WILHELM KAUFMANN

DIE DEUTSCHEN M AMERIKANISCHEN 1 BÜRGERKRIEGE

R. OLDENBOoR^x, MUNCHirLN O. BEßUN

Die Deutsdien

im

amerikanisdien Bürgerkriege

(Sezessionskrieg 1861-^1865)

Von

WILHELM KAUFMANN

it

Mit 36 Karten und Plänen

München und Berlin

Druck und Verlag von R. Oldenbourg 1911

Q J

Alle Rechte, auch das der Übersetzung, vorbehalten. Copyright 191 1 by R. Oldenbourg, München und Berlin.

Vorwort.

Die Geschichte der Deutschen im Bürgerkriege ist ein noch vöUig unbetretenes Gebiet. Zwar haben sich bald nach dem Kriege mehrere namhafte Forscher mit dem Gegenstande beschäftigt, jedoch keiner dieser Pläne ist über die ersten Ansätze gediehen. General V. Schimmelfennig verstarb darüber, Kapp wurde Amerika ent- fremdet, Dilgers sorgfältig gesammeltes Material verbrannte, usw. Später machte sich dann vielfach die Ansicht geltend, daß wegen der großen Zerstreuung der deutschen Soldaten über die Unions- heere doch nur eine teilweise Erfüllung der Aufgabe möglich sei, daß man nur ein Bruchstück der deutschen Kriegsgeschichte schreiben könne. Aber sollte wegen dieser sicherlich weit überschätzten Be- hinderung die schönste Einzeltat unseres Volksstammes der Ver- gessenheit anheimfallen ? Sollte über der Tatsache, daß die deutsch- geborenen Unionssoldaten (216 000 Mann) nicht in großenArmeekorps vereinigt werden konnten, die andere Tatsache übersehen werden, daß unser Volk am treuesten zur Union gestanden hat? Das zu- geben hieße doch auf die Darstellung der wichtigsten Periode- der deutschamerikanischen Geschichte verzichten. Es läßt sich übrigens ein recht stattliches Bruchstück der deutschen Kriegstaten dar- bieten, und oft genug wird man dabei erinnert, daß es die Brüder der Sieger von Düppel, Königgrätz und Sedan waren, welche sich auf amerikanischem Boden geschlagen haben.

Kein Ereignis hat so tief eingegriffen in das Leben des deutsch- amerikanischen Volkes als der Kampf für die Union, und niemals konnten unsere Stammesgenossen in solcher Eintracht auftreten als während jener großen Zeit. Diese Einigkeit gewährt ihnen eine Ausnahmestellung. Während sich die eingeborenen Amerikaner

858693

IV Vorwort.

und die Angehörigen aller übrigen eingewanderten Volksstämme in zwei feindliche Heerlager spalteten, finden wir die Deutschen nur auf der Seite der Union. Es hat unter ihnen so gut wie keine Förderer der Sezession gegeben, wie es auch so gut wie keine deut- schen Sklavenhalter gegeben hat. Sie stellten bedeutend mehr Sol- daten als jedes andere Volkselement, weit über das Doppelte ihrer PfHchtzahl. Ferner stand das Deutschtum während des Jahr- zehntes 1855 bis 1865 in seiner schönsten Blüte. Schon als Masse wirkte es imponierend verhältnismäßig war es damals so stark als zur Zeit der später einsetzenden Hochflut der Einwanderung. Aber seine Kraft beruhte besonders in der in seinen Reihen ver- tretenen Bildung und Kultur, in dem Idealismus, von dem es durch- glüht war, in der freiheitlichen Gesinnung, welche bis tief in den untersten Volksschichten vorherrschte. Niemals haben die Deut- schen unter einer besseren Führung gestanden als zu jener Zeit, und sicherlich hätten sie zu keiner anderen Periode ihres Wirkens in Amerika den Forderungen besser genügen können, welche an ihre Treue gestellt wurden. Schon das Nachweisen dieser Tat- sachen darf gewiß als eine würdige Aufgabe gelten und wird auch als Beitrag zu der allgemeinen Geschichte des deutschen Volks- tums willkommen sein.

Aber noch wichtigere Gründe sprechen für eine von deutscher Hand kommende Schilderung jener Zeit. In den zahllosen englisch geschriebenen Krieggeschichten wird man nur selten auf Arbeiten stoßen, welche, wie das schöne Werk Hamlins über Chancellors- ville unseren Landsleuten die gebührende Gerechtigkeit wider- fahren lassen, oft genug aber auf Schmähschriften und gehässige Angriffe. Die einzige Widerlegung derselben kann nur durch die Darstellung der wirklichen Kriegstaten der Deutschen erfolgen. Ferner spielt die Kriegsgeschichte auch auf das Gebiet der allge- meinen Kulturgeschichte Nordamerikas hinüber, und besonders wird die Einwanderungsgeschichte davon stark berührt. Es wird nicht angehen, diesen wichtigsten Teil der amerikanischen Kultur- geschichte noch weiter mit einigen statistischen Tabellen abzufertigen sowie den Werdegang des amerikanischen Volkes nur nach den Lei- stungen seines angelsächsischen Stammes zu beurteilen. Man darf wohl in nicht allzu ferner Zeit dem Erscheinen eines größeren kultur- geschichtHchen Werkes über Nordamerika entgegensehen, welches die Dinge weniger einseitig behandelt, als es bisher geschehen ist.

Vorvort. y

Für dieses Werk der Zukunft haben auch die Deutschamerikaner Bausteine zu beschaffen, denn nur sie können das Material darbieten, welches für die Geschichte des germanischen Bestandteiles des amerikanischen Volkes, eines Elementes, das auch an Zahl dem angelsächsischen nur ganz wenig nachsteht, in Betracht kommt. Bezüglich der älteren deutschamerikanischen Geschichte ist das ja auch schon geschehen. Die schönen Einzeldarstellungen von Gustav Kömer, Kapp, Rattermann, Seidensticker, in neuerer Zeit •die Arbeiten von Deiler, Mannhardt, Bruncken, Löhr, besonders die Forschungen des »deutschen Yankee« Learned, können durchaus als jedem späteren Kulturhistoriker willkommene Bausteine gelten. Aber die neuere Geschichte unseres Volksstammes ist von der Forschung noch kaum berührt worden. Ob es in dem vorliegen- den Buche gelungen ist, eine jener Lücken einigermaßen auszufüllen, muß dahingestellt bleiben. Ich erblickte meine Aufgabe wesentlich darin, einen bisher unbetretenen Weg einigermaßen gangbar zu machen und das Material zu retten, welches sich jetzt noch erlangen ließ, nach weiteren zehn Jahren aber schwerlich noch gesammelt werden könnte. Vieles bleibt zwar noch zu tun übrig, und einem etwaigen Nachfolger wird sicherlich noch ein schönes Arbeitsfeld beschieden sein.

Die von mir benutzte Literatur wird man an den entsprechenden Stellen erwähnt finden. Die zeitgenössische deutschamerikanische Presse kam als Quelle weniger in Betracht. Sie hatte sich derartig mit den Kriegsereignissen zu befassen, daß ihr über den Anteil der Deutschen leider wenig zu sagen blieb. Auch war zu jener Zeit der Neuigkeitsdienst der Zeitungen noch sehr dürftig. Es sind ziemlich umfangreiche Stichproben in den alten Jahrgängen gemacht worden, aber auf das Durchwühlen aller dieser stauberfüllten Riesen- bände mußte verzichtet werden. Doch hatten meine Mitarbeiter viele Zeitungsausschnitte gesammelt, und so konnte auch aus jenen Quellen noch mehrfach geschöpft werden. Mit mehr Vorteil waren die Kor- respondenzen zu verwerten, welche O.V.Corwin und »F. A.« (wohl Fritz Annecke) für die Augsburger Allgemeine Zeitung geschrieben haben. Daß die Reden und Schriften des wackeren Volksmannes Vocke in Chicago und das Rosengartensche Buch »The Germans in the wars of the United States« (dieses jedoch nur für die Regiments-

yj Vorwort.

geschichten) Verwendung gefunden haben, ist wohl selbstverständ- lich. Auch die recht stattliche deutsche Flugschriftenliteratur über den Krieg, meistens von Mitkämpfern stammend, wurde durch- gesehen, soweit sie noch nicht verschollen war. Das Beste über die Deutschen im Bürgerkriege hat uns der unvergeßliche Schurz hinter- lassen. Wie schade nur, daß er seine Darstellung im Rahmen seiner Lebensbeschreibung hat erscheinen lassen und dadurch verhindert worden ist, sich weit eingehender zu äußern.

Den größeren Teil des hier benutzten Materials verdanke ich meinen Mitarbeitern. Vieles davon wurde mündlich übermittelt, besonders durch die Generale Osterhaus und Stahel, durch Ex- gouverneur Salomon von Wisconsin und durch die Journalisten Louis F. Korth in Portsmouth, Ohio, und Ernst Schierenberg. Diesen treuen Mitarbeitern, zu welchen sich in letzterer Zeit noch Herr Gallus Thomann aus New York mit dem großen Schatze seiner Kenntnisse und Erfahrungen gesellte, bin ich zu ganz beson- derem Danke verpflichtet. Sehr viel Material entstammt Kriegs- tagebüchern, gedruckten und geschriebenen Regimentsgeschichten, Briefen längst verstorbener Mitkämpfer, sowie sog. »Scrabbüchern«, welche meistens mit Zeitungsausschnitten angefüllt waren. Auch eine Reihe von handschriftlichen Betrachtungen über den Krieg aus dem Nachlasse von deutschen Offizieren wurde benutzt.

/ -1 Ein Quellennachweis derartigen Materials hätte das Buch unge-

' bührlich belastet. Daß jedoch bei Verwendung dieses Stoffes mit

j gebührender Sorgfalt verfahren worden ist, mag durch die Erklärung

/ belegt werden, daß das vorhegende Buch die d r i 1 1 e Überarbeitung

I des Gegenstandes bildet. Schon bei den ersten Vorarbeiten stellte

sich heraus, daß ohne die Hilfe einer großen Schar von Mitarbeitern

das Material nicht beschafft werden konnte. Ich schrieb deshalb

"?. zunächst eine ziemlich umfangreiche Skizze auf Grund meiner damahgen Kenntnis des Gegenstandes und schickte diese x\rbeit als Manuskriptdruck an gegen hundert ehemalige Offiziere des Bürger- krieges sowie an eine größere Zahl mir befreundeter deutschameri- kanischer Historiker und Journalisten. Das Echo war über alle Erwartungen erfreuhch. Neues Material lief massenhaft ein, viele Irrtümer des Vordruckes wurden berichtigt, und eine völlige Neu- ^ ^ gestaltung der Arbeit erwies sich als notwendig. Diese zweite Bearbeitung ist im Sommer 1908 in über 80 deutschamerikanischen Zeitungen, darunter einer Anzahl der bedeutendsten Tageblätter

Vorwort. yjj

des Westens erschienen. Durch diese VeröffentHchung gewann das Unternehmen viele neue Freunde, und die Zahl meiner Mitarbeiter stieg nach und nach auf über zweihundert. Was ursprünglich ein Notbehelf war, hat sich als außerordentlich fruchtbringend er- wiesen. Die Mitarbeiter gewannen durch das stufenweise Fort- schreiten der Unternehmung einen Überblick über das nach und nach gewonnene Material und wurden dadurch zu eigenen Einzel- forschungen angeregt. Auch konnten viele strittige Punkte noch vor der Veröffentlichung der jetzt vorliegenden dritten Be- arbeitung in den Kreisen derjenigen Männer erledigt werden, welche man wohl als die besten Kenner des Gegenstandes ansprechen darf. Allen diesen Mitarbeitern sei hier auf das herzlichste gedankt.

Die eigentliche Kriegsgeschichte wird man hier nur in ihren Hauptzügen behandelt finden, nur insoweit, als es im Zusammen- hange mit dem Auftreten der Deutschen notwendig erscheint. Des- halb mußte den Kämpfen um Missouri weit mehr Raum gewidmet werden als dem letzten großen Ringen zwischen Grant und Lee. Trotzdem wird der Gang des Krieges auf den Haupt Schauplätzen, in Virginien und im Westen, ziemlich genau verfolgt werden können. Jede wichtige Schlacht findet ihre Darstellung, wenn auch not- wendigerweise in möglichst knapper Form. Einzelne kurze Hinweise auf früher schon geschilderte Dinge hielt ich im Interesse der Leser für angebracht, weil die Orientierung in diesem sich über vier Jahre hinziehenden Kriege so außerordentlich schwierig ist. Ausführ- lich sind alle Kämpfe beschrieben worden, an welchen die rein- deutschen Regimenter beteiligt waren, oder in welchen deutsche Heerführer eine besondere Rolle spielten. Soviel als möglich sind bei diesen Schilderungen die amtlichen Berichte der beteiligten deutschen Offiziere oder deren eigene Darstellungen in der Fach- presse zugrunde gelegt worden. Es gilt dies besonders von den Schlachten, an welchen General Sigel beteiligt gewesen ist. Da- gegen sind die außerhalb der beiden Hauptschauplätze liegenden Aktionen: der Seekrieg, die Blockade, der Red River-Feldzug, die Kämpfe in den Carolinas, die Freibeuterzüge und der Guerilla- krieg als nicht im Bereiche unserer Aufgabe Hegend ausgeschaltet worden.

Dem Hauptteile des Buches ist eine gedrängte Schilderung der Kriegsursachen , der geschichtlichen Entwicklung der Sklaverei- frage, der Sezession und der Bedeutung der Einwanderung für den

VIII Vorwort.

endlichen Sieg des Nordens vorangeschickt, sowie ein Charakter- bild Lincolns. In dem Kapitel »Der Krieg im allgemeinen« habe ich versucht, diejenigen Punkte besonders hervorzuheben, welche geeignet schienen, den Leser in das Milieu des Krieges einzuführen. Ich fürchte, daß der biographische Teil den Lesern in Deutschland als viel zu ausführlich behandelt erscheinen mag. Dem ist entgegenzustellen, daß den amerikanischen Lesern dieser Teil noch als viel zu sehr beschränkt gelten wird. Ursprünglich waren diese Schilderungen nur für Deutschamerika bestimmt. Ich habe sie aber .auch für das Buch beibehalten, weil sich dabei wenigstens noch etwas sagen läßt über die deutschen Stabsoffiziere der i8o ooo Deutschen, welche in gemischten Regimentern gekämpft haben. Auch ist im biographischen Teile noch viel Material ver- arbeitet worden, welches an anderer Stelle keine Verwendung finden konnte. Femer kann es gewiß nicht ohne Interesse sein, etwas von den amerikanischen Schicksalen von über 500 meistens hochge- bildeten Deutschen zu erfahren. So mancher interessante Kopf tritt uns in dieser Sammlung entgegen. Und dann gönne man auch den deutschen Männern, welche Gut und Blut für die Aufrecht- erhaltung der Union eingesetzt haben, das geringe literarische Denkmal, welches ihnen hier noch gewidmet werden kann. Sie haben für ihre tüchtigen Leistungen bei Lebzeiten wahrlich nur geringe Anerkennung gefunden.

Wilhelm Kaufmann.

Inhalts -Verzeichnis.

Seite

Vorwort III

Inhalts-Verzeichnis IX

Karten- Verzeichnis XIII

Das Vorspiel.

Die Ursachen des Bürgerkrieges i

Kulturgeschichtlicher Rückblick auf die beiden Landesteile 15

Geschichtliche Entwicklung des Sklavereistreites 23

Sezession 45

Die Folgen des Krieges 5^

Lincoln 60

Die Deutschen im Bürgerkriege.

Kurze Orientierung auf dem Kriegsschauplatze Ti

Der Krieg im allgemeinen 77

Die Wirkung der Einwanderung auf die Entscheidung des Bürgerkrieges . 94

Die Leistung der Deutschen im Kriege.

Die deutschen Achtundvierziger in Amerika loi

Beteiligung der Deutschen im Kriege 118

Die Deutschen stellen mehr Soldaten als jeder andere Volksstamm 216000 geborene Deutsche, 300000 Deutschnachkommen erster Generation, 234000 Mann altdeutschen Stammes. Kritik der Gould- schen Darstellung. Wie wäre es ohne die Deutschen wohl gekommen ?

Deutschlands Sympathien für die Union 137

Die Deutschen im Süden 139

Die unionstreuen Deutschen in Texas I43

Ein Kleindeutschland im wildesten Westen. Sisterdale und das lateinische Deutschtum. Olmsteds Schilderung. Die Sezession in Texas. Die Comanches. Die Bekehrung durch den Strang. Hunderte von friedlichen Deutschen ermordet. Der Kampf am Nuecesflusse. Die erste Schlacht von Bull Run 162

X Inhalts-Verzeichnis.

Seite

Blenkers deutsche Division i68

Die stärkste reindeutsche Truppe. loooo Mann aus Deutschland. Das Elend des deutschen Offiziers im Exil. Blenker und sein großer Generalstab. Die Anklagen gegen Blenker. Glück und Ende eines Emporkömmlings. Die deutschen Regimenter i8l

Der Kampf um Missouri.

Die Rettung von St. Louis 191

Der erste Sieg ein deutscher Sieg, General Grants Beurteilung dieses Erfolges. Die Deutschen als Träger und Hüter der Unionstreue in Missouri. 8000 deutsche Freiwillige und Heimwehrmänner sofort in Reih' und Glied. Eroberung von Camp Jackson durch die Deutschen.

Der erste Feldzug. im Staate. Boonville und Carthage 205

Sigels erstes Rückzugsgefecht. Der Rückti-itt der Dreimonats- Freiwilligen.

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek 213

Fremont und die Deutschen 236

Sigels Sieg bei Pea Ridge 243

Sigel und Halleck 256

Der grosse Krieg im Westen 1862.

Donelson und Shiloh 263

Die Deutschen bei Rockletts Station und Mill Springs, Grant, Thomas und Sherman treten auf. Fort Donelson und Shiloh (oder Pittsburg Landing). Die erste große Schlacht des Bürgerkriegs.

Die Deutschen bei Shiloh 282

Schlachten von Corinth, Perryville und Stone River 285

Hallecks traurige Führung bei Corinth, Raubzüge unter Bragg, Unentschiedene Schlacht von Perryville. Die Deutschen unter Sheridan bei Stone River.

In Virginien 1862.

Schicksale der deutschen Division 294

Vor den Quäcker-Kanonen. Der Schreckensmarsch durch die vir- ginischen Berge. Drei Monate auf dem Marsche. Die Division verliert 4000 Mann durch Hunger, Krankheiten und vor dem Feinde, Jacksons glänzender Kleinkrieg im Shenandoahtale, Die Schlacht von Gross Keys.

Mc Clellans Halbinsel-Feldzug 308

Popes Feldzug in Virginien 315

Schlacht am Cedar Mountain. Sigels angebliche Langsamkeit. Lee schiebt sich zwischen Popes Armee und Washington. Schwere Niederlage der Union bei Bull Run, H. Sigels vortreffliche Füh- rung in dieser Schlacht. Die Feuertaufe von Karl Schurz.

Inhalts-Verzeichnis. XI

Seite

Unionssieg am Antietam (oder Sharpsburg) 332

Lees erster Vorstoß nach dem Norden. Kämpfe um die Pässe der

South Mountains. Schlacht am Antietam. Rückzug Lees.

Absetzung des Generals Mc Clellan, Die Befreiung der Sklaven.

Furchtbare Niederlage der Union bei Fredericksburg 340

Im Osten 1863.

Die Schmach von Chancellorsville 344

Eine viertägige Wildnisschlacht. 125000 Unionssoldaten von 62 000 Rebellen aufs Haupt geschlagen. Die Deutschen als Sünden- böcke der kläglichen Oberführung. Rechtfertigung unserer Lands- leute nach der Darstellung anglo-amerikanischer Forscher. Busch- beck und Schurz bei Chancellorsville.

Großer Unionssieg bei Gettysburg 369

Lees zweiter Vorstoß nach dem Norden. Die Begegnungsschlacht bei Gettysburg in Pennsylvanien. Steinwehr findet die günstige Stellung. Schurz als Korpsführer. Die Massenkämpfe auf dem Friedhofshügel. Lees großer Sturmangriff am 3. Juli abgeschlagen. Die schlaffe Verfolgung des Feindes durch Meade.

Im Westen 1863.

Vicksburg 381

Shermans vergeblicher Angriff. Grants Kampf mit Sumpf und Wasser. Die Flotte dampft an Richmond vorbei. Schlacht bei Champion Hill. Belagerung und vergeblicher Sturm. Vicksburg kapituliert am 3. Juli 1863. Salomons Sieg bei Helena.

Die großen Schlachten bei Chickamauga, Lookout Mountain und Missionary

Ridge 390

Rosecrans bei Chickamauga. Osterhaus am Lookout Mountain. Willich bei Missionary Ridge. Steinwehr und Schurz bei Wauhatchie.

Ende des Krieges 1864 1865.

Grants Anaconda-Plan 410

Sigels Niederlage bei New Market 411

Durch die Wildnis bis Cold Harbor 422

Beurteilung Grants. Seine Niederlagen in der Wildnis, bei Spott- sylvania und Cold Harbor. Grant weicht beständig nach Osten aus. Er opfert ein Drittel seines großen Herres.

Earlys Vorstoß bis Washington 430

Belagerung von Richmond 432

Shermans großer Umfassungsmarsch 43 2

Von Chattanooga nach Atlanta. Von Atlanta an das Atlantische Meer. Ein Siegeszug des westUchen Nordheeres. Thomas schlägt Hood bei Nashville. Shermans Marsch durch Georgia, Süd- und Nord-Carolina. Sherman dicht vor Richmond.

XII Inhalts-Verzeichnis.

Seite

Appomatox und der PViede 440

Lincolns Ermordung 441

Biographischer Teil.

Deutsche Unionsoffiziere 443^

Deutsche Konföderierte 566

Nachtrag.

1. Kriegsverluste 576

2. Heruntergekommene Amerikaner in den Süd-Appalachen 577

3. Pastorius und der wirkliche Anfang der deutschen Einwanderung . , 579

4. Das Massaker von Gnadenhiitten 581

5. Der neue Süden ohne Sklaverei 582

6. Die Altdeutschen im Shenandoahtale 582

7. Die Sioux vor Neu-Ulm 584

8. Das 9. Ohio Regiment bei Chickamauga 5^5

9. Sigel, Schurz, Stahel und Lincoln 585

10. Die Behandlung der Kriegsgefangenen 587

Karten -Verzeichnis.

Seite

. I. Hinterland etc 4

2. Erwerbung von Groß-Louisiana 38

3. Zwischen "Washington und Richmond 72

4. Tennessee und Kentuky 75

5. Bull Run I 164

6. Missouri 208

7. Schlacht bei Wilsons Creek 222

8. Wilsons Creek und Pea Ridge 246

9. Pea Ridge am 8. März 247

10. Südlicher Stromlauf des Mississippi 265

11. Forts Henry und Donelson 269

12. Schlacht bei Shiloh 277

13. Hauptkriegsschauplatz in Virginien 297

14. Das Shenandoahtal 299

15. Die Halbinsel Virginien 311

16. Popes Feldzug in Zentral- Virginien im Sommer 1862 321

17. Sigels Kampf am ersten Schlachttag von Bull Run II .... 325

18. Zweiter Schlachttag von Bull Run II 330

19. Der Kampf um die Pässe 33S

20. Schlacht bei Sharpsburg (oder am Antietam) 337

21. Schlacht bei Fredericksburg 341

22. Schlachtfeld von Chancellorsville 349

23. Aufstellung des li. Korps nach Divisionen 354

24. Jackson zum Angriff bereit 355

25. Division Schurz auf Hawkins Farm 360

26. Buschbeck und Schurz in den Schanzen 361

27. Gettysburg und Umgegend 371

28. Gettysburg, i. Tag 374

29. Sturm auf Cemetary Ridge. 3. Juli 1863 v 379

30. Chickamauga und Umgegend 394

31. Lookout Mountain und Missionary Ridge 400

32. Schlacht bei New Market 415

33. Grants Feldzug 1864, durch die Wildnis bis Gold Harbor , . . 425

34. Von Chattanooga nach Atlanta 435

35. Shermans großer Umfassungsmarsch 438

36. Richmond und Petersburg 44^

Das Vorspiel.

Die Ursadien des Bürgerkrieges.

Der amerikanische Bürgerkrieg ist die schwerste Heimsuchung gewesen, welche ein Kulturvolk der Neuzeit betroffen hat. Mehr als eine halbe MilHon Menschenleben hat diese Selbstzerfleischung ge- fordert, und die Kosten des Krieges belaufen sich auf über das Zehn- fache der von Frankreich an Deutschland bezahlten Kriegsentschä- digungi). Alle diese Blut- und Geldopfer hatte ein einziges Volk darzubringen, welches im Jahre 1860 nur 32 MiUionen, darunter 4% Millionen Neger, zählte.

Um die Jahreswende von 1861 erklärten elf Südstaaten der Union ihren Rücktritt aus dem alten Bunde und bildeten sofort eine Sonderrepublik unter dem Namen »The Confederate States of America«. Gleichzeitig begannen die Kriegsrüstungen im ganzen Sezessionsgebiete und sie waren mit Übergriffen gepaart, welche von jedem europäischen Staate als un verhüllte Feindseligkeiten ange- sehen worden wären. Der Norden bewahrte diesem Treiben gegenüber eine erstaunliche Mäßigung, welche sogar noch wochenlang an- dauerte, nachdem der Präsident Lincoln am 4. März 1861 sein neues Amt angetreten hatte. Auch Lincoln verzichtete zunächst auf jede Rüstung. Er unterließ es sogar, der genau auf der Grenze zwischen Süden und Norden belegenen Bundeshauptstadt Washington den der Gefahr entsprechenden militärischen Schutz zu verleihen. Mit rüh- rendem Eifer suchte er auch dann noch zugunsten eines friedlichen

^) Über die Kriegsverluste siehe Anhang Artikel i. W. Kaufmann, Die Deutseben im amerikan. Bürgerkrieg.

2 W. Kaufmann.

Ausgleiches zu wirken, nachdem fast jeder andere diese Hoffnungen ifi das Reich der Tiäüms verwiesen hatte. Der Norden ist mit seinen Friedensversuchen und Zugeständnissen bis an die äußerste Grenze dessen gegangen, was ein auf Selbstachtung haltender Staat zu ge- währen vermag. Der Süden ist der zielbewußt zum Angriffe schrei- tende Teil, der Norden der stets zurückhaltende, ausgleichsbereite und zu diesem Zwecke auch opferwillige Teil gewesen.

Die Frage nach den Ursachen des Bürgerkrieges wird gemeinhin mit der Antwort abgetan : In der Negersklaverei ist diese Ursache zu suchen. Das ist auch zutreffend, soweit der Standpunkt der Kon- föderierten in Betracht kommt. In feierlichen amtlichen Erklä- rungen, in tausendfältigen Kundgebungen ihrer führenden Männer, in Wort und Tat hat die Konföderation vor und während des Krieges bezeugt, daß es sich für sie bei diesem Waffengange nur um die Ver- ewigung der Negersklaverei gehandelt hat. Aber daraus ist durch- aus nicht zu schließen, daß der Norden für die Befreiung der Sklaven das Schwert gezogen habe. Diese Auffassung ist jedoch selbst in den Vereinigten Staaten noch weitverbreitet, und es erscheint auch jetzt noch nötig, darauf hinzuweisen, daß sie grundfalsch ist, besonders da in jener Anschauung ein schwerer Vorwurf gegen das Nord Volk sich verbirgt. Es ist durchaus unrichtig, daß eines der edelsten und fortschrittlichsten Völker der Erde zu dem barbarisch- sten aller Mittel gegriffen habe, um sich der Sklaverei zu entledigen, während doch die so rückständigen Völkerschaften Zentral- und Südamerikas dieses Übel meistens durch friedliche Mittel beseitigt haben. Nicht für das Ideal der Verfasserin von Onkel Toms Hütte haben sich zweieinhalb Million Nordländer auf den Schlachtfeldern eingesetzt, nicht um die Sklavenfesseln zu lösen sind jene Pa- trioten durch Ströme von Blut und Verwüstung geschritten, sondern sie haben gekämpft für die Aufrechterhaltung der Union in ihrer ganzen Macht und Größe. Und das ist sicherlich ein noch preisens- würdigeres Ideal als die Befreiung der Sklaven. Am zutreffendsten hat Präsident Lincoln den Standpunkt des Nordens in der Kriegs- frage dargestellt. Als er von Horace Greeley schon mitten im Kriege im August 1862 aufgefordert wurde, die Sklaverei durch ein Machtwort, als eine von der Kriegslage erzwungene Notwendig- keit zu beseitigen, erwiderte der Präsident:

»Ich bin nicht gewählt worden, um die Sklaverei aufzuheben, sondern ich stehe auf dem Boden der Verfassung, welche die Skia-

Die Ursachen des Bürgerkrieges. 3

verei anerkennt. Meine Pflicht ist es, die Union ungeteilt aufrecht- zuerhalten. Ist dazu die Aufhebung der Sklaverei notwendig, so wird sie aufgehoben werden, ist aber zur Aufrechterhaltung der Union das Fortbestehen der Sklaverei notwendig, so wird auch das geschehen.« Diese Erklärung deckt sich mit einer ähnlichen, welche Lincoln in feierlichster Weise in seiner Antrittsrede als Prä- sident erlassen hat.

Man könnte behaupten, daß es wegen der Sklaverei, wie sie im Jahre 1860 im Süden bestand, niemals zum Kriege gekommen wäre. Die Sklavenfrage ist durch Dinge, welche außerhalb des Ge- bietes der politisch wirkenden Kräfte lagen, mit der ihre eigenen Wege gehenden Kulturentwicklung Nordamerikas in Verbindung gekommen, und dadurch erst wurde die Kriegsgefahr herauf- beschworen. Die ersten Schlachtfelder des Bruderkrieges suche man deshalb nicht am Potomac und nicht im Staate Missouri, sondern am mittleren Laufe des großen Missouristromes, auf dem jungfräulichen Neulande des nördlichen Westens. Das da- mals noch unerschlossene Gebiet kam an Umfang halb Europa ziem- lich gleich. Dieses Neuland war rechtlich das gemeinsame Erbe aller Bürger der Union, einerlei ob diese selbst dort die Scholle be- bauen wollten oder diese Arbeit durch gekaufte Neger besorgen ließen. So beanspruchten die Sklavenbesitzer das Recht, mit ihren Hörigen den Nordwesten zu überschwemmen und die Sklaverei auf jenes Neuland auszudehnen. Diesem Begehren konnten sich die freien Bürger des Nordens nicht fügen, und in diesen Inter- essengegensätzen ist die Ursache des ganzen Konflikts zu suchen. Übrigens hatten die Sklavenhalter schon im Jahre 1820 in die Feststellung einer Grenze zwischen Freiboden und Skla- vereigebiet eingewilligt. Später aber, etwa von 1845 an, wollten sie diese Grenze nicht mehr anerkennen. Wenn jenes Neu- land später in viele freie Staaten aufgeteilt werden würde, so würde es schwierig sein, die Sklaverei auch in den alten Südstaaten auf- rechtzuerhalten. Diese Befürchtung war die stärkste Triebfeder des Dranges nach Ausdehnung der Sklaverei. Nach Ansicht der Barone^) sollte das ganze Gebiet der Vereinigten Staaten gleichmäßig in

^) Die Bezeichnung »Baron« für Sklavenhalter tritt schon im Anfange des 19. Jahrhunderts auf.

1*

4 W. Kaufmann.

Sklaverei- und in Freibodenstaaten aufgeteilt werden. Aber das Klima des Nordwestens verbot den Plantagenbetrieb auf jenem Lande. Dieses eherne Gesetz wollten die Barone jedoch nicht an- erkennen, mit- der Verbissenheit und Hartnäckigkeit, welche man bei rein agrarischen Völkern so häufig antrifft, bestanden sie auf ihrem Rechte, in jenem nördlichen Landesteile Sklavenstaaten zu bilden und neben den weißen Kleinbauern zu wirken. Das aber war

Fig. I. Die östliche Hälfte dieser Karte stellt das im Jahre 1860

V/////^ in Einzelstaaten organisierte Gebiet dar. Die freien Staaten des

f ~-n, Nordens und die Sklavereistaaten des Südens erscheinen weiß.

Zwischen beiden Gruppen die aufrecht schraffierten Grenzstaaten.

Die westliche Hälfte stellt das noch wesentlich unbesiedelte Neuland dar.

Das Hinterland des Nordens schräg schraffiert, das Hinterland des

Sklaverei gebietes in wagerechten Strichen. Die später auf jenem Neulande

gebildeten Staaten sind hier bereits vorgezeichnet.

ganz unmöglich, wie schon das Beispiel in den alten Sklavenstaaten des Südens zeigte, denn die Plantagenwirtschaft mit Sklaven ist der ^unversöhnliche Feind der freien Arbeit. Der Kleinbauer wird durch die Nachbarschaft des Sklavenbarons erbarmungslos ver- trieben oder zum Proletarier herabgewürdigt. Gegen alle diese Dinge waren die Sklavenhalter blind, oder sie stellten sich wenig- stens so, und sie erkannten in der Errichtung einer Grenze zwischen

Die Ursachen des Bürgerkrieges. 5

Freiboden und Sklaverei stets nur den bösen Willen und den Eigen- nutz des nördlichen Bruders, der ihnen das gemeinsame Erbe vor- enthalten wollte. Was sie für Habgier und bösen Willen hielten, war in den Anfängen jenes Streites nur die Äußerung eines gesunden Instinktes des Nordvolkes, der noch kaum ausgesprochene Wunsch, den Nachfahren jenes Neuland als Freiboden im Interesse der Ge- samtheit des Landes zu erhalten. Während der langen Dauer jener politischen Kämpfe steigerte sich dieser Wunsch, wurde immer mehr als Notwendigkeit, ja als heilige Pflicht erkannt und in dem Streite um Kansas, etwa von 1850 an, sehen wir den Norden mit zielbewußter Entschlossenheit für die Rechte der späteren Genera- tionen eintreten.

Der erste große Schlag gegen die Sklavenhalter kam aus dem fernsten Westen. In Kalifornien glaubten die Barone sehr leicht die Sklaverei einführen zu können, aber der neue Goldstaat optierte schon 1849 für Freiboden, und in den zur Staatenbildung heran- reifenden Gebieten von Kansas und Nebraska machte die Freiboden- bewegung stetige Fortschritte. Im freien Norden aber bildete sich eine mächtig aufstrebende neue politische Partei, in welcher die Sklavenhalter den geschworenen Feind ihrer Bestrebungen ver- muteten. Auf jenem westlichen Gebiete ließen sich vielleicht schon von der nächsten Generation zehn neue Staaten errichten, welche der Einflußsphäre des Nordens anheimfallen mußten. Das west- liche Hinterland der Süd Staaten galt aber damals noch als eine für die Kultur ziemlich aussichtslose Wüste, in welcher sich in später Zukunft vielleicht noch drei Neustaaten mit Sklaverei gründen ließen. Somit würde der Norden bald einen Machtzuwachs erfahren, durch welchen die Fortdauer der Sklaverei auch in den alten Südstaaten ernstlich bedroht werden konnte. In der Sklaverei sahen aber die maßgebenden Kreise der Südländer die erste und einzige Lebens- bedingung ihres Landesteiles. Um diese Einrichtung vor späteren Angriffen völlig sicherzustellen, beschlossen sie ihren Austritt aus dem Bunde.

Die Rücktrittsforderung der elf Baumwollenstaaten war im Jahre 1860 übrigens durchaus nicht etwas Neues. Das Sezessions- gespenst ist über siebzig Jahre, ja seit der Gründung der Union durch die Geschichte des jungen Staatswesens gewandelt. Es trat

5 W. Kaufmann.

bereits im Jahre 1787 bei den Verfassungsberatungen aut, und es hat sein Haupt erhoben bei der Errichtung jedes westlichen Neu- staates. Vor diesem Gespenste ist der Norden bis 1860 stets zurück- gewichen und die (später zu schildernden) Kompromisse von 1820 und 1850 wurden nur durch Rücktrittsdrohungen der Sklaven- halter erzwungen. So hatte die Gefahr einer Abtrennung der Süd- staaten seit vielen Jahren bestanden, und wenn der Süden etwa noch im Jahre 1840 ernsthaft an die Ausführung dieses Planes herangetreten wäre, so hätte sich eine Trennung damals wahrschein- lich auf friedlichem Wege vollzogen, denn die Machtverhältnisse der beiden Landesteile waren zu jener Zeit noch wenig voneinander verschieden. Übrigens hat Südcarolina schon im Jahre 1830 einen Sezessionsversuch gemacht.^)

Die Sezessionsgefahr wurde aus mancherlei Gründen jahr- zehntelang hingehalten, zum Teil wohl, weil die Sklavenhaltergruppe bis zum Jahre 1860 die regierende Partei in den Vereinigten Staaten gewesen ist und über den Norden eine fast ununterbrochene politische Vorherrschaft ausgeübt hat, sodann auch, weil es immer noch Neuland zu verteilen gab und das Sklavereigebiet somit noch Erweiterungen erfahren konnte. Auch vermag eine regierende Partei den doch nötigen Vorwand für einen so verhängnisvollen Schritt nicht so leicht darzubieten. Mit jedem weiteren Jahre friedlicher Entwicklung mußte sich die Sezessionsgefahr aber herab- mindern, denn der Norden wuchs seit 1830 mit Riesenschritten heran. Er gewann während der Periode 1840 bis 1860 jährlich über eine Viertelmillion europäischer Einwanderer, während der Süden nur durch die verhältnismäßig geringe natürUche Vermehrung verstärkt wurde.

Für den Norden konnte es sich nur darum handeln, Zeit zu gewinnen, der Gefahr auszuweichen und die politische Vorherrschaft des Südens noch etwas länger zu dulden. Dieser Zustand war durch- aus zu ertragen, jedenfalls war das Hinhalten der Sezessionsgefahr tausendmal wichtiger als ein Personenwechsel in den Regierungs- kreisen. Die Zeit des Nordens mußte [a. kommen. Der Norden hätte um 1870 wohl eine mehr als fünffache Übermacht über den Süden „aufweisen können, wenn ihm nur noch ein Jahrzehnt friedlicher Entwicklung beschieden gewesen wäre. Ob die heißblütigen Aristo-

^) Siehe darüber unter Nullifizierung im dritten Kapitel,

Die Ursachen des Bürgerkrieges. 7

kraten des Südens dann noch den Tanz gewagt haben würden, steht doch sehr dahin. WahrscheinHch hätten sie, wenn auch zähne- knirschend, in die Ablösung der Sklaverei eingewilligt, namentlich da der Norden dann gegen drei Viertel der Riesensumme von 2500 Millionen Dollar dazu hätte beisteuern müssen. Zu einem solchen Opfer ist der Norden übrigens stets bereit gewesen.

Für den hohen Kulturwert der Einwanderung haben die Süd- lichen niemals Verständnis gezeigt. Sie meinten, man möge dem Norden getrost den »Ausschuß Europas« überlassen. Da die Ein- wanderer sich meistens der demokratischen Partei zuwendeten^) , so erfuhr die politische Macht der Sklavenhalter durch die Einwan- derung zunächst eine Stärkung, denn der nördliche Flügel der demo- kratischen Partei zeigte niemals sklavereifeindliche Tendenzen.

Es ist zu beachten, daß das Nordvolk sich bis zum Jahre 1850 in bezug auf die Sklavereifrage eigentlich recht gleichgültig ver- halten hat. Zwar hetzte die kleine Partei der Abolitionisten^) be- ständig gegen die Sklavenhalter, aber sie gewann keinen Boden. Die Massen der Nordländer hielten die Abolitionisten für Fanatiker, welche sich ganz unnötig wegen einer Sache erhitzten, die man ruhig der Zeit überlassen konnte. Der mit Sklaverei behaftete Landesteil galt dem Norden bis um jene Zeit ungefähr so viel wie ein fernes Aus- land. Ob »da unten« Neger gepeitscht und verkauft wurden, küm- merte den seinen Geschäften nachgehenden Yankee herzlich wenig. Und dann sah man im Norden von der Sklaverei ehemals so gut wie nichts.

Da wurde plötzlich die Sklavereifrage vor die Augen des Nordvolkes gebracht und zwar nur durch die ungebührliche Herrsch- begier der Sklavenhalter. Als Folge des Kompromisses von 1850 wurde das Sklavenfanggesetz erlassen, welches jeden freien Mann des Nordens bei hoher Strafe verpflichtete, als Büttel der Sklaven-

') Auch die deutschen Einwanderer wählten bis zum Jahre 1854 meistens demokratisch, weil die demokratische Partei die Bürgerrechte der Eingewanderten weniger zu beschränken suchte, als es die Whig- und Know- nothing-Parteien taten.

2) Siehe unter politische Parteien, Kapitel »Geschichtliche Entwicklung (}es Sklavereistreites«.

g W. Kaufmann,

halter zu wirken. Der Neger, auch der längst freie Neger, besaß nun keine Freistatt mehr im Norden. Er mußte auf Verlangen der Sklavenhalter sofort nach dem Süden ausgeliefert werden. Durch die ganz unnötigen Härten dieses Gesetzes wurden viele Nordländer in Prozesse verwickelt, und es wurde in hohem Maße das Gefühl des Mitleids für den auch im Norden bisher ziemlich allgemein ver- achteten Neger erweckt. Auch der damals erschienene Roman der Beecher- Stowe, »Onkel Toms Hütte«, hat beträchtlich auf den Stim- mungswechsel im Norden eingewirkt. Man merkte es endlich, daß die Sklavereifrage auch den Norden angehe. Bedeutend gesteigert aber wurde der Umschwung im Norden durch das Bemühen der Sklavenhalter, dem neuen Nordstaate Kansas die Sklaverei aufzu- zwingen. Da die Bundesregierung dabei mitwirkte, so sagten sich viele der tüchtigsten und besten Männer des Nordens, »wir dürfen die Majorisierung seitens des Südens nicht länger ertragen, wir müs- sen eine neue politische Partei errichten, welche dem Norden wenigstens Gleichberechtigung in der Verwaltung der Bun- desangelegenheiten verschafft«. Und so wurde im Sommer 1854 die republikanische Partei gegründet.

Eine solchen Quellen entsprungene Partei, bei deren Errich- tung übrigens auch die Erkenntnis von der großen politischen Macht des Nordens eine bedeutende Rolle spielte, mußte ausschließlich eine Partei von Nordländern werden. Ihre Geburtsurkunde bedeutete weit mehr, als ihr eigentlich recht zahmes Programm. Denn dieses wollte nur die weitere Ausdehnung der Sklaverei nach dem Norden verhindern und Kansas und Nebraska zu Freibodenstaaten machen, an der Sklaverei selbst aber durchaus nicht rütteln. Die Gründung der republikanischen Partei stellte jedoch einen Wendepunkt dar in der seither vom Norden geübten PoHtik der Zeitgewinnung behufs allmählicher Überwindung der Sezessionsgefahr. Ein nicht organi- siertes Volk kann Übervorteilungen leicht hinnehmen, denn Mil- lionen von Schultern tragen daran. Aber eine Partei muß kämp- fen, um leben zu können. Die republikanische Partei mußte also entweder abdanken oder für die Erwählung eines von ihr bezeich- neten Präsidentschaftskandidaten kraftvoll eintreten. Das tat sie zwei Jahre nach ihrer Gründung, und i 341 000 Bürger des Nordens wählten im Jahre 1856 für den ersten republikanischen Präsident- schaftskandidaten Fremont. Es war das ein ungeheurer Erfolg, wie er ganz einzig dasteht in der Geschichte der politischen Parteien

Die Ursachen des Bürgerkrieges. 9

Amerikas. Zwar wurde Fremonts demokratischer Gegenkandidat, der Pennsylvanier Buchanan trotzdem zum Präsidenten er- wählt und die Sklavenhalter blieben noch bis zum 4. März 1861 an der Regierung; aber jeder mußte sich doch sagen, daß der republi- kanischen Partei die Zukunft gehöre.

Die Sklavenhalter, welche niemals einer straffen Organisa- tion des Nordens gegenübergestanden hatten, erblickten in der neuen Partei eine Kriegserklärung. Daß sie beträchtlich zur Grün- dung dieser Partei beigetragen hatten, weil die Sklavereifrage von ihnen selbst in den Norden hineingetragen worden war, wollten sie freiHch nicht einsehen. Ihrer Meinung nach hatte die seit dreißig Jahren betriebene Agitation der Abolitionisten die republikanische Partei ins Leben gerufen. So wurden die Republikaner von den Südländern zu Abolitionisten gestempelt, welche nur unter einem anderen Namen auftraten. Nach dieser Deutung konnte die republi- kanische Partei nichts anderes wollen, als Sturm laufen gegen die »geheiligten, von der Verfassung beschützten Vorrechte des Südens«. Jenen heißblütigen Herren brauchte man aber nicht zu sagen, daß der Hieb die beste Parade ist. Sie richteten sich sofort auf den Angriff ein, und vom Herbst 1856 an lassen sich die Vorbereitungen für die vier Jahre später einsetzende Sezession verfolgen. Die Pa- role wurde ausgegeben : »Los von der Union, sobald ein von der republikanischen Partei aufgestellter Prä- sident erwählt worden ist. «

Am 6. November 1860 fand die nächste Wähl statt, und Abraham Lincoln, Kandidat der republikanischen Partei, wurde zum Prä- sidenten der Vereinigten Staaten erwählt. Das war jedoch nur ge- schehen, weil die alte siegesgewohnte demokratische Partei sich in zwei Gruppen gespalten hatte und weil außerdem noch ein dritter Kandidat aufgetreten war. Lincoln siegte nur, weil drei Gegenkandidaten ihm opponierten. Diese Zersplitterung der Gegner Lincolns wurde aber von den Sklavenhaltern herbeigeführt, um Lincolns zu er- wählen und damit den Vor wand für die Rebellion zu finden i). Lincoln ist als Minoritätspräsident erwählt worden, denn drei Fünftel

^) Oberst Mosby, der letzte Überlebende unter den Häuptern der Sezession, erklärt in Leslies ,,Weekly", 6. April 191 1, daß Breckinridge nur als Kandidat aufgestellt wurde, um durch die Spaltung der demo- kratischen Partei Lincoln zu erwählen.

10 W. Kaufmann.

der wahlberechtigten Bürger haben gegen ihn gestimmt. Am Tage nach dieser Wahl sezedierte Südcarolina ^) .

Übrigens haben die Sklavenhalter niemals ein Geheimnis daraus gemacht, daß sie nach der Erwählung Lincolns sezedieren wollten. Diese Drohung hallte durch jede ihrer Wahlreden und fand ihr Echo in jeder den südlichen Interessen dienenden Zeitung. Es fehlte im Norden durchaus nicht an Männern, welche von der Ernst- haftigkeit dieser Drohungen überzeugt waren. Aber die republi- kanische Partei wollte nichts davon wissen. Das Element der Stre- ber und Vorteilshascher, welches jeder zukunftsreichen Partei zu- läuft, besaß schon einen mächtigen Einfluß im Parteirate, und bei diesen Leuten handelte es sich nur um die zu verteilenden Ämter im Falle eines Sieges. Aber auch viele Idealisten stellten sich in dieser Bedrohungsfrage auf die Seite jener »praktischen Männer«. »Das ist das alte Gespenst, welches wir nun schon seit siebzig Jahren kennen«, hieß es. »Es ist der republikanischen Partei un- würdig, davor zurückzuweichen. Auch sind jene Drohungen völlig grundlos, denn wir wollen die Sklaverei gar nicht abschaffen, und wir könnten es nicht, wenn wir es wollten.«

Und doch wäre es im Interesse des Friedens gewesen, wenn die Geschichte den Namen Lincolns nur als einen der vielen geschla- genen Präsidentschaftskandidaten verzeichnen würde. Der Zeit- gewinn von nur vier Jahren hätte vielleicht schon genügt, um das Sezessionsgespenst zu beseitigen. Denn gerade jene vier Jahre, 1861 bis 1865, versprachen dem Norden eine ungewöhnlich reiche und glänzende Entwicklung.

Um jene Zeit ging die Saat auf, deren Ernte in der staunens- werten Kulturentfaltung besteht, für welche jetzt der Begriff »das Land der unbegrenzten Möglichkeiten« geprägt worden ist. Bis 1860 lag die Kraft des sklavenfreien Nordens noch hauptsächlich in einem freien Bauernstande. Die großartigen Naturgeschenke, welche unter der bebauten Erde lagen, namentlich die Eisenerze und die Kohlen, das Petroleum und das Naturgas, die glückliche Ver- teilung dieser reichen Schatzkammern über das ganze weite Nord- land, die Möglichkeiten, welche sich für die Entwicklung der In-

') Die amtliche Rücktrittserklärung dieses Staates konnte freilich erst einige Wochen später erfolgen.

Die Ursachen des Bürgerkrieges. W

dustrie daraus ergaben, hatte man gerade um diese Zeit gefunden und sie zu entwickeln begonnen. Man stand damals noch mitten in dem großen Eroberungszuge, welchen wir als die Aufschließung des amerikanischen Westens bezeichnen. Die ganze Energie des Nordvolkes war bis um jene Zeit angespannt gewesen in der Auf- gabe, der westlichen Wildnis immer mehr Neuland zu entreißen, immer mehr Heimstätten zu gründen, die Kultur immer weiter west- lich zu tragen über jene schier endlosen Prärien, welche seit un- denklichen Zeiten der Tummelplatz der Büffel und der Indianer gewesen waren. Dieser Ausdehnungsdrang des Amerikaners nach dem Westen erhielt einen mächtigen Sporn durch die Hilfstruppen aus Europa, namentlich durch die eingewanderten Deutschen, deren Landhunger dem der Angloamerikaner durchaus nicht nachstand.

Um 1860 hatte man jedoch schon die Grundlagen zu einer raschen Entwicklung der Industrie gelegt. Die Verkehrsmittel hatten sich gewaltig gehoben. Die Segelschiffahrt wurde gerade damals auf den Weltmeeren abgelöst durch die Dampfer. Aber auf den großen Strömen Amerikas verkehrten schon längst starke Flotten von Dampfschiffen. Das Eisenbahnnetz erstreckte sich bereits über den Mississippi hinaus, der Bau der ersten Überlandbahn nach Kalifornien war im Gange, das erste atlantische Kabel, von dem Amerikaner Field projektiert, harrte seiner Versenkung. Schon im Jahre 1861 konnte man von New York nach San Francisco tele- graphieren, über eine Strecke von 7000 km. Heute erscheint uns das als etwas GewöhnHches. Aber was bedeutete diese Tat zu einer Zeit, als man in bezug auf die Verwendung von Dampf und Elek- trizität noch in den Kinderschuhen steckte! Die westlichen Groß- städte wuchsen empor. St. Louis und Cincinnati waren schon dem zweiten Hunderttausend ihrer Einwohner nahe, und in Chicago, wo noch das alte Fort Dearborn an die erst vor kurzer Zeit been- deten Kämpfe mit der Rothaut erinnerte, marschierte man mit Siebenmeilenstiefeln einer Zeit entgegen, welche nach fünfzig wei- teren Jahren eine Stadt von über zwei MilUonen Menschen ge- schaffen hat. So waren gerade um 1860 alle Vorbedingungen einer märchenhaften Entwicklung vorhanden.

Welchen Segen hätten jene vier Jahre dem Norden wohl ge- bracht, wenn sie Friedens jähre gewesen wären! Dazu bedurfte es aber nur der Fortdauer des alten Regimes. Ohne den gesuchten Vorwand, ohne die Erwählung Lincolns, konnte der Süden

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nicht rebellieren. Als weiter herrschende Partei wären die Baum- wollenbarone zum Ruhehalten gezwungen worden, denn unter einem neuen Präsidenten, der nicht als Feind der Sklavereiinteressen aus- gegeben werden konnte, hätte man die Massen des Südvolkes nicht in die Rebellion hineinzuzerren vermocht. Mit Offizieren allein ließ sich die Sezession nicht durchführen, die V o 1 k s m a s s e n des Südens mußten dafür gewonnen werden. Wer das Zögern und Hin- halten erwägt, mit welchem das Eintreten in die Konföderation seitens der nördlicher gelegenen Südstaaten und sogar Georgias sich vollzogen hat, wird sich der Überzeugung nicht verschließen können, daß ohne jenen Vorwand, ohne den »Butzemann« Präsi- dent Lincoln, ein einstimmiger Entschluß des zusammenhängenden Komplexes der elf Baumwollenstaaten unmöglich gewesen wäre.

*

Die Gerechtigkeit fordert, daß auch der Standpunkt der Süd- länder in bezug auf den Sezessionsentschluß dargelegt werden muß. Was sich darüber im allgemeinen sagen läßt, findet man im Kapitel »Geschichtliche Entwicklung der Sklavereifrage«. Hier sollen nur einige der Dinge gestreift werden, welche auf die akute Entwicklung des alten Streites hinüberspielen:

I. Hinter der verächtlichen Behandlung, mit welcher die Süd- länder die dem Norden zuströmende Einwanderung stets bedachten, verbarg sich ein gutgefülltes Maß von Neid. Der Norden wuchs so unheimlich schnell und so machtvoll heran, daß auch ein Blinder das hätte wahrnehmen müssen. Der Gedanke, wenn wir Südländer vom Norden loskommen wollen, so müssen wir uns wahrlich tum- meln, war doch nicht zu unterdrücken.

H. Eine Fata Morgana hat die Südländer geblendet. Sie träum- ten von einem Weltreiche, das sie durch spätere Eroberung von Mexiko, der zentralamerikanischen kleinen Republiken mit Ein- schluß Venezuelas und Columbias sowie der spanischen Antillen aufbauen könnten. Der ganze Golf von Mexiko mit den darangren- zenden Schwächlingsstaaten sollte eine Domäne der südlichen Kon- föderation werden. Auch sollte der Sklavenimport aus Afrika wieder eingeführt werden.^)

^) Die später entstandene Verfassung der südlichen Konföderation hat freiHch. wesenthch mit Rücksicht auf die Stimmung Englands, diese For- derung beiseite geschoben und das in der Union bestehende Verbot des Sklavenimports erneuert.

Die Ursachen des Bürgerkrieges. 13

III . Die Konföderierten rechneten fest auf ein Bündnis mit England, weil dieses Land auf die ungestörte Ausfuhr der Baum- wolle angewiesen sei, und deshalb eine Blockade der südlichen Häfen verhindern müsse. Das, so meinte man, würde aber sicherlich zu einem Kriege Englands gegen die Union führen. Daß diese Träume und geheimen Wünsche zum Heranreifen des Sezessionsentschlusses sehr viel beigetragen haben, ist mit großer Sicherheit anzu- nehmen. Sodann haben noch eine Anzahl von Ursachen den Sezes- sionsentschluß wesentlich gefördert, welche sich zum Teil auf die Auslegung der Verfassung zurückführen lassen, oder welche, wie der Fall Brown, einem unglücklichen und zur Unzeit eintretenden Zufalle zuzuschreiben sind. Dieser Teil der mancherlei Ursachen der Rebellion ist von besonderer Wichtigkeit, weil darin eine ge- wisse Rechtfertigung des Südvolkes für die namenlose Verblendung der Sezession zutage tritt.

IV. Der Süden glaubte in seinem guten Rechte zu sein, als er den Rücktritt von der Union forderte. Er stützte sich dabei, auf die Verfassung, welche es unklar läßt, ob die Union als ein Bun- desstaat oder als ein Staaten b u n d anzusehen sei. Vor seinem Eintritte in die Union hatte jeder Einzelstaat souveräne Rechte be- sessen, und an einer Erklärung, daß diese alten Rechte durch den Beitritt zur Union hinfällig geworden seien, fehlte es in der Ver- fassung. Der beste Kenner der letzteren, der deutsche Forscher H. von Holst, nennt die Verfassung »ein Gewebe von staatenbund- lichem Zettel und bundesstaatlichem Einschlag«. Viele "der bedeu- tendsten Autoritäten Amerikas, darunter Jefferson und Madison, sind so weit gegangen, daß sie den Einzelstaaten der Union das Recht zusprachen, ihnen anstößig oder ungerecht erscheinende Ge- setze des Bundesparlamentes (Kongreß) zu nullifizieren, d. h. im Bereiche des betreffenden Einzelstaates unwirksam zu machen. Auch der Rücktritt eines Einzelstaates vom Bunde wurde in diesen Beschlüssen als Recht anerkannt. Da die Staatsmänner, welche diesen Standpunkt vertraten, fast sämtlich dem Süden entstammten, so hatte sich diese Anschauung von den fortdauernden Souveräni- tätsrechten der Einzelstaaten besonders im Süden fest eingebürgert, aber auch im Norden hat diese Ansicht stets eine starke Gefolg- schaft besessen. Die demokratische Partei stützte sich hauptsäch- lich auf die Staatenrechte, und wenn man bedenkt, daß im Jahre 1860 noch I 280 000 Nord länder demokratisch gestimmt haben

14 W. Kaufmann.

gegen i 831 000 republikanisch stimmende Nordländer, so bietet diese Gegenüberstellung allerdings noch keinen sicheren Schluß dafür, ob eine Mehrheit des amerikanischen Volkes um 1860 in der Union einen Staaten b u n d erblickt hat, aber sie zeigt doch, daß diese Deutung der Verfassung eine sehr weit verbreitete war.

V. Von dem Standpunkte der Südländer aus mußte sich der Rücktritt jener Staatengruppe ebenso friedlich vollziehen, wie sich der Eintritt in den Bund vollzogen hatte, denn der Rest der Union^) besitze durchaus nicht das verfassungsmäßige Recht, aus- trittslustige Staaten zum Verbleiben in der Union zu zwingen. Zu einem Kriege könne es also gar nicht kommen 2). Hätte der Süden begriffen, daß der Bürgerkrieg die Folge seiner Forderung sein müsse, so wäre es wohl niemals zur Ausführung des Sezessions- gedankens gekommen, ebensowenig wie das Nordvolk die Erwäh- lung Lincolns durchgesetzt hätte, wenn man geahnt hätte, daß diese Handlung den Vorwand für den Versuch der Sezession darbieten würde. Den Krieg hat im Norden niemand gewollt, und auch im Süden war die Zahl der Heißsporne, welche an die Möglichkeit eines Krieges glaubten und nicht davor zurückschreckten, eine ver- schwindend kleine. Man trieb in den Krieg hinein, ohne daß sich die Zeitgenossen recht bewußt geworden sind, wie das eigentlich geschehen konnte.

VI. Ein sehr erheblicher Milderungsgrund für die Beurteilung der Sezession besteht darin, daß der Süden im Herbst 1859 durch den Streich des Fanatikers John B r o w n ^) in hohem Maße gereizt worden ist. Dieser Versuch zur Befreiung der Negersklaven darf nicht nach dem Eindrucke beurteilt werden, welchen er jetzt

^) Die Union bestand damals aus 33 Staaten. Es rebellierten die elf Baumwollenstaaten. Die vier nördlichsten Sklavenstaaten erklärten sich für neutral, obschon die Mehrheit ihrer Bürger mit der Sezession sympathisierte. Es standen also elf Staaten gegen 18, wenn man die vier Grenzstaaten aus- schaltet. Zählt man aber die Staatengruppen nach ihrer Zugehörigkeit zum Sklavereigebiete und zum Freibodenlande, so war das Verhältnis 15 gegen 18 Staaten.

2) Jefferson Davis, der Präsident der Konföderation, hat allerdings nie- mals an eine friedliche Trennung geglaubt. So sagt er wenigstens selbst in seinen Memoiren, Aber die Massen seiner engeren Landesteile waren durch- aus anderer Ansicht.

^) Siehe darüber im Kapitel Sezession.

Kulturgeschichtlicher Rückblick auf die beiden Landesteile. 15

hervorruft, sondern man muß sich versetzen in die Stimmungen jener Zeit der leidenschafthchen Aufregung, um die Wirkung zu schätzen, welche das Attentat Browns auf den Süden ausüben mußte. Die Sklavenhalter, welche damals schon die Sezession vorbereiteten, schilderten Brown als den Vollstrecker des Willens und der geheimen Absichten des Nordvolkes. Dieser völlig grundlose Verdacht erhielt aber beträchtliche Glaubwürdigkeit infolge der Parteinahme man- cher Kreise des Nordens, welche aus Brown einen Märtyrer machten. Doch ist diese Parteinahme nicht erzeugt worden aus den Über- griffen Browns bei Harper's Ferry, sondern sie war eine Folge des würdevollen Auftretens des alten Puritaners vor seinen Richtern. Das ergreifende Schauspiel seiner Prozessierung ließ die Vergehungen des Angeklagten völlig in den Hintergrund treten; Brown wurde zum Ankläger seiner Richter, und was er dabei vorbrachte, fand ein Echo in den Herzen so vieler Nordländer, welche erst durch die Kämpfe um Kansas zu Gegnern der Sklaverei geworden waren. Daß Brown den Feuerbrand in den seit langer Zeit aufgehäuften Explosionsstoff geworfen hat, ist ohne weiteres zuzugeben. Ohne jenen unglücklichen Zufall wäre es doch wohl noch gelungen, die Katastrophe zu verhindern und den Süden davon zu überzeugen, daß das von Washington und dessen Zeitgenossen gebaute Haus allen Amerikanern friedliche Wohnstätten und ein brüderliches Zusammenwirken gewähren könne.

Kulturgesdiiditlidier Rückblick auf die beiden Landesteile.

Um einen tieferen Einblick in die Ursachen des Bürgerkrieges zu gewinnen, wird es nötig, die ganz eigenartige Entwicklung des Südens unter den Wirkungen der Sklaverei zu verfolgen.

Die beiden, ungefähr durch die Südgrenzen von Pennsylvanien, Ohio und Indiana getrennten Landesteile der Union haben fast von der ersten Besiedelung Nordamerikas an völlig verschiedene Bahnen eingeschlagen. Man wolle einmal annehmen, daß Deutsch- land und Rußland unter eine einheitliche Verwaltung gebracht werden könnten. In einem solchen Falle würde der Unterschied zwischen den so gedachten Landesteilen kaum größer sein,

kif.

16 W. Kaufmann.

als die Verschiedenheit jener beiden Hälften der Vereinigten Staaten wirklich gewesen ist. Dieser Zustand war aber kein künstlich geschaf- fener, sondern das Ergebnis einer geschichtlichen Entwicklung, welche fast ein viertel Jahrtausend angedauert hat.

Im Norden wirkte ein arbeitsfreudiges, von Fortschritts- und Freiheitsidealen erfülltes Volk ohne Sklaven, im Süden war das ursprünglich gleichartige weiße Volk unter den Folgen der Skla- verei arbeitsscheu und rückständig, ja man kann wohl sagen, es war zum Sklaven der Sklaverei geworden. Der Nordländer konnte sich auf allen Gebieten der Kultur ungehindert ausleben, als selb- ständiger Farmer, im Handwerke, im Handel, in Industrie, Schiff- fahrt und in den freien Künsten, das reiche Land und die demo- kratischen Einrichtungen gewährten jedem Arbeitswilligen den weitesten Spielraum. Im Süden aber kannte man die Industrie nur dem Namen nach, der Großhandel war ganz unbedeutend, das Hand- werk lag danieder, weil auch dieser Erwerbszweig unter dem Wett- bewerb der Sklavenarbeit litt, kurz im Süden war alles zugeschnitten auf den Plantagenbetrieb, und die Gesamtkultur des Lan- desteiles beruhte auf dem importierten, als Sache geltenden, zum Handelsartikel herabgedrückten menschlichen Arbeitstiere Afrikaner. Im Norden herrschte Schulzwang und ein Freischulensystem, welches jedem Lernbegierigen kostenlos offen stand, sogar mit Ein- schluß der sog. Hochschulen. Dazu kamen freie Fortbildungsschulen, welche Schüler jeden Alters aufnahmen, und andere Bildungsmittel, wie öffentliche Bibliotheken, eine ausgebreitete freie Presse, welche noch nicht »gelb« war, sowie die damals sehr stark geübte Darlegung politischer Fragen in öffentlichen Vorträgen. Im Süden aber war die Volksschule ungeheuer vernachlässigt, die Zahl der weißen Analpha- beten war erschreckend groß, Presse und Kanzel vertraten nur den Standpunkt der Sklavenbarone, es fehlte vollständig an den übrigen Bildungsmitteln, welche dem Nordländer zur Verfügung standen. Wer einen Neger unterrichtete, wurde geteert und gefedert an den Volkspranger gestellt. Die höheren Lehranstalten, Colleges und Universitäten, waren nur den Kindern der Reichen zugänglich, denn die niedere Bevölkerung besaß weder die nötige Vorbildung, noch zeigte sie überhaupt irgendwelchen Bildungsdrang. Was an den Universitäten gelehrt wurde, war stark beeinflußt von der sog. »südhchen Anschauung«. Man züchtete Baumwolle auch in den Köpfen des Nachwuchses, d. h. man förderte die Meinung, daß die

Kulturgeschichtlicher Rückblick auf die beiden Landesteile. 17

Sklaverei eine von der Gottheit geschaffene Einrichtung und die f wünschenswerteste Grundlage aller höheren Kultur sei. Der Sklaven- ' halter des Südens ist sich niemals bewußt geworden, daß die Skla- verei weit mehr Übel schaffte, als sie Vorteile bringen konnte. Er meinte, daß es für die Schwarzen überhaupt keinen anderen Zu- stand geben könne als die Knechtschaft. Auch hatte er diese Ein- richtung von einer bereits ziemlich langen Reihe von Vorfahren übernommen, die Sklaven waren vielfach Familienbesitz, und dann bestand ein sicherer Rechtsboden für die Sklaverei : die Anerkennung derselben in der Verfassung der Vereinigten Staaten. Ein so verbrief tes und durch langjährige Gewöhnung gesichertes Recht wird aber nach und nach gewissermaßen zu einem heiligen Rechte, an wel- chem die dadurch Begünstigten desto fester zu beharren geneigt sind, je stärker die Einwendungen nicht direkt Beteiligter geltend gemacht werden. Und die lediglich Ackerbau treibenden Völker sind in der Behauptung derartiger Vorrechte stets die starrköpfigsten und hartnäckigsten gewesen.

Ein sehr bemerkenswertes Trennungsgebiet zwischen Norden und Süden bestand noch darin, daß ungefähr drei Viertel des Nord- volkes dem Mittelstande angehörten, während es im Süden eigentlich gar keinen Mittelstand gab, oder daß dieser, wo er vereinzelt be- standen haben mag, vollständig abhängig war von den Plantagen- besitzern. Im damaligen Norden aber hatte der Geldsack noch längst nicht die Bedeutung, welche er heute sich errungen hat. Die Zahl der reichen Leute war im Verhältnis zu der Masse des Mittelstandes noch gering, und verhältnismäßig wenig zahlreich waren die Pro- letarier. Denn dieses durch die Einwanderung und durch andere Umstände allerdings stets sich wieder ergänzende Element war einem erfreulichen Aufsaugungsprozesse durch den Mittelstand . be- ständig unterworfen. Jene Entwicklungsperiode des Nordens war überhaupt wohl die günstigste Zeit für das Vorwärtskommen des strebsamen Mannes. Dieser brauchte nicht einmal besonders be- gabt zu sein. Wer fleißig war, zu haushalten verstand und einen offenen Blick hatte für die Entwicklungsmöglichkeiten seiner Um- gebung, mußte damals wohlhabend werden, auch wenn er nur mit einem gewissen Quantum Bauernschlauheit wirken konnte und der Spekulation fernblieb. Der ungeheure Bodenwertzuwachs in den aufblühenden Städten barg mehr Goldgruben als Kalifornien, und das billige Regierungsland in den nordwestlichen Farmerstaaten

W. Kaafmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. -

18 W. Kaufmann.

hat manchem Zehntausend von Proletariern zu Wohlstand und zu einer sorgenfreien unabhängigen Existenz verholten.

Ganz anders aber lagen die Verhältnisse im Süden. Dort konnte der nicht Begüterte durch Landbau nicht vorwärts kommen, auch wenn er sich die redlichste Mühe gab. Das gute Land war von den reichen Baumwollenbaronen vorweggenommen. Dem Kleinfarmer blieben nur die steilen Bergeshalden oder die durch Plantagenbetrieb bereits ausgesogenen Ländereien übrig. Der Landbesitz des süd- lichen Kleinfarmers gewann nicht an Wert. Es waren keine Käufer dafür vorhanden. Auf dem Freiboden von Ohio erhöhte sich der Wert der Farmen von Jahr zu Jahr, im angrenzenden Kentucky blieb aber der Bodenwert stets derselbe trotz gleich günstiger Boden- und klimatischer Verhältnisse, und doch war Kentucky eigentlich nur dem Namen nach ein Sklavenstaat, denn die freie Bevölkerung übertraf daselbst die Zahl der Sklaven um das Vierfache. In den eigentlichen Baumwollenstaaten war aber die Lage des Kleinfarmers noch weit ungünstiger. Denn er besaß nicht die Gelegenheiten, um sich der Freizügigkeit zu bedienen. Die Verkehrsverhältnisse waren schlecht, der Weg nach dem fernen Norden war oft beschwerlicher als die Überfahrt von Europa und dann auch, weshalb sollte ein sol- cher Farmer auswandern? Es ging ihm, seiner Meinung nach, ja recht gut. Die staunenswerte Bedürfnislosigkeit der Proletarierfar- mer der Carolinas, Georgias, Alabamas usw. ermöglichte diesen Leuten eine Existenz fast ohne Arbeitsleistung. Sie hatten stets spottbil- ligen Whisky und Tabak, ein paar Schweine, welche ohne jede War- tung in den Wäldern herumliefen, lieferten die Fleischnahrung und die liebe Sonne gab den Leuten ohne nennenswerte Muskelanstrengung den nötigen Mais. So führten diese bedürfnislosen Menschen eine Art proletarisches Herrenleben. Jagd und Fischerei stand jedem Weißen frei und gaben damals auch noch Erträgnisse; Reittiere, deren Unterhalt so gut wie nichts kostete, waren billig. Aber solche Verhältnisse müssen bei jedem kulturell tief stehenden Volke ver- wildernd wirken und auch im Norden blieben diejenigen Farmer, welche die Jagdflinte und die Angelrute lieber handhabten als den Pflug und die Axt, stets rückständig. Das Schlimmste aber war, daß die Arbeit im »baumwollenen « Süden überhaupt als eines Weißen unwürdig galt. Der strebsame Mann wurde »weißer Nigger« gescholten und die Großgrundbesitzer haben es verstanden, diese Arbeitsscheu ihrer ärmeren Rassegenossen stets zu fördern. Man

Kulturgeschichtlicher Rückblick auf die beiden Landesteile. 19

pflegte bei den Kleinfarmern das Bewußtsein, daß sie auch Herren seien, turmhoch über dem Neger ständen, und daß selbst diejenigen armen Weißen, welche nicht einmal einen Haussklaven halten konn- ten, doch Vorteile aus der Sklaverei zögen. Es bezieht sich diese Schilderung nicht auf diejenigen armen Weißen, welche infolge von noch nicht ganz aufgeklärten Verhältnissen in den Waldwild- nissen der südappalachischen Bergwelt sich niedergelassen hatten, und welche dort, abgeschlossen von der ganzen übrigen Welt, fast auf die Stufe des Barbarentums herabgesunken waren^), sondern es handelt sich hier um den Kleinfarmer des Südens, der im Tief- lande oder in den Ausläufern der Appalachen neben dem Plantagen- besitzer wohnte, und welcher auch das Beamtenpersonal der Baum- wollenbarone, die Aufseher, die Sklaventreiber usw. vorwiegend stellte. Die Stärke dieses südlichen Volkselementes ist nicht genau zu schätzen, doch bildete es sicherlich die Hälfte der weißen Süd- länder. Dieses Volk von Ganz- und Halbproletariern hat haupt- sächlich die Soldaten der Konföderation geliefert. Erst gegen Ende des Bürgerkrieges kam diesen Leuten das Bewußtsein, daß sie sich für eine Sache verbluteten, welche sie eigentlich gar nichts anging, daß sie sich nur für die Barone schlugen. »It is the rieh man's war and the poor man's fight « Es ist der Krieg der Reichen und der Kampf der Armen, so wurde im Jahre 1864 häufig genug gemurmelt an den Lagerfeuern der schon stark gelichteten Scharen, und diese Stimmung kam auch bei Tausenden von konföderierten Überläufern zum Ausdruck. Aber die Mehrheit hat doch treu bei der Fahne ausgehalten und sich mit bewunderungswürdiger Zähig- keit bis zur letzten Patrone geschlagen. Die Leute waren zu Vete- ranen geworden, die gemeinsam erlittenen Gefahren hatten eine treue Kameradschaft erzeugt, die fast kindliche Liebe zu ihrem großen Feldherrn Lee wirkte sehr stark mit und so wurden Stimmungen geschaffen, welche wahrscheinlich auch den Landsknechtheeren Deutschlands nicht fremd gewesen sind. Aber gewinnen konnten diese Tapferen absolut nichts durch den Triumph der Konföderation, denn ihre wirtschaftliche Lage und ihr Kulturzustand mußten die- selben bleiben wie ehemals. Einen einsichtsvollen tüchtigen Bürger- stand konnte ein auf Sklaverei begründeter Sonderstaat überhaupt nicht gebrauchen. Das Entwürdigende ihres Zustandes haben aber

Siehe darüber Anhang Artikel 2.

2*

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jene armen Teufel, jene Vollbürger einer demokratischen Republik, niemals wirklich empfunden, denn es fehlte ihnen die Leuchte, welche Gutenberg der Welt geschenkt hat.

Den Stumpfsinn ihrer ärmeren Rassegenossen haben die Baum- wollenbarone in sehr geschickter Weise ausgenutzt, um sich die politische Alleinherrschaft im Süden zu sichern. Der weiße Prole- tarier mußte stimmen, wie es die Herren vorgeschrieben hatten. Wenn die sog. »mean whites« einmal aufsässig wurden, so zog man die Register der Rassenvorurteile auf und drohte mit dem der Skla- verei immer mehr überdrüssig werdenden Norden. Man schmeichelte den Habenichtsen mit der Gleichheit der Interessen aller Weißen gegenüber dem »Nigger«, man züchtete einen gemeinsamen Adels- stolz, eine allseitige Verachtung des Niedersten, und zugleich wußte man die Hoffnungen der Landhungrigen durch den Hinweis auf den Westen zu beleben. Von den politischen Kämpfen um die Ausdeh- nung der Sklaverei begriff der südliche Proletarier nur, daß im Westen ein Paradies liegen müsse, in welches einzutreten ihm durch den bösen Nordländer verwehrt werde. Wenn auf dem Neulande des großen Westens überall die Sklaverei eingeführt werden könne, so würde für jeden armen Kleinfarmer des Südens eine Plan- tage sich finden, denn im Westen sei genug Spielraum für alle. Dieses Ziel könne der Süden aber nur erreichen, wenn alle Bürger des Südens politisch fest zusammenhielten. Außerdem dürfe man nicht dulden, daß der Norden die Söhne des Südens um das gemein- same Erbe betrügen könne. Dieses Vorgaukeln einer Fata Morgana hätte vielleicht auch einsichtsvollere Leute bestochen als die armen Weißen des Südens. Von der Meinung, vom nördlichen Bruder betrogen zu werden, bis zum blinden Hasse des Yankeetums war dann nur noch ein kurzer Schritt.

Was außer den Großgrundbesitzern noch an Intelligenzen im Süden vorhanden war, die wenigen Großkaufleute und Rheder, die zahlreicheren Prediger, Juristen, Ärzte, Lehrer, Schriftsteller, stan- den stets im festen Bunde mit den Baronen. Zum größeren Teile entstammten diese Männer Sklavenhalterfamilien, auch waren sie meistens wirtschaftlich abhängig von den einzigen Geldgebern, den Plantagenbesitzern. Da alle Angehörigen jener Kreise eine Anzahl Haussklaven hielten, so waren sie an dem Bestände der Sklaverei interessiert. Es ist sehr selten vorgekommen, daß in jenen Kreisen sich Gegnerschaft gegen die »südliche Anschauung« zeigte. Trat

Kulturgeschichtlicher Rückblick auf die beiden Landesteile. 21

ein solcher Ausnahmefall aber wirklich einmal ein, so war gesell- schaftlicher und wirtschaftlicher Boykott die Folge, und das war meistens gleichbedeutend mit Landesverweisung. Bei solchen Zu- ständen war es den Plantagenbesitzern verhältnismäßig leicht, die gesamte poHtische Macht des Landesteils an sich zu reißen und sie dauernd zu behaupten. Die Anschauung, daß der Konflikt zwi- schen Süden und Norden sich auch darstellt als der Gegensatz einer aristokratischen zu einer demokratischen Republik, entspricht den Tatsachen durchaus.

Eine ländliche Bevölkerung ist immer leichter zu beherrschen und zu beeinflussen als ein Volk mit beträchtlichem großstädti- schen Einschlage. Im Norden gab es um 1860 eine erhebliche Anzahl blühender Großstädte und außerdem sehr viele mittlere Städte, welche die Ansätze zu großstädtischer Entwicklung besaßen; im Süden aber lag nur eine einzige Großstadt^), New Orleans mit 160 000 Einwohnern, sowie die beiden je 40 000 Seelen zählenden Mittelstädte Richmond und Charleston, welche als Großstädte gelten wollten. Aber die Bevölkerung aller südlichen Städte bestand zur Hälfte aus Sklaven. New Orleans, Richmond, Charleston, auch Savannah, Mobile und Wilmington gehören zu den ältesten Siedlungen auf amerikanischem Boden, aber sie blieben von der großartigen Entwicklung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (mit Ausnahme von New Orleans) so gut wie unberührt trotz ihrer herrlichen Häfen. Was war die Ursache? Die Sklaverei und immer wieder die Sklaverei, der Fluch des von der Natur so überreich beschenkten herrlichen Südlandes, ein Fluch, der durch Erziehung, Gewöhnung und fast unbegreifliche Kurzsichtigkeit von den Bewohnern als ein Segen, als die Grundlage einer höheren Kultur empfunden wurde.

Der Territorialbesitz der fünfzehn Sklavenstaaten (einschließ- lich der vier Grenzstaaten) war noch beträchtlich größer als das damals kultivierte Freibodengebiet der achtzehn Nordstaaten. Viele Strecken des Südens waren aber noch mit Wäldern bedeckt, andere Teile bestanden aus Sumpfboden. Texas, der größte Staat, barg

1) Die beiden Großstädte Baltimore in Maryland und St. Louis in Missouri lagen zwar auf Sklavereigebieten besaßen aber eine durchaus nordländische Entwicklung. Washington, ebenfalls eine südliche Stadt, nimmt als Be- amtenstadt eine Ausnahmestellung ein.

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noch Einöden von dem Umfange des Königreichs Sachsen und das gewaltige südappalachische Gebirge war nur zum kleineren Teile wirklich erforscht. Land war mehr als genug vorhanden, aber die Barone suchten nur solches Land zu bewirtschaften, welches ihnen ohne jede Mühe, ohne Abforstung und ohne Entwässerung sofort reiche Erträge brachte. Sie kannten nur den Raubbau, und aus diesem System entwickelte sich ihr Ausdehnungsdrang nach dem nördlichen Westen mit seinem vielversprechenden Prärieboden. Aber auch die Einseitigkeit der südlichen Anschauungen, die Aus- bildung eines besonderen südHchen Partikularismus ist eine Folge dieses Wirtschaftsbetriebes gewesen. Der Süden war tatsächlich eine Welt für sich geworden, er war viel zu groß für die dünngesäte Bevölkerung, und doch wieder schien er zu klein für die eigentümliche, ganz oberflächliche Art der Kultur, welche sich unter den Wirkungen der Sklaverei dort eingenistet hatte. Der binnenländische Plantagen- besitzer des Südens war von der übrigen Welt so gut wie abgeschlos- sen, denn die Entfernungen nach Kulturmittelpunkten anderer Art waren ungeheuer groß und sehr viele Plantagenbesitzer führten eigentlich ein Einsiedlerleben inmitten einer Überzahl von Afrika- nern und arbeitsscheuen, verarmten, rückständigen Rassegenossen. Auch muß schon der Beruf eines Sklavenhalters kulturwidrig und brutalisierend wirken. Die ausschließliche Beschäftigung mit der Politik, namentlich einer Politik, welche im Süden gar nicht mit Widerspruch zu kämpfen hatte, kann schwerlich als ein Bildungs- mittel angesehen werden, und trotz der vielgerühmten fürstlichen Gastfreundschaft, welche in den Wohnsitzen der Barone geübt wurde, und von welcher uns so viele Reiseschriftsteller erzählen, kann eine echte Kultur dort schwerlich bestanden haben. Diese bedarf der beständigen Anregung und der Reibung, durch Inzucht werden ihre Triebkräfte erstickt, und nur die äußeren Formen blei- ben eine Zeitlang noch erkennbar. Der Süden hat an hervorragenden Männern nur Politiker und spitzfindige Advokaten hervorgebracht, aber abgesehen von dem kaum noch gelesenen Simms keinen ein- zigen Dichter, keinen Denker, keinen Forscher, keinen Künstler und auch keinen Staatsmann, der sich außerhalb des Gebietes der »süd- lichen Anschauung« irgendwie nennenswert betätigt hätte. Der Süden hat sich auch planmäßig von der Kultur des amerikanischen Nordens abgeschlossen aus Besorgnis, in die dort gedruckten Bücher und Zeitschriften möge das »Gift« nördlicher Anschauungen über die

Geschichtliche Entwicklung des Sklavereistreites. 23

Sklaverei eingestreut sein. Die Postmeister übten mit brutaler Gewalt eine Zensur aus, wie man sie kaum in Rußland kennt. Ver- dächtige Postsendungen wurden einfach vernichtet, und die geistige Nahrung des lesenden Südländers bestand nur aus Produkten süd- licher Herkunft. Das war aber stets nur baumwollene Geistesware.

Die Zahl der Großsklavenhalter war immer nur sehr gering. Zwar hat es im Jahre 1850 347 525 Besitzer von Sklaven gegeben, aber 316 059 derselben besaßen jeder weniger als zehn Sklaven, darunter sehr viele, welche nur einen Sklaven hielten. Außerdem bestanden noch 29 733 Betriebe mit 10 bis 20 Sklaven. Erstere Gruppe kann man wohl nur als Besitzer von Haussklaven ansprechen, letztere als solche, welche aus der Kleinf armerei zum Plantagen- betriebe aufstrebten. Es bestanden nur 1733 Großbetriebe mit von 100 bis 1000 Sklaven. Diese 1733 Großsklavenhalter mit ihrem Anhange von Juristen, Schriftstellern, Predigern, Lehrern, Kauf- leuten und anderen Intelligenzen, haben den Bürgerkrieg hervor- gerufen.

Gesdiiditlidie Entwicklung des Sklavereistreites.

»Der größte Redner, den ich jemals hörte, war ein Weib. Sie war eine Sklavin, eine Mutter! Und ihr Rostrum war der Auktionsblock!«

John Randolph (von Virginien).

Die Kulturarbeit der Europäer auf dem Gebiete der heutigen Vereinigten Staaten beginnt mit dem Jahre 1620. Zwar haben Spanier, Engländer, Franzosen und Holländer schon einige Jahr- zehnte früher sich mit Siedlungsexperimenten in Nordamerika be- müht, aber erst um 1620 gediehen die tastenden Versuche der ersten Kolonisten zu der Form wirklicher Seßhaftigkeit. In diesem Jahre landeten die Pilgerväter in Massachusetts und versenkten dort die mächtigste Quader, welche die heutige Union trägt, und wenige Jahre später brachte der Deutsche Minnewit als Gouverneur von Neu-Niederland wirkliches Leben in das armselige Fischerdorf auf Manhattan (dem heutigen New York). Bei den virginischen Siedlern in Jamestown trafen 1619 die ersten aus England nachgesandten

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Frauen ein, deren Überfahrt die Pflanzer mit Tabak bezahlten. Das Famihenleben, die Grundbedingung der Seßhaftigkeit, begann damit inVirginien, und auch der dort ursprünglich kommunistisch betrie- bene Landbau war kurz vorher durch Überweisung von Land an die einzelnen Kolonisten abgelöst worden. So paßt das Jahr 1620 gleich- mäßig als Anfang auf die drei ältesten Kolonien Virginien, Neu- Niederland (New York) und Massachusetts. Die beiden Carolinas, Georgia, Maryland, New Jersey und Pennsylvanien wurden erst später besiedelt.

In demselben Jahre, 1620, landete ein holländisches Schiff die ersten zwanzig Negersklaven zu Jamestown in Virginien. Somit ist die Sklaverei dem neuen Lande mit in die Wiege gelegt worden. Zehn Generationen Amerikaner sind damit verwachsen gewesen und 240 Jahre hat sie angedauert. Die Sklaverei verdient demnach sehr wohl die Bezeichnung »eine amerikanische Institution«. Sie mußte sich in den Anschauungen des Volkes nach und nach zu einem durch Einbürgerung erworbenen Rechte ausgestalten. Auch lag eine Not- wendigkeit für die Negerarbeit vor. Die Küstenregion von Caro- lina und Georgia war mit riesigen Sümpfen durchzogen. Weiße, welche dort Feldarbeit verrichten wollten, wie die im Jahre 1734 bei Savannah angesiedelten protestantischen Salzburger, wurden durch das Sumpf fieber bald vertrieben. Die Kolonie Georgia, welche ursprünglich ohne Sklaverei organisiert worden war, mußte jene Bestimmung widerrufen, denn nur die Neger erwiesen sich als wider- standsfähig gegen jene Seuchen. Nur mit der Arbeit der Schwarzen konnte jene Küstenregion überhaupt in Kultur genommen werden. Das höher gelegene Hinterland, wo Weiße sehr wohl Feldarbeit verrichten können, war damals noch gar nicht zugänglich.

Das 17. und 18. Jahrhundert kannten die Negerarbeit aber nur in der Form der Sklaverei. Jener Zeit galt der Neger soviel als Vieh, und man sah nichts Unbilliges darin, ihn den Wildnissen seiner Hei- mat zu entreißen, um ihn den Kultur bestrebungen der Weißen in fremden Ländern dienstbar zu machen. Ja, man glaubte dem als Sklaven ausgeführten Neger eine Wohltat zu erweisen durch diese Verpflanzung. Es hieß, daß es ihm in der Fremde immer noch besser ergehe als daheim in Afrika, und dann bringe ihm die Übersiedelung ja auch das Christentum. Diese Ansichten beherrschten besonders England, und die Briten jener Zeit sind neben den Portugiesen die eifrigsten Sklavenhändler gewesen. Besonders die Königin Anna

Geschichtliche Entwicklung des Sklavereistreites. 25

hat sich bereichert an dem Schacher mit Menschenware. So ist in der Einführung der Sklaverei nach Nordamerika durchaus nichts UngewöhnHches zu erbhcken. Auch ist wohl zu beachten, daß die Sklaverei ursprünglich in allen nordamerikanischen Kolonien ge- herrscht hat, in Neu-England sowohl als in Virginien und Carolina. Noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts waren die Neuengländer sehr stark am Sklavenhandel beteihgt, und es hat über hundert Jahre gedauert, bis die englischen Quäker mit ihrer Opposition gegen die Knechtschaft der Schwarzen begonnen haben. Der erste Protest gegen die Sklaverei datiert von 1688 und er ging aus von vier deut- schen Quäkern in Germantown^).

Die Verfassung. Die Unabhängigkeit von England wurde von den Kolonien erkämpft, nachdem sie sich gemäß den Konföderationsartikeln zu einem Staatenbunde vereinigt hatten. In .diesem Bunde blieb jeder Einzelstaat souverän, und die Beschlüsse der Gesamtvertretung, des kontinentalen Kongresses, waren nur dann bindend, wenn jeder Einzel Staat seine Zustim- mung gegeben hatte. Der kontinentale Kongreß war wenig mehr als eine Versammlung von Vertrauensmännern der Einzelstaaten (ehemaligen britischen Kolonien). Während der Krieg gegen Eng- land tobte, hielt dieser Staatenbund notdürftig zusammen, obschon der Mangel an einheithcher Kraft, das Fehlen von Machtmitteln, um die mit ihren Beiträgen rückständig gebliebenen »Einzelsouve- räne« zu ihren Pflichten anzuhalten, im höchsten Grade ungünstig auf die ganze Kriegsführung eingewirkt hat. Washingtons größtes Verdienst besteht wahrscheinlich darin, daß er dieser Schwierig- keiten stets Herr geworden ist; seine Charaktereigenschaften, welche immer den Ausgleich fanden in den unfruchtbaren Zänkereien jener Jahre, sind noch höher anzuschlagen als seine Feldherrngröße.. Die Schwierigkeiten wuchsen aber, nachdem endlich Friede gewor- den war. Den ungeheuren Schulden, welche der Krieg veranlaßt hatte, standen keine Einnahmequellen des Bundes gegenüber. Der Kongreß besaß kaum die Mittel, um sein Schreibmaterial zu be- zahlen. Die Einzelstaaten, welche selbst Kriegsschulden abzutragen hatten, wollten dem Bunde kein Geld bewilligen, und so blieben die Zinsen der Kriegsschuld rückständig. Das Ausland, namentlich das besiegte England, sah mit un verhülltem Hohne einem neuen

^) Siehe Anhang Artikel 3.

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Staatswesen zu, das soeben sich die Freiheit erkämpft hatte, aber nicht die Kraft besaß, um seine Aufgaben erfüllen zu können. Es kam so weit, daß der Bürgerkrieg unter einzelnen Teilnehmern des Bundes auszubrechen drohte. Glücklicherweise besaßen die Männer, welche die Revolution organisiert und durchgekämpft hatten, noch genügenden Einfluß über die partikularistisch gesinnten Massen ihrer Landsleute, um diese unter einen Hut zu zwingen. Dieser Hut ist die Verfassung der Vereinigten Staaten. Sie ist, nach dem gewiß einwandsfreien Zeugnis von John Adams, einem widerstrebenden Volke abgerungen worden. Erst durch diese Ver- fassung (beschlossen 17. September 1787, in Kraft getreten 4. März 1789) sind die Amerikaner zu einer Nation erstarkt. An Stelle des lockeren Staatenbundes wurde ein nationaler Bundesstaat ange- strebt, doch war der Partikularismus der Einzelstaaten nicht völlig zu überwinden, und man mußte der staatenbundlichen Anschauung wesentliche Zugeständnisse machen. Aber trotz dieser Mängel ist die amerikanische Verfassung das wichtigste Dokument der Neu- zeit. Ja, man möchte fast sagen, mit dieser Schrift beginnt eigent- lich die Neuzeit. Der Geist, welcher in ihr lebt, hat in hohem Maße befruchtend gewirkt auf das staatliche Leben aller Kulturvölker; zunächst und besonders stark ist dadurch die französische Revolu- tion beeinflußt worden.

Ursachen des Partikularismus. Die dreizehn englischen Kolonien in Nordamerika sind zu verschiedenen Zeiten und unter sehr verschiedenen Umständen entstanden und von England aus niemals als ein einheitliches Tochterland verwaltet worden. Jede Kolonie besaß ihren eigenen Freibrief, hatte ihre eigenen Gesetze, und der Grad ihrer Selbständigkeit dem Mutter- lande gegenüber war sehr verschieden. Einzelne Kolonien waren fast ganz unabhängig, andere wurden von England aus stark beein- flußt. So ging jede Kolonie ihren eigenen Weg, und der führte natur- gemäß zur Eigenbrödelei und zum Partikularismus. Die Ansied- lungen dehnten sich an der atlantischen Küste vom 47. bis südlich zum 30. Breitengrade aus, eine Strecke, welche ungefähr der Ent- fernung Berlins von Tripolis in Afrika entspricht. Bei so gewaltigen Ausdehnungen, der spärlichen Besiedlung und den schlechten Ver- kehrsmitteln jener Zeit waren die Beziehungen der Kolonien unter- einander sehr gering. Die Verschiedenheit des KHmas wies auf verschiedene Betätigung der Kolonisten hin, auch war die Bevöl-

Geschichtliche Entwicklung des Sklavereistreites. 27

kerung, obschon die Angelsachsen bald an der ganzen Küste die Vorherrschaft erhielten, doch durchaus nicht einheitlicher Art. Im Norden herrschte das puritanische Element ausschließlich, in den Mittelstaaten waren die Germanen (Holländer, sehr viele Deutsche und einzelne Schweden), manche jahrzehntelang ziemlich ebenso stark als die Angelsachsen. Maryland wurde zuerst von engHschen Katholiken besiedelt, und in Virginien, den beiden Carolinas und Georgia hatte sich ein Mischvolk ausgebreitet, in welchem allerdings die Engländer den bei weitem stärksten Machtfaktor bildeten, das aber doch mit romanischen Bestandteilen (französischen Huge- notten, Resten der spanischen Uransiedler) und namentlich mit Deutschen (im Shenandoahtale, auch in den Carolinas und Georgia) durchsetzt war. Der nach dem Süden ausgewanderte Engländer unterschied sich aber von seinem puritanischen Landsmanne in Neu-England in vielen Dingen. So finden wir an der langgestreck- ten Küste alle Vorbedingungen für das Emporwuchern der Eigen- brödelei. Der Hauptgrund war wohl die Vereinsamung jeder ein- zelnen Gruppe und der Mangel an stark sich äußernden gemein- samen Interessen mit den Nachbarkolonien. Die Neigung zum Partikularismus hat nicht nur die Annahme der Verfassung so wesentlich verzögert, sondern auch der späteren politischen Ent- wicklung die größten Hindernisse bereitet. Das alte Gespenst geht aber auch heute noch um.

Sklaverei und Verfassung. Um 1787, zur Zeit der Beratung der neuen Verfassung waren die Zeitströmung sowie die Lage des Weltmarktes den Sklavereiinteressen außerordentlich ungünstig. Der mächtige Südstaat Virginien besaß damals weit mehr Sklaven, als man beschäftigen konnte. Der Tabaksbau war stark zurückgegangen infolge der Aussaugung des Bodens. Die schon 1770 erhobene Forderung der Virginier, daß die Sklaven- einfuhr aufhören möge, zeigt, daß man der Sklaven aus wirtschaft- lichen Gründen schon weit früher überdrüssig geworden war. Aber auch die Aufklärungsideen des 18. Jahrhunderts traten in starker Weise hervor. Schon 1784 hatte Jefferson (ein Virginier) im kon- tinentalen Kongresse beantragt, daß nach dem Jahre 1800 in allen westlichen Gebieten nördlich vom 31. Grade die Sklaverei verboten werden sollte. Dadurch wären die späteren großen Sklavenstaaten Alabama, Mississippi und Arkansas, sowie auch Tennessee, Ken- tucky und Missouri zu freien Staaten gemacht worden. Bei der

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Abstimmung über diesen Antrag war ein einziger Befürworter desselben zufällig abwesend und nur deshalb scheiterte das Gesetz. Dazu schreibt Jefferson: »The voice of a single individual would have prevented this abominable crime. Heaven will not always be silent, the friends to the rights of human nature will in the End prevail.« Das ist genau die Sprache des Mannes, der 1776 die un- sterbliche Schrift verfaßte, in welcher es heißt: »Alle Menschen sind gleich geboren und von ihrem Schöpfer mit gewissen unver- äußerlichen Rechten ausgestattet, zu welchen Leben, Freiheit und das Streben nach Zufriedenheit gehören.« Washington war der- selben Meinung und hat sie deutlich genug ausgesprochen. Jef- ferson ist auch der Urheber des Gesetzes, wonach die Sklaverei in dem Neulande nördlich vom Ohioflusse verboten wurde. Dieses Ge- biet umfaßte die späteren Freibodenstaaten Ohio, Indiana, Illinois, Michigan, Wisconsin und Teile von Minnesota.

Auch in den beiden Carolinas und in Georgia hatte man um 1787 seine liebe Not mit den Schwarzen. Ostindien strebte empor und lieferte den Indigo und den Reis weit billiger als die ameri- kanischen Südstaaten. Die schönen Zeiten, in welchen die Pflanzer das in einem Sklaven veranlagte Kapital binnen vier Jahren her- auswirtschaften konnten, waren vorüber. Aber schon bildete in jenen drei Südstaaten die Sklaverei das Fundament des gesamten Wirtschaftsbetriebes. Davon abzulassen bedeutete in der Meinung jener Pflanzer den Ruin. In den Sklaven steckte doch über die Hälfte ihres Vermögens. Außerdem, wohin sollte man auch mit den doch einmal vorhandenen Negern? Nun aber hatten die An- träge Jeffersons im Kongreß und die gewaltigen Mehrheiten, welche dafür abgegeben worden waren, gezeigt, woher der Wind damals wehte. Die Pflanzer der drei südlichsten Staaten suchten nach einer Waffe, um sich gegen weitere Angriffe auf die Sklaverei zu schützen. So stellten sie die Forderung, daß die Sklaverei in der neuen Verfassung anerkannt werden müsse. Geschähe das nicht, so würden sie gegen die Verfassung stimmen. Es kam sogar zu Austrittsdrohungen jener Staaten.

Und so ist die Sklaverei in der Verfassung anerkannt worden^) unter Zwang, als das Ergebnis einer Notlage. Die Sklaverei galt

^) Obschon in der Verfassung der Ausdruck »Sklave« oder »Sklaverei« nicht vorkommt, so sind die dafür gewählten Umschreibungen doch so durch-

Geschichtliche Entwicklung des Sklavereistreites. 29

den Washington, Jefferson, Franklin, Adams usw. als das kleinere Übel, sie mußte nach der damals allgemein herrschenden Meinung doch bald an der Schwindsucht dahinsterben. Die Durchbringung der Verfassung aber war eine Staatsnotwendigkeit, vor welcher alles andere zurücktreten mußte. Trotz dem Zugeständnis an jene drei Südstaaten ist die Verfassung nur mit ganz geringen Mehr- heiten angenommen worden i).

In späteren Jahren haben die Sklavenhalter stets darauf hin- gewiesen, daß Washington, Jefferson, Madison und die übrigen Väter des Vaterlandes selbst Sklavenhalter gewesen seien. Gewiß waren sie das, denn sie waren Großgrundbesitzer in Virginien und bei den damaligen Zuständen und der Lage des Arbeitsmarktes konnte man in jenem Staate nur als Sklavenhalter die Landwirt- schaft betreiben. Aber jene wahrhaft großen und weitsichtigen Männer waren innerlich Gegner der Sklaverei. Das beweisen ihre Handlungen, namentlich das schroffe Vorgehen Jeffersons. Sie erblickten in der Sklaverei ein Übel, welches beseitigt werden mußte, und von dem sie nach der damaligen Zeitlage annehmen konnten, daß es beseitigt werden würde. Die Sklaven, welche jene Patrioten besaßen, hatten sie zumeist übernommen als Erbteil ihrer Voreltern, aus einer Zeit, welche über die Sklaverei ganz anders gedacht hatte als die von den Aufklärungsideen des i8. Jahrhunderts erfüllte amerikanische Revolutionszeit. Trotzdem hat das Paradieren mit dem Auch- Sklavenhaltertum jener Großen in späterer Zeit sehr wesentlich den Standpunkt der Sklavenhalter des »Königreichs Baumwolle« gestärkt.

Baumwolle wird »König«. Kaum war die Verfas- sung unter Dach gebracht worden, da trat ein Ereignis ein, durch

sichtig, daß kein Zweifel obwalten kann. Die betreffenden Stellen fiiiden sich in Artikel II, Abschnitt 2, § 3, ferner in Artikel I, Abschnitt 9, § i, sowie in Artikel VI, Abschnitt 2, §1.

1) Nur drei Staaten genehmigten die neue Verfassung einstimmig. In der Legislatur von Pennsylvanien stand das Votum 46 pro 32 contra. Massa- chusetts willigte ein mit 187 gegen 168 Stimmen, Virginia mit 89 gegen 79, New York mit 30 gegen 26, Rhode Island mit 34 gegen 32, Nordcarolina mit 193 gegen 75. Dem Gesamtvolke der neuen Vereinigten Staaten wurde die Verfassung nicht zur Abstimmung vorgelegt. An dem starken nega- tiven Votum der Staaten ersieht man die großen Schwierigkeiten, welche die Durchbringung der Verfassung dargeboten hat.

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welches die Sklaverei eine früher nie geahnte Bedeutung erhielt: Der Yankee Elihu Whitney erfand im Jahre 1793 die sog. »Cotton- Gin«. Durch die Erfindung dieser Maschine wurde Amerika mit einer neuen großartigen Kultur beschenkt; aber ein ungeheurer Fluch haftete daran.

Baumwolle wurde schon früher im Süden angebaut, aber nur die langfaserige, von welcher 1793 nur 187 000 Pfund ausgeführt wurden. Das Land eignet sich aber wesentlich zur Kultur der kurz- faserigen Pflanze, deren Samen mit der Wolle so fest verbunden ist, daß sich eine Trennung beider mit Handarbeit nicht lohnt. Die »Cotton-Gin« Whitneys trennt aber Samen und Wolle auf mechani- schem Wege, und 1795 exportierte Amerika schon über 6 Millionen Pfund Baumwolle. Mit Riesenschritten ging es weiter. Wenige Jahre nach Annahme der Verfassung war das »Königreich Baumwolle« schon eine Macht. Jetzt hatte man Arbeit für den Neger. Das in Menschenfleisch angelegte Kapital trug größere Renten als eine Goldgrube. Die nächste Wirkung war eine erhebliche Steigerung der Sklavenpreise^) . Virginien und Maryland konnten jetzt ihre überflüssigen Neger nach dem Südwesten mit großem Gewinne verkaufen und auch diejenigen Neger des Nordens, welche noch nicht emanzipiert worden waren, wurden meistens nach dem neuen Baumwollenlande gegen Gold eingewechselt. Der höhere Preis des Negers reizte aber zur Züchtung des »Menschen viehs«, zumal für 1808 das Verbot der Einfuhr aus Afrika bevorstand. So wurden diejenigen Südstaaten, welche nicht selbst Baumwolle bauen konnten, zu Negerlieferanten für die Carolinas, Georgia und die neuen Süd- weststaaten. Das stolze Virginien, die Wiege der amerikanischen Freiheit, züchtete Neger, wie man heute im Westen Schweine und Rinder für den Markt züchtet^). Maryland, später Kentucky und

1) Kapp behauptet, daß der Geldwert der Sklaven im Jahre 1790 nur 10 Mülionen Dollar betragen habe, 1820 aber schon 2000 Mülionen. Das ist ein Irrtum. Mit 500 Millionen Dollar für 1820 schätzt man jenen Wert sicherlich richtiger ein.

2) Diese Züchtung von Sklaven im Norden hatte notwendigerweise die Trennung der Negerfamilien zur Folge. Die herangewachsenen Schwarzen wurden nach dem Baumwollenlande verkauft. In Virginien war die Zahl der schwarzen Weiber außerordentlich groß. Sie wurden Gebärmaschinen. Eine angesehene Dame in Baltimore bestritt ihren Aufwand durch den Ver- kauf der Kinder von acht Negerweibern, welche Sklavinnen jener Dame waren.

Geschichtliche Entwicklung des Skiavereistreites. 3X

Tennessee, taten das Gleiche. So gerieten die nicht Baumwolle bauenden Staaten in ein Abhängigkeitsverhältnis zu dem eigent- lichen »Königreiche Baumwolle«. Die im Norden des Südens ge- züchtete Menschenware hatte sogar einen höheren Marktwert als die aus Afrika bezogene. Jene Neger besaßen eine dünne Schicht von Kultur und waren dem Namen nach Christen! Diesen Vor- wand benutzten die berufenen Diener der »Religion der Liebe«, um sich sogar mit der Züchtung der Neger abzufinden. Die Klerisei des Südens hat stets ihren Schutzmantel über die Sklaverei ge- worfen und sich damit beschmutzt, die Sklaverei für ein von Gott eingesetztes Institut zu erklären. Es kam schließlich zu einem Bruche zwischen den Methodisten und Baptisten des Südens und des Nordens, und die Presbyterianer und Episkopalen beider Landes- teile wurden nur mit Mühe vor einer Trennung ihrer Gemeinschaft bewahrt 1). Auch die katholische Kirche, und zwar nicht nur die- jenige des Südens, war stets Dienerin der Sklavereiinteressen. Die schärfsten Gegner der Sklaverei waren die Quäker und die deutschen Lutheraner und Reformierten.

Die Frage der Behandlung der Sklaven seitens ihrer Herren ist viel umstritten und wird niemals ganz unparteiisch dargestellt werden können. Doch sind die am meisten verbreiteten Angaben

Auch Weiße wurden gelegentlich in die Sklaverei verkauft. So die als Kind eingewanderte Salome Müller, aus Langensulzbach im Elsaß gebürtig. (Siehe darüber J. Hanno Deiler.) Schrecküch wirkte die Sklaverei auf die Moral im Süden. Die Schwester des Präsidenten Madison schreibt: »We Southern ladies are complimented with the name of wives, but we are only the mis- tresses of Seraghos.« Es wurde oft gesagt, daß das edelste Blut Virginias in den Adern der Sklaven rolle. Im Jahrzehnt 1850 1860 vermehrten sich die Mulatten von 348 895 auf 518 360. Am schhmmsten war das Schicksal der Quadronen und Oktoronen, Mädchen, welche bis zu über drei Vierteln »weißes << Blut besaßen, aber immer noch als Neger galten. Sie wurden meistens als Mätressen an weiße Lüsthnge verkauft.

1) Wie man in streng religiösen Kreisen des Südens über die Sklaverei dachte, zeigt uns eine Ankündigung im »Religious Herald«, zu Richmond. Ein Pflanzer erklärte dort, er wolle für den Rest seines Lebens mit Gottes Hilfe als Missionär wirken. Gleichzeitig bietet er 40 Sklaven, meistens jung und hübsch, welche sich an Zahl und Wert rasch vermehren würden, zum Kaufe an.

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darüber sicherlich stark übertrieben. »Onkel Toms Hütte« ist ein Tendenzroman und gibt nur ein Zerrbild der Plantagenwirtschaft. Auch Olmsteds eingehende Arbeit (»The Cotton Kingdom«) bietet kein wahrheitsgetreues Bild der Zustände; der Verfasser kam als Fremder in das Sklavenland und war mit nördlichen Anschauungen erfüllt. Sicherlich hat Olmsted nicht absichtlich übertrieben, die Grausamkeiten haben sich so zugetragen, wie er sie schildert. Aber diese Grausamkeiten können nicht die Regel gewesen sein. Der Franzose Ampere, welcher lange vor Olmsted den Süden bereist hat, erzählt uns von einem deutschen Sklavenhalter, welcher es nicht über sich bringen konnte, die Peitsche anzuwenden. Die Sklaven dieses Pflanzers dankten ihm die Milde mit grenzenloser Faulheit. Sklaverei und Arbeitszwang sind untrennbar voneinander. Der Sklave wird freiwillig nur das mindeste Maß von Arbeit leisten. Den rohen Plantagennegern war die regelmäßige Tätigkeit ganz unbekannt, und die während weniger Generationen durchgeführte Gewöhnung an die Arbeit konnten den Hang zur Trägheit, welche Jahrtausende von Wildheit und Ungebundenheit erzeugt hatten, nicht so bald beseitigen. Der Neger wurde gepeitscht, wie man Pferde und Rinder peitscht. Er galt ja auch nur als Vieh. Aber daraus ist noch nicht zu schließen, daß die Schwarzen allgemein mit ausgesuchter Grau- samkeit behandelt worden sind. Das wäre ja den eigenen Inter- essen der Herren entgegen gewesen. Jeder Landmann weiß, daß schlecht behandelte Arbeitstiere rasch herunterkommen. Das gilt auch für den Plantagenneger. Das patriarchalische Verhältnis des Sklavenhalters dem Neger gegenüber muß doch in weit ausgedehn- tem Maße bestanden haben, denn ein solches Verhältnis war wirt- schaftlich richtig und notwendig. In den Sklaven steckte fast das ganze mobile Vermögen der Baumwollenbarone, und die Herren hätten gegen ihre eigenen Interessen gewütet, wenn das, was uns die Beecher- Stowe, Olmsted und manche andere Schriftsteller schil- dern, die Regel gewesen wäre.

Wie will man sich auch sonst erklären, daß während des Bürger- krieges nicht ein einziger Negeraufstand im Süden stattgefunden hat ? Alle waffenfähigen weißen Männer des Südens standen damals im Felde, sogar noch Männer von über 50 Jahren. Die Massen der Sklaven aber blieben ihren Herren während der ganzen vier Kriegs- jahre treu. Sie verrichteten ihre Feldarbeit nach wie vor. Sie er- nährten die Heere, welche für die Verewigung der Sklaverei kämpften.

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Allerdings war der Stumpfsinn der Negermassen ungeheuer groß. Sie haben niemals während des ganzen Krieges begriffen, daß es sich bei dem Streite der Weißen wesentlich um den Neger gehandelt hat. Auch die Hunderttausende von Negersoldaten, welche gegen Ende des Krieges unter dem Unionsbanner kämpften, haben das schwerlich begriffen, obschon diese Negerregimenter zumeist aus Schwarzen der Grenzstaaten bestanden haben. Vielleicht kann man den Schauergeschichten, welche über die Behandlung der Neger verbreitet wurden und welche sicherlich viel Wahres enthalten, ebenso viele Beispiele rührender Anhänglichkeit der Sklaven an ihre Herrschaft gegenüberstellen. Wie viele Neger haben nach dem Kriege ihren völlig verarmten ehemaligen Herren beigestanden und diesen über die schweren Zeiten des Wiederaufbaues des verwüsteten Sü- dens hinweggeholfen. Solche Treue ist aber sicherlich nicht durch unmenschliche Behandlung der Neger erworben worden.

Politische Macht des Südens. Die Führer der Revolutionszeit waren zumeist Virginier gewesen, und Virginia lie- ferte später die meisten Präsidenten. So erhielt der Süden schon während der ersten Jahrzehnte der Republik die politische Führung der ganzen Union. Mit dem wachsenden Reichtum, welchen die Baumwolle brachte, steigerte sich das. Die Barone des Südens warfen sich so gut wie ausschließlich auf die Politik. Sie hatten die Zeit dazu und Neigung dafür. Auch war damals der Bildungs- drang in den sozial höher stehenden Bevölkerungsschichten im Süden stärker als im Norden. Die Söhne der Sklavenbesitzer wurden auf Colleges und Universitäten geschickt. Man pflegte dort be- sonders die Ausbildung rednerischer Talente, und die Blender im Kongresse entstammten vorwiegend dem Süden. Auch wurde von den Sklavenhaltern die Praxis geübt, bewährte Senatoren und Ab- geordnete wieder zu wählen, während die Vertreter des Nordens einander häufig ablösten. Die südlichen Kongreßmitglieder erhielten dadurch den Vorzug längerer Erfahrung in parlamentarischen Dingen und sicherten sich damit die Führung. Der Süden konzen- trierte sich auf einen einzigen Punkt: die Sklaverei. Die Inter- essen des Nordens aber waren vielseitiger Art und kollidierten des- halb oft. So war der Süden stets einig, der Norden meistens das Gegenteil davon. Und dann reichte der Arm des Südens bald weit in den Norden hinein. Der Norden produzierte damals noch keine Stapelartikel, aber der Süden erzeugte massenhaft Baumwolle.

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. o

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Mit diesem Stapel wurde die recht ungünstige Handelsbilanz aus- geglichen. Die Pflanzer waren zu faul oder zu vornehm, um sich mit dem Zwischenhandel abzugeben. Die New Yorker, Bostoner, Baltimorer Kaufherren besorgten das für sie. Außerdem war der Süden, wo in den reichen Familien eine üppige Lebensweise Platz gegriffen hatte, der beste Kunde des Nordens. Viel nördliches Kapital war in Baumwollenplantagen angelegt. So wurden die Kaufherren des Nordens zum Teil Geldgeber des Südens sowie die Abnehmer der Baumwolle und Lieferanten der Luxuswaren. Das Handelsvolk der nördlichen Hafenplätze kam damit in eine gewisse Abhängigkeit dem Süden gegenüber, denn es verdiente schweres Geld von dem Gelde, welches die Sklavenbarone aus dem Schweiße der Schwarzen münzten. Aus diesen Gründen erklärt es sich schon, daß dem Süden aus dem Kreise der Abgeordneten des Nordens stets genug Stimmen geliefert wurden, um die Forderungen der Sklavenhalter durchzusetzen. Diese für die Sklavereiinteressen eintretenden Abgeordneten des Nordens nannte man im Süden ver- ächtlich »Teiggesichter«.

Schon während der Präsidentschaft Jeffersons, um 1809, öffnete sich die Kluft zwischen Norden und Süden. Schon damals schwoll den Baumwollpflanzern das Machtbewußtsein derartig, daß sie sich als die eigentlichen Herren des Landes zu fühlen begannen. Aber wahrscheinlich würde sich dieselbe Erscheinung in jedem anderen Lande wiederholen, das eine derartige treibhausähnliche Entwick- lung durchmacht. Der Idealismus zieht im Kampfe mit den Inter- essen des Geldbeutels meistens den kürzeren, wenn keine Gesetzes- bestimmung im Wege steht. Die Sklavenhalter aber konnten sich auf die Bundesverfassung stützen, und sie besassen dort einen sicheren Rechtsboden, den sie benutzten, um ihre Lokalgesetze, besonders die polizeilichen Verordnungen, ganz im Sinne des Sklavereiinter- esses auszugestalten. Jedoch wird auch ander wso nach derartigen Grundsätzen gehandelt. Die heutigen Trustmagnaten und Begün- stigten des Hochzolls werden erst dann zu Idealisten und Tarif- reformern, nachdem sie sich vom Geschäfte zurückgezogen haben. Und die englischen Großgrundbesitzer in Irland sowie die Nutz- nießer der Latifundienwirtschaft in Italien haben nach ganz ähn- lichen Rezepten gearbeitet wie die Sklavenhalter Nordamerikas.

»N u 1 1 i f i z i e r u n g«. In den von Jefferson und Madison 1798 und 1799 verfaßten Beschlüssen der Gesetzgebungen von

Geschichtliche Entwickking des Sklavereistreites. 35

Kentucky und Virginien wurde die Lehre von den alten Rechten der Einzelstaaten wiederum und in ganz besonders schroffer Weise betont. Jene Beschlüsse geben den Einzelstaaten das Recht, irgend- ein vom Bunde erlassenes Gesetz zu nullifizieren, d. h. die Geltung des betreffenden Gesetzes für den Einzelstaat zu vereiteln. Auch das Recht des Austritts eines Staates aus der Union wurde dadurch anerkannt. Auf Grund dieser Lehre nullifizierte Südcarohna 1832 das Zollgesetz des Kongresses. Der damalige Präsident Jackson aber erklärte, die Gesetze der Vereinigten Staaten müssen im Gesamt- gebiete der Union vollstreckt werden, wenn nötig, mit bewaff- neter Hand. Gleichzeitig rüstete Jackson gegen Südcarolina. Aber man fand einen Ausgleich. Das Zollgesetz wurde so abgeändert, daß der aufsässige Staat dadurch befriedigt wurde. In Wirklichkeit ging Südcarolina als Sieger aus der Krisis hervor. Sicherlich wäre es besser gewesen, wenn die Prinzipienreiter jenes Staates damals etwas von der Macht des Bundes verspürt hätten. Jene Nullifizie- rung von 1832 ist von der größten Wirkung auf die Sezession von 1861 gewesen.

Die Anschauung von dem Weiterbestehen der alten Hoheits- rechte der Einzelstaaten der Union gegenüber wurde im Laufe der Zeit zum stärksten Bollwerke der Sklavereiinteressen. In der be- deutenden Rede, welche Jefferson Davis am 10. Januar 1861, wenige Tage vor seinem Rücktritte aus dem Senate hielt, kommen folgende Stellen vor: »Alles, was (an Rechten) der Union nicht durch die Ver- fassung gewährt worden ist, ist den Einzelstaaten verblieben, und nichts als das, was die Verfassung dem Bunde gewährt, kommt diesem an Rechten zu. Haben die Staaten dem Bunde ihre Sou- veränität jemals überantwortet ? Haben die Staaten sich verpflichtet, niemals aus der Union auszutreten? Nein, die Verfassung ist nur ein Vertrag unter unabhängigen Staaten, sie stellt nicht eine na- tionale Regierung dar. « Jefferson Davis ist der Schüler des Senators Calhoun von Südcarolina, und dieser wieder steht auf den Schultern von Thomas Jefferson, welchen man als den Urheber des Gedankens ansprechen kann, daß die Einzelstaaten durch ihren Ein- tritt in den Bundesstaat ihrer alten Hoheitsrechte nicht verlustig gegangen sind. Bei Jefferson, dem Gegner der Sklaverei, ist diese Sache eine reine Prinzipienfrage, bei Calhoun wächst dieses Prinzip zu einem Bollwerke der Sklaverennteressen empor, bei Jefferson Davis wird es zur Berechtigung der Sezession und zur Begründung

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eines auf der Sklaverei fußenden Sonderstaates. Von Holst hat diesen Zusammenhang am gründlichsten nachgewiesen.

Die Eroberung des Westens. Das Gebiet der Küstenkolonien war so ausgedehnt, daß es dem kleinen Ansiedler- volke noch lange Zeit hätte genügen können. Aber der Amerikaner klebt nicht an der Scholle. Bewunderungswürdig sind sein Aus- dehnungsdrang, sein Wagemut und seine Leistungen als Pfadfinder und Pionier. Schon vor 1770 begann der große Zug nach dem westlichen Hinterlande, eine Völkerwanderung, welche man viel- leicht als die wichtigste Kulturtat aller Zeiten bezeichnen darf, denn es wurden damit Länder erschlossen, welche, wenn auch in noch ferner Zukunft, gegen vierhundert Millionen Menschen auf- nehmen können. Um 1870 erstreckten sich die Wohnstätten schon bis zum Stillen Ozean. Das Volk, welches diese Aufgabe gelöst hat, zählte um 1770 nur 1I4 Million Weiße.

Auch die Sklavenhalter haben zu diesem großen Werke mit- beigetragen. Der eigentliche Held desselben war aber der land- hungrige Kleinfarmer des Nordens. Das war ein wenig begütertes Volk von einfachen Lebensgewohnheiten und von großer Tapfer- keit und Ausdauer. Die Männer waren von tüchtigen Frauen be- gleitet, welche mit Spinnrad und Webstuhl noch vertraut waren und an einem arbeitsreichen Leben inmitten einer großen Kinder- schar Befriedigung fanden. Und jede neue Ansiedlung hatte auch bald ihr Schulhaus. Viele Deutsche, namentlich aber Deutsch- Pennsylvanier, befanden sich unter diesen Neuländern, vielleicht waren es die Deutsch-Pennsylvanier, welche zuerst auf den Trek gingen, denn schon 1730 beginnt ihr Zug südwestwärts nach dem Shenandoahtale von Virginien. Unter diesen Siedlern befand sich allerdings auch manches »Rauhbein«. Andere verwilderten im Kampfe mit der Natur und den Rothäuten, und so zeigt dieser als Ganzes betrachtet so kulturfördernde Eroberungszug auch einige sehr beklagenswerte Erscheinungen i),^ Die Frühzeit des Treks fällt zusammen mit den Kriegen zwischen Engländern und Franzosen, und auch der Revolutionskrieg erstreckte sich auf diese westlichen Gebiete. In diesen Kämpfen wurden die Indianer als Hilfstruppen von beiden weißen Kriegführenden ausgenutzt. Die roten Krieger führten aber den Kampf auf ihre Weise. Schrecklich wüteten Brand-

1) Siehe Anhang, Artikel 4.

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fackel und Tomahawk unter der weißen Grenzerbevölkemng. Der Grenzer aber vergaß die kriegerische Veranlassung dieser Greuel- taten, er hielt sich an die Verüber derselben, und jede Schandtat der Indianer wurde durch Racheakte der Grenzer doppelt vergolten. So ist das große Trauerspiel der Indianerausrottung zu einem be- trächtlichen Teile auf die Kriege der Weißen untereinander zurück- zuführen.

Die Eroberung des westlichen Hinterlandes kann man sich vor- stellen als das Vordringen zweier gesonderter Heerhaufen, wovon einer den Sklavenstaaten, der andere dem Freiboden entstammte. Das Südheer besaß bald Hunderttausende von schwarzen Hilfs- truppen, war vortrefflich organisiert und genoß fast stets von der Bundesgewalt beträchtliche Förderung. Diese Züge gehen jahrzehnte- lang friedhch nebeneinander her, und erst im Jahre 1850 prallen die beiden Haufen in Kansas aufeinander. Die Sklavenhalter er- zielten bei diesem Wettlaufe zunächst einen beträchtlichen Vor- sprung. Sie waren kapitalkräftig, und die vielen Tausende von Sklaven ließen sich auf einen Wink hin mobil machen. So eilte jenes Südheer sprungweise dem Mississippi zu und begründete rasch die beiden neuen Sklavenstaaten Alabama und Mississippi, während das Nordheer nur schrittweise folgen konnte, dafür aber auch das in Besitz genommene Neuland zu wirklicher Blüte brachte und dasselbe weit durchdringender besiedelte, als das im südlichen Hinter- lande geschehen konnte.

Am Mississippi fand dieser Ausdehnungsdrang eine Grenze, denn vor 1803 endete dort das Gebiet der Vereinigten Staaten. Jenseits des großen Stromes lag die Ländermasse des Gebietes Louisiana. Die Franzosen hatten die Spanier daraus vertrieben, wußten aber mit dem neuen Besitze nichts anzufangen, und der geldbedürftige Kaiser Napoleon bot es den Vereinigten Staaten um 15 Millionen Dollars zum Kaufe an. Präsident Jefferson schlug sofort zu, und um eine Bettelsumme wurde im Jahre 1803 ein herr- liches Ackerbauland von der Größe von halb Europa den Vereinigten Staaten einverleibt.

Die Sklavenhalter triumphierten, denn nun, so meinten sie, könne ihr Ausdehnungsdrang vollauf befriedigt werden. Sie ver- schlangen sofort den heutigen Staat Louisiana, und da dort zu spa- nischer und französischer Zeit Sklaverei geherrscht hatte, so war nach ihrer Ansicht das ganze von Frankreich angekaufte Gebiet

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als Sklavenland in Anspruch zu nehmen. Letzteres wollte der Norden nicht zugeben, willigte aber in die Aufnahme des neuen Sklavenstaates Louisiana ein, und das übrige Louisiana wurde als Missouri territorium anerkannt. Unter einem Territorium ver- stand man Neuland, welches nach dessen späterer Besiedelung in neue Staaten aufgeteilt werden sollte. Über diese Territorien gebot bis zur Staatenbildung der Kongreß.

Fig. 2. Erwerbung von Groß-Louisiana. Dieöstliche Grenze bildet der Mississippi.

Man muß wohl unterscheiden zwischen dem heutigen Staate Louisiana und dem Groß-Louisiana, welches den Franzosen abge- kauft worden war. Dieses Groß-Louisiana umfaßte eine Länder- masse, welche fast so umfangreich war als die ganzen Vereinigten Staaten vor 1803. Im Osten bildete der Mississippi die Grenze von Louisiana, gegen Nordwesten erstreckte sich das Gebiet bis nach Kanada und über die größten Teile der heutigen Felsengebirgs- staaten Montana, Wyoming und Kolorado; auch die Hälfte von Minnesota gehört dazu, und völlig auf Louisianagebiet liegen die neun Staaten Louisiana, Arkansas, Oklahama, Missouri, Jowa, Kansas, Nebraska und Nord- und Süddakota. Die Geiser des

Geschichtliche Entwicklung des Sklavereistreites. 39

Yellowstone Parks sprudeln auf Louisianagebiete, und der Missis- sippi mündet ebenfalls auf ihm in den Golf von Mexiko.

Bei dem Abschlüsse des Kaufvertrages konnte niemand die unbegrenzten MögHchkeiten des neuen Landerwerbs beurteilen. Die ersten Früchte desselben genoß der rascher vordrängende Süden. Die Ernte, welche dem Norden in Groß-Louisiana, d. h. in dem be- deutend größeren und wichtigeren nördhchen Teile des erworbenen Landes zufallen sollte, lag noch in ungeahnter Ferne. Die Sklaven- halter drangen von ihrem neuen Staate Louisiana aus sofort nach Arkansas, namentlich aber nach Missouri vor, und schon im Jahre 1817 hatten sie es so weit gebracht, daß Missouri als Sklaven- staat Einlaß in die Union begehren konnte. Aber der Ohiostrom, welcher im Jahre 1787 als die Grenze zwischen Sklaverei und Frei- boden anerkannt worden war, mündet in den Mississippi weit süd- lich ein, und wenn man die Linie der Ohiomündung nach Westen verlängerte, so lag der projektierte Staat Missouri noch innerhalb der nördlichen Zone.

Das Missouri-Kompromiß. Drei Jahre dauerten die Kämpfe um die Aufnahme Missouris. Das Ende war ein Schacher, das Missouri-Kompromiß von 1820. Der Süden setzte mit Hilfe von 18 nördhchen »Teiggesichtern« auch im Abgeordnetenhause seinen Willen durch. Missouri wurde ein Sklavenstaat, aber gleich- zeitig wurde Maine als freier Staat aufgenommen^). Des weiteren wurde bestimmt, daß die Grenze zwischen Freiboden und Sklaverei künftig durch den 36^ 30' (Südgrenze vom Missouri) gebildet werden sollte, und zwar auf »ewige Zeiten«. Letztere dauerten, wie wir bald sehen werden, kaum dreißig Jahre. Die Nord grenze Mis- souris liegt aber auf dem 40% Grade, also beinahe in der Breite der Stadt New York. Demnach ist Missouri als ein weit in das Gebiet der Freiheit vorgeschobener Posten der Sklaverei anzusehen. Von dieser Stellung aus hofften die Barone, später weitere Erobe- rungen im nördhchen Freibodengebiete zu machen. Durch das Missouri- Kompromiß war die von Jefferson durchgesetzte Ab- grenzung der beiden Kulturgebiete durchbrochen worden. Das

^) Das entsprach der schon früher geübten Praxis, wonach neue Staaten stets zu Paaren aufgenommen wurden, je ein Sklaven- und ein Freiboden- staat zugleich. So entstand Vermont gleichzeitig mit Kentucky, Ohio mit Tennessee, Indiana mit Louisiana und Illinois mit Mississippi.

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Kompromiß ist als der erste große politische Sieg der Sklaven- halter über den freien Norden anzusehen.

MexikoundTexas. Die nächsten Angriffe der Südländer richteten sich auf die mexikanische Provinz Texas. Abgesandte der Sklavenhalter drangen dort ein, überrannten das dort ansässige weit zerstreute Schwächlingsvolk und organisierten eine Revolu- tion. Texas sagte sich von Mexiko los und bildete vorläufig eine eigene Republik, welche die schon 1829 i^ Mexiko beseitigte Skla- verei wieder einführte. 1845 wurde Texas ein Sklavenstaat der Union, schon weit früher war Florida den Spaniern abgekauft und damit ein weiterer Sklavenstaat gewonnen worden. Im Interesse der Sklaverei wurde im Jahre 1847 ^^^ Krieg gegen Mexiko ent- fesselt und auch der Seminolenkrieg in Florida ist nur zugunsten der Sklavenhalter geführt worden. Später, nach 1850, betrieben die Südlichen die Erwerbung oder Eroberung von Kuba und an- deren Teilen der Antillen, ja sie entsandten Flibustier nach Nika- ragua und an die Küste Zentralamerikas, um dort Revolutionen vorzubereiten und dann selbst später dort Boden zu fassen. So sehen wir das südliche Volk schon frühzeitig zu den äußersten Mit- teln bereit, wenn der Drang nach Ausdehnung des Sklavereigebietes dadurch gefördert werden konnte. Durch diese verschiedenen Unter- nehmungen wurde der kriegerische Geist im Südvolke rege erhalten und ein nicht unbedeutender Stamm von militärisch geschulten Leuten geschaffen.

Jene Kriegs- und Abenteurerzüge haben übrigens die Sklaven- halter verhindert, die großen Veränderungen wahrzunehmen, welche während der vierziger und fünfziger Jahre im nördlichen Westen stattfanden. Durch die Einwanderung war das Heer der Neuland- sucher bedeutend verstärkt worden. Die mittleren Staaten des Westens, Ohio, Michigan, Indiana und Ilhnois füllten sich rasch mit Menschen an ; Jowa, Wisconsin und Minnesota wurden in Be- sitz genommen, und um 1850 war die Kulturgrenze schon nach dem Westen von Nebraska und Kansas verschoben. Man machte die Entdeckung, daß die »große amerikanische Wüste jenseits des Mississippi«, welche noch auf den Landkarten der vierziger Jahre verzeichnet worden ist, gar nicht existierte, sondern daß die vom Missouri durchströmte Prärie ebenso fruchtbar war wie das vom Ohioflusse berührte Gebiet im Osten des Mississippi. Während der Süden ein gutes Teil seiner Kraft in Abenteuern verpuffte.

Geschichtliche Entwicklung des Sklavereistreites. 41

nahm die Kulturarbeit im nördlichen Westen ihren beständigen Fortgang, und sie steigerte sich mit dem Anwachsen der Einwan- derung^) von Jahr zu Jahr. Der Neufarmer im Westen kümmerte sich wenig um politische Dinge. Er hatte genug mit dem Ausbau seiner Farm zu tun. Aber als er durch die Vorgänge in Kansas er- kannt hatte, daß die Sklaverei in seinen schwer genug errungenen Freiboden hineingetragen werden sollte, da regte er sich mächtig auf politischem Gebiete. Denn ihm bangte für seinen Landbesitz. Er fühlte es instinktiv, daß dieser Besitz beträchtlich an Wert ver- lieren müsse, wenn sich neben ihm eine Plantage mit Negerbetrieb auf tun könnte. In diesen Dingen ist der Schlüssel zu suchen für den staunenswerten politischen Umschwung, welcher im Nordwesten nach der Begründung der republikanischen Partei (1854) einge- treten ist.

Kansas. Fast genau westlich von Missouri liegt Kansas. Dieses Gebiet war kurz vor 1850 zu einem Neustaate herangereift. Gemäß dem Missourikompromisse war Kansas Freibodenland, und die Sklavenhalter durften dort nicht eindringen. Aber sie wollten es trotzdem. Senator Douglas von Illinois erfand den Ausweg, daß man es den Uransiedlern eines Neustaates überlassen müsse, darüber abzustimmen, ob der neue Staat Sklaverei haben solle oder nicht '^). Diese Anschauung wurde, trotzdem damit die vor dreißig Jahren gesetzlich festgelegte Grenze durchbrochen wurde, zum Gesetze er- hoben durch das Kompromiß von 1850, welches außerdem noch das Sklavenfanggesetz brachte, von welchem schon die Rede war. Dieses neue Kompromiß war ein noch größerer politischer Sieg des Südens über den Norden als der Ausgleich von 1820. Errungen wurde derselbe durch das unwürdige Verhalten einer Anzahl nörd- licher Kongreßmitglieder. Selbst Daniel Webster, die bedeutendste

1) Die deutschen Einwanderer haben dazu wahrscheinHch mehr Kräfte gestellt, als alle übrigen europäischen Elemente. Das junge Wisconsin war ein fast deutscher Staat, und von beträchtlichen Teilen Jowas und Minnesotas gilt dasselbe. Ohio war damals zu einem Drittel deutschen Blutes und in Illinois und Indiana gab es weit ausgedehnte rein deutsche Siedelungen. Die deutsche Einwanderung jener Periode bestand wesentlich aus Bauern, viele derselben waren begütert. Sie strömten in Masse nach dem Westen, während die irischen Einwanderer meistens im Osten an der Küste verblieben.

2) Man nannte das »Squattersouveränität«. Squatter sind eigentlich Leute, welche ohne Rechtstitel Besitz von einem Stück Neuland ergriffen haben.

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geistige Kraft, welche Amerika hervorgebracht hat, stimmte für diesen »Pakt mit dem Verbrechen«. Kein Wunder, daß ein Zorn- ausbruch im Norden erfolgte, daß das Empfinden der Schmach über den von nördlichen Hilfstruppen geförderten Bruch der Ver- träge, die Oberhand gewann über die seither geübte Politik des Dul- dens der südlichen Vorherrschaft zum Zweck der allmählichen Überwindung der Sezessionsgefahr.

Man hatte also jetzt die Squattersouveränität, und es kam für den Norden nun darauf an, auf dem Boden dieses neuen Gesetzes die Versklavung von Kansas zu hintertreiben. Die »Squatter« jenes Neustaates mußten eine Volksmehrheit für Freiboden aufbringen. Damit sie das konnten, mußten sie verstärkt werden durch Ein- wanderer mit sklavereifeindlichen Anschauungen. Es erfolgte nun ein Wettlauf zwischen Nordländern und Südländern zur Besiedelung von Kansas. Der Norden konnte nur Männer nach Kansas schicken, welche sich dort seßhaft machten. Der Süden aber glaubte die nötige Stimmenzahl in Kansas zu gewinnen, indem er aus dem be- nachbarten Missouri Haufen von sklavereifreundlichen Männern (ge- meinhin Grenzstrolche genannt) nach Kansas abkommandierte. Diese Grenzstrolche kehrten stets nach dem »Auslande Missouri« zurück, nachdem sie in Kansas (widerrechtlich) gestimmt hatten. Um Kansas unter das Sklaverei j och zu zwingen, haben die Südlichen zu den verächthchsten Mitteln gegriffen, und die Bundesregierung hat ihnen dabei in würdeloser Weise Handlangerdienste geleistet. Über Kansas müßte man ein Buch schreiben, wenn man dessen bluttriefende Geschichte schildern wollte. Der Kampf um Kansas war eigentlich das Vorspiel des Bürgerkrieges. Es wurde dort jahrelang in entsetzlicher Weise gesengt und gemordet. Auch John Brown war dabei. Daß er nicht in die Luft geschossen hat, nachdem die Grenzstrolche einen seiner Söhne getötet, einen zweiten zum Wahnsinn getrieben hatten, ist wohl selbstverständlich. Endlich siegte die nördliche Anschauung, wesentlich weil der Norden die Kolonisierung von Kansas besser betrieben hatte als der Gegner, aber erst im Jahre 1861 wurde Kansas als Freibodenstaat in die Union aufgenommen. Wie sehr jene Kämpfe die Erbitterung und den Haß zwischen Süden und Norden gesteigert haben, ist ohne weiteres einleuchtend.

Den letzten Sieg hat die Sklavenhalterpartei im Jahre 1857 erstritten. Der oberste Gerichtshof des Bundes entschied (in

Geschichtliche Entwicklung des Sklavereistreites. 43

der Sache des Sklaven Dread Scott), daß weder der Kongreß noch die Einzelstaaten das Recht hätten, die Sklaverei in einem neuen Territorium zu verbieten. Dadurch wurde den Sklavenhaltern noch mehr gegeben, als sie jemals verlangt hatten. Der Wert dieser Entscheidung liegt in dem neuen Rechtsboden, welche die Sklaven- halter dadurch für ihre bereits beschlossene Sezession erhielten, denn ausnutzen konnten sie den Vorteil jener Entscheidung nicht mehr. Der Nordwesten war schon zu stark von Nordländern besie- delt, und die Sklaverei kann nur da gedeihen, wo sie unbeschränkt herrschen kann. Das Geduldetsein kann sie nicht ertragen. Übri- gens stellte es sich heraus, daß die Zahl der vorhandenen Neger ungenügend war, um weiteres Freibodengebiet für die Sklaverei in Beschlag zu nehmen. Das hätten die heißblütigen Herren übrigens früher wissen sollen. Daß sie nicht begreifen konnten, daß die Sklaverei in der kälteren Zone überhaupt nicht gedeihen kann, mag ihnen noch verziehen werden, denn in den einfachsten volks- wirtschaftlichen Dingen waren sie in erbarmenswürdiger Weise rückständig. Sie waren nur Kavaliere, betrachteten sich als die geborenen Herren der westlichen Welt und folgten ausschließlich den Regungen ihrer Herrschbegier.

Douglas. Der Mann , welcher den Sklavenhaltern die Hinter- tür nach Kansas geöffnet hatte, war der Führer des nördlichen Flügels der demokratischen Partei. Auf den Schwingen der Squatter- souveränität wollte er sich das W^ohlwollen des Südens erringen und damit im Jahre 1860 die nächste Präsidentschaft. Gewiß, Douglas trägt die Züge des Demagogen. Aber er war doch ehrlich genug, um zu bremsen, als die Sklavenhalter mit der Douglasschen Squatter- souveränität die Sklaverei in Kansas gewaltsam durchsetzen wollten. Er protestierte gegen die AbscheuHchkeiten, welche, in Kansas verübt wurden. Deshalb verfemten ihn die Barone, und als die Demokraten des Nordens im Jahre 1860 einhellig nach Douglas als Präsidentschaftskandidaten verlangten, stellten die Sklaven- halter einen zweiten demokratischen Kandidaten (Breckinridge) auf. Ob das nur aus Haß gegen Douglas geschah oder als Teil des Sezessionsprogrammes, welches nur durch die Erwählung Lincolns ausgeführt werden konnte, mag dahingestellt bleiben. Übrigens ist Douglas auch als der eigentliche Entdecker von Lincoln anzusehen. Erst die Debatten, welche Douglas mit Lincoln im Jahre 1858 führte, machten Lincolns Namen im Norden bekannt. Douglas blieb

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der Union treu und hat ganz außerordentlich viel dazu beigetragen, um die Demokraten des Nordens im Frühling 1861 für den Unions- gedanken zu gewinnen. Das soll ihm nicht vergessen werden. Er starb schon zu Anfang des Bürgerkrieges.

Politische Parteien: Die Parteikämpfe jener Zeit können hier nur flüchtig gestreift werden. Sie spielten in der Skla- vereifrage auch erst nach 1854 ^ine bedeutende Rolle. Die demo- kratische Partei herrschte in der Bundesregierung fast aus- schließlich. Ihr Hauptprinzip war die Betonung der Sonderrechte der Einzelstaaten. Da die Sklavokratie ihre Ansprüche hauptsäch- lich auf diese Grundsätze stützte, so gewann sie in der demokra- tischen Partei nach und nach die Oberhand. Doch besaß diese Partei stets einen starken nördlichen Flügel, wesentlich infolge ihrer liberalen Anschauungen hinsichtlich des Stimmrechts der Eingewanderten. Die Opposition bildete durch lange Jahre die Whigpartei, deren Hauptgrundsätze der Schutzzoll und Wider- stand gegen die Staatsbanken waren. In der Sklavereifrage war ihre Gegnerschaft zumeist schwächlich, sie versagte völlig, als die Krisis hereinbrach. Ihre Hauptführer waren John Quincy Adams, der einzige Präsident mit sklavereifeindlichen Ansichten, welcher bis zum Bürgerkriege amtiert hat, ferner Daniel Webster und Henry Clay. Die Fremdenhasserpartei der »K n o w N o t h i n g (American Partei) gewann in den fünfziger Jahren beträchtlich Boden, ein Vorzeichen des bei den beiden alten Parteien eingetre- tenen Zersetzungsprozesses.

Im Jahre 1854 wurde die republikanische Partei ge- bildet. Alles M^esentliche bezüglich dieser Partei ist bereits im ersten Kapitel geschildert worden.

Die Partei der Abolitionisten entstand um 1832. Ihr Einwirken auf die politische Gestaltung ist ganz bedeutungslos ge- wesen. Sie war lediglich Agitationspartei, und ihr Programm bestand in rücksichtsloser Bekämpfung der Sklaverei und Gegnerschaft aller Kompromisse mit den Sklavenhaltern. Ob sie jemals mehr als hun- derttausend Mitglieder gezählt hat, ist fraglich. Aber sie umfaßte sehr viele Intelligenzen. Das Element der Fanatiker überwog. Es ist nicht zu leugnen, daß diese Schwärmer mit beige tragen haben zur Verhinderung eines friedlichen Ausgleiches (etwa durch Ablösung der Sklaven), anderseits kann ihnen der Ruhm nicht vorenthalten werden, daß sie das Gewissen des nördlichen Volkes darstellten.

Sezession. 45

Sezession.

Am i6. Oktober 1859 überfiel John Brown an der Spitze von achtzehn Bewaffneten zur Nachtzeit die virginische Stadt Harpers Ferry, bemächtigte sich des dort belegenen Bundesarsenals und kündigte an, daß er auf eigene Faust die Sklaven von Virginien be- freien wolle. Er entsandte Patrouillen, ließ eine Anzahl virginischer Plantagenbesitzer als Geiseln einbringen und wartete auf die Sklaven, welche, wie er meinte, ihm massenhaft zulaufen würden und die dann mit den Waffen des Arsenals ausgerüstet werden sollten. Aber die Sklaven kamen nicht. Eine Kompagnie Bundestruppen, welche, merkwürdig genug, unter dem Befehle von Major Robert E. Lee, dem späteren Feldherrn der Sezession, stand, stürmte das Arsenal, und dabei fiel über die Hälfte der Begleiter Browns, fast sämtlich Verwandte ihres Führers.

Das ganze Land geriet in fieberhafte Aufregung über diesen Putsch. Man sah darin nicht die sinnlose Tat eines einzelnen Fana- tikers, sondern überschätzte in grenzenloser Weise die Tragweite derselben. Eine unbeschreibliche Wut bemächtigte sich der Heiß- sporne des Südens, welche schon längst die Sezession vorbereitet hatten. Sie hielten Brown für den Vollstrecker des Willens und der geheimen Absichten des Nordvolks, obschon die klägHche Art der Vorbereitung und Ausführung des Überfalls das doch genügend widerlegte.

Aus vielen Wunden blutend wurde Brown^) vor einen virginischen Gerichtshof geschleppt. Den Versuch seiner Verteidiger, ihn als unzurechnungsfähig hinzustellen, wies er zurück. »Ich bin ganz klar und vernünftig,« sagte er. »Wenn mein Plan mißglückte, so war es, weil Gott einen besseren mit mir vorhatte.« Unter bestän- digem Anführen der Bibel hielt er eine furchtbare Anklagerede gegen

1) Es klebt ja viel Blut, auch wohl unschuldiges, an Browns Händen, aber daß er eine Heldennatur gewesen ist, wird auch jetzt von seinen einstigen Gegnern zugestanden. Er war eine der Gestalten, wie sie der Bauernkrieg und die Reformationskämpfe in Deutschland, die Hugenottenkriege und die engHsche und französische Revolution mehrfach hervorgebracht haben. Als er seine letzte Tat ausführte, muß er kaum zurechnungsfähig gewesen sein. Seine früheren Unternehmungen zeichneten sich durch sorgfältige Vor- bereitung und gründliche Erwägung der Gewinnchancen aus.

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die Sklavenhalter. »Ihr Leute im Süden müßt euch darauf gefaßt machen, daß die Abrechnung wegen der Sklaverei nahe bevorsteht. Mich könnt ihr ja aufhängen, aber Hunderttausende von Rächern werden aus meinen Gebeinen entstehen.« Der Mann verblüffte seine Richter und alle die ihn hörten oder von ihm lasen, durch seine Ruhe und Gelassenheit sowie durch die Schlagfertigkeit, mit welcher er der Anklage entgegentrat, und dann durch die Tapferkeit, mit welcher er in den Tod ging. Seinem Bruder schrieb er: »Ich bin viel mehr wert, wenn sie mich aufhängen, als für irgendeinen anderen Zweck«; seinen noch überlebenden Kindern (er hatte 19 Kinder gehabt) : »Verfolgt mit tödlichem Hasse diese größte aller Schurke- reien — die Sklaverei!«; an einen Freund: »Ich sterbe gern, weil eine große Sache dadurch gefördert wird. « Brown wurde von Rechts wegen am 2. Dezember 1859 gehängt.

Im Norden wirkte das Auftreten Browns vor seinen Richtern ebenso nachhaltig, wie die Tat selbst auf den Süden gewirkt hatte. Die Massen des Nordvolkes sahen in Brown einen Helden, den Vor- kämpfer einer gerechten Sache. Zwei der bedeutendsten Dichter Amerikas, Longfellow und Emerson, traten für ihn in die Schranken. Am Tage der Hinrichtung vertagte sich die Gesetzgebung von Mas- sachusetts, in vielleicht tausend Kirchen des Nordens wurde Trauer- gottesdienst gehalten, in vielen Volksversammlungen verherrlichten ernsthafte und patriotische Männer den Märtyrer Brown unter dem Jubel begeisterter Zuhörer. Man ging so weit, den Helden des Tages mit Sokrates, sogar mit Christus zu vergleichen. An dieser Volks- stimmung im Norden war nichts Gemachtes, sie brach überall von selbst los, und sie zog wie ein Wildfeuer von Massachusetts bis in die Einöden Minnesotas. Aber man konnte sich nicht für Brown begeistern, ohne sich mit seiner Tat zu identifizieren. In dieser Beziehung war jene Volksstimmung eine Herausforderung des Sü- dens, ein gefährliches Spielen mit dem Feuer, ein gedankenloses An- häufen von neuem Brennstoff. Doch wer gebietet echten Volks- stimmungen in ßinem demokratischen Lande, wer vermag zu bremsen, wenn sie zur Entladung drängen?

Brown wurde im Norden ein nationaler Held, und zwei Jahre später zogen die Unionstruppen mit dem Schlachtgesange ins Feld:

»John Browns Körper modert tief im kühlen Grab, doch sein Geist marschiert mit uns!«

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Lincolns Erwählung. Der Präsident wird nicht von den Urwählern erwählt, sondern die Urwähler stimmen für Elek- toren der Einzelstaaten, welche dann später den Präsidenten er- nennen^). Die Elektoren sind durch die Tradition verpflichtet, für den Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei zu stimmen. Nach diesem Wahlsystem kann es geschehen, daß ein Präsidentschafts- kandidat, welchen fast drei Fünftel aller Urwähler zurückgewiesen haben, doch Präsident wird.

Die Wahl fand am 6. November 1860 statt. Vier Kandidaten standen sich gegenüber : Lincoln, von der republikanischen Partei aufgestellt, Douglas vom nördlichen Flügel der demo- kratischen Partei, Breckinridge, Kandidat der südhchen Demokratie, und Bell, Vertreter der sog. konstitutionellen Partei, einer sehr gemischten Gesellschaft von Whigs, Knownothings und konservativen südlichen Demokraten. Die Wahl hatte folgendes Ergebnis :

Freie Staaten Sklavenstaaten A B A B

Lincoln (Rep.) 1 831 180 180 26 430^) o

Douglas (Dem.) i 280 049 3 162 525 9

Breckinridge (D.) 279 211 o 570 871 72

Bell (konst. Partei.) .... 130 151 o 519 973 39

A sind Urwähler, B Elektoralstimmen. Das Elektoralkollegium zählte 303 Stimmen, 152 waren zur Erwählung eines Kandidaten nötig. Lincoln erhielt 180 Stimmen und war damit erwählt, obschon drei Fünftel der amerikanischen Urwähler gegen ihn gestimmt hatten. Unter den vier Kandidaten vertraten Lincoln und Breckin- ridge den Standpunkt der republikanischen und denjenigen der Sklavenhalterpartei, Douglas und Bell sind als Repräsentanten von zwei mittelparteilichen Gruppen anzusehen. Douglas erhielt I 422 574, Bell 640 124, beide zusammen 2 082 698 Stimmen. Da-

^) Jeder Einzelstaat bildet für die Elektoren wähl eine Einheit. Wenn z. B. der Staat X für Lincoln 100 000 Urwählerstimmen und für Douglas 99 999 abgegeben hatte, so waren die Lincoln-Elektoren des Staates X erwählt. Dieses Wahlsystem erklärt auch, daß Douglas mit i 280 049 nördlichen Ur- wählerstimmen nur drei nördhche Elektorenstimmen erhielt, im Süden aber mit nur 162 525 Urwählern neun Elektoren eroberte.

^) Diese Lincolnstimmen aus den Sklavenstaaten kamen fast sämtlich von den Deutschen in Missouri.

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nach könnte man schließen, daß eine Mehrheit der Bürger beide radikale Kandidaten zurückgewiesen hat. Lincoln erhielt i 857 6io Stimmen, Breckinridge rund eine MilHon^). Für die drei Gegenkan- didaten Lincolns wurden mit Einschluß von Südcarolina 3 082 698 Stimmen abgegeben, somit war Lincoln mit mehr als einer Million Stimmen in der Minorität^). Sehr wichtig ist das starke Votum, welches Breckinridge im Norden erhielt, fast 280 000 Stimmen. Es beweist das, wie weit der Arm der Sezession nach dem Norden hinaufragte.

Die Sklavenhalter, welche ja nur nach einem Vorwande zur Sezession gesucht hatten, benutzten diesen Ausgang der Wahl, um hetzerisch auf ihre noch längst nicht zur Sezession bereiten Lands- leute zu wirken. »Das amerikanische Volk will nichts von Lincoln wissen, die Anti-Lincoln- Stimmen im Norden beweisen, daß fast die Hälfte des Nordens für unsere Sache ist. Dieser Minoritäts- präsident, der uns unseres Eigentums berauben will, mag Präsident des Nordens werden. Wir aber ziehen ab.« Das waren die Skla- venhalterargumente gegen den Minoritätspräsidenten Lincoln. Sie waren ja grundfalsch, denn die Douglas- Stimmgeber im Norden hatten durchaus nicht gesagt, daß sie in die Zersplitterung des Lan- des einwilligen wollten, und Lincoln wollte die Sklaverei weiter bestehen lassen. Das Spielen mit dem Begriffe Minoritätspräsident hat aber ohne Zweifel viele noch unionstreue Südländer in das Lager der Sezessionisten getrieben.

^) In Südcarolina wählte die Legislatur die Präsidentschaftselektoren, das Volksvotum kam also nicht zum Ausdruck. Es ist aber Breckinridge zuzuzählen.

^) Lincoln hat Schurz gegenüber mehrfach zugestanden, daß er seine Erwählung wesenthch den Deutschen des Nordwestens verdanke. Dort hatten die Deutschen bisher meistens demokratisch gestimmt. Wesenthch durch den Einfluß der sklavereihassenden Achtundvierziger-Flüchthnge hatte sich schon 1856 ein ganz auffallender Übergang der Deutschen zur republikanischen Partei vollzogen. Man schätzt die Zahl der deutschen Lincoln- Stimmen im Westen auf über 300 000. Doch waren auch viele in Amerika geborene Söhne deutscher Einwanderer daran beteiligt. Selbst die Zersplitterung der demo- kratischen Partei hätte die Erwählung Lincolns nicht bewirkt, wenn der deutsche Umschwung im Westen nicht so ganz außerordenthch stark gewesen wäre. Der Parteitag, welcher Lincoln aufgestellt hatte, zählte zwanzig deutsche Delegierte, und unter den Lincoln-Elektoren befanden sich zwölf geborene Deutsche. Es kommt sonst nur ausnahmsweise vor, daß Deutsche zu der- artigen Ehrenämtern erkoren werden.

Sezession. 49

Südcarolina beginnt. Dieser Staat, dessen Bürger schon im Jahre 1832 einmal rebelliert hatten, war das Herz der ganzen Sezessionsbewegung. Dort hatte die Sklaverei am frühzei- tigsten Boden gefaßt und am stärksten die Gesamtheit der weißen Bewohner beeinflußt. Über zwei Drittel der Bevölkerung des Staates bestand aus Sklaven. Sofort nach Lincolns Erwählung begann dort die Sezession, und am 20. Dezember 1860 schrieb der Staat der Union den Scheidebrief. In Südcarolina wurden die törichtesten Gerüchte über Lincoln verbreitet. Es hieß, der neue Präsident werde sofort die Sklaven befreien und ihnen das Stimmrecht geben. Von dem Vizepräsidenten Hamlin wurde gesagt, daß derselbe ein Mulatte sei^)!

Die südliche Konföderation. In den übrigen sechs Baumwollenstaaten war jedoch eine beträchtliche Gegner- schaft zu überwinden. Gouverneur Houston von Texas trat für die Union ein, und in Georgia wehrte sich der bedeutende Alexander H. Stephens tapfer gegen die Sezession seines Staates, aber es nützte nichts mehr. Mitte Januar 1861 war die Gruppe der eigentlichen Baumwollenstaaten: Südcarolina, Georgia, Alabama, Mississippi, Louisiana, Texas und Florida aus der Union ausgetreten und hatte am 9. Februar die südliche Konföderation mit dem Präsidenten Jefferson Davis an der Spitze gebildet. Die Entscheidung über die Sezession wurde in den Südstaaten besonders gewählten Körper-

1) In Südcarolina rebellierte tatsächlich das ganze weiße Volk. Es herrschte darüber Einstimmigkeit; es tat den Leuten nicht einmal leid, aus dem alten Bunde auszutreten. Der Deutsche Memminger sagte zwar: »Sezession ist eine Notwendigkeit, wenn auch nicht unser Wunsch«, aber nur wenige bestätigten den Nachsatz. Über ihr Recht, »selbständig zu werden«, hatten die Leute nicht den mindesten Zweifel. Sie betrachteten die Union als eine Art geschäftlicher Partnerschaft. Der eine Gesellschafter ist der Verbindung überdrüssig geworden, so zieht er sich jetzt zurück. Dieser An- schauung entspricht auch die Disposition, welche der SüdcaroHnier »Ge- sellschafter« bezüglich des im Staate belegenen Bundeseigentums traf: Der Grund und Boden gehört Südcarolina, die darauf befindlichen Bundes- gebäude (Forts, Postämter, Zollhäuser usw.) den Vereinigten Staaten. Diese Bauten sollen abgeschätzt werden, wir wollen dafür bezahlen und sie über- nehmen, und so sind wir quitt. « Es muß betont werden, daß das die ehr- Hche Überzeugung jener Bürger war, eine Folge ihrer Auffassung der Lehre von den Staatenrechten.

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 4

50 W. Kaufmann.

Schäften, welche man Konventionen nannte, überlassen. Das Volk hat nur in Tennessee, in Texas und in Virginia über die Sezession abgestimmt^).

Die vier Zögernden. Man muß unter den 15 Sklaven- staaten drei Gruppen unterscheiden, zunächst die obige Gruppe I der sieben Baumwollenstaaten, welche sofort rebellierte, ferner Gruppe II Virginia, Nordcarolina, Tennessee und Arkansas, welche viel später sich anschloß, und die d r i 1 1 e Gruppe, die Grenzstaaten Missouri, Kentucky, Maryland und Delaware, welche nicht seze- dierte. Virginien trat erst am 17. April 1861 vom Bunde zurück, Arkansas am 6. Mai, Nordcarolina am 20. Mai, Tennessee am 8. Juni 1861. Das Zögern der zweiten Gruppe ist von außerordenthchem Einfluß gewesen auf den Gang der vom Norden angebotenen Ver- söhnungsversuche. Es war ersichtlich, daß eine nur aus Gruppe I bestehende Sezession nicht viel bedeutete. Erst durch den Beitritt der zweiten Gruppe konnte die Bewegung bedrohlich werden. Zwar hatten die Staaten der zweiten Gruppe Konventionen zur Erwägung der Sezession ernannt, aber in Virginien besaß diese Körperschaft eine unionsfreundliche Mehrheit. Im Norden wurde das überschätzt. Man glaubte dort, daß Virginien treu bleiben werde, und von einer Sezession ohne Virginien fürchtete man wenig. Dieser Staat war der volkreichste des Südens, er war der Heimatstaat Washingtons, die Wiege der amerikanischen Freiheit gewesen. Auf die glänzende Geschichte Virginiens war auch der ganze Norden stolz. Man be- dachte nicht, daß Virginien inzwischen ein Negerzüchterstaat ge- worden war, daß Tausende von innigen Familienbeziehungen die Virginier mit dem Baumwollenlande verknüpften, daß John Browns Sklavenbefreiungsversuch sich gegen die v i r g i n i s c h e Stadt Harpers Ferry gerichtet hatte, ferner daß die staatenbundliche Auslegung der Verfassung dort sehr eingebürgert war, und daß

1) Ergebnis in Tennessee: 104 913 Stimmen für Anschluß an die Kon- föderation, 47 238 dagegen. Die negativen Stimmen kamen meistens (32 923) aus Osttennessee, dessen Bevölkerung vorwiegend aus einer verarmten und sehr heruntergekommenen Bevölkerung bestand. Virginien stimmte ohne die 40 Counties des jetzigen Westvirginiens. Diese vi^aren zumeist unions- treu. Die Abstimmung im alten Virginien war jedoch so spät angesetzt, daß sie bedeutungslos wurde. Das Votum war für Sezession 129 950, dagegen 20 373 Stimmen.

Sezession. 51

die Emissäre der sezedierten Staaten alles daransetzen mußten, um Virginien zu gewinnen. Denn dieser Staat war zugleich maßgebend für die Entschlüsse von Nordcarolina, Tennessee und Arkansas. Die unionsfreundliche Mehrheit der virginischen Konvention schmolz aber immer mehr zusammen, und nachdem die Kanonen von Fort Sumter gedonnert hatten (13. April), beschloß die virginische Kon- vention mit 88 gegen 55 Stimmen den Anschluß des mächtigen Staates an die Konföderation. Den Ausschlag hat sicherlich der Kampf um Fort Sumter gegeben. Die Verteidigung dieses Bundes forts seitens der Bundes truppen wurde als ein von der Bundesregie- rung gegen den »Souverän« Südcarolina ausgeübter Zwang ange- sehen, und die schon bedenklich erschütterte Unionstreue der Ver- treter Virginiens brach zusammen vor jenem »Attentat« auf die geheiligte Staatenrechtslehre.

Das Scheitern der Ausgleichsversuche. Der Norden wollte großmütig sein gegenüber den irrenden Schwestern, wollte eine Brücke bauen, über welche die Rebellen in den Schoß der Union zurückkehren konnten. Und er konnte auch großmütig sein. Denn richtig betrachtet war er trotz seiner vielen politischen Niederlagen doch als Sieger aus dem langen Kampfe um die Aus- dehnung der Sklaverei hervorgegangen. Er zählte jetzt 18 Staaten, und mit Kansas wurden es 19, mit Westvirginien sogar 20. Aber waren es denn wirklich noch 15 Sklavenstaaten? Wie lange wohl konnten die vier Grenzstaaten weiter als Sklavereigebiet gelten? Das Klima verwies dieselben nach dem Norden. Was an Sklaverei dort bestand, war wenig mehr als Haussklaverei. Die Grenzstaaten waren den Einflüssen des Nordens beständig ausgesetzt, sie waren auch die einzigen Südstaaten, welche europäische Einwanderer er- hielten. Schon in naher Zukunft konnten diese vier Staaten von der im Norden herrschenden Kulturströmung erobert werden. So war das eigentliche Verhältnis: 20 freie Staaten, 11 Sklavenstaaten und 4 Grenzstaaten, welche immer mehr nach Norden gravitierten. Sodann aber besaß der Norden ein Hinterland, in welchem die nächste Generation noch zehn neue Freistaaten begründen konnte (was auch geschehen ist), während dem Sklavengebiete, trotz aller gün- stigen Gesetze, nur das noch völlig unzugängliche Indianerterrito- rium und die Sandwüsten von Arizona und Neu-Mexiko behufs weiterer Ausbreitung zur Verfügung standen. Alle die großen poli- tischen Siege des Südens über den Norden waren schHeßlich nur

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Flitterkram, Wechsel ohne solide Deckung gewesen. Die Kultur- en twicklung, welche der Norden unter den Wirkungen der Ein- wanderung erfuhr, hatte jene südlichen Siege in Niederlagen verwandelt.

Unter den verschiedenen Versöhnungsversuchen, welche dem Kongresse unterbreitet wurden, erwies sich derjenige des Senators Crittenden (aus dem Grenzstaate Kentucky) als der aussichtsreichste. Crittenden beantragte einen Verfassungszusatz, der alles Land süd- lich der Nordgrenze Missouris der Sklaverei überantwortete, alles nördlich davon belegene Land dem Freiboden. Aber Crittenden wollte dem Kongreß auch verbieten, sich ferner mit der Sklaverei- frage zu befassen, und er mutete den Territorialregierungen zu, das Sklaveneigentum zu beschützen. Letzteres war im Grunde bedeu- tungslos, denn das KHma beschützte die nördlichen Territorien weit besser vor der Sklaverei, als alle Gesetze es vermochten. Aber die nördlichen Radikalen nahmen doch Anstoß an dieser Bestimmung, und sie redeten im Kongresse so lange darüber, daß es zu spät wurde, um mit dem Crittendenschen Antrage noch rechtzeitig durchzu- dringen. Crittenden erfand dann folgenden Ausweg: Dem Gesamt- volke der Vereinigten Staaten solle sein Antrag sofort als Ple- biszit zur Entscheidung vorgelegt werden. Bei der friedlichen und versöhnlichen Stimmung des Nordvolkes konnte ein solcher Vor- schlag sicherlich auf Annahme rechnen. Gesetzeskraft freilich hätte die Annahme durch das Volk nicht gehabt, der umständliche Prozeß der Verfassungsänderung hätte doch folgen müssen. Aber ein sol- ches Plebiszit wäre von ungeheurer Wirkung auf die Unionstreue der noch zögernden zweiten Südstaatengruppe gewesen, und namentlich konnte man hoffen, daß nach diesem Volksspruch Vir- ginien im Bunde verbleiben würde. Die Verfassung kennt jedoch ein Plebiszit nicht. Darauf versteiften sich viele Kongreßmitglieder, und mit geringer Mehrheit (Senat 20 gegen 19, Haus 113 gegen 80 Stimmen) wurde die Vornahme einer Volksabstimmung abgelehnt. Später einigte sich der Kongreß zwar noch auf einen Verfassungs- zusatz, welchem der Crittendensche Antrag zugrunde lag. Aber dieses letzte Entgegenkommen war durch die Entwicklung der Dinge in Virginien bereits überholt und konnte den Eintritt dieses Staates in die Konföderation nicht mehr verhindern. Die Versöhnungsver- suche des Nordens scheiterten wesentlich an dem Mangel an Zeit, um diese Versuche durch legislative Maßregeln in Taten umzusetzen.

Sezession. 53

Am guten Willen dazu hat es wahrlich nicht gefehlt. Hätte das Volk die Möglichkeit gehabt, einen Ausgleich anzubahnen, so wäre es sicherlich geschehen.

Buchanan. Lincoln mußte während der kritischsten Tage der Union ganz beiseitestehen, denn der »überhaltende« Präsident Buchanan steuerte das sturmbewegte Staatsschiff bis zum 4. März 1861. Buchanan stammte aus dem Norden, aber er war stets ein Werkzeug der Sklavenhalter gewesen. Er war ein saft- und kraft- loser Mummelgreis, der täglich betete: »Nur keine Wirren, solange ich im Amte bin.« Ein Verräter war er nicht, denn auch für eine solche Rolle sind Mut und Entschlossenheit unentbehrlich. Seine erste Pflicht wäre gewesen, dem Süden den Glauben zu nehmen, daß sich die Sezession friedlich vollziehen könne. Dazu brauchte er nicht das Bundesheer mobil zu machen, wie es der demokratische Präsident Jackson im Jahre 1832 getan hatte, als Südcarolina nullifizierte, sondern es hätte genügt, wenn Präsident Buchanan in energischer Weise die Küstenforts im Hafen von Charleston in Ver- teidigungszustand gesetzt und gleichzeitig auf das Vorgehen seines Vorgängers Jackson hingewiesen hätte. Statt dessen sagte Herr Buchanan in seiner Jahresbotschaft von Dezember 1860: »An der Unzufriedenheit des Südens ist die Agitation der Sklavereifrage im Norden schuld.« Nach langem Zögern ließ er sich endlich dazu drängen, ein wehrloses Lastschiff mit Proviant, Munition und 200 Soldaten nach Charleston abzuschicken. Als sich dieses am 9. Januar 1861 den bedrohten Forts näherte, erhielt es Feuer von den süd- carolinischen Strandbatterien und mußte deshalb umkehren. Bu- chanan aber ignorierte diesen feindseligen Akt, übersah auch, daß Südcarolina zwei von den drei Unionsforts besetzte, und überließ das dritte Fort (Sumter) seinem Schicksale. Und dieser Präsident hatte geschworen, die Flagge der Union hochzuhalten und das Eigentum des Bundes gegen Angriffe zu verteidigen! Hätte ein Jackson nur auf 24 Stunden den Platz dieses Waschlappens einnehmen können, so wäre den Baumwollenbaronen die Meinung, sie könnten sich ohne einen Waffengang von der Union lossagen, gründlich ausgetrieben worden. Buchanan ist einer der stärk- sten Förderer der Sezession gewesen, allerdings wohl ohne das zu wollen.

Zwang. Die Frage, ob die Union das Recht besitze, austritts- lustige Staaten zum Verbleiben im Bunde zu zwingen, war eine viel-

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umstrittene, obschon das Argument Websters vom Jahre 1824 1), niemals befriedigend widerlegt worden ist. Eine Mehrheit des ameri- kanischen Volkes mag damals der Meinung gewesen sein, daß ein solcher Zwang nicht angewendet werden dürfe. Hingegen konnten sich nur einige völlig verblendete Heißsporne des Südens einbilden, daß die Union ruhig beiseitestehen müsse, wenn sie selbst ange- griffen würde. Wie sich die Dinge zugespitzt hatten, bedeutete aber auch die Verteidigung gegen einen Angriff ebenfalls Krieg. Der Norden durfte nicht angreifen, denn niemand konnte damals beur- teilen, wie die nördliche Demokratie, welche mit den südlich denken- den Nordländern fast die Hälfte des Nord Volkes bildete, in einem solchen Falle sich verhalten würde. Der Süden aber brauchte Zwangs- maßregeln seitens des Nordens, um sein Volk in die richtige Kriegs- stimmung zu versetzen. Aus dieser merkwürdigen Lage erklärt sich das Herumdrücken beider Parteien um Kriegsmaßregeln, nachdem tatsächlich der Kriegszustand schon bestand. Es erklärt sich hier- aus namentlich das Zaudern Lincolns vom 4. März bis Mitte April welches ihm so vielseitige Vorwürfe eingebracht hat.

Leider hat es im Norden nicht an Entgleisungen von dieser Poli- tik des Abwartens gefehlt. Die schlimmste war diejenige der New York Tribüne, des führenden Organs der republikanischen Partei. Dieses Blatt schrieb am 9. November 1860, drei Tage nach Lincolns Erwählung: »Wenn die Baumwollenstaaten sich für Austritt aus der Union entscheiden sollten, so fordern wir (we insist), man möge sie in Frieden gehen lassen. Das Recht zu sezedieren mag ein revo- lutionäres Recht sein, aber es besteht trotzdem. Wenn ein beträcht- Hcher Teil unserer Union sich entschlossen für den Austritt aus der- selben erklärt, so werden wir uns allen Versuchen, jene Staaten zum Verbleiben in der Union zu zwingen, widersetzen.«

1) Webster sagte damals: »Sezession als ein revolutionäres Recht hat Sinn. Als ein Recht, welches im Getümmel bürgerlichen Aufstandes pro- klamiert, an der Spitze von Armeen gehandhabt wird, kann ich es verstehen. Aber als ein politisches Recht, welches die Verfassung anerkenne, erscheint es mir als eine Absurdität, denn es setzt voraus Widerstand gegen die Re- gierung unter der Autorität der Regierung selbst, setzt die Auflösung der Regierung voraus, ohne die Prinzipien derselben verletzen zu wollen; setzt Verletzung der Gesetze voraus, ohne dies zum Verbrechen zu machen, Eid- bruch ohne Verantworthchkeit, völHgen Umsturz der Regierung, ohne daß dies Revolution sei.«

Sezession. 55

Das konnte der Süden doch nur als Aufforderung zur Sezes- sion auf friedlichem Wege auslegen. Da andere republikanische Blätter sich ähnlich äußerten und sehr einflußreiche Nordländer ebenfalls diese Anschauung sich zu eigen machten i), so kann man es den Südländern wahrlich nicht verdenken, wenn sie aus solchen Zugeständnissen führender republikanischer Kreise sich die Meinung bildeten: »Wir können ruhig rebellieren, die Verfassung verbietet es uns nicht, und die Nördlichen sagen ja selbst, daß sie uns nicht zwingen können, in der Union zu verbleiben. Also Krieg wird es nicht geben. Erstens wollen die »Teiggesichter« nicht kämpfen und zweitens gibt ihnen die Verfassung keine Erlaubnis dazu.«

Fort SumterundderKrieg. Am 4. März wurde Lin- coln in das Präsidentenamt eingeführt. Damit beginnt ein Zustand, der wohl einzig dasteht in der Kriegsgeschichte. Beide Parteien er- kannten, daß sie dem Kriege entgegentrieben, obschon sie ihn nicht wollten. Jeder Teil war emsig darauf bedacht, dem Gegner das Odium des ersten Angriffes zuzuschieben, dabei aber hatte keiner der beiden Teile ein schlagfertiges Heer, und jeder war durch Rücksichten auf die innere Lage im Vorgehen gehemmt ^) . Lincoln durfte nicht einmal rüsten für den Krieg. Und zu seiner augenbhckhchen Verfügung standen nur die weit zerstreuten Reste des alten Bundesheeres, wel- ches durch den Übertritt der meisten Offiziere zum Feinde völlig zerrüttet war. Dieser Zustand, der nicht Friede, aber auch noch nicht Krieg war, hätte sich wohl noch Monate lang hinschleppen können, und unmöglich war eine Aussöhnung doch nicht, so lange kein Blut geflossen war und so lange die Entscheidung der zweiten südstaatlichen Gruppe noch ausstand.

1) Unter anderen auch Henry Ward Beecher, der glänzendste Kanzel- redner des Landes und der Bruder der Verfasserin von »Onkel Toms Hütte«.

2) Auch die neue Konföderation war derartig gehemmt. Zu jener Zeit gebot sie nur über ein kampfbereites Heer von höchstens 12 000 Südcarolinier Freiwilligen. Diese aber waren in ihrem Staate festgelegt, durften nicht nach Norden vorrücken, denn sonst hätten sie n o r d carolinisches Gebiet betreten müssen. NordcaroHna hatte sich der Konföderation noch nicht angeschlossen. Das geheiligte Staatenrechtsprinzip durfte man aber nicht verletzen. Da- durch konnte man die zweite Südstaatengruppe, besonders aber auch den Grenzstaat Maryland zurückstoßen, auf dessen Anschluß Jefferson Davis zu jener Zeit noch sehr stark rechnete.

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Ein unglücklicher Zufall Zufall Brown, Zufall Buchanan waren vorangegangen brachte die Entscheidung. Die akute Gefahr eines Zusammenstoßes lag gerade dort, wo der Süden gerüstet stand, vor dem Lager der südcarolinischen Feuerfresser und Erzrebellen. Fort Sumter sollte den Hafen der Hauptstadt Charleston von Süd- carolina schützen gegen einen auswärtigen Feind. Die Union hielt dieses Fort besetzt^). Major Anderson und 60 Artilleristen standen dort. Die Vorräte schwanden dahin. Sollte man Anderson durch den Hunger zwingen lassen, das Fort preiszugeben? Zuerst faßten Lin- coln und dessen Ministerium einen darauf zielenden Beschluß. Aber dadurch wurde im Norden ein Entrüstungssturm entfesselt. »Das ist würdelos,« hieß es, »das ist eine Demütigung vor den Rebellen.« Lincoln gab nach und schickte das Lastschiff »Baltic« unter dem Schutze von drei Kriegsschiffen nach Fort Sumter ab, um der Gar- nison Proviant zuzuführen. Seestürme zerteilten das Geschwader, und nur die »Baltic« traf am Morgen des 12. April vor dem Hafenein- gange von Charleston ein. Die Befehlshaber der Südcarolinier Trup- pen entschieden, daß die »Baltic« nicht an das bedrängte Fort heran- gelassen werden dürfe. Anderson wurde durch vier Unterhändler der Rebellen zur Übergabe des Forts aufgefordert (am Frühmorgen des 13. April). Anderson erwiderte, er wolle am 15. April kapitulieren, bis dahin reichten seine Nahrungsmittel noch aus. Die Unterhändler bewilligten aber nur eine Stunde Aufschub. Als nach Ablauf der- selben die Unionsflagge noch über dem Fort flatterte, wurde das Bombardement durch die südcarolinischen Standbatterien eröffnet, und damit begann der Bürgerkrieg um %5 Uhr am Morgen

1) Die drei Forts im Charlestoner Hafen : Sumter, Moultrie und Pinckney dienten der Küstenverteidigung. Ursprünglich war nur Moultrie besetzt ge- wesen. Da dasselbe aber vom Strande aus sogar durch Gewehrfeuer bestrichen werden konnte, so übersiedelte der Kommandant Major Anderson mit seinen wenigen Artilleristen nach dem besser gelegenen Fort Sumter, Buchanan schäumte vor Wut, als er von diesem Zuge Andersons erfuhr. Aber er fand doch nicht den Mut, den Befehl zur Rückkehr nach Moultrie erteilen zu lassen. Moultrie und Pinckney wurden dann von den Rebellen besetzt. Die Tat- sache, daß Anderson nur genug Mannschaften für eines der drei Forts hatte, war auf die verräterischen Maßregeln des damaligen Kriegsministers Floyd zurückzuführen. Es fehlte der Besatzung an Munition und namentlich auch an Nahrungsmitteln,

Sezession. 57

des 13. ApriU). Die Beschießung dauerte 34 Stunden. Sumter wurde in Brand geschossen, aber es wurde niemand von der Besatzung _ getötet. Auch die Unionskanonen, welche kräftig antworteten, haben dem Feinde keinen Schaden getan. Von den 7000 SüdcaroHniern, welche an dem Angriffe beteiligt waren, ist kein einziger gefallen. Die altmodischen Kanonen Andersons trugen wohl nicht weit genug. Anderson kapitulierte am Nachmittage des 14. April, als seine Leute völHg erschöpft und als nur noch drei Patronen vorhanden waren. Seine Flagge wurde von den Rebellen mit fünfzig Kanonenschüssen salutiert.

Das Ergebnis von Fort Sumter war auf südlicher Seite der Bei- tritt von Virginien zur Konföderation 2) und der später folgende Anschluß der drei übrigen Mittelstaaten der zweiten Gruppe. Der Siegestaumel wegen Fort Sumter überwältigte die Zögernden und Schwankenden in jenen Staaten. Aber noch mächtiger wirkte jener Tag auf den Norden. Die nördlichen Demokraten traten massen- haft für die Verteidigung der Union ein. Alle Befürchtungen, welche man bezüglich ihrer Stimmung gehegt hatte, erwiesen sich als grund- los. Die Freunde, welche die Sezession noch im Norden haben mochte, verkrochen sich (leider wurden sie später desto frecher), und als Lincoln endlich seinen ersten Kriegsauf ruf erlassen konnte, meldeten sich weit mehr Freiwillige, als man vorläufig einstellen konnte. Es war, als ob durch die Kanonen von Sumter ein Alpdruck verscheucht worden wäre, der auf dem Nordvolke gelastet hatte. Nachdem der Krieg unvermeidlich geworden war, erhob sich das Gesamtvolk des Nordens in bewunderungswürdiger Weise zur Ver- teidigung der Unteilbarkeit der Union.

^) Die Parlamentäre handelten auf eigene Faust. Sie haben die Ant- wort Andersons, wonach derselbe am 15. April kapitulieren wollte, . nicht an Jefferson Davis weitergegeben. Es ist anzunehmen, daß Davis das Schießen verboten haben würde, wenn ihm Andersons Erwiderung rechtzeitig bekannt geworden wäre. Denn Davis schätzte den ungeheuren Vorteil, welchen die Unionspartei durch diesen Angriff des Südens erhielt, durchaus richtig ein.

2) Der nordwesthche Teil Virginiens (40 Counties) bUeb jedoch unions- treu. Er wurde später von Virginien abgetrennt und als selbständiger neuer Staat Westvirginien der nördlichen Staatengruppe zugeführt.

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Die Folgen des Krieges.

Die Konföderation hätte, selbst wenn ihre Anerkennung er- zwungen worden wäre, nicht auf dauernden Bestand rechnen können. Nimmermehr hätte der Stolz des Nordens eine solche erste Nieder- lage dauernd ertragen. Zwischen der alten Union und einer neuen Konföderation konnte es keinen längeren Frieden geben, schon weil der Norden die Mississippimündung dem Gegner nicht überlassen durfte. Ein baldiger zweiter Krieg, welchen gut vorzubereiten die stets wachsenden Machtmittel des Nordens sowie die Lehren des ersten Krieges gestattet hätten, wäre die unausbleibliche Folge gewesen, und der südliche Zwerg wäre vielleicht schon zermalmt worden, ehe er sich von den Verlusten eines ersten Sieges recht erholen konnte. Als Anhängsel an die mächtig fortschreitende große Union war ein versklavter Süden möglich und auch noch eine Zeit- lang zu ertragen als selbständiger Staat aber konnte ein solches Gebilde nicht von Dauer sein.

Will man einen überzeugenden Beweis dafür, daß alles Selbst- täuschung und Torheit war, was die Sklavenbarone zugunsten der Aufrechterhaltung ihres ehemaligen Wirtschaftsbetriebes ausgeklü- gelt hatten, so findet man diesen Beweis in der gegenwärtigen stau- nenswerten Entwicklung des Südens. Es wird jetzt mit freier Arbeit das vierfache Quantum Baumwolle geerntet als zur Sklavenzeit ^). Ehemals verachtete der weiße Südländer, Baron wie Bettelmann, die Arbeit. Die Not nach dem Kriege zwang dann die Arbeitsscheuen zur Tätigkeit, und heute wetteifern darin die Enkel der ehemaligen Sklavenhalter mit den echten Yankees. In dieser Wirkung könnte man das einzige Gute suchen, das durch diesen entsetzlichen Krieg geschaffen worden ist. Aber es wäre leicht zu beweisen, daß eine friedliche Entwicklung dieselbe Wirkung gebracht hätte und wahr- scheinlich noch früher, denn der Weg zur Gesundung, zur Besei- tigung des nur unter den Wirkungen der Sklaverei möglich ge- wordenen alten Wirtschaftsbetriebes und zum Einlenken in neue Bahnen hätte dann nicht über den vollständigen Ruin des Südens geführt.

Der Krieg hat die Rassenfrage in den Vereinigten Staaten nicht nur nicht gelöst, sondern einen Ausgleich auf diesem Gebiete

^) Siehe Anhang, Artikel 5.

Die Folgen des Krieges. 59

sogar bedeutend erschwert. Aus der voreiligen Verleihung des Stimmrechts an die Neger sind Schwierigkeiten erwachsen, welche auf die poHtische Entwicklung des ganzen Landes störend einwirken. Das Stimmrecht dürfen jetzt eigen thch nur die im Norden wohnenden Neger frei ausüben; im Baumwollenlande, dem Sitze der großen Massen der Schwarzen, haben es die Staatsgesetzgebungen verstan- den, die Bestimmungen der jetzigen Bundesverfassung schlankweg zu umgehen, und der Neger ist dort fast ebenso politisch entrechtet als zur Zeit der Sklaverei. Als Grund für diese Maßregel gilt, daß, wenn die Neger stimmen könnten, sie in den Staaten, in welchen sie die Mehrheit besitzen, die Weißen beherrschen würden. Diese Behauptung ist nicht ganz ohne Berechtigung, und in dieser Ein- sicht hat sich auch die öff enthebe Meinung im Norden mit den jetzigen Zuständen im Süden abgefunden. Sehr wenige weiße Bürger fordern heute noch, daß den Negern im Süden ihr politisches Recht werden müsse. Die Anschauungen des Nordens und des Südens in bezug auf die Negerfrage haben sich einander beträchtlich genähert, und es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß eine starke Mehrheit des heutigen amerikanischen Volkes in den Verfassungszusätzen, welche die Schwarzen zu Vollbürgern erhoben haben, einen Fehler, zum mindesten eine Voreiligkeit erblickt. Diese Stimmung ist vor- herrschend, trotzdem erwiesen worden ist, daß namentlich in der nördlichen Zone des Südens der Neger bildungsfähig ist und recht erfreuliche Fortschritte seit der Emanzipation gemacht hat.

Auch daß die Sezessionsgefahr nur durch den Krieg beseitigt werden konnte, läßt sieht nicht behaupten. Die Ablösung der Sklaven durch Geldentschädigung ihrer Besitzer hätte sicherlich wenigstens dieselben Zustände im Süden geschaffen, welche wir heute dort haben. Und dann, wie wohltuend würde der Goldregen auf die Entwicklungsmöglichkeiten des Südens gewirkt haben, um wieviel rascher wären die Südlichen von dem Fluche der Ein- seitigkeit ihrer Wirtschaft losgekommen, und um wieviel früher hätten sie sich der Ausbeutung der vielen Schätze zuwenden können, mit welchen die Natur das Land so überreich aus- gestattet hat. Eine blühende Industrie hat sich heute im Süden entwickelt, der ehemalige Baum wollenst aat Alabama wandelt jetzt auf den Pfaden Pennsylvaniens, und ähnliche Erscheinungen machen sich geltend namentlich in Nordcarolina, in Virginien und in Tennessee. Und das alles, nachdem der Süden durch den Krieg in

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wirtschaftlicher Beziehung so gut wie ruiniert worden war und nach dem Friedensschlüsse noch die Schrecken der sog. Rekon- struktionsperiode zu ertragen gehabt hat. Mit der Ablösung der Sklaverei mußte die Sezessionsgefahr von selbst verschwinden.

Der Krieg hat ebensowenig ein positives Gut gebracht, wie die Sklaverei. Diese Erkenntnis scheint jetzt im amerikanischen Volke allgemein vorherrschend zu sein, woraus sich auch wohl die Inter- esselosigkeit an dem wichtigsten Ereignisse der doch noch so jungen Geschichte Nordamerikas erklärt. Es ist fast, als be- handle man den Bürgerkrieg wie eine Familientragödie, über welche nach stillschweigendem Übereinkommen nicht mehr ge- sprochen werden soll.

Lincoln.

Abraham Lincoln, geboren 1809 im Sklavenstaate Kentucky, hat seine freudenlose Jugend bezeichnet mit der Strophe aus Grays Elegie : »The short and simple annals of the poor. « Der Vater war ein unsteter und wenig arbeitsamer Kleinfarmer, der erst von seiner Frau notdürftig schreiben lernte. Die früh verstorbene Mutter soll ungewöhnliche Gaben besessen haben, wenigstens behauptete Lincoln, daß seine Geisteskraft ein mütterliches Erbteil sei. Eine liebevolle Stiefmutter nahm sich des Knaben an. Der Schule ver- dankt Lincoln nur Lesen und Schreiben. Die Not im Eltern- hause zwang den starken Burschen schon früh hinter den Pflug und zum Bäumefällen in den Wald. In den wenigen Feierstunden verschlang der Wißbegierige alles Gedruckte, dessen er habhaft werden konnte: die Bibel, Äsops Fabeln, ein mathematisches Lehr- buch, einzelne Reden der Revolutionshelden. Der Siebzehnjährige verdingte sich als Bootsknecht auf dem Mississippi und kam so mehr- mals bis nach New Orleans. Auf diesen Fahrten hat sich sein Ab- scheu gegen die Sklaverei entwickelt. Lincoln gelangte schon als halber Knabe zu beträchtlichem Ansehen in seiner Heimat, zunächst durch die Kraft seiner Fäuste, dann durch die merkwürdige Gabe, Schnurren und Anekdoten erzählen zu können. Er verstand es, eine gaffende Volksmenge zu fesseln und derselben durch seinen Mutterwitz Beifall abzugewinnen. So bildete sich seine rednerische Begabung schon in früher Jugend aus, und das führte ihn naturgemäß

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zur Politik und zum Advokatenberufe. Seine parlamentarische Wirksamkeit beschränkte sich auf drei Termine in der Gesetz- gebung von Illinois und auf zweijähriges Wirken im Kongreß zu Washington. Er diente im sog. Black Hawk-Kriege, fand jedoch keine Gelegenheit zur Auszeichnung.

Mit eisernem Fleiße hat Lincoln beständig an seiner Fort- bildung gearbeitet. Die Lücken seiner juristischen Schulung hat er rasch ausgeglichen und bald war er einer der gesuchtesten Ver- teidiger in Illinois. Er galt als einer der gründlichsten Kenner der Verfassung und deren Geschichte. Daneben lockte ihn die Mathematik, für welche er eine besondere Veranlagung besaß. Seine Lieblingsdichter wurden Shakespeare und Burns. Die Werke des großen Briten beherrschte er wie wenige. An Shakespeare bildete sich der Hinterwäldler ohne jeden Schulsack zu einem der glänzend- sten und gedankenreichsten Prosaschriftsteller Amerikas heran. Lincolns beide Antrittsbotschaften sowie die kurze, aber wahr- haft erschütternde Rede auf dem Schlachtfelde von Gettysburg, sind wohl die besten Proben seines Stils. Die alten Klassiker blieben ihm so gut wie fremd, auch von europäischer Geschichte wußte er nur wenig. In der politischen Geschichte Nordamerikas waren vornehmlich Daniel Webster und Henry Clay seine Lehrmeister. Lincoln ist niemals in den Fehler der ZerspHtterung verfallen, an welchem so viele Autodidakten scheitern. Der Bildungsmittel, wel- cher er sich bediente, waren nur wenige, aber er kehrte stets zu diesen zurück, bis er sich die dort behandelten Stoffe völlig zu eigen gemacht hatte. Lincolns Lebensgang zeigt uns den amerikanischen »seif made man« im besten Lichte.

Er fiel überall auf durch den ungeschlachten, gewaltigen Körper und durch das Unschöne, Eckige seiner Gliedmaßen und seiner Gesichtszüge. Er maß 6 Fuß 4 Zoll und selbst sein langer Freund Schurz reichte ihm nur bis an die Schultern. Er besaß eine ungewöhnliche Körperkraft, Lasten von 600 Pfund bereiteten ihm keine Mühe. Er verfügte über ein merkwürdiges Personen- gedächtnis, und mit der Hälfte der Bewohner des damaligen Illi- nois soll er auf dem amerikanischen Dutzfuße gestanden haben, d. h. man rief sich gegenseitig bei dem Vornamen. In seinen Lebens- gewohnheiten war er außerordentlich mäßig. Den Tabaksgenuß, der im Hinterwalde wesentlich aus Tabakkauen bestand, verab- scheute er, aber ein Temperenzler ist er nie gewesen.

62 W. Kaufmann.

Seine Ehe, aus welcher drei Knaben hervorgingen, war ahes weniger als glücklich. Seine Frau verstand ihn nicht und ver- mißte es sehr, daß ihr Gatte keine Dollar-Erwerbsmaschine ge- wesen ist. Lincoln hat nie Wohlstand besessen, er lebte eigentlich stets von der Hand zum Munde. Wenig bekannt ist, daß Lincoln bis in seine späteren Mannesjahre ein Freidenker radikalster Rich- tung gewesen ist. Erst in den fünfziger Jahren milderte er diese Anschauungen unter dem Einflüsse Theodore Parkers, der einer der Führer der Unitarier war. Aber diese Religionsgemeinschaft, welche auch unter dem Namen Antitrinitarier bekannt ist, hat aus dem Christentume wenig mehr als die Morallehre übernommen. Daß Lincoln als Präsident ein starkes und festes Gottvertrauen besessen hat, geht aus den meisten seiner amtlichen Schriften und auch aus seinen Reden hervor^).

In Lincolns Wesen waren überlaute Fröhlichkeit und Lust an Scherz merkwürdig gepaart mit plötzlich einsetzender Melancholie. Er konnte stundenlang launige Geschichten, darunter manche recht derbe, vortragen und dann auf einmal tiefernst und wort- karg werden. Seiner Umgebung blieb dieser Stimmungswechsel fast immer rätselhaft. Sein Biograph Holland meint, daß sich Lincoln während der schweren Tage seiner Präsidentschaft bewußt in seine Frohnatur flüchtete, um die trüben Gedanken zu verscheuchen, welche ihn bedrückten. Oft äußerte sich seine Fröhlichkeit der- maßen, daß er Fremden gegenüber ganz würdelos erschien.

Erst 1858 ist Lincoln als Politiker großen Stils hervorgetreten. Seine Debatten mit Douglas wurden der Anfang seiner Berühmtheit. Douglas galt damals als der erste Redner und Staatsmann der nördlichen Demokraten und als Präsidentschaftskandidat dieser Partei. Lincoln, welcher diesen demokratischen Löwen in so glän- zender Weise bekämpft hatte, mußte naturgemäß als einer der Präsidentschaftskandidaten der Republikaner des Westens auf- treten^). Der republikanische Parteitag trat in Chicago (in Lin- colns Heimatsstaate) zusammen. Der bei weitem stärkste Kan- didat war Gouverneur Seward von New York. Aber infolge mehrerer

^) Die sehr eingehende Literatur über Lincolns religiöse Anschauungen findet man bei Rhodes, Band II, S. 236.

2) Lincoln war aber durchaus nicht die erste Wahl aller Republikaner des Westens. Wisconsin war unter der Führung von Schurz einstimmig für

Lincoln. ß3

Glücksumstände einigte sich der Parteitag schließlich auf den Neu- ling Lincoln. Dieser Ausgang, von welchem wohl niemand mehr überrascht worden war als Lincoln selbst, veranlaß te zunächst tiefe Trauer unter den Republikanern des Ostens; erst viel später erkannte man, daß der Parteitag in Lincoln den besten Treffer gezogen hatte. Lincoln hat als Präsident mehrere seiner Gegen- kandidaten zu Ministern ernannt. So hat man Gelegenheit, das Wirken aller dieser Männer (Lincoln, Seward, Chase, Bates, Cameron) zu beobachten. Es kann darüber gar kein Zweifel herrschen, daß man in Lincoln die weitaus beste Wahl getroffen hatte. Sollte und mußte die Sklavereifrage dann und dort entschieden werden, so konnte man die Führung keinem damals möglichen Republikaner besser anvertrauen als dem »seif made man« aus dem Hinterwalde von Illinois.

Lincolns Ideenkreis kann man beschränkt nennen, denn der- selbe umfaßte wesentlich nur einen Gegenstand : die Sklaverei- frage. Der neue Präsident besaß keine Erfahrungen im Verwaltungs- wesen, wirtschaftliche Fragen waren ihm fremd, und ebenso stand es mit seiner Kenntnis der auswärtigen Beziehungen der Union. Es mag sein, daß Lincoln, wenn seine Amtierung in ruhige Zeiten gefallen wäre, nur als eine Nummer in der Reihe der Präsidenten in die Geschichte übergegangen wäre. Aber er war der Mann, nach welchem jene Sturmzeit verlangte, und gerade jene Ein- seitigkeit in der politischen Durchbildung Lincolns ist vielleicht von hohem Werte gewesen. Wichtiger aber noch waren seine Charaktereigenschaften und seine Stellung dem Volke des Nordens gegenüber.

Der Präsident der Rebellionszeit mußte ganz besondere Gaben besitzen. Er mußte ein glühender Patriot und von dem festen Glauben beseelt sein, daß die Union nur als ein unteilbares Ganzes ihre Mission erfüllen könne. Er mußte auch in hohem Maße aus- gleichend wirken können. Sodann mußte er kerngesund sein und eine Arbeitskraft besitzen, über welche nur wenige Menschen ge- bieten. Er durfte auch nicht einer bevorzugten Klasse der Ameri- kaner angehören. Ein echter Volksmann mußte er sein und durch

Seward, der mächtigste Weststaat Ohio hatte in Chase und Wade eigene Kandidaten, und auch in Indiana war die Mehrheit der Republikaner ur- sprünglich gegen Lincoln.

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die Macht seiner Persönlichkeit auf die Massen wirken können. Und dann durfte nicht der geringste Zweifel bestehen über seine persönhche Ehrenhaftigkeit. Keiner der vielen hervorragenden Republikaner jener Zeit konnte aüe diese Vorbedingungen besser erfüllen als Lincoln. Seine Bedeutung hegt wesentlich darin, daß Lincoln ein echter Volksmann war, unter den Volksführern, von welchen die Geschichte meldet, vielleicht derjenige, auf welchen jene Bezeichnung am vollständigsten zutrifft. Aus allen seinen Kundgebungen spricht ein mächtiges Pathos, ein tiefer Ernst und eine Überzeugungskraft, welche in schlichten Worten, aber dabei doch stets in schöner und edler Sprache fesselt und begeistert. Es ist nichts Gekünsteltes darin. Der Mann aus dem Volke versteht diese Sprache, und den höher Gebildeten befriedigt sie ebenso durch die Macht ihrer Logik und die Originalität ihrer Ausdrucksformen. Lincoln hat den amerikanischen Sprachschatz um viele Wendungen bereichert, die heute im Volke umlaufen, ohne daß man oft weiß, von wem sie stammen. Über die Wahrhaftigkeit und Gesinnungs- treue Lincolns kann niemand im Zweifel sein, der auch nur die kurze Gettysburger Rede gelesen hat. Seinen Worten entsprach durchaus sein Wandel. Dem niederen Volke, welchem er ent- sprossen ist, hat Lincoln stets die Treue bewahrt. Ihm floß eine Machtfülle zu, wie sie vor und nach ihm kein Amerikaner besessen hat. Aber nicht eine Spur von Dünkel, Überhebung oder Unnah- barkeit nistete sich bei diesem seltenen Manne ein. Bis zu seinem schrecklichen Ende ist er derselbe einfache Mann geblieben, als welchen ihn die Hinterwäldler gekannt hatten, und sogar seine spießbürgerlichen Züge kleiden ihn nicht unschön, ja sie sind unent- behrlich zu seinem Charakterbilde.

Nach dem Angriffe auf Fort Sumter meldeten sich weit mehr FreiwiUige als man einreihen konnte. Eine tiefe Erbitterung hatte das Nordvolk ergriffen, freudig strömte die Jugend herbei zur Aufrechterhaltung der Union. Auch konnte man zu jener Zeit aus dem Vollen eines tüchtigen Volkstums schöpfen, und von den Schrecken dieses Krieges hatte niemand eine rechte Vorstellung. Auch die erste Niederlage, Bull Run I, wirkte noch nicht abküh- lend. Über eine halbe Million Freiwilliger scharte sich im Herbst 1861 wieder um die bedrohte Fahne. Aber dann kamen die Mißerfolge des Halbinselfeldzuges, die furchtbaren Niederlagen von Bull Run II und Fredericksburg, sowie die Schande von

Lincoln. 65

Chancellorsville (Mai 63). Über hunderttausend tapfere Männer moderten bereits in den Gräbern Virginiens. Unter solchen Prü- fungen mußte Kriegsmüdigkeit im Norden eintreten. Diese Erschlaf- fung war natürlich und hätte sich bei jedem anderen Volke, welches für seinen Heeresersatz nur auf Freiwillige angewiesen ist, sicher- lich ebenfalls gezeigt. Dabei muß man stets im Auge behalten, daß sich der Norden für ein fernliegendes Ideal schlug, sowie daß er einen Angriffskrieg führen mußte. Wer kann es den Jünglingen von 1863 verdenken, wenn sie kühler über die Not des Gesamt- vaterlandes dachten als die kriegsfreudigen Kameraden von 1861, daß viele sich sagten: es nützt ja doch nichts, wenn wir unsere Haut zu Markte tragen. Außerdem, was geht uns schließlich der Neger im Süden an? Unser großes schönes Nordland ist ja doch nicht bedroht. Der Philister, welcher in jedem Menschen steckt, kam immer mehr zum Wort, und es schien oft, als ob dieser Philister einen aussichtsreichen Kampf kämpfe mit dem Patrioten, der in jedem Amerikaner steckt.

Zu dieser Kriegsmüdigkeit des Nordens, welche sich auch be- sonders in dem massenhaften Desertieren kundgab, kam noch etwas anderes: die wachsende Uneinigkeit des Nordvolkes. »The war is a failure« der Krieg ist undurchführbar hallte es auf den demokratischen Parteitagen; die eigentliche Kriegspartei, die republikanische, erlitt bedenkliche politische Niederlagen, und auf der demokratischen Nationalkonvention von 1864 wurde obiges Schlagwort zum leitenden Satze. Schlimmer aber noch als diese Uneinigkeit war das Auftreten eines Geheimbundes, der sich »die Ritter vom goldenen Kreise« nannte und in Clement Vallandigham von Ohio einen sehr bedeutenden Führer besaß. Diese »Ritter« waren im Norden wohnende Freunde der Sezession. Sie gründeten geheime Logen im Westen der Nordstaaten, namentlich in Ohio, Indiania, Illinois und Missouri. Sie wollten, nach ihrem Programme, eine weitere Trennung der Union vorbereiten. Die Mittelstaaten und der Nordwesten sollten sich von den östlichen Staaten (Neueng- land, New York und Pennsylvanien) lossagen und einen eigenen westlichen Staatenbund grühden, welcher mit den sezessioni- stischen Südstaaten in enge Fühlung treten sollte. Dieser verräte- rische Plan war allerdings eine Utopie, und im Ernste hat wohl selbst Vallandigham nicht an dessen Ausführbarkeit gedacht. Aber die »Ritter« haben im geheimen die Kriegsmüdigkeit mächtig geschürt,

W. Kaufmann, Die Deutschen im araerikan. Bürgerkrieg. O

ßß W. Kaufmann.

