PURCHASED FROM THE INCOME OF THE SAMUEL WHEELER WYMÄN ^fORHLFUtfO \ DIE ENTSTEHUNGSWEISE DER DOPPELMISSBILDUNGEN BEI DEN HÖHEREN WIRBELTHIEREN VON DR- LEO GERLACH, a. o. PROFESSOR DER ANATOMIE UND PROSECTOR AN DEM ANATOMISCHEN INSTITUT DER UNIVERSITÄT ERLANGEN. MIT NEUN TAFELN. STUTTGART. VERLAG VON FERDINAND ENKE. 1882. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. HERRN CAMILLE DARESTE PROFESSOR DER EMBRYOGENIE AN DER ECOLE DE MEDECINE IN PARIS IN VORZÜGLICHSTER VEREHRUNG UND HOCHACHTUNG GEWIDMET VOM VERFASSER. Vorwort. In der vorliegenden Monographie ist der Versuch gemacht worden, für die höheren Vertebraten die Grundprincipien einer Entwicklungsgeschichte der Doppelmissbildungen festzustellen. Vor wenigen Jahren noch wäre ein solches Unternehmen wegen des Fehlens der hierzu nöthigen Vorbedingungen unausführbar gewesen. Die teratologische Literatur ist der Natur der Sache gemäss vorwiegend eine casuistische; man legte bei der Veröffentlichung der beobachteten Deformitäten das Hauptgewicht auf die anatomische Beschreibung, und nur beiläufig wurde der muthmasslichen Entstehungsweise gedacht. Bei den Doppelmissbildungen pflegte das Letztere darin zu bestehen, dass dieselben je nach dem Standpunkte des Autors genetisch nach der Spaltungs- oder Ver- wachsungstheorie erklärt wurden. Zwar sind auch hie und da Doppelbildungen aus frühen embryonalen Stadien bekannt geworden, allein dieselben blieben nur vereinzelt und auf die Classe der Vögel beschränkt; für die Säugethiere und den Menschen existiren bis heute noch keine derartigen Befunde. Eine entwicklungsgeschichtliche Behandlung der Doppelmonstra wäre daher auf die wenigen Fälle, welche bei Vögeln beobachtet worden waren, angewiesen gewesen. Die Schlussfolgerungen, die man allenfalls trotz ihrer geringen Anzahl aus diesen Fällen in Bezug auf die Genese der Doppelmiss- bildungen hätte ziehen können, konnten jedoch nur für die Vögel Geltung beanspruchen; zu einer Erklärung der mannigfachen Formen der Doppel- monstra, wie sie bei dem Menschen und den Säugethieren vorkommen, waren sie nicht zu verwenden, da nach dem damaligen Stande unserer Kenntnisse die Ontogenie der Mammalia und die der Vögel rücksichtlich der Anlage des Embryo zu grosse Unterschiede darzubieten schienen. Auch jetzt noch stellen sich den Untersuchungen, welche über die Ent- stehungsweise der Mehrfachbildungen angestellt werden, beträchtliche Hinder- nisse in den Weg; doch sind dieselben Dank den werthvollen Arbeiten neuerer Forscher, durch welche die angedeuteten Schwierigkeiten zum grossen Theile beseitigt wurden, nicht mehr unüberwindlich. Der Mangel an frühzeitigen Mehrfachbildungen ist gegenwärtig nicht mehr so fühlbar, da zu den wenigen älteren Fällen ein ansehnlicher Zuwachs neuer Beobachtungen hinzugekommen' ist. Er lässt sich in Folge dessen das zu Gebote stehende entwicklungs- — VI — geschichtliche Material, wenn es auch noch lange nicht in der wünschens- werthen Fülle vorhanden ist, doch für das Studium der Teratogenie sämmt- licher Hauptformen der Doppelmissbildungen nutzbringend verwerthen. Bei Weitem die Mehrzahl der jüngst beobachteten Fälle hat Dar est e in seinem inhaltsreichen Werke „La Production artificielle des Monstruosite"sa (Paris 1877) erläutert und abgebildet; ausserdem sind durch Raub er und Ahlfeld eine Reihe frühzeitiger Doppelbildungen bekannt geworden. Auf die Erkenntniss der Bildungsweise der mehrfachen Monstra mussten ferner die neueren Errungenschaften auf dem Gebiete der normalen Ent- wicklungsgeschichte der höheren Vertebraten höchst vortheilhaft einwirken. Ich denke hier zunächst an die fruchtbringenden Untersuchungen von Hensen und Kölliker, durch welche auf die bei der Anlage und Ausbildung des Säugethierembryo obwaltenden Entwicklungsvorgänge ein helles Licht gefallen ist. Nicht minder sind auch unsere Kenntnisse über die Ontogenie der Vögel nach manchen Richtungen hin erweitert worden. In Folge dieser Fortschritte der normalen Embryologie konnte auch die vergleichende Entwicklungsgeschichte eine grössere Ausdehnung erlangen. Wir sind jetzt in der Lage gerade die- jenigen ontogenetischen Processe, deren abnormer Verlauf bei Vögeln nach- weislich das Zustandekommen einer Doppelmissbildung nach sich zieht, wie beispielsweise die Anlage und Ausbildung des Primitivstreifens der Chorda dorsalis etc., bei Vögeln und Säugethieren einer eingehenderen vergleichenden. Prüfung zu unterziehen. Von dem Grade der Uebereinstimmung , den in dieser Hinsicht die genannten Thierclassen aufweisen, wird es abhängen, ob auch die Doppelbildungen bei beiden in der gleichen Weise auftreten. Die letztere Frage kann nur durch die normale Entwicklungsgeschichte eine prompte und präcise Beantwortung finden. Wie sehr die normale Ontogenie das dunkle Gebiet der Teratogenie zu erhellen im Stande ist, ist neuerdings durch die trefflichen Untersuchungen Rauber's klar zu Tage getreten, welcher die Entstehungsweise der Doppel- missbildungen von den Gesichtspunkten der vergleichenden Embryologie aus zu erklären suchte, indem er sämmtliche Wirbelthiere in den Kreis seiner Betrachtungen zog. Auf diese Weise gelangte Raub er zu folgenschweren Resultaten, welche die Unhaltbarkeit der überkommenen Theorien der Spaltung und Verwachsung darthun mussten. Seine geistvolle und scharfsinnige Dar- stellung eröffnet ein Verständniss für die pathologische Embryologie der Wirbel- thiere, wenn ihr auch auf der anderen Seite der Vorwurf einer zu weit gehenden Verallgemeinerung nicht ganz erspart bleiben kann. Bei Gelegenheit meiner Untersuchungen über die normale Entwicklung des Hühnchens in der ersten Zeit der Bebrütung spielte mir ein glücklicher Zufall eine Doppelbildung in die Hände, welche sich in einem überaus frühen Stadium befand, indem ausser den beiden Primitivstreifen in der Area pellucida noch keine weiteren Bildungen aufgetreten waren. Dieselbe gab mir die Ver- anlassung mich nach ähnlichen Fällen in der Literatur umzusehen, was mich wiederum zu einem eingehenderen Studium der neueren teratologischen Schriften führte. Unter diesen fesselte mich insbesondere die Leetüre des genannten Werkes von Dareste, dessen Erfolge auf dem Gebiete der experimentellen Erzeugung ron Missbilduogen mir den Gedanken nahe legten, in etwas anderer — VII — Weise, als es bisher versucht worden ist, die künstliche Herstellung von Doppelmissbildungen in Angriff zu nehmen. Es war anfänglich meine Absicht, die Ergebnisse dieser Experimente, über welche ich bereits kurz berichtet habe (Sitzungsber. der Erlanger physik. med. Societät, 13. Heft 1880/81), sowie das erwähnte Doppelhühnchen, das wegen seiner frühen Entwicklungsstufe für die Erkenntniss der ersten Anlage der Mehrfachbildungen von dem grössten Interesse ist, zum Gegenstand zweier gesonderter Publicationen zu machen. Bei der Ausführung der beiden ge- planten Arbeiten stellten sich jedoch zwischen ihnen so vielfache Wechsel- beziehungen und damit eine so unverkennbare Zusammengehörigkeit heraus, dass es mir geboten schien, mein ursprüngliches Vorhaben aufzugeben und beide in den Rahmen einer grösseren einheitlichen Untersuchung einzufügen. Dass dieselbe keinen Anspruch darauf erheben kann, den ungemein vielseitigen und umfangreichen Stoff erschöpfend behandelt zu haben, dessen bin ich mir wohl bewusst. Immerhin dürfte die von mir vorgenommene Zusammenstellung aller be- kannt gewordenen Doppelbildungen aus früher Entwicklungszeit, sowie die Beigabe von Copien ihrer Originalabbildungen den Vortheil gewähren, dass das vorhandene Material ohne viele Mühe überblickt und beurtheilt werden kann. Neu beobachtete Fälle werden ferner leicht an der ihnen zukommenden Stelle untergebracht werden können. In soweit meine Darstellung die Genese der Doppelmissbildungen, sowie deren künstliche Production betrifft, wird man an dieselbe keinen zu strengen Massstab anlegen dürfen. In Bezug auf Ersteres möchte ich daran erinnern, dass es schon Schwierigkeiten genug verursacht, bei einer Thierform, deren verschiedene Entwicklungsstadien leicht in beliebiger Menge zu beschaffen sind, sich über den allmähligen Aufbau der Embryonalanlage eine richtige Vorstellung zu bilden. Ungleich grössere Schwierigkeiten waren bei der Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, zu überwinden; denn ich hatte einerseits nicht nur ein Endstadium der Entwicklung in Betracht zu ziehen, sondern alle die mannigfachen Formen der Doppelmissbildungen zu berücksichtigen, andererseits waren die Embryonalstadien dieser einzelnen Formen nur sehr spärlich vertreten, ja sie fehlten theilweise gänzlich, und es mussten diese Lücken durch Combination unter Beihülfe der normalen Entwicklungsgeschichte ausgefüllt werden. Was endlich die künstliche Production von Doppelmonstrositäten anlangt, so befindet sich dieselbe noch auf einer zu niederen Stufe, als dass zur Zeit schon erheblichere Resultate zu erwarten sein dürften. Doch steht zu hoffen, dass, wenn die nöthigen Vorarbeiten einmal beendet sind, und dadurch eine Summe von Erfahrungen gewonnen ist, dann auch mit einer gewissen .Regel- mässigkeit durch bestimmte experimentelle Störungen der normalen Entwick- lung Axenverdoppelungen hervorgerufen werden können. Erlangen, den 26. April 1882. L. Ger lach. Inhaltsverzeichniss. Seite Einleitung 1 Normale Entwicklung der höheren Vertebraten in der ersten Zeit der Embiyonal- bildung 6 Neue Fälle frühzeitiger Doppelbildungen des Hühnchens .' . 29 Die Anlage zweier Primitivstreifen in einem Fruchthofe. Unter welchen Umständen kann dieselbe zur Genese von Doppelmissbildungen führen, und welche Formen der letzteren kommen hier in Frage? 34 Zusammenstellung der bisher bekannt gewordenen Fälle frühzeitiger Doppelbildungen bei den höheren Vertebraten 42 Vergleichung, Eintheilung und Epikrise der im vorhergehenden Capitel angeführten Fälle 56 Experimentelle Untersuchungen 90 Verwachsung oder Spaltung? 137 Die Theorie der Radiation . 175 Schlussbetrachtungen 218 Tafelerklärungen 227 % JUL31 to?4 Einleitung. JJie Lehre von der Entstehungsweise der Missbildungen oder die Tera- togenie und mit ihr die gesammte Teratologie steht in inniger unzertrennbarer Verbindung mit der normalen Entwicklungsgeschichte. Erst seitdem diese hergestellt war, konnte der erstgenannten Disciplin eine wissenschaftliche Behandlung zu Theil werden. Es waren die grossen Errungenschaften C. F. Wolffs auf dem Gebiete der normalen Embryogenie (1759), welche auf die bis zu dieser Zeit rein speculativen Anschauungen der Gelehrtenwelt über das Werden und Wesen der Missbildungen reformirend einwirkten; ferner musste der mächtige Aufschwung der Entwicklungsgeschichte in dem 2. und 3. Jahrzehent unseres Jahrhunderts, den wir den bahnbrechenden Unter- suchungen Pander's (1817) und C. E.v.Baer's (1828) verdanken, notwendiger Weise auch auf die Teratogenie einen fördernden Einfluss ausüben, und jene alten Ansichten vollständig über Bord werfen. So hat die aufblühende Ent- wicklungsgeschichte den Anstoss gegeben, dass die Teratologie nach und nach eine exactere wissenschaftliche Grundlage erhielt. Man hatte erkannt, dass auch die Missbildungen denselben Gesetzen der Entwicklung unterliegen, wie der regelrecht gestaltete Organismus, indem erstere dadurch ins Leben treten, dass in irgend einer Zeit der Embryogenese durch gewisse, wenn auch noch unbekannte Ursachen der normale Entwicklungsgang eine Störung erleidet, welche ihrerseits wiederum die Entwicklungsgesetze modificirend beeinflussen muss. Damit hatte natürlich die teratologische Forschung einen wichtigen Fingerzeig erhalten. Ihre Aufgabe musste fortan darin bestehen, die Mon- strositäten von den Gesichtspunkten der normalen Entwicklung aus zu beur- theilen; es galt festzustellen, in welcher Embryonalzeit und in welcher Weise die Abweichung von der regulären Entwicklung aufgetreten ist, und welche Folgen diese bezüglich der weiteren Gestaltung des Organismus nach, sich ziehen musste. Ausserdem war es geboten, die Ursachen zu ergründen, welche jenes Abweichen veranlassen können; hierüber war sowohl aus der Beschaffenheit der einzelnen Missbildungen selbst, als auch aus den begleitenden Neben- umständen Aufschluss zu erhalten. Was die" letzteren betrifft, so hatte man auf das Verhalten der Eihüllen, auf die Störungen, die bei Zwillingsschwanger- schaften eintreten können, u. s. w. Acht zu geben. Ger lach, Entstehungsweise der Doppelmissbildungen. 