 f. grengel, ^orl 307 gret), Sr. 690 gre^, griebr. §ermanu 282.

690 greub, ©tgm. 690 gretjtag, ©uftaD 11. 54. 65.

292 ff. 425. 430. 451. 462.

590. 683. 688 grid, Otto 555 griebmann, ©ig. 688 griebrid)II. b.®rofee 17. 56.

295. 404. 524. 532. 563 griebrid^III. 550 griebrtd) VII. 469 griebric^'grauä II. 244 griebri(§ ^arl, gering 370 griebri(^ = SBit^elmI. 173.

296 griebrid^'SBir^elmll. 95.

561 griebridj = 2BiI^eltn III.

169. 240f. 449. 561 griebrid)-2BiIf)eItttIV.80.

194. 212. 268. 305 griebrid; SBitl^cIm bon

5ßreufecn, .^ronprinj 297 gtifdjUu 225 grö^lic^, ^at^arina 108 ff. groriep 80

gruub§&erg, ®örg 563 gud)§, gfJeinr^oIb 624. 683

gulba, ßubtüig 577. 585.

595. 671 gürft, dl. 683 gürftenberg, gürft b. 252

^öber§, ^arl X^eobor 245.

681. 682 ®alen, ^^ili^jp 307 ©alt^in, gürft 275 ©all, Suifc b. 69. 194 ®angf)ofer, ßubmig 568,

648. 695 ®an§ 176 (Sar&org, 9(rne 584 ©ärtuer 24 ©aubt), Siilki b. 643 ©oubl), grauä b. 104. 268.

643 ©autier, S^eop:^« 183 ®ei6el, ©manuct 21. 48.

194. 208. 264 f. 266. 267 ff.

272. 275. 421 f. 464. 465.

467. 561. 564. 680. 682 ©eiger, ßublcig 679 ©eifelcr, §. 677 ©eifeler, m. 694 ©eift, $. 681 ©elberu, ^eira bau 174 ©eitert 24 ©eorg, ^erjog b. SKeimngcn

544 ©eorge, ©tefau 608 ff. 693 ©eorgi 227 ©eorgl), ©.91- 687 ©erarbi), gJaul 608 ©erwarb, 9(belc 655 ©erl^arb 690 ©erof, ^arl 224. 564 ©erfteuBerg 37 ©crftädcr, griebr id) 367 ff.

454. 686 ©cfeuer 502

©eufe, SRaria eiifabet^ 77 ©et) er, Subtuig 333 ©iuafet), ^arl 568. 628 ©ifefe 24

©lafer, Slbolf 306.398.454 ©leim 563 ©leigeä 579 ©lofft), ^. 677

iRcgifter.

701

®Iüc!, eii[n6etH^QoK) 678 ©meriu, e^avlottc 140. 224 ©netfeiiau 56. 201. 564 (Soebefc, ^nrl 682. 683 ®ör)be, 9M;arb 268 ®oIa, S3. 687 ©oet^e, 30^. SBoIfg. 2. 5ff.

12. 14f. 17. 21, 24.34.36.

37 ff. 59. 62. 64. 78. 84.

107. Ulf. 117. 119f. 130.

132. 151. 170. r73f. 177.

191. 194. 229. 232. 253.

301. 310. 314. 323 f. 325 f.

356. 380 f. 382. 388. 392.

405. 423 f. 424. 440. 454.

464. 474. 520. 527. 557.

597. 600. 673 ®oetf)z, OttiUe 325 (Boncourt, (Jbmonb bc 572.

683 ©oncourt, gule§ be 572 ©ovfi, SJJaEim 574 @örrc§ 17. 54. 680 ©oege 12. 29 ©Otter 123 ©ottfrieb ü. ©trai5t)urg

279 ©ott^elf, ^eucmia§ 504 ff.

689 @ott[ri;Q[(, 3f?itbolf ü. 306.

564 ©ottfcOeb 6. 21. 25 ®xabbt, !£ictncö 63. 176.

190. 376 ff. 687 ©rncian, «öatt^afar 325 f. ©raben[)orft 388 ©rabina, ©raf 339 ©ra3te, ÜJioria ©ugemcbeflc

581. 613. G60 ©reif, SRartin 155. 264. 282.

683 ©reiner, ßco 624 ©reina, i)iitboIf 647. 690 ©reipl, ganui) 148 ©rill, S. SB. 566 ©rin^jnräer 2. 22. 43. 78.

106 ff. 150f. 155. 180.273.

394. 422 f. 434. 597. 677.

692 ©rimm, «tiibct 36. 52

©rimm,3nfob73. 178. 201. 264. 304

©rimm, 2BiIf}cIm 7 f. 178. 304

©rimmelä^aufen 361 ©rifebac^, ©b. 332. 687 ©rofe, gSnrf^oIomäu^ 289 ©roffe, Julius 264. 280 f. ®rot^,^lau§244f. 470. 484 ©rün, 2rna[tafiu§ 137. 180.

508. 564. 678 ®rl}p^iu§, 31. 59 ®u6i^, g. SB. 176. 377 ©umppenöerg, ."g>an§ b.

585. 669 ©unbolf, g. 693 ©untrer, ßfiriftian 376 ©u)tat) = S(bolf 157.531.539 ©utenöcrg, ^ot). 32 ©u^fotü, Siaxl 170f. 172.

294.302.412.454.678.679 ©tüinner, SBH^ehn ü. 684

^a6§bnrg, Sinbolf ü. 124 § a cf I ä n b e r , jyriebr. SBiI[)etm

307 f. 454. 684 Q aedel, ©unft 315. 359. 595 ^ablauö, 3o^. 523 ■•p a b ID i g , ^erjogin ü. ^ä)Wa'

6en 255 Qa]\§ 74. 78. 278. 360 ^ageborn, i5- ö. 24 $agen, b. ber 98. 176. 272 ^al)\x, ftarl Sing. 247 ^njcf 129

§al6e, 2)?ni;58.-). 655.662f. §aIm,Snebri({)111.135.394 .^amcrüng, «Ho6crt 262.

64,i. 682 ^nmmer = 'il>nrgftaU, ^o-

fep^ b. 378. ^änbel 319 .^nniiibat 384 .^iinfclmnun, Öubloig 455 ^on^'jacoD, ^einric^ 648.

695 ^anifon, C(n .")R4 .<pnni'tciu, Slbalbeit b. 583.

669. 692 .färben, ÜWarimilian 585

©arbt, ©rnft 13. 15. 608.

609. 61 2 f. 645. 694 .?>äring, SBil^cIm ^). SlleriSl

99 ff. ^oriri 78. 90 ^Qrm§, 93. 684 ^arnacf 19 §arrie§ 561 §art, 93niber 580. 582.

692

$art, ^einric§581.583..ö87. 660

^art, OiiliuS 581. 583f. 586.

588. 694 ^nrtlflub, SSilbcrm 231 f.

680 ^nrtleOcn, Otto ©n'd^ 580.

582. .584. 634. 694 ^artmann bon Sine 15.

364. 601 .<önrtmann, 31. 680 ^artmnnn, (Jbiinib b. 357 f.

590 ^artmann, C5. 680 .•partmann, TOoritJ 138.440 ^afencleücv, SBaltec 672.

696 ^auffc, j'^iiebcrifc 222 |>anf f , 2«il^elm 54. 224. 334.

501. .'J97 ^QUbt, SRoriö 201. 294 Hauptmann, ©er^art 12f.

14. 129. 133 190. 314. 318.

372. 423. 53S. .^.67. 570 f.

.581. 583 f. 585f. 590ff. .095.

653. 692. 693 f. 696 ^ a n p t m a n n , SVnrI 585. 657.

66;',

.^tfluSbofcr, iKinr 264. 286 ^nuörntl), 3lboIf 306 ^äujfcr, Öubiuig 247. 252 ^oiotbornc 364 ^oljbn 319. .-.62 Ö e b c 1 , 3ol). ^i^cter 23b. 24.*) f.

248. 512 Hebbel, Sricbr. 4. 14. 17.

27. 43 S8. 153 273. 359.

382. 385 ff. 393. 452. 476.

.509. 57ü. 590. 687. 693. 694 ^ecfcl, .^. 678

702

a^egifter.

^cdcnaft, ®ii\ta\3 149. 151.

165 Ä^egeI98. 176. 201.213.325. ' 357

.'öegcler, 2>3tl^eltn 585. 654 .f>egncr, lUrtd^ 505 § e i 6 e r g , ^ermann 390f . 470.

580 f. .spettborn, (E-tn^t 502. 658.

680. 689 ijcim, ©mtna 250 ff. 252.

254. 681. 695 §etmöurg, SB. 311 Ajeiue, Slmalie 174 feilte, griebcrife 77 §ctnc, ^etnric^ 60 f. 72. 75.