Tausende von Unionssoldaten zum Desertieren verleitet, den Ein- tritt von Zehntausenden in das Nordheer verhindert sowie durch Spionendienste und durch Geldmittel der Sezession großen Vor- schub geleistet. Große und angesehene Zeitungen in den Haupt- städten des Westens, wie der »Enquirer« in Cincinnati, die »Times« in Chicago, der »Repubhcan« in St. Louis und der »Sentinel« in Indianapohs unterstützten lebhaft die Agitation der »Ritter«. Vallandigham wurde schheßlich verhaftet, Lincoln aber behandelte ihn milde, er schickte ihn in das Lager der Rebellen. Aber bald ge- langte V. nach Kanada, und von dort aus hat er sein verräterisches Treiben noch erfolgreicher fortgesetzt und ist der Union außerordent- lich unbequem geworden.

In jene Schwankungen der Stimmung des Nordvolkes, in die eingetretene Kriegsmüdigkeit, in das Wirken demokratischer Partei- f ü h r e r , welche aus dem Unglück der Union Parteivorteile zu er- zielen gedachten, in den Landesverrat des Vallandigham und seiner zahlreichen Genossen muß man sich versetzen, um die Bedeutung des echten Volksmannes Lincoln als Präsidenten der Vereinigten Staaten zu würdigen. Man denke sich einen kalten Parteigötzen, wie es Se- ward war, in jener Zeit an Lincolns Stelle, oder auch den unbeug- samen Starrkopf Chase von Ohio oder den trockenen Juristen Bates, gar nicht zu reden von dem unglaublich verbohrten politischen Drahtzieher Cameron von Pennsylvanien. Jeder dieser ehe- maligen Nebenbuhler Lincolns besaß eine starke Gefolgschaft auf dem republikanischen Parteitage von 1860. Seward zunächst eine mehr als doppelt so starke als Lincoln, und vielleicht wäre jeder der anderen Kandidaten ebensogut wie Lincoln erwählbar gewesen, denn wer vermag die Gewalt der Unterströmung in einem stark erregten Volke einzuschätzen.

Der größte Sieg, welchen der Norden in diesem Kriege er- rungen hat, ist vielleicht der Sieg über sich selbst und über seine eigene Kriegsmüdigkeit, es ist sein Ausharren unter den furcht- baren Prüfungen der ersten drei Kriegsjahre gewesen. Der General aber, welcher das Nordvolk in dieser Entscheidungsschlacht ge- führt hat, heißt Abraham Lincoln. Es war zu einem großen Teile die Macht seiner volkstümhchen Persönlichkeit, seiner Wahr- haftigkeit und Überzeugungskraft, welche den inneren Feind des Nordens überwunden hat. Von Lincoln ging ein Zauber aus auf den gemeinen Mann des Nordens, ein Zauber, welcher

Lincoln. 67

sehr viel dazu beigetragen hat, den notwendigen Heeresersatz zu beschaffen.

Lincoln war als Präsident der von der Verfassung bestimmte Oberfeldherr.

Von diesem Rechte hat Lincoln nur in ganz seltenen Fällen Gebrauch gemacht. Doch zeigt sein Briefwechsel mit den Generalen, daß Lincoln in militärischen Dingen oft ein gutes Urteil besaß. Er war entschiedener Gegner des Halbinselfeldzuges. Er sah die Gefahren voraus, welche Mc Clellans Plan bringen würde und be- fürv/ortete mit guten Gründen das Vorgehen gegen Richmond auf dem Landwege. Es stellte sich später heraus, daß Lincolns Kriegs- plan von 1862 bei weitem besser war, als der zur Ausführung gelangte Plan Mc Clellans. Von diesem General hat Lincoln mehrfach Belei- digungen hingenommen. Der Präsident der Vereinigten Staaten mußte von dem hochfahrenden Mc Clellan die Informationen über die Kriegsvorbereitungen geradezu erbetteln. Als Lincoln Mc Clellan eines Abends aufsuchte, ließ ihn letzterer abweisen mit der Be- gründung, Mc Clellan sei bereits zu Bett gegangen. Lincoln er- trug diese unwürdige Behandlung ruhig, ja er erklärte: »Ich werde dem General Mc Clellan sogar das Pferd halten , wenn er uns nur einen Sieg beschert.« Unaufgeklärt ist noch immer, aus welchen Gründen Lincoln so lange den General Halleck als seinen militärischen Berater geduldet hat. Dieses Festhalten an einem Generalstabschef, dessen Wirken eine ununterbrochene Kette von Fehlgriffen und Pfuschereien bildet, ist vielleicht der wundeste Punkt der Lincolnschen Amtsverwaltung. Ein anderer sehr tadelnswerter Mißgriff Lincolns besteht in seinem Ver- halten gegenüber dem ersten Kriegsminister Camaron. Daß Camaron aus politischen Gründen Kriegsminister wurde, mag man Lincoln noch hingehen lassen, aber daß dieser gräßliche Pfuscher bis zur Jahreswende im Amte blieb, dafür genügt die Entschul- digung doch nicht, daß Lincoln sich scheute, während des ersten Kriegsjahres eine Veränderung in seinem Kabinette vorzunehmen.

Auch Lincolns übergroße Milde war durchaus nicht am Platze. Jeder Verurteilte fand Gnade bei ihm^).

^) Hier einige Beispiele. Zu Anfang des Krieges sollte dem Desertieren gesteuert werden durch Vollstreckung einer größeren Anzahl von Todes- urteilen. Lincoln aber schrieb an den Rand des Urteils: »Es sind leider schon

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Selbst bei seinen Ministern hatte sich Lincoln erst durchzu- setzen. Die beiden sog. »Löwen« in Lincolns Kabinette, Staats- sekretär Seward und Fianzminister Chase, hielten den neuen Prä- sidenten für einen mäßig begabten Glückspilz, Seward versuchte es sogar, Lincoln zu einer Art Verzicht auf die Regierungsgewalt zu drängen. Er beantragte, daß die Sklavereifrage völlig aus dem Re- gierungsprogramm ausgeschaltet und daß statt dessen eine kräftige auswärtige Politik getrieben werden solle, welche zum baldigen Kriege mit Spanien und Frankreich führen mußte. Seward muß wirk- lich der Meinung gewesen sein, daß durch einen auswärtigen Krieg die inneren Schwierigkeiten behoben werden könnten, er muß ge- dacht haben, daß die sezedierten Staaten in solchem Falle in die Union zurückkehren würden zur gemeinsamen Verteidigung des Vaterlandes gegen einen auswärtigen Feind, denn Seward unter- breitete diesen überaus törichten Plan in einer sorgsam ausgear- beiteten Staatsschrift, welche erst nach Jahren durch Lincolns Sekretäre Nicolay und Hay veröffentlicht worden ist. Lincoln aber behandelte seinen aufsässigen Staatssekretär großmütig, ließ dessen Schrift in einem Geheimfache verschwinden und teilte Seward mit, daß er, der Präsident, selbst eine Änderung des politischen Pro- gramms vornehmen würde, wenn solche notwendig erscheinen sollte. Seward steckte den Rüffel ruhig ein, war dankbar für die Schonung, welche der Präsident ihm zuteil werden ließ, und wurde von da an der getreue Diener seines Herrn. Auch der später in das Kabinett berufene dritte »Löwe «desselben, der Kriegsminister St an ton, brachte eine recht geringe Meinung von Lincolns Fähigkeiten mit in sein Amt, wurde aber ebenfalls rasch gebändigt und zählte dann zu Lin- colns Freunden.

Lincoln empfand es schwer, daß er einer Minorität seiner Mit- bürger sein Amt verdanke; dieses Bewußtsein hat ihn, namentHch

viel zu viele Witwen im Lande. Ich will ihre Zahl nicht vermehren. Laßt die armen Kerle laufen!« Ein junger Soldat, der auf Posten vor dem Feinde geschlafen hatte, sollte erschossen werden. Lincoln hob das Urteil auf mit folgender Begründung: Dieser 17 jährige Farmerjunge hatte den ganzen Tag marschiert. Er war gewohnt, früh zu Bett zu gehen. Daß er einschüef, als er wachen sollte, war nicht seine Schuld.« Hunderte von derartigen Be- gnadigungen liegen vor. Als ein Sezessionist, der einen jungen Unionsoffizier kaltblütig ermordet hatte, gehängt werden mußte, kämpfte Lincoln lange mit sich selbst, bis er das Urteil durch seine Unterschrift rechtskräftig machte.

Lincoln. ß9

im Anfange seiner Präsidentschaft, zur äußersten Vorsicht ermahnt. Auch die Tatsache, daß wesentHch seine Erwählung den Konflikt heraufbeschworen hatte, lastete stark auf ihm. Dazu kam die Gewissenhaftigkeit Lincolns in bezug auf die Verfassung. Stets plagte ihn die Befürchtung, vor dem Volke als eine Art militäri- scher Diktator zu erscheinen oder durch irgendeine notwendig gewordene Maßregel vom Boden der geschriebenen Verfassung, die oft genug verschiedene Deutungen zuläßt, abgedrängt zu werden. Aus allen diesen Dingen erklärt sich das, was man meistens unbe- rechtigt, Lincolns Zaghaftigkeit während der ersten Wochen seiner Administration benannt hat.

Lincoln hat die furchtbarste und andauerndste aller Krisen, von denen moderne Staaten betroffen worden sind, mit Hilfe der Gesetze überwunden, welche unter der Voraussetzung des inneren Friedens erlassen waren. Seine ganze Amtsführung kennzeichnet sich durch unentwegtes Bestreben, die Verfassung hochzuhalten und kein Atom derselben preiszugeben. Es ist das seine beste Hin- terlassenschaft an das amerikanische Volk. Die Krise wurde über- wunden, ohne daß die Freiheiten des Volkes den geringsten blei- benden Schaden erlitten haben.

Lincoln war ein Mann, wie von Eisen gemacht. Er verfügte über eine ungeheure Arbeitskraft und Ausdauer. Und doch ist es erstaunlich, daß er nicht zusammengebrochen ist unter der Last, welche auf seinen Schultern lag. Die wichtigsten Dinge, bei denen es sich um Sein oder Nichtsein der Union handelte, waren sofort zu entscheiden. Dazu hatte man nicht nur augenblicklich eine Feldarmee zu schaffen, sondern auch ein Heer von unionstreuen Zivilbeamten. Ein solcher Beamten Wechsel pflegt sich freiHch bei dem Einzüge eines jeden neuen Präsidenten zu vollziehen, aber in friedlichen Perioden kann man sich Zeit dazu nehmen. Hier aber tat die höchste Eile not, denn Verräter in wichtigen Zivilstellen konnten doch nicht länger geduldet werden. Das wußten die Stellen- jäger, und nie zuvor war der Andrang derselben so stark als damals. Ein Heer von selbstsüchtigen Bewerbern quälte den Präsidenten beständig, für manche der begehrenswertesten Ämter meldeten sich an 50 Applikanten.^)

^) Lincoln fand nicht einmal im Schöße seiner Familie Ruhe. Einer seiner ärgsten Quälgeister war seine Frau. Diese war auf der Bildungsstufe

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Lincoln hat in schwerer Zeit fast Übermenschüches geleistet, hat unsägHche Quälereien ertragen und ist fast keinen Augenblick seines Lebens sicher gewesen. Für die Drohbriefe, welche er erhielt, wurde erst später ein besonderes Register angelegt. Doch hat er sich dadurch nicht beirren lassen. Er ist bis zu seinem schreckhchen Ende ein aufrichtiger und treuer Vertreter seines Volkes geblieben, einer der edelsten und gerechtesten Männer, welche die Geschichte kennt.

des ehemaligen Kentuckyer Landmädchens stehen gebheben. Sie war außer- ordenthch eitel und den plumpesten Schmeicheleien zugänglich. Sie wollte eine politische Rolle spielen, und Villard erklärt, daß sich Frau Lincoln sogar bei Besetzung der Ministerposten eingemischt habe. Stellensuchende Aben- teurer schmeichelten sich bei ihr ein, entlockten ihr Versprechungen, und diese suchte sie dann bei ihrem Gatten (allerdings erfolglos) durchzusetzen. Man hat der Frau Lincoln sogar sezessionistische Sympathien nachgesagt. Doch diese Gerüchte sind sicherlich unwahr. Dieselben hatten ihren Grund in der südlichen Abstammung der Dame sowie in der Tatsache, daß zwei Stiefbrüder der Frau Lincoln im Rebellenheere dienten. - Nach der Er- mordung ihres Gatten wollte Frau Lincoln das ^Weiße Haus« nicht räumen, und es bedurfte energischer Maßnahmen, um dem neuen Präsidenten Johnson zu seinem Rechte zu verhelfen.

Die Deutschen im Bürgerkriege,

Kurze Orientierung auf dem Kriegsschauplätze.

Für unsere Aufgabe kommen der See- und Flußkrieg, die Feld- züge in den Carolinas in Louisiana, Texas, am Red River sowie die Freibeuterkämpfe und der Guerillakrieg nicht in Betracht. Nur die Haupt kriegsschauplätze im Osten und Westen sind im fol- genden berücksichtigt.

Im Osten. Der östUche Kriegsschauplatz umfaßt nur den Staat Virginien, den westHchen Teil des Staates Maryland (Antietam) und den südlichsten Teil von Pennsylvanien (Gettysburg), also nur ein Gebiet von der Größe Süddeutschlands. Den Mittelpunkt bildet Zentral- Virginien, also die Gegend zwischen den beiden feindlichen Hauptstädten Washington und Richmond, welche 148 Meilen voneinander entfernt sind. Während der ganzen vier Jahre hat sich die Union bemüht, Richmond zu erobern. Zu diesem Zwecke wurden sechs Feldzüge unternommen. Der erste derselben, im Juh 1861, endete bereits am 21. JuU mit der Niederlage der Union bei Bull Run L Man kann diese Mobschlacht als eine Art Generalprobe auf die bisher erlangte Kriegsbereitschaft be- zeichnen.

Es folgte im Osten eine Kriegspause von acht Monaten, welche als die Vorbereitungszeit beider Gegner für die großen Kämpfe des Jahres 1862 anzusehen ist. März 1862. Das östliche Nordheer, die Potomac- Armee, wird nach der sog. virginischen Halbinsel (zwischen den Flüssen James und York) eingeschifft, um Richmond vom Südosten aus anzugreifen. Der Feldzug dauert fünf Monate,

72

W. Kaufmann.

bringt der Union nur in der letzten Schlacht gegen Lee (bei Malvern Hill) einen größeren Erfolg. Er endet mit dem Rückzuge der Unions- truppen (unter Mc Clellan) von der Halbinsel am lo. August. Zu

gleicher Zeit spielt

sich der Klein- krieg im Innern vonVirginien (we- sentlich im She- nandoahtale) ab, in welchem der

konföderierte Feldherr Stone- wall Jackson die weit überlegenen Unionsheere wie- derholt schlägt.

August 1862. Drittes Vorgehen der Unionsheere unter Pope gegen Richmond (von der Landseite aus). Schwere Nie- derlage Popes bei Bull Run H, Ende August. Pope wird abgesetzt und die Potomac- Armee abermals Mc Clel- lan unterstellt. Die Konföderierten unter Lee unternehmen ihren ersten Vorstoß nach dem Norden. Nach mehreren Erfolgen wird das Südheer bei Sharpsburg (am Antietamflusse) dicht an der Grenze von Maryland und Virginien, zum Rückzuge gezwungen. Mc Clellan betreibt die Verfolgung jedoch in so nachlässiger Weise, daß er im Spätherbst 1862 abgesetzt wird.

General Burnside, der neue Führer der Potomac-Armee will abermals gegen Richmond vorgehen (vierter Vorstoß), erleidet aber am 13. Dezember bei Fredericksburg gegen Lee eine furchtbare Niederlage.

Burnside übergibt den Befehl an H o o k e r. Fünfter Vor- stoß. Der neue Führer will mit 125 000 Mann den in fester Stellung

Fig. 3. Zwischen Washington und Richmond.

Kurze Orientieiung auf dem Kriegsschauplatze. 73

bei Fredericksburg stehenden Gegner verdrängen, wird aber von 6i 000 Konföderierten bei C h a n c e 1 1 o r s v i 1 1 e i. bis4. Mai 1863 aufs Haupt geschlagen. Dieser glänzende Triumph der konföderierten' Waffen löst einen derartigen Siegestaumel im Süden aus, daß der Feldherr Lee gezwungen wird, einen zweiten Vormarsch nach dem Norden zu unternehmen. Er dringt bis an den großen Susquehanna- fluß in Pennsylvanien vor mit der Absicht, sich der Stadt Phila- delphia zu bemächtigen. Aber die jetzt unter General M e a d e s Befehl stehende Potomac-Armee zwingt Lee zur Konzentration seines Heeres in Südpennsylvanien. Am i. bis 3. Juli 1863 kommt es zu der großen Begegnungsschlacht von Gettysburg, welche mit der völligen Niederlage der Könföderierten endet. Auch der siegreiche Meade betreibt die Verfolgung des Feindes in sehr vor- sichtiger Weise und die sich bis zum Spätherbste hinziehenden Kämpfe am Mine Run (in der virginischen Wildnis) verlaufen re- sultatlos.

M a i 1864 bis Ende April 1865. Sechster und letzter Angriff auf Richmond. General G r a n t ist jetzt Oberführer der Union. Er greift Lee in der Wildnis an, um durch eine Reihe von »Hammer- schlägen« das Hauptheer der Konföderation nach und nach zu zertrümmern. Vom 5. Mai bis Mitte Juni wird fast ununterbrochen gekämpft. Grant opfert bis zur Schlacht von Cold Harbor, 3. Juni, über 60 000 Mann, wird aber von seinem großen Gegner beständig überflügelt und immer weiter nach Osten abgedrängt. Doch bleibt Lee schließlich keine andere Wahl, als hinter den Wällen von Rich- mond die konföderierte Hauptstadt zu schützen. Es erfolgt die acht Monate dauernde Belagerung der Doppelfestung Richmond- Petersburg. Die Entscheidung bringt das nun von Süden gegen Richmond vorrückende westliche Hauptheer der Union unter Sherman, welches den großen Umfassungs- und Zerstörungsmarsch durch Georgia und Süd- und Nord-Carolina zurückgelegt hat und sich nun Richmond nähert. Das Eintreffen des Shermanschen Heeres hätte eine völlige Umfassung Richmonds veranlaßt. Um sich dieser zu entziehen und sich zu dem gegen Sherman stehenden westlichen Heere der Konföderation unter Johnston durchzuschlagen, verläßt Lee Ende März 1865 Richmond, wird aber am 9. April von dem nachsetzenden Heere Grants bei Appomatox Court- haus zur Kapitulation gezwungen. Am 3. April zieht das Korps des deutschen Generals Weitzel in Richmond ein. Damit endet

74 W. Kaufmann.

der Krieg, obschon die letzten konföderierten Truppen sich erst am 26. Mai 1865 ergeben haben.

Im Sommer 1864 spielt noch ein Feldzug des bis vor die Tore Washingtons vorgedrungenen konföderierten Generals Early gegen verschiedene Unionsgenerale, der jedoch durch das Auftreten von Sheridans Übermacht mit der fast völligen Auflösung des Korps Early endet.

Da allen Angriffsbewegungen des Nordheeres die Eroberung Richmonds als Ziel gilt, so ergibt sich die Tatsache, daß die großen Schlachten sich auf denselben Feldern wiederholen. Am Bull Run wird zweimal gekämpft, Juli 1861 und August 1862. Fredericks- burg und Chancellorsville liegen nur 10 Meilen voneinander, weitere 10 Meilen westlich treffen wir auf die Szenen der Massenkämpfe in der virginischen Wildnis, Mai 1864. Auf denselben Feldern, wo sich Mc Clellan 1862 mit Lee gemessen hat {siebentägige Schlacht bei Richmond), führt Grant im Juni 1864 seine Heere bei Gold Harbor auf die Schlachtbank. Im Shenandoahtale wird fast vier Jahre lang an den gleichen strategischen Punkten immer und immer wieder gekämpft. Merkwürdig ist es, daß die meisten Schlacht- felder in Virginien auf altdeutschem Kulturboden liegen. Auch für Gettysburg und Antietam sowie auf das Shenandoahtal trifft das zu. Dieses Tal bildete die Ausfallspforte beider Heere, nach Süden sowohl wie nach Norden.

Von besonderer Wichtigkeit ist der Stromlauf des P o t o m a c, an welchem Washington liegt und der bei dem strategisch wichtigen Städtchen Harpers Ferry den ihm von Süden zufließenden She- nandoah aufnimmt. Der Potomac bildet auf dem östlichen Kriegs- schauplatze die Grenze zwischen Sezessions- und Unionsgebiet. Die westliche Grenze des virginischen Kriegsschauplatzes wird un- gefähr von der Shenandoahkette des AUeghanygebirges gebildet.

Im Westen. Der zweite Haupt kriegsschauplatz, im Westen, ist größer als halb Europa. Die nächste Aufgabe der Union bestand darin, die beiden neutral gebliebenen Grenzstaaten Mis- souri und Kentucky in ihre Gewalt zu bringen und sich eine gesicherte Anmarschstraße in das Herz der westlichen Baumwollen- staaten zu verschaffen. Die Kämpfe um Missouri dauerten vom Anfang April 1861 bis Mitte März 1862. Hierbei sind die Deutschen besonders beteihgt gewesen. Durch den schönen Sieg Sigels in der Schlacht von Pea Ridge, 7. bis 8. März 1862, wurde Missouri für die

Kurze Orientierung auf dem Kriegsschauplatze.

75

Union gesichert. Kentucky war leichter zu bewältigen, da hier die aus den freien Staaten des Nordwestens rekrutierten großen Heere der Union vordrangen. Doch wurde es stets verabsäumt, in Kentucky eine starke Reserve zu halten, und so blieb der Staat den Vorstößen der konföderierten Heere, namentlich aber den Frei- beuterscharen preisgegeben.

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Fig. 4. Tennessee und Kentuky.

Die größere Aufgabe der westlichen Unionsheere bestand darin, den ganzen Stromlauf des Mississippi in ihre Gewalt zu bringen und so die drei westlich des Flusses gelegenen Sklavenstaaten" Loui- siana, Texas und Arkansas von dem östlichen Baumwollenlande zu trennen. Erst durch die Einnahme der bedeutenden Stromfeste Vicksburg durch Grant (3. Juli 1863) war der schwierigste Teil dieser Aufgabe bewältigt. Neben den Kämpfen um den Missis- sippi und zusammenhängend damit entwickelte sich ein Feldzug im Staate Tennessee, welcher von März 1862 bis November 1863 gedauert hat. Dieser Krieg ist trotz mehrerer Niederlagen als ein Siegeszug der Union anzusehen. Der Feldzug begann mit der ersten großen Schlacht des Bürgerkrieges bei S h i 1 o h

76 W. Kaufmann.

(oder Pittsburg Landing, 6. u, 7. April 1862) ; es folgten die Kämpfe um Corinth (zwei verschiedene Aktionen), die großen und blutigen Schlachten von Perryville in Kentucky am 7. Oktober und Stone River (oder Murfreesboro) in Tennessee (31. Dezember 1862 und 2. Januar 1863) und der Feldzug gegen Chattanooga, welcher der Union die furchtbare Niederlage am Chickamauga (19. u. 20. September 1863) und den großen Sieg bei Lookout Moun- tain und Missionary Ridge (23. bis 25. November 1863) brachte. Damit war Tennessee, welches im Westen in fast ähnlicher Weise wie Virginien im Osten der Hauptschauplatz der Kämpfe gewesen ist, von der Union erobert. Doch erfolgte noch im Herbst 1864 ein Einbruch des konföderierten Generals Hood nach Ten- nessee, der jedoch durch General Thomas in der Schlacht bei N a s h - V i 1 1 e (15. und 16. Dezember 1864) siegreich zurückgewiesen wurde.

Von Chattanooga aus unternahm der bedeutende nördliche Feldherr Sherman Anfang Mai 1864 den großzügigen Eroberungs- marsch nach Georgia. In gegen hundert Schlachten und Gefechten, welche fast sämtlich Niederlagen der Konföderierten waren, bahnte sich Sherman den Weg nach dem wichtigen Waffenplatze A t - 1 a n t a in Georgia, eroberte die Stadt und zog dann quer durch Georgia von Atlanta nach Savannah, der Hafenstadt von Georgia am Atlantischen Meere. Dort traf er am Weihnachtstage 1864 ein, zog dann durch die Staaten Süd- und Nord-Carolina nordwärts auf Richmond los, mit dem bereits geschilderten Ergebnis des Abzuges von Lee aus Richmond. Der Umfassungsmarsch Shermans war gleichzeitig eine Strafexpedition. Er vollzog sich auf einer über 1000 engl. Meilen langen Strecke. Die Marschroute war 50 Mei- len breit und das dazwischen liegende 'Land wurde von Sherman ausgewüstet. Das geschah, um die Lieferung von Proviant und Kriegsmaterial nach der in Richmond stehenden Rebellenarmee zu verhindern.

Um die großen Erfolge der westlichen Unionsheere richtig zu bewerten, muß man erwägen, daß diese Armeen sich nicht nur der konföderierten Heere zu erwehren hatten, sondern daß ihnen auch ein latenter Feind gegenüberstand : der Landkoloß des zu be- zwingenden Gebietes. Die Unionstruppen hatten Etappenstraßen von Hunderten von Meilen Länge bis zu ihrer Basis im Norden zu sichern, und zuletzt mußte Sherman auf alle Verbindungen verzichten

Der Krieg im allgemeinen. 77

und einen Freibeuterzug führen. Gegen acht Wochen hörte man im Norden kein Wort von Sherman, und erst seine Siegesdepesche aus Savannah meldete das Gehngen des kühnen Planes.

Der Krieg im allgemeinen.

Der Bürgerkrieg steht in der Geschichte einzig da als ein durchaus improvisierter Krieg. Schon aus diesem Grunde muß man sich bei seiner Betrachtung völlig frei machen von europä- ischen Vorbildern. Die Verhältnisse waren in fast allen Dingen verschieden von den für Europa geltenden. Man kämpfte zumeist in der Wildnis. Alle festen Stützpunkte des Landkrieges mußten erst geschaffen werden. Die Landstraßen befanden sich in der traurigsten Verfassung, und der Süden besaß nur wenige Eisenbahnen. Da gab es nicht jede Marschstunde einen Ort wie auf mitteleuropäischen Kriegsschauplätzen, Dörfer waren überhaupt nicht vorhanden, und die kleinstädtischen Siedlungen lagen weit voneinander ab. Mo- natelang sahen die Truppen kein Bett und kein Dach über sich, es war ein andauerndes Kampieren in Zelten oder in rasch errichteten Hütten. Die Zufuhr der Lebensmittel war sehr schwierig und ver- sagte oft genug vollständig. Auch waren die Heere mit einem unge- heuren Train belastet.

Als der Kampf begann, verstand von den Beteiligten eigent- lich niemand etwas von der Kriegführung großen Stils gegen einen ebenbürtigen Gegner. Das damals nur ungefähr 14 000 Mann zäh- lende Bundesheer (10 Infanterie-, 5 Reiter-, 4 Artillerie- Regimenter und ein Ingenieurkorps) war eigentlich nur eine Polizeitruppe, die ausschließlich auf die Bekämpfung der Indianer eingeschult war. Das bedingte aber die Verzettelung dieses Heeres in viele kleine Abteilungen. Die Artillerie lag zumeist in den Küstenforts, und diese waren oft viele Hunderte von Meilen entfernt voneinan- der. Seit dem mexikanischen Kriege von 1847, der übrigens auch kein Kampf gegen einen ebenbürtigen Gegner gewesen war, hatte ein amerikanischer Offizier schwerhch jemals mehr als 500 Mann unter seinem Befehle vereinigt. Manöver hatte man niemals ver- anstaltet, und so besassen die Berufsoffiziere nur eine theoretische Ausbildung für den großen Krieg, aber in der praktischen Aus-

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Übung ihres Berufes als Führer größerer Truppenmassen waren sie durchaus Laien. Daraus erklärt sich wesentlich das Versagen so vieler Westpointer ^) Offiziere. Die 600 Berufsoffiziere trennten sich je nach ihrer Staatenzugehörigkeit und traten dann in beiden Heeren als Feinde sich einander gegenüber. Der Norden hat schwerlich mehr als 200 der damals aktiven Offiziere behalten. Jedoch war eine beträchtliche Anzahl ehemaliger Berufsoffiziere vorhanden, welche sich inzwischen anderen Wirkungskreisen zuge- w^endet hatten. Diese meldeten sich wieder zum Dienst, und es ist merkwürdig, daß der Norden gerade aus diesem Kreise seine bedeutendsten Führer erhalten hat. Grant, Sherman, Rosecrans, Mc Clellan, Halleck Hooker und Sheridan, ältere Westpointer, sind so dem Nordheere wieder zugeführt worden. Von den Sol- daten des regulären Bundesheeres verblieben wohl die meisten dem Norden, doch waren deren Verbände derartig zerrüttet, daß dieselben schon aus diesem Grunde keine Stammformationen zur Aufnahme der Hunderttausende von Freiwilligen bilden konnten. Tatsächlich war der Bürgerkrieg ein Kampf zwischen zwei Volksheeren, welche sozusagen aus dem Boden gestampft waren. Für deren Einübung, Bewaffnung, Verpflegung, für Train- und Hospitaldienst, Ersatz, Transport, für alle die tausend unentbehr- lichen Dinge, deren ein schlagfertiges großes Heer bedarf, waren nur die dürftigsten Vorbereitungen vorhanden, denn die Arsenale bargen nur die Ausrüstung für eine ganz kleine Armee, und zu- dem mußte man viele Vorräte mit dem Feinde teilen. So mußte alles Notwendige für den Krieg neu herbeigeschafft werden, und zwar in größter Eile, denn die Verhältnisse drängten zur raschen Entscheidung. Es kann also kaum verwundern, daß man manches falsch angriff, daß auch einzelne Schwindeleien begangen wurden, daß der Übereifer eher schadete als nützte, daß sich Einflüsse der Politiker unliebsam geltend machten, daß man MiUionen vergeu- dete bei dem Ankaufe schlechten Kriegsmaterials, daß sich ganz untaugliche Leute in hohe Offiziersstellen einzuschmuggeln ver- standen. Jedoch über viele Schwierigkeiten halfen der bewunderungs- würdige Patriotismus und die Hingabe des Volkes hinweg, sowie auch dessen Anpassungsvermögen und praktischer Sinn.

^) Zu Westpoint am Hudson befindet sich die Kadettenanstalt der Vereinigten Staaten.

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Beide Gegner unterschätzten einander in staunenswerter Weise. Die Nördlichen glaubten, mit »den paar Kerlen da unten« rasch fertig werden zu können, und die Südlichen hielten die Yan- kees für aufschneiderische Feiglinge, die Eingewanderten aber für einen kampfscheuen Mob. Seit über 200 Jahren waren Norden und Süden ein Volk gewesen, hatten ein gemeinsames Schicksal ge- habt, zusammen den großen Krieg gegen England geführt, sowie den Krieg von 1812, den mexikanischen Krieg und die zahllosen Feld- züge gegen die Indianer. Man hätte annehmen müssen, daß der eine Teil den anderen gründlich kennen und richtig beurteilen würde. Doch war das durchaus nicht der Fall. Es stellte sich heraus, daß man sich einander reichlich so fremd war, wie es Völker ohne gemeinsame Interessen zu sein pflegen. Die Franzosen haben 1870 von dem damaligen Deutschland nicht weniger gewußt, als der amerikanische Süden vom Norden wußte, und ähnlich waren die Anschauungen, welche das Nordvolk von seinem südlichen Bruderstamme hegte. Der Norden hatte eine gewisse Berechtigung zur Unterschätzung seines Gegners, denn er war volklich über dreimal so stark, und auch in bezug auf seine Finanzkraft und seine Hilfsmittel herrschte ein ähnliches Verhältnis. Aber die Südlichen übertrumpften den nördlichen Bruder noch beträchtlich an Arroganz, und nach ihren ersten Siegen fühlten sie sich bezüglich des Aus- ganges völlig sicher.

Der Krieg ist einer der interessantesten und lehrreichsten der neueren Geschichte, und es ist sehr auffallend, daß europäische Militärs demselben eigentlich nur wenig Beachtung geschenkt haben.^) Er spielte sich ab während einer Periode, in welcher man auf der Schwelle der modernen Entwicklung in militärischen Dingen stand. Zunächst wurde noch mit den alten Waffen gekämpft, erst im Sommer 1863 traten die Hinterlader mehr in Wirksamkeit; Zum ersten Male kamen hier ganz neue Kriegsmittel, namentlich die

^) Die Ursache muß darin liegen, daß ein Europäer sich in den ameri- kanischen Geschichtswerken über den Krieg so schwer zurecht finden kann. Es setzt das nicht nur sehr eingehende geographische Kenntnisse voraus, sondern auch ein inniges Vertrautsein mit amerikanischen Verhältnissen. Und nun diese Unmasse von oft gleichlautenden Namen der Befehlshaber auf beiden Seiten, diese ewigen Verschiebungen in den Armeekorps, Divisionen und Brigaden, die häufigen Veränderungen in der Befehlshaberschaft. Er- schwert wird das Verständnis noch dadurch, daß die meisten Geschichtschreiber

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Eisenbahnen und der Telegraph in großem Maßstabe zur Anwen- dung, weit mehr, als es noch im italienischen Kriege von 1859 geschah. Die ersten Panzerschiffe erschienen schon im Frühling 1862 bei beiden Kriegführenden, und ein Flußkrieg großen Stils setzte um dieselbe Zeit auf dem Mississippi und dessen Nebenströmen sowie auf den Flüssen der Ostküste ein. Man operierte mit großen Flotten gepanzerter Kanonenboote, welche schwere Geschütze trugen. Ge- rade dieser neuen Waffe verdankt der Norden viel von seinen Er- folgen im Westen. Ericson baute 1862 die ersten Monitors, welche zu ihrer Zeit noch mehr Aufsehen erregten als heute die Untersee- boote. Auch der Luftballon tritt als Kriegsmittel hier zuerst her- vor, und es ist bemerkenswert, daß Graf Zeppelins Interesse für die Luftschiffahrt geweckt worden ist durch seinen Aufstieg in einem Fesselballon, der auf dem westlichen Kriegsschauplatze in Amerika verwendet wurde. Graf Zeppelin war einer der wenigen deutschen Offiziere, welche zum Zwecke militärischer Studien sich dem Nordheere angeschlossen hatten. Auch eine ganz neue Art des Infanteriegefechtes bildete sich nach und nach heraus, und die leichten Schanzwerke, welche der konföderierte General Lee zuerst erbauen ließ, finden jetzt die allgemeine Beachtung militärischer Kreise.

So bot der Krieg viel Neues dar, und man kann mit einigem Rechte sagen, daß es der erste große Feldzug gewesen ist, in wel- chem die moderne Technik eine hervorragende Rolle gespielt hat. Anderseits treffen wir auf manche Dinge, welche fast an den Dreißigjährigen Krieg in Deutschland erinnern. Die Raubzüge, welche der konföderierte Freibeuter Morgan und Genossen bis tief in den Norden hinein ausführte und welche in der Invasion der konföderierten Generale Bragg und Kirby Smith nach Kentucky fast ein Seitenstück fanden, die Brandschatzungen, welche der kon- föderierte General Early in Maryland und Pennsylvanien erhob, wobei die Brandfackel in eine offene Stadt flog, welche den Er- presser nicht sofort befriedigen konnte, mahnen doch recht be-

bestrebt sind, so viele unbedeutende Details einzuschieben, wodurch man bei der Lektüre beständig abgelenkt wird. Auch läßt die Objektivität der Darstellung viel zu wünschen übrig. Jeder Geschichtschreiber hat seine be- sonderen LiebHnge unter den Heerführern, und die Lobhudeleien wirken oft genug widerlich. Verdienstvolle und tüchtige Generäle werden herunter- gerissen, Pfuscher und Stümper über alles Maß hinaus gepriesen. Eine von berufener Feder stammende kritische Darstellung des Krieges fehlt immer noch .

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denklich an die Kriegführung des 17. Jahrhunderts. Dem ent- sprechen auch die Verwüstungen ganzer Landschaften, wie sie der Unionsgeneral Sheridan im Shenandoahtale sowie dessen Kamerad Sherman in Georgia und Süd-Carohna ausführten. Die Nieder- met zelung der Neger Soldaten, die entsetzlichen Leiden der Unions- gefangenen (in Andersonville starben gegen 13 000 aus 40 000 Unionsgefangenen innerhalb acht Wochen) sind weitere Nachtstücke aus diesem entsetzlichen Kriege.

Mobilmachung im Norden. Am Tage nach dem Kampfe um Fort Sumter rief Lincoln 75 000 FreiwiUige auf drei Monate ins Feld, am 3. Mai abermals 42 034 Freiwillige für drei- jährigen Dienst. Er vermehrte die reguläre Armee um 23 000 und die Besatzungen der Schiffe um 18 000 Mann. Am i. Juh 1861 standen 186 751 Mann auf den Listen, außerdem waren für die Marine 25 600 Mann vorhanden.

Die Aushebung der Nordheere mußte nach den schon im Un- abhängigkeitskriege geltenden Regeln stattfinden, d. h. jeder dem Bunde treu gebliebene Einzelstaat stellte gemäß seiner Bevölkerung eine bestimmte Anzahl Truppen. Diese verblieben im Verbände der betreffenden Staaten und galten immer als Staatstruppen. Nur das jetzt verstärkte reguläre Heer des Bundes war eine nationale Armee. Jenes System hatte sehr große Nachteile, wurde aber, obschon man diese Nachteile bald erkannte, durch den ganzen Krieg beibehalten. Den Gouverneuren der Einzelstaaten wurden dadurch gewaltige Vor- rechte eingeräumt, und da diese Herren nicht Militärs, sondern Poli- tiker waren, so verfuhren sie meistens nach den Grundsätzen ihres Standes. Die Gouverneure ernannten die Regimentskommandanten. Da es an Männern mit militärischer Vorbildung fehlte, so mußte man auch für diese wichtigen Ämter Zivilisten einstellen. Daß der Günstlingswirtschaft dadurch Tor und Tür geöffnet wurde, ist. ohne weiteres klar. Auch hatte man wenig Zeit zur Prüfung der Apph- kanten. So kamen gleich von Anfang an viele ganz unfähige Persön- lichkeiten in hohe Kommandostellen. Welche Last die Beseitigung dieser »Colonels« den kommandierenden Generalen bereitete, kann hier nur angedeutet werden. Auch die Rivahtät der Staaten unter- einander veranlaßte große Schwierigkeiten. Jeder Staat suchte seinen Ehrgeiz darin, mögHchst viele Regimenter aufzustellen. So haben New York und Pennsylvanien im Laufe des Krieges jeder deren nicht weniger als dreihundert gestellt, und Ohio und Massa-

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. o

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chusetts kamen dieser Ziffer nahe. Anstatt den einmal gebildeten Regimentern später Ersatz zuzusenden i), bildete man immer wieder neue Regimenter, obschon manche der alten auf die Stärke von zwei bis drei Kompagnien zusammengeschrumpft waren. Je mehr Regimenter aufgebracht wurden, je mehr ehrgeizige Streber konnten mit Stellen als Obersten, Oberstleutnants, Majore, Adjutanten ausgestattet werden. Daß man vielfach Milizoffiziere für diese Stellen annahm, änderte nichts an der Sache. Die alte Miliz trieb nur Soldatenspielerei, ihre Offiziere unterschieden sich in nichts von Zivilisten.

Es mag allerdings ein »Schauspiel für die Götter« gewesen sein, als Hunderte von Obersten, Majoren und Hauptleuten, von irgendeinem alten Sergeanten befehligt, linksum und rechtsum machen lernten, »Griffe kloppten« und die einfachsten Befehlsformen sich zu eigen zu machen suchten. Ganz Europa lachte aus vollem Halse über diese »Offiziere«, die wie grüne Rekruten gedrillt wur- den. Jenes Hohngelächter ist durchaus begreiflich, denn Nationen, welche auf eine militärische Tradition von einem halben Jahrtausend zurückblicken, können kein Augenmaß für die Schwierigkeiten be- sitzen, welche ein Friedensvolk zu überwinden hat, das plötzlich von dem schrecklichsten aller Kriege überrascht wird. Schon daß im Anfange des Krieges die Offiziere bis zum Major von den Sol- daten gewählt wurden, erregte in Europa allgemeine Verwunde- rung. Aber diese Methode entsprach den Gebräuchen des Unab- hängigkeitskrieges von 1776 und war außerdem die einzige hier anwendbare.

Bei der Wahl der Kompagnieoffiziere sollen auch Beeinflus- sungen durch Geld eine Rolle gespielt haben. Jedoch sind die Angaben, welche darüber umlaufen, sicherlich sehr stark übertrieben. Daß solcher Schacher in einzelnen großstädtischen Regimentern getrieben wurde, mag ja sein, aber die aus ländlichen Kreisen re- krutierten Regimenter trifft dieser Makel sicherlich nicht. Immer- hin gelangte eine erhebliche Anzahl von Politikern, Abenteurern und Schwindlern zu Offiziersstellen. Das war leider nicht zu ver- meiden und würde bei jedem anderen nicht militärischen Volke unter ähnlichen Umständen ebenfalls eingetreten sein. Doch wurde

1) Das geschah allerdings auch, namentlich in Wisconsin und in New York, bildete aber in den meisten Staaten die Ausnahme.

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mit vielen der unfähigen Offiziere kurzer Prozeß gemacht. Es war zu viel Intelligenz und zu viel echter, feuriger Patriotismus im nördlichen Heere vorhanden; man lernte die tauglichen Offiziere bald genug kennen, und die eigentlichen Schwindler drückten sich rasch, oder sie wurden gedrückt. Jedenfalls bildete sich schon im ersten Kriegsjahre ein Stamm brauchbarer Regimentsoffiziere her- aus, von denen viele sich vom gemeinen Soldaten emporgearbeitet hatten. Freihch, die Oberführung ließ lange zu wünschen übrig, eigentHch bis zum letzten Schusse, doch lag das auch nicht aus- schließlich an dem Offiziersmaterial, sondern zum Teil auch an den pohtischen Zuständen des Landes.

Es wird im Verlaufe unserer Schilderungen manches ungünstige Wort in bezug auf die »Westpointer«, d. h. über die amerikanischen Berufsoffiziere, fallen. Dabei aber ist immer zu bedenken, daß diese Herren ohne jeden Zweifel die erste Anwartschaft auf Führerposten besaßen. Der Norden war auf die treugebliebenen Berufsoffiziere angewiesen. Daß man sich bei der Auswahl unter diesen Offizieren oft vergriff, ist durchaus nicht zu verwundern, denn jene zwei- bis dreihundert, welche dem Norden verblieben, waren so gut wie sämthch in bezug auf ihre Brauchbarkeit für die Oberführung noch völlig unerprobt. Die tüchtigsten unter dem Stamme der Offiziere des regulären Heeres waren ja zum Feinde übergegangen.

Nicht allein mit Bezug auf die Zahl der Freiwilligen, welche sich zum Dienste stellten, zeigte sich der Patriotismus des Nord- volkes. Wer nicht dienen konnte, stellte seine Mittel zur Verfügung. Reiche Leute organisierten Kompagnien, ja ganze Regimenter. Die Städte, die Counties (Wahlbezirke), die Einzelstaaten sprangen mit großen Summen bei. Über den Ertrag dieser Opferwilligkeit ist niemals Buch geführt worden, aber viele Millionen wurden so aufgebracht. Die Privatwohltätigkeit nahm sich in schönster Weise der Famihen derjenigen an, welche ins Feld zogen. Aus Privat mittein wurden massenhaft Hospitäler und Lazarette geschaffen, und die Liebesgaben, welche den Truppen nachgeschickt wurden, häuften sich zu Bergen und wurden oft eine Last für die Mihtärbehörden.

Der nördliche Soldat besaß eine weit bessere Schulbildung und eine höhere Intelligenz als der gemeine Mann aus dem Süd- volke. Aber es mangelte vielen an den körperhchen Vorzügen, welche die südhchen Soldaten auszeichneten. Die Großstadtbevöl- kerung liefert ja überall schlechteres Soldatenmaterial als das

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platte Land. Und die im volkreichen Osten gebildeten Regimenter besaßen einen starken Einschlag von Großstädtern. Diese Leute waren sehr anspruchsvoll, an kräftige Fleischnahrung gewöhnt und sie waren wenig widerstandsfähig gegen die Hitze und gegen die klimatischen Krankheiten des Kriegsschauplatzes. Damals wurde im Norden wenig Sport getrieben. Die Menschen mußten schwer arbeiten und hatten keine Zeit und auch wenig Neigung für Betäti- gung im Freien. Geritten wurde im östlichen Norden fast gar nicht, auch mit Schieß waffen wußten nur einzelne umzugehen. Dann war die Jugend sehr wenig an das Gehorchen gewöhnt. Der freie Sohn des Nordens konnte sich der notwendigen Disziplin sehr schwer fügen, er war leicht aufsässig, und das Räsonieren und Krakeelen lag ihm im Blute. Und nun sollte er Offizieren gehorchen, die ja auch nichts mehr verstanden und aus denselben Kreisen hervorge- gangen waren, welchen der gemeine Soldat angehörte. Es war durch- aus keine Lust, Offizier zu spielen unter einer so temperamentvollen Mannschaft. Es dauerte sehr lange, bis diese Gegensätze einiger- maßen ausgeghchen wurden, aber vollständig beseitigt worden ist dieser Schaden niemals, und nach jeder Niederlage war immer wieder der »Räsonierteufel« los. In diesem Sinne muß man auch das Desertieren betrachten, welches oft einen schrecklichen Umfang annahm (namentlich nach der Niederlage von Fredericksburg). Die Deserteure sind anders zu beurteilen als die Ausreißer bei europäischen Truppen. Wer da weiß, was diesen amerikanischen Soldaten oft zugemutet worden ist, besonders auf dem Gebiete der Verpflegung, der Marschleistungen und der lässigen Soldzah- lung i), und wer bedenkt, daß die Leute Freiwillige waren, sich auch in der Uniform stets als freie und an Selbstbestimmung ge- wöhnte Bürger der Union fühlten und ihre Stellung im Heere ganz anders auffaßten, als es in Europa geschieht, wird für den ameri- kanischen Deserteur nicht ohne weiteres die Paragraphen des preussi- schen Militärstraf rechtes anwenden wollen. Auch war das Deser- tieren leicht ausführbar, ein Ausreißer konnte in dem dünnbesie-

1) Man blieb den Soldaten oft monatelang den Sold schuldig. Die Zahl- meister konnten nicht immer rechtzeitig eintreffen. Das wurde aber auch oft genug als Vorwand benutzt. Ob wohl der Sold, welchen die Gefallenen oder an Krankheiten Verstorbenen noch zu fordern hatten, stets den Hinter- bhebenen zugekommen ist ?

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delten Lande leicht spurlos verschwinden. Die Gefahr, welche ein Deserteur lief, war gering, denn wer Lincolns Gnade ansprach, tat niemals eine Fehlbitte. Viele desertierten auch nur, um sich bei einem anderen Regimente wieder anwerben zu lassen. Die Leute wollten mit ihrer Flucht oftmals nur ihre Stellung in der Armee wechseln. Und dann, wie viele Fahnenflüchtige würde es wohl in den europäischen Kriegsheeren geben bei ähnlichen Verhältnissen und ohne die unerbittliche Vollstreckung der auf Desertion vor dem Feinde gesetzten furchtbaren Strafe? Es sind vom Nordheere 268 000 Mann desertiert ! ! ^)

Der aus dem Westen stammende Soldat des Unionsheeres war durchschnittlich besser für den Dienst geeignet als sein östlicher Kamerad, weil er abgehärteter und auch weniger anspruchsvoll war. Der westliche Freiwillige gehörte auch mehr dem Landvolke an, viele waren mit der Büchse vertraut, auch fanden sich darunter manche gute Reiter. Vielleicht sind die weit größeren Erfolge der aus dem Westen rekrutierten Truppen zum Teile dem tüchtigeren Soldatenmaterial des Westens zuzuschreiben.

Das Hauptheer des Nordens war stets die P o t o m a c - Armee. Sie kämpfte auf dem wichtigsten Kriegsschauplatze, in Virginien. Ihr standen auch stets die Kerntruppen des Südens unter Führung der beiden größten Feldherren des ganzen Krieges, Lee und Jackson, gegenüber. Die Potomac- Armee war aber fast ausschließlich aus dem Osten der Union rekrutiert. Es wäre ungerecht, sie im ganzen als minderwertig gegenüber der Unionsarmee des Westens zu be- zeichnen, aber sie besaß doch mehr Elemente von geringerer mih- tärischer Qualifikation als das westliche Heer. Außerdem hat die Potomac- Armee stets unter ungünstigem Stern gekämpft. Sie litt ungeheuer an dem ewigen Wechsel der Führer, Dort befehhgte zu- nächst Mc Dowell, darauf der Zauderer Mc Clellan, dann der un- fähige Pope, der ebenso untaugliche Bumside, der vielleicht noch schlimmere Hooker, dann der vorsichtige und vom Glück begünstigte Meade. Gegen Ende des Krieges kam sie unter den Befehl Grants, über dessen Feldherrngaben auch die amerikanische Kritik wahr- scheinlich noch zu anderen Schlüssen gelangen wird, nachdem der Glorienschein, welchen der Erfolg um seine Stirn gewoben hat, der

1) Nach Bericht des Generals der Feldgendarmerie, Fry. Der Sta- tistiker Pfisterer meldet nur von rund 200 000 Deserteuren.

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nüchternen Erwägung von Grants wirklichen Leistungen Platz gemacht hat.

Die Soldaten des Nordens brachten durchweg eine gute Schul- bildung mit, außerdem erzieht das Leben in Amerika besonders geweckte Leute. Sie besaßen ein außergewöhnliches Anpassungs- vermögen und Erfahrung in praktischen Dingen. Das machte sie besonders geeignet für den Pionierdienst, namentlich für Brücken- bau, Instandsetzung von Verkehrswegen, Reparatur und Ergänzung von Eisenbahnbauten. Sie waren es gewöhnt, in allen Lagen des Lebens sich selbst zu helfen, sich nicht auf andere zu verlassen. Sie wußten Axt und Spaten zu führen. Viele verstanden es, mit komplizierten Maschinen umzugehen. Diese Fertigkeiten schufen nicht allein im Lagerleben manche Erleichterungen, sondern machten sich, namentlich während des Shermanschen Marsches durch Georgia, auch zur Schaffung oder Improvisation neuer Kriegsmittel sehr vor- teilhaft bemerkbar.

Schwer litt die Kriegführung im Anfange des Konfliktes an dem Mangel brauchbarer Generalstäbe sowie an guten Karten. Stäbe wollte man den Oberführern anfangs gar nicht zubilligen, weil man das für eine für das republikanische Amerika nicht pas- sende Einrichtung hielt. So hatte sich während des ersten Feld- zuges der Höchstkommandierende um alle, auch die kleinsten De- tails des Dienstes persönHch zu kümmern, und die Befehlsübermitt- lung war sehr dürftig. Noch weit schhmmer machte sich das Fehlen von Generalstabskarten bemerkbar. Das Bedürfnis nach solchen Karten hatte man früher nie empfunden. Den nördlichen Offi- zieren war das Land, in welchem sie kämpfen sollten, so gut wie unbekannt, und auf die Führung durch Ortskundige konnte man sich gar nicht verlassen, denn diese sezessionistisch gesinnten Landes- bewohner führten meistens dahin, wo der Feind eine Falle gestellt hatte. Während der Kämpfe der Jahre 1861 und 1862 tappten die Unionsführer beständig im dunkeln, erst nach und nach er- warb man sich einige Orts- und Wegekunde in den Wildnissen Vir- giniens, wo die meisten Schlachten geschlagen wurden. Das Karten- material, welches nach und nach entstand, wurde wesentlich von deutschen Offizieren hergestellt. Da die Unionstruppen während der ersten Kriegsjahre der Kavallerie fast völlig entbehrten und man durch unverständige Überbürdung der vorhandenen Reiterabtei- lungen diese rasch herunterbrachte, so war der Aufklärungsdienst

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auf Seiten des Nordens äußerst mangelhaft. Die ungeheuren Erfolge, welche der sezessionist ische General Jackson mit seiner kleinen, aber sehr beweglichen und vorzüglich bedienten Truppe gegen die gewaltige Übermacht der Union im Sommer 1862 erlangte, sind angesichts der besonderen Schwierigkeiten, unter welchen das Nord- heer damals kämpfen mußte, wohl begreiflich, obschon immer in Betracht gezogen werden muß, daß Jackson ein seltener Meister des Kleinkampfes und Buschkrieges war und daß er außerdem das Glück hatte, sich gegen Stümper auf diesem Gebiete zu schlagen.

Die nördliche Presse. Ein schweres Hindernis der nördlichen Kriegsführung war die Sensationswut der Presse. Es wurden dadurch viele militärische Geheimnisse preisgegeben, und vielleicht sind die besten Spione der Konföderation die unfreiwil- ligen gewesen, welche in der Presse des Nordens alles ausplauderten, was sie erfahren konnten und was doch, zum Teil wenigstens, noch niemand wissen durfte. So wurden fast alle Vorbereitungen für den Halbinselfeldzug Mc Clellans vorzeitig mitgeteilt. Auch der Plan zu der Minenexplosion in Petersburg wurde vorher in nördlichen Zeitungen besprochen. Die Konföderation hielt im Norden eine Anzahl Spione, welche nur eifrige Zeitungsleser waren und damit ihrer Sache sehr viel genützt haben. Auch hielten sich viele Skribifaxe im Norden für große Strategen, und sie waren höchst fruchtbar in der Erteilung der lächerlichsten Ratschläge an die Ge- nerale. Das wurde aber durchaus nicht mit gebührender Verachtung gestraft, denn die Presse war eine Großmacht bei der Besetzung der Stellen, und wohl jeder General legte sehr viel Wert darauf, daß sein Verhältnis zu den »kommandierenden Generalen der Presse« ein möghchst gutes blieb.

Diensttauglichkeit der Soldaten. Die Ansicht, daß so außerordentlich viele Jünglinge von 17 bis 18 Jahren in der Unionsarmee gedient haben sollen, wird durch die Untersuchungen von Dr. Gould widerlegt. Von rund einer Million Soldaten waren weniger als 200000 unter 20 Jahren beim Eintritt, dagegen zählten aus dieser Gruppe gegen 450 000 Mann zwischen 20 und 25 Jahren. Es sind jedoch recht viele Leute eingestellt worden, welche im deutschen oder französischen Heere als untauglich zurückgewiesen worden wären. Die ärztlichen Untersuchungen konnten bei dem Massenandrange der ersten Kriegszeit nur oberflächhch sein, auch waren unter den Ärzten wohl manche Pfuscher. Hieraus erklärt

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sich die verhältnismäßig große Zahl der Kranken und Marsch- maroden. Die Sichtung des Soldatenmaterials konnte erst nach und nach vorgenommen werden. Auch waren die Anforderungen, welche die in diesen Dingen oft ganz unwissenden Dilettantengenerale zu- weilen stellten, ganz unerhört. Auch manche Westpointer Generale waren von unglaublicher Rücksichtslosigkeit. So ließ z. B. der alte General Sumner die deutsche Division bis an die Brust durch eis- kalte Bäche waten und dann ohne Mäntel, Decken und Zelte im Freien Nachtquartiere beziehen. Das nannte der alte Troupier Ab- härtung !

Der Rücktritt Lees. Der rangälteste General der Bundesarmee war Wienfield Scott, der Held des mexikanischen Krieges. Aber er war inzwischen ein müder und schwacher Greis geworden und für den Felddienst ganz untauglich. Neben ihm stand Oberst Robert E. Lee, ein außerordentlich tüchtiger Offizier, der den angesehensten Familien Amerikas angehörte. Die meisten aus Virginien stammenden Bundesoffiziere hatten schon ihre Stellen niedergelegt. Lee aber blieb ruhig auf seinem Posten im Kriegs- ministerium, und man nahm an, daß er die Union über seinen Hei- matstaat stelle. Auch der alte General Scott war ja ein Virginier, und er blieb unionstreu. Am i8. April, wenige Tage nach Fort Sumter, sandte Lincoln seinen Freund Blair zu Oberst Lee, um diesem den Oberbefehl antragen zu lassen. Lee behauptete später, er habe ablehnend geantwortet, Blair aber hatte den Eindruck ge- wonnen, daß Lee Bedenkzeit verlange. Am 17. April 1861 hatte sich Virginien der Sezession angeschlossen, am 19. sandte Lee seine Resignation ein und begab sich sofort in das Lager des Feindes. Am 22. April wurde er in Richmond zum Generalstabschef (unter Johnston) der Rebellenarmee ernannt. Nach den Anschauungen, die für das preußische Offizierkorps gelten, hatte Lee wie ein Ver- räter gehandelt, aber nicht nach diesen Anschauungen wurde die Sache beurteilt. Man sprach auch Lee das Recht zu, zwischen seiner engeren Heimat und der Union zu wählen, und machte ihm auch nicht allgemein einen Vorwurf daraus, daß er bis zum letzten Augenblicke gewartet hatte. Den Kundigen freilich war die Entscheidung Vir- giniens schon zwei Wochen früher nicht mehr zweifelhaft. Es ist viel sentimentales Zeug über die angeblichen Seelenkämpfe Lees geschrieben worden, aber daß dieser Offizier lange vorher mit sich einig geworden war, was er im gegebenen Falle tun würde, unterhegt

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kaum einem Zweifel. Ein Mann in seiner Stellung und im Bewußt- sein, das Vertrauen des Präsidenten sowie seines alten Kameraden Scott zu besitzen, hätte seinen Degen mindestens früher abgeben sollen. Lee ist der große Feldherr des Sezessionskrieges geworden, doch wohl der einzige wirklich große Heerführer auf beiden Seiten. Aber er war auch der erste Rebell, der sich nach Niederwerfung der Sezession völlig den neuen Verhältnissen anpaßte und in jeder Beziehung bestrebt war, ausgleichend zu wirken und den inneren Frieden wieder herzustellen i) . Gleichzeitig mit Lee war der General- adjutant der Bundesarmee Cooper sowie Commodore Buchanan, der Kommandant des Marinearsenals (Navy Yard) zum Feinde übergegangen, also drei hohe militärische Posten hatten ihre Ver- treter in der Stunde der äußersten Gefahr an den Landesfeind verloren !

Die Flotte. Ganz außerordentlich waren die Leistungen des Nordens zur See, und zwar schon während des ersten Kriegs- jahres. Obschon über die Hälfte der Marineoffiziere für den Süden optiert hatte und gegen 1200 schwere Schiffsgeschütze, allerdings meistens veralteten Systems, dem Feinde in die Hände gefallen waren, wurde die Blockade der gegen 3000 Seemeilen langen feindlichen Küstenstrecke doch sofort energisch in Angriff genommen. Die Handelsflotte des Nordens stellte eine große Anzahl erfahrener See- offiziere, und die Führerschaft erzwang sich sofort Achtung. Die Admirale Farragut, Porter, Dahlgren und Foote haben sich einen Weltruf geschaffen. Schon im Dezember 1862 verfügte die Union über 137 Hochseekriegsschiffe, und gegen Ende des Krieges war diese Macht auf 671 Fahrzeuge angewachsen, darunter 71 Panzer- schiffe und gegen 40 teilweise geschützte Dampfer. Die übrigen größeren Kriegsschiffe waren noch Segler. Um jene Zeit stand man überall erst am Anfange der Periode, durch welche das Verschwin- den des Kriegssegelschiffes eingeleitet wurde. Vergebens versuchte es der Süden, durch seine Blockadebrecher einen Verkehr mit dem Auslande zu erzwingen und durch Kaperschiffe, von denen die besten in England gebaut wurden und mit englischer Mannschaft besetzt waren, eine Art von Seeherrschaft auszuüben. Es blieb bei Einzel- erfolgen und man kann wohl sagen, daß die Blockade seitens der

1) Lee war Gegner der Sklaverei. Das geht aus seinen Briefen aus den fünfziger Jahren unzweideutig hervor.

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Unionsflotte trotz der großen Schwierigkeiten mit Erfolg durch- geführt worden ist.

WesentHch durch die Machtentfaltung zur See konnte die Union gewissen einmischungslüsternen Nationen Europas erfolgreich ent- gegentreten. — In dieser Verbindung sei der geniale Schwede John Ericson noch besonders rühmend genannt. Seine Monitors haben nicht nur den Rebellen Respekt eingeflößt, sondern auch den Herren Engländern.

Die Rüstung des Südens. Die Konföderation rief sofort 100 000 Mann zu den Waffen. Die Mannschaften wurden zunächst auf unbestimmte Zeit, etwas später aber für die Dauer des ganzen Krieges verpflichtet. Diese Maßregel erwies sich als eine weit vorteilhaftere als die im Norden eingeführte Dienstver- pflichtung auf bestimmte Zeit. Im Süden wurde dann sehr bald die allgemeine Dienstpflicht aller weißen Männer eingeführt, ja man hat gegen Ende des Krieges junge Burschen von i6 Jahren und Greise bis zu 6o Jahren eingestellt. In Richmond gab es 1864 ein Regiment, welches das silbergraue hieß, weil die Soldaten sämtlich über 50 Jahre alt waren. Es ist öfters vorgekommen, daß drei Generationen, Großvater, Vater und Enkel als Kameraden im selben Verbände standen. So hat der Süden sein Menschen- material schon frühzeitig sehr stark in Anspruch genommen, und dann hat er sein Heer auch weit mehr auf nationaler Basis er- richtet, als es im Norden geschah. Außerdem besaß der Süden einen sehr starken wirtschafthchen Rückhalt in seinen Sklaven. Der Baumwollenbau wurde bedeutend eingeschränkt, später hörte er fast ganz auf, denn die Baumwolle konnte nach Durchführung der Blockade nicht mehr aus dem Lande heraus. So warf man sich auf Körnerbau und Viehzucht. Außerdem schuf man eine Or- ganisation, durch welche den im Felde stehenden Kleinfarmern die Bestellung der Ländereien durch Sklavenarbeit ermöglicht wurde. Die Sklaven konnte man wie so viele Häupter Vieh dirigieren. Sie hatten keine Ahnung davon, daß der Krieg großenteils ihretwegen entbrannt war. Erst als die Nordheere später tief in den Süden eindrangen, begann diese Erkenntnis langsam hinter den schwarzen Schädeln zu dämmern. Übrigens wurden die Neger von Anfang an auch für eigentliche Kriegszwecke von ihren Herren ausgenützt. Sie dienten als Fuhrleute, Offiziersdiener, als Köche, als Träger hinter der Front, als Helfer in den Lazaretten und sehr wesentlich als Arbeiter

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in den Schanzwerken. Das bedeutete eine beträchtliche Entlastung der kämpfenden weißen Südländer, unter denen sich übrigens auch manche gemeine Soldaten einen schwarzen Diener halten durften.

Die Rechnung, daß 19 Millionen weiße Nordländer gegen knapp 6 Millionen weiße Südländer ins Feld zogen, stimmte deshalb nicht ganz, denn die Sklaven (etwa 3% MilHonen in den elf sezedierten Staaten) bildeten ein sehr wichtiges Element zur Mehrung der Kriegs- stärke des Südens. Annähernd 2 Millionen Schwarze wurden durch die Einstellung der Baumwollenkultur frei für Körnerbau und Vieh- zucht. Mit dem Ertrage dieser Arbeit wurden die Heere der Kon- föderation ernährt. Da der Süden fast ausschließlich Landbau betrieb, so konnte man das kämpfende weiße Volk durch die Sklaven weit leichter entlasten und deshalb weit mehr Männer als Soldaten verwenden, als das in irgendeinem anderen Lande möglich gewesen wäre.

Übrigens besaß der Süden noch manche andere Vorteile über den Norden, welche das gewaltige volkliche Übergewicht des letz- teren beträchtlich einschränkten. Das Vorgehen des Nordens stellte sich als eine Invasion nach dem Süden dar. Dadurch wurde der Krieg für die Konföderierten zu einem Kampfe um Haus und Herd. Der Soldat des Nordens schlug sich für die Aufrechterhaltung der Union, für ein ferner liegendes Ideal, der Südländer aber erwehrte sich eines Eindringlings und kämpfte um seine Existenz. Schon aus diesem Grunde war die Begeisterung für den Krieg im Süden gewiß stärker als im Norden. Auch besaßen die Südhchen für den Felddienst, wie sich derselbe in den ausgedehnten Wildnissen und Wäldern entwickeln mußte, wohl die bessere Veranlagung. Das arme Volk des Südens, welches die große Mehrzahl der Sol- daten stellte, hatte stets zu den Baronen aufgeschaut, sich von diesen führen lassen. Die Sklavenhalter aber waren an das Be- fehlen gewöhnt, besaßen demnach besondere Anlagen für den Offi- ziersdienst. So ließ sich im südlichen Heere leichter Disziplin schaffen. Dabei war jeder Südländer mit der Flinte aufgewachsen und ein geborener Reiter. Da die südlichen Kleinfarmer stets nur so viel Feldarbeit geleistet hatten, als ihre kärgliche Lebenshaltung von ihnen erzwang, so hatten sie immer eine Art Bummelleben geführt. Das schuf ein abgehärtetes, gesundes Volk, gewöhnt an das Leben im Freien und auch an das heiße Khma. Dabei waren diese Leute von ungewöhnlicher Bedürfnislosigkeit. Ihre Uniform bestand oft nur aus selbstgesponnenen Zivükleidern, und Schuhwerk war

92 W. Kaufmann.

ihnen fast ein Luxusartikel. Verpflegen ließen sie sich wesentlich mit Maismehl und Speck, und wenn auch das knapp wurde, so nah- men sie mit rohen Maiskolben vorlieb, die überall vorhanden waren. Die Anspruchslosigkeit der südlichen Soldaten, ihre Ausdauer unter schwierigen Verhältnissen, ihre Fähigkeit, weite Märsche im glühen- den Sonnenbrande durchzuführen sowie ohne Zelt im Freien zu kampieren, ferner ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Tücken der Malaria und andere Seuchen zählten ganz außerordentlich und wogen manche Division auf, welche der volkreiche Norden vorzuschieben vermochte. Die Abgänge im südlichen Heere waren stets mäßig, bei ihren Gegnern aber waren sie furchtbar.

Der Süden trat sofort mit einer vortrefflichen Kavallerie auf, welche bewunderungswürdige Taten vollbracht hat, zunächst unter dem General Ashby, sodann unter »Jeb« Stuart, den man wohl den großen Reiterführern aller Zeiten zurechnen darf. Beide sind gefallen. Der südliche Pferdeschlag ist leichter und von edlerem Blute als das zumeist als Lasttier dienende Roß des Nordens. Ohne viel Ausbildung konnte man rasch eine Kavallerie schaffen, welche sowohl im Angriff durch den Chok, als auch abgesessen und als Infanterie kämpfend glänzende Erfolge erzielt hat. Die südlichen Reiterscharen verstanden es vortrefflich, einen Schleier um das Hauptheer zu verbreiten und den Feind irrezuführen. Sie waren das Auge der konföderierten Heeresmassen, und da der Krieg sich fast nur auf südlichem Gebiete abspielte, so kam den Reitern die Landeskunde sehr zustatten. Außerdem fanden sie überall unter der Bevölkerung zuverlässige Auskunft durch ortskundige Führer.

Dagegen stand es um die Artillerie der Konföderation stets ungünstig. Die Versuche, eigene Geschützgießereien zu gründen, sind meistens gescheitert. Man war zunächst auf den Import von Kanonen angewiesen. Als das durch die Blockade verhindert wurde, mußten die eroberten Geschütze als Ersatz dienen. Die konföderierten Generale suchten diesen Mißstand dadurch auszu- gleichen, daß sie eine äußerst bewegliche reitende Artillerie schufen, welche sich rasch nahe an den Feind heranmachte und aus kleinen glatten Geschützen Kartät seh f euer mit starker Wirkung gab. Das waldige, hügelige Terrain Virginiens begünstigte eine der- artige Ausnützung der Artillerie, namentlich da die schweren und gut bedienten Geschütze des Nordens dort wenig zur Geltung ge- langen konnten, so daß es sich also seltener um die Niederkämp-

Der Krieg im allgemeinen. 93

fung feindlicher Artillerie handelte. Die südliche Artillerie vertrat einigermaßen die Stelle, welche man heute den Maschinengewehren anweisen will. Auch bezüglich des Offizierersatzes lagen die Dinge im Süden recht günstig, zumal sehr viele Veteranen aus dem mexi- kanischen Kriege vorhanden waren. Präsident Jefferson Davis war selbst früher Offizier gewesen und hatte auch als Kriegsminister der Union fungiert. Er kannte viele der Berufsoffiziere persönlich und vermochte deren Brauchbarkeit besser zu beurteilen als Lin- coln, der in militärischen Dingen durchaus Laie war.

Ein wesentlicher Nachteil des Südens darf jedoch nicht über- sehen werden: seine schlechten Finanzen. Das Barkapital steckte zumeist in den Sklaven und da lag es so tot, als ob es in die Erde versenkt wäre. Es fehlte an flüssigem Gelde. Nur in der ersten Zeit fanden die Goldanleihen der Konföderierten in England und Frankreich Abnehmer. Was die Barone an Barkapital besaßen, haben sie willig ihrer Regierung hingegeben, sogar der Schmuck der Frauen wurde vielfach veräußert. Aber das waren ja nur Tropfen für den Strom, dessen man bedurfte. So fabrizierte die konföde- rierte Regierung Geld aus Papier. Aber trotz Zwangskurses wurde es bald wieder zu Papier. Für ein Paar Stiefel bezahlte man gegen Ende des Krieges tausend sog. Dollars. Die Soldaten freilich haben das wertlose Geld stets als Löhnung hingenommen, sie haben sozu- sagen ohne Sold gedient. Tatsächlich hat der Süden fast seine gesamte bewegliche Habe für den Krieg dahingegeben. Der Frieden fand ein bis aufs Hemd ausgeplündertes Volk vor, dem nur die ungehobenen, von der Natur geschenkten Schätze verblieben waren, die es vorher auch schon besessen hatte, ohne das zu beachten. Als die Blende, welche die Sklaverei über das ganze Südvolk gelegt hatte, endlich gefallen war, fand man nach Jahren der Trauer und der schrecklichen »Rekonstruktion« endlich das Sehvermögen für jene Schätze, und die Not gebar die Kraft, sie zu heben.

Es läßt sich nicht genau feststellen, wie viele Truppen der Süden aufgebracht hat. Doch scheint die Schätzung des Unions- generals Sherman, wonach die Konföderation durchschnittlich 569 000 Mann, oft mehr, oft weniger, unter den Waffen gehabt habe, etwas hoch gegriffen. Es kann kein Zweifel darüber herrschen, daß ein Volk, welches derartiges leistete, durchdrungen gewesen sein muß von dem Gefühle, das Recht auf seiner Seite zu haben.

94 W. Kaufmann.

Die Wirkung der Einwanderung auf die Entsdieidung des Bürgerkrieges.

Die Kraft zur Erwürgung der Sezession hat die Union wesent- lich aus der europäischen Einwanderung gezogen. Das läßt sich folgendermaßen nachweisen :

Die Ergebnisse der ersten vier Volkszählungen in den Vereinig- ten Staaten, nach Landesteilen geordnet, waren wie nachstehend:

1790 1800 1810 1820

Norden : i 968 455 2 684 625 3 758 830 5 132 377

Süden: i 961 327 2 621 300 3 480 994 4 522 224

In diesem Volke befanden sich 1790: 657047 Neger; 1820 aber i 524 580..

Beide Landesteile erscheinen um 1790 als ziemlich gleich stark, doch zählte schon damals der Norden rund 500 000 Weiße mehr als der Süden. 1820 hatte sich das Verhältnis, unter Ausschaltung der Neger, so verschoben, daß auf den Norden fünf und auf den Süden wenig über drei Millionen Weiße kamen. Die Einwanderungs- statistik beginnt mit 1820 und erst von dieser Zeit an besitzen wir zuverlässiges Material. Die letzten vier Jahrzehnte vor dem Bür- gerkriege brachten über 5 Millionen Einwanderer nach den Ver- einigten Staaten, nämlich:

1819 1829 . . . 128 502 1830— 1839 . . . 538381 1839— 1849 I 427 337 1849 1860 ... 2 968 194 Zusammen in 41 Jahren 5 062 414 Einwanderer.

Dazu sind noch zu rechnen die Einwanderer aus der Periode 1790 bis 1819, deren Zahl mit 300 000 wahrscheinlich noch unter- schätzt wird.

Was der Süden von diesem Menschenstrom gewonnen haben mag, verlor er reichlich wieder durch Abwanderung der eigenen Landeskinder nach dem Norden, denn im Jahre 1860 wohnten im Norden 607 317 geborene Südländer, im Süden aber nur 206 377 geborene Nordländer. Die Eingewanderten gehörten, abgesehen von den um 1847 aus Irland Verschickten, den besten Elementen an. Die meisten standen in den Jahren der Blüte. Das männliche Geschlecht überwog im Verhältnis von drei Männern zu zwei Frauen,

Die Wirkung der Einwanderang auf d. Entscheidung d. Bürgerkrieges. 95

die Erwerbsgelegenheiten waren günstig, und das billige Neuland lockte zur Besiedelung. Unter diesen Umständen wuchs der Norden damals so rasch heran, wie sich in der ganzen Geschichte der Mensch- heit noch niemals ein Staatswesen, ohne Angliederung unterwor- fener Völker, vermehrt hat.

Im Jahre 1860 besaßen die Vereinigten Staaten eine weiße Gesamt bevölkerung von rund 27% Millionen. Diese verteilte sich wie folgt: die elf konföderierten Staaten besaßen davon knapp 6 Millionen; die dem Süden zugezählten, aber in der Union ver- bliebenen vier Grenzstaaten 2% Millionen, die 19 (Kansas schon eingeschlossen) freien Staaten des Nordens aber 19I4 Millionen Weiße.

Wie würde sich nun die Bevölkerung vermehrt haben, wenn das Land von 1790 bis 1860 der Einwanderung entbehrt hätte? Im Jahre 1790 betrug die natürliche Zunahme des amerikanischen Volkes 1,38 Prozent im Jahre. Es ist kaum anzunehmen, daß dieser Prozentsatz sich später gesteigert hat.^) Wenn man nun jedes Jahr der Bevölkerung von 1790 1,38 Prozent hinzuzählt, so erhält man den Zuwachs, welchen der Geburtenüberschuß allein, ohne Berücksichtigung der Einwanderung gebracht haben würde.

In folgender, von Friedrich Kapp ausgearbeiteter Tabelle, findet man links die weiße Bevölkerung, welche die Vereinigten Staaten am Schlüsse jedes Jahrzehntes hätte haben müssen, wenn sie sich nur durch den Geburtenüberschuß von 1,38 Prozent im Jahre vermehrt haben würde, rechts aber die wirklich durch den Zensus ermittelte weiße Bevölkerung jeder Dekade:

1790:

3 231 930

1800:

3 706 674

4 412 896

I8I0:

4 251 143

6 048 450

1820:

4 875 600

8 100 056

1830:

5 591 775

IG 796 077

1) Eine amerikanische Famiüe zählte 1790 durchschnittHch 5,8 Köpfe, 1900 nur noch 4,6. Damals kamen 2,8 Kinder im Durchschnitt auf eine Familie, 1900 nur noch 1,5. (Daher der Schmerzensschrei Roosevelts über die leere Wiege des Amerikaners.) Zum Vergleich mag bemerkt werden, daß im Jahre 1860 die natürliche Volksvermehrung betrug: in England 1,25 ''/o. ^^ Holland 1,23 "^'0, in Preußen i,ij ^Jq, in Sachsen 1,08 '^/q, in Frankreich 0,44^^0- ^^^ Deutschen Reich betrug der Geburtenüberschuß für das Zensusjahr 1905 1,46 ^^0- Ini Jahre 1885, als die Auswanderung aus Deutschland sehr stark war, betrug die Bevölkerungszunahme des Reichs nur 0,70 •'^o-

96 W. Kaufmann.

1840: 6 413 161 14582008

1850: 7355422 19987563

1860 : 8 435 882 27 489 662

Nach dieser Tabelle würde die natürliche Vermehrung des weii3en amerikanischen Volkes von 1790 bis 1860 5 203 952 Köpfe betragen haben. In WirkHchkeit aber belief sich diese Vermeh- rung auf 24257732. Davon jenen oben berechneten Geburten- überschuß von 5 203 952 abgezogen, ergibt sich ein außeror- dentlicher Überschuß von 19 053 780 Weißen. Daß wir in diesem rund 19 Millionen betragenden weißen Volksüberschuß nur eine Frucht der Einwanderung erblicken können, bedarf keines Beweises. Jene gewaltige Volkszunahme wurde aber wesentlich erzielt von den Einwanderern (und deren Nachkommen) aus der Periode von 1830 bis 1860. Und diese Zeit stellte die Männer, welche im Verein mit den Söhnen früher eingewanderter Europäer, oder, besser gesagt, Amerikanern von längerer Seßhaftigkeit in Amerika^) , für die Aufrechterhaltung der Union gekämpft haben.

Man beachte, daß der Süden bereits 1820 3 Millionen Weiße zählte, 1860 aber nur knapp 6 Milhonen^), während der Norden von 5 MilHonen im Jahre 1820 auf 19I4 Millionen Weiße im Jahre 1860 angewachsen ist. Daraus geht hervor, daß der Süden seit 1820 fast nur auf die natürhche Vermehrung seines weißen Volkes angewiesen blieb, während der Norden infolge der Einwan- derung bis 1860 erst die dreifache Übermacht über den Süden erlangt hat, mit welcher die Rebellion niedergeworfen werden konnte. Vergebens sucht man aber in den angloamerikanischen Kriegsgeschichten nach einer Anerkennung dieser offenkundigen

1) Der bedeutende amerikanische Geschichtsforscher Motley, der Jugend- freund Bismarcks, sagt: »We are Americans; but yesterday we were Euro- peans Netherlanders, Saxons, Normans, Swabians, Celts.«

2) Ganz genau ist diese Berechnung allerdings nicht, weil in den drei MilHonen südüchen Weißen von 1820 auch die Bevölkerung der Grenzstaaten Missouri, Kentucky, Maryland und Delaware miteingeschlossen war, während diesen vier Staaten im Jahre 1860 eine besondere Stellung angewiesen werden muß. Die weiße Bevölkerung der Grenzstaaten betrug 2 1/2 Millionen im Jahre 1860. Man wäre berechtigt, von diesen Grenzlern die Hälfte dem Süden, die andere Hälfte dem Norden zuzurechnen. Die Machtverhältnisse der beiden Landesteile würden aber dadurch nicht sehr bedeutend zugunsten des Südens verschoben werden.

Die Wirkung der Einwandemng auf d. Entscheidung d. Bürgerkrieges. 97

Tatsache. Der gute Stern, welcher stets über den Geschicken der Union gewaltet hat, ist ihr auch treu gebheben in der Stunde der größten Gefahr. Die Hilfstruppen aus Europa kamen gerade recht- zeitig, wesentlich während der letzten beiden Jahrzehnte vor dem Bürgerkriege, um eine für die Union günstige Entscheidung erkämpfen zu helfen.

Es mögen hier einige mit der Einwanderung zusammenhängende Dinge besprochen werden, welche auf den in den vorhergehenden Sätzen geschilderten Gegenstand noch einiges Licht werfen.

Die Gesamtzahl der Einwanderer nach den Vereinigten Staaten hat im 19. Jahrhundert 1914 Millionen Menschen betragen. Welch eine Quelle von Macht liegt in dem kostenfreien Zugange solcher Volkskräfte! Wieviel Millionen Ackerland mögen die Einwanderer des letzten Jahrhunderts der Wildnis entrissen haben; wieviel Fabriken setzten sie in Betrieb, wie viele Städte halfen sie begründen ? Aber die meisten Amerikaner, auch manche der Eingewanderten und deren Kinder, zeigen gar kein Verständnis für diese ihrem Lande stetig zufließenden Schätze von Volkskraft und Kulturmitteln. Gleichgültig, ja oft genug ablehnend empfangen sie diese kostbarsten aller Gaben, und gerade während der Zeit, in welcher die wert- vollsten Elemente massenhaft einströmten, bildete sich die damals sehr beträchtliche Partei der Fremdenhasser oder Knownothings.

In Deutschland hat man versucht, die Verluste einzuschätzen, welche durch die Auswanderung von 5 Millionen Deutschen nach Amerika im 19. Jahrhundert für das Vaterland erwachsen sind. Man hat dabei wesentlich die unvergoltenen Erziehungskosten der Auswanderer in Betracht gezogen. Der Auswanderer verwertete das für seine Ausbildung aufgewendete Kapital in Amerika." Da die Auswanderer vorwiegend junge Leute waren, so ist die Summe der so der Heimat entgangenen Erziehungskosten sehr bedeutend. Auch die Verluste an Wehrkraft und an Steuerkraft hat man zu schätzen versucht. Schmoller veranschlagt alle diese Verluste auf nur 5000 Millionen Mark. Andere aber kommen auf den doppelten und sogar den dreifachen Betrag. Eine auch nur annähernd rich- tige Einschätzung ist unmöglich. Auch haben jene Rechner niemals in Betracht gezogen, was Deutschland infolge des Aufschwunges von Amerika gewonnen hat. Das jetzt sehr große deutsche Export-

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg.

98 W, Kaufmann.

geschalt nach Amerika ist am meisten gefördert worden durch die ausgewanderten Deutschamerikaner, und die staunenswerte Ent- wicklung der deutschen Rhedereien ist wesenthch ein Ergebnis des Auswanderungsgeschäftes. Deutschland empfängt heute eine stattliche Verzinsung seiner amerikanischen Anlagen.

Wichtiger als die Feststellung der Verluste der Auswanderer- länder wäre es, den Gewinn des Einwanderungslandes zu berechnen. Auch hier ist eine genaue Schätzung unmöglich. Jedoch in Nord- amerika bestand vor 50 Jahren ein Marktwert für die »Ware« Mensch ; der erwachsene Negersklave galt um 1855 durchschnittlich iioo Doli. Wollen wir nur des Arguments wegen den weißen Einwanderer nur ebenso hoch einschätzen, so ergibt sich für die Einwanderung von 19 14 MiUionen die Riesensumme von 21 450 Millionen Dollars. Ein Weißer leistete aber die dreifache Arbeit eines Sklaven, demnach sollte er auch wohl den dreifachen Geldwert darstellen. Der Weiße konnte auch auf eine weit längere Lebensdauer und damit auf eine entsprechend größere Verwertung seiner Arbeitskraft rechnen als der Neger. Berücksichtigt man ferner den hohen Kulturwert eines Weißen, so könnte man wohl den Geldwert eines Einwanderers viermal so hoch einschätzen, als den damaligen Marktwert der schwarzen Menschenware. Will jemand sagen, daß die eingewanderten Kinder weniger als iioo Dollars an Wert darstellten, so sei erwähnt, daß nur 22 Prozent der Einwanderer aus Kindern bestanden, deren Altersgrenze im 15. Jahre lag. Kinder im Durchschnittsalter von 7% Jahren erlangten aber im damaligen Amerika schon nach wenigen Sommern eine gewisse Erwerbsfähigkeit. Sodann ziehe man die große Zahl der höher gebildeten Einwanderer in Betracht. Was war z. B. ein Ericson im Sommer 1862 für die Union wert ? Was ein Lieber, ein Schurz, ein Mergenthaler oder ein Carnegie usw.

Daß obige Schätzung ungenügend begründet ist, sei zuge- geben. Aber die volle Wahrheit läßt sich ja in dieser Sache niemals ermitteln. Da es hier nur darauf ankommt, denjenigen, die nur das als wertvoll anerkennen, was sich in Dollars und Cents aus- drücken läßt, eine den Tatsachen wenigstens annähernd entspre- chende Ansicht über den Geldwert der Einwanderung des 19. Jahr- hunderts darzulegen, und da auf so kurzsichtige Leute ja auch schon jene »Negerschätzung« von 21 450 Millionen Dollars eine verblüffende Wirkung ausüben wird, so überlasse ich es den Herr- schaften, unter allen möglichen Schätzungen die ihnen am meisten

Die Wirkung der Einwanderung auf d. Entscheidung d. Bürgerkrieges. 99

zusagende zu wählen, seien es nun 21 450 Millionen Dollars oder das Vierfache, nämhch 85 800 Millionen Dollars, oder auch eine Ziffer, die zwischen beiden liegt.

Das eingebrachte Bargeld der Einwanderer ist oben nicht berücksichtigt worden. Auch über diesen wichtigen Punkt hegt der Durchschnittsamerikaner völlig falsche Ansichten. Er betrachtet den Einwanderer mit Gefühlen, bei welchen Verachtung und Mit- leid sich die Wage halten mögen, er sieht in ihm einen armen Schlucker welchem man eine Gnade erweist, wenn man ihn landen läßt. Nun aber hat die New Yorker Einwanderungsbehörde im Jahre 1870 fest- gestellt , daß damals j eder deutsche Einwanderer 150 Doli, mitbrachte .

Danach wären allein aus Deutschland im 19. Jahrhundert 750 Millionen Dollars Bargeld mit nach Amerika ausgewandert. Aber die Engländer, Skandinavier, Holländer und Böhmen besaßen ebenfalls beträchthche Mittel, und auch aus Irland kam mancher Spargroschen. Setzt man für die Deutschen 750 Millionen an, so wird für die 14 14 Millionen anderer Europäer die Summe von 2500 Millionen sicherhch nicht zu hoch sein. Das ergäbe 3200 Mil- lionen Dollars als Gesamtsumme des von den Einwanderern nach Amerika im 19. Jahrhundert mitgebrachten Bargeldes.

Schheßlich mag noch erwähnt werden, was einer der bedeu- tendsten Nationalökonomen Englands über den Wert der euro- päischen Einwanderer nach Amerika zu sagen hat:

»One of the imports of the United States, that of adult and trained immigrants, would be in an economical analysis under- estimated at 100 000 000 pounds (500 Mill. Doli.) a year« Thorold Rogers, Lectures in 1888, Economic Interpretation of History p. 407.

Dazu sagt der Amerikaner James Ford Rhodes (Band i, S. 355) :

»The South ignored, or wished to ignore, the fact, that able bodied men with intelligence enough to wish to better theircon- dition are the most costly and valuable products on earth, and that nothing can more redound to the advantage of a new country than to get men without having been at the cost of rearing them.«

Im Anschluß an obige Ausführungen folgt hier eine Tabelle über die deutsche Einwanderung nach Dekaden und eine zweite Tabelle, welche die gesamte Einwanderung nach den Vereinigten Staaten während des 19. Jahrhunderts darstellt:

7*

100

W. Kaufmann,

Deutsche Einwanderung

1821 1830 1831 1840 184I 1850 1851— 1860 1861 1870 1871 1880 1881— 1890 1S91--1900

6 761 152 454 434 626 951 667 787 468 718 182 1 452 970 505 152

5 009 280

Einwanderung von 1821 bis 1900

Aus Deutschland ... 5 009 280

» Irland 3 871 253

» England, Schottland 3 024 222 » Norwegen, Schweden,

Dänemark , . . i 439 060 » Kanada U.Neufund- land I 049 939

» Italien . . . . i 040 457

» Österreich-Ungarn . i 027 195 » Rußland u. Polen . 926 902

» anderen Ländern . i 726 913

19 115 221

Dazu die Einwanderer von 1790 1820

300 000

19 415 221

Die Leistung der Deutschen im Kriege.

Die deutschen Achtundvierziger in Amerika.

»Und schutzlos hast du mich hinausgetrieben. Weil ich in meiner Jugend nicht verstand, Dich weniger und mehr mich selbst zu heben Und dennoch heb' ich dich, mein Vaterland!«

Konrad Krez.

Man kann annehmen, daß eine halbe Million Deutsche nur infolge der Revolution von 1848/49 nach Amerika gewandert sind. Doch gilt in den Vereinigten Staaten nur ein kleiner Teil dieser Schar als wirkliche Achtundvierziger. Nur die Führer dieses Heeres von fünfhunderttausend werden so bezeichnet: die Akademiker, Künstler, Techniker, Berufsoffiziere unter den Aus- gewanderten, die Männer, welche in Amerika in Wort und Schrift die Bestrebungen Jung-Deutschlands fortsetzten. Wie viele mögen ihrer gewesen sein ? Niemand weiß es. Börnstein spricht von meh- reren Tausenden. Vielleicht wären viertausend eher zu wenig als zu viel. Auch läßt sich die Grenze zwischen Führern und Masse nicht genau ziehen. Nennen wir die Masse kurzweg das »H e e r«^) der Achtundvierziger. Dieses Heer bestand aber aus ganz anderen

1) Zu den Achtundvierzigern gehörten nicht nur die Freischärler und die öffentlich auftretenden Revolutionäre, sondern auch deren Gesinnungs- genossen, ein Volk von mehreren Millionen. Aus diesem Volke kam das aus- wandernde »H e e der Achtundvierziger. Von 1840 bis 1860 wanderten I 386 329 Deutsche nach Amerika, davon knapp 400 000 während der ersten sieben Vierziger- und der letzten drei Fünfzigerjahre, der Rest, rund eine Million, kam während der Flüchthngsperiode 1848 bis 1857, deren Hoch- flut das Jahr 1854 mit 215 000 deutschen Einwanderern bezeichnet. Danach

102 ' : . ' ^ ^ \' : r .\ ' ' '^ ^- Kaufmann.

Elementen als die zweite halbe Million Deutsche, welche zwischen 1848 und 1857 auswanderte. Es waren höher gebildete, fortschritt- lich denkende Leute, fast ohne jeden Einschlag von Proletariern. Die aufstrebenden Elemente des süddeutschen Mittelstandes bildeten den Kern. Dieses »Heer«, welches viel zu wenig beachtet wird, ist von größter Wichtigkeit. Es bildete den Resonanzboden für die Taten der Führer. Es steckte weit mehr deutsches Selbstbewußt- sein in ihnen als in den übrigen deutschen Auswanderern. Viele Mitglieder des Handelsstandes waren dabei und die meisten be- saßen einen starken Fortbildungsdrang. Man hat oft betont, daß Deutschland durch den Abzug von Tausenden von studierten Män- nern einen ungeheuren Verlust erlitten habe, daß nur ein Land wie Deutschland diesen Verlust habe ertragen können, ohne später Spuren von geistiger Verarmung zu zeigen. Aber der Auszug jenes Heeres ist noch ein weit größerer Verlust für das Vaterland gewesen. Man denke an die Hugenotteneinwanderung nach Deutschland und den Gewinn, welchen dieselbe brachte, obschon jene Einwan- derung von tüchtigen Kräften um so vieles geringer war als dieser Abzug deutscher Volkskraft nach Amerika gewesen ist.

Doch wenden wir uns den eigentlichen Achtundvierzigern, den Führern des Heeres, zu. Was sahen sie beim ersten Umschauen in Amerika?

Die Bundesregierung war in den Händen der Sklavenhalter, welche damals auf dem Gipfel ihrer Macht standen. In Kansas kämpften Freiheitsfreunde und Grenzstrolche auf Leben und Tod, bei den Wahlen in jenem Neustaate wurde in unglaublicher Weise betrogen, und die Regierung begünstigte diesen Schwindel. Die Fremdenhasserpartei der Knownothings wütete im ganzen Lande. Bei den Wahlen in mehreren Nordstaaten wurden freie Bürger mißhandelt, wenn sie das Paßwort der Knownothings nicht kannten. Die Staatenrechtslehre faßten die Neulinge auf als eine Äußerung derselben Kleinstaaterei, welche wesentlich den Grund für die

flaute die Flüchtlingseinwanderung bis Ende 1856 wieder ab. W^ährend der drei Jahre 1852 bis 1854 kamen 503 000 Deutsche nach Amerika; vor und nach der Flüchthngsperiode aber nur 40 000 im Jahresdurchschnitt. So ist man berechtigt, von der Hälfte der nach Amerika in dem Jahrzehnt 1848 bis 1857 abgezogenen Deutschen zu sagen, daß sie durch die Folgen der Revo- lution vertrieben worden sind. Also rund eine halbe Million Achtundvierziger, die Führer und das »Heer« zusammengenommen.

Die deutschen Achtundvierziger in Amerika. 103

deutsche Revolution abgegeben hatte. Dazu kam die engherzige puritanische Lebensanschauung der Anglo-Amerikaner, die Be- schränkung der persönHchen Freiheit und auch des harmlosesten Lebensgenusses, ferner sah man ungefähr an jeder fünften Straßen- ecke eine Kirche, was manchen der Neulinge das Schlimmste dünkte.

Das war nicht die Freiheit, die die Achtundvierziger meinten, nach der sie in Deutschland gestrebt, wofür sie in die Verbannung gegangen waren, wofür so viele Freunde in den Kerkern schmach- teten, manche unter den Kugeln der Standgerichte gefallen waren. Das war in den Augen dieser idealistischen Träumer ein Zerrbild der Freiheit, dünkte ihnen reichlich so schlimm als der Despotismus, welchem sie entflohen waren. Sie wußten nichts von Amerikas Entwicklungsgeschichte, von den Kompromissen der Verfassungs- geber, von der eigenartigen Kultur der beiden Landesteile, von der Sklaverei, die ein Erbteil aus der Herrschaft der Engländer war. Daß sich der »König Mob<( auch unter der freisinnigsten Verfassung sein Reich gestalten könne, war diesen deutschen Schwarmgeistern ganz unbegreiflich. Sie hatten ja niemals sog. praktische Politik getrieben und waren des festen Glaubens, daß schon die verbriefte Freiheit die Menschen zu einer Art von höheren Wesen erheben müsse. Leider verstanden unsere Freunde von der englischen Sprache fast nichts, und die Anglo-Amerikaner reagierten weder auf griechische noch auf lateinische Anrede, und sogar die mitge- brachten französischen Brocken erwiesen sich als nutzlos.

Man empfing die Flüchtlinge zunächst mit Wohlwollen und Mitleid, behandelte sie als Märtyrer der Freiheit und suchte ihnen den Weg, so gut es ging, zu ebenen.^)

Von den politischen Zuständen, welche die Achtundvierziger in Amerika antrafen, waren sie entsetzt, von den Amerikanern fast nicht minder. Daß man in Hemdsärmeln, mit dem Hute auf dem Kopfe und das Priemchen im Munde ebenso hilfsbereit und tüchtig sein kann wie bei Beobachtung des steifen europäischen Zeremoniells, konnten sie nicht begreifen. Bei allem Zurschau- tragen demokratischen Wesens steckten ihnen manche aristokra-

1) Das ist freilich Kossuth und den Seinen mehr zugute gekommen als den Deutschen. Diese waren weit weniger geübt in schauspielerischen und diplomatischen Künsten und konnten auch keine flammenden Reden in englischer Sprache halten.

104 W. Kaufmann.

tischen Gewohnheiten im Herzenswinkel; sie entstammten aus den privilegierten Klassen Deutschlands und hatten von Kindsbeinen an die Vorteile dieser Stellung erfahren. Auch daß die Kunstbestre- bungen Europas hier noch ganz unbekannt waren, schien den Herren befremdend. Die Kunst ist aber bei allen Kulturen ein Spätling gewesen, ein Volk, welches mitten in der Eroberung des Westens stand, konnte noch kein Kunstverständnis entwickeln. Leider war Barnum auch gerade damals der Held des Tages. Aus allen diesen Äußerlichkeiten und Nichtigkeiten schlössen unsere Neulinge, daß die Amerikaner zum mindesten noch Halbbarbaren seien. Die tausend guten Seiten des Yankee, seine Liberahtät, die ohne viel Worte gibt, seine Arbeitsfreudigkeit und seinen Wagemut, seinen praktischen Sinn, seine echte demokratische Freiheitsliebe und seinen Patriotismus lernten sie damals gar nicht kennen. Übrigens haben sich die Achtundvierziger herzlich wenig Mühe gegeben, das Ameri- kanertum, besonders die Geschichte und die Verfassung des neuen Landes, kennen zu lernen. Hassaurek, einer der Ihrigen, betont das besonders.

Und weshalb sollten sie sich auch in jenem Sinne amerikani- sieren ? Sie wähnten ja nur vorübergehend im Lande zu weilen. Die deutsche Revolution müsse ja bald wieder ausbrechen und dann wollten sie sich abermals in Deutschland in den Kampf stürzen. Dieser Traum ist verhängnisvoll geworden für das Schicksal so vieler hochbegabter und tüchtiger Männer. Während dieses Wartens wurden die Spargroschen aufgezehrt und, was schlimmer war, man entwöhnte sich der Arbeit, bummelte mehr als zuträglich und hielt stets den Blick auf Deutschland gerichtet. Im Elend des Flücht- lingslebens verbitterten auch die Tüchtigsten immer mehr, der stete Verkehr mit Gesinnungs- und Leidensgenossen hatte nachteilige Wirkung und die schönen Jahre, in welchen der einzeln auftretende Neuling unter dem Sporn des energievollen Wirkens seiner neuen Umgebung seine Anpassungsfähigkeit an das Land und dessen For- derungen entwickelt, gingen für unsere Freunde nutzlos dahin oder wurden verbracht mit Ausflügen nach Wolkenkuckucksheim, welche uns heute leicht zur Heiterkeit stimmen.

Es war zu viel Sturm und Drang, zu viel Jugendkraft und him- melstürmender Enthusiasmus in dieser Schar. Stilleliegen konnten sie nicht, außerdem fühlten sie die Mission in sich, Amerika trotz ihres voraussichtHch kurzen Aufenthalts gründüch zu reformieren.

Die deutschen Achtundvierziger in Amerika. 105

Dazu hatten sie von Deutschland ein Rezept mitgebracht, ein Mittel zur Volksbeglückung, das, wie sie meinten, für alle Völker und Länder taugen müsse. Es war die in den deutschen Studierstuben ausgeklügelte Theorie von der reinen Demokratie. Diese wurde nun für die amerikanischen Bedürfnisse zugeschnitten und in folgenden Forderungen hergerichtet :

Abschaffung der Präsidentschaft und des Zwei- Kammer- systems, Abschaffung der einzelnen Staatsregierungen, Abschaffung der Ehe, statt dessen Erziehung der Kinder durch den Staat, Abschaf- fung des Geldes oder wenigstens Einführung von Progressivsteuern, durch welche es den Reichen unmöghch gemacht werden würde, mehr als ein gewisses vorgeschriebenes Vermögensquantum zu be- sitzen, Abschaffung des Erbrechts, Bekleidung und Verköstigung der armen Kinder während der Schuljahre auf öffentliche Kosten, natürlich auch Abschaffung der Sklaverei, Einführung eines Systems der Rückberufbarkeit der Volksvertreter usw. Dazu sagt Has- saurek, der selbst einer der Radikalsten war: »Nach allen Rich- tungenhin wurde abgeschafft, und in allen Himmelsgegenden wurden die Luftschlösser eines neuen und perfekten Staatswesens aufgebaut. Im Himmel hatte der liebe Herrgott und in der Hölle der Teufel keine Ruhe. Ein jeder wollte weiter vorwärtsgehen und mehr bieten als alle die anderen. Wer nicht mit den Weitesten ging und dieselben womöglich zu überbieten verstand, wurde als Reaktionär oder als konservativer Leisetreter und Feigling verschrien.«

Der Reformeifer der Achtundvierziger gipfelte in der auf dem Wheehnger-Kongresse von 1852 aufgestellten Forderung : »Die Ver- einigten Staaten müssen Europa anektieren und so ein ,neues Rom' der Freiheit begründen.« Sämtliche Delegierten jenes Kon- gresses (es waren ihrer übrigens nur 16) stimmten für diesen Antrag. Diese Forderung war jedoch auch den meisten Achtundvierzigern zu toll, ein ungeheures Gelächter erhob sich, und der Reformeifer flaute von der Zeit an beträchthch ab.

Die Anglo-Amerikaner erfuhren von den ihnen zugedachten Wohltaten so gut wie nichts, obschon in Pamphleten und in der Esselenschen »Atlantis« auch in englischer Sprache mächtig refor- miert wurde. Die WheeHnger Idee fertigten die Amerikaner mit dem Ausdruck »Cranks« (halbverrückte Kerle) ab. Als jedoch die atheistischen Tendenzen der Achtundvierziger sehr schroff hervor- gekehrt wurden, da nahmen die Amerikaner die Neulinge ernst.

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Sie sahen in diesen Bestrebungen nicht nur einen Mißbrauch des Gastrechts, sondern geradezu eine Unverschämtheit. Die Antwort darauf war eine Neubelebung der schon dem Siechtum verfallenen Fremdenhasser-Partei, außerdem trat eine Spaltung unter den Deut- schen ein. Die sehr zahlreichen religiösen Elemente der Deutschen wandten sich ab von den Leuten, welche die Bibel durch den Feuer- bach ersetzen wollten. Die antikirchliche Bewegung war ohne Frage ein großer taktischer Fehler, sodann ist sie nur ein Schlag ins Wasser gewesen. Es ist davon nur eine kleine Gemeinde von Freidenkern übrig geblieben, wahrscheinlich geringer an Zahl und Einfluß, wie man sie in anderen, weit kleineren Ländern antrifft.

Die Achtundvierziger der Flüchtlingsperiode waren übrigens niemals unter sich einig. Es herrschte beständig Zank und Streit unter ihnen, die eine Gruppe bekämpfte die andere, sogar die ein- zelnen Staatsverbände, besonders diejenigen von Kentucky und Ohio lebten längere Zeit in bitterster Fehde, es wiederholten sich die Zänkereien, welche schon während der deutschen Revolution gewütet hatten.^) Am schlimmsten aber war der Kampf der »Grünen« und der »Grauen«. Er dauerte jahrelang, und der Friede unter diesen beiden Gruppen wurde eigentlich erst kurz vor dem Aus- bruche der Sezession geschlossen. Die »Grauen« waren die Flücht- linge aus der sog. dreißiger Erhebung in Deutschland (Hambach-, Frankfurter Putsch usw.). Auch einzelne schon früher ausge- wanderte Deutsche, wie Lieber und Stallo, zählten zu den Grauen. Auch diese waren Idealisten, hatten dieselben Ziele verfolgt wie die Achtundvierziger, hatten dafür gelitten wie jene. Freundlich und gastfrei hatten sie die Brüder aufgenommen. Aber sie konnten nicht stillschweigen zu den Reformtollheiten der neuen Schwarm- geister. Sie suchten zu bremsen, aber da kamen sie schön an. Von allen Seiten wurden Schmutzbatterien gegen die Grauen aufgefahren, und ein widerlicher Kampf begann, der namentlich auf selten der Grünen mit ganz unnötiger Schärfe geführt worden ist. Auch die Grauen hatten ein Heer hinter sich, ihre vor 1848 eingewanderten Landsleute. Das waren meistens wohlhabende, wenn auch im

1) »Das traurigste und mir wirklich unerträglich anzuhören ist, wie jeder den andern des Verrats, der Räuberei, der Feigheit anklagt . . . Brentano klagt Struve an, Struve den Brentano.« Aus Heckers Abschiedsbrief an das deutsche Volk, geschrieben in Havre.

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ganzen recht beschränkte Leute. Das Protzentum der Empor- kömmhnge machte sich, ganz gegen den Wunsch der Körner, Münch, Molitor usw. , geltend und bildete eine häßliche Waffe auf der grauen Seite. Der länger in Amerika ansässige Deutsche stellt sich dem frisch eingewanderten Landsmann fast immer mit dem Gefühle der Überlegenheit gegenüber. Der zu Wohlstand gelangte ehemalige Hausknecht oder Bauern] unge spielt gerne den Geschwollenen im Verkehr mit dem Neuling, auch wenn ihm letzterer auf geistigem Gebiete hundertfach überlegen ist. Dieser völlig zwecklose Kampf der Deutschen unter sich war höchst beklagenswert; den Schaden trugen wesentlich die Grünen.

Die Zeit kam, etwa 1854, als man die Träume von einer Rück- kehr nach Deutschland aufzugeben hatte. Das Exil wurde ein dauerndes, man mußte sich in Amerika einrichten. Aber die beste Zeit dafür war verpaßt worden. Nach Einsetzen der großen Finanz- krisis war es selbst für geschulte Arbeiter schwer, Beschäftigung zu finden. Und nun erst diese große Masse von deutschen Gelehrten, Professoren, Juristen, Medizinern, Philologen, Künstlern, Offi- zieren usw. Wo sollte man sie unterbringen, was anfangen mit diesen unpraktischen, zur Handarbeit gar nicht erzogenen und dabei immer noch mit einem Fuße in Deutschland stehenden Herren. Die Not unter ihnen war groß; sie erkannten, daß es in Amerika doch wenig- stens eine vernünftige Einrichtung gebe, den sog. Freilunch. i) Viele wurden Zigarrenmacher, andere Anstreicher, noch viel mehr Bierwirte oder Schenkkellner, und um eine Hausknechtsstelle balgte sich oft genug der ehemalige Offizier mit dem früheren hohen Justiz- beamten. Besonders traurig war das Los der Familienväter unter den Achtundvierzigern. Nur wenigen der Herren gelang es, eine ihren Kenntnissen und Veranlagungen gemäße Stellung zu erreichen, die vielen Professoren und Pädagogen quälten sich mit Privatstunden ab, der bedeutende Virtuose gab Klavierstunden zu 25 Cents in den Häusern »glotzender Barbaren«, und der einst in Düsseldorf und in München Gefeierte vergeudete seine Kraft an Bockbier- schildern und Pillenreklamen. Sogar die Mediziner vermochten

1) Rösler von Öls, ehemals Mitglied des Frankfurter Parlaments, wurde von Freunden gefragt, ob er sich nicht schäme, ein Blatt zu leiten, welches die Whig-Partei unterstützte. Rösler gab ihnen die traurige Antwort: »Ihr wißt wohl noch nicht, wie weh der Hunger tut?«

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nur schwer, sich zu einer erträgHchen Existenz durchzuringen. Amerika stand damals noch unter dem Zeichen der Kurpfuscherei, und nicht wenige Achtundvierziger hat die Not schheßhch auch auf dieses Gebiet getrieben. Wer noch ein paar Spargroschen hatte oder wem endhch doch noch der letzte, aber positiv allerletzte Geldbrief aus Deutschland ins Haus geflogen kam, gründete eine Zeitung, schrieb sie selbst, druckte sie selbst, trug sie selbst den Lesern ins Haus. x\ber dieser Jammer gebar nur einen größeren, denn die meisten derartigen Gründungen unterlagen rasch. Hinaus aufs Land, auf die Farm, um ein freies Leben zu führen im Urwalde! Die das taten, erfuhren jedoch bald, daß das Leben eines Wiskonsiner Buschfarmers von Leuten ihrer Art noch schwerere Opfer forderte als das Bekleiden irgendeiner untergeordneten Stellung in den Städten. Wohl die meisten kamen enttäuscht und bettelarm nach der Stadt zurück.

Zum Glück setzte die Antisklavereibewegung gerade dann ein, als die Gefahr des allmähhchen Versumpf ens für die Achtund- vierziger am größten war. Hier eröffnete sich für die Feuerköpfe ein Feld ersprießlicher Tätigkeit. Zu Hunderten zogen sie in den Wahlkampf als Redner, Literaten, Agitatoren. Es galt, die Lands- leute für die neue Bewegung zu gewinnen, die deutschen Demo- kraten der neuen republikanischen Partei zuzuführen. Nun kam die rednerische Ausbildung, welche man während der sonst so fruchtlosen Reformierungszeit gewonnen hatte, doch noch zur Gel- tung. In Gruppen von dreien oder vieren durchzog man den Westen. In jeder Niederlassung, in jeder Kleinstadt wurden deutsche Volks- versammlungen gehalten. Und die deutsche Bewohnerschaft kam in Schwärmen, zunächst wohl mehr aus Neugierde, um die »Schnurr- barte«^) zu sehen und zu hören. Aber das Interesse wurde rasch geweckt. Die Reden der Deutschen hatten ja auch einen ganz an- deren Klang und Grundton. Sie waren radikal, und vor allen Dingen : sie behandelten den Kern der Sache, die Sklaverei. In den Ver- sammlungen der englisch redenden Republikaner wurde aber wesent- lich die Staatenrechtsfrage behandelt, das in der Sklavereifrage noch recht matte, sorgsam verklausulierte Programm der neuen

1) Der Schnurrbart war sozusagen die Uniform der Neulinge. Im Kampfe mit den Grauen wurden die Grünen meistens die Schnurbärte genannt, die Grauen erhielten den Kosenamen »alte Hunker«.

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Partei verteidigt, man operierte mit Halbheiten und drückte sich um die Hauptsache herum. Aber das war den Zuhörern nicht allein langweilig, sondern direkt widerlich. Das Volk hatte mit gesundem Instinkt herausgefühlt, worum es sich eigentlich handelte, es war der ewigen Spitzfindigkeiten und Verfassungsklügeleien längst müde, es verlangte gesunde Kost, und die bekamen die Deutschen bei den Schnurrbärten. Diese warfen das zahme Parteiprogramm über den Haufen und redeten frei von der Leber weg. Der Ton ähnelte sehr demjenigen, welchen die Achtundvierziger schon in Deutschland angeschlagen hatten. Statt der gekrönten Tyrannen fielen sie über die ungekrönten her, deren Szepter die Sklaven- peitsche war. Der erste Redner sprach von den ewigen Menschen- rechten, dem brechenden Auge der Freiheit, den Prinzipien der Jeffersonschen Unabhängigkeitserklärung. Dann kam einer, der seinen Landsleuten schilderte, wie sie selbst dereinst in Deutschland Halbsklaven gewesen seien, wie sie dort kein Land erwerben konnten, wie sie vom Baron in Knechtschaft gehalten wurden usw. Der dritte Redner malte die Gefahren eines weiteren Sieges der Sklavenhalter aus, wie besonders der Landbesitz des deutschen Bauern bedroht würde, wenn die Sklavenhalter ihre Betriebe nach dem Nordwesten ausdehnen dürften. Der letzte Redner hatte die schwierigere Auf- gabe, seinen Zuhörern zu beweisen, daß in der neuen republikanischen Partei die Rechte der Eingewanderten gewahrt bleiben würden. Aber die neue Partei sei ja eine Freiheitspartei, und die Deutschen würden darin den größten Einfluß haben, wenn Michel den An- schluß nicht verpasse. Alle diese Reden waren von Begeisterung durchtränkt, es klang immer durch, daß die Redner aus innerer Überzeugung sprachen, daß sie die Sache, welche sie vertraten, für eine heilige und gerechte hielten. Und bei den Zuhörern meldete sich der blinde Passagier, welchen jeder Deutsche mit nach Anierika gebracht hat, der alte teutonische Haß gegen Knechtschaft in jeder Form, welcher den ersten Protest gegen die Sklaverei von Deutschen ausgehen ließ und sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der amerikanischen Sklaverei verfolgen läßt. Auch die Nachfeier war schön, für manche der alten deutschen Farmer noch schöner als das Redeturnier. Man lief nicht auseinander, wie sonst bei den Versammlungen. Ein Fäßchen wurde aufgelegt, die alten lieben Lieder der Heimat wurden gesungen. Dann feierte der eine »Schnurrbart« die deutschen Farmerfrauen, ein anderer rührte die

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Gesellschaft mit der Schilderung seiner Kerkerhaft in Deutschland, der Dritte lobte die Verdienste der Deutschen um die Eroberung des Westens und der Vierte schmetterte nochmals von den ewigen Menschenrechten. Dazwischen wurde wieder gesungen, und die Stunden flogen dahin. So wurden die politischen Versammlungen zu deutschen Volksfesten, durchweht von der Heimatluft, welche die Redner mitbrachten. Und das letztere war vielleicht das wich- tigste. Wenn die Schnurrbarte wieder kamen und sie kamen immer wieder so eilten die deutschen Farmer aus weiter Ferne mit Frau und Kindern herbei. Wagenburgen umsäumten den Festplatz, ein Ochs wurde am Spieß gebraten, auch wohl ein Bären- braten verteilt, das Bier floß in Strömen, und alles war eitel Freude, Gesang und Gemütlichkeit. Man merkte es den Teilnehmern, die oft nach Tausenden zählten, an, wie sie die langen Jahre nach deut- schem Wesen, nach Heimatluft gehungert hatten.

Staunend sahen die amerikanischen Politiker diesen Dingen zu. Sie drängten sich förmlich zu den »dutch Meetings«, das unge- wöhnliche Schauspiel lockte sie herbei sowie die Freude und die Ordnung, welche ohne Pohzei und ohne jede Aufsicht dort herrsch- ten trotz des Bieres. Und wenn diese Feste am Sonntage statt- fanden, so drückten sie ein Auge zu und schlichen sich nach »Deutsch- land in Wisconsin, Ohio, Indiana oder sonstwo«. »Was ist mit den Deutschen los«, fragte man sich im fernen Boston, im Hauptquar- tiere der Abolitionisten. Man verschaffte sich die Übersetzungen der Reden und fand, daß es abolitionistische Reden waren, aber volkstümlicher und klarer, gediegener, ohne demagogische Unter- strömung, wie solche in den Deklamationen der englisch sprechenden Sklavereigegner oft zu finden war. Schon die Fremontwahl von 1856 brachte herrliche Früchte des deutschen Umschwungs und die Lincoln wähl von 1860 den Sieg der repubhkanischen Partei.

So ungefähr ist der deutsche Teil des mittleren Westens und des Nordwestens der demokratischen Partei entrissen und in die Reihen der Sklavereigegner geführt worden. Der Anführer in diesem deutschen Wahlkampfe war Schurz. Er sprach allerdings vorwiegend in den Städten und mehr englisch als deutsch, aber seine englischen Reden waren durchtränkt von deutschen freiheitlichen Anschau- ungen und wirkten auf seine amerikanischen Zuhörer weit zündender und überzeugender als die wesentlich nach den Vorschriften des Parteiprogramms vortragenden angloamerikanischen Redner. Seinen

Die deutschen Achtundvierziger in Amerika. Hl

zahllosen deutschen Kameraden, welche wesentlich den »Busch« bearbeiteten und nur deutsch sprachen, lieferte Schurz das Rezept, die amerikanische Munition, den Schwung und die Begei- sterung hatten sie selbst. Auch gab es wenig Pausen in dieser Agi- tation. Man bot dem guten Michel gar keine Gelegenheit, wieder schlapp zu werden. Gab es gerade keine politische Arbeit, so machten die Schnurrbarte Besuchsreisen bei ihren neuen Freunden im Busch, wurden freundlich aufgenommen, und die angeknüpften Beziehungen wurden lebendig erhalten. Michel blieb wirklich wach.

Diese Wahlarbeit ist für die Achtundvierziger selbst zum größten Segen geworden. Sie kamen dadurch endlich aus ihrem Cliquen- wesen, aus der Enge und der Stickluft ihrer viel zu sehr gepflegten Flüchtlingskameradschaft heraus. Sie wurden mehr und mehr ameri- kanisiert, lernten endlich auch die Anglo- Amerikaner näher kennen und vertieften sich mehr in die Geschichte und in die Eigenart des Landes, das nun doch ihre Heimat bleiben mußte und das sie nun auch wirklich lieben lernten. Sie wurden praktischer, lernten die Reformtorheiten ihrer Flüchtlingsperiode einzusehen und sie zu belächeln, denn zu schämen brauchten sie sich derselben nicht. Alles, was sie damals erstrebt hatten, entsprang grundehriichen Überzeugungen, war nur das Produkt einer unverstandenen Lage und des jugendlichen Tatendrangs gewesen. Sie fühlten bald festen Boden unter sich und nach und nach schwand auch das materielle Elend.

Das Werk, welches die Achtundvierziger während der Periode 1855 bis 1860 vollbrachten, ist eine schöne und große Leistung. Aber darin und in ihrer massenhaften Anteilnahme am Kriege erschöpften sie sich auch. Was sie sonst noch schufen oder geschaffen haben sollen, ist, genau betrachtet, weniger ihr Verdienst als das natürliche Ergebnis des damahgen Massenvorstoßes der Deutschen nach Amerika, namentlich der großen Tüchtigkeit und der weit höheren Bildung, welche in dem mitgebrachten »Heere« steckte. Die oft gehörte Behauptung, »daß die Achtundvierziger die deutsch- amerikanische Presse erst geschaffen hätten«, würde schwer zu beweisen sein. Bei dem großen Lesebedürfnis jener Zeit und bei den Massen der einströmenden Deutschen war es keine besondere Kunst, die Presse zu entwickeln, außerdem war die Presse der vor- achtundvierziger Zeit längst nicht so versumpft, wie oft behauptet wird. Nur die Landpresse befand sich in kläglicher Verfassung.

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Die vorachtundvierziger Redakteure, Rödler, Weber, Walker, Molitor, Fieser, um nur einige der Herren aus dem Westen zu nennen, stehen in ihren Leistungen wahrscheinlich nicht hinter den bedeu- tenderen Journalisten aus dem Kreise der Achtundvierziger zurück. Freilich der letzteren waren mehr, weil die Zahl der Zeitungen so außerordenthch anwuchs.

Vielleicht ist die Tatsache, daß so viele der Achtundvierziger und namenthch so viele der tüchtigsten Kräfte unter ihnen dem Journalismus sich zugewendet haben, der geistigen Entwicklung dieser Männer eher hinderlich gewesen. Die Redakteure jener Zeit hatten stets eine bedeutende Übersetzungslast zu bewältigen, mußten sich kümmern um den erbärmlichen Lokalklatsch, sollten ihr Blatt auch repräsentieren, besonders in den zahllosen deutschen Vereinen, mußten oft Reden halten, sich mit der für jeden ernsten und ge- wissenhaften Mann direkt widerlichen Lokalpolitik befassen, kurz, sich dermaßen zersplittern und ausgeben, sich mit Nichtigkeiten, oft genug mit JämmerHchkeiten plagen, daß von einer Fortbildung ihrer geistigen Kräfte kaum die Rede sein konnte, ja daß sie nach und nach, der eine mehr, der andere weniger, zu einer Art geistiger Handarbeiter verflachten. In diesen Dingen ist wohl auch der Grund zu suchen, weshalb die Achtundvierziger uns so wenige Männer von nationalem Rufe gegeben haben. ' Wer wäre da zu nennen außer dem einzigen Schurz sowie vielleicht noch Kapp? Wo sind die Achtundvierziger, deren Namen im ganzen Lande einen ähn- lichen Klang hatten, wie ihn die bedeutenderen unter den Deutschen der vor achtundvierziger Periode sich errungen haben, die Lieber, Stallo, Körner, Grund, beide Brüder Folien, Engelmann, die großen Ingenieure Rohling und Julius Hilgard, der Forscher Wizlicenus, Theodor Hilgard, Minnigerode; auch Münch und Rattermann und noch manche andere wären da zu nennen. Kann man aus den Reihen der Achtundvierziger eine Liste von über die deutschen Kreise hinaus bekannten Namen vorweisen, welche sich mit derjenigen der bedeutenden Grauen vergleichen ließe? Und doch war die Zahl der Achtundvierziger außerordentlich viel größer, und auch die Zeit war ihnen günstiger, denn ihr Wirken fiel in die Periode des großen Aufschwungs des amerikanischen Volkes aus kleinbürgerlichen und agrarischen Verhältnissen zu einer sich ihrer Kulturaufgaben bewußt werdenden Nation. Der Grundfehler der Achtundvierziger bestand darin, daß sie viel zu sehr am Deutschtum kleben blieben

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und nicht genug hinaustraten in das Gesamtleben des amerikanischen Vollves, diesem viel zu wenig Ton und Inhalt aus dem reichen Schatze ihres Wissens und ihrer Gedankenwelt gegeben haben. Mancher mag in der Deutschtümelei (ich gebrauche diesen Ausdruck ungern, denn er trifft doch nicht ganz zu) der Achtundvierziger einen be- sonderen Vorteil für das Deutschtum erblicken. Aber schon das Beispiel der Lieber, Stallo und Schurz zeigt uns, daß man sehr wohl ein großer Amerikaner sein kann und dabei doch dem Deutsch- tum stets eine mächtige Stütze; ja daß die von der ganzen ameri- kanischen Nation anerkannte geistige Bedeutung eines Deutschen, daß der nationale Ruf, den sich unsere Besten erworben haben, tiefere Furchen gezogen hat und mehr bleibenden Wert besitzt, als das stille Wirken vieler begabter und geistig regsamer Männer, welche sich in die Winkel deutscher Redaktionsstuben zurück- zogen oder vereinzelt im Kongresse auftraten, als Ärzte, Lehrer, Anwälte eine lokale Berühmtheit erlangten, schließlich zu einer Art von deutschen Patriarchen wurden und dann dahingingen, ohne daß die nächste Generation selbst der Deutschen sich ihrer noch erinnert.

In bezug auf Schurz könnte man übrigens die Einwendung erheben, daß dieser Flüchthng aus Rastatt und Befreier Kinkels den amerikanischen Achtundvierzigern gar nicht angehört. Er ging seine eigenen Wege vom ersten Tage seiner Ankunft in Amerika an, hielt sich vöUig abseits von den Reformbestrebungen seiner Genossen, verkroch sich in eine Kleinstadt Wisconsins und lebte dort ganz seinen Studien. Er stellte sich auf den Boden der Tatsachen und betrachtete die deutsche Revolution als erledigt. Man kann Schurz vielleicht als den einzigen wirklichen A u s w an - derer unter der tausendköpfigen Schar seiner Kameraden an- sehen. Er wurde sofort Amerikaner und widmete dem neuen Lande die herrlichen Gaben seines Geistes, welche er auf deutschen Hochschulen, sowie während seiner Wander jähre in London und Paris entwickelt hatte. Seine Studien in Wisconsin galten aus- schließlich Amerika, er fühlte die Kraft in sich, dem Adoptivvater- lande gute Dienste zu leisten, aber er wollte nicht hervortreten, ehe er sich nicht gründlich vertraut gemacht hatte mit den Zu- ständen Amerikas, mit dessen Geschichte und Verfassung und mit der englischen Sprache. So ausgerüstet fand ihn eine große Zeit. Erst 1852 war der damals Dreiundzwanzigj ährige in Amerika ge-

W. Kaufmann, Die Deutschen im araerikan. Bürgerkrieg. 8

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landet, aber schon drei Jahre später sprach man in Boston, in New York, im ganzen Nordlande bis Minnesota von diesem merkwür- digen Deutschen, dem großen, gediegenen Redner, dessen Worte durch das ganze Land hallten. Daß Schurz eigentlich nicht zu den amerikanischen Achtundvierzigern zählt, könnte man auch leicht aus den Äußerungen vieler der übrigen Achtundvierziger über ihn beweisen. Sie haben Schurz vielfach wie einen Abtrün- nigen behandelt, ihn konsequent »Herr« Schurz, während der Kriegs- zeit den »Zivilisten« Schurz genannt. Wie der Politiker Schurz von einem großen Teile der achtundvierziger Presse leider behandelt worden ist, namentlich nachdem Schurz den Ministerposten unter Präsident Hayes angenommen hatte, gehört zu den Dingen, welche hier nur angedeutet werden können. Jedenfalls ist Schurzens großes Verdienst um die Zivildienstreform, welche er als Minister des Innern einleiten konnte und deren eigentlicher Urheber er ist, von den Anglo-Amerikanern mehr gewürdigt worden als von seinen Landsleuten.^)

Aus der geplanten deutschen Universität in Amerika ist nichts geworden und eigentlich nur das deutsche Lehrerseminar in Mil- waukee kann als ein die Zeit des Wirkens der Achtundvierziger

1) »It is safe to say that if he (Schurz) or a man Hke him could have re- mained in that place (as Secretary of the Interior) it would not have been necessary to send a United States Senator to the penitentiary for steahng timber lands« (Professor Edmund J. James bei der Schurzfeier in Milwaukee 1906).

Das ist durchaus richtig. Schurz hat das Ministeramt nicht aus den Gründen begehrt, welche die amerikanischen Durchschnittspolitiker in solchen Fällen zu leiten pflegen. Er nahm jene Ernennung an, weil er eine Pflicht zu erfüllen hatte. Er wollte die Zivildienstreform in Wirksamkeit treten lassen. Er wollte beweisen, daß sich seine Theorien über die Reform des Be- amtenwesens sehr wohl durchführen lassen, wenn an der leitenden Stelle der gute Wille dafür vorhanden ist. Und dieser Beweis ist ihm gelungen. Er hatte nicht danach zu fragen, ob es so vielen seiner Achtundvierziger- Genossen angenehm war, daß er das Amt unter dem Präsidenten Hayes an- nahm, außerdem hatte Schurz die Erwählung dieses Präsidenten gefördert, und nur die Entscheidung der Elektoral-Kommission war für ihn wie für jeden anderen Bürger maßgebend. Die Gelegenheit, in den Ministerrat berufen zu werden, kehrte vielleicht niemals wieder, und er hätte das, was er als eine wichtige Pflicht erkannt hatte, vernachlässigt, wenn er auf jenes Amt verzichtet hätte.

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Überlebendes Denkmal angesehen werden. Aber auch jetzt noch steht dieses Seminar nicht auf völHg gesichertem Boden, vielleicht weil es, allerdings wohl unbilligerweise, als eine Anstalt zur be- sonderen Pflege radikaler Gesinnung angesehen worden ist und des- halb nur von einem Teile des Deutschtums unterstützt wurde. Die Achtundvierziger sind stets für den deutschen Unterricht in den Volksschulen eingetreten, ferner für die Schaffung und Unter- stützung der deutschen Bühne. Aber sie haben wohl niemals selbst ein besonderes Verdienst dafür beansprucht, sondern diese Arbeit einfach als ihre Pflicht und Schuldigkeit betrachtet, wie ein solches Wirken ja stets von den gebildeten Deutschen in Amerika ange- sehen worden ist.

Es ist in neuerer Zeit häufig beklagt worden, daß die Acht- undvierziger in bezug auf die Neugestaltung Deutschlands unter preußischer Führung Nörgler der schärfsten Tonart blieben und daß sie für die Größe Bismarcks fast niemals Verständnis gezeigt haben. Im allgemeinen trifft das auch zu, doch ist hervorzuheben, daß Schurz und Kapp, und man könnte wohl sagen auch Hecker, eine davon durchaus abweichende Stellung eingenommen haben.^) Wäh- rend des Deutsch-Französischen Krieges jubelten alle Deutsch- amerikaner, und von den Achtundvierzigern haben manche Freuden- tränen geweint^), als die Siegesnachrichten von Weißenburg, Metz,

1) Von den führenden Deutschamerikanern der vorachtundvierziger Einwanderung standen Lieber, Stallo, Münch und auch Körner auf einem dem neuen Deutschen Reiche durchaus freundhchen Standpunkte. -) Kaspar Butz sang nach der Kriegserklärung 1870:

»Wenn Wünsche Kugeln wären, wenn Blitz und Donnerschlag Der längst Verbannten Zürnen, jetzt am Entscheidungstag, Wie würd' der Donner rollen gewaltig übers Meer, Für Deutschland eine Salve und für sein tapfres Heer! Vergessen ist ja alles, vergessen jede Not, Vergessen jedes Urteil, ob es auch sprach: der Tod! Für dich, o Muttererde, du Land der HerrHchkeit, Auch deine fernen Söhne, sie stehen mit im Streit!« Das Gedicht schloß mit folgender Mahnung an Bismarck: Doch du, der jetzt du lenkest, des Vaterlands Geschick, O stehe fest, o wanke jetzt keinen Augenblick! O sieh', wie Erz im Bücke jetzt KHo blickt auf dich. Und sei dem deutschen Volke kein zweiter Metternich!

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Sedan und Paris einliefen. Die Stimmung unter den altgewordenen Freiheitskämpen schlug aber um nach den Tagen von Versailles. Die deutsche Revolution von 1848/49 hatte doch wohl mehr der Beseitigung der deutschen Kleinstaaterei gegolten als der Errichtung einer Republik. Durch die Gründung des neuen Deut- schen Reiches schien aber die Stellung der kleinen Bundesfürsten weit gesicherter als früher, und dann war der neue Kaiser ja auch der Sieger von Rastatt gewesen. Auch daß Deutschösterreich völlig vom Deutschen Reiche losgelöst worden war, verstimmte die Achtundvierziger sehr stark. In diesen Dingen ist wohl mehr die Ursache jener Nörgeleien zu suchen als in Rechthaberei und Verbissenheit. Sodann stellt das werktätige Leben in Amerika so hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des einzelnen, daß es auch dem geistig besonders regsamen Deutschen schwer wird, in bezug auf die Entwicklung in Deutschland auf dem lau- fenden zu bleiben. Der Wellenschlag der geistigen und politischen Strömungen Deutschlands flaut bedenklich ab, bis er die Prärien des amerikanischen Westens erreicht und dort auf den vereinsamten Deutschen trifft, der doch so gerne kräftig davon berührt werden möchte. Es hat dem gebildeten Teile des Deutschamerikanertums stets an einem geistigen Mittelpunkte gefehlt, von w^o aus die weitzerstreuten Volksgenossen mit guter deutschländischer Lite- ratur versehen werden konnten oder wodurch ein Band geknüpft werden konnte, das alle geistig strebsamen deutschen Elemente vereinigte. Die Tagespresse genügte nicht für diese Zwecke, und einzelne Zeitschriften, welche nach jenem Ziele strebten, wie z. B. Heinzens »Pionier«, blieben wegen ihrer Tendenz stets nur auf einen kleinen Kreis beschränkt.

Übrigens saß der Groll der Achtundvierziger gegen das »ver- preußte« Deutschland durchaus nicht so tief, als man nach dem oft sehr rauhen und derben Tone schließen möchte, in welchen ihre Äußerungen gekleidet waren. Jene Ausdrucksform war noch ein Überbleibsel aus der Flugschriftenliteratur der achtundvierziger Zeit sowie der späteren Flüchtlingsperiode in Amerika. Wer da weiß, wie die Achtundvierziger in Amerika gegeneinander gewettert haben, und wer sich namentlich der Kampfesweise erinnert, welche während des Streites der »Grünen« mit den »Grauen« leider üblich geworden war, wird das, was die Achtundvierziger später über das »verpreußte« Deutschland zu schreiben beliebten, noch ziem-

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lieh milde finden. Jene Derbheit war mehr Gewöhnung als Absicht. Auch das wenig günstige Beispiel, welches während der Zeit des leidenschaftlichen Kampfes um die Sklavereifrage und während des Bürgerkrieges von der englischen Presse und Rednertribüne gegeben wurde, hat die Tonart der Deutschen stark beeinflußt. Jedenfalls sollte man die alten Freiheitskämpen nicht nach Dingen beurteilen, die, richtig gewürdigt, doch nur Äußerlichkeiten waren und den Kern ihres Wesens und Wirkens nicht betrafen. Sie ruhen nun fast sämtlich in amerikanischer Erde. Aber wohl jeden dieser Grabhügel könnte man schmücken mit den ergreifenden und so wahr empfundenen Worten von Konrad Krez: »Und dennoch lieb' ich dich, mein Vaterland!«

Literatur über die Achtundvierziger: Bruncken, Ernest, »German Political Refugees in the United States«, d. Am. Geschichts- blätter, Chicago (wohl die bisher eingehendste Untersuchung). Baker, T. S., »America as the political Utopia of young Germany«, Abhandlung in Learned's German-Am. Annais; James, Edm. J., »The men of 1848«, Rede bei der Schurz-Feier, Milwaukee 1906; Hassaure k, Friedrich, Festrede über die deutschen Achtundvierziger, »Deutscher Pionier«, Cin- cinnati VII, S. 112; Meysenburg, M. v., »Memoiren einer IdeaHstin«; Börnstein, H., »Memoiren«; Schurz, C., »Erinnerungen«; Kapp, F., »Aus und über Amerika«; Müller, Jakob, »Erinnerungen eines Acht- undvierzigers«; Fröbel, Julius, »Lebenslauf«; Esselen, »Atlantis«; Heinzen, K., »Der Pionier«; Körner, G., »Das deutsche Element«; Po es che und Goepp, »The new Rome«; Heinzen, K., »Teutscher Radikalismus in Amerika«; Rattermann, H. A., »Aufsätze im Cin- cinnatier d. Pionier«. Ferner die zeitgenössische deutsch-amerikanische Presse. -Lieber, Francis, »Life and lettres«; H e n s e und Bruncken, »Wis- consins Deutschamerikaner«; »Atlantische Studien«, Göttingen bei Wiegand 1853; Körner, Herrn. J. A., »Lebenskämpfe in der Alten und Neuen Welt«, Leipzig, E. Keil, 1865; Struve, Gustav v., »Diesseits und jenseits des Ozeans«; Göbel, Julius, »Das Deutschtum in den Ver. Staaten«, München 1904; Faust, A. B., »The German Element in the U. S.«, Boston und New York 1909; Münsterberg, Hugo, »Die Amerikaner«; Müller, Wilhelm, »Der deutsche Protestantismus und die Achtundvierziger«, Chicago 1909, Deutschamerikanische Geschichtsblätter.

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Beteiligung der Deutschen im Kriege.

Die Deutschen stellten mehr Soldaten als jeder andere Volks- stamm — 216000 geborene Deutsche, 300000 Deutschnachkommen erster Generation, 234000 Mann altdeutschen Stammes. Kritik der Gould- schen Darstellung. Wie wäre es ohne die Deutschen wohl gekommen ?

Die Zahl der aus Deutschland stammenden Soldaten der Unionsheere läßt sich nicht genau feststellen. Während des ersten Kriegsjahres wurden nur bei einigen New Yorker Regimentern Er- hebungen über die volkliche Zugehörigkeit der Freiwilligen ange- stellt, und fast über die erste Million der Soldaten fehlt es an jeder Grundlage. Erst als im zweiten Kriegsjahre die Feldgen- darmerie (Provost Marshall Office) geschaffen wurde, begann man damit, in den Regimentshsten die Nationalität der neu eingestellten Rekruten einzutragen. Eine amtliche Registrierung der NationaH- täten liegt nur bezüglich der Konskribierten vor, und diese beginnt erst im Jahre 1863. Von 343 768 Soldaten, welche gemäß des Kon- skriptionsgesetzes ausgehoben wurden, waren 36 740 Mann, also 10^^ %, aus Deutschland gebürtig.

Nur ein Statistiker, Dr. A. B. Gould^), hat sich kurz nach dem Kriege bemüht, aus verschiedenen Quellen zusammenzustellen, was sich damals noch über die Nationalität der Soldaten erfahren ließ. Wir müssen ihm dankbar sein für diese Arbeit, so lückenhaft und ungenügend dieselbe auch sein mag. Die Schwierigkeiten, welche sich dem Statistiker darboten, waren ganz ungewöhnlicher Art. Der Name eines und desselben Soldaten erscheint in den Listen oft zweimal, sogar drei- oder viermal, weil die Leute für verschiedene Dienstperioden eingestellt wurden. Es gab Dreimonats- Freiwillige und solche, die für zwei Jahre, für drei Jahre und für die Dauer des Krieges verpflichtet wurden. Da nun sehr viele der ausgemusterten Leute sich später wieder stellten, so ist die Zahl der mehrfach aufgeführten Namen sehr groß ^). Die Statistiker haben sich nun bemüht, eine Grundziffer von Soldaten, welche

1) Dr. A. B. Gould, Investigations in the military and anthropological Statistics of American Soldiers, New York 1869. Dieses Werk beschäftigt sich wesentlich mit dem Medizinalwesen der Armee, und die Nationalitäten- berechnung Goulds bildet nur die Einleitung zu seiner Hauptarbeit.

2) Generaladjutant Simpson erklärt, daß von den deutschen Sol- daten, welche der Staat Missouri stellte, ungefähr 10 000 Mann unter den

Beteiligung der Deutschen im Kriege. 119

drei Jahre gedient haben, aus dem gesamten Material, d. h. aus den Namen der Dreimonatsleute, der Zweijährigen, der Drei- jährigen usw. herauszurechnen. Aber diese Berechnungen diffe- rieren. Gould nimmt nur 2 018 200 derartig errechnete weiße Sol- daten für dreijährigen Dienst an. Pfisterer^) aber kommt zu der Grundziffer von 2 320 270 Mann, wovon jedoch die Negersol- daten, 186 000 Mann, abzuziehen sind, so daß nach Pfisterer 134 270 weitere weiße Soldaten der Gouldschen Grundziffer hinzugefügt werden müssen. Pfisterers Arbeit datiert gegen 15 Jahre später als die Gouldsche, und er konnte deshalb das weit zuverlässigere Material benutzen, welches im Laufe der Zeit von der General- adjutantur ermittelt worden ist. Die Arbeit dieses deutschen Stati- stikers wird als »Standard« angesehen und allgemein verwendet. Die richtige Grundziffer der weißen Soldaten mit dreijährigem Dienst würde deshalb sein 2 018 200 (Gould) + I34 270 (Pfisterer), zusammen 2 152 470 Mann.

Zunächst möge erklärt werden, wie Gould die Nationalität der Soldaten festgestellt hat. Von den 2 018 200 Mann seiner Grund- ziffer hat er i 205 000 Soldaten nach deren Volkszugehörigkeit ermittelt aus den Stammrollen in Washington und in den Staats- hauptstädten, von den restlichen 813 200 Mann hat er die Natio- nalität von 293 000 Mann festgestellt durch Umfrage bei den Obersten der betr. Regimenter. Von rund 510 000 Mann hat er nichts erfahren können. Die Nationalität dieser Leute unbekannten Volkstums wurde nach dem Prozentsatz berechnet, welcher sich für die größere Zahl ergeben hatte. 2) Alle nicht aus den Stammrollen Ermittelten gehören den Aufgeboten des ersten Kriegsjahres an und gerade

Reenlistments (Kapitulation für längere Dienstzeit) gezählt wurden. Gould, der diese Erklärung Simpsons zitiert, meint, daß S. solche Deutschnachkommen in Missouri, welche noch nicht völlig entgermanisiert waren, mitgeschätzt habe.

1) Pfisterer, Frederic, Statistical Record of the Armies of the United States. New York, Charles Scribner 's Sons, 1883. Pfisterer war ein Deutscher. Seine Berechnungen werden in allen neueren Kriegsgeschichten benutzt.

2) Sicherer wäre diese Berechnung gewesen, wenn Gould auf die Mit- teilungen der Obersten über jene 293 000 Mann ganz verzichtet hätte. Denn was konnten jene Offiziere nach sieben bis acht Jahren noch über die Natio- nalität ihrer Leute wissen. In allen zweifelhaften Fällen werden sie sich wohl für die amerikanische Nationalität entschieden haben, denn bei allen solchen Schätzungen profitiert ja stets die Partei, welche den größten Haufen stellt.

120 W. Kaufmann.

unter diesen ersten Freiwilligen waren die Deutschen ganz unver- hältnismäßig stark vertreten.

In der zweiten Auflage ^) seines Werkes kommt Herr Gould zu folgenden Ergebnissen : Pflichtzahl bedeutet dabei die Anzahl der Soldaten, welche jede Nationalität auf Grund ihrer laut Zensus von 1860 ermittelten Volkszahl hätte stellen müssen (in der ersten Zahlenreihe zu finden) ; die Zahl der Soldaten, welche jede Nationalität (nach Gould) gestellt hat, findet man in der zweiten Reihe.

Pflichtzahl Soldatenzahl

Geborene Amerikaner i 660 068 i 523 267

Kanadier 22 695 53 532

Engländer und Schotten 38 250 45 508

Irländer 139 052 144 221

Deutsche 118 402 176 817

Andere Ausländer 39 455 48 410

Foreigners, not otherwise designated (ein Ramsch ?) 278 26 445

2 018 200 2 018 200 Sehen wir uns die obige Aufstellung etwas näher an. Wie ist es zu erklären, daß die Kanadier 53 532 Mann gestellt haben, wo sie doch nur 22 695 zu stellen hatten ? Die Kanadier sind nicht in dem Sinne seßhaft in den Vereinigten Staaten wie die Engländer, Irländer, Deutschen. Die Männer aus Kanada kommen arbeit- suchend über die Grenze und gehen im Winter wieder nach ihrem Nordlande zurück ; die Pflichtzahl in der obigen Aufstellung ist aber berechnet worden auf Grund der Stärke der in den Ver- einigten Staaten seßhaften Bevölkerung. Nur weil so wenige Kanadier in den Staaten wirklich seßhaft waren, erscheint die Summe

1) In der ersten, drei Jahre früher erschienenen Auflage führt Gould die Pflichtzahl der Deutschen mit 128 102, die Zahl der von den Deutschen gestellten Soldaten aber mit 187 858 Mann an. Er reduziert in der zweiten Auflage die Pflichtzahl der Deutschen um 9700 Köpfe, die Zahl der deutschen Soldaten um 11 041 Mann. Es ist dieses die einzige Korrektur, welche Gould in dem Neudrucke vornimmt, bei den übrigen NationaUtäten stimmen alle Ziffern der ersten und der zweiten Auflage genau überein. Das Auf- fallende dabei ist, daß sich Gould bezüglich der Deutschen zweimal ver- rechnet haben will, in der Pflichtzahl sowohl als in der Soldatenzahl, ein gewiß sehr merkwürdiger Zufall. Es ist jedoch angemessen, daß wir uns hier an die zweite Berechnung Goulds bezüglich der Zahl der deutschen Sol- daten halten.

Beteiligung der Deutschen im Kriege. 121

der von ihnen gelieferten Soldaten so außerordentlich groß. Weshalb hätten sich auch gerade die Kanadier mit solcher Wucht für die Erhaltung der Union einsetzen sollen, namentlich, da es ja bekannt ist, welche übertriebene Gastfreundschaft das kanadische Volk (und die Regierung der Dominion) den Feinden der Union dargebracht hat. In Kanada befand sich bekanntlich stets ein Haupt- quartier der Sezessionisten und über Kanada wurde wesentlich der Postverkehr der Konföderation mit dem Auslande während der Blockade aufrechterhalten.

Die Irländer stellten nur 144 221 Mann bei einer Pflichtzahl von 139 520. Ihre Pflichtzahl war um 20 650 Mann höher als die der Deutschen, ihre Leistung aber um 32 696 Mann geringer als die deutsche. Das irische Element war im Süden weit stärker als das deutsche, und es haben verhältnismäßig viele Irländer bei den Konföderierten gekämpft. Im Westen, namentlich in Missouri, hielten es die Irländer zu Anfang des Krieges mit den Sezes- sionisten, doch trat später ein Umschwung ein. Die Söhne der grünen Insel haben sich übrigens vortrefflich geschlagen, und die Geschichte der irischen Brigade liest sich wie ein Heldenbuch.

Nach Gould verteilen sich »seine« 176 817 aus Deutschland gebürtigen Soldaten auf folgende Staaten:

Deutsche Gesamtzahl

(nach Gould) der Soldaten

Maine 244 54 800

New Hampshire 952 27 800

Vermont 86 26 800

Massachusetts i 876 105 500

Rhode Island und Connecticut . . 2 919 54 900

New York 36 680 337 800

New Jersey 7 337 59 300

Pennsylvania 17 208 271 500

Delaware 621 10 000

Maryland 3 107 27 900

Dist. of Columbia 746 12 000

West- Virginia 869 23 300

Kentucky i 943 43 100

Ohio 20 102 259 900

Indiana 7 190 156 400

Illinois 18 140 216 900

Michigan 3 534 72 000

122 W. Kaufmann.

Deutsche Gesamtzahl

(nach Gould) der Soldaten

Wisconsin 15 709 79 500

Minnesota 2715 20000

Jowa 2 850 56 600

Missouri 30 899 85 400

Kansas i 090 16 800

176 817 2 018 200

Wir kommen nun zu den (Gouldschen) Deutschen. »Gouldsche« nennen wir die 176 817 Deutschen, welche Gould in seiner zweiten Auflage noch zugesteht, statt der 187 858 Landsleute seiner ersten Zählung. 176 817 Gouldsche Deutsche gegen eine Pflicht zahl von 118 402 Mann ergibt einen Überschuß von nahezu 50 %, eine Lei- stung, welche kein anderer Volksstamm, abgesehen von den auszuschaltenden Kanadiern, erreicht.

Aber außer jenen 176 817 Deutschen haben noch annähernd 40000 weitere Deutsche für die Union gekämpft. Wie ist das zu beweisen?

Wer Wisconsin kennt, die Heimat von Schurz und eines der Hauptgebiete der Agitation der deutschen Achtundvierziger, wird sich sofort sagen, daß die 15 709 »Gouldschen« deutschen Soldaten in gar keinem richtigen Verhältnisse stehen zu den 79 260 Mann, welche der Staat aufbrachte, auch wenn man annehmen will, daß 1000 Wisconsiner Deutsche in Missourier-Regimentern gedient haben. In dem Werke von Hense-Bruncken »Wisconsins Deutsch- amerikaner« wird erklärt, daß Goulds Schätzung der deutschen Soldaten von Wisconsin um mindestens 1000 Mann zu niedrig angegeben ist. Ich erkundigte mich bei Ex- Gouverneur Salomon über diese Angelegenheit. Salomon amtierte als Kriegsgouverneur von Wisconsin von Mai 1862 bis 1864. Er leitete das Rekrutierungs- geschäft und war sicherlich der beste Kenner der Wisconsiner Kriegs- beteiligung. — Gouverneur Salomon erwiderte auf meine Frage: »Leider war es mir nicht möglich, eine Zählung des Wisconsiner deut- schen Kontingents zu veranstalten. Aber ich habe stets angenommen, daß mindestens 20 000 Deutsche in Wisconsiner Regimentern ge- dient haben, abgesehen von den Deutschen, welche nach Missouri gingen. « Nehmen wir nur die Hälfte der Salomonschen Schätzung als richtig an, so würden wir weitere 2000 Mann aus Wisconsin erhalten.

Beteiligung der Deutschen im Kriege. 123

Des ferneren kann man 12 000 Deutsche aus den 134 470 weiteren Soldaten der Pf ist erer sehen Grundziffer errechnen, welche Gould nicht berücksichtigt hat.

Der Staat Michigan hat eine Zählung der von ihm gestellten Soldaten nach Nationalitäten veranstaltet. Es ist das leider die einzige Zählung dieser Art, welche von den Behörden der Einzel- staaten unternommen worden ist. Danach hat Michigan 4872 deutsch geborene Soldaten gestellt, während jener Staat nach Gould nur 3534 Deutsche lieferte. Da Michigan seine deutschen Soldaten zählte, Gould sie aber nach der geschilderten Weise und auf recht dürftiges Material gestützt errechnet hat, so verdient jenes Michi- ganer Ergebnis weit mehr Glaubwürdigkeit. Dadurch würden wir weitere 1338 deutsche Soldaten aus Michigan gewinnen.

Auch hat Gould diejenigen Unionssoldaten, welche aus den rebellischen Staaten kamen, gar nicht berücksichtigt. Er führt nur die Soldaten der Nordstaaten, aus den vier Grenzstaaten und aus Westvirginien mit auf. Nun aber dienten in sog. »Loyal «-Regimen- tern aus Tennessee ^) 26 394, aus Arkansas 7836, aus Nord-Carolina 3156 Mann. Es fehlt jede sichere Handhabe dafür, wie viele Deutsche unter diesen rund 39 000 Mann gesteckt haben mögen ; wir wollen sie deshalb ausschalten. Ferner dienten aus Alabama 161 1, aus Louisiana 4432, aus Mississippi 545, aus Texas 1632 Unionssoldaten in loyalen Regimentern, abgesehen von den Flüchtlingen aus dem deutschen Teile von Texas und auch aus Louisiana, welche so zahl- reich in Missourier Regimentern dienten. Unter diesen 7386 Mann müssen sich aber sehr viele Deutsche befunden haben, denn die Deutschen bildeten in den Baumwollenstaaten den stärksten Stamm der dortigen Unionstreuen. Es ist jedoch sehr wenig bekannt über die Zusammensetzung dieser loyalen Regimenter aus dem Süden. Nur vom ersten loyalen Texas-Regimente, das etwa 600 Mann zählte, wissen wir, daß dasselbe fast ganz aus Deutschen bestanden hat. Sicherlich kann man von jenen 1632 Texanern 1000 Mann für unser Volk in Anspruch nehmen. Dazu mindestens 1500 aus Louisiana, Alabama und Mississippi. Das wären weitere 2500 von Gould nicht berücksichtigte Deutsche.

Wir können den »Gouldschen« Deutschen nach obigen Aus- führungen also noch hinzufügen: 12000 Mann errechnet aus der

1) Nach Pfisterer,

124 W. Kaufmann.

richtigeren Zahl der Pfistererschen Grundziffer, 1338 Mann aus Michigan, 2000 Mann aus Wisconsin, 2500 Mann aus Texas, Loui- siana, Alabama etc., zusammen 17 838 Mann. Wenn dagegen behauptet wird, daß ein Teil dieser deutschen Soldaten schon in den errechneten »Gouldschen« Deutschen enthalten sein müsse, so kann sich das nur auf die letzten drei Gruppen (5838 Mann) beziehen und würde da auch nur einen geringen Bruchteil ausmachen. Aber auch dieser würde wahrscheinlich mehrfach ausgeglichen werden durch die außerordentlich zahlreichen deutschen Soldaten, welche in der frühesten Kriegszeit auftraten, nicht nach ihrem Volkstum registriert wurden und von Gould als an Zahl gleich- wertig mit den anderen Volkselementen behandelt werden mußten. Um 1860 bestand die Einwanderung wesentlich aus Irländern, Deutschen und Engländern, das übrige Europa war nur ganz unbe- deutend daran beteiligt, verhältnismäßig am stärksten die Schweiz, Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Die übrigen latei- nischen sowie die slavischen Völker, auch die Skandinavier kamen erst später in stärkerer Zahl, sie zählten um 1860 fast gar nicht mit. Österreich war ebenfalls noch schwach beteiligt, aber wer von dort einwanderte^ war rein deutschen Stammes. Für die Schwei- zer trifft dasselbe zu. Die Hälfte der Franzosen waren Deutsche aus dem Elsaß. ^) In den meisten der genannten Länder besaßen die Deutschen beträchtliche Absplitterungen ihres Volkes. Die deutschen Auswanderer nach anderen europäischen Ländern zeigen aber eine sehr starke Neigung, später nach Amerika weiter zu ziehen, wie bewiesen wird aus der seit etwa 15 Jahren von den amerika- nischen Einwanderungsbehörden eingeführten neuen Registrie- rung der Einwanderer nach der Muttersprache derselben. Zur Kriegszeit aber wurden die Ankommenden noch nach ihrer poli- tischen Zugehörigkeit gebucht. So hat früher stets eine nicht un- erhebliche Einwanderung Deutscher mit nicht deutscher Staats- angehörigkeit stattgefunden, namentlich aus Holland, Belgien, auch aus England. Sogar manche Schleswig-Holsteiner sind vor 1864 als Dänen eingetragen worden, weil das meerumschlungene Land dem Auslande gegenüber als dänische Provinz galt. Die merk- würdig vielen Auswanderer aus dem kleinen Luxemburg wurden damals auch nicht als Deutsche gerechnet. Die Balten und die

'"^ ^) Nach 1871 fiel die Einwanderung aus Frankreich um die Hälfte.

Beteiligung der Deutschen im Kriege. 125

Über Rußland kommenden Deutschen galten als Russen. So stecken in den 75 000 ausländischen Soldaten, welche Gould in den beiden letzten Rubriken seiner Tabelle zusammenwirft, noch Tausende von Deutschen, ja selbst unter Goulds Kanadiern verbirgt sich noch mancher Sohn einer deutschen Mutter. Die Deutschen besaßen in der südlichsten Provinz Kanadas, in Ontario, starke Nieder- lassungen, und diese lagen den Vereinigten Staaten am nächsten.

Da die Schweizer und Österreicher nach sicheren Schätzungen zusammen 13 000 Mann (aus jenen 75 000) aufgebracht haben und da mindestens weitere 7000 Mann aus dem Elsaß i) , aus Luxem- burg und aus Dänemark (Schleswig-Holsteiner), aus Holland, Bel- gien usw. gekommen sein müssen, so können wir für unseren Stamm weitere 20 000 Mann sicher in Anspruch nehmen, ohne Rücksicht auf die Deutschen, welche unter holländischer, belgischer, russi- scher Flagge sowie als Kanadier gebucht worden sind.

Als ich im Jahre 1908 in deutsch amerikanischen Zeitungen einen Vorläufer meiner Arbeit erscheinen ließ, habe ich die Zahl der deutschen Soldaten im Unionsheere auf 216 000 Mann berechnet. Diese Annahme stützte sich aber auf die erste Berechnung des deutschen Kontingents durch Gould, wonach den Deutschen 187 858 Mann zugeteilt wurden. Mir war zu jener Zeit nur die erste Auflage des Gouldschen Werkes zugänglich. Aber die vorstehenden Ausführungen berechtigen durchaus dazu, bei jener Schätzung von 216 000 Soldaten deutschen Stammes zu verbleiben, selbst wenn wir derselben die zweite Berechnung Goulds (176 817 Mann) zugrunde legen.

Dr. Gould hat seinen statistischen Aufstellungen einige Erklärungen hinzugefügt, auf welche wir hier noch eingehen müssen.

Daß die Eingewanderten verhältnismäßig weit mehr Soldaten gestellt haben, als die eingeborenen Amerikaner, veranlaßt den

1) Es verdient hervorgehoben zu werden, daß die Elsässer in den Ver- einigten Staaten sich stets zu den Deutschen gehalten haben, namentUch zu den Pfälzern und Badenern. Sie gehörten den deutschen Vereinen und Kirchengemeinden an, sprachen ihr heimisches »Dütsch« und gaben sich fast stets als Deutsche. Auch im Kriege trat diese Kameradschaft hervor, be- sonders in den westlichen deutschen Regimentern. Es zeigte sich wieder, daß Blut dicker ist als Wasser.

126 W. Kaufmann.

Statistiker allerdings zu der lobenden Bemerkung: »Die Einge- wanderten nahmen die unerwünschten Pflichten des amerikanischen Bürgertums ebenso willig auf sich wie die wohlbekannten Rechte desselben.« Aber Herr Gould sucht dann jene Mehrbeteiligung der Eingewanderten nicht in der Weise zu erklären, wie es hier weiter unten geschieht, sondern er meint, daß jene stärkere Betei- ligung der Eingewanderten nur eine scheinbare sei, hervor- gerufen durch die betrübsame Tatsache, daß man über die völk- liche Zugehörigkeit der ersten Million Freiwilliger so wenig erfahren kann. Während der ersten Kriegszeit seien die eigentlichen P a - t r i o t e n massenhaft eingetreten, während der späteren Zeit konnten diese Elemente nicht mehr so zahlreich sich melden, weil sie sich durch ihren frühen Eintritt sozusagen schon verausgabt hatten (abgesehen von den jährlich 125 000 Jünglingen, welche während der letzten Kriegsjahre das militärische Alter erreichten). Da das Material Goulds sichere Schlüsse aber nur auf die Nationalität der Soldaten der späteren Kriegszeit zuläßt, diese Soldaten aber zu einem großen Teile durch Konskription und Stellvertretung (Bounty) erlangt worden sind, so kommt, nach Goulds Ansicht, der echte amerikanische Patriot schlecht weg, denn seine Kriegs- beteiligung wird gemessen nach den Ergebnissen, welche die Natio- nalitätenstatistik der späteren Konskriptions- und Bounty- gestellung ergeben habe. Gould sagt wörtlich: »Man wird er- kennen, daß die hier angewendeten Methoden eher zu einer Unter- schätzung des geborenen amerikanischen Elements führen, denn die relative Nationalität der während der letzten Kriegsjahre re- krutierten Truppen wird hier angewendet auf die unregistrierten Soldaten, welche zu Anfang des Krieges eintraten.«

Diese Darstellung Goulds ruft fast den Eindruck einer Ehren- rettung des eingeborenen Elements hervor. Aber eine solche Ehren- rettung ist ganz überflüssig, denn die eingeborenen Amerikaner haben während jener Schreckensjahre sicherlich so viel geleistet, als irgendein anderes in Kriegsnöten befindliches Volk jemals geleistet haben mag. / Daß die Eingewanderten mehr Soldaten stellen konnten als

I die Eingeborenen, hat seinen sehr einfachen, natürlichen Grund. 1 In einem eingewanderten Volke steckt weit mehr jugendliche Männ- I lichkeit als ein eingesessenes, mit vielen Frauen und Kindern und < weit mehr älteren Männern belastetes Volk darbieten kann. Auf

Beteiligung der Deutschen im Kriege. 127

drei ausgewanderte Personen männlichen Geschlechts kommen nur zwei ausgewanderte weibliche Personen, und die Zahl der ein- gewanderten Kinder beträgt nur 22 % des großen Einwanderer- heeres. Ältere Leute wandern nur selten aus, und von den einge- wanderten Männern waren über 90 % unter 40 Jahren. Das sind doch offenkundige Tatsachen, und die Geschichte der 19^ Millionen Europäer, welche während des 19. Jahrhunderts nach Amerika auswanderten, bestätigt die obigen Angaben genau. Ein Blick in die Statistik der New Yorker Einwanderungsbehörde hätte Dr. Gould belehren können, - weshalb die Eingewanderten so viel mehr Soldaten stellen konnten als die Eingeborenen.

Und ein kurzer Blick in die Statistik der Herkunft der Frei- wiUigen des ersten Lincolnschen Aufrufs (nach den Kontingenten der Einzelstaaten berechnet) hätte Herrn Gould ferner gezeigt, daß seine Behauptung, die eingeborenen Patrioten hätten sich zuerst gemeldet, durchaus nicht in der Weise zutrifft, wie es Gould (mit Zurücksetzung des eingewanderten Elements) auslegen möchte. Lincoln berief am 15. April 1861 75 000 Mann für Dreimonatsdienst. Es stellten sich darauf 91 816 Mann. Woher kamen diese ? Das gewiß patriotische Neuengland, wo die meisten Abolitionisten wohnten, stellte dazu nur 11 987 Mann. Aber aus New York kamen 12 357, aus Pennsylvanien 20 175, aus Ohio 12 357, aus Missouri 10 591. Diese vier Staaten, in welchen das Deutschtum damals am stärksten war^), lieferten 57029, weit über die Hälfte der gestellten Mannschaft. Ilhnois steüte 4820, Indiana 4586, New Jersey 3123, die damals noch schwachen, aber völklich sehr deutschen Staaten Wisconsin und Minnesota rund 1900 Mann. 2) Wenn für die Mann-

1) Missouri nimmt dabei eine Ausnahmestellung ein.

2) Mit die ersten Truppen, welche zum Schutze Washingtons anlangten, waren Deutsche. Bei der Inauguration Lincolns (4. März) bildeten zwei deutsche Turnerkompagnien aus Baltimore und Washington das Geleit. Zu den aller- ersten Regimentern, welche Lincolns Rufe folgten und zum Teil schon Ende Mai 1861 im Felde standen, waren folgende rein deutsche Regimenter aus New York: Nr. 7, 8, 20, 29, 41 und das halbdeutsche Regiment Nr. 39. Dazu 400 Ar- tilleristen und Reiter, zusammen 6000 Deutsche aus dem Staate New York ; von Pennsylvanien kamen die deutschen Regimenter 27, 73, 74, 75 und Ab- teilungen Artillerie usw., 4000 Deutsche. Über die Hälfte der rund 20 000 Pennsylvanier, welche dem ersten Aufruf folgten, waren deutscher Abstammung. Ohio stellte sofort das reindeutsche 9. Regiment, 1068 Mann, aber es meldeten

128 W. Kaufmann.

Schäften des ersten Aufgebotes besondere patriotische Motive in Anspruch genommen werden können, so braucht unser Stamm wahrhaftig nicht zurückzutreten, denn seine Leistung in jener ersten Zeit war unbedingt eine größere als diejenige irgendeines anderen Stammes. Die Ursache dafür ist hauptsächhch in der Agitation der Achtundvierziger zu suchen. Wenn eine Natio- nahtät dadurch in bezug auf ihre mihtärische Leistung (in der Sta- tistik) benachteihgt worden ist, weil über die völkliche Zugehörig- keit fast der ersten Million Freiwilliger kein zuverlässiger Nachweis geführt werden kann, so ist das sicherlich die deutsche, denn gerade das deutsche Volkstum hat sich während der ersten Kriegszeit besonders hervorgetan.

Leider müssen wir auch noch eines anderen Irrtums des Dr. Gould gedenken, namentlich, da er sich dabei auf den General Fry, den Chef der Feldgendarmerie, stützt. Fry sagt in seinem Bericht (Provost Marshai Report S. 75) :

»Es ist nicht zu bezweifeln, daß eine eingehendere Untersuchung die Tatsache erweisen würde, daß Desertion mehr ein Verbrechen der Eingewanderten als der Eingeborenen ist und daß nur ein kleiner Teil der Fahnenflüchtigen aus Amerikanern bestanden hat. Es ist

sich noch 400 Deutsche mehr zu diesem Regimente, welche dann in das etwas später gebildete 32. Ind. Regiment eintraten. Die beiden Ohioer deutschen Regimenter 28 und 37 wurden ebenfalls während des ersten Aufgebots gebildet und waren resp. Anfang Juli und August 1861 schon marschbereit. Also drei reindeutsche Regimenter aus Ohio, In Wisconsin war das 9, deutsche Regiment sofort zur Stelle. In Missouri waren schon 4000 Deutsche organisiert, ehe Lincolns Aufruf erschien. Dazu kam die fast ganz deutsche Missourier Heimwehr, Man kann durchaus annehmen, daß 18 000 Mann aus den rund 92 000 des ersten Lincolnschen Aufrufes in r e i ndeutschen Regimentern gestanden haben. Aber in allen westlichen Staaten, besonders in Ohio, Indiana und Illinois gab es schon unter dem ersten Aufgebot halbdeutsche Regimenter, in Jowa waren das i,, in Kansas das i, und 2. Regiment halbdeutsch; diese Regimenter waren im Mai i86i gebildet und kämpften schon am 10. August bei Wilson's Creek. Und wie viele Deutsche mögen in den gemischten Regi- mentern des ersten Aufrufs gestanden haben ! Nach einer sehr mäßigen Schät- zung muß mindestens jeder vierte Mann des ersten Aufgebots ein geborener Deutscher gewesen sein, Ähnüch stark war die Beteihgung unseres Volkes an den Truppen, welche nach der ersten Schlacht von Bull Run aufgeboten wurden. Fast alle reindeutschen Regimenter wurden schon im Jahre 1861 gebildet, (Siehe Kapitel: die deutschen Regimenter.)

Beteiligung der Deutschen im Kriege. 129

auch notorisch, daß die Europäer die große Masse der ,Bounty Jumper' stellten. In den Industriestaaten, besonders Massa- chusetts, Connecticut, Rhode, Island, New York und New Jersey ist die Zahl der Deserteure besonders groß, und das kommt nicht allein daher, daß diese Staaten mit Städten und Ortschaften über- sät sind, sondern auch daher, daß diese Städte mit Ausländern überfüllt sind. Der respektable und fleißige Teil dieser ausländischen Bevölkerung hat uns gewiß auch Massen von treuen Truppen ge- geben, aber diese waren gemischt mit einer großen Zahl von Aben- teurern, welche jedes Landes unwürdig waren {!!), welche keine Liebe für die Republik hegten und nur des Geldes wegen dienten.«

General Fry, dessen Bericht Gould abdruckt, scheint mit obigen Bemerkungen wesentlich die Neuenglandstaaten im Auge gehabt zu haben, und da es dort nur wenige Deutsche gibt, so trifft jener übrigens ganz unberechtigte Vorwurf unsere Landleute weit weniger als die Irländer, aber die Gesinnung, welche aus jenen An- gaben hervorklingt, entspricht demselben nativistischen Hochmute, welcher leider so oft auch gegen die Deutschen in ganz ungerecht- fertigter Weise hervorgekehrt worden ist. Wo irgendwo geplündert oder demoliert wurde, da sollen es die Ausländer gewesen sein, wo man eine Eselei der Offiziere verdecken zu müssen glaubte, wie bei Chancellorsville, da hatten die Ausländer als Sündenböcke zu dienen. General Fry hätte doch mindestens seine Behauptungen beweisen müssen aus dem amtlichen Material über die Nationalität der 268530 Deserteure^) und über die angeblich 125000 »Bounty Jumpers «2).

Die Deserteure und die Bounty Jumpers gehören eigentlich zusammen, aber die meisten Deserteure waren doch keine Bounty Jumper. Wir wollen sie getrennt behandeln.

Gen. Fry mußte doch wissen, daß bei weitem die meisten De- serteure nach der Massenmörderei, welche man die Schlacht von Fredericksburg nennt, auftraten. Die Ursache dafür liegt auf der

1) Über die Deserteure vgl. »Der Krieg im allgemeinen«. Nach Pfisterer betrug die Zahl der Deserteure rund 200 000.

^) »Bounty Jumpers« waren Stellvertretungsschwindler, Leute, welche als Stellvertreter für zahlungsfähige Konskribierte eingetreten waren, sobald als möglich desertierten, neues Handgeld nahmen und in andere Regimenter eintraten, um bald danach den Schwindel zu wiederholen.

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 9

130 W. Kaufmann.

Hand. Die Soldaten hatten das Vertrauen in die Oberführung verloren, namentlich in den damals kommandierenden General Burnside. Unter dessen Unterführern brach eine Art von Rebellion aus und B. wollte sogar drei seiner Generale, darunter seinen unmittelbaren Nachfolger Hooker, in Arrest stecken lassen. Furcht- bar stark war auch die Desertion nach der fehlgeschlagenen Halb- insel-Campagne. Aus solchen Dingen läßt sich leicht auf die Stimmung schließen, welche bei den Soldaten herrschte.

Und nun die »Bounty Jumpers«. Wer diesen Schwindel betreiben wollte, mußte ein recht gerissener Kerl sein. Er mußte einige Gesetzeskenntnisse besitzen und die Schleichwege kennen ^ welche für die Flucht offen standen. Vor allem aber durfte er nicht belastet sein mit einem Sprachfehler oder mit den charakteristischen Merkmalen einer besonderen Rasse. Denn dadurch verriet er sich leicht, wenn er den Schwindel wiederholen wollte. Man kennt den Deutschen und den Irländer sofort aus einer Masse von geborenen Amerikanern heraus, noch ehe Michel oder Pat den Mund auftut und sich durch seine Aussprache des Englischen verrät. Die Aus- länder konnten leichter ertappt werden bei solchem Schwindel, außerdem fehlte ihnen meistens dasjenige, was der Amerikaner Smartness im Sinne von Gerissenheit nennt. i) Dieser Mangel an Smartness sowie die Landfremdheit bewahrten gewiß manchen Eingewanderten davor, ein Bounty Jumper zu werden. Herrn Frys Beschuldigung mag allerdings auf die Kanadier zutreffend sein, denn diese besaßen einen besonderen Vorteil bezüglich der Flucht. Sie kannten die Schleichwege, welche nach Kanada führten, aus lang- jähriger Gewöhnung. Für sie war es leicht, von Michigan oder vom Staate New York aus nach Kanada zu verschwinden und dann in den Grenzstädten von New England als »grüne« Kanadier wieder in die Erscheinung zu treten und bei Onkel Sam neue Dienste zu nehmen. Auch fehlte es den Kanadiern durchaus nicht an Smart- ness, Landeskenntnis und Sprachgewandtheit. Wenn übrigens, wie General Ery behauptet, das Desertieren weniger ein Verbrechen der eingeborenen Amerikaner als der Eingewanderten ist, wie kommt es dann wohl, daß die Zahl der Deserteure aus der regulären Bundes-

1) Der Zuchthäusler in Albany, welcher sich dazu bekannte, in über dreißig Fällen als »Bounty Jumper« gewirkt zu haben, war sicherlich kein Deutscher und auch kein Irländer,

Beteiligung der Deutschen im Kriege. 131

armee weit größer ist als bei jedem anderen Heere der ganzen Welt^) ? Und bezüglich der amerikanischen Flotte ist es ja leider ebenso.

Die deutschen Soldaten hatten einen besonders hohen Wert für die Unionsarmee, weil sich so viele in Deutschland für das Militär ausgebildete Leute unter ihnen befanden. Viele gediente Deutsche waren in den gemischten Regimentern zerstreut, und dort waren sie besonders wertvoll. Sie wirkten unter ihren grünen Kameraden wie Unteroffiziere. Am stärksten ist diese Wirkung bei der Waffe gewesen, in welcher die Nordarmee den Feind von Anfang an er- heblich übertraf, der Artillerie. Wenn auch die Waffentechnik im Norden bedeutend mehr entwickelt war als im Süden, so fehlte es doch sehr an geschulten Kanonieren. Die reguläre Armee konnte deren nur wenige stellen. Da heferten die vielen altgedienten Ar- tilleristen aus Deutschland massenhaft Ersatz. Bei der Ausbildung der Rekruten fiel den vielen deutschen Offizieren eine sehr wichtige Tätigkeit zu. Aüerdings war nicht jeder deutsche Offizier, der in der Unionsarmee diente, ein Steuben, aber Männer wie Osterhaus, Willich, Sigel, Steinwehr, Stahel, Hassendeubel, Wangelin, Dilger, ßuschbeck, Krzyzanowski, Schimmelf ennig und andere sind auch als Exerziermeister für die Unionsarmee von unschätz- barem Werte gewesen. Und mancher kleine Ex-Leutnant, dem »Widersacher, Weiber, Schulden« die deutschen Epauletten einst raubten und der dann seinen Weg fand nach dem großen über- seeischen Waisenhause für verkrachte deutsche Offiziere, hat jenen wacker zur Seite gestanden und dem Adoptivvaterlande damit bedeutende, wenn auch verborgen gebliebene Dienste geleistet.

Über das Wirken der deutschen Artillerieoffiziere könnte man ein besonderes Buch schreiben, und ein anderes könnte den deut- schen Genieoffizieren, in Amerika Ingenieure genannt, gewidmet werden. Unter diesen waren besonders hervorragende Männer, so Oberst Hassendeubel, der die Befestigungen bei Vicksburg anlegte und dort den Soldatentod fand, General Weitzel, Oberst Hoffmann

1) Nach dem amthchen Berichte des Kriegssekretärs und späteren Präsidenten Taft sind im Jahre 1906 nicht weniger als 6258 Mann oder 7,4^0 des Bestandes von der regulären Bundesarmee desertiert und neun aus zehn dieser Deserteure waren nach demselben Berichte eingeborene Amerikaner.

132 W. Kaufmann.

vom II. Korps, Oberst Flalid, Oberstleutnant Ulf fers, Oberst V. Schrader und die beiden Deutschamerikaner Haupt und Röb- ling junior. Drei geborene Deutsche Hilgard (Villard), Nordhoff und Thomas Nast wirkten an leitender Stelle in der angloamerika- nischen Presse, die beiden ersteren als Kriegskorrespondenten. Villards Berichte wurden von Millionen von Lesern verschlungen, er war lange Zeit der Vermittler zwischen der Kriegsleitung und dem amerikanischen Volke. Der Deutsche Nast galt bei den Rebellen als einer der hassenswürdigsten Nordländer. Durch seine Zeich- nungen, welche stets echte unionstreue Gesinnung ausstrahlten, hat er der Sache des Nordens in unschätzbarer Weise gedient. Wie viele noch schwankende Freiwillige mögen wohl durch die Nast- schen Bilderbogen in »Harpers Weekly« veranlaßt worden sein, in den Krieg zu ziehen.

Bei Ausbruch des Krieges besaß man so gut wie gar keine Generalstabskarten. Diesem Kartenmangel sind viele verhängnis- volle Irrtümer der Führer zuzuschreiben. Erst nach und nach wurde jenem Mangel abgeholfen. Die Kartenzeichner aber waren meistens Deutsche.

Für die so auffallend starke Beteihgung der Deutschen am Kriege kommt noch besonders in Betracht, daß das Deutschameri- kanertum niemals eine glänzendere Führung gehabt hat, als wäh- rend der Kriegszeit. Damals lebten die drei großen Deutsch- amerikaner Lieber, Stallo und Schurz. Sie lieferten einen erheb- lichen Teil des geistigen Rüstzeuges für den großen Kampf. Ihnen zur Seite standen Männer wie Gustav Körner, Friedrich Münch und noch manche andere Recken der vor achtundvierziger Ein- wanderung. Und dann die Achtundvierziger. Die meisten dieser Feuerköpfe, selbst die bejahrten unter ihnen, zogen sofort in den Krieg, und energischere Werber und Schürer der Kriegsbegeisterung hat es wohl nicht gegeben. Mancher gute Michel, der gar nicht daran dachte, seine Haut zu Markte zu tragen, ist von den Acht- undvierzigern in den Krieg gehetzt worden. (Vgl. den biographi- schen Teil.)

Gemäß der Volkszählung von 1860 lebten in den Vereinigten Staaten 1 276 075 geborene Deutsche, davon 72 000 in den elf Rebellenstaaten, rund i Million im Norden und nahezu 200000 in den vier Grenzstaaten Missouri, Kentucky, Maryland und Delaware. Dazu kamen die deutschen Einwanderer der Periode 1860 bis 1864,

Beteiligung der Deutschen im Kriege. 133

rund 100 ooo ; sodann die Deutschösterreicher, Schweizer, Elsässer, sowie die Deutschen, welche der Zensus als Holländer, Belgier, Luxemburger, Dänen usw. gezählt haben mag, gegen 300 000 Köpfe. Somit kann man den für die Rekrutierung des Unionsheeres in Betracht kommenden eingewanderten deutschen Volksstamm auf ungefähr I 600 000 Köpfe veranschlagen. Dieses Volk hat, allerdings während vier Jahren, 216 000 Soldaten gestellt. Das ist eine Leistung, welche die vielbewunderte Preußens im Jahre 18 13 wohl noch übertrifft Das damalige, von Napoleon zertrümmerte Preußen zählte 4% Mil- lionen Einwohner und stellte im deutschen Befreiungskriege 280 000 Mann ins Feld. Allerdings besaß das ausgewanderte deutsche Volk weit mehr jugendliche Männer, als sich in der gleichen Zahl der Preußen von 1813 befinden konnten, ferner dauerte der erste Krieg gegen Napoleon nur ein Jahr. Aber im damaligen Preußen war doch ein Stammheer von 42 000 Mann vorhanden, es bestand eine, wenn auch erheblich geschwächte Heeresorganisation, die Zahl der noch dienstfähigen Offiziere aus der Zeit vor 1806 war bedeutend, und Preußen erhielt aus Großdeutschland immerhin einigen Rekrutenersatz. So wird ein Vergleich der beiden Leistungen nicht in allen Punkten durchgeführt werden können. Aber die Wucht, welche in der Leistung der amerikanischen Deutschen liegt 216 000 Mann aus i 600 000 Köpfen gegen 280 000 Mann aus 4% Millionen Preußen kann man nicht ohne beträchthche Ein- schränkung anerkennen. Immerhin erscheint die Leistung der Deutschamerikaner als die größere.

Von General Robert E. Lee wird behauptet daß er gesagt haben soll: »Take the Dutch out off the Union army and we could whip the Yankees easely.« Ich habe mich vergeblich bemüht, um festzustellen, ob der große konföderierte Feldherr sich wirklich derartig ausgesprochen hat. In der von Engländern geschriebenen Kriegsliteratur taucht jenes Wort mehrfach auf. Bei dem Besuche Roosevelts in Berlin im Frühling 1910 wurde es von dem Berliner Korrespondenten eines großen Londoner Blattes zitiert. ^j Es ist durchaus möglich, daß jenes Wort dem südlichen General fälschHch in den Mund gelegt worden ist. Gar manches später geflügelt ge- wordene Wort mag auf dem Boden der Sage sich entwickelt haben. Doch kann man wohl behaupten, daß General Lee nicht übertrieben

1) Berliner Tageblatt, 13. Mai 1910.

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hätte, wenn er jenen Ausspruch getan hätte, aber in diesem Sinne: »Ohne das deutsche Element im Norden würde es uns leicht sein, die Yankees zu schlagen.« Denn jeder dritte Mann im Nordheere war deutschen Blutes.

Das Deutschtum des Südens war wesentlich der Einwanderung bis Mitte des i8. Jahrhunderts entsprossen; diese war verhältnis- mäßig gering, und die großen Ströme der späteren deutschen Aus- wanderung haben den versklavten Süden kaum berührt. Das Nord- land der Vereinigten Staaten ist das Ziel von über neun Zehntel aller Deutschen gewesen. So setzte sich das konföderierte Heer wesentlich zusammen aus Angloamerikanern, Kelten und Lateinern mit einem Einschlage von Teutonen, welche jedoch um 1860 fast vollständig anglisiert waren. Das Nordheer aber hat sicherlich 750 000 Mann deutschen Stammes (eingewanderte Deutsche, Nach- kommen eingewanderter Deutschen erster Generation und Nach- kommen der Einwanderer des 17., 18. und Anfang des 19. Jahr- hunderts) in seinen Reihen gehabt.^) Wahrlich, wenn diese »Dutch« aus dem Nordheere hätten herausgenommen werden können, so wäre General Lee auf weit weniger Schwierigkeiten gestoßen. Wenig- stens scheint der Gang des Krieges eine derartige Annahme hin- reichend zu erweisen. Und wie hätte es wohl um die Kulturkraft,

^) Professor A, B. Faust, »The German Element in the United States«, II. Teil, S. I bis 27, enthält eine ausführliche Untersuchung der Bevölkerungs- elemente der Vereinigten Staaten nach den Zensusberichten von 1900. Faust stützt sich dabei wesentHch auf die größere Arbeit des berühmten deutschen Statistikers Böckh. Dieser Gelehrte hat die Berechnung, welche Emil Mann- hardt in den deutschen Geschichtsblättern, Chicago {1903, Heft 3), veröffent- Ucht hatte, nachgeprüft in Heft 4 der Zeitschrift »Deutsche Erde«, Jahr- gang 1903. Mannhardt hatte die Zahl der von Deutschen abstammenden Bewohner der Vereinigten Staaten auf 25 Millionen berechnet, Böckh aber setzt die Mannhardtsche Ziffer auf rund 18 Millionen herab. Auf Grund der von Böckh angewendeten Methoden kommt Faust zu folgendem Ergebnis: Gesamtheit der Weißen der Vereinigten Staaten im Jahre 1900: 66990000. Diese zerfallen in folgende Stämme:

Germanisches Element 18400000

Enghsches Element 20 400 000

Irisches und schottisches Element 13900000

Andere, Skandinavier, Slawen, Lateiner usw. ... 14 290 000 Zusammen weiße Volkszahl : 66 990 000

Beteiligung der Deutschen im Kriege. 135

besonders um die Finanzkraft des Nordens um 1860 ausgesehen, wenn der große Wanderzug der Deutschen nach dem Norden der Vereinigten Staaten unterbheben wäre, oder wenn er sich so tropfen- weise ergossen hätte, wie es bei den Franzosen geschah, trotzdem diese ehemals sehr bedeutende pohtische Interessen in Nord- amerika zu schützen hatten? Ist es nicht eine merkwürdige Er- scheinung, daß von aUen Völkern Europas, abgesehen von den in Nordamerika herrschenden Engländern und den von diesen stets unterdrückten Iren, nur die Deutschen so frühzeitig, so andauernd und so massenhaft ihren Weg nach Amerika ge- sucht haben, trotz der im 17. und 18. Jahrhundert so ent- setzlichen Gefahren der Überfahrt?^) Die Ursache dieser deut- schen Auswanderung lag nicht in der Lockung des billigen Neu- landes und auch nicht in dem den Deutschen zugeschriebenen Wandertriebe. Wenn dieser Trieb bei unseren Landsleuten so viel stärker entwickelt wäre, als z. B. bei den Franzosen, wie käme es dann wohl, daß die Deutschen jetzt hübsch daheim bleiben, obschon es noch immer genug billiges Neuland in Amerika gibt. Die Ursache der deutschen Auswanderung lag bis 1860 fast nur in den jammervollen Zuständen des Heimat- landes und Kapp hat ganz recht, wenn er die deutsche Klein- staaterei als die wichtigste Triebfeder jener modernen Völker- wanderung erkennt.2) Der Druck auf das einst mit über 200 Sou-

Es sei hervorgehoben, daß in jenen 18 400 000 Einwohnern deutschen Stammes die Holländer inbegriffen sind, was durchaus berechtigt ist, nicht nur, weil die Holländer ein rein niederdeutscher Volksstamm sind, sondern auch weil so außerordentlich viele Deutsche, welche man jetzt als Reichsdeutsche an- sprechen würde, sich unter den holländischen Auswanderern des 17. und 18. Jahrhunderts befunden haben, aber als Holländer bei der Einwanderung nach Amerika angesehen wurden.

1) Während des 17. und 18. Jahrhunderts ist mindestens ein Fünftel aller deutschen Auswanderer, meistens durch Hunger und das sog. Schiffs- fieber, während der Überfahrt gestorben. Dieser Jammer dauerte in ab- geschwächter Form auch noch während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an und endete erst mit der Einführung der Seedampfer, wesentlich seit der Gründung des Norddeutschen Lloyd und der Hamburger Paketfahrt- Ge- sellschaft.

^) Friedrich Kapp: »Aus und über Amerika«; ferner »on immigration«, eine in englischer Sprache verfaßte Schrift, von welcher Kapp einen Teil

136 W. Kaufmann.

veränen belastete Volk, die religiösen und politischen Verfolgungen, die ewigen Kriege und das unsagbare Elend, welches dieselben brachten, haben die Massenflucht der Deutschen nach Amerika in die Wege geleitet, und eine viel zu lange in den alten Bahnen sich bewegende innere Landpolitik hat den gewaltigen Strom der Bauernauswanderung aus dem nördlichen Deutschland, welcher ungefähr um 1840 einsetzte, veranlaßt. Deutschland wäre heute um viele Hunderttausende von Kleinbauern reicher, wenn man dort rechtzeitig eine nur mäßige Verteilung des Großgrundbesitzes gestattet hätte. Auch diese Bauern sind eigentlich der Flüchtlingsauswanderung zuzuzählen. Sie bilden die Mehrheit der 3% Millionen Deutschen, welche seit 1860 aus- gewandert sind.

In den vorstehenden Erörterungen über die Beteiligung unserer Landsleute im Nordheere ist stets nur von geborenen Deutschen die Rede gewesen, nicht aber von der Leistung der in Amerika ge- borenen Söhne der eingewanderten Deutschen. Es fehlt an jeder zuverlässigen Schätzung des Anteils, welchen die Nachkommen der deutschen Einwanderer bis 1830 am Kriege haben. Dagegen läßt sich ziemlich genau feststellen, wie viele Deutschnachkommen erster Generation im Unionsheere gedient haben. Man muß dabei die Ergebnisse des Zensus von 1900 bezüglich der Nachkommen deutscher Einwanderer auf die deutsche Bevölkerung von 1860 berechnen. (Im Jahre 1900 wurde dieser Nachweis zum erstenmal bei der Volkszählung erbracht.) Danach ist zu schließen, daß die Deutschnachkommen erster Generation über 300 000 Unions- soldaten gestellt haben. (Berechnung des Professors Faust von der Cornell - Universität.) Dazu die 216 000 geborenen Deutschen und die Soldaten, welche die Nachkommen der früheren deutschen Einwanderer gestellt haben mögen. Nimmt man für alle drei Gruppen 750 000 Mann an, so wird man der Wahrheit gewiß sehr nahe kommen^). Dem General Lee sind diese Tatsachen freilich

als Separatdruck in deutscher Sprache erscheinen Heß. Ferner Kapps Ge- schichte der deutschen Einwanderung nach New York.

1) Unter den vielen hervorragenden Generalen des Unionsheeres, welche aus den Kreisen der Nachkommen von Deutschen stammen, sind besonders

Deutschlands Sympathien für die Union. 137

wohl nicht gewärtig gewesen, wie den Angloamerikanern überhaupt das Verständnis für die gewaltige Bedeutung der deutschen Ein- wanderung auf die Kulturentwicklung des Landes fast völlig abgeht. Sie reden immer nur von dem einen Mutterlande England und ahnen gar nicht, welchen Dank Nordamerika dem alten Deutsch- land schuldet.

Deutsdilands Sympathien für die Union.

Von allen großen Mächten Europas stand Deutschland allein in innigster Sympathie zu der Sache der Union. In England wurden die konföderierten Siege mit kaum verhüllter Schadenfreude ge- feiert und später wurden dort Kaperschiffe für die Rebellen aus- gerüstet (Alabama und andere). Napoleon III. benutzte die Not der Union, um sein mexikanisches Abenteuer auszuführen, wozu er zunächst auch Spanien zur Mitwirkung veranlaßt hatte. Auch in Österreichs Regierungskreisen war man durch Maximilians Ver- hältnis zu Frankreich an dieser Angelegenheit stark interessiert. Nur in Deutschland stand Volk wie Regierungen einig auf selten der Union. Frankfurt wurde der große Markt für die Bonds der Union, welche hauptsächlich von kleinen deutschen Sparern ge- ~y kauft wurden, weniger aus Spekulation als wegen der Sache, welche dahinterstand. Bismarck war durch seine amerikanischen Jugend- freunde Bancroft und Motley für die Unionssache gewonnen worden. Ebenso entschiedene Gegner der Sezession waren König Wilhelm und Moltke.

In seiner großen Rede zur Feier des deutschen Tages auf der Weltausstellung in Chicago (15. Juni 1893) sagte Karl Schurz:

»Wir blicken zurück auf jene dunklen Tage des Rebellions- krieges, als die Union am Rande des Untergangs zu taumeln schien, als unsere Heere Niederlagen auf Niederlagen erlitten, als nicht nur unsere Feinde und Neider, sondern auch unsere schwachherzigen Freunde in der alten Welt das Auseinandergehen der großen Repu-

zu nennen Rosecrans, Heintzelmann, Hartranft und Custer. Die Nach- kommen der deutschen Einwanderer des 17., 18. und des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts stellten allein aus Pennsylvanien mindestens 100 000 Mann.

138 W. Kaufmann.

blik als Gewißheit prophezeiten, als der Kredit unserer großen Re- publik auf den niedrigsten Punkt sank, als die Hoffnung auch der Mutigsten ins Wanken kam. Mit freudiger Genugtuung erinnern wir uns, daß von allen Völkern der Erde das deutsche Volk allein nicht das Vertrauen verlor auf den endlichen Sieg unserer guten Sache und auf die Zukunft Amerikas, daß es unbedenklich seine Ersparnisse zu Millionen und Millionen unserer schwerge- prüften Republik herlieh und ihr so in dem verzweifelten Kampfe neue Kraft gab. Das war der Freund in der Not, der dem bedrängten Freunde vertrauensvoll beistand, und reichlich, wie er es verdiente, wurde dies Vertrauen belohnt^). Diese Völkerfreund- schaft zwischen dem alten und dem neuen Vaterlande ewig stark zu erhalten, das ist der Wunsch, den der Deutschamerikaner warm im Herzen trägt und den er gewiß im Herzen jedes edelgesinnten, patriotischen Eingeborenen wiederfindet.«

Henry D. W h i t e , der spätere Botschafter am Berliner Hofe, sprach sich bei der Jubiläumsfeier der Deutschen Gesellschaft in New York, Oktober 1884, in ähnlicher Weise aus. Er sagte: »Im Kampfe gegen die Sklaverei bleibt der Ernst, mit welchem deutsch- amerikanische Denker sich am Streite mit der Feder, und die Tapfer- keit, mit welcher deutschamerikanische Krieger sich an den Waffen- taten beteiligten, denkwürdig für immer. In jenen finsteren und unheilvollen Tagen des Bürgerkrieges, als andere europäische Mächte uns verließen, nur Hohn, ätzende Kritik und Drohungen für uns hatten, war es Deutschland, von wo allein Worte und Taten der Sympathie kamen.«

Auch einer wenig bekannten Rede Bismarcks sei gedacht. Am 4. März 1868, an dem Tage, an welchem Präsident Grant sein neues Amt antrat, hatte Bancroft, der amerikanische Gesandte in Berlin, Bismarck, vier andere Staatsminister und einige der höchsten Würdenträger des Hofes als Gäste an seiner Tafel. Bei Tisch erhob der Kanzler sich zu folgender Ansprache: »Gestatten Sie mir, meine Herren, daß ich Ihre Unterhaltung für eine Weile unterbreche, um einige Worte zu der Gelegenheit zu sagen, die uns zusammengeführt hat. An diesem Tage tritt auf der anderen Seite

^) Durch hohe Verzinsung, 7*^/0, und bedeutenden Kursgewinn. Viel- leicht ist dies das einzige Beispiel in der Geschichte, wo deutscher Ide- alismus mit Gold reichlich belohnt worden ist.

Die Deutschen im Süden. 139

des Atlantischen Ozeans der siegreiche Oberbefehlshaber im Dienste der Vereinigten Staaten sein Amt als ihr Präsident an. Dieses Ereignis hat einen besonderen Anspruch auf sympathische Anteil- nahme in diesem Lande, denn es war ein preußischer König, Fried- rich IL, der bei der Geburt der amerikanischen Republik zu den ersten gehörte, sie zu ihrer Unabhängigkeit zu beglückwünschen. Was nun die späteren Beziehungen zwischen den beiden Ländern anbetrifft, so gewährt es mir das größte Vergnügen, nicht nur aus meiner persönlichen Erfahrung als preußischer Minister, sondern auch aus den Archiven die Tatsache festzustellen, daß dieses herz- liche von Washington und Friedrich dem Großen so glücklich in- augurierte Einvernehmen niemals auch nur im geringsten getrübt worden ist. Bisher hat es zwischen den beiden Ländern keine Schwierigkeiten gegeben, nichts hat sich je ereignet, das auch nur eine Auseinandersetzung hätte hervorrufen können. Es ist mir deshalb eine ebenso angenehme wie den Umständen entsprechende Aufgabe, Sie zu bitten, mit mir in deutschem Wein auf das Wohl des Präsidenten der Vereinigten Staaten, des Generals Grant, zu trinken.«

Die Deutschen im Süden.

Von den 72 000 Deutschen in den elf Rebellenstaaten wohnten etwa 20000 über acht Staaten zerstreut, waren also derartig iso- liert, daß sie völlig wehrlos wurden und die allgemeine Erhebung ihrer Nachbarn zugunsten der Sezession mitmachen mußten. Nur in Tennessee und Arkansas gab es für diese unionstreuen Deutschen noch die Flucht nach den Nordstaaten, und davon haben nicht wenige Gebrauch gemacht. Die übrigen 52 000 wohnten in Texas, Louisiana und Virginien. Der ruhmvolle Kampf der deutschen Texaner, welche einen Staat im Staate bildeten, wird im folgenden Kapitel geschildert werden. Die Deutschen von Louisiana saßen zumeist in der großen Stadt New Orleans und bildeten dort, etwa 15 000 Köpfe stark, eine beträchtliche Einheit unter den 80 000 weißen Einwohnern der Stadt. Von ihnen sind sehr viele zu Anfang des Krieges nach dem Norden geflüchtet. Die Zurückbleibenden waren durch ihre geschäftlichen Interessen gebunden. Ihr ganzes Hab und Gut, ihre in vielen Jahren mühseliger Arbeit erworbene

140 W. Kaufmann.

Stellung stand auf dem Spiele. Außerdem glaubte zu Anfang der Wirren niemand, daß sich dieselben zu einem derartigen Umfange erweitern, daß ein vierjähriger Krieg bis aufs Messer sich entwickeln würde. Doch kann man wohl sagen, daß es auch unter den Deutschen von New Orleans nur vereinzelte Sezessionisten gegeben hat. Diese Stimmung der Deutschen war den Führern der Rebellion wohl- bekannt. Man duldete nicht, daß das 20. konföderierte Regiment von Louisiana ein reindeutsches Regiment wurde; den sechs deutschen Kompagnien des Obersten Reichard wurden vier Kompagnien Irländer beigegeben, um das Regiment vollzumachen. Außerdem dienten viele Deutsche in der Washington-Artillerie von New Orleans, einer Elitetruppe. Man mag das deutsche konföderierte Kontingent von Louisiana auf 1500 Mann schätzen, die meisten derselben dienten zwangsweise. Sodann hat Georgia noch eine deutsche Artillerie- kompagnie von etwa 80 Mann unter Kapitän Steigen aufgebracht. Dieselbe war an der Verteidigung von Fort Pulaski beteiligt^).

Über die Deutschen in V i r g i n i e n gibt Hermann Schurichts »History of the German Element of Virginia« sehr ausführliche Auskunft. Auf dieses verdienstvolle Werk sei besonders hinge- wiesen. Einige der wichtigsten Angaben Schurichts sollen hier hervorgehoben werden: Virginien, der volksreichste Staat der Konföderation zählte 1860 i 047 29g Weiße, darunter nur wenige tausend geborene Deutsche. Dagegen hatte Virginien unter allen konföderierten Staaten den stärksten Einschlag von Altdeutschen, d. h. Nachkommen aus der Einwanderung des 18. Jahrhunderts. Sie saßen hauptsächlich im Shenandoahtale und bildeten dort sicher- lich die Mehrheit der Bevölkerung. Aus diesen schon stark angli- sierten deutschen Elementen bestand der Kern der »Stonewall«- Brigade, welche unter General Jackson sich unsterblichen Ruhm erkämpft hat. Diesem Stamme war auch der Dr. H. Ruffner ent- sprossen, der Präsident der Washington- und Lee-Universität, welcher im Jahre 1847 eine überaus scharfe Protest schritt gegen die Sklaverei

1) Unter den Belagerungstruppen befand sich das 46. deutsche N. Y.- Regiment unter Oberst v. Rosa, An stillen Abenden pflegten die 46er von der benachbarten Insel Tybee aus deutsche Volkslieder zu singen. Jene Lieder wurden von den deutschen Georgiern im Fort mit denselben Klängen be- antwortet. Der Befehlshaber des Forts hielt das für ein gefährliches Signal und verbot das Singen. (Mitteilung von L. P. Henninghaus in Baltimore [46. Regiment] an den Verfasser.)

Die Deutschen im Süden. 141

veröffentlicht hat. Also auch unter den A 1 1 deutschen gab es mutige Gegner der Sklaverei.^) Beiläufig sei erwähnt, daß die beiden ' konföderierten Generale Armistead und Kemper von Altdeutschen abstammten. Ersterer fiel bei dem Sturme auf Gettysburg, Kemper wurde dabei schwer verwundet.

Schuricht erklärt (S. 66, IL Band), daß in der ersten Zeit der Krisis »nicht ein einziger Deutschvirginier, amerikanischer oder deutscher Geburt, zugunsten der Sezession gewesen sei«. Diese Angabe ist wahrscheinlich nicht ganz zutreffend, soweit sie die Alt deutschen einschließt, aber mit bezug auf den kleinen Kreis der eingewanderten Deutschen stimmt sie mit den Tatsachen über- ein. Ferner sagt unser Gewährsmann: »Es kann behauptet werden, daß alle kürzlich eingewanderten Deutschen, welche sich der Kon- föderation anschlössen, dieses blutenden Herzens getan haben und unter dem Drucke zwingender Umstände; aber ob nun gezwungen oder nicht, sie haben ihre Pflicht zur Verteidigung des Staates mit niemals fehlender deutscher Tapferkeit erfüllt.« Schuricht, Mel- l chers, sowie der südcarolinische General Wagener sind zeitlebens 1 Gegner der Sklaverei gewesen, sie dienten ihren Staaten blutenden Herzens. Sie kämpften, solange es anging, für einen friedlichen Ausgleich, galten bei ihren sezessionistischen Landsleuten lange \ als Abolitionisten, und einer ihrer Freunde, der deutsche Unions- mann H. L. Wiegand in Richmond, schmachtete monatelang im Gefängnisse unter dem Verdachte, ein Verräter an seinem Heimat- staate zu sein. Später, nachdem der Krieg entbrannt war, vermochte sich der einzelne der allgemeinen Strömung nicht mehr zu entziehen, und die noch unionstreuen Deutschen mußten entweder das Land verlassen oder dem Staate Heeresdienste leisten. Die meisten haben

^) Dermutigste und wirksamste Bekämpf er der Sklaverei im Süden war Franz Lieber (siehe dessen Biographie). Er hielt im Jahre 1855, als sich die Rebelhon bereits vorbereitete, in der Aula der Universität von Süd- carolina jene flammenden Reden gegen die sog. »amerikanische Institution«, welche seine Vertreibung aus dem Süden zur Folge hatten. Und im Jahre 1822 protestierte in Tennessee die Versammlung deutscher lutherischer Pre- diger öffenthch gegen die Sklaverei, und zwar in überaus scharfer Tonart. Diese Taten deutscher Männer verdienen doch mehr gepriesen zu werden, als der wohl über Gebühr gefeierte Protest des Pastorius {1688), dessen Schrift nur unter einigen Glaubensgenossen herumgereicht wurde und erst fast 200 Jahre später bekannt geworden ist.