1 — 2 — Durch die nach den bezeichneten Richtungen hin angestellten Unter- suchungen ist denn auch eine ansehnliche Erweiterung unserer Kenntnisse erreicht worden. Wir sind über eine Reihe von Ursachen, welche zu Defor- mitäten Veranlassung geben können, aufgeklärt worden. Auch das zeitliche Eintreten der zu einer Monstrosität führenden Abweichung der normalen Embryonalbildung ist für verschiedene Arten derselben mit annähernder Genauigkeit festgestellt worden. Schliesslich hat man sich auch auf Grund der regulären Bildungsvorgänge die allmählige Gestaltung der Missbildungen in vielen Fällen zurecht legen können. Im Allgemeinen jedoch ist unser Wissen in Betreff der genannten Punkte noch ein sehr lückenhaftes, was sich aus den grossen Schwierigkeiten, mit denen die teratologische Forschung zu kämpfen hat, hinreichend erklärt. Die Objecte, mit denen sich dieselbe befasst, sind in der übergrossen Mehrzahl bereits gänzlich oder nahezu ausgebildete Missbildungen, welche beim Menschen und den Säugethieren entweder, was seltener vorkommt, als Frühgeburten, oder erst nach vollständig abgelaufener intrauteriner Entwicklungszeit zur Beobachtung gelangen. Diese Fälle stellen demnach die Endproducte der abnorm vor sich gegangenen Entwicklung dar; die Anfangs- und Zwischen- stadien entziehen sich der objectiven Wahrnehmung, und es blieb darum dem Scharfsinn der Teratologen anheimgestellt, sich das Aussehen und die Gestalt der fehlenden Stadien geistig zu vergegenwärtigen. Damit, aber war der Individualität der einzelnen Forscher ein zu grosser Spielraum gelassen, was unausbleiblich zu Meinungsverschiedenheiten unter denselben führen musste; es war der Vermuthung und der Hypothese Thür und Thor geöffnet, Theorien und Gegentheorien wurden aufgestellt, die sich heftig befehdeten und über deren Werth wegen der Unmöglichkeit objectiver Beobach- tung endgültig nicht entschieden werden konnte. In dieser Nothlage war es mit Freuden zu begrüssen, dass von Seiten einiger Gelehrten ein Ausweg in sofern gefunden wurde, als dieselben, statt der für die Erforschung der fraglichen Vorgänge unzugänglichen Säugethiere, aus der Classe der Vögel das nöthige Untersuchungsmaterial zu erlangen suchten. Dasselbe Object, welches der Erkenntniss der normalen Entwick- lungsgeschichte so wesentliche Dienste geleistet hat, sollte auch der Terato- genie zu Gute kommen. Es gebührt Panum das Verdienst, darauf aufmerk- sam gemacht zu haben, dass in solchen Eiern, die während der Brütung abgestanden waren, in der Regel Missbildungen anzutreffen seien. Da das Absterben der Eier in mangelhaft construirten Brüteapparaten eine häufige Krscheinung ist, so musste die Untersuchung solcher Eier eine grosse M'v Sichel ist viel kleiner, als die d<-s Primitivstreifens. Daraus — 11 — folgt, dass jene nur in der ersten Zeit, wenn dieser noch nicht sehr weit ge- diehen ist, für die Mesodermentwicklung in Betracht kommt; später erfolgt die weitere Anlage desselben fast ausschliesslich von dem Primitivstreifen aus. In manchen Fällen ist die Betheiligung der Sichel an der Bildung des mitt- leren Keimblattes auch von vorneherein schon eine sehr minimale; dies gilt für diejenigen Keimhäute, bei denen die Sichel, wie ich es nicht allzuselten beobachtet habe, nur eine äusserst geringe seitliche Ausdehnung erlangte, was in späteren Stadien an der nur schwachen Anschwellung des hinteren Endes des Primitivstreifens zu erkennen ist. Da die Ausbildung des Primitivstreifens von hinten nach vorne zu fort- schreitet, so werden dem entsprechend diejenigen Mesodermzellen, welche von der Sichel und dem hinteren Abschnitte des Streifens abstammen, indem sie zwischen den beiden anderen Keimblättern immer weiter nach aussen vor- dringen, eher das Ringgebiet erreichen müssen, als die von dem vorderen Abschnitte des Streifens aus* wuchernden Mesodermzellen. Am besten kann man dieses Verhalten erkennen, wenn man eine Schnittreihe durchsieht, in welche der Quere nach eine Keimscheibe zerlegt ist, deren Primitivstreifen noch keine ausgesprochene Rinne zeigt, also etwa in der Mitte seiner Ent- wicklung steht. Die durch den vordersten Theil des Primitivstreifens gehen- den Schnitte zeigen nur eine nach unten zu verdickte Stelle des Ektoderms; erst bei den durch das mittlere Drittheil fallenden Schnitten sind seitlich an dieser verdeckten Stelle flügeiförmige Anhänge zu erkennen, welche eine kurze Strecke weit zwischen das obere und untere Keimblatt eindringen; dieselben entsprechen den Durchschnitten durch das im Entstehen begriffene Mesoderm. Je weiter nun die Schnitte nach' hinten rücken, eine desto grössere Länge erreichen nach beiden Seiten hin die Mesodermanhänge des Primitivstreifens. Schliesslich erkennt man an den durch die hintersten Theile der Area pellucida gehenden Schnitten, dass das Mesoderm^ sich bereits bis in die Area opaca hinein vorgeschoben hat. Im Flächenbilde muss in diesem Entwicklungsstadium derjenige Theil der Keimhaut, welcher bereits ein Mesoderm enthält, als ein annähernd gleich- schenkliches Dreieck erscheinen, dessen abgerundete Spitze von dem Kopf- ende des Primitivstreifens eingenommen wird, und dessen Grundlinie bereits in das Ringgebiet hineinfällt, jedoch nicht gerade, sondern nach hinten convex ist, während die beiden Seitenlinien gleichfalls als leicht gebogene Linien zu Tage treten, deren Concavität nach vorne und aussen gerichtet ist (Fig. 2, Taf. I). Die weitere mit der allmähligen Ausbildung des Primitivstreifens ein- hergehende Ausdehnung des Mesoderms schreitet nach hinten unter dem Ektoderm des Ringgebietes nur langsam fort; verhältnissmässig rasch breitet es sich dagegen seitlich von dem Primitivstreifen in der Area pellucida aus, indem die Mesodermzellen sich rasch vermehren und auch in der mittleren Querzone der gesammten Keimhaut bis in das Ringgebiet hinein vordringen. Die Figur, unter welcher um die 12. — 14. Brütestunde nach vollständiger Entwicklung des Primitivstreifens das mittlere Keimblatt im Flächenbildc erscheint, kann man sich am besten construiren, wenn man dieselbe als ein Halboval auffasst, welches dadurch entsteht, dass man von einem Oval sich — 12 - die eine Hälfte durch einen im kleineren Durchmesser desselben geführten Schnitt losgetrennt denkt (Fig. 3, Taf. I). In unserem Falle ist nun das Halboval so gestellt, dass die der Halbi- rungslinie entsprechende Gerade nach vorne, die Bogenlinie desselben mit ihrem am meisten convexen Theil nach rückwärts gerichtet ist; die Bogen- linie fällt bereits durchaus in das Ringgebiet. Auch darf man sich die vordere Grenzlinie nicht als eine vollständige Gerade vorstellen, sondern sie ist in der Medianlinie durch das Kopfende des Primitivstreifens nach vorne etwas vorgebuchtet. Nach der Ausbildung des Primitivstreifens fallen nun die weiteren Ent- wicklungsvorgänge vorwiegend in das vor dem letzteren liegende Gebiet der Area pellucida. Bei der Betrachtung von Flächenbildern solcher Keimhäute, welche dieser Phase der Entwicklung angehören, lässt sich leicht beobachten, wie von dem etwas anschwellenden Kopfende des Primitivstreifens ein sich nach vorne immer mehr verlängernder Fortsatz abgeht, der die Medianlinie einhält. Kölliker hat denselben Kopffortsatz des Primitivstreifens genannt. Von Interesse ist das Verhalten desselben zu dem Embryonalschild. Schon durch den nach vorne sich verlängernden Primitivstreifen ist die Bogenfalte des Embryonalschildes länglich ausgezogen worden; ihre bisherige rundliche Umgrenzung aufgebend, geht sie in eine ovale Form über, die sich, wenn der Kopffortsatz entsteht und sich nach vorne verlängert, immer mehr streckt (Fig. 4 u. 5, Taf. I). Zu gleicher Zeit flacht sich die Falte immer mehr ab, wodurch die äusseren Grenzen des Embryonalschildes allmählig verwischt werden. Nur in seltenen Fällen sind dieselben so gut zu erkennen, wie bei der durch Fig. 5 Taf. I bildlich wiedergegebenen 16 Stunden bebrüteten Keimhaut. Hier grenzt sich das Oval des Embryonalschildes allseitig auf das Deutlichste ab. Die Längsaxe desselben nimmt der vordere Theil des Primitivstreifens, sowie der Kopffortsatz ein, welcher nach vorne zu sich dreieckig verbreitert und hier auch nicht mehr scharf seitlich begrenzt ist; er reicht bis nahe an das vordere Ende des Ovals heran. Der Kopffortsatz des Primitivstreifens ist nun keineswegs, wie früher all- gemein für das Hühnchen behauptet wurde, eine Mesodermbildung, sondern er kommt, wie ich gezeigt habe x), durch eine leistenförmige Verdickung des Entoderma zu Stande. Im Querschnitt erscheint dieselbe unmittelbar vor dem Primitivstreifen spindelförmig; nach vorne zu wird diese Spindel allmählig breiter, indem die Uebergangsstelle derselben in die angrenzenden dünnen Ento- dermbezirke sich immer mehr verwischt. Sehr instructiv sind mediane Längs- schnitte, welche durch den Primitivstreifen und den Kopffortsatz gelegt sind. Wenn dieselben dünn genug ausgefallen sind, so lassen sie in der Nähe des Kopf- endes des Primitivstreifens eine schiefe Linie erkennen, welche die Zellen des letzteren von dem Kopffortsatze trennt. Hinter der Grenzlinie ist das Ento- derm dünn und nur lose mit den Zellen des Primitivstreifens verbunden, bereits unter ihr beginnt sich das crstere zu dem Kopffortsatze zu verdicken und behält sodann nach vorne zu die gleiche Stärke bei, um sich erst am vorderen Ende des Kopffortsatzes langsam wieder bis zur normalen Dicke des Ento- 'i l. Gerlach. Ueber die entodermale Entstelningswei.se der Chorda doraalis 1. c. — 13 - derms zu verschmälern. Mit anderen Worten, es scheidet auf solchen medianen Längsschnitten jene schiefe Grenzlinie eine Verdickung des Ektoderms (Pri- mitivstreif) von einer Verdickung des Entoderms (Kopffortsatz). Was das Mesoderm anlangt, so fällt dessen weitere Ausbreitung, nach- dem der Kopffortsatz aufgetreten ist, nicht direct vor den Primitivstreifen, sondern dasselbe wuchert seitlich von der Mittellinie in den vor dem Primitiv- streifen gelegenen Abschnitt der Area pellucida weiter nach vorne und aussen und ist in der Nähe des Ringgebietes am stärksten, während es medianwärts schwächer wird. Die Figur, unter der es, wenn der Kopffortsatz noch nicht sehr lang ist, im Flächenbilde erscheint, ist die eines gestreckten Karten- herzens, dessen stark abgerundete Spitze nach hinten sieht, während unmittel- bar vor dem Primitivstreifen der Einschnitt des Herzens liegt, welcher zum Theil von dem Kopffortsatz ausgefüllt wird (Fig. 4). Je weiter der Kopffortsatz und die beiden Seitentheile des Mesoderms nach vorne wachsen, desto mehr nähern sich gegenseitig successive die Ränder des erwähnten Einschnittes (Fig. 5), indem das mittlere Keimblatt medianwärts gegen den Kopffortsatz zu wuchert und sich mit seinen Zellen dicht an denselben anlegt. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass in der Region der Area pellucida, welche den Pri- mitivstreifen enthält, die Ausdehnung des Mesoderms eine centrifugale ist, während sie in dem vor dem Primitivstreifen gelegenen Bezirke auch centripetal vor sich geht. Mit der Entwicklung des Kopffortsatzes, sehr häufig aber schon vor derselben, bildet sich in dem vordersten Theile des durchsichtigen Fruchthofes eine bogenförmige Verdickung der Keimhaut aus. Dieselbe ist unter dem Namen der vorderen Amnionfalte (vordere Aussenfalte, His) bekannt. Nach meinen Untersuchungen jedoch steht dieselbe zur Amnionbildung nur in in- directer Beziehung. Sie kommt dadurch zu Stande, dass sich von dem vor- deren Theile des Randwulstes eine kleine Zone abspaltet. Dies geschieht in der Weise, dass sich vor der abzuspaltenden bogenförmigen Zone der Rand- wulst innerhalb eines schmalen ebenfalls bogenförmigen Streifens zu einer ein- schichtigen platten Zellenlage verdünnt. Dadurch wird sowohl die verdünnte Stelle, als der abgespaltene Theil des Randwulstes in dem durchsichtigen Fruchthof mit einbezogen, so dass der letztere nach vorne zu vergrössert wird. Die vordere Amnionfalte selbst besteht sonach aus Zellen des Randwulstes; dieses Zellenmaterial ist offenbar dazu bestimmt, der weiteren Längenausdeh- nung des vorderen Theiles der Area pellucida Vorschub zu leisten. Dass dieses Material schon vor der Bildung einer richtigen Amnionfalte allmählig aufgebraucht wird, geht aus dem Umstand hervor, dass die sogenannte vordere Amnionfalte sehr bald nach ihrem Auftreten Unterbrechungen erleidet, indem offenbar an den betreffenden Stellen die Substanz der in Rede stehenden Bil- dung auf eine einzige platte Zellenlage reducirt wird. Die weiteren Entwicklungsvorgänge, welche wir zu verfolgen haben, betreffen hauptsächlich den Kopffortsatz, sowie das ihn umgebende länglich ausgezogene Embryonalschild. Mit dem fortschreitenden Längenwachsthuin des ersteren streckt sich auch das letztere immer mehr. Schon oben wurde erwähnt, dass die Bogenfalte des Embryonalschildes""sich allmählig abflacht. Dies ist besonders in ihrem hintersten Abschnitte der Fall, welcher jederseits — 14 — neben dem vorderen Theile des Primitivstreifens gelegen ist. In diesem Abschnitte ist auch die Streckung des Embryonalschildes eine nur geringe; diese fällt fast ausschliesslich vor den Primitivstreifen, wesshalb hier auch das Embryonalschild eine stärkere Verschmälerung erleidet (Fig. 6, Taf. I). In gleicher Zeit tritt am vorderen Ende des Embryonalschildes eine Verände- rung auf, welche die Bildung der Kopfdarmhöhle einleitet. Ich muss hier an eine frühere Angabe erinnern, wonach der Kopffortsatz