83. ^f. 106. 112. 141.170f.

174 ff. 212. 230. 232. 246.

259. 347 f. 367. 377 f. 392.

412. 453. 464. 474. 479.

511. 514. 526f. 579 §ctnc, 9KajimiItan 177 §ctne, ©Qlomon 174. 178 ^ctnemann 635 §etnrtc^ 11. b. ©nglmtb 540 § einrieb IV. 168 ^eiitrtdj t). flauen 289ff.

296 QthxTCotf), e-Iifabetl) 655 §ctn§, % m. 678 ^ciugmann, g. 680 .'pcttmann, g. 675 ^cllmann, D. 678 §cman§, gelicia 199 Menden, S^axl 582 .penfcI = SRenbcI§fol^n,

gannl) 271 ^entfc{;el, ^. 3- 678 ^cröatt, 3o^- griebr. 357 gerbet 12. 17. 28. 36. 129 ,^ixlo§\ol)\\, earl 137 ^ermann, ©eorg 652 ^ermann b. ©alga 295 §crübe§ 385. 417 .^erobot .59. 304 ^errmann, Wa): 687 ©cr|, 2öi(^elm264.272.278f.

683 ^cciocg^, ®eorg 76. 180.

104. 211 ff. 336 f. 508. 564

-^crg, ^ocnriette 78 ^ergog, 9?uboIf 567. 652 liefe, ®abib 524 ^effc, §cnitamt 648 f. Lettner, ^ermann 307. 394.

509 f. §cun, ^otl 103 ©et), mmim 104 $et)!ing, (Slifaöet^ b. 660 §et)je, S?örl SBil^elm 271 §etife, ^mil 105. 225. 2.ö0.

264f.266f.268f. 270 271ff.

281. 309. 466. 467. 472.

480. 483. 491. 501 f. 511.

526. 595. 682. 683. 689. 690 ©ille, 5ßeter .^80. 660 .^ptllern, aBil^elmine b. 311 ©inftorff 242 ©trfd;fclb, ©eorg 576. 585.

663 Qxvtf), g. 687. .^jirgel, Sol). Sic[\pax 505 §itfd)Tiiann, (ibm. 690 ©i^tg 95. 98. 268 ©od, (Stefan 678. 693 §öder, 5ßaul Däfar 659 §offen§t:^aI, .©anS b. 648 ©ofer,Slubrca§öO. 564. 671 ©öf er, ©bnumb 308. 442. 454 ©öfec 688 ©offmannb.gnIIer§Ie6eu

200. 508. 562. 564 .<poffmann,§an§499ff.658.

689 ©offmann, (£. %. 31. 53f.

129. 176. 235. 405 f. 408.

423. 493. 556 ©offmann, gSauI 689 ©Ofmann, ©nift 680 ©ofnxann = 3ci^ 553 ©ofinann§tt)aI, ©ugo b. 2.

21. 134. 608. 610ff. 665.

694 ©ol^enlöaufen, ©life b. 175 ©ol6erg, ßublntg 600 ©ölbetlin53f. 232. 348.474.

514. 608 ©ollänber, gclig 585. 653.

694 ©olntcS 363

©olofetneä 412 ©oItet,^arlb. 98. 293. 331.

591 ©öltl) 464

©ol^mann, Stbolf 251 ©ol3, Strno 557. 582 f. 585 f.

586 ff. 588 593. 631ff.652.

692 f. ©0 Isomer, SBilfielm 649 ©ölgle, ©ermann 694 ©omer 151. 302 ©oob 197 ©o|)fen, ©an§ 264. 286.

604 ©orag 16. 21. 80. 132. 191 ©orn, 2B. O. b. 442 ©ornftein, SRo&ert b. 273 ; ©orotot^, 3of- 696 ©ouBen, ©. ©. 678f. ©ounjolb 49. 116 ©rot§bit]^ b. ©anberS^eim

5f. 293 ©ud^, grtebrid^ 657 ©nc^, ^arl 6.57 ©nc^, Ottcarba 643. 655 f.

690. 695 f. ©ugo, a>iftor 191 f. 199.529 ©ulbfc^iner, SRidöarb 648 ©Ulfen, ©an§ b. 676 ©umbolbt, Stieganber b. 63.

112. 194. 371. 496 ©nmbolbt, 2Büt)elm b. 281 ©ume 32 ©ummel 109 ©nret 590 ©nttcn, lllrid^bon 20. 22.5.

530. 549 ©nt)§man§, goriä ^art 577

Sbfen, ©enrif 14. 27. 129.

310. 314. 318. 320. 859.

423. 574 f. 576 f. 585. 590f.

595. 597. 669. 683. 691.

692. 693 ölg, ?aul 647 ömmermann, ^arl 58ff.

75. 98. 178. 193. 222. 301.

314. 382. 384 f. 505. 597 örbing 364 öbe§ 370

Sicgiftcr.

703

^nco6olt)§fi, Siiblüig 62^.

094 gocobfen, (Smil 492 f. 609 3QCo6fo^n, ©. 696 ^"^agello 290

Jägern an n, Caroline 323 ^agolü 597 ^at)n 169

galjnfc, mä^axb 658 ganitfrf)ef, SKavia 643 ^anfeii, SBerncr 656 3anffen, mbxzäjt 687 gcnatfd), ^ürg 531. 539 Sennt), ©riift 689 3en[cn, ©orot^ea 470 683 Senjcn, SBil^elm 265. 285f.

455. 470. 503 3 e vorne 58 Sefe, ^. 689 Soad^tmll. ^eftor 552 goöl 120 ^o^ann ©eorg, aJZarfgtaf

b. 93ranben6urg 543 go!)n, (Sugenie (ajfarlitt) 310 3ona§ 585 gorban, SBit^elm 264.279.

397 gojcp[)tu§, glaöiuä 417 gubit^ 412

3ung^an§, ©opfiie 660 giil'tininn 549

fia^lcnbcrg, .<pait§ ü. 655 ßatfer, ©eorg 672 ßalöccf, a«aj; 682 f. 690 Äalibafn 4. 80. 360 ^OTitmerl^off, @. 695 Äaiibt, Otic^nrb 371 f. Äannc 79 ^nnt 31. 33. 36. 154. 814.

324 f. 327. 337. 677 ^app, (£f)n[ttnu 509 ^cipp, gofionim 204. 509.

524 Siaxl Sllei-onbev ü. SBci»

mar 204 ^aclb. ®rojjc 11.440.563.

601 5«arfd^in 96 Äcil, ecnft 454

Heller, (Sottfrieb 204. 275.

282. 310. 462. 472. 489.

501f. 504 f. 506 ff. 531. 538.

547. 682 f. 689 f. 690 Heller, Henriette 507 Heller, gJaul 652 5?eIIermQnn, 93ern^arb 649 ^empf, 3.^. 695 ^empinäfi 585 ^err, Sdfreb 695 ferner, 3«ftinn§ 65. 155.

194 f. 217 f. 220f. 222f.

229. 231. 268. 680 kernet, 2fieo6alb 680 Äefelcr, .'pclene 655 ßettemßeil 380f. ßetjferling, @rnf ßbiiaibn.

652 ßierlcgaaib, Sörcn 575 ^inb 75 5!ing'3lei) 305 S^inter, ©ottfrieb 61. 194.

207 ff. 259. .502. 676. 679

Kipling, Düib^aib 154 ^ixäjbad), SSoIfgaiig 581.

582. 597 ^irfd^ner, fiola 311 ^lageS, ßubltjig 608 ^laibcr, 3- 230 Älaiber, Ziy 605 Älaifener, 9Kanamte 5J4 filcin, Seopolb 595 mcift, G^riftian (SltJalb u.

563 ÄIcift, .^eintid^ ö. l.ö. 52. 57.

63. 106. 129. 284. 385. 392.

405. 408. 414. 547. 557.

563. 687. 694 ßlcmperer, «. 683 ^Ictfe, .'permamt 105 iHcljIe, grij} 139 Klingel-, SRar 37. 123.319.

524. 683 ßlopftocf 12.21. 22ff. 385.