142 W. Kaufmann

das letztere getan. Es können ihrer aber schwerlich mehr als lOOoMann gewesen sein, mit Einschluß der von Simon Wolf (»the American Jew as a Patriot«) namentlich aufgezählten iio Israeliten, welche in virgini sehen Regimentern gedient haben. Schuricht zählt als deutsche konföderierte Truppen zwei Kompagnien (i6o Mann) und zwei Heim wehr- Abt eilungen (ebenfalls i6o Mann) auf. Der einzige amtliche Vertreter Deutschlands in Virginien war der Konsul von Bremen. Aber dessen Schutzscheine für noch nicht naturalisierte Deutsche wurden nur zu Anfang des Krieges respektiert. In dem treugebliebenen nordwestlichen Teile von Virginien, 40 Counties, welche als Neustaat Westvirginien organisiert wurden, betrug das deutsche Element ungefähr ein Drittel der Ein- wohnerschaft (Schuricht), doch waren die meisten derselben Alt- deutsche. Eingewanderte Deutsche gab es 10 512 in Westvirginien, davon wohnten 9612 in der Hauptstadt Wheeling (34 500 Einwohner). Nach Gould hat Westvirginien nur 869 deutsche Soldaten für die Union gestellt. Schuricht aber erklärt, daß diese Schätzung viel zu niedrig sei. Er sagt, daß von den Unionstruppen des neuen Staates mindestens ein Drittel, 12 200 Mann, Deutsche und Nach- kommen von Deutschen gewesen sind. Der erste Staatsgouverneur Boreman war ein Altdeutscher. Von den 44 000 Stimmen, welche in Westvirginien bei der Abstimmung über die Sezession abgegeben wurden, fielen nur 4000 Stimmen für Sezession. Allerdings war die Sklaverei in jener Gegend fast unbekannt; Westvirginien ist, wie Osttennessee, stets ein Kleinbauernland gewesen. Beide Land- schaften erwiesen sich als starke Bollwerke der Unionstreue. Schu- richt weist ausführlich nach, daß das starke altdeutsche Element von Westvirginien so gut wie einstimmig für Verharren in der Union eingetreten ist und daß die eingewanderten Deutschen auf dem- selben Standpunkte standen, ergibt sich daraus, daß in Wheeling der deutsche Unterricht in den Volks schulen eingeführt wurde als Anerkennung des patriotischen Eintretens der Deutschen für die Union. Im nördlichen, zu West virginien gehörenden Teile des Shenandoahtales haben die Unionstruppen bei der starken alt- deutschen Bevölkerung stets Freunde gefunden. Erst jenseits der neuen Staatsgrenze traf man auf viele Rebellen in der bürgerlichen Bevölkerung. Auch bemerkt Schuricht, daß die deutsche Sprache in jedem College und jeder Hochschule von Westvirginien gelehrt wurde.

Die unionstreuen Deutschen in Texas. 143

Die unionstreuen Deutschen in Texas.

Ein Kleindeutschland im wildesten Westen. Sisterdale und das lateinische Deutschtum. Olmsteds Schilderung. Die Sezession in Texas. Die Comanches. Die Bekehrung durch den Strang. Hunderte von fried- lichen Deutschen ermordet. Der Kampf am Nuecesflusse.

Das herrlichste, aber auch das erschütterndste Beispiel deut- scher Unionstreue hat uns Texas gegeben. Umringt von Todfeinden, durch Tausende von Meilen von den Gesinnungsgenossen im Norden getrennt, hilflos der rohen Gewalt preisgegeben, haben die Deutschen von Texas durch die ganzen vier schrecklichen Jahre mit bewun- derungswürdiger Zähigkeit für ihre Überzeugungen gekämpft und gelitten. Aber in den zahllosen Geschichtswerken über den Se- zessionskrieg findet man über diesen Kampf so gut wie nichts, und selbst die besten Kenner der amerikanischen Kriegsgeschichte wissen nur wenig Auskunft darüber zu geben. Eine eingehende Würdigung, wie es diese Heldengeschichte wahrlich verdient, kann hier nicht unternommen werden; es möge mir deshalb der Wunsch gestattet sein, daß die Geschichte der deutschen Texaner in einem besonderen Werke behandelt werden möge.^)

Texas wurde im Jahre 1836 den Mexikanern entrissen infolge einer von den amerikanischen Sklavenhaltern geschürten Revo- lution, organisierte sich darauf als selbständige Republik und trat 1845 als Sklavenstaat der Union bei. Texas übertrifft das Deutsche

1) Mein verehrter Mitarbeiter, Herr Hanno Deiler, hatte es übernommen, die zeitgenössischen deutschen Quellen über den Gegenstand zu bearbeiten. Aber er wurde durch den Tod abberufen, ehe er an die Ausführung des Planes gehen konnte. Ich bat dann Herrn John E. Mc Elroy in Washington, der das Organ der amerikanischen Veteranen, »The National Tribüne«, redigiert und wohl als der beste Kenner der Geschichte des Bürgerkrieges gelten kann, um Material für meine Zwecke. Er antwortete, es fehle ihm selbst an genügenden Unterlagen. Er schreibt: »It seems to me, that it is a story, that some one should make years of study of and write a book. The story of the Germans of Texas is one of great pathos, heroism and sacrifice and some one should rise up and teil it adequatly, which I could not. Yours in F. C. & L. John E. Mc Elroy.« Ist unter den vielen reichen Deutschamerikanern einer, der einen Preis aussetzen will für ein derartiges Liebeswerk ?

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Reich an Flächeninhalt um mehr als ein Drittel. Es ist ungefähr so groß wie das heutige Deutschland mit der Schweiz, Holland, Belgien und Dänemark. Der Staat zählte 1860 nur 300 000 weiße Einwohner und ebenso viele Negersklaven, Mexikaner und seß- hafte Jndianer.

Unter den Südstaaten nimmt Texas bezüglich der deutschen Einwanderung eine Ausnahmestellung ein. Der Staat erhielt eine verhältnismäßig starke deutsche Einwanderung von dem großen Strome der vierziger und fünfziger Jahre, und 1860 war Texas einer der deutschesten Staaten der Union. Ein Fünftel des weißen Volkes von Texas war damals deutscher Abstammung, darunter 22 000 geborene Deutsche. Der deutsche Teil des großen Staates liegt im Südwesten von Texas, etwa zwischen dem Kolorado und den San Antonio-Flüssen; den Mittelpunkt bildet das anmutige Tal des Guadelupe in der Nähe des Comalgebirges. Die Gegend ist sehr wasserreich, die vielen Flußtäler sind von außerordentlicher Fruchtbarkeit, und schon damals war das Land herrlich angebaut, ein blühender Garten inmitten von ausgedehnten Prärien und Ödland. In Texas gab es unter den Deutschen keinen Stamm von bereits anghsierten Altdeutschen aus dem 17. und 18. Jahr- hundert, wie in Pennsylvanien, New York und Maryland. Das gründeutsche Element, Einwanderer und deren Nachkommen erster Generation, war hier ganz unter sich. Die Zahl der geborenen Deutschen war doppelt so stark als die im Staate ansässigen Ir- länder, Engländer, Franzosen und Spanier zusammengenommen. Die Deutschen hielten sich ganz abseits der übrigen Bevölkerung in vier reindeutschen Counties. Sie hatten drei deutsche Städte, Friedrichsburg, Neu-Braunfels und Börne gegründet und bildeten auch in San Antonio und Austin um jene Zeit die Mehrzahl der weißen Bevölkerung. Zu diesen städtischen Siedelungen kamen ländliche, welche dorfartig die deutschen Städte umschlossen, so Neu-Ulm, High Hill (ehemals nach Robert Blum benannt), Berlin, Catspring, Mülheim, Content, Felsburg, Sisterdale, Kerrville, Ufnau, Concrete, Meyersville, Hochheim. Auch Bastrop, Castroville, Fayetteville, La Grange, Columbus waren stark von Deutschen besetzt. Die ganze Gegend bildete ein Klein-Deutschland. Die Kinder sprachen nur deutsch und lernten erst später englisch, sogar einzelne der wenigen Neger dieser Gegend haben deutsch gesprochen (nach Olmsted). Es gab nur deutsche Kirchen in dieser Gegend

Die unionstreuen Deutschen in Texas. 145

und schon frühzeitig eine gutgeführte und einflußreiche deutsche Presse^). Die ersten Deutschen waren schon zu mexikanischer Zeit, Ende der zwanziger Jahre ins Land gekommen, dann brachte der deutsche Adelsverein 1842 bis 1846 mehrere tausend Hessen und Nassauer nach jener Gegend (über 2000 dieser Landsleute sind damals in der Wüste, welche zwischen der Küste und den deutschen Siedelungen lag, in entsetzlicher Weise zugrunde gegangen). Die stärkste und schon einen wohlvorbereiteten Boden vorfindende deutsche Einwanderung kam aber infolge der deutschen Revo- lution ins Land. Unter diesen Flüchtlingen befanden sich sehr viele wohlhabende, ja reiche Deutsche, welche große Landstrecken erwarben und ausgedehnte Plantagen errichten konnten. Aber das deutsche Geld hat weit weniger Verdienst an der Aufrichtung dieses Klein-Deutschland im Herzen von Texas als das Kapital von Geist und von Freiheitsliebe sowie von Fleiß und Tüchtigkeit, welches diese Auswanderer von Deutschland mitbrachten. Die Achtundvierziger haben Deutschtexas zu der Hochburg von Unionstreue gemacht, als welche es 1860 erscheint. Sie waren ent- schiedene Gegner der Sklaverei, schon ehe sie ihren Fuß auf ameri- kanischen Boden setzten. Was sie dann in anderen Gegenden von Texas von der Sklaverei sahen, empörte sie, machte sie zu Abo- litionisten vom Typ der Garretson und Wendeil Philipps. Die »Deutsche Zeitung« in San Antonio kämpfte unter der Leitung von Dr. Douai für die Aufhebung der Sklaverei in Texas derartig, daß die »State Times« im benachbarten Austin ihren Lesern den Rat erteilte, den Dr. Douai zu ersäufen. Ein Strick oder eine Kugel war diesem Sklavereiblatte wohl noch viel zu ehrenvoll zur Beseitigung Douais. Aber die Deutschen in San Antonio traten zusammen, um ihren Landsmann nötigenfalls mit den Waffen zu verteidigen 2). Douai mußte Ende der fünfziger Jahre nach dem

^) Olmsted schätzte die Deutschtexaner, Einwanderer und deren Nach- kommen, schon 1852 auf 50 000 Seelen. Diese Schätzung stützt sich auf detailHerte Mitteilungen aus jeder deutschen Siedelung.

2) Olmsted, »Wanderungen durch Texas«, dritte deutsche Auflage, Leipzig 1874, S. 265. Olmsted meint übrigens, daß Douais Kampf gegen die Sklaverei noch ziemlich zahmer Natur gewesen sei. In seinen englisch geschriebenen Artikeln mag Douai sich einiger Vorsicht befüssen haben, und nur diese Aufsätze konnte Olmsted lesen. Zurückhaltung ist gewiß keine Feigheit, wenn freundüche Kollegen den Schriftsteller mit Ersäufen W. Kaufmann, Die Deutschen im amerlkan. Bürgerkrieg. 10

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Norden flüchten. Die Zeitung wurde dann farblos, ist aber nach Ausbruch des Bürgerkriegs unter Hertzfelds Redaktion als Unions- blatt eines ehrenvollen Todes gestorben.

Über Klein-Deutschland in Texas hat Richter August Sieme- ring von San Antonio für das Sonntagsblatt der New Yorker Staats- zeitung eine Reihe von Feuilletons geschrieben, sowie die Novelle »Ein verfehltes Leben«, welche als preisgekrönte Arbeit 1876 im Cinc. Volksblatte erschienen ist, ferner einen Aufsatz im Cincinnati Pionier, Band X, S. 57. In letzterer Arbeit beschäftigt sich Sie- mering wesentlich mit der sog. »lateinischen« Kolonie in Sisterdale, welche wohl als geistiger Mittelpunkt der Deutschen von Texas anzusehen ist. Diese Siedelung liegt etwa 50 Meilen nordwestlich von San Antonio^) in einem herrlichen Tale, welches vom Guade- lupe durchströmt wird. Die Gegend erinnert an Thüringen, den Namen hat sie von den Twin Sisters, zwei gleichhohen spitzen Bergen, dem Quellgebiet der beiden Sisterbäche. Siemering schildert die Gegend als ein kleines Paradies. Hier siedelte sich 1850 Ottomar V. Behr aus Köthen an. Ihm folgte bald Eduard D e g e n e r , Mitglied des deutschen Vorparlaments und später Vertreter von Texas im Bundeskongresse. Er war ein sehr reicher Mann, und sein Haus bildete den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens der Kolonie. Hier war auch Prinz Paul von Württemberg, Bruder des Königs, zu Gaste und fühlte sich inmitten des Kreises von deutschen Demokraten und Fürstenhassern recht wohl. Julius Dressel, ein ebenfalls sehr reicher Flüchtling aus Wiesbaden, wurde Degeners Nachbar. Professor Ernst Kapp, ein bedeutender Geograph aus Westfalen, der Onkel von Friedrich Kapp, Dr. Runge aus Mecklen- burg, ein Herr v. Donop, ehemaliger preußischer Offizier, ein Herr V. Westphal, Bruder des preußischen Ministers, die früheren Forst- beamten Beseler, Küchler. Brückner und noch mehrere andere

öffentlich bedrohen. Im deutschen Teile des Douaischen Blattes kamen die Anschauungen des Redakteurs weit energischer zur Geltung. Es gehörte schon sehr viel Mut dazu, in englischer Sprache überhaupt an der Sklaverei zu rütteln.

1) San Antonio ist eine der ältesten Siedelungen der Europäer in Amerika, begründet von den Spaniern um 1650. Die Stadt war zu einem elenden mexi- kanischen Neste herabgesunken, als 1842 die ersten Deutschen dorthin kamen. i86o war San Antonio die größte Stadt von Texas, eine wesentlich von Deut- schen vollbrachte Kulturtat.

^) Olmsted, S. 260: »Ich habe früher schon nachgewiesen, wie wunder- bar manche Deutsche ihre geistige Regsamkeit, ihren wissenschafthchen Sinn und ihren verfeinerten Geschmack zu bewahren wissen, sich in Texas zufrieden und glückhch fühlen, während sie doch ihren immerhin nur be- scheidenen Lebensunterhalt vermittelst anstrengender Arbeit erwerben müssen. In der gegenwärtigen Stellung dieser gebildeten Männer im Hinterwalde finden wir manche seltsamen Gegensätze. Da tritt mir ein Mann in einem blau wollenen Kittel und langem Bart entgegen, der eine Stelle aus dem Tacitus rezitiert; in der einen Hand hält er eine lange Pfeife, in der andern ein Fleischer- messer. In seinem sehr schHchten Zimmer hängt an der Wand eine Madonna, ich trinke Kaffee aus Tassen von Meißner Porzellan, während ich statt des Stuhles ein Faß unter mir habe und eine Beethovensche Sonate auf einem großen Flügel gespielt wird. Der Ansiedler sagt mir: , Diese Beinkleider hat meine Frau gemacht und meine Strümpfe sind dort auf jenem Baumwollen- felde gewachsen.' Er hat eine Büchse, die ihm ein paar hundert Dollar kostete, und auf dem Bücherbrett liegen alte Klassiker neben süßen Kartoffeln.« Diese Schilderung trifft wesentUch auf die weniger Bemittelten unter den lateinischen Deutschen von Texas zu, paßt aber in manchen Dingen auch auf die Gutsbesitzer von Sisterdale.

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hochgebildete Deutsche gehörten dem Kreise an. Professor Lind- heimer, welchem wir die beste Beschreibung der Flora von Texas verdanken, wohnte als Einsiedler in der Nähe. Auch Dr. Douai und manche der Achtundvierziger aus Friedrichsburg, Neu-Braun^ 1 fels und der weiteren Umgegend kamen oft nach Sisterdale dem Salon inmitten des deutschen Texas. Aber die Familien, welche zur Feierstunde zusammenkamen, waren durchaus nicht allein Schöngeister oder Philosophen. Tagsüber waren sie auf dem Felde, die Frauen in der Wirtschaft. Sie durften vor keiner Arbeit zurück- schrecken, es gab in Texas weder Inspektoren, welche dem Guts- herrn die Arbeit abnahmen, noch Gouvernanten oder Stützen für die Hausfrau. Auf viele Dinge hinsichtlich des Komforts mußte man verzichten, und die rauhe texanische Hinterwaldstimmung mischte sich mit den aus Deutschland herübergebrachten Erinnerun- gen an eine Vergangenheit, welche man gern eingetauscht hatte gegen die Freiheit der neuen Heimat.^) Die Gutsbesitzer von Sister- dale kamen häufig zusammen zu wissenschaftlichen Vorträgen, auch die klassische Musik wurde außerordentlich gepflegt, jedes Haus besaß eine gute Bibliothek wissenschaftlicher und schön- geistiger Werke. Die Jugend wuchs heran in der Sprache und in den Anschauungen der Eltern, doch war der Unterricht in den

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Überall in Klein-Deutschland blühenden Schulen stets zweisprachig. Besonders die Sisterdaler legten großen Wert auf die Ausbildung ihrer Kinder im Englischen, aber die Umgangssprache blieb stets die deutsche. Unter der deutschen Bevölkerung gab es keine II- literaten, die im übrigen Texas so beschämend zahlreich waren. Obige Schilderung bezieht sich auf die Jahre unmittelbar vor dem Bürgerkriege. Was aber war im Herbst 1862 aus Sisterdale geworden? Der ganze Kreis war auseinandergesprengt, die Pflan- zungen lagen wüst, die Häuser waren ausgeraubt ; v. Donop wurde von den Indianern massakriert, Professor Kapp, Dr. Runge und V. Westphal hatten sich nach Deutschland geflüchtet, mehrere der anderen hielten sich im Gebirge verborgen oder waren nach dem Norden gegangen. Degener und Dressel lagen in einem scheuß- lichen, schmutzstarrenden Gefängnisse in San Antonio und standen monatelang in beständiger Gefahr, gelyncht zu werden. Die jungen Söhne der Sisterdaler waren fast sämtlich im Namen des Gesetzes ermordet worden. Ihre Gebeine bleichten in der Wildnis am Nueces- flusse. Auch beide blühende Söhne Degeners waren dort gefallen. Erst spät wurde der alte Degener und dessen Freund Dressel gegen Bürgschaft, welche sezessionistisch gesinnte Bürger von San An- tonio aufbrachten, aus dem Gefängnisse befreit, mußten aber unter einer Art von Polizeiaufsicht in San Antonio bleiben und waren während des ganzen Krieges stets in Gefahr, von irgendeinem der vielen Desperados niedergeschossen zu werden. Die Ursache aller jener Schandtaten war die Unionstreue jener Deutschen!^)

Vor der eigentlichen Schilderung der Leiden unserer Lands- leute mag hier ein friedliches Bild, eine kleine Idylle eingeschaltet

1) Hingewiesen sei auch auf die Schilderung Friedrich Kapps in »Aus und über Amerika«. Beiläufig mag erwähnt werden, daß der deutsche Korps- bruder Kapps, welchen Kapp als Farmer in Westtexas zufällig antraf, in den Kriegsdienst der Sezession gepreßt wurde und für eine ihm verhaßte Sache gefallen ist. Kapp betrat in Texas eine Hütte und fand dort sein eigenes Bild aus der deutschen Studentenzeit an der Wand. Später tauchte der Bewohner der Hütte auf. Die Geschichte, welche Kapp an diese Begegnung knüpft, ist eine seiner gelungensten Kleinschilderungen und gewährt uns vielleicht den besten EinbHck in das Miheu des deutschen Lateinertums von Texas. Kapp war übrigens der Begleiter Olmsteds auf dessen Reise durch Texas.

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werden, wie sie Fred. Law. Olmsted in seinen Wanderungen durch Texas uns hinterlassen hat. Olmsted, ein Angloamerikaner, hat jahrelang den Süden durchstreift und seine Beobachtungen in dem großen Werke »The Cotton Kingdom« niedergelegt. Die »Wande- rungen« sind ein Teil desselben. Olmsted, ein bedeutender Inge- nieur, ist, beiläufig gesagt, auch der Schöpfer des New Yorker Zen- tralparks gewesen. Die texanische Reise Olmsteds fällt in die Jahre 1853 bis 1854.

Auf seine eigenen Landsleute, die Angloamerikaner in Texas, ist Olmsted nicht besonders gut zu sprechen; er schildert sie als arbeitsscheu, zum Schaffen auf dem Felde war ja der Sklave da. Diese texanischen Pflanzer waren meistens ganz ungebildet, ihre Lebenshaltung war die denkbar einfachste; das sich bei allen Mahl- zeiten wiederholende Gericht bestand aus Speck, Kaffee und Mais- brot. Im Hause kein Komfort, die Fenster zum Teil eingeschlagen, überall Schmutz und Vernachlässigung.^)

1) Texas war durch mehrere Jahrzehnte eine Art Verbrecherasyl ge- wesen. Im Norden hatte man eine besondere Bezeichnung für Leute, welche der Polizei aus dem Wege gegangen waren: »G. T. T.« (gone to Texas). Olmsted zitiert eine aus dem Jahre 1831 stammende Bemerkung eines Herrn Deewes; dieser schreibt: »Es würde Ihnen ergötzlich vorkommen, wenn Sie hörten, in welcher Weise die Leute in diesem neuen Lande einander anreden. Es ist unter uns nicht etwa ungewöhnlich, daß wir einen Mann fragen, weshalb er aus den Vereinigten Staaten geflohen sei. Nur selten fühlt man sich durch eine solche Frage beleidigt; die meisten nennen das Verbrechen, welches sie begangen haben. Wenn sie leugnen, daß sie irgend etwas verübt hätten, oder gar behaupten, sie seien nicht flüchtig geworden, dann gelten sie für verdächtig.« Die Südländer, welche nach Texas zogen, um das Land den Mexikanern zu entreißen, waren auch keine Engel gewesen. Der amerikanische Klein- farmer, dessen Heldentaten an anderer Stelle beschrieben wurden, zog nach dem Nordwesten. Außer den Deutschen kamen wenige eigentliche Pioniere nach Texas. Vom Süden aber kamen die Sklavenbarone mit ihrem Trosse von Schwarzen. Der nichtdeutsche Teil des Staates war der wildeste Westen, Es hat lange gedauert, bis in Texas der solide Teil der Bevölkerung die Oberhand gewonnen hat. Noch in den Jahren 1865 bis 1868 fanden in Texas 470 Weiße und 429 Neger einen gewaltsamen Tod, die meisten durch den Strang oder die Kugel. Aus der Tatsache, daß unter den Weißen von Texas so viele Desperados, Verbrecher, gewerbsmäßige Spieler und Schmuggler waren, erklären sich zum Teil die schreckhchen Verfolgungen der unions- treuen Deutschen.

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Olmsted hatte zuerst den ganzen Osten von Texas durch- streift und kam zuletzt nach dem Südwesten, d. h. nach Klein- Deutschland. Bei den Angloamerikanern traf er auf viele Vor- urteile in bezug auf die Deutschen. Der wesentliche Grund dieser Vorurteile bestand darin, daß die Deutschen selbst auf dem Felde arbeiteten, was nach den südlichen Anschauungen als entehrend für einen Weißen galt; daß sie keine oder doch nur sehr wenige Sklaven hielten und allgemein als Gegner der Sklaverei und als unionstreu galten. Olmsted schreibt: »Die ersten deutschen An- siedler, welche uns zu Gesicht kamen, wohnten in kleinen Block- hütten und hatten bei denselben etwa zehn Acker Land eingezäunt und bestellt. Die Häuser waren allerdings sehr bescheiden, es machte aber einen sehr angenehmen Eindruck, daß allerlei zum Zierrat und zur Bequemlichkeit angebracht worden war. Auch ließ sich selbst in dieser Winterszeit erkennen, daß auf den urbar gemachten Feldern nicht bloß einerlei geerntet, sondern der Anbau mannig- faltiger Art war. Das Land war rein, sorgfältig gehalten und bildete einen sehr vorteilhaften Gegensatz zu den Feldern der Amerikaner, auf welchen gewöhnlich Maisstrünke stehen und Straußgras wuchert. Auch waren alle, Männer, Frauen und Kinder mit etwas beschäftigt, hatten aber dabei doch Zeit, den Reisenden einen freundlichen Gruß zu sagen.«

Olmsted kommt nach Neu-Braunfels und steigt im Guadelupe Hotel von J. Schmitz ab. Was er dort erlebte, erzählt er auf S. 99 und 100: »Nie in meinem Leben, außer etwa wenn ich aus einem Traume erwachte, habe ich einen so raschen Gedankenübergang gehabt als in jenem deutschen Gasthause. Ich sah keine Wände von lose nebeneinander gefügten Brettern oder Baumstämmen, mit Spalten und Löchern, die man mit Mörtel ausstopft oder mit Mörtel verstreicht, fand nicht vier kahle Wände, wie ich sie in Texas ein paarmal bei aristokratischen Amerikanern gesehen hatte, son- dern ich war leibhaftig in Deutschland. Es fehlte auch gar nichts. Da war nichts zu viel und nichts zu wenig; ich sah mich in eines jener köstlichen kleinen Wirtshäuser versetzt, an welche alle so gern und dankbar sich erinnern, welche jemals eine Fußreise im Rheinland gemacht haben. Ein langes Zimmer nahm die ganze Vorderseite des Hauses ein; die Wände waren hübsch und sauber mit gefälligem Muster bemalt, auf allen Seiten hingen Steindruck- bilder in Glas und Rahmen, in der Mitte stand ein großer starker

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Tisch von dunklem Eichenholz mit abgerundeten Enden; an den Wänden liefen Bänke hin, die Stühle waren von Eichenholz und mit Schnitz werk versehen, das Sofa mit geblümtem Möbelkattun überzogen; in einer Ecke stand ein Ofen, in einer anderen eine kleine Schenkanrichte von Mahagoni mit Flaschen und Gläsern. Durch das Zimmer wallte Tabaksrauch; am großen Tische saßen vier Männer mit starken VoUbärten, rauchten und sagten uns einen freund- lichen guten Morgen, als wir eintraten und den Hut lüfteten.

Gleich tritt die Wirtin ins Zimmer; sie versteht unser Eng- lisch nicht gut, aber einer von den Rauchern steht auf und macht den Dolmetscher. Wir sollten gleich ein Mittagsbrot haben. Sie nimmt ein Tischtuch und breitet es an einem Ende der Tafel aus, und als wir eben die Oberröcke abgelegt und uns die Hände am Ofen ein wenig gewärmt haben, ist die Frau schon wieder da und ersucht uns Platz zu nehmen. Sie setzt uns eine ganz vortreffliche Suppe vor, dann folgen zweierlei Gerichte Fleisch kein gebra- tenes Salzfleisch vom Schwein zwei Schüsseln Gemüse, Salat, eingemachte Früchte, Weizenbrot, Kaffee mit Milch und dazu prächtige ungesalzene Butter, Butter, wie ich sie niemals im Süden des Potomac gefunden habe, wo mir die Leute immer sagten, es sei nicht möglich, in einem südlichen Klima gute Butter zu bereiten. Aber worin liegt das Geheimnis? Im Fleiß, in der Achtsamkeit und Sauberkeit.

Nach Tisch unterhielten wir uns ein Stündchen mit den Herren im Gasthofe; alle waren unterrichtete, gebildete, wohlerzogene Männer, freundlich, achtbar, gesprächig; sämtlich in Deutschland geboren. Sie lebten erst seit ein paar Jahren in Texas; einige waren auf der Reise und in anderen deutschen Niederlassungen ansässig, andere wohnten schon seit längerer Zeit in Braunfels. Es war uns so äußerst angenehm, mit solchen Leuten zusammenzutreffen, und sie gaben uns so interessante und zufriedenstellende Nachrichten über die Deutschen in Texas, daß wir hier zu bleiben beschlossen. Wir gingen hinaus, um nach unseren Pferden zu sehen. Ein Mann in Kappe und runder Jacke rieb sie ab. Es war das erstemal, daß ihnen dergleichen ohne weiteres geschah; sonst hatten wir es selber tun oder einen Neger teuer dafür bezahlen müssen. In der Krippe lag das beste Mesquiteheu das erste, welches sie in Texas zu fressen bekamen, und es gefiel den Tieren so, daß sie uns mit den Augen gleichsam zu bitten schienen, wir möchten sie über Nacht

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da lassen. Aber war in dem kleinen Gasthofe auch ein Schlafzimmer für uns? Gäste waren schon da; indessen konnten wir nötigenfalls auf der platten Erde schlafen und waren dann immer noch besser daran als seither. Wir fragten, ob wir Nachtherberge haben könnten? Jawohl, recht gern. Ob wir nicht das Zimmer uns einmal ansehen wollten? Wir dachten, es sei wohl im Hahnen- balken, aber das war ein Irrtum. Im Hofe stand ein Nebengebäude; darin war ein kleines Zimmer mit blau bemalten Wänden und Möbeln von Eichenholz; wir fanden zwei Betten; jeder sollte ein eigenes Bett haben, also sich des Luxus erfreuen, allein zu schlafen! Das war uns in Texas noch nicht vorgekommen. Die beiden Fen- ster hatten Vorhänge und waren draußen mit einem immergrünen Rosenstrauch überzogen; keine Fensterscheibe fehlte; zum erstenmal, seit wir uns in Texas befanden ! Auch stand ein Sofa da, ferner ein Sekretär und auf demselben ein vollständiges Konversations-Lexikon neben Kendalls Santa Fe-Expedition, eine Statuette von Porzellan, Blumen in Töpfen, eine messingene Stu- dierlampe; ein wohleingerichteter Waschtisch samt derben Hand- tüchern fehlten auch nicht. Wie uns das alles anmutete! Am nächsten Morgen fanden wir, daß unsere Pferde eine Streu gehabt hatten, gleichfalls zum erstenmal in Texas.«

Olmsted durchzog nun die deutschen Siedelungen von Ost nach West. Seine Schilderungen sind stets von derselben Begei- sterung betreffs der Deutschen in Texas getragen, welche wir in den oben zitierten Seiten finden. Er erzählt uns auch von Sister- dale in ähnlicher Weise, wie wir es bei Siemering schon fanden. Und durch die ganze Darstellung Olmsteds zieht sich wie ein roter Faden die Meldung, daß alle Bewohner von Deutschland in Texas grundsätzliche Gegner der Sklaverei sind, daß sie den damals schon spukenden Plan einer Abtrennung des Südens vom Norden ver- abscheuen, daß sie allgemein als die treuesten Anhänger der Union gelten. Keinen einzigen deutschen Sklavenhalter hat Olmsted im Westen angetroffen, im ganzen Süden möge es gegen 30 Deutsche geben, welche Sklaven hielten, und darunter sind manche, welche es nur getan, weil sie keine deutschen Mägde finden konnten. Unser Reisender findet auch Schattenseiten bei den texanischen Deutschen. Viele von ihnen sind Freidenker und treiben die Ver- ehrung der Vernunft bis zur Bigotterie. Auch lassen sie sich in ihren Manieren zu viel gehen und haben etwas Rauhes, das allerdings

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zu ihren wilden Prärien paßt. Auch fehlt es nicht an persönlichen Häkeleien, wodurch ein gemeinsames, kräftiges Zusammenwirken gehindert wird. Das ist freilich ein altes, deutsches Übel, das im Atlantischen Ozean nicht ertränkt worden ist. In gesellschaft- licher und pohtischer Hinsicht nehmen die Deutschen nicht die Stellung ein, zu welcher sie berechtigt waren. Sie geben sich zu wenig mit den Amerikanern ab. Die beiden Stämme haben nur geringe Bekanntschaft miteinander und betrachten sich manchmal mit gegenseitiger Verachtung. Die Amerikaner haben den Vorteil, daß sie zuerst im Lande waren, daran gewöhnt sind, über Sklaven und Mexikaner zu herrschen, und daß ihre Sprache die vorherr- schende ist. Sie besitzen mehr Kapital, politischen Einfluß und sind dabei lärmend und voll unverschämter Anmaßung. Die Deut- schen dagegen bewahren sich ihre Ruhe, gehen ihren eigenen Ge- schäften nach und lassen sich ohne viel Murren regieren. Der Pflanzer mag nicht gern Deutsche in seinem Lohn haben er sieht in dem freien Arbeiter einen Konkurrenten.

Wir könnten noch Seiten lang aus dem hochinteressanten Buche zitieren, aber das Kulturgeschichtliche kann hier nur inso- weit behandelt werden, als für das bessere Verständnis des Kampfes der Deutschen mit den Sezessionisten von Texas notwendig ist.

Samuel Houston, der Sieger in der Schlacht von San Jacinto, durch deren Ausgang Texas von Mexiko losgerissen wurde, war Gouverneur von Texas, als die Sezession ausbrach. Er war unions- treu und wollte seinem Staate eine neutrale Stellung sichern.^) Die Sklavenhalter verdrängten ihn sofort aus dem Amte, sein Nach- folger war ein wütender Sezessionist und schon am 5. Februar 1861 trat Texas der Sezession bei. Das Volk des Staates genehmigte

^) Die Angabe, daß die Deutschen von Texas dem Gouverneur Houston 2000 Mann angeboten hätten, um die texanischen Sezessionisten zu bekämpfen, wurde von Houston selbst dementiert. Trotzdem fand jene Nachricht Glauben, weil die Unionstreue der Deutschen allgemein bekannt war. In dem Buche »Texas on the eve of rebelhon« von Charles Anderson, Cincinnati 1864, heißt es, daß nach der Schlacht von Bull Run die Unionsleute in Texas massen- haft zur Sezession übergingen. Im Herbste 1861 konnte Anderson diejenigen Unionsleute, welche nicht Deutsche waren, an den Fingern herzählen.

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diesen Beschluß mit 39 415 Stimmen für Sezession und 13 841 Stim- men dagegen. Die negativen Stimmen kamen meistens von den Deutschen. Die Sezessionisten hatten schon seit Monaten im ge- heimen gerüstet, und bereits Anfang Februar stand ein Mob von ungefähr 15 000 Mann bereit, um für die Sezession zu kämpfen. Mehrere tausend Mann zogen sofort nach San Antonio, wo sich das Arsenal der Bundestruppen sowie eine Besatzung von iioo Mann befand, die andere Hälfte der Bundestruppen stand noch an der Indianergrenze. Diese Truppen waren schon seit langer Zeit in Texas stationiert, um die Ansiedler vor den wilden Comanches- Indianern zu schützen, welche von Zeit zu Zeit in starken Schwärmen aus den Gebieten von Neu-Mexiko und Arizona vorbrachen. Auch das mexikanische Grenzgesindel bildete eine beständige Bedrohung der Ansiedler.

Die Bundestruppen wurden von General Twiggs befehligt, einem der schlimmsten unter den vielen Sezessionisten im dama- ligen Offizierkorps. Twiggs kapitulierte sofort vor dem Mob^) (15. Februar 1861), überlieferte demselben das Arsenal mit Waffen und Vorräten im Werte von 114 Mill. Dollar und erwirkte für seine Soldaten den freien Abzug nach dem Norden. Er selbst mit den meisten seiner Offiziere trat sofort zu der Konföderation über. Die Kapitulation schloß auch die an der Indianergrenze stehenden Truppen ein 2).

Nachdem die Bundestruppen Texas geräumt hatten, brachen sofort die Comanches gegen die nun unbeschützten Grenzansiede- lungen los. Da Deutsch-Texas wesentlich die Kulturgrenze bildete, so hatten vornehmlich die Deutschen die Folgen dieses Einbruchs zu tragen. Schauerlich wüteten Tomahawk und Skalpiermesser unter ihnen^). Die Grenzler flüchteten, soweit sie es noch konnten,

^) Twiggs wurde von Kriegsminister Dix schimpflich aus dem Bundes- heere ausgestoßen. In der Konföderationsarmee hat er es nicht weit gebracht. Er wurde selbst im Süden verachtet.

2) Die sehr starke deutsche Milizkompagnie von San Antonio weigerte sich, ihre Bundesfahne zu übergeben und der Konföderation den Treueid zu leisten. Die Kompagnie wurde dann aufgelöst, und die meisten Mitglieder entflohen nach dem Norden, um für die Union zu kämpfen.

^) Wie viele Deutsche während jenes Interregnums von den Comanches ermordet worden sind, ist nicht festzustellen. Wilhams gibt in dem Buche »With the Bord er Ruffians«, New York 1907, einige Einzelheiten. Diese

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nach den städtischen Siedelungen, besonders nach Friedrichsburg, Kerrville und Börne, den am weitesten nach Westen vorgeschobenen deutschen Ortschaften^) . Es verstrichen Monate, bis die Staats- truppen (Konföderierte) den bisher von den Bundestruppen aus- geübten Grenzschutz übernehmen konnten, aber auch dann war der Schutz stets ungenügend, und die Deutschen, welche ihre Farmen im Westen verlassen hatten, konnten es nicht wagen, dahin zurück- zukehren.

Der Überfall der Comanches war nur ein Vorspiel der Leidens- zeit, welche für die deutschen Siedelungen anbrechen sollte. Nach den roten Teufeln kamen die weißen, die schlimmeren, denn sie wüteten auf dem Boden der Gesetze der konföderierten Staaten. Zwei dieser Gesetze seien erwähnt: Das Konfiskationsgesetz, er- lassen vom konföderierten Kongreß am 31. August 1861, verhängte die Beschlagnahme alles Eigentums von unionstreuen Bürgern, welche der neuen Regierung den Treueid verweigerten, oder welche von Texas unter Zurücklassung ihres Eigentums bereits ver- zogen waren. »Verzogen« wurde so ausgelegt, wie nach dem Norden entflohen. Das war ja auch in den meisten Fällen richtig. Viele unionstreue Deutsche waren in der ersten Kriegszeit nach Missouri entflohen und hatten sich dort in das Nordheer einreihen lassen, andere waren über den Grenzfluß Rio Grando geflüchtet, hatten sich den Bundeskonsuln in den mexikanischen Städten Monteray und Matamoras gestellt und waren von diesen zu Schiff nach dem Norden befördert worden, wieder andere waren über texanische Häfen entkommen^). Wie viele ihrer gewesen sind, ist

sind so schauderhaft, daß man hoffen muß, daß der Berichterstatter über- treibt. WilHams fand die Leiche eines jungen deutschen Farmers, dessen Körper mit Stichwunden bedeckt war. Die Comanches hatten den Uriglück- Hchen langsam zu Tode gemartert.

1) Die Wilden hatten auch viele Kinder der Deutschen fortgeschleppt. Ende der siebziger Jahre fingen die Bundestruppen bei Fort Sill einen sehr hellhäutigen Comanchen. Es war der Sohn des Farmers G. Fischer aus Fried- richsburg. Dieser junge Deutsche hatte 13 Jahre bei den Wilden verbracht, deren Sitten und Sprache angenommen und galt als der beste Schütze des Stammes. Seine deutsche Muttersprache hatte er bis auf wenige Brocken vergessen. Er gewöhnte sich sehr langsam an seine neue Umgebung.

^) Der spätere General Küffner, einer der tapfersten deutschen Offiziere (er wurde viermal schwer verwundet), war aus Texas nach dem Norden ent-

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unbekannt, aber sicherlich standen looo deutsche Texaner in Mis- sourier-Regimenterni). Diese FlüchtHnge hatten ihre Famihen und ihren ganzen Landbesitz in Texas zurückgelassen im Glauben, daß die alten Gesetze zu Recht bestehen würden. Durch das Kon- fiskationsgesetz wurden sie ihres Eigentums beraubt, und ihre Fa- milien wurden dem Elende preisgegeben.

Schon am 8. August 1861 erließ der konföderierte Kongreß das Verbannungsgesetz. Dadurch wurde jede weiße männliche Person von über 14 Jahren, welche der Union die Treue bewahrte und den Eid auf die Sezession nicht leisten wollte, der Verbannung aus dem Gebiete der Konföderation ausgesetzt. Die Gerichtshöfe hatten das Recht, alle Leute, welche innerhalb 40 Tagen den Treueid nicht leisteten, als Landesfeinde zu verbannen. Dazu sagt H. H. Bancroft (Geschichte von Texas II, S. 458) : »Durch diese Gesetze wurden Männer, welche ihr ganzes Leben in Texas verbracht hatten, ihres Eigentums beraubt. Unter diesen Gesetzen hatten hauptsächlich die deutschen Siedler im texanischen Westen zu leiden. Nach der Proklamation des Belagerungszustandes war das Haus jedes Unionstreuen vogelfrei. Viele dieser Patrioten flohen frühzeitig nach dem Norden, aber die Flüchtlinge der spä- teren Zeit wurden verfolgt und größtenteils getötet.«

Die Lokalgesetze für den Staat Texas verfolgten ähnliche Zwecke. Im Jahre 1863 proklamierte Gouverneur Lubbock auf Grund eines Staatsgesetzes, daß jede männliche weiße Person von über 16 Jahren als militärpflichtig zu betrachten und daß es ver- boten sei, einen Ersatzmann zu stellen.

So waren die unionstreuen Bürger von Texas vor die Wahl gestellt, entweder für eine ihnen verhaßte Sache zu kämpfen oder aus dem Staate zu entfliehen unter Zurücklassung ihrer Familien und ihres Eigentums. Eine freie Auswanderung war untersagt, und die heimliche Flucht war sehr häufig gleichbedeutend mit einem Todesurteile. Texas war von den übrigen Rebellenstaaten und vom

flohen. Auch der spätere deutsche Admiral Fahrenholt gehörte zu den deutschen Unionstreuen aus Texas.

^) In New Orleans organisierte der damals dort befehlende Unions- general Butler das erste unionstreue Reiterregiment von Texas aus den in jenem Hafen angekommenen Flüchtlingen. Das Regiment bestand fast aus- schließUch aus deutschen Texanern. Auch in den später noch gebildeten loyalen texanischen Truppenteilen dienten meistens Deutsche.

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Meere umringt. Die Seefahrt hatte infolge der Blockade aufgehört. Nur der Weg nach Mexiko war noch offen. Aber dieser Weg führte durch eine Wüste, welche von den Comanches sowie den mexika- nischen Grenzstrolchen durchstreift wurde. Außerdem standen im westlichen Texas starke Posten des Rebellenheeres, welche die Flücht- linge verfolgten, aber niemals Gefangene machten, so viele sie auch erwischt haben mögen. Die Gefangenen wurden ohne Prozeß er- schossen oder gehenkt. Die Zeitungen schrieben damals von den seltsamen Früchten, »welche die Bäume in Texas trügen«^)! Die meisten Unionstreuen unterlagen dem Zwange und ließen sich in die konföderierte Armee einreihen, wohl mit der Hoffnung, bei der ersten Gelegenheit zu desertieren oder sich vom Gegner gefangen nehmen zu lassen und dann im Unionsheere zu dienen. Viele haben das auch ausgeführt, so z. B. die deutschen Soldaten des 25. kon- föderierten Texas-Regiments, welche von General Osterhaus bei Arkansas Post gefangen wurden. Auch von anderen texanischen Regimentern, welche dort kapitulierten, traten Deutsche in das Unionsheer ein.

Schon im Frühling 1861 hatten die Verfolgungen der Unions- treuen begonnen, und zwar seitens eines Vigilanz- Komitees, dessen Sitz sich in San Antonio befand und dessen Vorstand ein wohl- habender Geschäftsmann und zugleich ein großes Licht in der Wesleyanischen Kirche war. Den Vorwand für dieses geheime »Volksgericht«, welches nur den Strang als Strafmittel kannte, bildeten die vielen Ausschreitungen der Desperados. Der Bürger- krieg und die sehr mangelhaften polizeilichen Maßnahmen der neuen konföderierten Regierung veranlaßte das Hchtscheue Ge- sindel zu allerhand Schandtaten. Aber die Vigilanten bestanden ausschließlich aus Sezessionisten, Mitgliedern des Geheimbundes der »Knights of the golden Circle«. So wurde schon damals das später hundertfach angewendete Mittel benutzt: »to convert Union men to the true faith by way of a halter« (Bekehrung der Unions- treuen zur Sezession durch den Strang).

^) Der San Antonio Herald schrieb damals von den deutschen Unions- treuen (zitiert bei Lossing, S. 336) : »There bones are bleaching on the soil of every county from Red River to Rio Grando and in the counties of Wide and Denton (deutsche Counties) their bodies are suspended by scores from the , Black Jacks'.«

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Manche Deutsche konnten es nicht über sich gewinnen, der Konföderation den Treueid zu leisten, anderseits wollten sie auch das Risiko einer heimlichen Flucht nicht eingehen. Sie blieben ruhig auf ihren Farmen in der Hoffnung, daß der Krieg bald be- endet werden möge. Diese Leute hat das schlimmste Los getroffen. Im amtlichen War Record, 15. Band, S. 886 u. f., findet man eine Anzahl Dokumente, welche sich auf die im Sommer 1862 be- ginnende Massenverfolgung der unionstreuen Deutschen beziehen: Die konföderierten Rekrutierungsbeamten Flewellen und Bell in Austin verlangen von dem konföderierten General Magruder Sol- daten, um die dienstunwilligen Deutschen in die konföderierte Armee zu zwingen. Magruder antwortet, daß alle Fremden, welche der Konföderation nicht dienen wollen, sofort aus Texas fortzu- führen seien, um in die Feldregimenter anderer konföderierter Staaten gesteckt zu werden. Man müsse das aber tun, ohne daß es besonders auffalle! Aber auch die geforderten Soldaten kamen dann nach Deutschtexas, um das Vigilanz- Komitee abzulösen und »Ruhe zu schaffen«. Als Vorwand diente ein Gerücht, wonach gegen 1500 Deutsche sich in den Bergen bei Friedrichsburg versteckt hielten und angeblich von dort aus die sezessionistischen Pflanzer belästigten. An diesen Gerüchten war nur wahr, daß eine Anzahl junger Deutscher, welche nach dem Norden entfliehen wollten, eine von etwa 500 Personen besuchte geheime Versammlung am Bear Creek berufen und sich dort eidlich verpflichtet hatten, nicht in den Kriegsdienst der Konföderation zu treten. Aus dieser Gruppe bildete sich der Flüchtlingszug von 65 Mann unter Führung von Fritz Tegner, welcher am Nuecesflusse (worüber später) über- fallen und versprengt wurde, wobei über die Hälfte der Flüchtlinge fielen.

Die folgenden Mitteilungen sind dem Buche von Williams^) sowie Briefen meines Korrespondenten Sansom in San Antonio entnommen :

^) R. H. Williams, ein Mitglied der Dunnschen Kompagnie Texas Rangers, beschreibt die Greuel ausführlich in seinem 1907 bei E. P. Dutton & Co. in New York erschienenen Buche »With the Bord er Ruffians«. Ich hätte gern eine zuverlässigere Quelle benutzt als den Bericht eines Mannes, der zu Dunns Bande gehörte. Aber die Schandtaten sind im geheimen vollführt worden, zu einer Zeit, als es weder eine solche Dinge registrierende Presse gab, noch Richter, welche sich darum bekümmerten. Übrigens wurden die Berichte

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Um die angeblich 1500 Buschklepper (so nannte man jene deutschen Patrioten) aus den Bergen bei Friedrichsburg zu ver- treiben, wurde am 15. Juli 1862 eine starke Abteilung sezessioni- stischer Truppen von San Antonio nach Friedrichsburg geschickt. Ein gewisser Dünn ^) war deren Führer. Er war Pro vost- Marschall der konföderierten Armee, demnach mit militärischer Polizeigewalt ausgestattet, und er brauchte keine Gefangenen zu machen, wenn er das nicht wollte. Es ist anzunehmen, daß die militärischen Be- fehlshaber in Texas diesen Schandkerl Dünn nicht näher gekannt haben.

Dünn erließ als Provost-Marschall von Friedrichsburg aus eine Proklamation, in welcher den »Buschkleppern« aufgegeben wurde, innerhalb drei Tagen in das konföderierte Lager zu kommen und den Treueid zu leisten, andernfalls würden sie als Verräter behandelt werden. Die Frist war viel zu kurz bemessen, innerhalb drei Tagen konnte die Aufforderung in dem weit ausgedehnten Distrikte, der vom 21. Juli an im Belagerungszustande war, gar nicht bekannt werden. Nach Ablauf der Frist schickte Dünn Streifpatrouillen aus, aber unser Berichterstatter war nur an einer derselben beteihgt, und diese brachte zehn Deutsche aus der Umgegend von Friedrichs- burg ein. Diese zehn Patrioten hingen bald darauf an den Bäumen, angeblich weil sie einen Fluchtversuch gemacht hatten.

Es folgte nun (nach Williams) eine sich durch den ganzen Sommer hinziehende Menschen] agd auf unionstreue Deutsche. Dünn schickte beständig Patrouillen aus, aber sie brachten keine Gefangenen ein mit Ausnahme einer Patrouille, welche vier bis fünf Männer, acht Frauen und viele Kinder zurückbrachte. Die Männer wurden ins Gefängnis gesteckt (später »gelyncht «) , die Frauen und Kinder fanden in Friedrichsburg Unterkommen. Die übrigen Abteilungen lieferten niemals Gefangene ein, aber in der Be- trunkenheit rühmten sich die Teilnehmer später ihrer Schandtaten. Williams kam auf seinem Zuge nach dem Nuecesflusse in die Ge-

des Williams bestätigt durch J.W. Sansom in San Antonio, mit welchem ich korrespondiert habe. Sansom muß als zuverlässig gelten, denn Degener hatte ihn als einen erfahrenen und wegkundigen Trapper auserlesen, um die Expedition der Deutschen zu begleiten, welche am Nuecesflusse ein so furcht- bares Ende fand. Übrigens werden die Darstellungen von Williams und Sansom bestätigt von Lossing, History of the Civi^ War, Bd. II, S. 537. 1) In einzelnen Berichten wird er Duff genannt.

160 W. Kaufmann.

genden, in welchen seine Kameraden gehaust hatten. Alles war dort verwüstet, die Felder sowohl wie die Häuser, alles Mobiliar war zerschlagen, das Vieh fortgetrieben, die Bevölkerung ver- schwunden. Hoffentlich sind die Leute nicht sämtlich mit Dunnschen Mitteln beseitigt worden. Die Zahl der von Dünn unter Mißbrauch der ihm verliehenen Polizeigewalt verübten Mord- taten beträgt sicherlich mehrere hundert. Sansom berichtete mir, daß er viele der Opfer Dunns gekannt habe, einige seien seine tapferen Gefährten gewesen bei der Bekämpfung der Indianer zur Zeit vor dem Bürgerkriege.^)

Das Wüten des Schurken Dünn in Friedrichsburg ist die Ver- anlassung gewesen zu der Flucht der 65 Mann (59 Deutsche, 5 Anglo- amerikaner und I Mexikaner), welche unter Führung von Fritz Tegner aus Austin Ende Juli 1862 aufbrachen, um nach Mexiko zu entfliehen und von dort aus zur Unionsarmee zu stoßen. Es liegen dem Verfasser über diesen Zug drei verschiedene Berichte vor, der amtliche Bericht des konföderierten Leutnants Mc Crea, welcher im VL Band S. 49 des War Record veröffentlicht ist, ferner der Bericht Sansoms, der als Gast der Familie Degener an dem Zuge beteiligt war, sowie die Schilderung des schon genannten Williams, welcher in der Kompagnie Dunns den Überfall bei Nueces mitmachte und denselben ausführlich beschreibt.

Ein deutscher Schuft, namens Burgemann, hatte sich in das Vertrauen der deutschen Patrioten eingeschlichen, welche in den deutschen Counties Gillespie, Kerr und Kendali sich organisiert hatten, um über Mexiko nach dem Norden zu entfliehen. Die Kom- pagnie aus Gillespie County, jene 65 Mann unter Fritz Tegners Führung, rückte Anfang August 1862 aus. Sansom, der die Wege durch die zwischen Klein-Deutschland und dem Rio Grande lie- gende Wüste kannte, diente als Kundschafter, unterstand aber sonst dem Befehle Tegners. Burgemann setzte die konföderierten Be- hörden in Kenntnis, und eine vierfache Übermacht (in welcher sich auch die Mörderbande des Dünn befand) verfolgte die Flüchtlinge. Am 9. August hatte Tegner ein Lager am Nuecesflusse, noch einen

^) Olmsted hebt hervor, daß die texanischen Deutschen die Mehrzahl bildeten unter den »Rangers« (freiwilligen berittenen Schützen), welche in den fünfziger Jahren den Bundestruppen bei der Bekämpfung der Indianer zur Seite standen.

Die unionstreuen Deutschen in Texas. 161

Tagesmarsch vom Grenzflusse, bezogen. Dieses Lager wurde wäh- rend der Nacht überfallen. Tegner hörte nicht auf Sansoms Rat, wonach die Truppe auf einen benachbarten, besser zur Verteidi- gung geeigneten Hügel flüchten möge, sondern nahm den Kampf auf. Nach heldenmütiger Verteidigung, bei welcher 19 Deutsche gefallen waren, wurde das Lager gestürmt. Neun verwundete Deutsche wurden sofort erschossen, die übrigen 37 entkamen, aber von diesen wurden noch sechs später erschossen, mehrere sind in der Wildnis verhungert und nur fünf Mann, darunter Sansom, er- reichten mexikanisches Gebiet und traten später in das i. Regiment loyal Texas ein. Die Ermordung der Verwundeten ist ohne Wissen des konföderierten Befehlshabers Mc Crea, der schwer verwundet wurde, von den Leuten Dunns und eines anderen Kompagnieführers namens Luk, eines Neuengländers, verübt worden.^) Die Leichen moderten unbeerdigt jahrelang auf dem Kampf platze. Nach dem Kriege wurden die Gebeine in einem Massengrabe zu Comal bei- gesetzt. — Darüber erhebt sich ein würdiges Denkmal.

Auf die Ermordung der Deutschen am Nuecesflusse folgte die Verwüstung der sog. lateinischen Niederlassung am Guadelupe, welche bereits geschildert worden ist. Aber selbst diese Greuel- taten, durch welche unsere Landsleute plötzlich der meisten ihrer seitherigen Führer beraubt worden waren, haben die Unionstreue der deutschen Texaner nicht erschüttert. Nach wie vor standen sie zu der alten Fahne. So schwer es auch war, in der späteren Zeit aus dem Gebiete der Konföderation zu entfliehen, so gelang es doch noch vielen Deutschen. Sansom führte allein drei Gesellschaften von resp. 48, 36 und 9 Deutschen über die mexikanische Grenze, und sie fanden dann alle den Weg in das Unionsheer. Das Ver- schwinden dieser Leute und mancher anderen wurde wohl bemerkt, denn jeder Knabe von über 16 Jahren wurde in den sezessionistischen Konskriptionslisten als militärpflichtig geführt. Die Familien der Entflohenen hatten oft in der bittersten Weise dafür zu büßen, daß ihre Angehörigen der Union die Treue bewahrt hatten. Der

1) Ein dritter Kompagnieführer namens Lilley rühmte sich, daß er mehrere der verwundeten Deutschen mit eigener Hand getötet habe. Er habe mehrere Revolver dabei entleert. (Lossing II, 537.) Williams erzählt, daß er einen Deutschen, welchen seine Kameraden in das Lager- feuer geworfen hatten, herausgezogen habe. Als W. dem Unglücklichen Wasser bringen wollte, war er schon verschieden.

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 11

162 W. Kaufmann.

Widerstand der Deutschen gegen die Konskription hat bis zum Ende des Krieges fortgedauert. 2) Und auch das Lynchen hörte leider nicht auf. Noch im April 1865 sind zehn deutsche Patrioten, welche als der Unionstreue verdächtig im Gefängnisse zu Friedrichs- burg saßen, aus diesem Verlies zur Nachtzeit herausgeholt und an den Bäumen vor der Stadt aufgeknüpft worden (Wilhams, S. 408).

Die erste Sdiladit von Bull Run.

Der Leser möge uns nun nach Washington folgen, in dessen unmittelbarer Nähe sich die ersten Kämpfe des östlichen Kriegs- schauplatzes abspielten.

Seit dem 13. April lebte man im Kriegszustande. Aber niemand hatte eine Ahnung davon, w a s für ein entsetzlicher Krieg es werden würde. Die Bundesregierung träumte von einem Spaziergange nach Richmond. Die Südlichen aber fanden damals nicht die Energie, ihre mehr vorgeschrittene Rüstung zu einer Überrumpelung Wa- shingtons auszunützen, obschon eine solche Aktion bis zum 15. Mai einigen tausend entschlossenen Männern wahrscheinlich gelungen wäre. Es machte sich überhaupt in der ersten Zeit eine gewisse Zaghaftigkeit bei den Rebellen bemerkbar, welche scharf kontrastiert mit ihrer Zähigkeit und ihrem Draufgehen im nächsten Kriegsjahre.

Nach der Übergabe von Fort Sumter war die Bundeshaupt- stadt über eine Woche lang so gut wie vollständig vom Norden abgeschnitten. Die Eisenbahnbrücken in Maryland waren zerstört worden, weder Post noch Telegraph funktionierten, der Sitz der Bundesregierung war ohne Nachrichten aus dem Norden, dabei fast ohne jeden militärischen Schutz. Washington war damals übrigens fast ausgestorben, denn die meisten der rebellisch gesinnten Bewohner hatten die Stadt plötzlich verlassen. Erst jetzt merkte man, wie stark die Bevölkerung der Bundeshauptstadt von feind- lich Gesinnten durchsetzt gewesen war. Es waren angstvoDe Tage, man war stets eines Überfalls gewärtig. Doch es kam

^) Off. Record, 15. Band, erzählt ausführlich von dem Proteste der Deutschen im sog. Beigel Settlement und von Kämpfen mit den Deutschen von Medina County im Jahre 1863 und 1864.

Die erste Schlacht von Bull Run. 163

nicht dazu, und nach und nach rückten die Verstärkungen ein, die ersten Forts wurden angelegt, und damit kehrte auch das Gefühl der Sicherheit endlich zurück.

* *

Kaiser Wilhelm IL hat einst gesagt, »in der Union gelten die Redakteure der großen Zeitungen so viel wie die kommandierenden Generale in Preußen«.^) Das traf für die erste Kriegszeit wirklich zu. Gewisse Redakteure, Greeley zumal, gebärdeten sich wie kom- mandierende Generale. Sie hetzten beständig: »Auf Richmond los!« (»on to Richmond«). Und doch konnten die jungen Truppen noch kaum ihre Waffen handhaben!

Der Süden hatte seine Heerhaufen sofort nach dem Norden von Virginien dirigiert. Sie standen unter dem Oberbefehle des Generals Joseph E. Johnston. Das größere Korps, unter Ge- neral Beauregard, hatte hinter dem Bull Run-Flusse Aufstellung genommen, das kleinere unter Jackson versuchte das Shenan- doahtal, welches einen bequemen Einmarsch nach dem Herzen des Südens vom Norden aus darbietet, zu verteidigen. Diesen Dispositionen des Südens gegenüber hatte der Unionsgeneral McDowell ebenfalls eine Teilung der bis Mitte Juli verfügbaren Truppen vor- genommen. 34 320 Mann unter Mc Dowells eigenem Befehl waren südlich von Washington versammelt, um gegen Beauregard vorzu- gehen. 18 000 Mann unter Patterson sollten Jackson im Shenan- doahtale festhalten und verhindern, daß sich Jackson mit der süd- lichen Haupt armee vereinige. Aber Patterson war dieser Aufgabe nicht gewachsen. Am Tage vor der Schlacht und noch am Schlacht- tage selbst setzten sich Jacksons 9000 Mann auf die Eisenbahn und fuhren vom Shenandoahtale nach Manassas und Bull Run, wo Beauregard sich mit Mc Dowell messen soUte. Aus der nurneri- schen Überlegenheit des Nordens wurde so eine Minderheit, denn die 18 000 Mann Pattersons waren ausgeschaltet, ferner noch 5752 Mann, welche Washington schützen sollten, und 6207 Mann unter M i 1 e s , welche Mc Dowells Reserve bildeten. Mc Dowell

1) Einzelne dieser »Generale der Presse« haben beigetragen zum Ausbruche des Spanisch-amerikanischen Krieges, durch Verbreitung der falschen Nachricht, daß das Bundeskriegsschiff »Maine« vor Havanna durch eine Seemine der Spanier zum Sinken gebracht wurde. Später hat sich ergeben, daß die »Maine« infolge einer Explosion in der Munitions- kammer untergegangen ist.

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W. Kaufmann.

führte also 30 000 Mann weniger in die Schlacht, als er hätte einsetzen können. Tatsächlich haben bei Bull Run nur 22 000 Unions- soldaten gekämpft, dazu 49 Geschütze und nicht ein einziger Haufen Reiterei ! Beauregard aber verfügte über 32 072 Mann und 57 Ge- schütze, nachdem Jackson sich mit ihm vereinigt hatte.

Wenn Mc Dowell einen Tag früher angegriffen hätte, so konnte Jacksons Hilfstruppe noch nicht mitwirken. Aber der Unions- general kannte das Schlachtfeld nicht und besaß nicht einmal eini- germaßen zuverlässige Karten. So vertrödelte er zwei Tage mit

dem Aufsuchen bequemer Furten über den Bull Run.

Das Schlachtfeld von Bull Run liegt 25 Meilen südwestUch von Washington. Zwei Städtchen, Centre- ville (Norden), Manassas (Süden), 9 Meilen voneinander (dazwischen der Bull Run), bildeten die Haupt- quartiere der Heere. Die Landschaft ist sehr hügelig und mit dichtem Walde besetzt; nur wenige Felder. Der Bull Run ist ein wildes Berg- wasser mit vielen Untiefen und einzelnen Furten. Nur eine Brücke führte hinüber, die Steinbrücke, in deren Nähe die Hauptkämpfe stattfanden und über welche die Flucht der Nördlichen sich vollzog.

Beauregard steht mit seinem Heere hinter dem Bull Run, bewacht alle Furten und hat deshalb seine Truppen weit ausein- anderziehen müssen. Mc Dowell muß den Fluß kreuzen, um an- greifen zu können. Er wählt eine Furt weit oberhalb von Beaure- gards Stellung. Dadurch will er die Flanke des Feindes gewinnen. Aber durch diese weit abgelegene Furt wird ein sehr langer Marsch notwendig, und die Truppen sind das noch nicht gewöhnt. Dieses war ja ihr erster großer Marsch. In Virginien brennt die Sonne im Juli furchtbar heiß. Seit 3 Uhr früh sind die jungen Truppen unter Gewehr. Bald heißt es vorwärts! Aber es geht langsam voran. Schlechte Straßen, Hitze, Aufregung. Die Leute laufen aus den Reihen, pflücken Heidelbeeren und schöpfen überall das kühle Bergwasser. Das Gepäck wird ihnen zu schwer, die Tornister werden

Fig. 5. Bull Run I.

Die erste Schlacht von Bull Run, 165

weggeworfen, mit ihnen der doch so notwendige Proviant. Die Ord- nung löst sich schon bald. Ganze Brigaden kommen auf dem langen Marsche auseinander, geschlossene Regimenter gibt es schon in den ersten Marschstunden nicht mehr. Und die grünen Offiziere haben schon jetzt ihre Leute nicht mehr in der Hand.

Hungrig und abgehetzt, mit gelichteten Reihen, kommt man gegen lo Uhr am 21. Juli an den Feind. Der läuft nach einigen Salven davon. Beauregard ist auf diesen Flankenstoß nicht vorbe- reitet, er muß seine zur Furtenbewachung abkommandierten Massen erst zusammenziehen. Trotz ihrer Übermüdung greifen die Nörd- lichen wacker an, gewinnen bedeutend an Terrain, und nach Wa- shington telegraphiert man gegen i Uhr Viktoria. Danach aber kommt das Vordringen ins Stocken. Eine Hügelkette wird von den Südlichen unter Jackson energisch verteidigt. Der Rebellen- general Bee ergreift eine Fahne und ruft seinen wankenden Scharen zu: »Seht Leute, da steht Jackson wie ein Stein- wall!« Von daher datiert Jacksons Beiname »Stonewall«. Das Gefecht kommt zum Stehen. Beauregard und Johnston führen massenhaft neue Truppen herbei und auch Mc Dowell hat schon seinen letzten Mann eingesetzt. Oft wird von beiden Seiten auf Freunde geschossen; man ist so kriegsungeübt, daß Freund und Feind häufig verwechselt werden. Um die Unions- batterien Ricketts und Griffins wird besonders hartnäckig gekämpft. Dreimal werden die Kanonen genommen und wieder verloren. Also, schlecht geschlagen haben sich die Rekruten sicher- lich nicht.

Bald nach 3 Uhr brechen 1500 Rebellen unter Elzey, welche soeben mit der Eisenbahn angelangt sind, aus einer Walddeckung in die Flanke der Nördlichen mit ungestümem Angriff vor. Diesen Stoß können Mc Dowells ermattete Leute nicht aushalten. Die Regimenter, welche der erste Anprall trifft, werfen die Waffen fort und laufen davon. Und ehe man es aussprechen kann, läuft der größere Teil der Armee Mc Dowells. Alles drängt auf die Stein- brücke zu. Einige Führer, namentlich Sherman, der spätere große Feldherr des Nordens, raffen noch Haufen zusammen und orga- nisieren im Verein mit einem Bataillon altgedienter Bundestruppen einen Widerstand. So kommen die Flüchtenden doch noch über den Fluß. Aber dann geht es in völUger Auflösung weiter. Bis nach Washington sollen viele gelaufen sein. Übrigens haben

166 W. Kaufmann.

mehrere Truppenkörper sich nicht an der Retirade beteiligt. Na- mentHch hielt sich die Michiganer Brigade unter Oberst Richardson wacker. Sie stand etwas abseits von dem eigentlichen Schlachtfelde. Aber sie wurde nicht von der Panik angesteckt und konnte noch den Rückzug in geordneter Weise decken, ein Ruhm, welchen später Blenker mit seiner deutschen Brigade in Anspruch nahm, der aber doch Richardson mitgebührt.

Die deutsche Brigade unter Blenker spielte an diesem für die Union so unglücklichen Tage eine wichtige Rolle. Sie ge- hörte der Reservedivision von Miles an. Von diesem General heißt es, daß er am Schlachttage betrunken war. Jedenfalls hatte Miles den Kopf verloren und schon den Rückzug seiner Truppen be- fohlen, ehe deren Aufgabe, die Flüchtlinge aufzunehmen und die Verfolger abzuwehren, erfüllt war. Es scheint, daß Blenker sich nicht an diesen Befehl gekehrt hat oder daß ihm der Befehl in der allgemeinen Konfusion nicht zugekommen ist. Jedenfalls ging Blenker nicht zurück, sondern sogar eine Strecke vorwärts, dorthin, wo der Bach Cub Run die Centreville Road kreuzt, auf welcher Straße sich der große Flüchtlingsschwarm während der Retirade nach Washington ausbreitete. Hier ließ Blenker durch seine Pioniere rasch Schanzen auf werfen, schickte einen Teil des 8. Regiments (unter Stahel) auf Vorposten und stellte seine Artil- lerie so auf, daß sie wirksam eingreifen konnte, falls der Verfolger dazu Gelegenheit bot. Auch haben sich in Blenkers Stellung noch mehrere vom Schlachtfelde zurückgezogene Artillerieteile wieder versammelt, so daß die Stellung dieser Brigade auch in bezug auf Artillerie eine achtunggebietende gewesen ist und deshalb auf die Verfolger einen bedeutenden Eindruck machen konnte. Zu einem eigentlichen Kampfe kam es nicht. Nur Blenkers Vor- posten hatten ein Scharmützel mit der feindlichen (Stuarts) Reiterei und infolgedessen einige Tote und Verwundete. Die Stellung Blenkers flößte dem Feinde großen Respekt ein, und die Verfolgung hörte hier auf. Später erklärten die Schlachtberichte der Rebellen, daß die regulären Truppen (die alte Stammarmee der Vereinigten Staaten) dort gestanden hätte, wo Blenker stand, und daß deshalb von einer weiteren Verfolgung Abstand genommen wurde. Blenker hatte also das unerhörte Glück, von dem siegreichen

Die erste Schlacht von Bull Run. 167

Feinde mit den Regulären (der vielbewunderten Elitetruppe des Nordens) verwechselt worden zu sein. Diese Verwechs- lung war es, welche Blenker in den Augen der geängstigten Wa- shingtoner Regierung und der maßgebenden Kreise zum Helden des Tages, ja zum Retter der Bundeshauptstadt machte. Übrigens war Blenkers Brigade (die deutschen New Yorker Regimenter 8, 29, 39, 41 und das pennsylvanische 27. Regt., dessen damaliger Oberst Einstein durch Abwesenheit glänzte) allerdings eine Elite- truppe, und sie würde dem Feinde wahrscheinlich ebenso starken Widerstand entgegengesetzt haben wie die reguläre U. S.- Infanterie, wenn ein Angriff erfolgt wäre. An Tapferkeit steht der Angelsachse gewiß nicht hinter dem Deutschen zurück, aber diese deutschen Regimenter waren die am besten ausgebildeten der ganzen Mc Dowellschen Armee, und deshalb hätten sie in der eigentlichen Schlacht wahrscheinlich mehr geleistet als ihre Kameraden.

Blenker blieb bis 3 Uhr am nächsten Morgen in seiner Stel- lung und verließ dieselbe auf Befehl. Er zog sich auf Washington zurück, und er mag geglaubt haben, daß seine Brigade die letzte war, welche den Kampfplatz verließ. Jedenfalls hat sich Blenker vorzüglich gehalten und auch gut disponiert betreffs seiner Ver- teidigungsstellung. Hinter ihm ordneten sich mehrere starke Haufen der Flüchtlinge. Auch will Blenker mehrere Fahnen und eine An- zahl Kanonen gerettet haben. Tatsächlich wurden von Steinwehrs 29. N. Y. Regiment zehn oder zwölf Unionskanonen gerettet, welche auf der Flucht stehen geblieben und vom Feinde übersehen worden waren. Dieser deutschen Brigade wurde die Ehre zuteil, mit klin- gendem Spiel und fliegenden Fahnen in Washington einzurücken. Die Bundeshauptstadt hatte bisher nur die völlig demoralisierten Flüchtlingsscharen gesehen, welche vom Schlachtfelde kamen. Nun aber erschien Blenker. Das war ein anderer Anblick. Eine völlig intakte Brigade von über 4000 Mann. Kein Wunder, daß die Washingtoner wieder Hoffnung schöpften und zu der Über- zeugung kamen, daß die Hauptstadt nicht von den Rebellen er- obert werden könne, wie man allgemein gefürchtet hatte. Blenker aber war der Held des Tages; der Retter Washingtons! Das stieg dem gewiß tapferen Troupier in den Kopf und wurde nicht allein für ihn selbst verhängnisvoll, sondern auch für die ihm unterstehen- den deutschen Truppen.

168 W. Kaufmann.

Es ist behauptet worden, die Rebellen hätten nach ihrem Siege Washington einnehmen können. Wenn sie diesen Plan gehabt haben, so scheiterte er schon an dem Widerstände Blenkers. Aber auch sonst wäre die Durchführung wohl unmöglich gewesen. Mit ihrer leichten Feldartillerie konnten die »Grauen« vor den Be- festigungen der Hauptstadt nichts ausrichten. Übrigens war die Rebellenarmee ebenfalls stark desorganisiert und kaum mehr kampf- fähig. Viele Soldaten waren sofort nach Hause gegangen in der Meinung, der Krieg sei vorüber. Ganze Brigaden hatten sich auf- gelöst, und es dauerte mehrere Tage, bis neue Formationen gebildet wurden. Auch das »graue« Heer war nur ein bewaffneter Mob.

Bull Run konnte nichts anderes sein als eine Generalprobe auf die bisher erlangte Kriegstüchtigkeit der beiden Heere. Aber eine Entscheidung des Krieges konnte ein solcher Kampf nicht bringen. Doch hatten sowohl Lincoln als Jefferson Davis eine der- artige Hoffnung gehegt. Die Verluste waren gleich, 1500 Tote und Verwundete auf jeder Seite, dazu 1400 nördliche Gefangene. Nur einige Tage nach der Schlacht hatten die Kleinmütigen im Norden das Wort. Dann aber betätigten sich Patriotismus und Opfer- willigkeit in glänzender Weise. Zu Hunderttausenden strömten die Freiwilligen herbei, von jetzt an auf 3 Jahre verpflichtet. Der kriegsunwillige Präsident wurde nun von einem kriegsbegeisterten Volke getragen.

300 000 FreiwiUige wurden nach der Schlacht von Bull Run zu den Waffen gerufen, bald darauf nochmals 300 000 Mann, und die reguläre Armee wurde auf 40 000 Mann gebracht.

Blenkers deutsche Division.

Die stärkste reindeutsche Truppe. 10 000 Mann aus Deutschland. Das Elend des deutschen Offiziers im Exil. Blenker und sein großer Generalstab. Die Anklagen gegen Blenker. Glück und Ende eines

Emporkömmlings .

Zwischen der Schlacht von Bull Run I (Juli 1861) und den großen Kämpfen auf der virginischen Halbinsel liegt eine Pause von ungefähr 8 Monaten, welche man als die Periode »all quiet on the Potomac«, nach Mc Clellans geflügelt gewordenem Worte,

Blenkers deutsche Division. 169

bezeichnen kann. Dieser Zeitraum wurde von beiden feindlichen Heeren zur eigenthchen Kriegsrüstung benützt. Es herrschte eine Art Waffenstillstand auf dem östlichen Kriegsschauplatze, und nur im Westen wurde während jener Zeit weitergekämpft. Washington wurde in eine Festung verwandelt, die starke Kriegsflotte des Nor- dens wurde geschaffen, das Artilleriematerial für die späteren großen Kämpfe bereitgestellt. Aber die Ausbildung der jungen Truppen für den eigentlichen Feld dienst machte keine besonderen Fort- schritte. — An Stelle McDowells war bald nach der ersten Nieder- lage der General Mc Clellan getreten, welcher sich in dem Klein- kriege von Westvirginien ausgezeichnet hatte.

Das Übungslager Mc Clellans lag Washington gegenüber, jen- seits des Potomac. Dort stand auch die deutsche Division unter Blenker (bei Hunters Chapel). Die Division war aus Blenkers Bri- gade hervorgegangen und sie zählte im Januar 1862 nach Blenkers Angaben 12 000 Mann, obschon 10 000 wahrscheinlich die rich- tigere Ziffer ist. Sie bildete eigentlich ein kleines Armeekorps, wenn man den später für ein solches Korps anwendbaren Maßstab in Betracht zieht. Hier sei eingeschaltet, daß die Bezeichnungen »Korps, Divisionen, Brigaden, Regimenter« niemals irgendwelche Gewähr geben für den Effektivbestand dieser Truppenkörper. Es gab später Korps von 25 000 Mann und solche von nur 8000, es gab Divisionen, welche den Bestand von über 10 000 Mann erreichten, und solche von nur kaum 3000 Mann; ferner gab es Brigaden bis zu neun und zehn Regimentern und wieder solche von nur drei bis vier. Einzelne Regimenter hatten zu Anfang des Krieges die Stärke von preußischen mobilen Bataillonen, sanken aber zuweilen bis auf 150 Kampffähige herunter. Die deutsche Division Blenkers war damals vielleicht die stärkste des ganzen Unionsheeres. Sie setzte sich folgendermaßen zusammen:

I.Brigade. General Stahel: 8. N. Y. (Oberst Wutschel), 39. N. Y. (D'Utassy), 45. N. Y. (v. Amsberg), 27. Pa. (Buschbeck). n. Brigade, General v. S t e i n w e h r: 29. N. Y. (Kozlay), 54. N. Y. (Gellmann), 58. N. Y. (Krzyzanowski), 73. Pa. (Koltes). HL Brigade, General Heinrich Bohlen: 41. N.Y. (v. Gilsa), 68. N.Y. (Kleefisch), 74. Pa. (v. Schimmelfennig), 75. Pa. (Mahler), 4. N. Y. Kavallerie (Dickel); Batterien Schirmer, Dilger, Wiedrich und Sturmfels.

Unter den Mannschaften überwogen die Süddeutschen, ent- sprechend der damals stärkeren Einwanderung aus dem deutschen

170 W. Kaufmann.

Süden. Es gab in den Regimentern badische, bayerische, rhein- pfälzische und schwäbische Kompagnien, auch die Plattdeutschen zeigten die Neigung, im Kompagnieverbande die engere Lands- mannschaft herauszukehren. Doch waren wohl die meisten Kom- pagnien nur deutsch, d. h. aus Vertretern aller deutschen Stämme gebildet. Fast stets fand sich ein schweizerischer Einschlag. Manche Regimenter, wie die »Blenkers« und »De Kalbs« (8. und 41. N. Y.) bestanden fast nur aus altgedienten deutschen Soldaten. Man hätte der deutschen Division noch eine vierte Brigade aus den deutschen New Yorker Regimentern 7., 20., 46. und 103. beigeben können. Doch das geschah nicht, und diese vier Regimenter wurden anderen Divisionen zugeteilt. Die Offiziere aller dieser Regimenter waren sämtlich Deutsche, die Kommandosprache war deutsch, und auch die Uniform erinnerte an das Vaterland. Es gab preußische und bayerische Uniformen, auch italienische bei dem Garibaldi- Regimen te^), ja es gab solche von grauer Farbe, wie die Uniform der Konföderierten. Erst als eine nicht unbeträchtliche Anzahl Soldaten von Freundeskugeln gefallen war, weil man wegen der grauen Uniformen Freund und Feind verwechselt hatte, wurde allgemein die Uniform des regulären amerikanischen Heeres (dunkel-

1) Das Garibaldi- Regiment Nr. 39 N. Y. Inf. wird von Mc Clellan in folgender Weise geschildert: »Der Oberst war ein gewisser d'Utassy aus Ungarn (er hieß eigentlich Straßer). Er war früher Reiter in Franconis Zirkus ge- wesen. Die Soldaten stammten aus allen möglichen Heeren: Zuaven aus Algier, Fremdenlegionäre, Zephirs, Kosaken, Garibaldianer, englische Deser- teure, Sephoys, Turkos, Kroaten, Schweizer, Biervertilger aus Bayern, starke Kerle aus Norddeutschland und gewiß auch Chinesen, Eskimos und Krieger aus der Armee der Großherzogin von Gerolstein.«

So weit Mc Clellan: Tatsächlich hatte das Garibaldi- Regiment drei deutsche Kompagnien und eine schweizerische. Diese waren gut. Die übrigen sechs Kompagnien waren bunt gemischt, und die beiden aus Sizilianern be- stehenden Kompagnien bildeten eine richtige Räuber- und Mörderbande. Das Regiment trug zuerst Bersaglieriuniform mit rundem Hut und grünen Federn. Sigel entledigte sich des Garibaldi-Regiments im Juli 1862. Es wurde im September mit den übrigen Truppen unter Miles bei Harpers Ferry gefangen, aber paroliert. Später wurde das Regiment reorganisiert, das Lumpen- pack wurde ausgetrieben und dann ein sehr gutes Regiment geschaffen, das sich bei Chancellorsville und besonders bei Gettysburg ausgezeichnet hat. Auf dem Schlachtfelde von Gettysburg steht ein schönes Denkmal des Regi- ments.

Blenkers deutsche Division. 171

blaue Blusen, hellblaue Hosen) eingeführt. Auch die Kommando- sprache wurde später meistens enghsch, wenigstens im Regiments- verbande.

Die Offiziere der deutschen Division waren zum großen Teile ausgewanderte deutsche Berufsoffiziere. Was ließe sich über diese Herren sagen! Man könnte Bände füllen mit ihrer Geschichte. Fast jeder Offiziersauswanderung ist in Deutschland ein Trauer- spiel vorausgegangen, und wenig erfreulich ist in den meisten Fällen das Nachspiel in Amerika gewesen.

Der ehemalige Offizier hat es in Amerika schwerer als jeder andere Deutsche. Er findet bei seinen eigenen Landsleuten wenig Entgegenkommen. Man traut ihm nichts zu, hält ihn für eine Zier- puppe und behandelt ihn mit Vorurteilen, die meistens ganz unbe- rechtigt sind. Die Landsleute vermuten viel zu oft, daß der stellen- suchende Offizier aus wenig ehrenvollen Gründen seinen Abschied genommen hat. Und doch sind die meisten ausgewanderten Offi- ziere ohne eigenes Verschulden ins Ausland, man könnte hinzusetzen ins Elend, getrieben worden. Sie waren für den Offiziersberuf un- geeignet, das stellte sich aber erst heraus, als es für den Betreffen- den schon zu spät war, um in Deutschland einen anderen Beruf zu ergreifen. Andere waren Opfer von Verführung und Leichtsinn, einer falsch geleiteten Erziehung oder einer irrigen Auffassung der sog. Verpflichtungen des Kavahers, namentlich Opfer des ge- fälligen Wucherers, der mit Menschenschicksalen spielt. Viele Ex- offiziere haben sich als Gemeine in der regulären Bundesarmee anwerben lassen. Andere haben als Markthelfer und als Kellner sich einen Wirkungskreis gesucht. Der bekannte Wirt Linden- müller in New York, ein ehemaliger Barrikadenheld aus Berlin, beschäftigte nur Kellner, welche einst als Gardeoffiziere in BerHn und Potsdam geglänzt hatten. Die Zahl der Exoffiziere, welche als Kutscher, Reitknechte usw. wirkten, ist sehr groß. Wieder andere wurden Privatgelehrte, d. h. sie gaben Unterricht in Musik und Sprachen. Wer eine Anstellung als Lehrer oder als Journalist er- rungen hatte, glaubte es sehr weit gebracht zu haben. Als ich das Material für den biographischen Teil dieses Buches sammelte, ist mir von dem Elende des Offiziers im Exil nur allzuviel bekannt geworden. Oft genug hat ein ehemaliger Oberleutnant in Amerika bei einem Farmer als Knecht gedient, den er noch von Deutschland her kannte von der Rekrutenausbildung her. Der spätere Herr

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war als Bauern junge nach Amerika gekommen, hatte sich auf einem Fetzen billigen Neulandes niedergelassen und mit seinem Wirt- schaftskapital, welches aus Bedürfnislosigkeit und Gewöhnung an schwere Arbeit bestand, gewuchert, ehrlich gewuchert. Der frühere Herr aber konnte mit diesem Kapital nicht auftreten, blieb stets ein armer Teufel und fand zuletzt ein Asyl bei dem Exrekruten, den er dereinst in Deutschland vielleicht geschunden hatte.

Als der Bürgerkrieg ausbrach, erblickten die Offiziere darin eine Erlösung, ein seltenes Glück. Aber den meisten hat der Krieg nur neue Enttäuschungen gebracht. Die Hälfte von ihnen ist gefallen oder schwer verwundet oder an der Gesundheit so ge- schädigt worden, daß Erwerbslosigkeit folgte. Wer heil daraus hervorging, tauchte nach Friedensschluß wieder in das alte Elend hinunter. Nach dem Kriege gab es in der Stadt New York Straßen- bahnlinien, deren Fahrer und Schaffner fast sämtlich ehemahge deutsche Offiziere waren. Und mancher Exoberst befand sich dar- unter. Die Pensions Versorgung konnte erst später folgen, nachdem die Finanzen der Union sich einigermaßen gebessert hatten.

Zu den vielen deutschen Exoffizieren, welche man stets in Ame- rika antrifft, kam noch eine stattliche Anzahl, welche der Krieg erst zur Auswanderung veranlaßt hatte. Namentlich viele öster- reichische Offiziere wurden durch den Krieg herbeigelockt. Aber auch Abenteurer und Schwindler, welche sich für Offiziere ausgaben, ohne es je gewesen zu sein, meldeten sich, und einzelne derselben schwindelten sich sogar zu Obersten empor. Natürlich hatte jeder dieser Offiziere das Bewußtsein, den Marschallsstab im Tornister zu tragen. Man war doch nicht in die fremde Armee eingetreten, um ewig Kapitän oder Leutnant zu bleiben^). Aber es haperte sehr mit der Beförderung. In angloamerikanischen Regimentern konnte man die meistens noch ziemlich »grünen« Exleutnants nur schwer unterbringen. Die Sprachkenntnisse fehlten ihnen, das nativistische Vorurteil wirkte gegen sie, und die Westpointer hielten überhaupt

1) Blenker, der alte Demokrat, besaß eine auffällige Vorliebe für adelige Offiziere. In seiner Umgebung wimmelte es von Grafen, Freiherren und Baronen, und sogar ein deutscher Prinz (Salm-Salm) war dabei. Blenkers »adeUges Kasino« wurde in den zeitgenössischen Blättern viel verspottet. Namentlich die Achtundvierziger waren darüber empört, und es bildete sich ein Gegensatz heraus zwischen den Offizieren aus den Kreisen der ehemahgen deutschen Revolutionäre und Blenkers Adelsgesellschaft.

Blenkers deutsche Division. 173

nur wenig vom deutschen Offizier. Deutschland hatte seit fast 50 Jahren keinen Krieg geführt, es galt in Westpoint als das Land der Paraden und des Gamaschendienstes^). Auch war es ersichtlich, daß deutsche Offiziere nicht recht zur Behandlung amerikanischer Freiwilligen taugten. Letztere bleiben auch in der Uniform ameri kanische Bürger, sind sich dessen bewußt und wollen sich der Dis- ziplin nicht fügen, welche der grüne deutsche Offizier voraussetzt. So mußten die Herren wesentlich in deutschen oder in halbdeutschen Regimentern unterkommen. Dort finden wir sie denn auch massen- haft, und sie konnten da auch am besten wirken. Aber es waren ihrer zu viele, und alle wollten rasch avancieren. Weil das vor- läufig nur im eigenen Regimente möglich war, so mußte sich ein häßliches Strebertum herausbilden, welches sehr schädigend auf den ganzen Stand gewirkt hat.

Zu jener Zeit befanden sich im »ausgewanderten deutschen Offizierkorps« Elemente, welche man heute nicht darunter antrifft. Von den achtundvierziger Flüchtlingen waren recht viele Offiziere gewesen. Willich, Weber, v. Schimmelf ennig, Osterhaus, Sigel, Stahel, Buschbeck, Salomon, Annecke, Albert und manche andere gehörten dazu. Das Flüchtlingsleben und ein zehnjähriger Auf- enthalt in Amerika hatte sie durch eine rauhe Schule geführt, in ihrem Wesen erinnerte wohl nichts mehr an die deutsche Kaserne, aber noch war diesen in der Blüte des Lebens stehenden Männern die berufliche Ausbildung zu eigen. Sie, sowie andere schon früher ausgewanderte Offiziere, wie Hassendeubel, v. Steinwehr, v. Gilsa usw., hatten sich genügend amerikanisiert, um auch Amerikanern als Führer dienen zu können, und so sehen wir diese Elemente verhältnis- mäßig rasch aufrücken (von den Offizieren des badischen und pfäl- zischen Revolutionsheeres erhielten schon sieben im ersten Kriegs- jahre den Generalsrang oder wenigstens den Titel), während von den Exleutnants der späteren Auswanderung nur recht wenige

1) In Deutschland selbst, ja nicht einmal in Preußen, war man sich der eigenen militärischen Kraft damals bewußt. Die militärische Geltung Deutschlands hat sich überraschend schnell vollzogen. Wie wenige kannten Moltke vor 1866, obschon er von Berlin aus die Siegeszüge gegen Düppel und Alsen im Jahre 1864 dirigiert hatte ? Als Moltke, von seinem Könige zum Generalstabschef der preußischen Armee berufen wurde, murrte mancher altpreußische »Gamaschenknopf« über die erstaunhche Erhöhung dieses ganz unbekannten Mannes.

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emporkamen. Schade darum. Mancher Prachtkerl unter diesen später Gekommenen ist nie zur rechten Geltung gelangt, auch wenn er noch so Treffliches geleistet hat. Um nur einen zu nennen: D i 1 g e r. Er wurde als simpler Kapitän ausgemustert, obschon er wahrscheinlich der beste Artillerist des ganzen amerikanischen Heeres gewesen ist.

Übrigens sind viele deutsche und österreichische Offiziere von den amerikanischen Behörden zur Auswanderung veranlaßt worden. Mc Clellan erzählt (in » Mc Clellans own story« ) , daß Staatssekretär Seward durch die amerikanischen Konsuln im Auslande und durch eigens nach Europa entsandte Agenten zur Auswanderung von kriegs- lustigen Offizieren ermutigt habe. Mc Clellan sagt nicht, daß Seward diesen Herren irgendwelche Versprechungen gemacht hat, aber man kann sich denken, daß die Agenten mit solchen Versprechungen recht freigebig gewesen sind. Mc Clellan erhielt von General Klapka^) , der sich als Führer der ungarischen Revolutionsarmee von 1849 ausgezeichnet hatte, einen Brief, in welchem mitgeteilt wurde, daß Klapka von einem Agenten Sewards zum Eintritt in die Unions- armee aufgefordert worden sei. Klapka wollte gerne kommen, stellte aber so unverschämte Bedingungen, daß Mc Clellan wütend zu Lincoln lief und diesen aufforderte, dem Staatssekretär jene Werbearbeit zu verbieten, was denn auch bald darauf geschah. Klapka verlangte einen vorauszuzahlenden Bonus von 100 000 Doli., ferner 25 000 Doli. Jahressold und die sofortige Anstellung als Generalstabschef. Später, nachdem Klapka sich in der englischen Sprache mehr ausgebildet habe, wolle er an Mc Clellans Stelle als Oberbefehlshaber sämtlicher Heere der Union treten ! ! Wie viele deutsche und österreichische Offiziere durch Sewards Agenten für das Heer angeworben worden sind, läßt sich nicht mehr feststellen.

Mc Clellan kann seine beiden deutschen Adjutanten v. Rado- witz und V. Hammerstein gar nicht hoch genug rühmen, und auch von Blenker ist er stets entzückt, aber sein sonstiges Urteil über die deutschen Offiziere lautet außerordentlich ungünstig. Er be- hauptet, die deutschen Regimenter hätten sich so wenig gut be- währt, weil so viele ihrer Offiziere Männer ohne Charakter gewesen

^) Klapka trat 1866 in die preußische Armee als Generalmajor ein und organisierte eine ungarische Legion, welche sich am Kriege Preußens gegen Österreich beteiligen sollte, aber nicht mehr zum Schlagen kam.

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seien. Das eine wie das andere ist unrichtig. Die reindeutschen Regimenter zählten stets zu den besten des ganzen Heeres, und über die Tüchtigkeit der deutschen Offiziere findet man im bio- graphischen Teile dieses Buches die Beweise. Die Mc Clellansche Schilderung hat jedoch eine derartig weite Verbreitung gefunden, daß es notwendig wird, jene völlig grundlose Behauptung auch jetzt noch zurückzuweisen. In Mc Clellans Heere kämpften die vier reindeutschen New Yorker Regimenter : 7., 20., 46. und 103., welche sich mit Ruhm bedeckt haben und deren Obersten v. Schack, Weber, V. Rosa und v. Egloff stein sämtlich schwer verwundet wurden. Er sagt aber kein Wort von diesen so außerordentlich tüchtigen Männern, die er doch kennen mußte, kein Wort ferner von seinen deutschen Artilleriehelden Hexamer, Arndt (gefallen am Antietam), V. Kusserow, Lepien usw. Dagegen rühmt er Rosecrans als Deut- schen, obschon dieser tüchtige General ein Deutschnachkomme war, also in demselben Verhältnisse stand, wie der von irischen Eltern geborene Mc Clellan. Obiges Urteil Mc Clellans über die deutschen Truppen und deren Offiziere scheint sich ausschließlich zu stützen auf die lügenhaften Berichte, welche ihm General Halleck aus Missouri einschickte. Mc Clellan hätte aus eigener Anschauung diese Halleckschen Berichte als unwahr erkennen können, wenn er sich nur etwas um die unter seinem eigenen Befehle stehenden Deutschen gekümmert hätte.

Das oben erwähnte Strebertum unter den deutschen Militärs trat hauptsächlich in den deutschen Regimentern des Ostens zum Vorschein. Im Westen lagen die Verhältnisse ganz anders. Dort fehlte es leider auch an erfolgreichen Versuchen, um die deutschen Regimenter in Brigaden zusammenzufassen (abgesehen von Mis- souri, wo sich dies, bei den vielen deutschen Regimentern, ganz von selbst ergab). Daß viele deutsche Offiziere im Osten, darunter die begabtesten und tüchtigsten, mit ihren Stellungen unzufrieden wurden, war natürlich. Wie konnten die amerikanischen Militär- behörden wissen, welcher von den vielen deutschen Anwärtern auf höhere Führerstellen der berufenste war ? Man muß sich eigent- lich wundern, daß nicht noch mehr Mißgriffe gemacht wurden, daß nicht noch mehr deutsche Schwindler, Politikanten und »Kri- scher« den begabten und tüchtigen Berufsoffizieren die besten

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Stellen wegschnappten. Es gehörte doch viel Selbstverleugnung dazu, wenn Männer wie v. Steinwehr, Bohlen, v. Schimmelf ennig, Stahel usw., solche Leute wie D'Utassy, Böttcher, Wutschel und den Pseudografen v. Schweinitz-Crain^) als Kollegen dulden mußten.

Eine wenig glückliche Hand hatte die Administration bei der Ernennung des ersten deutschen Generals der östlichen Armee. Ludwig B 1 e n k e r war der Erkorene. Er hatte als Wachtmeister unter dem griechischen Könige Otto gedient und sich später in der deutschen Revolutionsarmee von 1848/49 den Ruf eines tapferen und umsichtigen Unterführers erworben. Er war dann nach Amerika getrieben, und bei Ausbruch des Krieges finden wir ihn als Oberst des 8. New Yorker Regiments. Dasselbe bestand zum größten Teil aus gedienten deutschen Soldaten. Blenker verstand es, den militärischen Ehrgeiz seiner Leute zu wecken; »sie sollten den ,schlappen Yankees' zeigen, wie deutsche Veteranen exer- zieren«, und wirklich die »Achter« wurden ein Eliteregiment, an welchem vielleicht selbst der alte Wrangel nicht allzuviel auszu- setzen gehabt hätte. Das Regiment kam sehr bald, schon Mitte Mai 1861, nach Washington und erregte dort Staunen durch sein strammes, echt militärisches Auftreten. Übrigens gilt das auch von den übrigen reindeutschen Regimentern. Besonders aber tat

^) Dieser sog. Graf war ein ehemaliger Zuchthäusler aus Österreich. Er kam mit gefälschten Empfehlungen des Erzherzogs Maximilian und mit einem gefälschten Kreditbriefe nach Washington, nistete sich bei dem öster- reichischen und dem preußischen Gesandten sowie auch bei Schurz ein, wurde sofort Oberst und schwindelte in schamloser Weise. Die Gesandten hat er um bedeutende Summen betrogen. Er ist dann wahrscheinlich in das Rebellen- lager geflohen. Ein anderer österreichischer »Graf«, der sich Estvan nannte, trat zuerst in der sezessionistischen Hauptstadt Richmond auf, beschwindelte die dortige Regierung, floh nach Washington und ließ sich als Unionspatriot feiern. Auch dort wurde ihm das Pflaster zu heiß, und er ging nach Europa, um ein aus lauter Lügen zusammengesetztes Buch über den amerikanischen Konfhkt zu schreiben. Washington war um jene Zeit der Sammelplatz einer aus allen Ländern einströmenden Bande internationaler Schwindler. Manche derselben imponierten den dortigen Behörden durch gefälschte Papiere und sicheres Auftreten. Diese Gesellschaft hat dem Ansehen der Fremdgeborenen, namentlich aber den vielen deutschen Offizieren, außerordentlich geschadet und wahrscheinlich auch das Urteil Mc Clellans beeinflußt.

Blenkers deutsche Division, 177

sich Blenker selbst hervor. Er war ein vortrefüicher Reiter und machte zu Pferde eine ausgezeichnete Figur. In goldstrotzender Phantasieuniform pflegte er mit seinem glänzenden Stabe durch die Pennsylvania Avenue zu reiten. Die Schönen eilten an die Fenster, wenn Blenker vorüberritt, das bunte Tuch gilt in der Re- publik oft noch mehr als anderswo, und Blenker hatte bald die Weiber für sich. »That's the great Blenker,« flüsterten sie sich zu: »Look at him, a splendid fellow.« So ungefähr wurde Blenker General der neugebildeten deutschen Brigade. Das außerordentliche Glück Blenkers in der ersten Bull Run- Schlacht ist bereits geschildert worden. Dazu kam noch, daß der Obergeneral Mc Clellan diesen deutschen General noch besonders verhätschelt zu haben scheint^).

^) In seinen Memoiren beschreibt Mc Clellan einen Besuch in Hunters Chapel im Herbst 1861 folgendermaßen: »Sobald wir in Sicht des Blenker- schen Lagers kamen, üeß Blenker den Offiziersruf blasen, und bald war die .polyglotte Kollektion' beisammen. Glänzende Uniformen, und die Farben derselben so verschieden wie diejenigen des Regenbogens. Blenker in strahlen- dem Uniformrock mit purpurnem Futter, empfing uns inmitten seiner Offiziere in formvollendeter Art und mit ausgesuchter Höflichkeit. Da er ein sehr schöner, martialisch aussehender Mann war und so viele ähnlich ausschauende und auftretende Herren um sich hatte, so war der Eindruck, den das Ganze machte, sehr wirkungsvoll und bildete den stärksten Kontrast zu der ein- fachen und sachgemäßen Art, wie sich meine Besuche bei den übrigen Di- visionen vollzogen. Schon nach wenigen Minuten pflegte Blenker zu kom- mandieren: ,Ordinanz Nummero Eins', und dann wurde massenhaft Cham- pagner aufgefahren, die Musikkorps spielten auf, und öfters wurden auch Lieder gesungen. Blenkers Division war ganz besonderer Art. In bezug auf Pomp, militärisches Schaugepräge und derartiges überstrahlte sie alle übrigen Divisionen. Im Exerzieren und im Zurschautragen soldatischen Wesens war die Division ebenfalls ausgezeichnet, denn ihre sämtHchen Offiziere und vielleicht auch alle Soldaten waren in Europa ausgebildet. Ich habe es stets bedauert, daß mir diese Division genommen und anstatt meiner Armee dem Fremontschen Korps beigesellt wurde. Die Offiziere sowohl wie die Mannschaften waren mir sehr zugetan. Ich hätte sie kontrollieren können wie kein anderer, und sie würden ausgezeichnete Dienste geleistet haben, wenn man sie beim Sumnerschen Korps belassen hätte.«

Soweit Mc Clellan. Daß er die Division gern mit nach der Halbinsel genommen hätte, ergibt sich aus vielen seiner Briefe und Depeschen, welche in den Archiven vorliegen. Mc Clellan hat förmlich darum gebettelt, daß ihm diese Division mitgegeben werde. Aber das Kriegsministerium blieb unerbitthch. Die Administration wollte sich wieder mit Fremont aussöhnen, W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 12

178 W. Kaufmann.

Ein wirklicher Humbugger war Blenker sicherlich nicht; aber er war auch nicht der Mann, den man sich als ersten Repräsentanten des militärischen Deutschtums jener Zeit wünschen konnte. Was er als Wachtmeister bei dem Griechenkönig von den Militär- wissenschaften gelernt haben kann, ist gewiß nicht be- deutend gewesen. Und als Unterführer im badischen Feldzuge konnte er sich schwerlich die Sachkenntnis erwerben, welche ein Divisionär besitzen muß. Während seiner Flüchtlingszeit in Amerika war Blenker Weinhändler gewesen, auch Wirt, zuletzt Gemüse- farmer. Er hatte beträchtlich abgefärbt nach derjenigen Gebahrung des Deutschamerikanertums, welche mit dem Duft der New Yorker »Bowery« gewürzt ist^). Geradezu furchtbar war sein pfälzisches EngHsch. Wenn er den Mund auftat zur englischen Ansprache, so schämten sich die gebildeten Deutschen in Blenkers Hörweite, und die Angloamerikaner lachten aus vollem Halse.

Der Stab Blenkers war eine Sehenswürdigkeit^). Alle deutschen und österreichischen Offiziere, welche Mc Clellan nicht sofort unter- bringen konnte, wurden dem Stabe Blenkers attachiert. Dort lebten die Herren so redlich wie möglich von Hoffnungen und von Pump,

den sie kurz vorher in Missouri kaltgestellt hatte. Da Fremont darauf be- stand, daß die deutschen Truppen unter ihm kämpfen sollten, so wurde auch das bewilligt.

1) Die »Bowery« war die Tingeltangelstraße von New York.

2) Eine weitere »Sehenswürdigkeit« der deutschen Division waren deren Feldkapläne. Jedes Regiment hatte seinen »Seelsorger«, obschon das religiöse Bedürfnis der Blenkerschen Soldaten schwerlich größer gewesen ist als seiner- zeit bei den Landsknechten Wallensteins. Bei einem erhebhchen Teil des Deutschamerikanertums war es Modesache geworden, als ReHgionsverächter zu gelten. Auch das war eine Folge des großen Einflusses der achtundvierziger Flüchthnge. Da die Stellen der Feldkapläne etatsmäßig waren, so hatte auch Blenker für jedes seiner Regimenter einen solchen. Mit den Qualifikationen seiner Seelsorger nahm es Blenker sehr leicht. Die Hauptsache war wohl, daß die Herren die Kneiptafel zu schmücken verstanden. So war einer dieser »christlichen Feldkapläne« ein Jude, ein anderer ist wohl niemals ganz nüchtern gewesen, ein Dritter hatte sich die angenehme Stelle verschafft, indem er Blenker in unzähhgen Gedichten als einen der ersten Helden der Geschichte ausposaunt hatte. Die übrigen waren meistens deutsche Journalisten, welche den bequemen Unterschlupf suchten, um für ihre Zeitungen zu arbeiten, und dann aus Dankbarkeit dazu beitrugen, daß der Ruhm Blenkers nicht verblaßte.

Blenkers deutsche Division. 179

was sich mit ihrem ungeheuren Durst oft schwer vereinigen Heß. Denn Sold bekamen die so »Attachierten« erst, wenn sie in ein Regiment eingestellt wurden. Blenkers Stab, der zu einer Zeit aus über 80 fremdländischen Offizieren bestanden haben soll, war eigentlich eine Art Wartesaal. Blenker wurde der Herbergsvater seiner Stabsoffiziere. Hungern konnte er die Kameraden doch nicht lassen, und daß er sie dursten lassen solle, war ganz gegen Blenkers Grundsätze. So lebte die zahlreiche militärische Familie Blenkers flott darauf los. In fabelhafter Weise wurde mit Sektbatterien operiert. Blenker konnte nicht wirtschaften, und es ergab sich ein Defizit. Nachher wurde die Sache aufgerechnet, und dann erfolgten böse Anklagen gegen Blenker. Es hieß, er habe unterschlagen. Möghch ist, daß Blenker seine Privatmittel und die von Onkel Sam gelieferten Gelder für allgemeine Armeezwecke nicht ausein- ander gehalten hat. Jedenfalls hat Blenker gemeint, daß die Un- kosten für den Unterhalt seiner unbesoldeten Stabsoffiziere aus der Armeekasse zu decken seien, denn der Obergeneral hatte ihm ja diese Unmasse von Stabsoffizieren zugeschickt. Blenker hat übrigens ganz unnötige und sehr kostspielige Aufwendungen gemacht, welche erkennen lassen, daß er die Selbstverherrlichung liebte und ein richtiger Protz geworden war. So veranstaltete er im November 1861 zu Ehren Mc Clellans einen Fackelzug, der an Pomp und Aufwand alles übertraf, was man bisher in Washington gesehen hatte. 2000 seiner Soldaten traten als Fackelträger dabei auf, ebenso viele zogen mit den Waffen in gut durchgeführtem Parademarsche im Zuge. Blenker selbst, gefolgt von 56 seiner Stabsoffiziere, ritt an der Spitze. Alle waren vortrefflich beritten und traten in den glänzenden Uniformen der europäischen Heere auf. Dazu ein Dutzend Musikkorps. Zum Schluß fand ein überaus großartiges Feuerwerk statt, das viele Tausende von Dollar gekostet hat. Ganz Washington staunte ob dieses Schauspiels. Auch Lin- coln ließ entblößten Hauptes den »Zirkus« an sich vorüberziehen. Die Veranlassung des kostspieligen Schauspiels war Blenkers Streben, sich für die Ernennung zu einem der vier Korpsführer zu empfehlen. Aber er hat sich vergebens bemüht.

Blenker hatte den Behörden gesagt, daß seine Truppen an das Weizenbrot, welches die übrigen Soldaten erhielten, nicht gewöhnt seien und daß sie Schwarzbrot haben müßten. So wurde für die »Blenkers« Geld bewilligt, um Roggen zu kaufen, eine Schwarz-

12*

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brotbäckerei einzurichten usw. Auch erhielt Blenker das Vorrecht, in seinem Lager bei Hunters Chapel Bier verkaufen zu lassen. Na- türlich wurde Hunters Chapel bald der Wallfahrtsort der Soldaten der anderen Divisionen, und der Bierkonsum im deutschen Lager hat zuweilen an das Münchener Oktoberfest erinnert. Russell, der bekannte Korrespondent der Londoner Times, behauptet, daß Blenker monatlich 6000 bis 8000 Dollars an dem Schankprivileg verdient habe. Dieser Vorwurf sollte aber nicht Blenker treffen, sondern dessen Quartiermeister. Blenker hatte bestimmt, daß ein etwaiger Nutzen den Regimentskassen zukommen solle. Aber die Quartiermeister empfingen die Gelder, und die Regimentskassen gingen leer aus. Auch bei der Schwarzbrotbäckerei ist in schlimmer Weise geschwindelt worden. Der erste Quartiermeister Blenkers, ein Dr. Schütte, ehemals Barrikadenheld aus Wien, wurde infam kassiert. Etwas später konnte sich dieser Herr als Diamanten- händler in New York auftun. Daß Blenker selbst gestohlen hat, glaube ich nicht, obschon manche der deutschen Zeitgenossen, be- sonders Heinzen, ziemlich unverblümte Anklagen erhoben haben. Jedenfalls liegen keine Beweise vor, und auch die Umstände sprechen durchaus dagegen. Blenker ist in hohem Grade nachlässig gewesen, er hat seine Untergebenen nicht beaufsichtigt, das ist wohl alles, was man ihm vorwerfen kann. Die Anklagen gegen ihn sind nie- mals untersucht worden. Auch ist er nicht abgesetzt worden, son- dern hat seinen ehrenvollen Abschied auf eigenes Verlangen erhalten. Später wurden seiner Witwe 50 Dollar Monatspension zugebilligt. Am 31. Oktober 1863 ist er, der ehemals so verhätschelte Glücks- pilz, als armer Kerl auf seiner Farm gestorben, wie es heißt, an den nachwirkenden Folgen eines Sturzes mit dem Pferde, den er auf dem schreckHchen Marsche in den virginischen Bergen erhtten hatte. Um Blenker anständig zu begraben, mußten die Kameraden Geld zusammenlegen. Er war sicherlich ein Emporkömmling von der Sorte, welche das amerikanische Sprichwort »he could not stand prosperity« am besten schildert. An Großtuerei und Protzerei ist er zugrunde gegangen, aber ein ehrlicher Kerl ist er doch ge- wesen.

Als Führer der einzigen deutschen Division, welche damals gewiß eine Elitetruppe war, hätten wir uns einen hochsinnigen, gebildeten deutschen Offizier wünschen müssen. Daß Blenker jenen Rang erhielt, hat die Rolle, welche unser Volkstum im Bürgerkriege

Die deutscheil Regimenter. Igl

ZU spielen berufen war und gemäß seiner Stärke und der vielen bedeutenden Militärs, welche es aufzuweisen hatte, auch wohl beanspruchen konnte, in der unglücklichsten Weise beeinflußt. Die Westpointer wiesen immer auf »Blenker« hin (den sie mit Recht als ein »failure« bezeichneten), wenn ein anderer deutscher Offizier der Potomac-Armee seine Ansprüche geltend machen wollte.

Einen Nachfolger hat Blenker nicht erhalten, obschon Sigel und Schurz kurz nach Blenkers Abgange in die Potomac-Armee eintraten. Aber Sigel wurde Korpskommandeur, hatte also einen größeren Wirkungskreis als Blenker, und Schurz wurde Divisionär, aber die deutsche Division existierte bald darauf nicht mehr. Schurz erhielt nur Truppen teile der ehemaligen Blenkerschen Mannschaft. Als oberster deutscher Offizier der östlichen Armee nach Blenkers Rücktritt ist Sigel zu betrachten. Aber Sigel verstand es nicht, den Westpointern zu imponieren, und konnte deshalb die Erschütterung des Ansehens, welche der deutsche Offi- ziersstand durch Blenker bei den maßgebenden Herren erlitten hatte, nicht beseitigen und nicht ausgleichen. Auch Sigels Stellung in der Ostarmee ist beträchtlich erschwert worden infolge von Blenkers Versagen. Darüber ausführUcher im biographischen Teile unter Franz Sigel.

Die deutsdien Regimenter^).

Von den 216000 deutschgeborenen Soldaten haben etwa 36000 in reindeutschen Regimentern oder Batterien gestanden, unter Füh- rung deutscher Offiziere und meistens mit der deutschen Kommando-

^) Abkürzungen von Namen der wichtigsten Einzelstaaten :

Mass. = Massachusetts Nebr. = Nebraska N.C. = Nord-Carolina

N. Y. ;= New York Min . = Minnesota S.C. = Süd-Carolina

N. J. = New Jersey Ja. = Jowa Ga. = Georgia

Md. = Maryland R- J = Rhode Island AI. = Alabama

Pa. = Pennsylvania Conn. = Connecticut La. = Louisiana

Mich . = Michigan Vt. = Vermont Tenn . = Tennessee

111. =:^ IlHnois Mo. = Missouri Fla. = Florida

O. =^ Ohio Ky. = Kentucky Miss. = Mississippi

Wis. = Wisconsin Del. = Delaware Tex. --= Texas

Ind. = Indiana Va. = Virginia Ark. = Arkansas.

Ks.=^ Kansas W. Va. = West-Virgina

182 W. Kaufmann.

Sprache. Die übrigen i8o ooo Mann standen aber in gemischten Regimentern neben Angloamerikanern, Irländern und Nachkommen von Deutschen, Iren usw. Allerdings blieben viele dieser i8o ooo »Zer- streuten« auch in den gemischten Regimentern unter sich, indem sie darin rein deutsche Kompagnien und auch Bataillone bildeten, aber diese volklichen Einheiten waren zu gering an Zahl, um in den Schlachten in Betracht zu kommen. Was jene 180000 Deutsche ge- leistet haben, fällt unter das Kapitel der Gesamtleistung des Nord- heeres. Aber auch jene 36 000 Deutschen, welche in reindeutschen Regimentern standen, konnten nicht zu so großen Verbänden ver- schmolzen werden, daß sie Armeekorps oder mehrere Divisionen hätten bilden können. Die Kriegsleitung hatte das Heer zu impro- visieren, hatte die vorhandenen Regimenter nach dem Bedürfnis der Stunde in Brigaden, Divisionen, Armeekorps zu gliedern und konnte etwaige Wünsche bezüglich der Zusammenstellung von deutschen Regimentern gar nicht berücksichtigen. Wo ein solches Zusammenfinden der Deutschen sich trotzdem ereignet hat, da hat mehr der Zufall die Hand im Spiele gehabt. Die deutsche Division der Potomac-Armee (unter Blenker) entstand, weil gleich zu Anfang des Krieges allein im Staate New York zehn reindeutsche Infanterie- Regimenter gebildet wurden und im benachbarten Pennsylvanien vier. Nicht die Absicht, die Deutschen in einer starken Division zusammenzuscharen, hat diesen deutschen Truppenkörper geschaffen, sondern die Sache machte sich ganz von selbst infolge des gleich- zeitigen Auftretens so vieler reindeutscher Regimenter. Auch im Westen hätte man im ersten Kriegsjahre aus den deutschen Truppen von Ohio, Indiana, Illinois und Wisconsin leicht eine zweite Division bilden können, aber unter den Deutschen selbst scheint man selten den Wunsch dazu gehegt zu haben. Viele Deutsche, namentlich aus den Kreisen der Achtundvierziger, meinten, dies ist ein amerikanischer Krieg, wir schlagen uns als Amerikaner für eine amerikanische Sache, deshalb sollten wir unsere engere Landsmannschaft beiseite setzen. Aber der landsmannschaftliche Korpsgeist spielt eine bedeutende Rolle im Kriege, und die preu- ßische Armee verdankt der Tatsache, daß jedes ihrer Armeekorps die Mannschaften einer Provinz in sich vereinigt, sehr viel. Das haben auch die Franzosen erkannt, welche die preußische Heeres- organisation in diesen Dingen nachgemacht haben. Der Stolz auf das eigene Volkstum ist ein Faktor, welcher außerordentlich günstig

Die deutschen Regimenter. 183

wirkt auf die Tüchtigkeit der Truppen. So wäre die Zusammen- fassung der eingewanderten Elemente zu größeren Einzelverbänden wahrscheinlich von erheblichem Nutzen gewesen, ohne daß man besorgt zu sein brauchte, daß es in anderer Beziehung Schaden gestiftet hätte.

In Missouri fand sich aus ähnlichen Gründen wie im Osten sofort eine deutsche Brigade zusammen, welche auch nach der Dienstentlassung der Dreimonatsfreiwilligen in anderer Zusammen- setzung unter dem Namen der Osterhausschen (von Wangelin ge- führten) Brigade durch den ganzen Krieg bestanden hat. Eine weitere deutsche Brigade (allerdings mit einiger Beimischung nicht- deutscher Elemente) war die 2. Brigade der 3. Division, 20. Korps unter Oberst Laiboldt, welche aus den reindeutschen Regimentern 2. und 15. Missouri und den halbdeutschen Illinois- Regimentern 44 und 27 sowie der deutschen Mo. -Artillerie unter Schüler bestand und unter Sheridans Befehl bei Stone River, Chickamauga und Chattanooga sich so glänzend geschlagen hat. Von den Taten dieser Brigade spricht Sheridan mit größter Achtung und höchstem Lobe, und mit den Heldentaten der Osterhausschen Brigade könnte man ein stattliches Bändchen füllen.

Im allgemeinen aber bietet das deutsche Kontingent von 216 000 Mann ein Bild der Zerstreuung über die fast 2% Millionen Mann zählende Armee (allein gegen 1500 Infanterie-Regimenter). Wenn man sich denkt, daß die bayerischen, badischen und würt- tembergischen Truppen bei Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges zumeist auf preußische Regimenter verteilt worden wären, sowie daß man etwa vier Brigaden dieser süddeutschen Truppen, jede aber nur von der Stärke eines mobilen preußischen Regiments intakt gelassen hätte, diese vier Brigaden aber dann als Anhängsel an preußische Armeekorps verwendet haben würde, so erhält- man ungefähr ein Bild der Zerstreuung der von den Deutschen auf- gebrachten Truppen über das große Unionsheer.

Die deutschen Farmer und die Deutschen aus Kleinstädten konnten gar nicht in deutschen Regimentern unterkommen, denn im Westen wurden außer in Missouri und Ohio nur wenige rein- deutsche Regimenter gebildet, und in der deutschen Landbevöl- kerung bestanden auch wenig landsmannschaftliche Beziehungen. Aber auch die Großstädte, welche eigene deutsche Regimenter errichteten, entsendeten sehr viele Deutsche in gemischte Regi-

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menter. Kapitän Böhm in Cleveland, O., hat eine Zusammen- stellung der deutschen Soldaten jener Stadt hinterlassen, und aus dieser verdienstvollen Arbeit kann man die Zersplitterung der Deutschen recht gut ersehen. Cleveland zählte 1860 ungefähr 70 000 Einwohner, worunter ein gutes Drittel Deutsche. Unsere Landsleute aus Cleveland stellten fast die Hälfte des 37. deutschen Ohio-Regt., ein Drittel zum 7. Ohio-Regt., fast das ganze rein- deutsche 107. Ohio-Regt. und über 100 Mann zu der 20. Ohio- Batterie. Aber außerdem dienten noch viele Deutsche aus Cleve- land in 22 gemischten Ohio-Regimentern, ferner in manchen Reiter- und Artillerie- Regimentern des Staates, sodann in Regimentern der Staaten Michigan, Missouri, Illinois, Indiana und Pennsylvanien, in der regulären Infanterie, Reiterei und Artillerie sowie in der Bundesflotte.

Mein verehrter Mitarbeiter, Herr Gallus Thomann, New York, hat berechnet, daß 138 Batterien der Unionsarmee von Deutschen und Deutschnachkommen befehligt worden sind. Auch in der Flotte sind die Deutschen sehr stark beteiligt gewesen. Es fehlen darüber leider nähere Angaben. Aber das Offizierkorps der Bundes- flotte weist, nach Herrn Thomann, seit 1812 nicht weniger als 722 deutsche Namen auf, darunter 28 deutschamerikanische Admirale und 6 Kommodore.

Ich komme nun zu der Aufzählung der reindeutschen Regi- menter und möchte einschränkend bemerken, daß dieses Kapitel eine Art Schmerzenskind gewesen ist. Es ist zum mindesten sechs- mal umgearbeitet worden, und vielleicht ist die dritte Bearbeitung freier von Irrtümern gewesen als die hier vorliegende. Ich mußte dabei meinen Mitarbeitern freie Hand lassen. Aber diese Herren waren unter sich wenig einig. Das ist ja auch leicht begreiflich. Wer will nach fast 50 Jahren noch sagen, das Regiment »X« war ein reindeutsches Regiment und »Y« war stärker schweizerisch als deutsch. Sodann waren manche Regimenter zu Anfang des Krieges reindeutsch, erhielten aber später Ersatz durch Irländer oder Angloamerikaner. Am schwersten war die Entscheidung be- züglich der halbdeutschen Regimenter. Ich führe deshalb nur wenige Regimenter als halbdeutsch auf, ursprünglich war die Liste der- selben weit länger, und sicherlich fehlt hier eine große Anzahl Regi- menter, welche einen sehr starken deutschen Einschlag hatten.

Der Staat New York stellte folgende reindeutsche Regimenter:

Die deutschen Regimenter. 185

No. 7., Steuben- Schützen, Oberst v. Schack.

8,, Obersten Blenker, Stahel, Wutschel, Prinz Salm.

20., Turner- Regiment, Oberst Max Weber.

29., Astor- Schützen, Oberst v. Stein wehr.

41., De Kalb-Regiment, Oberst v. Gilsa.

45., meistens Plattdeutsche, Oberst v. Amsberg.

46., Oberst v. Rosa, später Gerhard.

52., Sigel Schützen, Oberst Freudenberg.

54., Oberst Gellmann. 103., Oberst v. Egloffstein, später Ringold und Heine. Alle diese Regimenter sowie die zur Hälfte bis drei Viertel deutschen Regimenter 58 und 68 wurden schon im Jahre 1861 organisiert, die ersten sechs schon im April und Mai 1861 gemäß des ersten Lincolnschen Aufgebots. Zu diesen ersten deutschen Truppen wurde auch das sog. Garibaldi- Regiment Nr. 39 N. Y. gezählt, welches jedoch nur zur Hälfte aus Deutschen und Schweizern bestand. Halbdeutsch war das Serretsche Pionier-Regiment, das Regiment 119, das i. Reiter- Regiment Lincoln. Von Schurz wurden die ersten vier Kompagnien des letzteren organisiert, und Schurz war auch als dessen Oberst in Aussicht genommen, wurde aber dann als Gesandter nach Spanien geschickt. Auch das 4. Reiter- Regiment war halbdeutsch. Dazu die reindeutschen Batterien Schirmer, Wiedrich (aus Buffalo rekrutiert) und v. Sturmfels. Im 103. N. Y.-Regt. stand eine Kompagnie Angloamerikaner. Das 52. deutsche Regiment führt 2800 Namen auf der Stamm- rolle. Nur 200 Mann kamen zurück. Vom De Kalb-Regiment Nr. 41 wurden von 1046 Deutschen nur 180 Mann ausgemustert. Das 8. Regiment verlor bei Gross Keys 220 Mann aus noch 600. Ähnlich waren die Schicksale der übrigen deutschen Regimenter Nr. 7, 20 und 46. Diese litten furchtbar auf der Halbinsel sowie namentlich bei Antietam und Fredericksburg. Von Regiment 103 bestanden bei Appomatox nur noch drei Kompagnien. Kein einziges der nahezu 300 Regimenter des Staates New York war ohne deutschen Einschlag. Das 29. Regiment enthielt ein Bataillon deutscher Turner aus Philadelphia, welches in keinem der deutschen Regimenter Pennsylvaniens untergebracht werden konnte (April 1861) und dann zu dem Steinwehrschen 29. New Yorker Regimente trat. Pennsylvanien stellte nach Gould 17 208 deutsch- geborene Soldaten. Aber außerdem noch über 100 000 Deutsch-

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nachkommen. Unter diesen waren die Schalls, acht Brüder, welche sämtlich in der Unionsarmee dienten. Reindeutsch waren wohl nur die Regimenter: 27 (Oberst Buschbeck), 73 (Koltes), 74 ( Schim- melf ennig) und 75 (Bohlen, später Mahler). Nr. 75 war von Bohlen auf eigene Kosten ausgerüstet. Das 74. Regiment stammte aus Pittsburg. Das 21. Pa.-Regiment, fast ganz deutsch, wurde von Oberst Ballier organisiert und später in das 98. Pa. umgewandelt. Fast ausschließlich aus Pennsylvanier Deutschen mit einem Ein- schlage von geborenen Deutschen waren die Regimenter 4, 8, 9, 10, II, 14, 15, 16, 48, 50, 51, 56, 65, 79, 88, 96, 97, 98 sowie die Ar- tillerie-Abteilungen 112, 113, 115.

New Jersey. Manche Deutsche aus New Jersey dienten in New York und in Penns5dvanien. Reindeutsche Regimenter wurden in diesem Staate nicht gebildet, bis auf das in Hoboken rekrutierte 3. Reiter-Regiment. Doch waren nur wenige New Jer- seyer Infanterie-Regimenter ohne deutsche Kompagnien. Ganz deutsch war Batterie A des i. Artillerie-Regiments, geführt von Kapitän Hexamer.

Ohio. Der dritte Teil aller Ohioer Regimenter soll aus Deut- schen und deren Nachkommen bestanden haben. Der deutsche Stadtteil von Cincinnati glich im Frühling 1861 einem Kriegslager (sagt Rattermann). Elf Ohioer Regimenter galten als deutsche, doch waren nur vier wirklich reindeutsch. Es waren Nr. 9, Turner- Regiment von Cincinnati (Mc Cook und Kämmerling, Obersten) ; Nr. 28, ebenfalls ein Cincinnatier Regiment, unter August Moor; Nr. 37, unter E. Siber und L. v. Blessing aus Cleveland, Toledo, Sandusky und Nord-Ohio, und Nr. 107 aus Cleveland (Oberst Meyer) . Die übrigen meistens als deutsche angeführten Regimenter aus Ohio waren teils halb, teils dreiviertel deutsch. Es waren: das 47. (Porsch- ner), 58. (Brausenwein), 74. (A. v. Schrader), 106. (Tafel), 108. (Lim- berg), 165. (Bohländer), und auch wohl Nr. 7 kann mit erwähnt werden, es bestand aber nur zu einem Drittel aus Deutschen; das 3. Reiter-Regiment (Oberst Zahm) und drei deutsche Batterien, darunter diejenige von Dämmert aus Cincinnati, welche vom zweiten Kriegsjahre an von Hubert Dilger befehligt wurde und sich un- sterbhchen Ruhm erkämpft hat. Ferner die 4. Ohio-Batterie, Kapitän Louis Hoffmann von Cincinnati, später von Kapitän FröhHch befehligt. Markgrafs Batterie von Cincinnati war halb- deutsch, und unter den 243 Mann der 20. Ohio- unabhängigen Batterie

Die deutschen Regimenter. 187

von Cleveland, waren über loo Deutsche. Ohio stellte den deutschen Korpskommandanten Louis Weitzel, den berühmten Reitergeneral A. V. Kautz, General August Moor, die Titular-Brigadegenerale V. Schrader, v. Blessing und Zahm.

Über das deutsche 9. Ohio- Regiment sagt einer der besten Kenner der Kriegsgeschichte, J. E. Mc Elroy, im »Record der Chicka- mauga und Chattanooga National Park Commission«; »No regiment is more justly entitled to the thanks of the patriotic people of Ohio for distinguished Services in support of the Union and the flag than the 9 '^ regiment. « Auch die beiden reindeutschen Ohioer Regimenter 28 (Moor) und 37 (Siber) wurden sofort errichtet; das erstere war schon im Juni 1861 beisammen.

Missouri stellte 31 000 deutsche Soldaten, so daß ungefähr jeder zweite Mann in den Missourier- Regimentern ein Deutscher gewesen ist. Da die deutsche Bevölkerung des Staates keine 90 000 Köpfe betrug, so erscheint diese Leistung ganz ungewöhnlich. In keinem anderen Staate war die Beteiligung der Deutschen am Kriege so stark wie in Missouri. Manche Deutsche des Staates mögen auch nur deshalb eingetreten sein, weil sie in der Armee sicherer waren, als wenn sie auf ihren Heimstätten geblieben wären. Der Haß der Missourier Konföderierten gegen die Deutschen war furchtbar. Schonungslos wurden die deutschen Farmer niedergeschossen, ihre Äcker wurden verwüstet, ihre Häuser verbrannt, weil die Deutschen in der Hauptstadt St. Louis den Anschlag der Sezessionisten auf Camp Jackson vereitelt hatten. Sigel hat über tausend deutsche Flüchtlinge aus Süd-Missouri nach St. Louis gebracht. Der Busch- krieg hörte in jenem Staate auch dann nicht auf, als der Staat von den Rebellenheeren gesäubert worden war^). Die Heimwehr jenes Staates, welche zum größeren Teile aus Deutschen bestand, hat schwereren Kriegsdienst zu leisten gehabt als die Soldaten, welche in den großen Feldschlachten auftraten. Außerdem war Missouri das große Sammelbecken der Deutschen, welche aus den südlichen Rebellenstaaten Texas, Louisiana, Arkansas und Tennessee nach dem Norden geflüchtet waren. Mehrere Tausend dieser Flücht- linge haben in Missourier Regimentern gedient. Sodann kamen andere Tausende von Deutschen aus den Nachbarstaaten Illinois,

1) Diese Mitteilungen verdanke ich Ernst Schierenberg, einem der besten Kenner der Missourier Kriegsgeschichte.

188 W. Kaufmann.

Indiana, Kentucky, Wisconsin, Jowa, Kansas usw. Aus Illinois sollen allein 2000 Deutsche in Missouri gedient haben, aus Wisconsin über 1000. Unser Gewährsmann Schierenberg hielt diese Angaben durchaus nicht für übertrieben. Von den deutschen Regimentern des Staates sind zu nennen Nr. i (nur halbdeutsch), 2. Oberst Börn- stein, 3. Sigel, 4. Schüttner, 5. Salomon. Das waren Dreimonats- freiwillige. Nach der Dienstvollendung dieser Leute wurde das Regiment i in ein Artillerie- Regiment verwandelt, 4 wurde ganz aufgelöst, 2, 3 und 5 wurden durch deutschen Rekrutenersatz für den dreijährigen Dienst reorganisiert, 12, 15 und 17 wurden neubegründet als deutsche Regimenter. Nr. 15 bestand zum größeren Teil aus Schweizern, Nr. 17 war ein Turner- Regiment, in welchem sich sogar eine Kompagnie aus Philadelphia befand; ferner hatten die Tumgemeinden von Cincinnati, Detroit, Milwaukee, Oskosh (Wisc), Peoria (111.), Keokuk, Davenport und Gutenberg in Jowa starke Abteilungen zu den Siebzehnern entsandt. Den Kern bildeten die St. Louiser Turner. Die Regimenter 12, 15, 17 wurden im August 1861 errichtet. Dazu das ArtiUerie-Bataillon Backoff und die Batterien Essig, Mann, Neustädter, Wölfle und Landgräber (letztere genannt the flying Dutchmen) sowie die von Sigel begründete deutsche Pionier-Kompagnie.

Ferner stellte Missouri viele Infanterie- und Reiter- Regimenter, welche zur Hälfte oder zu einem Drittel aus Deutschen bestanden, IG 000 Deutsche aus Missouri soUen für die längere Dienstzeit ka- pituliert haben. Von den Heimwehr-Regimentern der Deutschen, welche teilweise schon im Mai 1861 gebildet wurden, sind besonders die Organisationen unter Befehl der Obersten Almstedt, Kallmann, Fritz, Hundhausen, Stiefel und WesseUng zu nennen. Über- wiegend deutsch waren die Missouri- Regimenter 39 (Oberst Kutzner), 40 (Weidenmeyer), 41 (v. Deutsch) und das 4. Reiter- Regiment (v. Helmreich). Die ersten Obersten der drei reindeutschen Regimenter 12, 15 und 17 waren Osterhaus, Conrad und Hassen- deubel.

In Illinois gründete Friedrich Hecker zwei Regimenter, Nr. 24 und 82. Doch war das erstere nicht ein reindeutsches Regi- ment. Hecker trat bald vom Befehl desselben zurück und zog als Oberst der 82 er ins Feld. Dieses war reindeutsch. Im 82. befand sich eine jüdische Kompagnie, aus deren Reihen der spätere Oberst Edward S. Salomon (kein Verwandter der vier Brüder Salomon)

Die deutschen Regimenter. X89

hervorgegangen ist. Diese Kompagnie war die reichste des ganzen Heeres. Die Chicagoer Glaubensgenossen hatten einen großen Fonds dafür aufgebracht. Die Kompagnie wurde dem Hecker- Regiment beigegeben in Anerkennung von Heckers Bestrebungen zugunsten der Emanzipation der Juden. Die Kompagnie, in der übrigens auch eine Anzahl Plattdeutsche dienten, hat den alten Makkabäern Ehre gemacht. Auch eine Schweizer Kompagnie (Emil Frey) befand sich bei den 82ern. Das Körner- Regiment Nr. 43 (Oberst Raith) bestand fast ausschließlich aus Nachkommen der Deutschen von Belleville. Auch Nr. 44 (v. Knobeisdorf), später zur Osterhausschen Brigade gehörig, war mehr als zur Hälfte deutsch. Ebenfalls Nr. 9 (Oberst Mersi), das so furchtbar bei Shiloh gelitten hat. Doch erhielt das Regiment nach jener Schlacht starken Ersatz durch Nicht deutsche. Als halbdeutsche Regimenter können 36 (Oberst Greusel), 45, 57 und 58 noch gelten, aber im Verlauf des Krieges kamen starke Ersatztruppen nichtdeutscher Elemente dazu Die Illinoiser Reiter-Regimenter 13 und 16 waren halbdeutsch die Batterien Stollemann, D'Osband und Gumbert ebenfalls.

In Wisconsin wurde gemäß des ersten Lincolnschen Auf- rufes das 9. Regiment von Deutschen errichtet, es wurde jedoch später durch die Ersatztruppen ein gemischtes Regiment. Durch den ganzen Krieg deutsch blieb das 26. Regiment (Obersten Jacobs und Winkler), 1862 von Gouverneur Salomon errichtet. Seine Helden- geschichte ist ähnlich derjenigen der deutschen Regimenter 9 (Ohio), 32 (Indiana), 3, 12 und 17 (Missouri), 82 (Illinois). Auch Regi- ment 45 von Wisconsin kann man füglich als ein deutsches betrachten. Zu den mehr als halbdeutschen Regimentern von Wisconsin gehör- ten 27 (Oberst Krez), 34 (Annecke), 35 (Orff), 20 (Bertram), 18 (Brück), 23 (Jüssen). Das berühmte Scharfschützen-Regiment aus Wisconsin unter Oberst Kaspar Trepp bestand fast ausschließhch aus deutschen Schweizern. Auch mehrere halbdeutsche Reiter- Regimenter und Batterien hat Wisconsin gestellt.

Indiana stellte das reindeutsche Regiment 32 unter WiUich, das sich unsterbliche Lorbeeren erkämpft hat. 24. Indiana unter Gerber, gefallen bei Shiloh, war halbdeutsch, ebenfalls 136, aus Evans- ville rekrutiert. Letzteres zeichnete sich aus bei Shermans Marsch durch Georgia. Die Batterien Behr aus Indianapolis und Klaus (aus Evansville) waren ganz deutsch. Die meisten Indianaer Regimenter besaßen einen starken deutschen Einschlag. Bei der Organisation

190 W. Kaufmann.

der Truppen dieses Staates haben sich die Deutschen Albert Lange und Johann B. Lutz (genannt Mansfield) besonders hervorgetan.

In Minnesota traten die Deutschen zu Anfang des Krieges sehr zahlreich in die Armee. Die Regimenter i, 2, 4 und 6 waren zu über einem Drittel deutsch. Batterie Münch (später Pfänder) bestand ausschließhch aus Turnern von Neu-Ulm. Eine Kompagnie- geschichte: Kompagnie A des i. Minnesotaer Regiments zählte unter 118 Mann 47 Deutsche. Davon fielen oder starben an Wun- den 14, 30 wurden verwundet, und nur 3 von jenen 47 Deutschen kamen heil aus dem Kriege zurück. Das 2. Minnesotaer Regiment kämpfte fast stets an der Seite des 9. Ohioer und nahm ruhmreichen Anteil an dem entscheidenden Bajonettangriff der deutschen Neuner bei Mill Spring. Texas. Das i. loyal Texas-Regiment, 600 Mann, war fast ganz deutsch. Michigans 4872 deutsche Soldaten standen sämtlich in gemischten Regimentern. Westvirginia stellte eine deutsche Batterie. Das i. und 2. Kansas- Regiment bestanden zur Hälfte aus Deutschen. Das i. Jowa- Regiment ebenfalls. Die übrigen Jowaer Deutschen, meistens Schleswig-Hol- steiner, standen in gemischten Regimentern. Aus Nebraska war das i. Reiter- Regiment (Oberst Bäumer) halbdeutsch. Von Kentucky kamen die halbdeutschen Regimenter 5 und 6, beide aus Louisville. Das 6. Kentucky-Regiment galt als das tüchtigste des Staates. Reiter-Regiment Nr. 2 und Stones Batterie enthielten viele deutsche Mannschaften.

Halbdeutsche Regimenter hat es weit mehr gegeben als rein- deutsche, doch ist es jetzt nicht mehr möglich, sie alle noch auf- zuzählen.

Der Kampf um Missouri.

Die Rettung von St. Louis.

Der erste Sieg ein deutscher Sieg. General Grants Beurteilung dieses Erfolges. Die Deutschen als Träger und Hüter der Unionstreue in Missouri. 8000 deutsche Freiwillige und Heimwehrmänner sofort in Reih' und Glied. Eroberung von Camp Jackson durch die Deutschen.

Das erste aggressive Vorgehen der Union fand am 10. Mai 1861 in St. Louis statt. Dabei ergab sich für die Deutschen die Gelegen- heit zu einer selbständigen großen Tat, zu ihrer ruhmreichsten Einzeltat während des Bürgerkrieges. Sie retteten die wichtigste Stadt des Westens vor einem Handstreiche der rebellischen Staats- regierung von Missouri, zwangen die in Camp Jackson (innerhalb der Stadtgrenzen) aufgestellten Sezessionisten zur Übergabe und erbeuteten die aus den Zeughäusern geraubten Waffen. Das alles geschah ohne Kampf durch Umzingelung des Rebellenlagers. Zu Heldentaten bot sich keine Gelegenheit. Aber daß man eine Über- macht entwickeln und ohne Opfer einen Erfolg von weittragender Bedeutung erringen konnte, ist als eine Großtat anzusehen und das Verdienst dafür gebührt den Deutschen.

Schon die nächsten Folgen jener Überrumpelung waren sehr erhebhch. In St. Louis befand sich das größte Zeughaus im Westen der Union. Aus diesem Arsenal sollten die Freiwilligen der angren- zenden Nordstaaten mit Waffen und Ausrüstung versehen werden. Auf diese für gegen 30 000 Mann ausreichenden Waffen hatten es die Rebellen abgesehen. Soldaten hatten die Sezessionisten in Mis- souri genug, aber die Waffen fehlten ihnen. Während der ganzen

192 W. Kaufmann.

ersten Kriegszeit, ja schon längst vor dem Ausbruch der Feind- sehgkeiten hatten die Südlichen sich der meisten Zeughäuser be- mächtigt, welche im Bereiche des Sezessionsgebietes lagen ^). Ein im Nordwesten von Missouri, in Liberty, belegenes kleineres Arsenal war von den Rebellen schon am 20. April erobert worden und die in Camp Jackson gefangenen Truppen waren meistens mit den in Liberty geraubten Waffen versehen^). So ist schon die Rettung des St. Louiser Zeughauses eine Tat von großer Wichtigkeit gewesen. Die Rebellen hätten sofort ein starkes Heer in St. Louis versammeln können, wenn ihnen das Arsenal zugefallen wäre.

Aber die große Bedeutung jenes deutschen Sieges liegt doch in anderen Dingen. Nicht nur die Waffen wurden gerettet, sondern St. Louis selbst wurde davor bewahrt, eine wichtige Festung der Sezession und ein Ausfalltor nach den Freistaaten des Westens zu werden.

In dem Buche »General Grant around the world«, von Grant seinem Biographen J. R. Young diktiert, kommt Band II, S. 465, folgende Stelle vor:

»Man hat fast ganz die glänzenden Leistungen vergessen, welche im Anfange des Krieges in Missouri vollbracht wurden. Wenn St. Louis damals von den Rebellen gekapert worden wäre, so würde das einen gewaltigen Unterschied in der Kriegführung bedeutet haben. Es wäre eine furchtbare Aufgabe gewesen, St. Louis zurück- zuerobern, eine der schwierigsten, welche einem Feldherrn gestellt werden könnten. Statt eines Feldzugs vor Vicksburg wäre dann ein solcher vor St. Louis notwendig geworden.«

Obiges Urteil des Bezwingers von Vicksburg wird schwerlich angefochten werden. Sodann ist die moralische Wirkung zu be- denken, welche eine Eroberung dieser Großstadt durch die Rebellen

1) Bereits Anfang Februar 1861 wurde das Unionsarsenal in San Antonio, Texas, geplündert.

2) Einen Versuch zur Eroberung des St. Louiser Zeughauses hatten die Rebellen schon am 20. April unternommen. Aber sie mußten auf dem Marsche den deutschen Stadtteil durchschreiten und wurden dort von einer nach Tausenden zählenden Volksmenge aufgehalten, welche ihnen zurief: »Die schwarzen Jäger kommen.« Darauf machten die Rebellen kehrt und verzichteten vorläufig auf Ausführung des Planes. Das konföderierte Lager in Camp Jackson wurde dann errichtet, um mit stärkerer Macht das St. Louiser Arsenal angreifen zu können.

Die Rettung von St. Louis. 193

auf die angrenzenden Nordstaaten geäußert hätte. Der Krieg konnte dann sofort nach dem Norden verlegt werden. Der wichtige Grenzstaat Kentucky hätte seine Neutrahtät nicht bewahren können, wenn der konföderierte Handstreich auf St. Louis geglückt wäre. In einer solchen Krisis steht ein beträchtlicher Volksteil zunächst beiseite und wartet ab, wie sich der Kampf entwickelt. Aber der erste größere Erfolg der einen Partei bringt jene Schwankenden und Zögernden zur Entscheidung. Erst nach dem Siege in der Mobschlacht von Bull Run I stand das ganze Südvolk einig zur Konföderation. Daß ein sezessionistischer Erfolg in St. Louis auf die Hunderttausende von Mittelparteilern in Missouri, Kentucky, auch sogar in Süd- Illinois und in Tennessee ähnlich gewirkt haben würde, ist durchaus anzunehmen.

St. Louis bedeutete für den Staat Missouri damals, was etwa Kopenhagen für Dänemark darstellt. Die Stadt war das Herz des ganzen Staates. Ohne St. Louis konnte Missouri niemals ein An- hängsel der Baumwollenstaaten werden, mit St. Louis aber wurde der bedeutendste aller Grenzstaaten Feindesland für die Union. Aus allen diesen Dingen geht hervor, daß die Rettung von St. Louis durch die Deutschen als einer der bedeutungsvollsten und weit- tragendsten aller Unionssiege während des ganzen Bürgerkrieges anzusehen ist. ^ ^

Zwischen den rebellischen Baumwollenstaaten und dem freien Norden lagen die Grenzstaaten Missouri, Kentucky, Maryland und Delaware. Das waren Sklavenstaaten, und die größere Mehrheit ihrer Bewohner sympathisierte mit dem Süden. In Maryland und Delaware wurde der sezessionistische Geist durch die zum Schutze Washingtons anrückenden nördlichen Heere erstickt, aber für den Schutz von Missouri und Kentucky hatte die Bundesregierung keinen Mann und keinen Dollar übrig. So trieben diese beiden westlichen Grenzstaaten immer mehr der Konföderation zu, zumal die Staatsregierungen in den Händen von Sezessionisten lagen. Als Lincoln am 15. April die ersten 75 000 Freiwilligen zu den Waffen rief und Missouri 4000 Mann dazu stellen sollte, antwortete ihm Missouris Gouverneur Jackson: »Ihre Requisition ist ungesetzlich, verfassungswidrig und revolutionär, in ihren Zwecken unmenschlich und teuflisch, und es kann ihr nicht entsprochen werden. Nicht einen Mann wird Missouri stellen für einen so unheiligen Krieg ! «

W. Kaufmaaa, Die Deutschen im amerikao. Bürgerkrieg. lo

194 W. Kaufmann.

Die Landbevölkerung von Missouri hatte sich eigenthch schon seit fast acht Jahren in einer Art von Kriegszustand gegen die Union befunden. Es sei da erinnert an die Kämpfe in und um den Nachbarstaat Kansas. Dieser sollte wesentlich durch die Missourier Hilfstruppen zu einem Sklavenstaate gemacht werden. Ein furcht- barer Buschkrieg, Mann gegen Mann, Farm gegen Farm, hatte in Kansas gewütet, wesentHch gefördert von den Missourier Grenz- strolchen. In diesen Kämpfen war das Volk beträchtHch verroht, und das Mißlingen des Sklavenhalter-Attentats auf Kansas hatte auch eine sehr starke Erbitterung bei den Missourier Helfershelfern hinterlassen. Bei Ausbruch des Krieges war der Rebellionsgeist in Missouri fast so rege wie im Sezessionsgebiete. Das wird ersichtlich aus den blutigen Verfolgungen der wenigen Missourier, welche der Union treu gebheben waren und welche den Mut hatten, für ihre Gesinnung einzustehen.

Der Staat zählte 1860 rund i 200 000 Einwohner, darunter nur 115 000 Sklaven. Aber der nichtdeutsche Teil des weißen Volkes, die Angloamerikaner, Irländer, Franzosen usw., waren zum größten Teil sezessionistisch gesinnt, namentlich in der länd- lichen Bevölkerung. In der Stadt St. Louis wohnten unter 170000 Ein- wohnern ungefähr 60 000 Deutsche, Schweizer und Elsässer. Diese waren sämthch unionstreu, die wenigen Ausnahmen konnte man an den Fingern abzälüen. Unter der angloamerikanischen Bevöl- kerung der Stadt befanden sich nur einzelne aufrichtige und mutige Unionsfreunde. Sie traten sofort hervor und wurden infolge ihrer einflußreichen Stellung die Führer der Deutschen. Zu nennen ist da besonders Frank P. Blair, ein Bruder des Montgomery Blair, welcher Minister in Lincolns Kabinett war, ferner Gratz Brown und Kapitän Lyon, der Führer der regulären Soldaten, welchen der Schutz des Zeughauses oblag. Aber dieses Element war sehr wenig zahlreich, und nur in dem einen der fünf (sonst deutschen) Regi- menter standen 400 Angloamerikaner. General Grant, der lange in St. Louis und Umgebung gelebt hat, spricht von der Stadt als einem »Rebellenneste«. Auch von dem Waffenbruder Grants, dem späteren General W. T. Sherman, liegt ein ähnliches Zeugnis vor. Sherman erzählt in seinen Memoiren, daß die Besatzung von Camp Jackson zum großen Teil aus Söhnen der besten Familien von St. Louis bestanden habe. Zufällig weilten sowohl Grant als Sher- man bei Ausbruch des Krieges in St. Louis, und beide befanden sich

Die Rettung von St. Louis. 195

unter den Zuschauern der Kapitulation von Camp Jackson. Es ist jedoch hervorzuheben, daß nach der Einnahme des Lagers die Stimmung unter den Angloamerikanern unionsfreundlicher wurde. Man erkannte dann erst die Gefahr, in welcher die Stadt geschwebt hatte. Unter der Unionsflagge konnte St. Louis nicht sofort in die Kriegswirren hineingezogen werden und tatsächlich ist das auch während des ganzen Krieges nicht geschehen. Jedoch für die Zeit vor dem lo. Mai trifft die Bezeichnung Grants (ein Rebellennest) durchaus zu.

Die Ursachen jener Stimmung liegen wesentlich in den lang- jährigen Handelsbeziehungen der Stadt mit den Baumwollenstaaten. Hauptsächlich durch diesen Verkehr war St. Louis groß und reich geworden. Bedeutende Rhedereien bestanden dort schon seit langer Zeit. Die Dampfer fuhren mit Waren beladen auf der bequemen Wasserstraße des Mississippi südwärts und kehrten mit Baumwollen- fracht zurück. So standen der Großhandel, die Eisenbahn- und Schiff- fahrtsinteressen, die Banken, die gesamte engHsche Presse, mit Aus- nahme des »Democrat«, auf selten der Sezession, und auch auf das irische Element, 30000 Seelen, hatte sich diese Stimmung ausgedehnt.

Ganz anders aber war es bei den Deutschen. Diese standen Mann für Mann für die Union ein, wesentlich infolge der sehr wir- kungsvollen Agitation der vielen achtundvierziger Flüchtlinge, zu denen sich die älteren deutschen Führer aus der sog. »grauen« Ein- wanderung der dreißiger Jahre gesellt hatten. Übrigens kann man sagen, daß die breite Masse der St. Louiser Deutschen damals be- geisterungsfähiger und weniger eigenbrödelig war als in späterer Zeit. Der Pulsschlag einer großen Zeit wurde von unseren Lands- leuten stark empfunden. Von dieser Stimmung hatten die sog. führenden Kreise der Stadt keine Ahnung. Die sezessionswütigen Handelsherren wußten nicht, was in den deutschen Zeitungen stand, was in den zahlreichen deutschen Volksversammlungen ge- redet wurde, was in den Turnhallen geschah. Amerikanertum und Deutschtum standen sich weit fremder gegenüber als später. Der echte Angelsachse sah noch weit hochmütiger als zu unserer Zeit auf den »Dutchman« herab, und der Deutsche war unter der Füh- rung der Achtundvierziger zu einer weniger auffälligen Unter- schätzung seines eigenen Wertes gelangt.

Es wurde schon vor der Lincolnwahl von 1860 unter den Deut- schen von St. Louis eine politische Einheit geschaffen, wie sie unter

13*

196 W. Kaufmann.

unseren Landsleuten leider sonst niemals bestanden hat. Karl Schurz, der durch seine flammenden Reden allgemeine Aufmerk- samkeit zu erregen begann, vertrat in einer großen Volksversamm- lung die Prinzipien der republikanischen Partei in meisterhafter Weise und entfesselte den stürmischen Beifall seiner Tausenden von deutschen Zuhörern. WilHam H. Seward, der von Lincoln auf dem Parteitage besiegte Präsidentschafts- Kandidat, hatte in einer denkwürdigen Rede in St. Louis sich folgendermaßen geäußert:

»Man hat mir überall, wohin ich in Missouri kam, gesagt, die republikanische Partei dieses Staates bestehe namentlich aus der deutschen Bevölkerung. Ich freue mich, daß dem so ist. Denn wo immer die Deutschen hinkommen, ist es ihre Aufgabe, der Frei- heit eine Gasse zu bahnen. Wer das Recht gegen das L'nrecht ver- teidigt, ist überall an seinem Platze, wo immer er geboren sei. Laßt also getrost Missouri germanisiert werden. Es war der germanische Genius, der die , Magna Charta' in England erobert hat, es war die deutsche Philosophie, die, wohin immer sie gedrungen, die Herzen aller freien Männer mit Hoffnung erfüllte, ja es war nur der deutsche Genius, welcher überall auf dem ganzen Erdenrund zur Freiheit ermutigt hat.« »Sind es darum die Deutschen, welche den Staat Missouri freimachen sollen, so laßt es immerhin die Deutschen sein. Doch will ich nicht gerade sagen, daß man da oder dort ge- boren sein müsse, um ein freiheitglühendes Herz im Busen zu tragen ; aber ich behaupte, daß der deutsche Geist der Geist der Toleranz und der Freiheit ist, und daß er die Unterdrückung überall, und in welcher Maske und Vermummung sie auch auftreten möge, bekämpft.«

Für die Bestrebungen der deutschen Unionsfreunde war es von besonderer Wichtigkeit, daß die Deutschen nicht nur in St. Louis in einem eigenen Stadtteil eng beieinander wohnten, sondern daß auch das Deutschtum außerhalb der Stadtgrenzen in schönen, blühenden Siedelungen zusammen saß. Um die Stadt zog sich ein Landkreis, bestehend aus den Counties Franklin, Gasconade, St. Charles und Warren, welcher mit den Stadtdeutschen Fühlung hatte und auch eigene Führer von großer Tüchtigkeit besaß. Fried- rich Münch, unter dem Schriftstellernamen Far West weit bekannt, Gert Göbel, dem wir ein vortreffliches Buch über die erste deutsche Besiedelung Missouris verdanken, der Bundesrichter Kreckel und der wackere Weinbauer Husmann sind da besonders zu nennen.

Die Rettung von St. Louis. 197

Sie waren sämtlich »Graue« und standen bei dem deutschen Land- volke in großer Achtung. Die gesamte deutschgeborene Bevöl- kerung von Missouri zählte nach dem Zensus von 1860 nur 90 000 Seelen, davon kamen aber wohl 80 000 auf St. Louis und dessen Landkreis. Auch am jenseitigen Ufer des Mississippi gab es viele Deutsche. Das Städtchen Belleville in Illinois war eigent- Hch eine deutsche Vorstadt von St. Louis, und man kann den Ort auch als eine kleine deutsche Gelehrtenrepubhk bezeichnen. (Siehe biographischer Teil unter Belleville.) Dort lebte Hecker, und viele andere Achtundvierziger hatten sich dem älteren Kreise der Belleviller deutschen Lateiner angeschlossen. Ganz in der Nähe lag auch die schweizerische Kolonie Highland. Die Landsleute in Illinois standen wesentlich unter dem Einflüsse Gustav Kömers, eines langjährigen intimen Freundes von Lincoln, und auch der Vize- gouverneur von Illinois, Franz Hoff mann, war ein tüchtiger Führer. So waren die Vorbedingungen zu der großen deutschen Erhebung in St. Louis die denkbar günstigsten. Die deutsche Presse der Stadt wurde von den Redakteuren Olshausen, Börnstein, Dänzer, Bernays, Schierenberg in glänzender Weise geleitet. Schon im Januar 1861 konnte man sagen, daß Deutschtum und unionstreue Gesinnung gleich- bedeutende Begriffe waren. Die deutschen Führer im Westen er- kannten bald, daß es zu einem Waffengange mit den Sklavenbaronen kommen würde, und trafen alle Vorbereitungen, um die Unions- freunde im rechten AugenbHck für diese Kämpfe mobil zu machen.

Am 18. April, einen Tag nach seiner frechen Antwort auf Lincolns erstes Truppenaufgebot, stellte Gouverneur Jackson den sog. Minutenmännern (Rebellen-MiHz) das Staatsarsenal zur Ver- fügung. An vielen Straßen in St. Louis hing die Sezessionsfahne aus, namentlich an den zahlreichen Werbebureaus für das Rebellen- heer. Unionstreue Bürger, besonders Deutsche, wurden von der Jacksonschen PoHzei mißhandelt. Einzelne sind spurlos verschwun- den und wahrscheinlich gelyncht worden.

Am I. Januar 1861 hatte der ausgesprochene Rebell C. F. Jack- son das Gouverneursamt in Missouri angetreten. Es kam sofort ein Gesetz zustande, welches die Todesstrafe auf das Entführen eines Negersklaven setzte. Auch ein Milizgesetz, das dem Gou- verneur fast die unumschränkte Verfügung über die Person, das Leben und das Eigentum aller Bürger verlieh. (Börnsteins Me- moiren.) Um die neue Miliz, welche der Sezessionist enarmee dienen

198 W. Kaufmann.

sollte, ZU bewaffnen, fehlte es an Mitteln. Man nahm das für Bil- dungszwecke bereitgestellte Geld und benützte es zu Rüstungen. Allein in St. Louis wurden dadurch annähernd lo ooo Kinder auf die Straße gestoßen (Börnstein.) Der Stadt St. Louis wurde die städtische Polizei genommen und eine neue Staats polizei wurde organisiert, die nur aus Rebellen bestand. Besonders aber ging der neue Gouverneur gegen die Deutschen vor, unterdrückte ihr Theater, desorganisierte ihre Milizen, sperrte die deutschen Ver- gnügungsplätze durch seine Polizei.

Die Deutschen hatten mit ihren Rüstungen schon Anfang Januar 1861 begonnen. Es bildeten sich damals drei deutsche Turner- Kompagnien und das Korps »Schwarze Jäger«, für welche die Rebellenpresse den doppelsinnigen Spottnamen »Black Guards« erfand. Die Turngemeinde von St. Louis zählte um jene Zeit auch 80 angloamerikanische Mitglieder. Diese traten sofort zurück, nachdem ihre deutschen Kameraden mit dem Exerzieren begonnen hatten. Die Vorbereitungen der Turner und der schwarzen Jäger konnten nicht geheim gehalten werden. Der Exerzierplatz war die Turnhalle, und diese war stets von Rebellenspionen und Jack- sonscher Polizei umlagert. Aber diese Polizei war völlig blind, als von einem benachbarten Hause aus der Versuch gemacht wurde, dieses Unionsfort in die Luft zu sprengen.

Die Hauptarbeit für die deutsche Mobilmachung wurde jedoch im stillen getan. Vertrauensmänner durchzogen den deutschen Stadtteil und sicherten sich die Adressen der Landsleute, welche als Frei- willige eintreten wollten, sobald Lincoln endlich das Volk aufrufen würde. Auch für ein Artillerie-Bataillon, welches aus gedienten deutschen Kanonieren bestehen sollte, wurde frühzeitig vorgesorgt.

Die Rebellen machten große Augen, als am 17. April statt der paar hundert Turner und schwarzen Jäger plötzlich vier deutsche Infanterie-Regimenter und eine Artillerie-Abteilung auf- traten und sofort öffentlich zu exerzieren begannen. Tüchtige Offiziere wurden erwählt, und das Missourier- Kontingent von 4000 Mann, welches Lincoln aufgeboten hatte, war bald noch über- troffen, denn das 5. deutsche Regiment wurde organisiert, und außer- dem bildete sich eine deutsche Heimwehr von über 3000 Mann.^)

^) Die Obersten der St. Louiser Heimwehr waren: i. Regiment: H. Alm- stedt; 2. Regiment: Herm, Kallmann; 3. Regiment: John Mc Neil (Oberst-

Die Rettung von St. Louis. 199

Gegen eine solche Macht vermochte Gouverneur Jackson vorläufig nichts auszurichten. Deshalb gründete er Anfang Mai das Kriegs- lager in der Vorstadt und besetzte dasselbe mit drei Regimentern. Die Besatzung sollte verdoppelt werden, sobald die von dem Gou- verneur von Louisiana abgeschickten Waffen eingetroffen waren. In wenigen Tagen hoffte Jackson stark genug zu sein, um mit Über- macht gegen die deutschen Regimenter auftreten und das Arsenal in St. Louis erobern zu können.

Unter den Freiwilligen waren (nur im i. Regiment) 400 Anglo- amerikaner, alle übrigen waren Deutsche (Börnstein). Das I. Regiment, meistens Turner, wählte Blair zum Obersten. Das 2. Regiment erwählte Heinrich Börnstein, Redakteur des >>An- zeiger des Westens«, zum Obersten. Er war in der Jugend öster- reichischer Offizier, dann Journalist, Schauspieler, Barrikaden- kämpfer in Wien, in Amerika Schauspieler und Direktor des deut- schen Theaters, gleichzeitig Redakteur, Verfasser von Romanen, Brauereibesitzer, Wirt. Das 3. Regiment wählte den späteren her- vorragenden General Franz S i g e 1 , das 4. (schwarze Jäger) Oberst Schüttner. Dazu kam noch etwas später das 5. Regiment unter C. Eberhard Salomon.

Die deutschen Truppen hatten jedoch noch keine Waffen. Da lag das ünionsarsenal vollgestopft mit allem Kriegsbedarf, und die Männer, welche die Union verteidigen wollten, konnten nicht zu den Waffen gelangen. Lincoln hatte Bedenken. Er fürchtete, die Rebellen in Missouri aufzureizen durch die Öffnung des Arsenals

leutnant Fritz) ; 4. Regiment: Oberst Gratz Brown; 5. Regiment: Chas. G. Stiefel. Mc Neil und Gratz Brown waren unionstreue, deutschfreundliche Anglo- amerikaner. Aber die Mannschaften auch des 3. und 4. Heimwehr-Regiments waren Deutsche. So war St. Louis am 23. April von ungefähr 8000 bewaff- neten Deutschen geschützt.

Auch im Innern des Staates errichteten die deutschen Farmer sofort Heimwehr-Organisationen. Ihre Führer: In Gasconade Co., Oberstleutnant Jul. Hundhausen und Major Dalimeyer; In Coopers Co., Major J. Eppstein, St. Charles, Oberst A. Krekel; Pazific-Bataillon : Major W. C. Inks; Benton Co.: Oberst H. Imhauser; Moniteau: Major F. Potthoff; Cape Girardeau: Major G. H. Cramer; Maries Co.: Oberst Franz Wilhelmi. Außer den fünf deutschen FreiwilHgen-Regimentern von St. Louis wurde noch eine starke deutsche Pionierabteilung unter den Kapitänen Vörster, Gerster und Krausnick gebildet.

200 W. Kaiifmann.

an Soldaten, welche doch eigentlich keine gesetzliche Stellung in der Armee innehatten. Als Missouri-Miüz konnten sie nicht gelten, denn sie wollten ja die rebellische Regierung ihres Heimatstaats bekämpfen. Als reguläre Soldaten der Bundesarmee wollten sich die deutschen Freiwilligen aber nicht einreihen lassen, denn sie kannten den Korporalsstock, der in der regulären Armee in An- wendung war^). Dem Minister Montgomery Blair gelang es endhch am 22. April, den Präsidenten sozusagen beim Portepee zu fassen und von ihm die Freigabe des Zeughauses zu ertrotzen. Das ge- schah aber erst, nachdem die deutschen Regimenter gedroht hatten, nach lUionois hinüberzuziehen und sich dem Gouverneur dieses Staates zur Verfügung zu stellen.

Am 23. April zogen die deutschen Regimenter nach dem xA.r- senal, wurden dort von dem früheren Kapitän, jetzigen Brigadier- general Lyon vereidet und sofort ausgerüstet. Auch die deutschen Heimwehr-Organisationen wurden sofort bewaffnet. Ein Teil der übrigen Waffen des Arsenals wurde unter Oberst Börnsteins Lei- tung nach Illinois geschickt, um die Freiwilligen jenes Staates damit zu versehen. Die St. Louiser deutschen Feldregimenter exerzierten nun täglich mit Waffen auf dem Platze des Arsenals, und auch die deutsche Artillerie unter Major Backhoff und Kapitän Neuhauser konnte sich endhch mit ihren Geschützen beschäftigen.

Nach wenigen Tagen besaß St. Louis zwei feindliche Garni- sonen, die konföderierte in Camp Jackson, die unionstreue im Ar- senal. Gouverneur Jackson bemühte sich, möglichst viele Mann- schaften nach Camp Jackson zu werfen, aber seine Leute deser- tierten massenhaft, nachdem sie von der Stärke der Deutschen er- fahren hatten. General Lyon wollte möglichst rasch gegen das Lager vorrücken, wurde jedoch durch seinen Chef, den noch von der Friedenszeit her im Westen befehlenden General Harney (wahr- scheinlich einen verkappten Rebellen) daran verhindert. So ver- strichen Tage und Wochen, ehe etwas geschah. Am Morgen des 9. Mai erfuhr Lyon, daß die von Louisiana gelieferten Waffen in Camp Jackson eingetroffen seien, und auf Blairs Rat beschloß Lyon vor-

1) Strafmittel für Disziplinvergehen in der regulären Bundesarmee: am Daumen aufgehängt werden; ein altes Sirupfaß, dem die Böden ausge- schlagen waren, über dem Leib tragen, um die Fliegenplage über den un- glücklichen Soldaten zu bringen usw. (Schnackes Bericht über die Soldaten- schinderei in der regulären Bundesarmee, Pionier, Jahrgang XI).

Die Rettung von St. Louis. 201

zugehen, ehe sich Jackson weiter verstärken konnte. Er brauchte Pferde für seine Geschütze und mietete dieselben in den Leihställen. Dadurch wurde der bevorstehende Angriff vorzeitig bekannt. Das hatte die Wirkung, daß über 500 Rebellen während der folgenden Nacht desertierten. Die Fahnenflucht dauerte auch am Morgen des 10. Mai fort, und statt der 2000 Rebellen, welche Lyon anzu- treffen erwartete, waren ihrer nur noch 1200, als der Angriff erfolgte.

Eroberungvon Camp Jackson. Mittags am 10. Mai rückte Lyon mit seinen 200 Regulären und den deutschen Regi- mentern auf das Lager los, umzingelte dasselbe, und nach einer halben Stunde kapituHerte der dort befehlende General Frost. Als die Rebellenfahne niederging, schössen die sezessionistisch gesinnten Zuschauer des Ereignisses aus Revolvern auf die deutschen Truppen, und dadurch fielen Kapitän Blandowski^) und zwei Mann von Börnsteins Regiment. Die Freiwilligen feuerten dann, ohne auf Kommando zu warten, und töteten 15 sog. »Zuschauer«.

II IG Mann und 75 Offiziere wurden gefangen genommen, die gestohlenen Waffen von Liberty wurden zurückerobert und mit den Gefangenen nach der Stadt gebracht. Die Rebellen in St. Louis schäumten vor Wut. Freie Amerikaner waren durch »käufliche Hessen« (so wurden die Verteidiger der Bundesflagge von sezessio- nistischen Zeitungen in St. Louis genannt) gefangen worden! Der Zug mit den Gefangenen mußte durch die Stadt, um nach dem Arsenal zu gelangen. Die Straßen wurden von dem Rebellenmob blockiert. Jeden Augenblick drohte es zum Strai3enkampf zu kom- men. Durch die Ruhe der Sieger, die für alle Beschimpfungen taube Ohren hatten, wurde damals noch der Kampf vermieden. Später, als die mobilen Regimenter zur Säuberung Missouris aus- gerückt waren und nur die deutsche Heimwehr in der Stadt ver- blieben war, hat es leider noch blutige Straßenkämpfe gegeben.

In der folgenden Nacht versuchte der Mob einen Handstreich auf die deutschen Zeitungen und den »Democrat«. Aber man war vorbereitet. Als der Mob die Büchsen der deutschen Turner er- blickte, zog er ab^). Von den Beschimpfungen, die es in der

1) Dieser deutsche Kapitän war der erste Offizier der Unionsarmee, welcher gefallen ist.

1) Übrigens hat sich auch der damahge Polizeichef sehr wacker um die Aufrechterhaltung der Ordnung bemüht, obschon seine Mannschaft aus Se- zessionisten bestand.

202 W. Kaufmann.

St. Louiser Rebellenpresse damals auf die Deutschen regnete, will ich nur anführen, daß behauptet wurde, »die Deutschen hätten sich in unberufener Weise in sie nichts angehende amerikanische Ange- legenheiten gemischt«.

Einige der Führer des St. Louiser Deutschtums in jenen ersten kritischen Tagen des Bürgerkrieges mögen genannt werden. Von Olshausen, Börnstein, Münch, Hecker, Körner und Göbel war schon die Rede. Dazu sind zu rechnen Sigel, Bernays, Dr. Hammer, Osterhaus, Hertle, Schnacke, Dr. Weigel, Dr. Döhn, Hugo Gollmer, Gouverneur Hoffmann, C. Eberhard Salomon, Richter Krekel, die Engelmanns, Hilgards und Ledergerbers aus Belle ville. Dänzer blieb mehr im Hintergrunde. Das schönste an der Sache war, daß sich kein Streber unter den deutschen Führern befand, daß niemand es versuchte, für sich Lorbeeren zu pflücken, daß alle diese wackeren Männer der von jeder Selbstsucht freie Geist der Pflichterfüllung beseelte. Man wird in der amerikanischen Geschichte wenig Beispiele einer derartig selbstlosen Hingabe, einer solchen Reinheit der Motive und eines Idealismus finden, der so mit Klugheit und mit Wachsamkeit gepaart war.

Vergebens sucht man in den vielen englisch geschriebenen Kriegsgeschichten nach einer gebührenden Anerkennung jenes ersten und so überaus ruhmvollen Auftretens der Deutschen im Bürgerkriege. Soweit jene Tat überhaupt erwähnt wird, geschieht es in Verbindung mit Lobpreisungen auf Blair und Lyon allein. Auch General Grant, welcher die Folgen der Einnahme des Lagers klar erkannte, sagt im Anschluß an die eingangs zitierte Stelle:

»Wir verdanken die Rettung von St. Louis Frank Blair und General Lyon, hauptäschlich Blair. Es war notwendig, rasch einen entscheidenden Schlag zu tun, und dazu entschloß sich Blair. Blair rief seine deutschen Regimenter herbei, stellte sich unter Lyons Befehl, ging gegen Camp Jackson vor, drohte zu feuern, falls die Rebellen im Lager nicht kapitulieren würden, und brachte dann die ganze Bande als Gefangene nach St. Louis.«

Den ganzen Ruhm spricht Grant Herrn Blair zu, die Deutschen werden nur sozusagen als Mitläufer behandelt. Blair rief »seine deutschen Regimenter herbei!« Diese Truppen waren nicht Blairs

Die Rettung von St. Louis. 203

Schöpfung, sondern ausschließlich das Werk der deutschen Pa- trioten. Und vor wem hat denn das Rebellenlager eigentlich kapi- tuliert? Etwa vor Herrn Blairs schönen Augen? Sicherlich nicht, sondern nur vor den deutschen Bajonetten. Das war's allein, wodurch die Kapitulation erzwungen wurde. Ohne diese deutschen Soldaten wäre Herr Blair eine Null gewesen. Blairs Wirken soll gewiß nicht unterschätzt werden. Angesichts der feigen und verräterischen Haltung der Masse der Angloamerikaner in St. Louis ist es im hohen Maße rühmenswert. Dasselbe gilt von Lyon. Diese beiden Männer waren die gegebenen Führer der von den Deutschen getragenen Bewegung. Blair war Lincolns Ver- trauensmann in Missouri, Lyon der einzige unionstreue Berufs- offizier am Platze. Aus diesen Gründen, sowie weil die deutschen Regimenter eine irreguläre Truppe weder Staatsmiliz noch Bundesmilitär darstellten, verzichteten die Deutschen auf Anteil an der Oberführung und unterstellten sich Blair und Lyon. Aus dieser Lage hat sich dann später die Anschauung entwickelt, daß die Deutschen nur Mitläufer gewesen seien, während doch sie allein der ganzen Aktion die zum Siege führende Wucht gegeben haben. Die schönsten Blätter in dem Lorbeerkranze, der in St. Louis er- rungen wurde, gebühren nicht jenen beiden Führern, sondern den deutschen Patrioten. Denn diese hatten nicht nur die Scharen gestellt, sondern auch sämtliche Offiziere außer Blair und Lyon. Und die Deutschen waren es auch gewesen, welche, wie Herr Seward zugesteht, in dem sezessionswütigen Missouri die Begeisterung für Menschenrechte entzündet und gehütet, die Aufrechterhaltung der Union zu einer Lebensfrage gemacht und der Unionssache Haltung und Rückgrat verliehen hatten. Man stelle sich einmal vor, die Irländer hätten jene Tat vollbracht, welches Aufsehen würde dann wohl davon gemacht werden.

General Grant schließt seine Bemerkungen folgendermaßen: »Die Eroberung des Camp Jackson hatte eine gute und eine schlechte Wirkung. Viele Unions-Demokraten wurden dadurch gereizt, sie erblickten darin eine Verletzung der Staatenrechte. Es wurde behauptet, daß die Regierung allzu schroff vorgehe. Sodann hat die Tatsache, daß Deutsche dazu benützt wurden, um Amerikaner abzufangen (to coerce Americans) freie Amerikaner, welche in ihrem eigenen vom Gouverneur des Staates eingerichteten Lager standen , Veranlassung zu Wider-

204 W. Kaufmann.

Spruch gegeben (gave offense). Aber kein wirklich loyaler Mann, dem die Union das Höchste war, hat jemals jenes Vorgehen miß- billigt. — Die Eroberung jenes Lagers rettete uns St. Louis, er- sparte uns eine lange und schreckliche Belagerung der Stadt und war einer der besten Erfolge des ganzen Krieges.«

Die starke Rücksichtnahme auf die Gefühle der in der Staaten- rechtslehre befangenen Unionsdemokraten erklärt sich zum Teil daraus, daß Gen. Grant selbst diesem Kreise bisher angehört hatte. Und wenn er hinzusetzt, daß die Unionsdemokraten entrüstet darüber waren, daß »Deutsche dazu benützt wurden, um freie Amerikaner abzufangen«, so will er offenbar nur die damahge Stim- mung jener Unionsdemokraten schildern. Die naive Art der Dar- stellung läßt erkennen, daß die Absicht einer Beleidigung der Deut- schen ihm sicherlich ferngelegen hat.

Wenn Gen. Grant jedoch auch eine »schlechte Wirkung« in der Eroberung von Camp Jackson findet, so liest sich das fast wie eine Rechtfertigung jener Verfassungsklauber, welche zur Zeit der Krisis sich zuerst fragten, ob die Union auch das Recht habe, sich zu wehren, als ihr die Mörder an die Gurgel fuhren. Und bei all dieser Rücksicht auf die Staatenrechtler findet Herr Grant nicht ein einziges Wort der Anerkennung für die Deutschen.

Grant war kein Mann von höherer Bildung, kein Motley und kein Bancroft, Everett, Longfellow, Emerson, Whittier, Parker, Bayard Taylor, auch kein Seward, Sumner oder Garfield. Eine Würdigung des deutschen Geistes, wie wir sie bei diesen und bei noch manchen anderen großen Amerikanern finden, kann man bei Gen. Grant nicht erwarten. Er kennt nur den deutschen Ar- beitsmann, der arm und landhungrig nach Amerika gekommen ist, den Deutschen, welchen man »benützen« kann, sei es als Kul- turdünger, sei es zum Dreinschlagen. Daß es der deutsche Genius gewesen ist, welcher die Magna Charta erobert hat, war Herrn Grant völlig fremd, obschon Senator Seward dieses doch erst kurz vorher in St. Louis dargelegt hatte. Es spricht aus Gen. Grant die durch Erziehung und Gewöhnung gezeitigte und schließlich als etwas ganz Berechtigtes empfundene Gesinnung, daß die Ein- geborenen eine Art höherer Wesen gegenüber den Eingewanderten darstellen. Daß Deutsche einen amerikanischen Patriotismus be- weisen können, welcher sich in Taten umsetzt, die den Leistungen der Helden des Revolutionskrieges gleichzustellen sind, ist für

Die Rettung von St. Louis. 205

Leute seines Schlages ganz unbegreiflich. Er und MiUionen von Gesinnungsgenossen kennen nur eine Art von Amerikanern, die »Americans of yesterday«, wie Motley die eingeborenen Amerikaner zutreffend bezeichnet hat. Man hat es in diesen Dingen mit einem krankhaften Auswüchse des Nationalgefühls zu tun.

Es ist in neuerer Zeit etwas besser damit geworden infolge des steigenden Ansehens des Deutschen Reiches. Die staunens- werte wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands, das deutsche Heer und die starke Flotte haben einigen Respekt eingeflößt, aber von der Kulturmacht des deutschen Geistes findet man auch jetzt noch recht selten eines Hauches Spur unter den breiten Massen des amerikanischen Volkes^).

Der erste Feldzug im Staate. Boonviile und Carthage.

Sigels erstes Rückzugsgefecht. Der Rücktritt der Dreimonats-Freiwilligen.

Nachdem der Anschlag der Sezessionisten auf die Stadt St. Louis in der geschilderten Weise vereitelt worden war, handelte es sich darum, die übrigen Teile des Staates rasch zu besetzen, um der großen Zahl der Missourier, welche in ihrer Parteinahme noch schwankten, die Macht der Union zu beweisen und sie einzuschüch- tern. Ein schöner Anfang war damit bereits gemacht worden durch die Wegnahme der Waffen in Camp Jackson und durch die Be- hauptung des St. Louiser Arsenals. Die konföderierten Truppen in Missouri waren damals noch ein schlecht bewaffneter Mob. Mit 25 000 Unionssoldaten hätte man die wichtigsten Plätze des Staates leicht besetzen können. Diese Truppen waren in den Nachbar- staaten schon vorhanden, allerdings waren es nur rohe Rekruten,

^) Für obige Darstellung der deutschen Erhebung in St. Louis wurden benützt: Friedrich Schnackes Aufsätze im Cincinnatier Pionier, Jahr- gang XI und XII, Auszüge aus Krüers Deutsche in Missouri, Börnsteins Me- moiren, Sigels New York Monthly, Schriften von Friedrich Münch, Gert Göbel und Artikel der zeitgenössischen deutschen Presse. Außerdem viel mündlich übermitteltes Material, welches ich Ernst Schierenberg, General Osterhaus und anderen verdanke.

206 W. Kaufmann.

aber als Besatzungstruppen hätten sie wohl genügt. Doch war man behufs Requisition dieser Truppen auf die Washingtoner Re- gierung angewiesen, und diese hatte um jene Zeit völlig den Kopf verloren. Die Entsendung der Mannschaften aus Illinois, Kansas, Jowa und Wisconsin unterblieb, und die Gelegenheit bis Mitte Mai den Staat Missouri in die Hand der Union zu bringen, wurde verpaßt. Ein blutiger Feldzug, der lo Monate gedauert hat, wurde nötig, um zu erreichen, was man bei einiger Energie während der ersten Kriegswochen fast ohne jeden Kampf hätte erreichen können. Die Hauptschuld an diesen Versäumnissen trägt Lincoln selbst, der sich zu keinem aggressiven Vorgehen aufraffen konnte. Er konnte sich nicht einmal entschließen, den angeblich treu gebliebenen General Hamey abzusetzen, der damals in Missouri kommandierte, den Rebellen aber ein Entgegenkommen zeigte, welches sich von offenem Verrat sehr wenig unterschied. Erst nach wochenlangem Zögern wurde Harney entlassen und durch Lyon ersetzt.

Erst Mitte Juni begann der Feldzug, zu dessen Führung noch immer nur die fünf deutschen Regimenter, die deutsche Artillerie und einige Kompagnien regulärer Infanterie und Artillerie zur Verfügung standen. Lyon zog mit der größeren Hälfte dieser Truppen (i. und 2. Infanterie-Regiment und den Regulären) nach dem unionsfreundlichen Nordwest-Missouri, um die dort auftretenden Banden des konföderierten Generals Price zu zerstreuen. Er konnte seine Leute auf Dampfbooten den Missouristrom aufwärts trans- portieren und blieb stets in sicherer Verbindung mit St. Louis. Der Gegner versuchte bei Boonville einigen Widerstand zu leisten, wurde aber durch die schweren Geschütze des Kapitäns Neustädter in Schrecken gejagt und lief davon. Die Konföderierten räumten alsdann die Staatshauptstadt Jefferson City, und Oberst Börnstein etablierte sich daselbst als Mihtär- Gouverneur von Missouri. Die verjagten konföderierten Truppen zogen sich nach dem Südwesten des Staates zurück, wurden aber von Lyon nicht verfolgt, angeblich weil es an Transportmitteln fehlte. Lyon blieb wochenlang untätig bei Boonville stehen, obschon er seinem Kameraden Sigel ver- sprochen hatte, rasch nach Springfield, im Zentrum des Staates, vorzudringen und dort mit Sigel zusammenzutreffen.

Weit schwieriger war die Aufgabe, welche Sigel gestellt wurde. Dieser führte das 3. und 5. deutsche Regiment und die deutsche Artillerie unter Backhoff. Er sollte nach dem rebellischen Süd-

Der erste Feldzug im Staate. Boonville und Carthage. 207

Westen von Missouri vordringen und die dort versammelten Re- bellen zerstreuen. Aber diese waren gegen 4000 Mann stark (unter Gouverneur Jackson) ; ferner waren die von Lyon verjagten Sezes- sionisten ebenfalls nach jener Gegend gezogen, und außerdem lag Südmissouri auf der Marschlinie der aus Louisiana, Arkansas und Texas anrückenden Hilfstruppen, welche die Missourier Rebellen unterstützen sollten. Ferner ging die Eisenbahn, welche Sigel be- nützen konnte, nur bis Rolla und dieser Ort mußte als Basis für die Verpflegung und für Nachschübe dienen, demnach von Sigel besetzt werden. Von Rolla bis Springfield führte eine 120 Meilen lange, schlechte Landstraße. Erst von Springfield aus konnte Sigel an seine Aufgabe herantreten. Der Plan war überhaupt nur ausführbar, wenn Lyon rasch nach Springfield nachgerückt wäre und Sigels Rückendeckung namentlich den Schutz des Proviantdepots in Rolla übernommen hätte. Aber Lyon blieb lange im Norden von Missouri und mutete seinem deutschen Kameraden zu, in völlig isolierter Stellung gegen eine schon damals fünffache Übermacht einen An- griff sfeldzug zu führen.

Sigel tat, wie ihm befohlen, obschon er bei der Fortsetzung seines Marsches von Springfield südwestlich nur noch 11 00 Mann bei sich hatte ^). In Südwest-Missouri gab es nur wenige Unions- freunde, die Bevölkerung bestand dort zu sieben Achteln aus Rebellen. Es mangelte bei Sigel bald an Nahrungsmitteln, denn der Nach- schub von Rolla aus war sehr wenig zuverlässig. So mußten die deutschen Truppen requirieren, wenn sie nicht verhungern wollten. Auf diese durchaus notwendige Maßregel stützten sich die später erhobenen Anklagen gegen die Sigelschen »Barbaren und Räuber«, Anklagen, welche der ünionsgeneral Halleck in amtlichen Berichten wiederholte und zu einer gewaltigen Schandtat der Deutschen aufbauschte. Anfang Juli war Sigel etwa 50 Meilen südwestlich vorgedrungen und stand nun völlig von jeder Unterstützung abge- schnitten im Feindeslande den weit überlegenen Rebellen gegen- über. Aus dieser Lage entwickelte sich das Treffen bei Carthage.

Carthage liegt an der Grenze von Kansas und dem Indianergebiet. Sigels Abteilung bestand aus 950 Mann Infanterie

1) Das 4. deutsche Regiment unter Schüttner war als Reserve in St. Louis zurückgeblieben. Teile der Sigelschen Brigade waren in Rolla, Springfield und an anderen Plätzen zum Schutze der Marschroute usw. zurückgelassen worden.

208

W. Kaufmann.

und der Bedienung von 8 Geschützen. Da es an Reiterei voll- ständig fehlte, so mußten alle Erkundungen durch Infanterie- patrouillen ausgeführt werden. Das ging langsam und führte häufig zu einer Verzettelung der Abteilung. Sigel wußte nur, daß die konföderierten Truppen des Generals Price, 800 Mann, mit denen des Gouverneurs Jackson, 4000 Mann, eine Vereinigung erstrebten, konnte aber nicht feststellen, daß auch der konföderierte General

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Fig. 6. Missouri.

Mc CuUoch mit gegen 5000 Mann heranrückte und schon in seiner Nähe war. Sigel zog zunächst gegen Price, der aber vor ihm flüch- tete, dann traf Sigel am 5. Juli bei Carthage auf Jacksons Truppen. Er schickte seine Plänkler aus, ließ die Artillerie feuern und sagte seinen Offizieren, daß er eine von 4000 Feinden stark besetzte Höhe nehmen wolle. Er schreibt in seinem amthchen Bericht: »In diesem kritischen Augenblick meldete Kapitän Wilkens, Führer der einen Batterie, daß er keine Munition habe und deshalb nicht vorgehen könne. Ein Teil der Truppen am rechten und linken Flügel kämpfte schon mit der feindlichen Reiterei. Ein Vorgehen des Ganzen ohne die Mitwirkung der gesamten Artillerie hätte aber zu einer Deroute

Der erste Feldzug im Staate. Boonville und Carthage. 209

führen können. Daß das Auftreten der konföderierten Kavallerie hinter unserem Rücken eine moralische Wirkung auf unsere Truppen ausüben würde, obschon die wirkliche Gefahr nicht groß war, ist nicht zu leugnen. Aber unser Train wurde durch die feindüchen Reiter stark gefährdet.« x\us diesen Gründen brach Sigel das Gefecht schon ab, ehe dasselbe sich recht entwickelt hatte, schickte die Hälfte seiner Abteilung zur Deckung des Trains weiter zurück und stellte sechs Kompagnien Infanterie und die vier Geschütze des Kapitäns Essig hinter dem Dry Fork-Bache auf, um den Feind aufzuhalten. Ein zweistündiges Gefecht fand hier gegen eine sicher- lich vierfache Übermacht statt. Inzwischen hatte die Kavallerie Sigel völlig umringt, aber alle Versuche, sich des Trains zu bemäch- tigen, wurden abgeschlagen. Sigel verließ dann die tapfer verteidigte Stellung Dry Fork und zog sich in bester Ordnung, aber noch stundenlang vom Feinde umschwärmt, nach Springfield zurück. Sigel verlor 13 Tote und 31 Verwundete, der Feind nach dessen Berichten nur wenig mehr.

Aus diesem kleinen Scharmützel wurde von Sigels Freunden (nicht von Sigel selbst) ein großer Sieg gemacht. Selbst Friedrich Kapp feierte Sigel (in der Einleitung zu Kapps Biographie de Kalbs) als den Sieger von Carthage. Sigel hat sich offenbar nicht ohne jeden Kampf versuch vor der Übermacht zurückziehen wollen, er hat wohl gemeint, seine Truppen soUten einmal Pulver riechen und auf ihre Standhaftigkeit geprüft werden. Diese Probe ist sehr befriedigend ausgefallen, die Verteidigung der Stellung von Dry Fork war glänzend, und auch der Rückzug wurde gut durch- geführt. Dagegen macht es einen wenig erfreulichen Eindruck, wenn man hört, daß die Batterie Wilkens^) keine Munition hatte, als sie schießen sollte, und außerdem war es doch gewiß sehr gewagt, den Train drei Meilen hinter der Front ohne Schutz zu lassen, na- mentlich da es wohl bekannt war, daß der Feind über eine sehr starke Reiterei verfügte. Wenn der Train in die Gewalt des Feindes gefallen wäre, so war die Sigelsche Abteilung ohne Subsistenzmittel. Auch kann man Sigel den Tadel nicht ersparen, daß er seine Kom- pagnie Conrad, zehn Prozent seiner Mannschaft, in Neosha zurück- gelassen hatte, um dort einige unionstreue Bürger zu schützen.

^) Wilkens, dem diese Nachlässigkeit wohl zur Last fällt, verschwindet von jenem Tage an aus der Kriegsgeschichte.

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 14:

210 W. Kaufmann.

Gutherzigkeit ist gewiß lobenswert, aber zu dem rauhen Handwerk des Kriegers paßt sie sehr wenig. Conrad hörte in Neosha die Ka- nonen von Carthage und wollte sich zurückziehen, als er von 2000 konföderierten Reitern umzingelt wurde und kapitulieren mußte. Diese Reiter waren die Vortruppen des konföderierten Generals Mc Culloch, der mit 5000 Louisianern und Texanern den Missourier Rebellen zu Hilfe kam. So standen am 5. Juli fast 10 000 Kon- föderierte gegen die 11 00 Mann Sigels in nächster Nähe. Hätte Sigel das gewußt, so würde er wohl ohne Kampf nach Springfield zurückgegangen sein, Der Rückzug von Carthage nach Spring- field vollzog sich ohne große Schwierigkeit, und in Springfield war Sigel in Sicherheit, namentlich da bald darauf Verstärkungen zu ihm stießen und endlich auch Lyon dort eintraf.

Nach dem ersten kurzen Feldzuge in Missouri gingen die meisten deutschen Freiwilligen nach Hause. Ihre Dreimonats- Verpfhchtung war vom 20. Juli an abgelaufen. Da nach dem Bericht des General- adjutanten Simson unter den Missourier Deutschen über 10 000 Reen- listments (Neuverpllichtungen ausgedienter Leute) stattgefunden haben, so muß der massenhafte Rücktritt der ersten Dreimonats- Freiwilligen wohl ganz besondere Ursachen gehabt haben. Folgendes sind diese Ursachen (nach Schnacke) :

1. Der Kongreß hatte Mitte Juli, als es sich um den Übertritt der Dreimonats- Freiwilligen in die dreijährige Dienstzeit handelte, das Gesetz für den Dreijahrsdienst noch nicht angenommen. Mehrere Rechtskundige unter den deutschen Freiwilligen behaup- teten, daß die Kapitulanten keine gesetzliche Stellung in der Armee haben würden, wenn der längere Dienst vor der Annahme jenes Gesetzes anfangen würde. Es stellte sich später heraus, daß diese Anschauung richtig war. Diejenigen deutschen Missourier, welche schon Anfang Juli kapitulierten , haben später ihre Pension nur nach langem Warten und nach Überwindung von sehr vielen Schwierig- keiten erhalten können.

2. Die Dreimonatsleute waren von den Behörden sehr schlecht ausgerüstet worden. Sigel berichtet, daß jeder Mann eine wollene Bluse, eine Hose, einen Filzhut, eine kurze Decke und einen Brotbeutel hatte. Diese Ausrüstung habe 3 14 Dollar gekostet. Mäntel, Tornister und Lederzeug gab es nicht. Die Munition wurde

Der erste Feldzug im Staate. Boonville und Carthage. 211

im Brotbeutel getragen. Zwar murrten die Soldaten, deren Be- kleidungsstücke nach drei Monaten völlig abgenützt waren, nicht darüber. Sie wußten wohl, in welcher Eile die Mobilisierung erfolgt war, aber es hätte doch beträchtlich mehr gewährt werden können. Auch war die Verpflegung der Soldaten außerordentlich dürftig. Die Proviantmeister waren noch nicht eingearbeitet, und die Haupt- nahrung bestand aus Crackers. Oft genug mußten die Soldaten hungern.

3. Sodann empfanden es die deutschen Soldaten als unwürdig, daß den Deutschen von Missouri damals fast die ganze Kriegslast aufgebürdet wurde. Unter den gesamten Feldtruppen waren rund 5000 Deutsche und nur etwa 400 Angloamerikaner, und auch bei der Heimwehr herrschten ähnliche Verhältnisse. Im Juli kamen nun die Truppen aus Kansas und Jowa, später auch aus Illinois, Indiana usw. nach Missouri. Es war also Ersatz für die in der ersten Notlage eingesprungenen Deutschen vorhanden. Auch waren die deutschen Soldaten mißmutig darüber, daß Präsident Lincoln, der doch so viele Briefe über die Missourier Kriegsfragen geschrieben hatte, den Deutschen nicht ein Wort der Anerkennung direkt zu sagen wußte. Lincoln hatte sich nur Herrn Bernays gegenüber mündlich bei den Deutschen bedankt. Ein paar Zeilen von Lin- coln, die man publizieren konnte, hätten aber den Soldaten weit mehr Freude gemacht.

4. Unter den Dreimonatsleuten waren sehr viele ältere, schon nicht mehr kriegsfähige Männer. Börnstein und Hecker, welche damals schon über 50 Jahre alt waren, hatten vielen anderen be- jahrten Deutschen ein Beispiel gesetzt. (Hecker diente als Gemeiner in Sigels Regiment.) Diese älteren Leute mußten, weil sie dienst- unfähig waren, nach Ablauf ihrer Verpfhchtung überhaupt zurück- treten. Auch von den jüngeren Soldaten waren viele Familien- väter. Man heiratete damals in jungen Jahren. Einen sehr wesent- lichen Grund des Rücktritts bildeten die damaligen wirtschaft- lichen Verhältnisse in St. Louis. Der Ausbruch des Krieges hatte eine Stockung des Geschäfts bewirkt, und der Kredit war völlig aufgehoben. Die Mehrheit der deutschen Freiwilligen be- stand aber aus Geschäftsleuten und Gewerbetreibenden von St. Louis. Sie waren alle mehr oder weniger auf Kredit angewiesen. Die wirt- schaftliche Existenz sehr vieler deutscher Soldaten stand auf dem Spiele. Ist es da ein Wunder, daß sich die Leute sagten, wir haben

14*

212 W. Kaufmann.

vorläufig genug getan ? Das wichtigste war, daß vor dem Kriege, besonders von den Deutschen, sehr viel in zukunftsreichem St. Louiser Bauland spekuliert worden war. Dieses Land hatte man auf Kredit gekauft, um es in bestimmten Fristen abzuzahlen. Wer aber in jener Zeit eine fällige Schuldrate nicht auf den Tag bezahlen konnte, verlor im Handumdrehen seinen Besitztitel auf das vielleicht schon zur Hälfte bezahlte Land. Ein »Snap Judgement« (Kontumaz- urteil) ließ sich in wenigen Stunden vom Gläubiger erlangen. Der Gläubiger aber erwarb das Grundstück billig, denn andere Käufer waren nicht vorhanden. Börnstein, der damals ein reicher Mann war, erzählt ausführlich, wie er während seiner Soldatenzeit auf diese Weise um zwei sehr wertvolle Grundstücke gekommen ist. 5. Auch die drei deutschen Turner-Kompagnien des i. (Blair- schen) halbdeutschen Regiments gingen nach Hause. Hierbei spielten außer den angeführten Gründen noch andere mit. Die Turner fühlten sich nicht wohl in dem gemischten Regiment, namentlich da der Oberstleutnant Andrews ein Nativist war. Die Kompagnien unterbreiteten ihre Beschwerden dem General Lyon. Sie erboten sich (19 Tage vor der Schlacht von Wilsons Creck) weiter zu dienen, wenn Lyon glaube, daß bald eine Schlacht bevorstehe. Das konnte Lyon natürlich nicht beantworten. Darauf erboten sich die Turner, noch vier Wochen länger zu dienen, wenn sie aus dem Regiments- verbande ausscheiden und als besonderes Bataillon dem Sigelschen 3. Regiment zugeteilt werden könnten. Das konnte Lyon nicht bewilligen, weil es gegen die allgemeinen Heeresregulationen ge- wesen wäre. So wurde diesen Kompagnien der ihnen von Rechts wegen zustehende Rücktritt quasi aufgezwungen. Man sieht aus allen diesen Dingen, daß es nicht Kriegsmüdigkeit war, was den Rücktritt veranlaßt hat. Auch die deutsche Artillerie, eine schon sehr gut ausgebildete Truppe, in welcher viele Turner dienten, ging aus ähnlichen Gründen nach Hause, und das war der schlimmste Verlust des ersten Missourier Freiwilligenheeres. Sigel, Osterhaus und sehr viele der Infanterieoffiziere verblieben im Dienst, obschon sie seit dem 26. Juli gar keine amtliche Bestallung im Unionsheere innehatten. Etwa 1000 deutsche Soldaten optierten für weitere drei Jahre. Die übrigen kehrten nach St. Louis zurück, und die jungen Leute unter ihnen traten schon Ende August 1861 in die neugebildeten deutschen Regimenter 12, 15 und 17 wieder ein. Nur das Sigelsche 3. Regiment sowie das Börnsteinsche 2. behielten

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek. 213

ihre Organisation auch später bei. Diese Dinge sind deshalb von großer Wichtigkeit, weil sich nur daraus das sonst vöUig un- begreifliche Versagen der Sigelschen Brigade bei Wilsons Creek erklären läßt.

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek.

Am 25. Juh hatte General John C. Fremont den Oberbefehl in Missouri angetreten. Zur selben Zeit, rückten die seit dem Treffen von Carthage vereinigten Rebellenführer Mc Culloch und Price gegen Springfield vor. Dort hatte sich endhch auch Lyon mit Sigel (13. JuH), vereinigt und ersterer hatte den Befehl über beide Abteilungen, ungefähr 6500 Mann, übernommen. Anfang August war das Rebellenheer am Wilsons Creek, etwa zwölf Meilen von Springfield, angelangt und hatte dort, 12 500 Mann stark, ein Lager bezogen. Das erste größere Treffen schien bevor- zustehen, wenn nicht einer der beiden Gegner das Feld räumte. General Lyon schilderte Fremont rechtzeitig seine schwierige Lage und ersuchte um Verstärkungen. Aber der neue Herr wollte die- selben nicht gewähren. Fremont meinte, daß es sich bei Spring- field nur um einen Buschkrieg handle, den Lyon nach eigenem Ermessen fortsetzen möge.

Fremont selbst wollte einen großzügigen Krieg führen, er woUte mit starker Macht den Mississippi hinabziehen, die Rebellen- haufen einzeln schlagen und womögHch in einem Zug bis New Orleans vordringen. Er meinte, dieser Plan sei so vielversprechend, daß die Washingtoner Regierung ihm sehr bald die nötigen Truppen zur Ausführung desselben liefern werde. Bis diese Verstärkungen eintreffen konnten, wollte er aber die in Nordmissouri versammelten Truppen zurückhalten und dieselben nicht für Lyons »Buschkrieg« verzetteln. Sein zu einem beträchtlichen Teil aus Abenteurern (zumeist ehemaligen ungarischen Revolutionären) bestehender Ge- neralstab begünstigte diesen Plan. In dem sehr zahlreichen Stabe befand sich nicht ein einziger kühl urteilender miht arischer Kopf, welcher mit der augenblicklichen Kriegslage zu rechnen wußte, außerdem waren diese Herren ebenso wie Fremont selbst Neulinge in Missouri. Fremont und die Seinen hatten die Kräfte des Gegners stark unterschätzt, und die Hilfe, welche von Washington damals

214 W. Kaufmann.

ZU erwarten war, viel zu hoch bewertet. Nach dem schrecküchen Zusammenbruch von Bull Run I (21. Juli) brauchte man alle da- mals verfügbaren Truppen sehr dringend im Osten, und für Fre- monts »großzügigen« Plan hatte Lincoln nichts übrig.

Genug, Lyon erhielt von Fremont keine Verstärkungen, da- gegen erlitt sein an und für sich schon sehr kleines Heer noch be- trächtliche Abgänge. Die Dienstzeit der ersten Dreimonats-Frei- willigen war abgelaufen, und mehrere tausend Mann des Lyonschen Korps gingen aus diesem Grunde nach Hause, außerdem mußte Lyon noch fünf Kompagnien regulärer Infanterie für den Krieg in Virginien abgeben. So war seine Abteilung trotz einiger Ver- stärkungen Anfang August auf ungefähr 5400 Mann zusammen- geschrumpft. Aber Fremont gab Lyon auch keine Verhaltungs- maßregeln, sondern überließ es seinem Unterführer, nach Belieben zu handeln, entweder sich zurückzuziehen oder dem doppelt so starken Feinde eine Schlacht zu liefern. Ein kriegserfahrener Militär hätte sich in Lyons Lage sicherlich für den Rückzug nach Rolla entschieden. Ein solcher Rückzug wäre durchaus nicht unehren- voll gewesen, denn es hätte herzlich wenig bedeutet, wenn die Sezes- sionisten eine Zeitlang das Gebiet zwischen Springfield und Rolla beherrscht haben würden. Springfield war ein Städtchen von etwa 2000 Einwohnern und damals ohne große militärische Bedeutung. General Lyon besaß nicht die mindeste Rückendeckung. Wenn es seinen 5400 Mann nicht gelang, die 12 500 Rebellen am Wilsons Creek zu schlagen, so war die Gefahr der völligen Vernichtung der Lyonschen Abteilung sehr groß, denn der Feind verfügte über eine sehr starke Reiterei und konnte Lyon im Falle einer Niederlage von dem Verpflegungsdepot in Rolla abschneiden. Außerdem w^ar mit einem etwaigen Siege sehr wenig zu gewinnen, denn ein Sieg konnte doch nicht ausgenützt werden, weil Lyon nur ein paar hundert Reiter hatte. Trotzdem entschloß sich Lyon zum Angriffe, er wollte nicht vor den Rebellen zurückweichen. Am 9. August mittags wurden Lyons Befehle erteilt, wonach Sigel mit 11 18 Mann bei Tagesgrauen am 10. August den südlichen Teil des konföderierten Lagers angreifen sollte, während Lyon selbst mit der Hauptmacht von 4300 Mann gleichzeitig den nördlichen Teil der feindlichen Stellung überfallen wollte. Dieser Angriffsplan bedingte eine Tei- lung des kleinen Heeres und gewährte Sigel eine völlig selbständige Rolle bei der Ausführung desselben.