schon bald nach seinem Auftreten eine Verbreiterung seines vorderen Endtheiles zeigt. Die- selbe ist von dreieckiger Form und es geht die in der Medianlinie liegende Spitze des Dreiecks nach rückwärts continuirlich in den geradlinigen Theil des Kopffortsatzes über (vgl. Fig. 5, Tafel I). Diese nicht scharf zu bezeichnende Uebergangsstelle ist für den Anfang der Entwicklung der Kopf- darmhöhle von Bedeutung. Wenn Kopffortsatz und Embryonalschild eine gewisse Länge erreicht haben, so senkt sich von der genannten Stelle nach hinten zu die Keimhaut in der Medianlinie ventralwärts ein. Es entsteht so ein nach dem Dotter zu gerichteter Kiel des Blastoderms, welcher vorne ziemlich scharf begrenzt ist, und nach rückwärts sich allmählig abflacht. Ueber die Lage dieses Kieles erhält man am besten Aufschluss, wenn man die in den betreffepden Bildungsstadien befindlichen Keimhäute von der Ventralseite aus betrachtet. Theilt man die Strecke von dem hinteren Ende des Kopffortsatzes an bis zu der Stelle, wo er in jene dreieckige Verbreite- rung übergeht, in zwei Hälften, so ist der Kiel nur in der vorderen deutlich ausgeprägt, in der hinteren Hälfte ist er schon sehr flach geworden, und unmittelbar vor dem Primitivstreifen fast ganz verschwunden. Gleichzeitig mit der Bildung des Kieles muss die Bogenfalte des Embryonalschildes, welche sich sowohl zu beiden Seiten als auch vor dem Kopffortsatz bedeutend abge- flacht hatte, und darum kaum mehr zu bemerken war, im vordersten Theile des Schildes wieder verstärkt zum Ausdruck kommen. Da diese sich hier dorsalwärts über das Niveau der Keimhaut erhebt, so muss sie von der ventralen Seite aus betrachtet, als eine Furche erscheinen, und zwar von der Form eines Hufeisens. Sie besteht demnach aus zwei Längsfurchen, welche durch eine kurze quere Verbindungsfurche, die im Bogen um das vordere Ende des Kieles herumgeht, mit einander zusammenhängen. Nach hinten zu verlieren sich die beiden Furchen ebenso, wie der Kiel, ziemlich rasch in dem Niveau der Keimhaut. Von der vorderen Querfurche geht die Bildung der Kopfdarmhöhle aus. An dieser Stelle besteht die Keimhaut zuerst nur aus dein Ektoderm und dem dreiseitig verbreiterten Ende des Kopffortsatzes; das Mcsoderm ist hier noch nicht bis in die nächste Nähe der Medianlinie vorgedrungen. Dadurch erklärt es sich, wesshalb die; Kopfdarmhöhle in ihren ersten Anfängen nur eine zweischichtige Wand besitzt; diese besteht nur aus einem sehr verdickten Entoderm und dem Ektoderm. Das mittlere Keimblatt wandert erst später von der ventralen Seite aus ein. Mustert man eine in diesem Stadium befindliche Keimhaut von der dorsalen Seite aus (Fig. (i, Taf. I), so fällt die faltenförmige Erhebung des embryonalen Kopfendes am meisten in das Auge. Da diese ja die Gestalt eines Hufeisens besitzt, so können wir ebenfalls zwei Längsfalten und eine — 15 — bogenförmige Querfalte unterscheiden. Die letztere ist unter dem Namen der Kopffalte bekannt. Die beiden Längsfalten sind nichts Anderes, als die vorderen Theile der Rückenwülste; welche die vorne sehr tiefe Medullarrinne oder Rückenfurche zwischen sich fassen. Nach hinten zu werden Rücken- rinne und Medullarwülste immer flacher; die letzteren sind aber auch hier schon deutlich zu erkennen, da ihre Ränder gegenüber den angrenzenden Theilen der Keimhaut sich bereits etwas erhoben haben, was durch die all- mählige Dickenzunahme der unter ihnen liegenden Mesodermtheile bedingt ist. Die Rückenwülste fassen mit ihren hinteren Enden den vorderen Theil des Primitivstreifens ein, sie sind hier etwas breiter, da, wie wir wissen, dieser Abschnitt des Embryonalschildes sich nicht sehr gestreckt, und darum, auch nur wenig sich verschmälert hat. Es hat sich demnach aus dem Ektoderm des ursprünglichen Embryonal- schildes die Rückenplatte gebildet, worunter wir jenen Theil des Ektoderms der Area pellucida verstehen, der sich in dem Bereiche der Rückenfurche befindet, und der von den Rändern der Medullarwülste seitlich begrenzt wird. Den mit der Rückenplatte sich deckenden Bezirk der gesammten Keimhaut können wir mit His als Stammeszone bezeichnen. In ihrer Umgebung, abge- sehen von dem vor der Kopffalte liegenden Theil der Keimhaut, wo diese nur zweiblätterig ist, hebt sich eine zweite Zone ab, die Parietalzone, welche bis zu dem hinteren Ende des Primitivstreifens reicht. Sie ist der Ausdruck einer etwas stärkeren Mesodermeinlage, als die der peripheren Bezirke der Area pellucida ist, welche man die Aussenzone nennen kann. Innerhalb der letzteren ist das Mesoderm am schwächsten entwickelt. Im Bereich der Area -opaca können wir ebenfalls einen Bezirk unterscheiden, in welchem das Mesoderm bereits vorhanden ist, das nur in den vorderen Theil des Ringgebietes sich noch nicht eingeschoben hat. Der Bezirk der Area opaca, welcher bereits das mittlere Keimblatt enthält, stellt die künftige Area vas- culosa dar. Kehren wir nun zu der Rückenfurche zurück, so finden wir unter dem Boden derselben, die Medianlinie einhaltend, den Kopffortsatz, oder wie wir jetzt schon sagen müssen, die Chorda dorsalis; nur im hintersten Theile der Rückenfurche liegt an deren Boden das vordere Ende des Primitivstreifens. Mit dem Lungenwachsthum des Kopffortsatzes geht einher eine Verschmäle- rung seines spindelförmigen Querschnittes; derselbe wird allmählig rundlich und zwar am frühesten im hinteren Theile des Kopffortsatzes, was dann weiter nach vorne zu fortschreitet; zu gleicher Zeit mit dem Rundlichwerden der Chorda löst sie sich allmählig von dem Entoderm ab. Es entsteht so ein cylindricher Chorda-Strang, welcher zuerst einen etwas grösseren Durch- messer hat, als in den darauf folgenden Stadien, weil mit dem Längenwachs- thum der Chorda eine Verschmälerung derselben, mit einher geht. Das Rund- lichwerden dery Chorda geht ferner parallel mit einer stärkeren Ausbildung der neben ihr liegenden Mesodermtheile; dieselben sind zuerst im vorderen Abschnitte der Medullarwülste noch sehr dünn, hinten dagegen schon dicker, wo sie sich auch an der Grenze zwischen Stammes^ und Parietalzone von den Seitentheilen des Mesoderm zuerst trennen, und damit zu den Urwirbel- platten werden. Die ersten Querspalten in den letzteren, und somit die ersten — 16 — Urwirbel treten unmittelbar vor dem Kopfende des Primitivstreifens auf. In der Fig. 6, Taf. I ist die Lage des ersten Urwirbelpaares angedeutet. Sind die Medullär wülste und damit die Medullarfurche angelegt, was gegen die 20. — 22. Stunde des ersten Brütetages vollendet ist, so ist ein Entwicklungsstadium erreicht, in welchem sowohl das animale als das vege- tative Rohr in der Anlage vorhanden sind. Ersteres wird durch die Medullar- furche repräsentirt; die Bildung des letzteren wird durch das Auftreten der Kopfdarmhöhle eingeleitet, deren erste Anfänge vorhin näher beschrieben worden sind. In der Chorda haben wir einen Vorläufer der Wirbelsäule, welcher sich zwischen animale und vegetative Röhre einschiebt, und welcher die embryonale Längsaxe einnimmt. Auch eine Eintheilung in die späteren Körperregionen ist theilweise angedeutet, indem der hintere Theil der Stammes- zone, welcher den Primitivstreifen enthält, sich zu der späteren Beckenregion entwickelt, die vorderen Abschnitte sich dagegen zu den Rumpf- und Kopf- theilen ausbilden. Aus diesen Gründen erscheint es mir zweckmässig, das in Rede stehende Entwicklungsstadium zur zeitlichen Abgrenzung der Entwick- lungsvorgänge zu verwerthen. Wenn dasselbe erreicht ist, so ist die Onto- genie bis zu einem gewissen Abschlüsse gelangt, und es empfiehlt sich dess- halb, bis zu dem genannten Stadium den sich entwickelnden Organismus als Embryonalanlage zu bezeichnen, da bis zu dieser Zeit die in der Keimhaut ablaufenden Veränderungen darauf hinzielen, die Bildung des Nerven- und Eingeweiderohres anzubahnen. Sobald jedoch die Rückenfurche vollendet und die Kopfdarmhöhle in ihren ersten Anfängen vorhanden ist, wird man mit vollem Rechte schon von einem Embryo sprechen dürfen, denn von nun an bestehen die weiteren Entwicklungserscheinungen hauptsächlich in einer wei- teren Ausbildung und Vervollkommnung der bereits existirenden Organanlagen. Ich werde daher in den folgenden Betrachtungen unter Bezugnahme auf die soeben erörterte Entwicklungsgrenze zwischen Embryonalanlage und Embryo unterscheiden. Die wichtigsten Bildungsvorgänge in der Keimhaut, welche wir bisher besprochen haben, und die durch die Figuren 1 — 6, Taf. I repräsentirt werden, lassen sich folgendermassen kurz zusammenfassen: Auftreten des Embryonalschildes, Entstehung des Primitivstreifens, Einwachsen desselben in das Embryonalschild, Ausbildung des Kopffortsatzes, Umformung des Embryonal- schildes in die Stammeszone durch Ausbildung der Kopffalte und der Rücken- wülste , Uebergang des Kopffortsatzes in die Chorda. Hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Embryo's, welche dessen fort- schreitendes Längenwachsthum, den Schluss der Medullarrinne, die Vervoll- kommnung der Kopfdarmhöhle, die Genese des Herzens etc. betreffen, ver- weise ich auf die entwicklungsgeschichtlichen Handbücher von Kolli ker und Balfour, da es nicht in meiner Absicht liegt eine detaillirte Schilderung dieser Vorgänge zu geben. Für die folgenden über die Entstehung der Doppelmissbildungen anzustellenden Betrachtungen sind hauptsächlich die ersten Kiitwieklungsstadien von Belang, die späteren dagegen von weit geringerer I>< Deutung. Ich beschränke mich desshalb an dieser Stelle darauf, an der Band der Fig. 7, Taf. I, in welcher ich eine Keimhaut vom Ende des ersten Brütetagefl abgebildet habe, das Fortschreiten der Entwicklung kurz zu — 17 — erläutern. Vergleicht man diese Abbildung mit Fig. 6, Taf. I, so stellt sich heraus, wie das Längenwachsthum des Embryo einzig und allein in den vor dem Primitivstreifen gelegenen Abschnitt fällt. Das hintere Ende der Medul- larrinne, an deren Boden der vordere Theil des Primitivstreifens liegt, hat sich nur wenig verändert. Die Streckung des Embryo in seinen mittleren Theilen ist besonders gut an der hier eingetretenen Verschmälerung ersicht- lich. In Folge derselben musste das Kopfende weiter nach vorne rücken, und wir sehen desshalb, wie dieses bereits sich über die Keimhaut beträchtlich erhoben hat und wie durch sein Wachsthum nach vorne zu die Kopf- darmhöhle zugleich sich verlängern muss. Dieselbe stellt nun eine nach vorne und dorsalwärts gerichtete blind endigende Ausstülpung der Keimhaut dar, die unter das vordere Ende der Medullarrinne zu liegen kommt, und welche sich ihrer Entstehungsweise gemäss nach hinten und ventralwärts öffnen muss; diese Oeffhung heisst die vordere Darmpforte. Das Medullarrohr hat sich im vorderen Embryonalabschnitt schon theilweise geschlossen; sein vorderes Endstück ist jedoch noch offen, doch ist an demselben bereits die Verbreite- rung ausgesprochen, welche zur Genese des ersten Hirnbläschens führt. In der schmäleren mittleren Region des Embryo ist unter der Medullarfurche die Chorda zu erkennen , neben ihr eine Anzahl von Urwirbeln. Der hinterste Theil der Medullarfurche, an deren Boden der Primitivstreifen immer undeut- licher wird, entspricht der Gegend des späteren Sinus rhomboidalis. Der Embryo ist mit Ausnahme seines Kopfendes seitlich von der Parietalzone um- geben, die nur in der mittleren Embryonalregion etwas schwächer ausgebildet ist. Nach aussen von derselben folgt die Aussenzone. Auch das Mesoderm hat sich innerhalb der Area opaca ansehnlich ausgebreitet; nur der unmittel- bar vor der Area pellucida liegende Abschnitt der ersteren enthält noch kein mittleres Keimblatt. Vor dem Kopfende des Embryo befindet sich die vordere Amnionfalte; die Bildung des Herzens leitet sich ein. Ein besonderes Interesse bietet schliesslich das Verhalten des Primitiv- streifens während und nach der Ausbildung der Medullarfurche dar. Hierüber gibt ein Vergleich der Figuren 3 — 7, Taf. I Aufschluss. Seine grösste Längen- ausdehnung besitzt derselbe in dem Entwicklungsstadium der Fig. 4, in welchem der Kopffortsatz noch klein ist. Wenn der letztere sich jedoch nach vorne zu verlängert, so tritt eine allmählige Verkürzung des Primitivstreifens ein. Kurz nachdem sich die Rückenfurche gebildet hat, besitzt die Chorda ungefähr die gleiche Länge mit dem Primitivstreifen; bald wird der letztere in Folge des raschen Embryonalwachsthums und der gleichzeitig damit ehihergehenden allmähligen Verkürzung des Streifens von der Chorda immer mehr an Länge übertroffen, (Fig. 7). Mit dem Auftreten der Rücken furche stellt sich eine Anschwellung des vorderen Endes des Primitivstreifens ein, (Schwanzanschwellung, Dursy). Die Genese derselben denke ich mir in der folgenden Weise. Die Chorda ist eingeschaltet zwischen die Kopf- falte und das vordere Ende des Primitivstreifens. Wächst dieselbe in die Länge, so werden durch den Wachsthumsdruck, der hiebei sich geltend macht, die beiden genannten Bildungen auseinander geschoben