DIE ELEMENTARSTRÜCTUR UND DAS WACHSTHÜM DER LEBENDEN SUBSTANZ. VON voru D^ JULIUS , WIESNER OKD. ÖFF. PROFESSOR DER ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN UND DIREKTOR DES PFLANZENPHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS AN DER K, K. WIENER UNIVERSITÄT, WIRKL. MITGLIED DER KAISERL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ETC. ■•►- WIEN 1892 ALFRED HOLDER K. ü. K. HOF- UND UNIVERSITÄTS-RUCHHÄNDLER I KOTHENTHURMSTRASSE 15. ^ ALLE RECHTE VOEBEHALTEN. 7:^3^ SEIjSEM illustren LEHRER UND COLLEGEN, HERRN ERNST VON BRÜCKE K. K. HOFRATH, EM. ORD. OFF. PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER K. K. WIENER UxNIVERSITÄT, WIRKL. MITGLIED DER KAISERL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN, LEBENSLÄNGL. MITGLIED DES HOHEN HERRENHAUSES DES ÖSTERR. REICHSRATHES, ETC. ETC. IN DANKBARER VEREHRUNG GEWIDMET VOM VERFASSER YORWOET. Diese Schrift beschäftigt sich zunächst mit der Elementarstructur der Organismen. Als Resultat meiner Studien über diese von mancher Seite noch für unlösbar gehaltene, jedenfalls sehr schwierige Frage ergab sich vor allem eine neue und, wie ich glaube, naturgemässe Formulirung des Gesetzes von der Einheit im inneren Baue des Organismus, welche es ermöglicht, alle lebenden Bestandtheile der Zelle, so heterogen die- selben auch erscheinen mögen, und den Organismus überhaupt, auf eine letzte, mit den Attributen des Lebens versehene Einheit zur ü ckzuführ en . Die Möglichkeit der Existenz solcher letzter lebender Einheiten des Organismus ist zuerst von jenem grossen Meister der physio- logischen Forschung eingeräumt worden, dem die folgenden Blätter gewidmet sind. Als weiteres Resultat meiner Studien über die elementare Structur der lebenden Wesen ergab sich eine neue und, wie ich hoffen darf im Vergleiche zur herrschenden, naturgemässere Auffassung des or- ganischen Wachsthums. Auf den vielverschlungenen Wegen meiner Untersuchungen über die Elementarstructur und über das Wachsthum der lebenden Substanz trat mir manches scheinbar ausserhalb des Rahmens meiner Aufgabe gelegene Problem entgegen, zu dessen Lösung ich im Nachfolgenden einige Beiträge bringe. In diesem Sinne fügen sich in den Text und in die Noten Bemerkungen ein über die Grenzen der organischen Theilbarkeit, über Vererbung, über die Physiologie des Generations- wechsels und der Adventivbildungen, über Parasitismus u. a. m. Da dieses Buch zum Theile Gegenstände von allgemein natur- wissenschaftUchera Interesse behandelt, und deshalb über den Kreis der Botaniker und vielleicht auch der Zoologen hinaus Leser finden dürfte, so habe ich dasselbe in eine jedem Naturforscher verständliche Form gebracht. Wien, im Juli 1891. J. Wiesner. mHALT. Seite Voi'wort V Einleitung 1 Erstes Capitel. Geschichte und Kritik der bisher unternommenen Versuche, den elementaren Bau und das Wachsthum der lebenden Substanz aufzuklären 19 Zweites Capitel. Die Bedeutung der Theilung für das Leben und die Grenzen der Theilung-sfähigkeit der lebenden Substanz 80 Drittes Capitel. Die Elementarstructur der Organismen 129 Viertes Capitel. Das Wachsthum 193 Schlussbetrachtungen 257 Sach-undNamenreo:ister 280 o • ZEizxleltuLng-. In the first place, then, I remark, tliat, to the formation of science, two thing-s are requisite; — facts and ideas; Obser- vation of thing-s without, and an inward effort of thought; or, in other words, sense and reason. W. W bewell, History of the inductive Sciences. Wenn auch der Einzelne, seiner inneren Natur entsprechend, sich mit positiver Forschung beg-nüg-en und auf speculative Verzicht leisten mag-, so ist es doch klar, dass der Wissenschaft als solcher dies nicht gestattet ist. Kekule, Die Wissenschaft!. Leistungen und Ziele der Chemie. VV ie ist die elementare Structur der lebenden Wesen beschaffen, und in welcher Art erfolgt das Wachsthum der lebenden Substanz ? Dies sind die beiden Hauptfragen, an deren Lösung heranzu- treten auf den folgenden Blättern versucht werden soll. Eine genaue Präcisirung beider Fragen würde den E ahmen dieser blos zur vorläufigen Orientirung über das gesteckte Ziel be- stimmten Einleitung überschreiten. Es dürfte genügen, diese beiden Probleme kurz und unzweideutig zu charakterisiren. Gleich Brücke sehe ich in der Zelle und in deren bis jetzt sichtbar gemachten lebenden Theilen das Wesen der Organisation nicht erschöpft. Zwischen dem jetzt schon erkennbaren Bau der Organismen und der allen Substanzen zukommenden Molecularstructur liegt eine Organisation einfachster Art und diese ist es, welche ich als Elementarstructur bezeichne. Es wird also hier unter Organisation Wiesner, Die Elementarstructur etc. 1 eine specifische, nämlich nur den lebenden Wesen eigenthümliclie, für Lebenszwecke bestimmte Structur zu verstehen sein. Unter Wachsthum begreife ich in erster Linie eine auf Organisationsänderung beruhende Volumszunahme des Organismus und aller seiner lebenden Theile. Aus dieser Elementarstructur werde ich das Wesentliche des organischen Wachsthums ableiten und, wie ich hoflfe, in einer den Thalsachen angemesseneren Weise, als unter Annahme einer uns völlig unbekannten Molecularstructur der lebenden Substanz und als überhaupt unter Annahme lediglich jener Vorgänge, welche bei dem Aufbaue eines Krystalls oder eines amorphen Körpers betheiligt sind. Durch diese kurzen Bemerkungen ist auch der Zusammenhang angedeutet, welcher zwischen den beiden oben genannten Hauptauf- gaben dieses Buches besteht. Der innere Bau der Organismen lässt sich innerhalb sehr weiter Grenzen durch die unmittelbare Beobachtung verfolgen. Ein Gleiches gilt auch bezüglich des Wachsthums der organischen Wesen und ihrer sichtbaren Theile. Wir finden die Organe aus Geweben, diese aus Zellen zusammengesetzt und können in letzteren noch lebende Theile unterscheiden. Wir vermögen messend den räumlichen und zeitlichen Verlauf des Wachsthums zu verfolgen, können auf dem Wege der Beobachtung die Abhängigkeit des Wachsthums von äusseren Einflüssen feststellen u. a. m. Aber die letzten Stufen der Organisation wahrzunehmen, ist uns ebenso versagt, wie direct in das Wesen des organischen Wachsthums einzudringen. Wie wir auf empirischem Wege die Thatsachen der organischen Structur und des Wachsthums gefunden haben, lernten die Physiker den Gang der Lichtstrahlen, die einfache und doppelte Brechung des Lichtes und viele andere vereinzelte Thatsachen der Optik kennen. Aber das Wesen des Lichtes und der Zusammenhang der Licht- phänomene blieb dem Auge des Physikers so lange verschlossen, bis es gelang, eine rationelle Vorstellung über die Katur des Lichtes zu gewinnen, deren Werth sich desto mehr steigerte, je vollkommener sie im Einklänge mit den Thatsachen befunden wurde und je sicherer o sie die Erscheinungen erklärte. Ein erklärendes Vorbild war es, welches die Grundlage der Undulationshypothese bildete. Ein Gleiches gilt für jede naturwissenschaftliche Hypothese. In ähnlicher Lage, wie der Physiker vor Aufstellung einer i'ationellen Lichthypothese, befinden wnr uns, wenn wir aus den Bruch- stücken unserer Erfahrungen die Elementarstructur der Organismen ableiten und uns das Wesen des organischen Wachsthums klar machen wollen. Auch wir bedürfen eines erklärenden Vorbildes, welches, allerdings angelehnt an unsere Erfahrung, aber doch immerhin erdacht werden muss. Die meisten der heute lebenden Naturforscher stehen auf dem Standpunkte strengster Empirie; sie gönnen der Untersuchung nur ein Recht innerhalb der Grenzen der Erfahrung und perhorresciren die Einführung von Ideen, soferne dieselben nicht das Product einer durch die Beobachtung gesicherten Erfahrung bilden. So lange das Erfahrungswissen noch mangelhaft, durch die unmittelbare Beob- achtung oder durch das Experiment sichtlich der Vervollkommnung fähig ist, bew^ährt sich dieser Standpunkt als der einzig richtige. Wird derselbe zu frühzeitig verlassen und beginnen vor Erwerbung genügender Kenntnisse die Naturforscher zu speculiren, statt zu beob- achten, so stellt sich bald jener verderbliche Zustand der Forschimg ein, der zu Schelling's Zeiten jede Weiterentwicklung zu hemmen drohte. Allein es kann auch die empirische Forschung zu Aveit ge- trieben w^erden. Werden die Bausteine der Erfahrung nur in einemfort und planlos aus dem Fels gehauen, so entsteht schliesslich doch nur ein Chaos, welches das Auge verwärrt; und jeder logische Kopf muss dann das Bedürfniss nach übersichtHcher Anordnung und schliesslicher Verwerthung des aufgehäuften Baumateriales empfinden. So müssen wohl, da der gesunde Sinn der Forscher sich früher oder später immer Bahn brechen wird, mit einer gewissen Noth wendigkeit in jedem Gebiete der Naturforschung Perioden strenger Empirie mit solchen abwechseln, in w^elchen der theoretischen Untersuchung ein grösserer Spielraum gegönnt ist. Unser empirisches Detailw^ssen über den Bau der Organismen hat sich so enorm gehäuft, dass mir eine theoretische Behandlung dieses Stoffes als ein durch den natürlichen Entwicklungsgang der Forschung gebotenes Erforderiiiss erscheint. Eine solche aus theoreti- schen Gesichtspunkten unternommene BearbeituDg wird bei einer logischen Durchdenkung der Thatsachen nicht stehen bleiben dürfen. Wie auf allen anderen Gebieten der Untersuchung, wird auch hier eine Hypothese oder, wie ich früher sagte, ein erläuterndes Vorbild aufgestellt werden müssen, um die vielfach nur lose nebeneinander liegenden Thatsachen zu verknüpfen, und um zu neuer, planmässiger empirischer Forschung anzuregen. Ich w^age, innerhalb bescheidener Grenzen, diesen Versuch, und indem ich nach mehr als dreissigj ähriger unverdrossener empirischer Arbeit auf dem Gebiete der Anatomie und Physiologie der Pflanzen mit einer lange vorbereiteten Arbeit hervortrete, welche vornehmlich den Zweck hat, einige neue Ideen in die Lehre von dem inneren Baue und dem Wachsthume der Organismen einzuführen, glaube ich mir einiges Recht erworben zu haben, manche Fragen aus einem höheren Gesichtspunkte als aus dem des Detailforschers betrachten zu dürfen. Wenn ich trotzdem meinen Standpunkt vertheidige, so geschieht es in der guten Absicht, die Behauptung jener grossen Mehrzahl unter den Naturforschern zu entkräften, w^elche für alle Zeiten der thatsächlichen Beobachtung das alleinige Recht zusprechen, in Sachen der Naturforschung als wissenschaftliches Werkzeug gebraucht werden zu dürfen. Ich glaube die Berechtigung meines Stand^Dunktes nicht besser begründen zu können, als unter Hinweis auf die Worte des Geschichtsschreibers der inductiven Wissenschaften, Avelche ich an die Spitze dieser Einleitung gestellt habe. Dass auch Naturforscher, welche mitten in reicher empirischer Arbeit stehen, die Wahrheit der Gedanken Whewell's bestätigen, möge den Worten Kekule's ent- nommen werden, welche ich unter den Anspruch des britischen Historikers gestellt habe. Wir dürfen Kekulc, seine Worte auf ihn selbst anwendend, in der That als ein Stück verkörperter Wissenschaft be- trachten, denn gerade er hat durch die Einführung einiger »Ideen« eine neue Epoche der organischen Chemie begründet, welche auch au empirischen Resultaten ihresgleichen bisher kaum gefunden hat. Noch zahlreiche andere Gewährsmänner könnten zu Gunsten meines Standpunktes angeführt werden. Ich unterlasse es und begnüge mich mit dem Hinweise auf Baco von Verulam, dessen grosse Gedanken unsere heutige inductive Periode der Naturforschung eingeleitet haben, der aber trotzdem, oder vielleicht richtiger gesagt, gerade eben deshalb den Werkzeugen und Hilfsmitteln des Denkens, den Theorien und Hypothesen in der Naturforschung eine ebenso grosse Bedeutung als der Auffindung der nackten Thatsachen zugesprochen hat. ') Ein erklärendes Vorbild für die Elementarstructur der Organismen und für das Wachsthum wurde wohl gesucht, aber bisher nicht ge- funden. Man verglich bisher den Organismus in diesen beiden Be- ziehungen mit dem Krystall. Schwann war der Erste, der diesen Vergleich mit dem ihm eigenen Scharfsinn versuchte; seine eigen- thümliche Ansicht, welche im historischen Theile dieses Buches erörtert werden wird, ist längst widerlegt. Nägeli setzte den Vergleich in anderer Weise fort und auch in der jüngsten auf die Elementar- structur retlectirenden Untersuchung, bei Altmann, tauchte er wieder auf. Man kann nicht behaupten, dass dieser Vergleich den feinsten Bau der Organismen oder das Wachsthum der lebenden Substanz unserem Verständnisse näher gebracht hätte; wohl aber muss in allen diesen Vergleichen das Bestreben erblickt werden, die Organismen mit den Anorganismen unter einen einheitlichen Gesichtspunkt zu bringen und wo möglich das Lebende nur als eine specielle Form des Leblosen hinzustellen. Dieses Bestreben, alle Wesen nur dem Grade nach verschieden zu betrachten, um so zu einer einheithchen Naturauffassung zu ge- langen, entspricht einem inneren Bedürfnisse; allein man darf sich der Thatsache nicht verschliessen, dass, je tiefer wir in die Kenntniss der Organismen eingedrungen, wir desto mehr die Kluft sich erweitern sehen, welche die belebten Wesen von der todten Substanz trennt. Und dieser ') Ich beziehe mich hier auf jene bekannte Stelle des Novum Orp-anum Baco 's (L, Aphor. LIV), welche aus einer ähnlichen Veranlassung Lothar Meyer in seinem Werke »Die modernen Theorien der Chemie«, 4. Aufl., 1883, pag. 591, citirt. 6 Thatsache muss einstweilen Rechnung getragen werden. Ich sage einstweilen; denn es wäre nicht unmöglich, dass spätere Erfahrungen unsere Auffassung ändern werden. Aber bei der gegenwärtigen Sachlage ist es unmöglich, durch Heranziehung des Leblosen Form und Function dessen, was für das Leben specifisch ist, verständlich zu machen. Da schliesslich Substanz den lebenden sowie den leblosen Körpern zu Grunde hegt, so ergeben sich selbstverständ- lich Uebereinstimmungen zwischen beiden : Dichte, Festigkeit, Elasticität, Quellbarkeit etc. Diese Eigenschaften bedürfen aber seitens der Phy- siologie keiner besonderen Erläuterung; es kann sich nur um die Eigenthümlichkeiten der Organismen: Assimilation, organisches Wachsthum, Fortpflanzung, Erblichkeit, Entwicklungsfähigkeit und Aehnliches handeln. Ich betrachte es als eines der grössten Hemmnisse der Lehre von der Elementarstructur und dem Wachsthume der lebenden Wesen, dass man dort, wo die sichtbare organische Structur aufhört, sofort eine Molecularstructur annimmt und von dieser aus die Vorgänge des Wachsens und Lebens überhaupt zu erklären unternimmt. Brücke hat in seiner bedeutuno;svollen Schrift »Die Elementar- Organismen«, aufweiche ich in diesem Buche noch oft zurückkommen werde, die Unrichtigkeit dieser Auffassung in scharfsinnigster Weise dargethan, und wenn dieser grosse Forscher die tiefer absteigende, über homogen erscheinende Zellantheile hinausgehende Organisation der Lebewesen nur aus den Functionen erschliessen, aber wegen der damaligen Unvollkommenheit der Instrumente und Methoden nicht thatsächlich begründen konnte, so ist inzwischen die Richtigkeit seiner Auffassung schon durch die Auffindung der Kern- und Plasmastruc- turen glänzend bestätigt worden. Seit dem Erscheinen der »Elementarorganismen« Brücke's sind drei Decennien vorübergegangen, und obgleich mittlerweile dieKenntniss der Organisationsverhältnisse der Zellen — namentlich dank den karyo- kinetischen Studien — in ungeahnter Weise vertieft wurde, so taucht doch immer und immer wieder in fast allen über die nackten That- sachen hinausgehenden Untersuchungen das Gespenst der Molecular- structur als Erklärungsmittel der feinsten, unserem Auge verschlossenen organischen Structur, und der Krystall als Formelement der Lebe- wesen auf, ja man ist sogar so weit gegangen, die Organisation gar nicht als ein specifisches Attribut der Organismen zu betrachten. Es hat nämlich ein hervorragender Pflanzenpliysiologe die be- fremdliche Behauptung ausgesprochen, dass zwischen der Organisation und der beschränkten Quellbarkeit der Substanzen überhaupt kein Unterschied bestehe; auch ist von mehreren Seiten in jüngster Zeit der kaum weniger befremdliche Versuch unternommen worden, das Protoplasma als ein Flüssigkeitsgemisch zu betrachten und die Eigen- thümhchkeiten der lebenden Substanz auf Eigenschaften der Flüssig- keiten zurückzuführen. Auch die Erklärung des Wachsthums wurde auf moleculare Vorgänge zu basiren versucht. Denn die Begriffe Apposition und Intussusception werden nach dem A^organge Nage li 's fast durch- gängig rein molecular gefasst. Man spricht jetzt in der Regel von einer Anlagerung, beziehungsweise Zwischenlagerung der Molecüle und Molecülgruppen (Micelle) zwischen die schon vorhandenen und hat einerseits in dem Wachsthume des Krystalls, andererseits in dem Wachsthume der sogenannten anorganischen oder künstlichen, von Traube zuerst dargestellten Zellen das Vorbild des organischen Appositions , beziehentlich Intussusceptionswachsthums erblickt. Aber es ist ja schon die Molecularstructur der organisirten Substanzen in vollkommenes Dunkel gehüllt, was trotz aller gegen- theiligen Behauptungen sofort erhellt, wenn mau bedenkt, dass alles Organisirte eine complexe chemische Zusammensetzung hat, auf kleinem Räume eine Menge chemischer Individuen nebeneinander liegen, sich gewissermassen durchdringen, und dass die meisten dieser chemischen Species hoch zusammengesetzte Körper repräsentiren, über deren Molecularstructur selbst sich noch gar nichts Bestimmtes aus- sagen lässt. Nun kennt man noch nicht einmal die Molecularstructur des Diamants, der doch nur aus Kohlenstoffmolecülen gebaut ist; man weiss nur, dass die Axen seiner Molecüle zu einander parallel stehen, dass mithin jedem Molecüle eine formbildende Kraft innewohnt, aber 8 schon die Form des Molecüls ist strenge genommen unbekannt; es lassen sich über dieselbe, sowie über die Verbindung der Molecüle untereinander nur Vermuthungen aussprechen. Noch dunkler ist der moleculare Bau des Krystalles bei Substanzen^ welche als Molecül- verbindangen aufzufassen sind, z. B. beim Alaun, wo neben den festen Substanzmolecülen noch Wassermolecüle angelagert sind. In welcher Weise das Wasser an die sogenannten Hauptmolecüle angelagert ist, lässt sich noch gar nicht sagen. Nun denke man sich ein bei den stärksten Vergrösserungen eben erst sichtbares Theilchen einer ver- holzten Zellwand, in dem sich Cellulose, Holzgummi, Coniferin, Vanillin, Mineralsubstanzen und andere Körper, die uns nur durch gewisse Farbenreactionen bekannt geworden sind, über deren chemische Constitution wir aber nichts wissen, gewissermassen durchdringen, wahrscheinlich aber in einer gesetzmässigen Weise gruppirt sind, Körper, von denen einige krystallisiren, andere amorph und col- loidaler Natur sind, und zwischen denen in keineswegs regelloser Anordnung Wassermolecüle stehen; wer kann da den ernstlichen Versuch unternehmen, die Molecularstructur eines solchen Zellhaut- fragmentchens enträthseln zu wollen! Andere noch grellere Beispiele mögen hier unerwähnt bleiben, denn schon das vorgeführte lehrt ein- dringlich genug, auf welch' schwachen Füssen alle die Molecular- structur der organischen Substanzen betreffenden Theorien stehen. Wenn uns nun schon der fertige moleculare Bau der Zelle verschlossen ist, wie gering muss wohl erst die Hoffnung erscheinen, die molecularen Vorgänge des Wachsthums zu enträthseln! Und dennoch wird, wie schon bemerkt, der Process des Appositions- und Intussusceptionswachsthums derzeit als ein molecularer Vorgang betrachtet und behandelt. Freilich sind es in letzter Auflösung doch dieselben Molecular- kräfte, Avelche den Krystall aufbauen, und die auch bei der Gestaltung der organischen Gebilde thätig sein müssen. (Es ist dies eigentlich etwas Selbstverständliches und geht schon aus der Thatsache hervor, dass Thier und Pflanze gleich den Mineralen schliesslich doch aus Stoff zusammengesetzt sind, der seine Eigenschaften nicht 9 verlieren kann, wenn er an dem Aufbaue eines Organismus Antheil nimmt. Darum handelt es sich aber nicht, sondern um jene für den Organismus specifischen Wachsthumsvorgänge, die uns an jedem Organ einer Pflanze oder eines Thieres mit solcher Anschaulichkeit entgegen- treten, dass das Unterscheidende im Wachsthumc dieser Wesen im Vergleiche zu den unbelebten sofort ins Auge springen muss. Es war, so viel mir bekannt. Lamarck, welcher in seiner Philosophie zoologique (1809) zuerst das so viel gebrauchte Wort Intussusception aussprach. Der Sinn, welcher diesem Worte von ihm unterlegt wurde, deckt sich nicht mit dem, was man heutzutage als Intussusception bezeichnet. Lamarck fühlte das Bedürfniss, den Be- griff des organischen A^'achsens möglichst klar zu formuliren. Es war ihm darum zu thun, den Unterschied zwischen Organismus und An- organismus von allen Seiten zu beleuchten, und er musste sich des- halb auch die Frage vorlegen, wie das organische Wachsthum zu dem der letzteren Gebilde sich verhalte. Er zeigte, dass die Krystalle durch Juxtaposition, d. i. durch blosse Auflagerung wachsen, während die Pflanzen und Thiere und ihre lebenden Theile sich von innen heraus entwickeln, durch eine innere Durchdringung der aufgenom- menen und im Organismus assimilirten Substanzen. Diesen Entwick- lungsvorgang nannte Lamarck Litussusception und er stellte die Ansicht auf, dass dieser Wachsthumsmodus für die Organismen charakteristisch sei und nur ihnen allein zukomme. In dieser allgemeinen Fassung hätte der Begriff Intussusceptious- wachsthum auch jetzt noch Werth, da durch denselben der auffallende Unterschied zwischen der Entwicklung eines lebenden Wesens und dem Aufbaue todter Massen deutlich gemacht wird. Indem man aber den Ausdruck Intussusception — und ein Gleiches gilt auch bezüg- lich der Apposition — molecular fasst, werden diese beiden Begriffe, weil der Controle durch die unmittelbare Beobachtung entzogen, un- sicher und sind nicht einmal mehr zur Unterscheidung von Organismen und Anorganismen zu gebrauchen.; Denn ein Appositionswachsthum ist auch bei Organismen anzunehmen und bildet kein unterscheidendes Merkmal zwischen der Massenzunahme eines Organismus und eines 10 Anorganismus ; aber nach der heutigen Interpretation der Intussus- ception ist auch diese nicht als ein Unterscheidungsmerkmal zu be- trachten. Denn eine Traube 'sehe Zelle wächst auch durch Intussus- ception im Nägeli'schen Sinne. Freilich im Sinne Lamarck's beruht das Wachsthum der Traube'schen Zelle nicht auf Intussusception, denn ein solches Gebilde entwickelt sich nicht, es wächst nicht wie ein lebendes Gebilde aus sich heraus, sondern in Folge einer Turgor- spannung wird in die schon vorhandene Haut eine Masse in unlös- licher Form eingefügt, die durch Mischung zweier Flüssigkeiten ge- bildet wird, von welcher die eine in der künstlichen Zelle, die andere ausserhalb derselben sich befindet. Intussusception findet auch statt, wenn Avährend des Wachsthums ein bestimmter Stoff gegen einen anderen ausgetauscht wird, z. B. wenn eine Lösung von Chlormagnesium auf einen Calcitkrystall einwirkt, wobei Calcium gegen Magnesium umgetauscht wird. Ein derartiger Vorgang kann mit Wachsthum verbunden sein, er kann sich aber auch ohne Volumszunahme voll- ziehen. Es wird in den meisten Fällen nicht möglich sein, zu constatiren, ob ein Gebilde durch Apposition oder durch Intussusception oder durch beide Processe aufgebaut wird, denn ein molecularer Vorgang lässt sich nicht direct verfolgen. Wenn innerhalb der Zelle eine Schichte sichtlich aufgelagert wird^ so ist man namentlich mit Rück- sicht auf den Stoff'wechsel, welcher ja den Organismus auch in seinen kleinsten Theilen beherrscht, gar nicht in der Lage, mit Bestimmtheit zu sagen, ob diese sichtliche Anlagerung durch Apposition im molecu- laren Sinne erfolgte, oder ob hierbei nicht auch Intussusception im Spiele ist. Wo ist, wenn man die beiden genannten ßegriß'e auf moleculare Vorgänge gründet, die nachweisliche Grenze zwischen beiden, welches Mittel besitzt man, um die Unterscheidung zu treffen, ganz abgesehen davon, dass jede Intussusception Apposition voraussetzt, denn zuerst müssen doch Molecüle angelagert sein, wenn zwischen ihnen ein neues eingelagert werden soll. So ist mit der Unsicherheit der im günstigsten Falle doch nur indirect möglichen Unterscheidung zwischen Intussusception und 11 Apposition der Controverse über die beim Wachsthuiu thatsächlicli stattfindenden Processe Thür und Thor gcöfinet. In der That gibt es mindestens auf botanischem Gebiete wenige so unerquickliche und unfruchtbare Streitigkeiten als die Discussionen darüber^ ob das Wachsthum durch Apposition oder durch Intussusception erfolge. In jüngster Zeit wird namentlich von vielen Seiten mit Lebhaftigkeit die Frage ventilirt, ob die Zellhäute, die Stärkekürner etc. auf diese oder jene Weise wachsen. Hatte man früher für alle Theile der Pflanzenzelie ein Appositionswachsthum angenommen, so verfiel man später in das entgegengesetzte Extrem, und nunmehr kämpfen einige bedeuttuide Botaniker Avieder für die Idee, dass alles innerhalb der Pflanze stattfindende Wachsthum auf Apposition beruhe, und das oft sehr beträchtliche Oberflächenwachsthum der Zellhäute nichts als die Wirkung nachträglich sich einstellender passiver Dehnungen sei, welche von dem Turgor der flüssigen Zellinhaltstheile ausgehe. Andere vertheidigen hartnäckig den Intussusceptionsstandpunkt. Aber auch eine vermittelnde Stellung wird von manchem Forscher ange- nommen; ein Theil der innerhalb der Pflanze sich vollziehenden Wachthumsvorgänge soll auf Apposition, ein anderer Theil auf In- tussusception beruhen. Manchem Histologen der zoologischen Richtung ist das Vorgehen der Botaniker in Rücksicht auf das Wachsthum bedenklich vorgekommen. So hat v. Ebner in einer Untersuchung, welche im nächsten Capitel mehrfach erörtert werden wird, hervor- gehoben, dass die Botaniker der Intussusception und Apposition bei der Erklärung des Wachsthums eine allzu reale Bedeutung bei- messen, während wir es, wie dieser Forscher sagt, in beiden Begriffen ledighch nur mit Vorstellungen za thun haben, welche unserem Denken über das Zustandekommen der organischen Formbildungen zu Ilüfe kommen sollen. So hat denn das seit Decennien geübte, namentlich unter den Botanikern sehr behebte Verfahren, Vorstellungen aus dem molccularen Gebiete zur Erklärung der Elementarstructur und des Wachsthums der Organismen heranzuziehen, uns in der Erkenntniss beider Fragen um nichts vorwärts gebracht. Trotz der Unfruchtbarkeit dieser Art 12 von Speculation übt diese Forschungsweise noch immer eine grosse Anziehungskraft namentlich auf jüngere Botaniker aus und stehen die molecularphysiologischen Theorien in grossem Ansehen. Der Grund dieser Erscheinungen liegt offenbar in dem löblichen Bemühen, den genannten Problemen dadurch eine möglichst strenge wissenschaft- liche Behandlung angedeihen zu lassen, dass man sie als Aufgaben der Mechanik auffasst. Gegen ein solches Bestreben ist nichts einzu- wenden; im Gegentheile, jede Abirruüg von diesem Wege würde mit den Forderungen der exacten Forschung unvereinbar sein. Aber es ist zunächt die Frage, ob die Physik der Physiologie soweit vorge- arbeitet hat, dass wir mit Aussicht auf Erfolg an der Hand einer Molecularphysik an die Ausbildung einer Molecularphysiologie gehen können, ferner, ob die mechanische Auffassung der Lebensprocesse stets gerade auf eine Molecularmechanik hinauslaufen müsse. Es scheint, als wenn die Botaniker die Bedeutung der Molecularj)hysik überschätzten, wenn sie eine rationelle Physiologie des Wachsthums, der Entwicklung und Erblichkeit auf eine Molecularphysik zu basiren bestrebt sind. Denn selbst die Physiker machen nur innerhalb viel enger gezogener Grenzen Gebrauch von dem Molecül als Erklärungs- mittel der Erscheinungen, wie derzeit die Botaniker, obgleich es viel näher liegt, physikalische Erscheinungen, wie Capillarität, Elasticität etc., molecular zu erläutern, als die früher genannten physiologischen Phänomene. So sehr das Molecül als Hilfsmittel in der kinetischen Gastheorie sich bewährte, so nothwendig seine Annahme für den Chemiker ist, so wird doch von demselben in der Physik, wenn es sich um Erscheinungen an festen und flüssigen Körpern handelt, ein sehr massiger Gebrauch gemacht. Die von Gauss begründete Theorie der Capillarität ist ohne Zuhilfenahme der Molecüle aufge- baut worden, die zum Zwecke einer Theorie der Elasticität von Neumann geschaffene Molecularhypothese wurde in neuerer Zeit vollständig verlassen und durch eine viel fruchtbarere ersetzt, welche von den Molecülcn gänzlich absieht. Und auch die bekannten Plateau 'sehen Versuche, welche von mehreren Botanikern in neuerer Zeit herangezogen wurden, um die ZelUiautbildung, wie sie im söge- 13 nannten Zellennetze zum Ausdrucke kommt, auf mechanische Ur- sachen, speciell auf molecularstatische Erscheinungen zurückzu- führen, lassen sich auch ohne Zugrundelegung von Molecülen aus den Erscheinungen der Capillarität erklären. Wenn man dies Alles beachtet und überhaupt sieht, wie die besonnensten Physiker nur dann des Molecüls sich bedienen, wenn es ein wirkliches Hilfs- mittel der Forschung ist, wie in der kinetischen Gastheorie, so gelangt man wohl zur Ueberzeugung, dass die Botaniker in ihrer Sucht, die Organisation auf Molecularstructur und das Wachstimm und andere noch verwickeitere physiologische Probleme auf ein Spiel von Molecülen zurückzuführen, Aveit über das Ziel hinausgeschossen haben. So sind denn bisher alle Versuche, bezüglich der Elementar- structur und des Wachsthums als erklärendes Vorbild den Krvstall oder überhaupt die leblose Materie heranzuziehen, erfolglos geblieben, obwohl man die zur Aufstellung einer Theorie erforderliche Hypothese in der verschiedensten Weise formulirte und selbst die in den Flüssig- keiten thätigen ]\Iolecularkräfte zur Erklärung der organischen Form- bildung heranzog. Da wir, wie oben dargelegt wurde, ohne ein erklärendes Vorbild die in Rede stehenden Probleme nicht zu lösen vermögen, so entsteht die Frage: Welche andere Vergleichsobjecte stehen uns noch zur Verfügung? Es scheint mir, als würde sich kein besseres und viel- leicht überhaupt kein anderes Vergleichsobject linden lassen, als5 der Organismus, so weit er uns nämlich durch die Anschauung bekannt ist. Es hiesse also dann, die unbekannte Elementarstructur aus uns bekannten organischen Structuren ableiten. Damit würde man nur dem Fingerzeige folgen, den bereits Brücke in den »Elementar- organismen« gegeben, indem er auf eine verborgene Organisation im lebenden Zellenleibe hinwies, auf Structuren, die damals noch völlig unbekannt waren, aber in einigen rohen Zügen durch spätere Beob- achtungen thatsächlich nachgewiesen werden konnten. Mit Recht warnt aber Brücke, eine verkleinerte Wiederholung gröberer Orga- nismen in der Zelle zu suchen. Sehr treffend sagt er: »Wir erwarten natürlich nicht, dass sich (in der Structur des Protoplasma) die Organe 14 und Systeme wiederholen werden . . . .; wir wissen, dass dies selbst bei den niederen Thieren nicht der Fall ist, wir wissen, dass mit der Abnahme der Dimensionen sich die Natur der Mittel ändert, durch welche die Kräfte der anorganischen Welt den Organismen dienstbar gemacht werden.« ') Also eine einfache Uebertragung der Gewebestructur auf die Zellenstructur ist nicht zulässig; wir sehen ja auch nicht, dass in den Oeweben sich morphologisch die Organe wiederholen, mithin ist der Vergleich der unbekannten Structur mit bekannten Organisationen mit a'rösster Vorsicht vorzunehmen. Sehen wir nun auch nicht die höheren Organisationen in den einfachen sich wiederholen, so finden wir doch in allen bisher be- kannten Organisationen gewisse gemeinschaftliche Züge, vor Allem aber einen, der sich, soweit die Beobachtung vordrang, überall nach- weisen liess, und der mit den Fortschritten unserer Erfahrung immer mehr und mehr als Grundphänomen des Lebens uns entgegentritt; das ist nämlich die Theilung. Die Organe entwickeln sich in Folge Theilung der Zellen, die Zellen gehen durch Theilung aus Zellen hervor, die Kerne entstehen durch Theilung aus Kernen und ein Gleiches gilt, so weit die Beobachtung reicht, für alle innerhalb der Zelle auftretenden organischen Individualitäten. So mannigfaltig auch dia Formen sind, in welchen uns die Theilungsprocesse entgegentreten, so^ ist es doch im Grunde genommen immer ein und derselbe Vor- gang, den wir nach seinem äusseren Verhalten oder nach der Qualität des sich Vermehrenden als Sprossung, Spaltung, freie Zellbildung, Kerntheilung, Chlorophyllkornbildung etc. bezeichnen, ein Vorgang, der aber immer darin besteht, dass eine lebende Individualität sich in zwei oder mehrere Partien gliedert, von welchen jede zu einer selbstständigen Individualität sich weiterentwickelt. Der Vorgang der Theilung spielt eine um so grössere Rolle im Leben der Organismen, als erfahrungsgemäss jede neue Anlage eines Organs, jede Neubildung innerhalb des Organismus und die Entstehung ^) E. Brücke, Die Elementarorg-anismen. Sitzungsber. der kais. Akademie d. Wissenschaften zu Wien. Bd. XLI (1861), pag. 387. 15 aller innerhalb derselben auftretenden lebenden Individualitäten auf Theilunfj; beruht und, soweit die Erfahrung reicht, niemals ein spon-^ tan es Entstehen stattfindet. Wenn aber der Theilung eine so grosse Bedeutung und eine so weit ausgedehnte Wirksamkeit zufällt, und wenn man den Gang der Forschung erwägt, der uns fortwährend mit neuen Formen der Theilung und mit neuen Theilkörpern bekannt macht, mit Thatsachen, auf welche in späteren Capiteln häufig hingewiesen werden wird, so muss wohl zugestanden werden, dass wir in der Theilungsfrage noch nicht ans letzte Ziel gelangt sind, und dass es im Organismus noch Theilungs- vorgänge gibt, die sich bis jetzt der directen Wahrnehmung ent- zogen haben. \ Nun ist der lebende Zellenleib nichts Homogenes: im Protoplasma ^ birgt sich der Kern, in ersterem vertheilt finden wir die zahlreichen Formen der organisirten Inhaltskörper. Im Kerne selbst sehen wir Theilungen vor sich gehen, manche der Piastiden der Pfianzenzellen erweisen sich aus Gliedern zusammengesetzt, die wahrscheinlich durch Theilung entstanden sind. Es ist deshalb eine, ich möchte sagen, durch den Entwicklungsgang der neueren Forschung uns förmlich aufgenöthigte Annahme, dass das Protoplasma noch andere theilungs- fähige, organisirte Individualitäten birgt, ja dass es ganz und gar aus solchen lebenden Theilungskörpern bestehe. Schon vor einigen Jahren habe ich den Nachweis erbracht, dass die Membran der Pflanzenzelle nicht, wie bis dahin wohl allgemein angenommen wurde, todt ist, sondern, wenigstens so lange sie wächst, als lebendes, protoplasma- führendes Glied der Zelle anzusehen ist, und Gründe und Beob- achtungen für die Behauptung angeführt, dass sie bei der Anlage und während ihres Wachsthums aus kleinen lebenden Individualitäten bestehe. Es setzt sich also nach meiner Auffassung, welche in diesem Buche näher zu begründen sein wird, die Zelle in allen ihren leben- den Theilen, also die gesammte lebende Substanz, aus theilungsfähigen Körperchen zusammen, durch deren Theilung das AVachsthum ver- mittelt wird und an die alle Vorgänge des Lebens innerhalb des • Organismus geknüpft sind. 16 Innerhalb des Organismus muss aber der Theilungsfahigkeit eine Grenze gesetzt sein. Man hat lange die Zelle als den letzten Theilkörper der Organismen angesehen. Aber innerhalb der Zelle theilt sich der Kern, innerhalb des Kernes sehen wir wieder Theilungen vor sich gehen. Das Protoplasma theilt sich, aber innerhalb desselben theilen sich die Piastiden, für welche Avieder, wie schon angedeutet wurde, aus den Structur Verhältnissen weitere Theilungen abzuleiten sind^i^Die letzten lebenden Theilkörper der Zellenbestandtheile sind es nun, welche ich als die wahren Elementarorgane der Lebewesen betrachte. Den hier vorgetragenen Grundgedanken habe ich im Jahre 1886 zuerst ausgesprochen und, wie ich im historischen Theile dieses Buches darzulegen haben w^erde, später in einigen vorläufigen Notizen etwas genauer präcisirt. Ich werde in dieser Schrift nicht nur zu zeigen versuchen, dass diese letzten Theilkörper die wahren Elementarorgane der lebenden Wesen repräsentiren, und dass auf ihrer fortwährenden Neubildung das speciiisch organische Wachsthum beruht, sondern w^erde auch darlegen, dass durch die Annahme dieser Elementarkörper das Gesetz von der Einheit im inneren Bau der Pflanze uns mit noch grösserer Schärfe entgegentritt, indem alle Zellenbestandtheile auf die gleichen Elemente zurückgeführt erscheinen und wir mit Zuhilfenahme dieses neuen Begriffes unseren Vorstellungen über mancherlei organische Pro- cesse besser zu Hilfe kommen als durch die Doctrin der Molecularstructur. Die grosse Rolle, w^elche die organische Theilung in meiner Theorie spielt, wird es rechtfertigen, wenn ich in einem besonderen Capitel die Bedeutung dieses wichtigen Vorganges in allgemeinerer Form schildere und über den Rahmen, der durch den Titel dieses Buches gegeben ist, das Theilungsvermögen der Pflanze überhaupt und die Grenzen der organischen Theilbarkeit festzustellen trachte. Auch das Problem der Entwicklung und der Erblichkeit wird in den folgenden Capiteln berührt w^erden; denn beide stehen in innigem Zusammenhange mit meinem Hauptthema. Es ist nach der von Nägeli aufgestellten Hypothese in einem Buche, wie dem vorliegenden, die Frage nicht zu umgehen, ob die Ent- 17 Wicklung zu höheren Formen, die wir bisher als ein Charakteristiken der Organismen betrachtet haben, eine allgemeine Eigenschaft der Materie ist. Was die rein physikalische Seite dieser Frage betrifft, so werde ich mich begnügen, der Nägeli 'sehen Auffassung die Argumente, welche bezüglich dieses Problems von Maxwell vorgebracht wurden, entgegenzustellen; was aber nach meinem Dafürhalten vom Stand- punkte des Physiologen gegen die Anwendung des Principes der Be- harrung in der Entwicklungslehre eingewendet werden kann, soll im Schlusscapitel eine Stelle finden. Wenn ich einen einheitlichen Charakter aller materiellen Wesen nicht zu behaupten wage, indem ich zwischen Organismen und An- organismen nicht einen Unterschied des Grades, sondern eine so grund- sätzliche Verschiedenheit finde, dass ich ganz unvermögend bin, beide unter einen gemeinschaftlichen Gesichtspunkt zu bringen, und anderer- seits eine Einheitlichkeit der Organisation der lebenden Wesen anzu- nehmen mich berechtigt halte, so wird Mancher in diesem Verfahren eine logische Inconsequenz erblicken. Die Beurtheilung dieses meines Verfahrens wird aber milder ausfallen, wenn ich die Motive bezeichne, welche mich zu diesen widersprechend erscheinenden Auffassungen führen. Nach meiner An- sicht ist dem Naturforscher eine speculative Behandlung eines Gegenstandes nur innerhalb eng gezogener Grenzen erlaubt. Der Leit- stern seiner Theorien muss die Erfahrung sein; nur aus dieser heraus darf er eine der thatsächlichen Prüfung zu unterwerfende Hypothese erdenken. Meine Hypothese der Elementarstructur und des Waclis- thums der lebenden Substanz kam dadurch zu Stande, dass ich jenen Punkt ausfindig zu machen suchte, nach welchem die thatsächlichen Beobachtungen über die Entwicklung der Zelle, speciell über die in ihr stattfindenden Theilungsvorgänge convergiren. ^) Wenn ich hin- gegen die Organismen mit den Anorganismcn vergleiche, so finde ich, dass mit dem Fortschreiten unseres Wissens die Kluft immer grösser wird, die beide von einander trennt. Es ist dem Naturforscher ver- boten, eine Uebereinstimmung dort zu behaupten, wo er mit dem Wiesner, Ber. d. Deutschen botan. Gesellsch. Bd. VÜI (1890), pag. 201. Wiesner, Die Elementarstructur etc. 2 18 Fortschreiten seiner Erfabrung eine immer grössere Verscliiedenheit erblickt. Der Pbilosopb mag darüber anders denken; er darf sieb über die Schranken der ThatsäcbHcbkeit erheben. Obgleich unser Denken in engere Grenzen gebannt ist, schreiten wir trotzdem hoffnungsreich vorwärts, weil wir von Tag zu Tag diese Grenzen sich erweitern sehen. Deshalb mag die in diesem Buche vertretene Ansicht, dass wir das Lebende durch das Leblose im Wesentlichen nicht zu erklären vermögen, und dass wir derzeit am besten thun, das Lebende gleich dem Leblosen als gegeben zu betrachten, statt aus der todten Substanz die lebende abzuleiten, unrichtig sein; sie ist von unserem Standpunkte am meisten berechtigt, wenn sie nur am meisten unserer derzeitigen, auf die Erfahrung gestützten Einsicht entspricht. Dass in diesem Bache die beiden Hauptfragen, welche ich mir stellte, nicht erschöpfend beantwortet werden, gestehe ich wilHg ein; indess ist dies in Hinsicht auf ihre Grösse und Schwierigkeit eigent- lich etwas Selbstverständliches. Es sollte ja nur ein Weg gebahnt werden, auf dem es gelingt, tiefer als bisher in die Organisation der lebenden Wesen einzudringen und das Wesentliche des organischen Wach s- thums im Vergleiche zudem anorganischen besser als bisher zu begreifen. Es ist ja im Grunde Alles, was dieses Buch umschliesst, auch schon deshalb nur ein Bruchstück, weil dasjenige, was ich innerhalb der schon gezogenen Grenzen vorzutragen haben werde, sich fast nur auf die Pflanze bezieht. Nur hier und dort, wo ich ganz sicheren Boden unter den Füssen zu haben glaube, oder wo es absolut erforderlich erscheint, reflectire ich auch auf den thierischen Organismus. Wie der Impuls zu meiner Auffassung der Organismen von Brücke's in erster Linie auf den Thierkörper bezugnehmenden Forschungen ausging, so kommen mir^ wie die im ersten Capitel ent- haltene historische Uebersicht lehren wird, auch aus neuerer Zeit zootomische Arbeiten entgegen; dies stärkt mich in der Hoffnung, dass es auch von Seite der Zoologen nicht für unwerth befunden werden wird, die vorliegende Untersuchung eines Botanikers von ihrem Standpunkte aus einer Prüfung zu unterziehen. Erstes Capitel. Geschichte und Kritik der bisher unternommenen Versuche^ den elementaren Bau und das Wachsthum der lebenden Substanz aufzuklären. Dieses Capitel hat den Zweck, die ihrem Principe nach ver- schiedenen Auflassungen über die Structur und das Wachsthum der lebenden Substanz an der Hand der wichtigsten Arbeiten vorzuführen und zu untersuchen, inwieweit sie Bausteine zu einer naturgemässen Theorie des elementaren Baues und des Wachsthums der Zelle zu liefern vermögen. Eine ins Einzelne gehende historische Darstellung der Lehre von der Zellstructur wurde nicht beabsichtigt; eine grosse Zahl wichtiger, namentlich auf die Karjokinese bezugnehmender Detail- beobachtungen musste, als ferner abliegend von den Zielen meiner Untersuchung, hier übergangen werden. Manches Detail blieb späteren Capiteln vorbehalten. Da die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung im zeit- lichen Entwicklungsgange der Forschung sich nicht in streng logischer Folge aneinanderreihen, auch nicht consequent einem be- stimmten Gedanken so lange folgen, bis sich derselbe als richtig oder als unrichtig herausgestellt hat^ die leitenden Ideen vielmehr wie in einer Fusre einsetzen und selbst dann noch weiterwirken, wenn andere grössere und wichtigere sich erheben, so schien es mir passend, dem Faden der Geschichte nicht mit Aengstlichkeit zu folgen, viel- mehr eine freiere Entwicklung des Stoffes zu versuchen, welche das 2* 20 Fortwirken der wissenschaftlichen Grundgedanken auf die Forschung zur Anschauung bringen soll. Gleich nach Entdeckung der Zelle konnte die Frage nach deren innerem Baue auftauchen. Eine Untersuchung in unserem Sinne, das Aufsuchen eines übereinstimmenden elementaren Baues der Zelle gestaltete sich aber erst zu einem wissenschaftlichen Probleme, nach- dem diese letztere als ein universeller Bestandtheil des Organismus erkannt worden war. Hatte nun schon Hugo v. Mohl die Uebereinstimmung im inneren Baue der Pflanze nachgewiesen, indem er die »Fasern« der älteren Autoren als Zellen erkannte, auch die Gefässe entwicklungs- geschichtlich auf Zellen zurückführte, und somit durch Begründung des Satzes, dass im Grunde jede Pflanze aus Zellen bestehe, einen wichtigen Schritt in der Erkenntniss des inneren Baues der Pflanze gethan, ^) so ging dieser grosse Forscher doch nicht in die Frage der Elementarstructur der Zelle ein. Vielleicht schien es diesem klaren Geiste noch nicht an der Zeit, an ein so hohes Problem heranzu- treten, und er schlug den für die damalige Zeit jedenfalls besseren Weg ein, durch rein thatsächliche Beobachtungen in den Bau der Pflanze einzudringen. Es blieb Theodor v. Schwann, welcher in seinen berühmten »Mikroskopischen Untersuchungen«-) die Uebereinstimmung in der Structur und dem Wachsthume der Thiere und Pflanzen nachwies, vorbehalten, den ersten Versuch in dieser Richtung zu unternehmen. Das von ihm in Uebereinstimmung mit Schieiden aufgestellte Zellenschema, dem zufolge jede Zelle — gleichgültig ob Pflanzen- oder Thierzelle — ausser dem Zellinhalte (dem später von H. v. Mohl als Protoplasma genauer definirten Zellenantheil) noch einen Kern (mit angeblich nie fehlendem Kernkürperchen) und eine Membran besitzt, konnte schon als ein erster Schritt zur Lösung des Problems ^) Die betreffenden Untersuchungen H. v. Mohl's reichen zurück bis 1831. (Vgh Sachs, Geschichte der Botanik, pag. 323.) ~) Th. Schwann, Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Structur und dem Wachsthume der Thiere und Pflanzen. Berlin 1839. 21 über den inneren Bau der Zelle angesehen werden.^) Schwann blieb bei der Auffindung dieser der unmittelbaren Beobachtung leicht zugänglichen Gliederung der Zelle nicht stehen, sondern versuchte auf Grund der damaligen Erfahrungen das Wesen der Organisation und des Wachsthums der Zelle über die Grenzen der directen Wahr- nehmung hinaus zu verfolgen. Es geschah dies in einem besonderen Capitel seiner »Mikroskopischen Untersuchungen«, welchem er den Titel »Theorie der Zellen« vorangestellt hatte. Schwann gelangte zu einer Hypothese über die Elementarstructur, die wir auch heute noch ihrer geistvollen und scharfsinnigen Begründung halber bewundern müssen, obgleich sie uns nunmehr völlig haltlos erscheint, da die späteren thatsächhchen Beobachtungen sie ihrer wesentlichsten Stützen beraubten. Schwann versuchte die Structur und das Wachsthum der Zelle auf die Structur des Krystalls, beziehungsweise auf den Process der Krystallisation zurückzuführen. Die Vorstellung, welche er sich über die Entstellung der Zellen erdachte, bildet den Ausgangspunkt seiner Hypothese. Dieser Vorstellung zufolge beginnt die Entstehung der Zelle mit dem Auftreten des Kernkörperchens. Um diese angeblich erste Anlage der Zelle herum bildet sich durch Ausscheidung fester Substanz der Zellkern und später erst durch weiteres Wachsthum und besondere DifFerenzirung die Membran und der übrige Zellinhalt. Schwann führte das Auftreten des Kernkörperchens auf eine Art Herauskrystallisiren aus einer concentrirten Flüssigkeit zurück, -) und da er die Ausscheidung aller festen Substanz im Bereiche der Zelle in gleicher Weise auffasst, so erblickt er in der Krystallisation das nächste Analogon der Zellenbildung. •^) 1) Welche Einschränkung das Schwann- Schleiden'sche Zellenschema später durch die Untersuchungen von Brücke und Max Schulze erfuhr, ist all- gemein bekannt, und es sei hier nur daran erinnert, dass der Kern in neuerer Zeit, dank der hochentwickelten mikroskopischen Technik, in vielen Fällen auch dort aufgefunden wurde, wo er sich der directen Wahrnehmung entzog, so dass man sich dem alten Zellenschema, wenigstens im Gebiete der Botanik, doch mehr genähert hat, als sich nach den Forschungen der Sechziger -Jahre vermuthen Hess. -) 1. c, pag. 231. »Die erste Bildung des Kernkörperchens selbst kann man sich als eine Art Herauskrystallisiren aus einer concentrirten Flüssigkeit denken« u. s. w. 3) 1. c, pag, 239. I 22 So annehmbar ihm die Analogie zwischen der Organisation und der Krystallisation erscheint, so wenig verschliesst er sich gegen die grossen Unterschiede, welche zwischen dem Krystalle und der Zeile bestehen. Ersterer, so sagt er klar und bestimmt, wächst durch Appo- sition, letztere durch Intussusception. Die Anlagerung der Molecüle erfolgt in den Krystallen derart, dass die Schichten sich innigst be- rühren; innerhalb einer Schichte sind die Molecüle in der Richtung der Fläche dichter als in der Richtung der Dicke gebunden. Anders in der Zelle, wo die Molecularanlagerung nicht nur eine Einschiebung neuer Molecüle zwischen die schon vorhandenen gestattet, so dass jede Schichte ihre Oberfläche zu vergrössern vermag, sondern auch eine Trennung der Schichten ermöglicht wird, welche zur Bildung der Zellenhöhle führt. Diese grossen Unterschiede zwischen Krystall und Zelle sind nach Schwann in einer physikalischen Eigenthümlichkeit der leben- den Substanz begründet, welche dem todten, blos krystallisations- fähigen Stoffe vollkommen abgeht, nämlich in der Imbibitionsfähigkeit. Nach der von Schwann aufgestellten Hypothese wäre die Bildung der Elementartheile des Organismus nichts als eine Krystallisation imbibitionsfähiger Substanz und der Organismus selbst, wie complicirt er auch gebaut sein mag, nichts als ein Aggregat imbibitionsfähiger Krystalle. ') Die SchAvann'sche Hypothese hat sich nicht bewährt; denn es Avurde die Annahme, dass das Kernkörperchen den Ausgangspunkt der Zellbildung darstelle, und dass um dieses herum die Bildung des Zellkernes erfolge, durch spätere Beobachtungen widerlegt, und auch die Vorstellung, dass eine krystallisirbare und gleichzeitig imbibitions- fähige Substanz bei Ausscheidung aus ihrer Lösung den Charakter der Zelle annehmen müsse, bat sich als unrichtig herausgestellt, wie die von Nägel i entdeckten quellungsfähigen Eiweisskrystalle (die soge- nannten Krystalloide der Botaniker) lehren. Aber auch die von Schwann gehegte Hoffnung, dass, selbst wenn seine Hypothese sich nicht bewahrheiten sollte, dieselbe als ^) 1. c, pag. 254 — 255. 23 Leitfaden für weitere Untersuchungen dienen könne, ging nicht in Erfüllung. Trotzdem möchte man die »Theorie der Zellen« dieses grossen Forschers nicht missen. Denn sein gedankenreicher Aufsatz enthält das Beste, was gegen die sogenannte Lebenskraft vorgebracht werden kann, und gibt mit logischer Schärfe die Grenzen an, inner- halb welcher der teleologischen Erklärung in den Naturwissen- schaften eine Berechtigung zugesprochen werden kann. Auch soll nicht unerwähnt bleiben, dass Schwann's Aufstellung der Analogie zwischen Krjstallisation und Organisation uns in später aufgestellten Hypothesen über die Structur der lebenden Substanz (bei Nägeli und jüngsthin bei Alt mann), freilich in veränderter Form, wieder entgegentritt, und dass, soviel mir bekannt, Schwann der Erste war, welcher die Intussusception als einen molecularen Vorgang auffasste. Der Mitbegründer der damaligen Zellenlehre, Seh leiden, spendet der Seil wann 'sehen Theorie vollen Beifall und verheisst ihr eine folgenreiche Zukunft, indem sie ihm die Kluft zu überbrücken sciieint, welche bis dahin das Anorganische von dem Organischen schied. In einem Punkte weicht Schieiden von Schwann ab, indem er von der sehr richtigen Vorstellung ausgeht, dass der Organ isations- process doch complicirter sein müsse als der Vorgang der Krystallisa- tion. Er sagt: »Beim Krystall ist die Materie desselben schon als solche vorgebildet, und blosses Entziehen des Lösungsmittels genügt, um das Erscheinen des Stoffes in bestimmter Gestalt zu erzwingen; anders aber ist es bei der Zelle, wenigstens bei den Pflanzen. Hier ist die organisch als Zelle auskrystallisirende Substanz noch nicht im Cystoblastem vorhanden. Sie wird durch einen anderen noth wendig gegenw^ärtigen Stoff erst in dem Augenblicke gebildet, als sie zur Form übergeht.« ^\ i Zwei Decennien vergingen nach dem Erscheinen der Schwan n- schen Hypothese, ehe ein neuerlicher Versuch gemacht wurde, das 1) Schieiden, Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik. 4. Aufl., pag-. 152 bis 153. Diese Stelle ist auch jetzt noch von Interesse, weü in ihr der Gedanke klar zum Ausdrucke gelangt, dass die Formbildung mit der Assimilation der geformten Substanz zeitlich zusammenfällt, eine Auffassung, welche, wenigstens im Gebiete der Botanik, bisher nicht gebührend gewürdigt Avurde Vergl. Wiesner, Anatomie 24 inzwischen reichlicb angewachsene Thatsachenmateriale mit Rücksicht auf die feinste Structur der Organismen theoretisch zu verwerthen. Da tauchten, fast gleichzeitig, zwei neue Zelltheorien auf, unab- hängig von einander, grundverschieden nach ihrem Endergebnisse: die nunmehr als Micellarhypothese bekannte Nägeli'sche Doctrin und Brücke's Lehre von den Elementarorganismen. Nägeli versucht von den passivsten Theilen der Zelle, nament- lich von der Zellhaut aus. Brücke hingegen von dem lebenden Zellenleibe, vom Protoplasma aus, in die feinste Structur des Organismus einzudringen. Ersterer versuchte, ähnlich wie Schwann, durch Zurück- führung der Organisation auf eine besondere Form der Krystallbildung, letzterer durch Annahme einer Organisation in dem bis dahin für flüssig gehaltenen Protoplasma die Handhaben zur Erklärung der Lebenserscheinungen zu finden. Da Nägeli 's Theorie der Seh wann 'sehen Lehre verwandt er- scheint, hingegen Brücke's theoretische Anschauungen mit letzterer sich in keinem Punkte berühren, so dürfte es wohl gerechtfertigt sein, mit ersterer zu beginnen. Nägeli entwickelte die Grundzüge seiner Lehre (Micellartheorie) zwischen 1858 und 1864 in einem umfangreichen Buche ^) und mehreren Abhandlungen. ^) Vollkommen ausgebildet erscheint aber die Micellarlehre erst in seinem vor wenigen Jahren herausgegebenen molecular-physio- logischen Werke. ^) Keine der Zellstructur gewidmete Lehre übte eine grössere Wirkung aus als Nägeli 's Micellartheorie. Fast alle späteren, auf die feinste Structur der Pflanze reflectirenden Arbeiten knüpfen an dieselbe an, welche — zum mindesten auf deutschem Gebiete — die heutige Anatomie und Physiologie fast vollständig beherrscht; Grand und Physiologie der Pflanzen, 1. Aufl. (1881), pag. 195, wo darauf hingewiesen wird, dass die Stoffe der Amylumkörperchen und der Zellwand erst in dem Augen- blicke nachweislich werden und wahrscheinlich erst entstehen, in welchem sie die organisirte Form angenommen haben. ^) Die Stärkekörner. Zürich 1858. 2) Sitzungsber. d. bayr. Akademie d. Wissensch. 1862, II. 1864, I. und II. 3) Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehie. Münclien und Leipzig 1884. 25 genug, diese Theorie eingehend zu erörtern, ihre Basis und ihre Con- sequenzen gründHch zu prüfen. Was Nägel i durch die Grundzüge seiner Hypothese erklären wollte, betraf nicht den ganzen Organismus der Ptlanze, sondei-n nur einzelne, und nicht die wichtigsten Theile der Zelle; es bezog sich, abgesehen von einem Versuche, das Wachsthum auf moleculare Vor- gänge zurückzuführen, nur auf Dinge, die mit dem Leben wenig zu schaffen haben. Denn das Hauptziel, worauf Nägel i losging, war, die Schichtung und Doppelbrechung der StärkekOrner, die Schichtung, Streif ung, Quell ung und Doppelbrechung der vegetabilischen Zellhaut, endlich die Cohäsionsverhältnisse der genannten festen Gebilde der Pflanzenzelle zu erklären. Für die Beurtheilung der Nägeli 'sehen Theorie scheint es mir von Wichtigkeit, diese anfänglich bescheidenen Ziele zu beachten; denn genau dieselben Annahmen, welche ihn zu diesen Zielen führten, sind eis, welche er später benützte, um die schwierigsten Fragen des Lebens, die Erblichkeit und die Abstammung, zu lösen. Nägeli knüpft^ so viel mir bekannt, in keiner seiner der Micellar- theorie gewidmeten Schriften an Schwan n's Theorie der Zellen an; nichtsdestoweniger scheinen, nach meiner Auffassung, einige nicht unwesentliche Berührungspunkte zwischen beiden Lehren zu existiren. Vor Allem unterscheidet Nägeli gleich Schwann das Wachsthum der lebenden von dem der leblosen Substanz, und zwar unter An- wendung derselben Begriffe und derselben Bezeichnungen. Denn auch Nägeli sagt, wie sein Vorgänger, dass der Krystall durch Apposition, die Zelle und jeder ihrer Theile durch Litussusccption wachse. Auch Nägeli fuhrt das Organisiren auf eine Form des Krystallisirens zurück. Während aber Schwann die lebende Zelle als einen aus imbibitions- fähiger Substanz bestehenden Krystall betrachtet, erblickt Nägeli in den kleinsten sichtbaren Theilen der Zellensubstanz (speciell in den Stärkekörnern und in der Zellmembran) ein bestimmt orientirtes Aggregat selbst bei stärkster Vergrösserung unsichtbar bleibender Kryställchen. Die empirische Grundlage der Micellartheorie bilden das Ver- halten der Stärkekörner, der vegetabilischen Zellhaut und der in 26 manchen Pflanzenzellen auftretenden Eiweisskrystalle bei der Wasser- aufnahme, das Verhalten aller dieser Gebilde im polarisirten Lichte, endlich einige Cohäsionverhältnisse, welche, namentlich bei der Wasser- abgabe, die Stärkekörner darbieten. Das constante Vorkommen von Wasser in allen organisirten Gebilden und das grosse Bestreben der letzteren, bis zu einer be- stimmten Grenze Wasser aufzunehmen, mit demselben sich zu imbi- biren und dabei zu quellen, hatNägeli veranlasst, diesen Imbibitions- und Quelluugsprocess näher zu verfolgen. Ein in Wasser löslicher Krystall verschwindet in Folge der Anziehung, welche zwischen den Wassermolecülen und den Krystall- molecülen besteht, nach einiger Zeit, wenn nur die genügende Menge des Lösungsmittels vorhanden ist, als fester Körper vollständig; anders verhalten sich die organisirten, überhaupt alle begrenzt quellbaren Körper : sie nehmen nur eine bestimmte Wassermenge auf, ohne ihren Zusammenhang zu verlieren. Aus diesem Verhalten schloss Xägeli, dass die organisirten (überhaupt die begrenzt quellbaren) Substanzen aus festen, nicht imbibirbaren Substanztheilchen bestehen müssen, welche zu Wasser eine grosse Anziehung besitzen. Die Anziehung der festen Substanztheilchen zum Wasser ist eine grössere, als die dieser Theilchen untereinander; in Folge dessen werden diese festen Körperchen durch das eindringende Wasser wie durch einen Keil auseinandergedrängt. Nägeli betrachtete diese festen, nicht imbibirbaren Theilchen der quellbaren Substanz anfangs als Molecüle, später als Molecül- gruppen, die er mit dem Namen Micelle bezeichnete. Nach seiner Vorstellung umkleiden sich bei der Imbibition alle Micelle mit Wasser- hüllen, deren Grösse und Form von der Gestalt der Micelle abhängig sein miiss. Je kleiner ein Micell ist, desto grösser ist die Anziehungs- kraft desselben für Wasser^ desto grösser wird also — im Vergleiche zu seiner eigenen ]\[asse — die um dieses Micell sich lagernde Wasser- hülle sein. Wenn das Micell ein nach den verschiedenen Richtungen des Raumes verschieden ausgedehnter K(')rper wäre, so müsste — in Consequenz dieser Auffassung — die kleinste Dicke der Wasserhülle 27 über der grössten, die grösste Dicke derselben über der kleinsten Axe zu liegen kommen. Endlich nimmt Nägeli an, dass in voll- kommen wasserfreiem Zustande die Micelle einander so nahe gerückt sindj dass kein Molecül zwischen denselben Platz findet^ sie also, um mit Nägeli zu sprechen, sich berühren. Auf diese Weise ist es gelungen, eine selbstverständlich nur hypothetische, aber klare und derzeit wohl unanfechtbare Vorstellung der Imbibition und Quellung zu geben. Ein weiteres Eingehen in die höchst interessanten und scharfsinnigen theoretischen Detailbetrachtungen über die Quelluiig liegt nicht im Plane meiner Darstellung, und ich habe nur noch zu erwähnen, dass es mit Zuhilfenahme der Nägeli 'sehen Quellungstheorie gelangen ist, die QuelUingserscheinungen in durchaus befriedigender Weise zu erklären. So z. B. die vergrüssei te Wasseraufnahme bei der Kleisterbildung aus Stärke, wo eine Zer- trümmerung der Micelle anzunehmen ist, deren nunmehr freigewordene Theilchen in Folge der vergrösserten Oberfläche eine grössere Wasser- menge zu binden im Stande sind* oder die Verschleimung anfangs wenig quellbarer Zellhäute, welche unter der gleichfalls zulässigen Annahme, dass die diese Membranen zusammensetzenden Micelle eine Zertheilung erfahren haben, nunmehr ein grösseres Wasserquantum aufzunehmen befähigt werden. Es ist schon nach dem Mitgetheiltcn ersichtlich, dass der weitere Ausbau der Micellartheorie dazu drängte, die Form der Micelle ausfindig zu machen. Nägeli hat viel Scharfsinn darauf verwendet, diese Frage zu lösen. Es geschah dies schon in der ersten seiner einschlägigen Publi- cationen, und zwar mit Hauptrücksichtnahme auf die *Molecüle« (Micelle) der Stärkekörner. Er versuchte zunächst aus dem Wassergehalte der Stärke auf die Form der Micelle zu schliessen. Diese Betrachtung hat aber nur zu dem Ergebnisse geführt, dass unter der Voraussetzung günstiger Lage und unmittelbarer Berührung der factische Wassergehalt der Stärkekörner (oder bestimmter Schichten derselben) zu klein ist, um mit der Kugelgestalt in Einklang gebracht werden zu können. Es ist 28 also un wahrscheinlich j dass die Micelle der Stärkekörner die Kugel- gestalt besitzen. Auch die später noch zu erwähnenden Cohäsions- verhältnisse der Stärkekörner sind der Annahme der Kugelgestalt ungünstig. Nägeli legte seiner Theorie auch die Annahme zu Grande^, dass das Micell die Gestalt eines Polyeders besitze. ^) Man kann aber nur die Möglichkeit dieser Aufstellung zugeben. Denn diese Annahme geht von der nicht bewiesenen Voraussetzung aus, dass die Micelle bis zur gegenseitigen Berührung einander genähert sind, soferne sie an der Zusammensetzung eines in absolut trockenem Zustande befind- lichen Körpers Antheil nehmen. Wie aber beispielsweise eine von wellenförmig contourirten Zellen gebildete Oberhaut lehrt und wie sich eigentlich von selbst versteht, so können auch von krummen Flächen begrenzte Körper sich so vollkommen berühren, dass zwischen ihnen keinerlei Hohlräume bestehen. Also nur unter der Annahme, dass die Micelle eine sehr einfache Gestalt besitzen, kann deren Polyedergestalt eingeräumt werden. Gleich der Form ist auch die Grösse der Micelle und der intermicellaren Räume eine durchaus hypo- thetische Sache.-) Später (1862) meinte Nägeli^) einen schlagenden Beweis für die Polyedergestalt der Micelle in dem Verhalten der Stärkekörner und vegetabilischen Zellmembranen gegen das polarisirte Licht ge- funden zu haben. Er glaubte nämlich, dass die schon früher von anderen Forschern^) aufgefundene Doppelbrechung der genannten organiöirten Gebilde nothwendigerweise die Folge eines krystall- ') Anfanglicli (Stärkekörner) nahm Näg-eli an, dass die Micelle in ihren ersten Entwicklungsstadien auch die sphärische Gestalt annehmen können, später lang-gestreckt sphäroidisch werden und schliesslich erst eine Abplattung- erfahren. ~) Siehe hierüber auch Pfeffer, rflanzenphysiolofjie. IM. I (1881), paar. 15. ^) Siehe die zweite der oben g^enannten Abhandlung-en Nägeli's. ^) Die ersten Beobachtungen über die Doppelbrechung- organisirter Substanzen wurden zwischen 1815 und 1835 von Brewster (Philos. Trans.) ang-estellt. Die Doppelbrechung der Stärke con.statirte zuerst Erlach (Müller's Archiv 1845). Vor Nägeli haben Doppelbrechung pflanzlicher Objecte H. v. Mohl, Schacht und Valentin festgestellt. Siehe hierüber Valentin, Die Untersuchung der Pflanzen- und Thiergewebe im polarisirten Lichte. Leipzig 1861. 29 artigen Charakters der Micelle sein müsse, nnd tbrmulirte niinnu-lir seine Theorie folgendermassen: »Die organisirten Substanzen bestehen aus krystallinischen doppelbrechenden Molecülen, die lose, aber in bestimmter regelmässiger Anordnung nebeneinander liegen. Im l)c- feuchteten Zustande ist, in Folge überwiegender Anziehung, jedes mit einer Hülle von Wasser umgeben; im trockenen Zustande berühren sie sich gegenseitig.