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek. 215

Lyons Angriffsplan kann man nicht mehr als kühn bezeichnen, es grenzte schon an Verwegenheit, die Teilung des an und für sich viel zu kleinen Angriffshaufens vorzunehmen. Die Konföderierten besaßen die doppelte Übermacht, sie befanden sich in einer guten Stellung, und sie waren ausgeruht, als der Angriff erfolgte, während die nördlichen Truppen vor dem Kampfe erst einen ermüdenden Nachtmarsch zurückzulegen hatten. Mit kriegserprobten Vete- ranen, welche von gut ausgebildeten Offizieren geführt werden, hätte das Wagestück vielleicht einige Aussicht auf Erfolg darge- boten, aber sieben Achtel des kleinen Nordheeres bestand aus jungen Soldaten, denen es an jeder Feldausbildung fehlte und welche von ebenso unerprobten Offizieren befehligt wurden. Nur die etwa 300 Mann der regulären Bundesarmee sowie die in der von Lyon selbst geführten Abteilung kämpfende Bundes-Artillerie konnte als eine den Konföderierten an Kriegstüchtigkeit überlegene Truppe gelten. Die Sigelsche Abteilung, welche von Süden aus vorgehen sollte, befand sich in einer überaus traurigen Verfassung und wäre von einem kriegserfahrenen Führer höchstens als Reserve verwendet worden. Mit einer solchen Truppe ein gefährhches ümfassungs- manöver durchführen zu lassen, war sicherlich ein Vabanque- Spiel.

Der Verlauf der Schlacht berechtigt zu der Vermutung, daß das nördliche Heer den Sieg vielleicht hätte erringen können, wenn es als Einheit vorgegangen wäre. Durch den ersten Ansturm der Lyonschen Abteüung wurde eine beträchtliche Lockerung der konföderierten Stellung bewirkt. Aber es fehlte an einer Reserve, um den erlangten Vorteil auszunützen. Wenn die Sigelschen Truppen bei dem Hauptkorps gewesen und rechtzeitig zum Nachstoßen ver- wendet worden wären, so hätte das feindliche Zentrum vielleicht durchbrochen werden können. Das war die Ansicht der Lyonschen Offiziere, welche sich während der Hauptschlacht tadellos benommen haben. Ob diese Ansicht richtig ist, steht freilich dahin. Vielleicht wäre jener erste Angriff Lyons auch abgeschlagen worden, wenn Sigels Truppen in jener Weise mitgewirkt hätten. Aber jedenfalls lag die Entscheidung dort, wo Lyon kämpfte, und auf diesem Schau- platz hätte jeder verfügbare Mann eingesetzt werden müssen.

Die Lyonschen Offiziere behaupten nun, daß Sigel seinen Ober- general zu jenem Teilungsplan überredet habe, und daß die Schlacht nur verloren wurde, weil Lyon unter dem Einflüsse Sigels gestanden hat. Da diese Anschauung die Grundlage der späteren Anfeindungen

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und Verfolgungen Sigels seitens der Westpointer Offiziere bildet, so ist es von der größten Wichtigkeit, festzustellen, ob Sigel wirk- lich als der geistige Urheber jenes Teilungsplanes angesehen werden kann. Ein völlig genügendes Beweismaterial liegt nicht vor. Lyon fiel im Kampfe. Er hat vor der Schlacht niemandem gegenüber ausge- sprochen, daß er dem Rate Sigels folgte, er hat auch nichts Schrift- liches darüber hinterlassen. Nur der von Lyon unterzeichnete Tagesbefehl für den Angriff ist vorhanden. Dagegen sind die in- direkten Beweise für Sigels Anteilschaft an dem unglücklichen Teilungsplan leider sehr stark.

Am 13. Februar 1862 berichtet Oberst Schofield, welcher bei Wilsons Creek Stabschef des General Lyon gewesen war, an den Obergeneral Halleck (Serie I, Band III, S. 60 des Official Record) wie folgt:

»Am 7. August wurde der Plan eines Angriffs zwischen General Lyon, den Mitgliedern des Stabes, Oberst Sigel und verschiedenen Offizieren der regulären Armee ausführlich besprochen. Sigel, der anscheinend sich um ein selbständiges Kommando bemühte, begünstigte den Angriff von zwei Seiten aus. Alle anderen waren, wie ich glaube, dagegen.« Dieser Bericht Schofields^), welcher außerdem eine überaus scharfe Verurteilung der Sigelschen Ge- fechtsführung enthält, wird unterschriftlich bestätigt von den Offizieren Du Bois, Lotten, Coryn, Lothrop, Burke, Sokalsky, Woods und Barnes. Es ist das wichtig, weil mehrere dieser Offiziere anwesend gewesen sein müssen, als Sigel (nach Scho- field) am 7. August die Teilung des Heeres zuerst vorgeschlagen haben soll.

Am 8. August abends hielt Lyon Kriegsrat. Darüber berichten die Offiziere Steele, Lotten, Du Bois, Granger und Coryn (S. 96 desselben Bandes). Diese Herren sagen, daß Lyon sich für den An- griff aussprach. Derselbe wurde aber um einen Tag verschoben. Dann heißt es wörtlich weiter in jenem Bericht: »In der Zwischen- zeit hatte Oberst Sigel eine Besprechung mit General Lyon und überredete denselben, ihm (Sigel) ein separates Kommando zu geben.« Die Beschwerde gegen Sigel wurde also nicht allein von

^) Verwiesen sei hier noch auf die Beurteilung der Führereigenschaften Sigels durch Schofield, welche man im biographischen Teile unter Franz Sigel finden wird.

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek. 217

Stabschef Schofield erhoben, sondern neun andere Offiziere in höheren Stellungen haben Schofields Behauptungen bestätigt i).

Es ist möglich, daß die Anklagen, welche jene Offiziere gegen Sigel vorbrachten, einen anderen Tenor gehabt hätten, wenn Sigel ein Westpointer gewesen wäre. Dagegen ist aber auch hervorzu- heben, daß sich die Lyon sehe Abteilung glänzend geschlagen hat. Lyon verlor 22 Prozent an Toten und Verwundeten und nur 70 Ge- fangene (208 Tote, 700 Verwundete) aus einer Truppe von 4300 Mann-). Er verlor kein Geschütz und keine Fahne. Von Sigels 11 18 Mann fielen (nach dem amtüchen Bericht) nur 15, und 20 wurden ver- wundet, aber 230 Sigelsche wurden gefangen; von Sigels sechs Ge- schützen eroberte der Feind fünf, von zwei Regimentsfahnen eine^). Schon diese Gegenüberstellung der Verluste mußte Erbitterung bei der ersteren Truppe gegen die Kameraden der zweiten Abteilung erzeugen. Ungerecht ist ja eine derartige Stimmung, denn die merk- würdige Häufung des Unglücks, welches auf Sigels Schar herab- prasselte, und der ganz jammervolle Zustand der zweiten Abtei- lung mußte doch auch mit in Betracht gezogen werden. Aber es ist menschlich, wenn man zunächst die Verlustziffern als Beweis eines ungewöhnlichen Mutes der einen Abteilung und des ganz ungewöhnlichen Versagens der anderen heranzieht, namentlich da die näheren Umstände der Sigelschen Niederlage den Lyonschen Offizieren nicht genau bekannt waren und die darüber umlaufenden Gerüchte in unwürdiger Weise übertrieben haben. Ferner ist in

^) Obergeneral Mc Clellan übersandte am 12. Februar 1862 die Berichte der Offiziere über Wilsons Creek an den Kriegsminister und machte denselben aufmerksam auf die Rolle, welche Sigel in der Schlacht gespielt haben soll. Mc Clellan empfahl gleichzeitig, daß Sigel nicht befördert werden möge, ehe diese Sache gründlich aufgeklärt worden sei. Ein Kriegsgericht über Sigel hat jedoch nicht stattgefunden. Die Untersuchung, welche Halleck später führte, war geheim.

2) Sigel selbst gibt seine Verluste wie folgt an: 26 Tote, 31 Verwundete und über 200 Gefangene.

^) Lyons Abteilung am Wilsons Creek bestand übrigens fast zu einem Drittel aus Deutschen. Die Regimenter Jowa i und Kansas i und 2 waren halbdeutsch; das Osterhaussche Bataillon des 2. Mo.-Regiments ganz deutsch, Lyons Leibgarde bestand aus 30 deutschen Metzgern aus St. Louis, die Pionier-Kompagnie war ganz deutsch, und auch in den regulären Bundes- truppen dienten sehr viele Deutsche.

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Betracht zu ziehen, daß das westUche Heer noch stark unter dem Einfkisse der ersten furchtbaren Niederlage der Kameraden im Osten (Bull Run I) stand, daß man diese Niederlage als Schmach empfand und bestrebt war, den Eindruck derselben durch einen Sieg im Westen auszuwetzen. Und nun war eine zweite Niederlage daraus geworden, weil angeblich ein deutscher Führer jenen Tei- lungsplan durchgesetzt hatte. Das schmerzte tief und nachhaltig, und wer das wackere Kämpfen der Lyonschen Abteilung beachtet, wer aus den Verlusten jener 4300 Mann ersehen will, wie ruhm- voll diese jungen Truppen gegen eine gewaltige Übermacht um den Sieg gerungen haben, wie sie bestrebt gewesen sind, die Ehre der Nation wieder herzustellen, der wird auch jenen Unmut begreif- lich finden.

Sigel konnte nicht sofort gegen die obigen Berichte seiner Kameraden protestieren, denn die Drucklegung jener Anklagen erfolgte erst nach Jahren. Aber Sigel muß den Inhalt jener Berichte gekannt haben, als er (etwa im Jahre 1880) seine Rechtfertigungs- schrift für das Century Magazin schrieb, denn in dieser Schrift verteidigt sich Sigel gegen andere gleichzeitig erhobene Anklagen jener Offiziere, namentlich dagegen, daß seine Soldaten nach Er- oberung des Lagers dieses geplündert hätten, daß seine Truppen sich dabei zerstreut hätten usw. Aber über den wichtigsten Punkt jener Anklagen sagt Sigel k e i n W o r t , sondern erwähnt die Sache nur beiläufig, indem er erklärt, er habe mit Lyon am Morgen des 9. eine kurze Unterredung gehabt und dabei den Befehl erhalten, mit seiner Brigade das Lager von Süden aus anzugreifen. Ferner erscheint in demselben Bande von »Battles and Leaders«, welcher Sigels zweite Darstellung enthält, ein Aufsatz des Generals Wherry, worin dieser erklärt, daß Sigel mit Lyon am Morgen des 9. August eine Konferenz unter vier Augen hatte und daß Sigel dabei den separaten Angriff der Brigade Sigel durchgesetzt habe. Diese Er- klärung Wherrys steht Seitean Seite mit Sigels eigener Recht- fertigungsschrift. Es ist ganz unmöglich, daß Sigel die Behaup- tungen Wherrys übersehen haben kann. Aber in seiner dritten Rechtfertigungsschrift (in Sigels N. Y. Monthly, geschrieben um 1890) erwähnt der deutsche General mit keiner Silbe die Angabe Wherrys, obschon er (Sigel) dort abermals mehrere der übrigen Anklagen gegen ihn ausführlich widerlegt. Bemerkenswert ist ferner, daß Sigel, der über die Schlacht, deren Leitung und deren Folgen

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek. 219

in drei zu verschiedenen Zeiten verfaßten Abhandlungen sich mit größter AusführHchkeit ausspricht, niemals, auch nicht einmal andeutungsweise über die Zweckmäßigkeit des Teilungsplanes sich äußert, obschon er wesentlich diesem Plane die schrecklichste Nieder- lage seiner ganzen Laufbahn verdankt.

Ich habe mich bemüht, aus deutschen Kreisen Aufschlüsse über die Urheberschaft jenes Teilungsplanes zu erlangen. Leider waren damals (im Jahre 1907) fast sämtliche deutsche Offiziere, welche bei Wilsons Creek unter Sigel gekämpft hatten, schon längst zur »großen Armee« abberufen. Nur drei Deutsche, denen man ein gutes Urteil über die Frage zutrauen konnte, kamen noch in Betracht. Es waren General Osterhaus, Exgouverneur Salomon von Wisconsin (f 1908) (dessen Bruder Eberhard Salomon bei Wilsons Creek das 5. Mo. -Regt, unter Sigel führte) und Ernst Schierenberg (f 1909), der 1861 Hilfsredakteur der Westlichen Post in St. Louis und bald darauf Offizier in der Sigelschen Division war. Diese drei Herren sind Sigel durch ein langes Leben eng befreundet gewesen. Osterhaus war Sigels Kamerad, Salomon hat das von ihm errichtete 26. deutsche Wisconsin-Regiment auf den Namen Sigel getauft. Der beste Kenner der deutschen Kriegssache in Missouri war Schierenberg. Seine Stellung an der Westlichen Post gab ihm Gelegenheit, von allem, was bei den deutschen Truppen vorging, zu hören. Wenn General Osterhaus auf meine Fragen nicht genaue Auskunft zu geben vermochte, so pflegte er zu sagen: »Wenden Sie sich an Schierenberg, der weiß alles!« Ich habe die drei Genannten besucht, um deren Meinung über die Vorwürfe gegen Sigel zu vernehmen. Schierenberg erwiderte: »Ich halte es für richtig, daß mein alter Freund Sigel als der Urheber jenes Tei- lungsplanes anzusehen ist. Das war auch die Ansicht der meisten meiner deutschen Kameraden. Lyon wäre von selbst niemals auf ein solches Manöver gekommen. Er verstand nichts von der Füh- rung größerer Truppenmassen. Er war nur ein Draufgänger. Aber er besaß eine sehr hohe Meinung von Sigels Führergaben. Besonders imponierte ihm Sigels große Belesenheit in der Kriegsgeschichte. So hat er sich wohl von Sigel zu jener unheilvollen Maßregel über- reden lassen.« Gouverneur Salomon bestätigte nur, daß er von jenem Gerüchte gehört habe, lehnte aber ein eigenes Urteil darüber ab mit der Begründung, daß er von Wisconsin aus die Einzelheiten der Missourier Kriegsgeschichte nicht genau habe verfolgen können.

220 W. Kaufmann.

General Osterhaus ging nicht auf die Frage ein, sondern erwähnte nur, daß er bei Wilsons Creek in Lyons Abteilung gekämpft habe und aus eigener Anschauung nichts von den Vorgängen, welche sich bei der Sigelschen Brigade abspielten, wisse. Die Angelegen- heit liege auch schon 46 Jahre zurück usw.

Betrachten wir zunächst den damaligen Gefechtswert der Sigelschen Brigade. Dieselbe bestand aus 912 Mann Infanterie vom 3. und 5. Missouri- Regiment, 85 Artilleristen (d. h. als solche geltenden Infanteristen), welche sechs Geschütze bedienen sollten, und 121 Mann regulärer Kavallerie, zusammen 1118 Mann. In welcher Verfassung diese Truppe damals war, schildert Sigel in seinem amtlichen Berichte, datiert vom 18. August 1861, folgen- dermaßen: »Die Dienstzeit des 5. Regiments war vor der Schlacht abgelaufen. Ich hatte die Leute kompagnieweise veranlaßt, uns in dieser kritischen Zeit nicht zu verlassen, und hatte sie für acht weitere Tage in Dienst genommen. Diese neue Verpflichtung lief am 9. August, am Tage vor der Schlacht ab. Das 3. Regiment, von welchem schon 400 Mann entlassen worden waren, bestand zum größten Teil aus Rekruten, welche nie den Feind gesehen hatten und ganz ungenügend ausgebildet waren. Die Leute, welche die Geschütze bedienten, waren Infanteristen vom 3. Regi- ment und meistens Rekruten, welche nur wenige Tage instruiert worden waren. Ungefähr zwei Drittel unserer Offiziere waren abgegangen. Einige Kompagnien hatten gar keine Offiziere, was sehr zu bedauern ist, aber eine Folge des dreimonatlichen Dienstsystems war.«

Diese Darstellung entspricht durchaus den Tatsachen. Die Sigelschen Truppen waren nur auf drei Monate verpflichtet ge- wesen. Sigels gut ausgebildete bisherige Artilleristen waren sämt- lich nebst ihren Offizieren nach Hause gegangen. Das 3. Regiment, bisher eine Kerntruppe, bestand am 10. August aus etwa 200 Drei- monats-Soldaten und aus 200 grünen Rekruten. Das 5. Regiment, 500 Mann, diente nur aus Gefälligkeit gegen Sigel. Nur Sigels Ka- vallerie war schlagfertig, aber sie war zu schwach, um angriffsweise gegen die starken Reiterscharen des Feindes auftreten zu können. Sie fand nur Verwendung bei dem Überfalle des Lagers und zur Deckung der Flanken auf Sharps Farm sowie bei dem Rückzuge.

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek. 221

Einer solchen Brigade wurde zugemutet, nach einem ermüden- den Nacht marsche eine überaus schwierige Aufgabe zu lösen, für deren Durchführung unbedingt eine reichlich doppelt so starke Truppe wohldisziplinierter alter Soldaten und besonders eine gründ- lich ausgebildete Artillerie, welche Selbstvertrauen und Feuer- disziplin besaß, notwendig gewesen wäre. Sigels Artilleristen, nur 85 Mann mit zwei Offizieren (Stützebach und Schäfer), waren ver- kleidete Infanteristen, welche kaum 14 Tage bei den Geschützen standen und vielleicht nicht einmal genügend mit den Pferden umzugehen gelernt hatten. Von Richten und Zielen hatten sie keine Ahnung, vor allen Dingen aber fehlte ihnen das Selbstver- trauen. Wer kann bei solchen Leuten Kaltblütigkeit und Feuer- disziplin voraussetzen, wenn dieselben plötzlich von zwei feindlichen Batterien unter Kreuzfeuer genommen werden und eine sprung- bereite feindliche Infanterie vor sich sehen? Auf derartige Zufälle mußte man aber bei dem mehr als gewagt erscheinenden Manöver doch gefaßt sein. Sigel kannte den jammervollen Zustand seiner Brigade ganz genau, jedenfalls weit besser als Lyon. Er hätte gegen den Befehl Lyons, mit diesen Truppen einen gefahrvollen Um- gehungsmarsch zu unternehmen, protestieren müssen. Aber er übernahm den Auftrag ohne jede Einwendung. Wurde Lyons Abteilung geschlagen, so war die kleine Sigelsche Brigade einem zehnfach überlegenen Feinde preisgegeben.

Das Lager der Feinde am Wilsons Creek erstreckte sich in einer Länge von über sieben Meilen, und so trafen sowohl Sigel vom Süden als Lyon vom Norden gleichzeitig (um 5% Uhr früh) auf beide Enden desselben. Der Überfall gelang jeder Partei, so- wohl Sigel als Lyon konnten Teile des Lagers in Besitz nehmen und die Feinde, welche daselbst angetroffen wurden, teils fangen, teils verjagen. Nur der größere mittlere Teil des Lagers blieb in der Hand der Konföderierten. Dieser Teil lehnte sich an einen bewaldeten Höhenzug, auf welchem die Hauptmacht der Feinde stand (welche Lyon im Lager selbst vermutet hatte). Zwischen Sigel und Lyon, welche während der Schlacht etwa zwei Meilen voneinander getrennt waren, lag also jener Höhenzug, gegen welchen Lyon sofort vor- stürmte, während Sigel eine Stellung im Rücken jener Höhe zu erlangen suchte. Mehrere Straßen (siehe Karte) führten von der

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W. Kaufmann.

Höhe auf Sigels letzte Stellung (Hügel auf Sharps Farm hinter dem Skeggs-Bache). Die Konföderierten konnten, im Falle sie ihre Haupt-

Fig. 7. Schlacht bei Wilsons Creek.

Stellung gegen Lyon zu halten vermochten, gegen Sigel rasch eine starke Macht werfen, sobald jene Pause im Kampfe eintrat, welche nach dem Abschlagen eines Hauptangriffs sich stets einzustellen pflegt.

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek. 22a

Bis 8% Uhr hatte Sigel nur Plänkeleien mit dem Feinde gehabt, während Lyon schon mehrere Stunden im heftigsten Kampfe mit der jetzt dreifachen Übermacht stand. Es gelang Lyon nicht, den Feind zu werfen. Die Lyonsche Schlacht wogte hin und her, einzelne Trupps der Angreifer drangen bis auf die Höhe vor, aber sie wurden wieder verdrängt mangels genügender Unterstützung, welche Sigels Truppen hätten darbieten können, wenn sie bei Lyon gewesen wären.

Ehe wir zu der Schilderung von Sigels schrecklicher Niedet- lage übergehen, wird es notwendig, festzustellen, was sich bei Sigel während der Stunden von 6 bis 9 Uhr ereignet hat, sowie zu prüfen, ob Sigel während dieser Stunden nicht zu langsam vorgerückt und deshalb nicht näher an Lyons Stellung herangekommen ist.

In seinem ersten amtlichen Bericht erklärt Sigel: »According to Orders it was the duty of this brigade to attack the enemy in the rear and to cut off his retreat, which order I tried to execute« etc. Sigel hatte danach zwei Aufgaben, den Feind im Rücken anzu- greifen sowie dessen Rückzug abzuschneiden. Es wird nun von Sigels Gegnern behauptet, daß Sigel sich viel zu sehr mit dem zweiten Teil dieser Aufgabe befaßt habe, daß er eigentlich nur dar- auf bedacht gewesen sei, die Feinde abzufangen, welche Lyon ihm zutreiben würde. Sigel habe Zeit genug gehabt, weiter als bis nach Sharps Farm vorzudringen, denn während dieser Zeit sei der Feind von Lyon vollauf beschäftigt gewesen. Schon um 8 Uhr hätte Sigel eine Meile weiter sein können, etwa bei der Kreuzung der Springfield Road mit dem Wilson Creek. Dann wäre er näher bei Lyon gewesen, und Lyon hätte ihm Verstärkungen entgegen - senden können. Gewiß wäre Sigel dabei auf die längs des Baches postierte konföderierte Brigade Pearce gestoßen und hätte dort kämpfen müssen, aber ein frischfröhlicher Kampf in der Nähe Lyons sei doch besser gewesen, als das lange Stehenbleiben Sigels in dessen erster, zweiter, dritter Position. Diese Kritiker Sigels redeten damals schon von der Langsamkeit des deutschen Führers, von welcher die Westpointer bei den späteren Feldzügen Sigels im Osten so viel zu sagen haben. Es ist ja möglich, daß jene Kritik für den Frühmorgen des 10. August einige Berechtigung hat, es ist nicht ausgeschlossen, daß hier ein blindes Draufgängertum, das nur danach trachtete, möglichst nahe an Lyon heranzukommen, Erfolg gehabt hätte und daß Sigel vielleicht ziemlich unbehelligt

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bis ZU jener Kreuzung, nur eine Meile von Lyon entfernt, hätte vor- dringen können. Aber daß Sigel nicht bünd drauflosgegangen ist und sich den Durchmarsch nicht erzwungen hat, kann man ihm nicht zum Vorwurf machen. Bei der Ausführung seines Unter- nehmens mögen ihm die ungeheuren Schwierigkeiten desselben -erst zum Bewußtsein gekommen sein, und deshalb wurde die Vor- sicht die Leiterin seiner Entschlüsse. Zwar hatte er nur einen ganz wenig längeren Vormarsch, um an das südliche Ende des feindüchen Lagers heranzukommen, als Lyon bezüglich des Nordendes jenes Lagers, und Lyon stand schon bald nach 6 Uhr im ernsten Kampfe, aber zwischen der feindlichen Hauptstellung und Sigel befand sich die konföderierte Kavallerie. Hören wir nun Sigel selbst (Century-Bericht) über sein Vorrücken. Leider sind die Zeitangaben Sigels ungenau, er sagt nicht, wie lange er in jeder seiner während des Vormarsches eingenommenen drei Stellungen sich aufgehalten hat, wo er während jeder halben Stunde gewesen ist, sogar über die genaue Zeit des Überfalls auf Sharps Farm sind Sigels Angaben nicht ganz übereinstimmend. Sigel sagt über jenen Vormarsch (Auszug aus Sigels Century^) -Bericht):

»Um halb 7 Uhr abends am 9. August verließ die Brigade das Lager bei Springfield, folgte der Yokermill Road fünf Meilen, und fand unter Schwierigkeiten ihren Weg bis südlich vom Lager des Feindes; die Ankunft daselbst erfolgte nachts zwischen 11 und 12 Uhr. Es war eine regnerische dunkle Nacht. Soweit waren unsere Bewegungen dem Gegner unbekannt geblieben. Bei Tages- anbruch wurde der Vormarsch 1% Meilen fortgesetzt. Unsere Reiterpatrouillen fingen 40 Feinde; diese sagten, daß in dem nicht fernen Tal 20 konföderierte Regimenter aus Missouri, Texas, Ar- kansas und Louisiana lagerten. Von der Hügelspitze aus blickte man ins feindliche Lager, und ich gab Befehl, dort vier Geschütze aufzustellen, sowie daß die Infanterie mit zwei anderen Geschützen und Leutnant Farrands Reitertruppen den Weg hinunter bis zum Wilsons Creek folgen sollte. Zu der Zeit halb 6 Uhr wurde im Nordwesten Gewehrfeuer gehört. Dies zeigte das Zusammen- treffen von General Lyons Truppen mit dem Feinde an, und ich befahl deshalb den vier Geschützen, das Feuer auf das feindliche

^) Die Kriegsaufsätze des Century Magazins erschienen später in vier Bänden als besonderes Werk unter dem Titel »Battles and Leaders«.

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek. 225

Lager zu eröffnen. Der Feind, der gerade frühstücken wollte, war v^ollständig überrascht. Nur einem feindlichen Kavalleristen ge- lang es, Leutnant Farrands Dragonern zu entwischen und unseren Vormarsch dem konföderierten General Pearce zu melden. Ich sagte mir nun, daß keine Zeit verloren werden dürfe, um unseren Freunden zu Hilfe zu kommen. Wilsons Creek wurde überschritten, und durch Dixons Farm marschierten wir nach dem Terrel Creek. Da ich nicht wußte, ob es möglich wäre, alle unsere Geschütze mit- zuschleppen, ließ ich die vier Kanonen auf der Hügelspitze unter Infanteriebedeckung zurück. Wir marschierten bis zur Südseite des Tales ^), das sich etwa 3000 Schritte nördlich bis Sharps Haus erstreckt und etwa 1000 Schritte breit ist.

Während dieses vor sich ging, formierte sich ein etwa 2500 Mann zählender feindlicher Truppenteil nicht weit vom nördlichen Ende des Tales. Ich gebot deshalb »halt« (Sigels erste Stellung), ließ die auf dem Hügelrücken gelassenen vier Geschütze herbeiholen, unsere Truppen vom Weg nach rechts abschwenken und sich zwischen dem Wege und dem verlassenen feindlichen Lager in Schlacht- ordnung aufstellen (Sigels zweite Stellung). Ein heftiges Geschütz- feuer wurde gegen die dichten Massen der feindlichen Kavallerie eröffnet; nachdem es 20 Minuten gedauert, floh der Feind in wil- der Unordnung nördlich und in den Wald. Wir machten dann kehrt, marschierten auf Sharps Haus zu und trafen auf die Fayetteville Road, die in nördlicher Richtung dem Schlachtfelde, auf dem sich General Lyons Truppen befanden, zuführte. Wir hatten nun die Hauptrückzugslinie des Feindes besetzt, hatten 15 Meüen ununter- brochen in völliger Ordnung und Disziplin marschiert, hatten eine erfolgreiche Aktion (teilweise Einnahme des Lagers) sowie ein Artilleriegefecht mit der konföderierten Reiterei gehabt, und die Truppen fühlten sich durch das, was sie erreicht hatten, vom besten Geiste beseelt. Es ist deshalb absolut unwahr, was ein Ge- rücht nach der Schlacht verbreitete, daß »Sigels Soldaten sich mit der Plünderung des Lagers beschäftigten«, verstreut waren und aus diesem Grunde von dem zurückkehrenden Feinde über- rascht wurden.

\ 1) Das hier genannte Tal ist auf der Karte durch Sigels erste, zweite

und dritte Stellung bezeichnet. Es erstreckt sich in einem nach Westen aus- gedehnten Bogen etwa von Sigels erster Stellung bis nach Sharps Farm. W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. lo

226 W. Kaufmann.

Als wir unsere Stellung bei Sharps Farm auf dem Plateau eingenommen hatten, eröffneten wir auf den linken feindlichen Flügel, der Lyon gegenüberstand, Geschützfeuer und setzten es 30 Minuten fort. PlötzHch hörte auf feindlicher Seite das Schießen auf, und es schien, als ob wir auf Lyons Truppen schössen. Ich be- fahl deshalb, das Feuer einzustellen. Zu der Zeit zwischen 9 und 10 Uhr wurde nicht ein einziger Schuß gehört, und unbe- waffnete feindliche Abteilungen strömten den Weg von Skeggs Brauch herauf uns entgegen; sie wurden gefangen genommen. In- zwischen avancierte ein Teil von Mc CuUochs Truppen gegen unsere Stellung auf Sharps Farm (Sigels dritte Stellung), während Reids konföderierte Batterie auf dem Hügel östlich von Wilsons Creek, gegenüber unserem rechten Flügel, Stellung nahm und eine Abtei- lung Kavallerie ihr folgte.«

Aus dieser Darstellung Sigels geht hervor, daß er bis dahin vorsichtig, wie es die Lage gebot, vorgerückt ist, nicht aber, daß er den Vormarsch nicht genügend beschleunigt hat.

Als Sigel auf Sharps Farm in Stellung gegangen war, hatte das bisher von Lyon geführte Gefecht nachgelassen. Lyons erster Angriff auf den von des Feindes Hauptmacht besetzten Hügel war abgeschlagen worden, die Angreifer waren dabei in Unordnung gekommen, und es war eine Pause im Kampfe eingetreten, welche beide Teile benutzten, um ihre Truppen wieder zu ordnen und für einen weiteren Kampf aufzustellen. Der Feind hatte den Vorteil,, sich nun zunächst mit Sigel beschäftigen zu können, und zu diesem Zweck standen ihm außer der Mc Cullochschen Brigade noch die Brigade Pearce zur Verfügung, welche bisher noch gar nicht ge- kämpft hatte. Ferner die beiden konföderierten Batterien Bledsoe und Reid sowie eine sehr starke Reiterei.

Niederlage Sigels. Wir kommen nun zu der Schil- derung der Katastrophe der Abteilung Sigel:

Zwischen Sigel und Lyon bestand nicht die geringste Verbindung. Lyon wußte nicht, was bei Sigel vorging und um- gekehrt. Nun aber bemerkte Sigel (etwa um 8 V4Uhr), daß eine Anzahl konföderierte Flüchtlinge auf seine (Sigels) Stellung losrannten. Das waren die »Stragglers«, die Feiglinge, welche zu damaliger Zeit hinter jeder kämpfenden Truppe auftraten. Sigel aber hielt diese Stragglers für die von Lyon schon geschlagene kon- föderierte Armee! Und als hinter jenen Stragglers auf den Straßen,

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek. 227

welche gegen Sharps Farm zuführen, festgeschlossene Truppen- massen anmarschierten, da hielt Sigel diese Truppen für die zur Verfolgung der »Geschlagenen« nachrückenden Freunde! Um 8^4 Uhr^) waren jene Truppen etwa 700 Yards rechts von Sigels Stellung (Sigel). Hören wir nun Sigels ersten Schlacht bericht (War Record Serie I, 3. Band, S. 8y): »Um 8% Uhr hatte das Feuer, welches bis dahin ununterbrochen bei Lyon fortgedauert hatte, aufgehört. Um diese Zeit^) berichteten Adjutant Melchers und mehrere unserer Vorposten, daß Lyons Truppen die Straße vor uns heraufmarschieren. Die Obersten Albert und Salomon, welche das 3. und 5. Mo. -Regiment befehligten, verboten ihren Leuten, auf die Anmarschierenden zu feuern, und ich selbst verbot es meiner Artillerie. Unsere Leute schwenkten die Fahnen als Signal für ihre eintreffenden Kameraden. Plötzlich wurden wir von zwei feind- lichen Batterien beschossen, die eine (Bleadsoes Batterie) von der Fayetteville Road (links von Sigel aus), die andere (Reids Batterie) von dem Hügel aus (rechts von Sigel), wo wir Lyon in der Verfol- gung des Feindes vermuteten, während eine Infanterie- Abteilung, welche wir bisher für unser i. Jowa-Regiment gehalten hatten 3), auf der Fayettevillestraße (dicht vor Sigel) anrückte und unseren rechten Flügel angriff. Es ist unmögHch, die Bestürzung und die furchtbare Konfusion zu schildern, welche nach diesem Ereignis eintrat. Der Ruf: ,Sie (Lyons Leute) schießen auf uns', breitete sich wie ein Wildfeuer aus in unseren Reihen, die Artilleristen, welche ich selbst zum Feuern cmspomte, konnten nur schwer an die Ge- schütze herangebracht werden, die Infanterie konnte kaum ihre

1) Nach Sigels Zeitangaben, die aber widersprechend sind. Es muß schon reichlich 9 Uhr oder noch etwas später gewesen sein.

2) Wahrscheinlich war es um 9 ^L Uhr.

^) Das erste föderierte Jowa-Regiment hatte bis zum Tage vor der Schlacht zu Sigels Brigade gehört und war dann erst zu Lyon abkommandiert worden. Es trug graue Uniformen. Man fragt sich, wie konnten Sigels Leute ihre Kameraden, welche doch so nahe waren, wirklich so v e r kennen. Die Anmarschierenden waren Abteilungen des konföderierten 3. Louisiana- Regi- ments und nur 300 Mann stark. Als Sergeant Tod erschossen wurde, standen diese Louisianer nach Bericht des konföderierten Kapitäns VigiUni (S. 117 desselben Bandes Official War Record) nur noch 30 bis 40 Yards von den Sigelschen Kanonen entfernt und konnten die »dutch Faces« ihrer Feinde erkennen,

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Flinten anlegen, bis es schon zu spät war. Der Feind kam bis auf 10 Schritt vor die Mündung unserer Kanonen, tötete die Pferde, stürzte sich in die Flanken der Infanterie und zwang sie zur Flucht. Die Truppen flohen in den Wald und auf Nebenwege, beständig verfolgt und angegriffen von Arkansas- und Texas- Kavallerie. Dabei verloren wir fünf Kanonen und die Fahne des 3. Regiments, nachdem der erste Träger verwundet und der zweite getötet worden war.«

Sigel hat drei Schilderungen seiner Niederlage geschrieben, welche in nicht wenigen Punkten voneinander abweichen. Der oben zitierte Bericht ist eine Woche nach der Schlacht datiert. Die zweite Darstellung erschien wohl 20 Jahre später im »Century- Magazin« und steht in der Sammlung »Battles and Leaders«, die dritte, in Sigels N.Y. Monthly, wurde noch später geschrieben. Da die Sache für uns Deutsche von so großer Wichtigkeit ist, so sei hier auch Sigels zweite Schilderung jenes Überfalls eingefügt:

»Alle diese Umstände das Einstellen des Feuerns in Lyons Front, das Erscheinen von Deserteuren des Feindes, die Bewegung von Reids konföderierter Artillerie und der feindlichen Kavallerie südwärts ließen uns glauben, der Feind befinde sich auf dem Rückzug. Diese Vermutung wurde durch Dr. Melchers Meldung, daß Lyons Truppen den Weg heraufmarschierten, wir deshalb nicht feuern dürften, bestärkt. Ich blieb jedoch über den Charakter der sich uns nähernden und nur noch wenige ,Rods' ent- fernten Truppen im Zweifel und wollte meinen eigenen Augen nicht trauen; ich sandte deshalb Korporal Tod rekognoszierend voraus i).

1) Wenn rekognosziert werden mußte, so wäre doch dafür die Sigelsche Reiterei zur Verfügung gewesen. Das waren über 100 Mann altgediente Sol- daten der regulären Bundesarmee. Einen einzelnen Mann mit einer solchen Aufgabe zu betrauen, das ist sicherlich eine Maßregel, welche in militärischen Kreisen mindestens Befremden erregen wird. Stieß der arme Tod auf den Feind, so war er dem Schicksale verfallen, welches sein Name andeutet; die Absendung dieses einen Mannes spricht doch sehr wenig für Sigels obige Äuße- rung, daß er über den Charakter der anrückenden Truppen im Zweifel ge- wesen ist. Die konföderierten Berichte melden, daß Tod auf die Frage des konföderierten Generals Mc Culloch, wessen Truppen vor ihm ständen, er- widert habe: »Das sind Sigels Leute!« Gleichzeitig aber habe Tod seine Fhnte gegen den General erhoben, und dann sei Tod von einem Sergeanten Gentles totgeschossen worden. Die »Verwechslung« der Truppen ist fast

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek. 229

Er wurde ohne weiteres erschossen. Darauf befahl ich sofort der Infanterie und Artillerie, zu feuern. Aber es war zu spät. Die Ge- schütze feuerten nur ein oder zwei Schüsse ab, während die Infan- teristen, als ob sie gelähmt gewesen, nicht einen Schuß abgaben. Das 3. Louisiana- Regiment, das wir irrtümlich für das graugekleidete I. Jowa- Regiment gehalten hatten, stürzte auf das Plateau, wäh- rend Bleadsoes Batterie in Front und Reids Batterie von den Höhen zu unserer Rechten mit Kartätschen unter uns schössen. Als Vorsichtsmaßregel hatte ich im letzten Augenblick vier unserer Geschütze zu der Batterie auf dem rechten Flügel gegen die Truppen auf den Hügel und Reids Batterie beordert. Aber nachdem Reids Feuer einige Minuten beantwortet worden war, verließen die Fahrer von drei Kanonen plötzlich ihre Geschütze und galoppierten mit ihren Protzkasten in wilder Flucht die Fayetteville Road hinunter in die Reihen unserer Infanterie hinein, die dadurch von der Panik ergriffen wurde, in Unordnung kehrt machte und gleichzeitig dem Feuer der Angriffslinie ausgesetzt wurde.«

Aus anderen Meldungen ist diesem Bericht noch nachzutragen, daß die Brigade Sigel nicht nur von den beiden feindlichen Bat-

unerklärlich. Der Tag war doch ziemlich klar, und es hatte längst zu regnen aufgehört. Der Graf von Paris schreibt, das 3. Louisiana- Regiment habe eine Bundesfahne geführt. Aber Sigel sagt kein Wort (in keinem seiner diei Berichte) darüber, obschon das Führen der Unionsfahne seitens der Feinde ihn doch sehr entlastet hätte. Die Konföderierten melden auch von keinem Fahnenträger, der doch sonst in ihren Schlachtberichten eine so große Rolle spielt. Auch war nur ein Teil des 3. Louisiana-Regiments beteiügt, der größere Teil desselben stand noch gegen Lyon. Im späteren Verlauf der Schlacht haben sich die Kon föderierten allerdings der eroberten Sigelschen Fahne bedient. Übrigens haben auch Lyons Truppen Konföderierte für Sigels Leute gehalten und deshalb nicht geschossen. Namentlich die nördhchen Artillerie- offiziere geben zu, daß sie Konföderierte, welche die Bundesfahne führten, für Sigels Soldaten gehalten hätten. Die Verwechslung des Freundes mit dem Feinde war also nicht allein bei Sigel zu finden, wenn auch die Täuschung, welche Schofield, Sturgis und andere melden, eher zu entschuldigen ist, denn diese Offiziere erwarteten Sigel aus der Anmarschrichtung, wurden durch die Fahne getäuscht und außerdem sagen sie, daß Sigels Leute ähnlich uni- formiert gewesen seien wie die Konföderierten. Das ist allerdings unrichtig. Sigels Truppen trugen die blauen Blusen, aber abgerissen und verlumpt genug waren die Soldaten damals allerdings, dank der geradezu jammervollen Aus- stattung, welche ihnen zuteil geworden war.

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terien plötzlich unter Feuer genommen und von der Louisianer Infanterie in nächster Nähe bedroht wurde ^), sondern daß von der linken Seite ein als Infanterie vorgehendes Arkansas- Reiterregiment anrückte, ferner daß mehrere Kavallerie-Regimenter aus Arkansas und Texas sich näherten. Daraus ist zu schließen, daß Sigel die Position schwerlich hätte halten können, auch wenn seine Leute energisch gekämpft hätten. Die Unterstellung, daß looo Deutsche vor 300 Louisiana- »Tigers« davon gelaufen seien, ohne einen Schuß abzugeben, ist demnach unrichtig. Sigel wurde von stark über- legenen Kräften angegriffen, wenn auch ein Teil derselben noch weiter zurückstand 2).

Die Flucht der Sigelschen Truppen darf durchaus nicht über- raschen. Es war ihnen von ihren Offizieren verboten worden, auf den anrückenden Feind zu feuern, weil man in diesem den Freund vermutete. Allerdings hätte Sigels Artillerie auch noch nach der Erkenntnis des Irrtums durch ein paar wohlgezielte Schüsse in den dicht gedrängten Haufen der Louisianer die Anstürmenden abschlagen können. Aber was kann man von Artilleristen erwarten, welche erst so kurze Zeit bei den Kanonen stehen. Die Artillerie floh zuerst, brachte Unordnung in die Infanterie, und dann war kein Halten mehr. Es folgte eine Wiederholung der Vorgänge von Bull Run I. Auch in jener ersten Schlacht des Bürgerkrieges, am 21. Juli, also nur drei Wochen vor dem Kampf am Wilsons Creek, wurde die Panik des Nordheeres durch eine Überraschung seitens des Feindes her- vorgerufen. Die frische konföderierte Brigade Elzey brach plötzhch aus einer Walddeckung hervor, stürzte sich auf die Flanke der Unionstruppen, und dann rannte alles, was blaue Uniform trug, an 20 000 Mann, in wilder Flucht davon. Und doch hatten diese selben Soldaten mehrere Stunden wacker im Kampf gestanden und durch kühne Angriffe schon bedeutende Vorteile errungen. Unausgebildete Rekruten leisten beim Angriff oft recht gute Dienste,

^) J. H. Browne, Korrespondent der New York Tribüne sagt in seinem Buche »Four years in Secessia« S. 47, daß Sigel sich seiner Täuschung über das 3. Louisiana-Regiment erst bewußt wurde, als der Feind schon bis auf 30 Yards vor ihm stand.

*) Konföderierte Batterie Reid feuerte noch, als die Louisianaer schon mitten in den Sigelschen Kanonen waren. Zwei Konföderierte wurden dort durch dieses Feuer ihrer Freunde getötet.

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek. 231

aber ihre Widerstandskraft bei plötzlichen Überraschungen ist ganz gering. Es fehlt ihnen die Ruhe und Festigkeit, welche nur eine gründliche Feldausbildung sowie das Vertrauen in die Führung zu geben vermag. Das beweisen nicht nur die Ereignisse bei Bull Run I und die Haltung der Sigelschen Truppen bei Wilsons Creek, sondern man könnte aus der Geschichte des Bürgerkrieges Hunderte von ähnlichen Beispielen beibringen. Auch der Kampf der Lyon- schen Abteilung bei Wilsons Creek mag als Beispiel dafür dienen. Die jungen Rekruten Lyons gingen mit großer Bravour zum Angriff auf die feindliche Stellung vor, nachdem aber dieser erste Vorstoß wegen mangels jeglicher Reserven gescheitert war und nun der Feind seinerseits mit großer Übermacht zum Gegenangriff einsetzte, wurde eine sofortige Niederlage bei den Lyonschen Truppen wahrschein- lich nur durch die feste Haltung der gut ausgebildeten Lyonschen Artillerie (altgediente Bundeskanoniere) verhindert. Hier fanden die Rekruten von der Infanterie eine zuverlässige Stütze, das flößte ihnen Vertrauen ein, und willig ließen sich die zuerst Abgeschlagenen zu neuen mutvoll durchgeführten Angriffen vorführen. Aber bei Sigel fehlte diese Stütze, die »improvisierte Artillerie« ließ ihre Geschütze stehen, und die Kanoniere retteten ihr teures Leben auf den zur Bespannung dienenden Pferden. Daß seine Artillerie lei- stungsunfähig war, ist nicht Sigels Verschulden, sondern war nur eine Folge der kurzen Dienstzeit des ersten Aufgebots. Sigel mußte derartig improvisieren, wenn er nicht völlig auf jene Waffe ver- zichten wollte. Aber so mangelhaft ausgebildete Truppen darf man nicht den Fährnissen eines derartigen Umgehungsmanövers aussetzen, namentlich wenn man für die Beaufsichtigung von sechs Geschützen nur zwei junge Offiziere zur Verfügung hat. Der einzige wirklich ausgebildete Artillerist der Truppe war Sigel selbst. Femer ist wiederholt zu betonen, daß das Unglück, welches so plötzlich über die Sigelsche Abteilung hereinbrach, ganz außerordent- lich groß war. Man bedenke, daß die iioo Mann plötzHch von zwei feindlichen Batterien unter Kreuzfeuer genommen wurden, daß das Louisiana- Regiment schon in nächster Nähe war und daß andere feindliche Haufen ebenfalls schon auf Schußweite herangekommen waren. In derartig kritischen Augenblicken kann man von grünen Rekruten nicht die Bewahrung von Ruhe und Kaltblütigkeit er- warten. Sie werden davonlaufen, auch wenn sie dem kriegstüch- tigsten Volk der Welt entstammen.

232 W. Kaufmann.

Die Verluste Sigels bei dem Überfall auf Sharps Farm können nur ganz unbedeutend gewesen sein, trotzdem die Truppen dem Kreuzfeuer zweier feindlicher Batterien sowie dem Gewehrfeuer des 3. Louisiana-Regiments ausgesetzt gewesen sind. Denn Sigel sagt selbst, daß er seine schwersten Verluste auf der Flucht bei dem späteren zweiten Überfall am White-Fluß erlitten hat. Aber der Gesamtverlust der Sigelschen Brigade war ja ganz unbedeutend.

Auch Sigels Rückzug nach Springfield verlief höchst unglück- lich. Die Reiter unter Kapitän Carr bildeten die Vorhut, ritten aber so scharf, daß die abgehetzten Infanteristen nicht mitkonnten. Sigel hatte 250 Mann wieder gesammelt. Oberst Salomon 450 Mann vom 5. Regiment, sowie die letzte Kanone. Die beiden Trupps zogen verschiedene Straßen. Sigels Leute mußten den White-Fluß kreuzen. Dabei wurden sie von feindHcher Kavallerie überfallen und völlig auseinandergesprengt, da Carrs Reiter schon früher den Fluß überschritten hatten. Sigel entkam nur deshalb der Ge- fangenschaft, weil man ihn für einen Konföderierten hielt. Er trug einen gelblichen Hut, hatte eine Decke über die Schulter geworfen und sah aus wie ein texanischer »Ranger«. So schreibt er selbst. Er gelangte noch über den Fluß in Begleitung des Leutnants Stütze- bach, wurde aber an dem anderen Ufer erkannt, mußte über einen Zaun setzen, wurde fünf Meilen weit verfolgt und kam endlich mit Mühe und Not in Springfield an. Das wurde später so ausgelegt, als habe Sigel seine Soldaten im Stich gelassen und sei allein entflohen. Wer die mit dem Überfall der Flüchtlinge am White- Fluß verknüpften Umstände nicht kannte, war sehr geneigt, diese Unterstellung zu glauben. Für Sigels spätere Stellung in der Po- tomac- Armee ist es von der größten Bedeutung gewesen, daß die Lüge, Sigel habe nur danach getrachtet, sich persönlich in Sicher- heit zu bringen, so weite Verbreitung gefunden hat. Nichts hat Sigels Ansehen mehr geschadet als der unglückliche Umstand, daß er nur von einem Offizier begleitet, v o r seinen geschlagenen Truppen in Springfield eingetroffen ist. Salomons Abteilung war glückhcher. Sie langte unbelästigt in Springfield an. Mit den übrigen Flüchtlingen mochten abends gegen 700 Mann der Brigade meder in Sicherheit sein.

Lyons Niederlage und sein Tod. Zu einem sehr schweren Gefechte kam es bei der anderen Abteilung. Auch Lyon

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creck. 233

hatte zunächst beträchtliche Erfolge erzielt, sah sich aber dann gezwungen, den hinter dem Wilsons Creek gelegenen Höhenzug, wo die Hauptmacht des Feindes in Schlachtordnung stand, anzu- greifen. Dieser Angriff wurde mit großer Hingebung von den Re- gimentern Missouri i, Kansas i und 2, Jowa i, einem Bataillon des 2. (deutschen) Missouri-Regiments unter Osterhaus und einem Bataillon regulärer Infanterie unter Plumer durchgeführt, aber die feindliche Stellung war sehr stark und die konföderierte Über- macht sehr groß. Nur dem 2. Kansas-Regiment gelang es, den Gipfel des Hügels zu erreichen und die Stellung des Feindes zu durchbrechen. Aber es mußte dann mangels Unterstützung wieder weichen. Es kam sodann zu einem höchst verlustreichen Nahkampf an dem Abhänge der Hügelkette. Die Konföderierten, welche sich schon als Sieger betrachteten, gingen zum Angriff über, wurden aber zurückgeworfen, wesentlich durch das Feuer der Unionsbat- terien Totten, Steele und Dubois. Es traten nun Pausen im Kampfe ein, welche von beiden Teilen zum Sammeln und Ordnen der Truppen benutzt wurden. Dann erneuerten sich die Angriffe, welche bald von dieser bald von jener Seite erfolgten und stets abgewiesen wurden. Aber die Konföderierten konnten immer noch frische Truppen vorführen, während die Unionisten von Anfang an ihren letzten Mann eingesetzt hatten. Besorgt schaute Lyon nach der Richtung hin, von wo Sigel kommen sollte. Lyon war schon zu An- fang des Kampfes von zwei Kugeln leicht getroffen worden. Er ritt abermals in die Feuerlinie vor und traf auf das 2. Kansas- Regi- ment in dem Augenblick, in welchem dessen Oberst Mitchell schwer verwundet vom Pferde sank. Lyon rief den Kansasleuten zu: »Ich führe euch jetzt«, und setzte an der Spitze des Regiments zu einem abermaligen Angriff an. Gleich darauf wurde Lyon erschossen, und Major Sturgis mußte den Befehl übernehmen. Ein nochmaliger Angriff der Kon föderierten wurde durch das Feuer der Unions- artillerie zurückgewiesen. Kurz darauf erhielt der Feind Verstär- kungen. Mc CuUoch nahte mit den Truppen, welche Sigel geschlagen hatten, und aus den Sigel abgenommenen Kanonen gaben die Sezes- sionisten nun Kartätschenfeuer ^). Das Schicksal der stark zusammen-

^) Sigel stellt in Abrede, daß die Sezessionisten aus den ihm abge- nommenen Geschützen gefeuert haben, doch wissen die Sezessionisten darüber sicherHch besser Bescheid als Sigel.

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geschmolzenen Abteilung Lyons schien jetzt besiegelt zu sein. Aber die regulären Batterien Totten und Dubois eröffneten ein so vernichtendes Feuer, daß auch dieser letzte Angriff des Feindes abgewiesen werden konnte. Auch die Infanterie der Union hatte sich sehr energisch beteiligt an diesem letzten Kampfe. Die stür- menden Konföderierten waren schon dicht vor den Geschützen der Tottenschen Batterie angelangt. Weil sie die von Sigel eroberte Unionsfahne führten, hatte Totten nicht gefeuert. Zum Glück be- merkte er die Täuschung noch rechtzeitig und feuerte in die dicht gedrängten Haufen der Gegner hinein, was die eilige Flucht der Feinde zur Folge hatte.

Die konföderierte Artillerie, welche übrigens sehr schlecht bedient wurde und erbärmlich schoß, hatte ihre sämtliche Munition verbraucht, und aus diesem Grunde wohl gab Mc Culloch den Kampf auf. Beide Parteien verließen fast gleichzeitig das Schlachtfeld. Trotzdem konnten die Konföderierten einen vollen Sieg bean- spruchen. Am Abend des lo. August waren die Lyonschen Truppen wieder nach Springfield zurückgekehrt, und dort erfuhren sie die schreckliche Niederlage, welche ihre Kameraden unter Sigel erlitten hatten. Mc Culloch und Price gaben die Verluste der Sezessionisten auf 295 Tote und 800 Verwundete an. Der Gesamtverlust der Abteilung Lyon an Toten und Verwundeten belief sich auf 22 Prozent^).

Oberst Sigel wurde von den übrigen Offizieren zum Nachfolger Lyons erwählt, und unter Sigels Führung wurde dann sofort der Rückzug nach RoUa angetreten. Die Truppen wurden von dem völlig erschöpften Feinde nur wenig belästigt. Während des Mar- sches nach Rolla wurde Sigel von den regulären Offizieren davon in Kenntnis gesetzt, daß er von dem Oberbefehl wieder zurück- treten müsse, denn er (Sigel) besitze keine amtliche Bestallung als Offizier. Das war buchstäblich richtig. Sigels Dienstzeit als Dreimonats-Freiwilliger war abgelaufen, er war aber bei der Fahne geblieben, ohne zu bedenken, daß er auf eine neue Bestallung aus Washington warten müsse. Am 17. August fand Sigel in Rolla

1) Die stärksten Verluste erlitt die deutsche Turner-Kompagnie »J« des ersten Kansas- Regiments. Von den loi Mann der Kompagnie wurden 32 getötet oder verwundet. Kompagnie »J« bestand ausschließlich aus Mit- gliedern des Turnvereins in Leavenworth, Kansas.

Sigels und Lyons Niederlage bei Wilsons Creek. 235

seine Ernennung zum Brigadegeneral vor. Aber den Oberbefehl über die Truppen mußte er am 13. August an Major Sturgis, einen Offizier der regulären Armee, abgeben^).

Fremont ließ nach der Schlacht von Wilsons Creek sofort den Belagerungszustand über St. Louis verhängen, eine durchaus un- nötige Maßregel, welche der schon sehr schwer heimgesuchten Stadt außerordentlich geschadet hat.

Lexington. Eine zweite sehr schwere Niederlage erlitten die Unionstruppen infolge der Kapitulation von Oberst Mulligan in Lexington; 2140 Gefangene, darunter 400 Verwundete, 7 Ge- schütze und außerordentlich viel Vorräte und eine Kriegskasse von goo 000 Dollar fielen in die Hände der Gegner. Übrigens hat Mulligan sich in bewunderungswürdiger Weise verteidigt. Eine ganze Woche lang hielt er stand gegen eine gewaltige Übermacht, trotzdem seine Truppen tagelang keinen Tropfen Wasser hatten. Mulligan hätte leicht entsetzt werden können, wenn die Unions- kriegsführung nicht in einer so völlig dilettantenhaften Weise be- trieben worden wäre. Obergeneral Fremont »glaubte«, daß Mulligan von den Generalen Pope und Sturgis entsetzt werden würde, und diese beiden Herren meinten, daß es Fremonts Sache sei, sich des bedrängten Kameraden anzunehmen. So blieb der tapfere Mulligan

^) Schofield und Sturgis behaupten, daß Sigels Rückzug von Spring- field nach Rolla, der von einigen Zeitungen als meisterhaft durchgeführt geschildert wurde, eine höchst traurige Affäxe gewesen sei. Nur deshalb hätten die übrigen Offiziere Sigel den Befehl genommen. Die Angabe, daß Sigels Offizierspatent abgelaufen war, sei nur ein Vorwand gewesen. Sigel habe seinen Leuten, welche sich so jammervoll benommen hatten, stets die Vorhut gegeben, und die Soldaten, welche die Blutarbeit getan hatten, hätten den schweren Dienst der Nachhut allein gehabt, wären infolge von Sigels Langsam- keit niemals zur rechten Zeit zum Lagern gekommen usw. Auch tadeln jene Herren Sigels Gutherzigkeit gegenüber den unionstreuen Leuten aus Süd- Missouri, welche sich in das Lager des Nordheeres geflüchtet hatten. Sigel nahm diese Flüchthnge mit nach Rolla. Seine Gegner aber meinten, dadurch sei der Rückzug der Truppen großen Gefahren und Schwierigkeiten ausgesetzt gewesen. Alle diese Vorwürfe küngen sehr gehässig. Die konföderierten Be- richte lauten weniger ungünstig für Sigel, namenthch lobt PoUard Sigels energisch geführtes Artilleriegefecht, welches vor dem Überfalle auf Sharps Farm stattgefunden hatte.

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auf sich angewiesen und mußte schließlich (26. September 1861) die Flagge streichen. Da Lexington am Missouriflusse und in guter Dampfbootverbindung mit St. Louis lag, so erscheint es ganz un- begreiflich, daß Fremont von den Truppen, welche ihm zu Gebote standen, nicht ein paar tausend Mann nach Lexington dirigiert hat. In zwei Tagen konnte man mit dem Dampf boot bequem von St. Louis dorthin gelangen!

Ein schöner Sieg wurde während der so überaus trau- rigen Führerschaft Fremonts aber doch erkämpft. Die viel ver- spottete Leibgarde Fremonts, zumeist aus ehemaligen ungarischen Husaren und Deutschösterreichern bestehend, machte am 24. Oktober im Verein mit einer Truppe regulärer Dragoner (zusammen 300 Säbel unter der Führung des Ungarn Zagonyi) einen heldenhaften Angriff auf die Stadt Springfield und eroberte dieselbe. 2000 Rebellen wurden von Zagonyi zersprengt. Aber gegen 80 Sättel waren nach dem Siege leer.

Fremont und die Deutschen.

In der Kriegsgeschichte der Deutschen spielt Generalmajor John C. Fremont eine merkwürdige Rolle. Er war lange Zeit der Günsthng unserer Landsleute und bezüglich der Achtundvierziger konnte man fast sagen, er war deren Abgott. Leider haben sich die Deutschen für einen dieser Liebe wenig Würdigen begeistert. Allerdings ließ erst die spätere Entwicklung Fremonts, besonders seine Beteiligung an Unternehmungen recht fragwürdiger Art, er- kennen, daß Fremont eher ein Glücksritter und ein Streber gewesen ist als ein Mann, wie man sich den ersten Beamten der Republik vorzustellen hat. Fremont war der erste Präsident- schaftskandidat der jungen republikanischen Partei im Jahre 1856 gewesen. Damals war nicht auf Sieg zu rechnen, und man wählte den Kandidaten nur in bezug auf seine Zugkraft. Diese erschien groß, weil Fremont als Forscher einen nationalen Ruf errungen hatte, weil er keine Feinde besaß und weil er niemals Stellung zu den Tagesfragen genommen hatte. Auch seine südliche Abstammung, sogar seine romantische Liebesgeschichte, die Entführung der schönen Tochter des Senators Benton, wurde zu seinen Gunsten gedeutet.

Fremont und die Deutschen. 237

Als die republikanische Partei 1860 mit Siegeshoffnungen in den Wahlkampf ging, wurde Fremont rücksichtslos beiseite geschoben. Mit Recht, denn er besaß nicht die geringste staatsmännische Be- gabung.

Der Mann imponierte den Deutschen durch seine bedeutenden Leistungen als Forschungsreisender. Er hatte die Mississippiquellen entdeckt, und später ist er der eigentliche Pfadfinder nach Kali- fornien geworden. Vier große Reisen hat er über die Felsengebirge unternommen und die gangbaren Pässe daselbst gefunden. Noch heute benutzen die Pacificbahnen diejenigen Pfade, welche Fre- mont zuerst zeigte. Sein wissenschaftlicher Begleiter war der Deutsche Karl Preuß. Dieser hat die Landaufnahmen gemacht und die Karten gezeichnet. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Fremontschen Fahrten beruhen fast ausschließlich auf Arbeiten von Preuß. Aber Fremont erntete als Führer der Expedition den ganzen damit verbundenen Ruhm.

Fremont war in Westpoint zum Berufsoffizier ausgebildet worden und hatte eine Zeitlang als Offizier des Ingenieurkorps fungiert, dann aber abgedankt, um sich ganz seiner Forscherlauf- bahn widmen zu können. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges ernannte ihn Lincoln zum Generalmajor und ließ ihm die freie Wahl seiner militärischen Tätigkeit, worauf sich Fremont für den Oberbefehl im Westen mit dem Hauptquartier in St. Louis entschloß. Er blieb noch wochenlang im Osten, um Waffen und Ausrüstung für 23 000 Mann zu beschaffen und trat erst am 25. Juli sein Amt in St. Louis an. Aber vier Tage vorher war die Schlacht von Bull Run verloren worden. Die große Panik war in Washington aus- gebrochen, und für den westlichen Feldzug hatte man alsdann weder einen Mann noch eine Flinte übrig. Alle Truppen und alle Waffen wairden für den Schutz von Washington belegt. Die Ausrüstung, welche für Fremont bereitlag, wurde für die Potomac-Armee be- nützt, und nicht einmal die nötigen Geldmittel, deren Fremont in St. Louis bedurfte, wurden bewilligt.

So kam Fremont mit leeren Händen nach St. Louis. Er fand dort angeblich 23 000 Mann vor, aber nur 15 000 davon waren felddienstfähig. Bei den übrigen 8000 war die Dienstzeit abge- laufen, oder es waren noch ganz grüne Rekruten.

Es zeigte sich sofort, daß Fremont als Militär eigentlich nicht ernst zu nehmen sei. Er umgab sich mit einem Stabe von meistens

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ungarischen Offizieren, bildete eine Leibgarde und beschäftigte sich mit den Vorbereitungen für eine Kampagne im Mississippi tale, zu deren Ausführung ihm alle Mittel fehlten. Zwei Wochen nach seiner Befehlsübernahme erfolgte Lyons (und Sigels) Niederlage am Wilsons Creek und Lyons Tod in jener Schlacht.

Fremont hätte Lyon vor jener Schlacht leicht ausreichend unterstützen können, wenn er das aber nicht wollte, so mußte er seinen Unterführer zurückrufen. Daß er weder das eine noch das andere tat, ist sicherlich ein Beweis seiner militärischen Unfähig- keit, namentlich wenn man bedenkt, daß Fremont bezüglich des Entsatzes des Obersten Mulligan in Lexington ebenso unentschieden, um nicht zu sagen, nachlässig handelte. Für die spätere Absetzung Fremonts wegen erwiesener militärischer Unfähigkeit waren dem- nach gewiß Gründe genug vorhanden.

Jedoch lag das Entscheidende bezüglich Fremonts Auftreten in Missouri doch wohl nicht in jenen beiden furchtbaren Nieder- lagen (Wilsons Creek, lo. August, Lexington, 20. September), son- dern in der am 31. August von Fremont erlassenen Proklamation, wonach die Sklaven derjenigen Konföderierten, welche mit den Waffen gegen die Union auftraten, für frei erklärt wurden. Das erscheint auf den ersten Blick als eine von der Kriegslage gerecht- fertigte Maßregel, und sie sollte ja auch nur im Bereiche der da- maligen Botmäßigkeit Fremonts, also wesentlich in Missouri, Gel- tung haben. Aber wenn die Washingtoner Regierung diese Pro- klamation anerkannte, so wurde deren Tragweite weit größer. Lincoln konnte dieser Frage keine rein lokale Bedeutung zuweisen. Erkannte man das darin aufgestellte Prinzip für Missouri an, so mußte man dasselbe auch im ganzen Lande gelten lassen. Noch wichtiger aber war, daß die Washingtoner Regierung es nicht dulden konnte, daß ein beliebiger General über ihren Kopf hinweg in der wichtigsten politischen Frage eine Stellung einnahm, welche mit den Lincolnschen Erklärungen im Widerspruch stand. Überhaupt hatten sich die Generale nicht mit politischen Dingen zu befassen.

Aus Lincolns Antrittsrede als Präsident geht klar hervor, daß er, obschon im Innern den Bestrebungen der Abolitionisten gewiß nicht fernstehend, als Präsident nur auf dem Boden der Verfassung und der damals bestehenden sklavereifreundHchen Gesetze vor- gehen wollte. Er war in den Krieg gedrängt worden, er war ge- nötigt worden, eine Rebellion mit Waffengewalt niederzuschlagen.

Fremont und die Deutschen, 239

Er faßte den Krieg nicht auf als ein Mittel zur gewaltsamen Be- ^ seitigung der Sklaverei, das hat er nie getan, sondern als eine für die Erhaltung der Union notwendige Maßregel. Noch durch das ganze Jahr 1861 hielt er fest an dem Glauben, daß eine Versöhnung, ohne Berücksichtigung der sofortigen Lösung der Sklavereifrage noch möglich sein möge. Er kannte seine Gegner im Rebellions- lager genügend, um zu wissen, daß, sobald er das Banner der Sklaven- emanzipation aufziehen würde, ein Krieg bis zur Vernichtung des einen Gegners die Folge sein würde. Lincoln hat sich geirrt in der Annahme, daß eine Versöhnung, einerlei unter welchen Opfern, noch möglich war. Aber das Suchen nach einem Ausgleich war sicherlich nicht tadelnswert, obschon es ein Irrtum war. Schweren Herzens hat er sich ein ganzes Jahr später zu der Proklamation vom 22. September 1862 entschlossen, durch welche die Sklaven in den sezedierten Staaten für frei erklärt wurden. Aber diese Pro- klamation trägt die Einleitung : »Als Oberbefehlshaber der Armee und Marine verfüge ich, Abraham Lincoln, als notwendige und zweckmäßige Kriegsmaßregel« usw., und das Dokument schließt mit den Worten: »und hierzu, indem ich es als einen Akt der Gerechtigkeit erachte, der von der Verfassung gestattet ist bei militärischer Notwendigkeit, rufe ich das ruhige Urteil der Menschen und die gütige Gnade des allmächtigen Gottes an.«

Hier haben wir den Standpunkt Lincolns in bezug auf Krieg und Sklaverei. Aber dieser Standpunkt war nicht derjenige der radikalen Abolitionisten, zu welchen auch unsere deutschen Acht- undvierziger gehörten. Diesen Leuten war die Sklavenbefreiung erster Zweck des Krieges. Für dieses Ideal haben sie gekämpft und ihre Haut zu Markte getragen. Schon seit Monaten hatten sie das, was sie Lincolns Lauheit in der Sklavereifrage nannten, auf das bitterste verurteilt. Die Achtundvierziger des Westens waren von Lincoln schon längst enttäuscht. Sie nannten ihn mit Vorliebe einen »Waschlappen «, und ihr Vorurteü gegen die Washing- toner Regierung steigerte sich beständig, je mehr Missouri in mili- tärischer Beziehung vernachlässigt wurde. Für die Schwierigkeiten der Regierung, namentlich nach der Schlacht von Bull Run, fehlte den meisten dieser Herren das richtige Verständnis. Ihrer Meinung nach war St. Louis, das »Washington des Westens«, weit mehr bedroht als die Bundeshauptstadt. Auch hatten sie aus eigener Kraft eine bewunderungswürdige Anstrengung gemacht, um die

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Deutschen in Missouri für die Unionssache zu organisieren, und sie hatten damit St. Louis gerettet. Aber Anerkennung für diese Großtat hatten sie nicht geerntet. Blair und Lyon und andere Angloamerikaner hatten den Ruhm dafür erhalten, was deutsche Bajonette erkämpft hatten. So hatte sich die ursprüngliche Be- geisterung unserer idealistischen Landsleute für Lincoln beträchtlich abgekühlt, und wenn man sagt, daß der Präsident ihnen recht gleich- gültig geworden war, so ist das noch das Gelindeste, was darüber gesagt werden kann. Bei so heißblütigen Männern, welche sich in Amerika noch nicht völlig eingelebt hatten und welche die ameri- kanischen politischen Zustände, mit denen doch jeder rechnen mußte, noch immer aus einer von Sachkenntnis wenig beeinflußten Stimmung betrachteten, war der Weg von der Liebe zum Haß nicht besonders weit.

Die Proklamation Fremonts hatte auf unsere deutschen Freunde gewirkt wie eine Tat, welche von lange ertragenem Drucke befreit. Sie waren halbtoll vor Freude. Fremont galt ihnen als der Mann, welcher dem ganzen Kriege erst Inhalt zu geben verstanden hatte. Die Berechtigung Fremonts zu jener Proklamation machte ihnen keine Schmerzen, man lebte ja in Ausnahmezuständen, und die Proklamation galt ihnen als durch die Kriegslage berechtigt.

In Washington wirkte die Fremontsche Bombe jedoch ganz anders. Dort erblickte man darin nur einen Versuch Fremonts, sich für die Präsidentenwahl des Jahres 1864 zu empfehlen, und diese Deutung ist auch wohl nicht grundlos gewesen. Direkt ver- leugnen durfte man Fremont in Washington nicht, das hätte sehr ungünstig auf die Volksstimmung im Norden gewirkt. So wurde der Versuch gemacht, Fremont zu einer Abschwächung jener Pro- klamation zu veranlassen. Aber darauf wollte sich der General nicht einlassen. Es ist in dieser Sache auf beiden Seiten schwer gesündigt worden, am schlimmsten seitens der Regierung durch die unzeitgemäße Absetzung Fremonts.

Die Absetzungsurkunde ist vom 24. Oktober datiert, aber erst am 2. November wurde sie vollstreckt. Der Urkunde war ein besonderes Schreiben Lincolns hinzugefügt. Danach sollte die Ab- setzung nicht erfolgen, wenn Fremont eine Schlacht geliefert habe, oder wenn derselbe gerade im Begriff stand, eine Schlacht zu liefern. Nun aber hatte Fremont Ende Oktober eine Armee von über 25 000 Mann nebst 88 Kanonen vor Springfield zusammengezogen

Fremont und die Deutschen. 241

und der Feind stand zwölf Meilen entfernt auf dem alten Schlacht- felde von Wilsons Creek. Aus den Berichten des konföderierten Generals Mc Culloch geht herv^or, daß der Feind jeden Augenblick den Angriff erwartete. Auch war Fremont s Kriegsplan in allen Einzelheiten ausgearbeitet. Nach dem Briefe Lincolns durfte der zum Nachfolger Fremonts bestellte General Hunter die Abberufung Fremonts nicht vorweisen. Er tat es trotzdem, als er am Abend des 2. November bei der Armee eintraf, unter der falschen Behaup- tung, daß kein Feind in der Nähe und eine Schlacht deshalb unmög- lich sei. Fremont übergab Hunter sofort sein Amt, übergab ihm auch seinen Kriegsplan, und Hunter befahl alsdann den Rück- zug des stolzen Heeres, des größten und besten, welches bis dahin im Westen aufgetreten war. Dieser Rückzug erfolgte sicherlich auf höheren Befehl. Es war das eine ungeheure Torheit, und in ihren Wirkungen war sie schlimmer als eine verlorene Schlacht. Im Westen wurde dadurch der Eindruck hervorgerufen, daß man in Washington dem General Fremont den Ruhm eines Sieges nicht gewähren wolle, ja daß man ein von Fremont organisiertes Heer auch unter der Führung eines anderen Generals nicht siegen lassen wolle. Daß Fremont wegen seiner früher erwiesenen Unfähigkeit abgesetzt worden war, glaubte im Westen eigentlich niemand; allgemein vermutete man, daß der Sklavenbefreier Fremont ge- straft werden sollte. Am meisten empört waren die Deutschen, und zwar nicht nur in Missouri, sondern im ganzen Westen^). Es wurde sogar getadelt, daß Fremont sein Kommando abgegeben hatte. Er hätte Hunter beiseiteschieben und am nächsten Morgen gegen den Feind losrücken sollen, der sicher geschlagen worden wäre. Nach einem Siege hätte es Lincoln gewiß nicht gewagt, Fremont wegen Ungehorsams zu bestrafen so hieß es damals vielfach in deutschen Kreisen. Die Offiziere in Sigels Division protestierten gegen die Absetzung Fremonts, und die deutschen Bürger hielten in Gemeinschaft mit vielen Angloamerikanern Versammlungen ab, in welchen Lincoln in der ungebührlichsten Weise zerzaust wurde. Die Kriegsstimmung der Deutschen flaute mächtig ab, und es dauerte recht lange, bis man einzusehen begann, daß die Zänkereien doch

1) Corwin schreibt am 15. November an die Augsburger Allgemeine Zeitung: »Die Kundgebungen der Wut über Lincoln, die bei den Demon- strationen der Deutschen namentlich in Chicago vorgekommen sind, grenzen fast an Raserei.«

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 16

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nur der Sache des Jefferson Davis zugute kamen. Einigermaßen ausgleichend wirkte etwas später das Einlenken Lincolns. Er bot demselben Manne, welchen er soeben wegen militärischer Unfähig- keit abgesetzt hatte, ein neues Kommando in der Potomac-Armee an, und als Fremont die Bedingung stellte, daß ihm die deutsche Division Blenkers zugeteilt werde, da machte Lincoln auch dieses Zugeständnis, obschon Mc Clellan heftig dagegen protestierte. Noch in seiner Kriegsgeschichte »Mc Clellans own story« beklagte der General wiederholt, daß die »Blenkers« ihm genommen und dem Fremontschen Korps beigegeben wurden. Blenker selbst bekam einen Wutanfall, als er von der Abkommandierung hörte. Er soll vor der Front seiner Soldaten seinen Säbel zerbrochen haben. Man lese das Weitere in dem Kapitel »Schicksale der Blenkerschen Division« und in der Schilderung der Schlacht von Gross Kays, in welcher die deutsche Division teilweise infolge der erbärmlichen Oberführung des Herrn Fremont nicht die Gelegenheit fand, um sich mit voller Wucht einsetzen zu können. Zwar war ja auch Mc Clellans Halbinselfeldzug eine verpfuschte Sache, und die Leiden der auf der Halbinsel kämpfenden Truppen waren vielleicht reichlich so groß als diejenigen, welche die deutsche Division während jenes Marsches durch die verschneite Bergwildnis Virginiens zu erdulden hatte, aber bei Mc Clellan hätte es doch nicht an Gelegenheiten zur Auszeichnung gefehlt. Dort hätten die Deutschen beweisen können, was gut ausgebildete Soldaten zu leisten imstande sind.

So hat der Fremont-Enthusiasmus der Achtundvierziger in sehr beklagenswerter Weise eingewirkt auf das Schicksal der besten und stärksten deutschen Heeresabteilung, welche unser Volk auf- gebracht hat. Die Empörung seiner deutschen Freunde im Westen ist Lincoln sehr nahe gegangen. Er war im Innern doch ein Abo- htionist, so sehr sein amtliches Wirken diese Tatsache auch ver- dunkeln mag. Er konnte sich sehr wohl in den Anschauungskreis der deutschen »Empörer« versetzen und wußte, daß diese Gegner- schaft patriotischen und ehrhchen Motiven entstammte.

Doch kehren wir nach dieser Abschweifung nach Missouri zurück! Hunter ist nur als temporärer Nachfolger Fremonts an- zusehen. Bald darauf trat Gen. H a 1 1 e c k den Oberbefehl an. Das stolze Heer, welches Fremont vor Springfield versammelt hatte, kam aber nicht mehr in Aktion. Durch Abkommandierungen, mehr noch durch die schrecklich hohe Sterblichkeit in den so gut

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wie gar nicht vorbereiteten Winterquartieren wurde es dezimiert, und als man drei Monate nach Fremonts Abberufung doch an die Ausführung des Fremont sehen Kriegsplanes gehen mußte, da waren von jenen 25 000 Mann nur noch 11 500 Mann felddienstfähig. Der Feind, welcher vor Fremonts Heer gezittert hatte, blieb im unge- störten Besitz von ganz Südmissouri, konnte nach Belieben dort rekrutieren, sich die Winterquartiere wählen und alle Vorbereitungen für den neuen Feldzug im Frühjahr treffen. Dieser Feldzug brachte den ersten vollen Sieg der Union bei Pea Ridge in Ar- kansas, und der Held dieses ersten Sieges ist Franz Sigel gewesen.

;Sigels Sieg bei Pea Ridge.

Am 12. Nov. traf General Halleck als Nachfolger Fremonts in St. Louis ein. Er ernannte Sigel zum Befehlshaber der in RoUa versammelten Truppen, schickte ihm aber schon nach drei Tagen den General Curtis als Vorgesetzten nach und mutete Sigel zu, unter Curtis weiterzudienen. Daraufhin resignierte Sigel zum ersten Male. Die Patente der beiden Generale waren vom selben Tage datiert. Aber Halleck entschied, daß ein Westpointer Offizier den Vorrang vor einem FreiwilHgen-Offizier habe. Sigel hat sich bei dieser Entscheidung beruhigt und dann unter Curtis gedient,

Mitte Februar begannen die Operationen wieder mit dem Zuge der Curtisschen (und Sigelschen) Abteilung nach Südwest-Missouri, derselben Gegend, in welcher Sigel schon im Juni (bei Carthage) gekämpft hatte. Die Konföderierten hatten sich von Springfield zurückgezogen, um für den Winter an den Grenzen von Missouri, Arkansas und dem Indianergebiet zu rasten. Kurz vor dem Ein- treffen der Curtisschen Armee in jener Gegend war ein neuer kon- föderierter Obergeneral, van Dorn, eingetroffen, wesentlich, um die ewigen Streitereien zwischen den beiden konföderierten Generalen Mc Culloch und Price zu beenden. So war endlich auch das Rebellen- heer unter einheithcher Führung, als Anfang März 1862 bei Pea Ridge beide Gegner aufeinandertrafen.

Das nördliche Heer zählte 11 500 Mann, das Südheer 16 200 sowie gegen 1000 Indianer. Die Artillerie der Konföderierten war

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minderwertig, dagegen besaßen sie eine sehr starke Reiterei. Außer- dem war das Südheer im Falle einer Niederlage durch Reserven gesichert und einer Verfolgung schon deshalb nicht ausgesetzt, weil sich Curtis nicht gut weiter von seinem Verpflegungsdepot vorwagen durfte. In dem weit nach Süden führenden Vorstoß lag überhaupt die größte Gefahr für das Curtissche Nordheer. Es stand über 300 Meilen von St. Louis und fast 200 Meilen von dem Depot RoUa mitten im Feindeslande, und es besaß nicht die geringste Deckung. Eine Niederlage konnte sehr leicht zu einer Katastrophe werden. Dagegen hatte Curtis einen erheblichen Vorteil in seiner Artillerie. Dieselbe bestand zu drei Vierteln aus deutschen Be- dienungsmannschaften .

Das Curtissche Heer war in vier Divisionen geteilt, welche von Osterhaus, Asboth, Jefferson C. Davis und Carr befehligt wurden. Die beiden ersten Divisionen standen unter Sigel, die Truppen von Davis und Carr unter Curtis. Ungefähr 5000 von den 11 500 Mann waren nach Sigels Meldung Deutsche. Sie standen fast sämtlich in den Divisionen Osterhaus und Asboth sowie bei der Artillerie. Unter den Regimentern, welche Osterhaus und Asboth führten, waren die Missourier 2, 3, 12 und 17 ganz deutsch, und Missouri 15 bestand fast nur aus Deutschschweizern und Deutschen. Auch die zur Sigelschen Abteilung gehörenden Illinoiser Regimenter 25, 44 und 36 hatten einen sehr starken deutschen Einschlag, und die übrigen Mannschaften waren zum größeren Teil Söhne von einge- wanderten Deutschen. Die Divisionen Davis und Carr bestanden vorwiegend aus Angloamerikanern, jedoch waren auch in diesen Truppen viele Deutsche, und die ganz deutsche Batterie Klaus aus Evansville, Ind., kämpfte am ersten Schlachttag in Division Davis.

Pea Ridge ist ein Höhenzug, der fast unmittelbar an der Süd- grenze von Missouri auf dem Gebiete des sezessionistischen Staates Arkansas liegt. Dort fand am 6., 7. und 8. März der Entscheidungs- kampf um Missouri statt, und der erste größere Sieg der Union wurde hier wesentlich von den deutschen Truppen und unter der Führung von deutschen Offizieren erfochten.

Aus Verpflegungsrücksichten hatte Curtis sein Heer weit aus- einandergezogen, so z. B. befanden sich die Sigelschen Abteilungen am Frühmorgen des 6. März noch zehn Meilen von den Kameraden entfernt in und bei Benton ville. Curtis befahl die Konzentration, und der Hauptteil des Sigelschen Heeres rückte am 6. März nach

Sigels Sieg bei Pea Ridge. 245

dem Sugar Creek-Tale (vor Pea Ridge) ab, wo Curtis bereits stand. Sigel selbst aber war mit 600 Mann (Teile des 12. Missouri-Regiments unter Wangelin, drei Kanonen unter Elbert und einigen Geschwadern unter Nemet) bei Bentonville zurückgeblieben, um eine zu einer Streif erei ausgesandte Abteilung aufzunehmen, welche bald zurück- erwartet wurde. Sigel kam dabei in große Gefahr. Er hatte während der ganzen Nacht den Abmarsch seiner Haupttruppe geleitet und sich am Morgen zum Ausruhen niedergelegt, als der Vortrupp der Konföderierten in der Stärke von 3000 Mann bereits bedenklich nahe an den Lagerplatz herangerückt war. In großer Hast wurde die Truppe alarmiert und für den Rückzug von Bentonville nach Sugar Creek geordnet. Der konföderierte General van Dom erklärte in seinem Schlachtbericht, daß der Rückzug des Feindes in »be- wunderungswürdiger Weise« durchgeführt worden sei. Mehrmals wurden Sigels Truppen vom Feinde völlig umzingelt, doch gelang es stets, durchzubrechen und die Truppen zusammenzuhalten. Sigel wendete seine schon bei Carthage bewährte Taktik wieder an. Er ließ seine Kanonen von Zeit zu Zeit halten und feuern. Sigels Verluste waren nur unbedeutend, die 60 Toten und 200 Verwundeten des Tages kommen zumeist auf die Division Asboth, welche an jenem Tage ebenfalls ein Gefecht hatte. Osterhaus, welcher von Sigels Bedrängung erfahren hatte, schickte ihm die Regimenter 2 und 15 Missouri und 25 und 44 Illinois entgegen. Damit war Sigels Abteilung gerettet und bald mit den Kameraden im Sugar Creek- Tale vereinigt.

Die feindliche Armee van Dorns hatte ihre alte Einteilung in zwei Korps beibehalten. Das eine Korps, bestehend aus den Truppen von Louisiana, Texas und Arkansas sowie den indianischen Hilfstruppen, führte Mc Culloch, das andere Korps bestand aus Missourier Konföderierten unter Price. Im wesentlichen waren das dieselben Heere, welche den Sieg bei Wilsons Creek über Lyon und Sigel erkämpft hatten. Doch war die Übermacht des Feindes weit geringer als bei Wilsons Creek. Van Dorn glaubte die beiden Korps von Curtis einzeln schlagen zu können; das wurde durch den noch rechtzeitig erfolgten Rückzug Sigels nach Sugar Creek aber vereitelt. Dieser Bach fließt in unmittelbarer Nähe des Elk- hornpasses der Pea Ridge- Gebirgskette. Curtis hatte an dem Bache schon seit mehreren Tagen gelagert und dort, eine stark befestigte Stellung eingenommen in der Erwartung, daß dem Feinde nichts

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Fig. 8. Wilsons Creek und Pea Ridge.

anderes übrigbleiben würde, als diese Stellung zu stürmen. Als Sigel jedoch am Abend des 6. März am Sugar Creek eintraf, erklärte er sofort, daß die Feinde durchaus nicht so töricht sein würden, um auf diesem von Curtis ausgewählten Schlachtfelde zu kämpfen. Sigel wies nach, daß dem Gegner eine gute Abmarschstraße zur

Verfügung stehe, um das Curtissche befestigte La- ger zu umgehen und sich in dem von vielen Schluch- ten durchschnittenen Ge- biet dicht hinter dem Elk- ^hom-Passe eine Stellung zu suchen, welche sich sowohl für den Angriff wie für die Verteidigung vor- trefflich ausnützen ließ. Eine solche Stellung des Feindes besaß außerdem noch den Vorteil, daß dadurch die einzige RückzugsUnie der Unions- truppen nach Springfield und nach dem Norden blockiert wurde. Wählte der Feind jene Aufstellung, so war die von Curtis geschaffene Festung ohne jeden Wert, denn Curtis wäre alsdann gezwungen worden, als Angreifer aufzutreten. Es stellte sich sofort heraus, daß Sigel die Lage richtig beurteilt hatte. Während der Nacht vom 6. bis 7. März vollzog sich das von Sigel vorausgesehene Üm- gehungsmanöver des Feindes.

Aber nur das eine feindliche Korps, die Missourier Konföde- rierten unter Price, konnte die gesuchte Stellung hinter dem Elkhom- Paß gewinnen. Der andere Teil der feindlichen Armee, das stärkere Korps unter Mc Culloch wurde in seinem Aufmarsch aufgehalten und war gegen 10 Uhr morgens am 7. März erst bis zu einer Stelle Unks von Big Mountain (siehe Karte) vorgedrungen. Demnach standen die beiden feindlichen Korps am Morgen des ersten Schlacht- tages etwa vier Meüen voneinander getrennt. Dies bedingte aber auch eine Teilung der Unionstruppen, denn es war schon zu spät, um die ganze Unionsarmee gegen einen der beiden feind- lichen Flügel einzusetzen. Während des Kampfes in einer solchen Schlachtlage hätte das nicht angegriffene konföderierte Korps den Unionstruppen in den Rücken fallen können. Curtis mußte dem-

Sigels Sieg bei Pea Ridge.

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gemäß seine feste Stellung am Sugar Creek verlassen und dem Feinde in zwei gesonderten Treffen entgegentreten. Jedoch be- saßen die Unionstruppen hierbei den Vorteil der inneren Linien. Sie waren nicht so weit auseinandergezogen als der Feind und konnten sich demnach rascher gegenseitig unterstützen.

Fig. 9. Pea Ridge am^S^März. (Links, oberhalb Leetown das Schlachtfeld Sigels am 7. März.)

Am 7. M ä r z. Die Division Carr wurde zur Besetzung des '. Elkhom-Passes vorgeschickt, um dem weit stärkeren kon- föderierten Korps Price entgegenzutreten und dasselbe möglichst lange festzuhalten. Sigels beide Divisionen rückten gegen Mc Cul- loch vor und hatten Fühlung mit Division Davis, welche im Zen- trum operierte. Die schwerste Aufgabe hatte Division Carr. Sie war beträchtlich weit von den übrigen Unionstruppen entfernt und mußte sich gegen einen dreifach stärkeren Feind schlagen. Ver-

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folgen wir zunächst diesen Kampf auf dem rechten Flügel der Unions- truppen. Carr wurde von überlegener und gut postierter Artillerie angegriffen, und nachdem mehrere ünionsgeschütze unbrauchbar gemacht worden waren, stürmte die konföderierte Infanterie gegen ihn vor. Carr mußte weichen, kämpfte aber mit großer Hartnäckig- keit und hielt den Feind dadurch auf. Mit Erbitterung wurde nament- lich um den Elkhom-Paß gekämpft. Schließlich wurde Carr auch aus dieser Stellung verdrängt und nach und nach in das offene Gelände am Fuße der Hügelkette geworfen. Seine Verluste waren sehr stark, außerdem hatten sich seine Truppen verschossen, und es herrschte auch bei der Artillerie längst Munitionsmangel. Sigel, der auf dem linken Flügel (gegen Mc Culloch) siegreich geblieben war, hatte die Bedrängung seines Kameraden Carr rechtzeitig be- merkt und demselben die Division Asboth zu Hilfe geschickt; auch Teile von Division Davis waren zur Unterstützung Carrs aufgerückt. So konnte sich die stark zerzauste und fast aufgelöste Division Carr hinter den Freunden wieder sammeln. Das konföderierte Korps Price wagte es nicht, die erlangten Vorteile zu verfolgen, es hatte selbst sehr stark gelitten, auch war die Niederlage des konföderierten Korps Mc Culloch von Price erkannt worden. So kam das Ge- fecht auf diesem Teil des Schlachtfeldes gegen 4 Uhr zum Stehen. Sigels erster Sieg am 7. März. Das Korps Mc Culloch hatte gegen Sigel eine ähnlich schlimme Niederlage erlitten wie die Unionsdivision Carr gegen das konföderierte Korps Price. Übri- gens erfuhren auch Sigels Truppen zu Anfang des Gefechtes beträcht- Hche Rückschläge. Osterhaus, dessen Division in der Front kämpfte, hatte seine Reiterei, etwa 150 Mann, vorgeschickt, um aufzuklären. Die Truppe geriet dabei in einen Hinterhalt und wurde in großer Verwirrung zurückgeworfen. Sodann kamen die Osterhausschen Regimenter 12. Missouri und 36. Illinois in eine höchst gefährliche Lage, als die neben ihnen kämpfenden Truppen der Division Davis plötzlich versagten und nach der hinter der Kampflinie belegenen Ortschaft Leetown zurückgingen. Aus Feigheit geschah das nicht, aber Davis' Leute verstanden nicht mit ihren neuen Waffen um- zugehen. Sie konnten ihre Flinten nicht wieder laden ^). Dadurch

^) Division Davis war kurz vorher mit sog. »Sevenshooters« ausgerüstet worden. Mit dieser Büchse, welche das Abfeuern von sieben Schüssen in rascher Folge gestattet, glaubten die Soldaten Wunderdinge verrichten zu können. Aber das Gewehr verschleimte nach Abgabe der ersten Ladung,

Sigels Sieg bei Pea Ridge. 249

wurde die Flanke des 12. Regiments (das aus Vorderladern schoß) entblößt. Nun mußten auch die 12 er und 36 er zurück, jedoch nur bis an den Saum eines benachbarten Waldes. Aber die Hoffmannsche Batterie konnte die Bewegung nicht rasch genug mitmachen und bUeb vor der Front im freien Felde stehen. Die Rebellen stürzten sich sofort auf die Kanonen, mußten sie aber wieder fahren lassen, als die Zwölfer von der Walddeckung aus ein vernichtendes Feuer abgaben^). Die Batterie wurde sofort zurückerobert, die Fühlung mit Division Davis wieder hergestellt, und in einem von Oberst Osterhaus geführten neuen Angriff wurde der Feind vertrieben. Die beiden Führer der texanischen Truppen, General und Oberst Mc Intosh (Vater und Sohn) fielen vor der Front des 12. Regiments, und ein Scharfschütze des 36. Illinois- Regiments tötete den Korps- führer General Mc Culloch. Der konföderierte Oberst Hebert wurde gefangen genommen. Durch dieses Unglück wurden die Truppen von Louisiana und Texas stark demoralisiert und hielten nicht mehr stand 2). Der linke Flügel blieb auf der ganzen Linie sieg- reich, und Sigel war deshalb in der Lage, den bedrängten Carr recht- zeitig aufzunehmen. Sigel hielt eine Verfolgung des von ihm ge- schlagenen feindlichen Flügels für nutzlos, denn er nahm an, daß der Feind sich auf seinen gegen Carr siegreich gebliebenen Flügel zurückziehen würde und daß eine Vereinigung der beiden bisher getrennt kämpfenden feindlichen Korps nicht mehr verhindert werden könne, sowie daß sich die Schlacht am nächsten Morgen erneuern werde. So geschah es denn auch. Die neue Stellung

und zum Reinigen war keine Zeit mehr. Soldaten, welche nicht mehr schießen können, werden wohl stets davonlaufen, wenn der Feind aus hundert Schritt Entfernung in sie hineinfeuert. Die Truppen hatten nicht die geringste Er- fahrung mit ihren Sevenshooters, als sie dieselben gebrauchen sollten. Eines von den vielen Beispielen, in welch dilettantenhafter Weise der Krieg geführt wurde.

^) Mitteilung von General Osterhaus an den Verfasser.

2) Viele konföderierte Führer faßten ihre Offizierspflicht so auf, wie es im Altertum als ritterliche Pfhcht galt. Aber damals entschied die blanke Waffe. Mc Culloch und seine tapferen Kameraden glaubten nur durch Einsetzen der eigenen Person die undisziplinierten Massen mit fortreißen zu können. Aber die Wirkung war die entgegengesetzte. Die führerlos ge- wordenen Truppen wurden demoralisiert. Auch das tapfere Vorgehen des Unionsgenerals Lyon bei Wilsons Creek hatte ähnliche Folgen.

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des vereinigten Feindes im Elkhom-Passe war sehr günstig. Auch konnte der um über ein Drittel stärkere Gegner die bereits erHt- tenen Verluste leichter ertragen als die Unionstruppen. So stand für morgen ein sehr heißer Tag bevor, denn eine beträchtlich schwä- chere Armee hatte einen stärkeren Feind aus einer Position zu werfen, welche eine natürliche Festung bildete. Scheiterte dieser Angriff, so waren die Unionstruppen in einer sehr schlimmen Lage, denn sie hätten dann einen etwa nötig gewordenen Rückzug nach Springfield auf schwierigen Umwegen suchen müssen. Die Schlacht- lage war so geworden, daß die Nördlichen mit der Front nach Norden kämpfen mußten. Sie mußten jenen Paß erobern, während den Südlichen mehrere Straßen für ihren Rückzug zur Verfügung standen.

Nachdem Sigel festgestellt hatte, daß sich die Vereinigung der feindlichen Korps vollzogen hatte, führte er seine ermüdeten und hungrigen Truppen für die Nacht in das Lager am Sugar Creek zurück, damit die Leute ein warmes Lager beziehen und abkochen könnten. Aber er traf außerdem alle Vorsichtsmaßregeln, erkundete genau das Feld, welches am nächsten Morgen als Angriffs- gebiet dienen sollte, und suchte sich durch Postenketten gegen etwaige Überraschungen auf diesem Vorterrain zu schützen.

Obergeneral Curtis schätzte das Ergebnis des ersten Tages recht ungünstig ein. Die Niederlage des rechten Flügels war sehr empfindlich gewesen, und Carrs Truppen waren kaum mehr kampf- fähig. Der Feind hatte den Vorteil einer sehr starken Stellung und bedeutender Übermacht. Am Abend des 7. März redete Curtis bereits von der Möglichkeit einer Kapitulation, falls es nicht ge- lingen sollte, den Elkhorn-Paß zu nehmen. Die deutschen Offi- ziere und auch General Davis waren weniger besorgt, besonders Sigel und Osterhaus vertrauten auf die starke Wirkung ihrer gut geschulten Artillerie, wenn es gelingen sollte, für dieselbe eine gün- stige Angriffsstellung zu finden.

8. März. Am nächsten Morgen erteilte Curtis Sigel den Befehl, auf der Straße, welche nach dem Elkhorn-Passe führte, vorzurücken. Sigel ersuchte um einen kurzen Aufschub, um die Rückkehr von Osterhaus und Kapitän Aßmussen abzuwarten, welche ausgeritten waren, um einen für den Angriff besser geeig- neten Ort zu finden, wo die Artillerie den Angriff gut unterstützen könne. Bald darauf kehrten die beiden Offiziere zurück und mel-

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deten, daß sie den geeigneten, vom Feinde unbesetzten Platz ge- funden hätten, und zwar auf dem hochgelegenen freien Felde, süd- lich vom Big Mountain. Auch hatte Osterhaus das 44. Illinois- Regiment unter Oberst Knobelsdorf bereits so postiert, daß in der Zwischenzeit keine Überraschungen seitens des Feindes erfolgen konnten. Curtis erklärte sich dann mit der von Sigel vorgeschlagenen und durch Osterhaus' Maßregeln möglich gemachten Änderung seines Angriffsplanes einverstanden. Diese Änderung hat zu dem Gerücht Veranlassung gegeben, daß Sigel von Curtis den Ober- befehl gefordert und daß Curtis dies bewilligt habe. Das ist aber nicht geschehen, doch kann man wohl sagen, daß der Angriff am 8. März ganz nach dem Sigelschen Plane und von dem von Oster- haus und Aßmussen ausgewählten Punkte ausgeführt worden ist. Curtis hat sich während der Hauptschlacht am 8. März ziemlich passiv verhalten und seine deutschen Offiziere frei schalten und walten lassen. Sigel erklärt, daß ihm ein Stein vom Herzen gefallen sei, als Curtis auf seinen Angriffsplan einging.

Um den Feind in dem Glauben zu belassen, daß der Haupt- angriff auf den Elkhom-Paß von der Telegraph Road ausgehen werde, leitete die Division Davis schon gegen 8 Uhr morgens von dieser Stelle aus den Angriff mit starkem Artilleriefeuer ein, und sowohl Davis als die Reste der Division Carr entwickelten ihre Infanterie zum Scheingefecht. Während dieser Zeit vollzog sich der Aufmarsch der beiden Sigelschen Divisionen für den Flanken- angriff, welcher nach dem neuen Plane die Hauptaktion bilden sollte. Innerhalb einer guten halben Stunde hatte sich dieser Auf- marsch vollzogen. Sigel zog nun seine Batterien Hoffmann, Welfle und Frank zusammen und eröffnete mit denselben von jenem hoch- gelegenen freien Felde aus ein so heftiges Feuer, wie nach den Mit- teilungen des anwesenden Korrespondenten des N. Y. Herald auf amerikanischem Boden bisher noch niemals stattgefunden hatte. Dieses Artilleriefeuer war um so wirksamer, als die Feinde hinter Felsen und einer Steinmauer standen und vielfach durch Absplit- terungen von Steinen getroffen wurden. Sigel hatte zuerst aus 800 Yards Entfernung schießen lassen. Er ließ bald seine Geschütze 250 Yards vorrücken, und alsdann erzielte das Feuer eine furchtbare Wirkung. Dieser Angriff war außerordentlich gewagt, aber Sigel hatte sich in bezug auf die Zielfertigkeit der feindlichen Artillerie nicht verrechnet. Die konföderierten Batterien waren in Erwartung

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eines Unionsangriffes von der Telegraph Road aus, also gemäß des ursprünglichen Curtisschen Angriffsplanes, aufgestellt, und sie wurden durch Sigels Flankenangriff völlig überrascht. Die Kon- föderierten konnten nicht rasch genug das Ziel gegen die beträcht- lich höher postierten Sigelschen Batterien finden. Sigel hatte seit der Schlacht von Wilsons Creek unermüdlich an der Ausbildung seiner Artillerie gearbeitet, auch waren jetzt die meisten seiner Artilleristen aus dem früheren Dreimonatsdienst (welche kurz vor der Schlacht von Wilsons Creek nach Hause gegangen waren), wieder in den Dienst zurückgekehrt. Sodann war Sigel durch die vorzüglich ausgebildete deutsche Batterie Hoffmann aus Cincinnati wesentlich verstärkt worden. Auch die deutsche Batterie Klaus aus Evansville, Indiana, kämpfte am 8. März bei ihm. Es gelang Sigel, mehrere der feindlichen Batterien rasch zum Schweigen zu bringen und für seine Infanterie das Feld zum Angriff freizumachen. Da die feindlichen Kanonenkugeln fast sämtlich über die Köpfe der Angreifenden hinweggingen, so hatte Sigel bei diesem kühnen Vormarsch nur ganz geringe Verluste. Die Infanterie der Divisionen Osterhaus und Asboth folgte der Artillerie auf dem Fuße. Das Ge- lände war zum Vorrücken sehr günstig, denn das leicht hügelige Plateau, über welches der Angriff führte, bot der Infanterie viel- fach Deckung dar. Schon kurz nach ii Uhr hatten Sigels Kanonen fast die gesamte feindliche Artillerie (50 Geschütze) niedergekämpft.

Die in Walddeckung stehende feindliche Infanterie wagte sich angesichts der furchtbaren Wirkung der Sigelschen Artillerie nicht in das freie Feld vor, auch war diese Infanterie schon beträchtlich demoralisiert infolge des völligen Versagens ihrer Kameraden von der Artillerie. Sigels Kanonen suchten nun den vorhegenden Wald von der feindlichen Infanterie zu säubern und auch das gelang. Jetzt hatten die deutschen Regimenter freie Bahn zum Sturme auf den vorliegenden Wald, die dahinter ansteigenden Höhen und den zu nehmenden Paß.

Sigel schickte das 36. Ilhnois- Regiment sowie die drei deutschen Missouri-Regimenter 2, 3 und 17 gegen den steilen Berghang zur Linken, wo der konföderierte General van Dorn eine sehr starke Stel- lung behauptete. Ehe diese Truppen den Gipfel erklommen, hatten die Cincinnatier deutschen Kanoniere unter Hoff mann, sowie Sigels Batterie Elbert jenen Gipfel unter Feuer genommen, und die In- fanterie fand ziemlich leichte Arbeit, um den Feind in die Schluchten

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von Gross Timber Hollow zu werfen. Dem 17. Missouri- Regiment, deutsche Turner unter Major Poten (einem ehemaligen hannover- schen Offizier), gelang es noch, den Feind im Rücken zu fassen und viele Gefangene zu machen.

Gleichzeitig mit diesem Infanterieangriff war Osterhaus mit den Regimentern 12 Missouri, und 25 und 44, Illinois, gegen den Elkhom-Paß vorgestürmt, die Zwölfer unter Wangelin voran. Sie eroberten sofort die Dallas-Batterie des Feindes und waren dann bald mit ihren Illinoiser Kameraden im Passe selbst. Der Feind wurde rasch geworfen und der Elkhorn-Paß war binnen einer halben Stunde im Besitz von Osterhaus. Damit war das Zentrum der feindlichen Position genommen.

Die Erfolge Sigels auf dem linken Flügel wurden von Curtis rechtzeitig bemerkt, und die Divisionen Davis und Carr gingen daraufhin vom Scheingefecht zum ernsten Angriff über. Der Feind war im vollen Rückzug. Aber es fehlte an Reiterei, um die Verfol- gung wirksam zu machen. Zwar verfolgten die Divisionen Oster- haus und Asboth den Feind noch neun Meilen weit bis Keetsville und Bussays Reiter noch bis Bentonville, aber die Erfolge waren nicht beträchtlich. Der Sieg der Ünionstruppen war vollständig, und fast zwei Jahre nach der Schlacht von Pea Ridge blieb Missouri von den Invasionen der Konföderierten befreit.

Die Schlacht von Pea Ridge ist auch deshalb von besonderem Interesse, weil auf selten der Konföderierten gegen 1000 Indianer kämpften. Die Rothäute traten nur noch ein anderes Mal im Bür- gerkriege auf, nämlich bei der Bedrängung der deutschen Stadt Neu-Ulm in Minnesota (siehe darüber im Anhang, Artikel 8). Das Indianergebiet lag ganz in der Nähe des Schlachtfeldes von Pea Ridge. Die Konföderierten hatten den biederen Rothäuten die Mei- nung beigebracht, daß die Unionsregierung sie zu Sklaven machen wolle, und so gelang es dem konföderierten Offizier Pike, drei In- dianer-Regimenter bei Pea Ridge in den Kampf zu führen. Aber Pike hatte zu große Rationen Whisky unter den Wilden verteilen lassen. Die meisten Indianer sollen stark betrunken gewesen, sein, als der Kampf begann. Im Rausche verwechselten sie ihre Bundes- genossen mit den gemeinsamen Gegnern und feuerten wild in die konföderierten Reihen hinein. So meldet Browne in seinem Buche »four years in Sezessia«, wo auch die Mitteilung gemacht wird, daß die Indianer eine Anzahl konföderierter Verwundeter aus Irrtum

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skalpiert hätten. Zwischen vier Kompagnien eines kon föderierten Arkansas-Regiments und den Indianern soll sich wegen dieser Schandtaten ein verlustreiches Gefecht entsponnen haben. Mit den Unionstruppen kamen die Indianer nur am ersten Schlachttag ins Gefecht, und zwar mit den deutschen Truppen unter Osterhaus und Asboth. Sigels Leute hatten eine Anzahl Indianer gefangen. Da mehrere Gefallene, sogar auch Verwundete skalpiert worden waren, so ließ Sigel jedem gefangenen Indianer fünfundzwanzig hinten aufzählen, was wohl nicht den Kriegsgebräuchen entspricht, aber doch als gerechte Strafe für das Skalpieren anzusehen ist. Bei dieser Exekution sind die deutschen Kameraden der Skalpierten durchaus nicht mit besonderer Milde vorgegangen. Übrigens ver- zichteten die Konföderierten später gerne auf die Hilfe der Indianer. Diese Braven machten den weißen Verbündeten weit mehr Last, als sie Nutzen stifteten. Außerdem konnten die Rothäute das Ar- tiUeriefeuer absolut nicht vertragen. Schon beim Anblick einer Kanone nahmen sie Reißaus. Bemerkenswert ist ferner, daß bei Pea Ridge auch die ersten Negersoldaten auf der Unionsseite auf- traten. Sie waren der Division Asboth zugeteilt, taten aber wesent- lich Dienste als Fuhrleute, Träger und Magazinarbeiter.

Unsere Darstellung der Schlacht stützt sich wesentlich auf Sigels Berichte in der Sammlung »Battles and Leaders« (Century- Verlag) sowie auf Sigels spätere Schilderung im New York Monthly. Eine wörtliche Übersetzung des Sigelschen Berichtes würde den Leser leicht verwirren, denn Sigel mußte zu viele Details einflechten, welche für den den Dingen ferner Stehenden kein Interesse haben und deshalb nur ablenken. Auch sind manche Mitteilungen, welche der Verfasser seinem Freunde Schierenberg und dem General Oster- haus verdankt, mit verwendet worden.

Die Verluste in der Schlacht von Pea Ridge waren in der Unions- armee 203 Tote, 980 Verwundete und 201 gefangen oder vermißt; die Unionsdivisionäre Carr und Asboth wurden verwundet. Die Konföderierten gaben ihre Verluste auf 800 bis 1000 Tote und Ver- wundete und 200 bis 300 Vermißte an. Doch waren ihre wirklichen Verluste beträchtlich größer. Die konföderierten Generale Mc Cul- loch und Mc Intosh waren gefallen, Col. Rivers erlag seinen Wunden kurz nach der Schlacht, und auch General Price wurde verwundet.

Diese Schlacht in Arkansas war Sigels schönste Tat im ganzen Kriege. Hier erscheint er im besten Lichte, nicht aUein

Sigels Sieg bei Pea Ridge. 255

als Stratege, sondern auch als Taktiker und als äußerst geschickter Truppenführer, welch letztere Eigenschaften ihm die Westpointer bekanntlich stets abgesprochen haben. Aber auch hier ist er wieder der »Pechvogel«, der er stets gewesen ist. Er gewinnt diesen ein- zigen Sieg seiner ganzen Laufbahn nicht als Oberführer, nicht in völlig selbständiger Stellung, sondern als zweiter im Kommando unter dem Westpointer Curtis. Dieser Herr gewinnt die Schlacht »amtlich«, d. h. er schreibt die für die amtliche Erkenntnis der Schlacht maßgebenden Berichte und ihm steht es frei, darüber zu sagen, was er für gut hält. Aber wer sagt gern, daß er in einer wich- tigen Schlacht, welche über die ganze Kriegslage im Südwesten entschieden hat, als Oberführer doch eigentlich nur die zweite Rolle gespielt, daß er in der Erkenntnis der großen Gefahr und auch der eigenen persönlichen Schwäche einem Unterführer, einem Nichtwestpointer und sogar einem Deutschen, die ganze Schlacht- leitung überlassen hat! Selbst angenommen, daß der Schlacht- bericht des Obergenerals Curtis n i c h t im Hauptquartier des Herrn Halleck nochmals redigiert worden ist, vom Standpunkt eines kommandierenden Generals aus wäre es einigermaßen verständlich gewesen, wenn Gen. Curtis von dem ihm amtlich zukommenden Ruhme seinem Kameraden Sigel nur so viel zugesprochen hätte, als unumgänglich notwendig gewesen wäre. Es ist aber für Sigel noch viel weniger dabei abgefallen. Ob Curtis' oder Hallecks Hand dabei im Spiel war, steht dahin. Curtis und Sigel waren noch kurz nach der Schlacht gute Freunde. Noch 30 Jahre nach der Schlacht hebt Sigel im »N. Y. Monthly« hervor, daß Curtis ihm die Hand gereicht habe, als sich beide nach erkämpftem Siege hinter Elkhom- Paß auf dem Schlachtfeld trafen. Aber hinterher lautete Gen. Curtis' Schlacht bericht doch wesentlich anders, und erst weit später hat Curtis dem Kameraden Sigel Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Nach den amtlichen Berichten läßt sich Sigels Anteil an der Schlacht gar nicht würdigen. Aber im ganzen Westen war nach Pea Ridge nur von Sigel die Rede und nicht von Curtis.

Sigel ließ sich einige Monate nach der Schlacht nach dem öst- lichen Kriegsschauplatz versetzen. Doch lag die Ursache dafür w^eniger in der ihm in den amtlichen Berichten vorenthaltenen Anerkennung seiner Leistungen als in den andauernden Schikanen, welche er von General Halleck zu erdulden hatte.

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Sigel und Haileck.

Im Kapitel Fremont wurde bereits gesagt, daß die deutschen Offiziere der Division Sigel im November 1861 öffentlich gegen die Absetzung Fremonts protestiert hatten. Der Protest richtete sich eigentlich nur gegen das unzeitgemäße der Absetzung. Die Division Sigel litt damals sehr unter der furchtbaren Nieder- lage am Wilsons Creek und sehnte sich nach einer Gelegenheit, um jene Scharte wieder auszuwetzen. Gerade als sich diese Gelegen- heit darbot, als man ein starkes und gut ausgerüstetes Heer bei- sammen hatte, um auf demselben Schlachtfelde von Wilsons Creek dem Feinde wieder entgegentreten zu können, wurde Fremont ab- berufen und von dem neuen Befehlshaber der Rückzug angeordnet. Die Wut der Sigelschen Offiziere ist wohl verständhch, und daraus mag es sich auch erklären, daß sich die Herren in der Form ihres Protestes etwas vergriffen haben. Sigel selbst hatte den Protest nicht unterschrieben. Aber der neue Oberführer vermutete in Sigel den Urheber des Schriftstückes. Jener Protest mußte Halleck übrigens sehr unbequem sein, weil seine Stellung in Missouri auch eine poli- tische war. Er hatte sich wesentlich auf die Republikaner und Unionsfreunde zu stützen, und unter diesen bildeten die Deutschen auch damals wohl noch das wichtigste Element. Sie waren tief ver- letzt durch das, was sie Lincolns Schlaffheit in der Sklavereifrage nann- ten; diese Stimmung aber richtete sich auch gegen Halleck, der als Vertreter Lincolns in Missouri angesehen wurde. Dem Proteste der Sigel- schen Offiziere schlössen sich fast alle deutschen Sklavereigegner an, und dadurch wurde Hallecks politisches Wirken außerordentlich erschwert.

Halleck war schon mit Vorurteilen gegen die deutschen Offi- ziere nach St. Louis gekommen. Er war aber auch ein sehr hart- köpfiger Herr und ein starker Hasser. Er ließ ganz im geheimen eine Untersuchung der Sigelschen Kriegstaten veranstalten, und seine Informanten waren wesentlich Sigels Feinde Sturgis und Schofield. Auch beschränkte sich diese Untersuchung nur auf Sigels Verhalten bei Wilsons Creek, umfaßte nicht dessen frühere Leistungen bei Camp Jackson und bei Carthage. Daß Sigel bei dieser »Untersuchung«, von welcher er gar nichts wußte, sehr schlecht abschnitt, ist ohne weiteres klar. Er stand ja nach Wil- sons Creek sozusagen »unter einer Wolke« und hatte noch keine Gelegenheit gefunden, jene Scharte auszuwetzen. Halleck sandte

Sigel und Halleck. 257

am 14. Januar 1862 an den Obergeneral Mc Clellan einen geradezu abscheulichen Bericht über Sigel und die deutschen Offiziere ein, in welchem sich folgende Stellen befinden:

»Eine andere ernstliche Schwierigkeit liegt in der Existenz und dem Charakter vieler Truppen, welche bisher in Missouri or- ganisiert wurden. Einige dieser Korps sind nicht allein in völlig ungesetzlicher Weise errichtet worden, sondern auch durchaus nicht zuverlässig. Im Gegenteil, da sie meistens aus Fremden be- stehen, in vielen Fällen von ausländischen Abenteurern oder viel- leicht Verbrechern (Refugees from justice) befehligt, und von Partei- kleppern für politische Zwecke beeinflußt werden, so bilden sie ein gefährliches Element in der Armee. Die Body Guards, Marine Corps, Telegraph Corps, Railroad Guards und Benton Guards wurden bereits ausgemustert. Die Home Guards in Boonville und Jefferson City wurden mit Gewalt entwaffnet, und eine Anzahl anderer Organisationen dieser irregulären Truppen werden in einigen Tagen entlassen werden. Einige dieser aus Ausländern gebildeten Truppen bestehen aus ausgezeichneten Leuten, während andere ohne Disziplin und Subordination und im Felde nichts anderes sind als Barbaren. Wohin sie gehen, machen sie alle Unionsleute zu bitteren Feinden. Der beiliegende Brief von General Schofield ist ein »schönes« Beispiel von dem, was über sie von anderen Orten berichtet wird. Es haben mich eifrige Anhänger der Union aus Südwestmissouri (darunter Colonel Phelps, ein Mitglied des Kon- gresses) gebeten, nicht zu gestatten, daß General S i g e 1 s Truppen dorthin zurückkehren, da diese Truppen, wohin sie kamen, Freund und Feind ohne Unterschied geplündert haben. Ich werde jedoch gezwungen sein, seine (Sigels) Division zu benutzen, da ich keine anderen Truppen habe, um sie gegen den konföderierten General Price zu schicken. Als ein Beispiel von der Art des Vertrauens, welches man in einige dieser fremden Abenteurer setzen kann, die in hohe Stellungen in der freiwilligen Armee gebracht wurden, will ich die Tatsache erwähnen, welche mir aus sehr glaubwürdigen Quellen zugekommen ist, daß eine Anzahl der fremden Offiziere eine Versammlung abgehalten haben und daß darin beschlossen worden ist, im Falle die Trent-Affäre ^) zu einem Kriege mit Eng-

1) Die Trent-Affäre. Zwei nach Europa entsandte Emissäre der kon- föderierten Regierung, Mason und Slidell, befanden sich Anfang November W. Kaufmann , Die Deutschen im amerikan. Bärgerkrieg.

258 W. Kaufmann.

land führen sollte, zusammen (,in a body') unseren Dienst zu verlassen und nach Kanada zu gehen.«

Sigel erfuhr von diesem Berichte Hallecks an Mc Clellan erst nach vielen Jahren, und zwar aus der Veröffentlichung des amt- lichen »War Record«. Er konnte also gegen die völlig unbegründeten Unterstellungen nicht sofort protestieren, aber 30 Jahre nach dem Kriege sagte Sigel in seinem New York Monthly darüber folgendes :

»Diese Beschuldigung (wegen der Trent-Affäre) wurde von Halleck gegen Männer erhoben wie Asboth, der bei Pea Ridge ver- wundet wurde und nach dem Kriege an einer zweiten Wunde ver- storben ist, die er, an der Spitze seiner Reiter vorgehend, in Florida erhalten hatte; gegen Hassendeubel, der vor Vicksburg ruhmvoll gefallen ist; gegen Oberst Knoderer, der tapfer kämpfend bei Suf- folk schwer verwundet wurde und bald darauf starb; gegen Oberst John A. Fiola, den Chef der Topographischen Abteilung unter Fremont; gegen Oberst Meysenburg, gegen Osterhaus und viele andere. Aber Halleck machte diese Patrioten zu Verrätern, diese Leute, welche Missouri gegen die Rebellen verteidigt haben!« Femer sagt Sigel: »Was den von Halleck erwähnten Brief von Schofield anbetrifft, so bezog sich derselbe besonders auf das Ka- vallerie-Bataillon des Major Hollan aus Warren ton, das aber nicht aus Deutschen bestand. Und Phelps war damals ein eifriger Freund der Sklaverei.«

Sigel hat obigen Brief Hallecks noch viel zu milde beurteilt. Es ist geradezu schändhch, daß Halleck die poHtischen^FlüchtHnge

1861 auf dem englischen Postschiffe Trent. Dasselbe wurde auf hoher See von einem Bundeskriegsschiffe angehalten, und die beiden Rebellen wurden gefangen nach den Vereinigten Staaten zurückgebracht. Die Engländer erhoben Protest gegen derartige Ausübung der Seepolizei, obschon England selbst in früherer Zeit stets in ähnhcher Weise gehandelt hatte. England rüstete sofort gegen die Vereinigten Staaten, und es schien eine Zeitlang, als ob der Krieg unvermeidlich sei. Ein solcher Krieg würde sich aber, abgesehen von der See, in Kanada abgespielt haben. Der Streit wurde rechtzeitig bei- gelegt, indem die Washingtoner Regierung die beiden Gefangenen wieder an England auslieferte. Das Niederträchtige in der obigen Anspielung Hallecks besteht darin, daß die »fremden Offiziere in hohen Stellungen« (welche doch nur die höheren Offiziere der Sigelschen Division sein konnten) die Absicht gehabt haben sollten, zum neuen Landesfeinde, und zwar gemeinsam (in a body) überzulaufen und gegen die Vereinigten Staaten auf englischer Seite zu kämpfen.

Sigel und Halleck. 259

aus Deutschland als »Refugees from justice« bezeichnet, sie also in eine Klasse stellt mit Verbrechern, welche sich der Justiz durch die Flucht entzogen haben. Wenn England im amerikanischen Revolutionskriege Sieger geblieben wäre, so hätten Washington, Jefferson, Hamilton, Adams, FrankHn und die übrigen Patrioten vielleicht ebenfalls in einem neutralen Lande Zuflucht suchen müssen, denn daß die britischen Sieger diese Revolutionäre milder behandelt haben würden, als die deutschen Regierungen die Freischaren- führer von 1848 bis 1849 behandelt haben, ist keineswegs sicher. Die Grausamkeiten, welche die gefangenen amerikanischen Patrioten auf den schwimmenden Gefängnissen der Engländer zu erdulden hatten, lassen eher das Gegenteil vermuten. Die Ziele der ameri- kanischen Revolutionäre waren dieselben, welche von den deutschen Achtundvierzigern erstrebt wurden. Washington und dessen Ge- sinnungsgenossen wollten Nordamerika von der Herrschaft Eng- lands befreien, die Achtundvierziger kämpften für ein freies und einiges Deutschland und suchten dem repubHkanischen Prinzip zum Siege zu verhelfen. Der einzige Unterschied der beiden Grup- pen besteht nur in dem Erfolge der amerikanischen und dem Miß- erfolge der deutschen Revolutionäre. Die letzteren als »Refugees from justice« zu bezeichnen (da Halleck die Sigelschen Soldaten als Räuber und Barbaren schüdert, so hat jene Bezeichnung noch einen besonders bitteren Beigeschmack), das ist eine unerhörte Beleidigung nicht nur jener deutschen Offiziere und Soldaten von Missouri, sondern auch der halben Million deutscher Auswanderer, welche ausschließlich durch die deutsche Revolution nach Amerika vertrieben worden sind. Bei einem Westpointer der damaligen Zeit kann man cdlerdings nicht voraussetzen, daß er sich des Dankes bewußt ist, welchen die Union gerade dieser halben Million deutscher Einwanderer schuldet. Aber der in Missouri kommandierende General hätte doch wenigstens wissen müssen, daß nur durch die Deutschen die Stadt St. Louis der Union erhalten worden ist, sowie daß jene »Refugees from justice« die führende Rolle bei dieser Glanztat gespielt haben.

Die Sigelschen Soldaten werden von Halleck als Räuber und Barbaren bezeichnet. Weil sie Nahrungsmittel, welche die Re- gierung nicht rechtzeitig liefern konnte, wegnahmen, wo sie die- selben fanden. Neun Zehntel der Bevölkerung von Südmissouri war rebellisch. Jeder Unionsmann war diesen Leuten vogelfrei,

17*

260 W. Kaufmann.

nicht allein in bezug auf seine Habe sondern auch auf sein Leben. Bei solchen Zuständen und Provokationen sollten Sigels Soldaten sich allein auf zivilisierte Kriegsführung beschränken, sollten hungern, obschon das Feindesland sie ernähren konnte? Die An- schuldigung Hallecks ist ebenso unlogisch, als sie infam ist. Und wer beklagte sich denn über die Sigelschen »Barbaren«? Das waren die Leute, welche triumphierten, als der abgesetzte Sklavenbefreier Fremont durch einen Nachfolger abgelöst worden war, von welchem sie Schutz ihres in Sklaven angelegten Eigentums erwarteten. Geradezu albern aber ist das Bedauern Hallecks, daß ihm keine anderen Truppen als die Sigelschen zur Verfügung stehen, um den neuen Feldzug gegen den rebellischen Südteil von Missouri zu führen. Was wäre wohl aus der Curtisschen Armee bei Pea Ridge geworden, wenn Sigels deutsche Truppen nicht dabei gewesen wären ?

Und nun die T r e n t - Affäre. Wenn Halleck wirklich aus »sehr glaubwürdiger Quelle«, wie er in jenem amtlichen Schrift- stücke sagt, erfahren hatte, daß die deutschen Offiziere gegebenen- falls nach Kanada gehen und dort unter den Engländern gegen die Vereinigten Staaten dienen wollten, so war das Hochverrat, und es wäre Hallecks Pflicht gewesen, ein Kriegsgericht einzusetzen und in strengster Weise gegen die Teilnehmer an jener angeblichen Offiziersversammlung einzuschreiten. Das aber tat er nicht, son- dern er denunzierte seine deutschen Kameraden in einem Bericht, von welchem er wußte, daß derselbe lange Zeit geheim bleiben, vielleicht niemals veröffentlicht werden würde, denn auch mit diesen amtlichen Schriftstücken wurde in jener ersten Kriegszeit sehr wenig ordnungsgemäß verfahren, und Hunderte derartiger Berichte sind damals, wahrscheinlich zum Glück, in den Papier- korb oder ins Feuer gewandert. Der ganze Brief zeigt uns den Charakter dieses späteren Oberführers der Unionsarmee, dieses von Vorurteilen beherrschten, kleinlich denkenden, heimtückischen, von Größenwahn befangenen Mannes.

Als Halleck sein Amt in Missouri antrat, war Sigel an der Ruhr erkrankt, und er war auch stark verärgert. Halleck ließ ihn sein Mißtrauen fühlen. Sigel aber war alles weniger als ein Diplomat. Da er jedoch einer der wenigen Unionsoffiziere war, welche die

Sigel und Halleck. 261

Kriegslage in Missouri näher kannten, so hielt er es für seine Pflicht, dem neuen Oberbefehlshaber Vorschläge zu unterbreiten und einen Kriegsplan zu entwerfen. Dieser Plan kam in den wesentlichen Zügen auch zur Ausführung, aber Halleck betrachtete es als An- maßung, daß ihm ein Untergebener, den er (Halleck) für einen Stümper hielt, überhaupt mit solchen Dingen nahezutreten wagte. Auch war es Halleck sehr unangenehm, daß Sigel bei Lincoln gut angeschrieben war, sowie daß Sigel so früh Generalmajor wurde. Sigel schrieb an seinen Schwiegervater Dullon einen Privat- brief, in welchem er von Halleck sagte, »derselbe habe nicht als Soldat, sondern als pfiffiger Advokat ihm (Sigel) gegenüber gehandelt.« Dieser Brief wurde dann von Dullon (leider) in der New Yorker Volkszeitung abgedruckt, von der enghschen Presse aus dem deut- schen Texte übersetzt und ging dann durch die gesamte Presse des Landes. Halleck hat sich Sigel gegenüber nicht über diesen Brief geäußert, aber sein Groll gegen Sigel kam nun bei jeder Gelegenheit zum Vorschein. Als Sigel am 15. Mai 1864 die Schlacht bei New Market (Virginien) verloren hatte, schrieb Halleck an General Grant bezüglich dieser Schlacht: »Sigel tut nichts anderes als Davon- laufen (fliehen), und er hat auch nie etwas anderes getan.« Und diesen verleumderischen Brief Hallecks hat Grant in seinen Me- moiren ohne jeden Kommentar abgedruckt, demselben also eine sehr weite Verbreitung gegeben. Sigel war wegen der unter dem Präsidenten Grant herrschenden Korruption gegen Grant aufge- treten, als Grant einen dritten Präsidentschaftstermin anstrebte. Die Veröffentlichung des Halleckschen Briefes wegen New Market ist Grant s Quittung für Sigels politisches Vorgehen.

Übrigens hat Halleck während der ersten Kriegszeit den Ge- neral Grant fast noch niederträchtiger behandelt als selbst Sigel. Trotzdem hat sich Grant, der auch ein starker Hasser war, mit Halleck wieder ausgesöhnt. Anders der starrköpfige Sherman. Als Halleck kurz vor Ende des Krieges die Shermanschen Korps besuchte, sollte eine Parade derselben vor Halleck stattfinden. Aber Sherman verbot es und behandelte Halleck wie Luft. Die Intrigen Hallecks gegen Mc Clellan würden einen stattHchen Band füllen, und auch der verdienstvolle General Rosecrans ver- dankt wesentlich Halleck seinen Sturz. Kein amerikanischer General hat sich als Truppenführer derartig blamiert, wie Halleck während der Kampagne gegen Corinth. Unter allen militärischen

262 W. Kaufmann.

Stümpereien des Krieges ist diese einzige Führertat Hallecks doch wohl die schlimmste. Aber trotz alledem blieb Halleck zwei Jahre lang im Oberkommando aller Unionsheere und fungierte im letzten Kriegs jähre als Generalstabschef. Sein erzenes Standbild steht im New Yorker Zentralpark. Es ist unbegreiflich, daß Lin- coln diesen militärischen Pfuscher und Erzintriganten durch die ganzen vier Jahre gehalten und stets auf dessen Rat gehört hat, obschon die Soldaten der Potomac-Armee Halleck stets als den bösen Geist der Unionssache bezeichnet haben.

Der grofse Krieg im Westen 1862.

Doneison und Shüoh.

Die Deutschen bei Rowletts Station und Mill Springs. Grant, Thomas

und Sherman treten auf. Fort Doneison. Schlacht bei Shiloh oder

Pittsburg Landing, die erste große Schlacht des Bürgerkrieges.

(Siehe Fig. 4, Seite 75.)

Erst im November 1861 konnte der Vormarsch der sog. Ohio- Armee des General Buell durch Kentucky nach dem Sezessions- staate Tennessee stattfinden, und die erste freudige Nachricht, welche dieser Feldzug brachte, war der Kampf von Teilen des deutschen 32. Indiana-Regiments bei Rowletts Station. Vier Kom- pagnien dieses Regiments sicherten (unter Oberstleutnant v. Trebra) die Brücke über den Greene River für den Übergang der Ohio- Armee. In der Nähe stand Oberst WiUich mit dem Reste des Regi- ments. Der Feind glaubte die Brücke im Handstreich nehmen zu können. Er schickte den General Hindman mit iioo Mann Infanterie, 250 texanischen Reitern und vier Kanonen gegen v. Trebras 300 Infanteristen vor. Diese erwehrten sich der fünf- fachen Übermacht in glänzender Weise. Jeder Angriff wurde ab- geschlagen, und als die Texaner die kleine deutsche Truppe zu überreiten unternahmen, wurde der feindhche Oberst Terry tot- geschossen und mancher Sattel geleert. Die Artillerie des Feindes konnte wohl schießen, aber nicht treffen, und die Deutschen wichen keinen Zoll zurück. Nach 1% stündigem Gefecht, in welchem v. Trebra 8 Tote und 10 Verwundete verlor, erschien Willich mit vier weiteren Kompagnien seines Regiments und vor diesen Ver- stärkungen zogen sich die Konföderierten, welche sehr starke Ver-

264 W. Kaufmann.

luste erlitten hatten, zurück. Die Brücke war gerettet, und Buells Armee hatte freien Übergang. Gewiß, Rowletts Station war nur ein kleines Gefecht, aber unter den vielen hundert kleinen Gefechten des Bürgerkrieges wird man schwerlich eines finden, welches auf unionistischer Seite mit solcher Umsicht seitens der Führer und solcher Tapferkeit und Kaltblütigkeit seitens der Mann- schaften durchgekämpft worden ist.

Die Hauptschlacht um Kentucky, wodurch dieser Staat fast völlig in den Besitz der Union gelangte, fand am ig. Januar 1862 bei Mill Springs, Kentucky, statt. Dort hatte der deutsche Unions- general Schöpf mit dem 17. und 38. Ohio-Regiment seit September 1861 dem südlichen General Zollicoffer (schweizerischer Abstam- mung) gegenübergestanden, aber es war nur zu Vorpostengefechten gekommen. Zollicoffer war ein PoHtiker und in seiner Heimat Tennessee sehr beliebt. Von Kriegführen verstand er nichts. Als General Thomas (der spätere große Unionsführer, welcher nie- mals eine Schlacht verloren hat) erfuhr, daß Zollicoffer bei Mill Springs über den Cumberland gegangen sei, zog er ihm entgegen und schlug nach heftigem Kampfe den beträchtlich überlegenen Gegner. Die Entscheidung wurde herbeigeführt durch einen un- gemein wuchtigen Angriff des 9. deutschen Ohio-Regiments. Auch das 2. Minnesota- Regiment, welches zum dritten Teil deutsch war, beteiligte sich an der Attacke. Wie auf der Parade gingen diese beiden Regimenter vor, mit gefälltem Bajonett alles vor sich her- treibend. Die Südlichen flohen in ähnhcher Auflösung wie die Nördlichen in der ersten Schlacht von Bull Run. Deshalb wurde die Schlacht bei Mill Springs von den Unionssoldaten das west- Hche Bull Run genannt. ZoUicoffer wurde erschossen. Die Ver- luste der Konföderierten waren viermal so stark als die der nörd- Hchen Truppen. Das ganze östHche Kentucky bis über die Grenze von Tennessee hinaus fiel durch diesen schönen Sieg in die Gewalt der Union 1).

1) Der Oberst der Neuner, Robert Mc Cook, der einzige Nicht deutsche, im ganzen Regiment, wurde bei Mill Springs schwer verwundet und später, als er kaum genesen zu seinem Regimente zurückgekehrt war, in Südost-Ten- nessee von Buschkleppern ermordet. Robert Mc Cook war ein Bruder des Korpsführers Alexander Mc Cook, welcher bei Perryville, Stone River und Chickamauga führte. Oberst Mc Cook hat die Neuner stets in deutscher Sprache kommandiert. Das Regiment hat die Ermordung seines Führers blutig gerächt.

Donelson und Shiloh.

265

Von Mill Springs aus wurde der Feldzug Buells (und Thomas') nach Tennessee eingeleitet. Es beginnt jetzt der große Krieg in Tennessee, welcher die beiden Jahre 1862 und 1863 ausfüllt, mit dem glänzenden Unions- siege von Missionary Ridge endet und seine Fortsetzung im Jahre 1864 in Shermans

weltberühmt gewordenem Marsch durch Georgia findet.

Der Mississippi durchströmt den westlichen Kriegsschau- platz fast genau in der Rich- tung von Norden nach Süden. Am rechten Ufer liegen die

Sklavenstaaten Arkansas, Louisiana und Texas, am linken Tennessee und Missis- sippi sowie Teile von Louisiana. So stehen fünf von den elf Rebellenstaaten in direkter Abhängigkeit von diesem Flusse ; der »Vater der Ströme« bildet die wichtigste Verkehrs- ader dieses Gebietes. Aber auch für die beiden Grenz- staaten Missouri und Ken- tucky ist der Mississippi von größter Bedeutung. Dazu kommen die Nebenflüsse. Der mächtige Ohio nimmt kurz vor seinem Einflüsse in den Haupt- strom die großen aus dem Herzen der Konföderation kommenden Ströme Tennessee und Cumberland auf. Auch diese Nebenflüsse sind auf weite Strecken für Dampfboote schiffbar. Von den rechtsseitigen Zuflüssen kommt der Missouri weniger in Betracht, dagegen spielen später der White River, der Arkansas und der Red River eine beträchtliche Rolle. Wir haben hier also ein weitverzweigtes

Fig. 10. Südlicher Stromlauf_ des Mississippi.

266 W. Kaufmann.

System natürlicher Wasserstraßen, deren militärische Bedeutung auf der Hand liegt.

Dort, wo der Mississippi das Gebiet der Sezession betritt, befindet sich auch eine wichtige politische Grenze. Der lang- gestreckte Nordstaat Illinois stößt hier mit einem Zipfel vor. Ken- tucky und Südmissouri werden hier durch den Mississippi getrennt, die Grenzen des Nordstaates Indiana sowie der konföderierten Staaten Tennessee und Arkansas liegen in nächster Nähe. Der Ohio, welcher auf seinem letzten Laufe Kentucky von Indiana trennt, mündet bei der Illinoiser Stadt Cairo in den Mississippi ein.

Die Aufgabe des Nordens bestand darin, den ganzen Strom - lauf des Mississippi in seine Gewalt zu bringen, und mit anerkennens- werter Energie hat sich die Union dieser Aufgabe unterzogen. Schon am 26. April hatte der große Seeheld Farragut das Mündungsgebiet in tollkühnem Anrennen genommen, und am 28. April 1862 konnte das über See herangeführte Landheer Butlers den größten Südhafen New Orleans besetzen. Damit wurde die einzige Großstadt der Konföderation derselben entrissen, ein Sieg des Nordens, welcher w^ohl mehrere in Virginien verlorene Feldschlachten aufgewogen hat. Vom Norden aus wurde gleichzeitig mit Nachdruck die Er- oberung des mittleren Mississippi betrieben, der Strecke Cairo bis Memphis. Kleine gepanzerte Kanonenboote von geringem Tiefgang, aber mit schweren Geschützen bewaffnet, wurden gegen den Feind vorgeschickt, welcher diesen Flußpanzern nichts Ebenbürtiges ent- gegenstehen konnte. Es zeigte sich hier sofort das große Über- gewicht des Nordens an technischen Hilfsmitteln und an Finanz- kraft. Aber auch tüchtige Männer mit klaren Köpfen und Herzen von Stahl brachte der Norden für den Flußkrieg zur Stelle. Die Flußhelden Porter, Foote, Davis und deren tapfere Mannschaften haben Großes geleistet und den vielen Dilettantenoffizieren des Landheeres ein glänzendes Vorbild gegeben.

Die Konföderation hatte die Notwendigkeit der Verteidigung des Mississippi wohl erkannt. Starke Flußfesten entstanden auf der Strecke Cairo Memphis. Gleich südhch von Cairo erhob sich Columbus, das sog. Gibraltar des Südens, gegenüber Belmont in Südmissouri, weiter flußabwärts New Madrid, dann Island Nr. 10, Fort Pillow und endlich Memphis, um nur die wichtigsten Bollwerke zu nennen. Übrigens haben sich die Konföderierten viel zu sehr eingegraben. Von Bowling Green, Kentucky, über 200 Meilen

Donelson und Shiloh. 267

Östlich vom Mississippi, zog sich eine Kette von Forts, Posten und kleinen kon föderierten Schanzwerken westHch bis zum großen Strome hin und dehnte sich am rechten Ufer wieder weit ins Land hinein aus bis nach Arkansas Post in Arkansas. Eine zweite Ver- teidigungsstrecke befand sich südlich von der ersten: am Ten- nesseefluß Fort Henry und am Cumberland Fort Donelson. Bei diesen Anlagen hat sich die Konföderation sehr stark verausgabt, hat auch ihre Streitkräfte beträchtlich verzettelt, denn die vielen Festungen mußten starke Besatzungen fassen, auch wurden ge- waltige Massen von Kriegsmaterial an jenen exponierten Plätzen angehäuft. Dieses Material ging größtenteils verloren und war nach Vollendung der Blockade gar nicht wieder zu ersetzen. Wieviel von dem schönen Bargelde, über welches die Rebellion anfangs verfügte, ist da verbaut und vergraben worden, obschon für die Schanzarbeiten meistens Sklaven verwendet worden sind. Und gerade diese starken Geldverluste zählten in späterer Zeit außer- ordentlich viel. Die so verlorenen Golddollars kamen niemals zurück.

Die Konföderation hat in bezug auf den westlichen Krieg zu spät erkannt, daß ihre Kraft wesentlich im Landkriege zur Geltung kam, daß demnach für diesen alle Mittel zusammengehalten werden mußten. Der mittlere Mississippi mochte dem Norden ruhig an- heimfallen, wenn nur die westhchen konföderierten Landheere mit um ein Drittel stärkerer Stoßkraft auftreten konnten, was leicht möglich gewesen wäre, wenn man die vielen zerstreuten Besatzungs- truppen dem Feldheere zugesellt hätte. Denn im Jahre 1862 war der konföderierte Soldat dem Gegner beträchtlich überlegen. Er wurde durchschnittUch besser geführt, und in den Kämpfen unter schlecht ausgebildeten Soldaten zählen Enthusiasmus und Tem- perament sehr zugunsten der Truppe, welche darin überlegen ist. Die Konföderierten hatten sehr viel von dem Elan, welcher die Franzosen auszeichnet, die Unionstruppen jener Zeit besaßen aber noch nicht ihre später zur Geltung gelangende Zähigkeit, welche erst ein längeres Vertrautsein mit der Waffe im Verein mit guter Disziplin verleihen kann. Auch verhinderte die im Norden geübte Methode des Vorschickens von grasgrünen Rekruten, die man nicht allein in Regimentern, sondern oft genug in Brigaden, sogar in Divisionen vereinigt hatte, anstatt diese Rekruten auf bereits besser ausgebildete Regimenter zu verteilen, die mihtärische Ver-

268 W. Kaufmann.

wendbarkeit der nördlichen Streitkräfte. Jeder nördliche Truppen- körper hatte seine unzuverlässigen Elemente, und oft genug waren diese schlechten Kantonisten in der Mehrzahl. Dazu die jammer- volle Führung durch politische Generale. Es muß auffallen, daß das Jahr 1862 der Union im Westen eine fast ununterbrochene Kette von Erfolgen und Teilerfolgen und keine einzige große Nieder- lage brachte, während zur selben Zeit im Osten das Unionsbanner durch den Staub geschleift und von einer schrecklichen Nieder- lage zur anderen getragen wurde. Die Tatsache, daß die Konföde- ration sich im Westen zu stark auf die Defensive eingerichtet hat, ist sicherlich eine der Hauptquellen ihrer vielen Schlappen auf diesem Kriegsschauplatz gewesen.

Brigadegeneral Ulysses S. G r a n t befahl in Cairo, als sich die Union im Herbst 1861 endhch stark genug fühlte, gegen den Mississippi und die vielen konföderierten Befestigungen in Ken- tucky und Tennessee vorzugehen. In nächster Nähe sah er die große feindliche Festung Columbus heranwachsen. Am 7. No- vember 1861 schiffte er sich mit 2500 Mann nach dem gegenüber von Columbus am Mississippi liegenden Orte Belmont ein, über- rannte dort ein starkes konföderiertes Lager und zog sich zurück, ehe ihn der konföderierte General Polk, der von Columbus aus vor- ging, erwischen konnte. Das war die erste Kriegstat Grants, und die Keckheit derselben machte dem bis dahin völlig unbekannten Führer rasch einen Namen.

Forts Henry und Donelson. Mitte November wurde Halleck Grants Vorgesetzter. Dieser ausgesprochene Feind jeder Keckheit hatte Grant schon wegen Belmont auf dem Kerb- holze. Aber Grant trug sich mit größeren Plänen. Von Cairo nach den Forts Henry und Donelson ist es nicht sehr weit. Grant er- fuhr, daß diese Festungen rasch emporwuchsen. Er hatte Verstär- kungen erhalten und fühlte die Kraft in sich, jene beiden neuen Stromfesten am Tennessee und Cumberland zu nehmen. Am 8. Ja- nuar 1862 telegraphierte er an Halleck: »Ich bitte um die Erlaubnis, Fort Henry erobern zu dürfen.« Halleck erwiderte: »Nein.« Durch den ganzen Januar bettelt Grant um die Einwilligung seines Chefs. Immer dasselbe Nein. Da gesellen sich die Admirale Foote und Porter dem Kameraden Grant zu und bestürmen Halleck unter

Donelson und Shiloh.

269

der Versicherung, daß die Kanonenboote allein die beiden Fluß- forts nehmen könnten und daß Grant bloß als Stütze mitzugehen brauche. Endlich, am 30. Januar, gab Halleck den Befehl zum Angriff, aber nur bezüglich Fort Henry. Schon am 2. Februar hatte Grant 17 000 Mann auf dem Wasser, den Ohio hinauf, dann südlich in den Tennessee hineinfahrend. Am 5. Februar war er vor Fort Henry. Aber er brauchte gar nicht zu kämpfen. Die Kanonenboote nahmen das Fort unter Feuer, und einige Stunden später wehte das Unionsbanner über der Festung. Die Garnison war nach Fort Donelson entflohen, das nur zwölf Meilen östlich am Cumberlandflusse lag.

Ob Grant die Genehmigung seines Chefs bezüglich Donel- sons eingeholt hat, ist unklar. Aber er bekümmerte sich nicht weiter, setzte den Flüchtlingen nach und stand am 12. Februar vor Fort Donelson. Die Ka- nonenboote waren inzwischen den Tennessee hinunterge- dampft, in den Ohio, dann in

die Cumberlandmündung eingebogen und diesen Fluß südwärts fahrend bis vor Donelson gelangt. Am 13. trafen sich Grant und Foote bei der starken Strom- feste am Cumberland. Abermals wurden die kleinen Panzerschiffe zuerst ins Treffen geschickt. Aber es ging hier nicht so glatt ab wie bei Fort Henry. Die Leute in Donelson schössen besser oder hatten bessere Kanonen. Foote wurde schwer verwundet (Porter war schon bei Fort Henry durch eine Kesselexplosion schwer ver- brüht worden), mehrere der Schiffe wurden kampfunfähig gemacht, und Foote mußte zurück, um seine Kanonenboote zu flicken.

Grant hatte inzwischen Verstärkungen erhalten und mit 27 000 Mann das Fort von der Landseite umschlossen. Im Fort standen 17 000 Konföderierte (nach Badeau waren es 21 123 Mann) unter drei Generalen: Floyd, Pillow und Buckner. Diese Drei- einigkeit war sehr unglücklich zusammengesetzt. Floyd war Nr. I, Pillow n, Buckner in im Range. Floyd war der eidbrüchige Verräter, welcher als Kriegsminister Buchanans, des Vorgängers von Lincoln,

Forts Henry und Donelson.

270 ^^' Kaufmann,

der Rebellion in die Hände gearbeitet hatte, Pillow war ebenfalls ein großer Sünder. Der einzige ehrliche Soldat von den dreien war Buckner^). Floyd und Pillow schwebten in großer Angst, daß man sie bei einer etwaigen Niederlage nicht als Kriegsgefangene betrachten, sondern als Verräter aufhängen würde. Hätte es Grant mit Buckner allein zu tun gehabt, so wäre das starke Fort Donelson schwerHch so bald gefallen. Floyd und Pillow beschlossen am 14. Februar einen Ausfall der gesamten Garnison, um diese (und sich selbst) zu retten. Buckner mußte gehorchen und mittun. Am Frühmorgen des 15. rückten die Konföderierten in drei Haufen aus der Festung. Derjenige Buckners durchbrach die ihm entgegen- stehenden Truppen Mc Cleamands. Tatsächhch war die Bahn zum Abzug der Garnison über eine Stunde lang frei, aber Pillow rief seinen Untergebenen Buckner zurück und Grant verstopfte die Lücke sehr rasch. Auch erkannte Grant sofort, daß die Be- satzung einen wirklichen Abmarsch vorhatte, nicht aber ein Schein- gefecht. Er ließ deshalb, solange ein großer Teil der Garnison noch draußen war, durch die Generale Smith und Lewis Wallace zwei der Vorwerke stürmen, und beide wurden genommen. Smith sowohl wie Wallace hatten sich 150 Yards von den Hauptwerken in guten Stellungen festgesetzt. Daraufhin beschlossen die drei konföde- rierten Generale im Fort die Kapitulation. Floyd und Pillow legten den Befehl nieder, und Buckner fiel die Aufgabe zu, am nächsten Morgen die Festung zu übergeben. Floyd entfloh auf einem Dampf- boote mit seinen virginischen Truppen den Cumberland stromauf, und auch Pillow brachte seinen Hals in Sicherheit 2).

Es ist nicht zu leugnen, daß Grant bei diesen Unternehmungen außerordentlich vom Glück begünstigt worden ist. Ohne die Angst der konföderierten Generale wäre sein Triumph nur halb so groß gewesen. Das Wesentliche dieses Sieges lag in der Raschheit, mit welcher sich derselbe vollzog. In Washington hungerte man damals nach einem Erfolge. Da kam dieser ganz unbekannte Mensch, dieser Grant, und nahm eins, zwei, drei, die stärksten Forts weg.

1) Deutschabkömmling aus Virginien. Sein Vater schrieb sich noch Buchner.

') Die Angst der beiden war übrigens grundlos. Grant konnte selbst den Verräter Floyd nicht ohne Lincolns Zustimmung aufhängen lassen, und Lincoln konnte es niemals über sich gewinnen, ein Todesurteil zu unter- schreiben.

Donelson und Shiloh. 271

vor denen man im Norden schon so lange gezittert hatte. Der Name Grant flog jetzt durch den ganzen Norden. Lincoln ernannte ihn sofort zum Generalmajor und sprach öffentlich seinen Dank aus. Und Halleck ? Der Herr war wütend. Wie konnte Grant auch die Unverschämtheit haben, ohne seine Erlaubnis zu siegen? In seinem amtlichen Berichte lobt Halleck den General Smith für dessen (auf Grants Befehl) unternommenen Sturm ; auch der Flotten- helden gedenkt der Obergeneral des Westens, aber von Grant ent- hält der Bericht kein Wort. Das Erbärmlichste kam aber drei Wochen später. Am 4. März telegraphierte Halleck an Grant: »Übergeben Sie an Generalmajor C. F. Smith den Ober- befehl über die Expedition und bleiben Sie selbst in Fort Henry. Weshalb gehorchen Sie meinen Befehlen nicht und melden nicht die Stärke und Stellung Ihrer Abteilung? Halleck.«

Halleck hatte also den Sieger von Fort Donelson abge- setzt. Lincoln und die übrigen großen Herren in Washington, welche Grant soeben erst gefeiert hatten, rührten keine Hand, um das Unrecht wieder gutzumachen. Halleck denunzierte Grant auch bei Obergeneral Mc Clellan^). Grant verteidigte sich gegen Halleck in würdevoller und geziemender Weise. Er erklärte, jeden Befehl HaUecks befolgt zu haben, und die ihm von seinem Chef vorgeworfene »unerlaubte« Fahrt nach Nashville klärte er auf mit dem Beweise, daß jene Reise eine militärische Notwendigkeit ge- wesen sei. Als ihn Halleck in einem Briefe vom 9. März nochmals wie einen Schulbuben ausgezankt hatte, forderte Grant seine so- fortige Entlassung. Daraufhin lenkte Halleck wieder ein, und am 12. März schrieb er an Grant, daß dieser ein neues Kommando erhalten soUe.

Die Folgen der Siege von Fort Henry und Donelson machten sich sofort geltend. Die Konföderierten gaben ihre erste Verteidi- gungsstellung in Kentucky (bei Bowling- Green usw.) auf, imd am 27. Februar räumten sie sogar ihre stärkste Festung Columbus am Mississippi. Jetzt konnten die Kanonenboote des Nordens ihren Siegeszug den Mississippi stromab beginnen, und in rascher Folge fielen New Madrid, bald darauf die sehr starke Position auf

^) Hall eck wollte Grant sogar in Arrest stecken.

272 ^^- Kaufmann.

Island Nr, lo, alsdann wurde Fort Pillow genommen, und am i6. Juni vernichtete Admiral Davis die ganze konföderierte Flußflotte vor Memphis, womit die größte Stadt am mittleren Mississippi der Union in die Hände fiel. Der Schlüssel zu allen diesen Erfolgen lag aber in Fort Donelson.

Der Kriegsschauplatz wird jetzt nach dem südwestlichen Tennessee verlegt.

Nach der Niederlage von Donelson zog der bedeutende kon- föderierte General Sidney A. Johnston ein Heer von 50 000 Mann in Corinth, Miss., hart an der Grenze von Tennessee zu- sammen, um bald darauf dem Gegner in offener Feldschlacht entgegen- zutreten. Doch waren vorher noch manche Schwierigkeiten im konföderierten Lager zu überwinden. Zwischen Johnston und dessen zweitem Befehlshaber Beauregard herrschte durchaus keine Harmonie, und außerdem war die öffentliche Meinung im Süden gegen Johnston empört. Ihm schrieb man die Verantwortung für die bisherigen Mißerfolge zu. Der Präsident Jefferson Davis wurde von der Presse, von Volksversammlungen, durch Petitionen usw. um die Absetzung Johnstons bestürmt. Davis kannte seinen General jedoch besser. Er erwiderte den aufgeregten Leuten: »Wenn Sidney Johnston kein guter General ist, dann habe ich keinen.« Diese Unstimmigkeiten trugen beträchtlich dazu bei, die Angriffs- bewegung der Johnstonschen Armee zu verzögern, und doch waren die Tage, ja die Stunden so kostbar.

Auch die nördlichen Führer wollten aggressiv vorgehen, den Sieg von Donelson verfolgen und die bei Corinth zusammengezogene konföderierte Armee vernichten. Zu diesem Zwecke rückten zwei Unionsheere nach Südwest-Tennessee: das ehemalige Grantsche Heer (jetzt von Smith geführt) wurde mit Dampfschiffen von Fort Henry den Tennesseefluß stromauf geschickt, und von Nashville aus zog die Ohioarmee des Generals Buell über Land ebenfalls nach der Gegend von Corinth. Bei Savannah am Tennessee sollten beide Abteilungen vereinigt werden und sich dann 80 000 Mann stark am hnken Ufer des Tennessee mit Johnston messen.

Smiths Heer langte mit seinen Spitzen schon frühzeitig an, und Mitte März war es, verstärkt durch die Division S h e r m a n , zum Teil schon nach dem linken Ufer übergesetzt (Savannah liegt

Donelson und Shiloh. 273

am rechten, östlichen Stromufer). Der Fluß führte damals Hoch- wasser. Es war noch der General Smith, welcher das Lager am linken Ufer bei Pittsburg Landing, zwei Meilen von Shiloh, aussuchte und beziehen ließ. Smith war damals ein schwerkranker Mann. Er war dienstunfähig (starb bald darauf), und am 17. März wurde G r a n t an Smiths Stelle wieder einge- setzt. Smith hat das Heer also nur vom 4. bis 17. März geführt. Ob Smith die Absicht gehabt hat, das neue Lager bei Shiloh zu befestigen, ist nicht zu ermitteln. Sein Nachfolger Grant hat nichts in dieser Richtung getan.

Schlacht bei Shiloh (oder Pittsburg Landing). Die erste große Schlacht des Bürgerkrieges. Von Savannah bis Pittsburg Landing sind es neun Meilen stromauf. Zwischen diesen beiden Punkten gewährt das Steilufer des Tennessee noch einen anderen Landungsplatz, Crumps Landing. Dort wurde die Division Lew. Wallace (6500 Mann) ausgeschifft und bezog ein (ebenfalls unbeschütztes) Lager. Grants Hauptmacht, 33000 Mann, lagerte von Division Wallace ungefähr fünf Meilen entfernt zwischen Pittsburg Landing und Shiloh (einer einsamen Waldkirche) in einem hügeligen und schluchtenreichen Waldterrain, dessen beide Flanken von sumpfigen Bachniederungen geschützt waren. Im Rücken hatte das Lager den reißenden Tennessee, ohne Brücke, und die Dampfboote konnten im Falle einer Niederlage höchstens 10 000 Mann (Grants eigene Schätzung) auf das rechte Ufer retten. Die westliche, dem Feinde zugekehrte, Front dieses Lagers bestand zumeist aus Wald, von einigen Feldern durchsetzt und von zwei schlechten Straßen und einer Eisenbahn durchzogen. Diese Front öffnete sich nach der nur 30 englische Meilen in südwestlicher Rich- tung gelegenen Stadt C o r i n t h hin, wo die konföderierte Armee stand. Grant, der hier auf Buell wartete, wußte ganz genau, daß Buell durch angeschwollene Flüsse und Bäche, deren Brücken der Feind zerstört hatte, aufgehalten wurde, aber das hat seine Sorglosigkeit nicht im mindesten eingeschränkt^).

1) Am 4. April, zwei Tage vor dem Überfall bei Shiloh, telegraphierte Grant an Nelson, den Führer der Spitzendivision des anrückenden Buell, Nelson brauche sich gar nicht zu beeilen, denn vor dem 8. April habe er (Grant) keine Transportmittel zur Stelle, um Nelsons ßivision über den Tennessee zu setzen. Glückhcherweise kümmerte sich Nelson nicht um diesen Rat, son- dern befolgte den Befehl Buells, so rasch alsmögüch den Tennessee zu erreichen. VV. Kaufmana, Die Deutschea im amerikan. Bärgerkrieg. 18

274 W. Kaufmann.

Ehe wir die Schlacht bei Shiloh schildern, muß der Marsch der konföderierten Armee von Corinth bis zum Schlachtfelde und der Schlachtplan Johnstons kurz besprochen, sowie einiges über die Nichtbefestigung der Grant sehen Stellung gesagt werden.

Johnston wollte Grant bei Shiloh überfallen, ehe dessen von Nashville anmarschierenden Hilfstruppen (Buells Ohioarmee) ein- treffen konnten. Am 3. April, mittags, war Johnston von Corinth mit 40 000 Mann ausgerückt. Er hätte am 5. früh morgens zum Angriffe bereit sein können, aber der Aufmarsch verzögerte sich sehr, die Unterführer waren in der Leitung derartiger Unternehmungen noch ganz unerfahren, und die Anmarschstraßen wurden häufig blockiert. Am 3., 4. und 5. April hatten Vorpostengefechte statt- gefunden, aber die Unionsführer hatten denselben keine Bedeutung beigelegt, obschon die konföderierte Reiterei von Artillerie be- gleitet war. In einem dieser Gefechte wurde ein Unionsmajor von den Konföderierten gefangen und dieser Offizier sagte aus, daß das Lager bei Shiloh noch völlig unbeschützt sei. Am Abend des 4. hielt Johnston Kriegsrat. Der zweite im Befehl, General Beaure- gard, beantragte, daß das Heer wieder umkehren solle. Er sagte: »Unser ganzer Plan stützt sich auf einen Überfall. Es ist aber undenk- bar, daß der Feind unseren Marsch nicht bemerkt haben kann. Wir haben bereits einen ganzen Tag verloren und können nicht vor dem 6. April angreifen. Der Feind hat also fast noch zwei Tage Zeit, um sich einzugraben. Ein Überfall ist nicht mehr möglich, und zum Kampfe gegen einen gleich starken Feind hinter Schanzen sind wir zu schwach. « Diese Argumente machten starken Eindruck, aber Johnston wollte nichts davon hören. Er bestand auf dem An- griffe, ob gegen Schanzen oder nicht.

Im Grantschen Lager hegte keiner der höheren Offiziere Be- sorgnisse. Die Stellung blieb völlig unbefestigt. Grant selbst war gar nicht bei seinen Truppen. Er hatte sein Hauptquartier in Savannah, neun Meilen stromabwärts. Auch hatte er keinen Vertreter während seiner Abwesenheit ernannt. Als der Angriff erfolgte, lag Grant zu Savannah im Bett.

Das Unterlassen des Schanzenbaues verteidigte Grant später (im Century Magazin) folgendermaßen: »Um jene Zeit wurde im Westen der Spaten noch wenig benutzt. Ich hatte jedoch Ver- schanzungen ins Auge gefaßt. Der Ingenieur Mc Pherson hatte auch eine Verschanzungslinie ausgelegt. Danach hätte jedoch das

Donelson und Shiloh. 275

Lager näher am Flusse angelegt werden müssen und wäre trotzdem zu weit vom Flusse und von den beiden Bächen entfernt gewesen, um genügend Wasser zu beschaffen, denn die Bäche wären bei einem Angriffe in Feindeshand gefallen. Außerdem bedurften die Truppen mehr des Drills und der Disziplin als der Übung mit Spaten und Axt.« Diese Entschuldigungen müssen doch sehr befremden. Die einfachsten Brustwehren, wie man sie aus gefällten Baumstämmen rasch herstellen konnte, hätten genügt, und nur an Plätzen, wo die Artillerie günstig postiert werden konnte, hätte man des Spatens bedurft. Grant konnte drillen und disziplinieren so viel er wollte, aber er mußte zunächst die Stellung einigermaßen sichern. Die Wasserfrage war nicht so wichtig für ein Heer von 33 000 Mann in sicherer Stellung, welches doch nur von 40 000 Gegnern angegriffen werden konnte. Außerdem gab der Brier Creek, welcher ein kleineres aber befestigtes Lager durchflössen hätte, genug Wasser für die wenigen Stunden eines Kampfes vor einer solchen Stellung. Und wieviel besser hätten sich die Truppen schlagen können, wenn sie in einem kleineren Lager enger zusammen gestanden und mehr Fühlung untereinander gehabt hätten^).

Es ist anzunehmen, daß Grant niemals an einen Angriff ge- dacht hat, daß er die Unordnung in der feindlichen Armee über- schätzte und diese für absolut unfähig zu einer Angriffsbewegung gehalten haben muß. Schon die Art, wie das Lager eingerichtet wurde, deutet darauf hin. Das Grant sehe Heer lagerte wie in Friedenszeiten, d. h. wesentlich nach den Erfordernissen der Be- quemlichkeit und ohne jede Rücksichtnahme auf die Möglichkeit eines Angriffes^).

^) Welchen Wert die einfachsten Brustwehren für die Verteidiger ge- habt hätten, erfuhren Teile der Division Prentiß, als sie auf der Flucht zu- fällig einen alten Hohlweg entdeckten, dessen Wand ihnen Deckung darbot. Dieser Hohlweg wurde sodann die Hauptstütze des sog. »Homissennestes*, einer Stellung, an welcher sich die Angreifer stundenlang die Köpfe ein- rannten und vor welcher der konföderierte Obergeneral Johnston getötet wurde.

2) In Greeleys »The American conflict« 11, S, 59, wird das Lager so beschrieben: »The five divisions were throws out in a semicircle southward of Pittsburg Landing, with a front like a Methodist camp meeting, straggling irom Lick creek on the south or left, to Snake creek on the north and right, a distance of three or four miles.«

18*

276 W. Kaufmann.

Auch Shermann verteidigt in seinen Memoiren (LS. 229) die Nichtbefestigung des Lagers. Er sagt: »Durch Schanzarbeiten wären unsere ungeübten Soldaten furchtsam gemacht worden.« Ein Mihtär, der das Hest, wird es schwerUch bei einem Kopf schütteln bewenden lassen. Gerade weil die Massen der Grantschen Truppen aus ganz rohen Rekruten bestanden, hätte man Schanzen aufwerfen müssen. Die Leute hätten sich dann sicherer gefühlt und besser gekämpft. Vor allem aber war es die Pflicht der Offiziere, ihre Rekruten nicht so leichtfertig den Gefahren eines Überfalles preiszu- geben. — Auf derselben Seite sagt Shermann noch : »In einer späteren Periode des Krieges hätten wir diese Stellung während einer einzigen Nacht zu einer uneinnehmbaren machen können« und er fügt hinzu »but at this time we did not do it, and it may be it is well we did not.« Bei allem schuldigen Respekt vor dem späteren großen Führer durch Georgia muß man doch sagen, diese Rechtfertigung einer Sorglosigkeit ist mehr als dürftig. Was man später während einer Nacht konnte, das konnte man damals doch sicherlich in drei Wochen !

Die beifolgende Karte des Lagers zeigt, daß die Divisionen Sherman und Prentiß beträchtlich vorgeschoben waren, so daß diese Rekruten^) den ersten Anprall des Feindes auszuhalten hatten. Division Mc Clearnand stand hinter Sherman und Prentiß ohne jede Fühlung mit beiden; Divisionen W. H. C. Wallace und Hurlbut lagerten viel weiter zurück. Jede Division hatte ihr Lager für sich. Von den sechs Divisionären Grants war nur Sherman militärisch ausgebildet. Die übrigen fünf Divisionäre, auch die beiden Wallace^), waren sog. Politiker-Generale.

^) Shermans Soldaten waren sämtlich grasgrüne Rekruten. Sherman sagt, daß dieselben erst in Paducah Waffen erhalten hätten und Sherman traf erst am 14. Februar in Paducah ein. Die Division Prentiß war erst drei Wochen vor der Schlacht organisiert worden und bestand nur aus Rekruten. Die Soldaten, welche schon bei Fort Donelson gefochten hatten, standen sämtlich in den übrigen Divisionen.

2) Zwei Befehlshaber der Grantschen Divisionen führten den Namen Wallace. W. H. C. Wallace befehligte eine der am 6. April kämpfenden Di- visionen. Er fiel in der Schlacht. Lewis Wallace, der Verfasser des in alle Weltsprachen übersetzten Romans »Ben Hur« führte die bei Crumps Landing stehende Reservedivision der Tennesseearmee. Grant ist auf Lewis Wallace sehr wenig gut zu sprechen. Lewis W. hatte den Befehl, auf der River Road

Donelson und Shiloh.

277

Die Armee war ohne jede Oberführung als der Überfall erfolgte. Grant traf erst um 8 ^/g Uhr morgens vermittelst des Depeschenbootes ein, als fast die Hälfte seiner Armee schon aufgelöst war. Sherman versuchte, bis zu Grants Eintreffen den übrigen Divisionären Rat- schläge zu erteilen, aber das konnte nur in sehr beschränktem Maße geschehen, denn er mußte bei seinen eigenen Truppen bleiben und

Confedenerte am 6 Apr,/\morfer.s Unionstruppen am B April, wergens Unionstruppen abends.

Fig. 12. Schlacht bei Shiloh.

hatte gar keine Übersicht über das Schlachtfeld. Grant war kaum dienstfähig. Er war zwei Tage vorher mit dem Pferde gestürzt und

(nächster Weg) zu Grant zu stoßen. Lewis W. zog aber eine Straße, welche weit nach Westen führte. Er behauptete, daß der Befehl gelautet habe, daß Lewis W. zum Schutze der rechten Flanke von Shermans erster Stellung einrücken solle. Wallace kam erst am Abend des 6., nachdem die erste Schlacht vorüber war. Dazu sagt Grant ironisch: »Es scheint, daß Lewis W. so weit westHch marschierte, um in den Rücken oder in die Flanke des Feindes zu gelangen und dann eine Heldentat zu vollbringen zum Ruhme seiner Division und zum Vorteil seines Landes. «

278 ^^^- Kaufmann.

hatte sich beträchtUch verletzt) i. Die ganze Schlacht wurde von den Divisionären selbständig geführt-).

Eine einheitliche Aufstellung war auch nach Grants Eintreffen unmöglich. Der kommandierende General ritt von einer Division zur anderen und erteilte Ratschläge, von einer einheitlichen Führung aber konnte keine Rede sein; denn die ganze Schlacht war eine ungeheure Konfusion.

Wir sagen über die Mängel der Aufstellung des Unionsheeres weit mehr als über die Gefechtsführung. Letztere ist überhaupt nicht zu schildern, denn sie bestand aus einer wirren Kette von Einzelkämpfen. Aber nur, wenn man jene Aufstellung kennt, wird man sich erklären können, wie vielleicht ein Drittel des Heeres sich in »Stragglers« verwandelte, von Panik ergriffen an den Hängen des Tennesseeufers vor den Kugein Schutz suchte oder in einem weit entfernten Gebüsch, in Schluchten oder Walddickichten Unter- schlupf fand^). Ein weiteres Drittel ist getötet, verwundet oder ge-

1) Es ist vielfach behauptet worden, daß Grant in der Trunkenheit vom Pferde gestürzt sei. Doch ist das sicherUch erlogen. Grant war aller- dings in seiner Jugend ein starker Trinker, hat aber diese Leidenschaft be- zwungen und hat als General und Präsident in dieser Beziehung nie Grund zu Klagen gegeben. Diese Tatsache wurde im Jahre 1908 von dem Präsident- schaftskandidaten Taft besonders hervorgehoben. Aber Grant ist auch nie ein Heuchler gewesen und hat einen guten Whiskey zur rechten Zeit niemals verschmäht. Bezüglich Grants wird eine Anekdote erzählt: Eine Abordnung von Mäßigkeitsaposteln forderte von Lincoln kurz nach der Schlacht bei Shiloh die Absetzung des »Trunkenboldes« Grant. Darauf sagte Lincoln: »Können die Herren mir nicht sagen, welche Whiskey-Marke General Grant bevorzugt ? Ich möchte nämlich gern jedem meiner übrigen Generale ein Fäßchen dieses besonderen Whiskey zuschicken.«

2) Sherman mußte auf Division Mc Clearnand zurückfallen und führte dann, mit dieser vereinigt, den Kampf weiter. Mc Clearnand ließ sich von Sherman leiten, obschon er im Range über Sherman stand. In späterer Zeit wurde Mc Clearnand, der ein früherer Kompagnon Lincolns gewesen war, desto aufsässiger, intrigierte sowohl gegen Sherman als Grant und wurde erst nach seiner furchtbaren Blamage bei Vicksburg abgesetzt.

^) Über diese »Stragglers« (Flüchtlinge) muß man milder urteilen, als meistens geschieht. Die Rekruten konnten kaum ihre Gewehre handhaben. Noch am nächsten Morgen lagen Tausende von ihnen an den Steilhängen des Tennesseeufers. General Buell schätzt die Zahl der Flüchtlinge, welche er am Montag morgen am Ufer antraf, auf über 10 000 Mann.

Donelson und Shiloh. 279

fangen worden, und der Rest, über ii ooo Mann, fand bei Dunkel- werden auf dem nördlichen Plateau, dicht am Tennessee, eine ziemlich feste Stellung im Schutze einer starken Artillerie und der schweren Geschütze der beiden Kanonenboote.

Der Angriff erfolgte um 6 Uhr früh am 6. April. Die Kon- föderierten stürzten sich mit gellendem Kriegsgeschrei auf das schutzlose Lager. Wahrscheinlich haben die meisten Leute der zuerst angepackten Divisionen Sherman und Prentiß noch ge- schlafen, als die nur 300 Yards vorwärts postierten Schildwachen in das Lager rannten. Ihnen folgten die feindlichen Sturmhaufen mit dem ganzen Elan des Südländers und mit dem Bewußtsein, daß der Feind völlig überrascht wurde. Was soll ein grüner Rekrut machen, wenn er derartig überfallen wird, was ein ebenso grüner Regiments- oder Kompagnieführer? Daß schlaftrunkene, undis- ziplinierte Soldaten davonlaufen, nachdem schon so viele Kameraden gefallen oder verwundet worden sind, kann durchaus nicht wunder- nehmen. Man muß eher staunen, daß noch so viel Widerstand geleistet worden ist. Namentlich Sherman, der bei Shiloh zum erstenmal als Führer auftritt i), hat Bedeutendes geleistet. Immer wieder sammelte er die Reste seiner geworfenen Truppen, achtmal wechselte er die Stellung und achtmal hielt er wieder stand, bis der Abend hereinbrach. Stets war Sherman im dichtesten Kugel- regen. Mehrere Pferde wurden unter ihm erschossen, zweimal wurde er verwundet, aber er hielt aus bis zum Ende.

Auch die Rekrutendivision Prentiß hat sich nach der ersten Überraschung noch recht gut geschlagen. Sie fiel auf Division W. H. C. Wallace zurück und wurde auch von Division Hurlbut unterstützt. Auf diesem beständigen Rückzuge fand durch den Zufall eine gewisse Konzentration statt. Sherman und Mc Clearnand fanden sich zusammen und ebenfalls Prentiß, Wallace und Hurlbut. Es hatte wohl eine Art Auslese stattgefunden. Die Feiglinge waren schon frühzeitig davongelaufen ; was von den Führern von 10 Uhr an noch zusammengehalten wurde, kämpfte mit höchst lobens- wertem Mute und großer Hartnäckigkeit. Sogar zu vereinzelten Vorstößen erwiesen sich diese Reste noch brauchbar, und mehrfach

1) In der Mobschlacht von Bull Run I., Juli 1861, stand Shermans Brigade weit zurück und kam kaum noch zur Wirkung, als die große Retirade einsetzte.

280 ^- Kaufmann.

wurden Abteilungen der Gegner aus eroberten Stellungen wieder geworfen. Im sog. Hornissenneste hielten die Reste von drei Divi- sionen von IG Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags stand, und vor dieser Stellung fiel um 2 ^/g Uhr der konföderierte Obergeneral Johnston. Der Mann, aus dessen Flinte jene Todeskugel flog, ist vielleicht als der eigen thche Sieger von Shiloh anzusehen. John- stons Tod ist für die Konföderation ein ähnlicher Schlag gewesen wie im folgenden Jahre Jacksons Fall bei Chancellorsville.

Die Verteidiger des »Hornissennestes« hatten eine ganze Stunde Ruhe, nachdem Johnston gefallen war. General Beauregard, der Nächste im Kommando, stand weit rückwärts im Hauptquartier, um von dort aus die Reserven vorzuschicken. Es \^Tirde fast 4 Uhr bis wieder einiger Schwung in den Angriff kam, aber es war nicht mehr der frühere Schwung. Zwar wurden die Reste von Prentiß und Wallace umzingelt und (mit Prentiß) etwa 2200 Mann gefangen. General W. H. C. Wallace fiel tapfer kämpfend kurz vor der Über- gabe. Auch gelang es Beauregard, einen Teil des Plateaus zu gewinnen, auf welches Sherman und Mc Clearnand gedrängt worden waren. Aber der Versuch, die Division Hurlbut zu werfen und so den Lan- dungsplatz am Tennessee zu gewinnen, scheiterte. Die Konföde- rierten behaupten einstimmig, daß das ganze Grantsche Heer ver- nichtet worden wäre, wenn Johnston weiter geführt hätte. Doch wer will über solche Möglichkeiten entscheiden.

Gegen 6 Uhr abends hatte Grants Artüleriechef 32 Geschütze vor den Resten der Division Sherman und Mc Clearnand vereinigt, zu welchen sich dann noch die ziemlich intakte Division Hurlbut gesellte. Eine tiefe Schlucht, welche sich bis zum Flusse erstreckte, gewährte den Grantschen Truppen wesenthchen Schutz, denn die beiden Kanonenboote konnten mit ihren schweren Geschützen jene Schlucht sturmfrei halten. Vor dem Versuche der Eroberung jener letzten Stellung des Feindes ist Beauregard zurückgeschreckt, ja er hat sogar denjenigen Teil des Plateaus, welchen er mit den Grantschen Truppen teilte, wieder preisgegeben und sich dadurch selbst um eine günstige Stellung für den folgenden Tag gebracht. Beauregard hatte von seiner anfänglichen Stellung im Hintertreffen einen wenig günstigen Eindruck der von Johnston errungenen Erfolge erhalten. Tausende von sezessionistischen Flüchtlingen, welche sich waffenlos in Sicherheit zu bringen trachteten, hatte er beobachtet. Daraus schloß er, daß sich die eigentlichen Angriffs-

Donelson und Shiloh. 281

kolonnen im Zustande arger Zerrüttung befinden mußten. Dann flößte ihm die starke Artillerie des Feindes Besorgnisse ein, und als nun die schweren Schiffsgeschütze noch in den Kampf eingriffen, wollte er nicht die Verantwortung des Mißlingens eines letzten Massenangriffes übernehmen^).

Um dieselbe Zeit, bei Dunkelwerden, traf Division L. Wallace endlich ein, und ebenfalls wurde die Division Nelson von Buells Armee ausgeschif f t^) . 13 000 Mann frische Truppen w^aren gegen 8 Uhr abends bei Grant versammelt, und während der Nacht wurden noch über 12 000 Mann von Buells Armee ausgeschifft. Grant war am Morgen des 7. April ungefähr so stark, als er am Morgen des 6. gewesen war, außerdem waren weitere 25 000 Mann von Buell in nächster Nähe. Die konföderierte Armee zählte aber am 7. morgens kaum mehr als 22 000 Kampffähige. Die Schlacht vom 7. war eigentlich schon entschieden, ehe sie geschlagen wurde. Doch hat Beauregard trotzdem noch von Tagesanbruch bis 3 Uhr nachmittags gekämpft, dann ist er, unverfolgt, nach Corinth abgezogen. Die Schlacht am 7. braucht hier nicht geschildert zu werden. Grant verlor (wesentlich am 6. April) 1437 Tote, 5679 Verwundete, 2934 Ge- fangene, zusammen 10 050 Mann. Buell 263 Tote, 1816 Verwundete und 83 Gefangene. Beide 12 217 Mann. Nach der revidierten Liste waren es aber 13 573 Mann. Der Verlust der Konföderierten betrug 1728 Tote, 8012 Verwundete, 959 Gefangene 10 699 Mann. Grant allein verlor 33 ^/q seiner am 6. beteiligten fünf Divisionen. Sherman sagt in seinen Memoiren, daß er während des ganzen Bürger- krieges kein so schreckliches Kämpfen erlebt habe als in dieser ersten großen Schlacht bei Shiloh, und Grant erklärt, daß nur die furchtbaren Schlachten in der Wildnis (Mai 1864) sich mit Shiloh vergleichen lassen.

1) Von den Geschossen der Schiffskanonen spürten merkwürdigerweise die konföderierten Truppen wenig, welche zum letzten Angriff bereits . vor- geschoben waren. Die Bomben krepierten weiter rückwärts, wo sich Beau- regards Hauptquartier befand, und dort verbreiteten sie Schrecken genug.

1) Division Nelson war schon am 5. abends in Savannah angelangt. Sie sollte um 7 Uhr morgens am rechten Ufer bis gegenüber von Pittsburg Landing (neun Meilen) marschieren und dann über den Strom gesetzt werden. Aber Nelson brach erst um i^L Uhr nachmittags auf und kam erst nach der Schlacht in Stellung. Durch die Nachlässigkeit von Wallace und Nelson wurden Grant 13 000 Mann Verstärkungen für den ersten Schlachttag vor- enthalten .

282 W. Kaufmann.

Die Deutschen bei Shiloh.

In der Schlacht von Shiloh trat nur ein einziges reindeutsches Infanterieregiment, das 32. Indiana unter Willich auf, aber erst am zweiten Schlachttage, da es zur Armee Buells gehörte und am Frühmorgen des 7. April auf dem Schlachtfelde anlangte. Das deutsche Turner-Regiment aus Cincinnati, 9. Ohio, nahm nicht an der Schlacht teil, es stand ebenfalls bei Buells anmarschierender Armee und war noch weiter zurück.

Als das 32. Indiana-Regiment die Flußböschung erstieg, lagen Tausende von Feiglingen des Grantschen Heeres dort in Sicherheit. Mehrere von diesen riefen den 32 ern zu : »Geht nicht weiter, Ihr werdet alle totgeschossen « i) ! Das Regiment kam sofort in den Kampf. Wie es sich geschlagen hat, erzählt General Lew. Wallace in seiner Autobiographie in folgender Weise:

»Vorwärts stürmte der Feind unter gellendem Kriegsgeschrei. Ich sah ihn kommen, sah dann auf das Gehölz hinter mir, in welchem die mir zur Unterstützung dienenden Kameraden verschwunden waren. Von denen war nichts mehr zu erwarten. Da, im letzten Augenblicke, stürmte aus dem Walde eine blaue Abteilung auf das freie Feld vor. Es war nur e i n Regiment, aber als der Feind sich dieses Vorstoßes bewußt wurde, machte er halt und kehrte dann in seine sichere Walddeckung zurück. Von dort aus eröffnete er ein starkes Feuer auf das neueingetroffene Unions-Regiment, so daß dasselbe Zeichen von Unsicherheit erkennen ließ. Da ritt ein Offizier um die linke Flanke des Regiments und vor die Front, seinen Rücken dem Feinde zugekehrt. Was er sagte, konnte ich nicht hören, aber ich sah, daß er eine Exerzierübung vornahm, trotzdem viele in den Reihen niederstürzten. Die Wirkung war magisch. Der Oberst kehrte auf seinen Posten zurück und das Regiment ging vor wie auf der Parade, trotz des furchtbaren Feuers des Feindes, stürmte das Gehölz, von welchem aus es beschossen wurde, und besetzte dasselbe. Das war, wie ich meine, die kühnste Tat, welche ich im ganzen Kriege beobachtet habe.« Und General Sherman meldet, daß sich Willichs Zweiunddreißiger an demselben Tage noch zweimal in ähnlicher Weise ausgezeichnet haben.

^) Mitteilung meines Mitarbeiters F. Vogeler aus Cincinnati, der im 32. Ind. -Regiment stand.

Die Deutschen bei Shiloh. 283

Oberst v. Willich erklärte, daß seine Leute mehr von dem Kreuzfeuer der Unionstruppen zu leiden hatten als von den feind- lichen Kugeln. V. Willich wurde noch auf dem Schlacht felde zum Brigadegeneral ernannt.

Bei Shiloh traten folgende Deutsche und Deutschamerikaner als Brigadeführer auf: Oberst Julius Raith (gefallen), Oberst Adolf Engelmann, Oberst Hildebrand und die Generale Laumann (aus Jowa), Wagner (der spätere Held von Chattenooga) und Ammen. Der Deutschamerikaner Ammen führte die ersten Hilfstruppen von Buells Armee, welche auf dem Schlachtfelde eintrafen. Der deutsche Oberst Gustav v. Gerber, Führer des 24. halbdeutschen Indiana-Regiments, fiel bei dem Sturm auf eine feindüche Batterie. Von ihm sagt General Lew Wallace (der Dichter) : »Niemand starb ruhmvoller als Gerber. Und doch starben bei Shiloh so viele tapfere Männer und doch wurden daselbst so viele ruhmvolle Taten vollbracht.« Außer Willich, Gerber und Raith haben sich von deutschen Obersten noch besonders ausgezeichnet: Engelmann, Mersi und Brause wein.

Oberst Appler vom 53. Ohio-Regimente (zu Hildebrands Brigade gehörig) wird von General Shermann sehr scharf getadelt. Diese Brigade stand ganz isoliert auf dem äußersten rechten Flügel Sher- mans. Sie hatte den ersten Anprall des Feindes, der hier mit fünf- facher Übermacht und auch mit starker Artillerie auftrat, auszu- halten. Sherman sagt, daß Appler seinen Leuten zugerufen habe, sie sollten sich retten. Daraufhin floh das ganze Regiment. Der Oberstleutnant Fulton sammelte es wieder, dann aber tauchte Appler auf und befahl abermals den Rückzug. Appler wurde ab- gesetzt. Oberst Hildebrand wird von Sherman besonders gerühmt.

Bei Shiloh kämpften viele deutsche Batterien. Besonders ausgezeichnet hat sich die erste Minnesota-Batterie, deren Mann- schaft aus Turnern von Neu-Ulm bestand. Die Batterie war erst kurz vor der Schlacht bei der Armee angekommen. Sie schoß vor- trefflich. In dem »Hornissennest«, das in den Berichten der süd- Hchen Kriegsberichterstatter eine so große Rolle spielt, bildete diese Batterie das Zentrum. Der Kapitän Münch wurde gleich zu Anfang des Kampfes schwer verwundet. Leutnant Wilhelm Pfänder, wohlbekannt in deutschamerikanischen Turnerkreisen, übernahm den Befehl. Diese Batterie deckte den Rückzug Shermans in dessen letzter Verteidigungsstellung. Übrigens hat diese deutsche

284 W. Kaufmann.

Batterie von neun Geschützen die ersten Kanonenschüsse am Morgen des 6. April abgefeuert. Die fünfte Ohio-Batterie, welche diese Ehre beansprucht, machte kehrt, ehe ihre Geschütze in Stellung waren, und die Turner-Kanoniere aus Minnesota nahmen dann die verlassene Stellung ein. Sie hielten sich tapfer während des ganzen Tages. Ihr erstes Feuer verschaffte der völlig überraschten Division Prentiß Zeit zur Aufstellung. Mehrere Geschütze wurden unbrauch- bar gemacht, aber mit noch fünf Kanonen kämpfte Leutnant Pfänder im »Hornissennest«, bis der Rest der Division Prentiß gefangen wurde. Die Batterie schlug sich durch und kam schHeßlich zur Division Hurlbut, dessen letzten siegreichen Kampf um die Landungs- stelle sie mitmachte. Am Abend rückte die Batterie in die starke Artilleriestellung ein, welche Grant zum Schutze seiner Infanterie- reste auf dem Plateau in der Nähe des Tennesseeflusses ausgewählt hatte. Diese deutsche Batterie hat sich neben der Hickenlooper- schen aus Cincinnati am besten geschlagen und sich einen ehren- vollen Namen geschaffen.

Sherman beklagt sich auch über die deutsche Batterie Bahr aus Evansville, Indiana. Der erste Tote derselben war Kapitän Bahr selbst. Daraufhin, sagt Sherman, hätte die Batterie sofort die Flucht ergriffen und dadurch die Neuaufstellung der zurückge- worfenen Shermanschen Infanterie gestört, so daß Sherman eine neue Verteidigungslinie in Anlehnung an Mc Clearnands Hnken Flügel suchen mußte. Nach der Darstellung des Leutnants Spitz, welcher Bahr (oder Behr) im Kommando folgte, verhält sich die Sache aber so: Bahr bemerkte eine starke feindliche Abteilung vor seiner Batterie. Als er darauf feuern wollte, wurde ihm das von einem Adjutanten Shermans untersagt, weil die »feindhche Abteilung« in Wirklichkeit eine Rekognoszierungstruppe der Unions- armee sei. Gleich darauf wurde die Batterie von einem entsetz- lichen Feuer überschüttet. Kapitän Bahr wurde erschossen und die Stellung wurde unhaltbar. Am Abend desselben Tages hat diese Batterie unter Befehl des Leutnants Biehler eine schöne Tat ausgeführt. Die Batterie hatte nur noch drei Geschütze; unter der Bedeckung von nur noch zwei Kompagnien Infanterie ver- teidigte sie stundenlang die Brücke über den Owl Creek, und als Biehler endhch weichen mußte, rettete er trotz großer Schwierig- keiten und Gefahren noch ein Geschütz seiner verloren geglaubten Abteilung.

Schlachten von Corinth, Perryville und Stone River. 285

Auch die Batterie Mann, welche bisher in Missouri kämpfte, hat sich unter Brotzmanns Führung glänzend ausgezeichnet. Ferner kämpften bei Shiloh die deutschen Batterien Welker, Nispel (die Schwartzsche Batterie), Markgraf, Dressel und Timony. Die Batterie des Deutschamerikaners Hickenlooper aus Cincinnati wird besonders rühmend erwähnt. Brotzmanns Batterie kämpfte besonders wirkungsvoll gegen die Konföderierten, welche sich am Abend des 6. April des Landungsplatzes bemächtigen wollten, aber von Division Hurlbut zurückgeworfen wurden. Brotzmann verlor so viele Pferde, daß er nur drei seiner Geschütze nach und nach fortbringen konnte. Weiteres im biographischen Teile unter Raith.

Sdiiaditen von Corinth, Perryville und Stone River.

Hallecks traurige Führung bei Corinth. Raubzüge unter Bragg. Unentschiedene Schlacht von Perryville. Die Deutschen unter Sheridan

bei Stone River. (Siehe Fig. 4, Seite 75.)

Sofort nach der Schlacht von Shiloh vereinigte Halleck die Heere Grants, Buells und Popes, stellte sich an die Spitze von 105 000 Mann und zog gegen Corinth, wo die bei Shiloh geschlagene konföderierte Armee Beauregards stand. Es sind nur 30 englische Meilen von Shiloh nach Corinth. Einen ganzen Monat gebrauchte Halleck, um mit seinem großen Heere die Hälfte dieser Strecke zurückzulegen. Er hätte den Platz in wenigen Tagen überrennen und die demoralisierte Besatzung abfangen können. Aber er be- handelte Corinth, als sei es ein Sebastopol. Die ganze Strecke Shiloh Corinth wurde durchwühlt, alle zwei Meilen errichtete Halleck neue Brustwehren. Beauregard lachte sich ins Fäustchen, zog Verstärkungen herbei, reorganisierte sein Heer und zog am 29. Mai, sieben Wochen nach Hallecks Abmarsch von Shiloh, mit sämt- lichen Vorräten ab. Es wird schwierig sein, in der ganzen Kriegs- geschichte ein ähnliches Beispiel von Langsamkeit und übertriebener Vorsicht zu finden. Aber Halleck verstand es, den Herrschaften in Washington vorzutäuschen, daß er in Corinth einen großen Sieg

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erfochten habe, und als Belohnung dafür ernannte ihn Lincoln zum Generalissimus aller Heere der Vereinigten Staaten mit dem Sitze in Washington.

Vor seiner Abreise dahin verzettelte Halleck das Heer. Grant verblieb mit 25 000 Mann in Corinth stehen, Buell wurde mit gegen 40 000 Mann nach Ost -Tennessee geschickt und der Rest der 105 000 wurde unter Sherman, Thomas und Mc Clearnand zu anderen Expe- ditionen verwendet. Damals war die Straße nach Vicksburg frei, die Stadt am Mississippi war nur ganz schwach befestigt, und leicht hätte man dieses später so wichtige Bollwerk erobern können, aber Halleck kam nicht auf diesen Gedanken. Die Konföde- rierten machten sich Hallecks Fehler sofort zu Nutzen. In Vicksburg wurden starke Werke errichtet, und von Missouri kamen die daselbst frei gewordenen Heere der Generale van Dorn und Price, um Corinth anzugreifen. Sie siegten am 19. September in der blutigen Schlacht bei Juka, wurden aber am 3. und 4. Oktober bei Corinth von Rose- crans geschlagen^). Grant blieb während des Sommers und Herbstes 1862 ziemlich untätig. Er wurde von den Vorbereitungen seines Zuges gegen Vicksburg in Anspruch genommen.

Die wichtigste Aufgabe hatte Halleck der Ohio-Armee unter General Buell zugedacht. Sie sollte das stärkste Heer der Konföde- rierten in Ost-Tennessee schlagen und die Stadt Chattanooga er- obern. Halleck hatte aber nicht mit den Verpflegungsschwierig- keiten einer solchen Unternehmung gerechnet. Buell drang wirk- lich bis Mc Minnville in den wilden Cumberland-Bergen vor, und eine seiner Abteilungen kam sogar bis vor Chattanooga, aber der Mangel an Kavallerie, welche den im Rücken der Unionstruppen auftretenden Freibeuterscharen Morgans und Forrests entgegen- treten konnte, machte Buells Aufgabe zu einer seine Kräfte über- steigenden. Buell konnte in diesem wilden, schwachbesiedelten Feindeslande seine Verbindungen mit dem fernen Louisville nicht aufrecht erhalten. Seine Übermacht nützte ihm nichts, denn der Feind wollte sich nicht zur Schlacht stellen. Buell durfte sich aber

1) Die Kämpfe spielten sich teilweise innerhalb der Außenwerke von Corinth ab. Diese Werke sowie die gesamte neue Befestigung von Corinth hatte der deutsche Ingenieur Oberst v. Schrader, ein ehemaUger han- noverischer Offizier, angelegt. In der Kriegsgeschichte wird das Verdienst dafür meistens Grant und Rosecrans zugeschrieben.

Schlachten von Corinth, Perryville und StODe River. 287

nicht noch weiter nach Süden und Südosten vorwagen. Die Unions- truppen wurden hin und her gehetzt, hatten schwere Märsche in halbwilden Gegenden durchzuführen und wurden beständig be- lästigt von den flinken Reitern Forrests und Morgans, welche die Zerstörung von Straßen, Eisenbahnen und Brücken zu einer wirk- Hchen Kunst ausgebildet hatten.

Das konföderierte Hauptheer, welches Buell niemals zu sehen bekam, stand jetzt unter General B r a g g , einem Günstlinge des Jefferson Davis. Zu den großen Heerführern der Konföderation kann man ihn wohl nicht zählen. Doch ist zu beachten, daß Bragg auf der Szene erschien, als die Sache der Konföderation im Westen sehr schlecht stand, als Shiloh und Corinth geschlagen waren und die konföderierten Haufen sich in jammervollem Zustande befanden. Bragg mußte aus den Trümmern eine neue Feldarmee schaffen, welche sich mit den starken und siegreichen Unionsheeren zu schlagen hatte.

Das südhche Volk, welches nicht begreifen konnte, weshalb die konföderierten Heere im Osten beständig siegten und im Westen stets geschlagen wurden, verlangte große Taten von Bragg. Auch war es den Sezessionisten höchst peinlich, daß sich der westliche Krieg wesentlich in Tennessee abspielte. So forderte die öffent- liche Meinung, welche auf beiden Seiten stets eine Großmacht war, einen Vorstoß nach N o r d e n. Man müsse Kentucky von der nördlichen Invasion befreien und diesen Sklavenstaat, »der nach Erlösung von dem Joche der Union schmachte«, der Konföderation zuführen. Dieses Verlangen entsprach durchaus den Neigungen des Generals Bragg. Es gelang ihm, sich an Buells Heere vorbeizu- schleichen und einen beträchtlichen Vorsprung auf seinem Marsche nach Norden zu gewinnen, ehe Buell Braggs Plan durchschaute. Da in Kentucky kein Unionsheer stand, so schwebten die beiden nördlichen Großstädte Louisville und Cincinnati in großer Gefahr, von Bragg überrannt und ausgeplündert^) zu werden. Buell setzte

1) Schon in diesem zweiten Kriegsjahre hatten die schlechten Finanzen und oft genug auch der Hunger die Südlichen gezwungen, in ihrer Kriegs- führung sich der Mittel zu bedienen, welche man im 30jährigen Kriege an- zuwenden pflegte. Nicht allein das Heer des Gegners war der Feind, sondern auch das nördliche Volk wurde als Feind behandelt. Die berittenen irregu- lären Truppen des Südens waren Freibeuter, Räuber großen Stils. Das reguläre

288 ^V. Kaufmann.

dem Gegner nach und durch forcierte Märsche gelang es ihm, den Feind am 21. August bei Prewitts Knob in Kentucky zu stellen. Drei Tage lagen sich die Heere gegenüber, aber weder Buell noch Bragg konnte sich zum Angriff entschließen. Bragg zog dann nord- östlich, um in der politischen Hauptstadt von Kentucky (Frank- fort) eine sezessionistische Staatsregierung einzusetzen. Für Buell wurde dadurch die Straße nach Louis ville frei. Er besetzte diese Stadt und verstärkte sich dort durch mehrere tausend Rekruten.

Der Hauptzweck des Braggschen Einbruchs war durch Buells Auftreten in Louisville vereitelt worden. Zwar hatte Bragg eine Masse Kriegsbeute zusammengeraubt, aber die Tausende von Rekruten, welche er in Kentucky anwerben wollte, kamen nicht. Er mußte wieder nach dem Süden zurück, wurde von Buell verfolgt, und am 8. Oktober kam es bei P e r r y v i 1 1 e in Kentucky zur Schlacht.

Nur die Hälfte des Buellschen Heeres trat dabei in Aktion. Buell entschuldigt das mit dem großen Wassermangel, der damals in Kentucky herrschte. Viele Zugtiere verdursteten, und kaum für die Mannschaften ließ sich genug Trinkwasser auftreiben. Das sehr starke Korps Thomas ist durch diesen Wassermangel ver- hindert worden, rechtzeitig in den Kampf einzugreifen. Doch waren die Dispositionen Buells sehr mangelhaft, und mehrere der Unter- führer handelten geradezu jammervoll. Buell erfuhr von der Schlacht erst zwei Stunden nach Beginn derselben, nachdem sein ganzes Korps Mc Cook bereits aufgelöst worden war. Mc Cook hatte keinen Bericht geschickt. Dieses Korps hatte den Hauptstoß auszuhalten und mußte sich gegen dreifache Übermacht schlagen. Die Rekruten, welche Buell in Louisville aufgenommen hatte, standen wesent- lich in den Mc Cookschen Brigaden Jackson und Terrill. Beide Brigadiers fielen bei ihren heldenmütigen Versuchen, diese unglück- lichen Leute, welche ihre Waffen noch gar nicht beherrschten und deren Obersten, Kapitäne und Leutnants ebenso grün wie die Mann- schaften waren, zum Standhalten zu bringen. Neben Mc Cook stand das Korps Gilbert. Der Kommandeur war ein »politischer« General, eist (»The army of the Cumberland«) nennt Gilbert den traurigsten

konföderierte Heer hatte davon gelernt, und in Kentucky ist Bragg in ähn- licher Weise aufgetreten wie sein irregulärer Kamerad Morgan anderswo.

Schlachten von Corinth, Perryville und Stone River. 289

aller nördlichen Korpsführer. Gilbert wartete auf Befehle zur Unter- stützung Mc Cooks. Da Buell gar nichts von Mc Cooks Not wußte, so konnte er Gilbert keine Befehle erteilen. Gilberts deutscher Di vi- sionär, General Schöpf, rückte aus eigener Initiative zur Unter- stützung der bedrängten Kameraden vor, mußte aber zähneknirschend auf Befehl Gilberts wieder in Stellung gehen. Dann wurde die Division Rousseau trotz tapferen Wiederstandes geworfen, und es schien, als ob Bragg die ganze Unionsarmee nach und nach aufrollen würde. Da brachte Sheridan, dessen Division zum großen Teile aus Deutschen bestand, die Schlacht zum Stehen, Es ist dies das erste Auftreten dieses später so bedeutenden Unionsführers. Gegen Abend griff Carlins Brigade ein und endlich durfte General Schöpf auch noch mittun. Die Dunkelheit machte dem Kampfe ein Ende. Unionsverlust 4348 Mann, darunter 918 Tote. Die Südlichen ver- loren 3400 Mann. Während der Nacht räumte Bragg das Feld und zog mit seiner Beute nach Süden. Aus der Verfolgung durch Buell wurde nichts Rechtes.

Nach der Schlacht wurde Gilbert davongejagt, und Buell wurde abgesetzt. General Rosecrans übernahm das Heer, welches von jetzt an »Army of the Cumberland« heißt. Gegen Buell wurden viele Anklagen erhoben. Er war nicht tatkräftig, aber den Ein- bruch Braggs nach Kentucky hätte niemand in seiner Lage ver- hindern können. Abgesetzt wurde er hauptsächlich, weil er unge- horsam gegen Halleck gewesen war. Dieser »höchste Kriegsherr« hatte Buell befohlen, sofort nach der Schlacht von Perryville einen abermaligen Feldzug nach Chattanooga zu beginnen. Das wäre aber mit den vorhandenen Mitteln selbst einem wirklich genialen Feldherrn unmöglich gewesen. Buell ging ohne Sang und Klang ab. Aber er war doch der eigentliche Sieger von Shiloh.

Schlacht am Stone River oder Murfreesboro. Bragg hatte sein Heer im Spätherbst reorganisiert und zog im Dezember

1862 zum zweiten Male nach Norden. Rosecrans rückte ihm von Nashville aus entgegen, und am Stone River, bei dem Städtchen Murfreesboro, kam es am 31. Dezember und am 2. Januar

1863 zur Schlacht, einer der blutigsten des ganzen Krieges. Braggs Heer zählte 46 604 Mann. Rosecrans konnte von seiner größeren

W. Kauf m au n, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. !•)

290 W. Kaufmann.

Armee nur 43 400 Mann verwenden. Seine Verluste waren 1553 Tote, 7245 Verwundete, 2800 Gefangene sowie 28 Kanonen. Bragg ver- lor IG 306 Mann und 3 Geschütze.

Rosecrans rechter Flügel bestand aus dem Korps Mc Cook, welches schon bei Perryville so furchtbar gelitten hatte. Nach Rosecrans Plane sollte Mc Cook am Frühmorgen des 31. Dezember einen Scheinangriff machen und ein hinhaltendes Gefecht führen, um einen Teil der konföderierten Armee zu beschäftigen. Zur selben Zeit wollte Rosecrans seinen bedeutend verstärkten linken Flügel zum Hauptangriffe vorgehen lassen, um dadurch die Entscheidung zu erzwingen.

Genau denselben Plan in umgekehrter Richtung verfolgte Bragg. Er wollte auf seinem rechten Flügel zurückhaltend auf- treten und mit seiner Hauptmacht den weit östlich vorgeschobenen rechten feindlichen Flügel, das Korps Mc Cook, eindrücken. Bragg war eine Stunde früher aufgestanden als Rosecrans, sein Angriff auf Mc Cook erfolgte, ehe die Angriffsentwicklung des linken Rose- cransschen Flügels eintreten konnte.