werden müssen. Die Kopffalte, die sich bald nach vorne umlegt, sowie das gesammte Kopfende wird dadurch immer mehr nach vorne gedrängt werden müssen; auch zur n G-erlach. Entstehungswelae der DoppelmlBBblldungeB — 18 — Verkürzung des Primitivstreifens wird das Längenwachsthum der Chorda bei- tragen, und zwar in der Weise , dass sein vorderes Ende in sagittaler Rich- tung stark comprirnirt wird, was zur Bildung der Schwanzanschwellung führt. Was die weiteren Schicksale des Primitivstreifens anbetrifft, so ist zwischen dem vorderen Theil desselben, welcher an dem Boden der Rücken- furche Hegt, und dem hinteren Abschnitt, der in die Parietalzone fällt, zu unterscheiden. Die erstere Abtheilung des Streifens wird dem Beckenende des Embryo einverleibt, und über ihr kommt der Sinus rhomboidalis zu liegen; der hintere Abschnitt des Primitivstreifens bildet sich immer mehr zurück, verdünnt sich unter dem Schwinden der Primitivrinne immer mehr und schliesslich ist er im Flächenbilde überhaupt nicht mehr zu erkennen. II. S ä u g e t h i e r e. Unsere Kenntnisse über die ersten Stadien der Embryonalentwicklung der Säugethiere sind trotz vielfacher Untersuchungen noch lange nicht bis zu dem Grade der Vollkommenheit gediehen, dass sie den für die Bildung der Vogelembryonen gewonnenen Erfahrungen an die Seite zu stellen wären. Daran ist der Umstand Schuld, dass nicht nur die Untersuchung selbst, sondern die Beschaffung des nöthigen Materials mit viel grösseren Schwierigkeiten verknüpft ist, als bei den Vögeln. Da bei den letzteren die Entwicklung ausserhalb des mütterlichen Organismus stattfindet, so kann man dieselbe nach Belieben beginnen lassen, indem man die Eier der Brutwärme aussetzt. Der Anfang der Bebrütung stellt somit den Zeitpunct dar, in welchem die Ver- änderungen der Keimhaut sich einleiten, die zum Auftreten der Embryonal- anlage führen. Die Entwicklungsdauer, d. h. das Alter der Embryonen datirt von diesem Zeitpuncte an, und es entspricht der Grad der Ausbildung der Embryonen der Länge der Bebrütung. Man kann somit leicht bestimmte Entwicklungsstadien erhalten, wenn man die Eier zur richtigen Zeit aus dem Brütofen herausnimmt. Bei den Säugethieren dagegen haben wir keine so präcisen Anhaltspuncte, um die Entwicklungsdauer zu bestimmen; bei ihnen schreitet im Gegensatz zu den Vögeln die Entwicklung ununterbrochen fort, da sie sich ja im Inneren des Thierkorpers vollzieht. Ihr Anfang fällt somit mit der Befruchtung zusammen, deren zeitliches Eintreten wir nicht ermitteln können. Von dem Acte der Begattung ist sie selbst bei den Eiern der gleichen Ovulationsperiode durch ein variables Zeitintervall getrennt, und dies ist die Ursache, wesshalb wir bei einem Thiere, welches einige Zeit nach der Copulation getödtet wurde, die dem Uterus entnommenen Eier nicht gleich weit entwickelt vorfinden. Wir können somit bei unserer Unkenntniss über die Zeit der Befruch- tung die Entwicklungsperiode der im Inneren des Uterus befindlichen Eier nur approximativ schätzen und wissen nicht genau, welche Entwicklungsstadien vir antreffen werden, wenn wir nach Ablauf einer gewissen von dem Momente der Begattung an zu rechnenden Zeit die Thiere tödten und die im Uterus enthaltenen Eier untersuchen. Stellt man sich daher die Aufgabe, eine ganz bestimmte Phase der Embryogenese genauer zu studiren, so wird man eine grosse Anzahl von Thieren opfern müssen, um recht viele Eier von der beab- — 19 — sichtigten Entwicklungsstufe zu erhalten, unter denen womöglich die gleichen Entwicklungsstadien mehrfach vertreten sind. Letzteres ist besonders aus dem Grunde äusserst wünschenswert!], weil sehr viele individuelle Verschieden- heiten namentlich in der ersten Zeit der Embryonalbildung vorkommen. Ueber dieselben wird man nur dann einen Ueberblick gewinnen können, wenn der Untersuchung ein verhältnissmässig reiches Beobachtungsmaterial zu Ge- bote steht. Wohl mancher von den Autoren, welche über die erste Entwicklung des Säugethierembryo geschrieben haben, mag in Bezug auf sein Unter- suchungsmaterial etwas knapp bestellt, und darum nicht in der Lage gewesen sein, einmalige Beobachtungen revidiren zu können. Nur so erkläre ich mir die in vielen und wichtigen Puncten so weit aus einander gehenden Angaben und Ansichten, welche das Studium der in Rede stehenden Entwicklungsvor- gänge für Jeden, der sich nicht selbst mit der Sache näher befasst hat und nach eigener Erfahrung urtheilen kann, höchst unerquicklich machen müssen. Unter den Säugethieren ist es das Kaninchen, über dessen Entwicklung wohl die meisten Beobachtungen vorliegen. Aus der Reihe der älteren Arbeiten über diesen Gegenstand hebe ich die classischen Untersuchungen Bischoff's1) hervor. In den letzten Jahren hat E. v. Beneden bei dem Kaninchen die Furchung und Blätterbildung genauer studirt 2) , ferner haben Hensen3) und Kölliker4) sich sowohl mit dem gleichen Gegenstande, als auch mit dem Aufbau des Embryonalleibes vom Kaninchen eingehend beschäf- tigt, und sind zu Resultaten gelangt, deren Uebereinstimmung in Anbetracht der grossen Schwierigkeiten, mit denen die Untersuchung zu kämpfen hat, ungemein wohlthuend berühren muss. Insbesondere ist es Kölliker, welcher über die ersten Entwicklungsvorgänge des Kaninchens in seinem Lehrbuche ein überaus klares und anschauliches Bild entwirft. Mir selbst stehen hierüber nur vereinzelte Beobachtungen zur Verfügung und es wird daher die folgende Schilderung hauptsächlich auf den Angaben von Kölliker und Hensen basiren. Da das Handbuch Kölliker's eine Reihe von Abbildungen enthält, welche die Embryonalanlage des Kaninchens in verschiedenen Stadien illustriren und da dasselbe wegen seiner weiten Verbreitung für Jedermann leicht zu- gänglich ist, so habe ich es für überflüssig gehalten, Copien dieser Figuren Kölliker's meiner Monographie beizugeben, und werde daher bei der Be- schreibung der einzelnen Stadien auf die genannten Abbildungen verweisen. Indem ich die Furchung des Kanincheneies und die darauf folgende Ausbildung der Keimblase übergehe, beginne ich bei einem Stadium, welches etwa am 7. Tage nach der Begattung erreicht wird. Um diese Zeit besitzt die Keimblase, deren Wand von der Zona pellucida etwas absieht, eine läog- !) Bisdioff, Entwicklungsgeschichte des Kanincheneies. 1842. 2) E. v. Beneden, Recherches sur L'embryologie des mammiferes. La formation des feuillets cliez le Lapin, Archives de Biologie T. I. pag. L86, 1880. 3) Hensen, Beobachtungen über die Befruchtung und Entwicklung des Kaninchens und Meerschweinchens. Zeitschrift für Anatomie und Entwicklungsgeschichte Bd.I. pag. 218 und 353, 1875/70. 4) Kölliker, Entwicklungsgeschichte des Menschen und i\r\- höheren Thiere. tf Siehe auch: Zoolog. Anzeiger Nr. ol n. 62. 1880 — 20 — lieh runde Form, und an einer Stelle zeigt dieselbe einen rundlichen weiss- lichen Fleck, den Embryonalfleck. Die von Kölliker in Fig. 150 und 151 abgebildete Keimblase, welche diesem Stadium angehört, hatte eine Länge von 3,47 Mm. und eine Breite von 2,85 Mm. Der Embryonalfleck zeigte einen Durchmesser von 0,57 Mm. Was die Zusammensetzung der Keimblase anlangt, so besteht dieselbe aus einer äusseren Zellenlage, dem Ektoderm, dessen Innenfläche zum Theil von einer zweiten Zellenlage, dem Entoderm über- zogen wird. Die Wand der Keimblase ist demnach theils doppelblätterig, theils noch einschichtig *). Der Embryonalfleck nimmt die Mitte des doppel- blätterigen Theiles der Keimblase ein. Betrachtet man die Stelle des Embryonal- fleckes als den einen Pol der Keimblase, so erstreckt sich das Entoderm nur auf die eine Polhälfte des Eies, indem es um die genannte Entwicklungszeit erst bis zu dem Aequator der Keimblase vorgedrungen ist. Später umwächst es allmählig die Höhlung der Keimblase vollständig, worauf diese durchaus aus zwei Keimblättern besteht. Dieselben stellen einschichtige Zellenlagen dar; das Entoderm setzt sich aus mehr platten Zellen zusammen, und ist desshalb sehr dünn ; die Zellen des Ektoderms sind etwas höher. An einer Stelle jedoch findet man statt der niedrig cubischen Zellen des Ektoderms höhere, cylinderförmige Zellen, und diese Stelle deckt sich mit dem Embryonal- fleck. Derselbe hebt sich nur dadurch von seiner Umgebung ab, dass inner- halb seines Bezirkes die Ektodermzellen an Höhe nahezu um das Dreifache die sonstigen Zellen des äusseren Keimblattes übertreffen. Das Entoderm dagegen verhält sich im Bereiche des Embryonalfleckes ebenso, wie an anderen Orten. Es ist demnach der Embryonalfleck nichts Anderes, als eine verdickte Stelle des äusseren Keimblattes. Aus einer Zeichnung Bischoffs (Fig. 42 C), welche eine Seitenansicht des Embryonalfleckes darstellt, sowie aus dem von Kölliker (Fig. 152) abgebildeten Durchschnitt durch denselben scheint mir hervorzugehen, dass der Embryonalfleck eine leichte kuppenförmige Vorwöl- bung der Keimblase bildet. Auch die Figur 17 B Hensen's, welche ein etwas älteres Entwicklungsstadium wiedergibt, zeigt deutlich ein solches Verhalten. Die nächstfolgende Veränderung, welche die Keimblase erleidet, beruht auf einer Vergrösserung des Embryonalfleckes; derselbe streckt sich in die Länge und nimmt allmählig eine birnförmige Gestalt an. Gleichzeitig dehnt sich, wie schon erwähnt, das Entoderm immer mehr über die andere Polhälfte der Keimblase aus. Der Uebergang des runden in den birnförmigen Em- bryonalfleck bedarf noch einer genaueren Untersuchung, welche darüber zu entscheiden haben wird, ob die Vergrösserung desselben dadurch zu Stande kommt, dass an einer Stelle die an den Fleck anstossenden Zellen des Ekto- derms successive ebenfalls cylinderförmig werden, oder ob, wie v. Beneden-) ') Diese Angabe entspricht jedoch In sofern nicht ganz «lern richtigen Sachverhalt, B rke des Embryonalfleckes zur Zeit seines Auftretens und auch noch in den nächstfolgenden Entwicklungsstadien der Aussenfläche ) zuerst beobachtet worden. Nach den Unter- suchungen Kölliker's Bchwindel jedoch dieselbe verhältnissmassig rasch, and »lies ist der Grund, nresshalb ich im Texte derselben Keine Erwähnung gethan habe. i i. c. pag i — 21 — befürwortet, ein halbmondförmiger Bezirk der Umgebung eine Verbindung mit dem Embryonalfleck eingeht , wodurch derselbe eine Art von Zuwachsstück erhalten würde. Ich bemerke, dass v. Beneden angibt, dass innerhalb dieses Halbmondes zwischen Ektoderm und Entoderm eine mittlere Zellenlage vor- komme, während die vor demselben gelegene kreisförmige Region des Em- bryonalfleckes nur aus zwei Keimblättern bestehe. Die von v. Ben e den als Halbmond bezeichnete Region kann man als den hinteren Bezirk des Em- bryonalfleckes auffassen, da in demselben die ersten Spuren des Primitiv- streifens sichtbar werden. Dieselben erscheinen als eine die hinterste Stelle des Embryonalfleckes einnehmende rundliche Trübung, die nicht sehr scharf umgrenzt ist und welche nach vorne sich allmählig verlängert, so dass das ganze Gebilde in einem gewissen Stadium eine keulenförmige Gestalt dar- bietet, deren breiteres Ende nach hinten sieht und bis an den Rand des Fleckes reicht, dessen vorderer Theil sich verschmälert und schliesslich ohne scharfe Grenze aufhört. Kolli ke.r hat einen Embryonalfleck dieses Stadiums in seiner Fig. 157 wiedergegeben; das betreffende Ei besass eine Länge von 5 Mm., der Embryonalfleck eine solche von 1,61 Mm. Ein ähnliches Stadium kam mir selbst zur Beobachtung, und es schien mir schon bei der Untersuchung der frischen Keimblase ein hinterer halbmondförmiger Theil von dem vorderen kreisförmigen Bezirk des Embryonalfleckes sich, wenn auch nicht sehr deutlich, abzuheben. Nach sorgfältiger Erhärtung der Keimblase war sogar eine sehr scharfe Grenze zwischen beiden aufgetreten, indem der vordere kreisförmige Abschnitt stark prominirte. Hensen bildet in seiner Fig. 17 A einen auf der gleichen Entwicklungs- stufe befindlichen Embryonalfleck ab und hat denselben später auch in Längs- schnitte zerlegt. Dadurch gelang es ihm nachzuweisen, dass im Bereiche der als Halbmond bezeichneten Stelle des Embryonalfleckes eine mittlere mit dem Ektoderm zusammenhängende Zellenlage, das im Entstehen begriffene Meso- derm, zwischen den beiden anderen Keimblättern aufgetreten ist (Fig. 19 der Hensen'schen Abhandlung). Es fällt somit die Bildung des mittleren Keim- blattes mit dem Auftreten des Primitivstreifens zusammen. Das erstere steht nach Kölliker, der die erste Anlage des Primitivstreifens auch auf Quer- schnitten untersuchte, genetisch in keiner Beziehung zu dem Entoderm, son- dern stammt allein von dem Ektoderm ab. Ganz in der gleichen Weise, wie beim Hühnchen, tritt der Primitivstreifen als eine Verdickung oder Wucherung des Ektoderms auf und von demselben aus entwickelt sich das mittlere Keimblatt. Auch das weitere Vordringen des Primitivstreifens gegen die Mitte des Embryonalfleckes und das Auftreten der Primitivrinne erfolgt den Angaben Kölliker's zufolge ganz ebenso wie bei dem Hühnchen. Während dieser Vorgänge