563 äHoo§ 609 SÜoü 30

flnapp, mbcxt 224 Änaur, 9ln»n 645

ßno6eI§borff'©rciifen«

^of, b. (efc^itni^t) 311 ^nobt, Siarl ©ruft 625 Siobt, fytaui 689 flu 5 eil, granj b. 245. 264 ^oä) 685

Äod^»^eii«, grau ff. .^-»eim) 681

^oi)Uau\ä) 59. 68

^ofofd^fa, Difar 672

ßompertS, ßeopolb 442

ßonfu^iuö 88

ßönig, .s:-)einncf) 103

^opernifuä 32

^optf(§, 9(uguft 105

5?oreff 95

^orff, §. 676

Äönier, ^^eoboc 24. 57. 111. 551. 562. 564

^önig, Cibn 26

ßorufelb, "^aul 672

fiofc^, ?ö. 683

ßo feg orten, Jfieoöul 526

Softer, 9a6ert 689

Äüftlin 680 Äoßcbue, l'Iug. b. 169 Sioi^ebue, Cito b. 75. 98 Äramcr, Sricbc 424 ßranfe, O- 683 Ärcifcl 597

itrefecr, SWar 580. 653 f. ilrcOfc^mnr, l>l. 425 .ftrögcr, 2inim 476. 580. 651 Krüger, .v>crmonn 9lnbcr^

659. 669. 695 Krüger, Siaxl 239 .Uüdjicr, itnrt 687 jViigelgen 32:; Äugle r, grana 105. 268.

271. 466 f. -172. 4S0. 6S2 iiugicr, <i?an€ 273 ^ugler, 3«(irgorcte 272. 467 Siul), (fnül 387. 39.5. 397. «)67 St ü 1)1 690

iiüfjn, Sophie b. 681 ftüönc, ©uftab 170.171.300 flulfe 409

ftumuier, (fmilic 4ir) Äun^c, fiuifc 241 Äurouba 294

704

3flegifter.

mxb 680

Nürnberg er, gerbittanb 141.

442. 678 ^ürf(i)ncr, 3ofepl^ 582 Äurg, §ermaun 224 f. 232.

273. 275. 287. 656. 683 Aura, öfolbc 224. 643. 656 ßiirj, O. 695

^urg'Scibt, ^ermann 225 Lüfter, ^onrab 583 ^utfd^cr, % 696 ^t)fcr, §ang 666f.

Sadimaitit, ^axl 271. 293.

300 ßabcnborf, D. 689 Safontatne, Stucj. 97. 104 ßagarbe, gjaul bc 358. 686 ßagerlöf, ©ehna 695 ßatinftcin, ©ruft 687 ßaiftiter, Öitbluig 287. 306 ßamarcE 686 2atnartiite, 5tlp^0Hfe be 23.

51. 191. 215. 259 Sambrcd^t, 9Zannl) 660 fiatnennatS 529 ßammcr^ 597 ßampe 243 ßancfuev, ^tara 604 ßanb, §an§ 654 2anbc§mann, §etnrt(^ 139 Eanbolt, ©alomon 524 2anb§6erg, §. 693 2anb§bcrger, §ugo 654 ßonge 30 ßangtammer, SKargarcte

660 ßangmanti, 5ßf)iUp^3 664 ßangnteffcr, Slug. 690 2a§fer = (5c^ülcr, (£lfe 643 fiaffalte, gerbinonb 212.

318 684 ßafeberg, grei^err b. 69 fiaube, ^cinric^ 113. 170.

171. 180. 294. 334. 387.

396. 677. 678 ßauff, Sofep^ 263. 652 ficbseltern, Skji b. 157 2 echter, 2«cld)ior 608 ßebebour 2(J5. 283

ßegev 579

ßeibi, mi^dm 319

fieibnig 32

ßetftc 454

ßeifttfotü 585

ß ei ö mann, 31. 678. 690

ßembfe, ^o^. 243

ßenau, 5«ifoIau§ 139 ff. 225.

401. 474. 678. 680 ßenbad^, grang 278. 333 ßeneben 691

ßengefelb, e^arloite b. 47 ßenfing, ©life 387ff. 687 ßentner, gofepEi griebr. 439 ßeng 37. 524 ßeoniba§ 423 ßeo).inrbt 324 2epftu§ 304 ßcrfd), ^etnrid^ 566 ßerinontoff 275 ßeffing, ©. ®. 12. 21. 24.

25ff. 43. 56. 63. 110. 175.

378. 393. 405.. 411. 414.

512. 527 ßeffing, ^ofrat, 9Zcffc be§

®id^ter§ 296 ße^fan, ^onrab 289 ßeu 524 ßeubelftn! 539 2eut^olb,§einndö264.270.

281. 689 2ebtn, Dta^el 54 ßetualb, Saiguft 211 ßibuffa 129 ßic^teuBerg 165 ßidjtenberger, ®. 685 ßiebcrmann, 9Kag 319 ßtebert, S(. 685 ßiebtg 264. 266. 315 ßiebfneceit, ^. 696 ßtUencron, SDetleb b. 43.

556 ff. 564. 567. 580. 583.

690 ßtltenfcin, ^einrid^ 649.

669 ßien^orb,gricbnc^580.649.

665 ßincfe, €)§lax 582 ßtnb, ^enn^ 155 ß in bau, ^aul 307. 580. 595

ßinbau, «Rubolf 307. 683 ßinbe, Otto äur 614 ßingg, ^ermann 264 f. 275.

279 f. 454. 683 2ipperl^eibe 564 2iffaucr, ©rnft 566. 568 2if3t, eofitna 338 2ii3t, grang 195. 204. 206.

333. 835. 338 2ifemann, SBertl^oIb 547.577.

682. 690. 695 2i^monn, ßarl %l). 682 2ibingftone 371 2ogau, griebi;i(^ b. 10 2ongfenotD, ^enrl) SBabä«

tuort^ 194. 199. 364. 520.

686 2ün§, ^ermann 496. 568.

650 f. 2orm, §ieront)mu§ 139. 155 2or^ing 597 2ot^ar, 9tub. 597. 696 ßoije, Diubolf ^ermann 358 2ou, % ©. 685 2oui§, m. 685 2oui§ gerbinanb, gJrinä

b. Sßreufeeu 544 2otoen 3(33 2oelüenberg, Z- 690 2üH)cnt]^al, Ma^ 141 2öit>ent^al, ©o^i^ie 141 2ot}oIa, 9gnatiu§ 530 2ublin§Ji, ©aimtci6l3.667.

693. 694 2ucre3 87

ßubtoig I. b. Sal)ern 263 2ubttjig II. b. 93at}crn 266.

269. 338. 2ubtüig XIV. 539 2ublt>ig b. SDeutfd^e 563 2ubhJig, Otto 307. 376.

420. 423 ff. 570. 590. 688.

693 2uife, S^önigin 449. 554 2ut^er, 9Kavtinl2. 18.296.

423 2uttct unb 2Bcgener 176 2ü^olD, bon 59. 567 2ü^olü, ©lifab. geb. Oräfi«

St^lefelbt 59

9Jegifter.

705

aRaafe, 2R. 681

SRacfat), 3o^n §enr^ 316.

585. 630. 654. 684 5macfe, Ä\ 676 Sßaclenrobt 251. 681 SKailät^, ^of). ®raf 149 SKaii'tre, ^ofcpl) be 529 SKaintenon, grau ö. 539 ma\ex, g. 324 9KaIIartne, ©tepl^an 578.

608. 609 a«alfeit, Caroline b. 252 2«ancffe, SRübigcr b. 523 SKanct, ®buarb 318. 558 3Ra\in, ^einridi 656 mann, Zf)omaS 656 matconi 321 aWorco qSoIo 600 aKarie»a}fabeIeine (f. b.

^uttfamer) 643 3)?arrtot, emtl (f. ©milic

2r?Qtaia) 660 aWorf 2roain 361. 364 maxütt, ®. (^ol^n) 100.310 maxloto, G^riftop^ 547 2Rarfd)alf, aRargarctc 592 SKarjc^ncr 205 3«arten§, Äurt 656 SKartenfcn, ^onS Eafjen

141 3Raitcritctg,2«aE673. 696 an:, ßnrl 318 2>ioctcrItncf, SWaurice 578f.

590 SRaffilia, ifijt^caS b. 8 SKatoja, emiUc 660 aKat[)l), Siaxl 294. 297 SKatt^iffon 53. 70. 479 Tla^ixat 193 aWaupaHaiit 557. 573. 577 SWaucr, 2)?inna 679 maut^ncx, gti^ 580. 585 9Kaj:imiIiau I. b. 83al)crn

565 aKajtmiltan TT. b. 93ai)ern

252. 204. 269. 272. 369 aWai), Siaxl 370 f. 686 9Kal)er, ^arl 217. 222. 224 2l?ai)er, maxa a«aria 227 SKaDer, SRobert 315

Ce^irc, I)ie bciilfc^c Sitciatur

2Rai}nc, §arri) 680 f. 2>Iegebe, ^o^. SRid^. gut 652 aj^etn^arb 677 2)2ein^orb, SBil^elm 103 et feil er, SUfreb 138 2«ero§, Qba 194 SKenanbcr 26

2>ZenbeI§fol^n'93art]^oIbi 424

SRenb^eim, 2«. 682

SR enger, Slbolf 271. 318

ä)JenäeI, SBoIfgang 63. 170.