Mc Cook war ein sehr eigenwilliger Herr. Schon bei Perry- ville hatte er sich wenig um seinen Chef (damals Buell) gekümmert. Rosecrans machte ihn aufmerksam, daß das Korps nach rechts viel zu weit auseinandergezogen war und daß sich sogar noch Lücken zwischen den drei Divisionen befanden. Aber Rosecrans befahl nicht direkt eine andere Aufstellung, und auf bloße Wünsche reagierte Mc Cook nicht. Dieser war wohl ein tüchtiger Draufgänger, aber für die schwierige Aufgabe eines aggressiven Vorgehens, das doch nur hinhaltend sein sollte, gar nicht der Mann. Johnson, der Führer von Mc Cooks Flügeldivision hatte sein Hauptquartier i V4 Meilen hinter der Front und dort befand sich die ganze Reiterei, welche doch die Flanke sichern sollte. Am äußersten Ende der Aufstellung war Brigade v. W i 1 1 i c h postiert, die also den am weitesten nach rechts ausgedehnten Flügel bildete. WilHch aber war nicht bei seinen Truppen, als die Konföderierten sich mit furchtbarer Über- macht auf diese stürzten. Er war in das Divisionshauptquartier geritten, um Johnson zuzurufen: »Der rechte Flügel schwebt in der Luft.« Als Willich wegritt, war der Feind aber noch nicht in Sicht. Willich hätte einen Adjutanten schicken sollen, anstatt selbst nach dem Hauptquartier zu reiten. Aber er mag gedacht

Schlachten von Corinth, Perryville und Stone River. 291

haben, wenn ich selbst gehe, so kommen die nötigen Verstärkungen eher herbei. Unwahr ist, daß seine Brigade noch nicht vöHig auf- gestellt gewesen sei, als der Tanz losgingt). In wenig Minuten lagen von Willichs 1600 Mann gegen 450 tot oder verwundet auf dem Felde und gegen 500 Mann wurden gefangen. Die Willich zunächst stehende Brigade Kirk verlor 473 Tote und Verwundete und 342 Gefangene. Zwei Divisionen, Johnson und Davis (von Korps McCooks) waren im ersten Anprall aufgelöst worden und nur einige Reste der Division Davis hatten noch Aufnahme bei Mc Cooks dritter Division Sheridan gefunden. Gegen diese Division von 4154 Mann stürmten nun die siegreichen Konföderierten an. Ein furchtbares Artillerie- und Gewehrfeuer Sheridans wirft die grauen Reihen zurück, nachdem die Feinde bis auf Pistolenschußweite herangekommen waren. Dann aber wird Sheridan auch im Rücken angegriffen von den Feinden, welche zuerst Division Johnson geworfen hatten und nun in weitem Bogen fortstürmend eine Umfassung Sheridans durchführen. Sheridan, der nur an die Thomassche Division Negley Anlehnung hat, kann seine Stellung nicht behaupten. Er zieht auf einen rückwärts gelegenen Hügel, sich auf diesem Marsche durch die Reihen der Angreifer hindurchschlagend. Dort weist Sheridan einen zweiten Haupt angriff ab, muß aber auch die neue Stellung verlassen, sich abermals durch den Feind hindurchschlagen und eine dritte Stellung weiter vorwärts einnehmen. Während dieser schwie- rigen Kämpfe und Durchmärsche bleibt Sheridans Division stets fest geschlossen, die Geschütze werden teilweise von den Mannschaften fortgebracht, eine Batterie, deren Pferde sämtlich erschossen wurden, bleibt auf dem Felde. Noch zweimal muß Sheridan so die Stellung wechseln, aber er hält die Hauptmacht des Feindes damit beständig beschäftigt, und dadurch gewinnt Rosecrans die Zeit, um den ur- sprünglichen Schlachtplan völlig zu ändern, und die am linken Flügel und im Zentrum massierten Divisionen nach und nach zur Unterstützung des Restes von Korps Mc Cook heranzuführen. Von den 4154 Mann der Division Sheridan wurden 1633 getötet oder verwundet und nur einige hundert Mann gefangen. Sheridans Verlust betrug über 40*^/q. Vier seiner Brigadiers wurden getötet:

1) Als Willich von Johnsons Hauptquartier zurückgaloppierte, erfolgte der Angriff, welcher ein völliger Überfall war. Die kleine Willichsche Brigade wurde von fünffacher Übermacht angepackt und sofort geworfen. Willichs

19*

292 W. Kaufmann.

Sill, Roberts, Harrington und Schäfer. An Stelle Sills trat der deutsche Oberst Greusel, an Schäfers Stelle der deutsche Oberst Laiboldt als Brigadeführer^), Harrington war an Stelle des gefallenen Roberts getreten, fiel aber auch kurz danach. Es war ein grauenvolles Gemetzel. Die führenden Offiziere fielen so rasch nacheinander, daß die Nachfolge Schwierigkeiten bereitete. Man spricht von Fredericksburg stets als von einer besonders mörde- rischen Schlacht. Aber in der Division Sheridan war es bei Stone River noch weit schlimmer, zumal bei den deutschen Regi- mentern.

Nachdem die Brigaden Schäfer und Greusel ihre Munition verschossen hatten, wehrten sie die Angriffe des Feindes mit dem Bajonett ab, und als Sheridan den letzten Rückzug anordnen mußte, gab er Schäfer und Greusel den Befehl, diesen zu decken, d. h. mit aufgepflanztem Bajonett und leeren Patronentaschen weitere Angriffe des Feindes abzuweisen eine Aufgabe, die diese deutschen Führer glänzend lösten, wobei aber Schäfer, der tapfere Achtund- vierziger, sein Leben einbüßte. Auf dem linken Flügel kämpfte das deutsche 9. Ohio- mit grimmiger Tapferkeit neben dem halb- deutschen 2. Minnesota-Regiment, und auch diejenigen deutschen Missouri-Regimenter, welche nicht bei Sheridan standen, haben sich tapfer gehalten.

Der Kampf dauerte bis zur Dunkelheit. Rosecrans nahm wäh- rend der Nacht eine neue Stellung ein und beschränkte sich auf die Defensive. Am i. Januar fanden nur Plänkeleien statt. Am

Pferd wurde getötet, der alte Held sah sich von hundert Rebellen umdrängt und wurde gefangen, aber bald darauf ausgewechselt. Ob die Sache anders gekommen wäre, wenn Willich bei seiner Truppe gewesen wäre, steht sehr dahin, denn die übrigen fünf Brigaden der beiden Mc Cookschen Divisionen Johnson und Davis wurden ebenso rasch geworfen. Wenn Willich wegen seiner Abwesenheit einen Tadel verdient, so verdient ihn sein weit zurück- postierter Divisionär Johnson doch wohl noch mehr.

1) Schäfers zweite Brigade enthielt die reindeutschen Regimenter 2 und 15 von Missouri und das fast ganz aus Deutschamerikanern bestehende 44. und das halbdeutsche 73. Illinoiser Regiment. Die vier llhnoiser Regimenter 22, 27 (zuletzt unter Major W. A. Schmidt), 42 und 51 waren zu einem Drittel deutsch. Das 24. Wisconsin über halbdeutsch, und sehr starken deutschen Einschlag besaßen die Regimenter 21 Michigan, 88 und 36 Illinois. Auch in der Sheridanschen Artillerie war das Verhältnis ein ähnliches.

Schlachten von Corinth, Perryville und Stone River. 293

2. Januar unternahm Bragg mehrmals Massenangriffe auf die feste Stellung von Rosecrans, wurde aber abgewiesen und verließ das Feld während der folgenden Nacht. So wurde aus der anfänglichen Niederlage doch noch ein Sieg der Union. Jedoch war das Rose- cranssche Heer so stark zerrüttet, daß an eine Verfolgung nicht gedacht werden konnte.

In Virginien 1862.

Schicksale der deutschen Division.

Vor den Quäcker-Kanonen. Der Schreckensmarsch durch die virginischen Berge. Drei Monate auf dem Marsche. Die Division verliert 4000 Mann durch Hunger, Krankheiten und vor dem Feinde. Jack- sons glänzender Kleinkrieg im Shenandohatale. Die Schlacht von Gross Keys.

Als Mc Clellan zur Ausführung seines Halbinselfeldzuges schritt (März 1862), schickte er zwei seiner Korps, unter Sumner und Burn- side, gegen den auf dem Bull Run- Schlacht felde verschanzten Feind. Die Truppen glaubten, daß sie die Werke stürmen sollten, aber es war nur eine strategische Maßregel geplant, um die Be- wegungen der Mc Clellanschen Haupt armee zu verschleiern. Die deutsche Division unter Sumner war im Vordertreffen und bekam zuerst die »furchtbaren« Schanzen (bei Manassas) in Sicht. Man pirschte sich näher heran und fand das Nest leer. Der Feind war abgezogen. Und die »ungeheuren Kanonen«, von welchen die Späher so Schreckliches gemeldet hatten, entpuppten sich als alte Schornsteine von Lokomotiven oder als Baumstämme, welche man auf Karren gelegt und deren vorderes Ende man so bemalt hatte, daß sie, von Weitem gesehen, den Eindruck von Riesen- geschützen machten ! Diese Täuschung wurde zu Anfang des Krieges mehrfach geübt und hat oftmals beträchtliche Wirkungen erzielt. Man nannte diese Hilfsmittel Quäkerkanonen.

Die deutsche Division hatte am lo. März ihr Lager bei Hunters Chapel verlassen, und zwar mit ganz leichtem Gepäck, da man nur eine Bedrohung des Gegners plante. Sogar die meisten Ambu-

Schicksale der deutschen Division. 295

lanzen waren im Lager zurückgeblieben, ebenfalls die meisten Feld- apotheken und fast der gesamte Train. Es fehlte an Zelten und Decken, an Proviant und an all den tausend Dingen, welche eine kriegsmäßig vorgehende Armee benötigt. Die Division mußte deshalb sofort unter den ungünstigsten Umständen biwakieren. Es regnete in Strömen, die Leute hatten noch keine Gummimäntel, keinen Ersatz für defekt gewordenes Schuhwerk. Trotz dieser mehr als mangelhaften Ausrüstung erhielt die Division Befehl nach Warren- ton, etwa 30 Meilen, weiterzumarschieren. Die Straßen waren in Schlammbäche umgewandelt, die vielen kleinen Flüßchen und Waldbäche der Gegend mußten durchschritten werden. Diese Wasserläufe haben ihren Quell in hohen Gebirgen, wo die Schnee- schmelze schon teilweise eingetreten war. Oft ging den Leuten das eiskalte Wasser bis an die Brust. Das Klima der Gegend ist um diese Jahreszeit außerordentlich veränderlich. Auf warme Tage folgen starke Nachtfröste, Regen wechselt mit Schnee, eine über Nacht hartgefrorene Straße wird nach wenigen Marschstunden zur Pfütze. So litt die Division schon auf dem kurzen Marsche von Manassas nach Warrenton ganz außerordentlich, viele Leute erkrankten schon hier, und man besaß nur sechs Ambulanz- wagen für 10 000 Mann !

In Warrenton (wichtiger Kreuzungspunkt am Fuße der Bull Run- Bergkette) erhielt die Division den Befehl zur Vereinigung mit General F r e m o n t , welcher im Tale des südlichen Potomac im Nordosten West-Virginiens stand. Als Treffpunkt war R o m n e y bestimmt.

Um nach Romney zu gelangen, mußte die deutsche Division zuerst die Bull Run-Bergkette kreuzen, sodann über die hohen Berge des Blue Ridge- Gebirges marschieren, um das Tal des Shenan- doah zu gewinnen, darauf aber noch die wilden Gebirge, welche zwischen dem Shenandoah und dem Süd-Po tomac liegen, die un- wirtlichen North Mountains, überwinden. Also drei hohe Bergketten, über welche meist nur schmale Pfade führten, waren zu nehmen. Das ist in der Luftlinie eine Entfernung von iio englischen Meüen. Im Zickzack der Bergstraßen und in der Lage des Weges, der eine beträchtliche Abschwenkung nach Norden nimmt, wurden aber sicherlich 200 Meilen daraus. Niemand kannte den Weg, Führer waren nicht aufzutreiben, die wenigen Bewohner der Gegend be- standen aus den bittersten Feinden der Union. Die in Aussicht

296 W. Kaufmann.

gestellte bessere Ausrüstung der Truppen traf nicht ein. Sie war zu spät oder nach einem anderen Orte abgeschickt worden. Ohne Zelte, manche arme Soldaten sogar ohne Decken, mit ganz geringem Proviant versehen, mußte Blenker, dem Befehle gemäß, in das wilde Gebirge abrücken. Seine Truppen führten nicht einmal gute Waffen, denn sie waren noch mit ausrangierten belgischen und österreichischen Gewehren ausgestattet, mit schweren, unzuver- lässigen Schießprügeln, welche nur auf ganz kurze Entfernungen einige Wirkung hatten. Erst unter Fremont erhielten die Soldaten (am 10, Mai) die neuen und guten Enfield-Büchsen. Dabei mußte man sich fast während des ganzen Marsches des Angriffes von Busch- kleppern, berittenen Franktireurs, erwehren. Wer schlapp wurde und liegen blieb, war verloren, mochte er nun ein Opfer von Hunger und Kälte werden, oder den zahlreichen Buschkleppern in die Hände fallen, welche dem Heere folgten.

Am 4. April rückte Blenker von Warrenton aus über die Bull Run-Berge bis Salem vor. Schon auf diesem Marsche war es sehr schwierig, die Kanonen über die Berge zu bringen. Alle Pferde des kleinen Trains, den man bei sich führte, mußten Vorspanndienste für die Geschütze leisten. Regen und Schnee wechselten beständig miteinander ab. Es dauerte mehrere Tage, bis die letzten Nach- zügler in Salem eintrafen, und erst am 10. April konnte der Marsch fortgesetzt werden. Aber der Zustand der Division wurde mit jedem Tage schlimmer. Der mitgenommene Proviant war aufgezehrt, man mußte furagieren, um die allernotwendigsten Lebensmittel aufzutreiben. Mit rücksichtsloser Härte wurden die wenigen Farmen geplündert, welche die dünnbesiedelte Gegend darbot. Unter den entsetzlichsten Entbehrungen wurde Paris erreicht, ein erbärmliches Dörfchen noch östlich des zweiten Gebirgszuges (der Blue Ridge). Hier fand man immerhin noch einige Nahrungsmittel und leider auch massenhaft Whiskey in einer Brennerei. Die Leute genossen den eben gebrannten Alkohol in unverständigster Weise. Wer kann es den armen Kerlen verdenken, daß sie sich erwärmen wollten. So traten bei den ausgehungerten, abgehetzten Soldaten noch die Folgen des übermäßigen Alkoholgenusses ein. Aber die großen Armeevorräte, welche man in Paris anzutreffen gehofft hatte, blieben aus, obschon General Rosecrans dieselben befördert hatte. Bei Harpers Ferry war die Potomacbrücke infolge des Hochwassers weggeschwemmt worden, und so erlitt die Beförderung des Proviants,

Schicksale der deutschen Division.

297

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Fig. 13. Hauptkriegsschauplatz in Virginien.

298 W. Kaufmann.

der Mäntel, Decken und Zelte wieder eine Verzögerung von 14 Tagen. Es war, als ob sich alles gegen die Division verschworen hätte.

Erst am 18. April wurde der Übergang über den Shenandoah unter großen Schwierigkeiten bewerkstelligt^). Es wurde Ende April, bis sich die Division in Berryville und in Winchester ver- sammeln konnte. Dort hielt General Rosecrans, der vom Kriegs- ministerium abgeschickt worden war, um die verloren geglaubten Deutschen zu suchen, am 30. April eine Revue über die zerfetzten und zerlumpten Regimenter ab und belobte die Leute außerordent- lich. Nach Washington berichtete Rosecrans, daß die Division ohne Kleider, Zelte, Schuhe, ohne Ambulanzen, ohne Proviant, ohne Futter für die Pferde, ja selbst so gut wie ohne Munition sei und daß sie starke Verluste auf dem Marsche erlitten habe. Über 2000 Mann waren während der drei Wochen verloren gegangen, die meisten waren krank, aber viele waren verhungert oder erfroren. Rosecrans konnte die Soldaten nicht so ausstatten, wie wünschenswert gewesen wäre, gab ihnen aber Gummimäntel und Zelte. Auch kam der Zahlmeister, welcher zwei Monate Sold (vier Monate Sold waren rückständig) brachte.

Die Division rastete nun zwei Wochen bei Winchester im Shenan- doahtale. Etwa die Hälfte des Weges nach Romney hatten die Truppen zurückgelegt. Blenker ging nach Washington, um die Bemäntelung der gegen ihn erhobenen Anklagen zu betreiben. General Stahel führte inzwischen an Stelle Blenkers.

Das AUeghany- oder Appalachengebirge zieht sich in lang- gestreckten Ketten von durchschnittlich 3000 Fuß Höhe von Nord- ost nach Südwest. Zwischen den Gebirgsketten befinden sich breite

1) Das 75. Pennsylvania-Regiment erlitt beim Übersetzen am 16. April einen schrecklichen Unfall. Ein altes Fährboot sollte die Mannschaften an das andere Ufer bringen, indem die Insassen dasselbe an einem über den Fluß gespannten Seile hinüberzogen. Drei Offiziere und 68 Mann wurden in das Boot geschickt, das wahrscheinlich überladen wurde. General Bohlen leitete das Unternehmen. Auf der Mitte des Flusses konnten die Leute das Seil gegen die starke Strömung nicht mehr halten, das Fahrzeug sank, und 41 Mann (nach andern Angaben alle 71 Mann) ertranken. Es wird behauptet, daß General Bohlen von Kameraden der Ertrunkenen später erschossen wurde. Doch ist es wahrscheinücher, daß Bohlen einer Feindeskugel zum Opfer fiel.

Schicksale der deutschen Division.

299

ßumberland

Flußtäler, welche von dem Shenandoah und dem Südarme des Potomac durchströmt werden. Fremonts Korps, etwa 6000 Mann, zu welchem die deutsche Division stoßen sollte, befand sich im westlichsten Flußtale, dem des Süd-Potomac,und zwischen diesem und dem Shenan- doahtale lag ein rauhes und wildes Gebirge, die sog. Northern Moun- tains. Dieses Ge- birge (zwischen Winchester und Romney) war un- gefähr 50 englische Meilen breit. Fremonts Aufgabe

bestand darin, dem konföderiert. General Jackson im Westen den Weg zu verlegen, falls Jackson sei- nen vielen Häschern im She- nandoahtale west- lich ausweichen würde.

Um jene Zeit, Anfang Mai 1862, entwickelten sich die Kämpfe der

beiden feindlichen Hauptheere auf der sog. Halbinsel von Vir- ginien. Aber Lee hatte seinen besten Unterführer, Stonewall Jackson, abkommandiert, um mit etwa 15 000 Mann die 60 000 Unionstruppen zu beunruhigen, welche zum Schutze von Washington im Norden Virginiens verblieben waren. Aus dieser Lage entwickelte sich

Orange C.H.

Fig.

Das Shenandoahtal.

300 W.Kaufmann.

ein hochinteressanter Feldzug, dessen Operationsfeld wesentlich das Shenandoahtal war, ein Feldzug, den man am besten als die große Hetzjagd auf Jackson bezeichnen kann. Jene 60 000 Unions- truppen teilten sich in vier ungleiche Haufen unter Mc Dowell, Shields, Banks und Fremont. Man versuchte Jackson so zu treiben, daß er zwischen zwei dieser nördlichen Abteilungen gestellt werden würde und sich ergeben müsse. Dieser Feldzug ist auf selten Jack- sons mit bewunderungswürdiger Kühnheit und in glänzendster Weise durchgeführt worden, Jackson hat seine vielen Gegner einen nach dem anderen^) geschlagen, eine ungeheure Beute gemacht und ist nach allen diesen Zügen und Kämpfen wieder zu seinem Kameraden Lee gestoßen, um in den großen Schlachten auf der Halbinsel noch eingreifen und dort die Entscheidung bringen zu können. Jacksons Truppen waren meistens aus dem Shenandoahtal rekrutiert. Sie kannten alle Gebirgspfade genau, entwickelten eine erstaunliche Schnelligkeit (man nannte sie Kavallerie zu Fuß oder virginische Bergwölfe) und traten stets dort auf, wo der Gegner sie nicht ver- mutete. Die Führung der vier Unionskorps war selten einheit- lich, jeder der vier Generale blieb auf sich selbst angewiesen, und es ist schwer zu entscheiden, welcher von den vier Herren der größere Pfuscher gewesen ist. Dabei konnte der »schreckliche« Jackson nur sehr selten mit seinen 15 000 Mann auftreten. Er hatte sich zu sichern und häufig nur ein Drittel seiner Mannschaften als Kampf- truppen bereit. Am 10. Mai steckt er bei Front Royal den Obersten Kenly in die Tasche, macht 700 Gefangene und erbeutet massen- haft Kriegs Vorräte, dann fällt er bei Winchester den General Banks an, schlägt ihn und jagt ihn nach Norden bis zum großen Potomac. Dann trifft er auf Shields und zieht sich nach kurzem Kampfe vor dessen starker Artillerie nach Süden zurück. Aber Shields folgt so langsam, daß Jackson eine Weile nichts zu tun hat. Während dieser Pause macht er rasch einen »Spaziergang« nach Westen über das Shenandoahgebirge (etwa 35 Meilen), um Fremont im Süd- Potomactale zu vernichten. Das war ihm beinahe schon gelungen, als glücklicherweise die deutsche Division endüch eintrifft. Mit dieser Übermacht anzubinden hat Jackson keine Lust. So laufen

^) Abgesehen von dem Gefechte bei Kernstown. Dort wurde wesenthch durch die Artillerie des deutschen Obersten Philipp Daum der ,, schreckliche" Jackson zum Rückzug gezwungen.

Schicksale der deutschen Division. 301

seine Bergwölfe wieder über das Shenandoahgebirge ostwärts und sammeln die gemachte Beute. Wir müssen die Schilderung der Jacksonschen Taten hier abbrechen, um uns wieder unserer deutschen Division zuzuwenden.

Die Division rückte am 5. Mai aus Winchester ab in die Wild- nisse der Great Northern Berge und traf nach weiteren Leiden und Strapazen endlich auch in Romney ein. Dort empfing sie Fremont, dessen Truppen weit südlich im Potomactale standen und bald sich gegen Jackson zu schlagen hatten. In Eilmärschen marschierten die Deutschen im Potomactale südlich ihren Kameraden zu Hilfe. Am 16. Mai war man in Franklin, wo man die von Jackson verjagten Brigaden Milroy und Schenck (Fremont) auf- nahm. Jackson zog nun ab, aber ein anderer Feind meldete sich, der Hunger. Der Train hatte den Weg längs des anderen Ufers des Potomac genommen. Der Fluß ging mit Hochwasser und war nicht zu überschreiten. Die hungernden Soldaten sahen die Proviant- wagen am jenseitigen Ufer stehen, aber sie konnten nicht an sie heran. Vom 11. bis 21. Mai herrschte Hungersnot^) bei den Truppen. Erst dann fiel der Fluß, und man konnte hinüber und sich wieder sättigen.

^) Aus Heusingers Tagebuch: 13. Mai: Heute W4 Cracker erhalten, das ist alles. 14. Mai: 1/4 Cracker, kein Fleisch, kein Salz, wir leben von Kräutern und einer Art Blätter, welche einen Salatgeschmack haben. Es regnet un- unterbrochen, aller Brückenbau vergebhch, wir sehen unseren Train und müssen verhungern. 15. Mai: Heute nichts erhalten. Wir fangen ein wildes Kaninchen und essen es roh. 16. Mai: Das Ungeziefer nimmt überhand, ^/g Cracker einhalten. 17. Mai: Die Leute werden unruhig, doch was nützt eine Rebellion. Fremont kann nicht helfen. Es regnet Tag und Nacht; 1^2 Cracker. 18. Mai: Heute nichts erhalten. 19. Mai: M^. Cracker. (Crackers sind das Kommißbrot des amerikanischen Soldaten, auch »hardtack« genannt. Ein 6 Zoll langes, 3I/2 Zoll breites, '^'a Zoll dickes Gebäck aus Weizenmehl (manche auch mit Bohnenmehl gemischt), welches sich sehr lange hält und recht nahrhaft ist.) Heusinger wurde nach dem Kriege in Deutschland wieder Offizier (Regiment 92). Er erweist sich in seinen »Amerikanischen Kriegsbildern« oft als nicht gut unterrichtet, jedoch die obigen Angaben werden mir von mehreren anderen bestätigt. So von Clemens Häntzschel (74. Pennsylvania- Regiment), der später als Professor in der lutherischen Synode von Missouri wirkte.

302 W. Kaufmann.

Jackson war fort, so mußte auch Fremonts Heer nach dem Shenandoahtale zurück, um das edle Wild dort jagen zu helfen. Also nochmals über diese schwer passierbaren Gebirge. Demnach war die deutsche Division vom lo. März an bis zum 3. Juni, abge- sehen von der Rast bei Winchester, ununterbrochen auf dem Marsche gewesen, hatte über 500 Meilen in schlechter Ausrüstung durch Bergwildnisse, abwechselnd in Schnee und Eis und in Sonnenglut zurückgelegt, gehungert und gefroren, ohne zum Schlagen gekommen zu sein. Die 10 000 Mann waren auf 6000 heruntergebracht, als sie endlich Anfang Juni in Straßburg im Shenandoahtale ein- trafen. Um diese Zeit zog Jackson mit seiner Beute talaufwärts. Er hatte mehrere Tagemärsche Vorsprung. Wenn man flink war, so konnte man ihn einholen. Also Jackson nach!

Während dieses Marsches hatten die Deutschen gute Tage. Bei Straßburg waren sie ja in Altdeutschamerika^), in dem vom Fleiße deutscher Bauern geschaffenen Garten Virginiens. Da lag Woodstock, wo der Pastor- General Peter Mühlenberg im Jahre 1776 seine berühmte letzte Predigt gehalten hatte^) , da lag das ehemalige Neumarkt (jetzt New Market) und manche stattliche deutsche Siedlung. Das Land war reich, die fettesten Schinken, das feinste Geflügel, dazu eimerweise die schönste Milch kamen auf den Tisch der ausgehungerten Soldaten und leider wurde auch gestohlen. Die sizilianische Räuberbande des Garibaldi-Regiments (39. New York) war ja bei den Deutschen und deshalb wurden die Aus- schreitungen dieser Kerle den Deutschen zur Last gelegt. Die Räube- reien sind nicht zu verteidigen, aber weshalb hat man die ebenso schlimmen Taten von Shermans »Bummers« in Georgia und von Sheridans Truppen im Shenandoahtale (1864) so ganz anders beurteilt ?

^) Siehe Anhang Artikel 6.

^) Peter Mühlenberg, ein Sohn des lutherischen Patriarchen Heinrich Melchior Mühlen berg, war ein intimer Freund Washingtons. Bei Ausbruch des Revolutionskrieges streifte er auf der Kanzel den Priestertalar ab und stand in der Uniform eines Obersten des Revolutionsheeres vor seiner er- staunten Gemeinde. Er rief derselben zu: »Jetzt habe ich zum letzten Male gepredigt. Ich ziehe in den Krieg, und wer von euch ein echter Mann ist, der zieht mit mir. « Und fast alle Männer der Gemeinde zogen mit ihrem Ex- Pastor ins Feld.

Schicksale der deutschen Division. 303

Wieder einmal hatte man dem wegen seiner vielen Beutewagen langsam talaufwärts marschierenden Jackson eine Falle gestellt. Bei Port Republic führte eine Brücke über den Shenandoah. Diese mußte Jackson kreuzen, um nach Richmond gelangen zu können. Diese Brücke sollte abgebrannt werden, und dann glaubte man Jackson zwischen die beiden Unionskorps Shields und Fremont pressen und ihn abfangen zu können. Der Shenandoahfluß besteht in seinem unteren Laufe aus einem Nord- und einem Südarme. Zwischen diesen beiden Armen liegt das Massanuttongebirge. Shields hatte die Aufgabe, dem Südarme des Shenandoah entlang strom- auf zu ziehen, Fremont zog längs des Nordarmes hinter Jackson her. Shields sollte die Brücke bei Port Republic rasch überschreiten, sie verbrennen und Jackson entgegengehen, also den Feind Fremont zutreiben.

Aber auch diese Falle klappte nicht. Shields war zu langsam. Sein Vortrupp langte allerdings noch vor Jackson an der Brücke an, zerstörte dieselbe aber nicht, sondern besetzte den östlichen Aus- gang mit zwei Batterien. Jackson merkte rechtzeitig, was die Gegner im Schilde führten. Er wollte nicht mehr schlagen, sondern nur seine Beute in Sicherheit bringen und seine Truppe möglichst ohne weitere Verluste dem Kameraden Lee zuführen. Aber Fre- mont saß ihm scharf auf dem Nacken, Jackson mußte mehrere Nachhutgefechte gegen Fremont führen, in welchen sich der deutsche Artillerieoberst Pilsen besonders auszeichnete und in welchen der bedeutende sezessionistische Reiterführer Ashby fiel (von einem ehemaligen braunschweigischen Husarenleutnant vom Pferde her- untergehauen, meldet Heusinger).

Aber Jackson war doch sehr besorgt wegen jener Brücke. So zog er mit seiner Beute in Eilmärschen vorwärts und ließ seinen Untergeneral Ewell bei Gross Keys, nur noch wenige Meilen von der Brücke entfernt, mit 7000 »Bergwölfen« stehen, um Fre- mont Schach zu bieten. Aus dieser Lage entwickelte sich am 8. Juni die Schlacht von Gross Keys, in welcher die deutsche Division endlich die Feuertaufe erhalten hat. Das Schlacht- feld war altdeutscher Kulturboden. Der Kampf spielte sich ab zwi- schen zwei deutschen Kirchen, Wetzeis lutherischer Kirche und dem Bethause der Vereinigten Deutschen Brüder, auch Friedens- kirche und Union Church genannt. Die Kirchen dienten später als Verbandplätze.

304 W. Kaufmann.

Fremont glaubte, das ganze Heer Jacksons vor sich zu haben. Er teilte seine 12 000 Mann in drei ungleiche Haufen. Den rechten Flügel bildeten Schencks Ohio-Brigade, fünf schwache Regimenter, das Zentrum Milroys Westvirginier- (drei Regimenter und Ohio 82., sowie Cluserets^) Abteilung, etwa 1000 Mann) ; den linken Flügel die deutsche Division, noch etwa 6000 Mann. Blenker war wieder eingetroffen, wurde aber von Fremont völlig ignoriert wegen der gegen Blenker erhobenen Anklagen. Im Vordertreffen der Deutschen stand Brigade Stahel, Regiment 8, 41, 45 New York und 27. Penn- sylvania, dahinter Brigade Bohlen. Als Reserve diente Brigade v. Steinwehr, 29 und 68 New York und 73 Pennsylvania und 13. New Yorker Batterie. In Vertretung des erkrankten v. Stein- wehr führte Oberst Koltes diese Reserve. Auf Fremonts Flanken waren die beiden halbdeutschen Reiterregimenter Karges und Dickel postiert, acht Batterien kämpften in der Linie, zwei standen in Reserve. Als Fremonts Generalstabschef fungierte der deutsche Oberst Albert, welcher sich bereits in der Schlacht von Pea Ridge unter Sigel ausgezeichnet hatte.

Das Gefecht wurde von Cluseret gegen 11 Uhr eröffnet, und zwar durch das halbdeutsche Garibaldi-Regiment. Auch Milroy beteiligte sich an dem ersten Angriffe, wurde jedoch geworfen und erlitt erhebliche Verluste. Die Garibaldi- Garde schlug sich vor- trefflich und erzielte Vorteile. Der Feind beobachtete zunächst die Defensive. Ewell wollte überhaupt nur ein hinhaltendes Gefecht führen und seine Leute möglichst schonen.

Die schwierigste Aufgabe sollte die deutsche Division lösen. Die feindliche Hauptmacht stand sehr geschützt auf einem die Straße beherrschenden Ausläufer des Gebirges. Davor breitete sich eine ansteigende offene Landschaft aus, Wiesen und Felder, von Zäunen durchsetzt und von einem Bache durchflössen. Dieses offene Gelände mußte der Angreifer schutzlos durchschreiten, um an den im Berg- walde steckenden Gegner heranzukommen. Brigade Stahel sollte diese Stellung nehmen. General Stahel schickte seine 45 er unter Amsberg als Plänkler vor. Er wollte zunächst den Feind durch Artilleriefeuer erschüttern, ehe er zum Sturm überging. Aber ehe die Artillerie völlig in Stellung ist, bricht Oberst Wutschel

^) Cluseret wurde 1871 in Paris als einer der Führer der Kommune erschossen.

Schicksale der deutschen Division. 305

mit dem 8. New York-Regiment vorzeitig los, überrennt die Schützenkette der 45 er und läßt die Achter in geschlossenen Gliedern mit gefälltem Bajonett gegen die von stark überlegenen feindlichen Kräften besetzte Waldhöhe anstürmen. Bis auf 150 Schritte kommen die Achter heran. Dann werden sie von vier Batterien mit einem entsetzlichen Nahfeuer empfangen und gleichzeitig mit einem Hagel von Flintenkugeln. In wenigen Sekunden liegt fast die Hälfte des braven deutschen Regiments^) (220 Tote und Blessierte aus 660 ! !) am Boden. Der Rest muß zurück und reißt selbstverständlich die 45 er mit sich. Nun bricht der Feind aus dem Walde hervor, starke Infanteriemassen verfolgen die Abgeschmetterten, die Fahne der Achter geht verloren, und nur mit größter Mühe gelingt es General Stahel, seine furchtbar dezimierte Halbbrigade in Sicherheit zu bringen. Die beiden anderen Regimenter der Brigade (41 New York und 27 Pennsylvannia) sind rechts von Wutschel vorge- gangen, haben Vorteile errungen, müssen sich aber nach jener Schlappe ihrer Kameraden ebenfalls zurückziehen. Aber jetzt ist die Unionsartillerie in Stellung und kann die offenen Felder be- streichen, über welche zuerst der verunglückte Ansturm Wutschels gegangen ist und wo sich nun die feindliche Infanterie ausbreitet. Dilgers und Buells Batterien, unter Schirmer, zahlen dem Feinde mit derselben Münze heim, welche kurz vorher die Achter empfangen haben. Gleichzeitig wirft sich Bohlens Brigade (54. und 58. New York-, 74. und 75. Pennsylvania-Regiment) dem anstürmenden Feinde entgegen. In diesem Augenblicke erscheint B 1 e n k e r auf dem Kampfplatze und nimmt an Bohlens Angriffe Teil. Aber auch diese Attacke ist nicht von rechter Wirkung, denn sie erfolgt ohne Mitwirkung der Artillerie, worüber sich General Bohlen später heftig beschwerte. Tatsache ist, daß Major Schirmer als Befehls- haber der Divisionsartillerie die Batterie Wiedrich (obwohl dieselbe zu Bohlens Brigade gehörte) zurückschickte. Schirmers eigene Batterien hatten sich verschossen. Ob Schirmer den Kopf verloren hatte oder ob der Befehl zum Rückzuge der Wiedrichschen Batterie

1) Ein ähnüches Schicksal erlitt Mitte April 1862 das deutsche 46. New Yorker Regiment bei einem von dem Dilettantengeneral Benham unter- nommenen Sturm auf Fort Pulaski. Von den 600 Mann fielen oder wurden verwundet 200. Der Sturm erfolgte ohne jede Vorbereitung. Herr Ben- ham, der natürhch nicht mitstürmte, glaubte sich durch diese Tat einen Namen machen zu können.

W. Kaufmaaa, Die Deutschen im amerikan. Bärgerkrie». 20

306 ^^- Kaufmann.

irrtümlich übermittelt wurde, steht dahin. Übrigens wäre die ganze Schirmersche Artillerie ums Haar verloren gegangen. Der Feind hatte sie schon umringt, doch sahen die Obersten v. Gilsa und Buschbeck die Gefahr und eilten mit dem 41. New York- und dem 27. Pennsylvania-Regiment herbei, um Schirmer herauszu- hauen. Das war wohl die glänzendste Einzeltat, welche die deutsche Division hier vollbrachte. Oberst v. Gilsa wurde dabei schwer verwundet.

In den deutschamerikanischen Zeitungen jener Zeit wurde die Nachricht verbreitet, daß B 1 e n k e r der eigentliche Held von Gross Keys sei. Er habe im Augenblick der größten Not die Reserve (drei Regimenter unter Koltes) herangeführt, habe damit bedeutende Vorteile errungen und sei im Begriffe gewesen, die bisherige Nieder- lage des linken Flügels in einen Sieg zu wandeln, als er von Fremont zurückgerufen wurde. Allerdings hat Blenker die Reservebrigade herangeführt, aber diese ganze Brigade hatte in jener Schlacht nur einen Verwundeten (allerdings auch acht Vermißte). Was diese Brigade geleistet hat, ergibt sich schon aus dem einen Ver- wundeten zur Genüge. Die Rebellen berichten allerdings von drei Angriffen auf dem linken Flügel, von Stahels, von Bohlens und von einem dritten Angriff. Letzterer wurde jedoch vor der Durch- führung durch Fr6monts Befehl eines allgemeinen Rückzuges des linken Flügels unterbrochen.

Fremont befahl den Rückzug, weil er während der Schlacht einen Brief von Shields erhielt mit der Meldung, daß nur dessen Vorhut bei Port Republic eingetroffen sei, das Shieldssche Haupt korps aber infolge von Marschübermüdung und Hunger ein Biwak bezogen habe. So war auf Shields Eingreifen in die Schlacht, welche Fremont nur mit Hinblick auf seines Kameraden Mitwirkung eingegangen war, nicht zu rechnen. Und Fremont glaubte damals noch, das ganze Heer Jacksons vor sich zu haben. Nach den bisherigen Mißerfolgen erschien es in der Tat töricht, mit Fremonts erschüttertem Heere einen für weit stärker gehaltenen Gegner, der in vortreffhcher Stellung war, weiter anzugreifen.

Fremont behauptet, daß sein Zentrum und sein rechter Flügel ihre Stellungen gehalten hätten, doch ist auch das nicht richtig, denn auch Schencks Brigade mußte nach Milroys abgeschlagenem ersten Angriffe zurückgehen. Das Gefecht wurde im Laufe des Nachmittags hinhaltend. Während der Nacht zog der Feind

Schicksale der^deutschen Division. 307

nach Port Republic ab, und da Fremont das Schlachtfeld behauptete, so konnte er den Sieg in Anspruch nehmen und eine Lobesdepesche Lincolns einstecken.

Oberst Wutschel, welcher den vorzeitigen Sturm des 8. Regi- ments trotz des dringenden Abratens seiner kriegserfahrenen Offi- ziere befohlen hatte, wurde abgesetzt. Übrigens soll sich Wutschel feige benommen haben. Er ghtt von seinem Pferde herunter und lief in den hintersten Reihen mit. Als dann das fürchterhche Feuer kam, ließ er sich auf den Boden fallen und stellte sich verwundet. - Die übrigen deutschen Offiziere benahmen sich tadellos. Glänzend zeichnete sich Hubert Dilger aus, dessen Batterie vortreffhch schoß. Auch General Bohlen hat wie ein Held gekämpft, v. Gilsa, Busch- beck und V. Amsberg wurden von Fremont öffentlich belobt. Im ganzen war die Feuertaufe der deutschen Division unbefriedigend, wesenthch durch das Verschulden Wutschels. Die Verluste der deutschen Division betrugen 482 Mann, davon kamen auf Stahel 398, auf Bohlen 73, auf Koltes ein Verwundeter und acht Vermißte. Fremont verlor im ganzen 684 Mann, davon Milroy 159, Schenck 15, Cluseret 19 Mann.

Am nächsten Morgen folgte Fremont dem abgezogenen Feinde. Nach kurzer Zeit sah man dichte Rauchwolken vor sich. Die Brücke bei Port Republic wurde niedergebrannt, aber vom Feinde, nachdem dessen letzter Mann und letzter Beutewagen über den Fluß entkommen waren. Jackson hatte übrigens vorher noch ein scharfes Gefecht mit Shields Vorhut, wobei sich die Ohioer Regi- menter 5 und 7 (letzteres zum Teil aus Clevelander Deutschen bestehend) auszeichneten.

Jackson hatte also wieder einmal seine Zwecke erreicht. Mit der Beute, welche er davongetragen, wurden mehrere Divisionen der Konföderierten versorgt. Die Südlichen lebten um jene Zeit zum großen Teil von erobertem Proviant, liefen in Onkel Sams Schuhen, schHefen unter U. S.-WoUdecken und kleideten sich oft genug in erbeutete blaue Uniformen. Und wenige Wochen später entschieden Jacksons noch rechtzeitig eingetroffene Truppen die großen blutigen Schlachten zwischen Mc Clellan und Lee bei Rich- mond.

Einen Tag nach der Schlacht von Gross Keys, am 9. Juni, machte Karl Schurz sein mihtärisches Debüt. Schurz kam mit einem Generalspatent an. Fremont machte ihn bald zum Di visionär.

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308 W: Kaufmann.: . ;

Der »General-Rekrut« Schurz wurde: zuerst recht kalt begrüßt von den deutschen Kameraden, aber bald wandelte sich diese Stim- mung, namentlich nachdem Schurz in der zweiten Bull Run- Schlacht sich so glänzend bewährt hatte.

Blenker wurde nach Washington berufen und legte den Befehl nieder. Auch Fremont ging, und zwar aus verletzter Eitelkeit (er konnte es nicht überwinden, daß Pope, ein jüngerer General, mit dem großen Kommando in Virginien betraut wurde). Die Deutschen aber waren froh, daß Fremont verschwand und von Franz Sigel (i. Juli) abgelöst wurde.

Mc Clellans Halbinsel-Feldzug.

Die großen Schlachten des Halbinsel-Feldzuges müssen, mit Hinblick auf unsere Aufgabe, hier kurz zusammengefaßt werr den. Kein größerer deutscher Truppenkörper i) trat in den Halbinsel- schlachten auf, und auch keiner der deutschen Führer gelangte dort zur Geltung. Unsere Landsleute kämpften hier meistens zer- streut in den angloamerikanischen Truppen verbänden, und deshalb interessieren uns diese wichtigsten Kämpfe des Unglücksjahres 1862 nur insofern, als es der Zusammenhang mit den übrigen Be- gebenheiten fordert.

Der virginische Feldzug von 1862 zerfällt in drei besondere Aktionen, welche jedoch so ineinander eingreifen, daß sie kaum von- einander zu trennen sind. Diese Aktionen waren: i. der große Feldzug auf der sog. Virginischen Halbinsel; 2. der gleichzeitige Abwehrkampf Jacksons im Shenandoahtale gegen eine nördliche Hilfs- armee unter McDowell, welche Washington schützen und Mc Clellans Vorgehen gegen Richmond »auf dem Landwege« unterstützen sollte, und 3. der Feldzug Popes in Zentral virginien, nachdem die Unions- heere von der Halbinsel zurückberufen und der neugebildeten Armee unter Pope zugeteilt worden waren. Wir wenden uns zunächst dem Hauptkriegsschauplatze auf der Halbinsel zu.

1) Die fünf reindeutschen Regimenter 7, 20, 46, 52 und 103 von New York, welche an diesem Feldzuge beteiligt waren, standen in verschiedenen Brigaden. Mehrere dieser Regimenter waren zuerst nach Süd-Carolina geschickt und kamen erst spät nach der Halbinsel. Am meisten haben in diesem Feldzuge Regimenter 52, 46 und 20 gehtten.

Mc Clellans Halbinsel-Feldzug. o09

An der südlichsten Spitze der Halbinsel liegt das Fort Mon- roe, welches von der Union noch gehalten wurde und so die Ge- legenheit bot, einer mit Schiffen dorthin beförderten Nordarmee eine gesicherte Landung darzubieten. Von Fort Monroe sind es etwa 75 Meilen bis Richmond. Dagegen ist die Entfernung von Washington nach Richmond doppelt so groß. Man sparte also die Hälfte des Anmarschweges gegen Richmond, wenn das große Heer Mc Clellans von Monroe aus vorgehen konnte, statt auf dem Land- wege von Washington aus. Außerdem sind die beiden großen Ströme York und James, welche die sog. Halbinsel umschließen, bis weit hinauf für größere Schiffe fahrbar i). Die Nachschübe für das Heer, die Verstärkungen, die Proviant- und Munitionslieferungen konnten auf dem bequemen Seewege, unbelästigt von dem Feinde, geschickt werden, außerdem konnten die Kanonenboote auf den beiden Strömen Verwendung finden. So bot der Plan Mc Clellans, den Schwerpunkt der Operationen nach der Halbinsel zu verlegen, manche Vorteile dar. Daß sich Nachteile einstellen könnten, welche jene Vorteile fast völlig aufhoben, übersah man zuerst bis auf einen dieser Nachteile, den man sofort erkannte: die Schwierigkeit, Washington genügend zu schützen, wenn die Hauptarmee des Nordens auf der Halbinsel stand. Über der Erwägung dieses Nachteiles gingen Wochen dahin, und dadurch wurde ein wesentlicher Faktor des Mißlingens gezeitigt. Eine solche Unternehmung mußte überraschend für den Feind zur Durchführung gelangen, und sie mußte erfolgen, ehe die Sommerhitze eintrat. Rasches Handeln war die Grundbe- dingung des Erfolges. Aber erst am 17. März wurde mit der Ein- schiffung des Heeres begonnen, am 6. April waren 100 000 Mann verladen. Als Mc Clellan am 2. April in Fort Monroe eintraf, fand er dort erst gegen 60 000 Mann mit 100 Geschützen versammelt. Derartige Truppentransporte waren in Amerika noch niemals unter- nommen worden, und sie sind auch, wie die Beförderung der fran- zösischen und englischen Heere nach der Krim gezeigt hatte, für weit besser dazu ausgerüstete Nationen durchaus nicht leicht ausführbar.

Gleichzeitig mit dem Vormarsche der großen Unionsarmee von Fort Monroe aus sollte ein 60 000 Mann starkes Heer unter

^) Alle in die Chesapeake Bay einmündenden Ströme, Potomac, Rappa- hanock, York und James haben außerordentlich breite und tiefe Mündungen, welche sich fjordartig viele Meilen weit in das Inland erstrecken.

310 W. Kaufmann.

Mc Dowell auf dem Landwege gegen Richmond vorrücken und dem Halbinselheere vor der feindlichen Hauptstadt die Hand reichen. Nur unter der Voraussetzung dieser Mitwirkung war Mc Clellan seinen Halbinselfeldzug eingegangen. Zu diesem Eingreifen Mc Dowells kam es aber niemals infolge der kühnen Streifzüge des feindHchen Generals Jackson, sowie auch infolge der Besorgnis der Washingtoner Behörden, daß die Hauptstadt zu sehr des Schutzes entbehren möge. Mc Clellan blieb also auf sich allein ange- wiesen, die wichtigste Vorbedingung seines Planes versagte völlig, und schon aus diesem Grunde erscheint es unbillig, Mc Clellan allein für die Mißerfolge des Feldzuges verantwortüch zu machen.

Dagegen läßt sich behaupten, daß ein Sherman oder ein Thomas ganz anders die Gelegenheit ausgenutzt haben würde, welche sich Mc Clellan noch im April darbot. Mc Clellan war kein Mann des raschen Entschlusses und des kühnen Wagens. Er war ein über- vorsichtiger Zauderer, der beständig den Gegner überschätzte und der Kraft seines eigenen Heeres nicht genügend vertraute. Er war Ingenieuroffizier gewesen, hatte also der Waffe angehört, welche wesentlich der Vorbereitung der Defensive dient. Dann hatte er als Zuschauer im französischen Generalstabe den Krimkrieg mitgemacht, welcher im wesentlichen ein Festungskrieg und ein Kampf um Stellungen gewesen war. Er war allerdings fast der einzige Unionsoffizier, der etwas vom Kriege großen Stils kennen gelernt hatte, aber die in der Krim gewonnenen Eindrücke waren die ungünstigsten für die Lösung seiner Aufgaben auf der Virginischen Halbinsel.

Mc Clellan hatte stark auf die Mitwirkung der Flotte gebaut. Aber auch sie versagte in den ersten wichtigen Wochen. Das kon- föderierte Rammschiff »Merrimac« trat im Jamesflusse auf, bohrte zwei Bundeskriegsschiffe in den Grund und verbreitete zur See, wenn auch nur für kurze Zeit, fast ebensoviel Schrecken wie der kühne Jackson auf dem Lande. Erst als der Monitor des genialen Schweden Ericson auf dem Schauplatze erschien, wurde das feind- liche Rammschiff schachmatt gesetzt und etwas später vom Feinde selbst in die Luft gesprengt. Aber es wurde Mai, bis die Bundes- flotte einigermaßen in die Operationen eingreifen konnte, und auch dann durchaus nicht mit der Wirkung, welche Mc Clellan erhofft hatte.

Mc Clellans Halbinsel-Feldzug.

311

Nun aber war die Halbinsel ein im Norden so gut wie unbe- kanntes Land. Man hatte keine Ahnung von den ausgedehnten Sumpf gebieten, von dem außerordentlich raschen Austreten des Flusses Chickahominy nach jedem Regen, von der gewaltigen Hitze, welche hier schon im Mai einsetzt. Das Sumpffieber trat sofort unter den Truppen auf; den Seuchen sind weit mehr tapfere Männer erlegen, als im Kugelregen der großen Schlachten fielen. Die Südlichen waren besser an ein solches Klima gewöhnt, waren

*-»■• Mc. Clellans Marsch zum James.

Mc. Cleilans Route von F. Monroe nach White House. ^ Sieben Tage Schlacht.

Fig. 15. Die Halbinsel von Virginien.

widerstandsfähiger gegen das Fieber und besaßen den Vorteil einer genauen Kenntnis des Terrains. Sie wichen langsam vor der feind- lichen Übermacht zurück und waren bestrebt, den Gegner in die großen Sumpfgebiete am Oberlaufe des Chickahominy zu locken. Mc Clellan hatte sich außerordentlich lange vor Yorktown^) aufgehalten, um dann zu finden, daß diese befestigte Stadt vom

^) Bei Yorktown fand auch die letzte große Schlacht des Revolu- tionskrieges unter George Washington statt. Dort kämpften im Herbst 1781 Deutsche unter drei verschiedenen Fahnen gegeneinander. Sie standen als amerikanische Patrioten unter Steuben und Mühlenberg, ferner

312 W. Kaufmann.

Feinde verlassen worden war. Vom 5. bis 7. Mai fanden die blutigen Kämpfe um Williamsburg statt, welche mit dem Rückzuge der Südlichen endeten. Die Rebellen lieferten während der ersten Zeit überhaupt nur Nachhutsgefechte. Erst Mitte Mai erreichte die Unionsarmee die Stellung White House Cumberland am Pamunkey- flusse, etwa 18 Meilen von Richmond, und die Verluste waren bisher so bedeutend gewesen, daß Mc Clellan nach seiner eigenen Angabe damals nur noch 80 000 Kampffähige führte, obschon sein Heer am 30. April 130 378 Mann gezählt hatte, wovon 112 392 als kampf- fähig galten. Infolge von beträchtlichen Nachschüben verfügte Mc Clellan Ende Mai jedoch wieder über 126 000 Mann mit 280 Kanonen.

Ein Teil der Nordarmee, das Korps Keyes, stand Ende Mai auf dem Südufer des Chickahominy in der Nähe von Fair Oaks, während das Gros längs des Nordufers lagerte. Als am 30. Mai ein furcht- bares Unwetter eingetreten war und viele der über den Fluß ge- schlagenen Brücken weggeschwemmt hatte, glaubte der konföderierte General Joseph E. Johnston (nicht zu verwechseln mit dem bei Shiloh gefallenen konföderierten General Sidney A. Johnston), das feindliche Heer auf dem Südufer abschneiden zu können. Es folgte die blutige Schlacht von Seven Pines (oder Fair Oaks) am 31. Mai, in der Johnston jedoch den beabsichtigten Zweck nicht erreichte, denn der Unionsgeneral Sumner zog auf einer stark be- schädigten Brücke über den Chickahominy und dem bedrohten Keyes zu Hilfe. Johnston ging auf Richmond zurück mit Verlust von 4000 Mann ; die Nordarmee hatte 6000 Mann verloren. In dieser Schlacht wurde Johnston so schwer verwundet, daß er das Kommando abgeben mußte. General Robert E. L e e wurde sein Nachfolger und blieb von nun an der Oberfeldherr des südlichen Heeres bis zum Ende des Krieges.

Die Schlacht von Seven Pines hatte das Gefährliche derMcClellan- schen Stellung an beiden Ufern des tückischen Chickahominy

als Franzosen verkleidet unter Rochambeau (dabei war das starke rein deutsche Regiment Zweibrücken und das Kurtrierer Grenadier-Bataillon) und in der Festung standen unter englischer Flagge verkaufte Hessen und Ansbacher. Bei dem Sturme auf die eine der beiden Redouten wurde von Freund und Feind in deutscher Sprache kommandiert und wohl ein Viertel der Kämpfer auf beiden Seiten waren Deutsche. Neit- liart von Gneisenau wurde in Yorktown als Ansbacher Offizier mit gefangen.

Mc Clellans Halbinsel-Feldzug. 313

dargelegt. Dadurch, daß Mc Clellan betreffs seiner Zufuhren auf den York fluß angewiesen war, erwuchs die Notwendigkeit, das Gebiet zwischen den Flüssen Chickahominy und York stark besetzt zu halten, um die Verbindungen zu sichern. Aber ein Zusammen- wirken aller Kräfte Mc Clellans gegen einen Punkt wurde da- durch unmöglich gemacht. So hatte der nördüche General schon frühzeitig den Plan vorbereitet, seine Zufuhrbasis vom Yorkflusse nach dem Jamesflusse (an welchem Richmond liegt) zu verlegen. Er kam aber auf diese Weise sehr weit ab von der Verbindung mit Mc Dowell, wenn dieser seinen Anmarsch auf dem Landwege doch noch bewerkstelHgen sollte. Da Mc Clellan aber immer noch auf Mc Dowells Eingreifen hoffte, so unterblieb jene Verschiebung der Basis nach dem Jamesflusse vorläufig.

Der größere Teil des Juni verstrich tatenlos. Das Wetter war im höchsten Maße ungünstig. Es regnete beständig; die Unions- armee kampierte in dem unermeßlichen Überschwemmungsgebiete, welches der Austritt des Chickahominy geschaffen hatte. Wochen- lang hatten die armen Soldaten kaum einen trockenen Fetzen am Leibe. Sie lebten wie die Amphibien. Tausende von Opfern forderten Typhus und Malaria; über ein Viertel der Armee erkrankte. Auch ein kühnerer General als Mc Clellan es war, hätte unter diesen Um- ständen auf eine kräftige Offensive verzichten müssen. Während dieser Ruhepause stand die feindliche Armee um Richmond auf günstigerem Boden und litt durchaus nicht so stark als das nörd- liche Heer. Um diese Zeit umritt der kühne konföderierte Reiter- general Jeb. Stuart mit 2000 Mann die ganze Stellung der Nordarmee, leistete einen außerordentlich wertvollen Aufklärungs- dienst und bewirkte durch seine überaus kühnen Reiterstücke eine erhebliche Demoralisation der in den Sümpfen steckenden Nord- armee.

Ende Juni war der bisher im Shenandoahtale beschäftigte, inzwischen aber bedeutend verstärkte General Stonewall Jackson mit 30 000 Mann so nahe an Richmond herangerückt, daß ihm Lee von dort aus mit 25 000 Mann die Hand reichen konnte.

Jetzt, unter dem Drucke der Nähe Jacksons, entschloß sich Mc Clellan zu dem Stellungswechsel, welchen er schon früher er- wogen und auch vorbereitet hatte: zur Verlegung seiner Zufuhr- basis vom York- nach dem Jamesflusse. Im Norden machte dieser Marsch einen sehr verstimmenden Eindruck, jedoch war die Zufuhrbasis

314 . W. Kaufmann.

vom Jamesflusse aus weit günstiger als vom Yorkflusse. Dort fanden sich gesündere Lagerstrecken, und außerdem bot eine Stellung am Jamesflusse, 20 Meilen südlich von Richmond, den Vorteil, daß man von dort aus über den Jamesfluß setzen und Richmond vom Rücken aus bedrohen konnte, falls später eine derartige Maß- regel wünschenswert erscheinen würde. Eine solche Rückwärts- schwenkung vor der Front einer feindüchen Armee, wie sie Mc Clellan nun vorzunehmen hatte, ist ein höchst gefährliches Unternehmen, und es verdient durchaus Anerkennung, daß Mc Clellan seine Auf- gabe ohne sehr große Verluste gelöst hat.

Aus diesem Stellungswechsel der Mc Clellanschen Armee er- gaben sich die siebentägigen Schlachten um Richmond, welche am 26. Juni bei Mechanicsburg begannen, bei Gaines Mills am 27. fortgesetzt wurden und in den folgenden Tagen zu den Kämp- fen im White Oak- Sumpfe bei Frazier's Farm und Glendale führten. Wenn auch in diesen Schlachten und Gefechten, die ungeheuer blutig waren, den Südlichen der Sieg zufiel, so war doch der überaus hart- näckige Widerstand, welchen namentHch das nördhche Korps Porter bei Gaines Mill leistete, höchst ehrenvoll. Die Unionstruppen haben sich in diesen beständigen Kämpfen mit großer Bravour geschlagen und sich die Achtung ihrer Gegner errungen. Es gelang Mc Clellan, seinen aus Tausenden von Wagen bestehenden Train zu retten, die Reserveartillerie von 100 Kanonen und seine schweren Belagerungsgeschütze durch das Sumpfland zu bringen und eine günstige Stellung auf dem breiten Plateau von M a 1 v e r n Hill zu erreichen, das in nächster Nähe des Jamesflusses liegt.

Die Schlacht, welche sich hier am i. Juh entwickelte, bildet den letzten der siebentägigen Kämpfe um Richmond. Lee ließ die starke Stellung stürmen, aber die vortrefflich bediente Unions- artillerie wies alle Angriffe ab, und mit starken Verlusten mußte der Feind auf Richmond zurückgehen. So wurde der letzte Schlacht- tag auf der Halbinsel noch ein schöner und voller Erfolg der Unions- sache.

Am 3. Juli bezog Mc Clellan eine noch günstigere Stellung bei Harrison Point am Jamesfluß (dicht bei Malvern Hill). Dort besuchte ihn Lincoln, um festzustellen, inwiefern die ewigen Gesuche Mc Clellans um Verstärkungen berechtigt seien. Lincoln fand noch 88 665 Mann dienstfähig von den 158 314 Mann, welche im ganzen nach der Halbinsel geschickt worden waren. Es fehlten also 70 000

Popes Feldzug in Virginien. 315

Mann! Doch stellen sich diese nicht sämtUch als Verluste dar. Mc Clellan hatte nämlich 32 250 Mann beurlaubt, worunter sicher- lich 25 000 Gesunde. »Hätten Sie diese Beurlaubten hier, so könnten Sie sofort gegen Richmond vorstoßen«, erwähnte Lincoln tadelnd gegen seinen General. Trotzdem schickte Lincoln sofort die in Nord- und Süd-Carolina stehenden Abteilungen Bumsides und Hunters nach der Halbinsel. Doch kamen diese 13 000 Mann nicht mehr zur Verwendung. Mc Clellan aber verlangte immer noch 50 000 Mann Verstärkungen, um wieder gegen Richmond vorgehen zu können.

Popes Feldzug in Virginien.

Schlacht am Cedar Mountain. Sigels angebliche Langsamkeit. Lee schiebt sich zwischen Popes Armee und Washington. Schwere Nieder- lage der Union bei Bull Run, II. Sigels vortreffliche Führung in dieser Schlacht. Die Feuertaufe von Karl Schurz.

Gerade als durch den Sieg Mc Clellans bei Malvern Hill sich die Verhältnisse der Unionskriegsführung auf der Halbinsel etwas gebessert hatten, wurde General Halleck von Lincoln nach Washington berufen, um die Oberführung aller Heere des Nordens zu über- nehmen. Mc Clellans bisheriger Untergebener wurde dadurch plötzlich dessen Vorgesetzter. Das war natürlich durchaus nicht nach dem Geschmack des strebsamen Herrn Mc Clellan. Er ge- stattete sich eine Kritik dieser merkwürdigen Schiebung und sprach auch seine Verwunderung darüber aus, daß gerade der Leiter des völlig verpfuschten Feldzuges gegen Corinth (Halleck) in jenes höchste Kriegsamt eingesetzt worden sei. Damit hatte es Mc Clellan für alle Zeit bei Halleck verscherzt. Da sowohl Lincoln als sehr viele einflußreiche Zeitungen mit Mc Clellan unzufrieden waren, so konnte Halleck seine Pläne zur Beseitigung dieses Gegners auch durchsetzen. In diesen Dingen ist wohl der Hauptgrund für das etwas später erfolgende Aufgeben des Halbinselfeldzuges zu suchen.

Halleck stellte einen seiner Günstlinge, den General John Pope, an die Spitze der früher an der verunglückten Kampagne gegen Jackson beteiligten Truppen, der Korps Mc Dowell, Shields, Banks und Sigel, welche Ende Juli noch 49 500 Mann zählten.

31 ß ' W. Kaufmann.

Dieses Heer sollte den Kern eines neuen Vorstoßes gegen Richmond, und zwar auf dem Landwege, bilden. Es wurde am mittleren Laufe des Rappahanock, bei Culpepper, zusammengezogen und sollte nach und nach durch die auf der Halbinsel frei werdenden Truppen der Potomac- Armee verstärkt werden. Das bedeutete Mc Clellans Beseitigung durch Pope, denn fast gleichzeitig mit der Ernennung Popes wurde die Ausschiffung der auf der Halbinsel stehenden Potomac- Armee befohlen.

Mc Clellan war aber immer noch eine machtvolle Persönlich- keit. Er war bei seinen Truppen beliebt und seine Untergenerale hielten treu zu ihm. Auch war Pope auf Mc Clellans guten Willen angewiesen. Denn es lag bei diesem, ob die Potomac- Armee tropfen- weise zum Heere Popes stoßen, oder ob sie sofort und in starken Verbänden nach Zentral- Virginien befördert werden sollte. Mc Clellan hielt Pope, und zwar nicht mit Unrecht, für einen Stümper, außer- dern witterte er in Pope den Nebenbuhler. Und Herrn Pope stieg die neue Würde derartig zu Kopfe, daß er in einer hochtrabenden Proklamation sich zu Äußerungen verleiten ließ, welche auf eine abfällige Kritik der zaudernden Kriegsleitung Mc Clellans hinaus- liefen. So begann der neue Feldzug mit einer unheilvollen Gegner- schaft zweier Unionsgenerale, welche sich kameradschaftlich unter- stützen sollten. Clique Mc Clellan stand gegen Clique Pope. Übrigens hat Mc Clellan seine Truppen doch so rasch ausgehefert, als es die Umstände gestatteten, und nur in verhältnismäßig un- bedeutenden Dingen trat seine Feindschaft gegen Pope zutage. Pope war und bheb während des ganzen Sommerfeldzuges in Vir- ginien eine Puppe in der Hand Hallecks.

Sigel hatte am i. JuH das frühere Korps Fremont übernommen^ welches von jetzt an das erste Korps hieß. Bereits am 5. Juli schreibt Sigel an Pope:

»Die Division Blenker (also die deutsche Division) existiert nicht mehr. Eine der Brigaden (Stahels) habe ich der Division Schenck zugeteilt, die Brigade Bohlen der Division Schurz, die dritte der ehemals Blenkerschen Brigaden, steht in der Reserve unter Steinwehr. Das Interesse des Dienstes erforderte diese Neueinteilung, da ernstHche Differenzen unter den Brigadegeneralen bestanden, welche ein Zusammenwirken derselben in Frage stellten.«

Popes Feldzug in Virginien. 317

Dieser so bald nach Sigels Befehlsübernahme datierte Brief macht entschieden den Eindruck des vorschnellen und unüberlegten Handelns, zumal wenn man bedenkt, daß Sigel soeben erst ange- kommen war und seine neuen Untergebenen nur ganz oberflächlich kannte. (Weiteres darüber findet man in der Biographie Sigels.) Das erste Korps (Sigel) war ii 500 Mann stark und setzte sich folgendermaßen zusammen:

I. Division: General S c h e n c k. Erste Brigade, General S t a h e 1; 27. Pa., Buschbeck, 8. N. Y., Hedterich (später Salm-Salm), 41. N. Y., von Helmstedt (Oberst v. Gilsa in Sigels Stab), 45. N. Y,, Wratislaw. Zweite Brigade, M c L e a n: Ohio-Regimenter 25, 55, 73 und 75; Batterien Wiedrich, N. Y., und die Ohioer Batterien Hampton, De Beck, Johnson und Buell.

II. Division : General v. S t e i n w e h r. Bestand während der Popeschen Kampagne nur aus Brigade Koltes: 29. N. Y., Soest, 68. N. Y., Kleefischi 73. Pa., Mühleck.

III. Division: Schurz. Erste Brigade, v. Schimmelf ennig : 61. Ohio (Mc Groarty), 74. Pa., Blessing, 8. W. Va. Zweite Brigade, Krzyzanowski : 54. N. Y., Kowacz, 58. N. Y.. Henkel, 75. Pa., Mahler. Artillerie: Dilger, Heckmann, Dieckmann, Roemer.

Brigade Milroy: W. Va. Regimenter 2, 3, 5, sowie 82. Ohio Regiment. Ohio-Batterie Nr. 12, Kapitän Nöcker.

Reiter-Brigade Beardsley: i. Connecticut, Richart, i. Maryland, Wetschky, 4. N. Y., Nazer, 9. N. Y., Knox, 6. Ohio, Lloyd.

Lee, stets gut unterrichtet, erfährt frühzeitig die beabsichtigte Räumung der Halbinsel. Er entsendet deshalb sein Korps Jackson von Richmond nach Zentral- Virginien, um Fühlung gegen Pope zu gewinnen. Am 8. August erhält Pope Meldung, daß Jackson gegen den Cedar Mountain, acht Meilen südHch von Culpepper, im Anziehen ist. Eine genügende Aufklärung unterbleibt. Pope befiehlt Sigel und Banks, sofort nach Culpepper zu kommen. Ersterer, der bei Sperryville steht, hat über zwanzig, Banks nur neun Meilen zu marschieren. Banks 8000 Mann treffen in der Nacht in Culpepper ein und werden sofort allein gegen Jacksons 25 000 Mann vorgeschickt^). So entwickelt sich am 9. August die blutige

1) Über den Marsch des Sigelschen Korps zur Unterstützung von Banks sagt Schurz: Am 8. August verließen wir nachmittags Sperryville und mar- schierten dann die ganze Nacht. Schon diese war sehr heiß, der folgende

318 W. Kaufmann.

Schlacht am CedarMountain,in welcher sich Banks Truppen vortrefflich geschlagen und anfangs auch Vorteile errungen haben. Aber dann machte sich Jacksons Übermacht geltend. Banks mußte weichen, nachdem er ein Drittel seiner Mannschaft verloren hatte. Pope hatte in Culpepper die Division Ricketts zur Verfügung, sandte sie aber Banks nicht zu Hilfe. Erst abends am 9. August trafen Sigel und Ricketts zur Aufnahme von Banks Resten ein, und dann zog sich Jackson, der überhaupt nur Popes Stärke er- kunden wollte, zurück. Obschon Pope Sigel in seinem ersten Berichte belobt hatte, so bildete sich doch bei den Westpointer

Tag aber entsetzlich schwül. Das Thermometer hoch in den Neunzigern (Fahren- heit), kein Wölkchen am Himmel, kein Luftzug. Der Staub hüllte die mar- schierenden Kolonnen in dichte Wolken ein. Da wir gegen den Feind angingen, hatte ich Befehl gegeben, die Reihen möghchst fest geschlossen zu halten, damit die Drückeberger (Stragglers) nicht so leicht entschlüpfen konnten. Aber als die Sonne höher stieg und die Hitze unerträgUch wurde, lockerte sich die Disziphn. Die mit Tornister, Mantel, Gewehr und Munition beladenen Soldaten waren in Schweiß gebadet, sie schleppten sich nur so dahin. Wo ein Bach oder Brunnen angetroffen wurde, stürzten die Leute in Masse zu- gleich darauf los, um sich zu laben. Hunderte warfen Tornister und Mäntel weg. Viele blieben völlig erschöpft am Wege liegen. Zwischen 4 und 5 Uhr hörten wir die Kanonen von Cedar Mountain. Zwei Meilen weiter trafen wir auf Flüchtlinge von Banks geschlagenem Heere, welche entsetzHche Ge- schichten von dem Blutbade erzählten, und welche meldeten, daß Banks Korps in völHger Auflösung begriffen sei. Schurz meldet dann noch, daß Jackson sich zurückzog, als Sigels Truppen sich in Schlachtordnung auf- stellten.

Aus dieser Darstellung von Schurz ergibt sich, daß die Sigelschen Truppen nur geringe Stoßkraft hätten entwickeln können, wenn sie unmittelbar nach jener furchtbaren Marschleistung in die Schlacht geführt worden wären. Dabei war der Angriff auf Jackson gar nicht so dringlich, als daß Pope auf den Vorteil, ihn mit ausgeruhten Truppen zu unternehmen, zu verzichten brauchte. Die ganzen Dispositionen Popes für den Kampf am Cedar Mountain zeigen uns einen Führer, der weder die geringste Ahnung vom Aufklärungsdienst besitzt, noch ein Augenmaß dafür hat, was er seinen^ Truppen zumuten darf.

Die vielverbreitete Annahme, daß Banks aus Ruhmsucht vorzeitig angegriffen habe, wird durch Popes Befehle widerlegt. Banks war gar nicht so lüstern, mit Jackson die Klinge zu kreuzen, aber er m u ß t e es tun. Pope hatte Banks seinen Stabschef mitgegeben, und dieser trieb zu sofortigem Angriffe an.

Popcs Feldzug in Virginien. 319

Offizieren die Sage, daß Sigels spätes Eintreffen den Mißerfolg von Cedar Mountain gezeitigt habe. Hier beginnen die Klagen der Westpointer über Sigels angebliche Langsamkeit^).

Vom 5. August an (Räumung der Halbinsel durch die Potomac- Armee) kann Lee auch Longstreets Korps (33 000 Mann) in Richmond entbehren. Er vereinigt dasselbe mit Jackson, übernimmt den Oberbefehl des nun ungefähr 55 000 Mann starken Heeres und trifft am 19. August, seinem neuen Gegner Pope gegenüber, am rechten Ufer des Rappahannock ein. Pope hatte sich über den Fluß zurückgezogen und stand, die Verstärkungen erwartend, welche ihm jetzt Mc Clellan zuführen sollte, am linken Stromufer, zwischen den Furten Kelley und Freeman. Schon waren Reno und King (8000 Mann der Halbinselarmee) zu ihm gestoßen, so daß beide Heere die gleiche Stärke besaßen.

1) Sigel hatte sich in der Tat eine Blöße gegeben, indem er erst anfragte, welche Straße er von Sperrjrville nach Culpepper marschieren solle, wo es doch nur den einen Weg gab, nämhch die Turnpike zwischen beiden Orten, Allerdings führte ein anderer Weg von Sperry ville direkt nach Cedar Mountain, aber Sigel war von Pope nach Culpepper befohlen. Über jene Anfrage Sigels gingen sechs Stunden verloren. Sechs Stunden früheres Eintreffen Sigels hätten allerdings eine starke Entlastung des Bankschen Korps bedeutet, aber Sigels Soldaten hätten nach jener Marschleistung, wie sie Schurz be- schreibt, in der Schlacht nicht viel Kraft entwickeln können. Doch hätte Sigels frühere Ankunft vielleicht schon als Demonstration auf Jackson gewirkt. Von dieser Episode an wurde gegen das Sigelsche Korps stets der Vorwurf der Langsamkeit erhoben. Allerdings brach Sigel beim Aufmarsche zur zweiten Bull Run-Schlacht, 28. August, wieder reichhch spät auf, so daß die Marsch- ordnung der Sigel auf derselben Straße nachfolgenden Korps dadurch gestört wurde. Auch schleppte Sigel seinen ganzen Train, 200 Wagen, mit sich, ob- schon den Truppen nur die Mitführung von Munitionswagen gestattet worden war. Eine dritte Verzögerung ist Sigel beim Anmärsche nach Fredericksburg vorgeworfen worden, jedoch ohne jeden Grund. Sigel erklärte übrigens be- züglich jener Anfrage nach dem Wege, daß sein Brigadier Milroy an einer Straßenkreuzung angelangt sei und nicht gewußt hätte, welche Richtung er einschlagen solle. Erst daraufhin habe er (Sigel) sich nach dem Wege erkundigt. Doch sei dadurch eigenthch keine Zeit verloren gegangen. Das Gros der Sigel- schen Truppen traf um 2 Uhr nachmittags in Culpepper ein, und erst um 4 Uhr begann die Schlacht bei Cedar Mountain.

320 W. Kaufmann.

Zwischen Lee und Pope lag der Fluß. Lee mußte rasch schlagen, womöglich ehe die weiteren Verstärkungen Popes eintreffen konn- ten. Aber Lee will sich den Verlusten eines zu erkämpfenden Rappa- hannock-Überganges nicht aussetzen. So entschließt er sich zu einer Umgehung des Gegners, trachtet in dessen Rücken zu gelangen, die Verbindungen Popes mit Washington zu zerstören und womöglich die zu Popes Verstärkung anmarschierenden Truppen einzeln abzufangen. Zu diesem Zwecke zieht Lee am rechten Ufer stromaufwärts und zwingt dadurch Pope, ihm am linken Ufer zu folgen. Lee hat einen wahrhaft großzügigen Plan geschmiedet.

Nordwestlich von Rappahannockstation liegen die Bull Run- Berge. Dieselben schieben sich kulissenartig gegen Osten vor. Westlich dahinter liegt ein Tal, das sich zum heimlichen Vormarsch nach Nordwesten trefflich eignet. Man suche auf Fig. i6 Orleans, Salem, Thoroughfare Gap und Gainesville. Thoroughfare Gap ist ein Paß des Bull Run-Gebirges. Wer diesen Paß besitzt, kann in einem halben Tagesmarsch Gainesville erreichen und so in den Rücken der Popeschen Armee gelangen. Pope hatte jenen Paß aber nicht besetzt. Jenes wichtige Ausfallstor vom Westen nach Osten stand Lee offen!

Jackson wird auf Befehl Lees rasch gegen Sulphur Springs— Waterloo vorgeschoben, Lee bleibt mit Korps Longstreet ungefähr Freemans Furt gegenüber stehen. Es erfolgen beständig Artillerie- duelle über den Rappahannock hinweg, und es kommt zu kleinen Gefechten. In einem derselben fiel am 22. August bei Beverly Furt der deutsche General Heinrich Bohlen.

Die Trennung der beiden feindlichen Korps erkennt Pope erst einige Tage später. Er glaubt, daß Lees Korps Longstreet am 22. August bei Sulphur Springs über den Fluß gehen will, und zieht seine Truppen zusammen, um Longstreet zu überfallen, nachdem ein erheblicher Teil von dessen Truppen den Rappahannock über- schritten hat. Aber Lee denkt gar nicht daran, den Fluß zu kreuzen, er beschränkt sich auf Scheinmanöver, welche den Gegner ab- halten sollen, den Umgehungsmarsch Jacksons zu stören. Sobald Jackson hinter der Kulisse der Bull Run-Berge verschwunden ist, will Lee mit Korps Longstreet auf demselben Wege nachrücken und so seine ganze Armee zwischen Popes Heer und Washington schieben. Diese Manöver Lees führen bei Pope zu starken Überanstrengungen der Unionstruppen. Ein ewiges, scheinbar

Popes Feldzug in Virginien.

321

zielloses Marschieren wird ihnen zugemutet. Die Truppen ver- lieren das geringe Vertrauen, welches sie in ihre Oberführung noch hatten, außerdem wissen sie sich dem besten Heere der Konföderation und den gefürchtetsten Führern desselben gegenüber.

4._4..4- Jacksons Umgehungsmarsch. Fig. i6, Popes Feldzug in Zentral- Virginien im Sommer 1862.

Pope hatte seine Reiterei derartig in Anspruch genommen, daß die Pferde kaum mehr vorwärts können; so versagt der stets schlechte Aufklärungsdienst jetzt vollständig, während er bei dem Feinde in glänzender Weise geleistet wird. Längst ist der große konföderierte Reiterführer Stuart im Rücken Popes, ehe dieser eine Ahnung davon hatte. Während eines furchtbaren Unwetters in der Nacht des 23. August überfällt Stuart den bei Catletts Station aufgespeicherten Verpflegungstrain Popes, macht ungeheure Beute und findet dort auch Popes Depeschenbuch mit der ganzen Korrespondenz des feindlichen Generals. Beinahe hätte Stuart hier auch den ganzen Popeschen Generalstab einschließlich des unionistischen Oberfeldherrn aufgehoben. Das Depeschenbuch sendet Stuart an Lee, der daraus alle Dispositionen über die Pope von Mc Clellan zuzuführenden Verstärkungen ersieht. Nach Zerstörung der Vorräte verschwindet Stuart wieder, um dann Jacksons Flanken- marsch hinter der Bull Run- Kulisse zu verschleiern.

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg.

21

322 W. Kaulmann.

Am 24. August wird der größere Teil des Popeschen Heeres nach Warrenton dirigiert. Dort stoßen in den nächsten beiden Tagen die Mc Clellanschen Korps Heintzelmann und Porter zu ihm, so daß Pope bis dahin ungefähr 23 000 Mann von der alten Potomac- Armee aufgenommen hat und nun nach Abzug der Abgänge über ungefähr 65 000 Mann verfügt, welche allerdings noch ziemlich weit zerstreut sind.

Wenden wir uns nun der Unternehmung Jacksons zu. Erst am 25. August verläßt Jackson seine Stellung Waterloo Sulphur Springs (Sigel gegenüber) und verschwindet in Ausführung des Leeschen Planes hinter den Bull Run-Bergen. Jacksons Abmarsch bleibt den Unionsführern natürlich nicht verborgen, aber sie denken nicht an Thoroughfare Gap; sie glauben, die Konföderierten wollen ins Shenandoahtal abrücken. Am 26. Mittags erreicht Jackson den unbesetzten Paß. Ihm voraus reitet der flinke Stuart, der alle Telegraphendrähte zwischen Washington und Popes Armee zerstört und noch in der Nacht des 26. August sogar schon mit 500 Mann Infanterie in Manassas eintrifft. Dort befindet sich Popes zweite große Verpflegungsstation. In ungeheuren Massen sind hier Proviant, Pferdefutter, Ausrüstungsstücke und Munition aufgespeichert. Die Bewachungsmannschaft wird von Stuart überrumpelt, und die ganze Beute fällt den Konföderierten zu. Am 27. August trifft Jacksons ganzes Heer in Manassas ein, equipiert sich neu auf Onkel Sams Unkosten und läßt den Rest der Beute in Flammen aufgehen. Während der letzten 36 Stunden hatte Jacksons »Kavallerie zu Fuß« über 50 englische Meilen zu- rückgelegt !

Popes Heer befindet sich in diesen Tagen auf dem Marsche nordwärts, um Jackson »abzufangen«. Die Lage am 28. August, unmittelbar vor der zweiten Schlacht bei Bull Run bietet auf konföderierter Seite das Bild einer an Verwegenheit grenzenden Kühnheit dar, auf nördlicher Seite aber herrscht völlige Konfusion. Erst am Abend des 27. erfährt Pope, daß Jackson nach Manassas, also in den Rücken der Unionsarmee, vorgedrungen ist. Aber Pope weiß noch immer nicht, daß Longstreet und Lee ihrem Kameraden Jackson auf demselben Wege (durch Thouroughfare Gap) folgen. Er weiß auch nicht, daß sein Untergeneral Mc Dowell

Popes Feldzug in Virginien. 323

die Division Ricketts nach dem »Gap« geschickt hat, um etwaige Verstärkungen für Jackson aufzuhalten. Pope meint, daß er mit seiner ungeheuren Übermacht Jackson »leicht in den Sack stecken kann« (Popes Redewendung in allen seinen Befehlen aus jenen Tagen). Um das aber zu tun, mußte er doch erst feststellen, wo Jackson eigentlich steckt. Das aber unterbleibt vollständig. Gar keine Aufklärung findet statt, angeblich weil Popes Kavallerie- pferde vöUig ausgepumpt sind. Pope rückt immer dahin nach, wo Jackson zuletzt gewesen ist. Erst nach Manassas, dann nach Centreville, und so vergeht der ganze 28. August mit zweck- losem Herumhetzen des großen Unionsheeres.

Wo war nun Jackson am 28. August ? Nach Vollendung seines Zerstörungs Werkes zu Manassas war er nach Centreville (10 Meilen) gezogen, dann aber 10 Meilen westlich über die Steinbrücke des Bull Run nach Sudley Springs. Hier stand er kaum 18 Meilen von Thoroughfare Gap, von woher Longstreet erwartet wurde; ferner hatte er hier eine Rückzugslinie nach Aldie, welche zu benutzen war, falls Pope ihn, vor der Vereinigung mit Longstreet, mit Übermacht anfallen sollte. Außerdem bot der Damm einer unvollendeten Eisenbahn bei Sudley Springs eine starke Verteidi- gungslinie. Daß Jackson die Vereinigung mit Longstreet möglichst beschleunigen und seinem Kameraden zu diesem Zwecke entgegen- gehen mußte, war ein so naheliegender Gedanke, daß es fast unbe- greiflich erscheint, daß selbst ein Pope nicht darauf verfiel. Aber Pope muß wohl geglaubt haben, daß Jackson direkt in die Öffnung des »Sacks« hineinlaufen werde, den Pope für ihn bereit hielt.

Am 27. stehen Mc Dowells und Sigels Korps um Gainesville, also mitten zwischen Longstreet und Jackson, ohne daß diese günstige Stellung von Pope erkannt wurde. Von Gainesville nach Sudley Springs sind es nur zehn Meilen. Aber Pope läßt nicht dahin auf- klären, sondern dirigiert Mc Dowell und Sigel am 28. von Gaines- ville nach Manassas, also dahin, wo Jackson am Tage vorher gewesen war. Während die beiden Korps marschieren, erhalten sie Gegenbefehl, statt nach Manassas nach Centreville vor- zurücken; denn Pope hatte inzwischen erfahren, daß Jackson nach Centreville gegangen war.

Während des Marsches nach Centreville erhalten Korps Sigel und Division King Feuer von Jacksons Vorposten. Sigel hat nur ein leichtes Gefecht, King wird in einen blutigen Kampf verwickelt.

21»

324 W. Kaufmann.

Diese Nachmittagsgefechte des 28. August entschleiern endUch Jacksons Stellung nordwestlich von Groveton. Also hätten Sigel und King dort stehenbleiben müssen, wo sie den Feind angetroffen haben. Aber King tut das nicht, sondern setzt den befohlenen Marsch nach Centreville fort.

Anders Sigel. Aus den Nachmittagsgefechten erkennt er die völlige Zwecklosigkeit eines Weitermarsches nach Centreville. Er läßt nordwestlich aufklären und kommt zu der Überzeugung, daß sich Jackson auf der Linie Sudley Springs Groveton, also direkt vor Sigel, befindet. Das meldet der deutsche General an Pope, zugleich mit dem Entschlüsse, daß das Sigelsche Korps etwas rechts von der Kreuzung der beiden Hauptstraßen biwakieren wird, um am nächsten Morgen angreifen zu können. Pope hat diese Disposition Sigels gebilligt. So ist es Sigel gewesen, der Jackson gefunden und ge- stellt hat.

Am 29. August fand die Schlacht von Groveton, der erste Schlachttag von Bull Run II, statt. Vorbemerkt sei, daß Long- street und Lee mit 30 000 Mann am Abend des 28. das Thoroughfare Gap überschritten hatten, allerdings erst nach heftigem Kampfe mit der Division Ricketts. Pope hat niemals an die Besetzung oder Verteidigung jenes Passes gedacht und diese vernünftigste Maßregel des ganzen Feldzuges auch später nicht gebilligt. Die Spitzen Long- streets treffen bereits um 10 U h r früh am 29. bei Gainesville ein.

Popes Heer ist am Frühmorgen des 29. noch weit zersplittert. Direkt am Feinde sind nur die Korps Sigel und Division Reynolds. Ein Drittel des Hauptheeres steht bei Centreville, ein anderer Teil bei Manassas. Das starke Korps Porter und Brigade Piatt sind früh am 29. nach Centreville marschiert, haben aber auf dem Wege dahin den (üblichen) Gegenbefehl erhalten und werden um 9 Uhr morgens gegen Gainesville (entgegengesetzte aber endlich zweck- mäßige Richtung) vorgeschickt. Das Korps Banks blieb am Kettle Run zur Bewachung des Trains stehen.

Sigel eröffnet die Schlacht. Pope hat den Angriff auf 5 Uhr früh befohlen. Sigel entwickelt demgemäß seine Truppen. Division Schurz geht in nordwestlicher Richtung vor, Brigade Krzyzanowsk}^ links, Brigade Schimmelfennig rechts, Brigade

Popes Feldzug in Virginien.

325

Koltes^) in Reserve. Die feindlichen Plänkler werden geworfen, über die Farm Matthews hinweg dringen die deutschen Regimenter bis dicht an die feindhche Hauptstellung, also an den Eisenbahn- damm. Krzyzanowski findet im dichten Walde hinter Bück Hill starken Widerstand. Links neben Krzyzanowski geht Sigels Brigade Milroy vor. Schon gegen 8 Uhr wird es nötig, das 29. New Yorker Reg. aus der Reserve heranzuziehen. Auch die

Reserveartillerie wird von Sigel ins Feuer ge- schickt. Gegen 10 Uhr nimmt das Gefecht einen sehr ernsthaften Charak- ter an, denn Jackson schickt seine Division Ewell vor, welche die weit auseinander gezo- gene Linie der Division Schurz schwer trifft. Rasch sammelt Schurz seine Regimenter wieder, führt sie abermals vor und nimmt den Wald- streifen vor der Eisen- bahn in Besitz. Inzwi- schen ist die Unions- division Kearney rechts von Schurz eingetroffen,

Fig. 17.

Sigels Kampf am ersten Schlachttag von Bull Run II.

und gegen 12 Uhr erscheinen hinter Kearney [Division]! Hooker und Korps Reno.

Sigel hatte Kearney durch einen Adjutanten bitten lassen, sofort neben Schurz anzugreifen. Schurz meint, daß Kearney nun ebenfalls vorgehen wird, was aber nicht geschah (s. das Nähere darüber in der Biographie Sigels). Die ganze Division Schurz geht ohne jede Unterstützung mit großer Bravour vor, und der Brigade

1) Dieselbe war während der Schlacht der Division Schurz zugeteilt. General v. Steinwehr führte keine Truppen. Er befand sich als Sigels Rat- geber und Gehilfe im Hauptquartier des Korps.

326 W. Kaufmann.

Schimmelfennig gelingt es nicht nur, den Eisenbahndamm im Sturme zu nehmen, sondern noch darüber hinaus, bis zur Farm Cushing, vorzudringen. Jackson führt große Massen frischer Truppen nament- Hch gegen den stark bedrohten Schimmelfennig vor. Aber trotzdem wird der Damm von Schurzens schon stark erschöpften Leuten gehalten.

Sigels linker Flügel (Division Schenck) war auf der Chaussee nach Groveton zu vorgegangen. Sie fand weniger Widerstand als Schurz, erhielt jedoch indirektes Feuer aus einer versteckten feind- lichen Batterie. Sigel wollte der starken Bedrängung von Schurz und Milroy vorbeugen, entsandte deshalb die Brigade Stahel (von Division Schenck) zu Milroys Unterstützung und beauftragte Schenck, sich näher an den rechten (Schurzschen) Flügel heranzuziehen. Hinter Schenck war inzwischen die Division Reynolds nachgerückt. Doch kaum hatte sich diese entwickelt, als Reynolds bemerkt, daß Longstreet von Gainesville anmarschiert. Dadurch wird Reynolds veranlaßt, stehenzubleiben. Auch Schenck mußte sich diesem Manöver anschließen, um nicht isoliert zu werden, und so wurde Jacksons rechter Flügel in einem sehr kritischen Augenblicke vor der Bedrohung durch Schenck und Reynolds bewahrt. Wir sehen also schon gegen ii Uhr ein Eingreifen Longstreets in die Schlacht, insofern, als Longstreet Schenck und Reynolds in Schach hält und deren Vorstoß gegen Jacksons rechte Flanke verhindert.

Endlich, erst gegen ^j^ 2 Uhr, trifft die Ablösung für die seit über acht Stunden kämpfende Division Schurz durch zwei Brigaden Kearneys ein, und Schurz kann die Reste seiner Division in eine geschützte Stellung bringen.

Wäre die Unterstützung Sigels und namentlich der Division Schurz nur eine Stunde früher erfolgt, so wäre ein Sieg über Jackson wohl noch möglich gewesen. Aber auch nachdem Pope doch über 25 000 Mann neu eingetroffene Truppen zur Verfügung hat, kommt es nicht zu einem energischen Massenangriff gegen Jackson. Pope wartet noch auf das Eintreffen des Korps Porter. Aber Porter kann nicht kommen i). So läßt Pope nutzlos Stunden

1) Porter wurde Ungehorsam gegen Pope vorgeworfen, der verdienst- volle General wurde abgesetzt und erst nach Jahren durch ein anderes Kriegs- gericht rehabiUtiert. Porter konnte nicht zur Unterstützung Sigels herbei-

Popes Feldzug in Virginien. 327

verrinnen, und als er sich gegen 5 Uhr nachmittags doch noch zum Angriffe entschließt, schickt er nur Division Grover (1800 Mann) gegen Jackson vor. Ein kurzes, sehr blutiges Gefecht, und Grover wird mit 500 Mann Verlust abgewiesen. Darauf wird Kearney vorgeschickt, versagt aber ebenfalls gegen die Übermacht. Über 25 000 Mann stehen tatenlos beiseite während dieser beiden An- griffe. Das ist Popesche Gefechtsführung. Um 6 Uhr ein dritter Angriff, diesmal von Division King ausgeführt. King aber trifft auf Longstreet und wird von diesem blutig heimgeschickt. So ist die ganze Schlacht von Groveton eine Reihe von Einzelkämpfen ge- wesen. In kleinen Abteilungen führte Pope während des ganzen Nachmittags vier seiner Divisionen auf die Schlachtbank. Ein ein- heitlicher Massenangriff gegen den durch Sigel stark erschütterten Jackson hätte diesen wahrscheinlich zurückgeworfen und die Ver- einigung von Jackson und Longstreet, wenn auch wohl nicht ver- hindert, so doch beträchtlich verschoben.

Um diese Vereinigung so durchzuführen, wie es für einen Kampf am folgenden Tage am günstigsten für die Konföderierten war, mußte Jackson seine längs des Eisenbahndammes auseinander- gezogenen Truppen konzentrieren. Diese Bewegung wurde von Pope bemerkt, und er schloß daraus, daß sich Jackson zurückziehen wolle. Hatten denn die Gegner ihr überaus kühnes Unternehmen wirklich nur begonnen, um im Augenblicke des Gelingens desselben auszuweichen und auf die erlangten Vorteile zu verzichten ? Nur ein militärischer Stümper wie Pope konnte auf einen solchen Gedanken kommen. Weil er meinte, daß Jackson sich zurückziehe, hielt er sich selbst für den Sieger. Alle seine Befehle für den zweiten Schlachttag reden von der Verfolgung des geschlagenen Feindes! Und dabei war Pope doch selber der Geschlagene.

eilen, weil sich zwischen Porter und Sigel das während der Schlacht aufrückende konföderierte Korps Longstreet einzuschieben begonnen hatte. Auch durch- schlagen konnte sich Porter nicht, denn der dreifach überlegene Longstreet wäre ihm bei dem Versuche dazu in die Flanke gefallen. So blieb Porter stehen, wo er sich befand, und er hielt dadurch das Korps Longstreet ab, in die Schlacht gegen Jacksons Korps noch mehr einzugreifen, als es schon (in Longstreets Auftreten gegen Divisionen Schencks und Reynolds) geschehen war. Über den späteren Streit zwischen Pope und Porter sind viele Bände ge- schrieben worden. Obige kurze Mitteilung darüber muß für unsere Zwecke genügen.

328 W. Kaufmann.

Für den 30. August hatte Pope nur ein ganz frisches Korps bereit, dasjenige Porters, 7500 Mann. Pope hatte am 29. 7000 Mann verloren, abgesehen von mehreren tausend »Stragglers«. Der Feind aber vermochte am 30. das frische Korps Longstreet, 30 000 Mann, einzusetzen, und Jacksons Veteranen waren immer noch kampf- fähig. — Auch versagte die Verpflegung bei Pope. Die Soldaten lebten nur noch von Crackers. Die Artilleriepferde waren seit zehn Tagen nicht abgesattelt worden, von den 4000 Kavalleriepferden waren kaum noch 800 imstande einen Reiter zu tragen. Von der abgehetzten Infanterie waren nur noch die kräftigsten Leute an- griffsfähig.

Schon diese Lage hätte einem einigermaßen einsichtsvollen Heerführer den Rückzug zur Pflicht gemacht. Auch waren Popes Aussichten im Falle eines Rückzuges sehr günstig. Centreville, sechs Meilen rückwärts, war stark befestigt. Dort konnte Pope den Gegner ruhig erwarten. Konnte dort Sumners Korps und Frankhns Korps i), zusammen 14000 Mann, aufnehmen. Konnte dahin auch Banks 5000 Mann dirigieren. Zwei Tage später hätte Pope über 65 000 Mann, fast zur Hälfte frische Truppen, in Centre- ville vereinigen können.

So sprachen tausend Gründe für einen Rückzug Popes am 30. August. Aber Pope wollte am 30. seinen »Sieg« vom 29. ver- vollständigen !

Nachdem Pope sich zum Weiterkämpfen entschlossen hatte, hätte man annehmen sollen, daß der neue Angriff nun auch mit voller Wucht einsetzen würde. Aber nichts Derartiges geschah. Es war wieder das Tasten und Versuchen des vorhergehenden Tages. Um 12 Uhr mittags wird Korps Porter zum Angriffe kommandiert. Unterstützt soll es werden von den Divisionen King und Reynolds. Aber ehe es zum Schlagen kommt wird Reynolds von Longstreet derartig bedroht, daß er bei Porters Attacke nicht mitwirken kann. Porter geht gegen den Eisenbahndamm vor, etwas unterhalb der

1) Allerdings waren diese beiden soeben von der Halbinsel angelangten Korps ohne Artillerie ausgeschifft worden. Mc Clellan wollte diese 14 000 Mann in Alexandria zurückhalten, um sie im Falle einer völHgen Niederlage Popes zum Schutze von Washington zu verwenden. Doch hätte Mc Clellan diesen Plan nicht aufrecht erhalten können, wenn Pope auf das befestigte Centreville zurückgefallen wäre. Diese Stellung bot der Bundeshauptstadt Schutz genug.

Popes Feldzug in Virginien. 329

Stelle, welche Schurz am vorhergehenden Tage erstürmt und lange behauptet hatte. Jetzt ist aber der Feind dort bedeutend stärker als am vorhergehenden Tage. Porter kommt erst um 4 Uhr zum Stürmen, denn Pope hat ihm eine Änderung des Angriffsplanes vorgeschrieben. Unterstützt wird Porters Angriff nur von Division King. Der Feind ist trefflich vorbereitet und begrüßt die Stürmenden mit furchtbarem Artillerie- und Gewehrfeuer i). Viermal gehen die tapferen Leute vor, viermal werden sie zurückgeschmettert. Erst als ein Drittel der Angreifer tot und verwundet vor dem Eisenbahn- damme liegt, ziehen sich Porter und King zurück und werden von der Division Schurz aufgenommen.

Porters Angriff war wesentlich gegen Jacksons Truppen gerichtet gewesen, da Longstreet seine Divisionen südöstlich vorgeschoben hatte, um Popes linke Flanke zu umfassen. Der Rückzug Porters ist nun für Longstreet das Signal zum Vorgehen. Man kann übrigens sagen, daß mit Porters Rückzug die an und für sich für das Nordheer ziemlich aussichtslose Schlacht schon verloren war. Nach 4^/2 Uhr handelte es sich für die Unionstruppen nur noch darum, die Durchführung der von Longstreet vorbereiteten Umfassung zu verhindern.

Auf Fig. 18 ersieht man, daß der Bald Hill zuerst von Longstreet genommen werden muß, wenn Popes Stellung einge- drückt werden soll. Es stand nur Sigels Division Schenck (Brigaden Mc Lean und Stahel) am Bald Hill, als Longstreets Legionen dort anprallten. Schenck leistete kräftigen Widerstand (wurde schwer verwundet), und namentlich infolge der schrecklichen Wirkung der Sigelschen Artillerie kam der Longstreetsche Angriff ins Stocken, ja größere Abteilungen der Konföderierten mußten zurück. Aber immer neue Massen der Feinde wurden vorgeführt. Brigade Mc Lean konnte sich gegen diese ungeheure Übermacht nicht halten, und in ihren Rückzug wurde noch die tapfere Brigade Stahel verwickelt. Doch hatte Schurz die Gefahr seiner Kameraden frühzeitig

1) Sigel erzählt, daß er vor dem Sturme Porters den Obergeneral Pope gebeten habe, den Angriff nach einem von Sigel bezeichneten günstigeren Orte erfolgen zu lassen. Porter käme dann weniger in das Kreuzfeuer der feindlichen Geschütze. Pope habe Sigel jedoch mit einem derben Vorwurfe abgewiesen.

330

W. Kaufmann.

erkannt und war zuerst mit Brigaden Koltes und Krzyzanowski dann auch noch mit seiner letzten Brigade Schimmelfennig herbei- geeilt. Abermals setzt Longstreet mit großer Übermacht ein, macht jedoch keine Fortschritte. Gegen das Kartätschenfeuer der Dilger- schen Batterie kann er nicht aufkommen, und auch die deutsche Infanterie bedeckt sich hier aufs neue mit Ruhm. Ja, sie geht sogar zum Angriff über. Koltes führt seine Brigade gegen eine sehr lästige

feindliche Batterie vor. Aber der

Führer wird von einer Granate getötet, Major Brückner schwer verwundet, und fast ein Drittel der Koltesschen Brigade wird aufgerieben^). Sigel, der den Kampf von einer benachbarten Höhe aus beobachtet hat, erkennt, daß die Division Schurz in großer Gefahr schwebt, abgeschnitten zu werden, und befiehlt den Rück- zug. Aber Longstreet ist durch diesen Widerstand eine halbe Stunde aufgehalten worden, und wesentlich dieser Zeitgewinn war es, der den Erfolg der Longstreetschen Umfassung ver- hindert hat.

Rechts von Bald Hill liegt, mehr der Chaussee zu, der Henry Hill. Dort haben sich die Reste des Korps Porter gesammelt. Auch Division Ricketts stand dort, sowie Teile der Division Reynolds. Um den Hauptangriff Longstreets auf Henry Hill noch zu ver- zögern, wurde dem Feinde die Division Ricketts entgegengeschickt, welche natürlich nicht viel gegen die Übermacht ausrichten konnte, aber doch einen weiteren Aufenthalt des Feindes erzielte. Zu den Verteidigern von Henry Hill stieß noch Schurzens Brigade Schimmel-

1) Brigade Koltes hat hier heldenmütig gekämpft. Koltes fiel an der Spitze der Seinen. Major Brückner fiel neben Koltes. Die Fahne der 73er Pa. war in Fetzen. Fünf Fahnenträger wurden einer nach dem anderen erschossen. Acht Offiziere und 138 Mann von der kleinen Brigade fielen bei diesem Sturme. Es war die heldenmütigste Einzeltat des ganzen Popeschen Feldzuges.

Fig. i{

Zweiter Schlachttag von Bull Run II.

Popes Feldzug in Virginien. 331

fennig. Hier entwickelte sich bis zum Dunkelwerden der heftigste Kampf. Über dreiviertel Stunden hielten die Verteidiger des Henry Hill die wütendsten Angriffe des größten Teils von Korps Long- street aus. Der Ruhm wird in den Kriegsgeschichten zumeist den regulären Truppen unter Sykes, Buchanan und Chapman zuge- messen, doch haben Schimmelf ennig sowie die Brigaden Meade und Seymour und Teile des Korps Reno sich hier ebenso tapfer geschlagen wie Onkel Sams Reguläre. Wieder muß ich hier Dilgers erwähnen, dessen Artillerie mit Schimmelf ennig gekommen war und sich hier wieder glänzend auszeichnete.

Um 8 Uhr abends gab Pope Befehl zum Rückzug auf Centreville, und so kam die Schlacht zum Ende. Der Umfassungsversuch Long- streets war aber gescheitert, und der Rückzug vollzog sich geordnet. Gedeckt wurde er von Korps Sigel. Die Steinbrücke über den Bull Run wurde Nachts (nach i Uhr) vom 74. Pennsylvania-Regiment (Major Blessing) zerstört, so daß Krzyzanowskis deutsche Brigade, welche zuletzt das Schlachtfeld verließ, den Übergang über den Bull Run noch durch eine Furt bewerkstelligen mußte. Dilgers Geschütze, sowie einige Kanonen, welche Oberst Kenes' »Bückt ails« gerettet hatten, waren die letzten, welche über die Brücke gingen. Dilgers Batterie stand bis um Mitternacht vor der Steinbrücke aufgefahren, um einer etwaigen Verfolgung vorzubeugen. Der Feind war derartig erschöpft, daß er Pope ruhig abziehen lassen mußte. Nach der Schlacht waren Dilgers Kanonen beinahe sämt- lich unbrauchbar geworden. Den Ruhm, den Rückzug gedeckt zu haben, hat später der General Gibbon in Anspruch genommen, doch geht aus Sigels, Schurzens und Krzyzanowskis Berichten ein- stimmig hervor, daß der Division Schurz diese Ehre gebührt. Deren Führer erhielt hier die Feuertaufe, und er erwies sich dabei als tüchtiger Militär und als tapferer Mann.

Auch für Sigel waren der 29. und 30. August Ehrentage. Es war dies die einzige große Schlacht, an welcher Sigel teilgenommen hat. Er hat sich dabei glänzend bewährt. Doch wurde er von seinen Westpointer Kameraden trotzdem nicht als Ebenbürtiger anerkannt (s. darüber die Biographie Sigels). Korps Sigel verlor 2187 Mann und 92 Offiziere. Da es schwerlich mehr als 9000 Kampffähige zählte, so betrug der Verlust beinahe 25^/0 ! Am stärksten litt Koltes Brigade (401), dann Krzyzanowskis (372). Stahel verlor 169 Mann, Schimmelfennigs Verluste waren sehr stark, lassen sich aber nicht

332 W- Kaufmann.

feststellen. Am zweiten Schlacht tage wird die Brigade Milroy von Sigels Korps nirgends erwähnt. Es scheint, daß sie sich ver- irrt hatte. Milroy ritt wie ein Besessener auf dem Schlachtfelde umher, um seine Brigade zu suchen.

Was nach der Unglücksschlacht folgte, ist bald erzählt. Am I. September machte Jackson den Versuch, sich zwischen die Pope- sche Armee und Washington zu werfen, woraus sich das außer- ordentlich blutige Gefecht von Chantilly entwickelte, in welchem die Unionsgenerale Kearney und Stevens fielen. Aber zu einem Vorstoße gegen Washington waren die Konföderierten viel zu schwach. Sie hatten in den Kämpfen selbst über 12 000 Mann verloren. Popes Verluste sind nicht genau festzustellen, aber die ganze Popesche Kampagne soll 30 000 Mann gekostet haben!!

Pope tat dann das Gescheiteste, was er überhaupt während des ganzen Feldzuges getan hat er resignierte. Seine Truppen atmeten erleichtert auf, als sie diesen Stümper endhch los waren. Sie jubelten dem neuen Herrn zu, der natürlich M c - C 1 e 1 1 a n war.

Unionssieg am Antietam (oder Sharpsburg).

Lees erster Vorstoß nach dem Norden. Kämpfe um die Pässe der South Mountains. Schlacht am Antietam. Rückzug Lees. Ab- setzung des Generals Mc Clellan. Die Befreiung der Sklaven.

Nach den Siegen über Pope forderte die öffentliche Meinung im Süden, daß Lee in Maryland einfallen solle. Lee mußte sich diesem Verlangen fügen, obwohl er die großen Hoffnungen, welche man auf diesen Zug setzte, durchaus nicht teilte. Sein Heer war viel zu schwach, um Washington, Baltimore oder gar Philadelphia ernst- lich bedrohen zu können. Lee beschränkte seine Operationen auf den westlichen Zipfel Marylands und wagte sich kaum 20 Meilen jenseits des Potomac vor.

Diesem Einbruch in die Nordstaaten entgegenzutreten, wurde die Aufgabe des wieder eingesetzten Generals Mc Clellan. Er hatte schon Anfang September 150 000 Mann um Washington versammelt .

Unionssieg am Antietam (oder Sharpsburg). 333

Davon verblieben Korps Sigel, Heintzelmann und Banks, 60 000 Mann, zum Schutze der Hauptstadt zurück. Mit 90 000 Mann zog Mc Clellan am 7. September auf Frederick i) los. Lee baute darauf, daß sein Gegner wieder hübsch langsam vorgehen werde, und täuschte sich auch nicht darin. Lee teilte sein Heer abermals. Er schickte 25 000 Mann unter Jackson nach Harpers Ferry und zog mit dem Reste, 19 000 Mann, von Frederick nach dem Tale des Antietam, einem Nebenflusse des Potomac.

In Harpers Ferry stand der Unionsgeneral Miles mit 12500 Mann im Rücken der Rebellenarmee. Dieses Korps sollte Jackson rasch aufheben, deshalb die Teilung der Leeschen Armee.

Am 13. September trifft Mc Clellan in der soeben vom Feinde verlassenen Stadt Frederick ein. Ein Glücksfall spielt ihm daselbst eine Depesche Lees an dessen Unterführer D. P. Hill in die Hand. In dieser Depesche vom 9. September wird Lees ganzer Feldzugsplan dargelegt. Es wird darin gesagt, wo jede Abteilung der geteilten konföderierten Armee während der nächsten Tage stehen wird. Die Depesche ist von ungeheurem Werte für Mc Clellan. Aber um Vorteil daraus zu ziehen, hätte Mc Clellan rasch vorgehen, augenblicklich gegen denjenigen Teil des Leeschen Heeres marschieren müssen, der im Antietamtale stand. Aber Mc Clellan läßt mindestens zwölf kostbare Stunden verstreichen, ehe er aufbricht.

Zwischen Frederick und dem Antietamtale ziehen sich zwei Bergketten hin, die Catocktin- und die South Mountains. Ersteres Gebirge bietet keine Schwierigkeiten, letzteres wird auf dem Turner- Passe (600 Fuß hoch) von der berühmten National Road durch- quert. Sechs Meilen südlich vom Turner-Paß liegt der Crampton Paß. Von Frederick bis zum Turner-Passe sind es 15 Meilen, knapp sieben Marschstunden auf so vorzüglichem Wege. Mc Clellans Heer war ausgeruht und in vortrefflicher Verfassung.

In zwei Kolonnen bricht das Unionsheer am Morgen des 14. September auf. General Franklin soll den Crampton-Paß nehmen, das Hauptheer unter Mc Clellan den Turner Paß. Infolge der Langsamkeit Mc Clellans wird Lee gewarnt, findet Zeit, die nur ganz schwach besetzten Pässe zu verstärken und liefert seinem Gegner am Crampton- sowohl als am Turner-Passe Gefechte, welche aller-

1) Vergleiche Karte Umgegend von Gettysbur^

334 W. Kaufmann.

dings mit dem Rückzuge der Konföderierten enden, aber diesen Zeit geben, ihren ganzen Troß und ihre schwere Artillerie in Sicherheit zu bringen. Wäre Mc Clellan einen halben Tag früher aufgebrochen, so hätte er wahrscheinlich die ganze Mannschaft Lees, 19 000 Mann, deren unersetzlichen Train und Artillerie, vielleicht gar den Ober- führer Lee selbst abfangen können. Denn Mc Clellan hatte 90 000 Mann gegen Lees 19 000 einzusetzen !

Dagegen hat Lee seinen Zweck erreicht. Am 15. September morgens 8 Uhr kapituliert Miles in Harpers Ferry^) vor Jackson. ^ ^

Die Kämpfe am Crampton- und Turner-Passe leiten die große Schlacht am Antietam (oder bei Sharpsburg) ein. Lee zieht sich am 15. September nach Sharpsburg zurück. Er hatte damals nur die kleinere Hälfte seines Heeres bei sich; denn sein Kamerad Jackson wurde erst gegen Mittag am 15. in Harpers Ferry frei. Vor sich aber hatte Lee das große, siegesbewußte Heer Mc Clellans. Lee konnte nicht schlagen, ehe er Jackson wieder aufgenommen hatte. Mc Clellan aber konnte rasch über Lee herfallen und ihn mit der ungeheuren Übermacht auch jetzt noch leicht erdrücken. Aber Lee baute fest auf die wohlbekannte Saumseligkeit des »großen Zauderers« und er behielt wieder recht!

Lees neue Stellung bei Sharpsburg (am Antietam) stützte sich zu beiden Seiten auf Krümmungen des Potomac, wodurch er vor Umgehungen geschützt war und den Vorteil hatte, seine nach Harpers Ferry entsandten Truppen unbelästigt aufnehmen zu können. Vor sich hatte er das mit Steilufern ausgestattete Flüßchen Antietam. Das Terrain stieg von dort aus gegen den Potomac an,

1) II 500 Gefangene, über 70 Geschütze und massenhaft Vorräte fielen dort in Jacksons Hände. Die Gefangenen wurden paroHert. Der Verteidiger des wichtigen Postens war derselbe Oberst Miles, welcher sich bei Bull Run I als Führer der Unionsnachhut so ungeheuer blamierte. Als Jackson anrückte, räumte Miles die Maryland Heights, obschon diese, Harpers Ferry beherrschende Stellung leicht zu halten gewesen wäre. Miles zog die weiße Fahne kurz vor 8 Uhr am 15. auf. Die Konföderierten bemerkten das nicht sofort und feuerten noch weiter. Eine ihrer Granaten tötete Miles, nachdem die Übergabe schon beschlossen war.

Unionssieg am Antietam (oder Sharpsburg).

335

was eine vorteilhafte Aufstellung der konföderierten Artillerie er- möglichte. Den Potomac im Rücken zu haben war allerdings wenig behaglich, aber wenn Lee nicht ohne Kampf nach Virginien abziehen wollte, so blieb ihm keine andere Stellung übrig.

Vom Turner-Paß bis vor den Antietam sind es nur zehn eng- Hsche Meilen. So war Mc Clellan schon am 15. Mittags seinem Gegner gegenüber. Seit Stunden wußte der Unionsgeneral, daß Harpers Ferry gefallen war, daß also Jackson dort nichts mehr zu tun hatte und bald zu- rückerwartet wer- denmüßte. Bei so- fort i g e m Angriff hätte Mc Clellan leicht eine dreifache Übermacht ent- wickeln können. Aber er tat nichts, ja er suchte nicht

einmal nach Furten über den Antietam ! Auch am Morgen des 16. ge- schah nichts, und erst am Spätnachmittage wurde Korps Hooker gegen Lees linke Flanke vorgeschickt, nicht zum ernsthaften Angriffe, son- dern nur um für den auf den Morgen des 17. angesetzten Angriff in Stel- lung zu gelangen. Mc Clellans Dispositionen waren genau so, als wolle er dem Gegner jede Gelegenheit geben zur Sammlung von dessen weit zerstreuten Kräften. Sehen wir zunächst, wie diese bei Lee eintreffen. Morgens am 16. kommt Jackson nach 17 stündigem Marsche und zweimaliger Durchschreitung des Potomac mit gegen 12 000 Mann an. Mittags stößt Walkers Division zu Lee. Erst am Morgen des 17. kommt Mc Laws Division und zuletzt nachmittags 2 Uhr am Schlachttage A. P. Hills Division. Lee hatte die Seinen also glücklich beisammen, als es Ernst wurde, die letzten kamen kurz vor Ende der Schlacht. Dabei lagen die Verhältnisse so, daß Mc Clellan die Ankunft dieser Verstärkungen des Feindes im voraus ziemlich genau berechnen konnte!

Der Kampf um die Pässe.

336 W. Kaufmann.

Aber selbst nachdem Lee bei Sharpsburg alle seine Truppen konzentriert hatte, gebot Mc Clellan noch über fast die doppelte Übermacht. Hier sein eigener Bericht über seine Truppenkörper:

1. Korps Hooker 14 856 Mann

12. » Mansfield .... 10 126 »

2. » Sumner 18 813 i>

Zusammen . 43 795 Mann

Diese Truppen wurden am 17. gegen Lees linke Flanke ein- gesetzt. Daneben wurden am Nachmittage gegen Lees Zentrum verwendet: g Korps Burnside 13 819 Mann.

Diese 57 614 Mann kamen allein in der Schlacht am Antietam zur Verwendung und ihre Verluste betrugen über zwanzig Prozent.

In Reserve blieben:

5. Korps Porter 12 930 Mann

6. » Franklin 12 300 »

Kavallerie-Division 4 320 »

Zusammen . 29 550 Mann Die Verluste dieser 2g 550 Mann betrugen genau zwei Prozent, so daß man wohl sagen kann, daß Mc Clellan fast 30 000 von seinen 87 164 Mann gar nicht ins Feuer führte ! !

Das konföderierte Heer zählte nach Lees Bericht 41 500 Mann. Zwar schätzen die Konföderierten ihre Mannschaften gern zu niedrig ein. Da aber nur die Divisionen D. H. Hill und Walker als Ver- stärkungen von Richmond nachgeschickt wurden, die Stamm- armee Lees jedoch in den Kämpfen gegen Pope 15 000 Mann Abgänge^) erlitten hatte, so kommt jene Ziffer der Wahrheit sehr nahe.

*

^) Meldung des konföderierten Generals D. H. Hill über den Stand einzelner Regimenter vor der Schlacht bei Sharpsburg: 80. Va. : 120 Mann; 56. Va. : 80 Mann; 8. Va. : 34 Mann; Hamptons Legion: 77 Mann; 17. S. Car. : 59 Mann. Das Heer Lees verlor in Maryland viele Deserteure, unionstreue Männer, welche die Rebellen in den Dienst gepreßt hatten. In Virginien war das Deser- tieren der Konföderierten fast unmöglich, da die Ausreißer dort fast stets wieder eingefangen und mit grausamer Strenge bestraft wurden. Aber in Maryland konnten sich die Deserteure leicht in Sicherheit bringen. Rekruten hat Lee in Maryland kaum 300 Mann erhalten.

Unionssieg am Antietam (oder Sharpsburg),

;37

Die Schlacht begann bei Sonnenaufgang am 17. durch den Angriff Hookers auf die feindüche Stellung vor der deutschen Dunker Kirche (Fig. 20 bei A) .

Nachdem dieses Korps sich bis zur

Gefechtsunfähigkeit verblutet hat, setzt Mansfield mit dem XII. Korps ein, er- leidet fast dasselbe Schicksal, und erst dann treten Sumners 18000 Mann vom zweitenKorps (Fig.20 bei A) in Aktion. Also auch hier ein tropfen- weises Einsetzen der Kräfte, auch hier kein

gleichzeitiges, ge- meinsames Vorstoßen überlegener Massen. So kam es, daß das von den Stürmern gewonnene Terrain stets wieder verloren ging daß die ent- setzliche Schlächterei schon vor Mittag in- folge allgemeiner Er- schöpfung zum Still- stande gelangte. Die Schlacht war auf dem linken Flügel der

Konföderierten, wo die Massenkämpfe stattfanden, eigen tUch schon vor II Uhr vorüber.

Den zweiten Teil der Schlacht bildet Burnsides Attacke auf das feindhche Zentrum. Zur rechten Entwicklung kam es hier erst gegen 4 Uhr nachmittags, gerade nachdem A. P. Hills Division endUch bei Lee eingetroffen war und, wenn auch marschmüde, diesen letzten

engl Meile

Fig. 20. Schlacht bei Sharpsburg (oder am Antietam).

A. östliches Wäldchen. B. Dunker- Kapelle und westlicher Wald. C. Kampfplatz des Korps Burnside am Nachmittag.

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg.

22

338 W. Kaufmann.

Stoß noch auffangen konnte. Das 9. Korps ist bis an die ersten Häuser von Sharpsburg vorgedrungen. Hätte Mc Clellan den Mut gehabt, diesem Korps seine Reserven, gegen 25000 Mann frischer Infanterie, nachzusenden, so hätte die Schlacht sicherUch noch mit einem großen Siege der Union geendet, denn die Konfö- derierten besaßen damals keinen Mann Reserven mehr und ver- fügten um diese Zeit schwerlich über mehr Kampffähige, als Mc Clellan allein an frischer Infanterie vorzuschieben vermocht hätte. Aber Mc Clellan setzte seine Reserven nicht ein.

Bumside hätte den Befehlen Mc Clellans gemäß schon um 7 Uhr früh das Zentrum angreifen soUen. Aber die Brücke, welche seitdem seinen Namen trägt, bot ein Hindernis. Bewacht wurde die Brücke nur vom 2. und 20. Georgia-Regiment, zusammen 403 Ge- wehre. Die erste Sturmkolonne gegen die Brücke verfehlte den Weg, die zweite wurde abgeschlagen. Erst gegen i Uhr nahmen Regimenter 51 New York und 51 Pennsylvania die Brücke. Darauf erfolgte der Übergang des 9. Korps über das Flüßchen und die Gefechtsentwickelung. So wurde es 3% Uhr, bis Burnsides Angriff einsetzte (s. Fig. 20 bei C)^).

Mit diesem Angriffe kam eine der blutigsten Schlachten des Bürgerkrieges zu Ende^). Unionsverluste 12 400 Mann, darunter über 2000 Tote. Die Verluste der Konföderierten sind nicht fest-

1) Jener Brückensturm ist zu einer gewaltigen Heldentat aufgebauscht worden. Wesentlich infolge des ganz unverdienten Ruhmes, den Burnside dadurch erlangte, wurde er Nachfolger Mc Clellans im Oberbefehl und dann der & Schlächter von Fredericksburg«. Der Antietam konnte aber durch- schritten werden. Hätte man nur früher nach Furten gesucht ! ! Erst im Feuer wurde eine Furt entdeckt, und Rodmans Division sowie Ewings Brigade (9. Korps) kreuzten den Fluß auf diese Weise, 300 Yards von der Brücke ent- fernt. Demnach hätte die Brücke durch Umgehung gewonnen werden können (der Sturm kostete 500 Mann ! !), wenn man nur früher nach jener Furt gesucht haben würde.

2) Am Antietam hat sich besonders die deutsche Artillerie ausgezeichnet. Major Arndt wurde getötet. Der Artillerieführer von Kusserow wurde vor der Front belobt. Glänzend geschlagen haben sich hier auch die Batterien Hexamer und V. Putkamer. General Max Weber wurde an der Spitze seiner Brigade schwer verwundet. Von der deutschen Infanterie, die er befehligte, zeichnete sich besonders das 20. New Yorker Regiment (deutsche Turner) aus. Näheres darüber in General Webers Biographie.

Unionssieg am Antietam (oder Sharpsburg). 339

zustellen, waren aber doch geringer. Lees Stellung war abends ungefähr eine halbe Meile zurückgedrängt. Am nächsten Tage, i8. September, erwartete man die Erneuerung des Kampfes, aber McClellan rührte sich nicht. Während der Nacht vom i8. bis 19. zog Lee über den Potomac, also nach Virginien zurück, ohne daß Mc Clellan diesen Abzug bemerkt hätte !

Man muß fragen, weshalb Lee die Schlacht am Antietam ge- schlagen hat. Die Union hatte mit den vor Washington verbliebenen Truppen eine dreifache Übermacht, und auf nördlichem Gebiete besaß Lee die großen Vorteile nicht, über welche er in Virginien verfügen konnte. Ein Rückzug über den Potomac hätte eine Ver- legung des Schlachtfeldes nach Virginien gebracht, denn Mc Clellan mußte seinem Gegner folgen. Ein etwaiger Sieg Lees am Antietam hätte kein entscheidender sein können. Denn Mc Clellan besaß noch reichlich so viele frische Reserven, als Lee nach der Schlacht am 17. September überhaupt noch an Mannschaften zur Verfügung hatte. Mit solchen Truppen einen Eroberungszug auf Washington oder Baltimore zu wagen wäre doch nicht denkbar gewesen.

Die Verfolgung Lees seitens Mc Clellans wurde so schläfrig betrieben, daß sie den Namen einer Verfolgung gar nicht verdient. UnaufhörUch trieb Lincoln seinen General »Langsam« zur Offensive an, aber vergebens. Mc Clellan gestattete Lee, sich im Shenandoah- tale nach Belieben auszubreiten und Verstärkungen heranzuziehen. Am 20. Oktober zählte Lees Heer schon nahe an 70 000 Mann. Der konföderierte Feldherr scheute sich auch nicht, seine Verachtung des ewig zaudernden Gegners offen an den Tag zu legen. Lee trennte seine Armee abermals, ließ nur das Korps Jackson im Shenandoah- tale und zog mit zwei Dritteln seiner Truppen über die Blauen Berge nach Culpepper. Aber Mc Clellan traute sich nicht einmal an den isoliert stehenden Jackson heran. Nach sieben Wochen geduldigen Wartens beschloß Lincoln endUch die Abberufung Mc Clellans. Am 7. November trat Burnside an Mc Clellans Stelle.

Die Sklavenbefreiung. Sofort nach der Schlacht am Antietam erUeß Lincoln seine Proklamation zur Emanzipation der Sklaven. Der

22*

340 ^- Kaufmann.

Norden wurde dadurch vollständig überrascht. Lincoln hatte seine Absicht, diese Proklamation zu erlassen, selbst vor seinem Kabinette verheimUcht. Mit dem i. Januar 1863 trat die Prokla- mation in Kraft.

Furditbare Niederlage der Union bei Frederidcsburg.

Nach Mc Clellans Abgange sollte es mit der Kriegführung anders werden. Statt des bisherigen Zauderns sollte es jetzt herz- haft gegen den Feind gehen. So dachte der neue Herr Burnside. oder er tat wenigstens so, denn an Selbstvertrauen fehlte es ihm doch sehr. Er gestand, wie wir von Schurz wissen, seine Unfähig- keit für eine so wichtige Befehlshaberrolle vor seinen um ihn ver- sammelten Generalen freiwillig ein.

Am 9. November übernahm Burnside den Befehl über das bei Warrenton versammelte Unionsheer. Er wollte zunächst einen Schein angriff gegen Lees neue Stellung bei Culpepper (Zentral- Virginien) unternehmen, seine Hauptmacht aber nach Frede- ricksburg werfen und dann von dort aus rasch gegen Rich- mond marschieren. Am 14. begann der Marsch auf Fredericks- burg resp. auf Falmouth, ein Städtchen gegenüber Fredericksburg am Nordufer des Rappahannock Flusses. Dort treffen ein: Grand Division Sumner am 17. November, am 18. folgt Hooker, am 19. Frankhn. Diese drei Grand Divisions ^) zählten 127 574 Mann. Die vierte Grand Division kommandierte Sigel, sie folgte später nach, Wieb jedoch am Nordufer des Rappahannock in Reserve und kam bei Fredericksburg nicht zur Verwendung.

Aus dem Scheinangriffe gegen Culpepper wurde nichts, denn Lee hatte Burnsides Manöver rasch durchschaut. Er warf seine 75000 Mann in Eilmärschen nach Fredericksburg, um dort sich mit dem Gegner zu messen. Burnside hatte nun, wenn er überhaupt kämpfen wollte, um Fredericksburg zu kämpfen. Die Stadt war am 17. November, als Sumner (in Falmouth) eintraf, sehr schwach besetzt. Sumner hätte sie im Handstreiche nehmen können

1) Burnside hatte mehrere Korps zu einer sog. Grand Division (von ungefähr 40 000 Mann) vereinigt, eine Formation, welche später wieder ver- schwand.

Furchtbare Niederlage der Union bei Fredericksburg.

341

und damit zugleich die wichtigen Höhen (Marye's Heights) hinter Fredericksburg. Aber Burnside erlaubte eine solche sehr zweck- mäßige Maßnahme Sumners nicht!

Zwischen dem 17. November und 13. Dezember liegen 25 Tage. Lee hatte Zeit, sich auf den Höhen südlich von der Stadt einzugraben und der natürlichen Festung Marye's Heights eine künstliche hinzuzu- fügen. Jene Frist wurde Burnside aufgedrungen, weil Halleck die zur Überschreitung des Rappahannock nötigen Pontons nicht

rechtzeitig abge- schickt hatte. Dieses Warten war schreck- lich für die am Nord- ufer des Flusses auf- gestellten Unions- truppen. Winter- wetter setzte ein, ganz kurze Tage, viel Nebel, Nacht- fröste. — Mehrere Wochen hatten die Truppen Zeit, sich die Festung anzu- schauen, welche vor ihnen entstand und welche sie eines Tages stürmen sollten. Das

ist gewiß eine harte Probe auf die Kampffreudigkeit der zum großen Teile ganz jungen Truppen. Dem Feinde konnte man keinen Schaden zufügen, denn die Unionsbatterien trugen nicht über den Rappahannock und bis nach Marye's Heights.

Das Unternehmen Burnsides, Sturm auf die Höhen hinter Fredericksburg, grenzte an Wahnsinn. Um die feindhche Stellung angreifen zu können, mußte Burnside unter Feuer Brücken bauen, sein Heer über den breiten, tückischen Strom führen und dann eine Festung stürmen mit dem Flusse im Rücken. Mißlang der An- griff, und seine Erfolgchancen waren höchstens eine aus zehn, so lief man Gefahr, vom Feinde in den Rappahannock geworfen zu

Fig. 21. Schlacht bei Fredericksburg.

A. Steindamm. B. Pontonbrücke für Summer und Hooker. C. Pontonbrücke für Franklin.

342 W. Kaufmann.

werden. 75 000 Konföderierte standen drüben in gesicherten Stel- lungen des Angriffs gewärtig!

Brücken wurden nach dem endlichen Eintreffen der Pontons früh am 12. Dezember geschlagen. Darauf hastiges Übersetzen der Truppen. Die direkt am Fluß liegende Stadt Fredericksburg war vorher, unter schweren Opfern, gesichert worden. Während der Nacht schrecklich kaltes Biwak in den Straßen. Keine Ruhe. Feuer dürfen nicht angezündet werden, denn die feindlichen Kanonen tragen in die von den Einwohnern verlassene Stadt. Da alle Vor- bereitungen für den Sturm ungenügend sind, so ist es auch die Verpflegung der Soldaten. Aufgeregt, müde und hungrig erwarten sie den Nebelschleier, der dem Tagesanbruch vorausgeht.

Sumner soll am 13. Dezember in der Front die Marj/e's-Höhen angreifen und von Hooker unterstützt werden. Am linken Flügel steht Franklin, 1 1/2 Meilen links von Sumner. Franklin soll die Höhen bei Hamilton's Crossing nehmen. Aber Burnsides Befehle an Franklin sind so ungenau, daß Franklin nicht weiß, ob der Obergeneral nur eine starke Demonstration auf dem linken Flügel beabsichtigt oder aber eine wirkliche Umfassungsmaßregel. Franklin ist kein Mann der Initiative, er gehorcht den Befehlen, wie er sie versteht, und wenn er sie falsch versteht, weil sie ungenau sind, so fällt die Schuld auf den Obergeneral. Ich kann den Leser nicht mit den Unstimmigkeiten zwischen Franklins Auffassung der Be- fehle Burnsides und des letzteren angeblichen Intentionen belästigen. Franklin setzte nur eins seiner beiden Korps ein ; Korps Smith blieb mit Gewehr bei Fuß stehen, und nachher behauptete Burnside, Franklin habe die Schlacht verloren, weil Smiths Korps nicht in Aktion getreten sei. Aber der ganze Angriff Burnsides auf Lees stark befestigte Stellung war ja ein Wahnsinn.

Das Ergebnis der nutzlosen Mörderei, welche man die Schlacht von Fredericksburg nannte, war folgendes: Vorgehen Sumners und Hookers (gegen 11 Uhr) von Fredericksburg aus. Man kommt bis zu einem Steindamme, vor dem sich bald ein neuer Wall von Leichen der abgeschmetterten Stürmer bildet. Erneute Sturm- versuche, erneutes Zurückwerfen. Fünf- oder sechsmal wiederholt sich das. Gegen 8500 Tote und Verwundete liegen zwischen Stein- damm und Fredericksburg. Dann setzt die Nacht ein. Ein Glück übrigens, daß die tapfern Soldaten nicht über den Steindamm hinauskamen. Denn jenseits des Dammes wären sie von einer frischen

Furchtbare Niederlage der Union bei Fredericksburg. 343

Überlegenen Macht des Feindes empfangen und wahrscheinlich zermalmt worden. 1180 Tote, 9028 Verwundete, 2145 »missing« (darunter noch viele Tote), zusammen 12353 Mann Verlust war das Ergebnis des schrecklichen Tages auf selten der Unionstruppen. Davon kamen fast 4000 Mann auf Franklins linken Flügel. Da nur die Hälfte von Franklins Grand Division ins Feuer kam, so zeigt diese Verlustziffer, daß die dort Kämpfenden fast noch mehr gelitten haben als die Zentrumsstürmer.

Am nächsten Tage will Burnside wieder angreifen lassen. Die Befehle dazu hatte er schon erlassen. Nur mit Mühe wird er infolge des Protestes seiner Unterführer davon abgehalten. Später hat Burnside abwechselnd gejammert und geschimpft. Er nahm die ganze Verantwortung für den Angriff auf sich, erklärte: »Ich bin der Schuldige« und dann wieder wollte er ein halbes Dutzend seiner Untergenerale in Arrest stecken und erhob bei Lincoln gewaltige Anklagen gegen diese Generale. Später wollte er nochmals, auf anderem Wege, gegen Lee vorgehen. Blieb aber mit seiner ganzen Armee im Kote der grundlos gewordenen Straßen stecken. »Burnside stuck in the mud« wurde ein geflügeltes Wort. Trotz alledem schneidet dieser General in der amerikanischen Kriegsberichterstat- tung noch ziemlich gut ab. Grant blieb stets sein Freund, und Grants Treue gegenüber alten Kriegskameraden war ja grenzenlos.

Von rein deutschen Regimentern waren in der Schlacht von Fredericksburg Nr. 7, 20, 46 52 und 103 engagiert. Aber sie kämpften zerstreut in verschiedenen Brigaden. Namentlich das 7. Regiment (Steuben-Regiment)i) und das 46., welches bei Fredericksburg von Oberst Gerhardt geführt wurde, haben furchtbare Verluste gehabt.

*) Dieses Regiment erlitt bei dem Sturme einen Verlust von 68 Toten und 150 schwer Verwundeten. Von den 28 Offizieren fielen 11. Fast sämtliche übrigen Offiziere wurden verwundet. Das Stauben Regiment führte auch zwei Geschütze, welche unter dem Befehle des Capt. R, Bo- rini standen. Dieses deutsche Regiment wurde bereits am 23. April 1861 eingemustert und war das erste Regiment von New- York, welches marsch- bereit war.

Im Osten 1863.

Die Sditnadi von Chancellorsville.

Eine viertägige Wildnisschlacht. 125000 Unionssoldaten von 60000 Rebellen aufs Haupt geschlagen. Die Deutschen als Sündenböcke der kläglichen Oberführung. Rechtfertigung unserer Landsleute nach der Darstellung angloamerikanischer Forscher. Buschbeck und Schurz bei Chancellorsville.

»The German character needs no apo- logy to the Student of history for lack of martial virtues. Since the days of the Cesars its unquenchable warlike spirit has never been denied or ques- tioned.« Hamlin.

Die Maitage von 1863 bilden den Tiefstand der Unionssache. Seit zwei Jahren hatte man bereits in Virginien gekämpft und die Rebellen konnten auf einen fast ununterbrochenen Siegeszug hinweisen. Bull Run I, der unglückliche Halbinselfeldzug, der ruhmlose Kampf gegen Jackson, die schwere Niederlage bei Bull Run II, der halbe und in so trauriger Weise ausgenützte Sieg der Union am Antietam, der Schreckenstag von Fredericksburg! Und nun kam am i. bis 4. Mai die schmachvolle Niederlage bei Chancellors- ville dazu. Das beste und stärkste Heer, welches die Union bisher bereitgestellt hatte, 125 000 Mann, wurde dort von 60 000 Kon- föderierten aufs Haupt geschlagen. Dadurch wurde der Stolz des Nordvolkes in fast nicht mehr zu ertragender Weise verletzt. Man suchte nach einem Balsam, um das brennende Gefühl der Schmach zu überwinden, und verfiel auf die Ausflucht : Die feigen Deutschen haben uns die Schlacht verloren!!

Die Schmach von Chancellorsville. 345

Die gesamte angloamerikanische Presse, mit rühmenswerter Aus- nahme der »Chicagoer Tribüne«, griff gierig nach dem dargebotenen Vorwande zur Bemäntelung der Niederlage, und schmachvoller noch als die Oberführung in jener Schlacht waren die Lügen, welche über die Haltung der deutschen Soldaten verbreitet wurden.

Die Kriegsgeschichte ist überreich an Notlügen geschlagener Generale, aber schwerlich findet man darin ein Märchen, welches so handgreiflich unglaubwürdig klingt wie jene Beschuldigung der Deutschen. Denn diese stützte sich auf folgendes: Das seiner Re- serven beraubte, völlig isoliert im dichten Buschwalde aufgestellte, auf 8500 Mann (darunter 4600 Deutsche) reduzierte 11. Korps wurde am 2. Mai von 30 000 Konföderierten unter Stonewall Jackson überfallen und geworfen. Es erlitt dabei einen Verlust von 1500 Toten und Verwundeten und iioo Gefangenen. Die Verlustziffer in dem 1^/2 stündigen Kampfe ist so hoch, wie sie selten im Bürger- kriege während so kurzer Kampfzeit erreicht wurde. Schon diese Ziffer beweist, daß sich die Überfallenen vortrefflich gewehrt haben. Feiglinge ergeben sich, hier aber überwiegt die Zahl der Toten und Verwundeten diejenige der Gefangenen sehr erheblich. Sodann: Dieser Überfall war nur eine Episode der viertägigen Schlacht. Am nächsten Tage wurden 120 000 Unionssoldaten von weniger als der Hälfte Rebellen aufs Haupt geschlagen. Und doch sollen jene 4600 Deutsche des 11. Korps die ganze viertägige Schlacht verloren haben ! Die Notlüge der Westpointer könnte fast komisch wirken, wenn sie nicht durch viele Jahre aufrecht erhalten worden wäre, trotz aller Widerlegungen seitens ehrlicher angloamerika- nischer Geschichtsforscher.

Das II. Korps bestand am 2. Mai aus 11 500 Mann. Für den Kampf scheidet aber die abkommandierte Brigade Barlow aus, so daß rund 8500 Mann jenem Überfalle ausgesetzt waren. Das Korps war wesentlich das erste des Popeschen Feldzuges vom Sommer 1862, und bis Anfang April 1863 wurde es von Sigel befehligt. Des- halb, und weil Schurz und v. Stein wehr zwei der drei Divisionen führten und viele deutsche Offiziere als Brigade- und Regiments- kommandeure im II. Korps standen, galt es den Westpointern als das deutsche Korps oder als »the foreign contingent«. Das Korps hatte so gut wie gar keine Kavallerie, und die Artillerie be- stand aus den Batterien Dilger, Dieckmann, Wiedrich, Heckmann, Wheeler und einer regulären Batterie.

346 W. Kaufmann.

Die Infanterie war folgendermaßen zusammengestellt (zu- gleich sind hinter den Regimentsnummern die Verluste an Toten und Verwundeten der Regimenter eingetragen):

Erste Division, General Devens: Brigade v. Gilsa: 41. New York {30), 45. New York (32), 54. New York (25), 153. Pennsylvania (46). Die Brigade zählte knapp 1400 Mann und hatte 133 Tote und Verwundete. Brigade McLean: 17. Connecticut (42), 25. Ohio (121), 55. Ohio (96), 75. Ohio (74), 107. Ohio (59). Verlust der Brigade 393 Mann.

Zweite Division, v. Steinwehr: Brigade Buschbeck: Höchstens 1500 Mann, 29. New York (57), 157. New Yorker (87), 27. Penn- sylvania (37), 73. Pennsylvania (74). Verlust der Brigade 225 Mann. Brigade B a r 1 o w , 2950 Mann, nahm nicht am Kampfe Teil. Sie bestand aus dem 33. Massachusetts-Regiment, Oberst Underwood, 134. New York, Coster, 136. New York, Wood, und 73. Ohio, Orlando Smith.

Dritte Division, Karl Schurz: Brigade Schimmelfennig: 82. Illinois (Hecker-Regiment, 107 Tote und Verwundete), 68. New York (21), 61. Ohio (60), 157. New York (79), 74. Pennsylvania (22). Brigade Krzyzanowski: 58. New York (11), 119. New York (78), 75. Pennsylvania (8), 26. Wisconsin (Deutsche aus Milwaukee, 158), 82. Ohio (56). (Verluste der Division Schurz, nebst 39 von der Artillerie und vom Stabe, 638 Tote und Verwundete.)

Hamhn hat berechnet, daß man rund 1500 Tote und Verwundete vom II. Korps annehmen muß nach der späteren Ergänzung der Listen.

Im biographischen Teile (unter Sigel) werden die Ursachen des Rücktritts des deutschen Korpsführers ausführlich geschildert. Wenige Wochen vor der Schlacht trat der Westpointer General O. O. Howard an Sigels Stelle an die Spitze des Korps. Er war ein Mäßigkeitsapostel und ein frommer Christ. Er war es aus Überzeugung, und Heuchelei in religiösen Dingen war ihm fremd. Fromme Soldaten sind oft die besten gewesen. Stonewall Jackson konnte stundenlang knien und beten, wenn eine große Entscheidung bevorstand^). Jacksons gleichfalls gefallener Kamerad Polk war früher Bischof der Episkopalkirche gewesen. Auch Lee war ein gläubiger Christ und besuchte die Kirche des deutschen Pastors Minnigerode in Richmond bei jeder Gelegenheit. Dasselbe läßt sich von Jeff. Davis sagen. Auch in der Unionsarmee finden wir

^) Jacksons schwarzer Diener war bei den Konföderierten eine Autori- tät betreffs des Ernstes der Situation. Wenn dieser Neger sagte: »Mein Herr hat heute viel gebetet«, so wußte man im Heere, daß eine große Schlacht in Sicht war.

Die Schmach von Chancellorsville, 347

oft dieselbe Erscheinung bei den Führern. Aber bei den Deutschen des II. Korps finden wir sie nicht. Ein General, der in der Bibel besser Bescheid weiß als in der Kriegswissenschaft, war dem deutschen Teile des ii. Korps unsympathisch, und diese Stimmung herrschte auch bei den angloamerikanischen Soldaten des Korps. Kein Wunder, wenn nicht ein einziger Hochruf aus den Reihen der Truppen er- folgte bei den Besichtigungen durch Howard (wie Schurz erwähnt). Bei amerikanischen Freiwilligen spielt die Persönlichkeit der Führer eine weit größere Rolle als bei den wohldisziplinierten Heeren Eu- ropas. Generale, deren Person den Soldaten unsympathisch ist, büßen viel in ihrem Wirken ein. Schurz wollte sich zunächst mit seiner ganzen Division in ein anderes Korps versetzen lassen, als er von der Ernennung Howards hörte, blieb aber doch in seiner Stellung, weil er befürchtete, daß Howards Ansehen im Korps durch seinen Rücktritt noch mehr erschüttert werden würde.

Howard brachte zwei Günstlinge in das ii. Korps. General Devens wurde Führer der ersten Division, General Barlow Befehls- haber einer Brigade unter Steinwehr. Beide traten an die Stellen von im Korps bekannten und durch mehr als einjährige Waffen- brüderschaft behebt gewordenen Offizieren. Divisionär Devens ist, nächst Korpsführer Howard und Obergeneral Hooker am meisten für das Unglück des 2. Mai verantwortlich zu machen.

Zunächst möge hier eine kurze Übersicht der Kriegslage im Frühling 1863 folgen:

Ende Januar war General Joseph H o o k e r an Burnsides Stelle zum Oberführer der Potomacarmee ernannt worden. Er war ein tüchtiger Organisator, und er verstand es auch, die Truppen wieder mit einem besseren Geiste zu erfüllen. Die Reiterei wurde auf 13 000 Mann gebracht, die Artillerie auf 10 000 Mann. Das Heer wurde vortrefflich ausgerüstet und zählte nach einer Aufzeichnung Lincolns 146 000 Mann, von welchen in den Kämpfen jedoch nur 125 000 auftraten.

Die feindlichen Heere standen sich bis zum 26. April in den- selben Stellungen bei Fredericksburg gegenüber, welche sie vor der Schlacht am 13. Dezember 1862 eingenommen hatten: Hooker auf den Höhen am Nordufer des Rappahannock, Lees 60 681 Mann in der Festung Marye's Heights südlich von Fredericksburg. Die

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Nordarmee mußte also, wie im Dezember, den Rappahannock über- schreiten, um an den Gegner heranzukommen. Hooker wollte seinen Gegner durch Umgehung aus Marye's Hill herausdrängen, um ihn dann in dem offenen Gelände südlich von Fredericksburg zur Entscheidungsschlacht zu zwingen. Zu diesem Zwecke teilte er sein Heer in drei Haufen. Das sechste Korps, unter Sedgwick, 30 000 Mann, wurde östlich von Fredericksburg über den Rappahannock geschickt, um bei Lee den Glauben zu erwecken, daß ein abermaliger Sturm auf Marye's Hill beabsichtigt werde. Das i., 2. und 3. Korps blieben vorläufig gegenüber Fredericksburg stehen, um die geplante Täuschung des Feindes glaubwürdiger zu machen. Das 5., 11. und 12. Korps gingen am Oberlaufe des Rappahannock über den Fluß, dann bei Germanna Furt über den Rapidan und sammelten sich bei Chancellorsville. Das Gehöft, welches diesen Namen trägt, liegt zehn englische Meilen südwestlich von Fredericksburg. Hookers drei Haufen waren also durchaus nicht weit verzettelt, sondern höchstens einen Tagesmarsch voneinander entfernt. Durch diesen Aufmarsch bedrohte Hooker den Feind in der Flanke sowohl (durch Sedgwick) als im Rücken (durch Korps 5, 11 und 12), während Korps I, 2 und 3 zur Disposition standen. Sobald Hooker bei Chan- cellorsville aufmarschiert war, zog er das 2. und 3. Korps an sich heran und bestimmte Korps i als Reserve. So hatte Hooker am 30. April schon die Korps 2, 3, 5, 11 und 12, zusammen 80 000 Mann, bei Chancellorsville beisammen, Korps i stand noch jenseits des Rappahannock und Korps 6, Sedgwick, einen guten Tagemarsch östlich von Hooker. Fast seine ganze Kavallerie (12 000 Pferde) hatte Hooker vorausgeschickt, um Lees Rückzugslinie zu bedrohen. Doch erwies sich diese Expedition als Fehlschlag.

Hooker bildete sich außerordentlich viel ein auf das Gelingen seines Umgehungsmarsches. Er erließ eine Proklamation, in welcher er sagte: »Ich habe nun den General Lee in der einen Hand und Richmond in meiner anderen. « Ferner: »Lee ist jetzt gezwungen, aus seinen Verschanzungen herauszukommen und uns die Schlacht auf dem von uns gewählten Felde zu liefern, wobei ihn sicherer Untergang erwartet«, usw. Eine Woche später stand der Prahler aufs Haupt geschlagen am jenseitigen Ufer des Rappahannock.

Lees Lage war am 30. April durchaus keine behagliche. Er stand zwischen zwei Feuern, neben sichSedgwik, im Rücken Hookers große Übermacht. Allerdings beherrschte der südliche Führer

Die Schmach von Chancollorsville.

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noch immer seine Rückzugslinien auf Richmond. Er konnte Marye's Heights preisgeben und unbelästigt eine Strecke rückwärtsgehen und dort eine neue Verteidigungsstellung finden. Aber Lee wollte trotz der ihm drohenden Übermacht hier schlagen. Und sein Feldherrn- genie hat sich auf keinem anderen Gelände so glänzend bewährt als hier. Um schlagen zu können, mußte Lee auf den Wunsch des Gegners eingehen und Marye's Heights teilweise räumen. Am 30. April wurden nur die beiden konföderierten Divisionen Anderson

Fig. 22. Schlachtfeld von Chancellorsville. Aufstellung am 2. Mai 1863.

und Mc Laws der großen Armee Hookers entgegengeschickt. Sie bezogen eine treffliche Stellung bei Tabernacle Church und warfen dort hastig Schanzen auf.

Von Chancellorsville bis Tabernacle sind es kaum drei Meilen. Hookers Korps 2 und 3 hatten nur einen kurzen Anmarsch gehabt und waren am 30. April frisch. Man konnte sie gewiß noch an jenem Tage gegen Anderson und Mc Laws vorgehen lassen," und von den übrigen drei Korps hätten sicherlich auch noch starke Abteilungen zum sofortigen Angriff auf die damals nur etwa 20 000 Feinde verwendet werden können. Aber Hooker tat gar nichts am 30. April.

Erst am i. Mai, mittags i Uhr, trachtet Hooker in jenes offene Gelände zwischen Marye's Hill und Tabernacle Church zu gelangen, wo er dem Feinde die Entscheidungsschlacht liefern will. Um diese Zeit aber stehen nicht nur Anderson und Mc Laws am Tabernacle,

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sondern Lee hat auch sein ganzes Korps Jackson dort bereit (mit Ausnahme von Division Early, welche, Sedgwick beobachtend, in Marye's Heights verbheben ist). Die 24 Stunden, welche Hooker nutzlos verstreichen ließ, sind vom Gegner trefflich ausgenutzt worden. Beträchtliche Schanzwerke sind inzwischen entstanden, dahinter stehen 50 000 Konföderierte.

Hookers 80 000 Mann tasten sich vorsichtig an diese Stellung heran, es kommt zu kleinen Scharmützeln dann befiehlt Hooker den Rückzug. Einige Stunden später soll er diesen Befehl bitter bereut haben. Mit Recht, denn es war der schwerste und zu der Niederlage grundlegende unter den vielen Fehlern der nördlichen Führung. Daß Hooker die feindliche Stellung damals nicht angriff, ist begreiflich. Sein Plan war auf die Mitwirkung von Sedgwick be- gründet. Dieser konnte aber zu jener Zeit noch nicht in Aktion treten, außerdem stand das erste Korps noch zurück. Durch einen Angriff auf das feindliche Heer am i. Mai hätte sich Hooker aller Vorteile begeben, welche Sedgwicks Stellung im Rücken des Feindes darbot.

Doch brauchte Hooker am i. Mai gar nicht anzugreifen. Aber er mußte seine Stellung gegenüber von Taber- nacle Church behaupten, er durfte nicht in die Wald- wildnisse^) von Chancellorsville zurückkehren. Er mußte trachten, so weit als möglich Sedgwick entgegenzugehen, so nahe als nur irgend angängig dem offenen Gelände bleiben, wo er schlagen will, wo seine gewaltige Übermacht zur Geltung kommen und wo er seine starke Artillerie entwickeln kann. Die Stellung, gegenüber

^) Die virginische Wildnis ist dort entstanden, wo einst die ersten Eisen- werke in Amerika angelegt wurden, wo der blühende Ort Germanna am Rapidan einst lag. Der Begründer war Gouverneur Spotswood. Im Jahre 1716 begann er mit der Kultur. Er zog ausschließlich Deutsche hierher. Für die Erzgruben wurde massenhaft Holz gebraucht, dann wurden weite Strecken des Urwaldes für Feldbau gerodet. Die Kolonie zerfiel später, weil besseres Land in der Nähe die Leute weglockte. Bis 1810 wurde in der »Hoffnungsreichen Kirche« zu Germanna noch deutsch gepredigt. Aber die letzten Bewohner zogen bald darauf fort. Der Ort ist jetzt verschwunden. Die abgeholzten Distrikte be- deckten sich mit einem dichten Nachwuchs aus Zwergeichen, Krummholz und Tannengestrüpp. Chancellorsville liegt noch in dieser Wildnis. Die fürchterlichen Schlachten der Grantschen Kampagne von 1864 wurden im südwestlichen Teile der »Wilderneß« geschlagen.

Die Schmach von Chancellorsville. 351

dem Feinde bei Tabernacle, welche Hooker am i. Mai erreicht hatte, wird von General Doubleday als eine ganz außerordentlich günstige bezeichnet. Hooker hatte dort Chancellorsville mit guten Straßenverbindungen im Rücken und konnte sich auf mehrere Höhen stützen. Vor allem aber war er Sedgwick drei Meilen näher. Aber Hooker geht in die Wildnis zurück und zeitigt dadurch den Überfall auf das ii. Korps.

Jacksons Umgehung. Jacksons Späher hatten Hookers Stellung in der Wildnis erkundet und deren schwächsten Punkt rasch erkannt. Das war die Stellung des ii. Korps am rechten Flügel Hookers. Dort waren die Elfer fast isoliert und konnten sich in den dichten Buschwäldern nur höchst mangelhaft zur Abwehr eines Angriffes entwickeln. Sie standen mit der Front nach Süden. Gegen Westen war das Korps völlig ungeschützt. Vom Westen aber drohte ihm die Gefahr durch Jackson.

Um Mitternacht des i. Mai treffen sich Lee und Jackson zu einer Beratung. Jackson unterbreitet einen Plan zur Umgehung der feindlichen Stellung und zur Überrumpelung des ii. Korps. Lee stimmt sofort zu, und darauf nehmen die beiden bedeutendsten Heerführer der Konföderierten zum letzten Male Abschied voneinander. Jacksons Korps (durch Abkommandierungen auf über 30 000 Mann verstärkt) tritt in der Morgenfrühe des 2. Mai den 15 Meilen langen Marsch an. Lee aber bleibt mit den Divisionen Anderson und Mc Laws bei Tabernacle stehen. Jetzt ist also das konföderierte Heer in drei Haufen geteilt. Earlys 10 000 Mann stehen auf Marye's Heights gegen Sedgwicks Heer, Lee hält mit 20 000 Mann gegenüber der Hookerschen Haupt- macht aus, und Jackson befindet sich auf einem Marsche, der ihn erst spät nach Mittag in den Rücken des 11. Korps bringen kann.

Die Terrain Verhältnisse sind so, daß man von der Unions- stellung aus den Abmarsch Jacksons gut beobachten kann. Es läßt sich sogar annähernd die Stärke des Jacksonschen Heeres bestimmen. Man erkennt, daß der Feind nur einen kleinen Train, eigentlich nur Ambulanzen und Munitionswagen mit sich führt. Um 9^/2 Uhr früh ist Hooker der richtigen Ansicht, daß es sich um eine Umgehung handelt. Denn um diese Zeit entsendet er an die Führer der Korps 12 und 11 eine dieses voraussehende

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Warnung^). Der Adjutant, welcher dieselbe überbringt, trifft erst um ^/a 12 Uhr beim ii. Korps ein. Der Kommandeur Howard schläft. Divisionär Schurz nimmt die Depesche entgegen, weckt Howard und liest sie demselben vor. Nach Jahren behauptete Howard über seiner eigenen Unterschrift, daß er diese Depesche niemals erhalten habe!! Die Depesche befindet sich bei den Akten, und Schurz erklärt mit der größten Ausführlichkeit, wie er dieselbe Howard vorgelesen und über den Inhalt mit ihm diskutiert habe.

Noch während der Adjutant, welcher Hookers Warnung an das II. und 12. Korps überbrachte, unterwegs war, muß eine völlige Änderung in der Ansicht der nördlichen Führer betreffs der Be- deutung des Jacksonschen Marsches eingetreten sein. Denn alle Maßnahmen Hookers nach ii Uhr deuten darauf hin, daß der nörd- liche Obergeneral sowie seine sämtlichen Berater und Korpsführer von dieser Zeit an glaubten, daß der Feind im vollen Rückzuge begriffen sei. Hooker sowohl wie seine Generale haben später er- klärt, daß sie von jener Zeit an nur an den Rückzug Jacksons, nicht an einen Flankenangriff dachten.

Nun aber war die feindliche Stellung am Tabernacle noch immer durch Lee besetzt. Nach dem Abmärsche Jacksons konnte der Feind in jener Stellung nur sehr schwach sein. Tatsächhch besaß Hooker die vierfache Übermacht über die 20 ooo Mann Lees bei Tabernacle Church. Sicherlich braucht man keine Qualifikation für den preußischen Generalstab zu besitzen, um anzunehmen,

^) Die Depesche hat folgenden Wortlaut: An die Generale Slocum und Howard: Der kommandierende General läßt Ihnen sagen, daß die Aufstel- lungen Ihrer Korps nur mit Hinblick auf einen feindlichen Frontangriff ge- troffen wurden. Für den Fall, daß der Feind sich auf Ihre Flanken werfen sollte, sollten Sie das Terrain untersuchen und über die Stellung beschließen, welche Sie in solchem Falle einnehmen wollen, so daß Sie für jede Möglichkeit des feindlichen Vorgehens vorbereitet sind. Der General rät dazu, daß Sie stärkere Reserven zur Hand haben, um jener Möglichkeit zu begegnen. Die rechte Flanke Ihrer Aufstellung scheint nicht stark genug zu sein. Es sind da keine nennenswerten Verschanzungen aufgeworfen, auch scheint es dort an Truppen zu mangeln und die vorhandenen sind nicht so günstig auf- gestellt, als es zweckmäßig ist. Wir haben guten Grund zu der Annahme, daß der Feind gegen unsern rechten Flügel anrückt. Bitte, Ihre Vorposten so weit als möglich vorzuschieben, damit zeitig Meldung über das feindliche Vorgehen erfolgen kann. J. H. van Allen, Brigadegeneral und Flügeladjutant (Hookers).

Die Schmach von Chancellorsville. 353

daß es nun die Aufgabe Hookers war, sich sofort auf Lee zu stürzen. Bei einer solchen Maßnahme wäre auch das ganz zwecklos im dichten Walde stehende ii. Korps aus seiner isolierten Lage heraus- gekommen.

Aber Hooker unternimmt gegen Lee so gut wie nichts. Nur die Divisionen Geary und Williams werden gegen den Feind bei Tabernacle dirigiert, und es kommt zu einigen Vorposten- plänkeleien. Lee bleibt so gut wie unbelästigt. Dagegen geschieht folgendes :

Um Mittag erbittet sich General Sickles, Führer des 3. Korps, von Hooker die Erlaubnis, die Nachhut der abmarschierten feindlichen Kolonne anzugreifen, um womöglich deren Artillerie abzufangen. Mit zwei Divisionen rückt Sickles um i Uhr mittags Jackson nach. Diese Divisionen aber hatten bisher die Stellung inne, welche die lose Verbindung des 11. Korps mit Hookers Haupt- macht bildete. Nach ihrem Abmarsch ist Korps 11 völlig ver- einsamt. — Ergebnis des Sicklesschen Unternehmens: einige kleine Nachhutgefechte und die Gefangennahme einiger hundert Mann vom 23. konföderierten Georgia-Regiment. Jackson war schon viel zu weit voraus, als daß ihm in den Mittagsstunden noch geschadet werden konnte. Hatte Sickles Expedition überhaupt einen Zweck, so hätte sie mindestens fünf Stunden früher unternommen werden müssen. Sickles bleibt dann bei Catherine Furnace (siehe Fig. 24) stehen und bittet um Verstärkungen. Man schickt ihm die Brigade Barlow vom 11. Korps. Also die einzige Reserve dieses ganz isoliert stehenden Korps wird abkommandiert ! Um 4 Uhr rückt Barlow nach dem »Furnace« ab, um genau dieselbe Zeit, als sich Jackson zum Sprunge auf das 11. Korps bereit macht.

Wie das 11. Korps aufgestellt war, ersieht man aus der Karte Die Spitze hielt Division D e v e n s. Sie stand hauptsächlich an der durch die »Wildnis« nach Chancellorsville führenden Turnpike (Landstraße), zwei Regimenter von Güsas (153. Pennsylvania und 54. New York) , aber im dichten Urwalde. Hinter Division Devens stand Division Schurz. Diese war ziemlich weit nach Norden auf der Hawkins Farm auseinandergezogen. Division v. Stein- w e h r (südhch von Schurz) auf der Doudalls Farm. Die Brigade Buschbeck in Schanzen, welche die Front nach Süden hatten, die starke Brigade Barlow nördlich davon vor der Reserveartillerie. Die Stellung war 1^/2 Meilen lang, fast eine Meüe breit und über

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 23

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die drei zusammenhängenden Farmen Talley, Hawkins und Doudall ausgedehnt. Das Korps führte Viehherden und einen erhebHchen Train mit sich. Nur auf der Farm Hawkins befanden sich einige größere Felder. Nachmittags 4 Uhr, am 2. Mai, nach Abmarsch der Brigade Barlow, trennte den Rest des 11. Korps eine i^/g Meilen breite Lücke von den Kameraden der übrigen Korps. Die 8500 Mann standen nun völlig vereinsamt mit falscher Front im dichten Walde.

Fig. 23. Aufstellung des 11. Korps nach Divisionen. (Brigade Barlow bereits abmarschiert.)

Eine Armee von 30 000 Mann, die auf ganz schmalen Straßen, teilweise auf Waldwegen vorrückt, über 100 Geschütze, eine starke Kavallerie und Ambulanzen mit sich führt, bewegt sich sehr langsam. So wird es II Uhr, bis Jacksons Vorhut auf der Luckett-Farm vor dem II. Korps erscheint. Aber seine Hauptmacht ist noch weit zurück. Es wird 5 Uhr, bis Jackson zum Angriffe bereit ist. So liegen sechs Stunden zwischen dem Eintreffen der Jacksonschen Spitzen und dem Überfalle.

Wie nahe sich die beiden Heere waren, ersieht man daraus, daß Jackson deutlich die Pauke einer Regimentskapelle des 11. Korps

Die Schmach von Chancellorsville.

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hören konnte, welche im Lager aufspielte. Während jener sechs Stunden hätte das ii. Korps sich noch recht gut auf den Angriff vorbereiten können; ja, es wäre noch vollauf Zeit gewesen, den Plan durchzuführen, welchen Schurz am Frühmorgen seinem Korps- führer Howard vorschlug, nämHch den rechten Flügel Division Devens, einzuziehen und das ganze Korps eine starke verschanzte

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Fig. 24. Jackson zum Angriff bereit.

Stellung, mit der Front nach Westen, einnehmen zu lassen. Diese Stellung sollte als Mittelpunkt die kleine Kirche haben, dort wo die Plank Road in die Hauptstraße einläuft, und sich quer über die Straße, südlich und nördlich davon, also über die Farmen Doudall und Hawkins, erstrecken. Dort konnte man den Feind in ziemlich freiem Gelände erwarten und nördlich, auf der Hawkins Farm, auch die Artillerie verwenden. Aber der Westpoint er Howard wollte von diesem, wie sich später zeigte, einzig vernünftigen und richtigen Plane des »Zivilisten« Schurz nichts wissen. Howard hielt ein Durch-

23*

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schreiten dieser Wildnis seitens des Feindes für unmöglich. Die Gründe, welche Howard am Morgen gegen den Schurzschen Plan vorbrachte, mögen damals noch einige Berechtigung gehabt haben, aber ein Verbrechen war es, daß man die Stellung auch dann nicht wechselte, als die Ankunft des Feindes in nächster Nähe des II. Korps bestimmt festgestellt worden war. Das Unbegreiflichste bei dieser ganzen traurigen Affäre ist die Tatsache, daß Obergeneral Hooker, Korpsführer Howard, und Divisionär Devens ihren eigenen auf Rekognoszierung geschickten Offizieren nicht geglaubt haben.

Hören wir: Kapitän Rollins, 55. Ohio-Regiment, Befehlshaber der Vorposten, hat zwischen 11 und 4 Uhr drei Boten abgeschickt, welche Jacksons Ankunft melden. Oberst Lee bringt diese Boten persönlich zu Devens. Stabsarzt Hubbard (17. Connecticut-Regi- ment) ist zugegen, als Lee seinem Divisionär jene Meldung macht. Devens Antwort war (nach Hubbard) : »Sie haben Angst, mein Herr!« Auch einen Farmer, der Jacksons Heer beobachtet hatte, brachte Lee mit zu Devens. Auch von diesem Zeugen wollte Devens nichts wissen.

Major Rice (153. Pennsylvania), welcher mit einigen Kompagnien eine Rekognoszierung gemacht hatte und von feindlicher Artillerie beschossen worden war, meldet um 2 Uhr 45 Min. seinem Brigadier v. Gilsa, daß der Feind sich in Massen vor den Unions- vorposten ansammelt. Gilsa übergibt Howard diese Meldung persön- lich, wird aber ärgerlich abgewiesen (repulsed with taunts). Als V. Gilsa und Rice sich vor dem Kongreßausschusse später meldeten, um über jene Wahrnehmungen auszusagen, wurden sie nicht als Zeugen zugelassen..

Major Schieiter (74. Pennsylvania-Regiment) rekognosziert um 3 Uhr. Er hört die Kommandorufe der konföderierten Offi- ziere ganz deutlich. Schieiter meldet dies an Schurz. Dieser schickt ihn zu Howard. Der aber meint, Schieiter möge sich doch nicht ängstigen! Oberst Richardson (25. Ohio) bringt vier Boten zu Devens, welche übereinstimmend die früheren Meldungen von Rollins und Lee bestätigen. Devens schickt Richardson sofort zu seinem Regiment zurück. Diese Szene wird von Kapitän Culp, Stabsoffizier der Division Devens, bestätigt. Oberst Friend, Of- fizier du jour der Division Devens, meldet seinem Chef, daß der Feind in Masse vor dem 11. Korps sich aufstellt. Devens hört Friend kaum an. Friend wiederholt seine Beobachtung im Korps-Haupt-

Die Schmach von Chancellorsville. 357

quartier, wird dort insultiert und gewarnt, keine Panik herbeizu- führen. Friend reitet abermals zu den Vorposten und kehrt um 2 Uhr mit derselben Meldung zurück. Im Korps-Hauptquartier wird ihm erwidert: »Sie sind ein Feigling, scheren Sie sich zu Ihrem Regi- mente! Der Feind ist auf dem Rückzuge.«

General v. Schimmelfennig hat zwei Stunden vor dem Angriffe den Feind bemerkt. Er meldet dies an Howard. Dieser verbietet Schimmelfennig, einen Kampf herbeizuführen, verbietet auch das weitere Rekognoszieren und schickt diesen Brigadeführer (einen der tüchtigsten des Korps) zu seinen Truppen. Schimmelf ennigs Adjutant, Kapitän v. Frietzsche, früher bei den Dresdener Garde- reitern, sieht den Feind, macht davon Meldung und wird ange- schnauzt i). Schurz schickt vor 3 Uhr den Artilleriekapitän Dilger in das Vorgelände. Gegen diesen in der ganzen Unionsarmee ver- ehrten deutschen Helden kann doch sicherlich kein Einwand als Beobachter erhoben werden. Dilger stößt direkt mit dem Feinde zu- sammen. Er flüchtet, wird verfolgt, die Kugeln schwirren ihm um den Kopf. Er kommt durch Zufall direkt in das Hookersche Hauptquartier der Armee. Dort trifft er nur einen Kavallerie- major an. Dilger meldet, was ihm begegnet ist. Der Major wird grob. »Sie sind verrückt, machen Sie, daß Sie zu Ihrer Batterie kommen!« Dilger trifft dann gerade noch rechtzeitig bei seinen Kanonen ein, um dieselben in Stellung zu bringen, denn Jackson ist eben losgebrochen. Auch das von Jacksons Scharen aufge- scheuchte Wild, Hirsche, Hasen und Kaninchen, bricht massen- haft in das Lager der Elfer ein, eine letzte untrügliche Warnung. Diese Details mögen genügen. Bei Hamlin, auch bei Doubleday, bei Underwood, bei Dodge, Bates und anderen angloamerikanischen Geschichtschreibern findet man noch weitere Belege. Gibt es in der Kriegsgeschichte Beispiele ähnlicher Verbohrtheit und Vor- eingenommenheit, gepaart mit Grobheit und Brutalität gegenüber gewissenhaften Offizieren, wie man hier bei Hooker, Howard und namentlich bei Devens antrifft? Man muß, selbst bei den tollsten Sachen, nach einer Erklärung suchen. Hooker glaubte felsenfest, daß der Feind sich zurückziehe. Sein Korpsführer Couch, der Nächste im Kommando, hat das um Mittag aus Hookers eigenem Munde

1) Aus diesen Mitteilungen ersieht man, wie vortreffHch die Kasernen- hofblüten auch auf amerikanischem (Westpointer) Boden gedeihen.

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gehört. Es liegt eine Depesche Hookers an Sedgwick bei den Akten, in welcher Hooker sagt: »Der Feind zieht sich auf Gordonsville zurück.« Die Generale Warren und Hancock erklärten eidlich vor dem Kongreßausschusse, daß am 2. Mai allgemein angenommen wurde, Lee befinde sich auf dem Rückzuge. Hooker selbst bestätigte vor jenem Ausschusse seine dahingehende Depesche an Sedgwick. Man fragt vergebens, wie konnte diese Rückzugsfabel nur auf- kommen, namentUch da sich General Lee von Tabernacle aus oft genug und deutlich bemerkbar machte. Der Urheber jener Fabel ist wahrscheinlich der General Sickles, welcher Jacksons Nachhut noch um i Uhr mittags abfangen wollte. Sickles hat den unheil- vollsten Einfluß auf Hooker ausgeübt. Howard aber wurde durch des Obergenerals Ansicht bestimmt. Devens ist der getreue Schild- knappe seines Korpsführers Howard und glaubt, was der glaubt. Derjenige Divisionär des 11. Korps, welcher die Gefahr erkennt, beständig mahnt, alle Gegenmaßregeln trifft^), welche ihm von Howard gestattet werden, ist Karl Schurz. Er muß neben Busch- beck als der Held des 2. Mai gelten. Und doch wurde niemand von den Westpointern ärger geschmäht als gerade Schurz.

Um 4 Uhr rückt Reservebrigade Barlow ab. Howard befiehlt General v. Steinwehr, die Brigade zu begleiten, um deren Aufstel- lung zu übersehen. Howard selbst reitet eine Strecke weit mit und trifft erst eine Viertelstunde vor dem Angriffe bei dem Korps wieder ein. St ein wehr hört gegen halb sechs das Schießen beim II. Korps, jagt zurück, kann aber erst auf dem Kampfplatze ein- treffen, als seine zweite Brigade Buschbeck schon teilweise in den für Brigade Barlow aufgeworfenen Schanzen steht, v. Steinwehr befiehlt, daß auch der Rest der Brigade nachrücken soll, und über- läßt Buschbeck die selbständige Führung der Brigade während

des Kampfes. ^ ^

*

Der Überfall. Um 5 Uhr 20 Min. beginnt das Feuern, die Vorposten fallen auf ihre Stämme zurück, und aus den

^) übrigens hat sich auch Divisionär v. Steinwehr an den Abwehrmaß- regeln beteiUgt. Ihm sind die mit der Front nach Westen zugekehrten Schanzen zu verdanken, in welche sich Brigade Buschbeck flüchten und dort Jackson aufhalten konnte.

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Wäldern erklingt der gellende Kriegsruf der Rebellen. Der erste Stoß trifft die Division Devens, bei welcher gar keine Vorbe- reitungen zum Empfange des Feindes getroffen sind. Die Gewehre sind zusammengesetzt, die Soldaten sind zerstreut, lesen Zeitungen, spielen Karten oder bereiten ihr Abendbrot. Gerade diese Division hat die ungünstigste Aufstellung. Sie steht an der Landstraße, welche durch den dichten Busch wald führt. Zum Sammeln kann nur die Straße selbst dienen, und diese wird sofort blockiert. Als der Alarm kam, jagten die Ambulanzen auf der Straße rückwärts, dazu viele Troßknechte mit Trainwagen, Musikbanden, Viehtreibern und anderen Nichtkämpfern. Den Wirrwarr bei den Truppen kann man sich denken. Hier Haufen von Soldaten aus allen Regimentern untereinander gemischt, die sich auf der Straße aufstellen wollen, aber schon durch die Wagen auseinandergesprengt werden, dazu Salvenfeuer vom Westen und bald auch vom Süden sowie starkes Artilleriefeuer vom Westen. Die beiden Kanonen, welche am äußer- sten rechten Flügel der Division Devens auf der Straße standen, waren vom Feinde sofort genommen worden. Der größte Teil von Division Devens war so gut wie wehrlos, aber die vier Regimenter, welche noch rechtzeitig ihre Waffen erlangen konnten, haben sich wacker geschlagen.

Nördlich von der Straße stand mitten im Walde Brigadier V. Gilsa mit den zumeist deutschen Regimentern, 54. New York und 153. Pennsylvania. Gilsa hatte sich nicht an den Befehl seines Divisionärs Devens gekehrt, er hatte seine tausend Mann beisammen und kampfbereit. Er begrüßte die Anstürmenden mit Salvenfeuer und brachte die konföderierte Division Rodes zum Stehen. Aber die zweite Angriffslinie, konföderierte Division Colston, drängte nach, und gleichzeitig wurden Gilsas Flanken umgangen. Er mußte zurück. Er traf im Walde auf das 75. Ohio-Regiment, und dieses kämpfte nebst den Resten v. Gilsas noch zehn Minuten, welche sehr blutig waren. Weiteren Widerstand leistete das 25. Ohio- Regiment. Die übrigen fünf Regimenter der Division Devens mußten fliehen, denn sie konnten sich nicht sammeln.

Hinter Devens stand Division Schurz. Dessen Regimenter, 61. Ohio und 74. Pennsylvania, wurden auf der Straße beim Sammeln durch die Wucht der Devensschen Flüchthngsscharen zersprengt, doch sammelten sich viele Soldaten jener beiden Regimenter bei Brigade Buschbeck. Schurz hatte am Mittag von Howard die

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Erlaubnis ertrotzt, drei seiner Regimenter, 26. Wisconsin, 58. New York und 82. Illinois, mit der (richtigen) Front nach Westen aufzustellen. Sie standen im Norden der Hawkins Farm und konnten sich, da der Feind erst gegen 6 Uhr auf sie traf, gut für dessen Emp- fang vorbereiten. Sie kämpften mit großer Bravour und verhin- derten, daß die rechte Flanke weit früher eingedrückt wurde. Die Deutschen aus Milwaukee, 26. Wisconsin, verloren hier 154 Tote und Verwundete aus 650 Mann und später noch weitere 23 Mann^).

Das Regiment hat sich heldenmütig geschla- gen und den Angriffen einer über zehnfachen Übermacht 20 Minuten

standgehalten. Es schützte die äußerste rechte Flanke.

General Schurz ord- nete seine Regimenter, ii9.,68.,i57.NewYork und 82. Ohio, sowie Teile des 61. Ohio und 74. Pennsylvania nahe der Straße bei der Wildniskirche. Auch 26. Wisc, 52., 58. N. Y. und 82. 111. Reg. stießen dazu. Hamlin schätzt die Zahl der hier unter Schurz Kämpfenden auf 5000 Mann (wohl zu hoch) . Dilgers und Wiedrichs Batterien waren dabei. Hier fiel Oberst Peisner (119. New York), Hecker wurde in die Hüfte geschossen, sein Major Rollshausen (82. Illinois) fiel. Die Schurzschen Truppen haben tapfer standgehalten und (nach Hamlin) 20 Salven abgegeben. Dann kam die Umfassung des Feindes vom Westen und Norden, und Schurz mußte den Rückzug befehlen. Übrigens hat Schurz noch Glück gehabt. Die konföderierten Brigaden Ramseur und Colquitt hatten Befehl, auf der Plankroad vorzudringen, welche bei der Kirche auf die Hauptstraße stößt. Diese Brigaden wurden eine ganze Stunde aufgehalten, sie müssen sich wohl in der Wildnis ver-

Fig. 25. Division Schurz auf Hawkins Farm.

1) Aus der Regimentsgeschichte des 26. Wisconsin-Regiments von Leutnant Dörflinger, der hier ein Bein verlor.

Die Schmach von Chancellorsville.

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irrt haben, und nur diesem Zufalle ist es zuzuschreiben, daß Schurz überhaupt noch Widerstand leisten konnte. Denn bei dem recht- zeitigen Eintreffen dieser beiden feindlichen Brigaden wäre eine Umfassung der Divisionen Schurz und der Brigade Buschbeck vom Süden aus schon eine Stunde früher eingetreten, und Schurz und Buschbeck hätten in einer Falle gesessen. Denn zurückziehen konnten sie sich damals nicht, weil die einzige Straße von den Devens- schen Flüchtlingen noch völlig blockiert war. Die Brigaden Col- quitt und Ramseur trafen so spät an

jenem Kreuzungs- punkte ein, daß die Brigade Buschbeck noch Zeit hatte, ihren glänzenden Abwehr- kampf zu führen.

Bei dem Kampfe der Division Schurz griff auch die Artil- lerie ein, Batterien Dilger und Wiedrich. Sie hielten den An- sturm der aus dem

Walde auf das freie Feld vor der Kirche hervortretenden Feinde eine Zeitlang auf und unterstützten den Infanteriekampf kräftig. Dilgers Kanonen feuerten über die Köpfe des 82. Illinois-Regiment hinweg. Schließlich mußte auch die Artillerie zurück. Von Dilgers^) sechs Geschützen ging eines verloren, weil die Pferde erschossen waren, Wiedrich verlor aus demselben Grunde zwei Kanonen. Busch becks Kampf. Die Brigade Buschbeck be- stand aus 1500 Mann, den drei deutschen Regimentern 29. New York, 27. und 73. Pennsylvania und dem angloamerikanischen Regiment 157. New York. Sie hatte sich sammeln können, ehe der Hauptstoß der Feinde kam. Als dieses eintrat zog Busch- beck in die für Brigade Barlow errichteten Schanzen. Dort sammelten

Fig. 26. Buschbeck und Schurz in den Schanzen.

1) Dilgers Pferd wurde erschossen, er wollte sich aber nicht ergeben und entkam wie durch ein Wunder den Feinden. Sein treuer Bursche hatte ihm ein frisches Pferd entgegengeführt.

362 W. Kaufmann.

sich auch die Schurzschen Regimenter, 26. Wisconsin, 82. Illinois, 82. Ohio, 119., 57. und 58. New York, sowie Teile anderer Truppen, so daß die Schanzen etwa von 3500 Mann besetzt waren als hier der Kampf etwa um 6 Uhr 30 Min. begann i). Die gesamte Korps- artillerie war zurückgeschickt worden, nur der unermüdliche Dilger hatte eine seiner Kanonen wieder herbeigebracht für mehrere Geschütze war hier kein Spielraum und diese Kanone richtete er selbst. Sein Kartätschenfeuer war von furchtbarer Wirkung.

Das Verteidigungsgefecht, welches Buschbeck und Schurz hier führten, war die schönste Einzeltat bei Chancellorsville und eine der besten im ganzen Bürgerkriege. Sogar Obergeneral Hooker, dessen sonstige Äußerungen über die deutschen Soldaten in bezug auf Verlogenheit schwerlich zu übertreffen sind, nahm vor Brigade Buschbeck den Hut ab. Nur Korpsführer General Warren wollte auch diese Tat nicht gelten lassen. Vor dem Kongreßausschusse erklärte er, der Widerstand der Brigade Buschbeck sei kaum nennens- wert gewesen ! ! Übrigens sollte der Ruhm nicht der Brigade Busch- beck allein zugesprochen werden. Die Schurzschen Regimenter bildeten die Mehrheit unter den Verteidigern dieser Stellung, und sie haben ebenso wacker gekämpft als Brigade Buschbeck. Die Stellung wurde % Stunden behauptet, obschon der eigentliche Kampf nur 20 Minuten dauerte. Dann, um 7 Uhr 15 Min. abends, rückten konföderierte Brigaden Colquitt und Ramseur vom Süden auf, vom Nordwesten und in der Front umklammerten die konföde- rierten Divisionen Rodes und Colston die Schanzen, und in der Ferne konnte man einen Wald von feindlichen Bajonetten aufblitzen sehen, auch Jacksons Reservedivision Hill marschierte heran. So hatte Jackson jetzt über 20 000 Mann vor Buschbeck angesammelt. Die Stuartsche konföderierte reitende Artillerie trat in Aktion. Die Stellung mußte geräumt werden.

In geschlossener Kolonne rückte Brigade Buschbeck auf der Hauptstraße zurück. Auch die Generale Howard, v. Steinwehr und Schurz zogen mit, und den Schluß bildete Dilgers einzige Kanone, welche von Zeit zu Zeit anhielt und dem Feinde Kartätschen zu-

1) Nach Hamlins Schätzung sollen 4500 Mann in diesen Schanzen gestan- den haben. Ich halte diese Schätzung für zu hoch, die Schanzen waren nur für 3000 Mann gebaut, außerdem waren die Abgänge bei der Division Schurz sehr stark gewesen. 3500 Mann ist wohl die richtigere Ziffer.

Die Schmach von Chancellorsville. 363

schickte. Schurz ritt dann die Bullock Road herauf, sammelte seine Regimenter, welche sich teilweise durch den Wald nach Osten zu- rückgezogen hatten und am Spätabende waren etwa 2300 Mann seiner Division wieder geordnet und in fester Stellung.

Buschbeck besetzte Fairview, etwas südlich von Chancellors- ville, und meldete Hooker, daß er bereit sei, sich an einem Angriffe zu beteiligen. Aber er kam nicht mehr zum Schlagen. Dilger be- zog mit seinen fünf Geschützen Stellung in der großen Artillerie- masse, welche man auf Fairview angesammelt hatte. General Howard hat sich darauf beschränkt, die Flüchtlinge der Division Devens wieder zum Stehen zu bringen. Geführt hat er nicht, fand auch keine Gelegenheit dazu, denn die Lage war so, daß jeder der Unterführer für sich entscheiden mußte.

Ernstlich verfolgt wurde weder Buschbeck noch Schurz. Der Feind hatte sich völlig erschöpft. Man muß bedenken, daß Jacksons Leute seit 16 Stunden auf dem Marsche gewesen waren, daß sie weder Zeit zum Ruhen noch zum Abkochen gefunden hatten und daß sie dann zwei Stunden lang durch die Wildnis vordringen und dabei kämpfen mußten. Um 7 Uhr abends war nur noch die Reserve- division Hill intakt, bei den übrigen konföderierten Truppen waren fast alle Verbände gelöst, und es wurde gegen 9 Uhr, bis Division Hill^) in die Front einrücken konnte. Jackson war mit dem Er- folge des Tages sehr wenig zufrieden. Er hatte gehofft, noch während der Abendstunden Chancellorsville nehmen und so die Hauptstel- lung Hookers durchbrechen zu können. Auch hatte er starke Ver- luste in den Kämpfen mit dem 11. Korps erlitten^). Als er spät

1) Jede der drei Jacksonschen Divisionen war 10 000 Mann stark, während die meisten Unionsdivisionen nur ungefähr 4000 Mann zählten.

2) Die VerlustHsten der Konföderierten sind für alle Schlachttage von Chancellorsville zusammengefaßt. Doch sagt Divisionär Rodes, daß von seinen Verlusten ein beträchtlicher Teil auf den ersten Tag fällt. Sein Kamerad Colston meldet dasselbe. Das 12. Alabama-Regiment verlor am 2. Mai 76 Tote und Verwundete, das 10. Virginia-Regiment 50 Mann. General Doles, dessen Brigade im Vordertreffen stand, sagte: »Wir verloren dabei viele Tote und Verwundete. Es waren darunter vier Obersten, zwei Majore und sieben Kapi- täne.« Diese fallen auf eine sezessionistische Brigade. Aus diesen teil- weisen Berichten am 2. Mai läßt sich wohl schließen, daß der Gesamtver- lust Jacksons im Kampfe mit dem 11. Korps sehr beträchtlich gewesen sein muß, wahrscheinlich stärker als bei den Unionstruppen.

364 ^- Kaufmann.

abends zur Rekognoszierung vorgeritten war, wurde dieser zweit- beste Mann der Konföderation von seinen eigenen Leuten (einem Nordcarolina-Regimente) schwer verwundet. Die kon- föderierten Vorposten hatten die Reitergruppe in der Dunkelheit für eine Unionspatrouille gehalten. Jackson starb wenige Tage später, ein unersetzlicher Verlust für die konföderierte Sache, ein Verlust, der sich namentlich zwei Monate später, in der Schlacht bei Gettysburg, geltend machte.

Die Kampf leistung des ii. Korps am 2. Mai läßt sich folgender- maßen resümieren: Von den 8500 Mann haben sich etwa 6000 ge- schlagen. Zersprengt wurden fünf Regimenter von Devens und zwei von Schurz. Aber von letzteren haben sich Teile ebenfalls geschlagen, so bildeten zwei Kompagnien des irischen 61. Ohio- Regiments Dilgers Deckung während des ganzen Kampfes. Daß das Korps nicht einheitlich kämpfen konnte, erklärt sich aus den Umständen. So zerfällt der Abwehrkampf in kleinere Aktionen: I. V. Gilsas Treffen im Busch walde, II. der Widerstand der Ohioer Regimenter 25 und 75, III. das Gefecht im Nordwesten der Haw- kins Farm, Regiment 26, Wisconsin, 82. lUinois und 58. New York, IV. Gefecht des Hauptteiles der Division Schurz bei der Wildnis- kirche und der Kampf der Brigade Buschbeck und der Reste der Division Schurz in den Schanzen. Jeder dieser Einzelkämpfe wurde mit der größten Hingebung geführt. Und unter den 6000 Mann, welche kämpften, waren fast zwei Drittel Deutsche. Es ist das wohl mehr ein Zufall gewesen, sicherhch haben sich die Angloamerikaner, welche zum Schlagen kamen, an jenem Tage ebenso tapfer gewehrt wie die deutschen Regimenter.

Betont muß werden, daß dem Korps auch nicht ein Mann von den übrigen 116 000 der Hookerschen Armee zu Hilfe gekommen ist. Die in so vielen Kriegsgeschichten erzählte Nachricht, die Division Berry habe die Deutschen herausgehauen und Jacksons Vordringen Einhalt getan, ist eine Fabel. Berry rückte allerdings zum Ersätze vor, aber als Jackson Halt machte, um seine Truppen zu ordnen (etwa um 7 % Uhr) , lagen noch 700 Yards dichter Ur- wald zwischen Jackson und Berry. Das 11. Korps hat sich ganz

Die Schmach von Chancellorsville. 365

allein geschlagen i) gegen die fast vierfache Übermacht des Feindes unter der Führung des besten Kampfgenerals der Konföderation.

Hauptschlacht, 3. Mai. Am Sonntag, 3. Mai, fand die Hauptschlacht statt. Das Unionsheer war um Chancellorsville zusammengeballt mit Ausnahme der Korps I., Reynolds, V., Meade, und XL, Howard, welche, abgesehen von einer Division des V. Korps, in Reserve blieben. Es kämpften am 3. Mai etwa 46 000 Konföderierte gegen 50 000 Unionstruppen, denn 37 000 der letzteren wurden nicht eingesetzt ! Der Hügel Hazel Grove wurde von Hooker preisgegeben. Dieser Fehler war vielleicht die Hauptursache der Niederlage am 3. Mai. Von dort aus wurde die erste Linie der Nördlichen, Divi-

^) Ein Gegenstück zu dem Überfalle Jacksons auf das 11. Korps ist der Überfall, welchen der konföderierte General Early am 19. Oktober 1864 früh- morgens mit 1 1 000 Mann und 43 Geschützen bei Cedar Creek im Shenan- doahtale gegen die drei Unionskorps 6., 8. und 19., rund 30000 Mann, ausführte. Die Unionsstellung war stark befestigt. Außerdem hatte man eine Depesche des konföderierten Generals Longstreet an Early am 16. Oktober aufgefangen, welche den Überfall in Aussicht stellte. Und trotzdem gelang es Early, die drei Korps völlig zu werfen, 1200 Gefangene zu machen und 24 Kanonen zu erobern! General Sheridan, welcher das Unionsheer befehligte, war am 19. Ok- tober in Winchester, auf der Rückkehr von Washington begriffen. Er stieß bei Winchester auf die Flüchtlinge seines Heeres, spornte sein Pferd an (Sheri- dans Ride) und erreichte mittags das Schlachtfeld. Dann sammelte er seine demoralisierten Truppen und schlug Early aufs Haupt. Damit wurde die Schmach, daß 30 000 Mann von 1 1 000 Konföderierten überfallen und ver- jagt worden waren, wieder ausgewetzt: und man bedurfte keines Sündenbocks. Aber die von 30 000 Rebellen Überfallenen 8500 Mann am 2. Mai 1863 haben sich doch ganz anders gewehrt als jene drei Unionskorps am 19. Oktober 1864. Und das 11. Korps stand auch nicht in starken Schanzen wie ihre Kameraden am Cedar Creek, welche außerdem eine dreifache Übermacht über den Feind besaßen, während jene 8500 eine fast vierfache Übermacht gegen sich hatten. Trotzdem wird auch jene Schlacht vom 19. Oktober 1864 gegen die Deutschen ausgebeutet. Ein Lied im pennsylvanisch-deutschen Dialekte, betitelt »Schneiders Retreat« schildert die Flucht eines deutschen Soldaten der von Cedar Creek bis Winchester läuft, um sich in Sicherheit zu bringen. Dieses Schmählied auf die Deutschen ist wegen seiner humoristisch sein sollenden Fassung ein Hauptschlager bei allen Vereinigungen der Unions- veteranen.

366 W. Kaufmann.

sionen Berry, Williams und Geary, durch Artilleriefeuer geworfen; gleichzeitig wurde durch Preisgabe jenes Hügels die Vereinigung der bisher getrennten Konföderierten bewerkstelligt. Lee verstand es vortrefflich, seine Massen an den wichtigsten Punkten einzusetzen. Hooker ließ es stets am rechtzeitigen Nachschieben seiner Massen fehlen. Er scheint am 3. Mai fast schon um den Rückzug gekämpft zu haben. Auch herrschte große Konfusion betreffs des Munitions- ersatzes, namentlich die Artillerie litt sehr darunter.

Eine feindliche Kanonenkugel zerschmetterte einen Pfeiler des Chancellorhauses. Der Pfeiler fiel auf Hooker und verletzte ihn schwer. Der Generalstabschef war abwesend; General Couch, der rangälteste Korpsführer, konnte den Oberbefehl nicht sofort antreten, so fehlte eine Zeitlang die Oberführung völlig. Als sie Couch über- nahm, zögerte er, die starken Reserven einzusetzen, da Hooker dieselben stets zurückgehalten hatte. Etwas später übernahm Hooker den Befehl wieder, obschon er sowohl geistig als körperlich dazu untauglich war. Die Generale Reynolds und Meade bettelten ihn förmlich an, ihre frischen Truppen vorführen zu dürfen, auch Howard wollte seine Elfer einsetzen, aber Hooker verweigerte es. Bei der außerordentlichen Übermüdung des Feindes, der seinen letzten Mann im Kampfe hatte, wäre ein festes Vorgehen jener 37 000 feiernden Unionssoldaten sicherlich von Erfolg gewesen. Die Kampftruppen des Nordens, H., IH., XH. und etwa ein Viertel des V. Korps, wurden auf eine zweite, dann auf eine stark verschanzte dritte Linie zurückgetrieben, während ihre Kameraden vom L, V. und XL Korps der Niederlage zusehen mußten.

Sedgwicks Kampf. Auch Sedgwicks Korps, auf welches Hooker so starke Hoffnung gesetzt hatte, versagte.

Erst mittags am 3. Mai vertreibt Sedgwick Earlys Division aus Marye's Heights, also zur Zeit des Hauptkampfes bei Chancellors- ville. Early fällt zurück und findet Anschluß an konföderierte Divisionen Mc Laws und Anderson. Sedgwick stößt zu langsam nach; trifft aber, als er endlich vorgeht, bei Salem Church (Fig. 22) auf die feindliche Stellung. Lee hatte nämlich die Division Mc Laws und eine Brigade Andersons aus der Hauptschlacht herausgezogen und sie Sedgwick entgegengeschickt. Diese Truppen waren im Verein mit Early fast so stark als Sedgwick selbst, dessen eine Division bereits ein Biwak bezogen hatte, ohne auf Befehl dafür zu warten. Die Kühnheit Lees, einen Teil seiner Truppen aus der Hauptschlacht

Die Schmach von Chancellorsville. 367

ZU ziehen, um dem in Lees Rücken operierenden Sedgwick entgegen- zutreten, muß bewundert werden, namentlich da Lee sicherhch wußte, daß Hooker seine starken Reserven noch disponibel hatte. Der Abend dämmerte schon; da Sedgwick auf die Mitwirkung seiner im Biwak befindlichen Division nicht mehr rechnen kann, so gibt er den Versuch, zu Hooker durchzubrechen, für diesen Tag auf.

Am 4. Mai hat Early durch ein geschicktes Manöver Marye's Heights abermals besetzt, und Sedgwick, der zwischen Marye's Heights und Salem Church steht (s. Fig. 22), befindet sich nun zwi- schen zwei Feuern. Hooker rührt sich am 4. Mai überhaupt nicht mehr. Sedgwick bleibt sich selbst überlassen. Gegen 6 Uhr, am 4. Mai, geht Lee, dessen Truppen nun etwas geruht haben, zum Angriff auf Sedgwick vor. Early macht gleichzeitig einen Aus- fall gegen Sedgwick von Marye's Heights aus. So in die Mitte ge- nommen, kann Sedgwick nur noch um seinen Rückzug kämpfen. Es gelingt ihm, sich bis zu den beiden Brücken durchzuschlagen, welche zu diesem Zwecke über den Rappahannock erbaut waren, und in der Nacht entkommt Sedgwick nach einem Verluste von 4600 Mann über den Fluß.

Bei Hooker ist abends am 4. Mai Kriegsrat. Von den sechs Korpsführern sind Reynolds und Slocum nicht anwesend. Meade und Howard stimmen für die Fortsetzung des Kampfes, Sickles und Couch dagegen. Darauf entscheidet sich Hooker für den Rück- zug. Später hat Hooker behauptet, auch Meade und Howard hätten dafür gestimmt! Die Gesamtverluste des Nordens betrugen wohl 18 000 Mann, die der Konföderierten annähernd 13 000.

Sofort nach dem Rückzuge begannen die grundlosen Beschul- digungen der Deutschen. Schurz protestierte vergebens dagegen. Er forderte, daß man seinen Schlachtbericht amtlich veröffentliche, erhielt aber die Antwort, daß die Publikation des Berichtes erst erfolgen könne, nachdem Hooker und Howard ihre Berichte ein- geschickt hätten. Hooker hat überhaupt niemals amtlich Bericht erstattet. Und deshalb ist Schurzens, die Deutschen entlastender Bericht auch damals nicht publiziert worden.

Alsdann verlangte Schurz, vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden, da er am meisten geschmäht wurde. Darauf die höfliche

368 ^^' Kaufmann.

Antwort: »Nicht bewilligt, denn gegen General Schurz liegt amt- lich keine Anklage vor«. Und Lincoln, der gerechte, der intimste Freund Schurzens? Er rührte sich nicht. Vielleicht (hoffentlich) dachte er, »es ist besser, daß die Deutschen eine Zeitlang als Sünden- böcke gelten, als daß der Norden an seiner Fähigkeit, die Rebellion doch noch niederzuwerfen, verzweifelt.« Aber auch aus späterer Zeit hegt keine Äußerung von Lincoln vor, welche die auf die Deutschen gehäufte Schmach lindern oder auf die wirklich Schuldigen ab- wälzen konnte.

In New York wurde eine von vielen tausend Menschen besuchte Indignationsversammlung unter Führung von Friedrich Kapp ab- gehalten, um gegen die maßlose Beschimpfung^) der Deutschen zu protestieren. Doch diese Demonstration wurde von den Nicht- deutschen wenig beachtet. Aber nach Chancellorsville stockte der Zufluß deutscher Freiwilliger zum Unionsheere, und die Kriegsbegeiste- rung der Deutschen kam erst wieder nach Gettysburg zur Geltung.

^) Es ist widerlich, auf Miese Beschuldigungen einzugehen. Die Soldaten der übrigen Korps (namentlich des Sicklesschen dritten) verhöhnten ihre unglücklichen Kameraden vom elften. Obergeneral Hooker wollte das Korps auflösen und wurde nur durch poUtische Gründe daran verhindert. Nach vielen Jahren behauptete er noch, die Deutschen seien wie eine Herde Büffel davongerannt. An Lincoln berichtete Hooker sofort nach der Schlacht, er würde gesiegt haben, wenn ihn das ii. Korps nicht im Stiche gelassen hätte. Korpsführer Howard, neben Hooker der Nächstschuldige, gestand in einem Kriegsrate am 4. Mai zu, sein Korps habe sich »schlecht benommen«. Die Presse wütete gegen die Deutschen in schandhafter Weise. Einige Blätter forderten, daß man die Überlebenden des Korps totschießen solle! Horace Greeley meinte, man solle das Korps »dezimieren«. In seiner Kriegsgeschichte »The American ConfUct«, erschienen 1877, heißt es, die Division Schurz habe sich schon zurückgezogen (»perhaps fled is the apter word«), ehe der Feind in Sicht war. Erst später finden sich angloamerikanische Geschichtschreiber, welche die Anschuldigungen gegen die Deutschen zurückweisen und die wah- ren Schuldigen, Hooker, Howard undDevens, nennen. So Doubleday (Scribners Sammlung), Bates, Dodge, Underwood, am besten und gründlichsten Augustus C. H amiin, ehemals Medical-Inspector des 11. Korps und ein Neffe des Vizepräsidenten Hamün von Maine. Diese Schriften, vornehmhch Hamlins Werk, erschienen 1896, auf welches sich auch Schurz in seinen Memoiren am meisten stützt, sind hier benutzt worden, neben vielen Privatmitteilungen von Veteranen an den Verfasser.

Großer Unionssieg bei Gettysburg. 369

Großer Unionssieg bei Gettysburg.

Lees zweiter Vorstoß nach dem Norden. Die Begegnungsschlacht bei Gettysburg in Pennsylvanien. Stein wehr findet die günstige Stellung. Schurz als Korpsführer. Die Massenkämpfe auf dem Friedhofshügel. Lees großer Sturmangriff am 3. Juh abgeschlagen. Die schlaffe Ver- folgung des Feindes durch Meade.

Nach Chancellorsville stieg die Siegeszuversicht des südhchen Volkes in maßloser Weise. Es verlangte, daß man den Krieg nach dem Norden tragen solle. Noch ein solcher Sieg über die Potomac- armee, namentlich aber die Besetzung einer nördlichen Großstadt (Philadelphia) müsse den Norden zum Frieden und zur Anerkennung der Konföderation zwingen. So glaubte man damals allgemein im Süden. General Lee ging nur mit Widerstreben auf jenen Wunsch seiner Landsleute ein. Er erkannte wohl die Gefahr der zu weiten Entfernung von seiner Basis, die Schwierigkeit, die Ver- bindung mit Richmond aufrechtzuerhalten, namentlich aber dem Heere die Munition zu ergänzen; jedoch er hielt es für zwecklos, diese Bedenken geltend zu machen. Er beugte sich der Volksstim- mung und handelte demgemäß. Longstreets Divisionen wurden herangezogen, Richmond wurde fast gänzlich von Truppen ent- blößt, und Anfang Juni zählte Lees Armee gegen 80 000 Mann.

Zwei Erfolge der Konföderierten leiteten diesen zweiten Aus- fall nach dem Norden ein. In der größten Reiterschlacht des Bürger- krieges (Brandy Station, 9. Juni) wurden Pleasantons nördliche Schwadronen (9000 Pferde) über den Rappahannock zurückge- drängt. Und bald darauf wurde Unionsgeneral Milroy bei Winchester geschlagen. Durch diese Treffen war festgestellt worden, daß sich der Vormarsch Lees abermals durch das Shenandoahtal vollziehen sollte.

Bis Mitte Juni hatten sich die beiden Hauptheere am Rappahan- nock bei Fredericksburg einander gegenüber gelegen. Als sich dann der Abmarsch des Südheeres vollzog, mußte Hookers Potomacarmee natürlich folgen. Obwohl Hooker den bei weitem kürzeren Weg zurückzulegen hatte, so traf er doch erst zwei volle Tage nach dem Überschreiten des Potomac durch Lee in Frederick, Md., ein. Lees Heer war in drei Korps unter Ewell, A. P. Hill und Long- street eingeteilt. Ewell (der jetzt die Jacksonschen Scharen führte) drang rasch nordwärts vor. Schon am 23. Juni besetzte er die

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 24

370 W. Kaufmann.

pennsylvanische Stadt Chambersburg, und am 27. stand er vor dem Susquehanna. Gerade als er im Begriff war, sich auf Harris- burg (politische Hauptstadt Pennsylvaniens) zu stürzen, erhielt er von Lee Befehl, sofort südlich, nach Gettysburg^) abzu- rücken.

Der rasche Vorstoß Ewells auf Harrisburg zeigt, daß es die Konföderierten wirklich auf eine Überraschung Philadelphias ab- gesehen hatten. Weshalb wurde nun Ewell plötzlich nach Gettys- burg befohlen?