« ') Durch Nägeli's Annahme, dass die Micelle selbst doppel- brechend seien, und dass ihnen in den organisirten Gebilden eine bestimmte Anordnung zukomme, war eine Erklärung der Doppel- brechung dieser Gebilde gewonnen worden. Diese Erklärung hielt aber späteren Untersuchungen über den optischen Charakter der organisirten Substanzen nicht Stand, indem man erkannte, dass die Anisotropie eines Körpers auf sehr verschiedenen Ursachen beruhen könne. -) Am vollständigsten hat V. v. Ebner die Ursachen, welche die im polarisirten Lichte sich kundgebenden Interferenzerscheinungen organisirter Substanzen des Pflanzen- und Thierkörpers hervorzu- bringen im Stande sind, zusammengefasst. ^) Es ist nicht nothwendig, hier auf alle Hypothesen, welche behufs Erklärung der Doppelbrechung pflanzlicher und thierischer Substanzen aufgestellt wurden, einzugehen. Es genügt für unsere Zwecke, zu zeigen, dass es gelingt, auf Grund von Thatsachen eine Erklärung der Doppelbrechung der organisirten ') 1. c, pag. 203. Was hier als Molecül bezeichnet ist, entspricht jener Molecülaggreg-ation, welche Nägeli später Micell genannt hat. '-) Es ist mehrfach behauptet worden, dass Brücke insoferne mit Nägeli in Betreff der Frage über das Zustandekommen der Doppelbrechung organisirter Körper übereinstimme, als er die doppelbrechenden Körperchen (Disdiaklasten, bez. deren Zusammensetzungsstücke) der in der quergestreiften Muskelfaser auftretenden Sarkous- Clements für Krystalle erklärt haben soll. Dies hat Brücke nie behauptet. Er hält vielmehr die Disdiaklasten in Folge ihrer specitischen Organisation für (loi)pel- brechend. (Nach gefälligen mündlichen Mittheilungen des Herrn Prof. v. Brücke. Siehe auch Brücke's Vorlesungen über Physiologie, 4. Aull., I., pag. 500, wo aus- drücklich bemerkt wird, dass den Disdiaklasten der Krystallcliarakter nicht zniro- schrieben werden könne.) 3) V. V. Ebner, Untersuchungen über die Ursachen der Anisotropie organi- scher Substanzen. Leipzig 1882. 30 Gebilde zu geben, ohne die Anisotropie in die hypothetischen Micelle ^;^erlegen zu müssen. Es hat schon vor langer Zeit ßrewster') isotrope, organische (colloidale) Substanzen durch Druck doppelbrechend gemacht und die durch die mechanische Einwirkung entstandenen Spann ungszustände als die Ursachen der veränderten optischen Eigenschaften nachgewiesen. Auch gelang es ihm, durch Hervorrufung von Spannungen in Hern und Schildpatt die doppelbrechende Eigenschaft derselben zu ver- stärken. Schon die grossen Spannungen, welche durch die in den Pflanzen- zellen herrschenden, oft ausserordentlich starken osmotischen Drucke nothwendig hervorgerufen werden müssen, legen den Gedanken nahe, die Doppelbrechung der Zellhäute im Bre wster'schen Sinne zu erklären. Am eingehendsten hat sich v. Ebner mit diesem Gegenstande beschäftigt und gezeigt, dass alle im polarisirten Lichte zustande- kommenden Interferenzerscheinungen der organisirten Gebilde sich ungezwungen durch Spannungen erklären lassen, eine Auffassung, welche schon früher von einigen Botanikern"^) ausgesprochen wurde. Von entscheidender Bedeutung sind folgende von v. Ebner ausgeführte Versuche. Kach Nägel i ändern sich die optischen Con- stanten organischer Substanzen durch Druck und Zug auch im im- bibirten Zustande nicht. Wenn nun die Beobachtung zur Evidenz das Gegentheil lehrt, so muss Avohl die Doppelbrechung durch auf Zug- und Druckwirkungen beruhende Spannungen erklärt werden, und es ist überflüssig, die Anisotropie der organisirten Substanz auf die krystallinischen Micelle zurückzuführen. Es hat nun v. Ebner eine Reihe von vegetabilischen Objecten ausfindig gemacht, an welchen sich ohne Schwierigkeit die Aenderung der im polarisirten Lichte stattfindenden Interferenzerscheinungen constatiren lässt. Die instruc- tivsten dieser Objecto sind jene, welche, an sich isotrop, erst durch ^) Brewster, Plulos. Transact. 1816. -) Wiesner, Anatomie u. Physiologie der Pflanzen, 1. Aufl., 1881, pag-. 260, und Ebner, 1. c, pag. 17 — 34. 31 Spannung anisotrop werden, z. B. das Mycelium von Iremella, welches nach Imbibition mit Wasser, zwischen den gekreuzten Nicols des Polarisationsmikroskopes betrachtet, isotrop erscheint, über der Gyps- platte Roth I. O. kaum eine Spur von Doppelbrechung erkennen lässt, aber nach Anwendung eines schwachen Druckes, wie ein solcher durch Drücken mittelst einer Nadel auf das Deckgliischen hervorge- bracht wird, in lebhaften Farben erglänzt. Auch das Endosperm von Ceratonia Siliqua lässt sowohl durch Druck, desgleichen durcli Zug eine höchst auffällige Steigerung der Doppelbrechung erkennen. Die Zellmembranen mehrerer Algen, die Cuticula uud die Samenhäute einiger höheren Pflanzen boten ähnliche Verhältnisse darj) Im Ganzen erweisen sich vegetabilische Gewebe und Gewebsbestandtheile bei Spannungsversuchen viel weniger günstig als thierische. Da nun Nägeli blos auf pflanzliche Objecto sein Augenmerk lenkte und unter diesen eine der Fragestellung sehr ungünstige Auswahl traf, so gelangte er bei den Dehnungs- und Pressungsversuchen zu Itesultaten, welche seiner Theorie scheinbar sehr günstig waren. Die ( )bjecte, welche er in seinen Spannungsversuchen verwendete, befeinden sich schon in einem so hochgespannten Zustande, dass die in das Experi- ment eingeführten dehnenden und drückenden Kräfte viel zu gering waren, um eine deutliche Aenderung in den optischen Constauten des Versuchsmateriales erkennen zu lassen. Auch v. Ebner erhielt bei seinen mit Bastfasern u. dergl. ausserordentlich stark doppclbrechenden Gewebsbestandtheilen unternommenen Versuchen fast nur negative Resultate, die aber durchaus in diesen den beabsichtigten Versuchen ungünstigen Materialien ihren Grund hatten. Ich gelange nun zu Nägeli's Auffassung der Schichtung der Stärkekörner und der Schichtung und Streifung der Zellhaut. Unter Schichtung versteht Xägeli, wie derzeit alle Botaniker, eine im Ganzen zur Grenzfläche des betreftenden Objectes parallele Lamellirung, unter Streifung hingegen eine Lamellenbildung, welche die früher ge- nannte »Schichtung« durchkreuzt. 1) V. Ebner, 1. c, pag. 209 ff. 32 Vor Nägel i nahm man allgemein an, dass die »Schichten« in streng centripetaler Richtung durch Apposition aus dem Protoplasma sich ablagern, eine sehr rohe Vorstellung, welche mit dem starken Oberflächenwachsthum dieser Schichten und der Zellhaut überhaupt nur schwer in Einklang zu bringen ist. Es ist nun das grosse Ver- dienst Nägeli's, das Ungenügende dieser Appositionstheorie dargelegt und bewiesen zu haben, dass ohne Annahme einer Einlagerung von Substanz zwischen die schon vorhandene die Erscheinungen des Wachsthums nicht verständlich zu machen sind. Nach Nägeli's Hypothese beruht sowohl die Schichtung als die Streifung auf einer Wechsellagerung wasserarmer und wasserreicher Substanz. Die Brechungsunterschiede, welche das Auftreten der Lamellen bedingen, sind also nach seiner Auffassung nicht in chemischer Un- gleichheit, sondern nur darin begründet, dass die stärker lichtbrechen- den ärmer, die schwächer lichtbrechenden reicher an Wasser sind, bei sonst gleicher substanzieller Beschaffenheit. Die angenommene Wechsellagerung wasserarmer und wasserreicher Substanz lässt sich leicht aus seiner Grundauffassung über den micellaren Bau der organi- sirten Gebilde klar machen. Denn selbst wenn man die einfachste Annahme macht, nämlich die Zusammensetzung des betreffenden Ob- jectes aus Micellen gleicher Grösse voraussetzt, die in horizontalen Reihen nebeneinander und in verticalen Reihen übereinander liegen, und von denen jedes einzelne eine Wasserhülle besitzt, so kommen, wie sehr leicht einzusehen ist, abwechselnd verschieden lichtbrechende Schichten zu Stande. Da aber die Micelle selbst bei stärkster Ver- grösserung noch unsichtbar bleiben, so könnte die auf diese Weise zu Stande kommende Schichtung nicht in Erscheinung treten. Es muss also, damit die Schichtung wahrnehmbar werde, angenommen werden, dass Schichtencomplexe kleiner und grosser Micelle mit einander abwechseln, von denen die ersteren unter sonst gleichen Verhältnissen mehr Wasser enthalten müssen als die letzteren, da ein Micell eine desto grössere Anziehung zum Wasser besitzt, je grösser seine relative Oberfläche ist, mit anderen Worten, je kleiner es ist. Einen Beweis für die Richtigkeit dieser seiner Auffassung erblickt 33 Nilgeli in der Beobachtung, dass die Schichtung bei einem bestimmten Wassergehalte am deutlichsten wird, und sowohl mit der Zu-, als auch mit der Abnahme des Wassergehaltes immer undeutlicli<'r wird und endlich gänzlich verschwindet. Im Avasserfreien Zustande berühren sich nach Nägeli die ]\Iicelle, und da die an dem Aufbau eines bestimmten organischen Gebildes Antheil nehmenden ]\licelle nach Nägel i 's Auflassung miteinander im chemischen und physikalischen Verhalten, vor Allem in der Lichtbrechung übereinstimmen, so muss im wasserfreien Zustande jede Schichtung verschwinden. Die Streifung der Zellhäute wird von Nägeli in analoger Weise erklärt. Auch dieses Structurverhältniss ist bei einem bestimmten Wassergehalte am deutlichsten wahrzunehmen und muss für das Auge verschwinden, wenn der Wassergehalt auf Null sinkt oder eine gewisse Grenze überschreitet. Nach der Nägel loschen Micellarhypothese ist also, strenge ge- nommen, die Schichtung als solche vom Wassergehalte unabhängig, denn es wechseln schichtenweise grössere und kleinere Micelle mit- einander ab, und nur das Sichtbarwerden der Schichten wird durch die ungleiche Wassereinlagerung bedingt. Ich hatte schon vor Jahren auf einige Thatsachen hingewiesen, welche mit Nägeli 's Vorstellung über das Zustandekommen von Schichtung und Streifung nicht in Einklang zu bringen sind. ') So wird die Schichtung, beziehungsweise Streifung der Zellhäute durch vollständige Entwässerung nicht ganz aufgehoben, ja sie tritt in ein- zelnen Fällen sogar mit grösserer Schärfe hervor, so z. B. die Streifuug der Tracheiden der Fichte nach vollständiger Entwässerung derselben bei einer Temperatur von 110*^ C. Chromsäure ruft in vielen Zell- membranen, offenbar in Folge ihrer oxydirenden Wirkung, Schichtung oder Streifung hervor, welche weder durch Zufuhr von Wasser, noch durch wasserentziehende Mittel Lamellirung zu erkennen geben. Diese Wahrnehmungen führten mich zu der Ansicht, dass die Schichten und Streifen, welche wir an Zellmembranen sehen, ihren Grund in 1) Elemente der wissenschaftlichen Botcanik. I. Bd. Anatomie und Tliysiu- logie der Pflanzen. 1. Aufl. Wien 1881, pag. 257. Wiesner, Die Elementarstructur etc «^ 34 physikalischen, beziehungsweise chemischen Verschiedenheiten der differenzirt erscheinenden Hautantheile haben, welche in einer ungleichen Lichtbrechung zum Ausdrucke kommen.^) Diese Auffassung schliesst selbstverständlich nicht aus, dass in vielen Fällen Zufuhr oder Entziehung von Wasser innerhalb der Zellhaut, beziehungsweise des Stärkekorns, das Hervortreten der Schichtung in hohem Grade begünstigen könne. In einem der folgenden Capitel komme ich nochmals auf Schichtung und Streifung zurück; es wird dort gezeigt werden, dass diese Erscheinungen der Ausdruck bestimmter Organisationseigenthüm- lichkeiten der betreffenden Gebilde sind. Bevor Nägeli mit seiner Theorie hervortrat, erklärten die Botaniker allenthalben das Wachsthum der Zellhäute und überhaupt der organisirten Gebilde durch Apposition, während unter den Zoo- logen, im Anschlüsse an Schwann, vielfach die Annahme eines Intussus- ceptionswachsthums platzgegriffen hatte. Nägeli erwarb sich auch in der Wachsthumsfrage das grosse Verdienst, die Schwächen und Fehler der damals herrschend gewesenen Ansicht blossgelegt und einer den Thatsachen entsprechenderen Auffassung Bahn gebrochen zu haben. Unter Hinweis auf die starke Oberflächenvergrösserung wachsender Theile und andere Wachsthumseigenthümlichkeiten, welche sich mit der Annahme einer einfachen Apposition in offenbarem Widerspruche befinden, entwickelte er aus seiner Micellarhypothese eine Vorstellung über Intussusception, welche von den meisten Botanikern angenommen wurde. Die Intussusceptionshypothese Nägeli 's nimmt an, dass gleich einem Kry stall jedes Micell durch Apposition wachse, dass aber zwischen den schon vorhandenen Micellen neue entstehen, die sich entsprechend ihrer Grösse und Form mit mehr oder minder grossen Wasserhüllen umkleiden und zwischen die vorhandenen einfügen, selbstverständlich nach Ueberwindung der innerhalb der vorhergebildeten Substanz ^) Diese Aufiassung ist auch auf die Stärkekörner zu übertragen und es ist auch mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Schichtung derselben auf eine ungleiche Vertheilnng von Granulöse und Cellulose zurückzuführen sei. S. u. a. Sachsse, Chemie und Physiologie der Farbstofie etc. 1877, pag. 123. — Pfeffer, Pflanzenphysiologie. I., pag. 16. 35 thätigen Cohäsionskräfte. Die Einschiebung neuer Micelle innerhalb stark cohärenter Zellhäiite zu erklären, ist mit mancherlei Schwierig- keiten verbunden, welche, soweit sie sich auf die Zellhaut beziehen, durch die von Sachs und de Vries begründete Lehre von der Be- einflussung des Wachsthums der Zellhäute durch den Turgor der Zelle überwunden erscheinen. Auf diesen Punkt der Wachsthumslehre komme ich in einem späteren Capitel zurück; hier handelt es sich nur um die Frage, welche Umstände nach Nägeli die Cohäsions- verhältnisse eines w^achsenden Gebildes derart gestalten, dass die Ein- lagerung an einer bestimmten Stelle erfolgen muss, und w^ie er sich die Entstehung überhaupt jener Micelle denkt, welche sich zwischen die vorhandenen einschieben. Die erstere Frage hat Nägeli unter Zugrundelegung von an Stärkekörnern gemachten Beobachtungen in sehr geistreicher Weise gelöst. Schon der optische Charakter der Stärkekorn- oder der Zellhautschichten Hess ihn eine bestimmte Orientirung der Micelle annehmen. Diese sind (krystallographisch) dreiaxig-, eine Axe liegt in radialer und zwei (natürlich in einer Ebene) tangential, also in der Richtung der Schichten, jede einzelne den Richtungen der Streifung folgend. Wären die Micelle gleich grosse Kugeln oder gleich grosse tessulare Krystalle, so müssten die Wasserhüllen überall gleich gross sein, und auch die Cohäsion würde an allen Stellen des betreifenden Gebildes dieselbe sein. Die Einlagerung neuer Micelle müsste an allen Punkten in gleicher Weise erfolgen und das Wachsthum wäre somit ein gleich- massiges. Nun ist aber das Wachsthum in der Regel in tangentialer Richtung am grössten. Nimmt man an, dass die grösste Axe der Micelle in die radiale Richtung fällt, dann muss nothwendigerweise die grösste Axe der Wasserhülle senkrecht auf dieser Richtung stehen ; es ist dann also dort nicht nur der grösste Raum für die Einlagerung neuer Micelle vorhanden, sondern an diesen Stellen ist auch die Cohäsion am geringsten; es ward also die Einlagerung der Micelle in der Richtung der Tangente am meisten begünstigt sein. Damit fand das vor Nägeli nicht beachtete Fläch enwachsthum eine sehr sinn- reiche und einleuchtende Erklärung, und damit schien die grösste 36 Schwierigke Jtj welche der AiiDahme des Intussusceptionswachsthums entgegenstand, überwunden. Die zweite Frage, wie die Entstehung der neuen, zwischen die vorhandenen sich einschiebenden Micelle erfolge, hat Nägeli nicht einheitlich gelöst. Er nimmt vielmehr an, dass diese neuen Micelle entweder sich direct aus der Imbibitionsflüssi2:keit ausscheiden, sei es dass sie nach Art der aus Lösungen entstehenden Krystalle sich hervorbilden, sei es, dass sie in Folge eines chemischen Processes die unlösliche Form annehmen oder als Producte der Fragmentation eines grösseren Micells sich darstellen. Der erstere Modus — die Ausscheidung der neuen Micelle aus einer Lösung — scheint nach Nägeli derjenige zu sein, welcher sich im normalen Gange des Wachsthums einstellt; der letztere wird für jene Fälle angenommen, in welchen eine verstärkte Quellungsfähigkeit wahrgenommen wird, z. B. wenn eine Verschleimung einer Zellhaut stattfindet, oder bei der starken Quellung eines Stärkekorns. Die ausserordentlich grosse Wasseraufnahme eines verkleisternden Stärkekorns erklärt Nägeli. wie schon bemerkt, durch eine weitgehende Zertrümmerung der Micelle des normalen Amylumkorns. Die Kleinheit der auf diese Weise ent- standenen Theilkörper bedingt eine Vergrösserung ihrer relativen Oberfläche, welche die gesteigerte Wasseraufnahme zur Folge hat. In ähnlicher Weise erklärt sich Nägeli die bei Verschleimung und anderen im Zellenleben vorkommenden, auf plötzlich gesteigerter Wasseraufnahme beruhenden Volumszunahmen der betreffenden Theile. Im normalen Wachsthum entsteht also nach Nägeli das neue Micell gewissermassen spontan, ohne thätige Mitwirkung der schon organisirten Substanz, also in ähn- licher Weise, wie sich Schwann das Auftreten des Kern- k ör per eben s dachte. Der ganze Process des Wachsthums ist mit- hin nach Nägeli eine Art Krystallisation, die, soweit sie das Wachs- thum des Micells selbst anlangt, gleich der Volumszunahme eines Kry Stalls durch Apposition vor sich geht, während die ferneren Neu- bildungen auf Intussusception beruhen. Da nun Processe bekannt geworden sind, in welchen auch leblose Körper durch Intussusception 37 wachsen (Traube 's Zellen)/) so besteht also nach der vorgetragenen Lehre kern wesentlicher Unterschied zwischen dem Wachsthum von Anorganismen und jenem lebender Gebilde, denn beide vermögen sowohl durch Apposition als durch Intussusception sich zu vergrüssern. Nägel i's scharfsinnig erdachte Theorie erklärte nach molecular- physikalischen Principien das Wachsthum, und spätere Versuche, auf die ich in der Folge noch werde einzugehen haben, das ganze organische Wachsthum in analoger Weise gänzlich auf Apposition zurückzuführen, haben diese Lehre nicht zu entkräftigen vermocht. Wie aber schon in der Einleitung angedeutet wurde, gibt uns die Micellartlieorie keine befriedigende Erklärung des organischen Wachsthums, indem sie nicht mit dem wichtigen Factor rechnet, dass alles Lebende (Organisirte) und selbst in seinen kleinsten Formen nur aus dem Lebenden, und zwar direct, hervorgeht. Die Untersuchungen Nägeli's, welche in die bisher abgehandelte Periode seiner Micellartheorie f^illen, haben also, so können wir nun kurz zusammenfassen, zu einer einleuchtenden und bisher nicht wider- legten hypothetischen Erklärung der Quellung organisirter Gebilde geführt; sie leiteten ferner zu einer Hypothese über das Zustande- kommen von Schichtung, Streifung und Doppelbrechung der Zellhäute, beziehungsweise der Stärkekörner, welche anfangs mit den Beob- achtungen harmonirte, nunmehr aber nicht mehr mit den Thatsachen in Einklang zu bringen ist; sie schufen eine auf molecular-physikahscher Grundlage ruhende Theorie der Intussusception, welche das Flächen- wachsthum ebenso wie das Dickenwachsthum verständlich machte und mithin einen Fortschritt gegenüber der älteren Appositionslehre bedeutet, aber doch zu einer naturgemässen Auffassung des Wachs- thums nicht ausreicht, wie in den späteren Capiteln gezeigt werden wird. Auf andere als die hier discutirten Momente ist Nägeli in der genannten Periode nicht oder nur gelegentlich eingegangen.-) 1) Archiv für Anatomie und Physiologie von du Bois-Keymond und Reichert. 1867. 2) Nur um das schon damals erkennbare Bestreben Nägeli's, die Probleme des Lebens aut einfache physikalische oder chemische Verliältnisse zurückzuführen, zu charakterisiren, gebe ich hier die Vo rstellung- wieder, welche er sich über die 38 In seiner später erschienenen mechanisch-physiologischen Theorie der Abstammungslehre machte Nägeli von der Micellarhvpothese den umfassendsten Gebrauch, indem er dieselbe, wie schon der Titel seines neuen Buches vermuthen lässt, zur Lösung der schwierigsten und grössten Probleme, welche in neuerer Zeit im Gebiete der Bio- logie auftauchten, heranzog, nachdem er in einer wenige Jahre vor- her erschienenen Schrift ^) seine Lehre in einigen wesentlichen Punkten erweitert hatte. Ehe ich auf die Darstellung und Kritik seiner modificirten Lehre eingehe, scheint es mir zweckmässig, die Aufnahme, welche die Nägeli'sche Theorie gefunden, kurz zu berühren und zu zeigen, welche Erweiterungen, beziehungsweise welche Correctur sie von Seite anderer Forscher erfuhr. Wohl nie noch war auf die Lösung eines botanischen Problems mehr Scharfsinn und Mühe verwendet worden, als Nägeli der Grund- lage seiner Lehre über die Molecularstructur der Pflanze zu Theil werden liess. Es ist ferner selten im Gebiete der Botanik ein Gegen- stand mit grösserer Consequenz durchgeführt worden. Auch fallen die betreffenden Arbeiten in eine Zeit des Aufwachens der physiologi- schen Forschung, in welcher man hoffte, die bis dahin nur empirisch betrachteten morphologischen Verhältnisse einer causalen Erklärung zugänglich zu machen. Aus diesen Gründen erklärt sich theilweise die beispiellos glänzende Aufnahme, welche die Nägeli'sche Lehre wenigstens unter den deutschen Botanikern gefunden. Constanz der Formen der Stärkekörner bei bestimmten Pflanzenspecies gebildet hat. Es ist, sagt Nägeli (Stärkekörner, pag. 376), überraschend, dass keine Pflanzenart in der Beschaffenheit ihrer Stärkekörner mit einer anderen übereinstimmt. Diese, wie wir uns ausdrücken, durch Erblichkeit festgehaltene Eigenthümlichkeit der Stärke- körner erklärt Nägeli in folgender primitiver Weise. Die ersten Micelle jedes Stärkekorns scheiden sich aus einer Flüssigkeit aus (1. c, pag. 377), welche für die betreffende Pflanzenart eine specifische Constitution besitzen wird. Er meint, dass, gkich den Formen der Stärkekörner, auch die Flüssigkeiten, aus welchen sich die das Amylumkorn constituirenden Micelle ausscheiden, nicht in zwei Pflanzenarten völlig miteinander übereinstimmen werden. Diese Verschiedenheit der in den Zellen enthaltenen Lösungen ist es nun, welche nach Nägeli 's Auf- fassung einzig und allein massgebend ist für die specifische Form der Stärkekörner. 1) Theorie der Gährung. München 1879. 39 Wie man bald nach dem Erscheinen der oben genannten Piibli- cationen Nägeli's über dessen Theorie urtheilte, hat Sachs zum Ausdrucke gebracht, indem er in seiner Experimentalphysiologie ^) der MolecuLarstructur organisirter Gebilde ein ganzes Capitel widmete und die in den erwähnten Arbeiten ausgesprochenen Ansichten den hervorragendsten und folgereichsten Leistungen auf dem Gebiete der Pflanzenphysiologie beizählte. -) Abgesehen von einigen unwesentlichen Abweichungen stimmte Sachs den Ausführungen Nägeli's in Betreff der Structur und des Wachsthums der Stärke und der Zellhäute vollkommen bei, ging aber einen Schritt weiter, indem er die an der Hand der cohärenten Zellen- bestandtheile gewonnenen Anschauungen auf die weichen, plastischen Protoplasmagebilde übertrug. Wesentlich Neues hat diese Durchführung ^) Leipzig- 1865, pag". 398. ~) Bezeichnend für die Hoffnungen, welche man anf die neue Theorie setzte, ist folgende Stelle in Sachs' Geschichte der Botanik (1875, pag-. 378): »Es war ein merkwürdiges Zusammentreffen, dass Nägeli's Moleculartheorie der organisirten Gebilde, welche auch für dip Zootoniie nicht unfruchtbar bleiben wird, in demselben Jahre, um 1860, zur Ausbildung gelangte, in denen auch Darwin zuerst mit seiner Descendenztheorie hervortrat. Auf den ersten Blick seheinen beide Theorien in gar keinem Zusammenhange zu stehen, dieses zeitliche Zusammentreffen also ein ganz zufälliges zu sein. Geht man jedoch tiefer in die Sache ein, so findet mun eine für die Geschichte der Naturwissenschaften sehr bedeutungsvolle Aehnlichkeit beider Theorien: durch beide wurde nämlich die bisheritje fomale Betrachtung- org-anischer Formen auf eine causale zurückgeführt; wie Darwin's Lehre darauf ausgeht, die specifischen Formen der Thiere und Pflanzen aus der Erblichkeit und Variabilität unter dem zerstörenden oder begünstigenden Einflüsse äusserer Umstände ursächlich zu erklären, so steckt sich Nägeli's Theorie das Ziel, das Wachsthum und die innere Structur organisirter Körper auf physikalisch-chemische und mechanische Vor- gänge zurückzuführen. Die Zukunft wird zeigen, ob die von Nägeli gewonnenen Anschauungen in ihrer weiteren Ausbildung nicht dazu beitragen werden, auch der Descendenztheorie eine tiefere Begründung zu geben, insoferne es nicht unwahr- scheinlich ist, dass ein tieferes Verständniss der Molecularstructur der Organismen den dunklen Beu-riffen Erblichkeit und Variabilität mehr Licht und Klarheit geben könnte.« Sachs gab durch diese Bemerkungen den unter den Naturforschern der organischen Richtung weit verbreiteten Gedanken, dass schon die derzeitigen Kennt- nisse und Anschauungen der allgemeinen Moleculartheorie in absehbarer Zeit zu einer den Geist befriedigenden Lösung der schwierigsten Probleme des Lebens führen könnten, beredten Ausdruck und hat durch seinen Ausspruch gewissermassen das Erscheinen der »mechanisch-physiologischen Theorie der Abstammungslehre« vor- geahnt. 40 nicht zLi Tage gefih'dert, bot aber doch den Vortheil, dass das Proto- plasma, das trotz der vorhergegangenen tiefen, später noch zu be- sprechenden Untersuchungen Brücke's von vielen Botanikern noch immer als eine Flüssigkeit angesehen wurde, als eine organisirte Substanz ') aufgefasst werden konnte, welche aus festen, nicht imbibir- baren Theilchen (Micellen) und Wasser besteht, das zum grossen Theile, in manchen Fällen ausschliesslich, als Imbibition swasser vorhanden ist. Im Grossen und Ganzen hat sich auch Pfeffer-) der Kägeli- schen Theorie und deren Weitertührung durch Sachs angeschlossen, und wenn er auch im einzelnen Manches für hypothetisch oder un- sicher erklärte, was in der Theorie als evident erschlossen dargestellt erscheint, so hat er andererseits die Theorie insoferne gestützt, als er manche Einwendung, die gegen Nägeli erhoben werden konnte, ent- kräftigte und den Thesen der Theorie auch in einzelnen Punkten eine schärfere Fassung zu geben versuchte. So gibt Pfeffer wohl den krystallinischen Charakter der Micelle im Stärkekorn und in der Zellhaut zu, ist aber im Zweifel darüber, ob auch die Micelle des Protoplasma den Krystallcharakter besitzen. ^) Alle aus Imbibition und Diffusion abgeleiteten Angaben über Grösse der Micelle und der intermicellaren Bäume betrachtet er als sehr hypothetisch. Während die Hypothese Nägeli's fordert, dass mit der vollständigen Austrocknung Schichtung und Streifung verschwinden, weist Pfeffer auf mechanische Ursachen hin, welche Spannungen zur Folge haben und so Veranlassung zur Entstehung von Lamellen geben können, so zwar, dass absolut trockene und noch geschichtet erscheinende organisirte Gebilde nicht als ein zwingender Einwand gegen die Micellarhypothese zu betrachten wären. Den Begriff Micell ^) Die von Sachs g'emachte Bemerkung- (Vorlesung-en über Pflanzenphjsiolog-ie, Leipzig- 1882, pag-. 2ß3), dass er es g-ewesen sei, welcher die org'anisirte Natur des Protoplasmas zuerst nachwies, ist dahin richtigzustellen, dass vier Jahre vor ihm Brücke in den »Elementarorg-auisnien« diesen Nachweis, und zwar auf Grund viel zwingenderer Argumente führte. 2) Pfeffer, Osmotische Untersuchung-en. Leipzig- 1877. — Derselbe, Pflanzenphysiolog'ie. Leipzig* 1881, Bd. 1. 3) Physiolog-ie. I., pag-. 13. 41 hat Pfeffer dabin abgeändert, dass dasselbe entweder eine Molecül- verbindung (»Tagma«, Osniot. Unters. , p^g. 32) oder ein liüheres Moleculargebilde (»tagmatischer Complex«) oder cndlieh selbst ein Molecül (im Sinne der Chemie nnd Physik) sein könne, Avelchem aber gleich den höher componirten Micellen auch die Fähigkeit zu- kommt, sich mit einer Wasserhülle zu umgeben. Wie man sieht^ schränkt Pfeffer den Begriff der Organisation noch enger ein als Nägeli. Es scheint mir indess der Ausspruch Pfeffer's: »organisirt« ist jeder Körper, welcher in den physikali- schen Eigenschaften (Imbibitionsfähigkeit, Quellbarkeit) mit den lebenden Substanzen übereinstimmt, gleichgiltig ob er von einem lebenden Organismus erzeugt wird oder nicht, gleichgiltig ob er or- ganisch oder anorganisch ist, ') doch nur die letzte Consequenz der Micellarhypothese zu sein, die in der Nägeli'schen DarstelKmg nur nicht mit dieser Schärfe hervortritt. Im Wesentlichen besteht aber weder für Nägeli, noch für Pfeffer eine scharfe Grenze zwischen dem Lebenden und dem Unbelebten: das morphologische Element des todten Krystalls und des lebenden Organismus ist ein starres, nicht imbibitionsfähiges Körperchen, nach Nägeli stets ein doppelbreclieudes Krvställchen. Bis zu den Achtziger- Jahren beherrschte die Nägeli'sche Hypo- these die deutschen Botaniker fast vollständig; hierauf erschienen einige Arbeiten, welche den Zweck verfolgten, die Intussusceptions- theorie zu widerlegen. Ich komme später auf diese Untersuchungen zurück, welche aber das Ansehen der Micellartheorie und der Intussus- ceptionslehre nicht zu erschüttern vermochten. Merkwürdigerweisehat über das deutsche Gebiethinausdiegenannte Theoi'ie fast keinen Boden gewonnen. Unter den französischen Botanikern ist sie wohl gekannt,-) allein es wird in dieselbe nicht näher einge- gangen und es scheint, als würde man sie für zu speculativ lialtcn. 1) Physiolog-ie. I., pag-. 13. •) Siehe beispielsweise Duchartie, Elements de botanique. Paris 1885. — Yan Tieo-hem, Traite de botanique. Paris 1884. 42 Auch im Gebiete der Zoologie übte die Nägeli'sche Lehre, wenigstens in jener Form, in welcher sie sich zwischen 1858 und 1864 ausgebildet hat, wenig Wirkung aus. In den wichtigsten Werken und bedeutendsten auf die feinsten Organisationsverhältnisse reflectiren- den Abhandlungen, z. B. in Brücke's und Wundt's Physiologien oder in Flemming's bekanntem Buche über Zellsubstanz, ^) wird auf Nägeli's Veröffentlichungen nicht eingegangen. Soviel mir be- kannt geworden, haben unter den Forschern der zoologischen Richtung blos Bernstein,^) Eanke*^) und v. Ebner von Nägeli's Unter- suchungen Notiz genommen. Bernstein nimmt gleich Kägeli krystallinische Micelle an; überhaupt versuchte er die Micellarhypo- these auf den Bau der lebenden Substanz des thierischen Körpers zu übertragen. Ebner 's eingehender Kritik der Micellartheorie wurde schon oben gedacht. Durch die gründlichen Untersuchungen dieses Forschers wurde nachgewiesen, dass die Erscheinungen der Doppel- brechung organisirter Körper durchaus nicht berechtigen, das Micell als Krystall aufzufassen. Hingegen steht v. Ebner in Bezug auf das Zustandekommen der Quellung und der Intussusception mit Nägeli nicht im Widerspruche. Ranke berührt Nägeli's Theorie und scheint dieselbe zu acceptiren. Hin und wieder begegnet man in zoologischen Schriften An- sichten, welche an Nägeli's Lehre anklingen, ohne von ihr direct auszugehen. So nimmt beispielsweise Rauber^*) im Protoplasma eine radial concentrische Structur an, supponirt also im Wesentlichen dieselbe Anordnung kleinerer Körperchen, wie eine solche von Nägeli für die Stärkekörner angegeben wurde, um hierauf und in Verbindung mit anderen Erscheinungen eine Vorstellung über das Wachsthum der Organe zu gründen. — Nägeli's mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungs- lehre verfolgt vor Allem den Zweck, die Descendenzlehre mechanisch 1) Leipzig 1882. •) Bernstein, Ueber die Kräfte der lebenden Materie. Halle, Universitäts- schrift 1880. ^) Ranke, Grundzüge der Physiologie des Menschen. 3. Aufl. Leipzig 1875. ^) Thier und Pflanze. Akademisches Programm. Leipzig 1881. A'^ D ZU begründen. Es geschieht dies erstHch durch die Auf^telkmg einer Hypothese über die Anordnung und Weiterentwickhmg der kleinsten organisirten Gebilde (Micelle) von in ontogenetischer, beziehungsweise phylogenetischer Entwicklung begriffener Organismen; sodann durch eine Discussion der Darwin'schen Lehre, wobei in jeder der zahlreichen Einzelnfragen nicht nur von der neuen Hypothese zur Erklärung der Erscheinungen Gebrauch gemacht wird, sondern die entsprechenden Auffassungen des grossen britischen Naturforschers einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Nach jeder dieser beiden Richtungen ist das Buch Nägeli's reich an scharfsinnigen, in die Tiefe dringenden Untersuchungen, sowie an eigenen Beobachtungen. Unser Augenmerk kann nur auf jene Theile seines Werkes gerichtet sein, welche auf Fi'agen Bezug nehmen, deren Behandlung Gegenstand dieses AYerkes bilden, also vorzugsweise auf den Abschnitt: »Das Idioplasma als Träger der erblichen Eigenschaften.« Der erste Grundsatz, durch welchen sich Nägeli in seinem Werke leiten lässt, ist das Gesetz von der Erhaltung der Kraft, welcher Grundsatz selbstredend eine durchaus mechanische Auffassung der Erscheinungen zur Voraussetzung hat. Damit ist ganz selbstverständlich der einzig mögliche Staudpunkt gekennzeichnet, der auf naturwissenschaftlichem Gebiete über- haupt eingenommen werden kann. Nägeli's Theorie geht ferner von dem sehr einleuchtenden Ge- danken aus, dass alle Erscheinungen der gesetzmässigen Entwicklung, der Variabilität und der phylogenetischen Weiterbildung der Pflanzen und Thiere in einem bestimmten Antheile des Protoplasmas begründet sind. Dieser Träger der Erblichkeit, das Idioplasma, durchzieht in materiell oder zum mindesten in dynamisch ununterbrochenem Ver- laufe den ganzen lebenden Organismus. Auf seine Zusammensetzung und Gestalt und auf die innerhalb derselben thätigen Molecularkräfte führt Nägeli den ganzen Complex der Descendenzpliänomene zurück. Behufs Aufstellung einer Hypothese über die Structur des Idio- plasmas greift Nägeli auf dieselben Thesen zurück, welche die Grund- 44 läge seiner Micellartlieorie bilden. Er sagt (1. c, pag. 35) ausdrück- lich: »In dieser meiner Theorie (der idioplasmatischen Structur) ist nicht etwas Neues enthalten, das erst in die Physiologie eingeführt werden soll. Die Structur des Idioplasmas ist im Gegentheile nur einer bereits feststehenden analogen Structur anderer organisirten Körper nachgebildet. Jeder dieser Körper besteht aus krystallinischen Micellen, mikroskopisch unsichtbaren, aus einer grösseren oder kleineren Zahl von Molecülen bestehenden Kryställchen, von denen jedes im imbibirten Zustande mit einer Wasserhülle umgeben ist.« Im Uebrigen lässt sich Ntägeli's Hypothese auf folgende Punkte zurück- führen, welche entweder ursprüngliche Voraussetzungen sind, oder Ableitungen, welche in Rücksicht auf bereits bekannte Thatsachen durch die Annahme des Idioplasmas, beziehungsweise der Micelle sich ergeben. 1. Die erblichen Anlagen sind in der physikalischen und chemischen Beschaffenheit der Albuminate begründet. Diese Prämisse wird von Vielen zugegeben werden, da dieselbe aus unserem Erfahrungswissen hervorzugehen scheint, und Nägeli betrachtet sie geradezu als eine Forderung unserer heutigen wissen- schaftlichen Einsicht. Dagegen ist aber doch einzuwenden, dass, soweit wir genaue Kenntniss von der chemischen Beschaffenheit organisirter Substanzen besitzen, diese letzteren stets eine complexe chemische Zusammensetzung aufweisen und neben den Albuminaten noch zahl- reiche andere Körper enthalten, welche durchaus nicht blosse Zer- fallsproducte der Albuminate sind. Da das Charakteristische im Chemismus des Lebens in der Wechselwirkung der Stoffe besteht, so ist nicht ausgeschlossen, dass als Träger des Lebens und auch als Träger der erblichen Eigenschaften neben den Eiweisskörpern noch andere chemische Individuen erforderlich sein mögen. 2. Das Protoplasma besteht aus flüssigen und festen Bestandtheilen (Hygro- und Stereoplasma). Das Idioplasma bildet nur einen (sehr kleinen) Theil des festen Plasmas. Der erste dieser beiden Sätze leitet sich allerdings schon aus Nägeli's Grundauffassung der Imbibition und Quelluug ab, muss 45 aber doch besonders hervorgehoben werden, da derselbe auf unan- fechtbaren Thatsachen beruht und aucli zur Erklärung des Entstehens des Organisirten unerlässlich ist. Wie wir später sehen werden, wurde eine Hypothese der organischen Structur aufgestellt, welche das Proto- plasma wieder als flüssigen Körper angesehen wissen will. Der zweite Satz besagt, dass die erblichen Eigenschaften nicht durch gelöste Stoffe, sondern nur durch eine feste Combination von Micellen vermittelt werden kann. Es muss hier eingeschaltet werden, dass -nach Nägcli's früher ausgesprochener Auffassung, welche in seiner Abstammungslehre nicht zurückgenommen erscheint, Micelle aus Lösungen sich bilden können, Avomit eingeräumt wird, dass Organisirtes aus Lösungen hervorgehen könne. Diese, wie erwähnt, schon bei Schwann vorkommende Anschauung halte ich angesichts unserer Erfahrungen über die Entstehung des Organisirten für bedenk- lich, um nicht zu sagen für irrthümlich. Jedenfalls ist sie unbewiesen und steht im Widerspruche mit meiner, allerdings nicht strenge be- wiesenen, aber mit allen unseren Erfahrungen im Einklänge stehenden Aufstellung, dass alles Lebende nur aus Lebendem hervorgehe. 3. Jede wahrnehmbare Eigenschaft ist im Idioplasma als Anlage vorhanden, es gibt deshalb so viele Arten von Idioplasmen, als es Combinationen von Eigenschaften inner- halb der Organismen gibt, oder mit Rücksicht auf die derzeit bestehende Lebe weit ausgedrückt: es gibt so viele Arten von Idio- plasmen, als Thier- und Pflanzenformen existiren. 4. Der Keim ist dadurch charakterisirt, dass in ihm alle Eigenschaften des ausgebildeten Zustandes potentiell enthalten sind. Der Begriff »potentiell« ist aber nach der Auffassung, welche in der Nägeli'schen Theorie zum Ausdrucke kommt, nicht in dem Sinne zu nehmen, wie in der mechanischen Wärmetheorie. Während nämhch die Auslösung der potentiellen Energie von selbst Bewegung hervorbringt, bedingt die Anlage blos die Richtung, nach welcher die Entwicklung fortschreitet. Soferne eine factische Bewegung bei dem Zustandekommen der »Entwicklungsbewegung« stattflndet, wird die- 46 selbe durch den Umsatz von Spannkraft in lebendige Kraft unter Consumtion von Nahrung hervorgebracht. 5. Das Idioplasma dient nur der Uebertragung der erb- lichen Eigenschaften, ist aber in seiner Existenz von jenen Theilen des Protoplasmas (Stereo- und Hygroplasma) abhängig, welche nur den Zwecken der Ernährung dienen (Ernährungs- plasma). Für die Vererbung ist nur die Menge des Idioplasmas und nicht die des Ernährungsplasmas massgebend. Wenn von der Mutter ebensoviele Eigenschaften auf das Kind übergehen, wie vom Vater, so ist der Grund hierfür nach Nägel i in dem Umstände zu suchen, dass, obgleich das Ei weitaus mehr Protoplasma enthält als das Spermatozoid, in beiden doch gleiche Antheile von Idioplasma ent- halten seien. 6. Die Beschaffenheit des Idioplasmas wird durch seine moleculare Zusammensetzung bestimmt. Die chemische Be- schaffenheit der das Idioplasma zusammensetzenden Micelle ist für die Leistung derselben als Erbhchkeitsüberträger von geringerer Bedeutung als die Verbindungsweise der Micelle im Idioplasma. 7. Das Idioplasma hat die Gestalt von Strängen, welche durch in der Längsrichtung erfolgende Einlagerung von Micellen wachsen und untereinander — in der Richtung des Querschnittes — dynamisch verbunden sind. Diese Stränge durchsetzen entweder in ununterbrochenem Zuge den ganzen in Entwicklung begriffenen Organismus^ oder in Stücken, welche untereinander dynamisch verbunden sind. Diese für die von Nägel i versuchte Erklärung der Vererbung und phylogenetischen Weiterentwicklung höchst wichtige Annahme wird nach seinem Dafürhalten durch die Thatsache gestützt, dass jede Zelle vor Eintritt der Theilung eine Längsstreckung durchmacht, bei welcher die Plasmapartien die Tendenz zur Fadenbildung zeigen. Nägeli bezieht sich hier ausdrücklich auf die karyokinetischen Vorgänge. 8. So lange die micellaren Längsreihen der Stränge des Idioplasmas in strengem Parallelismus sich weiter ent- wickeln, bleiben in der ontogcnetischen Entwicklung die Eigenschaften der Eltern erhalten; wie aber, sei es durch Spaltung oder durch Verschmelzung der raicellar gebauten Längsreihen des Idioplasmas, der Parallelismus aufgehoben wird, mit anderen Worten, wie die Configuration des Querschnittes des Idioplasmas sich ändert, so treten neue vererbbare Erscheinungen in dem betreffenden Individuum auf Die phylogenetische Entwicklung beruht somit auf der Aenderung der Querschnittsconfiguration der idioplasmatischen Stränge. 9. Das im Keime enthaltene Idioplasma ändert während der Entwicklung des betreffenden Organismus seine Bewe- gungs- und Spannungszustände. Diese führen zu den in Er- scheinung tretenden Eigenschaften der Organismen. In dem neu er- zeugten Keime erlangt das Idioplasma wieder seinen ursprünglichen Zustand. 10. Die Veränderungen, welche das Idioplasma an einer bestimmten Stelle des Organismus erfährt, werden von Zelle zu Zelle auf andere Orte des Organismus übertragen, und zwar kann diese Uebertragung entweder materiell oder dynamisch erfolgen. Welche dieser beiden Möglichkeiten in der Pflanze zutrifft, lässt sich nicht entscheiden. Es ist aber verständlich, dass nach Nägeli's Vorstellung über den micellaren Bau der Zellhaut und über die feste Construction des Idioplasmas die dynamische Uebertragung ihm wahrscheinlicher dünkt; sie bietet auch behufs Erklärung der Erblichkeitserscheinungen geringere Schwierigkeiten dar als die materielle. Am einfachsten würden sich, wie Nägel i ausdrücklich hervor- hebt, die dynamische Uebertragung der Idioplasmazustände gestalten, wenn die Protoplasmen benachbarter Zellen, durch die Membranen hindurch, miteinander verbunden wären und in der Pflanze cm zu- sammenhängendes System bilden würden. Dementsprechend besässc das von Tangl und einigen anderen Botanikern in einzelnen Geweben nachgewiesene Symplasma eine weite, vielleicht allgemeine Ver- breitung in der Pflanze. Selbstverständlich müssten auch die die 48 Zellen verbindenden Protoplasmazüge aus Ernährungs- und Idioplasma bestehen. Ich habe in der eben gegebenen Uebersicht die wichtigsten Stützpunkte der Nägeli'schen Theorie zusammengestellt und es ist nun^ soweit dies nicht schon geschehen ist, zu prüfen, welche Berechti- gung den einzelnen Thesen zuzumessen ist. Einzelne dieser Sätze wurden schon als bewiesen oder durch That- sachen gestützt besonders bezeichnet; die übrigen erscheinen uns der- zeit wohl unbeweisbar. Dies gilt vor Allem von dem Kernpunkte der Nägeli'schen Hypothese, dass in der micellaren Structur das Ent- wicklungsgesetz der Organismen begründet sei, und sowohl die Con- stanz, als die Variation des Organismus einzig und allein von der Anordnung der Micelle im Idioplasma abhänge. Es folgt allerdings mit logischer Consequenz aus der Prämisse: >^der Parallelismus der Micellarreihen innerhalb der Idioplasma- stränge bedingt das Constantbleiben der Eigenschaften einer organischen Form (Species etc.)«, dass die Aenderung der Querschnittsform des Idioplasmastranges die Constanz dieser Form ausschliesse; wenn also diese Aenderung der gegenseitigen Lage der Micellarreihen innerhalb des Idioplasmastranges mit der Existenz des Individuums verträglich istj so muss sie zur Umbildung der Form führen. Es ist aber die Strangnatur des Idioplasmas so gut wie unbe- wiesen, denn es stützt sich diese Aufstellung nur auf die Entstehung der Kernfäden bei der Karyokinese und wurde wohl nur gewählt, um die Verbreitung des Idioplasmas durch die ganze Pflanze zu- ver- anschaulichen; es ist ferner die gegenseitige Lage der als Stränge angenommenen Idioplasmapartien durch gar nichts gewährleistet und es hätte auch eine andere als die von Nägeli angegebene Anordnung des Idioplasmas erdacht werden können. Die ganze Aufstellung über die Anordnung der Micelle innerhalb des Idioplasmas ist somit hypo- thetischer Natur. Nun kommt es allerdings nicht darauf an, ob die Voraussetzungen eine thatsächliche Stütze haben, sondern nur darauf, ob sie möglich sind, und das muss sämmtlichen Voraussetzungen der Nägeli'schen Theorie zugesprochen werden. 49 Was aber von all diesen Prämissen gefordert werden nmss, ist, dass sie zu der beabsichtigten Erklärung der Erscheinungen führen. Nach der Aufgabe, die sich Nägel i gestellt hat, soll diese Erklärung eine causale sein, oder, in Hinsicht auf das naturwissenschaftliche Problem ausgedrückt, eine Zurückführung der fraglichen Erscheinungen auf einfache mechanische Processe. Wenn die aufgestellte Hypothese diesen Zweck nicht erfüllt, so ist sie nutzlos; erklärt sie aber die betreffenden Erscheinungen überhaupt oder naturgemässer als vorher- gegangene Erklärungsversuche, so muss sie, wie gesagt, auch dann noch willkommen sein, wenn die gemachten Voraussetzungen durchaus fictive sind. Ich kann in keinem der Nägel i 'sehen Versuche eine befriedi- gende Erklärung der Erblichkeit und Abstammung linden, denn es ist nicht einzusehen, wie der Parallelismus der ^licellarreihcn im Idio- plasma einer Pflanze dahin führen soll, alle charakteristischen Eigen- thümlichkeiten constant zu erhalten. Es ist somit auch nicht zu be- greifen, warum die Aenderung der Querschnittsconfiguration zur Aenderung der charakteristischen Eigenthümlichkeiten führen und dieselbe übertragen soll. Da Nägeli die Auffindung der Querschnittsconfiguration gar nicht als eine geometrische, sondern als eine phylogenetische Aufgabe hinstellte, 1) so ist mit diesem Begriffe als Erklärungsinstrument gar nichts anzufangen. Die ganze Aufstellung der gegenseitigen Lagerung der Idioplasmastränge bildet somit einen wunden Punkt der Nägeli- schen Theorie, denn sie macht uns an seiner Theorie irre. Wenn die Configuration des Querschnittes der Idioplasmastränge nur phylo- genetisch zu verstehen ist, so kann dies doch nicht ausschliessen, dass sie in jeder Entwicklungsphase eine bestimmte geometrische Form habe. Wenn sich diese auch nicht thatsächlich auffinden lässt, so muss doch, wenn sie zur Erklärung herangezogen werden soll, eine solche angenommen werden, sonst verliert die ganze Aufstellung jede Bedeutung. Es ist auch die mit Zuhilfenahme der Idiuplasma- ') 1. c, pag. 42 und 43. Wiesner, Die Elementarstructur etc. 50 structur versuchte Erkläruüg der Vererbung und Abstammung so gänzlich speculativ durchgeführt oder, vielleicht richtiger, symbolisch ^) ausgedrückt, dass sie nicht mehr als eine naturwissenschaftliche Er- klärung gelten, sondern nur als ein Versuch angesehen werden kann, das tiefste Räthsel des Lebens als ein mechanisches Problem hinzustellen, wobei freilich als Endergebniss der Untersuchung nicht mehr herauskommt, als ursprünglich hineingelegt wurde. Man erhält in Anbetracht der im Vergleiche zu den Phänomenen der leblosen Welt uns so complicirt erscheinenden Thätigkeitsäusse- rungen der Organismen durch die Nägel i'sche Theorie trotz des Autors feiner Dialektik doch den Eindruck, daes der Grundgedanke ein zu roher ist. Als Element des Organismus tritt uns das Element der leblosen Substanz, der Krystall, entgegen. Dadurch wird — wie mir scheint — behufs Erklärung des Lebens zunächst der Organismus getijdtet und es müssen dann folgerichtig der leblosen Materie jene Eigenschaften zugesprochen werden, welche das Leben begründen. Es muss also dann gewissermassen dem Leblosen Leben eingeflösst werden. In der That versucht Nägeli das Moment der Entwicklung-) in das moleculare Gebiet einzuführen, mit anderen Worten, er be- trachtet gleich den organischen Wesen auch die als todt angenommene Materie als entwicklungsfähig. Man hat bisher die Atome als die letzten Bausteine der Materie, als unveränderlich und unzerstörbar angesehen. Nägeli lässt hingegen jedes Atom aus Billionen von Ur- elementartheilchen, aus Ameren, bestehen, aus welchen im Laufe der Entwicklung der Himmelskörper erst die Atome entstehen und ent- ') Als Beispiel der Erklärung- führe ich folgende Stelle an (1. c, pag'. 45): »Die im Idioplasma nebeneinanderlieg-enden Grup})en von Micellen sind gleichsam Saiten, von denen jede eine andere elementare Erscheinung darstellt. Wird während der ontogenetisclieu Entwicklung in irgend einer Zelle Chlorophyll oder vielmehr das Chromogen desselben gebildet, aus dem bei Einwirkung des Lichtes Chlorophyll entsteht, so setzt das dort befindliche Idioplasma die Chlorophyllsaite in Thätigkeit, und ebenso, wenn sich in einer Zelle spiralfaserige oder Tüpfelverdickungen der Membranen bilden, die Spiralfaser- oder die Tüpfelsaite.« ~) Siehe das Capitel: »Kräfte und Gestaltungen im molecularen Gebiete.« 1. c, pag. G83 ff. 51 standen sein sollen. Diese selbst unterliegen einem Entwicklungs- gesetze, so zwar, dass diejenigen Eigenschaften der Substanzen, die wir bisher als constant angesehen haben, nur eine zeitliche Constanz besitzen sollen, beispielsweise die Atomgewichte der Kie- mente im Laufe der Zeit eine Veränderung erleiden, desgleichen deren Schmelz- und Siedepunkte. »Jedenfalls dürfen wir den Atomen keine absolute Beständigkeit zuschreiben; dieselben müssen, wie alle Individuen der endlichen Welt, der Veränderung unterworfen und in ihrer Individualität dem Untergange gewidmet sein.« ') Auch ein Stoffwechsel wird den Atomen zugeschrieben. Die Atome — sagt der Autor — sind nach aussen nicht abgeschlossen. »Wenn Theilchen austreten und andere eintreten, so lässt sich denken, dass die aus- tretenden durch solche von anderer Beschaffenheit ersetzt werden, und dass die Folge eines solchen lange andauernden Austausches die bleibende Umstimmung des Atomkörpers ist.«~) Durch Aufstellung solcher Sätze liesse sich, wenn deren Richtig- keit bewiesen wäre, der Uebergang des Unorganischen in das Lebende begreifen. Die Phylogenese wäre keine specifische Eigenthümlichkeit der lebenden Welt, auch jeder sogenannte Grundstoff hätte eine Stammgeschichte und ein bestimmtes relatives Alter. Wie wir mit guten Gründen die Phanerogamen für jünger halten als die Pterido- phyten, so glaubt sich Nägeli berechtigt, die Elemente mit hohem Atomgewicht für älter als die mit niedrigerem Atomgewichte erklären zu dürfen, und er bezeichnet unter den uns bekannten Elomonton Platin, Iridium und Osmium als die ältesten und den Wasserstoff als den jüngsten Grundstoff. Angesichts so weitgehender Annahmen kann es nicht befremden, wenn auch die fortschreitende Entwicklung der Organismen als eine Eigenschaft der Materie angesehen und auf das mechanische Princip der Beharrung zurückgeführt wird. Es könnten nach dieser Theorie auch die Ruheperioden, die in die Entwicklung der Pflanze einge- schoben sind, deren fortschreitende Ausbildung nicht verhindern, und 0 1. c, pag;. 779. •^) 1. c, pag. 779. 4* 52 auch bei einem Samen, der Hunderte von Jahren leblos aber ent- wicklungsfähig im Boden ruht, könnte diese fortschreitende Entwicklungs- bewegung durch nichts aufgehalten werden. Zu diesen Consequenzen gelangt man schliesslich, wenn man den Nägel i'schen Anschauungen beitritt. Ob die von Nägeli vorgetragene Entwicklungstheorie der an- organischen Welt den Physikern und Chemikern fruchtbare Gesichts- punkte eröffnet, muss diesen zu beurtheilen vorbehalten bleiben. Dass aber diese Theorie alle Fundamente der heutigen mechanischen Wissenschaften erschüttert, alle unsere Grundauffassungen über Atom, Molecül, über die Natur der chemischen Verbindungen etc. in Frage stellt, ist für Jedermann ersichtlich. Es ist indess von berufenster Seite, lange vor dem Erscheinen des Nägeli 'sehen Werkes, die Nichtanwendbarkeit des entwicklungs- geschichtlichen Principes in der Moleculartheorie dargelegt worden. In seiner Theorie der Wärme spricht sich MaxwelP) hierüber folgendermassen aus: »Die Molecüle einer und derselben Substanz sind alle einander genau gleich, unterscheiden sich aber von denen anderer Substanzen. Es existirt keine regelmässige Zunahme in der Masse der Molecüle, von dem des Wasserstoffes an, welches das leichteste von den uns bekannten ist, bis zu dem des Wismuth etwa; die Molecüle fallen aber sämmtlich in eine begrenzte Anzahl von Classen oder Arten, innerhalb deren dieselben genau einander gleich sind. Man hat keine Zwischenglieder gefunden, welche in einer gleichmässig ansteigenden Reihe eine Art mit einer anderen verknüpfen.« Wir werden hier an gewisse Speculationen erinnert, welche die Beziehung der Arten von lebenden Wesen betreffen. Wir finden, dass auch bei diesen die Individuen auf natürliche Weise in Arten sietheilt werden, und dass man Zwischenglieder zwischen diesen entbehrt. In jeder Art aber treten Aenderungen auf, es herrscht eine fortwährende Erzeugung und Zerstörung der Individuen, aus welchen die Art besteht. ^) Maxwell, Theorie der Wärme. Autorisirte deutsche Ausgabe von Neesen. Braunschweig 1878, pag-. 376. 53 Daher ist es möglich, eine Theorie zu bilden, uach welcher der gegenwärtige Zustand der Dinge durch Erzeugung, Aenderung und Auswahl bei der Zerstörung abgeleitet wird. Bei den Molecülen dauert dagegen jedes Individuum ewig. Es ist keine Zeugung, keine Zerstörung, keine Aenderung vorhanden, auch kein Unterschied zwischen den Individuen einer jeden Spccies. Daher lässt sich die Art der Speculation, welche uns unter dem Namen der Entwicklungstheorie vertraut geworden ist, auf die Molecüle nicht anwenden. Das gewichtigste Argument gegen die Benützbarkeit des bio- genetischen Gesetzes in der Physik und Chemie ist in der Constanz der Eigenschaften aller chemischen Individuen, von den höchst zu- sammengesetzten Körpern an bis zu den sogenannten Grundstoffen hinab, und in dem Fehlen aller Zwischenglieder zu suchen. Nimmt man eine Veränderlichkeit der Eigenschaften der chemischen Species an, so kommt man mit allen Erfahrungen der Chemie in Widerspruch ; und räumt man die Möglichkeit von Zwischengliedern ein, so muss man, um die Nichtnachweisbarkeit derselben zu erklären, zu \'(tr- stellungen greifen, welche alles erlaubte Mass überschreiten. Ich kann auf diesen Gegenstand nicht näher eingehen, sondern verweise bezüg- lich der Gründe, welche der Physiker gegen die Anwendung des Entwicklungsprincipes im molecularen Gebiete vorzubringen hat, auf ^laxwelPs Werk. Die Gründe, welche ich aus dem Wesen der Organismen für die MaxwelTsche und gegen die Nägeli'sche Auf- fassung ableite, sollen in den »Schlussbetrachtungen« dieses Buches mitgetheilt werden. Wenn man, wie vielleicht fast alle Physiker, den Standpunkt MaxwelTs theilt, so muss man die Nägeli'sche EntwicklungsK-hre, soweit dieselbe in dem micellaren Bau die wirkenden Ursachen der Entwicklung der Organismen erblickt, entschieden zurückweisen. Aber selbst wenn man die Berechtigung der Nägel i 'sehen Hypothese einer spontanen Entwicklungsfähigkeit der Materie einräumt, kann man dieselbe doch nur als eine molecularphysikalische Speculation ansehen, und es entsteht auch dann noch die Frage, ob es berechtigt ist, aus 54 % den primitiven und fragmentarisclien Anfängen einer Molecularpliysik ein Gebäude der Molecularphysiologie aufzubauen, und ob wir hoffen dürfen, mit Hilfe so weitgehender Speculationen einen Einblik in den feinsten Bau und in das Wesen des Lebens der Organismen zu gewinnen. Ehe ich diese Frage beantworte, möchte ich nur die Bemerkung ein- schalten, dass wir bisher immer gerade von Seite der Physik und Chemie her die ruhigste, sicherste und objectivste Behandlung der physio- logischen Probleme erwartet ha.ben und in diesen unseren Erwartungen in der Regel auch nicht getäuscht wurden. Nun kommt uns gerade von dieser Seite eine geradezu revolutionäre Theorie entgegen, ein Umstand, der uns zur äussersten Vorsicht mahnen muss. Alles wahrnehmbare Geschehen, auch im Bereiche der lebenden Wesen, ist auf die Wirksamkeit mechanischer Kräfte zurückzu- führen. Aber die mechanischen Wirkungen müssen nicht durchaus und auch nicht unmittelbar auf die Aeusserungen von Molecu lar- kräften zurückgeführt, und noch weniger stets auf das Spiel jener Kräfte, welche durch die Molecalarstructur gegeben sind, bezogen werden. Alle Thätigkeitsäusserungen des Organismus nur auf die letztere Art erklären zu wollen, erscheint ebenso verfehlt, als wollte man die Molecularstructur der Maschinenbestandtheile heranziehen, um die Function einer Maschine zu erklären. Wie bei der Maschine moleculare Kräfte thätig sind, nicht nur um die Cohäsion, die Elasticität etc. der Bestandtheile zu bewirken, sondern um ihren Betrieb zu erhalten, so auch im Organismus. Allein die heutige Molecularphysik gibt uns nur wenige Behelfe an die Hand, um die Thätigkeit der im Organismus w^altenden Molecularkräfte zu verstehen, und bietet uns ebensowenig Anhaltspunkte, um die Organi- sation auf Molecularstructur zurückzuführen. Ich verweise auf die in der Einleitung vorgebrachten diesbezüglichen Bemerkungen. Mit Zu- hilfenahme der heutigen Molecularphysik sind wir noch nicht im Stande, die letzten, intimsten mechanischen Vorgänge des Wachsthums und der Theilung zu erklären, und noch viel weniger können wir Fragen über die molecularen, bei der Vererbung und phylogenetischen Weiter- entwicklung der Organismen stattfindenden Vorgänge mit Aussicht 00 auf Erfolg in Angriff nehmen. All' dies muss der Zukunft vorbelialten bleiben, und wie es scheint, mit Rücksicht auf die derzeit noch so geringen Kenntnisse über den molecularen Bau der festen und tropfbar flüssigen Körper, einer sehr fernen Zukunft. Als positiver Gewinn für die uns zunächst liegenden Probleme der Elementarstructur und des Wachsthums der lebenden Substanz resultirt aus Xägeli's neuen molecularphysiologischen Untersuchungen — deren hohe Wichtigkeit in anderer Beziehung nicht bestritten werden soll — nur der Beweis, dass das Idioplasma, gleich den übrigen (stereoplasmatischen) Antheilen des Ernährungsplasmas, aus festen Theilen bestehen müsse. Die ältere Micellarlehre Nägel i's hat diesen Bew^eis nur für die Stärkekürner, die Zellhaut und für die sogenannten Krystalloide erbracht. Gleich Nägeli fühlte auch Brücke das Bedürfniss, über die Grenzen des unmittelbar Wahrnehmbaren in die Structur der Zelle einzudringen. Brücke ging im Gegensatze zu Nägeli nicht speculativ vor, machte keine hypothetischen Voraussetzungen, sondern durch- dachte das schon vorhandene reiche und vielseitige Thatsachenmaterial so tief und vollständig, dass er die Existenz einer Organisation des Protoplasmas mit der Sicherheit einer beobachteten Thatsache er- schliessen konnte. Die Schrift, in welcher Brücke seine Anschauungen über den Bau der lebenden Substanz entwickelte, betitelt »Die Elementar- organismen«, ^) gehört zu den wichtigsten Veröffenthchungen der anatomisch-physiologischen Literatur. Das folgenreichste Resultat dieser Abhandlung ist die Aufstellung und Begründung des Satzes, dass das Protoplasma, welches man bis dahin als eine Flüssigkeit, die auch von Körnchen oder Tröpfchen mehr oder minder reich durchsetzt sein könne, oder als eine Eiweisslösung ansah, ein organisirtes 1) Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenscli. zu Wien. Math.- nat Classe. Bd. XLIV, 2. Abth. (vorg-elegt in der Sitzung vom 10. Oetober 1861), pag. 381—406. 56 und belebtes, etwa einem Thierleibe vergleichbares Gebilde sei. ^) Die Organisation und das Leben des Protoplasmas wurde aus dessen Function erschlossen. Ein zweites wichtiges Ergebniss war die durch Brücke ermöglichte freiere Auffassung des ZellbegrifFeSj indem er die Unhaltbarkeit des Schleiden-Schwa nn'schen Zellenschemas nachwies. Diesem Schema zufolge sollte zum Wesen jeder Zelle der Kern (inclusive Kernkörperchen), die Membran und der flüssige Zell- inhalt gehören. Brücke zeigte^ dass dieses Schema zu wenig und zu viel besage; zu wenig, da die Organisation der Zelle durch die ihm zugesprochenen Attribute nicht erschöpft ist, zu viel, weil nur das Protoplasma den wahrhaft integrirenden Bestandtheil der Zelle bildet, indem nicht nur die Membran, sondern auch der Kern fehlen kann. Die Functionen der lebenden Zelle lassen mit Sicherheit auf die Organisation des Protoplasmas schliessen^ denn schon die bildende Thätigkeit desselben kann nicht von einer Flüssigkeit ausgehen. Unter Organisation versteht aber Brücke etwas ganz anderes als Nägeli; für ihn ist die Organisation nicht gleichbedeutend mit Molecularstructur. »Wir können uns keine lebende vegetirende Zelle denken mit homo- genem Kern und homogener Membran und einer blossen Eiweisslösung als Inhalt, denn wir nehmen diejenigen Erscheinungen, welche wir als Lebenserscheinungen bezeichnen, am Eiweisse als solchem durch- aus nicht wahr. Wir müssen deshalb den lebenden Zellen, abgesehen von der Molecularstructur der organischen Verbindungen, welche sie enthält, noch eine andere und in anderer Weise complicirte Structur zuschreiben, und diese ist es, w^elche wir mit dem Namen Organi- sation bezeichnen. Die zusammengesetzten Molecüle der organischen 2) Der Ausdruck »Protoplasma« wurde bekanntlich von H. v. Mo hl eiiig-e- führt; Schwann bediente sich noch der mehrdeutigen Bezeichnung »flüssiger Zell- inhalt«, in welchem Ersterer neben dem Protoplasma noch den Zellsaft unterschied. Das Protoplasma aber delinirte Mo hl noch als »eine zähe, mit Körnchen gemengte Flüssigkeit von weisser Farbe, welche Eiweiss in reichlicher Menge entluält«. (H. V. Mohl, Die vegetabilische Zelle, in ß. Wagner 's Handwörterbuch der Physiologie 1851, pag. 200.) Den Unterschied zwischen Protoplasma und Zellsaft stellte H. v. Mohl zuerst in der Botanischen Zeitung 1846, pag. 73, fest. 57 Verbindungen sind hier nur die Werkstücke, die nicht in einförmiger Weise eines neben dem anderen aufgeschichtet, sondern zu einem lebendigen Baue kunstreicli zusammengefügt sind.« Dieser Begriffsbestimmung der Organisation pflichteten fortan viele Naturforscher bei. Die Anhänger Nägeli's schränkten hingegen den Begriff der Organisation ein und führten den elementaren Bau der leben- den Substanz auf Molecularstructur zurück. Am weitesten ist, wie oben schon erwähnt, Pfeffer gegangen, welcher Alles, was imbibitions- und quellungsfähig ist, und nur dieses^ als organisirt ansieht, auch anorganische Substanzen, wenn ihnen nur die genannten Eigenschaften zufallen. Brücke hat, wie schon erwähnt, die Organisation der Zellen- theile nur aus den Thatsachen erschlossen, nicht direct beobachtet. Warum die Organisation nicht erkennbar ist, erklärte er durch zweierlei Annahmen. Entweder sind die Structurelemente des Proto- plasmas, des Kernes etc. zu klein, um mit den zu Gebote stehenden optischen Mitteln erkannt werden zu können, oder aber sie sind nicht sichtb>Das Wachsthum, d. i. die Volumzunahme des Protoplasmas hängt unmittelbar mit den chemischen Processen, die sich in seinem Inneren abspielen, zusammen. Wie diese erfolgt es an Stellen im plasmatischen Zellen- leibe, kann somit als Intussusceptions-Wachsthum bezeichnet werden. Es stimmt insoferne mit der früheren Vorstellung eines Intussus- ceptions -Wachsthums der Zellhäute und Stärkekörner überein, als es durch Einfügung neuer Theilchen zwischen ältere zu allen Punkten der lebendigen Körper erfolgt; unterscheidet sich von demselben da- ^) Ueber den Bau und das Waclisthuni der Zellhäute. Jena 1882. 70 durch, dass es auf dem Einwandern activer lebender Massen oder auf dem chemischen Regenerationsvorgang an Ort und Stelle beruht.« Der eine Erklärungsgrund ist von dem zweiten wohl sehr weit ver- schieden. Sowohl die gedachte EinwanderuDg als die Regeneration sind einer näheren Erläuterung bedürftig^ um eine klare mechanische Vorstellung über die Art und Weise, wie Strasburger sich das IntussusceptionsAvachsthum des Protoplasmas denkt, zu gewinnen. Dass die Einwanderung von lebender Substanz in das Protoplasma das Volum des letzteren vermehrt, ist selbstverständhch. Dass aber die blosse Regeneration der dem Protoplasma zugehörigen Substanz zum Wachsthum führen soll, leuchtet nicht ein. Verständhcher wäre die Annahme, dass im gelüsten Zustande in das Protoplasma eintretende Substanzen in Folge einer chemischen Reaction zu festen Substanzen werden, wodurch eine Fixirung des durch wässerige Lösungen ver- mehrten Volums des Protoplasmas ermöglicht werden würde. Eine Reihe wichtiger Beobachtungen, welche gegen die Annahme eines Intussusceptionswachsthums sprechen, hat A. F. W. Schimper^) bekanntgegeben. Von Wichtigkeit in der Frage des Wachsthums der Zellhaut ist eine Untersuchung Leitgeb's, "^) durchweiche gezeigt wurde, dass die Entwicklung der Sporenhaut der Lebermoose weder durch die Annahme einer Apposition, noch durch die Annahme einer Intussus- ception allein zu erklären ist. Nach Leitgeb's Auffassung wird ein Theil der Haut dieser Sporen (die sporeneigene Haut) durch Intussus- ception, ein anderer (das Perini um) durch Apposition (Auflagerung) aufgebaut. Es würde mich hier zu weit führen, auf die Gründe einzugehen, welche für die Autoren massgebend sind, um lutussusception, be- ziehungsweise Apposition anzunehmen. Es bleibt dies einem später folgenden Capitel, welches der Wachsthum sfrage ausschliesslich ge- widmet sein wird, vorbehalten. Ich wollte an dieser Stelle nur darauf ') Bot. Zeitung 1881. Verg-l. auch die Entg-egnung- Näg-eli's in der Bot. Zeitung 1882. ~) Ueber Bau und Entwicklung der Sporenhäute. Graz 1884. hindeuteD, dass über das Zustandekommen des Waclistliums derzeit ein grosser Widersprach der Ansichten herrscht, und dass selbst bezüghch eines und desselben Objectes die extremsten Ansichten um die Herrschaft ringen. Ich ^) habe in einer der Organisation der vegetabilischen Zell- haiit gewidmeten Untersuchung zuerst darauf hingewiesen, dass die bei der Apposition und Jntussusception anzunehmenden molecularen Vorgänge die verschiedenartigen und oft höchst complicirten Erschei- nungen des Wachsthums nicht zu erklären vermögen. Ich habe ferner gezeigt, dass, wenn man an Stelle der heutigen Anschauung, der zufolge die ZcUhaut todt sei, und blos das von derselben um- schlossene Cytoplasma die ganze Formbildung beherrsche, die An- nahme setzt, dass die Zellhaut, wenigstens so lange sie wächst, als ein lebendes Glied der Zelle zu betrachten sei, man zu einer viel naturgemässeren Auffassung des Wachsthums der Haut gelangt. Es ist mir auch schon damals gelungen, diese Annahme durch Beob- achtungen zu stützen. Das in der Zellhaut von mir angenommene und für bestimmte Fälle factisch nachgewiesene lebende Plasma (Dermatoplasma) ist es, welches durch seine gestaltende Kraft die vorzugsweise intercalaren Wachsthumvorgänge derselben beherrscht. Schon damals habe ich darauf hingewiesen, dass das Wachsthum der Zellhäute wahrscheinlich wieder auf innerhalb des Dermatoplasmas stattfindende Theilungsvorgänge zurückzuführen sei. Auf diesen wichtigen Punkt, durch welchen sich meine Auffassung der Structur und des Wachsthums von jenen meiner Vorgänger unterscheidet, werde ich in einem der späteren Capitel noch zu sprechen kommen. Ohne Wirkung ist diese meine Auffassung nicht geblieben. Denn Strasburg er hat in einer auf die »Zellhäute« gefolgten Schrift-) seine Auffassung eines strengen Appositionswachsthums der Zellhaut, welche nur auf einer passiven Anlagerung des Cytoplasmas beruhen soll, dahin modificirt, dass er nunmehr auch in der wachsenden ') Untersuchungen über die Organisation der vegetabilisclien Zellhaut. Sitzungs- bericht, d. kaiserl. Akademie d. Wissensch. Bd. XCHI. (14. Jan. 1886), pag. 18—64. -) Histologische Beiträge. II. Ueber das AVachsthum der Zellhäute. Jena 1889. 