380. 385. 454. 678 aWeran, Otto b. 124 aWereau, ©opl^ie 53 Tltxtvin 690 3Kctt§, eb. 679 HRetterntc^ 106. 150. 169f.

179. 311 SKe^tnger 579 SKeufebad^ 201 et) er, ffletft) 528 9Kel)er, ßonrab gerb. 21.

102. 501. 504. 512. 528ff.

597. 688. 689. 690 9Ket)er, Henriette .384 2«el}er, ^of). 245 2Rei)er, aKarta 680 2«e^er, Dlidjarb aKorig 075.

678. 689

Tittftx, 2:r). 5r. 6i3

aJZctierägöriler 585 aWei)erbeer, ®. 104. 334 aWeijr, aD^cIdjior 286. 439 SJZeijrin!, ©uftab 656 aWeljfcnbug, aKalbiba ' b.

210. 344. 685. 695 SJJid^eel, 5(ima 557 SKic^el ^ritgclo 419 aWieger, SIgneS 18. 641 f. aWielfe 683

3«iriet, ^ean granvoiS 318 aWirat, a3?at^ilbe ßrcScentia

180 SKinor, ^. 688 mix^a Sdjaffl) 275 gnitjdjertic^, i^'übt (£. 68T aWodel, ^oOanna 209 ajJof)ommcb 11 «DJo^aupl, 91malic 149 feit ®octt)C§ 2obc ulto

a)Jo ^aupt, Juliane 151 SKo^r 386 aWoIcfc^ott 315 ajJoIiere 26. 378. 519. 595 aTJoIinari, J^eobor 293. 300 SKoIler, H«eta 23 aTJöII Raufen, ©albiiin 370 Tlolo, ©alter b. 656 aWoltfc, ÖJraf 390. 550 aJJombert, 9llfreb 636 aWo minien, Jtjc^o n. S;^eo»

bor 465 a^ommfen, Ifjeobor 294.

464. 465. 472 aWommfen, Jijd^o 464. 465.

470 aJJoorc, 3:]&omaä 199. 225 aWorgenflern, ß^riftian

636 f. möxile, ®buarb225. 227 ff. 398. 464. 467. 475. 520. 680. 680 aWorfier 683 aJZofen, gulinö 104. 680 aWofer 176 aWorfe, g. ö. 363 2«05art 132. 236. 319 ajiügeraner 148 a^függc, 2t)coboc 307 muitl 323f. ajni^lcr, .'öcinr. b. 105 HJnblcrt, S. ®. 682 a^fiillenl^off, Marl 404 aK aller, ?lgneö 76 aWüller, gricbttd) 37. 315 aKüllcr, 3ol). ©oltiücrt 68 a«üller, aJJalcr 413 aWüller, lUor 80 aJi aller, Ctfricb 268 a^fiillcr, ^licliarb 6S8 aJhiller, 5l5iU)elm 80. 98.

104. 680 a^fiillcr, gen. b. WcrftcnDergf

323 aWulfinger, ®. «. 678 SWiillner, «bolf 49. 75.

116f. SRünc^, e-rnft 680 aKiind)'Q3ellinflljanfcn, grciljcrr b. \M. 171. 179 45

706

[Regifter.

aWünd^l^aufen, SBörrieä ü. 640 f.

b. 65. 568 ajhtncfer, grang 676 SKunbt, X^cobor 170. 171.

678 2«urgcr 579 SKuret, 2«. 694 9Jiufäu§ 126

SRuffet, SJlfieb bc 199. 529 2«ut^cr 691

Kabtcr, Sofe^^ 675. 677 9? a biet, ^arl ©ottfrteb 245 9?anfcn 371 9?opoleon III. 56. 169.367.

382. 384. 564 5«at^uftu§, Waxxt 311 S«ecCcr, 9K. 688 9ieib^arb 562 ««eftroH, 3ol^. 9Zcpomuf 136 5«euffer, .mara 227 SZcumonn 98f. gfJcutigtg, ^ofcf 175 9(?ch)ton 324 SZieöergall 595 9lie6u^r 78

9iicmcQer, Sßariamtc 65 5«icfc, e[)arIottc 652 Slic^fd^e, eiifabet^ görfter

343 f. 345. 357. 685 g^iefefd^c, griebrid^ 14. 153.

165. 210. 314. 317. 320 f.

342 ff. 685 mna§ 549 SRiert^, (Buftab 442 9Jit)arbu§ 5 5«orb^aufen, JR^arb 568.

657 9Zorbinann, Siid^arb 660 ^otUx 93aI6uIu§ 5 9?oöaU§ 53f. 129.406.514.

608. 681

Cftcrbtngcn 168. 252 Oc:^Ienfc^Iägcr,S[baml04.

390. 394 ö 1^1 er, ?ruguft 608 De^lfe, Stifreb 635

Dei:}He, SBotbemar 678.683

OpiÖ 21

Dntpteba, ®corg b. 655

Dncfen, 21. 684

Oppcn^etmer 690

O erteil, SKargarete b. 660

Defer 38

Dfterlüalb, SKatilbe 276

Dtfrteb 12. 106. 201

Dberbed 78. 344f.

Obib 126. 256

^onntci^, JRuboIf 614 ^antentu§,2:^.^r306.652 ganger, griebr. 682. gJaoli, S3ettt) 149. 677 f. S^araäclfu§ 530 Sßaulgricbrid^b.SKedrög.»

©d^toertn 240 Ißaul, ^tan 53. 64. 73.156.

325. 367. 399. 405 f. 408.

414. 454. 456. 608. 686 gSauIfen, griebr. 359 ^ajfabant 680 5ßaum garten, (EI)orIotte 108 gJetct) 447 „^eregrtno" 227 gJerfaU, Slnton b. 648 5ßerl§, [Rtd^arb 608 gJeftal033t 505. 524 gjeter b. ©rofec 62 ietct bon 58mea 532 gJeterS, grt| 241. 244 Sßeterfen, greunb ©tormS

472. 689 5ßeterfen, gultu§ 688 gSetrarca 23 Sße^et, ®. 676. 682 gjfeifer, ®. Sß^. 675 Stifter, b. 695 gJftäer, ®uftab63. 180.216.

224 f. gSfiger, <}5aul 216 5piafte, 2(ntome 98 lßi(^ler, Slmta 645. 695 «ßid^Ier, Slbolf 155.395.646f. ^\ct\ä), ßubtüig 466. 469 f. gJtquot, 2«artc 108 5ßiftoriu§, ©milie 564 ißlolfe, @..g. 682

la n e r , SKtnna (SSill^eltinna)

334. 338 ^Iaten»^anermünbe,2tug.b.

60. 72 ff. 78, 178. 270. 382.

527. 676 Sßlaton 31. 324 ^lutaxä) 549 ^nioiucr, Otto 689 5ßocci 597

Sßoe, ©bgar man 363. 578 ^oggto 539 gJo^I, 9t. 336

0 1 e u 3 , SBil^elnt b. 585. 654 S^oUo, eiife 469 g5omt)edi, ©. 694 ^ort, grteba 683 5ßofeiboniu§ 8 5ßo[tI, ^arl (©eal§ftelb) 120.

307. 686 qSrctfe, 3«aj 690 gjreller 204 gSretn, ©. 2«. 695 5ßre§6cr, »tubolf 568. 624 5ßrcujc^en, ^ermione b. 643 gSreufe, ^. 2;]^. 696 gJtoelfe, go^. 678 5ßrä^6^c3etD§fi, ©taniSlab

584. 654 ^ßuttfamer, Sllbertab. 311.

580 5ßrufe, 9?o6ert 216 5ßüdler'2«u§fau, ©raf 65.

212 «ßulber, SRaj 672 ißufc^Itn 275 ^uta^, ©uftab 3u 261 5J}t)rIer 680 gj^t^ea§ bon 2«affUio 8

„Slut^otoS" 547

9Jaa6e,2BtIbelm7. 103. 326.

452 ff. 689 3fla6elat§ 512 Sftacine 519 gftabefefl) 112 «Rabies, 93. b. 678 gtaffael 406. 419 JRaimunb, gerbinanb 135.

434. 677

IHegiftcr.

707

JRan!, ^ofepl^ 439 SRanfc 7. 36. 264. 272 SRafpc 65 Ütatt), ^. SB. 681 mau, ^. 677 SR au, öutfc 229 f. 3ftau^ 63 5Rnut)ac^,ern[t 65. 104.381.

421 SRaufd^cr 567 gfteber 580

iHcbhJtg, OUat b. 261 3tee, g?aul 344 SRcgencr, ®bg. 51. 695 SRcgnaub 691 Otcgnier, bt 609 SRc6fue§,WliPtJö. 103.217 SRcid^, Öermmm 21. 667 f.