nimmt der Embryonalfleck etwas an Länge zu. Bei einer Keim- blase, deren Embryonalfleck 1,73 Mm. lang Var (Fig. 158), fand Kölliker bereits einen gut ausgebildeten, mit Primitivrinne versehenen Streifen von 0,85 Mm. Länge und 0,22 Mm. Breite. Sein vorderes Ende lag ungefähr in der Mitte des Embryonalfleckes. Bei etwas weiter entwickelten Eiern bemerkt -man um den Embryonal- fleck eine allmählig sich ausdehnende, nicht scharf umgrenzte ringförmige Zone, welche man als den sich bildenden Gefässhof oder die Area vasculosa oo ansprechen rnuss. Derselbe kommt nach der Ansieht Kölliker's dadurch zu Stande, dass das von dem Primitivstreifen aus zwischen die beiden anderen Keimblätter peripherwärts vordringende Mesoderm über den Embryonalfleck hinauswächst. Näheres über die Art der Ausbreitung des Mesoderms, beson- ders in der vor dem Primitivstreiten gelegenen Hälfte des Embryonalfleckes, ist bis jetzt noch nicht bekannt; doch lassen die Zeichnungen Kölliker's wie die Hensen's erkennen, dass der Embryonalfleck in dem sich bildenden Ge- tasshof excentrisch gelegen ist, indem er bis nahe an den vorderen Rand des letzteren heranreicht, während das hintere Ende des Primitivstreifens von dem hinteren Rand der Area vasculosa beträchtlich entfernt ist. Es erinnert dieses Lageverhältniss des Gefässhofes zum Primitivstreifen an das Auswachsen des Mesoderms bei dem Hühnchen, wo dasselbe in der ersten Zeit ja auch hinter dem Primitivstreifen am weitesten in die Area opaca hinein vorgedrungen erscheint 1). Ist die Bildung des Primitivstreifens vollendet, so tritt vor demselben eine rinnenförmige Einsenkung auf, die Rückenfurche, zu deren Seiten sich die Medullär wülste immer mehr erheben. Die letzteren verlängern sich auch nach hinten zu, so dass sie das vordere Ende des Primitivstreifens, wie aus der Fig. 161 Kölliker's ersichtlich, seitlich umschliessen. Das vordere Ende des Primitivstreifens verdickt sich mit der Ausbildung der Rückenfurche immer mehr und stellt so den Endwulst oder den Knoten des Primitivstreifens (Hensen) dar. Ferner zerfällt der Embryonalfleck, der nach Kölliker und Hensen die gesammte Embryonalanlage vorstellt, in eine mittlere Stammeszone und in eine dieselbe umgebende Parietalzone. Die Stammeszone ist zuerst nur in dem vorderen und mittleren Theile der Embryonalanlage deutlich begrenzt und hat die gleiche Ausdehnung, wie die Medullarplatte, d. h. derjenige Theil des Ektoderms, welcher am Boden der Rückenfurche liegt, und aus dem später- hin das Medullarrohr sich bildet. Die Parietalzone ist ebenfalls nur in ihrem vorderen Theile scharf begrenzt und zeigt zu beiden Seiten der Kopfgegend an ihrem Rande eine dunkle Stelle, welche die erste Andeutung der doppelten Herzanlage repräsentirt. Zur Zeit des Auftretens der beiden Zonen ist die nach vorne zu sich ausdehnende Embryonalanlage nahezu 3 Mm. lang gewor-. den (siehe Fig. 163 der Kölliker'schen Entwicklungsgeschichte). Sie besitzt eine bisquitförmige Gestalt; ihre schmälste Region fällt nicht weit vor den Primitivstreifen. An dieser Stelle treten in der Stammeszone auch die ersten Urwirbel auf, welche so ziemlich die Mitte der gesammten Embryonalanlage einnehmen. Je mehr der vor dem Primitivstreifen gelegene Theil der Em- bryonalanlage unter allmähliger Vermehrung der Urwirbelpaare in die Länge *) Bereits nach Abschluss meines Mamiscriples erhielt i. *) Reichert's und Du Boie Reymond'a Archiv 18C6, Taf. XIII. 3) I. c. Taf. XV, Fig. 5. — 47 — * Dieser Bemerkung lässt sich der beigegebenen Abbildung zu Folge noch bei- fügen, dass das Medullarrohr etwa in der Höhe der vorderen Darmpforte nach vorne hin in zwei Abtheilungen ausläuft, welche mit kleinen Anschwellungen vorne endeten. Die Kopfanlage zeigte durch einen seichten vorderen Einschnitt eine Trennung in zwei Hälften. Es haben sich nur zwei Gehörgrübchen entwickelt, ebenso ist nur ein Herz zur Ausbildung gelangt. Die vordere Amnionfalte deckt bereits das vordere Drittheil des Embryo; die hintere hat sich ebenfalls schon angelegt. Fall 12. Dareste1). Hühnerei, Brütedauer unbekannt. Taf. V; Fig. 1. „Monstre ä corps unique, et ä tetes doubles, mais soudees. Deux gouttieres longitudinales , avec trois rangs de prevertebres. Coeur simple, mais presentant des traces bien evidentes de dualite. Grossi six fois." Ausser den bereits bemerkten Eigenthümlichkeiten dieser Duplicitas anterior lässt die Zeichnung noch erkennen, dass die beiden Medullarrohre erst an der Stelle des hinteren Körperendes, an welcher die Urwirbel aufhören, sich zu einem gemein- samen, nur noch kurzen Stücke vereinigen. Die mittlere Reihe der Urwirbel liegt zwischen den beiden Medullarrohren. Jedes der letzteren zeigt bereits eine beginnende Abschnürung der Augenblasen. Es haben sich nur zwei Labyrinthgrübchen angelegt; jedes derselben liegt lateral von je einem der beiden Nervenrohre. Fall 13. Reichert2). Gänseei, 3 Tage bebrütet. Taf. V, Fig. 2, A u. B. Der Entwicklungszustand dieser Doppelbildung entspricht einem normalen Embryo nach 48stündiger Bebrütung. Es handelt sich nach R. um zwei dicht neben einander gelegene Embryonen, deren Rücken und Bauchflächen nach gleichen Rich- tungen hin gewendet sind. Nur der Kopf und das wenig entwickelte Schwanzende beider Embryonen sind völlig getrennt; im übrigen Theile sind dieselben seitlich der Länge nach eng verwachsen und vereinigt. Das Medullarrohr ist in der Kopf- und Halsgegend, sowie im Schwanzende doppelt und hier auch schon geschlossen. Im übrigen Körpertheile ist die Rücken- furche noch offen und gemeinschaftlich; doch ist eine Trennung durch eine mediane Längsleiste angedeutet, die nach hinten zu sich abflacht. Etwas seitlich von dieser Leiste liegen die beiden Chordae dorsales, ziemlich nahe an einander; dieselben ver- laufen nicht ganz parallel, indem sie vorne eine, wenn auch nur um ein Minimum grössere Entfernung zwischen sich lassen, als hinten. Die drei Hirnbläschen haben sich in den beiden Kopftheilen bereits angelegt; die Augenblasen sind in der Abschnürung begriffen; die Ohrgrübchen sind schon aufgetreten, jedoch im Ganzen nur zwei, indem sie an den einander zugewendeten Seiten der beiden Köpfe sich nicht, ausgebildet haben. Die Darmrinne ist in ihrem mittleren Theile gemeinschaftlich; sie setzt sich nach vorne und hinten in zwei Kopfdarm- und Beckendarmhöhlen fort; die letzteren sind noch sehr klein. * Die zwei Herzen, von denen ein jedes einen Bulbus aortae besitzt, sind seitlich mit einander verwachsen. Die Area pellucida ist bisquitförmig , ihre vordere Verbreiterung ist etwas grösser, als die hintere. Die Area vasculosa besitzt eine normale Beschaffenheit; die Vena terminalis hat sich noch nicht ausgebildet. y) 1. c. Taf. XVI, Fig. 5 u. 6. 2) Archiv für Anatomie und Physiologie 1864, Taf. XVII. Fig. 1, 2 u. 3. - 48 — Fall 14. Rauber1). Hühnerei, 80 Stunden bebrütet. Taf. V, Fig. 3. Die beiden Embryonen liegen Köpf an Kopf; ihre Schwanzenden sind von ein- ander abgewendet; sie sind weniger entwickelt, als es der gleichen Brütedauer bei normalen Einzelembryonen entspricht. Der eine ist schwächer, als der andere; ihre Längsaxen bilden mit einander einen stumpfen Winkel. Bei beiden Embryonen sind die Medullarrohre völlig geschlossen, ferner haben sich Urwirbel in grösserer Anzahl gebildet. Beide Köpfe sind in ihrer Form deut- lich alterirt; der des stärkeren überdeckt theilweise den des schwächeren. Das Hirn- rohr des schwächeren ist zu einer Platte comprimirt; Augenblasen sind nicht vor- handen, dagegen haben sich bei beiden Zwillingen die Ohrgrübchen gebildet. Die Vorderdarmhöhle fehlt. Zwei Herzanlagen von schlingenförmiger Gestalt liegen rechts und links von den Köpfen. Die Amnionbildung hat sich für den Kopf des stärkeren Embryo in der Art eingeleitet, dass der Kopf des schwächeren in die noch kurze Kopf kappe des Amnion einbezogen wurde. Die Area vasculosa, sowie der Sinus terminalis ist bereits vorhanden. Der durchsichtige Fruchtbof ist kreuzförmig2) und besteht aus zwei langen und zwei kurzen Armen. Fall 15. Ahlfeld3). Hühnerei, etwa 90 Stunden bebrütet. Taf. V, Fig. 4. Zwei deutlich von einander geschiedene Embryonen von 4,0 und 4,6 mm Länge. Die Kopfenden liegen dicht neben einander, die Schwanzenden von einander entfernt. Die Vorderhirnbläschen der beiden Zwillinge sind durchaus geschlossen; ihre Wände herühren sich jedoch und sind vielleicht mit einander verwachsen. In Folge der Erhebung der Kopfenden über das Niveau des Fruchthofes ist bei beiden Embryonen eine Umbiegung der Längsaxen in der Gegend der sich bildenden Medulla oblongata aufgetreten, so dass von dieser Stelle an die vorderen Theile der Medullarrohre eine kurze Strecke weit parallel verlaufen. Die Gehörgrübchen sind bei beiden gut aus- gebildet. Neben jedem Medullarrohre liegen etwa 24 Urwirbel. Das zwischen den beiden Kopfenden gelegene Herz ist gemeinschaftlich und stellt einen länglichen k dar. Die Kopfscheide des Amnion bedeckt die beiden Kopftheile der Embryonen; die hinteren Enden derselben besitzen ihre besonderen Amnionfalten. Der durchsichtige Fruchthof ist annähernd dreiseitig; in der abgerundeten Spitze '!•- I>ni<(k> liegen die beiden Köpfe, in den Seitenwinkeln der Grundlinie die Schwanzenden der Kmbryonen. Fall L6. Ahlfeld4). Bühnerei, Brütedauer unbekannt. Taf. V, Fig. 5. Zwei inil den Köpfen vereinigte Embryonen, von denen der linke eine Länge von 7,8, der rechte eine Bolche von 6,2 nun besitzt. Sowohl die verwachsenen Köpfe I Virchow'a Archiv Bd. 71. Ist? Taf. VIII Fig. ?A. ) hie Abbildung Rauber'a gibl nur den DoppeLembryo selbsl wieder: der Rand der Area pellncida i-t nicht mit eingezeichnet worden, vresahalb auch bei <\;iiz zur Verwachsung eine ursprünglich einheitliche Embryonalanlage — 85 — annehmen, deren vorderer Theil sich nach kurzer Zeit des Bestehens secundär in zwei Hälften zertheilt habe. Verlegt man nun die Spaltung in eine Zeit, in welcher bereits eine ausgesprochene Medullarfurche , sowie eine Kopffalte existiren, so ist man gezwungen, weiter zu schliessen, dass nach erfolgter Spaltung jede der beiden Hälften sich alsbald eine zweite Hälfte zulege, damit die in der Bildung begriffene Duplicitas anterior zwei vollständige vordere Embryonaltheile aufweisen kann. Diese Ueberlegung reicht meines Erachtens hin , eine so späte Theilung der vorderen Embryonalanlage von der Hand zu weisen. Will man überhaupt eine Spaltung aufrecht erhalten, so muss man dieselbe in eine Zeit verlegen, in welcher zwar schon der Kopf- fortsatz des Primitivstreifens, aber noch nicht eine Medullarfurche aufgetreten ist; man müsste dann den ersteren durch Spaltung in zwei gleiche Bildungen zerfallen lassen, welche mit ihren vorderen Enden sich immer mehr von einander in der Keimhaut entfernen würden. Die dritte Annahme endlich, nach der die Bildung einer embryonalen Duplicitas anterior, wie sie in dem D ar est e'schen Falle gegeben ist, erklärt werden kann, hat jedenfalls den Vortheil vor der SpaltuDgstheorie voraus, dass sie viel einfacher und ungezwungener ist als diese. Wozu braucht über- haupt erst eine totale, einfache Embryonalanlage sich zu entwickeln, wenn ein Theil derselben sich später durch Spaltung verdoppeln soll? Da wir ja wissen, dass die Embryonalanlage von rückwärts nach vorne zu sich ausbildet, so lässt sich leicht vorstellen, dass die Entwicklung nach vorne bis zu einem gewissen Puncte und Zeitabschnitt regelrecht und in gerader Linie fortschreite, von da an aber ein Auseinanderweichen in zwei Schenkel eintrete, so dass die, bis zu dem betreffenden Zeitabschnitt noch- nicht entwickelten Theile der Fruchtanlage gleich von vorneherein doppelt sich anlegen. Je nachdem das Auseinanderweichen in eine frühere oder spätere ontogenetische Zeit fällt, wird ein höherer oder geringerer Grad von vorderer Verdoppelung resultiren müssen. Diese Annahme des gabiigen Auseinanderweichens der sich ent- wickelnden Embryonalanlage zur Erklärung der Genese einer Duplicitas anterior möchte ich der Spaltung und Verwachsung als „Bifurcation a gegenüberstellen. Legt man eine Bifurcation zu Grunde, so würde die Dareste'sche Doppelbildung in der Weise entstanden sein, dass entweder statt eines Kopf- fortsatzes zwei vor dem Kopfende des Primitivstreifens sich entwickelt haben, oder dass der Kopffortsatz zuerst der Norm entsprechend eine kurze Strecke weit direct nach vorne gewachsen, dann aber in zwei unter spitzem Winkel divergirende Schenkel zerfallen sei. Es unterscheidet sich demnach für unseren Fäll die Bifurcation von der Spaltungstheorie hauptsächlich darin, dass sie im Gegensatz zu der letzteren die vollständige Ausbildung eines Kopffort- satzes, der sodann in zwei sich zertheilen solle, in Abrede stellt. Sie befür- wortet vielmehr entweder eine sofortige Anlage von zwei Kopffortsätzen, oder ein mehr oder minder frühzeitiges Divergiren eines einzigen in zwei Schenkel. Bekanntlich supponiren die Anhänger der Spaltungstheorie Kräfte, die sie meist nur