72 Zellhaut Plasma annimmt. Während aber nach meiner Anschauung das Dermatoplasma ein bis zu einer gewissen Grenze sich regeneriren- der Rest des Anlageplasmas der Haut ist, betrachtet er das in der Membran gestaltend wirkende Plasma als vom Zellinneren her ein- gewandert. Wie sehr sich Strasburger dem Standpunkte genähert hat, den ich in der Frage des Wachsthums der Zellhaut einnehme, geht aus der Schlussstelle seiner zuletzt genannten Schrift hervor. ^) Die- selbe lautet: »Durch den hier versuchten Nachweis, dass nachträgliche Aus- gestaltungen in wachsenden Membranen auf die formbildende Thätig- keit des Protoplasmas zurückzuführen seien, ist, wie ich denke, ein weiterer Schritt zu einer einheitlichen Auffassung der Lebenserschei- nungen gethan, indem hiermit von neuem auf das Protoplasma, als auf den einzigen Träger der ererbten, formgestaltenden Thätigkeit innerhalb des Organismus, hingewiesen wird » "-) Auch Askenasy^) hat in seiner Discussion der heutigen An- sichten über das Wachsthum der Pflanzenzelle, speciell ihrer Membran, weder in der Apposition, noch in der Intussusception, auch nicht in jener Form der letzteren, welche von Sachs aufgestellt wurde, nach welcher Auffassung die nächste Ursache der während des Wachsthums der Zellhaut stattfindenden Substanzeinschiebung im Turgor der Zelle zu suchen ist, eine ausreichende Erklärung der Wachsthumserschei- nungen erblickt; er spricht sich vielmehr dahin aus, dass die letzteren am einfachsten nach der von mir aufgestellten Lehre zu erklären seien. Das Studium des Wachsthums der Zellhäute führte Strasburger zur Aufstellung einer Theorie der Molecularstructur organisirter Ge- 1) 1. c, pao'. 174. ~) Ich habe drei Jahre vorher in der oben g-enannten Schrift (pag-. 78) die Zusammenfassung- meiner Ergebnisse mit den Worten eingeleitet: Meine Ausführungen sind dahin zusammenzufassen, »dass der Charakter der wachsenden Zellwand als lebendes, protoplasmafiihrendes Gebilde in den Vordergrund gestellt und sowohl die Structur, als das Wachsthum und der Chemismus der Zellhaut den analogen Verhältnissen des Protoplasmas näher gebracht Avurde«. 3) Berichte der Deutschen bot. Gesellsch. Bd. Villa (1890), pag. 94. 73 bilde, ') Avelcbe hier nur soweit berührt werden soll, um die Tendenz seiner Auffassung zu kennzoicbnen. Wie bei Nägeli, taucht auch hier wieder der Gedanke; auf, die organische Structur auf eine moleculare Zusammensetzung zurück- zuführen. Die Einfachheit dieser Grundauffassung brachte Stras- burger einem Gedanken nahe, der schon von Schwann und Nä^eli, freilich in viel bestimmterer Form, ausgesprochen wurde, dass nämlich zwischen der krystalhsirten und der organisirten Substanz kein Unter- schied des Wesens, sondern nur des Grades bestehe. Es liegt, sagt der Autor, nahe, anzunehmen, »dass Krystallisation und Organisation niclit quahtativ, sondern nur quantitativ verschieden sind, und dass die Vorgänge der Krystallisation sich auf dem Substrate activer Eiweiss- körper zu Vorgängen der Organisation potenzircn.« -) Strasburger perhorrescirt die Identificirung von colloidaler und organisirter Substanz (vergl. oben pag. 41), betrachtet vielmehr ein Colloid erst dann als organisirt, wenn es eine durch die specilische Thätigkeit des Organismus bedingte Structur besitzt. So sehr ich dem genannten Forscher in diesem Punkte bei- stimme, so wenig kann ich seiner unbedingten Acceptirung des »lebenden Eiw^eiss« folgen, welche voraussetzt, dass ein chemisches Individuum den gesammten Aufbau eines organisirten Gebildes besorgen könne. Diese Annahme steht schon mit der complexen Zusammen- setzung alles dessen, was organisirt ist, im Widerspruche. Da es Strasburger darum zu thun ist, die Quellbarkcit und die Diifusibilitätsverhältnisse der protoplasmatischen Substanzen /u erklären, so sah er sich vor die Alternative gestellt, entweder die Micellartheorie unbedingt zu acceptiren, oder sich Kekule's lly})0- these über die Constitution der Colloide anzuschliessen, wobei seiner Auffassung immerhin noch einiger Spielraum gegönnt war. Er ent- schied sich für Kekule's Aufstellung, der zufolge die Colloide aus grossen Einzelnmolecülen bestehen, die durch mehrwcrthige Atome zu netz- oder schwammartigen Massen vereinigt sind. Strasburger 1) Bau und Wcaclisthum der Zellliäute. pag. 216—237. ■•^) 1. c, pag-. 231. 74 denkt sich das Protoplasma in analoger Weise zusammengesetzt, nur nimmt er weiter an, dass die Bindung innerhalb des lebenden CoUoides eine viel labilere ist als innerhalb des leblosen. Die Maschen des Netzes sind nach Strasburger's Vorstellung über die Organisation der lebenden Substanz mit Flüssigkeit gefüllt, und von der Grösse dieser Maschen hängt die Wassermenge ab, welche aufgenommen werden kann, soweit nicht durch die Kraft der Imbibition die Molecüle auseinandergedrängt werden und dann Quellung eintritt. Diese wird auf innerhalb der Maschen thätige Capillarattrac- tion zurückgeführt. Die Kräfte hingegen, welche die Substanzmolecüle im Netze zusammenhalten, betrachtet Strasburger, conform der Kekule 'sehen Hypothese, als chemische Affinitäten. Die Grösse der Netzmaschen entscheidet darüber, ob ein gelöster Körper diosmatisch in das Protoplasma eintreten könne oder nicht. Andere Functionen des lebenden Protoplasmas als dessen dios- motische Substanzaufnahme und die Aufnahme von Wasser leitet Strasburger aus seiner Moleculartheorie der lebenden Substanz nicht ab. Was über den Chemismus des Protoplasmas auf Grund der be- kannten geistvollen Gedanken Pflüger's von Strasburger in dem genannten Capitel angeführt wird, kann nicht mehr als Consequenz seiner Moleculartheorie angesehen werden. Meine die Elementarstructur der Zelle betreifenden, bisher ver- öffentlichten Untersuchungen (1886 — 1890) knüpfen an Brücke's »Elementarorganismen« an; sie verfolgen den Zweck, auf Grund unserer bisherigen Erfahrungen über Bau und Entwicklung der Lebewesen die Existenz der letzten lebenden Einheiten der Orga- nismen zu erschliessen und zunächst zur Erklärung des Wachsthums heranzuziehen. Die im Vergleiche zu Protoplasma und Kern sehr ausgesprochenen und meist sehr auffälligen Structuren der Zellhaut haben gleich Nägeli und Strasburger auch mich bestimmt, diesen Zellbestandtheil zum Ausgangspunkte meiner Untersuchungen zu machen. Ich versuchte vor Allem die Schichtung und Streifung der Zellmembran auf Organisa- tionsverhältnisse des Protoplasmas zurückzuführen und den schon oben aDgedeuteten Satz zu begrünclen, cla«s nicht nur die Anlage der Haut aus Protoplasma besteht, sondern dass dieses zum mindesten so hinge in der Zellmembran formbiklend wirkt, als das Wachsthum anwährt. Dieselben Elementargebilde, AvelcheKern und Plasma constituiren, setzen nach meiner Auffassung auch die lebende Zellhaut zusammen, freilich in verschiedenartigen Modificationen, die sich etwa zu einander verhalten, wie verschiedene Arten von Zellen. Ich bezeichnete diese Elementargebilde anfangs (»Organisation der Zellhaut«, 1886) als Plasmatosomen, später, um einen kürzeren Ausdruck zu gewinnen, als Piasomen. An dieser Stelle will ich in aller Kürze jene Hauptsätze, die ich bisher, und zwar in Form vorläufiger Mittheilungen, ^) über die Elementarstructur und über das AYachsthum der lebenden Substanz veröffentlichte, anführen. Die Begründung dieser Sätze wird den Gegenstand der folgenden Capitel bilden. 1. Die mehr oder minder constante Anwesenheit organisirter Individualitäten (Kern, Chlorophyllkörner, Piastiden u. s. w.) in der Zelle lehrt eindringlich, dass die Zelle nicht das letzte Elementarorgan der Lebew^esen sein könne. 2. Da alle organisirten Individualitäten der Zelle erfahrungs- gemäss aus ihresgleichen oder den entsprechenden organisirten Anlagen, und zwar nur durch Theilung entstehen, so ist anzunehmen, dass alles Organisirte, was innerhalb der Zelle vorkommt, sich durch Theilung und nicht spontan bildet. 3. Der Kern enthält, wie die karyokinetischen Vorgänge lehren, organisch sich theilende Individualitäten und auch im Protoplasma (Cytoplasma) kommen dieselben fast constant vor. Es ist also weder der Kern, noch das Protoplasma als eine letzte organische Einheit anzusehen. Vielmehr würd man zur Annahme gedrängt, dass in beiden M Sitzuno-sanzeifrer der kaiseil. Akademie der Wissensch. 6. Juni 1890. Vorläufige Mittheiiun^ über die Elementarg-ebilde der Pflanzenzelle. Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissensch. Bd. IC, 1. Abth. 1890). Versuch einer Er- klärung des Wachsthums der Pflanzenzelle. Berichte der Deutschen Bot. Gesellsch. Bd. VIII, Heft 7 (1890). 76 letzte Elementargebilde auftreten, die in ähnliclier Weise in ihnen organisch verbunden sind, wie die Zellen in einem Gewebe, und sich zn einander verhalten, wie die Zellen eines Gewebes. Die Entstehung und Entwicklung der Wand deuten darauf hin, dass analoge Elementar- organe auch die Zellhaut constituiren. 4. Die Theilungsftthigkeit innerhalb der Zelle reicht weiter, als die directe Beobachtung annehmen Hess. Eine Grenze der Theilbarkeit der lebenden Subttanz muss aber existiren. Die letzten Theilungs- körper der Zelle sind es eben, die ich als die wahren Elementarorgane der lebenden Wesen betrachte. Diese Piasomen haben vor Allem die Fähigkeit der Theikmg; da sie sich bis zu einer bestimmten Grenze fortwährend theilen, so müssen sie auch die Fähigkeit des Wachthums haben; diese Eigenschaft begründet aber die Fähigkeit der Assimilation. Den Piasomen sind also die drei Grundeigenthüm- thümlichkeiten der lebenden Substanz zuzusprechen: Theilung, Wachsthum, Assimilation. Die PJasomen haben aber auch gleich manchen Zellarten die Fähigkeit, zu höheren Einheiten zu ver- schmelzen. 5. Auf niederer Stufe der Organisation (z. B. bei den Schizo- phyten) bilden die Piasomen keinerlei erkennbare Individualitäten innerhalb der Zelle aus. Bei niederen Pilzen entstehen aus den Pia- somen blos Vacuolen und rudimentäre Kerne, und die Piasomen, welche die Zellhaut bilden, sind so klein, dass sie nicht einmal in heran- gewachsener Form — als Dermatosomen — erkennbar werden. Von den Algen aufwärts erscheinen als individualisirte Producte der Piasomen schon die verschiedenartigsten Inhaltskörper. Aber selbst bei den höchsten Pflanzen kann es vorkommen, dass die Piasomen einer Zelle sich nur zu Dermatosomen umbilden, also nur zur Hautbildung heran- gezogen werden. Wo die Piasomen nicht besondere Individuahtäten der Zelle ausbilden, constituiren sie blos das Protoplasma. 6. Das Wachsthum des Protoplasmas, des Kernes, der Zellhaut und überhaupt aller organisirten Theile der Zelle erfolgt in ähnlicher Weise, wie das Wachsthum eines vielzelligen Organs; wie dieses durch 77 Theilung und Wachsthum der Zellen, so wachsen jene durch Theihmi;- und Wachsthum der Piasomen. Die Piasomen wachsen in Folge von StofF- auf nähme, welche durch Absorption und Diffusion vermittelt wird. — Auch Altmann (1887 — 1890) knüpft in seinen der Elementar- structur der Organismen gewidmeten Untersuchungen ') an Brücke's »Elementarorganismen« an, und betrachtet sowohl das Protoplasma als den Kern der thierischen Zelle als morphologisch zusammengesetzte Gebilde. Zellhaut und analoge feste Gebilde des thierischen Organismus wurden nicht in die Untersuchung einbezogen. Zum Nachweis der Elementarstructur bedient sich Alt mann bestimmter Tinctionsmethoden. Mit Zuhilfenahme derselben gelang es ihm, sowohl im Protoplasma, als im Kerne rundliche, in grosser Zahl vorhandene Körperchen (»Granula«) aufzufinden, welche er als die Elementarorganismen der thierischen Zelle betrachtet. Durch An- wendung der Alt mann 'sehen Tinctionsmethode entdeckte A. Zimmer- mann"'^) auch in der Pflanzenzelle Granula. Er schreibt denselben aber nicht die Bedeutung von Elementarorganismen zu, ist vielmehr auf Grund einiger Versuche geneigt, denselben eine Rolle beim Stoff- umsatz zuzuerkennen. Altmann 's Arbeiten über die Elementarstructur, in völliger Unabhängigkeit von meinen diesem Gegenstande gewidmeten Unter- suchungen entstanden, berühren die meinen in manchen Punkten, vor Allem in dem Versuche, den Organismus in allen seinen lebenden Theilen auf Grundelemente zurückzutühren. Während aber Altmann den Weg der directen Beobachtung einschlägt, um die Elementar- organe ()^BIoblasten«) ausfindig zu machen, sind es vorwiegend theo- retische Erwägungen, vor Allem die begrenzte Theilungsfähigkeit der lebenden Substanz, welche mich auf die Spur dieser Organe iiihrten, die nach meiner Auffassung die letzten Theilkörpcr der Ptlanzen, bezlehuno-swelse der Thiere sind. Allerdings steUte ich in meinen 1) R. Altmann, Die Genese der Zelle. Festschrift für Carl Ludwig. Leipzifr 1887. - Derselbe, Die Structur des Zellkerns. Archiv f. Anatomie u. Physiolo<,ne 1889. — Derselbe, Die Elementarorganismen. Leipzig 1890. 2) A. Zimmermann, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der rfianzen- zelle. Heft 1. Tübingen 1890. 78 vorläufigen Mittboiluiigeu die PJastiden der Pflanzenzelle (Stärkebildner, Chlorophyllanlagen etc.) bedingungsweise als »Piasomen« hin; aber aucb nur bedingungsweise; ich sagte nämlich, dass die Piastiden, so- ferne dieselben uns einfach erscheinen, Piasomen sein mögen, sie könnten aber auch in diesem Falle aus Piasomen zusammengesetzt sein. Die Voraussetzungen, auf Avelche ich die Existenz der Piasomen gründe, räumen deren Vorkommen auch dort ein, w^o sie durch die directe Beobachtung nicht zu erweisen sind. Während ich selbst die niedersten pflanzlichen Organismen (Schizophyten) als Colonien von Piasomen betrachte, stellt Alt mann dieselben (die »Mikroorganismen«) als Biobiasten selbst hin und be- zeichnet sie als Au toblasten, im Gegensatze zu den colonienweise in den Zellen verbunden auftretenden Cy toblasten. ^) Das Protoplasma besteht nach Alt mann aus durch Färbung sichtbar zu machenden Cy toblasten, w^elche entW'cder in Form der Zoogloea, oder nach Art der Gliederfäden gruppirt und durch eine indifferente Substanz mit einander verbunden sind. Ein wesentlicher Diff'erenzpunkt unserer Auffassung besteht in Betreft' der Entstehung des Organisirten. Während ich die Entstehung des Organisirten aus dem Organisirten als wichtigste Voraussetzung meiner Lehre hinstelle, schliesst Altmann die Abscheiduug eines organisirten Elementes aus einer Lösung nicht aus, wenngleich er ein solches Hervorgehen als unwahrscheinlich betrachtet-) und die Entstehung seiner Granula nur durch Theilung vor sich gehen lässt."^) Obgleich ich das Plasom als ein viel kleineres Gebilde ansehe als Altmann, betrachte ich es doch als ein complexer gebautes Organ als er. Denn ich fasse das Plasom als einen auch chemisch wirkenden Mechanismus auf, -welcher wächst, sich theilt und assimilirt. Hingegen ist Altmann bei BeantAVortung der Frage, was der Bioblast sei, auf den Standpunkt zurückgekehrt, den Schwann zuerst eingenommen ^) Elementarorganismen, pa«-. 132. Der Ausdruck Cytoblast wurde bekaimt- licli von Schieiden für den Zellkern ang-ewendet. In diesem Sinne ist aber das Wort Cytoblast vollkommen ausser Gebrauch g-ekommen. -) Elementarorganismen, pag-. 140. 2) 1. c, pag. 141. 70 hat, indem er das Gnmdelement des Organismus als einen organisirten Krystall erklärt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Krystall und einem sogenannten Krystalloid der Botaniker (quellbarcr Eiweisskrystall) kann aber nach den bekannten von A. F. W. Schimper ausgeführten Untersuchungen nicht mehr angenommen werden. (Vergl. oben pag. 22.) AVeshalb sich Altmann bestimmt fühlt, den Bioblaslen auf einen Krystall zurückzuführen, ist am deutlichsten der folgenden Stelle seines Werkes über die Elementarorganismen \) zu entnehmen: »Was ist der Bioblast? In denjenigen biologischen Fragen, welchen wir rathlos gegenüberstehen, pflegt es uns eine Zuflucht zu sein, dass schliesslich doch organisirte Dinge nicht anderen Regeln unterliegen können, als nicht organisirte. Es ist das eine Forderung unseres Verstandes, die wir nicht abweisen können, und die wir bei- behalten müssen, so weit auch oft scheinbar der Zwischenraum ist, der diese beiden Welten von einander trennt. Kun finden wir aber, dass es in der organisirten Welt ebenfalls eine morphologische Einheit gibt, das ist der Krystall. Sollte der Bioblast vielleicht auch ein Krystall sein? Es wäre eigentlich merkwürdig, wenn dem nicht so wäre, denn die Natur hat kein doppeltes Gesicht, und es gibt nur ein Gesetz, das Alles beherrscht, das Lebende und das Todte.« So sehr ich mit Altmann's Grundauffassung übereinstimme, dass der gesammten lebenden Substanz ein wesentliches Elementar- organ zukomme, so wenig kann ich seinem Bestreben, das Leblose mit dem Lebenden durch die Annahme von Krystallelementen zu überbrücken, zustimmen. Li diesem Punkte trennen sich unsere Wege, wie ich in einem der späteren Capitel näher darlegen werde. 0 P^o- 139. Zw^eites Capitel. Die Bedeutung der Theilung für das Leben und die Grenzen des Theilungsvermögens der lebenden Substanz. Wie der Einleitung zu entnehmen ist, bilden die Nichtexistenz einer spontanen Erzeugung organisirter Substanz innerhalb des Orga- nismus und das Hervorgehen aller lebenden Individualitäten der Zelle aus anderen durch den Vorgang der Theilung die Ausgangs- und Stützpunkte meiner Auffassung der Elementarstructur der Lebewesen und des Wachsthums der lebenden Substanz. Indem wir annehmen, dass innerhalb des Organismus das Lebende nur wieder aus dem Lebenden, oder in anderer Form ausgedrückt, das Organisirte nur wieder aus dem Organisirten hervorgeht, befinden wir uns bezüglich der Herleitung der im Organismus auftretenden Anlagen in derselben Lage, wie etwa der Botaniker, wenn er über die Entstehung der Pflanzen oder der Pflanzenwelt Auskunft geben soll. Stellt er sich auf den Standpunkt der Erfahrung, so kann er nur ein Entstehen von Pflanzen aus Pflanzen einräumen. Die Annahme einer anderen Entstehung, vor Allem einer spon- tanen Erzeugung niedrigster Organismen, aus denen die Pflanzenformen der Jetztwelt direct oder indirect hervorgegangen sind, und die in Betreff ihrer Organisation noch niedriger stehend angenommen werden müssten als die niedrigsten der uns bekannten vegetabilischen Orga- nismen, von denen wir ja wissen, dass sie nicht elternlos entstehen, liesse sich thatsächlich durch nichts begründen. Und ein Gleiches gilt auch in Bezug auf das Thier und die Thierwelt. 81 Nach und nach greift diese anfängh'ch nur auf die systematische Be- trachtung der Organismen bezugnehmende Auffassung auch in das Gebiet der Histologie hinüber. Als Pasteur vor etwas mehr als dreiDecennien seine Untersuchungen über die Gährung veröffentlichte, war die Un- richtigkeit der spontanen Entstehung von Hefezellen in gährungsföhigen Flüssigkeiten^ welche noch von Schieiden behauptet und durch vermeintliche Thatsachen gestützt wurde, endgiltig nachgewiesen. Aber damals hielt man die spontane Entstehung von Zellen innerhalb des Organismus noch für eine gewöhnliche Sache. Noch vor wenigen Jahren Hess man den Zellkern aus dem als Flüssigkeit angenommenen Protoplasma hervorgehen und nahm noch eine spontane Bildung organi- sirter Inhaltskörper (Chlorophyllkörner etc.) in der Pflanzenzelle an. Nun aber reift nach und nach die Erkenntniss heran, dass auch innerhalb des Organismus kein spontanes Entstehen erfolge, mit anderen Worten, dass auch im Organismus aus todter Substanz lebende Substanz sich nicht bilden könne i). Dem bekannten Virchow'schcn Satze: omnis cellula e cellula folgte der hauptsächlich Flemming's Forschungen zu dankende, nunmehr für Pflanze und Thier gleich feststehende Satz : omnis nucleus e nucleo, und die Erfahrungen der jüngsten Zeit lehren, dass gerade durch die besten optischen Hilfs- mittel und durch die feinsten Methoden der mikroskopischen Unter- suchung die bis dahin angenommenen Fälle der Umwandlung nicht organisirter Substanz in organisirte auf unvollkommenen Beobachtungen beruhten. Es weisen alle mit den vollendetsten Mitteln der Forschung erzielten Beobachtungen auf das alleinige Hervorgehen des Lebenden aus dem Lebenden, auch in Hinsicht auf die kleinsten der Wahr- nehmung zugäDglichen Gebilde der Zehe hin. Die Sache steht in Bezug auf die Zelle genau so wie in Bezug auf die beiden organischen Reiche: es ist kein Fall spontaner Entstehung einer lebenden Indivi- duahtät mit Sicherheit nachgewiesen worden. ^) Um nicht missverstanden zu werden, bemerke ich, dass allerdings bei der Assimilation todte Substanzen in Bestandtheile der Gewebe umgesetzt werden; es handelt sich aber nicht um diesen freilich auch nur unter Mitwirkung des Leben- den stattfindenden Vorgang, sondern darum, dass die organisirteu Individualitäten nur Wiesner, Die Elementarstructur etc. 82 Es scheint mir aber aucli die Voraussetzung einer innerhalb des Organismus thätigen generatio spontanea im geringeren Grade wahrscheinlich als die Annahme einer Urzeugung der Pflanzen und Thiere. Im Grunde genommen besteht bezüglich der Annahme irgend einer Form der Urzeugung kein logischer Zwang. Allein die hohe Wahrscheinlichkeit der Kant - Laplace 'sehen Hypo- these der Entstehung der Himmelskörper und das Erlöschen orga- nischer Reste in den ältesten Schichten der Erdrinde macht die An- nahme plausibel; dass in der Zeit aus dem ewigen, todten Stoff das Lebende hervorgegangen sei, nachdem die Temperatur der einzelnen Weltkörper und der Eintritt anderweitiger für den Bestand der Orga- nismen nothwendiger Bedingungen die Existenz der lebenden Wesen ermöglichte. Eine solche durch etwaige analoge Erwägungen gebotene Hinleitung auf eine spontane Entstehung lebender Gebilde innerhalb des Organismus besteht aber nicht. Es waren mit dem ersten Auf- treten der Lebewesen diesen wesentlich wohl schon dieselben Mittel gegeben, sich innerlich auszugestalten, die wir heute an ihnen, freilich in viel mannigfaltigerer und vollendeterer Weise ausgebildet sehen, Mittel, die es ermöglichen, das Organisirte unter Zufluss von Nahrung immer wieder aus dem Organisirten zu bilden. Da aber weder logische Gründe, noch Erwägungen irgend welcher Art zur Annahme einer spontanen Entstehung lebender Substanz inner- halb des Organismus nöthigen, und vor Allem keine unzweifelhafte, auf eine solche Form der Urzeugung hinweisende Thatsache vorliegt, so er- scheint es erlaubt, den Grundsatz aufzustellen, dass innerhalb des Or- ganismus alles Lebende unmittelbar aus dem Lebenden, oder was für uns dasselbe ist, alles Organisirte unmittelbar aus dem Organisirten hervorgehe. Diesen Satz stelle ich als Axiom auf; er bildet den Ausgangspunkt aller meiner Betrachtungen über die Elementarstructur und das Wachsthum der lebenden Substanz. aus organisirten Bildungen sich ableiten, also z. 1\. im Protoplasma nicbt aus Zucker, Eiweiss, Chlorophyllfarbstoff u. s. w. ein Chlorpbyllkorn entstehen könne, sondern dass dieses nur aus seines Gleichen und aus lebenden Chlorophyllkorn-Anlagen sich bilde. 83 Ich stelle cleDselben ohne alle Einschränkung hin, in welcher Form er alleidings den Charakter einer Hypothese annimmt '). Auch Diejenigen^ welche an der Mriglichkeit einer Entstehung des Lebenden innerhalb der Pflanze oder des Thieres aus todter (wenn auch organischer, d. i. kohlenstoffhaltiger) Substanz festhalten, w^erden zugeben müssen, dass diese Hypothese die grüsste Wahrschein- lichkeit für sich hat. Wenn aber dieser Grundsatz oder diese Voraussetzung: richtig ist, so folgt, dass alle uns in der Zelle entgegen- tretenden lebenden Individualitäten aus anderen lebenden Gebilden auf dem Wege der Theilung hervorgehen müssen. Jede andere Möglichkeit ist aus logischen Grtinden aus- geschlossen. Diese Schlussfolge, obgleich logisch vollständig berechtigt, ist aber doch nicht so von selbst einleuchtend, als dass nicht eine kurze Erläuterung am Platze sein würde. Ich bezeichne mit dem Worte Neubildungen alle neu in der Zelle auftretenden lebenden Indi- vidualitäten, z. B. Kern, Piastiden-), Chlorophyllkörner etc. Gewöhnlich entstehen diese Neubildungen durch eine sichtliche Theilung, die wir nach der Form, in welcher die Abgliederung des neuen Theiles von dem alten erfolgt, als Abspaltung (Abschneidung) oder Ein- und Ab- schnürung (Sprossung) bezeichnen. Es gibt aber andere Formen der Neubildung, die nicht sofort als Theilangen erkennbar sind, nämlich die sogenannten Differenzirungen. Sie erscheinen nicht nur bei der Entstehung mancher Zellen, sondern auch, wie in einem späteren Capitel näher auseinandergesetzt werden soll, bei der Neubildung mancher organisirter Inhaltskörper der Pflanzenzellc. Als Beispiel führe ich die Entstehung der Ascosporen an. Vor Eintritt der Sporen- bildung befindet sich im Ascus ein Zellkern. Dieser theilt i^ich in 1) Vgl. dag-egen Flemming 1. c. p. 191, 192 und Altmann 1. c. p. 140. wo es allerdings heisst, dass die Abscheidung eines organisirten Elements aus einer Lösung sehr unwahrscheinlich ist, eine solche Entstehung der organisirten Substanz aber doch zugegeben wird. 2) Unter Piastiden fasse ich alle protoplasmatischen Anlagen der Zelle, aus denen Chlorophyllkörner und alle anderen organisirten Individualitäten der Zelle hervorgehen, zusammen. 6* 84 zwei gleiche Theile und die neuen Kerne erzeugen in derselben Weise neue Kerne, bis acht Kerne entstanden sind. Um diese Kerne »differenzirt« sich das Protoplasma derart, dass schliesslich acht Pri- mordlalzellen vorhanden sind, welche in einer glykogenreiclien Proto- plasmamasse eingeschlossen erscheinen, innerhalb welcher diese Pri- mordialzellen sich behauten und zu Ascosporen umbilden.^) Den bei der Entstellung der Primordialzelien stattfindenden inneren organisa- torischen Process kennen wir nicht, aber es sind bezüglich der »DifFerenzirung« des Protoplasmas doch nur zwei Fälle möglich. Entweder wird jede Primordialzelle gewissermassen aus dem allge- meinen Protoplasma herausgeschnitten, wie etwa bei Aneimia eine SpaltöfFnungsmutterzelle aus einer Dermatogenzelle herausgeschnitten wird, und dann wird wohl Niemand anstehen, diesen Vorgang als Theilang zu bezeichnen; oder es haben sich aus dem Verbände des Protoplasmas irgendwie losgelöste Theilchen um je einen Kern an- gesammelt und bilden um diesen herum durch neuerliche Verbindung das Protoplasma der Primordialzelle. Es musste also der nachträg- lichen Verbindung eine Theilung des Protoplasmas oder eine Theilung von Protoplasmapartien vorangehen. Ein dritter Fall ist, wenn die spontane Erzeugung lebender Substanz ausgeschlossen ist, nicht möglich. Da alle »Differenzirungen« auf diese beiden Typen zurück- zuführen sind, so erscheint wohl der oben ausgesprochene Satz voll- kommen begründet, und ich gehe nun auf die Vorgänge der Theilung selbst ein. Die grosse Bedeutung der Theilung für Leben und Bestand der Pflanze und der Pflanzenwelt geht schon aus folgenden Erfahrungs- sätzen hervor: 1. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Gewächse beruht, wie verschiedenartig auch die Formen dieses Vorganges sein mögen, auf der Theilung der ganzen Pflanze oder ihrer Organe. ') Vgl. De Bary, Vergleicliende Morphologie und Biologie der Pilze, Leipzig 1884, p. 81. 85 2. Die Zellen gehen nur aus Zellen und aus diesen nur durch Theilung hervor. 3. Auch die geschlechtliche Fortpflanzung hat, obwohl schliess- lich auf Verschmelzung von Zellen beruhend, dennoch Theilung der Zellen zur Voraussetzung, denn auch die Zeugungszellen entstehen durch Theilung. Bei dem Vorgange der ungeschlechtlichen Fortpflanzung wird von dem ganzen Pflanzenstocke ein Individuum auf natürliche oder künstliche Weise abgetrennt, welches befähigt ist, sich zu einem neuen Stocke zu individualisiren. In den einfachsten Fällen (Hefe, Spaltpilze) beruht die Vermehrung auf einem einfachen Zellthcilungs- vorgange. In den Geweben erscheinen die Elemente gewöhnlich bis ans Lebensende vereinigt, obgleich ihre Entstehung auf Theilungen der Zellen zurückzuführen ist. In manchen Fällen (Entstehung des bekannten Wassernetzes, Hydrodictyon utriculatum) geht das Gewebe durch Vereinigung anfangs getrennter Zellen hervor. Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung werden nach fortgesetzten Theilungen im Organismus endlich durch Theilungen zweierlei Zeugungs- zellen gebildet, die während des Zeugungsactes vollkommen mit einander verschmelzen und die Anlage des Pflanzenkeimes bilden. Durch diese Zusammenstellung .^oll nicht mehr gesagt sein, als dass die Verwendung, welche die Theilproducte des Pflanzen- körpers erfahren, sich sehr verschiedenartig gestaltet und zu Trennungen, einfachen Verbindungen und zu vollständigen Verschmelzungen führt. Es kann sich aber die Theilung auch in der Art vollziehen, dass die Theilproducte vom Anfang an und häufig bis zum Ende ihrer Existenz verbunden bleiben, wie dies bei der Gewebebildung Regel ist. Diese Form der Theilung, welche, wie ich zeigen werde, auch sonst noch im Leben der Pflanze eine grosse Rolle spielt, will ich zum Unter- schiede von jenen Theilungsformen, die sich als factische Trennungen zu erkennen geben, als innere Theilung bezeichnen. Durch diese kurze Zusammenfassung ist schon angedeutet, wie mannigfaltig die organische Leistung der Theilung ist. Trotz aller 86 Mannigfaltigkeit verbindet alle Arten der Theilung ein gemeinschaft- licher Charakterzug: durch die Theilung werden die Eigenschaften der sich theilenden lebenden Individualität auf die Theilproducte über- tragen. Es ergibt sich aus dieser Thatsache eine sehr einfache und einleuchtende Anschauung der Erblichkeit, wie ich im Schlusscapitel dieses Buches auseinandersetzen werde. Die verständlichste Art der auf Theilung beruhenden Vermehrung der Pflanzen tritt uns dort entgegen, wo die losgelösten Theile alle jene Organe enthalten, welche erfahrungsgemäss zu ihrer Weiter- entwicklung erforderlich sind. Es ist ebenso begreiflich, dass aus einem durch künstliche oder natürliche Theilung entstandenen Frag- ment eines Mvceliums oder eines Sclerotiums der betreffende Pilz in seiner ganzen Vollkommenheit hervorgeht, wie^ dass aus einem getheilten Buxus- oder Fragaria-Stock sich die ganze Pflanze völlig normal bis zur Fruchtreife entwickelt. Denn in beiden Fällen ist durch die Theilung allerdings die Masse der Theilstücke im Vergleiche zum Mutterstocke eine kleinere geworden, allein die lebenden, zur Weiter- entwicklung der Pflanze gehörigen Organe bleiben in jedem Theil- stücke vorhanden, z. B. bei einem getheilten Buxus- Stocl^: Wurzeln und mit Knospen versehene Stengel. Es wird wohl Niemand bezweifeln, dass jede Pflanze oder jeder Pflanzenstock durch Theilung vermehrt werden könne, wenn nur bei der Theilung keine zu tiefgehende Verletzung stattfand und wenn die Theile unter günstige Ernährungsverhältnisse gelangten. Die mit Stecklingen zum Zwecke der Vermehrung ange- stellten Versuche haben bisher ein sehr ungleiches Resultat ergeben. Tausende von Gewächsen lassen sich durch Stecklinge leicht ver- mehren, z. B. Weiden und Pappeln^ andere wieder schwieriger, z. B. der in Grärten häufig cultivirte Tulpenbaum {Linodendron tuUpifevci) und zahlreiche Nadelbäume. Bei vielen Holzgewäehsen ist eine Stecklingsvermehrung bisher noch gar nicht gelungen, z. B. bei der Buche {Fagus silvatica). 87 Es wird häufig angegeben, dass nur Holzgewächse der SteckUngs- vermehrung zugänglich seien, nicht aber krautige Pflanzen. Es ist dies aber unrichtig und wohl darauf zurückzuführen, dass der Culti- vateur bei Holzgewäcbsen diese Vermehrungsart häufiger wählt als bei krautigen Pflanzen, bei welchen ihm gewöhnlich die Samenver- mehrung willkommener ist, so dass bezüglich der Weiterentwicklung von Stecklingen krautiger Gewächse relativ wenig Erfahrungen vor- liegen. Doch wissen die Gärtner gut, dass sich Georginen, SelarjineUa, Ageratum mexicaniim, Coleus etc. durch Stecklinge leicht vermehren lassen. Dass krautige Sprosse der Stecklingsvermehrung mit Erfolg unterworfen werden können, geht auch aus folgenden Thatsachen hervor. Manche Holzgewächse lassen sich nur durch ganz junge Sprosse vermehren, welche noch nicht verholzt sind, vielmehr nucli einen krautigen Charakter an sich tragen, und es geht überhaupt bei Sträu- chern die Stecklingsvermehrung besser vor sich, wenn die Sprosse noch jung, »krautig« sind. Ich fand, dass im Allgemeinen die Cultur der Stecklinge im absolut feuchten Räume und bei hoher Wachsthumstemperatur ihre Entwicklung befördert; auch ein auf den Querschnitt des mit seinem unteren Ende im Wasser befindlichen Steckhngs ausgeübter Druck begünstigt oftmals die Entwicklung. Relativer Reichthum der Steck- linge an jungen parenchymatischen Zellen ist, soviel ich gesehen habe, stets ein förderliches Moment. Damit im Zusammenhange steht die schon erwähnte Thatsache, dass der »krautige«, besonders aber der »getriebene« Zustand des Stecklings dessen Weiterentwicklung befördert. Manche Gewächse erfordern ganz bestimmte Bedingungen, damit ihre Zweigabschnitte sich bewurzeln. So entwickeln sich Erlen- steckhnge nur bei grosser Nässe des Culturbodens. In manchen Eällen gedeiht ein mit stark entwickeltem Holzkörper versehener Steckling besser als ein krautiger; hier ist aber sichtlich die reichlich aufge- stapelte Reservenahrung das fördernde Moment. Ich zweifle nicht daran, dass die Fähigkeit, durch Stecklinge vermehrt werden zu können, weitaus mehr Gewächsen zukommt, als bisher bekannt ist. Aus meinen Erfahrungen will ich zur Bekräftigung 88 meiner Meinung das Folgende anführen. Neben der Buclie werden sehr oft der Waehholder {Juni-perus communis) und Finus-kxi^\i als Holzgewächse genannt, welche durch Stecklinge nicht fortzupflanzen sind. Bei zahlreichen von mir schon vor Jahren angestellten, vielfach variirten Versuchen gelang es, Wachholderstecklinge zur Bewurzlung und zur Weiterentwicklung zu bringen, hingegen führten alle mit Buchen und Föhren angestellten Versuche zu durchaus negativen Resultaten. Besonders viele Mühe gab ich mir mit der Zucht von Buchenstecklingen, es gelang aber nicht einmal, geknickte, mit der Mutterpflanze noch in Verbindung stehende, im Boden befindliche Zweigstücke zur Bewurzlung zu bringen, obgleich, wie bekannt, dieses Knickverfahren bei allen der Stecklingsvermehrung zugänglichen Ob- jecten sich stets sehr günstig erweist. Auch krautige Buchentriebe, in verschiedenen Entwicklungsstadien angewendet, lieferten durchaus negative Resultate. Die Frage, ob alle Gewächse durch Zweigstecklinge vermehrt werden können, möchte ich nicht bejahen. Es ist nämlich, wie die später folgenden Auseinandersetzungen deutlich zeigen Averdeo, zur Fortpflanzung durch Theile einer höheren Pflanze nicht nur erforder- lich, dass fortbildungsfähige Organe, beziehungsweise derlei Gewebe vorhanden sind, sondern dieselben müssen sich auch in Zuständeii befinden, welche die Ausbildung eines bestimmten Gewebes, des Callus, ermöglichen, innerhalb welchen Gebildes die Anlage der neuen Organe, z. B. der Wurzeln eines Zweigstecklings, erfolgt. Zu dieser Callus- bildung ist eine gewisse Menge von Reservestoff'en nothwendig und zudem cambiale oder parenchymatische, leicht ins Theilungsstadium eintretende Zellen. Allzustarke Verholzung der Gewebe und unge- nügende Menge von Reservestoffen scheinen die Hauptursachen zu sein, warum manche Gewächse durch Stecklinge nicht zu vermehren sind. Durch den genannten Mangel ist nach meinen Erfahrungen der organischen Theilbarkeit höherer Pflanzen eine Grenze gesetzt. lieber die Vermehrung der Pflanzen durch La üb knospen liegen bisher nur wenige Beobachtungen vor. Besondere Experimente sind in dieser Richtung nicht angestellt worden, so dass wir allein 89 auf gärtnerische Erfahrungen angewiesen sind, üa es aber von vorne- herein weniger wahrscheinUch ist, eine Pflanze durch Knospen als durch Zweigstecklinge zu vermehren, so sahen sich die Cultivateure nicht veranlasst, näher an diese Frage heranzutreten. Was über die Vermehrung der Gewächse durch Laubknospen bekannt ist, möchte vielleicht auf zufällige Wahrnehmungen zurückzuführen sein. Ich habe in der gärtnerischen Literatur nur drei Pflanzen ausflndig gemacht, welche erfahrungsgemäss durch Laubknospen fortgepflanzt werden können: der Weinstock, die Glycina cldnensis wwdi di\Q Paeonia arhorca. Durch besonders angestellte Versuche wird die Zahl dieser Pflanzen sich wohl vermehren lassen. Docli möchte ich nach meinen eigenen Beobachtungen annehmen, dass bei den meisten Pflanzen das Resultat ein negatives sein wird, und zwar aus zweierlei Gründen, erstlich weil es überhaupt mit Schwierigkeiten verbunden ist, Knospen zu cultiviren, und zweitens deshalb, weil es den meisten Knospen schon an ausreichenden Mengen von Reservestoffen gebricht, um einen kräftigen Callus oder überhaupt einen Callus bilden zu können. Mit Weissbuche {Carpinus Betidus\ Buche und Lonicera xylosteum augestellte Versuche ergaben ein durchaus negatives Resultat, hingegen bilden Axillar- oder Terminalknospen der Esche {Fraxinus excelsior) sehr bald einen kräftigen Callus aus, in welchem cambiale Zellen und Gefässe entstehen. Nun enthalten die dicken Knospendecken dieses Baumes wenigstens kleine Mengen von Reservestoff'en, es ist somit etwas Material vorhanden, welches zur Entwicklung eines Callus ausreicht. Aber weiter geht nach meinen Erftihrungen die Entwicklung nicht, eine Bewurzelung der Knospen stellt sich nicht ein. Xocli weniger weit reicht nach Beobachtungen, welche in meinem Labora- torium von Herrn Rechinger ausgeführt wurden, die Fortentwicklung der Knospen von Pappeln, deren Fragmente nur spärliche Mengen von Reservesubstanzen enthalten. Cambiale Zellen werden in denselben gar nicht gebildet. Selbstverständlich unterbleibt die Weiterentwicklung, ja selbst die Wurzelbildung. Dass die Anwesenheit von Reservestoffen ein Erforderniss für die vollständige Entwicklung der Knospen bildet, lehren wohl am 90 deutlichsten die Brut knospen. Die Ausbildung dieser natürliclien Vermehrungsorgane der Pflanzen steht gewöhnlich mit dem Zeugungs- verluste (Apogamie) der betreffenden Gewächse im Zusammenhange und tritt selbst bei den höchstentwickelten Pflanzen (Dicotylen) auf, z. B. bei Lüiuin bulbiferum, Dentaria Jmlbifera u. m. a. Da die apo- gamen BUithenpflanzen keine oder doch keine keimfähigen Samen hervorbringen, so müssen diese normalen Vermehrungsorgane durch andere substituirt w^erden. Es geschieht dies durch Brutknospen, welche hier nichts anderes als metamorphosirte Axillarknospen sind. Die Metamorphose besteht in einer Umwandlung der gewöhnlichen Laubknospe in ein knollenförmiges Gebilde, dessen Stammtheil mit Reservestoffen beladen ist, während die Laubblätter die äusserste Reduction erfahren haben. Gleich Laubblättern lösen sich diese Brut- knospen organisch vom Mutterstamme los und säen sich wie Samen aus. Wie aus den angeführten Beispielen hervorgeht, scheinen die Knospen vieler Pflanzen die Fähigkeit zu haben, als Vermehrungs- organe fungiren zu können; es dürfte aber der factischen Bethätigung dieses potentiellen Vermögens häufig durch den Mangel an Reserve- stoffen eine Grenze gesetzt sein. Vielleicht liegen die Gründe hierfür, wie einige später folgende auf andere Organe bezugnehmende Beob- achtungen annehmen lassen, noch tiefer. Die Stecklinge sind den Knospen gegenüber als Vermehrungs- organ schon deshalb im Vortheile, w^eil in ihren Stammtheilen meist reichlich Reservestoffe aufgestapelt sind; aber es kommt ihnen wohl auch noch der Umstand zugute, dass sie in ihrem Holzkörper eine zur Ernährung der Knospen dienende natürliche Strombahn zur Zu- führung von Wasser und Bodennährstoffen besitzen. Die bisher mit- getheilten Thatsachen über die organische Theilbarkeit höherer Pflanzen haben gelehrt, dass im Allgemeinen durch getheilte Stöcke die Ver- mehrung leichter durchzuführen ist als durch Zweigstecklinge, und durch diese wieder leichter als durch künstlich losgelöste Knospen. Es gewinnt mithin den Anschein, als würde sich das Theilungsver- mögen mit der Abnahme der entwicklungsfähigen Organe verringern. Diese Relation ist aber nur innerhalb sehr enggezogener Grenzen richtig; denn das Anpassungsvermögen der Pflanzen gestattet deren ungesclilechtliche Vermehrung, und zwar in ausgedehntem Masse, durch Adventivsprosse selbst dann noch, wenn an den Theil- stiicken keine direct weiter entwickhmgsfähigen Organe vorhanden sind. So lassen sich bekannthch viele Gewächse leicht durch Theil- stücke von knospenfreien Wurzeln, knospenfreien Stammgebilden und knospenfreien Blättern vermehren. Es erscheint uns die Fähigkeit dieser Gewächse, vermittelst adventiver Organe sich fortzupflanzen, zunächst als Ausdruck ihres grossen Reproductions- oder Regenerationsvermögens. Wenn man von einem vollkommenen Individuum des Löwenzahns die ganze Blattrosette abschneidet, so dass nur die Wurzel übrig bleibt, so regenerirt sich alsbald durch Vermittlung eines Callus die Pflanze, indem rasch ein neuer oberirdischer Spross gebildet wird. Man kann aber auch die Wurzel in zahlreiche Stücke zerschneiden, und es bringt dann jedes Theilstück neue Blattsprosse und neue Wurzeln hervor. ^) Durch den normalen beblätterten Spross dieser Pflanze gelingt die Reproduction absolut nicht, und nur sehr unvoll- kommen durch einen unterirdisch getriebenen, aus dicken Stengel- gliedern und kleinen Blättern bestehenden; hingegen sehr leicht durch ein Wurzelstück, woraus zu ersehen ist, dass keine strenge Propor- tionalität zwischen dem Grade der directen Entwicklungsfähigkeit der Theilstücke einer Pflanze und dem Grade ihres Theilungsvermögens besteht. Die grosse Reproductionskraft der Weiden und Pappeln ist be- kannt. Diese Gewächse, welche sich so leicht durch mit Knospen besetzte Zweigstücke (Stecklinge, Stangen) vermehren lassen^ gestatten auch eine Fortpflanzung durch knospenfreie Zweig- oder Stamm- abschnitte. Es bildet sich an solchen Stammstücken vom Cambium 1) Der Löwenzahn {Taraxacum officmale) ist zu dem Versuche über die Reproduction der Pflanzen aus Wurzeln besonders g-eeignet. Der bekannte, in Gärten oft gezog-ene Gewürzstrauch {Calycanthus floridus) wird von den Gärtnern mit Vor- liebe durch Wurzelstücke vermehrt. Zahlreiche Angaben über Pflanzen, welche durch Wurzeln o-ler Blätter vermehrt werden können, finden sich in dem später noch öfter citirten Werke Vöchting's, Ueber Organbildung- im Pflanzenreiche. Bonn 1878, I. 92 der Schnittfläche aus ein Calhis, der bekannte Ueberwallungsring, in dessen Innerem die adventiven Sprosse entstehen. Man kennt heute bereits eine Menge von Pflanzen, und zwar sowohl monocotyle {Hyacinthus, Scilla etc.), als dicotyle Gewächse (z. B. Be- gonien, ein besonders ausgezeichnetes Beispiel ist die als Blattpflanze so häufig gezogene Begonia Rex)^ welche sich durch Blätter fort- pflanzen lassen. An den abgeschnittenen Blättern oder Blattfragmenten entstehen Advertivknospen, aus denen bewurzelnde Sprosse hervor- gehen. Wie es kommt, dass an den Blättern dieser Gewächse die Brutknospen aus freien Stücken entstehen {Gardamine) oder erst nach mehr oder minder tief eingreifenden Verletzungen (z. B. bei Begonia Rex, wo ein Einschneiden der Gefässbündel zur adventiven Knospen- bildung erforderlich ist), wird später ersichtlich werden. Man kann also die Theilung selbst höherer, mit Blättern, Stengeln und Wurzeln versehener Pflanzen mit Erfolg so weit treiben, dass selbst Abschnitte von Stämmen, Wurzeln und Blätter, die frei von allen entwicklungsfähigen Sprossanlagen sind, die Vermehrung ver- mitteln. Es fragt sich nun, ob hiermit die äusserste Grenze der organi- schen Theilbarkeit der Gewächse erreicht sei. Wie weit die Theilungs- fähigkeit reicht, ist, wenn es sich um rein thatsächliche Verhältnisse handelt, nicht in eine kurze Formel zu fassen, denn es ergeben sich je nach den specifischen Eigenthümlichkeiten der Pflanze eine Menge von Verschiedenheiten, die aber, wie später gezeigt werden solJ, unter Zugrundelegung einer theoretischen Erwägung auf eine Einheit zurück- zuführen sind. Auf der untersten Stufe blattbildender Gewächse, bei den Moosen, namentlich bei den Lebermoosen, wo das Vegetationsorgan vielfach noch einen thallusartigen Charakter annimmt (z. B. bei Marchantia)^ erreicht die ungeschlechtliche Vermehrbarkeit den höchsten Grad, in- dem beinahe jede Zelle die Fähigkeit hat, durch das Zwischenglied des Vorkcimcs zur Moospflanze sich umzubilden. Bei diesen Gewächsen erreicht aber auch die Theilbarkeit die äusserste Grenze, indem, frei- lieh nur in seltenen Ausnahmsfällen, einzelne von der Mutterpflanze 93 sich loslösende Zellen (Brutzellen) zur Pflanze lieranzuwaclisen befähio-t sind. Regel ist aber doch, dass die Zelle' eines Blattes, eines thalliis- artigen Stammes oder der Haarwurzel, aus welchen die Pflanze hervorgeht, durch längere oder kürzere Zeit mit der Mutterpflanze in Verbindung bleibt. Ein anderer Fall weitgehender Theilbarkeit, der noch merk- würdiger ist, da er eine phanerogame Pflanze betriff^t, wurde von L. Koch^) constatirt. Der genannte Forscher hat gezeigt, dass ein kleines Theilstück (Keimlingsspitze) des sehr einfach gebauten Keim- fadens der Orobanchen ausreicht, um eine normale Pflanze hervorzu- bringen, wenn es nur rechtzeitig in lebenden Contact mit der Nähr- pflanze gelangt ist. Die Anlage der neuen Pflanze erfolgt also in diesem Falle durch ein aus wenigen gleichartig erscheinenden Zellen bestehendes Theilstück. Was die nicht parasitischen Phanerogamen anbelangt, so ist nach den bisherigen Erfolgen stets eine reichlicher ausgebildete An- lage zur Entwicklung eines neuen Individuums erforderlich, die Theil- barkeit also eine begrenztere als bei den Moosen und der Orobanche. Nach Versuchen, welche ich mit den Wurzeln des Löwenzahns an- stellte, kann die Theilbarkeit noch weiter getrieben werden, als in den oben angeführten Fällen, wo ganze Querscheiben der Wurzeln in Betracht kamen, aus denen nach Entstehung eines Callus die Pflanze sich voUständig regenerirte. Man kann diese Querscheiben auch der Länge nach spalten, auch einen Theil des Holzkörpers entfernen, ohne die Reproductionskraft des Restes zu vernichten. Dennoch muss das Theilstück eine gewisse Masse lebenden, an plasti- schen Stofien reichen Gewebes besitzen, off"enbar deshalb, um das Material zur Callusbildung zu hefern. Querscheiben von l—2mm Dicke bildeten in meinen Versuchen keinen Callus mehr oder nur einen zarten Anflug eines solchen. An 3 — 4 mm dicken Scheiben wurde allerdings ein Callus gebildet, derselbe brachte aber keine Adventivsprosse hervor. Es ist also bei dieser Pflanze, wie man sieht, 1) L. Koch, Die Entwicklungsgeschichte der Orobanchen. Heidelberg 1887, pag. 9, 28 und 193. 94 nicht nur nütliig, dass Callas gebildet wird; es muss dieser auch einen gewissen Grad der Ausbildung erlangen, um die Entstehung adventiver Anlagen zu ermöglichen. Die mir bekannte unterste Grenze der Theilbarkeit einer nicht parasitischen phanerogamen Pflanze wurde in meinem Laboratorium an der Kartoffel constatirt. ') Wenn man aus dem Innern einer Kartoffel einen Würfel von 1 — 2 cm Höhe herausschneidet und denselben in feuchtem Sande bei mittlerer Temperatur und massiger Feuchtigkeit hält, so entstehen in seinem Innern, aber nahe an der Oberfläche, Adventivsprosse, welche sich bei geeigneter Cultur zu normalen Pflanzen weiterentwickeln. Die zu den Versuchen verwendeten Würfel des inneren Kartoffelgewebes bestehen fast nur aus stärkeführen- dem Parenchym, in welches sparsam Gefässbündelzüge eingestreut sind, die ausschliesslich aus protoplasmareichen Cambiumzellen zu- sammengesetzt sind. An der Schnittfläche entsteht ein phellogen- artig aussehender Callus und in diesem entwickeln sich jene zelligen Anlagen, aus welchen die Adventivsprosse hervor- gehen. Zum Verständniss des Theilungsvermögens der Pflanze ist die Kenntniss der Entstehungs weise der adventiven Sprosse erforderlich. Aus den Untersuchungen über die Entstehung adventiver Sprosse aus knospenfreien Blättern, Stengeln und Wurzeln, welche von Regel, Vöchting, A. Hansen u. A. angestellt wurden, ist zu ersehen, dass die Aulagen dieser Sprosse auf protoplasmareiche oder doch wenigstens protoplasmaführendc Zellen zurückzuführen sind, welche schliesslich, gewöhnlich unter Vermittlung eines Callus, ein Theilungsgewebe bilden, in welchem je eine Meristemzelle zum Ausgangspunkte des adventiven Sprosses oder des neu entstehenden Individuums wird. Eine solche Meristemzelle, welche die Anlage eines neuen Pflanzen- individuums bildet, ist im Wesentlichen der befruchteten Eizelle, aus welcher der geschlechtlich entstandene Keim hervorgeht, äquivalent und ich stehe nicht an, diese den Keim auf ungeschlechthche Weise ') Von Herrn Karl RechiiijLrer, welcher seit läno-erer Zeit mit ein •••eilenden Studien über Rc<,^eneratlou im PfJauzenreiche daselbst beschäfticrt ist. 95 hervorbringende, oder wenn man will, diesen selbst repräsentirende Meristemzelle als secundäre Embryon alz eile (secundäre Eizelle) zu bezeichnen. Denn diese Zelle ist von dem Augenblicke an, in welchem aus ihr durch gesetzmässige Theilungen eine embryonale Pflanze und endlich die normale Pflanze mit allen ihren Eigenthüm- lichkeiten hervorgeht, von der befruchteten Eizelle nicht mehr ver- schieden, da sie dieselben Producte wie diese, durch dieselben Mittel und in derselben Reihenfolge hervorbringt. All dies ist aber nur möglich, wenn sie dasselbe Plasma (Keimplasma) und, wie man annehmen darf, in derselben Menge, Avie die Eizelle, enthält. Welche Zellen befähigt sind, solche secundäre Embryonalzellen hervorzubringen, lässt sich in jedem Falle feststellen und wir wissen, dass ausser Cambiumzellen ^) auch die parenchymatischen Elemente der Rinde und des Markes, ja sogar Oberhautzellen-) befähigt sind, den Ausgangspunkt zur Entwicklung einer neuen Pflanze zu bilden. Da nun jede Pflanze auf ungeschlechtlichem Wege vermehrt werden kann, da ferner alle Kategorien von Zellen, wenn sie nur noch lebendes Protoplasma führen, sich thatsächlich nach bestimmten Theilungsvorgängen zu secundären Embryonalzellen umzugestalten vermögen, so scheint die Behauptung^ dass jede noch Protoplasma führende lebende Zelle fähig sei, die Mutterpflanze zu reproducireu, keine allzu gewagte zu sein. Wäre dies richtig, so ginge in gewissem Sinne die Theilbarkeit selbst der höchsten Pflanze hinab bis zur Einzelnzelle. Zu dieser Auffassung ist auch Vöchting-^) bei seinem Ver- suche, die Grenzen der Theilbarkeit des Pflanzenkörpers festzustellen, gelangt. Er sagt "^) : »So führt Alles zu der Annahme, dass in dem Stoff- und Kräftecomplex jeder einzelnen lebendigen vegetativen Zelle i) Vöchting 1. c. p. 252. ~) Hansen, Vergleichende Untersuchung über Adventivbildungen im Pflanzen- reiche. Abhandlungen der Senckenberg'schen Gesellschaft. Bd. XII (1881). Frank- furt am Main. 3) 1. c. p. 246—256. ^) 1. c. p. 255. 96 des Organismus die Möglichkeit zur Reproduction der Totalität mit ihrer mannigfachen Gliederung gegeben ist. Man kann sagen, dass in jeder einzelnen Zelle des Organismus das Ganze implicite ent- halten sei, dass das letztere gewissermassen in jedem Einzelnelement schlummere; nur muss man dabei stets im Auge behalten, dass diese Ausdrucksweise eine lediglich metaphorische Bedeutung hat. Am com- plexen Organismus ist jede Zelle nur Theil eines Ganzen, welcher für diesen eine bestimmte Function erfüllt; erst mit ihrer Isolirung hören die Beziehungen zur Totalität auf und nun treten die Bedin- gungen ein, vermöge deren sie sich zum Ganzen zu entwickeln strebt.« Was die Einzelnzelle alles factisch enthält, können war freilich nicht sagen, aber beobachten können wir, "was sich aus ihr entwickelt. Und in dieser Beziehung können Avir mit Bestimmtheit behaupten, dass die secundären Embryonalzellen mit den befruchteten Eizellen vollkommen übereinstimmen, wie eben auseinandergesetzt wurde. Man muss Vöchting beistimmen, wenn er sagt, dass die Zellen eines complexen Organismus in einer Wechselwirkung stehen, welche zu einer verschiedenen Ausbildung und Function der Einzeln- zelle führt; es spricht sich diese Correlation schon frühzeitig aus, denn w^enn am Vegetationspunkte alle Elemente noch gleichartig erscheinen, so hört diese Gleichartigkeit bald auf, denn wie die Theilungen im Meristem der Vegetationsspitze beendigt sind, nehmen die Zellen einen verschiedenen Charakter an und dienen verschiedenen Functionen. Auch innerhalb des Protoplasmas und des Kernes haben wir ähnliche Veränderungen anzunehmen, indem die anfangs gleichartig oder in gleicher Weise gegliedert erscheinende ]\Iasse beider später DifFeren- zirungen darbietet, w^elche w^ir am einfachsten als die gegenseitige Wirkung anfangs gleicher oder wenig verschiedener Theile betrachten können. Was den Vöchting 'sehen Satz anbelangt, dass die Zelle erst durch ihre Isolirung die Fähigkeit erlangt, sich zum Ganzen, d. i. zu einer selbstständigen Pflanze weiter zu entwickeln, so ist zunächst an das zu erinnern, w^as oben über die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Moose gesagt w^irde. Nur bei diesen auf der untersten Stufe 97 der beblätterten Pflanzen stehenden Organismen findet eine Loslosnng einzelner Zellen zum Zwecke der Vermehrung statt, und auch hier nur selten und bei den relativ am tiefsten stehenden Formen. Aber schon bei den Moosen, und von hier an bis zu den höchsten Pflanzen, kann die einzelne Zelle nur unter Mitwirkung des mütterlichen Orga- nismus die Anlage zu einem neuen Pflanzenindividuum bilden. Welche Beziehung besteht nun zwischen einer gewöhnlichen, zur Adventivbildung geeigneten Vegetationszelle und einer Vermeh- rungszelle? Verstehen wir unter Vermehrungszellen alle jene Zellen einer Geschlechtspflanze, welche auf ungeschlechtlichem Wege die Anlage eines Pflanzenindividuums zu bilden vermögen, so müssen wir mit Rücksicht auf die vorgebrachten Einzelnfälle zwei Kate- gorien derselben unterscheiden. Erstens solche, welche wie die Keim- körnchen der Moose ein Aequivalent der Sporen sind, nämlich zu- nächst einen Vorkeim hervorbringen, und zweitens die secundären Embryonalzellen j welche ein Aequivalent der befruchteten Eizelle sind. So weit ich es übersehe, werden wohl alle Arten von »Ver- mehrungszellen« in diese beiden Kategorien zu bringen sein, wobei allerdings das Wort Spore in seiner weiteren Bedeutung zu nehmen ist. Die Vermehrungszelle wird sich aber in ihren beiden Formen von der Vegetationszelle dadurch unterscheiden, dass sie w^eitaus mehr Keimplasma als diese führt. ^) Die Vermehrungszelle eines Mooses muss aber so viel Keimplasma enthalten und von derselben Qualität wie eine Spore. Die secundäre Embryonalzelle hingegen wird, wie oben schon gesagt wurde, so viel Keimplasma als die befruchtete Eizelle führen, und zwar ein Keimplasma, welches qualitativ mit jenem der befruchteten Eizelle übereinstimmt. Da die Brutzellen der Moose unmittelbar zu Protonema aus- keimen, so sind sie Vermehrungszellen. Aber die Randzellen eines ^) In jenen Fällen, in welchen durch »Vollzellbildung« die Umwandlung einer Vegetationszelle in eine Fortpflanzungszelle (z. B. bei Vaucheria in eine Schwärm- spore) stattfindet, tritt offenbar eine Vermehrung des Keimplasraa ein; ob durch Zufuhr aus benachbarten Zellen oder durch in der Zelle selbst erfolgende Umge- staltungen, bleibt allerdings dahingestellt. 7 Wiesner, Die Eiementarstructur etc. * 98 Mooses, welche nur im Verbände mit dem Mutterorganismus ein Protonema zu bilden vermögen, sind noch keine Vermehrungszellen. Offenbar erst unter der Mitwirkung der benachbarten Zellen im Gewebe sammelt sich in diesen Zellen erst nach und nach so viel Keimplasma, dass die EntAvicklung eines Vorkeimes möglich wird. Trennt man die einzelnen Randzellen los und bringt man sie auch unter die günstigsten Ernährungsbedingungen, ^o treten in ihnen keine Theilungen ein, sie gehen vielmehr zu Grunde. Hingegen verwandeln sie sich im normalen organischen Verbände alsbald in Vermehrungszellen. Bei den Phanerogamen ist aber der Weg von der Vegetations- zelle zur secundären Embryonalzelle ein viel längerer. Es existiren in dieser Beziehung vielfache graduelle Unterschiede. Ein abge- schnittener Weidenstamm muss einen mächtigen Callus hervorbringen, damit die Entstehung von secundären Embryonalzellen möglich wird. Bei der Löwenzahnwurzel ist hingegen der zur adventiven Bildung erforderliche Callus viel schwächer entwickelt, doch immerhin noch stark im Vergleiche zu dem geringen Callusgewebe, in dessen Innerem die Adventivsprosse der Kartoffel entstehen. An den Blättern der Cardamine wird, wie die Untersuchungen A. Hansen's lehrten, gar kein Callus gebildet, aber es müssen in den betreffenden Blattzellen mehrfache Theilungen stattfinden, ehe die Anlage adventiver Sprosse möglich ist. Es ist offenbar in den Vegetationszellen der Phanerogamen viel zu wenig Keimplasma vorhanden, als dass sie direct zu secundären Embryonalzellen werden könnten. Es muss vielmehr ein mehr oder minder reichlicher Zelltheilungsprocess erst eine locale Vermehrung des Protoplasma überhaupt und damit eine Vermehrung des Keim- plasma herbeiführen. Wird ein Callus gebildet, so sieht man zuerst an der Schnittwunde der Theilstücke ein Folgemeristem entstehen, welches sich unter Ausbildung einzelner protoplasmareicher Theilungs- zellen in ein Dauergewebc umwandelt. Diese sind nun erst die Aus- gangspunkte der Adventivbildungen, sie sind dasjenige, was wir als secundäre Embryonalzcllen bezeichnen. 99 \ Man sieht also, dass der Theilbarkeit der höheren Pflanzen dadurch eine Grenze gesetzt ist, dass in den Zellen der zur ungeschlechtlichen Vermehrung dienenden Organe (Blätter, Stengel, Wurzeln) z u w e n i g K e i m p 1 a s m a e n t h a 1 1 e n ist, als dass sie direct die Anlage einer neuen Pflanze zu bilden vermögen; es muss erst durch einen gewöhnlich in Folge von Verletzungen eingeleiteten Zelltheilungsprocess so viel Keimplasma geschaffen werden, als zur Anlage neuer Individuen erforderlich ist. Wenn auch dieses Keim- plasma nur in einer oder nur in wenigen Zellen ange- sammelt wird, so ist doch je nach der Art der Pflanze ein mehr oder minder grosser Gewebecomplex zur Erzeugung neuer Individuen erforderlich. Die Theilbarkeit der Pflanze erfährt aber auch noch aus einer anderen Ursache eine Einschränkung. Ist endlich unter Mitwirkung anderer Zellen die secundäre Embryonalzelle gebildet, so muss diese durch ein Gewebe ernährt werden. Denn gleich der befruchteten Eizelle ist auch die secundäre Embryonalzelle nicht befähigt, sich selbstständig, d. i. unabhängig von dem mütterlichen Organismus weiter- zuentwickeln. Wie die erstere durch das Endosperm und wohl auch durch andere Gewebe der Samenknospe und überhaupt der Mutterpflanze genährt wird, so muss auch die secundäre Embryonal- zelle einen Substanzzufluss von Seite jenes Organes erfahren, in dem sie entsteht, und es hat Avohl in der Regel der Callus die Aufgabe, als Nährgewebe der Keimanlage zu dienen. Wie schon oben erwähnt wurde, ist die zur Adventivbildung erforderliche Menge des Callus von der Art der Pflanze und dem betreffenden Pflanzentheile abhängig. Es kann in manchen Fällen die Callusbildung ganz unterbleiben (Blätter von Cardamme)\ es genügt ein schwach entwickeltes Meristem nicht nur zur Entstehung der secundären Embryonalzellen, sondern auch zu ihrer Entwicklung. Aus dieser Betrachtung ist zu ersehen, dass die Theilbarkeit der höheren Pflanzen nicht bis zur einzelnen Zelle hinab- reicht; es ist zur Anlage des Keimes zunächst ein Keim- 7* 100 plasma erzeugendes Meristem und sodann ein Nährgewebe (Callus) erforderlicli, welches aus ersterem hervorgeht. Da nun zur Hervorbringung dieser Gewebe mehr oder minder grosse Massen von Dauergewebe erforderlich sind, so ist ersichtlich, dass von der Menge dieser j e nach der Pflanzen- art verschiedenen Menge von lebendem Gewebe die Grösse und Ausbildung der Theilstücke, welche zur Vermehrung der Pflanze nothwendig sind, abhängig sein wird. ^) Welche Umstände bewirken die Umwandlung der Vegetations- zellen in Vermehrungszellen? Unsere Kenntnisse über die inneren Vorgänge in der Zelle sind zu unvollkommen, als dass mit Aussicht auf Erfolg an die Lösung dieses schwierigen Problems herangetreten werden könnte. Wenn ich in Bezug auf diese Frage einige Bemerkungen vortrage, so bin ich mir der Unsicherheit mancher meiner Gründe wohl bewusst. Es kann sich in den folgenden Betrachtungen nur darum handeln, die uns so räthselhaft erscheinende Entstehung der secundären Embrjonalzellen unserem Verständniss näher zu bringen. Wir haben gesehen, dass die secundären Eizellen nicht unmittelbar aus vegetativen Dauerzellen hervorgehen, sondern erst dann, wenn mehr oder minder reichliche Theilungen stattgefunden haben, und es müssen oft Hunderte von Zellen gebildet werden, bis innerhalb des neu entstandenen Gewebes (Callus) die secundäre Embryonalzeile zur A.usbildung gelangt. Welche Ursachen begründen die Umwandlung der Daucrzellcn in Folgemeristemzellen? ') Die ausserordentlich kleine Menge von Protoplasma, welche in den Keim- anlagen und in den reproductionstahig-en Geweben der echten nicht grünen Schma- rotzerpflanzen (vgl. 0. ]). 