General Lee war mehrere Tage im Dunkeln über die Bewegun- gen seines Gegners gewesen. Der vorzügliche Aufklärungsdienst der Konföderierten hatte gerade im Feindeslande versagt. Lee hatte nämlich die Stuart sehe Kavallerie, welche sonst dem Heere vorausritt, auf eine ausgedehnte Expedition geschickt, um Schrecken in Pennsylvanien zu verbreiten, die Verbindungen des Feindes mit Washington zu zerstören und die Brücke bei Wrightsville über den Susquehanna zu sichern. Dabei war Stuart weit abgekommen, und seine Reiter trafen mit völlig ausgepumpten Pferden erst am Abend des zweiten Schlachttages von Gettysburg wieder bei Lee ein. So kam es, daß dem südlichen Feldherrn die Nachricht von der Konzentration des Unionsheeres bei Frederick erst sehr spät zuging. Wenn Lee damals seinen Vormarsch in Pennsylvanien fortsetzte, so wäre das Unionsheer in seinen Rücken gelangt und hätte die Verbindungen Lees mit Richmond unterbrochen. Außer- dem war Lees Heer am 27. weit verzettelt und bedurfte der Samm- lung, angesichts des feindlichen Aufmarsches bei Frederick. Des- halb wurde Ewell zurückgerufen. Die ungeheuren Fehler der Hookerschen Oberführung bei Chancellorsville hatten Lee über- mäßig hoffnungsvoll gemacht. Er hatte jetzt 80 000 Mann, die Union höchstens 100 000 für die Feldschlacht. Aber bei Chancellors- ville hatte Lee mit 60 000 Mann die doppelte Übermacht besiegt. So meinte er, daß er, einerlei wo, dem Feinde eine neue Niederlage beibringen und dann den Vorstoß auf Philadelphia weit weniger gefahrvoll unternehmen könne. Lee ging nicht nach Gettysburg,

^) Gettysburg, ehemals Götzburg, ist eine altdeutsche Siedlung. Noch heute haben die deutschen Lutheraner dort ein Predigerseminar. Die merk- würdige Erscheinung, daß die meisten Entscheidungsschlachten des Ostens auf altdeutschem Siedlungsgebiete geschlagen wurden, wiederholt sich auch hier.

Großer Unionssieg bei Gettysburg.

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am dort zu schlagen, sondern weil die vortrefflichen Straßen- verbindungen daselbst jenen Ort zum gegebenen Punkte für die Sammlung des konföderierten Heeres machten.

Zur selben Zeit vollzogen sich bei der Potomacarmee wichtige Veränderungen. Hal- leck war längst mit Hooker unzufrieden. Als Hooker ver- langte, daß die in Harpers Ferry^) stehenden loooo Mann zu ihm stoßen sollten, schlug Halleck diese Forderung ab. Darauf resignierte Hooker (28. Juni). Der Rücktritt wurde prompt angenommen und Ge- neral Meade wurde Befehls- haber der Potomacarmee. Also ein Kommandowechsel un- mittelbar vor der Entschei- dungsschlacht. Da jedoch Hookers Ansehen in der Armee längst untergraben war, so erscheint die in jenem Wech- sel liegende Gefahr geringer. Durch Meades Ernennung wurde das Strebertum besei- tigt, und alle Generale stellten

sich willig Meade zur Verfügung. Der neue Mann war gewiß kein Genie. Sein Verhalten vor, während und besonders nach der Schlacht bei Gettysburg war alles weniger als erfreulich. Aber er

1) Wie im Vorjahre, vor der Schlacht am Antietam, standen auch jetzt wieder 10 000 Mann bei Harpers Ferry. Halleck konnte nicht ruhig schlafen, wenn er nicht 10 000 Mann in Harpers Ferry hatte. Leider entsprach sein Wunsch, jenen strategisch wichtigen Platz zu besetzen, nicht seinem Können, auch Gebrauch von der Besatzung zu machen. Jene 10 000 Mann fehlten stets im Unionsheere, und genützt haben sie nie etwas.

24*

Fig. 27. Gettysburg und Umgegend.

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war der gegebene Kompromißgeneral ^). Er erließ eine bescheiden gehaltene Proklamation und suchte den Rat seiner Untergebenen. Und außerdem hatte er das Glück, in eine gar nicht gesuchte aber vortreffliche Verteidigungsstellung zu gelangen, an welcher der Ansturm der Feinde zerschellen mußte.

29. und 30. Juni. Marschtage für beide Heere. Meade, der am Pipe Creek, 20 Meilen südlich von Gettysburg, schlagen will, hat sein Heer von Frederick aus nordwärts vorgeschoben. Die Buford- sche Kavalleriedivision an der Spitze. Dieselbe trifft bei Sonnen- aufgang am I. Juli in Gettysburg ein, ohne eine Ahnung davon zu haben, daß Lee sich hier sammeln will. Aber Buford ist vorsichtig und besetzt die Höhen westlich von Gettysburg, die sog. Seminar- Hügelkette, wo das deutsche lutherische Prediger- seminar liegt. Hinter Buford rückt das erste Korps der Potomac- armee nach. In erreichbarer Nähe steht das 11. Korps. Kaum ist Buford in Stellung, als die Spitzen der großen feindlichen Armee vor ihm auftauchen. Es kommt zu einem hinhaltenden Gefechte mit Heths konföderierter Division. Dasselbe nimmt ernsthaften Charakter an, als das erste Unionskorps in Bufords Stellungen ein- gerückt ist. So entwickelt sich der erste Schlachttag von Gettys- burg als eine von keinem der beiden Führer gewollte Begegnungs- schlacht. Wer zuerst bei einem solchen Zusammentreffen anlangt, hat den Vorteil der Stellungswahl. Das Kriegsglück warf diese Gunst dem Nordheere in den Schoß.

Schon von 10 Uhr an steht das ganze i. Korps neben Buford im Feuer. Als eines der ersten Opfer fällt der Unionsgeneral Rey- nolds, derzeitiger Führer von Korps I, XI und III. Doch auch der Gegner leidet stark. Konföderierte Brigade Archer wird ge- fangen genommen.

Gegen 12^/2 Uhr trifft das 11. Korps unter Howard ein. General V. Steinwehr, Befehlshaber der 2. Division, erkennt sofort die Wich-

1) Übrigens lautet Lees Urteil über Meade außerordentlich günstig. Lee stellt Meade unter allen seinen Gegnern am höchsten, selbst Grant nicht ausgenommen. In der Potomacarmee war Meade später derartig unbeliebt, daß Grant seine Not mit den übrigen Generalen hatte. Oft wurde Meades Absetzung im Jahre 1864 erwogen, doch der »Sieger von Gettysburg« be- hauptete sich.

Großer Unionssieg bei Gettysburg. 373

tigkeit der Besetzung des Friedhofshügels (direkt hinter der Stadt) und erhält von Howard die Erlaubnis, sich dort einzu- nisten. Dieser Hügel wurde der Schlüssel der Unionsstellung in den Entscheidungskämpfen vom 2. und 3. JuU. Der Kongreß hat Howard später ein besonderes Lob dafür gewidmet, daß dieser wichtige Punkt sofort besetzt worden ist. v. Steinwehr, der eigentliche Entdecker dieser Stellung, wurde übergangen^).

Howard übernahm als rangältester Offizier den Oberbefehl über beide Korps, I und XP) , und Schurz führte in der Schlacht das II. Korps. Doch standen Schurz für den Kampf nur zwei Divi- sionen zur Verfügung, da die Steinwehrsche Division auf dem Fried- hofshügel verblieben war. Die beiden Divisionen (unter Schimmel- fennig und Barlow) nahmen neben dem i. Korps Aufstellung im freien Felde nördlich vor der Stadt. Schurzens Truppen waren durch den Gewaltmarsch unter der Julisonne stark ermüdet, gingen aber trotzdem mit großer Bravour vor. Aber die feindlichen Heeres- säulen rückten um Mittag mit furchtbarer Übermacht heran. Um 2 Uhr hatten die Konföderierten über 30 000 Mann den knapp 14 000 Kämpfern des i. und 11. Korps gegenüber. Ersteres, 8500 Mann, kämpfte gegen konföderiertes Korps Hill, die beiden Divi- sionen unter Schurz, 5500 Mann, standen gegen Korps Ewell, also gegen die ehemals von Jackson befehligten Kerntruppen^). Zwei konföderierte Batterien überschütteten den linken Flügel des 11. Korps mit Geschossen, und obwohl eine dieser Batterien bald von Dilgers Artillerie niedergekämpft wurde, so waren die Verluste der Elfer doch sehr stark.

^) Doch haben namhafte Geschichtsforscher, besonders der Graf von Paris, V. Steinwehrs Verdienst um die Auffindung der Verteidigungsstellung von Gettysburg später gebührend anerkannt.

2) Howard weigerte sich, den Befehl über die beiden Korps an General Hancock abzugeben, welchen Obergeneral Meade zu diesem Zwecke nach dem Schlachtfelde entsendet hatte. Und General Slocum, Führer des 12. Korps, weigerte sich, von Howard den Befehl zum Vorrücken zu empfangen, da er Howards Recht zum Kommando bestritt.

3) Es ist merkwürdig, daß die Regimenter der ehemals Blenkerschen deutschen Division sich stets gegen die Jacksonschen Truppen schlagen mußten, welche zu den besten des konföderierten Heeres zählten. Zuerst im Shenandoah- tale, dann (unter Sigel) bei Bull Run II, dann bei Chancellorsville und nun wieder hier bei Gettysburg.

374

W. Kaufmann.

General Barlow hatte gegen Schurzens Befehl die Brigade V. Gilsa noch weiter vorgeschoben, war überhaupt mit seiner ganzen Division zu weit vorgegangen und hatte dadurch die Umgehung der Schurzschen rechten Flanke durch den Feind erleichtert. Gilsas Brigade wurde durch diese Maßnahme völHg isoliert und bald dem Anstürme einer fünffachen Übermacht ausgesetzt. Gilsa wurde geworfen, und außerdem wurde die Verbindung der beiden Divi- sionen unter sich sowie die Verbindung mit dem i. Korps stark gelockert. Der Kampf dieser 14 000 Mann, welche ohne Deckung

im offenen Felde standen, war längst zwecklos geworden, denn es war er- sichtlich, daß der schon übermächtige Feind sich beständig verstärkte, aber Howard zögerte mit dem Befehle zum Rückzuge so lange, bis der Feind den Divisionen Schurz' so nahe ge- kommen war, daß sich die Kämpfen- den in die Augen sehen konnten. Regiment stand gegen Regiment im furchtbarsten Nahkampfe. Da endlich, gegen 4 Uhr, erhält Schurz den Rückzugsbefehl, zugleich erscheint Costers Brigade von Steinwehrs Divi- sion zur Aufnahme des Rückzuges vor der Stadt. Durch Gettysburg müssen die Schurzschen Regimenter ziehen, um nach dem Friedhofshügel zu gelangen, auf ihren Fersen der übermütige, siegestrunkene Feind. In den Straßen verirren sich viele^) und werden gefangen.

Gettysburg i. Tag.

Fig. 28

II. Korps unter Schurz. A. Brigade von Gilsa. B. Brigade Arnes. C. Brigade von Arnsberg. D. Brigade Krzyzanowski. E. Brigade Coster von Steinwehrs Divi- sion, welche Schurzens Rückzug aufneh- men soll. Auf dem Friedhof shOgel Re- serve: Rest der Division von Steinwehr.

1) Hier wurde auch Major Emil Frey gefangen und dann nach dem Libby- gefängnis gebracht, wo man den UnglückHchen als Geisel in die »Ratten- hölle« steckte. General v. Schimmelfennig entging wie durch ein Wunder einem ähnlichen Schicksale. Er hatte die Bluse eines gefallenen Soldaten über seine Generalsuniform gezogen, um nicht erkannt zu werden. Während des Rückzuges erhielt Schimmelfennig einen Kolbenschlag auf den Kopf. Man hielt ihn für tot, aber Schimmelfennig erholte sich wieder und kroch in einen Stall. Dort saß er hungernd und krank bis in die Nacht vom 3. bis 4. JuU. Erst nach der Räumung der Stadt seitens des Feindes kam der Halbverhungerte wieder zum Vorschein.

Großer Unionssieg bei Gettysburg. 375

Die Reste der beiden Schurzschen Divisionen und des i. Korps wurden auf dem Friedhofshügel gesammelt. Während der Abend- stunden erwartete man jeden Augenblick den Angriff des Feindes. Aber der rührte sich nicht, er wurde ja auch nicht mehr von Jackson geführt. Wäre der Sturm damals erfolgt, so hätte der wichtige Hügel leicht erobert werden können. Erst nach Sonnenuntergang traf Korps 12 ein und brachte den Geschlagenen des ersten Kampf- tages Unterstützung und Sicherheit. Schurz beschreibt in seinen Erinnerungen, wie er sorgenvoll in jenen Abendstunden das Hervor- brechen Ewells aus Gettysburg erwartete. Ewell wollte seinen durch die vorangegangenen Gewaltmärsche stark mitgenommenen Truppen den Sturm nicht mehr zumuten.

Die Niederlage des i. und 11. Korps am i. JuH war ruhm- voll und insofern auch ein unionistischer Erfolg, als der Feind hingehalten und verhindert wurde, von seiner damals gewaltigen Übermacht Gebrauch zu machen. Freilich, wenn Stonewall Jackson, der seit sieben Wochen im Grabe schlummerte, sein altes Korps noch hätte führen können, so wäre die Erstürmung des Friedhofs- hügels sicherlich erfolgt. Lee hat später behauptet, daß er am I. Juli einen überwältigenden Sieg bei Gettysburg erkämpft haben würde, wenn Jackson noch bei ihm gewesen wäre.

Die Aufstellung des i. und 11. Korps vor Gettysburg am i. Juli war sehr mangelhaft. Die Truppen standen viel zu weit von ihrer Basis (Gettysburg) entfernt. Dadurch wurde der Rückzug erschwert und mehrere tausend Gefangene fielen dem Gegner in die Hände. Aber niemand konnte wissen, daß die ganze feindliche Armee gegen Gettysburg anrückte und daß das Treffen im freien Felde für die Unionstruppen ganz aussichtslos war. Zu bemerken ist noch, daß die einzelnen Armeekorps der Sezessionisten mehr als d o p p e 1 1 so stark waren als die Unionskorps.

Der 2. Juli. Die Sammlung des Unionsheeres bei Gettys- burg vollzieht sich weit langsamer als diejenige des Feindes. Hätte Lee das gewußt, so würde der allgemeine Sturm der Konföderierten wohl am Morgen des 2. erfolgt sein, und zwar gegen den Fried- hof shügel. Das Glück ist der Unionsfahne in jenen kritischen Tagen außerordentlich günstig gewesen.

376 W- Kaufmann.

Zunächst ein Wort über die Stellung der beiden Heere. Die Unionsarmee setzte sich auf dem Friedhofshügel und dessen Ver- längerungen fest. Das Gelände hatte große Ähnlichkeit mit einem Fischangel. An der Krümmung des Angels der Friedhof, besetzt vom II. Korps, rechts davon Culps Hügel (12. Korps), direkt hinter dem Friedhofe die Verlängerung der sog. Cemetery Ridge (besetzt vom i., 2. und 3. Korps und dem später eintreffenden 5. und 6. Korps in Reserve). Der ganze Höhenzug endet mit den Hügeln Little Round Top und Round Top.

Der Feind postierte sich auf der gegenüberliegenden Seminar- höhe, mit weiter Ausdehnung seiner Linien nach Süden (an der Em- mitsburg Road) , sowie nördlich in der Stadt Gettysburg selbst und westlich davon vor Culps Hill und an der Baltimore Straße (also teilweise im Rücken der Unionsstellung). So beschrieb der Feind einen ziemlich weit ausgedehnten Halbkreis um die Friedhofshöhe. Das hatte den Nachteil einer starken Verzettelung der konföderierten Kräfte, ein Nachteil, welcher bei einer angreifen- den Armee sehr bedenklich ist. Die Unionsstellung bot den un- schätzbaren Vorteil einer gedrängten Aufstellung, wodurch eine rasche Verschiebung der Kräfte nach den bedrohten Punkten möglich wurde. Die Linien der Konföderierten waren fast doppelt so lang als diejenigen der Unionstruppen, Zwischen den beiden Höhenzügen (Seminar- und Friedhofshöhen) lag ein gut angebautes Tal, eine Meile breit und fast gar keine Deckungen darbietend.

Der Kampf am 2. Juli beginnt erst um 3^/2 Uhr nachmittags durch Angriff des konföderierten Korps Longstreet auf den linken Flügel der Unionstruppen. Unionsgeneral Sickles hat sein drittes Korps, gegen Befehl, von der Hauptstellung auf dem Höhen- zuge vorgeschoben und das Weizenfeld und den Pfirsich- garten an der Emmitsburger Straße besetzt^). (S. Fig. 29.) Hinter dem Weizenfelde liegt ein Gewirr von steilen Felsen, welchem man den Namen »Devils Den« gegeben hat, südlich dahinter die Höhe »Little round Top«. Dieses Gelände, Pfirsichgarten, Weizenfeld, »Devils Den« und »Little round Top« ist die Szene der furchtbarsten

^) Sickles behauptet, daß dies notwendig war, um dem Feinde eine überaus gute Artillerieaufstellung zu nehmen, denn auch der Pfirsichgarten lag beträcht- lich hoch.

Großer Unionssieg bei Gettysburg. 377

Kämpfe von Gettysburg gewesen. Longstreet stürmt dagegen an, wirft Sickles nach tapferem Widerstände aus dem Obstgarten und dem Felde, und dann erfolgt die schreckliche Metzelei in der »Teufels- höhle«. Auch letztere wird genommen, und konföderierte Brigade Wright wirft sich sogar zwischen Teufelshöhle und »Little round Top« und durchbricht damit das Zentrum der Unionsstellung. Wäre Wright in diesem Augenblicke kräftig unterstützt worden, so hätte der Feind auf den südlichen Ausläufern der Friedhofs- höhe sich festsetzen können. Hatte Lee aber dort einmal Fuß ge- faßt, so konnte Meades Stellung ganz anders bedroht werden als durch den Frontangriff des 3. Juli. Auch mit seinem Korpsführer Longstreet war Lee sehr unzufrieden. Longstreet, der den Angriff auf den feindlichen linken Flügel am 2. Juli für völlig aussichtslos hielt, schickte mehrmals zu Lee, um Erlaubnis zu einer Umgehung des Feindes zu erlangen. Dadurch wurde viel Zeit verloren, und Longstreets Angriff, der nach Lees Befehl schon am Morgen erfolgen sollte, setzte erst spät am Nachmittage ein. Dies war außerordentlich vorteilhaft für die bei Gettysburg so vielfach vom Glücke begünstigten Verteidiger. Bei der Abwehr Longstreets kam das Vorteilhafte der gedrängten Aufstellung der Unionstruppen recht zur Geltung. Meade konnte Sickles stets frische Truppen zuschieben und immer noch genügende Reserven in der Hand behalten, während die Hälfte der Konföderier- ten fast gar nicht zum Kampfe gelangte. Lee hatte befohlen, daß gleichzeitig mit Longstreets Angriff auf Sickles das Korps Ewell den Friedhof stürmen sollte. Aber Ewell griff erst ein, als Longstreet bereits abgeschlagen war. Ewells Angriff be- drohte wesentlich das 11. und 12. Korps (Friedhofs- und Culps Hügel), aber der Sturm erfolgte zu spät. Meade konnte auch seinem rechten Flügel bedeutende Kräfte rechtzeitig zuführen, und auch Ewell wurde zurückgeschlagen. Dabei haben sich mehrere deutsche Regimenter des 11. Korps besonders ausgezeichnet, namentlich hat hier der Deutschpole Krzyzanowski mit seiner Brigade Tüchtiges geleistet, aber auch mancher Landsmann hat dort geblutet. Zu Anfang des Kampfes wurden v. Gilsas deutsche Regimenter, welche am Abhänge des Friedhofshügels standen und den ersten Anprall der Übermacht aufzufangen hatten^), durchbrochen und geworfen,

1) Die V. Gilsasche Brigade hatte auch bei Chancellorsville den ersten Stoß der Übermacht aufzufangen.

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ja der Feind drang bis zu den Kanonen der Batterie Wiedrich vor, und die Bedienungsmannschaft geriet ins Handgemenge, wurde aber dann von dem braven 107. Ohio-Regiment (Clevelander und Toledoer Deutsche) herausgehauen. Die 107er nahmen einem texa- nischen Regimente hier die Fahne ab. Auch Regiment 82, IlHnois, und 26. Wisconsin haben sich hier wieder vortrefflich geschlagen. Besonders zeichneten sich am 2. und 3. Juli die deutschen New Yorker Regimenter 52 und 39 aus. Darüber und über manche andere tapfere Taten der Deutschen bei Gettysburg findet man Weiteres im biographischen Teile.

Abend des 2. Juli. Eigentlich hätte Meade sich beglückwünschen sollen. Zwei schwere Angriffe waren zurückgeschlagen worden. Aber trotzdem hatte der Oberfeldherr wenig Vertrauen in seine Stellung und unterwarf sich erst der einstimmigen Meinung seiner Korpsführer, daß dies die zur Verteidigungsschlacht gegebene Position sei und deshalb gehalten werden müsse.

Und Lee? Hätte man nicht annehmen müssen, daß er auf einen allgemeinen Sturm auf diese Stellung verzichten würde? Furchtbare Opfer hatte Longstreets Kampf gekostet, und auch Ewell hatte schwer gelitten. Das Unionsheer war nun endlich beisammen, und dessen Stellung war eine sehr starke. Lee aber kämpfte mit der Front nach Süden. Wurde er geschlagen, so begegnete der Rückzug großen Schwierigkeiten. Lee mußte in solchem Falle den Feind erst umgehen um die Rückzugsrichtung nach Süden zu ge- winnen. Und dann lag noch der Potomac zwischen ihm und Vir- ginien !

Lees Vertrauen in die Unüberwindlichkeit seiner Truppen und in die Unfähigkeit der Unionsführung waren größer als seine Erkenntnis der eigenen Gefahr. Seine Kerntruppe, Picket ts vir- ginische Division, war noch nicht eingetroffen, außerdem hielt die konföderierte Division Johnson (zu Ewells Korps) eine wichtige Stellung vor Culps Hill, also im Rücken des Gegners. Die konföde- rierte Brigade Wright hatte am 2. Juli doch das Zentrum des Nord- heeres (auf kurze Zeit) durchbrochen. Wenn Pickett vom Osten und Johnson vom Westen auf Cemetery Ridge losstürmen würden, so konnte der Sieg doch wohl noch erkämpft werden. Von solchen Erwägungen ließ sich Lee bestimmen.

Großer Unionssieg bei Gettysburg,

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Dieses übermäßige Selbstvertrauen und diese ungebührliche Unterschätzung des Gegners hielten auch dann noch an, als Division Johnson am Morgen des 3. Juli vom 12. Unions- Korps geworfen und aus der vorteilhaften Angriffsstellung gegen Culps Hill abge- drängt worden war.

Konföderierte Division Pickett war endlich eingetroffen. Diese virginischen Veteranen waren in bester Kampfstimmung. Sie drängten darauf, die Entscheidung herbeizuführen. So blieb Lee bei seinem verhängnisvollen Beschlüsse, die feindhche Stellung jetzt in der Front und (durch Ewell) in der rechten Flanke (also gegen den Fried- hof) angreifen zu lassen. Die furcht- barste Kanonade des Bürgerkrieges leitete diesen Angriff ein. Meades Kanonen erwiderten zuerst kräftig, aber sie stellten nach und nach das Feuer ein, um bei dem Feinde den Glauben zu erwecken, daß Munitions- mangel eingetreten oder daß die Unionsartillerie niedergekämpft wor- den sei.

Eine Meile offenes Gelände haben die Sturmkolonnen Lees zu durch- laufen, um an die vom Gegner besetzten Höhen heranzukommen. Als die Stür- menden in verhängnisvolle Schußweite

der nördlichen Artillerie gelangen, wird ihnen aus über 100 Geschützen ein Eisenhagel entgegengeworfen, welcher sie scharenweise nieder- mäht. Aber die Tapferen stürmen weiter, und auch das nun losbrechende Feuer der feindlichen Infanterie schreckt sie nicht zurück. Es ist ähn- lich wie bei dem Sturm auf Fredericksburg, doch gelingt es einzelnen Abteilungen der Konföderierten, bis auf das Plateau vorzudringen und die Entscheidung im Handgemenge zu suchen. Doch hier stehen zehn Unionssoldaten einem Konföderierten gegenüber. Die Südlichen werden geworfen, und damit ist die größte Feld- schlacht des Bürgerkrieges zugunsten der Union entschieden. Die Verluste der drei Schlachttage waren sehr groß. Unionsheer:

Fig. 29.

Sturm auf Cemetary Ridge.

3. JuU 1863.

380 ^- Kaufmann.

2834 Tote, 13 709 Verwundete, 6643 »Vermißte« (Gefangene zumeist). Konföderierte: 2665 Tote, 12 599 Verwundete, 7464 Vermißte. Jedes der beiden Heere verlor über 25% der Kämpfenden i).

Die Verfolgung unterblieb. Man kann ja sagen, hier war die Gelegenheit, das beste Feldheer, das eigentliche Rückgrat der ganzen Konföderation zu vernichten. Aber wer will entscheiden, wie stark die Erschütterung der Unionstruppen gewesen sein mag. Doch hatte Meade 20 000 Mann frische Truppen (Divisionen French, Couch und Smith) in der Nähe, außerdem hätte die Besatzung Washingtons jetzt eingesetzt werden müssen. Aber alle derartigen Züge wurden in matter Weise unternommen, und Lee 2) entkam glücklich über den noch dazu hochgeschwollenen Potomac. Der Norden feierte zwei Siegesfeste, Gettysburg und gleichzeitig den großen Sieg Grants in Vicksburg. Aber obschon der Süden an dem- selben Tage, im Osten und im Westen die schwersten Niederlagen erlitten hatte, ließ die Kampfbegeisterung doch nicht nach. Es beginnt jetzt die letzte Periode des Krieges: der Kampf des Südens bis zum letzten Mann und zur letzten Patrone.

Das Jahr 1863 ging dahin ohne weitere Entscheidung auf dem östlichen Kriegsschauplatze. Im Spätherbst lagen sich Potomac- armee und Lees Heer am Mine Run in der virginischen Wildnis einander gegenüber. Es kam am Mine Run noch zu schweren Kämpfen und starken beiderseitigen Verlusten, jedoch nicht mehr zu Ent- scheidungsschlachten .

1) Pfisterer berechnet die Verluste der Konföderierten auf 31 621 Mann und behauptet, daß nur 70 000 südliche Soldaten bei Gettysburg kämpften. Danach betrugen Lees Verluste über ein Drittel seiner Mannschaft.

2) Lee hat am 8. August ein Rücktrittsgesuch bei Präsidenten Jeff. Davis eingereicht. Dasselbe wurde jedoch verworfen und die ganze Sache als Staatsgeheimnis behandelt.

Im Westen 1863.

Vidcsburg.

Shermans vergeblicher Angriff, Grants Kampf mit Sumpf und Wasser.

Die Flotte dampft an Vicksburg vorbei. Schlacht bei Champion Hill.

Belagerung und vergeblicher Sturm. Vicksburg kapituliert am 4. Juli

1863. Salomons Sieg bei Helena.

(Siehe Fig. 4 und lo.)

Vicksburg, die letzte große Stromfeste der Konföderierten, war im Dezember 1862 nur schwach besetzt. General Pemberton, der in der Gegend befehligte, brauchte jeden Mann, um sich Grants zu er- wehren, doch war seine Stellung so, daß er rasch auf Vicksburg zurück- fallen konnte. Mitte Dezember wurde Sherman mit 30 000 Mann vorgeschickt um Vicksburg mit einem Handstreiche zu nehmen, während Grant die Aufgabe hatte, Pemberton zu beschäftigen, ihn abzuhalten, die Festung rechtzeitig zu verstärken. Der Plan ging jedoch in die Brüche. Grant hatte einen ganz unfähigen Offizier, Oberst Murphy, mit der Bewachung seines Verpflegungsdepots in HoUy Springs betraut. Murphy hätte sich leicht verschanzen können, tat es aber nicht und eines Nachts ritt die konföderierte Kavallerie Van Dorns in den Ort hinein, überwältigte die schlafende Garnison von 1000 Mann, nahm diese samt Murphy gefangen, raubte von dem Proviant was sich fortbringen ließ und steckte das Übrige in Brand. Grant war dadurch matt gesetzt. Ohne Proviant konnte er nicht gegen Pemberton vorgehen. Letzterer aber warf sofort den größten Teil seiner Mannschaft nach Vicksburg, und als Sherman, der von dem Überfalle auf Holly Springs nichts wußte,

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die Haines- und Chickesaw-Höhen, welche Vicksburg von Norden beherrschen, stürmen wollte, fand er diese Stellung gut verteidigt. Übrigens kannte Sherman viel zu wenig von den Schwierigkeiten, welche er zu überwinden hatte, und da er rasch handeln mußte, so konnte er die günstigste Stelle für den Angriff nicht ermitteln. Er stürmte blind darauf los durch Wasser, Sumpf und lange Strecken Flugsand und seine Truppen waren eigentlich schon verbraucht, als sie vor den Schanzen anlangten. Trotzdem gelang es seiner Brigade Blair (Missourier) eine der Schanzen zu erstürmen, aber General Morgan unterstützte Blair nicht und so wurden die tapferen Leute wieder in den Sumpf zurückgeworfen. Viele ertranken, andere wurden von den feindlichen Scharfschützen und von der Artillerie niedergemacht. Sherman verlor (29. Dezember) 1800 Mann, davon die Hälfte Gefangene. Er sah sofort das Nutzlose eines weiteren Angriffes ein und zog ab nach Arkansas Post. Schwere Anklagen wurden gegen Sherman (namentlich von der Presse) erhoben, es kam zu Zwistigkeiten unter seinen Unterführern und ein wenig erfreulicher Geist herrschte bei den Truppen nach jener Niederlage. Das schon früher aufgetauchte Gerücht, Sherman sei verrückt geworden, erhob sich wieder. Erst als Grant einige Monate später den langen Kampf gegen Vicksburg aufnahm erkannte man, daß Sherman damals eine gar nicht zu lösende Aufgabe gestellt wor- den war.

Sherman mußte den Oberbefehl an Mc Clearnand (den früheren Kompagnon Lincolns) abgeben, bheb aber als Korpsführer bei der Armee, welche bald darauf Arkansas Post (in Arkansas) erstürmte und dabei 5000 Gefangene und 17 Kanonen nahm. Bei diesem Siege war der kürzlich aus Missouri berufene General Osterhaus sehr ehrenvoll beteiligt. Unter den Gefangenen befanden sich viele in den konföderierten Dienst gepreßte deutsche Texaner, welche sofort für die Union optierten und darauf dem Sternenbanner treu folgten. Sie hatten ja lange genug auf den Augenblick gewartet, um ihrer Pflicht als Bürger der Vereinigten Staaten genügen zu können. Und unter denjenigen, welche bei Prärie Grove und Arkansas Post die Konföderierten geschlagen hatten, trafen diese unionstreuen deutschen Texaner ja fast ebenso viele deutsche Landsleute, als anglo-amerikanische Kämpfer für die Union. Wir wollen nur die deutschen Generäle und Regimentsführer nennen, welche in diesen Schlachten gekämpft haben, das läßt schon genügend auf die

Vicksburg. 383

Landsmannschaft der von diesen geführten Truppen schHeßen. General Osterhaus kommandierte eine Division, d. h. drei Brigaden, ebenso Brigadegeneral Friedrich Salomon; desgleichen Oberst Adolph Engelmann. Oberst Ritter und Oberstleutnant Bertram befehligten je eine Brigade. Unter den Regimentskommandeuren finden wir Oberst Charles Salomon vom 9. reindeutschen Wisconsin- Regiment ; Oberst W. F. Geiger, Oberstleutnant R. A. Peter, Oberst Otto Schadt, Oberst F. M. Manter, Regimentsführer Hauptmann Bastian Benkler, Oberst Hugo Wangelin, der die alte Osterhaussche Brigade führte, Oberst F. Hassendeubel, Oberst William Mungen, Major Lothar Lippert, Major Gustav Eberhardt, Major Charles Stephani, Oberst Simon P, Ohr und endlich unseren un- vergeßlichen Dichter, den Wisconsiner Obersten, nachmaligen General Konrad Krez. Batterien kommandierten die Deutschen J. W. Rabb, Hermann Borris, Frank Backof, Joseph Foust, Louis Hoffmann, C. Landgräber und Gustav Stange. Das Thielemannsche Reiterbataillon befehligte Rittmeister Berthold Marschner. Einer dieser deutschen Führer sei noch besonders erwähnt : Oberst Hassen- deubel, einer der bedeutendsten Ingenieuroffiziere der Unions- armee. Er fiel etwas später vor Vicksburg.

Ende Januar 1863 versammelte General Grant ein großes Heer in der Umgebung von Vicksburg. Diese Stadt war schon von der Natur zu einer gewaltigen Festung geschaffen. Zwölf Meilen oberhalb bis sieben Meilen unterhalb derselben erhebt sich das linke Mississippi- ufer zu Steilhöhen von 200 bis 300 Fuß. Vicksburg liegt hoch über dem Strome. Der ganze Höhenzug war mit Batterien gespickt, die so hoch postiert waren, daß die schweren Geschütze der Strom- flotte nicht auf Treff weite gerichtet werden konnten. Viele tausend Neger hatten monatelang gearbeitet, um diese natürliche Festung durch Schanzwerke zu verstärken. Außerdem war Vicksburg durch den Wasserreichtum der Umgegend außerordentlich geschützt. Die Gegend ist nicht allein vom Mississippi durchströmt. Ein un- beschreibliches Gewirr von alten Flußbetten des Mississippi, von Nebenströmen (links der Yazoo- und der Big Black Fluß, rechts, aber beträchtlich südlich von Vicksburg, der mächtige Red River ; zahllose Sumpfgebiete, tiefe Bayous und Seen breiten sich hier aus. Diese Gegend ist nicht Land zu nennen, aber auch nicht Wasser.

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Es ist beides zugleich, Ströme und Sumpf, tiefe alte Strombetten wechseln beständig ab mit höher liegenden Gebieten, welche mit üppigen Plantagen bedeckt sind. Es fehlte an Dampf booten mit geringem Tief gange, man rannte beständig fest in diesen tückischen Gewässern, welche sich auf hunderte von Meilen im Umkreise aus- dehnten.

Drei Monate hat Grant hier mit dem Mississippi und den Sümpfen gekämpft. Dort, wo Vicksburg liegt, macht der große Strom eine merkwürdige Biegung nach Osten, welche eine meilenlange sandige Halbinsel darstellt. Wenn man diese i ^4 Meilen breite Halbinsel durchstechen würde, so könnte man einen Teil des Missis- sippi durch diesen Kanal zwingen und so Vicksburg umgehen so glaubten die Ingenieure. Viele tausend Soldaten gruben viele Wochen an diesem Durchstich, lebten fast wie die Amphibien, waren von Fieber durchschüttelt und die Zahl der Opfer war weit größer als eine große Feldschlacht fordern kann. Als der Kanal fast fertig war, trat Hochflut auf dem Strome ein und das ganze Werk wurde vernichtet. Gleichzeitig versuchte Grant auf dem rechten Stromufer durch das Gewirr von Seen, Bayous und Sümpfen einen neuen Wasserweg zu schaffen, der schließlich in den Red River münden, loo Meilen oberhalb Vicksburgs beginnen und noch viel weiter südhch an der Red River-Mündung den Mississippi wieder erreichen sollte. Auch auf der linken Stromseite wurde ein ähnlicher Wasserweg neben dem Mississippi gesucht. Die Ingenieure voll- führten Wunderwerke auf dem Gebiete der Wasserbauten, die Sol- daten wühlten in der schlammigen Erde mit Todesverachtung aber die Elemente waren mächtiger als der Mensch und seine Kraft. Vicksburg war auf dem Wasserwege nicht zu nehmen.

Am 4. April entschloß sich Grant zu einem neuen Plane. Die im Norden Vicksburgs bei Mühken Bend stehenden Truppen sollten auf dem rechten Stromufer südwärts marschieren, sich durch das über 60 Meilen lange Sumpfgebiet hindurcharbeiten, dann nach dem linken Mississippiufer übergesetzt werden, um darauf nordwärts marschierend in den Rücken von Vicksburg zu gelangen. Aber wie wollte man die Truppen übersetzen, wie sollten die dazu nötigen Transportdampfer an Vicksburg vorbeikommen, um die im Süden der Stadt anzutreffenden Heere aufzunehmen und überzusetzen? Wie, wenn die Soldaten in den Sümpfen des Durchmarschgebietes stecken blieben, wie, wenn sie Glück hatten und durchkamen, aber

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am Einschiffungsplatze keine Transportmittel zum Kreuzen des Mississippi vorfanden? Fast sämtliche Generäle Grants waren gegen diesen Plan. Manche erklärten denselben für verrückt und sogar Sherman, der treueste Schildknappe Grants, protestierte gegen die Ausführung. Aber Grant ließ sich nicht stören. Er wußte, daß er va banque spielte. Aber er wagte trotzdem den Einsatz. Wie er es fertig gebracht hat, seine Oberen in Washington über die Chancen des Gelingens hinwegzutäuschen kann hier leider nicht geschildert werden.

Der Marsch durch das Sumpfgebiet des rechten Ufers gelang nach Besiegung zahlloser Schwierigkeiten. Am 6. April setzten sich die Armeekorps von Mc Pherson und Mc Clearnand in Bewegung, am 29. April standen sie in Hard Times (welch passender Name) am rechten Stromufer, etwa 30 Meilen südlich von Vicksburg.

In der dunklen Nacht des 16. April dampfen drei Transport- schiffe, deren Verdecke man mit Baumwollballen ausgestopft hat, um sie einigermaßen zu schützen, begleitet von sieben Kanonen- booten, den Fluß hinab. Held Porter befehligt diese Flotte. Im Schutze der Zypressenwälder des rechten Stromufers schleichen die Schiffe lautlos dahin. Kein Licht brennt. Bald ist man vor Vicks- burg. Da aber blitzt es auf den Höhen auf. Ein furchtbarer Kugel- regen begrüßt die Flotte. Man kann sich nicht damit aufhalten, das Feuer zu erwidern. Nur Schnelligkeit und Glück kann die Flotte retten. Jedes Transportschiff schleppt eine Reihe von Barken nach, denn die Truppen müssen Proviant haben. Die Kanonenboote legen sich dicht an die Transportschiffe an, um als Kugelfänger zu dienen. Nur einer der großen Dampfer wird so schwer verwundet, daß er ruderlos den Strom hinabtreibt und bald in Flammen auf- geht. Aber die Kanonenboote nehmen den Schlepperdienst auf und die schwerbeladenen Barken werden gerettet Das Wagestück ist gelungen. Am 26. April wird es wiederholt und diesmal kann man fünf Transportdampfer mit den Barken sicher an Vicksburg vorbeiführen. Das Ganze war ein würdiges Seitenstück zu der Berennung der Mississippimündung durch Farragut. Das rücksichts- lose Draufgängertum Grants, welches seine spätere Kriegführung zeigt, hat hier einen glänzenden Triumph errungen.

Es folgte nun die Belagerung Vicksburgs von der Landseite aus. Grant, durch Sherman verstärkt, mußte von Hard Times noch weiter südwärts marschieren um gegenüber von Rodney einen

VV. Kaufmaua, Die Deutschen im amerikaa. Bürgerltrieg. 25

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sicheren Übergang zu finden. Dann zog das Unionsheer über Rodney und Bruinsburg nordösthch, ungefähr dem Laufe des Big Black- flusses folgend^). Es schob sich unter steten Kämpfen zwischen das nun in Vicksburg isolierte konföderierte Heer Pembertons (30 000 Mann) und das vom Osten her anrückende konföderierte Entsetzungsheer unter Befehl von General Joseph Johnston^) vor. Grant aber war stärker als beide seiner getrennt operierenden Gegner. Die Versuche Pembertons und Johnstons, Grant in die Mitte zu nehmen und ihn so zu zermalmen, scheiterten, zum Teil wohl infolge der mihtärischen Minderwertigkeit Pembertons, dessen Ausfälle aus Vicksburg mit wenig Geschick durchgeführt wurden und niemals den gleichzeitigen Vorstößen Johnstons angepaßt waren. Übrigens war Pemberton ungehorsam gegen seinen Chef Johnston. Letzterer hatte nach dem erfolgreichen Vordringen Grants eingesehen, daß Vicksburg doch nicht zu halten war. Er wollte die starke Garnison Vicksburgs für die Feldschlachten retten und befahl die Räumung des Platzes und Vereinigung von Pembertons 30 000 Mann mit Johnston, ehe sich Grant zwischen beide schieben konnte. Aber Pemberton gehorchte nicht rechtzeitig^). Am 16. Mai schlug sich

1) Während dieser Tage war Grant ohne telegraphische Verbindung mit Washington. Sowohl Deming, wie Badeau heben hervor, wie wohltuend es von Grant empfunden wurde, auf kurze Zeit der Halleckschen Vormund- schaft entbehren zu können.

2) Dieser Jos. E. Johnston ist nicht zu verwechseln mit dem konföderierten General S i d n e y A. Johnston, der am 6. März 1862 bei Shiloh gefallen war. Joseph Johnston war der erste Obergeneral der Konföderation, also der Vor- gänger Lees gewesen. In einer der siebentägigen Schlachten um Richmond (gegen Mc Clellan) war Joseph Johnston schwer verwundet worden und Lee trat an seine Stelle. Erst ein Jahr später wurde Joseph Johnston wieder dienst- fähig. Die stärksten konföderierten Feldheere im Westen wurden aller- dings im Jahre 1863 von Bragg, dem Günstling des Jefferson Davis, geführt. Wir begegnen Joseph Johnston erst im Jahre 1864 wieder, als äußerst tüchtigen Gegner Shermans auf dessen Feldzuge von Chattanooga nach Atlanta. In der Zwischenzeit hatte Joseph Johnston weniger wichtige Kommandos.

3) Kurz nach der Kapitulation von Vicksburg wurde Pemberton von einem sezessionistischen Heißsporne als »Verräter« erschossen. Pemberton war gewiß kein Verräter, er war aber ungeeignet für den wichtigen Posten. Zu seiner Entschuldigung kann man sagen, daß er wohl zu sehr von der Un- einnehmbarkeit seiner Festung überzeugt war und durch Verteidigung der- selben für sich selbst Ruhm und Ehre einzuheimsen hoffte.

Vicksburg. 387

Grant bei Champion Hills gleichzeitig gegen Johnston und die Ausfallstruppen Pembertons. Er jagte Pemberton in die Festung zurück, und danach bheb Johnston nur das Abbrechen des Ge- fechtes übrig.

Die Schlacht von Champions Hill hat über Vicks- burgs Schicksal schon entschieden. Johnston allein konnte gegen Grant nichts mehr ausrichten und Pemberton hatte eine derartige Schlappe erlitten, daß jeder weitere Ausfall unterbleiben mußte^).

An den Unionswerken vor Vicksburg war schon vor jener Schlacht beträchtlich gearbeitet worden. Aber diese Vorarbeiten waren noch längst nicht weit genug vorgeschritten, als Grant am 22. Mai einen allgemeinen Sturm auf Vicksburg befahl. Dieser Angriff scheint ungenügend vorbereitet gewesen zu sein^). AUer-

1) In den vielen Kämpfen, welche mit der Gewinnung des Gebietes östlich von Vicksburg verknüpft waren, hat sich der deutsche General O s t e r - haus besonders ausgezeichnet. Grant hatte ihn im Januar 1863 von Missouri herbeigerufen. Osterhaus wurde Di visionär im Korps des Pohtiker- Generals Mc Clearnand, einem eitlen, stets gegen Grant intrigierenden Offizier, der je- doch bei seinem J ugendfreunde Lincoln sehr gut angeschrieben war. Mc Clear- nand war nur ein gewandter Schönredner, er bildete sich ein, daß er die geistige Potenz (furnisher of brains to the army) der Grantschen Armee sei. Aber er machte eine Dummheit nach der andern. Unter einem solchen Chef zu dienen und sich dabei oft auszuzeichnen, war für Osterhaus eine sehr schwere Aufgabe. Besonders in den Kämpfen am Big Black-Flusse, wo Osterhaus verwundet wurde, hat sich dieser deutsche General glänzend bewährt.

2) Oberst v. WangeHn vom 12. Missouri-Regiment beschreibt diesen fürchterhchen Sturm. Die alte Osterhaussche Brigade, Missouri-Regiment 3, 12 und 17, war hier mit Jowa-Regimentern 9, 25 und 31 zusammen. Wangeün kritisiert die ungenügenden Vorbereitungen zu diesem Angriffe. Die Truppen mußten erst drei Meilen bergauf und bergab marschieren, ehe sie in Position gelangten. Dann hatten sie dreimal Stellen zu durchlaufen, wo sie dem feind- lichen Feuer schutzlos preisgegeben waren. Wangelin meint, daß man während der Nacht ohne jeden Verlust alle diese Strecken hätte durchschreiten können, um dann bei Morgengrauen den Hauptangriff auf die eigentlichen Befestigungen zu wagen. Der Erfolg wäre ein ganz anderer gewesen, wenn man den marschmüden Truppen nicht zunächst das Durchlaufen von drei Blockaden zugemutet und vor allem nicht dem Feinde Gelegenheit gegeben hätte, fast jeden Mann zu zählen, der bei diesem Anstürme am hellen Tage eingesetzt wurde. So konnte sich der Feind vortrefflich einrichten, während er am Früh- morgen überrascht und von einer völlig frischen Truppe angegriffen worden wäre. Mit 350 Mann zog das deutsche 12. Missouri-Regiment aus, davon

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dings gelang es einzelnen Abteilungen der Sturmkolonnen, die feindlichen Wälle zu erreichen, aber sie konnten sich dort nicht behaupten. Die Divisionen Osterhaus und Hovey von Mc Clearnands Korps gelangten mit ihren Vortruppen bis auf 400 Yards von den letzten Schanzen des Feindes. Daraus schloß Mc Clearnand, daß seine Truppen zwei der feindlichen Forts erobert hätten. Er meldete das an Grant und dadurch ließ sich Grant verleiten, die vorher abgeschlagenen Truppen der übrigen Korps zu einem erneuten Angriffe vorzuschicken. Sie wurden zurückgeschmettert. Der schreckliche Tag kostete der Union 2500 Tote und Verwundete, der ganze Kampf um Vicksburg über 10 000 Mann, abgesehen von den Tausenden, welche den Seuchen zum Opfer gefallen sind.

Als Grant den Sturm anordnete, war er ungenügend berichtet über die Stärke der in seinem Rücken heranziehenden Armee Joseph Johnstons. Er fürchtete noch immer für seine Stellung zwischen zwei Feuern. Konnte Vicksburg am 22. Mai genommen werden, so hatte Grant die Gelegenheit, sich sofort auf Johnston zu stürzen und diesen zu vernichten. Des Ferneren sagt Grant: »Meine Truppen waren selbst der Meinung, daß sie Vicksburg damals nehmen könnten und sie würden, wenn der Sturm nicht stattgefunden hätte, nicht mit dem gleichen Eifer in den Schanzwerken gearbeitet haben, welchen sie nach dem Fehlschlagen des Sturmes entwickelten.« Eine lahmere Entschuldigung eines mißglückten Wagestücks wird man in der Kriegsgeschichte doch wohl nicht so bald wiederfinden. Grant hat sich doch sonst niemals um die unter seinen Soldaten herrschende Meinung gekümmert! Übrigens hat Grant in seinen Memoiren bedauert, diesen Sturm, sowie den Angriff auf Cold Harbor in Virginien (Juni 1864) unternommen zu haben.

Vicksburg wurde nun völlig eingeschlossen. Von Johnston, dessen Eingreifen Grant so sehr befürchtet hatte, spürte man nichts mehr und am 4. Juli 1863 kapitulierte Pemberton an Grant, wesent- lich durch den Hunger bezwungen. Von den 27 000 Gefangenen, welche Grant machte, waren nur 15 000 Mann noch diensttauglich. Grant mußte die Gefangenen parolieren, was zur Folge hatte, daß alle noch Kampffähigen unter ihnen sofort wieder in das konföderierte Heer gesteckt wurden.

wurden 113 getötet oder verwundet. Nur Jowa-Regiment 9 hatte stärkere Verluste. Beim Sturme auf Vicksburg hat sich auch das deutsche 37. Ohio- Regiment besonders ausgezeichnet und sehr starke Verluste erlitten.

Vicksburg. 389

Am 8. Juli fiel die letzte Stromfeste, Port Hudson^), und damit war der Mississippi endlich auf seinem ganzen Laufe in den Händen der Union.

Am 4. Juli schlug der deutsche General Friedrich Salomon einen Angriff von 12 000 Konföderierten auf das Fort Helena in Arkansas in glänzender Weise ab^).

Unmittelbar nach der Einnahme von Vicksburg zog Shermans Korps gegen Johnston, schlug diesen und nahm Jackson, die Staats- hauptstadt von Mississippi, weg.

Unter den Gratulanten Grants befand sich diesmal auch Herr Halleck. Aber auf Grants neue Pläne, das starke Vicksburger Heer zusammenzuhalten und sofort mitten durch den Süden nach Mobile zu führen, ging Halleck nicht ein. Im Gegenteil, Halleck tat genau dasselbe, was er nach der Einnahme von Corinth getan hatte. Er verzettelte das Heer auf der weiten Strecke zwischen Arkansas und

^) Diese Eroberung bildet einen Teil des Red River-Feldzuges, welcher nicht im Bereiche unserer Aufgabe liegt.

2) In der englisch geschriebenen Kriegsgeschichte gilt freilich der General Prentiß als Sieger von Helena. Prentiß (gefangen bei Shiloh, aber später aus- gewechselt) war ein alter Freund Lincolns. Er war Salomons Vorgesetzter. Während des Kampfes um Helena saß Prentiß weit vom Schuß auf einem Kanonenboote auf dem Mississippi und sah von weitem zu, wie Salomon die Feinde in heldenhaftem Kampfe zurückwarf. (Kon föderierte Verluste 1200 Tote und Verwundete, Salomons Verlust 143 Tote und Verwundete.) Als die Feinde verjagt waren, meldete sich Herr Prentiß und reklamierte den Sieg für sich. Sämtliche Offiziere, welche an dem Kampfe beteiligt waren, unterzeichneten ein Schriftstück, in welchem sie erklärten, daß Salomon (der auch das Fort gebaut hatte) die Schlacht selbständig geführt habe. Aber Grant ließ dies Schriftstück nicht an Lincoln gelangen. Grant hegte einen alten Haß gegen die Brüder Salomon. Vor dem Bürgerkriege kandidierte Grant (damals ein ganz unbekannter Mann) für das Amt des County-Landvermessers in St. Louis. Eberhard Salomon (Bruder von Friedrich) war sein Gegner und dieser wurde gewählt. Grant hat es niemals verschmerzt, daß er damals von einem Deutschen geschlagen wurde. Noch in seiner als Ex-Präsident von ihm diktierten Lebens- geschichte, spricht Grant von jener politischen Niederlage aus seiner Jugend- zeit. — Vielleicht hat Grant den Sieger von Helena mit Eberhard Salomon verwechselt und deshalb den Protest von Friedrich Salomons Offizieren in den Papierkorb wandern lassen.

390 W. Kaufmann.

Chattanooga und schickte Grant zur Unterstützung des am Red River operierenden General Banks aus. Dieser Feldzug hatte einen bisher sehr unglücklichen Verlauf genommen. Es war eine abenteuer- liche Expedition, welche sich zum Teil auch gegen das Auftreten Napoleons II I. in Mexiko richten sollte. Wenn das eigene Haus lichterloh brennt, so schickt man doch nicht Löschmannschaften fort, um Brände in anderen Ländern beobachten zu lassen ! Auch der Red River-Zug war dem Hirn des Herrn Halleck entsprossen. Grant hat übrigens wenig Teil daran genommen. Er wurde vom Pferde ge- worfen und lag wochenlang darnieder. Dann gab die schreckhche Niederlage von Rosecrans bei Chickamauga, i8. bis 21. September, dem Kriege im Westen eine ganz neue Wendung, und Grant wurde zu Rosecrans Nachfolger ernannt.

Die großen Sdiladiten von Chickamauga, Lookout Mountain und Missionary Ridge.

Rosecrans bei Chickamauga. Osterhaus am Lookout Mountain. Willich

bei Missionary Ridge. Steinwehr und Schurz bei Wauhatchie.

(Siehe Fig. 4.)

Die feindlichen Heere, welche um die Jahreswende die Schlacht am Stone River geschlagen hatten, lagen sich bis Ende Juni 1863 fast sechs Monate in Zentral-Tennessee gegenüber, Rosecrans in Murfreesboro, Bragg verschanzt in Shelbyville, seinem Gegner den Weg nach Chattanooga versperrend. Rosecrans hätte jedoch auch ohne dieses Hindernis nicht vorrücken können. Er mußte für seine Verbindungen, namentlich für die Verpflegung seines Heeres Sorge tragen. Die flinken Reiterscharen Morgans, Forrests und van Dorns umschwärmten seine Stellung, durchstreiften das ganze Land, zerstörten Brücken und Eisenbahnen. Rosecrans mußte beständig reparieren, und kaum hatte er eine Bahnstrecke wieder fahrbar ge- macht, so verwüsteten die Freibeuter das mühsam vollendete Werk wieder. Er stand isoliert im Feindeslande und konnte sich wegen Mangel an Reiterei nicht regen. Sein Gegner Bragg aber schickte viele seiner Infanteriebrigaden den damals in Vicksburg von Grant

Die großen Schlachten von Chickamauga, Lookout Mountain etc. 391

bedrängten Kameraden Pemberton und Johnston zu. Bragg brauchte seine Fußtruppen ja nicht, so lange seine Reiter die Cumberland- Armee in Schach hielten^) . Rosecrans telegraphierte nach Washing- ton: »Schickt mir Kavallerie, um die Freibeuter zu bekämpfen«, aber er erhielt weder Roß noch Reisige. Herr Halleck, welcher im April 1863 über 12 000 Reiter für den vollständig verpfuschten Feldzug Hookers nach Chancellorsville auftreiben konnte, blieb den Bitten von Rosecrans gegenüber völlig abweisend. Auch Rose- crans hatte sich den Haß des Obergenerals zugezogen^).

Rosecrans ist viel geschmäht worden wegen seiner »Untätig- keit « im Frühling 1863. Aber diese Untätigkeit war ihm aufgezwungen worden. Den dafür Verantwortlichen suche man in Washington.

Schlacht am Chickamauga. Nachdem die Union den ganzen Stromlauf des Mississippi in ihre Gewalt gebracht hatte,

1) Vicksburg hätte weit früher und mit viel geringeren Opfern erobert werden können, wenn die starke und tüchtige Rosecranssche Armee dabei hätte mitwirken können, wenn auch nur insofern, als sie verhindert hätte, daß Johnston und Pemberton von Bragg Verstärkungen erhielten. Der Haupt- teil, der zum Entsätze von Vicksburg bestimmten Johnstonschen Armee bestand aus Truppen, welche Braggs Heere entnommen waren. Aber so lange Rosecrans keine Reiterei hatte, konnte er nicht gegen Bragg resp. Johnston auftreten, weil seine Verbindungen beständig von den feindlichen Reiter- scharen gestört und unterbrochen wurden. So wurde durch den Eigensinn Hallecks, welcher Rosecrans jede Verstärkung durch Kavallerie verweigerte, auch die Operation gegen Vicksburg stark behindert und Rosecrans zum Stilleliegen gezwungen.

2) Am I.März 1863 war die Stelle eines Generalmajors in der regu- lären Armee frei geworden. Sofort schrieb Halleck an Grant und an Rose- crans gleichlautende Briefe, in welchen er demjenigen der beiden jenen Posten als Belohnung versprach, der zuerst einen entscheidenden Sieg erkämpfen würde. Das klingt fast, wie wenn man Schulbuben Belohnungen zusichert, wenn sie gute Zensuren nach Hause bringen. Grant legte den Brief zu den Akten und beantwortete ihn gar nicht, Rosecrans aber schrieb am 6. März an Halleck, »daß er sich als Offizier und als Bürger tief verletzt fühle durch ein derartiges Ausbieten von Ehrenstellen. »Ist unter uns ein General, der für seinen persönlichen Vorteil kämpft und nicht für die Ehre seines Landes ? Ein solcher Offizier würde sich nur die Verachtung aller Ehrenmänner zuziehen.« Dieser Brief hat bei der späteren Absetzung von Rosecrans wahrscheinlich mehr gewogen als die Niederlage von Chickamauga. (Siehe den Brief bei eist, Army of the Curaberland, S. 150.)

392 W. Kaufmann.

ergab sich die Notwendigkeit, das östliche Tennessee zu erobern und besonders die strategisch wichtige Stadt Chattanooga zu be- setzen. Diese Stadt beherrscht die Zugänge nach den Staaten Alabama und Georgia. Auch sichert Chattanooga gegen Einfälle von Nord-Carolina her. Die Stadt ist die erste Station bei der Umklammerung Richmonds vom Westen aus. Von hier aus nimmt im nächsten Jahre Shermans ]\Iarsch durch Georgia seinen Anfang.

Nach den gleichzeitigen Union ssiegen von Vicksburg und Gettysburg wurden im Westen sowohl als bei der Potomac-Armee Truppen frei, um bei einem Feldzuge gegen Chattanooga verwendet werden zu können. Es begann im Spätsommer 1863 eine allgemeine Vorwärtsbewegung der Unionsheere nach Ost-Tennessee. Von der Potomac-Armee rückten 20 000 Mann unter Burnside auf Knoxville los und Hooker^) sollte mit dem 11. und 12. Armeekorps zu Rose- crans bei Chattanooga^) stoßen. Aber esdauerte verhängnisvoll lange, bis diese Verstärkungen eintrafen. Auch die von Grants Armee vorgeschickten Hilfstruppen trafen viel zu spät ein. Shermans Korps mußte 400 Meilen zu Wasser transportiert werden, sodann 400 Meilen quer durch Tennessee marschieren, beständig von den Freibeutern belästigt, welche Shermans Verbindungen durchbrachen, alle Brücken zerstörten usw.

Die Konföderierten waren weit rascher mit ihren Verstär- kungen zur Stelle. Bei der schläfrigen Verfolgung, welche Meade nach seinem Gettysburger Siege betrieb, konnte Lee leicht ein starkes Armeekorps in Virginien entbehren. So ließ er 20 000 Veteranen unter Longstreet zu Bragg stoßen und diese Elitetruppen sind die eigentlichen Sieger bei Chickamauga gewesen.

1) Hooker war der Urheber der Schande von Chancellorsville, Biirnside hatte bei Fredericksburg Tausende von tapferen blauen Jungen auf die Schlacht- bank geschleppt. Herr Halleck schickte gerade die beiden unfähigsten unter seinen höheren Offizieren nach dem Westen.

2) Freilich wäre es wohl besser gewesen, nach Eroberung von Vicksburg das ganze Grantsche Heer sofort nach Chattanooga zu schicken, aber Herrn Hallecks Demonstrationsfeldzug am Red River, im fernen Südwesten, be- anspruchte ja einen Teil der Grantschen Kräfte. Man könnte hier ein- wenden, daß der von Grant damals geplante Zug nach Mobile diese und andere Kräfte ebenfalls verbraucht haben würde. Jedoch wäre durch Verfolgung des Grantschen Projekts ein sehr starker Teil der konföderierten Armee ver- hindert worden, bei Chickamauga und Chattanooga mitzuwirken.

Die großen Schlachten von Chickamauga, Lookout Mountain etc. 395

Das föderale Hauptheer gegen Chattanooga war die nach und nach auf 60 000 Mann gebrachte Cumberland- Armee unter Rosecrans. Am 23. Juni rückte sie von Murfreesboro südöstHch vor, zwang Bragg, seine befestigten Stellungen zu verlassen und hatte Ende August das feindliche Heer nach Chattanooga hineingedrängt. Rosecrans stand jetzt vor der Wahl, dem Feinde nachzurücken und die Stadt zu belagern, oder ihn von Süden aus zu umgehen, und damit, durch Bedrohung von Braggs Rücken, den Gegner aus der Stadt herauszulocken und ihn zur Feldschlacht zu zwingen. Rosecrans entschloß sich zu diesem zweiten Plane^), obschon der- selbe ebenfalls große und damals ganz unberechenbare Schwierig- keiten darbot. Man mußte zunächst die Vorberge des wilden Cumber- landgebirges durchbrechen, sodann den Tennesseefluß kreuzen und darauf die Ketten des Raccoon-, des Lookout- und ?vIissionary- gebirges überschreiten, um durch die Pässe des letzteren in das Tal des Chickamauga flusses (südöstlich von Chattanooga) zu gelangen. Dieser Umgehungsmarsch ist vielleicht die kühnste und gefahrvollste Unternehmung der Unionstruppen im ganzen Kriege gewesen. Rosecrans mußte für diesen Gebirgsmarsch seine Armee teilen und die einzelnen Korps auf verschiedenen Wegen vorrücken lassen^).

Übrigens hat Rosecrans seinen Gegner geschickt getäuscht. Bragg erwartete den Feind in nördlicher Marschrichtung auf Chatta- nooga und hielt die Rosecranssche Abschwenkung nach dem Süden für ganz ausgeschlossen. Außerdem wußte der deutschamerikanische General Wagner, welcher mit 2800 Mann direkt gegen Chattanooga vorgeschickt war, seine kleine Abteilung so geschickt zu verteilen, daß Bragg in Wagners Truppen die Spitzen der Rosecransschen Armee zu sehen glaubte. Erst nach längerer Zeit erkannte Bragg

^) Rosecrans hielt die Schwierigkeiten einer Belagerung (wohl mit Recht) für noch größer. Westlich von Chattanooga liegt die sog. WalHngs Ridge, ein ödes und ganz wildes Felsengebirge, das für große Proviantzüge fast un- passierbar war. Er wagte es nicht, seine 60 000 Mann der Gefahr preiszugeben, zwischen der feindlichen Festung und jenem Gebirge ausgehungert zu werden.

2) Auf diesen Märschen hat sich namenthch die Brigade des deutschen Generals Willich glänzend ausgezeichnet dvirch Eroberung der Pässe Liberty und Hoovers in den Südappalachen. Das nach preußischen Trompetensignalen vorgehende 32. Indiana-Regiment erregte hier allgemeines Staunen der anglo- amerikanischen Offiziere.

394

W. Kaufmann.

die Absichten des Gegners. Bragg räumte nun Chattanooga (wie er vermeinte nur zeitweilig) und zog in das Tal des w^estlichen Armes des Chickamaugaflusses, um von dort aus die vom Gebirge nieder- steigenden Rosecransschen Korps einzeln abzufangen. General Wagner aber warf sich mit seiner Brigade sofort in die verlassene

Stadt. So flatterte das Ster- nenbanner schon anfangs Sep- tember über Chattanooga, aber Wagner hätte den Platz nicht ohne starke Hilfe halten kön- nen. Bragg ist scharf dafür getadelt worden, daß er die Stadt räumte. Er meinte aber, er hätte zwei Divisionen als Besatzung dort lassen müssen, wenn er den Platz behaupten wollte, und diese beiden Divi- sionen wollte er für die bevor- stehende Hauptschlacht nicht entbehren.

Es ist Rosecrans gelungen, sein Heer glücklich über die Berge zu bringen und dann in das Tal des Chickamauga- flusses ohne besondere Be- lästigung zu gelangen. Von dort aus glaubte er rasch über Roßvüle nach Chatta- nooga vordringen zu können, ehe sein Gegner sich konzentriert hatte. Er mußte jedoch mehrere Tage warten, bis sein viel zu weit nach Süden vorgestoßenes Korps Mc Cook bei ihm eintreffen konnte. Bragg aber benutzte diese Pause, um sich mit seinen 70 000 Mann dem Gegner vorzulegen und demselben die Ent- scheidungsschlacht in einem von Bragg gewählten Terrain auf- zunötigen. So entwickelte sich die Schlacht von Chicka- m a u g a , die furchtbarste Schlacht des Westens, 18. bis 21. Sep- tember 1863. Das Gelände des Schlachtfeldes war der Ver- wendung der Hauptwaffe des Nordens, der Artillerie, sehr ungünstig. Es war eine stark bewaldete, nur von wenigen

^ Schlachtfeld von Chickamauga.

Fig. 30. Chickamauga und Umgegend,

Die großen Schlachten von Chickamauga, Lookout Mountain etc. 395

Baumwollfeldern durchsetzte Ebene, aus welcher sich einzelne Hügel erhoben.

Rosecrans war mit der Konzentration seines Heeres noch längst nicht fertig, als der Feind zum Angriffe schritt. Hätte Rosecrans nur noch einen Tag Zeit gehabt, so konnte er auf dem von ihm be- herrschten Passe über Roßville unbehelligt nach Chattanooga ab- ziehen. So mußte sich der nördliche Feldherr unter den ungünstigsten Umständen den Durchmarsch erzwingen. Rosecrans brachte höch- stens 55 000 Mann ins Feuer gegen 70 000 Feinde. Das nördliche Heer war noch außerordenthch weit auseinander gezogen. Zum Unglück wurde in diese noch längst nicht geschlossene Stellung am zweiten Schlachttage eine breite Lücke gerissen infolge eines Stellungswechsels der Division Wood, welche allerdings von Rose- crans im Verkennen der zeitweiligen Schlachtlage befohlen worden war. In diese Lücke stürzten sich die Elitetruppen Longstreets, warfen trotz energischer Gegenwehr (hierbei verblutete sich die wesentlich deutsche Brigade des Obersten Laibold) alle Gegenangriffe zurück und rollten dann den ganzen rechten Flügel des Nordheeres auf. Vierzig Geschütze gingen dabei verloren und tausende von Gefangenen. Was übrig blieb, suchte sich in wilder Flucht nach Chattanooga zu retten.

Rosecrans befand sich zur Zeit dieser Katastrophe auf dem rechten Flügel. Er wurde in die Panik verwickelt und mit fort- gerissen. Er fürchtete, daß das ganze Heer vernichtet werden würde. Das konföderierte Korps Longstreet stand zwischen den Unions- truppen von Rosecrans und Thomas. Mit den paar tausend demo- rahsierten Soldaten, welche Rosecrans noch bei sich hatte, konnte er sich nicht zu Thomas durchschlagen. So büeb ihm gar nichts anderes übrig, als nach Chattanooga zu reiten, dort die Flüchtlinge zu sammeln' und dieses Asyl offen zu halten, im Falle Thomas ebenfalls eine schwere Niederlage erleiden sollte. Auch für die lückenhafte Aufstellung seines Heeres ist Rosecrans nicht verantwortüch zu machen, sondern dessen Korpsführer Mc Cook, der, wie schon ge- sagt, zu weit nach Süden abgeschwenkt war und deshalb zu spät eintraft). Bezüglich Rosecrans ist noch zu erwähnen, daß er (mit

1) Das ist derselbe Alexander Mc Dowell Mc Cook (Bruder des ersten Obersten des 9. deutschen Ohio- Regiments), welcher Rosecrans in der Schlacht von Stone River in eine so schlimme Lage gebracht hatte und welcher während

396 W. Kaufmann.

Unrecht) als demokratischer Präsidentschaftskandidat (gegen Lin- coln im Jahre 1864) genannt wurde, sowie, daß sein Bruder katholi- scher Bischof war. Das alles zählte mit, um im Verein mit der Gegnerschaft Hallecks diesen verdienten General, dessen Kriegs- taten, verglichen mit dem Wirken der Pope, Bumside und Hooker als wirkliche Großtaten erscheinen, zu stürzen. Die spätere Ge- schichtsschreibung hat Rosecrans weit mehr Gerechtigkeit wider- fahren lassen, als es die Zeitgenossen getan haben. Einer seiner Division äre, Sheridan, sagt von Rosecrans: »Die Cumberland- armee bewunderte und liebte ihren Führer trotz des furchtbaren Tadels, welcher seitens der Presse und des Washingtoner Haupt- quartiers nach der Schlacht von Chickamauga gegen denselben erhoben wurde.«

Der Held von Chickamauga ist General Thomas. Garfield (der spätere Präsident, damals Stabschef bei Rosecrans) meldete ihm, daß der übrige Teil der Armee so gut wie vernichtet sei, daß also Thomas 25 000 Mann sich allein gegen eine mehr als doppelte Übermacht durchzuschlagen hätten. Thomas zog seine Truppen zusammen, nahm auf dem Hügel Horseshoe Ridge Stellung und kämpfte dort, trotzdem bald Munitionsmangel eintrat, während des ganzen 20. September. Alle Angriffe wurden kaltblütig zurück- geschlagen, und während der Nacht konnte Thomas den nicht stark belästigten Rückzug über Roßville nach Chattanooga antreten. Den Rückzug deckte die Brigade W i 1 1 i c h , welche dabei noch fünf feindliche Geschütze nahm. Willichs Führung auf diesem Rückzuge fand allgemeine Bewunderung. Sein deutsches 32. Indiana- Regiment hat sich hierbei und auch bei dem Kampfe um Horseshoe Ridge mit großem Ruhm bedeckt. Die schönsten Lor- beeren aber hat das deutsche Turner- Regiment von Cincinnati, das 9. Ohio, gepflückt. Es ist dieses das einzige Regiment, welches der lobkarge Thomas in seinem Schlachtbericht besonders rühmend erwähnt^).

Die Verluste des Nordheeres betrugen 15 853 Mann und 60 Ge- schütze, der Verlust der Gegner war wohl etwas unter 12 000 Mann.

der Schlacht von Perryville seinen damaligen Chef ßuell keine Berichte über den Überfall des Mc Cookschen Korps durch Bragg schickte, so daß Buell dem Mc Cook keine Verstärkungen zusenden konnte. Mc Cook wurde nach der Schlacht von Chickamauga abgesetzt. 1) Siehe Anhang, Artikel 8.

Die großen Schlachten von Chickamauga, Lookout Mountain etc. 397

Die Konföderierten feiern Chickamauga als ihren glänzendsten Sieg im Westen. Jedoch erreichte Rosecrans den Zweck seines Unternehmens, die Behauptung von Chattanooga.

Chattanooga wurde nun von Bragg belagert, und das brachte dem Nordheere entsetzliche Entbehrungen, denn Bragg hatte es verstanden, die Stadt völlig zu isolieren.

Die Absetzung des Generals Rosecrans erfolgte bald darauf. Sein Nachfolger wurde zunächst Thomas, dann General G r a n t , der am 23. Oktober in Chattanooga eintraf. Mit einem Schlage wurde es nun dort besser. Verstärkungen trafen ein, die Bahn nach Nashville war wieder im Betriebe, über hundert Dampfer schleppten vom Norden Proviant, Munition und Truppen herbei. So kam Grant mit vollen Händen und es wurde ihm nicht schwer, Ordnung zu schaffen. Seine frischen Truppen vom 11. und 12. Korps konnten sich am linken Tennesseeufer festsetzen und von dort aus die Provian- tierung der in Chattanooga darbenden Cumberlandarmee ermög- lichen. Aber der Feind ließ nicht auf sich warten. In der Nacht des 28. Oktober stürzten sich Longstreets konföderierte Veteranen auf die bei Wauhatchie (unterhalb von Chattanooga) lagernde Division Geary. Diese wehrte sich tapfer, aber bei der Überraschung in stockfinsterer Nacht war sie in großer Gefahr, in den Tennessee- fluß geworfen zu werden. Die in der Nähe lagernden Truppen von Schurz und Steinwehr eilten zur Hilfe herbei, und denen gelang es, Longstreet zu vertreiben^).

^) Dia Division von Steinwehr hat sich bei diesem Kaniptc besonders ausgezeichnet. Dazu sagt Deming, der Biograph Grants, S. 305: Der »Bajonett- angriff der Howardschen { Stein wehrschen) Truppen, welcher einen steilen und schwierigen Hügel hinaufführte (Höhe 200 Fuß) und wodurch der Feind aus seinen Barrikaden auf dem Gipfel vollständig geworfen wurde, gehört zu den glänzendsten Bravourstücken des Nordheeres im ganzen Bürgerkriege.« Dieses war Stein wehrs beste Tat als Truppenführer. Er hatte früher fast nur im Generalstabe gewirkt. Auch die Division Schurz hatte bei diesem Nacht- kanipfe ein besonderes Glück. Ihre Maulesel waren infolge des Schlachten- lärmes scheu geworden und lannten nun, mehrere hundert Tiere eng zusammen- geschlossen, bhnd darauf los. Sie stürzten mitten in den anmarschierenden Feind hinein, so daß dieser zuerst einen Reiterangriff vermutete. in seinem Berichte über dieses Gefecht hatte General Hooker den Brigadier Friedrich Hecker schwer getadelt, weil letzterer anstatt vorzurücken, an einer bestimmten Stelle stehengeblieben war. Hecker führte eine Brigade in Schurzens Division.

398 W. Kaufmann.

Infolge d(;s Sieges von Wauhatchie wurde die Zufahrtsstraße nach Chattanooga völHg frei und die halbverhungerten Soldaten des Korps Thomas konnten nun endlich genügend verpflegt werden.

Ein ganzer Monat mußte noch verstreichen, ehe Grant ge- nügend Verstärkungen versammeln konnte, um gegen die befestigten Höhen um Chattanooga vorzustoßen. Während dieser Pause wurde die Aufmerksamkeit völlig von der Bedrängnis des gegen Knox- ville vorgeschickten Unionskorps Burnside in Anspruch genommen. Knoxville liegt 75 Meilen nördlich von Chattanooga im Ouellge- biete des Tennesseeflusses. In der Nähe steigen die Great Smokey Mountains, die höchste Erhebung der Alleghenies, bis zu 7000 Fuß hoch auf. In diesem Teile von Tennessee hatte nie Sklaverei ge- herrscht. Das Landvolk jener Gegend befand sich auf einer sehr niederen Kulturstufe, aber es war freiheitsliebend und unionstreu. Es hatte stark zu leiden unter den Konskriptionsgesetzen der Kon- föderation, wenn auch längst nicht in dem Maße, wie die unions- treuen Deutschen von Texas. Aber der Notschrei aus Ost-Tennessee fand in Washington leichter Gehör. Die Expedition Burnsides ist wesentlich auf Lincolns weiches Herz zurückzuführen. Er wollte den Treuen in Tennessee die alte Flagge zeigen und ihnen beweisen, daß die Union sie nicht vergessen habe. Aber in militärischer Be- ziehung war diese Expedition eine Torheit. Burnside war zu schwach zu einem Offensivstoße gegen Chattanooga. Hätte man recht- zeitig das II. und 12. Korps der Potomacarmee den Truppen unter Burnside zugefügt und vor allem einen tüchtigen Soldaten, etwa

Jener Tadel Hookers war eigentlich gegen Schurz gerichtet. Hooker wollte sich an Schurz reiben, weil letzterer mit Recht so scharf gegen Hookers Nach- lässigkeit am 2. Mai bei Chancellorsville aufgetreten war. Aber Schurz sprang für Hecker ein, verlangte eine Untersuchung und wies darin nach, daß Hecker auf besonderen Befehl des Oberkommandierenden nicht weitergerückt war. Schurz und Hecker wurden glänzend gerechtfertigt und Hooker war der Bla- mierte. Auch konnte Schurz vor dem Kriegsgerichte den Nachweis führen, daß es Herr Hooker mit der Wahrheit nicht sehr genau nahm, wenn es galt,^ einem Kameraden ein Bein zu stellen. Bei einem späteren Versuche Hookers,^ sich durch falsche Angaben zu entschuldigen (nach der Schlacht am Kenesaw- Berge in Georgia), stieß Hooker in ähnlicher Weise mit Sherman zusammen. Der aber besaß die Macht, den Herrn Hooker nicht nur zu entlarven, sondern ihn auch zu bestrafen. Hooker wurde von Sherman daraufhin abgesetzt (Sommer 1864).

Die großen Schlachten von Chickamauga, Lookout Mountain etc. 399

Hancock, als Führer eines derartig vereinten Heeres von etwa 35 000 Mann nach Knoxville geschickt, um von dort aus Rose- crans die Hand zu reichen, so wäre die Schlacht von Chickamauga wahrscheinlich nicht geschlagen worden und die ganze Chattanooga- Kampagne hätte wohl einen weit rascheren und günstigeren Aus- gang genommen. Auch den Treuen in Tennessee wäre dadurch weit mehr geholfen worden.

Jefferson Davis besuchte Ende Oktober das Hauptquartier Braggs. Er sah, daß die Truppen vorläufig nichts zu tun haben würden und befahl über die Köpfe seiner Generale hinweg, daß das Korps Longstreet rasch nach Knoxvüle marschieren solle, um Bumside abzufangen^). Wenn man in Betracht zieht, daß Bumside auf Lincolns Wunsch nach Knoxville geschickt wurde und Long- street auf Jefferson Davis Befehl ebenfalls dorthin ging, so erscheint die Knoxviller Episode als eine Art Duell der beiden Präsidenten. War Lincolns Vorgehen in dieser Sache schon eine Torheit, so war es der von Jefferson Davis erlassene Befehl in noch größerem Maße. Denn zur Verteidigung der konföderierten Stellungen um Chattanooga bedurfte man besonders der Kemtruppen Longstreets, dieser alten Garde der Konföderation. Auch war infolge der Gruppierung der zu verteidigenden Höhenzüge eine weite Ausdehnung der Defensiv- linien notwendig und Bragg konnte gewiß keinen Mann dabei ent- behren. Die Stürme der Grantschen Heeresmassen auf Lookout und Missionary Ridge hätten vielleicht einen anderen Ausgang genommen, der Union aber gewiß doppelt soviel Blut gekostet, wenn Longstreets Soldaten neben Braggs Truppen zu überwinden gewesen wären. Die Episode Knoxville mag hier gleich abge- schlossen werden: Nach der (später zu erwähnenden) Schlacht von Missionary Ridge zog Sherman im Verein mit dem ii. und I2. Korps ebenfalls nach Knoxville und langte dort gerade noch rechtzeitig an, um Burnside aus größter Not befreien zu können. Longstreet zog dann über die Berge nach Virginien zurück. Der Marsch des Sherman-

1) Pollard, der Geschichtschreiber der Konföderation, behauptet, daß dieser Plan nur von Davis ausging, trotzdem die konföderierten Generale davon abgeraten hatten. Pollard schildert den Präsidenten Davis bei dieser Gelegenheit als einen Pfuscher in miHtärischen Dingen. Davis habe viele der besten Pläne seiner Generale vereitelt. Davis habe stets an übertriebener Ruhmsucht gelitten und befürchtet, die Geschichte werde ihn nicht an erster Stelle nennen, im Falle die Konföderation triumphieren sollte.

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sehen Entsatzheeres war wohl die anstrengendste Marschleistung, welche den nördlichen Truppen während des ganzen Krieges zuge- mutet worden ist. Man lese darüber das betreffende Kapitel in Schurzens Erinnerungen^).

Lookout Mountain und Missionary Ridge. Es wurde Ende November, bis sich Grant stark genug zum Angriffe auf die feindliche Stellung vor Chattanooga fühlte. Diese war am

Rossvt//e^'

Fig. 31. Lookout Mountain und Missionary Ridge.

Stärksten auf einem Missionary Ridge genannten Höhen- zuge, der von der Talsohle aus gegen 500 Fuß hoch, oben sehr stark bewaldet und auf der Nordseite von tiefen Schluchten durchzogen ist.||Der Höhenzug ist von Chattanooga durch eine mehrere Meilen breite Ebene getrennt. Zwischen der Stadt und der Missionshöhe hegt ein Ausläufer, Orchard Knob. Dieser wurde am 23. November von den Nördlichen erstürmt. August Wilhchs neun Regimenter

^ ^) Die Truppen haben turchtbar gelitten infolge der kalten Nächte, welche auf Regentage folgten. Die Wege waren in entsetzlicher Verfassung, die Verpflegung war schlecht, und die hungernden Soldaten durften nicht fouragieren. weil die meisten Farmer jener Gegend unionstreu waren.

Die großen Schlachten von Chickamauga, Lookout Mountain etc. 401

haben sich besonders dabei ausgezeichnet^) . Der Orchard Knob diente während der eigenthchen Schlacht als Hauptquartier Grants.

Infolge eines Zufalles trafen auf den Schlachtfeldern um Chatta- nooga mehrere der berühmtesten deutschen Offiziere der Potomac- armee mit ihren deutschen Kameraden von der westlichen Armee zusammen. Wir finden hier Schurz, Buschbeck, Steinwehr, Krzy- zanowski und Hecker von der Potomacarmee und Osterhaus^), Wangehn, Willich, Laibold, Conrad u. a. von den westlichen Heeren, allerdings in verschiedenen Korps wirkend, so daß sich diese deutschen Generale wohl dort nicht begegnet sind, obschon sie nebeneinander kämpften. Auch mehrere der reindeutschen Eliteregimenter beider Ünionsheere beteiligten sich an den ruhmvollen Schlachten. Das 45. New Yorker unter Major Koch, das 26. Wisconsin-Regiment unter Winkler, Heckers 82. Illinois- Regiment unter Edward Salomon, die 75 er Pennsylvanier unter Oberst Ledig, das 58. New Yorker unter Isenbach, das 68. New Yorker unter v. Steinhausen, Busch- becks altes Regiment Nr. 27, Pennsylvania, unter Major Riedt, das 37. Ohio unter v. Blessing, dazu Wiedrichs Batterie aus Buffalo und natürhch D i 1 g e r s Batterie » J «, leichte Ohio-Artillerie (die war stets dabei, wo es zu kämpfen galt), sowie die Ohioer Batterie »K« aus Dayton (Kapitän Nick. Sahm) kämpften hier gemeinsam mit der alten Osterhausschen Brigade (3., 12. und 17. Missouri- Regiment, dem 2. und 15. Missouri- Regiment von der überwiegend

1) Während dieses Kampfes stand Division Schurz vom 11. Korps als Reserve hinter der angreifenden Division Wood, Daß selbst ein Freigeist wie Schurz Ahnungen unterworfen war, erzählt er selbst. Am Morgen des 23. November hatte Schurz das unbezwingbare Gefühl, daß er an diesem Tage fallen würde. Nur mit Mühe überwand er das Bedürfnis, Abschieds- briefe an Frau und Kinder zu schreiben. Am Nachmittage stand seine Division am Orchard Knob, auf Befehle wartend. Dort wurde die Division von einer versteckten feindlichen Batterie beschossen. Eine Granate schlug unter Schurzens Pferd ein, dem Pferde eines Adjutanten, der hinter Schurz hielt, wurden die Vorderbeine zerschmettert. Aber das Geschoß rollte weiter und explodierte dann wirkungslos etwa 20 Yards rückwärts. Erst mit diesem Augen- blicke hörten die Todesahnungen bei Schurz auf.

2) iJber Osterhaus sagt General W. T. Sherman: »I left one of my best divisions, that of Osterhaus, to act with Hooker, and I know it has served the country well and reflected honor to the army of the Tennessee.

VV. Kaufmann, Die Deutschen im amerikaa. Bürgerkrieg. 26

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deutschen Laiboldschen Brigade unter Sheridan) sowie auch mit Kämmerlings 9. Ohio- Regiment und mit Erdelmeyers 32. Indiana- Regiment und den deutschen Batterien aus Missouri, Ohio, lUinois und Indiana.

Außerdem waren an diesen Kämpfen viele halbdeutsche Regi- menter beteiligt, welche hier nicht aufgeführt werden können. Wahr- scheinlich haben die Truppen, welche die glänzenden Siege am Look- outberge und bei Mission ar}^ Ridge errangen, zu einem Drittel aus Deutschen und aus Deutschnachkommen bestanden. Doch finden wir hier nur eine einzige reindeutsche Brigade, diejenige Wangelins, unter Osterhaus, sowie die halbdeutsche Brigade Lai- bolds. Schurz befehligte mehr nichtdeutsche als deutsche Regi- menter, und in der ganzen Division Steinwehr befand sich nur noch ein reindeutsches Regiment (das 27. Pennsylvania).

Auch in der starken Willichschen Brigade waren nur wenige deutsche Regimenter, aber in allen war der deutsche Einschlag sehr stark. Von sechs Batterien Sheridans hatten nur zwei nicht- deutsche Führer.

In den Schlachten um Chattanooga wurden die unter deutschen Heerführern kämpfenden Truppen von ihren alten Verbänden ab- getrennt. So tauschte Osterhaus mit Schurz und mit Stein wehr die Rollen. Die Osterhaussche Division konnte nicht mehr über den Tennessee setzen, da die Brücke hin weggeschwemmt worden war, so wurde Osterhaus, anstatt zu den alten Waffenbrüdern des Shermanschen Korps, dem Korps H o o k e r zugeteilt, und Schurz und Steinwehr, bisher unter Hooker, hatten sich bei Sherman zu melden. Für Osterhaus war diese Abtrennung ein besonderer Glücksfall, es wurde ihm dadurch Gelegenheit gegeben, die schönste Waffentat seiner Laufbahn, die Erstürmung des Lookout- berges, zu vollbringen. Schurz und Stein wehr jedoch fanden wenig Verwendung.

Lookout Mountain und Missionary Ridge sind zwei langge- streckte Höhenzüge, welche, parallellaufend, das Lookouttal bil- den. Der Lookoutberg liegt südlich (gegen den Tennesseefluß vor- stoßend) von Chattanooga, die Missionshöhe kehrt von Osten her ihre breite Front der Stadt zu. Lookout ist 2600, Missionary Ridge 800 Fuß hoch. Zunächst mußte Lookout genommen werden, denn damit konnte man den Vorteil eines konzentrischen Angriffes auf die Missionshöhe gewinnen.

Die großen Schlachten von Chickamauga, Lookout Mountain etc. 403

Schlacht am Lookout Mountain (oder über den Wolken). Am Abend des 23. November meldete sich General Oster- haus bei General Hooker und erhielt auf sein Ersuchen den Auf- trag, am nächsten Morgen den Lookout berg anzugreifen. Aber der stark angeschwollene Lookoutfluß mußte zuerst überschritten werden. Die Pionierkompagnie des 3. deutschen Missouri-Regiments unter Kapitän Klostermann schlug während der Nacht eine Brücke über den Fluß, zum Erstaunen Hookers, der eine so prompte Arbeit gar nicht gewohnt war. Über diese Brücke ging die Division Oster- haus zum Angriff vor, später gefolgt von der Division des deutsch- amerikanischen Generals Grose. Division Geary (12. Korps) mußte den Fluß an seinem oberen Laufe überschreiten, um von dort den Berg zu nehmen. Zwei verschiedene Angriffskolonnen gingen also vor. Gearys Leute erklommen mehrere Meilen südlich den Berg, Osterhaus aber stürmte mehr in der Nähe der Stadt die Höhe. Der Angriffsplan bezweckte, den Feind von zwei Seiten zu packen und so ihn in die Mitte zu nehmen. Beide Abteilungen waren er- folgreich. Allerdings fanden sie keinen besonders heftigen Wider- stand, denn der Feind mußte seine Kräfte teilen, um sowohl Oster- haus als Geary entgegentreten zu können. Hier hatte früher das Korps Longstreet gestanden, aber das war ja jetzt vor Knoxville und Bragg hatte nicht Mannschaften genug, um seine beiden weit ausgedehnten Stellungen zu besetzen. Der Tag war trübe und regne- risch. Der mittlere Teil des Berges war von Wolken umringt. Da- durch wurden die Bewegungen der Angreifer verschleiert. Über die Stärke des Feindes getäuscht durch den Nebel und Regen, machten die Konföderierten nicht einmal den Versuch, die leicht zu verteidigende Felskrönung des Berges zu halten, sondern flohen über die andere Seite der Berghalde in das Chattanoogatal hinab. Gegen Abend wurden die Sterne und Streifen auf dem Gipfel des Lookout gehißt.

Das Grantsche Hauptquartier konnte den Gang der Schlacht beobachten. Auch die in Schlachtordnung vor Chattanooga auf- gestellte Thomassche Armee sah das Sternenbanner hoch über den den Hauptteil des Berges einhüllenden Wolken flattern und jubelte dem Vorgange mit einem Hurra aus zwanzigtausend Kehlen zu. Als die Fahne emporging, sagte einer aus Grants Umgebung: »Das ist eine Tat von ,Fighting Joe'« (Spitzname für Hooker). Doch Grant schüttelte den Kopf dazu und sagte : »I don't think it's »,fight-

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ing Joe', I think it is Peter Joe« (Spitzname für Osterhaus), Und Grant hatte recht. Peter Joe ist weit mehr der eigenthche Held der Schlacht »über den Wolken« als der Korpsführer Hooker. Aber auch Division Geary hat ihren vollen Anteil an den Ehren des Tages. Osterhaus verlor bei diesem Kampfe ^y Tote, 344 Ver- waindete und 66 Vermißte.

Früh am nächsten Tage waren die Stürmer von Lookout im jenseitigen Tale des Chattanoogabaches, Osterhaus voran. Die Brücke über den hochgeschwollenen Bach war zerstört. Nach 1^/2 Stunden hatte Klostermann eine neue Brücke gebaut. Weiter zogen die Verfolger, jagten die Nachhut des Feindes aus Roßville und begannen nun den zweiten Teil ihrer Aufgabe, das Ersteigen der Missionshöhe von Süden aus. Hier trafen sie nur auf schwache Truppen des Feindes, denn dessen Hauptmacht hatte schon mit Sherman und bald darauf auch mit Thomas zu tun. Osterhaus hatte jedoch bald 2800 gefangene Sezessionisten unter seiner Obhut. Diese Leistung der Sieger von Lookout gehört bereits zu der Schlacht von

Missionary Ridge. Der Angriff auf diese Höhen be- gann gleichzeitig mit der Schlacht von Lookout, also am 24. No- vember, aber nur von der Nordseite aus durch das Korps Sherman^) . Dieses sollte den Feind möglichst im Norden beschäftigen und zugleich eine gute Stellung zu gewinnen suchen für den Massen- angriff des 25. November. Aber Sherman stieß auf große Schwierig-

1) Ein deutscher Offizier, Major Hipp vom 37. Ohio-Regiment, machte den Übergang des Shermanschen Korps über den reißenden Tennessee mög- lich. Hipp hatte große Erfahrung in der Fhißscliiffahrt. Er brachte gegen hundert Barken, welche man im Chickamauga Creek angesammelt hatte, in den Tennessee und trieb mit diesen Fahrzeugen in dunkler Nacht den Haupt- strom hinab. Er suchte am jenseitigen feindüchen Ufer einen Landungsplatz aus. überrumpelte die dort stehenden konföderierten Posten und nahm sie gefangen. Dann setzte er über den Strom und wollte sich bei Sherman melden. Es war stockfinster. Hipp schrie »Where in the h is General Sherman«. Da kam Sherman herbei, nahm vor Hipp den Hut ab und bedankte sich. Hipp improvisierte mit seinen Barken eine Pontonbrücke, und über diese ging Sher- mans Korps in Stellung. Die Tat Hipps war mit großen Gefahren verknüpft, denn er hatte nur wenige Leute bei sich und mußte sich beträchthch weit in die feindliche Postenkette vorwagen. (Aus der Geschichte des 37. Ohio- Regiments.)

Die großen Schlachten von Chickamauga, Lookout Mountain etc. 405

keiten. Eine tiefe Schlucht am sog. Tunnel Hill, hinter welcher sich versteckte Batterien am jenseitigen Steilhange des Berges erhoben, war durchaus nicht zu nehmen. Während des ganzen Tages (24. No- vember) wurde hier in erbitterter Weise gekämpft. Am Frühmorgen des 25. schickte Grant die beiden Divisionen Schurz und v. Stein- wehr zu Shermans Unterstützung ab, doch kam von diesen Truppen nur die Brigade Buschbeck, welche sich bei Chancellorsville so glän- zend ausgezeichnet hatte, zum Schlagen. Sherman rühmt den An- griff Buschbecks mit Ausdrücken der Begeisterung. Während des ganzen Morgens wurde um jene Schlucht gekämpft. Der Besitz derselben hätte Sherman Gelegenheit gegeben, in den Rücken des Feindes zu gelangen und die wichtige Brücke der Cleveland- und Atlantabahn (über den Chickamaugafluß) zu zerstören und so die einzige Zufuhrlinie der konföderierten Armee zu unterbrechen. Es stellte sich jedoch heraus, daß es unmöglich war, von dieser Seite aus die Missionshöhe zu nehmen.

Die Stellung Braggs auf der Höhe war über sechs Meilen aus- gedehnt. In dieser Ausdehnung aber lag die Schwäche der sonst außerordentlich festen Stellung. Bragg hatte nicht Truppen genug, um an jedem Punkte dieser langen Linie mit genügender Macht auftreten zu können. Schon hatte er fast die Hälfte seines Heeres Sherman entgegengeworfen und damit die Mitte sehr stark ent- blößt, den Süden, von wo aus jetzt Osterhaus, Geary und Grose vordrangen, aber fast völlig preisgeben müssen. Vor Sherman mußte eine sehr starke konföderierte Abteilung hegen bleiben, denn die Gefahr einer Zerstörung der Eisenbahnbrücke war Bragg wohlbekannt. Shermans Korps war an der nun folgenden Er- stürmung der Missionshöhe nicht direkt beteiligt, hat aber zu dem Erfolge beigetragen durch Entlastung der Thomasschen Armee. Wesentlich dieselben Truppen, welche unter Rosecrans bei Chicka- mauga geschlagen worden waren, haben die Missionary Ridge er- stürmt. — Der Angriff erfolgte von drei Seiten (Sherman im Norden, Osterhaus und Geary im Süden und Thomas im Zentrum).

Um 1/23 Uhr nachmittags rückten die hinter Orchard Knob aufgestellten 20 000 Mann der Cumberlandarmee (Thomas) vor. Grant hatte aber befohlen, daß nur die am Fuße des Berges Hegende feindliche Schützenkette geworfen werden und daß die Angreifer in der so gewonnenen Stellung weitere Befehle abwarten sollten. Der Angriff ging mit großer Präzision vor sich. In den vordersten

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Reihen befanden sich die Divisionen Sheridan und Wood, bei welchen wohl die meisten Deutschen standen. Eine der Woodschen Brigaden (neun Regimenter) führte der alte Willich. Es geht durch offenes Feld im Angesicht des Feindes, der aus seinen Schützen- gräben auf die ohne Schuß herankommenden Massen mit furcht- barer Wirkung feuert. Die feindliche Schützenkette am Bergabhange wird überrannt. Dort soll man nun stehenbleiben. Aber da kann man nicht bleiben, denn das feindliche Feuer ist einfach nicht zu ertragen. Am meisten exponiert ist Willichs Brigade. Zurück will der alte Held nicht, vorwärts s o 1 1 er nicht. »Ach was,« sagt er sich, »mag man mich später vor ein Kriegsgericht stellen, ich gehe vor.« Und schon wenige Minuten später klettern Willichs Regimenter den hier vom Walde entblößten, aber stark mit Felsen durchsetzten Hang hinan. Wie das die Truppen der benachbarten Brigaden Woods und Sheridans i) sehen, tun sie dasselbe, ohne den Befehl zu erwarten. Und das Beispiel setzt sich auf der ganzen Linie fort. Ehe die Regiments- und Brigadeführer die Situation recht begreifen, sind ihre Mannschaften schon weit nach oben vor- gedrungen.

Auf dem Orchard Knob steht Grant, Das Feldglas sagt ihm, daß der Hauptangriff vor sich geht. Er wendet sich an Thomas: »Haben Sie das befohlen?« »Ich nicht,« antwortet dieser, und setzt dann trocken hinzu: »Das ist sicherlich ein Streich des alten Willich, sieht ihm wenigstens sehr ähnlich.«

Höher und höher kommen die Zwanzigtausend an der Berg- halde empor. x\uf der halben Höhe treffen sie eine zweite Verteidi- gungslinie des Feindes. Auch diese wird im Sturm genommen. Jetzt sieht man vom Orchard Knob aus, wie Bragg massenhaft seine bisher gegen Sherman kämpfenden Regimenter zum Schutze des bedrohten Zentrums herbeiführt. Aber ehe diese Hilfe anlangt, sind die Blauen auch schon oben. An sechs Stellen zugleich wird die Verteidigungsstellung auf dem Gipfel der Missionshöhe durch-

^) Sheridan erzählt bezügüch seiner Division dieselbe Geschichte, welche Willich über die Situation seiner Brigade meldet. Es ist sehr wohl möglich, daß beide recht haben, daß beide im selben Augenblicke erkannten, hier darf nicht gezögert werden, wenn auch der Befehl uns zum Stehenbleiben zwingt. Sheridan und Willich waren nicht nur tapfere Draufgänger sondern auch tüchtige Mihtärs, welche die Vorteile einer neuen Lage rasch erkannten und selbständig zu handeln wußten.

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brochen. Sheridans i) Leute stritten sich mit WiUichs Soldaten nach der Schlacht um die Ehre, wer zuerst oben gewesen sei. Wer kann in solchen Augenblicken die Uhr aus der Tasche ziehen und die Minute des ersten Durchbruchs feststellen ? Mit diesem nicht- befohlenen Vorstoße des Thomasschen Heeres ist die Schlacht entschieden. Die südlichen Kolonnen (Geary und Osterhaus) treffen mit ihren Spitzen bald darauf ebenfalls ein, und die Thomassche Armee behauptet siegreich die Mitte. Noch ein kurzes, schreck- liches Waldgefecht, und der Feind weicht völlig gebrochen über den Ostabhang der Höhe zurück^). Auf dem Shermanschen Flügel hatte man das Vorgehen der Thomasschen Zentrumstruppe und die dadurch bewerkstelligte Erstürmung der Höhe gar nicht be- merkt. Man spürte wohl eine beträchtliche Entlastung, ahnte aber gar nicht, daß die Hauptarbeit schon von Thomas vollbracht und daß Bragg vollständig geschlagen war. Erst am Abend erfuhr Sherman den glänzenden Sieg seiner Kameraden.

Bragg verlor 9000 Mann, darunter 6100 Gefangene, Grant etwa 7000 Tote und Verwundete. Bragg konnte von Jeff Davis jetzt nicht mehr gehalten werden. Er wurde bald darauf abgesetzt. General Joseph E. Johnston trat an seine Stelle.

1) Sheridan erzählt in seinen Memoiren, wie ihm der deutsche Oberst Conrad bei jenem Sturme das Leben gerettet habe. Sheridan gehörte nicht zu den Generalen, welche bei Angriffen vom Pferde steigen und ihren Leuten zu Fuß folgen. Er ritt bis dicht vor die feindliche Brustwehr auf den Gipfel der Höhe. In diesem Augenblicke stürzte Conrad auf ihn zu und verlangte, daß Sheridan vom Pferde steige und sich nicht weiter exponiere. Sheridan gehorchte, aber da stürzte Conrad auch schon schwer verwundet neben ihm nieder.

2) Von den deutschen Offizieren, welche sich in diesen Kämpfen be- sonders ausgezeichnet haben, sind außer den bereits genannten noch besonders zu erwähnen: Oberst Arnold Sutermeister, der eine Artilleriebrigade führte, in welcher die deutschen Batterien Zickerik, Schulz, Fröhlich, Landgräber und Großkopf kämpften, ferner die Infanterieobersten Deimling, der nach Raums Verwundung die 2. Brigade der Division Smith führte, von Blessing vom 37. Ohio und Kämmerling vom 9. Ohio (beide Regimenter reindeutsch), Dickermann 103. Illinois; Neumann vom 3. Missouri (Sigels erstem deutschen Regimente, Cramer vom deutschen 17. Turner-Regimen te (Missouri), Seidel vom 3. Ohio, Lochner 79. Pennsylvania, Gimber 109. Pennsylvania, v. Hammer- stein 78. New Yorker, v. Baumbach 24. Wisconsin, Beck 2. Missouri, Krüger vom 7. Ohio, Yager 121. Ohio. Der deutsche Brigadier Matthias aus Jowa wurde schwer verwundet.

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Eine Verfolgung Braggs durch das ganze Heer Grants konnte nicht stattfinden, weil Grant sofort das Shermansche Korps und die Divisionen Schurz und v. Steinwehr nach Knoxville vorschicken mußte, um den bedrohten Burnside aus den Klauen Longstreets zu befreien. Da der Feind nach Süden entfliehen mußte, so fiel den Divisionen Osterhaus und Geary die Verfolgung wesentlich zu^). Osterhaus war wieder in der Vorhut. Bei Ringgold (schon im Staate Georgia) traf er auf starke Reste der Braggschen Armee. Er ließ sofort angreifen, obschon seine Artillerie noch weit zurück war. Er rechnete bestimmt auf die baldige Mitwirkung der Division Geary. Aber diese hatte sich verspätet, und Osterhaus blieb auf seine In- fanterie angewiesen. Die Brigade von Wangelin, welche aus den vier deutschen Regimentern 3., 12. und 17. Missouri und dem 44. Ohio bestand, hatte die Ehre des ersten Angriffs. Ein furchtbarer Kampf entwickelte sich. Oberst von Wangelin verlor einen Arm, Major Ledergerber wurde schwer verwundet, sein Bruder, Kapitän Joseph Ledergerber, fiel. Die Brigade erlitt furchtbare Verluste, und in St. Louis und in Belleville herrschte nach diesem Kampfe allgemein Trauer^). Der Feind hatte einen Paß zwischen zwei Hügeln be- setzt und war aus dieser Stellung durch Infanterie allein nicht zu vertreiben. Erst als die Artillerie endhch eingetroffen war, Land- gräbers und Wölfles reitende Batterien, konnte die feindHche Stel- lung erschüttert und der Feind geworfen werden.

1) Sheridan drang freilich sofort nach der Einnahme von Missionary Ridge dem fhehenden Feinde nach und wollte die Eisenbahnbrücke über den Chickamauga besetzen. Er erbat die Unterstützung seines jetzigen Korps- führers Granger. Aber dieser Herr gehörte zu den Leuten, welche sich gern mit einem Erfolge zufrieden geben. Granger meinte, seine Soldaten seien zu müde, und obwohl Sheridan bis nach Mitternacht vordrang und wiederholt um Unterstützung bat, Herr Granger rührte sich nicht mehr, und allein konnten Sheridans völlig erschöpfte Soldaten das Wagestück nicht unternehmen. Der größte Teil der geschlagenen Braggschen Armee entkam über jene Brücke.

2) Kapitän Kircher lag schwer verwundet im Felde. Sein treuer Freund Kapitän Keßler aus Belleville (Adjutant Wangelins) stürzte vor, um den Ver- wundeten aus der Feuerlinie zu tragen. Dabei wurde Keßler totgeschossen, und Kircher verlor zu dem zerschmetterten Arm auch noch ein Bein.

Die großen Schlachten von Chickamauga, Lookout Mountain etc. 409

Durch die Siege bei Chattanooga wurde Tennessee völlig er- obert. Die Unionstruppen beherrschten um Neujahr 1864 den ganzen Staat Tennessee und bereiteten sich nun zu dem großen Marsche durch Georgia vor, der Shermans Namen unsterblich gemacht hat und wahrscheinlich die glänzendste Unionstat des ganzen Krieges gewesen ist. Abgesehen von Hoods späterem, von Thomas zurückgeworfenem Einfalle nach Tennessee, war mit der Eroberung von Chattanooga der große Krieg im Westen vorüber. Shermans Eindringen in Georgia gehört schon zu den Operationen, welche auf Bezwingung der Leeschen Hauptarmee der Konföderierten abzielten.

Das Ende des Krieges 1864 1865.

Grants Anaconda-Plan.

Im Frühling 1864 wurde General Grant zum Oberbefehlshaber sämtlicher Heere der Vereinigten Staaten ernannt und mit dem Titel Generalleutnant ausgezeichnet, eine Ehrung, welche bisher nur dem unsterblichen Washington verliehen worden war. Die Union verfügte um diese Zeit über 534 000 Mann, von denen jedoch über hunderttausend weit verzettelt waren und etwa eine gleiche Zahl aus soeben eingestellten Rekruten bestand, welcher erst später den Feldheeren zugeführt wurden. An Feldtruppen standen bereit:

In Zentralvirginien die Potomacarmee unter General Meade, 125 000 Mann. Dazu das 9. Korps unter Burnside, 25 000 Mann. Ferner Sigels Heer von (anfänglich) 24 000 Mann im Shenandoah- tale. Sodann Butlers Heer von ursprünglich 31 000 Mann auf der Halbinsel in unmittelbarer Nähe von Richmond zusammen über 200 000 Mann, welche für den östlichen Kriegsschauplatz in Vir- ginien zunächst zur Verwendung kommen konnten.

Dazu kam das große westliche Heer, welches seit Grants Ver- setzung nach dem Osten unter Shermans Oberbefehl bei Chatta- nooga in Tennessee stand und rund 100 000 Mann sofort im Felde verwendbare Truppen zählte. Eine bedeutende Macht, etwa 57 000 Mann, stand unter Banks in den Golf Staaten. Diese wurden nach und nach zurückgezogen und zu einem großen Teile dem westlichen Feldheere zugeteilt. Das gleiche geschah mit den 28 000 Mann, welche in Missouri und Arkansas standen.

Diesen Heeren hatte die Konföderation nur 243 000 Mann entgegenzustellen, nachdem man die äußersten Anstrengungen ge- macht hatte, um die Heere zu füllen. Viele ältere Männer und

Sigels Niederlage bei New Market. 411

Knaben von i6 Jahren waren bereits in den Dienst gepreßt worden. Fast die Hälfte der konföderierten Truppen stand gegen detachierte Haufen der Unionsarmee, meistens im Südwesten, oder war zu Besatzungen abkommandiert. Den beiden großen Feldheeren der Union, unter Grant und Sherman, konnte der Feind zunächst nur 6i 000 Mann unter Lee in Virginien und etwa die gleiche Zahl unter Johnston (im Westen) entgegenstellen. Dazu etwa 15 000 Mann im Shenandoahtale und in Richmond. Die zerstreuten Korps der Kon- föderation wurden später meistens eingezogen und den beiden Feld- armeen zugeführt, wie das ja auch seitens der Unionsführung geschah.

Dieser letzte große Feldzug zerfällt in viele Abschnitte, von denen wir jedoch nur diejenigen zu besprechen haben, welche auf die beiden Hauptschauplätze im Osten und im Westen sich beziehen.

Generalleutnant Grant trat mit einem großzügigen Plane hervor, welchen man den Anaconda- Plan genannt hat. Es galt, das Leesche Hauptheer durch wiederholte Kämpfe Hammerschläge nannte es Grant nach und nach aufzureiben und Richmond zu erobern. Zu diesem Zwecke hatte Grant vier Heere bereitgestellt : die Potomacarmee, mit Korps Burnside, 150 000 Mann, Sigels Heer im Shenandoahtale, 24 000 Mann, Butlers Heer am James- flusse, 31 000 (später y] 000) und Shermans 100 000 Mann, welche vom fernen Westen aus einen großen Umfassungsmarsch nach Osten unternahmen und bis vor Richmond vordringen sollten. Alle vier Heere gingen gleichzeitig, in den ersten Maitagen 1864, zum Angriffe über. Wirklich große Erfolge hat nur das Shermansche Heer erzielt.

Wir wollen uns zunächst mit der Aufgabe beschäftigen, welche dem wieder aus der Versenkung emporgetauchten General Franz S i g e 1 zugedacht war.

Sigels Niederlage bei New Market.

(Siehe Fig. 14, Seite 299.)

Lincoln war von Sigels einflußreichen Achtundvierziger- Freunden gebeten worden, dem deutschen General abermals ein Kommando zu geben, und der Präsident hat auch erklärt, daß die Ernennung Sigels teilweise wegen dessen Nationalität erfolgt sei^).

1) In einem Briefe Grants an General Shermann (4. April 1864) heißt es wie folcrt:

412 W. Kaufmann.

Sigel sollte das Shenandoahtal von größeren feindlichen Truppen- ansammlungen frei halten und verhindern, daß dem in der virgini- schen Wildnis gegen Grants Hauptarmee kämpfenden General Lee Verstärkungen sowie Proviant und Munition aus jenem reichen und großen Bezirke zugeschickt würden. Aus dem Shenandoahtale führen zahlreiche Pässe über die Blue Ridge-Berge. Wenn das Tal in Feindeshand blieb, so hatte Lee dort einen starken Stützpunkt. Sigels Heer zählte auf dem Papier 32 061 Mann mit 86 Geschützen, in Wirklichkeit aber wurden nur 24 000 Mann dafür bereit gestellt. Aber noch ehe Sigel ausrückte, änderte General Grant den für das Shenandoahtal beschlossenen Kriegsplan. Er nahm Sigel den größe- ren Teil der für die Expedition bestimmten Truppen und mutete dem deutschen General zu, mit 7000 Mann die Aufgabe zu lösen, für welche ursprünglich 24 000 Mann bereitgestellt waren und für welche, nachdem Sigel das Unmögliche nicht geleistet hatte, 50 000 Mann unter Sheridan mobil gemacht werden mußten. Grant befahl nämlich, daß Sigel den General Crook mit 10 000 Mann sofort weit in den Südwesten des Tales vorschicken solle, ferner den General Avereil mit 2000 Mann nach einer anderen abgelegenen Talgegend^). 5000 Mann mußte Sigel notwendigerweise zum Schutze der Baltimore- und Ohio-Bahn zurücklassen, und von der ganzen Armee verblieben ihm nur noch jene 7000 Mann. So wurden die 24 000 Mann in vier ungleiche Haufen verzettelt, welche viele Tagemärsche voneinander entfernt standen. Der Hauptteil des Trains für 24 000 Mann war aber bei Sigel verblieben und von diesen Vorräten mußte den beiden fast 100 Meilen vorgeschobenen Expeditionen Crook und Avereil

»From the expedition of the Departement of West Virginia (Sigel) I do not calculate on very great results, but it is the only way I can take troops from there. With the long line of railroad Sigel has to protect, he can spare no troops except to move directly to his front. In this way he must get through to inflict great damage to the enemy, or the enemy must detach from one of his armies a large force to prevent it. In other words, if Sigel can't skin himself, he can hold a leg while some one eise skins.«

1) Crook sollte die Brücke über den New River und große Strecke» des Geleises der Tennessee- und Virginiabahn zerstören und hat das auch getan, aber erst, nachdem der konföderierte General Longstreet sein Korps über jene Brücke gebracht und Lee dasselbe zugeführt hatte. Averell sollte die Salz- werke der Konföderierten bei Saltville zerstören, erlitt jedoch eine Niederlage.

Sigels Niederlage bei New Market. 413

Ersatz nachgeführt werden. Somit hatte Sigel, als er von Martins- burg und Winchester aus seinen Marsch talaufwärts antrat, über 200 Proviantwagen mitzuführen. Die Straßen waren durch den anhaltenden Regen in Schlammbäche verwandelt, die Wagen konnten nur langsam vorwärtskommen, die Truppen waren aber an das Tempo des Trains gebunden, und so vollzog sich Sigels Vormarsch äußerst langsam. Auch die Schlagfertigkeit seiner schon an und für sich geringen Truppe wurde durch den mitgeführten Train stark herabgesetzt.

Am I. Mai rückte Sigel von Winchester südwärts und zog durch die altdeutschen Siedlungen Kernstown, Middletown, Straß- burg nach W^oodstock, wo er am lo. Mai anlangte. Dort fiel Sigel die telegraphische Korrespondenz der beiden gegen ihn stehenden konföderierten Generale Breckinridge und Imboden in die Hände. Es ging daraus hervor, daß der Feind von Sigels Bewegungen zu- verlässige Nachrichten besaß und seine Maßregeln traf, dem deutschen General mit einer mindestens ebenbürtigen Macht entgegenzutreten. Ferner enthielt jene Korrespondenz Meldungen über die ersten Niederlagen Grants gegen Lee in der Wüdnis, sowie die Ansicht der Konföderierten, daß Sigel über einen der Pässe der Blue Ridge zur Unterstützung Grants ziehen wolle.

Um sich auf seinem weiteren Vormarsche gegen Überraschungen zu schützen, hatte Sigel 500 Reiter zur Sicherung seiner rechten und 200 Reiter zum Schutze seiner linken Flanke am 13. Mai ab- geschickt. Beide Abteilungen stießen auf den Feind und wurden geschlagen, und zwar von den Truppen des General Imboden. Daraus konnte Sigel schließen, daß ihm vorläufig nur Imboden gegenüber- stand. Aber über Breckinridges Standort war er völlig im unklaren. Ein Neger hatte ihm gemeldet, daß Breckinridge in derselben Rich- tung wie Sigel, nämlich talaufwärts, marschiere. Das konnte wahr sein, denn möglicherweise hatte sich Breckinridge gegen Crook gewendet. Verhindern konnte Sigel eine Vereinigung Breckin- ridges und Imbodens durchaus nicht.

Imboden erklärt, daß er zwischen dem 12. und 15. Mai in steter Gefahr geschwebt habe, von Sigel überrannt zu werden. Nur Sigels große Vorsicht und Langsamkeit habe einen Einzelkampf zwischen ihm und Sigel verhindert. Diese Behauptung ist jedoch ohne jede Berechtigung. Imbodens Truppe bestand aus 1600 Reitern und aus reitender Artillerie, es war eine leicht bewegliche Schar, welche

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Sigel bequem auszuweichen vermochte, und das Gefecht, welches Imboden am 13. und 14. Mai gegen Sigels Vortruppen unter Moor führte, beweist, daß Imboden sich seines Vorteils gegenüber der durch den großen Wagenpark behinderten, schwerfälligen Truppen Sigels sehr wohl bewußt war. Imboden führte am 14. ein hinhaltendes Gefecht, er zog sich langsam vor Moor zurück. Diese Taktik ver- mochte Imboden tagelang zu führen, d. h. er konnte, langsam vor Sigel zurückweichend, seinem Kameraden Breckinridge entgegen- gehen. Die unvermeidliche Schlacht brauchte durchaus nicht ge- rade bei New Market geschlagen zu werden, sondern konnte, soweit die Interessen der Konföderierten in Betracht kamen, ebensogut einige Tage später weiter südlich im Tale stattfinden.

Diese Darstellung ist notwendig, weil die vielen Gegner Sigels im nördlichen Offizierskorps sich auf jene ganz unberechtigte Äuße- rung Imbodens stützten und dann gegen Sigel die Anklage erhoben, daß er durch übertriebene Vorsicht und Langsamkeit versäumt habe, zunächst Imboden unschädlich zu machen. Die Tatsache, daß Breckinridges erst wenige Stunden vor der Schlacht von New Market bei Imboden eintraf, wurde dann als ein weiterer Beweis für Sigels Langsamkeit angeführt. Aber alle diese Vorwürfe sind unberechtigt. Sigels langsames Vorrücken wurde durch den mit- geschleppten Wagenpark und die grundlosen Straßen veranlaßt. Auch seine Sicherung gegen Überfälle war durchaus geboten.

Am 13. Mai schickte Sigel seinen Brigadier Oberst August Moor mit zwei Regimentern Infanterie und 500 Reitern zu einer Rekognoszierung voraus. Moor traf sofort mit Imbodens Vorhut bei Mount Jackson zusammen, drängte den Feind über den Shenan- doah zurück, besetzte die Brücke und verfolgte ihn bis in die Nähe von New Market. Hören wir nun Sigel: (nach Battles and Leaders, Century Edition, Band VI, S. 481). »Dieser Erfolg (Moors) und die Nachricht, daß Breckinridge talaufwärts marschiere, veranlaßten mich, am 15. Mai, 5 Uhr früh, Moor nachzurücken. Moor berichtete mir um 10 Uhr, daß er in guter Stellung sei. Ich beschloß, den Feind bis zur Ankunft unserer Hauptmacht festzuhalten und dann den Kampf aufzunehmen. Ich hatte 5500 Mann Infanterie und Artillerie und 1000 Reiter. Breckinridge schätzte ich auf 5000 In- fanterie und 2000 Reiter. (Soll man daraus vermuten, daß Sigel unmittelbar vor der Schlacht von der eben vollzogenen Vereinigung. Breckinridges und Imbodens erfahren hat?) Ich ritt mit Kapitän

Sigels Niederlage bei New Market.

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Alexander und Major Meysenburg dicht an New Market heran, sah dort, daß nicht alle Truppen nahe vor dem Orte in Stellung zu bringen waren und erteilte Moor den Befehl, seine Stellung langsam aufzugeben und an der Straße nach Mt. Jackson, ^1^ Meilen nord- wärts, neue Stellung zu nehmen.«

Dieser Stellungswechsel war gewiß eine gute Maß- regel. Aber noch besser wärees gewesen, wenn Sigel, statt nur % Meilen, gegen drei Meilen nörd- lich von New Market zu- rückgegangen wäre und etwa bei Rüdes Hill Schlachtaufstellung ge- nommen hätte. Denn dann hätte sich die Auf- stellung mit mehr Ruhe und besserer Vorbereitung vollziehen lassen und die beiden Infanterieregimen- ter Sigels, welche an der Schlacht nicht teilgenom- men haben, hätten mit- wirken können. Die Sigel- schen Truppen hatten sich aus der Tiefe einer I ^12 ^leile langen Marsch- kolonne zu entwickeln. Die Soldaten hatten be- reits einen siebenstündi-

gen Marsch auf knietief mit Schlamm bedeckten Straßen hinter sich, es regnete in Strömen. Unter solchen Umständen ist das Sammeln und Aufstellen der Truppen eine sehr schwierige Sache. Eine noch mehr nordwärts gewählte Stellung hätte dem Nordheere mindestens eine gute Stunde mehr Zeit gegeben, dieser Schwierigkeiten Herr zu werden. Besonders aber hätten die beiden Ohioer Regimenter, welche die Arrieregarde des Wagenparks bildeten, Zeit gehabt, sich mit der Mehrzahl ihrer

Fig. 32. Schlacht bei New Market,

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Kameraden zu vereinigen Sigel schiebt seine Niederlage wesent- lich dem Umstände zu, daß die Regimenter 28.^) und 116. Ohio, gegen 1200 Mann, nicht mitgewirkt haben.

Die Sigelsche Infanterie stand unter dem Befehle von General Sullivan, die beiden Brigaden wurden von den Obersten Thoburn und Moor befehligt. Die etwa 1000 Mann zählende Reiterei Sigels wurde von General Julius Stahel geführt. Aber General Sullivan hat an der Schlacht gar nicht teilgenommen. Er befand sich bei der mindestens drei Meilen rückwärts stehenden Ohioer Halbbrigade.

Aus den Mitteilungen Sigels geht klar hervor, daß er über- rascht wurde. Sigel war mit der Aufstellung seiner Truppen noch gar nicht fertig, als der Angriff schon erfolgte. Man muß sogar an- nehmen, daß Sigel persönlich nur die Aufstellung seines rechten Flügels und seines Zentrums überwacht hat, und es erscheint als sehr unwahr- scheinlich, daß Sigel seinen linken Flügel überhaupt inspiziert hat. In seinem Schlacht berichte spricht Sigel nur von den Kämpfen des rechten Flügels und des Zentrums. Von seinem linken Flügel sagt er so gut wie nichts, und doch entspann sich der Kampf dort zuerst und wesentlich durch das Eindrücken des linken Flügels wurde die Schlacht verloren. Hier fehlten die beiden Ohio- Regi- menter, welche für jene Stellung bestimmt waren. Vor Sigels linkem Flügel lag ein Gehölz, welches von den nördlichen Truppen nicht besetzt wurde, und in der Verlängerung des Sigelschen linken Flügels befand sich ein sehr wichtiger Hügel, welchen man außer acht gelassen hatte. Auch die Schlucht, welche sich von Smiths Bache aus quer vor dem Sigelschen linken Flügel hinzog, ist über- sehen worden. Das ist ohne Frage eine Folge des Zeitmangels ge- wesen, und insofern kann man von einer Überraschung des Nord- heeres sprechen. Es fehlten dem linken Flügel nicht nur zwei der besten Regimenter, sondern auch das vorliegende Gelände bot dem Feinde, welcher die Gegend genau kannte, viele Vorteile für den Angriff dar, welche er vortrefflich ausgenutzt hat. In der Schilde- rung des Kampfes auf Sigels linkem Flügel ist man ausschließlich auf Imbodens Darstellung in »B. and L.«, IV, S. 480, angewiesen.

1) Das 28. Ohio-Regiment war ein reindeutsches. Es stammte aus Cin- cinnati und war von Oberst Moor organisiert worden. Es wurde am 15. Mai von Oberst Gottfried Becker geführt. Auch 116. Ohioer besaß einen sehr starken deutschen Einschlag. Beide Regimenter waren kriegserprobt und hatten an vielen Kämpfen ehrenvollen Anteil genommen.

Sigels Niederlage bei New Market. 417

Zunächst wollen wir hören, was Sigel über das Nicht eint reffen der beiden Ohioer Regimenter unter Sullivan zu sagen hat. »Zur Zeit, als ich Moor befahl, ^/4 Meilen rückwärts in unsere neu gewählte Haupt st eilung zu gehen, schickte ich zwei Adjutanten zu General Sullivan mit Befehl, seine sämtlichen Truppen sofort heranzubringen. Als dann Moor die neue Stellung eingenommen hatte, berichtete mir Kapitän Prendergast, daß alle Infanterie und Artillerie Sulli- vans eingetroffen sei, die Spitze des Zuges sei bereits in Sicht und die Leute warteten auf Befehle. Ich nahm an, daß Prender- gasts Bericht auf Wahrheit beruhe und « (hier folgt nun die Be- schreibung der Aufstellung des Zentrums und rechten Flügels, wie aus der Karte ersichtlich). »Ich leitete selbst die Aufstellung des rechten Flügels und wollte gerade nachsehen, ob sich alle meine Truppen in der befohlenen Aufstellung befanden, als meine Aufmerksamkeit abgelenkt wurde durch das Auftreten des Feindes, dessen Linien sich auf den Hügeln nordwestlich von New Market (gegenüber unserer Front) bemerkbar machten.« Hier haben wir wohl die Erklärung Sigels, daß er den linken Flügel gar nicht in- spizieren konnte. Von dem Nicht ein treffen der beiden Regimenter scheint Sigel überhaupt nichts gewußt zu haben, bis der Kampf schon längst im vollen Gange war. Er erwähnt das Fehlen dieser 1200 Mann erst bei der Schilderung seines Rückzuges, als er bei der Dunker Kirche, ^/4 Meilen hinter dem Schlacht felde (etwa gegen 3 Uhr) haltmachte. Er sagt : »Hier erblickten wir dunkle Linien auf dem Rude's Hill. Es waren unsere Ohioer Regimenter 28 und 116, welche unglücklicherweise in der Schlacht nicht bei uns waren.« Das ist alles, was Sigel darüber sagt. Er hat kein Wort des Tadels gegen General Sullivan und die beiden Regimentsführer, spricht auch nicht über die Ursachen der ganz merkwürdigen Verzögerung dieser Regimenter, welche um 3 Uhr, als sie noch fast drei Meilen rückwärts am Rude's Hill waren, doch schon mindestens bei der Dunker Kirche hätten sein müssen. Irgend jemand muß doch die Verantwortung für diese ganz unerklärliche Langsamkeit tragen! Wie Kapitän Prendergast dazu kam, schon vor 12 Uhr das Ein- treffen dieser beiden Regimenter an Sigel zu melden, wird ebenfalls nicht erklärt. Sigel hätte sich wahrscheinlich noch weiter zurück- gezogen, wenn er hätte annehmen können, daß er ohne jene 1200

Mann, fast ein Viertel seiner Infanterie, die Schlacht schlagen müsse.

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W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 27

418 W. Kaufmann.

Das konföderierte Heer, welches gegen Sigel auftrat, war eine Kerntrappe. Die Breckinridgesche Infanterie bestand aus Veteranen, welche drei Jahre ununterbrochen im Felde gewesen waren, die Artillerie, zwar nur 12 Geschütze gegen Sigels 22, wurde gut be- dient, und die Reiter Imbodens waren geschult für den Kampf als, Infanterie, und sie wurden in der Schlacht meistens als solche ver- wendet, während die Sigelsche Kavallerie nur beritten auftrat und sich fast gar nicht an dem Kampfe beteiligen konnte. Breckinridge und Imboden verfügten zusammen über rund 5000 Mann. Von Sigels 6500 Mann waren nur 5150 Mann zur Stelle, da aber Sigels 1000 Reiter für den Kampf so gut wie auszuschalten sind, so war der Feind nicht nur durch die durchaus bessere Ausbildung seiner Truppen im Vorteile, sondern er besaß auch eine ansehnliche Übermacht in der Zahl der zur Verwendung gekommenen Truppen. Fast die Hälfte der Sigelschen Infanterie bestand aus jungen Rekruten, welche ursprünglich nur zum Schutze der Baltimore- und Ohio-Bahn bestimmt waren. Die Konföderierten hatten jeden verfügbaren Mann zur Stelle, ja, sie hatten sogar die Zöglinge der virginischen Kadettenanstalt, 225 halbwüchsige Knaben im Alter von 16 bis 17 Jahren, herangezogen. Diese Jünglinge haben sich mit großer Bravour geschlagen und bei der Eroberung von zwei feindlichen Kanonen schwere Verluste erlitten.

Wir kommen nun zu der Schilderung der Schlacht und wollen zunächst nach der Darstellung des konföderierten Generals Imboden das Werfen des Sigelschen linken Flügels beschreiben.

Imboden ritt in das Gehölz, welches sich rechts von New Market ausdehnt, fand dasselbe unbesetzt und sicherte sich diese Stellung durch Postierung einer Schützenkette. Von der nördlichen Grenze jenes Waldes konnte er Sigels linken Flügel übersehen. Die gesamte nördliche Reiterei war dort in Schlachtordnung aufgestellt. Im- boden marschierte nun mit dem als Infanterie kämpfenden 62. Virginia-Reiterregimente, den Kadetten und seiner Reiterei, sowie der Batterie Mc Clanahan auf der Brücke der Luray Road über den Smithbach und besetzte, ohne daß sein Umgehungsmarsch vom Gegner bemerkt wurde, einen etwa 100 Fuß hohen Hügel, welcher in der Verlängerung von Sigels linkem Flügel lag. So stand er plötz- lich in vortrefflicher Stellung weniger als 1000 Yards von Sigels Reiterei. Die konföderierte Batterie feuerte mit furchtbarer Wirkung in die Massen von Pferden und Reitern hinein, und der überraschte

Sigels Niederlage bei New Market. 419

Feind »tat«, wie Imboden sagt, »das beste, was er unter den Um- ständen tun konnte, d. h. er entfloh.« Damit endet ^) die Beteiligung der nördlichen Kavallerie an der Schlacht. Eine nördHche Batterie (Ewing), welche neben der Stellung der verjagten Reiter sich befand, wechselte dann einige Schüsse mit Imbodens Batterie Mc Clanahan, stellte aber bald ihr Feuer ein. In diesem Augenblicke drang Breckin- ridges Infanterie gegen Sigels Zentrum und rechten Flügel vor. Imboden sagt dann weiter:

»Vor Sigels Zentrum und linkem Flügel stand eine feindliche Batterie (von Kleysers), welche uns außerordentlich viel zu schaffen machte. Breckinridge befahl, diese Batterie zu stürmen und dem 62. Virginia- Regiment sowie den Kadetten fiel diese Aufgabe unter meiner Führung zu. 300 Yards vor Batterie v. Kleyser befand sich eine vom Smith Creek ausgehende Schlucht, welche unserer Sturm- kolonne einige Deckung gab. Aber furchtbar waren die drei Minuten, während welcher wir von jener Schlucht aus bis zu den Kanonen vorzudringen hatten. Die Kadetten waren zuerst bei den Geschützen, deren Bemannung sich tapfer wehrte^). Bei diesem Sturme verloren die Kadetten 8 Tote und 46 Verwundete, mein 62. Virginia- Regiment von 550 Mann hatte 241 Tote und Verwundete, von dessen zehn Hauptleuten fielen vier, und drei wurden schwer verwundet. Über die Hälfte unserer Gesamtverluste bei New Market kommen auf jenen Sturm^).

Aus dieser Schilderung ist ersichtlich, daß der ganze Sigelsche linke Flügel eingedrückt worden war. Die beiden dort aufgestellten Infanterieregimenter haben sich mit gegen Breckinridge geschlagen*) ,

^) Imboden meldet noch, daß ein Teil der nördlichen Reiterei später einen Angriff auf die konföderierte Batterie Mc Laughlin gemacht habe, je doch mit Kartätschen zurückgewiesen wurde. Sigel sagt kein Wort über die Beteiügung seiner Kavallerie.

2) Es ist bemerkenswert, daß Imboden nicht erwähnt, daß sich die hinter der Batterie stehende Sigelsche Infanterie {18. Connecticut und 123. Ohio- Regiment) an der Verteidigung der Geschütze beteiügt hat.

3) Aus Imbodens Darstellung muß man annehmen, daß alle sechs Ge- schütze von Kleysers erobert wurden, Sigel sagt jedoch, daß nur zwei dieser Kanonen in die Hände des Feindes fielen.

*) Es ist das wenigstens zu hoffen, aber weder Imboden noch Sigel sagt etwas davon. Sigel lobt auch nur seine Truppen von Brigade Thoburn, von den beiden Moorschen Regimentern, die auf dem linken Flügel standen, sagt er nichts.

27*

420 W. Kaufmann.

die Reiterei war gleich anfangs verjagt worden, und von Ewings vier Geschützen, welche zu Anfang des Kampfes das Feuer von Mc Clanahan beantworteten, hört man nichts mehr.

Wenden wir uns nun Sigels Schilderung des Kampfes auf seinem rechten Flügel und Zentrum zu.

»Unsere Vorposten fielen zurück und das Feuer wurde von unserer rechten Batterie (Snow) eröffnet. Ich befahl dem 34. Massa- chussetts- Regiment e niederzuknien und bei Annäherung des Feindes Reihenfeuer zu geben. Ein schweres halbstündiges Gefecht auf kurze Distanz setzte ein. Der Feind \vurde mehrmals durch unser Feuer zurückgeworfen. Der Pulverdampf wurde so dicht, daß ich Freund und Feind kaum zu unterscheiden vermochte. Der Feind brach wieder vor, diesesmal gegen unsere Batterien. Leutnant Chalfant von Carlins Batterie ritt auf mich zu und meldete, daß er seine Stellung nicht halten könne. Ich befahl zwei Kompagnien des 12. Westvirginia- Regiments, zum Schutz der Batterie vorzu- rücken, aber trotz aller Drohungen und Ermahnungen rührten sich diese Soldaten nicht von der Stelle. Ich entschloß mich nun zu einem Gegenangriff meines ganzen rechten Flügels, um die Ge- schütze zu retten. Mit gefälltem Bajonett drang Brigade Thoburn in glänzender Weise vor, geriet aber in ein furchtbares Nahfeuer und wurde abgeschlagen. Ehe dieser Angriff stattfand, war unser ganzer linker Flügel bereits zurückgeworfen, zwei Geschütze v. Kleyers waren vom Gegner erobert worden und der Feind faßte unsere Brigade Thoburn von der Flanke und vom Rücken aus 2), Nachdem Thoburns Regimenter von ihrem verunglückten Angriffe zurück- kamen, warf sich der Feind abermals auf unsere Batterien des rechten Flügels und ich sah, daß dieselben verloren sein würden, da viele von der Mannschaft und viele Pferde der Batterie fielen. Ich erteilte Befehl zum langsamen und stückweisen Zurückziehen der Batterie. Plötzlich jagte Kapitän Carlin, der Chef unserer Artillerie, zurück und seine ganze Mannschaft folgte ihm mit den Kanonen in großer Hast. Da einige der Pferde von zwei Geschützen getötet waren, so mußten diese beiden Kanonen zurückgelassen werden. Nun wurde unsere ganze Stellung unhaltbar, die Infanterie zog sich zurück und wurde eine kurze Strecke weit verfolgt. Auf dem Rück-

^) Das ist Sigels einzige Bemerkung über die Niederlage seines linken Flügels,

Sigels Niederlage bei New Market. 421

zuge verloren wir noch ein Geschütz, da die Pferde dasselbe nicht durch einen Bach bringen konnten. Bei dem Versuche, dieses Ge- schütz noch zu retten, wäre ich beinahe gefangen worden. Wir sammelten uns ^/4 Meilen rückwärts bei der Dunker Kirche und bald waren die Truppen wieder in bester Ordnung. Der Feind be- lästigte uns nicht und nach einer halben Stunde wurde der Rückzug nach Rude's Hill fortgesetzt und die Vereinigung mit SuUivans beiden Ohio-Regimentern bewerkstelligt.« Sigel beschreibt nun, wie der Feind folgte und ein unschädliches Artilleriefeuer auf die Stellung am Rude's Hill eröffnete, und wie er (Sigel) nach einiger Zeit den Rückzug nach Mount Jackson fortsetzte. Dort wollte er die Verstärkungen erwarten, welche für ihn, wie er wußte, unterwegs waren. Sigels Verluste bei New Market waren: 93 Tote, 552 Ver- luste, 186 Gefangene. Fünf seiner Geschütze gingen verloren. Der Feind gibt seine Verluste an Toten und Verwundeten auf 564 an.

Sigel lobt das Verhalten eines Teiles seiner Truppen ganz außer- ordentlich. Er sagt: »Besser gekämpft hat noch niemand als das 34. Massachussetts, i. Westvirginia- und 54. Pennsylvania-Regiment (Brigade Thoburn) bei New Market. Deren Verluste waren resp. 202, 55 und 132 Mann. Ich zweifle deshalb nicht, daß die Schlacht anders ausgefallen wäre, wenn die beiden fehlenden Ohio-Regimenter uns rechtzeitig unterstützt hätten.«

Daß ein Teil seiner Truppen sehr minderwertig war, ergibt sich aus einer Fußnote Sigels. Er sagt darin: »Durch einen Umstand, den zu erzählen mir sehr unerfreulich ist, war ich gezwungen, in meiner vorgeschobenen Stellung auf dem rechten Flügel zu ver- harren. Ich wollte nach dem linken Flügel reiten, um zu sehen, was da vorgehe. So ritt ich aus dem Rauche heraus, nach einer Stelle, wo ich das Schlachtfeld überblicken konnte. Als ich das tat, er- hoben sich plötzlich die Kompagnien, welche hinter den Batterien lagen, ohne Befehl und folgten mir (d. h. sie gingen ebenfalls zurück). Ich wendete um und führte die Leute in ihre Stellungen zurück und blieb bei ihnen. Trotz der gefährlichen Lage schien es mir fast komisch, daß ein Generalmajor, der ein Departement und ein Heer befehligte, zu der Stellung eines Wächters gezwungen wurde. Dann kam der Angriff und ich erteilte meine Befehle vom rechten Flügel aus. Der unangenehme Zwischenfall verhinderte mich, eine wichtige , Pf licht zu erfüllen. F. S.«

422 ^- Kaufmann.

Wenn General Sigel diese seltsame Geschichte nicht selbst er- zählen würde, so möchte man dieselbe wohl nicht ernst nehmen. Jene beiden Kompagnien, welche Sigel ohne Befehl folgten und dann von ihrem General bewacht werden mußten, waren dieselben Feig- linge, welche sich nicht von der Stelle gerührt hatten, als sie zum Schutze der bedrohten Batterie vorgehen sollten. Eine solche Hammel- herde ist doch ganz wertlos zur Deckung einer Batterie, und wenn es nötig war, einen Wächter anzustellen, um diese Westvirginier überhaupt in der Stellung zu halten, so brauchte doch sicherlich nicht der kommandierende General dieses Amt zu übernehmen, denn dieser hatte, wie Sigel ja selbst sagt, wichtige Pflichten zu erfüllen.

Bereits am 19. Mai wurde Sigel von Grant abgesetzt und General Hunt er trat an seine Stelle. Sigel hat dann unter Hunter gedient, wurde aber nur noch am nördlichen Ausgange des Shenan- doahtales beschäftigt. Zum Schlagen ist er nicht mehr gekommen, doch hat er durch eine sehr geschickt durchgeführte Besetzung der Maryland Hights (gegenüber vom Harper's Ferry am Potomac) den konföderierten General Early auf dessen späterem Vormarsche nach Washington mehrere Tage aufgehalten. Er hat Early gezwun- gen, die Sigelsche Stellung zu umgehen. Dadurch wurde die Über- rumpelung Washingtons durch Early wahrscheinlich in gleich wirk- samer Weise verhindert wie durch die Schlacht am Monocacy gegen General Wallace, in welcher Early Sieger blieb. Erst infolge jenes zweimaligen Aufenthaltes Earlys wurde es Grant möglich, die zum Schutze der Bundeshauptstadt vorgeschickten Truppen noch recht- zeitig heranzubringen.

Durdi die Wildnis bis Cold Harbor.

Beurteüung Grants. Seine Niederlagen in der Wildnis, bei Spottsylvania

und Cold Harbor, Grant weicht beständig nach Osten aus. Er

opfert ein Drittel seines großen Heeres.

General Grant gilt weiten Kreisen des amerikanischen Nord- volkes als ein großer Feldherr, sogar als der Retter der Union. Sein Kriegsruhm verschaffte ihm die Präsidentschaft, ein Ergebnis, welches man nur bedauern kann, sowohl im Interesse des Landes,

Durch die Wildnis bis Cold Harbor. 423

als in General Grants eigenem Interesse. Ein Teil seines Ruhmes muß wohl auf Rechnung der Tatsache kommen, daß die Union dem konföderierten Oberführer den wohlverdienten Nachruhm zu schmälern suchte. So wurde der »Bezwinger Lees« im Norden als der Größere der beiden gefeiert. Es ist jedoch falsch, den General Grant als den Bezwinger Lees und der Konföderation zu bezeichnen. Die Rebellion ist nicht von einem einzelnen niedergeworfen worden sicherlich nicht von dem Generale, der in allen Feldschlachten gegen Lee nur Niederlagen erlitten hat sondern von der gewal- tigen Übermacht und den unerschöpflichen Hilfsquellen des Nordens. Ihr Schicksal war nach den gleichzeitigen Niederlagen von Gettys- burg und von Vicksburg, anfangs Juli 1863, bereits besiegelt. Seit diesen Tagen kämpfte der Süden nur noch um die Waffenehre, richtiger gesagt aus Trotz, und bei diesen Versuchen hat er sich völ- lig verblutet.

General Grant hatte das merkwürdige Glück, bei allen seinen größeren Unternehmungen mit gewaltiger Übermacht auftreten zu können. Das gilt von Vicksburg sowohl wie von Missionary Ridge und den letzten schweren Kämpfen in der Wildnis und bei Richmond. Wo die Kräfte gleich waren, wie bei Shiloh, hat Grant völlig versagt, und der Sieg von Missionary Ridge ist eigentlich von den Unterführern errungen worden. Vergleicht man Grants Kriegs- taten während des Jahres 1864 mit den gleichzeitigen Leistungen seines Kameraden Sherman, so wird man diesem den größeren Ruhm zusprechen müssen. Denn Sherman erreichte durch geschicktes Manöverieren und durch Schonung seiner Kräfte bedeutend mehr, als Grant während jener Zeit in Virginien vollbracht hat. Grant hat durch sein Draufgehen binnen vier Wochen ein Drittel des größten Heeres hingeopfert, welches die Union während des ganzen Krieges aufgebracht hatte, und doch sah er sich gezwungen, während dieses ganzen Feldzuges von der Wildnis bis Cold Harbor^) beständig vor seinem kaum halb so starken Gegner zurückzuweichen. Auch seine Dispositionen für diesen »Feldzug der Hammerschläge« kann man kaum als geschickt bezeichnen. Daß er Sigel zumutete, mit 7000 Mann ein Manöver durchzuführen, für welches Grant selbst zuerst 24 000 Mann bereit gestellt hatte und wofür sich später nahezu

1) Übrigens hat General Grant selbst später bedauert, diese Schlacht geschlagen zu haben.

424 W- Kaufmann.

50 000 Mann unter Sheridan als notwendig erwiesen ; ferner daß er gerade den Politikergeneral Butler auswählte, um dieDemonstration vorRichmond durchzuführen, obschon sich damals in der Potomac- armee mehrere recht tüchtige und kriegserfahrene Offiziere befanden, welche der Aufgabe weit besser gewachsen gewesen wären, das sind doch sicherlich keine Beweise für Grants Feldherrngröße^).

Trotzdem ist die Ernennung Grants zum Oberbefehlshaber aller Heere der Union eine richtige Maßregel gewesen. Die Stellung des Führers der Potomacarmee, des Generals Meade, war erheblich erschüttert. Meades Unverträglichkeit hatte ihm eine Reihe von Gegnern in den Kreisen der höheren Offiziere geschaffen. Diese gehorchten ihm nicht mit der nötigen Freudigkeit, auch war Meade wohl nicht der Mann für die kräftige Offensive, welche die Kriegs- lage damals forderte. Zu Grant hatten die Korpsführer und Divi- sionäre der Potomacarmee Vertrauen, ihm gehorchten sie freudig und willig. Auch bei den Soldaten zog ein besserer Geist ein infolge der Ernennung Grants. Sie schöpften wieder Vertrauen in die Ober- führung, und diese Stimmung hielt auch nach den ersten schweren Niederlagen in der Wildnis an, ja sie überdauerte sogar die gräßliche Metzelei von Cold Harbor. Auch der so verderbliche Einfluß Hallecks wurde durch Grants Übernahme des Kommandos erheblich abge- schwächt. Freihch verblieb Halleck als Generalstabschef und militärischer Berater Lincolns nach wie vor in Washington. Auch General Meade blieb im Kommando der Potomacarmee, da aber der Oberbefehlshaber bei diesem Heere war, so ergab sich daraus, daß alle wichtigen Befehle von Grant erlassen wurden und daß für Meade nur eine Art Stellung als Generalstabschef übrigblieb.

Grant war der gewiß irrigen Meinung, daß die Kampfkraft der Potomacarmee bisher noch niemals richtig ausgenutzt worden sei. Diese Ansicht steigerte die seinem ganzen Wesen entsprechende Neigung zum rücksichtslosen Draufgehen beträchtlich.

^) V. Freitag-Loringhofen, Major im deutschen Großen Generalstabe, ein gewiß unparteiischer Beurteiler, schätzt die Verdienste Shermans weit höher ein als diejenigen Grants und sagt von diesem: »General Grant ver- fügte über nahezu unbegrenzte personelle und materielle Hilfsmittel, und mehr mit brutaler Gewalt als mit Geschick hat er sie angewandt. Vor eine Aufgabe gleich derjenigen Lees gestellt, hätte Grant unzweifelhaft versagt, und alle Versuche, Grant für einen großen Feldherrn auszugeben, erscheinen verfehlt.« (»Studien über Kriegführung« III, Mittler & Sohn, Berlin, 1903.)

Durch die Wildnis bis Cold Harbor.

425

Während der Nacht vom 3. bis 4. Mai 1864 überschritt er von Culpepper aus mit 125 000 Mann den Rapidanfluß bei den Furten Germanna und Eley und betrat damit die Wildnis. Er glaubte durch einen raschen Vormarsch sich an Lees Stellung vorbeischleichen zu können und das freiere Feld in der Gegend von Spottsylvania Court- haus ohne Kampf zu erreichen. Nichts konnte Lee willkommener

\^Cu/pepperC.

Fig. 33- Grants Feldzug 1864, durch die Wildnis bis Cold Harbor.

sein als dieses Eindringen des Gegners in ein Gebiet, in welchem die konföderierten Truppen wie zu Hause waren und welches deren Kampfesweise so vortrefflich entsprach. Lees Stellung zog sich längs des Mine Run bis zum Rapidan hin. Nach Eintreffen des Longstreetschen Korps verfügte der konföderierte Feldherr über 62 000 Mann, doch waren diese Soldaten die Kerntruppen des süd- lichen Heeres, Veteranen, welche auf vielen Schlachtfeldern ge- stritten hatten und fast stets siegreich gewesen waren. Auf Fig. 33 ersieht man die Marschroute des Grantschen Heeres von

426 W. Kaufmann.

Culpepper durch die Wildnis, über Spott sylvania, Hanover Station, bis Hanovertown an den Pamunkeyfluß und das letzte Schlacht- feld von Cold Harbor, d. h. bis vor die Befestigungen von Richmond.

* *

*

Lee warf sich am Nachmittage des 5. Mai auf die Marschkolonnen der rechten Flanke Grants mit der Absicht, durchzubrechen, einen erheblichen Teil des Grantschen Heeres zu isolieren und diesen Teil dann zu vernichten. Diese Absicht wurde jedoch nicht ganz er- reicht, wesentlich weil die Anmarschlinie des konföderierten Korps Longstreet zu lang war (über 60 Meilen) und dieses Korps trotz einer glänzenden Marschleistung eine Verspätung erlitt. Die Kämpfe können hier nicht beschrieben werden, auch eine kurze Skizzierung derselben würde das Verständnis dafür kaum erleichtern, und eine ausführliche Darstellung entspricht nicht unserer Aufgabe. Es war ein furchtbares Ringen im Buschwalde, ein Kämpfen, in welchem auch auf konföderierter Seite die einheitliche Führung oft genug versagte. 15 000 Mann hat Grant^) in den drei Tagen vom 5. bis 8. Mai verloren, der Gegner wohl kaum die Hälfte, obschon die Mitteilungen darüber unsicher sind. Hier konnte nur Infanterie auftreten. Beide Heere inprovisierten Schanzwerke. Es war ein Einzelkampf der Brigaden und Divisionen gegeneinander. Die Wälder gerieten in Brand, und viele Hunderte von Verwundeten sind den Flammen und dem furchtbaren Rauche des grünen Holzes zum Opfer gefallen. Des öfteren wurden Freunde und Feinde ver- wechselt, ganze Regimenter verirrten sich, wurden abgeschnitten und befanden sich in feindlichem Gebiete. Die Truppen kamen nicht zur Ruhe; hungrig und völlig erschöpft waren sie zum Weiterkämpfen gezwungen.

Auch die Verluste an höheren Offizieren waren in den Wildnis- schlachten und in deren Fortsetzung bei Spottsylvania auf beiden Seiten beträchtlich. Der Unionskorpsführer Sedgwick wurde er- schossen. Der konföderierte Korpsführer Longstreet wurde bei einem Patrouillenritte, wie ein Jahr früher sein Kamerad Jackson bei Chancellorsville, von seinen eigenen Soldaten so schwer ver- wundet, daß er zurücktreten mußte, und auch der glänzende kon- föderierte Reiterführer Jeb. Stuart büßte etwas später sein Leben ein.

^) Grant hatte auch das 9. Korps unter Burnside herangezogen, so daß er über 150 000 Mann verfügte.

Durch die Wildnis bis Cold Harbor. 427

Grant wich am 8. Mai ostwärts aus, um sich bei Spottsylvania Courthaus zu konzentrieren. Aber Lee hatte diese Bewegung voraus- gesehen und empfing den Gegner dort in einer starken Verteidigungs- stellung. Spottsylvania liegt so ziemlich am Rande der Wildnis, nur gegen zehn enghsche Meilen östlich von Parkers Store entfernt. Hier boten sich schon einige offene Felder dar, aber in der Haupt- sache waren die nun folgenden Kämpfe wieder Waldschlachten von derselben Art wie in der eigentlichen Wildnis. Es gelang dem nördlichen Korpsführer Hancock, in einem heldenhaft durchge- führten Angriffe die feindliche Stellung am »blutigen Eck« zu durch- brechen und eine ganze konföderierte Division gefangen zu nehmen. Aber der Vorteil konnte in Ermangelung von Reserven nicht ausge- nutzt werden. Bis zum 20. Mai wurde hier gekämpft, und Grant verlor abermals 18 000 Mann. Für General Grant hat durchaus kein zwingender Grund bestanden, bei Spottsylvania den Kampf fortzusetzen. Das Terrain war für den Angreifer sehr wenig günstig, und die Erfahrungen, welche man in der eigentlichen Wildnis ge- sammelt hatte, hätten eher zur Aufsuchung eines anderen Kampf- gebietes raten sollen. Aber Grant mag wohl befürchtet haben, daß ein sofortiges weiteres Abschwenken nach Südosten als ein Rück- zug gedeutet werden möge, und daß dadurch der Anschein erweckt werden würde, als habe er am 5., 6. und 7. Mai schwere Niederlagen erlitten. So forderte er das Kriegsglück nochmals heraus, um nach zehn weiteren Tagen doch zur Fortsetzung seiner Schwenkung nach Osten gezwungen zu werden. Lee besaß den großen Vorteil der inneren Linien, d. h. seine Truppen hatten den kürzeren Weg nach den Punkten, wo sie sich dem Gegner abermals vorlegen konnten. Als Grant am 20. Mai wiederum östhch abschwenkte (nach Guiney's Station), konnte Lee im voraus berechnen, daß er in einigen Tagen seinen Gegner bei Hanover Station am Nord-Annaflusse wieder antreffen würde, denn Grant war an die nach Richmond führenden Straßen gebunden. Am 25. Mai fand Grant bei Hanover Station die ganze feindliche Armee in festen Stellungen schlacht bereit. Diesmal verzichtete der nördliche General auf einen Angriff und setzte seinen Marsch in südöstlicher Richtung weiter fort. Er hatte bei den Versuchen, die Stärke der konföderierten Stellung zu er- proben, wieder mehrere tausend Mann verloren.

Grant zog diesmal ziemHch weit nach links ab, dem Laufe des Pamunkeyflusses folgend. Zum vierten Male traf das Nordheer

428 ^- Kaufmann.

an dem kleinen Flusse Totopotomoy auf verschanzte Stellungen des Gegners und es entwickelten sich Stellungskämpfe, welche schwere Opfer forderten. Grant hatte am 28. Mai den Pamunkey über- schritten, und war nur noch kaum 15 englische Meilen vonRichmond entfernt. Er hatte das Korps Smith von Butlers Jamesarmee heran- gezogen und dadurch wenigstens die Verluste der letzten acht Tage wieder ersetzt. Auch war er nun der Sorge der Verpflegung seiner Truppen überhoben, denn die Flotte konnte ihm von dem nahen White House (am schiffbaren Yorkflusse) alles liefern, was er brauchte. In dieser Lage entschloß sich Grant zu einem abermahgen Versuche, die konföderierte Armee zu durchbrechen. Der Gegner hatte sich weiter nach rechts vorgeschoben und bei C o 1 d H a r b o r sich zum fünften Male der Unionsarmee vorgelegt. Die Stellung Lees war eine ungewöhnlich starke. Es ist überhaupt bewunderungs- würdig, mit welcher Raschheit und mit welchem Geschick die kon- föderierten Ingenieure stets neue Schanzen zu errichten wußten. Grant befahl für den 3. Juni einen Massenangriff auf die Stellung von Cold Harbor. Dieser verhängnisvolle Sturm konnte deshalb nicht genügend vorbereitet werden, weil Grant seine zahlreiche schwere Artillerie abgeschickt hatte, um rascher vorwärts zu kommen. Auch waren die nördlichen Truppen durch die Gewaltmärsche, welche man ihnen zugemutet hatte, und durch die Schanzarbeiten außerordentlich ermüdet. Dem Gegner war schwer beizukommen. Lees linke Flanke war durch unpassierbare Sümpfe geschützt, seine rechte Flanke stützte sich auf den Chickahominy und auf die Ausläufer der Befestigungen von Richmond. So war eine Umfassung des Feindes unmöglich, und nur der frontale Angriff blieb übrig. Mit großem Mute stürmten die Unionshaufen gegen die Verhaue vor. Aber das entsetzliche Kreuzfeuer der feindlichen Batterien schmet- terte die Stürmenden zu Boden. 6000 tapfere Soldaten kostete dieser Angriff, welcher vollständig scheiterte. Lees Verluste waren ganz unbedeutend.

Grant beschloß nach dieser schweren Niederlage, vermittelst des Spatens sich näher an den Gegner heranzuarbeiten. Es folgten schreckliche Tage für die Truppen. Die vielen Toten konnten nicht beerdigt werden. Ein kaum noch zu ertragender Leichengeruch verpestete die Luft. Erst am 7. Juni wurde eine Waffenruhe verein- bart, um die Toten zu beerdigen. Bis zum 13. Juni verharrte Grant in seinen Stellungen, trotzdem bei ihm schon seit dem verunglückten

Durch die Wildnis bis Cold Harbor. 429

Sturme des 3. Juni der Entschluß festgestanden haben muß, die Operationen nach dem südHchen Ufer des Jamesflusses, zwischen Richmond und Petersburg, zu verlegen ; die Vorbereitungen für diesen Zug lassen das deutlich erkennen. In dem Sumpf gebiete des Chicka- hominy, auf demselben Gelände, auf welchem zwei Jahre früher Mc Clellan gekämpft hatte, erkrankten die Soldaten zu Tausenden an der Malaria, und die Verluste Grants vom 28. Mai bis zum 10. Juni beliefen sich auf über 13 000 Mann, während Lee während dieser Zeit kaum 4000 Mann eingebüßt hatte. Lees Gesamtverluste seit Be- ginn des Kampfes mit Grant sind nicht genau festzustellen, sie dürfen sich auf etwa 22 000 Mann belaufen, während Grant (ohne den Ab- gang durch Erkrankungen) auf den Schlachtfeldern etwa 50 000 Mann eingebüßt hat. Doch wurde auch die konföderierte Armee durch Nachschübe erheblich verstärkt, und sie bestand zur Zeit, als Lee sich nach Richmond wandte, wieder aus gegen 60 000 Mann.

Auch während des Zuges der Grantschen Armee quer über die Halbinsel bis zu der von Butlers Heere vorbereiteten festen Stellung von Bermuda Hundred, südlich von Richmond, wurde gekämpft, doch kam es nicht mehr zu wirklichen Schlachten. Grant mußte sich damit zufrieden geben, seinen großen Gegner in die Festung Richmond gedrängt zu haben. Doch war Lee in Richmond durchaus nicht etwa eingeschlossen, wie wir bald sehen werden.

Butlers verfehltes Unternehmen. General But- ler war mit gegen 37 000 Mann am 5. Mai an der Mündung des Appomatoxflusses in den James ausgeschifft worden und sollte von dort aus direkt gegen die nahe Festung Richmond-Petersburg vorgehen. Zur Zeit des Eintreffens Butlers standen nur 6000 Feinde unter der Führung des Generals Beauregard in den weit ausgedehnten Werken. Aber der Politiker Butler ließ die günstigste Zeit zum Angriffe verstreichen. Beauregard zog eiligst Verstärkungen herbei, und schon gegen Mitte Mai konnte er seinem Gegner 22 000 Mann entgegenstellen. Die Angriffe Butlers wurden mit wenig Wucht durchgeführt und es gelang Beauregard, seinen Gegner schließlich in dessen Verschanzungen bei Bermuda Hundred festzulegen. Der ganze Vorteil, welchen die Butlersche Expedition brachte, besteht darin, daß man eine feste Stellung zur Aufnahme der Grantschen Armee vorbereiten, sowie das Smithsche Korps, 16 000 Mann, zur Unterstützung Grants bei Cold Harbor absenden konnte. Hätte Sheridan oder Hancock an Butlers Stelle Anfang Mai dort befehligt.

430 W. Kaufmann.

SO wäre Richmond wahrscheinlich schon damals gefallen. Der deutsche Reitergeneral Kautz hat sich mit 3000 Mann an der Butlerschen Unternehmung beteiligt und durch sehr kühn und er- folgreich durchgeführte Streifzüge viele der Zufahrstraßen nach Richmond zerstört.

Earlys Vorstoß auf Washington.

Lee war nach seinem Siege bei Cold Harbor auf Richmond zurückgefallen, denn die dort stehenden Kräfte genügten nicht zum Halten des Platzes, sobald das große Heer Grants dort zur Belage- rung eingetroffen war. Aber doch hatte der südliche Feldherr in Richmond mehr Truppen, als er zur Verteidigung brauchte. Auch erhoffte er von einer kräftigen Offensive eine günstige Wirkung auf die schon recht bedenklich werdende Volksstimmung im Süden. So entsendete er sein Korps E a r 1 y (17 000 Mann, durch Verstär- kungen bald auf 20 000 gebracht) schon Ende Juni von Richmond aus in das damals offene Shenandoahtal. Early sollte vorläufig nur Lynchburg decken. Aber er hatte auch Befehl nach Norden vorzustoßen, falls die Gelegenheit dazu günstig sein möge. Earlys abenteuerlicher Sinn erblickte in dem zweiten Teile seiner Aufgabe den Hauptzweck des Unternehmens, und so erfolgte die dritte Invasion des Nordens durch konföderierte Heere. Early glaubte Washington überrumpeln zu können, und beinahe wäre es ihm gelungen.

Early zog rasch das Shenandoahtal abwärts und traf am Aus- gange desselben auf drei deutsche Generale. Sigel hat dort 4000 Mann, Max Weber 800, Stahel 1500 Reiter, deren Pferde aber fast ausgepumpt waren. Diese schwachen Kräfte konnten Early natür- lich nicht schlagen, aber sie haben den Feind fast vier Tage aufgehalten, und das bedeutet ungeheuer viel, wenn man bedenkt, daß die Verstärkungen, welche Grant von Bermuda Hundred nach Washington schickte, gerade in dem Augenblicke dort eintrafen, als Early die Bundeshauptstadt stürmen wollte.

Sigel stand bei Martinsburg. Early glaubt dessen kleine Besatzung leicht einstecken zu können und wollte Sigel umzingeln. Aber der wich geschickt auf Harpers Ferry aus, nachdem er Stahel und Weber

Earlys Vorstoß auf Washington, 431

herangezogen hatte, und nahm auf den Höhen bei jener Stadt eine starke Verteidigungsstellung ein. Vor dieser Stellung salutierte Early; er wollte sich Sigels Kanonen nicht aussetzen, und sah sich dann gezwungen, den Potomacübergang bei Shepherdstown (im Rücken von Harpers Ferry) zu suchen. Hierdurch und durch seine Unternehmung gegen Martinsburg hatte Early fast vier Tage Verzögerung. Sigels Truppen hatten hier nur eine Vorpostenplänkelei mit Early bei Leestown.

(^-^1^ Early mußte nun erst durch die South Mountains rücken, um die Anmarschstraße auf Washington zu gewinnen, während er über Harpers Ferry einen weit kürzeren Weg gehabt hätte. Am Monocacy warf sich am 9. Juli Lew Wallace (der Dichter) Early entgegen. Ein heftiger, blutiger Kampf, aber Earlys Übermacht kommt zur Geltung. Am 11. Juli abends stehen Earlys Scharen im Ange- sichte des Kapitols. Nur noch fünf Meilen bis Wa- shington! Aber gerade dann trafen die von Grant von der Halb- insel abkommandierten Hilfstruppen ein. Early, der überhaupt zu schwach für einen erfolgreichen Handstreich war, wurde dadurch matt gesetzt. Aber ohne den Aufenthalt Earlys bei Martinsburg und Harpers Ferry und am Monocacy hätte Early wohl einen tempo- rären Erfolg erzielen können. Man denke sich die Ermutigung im Süden, wenn die Rebellionsflagge auch nur während weniger Tage über dem Washingtoner Kapitol geflattert hätte ! Ein kleines Gefecht vor Washington folgte, und in der Nacht des 12. Juli trat Early den Rückzug an.

Die Verfolgung wurde so kopflos betrieben, daß Early den Mut zu einem zweiten Ausfalle, diesmal nach Pennsylvanien, fand. Sein Reitergeneral Mc Causland nahm Chambersburg. Da die Bürger das geforderte Sühnegeld von 100 000 Dollars Gold nicht sofort zahlen konnten, so flog die Brandfackel in die hilflose offene Stadt.

Es folgt nun Sheridans Verwüstungszug durch das Shenandoah- tal. Early wird bei Winchester, Fishers Hill und Cedar Creek von Sheridan geschlagen, aber erst im Winter erfolgte die völlige Auflösung dieser letzten konföderierten Feldarmee in Virginien. Dann zog Sheridan vor Petersburg, reichte Grant die Hand und kam bei der Schlußkatastrophe in wirksamer Weise zur Geltung.

432 W. Kaufmann.

Belagerung von Ridimond.

Bermuda Hundred ist eine durch die Krümmung des James- flusses gebildete Halbinsel, zehn Meilen südlich von Richmond, sechs Meilen nördlich von Petersburg. Diese beiden Städte bilden eine zusammenhängende konföderierte Festung, deren Schlüssel Petersburg ist, weil dort viele Eisenbahnen und Zufuhrstraßen nach dem Süden einlaufen. Grant und Butler erbauten bei Bermuda eine neue Festung, welche der konföderierten gegenüberlag und von der Unionsflotte auf dem Jamesflusse gedeckt und verprovian- tiert wurde. Von dieser befestigten Unionsstellung aus wurden dann die Werke ausgedehnt, besonders nach Petersburg hin, welches das Hauptziel des Angriffes blieb. Wiederholt wurde gestürmt, der wichtigste dieser Versuche ist als der »Kratersturm« bekannt, so benannt nach einem durch ungeheure Minenexplosionen geschaffe- nen Krater in den feindlichen Werken um Petersburg. Aber alle diese Angriffe scheiterten. Grant blieb zehn Monate vor Richmond- Petersburg liegen. Genommen wurde die Stellung erst, als sich die Wirkungen des Shermanschen Siegesmarsches durch Georgia zeigten, als Thomas Hoods westliches Rebellenheer bei Nashville vernichtet, als Sheridans Siege im Shenandoahtale das Earlysche Feldheer zertrümmert hatten, und als die durch alle diese Schicksalsschläge furchtbar getroffene Sezession in ihren letzten Zügen lag.

Shermans großer Umfassungsmarsdi.

Von Chattanooga nach Atlanta. Von Atlanta an das Atlantische Meer.

Ein Siegeszug des westlichen Nordheeres. Thomas schlägt Hood bei

Nashville. Shermans Marsch durch Georgia, Süd- und Nord-Carolina.

Sherman dicht vor Richmond.

Gleichzeitig mit Grants Angriff gegen Lee erfolgte, Anfang Mai 1864, Shermans Vorgehen von Chattanooga aus gegen Atlanta in Georgia. 500 Meilen in der Luftlinie lagen zwischen Grants und Shermans Heeren, deshalb stand ein direktes Zusammenwirken derselben noch in weiter Ferne. Aber der westliche Kriegsschauplatz war jetzt nicht mehr ein Ding für sich. Der Kreis war bedeutend

Shermans großer Umfassungsmarsch. 433

enger gezogen, denn die Notwendigkeit, dem starken Sherman ein einigermaßen ebenbürtiges Feldheer entgegenzustellen, ver- hinderte doch sehr wesentlich das Werfen von konföderierten Ver- stärkungen nach Richmond.

Nach Shermans Angaben zählte sein Heer 98 797 Mann und 254 Geschütze, eingeteilt in Cumberlandarmee (Thomas, 60 000 Mann), Tennesseearmee (Mc Pherson, 25000) und Ohioarmee (Scho- field, 13 500 Mann). Shermans Gegner Johnston stellte diesem Heere 60 000 Mann entgegen, doch erhielt Johnston beträchtliche Nachschübe, allerdings zumeist minderwertiges Material. General Joseph E. Johnston war ein bedeutender Feldherr. Er war der erste Oberführer des Südens gewesen, durch schwere Verwundung aber schon im Sommer 1862 zum Rücktritt gezwungen worden. Vortrefflich war das Soldatenmaterial des Shermanschen Heeres. Es bestand aus den Männern des Westens und das Veteranenelement überwog darin beträchtlich. Diese Truppen hatten weit öfter den Rücken des Feindes gesehen als ihre Kameraden von der Potomac- armee. Auf des Westheeres Bannern standen die Ruhmestage von Fort Donelson, Vicksburg, Nashville, Stone River, Lookout Mountain und Missionary Ridge verzeichnet, und auch auf ihre Niederlagen konnten die westlichen Truppen ohne Scham zurückblicken. Das Heer war vom besten Geiste belebt, die Soldaten hatten Vertrauen in ihre Führer. Auch war der Feldzug sorgfältig vorbereitet worden.

Nur noch eine deutsche Brigade, diejenige Wangelins (Regi- menter: 3., 12., 17. Missouri und 44. Illinois, wozu später noch 76. Illinois trat) befand sich im Shermanschen Heere. Und auch nur eine kleine Schar der alten deutschen Führer begleitete den Siegeszug durch Georgia. Wilhch wurde in der ersten Schlacht schwer verwundet und dienstunfähig, Schurz war auf Lincolns Wunsch zur Politik übergegangen, v. Stein wehr war zurückgetreten. Auch Hecker führte nur noch eine kurze Zeit. Aber der unermüd- liche Osterhaus war wie immer frisch im Sattel. Er befehligte zunächst eine Division des 15. Korps, in Atlanta trat er an Logans Stelle als Führer des ganzen 15. Korps. Auch Held Busch- beck war an diesem Zuge beteiligt, undWangelin, jetzt einarmig, trat erst nach den Hauptschlachten zurück. Dilger war mit dem II. Korps nach dem Westen gekommen und kämpfte nun in Sher- mans Heere bis zum Ende des Krieges. Die beiden deutschen Kämpen Conrad und Laibold führten Brigaden. Aus Wisconsin war Winkler,

W. Kaufmann, Die Deutscken im amerikan. Bürgerkrieg. 28

434 W. Kaufmann.

Oberst der tapferen 26 er von Milwaukee, hinzugetreten. Die beiden Salomons, General Friedrich Salomon und dessen Bruder Oberst Eberhard Salomon, holten sich westlich vom Mississippi Lorbeeren. Weitzel und Kautz kämpften unter Grant vor Richmond, Schimmel- fennig stand vor Charleston, der wieder aus der Versenkung aufge- tauchte Sigel war auf seiner undankbaren Mission im Shenandoah- tale begriffen, ihm zur Seite kämpften Weber und Stahel. Aber nur dem letzteren unter diesen dreien war es vergönnt, sich auszu- zeichnen und seine aktive Kriegerlaufbahn bei Piedmont mit einer glänzenden Tat zum Abschluß zu bringen.

Es wurde schon früher betont, daß das Shermansche Heer wahrscheinlich zu einem Drittel aus Deutschen und Deutschnach- kommen bestanden hat. Das entspricht der Stärke des Deutsch- tums im Westen und der bis zum Ende des Konflikts anhaltenden Kampfbegeisterung unseres Stammes. Aber beweisen läßt es sich nicht; denn die alten deutschen Verbände waren verschwunden oder zu stark gelockert. Die meisten Deutschen traf man im 15, und im 20. Korps, das letztere war aus der Verschmelzung der früheren Korps II und 12 hervorgegangen.

Sofort nach dem Abmärsche von Chattanooga begannen die Kämpfe. Aber Shermans Feldzug wurde in ganz anderer Weise geführt als derjenige Grants. Er suchte den Feind nicht durch »Hammerschläge« zu überwinden. Er wählte, wo er es irgend konnte, das Mittel der Umgehung und Flankierung des Gegners und erreichte dadurch, Schritt für Schritt vorgehend, das langsame Zurückdrängen Johnstons. Letzterer forderte Sherman schon bei Dalton zur Schlacht heraus, aber Sherman umging den Feind, und erst bei Resaca kam es zu heftigen Gefechten, welche jedem Teile gegen 3000 Mann Ver- luste brachten. Weiter zwang Sherman den Feind auf Adairsville, Kingston, Caßville und dann auf AUatoona zurück. Das war bereits drei Viertel des Weges nach Atlanta.

Das Eigentümliche dieses aus gegen hundert größeren und kleineren Gefechten und Schlachten bestehenden Stellungskrieges war die Wichtigkeit der Eisenbahn für jedes der beiden Heere. Sherman war auf die eingleisige Bahn nach Chattanooga ange- wiesen, Johnson auf den südlichen Teil derselben Linie betreffs seiner Verbindungen mit Atlanta, Für Sherman war die Behauptung jener Bahn von größerer Wichtigkeit; denn er stand im Feindes- lande. Außerdem war seine Bahnstrecke bald die längere, und da

Shermans großer Umfassungsmarsch.

435

die konföderierte Kavallerie der nördlichen beträchtlich überlegen und gewiß auch besser geführt war, so bildeten die Zerstörungen der Bahn für Sherman oft eine größere Sorge als die feindhchen Angriffe auf sein Heer. Aber Sher- man hatte vortreffliche Pioniere und Ingenieure bei sich. So oft auch die Bahn zerstört werden mochte, so oft und sehr rasch wurde sie auch wieder gebrauchs- fähig gemacht. Diese Schnelhg- keit Shermans im Reparieren von Eisenbahnen und Brücken brachte Johnston oft zur Ver- zweiflung^).

Zwischen AUatoona und Atlanta liegen die Ausläufer der langen Kette der AUeghenies, bekannt als Kenesaw Mountain. Hier hatte Johnston eine vortrefflich vor- bereitete und durch das Gelände begünstigte Verteidigungsstellung inne. Sherman schwenkte aber- mals rechts, verließ die Eisenbahn und zog in weitem Bogen gegen Dallas. Aber Johnston hatte sich ihm dort abermals vorgelegt. Es kommt am 27. und 28. Mai zu heftigen Kämpfen (bei welchen sich namentlich die Division Oster- haus glänzend auszeichnete). Die Schlacht , welche jedem Teile

3000 Mann Verluste brachte, blieb unentschieden. Nach einigen Tagen zog sich Johnston auf die Stellung am Kenesawberge zurück. Sherman folgte, und es entwickelten sich nun in den

^) Einmal hatten die Sezessionisten einen Eisenbahntunnel in der Sherman- schen Marschlinie zerstört. Aber schon am nächsten Tage war der Verkehr wieder hergestellt. Johnston, der die Arbeiten der feindlichen Ingenieure beobachten konnte, soll ausgerufen haben: »Ich glaube, dieser Teufelskerl Sherman führt selbst fertige Eisenbahntunnels in seinem Train mit sich!«

28*

Atlanta

Fig. 34. Von Chattanooga nach Atlanta.

436 ^- Kaufmann.

Tagen vom 3. bis 28. Juni Gefechte, welche in dem Sturme Shermans auf den Kenesawberg gipfeln (27. Juni). Hier erlitt Sherman die einzige Niederlage des ganzen Feldzuges. Die- selbe ist zurückzuführen auf das Abweichen von der bisherigen Taktik. Seine Sturmkolonnen wurden mit Verlust von 4000 Mann (Johnston nur 650 Mann) geworfen. Darauf schob Sherman seine Armee langsam um den Kenesaw herum und zwang Johnston endlich, auch diese Stellung zu räumen. Wesentlich wurde dieser wichtige Erfolg Shermans ermöglicht durch den Durchbruch der Osterhausschen Division bei Marietta. Sherman überschritt sodann den Chattachochfluß und stand am 16. Juli im Angesicht Atlantas.

Jefferson Davis hatte General Johnston stets unterschätzt und namentlich dessen Fabiertaktik mißbilligt. Johnston wurde am 18. Juli abgesetzt, und General Hood, ein Draufgänger, übernahm den Oberbefehl des trotz der starken Verluste wieder auf 50 000 Mann gebrachten konföderierten Heeres. Nichts war Sherman erwünschter als dieser Kommandowechsel. Unter Johnstonscher Führung hätte Sherman zur Belagerung der wichtigen Stadt schreiten müssen. Mit Hood als Gegner trat ein abgekürztes Verfahren ein. Hood ergriff sofort die Offensive, verließ seine Schanzen und fiel Sherman am 20., 22. und zuletzt am 28. Juli in offener Schlacht an. Es sind das die blutigen und entscheidenden Schlachten von Peachtree Creek und Atlanta. Hood wurde geworfen und erlitt ungeheure Verluste, namentlich auch durch Überläufer. Er mußte Atlanta räumen. Am 3. September zog Sherman in dies starke Bollwerk ein. Die Stadt war eines der reichhaltigsten Arsenale des Südens und barg namentlich wichtige Werkstätten. Aber wenn auch Hood die Stadt geräumt hatte, so war Sherman den Feind doch noch nicht los. Ja, Sherman mußte den größeren Teil des Wegs nach Chattanooga zurückmachen und sich beständig mit Hood herumschlagen. So wurde durch den ganzen September und Oktober zwischen Resaca und Atlanta gekämpft. Endlich räumte Hood das Feld, um sich zu restaurieren und einen neuen Kriegszug nach Tennessee vorzu- bereiten.

Thomas schlägt Hood. Sherman hatte Hoods neuen Plan durchschaut. Er schickte drei seiner Veteranenkorps unter den Generalen Thomas und Schofield nach Tennessee, um Hood dort aufzufangen. Hood brach im November in Tennessee ein.

Shermans großer Umfassungsmarsch. 437

warf sich zunächst auf den schwächeren Schofield, der in FrankHn in fester Stellung stand, wurde aber abgewiesen, worauf sich Schofields Vereinigung mit Thomas in Nashville vollzog. Am i6. De- zember fand die blutige Schlacht bei Nashville statt (Fig. 4), welche mit Hoods völliger Niederlage (Verlust 15 000 Mann, meistens Gefangene) endet. Damit war Hood so gut wie beseitigt. Schofields Korps aber machte eine 1000 Meilen lange Reise per Eisenbahn und Schiff und konzentrierte sich bei Goldenboro, N. C, 30 000 Mann stark, um dort dem nun vom Süden anrückenden Sherman (Ende März 1865) sich anzuschließen^).

Shermans Marsch durch Georgia. Sherman hatte bis Atlanta gegen 20 000 Mann verloren, aber durch Nach- schübe (trotz der Entsendung von Thomas und Schofield) ver- fügte er noch über 60 000 Mann, als er sich zu dem weltberühmten Marsche quer durch Georgia bis an die atlantische Küste entschloß. Er wußte, daß Unionsadmiral Dahlgren vor Savannah auf dem Meere seiner harrt und ihn, nach Eroberung dieser Stadt, neu aus- rüsten und mit Proviant versehen konnte. Dieser großzügigste Umfassungsmarsch der modernen Kriegsgeschichte entsprang Sher- mans Konzeption, obschon er selbst das Verdienst dafür seinem Vorgesetzten Grant zuschreibt, von welchem er sagt, daß Grant ihm stets ein Bruder war. Aber Sherman hatte schon im Vorjahre den Plan zu dieser Expedition entworfen und darüber geschrieben. Auch kannte er das Gelände aus seiner früheren Tätigkeit beim Bahn- bau in Georgia und woißte, daß das Land sein Heer ernähren könne. Jefferson Davis erklärte damals, Sherman werde auf seinem Zuge das Schicksal Napoleons, auf dessen Marsche von Moskau west-

1) In diesen Zügen der von der Hauptarmee Shermans abgesonderten Korps Thomas und Schofield erkennt man so recht den gewaltigen Umfang der Shermanschen Operationen, Von Atlanta aus schickt Sherman seine bei- den Untergenerale nach Zentral-Tennessee, über 250 Meilen nordwestüch, um den dort wieder aufgetretenen Gegner Hood zu schlagen. Nachdem Thomas das getan hat, macht Schofield eine 1000 Meilen lange Reise nach dem Osten (Frühling 1865), um bei Goldenboro im fernen Nord-Carolina dem nun vom Südosten anmarschierenden Sherman 30 000 Mann Verstärkungen zuzu- führen! Hier hat man endlich eine großzügige Kriegsführung, welche alle Schwierigkeiten zu überwinden weiß und Heeresteile, welche durch Entfer- nungen von bis zu tausend Meilen voneinander getrennt sind, wie Schach- figuren bewegt und ihre Wiedervereinigung geschickt bewerkstelligt.

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W. Kaufmann.

wärts, erleiden und in den Sümpfen des östlichen Georgia ein gräß- liches Ende finden. Aber Sherman lachte über diese Ankündigung. Die Größe und Bedeutung des Unternehmens lag weniger in der Anlage des Planes, als in dem Mute, denselben durchzuführen. TatsächHch hat das Heer niemals Not gelitten. Die Verluste während

Fig. 35. Shermans großer Umfassungsmarsch.

des langen Marsches betrugen kaum 1000 Mann. Die Soldaten waren fröhlich und guten Mutes; es ist ihnen während des ganzen Feld- zuges niemals besser ergangen als gerade in jenen Wochen.

Dieser Marsch mitten durch Feindesland wird verherrlicht in dem schönen Liede: »Marching through Georgia«. Es war nicht allein ein Kriegszug, sondern auch ein S t r a f zug. Das Land sollte ausgesogen werden, sollte unfähig gemacht werden, den feindlichen Heeren Proviant und Kriegsmaterial zu liefern. Deshalb die auf der Karte illustrierte, zuweilen bis 50 Meilen breite Marschord- nung des Zuges. Was man an Lebensmitteln antraf, wurde genom- men, und die Verkehrsmittel wurden zerstört. Manchmal mögen Shermans »Bummers« (Strolche; der Titel wurde später von den

Shermans großer Umfassungsmarsch. 439

Truppen lachend adoptiert) sich auch an Wertsachen vergriffen haben, doch haben sich nur einzelne durch den langen Krieg ver- rohte Soldaten an diesen Taten beteihgt.

Am 15. November Abmarsch von Atlanta. Die vier Korps zogen auf verschiedenen Straßen in einer Breite von 30 bis 50 Meilen Abstand. Am 10. Dezember Shermans Ankunft vor Savannah. Am Weihnachtstage die Siegesedepesche Shermans an Lincoln: »Savannah ist genommen!« Sherman reichte Admiral Dahlgren die Hand und empfing für seine Truppen eine neue Ausrüstung.

Grant verlangte dann, daß Shermans Heer zu Schiff vor Rich- mond gebracht werden sollte. Aber Sherman wußte darzulegen, daß eine Strafexpedition durch Süd- und Nordkarolina ihn ebenso sicher in Richmonds Nähe bringen werde. So setzten sich anfangs Januar Shermans Haufen nordwärts in Bewegung. Ja, es war eine Straf expedition. Der Süden sollte die Schrecken des Krieges kennen lernen und von der Nutzlosigkeit ferneren Widerstandes überzeugt werden. Außerdem fielen die Häfen Wilmington und Charleston (Wiege der Sezession) jetzt in die Hände des Nordens. Die Mittel, welche Shermans »Bummers« anwendeten, mögen nicht immer standhalten vor den Forderungen, welche die moderne Zeit an die Kriegführung stellt. Aber man muß dabei stets an Repres- salien für die Ausschreitungen südlicher Haufen denken (Morgans »Raids«, Brand von Chambersburg usw.).

Johnston, welcher abermals an der Spitze einer Feldarmee auftrat, warf sich Sherman in Nordkarolina entgegen, wurde aber nach heftigen Kämpfen zurückgedrängt, und am 23. März 1865 vereinigte sich Sherman mit Schofield in Goldenboro, N. C. Dadurch wurde das Shermansche Heer wieder auf gegen 90 000 Mann gebracht und war den bereits stark demoralisierten Haufen Johnstons fast doppelt überlegen. Alle Bemühungen der Konföde- rierten, den Vormarsch Shermans aufzuhalten, mußten scheitern. Sherman stand schon bei Raleigh, bereits in bedenklicher Nähe von Richmond, als General Lee während der letzten Märztage von 1865 den Entschluß faßte, aus Richmond in westlicher Richtung auszubrechen, den Anschluß an die Armee Johnstons zu suchen und dann einen weiteren Feldzug zu beginnen. Bei diesem Bemühen wurde der große Führer der Konföderierten in die Falle von Appo- matox gehetzt und dort zur Waffenstreckung gezwungen.

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W. Kaufmann.

Appomatox und der Friede.

Vor Richmond, Frühling 1865!

General Lee war nur widerwillig nach Richmond gegangen. Die Stärke der konföderierten Heere lag ja in der Feldschlacht. Rich- mond mußte anbetrachts der unerschöpflichen Hilfsquellen des Nordens über kurz oder lang eine Falle werden. Des- halb forderte Lee schon im Januar die Preisgebung des Platzes. Er wollte hinaus auf das freie Feld, um den Gegner zur Schlacht zu stellen. Noch Ende Februar wäre ein der- artiger Ausbruch sicher erfolg- reich gewesen. Aber Jefferson Davis wollte nichts von diesem Plane wissen, obschon die Vereinigung Lees mit John- stons bei Raleigh stehenden Truppen der Konföderation damals ein Feldheer von 90 000 Mann gegeben hätte. Davis fürchtete, daß die Preisgabe Richmonds das südliche Volk zur Verzweif- lung bringen möge. So mußte Lee noch in Richmond ver- bleiben. Aber vom Westen rücken bald 10 000 Unionsreiter Sheridans heran, gefolgt von frischer Infanterie; vom Süden ziehen Shermans 90 000 Mann immer näher gegen Richmond vor und Grant hat 125 000 Mann zur Umklammerung Richmonds am Platze. Frei- lich noch zu wenig, um die Stadt sowie Petersburg völlig abzu-

Fig. 36. Richmond und Petersburg.

Lincolns Ermordung. 441

schließen. Die Besatzung Richmonds darbt schon seit längerer Zeit. Am 27. März schiebt Grant zwei seiner Korps um Petersburg herum nach Westen vor. Das ist das Signal zu Lees erstem Aus- bruchsversuch. Aber Sheridan fängt diesen Stoß bei Five Forks auf. Um diese Zeit ist Petersburg nur schwach besetzt. Grant läßt am I. und 2. April stürmen und nimmt die Außen werke von Petersburg. In der Nacht des 2. April bricht Lees Hauptarmee gegen Amelia Courthaus zu aus, und der deutsche General Weitzel besetzt am Morgen des 3. April als erster die verlassene, jetzt bren- nende Hauptstadt der Sezession! Über Richmond weht endlich das Sternenbanner.

Ein aus einer Festung ausbrechendes Heer muß rasch operierea Die Verpflegungstrains können nicht im selben Tempo mit. Lee hat das vorausgesehen und im Vorgelände Verpflegungsstationen einrichten lassen. Diese aber werden von Sheridans Reitern ge- nommen.— Lee wäre wahrscheinlich entkommen, wenn die »Groß- macht Hunger« nicht zuguterletzt in ein Bündnis mit dem Norden getreten wäre. Lees Veteranen hatten mehrere Tage von der Luft gelebt, als sie am 9. April bei Appomatox Courthaus (Fig. 13) vor Grant und dem Hunger kapitulierten. Es waren noch 2802 Offiziere und 25 500 Mann. Eine gleiche Zahl war während des Marsches gefangen oder vorher desertiert. Am 17. April kapitulierte Johnston vor Sherman. Der letzte Rest dieses immer bewunderungswürdigen Heeres, das bis zur letzten Patrone gekämpft hat, ergab sich später weit im Süden an Osterhaus. Das war dann das Ende.

Jefferson Davis auf der Flucht! Er wird, angeblich in Frauen- kleidern, gefangen. Erst hieß es im Norden allgemein: »Der wenig- stens muß hängen!« Er wurde dann lange prozessiert, schließlich ließ man ihn, wie alle anderen Sezessionisten, mit alleiniger Aus- nahme des Deutsch- Schweizers Wirz, frei ausgehen.

Lincolns Ermordung.

Noch ein Opfer nachdem der Krieg schon vorüber war, ein letztes und das größte von allen ! In Washington waren die Patrioten massenhaft zusammengeströmt um Lincoln zu begrüßen. Er konnte die Freunde nicht alle im Weißen Hause empfangen und hatte

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deshalb versprochen, am Abende des 14. April in Fords Theater zu erscheinen. Der Schauspieler John Wilkes Booth, ein jüngerer Bruder des großen Shakespeare-Darstellers Booth, schlich sich hinter Lincolns Platz und erschoß den Präsidenten. Man glaubte zuerst, daß die Schandtat von den Häuptern der niedergeworfenen Rebellion geplant worden sei. Doch stellte sich das glücklicherweise als falsch heraus. Booth war das Haupt einer Verschwörung, deren Mitglieder gleichzeitig den Präsidenten, den General Grant und den Staatssekretär Seward ermorden wollten. Auch auf Seward wurde ein Attentat verübt, doch kam dieser noch mit dem Leben davon. Booth wurde auf der Flucht getötet, seine Spießgesellen, darunter auch eine Frau Surrat, wurden gehängt.

Um Lincoln hat nicht nur der ganze Norden getrauert. Auch viele der Rebellen, welchen soeben erst die Waffen entrissen worden waren, erkannten wohl, daß sie in Lincoln ihren besten Freund ver- loren hatten, den Mann, welcher den Willen und die Kraft besessen hätte, um die Rekonstruktion des Südens in milder und versöhn- Hcher Weise durchzuführen. Der schlichte und durch und durch ehrenhafte Volksmann hatte sich bei den meisten Führern der Rebellion Achtung, bei nicht wenigen, darunter auch General Lee, Bewunderung erzwungen. Die zuweilen ausgesprochene Ansicht, Lincoln sei für seinen Nachruhm zur rechten Zeit gestorben, ist durch- aus unrichtig. Wer die wilden Parteikämpfe beachtet, welche unter Lincolns Nachfolger Johnson sich entwickelten, wird zu dieser Meinung gelangen müssen. Lincoln besaß am Ende des Krieges einen Einfluß, wie ihn vor ihm nur Washington ausgeübt hatte. Wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, seinen zweiten Amtstermin in Frieden zu Ende zu führen, so hätten alle gesetzgeberischen Erlasse, welche den Ausgleich zwischen den beiden Landesteilen erstrebten, den Stempel des edlen Mannes getragen, dessen hervor- stechendster Charakterzug die Gerechtigkeitsliebe war.

Biographischer Teil.

Deutsche Unionsoffiziere.

Vorbemerkung.

Die folgende Liste umfaßt gegen 500 Namen hervorragender deutscher Unionsoffiziere des Bürgerkrieges sowie 32 Namen von Deutschen aus dem Zivilstande, welche während des Krieges be- sonders hervorgetreten sind. Von den Offizieren sind 96 vor dem Feinde gefallen (mit einem f bezeichnet). Doch umfaßt diese Liste durchaus nicht alle deutschen Stabsoffiziere, welche als Opfer des Krieges bezeichnet werden könnten. Viele der übrigen sind kurz nach dem Kriege oder noch während der Dauer desselben an den nachwirkenden Folgen von Wunden oder an Krankheiten gestorben, welche sich auf den Krieg zurückführen lassen (darunter die vier deutschen Divisionäre und Brigadiers v. Schimmelfennig, Krzy- zanowski, Blenker und Asboth). Bei sehr vielen der übrigen Offiziere wird man die Bemerkungen verwundet, schwer verwundet, mehr- fach verwundet, finden. Doch war nur bei einem Teile der hier behandelten Offizieren festzustellen, daß sie verwundet wurden.

Die Liste sollte ursprünglich nur solche deutsche Offiziere enthalten, welche mindestens den Majorsrang, bei der Artillerie denjenigen des Batteriechefs erlangt hatten. Doch konnte diese Grenze nicht ganz eingehalten werden und so sind auch einzelne Offiziere niederen Ranges mit aufgeführt worden, von welchen sich etwas Besonderes erfahren ließ. Im übrigen mag bemerkt werden, daß das Aufrücken in den Rang der Stabsoffiziere durchaus nicht immer nur auf Verdienst zurückzuführen ist. Mancher tapfere und tüchtige Deutsche blieb während der ganzen vier Jahre Kom- pagnieoffizier, obschon er wohl eine Rangerhöhung verdient hätte,

444 Osterhaus.

und einzelne geschmeidige Streber kamen ohne wirkHches Ver- dienst zu den höheren Stellen. Das Avancement war oft genug einer Lotterie vergleichbar.

Zu bemerken ist noch, daß die Liste durchaus nicht alle deutschen Stabsoffiziere umfaßt. Trotzdem sich gegen 200 Ve- teranen bemüht haben, die Liste so vollständig wie möglich zu gestalten, so ist doch sicherlich mancher Landsmann, welchem hier ein Platz gebührt hätte, vergessen worden. Die Sammlung des Materials begann leider erst, nachdem schon über vierzig Jahre nach dem Ende des Krieges verstrichen waren. Besonders dürftig sind die Nachrichten von höheren Offizieren aus den Staaten Mi- chigan, Maryland, Kentucky, aus den Neu-Englandstaaten sowie von der nicht unbedeutenden Zahl von deutschen Führern, welche in den loyalen Regimentern aus den rebellischen Südstaaten ge- standen haben. Auch von den verhältnismäßig sehr vielen deutschen Offizieren, welche Negerregimenter geführt haben, ließ sich nur sehr wenig noch ermitteln.

Es sollte besonders betont werden, daß es sich für unsere Auf- gabe nur um solche höhere Offiziere handeln konnte, welche aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und dem Elsaß gebürtig waren. Die sehr zahlreiche Gruppe von höheren Offizieren, welche in Amerika als Söhne deutscher Einwanderer geboren waren, ist nicht berücksichtigt worden. Gern hätte ich der großen Leistung der Deutschnachkommen ausführlicher gedacht, als es in dem Kapitel »Beteiligung der Deutschen im Kriege« geschehen konnte, aber dieser Gegenstand erfordert jahrelang betriebene Spezial- forschungen, sowie ein gründliches Eingehen auf die Geschichte der deutschen Einwanderung und deren Wirkungen. Auch vermag ein einzelner diese Aufgabe nur ganz unvollkommen zu lösen.

Die Biographien von acht der neun deutschgeborenen General- majore sind den übrigen Offizieren vorangestellt, Generalmajor Friedrich Salomon findet man unter S. zusammen mit seinen Brüdern. Es sei auch noch bemerkt, daß in Sigels Biographie manche Fragen gestreift werden, welche eigentlich im Texte zu behandeln gewesen wären. Doch hätte das manche Wiederholungen und ein Zurück- greifen auf frühere Schilderungen nötig gemacht. So hielt ich es für zweckmäßiger, die wichtige Angelegenheit Sigel im Zusammen- hange zu schildern.

Osterhaus. 445

Osterhaus, Peter Joseph, Generalmajor und Korps- führer. Geb. 1823 in Koblenz. Der 88 jährige lebte 191 1 noch in körperlicher sowohl als geistiger Frische bei einer zu Duisburg, im Rheinlande, verheirateten Tochter. Er hatte als Einjährig-Frei- williger in Koblenz gedient und war dann preußischer Landwehr- offizier geworden. Wegen Beteiligung an der deutschen Revolution suchte er in Amerika Zuflucht und war in Belle ville und in St. Louis bis zum Kriege ansässig. Im April 1861 trat er als Gemeiner in das 3. deutsche Missouri-Regiment ein, wurde bald dessen Major, später Oberst des deutschen 12. Missouri-Regiments, im Januar 1863 Brigadegeneral und nach seinen Kämpfen bei Chattanooga 1863 Generalmajor. Am 23. September 1864 erhielt er den Befehl über das 15. Armeekorps, welches er auf Shermans Marsch nach Savannah führte. Am 16. Januar 1866 legte Osterhaus seinen Degen nieder. So hat er fast fünf Jahre ununterbrochen unter den Waffen ge- standen. Er hat, von der Pike auf dienend, den höchsten Rang in der Freiwilligenarmee erlangt, hat vom ersten bis zum letzten Schusse bei der Unionsfahne ausgehalten, in 34 Schlachten ehrenvoll gekämpft und niemals eine Niederlage erlitten, wenn er selbständig führte. Es gebührt ihm ohne Zweifel der erste Platz unter den deutschen Offizieren des Bürgerkrieges^).

Osterhaus hat niemals politischen Einfluß geltend machen kön- nen und auch nicht, wie Sigel, die Unterstützung seiner Landsleute genossen. Jeder Erfolg seiner tatenreichen Laufbahn, jede mili- tärische Beförderung ist das Ergebnis eigenen Verdienstes, ist be- gründet auf treue Pflichterfüllung und auf der Entwicklung eines angeborenen Führertalentes. Auch war seine militärische Schulung in Preußen nur eine sehr beschränkte. Er war dort Pflicht soldat, nicht Berufsmilitär gewesen. Deshalb ist Osterhaus' Laufbahn auch nicht mit den Generalen zu vergleichen, welche in Deutschland für die Offizierslaufbahn vorgebildet wurden, sondern eher mit den amerikanischen seif made Generalen. Zieht man diesen Vergleich, so muß man die außerordentlichen Vorteile in Anrechnung bringen, welche der Eingeborne vor dem Eingewanderten voraus hatte.

^) Der deutschamerikanische Geschichtsforscher Emil Mannhart sagt, die Feinde hätten Osterhaus den Beinamen »Der amerikanische Bayard« gegeben. Gewiß eine ehrenvolle Benennung und auch eine richtige, denn Osterhaus war in der Tat ein »Ritter ohne Furcht und Tadel«.

446 Osterhaus.

Wenn man die Kriegstaten von »Peter Joe« (Spitzname) ge- bührend schildern will, so muß man eine Geschichte des größten Teils des westlichen und südlichen Krieges schreiben. Das ist aber bereits geschehen, wenn auch nur in kurzen Zügen, und es wird hier darauf verwiesen. Osterhaus tritt im Frühling 1861 in Missouri auf. Bei Wilsons Creek kämpfte er in Lyons Hauptkorps. Darauf der sog. Buschkrieg in Missouri, und die Schlacht von Pea Ridge. Oster- haus rettete den tapfer kämpfenden Sigel auf dessen Rückzuge von Bentonville und führte in der Entscheidungsschlacht eine der beiden Sigelschen Divisionen selbständig. Er war es auch, der die Stellung ausfindig machte, von welcher aus Sigels entscheiden- der Angriff seinen Ausgang nahm. Nachdem Sigels Geschütze den Feind zum Wanken gebracht hatten, stürmte Osterhaus die Haupt st eilung des Feindes am Elkhorn Paß. Osterhaus zog dann an den Red River, auf einen abgelegenen Kriegsschauplatz, nicht an den großen Red River, der den Südosten von Arkansas berührt, sondern an den kleinen Red River im Norden des Staates. Dort erkrankte die Hälfte seiner Soldaten an der Malaria. Selbst vom Fieber geschüttelt, zwingt Osterhaus sich aufs Pferd, um den Rest seiner Leute ins Gefecht zu führen. Sodann folgten die lange Belagerung von Vicksburg und die damit verbundenen Kämpfe. Osterhaus war in höchst ehrenvoller Weise beteiHgt am Siege von Arkansas Post, und Grant übertrug ihm während der Vicksburger Kampagne ein selbständiges Kommando am Big Black River. Er hatte dort zu verhindern, daß Vicksburg Verstärkungen und Proviant zugeführt wurden, eine mühevolle, aufreibende Tätigkeit, welche mit beständigen Kämpfen verknüpft war, in welchen Oster- haus verwundet wurde. Dann die Stürme auf Vicksburg, in welchen die Grantsche Armee abgeschlagen wurde. Aber am 22. Mai drang die Osterhaussche Division doch bis in die äußeren Werke vor. Während die Kameraden in den allgemein beachteten Schlachten von Fort Donelson, Shiloh, Corinth, Perryville und Murfreesboro sich Lorbeeren holen konnten, hatte Osterhaus undankbare, aber höchst schwierige Aufgaben zu lösen, unter beständigem Kämpfen und ohne daß seine Leistungen Beachtung fanden. Denn das große PubUkum hat nur für die Massenkämpfe und Hauptschlachten Interesse. Er begleitete Grant auf dessen Zuge von Vicksburg den Mississippi südwärts. Abermals eine undankbare und gefahren- reiche Aufgabe. Denn wieder hatte man nicht nur beständig mit

Osterhaus. 447

dem Feinde, sondern auch mit der Malaria und dem gelben Fieber zu kämpfen. So ist Osterhaus wohl zwei Jahre lang vom Kriegs- glücke, insofern als es den Führern Gelegenheiten zur Auszeichnung bringen kann, sehr wenig begünstigt worden.

Endlich, im November 1863, lächelte ihm das Glück. Er war mit Sherman nach Chattanooga gezogen. Aber seine Division konnte den hochgeschwollenen Tennessee nicht mehr überschreiten. So kam Osterhaus, statt zu Sherman, zum Korps Hooker. Und nun folgten die drei Siegestage, welche Osterhaus endlich in den Vorder- grund brachten. Er wurde der eigenthche Held der Schlacht über den Wolken, führte die Vorhut vom Lookout-Berge nach der Süd- seite der Missionary Ridge, kämpfte auch dort mit großem Ruhme und leitete dann die Verfolgung der von Thomas bei Missionary Ridge geschlagenen konföderierten Armee. Bei Ringgold, Ala., stieß er auf die Reste der Flüchtenden. Ein furchtbar blutiger Kampf, welcher von Osterhaus selbständig geleitet wurde, erfolgte. Aber das Ergebnis desselben war die Zersprengung des Feindes und ein neues Ruhmesblatt für Osterhaus. In den dreitägigen Schlachten um Chattanooga hat Osterhaus weit mehr Gefangene gemacht, als die Zahl der von ihm geführten Truppen betrug.