in unbestimmter Weise definiren, von denen sie aber glauben, dass sie eine einheitliche Embryonalanlage ganz oder theilweise in zwei - 86 — zu zerspalten im Stande sind. Gibt man nun das Dasein solcher Kräfte zu, so ist nicht einzusehen, wesshalb diese — ich will hier speciell den Darest'- schen Fall in das Auge fasseh — ihr Eingreifen hinausschieben sollten, bis der Kopffortsatz fertig gebildet ist. Diese Kräfte, falls sie wirklich existiren, werden sich zweifellos auch schon früher äussern, und werden den Kopffort- satz überhaupt nicht zur vollen Ausbildung gelangen lassen, sondern schon vorher die Entwicklung desselben in andere von der Norm abweichende Bahnen lenken. Wie man sieht, müssen die soeben angestellten Betrachtungen, wenn man unter den drei Möglichkeiten, nach denen man sich die Genese einer Duplicitas anterior zurecht legen kann, nämlich der Verwachsung, der Spal- tung und der Bifurcation, zu wählen hat, für die letztere entscheidend in die Wagschale fallen. Nachdem wir uns somit für eine Bifurcation erklärt haben; wird unsere nächste Aufgabe darin bestehen müssen, die vier Fälle von embryonaler vorderer Verdoppelung, welche die vierte Gruppe bilden, vom Standpuncte des genannten Princips aus zu beleuchten. Dass die vier Doppelbildungen nicht alle zu dem gleichen Grade der Duplicitas anterior geführt haben würden, lehrt ein Vergleich der einzelnen Abbildungen, die wir von ihnen besitzen. Am Meisten wird der Unterschied zwischen dem Falle 11 und 12 (Fig. 9, Taf. IV und Fig. 1, Taf. V) auffallen müssen, indem der erstere eine in der Ausbildung begriffene vordere Duplicität geringeren Grades erkennen lässt, während in der Doppelbildung Fall 12 eine dritte mittlere Reihe von Urwirbeln aufgetreten ist, was auf einen höheren Grad der vorderen Ver- doppelung hindeutet. Da, wie schon oben angegeben, die Duplicitas anterior sich auf einen um so ausgedehnteren Körperabschnitt erstrecken muss, je früher die Bifur- cation der Embryonalanlage eingetreten ist, so würde, wenn dieselbe bereits am Anfange der Einstrahlung des Primitivstreifens in das Embryonalschild der Area pellucida sich einstellen sollte, dies zur Entwicklung des höchsten Grades der besagten Doppelmissbildung führen müssen. Ich unterlasse es, die Frage, ob eine Bifurcation des Primitivstreifens überhaupt stattfindet, an diesem Orte eingehender zu discutiren, weil dazu die vorliegenden vier Fälle keine Anhaltspuncte geben. Es genüge, hier auf die Möglichkeit eines solchen Vorkommens hingewiesen zu haben; dass dasselbe in der That stattfinden kann, werde ich in einem späteren Capitel darzuthun suchen. Die Bifurcation der in dem durchsichtigen Fruchthof nach vorne zu sich vervollkommnenden Embryonalanlage kann ferner nach Vollendung des Primitivstreifens dadurch zu Tage treten, dass vor dessen vorderem Ende zwei Kopffortsätze sich ausbilden, welche unter einem mehr oder weniger spitzen Winkel nach vorwärts divergiren. Die Zeit der ersten Anlage des Kopffortsatzes, wenn der Primitivstreifen seine völlige Entwicklung erreicht hat, scheint mir der günstigste Moment für die Bifurcation zu sein, da von diesem Zeitpunkte an das Entoderm, indem es den Kopffortsatz erzeugt, sich direct an der Bildung der Embryonalanlage betheiligt, welche bis dahin mehr dem Ektoderm zufiel, das ja mit der Bildung des Primitivstreifens die Embryo- genese einleitete. — 87 — Die letzte Entwicklungsphase endlich, innerhalb welcher eine Bifurcation noch stattfinden kann, fällt in die Zeit, während welcher der bereits angelegte Kopffortsatz nach vorne wächst, bis zu dem Auftreten der Kopffalte, womit die Medullarrinne vorne abschliesst. Es handelt sich also hier um ein Diver- giren des Kopffortsatzes selbst, was zur Folge haben muss, dass an der gleichen Stelle die sich bildende Medullarfurche ebenfalls dichotomisch aus einander weicht. Je später nun eine Bifurcation des Kopffortsatzes erfolgt ist, desto länger wird der einheitliche Abschnitt desselben und desshalb auch die einfache Strecke der Medullarfurche werden müssen. Damit geht natür- lich eine um so geringere Verdoppelung der vorderen Fruchtanlage einher. Unter den 4 uns zu Gebote stehenden Fällen dieser Gruppe befindet sich, wie schon erwähnt, keiner, welcher sich für eine Bifurcation des Primitiv- streifens verwerthen liesse. Bei sämmtlichen kommen nur die beiden anderen Eventualitäten in Frage. Am meisten für eine vollständig doppelte Anlage der beiden Kopffortsätze scheint mir der Dareste'sche Fall 12 zu sprechen, dessen Dorsalansicht Fig. 1, Taf. V wiedergibt. Der hinter den Urwirbeln gelegene, nur kurze einheitliche Endabschnitt dieser Doppelbildung scheint mir nach meinen Erfahrungen in der normalen Entwicklungsgeschichte von Einzelembryonen an der Stelle der Keimhaut zu liegen, welche früher von dem vorderen Theile des Primitivstreifens eingenommen wurde. Auch der Dareste'sche Fall 4 (Fig. 3, Taf. IV), sowie die von mir beschriebene Doppelmissbildung Fall 8 (Fig. 2, Taf. III) lassen sich sehr gut mit der Annahme vereinbaren, wonach unmittelbar vor dem Kopfende des Primitiv- streifens die Bifurcation der Embryonalanlage sich eingestellt hat. • Dagegen scheint der Dareste'sche Fall 11 (Fig. 9, Taf. IV), der von allen vier Fällen den geringsten Grad vorderer Duplicität aufweist, auf eine erst sehr spät erfolgte Bifurcation des Kopffortsatzes hinzudeuten. Doch werde ich sogleich darauf zu sprechen kommen, dass die^, Genese desselben sich auch auf eine andere Weise und zwar ähnlich, wie die der drei übrigen Fälle erklären lässt. Was den Divergenzwinkel, d. h. den Winkel anlangt, welchen die doppelt sich anlegenden Theile der Embryonalanlage mit einander bilden, so scheint derselbe in den vier Fällen ein verschiedener zu sein ; er ist am grössten in dem Falle 8, etwas kleiner erscheint er in dem Falle 4, dann folgen Fall 12 und 11. Die Grösse des Divergenzwinkels ist für die seitliche Ausdehnung, welche die Verdoppelung gewinnt, von weitgehender Bedeutung. Es sind sonach für den höheren oder geringeren Grad der schliesslich resul- tirenden Missbildung zwei Momente bestimmend: 1) die Zeit der Bifurcation und 2) die Grösse des Divergenzwinkels. Sehr klein muss der Divergenzwinkel bei der Dar es te'schen Doppel- bildung Fall 12 gewesen sein. Die beiden JMedullarrinnen kamen desshalb in geringe Entfernung neben einander zu liegen, und der sie trennende Zwischen- raum nimmt nur sehr langsam nach vornehin an Breite zu. Bei der Bildung der Kopfdarmhöhle lagen daher die beiden Medullarfurchen so nahe an einander, dass es zuerst nur zur Anlage eines einzigen Vorderdarms kam, von dem aus allerdings bei dem späteren Wachsthum des Embryo nach vorwärts zwei Ausläufer sich entwickelten. Zu denselben führt, wie auf der einen Abbildung — 88 — Dareste's, welche eine Ventralansicht vorstellt, deutlich zu sehen ist, nur eine einzige vordere Darmpforte. Mit der ursprünglich einheitlichen Anlage des Vorderdarms hängt auch der Umstand innig zusammen , dass sich nur ein Herz ausbildete. Auch bei dem ebenfalls von Dareste mitgetheilten Falle 11 muss der Divergenzwinkel ein sehr kleiner gewesen sein. Da ungefähr erst in der Höhe der vorderen Darmpforte das Medullarrohr in zwei Schenkel sich ver- zweigt, so ist es begreiflich, dass auch nur ein Vorderdarm und ein Herz zur Ausbildung gelangen konnten. Voraussichtlich würde in diesem Falle die Verdoppelung nur den Kopf und zwar vorwiegend dessen dorsale Theile be- troffen haben. Wenn man diese Dareste'sche Doppelbildung mit dem Reichert'schen Falle 13 (Fig. 2, Taf. V) vergleicht, so wird eine gewisse Aehnlichkeit der Kopftheile bei beiden Doppelbildungen nicht zu verkennen sein, wenn auch in dem Reic herrschen Fall sich die Verdoppelung etwas weiter nach hinten erstreckt, als in dem vorliegenden. Da nun bei der Reiche rt'schen Doppelbildung sich zwei durchaus getrennte Chordae dorsales nachweisen Hessen, die schwach nach vorne divergirten und desshalb erst spät ausserhalb des Bereiches der Copulationsnähe kamen, so liegt der Gedanke nahe, dass es sich bei dem in Rede stehenden Falle vielleicht auch um eine doppelte Anlage der beiden Chordae handeln könne. Es müssten aber nach dieser Auffassung die beiden vor dem Kopfende des einheitlichen Primitiv- streifens sich entwickelnden Kopffortsätze nur eine sehr schwache Divergenz gezeigt haben, so dass sie die grösste Strecke ihres Verlaufs innerhalb der Copulationsnähe verblieben und erst spät bis zu einem solchen Abstand von einander sich entfernten, der zur Bildung von zwei Medullarfurchen hinreichte. Es würde sich auf diese Weise auch der Umstand erklären lassen, dass in der Dareste'schen Doppelbildung der grösste Abschnitt des Medullarrohres einfach und nur dessen vorderster Theil doppelt vorhanden ist. Somit kann auch für diesen Fall, wie bei den übrigen drei Doppelbildungen dieser Gruppe angenommen werden, dass die Anlage der Duplicitas anterior unmittelbar nach der vollendeten Ausbildung des Primitivstreifens begonnen hat und demnach in eine sehr frühe Entwicklungszeit zurückdatirt. Grösser wie in den beiden besprochenen Doppelbildungen ist der Diver- genzwinkel bei Fall 4, noch grösser bei Fall 8. Wenn man die zwei Abbil- dungen des Falles 8 und des Falles 12 neben einander hält, so wird man die Beobachtung machen, dass bei dem letzteren die Strecke des zweifach vorhandenen Hirnrückenmarkrohres noch eine grössere ist wie im Falle 8, und trotzdem wird derselbe den Eindruck einer viel geringeren Monstrosität machen, wie die von mir beschriebene Doppelbildung Fall 8. Man kann hier so recht den Einfluss erkennen, welchen die Grösse des Divergenzwinkels auf den Grad der resultirenden Doppelmissbildung ausüben muss. In dem Falle 12 ist eben darum, weil der Divergenzwinkel nur ein kleiner ist, der Abstand zwischen den beiden Medullarrohr en ein nur geringer; es wurde schon darauf hingewiesen, wie aus diesem Grunde sich ein Anfangs einheitlicher Vorder- darm und nur ein Herz ausbilden konnte; auch nur zwei Gehörgrübchen haben sich anlegen können; die beiden mittleren fehlen. Mit absoluter Sicherheit ist zu sagen, dass bei einer Doppelmissbildung, wie die vorliegende, — 89 — # auch nur jederseits eine obere und untere Extremität zur Entwicklung kom- men wird. An der schliesslich aus einem Bildungsstadium , wie es der Dareste'sche Fall zeigt, resultirenden Missgeburt würde, abgesehen von den zwei seitlich mit einander verwachsenen Köpfen, nur an der verbreiterten Hals- gegend die Verdoppelung äusserlich zu erkennen sein. Im Gegensatz zu der eben erörterten Doppelbildung bestand bei Fall 8 wegen des stärkeren Divergenzwinkels ein grösserer Abstand zwischen den beiden Medullarfurchen. Derselbe wird vielleicht noch etwas bedeutender gewesen sein , wie der , welcher die beiden Medullarrinnen im Fall 4 von einander trennt. In Folge dessen konnten sich getrennte Köpfe imd Vorder- körper, ferner je eine Kopfdarmhöhle und je ein Herz entwickeln. Die Ohr- grübchen sind zwar noch nicht sichtbar, jedoch ist nicht daran zu zweifeln, dass sich binnen kurzem im Ganzen 4 würden ausgebildet haben. Auch würden vermuthlich 4 obere Extremitäten aufgetreten sein, sodass die Pro- gnose des vorliegenden Falles auf einen Dicephalus tetrabrachius zu stellen ist. Ziehen wir nun das Facit aus dem, was über Fall 8 und 11 gesagt worden ist, so wird sich der Einfluss, welchen die Zeit der Bifurcation und die Grösse des Divergenzwinkels auf den Grad der resultirenden Duplicitas anterior ausübt, etwa folgendermassen präcisiren lassen: Mit der Grösse des Divergenzwinkels nimmt die Trennung und damit die Selbstständigkeit der doppelt angelegten Abschnitte der Embryonalanlage zu. Die Länge der beiden letzteren hängt von der Zeit des Eintretens der Bifurcation ab; je früher dieselbe sich einstellt, desto länger müssen die doppelt auftretenden Embryonalabschnitte werden. . Die Tiefe des Spaltes, welcher die doppelt vorhandenen Theile einer embryonalen Duplicitas anterior trennt, wird um so bedeutender sein müssen, je früher die Bifurcation stattgehabt und je grösser der Divergenzwinkel ist. Mit dem Wachsthum der Doppelbildung wird dieser Spalt begreiflicher Weise etwas seichter werden müssen, indem die sich vergrössernden Volumina der doppelt vorhandenen Körpertheile die tiefliegendsten Partien des Spaltes allmählig mehr und mehr ausfüllen müssen. Experimentelle Untersuchungen. . Die Thatsache, dass es innerhalb eines einzigen Fruchthofes zur Anlage von zwei Embryonen oder auch nur von doppelt sich bildenden Embryonal- theilen kommen kann, musste wegen ihrer eminenten Bedeutung stets von Neuem dazu auffordern, den dieser Erscheinung zu Grunde liegenden Ursachen nachzuspüren. Ist es ein übermässiger, dem Ei innewohnender Bildungs- trieb, der zu dem Auftreten eines Doppelembryo führt, oder sind es von aussen her auf das Ei einwirkende Umstände, welche die Entwicklung nach der zur Genese einer Mehrfachbildung führenden Bahn hinlenken? — hierüber gehen die Ansichten der einzelnen Forscher auseinander. Es ist nicht meine Absicht, an dieser Stelle diese verschiedenen Auf- fassungen eingehender zu erörtern-, ich will mich hier darauf beschränken, eine kurze Uebersicht über den gegenwärtigen Stand der genannten Fragen zu geben. Was diejenigen Theorien anlangt, welche die zu Doppelbildungen ver- anlassenden Momente auf besondere aussergewöhnliche Eigenthümlichkeiten des Eies zurückführen, so finden sich zwei Richtungen vertreten; nach der von Schultze befürworteten Theorie besitzt das Ei bereits vor der Befruch- tung die Eigenschaften, welche nach der Furchung das Zustandekommen von zwei Embryonalanlagen nach sich ziehen sollen. Schultze stellt sich vor, dass das Vorhandensein von zwei Keimbläschen in einem, Ei die Anlage einer Mehrfachbildung zu Folge habe 1). In neuerer Zeit ist man dagegen mehr geneigt, in einem nicht ganz regulären Befruchtungsvorgange die Ursache für die Genese eines Doppel- embryo zu erblicken. Nach den bahnbrechenden Untersuchungen von 0. Hertwig2) und Fol3) scheint in der Norm nur ein einziges Spermatozoon die Befruchtung eines Eies vorzunehmen. Die beiden Forscher kamen zu dem gleichen Resultate, dass der Eintritt mehrerer Spermatozoon in ein Ei eine ') B. .Schnitze, Ueber anomale Duplicität der Axenorgane. Virchow's Archiv Bd. 7, pag. 479, 1854. 