696 SReinöarbt, SKag 319. 673.

696 SReidc, ©eorg 655 gftcitiiarui 225 Sfleinicf, 9lo6eit 104 SRemer 690

SRcnati, Srnft 316. 683 SRcnbtorf 388 SReud^lin, 3of)amte§ 20 ateutcr, ©abrielc 655 Dfleuter, gii^ 19. 170. 238 ff.

681 SRe^nnub, 2. 678 JR^obc, ©rtoht 342 f. JRf)t)u§, $an§ 689 mbbcd, Otto 272 3tid)arbiou 23f. SÜd^tcr 690 gfitd^ter, 6(Qire 686 gtic^ter, ernft 204 SRid^ter, Eubluig 104 SRicfcrt 635 Stiehl, SBU^.^einr. 252.264 f.

283 f. SRieter, Suife 508. 524 mite, SRainer SRona 637ff.

665 aUmöaub, 9(rtf)ur 578. 6G9 SRiuböfopf 174 IRitfc^l, gricbiit^ 342 mtUv, 9tmm 643

SRitter§£iauä, ®mil 205 SRittlanb, Silau^ 055 5Rocfcu6ad^, I^erefe 689 SRöcfr, ©. 685 SRobeuBerg, ^ulmä 501 ff.

511. 679. 690 ?Röf)r, 3ultu§ 693 Slomauü, ®uilto 412 SRömer, 91. 681 Diöutgeu 321 JRoquette, Otto 260. 280.

491. 502 SRöfe, gerbincinb 464. 465.

682 SRofegger, g?etei- 134. 152.

644 ff. 682. 695 SRo|en6erger, öraii3 152.

167 SRoSmer, ©ruft (eifa Seru=

ftein) 597. 664 SRoffel, ^.BirgUe 675. 689 SRoffetti 609 SRoSlüitl^a ü. ©anbcrS^eim

255 SRotcrmuub, it. 693 9ioet^e, ©uftaö 455. 685.

686 9{ouffeau, (5nnl 388. 682 Dloujfenu, Gf)ar(otte 414 91 0 u f f e a u , ^eo" ^Jacqueä 32.

35f. 39. 56. 130. 174. 313.

327. 387 9lubtuftetu 421 gtiidcit, (^-riebc. 3. 2.5. 57.

76 ff. 221. 277. 427. 439.

479. 5ö4. 568. 676 9{üb, ©b. 684 9iucbetcr, 3ofcp^ 064 9iubolf n. 125 9tuge, Slniolb 180. 394. 687 9tumi 78. 89 9luppiuö, Otto 369 9iui)SbaeI 475

Saabi 87

©aaling 271

©aar, gcrbinaub tJ. 155.

440ff. 688 Sad)er--9JJafo(^, iieopolbü.

442. 688

Sac^ö, ^Qn§ 12. 125 <Za\tidjid, 91. 689 ©alome, öou 21. 344. 685 <S a 1 0 m 0 n , 9Wofc§ Ofaaf 243 ©allet, griebr. b. 105 Salus, ^ußo 025 ©amaroiD, ©regor 30C <Sanb, ©.eorgc .529. 684 ©anb, ßarl 109 ©antfiu, ip. 679 ©ap^ir 194 ©apper, SgueS 311 Sapp^o 118 Sarbou 576 ©artoriuS 175 ©aucr, ?(uguft 643. 677 ©au er, ^ebba 643 ©abignt) 201. 268 ©djad, ®raf 3lboIf gricbric^

b. 3. 264 f. 207 f. 278.683 ^d^abt, 0§fav 204 ©c^aboiD, SBil^elm 60. 98 ©d^acffer, 31. 568. 693 ©djoffner, ^cfob 647 ©d)affner, 5)Snul 090 ©(^au3, Jyriba 643 ©d)aruöorft 56. 564 ©djauffert, ^. 595 ©diaufal, mdiaxb 508. 629 ©djnumbcrgcr, ^cinric^

439 ©djoebcnbad) b. 552 ©djeffel, 3oiep^ ^MHor 5.

11. Ol 67. 245 ff. 205. 272.

.521. 680. 681. 695 ©d^cffler, l'ubtüig b. 676 ©djcfcr 677 ©c^cller, mn. 693 ©djclliug .^.4. 32.'). 3.57. 439.

680 ©dicinaun, fiubtoig 086 ©djcnf, (Sbuarb b. 1C4 ©(^eufcnborf, "iDlay, bou 57.

504 ©c^cerbart, 'Haul 636 ©djcreubcrfl, (E^r. griebr-

105. .509. 677 ©d}erer, S^il^. 691 ©d)icber, Anna 600 ©d)iffler 148

45»

703

3?egi[ter.

©d^ill, t. 564

©(^iller, griebrid^ 46ff. 9ö.

108. 116f. 126. 129[. 219.

231 f. 382. 392. 405. 422 ff.

454. 463. 512. 527. 544.

551. 563. 566. 569 ©d^tnfcl 63 ©d^Iaf, 3o5annc§ 580. 583.

585 f. 586. 587. 630. 652.

693 ©djlaifjer, (Jrid^ 670 (5(i)Icgel,SIug. SBil)^. 54. 175 ©dölegcl, ©orot^ea 78 ©c^legel, griebric^ 52f. 78 ©d^Ieiermac^er 54. 175.

680 ©(^Icnt^er,5ßnulö85f. 601.

673. 693 <5d^Iic^tegron, E. g. 688 ©(^ttd)tcgroII,guaeb. 246 Qäjlidmn 193 (5(i)Ii§maint, 2lIot)§ Dio6.

693 ©(^löffer, mnb. 676 ©(iimettau 562 ©d^meger, 5ßfarrer 247 ©dömib, et)rtftiau 227 ©d^tnib, .^ermann 439 ©c^tnibt 688

©(^mibt, e^riftop^ 24. 442 ©c^tnibt, @ric| 472 f. 474.

688 ©d^ntibt, gerb. 689 (Bä)mibt, Julian 294. 300.

309. 686 <Bä)mibt, ^afpar 316 ©d^mibt, SWajnntlian 245 ©d^mibt, ©op^te 23 ©d§mibt=2BetfecufeI§ 679 ©c^intbt6onit,SBil^etm654.

670. 681 ©d^mtltl^enner, 5lboIf 648 ©(|mt§, Ogfar 68. 608 ©(^nabel, <peinnc^ 361. 672 ©d^necfenburger, aKag 562 ©c^neibcr, §. 680 ©d^ni§Icr,mt^url34.664f. ©c^olä, SSü^elmb. 613.640.

657. 667. 669 ©c^önaic^, gcfir. b. 155

©d^üitQtd^»garoIat]^,emU

b. 623 ©dC)önau, b. 248 ©d^önemann, £tli 39 ©d^ön^err, ^arl 134. 670f. ©d^önfopf, ^ätEid^cn 38 ©d^önletn 680 ©d^open^aucr, 51bclc 193.

321. 325 ©diopenl^auer, Slrttiur 3.

14.21. 31.33. 73. 132. 154.

287. 314 f. 319. 321 ff. 333.

337. 343. 347. 357. 398. 590.

677. 684

322f. ©d;oppe, SImaltc 387. 397 ®ä)oppzx, .^ntttnann 5 ©c^ret^cr, £ot!^ar 615 ©d)rel)bogen08. in.ll7f. ©cor ober, ^^leganber 567 ©d^röber, ©nitna 389 ©d}roeber, ßeop. b. 696 ©darüber, ©o)3!^te 120 ©diröber, müem 245 ©d^roeter, ©ruft 688 ©d^ubart, Stnna 273 ©d^u6art,grtebr. 37. 77.225 ©d^u6ert, grang 109 ©c^ubert, ®. 6S0 ©c^ubiii, Dfftp 311 ©c^üdtng, ßebin 69f. 103.

193 ©d^üler, ©itftab 623 ©c^üIer, 9KeId)ior 523 ©d^ulen6urg=ße Innert 102 ©drillte, 3- g. 679 ©d)umonn, aioBert 155.232 ©d^ur, (Srnft 633 ff. ©d^urg, Statl 210. 679 ©(^ü^e, 5ßaul 473. 689 ^ä)\vab, ©uftab 17. 63. 67.

140. 191. 2l8f. 222. 222.

225. 388. 680 ©d^tuab, (Efi.%-^. 680ff. ©d^toanife 247 (Bä)toati, ^o^epf)a 388. 414 ©(^lücring, ^ul. 679. 682 ©d^lüinb, SRoritj b. 15. 252.

278. 681 f.

©d^luonmaiitt, 5?aroUne 191

©cott, SBolter 51. 54. 59.

lOOf. 133. 191. 199. 259.