Der Shermansche Zug durch Georgia, welcher das ganze Jahr 1864 umfaßt, findet Osterhaus als Divisionär im 15. Korps. Seine Truppen sind an den meisten Schlachten und Gefechten beteiligt. Die Division kämpfte ruhmvoll bei Resaca, Dallas, Pumpkin Vine Creek, in der furchtbar blutigen Schlacht am Kenesaw Berge. Oster- haus war es, der bei Marietta durchbrach und damit die starke Verteidigungsstellung Johnstons am Kenesaw-Berge unhaltbar machte. Osterhaus war alsdann ehrenvoll beteiligt an den Schlachten am Chattahoochee und Jonesboro, sowie an den Entscheidungs- schlachten von Peachtree Creek und Atlanta. Dann folgten die vielen Kämpfe, welche mit dem Halten der Position von Atlanta verknüpft waren. Eine der Osterhausschen Brigaden, von dem tapfe- ren Corse, der von deutschen Eltern stammte, geführt, hielt AUa- toona siegreich gegen eine vierfache Übermacht. Am 23. September trat Generalmajor Osterhaus an die Spitze des 15. Korps, führte dasselbe durch Georgia bis vor Savannah, und seine Truppen be- teiligten sich an der Erstürmung von Fort Mc Allister, welches Savannah von der Landseite schützte. Erst nach diesem Siege konnte Sherman seine berühmte Weihnachtsdepesche an Lincoln

448 Osterhaus.

schicken : »Savannah ist unser. « Alsdann wurde Osterhaus Stabs- chef des Generals Canby und kämpfte bis zum Ende des Krieges bei Mobile und am unteren Mississippi. Nur die wichtigsten der Osterhausschen Kämpfe und Siege konnten hier erwähnt werden.

Nach dem Kriege wurde Osterhaus eine Zeitlang militärischer Gouverneur von Mississippi, alsdann amerikanischer Konsul in Lyon. Während des Deutsch-Französischen Krieges erwarb er sich den besonderen Dank der deutschen Regierung dafür, daß er den Deutschen in seinem Konsulatsgebiete den Schutz der amerikani- schen Flagge in geradezu aufopfernder Weise gewährte. Später fungierte Osterhaus als Konsul in Mannheim. Erst im 77. Jahre legte er dies Amt nieder, um seinen Lebensabend in Ruhe zu be- schließen.

Einer seiner Söhne, Hugo Osterhaus, ist Admiral der amerika- nischen Kriegsflotte. Im Frühling 191 1 erhielt derselbe das höchste Kommando in der Flotte, den Befehl über das Geschwader des Atlantischen Ozeans. Auch ein Enkel des Generals ist amerikanischer Flottenoffizier. Ein anderer Sohn unseres Helden war preußischer Artilleriemajor, ging nach Südwestafrika und fiel in den Kämpfen am Waterberge. Dieser Sohn hatte sich schon während der inter- nationalen Kampagne in China besonders ausgezeichnet.

Osterhaus besaß in hohem Maße Anpassungsfähigkeit an ameri- kanische Verhältnisse. Er machte von dieser Gabe Gebrauch, ohne jemals sein Deutschtum zu verleugnen. Er war nur Militär, nicht im Nebenberufe »Weltverbesserer«, wie so manche seiner achtund- vierziger Kameraden, die so vielfach an den amerikanischen Kriegs- einrichtungen krittelten und nicht einsehen konnten, daß der impro- visierte Volkskrieg einer durchaus unmilitärischen Nation sich nicht nach den Gebräuchen und Regeln europäischer Vorbilder abspielen konnte. Osterhaus nahm die Dinge, wie sie nun einmal waren und wie sie unter den gegebenen Verhältnissen auch kaum anders sein konnten, und er suchte sich denselben anzupassen. So finden wir Osterhaus stets im Frieden mit seinen angloamerikanischen Kameraden, es treten keine Reibungen ein, wobei allerdings in Betracht gezogen werden muß, daß das Westpointertum in der westlichen Armee niemals so zur Geltung gelangte wie im Osten. Das westliche Heer war ja eigentlich stets ein Volksheer, auch in bezug auf die der regu- lären Armee entstammenden Führer. Grant, Sherman, Rosecrans und andere Generale des Westens hatten längst die Fühlung mit

Sigel. 449

Westpoint verloren, sie waren viele Jahre der regulären Armee fern gewesen, und sie gaben sich weit mehr als B ü r g e r generale, als €s die Führerclique tat, welche in der Potomacarmee stets dominiert hat. Auch der echte Held Thomas erscheint uns im Generalsrock stets mehr als Bürger denn als Westpointer. Osterhaus wußte sich als Deutscher bei den Angloamerikanern durchzusetzen. Von ihm sprechen edle seine Vorgesetzten nur mit der größten Hoch- achtung, und nur einmal wurde der Nativismus gegen Osterhaus ausgespielt, natürlich durch den General O. O. Howard. Als Osterhaus an Logans Stelle die Führung des 15. Korps erhalten sollte, protes- tierte Howard. Er meinte, man dürfe ein so hohes Kommando nicht einem Eingewanderten geben. Howard hat wohl nie von dem Eingewanderten Steuben gehört, welchem Washington den Posten eines Generalinspektors der Armee verlieh.

Sigel, Franz, Generalmajor und Korpsführer, geb. 1824 zu Sinsheim in Baden, gest. 1902 in New York. Er resignierte 1847 3.1s badischer Offizier infolge eines Duells, in welchem sein Gegner gefallen war ; studierte dann in Heidelberg Jura und beteiligte sich an dem Aufstande in Baden an führender Stelle. Er flüchtete bald darauf nach Amerika und war bis zum Bürgerkriege Lehrer in New York und St. Louis.

Angesichts des Ruhmes, welchen Sigels Landsleute auf ihn gehäuft haben, müßte man annehmen, daß seine Kriegstaten ganz außerordentlicher Art gewesen sind, zum mindesten, daß sie die- jenigen der übrigen deutschen Heerführer weit überragen. Sigel ist durch zwei Reiterstandbilder geehrt worden, sein Name lebt noch nach 50 Jahren im deutschamerikanischen Volke. Von den übrigen deutschen Generalen hört man jedoch fast nichts mehr; ihre Namen sind aus der Erinnerung ihrer Stammesgenossen (ab- gesehen von dem immer mehr verschwindenden Kreise der Veteranen) so gut wie ausgelöscht. Das kann man sicherlich nicht als eine gerechte Begleichung der Dankesschuld bezeichnen, auf welche doch alle gebührenden Anspruch haben. Selbst wenn die Verdienste Sigels derartig wären, daß ihm eine ihn vor allen seinen Kameraden auszeichnende Ehrung gebührte, würde diese auffallende Vernach- lässigung der anderen als ungerecht empfunden werden. Um so weniger angemessen erscheint aber jene einseitige Anerkennung, wenn sich herausstellt, daß Sigels Kriegstaten beträchtlich über- schätzt werden und daß wenigstens e i n anderer deutscher General

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 29

450 Sigel.

Anspruch darauf erheben kann, an Sigels Stelle als e r s t e r deutscher Heerführer des Bürgerkrieges genannt zu werden.

Sigels Kriegsleistung ist folgendermaßen: Beteiligung an der deutschen Erhebung in St. Louis als einer von vier Regimentsführern. Rückzugsgefecht bei Carthage, Mo., 5. Juli 1861. Schwere Niederlage und völlige Auflösung der Brigade Sigel bei Wilsons Creek, Mo., 10. August 1861. Gut geführtes Rückzugsgefecht bei Bentonville, 6. März 1862. Glänzender Sieg Sigels (unter Curtis) bei Pea Ridge, Ark., 7. bis 8. März 1862. Zweitägige große Schlacht bei Bull Run II, 29. und 30. August 1862. Sigel leitete diese einzige große Schlacht seiner Laufbahn ruhmvoll ein, kämpfte mit Auszeichnung am zweiten Tage und seine Truppen deckten den Rückzug. Ferner Niederlage der Sigelschen Division bei New Market, Va., 15. Mai 1864. Hier wie bei Wilsons Creek und Carthage befehligte Sigel selbständig. Außerdem kam Sigel nur noch in kleinen Schar- mützeln am Rappahannock in Aktion, Als Führer einer Grand Division (zwei Armeekorps) konnte er sich nicht im Kampfe be- tätigen. Durch geschicktes Manöverieren bei Harpers Ferry hat er den Vormarsch Earlys (Sommer 1864) verzögert, ohne daß es zu Gefechten kam. Sigel stand im Felde von April 1861 bis Fe- bruar 1863. Sodann noch einige Monate im Sommer 1864.

Ein Vergleich der Bewertung der deutschen Heerführertaten im einzelnen muß aus naheliegenden Gründen unterbleiben. Jedoch hat jeder der deutschen Generale Anspruch darauf, daß seine Gesamt leistung während des Krieges in Betracht gezogen wird. Wenn der General A in fast zehnmal so vielen Schlachten gekämpft hat als sein Kamerad B, wenn er öfters selbständig ge- führt hat als B, ohne jemals eine Niederlage zu erleiden, während die selbständig geführten Kämpfe des B meistens Niederlagen ge- bracht haben, so wird man schwerlich den B als den verdienst- volleren unter den beiden bezeichnen können. Ein Vergleich des gesamten Kriegsrekords von nur zwei anderen deutschen Generalen mit den Kriegstaten Sigels läßt unschwer erkennen, daß in der einseitigen Hochhaltung Sigels seitens des deutsch- amerikanischen Volkes eine unverdiente Bevorzugung liegt. Hier möge eine derartige Gegenüberstellung der Leistungen folgen:

Sigel: 5 Aktionen, eine einzige große Schlacht, in welcher Sigel als tüchtiger Korpsführer wirkte, eine Mittelschlacht, Pea Ridge, in welcher Sigel als zweiter Führer auftrat und als eigent-

Sigel. 451

lieber Sieger gelten kann, sowie zwei größere Gefechte, Wilsons Creek und New Market, welche unter Sigels selbständiger Führung mit Niederlagen endeten, und die Rückzuggefechte bei Benton- ville und bei Carthage.

Osterhaus: 34 Aktionen, darunter viele große Schlachten und größere Gefechte, daneben noch manche Scharmützel und Stellungskämpfe, welche unerwähnt bleiben. Besondere Ruhmes- taten: Pea Ridge (unter Sigel), Arkansas Post, Kämpfe um Vicks- burg, besonders die selbständig geführten Gefechte am Big Black River (verwundet), Champion Hill, Sturm auf Vicksburg am 22. Mai. Dann L o o k o u t Mountain und Umfassung der Missionary Ridge vom Süden aus; das furchtbar blutige Gefecht von Ring- gold, in welchem Osterhaus selbständig führte und über eine große Übermacht Sieger blieb. Sodann Resaca, Dallas, Pumpkin Vine Creek und der vortrefflich ausgeführte Durchbruch der Division Osterhaus bei Kenesaw Mountain sowie die vier großen Schlachten um Atlanta. Osterhaus' Laufbahn als Korpsführer (von Atlanta bis Savannah, Herbst 1864) brachte keine große Schlacht. Oster- haus stand im Felde vom ersten bis zum letzten Schusse des Krieges.

W i 1 1 i c h : Diente ununterbrochen von April 1861 bis Fe- bruar 1864. Er wurde durch schwere Verwundung dienstunfähig. Exerziermeister der deutschen Muster-Regimenter 9. Ohio und 32. Indiana. Über dreißig größere Aktionen, darunter die fünf großen Schlachten bei Shiloh, Perryvüle, Stone River, C h i c k a - m a u g a und Missionary Ridge, sowie das Gefecht von Orchard Knob, welches für WilHch besonders ruhmreich war. Selb- ständig geführte siegreiche Kämpfe : bei Hoovers- und bei Liberty Gap. Willich wurde leider erst sehr spät Divisionär.

Der Vergleich der gesamten Kriegstaten von Osterhaus und Willich mit denjenigen Sigels wird genügen, um die irrige Anschauung zu zerstreuen, daß Sigel der einzige bedeutende deutsche Feld- herr des Bürgerkrieges gewesen ist.

Die einseitige Sigel- Schwärmerei der Deutschamerikaner er- scheint nicht allein als eine Ungerechtigkeit gegen andere und sehr verdienstvolle deutsche Offiziere, sondern es wird dadurch auch der große und schöne Anteil des deutschen Volksstammes an der Erhaltung der Union leicht in ein wenig günstiges Licht gerückt. Denn man wäre versucht, diesen Anteil wesentlich nach den Kriegs- taten Sigels zu bemessen. Eine solche Deutung Hegt sogar recht

29*

452 Sigel.

nahe. Wegen der Zerstreuung von vier Fünfteln der deutschen Soldaten in gemischten Regimentern läßt sich jenes Wirken nicht aus der Wucht der deutschen Kriegsmassen nachweisen, und man ist deshalb besonders auf die Leistungen der aus den Massen hervor- tretenden deutschen Offiziere angewiesen. Es wäre aber sehr wenig angebracht, wenn wir uns bei dieser Beurteilung wesentlich auf die Kriegstaten Sigels stützen wollten, denn wir würden dabei nicht zu unserem Rechte kommen.

Aus diesen Gründen wird es notwendig, die Sigelsche An- gelegenheit hier weit ausführlicher zu besprechen als notwendig wäre, wenn es sich dabei nur um eine Personenfrage handeln würde. Und wenn danach unser Sigel etwas kleiner erscheinen mag, als er sich auf seinen Reiterstandbildern und in den Volksstimmungen, welche durch das aus Baden mitgebrachte Vergrößerungsglas ge- schaffen wurden, ausnimmt ein tüchtiger Mann, vor dem jeder Deutsche und auch jeder Angloamerikaner den Hut abzunehmen hat, bleibt er doch. Der im Grunde stets bescheidene und nur durch die aufdringlichen Uberschwenglichkeiten seiner Freunde zeitweise etwas aus dem Gleichgewichte gebrachte Sigel hätte sicherlich nichts dagegen einzuwenden, wenn seine Laufbahn nur nach seinen Kriegsleistungen bewertet werden würde.

Als Sigel mit dem noch grünen Kriegsruhme von Pea Ridge im Mai 1862 nach Washington kam, um ein Kommando im Osten zu erlangen, hatte er das ganze Achtundvierziger tum hinter sich. Und die »Grauen« ebenfalls. Namentlich der graue Körner, einer der intimsten Freunde Lincolns, setzte sich für Sigel ein. Mächtig wurde um jene Zeit die Trommel für Sigel gerührt. Aber das war gar nicht nötig. Als Körners Empfehlungsbrief vorgezeigt wurde und als der eben aus Spanien zurückgekehrte Schurz Lincoln unter vier Augen gesprochen hatte, da war schon alles fertig. Der Realpolitiker im Präsidentenstuhl wußte wohl, was er den Deutschen zu verdanken hatte, und als diese Sigels Ernennung zum Korpsf ührer verlangten, da sagte Lincoln gelassen »allright«, ohne daß dem Intriganten Halleck Gelegenheit gegegeben wurde, seine Gegenminen springen zu lassen^).

1) Sigel selbst war an dieser ganzen Sache fast gar nicht beteiligt. Er war weit mehr der Geschobene als der Schiebende. Auf die »praktische Poli- tik« und deren Erfordernisse hat sich dieser Träumer nie verstanden. Üb- rigens verdankte Sigel seine Ernennung zum Brigadegeneral und zum General- major ebenfalls wesentlich den Achtundvierzigern.

Sigel. 453

Der Wunsch der Deutschen, neben den Massen deutscher Soldaten und Offiziere niederen Ranges auch einen hervorragenden deutschen General zu den Heeren der Union zu stellen, war natür- lich und auch durchaus berechtigt. Die Wahl fiel auf Sigel, denn er wurde von seinen achtundvierziger Freunden für ein seltenes militärisches Genie gehalten, und außerdem waren ihm jene Freunde zu Dank verpflichtet. Er hatte als der letzte Oberführer der badi- schen Revolutionsarmee gewirkt und die Reste derselben durch einen geschickt durchgeführten Rückzug nach der Schweiz in Sicher- heit gebracht. Dadurch hatte er Hunderte von Freischärlern vor Verfolgung und Standrecht gerettet. Sigel war auch der einzige deutsche Militär, der einen berechtigten Kriegsruhm mit nach Amerika gebracht hatte.

Sigel ist stets ein merkwürdiger Pechvogel gewesen. Gerade nachdem er bei Pea Ridge die schwere Schlappe von Wilsons Creek ausgewetzt hatte eine Tatsache, welche im Westen allgemein anerkannt wurde, während das im Osten seitens der Westpointer niemals gebührend geschah ließ er sich nach der Potomacarmee versetzen. Er tat das lediglich um seinem Feinde Halleck zu ent- gehen. Aber fast gleichzeitig mit Sigels Abgange nach dem Osten wurde Halleck als Obergeneral sämtlicher Unionsheere nach Washing- ton versetzt. So kam Sigel aus dem Regen in die Traufe. Denn Halleck hatte ihn in der neuen Stellung erst recht unter der Fuchtel, und Hallecks Macht in Washington war eine ungleich größere, als sie bisher in Missouri gewesen war. Wäre Sigel damals im Westen verblieben, so konnte ihm Halleck weniger anhaben, denn dieser konnte sich um die Dinge auf dem westlichen Kriegsschauplatze nicht so eingehend kümmern^). Im Westen war Sigel bekannt, und seit Pea Ridge genoß er dort wohlverdienten Ruhm. Auch fehlten dort die kleinen Quälgeister Sigels, welche im Osten so zahlreich waren. Er wäre dort freiHch nicht so bald Korpsführer geworden, aber was nützte ihm eine solche Stellung überhaupt, da er dieselbe im Osten doch nicht zu behaupten vermochte ? Jeden- falls wäre Sigel im Westen ganz anders zur Geltung gekommen als am Potomac.

Zur Unzeit bewerkstelligte Sigel auch seinen Abgang von der Potomacarmee. Er ging gerade dann, als das ii. Armeekorps

1) Trotzdem hat Halleck auch im Westen noch immer Unheil genug angerichtet.

454 Sigel.

eine stattliche Truppe geworden war, als das seitherige i. (Sigelsche) Korps von nur noch 5000 Mann im Januar 1863 unter dem Namen des II. Korps auf über 12000 Mann verstärkt wurde. Und er ging, als sich der Schreckenstag von Chancellorsville bereits vorbereitete. Welche Gelegenheit zur Auszeichnung hätte Sigel wohl am 2. Mai 1863 gehabt! Denn daß Sigel an jenem Tage das Korps in eine gute Verteidigungsstelle gebracht hätte, anstatt dasselbe, wie es sein Nachfolger Howard tat, völlig schutzlos dem Überfalle einer vierfachen Übermacht preiszugeben, ist mit Sicherheit anzunehmen. Der Überfall vom 2. Mai bot jedem einigermaßen vorsorgenden Unionsführer eine glänzende Gelegenheit zur Auszeichnung^) . Sigel hätte sich an jenem Tage unsterblichen Ruhm erkämpfen können, aber der »Pechvogel «2) hatte zu früh resigniert. Bei dieser Gelegen- heit sei vorgreifend bemerkt, daß Sigel durch sein letztes (das dritte) Rücktrittsgesuch, im Februar 1863, die für ihn aller ungünstigste Zeit gewählt hatte. Seine Feinde konnten ihm nachrufen. »Da geht er nun, weil sein Stolz verletzt worden ist, weil er nicht mehr eine

^) Zum Beweise dieser Angabe dient der ^1^ stündige Heldenkampf Busch- becks an jenem Tage. Man denke sich nun das ganze 11. Korps auf dem freien Gelände des Hawkinsschen Feldes, wo sich Artillerie verwenden ließ, hinter Schanzen zum Empfang Jacksons aufgestellt, d. h. den von Schurz vorge- schlagenen Plan zur Ausführung gebracht. Daß Sigel die Vorteile einer solchen Stellung übersehen hätte, wird doch wohl niemand annehmen. Nur ein Igno- rant, wie es der Westpointer Howard war, konnte Schurz abweisen, als ihm letzterer den Verteidigungsplan unterbreitete. Übrigens billigte auch v. Stein- wehr diesen Plan und führte ihn, soweit er es durfte, auch durch. Denn die Schanzen, in welchen Buschbeck kämpfte, waren von Steinwehr errichtet worden,

^) Ein Pechvogel blieb Sigel zeit seines Lebens. Das Glück lächelte ihm auch später noch mehrmals, aber stets lag ein ganzer Berg von Unglück da- hinter. Wir erinnern an seine spätere politische Laufbahn in New York. Wie wurde er von vielen beneidet um die einträglichen Ämter, welche ihm zu- fielen. Und was wurde daraus für den bedauernswerten Sigel! Andere hätten sich dabei ein Vermögen gemacht. Sigel aber litt damals wohl noch mehr als jemals am Potomac. Fast bettelarm und gebrochen an Leib und Seele zog er sich in das Privatleben zurück. Die Einzelheiten darüber sollen nicht be- sprochen werden, sie sind ja auch vielen bekannt. Sigel selbst blieb auch in jener »Hölle« der Ehrenmann, der er stets gewesen ist. Daß er für die betreffen- den Ämter nicht taugte, lag in seiner eigenartigen Veranlagung sowie in seinem Bildungsgange.

Sigel. 455

Grand Division (zwei Korps) befehligen kann. « Da die Grand Divisions aufgelöst worden waren und deshalb für Sigel nur noch das II. Korps übrig blieb, so klang jenes »Argument« ja recht glaub- würdig, aber für Sigels endgültigen Rücktritt waren die Gründe maßgebend, welche er in seinem zweiten Abschiedsgesuche von Anfang Oktober 1862 angibt (worüber später). Sigel hätte jeden- falls im Frühling 1863 noch ausharren sollen. Die beste Zeit für seinen Rücktritt wäre aber unmittelbar nach der zweiten Schlacht von Bull Run gewesen, wo er mit frischem Lorbeer abtreten konnte. Aber wer kann sich in die Gemütsstimmung eines so viel verärgerten Mannes versetzen, noch dazu eines so unpraktischen Träumers und Idealisten, wie es gerade Sigel war. Wer kann von ihm voraus- setzen, daß er erkannte, wann die günstigste Zeit für »einen schönen Abgang« vorhanden war!

Die übereifrigen Freunde Sigels haben nicht erwogen, daß es ihnen verhältnismäßig leicht war, Sigel die neue Stellung zu verschaffen, daß es aber für diesen sehr schwer sein würde, sich als Korpsführer zu behaupten. Die Westpointer Offiziere der Potomac- armee sahen den neuen Kameraden durchaus nicht mit deutschen Augen an. Sie betrachteten ihn als einen Eindringling in ihren Kreis, als einen Fremdling, der einem der Ihrigen einen guten Posten vorweggenommen habe. Gemurrt hatten diese Herren schon, als die hervorragenden amerikanischen Politiker Banks und Butler den Vorzug vor Westpointern erhielten, aber bei dem großen An- sehen dieser beiden Politiker^) kam es noch nicht zu einer Demon- stration. Sigel war aber der erste Ausländer, welcher als Korps- führer auftrat, außerdem ließ sich gerade Sigel gegenüber der Stand- punkt der Westpointer in günstigem Lichte darstellen. Die Organi- sation des östlichen Hauptheeres war derartig, daß Lincoln" dem inneren Getriebe desselben völlig fernstand, alle Befehle, beson- ders aber die Verteilung der neuorganisierten Truppen auf die ver- schiedenen Armeekorps, wurden von Kriegsminister Stanton und General Halleck erlassen, und es lag durchaus in der Macht dieser Gewaltigen, einzelne Korps zu bevorzugen, andere zu vernach- lässigen. Daß Sigels Korps nicht bevorzugt wurde, dafür sorgte Herr Halleck in ausreichendem Maße. Und wie einzelne der West-

1) Von den vielen anderen Politikergeneralen gar nicht zu reden!

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pointer Oberführer ihren Kameraden Sigel behandelten, ersieht man aus folgender Episode: Während des ersten Schlachttages von Bull Run II waren die Divisionen Reno und Kearney zur Unter- stützung des im Vordertreffen kämpfenden Korps Sigel aufge rückt. Sigel schickte einen Adjutanten^) zu Kearney und ließ denselben ersuchen, gleichzeitig mit dem erneuerten Angriffe der Sigel- schen Division Schurz in den Kampf einzugreifen. Was antwortete der stolze Westpointer? »Teil your General that I don't want any foreign interference with my command. « Sigel hatte demnach nicht allein die obersten Militärbehörden in Washington gegen sich, sondern auch noch das Mißtrauen, um nicht zu sagen das Übelwollen seiner Westpointer Kameraden zu ertragen. Übrigens wäre jeder Deutsche an seiner Stelle großen Schwierigkeiten be- gegnet. Die einzigen Deutschen, welche sich dabei vielleicht durch- gesetzt hätten wären Schurz, möglicherweise auch v. Steinwehr gewesen. Bei Schurz hätte dessen hervorragende politische Stellung und die glänzende Begabung als Redner Respekt eingeflößt, bei Steinwehr dessen Beteiligung am Mexikanischen Kriege und seine den älteren Westpointern wohlbekannte militärische Erfahrung. Daß Schurz in militärischen Dingen ein Neuling war, wäre weniger in Betracht gekommen, an die politischen Generale hatten sich die Westpointer bereits etwas gewöhnt. Jedenfalls würde das unbe- schriebene Blatt Schurz diesem weniger geschadet haben, als Sigel das von ihm bereits in Missouri beschriebene Blatt geschadet hat. Schurz sowohl wie Steinwehr kannten die Verhältnisse in Amerika weit besser als Sigel, auch besaßen beide ein gewisses diplomatisches Talent sowie die Fähigkeit, sich den gegebenen Verhältnissen eher anpassen zu können, als es der Urteutone Franz Sigel verstand. Daß die Westpointer Berufsoffiziere das erste Anrecht auf die obersten Führerstellen besaßen, kann wohl nicht bestritten werden. Auch wurde ihnen von der öffentlichen Meinung diese Bevorzugung durchaus zugebilligt. Schon die Tatsache, daß sie der Union treu geblieben waren, während eine Mehrzahl ihrer Kameraden für den Landesfeind optiert hatte, gab ihnen in der Volksanschauung das Recht auf Begünstigung. Auch haben sich die amerikanischen Berufsoffiziere stets als eine besondere Kaste gefühlt. In Friedens-

1) Mitteilung des betreffenden Adjutanten, Dr. J. Max Müller, an den Verfasser. Müller war Adjutant im Stabe der Division v. Steinwehr.

Sigel. 457

Zeiten wurde das von niemand beachtet, aber als nach Ausbruch des Krieges jene Herren als eine für ihre Standesinteressen kämp- fende Gesellschaft auftraten, wurde das von den Massen des Nord- volkes als angemessen betrachtet. Der brave Bürgersmann im Norden besaß auch eine sehr hohe Meinung von der Tüchtigkeit der Westpointer. Erst nachdem bei Fredericksburg und Chancellors- ville so viele Berufsoffiziere versagt hatten, aber von der Offiziers- clique trotzdem in hohen Stellungen weiter gehalten wurden, machte sich eine starke Gegnerschaft in bezug auf die Westpointer geltend. Übrigens hätte keine andere auf Selbstachtung haltende Nation ihre aus freiwillig dienenden Patrioten bestehenden Truppen un- erprobten ausländischen Offizieren anvertraut, solange im Inlande vorgebildete Offiziere dafür vorhanden waren. Ferner haftet jedem im Auslande auftretenden Ex-Offizier anderen Volkstums ein ge- wisses Odium an. Man sucht nach den Gründen, weshalb der Herr seine Stellung im heimatlichen Heere mit dem Exil vertauscht haben mag. Daß auf die Berufsoffiziere unter den deutschen Achtund- vierzigern ein derartiger Verdacht nicht ausgedehnt werden durfte, berücksichtigte man in den angloamerikanischen Kreisen nicht. Was wußten die Westpointer von der achtundvierziger Erhebung in Deutschland!! Auch könnte man bezüglich der Vorurteile der Amerikaner gegen die Verwendung ausländischer Offiziere in hohen Stellungen noch ein sehr lehrreiches Beispiel aus dem Revolutions- kriege herbeiziehen. Welchen Schwierigkeiten begegnete doch der große Steuben bei seinen Kameraden, nachdem ihn Washington zu dem Amte des Generalinspektors der Armee ernannt hatte. Auch Steuben wurde es sehr schwer, sich durchzusetzen, obschon Washington ihn stets stützte. Und Washington war doch noch ein anderer Mann als der gewiß nicht unbedeutende Lincoln. Und Sigel war gewiß kein Steuben.

Die ganz besonderen Schwierigkeiten, welchen Sigel am Potomac begegnete, ergaben sich, abgesehen von dem Hauptgrunde, der Feindschaft Hallecks, aus folgenden Dingen: Als Sigel Korpsführer wurde, fragten die Westpointer: »Wer ist denn dieser aus dem Westen hergeflogene Fremdling eigentlich, was hat er im Westen getan, um nun plötzlich als einer der ersten Offiziere der ameri- kanischen Garde^) auftreten zu dürfen?« Da Halleck kurz vorher

1) Die Potomacarmee betrachtete sich stets als eine Art Gardetruppe, und viele der in diesem Heere dienenden Offiziere blickten auf die westliche

458 Sigel.

vom Westen in Washington angekommen war, so glaubten die Fragenden alles Material über Sigel bei Halleck zu finden. Und Halleck kargte durchaus nicht mit seinen Mitteilungen. Übrigens verwies er auch noch auf die beträchtliche Anzahl Westpointer Offiziere, welche mit Sigel zusammen im Westen gekämpft hatten. Das Ergebnis solcher Nachfragen war nun allerdings für Sigel ein sehr wenig günstiges. Als die Potomac-Herren erfahren hatten, daß Sigels Brigade bei Wilsons Creek völlig aufgelöst worden war, daß Sigel dort von sechs Kanonen fünf, sowie eine Fahne und ein Viertel seiner gesamten Mannschaft als Gefangene verloren hatte, daß Sigels Truppen, ohne einen Schuß abzugeben, in wilder Flucht davongelaufen waren^), da wog Sigels spätere Siegestat bei Pea Ridge nicht viel, zumal ja Sigel in letzterer Schlacht unter einem Westpointer (Curtis) gekämpft hatte. Auch Sigels sonstiger Kriegs- rekord in Missouri wurde in denkbar schlimmster Weise dargestellt. Bei Carthage habe Sigel ein Angriffsgefecht schon abgebrochen, nachdem dasselbe kaum eröffnet worden war, und auf dem Rück- zuge von Springfield nach Rolla habe Sigel durchaus unmilitärisch gehandelt^), so hieß es. Alle diese Dinge wurden in starken Über-

Armee als eine Art von organisiertem Mob herab. Diese Anschauung ist wesent- lich darauf zurückzuführen, daß das Ziel der Potomacarmee stets die Eroberung der Rebellenhauptstadt Richmond war, soAvie daß die Potomacarmee die bedeutendsten Heerführer des Gegners, Lee und Jackson, sowie die besten Truppen des Südens zu bekämpfen hatte.

1) Am stärksten sprach gegen Sigel, daß er auf der Flucht von Wilsons Creek vor seinen geschlagenen Truppen in Springfield eingetroffen war. Daß dieses auf einen besonderen Unglücksfall zurückzuführen war, wußte man nicht. Die Sache machte aber einen sehr schlechten Eindruck. Es wurde behauptet, Sigel habe seine Truppen im Stich gelassen und sei allein geflohen. Vgl. Kapitel Wilsons Creek.

2) Allerdings hatte sich Sigel bei Carthage sowohl, als auf jenem Rück- zuge nach Rolla Blößen gegeben. Sigel hat bei jenen Aktionen seinen deutschen Idealismus mit seinen mihtärischen PfHchten zu vereinigen versucht. Als er bei Carthage jeden Mann seiner kleinen Brigade zusammenhalten mußte, um gegen drei gegen ihn anrückende weit überlegene feindliche Abteilungen auftreten zu können, hatte er seine Kompagnie Conrad nach Neosha abkom- mandiert, um die wenigen unionstreuen Bürger jenes Städtchens zu schützen. Das war fast ein Zehntel seiner ganzen Mannschaft. Conrad wurde in Neosha von Mc Culloch gefangen am selben Tage, an welchem sich Sigel mit den Kon- föderierten unter Jackson bei Carthage schlug. Die Abkommandierung Con-

Sigel. 459

treibungen aufgetischt, aber es lagen denselben manche doch gar nicht zu leugnende Tatsachen zugrunde. Die Abneigung gegen Sigel war schon von Anfang an vorhanden. Aber diese Stimmung nahm eine weit ernstere Gestalt an, nachdem Sigels unglückliches Debüt bei Wilsons Creek bekannt geworden war.

Es sei hier eine Beurteilung Sigels durch einen Westpointer Offizier eingeschaltet, der noch durchaus nicht das Schlimmste über Sigel sagt, was in diesen Kreisen von ihm gesagt worden ist. Es ist der amtliche Bericht des Generals Schofield an Halleck. Beachtenswert ist dabei zunächst, daß dieser Bericht vor Sigels bester Tat bei Pea Ridge geschrieben wurde. Ferner ist die sehr wenig imponierende Begabung Schofields für die Beurteilung Sigels in Betracht zu ziehen. Nur als Stimmungsbild, nur als ein Beweis, wie den bei Wilson 's Creek im Kampfe gestandenen Westpointer Offizieren der Brigadier Sigel erscheint, hat dieser Bericht einige Bedeutung:

»An General Halleck! ^ ,

13. Februar 1862.

Meine Stellung als Stabsoffizier des Generals Lyon gab mir

günstige Gelegenheiten, um über General Sigels Verdienste als

Offizier zu urteilen, und deshalb erkannte ich seine guten sowohl

als seine schlechten Eigenschaften wohl sicherer als die meisten

derjenigen, welche ihn zu beurteilen unternehmen. General Sigel

steht in bezug auf seine theoretische Ausbildung weit über dem

rads war vom militärischen Standpunkte aus sicherlich falsch. Auch war es von Sigel sehr gewagt, daß er bei der großen Retirade von Springfield nach Rolla mehrere hundert unionstreue Flüchtlinge mitsamt deren Wagen, Hausrat, Viehherden, Frauen, Kindern und Anhang mitgenommen hat. Dadurch wurde der Marsch stark verzögert, die Linie wurde ungeheuer ausgedehnt, die Truppen hätten sich nicht vorteilhaft verteidigen können wenn sie auf diesem, 120 Meilen langen, über Gebirgsland und auf schlechten Wegen durchgeführten Rückzuge von der sehr zahlreichen Reiterei des Feindes angegriffen worden wären. Das geschah zum Glück nicht, aber vom miHtärischen Gesichtspunkte aus ist die Mitnahme jener Kostgänger gewiß nicht zu verteidigen. Bei der Durchführung militärischer Aufgaben darf die Gutherzigkeit des Führers keine Rolle spielen. Die Westpointer beurteilten Sigels Leistungen bei diesen Aktionen nur nach solchen Grundsätzen. Mit einem Träumer und Idealisten wußten sie nichts anzufangen. Übrigens muß zugestanden werden, daß das Gefühl dem Soldaten ein schlechter Berater ist.

460 Sigel.

Durchschnitt der amerikanischen Befehlsführer. Er hat die Kunst der Strategie mit großer Sorgfalt studiert und er scheint in den Feldzügen der großen Heerführer gründlich bewandert zu sein, soweit als sich dies bezieht auf deren wichtigste strategische Maß- regeln. Er scheint auch die Pflichten eines Stabsoffiziers gut zu kennen, aber in bezug auf Taktik, große und kleine Logistik (die Wissenschaft, welche Zeit und Raum für die taktischen Bewegungen von Truppen ermitteln läßt) und Disziplin ist er sehr minderwertig (very deficient). Diese Mängel sind so auffällig, daß es ihm absolut unmöglich ist, das Vertrauen amerikanischer Offiziere und Mann- schaften zu gewinnen, sie schließen ihn von der Bekleidung eines hohen Kommandos in unserer Armee aus. Obschon ich den General Sigel durchaus nicht in der übertriebenen Weise verurteile wie es so viele tun, sondern im Gegenteil bei ihm sehr viele gute Seiten (fine qualities) erblicke, so würde ich doch meine Pflicht vernach- lässigen, wenn ich nicht protestieren würde gegen die Ernennung eines Mannes zu einem hohen Kommando, von welchem ich an- nehmen muß, daß er nicht das Vertrauen der Truppen erlangen kann,

welche er befehligen soll. r^ ^j c u r ^^ j^ i i

O. M. Schofield, Brigadegeneral.«

Aber auch Sigels Persönlichkeit, sein ganzes Wesen und Auf- treten, machten ihn ungeeignet zu der Aufgabe, sich bei den West- pointern durchzusetzen. Von allen Träumern und Idealisten der achtundvierziger Einwanderung war Sigel derjenige, auf welchen jene Bezeichnungen vielleicht am meisten zutreffen. Er war der Typ des weltfremden deutschen Gelehrten, der für seine Umgebung kein Auge hat und nur seine eigenen Wege geht. In seinem Äußeren und in seinem ganzen Auftreten erinnerte absolut nichts an den forschen Soldaten. Er glich weit mehr einem grübelnden deutschen Schulmeister, und zu Pferde machte der kleine dürre Mann mit der ewigen starren Leichenbittermiene einen sehr wenig heldenmäßigen Eindruck^). Derselbe Mann, welcher hunderte von bedrohten Unions- flüchtlingen aus Südmissouri in Sicherheit gebracht hatte, und der dann wochenlang in St. Louis herumgelaufen war, um diesen armen Leuten Arbeit zu verschaffen, entbehrte ganz und gar der Gabe, Wärme um sich her zu verbreiten und neue Freunde zu gewinnen.

^) Gewiß, das sind Äußerlichkeiten, aber solche Dinge spielen im Militär- wesen oft eine große Rolle.

Sigel. 461

Sigel gab sich Fremden, besonders Nichtdeutschen gegenüber, so, daß es direkt abstoßend wirkte. Man mußte ein Deutscher sein, um ihn wirkUch kennen und schätzen zu lernen. Aber die Westpoint er Kameraden sahen keine Veranlassung, diesen »Eisblock«, wie sie ihn nannten, aufzutauen. Mit einem Wort: Sigel war viel zu deutsch, um sich als Korpsführer in der Potomac- armee wirklich einbürgern zu können. Hören wir, was sein lebens- länglicher Freund Schurz über ihn zu sagen hat: »Sigel besaß nur sehr wenig von den liebenswürdigen Verkehrsformen, welche Übel- wollen entwaffnen und in gute Kameradschaft umwandeln können. Seine Unterhaltung entbehrte sehr der sympatischen Elemente. Es war etwas Reserviertes, wenn nicht gar Abstoßendes in seinem Wesen, was eine freundschaftliche Annäherung eher erschwerte als förderte.«

In seinem zweiten Rücktrittsgesuche von Anfang Oktober 1862 (Sigel zog dasselbe zurück, nachdem ihn Burnside an die Spitze einer der vier neuen Grand Divisions gestellt hatte) gibt Sigel die Gründe an, weshalb er nicht in der Potomacarmee verbleiben könne. Sigel stand damals mit seinem auf knapp 5000 Mann herunter- gebrachten Korps in Zentralvirginien in einer sehr exponierten Stellung. Er hatte die Aufgabe zu verhindern, daß die im Shenandoah- tal von Mc Clellan in so schläfriger Weise verfolgte Armee Lees die Pässe der Blue Ridge überschreiten und in Zentralvirginien eindringen könne. Sigels Beschwerden waren folgender Art: »Man hat mich einem jüngeren General unterstellt. Man hat mein kleines Korps durch Abkommandierung von Brigade Milroy noch mehr geschwächt. Man hat mich auf einen Posten gestellt, den niemand mit den gegebenen Mitteln behaupten kann. Man hat die für mich in verschiedenen Nordstaaten ausgehobenen neuen Regi- menter bis auf ein einziges anderen Korps zugeteilt. General Halleck hat mich persönlich und in amtlichen Schriftstücken in grober Weise beleidigt. Für meine Artillerie und Reiterei sind mir keine Pferde geliefert worden. Der Sold meiner Soldaten ist seit sechs Monaten rückständig. Da ich keine bessere Behandlung er- warten kann, und da meine Soldaten nicht länger unter der gegen mich vorherrschenden Stimmung leiden sollen, so will ich den Ab- schied nehmen.« Sechs Gouverneure bezeugten Sigel, daß Truppen ihrer Staaten besonders für Sigels Korps ausgehoben waren, aber daß dann anders über diese Truppen verfügt worden sei.

462 Sigel.

Alle diese Klagen waren durchaus berechtigt und entsprachen den Tatsachen. Zurückzuführen sind diese Schikanen ausschHeß- lich auf Halleck, sowie auf den durch Halleck in dieser Sache be- einflußten Kriegsminister. Aber die der Feindschaft Hallecks gegen Sigel zugrundeliegenden Dinge waren Sigels Freunden damals nur teilweise bekannt und so bildete sich in der deutschen Presse die Ansicht heraus, daß der Nativismus als die Hauptursache jener Verfolgungen angesehen werden müsse. Diese Meinung wurde dann das Hindernis, um zu erkennen, daß gerade Sigel die am wenigsten geeignete Persönlichkeit w^ar, um in der Potomacarmee durchzu- dringen. Sigel wäre dort auch gescheitert, wenn er ganz hervor- ragende Feldherrngaben besessen hätte. Es war auch sehr schwie- rig, Sigel zu verteidigen. Wilsons Creek sowie Sigels Persönlichkeit sprachen zu stark gegen ihn. Übrigens muß betont werden, daß Sigel stets viel zu sehr in den Händen seiner Freunde gewesen ist und daß diese Freunde seine Verteidigung durchaus nicht immer geschickt geführt haben. So z. B. unterließen sie es, ihn von dem entscheidenden Rücktrittsgesuche abzuhalten und zu verhindern, daß er anscheinend als ein »Sorehead« zurücktrat, als ein Mann, der deshalb ging, weil er nicht mehr zwei Armeekorps befehligen konnte^). Die Treue der Achtundvierziger, Sigel gegenüber mag man in Ehren halten. Aber es wäre wünschenswert gewesen, wenn sie mit mehr Logik gepaart in die Erscheinung getreten wäre.

Die Achtundvierziger, welche damals die deutsch-amerikanische Presse beherrschten, waren meistens unbeugsame Prinzipienreiter. Zuzugeben, daß sie selbst einen Fehler begangen hatten, als sie Sigel für jene Stellung empfahlen, erschien ihnen durchaus unstatt- haft. Sie hätten ihrem Schützling leicht ein neues Kommando im Westen verschaffen können, aber das hielten sie für würdelos. Sie meinten, ein ehemaliger Führer einer Grand Division könne nicht mehr als simpler Divisionär wirken, und doch finden wir abgesetzte Oberbefehlshaber der Potomacarmee, wie Burnside und Hooker

^) Nach Sigels zweiter Niederlage bei New Market, Va., schrieb Lexow in der New Yorker Kriminalzeitung, 27. Mai 1864, folgendes: »Früher waren es seine (Sigels) Freunde, welche seine militärische Laufbahn durch ihre Taktlosigkeiten zu einem unzeitigen Ende brachten, jetzt sind es seine Feinde, die ihn stürzen.« Übrigens gehörte Lexow zu Sigels übereifrigsten Freunden, und wenn diese Freunde Taktlosigkeiten begangen haben, so war besonders Herr Lexow daran beteiligt.

Sigel. 463

und manche andere, später in niederen Stellungen. Übrigens hat auch Sigel nach seinem Rücktritt als Führer einer Art Polizeitruppe in Pennsylvanien gewirkt.

Der Zeitungskrieg zugunsten Sigels dauerte in den deutschen Blättern auch dann noch fort, nachdem Sigel längst abgedankt hatte. Bald darauf gewährte das schamlose Auftreten der West- pointer gegen die deutschen Soldaten (Chancellorsville) den Ver- teidigern Sigels scheinbar eine Rechtfertigung. Sie konnten be- haupten, daß die Erfinder des Sündenbocks von Chancellorsville dieselben Leute waren, welche Sigel aus der Potomacarmee ver- drängt hatten. Soweit dieses die beteiligten Personen betraf war das richtig, auch die niedere Gesinnung, welche in den beiden Gescheh- nissen zutage trat, ging von der Halleckschen Clique aus, aber die den beiden Handlungen zugrunde liegenden Ursachen waren doch weit voneinander verschieden.

Nachdem Sigel im Frühling 1864 abermals als Korpsführer aufgetreten war, die Schlacht von New Market verloren hatte und dann von Grant sofort abgesetzt wurde, empfanden das Sigels Freunde als eine unverdiente Härte, angesichts der Tatsache, daß so viele Westpointer nach den kläglichsten Niederlagen in ihren Stel- lungen verblieben. Man beachtete nicht, daß die Stellung des Halleck- schen Westpointerrings um jene Zeit eine ungeheuer mächtige war und daß ein dieser Clique Angehöriger ungestraft sündigen durfte, während Sigel, der 1864 doch wieder in der Potomacarmee stand, die amtliche Guillotine gleichsam im Tornister mit sich führte. Dieselbe wirkte im Falle eines Versagens des Generals automatisch. Übrigens ist auch mit solchen Westpointern, welche nicht zur Halleckschen Clique gehörten, sehr wenig Federlesens gemacht worden. Der verdienstvolle Rosecrans »flog« ebenso prompt wie Sigel, und doch wurde die Konfusion in der Schlacht am Chicka- mauga nicht durch Rosecrans veranlaßt, sondern sie war eine Folge der Verspätung des Korps Mc Cook.

Sigel durfte überhaupt nicht zum zweiten Male in die Potomac- armee eintreten, denn solange Halleck und Stanton dort dem inneren Betriebe vorstanden, war für ihn kein ersprießliches Wirken zu erhoffen. Sigel hatte sich wohl auf Grant verlassen, den neuen Obergeneral aller Unionsheere. Er mag gedacht haben, daß Grants Einfluß Halleck bald beseitigen werde, denn Halleck hatte Grant im Sommer 1862 ja noch schändlicher behandelt als Sigel selbst

464 Sigel.

von Halleck behandelt worden ist. Aber Grant, welcher als Sieger von Fort Donelson von Halleck abgesetzt und während der Corinther Kampagne Hallecks von diesem in würdeloser Weise gemaßregelt worden war, hatte aus Gott weiß welchen Gründen im Jahre 1864 seinen Frieden mit seinem alten Feinde gemacht, und unser deutscher Pechvogel Sigel wurde dann der Prügel junge der beiden. Sigel durfte nicht im Osten kleben bleiben. Aber er blieb dort trotz der unüber- windlichen Schwierigkeiten, und so wurde er zerrieben bei dem Versuche, sich in Stellungen zu halten, die niemand in seiner Lage behaupten konnte.

Während der ganzen vier Kriegsjahre hat Sigels Name be- ständig vor dem deutschen Volke in Amerika gestanden als ein wesentlich um seines Volkstums Verfolgter und Gepeinigter. Diese ewige Rechtfertigung, diese beständige Verteidigung Sigels, dieses Eintreten seiner Freunde für ihn durch dick und dünn, gepaart mit dem systematisch durchgeführten Totschweigen seiner mancherlei Verfehlungen, hat viel beigetragen, um Sigel den Nachruhm zu verschaffen. Die Tradition eines halben Jahrhunderts hat diesen Ruhm noch gesteigert. Da die Achtundvierziger wahrlich genug mit Sigel zu tun hatten, so fanden sie gar keine Zeit, der übrigen deutschen Heerführer gebührend zu gedenken. So sind diese so gut wie verschollen. Franz Sigel aber steht in Erz gegossen hoch zu Roß sowohl in St. Louis als in New York. Aber dürfen wir uns dauernd von solchen Stimmungen beherrschen lassen?

Zu Sigels Kriegsruhm hat auch das schöne Gedicht von G. P. Robinson beigetragen, welches von Straubenmüller in New York verdeutscht und von Sigel selbst in Musik gesetzt worden ist. Sieht man genauer nach, so feiert jenes Lied weniger Sigel selbst als den deutschen Soldaten, welcher für die Union unter einem Lands- manne kämpfen will. Robinson hat mit seinem Schlager: »I fights mit Sigel« unbewußt einen Ton getroffen, der im Gemüt des ge- meinen deutschen Mannes einen kräftigen Widerhall fand. Die Deutschen hatten einen starken Drang unter Sigel, d. h. unter deutscher Führung zu kämpfen, es war der landsmannschaftliche Korpsgeist, es war die Stimme des Blutes, welche jene Strophe ausklingen ließ. Schurz hat dieser Stimme in seiner Dankesrede an seinem 70. Geburtstage einen beredten Ausdruck gegeben. Er sagte damals: »Ich kann diese Ehrung mit gutem Gewissen auch insofern annehmen, als bei all meinen Beteiligungen an öffent-

Sigel. 465

liehen Angelegenheiten mir, als einen deutsch geborenen Bürger, stets der Gedanke gewärtig war, daß ich vor allem dem deutschen Namen in Amerika niemals Schande machen dürfe. Das ist mein redliches Bemühen gewesen.« Derselbe Gedanke hat auch, viel- leicht ihnen selber unbewußt, die deutschen Soldaten beherrscht. Ob sie dabei klar vor Augen hatten, daß sie im Kampfe für die Aufrechterhaltung der Union auch gleichzeitig für die Ehre des deutschen Volkstums kämpfen konnten, mag dahingestellt bleiben, jedenfalls finden wir die Tatsache vor, daß alle rein deutschen / Regimenter Elitetruppen waren. Die amerikanischen Militärbehör- f den hätten sicherhch klug gehandelt, wenn sie diesem landsmann- schaftlichen Korpsgeiste bei den Deutschen sowohl wie bei Irländern und Engländern mehr Rechnung getragen hätten. Leider hat Sigel selbst verhindert, daß die deutschen Soldaten zu einer starken Truppeneinheit sich zusammenfinden konnten. Als er das Fremont- sche Korps übernahm, fand er darin die reindeutsche Division Blenker vor, welche damals noch 6000 Mann zählte. In einem seiner ersten Berichte an seinen Chef Pope meldet Sigel: »Die Division Blenker hat zu existieren aufgehört.« Sigel hatte, angeblich um Zwistigkeiten unter den Brigadiers zu beseitigen^) die einzelnen Brigaden der deutschen Division auf die drei Divisionen des Korps verteilt. Dadurch wurde die größte deutsche Truppeneinheit ver- nichtet und später war es nicht mehr möglich, ein reindeutsches Korps zu schaffen. Allerdings konnte unter Sigels Führung aus den geschilderten Ursachen ein reindeutsches Korps niemals errichtet werden. Aber einem Nachfolger mochte gelingen, was Sigel nach der Lage der Dinge versagt bleiben mußte. Zum 11. Korps traten etwas später die deutschen Regimenter 82. Illinois, 26. Wisconsin und 107. Ohio. Das wäre schon eine neue Brigade gewesen und die zweite hätte sich gewiß auch noch finden lassen, wenn die Deut- schen ernstlich danach gestrebt hätten. Nach Beseitigung der Stammdivision war jedoch alles Mühen vergebHch.

Die Laufbahn der übrigen deutschen Offiziere ist erheblich benachteiligt worden durch die unglückliche Stellung, in welche Sigel gebracht worden war. Schon das klägliche Versagen Blenkers hatte recht ungünstig auf das Vorrücken der deutschen Führer eingewirkt. Der Fall Sigel steigerte das Vorurteil der Westpointer

1) Diese Zwistigkeiten lösten sich rasch in Wohlgefallen auf. W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 30

466 Schurz.

gegen die deutschen Offiziere jedoch noch mehr. Wir sehen das besonders an dem langsamen Aufrücken der Osterhaus, WiUich, V. Steinwehr, Buschbeck usw. Der echte Held Buschbeck wurde nicht einmal Titular- Generalmajor, und sein ebenso wackerer Kame- rad V. Wangelin entbehrte ebenfalls dieser Auszeichnung. Der hochbegabte v. Schimmelfennig blieb Divisionär und Männer wie V. Gilsa und Kryzanowski schieden als Obersten aus der Armee, also mit einem Range, mit welchem sie in das Heer eingetreten waren. Und das deutsche Volk in Amerika hat diese wie so viele andere bedeutende deutsche Offiziere so gut wie vergessen.

Schurz, Karl, Generalmajor, geb. 1829 bei Köln, gest. Mai 1906 in New York. Als Schurz verschieden war, machten die meisten deutsch-amerikanischen Zeitungen vor dem General Schurz nur eine kurze Verbeugung, während sie dem Staats- manne Schurz durchaus gerecht zu werden versuchten. Teil- weise ist das auf ungenügende Vertrautheit mit der Kriegsgeschichte zurückzuführen, anderseits liegt darin wohl noch eine späte Nach- wirkung der von den deutschen Zeitgenossen des Krieges gehegten Anschauungen über Schurzens Kriegstätigkeit. Aber jene Zeitge- nossen haben Schurz überhaupt nicht gebührend gewürdigt. Bei sehr vielen seiner Landsleute kam Schurz erst dann zur Geltung, nachdem die Angloamerikaner, und zwar die geistvollsten und hochsinnigsten unter ihnen, Schurzens Bedeutung längst aner- kannt hatten.

Der bei seiner Landung in Amerika erst 23 jährige Schurz hatte vor den übrigen deutschen Revolutionären manches voraus, nicht zum wenigsten seine Jugend. Er schleppte weniger deutsch- ländischen Ballast mit nach Amerika als die meisten seiner Freunde. Er hatte in London und Paris seinen Gesichtskreis erweitert, brachte auch schon eine tüchtige Kenntnis des Englischen mit. Er hatte, im Gegensatz zu den übrigen Flüchtlingen, mit Deutschland völlig abgeschlossen in bezug auf politische Dinge. Er warf sich auf das Studium der englischen Sprache sowie der Geschichte und der Ver- fassung der Union, und wendete sich dann sofort der amerikanischen Politik zu. Von der Deutschtümelei seiner Genossen und von deren unfruchtbaren Reformversuchen hielt er sich fern und deshalb betrach- teten ihn viele Achtundvierziger als einen Streber, manche sogar als einen Abtrünnigen. Es befanden sich zu viele »Löwen« unter den Acht-

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undvierzigern, zu viele starre Prinzipienreiter mit einem unbezwing- baren Hange zur Streitsucht und zur Nörgelei. Und auch der Neid über die großen Erfolge des »jungen Mannes« bei den Angloamerikanern spielte eine Rolle. Erst später, als die Antisklavereibewegung mit der Gründung der republikanischen Partei einen festen Untergrund erhielt verstand es der Befreier Kinkels, seinen alten Revolutions- genossen aus Deutschland zu imponieren. Aber innig ist das Ver- hältnis zwischen Schurz und den übrigen Achtundvierzigern eigentlich niemals wieder geworden. Das deutsche Flüchtlingselement be- handelte den »amerikanischen Politiker Schurz« stets mit einer ge- wissen Kälte, ja fast mit Mißtrauen.

Schurz wollte bei Ausbruch des Krieges ein Reiterregiment bilden, wurde aber, ohne sein Zutun, als Gesandter nach Spanien geschickt. Von dieser ihn niemals befriedigenden Mission kehrte er im FrühHng 1862 zurück und erhielt auf sein Ersuchen von Lincoln das Patent eines Brigadegenerals. Er betrat also die Bahnen, welche amerikanische Politiker (Banks, Butler usw.) zur Förderung ihrer militärischen Laufbahn begangen hatten. Das war allerdings dem deutschen Empfinden entgegen. Hätte Schurz zunächst ein Regiment gebildet, was e r in einer Woche bewerkstelligen konnte, so wäre innerhalb eines Monats doch die Beförderung des Obersten Schurz zum General erfolgt, denn jedenfalls konnte ein Mann von Schurzens damaligem Ansehen nicht lange Oberst bleiben. Aber weil Schurz jenen Umweg vermied, wurde er in der deutschen Presse heftig geschmäht. Die Achtundvierziger waren damals nur für Sigel begeistert und nur für diesen setzten sie sich ein. Schurz er- schien ihnen als ein Rival Sigels. Wie wenig erfreuHch sind die Darstellungen der deutschamerikanischen Presse bei Schurzens erstem Auftreten im Felde. Er wird konsequent »der Zivilist« Schurz genannt, man spricht ihm die militärische Begabung ab und behandelt ihn als einen Eindringling, welcher deutschen Berufs- offizieren einen Platz an der Sonne wegnehmen will. Wie wenig diese Unterstellungen berechtigt waren, beweist der Kriegsrekord von Karl Schurz. Auch der Schild des Soldaten Schurz ist so blank wie derjenige des Bürgers und des Staatsmannes Schurz. Ver- wiesen sei da nur auf die Kapitel, welche von Bull Run II, Chancellors- ville, Gettysburg und Missionary Ridge handeln. Schurz hat von FrühHng 1862 bis zum Februar 1864 in der Front gestanden. Er wurde mit dem 11. Korps im Herbst 1863 nach dem Westen ge-

30*

468 Schurz.

schickt, aber seine Truppen traten nur bei dem Gefechte von Wau- hatchie in Aktion. Während der großen Schlacht von Missionary Ridge wurde die Division dem Shermanschen Korps attachiert und stand bei dem Hauptkampfe in Reserve. An Shermans Marsche durch Georgia konnte Schurz nicht teilnehmen, weil er nach Nash- ville zur Rekrutenausbildung abkommandiert worden war. Er legte dann seinen Degen nieder, im Einverständnis und auf den Wunsch Lincolns, der sich Schurzens politische Dienste für die zweite Präsidentschaftskampagne sichern wollte. Schurz hatte sich für die militärische Laufbahn gründlich vorbereitet und wenn ihn die deutschen Achtundvierziger, aber auch nur diese, gern den »ZiviHsten« Schurz nannten, so sei darauf hingewiesen, daß Oster- haus in bezug auf militärische Vorbildung nur den einjährigen Militärdienst in Preußen vor Schurz voraus hatte. Jedenfalls hatten die deutschen Berufsoffiziere, welche unter Schurz dienten, großen Respekt vor ihm, nachdem sie gesehen hatten, wie glänzend dieser in den schreckhchen acht Stunden am Morgen des 29. August (Bull Run II) seine Truppen führte. Damals war der »Rekrut und Zivilist« Schurz genau drei Monate Soldat und Befehlshaber! Tatsächlich hat sich Schurz (unter Sigel) mehrere Stunden ganz allein mit dem ganzen Jacksonschen Korps herumgeschlagen, und Schurzens Truppen sind bis über den vielumstrittenen Bahndamm vorgedrungen, bis zur Farm Cushing, haben sich dort, trotz ihrer völligen Er- schöpfung, bis zu der so lange vergebens erwarteten Ablösung be- hauptet, und diese geringe Macht, schwerlich über 3000 Mann, hat Vorteile errungen, welche einige Stunden später die große Armee Popes nicht erzielen konnte. Mit Buschbeck teilt sich Karl Schurz in die Ehren des ersten großen Schlachttages von ChanceUorsville. Schurz war es, der sich nie der Verblendung seiner Westpoint er Kameraden hingab, der stets den Angriff Jacksons voraussah und alle Gegenmaßregeln traf, welche ihm sein Korpsführer Howard gestattete. Auch Schurzens Haltung in den drei Schlachttagen von Gettysburg verdient das höchste Lob.

Was Schurzens »Strebertum« anbetrifft, so kann man eigent- lich nur bedauern, daß er nicht mehr davon entwickelt hat. Wes- halb strebte er nicht energisch nach dem Kommando über das 11. Korps, nachdem Sigel resigniert und Schurz den rangältesten Divi- sionär als seinen Nachfolger empfohlen hatte P^) Schurz mag ge-

^) Siehe Nachtrag Artikel 9, Sigel, Schurz, Stahel und Lincoln.

Schurz. 469

meint haben, Sigels Fürsprache würde genügen. In seinen Memoiren sagt er freihch, daß für ein solches Amt nur ein Berufsoffizier aus- ersehen werden sollte. So scheint es fast, daß der deutschländische Begriff vom »Befähigungsnachweise« auch Schurz noch beträcht- lich im Blute gesteckt haben muß. Schurz hätte Lincoln gegen- über nur ein Wort zu äußern brauchen und ihm wäre die Nachfolge Sigels zugefallen. Schurz hatte damals, wie zu allen Zeiten, in welchen er sich in Washington oder in der Nähe befand, das Ohr des Präsi- denten. Er brauchte nur zu fordern, um erhört zu werden. Wer weiß, wie tief die ewigen Beleidigungen seiner alten deutschen Revolutionskameraden, die ihn beständig der Streberei beschul- digten, Schurz gekränkt haben mögen. Wer zwischen den Zeilen zu lesen vermag, findet in Schurzens Erinnerungen doch noch An- spielungen darauf, soviel Reserve er sich auch auferlegt hat. Und wie sehr hat er es später beklagt, daß er im Frühling 1863 allzu bescheiden auftrat. Man fühlt durch, wie es in Schurz tobt, wenn er schildert, wie er nach Howards Ernennung zum Führer des 11. Korps, seine Versetzung beantragen will, aber den Entschluß dazu wieder aufgibt, weil er fürchtet der deutschen Sache zu schaden. Denn nicht allein Sigel war abgegangen, auch General Stahel hatte das Korps verlassen. Nur deshalb entschloß sich Schurz, in seiner Stellung eines Divisionärs unter einem Howard aus- zuhalten.

Wenn man gerade Schurz an jenem verhängnisvollen 2. Mai 1863 beobachtet, wenn man sieht, wie er seinen Vorgesetzten Howard beständig anbettelt die Vorsichtsmaßregeln gegen einen Überfall zu treffen, wie er den besten Plan zur Bekämpfung Jacksons die Aufstellung des ganzen 11. Korps auf dem freien, für die Mitwirkung der Artillerie geeigneten Felde der Hawkins Farm vorschlägt und sich dann doch nur damit begnügen muß, drei seiner Regimenter aus der falschen in die für die Abwehr des Feindes richtige Stellung zu bringen, dann erst kann man den Soldaten Schurz richtig bewerten, und man wird es um so mehr bedauern, daß Schurz zu bescheiden war, um die Stellung auch zu fordern, welche ihm ge- bührte.

Daß Schurz niemals ein Streber war, ersieht man aus dem schönen Briefe an Lincoln, in welchem er auf seine geplante Beförderung zum Generalmajor verzichtet, wenn nicht gleichzeitig seinem ver- dienstvollen Kameraden Stahel diese Ehrung zuteil werden könne.

470

V. steinwehr.

Auch auf seinen General Schurz kann das amerikanische Deutschtum stolz sein. Auch als militärischer Führer hat der geniale Mann seinem Adoptivvaterlande glänzende Dienste geleistet.

V. Steinwehr, Adolf, geb. 1822 in Blankenburg am Harz, gest. 1877 in Buffalo. Entstammte einer Offiziersfamilie, studierte in Göttingen, wurde preußischer Offizier und Lehrer am Kadettenhause in Potsdam. Kam 1847 ^^^ch Amerika, diente im Mexikanischen Kriege. Wirkte bei der Landaufnahme in Kolorado und im wilden Südwesten als Topograph. Kehrte nach Deutsch- land zurück, kam aber bald wieder nach Amerika, um »lateinischer Bauer« zu werden. Organisierte 1861 das deutsche 29. New Yorker Regiment und wurde dessen Oberst. Zeichnete sich unter Blenker bei Bull Run I aus, wurde bald Brigadegeneral und machte den Schreckensmarsch der Blenkerschen Division mit, später unter Sigel die Popesche Kampagne und im 11. Korps die Schlachten von Chancellorsville und Gettysburg. Zog dann nach Chattanooga und beteiligte sich am Nachtkampfe von Wauhatchie, wo seine Truppen durch einen glänzend durchgeführten Angriff die Long- streetschen konföderierten Veteranen warfen und das meiste zu diesem Unionssiege beitrugen. v. Steinwehr hat sich später viel mit statistischen Arbeiten beschäftigt, speziell mit Bezug auf das Stärkeverhältnis des deutschen Elementes in Amerika. Er war ein bedeutender Topograph, sein Hauptwerk, ein Schulatlas, ist das beste und zuverlässigste Kartenwerk, welches zu Stein wehrs Leb- zeiten in Amerika entstanden ist. Dieser Atlas hat eine sehr starke Verbreitung gefunden und wurde für v. Steinwehr das Mittel, sich einen sorgenlosen Lebensabend zu schaffen.

V. Steinwehr war ohne Frage der am gründlichsten vorgebildete unter allen deutschen Offizieren des Unionsheeres. Außerdem besaß er eine genaue Kenntnis des amerikanischen Militär wesens, stand bei manchen Westpointer Offizieren in großem Ansehen, und wenn Kenntnisse, Erfahrung und militärische Tüchtigkeit den Ausschlag gegeben hätten bei der Auswahl eines ersten Ober- führers der deutschen Truppen des Ostens, so hätte v. Steinwehr diese Auszeichnung erhalten müssen. Aber man hatte im Frühling 1861 gar keine Zeit, nach den tüchtigsten Männern unter den zahl- losen Bewerbern zu suchen. Auch war die Streberei der Stellen- anwärter sehr schlimm, nicht zum wenigsten unter den deutschen

V. Steinwehr. 47 i

Offizieren, v. Steinwehr war kein Streber, und in der großen Lotterie um die höheren Posten zog er eine Niete. Er mußte unter Blenker dienen, einem für die Führung einer Division ganz unfähigen Troupier, der nie eine Offiziersausbildung genossen hatte. Ob die Verbitterung des hochbegabten Mihtärs, der das Unglück hatte, erst unter Blenker dann unter Fremont, später (nach einigen Monaten Dienstes unter Sigel, der v. Steinwehr übrigens hochschätzte) unter Howard dienen zu müssen, oder ob seine Neigungen, die weniger auf dem Gebiete des Truppenführers als auf demjenigen des Generalstäblers lagen, die Ursache von Steinwehrs verhältnismäßig spätem Hervortreten waren, ist nicht zu entscheiden. Aber es ist eigentümlich, daß die Steinwehrsche Brigade bei Gross Keys von Oberst Koltes ge- führt wurde und daß v. Steinwehr in der großen Schlacht von Bull Run n so wenig genannt wird. Er führte damals eine Division Sigels, doch stand dieselbe am ersten Schlachttage in Reserve, und deren Regimenter wurden nach und nach zur Verstärkung der Division Schurz vorgeschoben. Auch am zweiten Tage tritt v. Steinwehr nicht hervor. Seine alte Brigade wurde von Koltes geführt, und auch nachdem dieser gefallen war, finden wir v. Steinwehr nicht an der Spitze dieser Truppen. Er befand sich während dieser Schlacht im Sigelschen Hauptquartier und wirkte dort als Sigels Stütze in der Gefechtsleitung. Auch bei Chancellorsville trat v. Stein- wehr nicht als Kampfgeneral auf. Zwar sehen wir seine tüchtige Hand in den Vorbereitungen für die Schlacht. Er erbaute die Schan- zen, in welche sich seine Brigade Buschbeck flüchten und sich dann so glänzend verteidigen konnte. Aber als der Überfall stattfand, begleitete v. Steinwehr seine abkommandierte Brigade Barlow, allerdings auf Befehl des Korpsführers Howard. Auf die ersten Schüsse hin eilte v. Steinwehr auf das Schlachtfeld, disponierte über die neue Stellung Buschbecks, aber überließ diesem die Führung der Verteidigung und den damit verknüpften Ruhm. Er hielt hinter Buschbecks Stellung, wurde aber in den Berichten über die Schlacht selbst von dem besten Schilderer derselben, von Hamlin, als leiten- der Offizier nicht erwähnt, v. Stein wehr ist fast bis zur Schlacht von Gettysburg nicht zum eigentlichen Schlagen gekommen. Erst in dieser Schlacht trat sein militärisches Genie, und zwar in glänzend- ster Weise, hervor. Er war es, der die Wichtigkeit des Friedhofs- hügels als Verteidigungsstellung entdeckte und sofort ausnützte (wofür der Kongreß dem Korpsführer Howard ein Dankes-

472 "Willich.

Votum widmete). Diesen Hügel hat v. Steinwehr wirksam ver- teidigt. Hier hat er die übrigen Divisionen des ii. und des i. Korps (kaum die Hälfte noch kampffähig) aufgenommen und die Ver- teidigung am 2. und 3. Juli fortgesetzt. In der Chattanooga- Kampagne hatte v. Steinwehr wenig Gelegenheit zum Eingreifen. Nur seine Brigade Buschbeck kam ins Gefecht und kämpfte aber- mals mit großer Auszeichnung. In der Kriegsgeschichte tritt Stein- wehrs Brigadier Buschbeck mehr hervor als der Divisionär, unter welchem Buschbeck diente. Nur das schon erwähnte Nachtgefecht bei Wauhatchie hat v. Steinwehr während des ganzen westlichen Feldzuges Kriegsruhm eingebracht. Es ist sehr zu beklagen, daß V. Steinwehr nicht als Generalstabschef der Potomacarmee wirken konnte. In einer solchen Stellung wären seine bedeutenden Gaben ganz anders zur Geltung gelangt.

Willich (von) August, geb. 1810 in Posen, gest. Januar 1878 in St. Marys, Ohio, Brevet- Generalmajor und Divisionär. Es ist notwendig, dem weit verbreiteten Klatsch entgegenzutreten, wonach Willich Hohenzollernscher Abstammung gewesen sein soll. Der Knabe wurde im Schleiermacherschen Hause in Berlin er- zogen. Dann Kadettenhaus und die militärische Laufbahn in Preußen. 1841 wurde Willich Hauptmann in der Artillerie. Er huldigte frei- sinnigen Anschauungen, resignierte 1846 und wurde Zimmer- mann. Seine Familie sagte sich deshalb von ihm los. Der wunder- liche Kauz suchte die Gelegenheiten, um seinen ehemaligen Kame- raden im Schurzfell und mit der Axt auf der Schulter zu begegnen ! Darauf Willichs Teilnahme an der deutschen Revolution; als Frei- scharenführer in Baden hat er sich einen Namen geschaffen. Flucht nach Amerika. Cincinnati. Freund Stallos, der sich vergebens bemühte, dem Willich die kommunistischen Ideen auszutreiben^) .

Im April 1861 trat Willich in das deutsche Ohio-Regiment Nr. 9 ein und wurde dessen Exerzier- und Drillmeister; organisierte sodann das 32. deutsche Indiana- Regiment, welches den Mannschafts- überschuß des 9. Ohio aufnahm und als das Schwesterregiment der Neuner anzusehen ist. Die beiden Regimenter sind einander eben- bürtig, der gute Kern war in beiden vorhanden, aber Willich hat

^) Willich war mit Karl Marx befreundet und ein eifriger Anhänger desselben. Aber Marx verspottete ihn später. Er nannte Willich einen »Gemütskommunisten« und den »Ritter vom edelmütigen Bewußtsein«.

Willich. 473

sie zu den glänzenden Kampf regimentern ausgebildet, als welche sie erscheinen. Schon in den ersten Gefechten bewährten sich diese, nach preußischen Trompetensignalen vorgehenden Regimenter wie Veteranen. Siehe Mill Creek und Shiloh. Die angloamerikanischen Offiziere staunten ob dieser Disziplin. Wenn Willich Felddienst- übungen mitten im Kriege mit seinen Soldaten vornahm, so hatte er stets viele angloamerikanische Offiziere als lernbegierige Zu- schauer. Zuerst hatten die Angloamerikaner über den älteren Mann gelächelt, namentlich weil er eine Art »Buch-Englisch« mit starkem deutschen Akzent sprach, Willich beherrschte das Englische theo- retisch durchaus, aber seine harte ostpreußische Zunge konnte niemals die Konversationsaussprache bemeistern. Er gebrauchte oft Aus- drücke, welche nur in der Literatur vorkommen und demjenigen fremd klingen, welcher nur der dürftigen Formen der Umgangs- sprache kundig ist. (Wenn derartig Englisch- Sprechende Shake- speare lesen wollen, so sind sie verloren.) Die Spötter des alten Willich verstummten aber bald. Wer unseren Helden einmal in der Schlacht gesehen hatte, dem wurde sofort die größte Hochachtung abgezwungen. Denn in der Schlacht ritt den Alten der Teufel. Er war stets im Vordertreffen, wo die Kugeln am dichtesten pfiffen, da schien es Willich am wohlsten zu sein.

Willich ist der richtige »Marschall Vorwärts« des Bürgerkrieges. Das Fürchten hatte er nie gelernt. Wenn seine Soldaten Neigung zeigten, in der Vorsicht den besseren Teil der Tapferkeit zu ver- spüren, dann ritt der alte Willich vor die Front und kommandierte »das Gewehr über,« »das Gewehr ab,« »präsentiert das Gewehr«, und darauf folgte ein Parademarsch in Kompagniefront, so weit es das Gelände gestattete. Das hat er mehrfach gemacht im dicksten Kugelregen, bei Shiloh und bei Perryville und wieder bei Chicka- mauga. Und seine Leute machten mit. Wir finden mehrfach in der KriegsHteratur die Schilderung solcher Episoden seitens anglo- amerikanischer Schriftsteller.

Willich konnte leider nur als Unterführer, als Brigadier und zuletzt als Divisionär, zur Geltung kommen. Eigentlich hat er nur einmal selbständig geführt. Dabei nahm er Liberty- und Hoovers Gap, wichtige Pässe in den AUeghany- Gebirgen, und durch Willichs Siege in diesen Pässen wurde der Vormarsch der Rosecransschen Armee auf Chattanooga überhaupt erst möghch. Bei diesen Kämpfen gingen Wilhchs Soldaten wie auf der Parade vor. Alle Befehle wur-

474 WilUch.

den durch Trompetensignale vermittelt. Die angloamerikanischen Offiziere, welche dieser Gefechtsentwicklung und deren glänzenden Erfolgen zusahen, waren verblüfft. Es war ihnen das etwas ganz Neues; es war eben preußisch. Willichs deutsche Regimenter hatten auch einen besonderen Kriegsruf i), das kurz aber laut hervor- gestoßene Hurra, nicht das in einem flackernden, langgezogenen Gebrüll ausklingende Hör räh räh räh.

Der alte Held wurde von den Sezessionisten gefangen, als er in der Schlacht bei Murfreesboro (oder Stone River) vom Haupt- quartier zu seinen Truppen zurückkehren wollte. Sein Pferd wurde totgeschossen, und er sah sich plötzlich von Hunderten von Feinden umringt. Aber er wurde rasch ausgewechselt, und bei Chickamauga konnte er eine seiner glänzendsten Kriegstaten vollführen. Dann wurde Missionary Ridge seine schönste Leistung. Ohne auf Befehl zu warten, ließ er seine neun Regimenter die Höhen hinanklettern, riß die benachbarten Truppen mit fort und wurde neben Sheridan, mit welchem er sich in diese Ehre teilte, einer der Helden dieser vom Oberbefehlshaber Grant gar nicht gewollten Schlacht, die mit dem schönsten Siege endete.

Willich hat drei Jahre in der Front gekämpft. In der Schlacht von Resaca, am Anfange des Shermanschen Marsches durch Georgia (Mai 1864) traf ihn eine feindliche Kugel so schwer in der Schulter, daß der alte Held dienstuntauglich wurde.

Willichs Gestalt gehört zu den sympathischsten unter den Kämpfern des Bürgerkrieges. Seine feurigsten Verehrer waren die angloamerikanischen Offiziere, welche unter ihm dienten. Er hatte ja seine Eigenheiten, worunter seine Verfechtung kommunistischer Anschauungen am auffälligsten war. Oft versammelte er seine 32 er, redete sie an als »Bürger von Indiana« und hielt ihnen im Feldlager deutsche Vorträge über Kommunismus. Wer ihn kannte, wußte, daß diese Anschauungen (deren Übertragung in das Praktische in Amerika nur Mißerfolge gezeitigt hat) einem großen edlen Herzen entstammten. Diesen Edelmut lernten auch seine Soldaten kennen.

^) Der Kriegsruf spielte im Bürgerkriege, dem letzten großen Kampfe mit der älteren Bewaffnung, noch eine große Rolle. Die Feuerwaffen trugen noch nicht sehr weit, die Kämpfer standen sich oft in nächster Nähe gegenüber. Die Sezessionisten stießen beim Angriff ein schrilles, helles, gellendes Geschrei aus (»the Rebel Yell«), Die Unionstruppen riefen Hurra.

Stahel. 475

Er teilte mit ihnen sein Letztes und darbte mit ihnen wenn es sein mußte. Unter allen den Tausenden von deutschen Idealisten, welche das Jahr 1848 nach Amerika getrieben hat, ist Willich mit an erster Stelle zu nennen. Er war die personifizierte Selbstlosigkeit. Er war Junggeselle, aber wo er sich zeigte, liefen ihm die Kinder nach. »Alle amerikanischen Kinder sind auch meine Kinder«, pflegte er zu sagen. Als er gestorben war, fand man seine Schubladen und Koffer vollgepfropft mit Zuckerwerk und Kinderfutter. Er war ja selbst zeitlebens ein großes Kind, aber dabei stets ein ganzer Mann. Sein Kamerad Ferdinand Vogeler hat ihm in würdiger Weise die deutsche Grabrede gehalten. Ein schlichtes Denkmal in St. Marys, Ohio, schmückt das Grab dieses echten deutschen Helden.

Stahel, Julius, Deutschungar. Österreichischer Offizier. Schloß sich der rev. Armee an und diente im Stabe der Generale Görgey und Guyon. Flüchtete nach dem Siege der Russen über v'^- Deutschland nach Amerika. Mai 1861 Oberstleutnant in Blenkers 8. New Yorker Regimente. Er wurde von Präsident Lincoln belobt, wegen tapferer Haltung bei Bull Run I. Im November 1861 wurde Stahel Brigadegeneral und Führer der i. Brigade der Blenkerschen deutschen Division. Dieser wurde der Hauptangriff in der Schlacht von Gross Keys zuteil, welcher infolge des kopflosen Vorführens des 8. Regiments durch den Obersten Wutschel scheiterte. Stahel machte als Brigadier unter Sigel die Popesche Kampagne von 1862 mit und kämpfte mit großer Auszeichnung in der zweiten Bull Run- Schlacht, deckte auch im Verein mit Schurzens Division den Rückzug der Armee Popes. Am 29. September eroberte Stahel Warrenton und machte über tausend Gefangene. Am 27. November unternahm er eine Rekognoszierung gegen Jackson, bei Ashby Gap, jagte den Feind über den Shenandoah bis Sperryville, errang einen zweiten Sieg und verfolgte den Gegner. Er eroberte zwei Fahnen, rriachte große Beute an Proviant, Pferden und Vieh und mehrere hundert Ge- fangene. Im Frühling 1863 wurde Stahel der Waffe zugeteilt, für welche er sich besonders eignete, der Kavallerie. Stahel gehört zu denjenigen Führern, welche die bisher so jammervoll ausgestattete und schlecht geführte Reiterei der Union reorganisierten und die- selbe endlich zur Geltung brachten. Die Generale Hooker und Heintzelmann erklärten, daß die Stahelschen Reiterregimenter die besten seien, welche sie je gesehen hätten. Auf Lincolns Wunsch

476 Weitzel.

wurde diesen Reitern der Schutz Washingtons anvertraut. Stahel war gleichzeitig mit Schurz am 14. März 1863 zum Generalmajor ernannt worden. Er diente als Reiterführer unter General Reynolds und hatte bei Frederick, Md., ein siegreiches Gefecht gegen die feindliche Reiterei unter General Young. Bis März 1864 führte Stahel die Kavallerie im Korps des Generals Couch und wurde am 26. April 1864 wieder dem Sigelschen Korps zugeteilt, welches im Shenandoahtale vordrang, aber bei New Market von Breckinridge geschlagen wurde. Stahel kam in diesem Gefecht nicht zur Geltung, desto mehr aber in den Kämpfen, welche Sigels Nachfolger, Hunter, im Shenandoahtale zu bestehen hatte. Stahel führte dabei die Vor- hut. Er wurde auf dem Marsche nach Staunton von der Rebellen- Kavallerie unter Jones angegriffen, schlug jedoch den Feind zurück und verfolgte ihn bis Piedmont, wo man die feindliche Hauptmacht stark verschanzt antraf. Stahel hielt den Feind in Schach bis zum Eintreffen der Verstärkungen unter Hunter. In der nun folgenden Schlacht von Piedmont hat Stahel sich besonders ausgezeichnet und sich die Tapferkeitsmedaille verdient. Obschon gleich im Anfange des Gefechts schwer verwundet, führte Stahel doch seine Geschwader zu einer glänzenden Attacke vor, durch- brach die Verteidigungsstellung des Gegners und brachte letzteren zur völligen Auflösung. Infolge seiner Verwundung eine Zeitlang dispensiert, wurde Stahel später mit der Organisation von Rekruten- abteilungen in Harpers Ferry und Martinsburg betraut. General Stahel hat interimistisch als Korpsführer gewirkt. Er resignierte 8. Februar 1865. Nach dem Kriege war Stahel als Generalkonsul der Vereinigten Staaten in Yokohama, später in derselben Eigen- schaft in Shanghai tätig. Er hat gegen 12 Jahre die Vereinigten Staaten im fernen Osten vertreten. Später hat sich General Stahel in New York verschiedenen erfolgreichen Unternehmungen zuge- wendet. Als 85 jähriger Greis macht der alte Held noch durchaus den Eindruck eines Sechzigers.

Weitzel, Gottfried, Generalmajor und Korpsführer. Aus Winzlen, Rheinpfalz, gebürtig und als Kind eingewandert. In Westpoint zum Offizier ausgebildet. Leutnant im Ingenieurkorps der regulären U. S. -Armee. Unter Butler Chefingenieur in New Orleans, dann bei Banks unglücklicher Red River-Expedition als Brigadier beteihgt. Unter Grant wurde Weitzel Divisionär in Butlers

Kautz. 477

Army of the James, welche vor Richmond lag und den rechten Flügel der Potomacarmee bildete, zuletzt Kommandeur der- selben als Führer des 25. (farbigen) Armeekorps, mit dem er am 3. April 1865 als Erster in der eroberten Rebellenstadt Richmond einzog. Am nächsten Tag empfing er Präsident Lincoln. Weitzels Hauptbedeutung im Bürgerkriege liegt auf seinem Spezialgebiete, dem Ingenieurwesen. Als Brückenbauer, beim Auslegen von Be- festigungen, besonders bei den Unionswerken vor Richmond, ist Weitzel in glänzendster Weise hervorgetreten. Er trat nach dem Frieden in die reguläre Armee zurück und hat als Ingenieuroffizier in derselben noch viele Jahre ehrenvoll gewirkt. Starb in Phila- delphia.

Kautz, August V., Titular- Generalmajor, gebürtig aus Pforz- heim. Wanderte als Kind mit seinen Eltern ein, die sich in Ripley am Ohio ansiedelten. Kautz machte 18 jährig den Krieg gegen Mexiko mit und wurde danach Offizier in der Vereinigten Staaten- Armee. Er zog unter Doubleday mit dem 3. Ohio-Kavallerie- Regiment als Oberstleutnant ins Feld und wurde einer der glänzend- sten Reiterführer der Union, einer derjenigen, welche diese im Anfange des Krieges stark vernachlässigte Waffe um 1863 zu hoher Bedeutung brachten. Er befehligte gegen Ende des Krieges das 24. Armeekorps, mit dem er unter Weitzel am 3. April 1865 in Rich- mond einzog. Kautz' Kriegstaten treten weniger hervor als die Leistungen der Infanterieführer, denn die Reiterei fand selten Gelegenheit zum Eingreifen in Massen. Doch hat unser Landsmann Kautz als Reiterführer sich einen ebenso guten Namen gemacht wie der berühmte Güster, der übrigen^auch deutscher Abstammung war. General Kautz ist an über 100 Gefechten und Schlachten beteihgt gewesen. Kautz brachte es nach dem Kriege zum General- major der regulären Armee. Er starb vor einigen Jahren in Kali- fornien. Er galt als einer der tüchtigsten Militärs Nordamerikas. Sein Bruder Albert war der Admiral, ein dritter Bruder, Louis, war Kapitän. Der Vater dieser drei Brüder wurde Anfang der 30er Jahre in Ripley, O., der Begründer des Weinbaues im Ohiotale.

478 Adams Annecke.

Adams, Emil, Major im 9, Illinois-Infanterieregiment, diente nach dem Kriege in der regulären Armee.

A d o 1 p h u s , Dr. Philipp, Chirurg in den Hospitälern von Maryland.

Albert, Anselm, Hassendeubels Nachfolger als Oberst- leutnant des 3. Missouri-Regiments, gefangen bei Wilsons Creek, als er zusammen mit Sigel flüchtete. Wurde ausgewechselt; später Oberst in der Schlacht von Pea Ridge, Ark. Alsdann Stabschef des Generals Fremont. Zog mit diesem nach Virginien in den Shenandoah-Feldzug von 1862 und wurde der eigentliche Führer von Fremonts Truppen (worunter die deutsche Division) in der Schlacht von Gross Keys. Als Fremont durch Sigel abgelöst wurde, trat Albert zurück, erhielt aber später wieder ein Kommando, ^vurde schwer verwundet und mußte den Abschied nehmen. Er kämpfte in dem ungarischen Patriotenheer unter Görgey und führte eine der vier Sturmkolonnen, welche Ofen eroberten.

Almstedt, Henry, Oberst im i. Missouri-Reserveregiment, dann drei Jahre im 2. Missouri- Artillerieregiment. Später wurde er Zahlmeister in der regulären Armee. Almstedt kam von Deutsch- land zunächst nach Washington und wurde dort von den Armisteads (reiche aristokratische Pflanzerfamilie in Virginien und Maryland) als Verwandter begrüßt. Der damaHge Präsident Polk hatte eine Armistead zur Frau. Die Wandlung des Namens Almstedt in Armi- st ead im Laufe eines Jahrhunderts ist von Interesse. Siehe über diese Veränderungen deutscher Familiennamen in Amerika die verdienstvolle Arbeit von Oskar Kuhns in Americana Germanica, Heft 3 und 4, 1902.

Alter, Henry H., Dr. med. Chirurg im 52. Ky. Reg.

V. Amsberg, Oberst des fast ganz aus Plattdeutschen (meistens alten Soldaten) gebildeten 45. New Yorker Freiwilhgen- Regiments. Dasselbe gehörte zu Blenkers deutscher Division und kämpfte später unter Sigel und Schurz, v. Amsberg war früher preußischer Offizier gewesen. Kämpfte bis zur Ausmusterung der 45er und führte später eine Brigade.

A n d e 1 , Kasimir, Offizier im 12. Missouri- Regiment. Gründete im spanisch-amerikanischen Kriege in Belleville ein Regiment von Bürgerkrieg- Veteranen.

A n n e c k e , Fritz, Oberst der Artillerie, in Mc Clellans Stabe, dann Führer des 35. Wisconsin-Regiments. Zuletzt Befehlshaber

Arndt Aschmann, 479

der Reserve-Artillerie der Tennesseearmee. Annecke konnte zu manchen Mißständen in der Armee nicht schweigen, namentlich brachte es der alte deutsche Offizier nicht über sich, den oftmals haarsträubenden Fehlern der Offiziere, die seine Vorgesetzten waren, ruhig zuzusehen. Infolge derartiger Kritiken, die allerdings wohl disziplinwidrig sein mochten, wurde Annecke 1863 unter Arrest gestellt und von einem Kriegsgericht zur Absetzung verurteilt. Aus ähnlichen Gründen ist Annecke (1818 in Dortmund geboren) aus der preußischen Armee ausgeschieden. Er hatte (selbst preu- ßischer Offizier) das Duell als »Kinderei« bezeichnet. Annecke starb nach dem Kriege als Beamter der deutschen Gesellschaft in Chicago. Seine Gattin war die Dichterin Mathilde Franziska Annecke. Schurz war im badischen Feldzuge Anneckes Adjutant. Annecke hat für die Augsburger Allgemeine Zeitung fleißig korre- spondiert, namentlich seine Schilderungen der Schlacht von Shiloh sovvie des Marsches der Buellschen Armee von Nashville nach Pitts- burg Landing sind von großem Werte.

I A r n d t , Major des i. Bataillon leichter Artillerie von New York, Achtundvierziger, ehemaliger süddeutscher Offizier, der schon in der badischen Revolution kämpfte, gefallen bei Antietam. Sein Bataillon, bekannt als Brickels Artillerie, bestand aus vier Batterien, sämtlich deutsche Mannschaften: Major Brickel, Kapitän Dietrich, Vögelin, Knieriem und v. Kusserow.

A s b o t h , Oberst. Ehemals österreichischer Offizier und Deutsch-Ungar, gehörte zu Fremonts Stabe in Missouri, war Bri- gadier in Sigels Division bei Pea Ridge, zeichnete sich in jener Schlacht besonders aus und wurde bei dem Sturme von Elkhornpaß ver- wundet. — Kämpfte später in Florida, wurde abermals und zwar sehr schwer verwundet. Er starb bald nach dem Kriege als ameri- kanischer Konsul in Buenos Aires an den Folgen seiner letzten Verwundung. Er erhielt den Rang eines Brigadegenerals.

Aschmann, Rudolf, Kapitän im Unionstaaten- Scharf- schützen-Regiment, bekannt als Berdans Schützen. Er ist der Verfasser des vortrefflichen Buches »Eine Schweizer Schützen- kompagnie im Nordamerikanischen Kriege«. Aschmann verlor in der Wildnis- Kampagne von 1864 ein Bein. Die Aschmannsche Kompagnie von 106 Mann zählte 80 Schweizer und 26 Deutsche. Sie war die Ehte- Scharfschützen-Truppe der Potomac- Armee und die erste, welche das Schnellfeuergewehr erhielt. In 18 Schlachten

480 Asmussen Bätz.

und Gefechten wurde die Kompagnie bis auf zwölf Mann herunter- gebracht.

Asmussen, Oberst. Stabschef des General 0.0. Howard, ehemals preußischer Offizier. Kam mit Sigel aus Missouri zur Po- tomac- Armee. Hat sich in den Kämpfen in Missouri ausgezeichnet, namentlich in der Schlacht von Pea Ridge. Nahm seinen Abschied infolge einer schweren Verwundung.

August, Otto, 45. New Yorker, war Major in Howards Stab.

Axt, Dr. Gottfried, Chirurg im 20. deutschen N. Y. Reg.

Bachmann, J. P., Dr. med. Chirurg im 4. Ky. Reg.

B a c k u s , Wilhelm. Diente mit Auszeichnung im Barnett- schen (Clevelander) Ohio-Artillerie-Regiment unter Groskopf, avan- cierte vom Sergeanten zum Batteriechef.

Backhoff, Franz, Major in Sigels Artillerie in Missouri. Beteiligt an der Militärrevolution in Rastatt. Badischer Acht- undvierziger. Kämpfte mit Auszeichnung in der deutschen Revolution. In Missouri hat sich Backhoff unter Sigel aus- gezeichnet.

|Balbach, Offizier im badischen Generalstabe. 1849 an der Revolution beteiligt. Später in Amerika bei der Küstenver- messung beschäftigt. Zu Anfang des Krieges Major. Gefallen in einem der ersten Kämpfe.

Ballier, Oberst des stark deutschen 21. Pennsylvania- Regiments und des 98. Pennsylvania-Regiments. Antietam-Kam- pagne. Zweimal verwundet. Ballier hatte den mexikanischen Krieg mitgemacht und zeichnete sich derartig aus, daß er vom Korporal zum Major avancierte. Gegen Ende des Bürgerkrieges befehligte Oberst Ballier eine Brigade, welche sich bei dem Kampfe vor Washington 1864 ganz besonders auszeichnete. Es handelte sich damals um Abwehr des Angriffs des konföderierten Generals Early auf Washington. Präsident Lincoln wohnte dem Kampfe bei und er nannte Ballier in Anerkennung seiner Verdienste auf dem Schlachtfelde zum Brigadegeneral.

Barth, Georg W., Major, 28. Kentucky-Infanterie-Regiment.

Bätz, Henry, Major im 26. Wisconsin. Wurde bei Gettys- burg schwer verwundet. Obschon nach seiner Heilung wieder dienst- fähig, resignierte er doch wegen der schmachvollen Beschimpfungen, welche gegen die Deutschen infolge der Schlacht von Chancellors- ville erhoben wurden.

Bäumer Belleville. 48 1

B ä u m e r , Wilhelm, Oberst des i. Veteranen-Reiter- Regiments von Nebraska. Aus Münster in Westfalen. Zeichnete sich im In- dianerkriege aus, welcher gleichzeitig mit dem Bürgerkriege spielte. Er ließ den Häuptling Black Kettle aufhängen, obschon gegen 10 000 feindliche Rothäute in nächster Nähe waren. Sein Regiment war zur Hälfte deutsch.

Beck, Arnold, Major im 2. (deutschen) Missouri-Regiment. Führte dieses zu Laibolds Brigade gehörende Regiment in der Schlacht von Chickamauga. Bei dem Versuche, die vom Feinde geworfene Unionsdivision Davis aufzunehmen, ging das Regiment mit ge- fälltem Bajonett vor, geriet aber in ein so mörderisches Feuer, daß fast die Hälfte der Mannschaften des Regiments getötet oder ver- wundet wurde. Es verlor die Fahne, nachdem der Fahnenträger und die ganze Fahnensektion erschossen waren.

Becker, Adolf, letzter Oberst des Fremont- Regiments, 46. New York. Trat 1861 als Gemeiner unter Rosa in das Regiment ein und machte alle Chargen bis zum Regimentskommandeur und alle Feldzüge mit demselben durch, zeichnete sich besonders bei Antietam und Petersburg aus.

Becker, August, bekannter Feldkaplan im 7. deutschen N, Y. Reg. Bedeutender Journalist und Dichter. Starb in Cincinnati.

Becker, Gottfried, Oberst des reindeutschen 28. Ohio- Infanterie-Regiments (Moors). Führte dasselbe von 1863 bis 1865, hauptsächlich im 9. Korps. In der Schlacht von Antietam war dieses Regiment das erste, welches den Antietam überschritt und die starke Rebellenposition jenseits desselben angriff.

Becker, Karl, aus Belleville. Wurde später Staatsschatz- meister von Illinois. Hervorragender Deutscher. Verlor bei Pea Ridge ein Bein. (12. Missouri-Regiment.)

t B e h r oder Bahr, Chef der 6. deutschen Batterie von Indiana, t bei Shiloh. (Siehe Schlacht bei Shiloh.)

Belleville. Nirgends in den Vereinigten Staaten war die Kriegsbegeisterung größer, als in dieser reindeutschen Siedelung. Bellevüle, in St. Clair County, Illinois, liegt etwas südöstlich von St. Louis; es ist eigentlich ein deutscher Vorort der Großstadt St. Louis. Eine überaus fruchtbare, schöne Prairie, von einigen Hügeln durchzogen. Die Anregung zu dieser Siedelung ist wohl auf Duden, den Missourier Pionier, zurückzuführen. Die Fa- milien Theodor und Eduard H i 1 g a r d aus Speyer waren 1832

W. Kaafmaaa, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 0 1

482 Belleville.

die ersten Siedler von Belleville. Ihnen folgte Friedrich Engel- m a n n aus Bacharach im nächsten Jahre. 1834 kam die Familie V. Wangelin aus Mecklenburg, auch die Ledergerbers gehören zu den Pionieren. Ihre Kinder wuchsen ganz in den Anschauungen der Eltern auf. Um diesen deutschen Kern sammelten sich nach und nach Gesinnungsgenossen aus Deutschland, Schreiber, Dr. Gustav Bunsen, Dr. Bechelmann, Neuhoff, der bedeutende Redakteur Wilhelm Weber, Decker, IMirus, Abend, Reuß, Schott, Theodor Hilgard aus Zweibrücken, ein wirklicher Dichter, der große Ingenieur Julius Hilgard, ruhmvoller Erforscher der Felsengebirge und einer der ersten amerikanischen Gelehrten. Ferner der Mediziner Trapp, die Gebrüder Tittmann aus Dresden, Adolf Wizlicenus, ein bedeutender Forscher, Dr. W^ichers, Dr. Georg Engelmann, Ewald V. Massow (Freund Fritz Reuters und mit diesem in Deutsch- land zum Tode verurteilt) usw. Es waren mit den Nachkommen an 80 hochgebildete deutsche Famihen, welche hier in der »latei- nischen Siedelung« beisammen wohnten. Von daher stammt der Ausdruck »lateinische Bauern in Amerika«. Es war ein Kreis, wie er sich niemals wieder in Amerika zusammenfinden wird. Das Jahr 1848 brachte einen großen Nachschub. Hierher kam Friedrich Hecker mit seinen Freunden, wie Raith, der spätere General O s t e r - haus, Heinrich Hil.e^ard (Villard, der spätere »König« der Nord- pacificbahn) und viele andere mehr ließen sich in Belleville nieder. Die von Köpfli begründete schweizerische Ansiedelung Highland lag im angrenzenden Madison County. Durch diese Nachbarschaft fand auch der Schweizer Emil Frey Anschluß an diesen Kreis. - So wurde BeUeville ein kleines deutsches Athen in Amerika, eine Hochburg deutscher Bildung und freiheitlicher Gesinnung. (Man lese darüber nach bei Gustav Körner, auch dieser gehörte dem BeUeviller Kreise an und in Rattermanns (Cincinnati) »Deutschem Pionier«.) So ist es leicht zu verstehen, daß BeUeville beim Aus- bruch des Bürgerkrieges ein Feldlager wurde, daß die ganze deutsche Jugend der Siedelung zu den Waffen griff und sich sofort bei der großen deutschen Erhebung in St. Louis mit aller Kraft beteiligte. Schwerlich wäre der große deutsche Sieg in St. Louis ein so glän- zender gewesen, wenn man der Hilfstruppen aus Illinois hätte entbehren müssen. Das von Körner organisierte 43. Illinois- Regiment bestand fast ausschließlich aus der deutschen Jugend von Belleville.

Belitz ~ Blenker. 483

B e 1 i t z , H. F., Oberst des halbdeutschen 45. Wisconsin- Regiments.

B e n dix, John E., erster Oberst des 7. (Steuben) Regiments von New York, deutsche Turner. Später Oberst des 10. New Yorker Regiments. Wurde bei Fredericksburg schwer verwundet.

B e n e c k e , Louis, Major. Organisierte die reindeutschen Kompagnien H. des 18. und die halbdeutsche J. des 49. Missouri- Regiments. Diese Truppen kämpften beständig mit den konföderierten Buschkleppern. Da die von der Regierung gelieferten Gewehre für diese Art des Kampfes nichts taugten, so Heß Benecke auf eigene Kosten die ausgezeichneten Spencer- Karabiner für seine Sol- daten kommen. Er opferte für diesen Zweck 4000 Dollars. Erst mit diesen Gewehren konnten die Buschklepper vertrieben werden. 40 Jahre lang hat Benecke auf Ersatz für die zum Teil verloren gegangenen Flinten gewartet.

B e n t z o n i , Charles, Oberst des 56. Farbigen-Regiments.

B e r n a y s , C. L., Journalist in St. Louis. Wirkte neben Börnstein am »Anzeiger des Westens«. Eine der besten Federn Deutschamerikas. Bernays ging nach Washington, um Lincoln betreffs der Deutschen von Missouri aufzuklären, und ihm ist es wesentlich zu verdanken, daß der Präsident endüch seine Ein- willigung zur Bewaffnung der deutschen Regimenter gab.

Bertram, Oberstleutnant des 20. halbdeutschen Wisconsin- Regiments, führte im Arkansas-Feldzuge eine Brigade mit hervor- ragender Tapferkeit, zeichnete sich bei der Einnahme von Mobile aus, blieb aber trotzdem Oberstleutnant mit Generalstitel.

Bischof, Oberstleutnant im deutschen 15. Missouri- Regi- ment. Starb infolge der Strapazen des Krieges.

fBlandowski, Konstantin. Der erste deutschgeborene Offizier, welcher vor dem Feinde fiel, und zwar bei der Eroberung des Rebellenlagers Camp Jackson bei St. Louis. Starb am 25. Mai 1861. Blandowski war in Dresden zum Offizier ausgebildet, hatte in Algier unter den Franzosen, dann in der polnischen Revolution, später in Itahen gekämpft.

Blenker, Ludwig, geb. 1812 in Worms, j 1863 in Penn- sylvanien. Diente unter dem Könige Otto in Griechenland als Wachtmeister. (Otto war ein Witteisbacher und zog viele Bayern damals nach Athen). 1849 Oberst der Revolutionäre in Baden und in der Pfalz. Eroberte Ludwigshafen, besetzte Worms, kämpfte

31*

434 Blessing Bohlen.

bei Bobenheim gegen die Preußen und verteidigte Gernsbach (Baden), als der Kampf schon aussichtslos war. Flucht nach Amerika. Blenker ist derjenige deutsche Offizier, welcher zu Anfang des Krieges so außerordentlich vom Glück begünstigt wurde, aber auch sehr rasch von der Bildfläche verschwand. Er wurde Brigadegeneral.

Blessing, Franz, Oberst. Führte als Major das deutsche 74. Pennsylvania- Regiment (ehemals Schimmelfennigs) und zeichnete sich besonders bei Bull Run II aus. Dieses Regiment gehörte zu denjenigen, welche schon am ersten Schlachttage über den Eisen- bahndamm vordrangen und die Farm Cushing eroberten.

V. Blessing, Ludwig, Oberst mit Generalsrang. Ehemals preußischer Offizier. Wurde Oberstleutnant in Oberst Sibers 37. deutschen Ohio- Regiment, das aus Cleveland, Sandusky und Toledo, Ohio, rekrutiert war. Führte das Regiment nach Sibers Rücktritt. Kämpfte im Westen, besonders bei Vicksburg und Chattanooga, Marsch durch Georgia. Ausgezeichneter Offizier, stets im Feuer.

V. Blücher, F. A., angeblich ein Verwandter des Feld- marschalls, Major im Ingenieurkorps des Rio Grande- Departements. Er erbaute die Verteidigungswerke von Corpus Christi in Texas.

Blume, Hans, Oberstleutnant im 32. (Willichs) Indiana- Regiment. Der letzte Führer desselben nach Erdelmeyers Rück- tritt, Sept. 1864.

Blumenberg, Leopold, Major, 5. Maryland-Regiment, kämpfte bei Antietam in General Max Webers Brigade, die in jener Schlacht ein Drittel ihres Bestandes verloren hat. Blumen- berg \^airde dort verwundet.

Böcke, L., Kapitän, 54. New Yorker, befehligte die Scharf- schützen-Kompagnie, welche bei Chancellorsville zuerst im Walde angegriffen wurde.

Boden, Wilhelm, Major, 23. Kentucky-Infanterie-Regiment.

B ö b e 1 , Hans, Oberstleutnant im 26. Wisconsin-Regiment, führte dasselbe bei Gettysburg bis zum Eintreffen von Oberst Jacobs. Wurde schwer verwundet und büßte ein Bein ein, wonach er seinen Abschied nehmen mußte. Böbel war Achtundvierziger.

t B o h 1 e n , Heinrich, geb. 1810 in Bremen. Reicher Kauf- mann in Philadelphia. Hatte eine merkwürdige Vorliebe für den Militärstand. Beteiligte sich an der Belagerung von Antwerpen 1832, machte den Krimkrieg als Zuschauer mit, den Krieg gegen Mexiko ruhmvoll als Offizier. Organisierte 1861 das 75. Penn-

V. Borchersrode Bourray d'Ivemois. 485

sylvania- Regiment auf eigene Kosten, wurde dessen Oberst und noch im Jahre 1861 Brigadeführer unter Blenker. Kämpfte ruhm- voll bei Gross Keys, wo er, nachdem die Stahelsche Brigade (infolge von Wutschels vorzeitigem Angriffe) abgeschlagen worden war, einen zweiten Angriff unternahm, der jedoch infolge des Versagens der Artillerie ebenfalls scheiterte. General Bohlen wurde bei Freemans Ford am Rappahannock am 21. August 1862 erschossen. Als ihn die Kugel traf, führte er seine Truppen tapfer vorgehend gegen den überlegenen Feind. Wahrscheinlich, weil Bohlen in den Rücken getroffen wurde, bildete sich die Sage heraus, daß der General einem Racheakt seiner eigenen Leute zum Opfer gefallen sei. Doch ist diese Annahme wahrscheinlich falsch. Von General Stahel und namentlich von den 75ern wird sie auf das lebhafteste bestritten. Bohlen war einer der beliebtesten Offiziere des ganzen Korps. Einer seiner Enkel ist Herr Krupp v. Bohlen, der gegenwärtige Chef des Hauses Friedrich Krupp in Essen.

V. Borchersrode, Rudolf, Oberst des 5. Minnesota- Freiwilligen-Regiments, das zu über einem Drittel aus Deutschen bestand. Auch der Major dieses tapferen Regiments, John C. B e c h t, ein Turner aus St. Paul, war ein Deutscher.

Börnstein,H., Oberst des 2. deutschen Missouri- Regiments. Ehemals österreichischer Offizier, Achtundvierziger. Einer der Hauptführer bei der Erhebung der Deutschen von St. Louis. Glänzend begabter Mann, Redakteur und Besitzer des »Anzeiger des Westens«. Börnstein hat nur an den ersten Kämpfen in Missouri teilgenommen. Er wurde von Lincoln bald als Konsul nach Bremen geschickt. Börnsteins Memoiren sind äußerst lesenswert.

Böhm, Eduard H., Kapitän im 7. Ohio-Regiment (Cleve- land), das fast zu einem Drittel deutsch war. Böhms besonderes Verdienst ist die Abfassung einer sich auf fast alle deutschen Vete- ranen der Stadt Cleveland erstreckende Geschichte, wovon an anderer Stelle die Rede ist.

Dr. B o r c k , Chirurg, 46. New-York-Regiment.

Böttinger, Otto, Major des deutschen 68. New York- Regiments. Wurde kriegsgefangen und schmachtete lange im konföderierten Gefängnisse zu Salisburg.

Bourrayd'Ivernois, Gotthilf, ehemals österreichischer Offizier, später in päpsthchen Diensten. Bourray war zuerst in Blenkers Wartesaal. Schurz erwähnt ihn rühmend bei Chancellors-

486 Bracht Brotzmann.

ville, wo er das 68. New York- Regiment in Schimmelfennigs Brigade kommandierte. Er führte auch das Regiment bei Gettysburg. Er war aber ein Trunkenbold und wurde deshalb entlassen.

Bracht, F. G., Major, i8. Kentucky- Infanterie- Regiment.

f B r a u n , F., Kapitän. Zeitweiliger Regimentskommandeur des 58. New Yorker Regiments, fiel bei Chancellorsville, als sein Regiment im Verein mit den Milwaukeer Deutschen vom 26. Wis- consin-Regiment auf dem Hawkins-Felde den Jacksonschen Sturm- kolonnen in so energischer Weise entgegentrat.

Braun, Kapitän. Offizier eines Wisconsin- Regiments, schrieb eine sehr interessante und wichtige Schilderung des Soldatengefäng- nisses von Andersonville. Braun hat dort lange als Gefangener geschmachtet. Er nimmt in seiner Schrift Stellung zugunsten des konföderierten Gefangenenaufsehers Wirz, welcher bekanntlich infolge kriegsgerichtlichen Urteils gehängt wurde.

V. Brausen, Hauptmann im deutschen 7. New Yorker Regiment. Übernahm in der Schlacht von Fredericksburg die Führung des Regiments, nachdem Oberst v. Schack die Brigade übernommen hatte.

Brennholtz, Oberstleutnant. 50. Pennsylvania- Regiment (halbdeutsch), kämpfte ruhmvoll bei Fredericksburg.

Brestel, Major des 7. deutschen N. Y.- Reg., führte dasselbe in der Schlacht am Antietam gegen eine feindliche Batterie, er- oberte dieselbe, machte an tausend Gefangene und erbeutete drei konföderierte Fahnen. Dabei erlitt das aus kaum 500 Kampf- fähigen bestehende Regiment einen Verlust von 22 Toten und 42 Verwundeten.

B r i c k e 1 , Major der Artülerie. Einer der bekanntesten Artilleristen der Potomacarmee. Seine Batterie war in Buffalo organisiert und bestand ausschheßlich aus Deutschen. Er kämpfte während des ganzen Krieges mit großer iVuszeichnung. - Brickel war badischer Achtundvierziger.

Brodbeck, Deutsch- Schweizer. Oberst eines in Dubuque, Jowa, organisierten Regiments. Kämpfte wacker in vielen Schlach- ten des Westens.

Brotzmann, F., Oberleutnant, später Kapitän von Manns deutscher Missouri-Batterie in General Hurlbuts Division. Einer der Helden von Shiloh. Die Batterie, deren ganze Mannschaft deutsch war, stand stets im ärgsten Feuer und hielt wacker aus

Brückner Buschbeck. 487

bis zum letzten Schuß. Brotzmann wurde von General Hurlbut vor der Front belobt. Hat sich später bei Stone River ausgezeichnet.

fBrückner, A., Oberstleutnant des 73. Pennsylvania- Regiments in der Brigade Koltes. Tödlich verwundet als Führer dieses Regiments in der zweiten Schlacht von Bull Run.

Brückner, Karl, Dr. med., Regimentsarzt des 17. Mo. Reg.

f B r ü h 1 , Karl, Kapitän der Kompagnie F. der Benton County Heim wehr, Missouri. Diese Kompagnie lagerte in der Nacht des 19. Juni 1861 in einer Scheune in Cole Camp bei Booneville. Während der Nacht zogen Rebellen unter einer U n i o n s fahne in das Lager ein. Da Verstärkungen erwartet wurden, so ließen sich die Wachen durch die Unionsfahne täuschen. Diese Rebellen drangen in jene Scheune ein und eröffneten ein mörderisches Feuer auf Brühls schlafende Kompagnie. Brühl und 25 Mann wurden sofort getötet und viele wurden verwundet. Die Opfer dieses heim- tückischen Überfalles waren meistens deutsche Familienväter, Farmer aus Benton County, Mo. Ein heftiges Nachtgefecht ent- spann sich, bei welchem der Feind 31 Tote auf dem Platze ließ.

Buchholz, Alex., deutscher Kapitän der regulären Kavallerie Red River-Feldzug, Regimentsführer.

f V. Buggenhagen, früher Offizier im preußischen Re- giment Garde du Corps, Kapitän im deutschen 7. New Yorker (Steuben) Regiment, welches er mehrfach in Vertretung geführt hat. Er fiel bei dem Sturme auf Fredericksburg.

Buschbeck, Adolf, preußischer Offizier aus Koblenz. Lehrer am Kadettenhause in Potsdam. Kam 1853 nach Phila- delphia. Starb 1881 auf einer Reise in Italien. Oberstleutnant des 27. Pennsylvania- Regiments, welches Buschbeck stets geführt hat, da dessen erster Oberst Einstein eine Null war. Buschbeck zeichnete sich aus bei Bull Run I, bei Gross Keys (in Stahels Brigade) , bei Bull Run H und wurde dann der eigentliche Held von Chan- cellorsville ; kämpfte tapfer bei Gettysburg und Missionary Ridge, wo von den beiden zu Sherman gestoßenen Divisionen Schurz und V. Steinwehr nur die Brigade Buschbeck zum Schlagen kam und mit großer Auszeichnung und mit Shermans besonderem Lobe am Tunnel Hill kämpfte. Buschbeck hat auch den Shermanschen Zug durch Georgia mitgemacht und dort vortrefflich gewirkt. Be- sonderen Ruhm erlangte Buschbecks Brigade in der blutigen Schlacht von Peachtree Creek (19. Juli 1864). Bei Ezra Church, 28. Juli,

488 ßutz Cäsar.

schlug Buschbeck den Feind dreimal zurück. Die Brigade kämpfte in Georgia in Hookers 20. Korps.

Adolf Buschbeck ist eine der glänzendsten Gestalten des Bürger- krieges und neben Willich und Wangelin einer unserer ersten deutschen Kampf generale. Er war beständig in der Front und sein Kriegs- rekord zeigt ihn beteiligt an vielen Entscheidungsschlachten. Sein größter Ruhmestag war Chancellorsville. (Siehe im Text.)

Daß ein so verdienstvoller Soldat nicht die ihm gebührende Ehrung erhalten hat, ist sehr zu bedauern. Er hatte sicherlich jede Anwartschaft auf den Generalmajor.

B u t z , Kaspar, einer der besten Dichter Deutschamerikas. Geb. 1825 in Westfalen, gest. 1885 in Des Moines, la. Achtund- vierziger. Ihm verdanken wir einige der schönsten dichterischen Leistungen, welche durch den Bürgerkrieg hervorgerufen wurden: »Ein Totenlied für John Brown«, »An Abraham Lincoln«.

C a n d i d u s , Wilhelm, Major, 27. Pennsylvania- Regiment.

Cantador, Lorenz, Oberst, 27. Pennsylvania- Regiment. Führte dasselbe bei Chancellorsville und Gettysburg, zeichnete sich in beiden Schlachten aus.

I C ä s a r , Hermann, Kapitän im 52. New Yorker Infanterie- Regiment, Regimentsadjutant v. Freudenbergs, wurde bei Fair Oaks verwundet und bei Chancellorsville getötet.

t Die bei Chancellorsville gefallenen deutschen Offi- ziere, soweit zu ermitteln ist, sind: Col. Elias Peißner, 119. New York, Stab; Kapitän F. A. Dessauer, 45. New York, Stab; Major Robert Rother, 68. New York; Kapitän Jakob Petermann, 74. Pennsylvania; Kapitän Frank Sauter, 55. Ohio; Kapitän Karl Pizzola, 26. Wis- consin; Kapitän Ferd. Babst, 82. Ilhnois; Kapitän Albert Hoya, 68. New York; Dr. Karl A. Hartmann, 107. Ohio; Kapitän Heinrich v. Schwerin, 119. New York; Leutnant John Peterson, 107. Ohio; Leutnant John G. Winkler, 107. Ohio; Col. Chas. Walter, 17. Conneticut; Kapitän Aug. Schüler, 26. Wisconsin; Oberstleutnant L. Hartmann, 29. New York; Kapitän Lor. Spöne- mann, 82. Illinois; Leutnant Konrad Schonder, 82. Illinois; Kapitän Louis Lisky, 45. New York; Kapitän Chas. Leonliardt, 45. New York; Kapitän Fred. Braun, 68. New York; Kapitän John D. Pauling, 68. New York; Kapitän Jakob Leibfried, 73. Pennsylvania; Kapitän August Schneider, 26. Wisconsin; Kapitän Karl Neukirch, 26. Wis- consin; Kapitän William Boltz, 73. Pennsylvania; Leutnant D. Heiler,

Clauß V. Corwin. 489

73. Pennsylvania; Major Oskar v. Meusel und Kapitän Otto Weber von General Mc Leans Stab; Leutnant Col. W. Moore, 73. Penn- sylvania; Kapitän Bernhard Bode und Leutnant Joseph Grimm von Buschbecks Stab; Kapitän Jastrow Alexander, Ass,-Adj. General Stein wehrs Stab; zusammen 32, wovon zehn an anderer Stelle besonders erwähnt werden.

Clauß (Clouse), General, kam als Knabe aus Deutschland nach den Vereinigten Staaten. Brachte es im Bürgerkriege zum Kapitän, trat dann in die reguläre Armee ein und wurde General. Einer der hervorragendsten Militärs Amerikas. Machte sich einen Namen als Kriegsrechtslehrer und galt als Autorität der ameri- kanischen Kriegsgeschichte. Starb 1908.

C o h n , Henry S., zog als Trommler des 5. Kentucky-Regiments ins Feld und kam als Kapitän zurück. Starb in Louisville als Leiter des »Anzeiger«.

Conrad, Joseph, Oberst des 15. schweizerisch-deutschen Missouri-Regiments, welches bei Pea Ridge in der Brigade Asboth kämpfte. (Nach Mitteilung des Veteranen Kilian in Manhattan, Kans., zählte das Regiment mehr Plattdeutsche als Schweizer.) Conrad führte im Rosecransschen Feldzuge von 1863 und besonders ruhmvoll in den Schlachten am Stone River, sowie am Chickamauga, wo er eine Brigade befehligte, welche bei dem Versuche, die vom Feinde geworfene Unionsdivision Davis aufzunehmen, schwere Verluste erlitt und schließlich auch der Übermacht weichen mußte. Glänzend hat Conrad sich ausgezeichnet beim Sturme auf Missio- nary Ridge. Dort war Conrad einer der ersten, welche in die kon- föderierten Schanzen auf der Höhe eindrangen. Er wurde durch die Hüfte geschossen, war aber nach wenigen Monaten wieder bei seiner Brigade. In der Shermanschen Kampagne von 1863 führte Conrad die 3. Brigade der 2. Division in Woods Korps, kämpfte in den elf Schlachten bis Atlanta und ging dann mit den Thomas- schen Truppen nach Tennessee. Dort schlug sich seine Brigade mit Auszeichnung in den beiden letzten großen Schlachten des Westens, bei Franklin und bei Nashville (15. und 16. Dezember 1864). Conrad hatte in den ersten beiden Kriegsjahren als Oberst- leutnant das 3. Missouri-Regiment geführt. Er wurde Brigade- general der regulären Armee.

V. Corwin, Otto, führte den Titel eines Obersten, hat aber den Kämpfen nur als Zuschauer beigewohnt. Bekannter Achtund-

490 Crämer Degener.

vierziger. Einer der her\^orragendsten Führer des badischen Auf- standes, zeitweiUg Kommandant von Rastatt. Zum Tode ver- urteilt, aber begnadigt, schmachtete er manches Jahr im Gefängnis, Schriftsteller. Korrespondent der Augsburger Allgemeinen Zeitung und der Londoner Times während des Bürgerkrieges im Jahre 1862. Auch die kleinen Dinge des Lagerlebens sind bei Corwin recht belehrend und zugleich auch amüsant zu lesen. Corwin trug sich 1863 mit dem Plane, 20000 gediente deutsche Soldaten in Deutsch- land für die Union anzuwerben. Er stellte die Sache Lincoln vor, der zuerst ganz entzückt davon war, aber den Plan fallen ließ, nach- dem Stanton, sein Kriegsminister, opponiert hatte. Wäre der Plan von Männern wie Schurz, Osterhaus, Sigel usw. aufgenommen worden, so hätte er sich vielleicht ausführen lassen. Aber Corwin, der durchblicken läßt, daß er selbst Geld dabei verdienen wollte, war die ungeeignetste Persönlichkeit für die Durchführung. Corwin blieb noch mehrere Jahre nach dem Kriege in Amerika, war Beamter in Washington, kehrte aber dann nach Deutschland zurück. Er war mit dem Salm-Salmschen Ehepaare sehr befreundet, hat auch die lesenswerten Erinnerungen der Prinzessin Salm- Salm geschrieben oder redigiert.

Crämer, Oberst des 17. Missouri-Turner- Regiments. Be- fehHgte dasselbe in den Kämpfen vor Vicksburg.

Cronenbild, Major in Salomons 5. (deutschen) Missouri- Regiment. Kämpfte in Sigels Division bei Carthage, Wilsons Creek und Pea Ridge.

Dalimeyer, W. K., Oberst eines Milizregiments von Gas- conade County, Missouri.

Daum, Philipp, Oberstleutnant der Artülerie, ehemals preu- ßischer Offizier. Er ist der eigentliche Sieger in der Schlacht bei Kemstown, Mai 1862. Dieser Sieg, der einzige, welchen die L^nions- truppen über Jackson in jener Kampagne erlangten, wird General Shields zugeschrieben. Shields war jedoch in der Schlacht gar nicht anwesend, obschon seine Truppen sie schlugen. Die L^länder be- haupteten, daß ihr Landsmann Shields der einzige gewesen sei, der Jackson schlagen konnte. Aber vor Daums Artillerie rissen die Rebellen aus. Es herrschte stets eine Rivalität zwischen den deutschen und den irischen Regimentern während des Krieges.

D e g e n e r , Eduard, hervorragender Führer der deutschen Unionsfreunde in Texas, Mitgriinder der deutschen Siedelung Sister-

V, Degenfeld Dick. 491

dale am Guadelupeflusse. Stammte aus Braunschvveig ; eingewandert 1850. Seine beiden Söhne fielen im Gefechte am Nuecesflusse, Degener wurde von den Konföderierten ins Gefängnis gesteckt, aber nach Monaten gegen Bürgschaft entlassen. Nach dem Kriege wurde Degener zweimal in den Kongreß erwählt.

V. Degenfeld, Christoph, Major des 26. Ohio-Infanterie- Regiments. Preußischer Offizier. Er wurde schwer verwundet bei Salzburg, Va., Oktober 1864, und starb nach langen Leiden in Sandusky, O. Ein Teil eines Schlüssels, den Degenfeld bei sich trug, wurde von der Kugel mit in den Körper gerissen und konnte nicht entfernt werden. Das von Degenfeld organisierte 26. Ohio- Regiment war eines der besten des westlichen Heeres.

D e i t z e r , Oberst des halbdeutschen i. Kansas-Regiments. Oberst Deitzer führte in der verhängnisvollen Schlacht von Wilsons Creek eine Brigade, bestehend aus zwei Kansas- und dem i, Jowa- Regiment (demselben, welches graue Uniformen trug und vorher der Sigelschen Brigade attachiert gewesen war).

Delfosse, Jul. N., Major, 12. Kentucky-Kavallerie-Regiment

f D e m m y , Charles. Ein Posten der Grand Army ist nach diesem tapferen deutschen Kapitän des 12. Missouri- Regiments benannt worden. Demmy fiel beim Sturm auf Vicksburg.

fDengler, Adolf. Hervorragender Achtundvierziger. Er hatte im Jahre 1848 Freiburg im Breisgau gegen die badischen Truppen verteidigt. Später »lateinischer« Farmer in Belleville, 111., Dengler organisierte im April 1861 eine Kompagnie junger Deutscher aus Belleville und führte dieselbe nach St. Louis, wo sie dem 3. Mis- souri-Regiment (Sigel) zugeteilt wurde. Intimer Freund Sigels. Kämpfte bei Carthage, Wilsons Creek, Pea Ridge, wurde Oberst des 3. deutschen Missouri- Regiments und fiel bei dem großen Sturme auf Vicksburg, 22. Mai 1863.

fDessauer, Major im Generalstab des 11. Korps. Fiel bei Chancellorsville, wurde vom Pferde geschossen, als er dem 54. New Yorker Regiment Gilsas Befehl zum Rückzug überbrachte.

V. Deutsch, Oberst des halbdeutschen 4. Missouri-Reiter- regiments. Die Kompagnie M. desselben bestand aus der ehemaügen Milwaukee- Kavallerie, sämtlich frühere deutsche Soldaten.

Dick, Hermann, Batteriechef aus Phüadelphia. Später Journalist und Lokalredakteur des »Phil. Demokrat«.

492 Dieckmann Dilger.

Dieckmann, Julius, Major, führte das i. Bataillon des 15. New Yorker Artillerie-Regiments bei Cold Harbor. Juni 1864.

Dietrich, Henry, Kapitän im 39. New Yorker Regiment (ehemals Garibaldis). Bei Gettysburg zählte das Regiment nur noch vier Kompagnien, 307 Mann, alles Deutsche, abgesehen von einigen Deutschschweizern. Nach Major Hildebrandts Verwundung fungierte der Brigadegeneral Willard nominell als Befehlshaber, aber jeder der Hauptleute leitete selbständig. Die 39 er eroberten am 2. Juli die I. Batterie des 5. regulären U. S.-Artillerie-Regiments zurück, welche der Feind genommen hatte. Bei diesem Bajonettangriff verlor das Regiment 20 Tote und 46 Verwundete, also in wenigen Minuten fast den vierten Teil seiner Mannschaft. Diese Tat be- lohnte der Staat New York durch Setzung eines großen Granit- blocks mit entsprechender Inschrift. Bei der Enthüllung dieses Denkmals hielt Kapitän Dietrich in deutscher Sprache die Haupt- rede. Sie ist deutsch abgedruckt in dem Werke »New York in the War«. Auch am 3. Juli zeichnete sich das 39. Regiment glänzend aus. Es stand mit einem Ohio- und einem Minnesota-Regiment als Vorposten vor der Schlachtlinie, als der feindliche Hauptangriff unter Pickett erfolgte. Hier wurde Pickett stark aufgehalten und das Zurückwerfen dieses Angriffs, wodurch diese Hauptschlacht für die Union entschieden wurde, wesentlich erleichtert. Kapitän Dietrich war Provostmarschall in Centerville 1862 bis 1863. Zeichnete sich durch Säuberung der Gegend von Guerillas und Buschkleppern aus. Stand schon 1848, im 15. Lebensjahre auf den Barrikaden in Hessen-Kassel.

f D i e t z , zuerst Kapitän der Ingenieure in der konföderierten Armee in Texas. Er war in den Dienst gepreßt worden, gehörte den Unionstreuen in Texas an. Hat alle Pläne zur Befestigung von Galveston und Umgegend gezeichnet. Erst im März 1864 gelang es ihm zu desertieren und dann unter der Flagge zu dienen, welche er liebte. Er fiel als U n i o n s offizier in den Kämpfen um Petersburg, Va.

Dilger, Hubert, Batteriechef, früher badischer Artillerie- offizier, kam nach Amerika, um der Union seinen Degen anzubieten. Es ist von ihm in der eigentlichen Schilderung an so vielen Stellen die Rede gewesen, daß hier nur noch wenig zu sagen bleibt. Dieser echte Kriegsheld bheb nur Kapitän in der Artillerie, trotz seiner vielen, auch von der angloamerikani sehen Geschichtschreibung

Dister. 49,5

oft anerkannten Ruhmestaten! Nach dem Kriege trug sich Dilger mit dem Plane, eine Geschichte der Deutschen im Bürgerkriege zu schreiben, aber eine Feuersbrunst beraubte ihn seines ganzen sehr wertvollen Materials. Dilger gehörte zu der deutschen Division Blenkers und kam zum ersten Male bei Gross Keys im Shenandoahtale, Juni 1862, an den Feind. Er führte als Batteriechef die Kompagnie J. des I. Artillerie-Regiments von Ohio. Glänzende Dienste hat er in der zweiten Schlacht bei Bull Run, sodann bei Chancellorsville und Gettysburg geleistet. Er führte das einzige Geschütz, welches in dem Verteidigungskampfe der Brigade Buschbeck bei Chan- cellorsville zur Geltung kommen konnte. Wie durch ein Wunder entkam er dort den ihm nachsetzenden Feinden. Im Spätsommer zog Dilger mit dem 11. Korps nach Chattanooga und war ehrenvoll beteiligt an den großen Schlachten um jene Stadt. Er verblieb in der westlichen Armee und zog mit Sherman durch Georgia und beide Carolinas bis dicht vor Richmond. Dilger war in der ganzen nördlichen Armee bekannt und galt als einer der glänzendsten Offiziere des Nordheers. Auf jedem Schlacht felde, wo er aufgetreten ist, hat er sich mit Ruhm bedeckt, namentlich auch in den zahl- losen Kämpfen der Shermanschen Armee. Die Infanterie ging stets mit besserem Geiste ins Feuer, wenn sie wußte, daß Dilgers Batterie mit dabei war. Der Verfasser hat Dutzende von Briefen erhalten, in welchen erklärt wird, daß Dilger der beste Artillerist des ganzen Nordheeres gewesen ist. Der alte Held lebt in der an den Schwarz- wald erinnernden Gegend von Front Royal in Virginien als Farmer. Dilger nahm großes Interesse an der Arbeit des Verfassers, konnte sich aber wegen Krankheit leider nicht als Mitarbeiter betätigen. Er schrieb dem Verfasser: »Meine Kriegserfahrungen sind nicht von so hocherfreulichen Resultaten gewesen, um in Erinnerungen zu schwelgen, die mich nur ärgern könnten und lügen oder ver- schleiern kann ich nicht. Jetzt stehe ich auf ganz neutralem Boden. « I D i s t e r , Peter, Oberstleutnant und zeitweilig Führer des 58. Ohio- Regiments. Gefallen, 28. Dezember 1862 beim Sturm der Be- festigungen von Chickesaw bei Vicksburg zusammen mit den Haupt- leuten Kinser, Deffenbach, Kette und Oderfeld. Das Regiment wurde in Dayton rekrutiert und war fast ganz deutsch. Es war das erste, welches in Fort Donelson eindrang. Dister, aus Gundersheim bei Worms gebürtig, war in Hessen Soldat gewesen. Er kämpfte schon in der ersten Schlacht von Bull Run im i. Ohio- Regiment, später

494 Domschke v. Egloffstein.

bei Shiloh und in allen Kämpfen unter Slierman bis zu den ersten Angriffen auf Vicksburg. Ein Bruder Disters war Kapitän im 58. Ohio-Regiment.

Domschke, aus Milwaukee. Offizier in einem Wisconsiner Regiment. Hat ein Buch geschrieben über seine Kriegsgefangen- schaft. Vergleiche über denselben Gegenstand »Martyria Anderson - ville«, Boston 1866, von Augustin Hamlin.

D o r r i e s , F., Chef der Batterie L des i. Ohio- Art. -Reg.

D o t z e , Aug., Oberstleutnant des 8. Ohio Kavallerie- Regiments., kämpfte von 1861 bis 1864 in Westvirginien, auch unter Sigel in dessen zweiter New Market- Kampagne, wurde gefangen genommen und schmachtete in Libby.

D o u a i , Dr. Adolf, Redakteur der deutschen San Antonio- Zeitung. Einer der kühnsten und treuesten Unionsmänner in Texas. Fruchtbarer Schriftsteller. Hervorragender Pädagoge.

Dr. D ö h n aus Dresden, Achtundvierziger - Flüchtling. Einer der Führer der deutschen Erhebung in St. Louis.

D ö p k e , Adolph, Oberst, 45. New Yorker, zeichnete sich bei Gettysburg aus, wo das Regiment mehrere hundert Gefangene machte. Diente bis Ende des Krieges. Leitete das erste Vorposten- gefecht der deutschen Division bei Annendale, Va., im März 1862.

Dörfflinger, Karl, Milwaukee. Offizier im 26. Wisconsin- Regiment. Verlor in der Schlacht von Chancellorsville ein Bein. Hat eine Geschichte des 26. deutschen Regiments geschrieben. Hervorragender Pädagoge und Schriftsteller in Müwaukee.

•fDuysing, Major. Ehemals kurhessischer Artillerieoffizier. Hat in der Potomacarmee her^^orragende Dienste geleistet. Starb infolge schwerer W'unden. Begraben auf dem Arlington-Friedhofe.

f V. E g o 1 f , Joseph, Kapitän in General Carrs Stab, fiel in der zweiten Schlacht am Bull Run. Früherer preußischer Genie- offizier.

V. Egloffstein, Oberst des deutschen 103. New Yorker Regiments. War in Deutschland Genieoffizier gewesen. Oberst V. Egloffstein organisierte im 103. Regiment eine sog. Elitekompagnie, deren Mannschaft aus lauter ehemaligen deutschen Offizieren be- standen haben soll. Diesen Leuten hatte der Oberst rasches Avance- ment versprochen, auch trugen sie ein besonderes Abzeichen an der Uniform. Die Kompagnie drang bei den Kämpfen um New Bern meilenweit ins feindHche Gebiet vor, trieb die ganze feindliche

V, Einsiedel Engelmann. 495

Vorpostenkette zurück und machte 200 Gefangene. Die Kom- pagnie war bei dieser Gelegenheit durch FreiwiUige verstärkt und zählte ungefähr 150 Mann. Der Oberst wurde bei dieser Expedition zweimal verwundet. Der Oberstleutnant Kretschmar des 103. Regi- ments intrigierte gegen v. Egloffstein, und letzterer mußte gehen. Doch wurde er später rehabilitiert und zum Brevet- General befördert. V. Egloffstein wurde dienstunfähig infolge seiner Wunden. Sein Nachfolger war der Württemberger Ringold (bei Suffolk gefallen), sodann der in Deutschland so bekannte Schriftsteller und Zeichner Wilhelm Heine (Leipzig). Mehrere Mitglieder jener Elitekompagnie sind später in die reguläre Armee übergetreten und Offiziere geworden. Das 103. Regiment wurde dreimal durch Rekrutenersatz ver- stärkt, litt aber so schwer, daß zu Ende des Krieges nur noch drei Kompagnien vorhanden waren. Kapitän Redlich führte dieses Bataillon im Jahre 1865 nach New York zurück. Das Regiment kämpfte im 9. Korps unter Burnside in der New Bern- Kampagne, dann am Antietam, bei Fredericksburg, Suffolk, im Shenandoahtale, ferner bei der Belagerung von Charleston und später unter Grant bei Petersburg bis Appomatox. ;' " ? * ^ , . <

V. Einsiedel, sächsischer Offizier, führte das 41. New Yorker De Kalb-Regiment bei Chancellorsvüle und Gettysburg.

t V. Engel, Major im Stabe General Caseys. Schwer ver- wundet stürzte er sich im Fieber aus dem Fenster. Sohn eines sächsischen Generalleutnants, v. Engel nahm als topographischer Ingenieur an den Pfadfinder-Expeditionen Fremonts teil.

Engelmann, Adolf, Brigadegeneral, geb. 1825. Als Kind mit seinem berühmten Vater nach der »deutsch-lateinischen« Nieder- lassung in St. Clair County, Belleville, 111., eingewandert. Offizier im mexikanischen Kriege, woirde schwer verwundet. Ging von Amerika nach Schleswig-Holstein, um 1848 gegen die Dänen zu kämpfen. Nach den Vereinigten Staaten zurückgekehrt, wurde er in seiner Heimat Farmer. 1861 Oberstleutnant im 43. Illinois- Regiment, in welchem die Blüte der deutschamerikanischen Jugend von Belleville diente. JuHus Raith war dessen Oberst. Als dieser heldenmütig bei Shiloh gefallen war, wurde A. Engelmann sein Nach- folger, und zwar gleich als Führer der Brigade. Kämpfte bei Vicks- burg und in den weiteren Feldzügen Grant s im Westen. Besonders ausgezeichnet hat er sich in Banks unglückhchem Red River-Feldzuge, wobei er unter Friedrich Salomon eine Brigade führte. Gustav

496 EUwang - Essig.

Körner schreibt von ihm: »Er ist der Sohn seines Vaters das sagt genug.«

f E 1 1 w a n g , M., Major im halbdeutschen 6. Kentucky- Infanterie-Regiment. Fiel zu Anfang des Krieges.

Eppstein, Joseph, Oberstleutnant, 5. Missouri -Miliz.

Erdelmeyer, Franz, der dritte Oberst des deutschen 32. Indiana-Regiments, der das Regiment vom Herbst 1862 durch den ganzen Krieg geführt hat. Stammte aus Indianapolis, war in Deutschland Offizier gewesen. Zeichnete sich aus bei Stone River, besonders aber bei Chickamauga und bei dem Sturme auf Missionary Ridge, wo er einer der ersten war, welche die Schanzen der Kon- föderierten auf der Höhe erstürmten. Der wackere alte Veteran lebte 1910 in Indianapolis.

f E s s i g , Kapitän, befehligte eine Batterie in Sigels Division während der Kämpfe in Missouri. War während der badischen Revolution Sigels Adjutant gewesen. Auch General Osterhaus rühmt Essig als tüchtigen Artilleristen. Ertrank im Mississippi.

Die ersten Freiwilligen des Bürgerkrieges, welche von der Union in Dienst gestellt wurden, waren die deutschen Turner- schützen von Washington. Dieselben organisierten sich bereits in den letzten Tagen des Jahres 1860, sofort nach der Besetzung des von Major Anderson verlassenen Forts Moultrie durch die Südcarolinaer Truppen am 27. Dezember 1860. In den ersten Tagen des Januar 1861 wurde diese Kompagnie eingemustert und im April 1861 durch Baltimorer Turner verstärkt. Bei der Inauguration Lincolns haben diese Turner-Freiwilligen die Ehrengarde und Leibwache des neuen Präsidenten gebildet. Die Kompagnie wurde dem 8. Bataillon an- gegliedert und hatte die Vorhut beim ersten Einmarsch der Unions- truppen nach Virginien am 23. Mai 1861, womit die erste Bull Run- Kampagne eröffnet wurde. Zwei Mitglieder dieser deutschen Turner- Kompagnie, Johann Ricks und Martin Ohl, fielen am 7. Juli 1862 als die ersten Opfer des Bürgerkrieges im offenen Kampfe mit dem Feinde. Da sich mehrere Militärorganisa- tionen um die Ehre streiten, die ersten Freiwüligen gewesen zu sein, so mag bemerkt werden, daß der bekannte deutschamerikanische Geschichtsforscher L. P. Hennighausen in Baltimore, selbst ein Freiwilliger aus jenen Tagen, obige Angaben bei einem großen Veteranenfeste in Washington (12. April 1886) in einer ausführlichen Rede dargelegt hat, und daß wohl kein Zweifel mehr darüber be-

Fahrenholtz Frank. 497

stehen kann, daß deutsche Turner die ersten Freiwiüigen des Bürger- krieges waren.

Fahrenholtz, O.W. Stammte aus einer der deutschen Siedlungen in der Umgegend von San Antonio, Texas, trat als i6 jähriger Knabe in New Orleans in die Flotte ein und diente während des ganzen Krieges als Matrose und als Unteroffizier. Wurde mehr- fach verwundet, blieb in der Flotte, bestand sein Offiziersexamen und avancierte bis zum Rear A d m i r a 1 , befehligte den Kreuzer Monocacy während des Spanisch-Amerikanischen Krieges.

F ä h t z , C. F. M., Oberstleutnant des 8. Maryland- Regiments, ehemals österreichischer Offizier. Revolutionär in Ungarn.

Fastram, P. S., kommandierte die 5. Batterie (E) im I. Rhode Island- Artillerie-Regiment.

Fiola, John A., Oberst, Chef der topographischen Ab- teilung in General Fremonts Stabe während der Missourier Kam- pagne von 1861, wird von Sigel als ein außerordentlich tüchtiger Offizier gerühmt. War früher süddeutscher Offizier.

Finkeinburg, Gustav, Adjutant des 3. Missouri- Reserve Regiments unter Oberst Fritz. Später mehrmals von St. Louis in den Kongreß erwählt. Einer der tüchtigsten und kenntnisreichsten deutschen Kongreßmitgheder. Gegenwärtig Bundesrichter in Mis- souri. Bedeutender Deutschamerikaner.

F 1 a d , Henry, Oberst des Ingenieur-Regiments von Mis- souri. Er war einer der bedeutendsten Ingenieure Amerikas und hat sich im Kriege, namentlich als Brückenbauer, ausgezeichnet. Nach dem Kriege wurde Flad der erste Gehilfe von Eads beim Bau der großen Mississippibrücke, ja er ist als der eigentliche Schöpfer dieses Wunderwerks der Technik anzusehen. War bis zu seinem Tode Präsident des sog. Board of Improvement (Hoch- und Tief- bauamt) in St. Louis.

V. Forstner, Siegfried, Major im 3. New Jersey- Reiter- Regiment und Topograph, machte unter Sumner mehrere Re- kognoszierungen der feindlichen Stellung bei Centerville und Manassas und legte das Resultat in guten Karten fest.

Frank, John, Chef der Batterie (G) des i. New Yorker Artillerie- Regiments.

Frank, Paul, Oberst des 52. New Yorker, eines deutschen Heldenregiments, welches später von dem wackeren Oberst Freuden-

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bärgerkrieg. 32

498 Frey.

berg geführt wurde. Titulargeneral. Kommandierte eine Brigade in Hancocks Korps von der Wilderneß- Kampagne bis Petersburg und Ende des Krieges.

Frey, Emil, Deutschschweizer, Major. Kehrte nach dem Kriege nach der Schweiz zurück und fungierte später lange als eid- genössischer Gesandter in Washington, bekleidete auch das Amt des schweizerischen Bundespräsidenten und lebte im Jahre 1910 in Bern. Er organisierte in Highland, Illinois, die schweizerische Scharfschützenkompagnie im Heckerschen 82. lUinois-Regiment. War ein intimer Freund Heckers. Kämpfte mit großer Auszeichnung bei Chancellorsville, wurde auf dem Schlachtfelde Major und führte einen Teil des Regiments bei Gettysburg. Dort wurde er auf dem Rückzuge des 11. Korps in den Straßen der Ortschaft gefangen und nach dem Offiziersgefängnis Libby in Richmond gebracht. Seine Erlebnisse daselbst hat er im Februar 1894 in der North Am. Review publiziert. Herr Frey stellte dem Verfasser eine Übersetzung dieser Schrift zur Verfügung. Die darin erzählten Tatsachen wurden mir von Oberst Markbreit (siehe diesen) Wort für Wort bestä- tigt. Da die Schilderungen der Gefängnisgreuel von so vielen südlichen Schriftstellern in Abrede gestellt werden, so sei besonders betont, daß für Nachfolgendes zwei durchaus glaubwürdige Zeugen beigebracht werden können:

Major Frey wurde eingeliefert in Libby am 18. Juli 1863. Er wurde in einem Räume untergebracht, unter welchem die Bürger von Maryland und Pennsylvanien sich befanden, welche General Lee auf seinem Zuge durch Pennsylvanien als Geiseln hatte fest- nehmen lassen. Frey erzählt: »Etliche von uns hatten noch etwas hartes Brot bei sich, und als wir von jenen Bürgern vernahmen, daß sie schweren Hunger litten, warfen wir unsere Brotreste hin- unter. Diese Bürger, deren Äußeres den Stempel der Respektabili- tät trug, warfen sich mit leidenschaftlichem Ungestüm über die kümmerlichen Brotkrumen her, schlugen sich förmlich um den Besitz derselben. Schmerzlich war die Gier anzusehen, mit welcher diejenigen, die in diesem Tumulte die Sieger blieben, das erkämpfte Brot verschlangen.« Major Frey erzählt sodann die Schicksale der beiden als Geiseln zum Tode verurteilten Offiziere Sawyer und Flinn, deren Hinrichtung nur unterblieb, weil Lincoln gedroht hatte, einen inzwischen gefangenen Sohn des Generals Lee erschießen zu lassen. Unser Gewährsmann erzählt dann weiter:

Frey. 499

»Zehn Monate nach meiner Gefangennahme sollte auch mich das Schicksal von Sawyer und Flinn treffen. Von einem nördlichen Kriegsgerichte waren drei kon föderierte Offiziere, Armsey, Gordon und Davis, zum Tode verurteilt worden. Auf Befehl von Jefferson Davis wurden drei der Unsrigen als Geißeln für das Leben der Ver- urteilten bezeichnet, und das Los traf den Major N. Goff, den Leutnant Manning und mich. Der Kommandant des Libby- gefängnisses, Major Turner, setzte uns von dem Sachverhalt in Kenntnis und erklärte uns sehr bestimmt : Würden Armsey, Gordon und Davis erschossen, so würde uns keine Macht der Erde vor dem gleichen Schicksal bewahren. Wir wurden in den Keller geführt und dort in eine dunkle, 9 Fuß lange und 6^2 -^^^ breite Zelle ge- sperrt. Es war am 3. Mai 1864. Ich war damals 25 Jahre alt und der älteste von uns dreien. Hatten wir bis jetzt schon fast unerträglichen Hunger gelitten, so begann nun für uns eine eigent- liche Aushungerung. Unsere tägliche Ration, die wir gegen Mittag erhielten, bestand aus einem kleinen Stück Maisbrot, einem Stück ranzigen Speck und 6 bis 7 Eßlöffel voll sog. Negerbohnen oder Reis. Die ganze Ration durfte laut Befehl der Behörde nicht mehr als % Pfund und 2 Unzen wiegen.

Glücklicherweise lebten in unserem Keller ganze Herden von Ratten. Freund Manning schlug uns vor, auf diese Tiere Jagd zu machen und sie zu essen. Er konstruierte die Falle, als Lockspeise diente unser halbverfaulter Speck. Wenn die Ratte gefangen war, war es mein Geschäft, die Lade vorsichtig zu heben, damit die Ratte ihren Kopf sehen ließ. In diesem Stadium hatte der Major einzugreifen, indem er den Kopf der Ratte solange mit einem Holz- scheit bearbeiten mußte, bis sie tot war. Am anderen Tage wurden die Ratten von dem Neger, der am Morgen unsere Zelle zu reinigen hatte, gekocht und von uns gegessen. Es bedurfte eines furchtbaren Hungers, um den Ekel zu überwinden, den uns diese Bestien ein- flößten. Am 21. Mai teüte uns ein Wärter mit, »daß wir wahrschein- lich nicht gehenkt würden«. Daß Präsident Lincoln die Exekution der drei Konföderierten sistierte und daß weitere südliche Offiziere als Geiseln für uns in Einzelhaft gesetzt wurden, verschwiegen uns die konföderierten Behörden.

Bald füllte sich auch die Zelle neben uns mit anderen Geiseln; darunter befanden sich die Leutnants Markbreit und Pavey. Es entwickelte sich zwischen uns ein so reger Verkehr, als unsere

32*

500 Freudenberg v. Fritsch.

immer mehr zunehmende Schwäche es gestattete. Wir erzählten uns Geschichten von der Heimat, und da dieselben Geschichten oft wiederholt wurden, beschlossen wir, daß es untersagt sei, dasselbe mehr als zehnmal zu erzählen.

Am i8. Juli schaffte man uns zusammen mit einigen gefangenen Negersoldaten nach dem Militärzuchthause in Salisbury, N. C. Der Arzt hatte erklärt, daß ein längeres Verbleiben in der Zelle, deren nähere Beschreibung ich Ihren Lesern ersparen will, uns un- fehlbar töten werde. In dem Zuchthause waren wir unter einer Bande von Verbrechern, unseres Lebens keinen Augenblick sicher, bis mehr von unseren Gefangenen ankamen und wir die Mehrheit bildeten. Ein Plan, auszubrechen, wurde verraten und darauf sämt- liche Offiziere nach Danville gebracht und von da zurück nach Rich- mond. Am 14. Januar 1865 wurde ich endlich ausgewechselt.

Im Winter 1883 bis 1884 traf ich Goff und Markbreit in einer Soiree des Senators Chandler. Ich war damals schweizerischer Gesandter in Washington. Goff war inzwischen Marineminister unter Präsident Hayes gewesen, und Markbreit hatte als Minister- resident die Vereinigten Staaten in Bolivia vertreten. Das hatten wir uns in der Zelle nicht träumen lassen.«

Freudenberg, C. F., Oberst des deutschen 52. New Yorker Regiments, das so ungeheuer in den Kämpfen gelitten hat. Freudenberg war Achtundvierziger. Wurde zweimal schwer ver- wundet. Wurde nach dem Kriege Kapitän im 14. Bundes-Infanterie- Regiment und 1877 als Leutnant Colonel verabschiedet. Machte noch den Feldzug gegen die Sioux mit. Freudenberg hatte als 15 jähriger Knabe an der badischen Revolution teilgenommen.

V. Fritsch, F. O., Kapitän im 68. New Yorker Regiment. Adjutant des Generals v. Schimmelf ennig, Verfasser des Buches »A Gallant Captain of the Civil War« (London 1902). Otto v. Fritsch war Offizier bei den sächsischen Gardereitern gewesen, ging mit ehrenvollem Abschiede nach Mexiko, um für Maximilian zu kämpfen, kam 1862 nach den Vereinigten Staaten und wurde bald Schimmel- fennigs Adjutant. Wurde von seinem General bei Chancellorsville zum Rekognoszieren ausgeschickt, stieß dabei auf den Feind und machte davon Meldung, aber auch dieser Bericht wurde nicht ge- glaubt. In der Schlacht wurde v. Fritsch schwer verwundet. Sein Buch ist wohl das beste von der ganzen Literatur, welche sich mit dem inneren Getriebe im Unionsheere beschäftigt

Fritsch Gellmann. 501

Fritsch, W. A., Dr. med., Evansville, Ind. Verfasser der Geschichte des Deutschtums von Indiana (N. Y. 1896, bei Steiger). Eine sehr interessante Broschüre, welche auch über die Beteihgung der Deutschen von Indiana am Bürgerkriege zuverlässiges Material enthält. Fritsch diente als Offizier im halbdeutschen 136. Indiana- Regiment und war am Marsche durch Georgia ehrenvoll beteiligt.

Fritz, Emil, Kapitän, befehligte das i. California-Reiter- Regiment in der Rio Grande- Kampagne in Texas. Ehrenvoll be- teihgt bei Einnahme von Fort Thorne. Leitete manche scharfe Gefechte mit den Navajo- Indianern.

Fuchshuber, Kaplan im 9. Ohio- Regiment. Seine Pre- digten waren freisinnige Vorträge. Er war aber ein trefflicher Rat- geber der Soldaten, schrieb Briefe für sie und machte sich nützlich im Lazarett.

F u g e r , Friedrich, Feuerwerker in Batterie A, im 4. N. Y.- Artilleric- Regiment. Wurde auf dem Schlachtfelde von Gettysburg zum Leutnant befördert und erhielt die goldene Ehrenmedaille. Dazu steht in der Rangliste: »Dieser Offizier, damals ein Sergeant, übernahm den Befehl über die Batterie, nachdem alle Offiziere derselben getötet oder verwundet worden waren und nachdem fünf Geschütze bei Picketts Ansturm gegen Cemetery Ridge (Gettys- burg) unbrauchbar geworden waren. Mit größter Bravour kämpfte Fuger mit den noch gebrauchsfähigen Kanonen weiter, bis die Batterie auf höheren Befehl zurückgezogen wurde.«

Funk, A., Oberst des 39. New Yorker, reorganisier- ten, Garibaldi-Regiments. Funk führte das mit dem 37. New Yorker verschmolzene Regiment aber erst nach Gettysburg.

Funke, Otto, Oberstleutnant des 11. lUinois- Kavallerie- Regiments. Kämpfte in Arkansas und im Südwesten.

f F u s s e r , Kommandant des Kanonenboots Miami, das im Kampfe mit dem konföderierten Panzerschiffe Albemarle unter- ging. Fusser und seine ganze Mannschaft fanden den Seemannstod. Von diesem deutschen Seehelden sagt General Hawkins: Er war ein seltener Mann, patriotisch, treu, männlich, dabei bescheiden, vorsichtig und wahrheitsliebend im höchsten Maße und einen tapfe- reren Mann als Fusser hat es wohl nie gegeben.

Gellmann, F., Oberst des 54. New Yorker Regiments. Hat sich vielfach ausgezeichnet.

502 ^' Gerber Giesler.

f V. Gerber, Gustav, Oberstleutnant des 24. Indiana- Regiments, fiel bei Shiloh an der Spitze seiner tapferen Leute. General Lew Wallace (der Dichter), in dessen Korps die 24er kämpften, sagt von ihm: »Niemand starb ruhmvoller als Gerber. Und doch starben bei Shiloh so viele tapfere Männer und doch wurden dort so viele ruhmvolle Taten vollbracht.«

Gerber, Oberstleutnant, ehemals preußischer Offizier, wurde zu Anfang des Krieges von einem eifersüchtigen Liebhaber ermordet, der Gerber für einen anderen hielt.

Gerhardt, Joseph, Brevet-Brigadegeneral, geb. 1817 in Bonn. Achtundvierziger. Führer eines Bataillons im badischen Aufstande. Entkam aus Rastatt und flüchtete über die Schweiz nach Amerika. Bei Ausbruch des Krieges gründete er die Turner- Kompagnie in Washington und wurde deren Kapitän. Später Oberst des 46. New Yorker Freiwilligen-Regiments. Diente mit großer Aus- zeichnung und wurde bei Beendigung des Krieges zum Brigadier (Brevet) ernannt.

f G e r s o n , Otto, Kapitän im 45. New Yorker Infanterie- Regiment, wurde bei Chancellorsville gefangen genommen und im Offiziersgefängnis zu Macon, Ga., von der Wache erschossen, als er der Totenlinie (Dead Line) beim Haschen nach einem ihm zu- geworfenen Stück Brot zu nahe kam. Sein Schicksal blieb bis in die 90 er Jahre unbekannt und wurde erst durch zufällige Erwäh- nung der Episode in Hadleys Buch »Seven Months a Prisoner« entdeckt.

I Giese, Henry A., Major des 46. Ohio-Regiments, wurde bei Dallas, Ga., Sommer 1864, tapfer vorgehend, erschossen. Giese machte in der ursprünglichen Shermanschen Division alle Feldzüge des 13. Armeekorps mit und kämpfte in allen Schlachten, wo das- selbe beteiligt war, von Pittsburg Landing (Shiloh) bis Dallas, Ga.

Giesecke, Jul., Kapitän, eröffnete das Gefecht von Pigeons Ranch (Santa Fe-Expedition). 4. reg. Bundes-Infanterie.

fGiesler, Julius, Kapitän im 3. Wisconsin-Kavallerie- Regiment, ehemals preußischer Offizier. Kämpfte im Westen und zeichnete sich besonders in den sehr hartnäckigen und blutigen Gefechten mit den Guerillas aus. Er fiel kurz vor Friedensschluß von zwölf aus dem Hinterhalt abgeschossenen Kugeln durchbohrt bei Little Rock, Ark. (Mitte März 1865), Stammte aus Westfalen und war mit Kapp, Schurz und W^ülich intim befreundet.

V. Gilsa. 503

V. Gilsa, Leopold, ehemals preußischer Offizier. Kämpfte 1847 ^is ^^4^ ^^ Schleswig- Holstein im Heer der Patrioten. Anfang der 50 er Jahre in Amerika. Es ging ihm, wie so vielen seiner Kamera- den, zuerst herzlich schlecht, v. Gilsa ernährte sich in New York längere Zeit durch Gesangsvorträge und Klavierspielen in den Tingeltangels und Polkakneipen der New Yorker Bowery. Aus diesem Elende erlöste ihn der Krieg. Er wurde Oberst des 41. New Yorker (De Kalb-) Regiments, welches ausschließlich aus altgedienten deutschen Soldaten bestand. Schreckensmarsch der deutschen Division und Schlacht bei Gross Keys, Va., wo sich v. Gilsa sehr auszeichnete und schwer verwundet wurde. Er kämpfte dann unter Sigel im Popeschen Feldzuge von 1862, war Sigels Stabschef und zeichnete sich als solcher bei Bull Run II aus. Er erhielt im Frühling 1863 den Befehl über die i. Brigade der Division Devens im II. Korps und hatte bei Chancellorsville den ersten Ansturm der ge- samten Jacksonschen Armee aufzufangen. Hat sich dabei vortreff- lich gehalten und der vielfachen Übermacht wenigstens eine Zeitlang widerstanden. Bei Gettysburg erlitt seine Brigade in den Kämpfen am I. Juli starke Verluste und bei dem Sturme der Konföderierten auf den Friedhofshügel am Abende des 2. Juli hatte diese wieder recht ungünstig postierte Brigade, wie bei Chancellorsville, den ersten Anprall des Feindes aufzufangen. Sie wurde von der Über- macht geworfen, zog sich auf das Hauptkorps zurück und hat dann wacker weitergekämpft. v. Gilsa wurde, Herbst 1863, mit seiner Brigade nach den Carolinas entsendet und kämpfte neben Schimmel- fennig bei der Belagerung von Charleston. Das 41. Regiment war das letzte, welches im Jahre 1864 ausgemustert wurde, v. Gilsa ging mit den Resten seines alten Regiments nach New York zurück, wurde dort gebührend gefeiert und organisierte im Winter 1864 bis 1865 ein neues Regiment, welches jedoch nicht mehr zum Schlagen kam. Er war ein tapferer und umsichtiger Offizier, und es ist sehr zu bedauern, daß er nicht zum General befördert wurde. Die Prin- zessin Salm- Salm behauptet in ihren Memoiren, sie habe v. Gilsas Beförderung verhindert (Felix v. Salm- Salm war eine Zeitlang Untergebener v. Gilsas, und unter den beiden herrschte Feindschaft). Die Prinzessin hat manche Kulisse geschoben, und unmöglich ist es durchaus nicht, daß sie es bewirkte, daß dieser verdienstvolle deutsche Offizier mit demselben Range (nach vierjährigen Kämpfen) verabschiedet wurde, mit welchem er in das Heer eingetreten war.

504 Glanz Grebe.

Ein Grand Army- Posten in New York verewigt seinen Namen. Über V. Gilsa wird in vielen amerikanischen Kriegsgeschichten, auch bei Doubleday, eine Anekdote berichtet: Auf dem Rückzuge bei Chancellorsville traf v. Gilsa auf seinen Korpsführer Howard, dessen Nachlässigkeit das Unglück wesentlich verschuldet hatte. Howard soll v. Gilsa ermahnt haben, er möge sich auf Gott ver- lassen. Daraufhin soll der Oberst in deutscher Sprache seinen Chef mit einer Auswahl von Kasernenhof bluten angebrüllt haben, so daß Howard glaubte, v. Gilsa sei verrückt geworden.

Glanz, Chas. , Oberst des meist aus Deutsch-Pennsyl- vaniern bestehenden 153. Pennsylvania-Regiments, welches bei Chancellorsville an der äußersten Rechten stand und mit dem 54. New Yorker kurze Zeit standhielt, nachdem das 41. und 45. New Yorker bereits geworfen waren.

Goebel, F., Oberstleuten an t im 7. deutschen N. Y.-Reg.

G o 1 1 m e r , Hugo, Sprecher der St. Louiser Tumgemeinde, Kapitän im i. Missouri- Regiment. Noch ehe Lincolns Aufruf, April 1861, erschien, hatte GoUmer seine Turner- Kompagnie organi- siert. Er diente später als Offizier im 17. Missouri- Regiment und trat dann in den topographischen Dienst. Er entwarf die ersten Kriegskarten für den Missourier Feldzug.

G ö b e 1 , Gert, Führer der Deutschen in Franklin County, Mo. Kam als Jüngling mit seinem Vater, dem Mathematiker Pro- fessor Göbel aus Koburg, nach Missouri. Farmer, Trapper und Schriftsteller. Sein Buch »Länger als ein Menschenleben in Missouri« ist eines der wertvollsten Beiträge zur deutschamerikanischen Ge- schichte.

G ö 1 z e r , Aug., Oberstleutnant, 60. Indiana- Regiment.

G o r d o n , William E. Stabschef des Generals Osterhaus. Jeder hielt diesen geborenen Schotten für einen Deutschen. Hatte in Württemberg die Schule besucht. Er war der Drillmeister der deutschen St. Louiser Turner-Kompagnien, welche schon vom Januar 1861 an das englische Exerzierreglement erlernten. Gordon war die rechte Hand des Generals Osterhaus und nahm an dessen sämtHchen Feldzügen teil.

Grebe, Wilhelm. Kapitän Co. F., 4. Missouri-Kavallerie, stammte aus Hildesheim, erhielt die Tapferkeitsmedaille vom Kon- greß zugebüligt wegen heldenmütigen Vorgehens in der Schlacht von Jonesboro, Ga., 31. August 1864. Grebe hatte sich mit seinem

Grebner Grumbach. 505

deutschen Kameraden Hanson duelliert und wurde deshalb zusammen mit Hanson von einem Kriegsgerichte kassiert. Doch hat der Kongreß durch ein besonderes Gesetz, 20 Jahre später, jenes Urteil aufge- hoben und den tapferen Grebe rehabilitiert.

Grebner, Konstantin. Schrieb die Geschichte des deutschen 9. Ohio- Regiments von Cincinnati. Das Material zu diesem bei Rosenthal & Co., Cincinnati, erschienenen Buche wurde wesentlich von Kapitän Henry Metzner und von Kapitän Bertsch, Offiziere des 9. Ohio-Regiments, geliefert.

G r e u s e 1 , Nikolas. Deutsch-Elsässer. Kam mit seinen Eltern als Kind nach Amerika, diente ehrenvoll als Kapitän im 7. Michigan- Regiment im mexikanischen Kriege, dann als Major zunächst im 7. Illinois-Infanterie-Regiment, bei Ausbruch des Bürgerkrieges, und später als Oberst des 36. Illinois- Regiments, wurde ehrenvoll entlassen infolge von Krankheit im Februar 1863.

t Grimm, Franz, Redakteur der Belleviller Zeitung. Kapitän im 43. Illinois-Infanterie-Regiment. Starb, von mehreren Kugeln durchbohrt, bei Shiloh den Heldentod, als er seine Kompagnie den anstürmenden Rebellen entgegenwarf.

Großkopf, Edw., berühmter Artillerieführer aus Dayton, Ohio. Kämpfte in der 10. Ohio-Batterie von Shiloh bis Milligan Bend ; mehrmals schwer verwundet, später als Ingenieur-Offizier in General Mortons Stabe ; führte die 20. Ohio-Batterie 1863 in den großen Schlachten des Westens ruhmvoll, namentlich bei Chickamauga und Chattanooga. Zuletzt Major des 9. farbigen Artillerie- Regiments, welches Groß köpf in der Schlacht von NashviUe 15. und 16. De- zember 1864 führte. War später Generalinspektor sämtlicher Militär- kommandos von Alabama. Ehemals preußischer Offizier.

Grünhut, Joseph B., Kapitän im 82. Illinois- (Hecker- Regiment), hat sich vielfach ausgezeichnet. Besonders, wie Frey berichtet, bei Chancellorsville. Er deckte mit zwei Kompagnien Dilgers Batterien ruhmvoll bei Gettysburg. Lebt noch in Peoria, Illinois, und ist einer der bekanntesten Veteranen des Westens.

Grumbach, Nikolaus, Kapitän des 149. (halbdeutschen) New Yorker Infanterie-Regiments, das in Syracuse organisiert wurde. Bei der Verteidigung des Culp Hügels (Gettysburg, 2. JuH 1863) führte Grumbach das Regiment, nachdem Oberstleutnant Randall gefallen war. Fast die Hälfte des Regiments wurde getötet und ver- wundet, die Regimentsfahne erhielt 81 KugeUöcher. Auch am

506 Gumbart Hammer.

3. Juli befehligte Grumbach das Regiment. Dasselbe hatte schon bei Chancellorsville 194 Mann verloren.

Gumbart, Batteriechef im 2. Ilhnois- Artillerie-Regiment, welche in den meisten Schlachten des westlichen Kriegsschauplatzes ehrenvoll kämpfte.

G ü 1 i c h , Theodor, bekannter deutscher Volksmann in Jowa, Redakteur des Davenporter »Demokrat«. Leistete gute Dienste als Quartiermeister der Jowaer Truppen.

Haas, Max A. F., Kapitän im 3. Missouri- Regiment. Später Adjutant des Obersten Meumann. Diente vom FrühHng 1861 bis November 1864. Lebte 1910 in Mendota, 111. Eifriger Mitarbeiter am biographischen Teile.

Haas, Dr. Emil, Chirurg im 5. Missouri-Milizregiment. Später Oberarzt in Boonville, Mo., mit dem Titel Major. Achtund- vierziger und intimer Freund Sigels.

Hahn, Michael, unionstreuer deutscher Führer in Louisiana. Gouverneur des Staates 1864. Wirkte für Abschaffung der Sklaverei und stand in großem Ansehen bei Lincoln. Wurde von seinen Lands- leuten im Norden später lebhaft angegriffen während der politischen Kämpfe um die Rekonstruktion des Südens.

f f V. H a a k e , Graf, 52. New Yorker Infanterie-Regiment. Tüchtiger Offizier. Fiel nebst seinem Freunde v. Steuben bei Todds Tavern am Po River, Va., in Grants Kampagne, 1864. Er ging mit seinem Regiment gegen den Feind im Gebüsch vor, wo er auf dessen Plänkler stieß. Bald entspann sich ein hitziges Ge- fecht, und die feindliche Artillerie warf Granaten in das Gehölz, welche das Buschwerk in Brand setzten. Graf Haake war der letzte Kompagnieführer der 52er, der das Kommando zum Rückzug gab, was er in dumpfem Kehllaut tat, da er noch an einer kaum ge- heilten Halswunde litt. Im selben Augenblick traf ihn eine feind- liche Kugel, und er sank, tödlich getroffen, zu Boden. Zwei Leute seiner Kompagnie, von denen einer (unser Gewährsmann) noch in Chicago lebt, versuchten, den Sterbenden auf ihren Gewehren kreuzüber aus dem Feuer zu tragen, allein der dichte Qualm und Rauch und die platzenden Granaten verhinderten das. Sie mußten den tödlich Getroffenen liegen lassen, der eines furchtbaren Todes in den Flammen gestorben ist.

Hammer, Dr. Adam, Oberstleutnant im 4. Missouri-Frei- willigen-Regiment. Widmete sich während des größten Teils des

V. Hammerstein. 507

Krieges der Leitung der Militärhospitäler und hat sich damit den Dank von Tausenden von verwundeten Kriegern beider Heere erworben. Dr. Hammer war einer der eifrigsten unter den deutschen Patrioten, welchen die Erhebung in St. Louis und damit die Rettung von Missouri zu verdanken ist. Ein bedeutender Arzt und leitender Professor am Missouri Medical College. Er kehrte später nach Deutschland zurück und starb 1878 in Griesbach im Schwarzwalde. Hammer war ein intimer Freund Heckers und unter diesem Teil- nehmer an der badischen Revolution. Er entfloh mit Hecker nach Amerika. Auch im schweizerischen Sonderbundkriege hat er als Militärarzt gewirkt. In St. Louis hatte Dr. Hammer das erste deutsche medizinische Kollegium, das Humboldt- Institut, be- gründet und bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges geleitet. Seine Studenten hatte Hammer schon im März 1861 militärisch organisiert und bewaffnet. Sie hielten sich nachts in einer be- nachbarten Brauerei versteckt, um von dort aus den Rebellen in den Rücken zu fallen bei einem etwaigen Angriffe auf das Arse- nal. Diese Hammerschen Studenten waren vielleicht die ersten amerikanischen Freiwilligen, welche wirkHchen Kriegsdienst getan haben.

V. Hammerstein, ehemals österreichischer Offizier, Major im Stabe Mc Clellans. Sein General stellt ihm das glänzendste Zeugnis aus. Wenn es schwierigen und wichtigen Adjutantendienst gab, so wurde v. Hammerstein oder dessen gleichfalls im Mc Clellan- schen Stabe dienender Freund Paul v. Radowitz dazu ausgesucht. Später war v. Hammerstein Oberst eines New Yorker Regiments. Schrecklich war sein Schicksal nach dem Ende des Krieges. Der ehemals so verhätschelte deutsche Offizier konnte sich nicht er- nähren. Er trat als G e m e i n e r in die reguläre Bundeskavallerie ein in der Hoffnung, daß er avancieren werde. »But his habits were against him« meldet Mc Clellan, der sich noch in späteren Jahren seines Adjutanten erinnert und ihm in seinem Buche »Mc Clellans own story« ein Denkmal setzt. v. Hammerstein wurde zum Be- fördern der Post im wilden Westen verwendet. Er hatte die Briefe von einem der Forts nach einem andern zu bringen. Er kam in einen Schneesturm, blieb unterwegs liegen, beide Beine erfroren ihm und mußten amputiert werden. Dieses Unglück rührte seine Angehörigen in Österreich, man schaffte ihn in die Heimat und dort ist er gestorben.

508 Harhaus Hassendeubel.

H a r h a u s , Otto, Oberst des 2. New Yorker Kavallerie- Regiments, befehligte die 2. Brigade in Greggs Kavallerie-Division, Pleasantons Korps, und zeichnete sich bei Gettysburg aus.

ft Hartmann, Oberstleutnant des 29. ( Stein wehrschen) New Yorker Regiments, fiel in der Verteidigungsstellung der Brigade Buschbeck bei Chancellorsville (2. Mai 1863). Neben Hartmann fiel dessen Freund Kapitän B o d e vom selben Regiment. Bode war früher hannoverscher Offizier.

■fHartmann, Dr. med., Karl, Stabsarzt des deutschen 107. Ohio-Regiments. In Cleveland, O., als Arzt tätig. Achtund- vierziger. Hervorragend als Redner und Schriftsteller. Treuer Patriot und Unionsmann. In der Schlacht von Chancellorsville, beim Ansturm des Jacksonschen Heeres auf das schlecht geführte und ungünstig aufgestellte 11. Korps, wurde Dr. Hartmann er- schossen. Er hatte den Degen gezogen und war als Offizier auf- getreten, um bei der Aufstellung des in völliger Unordnung be- findlichen Regiments zu helfen. Es ist dies das einzige bekannt gewordene Beispiel, daß ein Arzt im Augenblicke der größten Gefahr sich als Offizier betätigt hat. Sein Bildnis in Bronze befindet sich am Clevelander Kriegerdenkmal.

V. Härtung, Adolf, aus Troppau i. S. gebürtig, focht mit Schimmelfennig unter Kossuth, Oberst des deutschen 74. Penn- sylvania-Regiments, als welcher er sich bei Chancellorsville und Gettysburg auszeichnete. Bei der Einnahme von Charleston war dieses Regiment das erste, welches in die Stadt einzog.

Häring, Theodor, Dr. med., Regimentsarzt im deutschen 9. Wisconsin-Regiment. Er ist auch als Dichter hervorgetreten.

"fHassendeubel, Franz, geb. 1817 in Germersheim, Pfalz. Ausgewandert 1842. Im mexikanischen Krieg diente er als Artillerieoffizier. 1861 Oberstleutnant im (Sigels) 3. Missouri- Regiment. Hassendeubel legte die zehn Forts an, durch welche St. Louis gegen die Rebellen verteidigt wurde. Brigadegeneral 1863. Vicksburg- Kampagne. Bei einer Besichtigung der feindlichen Werke von Vicksburg schwer verwundet, starb Hassendeubel am 17, Juli 1863. Er war einer der bedeutenden Ingenieure des Bürgerkrieges. Der Posten der Veteranenorganisation in St. Louis hat sich als Hassendeubel-Posten, G. A. R., organisiert. So wird wenigstens der Name dieses vortrefflichen Offiziers noch weiterleben.

Haupt Hecker. 509

Haupt, Hermann, Oberst mit Generalsrang. Vortreff- licher Ingenieuroffizier. Chef des Transportwesens in der Potomac- armee. Er zeichnete sich besonders in der Popeschen Kampagne von 1862 aus. Stammte aus Philadelphia. War als Kind aus Deutsch- land ausgewandert. General Pope, der große Pfuscher, war zuerst mit Haupt unzufrieden und setzte ihn ab. Alsdann versagte der Dienst auf der für die Verpflegung der Armee in Betracht kommenden Linie Alexandria Culpepper (Virginien) vollständig, und die Sol- daten mußten hungern. Pope sah sich gezwungen, Haupt wieder anzustellen, und alsdann ging wieder alles wie am Schnürchen. Haupt hat sich auch als Brückenbauer besonders ausgezeichnet.

v. Hausen, Dr. Juhus H. Achtundvierziger Flüchtling aus Wien. Zuerst Regiments- dann Brigadearzt in der Potomac- armee. Wirkte fast während des ganzen Krieges als Chirurg in hingebungsvollster Weise.

fHauschield, Leutnant im deutschen 75. Pennsylvania- Regiment. Er stammte aus Gettysburg. Während der Schlacht besuchte er seine dort lebende alte Mutter. Wenige Stunden später fiel er, als er seine Kompagnie den Feinden entgegenwarf.

H e c k e r , Friedrich, Oberst, Titular-Brigadegeneral. Der «rste Volksführer im badischen Aufstande, geb. 181 1, gest. 1881 in Belleville, 111. Nach der Niederlage seiner Freischaren bei Kandern mußte Hecker nach Amerika flüchten, kehrte aber im Jahre 1849 zurück, um sich abermals an der Revolution zu beteiligen. Ehe er die Heimat erreichen konnte, war die Katastrophe schon ein- getreten. Hecker kam dann wieder nach Belleville und wurde latei- nischer Farmer. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges trat er zunächst als Gemeiner in das 3. Missouri- Regiment ein, organisierte dann das deutsche 24. Illinois- Regiment, trat aber wegen Streits mit seinen Offizieren vom Kommando zurück und bildete in Chicago das zweite sog. Heckerregiment, das 82. Illinois, welches eines der besten der westlichen Armee wurde. Er stand bei Chancellorsville in der Division Schurz auf dem Hawkinsfelde und kämpfte dort wacker. Hecker wurde gleich zu Anfang des Gefechtes verwundet. Doch praUte die Kugel an der großen silbernen Schnupftabaksdose ab, welche der alte Held immer bei sich trug. Hecker erlitt nur eine Fleischwunde und wurde nach einigen Monaten wieder dienstfähig. Zug nach Chattanooga, Gefecht bei Wauhatchie und Schlacht von Missionary Ridge. Dann der Schreckensmarsch nach Knoxville.

510 Heg - Heintz.

Zu Anfang des Jahres 1864 resignierte Hecker, weil er mehrfach bei der Beförderung übergangen worden war. Hecker war einer der hervorragendsten Führer des deutschen Volkes in Amerika. Ein ausgezeichneter Redner, der die Massen zu echter Begeisterung fortreißen konnte. Seine beste Leistung war die Rede in St. Louis, Februar 1871, zur Feier der großen deutschen Siege über Frankreich. In dieser Rede verheß Hecker völlig den früheren Standpunkt des Grollers gegen Deutschlands neue Entwicklung unter preußischer Führung. In feurigen Worten, aus welchen die Liebe zum deutschen Volkstum und der Stolz über die beispiel- lose Siegeslaufbahn des deutschen Heeres, besonders aber über die Erwerbung von Elsaß-Lothringen, sprühten, pries Hecker die end- lich vollzogene Bildung eines deutschen Einheitsstaates, wenn auch mit monarchischer Spitze.

t H e g , Hans C, Oberst des 15. Wisconsin-Regiments, welches wesentlich aus Deutschen und Schweden bestand. In der Schlacht von Chickamauga wurde Oberst Heg schwer verwundet und starb am nächsten Tage.

Hedterich, C. B., Oberst des 8. New Yorker deutschen (Blenker) Regiments, vorher von Stahel und Wutschel, später von Prinz Salm- Salm befehligt. Führte die Achter in der Popeschen Kampagne 1862 und in der Schlacht von Bull Run II mit Auszeich- nung. Hedterich starb einige Jahre nach dem Kriege in New York, und zwar in tiefster Armut.

Heiland, Dr. med. Regimentsarzt im 20. New Yorker Turner- Regiment. Rettete durch seine ärzthche Kunst vielen Ver- wundeten (auch dem General Max Weber) das Leben.

Heine, Wilhelm, Brigadegeneral. Achtundvierziger aus Dresden, wo er als Maler und Schriftsteller gewirkt und sich dann wegen Beteiligung an den Straßenkämpfen unmöglich gemacht hatte. Kam 1851 nach Amerika, nahm Dienst auf der Kriegsflotte und bildete sich zu einem tüchtigen Seemann und Ingenieur aus. Trat 1861 als Ingenieuroffizier in die Potomacarmee ein, wirkte wesentlich im Ingenieurkorps, wurde 1863 Oberst und im nächsten Jahre Titular-Brigadegeneral. Er führte das deutsche New Yorker Regiment 103 gegen Ende des Krieges. War nach dem Kriege amerikanischer Generalkonsul in Paris, lebte dann in Dresden.

Heintz, Karl, Kapitän in General Stahels Stabe in der Shenandoah-Kampagne unter Sigel, Mai 1864.

V. Hellmerich Hennighausen. 511

f V. Hellmerich, Oberst des 5. Missouri-Reiter-Regiments. Ehemals preußischer Offizier. Auf einem Rekognoszierungsritt in der Nähe von Atlanta, Ga., fiel v. Hellmerich durch eine Brücke und verletzte sich schwer. Wurde dann von den Konföderierten aufgelesen und gefangen abgeführt. Es gelang ihm später zu ent- fliehen und sich unter entsetzlichen Entbehrungen bis in die Nähe von Mobile, wo General Osterhaus zu Ende des Krieges stand, durchzuschleichen. Da wurde er von Landleuten erwischt. Die- selben schickten einen Neger zu General Osterhaus und forderten 20 000 Dollars konföderiertes Geld zur Auslieferung des Offiziers. Osterhaus brachte das Geld, welches damals wenig Wert hatte, auf und rettete so den Kameraden. Aber v. Hellmerich verstarb bald infolge der furchtbaren Leiden in der Gefangenschaft.

V. H e n c k e , Theodor W. , berühmter Reiteroffizier im Westen, Kapitän im 4. ]\Iissouri-Kavallerie-Regiment. v. Hencke kehrte 1870 nach Deutschland zurück, wurde wieder Offizier in dem preußischen Regiment, dem er vor seiner Auswanderung angehört hatte, und fiel in einer der Schlachten um Metz.

Henne, Rob., Offizier im 12. Missouri-Regiment. Hatte im Schleswig-Holsteiner Aufstande einen Arm eingebüßt. Bei dem Sturme auf Elkhorn-Paß (Pea Ridge) unter Osterhaus (8. März 1862) verlor er noch ein Bein. Lebte später in Davenport, Jowa.

•f H e n k e 1 , Wilham, Major des 58. New Yorker Regiments. Führte dasselbe am ersten Tage von Bull Run H und wurde beim Sturm auf den Eisenbahndamm, unter Schurz, durch die Brust geschossen. Starb im Hospital zu Washington.

Henning v. Minden, Major in einem Minnesotaer Kavallerie-Regiment, ehemaliger deutscher Offizier.

Hennighausen, Louis F., einer der tüchtigsten Er- forscher der deutschen Geschichte Nordamerikas. Lebte in Rich- mond, Va. , kurz vor Ausbruch des Krieges. Er wurde mit Gefängnis- haft bedroht, weil er einen intelligenten Jüngling, der kaum mehr eine Spur seiner Negerabstammung zeigte, im Lesen unterrichtet hatte. Zog dann nach Baltimore und beteiligte sich an der Organi- sation der Turnerschützen von Washington und Baltimore, welche bereits im Januar 1861, von dem späteren amerikanischen Gesandten in Paris (1870), Herrn Washburn, dazu angeregt, militärisch ge- drillt wurden. Diese deutschen Turner hatten den Bahnhof besetzt, als Lincoln in Washington eintraf, und bildeten die Ehrengarde

512 Hertzberg Hildebrandt.

bei Lincolns Amtsantritt. Hennighausen diente als Offizier im 46. N. Y.-Fremont-Regiment, machte die Halbinsel- Kampagne und die Belagerung von Fort Pulaski mit. Lebt als angesehener Anwalt in Baltimore. Er hat sich sehr viel Mühe gegeben um den Nachweis zu führen, daß Lincolns Vorfahren aus Deutschland stammten. Daß der Großvater des Präsidenten sich noch Linkhorn genannt hat, ist einwandfrei bewiesen worden. Auch stammte die Familie Linkhorn aus dem ganz deutschen County Berks in Pennsylvanien und verzog um die Mitte des 18. Jahrhunderts nach dem deutschen Teile des Shenandoahtales. Erst später zog Abraham Linkhorn, der Großvater des Präsidenten, nach Kentucky. Professor Learned ist jedoch anderer Meinung wie Hennighausen. Nach Learned ist die Familie Lincoln englischer Abstammung.

Hertzberg, Dr., Redakteur der San Antonio (Texas) deutschen Zeitung, früher von Dr. Douai redigiert. Hertzberg gab dem Blatte, welches nach Douais erzwungener Flucht aus Texas farblos geworden war, wieder den früheren unionstreuen Ton. Die Zeitung wurde dann von den Konföderierten unterdrückt.

Hertzberg, Batteriechef im 2. Wisc. Art.-Reg.

Heusinger, Otto, Offizier im 41. New Yorker Regiment ; später, nach Deutschland zurückgekehrt, wurde er Leutnant im Braunschweigischen Infanterie- Regiment Nr. 92. Verfasser der »Amerikanischen Kriegsbilder«, Verlag von F. W. Grunow, Leipzig 1869. Das Buch weiß über das Leben im Lager und auf den Märschen recht anschaulich zu plaudern. Heusinger wurde bei Chancellors- ville verwundet. Seine Schilderung der Fürsorge für die Verwundeten ist besonders interessant.

Hexamer, W., Artüleriechef aus New Jersey. Achtund- vierziger, bedeutender Führer der Deutschen im Osten. Onkel des Präsidenten des Deutschamerikanischen Nationalbundes. Zeich- nete sich besonders bei Antietam aus. Kapitän Hexamer vereitelte einen Angriff der Konföderierten auf Hancocks linken Flügel bei Antietam und verschoß dabei seine ganze Munition. Seine rein- deutsche Batterie hatte große Verluste an Mannschaften und Pferden.

Hillgärtner, Dr. Georg, hervorragender Journalist. Führte den »Anzeiger des Westens« in St. Louis nach Börnsteins Rücktritt.

fHildebrandt, Major des 39. New Yorker Regiments. Wurde bei Gettysburg tötlich verwundet und starb.

Hipp Hoffmann. 513

Hipp, Karl, Major, 37. Ohio-Regiment, intimer Freund des deutschen Generals August v. Willich, der die letzten Jahre seines Lebens in Hipps Hause zu St. Mary's, Ohio, verbrachte. Hipp kämpfte mit großer Auszeichnung durch den ganzen Krieg und resignierte erst August 1865. Er wirkte glänzend als Rekru- tierungsbureau. Er soll über 200 Deutsche dem Heere zugeführt haben. (S. Fußnote in der Schüderung von Missionary Ridge.)

Hoffmann, Ernst F., Major. Chefingenieur des 11. Armee- korps, ehemals preußischer Genieoffizier, stammte aus Breslau. Kämpfte in Schleswig-Holstein, nahm dann seinen Abschied, trat in englische Dienste und kämpfte im Krimkriege sowie in Afrika, sodann als Stabsoffizier bei Garibaldi. Wurde von der italienischen Regierung ausgezeichnet und erhielt eine Majorsstelle im Ingenieur- korps der italienischen Armee. Kam 1861 nach Amerika, um für die Aufhebung der Negersklaverei zu kämpfen. Major Hoff mann begründete das topographische Bureau, sowohl für das 11. Korps (Howard) als 1864 für die in Tennessee kämpfende Thomassche Armee. Nach dem Kriege leistete Hoffmann bedeutende Dienste bei der Küstenvermessung. Eine seiner besten Kriegstaten war die Wiederherstellung der Brücke über den Hiwasseefluß in Ten- nessee, welche vom Feinde zerstört worden war. Während einer dunklen Nacht wurde diese Brücke errichtet zum Staunen des General J. H. Wilson, der selbst einer der bedeutendsten Ingenieure der Armee war. Wilson kann diese Leistung Hoffmanns gar nicht genug rühmen. Über diese Brücke zogen am nächsten Morgen die Truppen Shermans, welche den General Burnside in Knoxville entsetzen sollten. Aber Hoffmanns Chef, der General O. O. Howard, tadelt Hoffmann wegen dieses Brückenbaues. Howard sagt in seiner Autobiographie, Hoffmann habe 14 Tage Zeit verlangt für diesen Bau und seine (Howards) Vermonter Soldaten hätten die Brücke allein in einer Nacht hergestellt. Es ist das ein Beispiel der Leicht- fertigkeit, mit welcher Leute vom Schlage Howards Schriftstellern. Der Augenzeuge und Fachmann Wilson kann Hoffmann gar nicht genug wegen jener Leistung rühmen. Der Korpsführer aber kanzelt Hoffmann wegen derselben Tat ab. Howards erwähnt den ersten Ingenieuroffizier seines Korps nur dreimal in seinem dicken Buche, den unbedeutenden Adjutanten Howard, Bruder des O. O. Howard, aber 38 mal ! Nach dem Kriege leitete General Wilson im Regierungs- dienste Regulierungsarbeiten am Mississippi und engagierte dafür

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 00

'514 Hövet Hübschmann.

als ersten Ingenieur den Major Hoffmann, der dort mehrere sinn- reiche Instrumente erfand, welche die Vermessungen erleichterten, und sich, wie Wilson betont, in Technikerkreisen hervorragender Anerkennung zu erfreuen hatten. Wilson sagt ferner über Hoff- mann: »He was generous, chivalric, unselfish, enterprising and intelhgent; above all loyal to the highest ideals of manhood. His modesty was equal to that of a girl, his courage to that of a pal- ladin. He was ready for every duty, no matter when it came and he was prompt and practical to a degree that no American could surpass. «

Hövet, Dr., aus Hannover. Regimentsarzt des deutschen 46. New Yorker Regiments.

Hoffmann, Franz, Vizegouverneur von Illinois im Jahre 1861. Wackerer deutscher Patriot. Intimer Freund Gustav Körners, Organisierte mehrere halbdeutsche Regimenter in Ilhnois, war auch bei der deutschen Erhebung in Missouri hervorragend tätig.

H o f m a n n , Louis, aus Cincinnati. Achtundvierziger. Ehe- mals badischer Artillerist. Chef der Hofmannschen Batterie, die so tapfer in Missouri kämpfte und sich bei Pea Ridge, später bei Vicksburg, auszeichnete. Bei Vicksburg steht ein Denkmal der Batterie.

Hoffmeister, Dr. med. Aug. W., aus Fort Madison, Jowa, verdienstvoller Regimentsarzt.

V. Holmstedt, Ernst W., Oberst des 41. New Yorker Regiments, früher sächsischer Offizier. Führte das Regiment im Popeschen Feldzuge und in der Bull Run II- Schlacht.

Hundshausen, Julius, Oberst des deutschen Reserve- Regiments von Gasconade County, Mo. Im selben Regiment dienten sein Bruder und sein Schwager. Letzterer, ein germanisierter Schotte namens Manwaring, wurde von Rebellen ermordet. Sein Bruder, Robert Hundshausen, war Oberst des 4. Mo. -Reg.

Hübschmann, Franz, Dr. med. Feldarzt des deutschen 26. Wisconsin-Regiments, später Brigade- und Divisionsarzt, einer der tüchtigsten Mediziner des Rebellionskrieges. In den großen Schlachten von Chancellorsville, Gettysburg, Chickamauga, Chatta- nooga, bei Dallas, Kenesaw Mountain, Peach Tree Creek und At- lanta hat er in den Lazaretten gewirkt. Bei Gettysburg geriet er mit neun Assistenten und gegen 500 Verwundeten drei Tage lang in die Hände der Konföderierten. Starb 1880 in Milwaukee. Hübsch-

Jacquin Ilges. 515

mann (aus Sachsen-Weimar gebürtig) kam schon 1842 nach Mil- waukee, als die Stadt nur 5000 Einwohner zählte.

Jacquin, ein Franzose, und unter dem Namen Jackson bekannt, führte April 1861 eine Reiter-Kompagnie, in welcher 80 Deutsche und 20 Franzosen standen, aus dem Rebellen- lager in Südmissouri nach St. Louis ins Unionslager. Die Leute traten dann sofort in deutsche Regimenter ein.

J a c o b i , Dr. Abraham, bedeutender Stabsarzt. Ihm ver- danken viele, viele Krieger Gesundheit und Leben. Einer der hervor- ragendsten Ärzte Amerikas überhaupt. Achtundvierziger. Lebte 1910 noch als rüstiger Greis in New York, hochgeachtet als einer der besten Männer, welche Deutschland Amerika gegeben hat.

J a 0 o b i , Oberst des reorganisierten 9. Wisconsin-Regiment.

Jacobs, Wilhelm Heinrich, Oberst des 26. Wisconsin- Regiments. Stammte aus Braunschweig. Eingewandert 1850, gest. 1882 in Milwaukee. Verwundet bei Chancellorsville, traf aber schon auf dem Schlachtfeide von Gettysburg wieder bei seinem Regimente ein und führte es am letzten Schlachttage. Die ab- scheulichen Verleumdungen, welche von nativistischer Seite gegen die deutschen Soldaten nach der Schlacht von Chancellorsvüle geschleudert wurden, verekelten dem leidenschaftlichen Manne den Dienst derartig, daß er im November 1864 seinen Abschied nahm. Jacobs war einer der angesehensten deutschen Bürger Milwaukees, einer derjenigen, welche auf ihr Volkstum besonders stolz waren und die Rechte der amerikanischen Deutschen stets kraftvoll ver- teidigten. — Bankier in Milwaukee, Mitbegründer des »Musik- vereins«. — Jacobs war in Deutschland Landwehroffizier gewesen.

Jahn, Hermann, Kapitän der Artillerie. Diente im 8. New Yorker Infanterie- Regiment. Auf dem Schlachtfelde von Bull Run I fand er eine auf der Flucht zurückgelassene Unionsbatterie, nahm dieselbe in Besitz und Oberst Blenker ließ 60 seiner Leute, welche in Deutschland bei der Artillerie gedient hatten, bei den gefundenen Kanonen antreten. Jahn wurde der Führer dieser Bat- terie, welche sich später als 2. leichte New Yorker Batterie unter Schirmers Befehl besonders ausgezeichnet hat.

•f J ä n s e n , Major, 31. Missouri-Regiment, fiel beim Sturme auf Chickesaw Bluffs bei Vicksburg, 27. Dezember 1862.

Ilges, Guido. Oberst des 18. regulären Infanterie-Regi- ments. Während des Bürgerkrieges diente Ilges als Kapitän im

33*

516 Irsch Kampf.

5. Armeekorps, machte alle Schlachten des Halbinselfeldzuges, später die großen Kämpfe der Potomacarmee mit und trat nach dem Kriege in die reguläre Armee ein. Einer der berühmtesten Offiziere des Bundesheeres; zeichnete sich in den Indianerkriegen aus. Er war es, der im Dezember 1880 den Häuptling Gaul und später Sit- ting Bull selbst besiegte und beide Häuptlinge nebst 1200 Sioux- kriegern gefangen nahm. Ilges stammte aus Ahrweiler.

Irsch, Franz, Kapitän, 45. New Yorker, erwarb sich bei Gettysburg durch persönliche Tapferkeit Howards Belobung, er- hielt das Kreuz der Loyal Legion, schmachtete lange als Gefangener im Libby- Gefängnis zu Richmond und plante mit General Cessnola den berühmten Ausbruch aus demselben. Erhielt die Tapferkeits- medaille vom Kongreß zugebilligt für seine ruhmvolle Verteidigung eines Teils der Stadt Gettysburg, während sich das am ersten Tage zurückgeschlagene 11. Korps auf dem Friedhofshügel sammelte.

Isenbach, Oberst des 58. New Yorker Regiments, zeich- nete sich aus bei Missionary Ridge und Chattanooga.

J ü s s e n , Edmund, Oberstleutnant, 23. Wisconsin- Regiment.

K a 1 1 m a n n , Oberst des 2. (deutschen) Heim wehr- Regi- ments von Missouri. Dieses hatte die Aufgabe, die Umgegend von St. Louis von den Guerillabanden der Rebellion zu säubern. Als K. von einem dieser Märsche nach St. Louis zurückkehrte, erhielten die Heimwehrmänner in der 7. Straße von St. Louis Feuer. Ohne Befehl abzuwarten feuerten die Soldaten in die Häuser, aus welchen sie beschossen worden waren. Dabei wurden vier Personen ge- tötet und mehrere schwer verwundet. Kalimann ließ sofort halten und das Feuer einstellen. Aber das Geschrei über die »deutschen Mörder« erhob sich wieder. Doch war dies der letzte Straßenkampf in St. Louis. Die Rebellenfreunde hatten eingesehen, daß sie nicht ungestraft aus dem Hinterhalte auf die Truppen schießen durften.

Kämmerling, Gustav, Brigadegeneral. Oberst des deutschen 9. Ohio- Regiments. Aus Rheinpreußen gebürtig, ehe- mals preußischer Militär. Da der erste Oberst, Mc Cook, sehr rasch Brigadier wurde, so ist Kämmerling der eigentliche Führer jenes Heldenregiments gewesen. Kämmerling starb in Teil City, Ind., im Jahre 1902 im Alter von 82 Jahren. Sein einziger Sohn zeichnete sich im spanisch-amerikanischen Kriege bei Admiral Deweys Angriff auf Manila aus.

Kampf, C. W., Major, 5. Wisconsin-Regiment.

Kapp Kaufmann. 517

Kapp, Friedrich, bedeutender Deutschamerikaner, der »Bürger zweier Welten« genannt, weil er, nach Deutschland zurück- gekehrt, Mitglied des deutschen Reichstages wurde. Erforscher der Geschichte der Deutschamerikaner, auf diesem Gebiete unbe- dingt an erster Stelle zu nennen. Mitglied der deutschen Gesellschaft von New York, sowie der Einwanderungskommission. Einige der besten, aus der Erfahrung geschöpften Arbeiten über die deutsche Einwanderung nach Amerika verdanken wir Kapp. Treuer Unions- mann während des Krieges. Kämpfte mit der Feder und als Redner. Er organisierte die gewaltige Massenversammlung in New York, welche den ersten Protest gegen die schändliche Verleumdung der Deutschen (wegen Chancellorsville) erließ. Kapp hielt dabei eine glänzende Rede. Die beste Biographie Kapps hat H. A. Ratter- mann (Deutscham. Magazin, Cincinnati) geschrieben. -

K a p f f , Eduard, Oberst des 7. New Yorker Regiments, in welchem auch sein Bruder S i x t u s Kapff als Offizier diente. Beide waren Achtundvierziger, stammten aus Württemberg.

K ä r c h e r , Jak., Oberstleutnant, 12. Missouri- Regiment.

Karges, Joseph, Oberst des 2. New Jersey Reiter- Regi- ments, ehemals preußischer Offizier. Später befehligte er die i. Bri- gade von Griersons Kavalleriedivision. Einer der tüchtigsten Reiter- führer. Nach dem Kriege Professor an der Princeton-Universität.

Kaufmann, Theodor, Achtundvierziger, aus Uelzen in Hannover, starb 86 jährig in New York. Kaufmann diente zu Anfang des Krieges als gemeiner Soldat, wirkte später für die Unionssache als Redner und Schriftsteller, hauptsächlich aber als Künstler. Er wurde der Historienmaler des Bürgerkrieges. Sein großes Gemälde, Farragut darstellend, mit der Unterschrift »damn the torpedoes, go ahead, boys« wurde von geschäftsbeflissenen Unternehmern in vielen zehntausenden von Lithographien verbreitet, nachdem man das Recht dazu dem damals darbenden Künstler für eine Bettelsumme abge klügelt hatte. Für das Original aber hat sich, wahrscheinlich wegen der großen Verbreitung der Nachbildung, noch immer kein Käufer gefunden. Die beiden großen Gemälde Kaufmanns, »Lincolns Ermordung«, mit ihren vielen Porträts berühmter Zeitgenossen, sowie das prächtig gelungene Bild »Sherman vor dem Wachtfeuer«, gehören zu den besten künstlerischen Schöp- fungen, welche auf amerikanischem Boden entstanden sind. Kauf- mann, der in Düsseldorf und München ausgebüdet war, hat auch

Rjg Karberg Kerlin.

lange als Lehrer gewirkt. Sein bedeutendster Schüler war Thomas Nast, der berühmte Zeichner von Harpers Weekly.

K a r b e r g , Peter, Oberst, ehemals Sergeant im 17. deutschen Missouri- Regiment. General Sherman hatte am 18. Mai 1863 Walnut Hill vor Vicksburg besetzt. Aber sein Heer war ohne Pro- viant. Es galt, der Flotte Mitteilung von diesem Mangel zu machen, damit die Schiffe Vorräte zuführen konnten. Leutnant Langgut und Sergeant Karberg wurden zu dieser gefährlichen Mission aus- gewählt. Beide durchwanderten während der Nacht eine unbekannte Waldwildnis, schwammen dann über den tückischen Chickesaw Bayou (Sumpf) und zimmerten sich aus alten Brettern ein Floß, auf welchem sie den Yazoofluß, der in den Mississippi mündet, heruntertrieben. Nach etwa 30 Stunden erreichten sie so den Mississipi und dort die Flotte, in beständiger Gefahr zu ertrinken oder von den feindlichen Schützen erschossen zu werden. Sie meldeten Shermans Notstand, und einen Tag später konnten sich die Kameraden endlich wieder satt essen. Karberg wurde später Oberst eines Neger- Regiments.

Kauffeld, Kapitän in einem Pennsylvania-Regiment. Diente durch den ganzen Krieg. Starb 1895, nachdem er fast 30 Jahre das Bett gehütet hatte, an der Veteranenkrankheit, dem Rheumatis- mus. Der Kauffeldsche Fall ist ja allerdings eine Ausnahme. Aber die Zahl derjenigen Soldaten, welche jene Krankheit bis in ihr Grab mit sich herumschleppten, geht in die Hunderttausende!

K a u t z , Albert, Admiral, Bruder des Generalmajors Kautz, diente als Offizier in der Marine des Nordens. Er war in der Naval Academy zu AnnapoHs ausgebildet worden und bestand sein Examen im Jahre 1858. Gleich zu Anfang des Krieges wurde das Schiff, auf welchem Kautz diente, vom Feinde gekapert. Nach seiner Aus- wechselung wurde Kautz der Flagleutnant (Adjutant) des Admirals Farragut und nahm als solcher an der glorreichen Eroberung von New Orleans, an Bord des »Hartford« teil. Er kämpfte dann vor Vicksburg im Jahre 1862 bis 1863 und war an vielen späteren Kämpfen der Flotte ehrenvoll beteüigt. Im Jahre 1898 wurde Kautz Konter- admiral der Bundesflotte und Befehlshaber der Pacificstation. Kautz war als Knabe nach den Vereinigten Staaten gekommen.

Keller, Kaspar, Oberstleutnant des 7. deutschen N.Y. Reg.