93) (nth.'ilfen ist, lä.sst auf ein relativ sehr kleine? Quantum von Keimplasma schliessen, welches diesen Gewächsen mit auf den Weg gegeben wird und welches zu klein scheint, als dass sie damit zur eigenen Ausbildung das Auslangen treffen könnten. Vielleicht tritt bei diesen Pflanzen ein Ziifluss von Keim- l)lasma auch seitens der Wirthpflanze ein. Durch diese Annahme, welche ich mit aller Reserve ausspreche, wird die specifische Ausbildung und das Gebundensein eines Schmarotzers auf eine ganz bestimuite Wirthpflanze verständlicher als nach der herrschenden Meinung, derzufolge die gegenseitige Abhängigkeit der beiden Syra- bionten nur durch den StoHwechsel unter blosser Intervention unsreformtd- Stoffe bedingt sein soll. 101 Dieses merkwürdige Zurückgehen der Daiierzellcu auf die em- bryonale Stufe erklärt man gewöhnlich durch Annahme eines forma- tiven Reizes, welcher durch die Continuitätstrennung hervorgerufen wird. Damit ist aber nichts erklärt. Ich will, um zu einer genaueren Erklärung zu gelangen, aus den vorliegenden Thatsachen die möglichen Ursachen der Erscheinung abzuleiten versuchen. Durchschneidet man ein lebendes Organ, z. B. eine Taraxacum- Wurzel, so bewegen sich die plastischen Stoffe nach der Schnittseite hin, wie man aus der Entstehung des Callus entnehmen kann. Schneidet man die Wurzel oben ab, so bildet sich der Callus oben, schneidet man sie unten ab, so bildet er sich unten, schneidet man beider- seits ab, so entsteht er oben und unten, spaltet man der Länge nach, so entsteht, w^ie in allen anderen Fällen, auch hier der Callus an den Schnittflächen. Wie in dem normalen Organ, so bewegen sich auch in dem durchschnittenen die plastischen Stoffe nach allen Rich- tungen; der Unterschied besteht nur darin, dass bei dem letzteren sich eine Stauung der plastischen Stoffe an der Schnittfläche einstellt: die für den über der Schnittwunde gelegenen Organtheil bestimmten plastischen Stoffe können über die Schnittfläche nicht hinaus und kommen hier zur Verwendung, was sich in der Callusbildung zu erkennen gibt. Dass diese Unterbrechung des Stromes plastischer Stoffe der Neubildung das oft massenhaft nöthige Materiale zuführt, geht aus folgendem, in meinem Laboratorium ausgeführten Versuch hervor, der auf meine Veranlassung von Herrn Figdor ausgeführt wurde. An einer durchschnittenen, in feuchten Sand gesteckten weissen Rübe (Brassica Rapa) entsteht alsbald ein starker Callus. Verbindet man die Hälften einer frisch durchschnittenen weissen Rübe sofort wieder und sorgt man für dichten Verschluss an dem Wundrande, so kommt es auch zu einer Callusbildung, die aber nur ganz schwach ist und aus 3 — 5 Zellschichten besteht. Die neu gebildeten Zellen verwachsen mit einander, und wie die organische Verbindung der Theile wieder hergestellt ist, also keine Stauung der plastischen Stoffe mehr eintritt, unterbleibt auch die weitere Callusbildung. Dadurch ist die Zufuhr der plastischen, zur Erzeugung des Callus erforderlichen 102 Stoffe vollständig erklärt, es ist aber nicht erklärt, warum die Daiier- zellen auf die embryonale Stufe zurückkehren, mit anderen AVorten, warum dieselben wieder Meristemzellen werden. Da nun die Continuitätstrennung als solche die Entstehung der Meristemzellen nicht zu erklären vermag, so muss man sich nach anderen diese Trennung begleitenden Erscheinungen umsehen, um zu prüfen, ob dieselben nicht mit mehr Glück zur Erklärung herange- zogen werden können. Diese Erscheinungen reduciren sich, so weit ich es zu überbhcken vermag, auf die Folgen der bei der Continuitäts- trennung stattfindenden Verwundung. Durchschneidet man ein Organ, welches erwiesenermassen nach der Verwundung einer adventiven Neubildung zugänglich ist, so sieht man nach einiger Zeit die angeschnittenen Zellen verschwinden, noch bevor die Neubildung der Zellen begonnen hat, oder auch anscheinend gleichzeitig mit dieser. Es tritt eine Resorption der verletzten Zellen ein, und es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Producte dieser Zellen in den Stoffwechsel der überlebenden Gewebe eintreten. Be- sonders deutlich wird das Verschwinden der verletzten Zellen dort, wo durchschnittene, aber dicht aneinander liegende Gewebe zum Ver- wachsen sich anschicken, z. B. beim Pfropfen und (nach in einem Labo- ratorium von Herrn W. F i g d o r ^) angestellten Beobachtungen) beim Verwachsen von durchschnittenen knollen- oder rübenförmigen Wurzeln und Stämmen: es verschwinden die durchschnittenen Gewebe voll- ständig, und nun erst beginnt die Verwachsung der inzwischen durch Theilung neu entstandenen und sich vermehrenden Zellen. Diese Thatsache erweckt den Gedanken, die aus den verletzten Zellen her- vorgehenden, in die benachbarten überlebenden Gewebe übertretenden Stoffe als die Ursache der Umwandlung der Dauerzellen in Folge- meristemzellcn zn beb'achten. Ich will die Richtigkeit dieser meiner Aufstellung nicht behaupten, wenngleich mir die Auffindung eines anderen ursächlichen Momentes ') Experimentelle und liistologische Untersuchungen über die Erscheinung- der Verwachsung im Pflanzenreiche. Sitzungsber. der kaiserl. Akademie der Wissensch. Bd. 100. I. Abth. (1891). 103 kaum möglich erscheint^ und will hier nur noch versuchen, die that- sächliche Unterlage meiner Ansicht zu verstärken. Ich betrachte es nicht als etwas Zufälliges, dass die adventiven Anlagen, die also zunächst auf die Entstehung von Folgemeristeraen zurückzuführen sind, in der Regel nach Verletzungen auftreten, welche der betreffende Pflanzentheil erfuhr. Da alle nicht allzutief in den Organismus eingreifenden Verletzungen entweder blos zur EntstehuDg adventiver Gewebe (Wundkork, Wundholz, unfruchtbarer, d. i. keine Sprosse oder Wurzeln erzeugender Callus etc.) oder adventiver Organe führen, da ferner die Entstehung adventiver Gewebe (z. B. Periderm als Ersatz der absterbenden primären Oberhaut) und adventiver Or- gane in Folge partiellen Absterbens von Geweben oder Organen ein- tritt, so darf man annehmen, dass nicht nur zwischen den Ver- letzungen, sondern, allgemein gesagt, zwischen dem Absterben be- stimmter Theile und der Neubildung von Geweben^ beziehungsweise Organen ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Den schon angeführten Beispielen über den Zusammenhaug zwischen Verletzungen und natürlichem Absterben bestimmter Theile und der adventiven Reproduction will ich noch einige andere beifügen. Es bewurzeln sich in den Boden hin abgebogene Zweige zahlreicher Holzgewächse rascher, leichter und in einigen Fällen überhaupt erst, nachdem sie durch Bruch, Knickung und dergleichen Operationen verletzt wurden. Blätter bilden leichter Adventivknospen, wenn sie verletzt wurden (z. B. Begonia Rex^ wenn die Blattrippen ange- schnitten werden). Holzgewächse bilden nur kurz nach der der Ver- letzung folgenden Vernarbung Adventivsprosse; später, nämlich von der zweiten der Verletzung folgenden Vegetationsperiode an, erzeugt der Ueberwallungsring nur Holz- und Rindenelemente, nicht aber Sprosse. Ich habe vor Jahren viele Beobachtungen in dieser Richtung angestellt, aber niemals eine gegentheilige Wahrnehmung gemacht. An dem thallusartigen Stamme der Marchantia polymorpha entstehen an den rückwärts absterbenden Theilen vom Rande der überlebenden Stücke aus Adventivsprosse etc. Andere zum Theile 104 eclatantere hierhergehörige Beispiele werden später in anderem Zu- sammenhange noch vorgeführt werden. Welclier Art die in dem absterbenden Gewebe gebildeten, in die überlebenden übergehenden Stoffe sind, die, um eines oft gebrauchten Ausdruckes mich zu bedienen, den zur Neubildung führenden forma- tiven Reiz ausüben, bleibt vorläufig unentschieden. Es sind in dieser Beziehung zwei Möglichkeiten vorhanden: es tritt entweder todte oder lebende Substanz in die überlebenden Gewebe über. Im ersteren Falle würden also bestimmte chemische Individuen, im letzteren organisirte, also protoplasmatische Substanzen den formativen Reiz ausüben. Man hat die durch stoffliche Einwirkung hervorgebrachten Form- bildungen durchwegs auf die Thätigkeit von ungeformten Substanzen zurückgeführt. Auch die Befruchtung der Eizelle der angiospermen Pflanzen wurde fast bis in die jüngste Zeit in dieser Weise gedeutet, da man, von einigen noch nicht ganz geklärten Fällen abgesehen, aus dem Pollenschlauch keine Spermatozoiden oder anderweitige Proto- plasmagebilde in die Eizelle übertreten sah. Da aber sonst überall die Befruchtung durch Gameten vor sich geht, so hat man die ältere An- sicht, der zufolge die Befruchtung dieser Gewächse nichts anderes als ein durch den Pollenschlauch vermittelter Diffusionsprocess wäre, auf- gegeben, und nimmt jetzt an, dass auch hier die Befruchtung durch organisirte, vom Pollenschlauch in die Eizelle übertretende Substanz, also durch Gameten von ausserordentlicher Kleinheit vollzogen werde. Es scheint mir berechtigt, nicht nur in diesem Falle, sondern überall dort, wo durch stoffliche Einwirkung eine specifische Um- gastaltung, sei es eines Organismus, sei es eines Organs, hervorgerufen wird, das Eingreifen einer lebenden, also geformten, organisirten Substanz anzunehmen.^) Ich halte beispielsweise die Bildung der Pflanzengallen nicht, wie heute allgemein geglaubt wird, für einen durch blos chemisch wirkende, ungeformte Substanzen hervorgebrachten, sondern für einen durch Vermittlung lebender Substanz vollzogenen ^) Vergl, die Anmerkung' nuf pag*. 100. 105 Organisationsprocess. Ich kann für die Richtigkeit dieser Ansicht ebensowenig einen bestimmten Beweis erbringen, als Diejenigen, welche die Befruchtung der monocotylen und dicotylen Gewächse auf die Mitwirkung von Gameten zurückführen, denn weder hier noch dort sieht man thatsächlich Substanz, geschweige denn geformte Substanz übertreten. Da aber die Gallenbildung in jedem einzelnen Falle einen ganz Constanten specifi sehen Charakter an sich trägt, indem jede Gallenart, durch ein bestimmtes Insect an einem bestimmten Organe einer bestimmten Pflanze hervorgerufen, einen so eigenartigen, relativ umwandelbaren Charakter an sich trägt; wie eine organische Species, so kann ich mich nicht überreden, dass eine minimale Quantität eines chemischen Individuums oder eines blossen StoflPgemenges diese merk- würdige Wirkung ausüben sollte, neige vielmehr zu der Ansicht, dass entweder lebende Theile des in dem angestochenen Pflanzentheile deponirten Eies oder andere organisirte Substanzen, welche gleich- zeitig mit dem Ei von dem betreffenden Insect abgeschieden werden, die Ursachen der Gallenbüdung sind; kurzum ich nehme an, dass Keimplasma aus dem Insect in die gallenbildende Pflanze eindringt und hier eine bis jetzt nicht beachtete symbiotische Anlage bewirkt. ^) Angesichts dieser Verhältnisse ist es erlaubt, die Frage — auf deren Beantwortung ich aber nicht einzutreten wage — aufzuwerfen, ob der formative Reiz, welcher bei der Verletzung der Pflanzentheile ausgeübt wird und zu adventiven Bildungen führt, von Stoffen, etAva Zersetzung>producten der verletzten Zellen, oder von lebender Substanz ') 1)1 einer gecLankenreichen Schrift, welche jüngsthin von Billroth veröfl'ent- liclit wurde (»Ueber die Einwirkung lebender Pflanzen- und Thierzellen aufeinander«, Wien, Holder 1890), wird auch die Gallenbildung discutirt. Es wird der Nachweis geführt, dass die Wirkung der gallenerzeugenden Insecten auf das Substrat eine ganz specifische, und zwar specifisch-chemische sei (1. c, pag. 38). Da der Autor aber (pag. 41) sagt, »dass die Producte von thierischen Zellen in gleicher Weise einen besonderen (specifii^chen) formativen Reiz auf die Pflanzenzellen auszu- üben im Stande sind, wie die Pflanzenzellen (Coccen, Bakterien) auf thierische Zellen«, so dürfte ihm wohl der Gedanke vorgeschwebt haben, dass die Gallen- büdung auf der Mitwirkung lebender (thierischer) Substanz auf die Pflanzen beruhe. lOG herrührt, welche aus diesen Zellen in die überlebenden Gewebe ge- leitet wird. — Es wird gewöhnlich angenommen, dass die Entwicklung der phanerogamen Pflanze aus dem Samen der normale Vorgang sei und adventive Bildungen nur als Ersatz jener Organe anzusehen seien, welche unter gewöhnlichen Verhältnissen sich aus dem Keime suc- cessive hervorgebildet haben, aber auf natürliche oder künstliche Weise verloren gegangen sind. Nun lehrt aber schon die Erscheinung der Apogamie, dass selbst manche phanerogame Pflanzen nur auf die ungeschlechtliche Ver- mehrung angewiesen sind, also nur, gleich den niedrigsten Pilzen und Algen, durch Theilung ihresgleichen hervorbringen, nämlich durch Abtrennung von Knospen oder ähnlichen Organen asexueller A^er- mehrung. Auf diese Erscheinung wollte ich nur vorübergehend hinweisen, um zu betonen, welche grosse Bedeutung die Theilung — als aus- schliessliche Vermehrungsart — selbst für manche hochorganisn-te Pflanze hat. Zweck der folgenden Zeilen ist, zu zeigen, dass bei manchen phanerogamen Pflanzen Adventivbildungen in den normalen Entwicklungs kreis eintreten. Die Beispiele, welche ich anführen werde, sind jedem Botaniker bekannt, aber dieselben haben bisher nicht jene Deutung gefunden, welche ich ihnen zu geben versuchen will. Die folgenden Fälle sind von allen zur Apogamie gehörigen schon dadurch verschieden, dass von den betreffenden Pflanzen keim- fähige Samen gebildet werden, welche zum Entwicklungskreis dieser Pflanze ebenso gehören, wie gewisse Adventivbildungen. Der erste Fall betrifft StrejMcarpiis {Dichpnoca7yi(s). Die Entwicklung dieser Gesneracee (Cyrtandree) ist durch die Unter- suchungen von Kabsch und Hiel scher hinlänglich aufgeklärt und bekannt geworden. ^) Der Embryo besitzt zwei gleiche kleine Cotyle- donen, der Stamm Ist durch die hypocotyle Axe repräsentirt, eine primäre Endknospe kommt nicht vor, desgleichen fehlt die primäre Wurzclanlage. Aus diesem Keime entwickelt sich die blühende und J) Colin 's Beiträge zur Biologie. Bd. III. Breslau 1883. 107 fruchtende Pflanze nur durch adventive Bildungen. Der eine der beiden Cotyledonen bleibt im Wachsthum zurück und stirbt ab, während der zweite sich ausserordentlich stark entwickelt und zum Vegetationsorgan der Pflanze wird. Am Hypocotyl entstehen Adventiv- wurzeln, desgleichen an dem Blattstiele des laubartig gewordenen Cotyledons. Die primäre Axe stirbt ganz ab; es stirbt ferner der obere Theil des Blattes ab und nun gehen adventiv aus dem Blattstiele die Blüthenknospen hervor, welche schliesslich Frucht- stände mit keimfähigen Samen erzeugen. Dieser merkwürdige Entwicklungsmodus ist für unsere Be- trachtung in zweierlei Weise lehrreich, erstlich weil das Eintreten der Adventivbildungen dem Absterben bestimmter Organe folgt, und zweitens, weil er die Nothwendigkeit der Adventivbildung für den Entwicklungsgang von Strejytocarpus in unwiderleglicher Weise bezeugt. Der Vergleich der Entwicklung von Strej^tocarpus mit den aus- gesprochensten Fällen des Generationswechsels führt mich zu der Vielen auf den ersten Blick vielleicht befremdlich vorkommenden Auffassung, auch in dem vorgeführten Entwicklungsprocesse einen Specialfall des Generationswechsels zu erblicken. Befremdlich kann aber meine Auffassung nur erscheinen, wenn man den Generationswechsel einseitig morphologisch auffasst, als eine Folge typischer morphologischer, zu einer Species gehöriger Formen. Betrachtet man aber den Generationswechsel vom physio- logischen Standpunkte aus als einen Vorgang, in welchem das zur normalen Entwicklung erforderliche Keimplasma sich nicht gleich- massig bildet und schliesslich in den Geschlechtszellen sammelt, sondern in getrennten Abschnitten, derart dass im Laufe der Entwicklung zwei oder mehrere Zellen auftreten, von welchen jede einen Theil der Entwicklung des Artindividuums einleitet, so mus man die Ent- wicklung von Streptocaipus als einen Fall von Generationswechsel ansehen. Derselbe gHedert sich bei dieser Pflanze folgendermassen: Aus dem Samen geht die ungeschlechtliche Generation hervor. Diese besteht im einfachsten Falle (Strept. polyantlius) nur aus einem adventiv 108 bewurzelten Blatte. Aus diesem entsteht adventiv die Geschlechts- generation, welche mit der Bildung keimfähiger Samen abschliesst. Der hier kurz geschilderte Generationswechsel hat, wie man sieht, dieselbe grosse physiologische Bedeutung, wie etwa der Gene- rationswechsel der Farne. Es ist dies der erste Fall eines Generations- wechsels einer phanerogamen Pflanze, dem eine wichtige Function im Lebenslaufe des betreffenden Organismus zufällt. Hingegen ist das Rudiment eines Prothalliums, welches im Embryosacke der Phanero- gamen entsteht, und welches, mit functionirenden Prothallien ver- glichen, auf einen im Verschwinden begriffenen Generationswechsel hinweist, ein Gebilde, welchem keine oder blos eine ganz unter- geordnete physiologische Function zufällt. Der hier geschilderte Fall von Generationswechsel steht unter den Phanerogamen nicht vereinzelt da. Aus Beobachtungen, welche von Irmisch^) angestellt wurden, folgere ich einige andere der- artige Fälle. Der genannte Forscher zeigte, dass sowohl einjährige Linarien [Liaaria arvensis^ trifhyUa etc.) als zweijährige [L. vulgaris) nur aus Adventivknospen, welche aus dem Hypocotyl entstehen, Blüthensprosse hervorbringen. Beispielsweise erzeugt L. vulgaris im ersten Jahre nur ein mehrere Centimeter hohes blüthenloses Pflänzchen, dessen oberer Theil verkümmert, während im unteren Stengeltheile (Hypocotyl) noch im ersten Jahre Adventivknospen entstehen, aus welchen sich im nächsten Jahre Blüthentriebe hervorbilden, welche keimfähige Samen erzeugen. Auch hier kommt nach meiner Auffassung ein zweigliedriger Generationswechsel vor. Jede der beiden Generationen beginnt mit einer Fortpflanzungszelle: die ungeschlechtliche mit der befruchteten Eizelle, die geschlechtliche mit einer ungeschlechtlich entstandenen Folgemeristemzelle (secundäre Embryonalzelle), aus welcher schhesslich der adventive Blüthenspross hervorgeht. Die Theilungsfähigkeit der höchst entwickelten Pflanzen (Phanero- gamen) ist, wie wir gesehen haben, je nach der Species in sehr ') Botan. Zeitung 1857, pag-, 467 ff. 109 verschiedenem Grade ausgebildet, reicht aber, wie die auf Orohanche bezugnehmenden Beobachtungen lehren (pag. 98), factisch bis auf eine kleine Gruppe gleichartig erscheinender Zellen hinab, welche, von dem mütterlichen Organismus losgelöst, die ganze Pflanze zu reproduciren vermag. Bei den niedersten Muscineen reicht die organische Theilbarkeit im äussersten Falle sogar bis zur Einzelnzelle hinab. Bei den Thallophyten ist der letzte Theilkörper des Organismus in der Regel die einzelne Zelle. Damit ist aber in extremen Fällen innerhalb dieser untersten Reihen des Gewächsreiches die äusserste Grenze noch nicht erreicht. Diejenigen Thallophyten nämlich, welche nur aus einzelnen^ aber riesengrossen Zellen (Coeloblasten) bestehen, lassen noch eine über die Einzelnzelle hinausgehende Theilung zu. Die Coeloblasten sind entweder wie eine hoher organisirte Pflanze in Blatt, Stamm und Wurzel gegliedert (Caulerpa)^ oder sie bilden nur mehr oder minder verzweigte Schläuche ( F(2?^c/2eri*a). Die ersten Beob- achtungen über die Theilbarkeit dieser Coeloblasten stellte Hanstein an. ') Er zerschnitt Vaucheriaschläuche und sah fast jedes Theilstück sich individualisiren und zu einem neuen Schlauche w^eiterentwickeln Jüngsthin gelang es, Stücke von Caulerpen zur Weiterentwicklung zu bringen; losgetrennte »Blätter« (nämlich blattartige Zellstücke) »bew^urzelten« sich, indem sie jene wurzelartigen Zelltheile hervor- brachten, welche den Caulerpen zur Befestigung am Meeresgrunde dienen. Die zu einem Caulerpapflänzchen sich individualisirenden Theilstücke entwickeln sich weiter.-) Stahl hat sogar die aus Vaucheriaschläuchen hervorgepressten Protoplasmatropfen durch Umhüllung mit einer Zellmembran zu ent- wicklungsfähigen Zellen sich individualisiren gesehen. '■') Dieses Ex- periment w^urde später von Haberlandt wiederholt, wobei gefunden ^) Einige Züge aus der Biologie des ProtopLasmas (Hanstein 's Botani-sche Abhandlungen. IV., 2. Bonn 1880.) ~) Wakker J. H., Verslagen en Mededeelingen der Kon. Akad. van Weten- schappen te Amsterdam. Afd. Natuurkunde, Reeks III, II. Deel, pag. 251 ff. Botan. Centralbl. Bd. XXXIII (1888), pag. 163. 3) Siehe hierüber, Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. Leipzig 1882, pag. 884. 110 wurde, dass nur jene aus den Yaucheriascliläuchen austretenden Proto- plasmaballen lebens- und entwicklungsfähig bleiben, welche mindestens einen Zellkern umschliessen. ') Auch auf natürlichem Wege kann sich innerhalb eines Coelo- blastcn eine zur Vermehrung führende Theilung des Protoplasmas voll- ziehen. Es wurde diese Thatsache von Schmitz an zu den Siphono- cladiaceen gehörigen Algen {Valoma, Stphonodadus) constatirt und von dem genannten Forscher bereits ausdrückhch hervorgehoben, dass nur solche Protoplasmatheile, welche Kerne enthalten, sich zu selbst- ständigen Zellen Aveiterentwickeln, hingegen die kernfreien Partien zu Grunde gehen. 2) Die Coeloblasten unterscheiden sich durch einige Besonderheiten von den gewöhnlichen Zellen, vor Allem durch ihre exorbitanten Dimen- sionen, lerner durch ihre Vielkernigkeit, welche zuerst von Schmitz mit aller Sicherheit constatirt wurde. Nach unseren bisherigen Erfahrungen können wir nur bei jenen Pflanzen zellen eine zur Regeneration der Pflanze führende Theilung vornehmen, welche vielkernig sind. Es zeigen also die Coeloblasten bezüglich ihrer organischen Theilbarkeit ein anderes Verhalten als die gewöhnlichen Pflanzenzellen; sie ver- halten sich bei der Theilung nicht wie eine gewöhnliche Pflanzenzelle, welche, soweit unsere Erfahrungen reichen, zur Vermehrung durch künstliche Theilung nicht herangezogen werden kann, sondern wie ein Pflanzenstock. Freilich lassen sich die Coeloblasten auch als Orga- nismen auffassen, die gewissermassen einem Pflanzenstocke gleichkommen, nämlich aus so vielen selbstständig fortpflanzungsfähigen Zellen zu- sammengesetzt sind, als sie Kerne enthalten, wie im Schlusscapitel noch näher dargelegt werden wird. Im Thierreiche beherrscht die Theilbarkeit und damit die un- geschlechtliche Vermehrung ein viel kleineres Terrain als im Pflanzen- reiche, und es lassen sich in diesem Betrachte fast nur die Polvpen ') Ueljer die Ijt'zielmngen zwischen Function und Lage des Zellkerns, Jena 1887, i)iig. 90. -) Beobachtungen über die vielkernig-en Zellen der Siidionocladiaceen. Fest- schrift der naturforsch. Gesellschaft zu Halle 1879, pag'. 305. 111 und die A^on diesen abwärts reichenden thierisclien Organismen mit den pflanzlichen vergleichen, welch' letztere bis zu ihren höchsten Formen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung unterworfen sind und, wie wir gesehen haben, einige Repräsentanten aufzuweisen haben, welche in Folge von Zeugungsverlust nur ungeschlechtlich sich ver- mehren. Das Theikingsvermögen der Thiere ist in den Hauptzügen be- kannt. Ich werde dessen hier nur so weit gedenken, als in dieser Hinsicht zu einer Parallele zwischen Pflanze und Thier erforderlich scheint. Wenn von dem merkwürdigen Verhalten der A\'ürmer, sich durch Querabschnittc vermehren zu lassen, abgesehen wird, erlischt die Eignung, durch irgend eine Form der Theiluug sich ungeschlecht- lich fortpzuflanzen, in der Stufenleiter des Thierreiches schon mit den Coelenteraten, deren Aehnlichkeit mit den höheren Pflanzen sich in zweierlei Weise ausspricht: sie neigen gleich diesen zur Bildung von Stöcken und vermehren sich w^ie diese sowohl auf geschlecht- liche als auch auf ungeschlechtliche Weise. Auf unterster Stufe des Thierreiches spielt die Theilbarkeit genau dieselbe Rolle wie im Pflanzenreiche: die Protozoen vermehren sich durch Theilung, und wie bei den Pilzen und Algen, finden wir auch bei den Protozoen bereits die Anfänge geschlechtlicher Difte- renzirung, welche hier wie dort mit der Copulation gleichartiger Gameten beginnt. Wie bei den Pflanzen, so bereitet sich auch bei den Thieren schon auf niederster Stufe die Stockbildung vor, indem unvollständige Theilungen in beiden Reichen zur Entstehung von lebenden Indi- viduencomplexen führen, welche zumeist einer Theilung zugänglich, neue Individuen und neue Thier- beziehungsweise Pflanzen stocke hervorbringen können. Diese Stockbildung kommt im Pflanzenreiche bis zu den höchsten Formen hinauf vor, während sie im Thierreiche schon bei den Coelenteraten (Polypen, Spongien) ihr Ende findet. In beiden Fällen sind es »Knospen«, welche, ohne sich abzutrennen, neue Indi- 112 viduen erzeugen. Im Thierreiche sind die »Knospen« in der Regel Bildungen, die ausser Beziehung zum Leben des mütterlichen Orga- nismus stehen. Bei Pflanzen sind aber die »Knospen« in der Eegel nichts anderes als unentwickelte Individuen, die am Stocke höherer Pflanzen zu belaubten und blühenden Sprossen werden, von ihm auf natürliche oder künstliche Weise abgetrennt, zu neuen »Pflanzen« sich umbilden. Aber besonders auf niederer Stufe kommen auch im Pflanzenreiche »Knospen« vor, die nun der ungeschlechtlichen Ver- mehrung dienen. Auch die der ungeschlechtlichen Vermehrung dienenden »Keim- körper« der Thiere haben in endogen entstehenden Sporen der Pflanzen (Endogonidien) ihre Analoga. Die bekannte Theilbarkeit der Polypen und Würmer ist im Wesentlichen mit der oben ausführlich geschilderten Theilbarkeit der höheren Pflanzen zu vergleichen. Denn wie eine geköpfte Wurzel des Löwenzahns (Taraxacum) am Kopfende Sprosse hervorbringt und sich wieder zu einer normalen Pflanze individualisirt, oder Stammab- schnitte von Pappeln und Weiden am Kopfende Laubsprosse, am Fussende Wurzeln erzeugen, so lassen sich bekanntlich Polypen und Würmer durch Körperabschnitte vermehren. Regel ist, dass jeder Abschnitt die ursprüngliche Polarität beibehält und dementsprechend sich zum normalen Thier oder Thierstock wieder individualisirt. ^) Während die Fähigkeit der Thiere, im ausgebildeten Zu- stande durch Theilung sich vermehren zu lassen, schon auf tiefer Stufe vollkommen erlischt, scheinen viel höher organisirte Thiere in ihren ersten Entvvicklungsstadien noch einer Theilung fähig zu sein. ') Ich habe bei Cultur im Lichte aus beiderseits abgeschnittenen Taraxacum- Wurzehi Regenerationsformen erhalten, welche zeigen, dass die Polarität der Organe auch aufgehoben werden kann. Es entwickeln sich nämlich an solchen Wurzel- abschnitten unter günstigen Vegetationsbedingungen und wenn die Wurzelstücke sehr gross waren, manchmal sowohl am Kopf- als am Fussende Laubsprosse. Auch Bonnet fand bei seinen bekannten, mit AVürmern angestellten Tlieihngsversuchen hin und wieder eine Aufhebung der Polarität, indem beispielsweise an einem Querabschnitt eines Wurmes sich aus jeder der beiden Schnittflächen ein neuer Schwanz entwickelte. Ich weiss nicht, ob die Bonnet 'sehen Versuciie später mit demselben Erfolge wieder- holt wurden. 113 Ich beziehe mich hiebei auf die merkwürdigen Beobachtungen, welche R o u x ') an Froscheiern anstellte. Wenn nämlich an einem befruchteten Froschei gleich nach Eintritt der ersten Furchung mittelst einer heissen Nadel eine der Hälften abgetragen oder sehr stark ver- letzt wird^ so entwickelt sich die andere, intact gebliebene zu einem halben Embryo. Auch nach der zweiten Furchung gehen nach passend angebrachten Operationen halbe Embryonen aus den intacten Resten hervor, so dass es also gelingt, normal gestaltete halbe Em- bryonen zu erzielen, die entweder einem halben rechten oder linken Thiere, oder einer vorderen oder hinteren Hälfte eines sonst ganz normal ausgebildeten Embryo entsprechen. Bald aber tritt eine Er- gänzung dieser halben Embryonen ein und es entstehen so durch Postgeneration, wie sich Roux ausdrückt, vollständige Thiere. Wie weit nach oben, über die Batrachier hinaus, eine solche Postgeneration des gefurchten Eies reicht, ist nicht bekannt; wie dem auch sei, zwischen Pflanzen und Thieren besteht in Betreff der Theil- barkeit des ausgebildeten Organismus ein grosser Unterschied, indem diese Fähigkeit allen Pflanzen zukömmt, hingegen im Tbier- reiche wohl auch bei den primitivsten Formen beginnt, aber schon auf niederer Stufe ihr Ende erreicht, während der zelligen Anlage auch schon hoch organisirter Thiere noch die Eignung zur künst- lichen Theilung, wenigstens in einzelnen Fällen, innewohnt. In dieser Beziehung erscheint also der thierische Organismus dem pflanzlichen wieder genähert. In einem die Theilbarkeit betreffenden Punkte stimmen aber Thiere und Pflanzen wieder vollkommen überein, nämlich darin, dass die Organbildung durchaus auf Theikmg der Zellen beruht, und dass von der Zelle abwärts alle sichtlichen Neubildungen des lebenden Organismus durch Theilung entstehen. 1) Roux, lieber die künstliche Hervorbringung- halber Embryonen durch Zerstörung der ersten Furchungskugel, sowie über Postgeneration der fehlenden Körperhälfte. » Virchow's Archiv für pathol. Anatomie und Physiologie« Bd. 114 (1888). Wiesner, Die Elementarstructur etc. 8 114 Diesen sowohl für meine Theorie der Elementarstructur als auch für die des Wachsthums höchst wichtigen Gegenstand werde ich nun, vorzugsweise mit Eücksicht auf die Pflanze, eingehend zu erörtern haben. Es wird sich dabei hauptsächlich um die Beantwortung der Frage handeln: Wie Aveit reicht das Theilungsvermögen der lebenden Substanz im Gebiete der Zelle? Es scheint mir zum Zwecke der Beantwortung dieser Frage wichtig, an einige Tbatsachen aus der Geschichte der Zellenlehre zu erinnern. Es hat lange fortgesetzter Forschungen bedurft, um zur Erkenntniss zu gelangen, dass Zellen nur aus Zellen und aus diesen nur durch Theilung entstehen können. Als Rest aus älterer Zeit erhielt sich lange in der Botanik der Begriff der »freien Zellbildung« neben dem der Zell theilung. Welche Wandlungen die Auffassung dieser »freien Zellbildung« im Laufe der Zeit erfuhr, ist jedem Fach- manne bekannt. Heute ist von der »freien Zellbildung« nichts übrig- geblieben als der Name für eine allerdings eigenthümliche Form der Zell theilung. Wir verstehen nämlich unter freier Zellbildung jenen Vorgang, bei welchem das Protoplasma einer Zelle nach vorher- gegangener Zweitheilung der Kerne sich in so viele Theile gliedert, als Kerne gebildet wurden, wobei jede auf diese Weise neu entstandene Zelle den Charakter einer Primordialzelle an sich trägt, also hautlos ist. Später bildet jede Tochterzelle gewöhnlich eine Haut aus. Die bei diesem Vorgange entstandenen Zellen bleiben entweder unver- bunden (Ascosporen) oder bilden ein Gewebe (Endosperm). Wie man sieht, ist ein wesentlicher Unterschied zwischen freier Zellbildung und Zelltheilung nicht mehr vorhanden; die erstere ist nur ein Specialfall der letzteren. Auch die lange strittige Frage des Entstehens der Zellkerne ist nunmehr mit Bestimmtheit dahin beantwortet worden, dass Kerne nur aus Kernen und aus diesen nur durch Theilung hervorgehen. Bezüglich des thierischen Organismus wurde dieser wichtige Nachweis von Flemming geliefert und nicht lange darauf gelang es Schmitz, Strasburger und de Bary, alle jene Fälle von Kernbildung im Pflanzenreiche, welche man früher auf Grund ' 115 unvollkommener Beobaclitungen als spoiitaiie Differenzirun2;en des Protoplasmas betrachtete, als Thcilungsvorgänge zu erweisen. Als mau im ganzen Bereiche der Organismen die Entstehung von Zelle und Kern auf Theiking beruhend erkannte, klärte sich vielfach auch die Entstehungsgeschichte der organisirten Inhaltskörper der Pflanzenzelle, vor Allem der so verbreiteten und in physiologischer Beziehung so wichtigen Chlorophyllkörner. Bis dahin fasste man die Entstehung dieser lebenden Indivi- dualitäten der Zelle ähnlich so wie vorher die Bildung des Zellkerns auf; man nahm nämlich an, dass sie durch Theilung entstehen können, aber auch aus dem allgemeinen Protoplasma sich zu differenziren ver- mögen. Und gerade eine spontane Hervorbildung aus dem Plasma nahm man als den geAvöhnlichsten Fall an. Nachdem N ä g e 1 i schon vor vielen Jahren bei den Algen ein Entstehen von Chlorophyllkörnern durch Theilung aus ihresgleichen constatirt hatte, ist es durch die sorgfältigen Beobachtungen von K n y (an den Blättern von Elodea canadensis) und von M i k o s c h (an den Luftwurzeln von Hartwegia comosci) gelungen, auch bei den höchsten Pflanzen die Entstehung von Chlorophyllkörnern aus Chloro- phyllkörnern durch Theilung über jeden Zweifel zu erheben. In vielen Fällen war man aber über die Entstehung dieser Gebilde noch immer völlig im Unklaren. Wie in zahlreichen anderen wichtigen und schwierigen, die Pflanzenzelle betreff'enden Fragen hat auch hier Schmitz die Bahn gebrochen. Es gelang ihm, zunächst für die Algen den sicheren Nachweis zu Hefern, dass nicht nur die Chlorophyllkörner, sondern alle lebenden, individualisirten FarbstofFträger der Pflanzen zellen, also alle jene Gebilde, welche wir nach dem Vorschlage dieses Forschers als Chromatophoren bezeichnen, durch Theflung entstehen. Diese wichtige Entdeckung hat Schmitz •) in folgenden Worten ausgedrückt: »Ausser dieser Vermehrung durch Theilung flndet eine Vermehrung der Chromatophoren in den Zehen der Algen nirgends und in ') Fr. Schmitz, Die Chromatophoren der Algen. Bonn 1882, p. 205—206. 8* 116 keiner Weise statt. Dieser Satz stellt sich in directen Widerspruch mit den bislierigen Angaben der Lehrbücher über die Vermehrung der Chlorophyllkürner, wonach dieselben vielmehr in zahlreichen Fällen aus dem Protoplasma der betreffenden Zellen heraus neu gebildet werden. Allein ausgedehnte vergleichende Untersuchungen haben nun gezeigt, dass alle diese Angaben, wenigstens für die Algen, auf Irrthümern beruhen.« Mit richtigem Vorausblick vermuthete Schmitz dieselbe Entstehungsweise auch bezüglich aller anderen grünen Pflanzen, was später durch die umfassenden Untersuchungen A. F. W. Schimper's vollauf bestätigt wurde. ^) Von grosser Wichtigkeit war auch folgende Entdeckung des erstgenannten Autors. Die Chlorophyllkürner (und überhaupt die Chromatophoren) entstehen entweder unmittelbar aus ihresgleichen durch Theilung, oder sie bilden sich aus kleinen, noch ungefärbten, nur durch Theilung sich vermehi-enden Körperchen successive hervor, W' eiche schon in den jüngsten J\ieristemzellen anzutreffen sind. Schon in der ersten Anlage des Algenkürpers, in den Geschlechtszellen, sind diese vorgebildeten Chromatophoren vorhanden. Treten gleichartige Ge- schlechtszellen (Isogameten) in Copulation, so kommen sie in jeder der- selben vor; ist eine geschlechtliche Differenzirung der Geschlechts- zellen vorhanden, so findet man sie entweder blos in den w^ei blichen Zellen oder in diesen sowohl als in den männlichen, und bei der geschlechtlichen Zeugung gehen sie nicht verloren, erscheinen vielmehr in der befruchteten Eizelle, so zwar, dass in allen Fällen die Anlagen der Chromatophoren von der Mutterpflanze auf die Tochterpflanze übergehen. In der Geschlechtszelle und in den jungen Meristemzellen sind die Anlagen der Chromatophoren farblos, ungemein klein, und über- haupt schwierig aufzufinden. Bei dem Uebergang der j\Ieristemzellen iti DauerzL'llen hört die Theilungsfähigkeit dieser Anlagen der Chroma- ') Wie in einem der folgenden C.-ipitel niiher daigeleorus fomentarius gibt das Millon'sche Salz nur ein sehr zweifelhaftes Resultat, hin- gegen erzielt man durch Alloxan deutliche Färbungen. Hier wird also wohl ein Fettkörper des Eiweissmolecüls deutlich angezeigt, nicht aber die aromatische Atomgruppe; es ist also auch hier ein sicherer Nachweis in der Membran nicht durchzuführen. In diesem Falle lässt sich aber aus der Stickstoffmenge des Hyphencomplexes berechnen, dass die in denselben enthaltenen Eiweisskörper in dem ungemein engen Lumen der Zellen nicht Platz haben, also zum Theile in der Membran aufgespeichert sein müssen. ') Es geht eben mit dem mikrochemischen Nachweise der Albuminate in der Zellmembran nicht anders, als mit dem mikrochemischen Nach- weise der Eiweisskörper in anderen Bestandtheilen der Zelle. Wie oft lässt sich in entschiedenem Protoplasma Eiweiss nicht nachweisen, welcher Umstand bekanntlich zu der Fabel vom »stickstofffreien Protoplasma« Anlass gegeben hat. Es bezweifelt heute Niemand mehr die Existenz der durch Tangl's höchst sorgfältige und wichtige Untersuchungen in den Vordergrund getretenen protoplasmatischen Verbindungen benachbarter Zellen. So oft diese Verbindungen auch untersucht worden sind, es hat keiner der zahlreichen Beobachter bisher in denselben die Existenz der Eiweisskörper durch chemische 1) Es beträg-t die Menge der Eiweisskörper im wachstliumsfäliigen Gewebe von Polyporus fornentariiis über 10 Procent. Xach den Messungen des ausserordentlich eng-en Lumens der dieses Gewebe zusammensetzenden Zellen kann nur etwa der achte Theil des in demselben vorhandenen Protoplasmas im Hohlräume der Zelle Platz finden. Sieben Achtel der Protoplasmamenge haben mithin ihren Sitz in der Zellhaut. (Wiesner, Organisation der vegetabilischen Zellhaut, pag. 60 und 61.) 10* 148 Reactionen nachgewiesen. ^) Die plasmatische Natur dieser Verbindungs- fäden ist durch die Thatsache sichergestellt^ dass durch dieselben Wund- und andere Reize fortgepflanzt werden. In ganz jugendlichen Zellhäuten (Meristem der Vegetations- spitzen) ist Ei weiss stets direct und indirect nachweisbar; freilich er- fordert die Dünnheit der Membran eine sehr genaue Prüfung. Der indirecte Nachweis lässt sich hier dadurch erbringen, dass man die jugendlichen Membranen peptonisirt und dann auf Cellulose reagirt. Die in der Zellmembran vorhandenen Eiweisskörper verhindern in sehr kleiner Menge nicht die Cellulosereaction durch Chlorzinkjod- lüsung; wenn sie aber, wie in ganz jungen Membranen, in grösserer Menge neben Cellulose vorkommen^ so unterbleibt die Anzeige der letzteren durch das Reagens oder stellt sich erst nach längerer Zeit ein, bis nämlich das Chlorzink die Eiweisskörper zerstört hat. Peptonisirt man die jungen Zellhäute, wobei die Eiweisskörper in Lösung gehen, so tritt die Reaction auf Cellulose sofort ein. Es scheint mir auch der Erwähnung werth, dass nach den Untersuchungen von Mikosch die Wände der SpaltöfFnungsSchliess- zellen sehr schön die Aldehydreaction des Eiweiss zeigen (siehe Anmerkung auf pag. 147), nachdem die Untersuchungen Leitgeb's lehrten, dass gerade diese Zellen ihr Leben lange behalten und häutig noch mit aller Sicherheit als lebend befunden werden, wenn die um- gebenden Oberhautzellen schon abgestorben sind. Dass gerade in ganz jugendlichen und in entschieden lebenden Zellmembranen der Pflanzengewebe der Nachweis der Albuminate liäuflg gelingt, ist, wie sich alsbald herausstellen wird, von besonderer Wichtigkeit. Ich will nun jene Thatsachen zusammenstellen, welche Zeugniss dafür ablegen, dass die Zellhaut der Pflanze ein lebendes Gebilde ist. ^) Die diesbezüglichen Versuche von Krasser (Sitzung-sber. der kaiserl. Akademie der Wissensch., Bd. XCIV [1886], 1. Abth., pag-. 152) erg-aben durchaus negative Resultate. In Kienitz-Gerloff's ausführlichen Abhandlungen über das Svmplasma (Bot. Zeitung 1891, Nr. 1 — 5) ist bezüglich des directen Nachweis von Albuminaten in den plasmatischen Verbindung-sfäden der Gewebe nichts zu finden. 149 Der Eiweissgehalt ist für die Entscheidung der Frage, ob eine Zellliaut lebend oder todt sei, selbstverständlich noch nicht massgebend; denn wir finden thatsächlich Eiweiss auch in Membranen solcher Zellen, deren Plasma abgestorben ist, von welchen also angenommen Averden darf, dass sie todt sind. Lebt aber die Haut, so muss sie Protoplasma enthalten, und somit auch Eiweisskörper, deren Nachweis indess, wie wir gesehen haben, nicht immer mit Sicherheit gelingt. Man muss sich also nach anderen Argumenten zur Constatirung des Lebens der Zellhaut umsehen. Dass in der Zellhaut Protoplasma enthalten ist, geht schon aus den bekannten Beobachtungen Tan gl's und seiner Nachfolger hervor, welche lehrten, dass die Protoplasmen benachbarter Zellen bei vielen Pflanzen durch Protoplasmazüge verbunden sind, mithin die Wand durchsetzen. Anfangs waren nur sehr wenige pflanzliche diese Ver- bindung zu erkennen gebende Objecte bekannt. Zahlreiche Beobachter haben dieses in physiologischer Beziehung sehr wichtige morphologische Verhältniss näher verfolgt, und heute kennt man bereits eine grosse Zahl von Gewächsen, welche in den verschiedensten lebenden Geweben Protoplasmaverbindungen benachbarter Zellen aufweisen. ^) Wie ich aber schon in meiner Abhandlung über die Organisation der Zellhaut dargelegt habe, ist die die Wand der Zelle durchquerende sichtbare Protoplasmamasse nur ein specieller Fall des Auftretens von lebender Substanz in der Membran. Wie wir alsbald sehen werden, muss in jeder wachsenden Zellhaut lebende Substanz (Protoplasma) vorhanden sein, die sich aber meist der directen Wahrnehmung entzieht. Auf die thatsächliche ^Anwesenheit des Protoplasmas in der Zell- haut wird man — ganz abgesehen von dem Auftreten von Eiweiss- körpern in jugendlichen und älteren lebenden Zellen — durch das Verhalten der Zellhäute gegen sehr verdünnte Silberlüsungen und ganz besonders durch die Erscheinungen des Lebens der Wand geführt.-) ^) Siehe hierüber namentlich die ausführlichen und erg-ebnissreichen Unter- suchungen von Kienitz-Gerloff 1. c. ^) Einig-e Jahre nach dem Erscheinen meiner Abhandlung- über die Organi- sation der Zellhaut, in welcher ich auf den Eiweissgehalt der Zellhäute aufmerksam 150 Was zunächst das Verhalten der vegetabilischen Zellhaut gegen verdünnte Silberlüsungen anbelangt, so beziehe ich mich hierbei zu- nächst auf die bekannten Untersuchungen von Loew und Bokorny, welche lehrten, dass das lebende Protoplasma sich durch eine ausser- ordentliche Reductionsfähigkeit auszeichnet. Wenn man sehr verdünnte alkalische Silberlösungen (1 Gewichtstheil salpetersaures Silber auf 100.000 Gewichtstheile AVasser) auf lebendes Protoplasma einwirken lässt, so stellt sich alsbald in Folge der Anwesenheit von Aldehyd- gruppen eine Reduction des Salzes zu metallischem Silber ein. Je nach der Vertheilung des Silbers in dem betreffenden Objecte er- scheint letzteres verschieden gefärbt. Gewöhnlich ist die Färbung eine schwarze oder graue; nur bei besonders feiner Vertheilung des Silbers eine violette oder zwischen gelb und rothbraun gelegene. Schwächer reducirend wirkende Körper, z. B. Zucker oder Gerbstoff, rufen eine Bräunung hervor. Es lässt sich nun in den Membranen zahlreicher, namentlich jugendlicher, aber auch anderer noch lebender Zellen nach der Löw-Bokorny 'sehen Methode die Gegenwart von lebendem Protoplasma oder, wie diese beiden Forscher sich aus- drücken, von »lebendem Eiweiss« constatiren. In manchen Fällen gelingt die Silberprobe nicht, z. B. in den Zellhäuten von Sptrogyra und Clado]rjliora. Der Grund hierfür mag derselbe sein, wie bei manchen Protoplasmen, die in Folge grosser Sensibilität rasch getödtet werden und dabei ihre Reductionsfähigkeit einbüssen. Das Eintreten der Löw-Bokorny 'sehen Reaction ist allerdings kein absolut sicherer Beweis für das Vorhandensein lebenden Proto- plasmas, da Aldehyde und überhaupt reducirende Substanzen in der Pflanze auch ausserhalb des Protoplasmas vorkommen; allein es dart diese Reaction als eine wesentliche Stütze der Ansicht, dass die junge, wachsende Membran lebendes Protoplasma enthält, angesehen werden, da gerade lebendes Protoplasma durch ausserordentliche Reductions- machte und die Existenz des Dermatoplasma in der Zellhaut zu beAveisen suchte, hat Fromann (Anat. Anzeiger 1887, Kr. 10) über denselben Gegenstand Beobach- tungen angestellt und ist zu dem gleichen Resultate wie ich gelangt. Er gibt unter Vnderem an, dass in den Membranen des KnoUenparenchyms von Cyclamen das Proto- ])lasma in Gerüstform auftrete. 151 fähigkeit ausgezeichnet ist und die Silberreduction sich in Membranen constatiren lässt, welche nach Ausweis anderer Reactionen weder Zucker, noch Gerbstoff, wohl aber häufig Eiweisskürper enthalten. Die schwerwiegendsten Argumente für das Leben der Zellhaut sind in ihren Thätigkeitsäusserungen zu finden. Man hat bisher fast durchaus das Wachsthum der ^Membran und alle in ihr sich voll- ziehenden Veränderungen auf Vorgänge zurückgeführt, welche sich in dem von derselben umschlossenen Protoplasma, also im Cyto- plasma, abspielen. Die Annahme einer völhgen Passivität der Zellhaut widerspricht aber schon manchen sehr naheliegenden Thatsachen. So ist wohl, nach meinem Dafürhalten, vom physiologischen Standpunkte beurtheilt, nichts widersinniger als die Vorstellung, dass ein lebendes, einheitlich wirkendes Gewebe oder ein lebendes Organ aus lebenden Protoplasma- kürpern bestehe, die alle von einander durch todte Scheidewände ge- trennt sind. Vor zehn Jahren Avar diese Ansicht nicht nur die herrschende, es hat derselben, soviel mir bekannt. Niemand wider- sprochen. Seit Tangl's Entdeckung der protoplasmatischen Verbindung benachbarter Zellen wird diese Auffassung immer mehr und mehr, nämlich in dem Verhältniss eingeschränkt, als neue protoplasmatische Verbindungen aufgefunden werden. So sehr die strenge Methode zu billigen ist, welche nur das anerkennt, was durch die Thatsachen unwiderleglich bewiesen ist, so engherzig scheint mir das Verfahren, die Fortsetzung der luduction dort noch zu fordern, wo die Erfahrung schon auf anderem AVege zu einem allgemeinen Gesichtspunkte ge- führt hat, von welchem aus ein Gesetz auch dann schon begründet erscheint, wenn es auch nicht in jeder denkbaren Einzelnheit durch die Erfahrung bestätigt ist. An der plasmatischen Verbindung der Zellen eines lebenden Gewebes oder einheithch wirkenden Organes in allen jenen Fällen zu zweifeln, in welchen diese Verbindung nicht durch die directe Beobachtung nachgewiesen ist, scheint mir so wider- sinnig, als wenn man bei einer eben entdeckten flüssigen Substanz das Vorhandensein der allen Flüssigkeiten zukommenden allgemeinen Eigenschaften so lange bezweifeln würde, bis nicht jede einzelne der- 152 selben dureli das Experiment nachgewiesen ist. Icli betrachte die plasmatische Verbindung lebender Gewebe für eine solche Nothwendig- keit, dass ich ihre Existenz auch dann annehmen müsste, Avenn sich das Vorhandensein der lebenden Substanz in der Zellmembran in keinem Falle direct nachweisen Hesse, ') Ich will nun auf einige Verwachsungserscheinungen hin- weisen, welche ohne Annahme von Hautplasma (Dermatoplasma) nicht naturgemäss zu erklären sind. Es verwächst die Haut der befruchteten Embryozelle mit der Wand des Embryosackes. Die Verbindung ist eine organische; der sich ausgestaltende Embryo wird durch diese Verwachsung mit den Gew^eben der Samenknospe in lebende Ver- bindung gebracht und von diesen aus ernährt. Durchschneidet man eine Kartoffel und verbindet man die getrennten Hälften, so ver- schwinden die verletzten Zellen und die darunterliegenden bilden neue Zellen, welche alsbald die frühere Schnittfläche begrenzen. Diese jugendlichen Zellen verwachsen untereinander. -) Die Verwachsung verbindet diese Zellen genau so untereinander, wie die im Gewebe liegenden Zellen mit einander verbunden sind. Genau durch dieselben Macerationsmittel trennen sich die verwachsenen und die im normalen Gewebeverbande liegenden Zellen. Die Membranen der verwachsenden Zellen sind eiweisshältig und nach Ausweis der Löw-Bokorny'schen Reaction lebend. Aehnliche Verwachsungserscheinungen kommen auch beim Oculiren, Copuliren und anderen derlei gärtnerischen Operationen vor. Nach den Untersuchungen von Leitgeb'^) verschmilzt bei der Sporenbildung von Riccia^ Preissia und anderen Lebermoosen die innerste Lamelle der Specialmutterzelle mit der äusseren Haut (Exine) der Spore und durch diese nachträgliche Vereinigung der gesondert entstandenen Häute entsteht die Umhüllung (Perinium) der reifen, von der Mutterpflanze sich lostrennenden Spore. Wie hat man sich alle diese Verbindungen vorzustellen? Kann man annehmen, dass hier eine blosse Verklebung stattgefunden hat? ') Vergl. die mit dieser Auffassung- im Wesentlichen übereinstimmenden ]>e- merkung-en bei K ienitz-G erlof f, liot. Zeitung-, 1891, \)'\g. 22. ') W. Figdor, 1. c. p. 11J4. ^) Leitg-eb, Ueber Bau und E!lt^^■iekluug• der Sporenhäute. Graz 1884. 15 o Da die durch Verwachsung eingetretene Verbindung sich von der bei der Gewebebildung stattlindenden nicht unterscheidet, da die Zellen in lebende Verbindung treten und wie im noi-malen Gewebe- verband befindliche sich verhalten, da ferner die Zellhäute vor und kurz nach der Verwachsung eiweisshaltig sind und die Löw-Bokorny- sche Reaction zu erkennen geben, so muss diese Verbindung ursprüng- lich getrennter Zellmembranen als ein Lebensact aufgefasst werden. Vergegenwärtigt man sich die im Gewebeverbande stattfindende Zelltheilung, wo innerhalb einer behäuteten Mutterzelle nach der Theilung der Kerne und des Protoplasmakörpers eine neue Scheide- wand entsteht, so kommt man wohl zu dem Resultate, dass die An- gliederung der neuen Wand an die alte keine einfache mechanische sein könne, also nicht etwa eine Ankittung erfolge, wie dies die Appo- sitionstheorie fordert. Da diese neue Wand mit den Theilen der Mutter- zellhaut zu einer neuen Einheit verschmilzt, so kann diese Vereinigung nur eine organische sein, muss also auch als der Ausdruck eines Leben sactes aufgefasst werden. Verfolgt man die Entstehung der Cambiumzellen eines Coniferen- stammes, so ergibt sich, wie bekannt, dass die Tangential wände dieser Elemente jünger sind als die Radialwände. An einem hundertjährigen Fiehtenstamme besitzt die zuletztgebildete Cambiumzelle zwei Tangen- tialwände ungleichen i^lters, die aber beide noch in der letzten Vege- tationsperiode gebildet wurden. Die radialen Wände haben allerdings in der letzten Vegetationsperiode einen Zuwachs erfahren. Kimmt man aber an, dass diese Zellwände wie anorganische Gebilde durch Apposition (und nachträgliche Dehnung) wachsen, so müssten in diesen radialen Wänden noch Partien enthalten sein, Avelche vor 100 Jahren, Partien, welche vor 99 Jahren gebildet wurden u, s. w., bis auf jene Substanzmasse, welche in der letzten Vegetationsperiode angefügt wurde. Aber auch die Intussusceptionslehre muss, wenn sie mit der herrschenden Anschauung rechnet, der zufolge die Cellulose das erste Product der Zellhautbildung sei, annehmen, dass die Substanz der Zellhaut Jahr für Jahr durch ein Jahrhundert in die Radialwände der Cambiumzelle eingefügt wurde. Bezüglich des protoplasmatischen 154 Inhaltes wird Niemand eine so lange andauernde Beifügung neuer Substanz zugeben, weil man das Protoplasma als lebende Substanz betrachtet, welche fortwährendem Stoffwechsel unterlegen ist. Xatur- gemäss erscheint es Avohl, statt blos dem Protoplasma Leben zu- zuerkennen, die ganze Cambiumzelle als eine lebende Einheit zu betrachten, welche in allen ihren Theilen dem Stoffwechsel unterliegt, so dass die lebende Substanz der ganzen Zelle gleichen und jungen Datums ist. Diese Auffassung steht mit den schon angeführten Thatsachen über den chemischen Bestand und über das Wachsthum der Zellhaut wohl in besserem Einklänge als die herrschende Lehre. Würde das Wachsthum der Zellhäute stets gleichmässig erfolgen, so Hesse sich die heutige Auffassung, der zufolge sich die Membran während des Wachsthum s passiv verhält, und lediglich das von der Zellhaut umschlossene Protoplasma (Cytoplasma) bei der Membran- bilduno- thätio- ist, leicht hinnehmen. Aber sofort müssen Bedenken gegen diese Lehre entstehen, wenn man die Ungleichmässigkeit des Wachsthums beachtet. Ein ungleichmässiges Wachsthum der Zellhäute ist etwas ganz Gewöhnliches, und namentlich excentrische Wand- verdickungen kommen in den Pflanzen zellen sehr häufig zur Aus- bildung. Dieselben erreichen in den inneren (Cjstolithen) und äusseren Vorsprungsbildungen (Warzen, Stacheln, Höcker u. dergl. an Haaren etc.) ihren Höhepunkt. Man vergegenwärtige sich beispielsweise einen Cjsto- lithen aus dem Blatte einer Golclfussia. In der Regel erfüllt derselbe den ganzen weiten Hohlraum der Zelle, in welcher er entstanden ist. Mit einem der Beobachtung nur schwer zugänglichen und lange über- sehenen kurzen, fadenförmigen Stiel haftet derselbe der Wand an, so dass man dieses Gebilde für einen Inhaltskörper der Zelle zu halten geneigt wäre. Aber die eingehenden entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen, welche über diese Cystolithen in meinem Laboratorium von Karl Richter angestellt wurden, zeigten, dass dieselben hier genau so entstehen, wie andere Cystolithen, nämlich sich als ausser- ordentlich stark excentrisch entwickelte Zellhautpartien erweisen. Bei Golclfussia wächst der Cystolith aus einem winzigen, man kann sagen punktförmigen, anfangs gar nicht erkennbaren Theil der Wand hervor, 155 sein Volum tausendfältig vergrössernd, während die übrige Partie der Wand massig und gleichartig verdickt sich ausbildet und von den übrigen cjstolithenfreien Zellen desselben Gewebes sich nicht unter- scheidet. Dass dieses local ungemein gesteigerte Wachsthum der Wand unter Mitwirkung des Cytoplasmas erfolgt, soll nicht geläugnet werden, und auch die Beobachtungen Gr. Haberlandt's, nach denen der Zellkern das verstärkte Wachsthum der Wand an der Stelle, wo der Cystohth sich bildet, beeinflusst, sollen nicht in Abrede gestellt werden. Allein die der herrschenden Lehre entsprechende Ansicht, dass die Wand hierbei blos eine passive Rolle s^^iele, wird angesichts der Cystolithen- bildung höchst bedenklich, und alle Bemühungen, vom Standpunkte der Appositions- und der Intussusceptionstheorie aus die Bildung dieser exorbitanten inneren Vorsprungsbildungen der Zellhaut zu erklären, sind gescheitert Alle Schwierigkeiten, welche der Erklärung der Cystolithbildung entgegenstehen, verschwinden sofort, wenn man annimmt, dass in der wachsenden Wand lebende Substanz enthalten ist. Auch die bekannten höchst merkwürdigen, von Frings heim entdeckten, die Zelltheilungen der Oedogoniumarten begleitenden Vor- gänge der Membranbildung ') werden mit einem Schlage verständlich, wenn man in der wachsenden Haut Dermatoplasma annimmt. Zur Veranschaulichung des activen Charakters der Zellhautbildung bei Oedogoniwn sei an die hierbei stattfindenden morphologischen Ver- änderungen erinnert. In der Nähe des oberen Endes einer sich zur Theilung anschickenden Zelle bildet sich eine starke ringförmige Membranverdickung, ein Zellhautring, oder wie man gewöhnlich un- richtig sagt, ein Cellulosering.-) Wenn nun unterhalb dieses Ringes durch Querwandbildung eine neue Zelle abgeschnitten wird, reisst die Membran über dem Ringe kreisförmig ein, wodurch die Zellhaut in ein kurzes oberes Stück, die »Kappe«, und ein langes unteres Stück, die »Scheide«, getheilt wird. Nun dehnt sich der Ring rasch zu einem breiten, cylindrischen Hautstücke aus, das im Momente ^) Siehe auch die neuen, höchst interessanten Details dieses Vorganges bei N. Wille, Algol. Mitth. Pringsheim's Jahrb. Bd. XVIII (1887). -) Die Zellmembran von Oedogonium enthält in Jugendznständen Eiweiss' desgleichen der sogenannte Cellulosering. Krasser, 1. c, pag. 1-16. 156 seiner Bildung noch keinen Anscliluss an die »Kappe« hat, sich aber später mit dieser verbindet. Alle diese Vorgänge aut die Thätigkeit des Cytoplasmas zu stellen, erscheint wohl geradezu unannehmbar. Hingegen wird dieser ganze Hautbildungsprocess durch Annahme von lebender Substanz in der wachsenden Zellhaut ver- ständlich. In welcher Weise das Dermatoplasma in diesem und in analogen Fällen beim Hautwachsthum betheiligt oder als hierbei mit- wirkend zu denken ist, wird im nächsten Capitel erörtert werden. Von hoher Wichtigkeit für die Grundauffassung des Wachs- thums der Zellhaut sind die durch grosse Genauigkeit ausgezeichneten Untersuchungen Cr am er 's ^) über das Wachsthum der verticillirten Siphoneen. Vor Allem bewies der genannte Forscher das überaus starke Membranwachsthum der Mautelscheiden dieser iMgen, welches sich überall getrennt vom lebenden Cytoplasma vollzieht. Die erste Anlage der Mantelscheiden ist selbstverständlich auf Proto- plasma zurückzuführen, aber da alsbald diese Membrantheile von dem Cytoplasma getrennt sind, da ferner die Zunahme der Membran im äussersten Falle (Mantelscheiden von Neomeris Kellert Cramer) bis auf das 307fache der ursprünglichen Anlage steigt, ohne dass eine Abnahme des Lichtbrechungsvermögens der Hautsubstanz wahr- nehmbar wäre, so kann diese Volumszunahme nicht blos Folge einer Quellung oder Dehnung sein, sie muss vielmehr als Wachsthum ge- deutet werden. Es liegt auf der Hand, dass hier ein Wachsthum durch Apposition (vom Protoplasma her) vollkommen ausgeschlossen ist. Dies betont auch Cramer; er ist aber geneigt, das Wachsthum der Mantelscheiden auf Intussusception zurückzuführen, und stellt sich vor, dass die zur Wandbildung erforderlichen Baustoffe in ge- löster Form in die Haut eintreten und sich daselbst unter dem Einflüsse der Anziehungskräfte der schon vorhandenen Micellen zu neuen Micellen gestalten. Beträchtlich geringer als das Wachsthum der Mantelscheiden ist das AVachsthum der Mantelkappen der verti- ^) C. Cramer, Die verticillirten Siphoneen. Denkschriften d. Schweizerischen nntnrf. Gesellsch. Bd. XXX (1887) nnd Bd XXXII, 2 (18^0). 157 cillirteii Siplioneen; aber auch das Wach stimm dieser Membran- theile erfolgt getrennt vom lebenden Cytoplasma. Es kann, glaube ich, keinen schlagenderen Beweis für das active Wachsthum der Zellwand geben als das Wachsthum der Mantelscheiden und Mantelkappen der Siplioneen, weil bei demselben die directe Mit- wirkung des lebenden Cytoplasmas ausgeschlossen ist. Die formbildendcn Kräfte müssen hier in der Membran selbst liegen, mit anderen Worten, sie muss selbst lebende Substanz sein oder lebende Substanz enthalten. Als Gramer diese für die Beurtheilung des Membranwachsthums sehr wichtigen Entdeckungen machte, versuchte er im Anschlüsse an meine Beobachtungen über den Eiweissgehalt der Zellmembranen die Mantelkappen und Mantelscheiden der genannten Algen auf albumi- nöse Substanzen mittelst des Millon 'sehen Reagens zu prüfen. Gramer fand, dass nach der Entkalkung die Membranen verfliessen, ohne die Reaction merken zu lassen. Auch ich habe an dem von Herrn Prof Gramer mir zugesendeten Materiale nur ein negatives Resultat erhalten. Daraus kann aber mit Rücksicht auf das über die Eiweissreactionen oben Mitgetheilte noch nicht der Schluss ge- zogen werden, dass die in Rede stehenden Membranen während ihres Wachsthums kein Plasma enthalten. Es scheint mir, dass das todte, vor der Reactions vornähme erst zu entkalkende Materiale, dessen zarte Zellwände während der Behandlung mit den Reagentien fast ganz verfliessen, zu Studien über Eiweissgehalt der Zellhäute nur wenig geeignet ist. Endlich möchte ich noch auf die Vorgänge bei der Thyllen- bildung hinweisen, weil dieselben für das Leben der wachsenden Zellhaut aus mehrfachen Gründen sehr deutlich zu sprechen scheinen. Bei der Entstehung der Thyllen bildet häufig eine TüpfelschHesshaut die erste Anlage; in diesem Falle wächst diese winzige Schliesshaut zu riesio'en Dimensionen heran. Es tritt aber auch sehr häufig eine Verwachsung der sich entwickelnden Thyllen ein. Die hierbei ent- standenen Membranen der Thyllen bilden, wie Molisch') gezeigt ') Molisch, Zur Kenntniss der Thyllen. Sitzungsber. d. kcais. Akademie der Wiss. Bd. XCVII (1888), I. Abth. p. 276. 158 hat, Poren aus, welche so genau miteinander communiciren, als würden sie Zellen eines durch Theilung entstandenen Gewebes sein. Die Verbindung der ursprünglich getrennten Thyllen ist, wie man sieht, eine organische, die miteinander vereinigten Theile stehen, wie die Correspondenz der Tüpfelcanäle lehrt, in Wechselwirkung, in orga- nischem Verbände. Alle diese Verhältnisse werden sofort verständ- lich, wenn man die Haut als lebend betrachtet, und bleiben völlig in Dunkel gehüllt, wenn das Cytoplasma als das bei der Membran- bildung der Thyllen allein Wirkende angenommen wird. Die vorgeführten, auf das Wand wachs th um Bezug nehmenden Thatsachen sprechen wohl mit grosser Deut- lichkeit für ein Lebendsein der jugendlichen Zellhäute. Die herrschende Ansicht über die Structur der vegetabili- schen Zellhaut stützt sich auf die so häufig zu beobachtende Er- scheinung der Schichtung und Streifung. Die Zellhaut erscheint jmrallel zur Oberfläche geschichtet. Dieses Structurverhältniss wird als Schiel; tng bezeichnet. Die meisten Botaniker schliessen sich in Bezug auf das Zustandekommen der Schichtung der Ansicht Nägel i 's an, Avelche bereits oben (p. 31) dargelegt wurde, und betrachten die Membran als ein Schichten- system, in welchem wasserreiche Partien mit wasserarmen abwechseln. An dem factischen Vorhandensein von Schichten wird, so viel mir bekannt, von keiner Seite gezweifelt, wenngleich die Deutung ihres Zustandekommens auch nicht stets im Sinne Käo-eli's erfok't. Denn einige Botaniker betrachten die Schichten in Folge chemischer Unter- schiede als optisch difFerent, während Strasburger sie als getrennt aus dem Protoplasma sich durch Aj^position hervorbildende Lamellen betrachtet, welche sich blos an den Contactflächen optisch differen- ziren sollen. In Betreff der Streifung gehen aber in neuerer Zeit die An- sichten auseinander. Viele Botaniker betrachten auch dieses Structur- verhältniss ganz im Sinne Nägeli's, nämlich als eine die erstgenannte Schichtung in zweifacher Richtung durchschneidende Lamellenbildung, welche gleichfalls auf einer Wechsellagerung wasserreicher und wasser- 159 armer Substanz berulien soll. Aber sclion einige ältere Autoren, z. B. Crüger^), sahen in der Streifung eine factische Faserung, eine Zu- sammensetzung aus feinen, parallel angeordneten, zumeist schrauben- förmig — aber auch der Länge oder der (^Juere nach verlaufenden — Fäden oder Fasern. Diese Auffassung entspricht dem mikro- skopischen Bilde besser als die Vorstellung Nägeli's, und es schien namentlich den Histologen der zoologischen Richtung befremdlich, dass die Botaniker das Auftreten von Fasern in der oft so deutlich fibrillär gebauten vegetabilischen Zellhaut perhorresciren.^) In neuerer Zeit haben sich, im Anschlüsse an die sorgfältigen Beobachtungen DippeTs^), namentlich Strasburg er ^) und Krabbe'^) auf Grund eingehender Studien über den Verlauf der Streifen für den fibrillären Charakter der Zellhaut ausgesprochen, also die Streifung auf das Auf- treten wirklicher Fasern zurückgeführt. Meine Auffossung der Zellstructur, welche ich im Anschlüsse an meine früheren Beobachtungen (Organ, der Zellhaut) im Nach- folgenden näher begründen werde, weicht von der herrschenden Lehre und überhaupt von den Ansichten, welche in dieser Beziehung bisher geäussert wurden, wesentlich ab. Man kann nämlich die Membran als geschichtet be- trachten, man kann sie aber mit demselben Rechte als fibrillär gebaut ansehen. Sie besteht aber strenge genom- men weder aus Schichten, noch aus Fibrillen, sondern aus Hautkörperchen (Dermatosomen), die in der Regel nicht vollständig gleichartig vertheilt, aber stets in bestimmter Weise angeordnet sind, und sich dann entweder zu Fibrillen, oder zu Schichten, oder zu beiden vereinigen können. Die Xägeli'sche Theorie erfordert das jedesmalige Vorhandensein von Schichten und von zwei Streifensystemen. Thatsächlich ist oft die Schichtuno; oder eines von den Streifensvstemen oder auch beide 1) Botau. Zeitung 1855, p. 601 ff. 2) Vgl. z. B. Y. Ebner, 1. c. pag. 224. 3) Abhandl. der Senckenberg'scben Nat.-Ges. Bd. XI (1879). 4) Zellhäute, p. 49 ff. ^) Krabbe in Pringsheim's Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XYIII (1887) p. 354 ff. 160 nicht zu erweisen. Dieser factiscbe Befund stimmt besser mit meiner Auffassung der Zellhautstructur überein. Denn nach dieser können Schichtung und Streifang vollständig fehlen, es kann aber auch blos Schichtung oder blos Streifung auftreten. Die Einzelnfttlle hängen io erster Linie von der gegenseitigen Lagerung der Dermatosomen ab, können aber auch durch die Form der Dermatosomen mitbedingt sein. Zur näheren Begründung meiner Auffassung der Zellhautstructur muss ich zunächst auf ein höchst merkwürdiges, von mir zuerst für wissenschaftliche Zwecke angewandtes Verfahren hinweisen, durch welches es gelingt, in der vegetabihschen Zellmembran tiefgreifende Structurveränderungen hervorzurufen. Ich meine das von mir schon früher genau beschriebene Z er stäubung s- (oder Carbonisirungs-) Verfahren ^), welches in Folgendem besteht. Die betreffenden Fasern oder Gewebe werden in verdünnte (etwa V2- bis 2 7oig6) Salzsäure (es werden auch andere Säuren oder saure Salze mit ähnlichem Erfolge angewendet) eingelegt, durch 24 Stunden in der Flüssigkeit belassen und nach Beseitigung der adhärirenden Flüssigkeit (z. B. durch starkes Abpressen zwischen Filterpapier) auf 50 — 60** C. erhitzt. Nimmt man die Salzsäure möglichst verdünnt, und erhitzt man bei möglichst niederer Temperatur, so bleiben die vegetabilischen Fasern und Pflanzengewebe in der Färbung ganz unverändert, bei x4nwendung concentrirtcr Säure und höheren Temperaturen tritt rasch eine Bräunung oder Schwärzung ein. Die meisten vegetabilischen Gewebe zerfallen nach diesen Proce- duren in eine überaus feine, staubige Masse. Je nach der Natur des Gewebes gelingt die Zerstäubung mehr oder minder rasch und mehr oder minder vollständig. Alle Meristem- und fast alle Dauergewebe lassen sich zerstäuben; sehr leicht Bast- und Parenchymzellen, schwie- ^) Organisation der veg\ Zellhaiit p. 29 ff. Das Zerstäubung-sverfahren stimmt im Wesentlichen mit jener Fabricationsmethode überein, welche angewendet wird, um rohe oder gesponnene oder gewebte Thierwolle von vegetabilischen Verun- reinigungen zu befreien. In der Praxis heisst dieses Verfahren »Entklettung«, »tipaillnge«, auch Carbonisirung, weil die bei dieser Procedur durch vollständige Zerstäubung zerstörten Pflanzentheile häufig ein kohliges Aussehen annehmen. Die animalischen Fasern bleiben bei der Carbonisiruno- völlifr unverändert zurück. Siehe hierüber Wiesner in Dingler's Polytechn. Journal. 