361. 676 ©ealsficlb, e^orIe€ (^arl

gjofti) 120. 307. 365 ff. 686 ©eelmann, SB. 681 ©etbel, ^cinridö 67. 155.

319. 472. 489 ff. 643. 658 ©etbel, Ona 491. 643 ©cibel, SBoIfgang 491. 643 ©cibetot^ 68 ©eibl, 91. 685 ©eibi, ^0^. ©aßrtel 137 ©etling 685 ©elben, <iam\üa 182 ©elbfirf, Saeganber 361 ©eneca 122 ©etl^e, e^rifttan 174 f. ©eberini 579 ©l^afcfpeare 36.42. 59. 62.

103. 126. 277. 333. 361.

377 f. 380. 382. 392. 424.

547. 557. 570. 600. 609 ©i^ah), ©eorg 95crn^arb 575 ©gellet) 676 ©iegmunb, ©ntma 212 ©icgfrieb, SBalti^er 654 ©imrocf, ^arl 17. 98. 105.

175. 193. 200. 208. 279 ©ingen, S;^efla 643 ©foloronncf, gri| 652 ©!ohjromtef, 9tid}arb 652 ©!ram, Sl 695 © m i t ^ , ©amiiel » granv-oiS

363 ©molf, SKarte 111 ©öljle, Äarl 649 ©o^nret), ©etnrid^ 649 ©o!rate§ 31. 423 ©obr}üftc§ 333. 378. 570 ©orge, S^cin^arb 672 ©0 er gel 692 ©orma, 2Igne§ 585 ©out^et), 9to6cit 199. 676 ©perfmann, SDiebrid^ 649 ©))edter, ^an§ 471 ©ijedter, Otto 104. 471 ©peet^, 2«Qrgarete b. 231

iHcgifter.

709

©peucer, .^erbevt 571 ©perl, 3(ugui't 656 ©picI6erg, Örene b. 252 © p i e U) o g e n , griebrtd^ 301 ff .

3()9 ©pieio, >t>einti(^ 624. 683.

688. 690 ©piefe 117 ©ptnbler, ^aü 103 ©pinoaa 32. 140. 308. 357f. ©pitta, ^f)iapp 105 ©pttteler, ^axl 640. 694 ©Pranger, ©buarb 359 ©p^ri, JSo^fnna 311 ©tabiou 106 ©tocl, ^rou b. 96 ©tägemann 34 ©tamm, fQ. 689 ©tanlet) 371 ©toben'^agen, gri^ 671 ©tegemnnn, §erniamt 649 ©tc^r, .^ermann 654 ©teiger, ©bgav 692. 695 ©tein, e^artottcb. 39. 268.

27 1'. 273 ©tein, j^tci^err bom 56. 170

562 ©teincr, ®. 690 ©teinl^anfen,."peinric^261f. ©teinloeg, X^cobor 455 ©telä^amer, grmij 245 ©tcmpel, 2«n£ 582 ©tcnb^nl 574 ©tcrn, l'lbolf 3C6f. 688 ©tern«^cralb 696 ©tcrn, SRanricc SRein^oIb b.

627 ©ternbcrg, 2eo 568. 6JJ5f. ©ternbcin, ^arl 672 ©tettenl^cim, 3nliu§ 585 ©teub, fiubmig 439 ©tiegli^, (£r)nrIotte 171.

176. 179. 679 ©tiegli^, .t>eiiiricl) 173. 176.

179. 679 ©tieUr, ^nrl 245. 264. 286 ©tifter, 5lbnlbert88. U7ff.

403 f. 479. 521. 678 ©tilling, ^vmq 165 ©tinbe, 3ulin§ 498 f.

©tirner,2«nr316.630.684 ©tolberg, griebric^ 563 ©tol^c, griebridö 245 ©torm, ©crtrub 469. 689 ©torm, ßonftanjc 467. 6S1 ©torni, J^eobor 103. 155.

163. 232. 275. 364. 440.

462ff. 465. 491. 501. 512.

513.517.527.5.38.557.559.

678. 682. 689 ©töfel, Otto 690f. ©trnc^h)i§, ®raf 9Kori§ b.

216. 268 f. 447 ©tramm, 5hignft 614 ©troBburg, ® ottf rieb b. 225 ©tra^, JRubolf 647 ©traufe, S)Qbib griebrid^ 19.

225.227.231.316. 680. 684 ©traufe, gol^. 138 ©trauB, 2. 693 ©trauß u. STorneQ, 2ulu b.

642. 684 ©trccfer, Siaxl 670 ©treder, SBaai 472 ©trinbberg, Sluguft 315.

320. 575 f. 577. 584 ©tuden, (Sbuarb 665 ©nbermann, .'permann 576.

604 ff. 693 ©ue, ®ugen 453 ©ulgcr«®cbing, ®. 694 ©näman, 9Jfargarete 641 ©uttncr, 2?crt^a b. 580. 6.52 ©Upper, l'lugufte 660 ©boboba 645 ©luift 174 ©lüinburnc 609 ©^bel, ^ciniic^ b. 264 ©^Ibinä, $(nca§ 129 ©lllba, Sonnen 311

iacitn« 5. 8. 175 Xaine, .^ippoltjte 571. 572.

586. 691 Xannenbnnm, ©. 687 Xni\o 24. 40. 191. 252 •3:ai)Ior', ®corge 306 legner 683 Tennbfon 197 lerena 6. 26

X^acferab 4.53. 456. 501 Sl^eoberid^ 549 Xl^eotrit 24 Sibal 688

3;i^icnemann, SRorie 592 Silier jcf), 3?ern^nrb 562 XElierri), Sluguflin 529 X^ieB, g. 679 X^obc, .»penrl) 339 %l)oma, $Qn§ 319. 568 Ziioma, Öubtcig 671 X^oranc 173 S^fjoriualbfen 78 2:[)»fi)bibe§ 55 Sbtimen, Sobiba b. 201 2:*t)ntian, SBalbemar 657 Xiecf, 2ubtt)ig 54. 62. 95. 97.

129. 174f. 294. 325. 379f.

396. 408. 413. 423. 424.

463. 491 Xtäian 251

S^önniev, {5ei^öi"onb 473 Xolftoi, 2eo 310. 557. 574f.

577. 692 Jobote, ^ein3 655 2:our§, ©regor b. 131 Sräger, Gilbert 205. 5*34 Xreitiri)fc, ^ciiuidö b. 294 S^renbele üb mg 272 Xrimberg, öngo b. 87 Sriniuö, ?lugnft 652 Jrojan, gob- 492. 494. 498 IroniliO, .'^ar[ b. 103 2:rone§, tibrefieiio b. 13 Xrümmer, ?(inonba Snife

269 Xfrfjcrfig, V. 676 XurgcnicJD '169f. .'»57. 683 Surf, ^ofjuluelicr 150. 165 Jüfelmann, €>. 690 Iloain, aWarf 361. 3t>4

Üct)tri6, Jvricbiidj b 396 Ubianb, i.'ubiüig 48. 63. 73.

77. 98. 175. 2 17 ff. 222.

278. 387f. 463f. 5ü4f. tt80 Ulid} 677 Ulricf) bon üi^ürttcmbevg

530 llngcr, itnrolinc 142

710

ifiegifter.

??ai]^tngcr, §mt§ 686 53ornl^agcn b. ®ii[c 34. 80.

95. 98. 112. 176. 181. 218 93arn:§OGen, 9la'^cll75.378 SSelbc, e. bmt ber 129 SSelbefe, ^etnricC) bon 15 SSell^ogen&^tafing. 93or»

luort, III. 675. 694 53clt), @mmn (f. ®mma ©i*

tnon) 660 «ett 78

«crl^ocren, ©milc 578. 609 S3erIaine,gJnuI 577.608.609 33 cm et, ^oracc 412 «öctlocl) 609 «tarbot, ^auline 470 «iebig, ^lara 653. 670.

694. 695 3Sierorbt, ipehrad^ 622f. iötetoeg 509 JötUinger, Termine 660 33ilmar 307 aSirc^olD 45 33irgil 5. 16. 126 «ifd^er, (Smilie 221 53i[c6er, griebr. S^eobor

225 f. 227. 232. 510. 526.

570. 680. 683. 693 «tbe§ 600

S8ogI, 3o^. 9JcpomuI 137 Sl^ogelloeibe, SBalt^er b. b.

12. 15. 563 SSogt, ^. 315 33 0 igt, Qo^anna 3Itn6rofiǤ

643 93oigt»2)tebert(^§, geleite

642. 652. 695 «olbert, 91. 679 93ölf, 33. 683 SSoIImöaer, ,^nrl ©uftab

608. 665 «oltairc 95. 127f. 33 OB, ^einrid^ 563 58ofe, Diic^arb 19. 21. 369.