2) 0. Hertwig, Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des tliierisclicii Eies. Gegen bau r'.s Morpholog. Jahrbuch Bd. I, 1876, pag. 347 und Bd. III, pag. 1 und pag. 271. 8) H. Pol, 8ur Le • -ommencement de Thenogenie chez divers animaux. Archives des sciences phys. et anat. de La Bibl. univ. Revue suisse. Geneve Tom. LV11I, Avril 1878. — 91 - anormale Furchung und Entwicklung des Eies verursacht. Fol konnte an Eiern von Seesternen , welche von mehreren Samenfäden befruchtet wurden, die Entwicklung von monströsen Larven (z. B. Gastrulae mit doppelter Inva- gination) beobachten. Was die zweite Ansicht betrifft, wonach die Anlage von Doppelmiss- bildungen erst nach der Befruchtung durch äussere Momente, die auf das Ei einwirken, veranlasst werde, so ist begreiflicher Weise in dieser Beziehung der Vermuthung und Speculation ein grosser Spielraum gelassen, da man sich ja eine mannigfache Reihe von Ursachen denken kann, welche von aussen her auf die Entwicklung des Eies einen Einfluss ausüben können. Hauptsächlich sind es Einwirkungen von mehr mechanischer Natur, welche, wie man annahm, unter gewissen, allerdings noch völlig unerkannten Umstän- den die Entwicklung einer Doppelbildung zu Wege bringen sollten. Für der- artige Vermuthungen sprachen unter Anderen die Erfahrungen von Valentin, welcher unter einer grossen Anzahl von Hechteiern, die unmittelbar nach ihrer Befruchtung mehrere Meilen in einem Topfe getragen und dadurch einer andauernden Erschütterung ausgesetzt worden waren , auffallend viele Doppelmissbildungen vorfand1). Neueren Datums sind die Untersuchungen von Knoch2), welcher mittheilt, dass es ihm bei Eiern von Lachsen und Lachsforellen gelungen sei, durch häufigen Wechsel des Wassers und die dadurch hervorgerufene oftmalige Erschütterung frisch befruchteter Eier Dop- pelbildungen zu erzielen. Bei Eiern, die in ruhigem Wasser sich entwickelten, kamen dagegen nur wenige Doppelbildungen vor. Bei Vögeln erblickte man gleichfalls in Erschütterungen, welche die Eier während ihrer Bebrütung — so z. B. bei häufiger Lageveränderung der Eier im Brutofen — treffen sollten, mechanische Ursachen, die der Genese von Doppelbildungen günstig wären. Für die Säuger hat noch vor kurzer Zeit Ahlfeld J) sich dahin aus- gesprochen, dass eine allzu starke Spannung der Zona pellucida über dem Fruchthof auf die Anlage der Frucht eine mechanische Einwirkung ausüben müsse, in Folge deren Doppelbildungen erzeugt werden sollten. Die vorstehenden Beobachtungen und Vermuthungen lassen zur Genüge erkennen, wie wenig Thatsächliches man über das Wesen der die Embryo- genese nach der genannten Richtung hin modificirenden Kräfte eigentlich weiss. So viel steht fest, dass, falls wirklich mechanische Einflüsse, wie die angedeuteten, in Frage kommen, diese in so viele sich je nach den gerade obwaltenden Verhältnissen in ihren Einwirkungen verschieden äussernde und darum unberechenbare Einzelfactoren zerfallen, dass es geradezu unmöglich ist, über ihr Eingreifen in die Embryogenese zu einer wenn auch nur einiger- massen klaren Vorstellung zu kommen. Ich gehe nun über zu den Versuchen, welche in der Intention ausge- 1) Valentin, Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Doppelmissgeburten. Vierordt's Archiv für physiol. Heilkunde 1851, pag. 1. 2) Knoch, Ueber die Missbildungen des Salmonen- und Coregonus-Geschlechtes. Bulletin de la societe imp. des naturalistes de Moscou. T. XtVI, 1872. 3) Ahlfeld, Die Missbildungen des Menschen, I. Abschnitt, Leipzig 1880, pag. 1) und 10. — 92 — führt wurden, durch Veränderungen, die man am Ei selbst vornahm, Mehr- fachbildungen künstlich zu erzeugen. Man ging hier mit einer ganz be- stimmten Voraussetzung an das Experiment heran, um durch den Ausfall des letzteren die erstere zu bewahrheiten, oder als eine irrige darlegen zu können. Valentin stellte sich zuerst die Frage, ob bei dem Vogelei durch eine künstliche partielle Längsspaltung des Embryonalkörpers eine Verdoppelung zu erzielen sei. Zu diesem Behufe feilte er bei 24 — 48 Stunden in der Brut- maschine gelegenen Hühnereiern die Kalkschale an, um durch eine OefFnung sich die Keimhaut zugänglich zu machen. Nach der Operation wurde die OefFnung wieder verklebt und sodann das Ei in die Brütmaschine zurück- gebracht. Valentin erhielt jedoch nur in einem einzigen Falle mittelst dieses Verfahrens eine nach seiner Meinung thatsächliche Duplicität des ge- spaltenen Körpertheiles. In seinem Repertorium *) äussert er sich über diese Beobachtung in folgender Weise: „Ich hatte einen zweitägigen Embryo in seiner hinteren Körperhälfte der Länge nach gespalten und fand nach fünf Tagen Duplicität des Beckens und der hinteren Extremitäten. Doch waren die doppelten Theile in der Entwicklung weiter zurück, als die einfachen. a Valentin sagt selbst, dass ihm diese eine Erfahrung noch lange kein genügender Beweis für die willkürliche Erzeugung von Doppelmonstra sei, hat aber späterhin keine ähnliche Beobachtung mehr bekannt gegeben. Leuckart und unter seiner Leitung Schrohe2) haben die Versuche Valentin's unter verschiedenen Modifikationen wiederholt. Nachdem aus der Schale ein kleines Viereck herausgenommen war, wurde die Keimscheibe entweder mit einem feinen Staarmesser gespalten oder dieselbe durch einen Einstich mit einer feinen Nadel verletzt. Nach Aufgiessen einiger Tropfen frischen Eiweisses, um die Bildung eines lufthaltigen Raumes zu vermeiden, wurde die OefFnung mit einem Stückchen Eischale wieder geschlossen und verklebt. Bei den Eiern, welche schon vor Beginn der Bebrütung nach dem erör- terten Verfahren behandelt wurden, zeigte sich, dass eine Spaltung der Keim- scheibe selbst auf 2 Mm. Länge die Entwicklungsvorgänge nicht absolut auf- hebt. Schrohe fand, dass bei etwa 2/3 dieser Eier die Entwicklung des Embryo stattgefunden hatte; wo sie ausgeblieben war, kam es auch nicht zur Bildung des Gefässhofes. „In den sich entwickelnden Eiern war immer nur ein Embryo vorhanden, wenn auch missbildet, und die Wunde war stets vernarbt, sodass man in der Mehrzahl der Fälle nicht ein- mal die Stelle der Verletzung auffinden konnte. a Bezüglich der Läsion solcher Eier, welche vor der Vornahme derselben bereits einige Zeit bebrütet worden waren, theilt Schrohe mit, dass in etwa 3/4 der Fälle noch eine Weiterentwicklung stattfand. Diese konnte sowohl den Embryo betreffen, als auch, wenn dieser zu Grunde ging, sich auf den Dotter- und den Gefässhof beschränken. Der letztere war, wenn er keinen oder einen abgestorbenen Embryo enthielt, in seiner Form meistens unregel- mässig. „Schritt auch der Embryo in der Entwicklung weiter, dann zeigte ') P»g. 169. ') Schrohe, Untersuchungen über den Einfluss mechanischer Verletzungen auf die Entwicklung fies Embryo. Dissert. Giessen 1862. — 93 — » er mehr minder Abweichungen von der Norm. Einzelne Theile des Embryo verkümmerten entweder oder sie gingen vollständig zu Grunde. Bei einer Spaltung des Embryo entwickelten sich entweder beide Hälften oder nur eine und die andere abortirte. In einigen Fällen trat eine Doppelbildung einzelner Organe auf, besonders des Herzens." In dem Falle, in welchem sich eine Doppelbildung des Herzens einstellte, glaubt Schrohe, dass diese nicht eine Folge der Spaltung der Keimscheibe sei, da die Wunde am hinteren Ende derselben sich befand. Leider hat Schrohe bei vielen seiner Fälle nicht angegeben, an welchem Theile des Embryo oder der Keimscheibe er die Verletzung angebracht und in welcher Richtung und Ausdehnung er gespalten habe. Dadurch verlieren diese Fälle sehr an Werth, weil man durch dieselben nicht erfährt, ob die Verletzung einer bestimmten Stelle der Keimhaut, sei es vor, sei es kurz nach Beginn der Bebrütung immer die gleichen Missbildungen zur Folge hat, was bei einem mehr systematischen Vorgehen leicht zu eruiren gewesen sein würde. Einen Fall Schrohe's möchte ich noch erwähnen, bei dem es sich nach seiner Ansicht um eine zufällig intercurrirende Doppelmissbildung handelte. Ich gebe hier Schrohe's eigene Darstellung der bezüglichen Be- obachtung wieder: ^Das Ei war 16 Stunden bebrütet, ehe die Verletzung vorgenommen wurde. Ich machte eine Spaltung, wie ich vermuthe, in der Längsaxe. An der Keimscheibe war nichts Abnormes wahrzunehmen, sie war nur etwas oval. Die Untersuchung nahm ich am 4. Tage der Bebrü- tung vor. Beide Embryonen waren abgestorben und lagen am Rande der Wunde, welche kreisförmig war. Sie zeigten eine fast vollständig gleiche Entwicklung. Bei beiden ist das hintere Ende nur theilweise entwickelt, bei dem einen sowohl, wie bei dem andern sieht man nur eine Reihe von Wirbel- plättchen. Die Herzen sind strangartig mit einander verbunden. Die Köpfe sind frei, fast vollständig normal, der eine ist etwas länglich, der andere mehr rund. Wäre nun Valentin' s Behauptung richtig, dass durch Spaltung eines Keimes sich zwei Individuen entwickeln könnten, dann hätte in unserem Präparate kein Verwachsen der Herzen stattfinden dürfen, da nach den oben ausgesprochenen Erfahrungen eine Vernarbung der Wunde niemals eintritt, wenn sie nach schon längere Zeit stattgehabter Bebrütung gemacht wurde. Nicht erklärlich wäre es auch, warum gerade nur die Herzen sich wieder vereinigen sollten und nicht auch die übrigen Theile der Wunde. Nimmt man aber an, dass in dem betreffenden Falle ursprünglich zwei Keime vor- handen gewesen sind, die in gleicher Weise verletzt wurden, so lässt sich die fehlende Reihe von Wirbelplättchen durch Abort erklären. Man beobachtet ja nicht selten, dass nach Verletzungen der Keimscheibe einzelne Theile des Embryo vollständig zu Grunde gehen, während die übrigen in der Entwick- lung fortschreiten." Dieser Deutung, welche Schrohe von dem vorliegenden Falle gibt, vermag ich mich nicht anzuschliessen. Die Verletzung wurde an einer 16 Stunden bebrüteten Keimscheibe vorgenommen, also zu einer Zeit, in der vor dem vollkommen ausgebildeten Primitivstreifen -bereits der Kopffortsatz aufgetreten ist, und die ersten Spuren der Medullarwülste bemerklich sind. Die Spaltung wurde vermuthlich in der Längsaxe vorgenommen; ob sie eine — 94 — totale war, d. h. die Keimscheibe ganz durchtrennte , darüber hat Seh rohe keine Mittheilung gemacht. Meiner Ansicht nach war die longitudinale Spal- tung keine totale, indem zwar die ganze bis dahin aufgetretene Embryonal- anlage, also auch der Kopffortsatz median durchschnitten wurde, aber die vorderste Zone der Area pellucida wahrscheinlich verschont blieb. Die Hälften der Embryonalanlage entwickelten sich fort, mussten jedoch dabei den ver- änderten Verhältnissen Rechnung tragen. So konnte es kommen, dass bei jeder Hälfte der Rand des einen Medullarwulstes, als er bei seinem dorsalen Vordringen auf den der anderen Seite nicht traf, unter gleicher Krümmung weiter wachsend sich schliesslich mit dem bei der Spaltung hergestellten Schnittrande vereinigte, wodurch von ihm ebenfalls ein Rohr umschlossen wurde. Das Kopfende dieser so entstandenen Röhren konnte sich dann bei beiden Hälften noch etwas weiter entwickeln; dagegen konnte sich nur je eine Reihe von Urwirbeln ausbilden. Es liegt daher meiner Auffassung nach gar keine Zwillingsbildung vor, sondern nur die zwei Hälften der gespaltenen Embryonalanlage, die sich noch eine Zeit lang weiter entwickelten, in Folge der Wundbildung sich mit ihren hinteren Enden immer mehr von einander entfernten, während die vorderen Enden, unter denen sich inzwischen je eine Herzschlinge gebildet hatte, neben einander gestellt wurden. Auf dem Wege des intacten vordersten Theiles der Area pellucida konnte es dann zur Anlage