1876, p. 454 ff. 161 riger sind uiiverholztc dickwandige (Endosperm der Dattel und von Phytelephas) und verholzte dickwandige Gewebe (Herbstholz) zur Zerstäubung zu bringen. Die Zerstäubung gelingt hier oft erst nach monatelanger Einwirkung der Salzsäure, nachdem die Zellen aus dem Verbände getreten sind. Bei verkorkten und Pilzgeweben gelingt die Zerstäubung gar nicht. Unter Mikroskop erscheinen die zerstäubten Gewebe als eine Unmasse von Zellhautfragmenten, welche aber sonst keine Veränderung erlitten zu haben scheinen. Aber durch Einwirkung bestimmter Keagentien tritt ein tiefgehender Zerfall dieser Hautstücke ein. Zerstäubte Baumwolle bildet, unter Berücksichtigung der ange- gebenen Vorsichten gewonnen, ein überaus feines, schneeweisses Pulver. Die Zellmembranfragmente erscheinen wie querdurchschnittene Fasern. Lässt man auf diese staubige Masse concentrirte Schwefelsäure ein- w^irken, so wird jedes Fragment in feine Fibrillen zerlegt. Fügt man hingegen dieses Reagens unveränderten Baumwollenfasern zu, so tritt eine Blätter ung ein, die Faser erscheint geschichtet. Schliess- lich werden sowohl die Schichten als die Fibrillen durch die Schwefel- säure aufgelöst. — Wirkt auf unveränderte Baumwolle Kalilauge ein, 80 quellen die Fasern stark auf und die an der unveränderten Zelle hin und wieder erkennbaren Structurverhältnisse der Haut werden noch undeutlicher. Ganz anders verhält sich die zerstäubte Faser bei der gleichen Einwirkung: die Fragmente erscheinen hier und dort feinfaserig und vielfach quer durchschnitten von Flächen, welche gegen die Queraxe der Zelle unter Winkeln von 20 — 30^ geneigt sind und die wieder von Flächen geschnitten werden, welche die erstgenannten etwa senkrecht durchkreuzen. Die zerstäubte Jutefaser (Bastfaser von Corchorus cajysidarts) ist, abgesehen von der Fragmentirung, von der unveränderten nur dadurch verschieden, dass sie von zahlreichen Querlinien durch- setzt erscheint. Lässt man auf diese Faser Kalilauge einwirken, so zeigt sie eine Erscheinung, welche die unveränderte Zelle nicht zu erkennen gibt und die überhaupt bis jetzt noch an keiner Pflanzen- zelle beobachtet wurde: auf dem Objectträger mittelst Deck- Wiesner, Die Elementarstructur etc. 11 162 glas gequetscht^ zerfällt sie in au s serorden tli cli dünne Scheiben. Am Rande dieser Platten erkennt man die in Körnchen zerfallenen Mittellamellen, in der Mitte das Lumen der Zelle. Die Scheiben erscheinen undeutlich geschichtet.') Ganz anders wirkt Schwefelsäure auf die carbonisirte Faser ein; letztere zerfällt in zur Axe parallele Blätter und nur hin und wieder in feinere Fasern. Diese Beispiele zeigen vor allem Anderen neuerdings, dass die Nage li 'sehe Ansicht, derzufolge die Structuren der Zellhaut (Schich- tung und Streifung) lediglich auf einer Wechsellagerung wasserreicher und wasserarmer Substanz beruhen, nicht richtig sein kann, indem durch Mittel, welche nicht einfach als wasserentziehend oder wasser- zuführend betrachtet werden können, vielmehr bestimmte chemische Wirkungen hervorbringen, die prachtvollste Schichtung und Streifung zum Vorschein kommt. Angesichts der vorgeführten Veränderungen, welche die Fasern nach Vornahme verschiedener chemisch wirkender Proceduren erlitten haben, muss man sich wohl die Frage vorlegen: sind Schichtung und Streifung primäre Structurverhältnisse? Die wahre Structur der Zellmembran wird unserem Verständnisse näher gebracht, wenn man die zerstäubten Membranen in anderer als der früher angegebenen Weise behandelt. Lässt man auf dieselben abwechselnd Kalilauge und Salzsäure wirken, indem man nach An- wendung jedes der beiden Reagentien zuerst gut mit Wasser auswäscht, und übt man auf die Zellen sodann einen Druck aus, so zerfallen die Wände in feine Fibrillen und diese hierauf in überaus feine, rund- liche Körnchen. Diese kleinen Gebilde sind die Hautkörperchen ') Ich habe diese Querlamelliriing der Bastzelle der Jute schon in meiner Schrift »Org-anisation der Zellhaut« p. 39 besehriebe. Später hat Krabbe (Ein Beitrag zur Kenntniss der Structur und des Wachsthums vegetabilisclier Zellhäute. Pringsheim's Jahrb. f. Aviss. Botanik, Bd. 18 (1887) p. 409 ff.) an den Bastzellen der Apoeyneen eine feine Querstreifnng- beobachtet, welche er entsprechend ihrer räum- lichen Ausbildung- als Querlamellirung- bezeichnet. Er führt dieselbe auf eine Wechsel- lag-erung- von substanzreichen und substanzarmen Querschichten der Zellhaut zurück. Diese Querlamellirung ist nach Krabbe's Auffassung das Product einer nachträg- lichen Differenzirung. Offenbar ist diese Structur identisch mit jeuer, welche ich an der Jutebastzelle aufgefunden habe. 163 oder Dermatosomen, durch deren Vereinigimg die Fibrillen zu Stande kommen, und diese reihen sich in der Richtung der Oberfläche der Zelle zu dem zusammen, was man bisher immer als Schichtung be- zeichnet hat. Sie vereinigen sich in der Jutefaser zu den oben beschriebenen Querplatteu. Man kann also in der That mit dem gleichen Rechte, mit dem man die Zellhaut als geschichtet betrachtet, dieselbe auch als fibrillär gebaut ansehen. Mit dem gleichen Rechte kann man sie aber auch in gewissen Fällen als einen Stoss genau übereinander liegender Querscheiben betrachten. Aber strenge genommen besteht sie weder aus Schichten noch aus Fasern, noch, wie die carbonisirte Jutefaser annehmen liesse, ans übereinander liegenden Lamellen, sondern sie setzt sich aus eigenthümlichen Hantkörperchen zusammen, die sich nur je nach ihrer gegenseitigen Lagerung und Verbindung zu Fibrillen oder zu Schichten oder zu Lamellen vereinigen. Die Analyse der vegetabilischen Zellhaut führt somit zu einem ähnlichen Resultate, wie das Studium der quergestreiften Muskelfaser. Bezüglich der letzteren blieb es lange strittig, ob sie aus Scheiben (Bowman's discs) oder aus Fibrillen zusammengesetzt sei, bis die genauesten Untersuchnngen das Resultat ergaben, dass, je nach den Einwirkungen^ welchen die sarcous elements ausgesetzt sind, z. B. durch absoluten Alkohol, durch Essigsäure etc., diese Elemente der Muskelfasern sich zu Scheiben oder Fasern formiren. Die genannten Scheiben imd Fibrillen sind ebenso als secundäre Formbestandtheile der quergestreiften Muskelfaser zu betrachten, wie die Schichten, Streifen (Fibrillen) und Scheiben der vegetabilischen Zellhaut. Ausser dem angeführten Verfahren lassen sich die Dermatosomen noch auf andere Weise gewinnen. Am schönsten gehngt der Zerfall der Membran in Hantkörperchen durch Anwendung von Chlorwasser. Dasselbe muss oftmals erneuert werden. Nach wochenlanger Ein- wirkung gehngt die Isohrung der Dermatosomen unter Anwendung von nur sehr schwachem Drucke. Ich möchte auch noch bemerken, dass durch Einwirkung von Salzsäuredämpfen die Carbonisirung nicht 11* 164 nur vollständig gelingt, sondern auf diese Weise die Zerlegung in Dermatosomen noch besser vorbereitet wird als durch die gewöhnliche Salzsäure in den oben genannten Concentrationen. Durch Chlor lassen sich nach langer Einwirkung auch die Kork- zellwände in Dermatosomen zerlegen. Die Hyphen der Pilze setzen der Einwirkung des Chlors einen grösseren Widerstand entgegen als, meinen Erfahrungen zufolge, alle übrigen Pflanzengewebe. Bast-, Holz-, Parenchym- und Sklerenchym- gewebe sind schon vollständig der Wirkung des Chlorwassers ver- fallen, wenn die Hyphen (z. B. aus dem Fruchtkörper von Pohjpoms fomentarius) noch fast unverändert erscheinen. Kach monatelanger Einwirkung des Chlorwassers erscheinen die Hyphen gequollen, inner- halb derselben treten die Innenhäute mit ungemeiner Schärfe hervor. Mit der Zeit wird die ganze Pilzmasse gelatinös, und schliesslich bleiben nur mehr die Innenhäute zurück. W^enn man in den ver- schiedensten Zwischenstadien durch Druck oder durch die combinirte Wirkung von Druck und Reagentien Dermatosomen zu isoliren ver- sucht, so sieht man allerdings in der sich vertheilenden Masse kleine Körperchen suspendirt; die vergleichende Betrachtung lässt aber keinen Zweifel darüber aufkommen, dass diese Körperchen nichts anderes als Querstücke der Innenhäute sind. Da nun die Pilzzellwände (von Polyporus und Daedalea) nach dreiwöchentlicher Behandlung mit Chlor- wasser durch später folgende Einwirkung von Chlor oder Salzsäure sehr deutlich geschichtet erscheinen, die Schichtung aber auf An- wesenheit von Dermatosomen schliessen lässt, und da überhaupt anzunehmen ist, dass die Membran der Pilzzelle nicht anders als die der übrigen Pflanzenzellen gebaut ist, so wird man zu der Ansicht gedrängt, dass die Pilzzellhaut wohl auch aus Dermatosomen besteht, ilass sich aber dieselben wegen ihrer ausserordentlichen Kleinheit der directen Beobachtung entziehen. ^) ^) Das Verhalten der Pilzzellliaut, nach Chlorirung- und späterer Einwirkung- von Clnom- oder Salzsäure geschichtet zu erscheinen, im Zusammenhalte mit der Tliatsache, dass die Dermatosomen dieser Zellhäute nicht sichtbar zu machen sind, lässt wohl nur die Deutung- zu, dass einzelne Schichtencomplexe der Zellhaut von den benachbarten im chemischen Vei halten differiren. 165 Am schönsten gelingt die Zerlegung der Zellhaut in Derma- tosomen, wenn man regelrecht zerstäubte Baumwolle durch 14 Tage mit Chlorwasser beliandelt. Die Faserfragmente derartig vorbereiteter Baumwolle unterscheiden sich im Aussehen gar nicht von unver- cändertem und von blos zerstäubtem Materiale. Wenn man nun auf die vorbehandelte und in Wasser präparirte Masse einen ganz leisen Druck ausübt^ so erscheint jedes Fragment in der mannigfaltigsten Weise zerklüftet. Durch Wiederholung dieses Verfahrens wird die Faser zuerst in ein Haufwerk von Fasern verwandelt und schliesslich in Dermatosomen aufgelöst. Da man bekanntlich nur durch sehr starke mechanische Angriffe die unveränderte Baumwollenfaser zu verletzen im Stande ist, so ist zu ersehen, welcher tiefe Eingriff in die Structur durch das mitgetheilte Verfahren erfolgt. Ehe ich den Versuch unternehme, die Gruppirung und Ver- bindung der Dermatosomen in der Zellhaut zu erörtern, dürfte es sich empfehlen, die Entstehung der Zellhaut zu verfolgen. Dass die Membranbildung vom Protoplasma ausgeht, hält man für etAvas Selbstverständliches. Diese Entstehungsweise tritt uns in vielen Fällen unmittelbar entgegen, am anschaulichsten wohl bei der Behäutung von Primordialzellen und bei der Karyokynese solcher Zellen, welche sich mit Häuten umkleiden. Betrachtet man aber die Sprossung der Hefe, so erscheint uns bei unbefangenster Beurtheilung ein Stück der Haut der Mutterzelle als Anlage der Haut der Tochter- zelle. 0 Dass bei der Behäutung von Primordialzellen die Substanz des Protoplasmas in die Membranbildung eintritt, ist etwas Selbstverständ- liches, ob aber die Haut von dem Protoplasma ausgeschieden wird, wie H. V. Mo hl lehrte, oder ob das Protoplasma sich direct in die Haut umsetzt, wie Frings he im zuerst angegeben hat, ist eine noch immer controverse Sache. Die alte Lehre von der Cellulosehaut ist mit diesen beiden Anschauungen zu vereinbaren; denn im ersten Falle kann man sich ^) Wiesner, Organisation der vegetab. Zellhaut. 1. c. p. 46 ff. 166 vorstellen, dass ein mit der Cellulose isomeres Kolilenhydrat ausserhalb des Protoplasmas angesammelt und liier in Cellulose umgewandelt wird, im letzteren Falle kann man hingegen annehmen, dass die Cellulose von den Eiweisskörpern des Protoplasmas abgespalten wird oder überhaupt durch eine chemische Umsetzung aus diesen Sub- stanzen hervorgeht. Ganz anders gestaltet sich aber die genetische Beziehung zwischen Protoplasma und Membran, wenn man beachtet, dass die Haut ein lebendes Gebilde ist, welches Protoplasma und somit auch Eiweiss- kürper enthält. Xunmehr wird es klar, dass die Ausscheidungstheorie unhaltbar ist und dass man gezwungen ist, der Pringsheim'schen Idee zu folgen, welche die directe Umbildung des Protoplasmas in Haut ausspricht. Nunmehr stehen aber die bei der Sprossung der Hefe stattfindende Zellhautbildung und analoge Fälle jenen Formen der Membranentstehung, wo die Anlage der Haut sichtlich aus dem Protoplasma erfolgt, nicht mehr so schroff gegenüber. Denn wenn die Haut Protoplasma führt, so ist sie als solche zum AVachsthum befähigt. Man wird sich die — wie ich glaube — ganz naturgemässe Vor- stellung bilden können, dass sich die aus einem Membranstück be- tehende Anlage einer Hefezelle durch den Besitz von Protoplasmas (Dermatoplasma) schon in jenem Zustande befindet, in welchem eine aus dem Protoplasma sich differenzirende Membran erst später gelangt, nachdem sich das ursprüngliche Plasma der Primordialzelle in der Peripherie in todte Hautsubstanz (Cellulose etc.) und Hautplasma gesondert hat. Directe Beweise dafür, dass die erste Wandanlage sowohl bei der mit Karvokinese verbundenen Gewebebilduns: als bei der Weiter- entwicklung von Primordinlzellen einen durchaus protoplasmatischen Charakter an sich trägt, sind zuerst von Schmitz') und sodann von Strasburger-) erbracht worden. Kamentlich Strasburger hat sich mit diesem Gegenstande eingehend beschäftigt. Er fand, dass an den *) Sitzungsber. der niederrhein. Gesellsch. für Natur- und Heilkunde. I^onn. (). Dec. 1880. ~) Ueber Bau und Waclisthum der Zellhäute. Jena lb82. I 167 Grenzen der Primordialzellen (z. B. im Embryosacke von Agrimonia Eurpatoria) die Anlage der Wand aus kleinen protoplasmatischen Körnchen bestehe, und dass ein Grleiches auch nach der Kerntheilung in Zellen stattfinde, welche durch gewöhnliche Theilung sich fort- pflanzen. Strasburger hielt diese Körnchen anfänglich für Kohlen- hydrate (Stärke, Cellulose), überzeugte sich aber später von ihrem protoplasmatischen Charakter durch Tinctionen und Eiweissreactionen. Diese Körnchen sind häufig, in Reihen geordnet, zu Fäden ver- bunden, und es kann nach diesem Befunde nicht zweifelhaft sein, das in den Fällen, welche wir hier im Auge haben, die Anlage der Zellhaut eine plasmatische ist. Es ist eine durchaus gerechtfertigte Annahme, der protoplasmatisclien Hautanlage jene Structur zuzusprechen, welche dem Protoplasma überhaupt zukommt, also vor Allem eine Zusammen- setzung aus Piasomen. Die die Hautanlage bildenden Plasmakörnchen verschwinden häufig. Da nun in den Zellhäuten später Dermatosomen auftreten, welche ja nicht spontan entstehen, sondern aus Piasomen hervor- gehen, so betrachte ich die genannten Plasmakörnchen als Piasomen (oder Plasomgruppen), welche bei ihrer Theilung zu verschwinden scheinen, nämlich wegen ihrer ausserordentlichen Kleinheit selbst bis den stärksten Vergrösserungen nicht mehr wahrzunehmen sind, aber nach dem Aufhören der Theilung heranwachsen und als Dermato- somen wieder in Erscheinung treten. Auch während der Weiterentwicklung der Zellhaut treten in manchen Fällen bestimmt angeordnete Protoplasmakörnchen auf die nach meiner Auffassung mit den Dermatosomen in genetischem Zusammenhange stehen. So z. B. bei der Entwicklung der Trache'iden im Holze der Coniferen, wo diese Plasmakörnchen die Lage der späteren »Streifen« der Zellhaut einnehmen.^) Ein besonders klarer Fall der Umbildung von Plasmasubstanz in Zellhaut ist in jüngster Zeit an den Wurzelhaaren (Rhizo'iden) von 1) Strasburger, Zellhäute, p. 51. Daselbst auch zahlreiche einschlägige Beobachtungen von C rüg er, Hofmeister, Dippel und Schmitz. 168 Cham foetida durch Zacharias^) bekannt geworden. An den Spitzen der genannten Rliizoiden treten eigenthümliche, relativ starke, oft ganz iinregelmässige Verdickungen der Zellhaut auf, deren Hervor- gehen aus kleinen, dem Protoplasma an gehörigen Körnchen nach den Angaben des genannten Forschers keinem Zweifel unterliegt. Diese Plasmakörnchen erscheinen in unmittelbarer Nähe der Membran. Ihre Zahl nimmt beträchtlich zu (wie wohl anzunehmen ist in Folge von Theilung) und nunmehr erfolgt an der Innengrenze der Zellhaut ein Ansatz von Körnchen, welche sich in Stäbchen umwandeln, die bei der weiteren Entwicklung der Verdickungsmasse gegen die äusseren Hautschichten zu undeutlicher werden. Zacharias lässt es unentschiedeUj ob diese Körperchen plasma- tische Substanz sind; da aber aus diesen Körnchen sich später Stäbchen hervorentwickeln, sie also die Anlagen dieser Gebilde darstellen, so ist an deren plasmatischem Charakter kaum zu zweifeln. Kach der Darstellung des genannten Autors nimmt an dem Aufbaue der Zell- hautverdickung jedenfalls plasmatische Substanz Antheil, denn der Autor sagt ausdrücklich, dass man zwischen den Stäbchen in gewissen Entwicklungsstadien der Zellhaut Plasmafortsätze erkenne.-) Aus den von Zacharias angestellten Beobachtungen lässt sich wenigstens für gewisse Fälle ein netzartiger Bau der Zellhaut ab- eiten. Aus den eben erwähnten Körnchen bilden sich nämlich ent- weder Stäbchen hervor, welche senkrecht zur Oberfläche der Zelle gestellt sind, oder es entstehen aus den Körnchen feine Fäden, welche netzartig verbunden sind. Sowohl die parallel angeordneten als die netzartig verbundenen Stäbchen sind anfangs durch feine Protoplasma- fortsätze geschieden, später liegen sie in einer homogenen Grund- substanz, mit der sie mehr oder minder vollständig verschmelzen. Regel ist wohl, dass die innersten (jüngsten) Partien der Stäbchen noch deutlich unterscheidbar sind, während die äusseren in der homo- genen Grundmasse verschwinden. Es kann aber auch eine mittlere *) lieber Entstelmno^ und Wachstimm der Zellhaut. Pringsheim's Jahrb. für wiss. Botanik. Bd. XX (1889). '-) 1. c. pao-. 123. 169 Partie der Zellhaut körnig oder aus Stäbchen zusammengesetzt er- scheinen, während die darüber und darunter liegenden Schichten der Zellhaut den Eindruck vollständiger Homogenität hervorrufen. Die von Zacharias ausgeführten Untersuchungen lehren also zunächst, dass in gewissen Fällen ein Stäbchen- beziehungsweise netz- förmiger Bau der Haut nachweisbar ist, sodann, dass geformte Theile des Protoplasmas in die Hautbildung eintreten, endlich, dass in jungen Entwicklungsstadien innerhalb der Haut Protoplasma vorkommt, welches mit dem benachbarte Zellen verbindenden Symplasma nicht identisch ist, aber gleich diesem eine Form des Hautplasmas (Dermato- plasma) repräsentirt. Ein anderer Fall des netzförmigen Baues der Zellhaut ist von Klebs^) entdeckt worden. Er fand, dass die äusseren Membran- schichten der Zygnemen, die er wegen ihres gelatinösen Charakters als Gallertscheiden bezeichnete, eine eigenthümliche Structur be- sitzen. In einer homogenen Grundmasse erscheinen feine Stäbchen eingebettet, welche, in bestimmter Weise orientirt, entweder unter- einander nahezu parallel angeordnet sind und auf der Oberfläche der Membranen senkrecht stehen, oder sich untereinander in netzartiger Ver- bindung befinden. Diese linearen Elemente sind von der Grundsubstanz nicht nur durch ihre Dichte, sondern auch durch grössere Anziehung für Farbstoffe und andere Körper unterschieden. Nach den ein- gehenden Untersuchungen des genannten Forschers ist nicht daran zu zweifeln, dass die Structureigenthümlichkeiten der Gallertscheiden der Ausdruck einer bestimmten Organisation und nicht das Product der einwirkenden Reagentien sind. Sehr interessante Beobachtungen über die Zusammensetzung der Zellhäute von Derhesla und anderen Algen hat Noll-) angestellt. ■) G. Klebs, Ueber die Organisation der Gallerte bei einigen Algen und Fiagellaten. Untersuchungen aus dem botan. Institute zu Tübingen, herausgegeben von Pfeffer, Bd. II (1886-88) p. 333 ff. -) F. Noll, Experimentelle Untersuchungen über das Wachsthum der Zell- membran. Abhandlungen der Senckenbergischen naturforsch. Gesellschaft. Bd. XV (1890), p. 101 ff. 170 Er fand, dass diese Zellliäute nach Behandlung mit Schwefelsäure nicht einfach in diesem Keagens verfiiessen, sondern in eine fein- körnige Masse zerfallen, welche eine grosse Aehnlichkeit im Aussehen mit dem von den betreffenden Membranen umschlossenen Cytoplasma zu erkennen gibt, sich von demselben aber dadurch unterscheidet, dass die Membransubstanztheile nicht regellos neben- einander liegen, sondern reihen- und schichtenweise an- geordnet erscheinen. Noll findet eine Aehnlichkeit des mikro- skopischen Bildes der zerfallenden Derbes ia-MemhYanen mit jenem, welches die »Wiesner'schenDermatosomen« nach dem Carbonisirungs- verfahren zeigen. ^) Hält man die angeführten, von Zacharias, Klebs und Xoll angestellten Beobachtungen über den feinen Bau der vegetabihschen Zellhaut der herrschenden Lehre und den von mir eingeführten An* schauungen über Bau und Chemismus der Membran gegenüber, so wird man wohl zugeben, dass die genannten Wahrnehmungen mit meinen Ansichten besser übereinstimmen, als mit den heute fast noch allgemein geltenden, und namentlich decken sich NolTs Angaben mit den meinen nahezu vollständig, da dieser Forscher auf Grund seiner Beobachtungen nicht nur das Auftreten von Protoplasma in der Wand und deren Zusammensetzung aus körnigen Gebilden annimmt, sondern auch einräumt, dass das Wachsthum der Wand von deren Proto- plasma ausgeht.-) ^) Während des Druckes machte mich Herr Professor Mikosch mit einigen höchst interessanten Beobachtungen über den feineren Bau der Bastzellen von Apo- cynum Venetum bekannt, ^vel('he mit meiner Auffassung des Baues der vegetabili- schen Zellmembran vollständig harmoniren, nacb der herrschenden Lehre aber nicht verständlich zu machen sind. Die äusseren Wandpartien dieser Bartzellen scheinen den normalen Schichten- bau zu haben, die inneren hingegen erscheinen aus feinen radial angeordneten Stäbchen zusammengesetzt. Auf Zusatz von Kupferoxyd-Ammoniak treten diese Stäb- chen anfänglich mit grösserer Schärfe hervor, zerfallen aber spster in einfache Reihen ungemein scharf hervortretender Körnchen. Durch Behandlung mit Schwefel- säure zerfällt die ganze Zellhaut vollständig in feine, reihenweise angeordnete Körnchen. Die mit den genannten Reagentien behandelten Bastfasern von Apocynum Venetum gehören zu den schönsten Dermatosomen-Präparaten, die ich gesehen habe. -) 1. c. p. 141. bemerkt der Autor, dass bei der Bildung der »Celluloselamelle« ein Intussusceptionsvorgang thätig sei, der im Protoplasma seinen Sitz hat, nicht 171 Es entsteht nun die Frage, in welcher Weise die Dermatosomen untereinander in Verbindung stehen. Durch directe Beobachtung ist diese Frage nicht zu beantworten. Dennoch hisst sich zeigen, dass ■die Dermatosomen nicht, wie dies Nägeli bezüglich der Micelle voraussetzt, durch gegenseitige Anziehung aneinander haften, viel- mehr bestimmte Substanzen die Vereinigung vermitteln müssen. Es lassen sich nämlich die Bindungen der Dermatosomen lösen, und zwar theils auf mechanische, theils auf chemische Weise. Kocht man eine Kartoffel, so zerftillt das Grundgewebe glatt in seine Elemente; kocht man hingegen einen dünnen, durch die Kartoff"el geführten Schnitt, so lösen sich die Zellmembranen nicht aus dem gegenseitigen Verbände. Aus diesen beiden Ver- suchen ist zu ersehen, dass die Aufhebung des Verbandes der Zellen beim Kochen der Kartoffel in Wasser nicht durch Auflösung erfolgt. Dieselbe wird vielmehr durch den radialen Druck bewirkt, den die innerhalb der Zellhäute quellenden Stärkekörner ausüben; •die Zellhäute werden gedehnt und gehen dort aus dem Verbände, wo die Cohäsion am geringsten ist, d. i. in der Mitte der Mittellamelle. An dieser Stelle sind offenbar die Dermatosomen am schwächsten gebunden. Behandelt man ein Stück Holz mit Chromsäure, so zer- fällt es in seine zelligen Elemente; noch rascher geschieht dies, wenn man einen dünnen Schnitt nimmt, woraus sich ergibt, dass die Chrom- säure die Bindung der Dermatosomen an den Zellgrenzen durch Auf- lösung herbeiführt. AVenn man das Gewebe des Hollundermarks oder des Flaschenkorks mit Chlorwasser behandelt, so werden sie gebräunt und später entfärbt, lösen sich aber nicht aus dem gegenseitigen Verbände. Fügt man in diesem Stadium der Einwirkung des Chlor- w^assers Kalilauge zu dem Gewebe, so zerfällt es augenblicklich in seine zelhgen Bestandtbeile. Durch die chemischen Einwirkungen des Chlors und des Kali werden die Bindungen gelöst, welche die Dermatosomen benachbarter Zellen miteinander vereinigten. Man kann bekanntlich schliesslich fast alle Gewebe durch bestimmte aber in einer festen und todten Zellenmembran, wie es die Ncägeli'sche Intus- «usceptionstheorie lehrte. 172 Proceduren in ihre Zellen zerlegen. Wie aus den angeführten Bei- spielen erhellt, ist diese Loslosung der Zellen entweder ein mechanischer oder ein chemischer Vorgang. Da bei diesen Proceduren die Zellen sich trennen, ihre Membranen aber noch ihren inneren Zusammen- hang bewahren, so ist zu ersehen, dass die Dermatosomen an den Zellgrenzen lockerer gebunden sein müssen als inner- halb der Zellhaut. Aber auch innerhalb einer Zellhaut ist die Bindung der Der- matosomen eine verschiedene. Indem man beispielsweise eine Membran in »Schichten« zerlegt, wofür oben Beispiele angeführt wurden, sind jene Bindungen der Dermatosomen gelöst worden, durch welche die »Schichten« untereinander gebunden sind. Es wurde früher gezeigt, dass Zellhäute durch gewisse Mittel in »Schichten«, durch andere in Fibrillen zerlegt werden können. Daraus ergibt sich, dass die Dermatosomen innerhalb einer Zellbaut in verschiedener Weise gebunden sind. Das schliessliche Zerfallen einer Zellhaut in Dermatosomen ist ja im Grunde genommen nichts Anderes als eine Aufhebung aller Bindungen der Hautkörperchen einer Membran. Wenn nach erfolgtem Carbonisiren und daran sich reihender Einwirkung von Kalilauge und Druck eine Jutefaser in Scheiben zerlegt wird, so ist dies nur zu erklären durch die Aufhebung jener Bindungen, welche die Scheiben miteinander vereinigen. Innerhalb der Scheiben bleiben aber die Dermatosomen fest vereinigt. Lässt man auf die carbonisirte Jutefaser abwechselnd Salzsäure und Kali einwirken, so gelingt es, wenn man noch durch Druck nachhilft, einen Zerfall der Zellhaut in Dermatosomen herbeizuführen. Es sind hiebei durch die Salzsäure andere Bindungen gelöst worden, als durch das Kali. Freilich gelingt es hier durch lange anwährende Einwirkung von Chlorwasser, die Haut der Jutezelle in Dermatosomen zu zer- legen; dies beweist aber nicht, dass alle Bindungen gleichartig seien,, sondern lehrt nur, dass die Substanzen, welche die Dermatosomen miteinander vereinigen, schliesslich durch Chlor zerstört werden. Wie hat mau sich die Bindungen der Dermatosomen innerhalb der Zellhaut vorzustellen? Da mit der fortschreitenden Zerlegung 173 •der Zellhaut in Dermatosomen der relative Gehalt an Cellulose zu- nimmt und in den freigewordenen Dermatosomen neben Cellulose keine andere Substanz sich nachweisen lässt, so muss angenommen w^erden, dass jene Substanzen, welche in der Zellhaut als »Nicht- cellulose« auftreten, hauptsächlich zwischen den Hautkörperchen ge- legen sind und mithin die Bindesubstanz repräsentiren. Da die Haut aus Protoplasma sich herausbildet, diese aber sich nur partiell in Cellulose umsetzt, so sind es entweder Koste der Eiweisskürper oder Abkömmlinge dieser, welche als Bindesubstanzen auftreten. Da diese Körper, abgesehen von ihren sonstigen Eigenschaften, in der Licht- brechung von der Cellulose in der Regel verschieden sein werden, so erklärt sich der geschichtete und fibrilläre Charakter der meisten Zellhäute, der ja nur dadurch zu Stande kommen kann, dass schichten- oder streifenweise Substanzen verschiedener Lichtbrechung mit- einander abwechseln. Je nach der Orientirung der Bindesubstanzen werden die Dermatosomen mehr oder minder deutlich zu Fibrillen, beziehungsweise zu Schichten und Scheiben vereinigt erscheinen. Bei Terschwindender Kleinheit der Bindesubstauzen nimmt die Membran einen homogenen Charakter an. Die häufig schon direct erkennbare Gliederung einer vege- tabilischen Zeilhaut in Aussenhaut (bei im Gewebeverbande befind- lichen Zellen in gemeinsame Aussenhaut, gewöhnlich »Mittel- lamelle« genannt), Verdickungsschichten und Innenhaut hat theils in der chemischen Beschaffenheit dieser Hauttheile, theils in der je- weiligen Verbindungsweise der Dermatosomen ihren Grund. Die lunenhaut ist jene Schichte, in Avelcher sich gewöhnlich das Proto- plasma am längsten und reichlichsten erhält. Bezüglich der gemein- samen Aussenhaut möchte ich nur folgende Bemerkung hier ein- schalten. Man betrachtet dieselbe gewöhnlich als homogen und sagt, die Mittellamelle ist einfach. Ich habe aber schon vor längerer Zeit den Beweis geliefert, dass sie doppelt ist, nämlich jeder der beiden Zellen, zwischen welchen sie gelegen erscheint, je eine Hälfte an- gehört, welche an ihren Berührungsflächen relativ locker gebunden sind. Es geht dies ja auch aus dem oben (p. 171) mitgetheilten 174 Versuch über die Zerlegung des Kartoffelparenchyms durch kochendes. Wasser hervor, wo je eine Hälfte der sogenannten Mittellamelle, mit der Haut der zugehörigen Zelle verbunden, glatt aus dem Verbände geht. Später hat Krabbe') bei Auffindung des »gleitenden Wachs- thums« die Richtigkeit meiner Angabe von einer ganz neuen Seite kennen gelernt. Er fand, dass während des Wachsens von Organen die zusammensetzenden Zellen eine gegenseitige Verschiebung er- fahren, welche ohne jede Verletzung vor sich geht. Die Aussenhäute benachbarter Zellen trennen sich also zeitweise voneinander. Wenn aber die Verschiebung der Zellen aufgehört hat, leben die Zellen weiter. Es ist eine neue organische Vereinigung der Zellen ein- getreten, die aber nicht anders zu denken ist, als dass die lebende Substanz der Zellhäute, das Dermatoplasma, der benachbarten Zellen sich wieder in normaler Weise vereinigt hat.-) Die Geschichte der Histologie weist darauf hin, dass wir im Protoplasma die feinste, also die unter allen Antheilen der Zelle am schwierigsten zu entziffernde Elementarstructur vermuthen dürfen. Schichtung, Streifung und andere feine Structurverhältnisse der Zell- haut waren bekannt, als man den Kern und das Protoplasma noch für structurlos hielt oder doch als structurlos erscheinend bezeichnete. Aber während die karyokinetischen Studien greifbare Kernstructuren ofFenbarteUj liegen über die Structuren des Protoplasmas (Cjtoplasma) nur unvollkommene, zum grossen Theile widersprechend gedeutete Beobachtungen vor. Früher unterschied man sowohl in der thierischen als pflanz- lichen Histologie homogenes und körniges Plasma und stellte sich vor, dass das crstere eine homogene Flüssigkeit, das letztere ein mit Körnchen oder Tröpfchen untermischter Schleim sei. Es wird wohl auch heute noch, namentlich von Botanikern, häufig von Körnerplasma (Polioplasma Nägeli's) und von hyalinem ') Krcabbe, Das gleitende Waclistlium bei der Gewebebildimg- der Gefäs"^- pHanzen. Berlin, 18S0. -) Vgl. oben pag. 153 — 155. 175 Plasma (Hyaloplasma Pfeffer' s) gesprochen. Man drückt aber damit ein anerkannt rein äiisserliches, morphologisches Verhältniss aus, denn man Aveiss, dass das hyaline Plasma kein homogenes Gebilde sei; auch behauptet man nicht, dass das körnige Aussehen stets der wahren Structur des Polioplasma entspreche. In vielen Fällen ist die Feinkörnigkeit sicherlich nicht der Aus- druck der Structur. Es lässt sich nämhch häufig nachweisen, dass das Körnigsein hervorgerufen wird durch in das Plasma eingestreute oder in demselben entstandene Vacuolen, Fetttröpfchen, feine Stärke- körnchen, feinsten Krystallsand etc. In anderen Fällen haben die Körnchen einen entschiedenen plasmatischen Charakter. Wenn dies der Fall ist, wenn diese Körnchen durch ihr Tinctionsvermögen, durch ihre Eiweissreactionen, namentlich aber durch ihre Vermehrungs- fähigkeit (Theilungsvermögen) sich als kleine, individualisirte Plasma- gebilde zu erkennen geben, so bleibt es doch immer noch fraglich, ob dieselben Piasomen sind oder ob sie als Plasomgruppen zu be- trachten sind. In jenen Fällen, in welchen diese Körnchen von un- messbarer Grösse zu deutlich unterscheidbaren Gebilden heranwachsen, welche in dem Maasse, als sie grösser werden, ihr Theilungsvermögen einbüssen, ist anzunehmen, dass sie Piasomen sind und in jenen Zu- stand übergehen, in welchem sie allerdings deutlich erkennbar ge- worden sind, aber ihre Function als Theilkörper ganz oder nahezu verloren haben. Das pflanzliche Protoplasma unterscheidet sich von dem thierischen, wie häufig angegeben wird, dadurch, dass es mehr oder minder grosse, mit wässerigem Zellsaft gefüllte Räume bildet, welche in der Thier- zelle kein Analogon haben. Es scheint nicht berechtigt, die Inter- filarmasse ^) des thierischen Protoplasmas mit dem Zellsaft der Pflanzen- zelle zu identificiren, denn das Analogon der Interfllarmasse ist in der Pflanzenzefle leicht nachweisbar. Es ist jene protoplasma tische Zwischenmasse, welche zwischen den dichteren und tinctionsfähigeren Partien des Protoplasmas liegt, das, wie wir alsbald sehen werden, ^) Flemming-, 1. c. p. 79. 176 auch in der Pflanzenzelle in Form von Fäden, Körnchen ii. dgh an- zutreffen ist. Was wir also als Protoplasma (Cytoplasma) bezeichnen, ist in Bezug auf die Pflanzen zelle der Zellinhalt nach Abzug des Zellsaftes. Sehr häufig gliedert sich das Protoplasma der Pflanzenzelle in eine äussere hyaline und eine innere körnige Partie* es kann aber auch das ganze Plasma hyalin oder körnig erscheinen. Das homogen erscheinende Plasma der Pflanzenzelle lässt häufig nach bestimmten Vorbehandlungen Structuren erkennen. Das Proto- plasma in den Cotyledonen (der ruhenden Samen) von Sylibum marianum und von Helianthus annuiis erscheint homogen, wenn die Schnitte zu dem Zwecke in Oel eingelegt werden, um sowohl das Aleuron intact zu erhalten, als die Emulgirung des Fettes zu ver- hindern. Behandelt man aber, wie dies von Pfeffer^) zuerst ge- schehen, die Schnitte mit verdünnter Kalilauge und dann mit Salz- säure, so erscheint das Protoplasma feinkörnig. In beiden Fällen tritt es uns im mikroskopischen Querschnittsbilde als Ketz entgegen. Inner- halb der Netzmaschen liegen in der intacten Zelle die Aleuronkörner. Legt man die durch die Cotyledonen von Heliantlius geführten Schnitte in Eisessig ein, so verwandelt sich das früher homogen erschienene Netz in ein denselben Umriss bewahrendes, aber aus feinen Körnchen bestehendes Gebilde. Dasselbe umhüllt in seinen einzelnen Maschen gleichfalls je ein Aleuronkorn und bildet, wie Mi ko seh "2) nach- gewiesen hat^ das lebende Materiale, aus welchem bei der Keimung die Chlorophyllkörner hervorgehen. Inwieweit die Körnchen des Netzes als Piasomen gedeutet werden können, ist schon früher an- gegeben worden. Noch in vielen anderen Fällen lässt sich ein netzartiges, aus feinen Plasmakörnchen bestehendes Protoplasma in Pflanzenzellen nach bestimmten Proceduren nachweisen. Ein sehr schönes Beispiel bilden die das Endosperm von Zea Mays zusammensetzenden Zellen. Jedes 1) Pring-sheim's Jahrb. für wiss. Bot. Bd. VIII (1872), Tafel 38, Fig. 2. ~) Ueber die Entstehung der Chlorophyllkörner. Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wiss. Bd. 92 (1885). 177 Stärkekorn ist von einer zarten^, aus feinen, tinctionsfähigen Plasma- körncben bestehenden Hülle umkleidet, welche aber in den in Wasser präparirten Objecten nicht sehr deutlich hervortritt. Behandelt man aber den Schnitt mit Kalilauge, wobei die Stärkekürnchen gelöst werden und die Plasmakörnchen durch Quellung sich beträchtlich vergrössern, so tritt im optischen Durchschnitt das aus feinkörnigen Elementen bestehende Netz mit grosser Deutlichkeit hervor.^) Viele Protoplasmen erscheinen netzartig gefügt, allein die Netz- fäden bestehen nicht, wie in den angegebenen Fällen, aus Körnchen, sondern treten uns als homogene Gebilde entgegen. Aber es sind dies Grenzfälle, welche mit den früher angeführten durch alle möglichen Zwischenstufen yerbunden sind."-} Dass die Fibrillen aus Körnchen bestehen, kann in einzelnen Fällen nicht zweifelhaft sein; allein zu- meist lässt sich durch die Beobachtung nicht entscheiden, ob die Fäden noch feiner zusammengesetzt sind. Es ist vielfach in neuerer Zeit der Versuch gemacht worden, eine einheitliche Structur im Protoplasma nachzuweisen. Die Einen behaupten, im Protoplasma sei ein im optischen Durchschnitt als Netz erscheinendes Gerüstwerk (»Netzwerk«) vorhanden (Heitzmann, Fromm an n), nach Anderen kommen im Protoplasma stets Fäden vor, die, allerdings vielfach verschlungen, aber nicht »netzförmig« verbunden sind, vielmehr ein sogenanntes »Fadenwerk« bilden (Flem- ming), und wieder Andere meinen, dass das Protoplasma stets einen »wabenartigen« Bau besitze (Bütschli). Dass das Protoplasma der Pflaazenzellen in einzelnen Fällen netzförmig gefügt ist, kann, wie schon angeführt, nicht bezweifelt werden. Die früher mitgetheilte Anordnung des Protoplasmas in den Endospermzellen des Mais darf man wohl als eine »wabenartige« be- zeichnen. Ueber das Auftreten von »Fadenwerken« verdanken wir Flemming zuverlässliche Angaben. ^) Ich habe dieses Protoplasmanetz in meiner »Anatomie iind Physiologie der Pflanzen (3. Aufl., 1890, p. 22) abg-ebildet. 2) Zahlreiche Beispiele hiefür sind in Frommann's Abhandlung-: »Beobach- tungen über Structur und Bewegungserscheinungen des Protoplasma der Pflanzeu- zellen« (Jena, 1880) zu finden. Wiesner, Die Elementardtructur etc. 12 178 Wie der letztgenannte Forscher/) so halte auch ich die Proto- plasmastructuren nicht für etwas in allen Zellen Gleichartiges. Es ist nunmehr durch die Beobachtung erwiesen, dass diese Structuren in verschiedenen Zellen sehr verschiedenartig sind. Nach Flemming's Ansicht können vielleicht in einer und derselben Zelle an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten verschiedene Structuren auftreten. Diese Auffassung ist umso berechtigter, als durch die bekannten Be- obachtungen von Frommann und Strasburger ein mehr oder minder rasches Fluctuiren der Netz- oder Fadenwerke in verschiedenen Pflanzenzellen beobachtet wairde. Also in den vorgeführten »Structuren« ist ein einheitlicher Charakter durch die Beobachtung nicht zu constatiren. Dass ein solcher gesucht wird, ist w^ohl begreiflich, denn von einem Gebilde, welches, wie das Protoplasma im lebenden Organismus, so allgemein verbreitet ist, dass es den integrirenden Bestandtheil der Zelle bildet, lässt sich annnehmen, dass es, w^enn es auch im Einzelnen die mannig- faltigsten Besonderheiten darbietet, doch — wenn ich mich so aus- drücken darf — nach Einem Plane gebaut ist, also in den morpho- logischen Grundeigenthümlichkeiten Uebereinstimmung zeigt, wie wir ja selbst in der Zellhaut einen einheitlichen Bau lange kennen und wie ein solcher auch bezüglich des Kernes nachgewiesen wurde. Jedenfalls liegt das Uebereinstimmende im organischen Baue des Protoplasmas tiefer als bisher angenommen wurde. Ich sehe die Ein- heit im Baue des Protoplasmas in dessen Zusammensetzung aus Piasomen. Ich nehme an, w^ie immer auch das Protoplasma im in- tacten Zustande oder nach Härtung und Färbung uns entgegentreten mag, ob es homogen erscheint oder körnig, netzförmig, wabenartig etc., dass dasselbe stets aus Piasomen aufgebaut ist und dass erst durch die Anordnung und Verbindung der Piasomen die sogenannten Proto- plasma-Structuren zustande kommen. Die Gründe, welche mich zu dieser Aufstellung bestimmen, sind schon im vorigen Capitel dar- gelegt worden. — ') 1. c. p. 65. 179 Ich will nunmehr versuchen, die Zusammensetzung des Proto- plasma-Körpers mit den eben berührten^ so häufig auftretenden gröberen Structuren desselben in Einklang zu bringen. Es ist von Schmitz ^) zuerst darauf hingewiesen worden, dass in ganz jungen Zellen mancher Pflanzen der Bau des Protoplasmas ein vorherrschend körniger und später erst ein fibrillärer ist. Seine an den Zellen von 8a])rolegn{a und Bryopsis angestellten Beobachtungen weisen in den jüngsten Zellen, namentlich in der Peripherie des Cytoplasmas, eine feine Punctirung nach, während gegen das Innere der Zellen zu die lebende Substanz einen mehr gerüstartigen Bau zu erkennen gibt. Die Fasern dieses Gerüstes sind aus feinen Körnchen zusammen- gesetzt. In den älteren Zellen ist die Zusammensetzung des Gerüstes aus Körnchen nicht mehr unterscheidbar, auch nicht nach Anwendung der entsprechenden Tinctionsmethoden. Diese Gerüstmasse ist in eine Flüssigkeit eingebettet, welche Schmitz vom Zellsaft unterscheidet und die offenbar der Flemm in g' sehen Interfilarmasse der Thier- zellen entspricht. In der protoplasmatischen Grundsubstanz der Zellen von VaucJieria^ BryojJsis und Saprolegnia fand Berthold-) feine glänzende Fäden von zum Theile torulösem Charakter. Diese Fäden haben die Fähigkeit, gelegentlich zu zerfallen, aber auch theilweise zu verschmelzen und den torulösen Habitus zu verlieren, wobei die Fibrillen offenbar aus Körnchen hervorgehen. In den angeführten Fällen entstehen die Fibrillen wahrscheinlich durch Verschmelzung Aon (sichtbaren) Piasomen. Das oben (p. 177) schon genannte Wabengerüst im Endosperm von Zea Mais besteht aus Körnchen, welche nicht miteinander ver- schmelzen. Ich betrachte diese Protoplasmakörnchen als heran- gewachsene, theilungsunfähig gewordene Piasomen. Thatsächlich wachsen sie aus kleinen, nur bei stärksten Vergrösserungen sicht- baren Körperchen hervor, welche sich sichtlich vermehren, also offen- bar der Theilung unterliegen. 1) Schmitz, Ueber die Structur des Protoplasma und des Zellkernes der Pflanzenzelle. Verhandl. des naturhistor. Vereines der preuss. Rheinlande und Westphalens, 1880. -) Berthold, Protoplasmamechanik, p. 59 und 60. 12* 180 Solche Protoplasmakörnclien sieht man auch in Kartoftel- parenchymzelleu. Geht man auf junge Entwicklungsstadien zurück, z. B. auf jene Folgemeristemzellen, Avelche bei Anschnitt und Ver- wachsung der Kartoffeln ') auftreten, so erscheinen im Protoplasma kleine, noch in Theilung begriffene Körperchen, aus welchen die theilungsunfähigen Protoplasmakörnchen hervorwachsen. Ich betrachte die Anlagen dieser Protoplasmakörnchen als (sichtbare) Piasomen. Die Körnchen sind in den Kartoffelparenchymzellen nicht wde die früher beschriebenen zu Fäden oder Platten (Waben) vereinigt, sondern unverbunden oder in kleine, durch die Theilung gegebene Gruppen vereinigt. Stellenweise scheint das wandständige Proto- plasma noch aus Fibrillen zu bestehen, welche, wie die vergleichende Betrachtung lehrt, aus Körnchen hervorgegangen sind. Aehnliche Protoplasmakörnchen, die sich auf (sichtbare) Piasomen zurückführen lassen, finden sich in sehr vielen Geweben. Sehr schön «ind dieselben in den Zellen des Knollenparenchyms von Stachys €if Jinis zu sehen. Die »Plasmakörnchen« treten aber entweder frei (sehr schön in ausgewachsenen und theilungsunfähig gewordenen Hefezellen zu sehen) oder zu Fäden oder Platten verbunden im Protoplasma auf. Ihrer Substanz nach stimmen sie insoferne überein, als sie die Eiweissreactionen zeigen. Pigmenten gegenüber verhalten sie sich * aber verschieden. Die Plasmakörnchen aus dem Endosperm von Zea Mais werden nach Anwendung der Altmann' sehen Säurefuchsin-Tinction schwach roth, hingegen lassen sich die früher genannten Protoplasmakörnchen der Kartoffel und von Stachys afßnis auf diese Weise nicht fiirben. Doch gelingt in allen genannten Fällen sehr gut die Färbung mit Pikrin-Nigrosin. Auf die Anwesenheit kleiner, anfangs nicht sichtbarer, lebender Individualitäten im Protoplasma ^veist das spätere Vorkommen ver- schiedener organisirter Inhaltskörper der Zelle hin. Es treten in manchen Zellen sehr kleine »Protoplasmakörnchen« auf, deren An- 1) Vgl. oben p. 102, 153. 181 läge nicht zu eruiren ist. Da aber diese Gebilde nicht spontan ent- stehen, yiehnehr angenommen werden miiss, dass sie wie jene Plasma- körnchen gebildet werden, deren Entstehung sich verfolgen lässt. so ist die Ansicht nicht zurückzuweisen, dass die Anlagen dieser Ge- bilde sich nur wegen ihrer ausserordentlichen Kleinheit der Be- obachtung entziehen. Auf solche nicht sichtbar zu machende Anlagen deuten auch viele Formen transitorischer Stärke, die gewissermassen in den Zellen auftauchen, wohl aber ausserordentlich kleinen Piastiden ihr Entstehen verdanken. Die karyok ine tischen Vorgänge wurden, soweit dieselben auf die Pflauzen- und Thierzelle Bezug haben, in ihren allgemeinsten Zügen bereits oben geschildert (p. 61 — 62). Ueber die Elementarstructuren des Kerns habe ich selbst keine Untersuchungen angestellt, glaube aber, manche Beobachtung, welche über karyokinetische Vorgänge vorliegt, im Sinne meiner Anschauung deuten zu dürfen. Die Beobachtungen, welche ich hier zunächst im Auge habe, beanspruchen vielleicht eine umso grössere Beachtung, als sich dieselben unabhängig von der hier entwickelten Lehre er geben hatten. Es wurde von W. Pfitzner') mehrfach die Beobachtung ge- macht, dass die Fäden der chromatischen Kerntheilungsfigur sich aus Körnchen zuzammensetzen. Die von ihm beobachtete Längsspaltung der Kernfäden wird eingeleitet durch eine Zweitheilung der diese Fäden zusammensetzenden »Chromatinkugeln«. Pfitzner ist geneigt, diese Chromatinkugeln als Elementar- gebilde zu betrachten. Ich fasse dieselben als Piasomen auf. In keinem Falle aber könnte ich dieselben, wie ihr Entdecker, als Molecüle'-) oder blosse Molecülgruppen, die etwa den Micellen vergleichbar wären, ansehen, wie ich auch seiner Meinung, dass die molecularen An- ziehungs- und Abstossungskräfte der Chromatinkugeln die Karyo- kinese begründen, aus bereits mehrfach angeführten Gründen nicht zuzustimmen vermag. ^) Ueber den feineren Bau der bei der Zelltheilung- auftretenden fadenförmiVen Differenzirung-eu des Zellkernes. Morphologisches Jahrbuch, 1881, p. 290 und 295. •-) 1. c. p. 300. 182 Auch Frank Schwarz i) findet sowohl in ruhenden Kernen als in den Fäden der das Theilungsstadium verlassenden Kerne Kugeln und Körnchen, welche in den Kernfäden ein weitmaschiges Gerüste bilden. Die Körnchen können verschwinden ; es wurde aber auch ein Verschmelzen kleinerer Chromatinkugeln zu grösseren beobachtet. Strasburger ''^) findet die Kernfäden aus Scheiben zusammen- gesetzt, welche sich bis in das Knäuelstadium der Tochterkerne hinein erhalten. Bei der auch von ihm beobachteten Längsspaltung der Kern- fäden erfolgt eine Theiluug der Chromatinscheiben. Bei dem Ueber- gang in den Ruhezustand zerfallen die Chromatinscheiben in kleinere Körner. Altmann '^) sieht in dem ruhenden Kern eine Colonie von kleinen Körperchen, welche letztere er als Elementarorganismen be- trachtet, die zur Zeit der Zellth eilung Conjugationen eingehen, als deren Product die groben Fadenknäuel und die Chromatintheile der Aequatorialplatte erscheinen. Durch Theilung dieser Körper in die den Elementargebilden des Mutterkernes gleichwerthigen Körperchen kommen die Tochterkerne zustande, welche schliesslich den Bau des Mutterkernes erreichen. Bütschli'^) findet in Kernen von Algen und anderen Pflanzen eine Wabenstructur und sieht in dem nach Tinction mit Hämatoxvlin tiefblau gefärbten Kerngerüste rothe bis rothviolett gefärbte Körnchenj die er mit den Chromatinkörnchen anderer Autoren identificirt. Auch in Bakterien, deren Zellenleib nach Bütschli im Wesentlichen mit dem Kern übereinstimmt, findet er dieselben Structurverhältnisse. Auch bei Auerbach^) und Ljukanow^) finden wir das Auf- ') Die morphologische und chemische Zusammensetzung- des Protoplasmas, in Cohn's Beiträgen zur Biologie der Pflanzen, Bd. V (1887), p. 78 und 82. -) Ueber Kern- und Zelltheilung im Pflanzenreiche. Jena, 1888. 3) Die Structur des Zellkerns. Archiv für Anatomie und Physiologie. Anatom. Abth. 1889, p. 410. ^) Ueber den Bau der Bakterien und anderer Organismen. Leipzig, 1890. ^) Zur Keuntniss der thierischen Zellen. I. Mitth. Berichte der Berliner Akademie. 1890. ^) Grundzüge einer allgemeinen Pathologie der Zelle. Leipzig (1891) p. 7. 183 treten von Körnchen bei der Karyokinese angegeben. Nacli Letzterem soll die zwischen den Chromatinfäden befindliche Masse aus Ketten bestehen^ die sich aus kleinen Körnern zusammensetzen. Nach den Untersuchungen von Emil Schwarz^) ist jene Sub- stanz, welche man gew^öhnlich als Kernsaft (Kerngrundsubstanz) be- zeichnet, auch als organisirt zu betrachten. Auf Grund der angeführten Beobachtungen betrachte ich den Kern, und zwar sowohl im ruhenden Zustande als auch während der Theilung, als ein durchaus aus Piasomen zusammengesetztes Gebilde. Im Cytoplasma erscheinen nicht selten Körperchen, w^elche äusserlich mit den früher genannten > Protoplasmakörnchen« überein- stimmen, sich aber als Producte der Degeneration des Kerns zu er- kennen geben. Diese Gebilde sind von mehreren Beobachtern gesehen und bezüglich der Entstehung richtig gedeutet worden-). Ich bin geneigt, diese im Vergleiche zu den Körnchen des lebenden Kernes grossen Gebilde als functionslos und theilungsunfähig gewordene, stark herangewachsene Piasomen oder derlei Plasomgruppen anzusehen. Die Chlorophyllkörner und die Chromatophoren überhaupt besitzen protoplasmatischen Bau und sind deshalb bezüglich ihrer Structur wie das Protoplasma aufzufassen. Es wairden schon früher zahlreiche Einzelnbeobachtungen angeführt, welche auf einen complexen Bau und auf die Zusammensetzung aus letzten Theilkörpern hinweisen. Was die Stärkekörnchen anlangt, so -wird deren Entstehung von verschiedenen Forschern in verschiedener Weise gedeutet. Es stehen sich gegenwärtig zwei Ansichten gegenüber. Die Einen be- haupten, dass die Stärke nur unter Mitwirkung bestimmt geformter Protoplasmakörper erfolge. Die Anderen lassen die Amylumkörner im allgemeinen Protoplasma oder in entschieden plasmatischen Bildungen, z. B. in Chlorophyllkörnern, an unbestimmten Stellen entstehen. Es ist dies die Ansicht der älteren Anatomen, die aber in jüngster Zeit 1) Emil Schwarz, Zur Theorie der Kerntheilung. Virchow's Archiv, Bd. 124 (1891). 2) Siehe ii. a. Strasburger, Bau und Wachsthum der Zellhäute, p. 51. 184 in Beizung ^) wieder einen Vertheidiger gefunden hat. Die neuere Ansicht wurde hauptsächlich von A. F. W. Schimper und Arth. Meyer 2) begründet. Der Ausgangspunkt der Stärkekornbiklung ist ein PLastid oder ein Chlorophyllkorn. Die Stärkekörner entstehen entweder in den genannten Gebilden, oder sie werden von den Piastiden nach aussen abgeschieden. Diese Ansicht wurde von Eberdt^) unlängst dahin modificirt, dass die Amylumkörner von den Piastiden nie frei ausgeschieden werden, eondern stets in den- selben unter Mitwirkung einer anhaftenden Protoplasmamasse (Proto- plasmahiille, Protoplasmakappe) entstehen, welche letztere den eigent- lichen Stärkebildner repräsentiren soll. Die individualisirte Protoplasma- masse, in welcher die Stärke ausgeschieden wird, also Dasjenige, was den Schimper' sehen Piastiden entspricht, soll nicht aus seinesgleichen durch Theilung, sondern durch Differenziruug aus dem Protoplasma hervorgehen. Nach dem, was ich gesehen habe, kann in vielen Fällen an dem Hervorgehen der Stärkekörner aus wahren, also vorgebildeten Piastiden nicht gezweifelt werden. In anderen Fällen lassen sich keine Stärkeanlagen nachweisen, und es gewinnt dann die ältere An- sicht an Wahrscheinlichkeit. Da indess die Kleinheit der Stärke- körnchen für ihre Entstehungsweise nicht allein massgebend sein kann, vielmehr angenommen werden darf, dass alle Stärkekörnchen auf die gleiche Weise in der Zelle gebildet werden, so scheint es derzeit wohl am richtigsten, die Amylumkörner in allen Fällen aus plasmatischen Anlagen abzuleiten, welche in manchen Greweben nur Avegen ausserordentlicher Kleinheit sich der Wahrnehmung entziehen. Diese Auffassung, welche sich übrigens als Consequenz meiner Theorie der Elementarstructur von selbst ergibt, ist von mir schon in einem früheren Capitel zur Geltung gebracht worden. Der letzte mögliche Ausgangspunkt der Entstehung eines Amylumkornes ist nach meiner Auffassung ein Plasom. ') Aimales des sc. natur. Bot. VII. Ser. XIII (1891). 2) Schimper, Bot. Zeitung 1880, 1881, 1883. Arth. Meyer ebendaselbst. 3) Pringsheim's .Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XXII (1891). 185 Was die Structar der Stärkekörner anbelangt, so gehen auch in diesem Punkte die Ansichten auseinander. Die Mehrzahl der Botaniker zählt die Stärke den organisirten Inhaltskörpern der Pflanzen- zelle zu, andere (Arth. Meyer ^) betrachten sie als Sphärokrystalle. Nach der herrschenden Lehre ist das Stärkekorn in gleichem Sinne wie die Zellhaut micellar gebaut. Mikosch-) hat durch bestimmte chemische Proceduren (mehrwöchentliche Einwirkung von 0*2pro- centiger Salz- oder Schwefelsäure) die Stärke in ähnlicher Weise, wie ich die Membranen, zuerst in Fibrillen und diese in kleine Körperchen (Amylosomen) zerlegt. Diesen Beobachtungen zufolge besitzt die Stärke eine der Zellhaut analoge Organisation. Die Ansichten über die Entstehung und über den morpho- logischen Werth der Vacuolen sind noch sehr getheilt. Nach der älteren derzeit noch herrschenden Lehre sollen die Vacuolen nichts anderes als an unbestimmten Stellen des Protoplasmas entstandene Flüssigkeitströpfchen sein, welche von einer nach aussen nicht differenzirten Schichte dichteren Protoplasmas i.mhüUt sind. Nach den Untersuchungen von de Vries und besonders von Went*'^) sind dieselben individualisirte, von einer Protoplasmaschichte umkleidete Gebilde, welche stets nur aus ihresgleichen durch Theilung hervor- gehen. Ich habe schon vor Jahren auf die verschiedene Vertheilung der wässerigen Zellflüssigkeit in Hefezellen hingewiesen,"*) Eine normal wachsende, normal functionirende Hefezelle, welche durch Sprossung sich zu vermehren befähigt ist, besitzt in der Regel nur eine Vacuöle, welche je nach dem Wassergehalt des Mediums, in welchem sie lebt, grösser oder kleiner ist und durch einen hohen Zuckergehalt des Mediums auch zum Verschwinden gebracht werden kann. Selten steigert sich die Zahl dieser Vacuolen auf 2 — 4. Sie sind von einer 1) Ueber die Stiuctnr der Stärkekörner. Botan. Zeit. (1881), p. 841 -) Mikosch, Untersuchungen über den Bau der Stärkekörner. Programm. Wien (1887). 3) \Yent, Die Vermehrung- der normalen Vacuolen durch Theilung. Prings- heim's JaLrbücher für wiss. Botanik, Bd. XIX (1888). 4} Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss. Bd. 59 (1869), II. Abth. 186 Schichte dichteren Protoplasmas umhüllt. Dies sind die normalen Vacuolen der Hefezelle. Bei starker Wasserentziehung oder plötzlicher Wasserzufuhr vertheilt sich die Vacuolenflüssigkeit der Hefezelle in zahlreiche Tröpfchen, welche bei flüchtiger Betrachtung das Aussehen von Vacuolen besitzen. Dies sind die abnormen Vacuolen der Hefezelle. Den gleichen Unterschied macht im Wesentlichen auch Went, und er sucht zu beweisen, dass jede normale Vacuole ihre eigene Plasmahaut (Tonoplast) besitze und nur durch Theilung aus normalen Vacuolen hervorgehen könne. Die Beobachtungen, welche ich in den letzten Jahren über Vacuolen selbst angestellt habe, leiteten mich immer mehr und mehr auf den Standpunkt hin, den die beiden genannten Forscher ein- nehmen. Mehr noch als zur Zeit, als ich meine Untersuchungen über die Hefe veröffentlichte, anerkenne ich jetzt das Specifische und Individuelle der normalen Vacuolen. Nach dem, was ich gesehen habe, kann ich sie niclit als blose Flüssigkeitströpfchen betrachten, welche sich erst nachträglich und dann nur unvollständig individualisiren. Wie durch bestimmte Reagentien lösen sie sich in bestimmten Fällen auch im normalen Zellenleben aus dem protoplasmatischen Verbände. Dass sie in der Regel nur in der Einzahl in der Hefezelle auftreten, zeigt, dass sie nicht zufällig irgendwo im Protoplasma entstehen, denn es wäre in diesem Falle nicht einzusehen, warum sie bei reichlicherer Wasserzufuhr nicht gleich in grösserer Zahl auftreten sollten. Die Vacuole verschwindet bei Wasserentziehung nur scheinbar; lässt man die Zelle wieder langsam Wasser aufnehmen, so tritt sie wieder genau an derselben Stelle in Erscheinung, denn ihr Verschwinden beruhte nur auf der Contraction ihrer protoplasmatischcn Hülle. Zu voller Klarheit über die Entstehung der Vacuolen bin ich nicht ge- kommen. Niemals habe ich an den Vacuolen der Hefezellen eine Einschnürung beobachtet, wohl aber wiederholt solche an Vacuolen jugendhcher Gewebezellen, welche auf Theilungsvorgänge hindeuten. Die Vacuole in jugendlichen, durch Sprossung entstandenen Hefe- zellen geht gewiss nicht aus der Vacuole der Mutterzelle hervor, sondern scheint sich aus kleinen Piastiden zu entwickeln, die in 187 jugendlichen Hefezellen stets vorkommen und aus der Mutterzelle in die Tochterzelle übertreten. Die in Hefezellen vorkommenden Plastiden wachsen, soferne sie nicht zur Vacuolenbildung herangezogen werden, in alternden Zellen zu relativ grossen Protoplasmakörnern heran (Siehe oben p. 180.) Nach allen meinen Wahrnehmungen über Yacuolen möchte ich dieselben in die Kategorie der organisirten Inhaltskörper stellen welche Plastiden ihr Entstehen verdanken, also kleiner, protoplas- matischer, durch die Fähigkeit der Theilung ausgezeichneter Körper- chen. Die zu Yacuolen heranwachsenden Plastiden füllen sich erst später mit wässerigem Zellsaft. So wie die Chlorophyllkörner ent- weder aus Plastiden hervorgehen oder aus herangewachsenen Chloro- phyllkörnern durch Theilung entstehen, so scheinen auch die Vacuolen entweder unmittelbar aus ihresgleichen oder aus vorgebildeten Vacuolen (Plastiden im weitesten Sinne), in jedem Falle aber durch Theilung sich zu bilden. Dass die Farbstoff- und Gerbstoffbläschen nur specielle Fälle von Vacuolen sind, leuchtet wohl ein. Auch die Krystallbläschen dürfen in dieselbe Kategorie gestellt werden, nur erscheint im In- halte derselben schliesslich keine Flüssigkeit, sondern ein Krystall. gewöhnhch von oxalsaurem Kalk. Ob aber die Aleuronkörner (Protein- körner) mit den Vacuolen genetisch zusammenhängen, ist eine noch controverse Sache. Nach der älteren Lehre besteht eine solche Be- ziehung nicht. Die Untersuchungen von Wakker^) und Werminski-) er- gaben hingegen, dass die Anlagen der Aleuronkörner Vacuolen sind, in welchen sowohl die Substanz des Aleurons als der Einschlüsse (Krystalloide, Globoide, Kalkoxalat) abgeschieden wird. Dieser An- sicht ist in jüngster Zeit mehrfach widersprochen worden. Ich kenne die Entstehung des Aleurons aus eigener Anschauung und kann mit 1) Wakker, Studien über Inhaltskörper der Pflanzenzelle. Pringslieim's Jahrb. für wiss. Botanik. Bd. 19 (1888). 2) Werminski, Ueber die Xatur der Aleuronkörper. Ber. der Deutschen Bot. Ges. Bd. VI (1888). 188 aller Bestimmtheit sagen,, class die auf dem älteren Standpunkte stellenden Forscher nicht Recht haben, wenn sie behaupten, dass in den Zellen, in welchen Aleuron gebildet wird, kurz vor Entstehen dieses Körpers keine Vacuolen im Protoplasma vorkommen. Im reifenden Samen von Hyoscyamus und Prunus avium habe ich sehr deutliche Vacuolen gesehen^) Auch den Beginn der Ausscheidung von krystallisirtem Ei weiss (der sogenannten Kry stall oide) im Innern von Vacuolen im Endosperm von Ricinus habe ich mit Deutlichkeit wahrgenommen. Ich betrachte auf Grund eigener Anschauung sowohl die Vacuolen als das Aleuron als Producte von Piastiden, d. i. von indi- vidualisirten, durch Theilung sich fortpflanzenden Protoplasmagebilden. Die bisherigen Studien über den inneren Bau der Zelle haben uns zu der Ansicht geführt, dass allen organisirten, also lebenden Theilen der Zelle ein übereinstimmender Bau zugeschrieben werden kann. Man darf sich auf Grund der vorgeführten Beobachtungen und Erwägungen die Zellhaut, den Kern, das Protoplasma und dessen ge- formte, lebende Einschlüsse aus lebenden, theilungsfähigen Protoplasma- gebilden, den PlasomeUj zusammengesetzt denken. Gleich den Zellen büssen schliesslich diese Elementargebilde ihre Theilungsfähigkeit ein' und verschwinden entweder oder werden in relativ grosse, stationäre Körperchen, in Dermatosomen, Protoplasmakörnchen etc. umgestaltet. Dieser Auffassung zufolge ist die Zelle ein Aggregat von Piasomen. Wie aber der Organismus neben lebenden Zellen auch solche ent- hält, welche, obgleich sie dem Ganzen dienen, nicht mehr als lebend zu betrachten sind, so können auch in der lebenden Zelle Piasomen vorkommen, denen kein Leben mehr zuzusprechen ist (z. B. Dcrmato- somen). Die Verbindung der Piasomen untereinander ist zweifellos eine verschiedene, wie schon die librilläre oder netzförmige oder waben- 1) In zalilreichen Präparaten, welche Herr Protits anfertig-te, der sich in meinem Laboratorium mit der Frage der Entstehung- des Aleurons eingehend be- schäftiut hat. 189 artige Striictur der Zellentheile vermuthen lässt. Am klarsten kommt die Verbindung der Piasomen in der Zellhaiit, und zwar in jenen häufig auftretenden Fällen zur Anschauung, in welchen uns dieselb geschichtet und gestreift entgegentritt. Es kann keinem Zweifel unter- hegen, dass die Piasomen des Dermatoplasmas im Wesentlichen die- selbe gegenseitige Lage besitzen, welche später die Dermatosomen einnehmen. Selbstverständlich können nachträgliche Dehnungen die Lage der Dermatosomen etwas verändern, indem dieselben in der Richtung des Radius sich nähern und in der Richtung der Tangente sich von einander entfernen. Ln Laufe des Lebens werden selbst- verständlich die Piasomen ihre gegenseitige Lage in mannigfaltiger Weise verändern. In Protoplasmen, welche selbst nach Härtung und Tinction gänzlich homogen erscheinen, liegen höchst wahrscheinlich die Plasom.en dichtgedrängt nebeneinander, wie die Zellen eines Meristemgew^ebes. *Das Auftreten von Flüssigkeiten spricht sich in den Pflanzen- zellen dort, wo ein wässeriger Zellsaft vorkommt, deutlich genug aus. Mit dem Zellsaft durchaus nicht zu identificiren ist die Literfilar- masse. Substanziell stimmt sie in keinem Falle mit dem Zellsaft überein, wie schon aus ihrem hohen Eiweissgehalt zu entnehmen ist. ^Da in ihr häufig geformte Bildungen auftauchen, welche nicht spontan entstehen, sondern aus ihresgleichen hervorgehen und nur in späteren Entwicklungsstadien sichtbar werden, so darf man nicht behaupten, dass sie stets jeder Organisation baar sei. Man wird aber auch nicht die Behauptung aufstellen können, dass sie immer als organisirt an- zusehen ist. Hinter der Interfilarmasse stecken vei'schiedene Dinge^ nämlich entweder ein homogen erscheinendes Plasma, welches also in diesem Falle aus Piasomen zusammengefügt ist, oder eine nicht organisirte, eiweissreiche Flüssigkeit. So ist z. B. die Kerngrund* Substanz trotz ihres homogenen Aussehens als lebende Substanz zu betrachten. Der Vorgang der Theilung bringt es mit sich, dass die Theilungs- producte sich anfänglich unmittelbar berühren. Deshalb sehen wir ja die Meristeme aus dichtgefügten Zellen zusammengesetzt. Erst später 190 bilden sich zwischen diesen anfangs auch gleich gestalteten Zellen Hohlräume aus und es erscheinen solche Gewebe in Folge neuer Anordnung der Zelle, aber auch in Folge bestimmter Umgestaltungen und Verschmelzungen der Zellen in späteren Entwicklungsstadien reichlicher gegliedert. Aus den gleichen Gründen ist anzunehmen, dass in den ersten Entwicklungsstadien der Zellen deren Piasomen sich dichter aneinander- schliessen als in späteren. Es ist auch wahrscheinlich, dass die Piasomen, so lange sie noch in Theilung begriffen sind, untereinander mehr übereinstimmen und sich erst später mannigfaltiger ausgestalten. Zwischen den Piasomen liegt dann eine Interfilarmasse, über deren Natur man nur dann ins Klare kommen kann, wenn sie gewisser- massen aus sich Organisirtes hervorbringt. Dann ist sie selbst organisirt, also aus Piasomen zusammengesetzt. Wie schon betont, kann eine solche Interfilarmasse aber auch etwas Lebloses sein, eine Eiweisslüsung, welche die lebenden Theile der Zelle, die Piasomen und Plasomgruppen, umhüllt. Häufig findet man in jungen Zellen ein ans feinen Körnchen zusammengesetztes, engmaschiges Netz, dessen Maschen sich später vergrössern. Es kommt aber auch vor, dass ein in einem bestimmten Entwacklungsstadium weitmaschiges Körnernetz wieder engmaschig wird. Dieser Fall stellt sich bei starker Protoplasmavermehrung ein, z. B. wenn protoplasmaführende Dauerzellen in Folgemeristemzellen übergehen; er kommt aber auch in den Zellen der Cotyledonen und des Endosperms bei der Keimung vor, worüber oben ein auf HeUantlius bezugnehmendes Beispiel angeführt wurde. Dieses Kleinerwerden der Netzmaschen beruht stets auf einer Vermehrung der Piasomen (Körnchen). Es sind aber zwei Fälle möglich. Entweder gehen die neu entstandenen Körnchen durch Theilung aus den sichtbaren Körnchen des Netzes hervor, oder sie tauchen gewissermassen aus der Interfilarmasse auf und gehen dann aus Piasomen hervor, welche sich vorher der Wahrnehmung ent- zogen haben. Es ist von vornherein als richtig anzunehmen, dass im grossen 191 Ganzen mit dem Fortschreiten der Organisation die Structurverhält- nisse der Zellen sich complicirt und vervollkommnet haben. Thatsächlicli linden wir auf niederster Stufe eine weit einfachere Gliederung der Zelle als auf den höchsten. Hier sehen wir die Zelle in Haut, Kern und Cytoplasma gegHedert, im letzteren Falle Piastiden der verschiedensten Art; doch ist häufig nichts anderes zu erkennen als ein einfacher, gleichartig erscheinender Protoplasmakörper, z. B. bei den niedersten Thallophyten. Aber schon bei den Schizomyceten sehen wir eine Sonderung in Kern und Protoplasma sich vorbereiten.