372. 397. 582. 595. 597.

647. 661 SSuIIicmin 529 33ulpiu§, (£C)tifttanc 40 S3ulptu§, e^riftiQu9lug.ll7.

388

28od^c:i^ufen, $an§ 307 SBagncr, Sofima 338 SBagner, ®. g. 684 SBagner, ^.Tl. 679 SBagner, $. g. 686 SBagner, §. 2. 600 SBagner, 3ftid^arb 12f. 14f.

17 f. 37. 53. 132. 294.319.

833 ff. 343. 353. 398. 511.

551. 685 SBagner, ©iegfrieb 339 SBai6Itnger, SBU^elm 224.

227 SfBalben, ^erloart^ 614.672 SBala^rieb 5 SBallace 305 SBalter, ®. 683 SBallenftein 125 SB a Igel, 0§far 678. 685.

688. 695 SB an br et), ^onr ab 689. 693 SBarnfe, 5ß. 681 SBaffermann, Zatoh 657 SBattenönd^ 464 SB e 6 er, griebr. SBü^elm 61.

261. 682 SBeber, Waxit b. 544 SBebeünb, granf 320. 585.

668 f. SBeibmann, Slelia 530 SBeiganb, SBilljelm 624. 656 SBetglin, ^. 678 SBeingartner, g. 695 SBetnIig, S^eobor 333 SB ei 6 c, Sr)riftian gelij 600 SBeifeenfeI§, Dlid^arb 690 SBeit6re(f)t, Sorl 695 SBelder 246 SBellington 383 SBcItritf) 683 SBenbt, SR. 689 SB er fei, grang 672 SBerncr, Slnton b. 49. 116.

253. 682 SB er n er, ©lifabet^ 311 SBcrner, 9t. 9K. 678. 687 SBerner, gad^ariaä 117. 129 SBertmiiller .539 SBefcnbond, 2«at^i(bc 335.

337. 511

SBefenbondt, Otto 335 SBeftcn^oIg 693 SBeftfird^, ßnifc 660 mf)\ppU 370 SB^i[tIer 363 SB^itman, SBalt 199. 364.

578 SBid^ert, ©rnft 54. 287 ff.

296. 595 f. 597. 683 SBibmann, ®u[tab 693 SBibmann, g. «. 155. 647 SBielanb, ß^rifto})^ SWartin

62. 323. 524 SBienBarg, ßubolf 170. 171 SBiet^auä'gifc^er, 9tmm

Snife 78 SBiganb 66 SBilamotoi^ = Sßöllcnborf

343 SBi(6ranbt,Slbolf264.284f.

595. 597, 681. 683 SBilbc, D§!ar 72. 320. 578 SBilbcnbrnt^, ®rnft b. 48.

543 ff. 564. 580. 582 f. 597.

690. 693 SBilberntntf^, Ottilie 311 SBilbganS, ?lnton 568. 673 SBille, S3runo 583f. 586f. 654 SBille, eiifa 530 SBille, gran9oi§ 530 SBil^elm, ß'arl 562 SBil^elm I. 269. 550 SBinfeInxann, ^.^. 21.29.

318 SBinbfd^eib 264 SBinflcr, ®milie 425 SBinterfelb, 5ßaulb. 5f.696 SBint^cm, ®lifa6ct^ b. 23

(bgl. mopftod) SBitfo^j, Wl 682. 690 SBitfolbSli, ®. 696 SBitt, Cornelius be 440 SBitt, ^ot). be 440 SBo^l, grau 173 SBolbfen 463 SBolbfen, gri^c 465 SBoIf, gerbinanb 142 SBolf, ©ugo 232 SBolff, e^riftian 32 SBolff, ®ugen 583. 689. 692

Dlegifter.

711

«Solff, 3u[iu§ 205. 263 SBolff, X^eobor 585 SBoIff, Ulla 655 SBöIfflin 685 ©olfram bon ©fd^enbad^

12. 14 SBoIfSlel^I 608 2Bol30Qen,ernflb. 582.655.

669 SBorben, 3- ^- 686 SBorb§h3ort^ 191. 676 SBorringer 685 SBrebc, gür[t 69 SBuIfila 8 SBunbt, X^eobor 647 SBunbt, SBil^elm 358. 696 SBüft 690

3abel, e. 685

Sabn, entft 647

garal^uftra 351ff.

3ei:^ 568

3cbli^, 3o}ep]^ ö. 137. 150.

678 3e]^nber = Stablin 524 3elter 6 3etger, 2^. 676 3etboiii, @raf 394 3te0ler, ^arl 384. 687 3ieglcr, fiirife 531 3tcßler, S^. 684 3iefc 387

Sillmann, griebt. 689 3iifelcr 680 3obeIti§, gib. b. 686

3obcIti§, gebor b. 652 3obcIti§, $ann3 b. 652 3obcItt§, 3obel b. 084 3oIq, (Snnlc 318. 320. 571 f.

577. 580. 586. 588. 590.

663. 691 f. 3 ovo oft et, (3arnt!^uftrn)

351 ff.' 3f(^offe, ^dnüä) 104.406.

550 3uclcrmauu, §ugo 561.

567

3«n3 170

3tt)cig, Stephan 627

3toe^l, ^an» = gri$b. 665f.

669 3lt)ingli 525

Sut^brurfetel bei fBaifeittjaufc« in ^attt a. 6. 6.

I

5?on bemfclben S3ctfaffer ift frül^er erfdbienen:

©eft^it^tc öcr bcutft^cu IHteratur. mn 25 farbigen (Sinfdjottbilbern. 33elbQgen & ßlaftng. 53telefelb uub ßeipsig 1919.

Dl. .öermann 9leic^, ^rofeffor an ber Uninerfität Öerltn: '^c^ ^offe juoerfic^tltc^, DiefeS SBerf rcirb Oie beutfcf)e Stteraturgeft^ic^tc roerben, für bie ©tubenten, für bie Schüler, für Die gamitien, für bie roeiten Äreife ber 93ilbung. 3(ik^ bie Sic^terbilbnifie finb feör fdjön au8- geträ^It. Äurj überaß oiel SBiffenfdjaft, Äunft, Äriti! unb feiner Satt.

Dr. Sruno Qorban (|)annou. Äurier): 3m ganjen fc^eint mir boc^ gerabe biefe« «udj ba« bei roeitem befte biefer 2trt ju fein, ba bie grgebniffe ber neueften literargefc^ic^tliien Jorfc^ung in gefc^mocfDotler, leicht oerftänblic^er gorm barbietet. loirb alä Gueüen^ unb Sefebuc^ in ben ^änbcn nic^t nur non Sd)ülern unb gebilbeten Saien, fonbcm im Scfi^ roeitefter Kreife ?Ju|en unb ©egen ftiften.

Dr. Sllfrcb Siefe, @pmnafiaIb_ireftor (Seutfc^e Siteraturjeitung, 24. 2(pril 1920): Der t)ier angcl&äufte fulturrjiftorifdje äBiffenafton ift ungel^euer, unb bie |)intergrünbe, bie fomit geft^affen roerben, finb iro^I ba§ ?3eftc an bem 53uc^; bie ©injelbilber tragen garbe unb flotte 3ei(^nung; bie groben finb gefd^macfDoü geroäblt. "Die 8tu§ftattung ift oortrefflic^ , ber i^rucf tro^ ber Unfumme Don 3'i^^cn unb Säten forgfältig.

Scffing unb (ciuc 3cit- 5n äirei 33änben. 9J?it aiüei ©raöüren. S. ^. iBecffc^e Jl^er^ lQg§bud)^anbIung (D^for 33ed). 3J?ünd^en 1919.

Dr. granj SKuncter, ißrofeffor an ber Unioerfität SKüncöen (6. Januar 1919): 3Ran erfennt überall bie ftarte i»ifienfcf)aftlicf)e unb barfteüerif(f)e 2eiftung, reiche, oon anbem überfommene SBiffen unb bie neue, eigene gorfc^ung. 2)ur^au§ ücrbienftDOÜ fc^cint mir bie 3lrt, roie Seffing in ba^ grofee Äutturleben ber 3eit ^ineingcfteEt roirb. 2)a6 babcn bie früfieren Öio- grapf)en ßeffingS nic^t im gleicf)en ÜJZaBe getan; bie meiftcn f)aben nur fein 23ilb in ber ifiteratur^ gefd)i(^te gemalt. S)a§ Söert fann fic^ felbftänbig neben bie befannte Seffing = i8iograp^ic Qxid) 6cf)mibt§ ftcHen, ofine bajj biefer baburc^ etroa^ oon if)rer großen n)i)ienfd)aftlic^en ißebeutung ge* nommen roürbe, unb roirb fo aud) bem roifienfcf)aftlicf)en Senu^er auf§ befte biencn. gür Öefer in ben roeiteren Äreifen bes gebilbeten '^ublitum§ ift fogar nod) rocit geeigneter al« G. 2d)mibt^ SBcrf.