Kellersberg, J., Chefingenieur, Red River- Feldzug.

K e r 1 i n , E. H., Major, Stab und Chief of Scouts im 11. Korps.

Keßler v. Kleyseri 519

f K e ß 1 e r , Friedrich, Adjutant des Generals v. VVangelin. In der Schlacht von Ringgold in Alabama, November 1863, sah Keßler seinen Jugendfreund Kapitän Henry Kircher schwer verwundet in der Feuerlinie liegen. Er sprang vor, um Kircher in Sicherheit zu bringen. Während er den blutenden Freund auf den Armen trug^ wurde Keßler totgeschossen und Kircher büßte zu dem zerschmetterten Beine auch noch einen Arm ein. Arm und Bein wurden ihm am- putiert. — Kircher wurde später zweimal Bürgermeister in Belle ville. Er starb erst vor einigen Jahren. Zu der schönen Tat Keßlers schreibt General Osterhaus dem Verfasser : » Keßlers Tod ist ein unauslösch- liches Zeugnis für die kameradschaftliche Hingebung und mili- tärische Opferwilligkeit bis in den Tod, ein Stück deutscher Treue. «

fl V. Kielmannsegg und v. K ö r b e r , beide ehemals preußische Offiziere. Beide fielen 1864 in den Schlachten der Grant- schen Wilderneß- Kampagne. Beide dienten in Kentuckyer Reiter- Regimentern.

V, Kielmannsegge, Eugen, Major im 4. Missouri- Reiter- Regiment, früher preußischer Offizier.

K i 1 i a n , Edward A. K. Diente durch den ganzen Krieg im I. und im 17. Missouri- Regiment. Wirkte in der Adjutantur des letzteren. Mitarbeiter am biographischen Teil.

K i 1 1 o e , E. D., Dr. med., Oberst u. Generalarzt 15. Armeekorps.

K 1 a u ß , Batteriechef der i. Indiana-Batterie, welche aus Evansville, Ind., rekrutiert war und nur deutsche Mannschaften hatte, auch die deutsche Kommandosprache führte. Die Batterie kämpfte ruhmvoll auf dem westlichen Kriegsschauplatze.

K 1 e e f i s c h , August, Oberst des 68. New Yorker Regiments während des Popeschen Feldzuges und bei Bull Run II.

Klemm, Johnny, ein deutscher Trommlerjunge aus- Mi- chigan. Der Knirps (16 Jahre alt), warf bei Chickamauga die Trommel weg und kämpfte in Reih und Glied. Er erschoß einen höheren kon- föderierten Offizier, der den kleinen Yankee gefangen nehmen wollte. Rosecrans verschaffte ihm nach dem Kriege die Aufnahme in die Westpointer Kriegsschule und Klemm wurde dann Offizier der regulären Armee.

V. K 1 e y s e r , Alfred, Batteriechef in Sigels, später Hunters Shenandoah- Armee, Sommer 1864. Zeichnete sich besonders in der Schlacht von Piedmont aus. In Sigels unglücklicher Schlacht bei New Market 1864 stand die v. Kleysersche Batterie im Vorder-

520 ^- Knobelsdorff Koltes.

treffen. Sie wehrte sich in tapferer Weise, aber es fehlte jede Unter- stützung und die Rebellen eroberten zwei Geschütze, v. K. kämpfte durch den ganzen Krieg. Ehemals preußischer Offizier.

V. Knobelsdorff, Oberst des 44. Illinois- Regiments. Ehemals preußischer Offizier. Knobelsdorff befehligte schon im Jahre 1861 in Missouri eine Brigade in Asboths Division.

fKnoderer, Oberst des 168. Pennsylvania-Infanterie- Regiments, fiel in der Schlacht von Chancellorsville. Knoderer war ehemals badischer Offizier.

Koch, Charles, Oberst des 45. deutschen New York Reg.

Koch, Friedrich, 7. New Yorker Regiment. Nur ein deutscher Korporal, aber ein echter Held! Bei Bull Run II rettete er die Fahne des 7. Reg.

Köhler (Coler), Oberst des 25. IlHnois- Regiments. Von ihm erzählt Schierenberg : »Ich ritt einst neben Oberst Coler, der mir folgendes sagte : »Ich bin auch ein Deutscher. Kam als kleines Kind nach New Orleans mit meinen Eltern, die an der Cholera starben. Eine amerikanische Farmersfrau in Süd- Illinois nahm sich meiner an und zog mich wie ihre eigenen Kinder auf. So bin ich völlig amerikanisiert worden, besonders auf dem »College«, nach welchem mich meine Pflegeeltern später schickten.« Colers Geschichte steht nicht vereinzelt da. Wie ihm ist es manchem als Kind eingewanderten Deutschen gegangen.

K o r t h , Louis F. Trat als 17 jähriger Jüngling 1861 in die Potomac- Armee ein und diente während des ganzen Krieges. Befand sich im Stabe Blenkers, später hat er in der topographischen Ab- teüung gewirkt ; wurde bei Gross Keys verwundet. Herr Korth ist dem Verfasser durch mehrere Jahre ein treuer Mitarbeiter gewesen. Er hatte viele Jahre mit Verständnis gesammelt und ein für unsere Zwecke unschätzbares Archiv angelegt, welches reiche Beiträge zu der »Geschichte der Deutschen im Bürgerkriege« enthält. Korth hat seit Schluß des Krieges in der deutschamerikanischen Presse gewirkt (»Correspondent« in Portsmouth, O.). Er zählt zu unsem besten Federn. Herrn Korths Mitarbeit am biographischen Teile dieses Buches ist ganz hervorragend gewesen.

t Koltes, Johann A., Oberst des 73. Pennsylvania- Regi- ments. Fiel an der Spitze seiner Truppen als Brigadeführer, 30. Au- gust 1862 bei Bull Run II. Koltes stand in der Shenandoah-Kom-

Kömer Kraus. 521

pagne von 1862 und in dem folgenden sog. Popeschen Feldzuge in der Steinwehrschen Brigade und hat dieselbe sowohl bei Gross Keys als bei Bull Run II in Vertretung v. Steinwehrs geführt. Er war ein außerordentlich tapferer Mann, der seinen Leuten stets voranging. Beim Sturme auf eine konföderierte Batterie fiel er in den ersten Reihen der Stürmenden. Neben ihm wurde sein Oberst- leutnant Brückner schwer verwundet. Koltes stammte aus Trier, geb. 1827, wanderte mit 17 Jahren aus, nahm am mexikanischen Kriege teil und diente dann in der regulären Armee. Der Grand Army-Posten Nr. 228 in Philadelphia trägt Koltes Namen.

Körner, Gustav, Richter, Gouverneur von lUinois, Ver- fasser eines der besten Bücher über Deutschamerika, »Das deutsche Element 1818 bis 1848«. Einer der treuesten und besten unter den deutschamerikanischen Volksmännem. War mit Lincoln schon intim befreundet, als dieser noch ein armer kleiner Landadvokat in Illinois war. Oft in den ersten schweren Tagen seiner Amts- führung als Präsident flüchtete sich Lincoln zu seinem Freunde Kömer um Rat. Lincoln wollte Körner eine hohe militärische Stellung geben, damit Körner noch besser wirken konnte als »Re- krutierungsbüro«, aber Körner lehnte ab. Körner könnte den großen Deutschamerikanern beigesellt werden, wenn sein Wir- kungskreis sich nicht wesentlich auf Illinois, Indiana und Missouri beschränkt hätte. Ausgewandert nach dem Frankfurter Putsch 1830, an welchem Körner als junger Student beteiligt war.

Körper, Dr. E. A., Stabsarzt im deutschen 75. a. Regiment.

K o V a s z , Stephan, Major und Regimentsführer im 54. New Yorker Regiment. Zeichnete sich besonders bei BuU Run II aus. Nachdem Oberst Koltes gefallen war, übernahm Kovasz den Be- fehl über die Koltessche Brigade. Ehemals österreichischer Offizier.

K o z 1 a y , Eugen Arthur, Oberst des 54. New Yorker Regiments »Schwarze Jäger«. Früher österreichischer Offizier. Während der ungarischen Revolution Adjutant Kossuths. Kozlay diente während des ganzen Krieges.

Kraus, Albert, Feldprediger des 12. Missouri- Regiments. Achtundvierziger und Freidenker. Seine Freunde gründeten eine freie Gemeinde, damit Kraus den Titel eines Reverend führen konnte. So wurde der ehemaHge deutsche Gutsbesitzer Kaplan. Er ging in aUen Kämpfen stets in die Feuerlinie vor und leistete den Ver- wundeten Beistand.

522 Krämer Krughoff .

Kramer, Adam, Oberst, kam als Knabe nach Amerika und ließ sich für die reguläre x\rmee anwerben. Hatte bereits vier Jahre in der Kavallerie gedient, als der Bürgerkrieg ausbrach. Wurde Kapitän des 15. Pennsylvania- Kavallerie- Regiments und kämpfte bei Antietam, Murfreesboro, Chickamauga und in den Schlachten um Chattanooga. Bildete alsdann ein Neger-Reiter- Regiment aus und trat nach dem Kriege wieder in die reguläre Armee. Er hat sich später in vielen Kämpfen mit den Indianern ausgezeichnet.

K r e c k e 1 , Arnold. Hervorragender Deutschamerikaner, einer der bedeutendsten Führer im Frühling 1861 in Missouri. Oberst- leutnant im I. Reiter-Bataillon von Missouri. Präsidierte 1864 in der Staatskonvention von Missouri, welche die Sklaverei in diesem Staate abschaffte, ehe das durch Annahme des 15. Zusatzes zur Bundesverfassung geschah. Lincoln ernannte Kreckel zum Bundes- richter.

Krepps, Major der Kavallerie. Stürmte mit seinen west- virginischen Reitern am 28. August über eine brennende Brücke (über den Broad Run) und jagte den Feind am anderen Ufer davon. Der Brand konnte gelöscht werden und die Korps Sigel und Mc- Dowell setzten ihren Marsch nach Gainesville ungehindert fort.

K r e z , Konrad, Oberst des 27. Wisconsin-Regiments, später Brevet-Brigadegeneral. Belagerung von Vicksburg, Feldzüge in Arkansas und gegen Mobile. Seine Bedeutung liegt aber auf anderem als auf militärischem Gebiete. Er ist der begabteste Dichter Deutschamerikas. Sein herrliches Lied »An mein Vaterland« gehört unstreitig zu den schönsten Blüten deutscher Dichtung. Es wird behauptet, daß dieses Lied eines deutschen Flüchtlings auf den ersten deutschen Kaiser einen besonders tiefen Eindruck gemacht hat, daß der Bezwinger der süddeutschen Revolution keine andere Dichtung so liebte, wie diese. Die in Amerika entstandenen Lieder von Krez erschienen 1875 bei E. Steiger in New York. Krez war in Deutschland zum Tode verurteilt worden

Krieger, E. J., Major, 107. Ohio- Regiment.

Krughoff, Louis, Major, geb. 1836 in Minden, Westfalen. Trat als Gemeiner in Kapitän Colemans Reiterei ein, erkämpfte sich den Majorsrang im 49. Illinois-Infanterie-Regiment. Zeichnete sich beim Sturme auf Fort Donelsen aus, wurde mehrfach schwer verwundet. Ausgemustert Januar 1865.

Krzyzanowski Kurtz. 523

Krzyzanowski, Wladimir, Oberst. Tapferer Deutsch- pole. Er wurde, wie Schurz erzählt, nur deshalb nicht General, weil, als seine von Lincoln vorgeschlagene Beförderung vom Bundes- senat bestätigt werden sollte, keiner der Senatoren den Namen Krzyzanowski aussprechen konnte (besser gesagt wollte) »Kriz«, wie Krzyzanowski allgemein in der Armee hieß, organisierte das 58. (deutsche) Infanterie-Regiment von New York, in welchem sich mehrere Kompagnien Deutschpolen befanden. Er kam in die Blenkersche deutsche Division, nahm an deren Schicksalen Teil und wurde während der Popeschen Kampagne Brigadier in Schurzens Division. Schurz hat diesem tapferen, kenntnisreichen und tüchtigen Offizier stets treue Freundschaft bewahrt und nach dessen Tode dem alten Kampfgenossen eine denselben ehrende Grabrede ge- halten. »Kriz« ist einer der deutschen Helden von Bull Run II, Chancellorsville und Gettysburg. Wir treffen ihn später mit Di- vision Schurz in Chattanooga und in Knoxville, Tenn. Er starb bald nach dem Kriege infolge eines Leidens, welches auf die vier- jährigen Strapazen zurückzuführen ist.

K ü f f n e r , WiUiam C, ausgemustert als Bre vet- Brigade - general, Januar 1866. Aus Rostock, Mecklenburg, gest. als Redak- teur der »Belleviller Zeitung«. Kam als Jüngling nach Texas, schloß sich dort den Unionstreuen an und floh bei Ausbruch des Krieges nach Norden. Trat April 1861 in das 9. Illinois-Regiment, und wurde bald Kapitän. Feldzüge der Tennessee- Armee. Küffner wurde viermal verwundet, darunter zweimal schwer bei Shiloh und bei Corinth. Hat im ganzen an iio Schlachten und Gefechten teü- genommen und sich durch große Tapferkeit ausgezeichnet. Trat nach seiner letzten Genesung von furchtbarer Verwundung in das Veteranen- Reservekorps, wurde Oberst des 149. lüinois- Regiments und diente in der Brigade des Prinzen Felix Salm- Salm bis zum Ende des Krieges.

Kuhn, Johann W., deutscher Schweizer, Major im 9. Illinois- Regiment. Bei Shiloh schwer verwundet. Nach seiner Heilung Platzkommandant von Memphis. Starb bald nach dem Kriege.

Kurtz. Drei Brüder aus der deutschen Ansiedlung in Weston, Mo. Der eine wurde tötlich verwundet vor Atlanta, Pa. Die beiden anderen Brüder Charles und Andreas Kurtz kämpften vier Jahre in Missouri wesentlich gegencUe Guerillas.

524 KxxTz Laiboldt.

f K u r z , Richard, Kapitän im New Yorker De Kalb-Regi- ment. Wurde bei Groveton tödlich verwundet und starb in den Händen des Feindes.

V. Kusserow, Major der Artillerie, New York. Zeichnete sich besonders am Antietam aus. Wurde vor der Front von Mc Clellan belobt. Entstammte einer bekannten preußischen Ofiziersfamilie.

K u t z n e r , Oberst des 39. deutschen Missouri-Regiment.

L a c k n e r , Franz, Oberstleutnant im 26. deutschen Wisconsin- Regiment. Bei Gettysburg verwundet. Trat dann in den Stab des General Schurz. Nach dem Kriege Anwalt in Milwaukee.

Lange, Albert, aus Charlottenburg stammend, Staats- auditor von Indiana. Ihm gebührt viel von dem Ruhme, der auf Gouverneur Morton von Indiana gehäuft wurde. Hat sich besonders um die Organisation der deutschen Soldaten verdient gemacht. Lange war ein eifriger Verfechter des Planes, im Jahre 1863 gegen 20 000 gediente Soldaten in Deutschland für die Union anwerben zu lassen. (Vgl. Corwin.)

Langgut, s. Karberg.

Lademann, Otto, Kapitän im Sigelschen 3. Missouri- Regiment, befehligte dieses Regiment eine Zeitlang während der Abwesenheit Oberst Wangelins. Lademann nahm an den meisten Kämpfen der deutschen Brigade Wangelins ehrenvollen Anteil. Er wurde 1864 von General Osterhaus zum Chef der 4. Mo. Batterie ernannt. Dieser Batterie wurden diejenigen Mannschaften der drei Missouri- Regimenter 3, 12 und 17 zugeteilt, deren Dienst- zeit im Herbst 1864 noch nicht abgelaufen war.

Laiboldt, Bernhard, Oberst des 2. (deutschen) Missouri- Regiments, einer der tüchtigsten Unterführer in den Osterhaus- schen Feldzügen. Kämpfte bei Pea Ridge, Perryville und Stone River mit großer Auszeichnung in Sheridans Division. In der Schlacht von Chickamauga befehligte Laiboldt eine Brigade. Wurde dort von Sheridan wegen seiner Tapferkeit besonders belobt. Laiboldt hatte zweimal Gelegenheit zu selbständiger Führung und löste sie beide Male in glänzendster Weise, und zwar gegen denselben Gegner, den berühmten Reiterführer der Rebellen, General Wheeler. Im Dezember 1863 führte Laiboldt einen wertvollen Train von Chattanooga nach Knoxville. Er hatte einige hundert Mann vom 2. Missouri-Regiment bei sich. Wurde am Hiwasseeflusse von Wheeler mit 1500 Mann angefallen. Laiboldt schlug den Feind und brachte

Lambert Landgräber. 525

-den ganzen Train in Sicherheit. Am 14. August 1864 beiehUgte Laiboldt mit 480 Mann vom 2. Missouri- Regiment in Dalton, Ga. Derselbe General Wheeler rückte mit über 3000 Mann an und forderte Laiboldt zur Kapitulation auf. Laiboldt antwortete: »Ich bin hierher gestellt, um diesen Posten zu halten, nicht um ihn zu über- geben.« Als Wheeler nochmals parlamentieren wollte, erhielt er die Antwort, Laiboldt werde auf die Parlamentärflagge feuern lassen. Dann griff Wheeler an. Der Kampf dauerte die ganze Nacht. Laiboldt schlug jeden Angriff ab und wurde am nächsten Morgen verstärkt, worauf Wheeler abzog. Laiboldt war in Deutschland Unteroffizier gewesen. Aber wenige der ehemaligen deutschen Offiziere haben einen glänzenderen Namen sich geschaffen als Lai- boldt. Er war in der ganzen westlichen Armee bekannt.

Lambert, Louis, Kapitän im 37. deutschen Ohio-Regiment. Wurde viermal verwundet, lag einmal über 24 Stunden lang (für tot gehalten) auf dem Schlachtfelde von Prinecton, W.-Va. Von seinem Regimente, welches 1133 Mann zählte, kehrten nur 189 Mann nach Beendigung des Krieges zurück.

fLedergerber, F. L., Advokat, St. Louis, geb. 1835, als erster amerikanischer Sprößling der »Lateiner- Kolonie« in Belle- ville, Offizier im 12. Missouri- Regiment. F. L. Ledergerber wurde schwer verwundet bei Ringgold, Ga. Sein Bruder Major Joseph Ledergerber, fiel in derselben Schlacht. Beide Brüder waren Enkel des Pioniers von Belleville, des bedeutenden Friedrich Engelmann.

Landgräber, Klemens, früher preußischer Artillerieoffizier, Major des i. Missouri- Artillerie-Regiments, später bei Shermans Marsch durch Georgia Artilleriechef der Osterhausschen Division, 15. Korps. Tollkühner, tapferer Mann, einer der besten Artilleristen der westlichen Heere. Führte allgemein den Spitznamen »the flying dutchman« (fliegender Holländer, dutchman sollte hier aber Deutscher heißen). Zu diesem Ehrentitel kam Landgräber am 19. Mai 1863 bei der Einschließung Vicksburgs vor dem großen Sturme. Mit seinen Batterien auf einer Höhe angelangt, sah er, daß er eine vor- zügliche Stellung einnehmen könne, wenn er längs des schmalen Rückens jenes Hügels vorrücken würde. Aber der Feind hatte dort Schützengräben, außerdem wurde die Strecke durch Rebellen- batterien bestrichen. Landgräber fragte seine Leute: »Jungens, wollt Ihr es mit mir wagen auf diesem gefährlichen Wege in Stellung zu gehen?« Jeder Mann rief: »Wenn Sie voranreiten, so folgen wir.«

526 Ledig -^ Leichtfuß.

Und im Galopp jagten die Batterien fort. Es war da gar keine Straße. Nach der einen Seite fiel der Hügel steil ab, an der anderen Seite waren die Schützengräben des Feindes. Der Höhenrücken war kaum breiter als die Radspuren der Kanonen. Aber das Wage- stück gelang trotz des starken feindlichen Feuers. Landgräber kam in die gewünschte Stellung und er konnte nun seine Kugeln dem Feinde in den Rücken senden. Als er später am 30. Jowa- Regi- ment vorbeikam, welches durch die kühne Tat Landgräbers ge- rettet worden war, schrie das ganze Regiment »three cheers and a tiger for the flying Dutchman«. Landgräber machte den ganzen Krieg mit und schlug sich glänzend namentlich bei Vicksburg, Lookout Mountain, Missionary Ridge, Ringgold und in den Kämpfen des Marsches durch Georgia.

Ledig, August, Major im deutschen 75. Pennsylvania- Regiment, in welchem sein Sohn Richard als Kapitän diente. Nach- dem Oberst Mahler gefallen war, führte Ledig das Regiment meistens und namentlich in den Schlachten von Gettysburg, Missionary Ridge und bei Knoxvüle. Ledig war ein außerordentlich tüchtiger und tapferer Führer, er blieb im Dienst bis um Friedensschluß. Sein Sohn Kapitän Richard Ledig wurde bei Bull Run H schwer verwundet. Beide, Vater und Sohn, standen bei den 75ern in hohem Ansehen.

Lehmann, Oberst des 103. Penns34vania- Regiments sowie Organisator des 62. Pennsylvania-Regiments, geb. 1812 in Hannover, war früher hannoverscher Offizier. Nach dem Kriege Präsident der Militärakademie von West-Pennsylvanien.

»Leibgarde Howards.« Die »Headquarters Guard« im II. Korps wurde stets von zwei Kompagnien des deutschen 8. New Yorker Regiments (Blenkers) gebildet. Diese Kompagnien dienten durch den ganzen Krieg. Howard ließ eine besondere Medaille für diese Leute prägen.

fLeichtfuß (Lightfoot), Major im 12. Missouri- Regiment. Beim Sturm auf Vicksburg, 22. Mai 1862, gelang es ihm, den Slippery Hill mit einem Teile des deutschen 12. Missouri-Regiments zu er- klimmen und bis vor die feindlichen Bastionen vorzudringen. Er fiel, als er seine Leute zum Sturm auf die feindlichen Werke vor- führte. Die ihm nachfolgenden Truppen des 3. und 17. Missouri- und 9. Jowa-Regiments blieben meistens stecken in dem schlüpfrigen Sande des vorgelagerten Hügels und nur wenige Soldaten konnten das Plateau erreichen.

Lei per— Lieber, 527

Leiper, B. J., Oberstleutnant, i. Kentucky Regiment.

Leppien, George F., Oberstleutnant des i. Artillerie- Regiments von Maine. War ehemals preußischer Offizier. Trat zuerst in eine pennsylvanische Batterie ein, befehligte später die Artillerie in der 2. Division des i. Armeekorps der Potomac- Armee und zeichnete sich bei Bull Run II, Antietam, Fredericksburg, Chancellorsville, Gettysburg und unter Meade und Grant aus. Leppien gehört zu den bedeutendsten Artillerieführern, welche der Krieg hervorgebracht hat.

Lieb, Herrmann, Titular-Brigadegeneral. Deutschschweizer, trat Mitte April 1861 in das 8. Illinois-Infanterie-Regiment, wurde bald Kapitän, dann Major. Im Winter 1863 Oberst des 9. Neger- Regiments. Bei Milliken Bend wurde Lieb schwer verwundet. Lieb hat später das 4. reguläre Regiment schwerer Artillerie ge- führt und sich so ausgezeichnet, daß er im Mai 1864 zum Chef der Artillerie-Truppen des westlichen Bezirks von Mississippi ernannt wurde. Im Januar 1865 führte er mit seinem und dem 11. Illinois- Kavallerie-Regiment eine Expedition gegen Marion, Ark., selb- ständig und bestand zwei siegreiche Gefechte. Nach dem Kriege spielte Lieb in der Politik in Chicago eine Rolle, übernahm die Leitung des »Chicago Demokrat« und war schriftstellerisch tätig.

Lieber, Franz, der erste und vielleicht der bedeutendste unter den großen Deutschen Amerikas : Lieber, Stallo und Schurz. Geb. März 1800 in Berlin. Mit 15 Jahren Freiwilliger im Regiment Colberg, worin auch seine beiden älteren Brüder dienten. Bei Ligny schwer verwundet. Als Burschenschafter während der preußischen Reaktion gemaßregelt, zog Lieber 1827 nach Amerika. Hier wurde er der Apostel deutscher Wissenschaft. Professor der Südkarolina- Universität und 1856 der Harvard-Universität. Intim befreundet mit Bancroft, Channing, Longfellow, Prescott, Ticknor und Charles Sumner. Die großen Verdienste Liebers um den Ausbau der ameri- kanischen Universitäten im deutschen Geiste können hier nur an- gedeutet werden. Lieber war einer der bedeutendsten Gelehrten Amerikas, vielleicht der bedeutendste. Sein poHtisches Wirken ist ein ununterbrochener Kampf gegen die Sklaverei gewesen. Lieber war der Führer der wenigen Unionstreuen in Südkarolina. Er erklärte vor den sog. »Feuerfressern« jenes Staates: »Wie könnt Ihr das Recht zur Abtrennung der Sklavenstaaten von der Union in Anspruch nehmen, ohne dieses Recht nicht gleichzeitig als Grund-

528 Lieber.

prinzip dem neuen Staate, der Konföderation, einzuverleiben? Ein solcher neuer Staat wäre doch beständig in Gefahr von neuen Revolutionen heimgesucht zu werden.« Lieber scheute sich nicht, die Sezession ein Verbrechen zu nennen. Seine Büste in der Ehren- halle der Südkarohna-Universität wurde zertrümmert. Er wurde gemaßregelt und im Jahre 1856 mußte er nach dem Norden flüchten. Die Universität Harvard nahm ihn freudig auf und nun wurde Lieber der geistig bedeutendste Führer der Antiskiavereipartei. Einer seiner Söhne, Oskar Lieber, war in Südkarolina geblieben und dort den Lockungen der Sklavereipartei anheimgefallen. Dieser hoffnungsvolle junge Mann, der einer der bedeutendsten Geologen der Vereinigten Staaten war, trat in die konföderierte Armee ein und fiel im Sommer 1862 bei Williamsburg. Diesen Schmerz hat der alte Freiheitskämpfer niemals verwunden. Die beiden anderen Söhne Liebers kämpften im Unionsheere. Einer dieser beiden war Generalauditor in der Armee. Er war ebenfalls hervorragend begabt und half seinem Vater in der Herstellung des völkerrechtlichen Handbuches, welches während des Krieges in den Händen jedes amerikanischen Flottenoffiziers war und diesen Offizieren als Richt- schnur im Verkehr mit den Vertretern anderer Nationen diente. Auf General Hallecks Ersuchen schrieb Lieber »Guerilla parties, considered with reference to the Law and Usages of War« ein Werk, welches auch im deutsch-französischen Kriege bezüglich der Be- handlung gefangener »Franctireurs« häufig benutzt worden ist. So hat dieser Deutsche vielfach das geistige Rüstzeug geliefert I zur Bekämpfung der Sezession. Niemals während der düstersten Zeit des Krieges hat Lieber den Glauben verloren an den endlichen Sieg der Union. Wenn sich die Stimmen im Norden erhoben, die einen Ausgleich auf Grund der Anerkennung der Konföderation forderten, war es stets Lieber, der diesen Kriegsmüden entgegen- trat und die Fortsetzung des Kampfes bis zum letzten Mann und bis zur letzten Patrone forderte. Lieber erlebte noch das Jahr 1870 und jubelte dem auferstandenen Deutschland in feurigen Gedichten zu. Friedrich Wilhelm IV. bot Lieber 1849 ^^^^ "Pi^o- fessur in Berlin an, aber Lieber blieb der neuen Heimat treu bis zum Tode. Ihm rühmen die eingeborenen Amerikaner nach, daß er durch und durch Amerikaner gewesen sei, aber am 20. Juli 1870 schreibt Lieber: »Meine Seele ist voll von dem einen Gefühl, dem einen Gedanken Deutschland!«

Lichtenstem Mahler. 529

fLichtenstein, Oberstleutnant des 52, deutschen New Yorker Regiments. Fiel am Antietam.

Limberg, George T., Oberst des 108. Ohio-Regiments, welches zu drei Vierteln deutsch war und tapfere Taten bei Mur- freesboro vollführte, aber bei Hartsville, Ky., mit der 39. Brigade gefangen wurde. Später hat sich das Regiment sehr gut geschlagen.

Lockmann, John T., Oberstleutnant im 119. New Yorker Regiment, zeichnete sich bei Chancellorsville besonders aus und wird von Schurz als tapferer Soldat und umsichtiger Offizier sehr belobt. Lockmann war einer der Redner bei Enthüllung des Sigel- Denkmals in New York im Herbst 1907.

L ö h r , Dr. med., Regimentsarzt im 9. Wisconsin-Regiment.

Lutz, John M., Major im 107. deutschen Ohio-Regiment. Fungierte als dessen Regimentsführer in der Schlacht bei Chan- cellorsville am 2. Mai 1863. Dieses Regiment stand mit im Vorder- treffen, als Jacksons Überfall losbrach. Das 107. Ohio-Regiment wurde eine Zeitlang von dem späteren General Edward S. Meyer kommandiert, dessen Vorfahren Süddeutsche waren, welche um 1820 nach Nordohio auswanderten.

Lutz, John B. (genannt Mansfield), Kommandant der Staats- miliz von Indiana. Hat große Verdienste betreffs der Aushebung des Kontingents von Indiana. Delegat auf der republikanischen Nationalkonvention, welche Lincoln nominierte.

L ü b b e r s , John, Oberst des 26. Jowa-Freiwilügen-Regiments. War früher Offizier in der deutschen Flotte gewesen und hatte gegen Dänemark gekämpft. Ausgewandert um 1850.

V. L ü 1 1 w i t z , Adolf, ehemals österreichischer Offizier. Zuerst im 54. New Yorker Regiment, dann im Schurzschen Stabe. Später Kommandeur der Pioniere der Division Schurz. Trat später in englische Kriegsdienste und kämpfte noch im letzten Burenkriege.

t M a h 1 e r , Franz, Oberst des 75. Pennsylvania- Regiments, das von General Bohlen in Philadelphia begründet worden war und ausschließlich aus Deutschen bestand. Nachdem Bohlen Brigade- general geworden war, hat Mahler das Regiment geführt. Er war in Baden Offizier gewesen und hatte sich an dem Aufstande von 1848 bis 1849 beteiligt. Mahler war ein vortrefflicher Exerxier- meister, und ihm wesenthch verdankt das Regiment seine gründ- liche Ausbildung. Gehörte zur deutschen Division Blenkers, nahm an dem Schreckensmarsche quer durch die virginische Bergwelt

W. Kaufmanu, Die Deutschea im amerikaa. Bürgerkrieg. o^

1)30 Malmrose Markbreit.

teil und zeichnete sich glänzend aus in der Schlacht von Gross Keys. Ebenso später bei Bull Run IL Stand bei Chancellorsville in der Division Schurz neben dem 26. Wisconsin- Regiment. Er hat sich auch dort vortrefflich geschlagen. Am ersten Tage von Gettysburg (i. Juli 1863) wurde Oberst Mahler vom Pferde geschossen, als er das Regiment gegen den Feind führte. Er achtete jedoch der Verwundung nicht und blieb bei seinen Leuten. Bald darauf traf ihn eine zweite Kugel tödlich. Er starb am 5. Juli. So sind die beiden ersten Führer des 75. Regiments, Bohlen und Mahler, tapfer kämpfend vor dem Feinde gefallen. Das Regiment erhielt später in Major Ledig einen weiteren vortrefflichen Führer und kämpfte bis zum Ende des Krieges.

Malmrose, Oskar, aus Kiel gebürtig, Advokat in St. Paul, Minn. War Generaladjutant des Staates Minnesota 1861 bis 1865 und organisierte die Truppen desselben, 22 000 Mann, worunter ein Drittel Deutsche, Schweizer und Elsässer waren. Malmroses Verdienste bei der Niederwerfung des Indianeraufstandes von Neu Ulm sind besonders groß. Später war Malmrose amerikanischer Konsul in spanischen und französischen Hafenstädten.

Mann, Batteriechef in Missouri. Die Mannschaft war ganz deutsch. Diese Batterie hat unter Sigel, namentlich aber später unter Osterhaus sich glänzend geschlagen.

Mannhardt, Emil, Redakteur der »Deutschamerikanischen Geschichtsblätter« in Chicago, welche man als eine Fortsetzung des Rattermann'schen Pionier von Cincinnati ansehen kann.

Markbreit, Leopold, zuletzt Oberst. Aus Wien ge- bürtig, Halbbruder des Redakteurs Fritz Hassaurek vom Cin- cinnatier Volksblatt. Markbreit wurde 1907 mit großer Mehrheit zum Bürgermeister von Cincinnati gewählt. Er war einer der letzten Zeugen (gest. 1909) der fürchterlichen Qualen, welche die gefangenen Unionsoffiziere im Libby- Gefängnis zu Richmond zu erdulden hatten. Er war einer der Geiseln, welche vom Lose dazu bestimmt wurden, erschossen zu werden, im Falle die Unionsführung das Todesurteil an drei gefangenen Rebellenoffizieren, welche der Spionage überführt worden waren, vollstrecken sollte. In einer Zelle des Kellers von Libby traf er mit seinem Schicksalsgenossen Emil Frey zusammen. Man lese die furchtbaren Qualen, welche die Geiseln zu erdulden hatten unter Frey. Markbreit hat Freys Mitteilungen durchaus bestätigt.

Märklin Metzger. 531

M ä r k 1 i n , Edmund. Achtundvierziger. Deutschamerikanischer Dichter, diente im 35. Wisconsin-Regiment. Im Bürgerkriege als Wundarzt und als Feldapotheker tätig.

M a 1 1 h i e s , Karl Leopold, Brigadegeneral aus Jowa. Stammte aus Bromberg, war preußischer Landwehroffizier gewesen. Kam 1849 nach Jowa. Er organisierte schon vor Ausbruch des Krieges eine Kompagnie, welche der Gouverneur Kirkwood von Jowa bereits am 9. Januar 1861 annahm. Somit gehört Matthies zu den ersten, welche für den Krieg bereit waren. Oberstleutnant im 2. Jowa- Regiment bei Wilsons Creek, Mo., danach Oberst dieses halbdeutschen Regiments. Belagerung von Corinth, Schlacht bei Juka, wo das Regiment furchtbar litt, von 482 Mann verlor es 217 Tote, Verwundete und Vermißte, darunter 15 tote oder ver- wundete Offiziere. Matthies führte bei Juka eine Brigade, später eine Division des 17. Korps. Die furchtbaren Strapazen machten ihn dienstunfähig im Mai 1864. Ein Medaillonbild von Matthies ziert das Kriegerdenkmal in Des Moines, Jowa.

fMelchert, Wm., Major des 8. Kansas-Infanterie-Regi- ments, wurde beim Sturm auf Missionary Ridge neben einer er- beuteten Kanone erstochen.

f M e n k e , Gustav, Kapitän 9. Pennsylvania- Reserve, fiel bei Bull Run II. Ehemals Sergeant bei den Bremer Hanseaten.

M e r s e y (oder Mercy), Oberst des 9. Illinois-Regiments, einer der tüchtigsten Regimentsführer. Kämpfte bei Shiloh mit großer Auszeichnung in Oberst Raiths Brigade. Er wurde dort schwer verwundet. Führte das Regiment in allen Schlachten, an welchen es beteiligt war. Auf dem Marsche durch Georgia führte Mersey die 2. Brigade, 2. Division, 16. Korps. Während der Atlanta-Kam- pagne (1864) machte Oberst Mercy durch einen Geniestreich 500 Rebellen zu Gefangenen. Mersey war badischer Oberleutnant ge- wesen. Er trat zu der Revolutionsarmee über und führte die 3. Division der badischen Freischärler.

V. Metzdorff, Alwin, ehemals preußischer Offizier, Oberst- leutnant des 75. deutschen Pennsylvania-Regiments. Er wurde bei ChanceUorsville mit gegen 40 Mann seines Regiments im Wald- gefechte abgeschnitten und geriet in Gefangenschaft.

Metzger, Daniel, Major, 29. New Yorker (Stein wehr) Regiment. Führte die Reste des Regiments zur Ausmusterung heim.

34*

532 Metternich Meumann.

f V. Metternich, Germain, Oberstleutnant des 46. New Yorker Regiments, fand auf der Insel Tybee bei Savannah einen schrecklichen Tod. Ein stolpernder Infanterist rannte ihm das Bajonett durch den Hals. Metternich war ein Achtundvierziger, hatte in Baden unter Sigel gekämpft und war früher österreichischer Dragoneroffizier gewesen.

Meyer, Louis G., Dr. med., Stabsarzt im 25. Ohio-Regiment, später Brigade- Stabsarzt und zeitweilig Oberarzt des 11. Armee- korps. Stammte aus Cleveland, O. Diente während des ganzen Krieges und war einer der bekanntesten Ärzte der Potomacarmee. In der Schlacht von Chancellorsville ließ er sich gefangen nehmen, um sich der vielen Verwundeten unter den Gefangenen besser an- nehmen zu können.

Meyer, Seraphim, Oberst des ganz deutschen 107. Ohio- Regiments aus Cleveland, Sandusky und Toledo rekrutiert. Das Regiment litt furchtbar bei Chancellorsville (220 Tote, Verwundete und Vermißte. Kämpfte glänzend bei Gettysburg, wo es die Fahne des 8. Regiments der »Louisiana Tiger« eroberte. Verlust der 107er bei Gettysburg 400 (!!) von 550 Mann.

Meysenburg, Theod. Aug., aus Köln gebürtig, kam als Jüngling nach St. Louis. Trat 1861 in Sigels 3. Missouri- Regiment, wurde bald Sigels Adjutant und avancierte rasch. War Sigels rechte Hand bei Carthage, Wilsons Creek, Pea Ridge und Bull Run II. Oktober 1862 wurde Meysenburg Generaladjutant des 11. Armee- korps. Als solcher bei Chancellorsville und Gettysburg (unter Howard) an führender Stelle. Zog dann mit den Korps 11 und 12 nach Tennes- see und diente General Hooker als Stabschef mit dem Range eines Obersten. Nachdem Sigel 1864 wieder aus der Versenkung auf- getaucht war, kehrte Meysenburg zu Sigel zurück und wurde aber- mals dessen Stabschef. Als solcher machte er die unglückliche Schlacht bei New Market mit, blieb aber Sigel treu, als dieser nach jener Niederlage ein geringeres Kommando erhielt. Meysenburg starb hochgeachtet in St. Louis.

Meumann, Theodor, Oberst im 3. deutschen Missouri- Regiment, Architekt und Zivüingenieur. Avancierte am 17. November 1861 zum Führer des alten Sigelschen Regiments, nachdem er vorher Major gewesen war. Er galt als einer der tüchtigsten deutschen Offiziere. Die Veteranenvereinigung Grand Army of Republic ehrte ihn nach seinem Tode, indem sie einen ihrer Posten nach ihm

V. Meusel Mindel. 5I'i3

benannte. Meumann zeichnete sich besonders vor Vicksburg aus. Meumann hatte in Preußen gedient und war dort Landwehroffizier geworden. Er starb wenige Jahre nach dem Kriege, wie so viele seiner Kameraden, an den Folgen der furchtbaren Strapazen.

f V. Meusel, Kapitän des deutschen 29. New Yorker Regi- ments, wurde zu den Vermißten bei Chancellorsville gezählt. Man hat nie wieder von ihm gehört. Er ist wahrscheinüch gefallen. Die Zahl derjenigen Leute, welche als »missed in battle« angeführt und meistens dann als »gefangen« bezeichnet werden, ist sehr groß. Von sehr vielen »Vermißten« weiß man, daß sie zu den Schwer- verwundeten zählten, vom Feinde übernommen wurden und später nicht wieder gemeldet worden sind. In den vielen Waldgefechten blieb mancher arme Verwundete im Dickicht liegen. Der Wald wurde in Brand geschossen, die Blessierten, welche dort hilflos lagen, traf ein schrecklicher Tod. Bei Chancellorsville kam es zu großen Waldbränden. Hunderte von Verwundeten wurden von ihren Kameraden und auch vom Feinde gerettet, aber wieviele mögen noch unentdeckt geblieben seini v. Meusel war früher preußischer Offizier.

fMihalotzey, G., Deutschungar, früher österreichischer Offizier, Oberst des 24. Illinois-Regiment. Kaum von einer in der Schlacht am Chickamauga erhaltenen schweren Wunde genesen, wurde er im Februar 1864 bei einer Rekognoszierung am Buzzard Roost in Georgia abermals so schwer verwundet, daß er bald darauf starb. Beerdigt auf dem Nationalfriedhofe in Chattanooga, wo 13 000 gefallene Soldaten ruhen.

M i 1 1 e t , Friedrich, Deutschelsässer, Major eines Missourier Reiter-Regiments.

Mindel (auch Mindil genannt) , Georg W. , aus Frankfurt sc. M. Diente im 27. New Yorker Infanterie-Regiment. Wurde bald dessen Oberst, war Stabsoffizier Mc Clellans im Halbinselfeldzuge sowie des Generals Phil. Kearney in der zweiten Bull Run- Kampagne. Führte später eine Brigade von fünf Regimentern im 9. Korps. Darauf wirkte er im Westen unter Sherman, Marsch durch Georgia, als Brigadier. Zeichnete sich aus bei Missionary Ridge. Wurde Brevet-Majorgeneral und ruht auf dem Nationalfriedhofe zu Ar- lington, Heights. Mindel erhielt zwei Tapferkeitsmedaillen, die erste weil er, während er als Adjutant fungierte, den Angriff eines Regiments leitete, welches in der Schlacht von Williamsburg

534 Mitzel V. Moschzisker.

(5. Mai 1862) das feindliche Zentrum durchbrach. Durch diesen Angriff wurde die konföderierte Artillerie zum Schweigen gebracht, und die Stürmenden gelangten in den Rücken des Feindes. Die zweite Auszeichnung erhielt Mindel auf dem Marsche durch Georgia. General Sherman spricht von diesem deutschen Offizier mit großem Lobe. Auch Mindel starb bald nach dem Kriege infolge der furcht- baren Strapazen.

Mitzel, Alexander v., Oberstleutnant, 74. Pennsylvania, ehemaliger preußischer Offizier, hatte den Schleswig-Holsteinschen Krieg (1847) mitgemacht. Leitete mit Schimmelf ennig den Rückzug der 3. Division des 11. Korps bei Gettysburg und entkam der Ge- fangennahme dadurch, daß er seine beiden Angreifer niederschoß, wodurch auch General Schimmelfennig Gelegenheit erhielt, sich zu retten.

Mögling, W. C, Oberstleutnant, 11. Connecticut- Regiment, kämpfte ruhmvoll in der Schlacht von Cold Harbor, 3. Juni 1864.

Moor, August, Brigadegeneral, geb. 1814 in Leipzig. Be- teiligte sich schon mit 16 Jahren an der Julirevolution in Paris. Kam 1833 nach Amerika. Nahm im Jahre 1836 als Leutnant am Seminolenkriege in Florida teil und zog zusammen mit Koseritz und Lehr 1846 in den mexikanischen Krieg (und zwar in Heinrich Bohlens deutschem Milizregimen te). Moor brachte es in jenem Kriege zum Obersten. Organisierte im Mai 1861 das 2. Cincinnatier deutsche Regiment (Nr. 28, Ohio), welches sich besonders bei Droop Mountain, Va., (November 1863) ausgezeichnet hat und auch bei Piedmont ruhmvoll kämpfte. Moor befehligte unter Sigel im Mai 1864 die Vorhut, welche die Schlacht von New Market einleitete und am ersten Tage allein gegen Imboden kämpfte.

Mochardt, Ingenieur, Major im Sheridanschen Stabe während des Feldzuges in Tennessee 1862. Wird von Sheridan als außerordentlich tüchtiger Topograph gerühmt.

Moskowski, Stanislaus, Chef der Batterie A, i. Penn- sylvania-Artillerie-Regiment, die nach Bull Run I gebildet wurde.

V. Moschzisker, Dr. med., Franz A., Stabsarzt in der österreichischen Armee, beteiligte sich an der Erhebung in Ungarn, hervorragender, auch von Carlisle gerühmter Schriftsteller. Kam im Jahre 1853 nach Amerika. Während des Bürgerkrieges Militärarzt in den großen Hospitälern von Washington.

Mühleck Neuhaus. 535

M ü h 1 e c k , Gustav A., Oberstleutnant des 'j^. Pennsylvania- Regiments. Popes Feldzug und Bull Run II. Ehemals deutscher Offizier. Führte das Regiment, nachdem Major Brückner gefallen war.

I M c C o o k , Robert, von irischer Abkunft, erster Oberst des berühmten deutschen g. Ohio-Regiments. Mc Cook sprach deutsch und kommandierte das Regiment deutsch. Schwer ver- wundet bei Mül Spring, wurde er schon im Frühling 1862 von Busch- kleppern erschossen, Die Mc Cooks bilden eine echte Helden- familie, Sie stammten aus Steubenville, O. Der Vater und neun Söhne traten in die Armee ein. Drei Mc Cooks wurden Generale. Robert Mc Cook war der einzige Nichtdeutsche im Cincinnatier Turner- Regiment. Zum Obersten wurde er auf S tallos Rat erwählt.

Müller, Karl, Oberstleutnant im deutschen 107. Ohio- Regiment, verlor bei Gettysburg einen Arm.

Müller, Jakob, Cleveland, O., Vizegouverneur von Ohio. Hat große Verdienste um die Organisation der deutschen Regimenter von Nordohio, Verfasser eines der besten Werke über die Achtund- vierziger in den Vereinigten Staaten: »Erinnerungen eines Achtund- vierzigers«, Als deutschamerikanischer Volksmann namentlich im Westen bekannt und hochgeehrt. Glänzender Redner.

M ü n c h , Friedrich, Theologe aus Deutschland, Farmer und Weinzüchter in Warren Countj^, Mo. Fruchtbarer, verdienstvoller Schriftsteller, als »Far West« allgemein bekannt, Flüchtling aus der dreißiger Bewegung in Deutschland. Münch war einer der treuesten und edelsten unter den Freiheitskämpen von 1861. Er organisierte die Deutschen seines Distriktes und schickte seine beiden Söhne ins Unionsheer. Der eine Sohn, ein 18 jähriger Jüngling, starb bei Wilsons Creek den Heldentod. Der andere Sohn folgte der Fahne bis zum Ende des Krieges.

N a s t , Thomas, berühmter Karikaturenzeichner für »Harpers Weekly«, Wirkte dadurch mächtig auf den Patriotismus des nörd- lichen Volkes. Geb. 1840 in der Pfalz.

N a z e r , F., Oberstleutnant, führte das ehemals Dickeische 4. New Yorker Reiter- Regiment (deutsch) in der Popeschen Kam- pagne 1862 und bei Bull Run IL

Netter, Gabr. , Oberst des 15. Kentucky-KavaUerie-Regiments.

N e u h a u s , Dr. med., Regimentsarzt im Sigelschen Korps, wurde mehrfach auf den Schlachtfeldern beim Verbinden der Ver- wundeten selbst schwer verwundet. So am Rappahannock Anfang

536 Neustädter Oesterreich.

August 1862, WO er von drei Kugeln getroffen wurde und in der zweiten Schlacht bei Bull Run. Er wurde dienstunfähig und mußte den Abschied nehmen. Dr. Neuhaus war 1849 i^ Rastatt Regiments- arzt der Freischärler gewesen.

Neustädter, J. Albert, ehemals preußischer Artillerist, bedeutender Ingenieur, diente als Kapitän während des ganzen Krieges. Neustädter stammte aus Trier, kämpfte 1848 in Baden und wurde in Rastatt mitgefangen. Er entfloh zusammen mit Karl Schurz aus dieser Falle. Schurz beschreibt diese Episode sehr anschaulich in seinen Erinnerungen. Neustädter wurde dann Privatsekretär von Karl Vogt, wanderte 185 1 nach Amerika aus und fungierte unter Börnstein als Geschäftsführer am »Anzeiger des Westens« in St. Louis. Organisierte 1861 eine Batterie, deren Chef er wurde und die bei den ersten Kämpfen in Missouri sofort in Aktion trat. Kämpfte unter Lyon und Fremont, erbaute dann das Fort Anderson und trat darauf in Shermans Stab (Cumber- land- Armee). Neustädter zählte zu den tüchtigsten Artilleristen der westlichen Heere, wirkte in den meisten Schlachten der Cumber- land- Armee mit und hat sich oft ausgezeichnet. War auch vielfach in hervorragender Weise schriftstellerisch tätig.

Nicodemus, Wm., Generaladjutant im Departement New Mexico, wird vielfach während des Red River-Feldzuges er- wähnt.

Nix, Jakob, ehemals süddeutscher Offizier, leitete die Verteidigung der deutschen Turnerstadt Neu-Ulm, Minn., bei dem Kampfe mit den Sioux-Indianern, 23. und 24. August 1862.

Nordhoff, Karl, Westfale, bedeutender Kriegskorrespon- dent der großen englisch-amerikanischen Blätter von New York.

N ö c k e r , Alfred, Kapitän der 12. Unabh. Ohio-Batterie. Diese Batterie eröffnete die Schlachten von Gross Keys und Bull Run II unter Milroy. Deckte mit Dickeis Batterie den Rückzug. Kämpfte später im Westen besonders in den Schlachten von Franklin und NashviUe. Nöcker wurde zweimal verwundet.

f Oderfeld, Kapitän, schwer verwundet bei Shermans erstem Sturme durch Chickesaw Bayou (vor Vicksburg) Dezember 1862. Starb im Hospital.

•fOesterreich, Georg, Hoestrich genannt. Kapitän im 46. New Yorker Infanterie-Regiment (Rosas Fremont Rifles). Fiel bei BuU Run II, als er die bedrohte Regimentsfahne ergriffen hatte.

Olshausen Parcus. 537

Olshausen , Theodor, Holsteiner. Redakteur der »Westl. Post« in St. Louis. Einer der tüchtigsten Führer bei der deutschen Erhebung von St. Louis. Olshausen war in Schleswig-Holstein der tätigste Führer des Aufstandes gegen die Dänen gewesen. Die »Westl. Post«, welche Theo. Olshausen bis zum Jahre 1865 redigierte, verdankt diesem hochbegabten edlen Manne außerordent- lich viel. Nach dem Kriege bekam Olshausen Heimweh und kehrte nach Deutschland zurück.

Orff , H., Oberst des 35. halbdeutschen Wisconsin-Reg.

Ottendorfer, Oswald, bedeutender Pubhzist, Redak- teur der New Yorker Staatszeitung. Achtundvierziger aus Wien. Ottendorfer hat sehr viel dazu beigetragen, um die deutschen Demokraten für die Unionssache zu begeistern. Die Staatszeitung war ein demokratisches Parteiblatt und diente während der kriti- schen Periode manchem der Achtundvierziger als Zielscheibe von zum Teil geradezu pöbelhaften Angriffen. Ottendorfer resignierte als Präsident schaff selektor des Staates New York, nachdem die Charlestoner Konvention sich für die extremsten Forderungen der Sklavenhalter erklärt hatte und führte das höchst einflußreiche Blatt dem Unionslager zu. Ottendorfer sowie dessen Gattin, ehe- mahge Frau Uhl, haben ihren großen Reichtum in den Dienst der Wohltätigkeit gestellt und bedeutende Stiftungen sowohl in New York als in der alten Heimat hinterlassen.

Otto, Oberst, 50 New Yorker Regiment, war Generalstabs- chef der Schurzschen Division bei Gett^^sburg und wird von Schurz belobt wegen der geschickten Führung der Regimenter 82. Illinois und 45. New York.

Paul, Gabriel, führte ein Regiment im Red River- Feldzuge.

Paul, G. R., General, kommandierte die 3. Brigade der I. Division im i. (Reynolds) Korps, welche in der Schlacht am Antietam den Feind zweimal warf, an der Sunken Road und beim Piper House, In der Schlacht von Gettysburg wurden dem General Paul beide Augen ausgeschossen. VöUig erblindet, mußte er seinen Abschied nehmen. Auch Pauls Sohn kämpfte als Offizier in der Unionsarmee. Derselbe wurde im National- Soldatenheim von Vir- ginien von einem betrunkenen Kameraden erstochen.

•f Parcus, Oberstleutnant im 46. deutschen New Yorker Regiment. Wurde kurz vor Ende des Krieges vor Petersburg durch eine Bombe getötet.

538 Peißner Pfisterer.

f P e i ß n e r , Elias, Oberst des wohl zu einem Drittel aus Deutschen bestehenden 119. New Yorker Regiments. Er fiel bei Chancellorsville, am 2. Mai, als er sein Regiment zum Widerstände gegen den Jacksonschen Überfall ordnete. War vor dem Kriege Professor am Union College in Schenectady, N. Y. Er glich in seinem Äußeren dem König Ludwig I. von Bayern derartig, daß er allge- mein als dessen Sohn galt. Schurz, der Peißner genau kannte und hochschätzte, ist der Meinung, daß Peißner wirklich von Witteis- bacher Abstammung war. Als nach der Schlacht von Chancellors- ville in New York die große deutsche Indignationsversammlung stattfand, um gegen die von den Westpointern erhobene Beschuldi- gung der deutschen Soldaten, »sie wären Feiglinge gewesen und hätten durch ihr Verhalten die Schlacht von Chancellorsville ver- loren«, zu protestieren, erhob sich die ganze Versammlung, als der Name Peißner von Friedrich Knapp in dessen großer Rede ge- nannt wurde.

P e r c z e 1 , Nikolaus, Oberst des 10. Jowa - Regiments. Deutschungar. Führte in den westlichen Feldzügen eine Brigade, welche sich bei Juka, September 1863, auszeichnete. Perczel konnte mit den angloamerikanischen Offizieren nicht auskommen. Er beklagte sich über die Trunkenheit, welche bei seinen Kameraden und namentlich bei seinen Vorgesetzten herrschte.

Pfänder, Wilhelm, bedeutender Artillerieoffizier aus Minnesota. Kämpfte ruhmvoll bei Shiloh (s. »Die Deutschen bei Shiloh«). Bekannter Turnerführer im Westen.

Pfisterer, Frederick, Kapitän in der regulären U.S.- Infanterie, 14. Korps, Cumberlandarmee. Er ist der Verfasser der »Statistical Records of the Armies of the United States«, New York, bei Scribners Sons 1883. Das Buch ist in der Scribnerschen Samm- lung erschienen. General W. T. Sherman sagt von Pfisterers Buch, daß es die zuverlässigste Hilfsquelle ist. Mit erstaunüchem Fleiße und echt deutscher Gründlichkeit hat Pfisterer die Kriegsgeschichte als Statistiker behandelt und seinen Stoff so übersichtUch geordnet, daß man sich daraus sofort über die Details des Krieges infor- mieren kann. Pfisterer war Inhaber der vom Kongreß bewilligten Tapferkeitsmedaille für einen heldenmütigen Ritt in den Rücken des Feindes bei Stone River (Murfreesboro). Er kam als Kind mit seinen Eltern aus Württemberg nach Amerika.

V. Pilsen v. Puttkamer. 539

f V. Pilsen, Oberst der Artillerie. Ehemals österreichi- scher Offizier. Zeichnete sich besonders unter Fremont, 1862, im Shenandoahtale gegen Jackson aus. Wurde bei einer Rekognoszie- rung schwer verwundet und starb an den Folgen.

P o m u t z , George, Oberstleutnant im 15. Jowa- Regiment.

Poschner, Friedrich, ehemaliger preußischer Offizier. Achtundvierziger. Erster Oberst des 47. Ohio-Regiments.

P o t e n , August, Oberstleutnant des deutschen 17. Missouri- Regiments. Führte dasselbe bei Pea Ridge und erstürmte in dieser Schlacht eine wichtige Stellung des Feindes. Später Oberst des 5. Missouri-Regiments. Als solcher ehrenvoll beteiligt an den Kämpfen in Tennessee und an dem Marsche durch Georgia. Oberst Poten war früher hannoverscher Offizier und Sohn eines Kriegsministers. Er mußte sich nach dem Kriege als Schenkkellner in St. Louis kümmerlich sein Brot verdienen.

Pretorius, Dr. Emil, Redakteur der »Westl. Post«, Kaufte dieses Blatt 1865 von Olshausen. Pretorius brachte Schurz an die »Westl. Post« und verschaffte demselben einen Anteil an der Zeitung. So wurde der bis dahin in Wisconsin beheimatete Schurz in Missouri eingebürgert und bald darauf Bundessenator von Missouri.

V. Püchelstein, Anton, Major des 4. New Yorker Reiter- Regiments. Ehemals preußischer Kavallerieoffizier. Kam zu- nächst in den Stab Blenkers und wurde ein beHebtes Mitglied von dessen Tafelrunde, v. Püchelstein war ein außerordentlich schneidiger Offizier und stets im Vordertreffen. Nach dem Kriege wurde er Pastor einer deutschen reformierten Gemeinde in Egg Harbor City, N. J. Die Umsattlung von der Kavallerie zur Theologie ist übrigens in Amerika häufiger vorgekommen. Verfasser hat selbst mehrere ehemalige Offiziere gekannt, welche als Seelsorger (und zwar in segensvoller Weise) wirkten.

V. Puttkamer, A., hervorragender Artillerieoffizier, Kapi- tän der II. New Yorker, meist aus Deutschen bestehenden, Batterie. Verlor bei Jacksons Überfall von Manassas Junction vier Geschütze seiner Batterie, rettete aber mit den beiden anderen Wagners Brigade bei derem Rückzuge vor der Vernichtung. Zeichnete sich glänzend bei Antietam aus und befehligte die Artillerie von Whipples Division, Korps Sickles, in den Schlachten von Chancellorsville und Gettys- burg. Von General Sickles besonders belobt. Gehörte dem märkisch

540 ^- Radowitz Rapp.

pommerschen Geschlechte der Puttkamers an, welchem so viele bedeutende Militärs und Beamte entstammen.

V. Radowitz, Paul, Oberstleutnant im Stabe Mc Clellans, früher Offizier der preußischen Garde du Corps, Sohn des Kriegs- ministers. Hat sich vielfach, namentlich am Antietam, ausgezeichnet. Mc Clellan spricht von ihm in »Mc Clellans own story« geradezu mit Begeisterung. Als der Deutsch-Französische Krieg ausbrach, befand sich Mc Clellan auf einer Besuchsreise in Berlin. Er machte den preußischen Kriegsminister damals auf v. Radowitz aufmerksam. Er meinte, daß die Erfahrungen, welche v. Radowitz in Amerika gesammelt hatte, der deutschen Kriegsführung von hohem Werte sein würden. Aber Gründe, welche mit dem Austritte des v. Rado- witz aus der preußischen Armee zusammenhingen, vereitelten dessen Rückberufung aus Amerika, obschon General v. Roon sich große Mühe gegeben haben soll, den »verlorenen Sohn« der preußi- schen Armee wieder zuzuführen. Nach Mc Clellans Entlassung wurde auch dessen Stab aufgelöst, und die Offiziere desselben verloren ihre Stellen, eine der größten Ungerechtigkeiten, welche der Krieg gezeitigt hat. Man muß dabei immer bedenken, daß die Organisation der Freiwilligenarmee auf den Einzelstaaten basierte, nicht auf der Bundesmacht. Ob v. Radowitz, der ein aus- gezeichneter Offizier war, nach seiner Entlassung ebenfalls Straßen- bahnkutscher geworden ist wie so viele seiner Kameraden nach dem Friedensschlüsse?

f R a i t h , Julius. Entstammte der Belle viller lateinischen Siedelung (aus Göppingen in Württemberg gebürtig), machte den Mexikanischen Krieg mit. 1861 Oberst des 43. Illinois- Regiments, das zum großen Teil aus Belleviller Deutschnachkommen bestand. In der ersten großen Schlacht des Bürgerkrieges befehligte er eine Brigade bei Shiloh (6. April 1862). Er wurde schwer am Fuße verwundet. Seine Leute wollten ihn forttragen, aber Raith wehrte ab. Er wollte nicht, daß auch nur ein kampffähiger Mann im Gefechte entbehrt werde. Aber die Unionstruppen wurden geworfen, und Raith blieb während der folgenden Nacht im Walde Hegen. Der Brand setzte ein, und der tapfere Mann starb bald darauf. Neben ihm fiel sein Neffe, ein kurz vorher eingewanderter Jünghng aus Göppingen.

Rapp, Wilhelm, JoumaHst. Focht tapfer mit der Feder für die Union, und zwar in der Rebellenstadt Baltimore. Mußte

Rassieur Rempel. 541

vor dem Mob, der ihn lynchen wollte, flüchten. Wirkte später in New York, Badtimore und starb 1906 hochbetagt in Chicago.

Rassieur, Leo. Der einzige Deutsche, welcher das Ehrenamt des Oberkommandeurs der Grand Arm}^ RepubHc (der großen Veteranenorganisation) bekleidet hat. Diente im i. Reserve- Regiment von Missouri, dann bis Ende des Krieges als Major in einem halbdeutschen Illinois- Regimente. Trat mit 17 Jahren in das Heer ein. Da er die englische Sprache außerordentlich gut be- herrschte) so war er noch als halber Knabe, im April 1861, oft der Wortführer der Deutschen in den Verhandlungen mit den anglo- . amerikanischen Unionsmännern von St. Louis.

Rattermann, H. A., Cincinnati. Bedeutender, überaus fleißiger deutsch-amerikanischer Geschichtsforscher. Trug sich lange mit dem Plane, auch den Anteil der Deutschen am Bürger- kriege darzustellen, hatte bedeutende Vorstudien dazu gemacht. Aber als ihm die Redaktion des »Pionier« entzogen wurde, ließ er den Plan fallen. Das Eingehen dieser unter Rattermanns Leitung zu einer hochbedeutenden Zeitschrift gelangten Zeitschrift verbitterte den tüchtigen Mann. Kleinliche Vereinsmeierei und völliges Verkennen der hohen Ziele des auch als Dichter hervorragend veranlagten Redakteurs waren die Ursachen jenes Redaktionswechsels, dem bald das Verschwinden des »Pionier« folgte.

Reichert, Franz, Batteriechef im 3. Pennsylvania-Artil- lerie-Regiment.

Reichenbach, H., Dr. med. Tüchtiger Chirurg bei den deutschen Truppen von Jowa. Stammte aus Davenport, Ja.

Reichhelm, E. P., Privatsekretär Sigels während der ersten Missouri- Kampagne, später Hauptmann. Kämpfte in vielen Schlachten des Westens und zeichnete sich mehrfach aus. Kapitän Reichhelm hat seine Kriegserfahrungen in einem längeren Werke dargelegt, das den Titel »A Yankee-Ca valier« führt, aber leider nur im Manuskript vorliegt. Die Schilderungen gewähren einen guten Einblick, namentlich in die kleinen Dinge des Krieges, in das Leben im Felde und auf dem Marsche usw.

Rempel, Ferdinand, Oberstleutnant des 58. halbdeutschen Ohio-Regiments. Führte dasselbe beim Sturm auf Fort Donelson und holte die Rebellenfahne herunter. Mußte seinen Abschied in- folge Verwundung nehmen.

542 Retzius Richter.

R e t z i u s , Major und letzter Regimentsführer im 52. (Freuden- bergschen) deutschen New Yorker Regiment.

Frau Reynolds, Major. Das war die Gattin des deutschen Leutnants Reynolds, vom 17. Illinois- Regiment. Sie folgte ihrem Manne in den Krieg und pflegte die Verwundeten nach der Schlacht von Shiloh mit solcher Hingebung, daß der Gouver- neur Yates von Illinois dieser wackeren deutschen Frau das Patent eines Majors als Belohnung zuschickte.

Rheinländer, John, Oberstleutnant des 25. Indiana- Regiments, machte den Mexikanischen und den Bürgerkrieg von Anfang bis zu Ende mit. Er wurde bei Atlanta schwer- verwundet.

Reuß, P. O., Dr. med. Regimentsarzt des 29. New Yorker Regiments (deutsch). Einer der tüchtigsten Chirurgen der Potomac- armee. Rühmlichst bekannt als Schriftsteller unter dem Pseudonym »Otto Weiden«. Sein bedeutendstes Drama Arria ist mehrfach aufgeführt worden. Manches schöne Gedicht und mehrere Romane und Novellen entstammten seiner Feder. Dr. Reuß erblindete in späteren Jahren und starb in New York. Sein Schriftstellername ist noch unvergessen.

Richter, Erhardt, nur ein gemeiner Soldat, aber sein furchtbares Schicksal verdient die größte Teilnahme. Richter war bei Ausbruch des Krieges Besitzer einer Brauerei in der Rebellen- hauptstadt Richmond. Er wurde als entschiedener Unionsmann boykottiert und ging dann, seine ganze Habe im Stiche lassend, nach New York. Dort trat er mit seinen beiden Söhnen (17 und 18 Jahre alt) in das 5. ArtiUerie-Regiment ein. Beide Söhne starben den Heldentod. Richters Brauerei wurde von den Rebellen nieder- gebrannt. Als Richmond gefallen war, suchte Richter seinen Grund- besitz in jener Stadt zu verkaufen. Dazu bedurfte er eines beson- deren Erlaubnisscheines des Präsidenten. Richter ging an einem Sonntage zu Lincoln. Da aber ein an diesem Tage ausgestelltes amtliches Dokument keine Gültigkeit hatte, so bat ihn Lincoln, an einem anderen Tage wiederzukommen. Ehe Richter den Präsi- denten wieder sprechen konnte, hatte Booths Kugel den edlen Mann für immer beseitigt. Richter wandte sich dann an General Halleck um jenen Erlaubnisschein, wurde aber von diesem abgewiesen. Daraufhin wurde Richter wahnsinnig. Er starb bald darauf im tiefsten Elende.

Riedt Rosa. 543

R i e d t , Major. Führer des deutschen 27. Pennsylvania- Regiments (früher Buschbecks) bei Missionary Ridge.

t R i n g o 1 d , Benjamin, Württemberger, der zweite Oberst des 103. deutschen Regiments, fiel in der Schlacht von Suffolk an der Spitze seiner Truppen.

Ritter, Oberst, führte eine Brigade im Arkansas-Feldzuge.

Ritter, Louis, Achtundvierziger, Cleveland, O. Ver- fasser der Geschichte des deutschen 37. Ohio- Regiments (in Whitelaw Reids Werke »Ohio in the War«. Gouverneur Tod von Ohio ernannte Ritter zum Kommissär für das Verpflegungswesen und den Lazarett- dienst.

R o e m e r , Jakob, Batteriechef (N. Y.) im Sigelschen i. Korps, in der Popeschen Kampagne und in der Schlacht von Bull Run IL

V. Roggenbucke, Oskar. Ehemals preußischer Major. Achtundvierziger. Einer der eifrigsten Unionsfreunde in Texas. Seine beiden Söhne ertranken als Unionssoldaten im Rio Grande.

fRollshausen, Ferdin., Major im 82. Illinois- (Hecker-) Regiment. Wurde bei Chancellorsville tödlich verwundet. Kapitän Frey wurde Rollhausens Nachfolger als Major.

Rombauer, Rob. J., Oberst des i. Reserve- Regiments, Missouri. Deutschungar. Hatte unter Kossuth gekämpft.

Rosengarten, J. C, Verfasser des mehrfach zitierten Buches »The German Soldier in the Wars of the United States«, t,v^, gewidmet dem Andenken des Bruders des Verfassers, der als Major im 15. Pennsylvania-Reiter-Regiment in der Schlacht von Stone ^

River (Murfreesboro) den Heldentod starb. Die Brüder sind Söhne einer deutschen Familie aus Philadelphia. Rosengarten behandelt in englischer Sprache den Anteil der Deutschen an allen Kriegen der Union: Revolutionskrieg, Grenzerkriege und Indianerkämpfe, Krieg von 1812 und den Bürgerkrieg. Das vortreffliche Buch, 1882 erschienen, ist auch ins Deutsche übersetzt worden. Die deutsche Ausgabe 1890 bei C. Grosse in Kassel, Manche der Irrtümer Rosen- gartens, welche die spätere Geschichtsforschung erst aufgeklärt hat, sind hier berichtigt worden. Das Buch ist besonders in seinem statistischen und biographischen Teile wichtig. Doch enthält es leider keine eingehenden Schilderungen des Anteils der Deutschen am Bürgerkriege.

Rosa, V. Rudolf, ein schlesischer Edelmann und preußi- scher Ingenieuroffizier; nahm vor 1848 seinen Abschied und schloß

544 Rückstuhl Salomon.

sich der Revolution an. Flucht nach Amerika, 1850 in Washington. Fand dort sofort Anstellung bei der Küstenvermessung und wurde später Zivilingenieur in New York. Organisierte 1862 das 46. deutsche (Fremont) Regiment von New York und wurde dessen Oberst. In einer der Schlachten auf der Halbinsel wurde v. Rosa, an der Spitze seines Regiments zum Angriff reitend, so schwer verwundet, daß er dienstunfähig wurde. Trotzdem kehrte er vor der Schlacht von Gettysburg zurück und führte dort sein Regiment glänzend. Er war eine kraftvolle ritterliche Gestalt und im Gefecht von der größten Ruhe. Starb in New York als Ingenieur.

Rückstuhl, Jak., Oberstleutnant, 4. Kentucky- Kavallerie- Regiment.

fRuitinghausen, Oberst des 58. Illinois-Regiment. Hat sich oft ausgezeichnet. Sein als Kapitän im selben Regiment dienender Sohn fiel an des Vaters Seite bei Shiloh.

t R u s c h , Nikolas, Major. 1822 in Holstein geboren. Einer der tüchtigsten deutschen Volksmänner des (damaligen) fernen Westens. Staatssenator von Jowa, Vater eines Gesetzes, welches den Ansturm der Temperenzfanatiker in Jowa 20 Jahre lang aufge- halten hat. Vizegouverneur von Jowa. Glänzender Redner in beiden Sprachen. Einwanderungsagent für Jowa in New York. Im Kriege bildete Rusch aus solchen deutschen Einwanderern, welche zum Militärdienst untauglich waren, ein militärisch organisiertes Korps von Holzhackern. Diese Leute fällten und verfrachteten das Brenn- holz für die große Bundesflotte auf dem Mississippi, waren aber von Rusch auch so ausgebildet, daß sie mit den Waffen die Guerilla- banden des Feindes abwehren konnten. Die Versorgung der Kanonen- boote mit Brennmaterial war eine Tat, wobei man keinen Kriegs- ruhm erwerben konnte, aber sie war von höchster Wichtigkeit, denn dadurch wurde die Flotte kampffähig erhalten. Rusch starb im September 1864 in Vicksburg. Auch er ist auf dem Felde der Ehre gefallen.

S a h m , Mich., Batteriechef im 2. Ohio- Artillerie-Regiment. Aus Dayton, O., von wo auch die deutsche Mannschaft stammte.

Salomon, vier Brüder, aus dem Dorfe Ströbeck bei Magdeburg, wo ein Schachbrett auf dem Kirchturme steht, und wo schon die Kinder Schach spielen lernen. 1848 nach Wisconsin aus- gewandert. Drei der Brüder standen im Felde. Friedrich S. wurde Titular- Generalmajor, C. Eberhard S. Brigadegeneral,

Salomon. 545

der dritte Bruder diente als gemeiner Soldat, der vierte, Edward S., war während des Krieges Gouverneur von Wisconsin.

Friedrich S., der bedeutendste der vier Brüder, ist der Sieger von Helena, Ark. (s. unter Vicksburg), sowie von Jenkins Ferry, zwei Aktionen, in welchen Friedrich S. selbständig und mit großer Auszeichnung führte. Den Sieg bei Helena beanspruchte später der General Prentiss, welcher Salomons Vorgesetzter war. Doch haben alle Unionsoffiziere, welche an dem Kampfe beteihgt waren, schriftlich bezeugt, daß Friedrich Salomon die Verteidigung jenes Platzes selbständig führte. Beteiligt war er an vielen Ge- fechten und Schlachten, jedoch kämpfte Friedrich Salomon fast stets auf abgelegenen Kriegsschauplätzen des Westens und Süd- westens, und es war ihm nicht beschieden, in den großen Entschei- dungsschlachten eine Führerrolle zu bekleiden. Er starb als Bundes- beamter in Salt Lake City.

C. Eberhard S., Oberst des deutschen 3. Missouri-Regi- ments und Brigadegeneral, kämpfte bei Wilson Creek und Pea Ridge in Sigels Brigade und bei Sarcoxia, Mo., Prairie Grove, Ark. Letztere Gefechte waren erneuerte Versuche der Konföderierten, Missouri zurückzuerobern. In diesen Kämpfen hat sich Salomon sehr aus- gezeichnet. Ebenfalls in der Red River- Kampagne von 1864, wo C. Eberhard unter seinem Bruder Friedrich kämpfte. Ruhmes- tage sind dort: Pine Bluff , Ark., April 1864, und Jenkins Ferry.

Edward S., gestorben 1908 zu Frankfurt a. M., war Gouver- neur von Wisconsin während des Krieges. Er organisierte das 26. deutsche Wisconsin- Regiment. Er ernannte die Obersten nicht aus politischen Rücksichten, sondern auf Grund ihrer Tüchtigkeit und Erfahrung. Er war der einzige Gouverneur, welcher das Kon- skriptionsgesetz energisch durchführte. Der Indianerkrieg im be- nachbarten Minnesota wurde durch Gouverneur Salomons Maß- regeln auf jenen Staat beschränkt. - Bedeutender Jurist, wirkte später als Anwalt in New York. Hervorragender Deutschamerikaner.

Salomon, Edward S., Oberst, Titular-Brigadegeneral. Kein Verwandter der vier Brüder Salomon. Organisierte die jüdische Kompagnie im Hecker- Regimente, 82. Illinois. Wurde Oberstleutnant desselben und führte das Regiment, nachdem Hecker bei Chancellorsville verwundet worden war. Wurde bald darauf Oberst der 82er und führte dieselben bei Gettysburg. Schurz lobt Salomon besonders. Kämpfte vom Herbst 1863 an im Westen,

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. 35

546 Salm-Salm.

bei Chattanooga und auf Shermans Marsche durch Georgia. Bei Bentonville warf das Regiment, März 1865, mehrere Angriffe des Feindes zurück und Salomon erhielt für diese Tat den Generals- titel. — Nach dem Kriege wurde Salomon Gouverneur des Terri- toriums Washington. Lebte 1910 als Anwalt in San Franzisko.

S a 1 m - S a 1 m , Prinz Felix, Oberst, später Brigadegeneral. Führte die Regimenter Nr. 8 und Nr. 68, New York, und während des Zuges durch Georgia eine Brigade. Die Salm- Salms gehören zu den ältesten deutschen Fürstengeschlechtern. Reichsunmittelbar. Prinz Salm- Salm kam zu Anfang des Krieges nach Amerika und wurde durch den preußischen Gesandten bei Lincoln eingeführt. Als der Gesandte erwähnte, daß Salm ein Prinz sei, soll Lincoln dem Applikanten auf die Schulter geklopft und gesagt haben: »Nun, das soll Ihnen bei uns nicht schaden.« Salm kam dann in Blenkers Stab, dem berühmten »Wartesaal« für deutsche Offiziere. Erst später gelang es seiner Frau, für den Prinzen die Stellung des Regi- ment schefs im alten Blenkerschen 8. New Yorker Regiment zu erhalten. Salm- Salm war ein tapferer umsichtiger Offizier, fand aber nicht viel Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Bekannter ist er geworden durch seinen Zug nach Mexiko, wo er der treue Freund und Begleiter des unglücklichen Kaisers Maximilian wurde und bis zu dessen schrecklichem Ende bei ihm aushielt. Nach dem- mexikanischen Kriege kehrte Prinz Salm- Salm nach Preußen zurück und wurde wieder Offizier. Er fiel, tapfer kämpfend, am 18. August 1870 beim Sturme der preußischen Garde auf St. Privat an der Spitze seines Bataillons, welches er als Major führte.

Salm- Salm, Prinzessin Agnes, Gattin des vorigen. Sie ist im Bürgerkriege fast noch mehr hervorgetreten als ihr Gemahl. In ihrem Buch »Zehn Jahre aus meinem Leben« erzählt sie, wie sie ihren Mann zum Obersten des 8. New Yorker Regiments, dann des 68. Regiments und schließlich auch noch, durch Beeinflussung Lincolns, zum General gemacht hat. Sie schmeichelte dem Gouver- neur von New York und dem Präsidenten die Ernennungen ihres Mannes ab. Amerikanische Damen haben mehrfach in ähnlicher Weise gewirkt, wenn wir der Verfasserin jener Memoiren glauben können. Die Prinzessin, wie sie allgemein in der Armee genannt wurde, begleitete ihren Mann in den Krieg, wurde als kühne Reiterin; bewundert und hat zahllose Abenteuer im Felde erlebt. Sie war eine Frau von strahlender Schönheit und Anmut, vortrefflichen Geistes-

V. Schack Schäfer v. Bernstein. 547

gaben und ungewöhnlicher Bildung. Sie stammte aus einer fran- zösisch-canadischen Offiziersfamilie. Frau von Salm- Salm ist später ihrem Gatten nach Mexiko gefolgt. Sie war es, welche bei Juarez den Aufschub der Hinrichtung Maximilians durchsetzte, und sie hat auch wohl hauptsächhch die Vorbereitungen zu der beabsich- tigten Flucht des gefangenen Kaisers getroffen, welche jedoch nicht zur Ausführung kam wegen der Halsstarrigkeit des zu Rettenden. Nach Maximilians Hinrichtung kehrte das Salmsche Paar nach Deutschland zurück. Die Prinzessin wurde nach Wien und Berlin gerufen, um dem Kaiser von Österreich und König Wilhelm Bericht zu erstatten über die Einzelheiten der Maximiliantragödie. Im Kriege von 1870 stand die Prinzessin einem preußischen Feldlazarett vor und hat namentlich nach der Schlacht von Spicheren wirkliche Heldentaten im Dienste des Roten Kreuzes vollbracht.

V. Schack, Georg, Brigadegeneral. Oberst des deutschen 7. New Yorker Regiments. Trat als Major in das 7. New York Regiment und wurde im Februar 1862, Oberst. Das Regiment nahm Teil an Mc Clellans Halbinselfeldzug und war im Lager von Newport News, als das weltberühmt gewordene Duell zwischen dem konföderierten Panzer Merrimac und Ericsons erstem Monitor sich dort abspielte. Besonders hat sich das 7. Regiment in der siebentägigen Schlacht um Richmond ausgezeichnet, welche mit dem Unionssiege von Malvern Hill endete. Wegen tapferen Verhaltens in diesen Schlachten wurde v. Schack zum Brigade- general ernannt. Das Regiment blutete bald darauf in der Schlacht am Antietam und erlitt am 13. Dezember 1863 bei dem Sturme auf Fredericksburg die fürchterlichsten Verluste. Von 25 Offizieren wurden zehn getötet und verwundet. Später reorganisierte V. Schack das Regiment und zog mit demselben in den Grantschen Feldzug von 1864. Es zeichnete sich besonders aus bei Ream Station und Hatchers Run, Va., nahm an der Belagerung von Richmond teil und kämpfte bis zu Lees Übergabe bei Appomatox Courthouse.

fSchäfer v. Bernstein, Karl, Major 5. Jowa-Kaval- lerie-Regiment. Fiel bei einem Überfalle der Rebellen in Nordwest- tennessee. Er befand sich mit 120 Reitern auf einer Rekognoszierung und hatte ein Lager bezogen. Dieses wurde von zwanzigfacher Über- macht zur Nachtzeit überrumpelt. Schäfer stammte aus Darm- stadt, war Offizier gewesen. Sein Vater war hessischer Kriegs- minister.

35*

548 Schäfer- Schierenberg.

jSchäfer, Friedrich, Oberst des 2. (deutschen) Missouri- Regiments, später Brigadier. Er gehört zu den hervorragendsten unter den deutschen Offizieren, welche im Vordertreffen gestanden haben. War in Deutschland Wachtmeister gewesen. General Oster- haus, unter dessen Oberbefehl Schäfer zuerst stand, sagt, daß Schäfer einer der besten Regimentsführer der westlichen Heere gewesen ist. Schäfer kämpfte bei Pea Ridge, Perryville, Vicksburg. Bei Murfreesboro befehligte er eine Brigade. An der Spitze seiner Truppen vorgehend, fiel Schäfer in jener Schlacht. General Sheridan stellt ihm das glänzendste Zeugnis aus.

S c h a d t , Oberstleutnant des 3. Missouri-, später Oberst des 30. Missouri-Regiments.

S c h e n c k , Dr. Konrad, und Dr. Julius C. Schenck, Vater und Sohn, dienten beide als Regimentsärzte im deutschen 37. Ohio- Regiment. Beide aus Cleveland, O.

Schiffsunfall des 75. Pennsylvania-Regiments. Herrn. Nachtigall vom 75. Pennsylvania- Regiment schreibt dem Verfasser über diesen Unfall: Am 15. April sollte das 75. Regiment unter Oberst Bohlen bei Castlemans Fähre, dicht bei Paris, Va., über den hochgeschwollenen Shenandoah setzen. Ein Teil der Mann- schaft war schon in Flößen übergegangen. Es wurde ein von den Rebellen halbverbrannter Prahm herbeigebracht und mit 58 Mann, darunter Kapitän Wyck und Leufnant Winter, beladen. In der Mitte des reißenden Stromes konnten die Leute das über den Fluß gespannte Seil nicht mehr halten. Der Prahm kenterte, und mit einem fürchterlichen Schrei stürzten alle Insassen in die Fluten. Sämtliche Insassen des Prahms ertranken.« Nachtigall sagt nichts davon, daß Oberst Bohlen die Leute gegen ihren Protest gezwungen hat, das elende Fahrzeug zu besteigen. Diese Angabe macht Heu- singer, ein anderer Augenzeuge des Unfalls.

V. Schilling, Major, 3. Pennsylvania-Artillerie.

V. Schickfuß, Oberstleutnant, i. New Yorker Kavallerie.

Schierenberg, Ernst, Offizier im 12. Missouri- Infanterie-- Regiment (Osterhaussches). Nahm an dem Kriege in Missouri teü, wurde durch ein körperliches Leiden dienstunfähig. An der »Westlichen Post« im Frühling 1861 journahstisch tätig, war er in der Lage, wenn auch nicht in führender Stellung, die große deutsche Erhebung in St. Louis genau zu beobachten. Viele Einzelheiten unserer Schilderung der Missourier Erhebung hat Schierenberg

V. Schimmelfennig. 549

geliefert. Ebenfalls außerordentlich viele Beiträge zu dem bio- graphischen Teile dieses Buches. Er starb im Jahre 1909 in Wies- baden. War viele Jahre in St. Louis als Redakteur des »Anzeiger des Westens«, neben Dänzer, tätig. Er war einer unserer tüchtigsten deutschamerikanischen Journalisten, stets ein deutscher Patriot und einer der besten Kenner des westlichen Krieges.

V. Schimmelfennig, Alexander. Geb. 1824, gest. 1865 infolge der furchtbaren Strapazen des Feldzuges. Einer unserer besten deutschen Kampf generale. Brigadegeneral und Divisionär. Ehemals preußischer Offizier. Kämpfte in Schleswig-Holstein und wanderte dann nach Amerika aus. Oberst des in Pittsburg rekru- tierten deutschen 74. Pennsylvania-Regiments, eines der Elite- regimenter der Potomac-Armee. Stand in der Blenkerschen deutschen Division, kämpfte mit Auszeichnung bei Gross Keys. Dann unter Sigel in der Popeschen Kampagne von 1862. Zeichnete sich besonders aus bei Bull Run II. Seine Brigade drang über den Eisenbahn- damm vor und warf die Jacksonschen Kerntruppen bis über die Farm Gushing hinaus. Kämpfte dann unter Schurz bei Ghan- cellorsville auf dem Hawkinsschen Felde und in den von Buschbeck verteidigten Schanzen. Der alte preußische Offizier fühlte sich (mit Recht) in seiner Ehre gekränkt, als die Westpointer nach der Schlacht von Ghancellorsville das 11. Korps zum Sündenbock für die Fehler der Oberleitung stempeln wollten. Er schrieb einen die Entrüstung der deutschen Offiziere kennzeichnenden Brief an seinen nächsten Vorgesetzten, Schurz (den dieser veröffentlicht hat). Am ersten Schlachttage von Gettysburg führte Schimmel- fennig eine Division in dem an diesem Tage von Schurz befehligten II. Korps. Die vierfache Übermacht der Feinde warf die im freien Felde stehenden zwei Divisionen des 11. Korps nach der Stadt Gettysburg hinein. Verwirrung und Irregehen der flüchtenden Elfer in die Straßen der Ortschaft. Schimmelfennig wurde durch einen Kolbenschlag niedergestreckt. Erholte sich wieder und suchte Schutz in einem benachbarten Stalle. Dort saß er zwei Tage und wartete den Ausgang des Kampfes ab. v. Schimmelfennig ließ sich dann nach den Garolinas versetzen, er wollte nicht mehr im II. Korps dienen. So kam er zum 10. Korps, vom Regen in die Traufe. Denn die Belagerung in den sumpfreichen Ge- bieten um Gharleston brachte als schlimmsten Feind die Malaria, v. Schimmelfennig hatte dann noch die Ehre, als

550 Schirmer Schnake.

Erster mit seinen Truppen in die Brutstätte der Sezession (Char- leston, S. C.) einzuziehen. Vor ihm kapituHerte sein Landsmann, der deutsche sec. General Johann A. Wagener (s. diesen). Bald darauf ist der tapfere, verdienstvolle Unionsgeneral gestorben. Schurz hat von Schimmelf ennig viel gelernt, namentlich in bezug auf Truppenführung. v. Schimmelfennig hat ein gutes Buch über den Krimkrieg geschrieben. Ein zweites vielversprechendes Werk über den Bürgerkrieg hatte er begonnen, als ihn Krank- heit und baldiger Tod abriefen. Deutschamerika sollte diesem tüchtigen, stets von Unglück und Mißgeschick verfolgten Manne ein ehrendes Gedenken bewahren.

S c h i r m e r , Oberst der Artillerie, New York. Ehemals preußischer Artillerieoffizier. Er kämpfte in der deutschen Division und später unter Sigel. Einer der tüchtigsten Artilleristen.

v. S c h 1 e n , J., Kapitän. Batteriechef in der Potomac- Armee.

Schlund, Fidel, aus Immenstadt im Allgäu, Bayern. Mit- glied der bayerischen Kammer 1845 bis 1849 und des Frankfurter Parlaments 1848. Nahm an der badischen Revolution teil und schmachtete längere Zeit in der Frohnfeste zu Kempten. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges trat er mit vier Söhnen unter die Fahne. Einer der- selben wurde in Virginien erschossen, ein anderer schwer verwundet.

Schlümbach, Fr. v., Kadett im 5. Württemberger In- fanterie-Regiment, nahm im Philadelphia-Turner-Bataillon Dienst, welches mit dem 29. New Yorker Regiment verschmolzen wurde, dessen Major sein Bruder war. Wurde Leutnant, bei Bull Run II verwundet und gefangen. Starb als Pastor in Cleveland.

V. Schlümbach, Oberst des 29. (früher Steinwehrschen) deutschen Regiments von New York.

Schmidt, Max, Kapitän, 54. New Yorker Regiment, kom- mandierte die Tirailleurkette von Kryzanowskis Brigade bei Er- öffnung der zweiten Schlacht am Bull Run. Wurde durch den Schenkel geschossen und verlor das Bein.

Schmidt, Dr. Ernst, Generalarzt des 16. Armeekorps. Starb in Chicago. Einer der bedeutendsten deutschen Ärzte. Ge- achteter und tüchtiger Führer der Deutschen in Chicago.

Schnake, Friedrich, bekannter Journalist und Dichter, Mitkämpfer bei dem Aufstande der Deutschen in St. Louis. Schrieb für Rattermanns »Deutschen Pionier« die Geschichte jener Erhebung des Deutschtums.

Schnackenburg Schwan. 551

Schnakenburg, Major, später Oberstleutnant in Willichs deutschem 32. Indiana-Regiment, zeichnete sich bei Shiloh aus.

Schneider, Edw. F., Oberstleutnant im 8. Kansas-Reg.

Schneider, Georg, Redakteur der Illinoiser Staatszeitung in Chicago bei Ausbruch des Krieges. Wirkte bedeutend auf die Kriegsstimmung der Deutschen im Westen. Befreundet mit Lincoln und Mitglied der Konvention, welche Lincoln nominierte.

Schnepf, E., Oberstleutnant, 20. New Yorker Regiment.

Schnittger, Gustav, Major eines Jowa-Regiments. Stammt aus Davenport, Jowa.

Schopp, Phil., Oberst des 8. Westvirginia-Regiments, von Sigel gelobt. Diente in General Bohlens Brigade.

Schöpf, Alban, Brigadegeneral, befehligte zu Anfang des Krieges in Kentucky gegen Zollicofer, wurde aber durch den in höherem Range stehenden General Thomas kurz vor dem Siege von Mill Springs ersetzt. Siehe Schlacht bei Perryville.

V. Schrader, Alexander, ehemals preußischer Offizier, Oberstleutnant, 74. Ohio- Regiment, später Oberst. Tit. Brigade- general. Einer der tüchtigsten deutschen Ingenieuroffiziere der Armee. Hat sich besonders bei Corinth ausgezeichnet, ferner bei Murfreesboro, bei Chickamauga und auf dem Marsche durch Georgia. Diente während des ganzen Krieges, trat in die reguläre Armee über.

Schubert, Emil, Artillerieoffizier der Potomac- Armee.

Schultz, Fr., Kapitän von Batterie M, i. Ohio-Artillerie- Regiment. Nahm an allen Feldzügen der Cumberland-Armee teil; zeichnete sich bei Cattlets Gap, Ga., aus, wo er den Rückzug deckte.

S c h u r i g , Karl, Oberstleutnant des 18. New Yorker Regi- ments. Wurde bei Bull Run II durch Schuß in die Brust schwer ver\vundet und verlor 1864 ^^ ^^^ Wildernis- Kämpfen einen Arm.

Schüttner, Nikolaus, Oberst des 4. Missouri-Freiwüligen- Regiments (Schwarze Jäger). Dieses Regiment war bei der deutschen Erhebung von St. Louis das erste, welches sich auf den Kampf vorbereitete. Es fing schon im Januar 1861 zu exerzieren an.

•f Schwarz, Adolf, Major, i. Batterie, 2. Illinois- Artillerie, griff bei Shiloh wirksam ein, wurde in jener Schlacht durch einen Granatsplitter getötet.

Schwan, Theodor, General in der regulären Vereinigten Staaten-Armee. Stammte aus Hannover, kam als Jüngling nach den Vereinigten Staaten, trat mit 16 Jahren in die reguläre Armee

552 Schwarzwälder Senges.

ein und nahm als gemeiner Soldat an der gegen die Mormonen aus- geschickten Expedition teil. Dann kam der Bürgerkrieg. Schwan hat in 20 Schlachten gekämpft, besonders bei Chancellorsville, Gettysburg, in den Schlachten in der Wildnis, Spottsylvania, North Anna, Cold Harbor, Petersburg usw. Der Kongreß gewährte ihm die Tapferkeits medaille. Blieb nach dem Kriege Offizier der regulären Armee, diente in den vielen Indianerkriegen und die Rothäute zeichneten ihn durch den Beinamen »Bleichgesicht, das niemals lügt«, ehrend aus. Als Indianeragent gehörte Schwan zu denjenigen seltenen Beamten, welche die Wilden zu verstehen und sie menschlich und gerecht zu behandeln lernten. Im Jahre 1892 wurde der damahge Major Schwan zum Militär- attache bei der amerikanischen Botschaft in Berlin ernannt. Seine Beobachtungen der deutschen Heereseinrichtungen wurden gedruckt und fanden die lebhafte Anerkennung der deutschen Generalstabs- offiziere. — Schwans größte militärische Wirksamkeit fällt in den Spanisch-Amerikanischen Krieg. Hier führte er eine Kampfdivision von 20 000 Mann in glänzender W^ise.

Schwarz Wälder, Oberst des 7. New Yorker MiHzregiments später Brigadegeneral.

t V. Schwerin, Heinrich, Kapitän am 119. New Yorker Regiment, wurde bei Chancellorsville auf der Hawkins Farm durch die Brust geschossen und starb am nächsten Tage.

Seidel, Charles B., Oberst des 3. Ohio- Kavallerie-Regiments. Folgte Oberst Zahm 1863 im Kommando dieses Regiments und zeichnete sich in den Feldzügen von Rosecrans, Sherman und Thomas von Murfreesboro bis Atlanta und Nashville aus.

Seidel, G. A., Major, 7. New Yorker Regiment.

V, Seideneck, Artilleriekapitän und Führer der dem 46. New Yorker Regiment beigegebenen Batterie Sigel. Die Batterie bestand aus gedienten deutschen Artilleristen. Sie schoß die Bresche in Fort Pulaski.

Senges, Oberst der Artillerie, kämpfte in der Potomac- armee, zeichnete sich besonders aus bei der Beschießung von Fort Pulaski. Oberst Senges war in der badischen Armee Artillerie- hauptmann und trat mit dem größeren Teile seiner Kameraden zum Freischarenheere über. Senges saß lange Zeit mit Otto v. Corvin zusammen im Zuchthause zu Freiburg im Breisgau.

Serviere Spiegelhalter. 553

Serviere, Major des deutschen 46. New Yorker Regiments. Früher preußischer Offizier. Aus einer Hugenottenfamihe stammend.

S i b e r , Eduard, Oberst des deutschen 37. Ohio- Regiments. Einer der besten Degen, welche Deutschland Amerika gegeben hat. General Wm. T. Sherman nannte Siber öffenthch den am besten ausgebildeten Offizier seiner Armee. (Diese Äußerung Sher- mans fiel im Kreise höherer Offiziere zu Youngstown, La.) Siber war Hauptmann in der preußischen Armee und Generalstabsoffizier gewesen. Er nahm den Abschied, um in das schleswig-holsteinische Patriotenheer 1847 einzutreten, diente mit großer Auszeichnung und ging nach dem Ende des ersten Dänischen Krieges nach Brasilien, wo er als Lehrer der dortigen Armee (infolge Berufung durch Dom Pedro) wirkte. Siber kam bei Ausbruch des Bürgerkrieges nach den Vereinigten Staaten und wurde sofort Oberst des 37. deutschen Ohio-Regiments. Ihm vor allem ist die musterhafte Ausbildung dieses Regiments zu danken. Er war streng im Dienste, aber nicht nur gegen die Mannschaften, sondern auch gegen seine Offiziere. Zwei Jahre hielt sein alternder Körper die furchtbaren Strapazen des Feldzuges aus, nach der Einnahme von Vicksburg, Juli 1863, zwang ihn sein Gesundheitszustand zum Rücktritt.

S i g e 1 , Albert, ein Bruder des Generals Franz Sigel, war Oberst des 5. Regiments der Missouri- Staatsmiliz.

f S 1 e m m e r , A. J., als Oberstleutnant eines regulären Ba- taillons in der Schlacht von Stone River gefallen. Als schhchter Leutnant hatte er im Jahre 1861 durch sein heldenmütiges Verhalten im Hafen von Pensacola, Fla., diesen Schlüssel zum Golf von Mexiko gerettet.

Soest, Klemens, Oberst des 29. New Yorker (ehemals v. Stein- wehrs) Regiment Bull Run H.

S ö 1 1 h e i m , Dr. Konrad, aus Cincinnati. War über ein Jahr Regimentsarzt im 9. Ohio-Regiment.

Sondersdorff, Major im 9. deutschen Ohio-Infanterie- Regiment. Führte das Regiment mehrfach in Vertretung. Kämpfte ruhmvoll während des ganzen Krieges.

Spiegelhalter, Dr. med., aus St. Louis, Stabsarzt im 12. (Osterhausschen) Missouri- Regiment. Bedeutender Chirurg. Einer derjenigen Helden des Krieges, welche nicht in den Vorder- grund traten, aber in den Hospitälern und auf dem Schlachtfelde

554 Spraul V. Struve,

durch ihre ärztüche Kunst und durch ihre Hingabe so außerordent- lich segensreich gewirkt haben.

Spraul, Karl M., Inspektor der Infanterie im ii. Korps. Ehemals bayerischer Offizier.

Stahl, Wm. A., deutscher Batteriechef in der Potomac- Armee.

S t a 1 1 o , Johann Bernhard. Großer Deutschamerikaner. Geb. 1823 in Sierhausen, Oldenburg, ausgewandert 1839. Seine umfassende Bildung hat er sich wesentlich als Autodidakt angeeignet. Er war ebenso bedeutend als Jurist wie als Mathematiker, Physiker und Chemiker. Seine bekanntesten Werke behandeln letztere Ge- biete. Meisterhafter Redner in beiden Sprachen. Seine deutschen Schriften sind bei Steiger in New York erschienen. Dieses Schatz- kästlein großer Gedanken und herrlicher Ausdrucksform über das deutsche Leben in Amerika kennen leider nur wenige. Stallos Arbeiten über die großen Kriegsfragen, speziell über das berüchtigte Negerfanggesetz, werden stets zu den besten Leistungen auf diesem Gebiete gehören. Stallo wurde unter Cleveland amerikanischer Gesandter in Rom, blieb dann in Italien und beschloß hochbetagt sein arbeitsreiches Leben in Florenz.

Starkloff,H. M., Dr. med., Regimentsarzt im 12. Missouri- Regiment. Bedeutender Chirurg. Hat mit großer Aufopferung während des größten Teils des Krieges gewirkt. Langjähriger Präsi- dent des nordamerikanischen Turnerbundes. Mit seinen 78 Jahren kommandierte er in alter Frische den Festkommers, welcher 1908 den »Deutschen Tag« in St. Louis beschloß.

fSteiner, F., Kapitän, 107. Ohio- Regiment, wurde bei Gettysburg durch den Unterleib geschossen und starb auf dem Felde.

V. Steuben, Offizier im 52., Oberst des 68. New Yorker Regiments. Chattanooga.

f V. Steinhausen, Adolf, New Yorker (Freudenbergsches) Regiment, das zum größten Teile aus Deutschen bestand, fiel bei Todds Tavern, Va., in Grants sog. Wildnis-Kampagne von 1864. V. Steinhausen war früher preußischer Offizier.

-fStöcker. Vier Brüder dieses Namens dienten im 9. Ohio- Regiment. Der erste Gefallene des Regiments war ein Stöcker.

V. Struve, Gustav, Führer der badischen Revolution, 1861 Offizier im Blenkerschen 8. New Yorker Freiwilligen-Regiment. Als Prinz Salm- Salm Oberst des Regiments wurde, resignierte Struve. »Ich kann nicht Fürstendiener sein, kann unter keinem

Studer Tapferkeitsmedaillen, 555

Prinzen dienen.« Da jedoch der deutsche Prinz in Amerika nur der einfache Oberst Sahn war, so wurde Struves Entrüstung in der Armee mehr belacht, als dem alten Revolutionär lieb war. Struve kehrte schon 1863 nach Deutschland zurück. Während seiner Kriegslaufbahn war er der getreue Schildknappe Blenkers. Struves Schilderungen aus der Kriegszeit »Diesseits und jenseits des Ozeans« zeigen die Spuren starker Verbitterung. Er wendet sich darin viel- fach gegen Schurz, den er aus irgendeinem Grunde (aus Neid?) mit Haß verfolgte.

Studer, A. G., Major im 15. Jowa-Regiment, Kämpfte bei Shiloh und in vielen Schlachten des Westens. War in Washington, D. C, Platzkommandant an dem Abende, an welchem Lincoln von Booth erschossen wurde. Leitete mit großer Energie die erste Verfolgung der entflohenen Mörder. Studer war Deutschschweizer, hat später als Konsul in Singapore, Ostindien, fungiert.

Stumberg, Henry, Dr. med., Stabsarzt des deutschen 3. Missouri-Regiments.

S u d b u r g , Oberst eines Marylander Infanterie-Regiments, welches zum großen Teile aus Deutschen bestand. Dieses Regiment stand namentlich am Antietam im schlimmsten Feuer.

S u h r e r , Ferdinand C, Major im 107. Ohio- Regiment. Vom Sergeanten aufgerückt infolge von Tüchtigkeit und Tapferkeit.

Suttermeister, Arnold, Oberst. Deutschschweizer. Or- ganisierte im Frühling 1861 in Fort Wayne, Ind., die 11. Indiana- Batterie und führte dieselbe. Kämpfte im Westen, zeichnete sich aus vor Corinth und bei Chickamauga und Missionary Ridge. Die Batterie machte den Shermanschen Marsch durch Georgia und durch beide Carolinas mit und kämpfte ehrenvoll in vielen Schlachten jenes Zuges. Suttermeister befehligte in der Thomasschen Armee die I. Brigade der 2. Division Reserve- Artillerie, bestehend aus Batterien 4, 8, 11 und 21 von Indiana. Ausgemustert mit dem Titel eines Obersten der ArtiUerie.

Tapferkeitsmedaillen für gemeine deutsche Sol- daten wurden vom Kongreß bewilligt: An Fritz Fuger, Sergeant, Batterie A, U. S.- Artillerie. (Nachdem alle Offiziere der Batterie getötet oder verwundet und fünf der Geschütze gebrauchsunfähig geworden waren [Picketts Ansturm am 3. Juli 1863], übernahm Fuger den Befehl und kämpfte mit dieser letzten Kanone helden- mütig weiter.) An Ignaz Gresser, 128. Pennsylvania-Regi-

556 Thomann v. Trebra.

ment. Aus Baden gebürtig, trug bei Antietam verwundete Kameraden aus dem dichtesten Kugelregen in Sicherheit. An Leopold K a r - p e 1 e s , Sergeant, 57. Massachusetts, Fahnenträger, sammelte 6. Mai 1864 in der Wilderneß seine flüchtenden Kameraden wieder unter die Fahne. Sie standen und warfen den Feind zurück. An John Schiller, 158. New Yorker Infanterie, drang beim Angriff bei Chapins Farm, Va., i. September 1864, bis in den Graben der feindlichen Schanzwerke vor. An Jakob E. S c h w a p , 8^. Pennsylvania- Regiment, aus Hannöversch-Münden gebürtig, zeichnete sich besonders aus bei Wilderneß, Va., 5. Mai 1864. An Martin Wambsgan, gebürtig aus Migsdorf, Deutschland, 90. New Yorker Infanterie, rettete bei Cedar Creek, Oktober 1864, die Regimentsfahne. An Julius Langbein, einen deutschen Trommler] ungen, der einen verwundeten Offizier aus dem Feuer rettete bei Camden, N. C, April 1862. An Benjamin Levy, rettete die Fahne, nachdem der Träger gefallen war. An Charles Scham- b a c h (Preuße), 11. Pennsylvania-Reserve, Eroberung einer Rebellen- fahne, 30. Juni 1862. An Ferd. F. Rohm (aus Eßlingen gebürtig), 16. Pennsylvania-Kavallerie. Rettete mit großer Aufopferung einen verwundeten Offizier aus dem Feuer. An Sergeant Konrad Schmidt vom 2. Kavallerie -Regiment, Rettete mit großer Bravour den verwundeten Kapitän Rodenbaugh. Die obige Liste ist leider unvollständig.

•fThomann, Max A., Major des 59. Pennsylvania-Regiments, tödlich verwundet bei Chancellorsville.

Trau , Dr. med., Joh. Phil. Pfälzer Achtundvierziger. Diente in Blenkers Division als Wundarzt.

T r a V e r s , Major im deutschen 46. New Yorker Regiment.

Trauernicht, Theodor, Oberst des 13. Neger-Regiments, in den Jahren 1864 und 1865.

V. Trebra, Oberstleutnant im 32. Indiana, nach Willichs Ernennung zum Brigadegeneral Führer dieses deutschen Elite- regiments. V. Trebra befehligte am 17. Dezember 1861 bei Row^- letts Station, Ky., einen Teil des Regiments, 418 Mann, und schlug damit eine fünffache feindliche Übermacht zurück. Leutnant Sachs und acht Mann fielen, 16 Mann wurden verwundet. Das Gefecht ist ausführlich geschildert in dem Kapitel »Der Krieg im Westen 1862«. Auch bei Shiloh zeichnete sich v. Trebra glänzend

Tafel Thomann. 557

aus und wurde dann Oberst der 32 er. Er starb schon im Jahre 1862 an der Schwindsucht.

Tafel, Gustav, Oberst des 106. Ohio- Regiments. Aus dem 9. Ohio-Regiment hervorgegangen. Das 106. Ohio zeichnete sich bei Hartsviüe, Ky., aus, wo die ganze 39. Brigade infolge der Un- fähigkeit des Kommandanten Moore gefangen wurde. Tafeis Regi- ment war das einzige in der Brigade, das entschlossenen Widerstand leistete. Tafel wurde später Bürgermeister von Cincinnati.

Tassin, A. G., Oberst, 35. Indiana-Regiment.

Theel, T. T., Batteriechef, Red River- Feldzug, kämpfte mit großer Auszeichnung bei Valverde, N. M.

T h e u n e , Roderich, Generaladjutant des Generals Heinrich Bohlen, ursprünglich Adjutant des deutschen 75. Pennsylvania- Regiments. In der Schlacht von Bull Run II verlor Theune ein Bein. Für den Felddienst unfähig geworden, fungierte er später als Provostmarschall. Wurde infolge der Kriegsstrapazen irrsinnig und starb bald nach dem Kriege im Irrenhause.

Thomann, Gallus. Trat mit 16 Jahren in das deutsche 103. Regiment von New York ein und diente ehrenvoll durch den ganzen Krieg. Er ist einer der besten Kenner der Kriegsgeschichte. Thomann hatte die Absicht, in enghscher Sprache eine Geschichte der Deutschen im Bürgerkriege zu schreiben, verzichtete aber darauf, als er hörte, wie weit die Vorarbeiten des Verfassers auf diesem Gebiete schon gediehen waren. Er wurde dann ein fleißiger Mit- arbeiter an dem vorliegenden Buche, welches ihm außerordentlich viel verdankt. Herr Thomann hat viele Teile des Werkes im Manu- skript gelesen und beurteilt und ist mir namentlich durch seine gründliche Kenntnis der gesamten Literatur über den Krieg von großem Nutzen gewesen. Thomann beherrscht die englische Sprache wie seine deutsche Muttersprache und besitzt auch eine große Begabung als Redner in beiden Sprachen, namentlich für die Debatte. Unter den geistigen Führern des jetzigen Deutschtums der Vereinigten Staaten ist er mit an erster Stelle zu nennen. Er hat viele Jahre an der Spitze des Bureaus gestanden, welches den Gegnern der Zwangsmäßigkeit das wissenschaftliche Material geliefert hat. Mit seinen unwiderlegbaren Argumenten hat er sogar einzelnen der schroffsten Fanatiker der Prohibitionsbewegung den Weg zu einer vernünftigeren Anschauung gezeigt und diese Gegner zur Anerkennung seines Standpunktes gezwungen. Durch seinen

558 Trepp D'Utassy.

Einfluß sind manche der schlimmsten Gesetzesvorlagen im Sinne der Zwangsmäßigkeit abgemildert und verbessert worden, namentlich in der Akzise- Gesetzgebung des Staates New York. Es ist hier leider nicht der Ort, das Wirken Thomanns auf jenem Gebiete eingehend zu würdigen. Er hat mit seinen Arbeiten nicht nur in den Ver- einigten Staaten viel Anerkennung gefunden, sondern auch in Europa, besonders in England und in Deutschland. Thomann erhielt für seine Geschichte der Brauindustrie auf der Pariser Exposition du Travail die goldene Medaille.

1 T r e p p , Kaspar, Oberst im Scharfschützen-Regiment, stammte aus Splügen, Kanton Graubünden. Er organisierte in Wisconsin die schweizerische Scharfschützen- Kompagnie, deren Heldentaten Aschmann beschrieben hat. Die Kompagnie wuchs sich bald zu einem Regimente aus, das zu zwei Dritteln aus Schweizern und Deutschen bestand und einen glänzenden Kriegsrekord aufzu- weisen hat. Oberst Trepp fiel in der Schlacht von Mine Run.

T ü r c k , Hermann, Offizier im 12. Missouri- Regiment. Bei Pea Ridge wurden ihm beide Augen ausgeschossen. Eine reiche Engländerin verliebte sich in den Blinden, heiratete ihn und pflegte Türck bis zum Tode.

f T y n d a 1 e , . Troilus, Offizier im 12. Missouri- Regiment. Starb infolge von Wunden, welche er in der Schlacht von Pea Ridge empfangen hatte. War einer der Amerikaner, welche in Belleville, Illinois, durch den Verkehr mit den deutschen Lateinern völlig germanisiert worden waren. Jeder hielt Tyndale für einen Deutschen.

U 1 f f e r s , Hermann, Oberstleutnant im Stabe General Shermans. Aus Westfalen gebürtig, Zivilingenieur. An der achtund- vierziger Revolution beteiligt gewesen, entfloh Ulf fers nach Amerika, war meistens als Eisenbahningenieur tätig. Trat 1861 als Ingenieur- offizier in das Unionsheer ein. Schlachten von Pea Ridge, Corinth^ Perryville und Murfreesboro. Dann rief Sherman Ulf fers in seinen Stab. Er wurde gefangen und kam in das schreckliche Gefängnis Anderson ville. Seine Flucht aus dieser »Hölle« erregte allgemeines Aufsehen. In Fetzen gehüllt, bis zum Skelett abgemagert, erreichte er die Vorposten der Unionsarmee wieder.

D'Utassy, eigentlich Straßer, Oberst des sog. Garibaldi- Regiments, 39. New Yorker, das drei deutsche und eine schweize- rische Kompagnie enthielt. D'Utassy schied in wenig ehrenvoller Weise aus dem Regimente.

Vegesack Voß. 559

Vegesack, F. v., Oberst, kommandierte die dritte Brigade, Howes Division, im i. (Reynolds) Korps, bei Antietam, wo dieselbe erfolgreich in den Kampf eingriff.

Veitenheimer, Karl, Oberstleutnant, 74. Pennsylvania- Regiment.

V i g n o s , August, Major im 107. Ohio. Verlor bei Gettys- burg einen Arm, blieb trotzdem bei der Truppe und resignierte erst 1864 infolge später empfangener Wunden.

V i 1 1 a r d , Henry, eigentHch Heinrich Hilgard, geb. in Speyer 1835, gest. in New York. Villard, der spätere sog. König der Nordpazifikbahn, war einer der bedeutendsten und einfluß- reichsten Kriegskorrespondenten der englisch geschriebenen Zeitungen Amerikas.

V o c k e , Wilhelm, Kapitän im 24. Illinois-Regiment, aus Westfalen, ausgewandert 1856, Advokat in Chicago, gestorben Frühhng 1907. Vocke hat keine Gelegenheit vorübergehen lassen, um in englischer Rede und Schrift die Angriffe auf die deutschen Krieger zurückzuweisen, welche von nativistischer Seite und nament- lich aus dem Kreise der Westpointer erfolgten. Vortreffliche Arbeiten sind Vockes »Der deutsche Soldat im amerikanischen Bürgerkriege« und »The German Soldiers«, besser bekannt als »The Schneider Boys«. Letztere Schrift nimmt Bezug auf ein im Breitmannstile geschriebenes Dialektgedicht, in welchem die deutschen Soldaten verhöhnt werden, das aber, eben weil die Sprache desselben, das gräßliche Deutsch-Englisch, die Lachmuskeln reizt, von großer Wirkung bei den Veteranenvereinigungen ist und dort oft vorge- tragen wird:

»But Schneider haf urgent peesneess today, In Winchester, dwenty, miles avay.«

Leider hat Vocke sich nur auf die Schilderung weniger Episoden aus der deutschamerikanischen Kriegsgeschichte beschränkt, und zwar im wesentlichen solcher Ereignisse, an welchen er selbst teil- genommen hat.

Vörster, J. D., Kapitän der deutschen Pionier- Kompa- gnie, welche im Mai 186 1 in St. Louis organisiert wurde. Es war dies die erste Pioniertruppe der amerikanischen Freiwilligenarmee.

Voß, Arno, Oberst im 12. Illinois- Reiterregiment, befehligte die Unionsreiterei, welche sich bei Harpers Ferry durchschlug, als die übrigen Truppen des Obersten Miles vor Jackson kapitulieren

560 Wagner Wangelin.

mußten. Voß erbeutete bei diesem Ritte auch noch einen feind- Hchen Wagenzug.

Wagner, Franz X. Avancierte vom Gemeinen zum Kapitän der Kompagnie D, 9. IlHnois-Regiment. Diente durch den ganzen Krieg. Marschierte mit Sherman von Chattanooga nach Savannah und von dort durch die Carohnas. Sein Kriegsrekord besteht aus iio Schlachten und Gefechten. Er wurde viermal verwundet. Fleißiger Mitarbeiter am biographischen Teile.

Wagner, Georg D., kommandierte die zweite Brigade in Sheridans Division, Cumberlandarmee, welche sich besonders beim Sturm auf Missionary Ridge auszeichnete.

Wagner, Gustav, Oberst des 2. New Yorker Artillerie- Regiments. Zeichnete sich bei Fairfax Courthouse am 27. August 1862 (Popes Kampagne) besonders aus. Unter ihm kämpfte der ehemals preußische Artillerieoffizier von Puttkamer.

Wagner, Louis, Oberst, 88. Pennsylvania- Regiment. Titular- Brigadegeneral. Kam 1849 ^^^ seinen Eltern nach Philadelphia. Schwer verwundet bei Bull Run IL Vom Feinde auf dem Schlacht- felde aufgelesen, geriet er in Gefangenschaft. Ausgewechselt, über- nahm er wieder die Führung des 88. Regiments und kämpfte bei Chancellorsville. Dann brach die schlecht behandelte Wunde wieder auf, und Wagner wurde zum Kommandanten des Kriegslagers William, Pa., berufen, wo er die farbigen Truppen ausbildete und binnen kurzer Zeit 14 000 Mann in das Feld sandte. 1865 über- nahm Wagner eine Brigade im 5. Armeekorps und erhielt den Generals- titel mit 27 Jahren. Er war auch lange Präsident des großen Schwa- benvereins von Philadelphia. Es leben dort wahrscheinlich mehr Schwaben und Nachkommen von solchen als selbst in Stuttgart.

Wagner, Louis, Oberst des i. California- Regiments, kom- mandierte die erste Brigade des Pazifik-Departements.

W a i n r i g h t , W. P., Major im deutschen 29. New Yorker Regiment, wurde Oberst im 174. New Yorker Regiment.

W a 1 1 h e r , Geo. H., Oberst des 35. Wisconsin-Regiments.

t W a 1 1 h e r , Karl, Oberst des 17. Connecticut-Regiments, fiel bei Chancellorsville, 2. Mai 1863.

Wangelin, Hugo (v. Wangelin), Brigadegeneral. Ent- stammte einer mecklenburgischen Adelsfamilie. In einem preußi- schen Kadettenhause ausgebildet, aber schon im 16. Jahre mit seinen Eltern 1834 ausgewandert. H. v. Wangelin trat im April 1861

Weber. 561

in ein Missourier Regiment; wurde bald darauf Major im 12. Missouri- Regiment (Osterhaus), kämpfte namentlich beim Sturme auf Elkhorn- Paß (Pea Ridge) höchst ehrenvoll, v. Wangehn ist der getreue Freund und Kampfgenosse von Osterhaus. Er folgte diesem im Avancement, erst als Oberst des 12. Missouri-, dann als Führer der alten Osterhausschen Brigade (3., 12. und 17. Missouri- und 44. Illinois- Regiment). Fast sämtliche Kämpfe, welche Osterhaus bestand, hat auch Wangehn mitgemacht. Die beiden sind unzer- trennhch gewesen durch den ganzen Krieg. Die Wangelinsche Brigade hat sich glänzend bei Vicksburg ausgezeichnet, dann am Lookout Berg, bei Missionary Ridge und in der blutigen Schlacht von Ringgold, Ga., wo Wangelin einen Arm verlor. Die Ärzte mußten den Arm amputieren. Als sie mit den Betäubungsmitteln kamen, wies Wangelin sie ab, meinte, ein Soldat könne das bißchen Schneiden schon aushalten. Er pfiff den Yankee Doodle, während die Säge durch den Knochen ging. Auf dem Marsche durch Georgia hat sich Wangelin glänzend geschlagen. Bei New Hope Church, 28. Mai, schlug er einen schweren Angriff zurück. Wangelins Leute fanden bei den Kämpfen um Atlanta die Leiche des auf einer Rekognoszie- rung erschossenen Generals Mc Pherson (Oberführer der Tennessee- armee) und nahmen die Rebellen gefangen, welche Mc Pherson getötet und sich Degen, Uniform, sowie wichtige Papiere des Generals angeeignet hatten. In dieser Schlacht hielt Wangelin in glänzen- der Weise den Bald Hill vor Atlanta, von welchem vorher die Unions- truppen vertrieben worden waren. Hier wurde Wangelin abermals verwundet, doch hielt er trotzdem bei seinen Truppen aus. Leider können Wangelins sämtliche Kriegstaten hier nicht erzählt werden. Aber er hat einen Rekord von über 50 Schlachten und Gefechten aufzuweisen, hat über vier Jahre lang fast beständig in der Front gekämpft (seine »Ferien« waren die Wochen, welche er der Heilung seiner Wunden widmen mußte), und unter den deutschen Helden der westlichen Armee muß Wangelins Name unmittelbar nach dem- jenigen Willichs genannt werden.

Weber (von) , Max, Brigadegeneral. Achtundvierziger, kämpfte unter Mieroslawski und Sigel in der badischen Revolution. Ehemals badischer Offizier. Führte in New York ein bekanntes Hotel, welches das Hauptquartier der süddeutschen Flüchtlinge wurde. Hat manchem armen Kameraden als Nährvater hilfreich zur Seite gestanden. Er wurde 1861 Oberst des 20. New Yorker Turner- Regiments und

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. "O

562 Weber Weisberg.

führte dasselbe bis zu seiner Ernennung zum Brigadegeneral. Das Regiment sollte zu Anfang des Krieges der Blenkerschen Brigade angegliedert werden, aber Weber protestierte (er wollte nicht unter Blenker dienen) , und das Regiment wurde dann mit nach der Halb- insel geschickt. Weber war eine Zeitlang Kommandant von Fortreß Monroe, an der Spitze der Halbinsel, wo die Landungen der Unions- truppen stattfanden. Er zeichnete sich in den Kämpfen bei Norfolk besonders aus. Sein größter Kriegsruhm ist mit Antietam ver- knüpft. Dort führte Weber die dritte Brigade der 3. Division French, im Sumnerschen Korps. Weber hielt die Stellung bei Ruletts House noch, als Sedgwicks Linke bereits umgangen war. Er stand hier im mörderischen Feuer, bis endlich Kimballs Brigade ihm zu Hilfe kam. Weber hat in diesen furchtbaren Kämpfen den Feind mehrfach geworfen und ging erst zurück, nachdem die Konföderierten vier weitere Batterien gegen ihn in Aktion gebracht hatten. Weber wurde schwer an der Schulter verwundet und lag lange im Lazarett. Er war im Mai 1864 an Sigels Kämpfen im Shenandoahtale beteiligt, hatte aber nur 800 Mann und konnte nicht mehr zur Geltung kommen.

Weber, Dr. Gustav C. A., Generalarzt der Ohioer Trup- pen. Einer der berühmtesten deutschen Chirurgen in Amerika. Arzt und Professor der Medizin in Cleveland, O. Dr. Weber stammte aus Bonn. Er hat große Verdienste um die Organisation des Medizinal- wesens im Bürgerkriege. Ihm wesentlich ist die Anstellung tüchtiger Chirurgen zu verdanken. Auf dem Schlachtfelde von Shiloh wirkte Dr. Weber mit großer Hingebung. Lebte noch 1910 als rüstiger Achtziger auf einer Farm bei Cleveland, O.

V. W e d e 1 1 , Karl, Major, 68. New Yorker Regiment.

f W e h 1 e , Julius, v. Kapitän im 66. New Yorker Infanterie- Regiment, zeichnete sich bei Antietam aus und übernahm bei Frede- ricksburg den Befehl über das Regiment, nachdem der Oberst ge- fallen war. Unmittelbar darauf traf Wehle die Todeskugel, dann trat Hauptmann Hammel an Wehles Stelle, wurde gleich darauf schwer verwundet, und der rangälteste Leutnant führte darauf das Regiment bis zum Ende der Schlacht.

Weigel, Eugen, Adjutant Heckers bei Chancellorsville. Hat sich bei Gettysburg und Missionary Ridge ausgezeichnet.

Weingart, G., Kapitän. Batteriechef, Potomacarmee.

W e i s b e r g , Alfred, Oberstleutnant, 9. Wisc. Reg.

Weiß Winkler. 563

Weiß, früher bayerischer Offizier, wurde Oberst des ehemals Weberschen 20. Turner- Regiments von New York, nachdem Weber Brigadegeneral geworden war. Weiß war ein Drückeberger. Er wurde abgesetzt, weil er in der blutigen Schlacht von White Oaks (Halbinsel) durch Abwesenheit glänzte.

f W e n t z , Karl August, aus Baden. Ausgewandert 1845. Nahm teil am Mexikanischen Kriege, wurde wegen Tapferkeit be- fördert. Im Bürgerkriege zunächst Kapitän der in Davenport, Ja., organisierten deutschen Kompagnie des i. Jowa-Regiments. Später Oberstleutnant des 7. Jowa-Regiments. Er fiel an der Spitze seines Regiments bei Belmont, Mo., 8. November 1861.

Wertheimer, Eduard, Kapitän im 54. New Yorker Infanterie-Regiment, zeichnete sich in der zweiten Schlacht am Bull Run beim Sturm auf den Eisenbahndamm aus, indem er die Fahne ergriff und, sie hoch schwingend, vor der Kolonne her auf den Feind eindrang. Die Fahne wurde in Fetzen geschossen.

Wetschky, Karl, Oberst des i. Marylander Kavallerie- Regiments. Nahm an den meisten Kämpfen der Potomacarmee unter Pope und später unter Hooker teil. Die Reste dieses Regi- ments (d.h. diejenigen wenigen Reiter, deren Pferde noch gebrauchs- fähig waren) deckten den Rückzug an der Steinbrücke bei Bull Run II.

W i e d r i c h , Michael, Batteriechef aus Buffalo. Diese Batterie, die fast ausschließlich deutsche Mannschaft hatte, kämpfte in der Potomacarmee in der Division Schurz. Nahm teil an der Schlacht bei Gross Keys, an allen Kämpfen der Popeschen Armee, namenthch an der zweiten Bull Run- Schlacht, ferner an den Schlach- ten von Chancellorsville, Gettysburg und Chattanooga.

fWiebische, Oberst eines New Jersey- Regiments, gefallen bei Spottsylvania. Früher preußischer Offizier.

Wilhelm, Oberstleutnant im 23. Pennsylvania- Regiment.

W i 1 h e 1 m i , Franz, Major im 17. deutschen Missouri- Regimente, als Oberst verabschiedet. Nahm an 23 Schlachten teil. Badischer Achtundvierziger. Wilhelmi hat sich besonders in den Kämpfen mit den Guerillas ausgezeichnet, sowie in der Belagerung und im Sturme auf Vicksburg.

W i n k 1 e r , F. C, Oberst und Brevet-Brigadegeneral. Geb. 1838 in Bremen, lebte 1910 als rüstiger Greis in Milwaukee. Advokat. Er wurde nach Jacobs Rücktritt Oberst des 26. deutschen Wisconsin-

36*

564 Wittich 26. Wisconsin.

Regiments, welches er vom Herbst 1863 bis zum Ende des Krieges in glänzender Weise führte. Während der Kämpfe auf Shermans Marsche durch Georgia hat Winkler sich besonders ausgezeichnet Winkler ist der Präsident der Carl Schurz Memorial Association, welche einen Fond von Doli. 60 000 zusammenbringen will, dessen Zinsen einer deutschen Austausch-Professur zugewendet werden sollen. Alle deutschvolklichen Bestrebungen in Amerika fanden und finden in General Winkler den eifrigsten Förderer.

t W i 1 1 i c h , W. F., Kapitän , 8^. Pennsylvania, fiel bei Bull Run II im Kampf um ein feindliches Geschütz. Elsässer. Machte den Krimkrieg mit.

Witzig, Joh. J. Trat April 1861 in das i. deutsche Turner- Regiment in St. Louis ein, aus welchem später das i. Artillerie- Regiment von Missouri wurde. Deutsch-Elsässer.

Weidemeyer, Oberst des halbdeutschen 40. Missouri- Regiments.

W ö 1 f 1 e , Kapitän. Berühm.ter Artillerieoffizier von Missouri. Kämpfte ruhmvoll bei Pea Ridge, Vicksburg, Chattanooga und in vielen Schlachten und Kämpfen des Westens.

Wolf, Friedrich, Kapitän des 3. Missouri-Regiments, nahm bei dem Angriffe auf Arkansas Post im Januar 1863 das ganze 14. Texas-Regiment der Rebellen gefangen. Wolf hatte nur sieben Mann seiner Kompagnie bei sich. Er rief dem Obersten des konföde- rierten Regiments zu: »Ergebt Euch, das Fort hinter Euch ist er- stürmt und eine ganze Brigade steht hinter mir!« Und der Oberst ergab sich mit seinen sämtlichen Texanern. Wolf brachte mit seinen sieben Leuten seine 300 Gefangenen in das Lager der Unionstruppen. Diese Gefangenen waren meistens Deutsche aus Texas, welche ge- zwungen in der Konföderation dienten. Die meisten derselben traten in die Unionsarmee über.

W o 1 f f , Oberstleutnant im 5. deutschen Missouri- Regiment.

W ö r n e r , Major in der Artillerie, aus New Yersey. Kämpfte ruhmvoll am Antietam.

26. Wisconsin- Regiment. Gefallen oder an Wunden ver- storben: 12 Offiziere und 173 Mann; an Krankheiten gestorben: 39; verwundet: 18 Offiziere, 295 Mann; »vermißt« oder gefangen: 4 Offiziere und 74 Mann. Im ganzen kampfunfähig gemacht 34 Offi- ziere und 582 Mann, oder 5272% des Bestandes. Das ganz deutsche

Wratislaw Zipperlen. 565

26. Wisconsin-Regiment steht in der Foxschen Liste der tapfersten Regimenter der Freiwilligenarmee mit an erster Stelle.

Wratislaw, Edward C, Oberstleutnant des 45. New Yorker (v. Amsbergs) Regiments in Popes Kampagne und bei Bull Run IL W^ar Adjutant von Mieroslawski in der badischen Revolutionsarmee.

W u t s c h e 1 , dritter Oberst des deutschen 8. New Yorker Infanterie-Regiments, Wutschel stammte aus Wien, hatte dort auf den Barrikaden gekämpft. vSiehe Schlacht bei Gross Keys.

Young, Peter F., Kapitän im deutschen 107. Ohio- Regiment, eroberte bei Gettysburg im Handgemenge eine Rebellen- fahne und wurde dabei schwer verwundet.

Zahm, Louis, Oberst des 3., teilweise deutschen Reiter- regiments von Ohio unter Buell und Rosecrans. W^urde im Januar 1863 ehrenvoll entlassen. Tüchtiger deutscher Offizier. Erhielt den Generalsrang.

Z a 1 i n s k i , Edmund, Major, Erfinder des pneumati- schen Dynamit-Torpedogeschützes, Dieses hat die Erwartungen, welche man dareinsetzte, allerdings nicht erfüllt. Zahnski war ein hervorragender Artillerietechniker und hat mehrere Erfindungen gemacht.

Zakrzewski, H., Oberstleutnant, 2. Missouri- Regiment.

f V. Z e d 1 i t z. Reg. -Adjutant, 29. New Yorker Regiment, starb an Wunden, welche er am 2. Mai bei Chancellorsville erhalten hatte, während des Kampfes der Brigade Buschbeck. v. Zedlitz war früher preußischer Offizier.

V. Zeppelin, Graf, der bedeutendste Förderer der Luftschiffahrt, kam im Jahre 1863 nach Amerika, um den Krieg zu beobachten. Er machte im Westen in einem dort ver- wendeten Fesselballon seine erste Luftfahrt. Dabei soll sein Interesse für die Luftschiffahrt erweckt worden sein.

Ziegler, Geo. M., Oberst des 52. Neger- Regiments.

Z i c k e r i c k , WiUiam, rekrutierte in Sheboygan die als die plattdeutsche bekannte 12. Wisconsin-Batterie, welche sich in den Feldzügen der Cumberlandarmee auszeichnete, und kommandierte 1863 bis 1865 deren Reserveartillerie. Half den Sieg bei Champion Hill, Tenn., entscheiden. Starb als Prediger einer evangeHschen Gemeinde in Oshkosh, Wis.

Z i p p e r 1 e n , Dr. Adolf, Brigadearzt. Trat Juni 1862 als Stabsarzt in das zumeist aus Cincinnati rekrutierte 108. Ohio-Regi-

566 Zitzer v, Borcke.

ment ein und diente während des ganzen Krieges. Feldzüge im Westen und Marsch durch Georgia. Bei dem Siegeseinzug in Washington (Mai 1865) gehörte seine Brigade zu den sog. »Sherman Bummers«. Zipperlen war ein ausgezeichneter Arzt und namentlich als Chirurg berühmt. In Cincinnati ansässig. Aus Württemberg stammend. Starb fast 90 jährig. BeHebter Schriftsteller und Redner. Achtund- vierziger. Die Geschichte der Auswanderungsreise Zipperlens wurde im »Deutschen Pionier« abgedruckt und ist einer der besten Beiträge zur Aus Wanderungsliteratur, welche wir besitzen.

Z i t z e r , Johann, Dr. med. Achtundvierziger aus Freiburg i. Br. War Generalarzt des Staates Pennsylvania.

Zollinger, Karl A., stammte aus Wiesbaden. Oberst des 129. Indiana-Freiwilligen-Regiments. Kämpfte tapfer vom An- fang bis zum Ende des Krieges, war später 12 Jahre lang Bürger- meister von Fort Wayne, Ind.

f Z o o k , Oberst im 52. deutschen New Yorker Regiment. Fiel, tapfer kämpfend, als General an der Spitze seiner Brigade bei Gettysburg, 2. Juli 1863.

Deutsdie Konföderierte.

Bachmann, W. K. Kapitän der deutschen Charlestoner Artillerie. Leistete hervorragende Dienste in Longstreets Korps.

V. Borcke, Heros. Der bedeutendste deutsche Militär in der konföderierten Armee. Einer der glänzendsten Reiterführer. War preußischer Offizier (Garde- Kürassier?) gewesen, kam 1862 nach Amerika, um der Sezession seinen Degen anzubieten. In seinem vielgelesenen Buche »Zwei Jahre im Sattel und am Feinde« spricht er von seinen Sympathien für die Sache des Südens, v. Borcke ist der preußische Junker und Aristokrat, welcher in den Aristokraten des amerikanischen Südens Sinnesverwandte erblickt. Er wurde sofort dem berühmten Reitergeneral Jeb Stuart zugeteilt, wurde dessen Stabschef und rechte Hand. Ein inniges Freundschaftsver- hältnis bildete sich unter den beiden heraus, v. Borcke wurde im Süden weit mehr gefeiert und anerkannt als irgend eindeut- scher Offizier der Unionsarmee im Norden. Der konföderierte Kongreß widhiete ihm ein besonderes Dankesvotum.

V. Buchholz Konföderierte deutsche Kompagnien. 567

Zwanzig Jahre nach dem Kriege besuchte v. Borcke x\merika und hielt einen wirklichen Triumphzug durch den Süden ab. Beim Lesen seines Buches wird man freilich oft an den Baron Münchhausen er- innert, besonders wenn der Verfasser von seinen zahllosen wunder- baren Rettungen aus größter Lebensgefahr erzählt. Aber trotz mancher Übertreibungen ist das Buch ein wertvoller Beitrag zur amerikanischen Kriegsgeschichte. Man fühlt sich mitten in den Schlachtenlärm versetzt und gewinnt ein anschauliches Bild von dem Leben und Treiben im Rebellenlager. Im Gefecht bei Middleburg wurde v. Borcke so schwer verwundet, daß er monatelang zwischen Leben und Tod schwebte. Er wurde für den aktiven Dienst unfähig und nahm im Winter 1864 65 eine Mission der konföderierten Regierung nach England an. Doch erfolgte bald darauf der Zusammen- bruch der Rebellion, v. Borcke kehrte dann nach Deutschland zurück und widmete sich der Schilderung seiner Taten sowie derjenigen seines Chefs Stuart, welcher im Mai 1864 während der Grantschen Kampagne in der Wildnis fiel. v. Borcke war in der ganzen kon- föderierten Armee bekannt und geehrt wegen seiner Tapfer- keit und Kühnheit. Sein Schlachtschwert hängt im Kapitol zu Richmond.

V. Buchholz, E. Ehemals württembergischer Offizier. Chef der Artillerie in der Brigade des Gouverneurs Wise von Virginia.

"f B ü c h e 1 , August, konföderierter Brigadegeneral, früher Offizier in Hessen-Darmstadt, trat 1833 in die französische Fremden- legion, diente dann unter Maria Christina in Spanien gegen die Karlisten, wurde wegen Tapferkeit dekoriert und zum spanischen Ritter ernannt. Diente später unter den Türken, kam 1845 nach Texas und kämpfte im mexikanischen Kriege. Wurde 1861 Oberst- leutenant des 3. Texas- Regiments. Kämpfte am Rio Grande. Ende 1861 Oberst des i. Texas- Reiterregiments. 1863 Brigadegeneral. Büchel fiel am 9. April 1864 in der Schlacht von Pleasant Hill , Louisiana, von sieben Kugeln getroffen.

Konföderierte deutsche Kompagnien in Charleston, S. C. : Deutsche Schützen, Kapitän J. Small; Palmetto- Schützen, Kapitän A. Melchers. Deutsche Füsihere, 17. Infanterie-Regiment. (Dieses war die älteste deutsche Mihtärorganisation in den Vereinigten Staaten. Die FüsiHer- Kompagnie hatte schon im Revolutionskriege bestanden.) Erstes Artillerie- Regiment, Major Johann H. Wagener. Deutsche Husaren, Kapitän f Theod. Cordes; dieser fiel, eben-

568 Eichliol/ - Mclclicrs.

falls Schill Naclifoli^cr, j Kapiliin iMcnidcr. Marion Sc! liit/cn, I<n|)il;ii» ('. J'>. Sigwakl.

1*2 i c h li () 1 z , W. '{'., ()tli/,i(M in Major Wilkcs texanisclicr Ar- tillciir. J.cblc K^io als Vclcran der I*i<!ssc und IIcraus|:;ob{'r der »IHMilsrhcn Kundscliau« in Ciicro, 'Icxas.

IC sc li c 1 ni a 11 n , H. V., Kapitän der crslcn Piallcric der konf(")dcriertcn Wasliinf^'lon Arliilcric. Wurde dreimal verwnndel.

F r (") 1) (' 1 . H. W., Major. Artillerie-Chel von lloods Division, Lees Armee. IChemali/j^er kiirliessisclier Offizier.

(i a 1 V e s t () 11 , Te x as , der gniüte Haien des Slaals, sland v()llig unter der HotmiiÜi/^keit der Sklavenhaione, und wer dort nnionistiselie (iesinnmif^eii lie/,de, riskierte scMiien Hals. Die dort ansässigen Deutschen waren meistens im P.anmwollengescliäfte tätif(, und in ihren (lesiiiiiun|^H'n unters( liieden sie sich durchaus von ihren Landsleuten im Innern von Texas. ICs wurde ein deutsches J^ataillon von 150 Mann gebildet unter Oberstleutnant Th. Oswald und Major Bruch. Autierdem bestand eine I^atterie, deren Manii- schalten deutsciui Turner aus Houston waicn, sowie die (ialv(;stoner Davis-Artillerie, die meistens aus Deutschen bestand. Auch zwei deutsche i\eiter-K()mj)agnien wurden anigebracht.

Henningsen, Karl iMiediich, HannoveraiHM . Kämpite schon mit 17 jähren in der Karlisteii-Arnu^e in Spanien, dann in Kuüland in i\vn kaukasischen Kriegen. War i8.j() Revolutionär in Ungarn, dann iMihrer im J^libusterkriege von Nicaragua (1859). Im nächsten jähre wurde er der militärische Berater des (iouverneurs Wise von Viiginieii.

Iloifman, Oberst eines ko!il()(lerierten Iidanterieregimeiits aus Jexas, in welchem viele unionstreue Deutsche dienen nuil.Uen.

f Kahler. Nicholas. Major im 42. konhklerierten Virginia- Regiment. KolJHMger von (ieburt, fiel bei Cedar Mountain.

K a m ]) m a n n , Ober.st der konioderierten Armee.

t Mauck, Joseph, Kaj)itäii im 10. Va. Reg., fiel bei Cedar Mountain.

V. M a s o w , Reiteroffizier in Mosbys T^ieikorps. Wurde schwer verwundet. Kehrte nach I)(Mitschland zurück und wurde wieder preuüischer Offizier. Käinj)fte i8()() in der Main-Armee.

M e 1 c li e r s , Franz, Redakteur der ("harlestoner Deutschen Zeitung. J\oiiföd(Mierter Offizier. Zog, wie sein TVeund Wagener, »blutenden Herzens in d(>n Krieg«.

Memminger Reichard. 5ß9

M e m m i n g e r , Christoph Gustav, aus Mergentheim in Würt- temberg. Als Kind nach Süd-CaroHna eingewandert. Reiche Anglo- amerikaner adoptierten den elternlosen Knaben. So WTirde er vöUig amerikanisiert. Es war nichts Deutsches mehr an ihm, als Memminger iS6i Finanzminister der südlichen Konföderation wurde, also dem Kabinett von Jefferson Da\äs angehörte. Kömer meint, daß Memminger mit reinem Namen und einem ehrenvollen Rufe aus dieser Feuertaufe her\'orgegangen sei.

Minnigerode, Karl, Doktor der Theologie und Rektor der (enghschen) St. Pauls - Episkopal - Kirche in Richmond. Der sog. »Beichtvater« der Sezession, weü Jeff. Davis, General Lee und alle Häupter der RebelHon jener St. Pauls- Kirche angehörten. Saß mehrere Jahre in Deutschland gefangen wegen Teilnahme an der Dreißiger Revolution. Stammte aus Hessen. Glänzend begabter ^lann und der erste Kanzelredner des ganzen Südens. Beherrschte die englische Sprache wie wenige Eingeborene. Obschon innerhch ein Gegner der Sklaverei, blieb er den Häuptern der Sezession auch im Unglück treu. Besuchte Jeff. Da\'is häufig während dessen Ge- fangenschaft, um demselben das Abendmahl zu reichen. Als Lee dem Präsidenten Da\4s die Nachricht zuschickte, daß Rich- mond geräumt werden müsse, befand sich Davis in der Pauluskirche, einer Predigt ^linnigerodes zuhörend. Da\äs erhob sich sofort, als er Lees Botschaft erhielt, und verHeß die Kirche. Die übrigen An- dächtigen hatten das Gefühl: »Das ist das Ende!«

P e p 1 e , G. A. Rheinländer. Major des Ingenieurkorps.

t P h i n i z a Jakob, Kapitän. S. Georgia- Konföderierten- Infanterie, fiel bei Groveton beim Angriff auf Koltes Brigade.

Raine, Oberst eines konföderierten Artillerie-Regiments, das zum Teil aus Deutschen von Richmond rekrutiert war.

R e i c h a r d , August, früher hannoverscher Offizier, war in New Orleans Baumwollexporteur und Konsul von Preußen. Re- signierte als solcher und versuchte beim Ausbruch des Bürgerkrieges die Vereinigung der deutschen Milizkompagnien zu einem deutschen Regiment durchzusetzen. Höheren Orts wünschte man aber keinen größeren deutschen Verband in der Konföderation, da man den Deut- schen im Süden wegen der Vorgänge in Missouri mißtraute und eine Zeitlang sogar Bedenken trug, ihnen Waffen zu liefern. Es gelang Reichard, ein deutsches Bataillon zu gründen, das aus folgenden Kompagnien bestand: Steuben- Garde, Kapitän Kehr^vald, Turner-

570 Striebling Schele de Ver.

Garde, Kapitän Baehncke, Reichard- Schützen, Kapitän Müller, Florance- Garde, Kapitän | Brummerstädt. Dieses deutsche Bataillon wurde mit vier irischen Kompagnien als das 20. Louisiana-Frei- willigenregiment errichtet. Reichard wurde Oberst desselben. Er hat sich besonders in den Schlachten von Shiloh, Murfreesboro, Chickamauga, Atlanta undNashville ausgezeichnet. Bei Shiloh waren die Verluste dieses Regiments furchtbar. Die Reichard- Schützen schmolzen von 72 Mann auf 33 Mann zusammen, und auch die anderen Kompagnien litten so schwer, daß das 20. Louisiana- mit dem 13. Louisiana-Regiment verschmolzen werden mußte. Nach dem Kriege ging Reichard nach Ägypten, übernahm eine Baum- wollenplantage, und lebte später in Dresden.

Striebling, R. M. Batteriechef in Longstreets Korps. Ehemals braunschweigischer Artillerieoffizier.

Scheibert, J. Major im preußischen Ingenieur-Korps. Kam im Herbst 1862 nach Amerika und machte den Feldzug im Haupt- quartier des Generals Lee mit. Major Scheibert hatte die Absicht, dem Kriege nur als beobachtender Zuschauer beizuwohnen, trat aber doch als Kapitän in die konföderierte Armee ein. Er wurde ein Waffenbruder von Borckes und nahm an den Zügen des Reiter- generals Stuart teil. Sein Hauptwerk über den Bürgerkrieg ist 1874 bei Mittler & Sohn in Berlin erschienen. Es ist ein Lehrbuch, für deutsche Offizierskreise bestimmt. Der Verfasser sucht seine Kamera- den mit den militärischen Einrichtungen in beiden Heerlagern be- kannt zu machen und besonders die Erfahrungen und Lehren zu schildern, welche der Bürgerkrieg zeitigte. General Lee sagte auf dem Schlachtfelde von Chancellorsvüle zu Major Scheibert: »Geben Sie mir preußische Disziplin und preußische Formationen für meine Truppen, und Sie würden noch ganz andere Resultate sehen. «

Schleicher, Gustav, aus Darmstadt. Bedeutender deutscher Kongreßmann aus Texas. Major der konföderierten Armee. Seine Tätigkeit erstreckte sich meistens auf Anlage von Befestigungswerken. Schleicher war entschiedener Unionsmann, mußte aber für seinen Staat ins Feld ziehen. Der spätere Präsident Garfield hat ihm im Kongresse eine Gedächtnisrede gehalten, welche für die Beurteilung der Deutschamerikaner seitens großdenkender Angloamerikaner von hoher Bedeutung ist.

Schele de Ver, Maximilian. Stammte aus Pommern. Jurist und Diplomat, preußischer Landwehroffizier. Professor der

Schultz Wagener. 571

virginischen Staatsuniversität in Richmond. Oberst in einem konföderierten Regiment. Wurde gegen Ende des Krieges von der konföderierten Regierung nach Deutschland geschickt, um dort Stimmung für die Sezession zu machen. Erreichte aber nichts, da Deutschland der treue und zuverlässige Freund der Union war.

Schultz, Dr. Chirurg in der konföderierten Armee.

Schuricht, Hermann. Konföderierter Offizier in Vir- ginien. Deutschamerikanischer Geschichtsforscher. Bedeutender Schulmann. Im zweiten Bande seines Werkes Virginien wird viel Material über die Stimmung der Deutschen im Süden bei Ausbruch des Bürgerkrieges beigebracht. Schuricht war im Herzen unions- treu und folgte der Rebellenfahne unter Zwang.

Schwarzmann, Gust. Adolf, aus Stuttgart. Oberst in General Wises Legion.

Die Turner von Galveston traten 40 Mann stark in die Kompagnie F. des 2. Texas - Regiments ein. Ihr Führer, t Kapitän Müller, fiel bei Corinth. In der texanischen Artillerie be- gegnet man folgenden deutschen Namen bei den Batteriechefs: Kreuzbauer, Krumbhaar, Heidemann, Welhausen, Rueß, Mechling.

»Von Achten der Letzte«. Das ist der Titel einer in- teressanten Schrift, dessen Verfasser sich als »ehemaliger preußischer Einjährig-Freiwilliger« bezeichnet. Er trat mit sieben Freunden, sämtlich junge deutsche Kaufleute in New Orleans, in die konfö- derierte Washington- Artillerie ein, welche eine deutsche Kompagnie besaß und als die Artillerie-Elitetruppe der Konföderation galt. Von den achten blieb nur der Verfasser jener Schrift übrig; die anderen sieben sind sämtlich im Kampf gefallen.

W a g e n e r , Johann A. Oberst der konföderierten, wesentlich aus Deutschen bestehenden Artillerie in Charleston, S. C. Wurde Brigadegeneral. Später Bürgermeister von Charleston, 1824 bei Bremerhaven geboren. Ein echter deutscher Volksmann, vielfach auch als Schriftsteller hervorgetreten, sowie mit dichterischen Ver- suchen. War gegen die Lostrennung des Staates und im Herzen ein Unionsmann, konnte sich aber dem Dienste nicht entziehen. Er kommandierte in Charleston, als diese Brutstätte der Rebellion von dem deutschen General Schimmelf ennig eingenommen wurde. Ein Deutscher mußte die Rebellenfahne einziehen und ein anderer Deutscher hißte die Sterne und Streifen. Wageners beste Tat ist die Verteidigung des Forts Walker, welches Wagener erbaut

572 Waldeck Wirz.

hatte (November 1861). Zwei seiner Söhne, der jüngste erst 15 Jahre alt, kämpften hier unter dem Vater. Die Hälfte der Besatzung wurde getötet oder verwundet.

t Waldeck, Oberst eines texanischen Reiterregiments. Waldeck führte die Vorhut der konföderierten Truppen, welche Sigel auf dessen fluchtartigem Rückzuge von Bentonville im März 1862 so hart bedrängten. War ein Sohn des Grafen Waldeck, welcher einer der Führer der deutschen Adelskolonie von Texas war. Wald- eck ist in der Red-River-Kampagne von 1864 gefallen.

In Wauls-Texas -Legion dienten die deutschen Haupt- leute Otto Nathusius, Voigt und Wickeland.

•f Wilde, Franz. Kapitän 19. Ga. Reg., fiel bei Chantilly.

W i 1 k e , Hermann, Chef der konföderierten Artillerie.

Wirz, Henry, Dr. med. Deutschschweizer, aus Zürich stam- mend. Kerkermeister des Lagers von Unionsgefangenen in Ander- sonville, Georgia. Wirz hatte seit 1849 i^ ^^^ Orleans als Arzt gelebt und sich damals eines guten Rufes erfreut. Er besaß eine tüch- tige Bildung, er schrieb und sprach mehrere Sprachen fließend. Im November 1865 wurde Wirz von einem Unions- Kriegsgerichte des Mordes schuldig befunden und gehängt. Er hatte in Ausübung der ihm von der konföderierten Regierung übertragenen Polizei- gewalt angeblich drei Unionsgefangene, welche unter seiner Obhut standen, erschossen. Durch die amerikanische Kriegsgeschichte, welche die unionistische Auffassung vertreten will, wandelt Wirz als das größte Scheusal in Menschengestalt, welches seit Judas Ischariots Zeiten den Erdboden geschändet hat. In allen anderen Streitfragen haben sich die ehemaligen Todfeinde auf eine vernünf- tige Auffassung geeinigt, wenn aber der Name Wirz in die Debatte geworfen wird, erwächst stets wieder der alte Haß. Die meisten der noch lebenden Unionsveteranen sind in dieser Sache so voreinge- nommen, daß jeder Versuch, den Fall Wirz ruhig zu besprechen, nutzlos erscheint. Doch könnte man wohl verlangen, daß endlich damit aufgehört wird, auf das Grab des einzigen Rebellen zu speien, der die ihm aufgebürdete Schuld, welche wesentlich in dem Verschulden anderer bestanden hat, durch seinen schimpflichen Tod am Galgen sühnte.

In dem Gefangenenlager von Andersonville sind im Juli und August 1864 über drei zehntausend Unionssoldaten ge- storben! Die Greuel spotten jeder Beschreibung. Zurückzuführen

Wirz. 573

sind sie wesentlich auf die Überfüllung des Lagers. Über 30 000 Mann wurden zusammengepfercht innerhalb eines Gebiets, das nur für höchstens 12 000 Mann Raum bot. Dort lagen die unglücklichen Men- schen im freien Felde, den Strahlen der Augustsonne ausge- setzt. Die konföderierte Regierung schickte einen besonderen Be- amten, den Obersten Chandler, aus, um diese Zustände zu untersuchen, und Chandlers amtlicher Bericht bestätigte durchaus die An- klagen gegen die Verwaltung. Aber erst drei Wochen später wurde der Überfüllung Einhalt getan. 20 000 Gefangene schickte man als- dann nach anderen Gefängnissen, und Ende September betrug die Zahl der Internierten nur noch 8218 Mann gegen die Höchstziffer von 31 693 zu Ende August. Der Hauptschuldige ist der Kommandant Wilder^), unter welchem Dr. Wirz als Aufseher diente. Aber Wilder starb vor Ende des Krieges, und dem Wirz wurde dann die ganze Schuld aufgebürdet. Da nur eine beschränkte Anzahl Wachen vorhanden war, meistens Milizen aus Georgia und Knaben von 15 bis 16 Jahren, so war es für Wirz sehr schwierig, sich Au- torität zu erzwingen. Seine Verteidiger behaupten, daß Wirz nur aus Notwehr zum Revolver gegriffen habe^).

Die meisten der gestorbenen Gefangenen sind infolge schlechter Ernährung zugrunde gegangen. Die Nordländer waren an Fleisch-

*) Chandler empfahl Wilders sofortige Absetzung und die Ernennung eines neuen Kommandanten, ,,der Energie mit gesundem Urteil vereint so- wie menschliches Gefühl und Rücksicht auf die Wohlfahrt und den Komfort der ihm überwiesenen Masse von Unglücklichen, soweit das in Einklang ge- bracht werden kann mit Maßregeln zur Festhaltung der Gefangenen". Chandler wies Wilder darauf hin, daß sich weit bessere sanitäre Maßregeln einführen ließen, worauf ihm Wilder mit Entsetzen erregender Brutalität er- widerte, ,,es sei besser, die Hälfte der Gefangenen stürbe dahin, als daß man für dieselben zu sorgen brauche". Das wird in dem amtlichen Berichte eines konföderierten Beamten dem konföderierten Kom- mandanten des Gefängnisses nachgesagt!

^) Unter den Gefangenen befanden sich manche brutale oder verwil- derte Kerle. Eine Räuber- und Mörderbande bildete sich, welche die eigenen Kameraden beraubte und eine Anzahl derselben ermordete. Mit Zustim- mung von Wirz wurde von den Gefangenen selbst ein Gerichtshof gebildet, welcher gegen zweihundert Kameraden Anklage erhob. Dieses Gericht er- kannte sechs der vor ihm Angeklagten des Mordes im ersten Grade schuldig, und sie wurden im Gefängnis von ihren Kameraden gehängt. Gegen fünfzig andere Schuldige mußten Spießruten unter den Gefangenen laufen.

574 Wirz.

kost gewöhnt. Jetzt waren sie auf schlecht durchgebackenes Mais- brot, Reis, wenig Fleisch und etwas Speck angewiesen, eine Nahrung, welche dem Südländer genügte. Sie mußten das Wasser eines von den Exkrementen von vielen Tausenden verseuchten Baches trinken. Wenn man bezüglich der Nahrungsmittel sagen will, daß die Kon- föderation nichts Besseres zu bieten hatte (w^as übrigens mit dem Reichtum der von Sherman durchkreuzten Gegend von Georgia nicht übereinstimmt), so ist doch zu betonen, daß die Konföderation den Gefangenen auch das nicht gereicht hat, was sie bei einigem guten Willen leicht hätte geben können. Holz war massenhaft vor- handen, aber es wurden keine Baracken gebaut; das herrlichste Trinkwasser quoll jenseits der Umzäunung, aber es wurde nicht zu- geführt. Die Schuld dafür trifft den Kommandanten Wilder.

Gewiß war die Union berechtigt, die Haupt führer der Rebellion wegen Landesverrats zu bestrafen. Das wollte sie aber nicht. Der Engel der Versöhnung schritt durch das wieder aufatmende Land. Sogar den Jefferson Davis hat man schließlich laufen lassen. Es war eine stolze und schöne Tat, als die Bundesregierung bald darauf im benachbarten Mexiko amtlich auf das von ihr gesetzte Beispiel hinweisen ließ, mit der Absicht, dadurch den in Mexiko verurteilten Maximilian zu retten.

Es fällt auf, daß man Wirz von den übrigen Kerkermeistern der Konföderierten ausgesondert, daß man ihn allein prozessiert hat. Die Kerkermeister, welche in Libby, auf Belle Isle, in Danville, Salisbury, Milien, Charleston usw. ihres Amtes walteten, sind frei ausgegangen, obschon sich gegen mehrere derselben weit schlimmere direkte und persönliche Anklagen wegen Grausamkeit geltend machen ließen, als man Wirz selbst in der Anklageschrift vorwerfen konnte. Die Gefangenen auf Belle Isle bei Richmond haben im Winter 1864 bis 1865 vielleicht noch Schlimmeres erlitten als die Opfer von Ander sonville, und über die Zustände in Libby erinnern wir nur an die Anklagen von Frey und Markbreit (siehe Biographie Frey). Wirz war der einzige Ausländer unter den Kerkermeistern. Ist es nur ein Zufall, daß diesen allein die Strafe traf ? Wir wollen es hoffen. Dann aber sollte man auch nicht auf das Ausländertum des Wirz besonders hinweisen. In der zeitgenössischen Presse ist das vielfach geschehen, und sogar in einem der besten Werke über die Vereinigten Staaten, in Goldwin Smiths »The United States«, wird Seite 284 gesagt, Wirz sei ein »foreign mercenary« gewesen (käuflicher Aus-

V. Zinken. 575

länder, Lieblingsschimpfwort der Nativisten auf die an dem mit ihnen getriebenen Schacher vöhig schuldlosen, verkauften Hessen). Die ehemaligen Konföderierten feiern Wirz als einen Märtyrer ihrer Sache. Im Jahre 1909 wurde ihm von seinen Verehrern ein schönes Denkmal im Staate Georgia errichtet. Das Geld dafür wurde von den Frauen gesammelt. Doch ist diese gewiß unnötige Ehrung eines Man- nes, der sicherlich kein Engel war, wohl mehr als Demonstration gegen die übertriebenen Schmähungen des Wirz auf zuf assen^) .

V. Zinken, Leo Toll, Sohn eines preußischen Generals und früher selbst preußischer Offizier, zog als Major des deutschen Bataillons des 20. Louisiana- Regiments in den Krieg. Er war einer der tollkühnsten konföderierten Offiziere. Bei Shiloh wurden ihm drei Pferde unterm Leibe erschossen. Auch bei Chickamauga wurden ihm zwei Pferde getötet. Von ihm pflegten seine Leute zu sagen: »Für den ist keine Kugel gegossen«.

Über die Behandlung der Gefangenen siehe Nachtrag, Artikel 10.

Nachtrag.

1. Kriegsverluste.

(Zu Seite i.)

Verluste des Nordens. Die Generaladjutantur berechnete im* Oktober 1870 die Zahl der Gefallenen, an Wunden und infolge von Krank- heiten Gestorbenen auf 303 504 Unionskämpfer. Pfisterer zählt 286 484 der- artige Opfer des Krieges auf, darunter loi 884 Gefallene und an Wunden Verstorbene. Fox, ein späterer Statistiker, zählt 1 10 070 Gefallene und 199 720 an Krankheiten verstorbene Unionssoldaten, außer den in den Gefängnissen der Konföderierten Gestorbenen (rd. 30 000 Mann), so daß nach Fox der Krieg gegen 340 000 Opfer gefordert haben müßte.

Auch betreffs der Kriegskosten des Nordens läßt sich eine genaue Ziffer nicht angeben. Die Aufwendungen der Einzelstaaten, der Städte und Counties sind nicht festzustellen. Auch über den Ertrag der Kriegssteuern herrscht keine Übereinstimmung. Rhodes schätzt die Kosten der Unionskriegsführung auf 3225 Mill. Doli. Dem ist aber die noch immer bestehende und merkwürdig genug beständig steigende Pensionslast^) hinzuzufügen. Bis zum Jahre 1909 waren an Pensionäre des Bürgerkrieges bereits 3686 Mill. Doli, bezahlt worden. Selbst wenn die bei Abschluß dieses Buches geplante Erhöhung der Pensionen keine Gesetzeskraft erhalten sollte, so werden die Pensionen doch wahrschein- lich über 5000 Mill. Doli, verschlingen, bis die letzte Witwe eines Veteranen von den Listen gestrichen werden kann. Die letzten sog. »revolutionären« Witwen, Pensionsberechtigte aus dem Kriege gegen England, verschwanden erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. So würden sich die Kriegskosten und die Pensionsbelastung sicherhch auf gegen 9000 Millionen Doli, stellen.

1) Das Unterhaus des Kongresses hat im Jahre 19 10 ein Gesetz angenommen, wodurch die Kriegspensionen von rund 160 Millionen auf über 200 Millionen Dollar im Jahr gesteigert werden würden. Am 31. Oktober 1910 waren -noch 555,481 Bürgerkrieg-Veteranen pensionsberechtigt. Die Pension wird jedem Veteranen bezahlt, einerlei ob derselbe bedürftig ist oder nicht.

Nachtrag. 57 7

Verluste des Südens. Die Konföderation hat bei ihrem Zusammenbruche alle Akten zerstört. Nur aus einzelnen Staaten, besonders aus Nord-Carolina, ist brauchbares Material zur Berechnung der Verluste er- halten geblieben. Danach müssen mindestens 200 000 Konföderierte im Kriege ihr Leben gelassen haben^). Diese Schätzung stimmt auch mit den Angaben des »Confederate Handbook« überein. Diese Quelle schätzt die eigentlichen Kriegskosten der Konföderation auf 1500 Mill. Doli. Gold. Die Frage, ob man die Befreiung der Neger, deren Geldwert 2500 Mill. Doli, be- tragen haben soll, den Kriegsverlusten der elf Rebellenstaaten zurechnen dürfe, ist viel umstritten aber diese Werte wurden doch durch die Eman- zipationsakte ausgelöscht, und die Sklaveneigentümer hatten doch den größten Teil ihres Vermögens in den Schwarzen stecken. Die Schäden, welche durch die Auswüstung des Südens veranlaßt wurden, sind ganz unberechenbar. Die bedürftigen Veteranen des konföderierten Heeres werden von den Einzel- staaten der ehemaHgen Konföderation unterstützt. Die Zuwendungen sind recht knapp bemessen, immerhin dürften sie im Laufe der Jahre mehrere hundert Milhonen Dollar betragen haben.

Der Bürgerkrieg hat mindestens 500 000 Menschenopfer gefordert und einen Geldaufwand von etwa 11 000 Millionen Doli, für beide Parteien ver- anlaßt, selbst wenn man die Befreiung der Sklaven ohne Entschädigung nicht auf das Verlustkonto setzt.

2. Heruntergekommene Amerikaner in den Süd-Appaladien.

(Zu Seite 19.)

Die meisten Bewohner der Südappalachen (oder Alleghanies) waren bei Ausbruch des Krieges den Negern nur wenig in der Kultur voraus. 75 Prozent von ihnen waren damals Analphabeten. Es handelt sich dabei um ein Volk fast rein angelsächsischen und schottischen Stammes mit einzelnen Deutsch- nachkommen (man hat einige Exemplare von Arndts »Wahres Christentum« in den Hütten aufgefunden). Der Wildreichtum der Gegend lockte zu An- fang des 18. Jahrhunderts viele Jäger in diese Bergwildnis. Sie gewöhnten sich an das Land und blieben dort, abgeschlossen von der übrigen Welt. Ihre Nachkommenschaft sank fast auf die Stufe des Barbarentums herab. Das Gebiet, in welches sich die Staaten Virginien, Süd- und Nordcarolina, Ala- bama, Tennessee und Kentucky teilen, ist größer als das Deutsche Reich. Die Berge erheben sich in den Black Mountains und Great Smoky Mountains bis auf 7000 Fuß. Sie sind mit wundervollen Wäldern bedeckt. Das Ganze mag der größte Waldkomplex sein, welchen die Erde, abgesehen von den

') Einer allerdings nicht genügend beglaubigten Mitteilung des »Confederate Handbook« zu- folge sind in den Schlachten 52 954 Konföderierte gefallen und 21 570 Mann infolge von Wunden gestorben.

W. Kaufmann, Die Deutschen im amerikan. Bürgerkrieg. o*

578 Nachtrag,

Tropen, darbietet. Dieser gewaltige Bergwald heißt im Volksmund das M o n d - scheinland, nach den vielen illegitimen Schnapsbrennereien, welche dort betrieben werden. Der erste Erforscher dieses Gebietes war der Deutsche Lederer, welcher zu Ende des 17. Jahrhunderts die Appalachen durchquerte und bis in das südliche Tiefland vordrang. Er hat in lateinischer Sprache eine gute Beschreibung seiner Reise hinterlassen. Man muß sich wundern, daß die »Mondscheinler« trotz des übermäßigen Alkohol- und Tabakskonsums beider Geschlechter noch nicht völHg degeneriert sind. Die Familien sind sehr zahlreich, solche von 12 bis 15 Köpfen sind durchaus nicht selten. Die Männer sind arbeitsscheu, den Frauen wird die größte Last aufgebürdet. Am rückständigsten ist die Bevölkerung des Kentuckyer Teiles der Appa- lachen, welche in den wilden Cumberlandbergen, gar nicht so weit von der Großstadt Cincinnati, haust. Hier war bis vor wenigen Jahren die Blutrache noch weit verbreitet. Wegen geringfügiger Dinge gerieten die Familien in Todfeindschaft. Die Fehde der Familie Howard gegen die Turners in Harlan County, Ky., begann 1882, dauerte acht Jahre, und 22 Familienmitglieder wurden totgeschossen. Ursache: Zank beim Kartenspiel zwischen einem Howard und einem Turner. In Clay County, Ky., spielte die Fehde Baker- Howard. Die Witwe eines gefallenen Baker schrieb an den Kapitän der Miliz, welcher die Frau veranlassen wollte, aus jener Gegend fortzuziehen: »Kapitän Brown. Ich habe zwölf Söhne. Es wird der Hauptzweck meines Lebens sein, sie so zu erziehen, daß sie ihren Vater rächen. Ich werde meinen Söhnen täglich das Taschentuch zeigen, welches mit dem Blute des Vaters getränkt ist, und werde ihnen sagen, wer den Vater ermordet hat!« 38 Angehörige der Familien Hargiß und Cockrill fielen in Breathitt County, Ky., während neun Monaten im Jahre 1902. Eines der letzten Opfer war der Anwalt Marcum in Jackson, Breathitt County. Dieser ging ein ganzes Jahr lang täglich mit seinem Töchterchen auf dem Arme nach dem Gerichtsgebäude. So war er vor den Kugeln seiner Feinde geschützt. Als er das erstemal allein aus- ging, fiel ein Schuß aus einem benachbarten Hause, und Marcum brach tot zusammen. Zwei Mitglieder der Cockrill-Bande wurden wegen dieser Tat auf Lebenszeit ins Zuchthaus geschickt. In der Fehde, welche 1884 in Rowan County, Ky., ausbrach, sind 23 Tollivers und Martins gefallen; in der French- Eversole-Fehde, in Perry County, 30; der Krieg unter den Turners in Bell County beide Parteien waren eine Vetternsippschaft forderte 26 Opfer. Ein Prozessieren war nicht notwendig, denn sämtliche Kämpfer waren ge- fallen. Auch diese Fehde spielte erst 1902. Eine weitere Fehde wurde unter den Mc Coys und Hatfields ausgefochten. In neuerer Zeit haben diese Fehden aufgehört, wohl wesentHch infolge der Eisenbahnen, welche das Berg- land jetzt berühren. Die neuen Verkehrsmittel haben sich hier sehr kultur- fördernd erwiesen. Auch ist der PoUzeischutz, wesentlich seit der Ermordung des Gouverneurs Göbel von Kentucky (auch dessen Mörder war ein »Mond- scheinler«) beträchthch erhöht worden, ferner hat man viele neue Schulen

Nachtrag. 579

errichtet und den Bewohnern auch neue Arbeitsgelegenheiten verschafft. Zur Zeit des Bürgerkrieges waren viele dieser heruntergekommenen Ameri- kaner unionstreu. In der Division Schurz befand sich im Herbst 1863 ein Regiment, welches aus Mondscheinlern aus Alabama bestand und von Schurz belobt wird. (Vgl. Schurzens Erinnerungen, welche auch manches von den sozialen Zuständen dieser Leute zu erzählen wissen.) Man möchte annehmen, daß die Verrohung, welche aus den vielen Blutfehden spricht, zum Teil aus der Kriegszeit stamme. Doch haben die Fehden auch früher bestanden und die bei den Prozessen dargelegten Veranlassungen deuten stets auf kleinliche Zänkereien. Es ist möglich, daß die Neigung zu diesen Fehden von Schott- land verschleppt worden ist und dem dort früher herrschenden CHquenwesen (Clans) entstammt.

3. Pastorius und der wirkliche Anfang der deutschen Einwanderung.

(Zu Seite 25.)

Der von Franz Daniel Pastorius und drei seiner Freunde ausgehende erste Protest gegen die Sklaverei wurde leider nicht vor die rechte Schmiede gebracht. Pastorius war um 1688 Mitglied des pennsylvanischen Landtages. Dort hätte er gegen die Sklaverei protestieren sollen. Aber er unterbreitete sein Schreiben nur den Vertretern seiner Glaubensgenossen. Der Protest hat nur der Monats-, der Vierteljahres- und der Jahresversammlung (drei Instanzen) der Quäker- Gemeinden vorgelegen. Die frommen Brüder ließen das Schreiben ihres deutschen Genossen in ihren Akten verschwinden und erst fast 200 Jahre später hat man es wieder entdeckt. Pastorius ließ es dann dabei bewenden, und obschon er noch 30 Jahre lebte, so hat uns seine schreib- selige Hand doch nur ein einziges Verschen mit Bezug auf die Sklaverei hinter- lassen. Es heißt darin: »möchtest du ein Sklav' wohl sein Dem Pastorius- schen Proteste fehlte dasjenige Element, welches ihn erst wertvoll machen konnte, die Öffentlichkeit. Die Agitation der Quäker gegen die Sklaverei begann erst 80 Jahre nach des Pastorius Protest.

Über keinen Deutschen in Amerika, abgesehen vielleicht von Schurz, ist soviel geredet und geschrieben worden als über Pastorius, und auch das einzige Dichtwerk von bleibendem Wert, welches sich mit dem doch so unge- heuer wichtigen Ereignisse der deutschen Einwanderung nach Amerika be- schäftigt, Whittiers Idylle »The Pennsylvania Pilgrim«, behandelt den Pastorius und dessen Wirken in Germantown. Es wäre jedoch sehr zu wünschen, wenn die Deutschamerikaner etwas mehr Interesse denjenigen ihrer Landsleute zu- wenden wollten, welche Zeitgenossen und Vorläufer des Pastorius waren. Es sind Prachtgestalten unter diesen ersten Deutschen in Amerika, Männer, welche es wohl verdienen, neben, einzelne sogar über Pastorius gestellt zu werden. Da sind die beiden Weiser, Vater und Sohn, ferner der ältere

37*

580 Nachtrag.

Säur, bald danach tritt Vater Mühlenberg auf. Und dann die Vorläufer des Pastorius in Neu- Amsterdam : Minnewit, aus Wesel gebürtig, der erste wirk- liche Gouverneur von Neu-Niederland (1626), bald darauf Augustin Hermann, der Diplomat Stuyvesants und ein Kolonisator und Pionier großen Stils; Jakob Loyseler (Leisler) aus Frankfurt a. M., der 1691 einem Justizmorde zum Opfer fiel, welchen, ein ganz seltener Fall, das englische Parlament als solchen anerkannte und bedauerte. Loyseler ist als der erste amerikanische Demokrat anzusehen, ein Vorläufer der Helden der amerikanischen Revo- lution, ein Mann, der den Gedanken einer Zusammengehörigkeit der ameri- kanischen Kolonien zuerst aussprach. Erinnert sei auch an Johannes Lederer, der 1668 die Appalachen erforschte, an den deutschen Jesuitenpater Franz Eusebius Kühn, der schon 1670 in Südkahfornien auftritt, und an manche andere tüchtige und tatkräftige Landsleute, welche unsere Zeit fast völHg vergessen hat, obschon mancher von ihnen durchaus mehr Beachtung verdient als der sanfte und zage deutsche Stubengelehrte Pastorius, der in Germantown in sieben Sprachen dichtete und philosophierte, aber eigenthch niemals aus seinen vier Pfählen herauskam und der so wenig von den Zügen zeigt, welche wir bei den Männern jener Zeit besonders suchen: Tatkraft und erweiterten Wirkungskreis. Die deutschen Vereinspräsidenten in Amerika, welche bei den vielen, allzuvielen, deutschen Tagen stets dieselbe Leier rühren und von dem Pastorius und seinen Krefelder Leinewebern so erbaulich zu reden wissen, sollten sich doch endhch einmal auch der übrigen deutschen Pioniere etwas annehmen. Ihre Zuhörer würden es ihnen sicher- hch danken.

Dem Pastorius wird jetzt das schönste Denkmal errichtet, welches Deutschamerika bisher hervorgebracht hat. Das ist durchaus in der Ordnung, denn das Denkmal soll gewiß weniger das Wirken eines einzelnen Pioniers, als die Kulturtaten des deutschen Elements auf amerikanischem Boden ver- herrlichen. Auch die Wahl des Ortes für jenes Denkmal ist richtig getroffen, denn in Pennsylvanien hat sich das deutsche Volkstum während jener ersten Siedlungszeit am kraftvollsten entwickelt. Aber ganz falsch ist es, wenn man mit jenem Denkmal den Anfang der deutschen Einwanderung nach Nordamerika bezeichnen will. Die Ankunft des Pastorius (1682) ist nur eine Episode in der Geschichte der deutschen Einwanderung, durchaus nicht ihr Anfang. Es ist sogar unrichtig, daß Pastorius und die Seinen den großen Wanderzug der Deutschen nach Pennsylvanien eingeleitet haben. Von dem ersten Historiker Pennsylvaniens, von Rupp, wissen wir, daß Germantown bis 1710 erst 200 deutsche Einwohner zählte, erst nach dieser Zeit kamen die Massen der Deutschen nach Pennsylvanien. 30 Jahre vor Pastorius lebten dicht bei Germantown wahrscheinüch schon weit mehr Deutsche als in German- town zu Anfang des 18. Jahrhunderts wohnten. Es waren das die Pommern, welche mit den Schweden schon um 1650 an den Delaware gezogen waren. Die deutsche Einwanderung beginnt nicht 1682, sondern schon 1620,

Nachtrag. 581

sie beginnt mit dem Anfange aller Kultur der Europäer auf dem Gebiete der Vereinigten Staaten. Erst in jüngster Zeit ist einiges Licht gekommen in die Geschichte der ältesten deutschen Einwanderung. (Siehe darüber besonders die gediegenen Aufsätze von Otto Löhr im Sonntagsblatte der New Yorker Staatszeitung.) Kapps Geschichte der Deutschen von New York weiß noch so gut wie nichts darüber. Die Documentary History of the State of New York sowie Broadheads Geschichtswerk enthalten darüber viel Material. Ich habe darin ausführhche Mitteilungen gefunden, welche mit Sicherheit darauf schHeßen lassen, daß mindestens jeder dritte Holländer, der von 1611 bis 1664 nach Neu- Amsterdam (dem heutigen New York) aus- wanderte, ein Deutscher gewesen sein muß. Schon die außerordentlich große Zahl der Deutschen, welche in hervorragenden Ämtern in jener frühe- sten Zeit unter den Holländern wirkten, läßt darauf schließen. Herrn Lohrs Forschungen, welche sich auf holländische Quellen zu stützen scheinen, lassen aber durchaus vermuten, daß die Zahl der Deutschen unter den Holländern noch eine weit größere gewesen ist. Vielleicht stammte über die Hälfte der Holländer in Neu-Niederland aus Deutschland, ganz abgesehen von der Tat- sache, daß damals Holländer und Niederdeutsche ein Volk waren, und daß auch die politische Abgrenzung der Stämme sich erst um jene Zeit vollzogen hat. Wenn ein in Amerika geborener Sohn den deutschen Vater fragt, wann die ersten Deutschen nach Amerika gekommen sind, so laute die Antwort: »die Deutschen kamen zur Zeit der Mayflower Pilger ins Land.« Das versteht der Junge und das ist auch historisch richtig. Aber es ist f a 1 s c h das Jahr 1682, das Landen des Pastorius, als den Anfang der deutschen Einwanderung zu bezeichnen.

4. Das Massaker von Gnadenhütten.

(Zu Seite 36.)

Die furchtbarste Tat der Grenzler war die Ermordung von 96 christ- lichen Indianern, Männern, Frauen und Kindern, zu Gnadenhütten im öst- Uchen Ohio, 1782. Das waren von den deutschen Hermhutem bekehrte In- dianer, deren drei Dörfer auf dem von den roten Verbündeten der Engländer benutzten Pfade, zwischen der Seeregion und dem Ohio, lagen. Oft wurden diese Niederlassungen von wilden Indianern benutzt, welche von den christ- lichen Indianern Gastfreundschaft erzwangen. Die weiße Grenzbevölkerung erbHckte aber darin eine Unterstützung der wilden Indianer, und es wurde eine Strafexpedition gegen Gnadenhütten beschlossen. Unter Führung eines Schurken , namens WilHamson, wurden die Dörfer umzingelt. Der Führer teilte den christhchen Indianern mit, daß man sie am nächsten Morgen sämtHch totschlagen werde; während der Nacht könnten sich die Opfer auf den Tod vorbereiten. Der entsetzHche Plan wurde ausgeführt. Nur zwei Knaben entkamen, die übrigen 96 wurden in ruchlosester Weise abgeschlachtet. (AusführHches darüber in den Schilderungen des Missionars Heckenwälder.)

37**

582 Nachtrag.

5. Der neue Süden ohne Sklaverei.

(Zu Seite 58.)

Die folgenden Mitteilungen über den Aufschwung des Südens ohne Sklaverei entstammen amtlichen Erhebungen: Die Zahl der Analphabeten ist von 1890 bis 1900 im ganzen Süden von 29,7*^/0 ^^f 23,4^/0 gesunken. Die Zeitungen jenes Landesteiles haben sich in dieser Periode um rd. 50^/0 ver- mehrt. In 20 Jahren hat sich in Virginien die Zahl der Farmen verdoppelt. Eisenbahnen im Süden 1890: 44 078 Meilen, 1905 aber waren es 67 129 Meilen. Das in der Industrie veranlagte Kapital hat sich in zehn Jahren verdoppelt, die Bankdepositen haben sich verdreifacht. Von 1900 bis 1905 stiegen die Jahreslöhne der Industriearbeiter des Südens von 218 auf 313 Mill. Doli.; der Wert der Industrieerzeugnisse aber hob sich von 1229 Mill. auf 1766 Mill. Der Eisenabbau von Alabama, Virginia und Tennessee verdoppelte sich in drei Jahren. Den besten Beweis von der Selbsttäuschung der Sezessionisten bietet jedoch der Aufschwung des Baumwollbaues ohne Sklaven dar. Es wurden mit freier Arbeit geerntet 1906: 11 400 000 Ballen, 1907: 13 575 000, 1908: II 582 000 Ballen von je 500 Pfund. In einem der besten Baumwollen- jahre, 1859, erzielte der Süden mit Sklavenarbeit nur 4 800 000 Ballen zu a 400 Pfund. Wird die Gewichtserhöhung des Ballens berücksichtigt, so er- zeugt der Süden mit freier Arbeit jetzt mehr als das Dreifache seiner mit Sklaven erzielten Ernten. Zur Sklavereizeit wurde der Baumwollsamen weggeworfen. Jetzt ergibt dieses Nebenprodukt Öl und andere Nutzmittel im Jahreswerte von 100 bis 125 Mill. Doli. Vor 1860 wurde fast die ganze Baumwollenernte ausgeführt. Nach dem Zensus von 1860 verarbeitete der Süden damals nur 178 000 Ballen in Spinnereien. Im Jahre 1908 aber ver- arbeiteten die südlichen Fabriken 2 235 000 Ballen Baumwolle, die nördlichen 2 017 000 Ballen zu 500 Pfund. Beide Landesteile zusammen verspannen 1908 noch etwas mehr Baumwolle, als in dem guten Jahre 1859 mit Sklaven- arbeit erzeugt wurde. Über ein Drittel der jetzigen Massenernte wird in den Vereinigten Staaten in Baumwollen-Textilwaren verwandelt, deren Jahres- wert auf 1500 Mill. Doli, veranschlagt wird. Der Wert der jetzigen Baumwollen - ernte mit den Nebenprodukten wird auf rd. 1000 Mill. Doli, pro Jahr abgeschätzt. Ein Mehr von 700 MiU. Doli, über das Jahresergebnis der Sklavereizeit!

6. Die Altdeutschen im Shenandoahtale.

(Zu Seite 302).

Als die deutschen Soldaten unter Schurz und v. Steinwehr in den ersten JuHtagen von 1863 auf dem Friedhofshügel von Gettysburg lagerten, da ruhten sie auf den Gräbern von Landsleuten, von welchen einzelne dort schon seit fast 150 Jahren in amerikanischer Erde geschlummert hatten. Gettysburg, ehemals Götzburg geheißen, ist wie das ganze südHche Pennsylvanien eine Siedelung der Deutschen,, deren Massenauswanderung nach Amerika

Nachtrag. 583

mit dem Jahre 1709 begonnen hatte. Der Seminarhügel von Gettysburg, auf welchem Lees Armee stand, trägt seinen Namen von einem lutherischen Predigerseminar, in welchem auch jetzt noch deutsche Pastoren ausgebildet werden.

Die pennsylvanischen Deutschen begannen sehr früh den Wanderzug nach dem Süden. Schon um das Jahr 1725 finden wir sie sehr zahlreich im westHchen Maryland. Zur Zeit der Revolution gegen England war diese Gegend ebenso deutsch wie Pennsylvanien. Frederick in Maryland war ehemals eine ganz deutsche Stadt; dasselbe gilt von Sharpsburg am Antietam, wo die erste Invasion der Konföderierten nach dem Norden zurückgeschlagen wurde. Ein uralter Indianerpfad zog von Götzburg aus nach dem Potomac quer durch das westliche Maryland. Dieser Pfad wurde die Wanderstraße der nach dem Süden vordringenden Deutschpennsylvanier. Robert Harper, welcher der wichtigen Stadt Harpers Ferry den Namen gegeben hat, war ein Deutschpennsylvanier. Aber auch schon sehr früh drangen die Deutschen über den Potomac nach Süden vor, und sie wurden die ersten Siedler in dem herrlichen Shenandoahtale. Justus Heid war der erste Pionier jenseits des Potomac. Um 1732 zog er mit seinen Söhnen, vier Schwiegersöhnen und einigen Freunden, zusammen sechzehn Famihen, nach dem heutigen Win- chester, und dort wurde die erste größere Siedelung angelegt. Das Land wax damals herrenlos. Heids Verträge mit den Indianern wurden später bestritten, und sein Rechtstitel auf das in Besitz genommene Land wurde angefochten. Washington war schon längst Präsident, als der langwierige »Joist Hide«- Landprozeß endlich entschieden wurde. Viele andere deutschpennsylvanische Trekker folgten den Spuren Heids, und so entstanden in rascher Folge die blühenden deutschen Siedelungen Harpers Ferry, Martinsburg, Schäfer- stadt (jetzt Shephardstown) , Stephansstadt (Stephansburg), Winchester, einst Friedrichsstadt geheißen, Kemstown, Stauferstadt (jetzt Strasburg), Müllerstadt, jetzt Woodstock. Keisletown in Rockingham County hieß ursprüngHch Kieselstadt. Neumarkt, jetzt New Market, wo Sigel im Mai 1864 die Niederlage erhtt, ist ebenfalls eine altdeutsche Siedelung, und als die deutsche Division am Pfingstsonntag 1862 bei Gross Keys die Feuertaufe er- hielt, fanden die Verwundeten Aufnahme in zwei deutschen Kirchen, welche sich auf dem Schlachtfelde befanden. Das ganze Shenandoahtal war schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts von den Deutschen besiedelt. Kercheval, der früheste Geschichtschreiber Virginiens, meldet, daß die lutherische Synode Virginiens gegen Ende des Jahrhunderts annähernd 100 Kirchen besessen hat. Lutherisch und deutsch bedeutet in Amerika dasselbe. Dabei muß man aber in Betracht ziehen, daß die Kirchen meistens kleine Blockhäuser waren. Auch waren die Marylander Lutheraner an die virginische Synode angeschlossen. Jedoch besaßen auch die deutschen Reformierten, die Herrenhuter und die verschiedenen Tauchersekten, namenthch die Dunker oder Tunker, weitver- breitete Gemeinden in jener Gegend.

584 Nachtrag.

7. Die Sioux vor Neu-UIm.

(Zu Seite 253.)

Als eine Begleiterscheinung des Bürgerkrieges ist der große Aufstand der Sioux- oder Dakota-Indianer zu betrachten, welcher im August 1862 stattfand. Diese kriegerischen und grausamen Rothäute benutzten die Zeit, in welcher alle kriegstüchtigen Männer der deutschen Niederlassung Neu- Ulm und Umgegend (in Minnesota) für die Union im Felde standen, um über die schutzlosen Siedler herzufallen. Schreckhch wüteten Tomahawk und Skalpier- messer unter den Ansiedlern. Am 24. August belagerten die Indianer die Stadt Neu-Ulm. In einem großen Keller, in welchen sich viele Frauen und Kinder geflüchtet hatten, stand ein Pulverfaß, welches in die Luft gesprengt werden sollte, wenn die Indianer die Stadt erobern würden. 40 Männer fielen bei der Verteidigung. 270 Häuser der Stadt wurden niedergebrannt, nur 30 bUeben stehen. Die Verteidigung führte Oberst Jakob Nix, ein ehemaliger süddeutscher Offizier. In der Stunde der größten Not traf Entsatz ein, und die Rothäute zogen ab, ehe sie den von den Flammen verschonten Rest der Stadt erobern konnten. So wurden die meisten Bewohner noch gerettet. Im ganzen sollen 700 Männer, Frauen und Kinder, die meisten auf den um- hegenden Farmen, getötet worden sein. Die meisten der Opfer waren Deutsche und Schweden. Viele wurden grausam zu Tode gemartert. Später wurden 38 Rädelsführer der Indianer gehenkt. Die Sioux wurden dann nach den Black Hills in Dakota verpflanzt. Auch dort kam es zu blutigen Kämpfen mit ihnen. Im Sommer 1874 wurde General Custer mit 250 Mann am Little Big Hom-Flusse von den Sioux unter Sitting Bull umzingelt, und die ganze Mannschaft wurde niedergemacht. Nicht ein einziger Soldat entkam. General Custer war im Bürgerkriege einer der glänzendsten Reiterführer des Unions- heeres. Er war deutscher Abkunft. Sein Vater schrieb sich noch Küster. Die Ansiedelung Neu-Ulm war von deutschen Turnern aus Cincinnati und Chicago gegründet worden und zählte 1200 Mitgheder. Jetzt ist Neu-Ulm eine der schönsten und blühendsten Städte von Minnesota mit einer fast reindeutschen Bevölkerung. Über den Überfall der Sioux siehe A. Berg- holds Schilderung im 8. und 9. Jahrgange des »Cincinnati Pionier«, femer die »Chronik von Neu-Ulm«, herausgegeben von der Neu-Ulmer »Post«.

Beiläufig mag bemerkt werden, daß in den früheren Kriegen mit den Indianern mehrfach Deutsche als Führer aufgetreten sind, namentHch in Kentucky und Virginien. Darüber Näheres in Theodore Roosevelts bekanntem Werke »The Winning of the West«, das leider schon mit dem Ende des 18. Jahr- hunderts abschheßt. In Band II, S. 298, wird auch der berühmte deutsche Skalp Jäger Ludwig Wetzel erwähnt. Die Deutschen Kaspar Mansker (Mansco) und Steiner haben sich ebenfalls einen gefürchteten Namen als Indianertöter geschaffen. Von Steiner stammen viele Stoners ab, die im Bürgerkriege eine Rolle spielten. Roosevelt zitiert im IV. Bande, S. 25,

Nachtrag. 585

eine Bemerkung des Staatssekretärs von Kentucky (um 1790), welche folgendermaßen lautet:

»Von je zwölf Familien einer eingewanderten Nation prosperieren neun Deutsche, sieben Schotten und vier Irländer. Die deutschen Frauen arbeiten ebenso hart wie ihre Männer, selbst auf den Feldern, und beide Geschlechter dieser Nation sind gleich sparsam. Dadurch wurden so fleißige Siedler bald wohlhabend, aber sie gewannen erst dann Einfluß und Führung in den Siede- lungen, nachdem sie sich in Sprache und Sitten ihren amerikanischen Nachbarn angepaßt hatten. Die Schotten waren sparsam und fleißig, und man konnte sie bald nicht mehr von Eingeborenen unterscheiden. Die tapferen und starken Irländer waren zu große Freunde von Whisky und Prozessen, und sie griffen zu bald zur Flinte (Jagd), was gleichbedeutend mit Ruin ist.«

8. Das 9. Ohio-Regiment bei Chidcamauga.

(Zu Seite 396.)

Mit rd. 500 Mann waren die Neuner in die Schlacht gezogen, nur die Hälfte kam heil heraus. Elf Offiziere und 237 Mann lagen tot oder verwundet auf dem Felde. Das Regiment erstürmte unter Kämmerhngs Führung eine Batterie, welche die reguläre Bundesartillerie verloren hatte, und eroberte die Geschütze zurück. (Bumhams Batterie, damals von Leutnant Günter befehhgt.) Diese Zurückeroberung der Geschütze gilt als eine der glänzend- sten Einzeltaten des ganzen Krieges. Das Denkmal, welches der Burnhamschen Batterie errichtet wurde, ist eigentüch ein Denkmal der Neuner. Als das Regiment von diesem Angriff zurückkehrte, waren die übrigen Regimenter derselben Brigade in größter Gefahr, vom Feinde geworfen zu werden. Aber- mals wurden die Neuner vorgeführt und sie verwandelten die Niederlage ihrer Brigade in einen Sieg. Auf dem Horseshoe-Hügel (wo auch das Denkmal der Neuner steht) vollbrachte dies Heldenregiment ähnUche tapfere Taten. Das 9. Ohio-Regiment hatte die stärkste Verlustliste unter allen bei Chickamauga kämpfenden Regimentern, aber auch den glänzendsten Rekord.

9. Sigel, Schurz, Stahel und Lincoln.

(Zu Biographien Sigel und Schurz.)

Nachdem Sigel sich schon zum Rücktritte entschlossen hatte, schrieb er am 23. Januar 1863 einen Brief an den Präsidenten, in welchem er S c h u r z als seinen Nachfolger im Kommando des 11. Korps vorschlug und femer empfahl, daß ein Korps Reservekavallerie errichtet werden, sowie daß man den Befehl über dieses Reservekorps dem General Stahel übertragen möge. Lincoln schrieb auf die Rückseite des Sigelschen Briefes am 26. Januar die folgende Antwort:

»Ich glaube, daß eine Vermehrung der Kavallerie zweckmäßig sein würde, habe aber nicht versprochen, daß ich, nur um dem Wunsche eines

586 Nachtrag.

Offiziers nachzukommen, sofort ein Korps ausheben lassen würde, wenn es der Regierung nicht angemessen erscheint. HinsichtHch General Schurz' und General Stahels habe ich versucht, ihnen allen gerecht zu werden; aber es scheint immer schlimmer zu werden. Wenn General Sigel bestimmt und be- dingungslos sagen würde, was er bezüglich des Kommandos der ihm unter- stehenden Kräfte wünscht, würde ich versuchen, dies zu tun; aber wenn er Pläne hat, welche darauf begründet sind, daß ich neue Streitkräfte aushebe, so verlangt er etwas, das über meine Kräfte hinausgeht.

26. Januar 1863. A. Lincoln.«

Lincoln scheint die den General Stahel betreffende Forderung Sigels so aufgefaßt zu haben, als solle, wesentlich um für Stahel einen geeigneten Wirkungskreis zu schaffen, ein besonderes Reiterkorps ausgehoben werden. Diese Auffassung Lincolns war durchaus nicht unberechtigt, namentlich wenn man bedenkt, daß damals die Potomacarmee neu organisiert wurde (unter Hooker), und daß Lincoln von allen Seiten mit derartigen Forderungen bestürmt wurde. Was Sigel nur als die Erfüllung einer Pflicht den beiden Kameraden gegenüber angesehen haben mochte, erscheint Lincoln als eines der Hunderte von ähnlichen Gesuchen, welche an ihn gestellt wurden. Außer- dem kann man aus der Form jener Lincolnschen Antwort an Sigel kaum eine Gereiztheit des Präsidenten herauslesen. Trotzdem schrieb Lincoln an Sigel am 5. Februar einen zweiten Brief, welcher folgenden Wort- laut hatte:

An Generalmajor Sigel. »General Schurz meint, daß ich in meinem letzten Briefe an Sie ein wenig ungehalten (»cross«) gewesen bin. Wenn sich das so verhält, so bitte ich um Entschuldigung. Wenn ich auch mal ein wenig aufbrause (if I do get up a little temper), so habe ich doch nicht genügend Zeit, es lange zu sein. Ich möchte jetzt keine neuen Bestimmungen in bezug auf die in Rede stehende Angelegenheit treffen, aber es würde meinem Wunsche entsprechen, wenn General Hooker dem General Stahel ein größeres Kavalleriekommando über- tragen kann und derartig verfügen will. Sie mögen General Hooker diesen Brief zeigen. Ergebenst Ihr

A. Lincoln.«

Dieser zweite Brief Lincolns zeigt, daß der Präsident Sigels Vorschlägen durchaus nicht ablehnend gegenüber stand, General Stahel erhielt wirklich das Kommando über eine größere Kavallerieabteilung, welche man allerdings kaum ein Korps nennen kann, obschon es auch kleinere Reiterkorps gegeben hat. Stahel erhielt aber damit Selbständigkeit, konnte seine großen Erfah- rungen in dieser Waffe zur Geltung bringen und dann eine der besten Reiter- organisationen schaffen, welche die Potomacarmee besessen hat. Dagegen

Nachtrag. 587

ging Schurz leer aus, obschon, nach jenem Briefwechsel zu urteilen, es sich bei der Differenz zwischen Sigel und Lincoln eigentlich nur um Stahel gehandelt hatte und man annehmen konnte, daß Lincoln Sigels Wunsch bezüglich Schurzens Rangerhöhung nachkommen würde. Aber Lincoln hatte Hooker bezüglich der Wahl der neuen Korpsführer freie Hand gelassen und Hooker ignorierte Schurzens Anspruch (Schurz war der rangälteste Di visionär im ii. Korps). Hooker ernannte dann einen Westpointer, den General O. O. Howard, zum Führer des Korps. Übrigens hätte Schurz das Kommando wahrschein- lich erhalten, wenn er seine Forderung energisch bei Lincoln vertreten haben würde.

10. Die Behandlung der Kriegsgefangenen.

(Zu Biographien Frey und Wirz [letztere unter den konföderierten Offizieren].)

Über die Behandlung der Kriegsgefangenen auf beiden Seiten herrscht noch große Unklarheit. Die Konföderation hat an zuverlässiger Statistik so gut wie nichts hinterlassen. Die Unionsstatistik spricht von 196 713 Unions- gefangenen in Konföderierten- und von 227 570 konföderierten Gefangenen in Unionsgefängnissen. Die Sterblichkeit soll 15,3^/0 bei den nördlichen Ge- fangenen (30 212 Tote) und 11,7% (26 774 Tote) bei den südlichen (in nörd- lichen Gefängnissen) betragen haben. Nach anderen, nicht kontrollierbaren, Berichten starben aber über 40 000 Unionsgefangene im Süden. (Angabe der »National Tribüne«, Organ der Unionsveteranen.)

Obige Statistik über die Todesfälle in beiden Lagern gewährt fast die einzige Handhabe zu einer unparteiischen Beurteilung der Behandlung der Gefangenen. Wenn von den Unionsgefangenen nur 15,3 ''/o in konföderierten Gefängnissen gestorben sind, während ii.j^/q der konföderierten Gefangenen als Gäste des Nordens starben, so kann die Behandlung, welche die Unions- gefangenen erfahren haben, doch nicht so ganz außerordentlich viel härter und grausamer gewesen sein als man nach den geradezu furchtbaren Anklagen schließen muß, welche gegen die konföderierten Kerkermeister erhoben werden. Denn ein Teil des Unterschiedes in der Sterblichkeit in beiden Lagern wird doch ausgeglichen durch die weit besseren Hilfsmittel, welche dem Norden zur Beherbergung der südlichen Gefangenen zur Verfügung standen. Im Norden konnten die Gäste meistens in Baracken untergebracht werden, im Süden lagerten die Gefangenen zum größten Teil auf freiem Felde. Der Norden besaß Nahrungsmittel im Überflusse, und niemals mangelte es dort an Arznei- mitteln, während es mit letzteren im Süden stets sehr kärghch bestellt war. Auch war der Haß der Nordländer gegen den Feind durchaus nicht so stark wie bei den Konföderierten den Nördlichen gegenüber. Nur die südlichen Gefangenen erblickten die gütige Fee, welche auch dem Landesfeinde Er- quickungen spendete. Auch war das Klima des Nordens günstiger. Gegen die Kälte konnte man sich leichter schützen als gegen die Sonnenglut im

h'Vf

588 / J Yj/ Nachtrag.

Süden. Ferner haben die nördhchen Gefangenen im Durchschnitt wohl längere Zeit in den Gefängnissen verbracht als ihre Gegner. Die Masse der südlichen Gefangenen gelangte erst gegen Ende des Krieges in Haft. Damals kam die Kriegsmüdigkeit unter den Konföderierten sehr stark zur Geltung, zu Tausen- den ließen sie sich während der letzten Wochen fangen. Daraus erklärt sich auch, daß die Zahl der konföderierten Gefangenen in obiger Statistik um so viel größer ist, trotzdem die südlichen Heere zu Ende des Krieges kaum ein Drittel der Stärke der nördlichen Scharen zählten.

Die Wahrheit über die Behandlung der Gefangenen in beiden Lagern wird sich niemals feststellen lassen. Doch steht zu hoffen, daß die meisten Berichte darüber stark übertrieben sind. Man muß das hoffen, denn es wäre entsetzhch, wenn nur die Hälfte von dem wahr wäre, was darüber geschrieben worden ist.

Während der ersten Kriegsjahre wurden die Gefangenen regelmäßig ausgewechselt. Das hörte aber auf, als der Norden so viele Neger-Regimenter bildete. Die schwarzen Truppen wurden von den Konföderierten nicht als reguläre Soldaten des Nordens anerkannt. Die Südlichen behaupteten, daß die uniformierten Neger entlaufene Sklaven seien und deshalb als das persön- hche Eigentum derjenigen betrachtet werden müßten, welchen sie früher gehört hatten. Des öfteren wurden ganze Haufen gefangener Negersoldaten von den Konföderierten niedergemetzelt (Fort Pillowü), die meisten der gefangenen Neger wurden aber wieder in die Sklaverei abgeführt. Die Union konnte eine verschiedene Behandlung ihrer weißen und ihrer schwarzen Sol- daten seitens des Feindes nicht dulden, und da der Süden die gefangenen Neger nicht auswechseln wollte, so stockte die Auswechslung auch der weißen Soldaten. Während der letzten Kriegszeit verbheben die Gefangenen oft lange Zeit beim Feinde. Übrigens hat die Konföderation von Anfang an viele Zehn tausende Neger zu Kriegszwecken benutzt, namenthch zu Schanzarbeiten. Der Norden hatte deshalb schon aus diesem Grunde durchaus das Recht zu der Bildung von Neger-Regimentern. 185 000 Neger haben für die Union gekämpft.

Gegen Ende des Krieges wollte die Konföderation gern wieder auswechseln. Aber da kam im Norden die Staatsraison zur Geltung : »Sollen wir die zusammen- brechende Rebellion stärken, indem wir ihr hunderttausend oder noch mehr Kriegsgefangene aushefern, welche sofort wieder in Dienst gestellt und gegen uns kämpfen werden ? Nein, der Friede kann nur durch völlige Niederwerfung des Feindes gesichert werden. Unsere unglückhchen Brüder, welche in den südlichen Gefängnissen zugrunde gehen, sterben auch für das Vaterland. Ihrer viel mehr würden auf den Schlachtfeldern sterben, wenn wir jetzt auswechseln wollten.«

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