^) Höher hinauf, bei den Saccharomyceten, tritt die Zellhaut schon mit grosser Schärfe hervor. Der Kern ist hier noch zweifelhaft. Von unzweifelhaften Piastiden (Chlorophyllanlagen, Amyloplastiden etc.) ist noch keine Spur zu finden. Nur wenn man die Vacuolen als selbst- ständig lebende Individualitäten gelten lässt, so wären deren jüngste Stadien als Piastiden zu betrachten. Auch die Anlagen der früher genannten Plasmakörnchen der Hefezellen sind den Piastiden bei- zuzählen und dürfen als (sichtbare) Piasomen aufgefasst werden. Die Dermatosomen der Pilzmembranen sind der Wahrnehmung noch nicht zugänglich. Bei den höheren Pilzformen werden unzweifelhafte Kerne erkennbar; aber abgesehen von diesen und von Vacuolen finden sich auch bei diesen Thallophyten keine organisirten Inhaltskörper vor. Aber schon bei den Algen und von diesen aufwärts werden lebende Individualitäten der Zelle häufiger und mannigfaltiger. Da nun jeder lebende Theil der Zelle aus Piasomen zusammen- gesetzt ist und jede specifische Individualität der Zelle aus specifischen Anlagen hervorgeht, so müssen die Kategorien der die Zellen zu- sammensetzenden Piasomen im grossen Ganzen desto mannigfaltiger werden, je höher die Pflanze organisirt ist oder je vollkommener die Zellen ausgebildet sind, so dass die Verschiedenartigkeit der Zellen der höheren Pflanzen in der Verschiedenartigkeit der Piasomen höher organisirter Zellen ihr Abbild findet. Bei aller Verschiedenheit ihrer ^) Nach jüng-sthin veröffentlichten Untersuchung-en von A. Fischer (Ber. über die Verh. der kön. Sachs. Ges. d. Wiss. 1891, 1) werden durch Plasmolyse an manchen Bacteriaceen auch Zellhäute erkennbar. 192 specifisclien, durch Erblichkeit bis zu einer gewissen Grenze fest- gehaltenen Eigenthümlichkeiten sind alle Piasomen durch den gemein- samen Grundcharakter der Theilbarkeitj der Wachäthumsfähigkeit und der Fähigkeit, zu assimiliren, zusammengehalten. Kicht jeder hoch zusammengesetzte Organismus muss in jeder seiner Zellen die grösste Mannigfaltigkeit der Piasomen zur Aus- bildung bringen. Wir sehen vielmehr einzelne Zellen solcher Organis- men Avieder gewissermassen auf eine tiefere Stufe zurückkehren, so z. B. Bistzellen, Sklerenchymzellen. Gefässe, Tracheiden etc., wo schliesslich alle Piasomen nur zur Hautbildung verwendet w^erden. Am vollkommensten ist diese einseitige Verwendung der Piasomen an den von mir entdeckten soliden Bastzellen (z.B. von Sjwnia etc.) zu finden, bei welcher die Zelle schliessHch ganz und gar zur Wand geworden ist: von Plasomabkömmlingen sind hier bloss Dermatosomen anzutreffen. Was ist hier aus den Piasomen jener Cambiumzellen ge- worden, aus denen derartige Bastzellen hervorgegangen sind? Diese Cambiumzellen bestehen aus Haut, Protoplasma und Kernen. Man muss wohl annehmen, dass nur die Piasomen des Dermatoplasmas unmittelbar zu Dermatosomen werden. Die den Kern zusammen- setzenden Piasomen w^erden consumirt zu Gunsten der Hautbildung. Die Piasomen des Protoplasmas hatten entweder dasselbe Schicksal, oder sie werden (ganz oder theilweise) in Dermatosomen umgesetzt. Die Entwicklungsgeschichte der soliden Bastzellen wurde noch nicht studirt; es lassen sich deshalb noch keine Anhaltspunkte finden, um zu beurtheilen, welchen Antheil das Cjtoplasma an dem Aufbaue der Haut dieser Bastzellen nimmt. Viertes Capitel. Das Wachsthum der lebenden Substanz. Das Wachsthum der Organismen und ihrer Theile liisst sich nach morphologischer und physiologischer Eichtung verfolgen. Die morphologische Untersuchung wurde schon mit Hilfe des Mikroskopes bis zu einer weit reichenden Grenze vertieft und die physiologische Prüfung durch Messung und Wägung, überhaupt durch das Experi- ment, so sehr erweitert, dass zahlreiche, bereits klar hervortretende Gesetzmässigkeiten über den räumlichen und zeitlichen Verlauf des Wachsthums und viele Abhängigkeitsverhältnisse der Wachsthums- grösse von äusseren Factoren festgestellt werden konnten. Allein die unmittelbare Beobachtung ist nicht mächtig genug, eine befriedigende Lösung eines Problems herbeizuführen, welches allerdings sehr einfach erscheint, in der That aber an Complication seinesgleichen sucht. Man ist deshalb seit längerer Zeit bestrebt, die Einsicht in das Wesen des Wachsthums durch theoretische Unter- suchungen, welche sich nur mittelbar auf thatsächliche Beobachtungen stützen, zu befördern. Was aber ebenso wichtig erscheint, um die Wachsthumsfrage aus den Bahnen der an den einzelnen Thatsachen nur zu starr haftenden und deshalb nur zu einseitigen Auffassungen führenden Forschung auf den Standpunkt einer die Thatsachen be- herrschenden, naturgemässen Lehre zu lenken, das ist die vergleichende Betrachtung und geistige Verknüpfung des grossen, bereits vor- liegenden, empirisch gewonnenen Materiales. Gerade dieser letzteren, bisher sehr vernachlässigten Aufgabe will ich in diesem Capitel gerecht zu werden versuchen. Wiesner, Die Elementarstructur etc. l** 194 Zu diesem Behufe scheint es mir zweckmässig, die Beantwortung der Frage, wie der Wschsthumsbegriff sich entwickelt hat, zum Ausgangspunkt meiner Untersuchung zu wählen. Der Begriff »wachsen« verdankt sein Entstehen nicht einer wissenschafthchen Erwägung. Derselbe ist nicht, wie etwa die Be- griffe Oxydation, Diffusion etc., ein ursprünglich wissenschaftlicher Begriff; er hat sich vielmehr aus Beobachtungen anschaulicher That- sachen hervorgebildet, welche das gewöhnliche Leben in Hülle und Fülle darbietet.') Während von Haus aus wissenschaftliche Begriffe in der Regel scharf umschrieben sind, mangelt den aus dem gemeinen Leben in die Wissenschaft hinübergebrachten stets die nöthige Präg- nanz, und sie müssen erst so umgemodelt werden, dass sie die für die Zwecke der Forschung erforderliche Unzweideutigkeit und Schärfe erlangen. So musste denn auch der Begriff des Wachsens der Organismen und ihrer lebenden Theile, der anfangs nichts anderes als eine sicht- liche Grössenzunahme bedeutete, schärfer umschrieben werden, wie €twa der gleichfalls aus den Anschauungen des gemeinen Lebens hervorgegangene Begriff »Blatt« durch die Morphologie erst zu einem wissenschaftlich brauchbaren erhoben worden ist. Es ist Lamarck in der Einleitung als Derjenige bezeichnet worden, welcher zum erstenmale in klarer Weise auf den grossen ^) Die Kpracliwissenscliaftlichen Untersuchungen deuten auf ein hohes Alter des Wortes »wachsen« hin. Unser hochdeutsches Wort »wachsen« entspricht dem althochdeutschen wahsan, dem angelsächsischen weaxan, dem gothischen wahsjan etc. ; ■es hängt mit akc,Oi, d.oc,6.va), d. i. grösser machen, und mit dem altindischen vaksh, •d. i. grösser werden, zusammen. (Vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch, Strass- burg (1889), p. 371.) Da man gewöhnlich unter »wachsen« in erster Linie das Wachsen der lebenden Wesen versteht (vgl. Adelung, Gramm.-krit, Wörterbuch, IV, Wien (1811), p. 1323; Sanders, Wörterbuch der deutschen Sprache, II, Leipzig (1865), p. 1443), So ist wohl kaum zu bezweifeln, dass die uns fortwährend und anschaulich entgegen- tretende Entwicklung von Menschen, Thieren und Pflanzen den Anstoss zur Bildung des Begriffes „wachsen« gegeben hat und die Volumszunahme todter Körper, z. B. eines Krystalles, eines Flusses etc., erst durch Uebertragung als v> Wachsen« bezeichnet wurde. Zur Bezeichnung des Begriffes »wachsen« wurde aber ein älteres Wort von allgemeinerer Bedeutung herangezogen, welches die Haupteigenschaft der wachsenden Gebilde (das Grösserwerden") zum Ausdrucke bringt. 195 Unterschied hinwies, welcher im Wachsthum zwischen den Lebe- wesen und den unbelebten Dingen besteht, und damit den Grund zur Aufstellung des Begriffes des organischen Wachsthums legte. Für das charakteristische, intercalare Waclisthum der Organismen benützte er den nunmehr im allgemeinen Gebrauche stehenden Aus- druck Intussusception; den Wachsthumsmodus der Anorganismen, welche letzteren nach seiner Auffassung stets nur durch Auflagerung sich vergrössern, als Juxtaposition. Der Begriff der Juxtaposition wurde später verallgemeinert, um denselben auf jede Art von Anlagerung anwenden zu können, ob dieselbe wie bei einem compacten Körper nach aussen hin stattfindet, oder wie bei einem Hohlkörper (z. B. einer behäuteten Zelle) nach innen hin erfolgt. Diese Anlagerung im weitesten Sinne wird als Apposition bezeichnet, ein Ausdruck, welcher nunmehr vielfach auch von Zoologen und Botanikern benützt wird. Nachdem Lamarck das Wachsthum der Anorganismen durch Juxtaposition noch näher als ein unbegrenztes und im Vergleiche zu den Lebewesen als ein nur zufällig eintretendes dehnirte, sagt er: »Das Wachsthum aller Organismen ist immer nothwendig und be- schränkt und geschieht nur durch Intussusception, d. h. durch innere Durchdringung, durch Einführung von Stoffen in das Indi- viduum, die nach ihrer Assimilation demselben hinzugefügt werden und einen Bestandtheil desselben ausmachen müssen. Dieses Wachs- thum ist eine wirkliche Entwicklung von Theilen von innen nach aussen, was ausschliesslich den Organismen eigenthümlieh ist.«^) Man hat sich bei der weiteren Ausbildung des Intussusceptions- begriffes mehr an den ersten Theil des Lamarck' sehen Satzes als an dessen Schluss gehalten, in welchem das Wachsthum der lebenden Substanz so zutreffend als eine Entwicklung hingestellt wird, und war, besonders im Gebiete der Botanik, nur bestrebt, den Modus zu erschliessen, nach welchem die assimihrte Substanz zwischen die schon vorhandene eingeschaltet wird. ^) Siehe die bekannte deutsche Uebersetzung der Philosophie zoologique La- marck's (1808) von Arnold Lang, I, p. 320 (Orig. I, p. 382). 13* 196 Statt das Moment der Entwicklung, durch welches sich das oro-anische Wachsthum in so schroffen Gegensatz zum Wachsthum der Anorganismen setzt, fortwährend im Auge zu behalten, war man fast nur darauf bedacht, die einschlägigen Erscheinungen durch Auf- stellung molecularer Processe zu erklären. Auf diese Weise entstand eine neue Formulirung des Begriffes der Intussusception und die Einführung des Appositionsbegriffes in das organische Gebiet. Es ist aber weder darüber, was man unter Intussusception zu verstehen habe, Einigkeit erzielt worden, noch darüber, was als Appositionswachsthum zu gelten habe. Die Einen verstehen unter Intussusception ganz allgemein jede Form von intercalarem Wachsthum, ob dasselbe durch sichtliche Organisationsänderungen, namentlich durch den Zelltheilungsprocess, zu Stande kommt, oder auf eine hievon verschiedene Art. Die Anderen, und sie bilden unter den Botanikern die überwiegende Mehrzahl, be- greifen darunter ausschliesslich einen molecularen Vorgang: die Zwischenlagerung von Molecülen beziehungsweise Micellen zwischen schon vorhandene Molecüle beziehungsweise Micelle. Auch das Wachsthum durch Apposition wird verschieden auf- gefasst: von den Einen als eine in den Geweben oder Organen statt- findende sichtliche Auflagerung von Zellen oder von Zellsubstanz, von den Anderen ausschliesslich als ein molecularer Process. Die Ersteren bezeichnen beispielsweise das Wachsthum der Knochen, nämlich die schichtenweise sich vollziehende Auflagerung der Knochen- elemente vom Periost her, als Apposition, oder die vom Cambium ausgehende, schichtenweise erfolgende Anlagerung des Bastes und des Holzes, oder die Umsetzung einer Protoplasmaschichte in Zellhaut- substanz, wobei die Dickenzunahme der Haut als durch Apposition erfolgt angesehen wird. Was in den zuletzt angegebenen Fällen als Wachsthum durch Apposition ausgegeben wird, liegt durchaus anschaulich vor, gleichwie jenes Intussusceptionswachsthum, welches auf intercalarer Zellbildung oder analogen Organisationsänderungen beruht. Hingegen rechnen 197 Diejenigen, welche das Intussusceptions- und das Apposition swachsthum auf moleculare Processe zurückführen, mit blossen Vorstellungen, für deren Richtigkeit ein auf unmittelbaren thatsächlichen Beobachtungen beruhender Beweis natürlich nicht zu erbringen ist. Aus dieser kurzen Auseinandersetzung geht nicht nur die Ver- schiedenartigkeit dessen, was man mit demselben Worte (Intus- susception beziehungsweise Apposition) bezeichnet, hervor; es ist auch ersichtlich, dass in jedem gegebenen Falle kein Zweifel darüber ob- walten kann, welcher Sinn dem verwendeten Worte innewohnt. Dass diese beiden Ausdrücke im Gebrauche zweideutig geworden sind, hat seinen Grund wohl hauptsächlich in dem Umstände, dass man für zwei verschiedene Dinge das gleiche Wort gewählt hat. Wenn ich mit dem Worte »cellulare Intussusception« alle jene Vorgänge bezeichne, welche, sei es durch innere Theilung (s. oben p. 85, 120), sei es durch irgend eine morphologische Veränderung, die sich in oder an einer Zelle wahrnehmen lässt, den intercalaren Charakter des Wachsthums begründen; wenn ich hingegen das, was Nägel i als Intussusception anspricht, nämlich die hypothetische Vor- stellung über die beim Wachsthum angenommene Z^vischenlagerung der Micelle oder Molecüle, als moleculare Intussusception be- zeichne, so sind von vornherein alle Zweifel über den Vorgang, den ich durch das angewendete Wort ausdrücken will, ausgeschlossen. In ähnlichem Sinne kann man auch von cellularer und molecularer Apposition sprechen. So schwer begreifhch es vielleicht erscheinen mag, man hat die hier vorgetragene, durch die Sachlage eigentlich selbstverständliche Unterscheidung nicht gemacht. Nägel i versteht beispielsweise unter Apposition stets einen molecularen Vorgang; allein A. F. W. Schimper hat vielfach unter dem Ausdruck Apposition eine sichtliche Auf- lagerung begriffen. Deshalb hat Nägeli mit Recht in seinem be- kannten Streite mit Schimper über die Frage, ob die Stärkekörner durch Apposition oder durch Intussusception wachsen (s. oben p. 70), gegen Letzteren bemerken können, dass das, was Schimper Appo- 198 sition nennt, keine (moleculare) Apposition, sondern ein ganz anderer Vorgang, wie Nägeli sich ausdrückt, eine Neubildung^) ist. Es ist noch manches Andere geschehen, um die beiden hier oft genannten Begriffe zu verdunkehi. Es wurde in einem früheren Capitel die Entstehung des Periniums der Lebermoos-Spore berührt. Wie dort (p. 70, 152) erwähnt, entsteht dasselbe aus der innersten Haut- lamelle der Sporenmutterzelle. Diese Schichte der Zellenmembran löst sich von den peripheren Schichten, mit welchen sie gemeinschaftlich entstanden, ab und verwächst mit der äussersten Wandpartie der Spore. Diese Verbindung uri?prünglich getrennter Zellentheile hat man als »Wachsthum der Sporenhaut« aufgefasst. Es ist auch gegen diese Deutung des Vorganges nicht viel einzuwenden, denn schliess- lich lässt sich derselbe unter den allgemeinen Begriff des Wachsthums bringen, da die Spore durch das Perinium an Masse zunimmt und die Verbindung beider offenbar auf einem organischen Process beruht. Das Aussergewöhnliche des Vorganges darf natürlich nicht hindern, denselben als Wachsthum zu erklären; man darf diesen Process auch als »cellulare Apposition« gelten lassen; aber man darf nicht, Avie dies bisher geschehen, diesen Hautbildungsvorgang ganz allgemein als eine Erscheinung des Appositionswachsthums dem Intussusceptions- wachsthum der eigentlichen Sporenhaut entgegenstellen, sonst kämen gegen solche Auffassungen die gleichen Einwände, die Nägeli gegen Schimper erhoben, zur Geltung. Damit erklären sich, wenigstens zu einem guten Theile, die im historischen Capitel dieses Buches angeführten Streitigkeiten über den Wachstliumsmodus der Zelle und ihrer lebenden Bestandtheile. Das Wachsthum der lebenden Gebilde ist ein zusammen2:esetzter ö' Process, dessen Studium zu einer vollständigen und klaren Uebersiclit aller hiebei betheiligten Factoren noch nicht geführt hat. In dem Stadium, in welchem sich die Wachsthumsfrage gegenwärtig befindet, ') Siehe hierüber Nägeli, Botan. Zeitring (1881), p. 672. 199 erscheinen die Verhältnisse verwickelter und dunkler als früher. Durch tieferes Eindringen in dieses Forschungsgebiet ist man kritischer, be- denklicher geworden, und Vieles, was früher als sicher galt, musste wieder in Frage gestellt werden. Mancher Wachsthumsvorgang liegt derzeit noch tief verborgen. Es kann deshalb derzeit Niemand ernst- hch den Versuch unternehmen, eine befriedigende Definition des organischen Wachsthums zu geben. Alle diesbezüglichen Versuche sind als durchaus verfehlte zu betrachten. Und es wird auch in der Zukunft kaum anders werden, denn es dürfte wohl selbst bei Kennt- niss aller das Wachsthum begründenden Einzelnvorgänge kaum ge- lingen, diesen allerdings sehr einfach und sehr einheitlich erscheinenden, in der That aber sehr complicirten, in der mannigfaltigsten Weise ausgeprägten Process auf eine einfache Formel zu reduciren. Wohl aber ist es nicht nur zulässig, sondern geradezu zweck- mässig, das Charakteristische des Wachsthums aufzusuchen, um die Grenzen dieses Begriffes feststellen zu können, mit anderen Worten, um in jedem gegebenen Falle zu wessen, ob ein fraglicher Process als Wachsthum betrachtet werden könne oder nicht. Vor Allem muss unterschieden werden zwischen dem Wachsen eines Organismus im weitesten Sinne, w^orunter jede Volums- vergrösserung des Ganzen oder seiner Theile zu verstehen ist, und jener Volumsvergrösserung, w^elche nur durch den lebenden Organis- mus vollzogen werden kann. Nur diese Form des Wachsthums ist ein specihsch organisches Wachsthum. Wenn beispielsweise ein im Welken begriffenes Blatt sein Volumen durch blosse Wasser- aufnahme vergrössert, so ist dies ein Wachsen im weitesten Sinne, aber kein organisches Wachsen. Wenn hingegen eine Blattanlage durch Vermehrung ihrer Zellen sich vergrössert, so ist eine solche Volumsvermehrung als organisches Wachsthum zu betrachten. Die durch blosse Wasseraufnahme bedingte Volumsvergrösserung trägt allerdings bei einem lebenden Blatte mehr aas als bei einem todten; in beiden Fällen lieo-en aber der Wasseraufnahme bloss einfache physikalische Processe zu Grunde. Diese, wie alle analogen, bloss auf physikalischen Vorgängen, vom Leben unabhängigen Volums- 200 vergrösserungen gehören in die Kategorie des passiven Wachsthums. Auf diesem beruht das Wachsthum der Krystalle, überhaupt der leb- losen Körper; bis zu einem bestimmten Grade tritt, wie aus dem früher angeführten Beispiele zu sehen, indess auch bei der Volums- vergrösserung lebender Gebilde passives Wachsthum auf. Wir wollen dasselbe im Gegensatze zum organischen als anorganisches Wachs- thum bezeichnen.') Schon in der Einleitung wurde als Charakteristiken des or- ganischen Wachsthums eine mit Organisationsänderung ver- bundene Volumszunahme bezeichnet. Es scheint mir diese Abgrenzung des genannten Begriffes richtiger als die übliche, durch Sachs ver- tretene, welche das Bezeichnende des organischen Wachsthums in einer mit Gestaltveränderung verbundenen Volums vergrösser ung eines lebenden Gebildes erblickt. ^y In den meisten Fällen reicht diese Formulirung des Begriffes des organischen Wachsthums aus. Aber hin und wieder lässt sie uns doch im Zweifel, denn es gibt mit Gestaltveränderung verbundene Volumszunahmen lebender Pflanzen- theile, die nicht auf Wachsthum zurückzuführen sind. So hat Sachs ja selbst auf die interessante Thatsache aufmerksam gemacht, dass welkende Wurzeln (z. B. welkende Keimwurzeln von Vicia Falxi)^ einseitig mit Wasser in Berührung gebracht, sich empor krümmen, also ihre Gestalt verändern, und zwar unter Zunahme ihres Volumens. Sachs betrachtet aber mit Recht diese Gestaltänderung nicht als Wachsthum svorgang, sondern als die Wirkung einseitig verstärkter Turgors, indem an jener Seite der Wurzel, welche im Contacte mit ^) Um nicht missverstanden zu werden, bemerke ich, dcass auch nach meiner Auffassung in letzter Auflösung das organische Wachsthum auf der Thätigkeit mechanischer Kräfte beruht. Es ist dies aber jener als »Leben« uns entgegentretende Complex mechanischer Kräfte, dessen Analyse bisher nicht gelungen ist. In diesem Sinne gebe ich zu, dass zwischen dem organischen und anorganischen Wachsthum nur ein Unterschied des Grades besteht. Das organische Wachsthum aber durch jene einfachen Kräfte erklären zu wollen, welche Nägeli seiner Wachsthumstheorie zu Grunde gelegt hat, kann ich aus mehrfach schon angegebeneu Gründen nicht zugeben. -) So z. B. Sachs, Vorlesungen über Pflauzenpbysiologie, Leipzig (1882), p. 500. 201 Wasser stand, eine reichliche Wasseraufnahme stattfand, diese Seite mithin durch Volumsvergrösserung sich verlängerte und convex wurde. Hingegen erblickt Darwin in dieser und analogen Turgordehnungen schon einen Wachsthumsvorgang. Allein folgender Versuch lehrt, dass die genannte Gestaltänderung im Sinne der Sachs' sehen Er- klärung zu deuten ist. Wenn ich eine in schwachem Welken be- findliche Keimwurzel von Vicia Faba auf einen Eisblock derart horizontal lege, dass eine Seite derselben mit dem Eise im Contacte sich befindet, so krümmt sie sich langsam, aber nach einiger Zeit scharf nach oben, wenn nur die Lufttemperatur über Kuli liegt; sie krümmt sich aber selbst dann noch, wenn die Temperatur der Luft und der Wurzel tief unter dem Wachsthums- minimum gelegen ist. Die genannte Gestaltänderung der Wurzel hat deshalb mit dem organischen Wachsthum nichts zu thun; sie ist ausschliesslich auf einseitige Turgordehnung zurückzuführen J) Die Gestaltänderung eines sein Volum vergrüssernden Pflanzen- theils ist mithin nicht immer ein Kriterium des organischen Wachs- thums. Liimer wird aber eine mit Organisationsänderung verknüpfte Volumszunahme eines lebenden Pflanzentheils auf Wachsthum hin- weisen, z. B. bei einem vielzelligen Organ die Neubildung von Zellen, bei einem Zellbestandtheil eine sichtliche Veränderung der organischen Structur. — Das Wachsthumsproblem kann nur dadurch einer Lösung ent- gegengeführt werden, dass man einerseits den ganzen Erscheinungs- complex, der uns als Wachsthum entgegentritt, analysirt und anderer- seits die Beziehungen jedes einzelnen beim Wachsthum betheiligten Vorganges zu den übrigen und zu den äusseren Einflüssen fest- zustellen sucht. Die Tendenz meiner in diesem Buche vorzutragenden Unter- suchungen leitet in erster Linie zu einer Analyse des Wachsthums. Alles Wachsthum, sowohl das organische als das anorganische, beruht schliesslich auf einer Zunahme des wachsenden Körpers an ^) Wiesner, Das Bewegungsvermög-en der Pflanzen, Wien (1881), p. 32. Das Wachsthuiusminimum der Wurzeln von Vicia Faba liegt bei 5'^ C 202 Substanz,') und in dieser Beziehung kann kein Unterschied zwischen dem Wachsthum der lebenden und der leblosen Substanz bestehen. Ob die Substanzzunahme als solche in gleicher Weise bei organischen und anorganischen Gebilden besteht, soll später untersucht werden. Es wird sich zeigen, dass diese Substanzzunahme in jedem Falle durch dieselben molecularen Kräfte erfolgt. Mit der Substanzzunahme erschöpft sich, abgesehen von secun- dären Processen, das anorganische Wachsthum, während das organische durch zahlreiche Besonderheiten von diesem geschieden ist. Auf diese essentiellen Unterschiede soll vor Allem das Augenmerk gelenkt werden. Der äussere Verlauf des Wachsthums stimmt allerdings bei an- organischen und organischen Bildungen überein: in beiden Fällen sehen wir eine Volumsvergrösserung eintreten. Während aber die Volumszunahme eines Krystalls oder einer amorphen Masse nichts als eine einfache Substanzanlagerung ist, gestaltet sich der Wachsthums- process eines Organismus nur äusserlich und scheinbar in derselben einfachen AVeise, während hier thatsächlich mehrere oder viele Kräfte zusammenwirken; freilich, so heterogen sie an sich sein mögen, wirken dieselben in gleichem Sinne und bringen dadurch eine einheitliche Wirkung hervor. Das organische Wachsthum muss deshalb vor Allem im Sinne des Gesetzes von der mechanischen Coincidenz im Organis- mus'-) betrachtet werden, d. h. der beim Wachsthum stattfindende, einheitlich erscheinende Effect der Volumszunahme darf nicht auf ^) Es wird gewöhnlich mit Rücksicht auf keimende Pflanzen ang-egeben, dass Wachstlmm nicht mit Substanzzunahme verbunden sein müsse, da mit dem Wachsthum der Keimpflanze deren Trockensubstanzmenge abnimmt. Es werden hier die Keservestoffe zum Theile verbraucht, aber die wachsenden Keimtheile nehmen in allen ihren factisch wachsenden Theilen an Substanz zu. Es kann selbst in einer wachsenden Zelle eine Gesammtabnahme der Trockensubstanz stattfinden; allein die wachsenden Theile derselben, z. B. die Zellhaut, erfahren durch Einlagerung fester Theilchen eine Zunahme ihres Trockengewichtes. -) Siehe hierüber Wiesner, Der absteigende Wasserstrom und dessen physio- logische Bedeutung. Mit Rücksicht auf das Gesetz von der mechanischen Coincidenz im Organismus. Botan. Zeitung (1889), Nr. 1 und 2; ferner Wiesner, Biologie, Wien (lö89). 203 Eine wirkende Ursache zurückgefülirt werden, sondern ist zu be- trachten als eine Combination wirkender Factoren, die im Organis- mus in verschiedenster Weise verbunden sind, sich addiren, com- pensiren und substituiren, stets aber einen einheithchen Effect hervor- bringen. Der Krystall wächst gleichmässig, desgleichen die todte, amorphe Substanz, und es hat nur den Anschein, als würde deren Volums- vermehrung regellos vor sich gehen. Selbstverständlich erfolgt auch das organische Wachsthum nach strengen Gesetzen, dies lehrt ja schon die strenge Constanz der organischen Bildungen; aber die Bildungsnorm selbst der einfachsten organischen Körper ist im Ver- gleiche zu jener eines Krystalles ein verwickelter Process. Während an dem wachsenden Krjstall die neu hinzukommenden Theilchen sich so anordnen, dass ihre Axen genau parallel zu den Axen der vorher angelagerten Theilchen zu liegen kommen, lehrt die compli- cirte und für die Species constante Form aller organischen Theile, dass hier weitaus verwickeitere Bildungsgesetze herrschen müssen. Die unorganische Substanz wächst unter gleich bleibenden Be- dingungen unbegrenzt weiter, während das organische Wachsthum durchaus räumlich und zeitlich begrenzt ist, selbst bei Erfüllung aller zum Wachsthume erforderlichen Bedingungen. Der Zuwachs an der leblosen Substanz ist unter constanten Be- dingungen nur abhängig von der Grösse der Oberfläche des schon gebildeten Krystalles oder der schon abgeschiedenen festen Masse. Unter constanten Bildungs- und Wachsthums Bedingungen muss der Zuwachs der leblosen Substanz — absolut genommen — sich fort- während steigern, wegen successiven Kleinerwerdens der relativen Oberfläche hingegen relativ abnehmen. Abgesehen von diesem bloss durch die Oberfläche der wachsenden Masse gegebenen Verhältnisse, gibt es im Wachsthumsverlaufe der Anorganismen keinen Rhythmus. Der Zuwachs aller lebenden Gebilde, von den Individuen der Species an bis zu den kleinsten lebenden Bestandtheilen der Zelle, geschieht hingegen durchaus rhythmisch und folgt überhaupt einem anderen Bildungsgesetze. Denn selbst unter fortwährend gleichen Bildungs- 204 und Wachsthumsbedingungen steigert sich der Zuwachs der or- ganisirten Körper successive bis zur Erreichung eines Maximums und nimmt dann continuirlich ab, bis der Werth Null erreicht ist. Es unterliegt das Wachsthum aller organisirten Körper der grossen Periode. Der Krystall empfängt die Substanz, welche zu seiner Ver- grösserung erforderlich ist, direct von aussen in fertigem Zustande. Die Pflanze kann hingegen die aus den ihre Aufnahmsorgane bergenden Medien stammenden Nahrungsmittel nicht direct zum Aufbaue ihrer Theile verwenden. Die in ihr Inneres eindringenden Stoffe unter- liegen, soferne sie nicht als mineralische oder überhaupt als nicht- organisirte Ablagerungen in den Gew^eben auftreten, zunächst dem Processe der Assimilation.^) Erst die assirailirte Substanz gliedert sich der lebenden Substanz an oder ein. Es ist selbstverständlich, dass die Assimilation der Nahrungs- aufnahme folgt, allein es ist von vornherein nicht sicher, ob die Assi- milation stets dem Wachsthume vorausgeht, oder ob sie nicht durchaus oder in bestimmten Fällen mit dem beim AYachsthum stattfindenden Substanzgewinn zusammenfällt. Wie sich die Sache thatsächlich ver- hält, soll, so weit dies heute möglich ist, später untersucht werden. Der Krystall wächst durch Auflagerung, ein organisches Gebilde hingegen immer innerhalb gegebener Grenzen intercalar oder inter- stitiell; es wächst von innen nach aussen, gew^issermassen aus sich heraus. Ein Krystall oder eine amorphe Substanz bildet sich aus einer Lösung, oder aus einer Schmelze, oder (bei der Sublimation) aus Dämpfen; hingegen kann ein lebendes Gebilde, und wiire es auch der kleinste Bestandtheil einer Zelle, niemals aus Flüssigkeiten oder ^) Viele Botaniker nehmen nach dem von Sachs g-emachten Vorschlag-e das Wort Assimilation in einem selir beschränkten Sinne, indem sie mit demselben bloss die in der grünen Pflanze unter dem Einflüsse des Lichtes stattfindende Umwandlung- der Kohlensäure (und des Wassers) in org-anische Substanz ausdrücken. Wie immer, gebrauche ich auch hier dieses Wort, conform der in der Thierphysiologie üblichen Begriffsabgrenzung, in seinem allgemeinsten Sinne als zusammenfassenden Ausdruck für alle jene Processe, durch welche eine Umwandlung der Nahrungsmittel (oder der Reservestoffe) in die Bestandtheile der Gewebe erfolgt. 205 Dämpfen, überhaupt nicht aus todter Substanz entstehen; es ist immer das Vorhandensein eines organisirten Körpers zum AVachsthum er- forderlich. Ein fester, wachsender Körper entsteht, ein lebendes Gebilde kann nur durch Weiterentwicklung einer organischen Anlage wachsen; das organische Wachsthum ist immer nur ein Weiterwachsen, eine Fortsetzung einer schon vorhandenen Organisation. Von welcher Seite man das organische Wachsthum im Ver- gleiche zum anorganischen betrachten mag, so lässt sich doch kein anderes Moment der Uebereinstimmung zwischen beiden auffinden, als der Substanzgewinn. Auf diese geringe und, ich möchte hinzufügen, nur äusserliche Uebereinstimmung wollte ich nachdrücklich aufmerksam machen, weil ich den Versuch unternehmen will, das organische Wachsthum in seinen specitischen Eigenthümlichkeiten darzulegen im Gegensatze zu den in neuerer Zeit unternommenen Versuchen, das organische Wachsthum durchaus auf jene Molecularkräfte zurück- zuführen, welche beim Aufbau eines Krjstalles thätig sind. — Da Substanzgewinn dasjenige Merkmal ist, welches alles Wachs- thum verbindet, so entsteht zunächst die Frage, ob die Zunahme an Substanz bei Organismen und Anorganismen in der gleichen Weise erfolgt. Von einem Wachsen kann in Betreff der anorganischen Körper nur bei flüssigen und festen Substanzen die Rede sein. Man spricht aber gewöhnlich nicht vom Wachsen einer Flüssigkeit, sondern nur vom Wachsen eines Krystalles oder einer amorphen, festen Masse, obgleich z. B. die Grössenzunahme eines Wassertropfens durch Con- densation von Wasserdampf im Grunde auf molecularen Vorgängen beruht, welche jenen analog oder doch ähnlich sind, auf welchen die Volumszunahme eines festen, amorphen Körpers beruht. Man beschränkt also das Wachsen anorganischer Körper auf die Volumszunahme eines festen Körpers. Diese kann aber nur er- folgen durch den Uebergang einer Substanz aus dem beweglichen (gas- oder dampfförmigen und flüssigen, beziehungsweise gelösten) in den unbeweglichen (starren) Zustand, und zwar ist diese Aenderung 206 des Aggregatzustandes entweder mit einer cliemisclien Veränderung verbunden oder nicht. Wasserdampf verwandelt sicli bei niederer Temperatur in Eiskrystalle, schmelzender Schwefel krystallisirt bei Abkühlung, aus Salzlösungen krystallisirt bei Verminderung des Lösungsmittels das Salz heraus. In allen diesen Fällen entstehen und wachsen Kry stalle ohne jede Aenderung der chemischen Zusammen- setzung. Wenn aber beispielsweise eine wässerige Lösung von schwefelsaurer Magnesia mit einer wässerigen Lösung von Chlor- calcium zusammengebracht wird, so krystallisirt Gyps heraus oder fällt in Form eines Niederschlags aus dem Lösungsgemische nieder. Es erfolgt also das Entstehen und das Weiterwachsen der festen, anorganischen Substanzen entweder bloss durch die Thätigkeit von Molecularkräften, oder es spielen dabei auch chemische Affinitäten eine Rolle. Betrachten wir nun das organische Wachsen zunächst bloss in Bezug auf den Substanzgewinn, und zwar auch mit der Ein- schränkung auf Zunahme des betrejBPenden Gebildes an fester Sub- stanz, so entsteht zunächst die Frage, ob auch hier stets ein Ueber- gang der das Volum vermehrenden Substanz aus dem beweglichen in den unbeweglichen Zustand stattfindet. Diese Frage muss selbst- verständlich bejaht werden, denn es ist auf eine andere Weise eine Formbildung nicht denkbar, und wenn auch das organische Wachsen, wie wir gesehen haben, nie mit einem Molecül anhebt, sondern schon die Anwesenheit von organisirter Form voraussetzt, also immer nur ein WeiterwachseUj ein Weiterorganisiren ist, so kann dieser Process, soferne er auf einem Zuwachs an fester Substanz beruht, nur ge- dacht werden als eine Ueberfilhrung gasförmiger, flüssiger, beziehungs- Aveise gelöster Substanzen in die feste Form. Dass auch der Substanzgewinn eines wachsenden Organismus auf zweierlei Weise resultiren kann, nämlich sowohl durch Aus- scheidung ohne Aenderung des chemischen Charakters, als auch in Folge eines chemischen Processes, geht aus zahlreichen bekannten Thatsachen hervor. Indem beispielsweise in entstärkten Bohnen- keimlingen aus von aussen zugeführtem Zucker Stärke entsteht — 207 eine wichtige, durch Böhm*) zuerst constatirte Thatsache — scheidet sich die feste Stärkesubstanz auf Grund eines chemischen Processes, durch Abspaltung* von Wasser, aus. Die Substanzzunahme des Proto- plasmas erfolgt häufig unter Umwandlung von löslichen Albumin aten in unlösliche. Hier liegt also eine Substanzzunahme vor, welche ohne jede Mitwirkung chemischer Kräfte erfolgte. In vielen Fällen ist die Art des beim Wachsthum stattfindenden Substanzgewinnes nicht bekannt. So wissen wir nicht, ob die Cellulose aus einer Lösung abgeschieden wird oder aus einem höher zusammengesetzten Körper durch Abspaltung entsteht. Da kein in der Pflanze vorkommender Stoff bekannt ist, der Cellulose unverändert in Lösung bringt, und überhaupt mit Ausnahme des Kupferoxyd-Ammoniaks kein Lösungs- mittel dieses Körpers bekannt geworden ist trotz überaus zahlreicher diesbezüglicher Versuche, so ist es unwahrscheinlich, dass die Cellulose in der Pflanze aus einer Lösung abgeschieden wird. Viel wahrschein- hcher ist die zweite Alternative. Es kann die Cellulose in analoger Weise wie die mit ihr isomere Stärkesubstanz durch Auhydrid- bildung aus Zucker entstehen oder von hoch zusammengesetzten Körpern, z. B. Eiweisskörpern, abgespalten werden. Es ist auch gar nicht ausgeschlossen, dass die Ausscheidung der Cellulose durch ver- schiedene chemische Processe erfolgt. Es beruht also die sowohl beim Wachsthum der Or- ganismen als auch bei jenem der Anorganismen statt- findende Ausscheidung fester Substanz auf den gleichen mechanischen Ursachen, und zwar bei beiden Kategorien von Körpern zum Theile auf der ausschliesslichen Wirkung von molecularen Kräften, zum Theile auf diesen unter Mit- wirkuno; chemischer Processe. Aber auch die Verbindung der festen Stofftheilchen, welche bei dem das Wachsthum unterhaltenden Substanzgewinne stattfindet, ist sowohl bezüglich der Organismen als auch der Anorganismen auf die Thätigkeit der gleichen molecularen Kräfte zurückzuführen. ^) Böhm, lieber Stävkebildung- aus Zucker. Botan. Zeitung- (1883), p. 33. 208 Schon in der Einleitung (p. 10) ist dargelegt worden, dass eine (moleculare) Intussusception nicht etwa ein bloss für das Wachs- thum der lebenden Substanz charakteristischer Vorgang sei, sondern dass eine solche (moleculare) Zwischenlagerung auch bei Anorganis- men stattfindet. So wachsen die Traube' sehen Zellen durch Intus- susception, und auch der Austausch von Magnesium gegen Calcium in einem Calcitkrystalle, der sich in einer Lösung eines Magnesiasalzes befindet, ist auf den genannten Process zurückzuführen. Andrerseits ist ein (moleculares) Apposition swachsthum auch bei Organismen an- zunehmen, und es hat selbst der Begründer der modernen Intus- susceptionstheorie für das Wachsthum des Micelles eine Vergrösserung durch Apposition angenommen, und bloss das Wachsthum der lebenden Gebilde suchte er auf eine Zwischenlagerung von Micellen zwischen die schon vorhandenen zurückzuführen. Auch ist es ja, Avie schon früher angedeutet, selbstverständlich, dass die Intussusception Apposition voraussetzt, denn es muss doch ofi'enbar zuerst eine Anlagerung von Molecülen stattgefunden haben, bevor sich zwischen diese neue Mole- cüle einschieben können. Es Avird also die Substanzzunahme sowohl eines wachsenden organischen Gebildes als einer leblosen Masse durch dieselben molecularen Kräfte bewirkt und es erfolgt der Zuschuss an fester Substanz bei Organismen und Anorganismen in gleicherweise, nämlich theils durch Apposition, theils durch Intussusception. Dazu ist Zweierlei zu bemerken. Erstens dass die Apposition ein einheitlicher Vorgang ist, Avas von der Intussusception nicht aus- gesagt Averden kann, selbst wenn dieselbe, Avie es hier geschieht, in beschränktem Sinne, als ein molecularer Vorgang betrachtet Avird; zweitens, dass der NachAveis, ob moleculare Apposition beziehungs- Aveise moleculare Intussusception bei einem concreten Wachsthums- process thätig ist, nur in seltenen Fällen mit Sicherheit festgestellt Averden kann. Was den ersten Punkt anbelangt, so ist zunächst klar, dass die moleculare Apposition nur auf einfacher molecularer Anziehung der 209 kleinsten Snbstanztheilchen beruht. Die moleculare Intussusception ist hingegen ein Process, der auf sehr verschiedene Ursachen zurück- zuführen ist. Das Wachsthum der Traube'schen Zelle ist ein Vor- gang, bei welchem Diffusion und moleculare Anlagerung betheiligt sind, unter Mitwirkung einer Druckkraft, welche durch die Osmose beigestellt wird. Andere Ursachen hat die Intussusception bei dem oben genannten Calcitkrystall. Indem Lösungen in eine quellbare Substanz diffandiren, und in dieser durch chemische Processe feste Substanz deponirt wird, erfolgt auch eine Zwischenlagerung kleinster Substanztheilchen zwischen die schon vorhandenen. Dies ist auch Intussusception, und diese Form der Zwischenlagerung spielt offenbar beim Substanzgewinn wachsender organischer Gebilde eine bedeutende Rolle. Die Verschiedenheit dessen, was man als moleculare Intus- susception zu begreifen hat, spricht sich auch darin aus, dass dieser Vorgang wohl in der Regel, aber nicht immer zu einer Substanz- vermehrung führen muss. Wenn ein Calcitkrystall in der Lösung eines Magnesiasalzes liegt und der Austausch der metallischen Elemente stattfindet, so ist dies Intussusception, aber eine Form derselben, welche mit Substanzgewinn nicht verbunden ist. Bei dem regen Stoff- wechsel, welcher in der lebenden Substanz stattfindet, dürfte diese Form der Intussusception wohl auch im Organismus auftreten. In Bezug auf den zweiten oben bezeichneten Punkt ist zunächst zu bemerken, dass ein directer Beweis für das Auftreten einer mole- cularen Apposition, beziehungsweise einer molecularen Intussusception weder für wachsende Organismen, noch für wachsende Anorganismen zu führen ist, und dass man nur in den einfachsten Fällen, wie solche wohl bei wachsenden anorganischen Körpern, nicht aber — so weit unsere bisherigen Kenntnisse reichen — bei wachsenden organisirten Gebilden vorkommen, auf indirecte Weise den sicheren Nachweis der Wirksamkeit des einen oder des anderen Processes zu führen im Stande ist. So führt die Homogenität eines Krystalls und die Ueberein- stimmung der chemischen Beschaffenheit einer Krystallsalzlösung, be- ziehungsweise einer bei niederer Temperatur krystallisirenden Schmelze, 14 Wiesner, Die Elementarstructur etc. 210 mit der auskrystallisirten Substanz, in Verbindung mit der Oberfläclien- zunahme der Neubildung darauf, dass die in diesen Fällen ausge- schiedenen Krystalle durch Apposition (speciell durch Juxtaposition) aufgebaut wurden. Dass bei dem Aufbaue eines Calcitkrystalles, welcher durch Einwirkung einer Magnesiasalzlösung dolomitisch wurde, ein Austausch von Calcium gegen Magnesium stattgefunden hat, also Intussusception im Spiele war, geht aus dem Vergleich der chemischen Beschaffenheit der Lösung mit jener des sich successive umwandelnden Krystalles, endlich auch aus der Isomorphie von Calcit und Magnesit hervor. Auch der ganze Verlauf der Entstehung einer Traube' sehen Zelle deutet auf eine Mitwirkung der Intussusception bei der Ver- grösser ung eines solchen Gebildes hin, obgleich auch der Apposition eine mehr oder minder grosse Rolle bei diesem Wachsthumsprocesse zugesprochen werden muss, namentlich wenn, wie dies von mehreren Seiten geschehen ist, intermittirend auftretende Rissbildungen in der entstehenden Haut angenommen werden, welche allerdings durch Ein- fügung^ aber durch Einfügung apponirter Molecüle aufgehoben w^erden. So einfach der Process der Entstehung und des Wachsthums einer Traube' sehen Zelle ist, so ist man doch noch nicht im Reinen über die hiebei stattfindenden molecularen Processe. Nun denke man an die organischen Bildungen. Direct können wir natürlich das Spiel der molecularen Kräfte bei deren Wachsthum nicht verfolgen. Ein indirecter ßew^eis für eine bestimmte Entstehungs- form lässt sich bei dem Stande unserer derzeitigen Erfahrungen nicht führen, weil wir in der Regel den chemischen Vorgang, welcher das Wachsthum begleitet, ja in vielen Fällen, wie wir gesehen haben, beherrscht, nicht kennen, und wenn wir ihn kennen, derselbe so complicirt ist, dass wir aus demselben nicht auf die Form des hiebei resultirenden Substanzgewinnes schliessen können. Viele Forscher sprechen mit Sicherheit von einem Appositions wachsthum der Zell- haut, andere mit ebenso grosser Sicherheit von einem Intussusceptions- wachsthum des gleichen Zellenbestand theils. Nun kann aber heute noch Niemand sagen, auf welche Weise die Cellulose gebildet wird: ob sie aus einer Lösung hervorgeht, ob sie durch Anhydrirung aus 211 Zucker, ob sie durch Umlagerung aus einem isomeren Kolilenliydrat, ob sie aus einem Glykosid abgespalten, ob sie aus Eiweiss oder einem anderen hoch zusammengesetzten Körper abgeschieden wird. Also nicht einmal die Frage ist entschieden, ob sie durch einfachen Ent- zug des Lösungsmittels unverändert abgeschieden wird oder durch einen chemischen Process neu bei der Zellhautbildung entsteht; und dennoch will man genau wissen, wie die Molecüle sich gruppiren, indem die feste Zellhaut abgeschieden wird. Ich behaupte, dass das, was die meisten Botaniker Apposition und Intussusception nennen, nämlich die diesen Begriffen zu Grunde gelegten molecularen Processe, bezüglich der organischen Gebilde in keinem einzigen Falle als factisch vorhanden erwiesen wurden. Kur in jenen einfachen Fällen, wo Diffiisionsprocesse eine Einlagerung von Substanz hervorriefen, kann Intussusception angenommen werden; sonderbarerweise werden aber solche Fälle von Sabstanzeinlagerung gewöhnlich nicht in die Kategorie der Intussusceptionsphänomene gestellt. Wenn beispielsweise eine Partie des Protoplasmas die Haut ver- dickt und später durch unbekannte Proccsse in Zellhaut umgewandelt wird, so nennen dies manche Botaniker Apposition. Es ist dies aber gar kein molecularer Anlagerungsprocess, sondern ein Differenzirungs- process, welcher die Hautbildung einleitet. Aus einer so differenzirten Hautanlage gehen später erst Cellulose und die anderen Hautbestand- theile hervor, entsteht überhaupt erst die Haut, und es ist ganz falsch, diese Umwandlung des Protoplasmas in Haut als moleculare Appo- sition zu betrachten. Das Protoplasma lebt; in demselben gehen Stoff wechselprocesse vor sich; es ist deshalb im höchsten Grade wahr- scheinhch, dass hier hauptsächlich moleculare Intussusception statt- findet. Es ist aber gegenwärtig unmöglich, selbst auf indirectem Wege zu beweisen, wie viel in diesem Falle während des Substanzgewinnes der Haut auf moleculare Apposition und wie viel auf moleculare Intussusception. zu stellen ist. Was ich hier an einem Beispiele gezeigt habe, gilt für das Wachsthum aller organisirten Bildungen. Wir können nur sagen, 14* 212 dass der Substanzgewinn, welcher beim Wachsthum resultirt, auf molecularer Apposition und molecularer Intussusception oder auf beiden beruht; wir können aber wegen der Complication der Vor- gänge den factischen Verlauf dieses Processes nicht verfolgen, nur lässt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass bei dem intercalaren Charakter fast alles organischen Wachsthums die Intus- susception vorherrschen wird. Was bisher von Seite der Botaniker in Betreff der mole- cularen Intussusception behauptet wurde, ist, abgesehen von jenen schon mehrfach berührten Vorgäogen, welche auf blosser Diffusion oder auf dieser und durch dieselbe eingeleiteten chemischen Processen beruhen, Alles durchaus hypothetischer Natur. Es sind aber selbst die hypothetischen, das moleculare Intus- susceptionswachsthum betreffenden Ansichten durchaus nicht geklärt und gruppiren sich um zwei Centren, von denen das eine durch die Nägeli'sche, das andere durch die Sachs'sche Lehre repräsentirt ist. Wie sich gleich zeigen w^ird, widersprechen sich zum Theile diese beiden Lehren. Der Kern der Nägeli' sehen Lehre des Intussusceptions wachs- thums ist schon im historischen Theile dieser Schrift blossgelegt worden. Es hat allerdiugs schon Schwann die Intussusception als einen molecularen Vorgang aufgefasst, aber erst Nägeli führte diesen Gedanken unter Zugrundelegung einer molecular-physikalischen Hypo- these in seiner Micellartheorie mit Consequenz durch. Es erfolgt nach Nägeli' s Lehre das Wachsthum jedes Micells — das als ein für Flüssigkeiten undurchdringliches Krystallkörperchen angesehen wird — durch Apposition, das Wachsthum des betreffenden organischen Gebildes, z. B. eines Stärkekorns oder einer Zellhaut, durch Intus susception. Die Einlagerung neuer Micelle zwischen die schon vor- liandenen geschieht entweder gleichmässig oder ungleichmässig. Das gleichmässige Wachsthum setzt nicht nur untereinander gleiche, sondern auch gleichaxige Micelle voraus. Da das ungleichmässige Wachsthum im Pflanzenkörper vorherrscht, so ist anzunehmen, dass die Micelle nur selten gleich und gleichaxig sind. Es ist im 213 historischen Theile (p. 35) näher auseinandergesetzt worden, dass nach Nägeli's Theorie die Einlagerung neuer Micelle dort statt- finden wird, wo die die Micelle umkleidenden Wasserhüllen am grössten sind; dort ist nicht nur der grösste Raum zur Einlagerung, sondern auch die geringste Cohäsion, so dass hier nicht nur der meiste Raum, sondern auch der geringste Widerstand den sich ein- schiebenden Micellen geboten wird. Diese Vorstellung über den bei der Intussusception stattfindenden molecularen Vorgang hat sich Nägeli bei dem Studium der Stärke- kürner gebildet, und er übertrug dieselbe zunächst auf die Zellhaut, endlich auf das Wachsthum aller organisirten Theile der Pflanze. Bezüglich des Intussusceptionswachsthums der Zellhaut vertritt Sachs ^) eine andere Ansicht. Da bekanntlich das Wachsthum von aus behäuteten Zellen zusammengesetzten Pflanzentheilen sichtlich durch den Turgor dieser seiner Zellen begünstigt wird, beispielsweise in welken Stengeln das Längenwachsthum ganz stillsteht, während prall mit Saft gefüllte (wachsthumsfähige) Stengel relativ sehr stark in die Länge wachsen, so überlegte Sachs, ob nicht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Wachsthum und Turgor bestehe. Turgescente Zellen besitzen stark gedehnte Zellhäute. Hebt man den Turgor solcher Zellen, sei es durch Welkenlassen, sei es durch wasser- entziehende Mittel, auf, so ziehen sich die Zellwände in Folge Auf- hebung des auf ihnen lastenden osmotischen Druckes zusammen und der ganze Pflanzentheil wird, wie sich durch Messung leicht con- statiren lässt, kürzer. Da nun neuer Wasserzutritt zunächst den Turgor steigert und bald hierauf eine nicht mehr rückgängig zu machende Verlängerung des betreffenden Pflanzentheiles eintritt, so betrachtet Sachs den Turgor und die damit verbundene starke Imbibition der Zellhaut als Ursachen des Wachsthums. Er stellt sich vor, dass durch den grossen osmotischen Druck, den in turges- cirenden Zellen Protoplasma und Zellsaft auf die Zellhaut ausüben, die Molecüle der letzteren so weit auseinander gedrängt werden, dass •) Lehrbuch der Botanik. 3. Aufl. Leipzig (1873) p. 699. 214 für die Einlagerung neuer Molecüle Raum geschaffen wird. Da die Molecüle in Folge des radialen Druckes sich aber nur in tangentieller Richtung entfernen, hingegen in radialer geradezu sich einander nähern müssen, so ist ersichtlich, dass sich auf diese Weise nur das Flächen- wachsthum der Zellhaut erklären lässt. Sachs hält es für gewiss, dass die Einlagerung neuer Massentheilchen der Zellhaut erst durch Imbibition und Turgor möglich wird.^) Die Vorstellung, welche Sachs über die Kräfte entwickelt, welche angeblich die Molecüle der wachsenden Substanz so weit entfernen, dass eine neue Einlagerung ermöglicht wird, kann keine so allgemeine Geltung haben wie jene, welche Nägeli über denselben Gegenstand ausgesprochen und die wir vorher in Kürze mitgethcilt haben. Das Nägeli'sche Schema der Intussusceptionsmechanik lässt sich auf jede Form des inter- calaren Wachsthums und auf jeden festen Zellenbestandtheil an- wenden, während die Sachs' sehe Hypothese nur auf das Flächen- wachsthum der Zellhaut passt. Wenn die Sachs' sehe Lehre sich bewahrheiten würde, so müsste es als eine logische Consequenz der- selben angesehen werden, dass der Turgor das Dickenwach sthum — soferne dasselbe auf Intussusception beruht — herabsetzt, weil durch denselben die Wandmolecüle in radialer Richtung einander relativ genähert werden. Diese Folgerung hndet aber in den Thatsachen keine Stütze. Dass der Turgor ein wichtiges Erforderniss des Wachsthums bildet, ist nicht zu bestreiten, da die Beziehungen zwischen Turgor und Wachsthum, durch die Forschungen von de Vries-) auf das genaueste experimentell festgestellt, eine förderHche Einwirkung des Saftdruckes auf das Wachsthum ergeben haben. Der genannte Forscher hat aus seinen plasmolytischen Studien den Satz abgeleitet, dass mit der Grösse der Turgorausdehnung die Grösse und Ge- schwindigkeit des Längenwachsthums in den Partialzonen der wachsen- den Organe steigt und fällt. ') 1. c. p. 700. -) H. de Vries, Untersuchung-en über die meclianisclien Ursachen der Zell- streckung. Leipzig (lb77). 215 Aus dieser Abhängigkeit des Längenwachstliums von der Turgescenz darf aber noch nicht der Schluss abgeleitet werden, dass der osmotische Druck der Zellflüssigkeit die Ursache der (molecularen) Intussusception sei und dass dieser Druck die gegenseitige Entfernung der Molecüle zum Zwecke der Einlagerung neuer Massentheilchen begründe; aber noch weniger darf behauptet werden, dass der Turgor die Ursache des Wachsthums bilde. Lange vor Sachs hat schon Nägeli aus der Form der Zellen geschlosseu, dass der hydrostatische Druck der Zellflüssigkeit zum mindesten nicht die Ursache der während des Wachsthums statt- findenden Gestaltänderung der Zellen sein könne, da derselbe auf alle Punkte der Haut gleich stark wirkt, und mithin, gleiche Cohäsion vorausgesetzt, unter der Voraussetzung, dass der Turgor die Ursache des Zellhautwachsthums bilde, die Gestalt der Zelle stets eine kugel- förmige sein müsse. Wenn aber eine unter dem Einflüsse des Saft- druckes sich vergrössernde Zelle eine andere Gestalt als die einer Kugel annimmt, so liegt der Grund hiefür entweder in verschiedener Cohäsion der Zellwandtheile oder in einer activen Bethätigung der Zellhaut während des Wachsthums. Da Nägeli durch Messung normaler und plasmolytisch gemachter Spirogyren eine gleichstarke Dehnbarkeit der Zellhaut dieser Alge nach longitudinaler und trans- versaler Richtung constatirte^ die Zellen dieser Alge aber cylindrisch sind, so folgt, dass in verschiedener Cohäsion der Zellhautantheile die Ursache des ungleichmässigen Wachsthums nicht gesucht werden dürfe, mithin der Turgor für die während des Wachsthums statt- findenden GestaltänderuDgen bedeutungslos sei, also ausser dem Turgor noch andere Wachsthumsursachen massgebend wirken müssen. Es ist also der Nä gel i' sehen Theorie gegenüber der Sachs' sehen der Vorzug einzuräumen. Welche Bedenken indess der ersteren ent- gegenstehen, wurde schon früher erörtert, und in der Folge wird noch dargelegt werden, dass dieselbe selbst im Falle, als ihre Voraus- setzungen richtig wären, doch unvermögend ist, alle Formen des intercalaren Wachsthums zu erklären. 216 Beide Theorien haben sich mit Rücksicht auf das Wachsthiim der festen Theile der Zelle ausgebildet, Kun wächst aber nach der herrschenden Lehre auch das Protoplasma und der Kern durch Intus- susception. Es ist begreiflich, dass zur Erklärung der Einlagerungen neuer Massentheilchen zwischen die weichen und wasserreichen Theile des Protoplasmas und des Kerns nicht jene grossen Kräfte erforder- lich sind, welche herangezogen werden müsseUj um die Einlageiamg der Molecüle oder Micelle in die feste Wand verständlich zu machen. Wie im historischen Theile angegeben wurde (p. 68), hält Bütschli es gar nicht für nothwendig, das Wachsthum des lebenden Zellen- leibes durch Intussusception zu erklären. Nach seiner Ansicht treten die zur Ernährung der Protoplasmen dienenden Substanzen in ge- löstem Zustande in die flüssigen Theile des Protoplasmas ein und schieben die feste Substanz stellenweise auseinander, wodurch neue, mit Flüssigkeit gefüllte Räume zwischen der festeren Protoplasma- substanz entstehen, in welche die »neuen Plasmamolecüle« angelagert werden. Nun scheint mir aber Bütschli zu weit zu gehen, wenn er die Intussusception im lebenden Zellenleibe geradezu in Abrede stellt. Denn eine Einwanderung neuer Substanz zwischen die schon vor- handene findet im Protoplasma und Kern zweifellos statt. Nur ist der Vorgang offenbar ein einfacher und es kann die (moleculare) Intussusception solcher wasserreicher weichen Massen durch Diffusion oder durch diese in Verbindung mit chemischen Processen genügend erklärt werden. Füge ich der eben dargelegten Divergenz der Meinungen über die Ursachen der Intussusception noch bei, dass manche Botaniker ein Wachsthum durch Intussusception selbst hinsichtlich der Membran gänzlich ausschliessen und das Wachsthum aller Zellentheile auf Apposition zurückführen, wobei die Oberflächen vergrösser ung nur durch dehnende Kräfte vermittelt werden soll, welche vom Zellinhalte aasgehen, aadere Botaniker aber eine Mittelstellung einnehmen, in dem sie das Wachsthum der Zelltheile theils durch Apposition, theils durch Intussusception erfolgen lassen, so ergibt sich die grosse Un- 217 klarheit und Unsicherheit, welche sowohl über die Frage besteht, ob die organisirten Gebilde durch Intussusception zu wachsen befähigt sind, als darüber, auf welche mechanischen Ursachen die Intus- susception, falls eine solche eintritt, zurückzuführen sei. Trotz vielfacher Auslegung des Wachsthumsmodus hält aber die Mehrzahl der Botaniker doch noch an dem Satze fest, dass das Wachsthum durchaus auf (molecularer) Intussusception beruhe. Nur wenige Forscher haben in richtiger Erkenntniss der Un- zulänglichkeit aller bisherigen Versuche, das interstitielle und über- haupt das Wachsthum der Zelle und ihrer lebenden Theile zu er- klären, das Geständniss abgelegt, dass die Ursachen des Wachsthums derzeit unbekannt seien. So beispielsweise Klebs^), welcher nach einer eingehenden Discussion der bisherigen sogenannten »Mechanik des Wachsthums« die Wachsthumsursachen als derzeit noch un- bekannt erklärt. — Eine ausreichende oder im Hinblick auf die Thatsachen an- nehmbare Erklärung des organischen Wachsthums ist also bisher nicht gegeben worden. Das aber kann aus den bisherigen Darlegungen abstrahirt werden, dass der Substanzgewinn, welcher bei der Massen- zunahme von Organismen und Anorganismen resultirt, in beiden Fällen auf die gleiche Weise zu Stande kommt, nämlich theils durch moleculare Apposition, theils durch moleculare Intussusception. Ehe ich zur Erörterung des specifisch organischen Wachs- thums übergehe, wdll ich in Kürze die schon früher (p. 204) an- geregte, aber auf später verschobene Frage discutiren, ob die Assi- milation der zellbildenden Substanzen mit dem Wachsthum zusammen- fällt oder nicht. Ich schränke die Frage insoweit ein, dass ich nur auf jene StofFmetamorphosen Kücksicht nehmen will, welche bei dem Wachs- h Klebs, Beiträge zur Physiologie der Pflanzeazelle. Arbeiten des botau. Instituts zu Tübingen. Bd. II (1887), p. 564. 218 thum unmittelbar betlieiligt sind, und nur jene StofFzunalime während dieses Processes beachten will, Avelche durch die Ausscheidung fester Substanz gegeben ist. Mit Ausnahme der oben gegebenen Andeutungen ist, so viel mir bekannt, die Lösung dieses Problems nicht in Angriff ge- nommen worden. Es lässt sich für gewisse Fälle die gestellte Frage mit Bestimmtheit beantworten, für andere aber nicht. Wenn nämlich die feste Substanz, welche sich den schon vorhandenen organischen Theilen angliedert, in Folge eines chemischen Processes entstanden ist und hiebei in unlöslicher Form abgeschieden wurde, so ist ein- leuchtend, dass das entstandene chemische Individuum in dem Moment zur Structurbildung herangezogen wurde, in welchem es entstanden ist. In diesem Falle erfolgen also Assimilation und Wachs- thum gleichzeitig. Unter der sehr berechtigten Voraussetzung, dass bei der Wandbildung die Cellulose nicht aus einer Lösung aus- geschieden, sondern aus anderen vStoffen durch chemische Einwirkung gebildet wird, muss angenommen werden, dass sie in demselben Augenblicke, in welchem sie entstanden ist, auch schon zur Zellhaut- bildung herangezogen wird. Bezüglich jener Assimilationsproducte, welche von Lösungen ausgeschieden werden, gilt dies nicht. Da aber die meisten festen Theile der Organismen unmittelbar in Folge chemischer Umbildungen entstehen und wohl nur wenige sich nach Art von Krystallen einfach aus Lösungen ausscheiden, so kann als wahrscheinlich ausgesprochen werden, dass die Assimilation der an der Gewebebildung Antheil nehmenden Stoffe mit dem Wachsthum der betreffenden Gewebe gewöhnlich zusammenfällt, indem die durch Assimilation entstehenden, fest ausgeschiedenen Stoffe sofort dort an- oder eingelagert werden, wo wir sie in der Zelle finden. So wie die Assimilation dem Wachsthum vorausgehen kann, so kann sie ihr auch folgen, d. h. in den schon geformten und noch lebenden Theilen der Zelle können nachträgliche Stoffmetamorphosen eintreten, welche entweder ein neues Wachsthum einleiten oder ohne jede Volums- oder Gewichtsvermehrung ablaufen, vielleicht sogar mit einer Volums- oder Gewichtsverminderung verbunden sind und in 219 diesen Fällen selbstverständlich kein Wacbsthum herbeiführen. Dabei können aber die neu entstandenen Stoffe andere Functionen des lebenden Organismus übernehmen. Ausgewachsene Zelltheile erfahren häufig in Folge fortgehenden Stoffwechsels eine chemische Veränderung. Solche Stoffmetamorphosen sind namentlich in der Zellhaut häufig und leicht nachweislich. Es kann nun die Frage entstehen, ob nicht in lebenden Pflanzenzellen ein Stoffwechsel stattfindet, der ohne wesentliche Aenderung der Be- schaffenheit sich vollzieht, mit anderen Worten, ob nicht auch in den Pflanzengeweben, ähnlich wie in den thierischen Geweben, eine Re- generation stattfindet. Es ist diese Frage wohl schon angeregt, aber bisher noch nicht beantwortet worden.^) Es scheint, dass mit Rück- sicht auf die Thatsache, dass manche Zellen viele Jahre hindurch leben und fungiren, wie z. B. die Gewebselemente einer Tannennadel oder die Markstrahlen vieler Holzgewächse, die gestellte Frage nicht ohneweiters verneint werden könne. — Das organische Wachsthum erfordert also Assimilation der zu organisirenden Substanz; es fällt aber, wie es scheint, sehr häufig der Process der Assimilation mit dem des Wachsthums zusammen; es kann indess die Assimilation auch über das Wachsthum hinaus noch anwähren, wobei Zustände geschaffen werden, die entweder zu neuerlichem Wachsthum führen, oder die das Wachsthum nicht weiter beeinflussen. Da die Assimilation der in die lebenden Gebilde eindringen- den Stoffe eine Bedingung des organischen Wachsthums bildet, so scheint hiemit wieder ein Unterschied zwischen dem Wachsthum der Organismen und der Anorganismen gegeben zu sein. Dieser Unter- schied ist in der That ein sehr grosser, aber bei genauerer Be- trachtung doch nicht so durchschlagender Art, als dass mit Zuhilfe- nahme desselben das organische Wachsthum von dem anorganischen durchaus scharf geschieden werden könnte. Denn erstlich gibt es ') Vg-l. Wiesner, Anatomie und Physiologie der Pflanzen. 3. Aufl. p. 334. 220 anorganische Bildungen, welche gleich den meisten organischen in demselben Momente substantiell und morphologisch entstehen, wofür die Häute der Traube' sehen Zellen ein gutes Beispiel bilden; und zweitens können, zumal bei saprophytischen Organismen, die auf- genommenen Stoffe ausnahmsweise ohne chemische Umgestaltung zur Organisirung herangezogen werden. So rührt nach den Untersuchungen von van Tieghem^) die Stärkesubstanz, welche im Bacillus Ämylo- bacter auftritt, direct von Stärke her, die dieser Spaltpilz von aussen aufgenommen hat. Es scheint mir passend, an dieser Stelle auf eine Bemerkung van Tieghem's über die Beziehung zwischen Substanzaufnahme und Wachsthum einzugehen.^) Der genannte Forscher unterscheidet mit Rücksicht auf die Art der Substanzzufuhr zwei Arten des Wachs- thums: »la croissance par assimilation « und »la croissance par ad- jonctlon«. Die erste Art des Wachsthums ist dadurch charakterisirt, dass die zum Wachsthum erforderliche Substanz als Nahrung oder als Reservestoff aufgenommen und während des Wachsthums assimilirt wird. Diese Wachsthumsform ist thatsächlich vollständig begründet und nach meiner oben dargelegten Auffassung die vorherrschende. Unter croissance par adjonction versteht van Tieghem ein Wachs- thum durch Einführung protoplasmatischer Substanz in die schon vorhandene von anderen Zellen oder Orten her. Dass eine solche Beifügung lebender, also schon geformter Substanz zum Protoplasma existirt, ist durch die Copulation von Gameten, z. B. durch das Ein- dringen der Spermatozoiden in die Eizelle, bewiesen. Da van Tieghem aber durch diese Wachsthumsform das intercalare Wachsthum der lebenden Substanz erklären will, bei diesem Vorgange aber eine Ein- führung lebender Substanz in die schon vorhandene nicht nachweis- lich ist, so ist diese Form des Wachsthums eine Hypothese. Durch diese von dem Autor nur ganz kurz skizzirte Hypothese wird das- selbe angestrebt, was ich durch die im Protoplasma angenommenen inneren Theilungen zu erklären versuche. Auf diesen wichtigsten ^) Traite de Botanique. I. p. 206. •~) 1. c. p. 482. 221 Punkt meiner Wachsthumstheorie komme ich erst später zu sprechen. Ich will hier nur bemerken, dass ich in eine Kritik der van Tieghem'schen Hypothese nicht näher eingehen werde, weil der Autor in seiner nur gelegentlich vorgebrachten Darstellung jene Motive, welche ihn zu seiner Aufstellung bestimmten, nicht angeführt hat, und ich muss mich damit begnügen, auf diese letztere hingewiesen zu haben. Ich habe bisher Dasjenige ausfindig zu machen gesucht, was allem Wachsen, dem organischen sowohl als dem anorganischen, ge- meinsam ist. Es ist dies der Substanzgewinn als solcher, welcher, wie ich zeigte, in beiden Fällen auf Grund der gleichen mechanischen Kräfte erfolgt. Nun handelt es sich um die Aufsuchung jener Processe, welche für das Wachsthum der lebenden Gebilde charakteristisch sind, die also das specifisch organische Wachsthum begründen. Zu diesem Behufe knüpfe ich wieder an den oben (p. 195) citirten Satz Lamarck's an, will mich aber nunmehr an die zweite Seite seiner Parallele zwischen organischem und anorganischem Wachsthum halten und zeigen, dass das specifisch organische Wachs- thum in der That eine Entwicklung ist, ein Process, welcher im Gebiete der leblosen Körper kein Analogon hat. Ich werde versuchen, so weit es mir möglich ist, diesen complicirten Process in seine Einzeln- vorgänge zu zerlegen. Das Evolutionswachsthum, wie ich das specifisch organische Wachsthum nennen will, da der Ausdruck Intussusception, wie ich dargelegt habe, bloss bestimmte Einzelnvorgänge des ganzen Wachs- thum genannten Erscheinungscomplexes bezeichnet, beruht auf einer Summe von Organisationsprocessen, welche in den Einzelnfällen sich sehr verschieden combiniren und welche auch unterstützt werden können durch mancherlei einfache, mechanische Processe und ausser- dem durch passive Dehnungen. 