Dr. 2f)affilo oon Sc^cffler (^reufe. ^a^rbüc^er, 2)Zärj^eft 1919, Sb. 175, III): 0" t)tt Xurbulenj unb ber üerroifc^len Untlar^cit unferer fdjroercn, r»iel antlagenben, aber boc^ frititlofen 3eit ift biefe Settüre ein Sabfal unb i^re Stbfaffung eine 2at. £*effing roar lebenfpenbenb roie ein gefunbcr, frifdjer ©türm, unb lebenfpenbenb ift auc^ baä neue 'Sud) über i^n.

Dr. öanä Senjmann („S;er Sag", 16. 2)iärj 1919): De^lte baut auf immer ftrcng^tDiffen- fc^aftlic^er ®runblage roie ein plaftifc^ geftaltenber Äünftler auc^ auf feinen inbioibueü ft* burcf)fe§enben unb boc^ objeftiD jurütf^altenben Stil begießt fic^ bieö bicfeö ^errlic^e bcutfc^e Öebeniobilb auf.

3Jorb unb ©üb (iWärj^eft 1919): 2)er 5eitgcfd)irf)tlic^c ©intergrunb, oon bem fid) bie ©eftalt bes gelben abficbt, ift fo roeit genommen, mit einer fo grofecn iHeit)e oon gigurcn, flanbfc^aft«' unb 3eitbilbem ausgefüllt, fo forgfam unb liebcooU bcljanbelt, bafe bie SJarfteÜung eine Rultur' gefd)id)te ®eutfc^lanb§ jur i>,eit, man tonnte faft fogen: unter ber iHcgicrung ScffingS biibct .... So ift burc^ geroiffen^afte SBerrocrtung ber gefamten Seffingliteratur unb buxd) neue eifrige Jorfdjung ein 33ilb be§ grofeen ÜKannee juftanbe getommen, ba« neben ben früheren X^arftcQungen in G^ren befielt unb an fulturgcfc^id)tlid)er SBeite fie aüe übertript.

Dr. ^ermann Sanken, ©pmnafialbircttor (I5a« i'iterarifd)e Sc^o, 16. 5RoDbr. 1919): Det SJerfaffer barf ftotj barauf fein, roie it)m bie Söfung biefer nidjt leid)ten Slufgabc gelungen ift. er gibt nid)t blofe Öiteraturgefc^id)te, fonbem im beften Sinne - «ultur= unb @eifte8gef(^i4te beä ganjen leffingifd)en 3ei*fl't^rs.

Dr. gflubolf JRaab (Öiterarifdjeö 3entralblatt, 23. 2tuguft 1919): 5i'eben 2t). X. J^anjel« bod) fc^on etrcaä oerftaubter unb Grid) Sdömibtö genial bingeroorfencr üeffingbiograpbte bie britte t)0(iragenbe 3i""C ber beutfc^en fleffingpliilologie.

Witi^ ber ©cjt^idjtc ber bcutft^cii l'iteratur. WH 28 ^Ibbilbungen «erjagen & Älaftnfl. Sielefelb unb l'eipäig 1919.

©cttina bon ntnm§ fömtlit^c Sertc mit SBcnu^ung ungebrudtten MatmaU unb ga^l. ceid^en Silbmffen in [iebcn Sänben in SSerbinbung mit ^rof. Dr. SWay gtieb* länber herausgegeben im ^ro|)^Iäen*35erIage, ^Berlin 1920.

Öon Sut^cr bis mopftotf. S)eutf(^e ®i(^ter au^ bem 16., 17. unb 18. Sa^r^unbert. SSel^agen & ÄlafingS ©d^uIauSgaben, S8b. 177.

2)eutfi^ in ^rimo, (£in ßel^rberfuc^, t^eoretifd^ unb praftifc^ bargefteUt. ©uftoö godC. ßeipaig 1910.

3eitfc^r{ft füt ben beutfc^en Unterricht, 25. 3a{)rgang, 4)eft 3 (^ Soc^me): ®erina an Umfang, aber reid^ an 2tnregungen ift biefeg ©d^riftd^en. greilicf) gehören ibeafe Se^rer unb Schüler bagu, um bte in i^m niebergelegten ^iäne auSfüfjren ju fönnen. 2Boö ber SJerfaffcr in graci 3af)ren in ben ÄlojTen Untere unb Oberprima im beutfc^en Unterricfit aereiftet bot, arenüt o^nc Übertreibung onS gabel^ofte.

Sur guten Stunbe (1910, 24. §eft): |)ätten mir afie in ^rima unfern beutfc^en Unter- ri^t in bem ©eifte genoffen, au^ rceld^em SBalbemar De^Ife feinen ße^roerfud^ ongefteQt ^at, unb mären mir aQe in ber entfc^eibungöreid^en Seit unferer (gntroicfelung in ebenfo guten $änben ge- roefen, fo gäbe e^ feine klagen über ©d^ultprannei unb über bie burc^ Ätaffenleftüre unb Stuffäöe „oergraulten" »irfjter. ®er Sßerfoffer burc^brid^t ben engen ^ntereffenfreig, ber bil^er mit ber Seftüre ber Älaffifer gegogen mar, unb erroeitert i^n über bie gefamte SBeltateratur unb bie nac6= goet^efc^e bi« sur mobernften Sichtung.

£ef[ing0 Scrtc, auf ®runb ber ^em^elfdjen ?Iu§gabe neu i^erauSgegeben öon % g^eterfen in SBerbinbung mit g. 33ubbe, SS. Detjlfe, 2B. DUfiaufen, 2B. 9iieäler unb (5. ©templinger. 33ong & ©ie. ^Berlin 1907.

aWonatSfc^rift für ^ö^ere ©c^ulen (21. 2«attf)ia§) : S5ie alte |)empelfc^e SMuägobe erfcfieint . ju rechter ßeit unb guter ©tunbe in neuem ©emanbe, um baß ^ntereffe an unferen beften S)enfern unb S)i(^tem neu gu beleben, ©ie (ginleitungen finb einfad^ unb in freunblic^er Seäbarfett gei)aaen, finb überfic^tlic^ unb bieten baä, ma§ man nötig ^at, um in beö betreffenben S)ic^ter§ Öanbe unter guter gü^rung eine erquidflid^c SBanberung gu tun.

SreSlauer Rettung, Suli 1907: SBefonbere a3eacf)tung uerbienen bie Einleitungen SBaibe- mor Del)lh§ gu ben SDramen. Äenntnijg ber literar^iftorifc^en 3ufammen^änge oereint fic^ mit einer «aren, prägnanten Siarftettung, einem befonnenen unb fein abroägenben Urteil, boä bie Seit- bebeutung roie ben bteibenben SBert, bie 2lb^ängigfeit beg unreifen, toie bie ner^eifeunggDotten Slnfä^e beö neue Sahnen fuc^enben ©eifteiS mit Dottfter ®id6ert)eit gu fonbern unb in^ red&te Si^t iu rüden rocife . . .

©cttinc üon 5trutm§ Sricfromcnc. ^;ßalaeftra, XLI. Unterfud)ungen unb Xejte au§ ber beutfd^en unb englifd^en ^^ilologie. |>erau§gegeben öon % 33ranb(, ®. JHoetl^e unb @. <Bä)mihl 9J?at)er & mMtv. Serlin 1905.

Sttrc^io für baä ©tubium ber neueren ©pradjen unb Öiteraturen (iRic^. 2R. aReper), 33b. 116, §eft 3: (§3 ift roo^I nod^ feiten an ein ä^nlic^eS S^ema au§ ber neueren beutfcfien Citeraturgef^ic^te fo oiel grünblic^er gleife, fo oiel fc^arffinnige Beobachtung unb unabläffige 2luf= merffamfeit gefegt roorben.

Siterarifc^eö ®d^o (1. gebruar 1906): Oe^Ife mac^t ber ©(^ule, aus ber er fommt, @^re unb mirb fie i^r aud^ fünftig machen.

Xäglic^e Sfiunbfc^au (29. ^uni 1905): SQ3ir muffen unig oerfagen, bie vidfaä) über» raf(f)enben gingelrefultate ^ier nät)er gu berühren. 2(ber oon bem bisher unbetannten aKoterial, meiere« baä umfangreiche SBerf barbietet, fei für eine gröfeere ßffentli^feit menigften© einer ber neu mitgeteilten Sriefe ^eraugge^oben . . .

Budibrutferd bei) %8atfcit^auic§ tu ^allc.

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PT 04

Oehlke, Waldeniar

Die deutsche Literatur

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