222 Bevor ich zur Aufsuchung der in das organische Wachsthum ver- wickelten einfachen Processe schreite, möchte ich den Unterschied, welcher zwischen der gewöhnlichen Substanzzunahme und dem Evo- lutionswachsthum besteht, durch ein einfaches Beispiel klar zu machen trachten. Indem man das Wachsthum eines Blattes so weit verfolgt, als dies mit freiem Auge möglich ist, so erlangt man alsbald die Gewiss- heit, dass die Volumszunahme nicht durch Anfügung von aussen stattfinden kann. Da mit der Volumsvergrösserung eine Gewichts- zunahme verbunden ist, so kann das Wachsthum des Blattes nicht auf einer blossen Ausdehnung der schon vorhandenen Substanz be- ruhen, sondern es muss nothwendigerweise eine StofFeinlagerung in irgend einer Weise stattfinden. Wenn man nun von den Entwicklungs- vorgängen, welche man an jedem Blatte mit Zuhilfenahme des Mikro- skopes constatiren kann, nichts wüsste, so würde man sich offenbar eine Hypothese zur Erklärung der Erscheinung zurechtlegen, welche das Wachsthum auf Einschiebung kleinster Theilchen zwischen die schon vorhandenen zurückzuführen sucht. Man würde den inter- stitiellen Charakter des organischen Wachsthums begreifen, ihn aber auf Kosten eines einfachen mechanischen Vorganges stellen. Allein diese naive Auffassung müsste mit der Erkenntniss der Entwicklung des Blattes aus seiner zelligen Anlage aufgegeben werden. Indem man erkennt, dass jedes Blatt, und wenn es noch so complicirt ge- baut und noch so massig entwickelt ist, sich im Grunde genommen stets auf eine Zelle oder auf einige wenige Zellen zurückführen lässtj aus welchen durch gesetzmässige Theilungen zahlreiche Zellen hervorgehen, die oft zu vielen Tausenden an dem Aufbaue eines Blattes Antheil nehmen^ so gelangt man zu dem Resultate, dass das Wachsthum des Blattes nicht auf einer einfachen und gleichmässigen Einfügung von Substanz beruhe, sondern auf einem durch den lebenden Organismus unterhaltenen BildungsprocesSj der sich zunächst in der Neubildung von Zellen, die aber wieder ihr Volum vergrössern, äussert. Nun hat man bis jetzt angenommen, dass die Gewebs- und Organentwicklung specifisch organische Processe sind. Allein das 223 Wachsthiim der Zelle und ihrer Theile soll nach der bisherigen An- sicht durch moleculare Processe unterhalten werden. Wenn man diesen Gedanken mit strenger Consequenz durchführt — und es ist dies, wie im historischen Theile dargelegt wurde, zumeist so ge- schehen — so befindet man sich auf dem Standpunkte Desjenigen, welcher, ohne den Bau und die Entwicklung des Blattes zu beachten, dessen Wachsthum durch einfache mechanische Vorgänge erklären will. Dies ist aber nicht mehr erlaubt, seitdem es gelungen, tief in die Organisationsverhältnisse der einzelnen Zellentheile einzudringen- Wir erkennen auch hier, z. B. an den Wandlungen des Kerns, or- ganische Processe, welche das Wachsthum vermitteln, und können aus Thatsachen auf analoge, der directen Beobachtung sich entziehende, das organische Wachsthum begründende Vorgänge schliessen. Fassen wir zuerst jene in das Evolutionswachsthum thätig ein- greifenden, einfachen Processe ins Auge, welche der directen Be- obachtung zugänglich sind. Es sind dies folgende Vorgänge: 1. Die cellulare Apposition. 2. Die cellulare Intussusception. 3. Die DifFerenzirung bestimmter Plasmapartien zum Zwecke der Wachsthumsfortsetzung der Zellhaut. 4. Die Verwachsung von Zellen oder Zelientheilen zum Zwecke der Wachsthumsfortsetzung. 1. Die cellulare Apposition. Ich habe schon oben diesen Begriff präcisirt. Dieselbe kann erfolgen durch sichtliche Anlagerung von Zelltheilen zum Zwecke des Weiterwachsens gleichartiger oder ungleichartiger Zelltheile. Sie kann aber auch durch Anlagerung von Zellen zum Zwecke des Weiterwachsens von Geweben vor sich gehen. Es lassen sich mithin drei Typen der cellularen Apposition unterscheiden. a) Anlagerung gleichartiger Zelltheile. Es können Zell- hautschichten sich an schon gebildete Zellhautschichten anlagern. So hat S t r a s b u r g e r ^) im Anschlüsse an die Beobachtungen von 1) Zellbäute, p. 34. 224 Pfitzer und Solms- Laubach gefunden, dass während des Dicken- wachsthums der Bastzellen von Taxus haccata an der Innenseite der Zellhäute Kryställchen von Kalkoxalat angelagert werden, welche bei weiterem Dickenwachsthum von neuen Zellhautschichten bedeckt werden. Klebs\) bedient sich einer sinnreichen Methode, um eine direct nachweisliche Auflagerung neuer Zellhautschichten auf der Innenseite der schon gebildeten festzustellen. Er cultivirte eine be- stimmte Form von Zygnema in einer einzehntelprocentigen Lösung von Eisen Weinstein und bemerkte an der Innenseite der Zellhäute das Entstehen eines schwarzen Niederschlages (wahrscheinlich von gerb- saurem Eisen), welcher zumeist in Form kleiner Körnerhäufchen auf- trat. Bei weiterer normaler Cultur erschienen diese künstlich hervor- gebrachten Marken von neuen Zellhautschichten überdeckt. Von anderen einschlägigen Beobachtungen will ich nur noch auf die merkwürdigen Wachsthumsverhältnisse der Bastzellen des Oleanders und verwandter Pflanzen hinweisen, welche von Krabbe^) entdeckt wurden. Der genannte Forscher hat gezeigt, dass die Bastzellen des Oleanders Jahre hindurch wachsen. Im ersten Jahre sind sie — ab- gesehen von den conisch verschmälerten Enden — gleichmässig cylindrisch. Vom zweiten oder dritten Jahre an treten Wuchs- verhältnisse ein, welche theils in der äusseren Form, theils in der Gestalt des Lumens zum Ausdrucke gelangen. Viele Bastzellen er- scheinen in Folge secundären Wachsthums stellenweise fast blasig aufgetrieben mit stark erweitertem Lumen, viele sind local im Innern verdickt. In den aufeinanderfolgenden Vegetationsperioden werden vom Cytoplasma aus neue Zellhautlamellen an die schon gebildeten aufgelagert, die von einander durch dünne Protoplasmapartien ge- trennt sind. Krabbe betont ausdrücklich, dass diese neuen Zellhaut- schichten nicht etwa durch (moleculare) Apposition gebildet werden, ^) Uebev die Organiscation der Gallerte bei einig-en Alg-en und Flag'ellaten, in Pfeffer' s Arbeiten des bot. Inst, zu Tübingen. Bd. II, p. 372 (1886). ■-') Krabbe, Ein Beitrag zur Kenntniss der Structur und des Wachsthums vegetabilischer Zellhäute. Pringsheim's Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XVIII (1887), p. 362 ff. 225 sondern aus dem Cytoplasma auf eine einstweilen noch unerklärte Weise hervorgehen. Jedenfalls ist aber lebendes Protoplasma ein unbedingtes Erforderniss dieser Neubildungen.^) Nach Krabbe's Untersuchungen kann sich das Protoplasma der Oleander-Bastzelle 12 Jahre und sogar noch darüber hinaus lebend erhalten. Dabei be- wirkt es nicht nur die Angliederung neuer Zellhautschichten, sondern auch die localen Erweiterungen und die später noch zu erwähnenden localen Verdickungen dieser Bastzellen. Auch die merkwürdige Entstehung der äussersten Schichten der Pollenhäute durch Auflagerung vom Protoplasma der Mutterzelle her, welche durch die Untersuchungen von Schmitz, Strasburger u. A. so bekannt geworden sind, desgleichen die schon oben genannten »Neubildungen« an corrodirten Stärkekörnchen gehören in diese Kategorie der Wachsthumsformen. b) Anlagerung ungleichartiger Zellentheile. Es sind nur wenige eclatante Fälle dieser Wachsthumsform bekannt. Das anschau- lichste hieher gehörige Beispiel bildet die schon mehrfach beobachtete, zwischen den Zellhautschichten stattfindende Einkapselung von Proto- plasma. So hat beispielsweise Krabbe gezeigt, dass in manchen Bastzellen des Oleanders nicht nur neue Zellhäute an die schon vor- handenen angelagert werden, sondern dass durch einen analogen Process Protoplasma sich angliedert und dann von neuen Zellhaut- «chichten überlagert wird. c) Apposition von Zellen. Als Beispiele dieser Wachsthums- form werden die Knochen,-) ferner Bast und Holz der Dicotylen und •Gymnospermen 3) genannt. Selbstverständlich kann mit dem gleichen 1) Krabbe, I. c. p. 412. ~) Das Wachsthum der Knochen beruht nach der herrschenden Lehre theils auf Apposition, theils auf Intussusception (häufig- als interstitielles Wachsthum bezeichnet). Unter Apposition wird stets nur die Anlagerung neuer Elemente vom Periost aus verstanden. Nur mit dieser Wachsthumsform haben wir es hier zu thun. Die An- sichten über den Vorgang des interstitiellen Wachsthums sind getheilt. 3) Vgl. z. B. N. J. C. Müller, Allgemeine Botanik. I. Heidelberg (1880), p. 100 und 113, wo es heisst, dass die grobe Massenzunahme des Stammes der Waldbäume durch Apposition (Anlagerung von Phloem- beziehungsweise Holz- elementen), das Wachsthum der Zellen hingegen durch Intussusception erfolge. Wiesner, Die Elementarstructur etc. lo 226 Rechte auch das Wachsthiim des Periderms und des Phelloderms als ein appositionelles bezeichnet werden. Dass in all' diesen Fällen eine Auflagerung von Zellen auf schon vorhandene stattfindet, ist ganz augenscheinlich, desgleichen, dass diese Apposition von Bild ungsge weben ausgeht, deren Zellen durch Theilung die sich successive auflagernden Dauerelemente hervor- bringen. Allein bei näherer Untersuchung wird man finden, dass hier, strenge genommen, schon ein gemischter Process stattfindet, nämlich die cellulare Apposition von einer cellularen Intussusception be- gleitet wird. Verfolgen wir beispielsweise die Entstehung des Holzes und de& Bastes (präciser gesagt, des Phloems), so finden wir keineswegs die Breite (tangentialer Durchmesser) der Cambiumzellen in dem Ver- hältnisse zunehmen, als der Umfang des Stammes wächst, vielmehr erkennt man, wenigstens angenähert, ein Constantbleiben dieser Grösse. Daraus ergibt sich aber sofort, dass mit dem Dickerwerden des Stammes eine bestimmte Anzahl von Zellen neu gebildet wird, die also zwischen die anderen eingeschaltet erscheinen. Es ward also ein Theil der Zellen apponirt, ein anderer interponirt. Unter der Annahme, dass die Cambiumzellen und die daraus hervorgehenden Holzelemente ihre Breite constant erhalten, lässt sich leicht berechnen, wie viele Zellen bei einer bestimmten Dickenzunahme des Stammes eingefügt werden. Bezeichnet m die Zahl der bei dem Dickenhalbmesser (des Stammes) r gebildeten peripheren Zellen, so bedeutet die Grösse "' (v) die Zahl der neugebildeten peripheren Elemente, wenn der Dicken- durchmesser des Organs auf R gewachsen ist. Der Zuwachs an neuen Zellen (v) m\ — I — m drückt zugleich die Zahl der Zellen aus, welche während der Dickenzunahme des Stammes von r auf B durch cellu- lare Intussusception entstanden sind. 227 Es begreift sich leicht, dass die Zahl der interponirten Zellen im umgekehrten Verhältnisse zur Breite der Zellen stehen muss. Wenn also mit der Dickenzunahme des Stammes die Breite der Zelle kleiner wird, so nimmt mit dem Weiterwachsen des Stammes die Zahl der durch cellulare Intussusception entstehenden Zellen zu. Im umgekehrten Falle nimmt die Zahl der interponirten Zellen ab. Man hat in früherer Zeit behauptet, dass an einem und dem- selben Holzgewächs die Breite der Cambiumzelle constant bleibt (Mohl, Schacht). Spätere genaue Untersuchungen, welche wir Sanio^) verdanken, haben gelehrt^ dass in den untersuchten Fällen {Pinus süvestris\ Stamm- und Astholz) die Breite der Holzzellen (oder, was hier dasselbe ist, die Breite der Cambiumzelle) bis zu einer be- stimmten Jahresgrenze zunimmt und dann constant bleibt. Die Zahl der durch Intussusception neugebildeten Zellen ist also, relativ ge- nommen, anfangs klein und erhebt sich dann zu der oben angegebenen Constanten Grösse. Was hier bezüglich der vom Cambium ausgehenden Zellbildung gezeigt wurde, gilt mutatis mutandis für alle jene Gewebe, welche durch Bildungsgewebe nach radialer Richtung hin aufgebaut werden. In air diesen angeblichen Fällen von (cellularer) Appo- sition ist factisch diese mit (cellularer) Intussus.ception verbunden. Auch das an der Vegetationsspitze sich vollziehende Längen- wachsthum der Stammgebilde wird häufig als ein Auflagerungsprocess betrachtet, obwohl sich gerade hier der intercalare Charakter der Neubildungen mit viel grösserer Schärfe zu erkennen gibt als bei der cambialen Production. Nimmt man den einfachsten Fall, nämlich eine mit Scheitelzelle abschliessende Stammspitze, so sieht man, dass die successive zur Anlage kommenden Tochterzellen intercalar ent- stehen, indem die Scheitelzelle erhalten bleibt; zwischen dieser und den schon vorhandenen Zellen schalten sich die neugebildeten Zellen ein, die allerdings anfänglich durch Auflagerung den Stamm auf- ij Sanio, Ueber die Grösse der Holzzellen bei der gemeinen Kiefer. Frings. heim's Jabrb. für wiss. Bot. Bd. VIII (1872). 15* 228 bauen. Durch spätere perikline und antikline Theilungen werden neue Zellen interponirt. Es ist also auch beim Wachsthum der ein- fachst gebauten Vegetationsspitzen sowohl cellulare Apposition als auch cellulare Intussusception betheiligt. Aehnlich so verhalten sich aber auch die Vegetationsspitzen der höheren Pflanzen, an welchen das Meristem in Dermatogen, Periblem und Plerom gegliedert ist. In der Regel wächst das Dermatogen gänzlich durch cellulare Intus- susception, die Hauptmasse des Meristems: Periblem und Plerom theils durch cellulare Apposition, theils durch cellulare Intussusception. In seltenen Fällen, wenn nämlich eine mehrschichtige Oberhaut gebildet wird (z. B. bei Ficus elasticd) wird auch das Wachsthum des Derma- togens gleichzeitig von cellularer Apposition und cellularer Intus- susception beherrscht. Durch perikline Theilungen entstehen hier neue Oberhautzellen, welche ähnlich so wie Peridermzellen aufeinander- gelagert erscheinen. In jeder zur Oberfläche parallelen Schichte ent- stehen aber neue Zellen durch Einschaltung. 2. Cellulare Intussusception. Die Einfügung von Zellen zwischen schon vorhandene durch Theilung ist ein ganz gewöhnlicher Vorgang und bildet fast in allen Geweben die Regel. Wir haben ja gesehen, dass selbst dort, wo eine strenge cellulare Apposition vor- zukommen scheint, dieselbe gewöhnlich von cellularer Intussusception begleitet ist. Die Anführung besonderer Beispiele dürfte wohl über- flüssig sein. 3. Differenzirungen. Sehr häufig schiebt sich in das Wachs- thum bestimmter Pflanzen theile ein Vorgang ein, den man als Difi'erenzirung bezeichnen kann. Einzelne anfangs homogen er- scheinende Partien der lebenden Substanz erfahren eine Veränderung, während der Rest unverändert bleibt. Die veränderte Partie erfährt später gewöhnlich eine sehr weit gehende Umgestaltung. Zu diesen Diflerenzirungen gehört die Umkleidung der nackten Protoplasmakörper mit Zellhaut, die Entstehung der Zellhaut inmitten behäuteter Zellen, die schichtenweise erfolgende Ablagerung von Membranschichten auf schon vorhandene Häute u. a. m. 229 Auf die Umbildung des Protoplasmas in Haut hat bekanntlich zuerst Pringsheim die Aufmerksamkeit gelenkt. Er nahm aber an, dass das Protoplasma direct in eine Cellulosehaut umgebildet werde^ eine Annahme, welche schon im früheren Capitel richtiggestellt wurde. Die Behäutung von Primordialzellen ist eine Erscheinung, welche bei hautlos entstehenden Zellen in späteren Entwicklungsstadien fast regelmässig beobachtet wird, übrigens in neuerer Zeit, zumal bei niederen Pflanzen, nach künstlicher Blosslegung des Protoplasmas oft- mals constatirt wurde. Die erste diesbezügliche Beobachtung rührt von Haustein^) her, welcher zeigte, dass nach partieller Entfernung der Zellhaut bei Vaucheria eine Ausheilung stattfindet, indem eine im Wesentlichen mit der normalen Zellhaut übereinstimmende Membran über dem freigelegten Protoplasma gebildet wird. Analoge Beob- achtungen wurden später von van Tieghem und Schmitz gemacht. Ersterer constatirte bei MucorineeU;, letzterer bei Siphonocladiaceen, dass künstlich entfernte Membranstücke regenerirt werden, welche dem Protoplasma aufgelagert erscheinen. Für zahlreiche Algen (OetZo- gonium, Zygnema^ Cladophora etc.) hat K 1 e b s ~) den interessanten und für die Beurtheilung des Wachsthums der vegetabihschen Zellhaut wichtigen Nachweis geliefert, dass in durch entsprechend concentrirte Zuckerlösungen plasmolysirten Zellen an der von der Zellhaut los- gelösten Fläche des Protoplasmas neue Membranschichten gebildet werden. Aber auch an anderen Pflanzen gelang eine gleiche Neu- bildung der Zellhaut, so an Moosblättern {Funaria hygrometrica), an FarnprothalHen {Gymnogramme), ja selbst an Blättern monocotyler Pflanzen (Elodea canadensis). In welcher Art auch immer die Haut aus dem Protoplasma sich hervorbilden mag, immer ist es eine Partie des Protoplasmas, welche gegenüber dem übrigen Protoplasma (Cytoplasma) eine Veränderung er- fahren hat. Am deutlichsten treten solche Difl'erenzirungen wohl dort auf, wo innerhalb einer behäuteten Zelle durch Karyokinese neue Zellen 1) Hanstein, Botcan. Abhandluiigen Bd. IV. 2 (1880), p. 45—55. 2) Beiträge zur Physiologie der Pflanzenzelle. Arbeiten des botan. Institut? zu Tübingen. Bd. II, p. 550. 230 gebildet werden. Hier difFerenzirt sich, wie namentlich die Unter- suchungen Strasburger's lehrten, eine Partie des Kern- und Zell- plasmas und bildet sich, anfänglich noch protoplasmatisch bleibend, successive zur Haut um. Auch bei der freien Zellbildung im Embryo- sacke der Phanerogamen ist die Differenzirung des die Hautanlage bildenden Plasmas an der neuen Zellhautgrenze, wie gleichfalls Stras- burger zuerst nachgewiesen hat, direct wahrzunehmen. Aber auch dort, wo die Zellhaut uns später in bestimmt unterscheidbare Schichten und Schichtencomplexe gesondert entgegentritt, muss angenommen werden, dass das Protoplasma vorerst schichtenweise sich umgestaltet hat, bevor aus demselben die unterscheidbaren Schichten hervorgegangen sind. ^) Man darf heute überhaupt wohl schon die Behauptung aussprechen, dass, wo und auf welche Art eine Zellhaut aus dem Protoplasma sich differenzirt, diesem Processe stets eine Differenzirung des Protoplasmas vorausgeht: es ist dies die Umgestaltung einer peripheren Protoplasma- partie in Dermatoplasma. Wenn also beispielsweise eine Primor- dialzelle sich behäutet, so differenzirt sich vorher das Protoplasma in Dermatoplasma und Cytoplasma. Hat sich das Dermatoplasma von dem Cytoplasma differenzirt, so erfolgt die Hautbildung aus dem ersteren; und gewöhnlich auch unter dem Einflüsse des letzteren, auch wohl des Zellkerns (s. oben p. 156). Dass aber auch unabhängig vom Cytoplasma eine Haut sich weiterentwickeln kann, das geht aus den oben (p. 157) angeführten Beobachtungen Cramer's hervor, welche lehrten, dass Hauttheile sogar stark zu wachsen befähigt sind, wenn sie mit Cytoplasma gar nicht in Verbindung stehen. Cr am er erklärt diese Erscheinung auf Grund der Micellartheorie und meint, dass die in gelöstem Zustande aus dem Protoplasma der Haut zufliessenden Substanzen zum mittelbaren Aufbaue der Wand heran- gezogen werden, während ich das entschieden active und selbstständige Wachsthum dieser Hauttheile auf die Thätigkeit der in ihr enthaltenen lebenden Substanz, d. i. ihres Dermatoplasmas, stelle. ^) Sielie hierüber die sehr zutreffenden Bemerkungen Krabbe 's in Prings- heim's Jahrb. für wiss. Botanik, Bd. XVni (1887), p. 411 ff. 2H1 4«}. Verwachsung von Zellen behufs Fortsetzung des Wachs thums. In manchen Fällen ist es für das spätere Wachsthum von Zellen oder Geweben erforderlich, dass eine Verbindung von Zellen mit anderen Zellen oder Geweben stattfinde. So ist es z. B. zur Weiterentwicklung der befruchteten Eizelle der Angiospermen erforderHch, dass dieselbe mit der Wand des Embrvosackes verwachse. Durch diese Verbindung wird erst die weitere Ernährung und Ent- wicklung der Eizelle ermöglicht. Wie schon oben (p. 154) dargelegt w^urde, kann diese Verbindung nicht als eine blosse Anklebung an- gesehen werden. Die befruchtete Eizelle tritt mit den Geweben des Nucellus in organischen Verband, das Cytoplasma der Eizelle ist durch das Dermatoplasma mit dem Cytoplasma der Kachbarzelle verbunden und die neu sich herstellende Verbindung der benachbarten Dermato- plasmen macht erst das weitere Hautwachsthum möglich. Wenn Carpiden oder Carpidtheile miteinander verwachsen, so geschieht dies zunächst durch organische Verbindung bestimmter Zellen. Als einfachsten Fall nenne ich die Verwachsung der Carpid- ränder im Gynaeceum der Papilionaceen, wodurch erst die Bildung einer geschlossenen Hülse möglich wird. Diese Verwachsung geschieht bekanntlich in sehr frühen Entwicklungsstadien, zu einer Zeit, in welcher die Membranen der sich organisch vereinigenden Zellen noch ebenso lebend sind wie das Cytoplasma und der Kern. Die organische Verbindung der Zellen ist nur dann möglich, wenn die Dermato- plasmen sich zu einem neuen Ganzen vereinigen. Die Folge dieser Vereinigung ist die protoplasmatische Verbindung der verwachsenden Zellen, wodurch erst das weitere Wachsthum der Zelltheile er- möglicht wird. Analoge Fälle kommen häufig vor; ich will hier aber nicht in Einzelheiten eingehen, sondern blos noch darauf hinweisen, dass bei künstlichen Verwachsungen nur jugendliche Zellen sich organisch miteinander verbinden können. In den Häuten solcher Zellen lässt sich oft Eiweiss oder lebende Substanz nachweisen. Die Verbindung der Elemente erfolgt in solchen pathologischen Fällen genau in 232 derselben Weise wie bei den oben angeführten normal auftretenden Verwachsungen. 4^). Verwachsung von Zelltheilen zum Zwecke der Weiterführung des Wachsthums. Als prägnantestes, hierher gehöriges Beispiel führe ich die oben schon mehrfach berührte Ent- stehung des Periniums der Lebermoossporen an, welche, früher den verschiedensten Deutungen unterworfen, nunmehr durch die gründ- lichen Untersuchungen Leitgeb's^) vollständig aufgeklärt ist. Das Perinium der Lebermoossporen umgibt die eigentlichen Sporen, welche, als solche betrachtet, nach aussen mit der Exine (Exosporium) abschliessen. Das Perinium gehört deshalb nicht der Spore an, wurde aber mit dieser in derselben Zelle gebildet. Es kann nur aus dem Periplasma der Mutterzelle oder aus den innersten Zellhautschichten der letzteren entstehen. Während früher das erstere angenommen wurde, zeigte Leitgeb auf das bestimmteste, dass das Perinium aus der Membran der Mutterzellhaut hervorgeht, und zwar in der Art, dass die innerste Schichte dieser Membran sich aus dem ursprünglichen Verbände löst und später mit der sporen- eigenen Haut verbindet. Die Aufeinanderfolge von Loslösung und Verwachsung der früher genannten Zellentheile wird erst verständ- lich unter der Annahme von in der betreffenden Hautlamelle auf- tretender lebender Substanz. Durch diese Annahme werden die tief- greifenden Veränderungen begreiflich, welche bei Umwandlung der angelagerten Zellhautschichte in das Perinium erfolgen. Bei AnthoceroSj Puccia und anderen Lebermoosen umkleidet das Perinium die einzelnen Sporen, bei Sjyliaerocarjyon terrestre hingegen die ganze Sporentetrade und bildet hier die zwischen den einzelnen Sporen gelegenen Scheide- wände. Im ausgebildeten Zustande ist das Perinium von der sporen- eigenen Haut chemisch stark different. Es ist nach den Angaben von Leitgeb cellulosefrei und verfällt nach Einwirkung einer mit Schwefelsäure versetzten Chromsäure sehr rasch der Wirkung dieses Reagens, während die Exinen sich noch lange intact erhalten. Anfangs ^) Leitgel), lieber Bau und Entwicklung der Sporenhäute etc. Grcaz 1884. 233 eine homogene Haut, nimmt das Perinium schliesslich eine für jede Gattung charakteristische Sculptur an, indem in seiner äussersten Umgrenzung bestimmt orientirte Leisten, Falten etc. auftreten. Auch im Innern des Periniums gehen tiefgreifende organisatorische Ver- änderungen vor sich, indem die homogene Haut später von Körnchen und Stäbchen durchsetzt erscheint, die später undeutlich werden und miteinander zu verschmelzen scheinen. Auch bei Gefässkryptogamen ( Osmunda^ Equisetum, Lycopodiuiix) kommt ein Perinium vor. Auch hier scheint dasselbe durch Ver- wachsung der innersten sich organisch ablüsenden Schichte der Specialmatterzellen mit dem Exosporium zu entstehen. — Innere Z e 1 1 1 h e il u ng en. (S. oben p. 85, 120.) Dieselben beherrschen fast die ganze Gewebebildung im Pflanzenreiche, denn abgesehen von wenigen Fällen, wo ursprünglich getrennte Zellen sich später zu einem Gewebe vereinigen {Hydrodictyon etc.), beruht die Entwicklung der Gew^ebe auf Theilungen von in Verbindung bleiben- den Zellen. Da aber die aus den Meristemen hervorgehenden Zellen sich entweder schichtenweise anlagern oder in irgend einer Weise ein- geschoben werden, so fällt die auf inneren Zelltheilungen beruhende Wachsthumsform in die Kategorie der cellularen Apposition, beziehungs- weise cellularen Intussusception. Wir haben bisher zwei Formen des interstitiellen Wachsthums kennen gelernt, die cellulare Intussusception, welche sich in einer Einschiebung von durch Theilung entstandenen Zellen zwischen andere zu erkennen gibt, und die moleculare Intussusception, welche während des Wachsthums der Zellenbestandtheile als wirksam anzu- nehmen ist. Es entsteht nun die Frage, ob durch diese beiden Formen der Intussusception das geradezu zum Wesen des Organismus ge- hörige interstitielle Wachsthum schon erschöpft ist. Man hat bisher angenommen, dass wohl das Wachsthum der Gewebe und Organe durch Organisationsprocesse vermittelt werde, 234 hingegen das Wachsthum der Zellenbestandtheile durchaus auf mole- cularen Processen beruhe. Nun sehen wir aber in der Zelle und in ihren lebenden Theilen so viele specifische Organisationsprocesse sich vollziehen, dass der Gedanke eines specifisch organischen Wachs- thums der Zellen und Zellentheile nicht abzuweisen ist. Die Prüfung dieser Idee erscheint wohl auch umso berechtigter, als alle bisherigen Versuche, durch blosse m o 1 e c u 1 a r e Processe das Wachsen der Zellen und ihrer Theile zu erklären, durchaus unbefriedigend ausgefallen sind und, wie wir gesehen haben, zu den grössten Widersprüchen geführt haben. Die innerhalb der Zellen stattfindenden Theilungen, die Theilung der Kerne, der Kernfäden, der Piastiden etc., haben mich zu der Hypothese geleitet, das intercalare Wachsthum der Zelle und ihrer Bestandtheile in analoger Weise auf innere Theilungen zurückzu- führen, wie das Wachsthum des Blattes auf durch sichtliche Theilungen vermittelte Neubildung von Zellen zurückgeführt ist. Diese Hypo- these ist in den vorangegangenen Capiteln schon von mehreren Seiten beleuchtet worden. Ich kann mich deshalb an dieser Stelle kurz fassen. Aus schon früher angeführten Gründen muss angenommen werden, dass die Theilungsfähigkeit im Organismus weiter reicht, als durch thatsächliche Beobachtungen festgestellt werden kann. Da aber die organische Theilungsfähigkeit aus ebenfalls schon angeführten Gründen eine bestimmte Grenze einhalten muss, so müssen letzte Theilkörper angenommen werden. Es sind dies die Piasomen, welche alle organisirten Bestandtheile der Zelle zusammensetzen. Dieser Auf- fassung zufolge ist also jeder Zellenbestandtheil ein Aggregat von Piasomen. Diese verhalten sich zu den Zellen wie die Zellen zu den Geweben, und wie das Wachsthum der letzteren durch die Theilung der Zellen vermittelt wird, so vermitteln die Theilungen der Piasomen das Wachsthum der Zelle und ihrer lebenden Bestandtheile, d. i. des Protoplasmas, des Kerns, der Piastiden, der Chromatophoren etc. Nach dieser meiner Auffassung wird das intercalare organische Wachsthum über die thatsächlich wahrnehmbaren Theilungen hinaus 235 bis zu einer bestimmten Grenze durch innere Theihmg fortgesetzt, welche noch in Thätigkeit bleiben, wenn die sichtbaren Theikmgen der Zellen schon ihr Ende erreicht haben. Denn mit dem Aufhören der Zelltheilungen steht das Wachsthum der Gewebe und (.)rgane nicht stille, sondern es wachsen die Zellen weiter, in der Regel in so beträchtlichem Maasse, dass das Wachsthum der Gewebe und Organe mehr auf dem Wachsthum der Zellen als auf Zellvermehrung zu beruhen scheint. Die Zelltheile nehmen aber während des Wachs- thums nicht nur an Substanz zu, wir sehen in ihrem Innern auch Organisationsveränderungen vor sich gehen: in der ^lembran treten Schichten und Streifen auf, bilden sich Cystolithen und andere innere und äussere Vorsprungsbildungen aus; im Protoplasma werden häufig Umgestaltungen sichtbar, noch deutlicher treten dieselben im Kerne auf, etc. Air dies berechtigt wohl zu der Annahme, dass hier nicht blosse moleculare, sondern organische Veränderungen vor sich gehen, und dass mithin das Wachsthum der Zellentheile ein organisches ist, welches, ähnlich wie das der Gewebe und Organe — freilich nur bis zu einer bestimmten Grenze — auf inneren Theilungen beruht. Durch diese inneren Theilungen tritt eine Vermehrung der Piasomen des Dermatoplasmas, des Cytoplasmas etc. ein. Endlich hört die Theilungsfähigkeit der Piasomen auf und sie wandeln sich entweder durch noch andauerndes Wachsthum in andere organisirte Gebilde um, welche alsbald in einen Dauerzustand übergehen, oder sie werden aufgelöst. Die Piasomen des Dermatoplasmas bilden bis zu einer bestimmten Grenze neue Piasomen, welche sich zum Theile in Dermatosomen verwandeln. Die in abgestorbenen Zellhäutcn zwischen den Dermatosomen vorhandene Bindesubstanz scheint aus desorganisirten Piasomen, welche die mannigfaltigsten chemischen Umgestaltungen erfahren haben, zu bestehen. Die Piasomen des Cytoplasmas vermehren sich durch Theilung bis zu einer bestimmten Grenze. In absterbenden Zellen wachsen sie schliesslich zu nicht mehr theiluugsfähigen Protoplasmakörnchen heran (s. p. 180, 188) oder werden desorganisirt. Bleiben theilungsfähige Pia- somen in zu Dauerzellen gewordenen Zellen zurück, so können die letz- 236 teren wieder in das Theilungsstadium eintreten; sie können beispiels- weise zu Folgemeristemzellen werden. Im Kerne führen die Theilungen der Piasomen und deren Verschmelzungsproducte (Kernfäden) zur Ent- stehung neuer Kerne und zum Wachsthum der Tochterkerne. Kerne^ welche nicht mehr theilungsfähig sind, zerfallen in nicht mehr theilungs- fähige Producte, nicht selten in Körnchen, welche sich, so viel ich gesehen, durch grosse Tinctionsfähigkeit von den Plasmakörnchen unterscheiden. Das Wachsthum der Piastiden beruht auf Theilung und späterem Wachsthum von Piasomen, desgleichen das Wachsthum der Chromatophoren. Erhält sich in diesen die Theilungsfähigkeit der Piasomen (Chlorophyllkörner der Luftwurzeln von Hartwegia, der Blätter von Elodea etc.), so sind sie selbst wieder theilungsfähig. Erlischt aber mit dem Heranwachsen der Chlorophjllkörner die Theilungs- fähigkeit ihrer Piasomen, so sind solche Chromatophoren nicht mehr theilungsfähig. Dies ist der gewöhnliche Fall. Theilungsfähige Chloro- phyllkörner verhalten sich zu theilungsunfähigen wie Dauerzellen, die noch zu Folgemeristemzellen werden können, zu solchen, welche diese Eignung nicht mehr besitzen. Ausgewachsene Chromatophoren bilden Zerfallsproducte, welche nicht selten in Form von Körnchen er- scheinen, die aber nicht mehr theilungsfähig sind. Während nach meiner Theorie alle sichtbar wachsen- den Zelltheile durch auf dem Wege der Theilung vor sich gehende Neubildungen von Piasomen wachsen, ergänzt hin- gegen das Plasom nach erfolgter Theilung seine Masse bloss durch Wachsthum. Dass der Substanz gewinn des Plasoms durch die Thätigkeit der Molecularkräfte erfolgt, kann nach den obigen Auseinander- setzungen nicht zweifelhaft sein. Es muss aber die das Volum ver- mehrende Substanz der schon vorhandenen sich anorganisiren, d. h. or- ganisch an- oder eingliedern. Wie nun die in das Plasom eintretenden oder in demselben gebildeten chemischen Individuen organisirt werden, d. h. wie die todten Bausteine sich in das lebende Ganze des Plasoms so einfügen, dass die organische Einheit bis zu einer bestimmten Grenze erhalten 237 bleibt, dann aber unter den Bedingungen des Wachsthums in einem bestimmten Momente aufgehoben wird und Theilung eintritt, ist uns völlig räthselhaft. Nur so viel lässt sich sagen, dass das Wachsen des Plasoms nur eine Fortsetzung seines eigenen Wachsens sein kann, eine Fortsetzung des Organisirens unter steter Mitwirkung der lebenden Substanz. Während der Krystall als morphologisches Gebilde factisch entsteht und, einmal entstanden, die richtenden Kräfte in sich schliesst, welche die Anordnung der sich ausscheidenden und angliedernden Molecüle beherrschen, kann das Plasom nicht entstehen, sondern vermag nur während des Wachsthums die schon gegebene Organisation fortzusetzen. Zweifellos sind auch moleculare Kräfte bei der Fortsetzung des Plasomwachsthums betheiligt; allein diese Kräfte sind im Plasom in einer Weise complicirt, dass sie in jenen einfachen VerhältnisseUj welche den Auf- bau des Krystalls herbeiführen, ihr Analogon nicht finden; sie sind gegeben durch die schon vorhandene Organi- sation. Trotz der offenbar grossen Complication der Bildungsprocesse, welche im wachsenden Plasom vor sich gehen, muss hiebei eine strenge Gesetzmässigkeit herrschen, da im grossen Ganzen die schon vorhandene innere Gestaltung beim Wachsen sich wiederholt. Eine Analogie zwischen Krystall und Plasom kann aus den angeführten Gründen und namentlich auch deshalb nicht aufgestellt werden, weil das Plasom als ein Mechanismus fungirt, wie schon der Vorgang der Theilung lehrt. Kurzum, das Wachsen des Plasoms ist ein höchst complicirter Process, für welchen wir keinen anderen Ausdruck als »Organisiren« haben, womit gesagt sein soll, dass der mechanische, beim Wachsen stattfindende Process nach unserer dermaligen Einsicht nur mit den uns sichtlich vorliegenden, im lebenden Organismus thätigen Vor- gängen verglichen werden kann. — 238 Es scheint mir nöthig, das Wachsthum der Zellhaut vom Stand- punkte meiner Theorie aus einer besonderen Betrachtung zu unter- ziehen. Die Annahme einer das organische Wachsthum der Zellhaut beherrschenden inneren Theilung stösst nur scheinbar auf Wider- stände, und zwar auf dieselben, welche der Annahme der (mole- cularen) Intussusception entgegenstehen. Man nimmt nämlich in der wachsenden Zellhaut eine grössere Cohäsion an als den thatsächlichen Verhältnissen entspricht, und muss deshalb, wie wir gesehen haben, zu grossen Kräften seine Zuflucht nehmen, um das Auseinander- weichen der Molecüle und Micelle behufs Einschiebung neuer Theile bei dem Intussusceptionswachsthum verständlich zu machen, und so dürfte es scheinen, als wenn innerhalb der Haut eine innere Theilung des Dermatoplasmas, also eine Theilung der Plasomen^ nicht statt- linden könnte. Die Annahme einer grossen Cohäsion innerhalb der Zellhaut stützt sich aber auf die unrichtige Vorstellung, diese Haut bestehe aus Cellulose, wobei man zunächst an völlig ausgewachsene todte Bastzellen, wie solche in den Gespinnstfasern vorliegen, denkt, die in der That durch eine hohe absolute Festigkeit ausgezeichnet sind. Die wachsende Haut ist aber dehnsam, teigartig, manchmal sogar schleimartig. Die Umbildung der wachsenden, protoplasmaführenden Zellhaut in eine starre Masse vollzieht sich oft sehr rasch, und so erklärt es sich zum anderen Theile, dass man die wachsende in ihren Eigenschaften mit einer ausgewachsenen verwechselt, mit anderen W^orten, dass man die wachsende Membran für starr und im hohen Grade cohärent hält. Ich will durch einige naheliegende Beispiele die factischen Cohäsionsverhältnisse der Zellhaut erläutern. Die tiefen Eindrücke, welche turgescirende Markstrahlen selbst in sehr dickwandigen Bastzellen hervorrufen,') lehren, dass selbst »mechanische Zellen«, also die festesten Elemente des Pflanzenkörpers, ') Wiesner, Sitzungsber. der kaiserl. Akademie der Wiss. Bd. 62, II. Abth., (Juli 1870), Taf. I, Fig. 1 A, B. 239 auch noch knapp vor Beendigung ihres Längen- und Dickenwachs- thums eine beträchtUche Plasticität besitzen müssen. Man verfolge die Entwickhing der Cystohthen, z. B. jener^ welche in den Bhtttern und Stengeln der GoUi'assia anisophyUa sich bilden. Die Anlage einer solchen Vorsprungsbildung wird durch eine kleine, an der Innenseite der Zellhaut entstehende Erhabenheit ge- bildet. Das Wachsthum dieser Cystolithen geht mit einer solchen Geschwindigkeit vor sich, dass es schwer hält, in den betreffenden Zellen mehr als die erste Anlage und den vollkommen ausgebildeten, den ganzen grossen Zellraum erfüllenden Cystohthen zu sehen. Da das Hervorwachsen eines solchen Cystolithen durch interstitielles Wachsthum erfolgt, und, wie die Beobachtung lehrt, die Mitwirkung einer (cellularen) Apposition hiebei ausgeschlossen ist, so kann der- selbe sich nur entwickeln, w^enn er zur Zeit seines Wachsthums eine plastische Masse bildet. An Algenzellen ist von Klebs u. A. mehrfach ein plastischer Charakter w^ährend des Wachsthums nachgewiesen worden. Ich er- innere hier an das von P r i n g s h e i m entdeckte intercalare Wachs- thum der Zellhaut von Oedogonium^ w^elches nicht zu verstehen ist, wenn man nicht annimmt, dass der »Cellulosering« eine plastische jMasse ist. Junge, noch im Wachsthum begriffene Stengel sind dehnsam und fast noch von teigartiger Beschaffenheit. Dass aber innere Zell- theilungen nicht stets nur in ganz weichen Organen stattfinden, lehren junge Blätter von CamelUa. In diesen geht noch lebhaftes Wachs- thum vor sich, wenn sie auch schon beträchtlich zu erhärten beginnen. Die Weichheit der wachsenden Zellmembranen hat mithin ver- schiedene Grade; niemals aber ist eine solche Haut starr und fest wie eine ausgewachsene Bastzelle, in der Regel vielmehr weich und dehnsam, so dass die Annahme, dass in ihr innere Theilungcn auf- treten, auf keinerlei Schwierigkeiten stösst. ') — ^) Die Vorstellung, dass die yCellulosemembranen« der Pflanzen eine grosse Festigkeit, auch schon im wachsenden Zustande besitzen, hat mehrere Forscher behufs Erklärung des Wachsthums der Zellhaut zu der Annahme geleitet, dass die 240 Einfluss des Turgors auf das Wachsthum. Es ist schon früher erwähnt worden, dass der Tiirgor auf das Wachsthum einen grossen Einfluss ausübt. Nach Sachs und de Vries, wie ebenfalls bereits gesagt, besteht der ursächliche Zusammenhang zwischen Turgescenz und Wachsthum darin, dass der Druck des flüssigen Zellinhaltes die Wandtheilchen auseinanderschiebt und dadurch die Bedingung für das Intussusceptionswachsthum der nach der Fläche sich vergrössernden Zellhaut schafl^t. Nach Schmitz und S t r a s- b u r g e r soll aber der Turgor nicht die moleculare Intussusception beim Hautwachsthum, sondern bloss eine passive Dehnung der Zell- haut bewirken, auf welcher das Flächen wachsthum derselben nach ihrer Ansicht beruht. Die erste Ansicht lässt sich nicht beweisen, wohl aber kann man einen viel naturgemässeren Zusammenhang zwischen Turgor und Wachsthum ausfindig machen, wie ich in diesem Paragraphen zeigen werde. Was die zweite Ansicht anlangt, so ist dieselbe für einzelne Fälle durch unzweifelhafte Beobachtungen bewiesen; allein es lässt sich ebenso sicher nachweisen, dass in vielen Fällen das Oberflächen- wachsthum der Zellhaut vom Turgor vollkommen unabhängig ist. In den nachfolgenden Zeilen sollen die schlagenden Beweise dafür vorgebracht werden, dass ein Zellhautwachs thum auch ohne passive Dehnung der Membran zu Stande kommt und dass der Turgor auch in einer ganz anderen Weise während des Wachsthums sich betheiligt, als bisher angenommen wurde. Da die passiven Dehnungen der Haut gegenüber dem eigentlichen organischen Wachsthum nur als secundäre Processe zu betrachten sind, so will ich dieselben einst- weilen übergehen und erst am Schlüsse dieses Capitels erörtern. Dass die Gestaltung der Zelle in erster Linie von der lebenden Substanz und nicht vom Turgor ausgeht, wird Jeder, w-elcher die ungemeine Constanz in der Ausbildungsweise der Zellen in bestimmten Membran im Ganzen oder au jenen Stellen, wo ein local verstärktes Wachsthum ein- tritt, durch das Cytoplasnia erweicht werde. Diese Annahme ist thatsächlicli nicht gestützt; sie scheint mir aber auch durchaus nicht nothwendig zu sein. Vgl. Neil 1. c. p. 130. 241 Geweben bestimmter Pflanzen beachtet, für in hohem Grade wahr- scheinlich halten. Es liegen indess Beobachtungen vor, welche wenigstens für gewisse Fälle die Abhängigkeit der Zellform von den gestaltenden Kräften des Protoplasmas beweisen. Klebs ^) hat folgende Versuche mit Zi/gnema- Arten angestellt. Cultivirt man diese Alge unter ihren normalen Lebensbedingungen, so entwickeln sich die Zellen des Fadens der Länge nach stärker als nach den Querschnitts- dimensionen; die Längsaxe jeder einzelnen Zelle fällt mit der Axe des Algenfadens zusammen. Man nimmt an, dass das Obcrflächen- wachsthum der Zellmembran auch bei dieser Alge durch den Turgor hervorgerufen wird, und muss deshalb zu der Hilfshypothese greifen, dass die Seitenwände jeder einzelnen Zelle dehnbarer sind als die Querwände. Nun aber bewies Klebs durch einen einfachen Versuch, dass bei der Gestaltung der Zellen dieser Alge das Protoplasma be- theiligt sein müsse. Cultivirt man nämlich Zygnemen in einer be- stimmt concentrirten Zuckerlösung, welche wohl zur Plasmolyse führt, d. i. zur Abhebung des protoplasmatischen Inhaltes von der Zellhaut, aber das Leben und die Entwicklung dieser Algen nicht aufhebt, so wächst der contrahirte Zellenleib doch nach jener Richtung am stärksten, welche der Längsaxe des Fadens entspricht. Selbst wenn der contrahirte Protoplasmakörper durch die Plasmolyse kugelförmig geworden ist, erfolgt ein polarverstärktes Wachsthum, und die neue Zelle wird bald im Sinne ihrer normalen Gestalt langgestreckt. Dennoch wirkt bei mit Haut umkleideten Zellen von Zygnema der Turgor bei der Oberflächenvergrösserung mit. Es kann durch den Tiirgor in ausgew^achsenen Zellen sogar eine Sprengung der ältesten Hautschichten erfolgen. Diese und analoge Beobachtungen haben Klebs zu folgendem Schlüsse geführt: »Bezüglich der Wachsthumsursachen existirte bisher keine dieselbe erklärende Theorie; die von Sachs und de Vries vertheidigte Auffassung über die Bedeutung des Turgors beim Längen- wachsthum kann nicht aufrecht erhalten bleiben. Der Turgor ist 1) 1. c. 525 ff. Wiesner, Die Elementarstructur etc. 1" 242 überhaupt keine Ursache des Wachsthums, sondern nur für den speciellen Fall der mit fester Zellwand umkleideten Pflanzenzelle eine wichtige Bedingung für dasselbe. Die Wachsthums Ursachen liegen in unbekannten Verhältnissen des Protoplasmas. Die blosse Zunahme des endosmotischen Druckes im Zellsafte kann auch nur als eine und nicht als die wesentlichste Ursache angesehen werden.« ') Was aber bei Zygnema das polarverstärktc Wachsthum des Cytoplasmas bewirkt, lässt sich derzeit noch nicht aussagen. Hingegen ist es nur eine logische Consequenz meiner Grundauffassung über das Wachsthum der lebenden Substanz, w^enn ich annehme, dass dort, wo das Protoplasma (Cytoplasma beziehungsweise Dermatoplasma) ver- stärkt w^ächstj eine relativ starke Theilung der Piasomen sich ein- gestellt habe. Krabbe-) beweist durch die Combination einiger wohlbegründeter Thatsachen, dass in den Zellen mancher Pflanzen Oberflächen- Ver- grösserungen der Haut stattfinden, welche durch die dehnende Kraft des Turgors nicht zu erklären sind. Da nämlich Oleander-Bastzellen noch in späten Entwicklungsstadien innere Erweiterungen und in Verbindung damit eine beträchtliche Oberflächenvergrösserung er- fahren, so müssten mit Rücksicht auf die Zugfestigkeit derartiger Bastzellen Drucke von 3000 — 5000 Atmosphären angenommen w^erden, um die thatsächlich vorkommenden Oberflächenvergrösserungen durch Dehnung zu erklären. Da nun die in stark turgescirenden Pflanzen- zellen auftretenden Drucke gew^öhnlich nur wenige Atmosphären be- tragen und über 10 Atmosphären gelegene Drucke in Pflanzengeweben trotz sehr eingehender diesbezüghcher Untersuchungen noch nicht beobachtet wurden, so liegt wohl auf der Hand, dass das Wachsthum der genannten Häute durch den Turgor nicht zu erklären ist. Krabbe nimmt an, dass die Wände der genannten Zellen einem activen Wachs- thum unterliegen. 1) Klebs, 1. c. p. 564; s. auch p. 532. '•) 1. c. 411 ff. 243 Dass der Turgor nicht der beim Wachstlium massgebende Factor sein könne, geht auch aus den von Askenasy ') unternommeneu Untersuchungen hervor, denen zufolge die verschiedene Höhe der Wachsthumstemperatur keine Aenderung in der Grösse der Turgor- dehnung der Zellen hervorruft, obgleich bekanntlich die Temperatur auf die Wachsthumsgrösse einen bedeutenden Einfluss ausübt, indem mit steigender Temperatur die Intensität des Wachsthums steigt und nach Erreichung eines maximalen Werthes bis auf Null sinkt. — Ich möchte nunmehr die Aufmerksamkeit auf einen Punkt lenken, der bisher nicht beachtet wurde, und der uns wohl be- stimmen muss, dem Turgor noch eine ganz andere Bedeutung zu- zusprechen, als blosse passive Dehnungen herbeizuführen. Die Turgescenz einer freien Zelle, z. B. einer Hefezelle, muss im Verhältnisse zur Dehnbarkeit und Elasticität der Zellhaut zu einer Oberflächenvergrösserung der letzteren und somit zum Wachsthum der ganzen Zelle führen. In einem Complex turgescirender, mit dehn- samer Haut versehener Zellen wird ceteris paribus die Ausdehnung der Einzelnzelle begreiflicherweise eine geringere sein müssen. Der Einfachheit halber sei angenommen, dass in einem solchen Complexe alle Zellen gleich gross, kugelförmig und auf das Minimum des Raumes zusammengedrängt seien. Es ist dann je eine Zelle genau von zwölf Zellen der gleichen Grösse umgeben. Steigert sich der Druck in allen Zellen gleichmässig, so wird eine gegen die andere drücken, was sich zunächst darin zeigen wird, dass eine Zelle die andere abzuplatten bestrebt sein wird. Bei einem bestimmten gegenseitigen Drucke kann schliesslich jede dieser Zellen in ein Rhomben dodekaeder verwandelt werden. Aber selbst wenn dieser extreme Fall nicht eintritt, wird innerhalb der Wand einer jeden solchen Zelle ein Druck sich ein- stellen, welcher in diesem Maasse bei der Einzelnzelle nicht eintreten kann. Es wird also, wenn turgescirende Zellen im Verbände sind, die Dehnung der Zellhäute durch den gegenseitigen ^) Askenasy, Beziehungen zwischen Wachsthum und Temperatur. Berichte der Deutschen botan. Gesellsch. Bd. VH! (1890) p. 61 ff. 16* 244 Druck vermindert, der Druck innerhalb der Zellhäute aber vermehrt. Ehe ich auf die Frage eingehe, welche Wirkung der Druck (die Pressung) in der wachsenden Zellhaut ausüben mag, will ich hervorheben, dass der Widerstand, welchem die durch den Turgor gedehnte Zellhaut in den Nachbarzellen begegnet, vielfach massgebend sein muss für die Gestalt, welche die Zelle annimmt. Die Verhältnisse liegen wohl nur selten so einfach, wie in dem angeführten Beispiele Regel ist wohl, dass der Druck, welchen die Zellen aufeinander aus- üben, kein vollkommen gleicher ist; auch kommt es oft vor, dass auf einzelnen Zellenpartien gar kein Gegendruck lastet. So findet eine Oberhautzelle seitlich einen Gegendruck in den benachbarten Oberhautzellen, sie begegnet einem radialen Gegendruck in den unter ihr gelegenen Parenchymzellen, während von aussen her auf ihr kein osmotischer Gegendruck lastet. In Epithelien, in deren Zellen die äussere Wandverdickung nur eine schwache ist, wird die ungleiche Vertheilung des auf jede Epi- thelialzelle wirkenden Gegendruckes zur Geltung kommen können. Thatsächlich finden wir die Wand der Epithelialzellen häufig deutlich oder stark nach aussen gewölbt, und es scheint auf den ersten Blick berechtigt, diese Vorwölbung auf Kosten des Turgors zu stellen. Allein es ist geboten, die Gestalt der Epithelialzelle, bei welcher ja zahlreiche Factoren betheiligt sind, unter dem Gesichtspunkte des Gesetzes von der mechanischen Co'incidenz im Organismus zu betrachten, und aus der Einfachheit und Einheitlichkeit der Erscheinung nicht sofort auf eine wirkende Ursache zu schliessen. Ausser dem Drucke auf die äussere, freie Haut der Epithelialzelle kommen zweifellos noch andere Factoren in Action: die specifischen Eigenthümlichkeiten des Dermatoplasmas, die Einwirkung des Cytoplasmas und vielleicht auch die des Kerns auf die Haut (s. oben p. 156), die Spannungsverhältnisse der Haut etc. Würde bloss der Druck des flüssigen Zellinhaltes die Ursache der Vorwölbung der äusseren Epithelialwand sein, so wäre nicht zu begreifen, warum die Zellen selbst eines und desselben Epi- thels oft (z. B. an den Bliithen blättern von Viola tricolor) in Folge 245 der verschiedenen Ausbildung dieser äusseren Wand alle Uebergiinge von der Papille bis zur langgestreckt kegelförmigen Gestalt auf- weisen. Wenn wir bei der Epidermiszelle die Wirkung des Turgors an dem freien Zellhautstücke in der Regel nicht sehen, so liegt der Grund hiefür in der starken äusseren Wandverdickung, die bekanntlich schon durch die Anlage gegeben ist; denn schon im Meristemzustande ist die Epidermiszelle nach aussen relativ stark verdickt. Tritt an Ober- hautzellen keine starke äussere Wandverdickung auf, so wölben sich die Aussenwände auch gewöhnlich vor, sie werden, wie Epithelial- zellen, papillös. Dass Dermatogenzellen, anscheinend vöHig gleicher Qualität, theils zu gewöhnlichen Oberhautzellen, theils zu oft enorm in die Länge gestreckten Haaren werden, zeigt neuerdings, dass der Turgor das beim Flächenwachsthum der Zellhaut ausschlaggebende Moment nicht sein könne. Der von Zellen ausgeübte Gegendruck, welcher auf mitten in wachsthumsfähigen Geweben gelegenen Zellen lastet, wird die Form der letzteren zweifellos in einem gewissen Grade beeinflussen. Unter- halb der Vegetationsspitze gelegene, noch im Wachsthum begriffene Zellen finden in den sie in der Querschnittrichtung umschliessenden Dauerzellen einen grösseren Widerstand als gegen die plasmatischen Gewebe der Vegetationsspitze zu. Der Druck des flüssigen Zell- inhaltes wird auf die Haut solcher wachsender Zellen ein allseits gleich grosser sein; als dehnende Kraft wird sich dieser Druck aber nach oben mehr Geltung verschaffen können als nach der Seite, und dieser Umstand wird die Längsstreckung solcher Zellen, die aber zweifellos noch in ganz anderen Umständen ihren Grund hat, be- günstigen. Ich will auf andere Beispiele nicht eingehen. Es ist aus den vorgeführten wohl schon zu ersehen, dass in Zellen, welche einem verschiedenen Gegendrucke ausgesetzt sind, die Haut häufig die grösste Oberflächenausdehnung an jener Seite erfährt, wo der Gegen- druck am geringsten ist. — 246 Setze ich den Fall, dass dem Turgor einer Zelle die Nachbar- zelle den völlig gleichen Druck entgegensetzt, so kann die Wand dieser Zelle nicht passiv gedehnt werden, und wenn ihre Haut dennoch wächst, so muss der Grrund in anderen Verhältnissen gesucht werden. In einer so gedachten Zelle kommt der Saftdruck in der Zellhaut nur als Pressung zur Geltung, und diese wird selbstverständlich an allen Stellen eine gleich grosse sein. Setze ich hingegen den Fall, dass der Widerstand, den die turgescirende Zelle findet, an verschiedenen Seiten ein verschiedener ist, dann wird in der Haut eine verschiedene Spannung herrschen und es wird dieselbe dort am grössten sein, wo der entgegenwirkende Druck am geringsten ist. Mit Rücksicht auf die sichtlich hohe Bedeutung des Turgors für das Wachsthum und auf den Umstand, dass durch den fast immer herrschenden Gegendruck jene Wirkung vermindert oder annullirt wird, welche man dem Turgor beim Wachsthum bisher zugeschrieben hat, darf wohl angenommen werden^ dass die durch den Saftdruck in der Haut hervorgerufenen Pressungen und Spannungsänderungen nicht ohne Einfluss auf die während des Wachsthums der Haut und der Zelle überhaupt stattfindenden Bildungsprocesse sein w^erden. Der im flüssigen Zellinhalte herrschende Druck wird seinen Einfluss sowohl auf die Wand als auf alle Gebilde des Zellinhaltes äussern, welche feste Theile enthalten. Unter dem Einflüsse dieses Druckes mag die Theilungsfähigkeit der Piasomen des Dermato- und des Cytoplasmas begünstigt werden. Es lässt sich dies allerdings nicht beweisen; allein es kann doch Einiges zu Gunsten dieser Ansicht angeführt werden. Bei sonst gleichen Verhältnissen vermehren unter verstärktem Drucke stehende Meristeme ihr Protoplasma reichlicher und gehen reichlichere Theilungen ein als solche, welche einer Zug- kraft ausgesetzt sind. Ich beziehe mich hierbei auf jene Vorkomm- nisse, welche bei Keimstengeln die Umwandlung der eiDfachen Nu- tation in die undulirende bewirken. ') In Folge ungleichmässiger Anlage der Keimstengel — Vorder- und Hinterseite sind ungleich ^) Wiesner, Sitziingsber. der kaiserl. Akad. der Wiss. Bd. 88, I. Abth. (Juli 1883). 247 lang — wird bei fortschreitendem Wachstlium zunächst der anfangs gerade Stengel einfach gekrümmt, die längere Seite des Keimstengels wird convex, die kürzere concav. Die Zellen der concaven Seite sind zusammengepresst, die Zellen der convexen Seite hingegen durch passive Dehnung gespannt. Die ersteren erscheinen relativ reicher an protoplasmatischer Substanz als die letzteren. Im concaven Tlieile finden reichlichere Theilungen der Zellen statt als im convexen, und dadurch wird von einem bestimmten Zeitpunkte an die Krümmung in die entgegengesetzte umgewandelt; in Folge andauernden Wachsthums an der Vegetationsspitze verwandelt sich die einfache Nutation in die undulirende. Da nun die Theilung der Zellen auf der Theilung ihrer Piasomen beruht, so muss der vermehrte Druck an der Concavseite der Keimstengel nicht nur eine vermehrte Zelltheilungj sondern auch eine ver- mehrte Plasomtheilung hervorgerufen haben. Gegen meine Auffassung, dass der vermehrte Druck eine Ver- mehrung der Piasomen bedinge, wird man einwenden, dass das Wachsthum vieler Zellen aufhört, wenn noch eine grosse Turgescenz des betreffenden Gew^ebes nachw^eishch ist. Aber ich sage ja nur^ dass der Turgor die Theilung der Piasomen begünstige, ich behaupte nicht, dass er die alleinige Ursache dieser Theilungen sei. Wenn beispielsweise kein Bildungsmateriale den Piasomen zugeführt wird so können sie nicht assimiliren, also nicht wachsen und mithin sich nicht mehr theilen, wenn auch die sonstigen Bedingungen der Theilung die günstigsten wären. Auch die in der Wand sich einstellende Drucksteigerung (Pres- sung) mag die Theilung der Piasomen des Dermatoplasmas be- günstigen. Was die in der Wand herrschenden Spannungen anlangt, so setzen sich dieselben aus zwei Momenten zusammen: aus der Dehnung, welche die Membran in tangentialer Richtung erfährt, und aus der Pressung, welche in der Richtung des Radius stattfindet. Durch die Dehnung werden die Piasomen auseinandergedrängt und die Ober- 248 fläche der Zellhaut passiv^ vergrössert, durch den radialen Druck hingegen wird die Theilungsfähigkeit der Piasomen gesteigert. Wenn die gemachten Voraussetzungen richtig sind, so müsste das Ober- flächenwachsthum der Haut dort am grössten sein, wo ihre Spannung am grössten ist, indem daselbst nicht nur die Be- dingungen für die Vermehrung der Piasomen durch Theilung, sondern auch deren zum Oberflächenwachsthum führende Translocation ge- geben sind. Der Turgor der wachsenden Zellen wirkt also nach dieser meiner Auf fassung nicht blos als mechanischer Druck dehnend auf die Haut, sondern er bethätigt sich auch als ein Reiz auf jene Gebilde, auf deren Wachsthum und Theilung das Wachsthum der Haut und damit auch das der Zelle beruht, auf die Piasomen, indem er deren Theilung begünstigt. In jenen Zellen, in welchen der Zellinhaltsdruck durch den Gegendruck seitens der benachbarten Zellen soweit compensirt wird, dass die Spannung (Zugspannung) aufgehoben oder auf ein Minimum reducirt ist, wird die Theilung der Piasomen auch begünstigt sein, allein deren Translocation in tangentialer Richtung unterbleibt oder wird auf ein geringes Maass zurückgeführt. In solchen Zellen wird das Dickenwachsthum der Haut eine Begünstigung erfahren. Ich muss aber auch an dieser Stelle wieder betonen, dass das Dickenwachsthum durch die gegebenen Druckverhältnisse nicht hervorgerufen, sondern nur mitbegünstigt wird, indem zweifellos auch andere Factoren bei der Dickenentwicklung thätig eingreifen müssen. Indem man auch in Rücksicht auf die während des Wachs- thums thätige Turgorwirkung diesen Process unter dem Gesichtspunkte des Gesetzes von der mechanischen Coincidenz im Organismus be- trachtet, wird es verständlich, wenn wir sehen, dass der Turgor in verschiedener Weise beim Wachsthum eingreift, dass aber seine Mitwirkung während des Wachsthums in besonderen Fällen auch ganz ausgeschlossen sein kann. Derartige Fälle sind von anderen Beobachtern schon mehrfach constatirt worden. So fand beispielsweise 249 Klebs^), dass Zygnema in Zuckerlösungen wächst, welche schon plasmolysirend auf die Zellen dieser Alge einwirken. Hier findet also ein Wachsthum ohne Mitwirkung des Turgors statt. Für das Wachs- thuni der unter normalen Verhältnissen vegetirenden Alge scheint indess der Turgor erforderlich zu sein; aber eine elastische Spannung lässt sich in den Zellen solcher Zygnemen nicht nachweisen, da sich die Zellwand bei der Plasmolyse nicht zusammenzieht.-) Auch die Zellen von Spirogyra und Mesocarpus wachsen noch in plasmolysirtem Zustande. Anders verhält sich Oedogonmm. Die in Zuckerlösung cultivirten Zellen dieser Alge wachsen nicht; wohl aber umkleidet sich das zusammengezogene Protoplasma mit einer Zellhaut. Die Zellen mancher Pflanzen bilden nach erfolgter Plasmolyse keine neuen Zell- häute mehr aus, und die nackten Protoplasmakörper wachsen in diesem Zustande auch nicht. So z. B., nach den gleichfalls von Klebs angestellten Beobachtungen, die Desmidiaceen, die Zellen der Farnprothaliienj die Zellen aus dem Fruchtfleische von Sympliori- carpus u. a. m. Das Wachsthum der Zellhaut hängt also entweder vom Turgor ab oder nicht. — Auch die Betheiligung der lebenden Substanz erfolgt beim Wachs- thum der Zellhaut zweifellos in viel mannigfaltigerer Weise, als bis jetzt angenommen wurde. Nach der herrschenden Lehre verhält sich die Zellhaut während des Wachsthums passiv und ihr Aufbau geht ganz und gar vom Cytoplasma aus.^) Welche rohe Vorstellung man sich in Betreff dieses Hervorgehens der Haut aus dem Protoplasma gemacht hat, ist schon früher gesagt worden. Nun wissen wir aber, dass in der Haut ein actives Wachsthum'') stattfindet, dass also in ') 1. c. p. 534. -) 1. c. pag. 531. 3) Pfeffer, Pflanzenphysiclog-ie n, p. 47. -*) Ich habe zuerst mit der herrschenden Lehre gebrochen, derzufolge die Zellhautbildnng ganz und gar unter dem Einflüsse des Cytoplasmas stehe. Nun- mehr drino't anmälio- die Ansicht durch, dass man nach der alten Lehre die Wachs- thumserscheinungen der Zellhaut nicht erklären könne, und es wird auch schon von anderer Seite ein actives Wachsthum der Membran zugegeben. Die Meinungen 250 ihr lebende Substanz enthalten ist, auf deren Wachsthum ihre Ent- wicklung beruht. Wir sehen die wachsenden Zellhäute in der Regel von innen her mit Protoplasma überdeckt, was wohl darauf hindeutet, dass in solchen Fällen das Dermatoplasma nur im Contacte mit dem Cytoplasma beim Wachsthum sich betheilige. ') Die zum Wachsthum des Dermatoplasmas erforderliche Substanz- menge mag in den genannten Fällen vom Cytoplasma herrühren. Die Nothwendigkeit des Protoplasmas für die Hautbildung geht aus der Behäutung der Primordialzellen, aus der innerhalb behäutcter Zellen stattfindenden Hautbiklung und aus dem unter Vermittlung des Cytoplasmas stattfindenden Dickenwachsthum der Zellhaut hervor. Haberlandt-) hat einige interessante Thatsachen festgestellt, welche auch eine Betheiligung des Kerns beim Wachsthum annehmen lassen. Es wurde nämlich beobachtet, dass der Zellkern häufig gerade an jenen Stellen der Haut sich befindet, an welchen sich ein verstärktes Wachsthum bemerkbar macht, so z. B. an den nach aussen gekehrten Wänden der Oberhautzellen, an jenen Stellen der Zellhaut, an denen Cystolithen gebildet werden, etc. Doch ist der Zellkern gewiss nicht immer bei der Hautbildung betheiligt. Es sei zunächst an jene Zellen erinnert, die keinen Kern haben, aber doch eine Haut ausbilden. Aber selbst in unter normalen Verhältnissen kernführenden Zellen über das Wesen dieses activen Hautvvachsthnms lauten aber noch selir verschieden. Während ich dasselbe auf die Thätig-keit von in der Membran vorhandener lebender Substanz (Dermatoplasma) zurückführe, wird von anderer Seite, ich möchte sagen unter dem naehwh'kenden Einflüsse der alten Lehre, dieser BegriiV wieder sehr ein- geschränkt. Wie Gramer das active Wachsthum deutet, ist schon oben (p. 156 ff.) gesagt worden. Krabl)e begreift unter activem Wachsthum nur jene Volnmsver- grösserungen lebender Theile, zu deren Realisirung keine Steigerung des Turgors und überhaupt keine passive Dehnung der Haut erforderlich ist. (Krabbe, Das gleitende Wachsthum bei der Gewebebildung der Gefässpflanzen. Berlin 1886, p. 73 ff.) ') Bei Diatomaceen ist die Haut auch von aussen mit Protoplasma in Be- rührung (Max Schulze, Archiv für mikrosk. Anatomie I, 1865, p. 376), desgleichen bei Oscillarien (Th. AV. Engelmann, Bot. Zeitung 1879, p. 49 ff.). Das Dermato- plasma ist hier offenbar sowohl mit dem Cytoplasma als mit der peripheren Plasma- hülle in organischem Verbände. ~) G. Haberlandt, Ueber die Beziehung zwischen Function und Lage des Zellkerns. Jena 1887. 251 kann die Haiitbildung vor sich gehen, Avenn der Kern sich in der Zelle nicht mehr vorfindet. So hat Palla') gezeigt, dass PoUen- schläache, welche in Folge Platzens der Haut ihre beiden Kerne bereits ausgestossen haben, dennoch Membranen zu bilden im Stande sind. So wird also das Wachsthum der Zellhaut durch die AYechsel- wirkung von Dermatoplasma, Cytoplasma und Kern bewirkt. Es kann eine Vereinfachung dieses Vorganges eintreten, indem auch ohne Inter- vention des Kerns die Haut sich weiter entwickelt. Es kann aber auch in besonderen Fällen die Wirksamkeit des Cytoplasmas bei der Haut- bildung ausgeschlossen sein, so dass das Dermatoplasma das ganze Hautwachsthum beherrscht. Ich erinnere hier an die wichtige Ent- deckung Cramer's, derzufolge Hautstücke mancher Algenzellen auch wachsen können, ohne mit Protoplasma in Berührung zu sein (s. oben p. 157), ferner an die bekannte Beobachtung Th. Hartig's über das Flächen wachsthum der Gefässe von Aristolocliia Sipho^ welches noch an- währt, wenn die Gefäss wände auch nicht mehr mit Protoplasma belegt sind. Auch die lumenlosen Zellen weisen daraufhin, dass wenigstens von einer bestimmten Zeit an die Zellhaut ohne Mitwirkung des Cyto- plasmas wächst, also bloss auf die lebende Substanz des Dermato- plasmas angewiesen ist. Ich habe zuerst auf dieses merkwürdige, an den Bastzellen mancher Pflanzen coustant vorkommende morphologische Verhältniss aufmerksam gemacht. Es gibt, wie ich gezeigt habe, zahl- reiche Pflanzen, deren Bastzellen eine ungleichmässige Wandverdickung aufweisen. Als bekanntestes Beispiel nenne ich die Jutefaser (Bast- zelle von Corchorus cajysulans). Die ungleichmässige Wandverdickung ist hier so auffallend, dass man dieselbe mit Vortheil zur Unter- scheidung dieser Faser von anderen Spinnfasern verwenden kann, und sie gibt sich am deutlichsten durch den Nichtparallelismus des äusseren und inneren Contours der im Längsbilde gesehenen Zelle zu erkennen. Bei vielen solchen Bastzellen kommt es vor, dass das Lumen der Zelle ganz verschwindet oder an einzelnen Stellen. Im ersteren Falle enthält die Zelle schliesslich kein Protoplasma mehr, 1) Flora 1890, p. 314. 252 im letzteren ist es in n -[- 1 Theile gesondert, wenn n Verschmelzungen stattgefunden haben. Ich habe diese merkwürdigen Verhältnisse bei den Bastzellen von Urena, Sponia und anderen Gattungen beobachtet J) Später hat Krabbe "-) bei Sparmaymia africana solche Zellhaut- verschmelzungen nachgewiesen. Da die ungleiche Wandverdickung sich erst einstellt, nachdem die Zelle ihre normale Länge erreicht hat und eine Zeit hindurch gleichmässig ihre Haut verdickte, und nunmehr trotz bedeutender Abnahme des Cytoplasmas ein starkes, ungleichmässiges Dickenwachsthum beginnt, worauf schliesslich unter Schwund des Cvtoplasma eine Wandverschmelzung eintritt; so kann an einem selbstthätigen Wachsthum der Zellhaut und auch daran nicht gezweifelt werden, dass die schliessliche Verschmelzung der Hauttheile zu einem völlig soliden Körper ohne Mitwirkung des Cytoplasmas erfolgt. — Insoweit als das Wachsthum auf Volumsvergrösserung beruht, können auch passive Dehnungen und in gewissem Sinne auch Zusammendrückungen diesen Process beeinflussen. Durch das starke Wachsthum des parenchymatischen Grund- gewebes wird, wie bekannt, die Haut der Organe oft so sehr (passiv) gedehnt, dass sie, von dem angrenzenden Parenchym losgelöst, sich zusammenzieht. Andererseits können Gewebedruck oder andere, wachsenden Zellen sich entgegenstellende Widerstände dahin führen, das Wachsthum mancher Gewebe zu stören. Als förderlicher Wachsthum sreiz wirkt der Druck nur bis zu einer bestimmten Grenze; über diese hinaus kann er sogar eine Wachsthumsverringerung hervorbringen, oder das Wachsthum aufheben, oder endlich ausgewachsene Gewebe durch Zusammenpressung auf ein geringeres Maass reduciren. Locale Unter- drückungen einzelner Zellen oder Zellentheile durch starken Druck, ') Wiesnev, Sitzung-sberichte der kaiserl. Akad. d. Wiss. Bd. 62, II. Abth. (Juli 1870). •) Pring^sheim's Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. 18 (1887), p. 383. 253 sind häufig zu beobachten, und ich will hier nur auf die bekannte Erscheinung hinweisen, dass einzelne Bastzellen oder andere Elemente entweder in Folge Turgescirung der benachbarten Zellen oder in Folge anderer Widerstände verkümmern. Ich erinnere ferner an die so häufig, besonders im Marke, auftretenden Zusammenpressungen der Zellen, an das CoUabiren von Siebr()hren etc. Damit sind die beiden typischen Fälle der Volumsveränderungen der Zellen und Gewebe in Folge blosser passiver Druck- und Zug- wirkungen durch einige naheliegende Beispiele belegt. Aber auch wachsende Zellenbestandtheile sind häufig passiver Dehnung und passiver Zusammendrückung ausgesetzt. Auf die passiven Dehnungen der wachsenden Zellhaut hat meines Wissens zuerst Meyen^) aufmerksam gemacht, indem er darauf hinwies, dass die Wände junger Charenschläuche relativ stark verdickt sind, desgleichen die Spitzen der Endzellen junger C7iara-Aeste, und dass bei späterem Zellenwachsthum in Folge einer Dehnung die Zellwände, beziehungs- weise Zellwandpartien viel dünner werden. In neuerer Zeit sind zahl- reiche Beobachtungen über durch den Turgor vollzogene Zellhaut- dehnungen angestellt worden, besonders von Schmitz, Strasburger, Berthold und N o 1 1. Es ist schon gesagt worden , dass Die- jenigen, welche aus diesen Dehnungen das Flächenwachsthum der Zellhaut unter Zugrundelegung eines ausschliesslichen Appositions- wachsthums ableiten wollten, zu weit gegangen sind. Passive Dehnungen der Zellhaut können sich noch einstellen, wenn dieselbe schon aufgehört hat, ein lebendes Gebilde zu sein. Das in neuerer Zeit von Berthold, Noll und Anderen an Algen beobachtete Ab- stossen alter Membranen durch jüngere, sichtlich nachwachsende Schichten gehört in die Kategorie dieser passiven Dehnungen. Dass durch Gewebedruck auch eine Verminderung des Wachs- thums von Zellenbestandtheilen herbeigeführt werden kann, lehren die Zellwände der Bastzellen vieler Pflanzen, welche durch den von 1) Meyen, Neues System der Pflanzenphysiolog-ie. Bd. II (1838), p. 336. 254 benachbarten BastmarkstraLlen-Zellen ausgehenden osmotischen Druck stellenweise in ihrer Yohimsvermehrung gehindert werden (s. oben p. 238). Ich habe in den vorhergehenden Auseinandersetzungen versucht, den Process des speciiisch organischen Wachsthums, das Evolutions- wach sthum, zu analysiren. Als Resultat ergab sich vor Allem, dass dasselbe ein complicirter Vorgang ist, welcher sich desto verwickelter und verschiedenartiger gestaltet, je höher, also je complicirter organisirt die betreffenden wachsenden Gebilde sind. In den letzten organischen Elementen, in den Piasomen, ist die grösste Einfachheit des Evolutions- wachsthums anzunehmen, denn dieselben wachsen durch blosse E r- gänzung ihrer Organisation. Alle höheren Einheiten des Orga- nismus wachsen aber durch innere T h e i 1 u n g und durch das Wachsthum ihrer Piasomen, beziehungsweise ihrer Zellen oder deren sichtbaren Theilkörper (Kern, Chromatophoren etc.), wodurch sich eine desto grössere Verschiedenartigkeit in der Combination der thätigen Factoren ergibt, je höher die Organisation des betreffenden wachsenden Gebildes gediehen ist. Das Resultat der von mir vorgenommenen Analyse des Evolutions- wachsthums lässt sich in Kürze folgendermassen zusammenfassen: 1. Die Nahrungsaufnahme ist noch nicht als Beginn des or- ganischen Wachsthum s anzusehen, wohl aber hebt dasselbe häufig schon mit der Assimilation an. Wie wir gesehen haben, fällt immer dann, wenn die in die Organisation eintretenden Körper in fester, unlöslicher Form abgeschieden werden, die Assimilation mit der Or- ganisation zusammen.') Die Assimilation kann aber auch dem Wachs- thum vorausgehen, wenn nämhch die Assimilationsproducte in löslicher Form auftreten und erst später, sei es durch Entfernung des Lösungs- mittels, sei es durch Veränderung der molecularen Eigenschaften, in die feste Form übergehen. ') Die herrschende Leine lässt die Assimilation stets dem Wachsthum voran- gehen, steht also genau noch auf dem La marck' sehen Standpunkt. Vgl. den oben (p. 195) citirten La marck' sehen Satz. 2. Die assimilirte Substanz wird behufs r)ro'anisation uiolccular aggregirt, und zwar, wie beim Waclistlium eines unorganischen Körpers, theils durch moleculare Apposition, theils durch moleculare Intussusception. 3. Die Aggregation der in die Organisation eintretenden assi- mihrten Substanz erfolgt innerhalb des wachsenden Plasoms in einer für den Organismus specifischen Form, stets aber durch Fortsetzung der schon vorhandenen Organisation. Während in dem wachsenden Krystall die anziehenden Kräfte liegen, welche die sehr einfache An- ordnung der sich angliedernden Theilchen begründen, gehen die An- ziehungskräfte, welche die Fortsetzung des Wachsthums eines Plasoms begründen, stets schon von einem complicirt gebauten organischen Gebikle, von einem Plasom, aus. 4. Das wachsende Plasom theih sich in einem bestimmten Entwickhmgsmomente, wodurch eine neue Bedingung für die Fort- setzung des Wachsthums gegeben ist. 5. Das Wachsthum aller Zellentheile, also des ganzen Organis- mus, beruht auf der Theilung und dem Wachsthum der Piasomen. 6. Durch innere Theilung der Zellen werden neue Bedingungen für das Wachsthum der Gewebe und Organe geschaffen. 7. Wachsende Theile können durch sichtliche Auflagerungen (cellulare Apposition z. Th.) an Volum gewinnen. 8. Wachsende Theile können mit anderen wachsenden Theilen behufs weiteren Wachsthums in organische Verbindung treten (durch Verwachsung). 9. Durch die zellbildende Thätigkeit bestimmter Meristeme können Gewebe und Organe in der Weise weiter wachsen, dass die neu entstandenen Zellen den schon gebildeten aufgelagert werden (cellulare Apposition z. Th.). 10. Durch die zellbildende Thätigkeit bestimmter Meristeme können Gewebe und Organe in der Weise wachsen, dass die neu entstandenen Zellen zwischen die schon vorhandenen eingeschoben erscheinen (cellulare Intussusception). 256 11. Der Turgor wirkt beim Wachsthum gewiss nicht bloss passiv dehnend auf Zellen und Gewebe ein. Es ist aus bestimmten Gründen anzunehmen, dass er auch als ein Wachsthumsreiz sich bethätigt. 12. Die specifiiscli organischen Processe des Evolution swachs- thums können auch durch blosse passive Dehnungen unterstützt werden, welche vom Turgor ausgehen. Es können aber ebenso die specifisch organischen Processe durch Pressungen während des Wachs- thum s eine Einschränkung erfahren. — Während des Wachsthums bedient sich also der Organismus der verschiedensten Mittel, um seine Substanz zu vermehren, sein Vohmi zu vergrössern und dabei aus sich selbst heraus sich zu entwickeln. Fünftes Capitel. Schlussbetrachtungen. In den vorangegangenen Capiteln ist vor allem der Versuch gemacht worden, das letzte, einfachste Elementarorgan der Pflanzen und der lebenden Wesen überhaupt aufzufinden. Als dieses letzte, also wahre Elementarorgan wurde das Pias om hingestellt, der letzte Theilkörper der Pflanze und des lebenden Orga- nismus überhaupt. Die Existenz des Plasoms wurde nicht thatsächHch bewiesen und erscheint überhaupt direct nicht beweisbar; es ist aber sein Bestand aus den Thatsachen in analoger Weise erschlossen worden, wie das Atom und das Molecül. Wie dieses die kleinste Substanzraenge repräsentirt, welche im freien Zustande bestehen kann, und jenes das kleinste materielle Theilchen vorstellt, welches in chemisch gebundenem Zustande existirt, so bezeichnet das Plasom den kleinsten, also letzten Theilungskörper des Organismus. Es ist gezeigt worden, dass dieser letzte Theilkörper auch wächst und assimilirt, so dass das Plasom die Grundeigenthümlich- keiten der lebenden Substanz besitzt: es assimilirt, es wächst, es theilt sich. Ausser den genannten Grundeigenschaften der Organismen be- sitzen dieselben noch als charakteristische Attribute das Empfindungs- vermögen und die Vererbungsfähigkeit, und es entsteht mithin die Frage, ob man die Piasomen auch als die letzten Empfindungskörper und als die letzten Vererbungsorgane der Pflanzen und Thiere be- trachten dürfe. Wiesner, Die Elementarstructur etc. 17 258 Auf die erstere Frage wage ich gar nicht einzugehen; was hin- gegen die Frage anlangt, ob die Piasomen als die letzten Vererbungs- körper der Organismen betrachtet werden können, so werde ich in einem späteren Theile dieses Capitels zeigen, dass die Bejahung der- selben zu einer sehr einfachen und, wie ich glaube, annehmbaren Vorstellung des Vererbungsvorganges leitet. Sieht man von dem Empfindungs- und Vererbungs vermögen der lebenden Wesen ab und fasst man nur die mechanisch anschau- lichsten: Tlieilung, Assimilation und Wachsthum ins Auge, so kann man die Frage aufwerfen, ob nicht mit grösserem Rechte die letzten Wachsthumselemente oder die letzten Assimilationskörper als die wahren Elementarorgane der lebenden Wesen zu bezeichnen wären. Aber ein letztes Wachsthumselement "wäre ein ebenso dunkler Begriff, wie ein letzter Assimilationskörper, denn man kann sich weder über den einen noch über den anderen eine irgendwie berechtigte anschau- liche Vorstellung bilden. Das Wachsthum setzt die Assimilation unbedingt voraus, hingegen kann Assimilation ohne Wachsthum be- stehen. Würde man also auch die Hypothese eines letzten Assimi- lationskörpers als wahres Elementarorgan aufstellen, so kämen dem- selben nicht allgemein die Eigenschaften des Wachsthums und der Theilung zu. Gegen unseren Vorgang, den letzten Theilkörper als wahres Elementarorgan zu betrachten, lassen sich derlei Einwendungen nicht erheben. Das Plasom, als letzter Theilkörper des Organismus definirt, ist ein klarer, vorstellbarer, ja anschaulicher Begriff, dessen Realität auch dadurch gestützt wird, dass in ihm mit der Theilungseigenschaft noch die anderen mechanisch fassbaren Attribute des Lebens logisch verknüpft erscheinen. Aus dieser kurzen Betrachtung ist ersichtlich, dass, selbst wenn man von jener Kette von Beobachtungen, welche zur Aufstellung des Plasoms leiten, absieht und nur durch logische Erwägungen sich führen lässt, der hier aufgestellte Begriff des Elementarorgans, unter allen erdenkbaren, die grösste Berechtigung hat. 259 Inwieweit meine Grimdauffassung des Elementarorgans und der Elementarstructur der Organismen überhaupt richtig ist, muss der Zukunft zu beurtheilen überlassen bleiben . Da diese meine Auffassunc: von allen herrschenden Lehren abweicht, so darf ich auf rasche und allgemeine Zustimmung umsoweniger heften, als auf eine durchaus thatsächliche Begründung meiner Theorie ebenso wenig zu hoff'en ist, als auf den thatsächlichen Nachweis der Atome und Molecüle, und auch sonst einer unabweislichen Darlegung ihrer Richtigkeit grosse Hindernisse im Wege stehen. Der Einklang der Thatsachen mit allen auf eine bestimmte Theorie bezugnehmenden Thatsachen bildet bloss ein Erforderniss ihres Bestandes: ihr Werth kann nur darin lieo-en, dass sie Dinere, welche empirisch nicht festzustellen sind, uns anschaulich erschliesst, wenn sie Erscheinungen erklärt, welche durch directe Beobachtung nicht verständlich zu machen sind. All dies gilt für meine Theorie ebenso gut wie für jede andere, und von diesen Umständen hängt ihre Zukunft ab. Da meine Lehre, so weit ich es zu überblicken vermag, mit keiner Thatsache im Widerspruche steht, so ist sie berechtigt. Ihr Werth liegt aber in folgenden Vortheilen. Vor Allem gewährt sie uns eine einheitliche Auffassung des Baues der Organismen, Mit der Aufstellung der Zelle als letztes Elementarorgan erschien der Ele- mentarbau der Organismen erschöpft. Dringt man über die Zelle hinaus, wie dies ja mit so vielem Erfolge im Laufe der letzten De- cennien geschehen, in die Elementarstructur ein, hält man sich dabei nur an die nackten Thatsachen, so verschwindet jede Uebersicht- lichkeit und jede einheitliche Auffassung. Durch die Annahme des Plasoms als letztes, wahres Elementarorgan ist aber nicht nur der Organismus auf eine letzte Einheit zurückgeführt, auch die Haut, der Kern und die übrigen lebenden Individualitäten der Zelle erscheinen uns gleich dem Protoplasma unter dem gleichen morphologischen und physiologischen Gesichtspunkte, sie erscheinen als wesentlich gleiche, wenn auch verschieden ausgebildete und verschieden functionirende Theile der Zelle. 17* 260 Durch die Annahme des Plasoms wird auch das Wachsthum der lebenden Substanz verständhcher als durch die bisherige verworrene Lehre der Intussusception und Apposition; nunmehr erscheint das Wachsthum der lebenden Wesen und aller ihrer lebenden Theile als ein specifischer, auf die Organismen beschränkter Process, grund- verschieden von dem Wachsthum der Anorganismen. Das Gemein- schaftliche beider Wachsthumsarten besteht nur darin, dass ein Sub- stanzgewinn stattfindet und dass derselbe in beiden Fällen auf den- selben Moleculargesetzen beruht. Dadurch erscheinen beide Reiche einander nicht mehr genähert , als durch die Thatsache, dass sie schliesslich aus demselben Stoff gebaut sind, der bei den Organismen durch die Nahrung zugeführt wird und nach ihrer Zerstörung als Asche und als Product der Verbrennung oder Verwesung zurück- bleibt. Eine endgiltige Lösung hat unter Annahme des Plasoms das Wachsthumsproblem selbstverständlich nicht gefunden; aber falls sich die Berechtigung dieser Anoahme befestigt, wäre die nach dieser Richtung zu leistende Arbeit in naturgemässe Bahnen geleitet. — ■ In diesen Schlussbetrachtungen will ich nach einer kurzen Dis- cussion der Frage, ob der Zellkern oder das Protoplasma als der phylogenetisch ältere Bestandtheil der Zelle anzusehen sei, auf Grund meiner Theorie versuchen, das Gesetz von der Einheit im inneren Bau der Pflanze darzulegen, die Frage der Erblichkeit zu erörtern und einige Gedanken über das Wesen des Plasoms auszusprechen. Bis in die jüngste Zeit war man nicht zweifelhaft darüber, was von den Bestandtheilcn einer Zelle in jedem einzelnen vorkommenden Falle als Kern und was als Protoplasma zu denken sei. Erschien innerhalb der Zellhaut eine homogene oder auch inhomogene, aber nicht in zwei Partien scharf gegliederte lebende Substanz, so be- zeichnete man diese als Protoplasma-, fand man hingegen innerhalb 261 der Membran eine Gliederung des lebenden Zellenleibes in eine centrale und eine periphere Partie, so erklärte man die erstere als Kern und die letztere als Protoplasma; Hess aber der lebende Zellenleib keine innerliche DifFerenzirung erkennen, so bezeichnete man unbedenklich das Ganze als ein zur Zelle individualisirtes Protoplasma. Neuestens wird aber von einer Seite mit Rücksicht auf die grosse Bedeutung des Kerns bei der Vererbung, bei der Entstehung, Ausbildung und überhaupt beim Leben der Zelle versucht, eine andere Auffassung an die Stelle der älteren zu setzen. Es betrachtet nämlich Bütschli^) einzellige Gebilde ohne sichtliche innere Differenzirung nicht wie bisher als individualisirte Protoplasmen, sondern als Zell- kerne. Er sieht in den homogen erscheinenden einzelligen Zellenleibern der Schizophyten im Wesentlichen Kerne, die nur mit einer mehr oder weniger deutlich erkennbaren Schichte von Protoplasma um- kleidet sind. Für diese Auffassung spricht in erster Linie die starke Tinctions- fähigkeit der niederen Bacteriaceen, welche in dieser Beziehung in der That gegen den Kern nur wenig zurückstehen. Es wird aber auch für diese Organismen eine Structur angegeben, welche mehr für ihre Kern- als für ihre Protoplasmanatur sprechen soll. Doch liegen diese Gebilde so sehr an der Grenze der mikroskopischen Wahrnehmung, dass eine scharfe morphologische Scheidung gerade an ihnen nicht mit Sicherheit, und besonders dort nicht durchzuführen ist, wo es für die Entscheidung der Frage, ob diese Organismen Kerne oder Protoplasmen sind, am wünschenswerthesten wäre, nämlich bei den kleinsten, niedersten, ungegliederten Formen, so zwar, dass das Argument der Structur nicht so schwer in die Wagschalc fällt, wie die jedenfalls auffallende Tinctionsfähigkeit. Diese Auffassung führte Bütschli zu einer noch weitergehen- deren Hypothese. Er betrachtet den Kern als einen für das Zellenleben absolut nothwendigen Bestandtheil. Nach seinem Dafürhalten ist es 1) Bütschli, Ueber den Bau der Bakterien und verwandter Organismen. Leipzig 1890. 262 unwahrscheinlich, dass eine Zelle ohne Kern bestehen könne. Er meint ferner, dass wohl das Protoplasma, nicht aber der Kern in der phylogenetischen Entwicklung zurücktreten könne, vertritt die der herrschenden entgegengesetzte Ansicht, dass nicht das Protoplasma, sondern der Zellkern der primäre Bestandtheil der Elementarorganismen sei, und meint schliesslich, dass dort, wo beide auftreten, wie im gewöhnlichen Falle, das Protoplasma das phylogenetisch jüngere Glied der Zelle repräsentire. Diese Ansicht hat viel Ansprechendes, namentlich die be- kannte Beobachtung, dass nur kernführende Protoplasmapartien von Coeloblasten lebensfähig sich erweisen, kernlose hingegen selbst dann, wenn sie sich mit einer Zellhaut umkleidet haben, absterben, und zahlreiche, in neuerer Zeit aufgefundene analoge Fälle scheinen durch die Bütschli'sche Auffassung eine naturgemässe Erklärung gefunden zu haben. Dagegen wäre aber wohl zu bemerken, dass die Nicht- entwicklungsfähigkeit solcher kernfreier Protoplasmapartien doch nur an solchen Organismen beobachtet wurde, welche im Gange der phylogenetischen Entwicklung kernhaltig geworden sind, die also nur bestandfähig sind, wenn sie Kern und Protoplasma führen. Um zu beweisen, dass der Kern das für das Leben allein Massgebende ist, müsste man ja auch zeigen, dass aus dem Kern eines Coeloblasten die ganze Pflanze sich zu regeneriren im Stande sei. Dieser Versuch ist aber nicht gemacht worden. So lange dieser Beweis nicht erbracht ist, bleibt wohl die alte Lehre aufrecht, dass für das Leben der Zelle das Protoplasma ebenso wichtig ist wie der Kern. Ich möchte hier in Kürze zeigen, dass wir nicht gezwungen sind, die Bütschli'sche Lehre anzunehmen, da alle einschlägigen Thatsachen sich ganz gut mit der älteren Ansicht in Einklang bringen lassen. Es gibt Zellen, welche innerhalb einer ausgeprägten IMembran einen kernlosen Protoplasmakörper führen, welcher sich im Wesent- lichen vom gewöhnlichen Zellenprotoplasma nicht unterscheidet. Eine so gestaltete Zelle ist die Hefe, z. B. die gewöhnliche Bierhefe und die Branntweinhefe (Culturvarietäten von Saccliaromyces cerevisiae). 263 Wir sagen, die Hefe ist eine kernlose Zelle. Nach Bütschli müsste man hingegen diesen einzelligen Organismus als einen Kern be- trachten, der von einer gewöhnlichen Zellhaut umschlossen ist. Ich werde nun darzulegen versuchen, dass das Protoplasma der Hefe die Eigenschaften des gewöhnlichen Protoplasmas mit denen des Kerns vereinigt. Es befindet sich dasselbe noch auf einer tiefen Entwicklungs- stufe gleich anderen niederen Organismen, z. B. den Bacteriaceen, auf welcher eine Differenzirung innerhalb des Protoplasmas noch nicht eingetreten ist. Es sind keine organisirten Inhaltskörper vorhanden man müsste denn, wie dies in neuerer Zeit geschehen, die Vacuolen dazu rechnen; es ist kein Zellkern vorhanden; der Protoplasmakörper der Hefezelle muss also Alles leisten, was in einer hochorganisirten Zelle durch das Protoplasma, den Kern und durch die organisirten Inhaltskörper vollbracht wird. Nicht anders der Protoplasmakörper der als kernlos angesehenen Schizophyten. Thatsächlich beherrschen auch solche nicht differenzirte Protoplasmen den ganzen Lebens- process der betreffenden Organismen, das individuelle Leben sowohl als die Fortpflanzung. Ich habe zu meinen Darlegungen die Hefe gewählt aus Gründen, welche alsbald ersichtlich sein werden. Nun wird man aber gerade dieses Beispiel nicht gelten lassen wollen; man wird sagen, die Hefe habe einen Kern. Aber was hat man nicht alles als Kern der Hefe angesprochen, namentlich in neuerer Zeit, wo man, verlockt von der in eclatanten Fällen erwiesenen grossen Bedeutung des Kerns, be- sonders für die Vermehrung der Zellen^ überall nach Kernen fahndet und sie natürlich auch überall findet. Man hat zwischen den vierziger und fünfziger Jahren theils ein Schleimklümpchen im Protoplasma, theils die grosse Vacuole als Kern der Hefe betrachtet. Es hat be- kannthch Brücke diese Irrthümer aufgedeckt J) In neuerer Zeit wurden kleine, im Protoplasma der Hefezelle gelegene Körperchen, die man sonst unbedenkhch als Mikrosomen angesprochen hätte, als 1) Brücke, Elementarorg-anismen, 1. c. p. 400. Ueber die späteren, den Zell- kern der Hefe betreffenden Angaben ist die Abhandlung von Zacharias in der bot. Zeitung (1887, Nr. 18—24) nachzusehen. 264 Kerne gedeutet. Das waren kleine Kerne; man hat aber später auch sehr grosse Kerne in der Hefe angegeben. Nach dem, was ich von diesen grossen Kernen gesehen, muss ich dieselben für die plasmatische Hülle der grossen Vacuole halten. Es wurden sogar nucleinfreie Kerne in der Hefe angegeben. Da die fraglichen Gebilde kein Nuclein ent- halten und keine Kernstructuren besitzen: was berechtigt uns, die- selben als Kerne anzusprechen? Die Frage, ob die Hefe einen Kern besitzt, ist nach meinem Dafürhalten am gründlichsten von Krasser ^) beantwortet worden. Er untersuchte Presshefe vor und nach Behandlung mit jenen Mitteln, welche den Zellen das Nuclein entziehen. Enthält die Hefe thatsäch- lich einen Kern, so hätte er in ersterem Falle, selbstverständlich nach Anwendung der entsprechenden Fixirungs- und Tinctionsmittel, in Erscheinung treten, in letzterem Falle fehlen müssen. Es unterliegt keinem Zweifel mehr, dass die Hefe Nuclein ent- hält.-) Aus dieser Thatsache hat De Bary auf die Anwesenheit eines Kerns in der Hefe geschlossen. Dieser Schluss war aber deshalb nicht sicher, weil Nuclein auch in Körpern vorkommt, in welche es von Zellkernen aus nicht gelangt sein kann. Wenn man nun Hefe mit Alkohol und hierauf mit Verdauungsflüssigkeit bis zur Erschöpfung der löslichen Substanzen behandelt, so bleibt in den Zeilen reichUch ein charakteristisch gekörnter Plasmarest zurück, der, soweit er aus Albuminaten besteht, die durch Peptonisirung nicht in Lösung zu bringenden Antheile derselben enthält, mithin auch das Nuclein. Weder vor noch nach der Peptonisirung war direct oder nach den entsprechenden Tinctionen in den Hefezellen etwas nachweisbar, was als Kern hätte gedeutet werden können. Da nun der nach der an- gegebenen Behandlung zurückbleibende Protoplasmarest in verdünnten Mineralsäuren, in Wasser und Alkohol unlöslich ist, sich hingegen in concentrirten Miueralsäuren und verdünnten Alkalien löst, so ist der- ') Oesterr. botan. Zeitschrift (1885), Nr. 11. ") Hoppe-Seyler, Handbuch der physiologisch - patholog-ischeii Analyse. 5. Aufl. (1883). Kossei, Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. III (1881), p. 286. 265 selbe umso sicherer als Nuclein anzusprechen, als ja dasselbe nicht etwa bloss durch Reactionen in den Hefezellen nachgewiesen, sondern aus Hefe in Substanz dargestellt wurde. AVenn man nun umgekehrt aus der Hefe das Nuclein durch verdünnte Natronlauge auszieht, so erhält man ein ähnliches Bild der Hefezelle unter Mikroskop, wie nach der Pepton isirung. Da die tinctionsfähigen Partien des Inhaltes der Hefezellen sehr wechselvoll auftreten und vor der Entfernung des Nuclei'ns nicht reichHcher und sicherer als nach derselben sich zu erkennen geben, so kann man nicht behaupten, dass die Hefezelle einen mit den specifischen Eigenschaften des Kernes versehenen Inhaltskörper führt. Wohl aber kann man mit Krasser sagen, dass der specifische Kernstoff im allgemeinen Protoplasma der Hefezelie vertheilt sei. Bei vielen Nostoccaceen, Oscillarien und Chroococcaceen erscheinen in ähnlicher Weise Protoplasma, Kern, ja sogar die Chromatophoren noch zu einer gemeinsamen Substanz vereinigt.^) In manchen Cya- nophjceen ist indess von Zacharias^) mit grosser Bestimmtheit in jeder einzelnen Zelle eine Centralsubstanz und eine periphere Protoplasmamasse, welche letztere den ausschliesslichen Träger der charakteristischen Farbstoffe dieser Algen bildet, nachgewiesen worden. Bei einigen der untersuchten Arten {Oscillaria, Tolypotkrix) kann allerdings, wie Zacharias und Scott übereinstimmend angeben, die Centralsubstanz mit dem Zellkern identificirt werden, da sie ein aus Nuclein bestehendes Gerüst besitzt. Zacharias ist daher zu dem Resultate gelangt, dass man den Cyanophyceen nicht allgemein einen Kern zusprechen könne, denn die Centralsubstanz mancher Arten ist entweder frei von Nuclein oder enthält bloss eine Substanz, welche dem »Kernnuclein« nahekommt. In bestimmten Fällen hatte die Centralsubstanz bezüglich ihres Nucleingehaltes etwas Schwankendes; das Nuclein konnte unter bestimmten Culturbedingungen hervor- gebracht, unter anderen den Zellen wieder entzogen werden; die ') Schmitz, Chromatophoren, p. 9 ff. •) Bot. Zeitung- (1890), Nr. 1—5. 266 Fäden mancher Arten enthielten in einzelnen Zellen nucleinhaltige^ in anderen nucleinfreie Centralsubstanz. Auch hatte das Nuclein in der Centralsubstanz mancher Arten den Charakter deutlicher Gerüste, in anderen die Gestalt unregelmässiger Klumpen. Air dies deutet darauf hin, dass die Cyanophyceen auf einer Stufe phylogenetischer Entwicklung sich befinden, auf welcher eine Differenzirung der lebenden Substanz in Kern und Plasma noch nicht eingetreten ist oder erst beginnt. Falls man diese Algen als in rückschreitender Bildung begriffene Organismen ansehen wollte, so müsste man sagen, dass sie in einen Zustand gelangt sind, in welchem die specifische Gliederung des Zellenleibes im Schwinden begriffen ist. Man kann mit einer gewissen Berechtigung den Kern als das phylogenetisch ältere Glied der Zelle betrachten, man kann aber mit demselben Rechte das Protoplasma als den primären Zellenbestandtheil ansehen. Es ist aber, nach meiner Meinung, noch eine dritte Aus- legung der Thatsachen erlaubt, dass nämlich Kern und Proto- plasma phylogenetisch gleich alt sind. Und diese Ansicht halte ich für die berechtigtste. Wir haben kaum ein Recht, anzunehmen, dass das, was wir heute Kern und Protoplasma nennen, Dinge sind, welche keine phylogenetische Entwicklung genommen haben, mit anderen Worten, Dinge, welche schon den ersten Organismen eigen waren. Diese Lebewesen haben wir uns wohl einfacher gebaut zu denken als die jetzigen einzelligen Pflanzen und Thiere. In ihnen hatte — so dürfen wir wohl annehmen — eine dem Zwecke der Arbeitstheilung dienliche morphologische Differenzirung noch nicht stattgefunden. Als jetzt noch lebende, vielleicht hochentwickelte Re- präsentanten dieser einfachen Organismen dürften jene einzelligen Algen und Pilze anzusehen sein, welche einen noch ungegliederten Zellenleib besitzen. Die morphologische Gliederung des Zellenleibes ist erst später eingetreten. Der rudimentäre Zellenleib vereinigte in sich noch — in primitivster Form — die Eigenschaften des Kerns und des Protoplasmas. Aus diesem homogenen, rudimentären Zellen- leib — aus diesem Archiplasma — ist erst das hervorgegangen, was wir heute in fast allen Zellen sehen: Protoplasma und Kern. 267 So gedacht, müssen Kern und Protoplasma gleichzeitig entstanden sein. Denn die Abgonderunjz des einen hatte das Erscheinen des anderen zur Folge. Diese Auflassung lässt sich in den Satz zusammen- fassen: Aus dem Archiplasma haben sich im Laufe der phylogenetischen Entwicklung erst Kern und Protoplasma differenzirt, welche also in jeder Zelle als gleich alt anzunehmen sind. — Die Einheit im inneren Bau der Pflanze. Je tiefer wir in das Wesen der Dinge eindringen, desto klarer tritt uns überall die Allgemeinheit und Einheitlichkeit der waltenden Gesetze entgegen, nach welchen die Formen dieser Dinge entstehen und vergehen, nach welchen sie äusserlich und innerlich bewegt werden. Oft weit entfernt von jener Stufe der Erkenntniss, welche uns einen aligemeinen, alle Einzelnheiten der Erscheinung beherrschenden Ueberblick gewährt, scheint man am Ziele angelangt, bis die Entdeckung neuer That- sachen unseren Standpunkt Lügen straft und uns in neues Dunkel hüllt, das gewöhnlich erst durch lange, anstrengende, vornehmlich dem Thatsächlichen zugewendete Arbeit gelichtet wird. Die Geschichte der Wissenschaften bietet uns Beispiele hiefür in Hülle und Fülle. Ich will hier nur auf die Entwicklung der Kenntnisse im phytotomischen Gebiete hinweisen, um zu zeigen, wie der längst geahnte Gedanke der Einheit im inneren Baue der Pflanze sich nach und nach entwickelte. Etwa ein Jahrhundert nach der Entdeckung der Zellen (1665) und Gefässe (1670) der Pflanzen trat C. F. Wolf (1774) mit der Behauptung auf, dass diese Organismen nicht aus hohlen Gliedern bestehen, sondern stets eine homogene Masse bilden, in welcher mit Säften oder mit Luft erfüllte Hohlräume lägen. Die Selbstständigkeit der Zellen wurde bald hierauf mit grösserer Schärfe als früher be- wiesen. Viele Detailbeobachtungen häuften sich und führten zu dem bis in die dreissiger Jahre unseres Jahrhunderts giltigen Schema, demzufolge die Pflanze aus dreierlei Elementargebilden zusammen- gesetzt sei: aus Zellen, Fasern und Gefässen. Da gelang es dem Genie H. v. MohFs, das Dunkel zu lichten und zu zeigen, dass die 268 Fasern, abgesehen von der Form, mit den als Zellen beschriebenen Gebilden vollständig, sowohl in Bezug auf Entstehung als Ausbildung, zusammenfallen, und dass auch die Gefässe entwicklungsgeschichtlich auf Zellen zurückzuführen sind, indem sie aus Zellen durch partielle oder vollständige Resorption der Scheidewände entstehen. Diese Aufstellung, zunächst nur auf verhältnissmässig wenige Einzeln- beobachtungen gestützt, wurde durch weitere eingehende Be- obachtungen vollends bestätigt. Es wurde die Zelle als Elementar- organ der Pflanze erkannt und auf diese Weise eine Ueberein- stimmung in der inneren Structur der Pflanze nachgewiesen, eine Gesetzmässigkeit, welche in verschiedener Weise zum Ausdrucke ge- langte. Ich habe dafür den, wie ich glaube, passenden Ausdruck: das Gesetz von der Einheit im inneren Bau der Pflanze gebraucht. ') Die MohTsche Errungenschaft blieb so lange unangetastet, als das von Schwann und Schi ei den aufgestellte Zellenschema zutraf, demzufolge jede Zelle aus Membran, Protoplasma und einem Kern besteht. Mit der Auffindung von kernlosen, vielkernigen und membran- losen Elementarorganen ist der Zellbegriff" wieder sehr ins Schwanken gerathen. Am weitesten ist wohl Sachs gegangen, welcher die Zelle als einen untergeordneten, um nicht zu sagen ganz unwesentlichen Theil der Pflanze betrachtete, als ein von Haut begrenztes Raumtheilchen, welches auch fehlen kann, und dementsprechend unterschied er zwischen cellulären und nichtcellulären Pflanzen. Zu den ersteren gehört die Mehrzahl der Gewächse, alle, w^elche sich aus Geweben zusammensetzen, deren Elemente von Häuten umkleidete Zellen sind. Ein Plasmodium ist nach seiner Auffassung ein nichtcelluläres Ge- bilde, eine Caulerjya^ eine Vaucheria oder ein anderer Coeloblast, welcher innerhalb einer gemeinschaftlichen Zellhaut einen vielkernigen Protoplasmakürper birgt, eine nichtcelluläre Pflanze. ^) Elemente der wissenschaftlichen Botanik. Bd. I. Anatomie und Physiologie. Erste Auflage (1881). 269 Dieser Auffassang sind Schmitz und Andere entgegengetreten. Sie betonten mit Recht, dass Sachs die Existenz der Zelle von der Anwesenheit der Membran abhängig machte, nachdem doch erkannt wurde, dass dieselbe keinen integrirenden Bestandtheil der Zelle bildet, da es ja Zellen gibt, welche zeitweilig oder sogar zeitlebens membranlos sind. Ein Coeloblast oder ein analoges Gebilde reiht sich ziemlich gut in das allgemeine Schema ein; es ist nur die Erage, ob man einen solchen Organismus als eine vielkernige (hautlose oder mit Membran versehene) Zelle oder als eine natürliche Verbindung von ebenso viel hautlosen Zellen ') anzusehen hat als Kerne vorhanden sind. Mit Rücksicht auf die grosse Bedeutung des Kerns für die Zelle und auf den Umstand, dass in der Regel doch nur ein Kern in der Zelle vorhanden ist, scheint es wohl berechtigt, der Zelle über- haupt nur einen Kern zuzusprechen, wenn auch das umliegende Protoplasma nicht individualisirt erscheint. Diese Annahme führt un- gezwungen zu der Auffassung, dass die Coeloblasten eine unvollständige innere Differenzirung erfahren haben, eine Gliederung ihres zclligen Körpers, welche auf einer bestimmten Entwicklungsstufe zurück- geblieben ist, vergleichbar einem Ascus, in welchem einkernige Primordialzellen auftreten, umschlossen von einer gemeinschaftlichen Membran, oder vielleicht noch besser, vergleichbar einem Embryosack, in welchem die Endospermanlage noch den Charakter von Primordial- 1) Unter Zelle ist hier und in vielen anderen ähnlichen Fällen ein Elementar- organismus zu verstehen, der dem Wortsinne nach keine Zelle ist. Mau hat oft über diese Nichtübereinstimmung von Wort und Sinn geschrieben, dass es wahrlich nicht nöthig ist, dieses Thema hier wieder anzuschlagen. Nur so viel möchte ich sagen: das Wort Zelle hat im Laufe der Zeit anerkanntermassen einen so bestimmten Sinn erhalten, dass es ganz unnöthig erscheint, für den damit verbundenen Begriff ein anderes Wort zu suchen. Viele andere wichtige Ausdrücke theilen dasselbe Schicksal, z. B. das so oft gebrauchte Wort ^Entwicklung*. Dieses Wort bietet uns nur ein unzutreffendes Bild dessen, was es bezeichnen soll. Ein Wort für das, was in der Naturforschung als Entwicklung bezeichnet wird, lässt sich nicht finden. Genug, wir verbinden mit dem Worte einen bestimmten Begriff, und damit erhält der Aus- druck seine volle Berechtigung, selbst dann, wenn der Wortsinn mit dem Begriffe sich nicht deckt. 270 Zellen besitzt, aber noch von einer gemeinschaftlichen Membran um kleidet ist.^) Indem man den Kern gewissermassen als das Centrum der Zelle betrachtet, also jeder Zelle nur einen Kern zuspricht, erscheint uns der Bauplan des Pflanzenkörpers wieder vollkommen einheitlich. Es besteht die Pflanze, sofern sie nicht einer Zelle gleichwerthig ist, ganz und gar aus Zellen, und diese besitzen nur einen Protoplasmakörper und höchstens einen Kern, in vielen Fällen ausserdem noch eine Haut. In ähnlicher Weise definirt auch Flemming-) die Zelle, indem er nur noch einige functionelle Charaktere heranzieht (Vermögen des Stoffwechsels, Fähigkeit der Vermehrung durch Theilung, wobei indess ausdrücklich bemerkt wird, dass auch eine jetzt noch thätige Spontan- generation nicht ausgeschlossen ist) und auch die specifischen Plasma-, beziehungsweise Kernstructuren als Attribute dessen, was wir als Zellen zu bezeichnen haben, erklärt. Bei dieser Fassung des Zellbegriffes, der wohl die meisten Zoologen und Botaniker zustimmen werden, offenbart sich eine grosse Einheitlichkeit im inneren Baue des Organismus. Diese Einheitlich- keit verliert sich in dem Maasse, als wir höher zusammengesetzte Glieder und Organe ins Auge fassen: die Gewebe bieten uns nicht mehr jene Einheitlichkeit dar wie die Zellen, noch weniger die Vegetationsorgane oder die Blüthen und Früchte. Um ein vielleicht nicht unzutreffendes Bild zu gebrauchen, erscheint uns die Pflanze einem complicirten Bauwerk zu vergleichen, welches trotz seiner Säulen, Simse, Wände, Fenster, Dächer, Thüren etc. aus wenigen Arten von Baumaterialien zusammengesetzt ist. Indem man also von den höchstentwickelten, complicirtesten Theilen der Pflanze hinabsteigt zu den Zellen, erscheint ihr Bau immer einheitlicher. Aber in dem Charakter der Zellen, selbst der jüngsten Meristemzellen, treten uns doch noch beträchtliche Unter- schiede entgegen, und man darf annehmen, dass auf noch tieferer ') Wiesner, Anatomie und Physiologie. 3. Aufl. p. 815. •-) 1. c. p. 72. 271 Stufe, nämlich im Bauplane der Zelle, eine noch grössere Einheitlich- keit und Uebereinstimmung herrschen wird. Indem man die von mir aufgestellte Hypothese acceptirt, er- scheint die Zelle in allen ihren Theilen auf eine Einheit, auf das Plasom zurückgeführt. Die Piasomen, selbst einer und derselben Zelle, werden zweifellos miteinander in allen Eigenschaften nicht überein- stimmen, aber wii' dürfen annehmen, dass sie in ihrer Form und ihrem Baue sich näher stehen werden als die Zellen eines Gewebes oder Organes und dass sie, mögen sie Elemente der Haut, des Plasmas, des Kerns, der Chlorophyllkörner etc. sein, durch gemein- schaftliche Hauptzüge verbunden sein werden, vor Allem durch ihre hier schon mehrfach genannten Grundeigenschaften. So wird also durch meine Aufstellung das Gesetz von der Ein- heit im inneren Baue der Pflanze nicht erschüttert; es erhält vielmehr eine noch schärfere Fassung: Das letzte Grundorgan der Pflanze ist das Plasom; es verhält sich zur Zelle wie diese zum Ge- webe oder wie das Molecül zum Krystall. Die Zelle setzt sich in allen ihren Theilen aus Piasomen zusammen. Der Organismus ist in allen seinen Theilen ganz und gar aus Piasomen gebaut. Das Plasom als Träger der erblichen Anlagen. Die Frage der Erblichkeit soll hier nicht aufgerollt und noch weniger die Mechanik der erbHchen Uebertragung discutirt werden. Bekanntlich gehört die Lehre von der erblichen Uebertragung zu den schwierigsten Partien der organischen Naturwissenschaften, und obgleich Männer Avie Herbert Spencer, Ch. Darwin, Häckel, Weismann und Nägeli mit Auf- wand ihrer grossen geistigen Kraft hier thätig eingriffen, so ist doch eine befriedigende Lösung dieses grossen Räthsels des Lebens nicht herbeigeführt worden.^) 1) Eine eingehende und sehr objectiv gehaltene kritische Darstellung aller rgendwie erheblichen Versuche, die Erblichkeit zu erklären, enthält die Schrift von Hugo de Vries, Intracellulare Pangenesis, Jena 1889, auf welche ich im Texte noch zurückkomme. 272 Air die geDannten Forscher und überhaupt alle Xaturforschcr, welche sich in neuerer Zeit ernstlich mit dieser Frage beschäftigten, nehmen — man muss wohl hinzufügen: selbstverständlich — be- stimmte materielle Träger der Erblichkeit an. Aber keiner von ihnen identificirt diese Träger mit irgend einem durch die Beobachtung bekannt gewordenen Gebilde oder mit Wesenheiten, die aus anderen Gründen angenommen wurden; vielmehr sahen sich Alle genothigt, besondere hypothetische Gebilde als Erblichkeitsüberträger auf- zustellen. Spencer stellt in seinen Principien der Biologie (Bd. I, 1864) als Träger der Erblichkeit die »physiological units« auf, Elemente, welche nach des Autors Ideengange complicirter als die Molecüle, aber einfacher als die Zellen zu deoken sind; Darwin in seiner provisorischen Pangenesistheorie (1875) die oftgenannten »gemmules« oder »Keimchen«, welche durch Theilung im Organismus abgeschieden werden sollen; Häckel in seiner Perigenesishypothese (1876) die nicht vermehrungsfähigen, als Molecüle gedachten Plastidulen; Weis- mann') das Keimplasma; Nägel i das Idioplasma. Während alle diese hypothetischen Träger der erblichen An- lagen für die Zwecke einer Erklärung der Erblichkeit besonders er- fanden werden mussten, führten mich meine Studien über die Elementarstructur und über das Wachsthum der lebenden Substanz von selbst auf die Träger der Erblichkeit. Es fallen dieselben mit den letzten organischen Elementen der lebenden Substanz, mit den Piasomen, zusammen. Das Plasom, welches sich getheilt hat, ergänzt sich zunächst durch Wachsthum zu einem neuen Theilkörper. Die gestaltenden Kräfte, welche zu diesem Ergänzungswachsthum führen, sind in dem eben durch Theilung entstandenen Plasom schon gegeben. Von der Organisation des eben getheilten Plasoms hängt seine Weiterentwick- lung ab, welche durch äussere Einflüsse, durch die Wirkungsweise ') Weis mann, Ueber die Vererbung-, 1883. Die Continuität der Keim- plnsnien, 1885. Siehe auch die g-edankenreiclie Schrift desselben Autors: Ueber die Zahl der Richtungskörperchen, 1887. 278 der benachbarten Piasomen nur modificirt, aber nicht wesentUch um- gestaltet werden kann; mit einem Worte: das eben getheilte Plasom vererbt seine Organisationseigenthümliclikeiten auf sich selbst und, innerhalb weiterer Grrenzen, auf seine Descendenten. Das Plasom erleidet im Gange der ontogenetischen und der phylogenetischen Entwicklung bestimmte Veränderungen. In der Ontogenese wird es zum grüssten Theile in bestimmte Dauerzustände umgewandelt (Dermatosomen etc.), zum geringeren Theile verharrt es im theilungsfähigen Zustande und bildet das Keim- plasma, welches, in ausreichender Menge vorhanden, die Anlage eines neuen Pflanzenkeimes bildet. Dieser letztere kann selbst bei den höchstentwickelten Pflanzen auf kurzem Wege (bei der ungeschlecht- lichen Fortpflanzung) entstehen und ist dann mit den oben genannten secundären Embryonalzellen identisch (s. oben p. 95); oder er ent- steht auf langem Wege durch die normale Zeugung. In diesem Falle ist die ausreichende Menge des Keimplasmas erst in der befruchteten Eizelle zu finden. Es ist anzunehmen, dass die in der ontogenetischen Entwicklung stets erhalten bleibenden Keimpiasomen, aus welchen also das Keimplasma zusammengesetzt zu denken ist, in der phylogenetischen Entwicklung der betreff'enden Organismen bestimmte gesetzmässige Aenderungen erfahren. Auf diesen und auf Veränderungen, welche von äusseren Einflüssen ausgehen, beruhen nach dieser Auffassung jene gesetzmässigen Umgestaltungen, welche in den Umgestaltungen der Pflanzen- und Thierarten zum Ausdrucke kommen. Nach den bisher ausgesprochenen Ansichten sollen die Träger der erblichen Anlagen entweder zerstreut im Organismus vorkommen und durch Transport in den Keim gelangen (Darwin), oder den ganzen Organismus in materiell oder dynamisch verbundenem Zuge durchsetzen (Nägeli), oder endhch, es soll sich die ganze lebende Substanz aus Trägern der erblichen Anlagen zusammensetzen. Diese letztere Ansicht ist von de Vries^) zu begründen versucht worden; 1) 1. c. p. 211, wo es heisst: »Pang-enesis nenne ich, abg-etrennt von der Hypothese des Keimchentransports durch den glänzen Körper, die Ansicht Darwin's, Wiesner, Die Elementarstructur etc. lö 274 sie stimmt mit meiner Hypothese insoferne überein, als ich jedes jugendHche, theilungsfähige Plasom, abgesehen von seinen sonstigen, dem Wachsthum etc. dienenden Eigenschaften, als einen ErbKchkeits- überträger betrachteJ) Bemerkungen über das Wesen des Plasoms. Das Plasom wurde durch die früher angegebenen Attribute wohl genügend charakterisirt, allein das Wesen desselben erschöpft sich selbst- verständlich nicht in diesen Merkmalen. Wenn man sich auch manche Thätigkeitsäusserung des Plasoms klar machen kann, z. B. sein Wachsthum, seine Theilungsfähigkeit, so lässt sich, um einstweilen nur von dem Nächstliegenden zu sprechen, über dessen Grusso. Form und innere Structur derzeit fast noch nichts aussagen. Ob seine Grösse in allen Fällen unterhalb des mikroskopisch Wahrnehmbaren liegt, kann, wie wir gesehen haben, nicht mit Gewissheit ausgesprochen werden. Sind aber die kleinsten wahrnehmbaren Theilkörper Piasomen, so könnte ihnen eine der Kugelgestalt nahekommende Gestalt im ausgebildeten Zustande nicht abgesprochen werden. Die innere Ausgestaltung des Plasoms ist uns noch völlig un- bekannt. In Hinblick auf den mit dem Wachsthumsvorgang ver- knüpten Assimilationsvorgang und auf die mechanische Function der Theilung kann nicht angenommen werden, dass das Plasom eine gleichartige, den Krystallcharakter besitzende Molecülgruppe sei, wie das Nägcli'sche Micell, vielmehr hat man sich darunter einen das3 die einzelnen erblichen Anlagen in der lebenden Substanz der Zellen an einzelne stoffliche Träg-er gebunden sind. Diese Träger nenne ich Pangene Intra- cellulare Pangenesis nenne ich die Hypothese, dass das ganze lebende Protoplasma aus Pangenen aufgebaut ist.« ^) In der vorläufigen Notiz über die Eleraentarstructur (s. oben p. 75) war ich noch im Zweifel darüber, ob die Erblichkeitsüberträger mit den Piasomen zu identificiren oder ob sie als Bestandtheile der letzteren anzusehen seien. Nach reif- licher Ueberlegung bin ich zu der im Texte ausgesprochenen Ansicht gelangt. 275 Mechanismus zu denken, der während seiner mechanischen Thätig- keit auch chemisch wirksam ist. Zwischen Atom und Molecül einerseits und Piasom andererseits bestehen zunächst dieselben Unterschiede wie zwischen Anorganismen und Organismen. Der wichtigste Unterschied zwischen beiden liegt darin, dass die Atome und Molecüle unter constanten äusseren Be- dingungen unveränderlich und unter allen Umständen unentwick- lungsfähig, die Piasomen selbst unter constanten äusseren Verhält- nissen veränderlich und entwicklungsfähig sind. Es wurde schon früher auf die zwingenden Gründe hingewiesen welche vom physikalischen Standpunkte aus gegen die Entwicklungs- fähigkeit der leblosen Substanz vorzubringen sind. Ich will hier jene Argumente, welche sich unter physiologischen Gesichtspunkten gegen die von N ä g e 1 i behauptete Entwicklungsfähigkeit der An- organismen ergeben, anführen. Wenn der Wasserstoff, kraft seiner inneren, angeborenen Ent- wicklungsfähigkeit, sich im Laufe der Zeit umändert, so dass sein Atomgewicht und überhaupt sein physikalischer Charakter sich um- gestaltet, so ist dies ein Process, der der Umgestaltung einer Thier- oder Pflanzenspecies, oder einer Thier- oder Pflanzenform entspricht;. es ist eine phylogenetische Umgestaltung, also nicht eine onto- genetische oder individuelle Umformung. Kur in diesem Sinne ist überhaupt der Vergleich einer angenommenen Entwicklung der leb- losen Wesen mit der factischen Entwicklung eines Organismus er- laubt. Was ich hier beispielshalber für das Wasserstoffatom und Wasserstoffmolecül gesagt habe, gilt natürhch für jedes chemische Individuum, für die sogenannten Elemente ebenso wie für die höchst- zusammengesetzten chemischen Species. Wie verläuft nun die phylogenetische Entwicklung? Sie ist die Summe continuirlich sich aneinander reihender Ontogenesen oder Einzelentwicklungen. In den aufeinander folgenden Ontogenesen ändern die nach und nach entstehenden Individuen nur unmerklich ab, und erst nach einer mehr oder minder grossen Zahl von Generationen entsteht die neue Form, die neue Species u. s. w. 18* 276 Die Phylogenese setzt, wie man sieht, zweierlei voraus: die Ontogenese und die Continuität der Ontogenesen. Während der Organismus — mag man ihn in der kurzen Ent- wicklung des Individuums oder in der langen Entwicklung des Stammes betrachten — in einem fortwährenden Werden begriffen ist, stirbt der Anorganismus gewissermassen schon im Momente seines Entstehens. Er bleibt, so weit unsere Erfahrungen reichen, unter den gleichen Bedingungen constant. Indem ich das Bild gebrauche, dass der Anorganismus im Momente seines Entstehens sterbe, habe ich seine Ontogenese ein- geräumt. Diese Individualentwicklung ist aber nur zu denken als ein ProcesSj welcher in einem unendlich kleinen Zeiträume vor sich geht. Entstanden, kehrt das Molecül der neugebildeten Substanz in den Zustand der Ruhe, in dem es Jahrhunderte, Jahrtausende ver- bleiben kann. Aber selbst wenn dieser Process sich oft wiederholen sollte, ist doch der Zeitraum des Entstehens ein verschwindend kleiner, und in keinem Falle stellt sich eine Continuität des Werdens ein wie im Organismus. Und gerade nur in diesem labilen Zustande des Werdens wären specifische Veränderungen möglich. Man könnte auch die Analogie zwischen dem Werden eines Organismus und dem eines Anorganismus leugnen, und dazu hätte man einiges Recht, denn wenn auch die Zusammenordnung der Atome zu einem Molecüle nicht zeitlos geschieht, so darf man doch annehmen, dass in dem unendlich kleinen Zeitintervall, welcher zur Lagerung der Atome erforderlich ist, dieselbe auch vollständig vollzogen ist, also das Moment der zeitlichen Aufeinanderfolge, welches die Ent- wicklung charakterisirt, bei der Bildung der Anorganismen fehlt, diese Bildung also keine Entwicklung, sondern ein fast plötzliches Entstehen und Erstarren ist. Wenn man aber das Sein eines chemischen Individuums als ein unmerkliches Werden auffassen wollte, wogegen indess alle thatsäch- lichen Beobachtungen sprechen würden; wenn man also behaupten würde, die Stabilität der chemischen Verbindungen ist nur eine schein- bare, sie entwickeln sich wie die Organismen, nur für uns unmerklich, 277 so könnte man fragen, mit welcher Erscheinung im Reiche der Organismen ist jener Process zu vergleichen, welcher zur Entstehung neuer chemischer Verbindungen (Species) führt? Auf diese Frage ^lässt sich wohl kaum eine Antwort ertheilen. Von welcher Seite immer man auch die Anorganismen mit den Organismen vergleicht, immer kommt man auf so tief greifende Unterschiede, dass eine ein- heitliche Auffassung beider nicht möglich ist, und ein blosser Unter- schied des Grades zwischen beiden sich nicht constatiren lässt. Da ich die Mangelhaftigkeit unseres jetzigen Erfahrungswissens und auch unserer Einsicht in das Wesen der Dinge einräume, so w^age ich nicht zu behaupten, eine generatio spontanea bestehe nicht oder habe nie bestanden. Aber wenn ich sehe, dass gerade mit dem Fortschreiten unseres Wissens die mögliche Existenz einer Spontan- erzeugung in immer weitere Ferne rückt, so scheint es mir derzeit am zweckmässigsten, diese Frage, als derzeit indiscutabel, möglichst bei Seite zu lassen, und das Lebende gleich dem Leblosen als etwas Gegebenes zu betrachten, über dessen Anfang und Ende wir uns noch kein Urtheil bilden können. Aus dem gleichen Grunde hielt ich es für berechtigt, zum Aus- gangspunkte meiner Untersuchungen die Annahme zu machen, dass eine Spontanerzeugung der Lebewesen nicht bestehe. Alle unsere Erfahrungen betreffen endliche Dinge und endliche Phänomene; sie erlauben keinen Schluss auf das UnendUche. Man kann deshalb nicht mit absoluter Sicherheit behaupten, dass das Leb- lose seit Ewigkeit bestehe, und ebensowenig darf man die Behauptung wagen, das Lebende habe nie einen Anfang gehabt. Da wir aber immer deutlicher den Unterschied zwischen dem Lebenden und dem Leblosen erkennen und bisher nichts wissen, was uns zu dem Schlüsse berechtigen würde, das Lebende könne aus dem Leblosen abgeleitet werden, so müssen wir das Element des Lebenden, das Phasom, als ebenso gegeben annehmen wie das Element des Leblosen, das Atom. Nur der Wunsch, die Natur einheitlich zu überblicken, drängt uns immer und immer wieder, das Leblose mit dem Lebenden genetisch 278 zu verknüpfen und eine generatio spontan ea anzunehmen. Aber die Fortschritte unseres Wissens, die Vervollkommnung unserer i\[ethoden machen ihre Beweisbarkeit immer unwahrscheinlicher. Es fehlen alle positiven Beweise einer Spontanerzeugung der Organismen, und alle^ derzeitigen Stützen dieser Hypothese sind blosse indirecte Mittel: die Kant-Laplace'sche Hypothese, die paläontologische Urkunde und der zweite Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie. Wenn die Kant-Laplace'sche Hypothese über jeden Zweifel erhaben da- stände, so ist die Ableitung der Urzeugung aus ihr doch noch eine gewagte Sache, indem wir bei der Annahme einer generatio spontanea immer nur an jene Lebewesen denken, die wir kennen und die ja sich jenen Verhältnissen angepasst haben^ die sie auf unserem Planeten finden. Es wurden organische Verbindungen aufgefunden, welche enorm hohe Temperaturen zu ertragen im Stande sind; es wäre so- mit nicht unmöglich, dass Piasomen existiren, welche noch bei sehr hohen Temperaturen bestandfähig sind. Es könnte aber auch ein solcher Wechsel der Temperatur im Weltall herrschen, dass auf einer Zahl von Weltkörpern die Existenz von Piasomen und überhaupt von Organismen, welche den gegenwärtig auf der Erde herrschenden Temperaturen angepasst sind, möglich ist, und die sich von dort aus auf andere Weltkörper (z. B. durch Meteoriten) verbreiten und sich dort weiterentwickeln, wo ihr Bestand möglich ist. Die Herkunft der die Erde bevölkernden Organismen aus fernen Himmelsresrionen ist bekanntlich schon von mehreren anderen Seiten angenommen worden, und man hat dagegen eingewendet: damit sei die generatio spontanea nur in fernere Urzeiten zurückverlegt worden. Einen Beweis für die Ewigkeit der lebenden Substanz könnte man selbstverständlich aus der Uebertragung von einem Weltkörper zum anderen nicht ableiten. Wäre diese Uebertragung thatsächhch be- gründet, so würde dies einen grossen Fortschritt unserer Kenntnisse bedeuten; denn da es uns versagt ist, das Unendliche zu begreifen, so müssen wir damit zufrieden sein, das Endliche in immer grösseren Strecken zu überschauen. Andererseits muss aber doch wieder ein- gestanden werden, dass die Kant-Laplace'sche Lehre schon ihres 279 hypothetischen Charakters wegen nicht als ein Beweismittel der Ur- zeugung gelten kann. Die derzeitige Kenntnis« der paläontologischen Urkunde scheint darauf hinzuweisen, dass das Leben auf unserer Erde einen Anfang genommen habe, mithin ein Ende linden müsse. Aber wenn sie selbst so vollständig wäre, dass man behaupten könnte: die azoischen Schichten bildeten sich in einer Zeit, in welcher noch gar keine Organismen auf der Erde existirten, — eine Behauptung, welche nicht unbedingt zulässig ist, da ja Organismen bestanden haben konnten, welche in den Gesteinen keine Reste hinterliessen — so wäre sie doch nur für die Erde und nicht für das Weltall beweis- kräftig. Auch der zweite Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie deutet auf die Endlichkeit der Lebewesen hin; denn mit der fort- währenden Zunahme der Entropie muss schliesslich alles Leben im Weltall verschwinden. Das Ende des Lebens wiese aber auf seinen Anfang zurück, und die Endlichkeit des Lebens käme in diesem be- rühmten Satze ähnlich wie durch die Schlussfolgerungen der Paläonto- logen zum Ausdrticke. Nach den bisherigen Discussionen über den zweiten Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie zu tirtheilen, scheinen aber die letzten Consequenzen derselben doch nicht so über jeden Zweifel erhaben zu sein, dass man in demselben einen in- directen Beweis für die Endlichkeit des Lebens erblicken müsste. SACH- UND NAMEN-REGISTER/) Abschneidung 83. Abschnürung 88. Abspaltung 83. Adventivsprosse 91. Ageratum 87. Agrimonia 167. Alaun 8. Albuminate 44. Aleuron 187. Al^en 76, 115. Altmann 5, 23, 77—79, 83, 135, 182. Amer 50. Amylosomen 185. Amylum s. Stärkekörner. Amylumherd 123. Aneimia 66. Anisotropie 29, 30. Anthoceros 232. Anthoceroteen 122. Apogamie 90, 106. Apposition 7, 9, 22, 34, 69, 195, 197, 208, 210, 223, 225, 227. Arcliiplasma 266. Aristolochia 251. Ascosporen 83, 114, 136. Askenasv 72, 213. Assirailatio^l 81, 218, 254. Atom 50, 275. Auerbach 182. Aussenhaut 173. Autoblast 78. Bacillus 220. Baco von Verulam 5. Bakterien 105, 191, 261. Bamberger 141. de ßary 81,114,123. 264. Bastzellen 132, 238. Batiachier 113. Befruchtung 104. Begonia 92, 103. Behrens 138. Beizung 184. Benedict 141. Bernstein 42. Berthold 62—65, 179, 253. Billroth 105. Bioblast 77—79. Böhm 207. Bokorny 150. Bonnet 112. Bornetia 69. Boveri 62. Brassica 101. Braun Alex. 123. Brewster 30. Brücke 6, 13, 18, 29, 40, 55-59, 74. Brntknospen 90. Brutzellen 93, 97. Bryopsis 179. Biitschli 66- 216, 261. Buxus 86. -68,177,182, Callus 88, 94, 100. Calycanthus 91. Cambiumzellen 95, 153, 196, 226. Camellia 239. Capillarattraction 74. Capillarität 12, 13. Carbonisirungsverfahren 160, 170. Cardawine 92, 98, 99. Carpiden 231. Carpinus 89. Caiderpa 109, 268. Cellulose 8, 138—142, 207, 210. Cellulosemembran 58, 144, 165, 239. Ceratonia 31. Chara 168. 253. Chlorophyllkörner 114, 116, 118, 121, 134, 183. Chromatinfäden 135. Chromatinkörner 62. Chromatinkugeln 181. Chromatinsubstanz 62. Chromatophoren 115, 118, 121, 122, 136. Chylema 67, &S. Cladophora 69, 150, 229. Coccen 105. Coelenteraten 1 1 1. Coeloblasten 109. Cohn 106, 123. ') Die Autornamen sii;d in diesem Index durch gesperrten Druck, die syste- matischen Gattungsnamen durch Cnrsivschrift ersichtlich gemacht. 281 Coleus 87. Colloide 73, 74. Coniferin 8, 140, 167. Conjug-ation 117. Copulation 152. Copuliren 111, 118. Corchorus 161, 251. Cotvledon 107. Gramer 157, 230, 251. Crüg-er 159, 167. Cuticula 31. Cyclavien 150. Cjstolith 154, 239. Cytoblast 78. C3^toblasteni 32. Cvtoplasma 71, 75, 151, "'229. Do.edalea 164. Darwin 39, 201, 271, 273. Dentaria 90. Derhesia 169. Dennatoplasma 71, 152. Dermatosomen 76, 128, 132, 159, 163, 172. Diamant 8. Didymocarpus 106. Differenzirinig- 83, 116, 228. Dippel 159, 167. Doppelbrechung- 29. Duchartre 42. Eberdt 184. Ebner, v., 29, 30, 31, 42, 159. Eiweiss 73, 143—145. Eiweisskrystalle 22. Eizellen 95, 116, 231. Elasticität 12. Elodea 115, 229, 236. Erabryonalzellen 95, 100. Endogonidien 112. Endosperm 99, 114, 133. Eng-elmann 250. Entwicklung 50. Entwicklung'sbeweg'ung- 45. Epidermis 245. Epithel 244 Equisetiim 233. Erlenstecklinge 87. Errera 64, 65. Evolutionswachsthum 221, 254. Exine 152. Fadenwerk 177. Fagus 86. Farbstoff bläschen 187. Fasern 20. Figdor 101, 102, 152. Fischer, A., 191. Flachs 141. Flemming 42, 59, 60,83, 114, 177, 178, 270. Fortpflanzung 84. FVagaria 86. Fraxinns 89. Fromanu 59, 61, 150, 177, 178. Froschei 113. Fnnaria 229. Furchung 113. CjJallen 104. Gallertscheiden 169. Gameten 104. Gauss 12. Gefasse 20. Gemmules 272. Generationswechsel 107. Generatio spontanea 82,277. Gerbstoff 150. Gerbstoft'blcäschen 118, 187. Gesneraceen 106. Gloeocapsa 69. Globoide 187. Glycine 89. Goldfussia 154, 239. Granula 77. Guignard 59. Gymnogramme 229. Haberlandt 109,155,250. Häckel 271. Hansen 94, 95. Hanstein 109, 229. Hartivegia 115, 236. Hauptmolecül 108. Hefe 120, 127, 185, 262. Heinricher 144. Heitzmann 59, 1.77. HeUantlms 131, 136, 176. Helmintliocladia 136. Hielscher 106. Hodges 141. Hof mann 141. Hofmeister 167. Holzgummi 8. Holzstoffreactionen 140. Holzsubstanz 140. Hyacintlius 92. Hyaloplasma 175. Hydrodictyon 85, 135. Hygroplasma 44, 46. Hyoscyamiis 188. Hypocotyl 107, 108. Wiesner, Die Elementarstructur etc. Idioplasma 43 — 50, 270. Imbibition 26, 27, 41. Innenhaut 173. Interfilarmasse 179, 189. Intussusce])tion 7, 9, 34, 69, 195—197, 208, 209, 227. Iridium 51. Irmisch 108. Isogameten 116. fTiiuiper^is 88. Jute 141, 161. Juxtaposition 9, 21, 195. K ab seh 106. : Kant 82, 278. Kartoffel 94, 152, 171. jKarvokinese 120, 121, 135, 166, 181, 229. I Keimchen 272. Keimkörper 112. Keimplasma 95, 97, 272. I Kekule 1, 4, 73, 74. iKern 114, 117, 120, 126, 133, 181, 236, 266. Kernkür per eben 22. I Kernstructur 61. Kienitz-Gerloffl38,148, 149, 152. Klebs 144, 169, 217, 224, 229, 239, 241, 249. Knochenwachsthum 196, 225. Knospen 112. Kny 115. . Koch 93. Krabbel59, 162, 174, 224, j 230, 242, 250. i Krasser 145. Krystall 7, 28, 79,203,237. Krystallbläschen 118, 187. Krystallisation 22, 73. Krystalloide 22, 79, 187. Kupfer 59. liamarck 9, 194, 195, 221. Laplace 82, 278. Laubknospen 119. Laubmoose 92. Laubsprosse 119. Lebermoose 92, 122, 152. Leitgeb70,148, 152,232. Leukoplasten 125. Libriformfasern 134. Lilium 90. Linaria 108. Liriodendron 86. Loew 150. 19 282 Löwenzahn 91, 93, 112. Ltmicera 89. Luerssen 1H8. Lukjanow 135, 182. Lycopodium 233. Mais 133. JMaisfibrin 146. Jfcn-chcüitia 92, 103. Maxwell 17, ö2, 53. Membran 58. 120. Mesocarpus 249. Meyen 253. Meyer, Arthur, 184. Meyer, Loth., 5. Micell 7, 26, 27. Mikosch 115, 131, 148, 176, 185. Mikroorg-auismen 78. Mittellamelle 173. Mohl, H. V., 20, 51, 165, 227, 267. Moleeül 7, 41, 52, 130, 275. Molecülverbindunp* 8. Molecularkräfte 54. Molecularphysik 54. Molecularstructur 6, 54. Molisch 157. Moose 92. Müller, Hugo, 141. Müller, N. J. C, 225. Mycelium 86. ]Vägeli 5, 22, 24—55, 73, 74, 115, 123, 158, 197, 212, 271. Nemalion 136. Neomeris 156. Netzwerk 177. Neubildung- 83. Neuiuann 12. Noll 142, 169, 240, 253. Nutation 246. ^^berhautzellen 95. Oculiren 119, 152. Oedogonmm 155, 229, 249. Oleander 224, 225, 242. Organisation 1, 41, 55, 56, 73. Orohanclie 93, 109. Oscillavla 265. Osmium 51, Osmiinda 233. Jr*aeonia 89. Palla 251. Pappel 86, 89, 91. Pasteur 81. Periderm 103. Perinium 70, 152, 198, 232. Periode, g-rosse, 204. Pfeffer 40, 57, 138, 249. Pfitzer 224. Pfitzner 135, 181. Pflanzengallen 104. Pflüger 74. Pfropfen 102. Phylogenese 51. Physiological units 272. PhytelepJias 161. Pilze 76, 132, 161, 164. Pinu^ 88. Piasmakörnchen 180, 188. Plasmastructuren 59, 60, 67, 178. Plasmatosomen 75. Plasom 75, 76. 128, 130, 177-192, 237, 271. Plastulen 75, 78, 83, 118, 121, 125, 131. Plastidulen 272. Plateau 12, 64—66. Platin 51. Polioplasma 174. Pollenschlauch 104, 251. Polypen 110, 111, 112. Polyporiis 147, 164. Postgeneration 113. Prantl 138. Preissia 152. Primordialzellen 114, 165, 167. Pringsheira 123,155, 165, 166, 239. Proteinkörner 187. ProthalUum 108. Protits 188. Protonema 97, Protoplasma 126. Protozoen 66, 111. PruiiiiH 188. Pyrenoide 122, 136. Uuellung 26, 27, 41. Ranke 42. Rauber 42. Rcchinger 89, 94. Regel 51. Reichl 146. Rkcia 152, 232. Richter 154. Ricinus 188. Roux 113, 127. Rulieperioden 51. Saccharomyceten 191, 262. Sachs 39, 72, 200, 213, 240, 268. Saftbläschen 118. I Saftperiderm 140. Samenknospe 99. Sanio 227. Saprolegnia 1 79. Schacht 227. Schelling 3. Schichtung 31, 32, 74, 158, 162. Schimper 70, 79, 116, 117, 184, 197. Schizomyceten 191. Schizophyten 76, 78, 261. Schieiden 20, 23, 56, 81, 268. Schmarotzer 100. Schmitz 59, 61, 68, 69, 110, 114—117, 122, 123, 135—137, 166, 179, 229, 243, 253, 269. Schulze, Max, 21,59, 250. Schwärmsporen 117. Schwann 5, 20, 45, 56, 212, 268. Schwarz, Emil, 183. Schwarz Frank, 133, 182. Scilla 92. Sclerotium 86. Scott 265. Selaginella 87. Siphoneen 156. Siphonocladus 110. Skatol 146. Solms -Laub ach 224. Spaltung 14. Spannungszustände 30. Sparmannia 252. Spencer 271. Spermatozoiden 104. Sphaerocarpufi 232. Spirogyra 117, 150, 224. Spongien 111. Sponid 192. 252. Spontanerzeugung 80. Sporen 97. Sporenhaut 70. Sprossung 83. Stachys 180. Stärke 206. Stärkekörner 119, 124, 183. Stärkepiastiden 125. Stahl 109. Steckling 86, 91. Stereoplasma 44, 46.. Stoffwechsel 51. Strasburger 59, 61, 69, 71_74, 114, 158, 159, 166, 182, 223, 230, 24l', 253. 283 «treifimg 32, 33, 74, 158, 162; Streptocarpiis 106. Stricker 61. Suberin 140. Sylihiim 176. Symbiose 105. Sl/mphoricarpiis 249. Symplasma 47, 148. Tagma 41. Tangl 47, 147, 151. Taraxacum 91, 101, 112. Taxus 224. Tlieilung, innere, 85, 120. Thyllen 157. Tieg-hem, van, 41, 220. Tolypothrix 265. Tracheiden 167. Tradescantia 125. Traube 7. Traube' sehe Zellen 10, 208, 209, 210. Tremella 31. Tulpenbaum 86. Turg-or 240. Tyrosin 147. % Undulationshypothese 3. Urena 252. Urzeug-ung- 82. Vacuolen 118, 185, 186. Valonia 110. Vanillin 8, 140, 147. Vaucheria 109, 179, 22J, - 268. Veg-etations/elle 97, 100. Verdickung-sschicliten Vermehningszelle 97, Verwachsung 102 , 232. 173. 100. 231, Vicia 200. Viola 244. Virchow 81. Voechting 94 — 96. Vollzellbildung 97. Vorkeim 97. Vries, de, 185, 214, 240, 271. Wachholder 88. Wachsen 194. Wakker 109, 187. 187, 4. 267. Wasserstoff 51, 62. Weide 86, 91. Weiustock 89. Weismann 271. Went 185. W" e r m i n s k i Whewell 1, Wille 155. Wismnth 52. Wolf, C. F., Würmer 111, 112. Wundhulz 103. Wundkork 103. Wundt 42. .Zacharias 168. Zea 176, 179, 180. Zellbilduncr, freie, 14, 114. Zellhaut 127, 137, 238. Zellsaft 175. Zelltheilung 114. Zerstäubungsverfahreu 160. Zeuofunirsverlust 90. Zimmermann 77, 125. Zyqnema 169, 224, 229, 240, 249. 19^ BERICHTIGUNGEN. Das auf p. 52 stehende Citat aus ilaxwelTs Theorie der AVärme schliesst erst auf p. 53, 9. Zeile von oben. p. 129, 13. Zeile von unten lies: vom Tj'pus statt von Typen. Dermatosomen statt Dermatosome. anderen fibrösen statt andere fibröse, ester statt reste. angehören statt sein. Bastzelleu statt Bartzellen. Lukjanow statt Ljukanow. eigenthüm liehen statt eigenen. « 132, 17. « « U « « 134, 15. « « oben « « 140, 11. « « unten « « 158, 2. « (( oben « « 170, 10. (( (( unten (( « 182, 10. « « « « (( 237, 4. K <( oben « DRUCK VON FRIEDRICH JASPER IN WIEN. 1% \ ?•' '« * #■ ü i