eines Verbindungsstranges zwischen beiden Herzen kommen. Die Versuche von Schrohe beweisen, wie aus dem eben Mitgetheilten hervorgeht, dass eine Läsion der Keimscheibe eine Missbildung des Embryo nach sich ziehen kann ; dagegen wurde niemals durch dieselben eine Doppelbildung, nach der man strebte, erzielt. Sie geben aber ferner für den Befund Valentin's, über den oben berichtet wurde, insoweit eine Erklärung, als durch Schrohe festgestellt ist, dass die gespaltenen Embryonaltheile sich noch eine Zeit lang weiter entwickeln können. Vielleicht war dies in dem Valentin'schen Falle eingetreten, wodurch eine Doppelmissbildung leicht vorgetäuscht werden konnte. Die negativen Erfolge von Leuckart und Schrohe mögen die Ur- sache gewesen sein, dass man in späteren Jahren die Versuche, Doppelbil- dungen experimentell herzustellen, als aussichtslos erachtete; man beschränkte sich meistens darauf, die äusseren Einwirkungen auf die Entwicklung des Eies weniger eingreifend und zwar in einer Weise zu gestalten, dass man hoffen durfte, auch ohne directe Läsion des Embryo Deformitäten zu erzielen. Diese Erwartung wurde nicht getäuscht; es gelang, die verschiedenartigsten Monstrositäten künstlich zu erzeugen. Doch betrafen dieselben immer nur Einzelembryonen, indem es bisher nicht glücken wollte, Axenverdoppelungen zu Stande zu bringen; wenigstens habe ich nach der Schrohe'schen Unter- suchung in der Literatur keinerlei Verzeichnungen gefunden, nach denen das Bestreben, künstlich Doppelbildungen herzustellen , von Erfolg gekrönt ge- wesen wäre. Vielleicht gehört hieher ein Versuch Rauber's an einem Forellenei, den dieser Forscher als einen gelungeneren unter mehreren anderen derselben Art bezeichnet. Raub er beabsichtigte, den Keimring von Forelleneiern an seinem Vorschreiten über die Dotterkugel zu hindern. Er vermochte dies — 95 — durch die Wirkung einer kleinen stiftförmigen 'Hervorragung eines Holz- plättchens zu erreichen, mit welchem das im Uebrigen intact gelassene Ei an passender Stelle mit Vorsicht seitlich comprimirt und in dieser Lage mehrere Tage hindurch festgehalten wurde. Bei der Untersuchung des Eies hatte die Keimhaut etwa ein Drittel der Dotterkugel umwachsen. Der Keim- ring trug an einer Stelle eine normale vordere Embryonalanlage. Nicht ganz diametral gegenüber befand sich am Keimring ein anderes Gebilde, eine „künstliche" vordere Embryonalanlage. Ueber dieselbe berichtet Raub er wie folgt: „Der an dieser Stelle in das helle Mittelfeld hineinragende voll- kommen deutliche Vorsprung hat fast genau das Ansehen eines Stückchens bilateral-symmetrisch zusammengetretenen Keimrings; man erkennt eine Art Primitivrinne, welche die beiden Hälften abtheilt und in einen Einschnitt des Randes ausläuft, statt von einer bei den Knochenfischen die Norm bilden- den Randknospe begrenzt zu werden. Es ist auch gar nicht zu bezweifeln, dass sich in diesem Vorsprung im günstigsten Fall ein kleiner Theil von Rückenmark, Urwirbel, hätte bilden können u. s. w., wie es eben der betref- fenden Keimringstrecke zukommt. Schwerlich aber wird man daran denken können, dass man es hier mit einer rudimentären vorderen Embryonalanlage zu thun habe, obwohl in Wirklichkeit eine entfernte Aehnlichkeit der äusseren Form vorliegt, die ja auch auf andere Weise leicht zu erreichen ist. Voll- ständige Theilung des Keims nach geschehener Furchung gelang mir bisher nicht; ich zweifle indessen nicht daran, dass das Ergebniss gleichfalls ein nega- tives bezüglich der künstlichen Erzeugung von Doppelbildungen gewesen wäre1).* In dem gleichen Sinne wie Rauber, dass es zu den Unmöglichkeiten gehöre, künstlich Doppelmissbildungen hervorzubringen, spricht sich auch Panum aus. Derselbe verweist gegenüber den oben angeführten Mittheilungen Valentin's auf die Untersuchungen Lereboullet's, welche bewiesen haben, dass die mechanischen Erschütterungen auf das Vorkommen der Doppelmiss- bildungen bei Fischeiern gar keinen Einfluss haben2). Auch derjenige Forscher, dessen Stimme wegen seiner Erfahrungen auf dem Gebiete der experimen- tellen Erzeugung von Missbildungen am meisten in das Gewicht fallen muss, Dareste, äussert sich in Bezug auf die in Rede stehende Frage in folgen- der Weise: „La teratoge*nie ne peut dans son e*tat actuel cre*er les monstres doubles comme eile cre*e les monstres simples3)." Man sieht, wie die genannten Forscher — und mit ihnen auch fast ausnahmslos diejenigen Autoren, welche sich mit der bezüglichen Frage be- schäftigt haben — die künstliche Herstellung von Doppelmissbildungen ent- weder von vorneherein für eine baare Unmöglichkeit erklären, oder wenigstens dahin ihr Votum abgeben, dass dieselbe mit den bisher angewandten Metho- den sich nicht erreichen lasse. Wer sich auf den ersteren Standpunct -stellt, wonach die Möglichkeit einer experimentellen Erzeugung von Mehrfachbildungen absolut zu negiren *) Raub er, Die Theorien der excessiven Monstra. Zweiter Beitrag. Vircliow's Archiv Bd. 74, 1878, pag. 117. 2) Panum, Beiträge zur Kenntniss der physiologischen Bedeutung der angebornen Missbildungen. Vircliow's Archiv Bd. 72, 1878, pag. 168 u. 169. 3) Dareste, Production artificielle des monstruosites, pag. 282. - 96 — sei, leistet natürlich gänzlich darauf Versieht, dass jemals diese Frage zur Entscheidung gebracht werden könne. Sicherlich mit Unrecht, denn durch das Misslingen der bisherigen auf Herstellung von Doppelmonstra gerichteten Bemühungen ist noch keineswegs bewiesen, dass das denselben vorschwebende Endziel ein absolut unerreichbares sei. Auf der anderen Seite stehen aber die Argumente, welche für ein dem Ei schon vor oder erst nach der Befruch- tung zukommendes , die Anlage eines Doppelembryo nach sich ziehendes Bildungsvermögen angeführt werden, ebenfalls auf so schwachen Füssen, dass sich gewichtige Einwände gegen dieselben erheben lassen. So hat die Schultze'sche Theorie der zwei in einem Ei vorhandenen Keimbläschen bisher noch durch keine Wahrnehmung trotz der vielen in neuerer Zeit an- gestellten Beobachtungen über die Befruchtungsvorgänge, welche bei Eiern mit zwei Keimbläschen jedenfalls in ungewöhnlicher Weise ablaufen müssen, irgend eine Stütze erhalten. Ebenso ist der anormale Befruchtungsvorgang, der sich durch das Eindringen mehrerer Spermatozoen in das Eiinnere kenn- zeichnet, in übereinstimmender Weise von Hertwig und Fol nur bei patho- logischen Eiern wahrgenommen worden, welche nur eine kurz dauernde Ent- wicklung aufweisen und bald absterben. Erst, wenn bei einem von mehreren Spermatozoen befruchteten Ei die Entwicklung einer Doppelbildung beobachtet und während einer längeren Zeitdauer verfolgt wäre, dann würde der Beweis erbracht sein, dass eine Befruchtung durch mehrere Spermatozoen Ursache der Doppelbildung sei. Ob aber die alleinige? — wäre eine weitere Frage. Bedenkt man die Stufenreihe, welche von der Ausbildung zweier durchaus getrennter normaler Zwillinge bis zu den minimalen Formen der Verdoppelung, die äusserlich sogar unsichtbar sind — ich erinnere an die Verdoppelung der Hypophysis, welche nach Ahlfeld1) den geringsten Grad der Duplicitas anterior darstellt — continuirlich sich verfolgen lässt, so wird man sicher Grund haben, daran zu zweifeln, dass eine jede Doppelbildung ursächlich auf einen übermässig gesteigerten Bildungstrieb des Eies zurückzuführen sei. Ich halte daher die Fassung der erörterten Frage, wonach die beiden oben genannten Hypothesen über die Ursache der Doppelbildungen sich gegen- seitig ausschliessen sollen, für eine nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse unzulässige. In Anbetracht der nur geringen positiven Anhalts- punete, welche uns zu Gebote stehen, kann die Annahme nicht von der Hand gewiesen werden, dass in dem einen Falle ein übermässiger Bildungstrieb des Eies, in dem anderen äussere, die normale Entwicklung beeinträchtigende Umstände die Anlage eines Doppelembryo hervorgerufen haben. Da nun den beiden sich bisher gegenüberstehenden Hypothesen meiner Ansicht nach die gleiche Berechtigung zuerkannt werden muss, so scheint mir die Lösung des Räthsels, welches den Doppelbildungen zu Grunde liegt, ebenfalls auf zweifache Art in Angriff zu nehmen sein. Man wird einerseits die Folgen einer willkiihrlich durch mehrere Spermatozoen veranlassten Be- fruchtung genauer zu studiren haben. Nach Fol findet letztere statt, wenn «lie Eier von Seesternen noch nicht völlig reif sind oder zu lange im See- wasser gelegen haben. Bringt man derartige Eier unter möglichst günstige ') A hl leid. Die Ißssbildungeii dos Mcnsclicii pag. 73. — 97 — Verhältnisse, so lassen sich vielleicht einzelne eine genügende Zeit am Leben erhalten, um an ihnen fortgeschrittenere Stadien von Doppelbildungen be- obachten zu können. Der andere, soweit ich es zu übersehen vermag, weniger schwierige Weg, welcher eingeschlagen werden kann, beruht in dem Versuch, auf die Entwicklung eines Eies sehr frühzeitig und in einer Weise einzuwirken, welche hoffen lässt, dass die Ontogenese hierdurch zu der doppelten Anlage von Em- bryonen oder Embryonaltheilen hingeleitet werde. Dieses letztere Ziel hatte ich mir bei den im Folgenden zu beschreibenden Experimenten gesteckt. Ich stellte dieselbe an dem Vogelei an, dessen normale Entwicklung mir am ge- läufigsten war. Ausserdem hatten mich die im vorigen Capitel geschilderten Erfahrungen belehrt, wie am Vogelei die Anlage einer Mehrfachbildung in den ersten Entwicklungsstadien beschaffen ist. Es war mir dadurch die Bahn gezeigt, welche die Entwicklung von Doppelembryonen einschlägt, und es stand zu erwarten, dass diese Kenntnisse meinen Versuchen zu Gute kommen würden. Bei der Wahl der Methode, welche bei meinen Experimenten zur An- wendung kam, war in erster Linie unter sämmtlichen Mitteln eine prüfende Umschau zu halten, welche zu den Zeiten des älteren Geoffroy St. Hilaire, der nach den neueren Mittheilungen Dareste's1) als der Begründer der ex- perimentellen Teratologie anzusehen ist, gebraucht wurden, um im Innern eines auszubrütenden Vogeleies eine Missbildung zu erzeugen. Diese Mittel, welche in einer Veränderung der normalen Entwicklungsbedingungen bestehen, lassen sich am zweckmässigsten in mechanische, thermische und respi- ratorische Einwirkungen gliedern. Mechanische Einwirkungen. Zu den geringfügigsten Eingriffen dieser Art gehört die verticale Stellung des Eies während der Bebrütung. Dieselbe ist hier anzuführen, weil dadurch der Dotter und damit die Keim- scheibe in eine von der normalen Lage bei Horizontalstellung des Eies ab- weichende Position gebracht wird. Wegen des specifisch leichteren Gewichtes des Dotters gegenüber dem Eiweiss wird der erstere immer bei jeder Anord- nung des Eies eine möglichst hohe Stelle einzunehmen suchen. Diese bereits 1674 von Langly2) entdeckte Thatsache bringt es mit sich, dass bei Hori- zontalstellung des Eies der Dotter ziemlich dicht unter der Schale gelegen ist; der specifisch leichteste Bezirk des Dotters wiederum fällt zusammen mit der Keimscheibe, welche somit immer nach oben sich kehren und desshalb der Schale am nächsten zu liegen kommen muss, ein Umstand, der für den Zutritt des Sauerstoffs der umgebenden Atmosphäre durch die poröse Schale zur Keimscheibe von der grössten Bedeutung sein muss. Es ist begreiflich, dass die Verticalstellung der Eier die Keimscheibe an einen anderen Platz innerhalb der Eischale bringen muss, je nachdem das Ei seinen stumpfen oder spitzen Pol nach oben wendet; in beiden Fällen wird aber die Keimscheibe unter ganz andere Entwicklungsbedingungen gestellt (werden, als wie sie bei der normalen Bebrütung gegeben sind. Die durch die verticale Stellung be- 0 1. c. pag. 32—37. 2) Langly, Observation^ quaedam de generatione animalium pag, L86. Gerlach, Entstchungswcise der Doppelmissbildun; n, • — 98 — dingten mechanischen Verhältnisse werden besonders in den Entwicklungs- stadien sich geltend machen müssen ; in denen der Embryo einer Drehung unterliegt , und es werden sich um diese Zeit leicht Anomalien in der Lage- rung des Embyro einstellen können. Die verticale Stellung der Eier hat schon Reaumur1) angewandt. Nach seinen Angaben scheint jedoch dieselbe keinen Einfluss auf die Entwicklung der Embryonen ausgeübt zu haben. Nach ihm hat sich der ältere Geoffroy St. Hilaire2) des gleichen Verfahrens zur Erforschung der Entstehungsweise von Missbildungen bedient und will hierdurch verschiedenartige Monstrositäten zu Wege gebracht haben. Ferner hat Liharzik 3) in der zweiten Hälfte der Brütezeit die Eier vertical gestellt und hat hierdurch sehr beachtenswerthe Resultate erzielt. Bekanntlich geht der Embryo, wenn er ein gewisses Alter erreicht hat, im Innern des Eies eine Drehung ein, indem er seine ursprüng- liche Lage, welche wir in einem früheren Capitel „Normalstellung" nannten, verlässt. Er gibt die bisherige zur Längsaxe des Eies senkrechte Lagerung auf und dreht sich so, dass er sich mit seiner Längsaxe zu dem langen Durch- messer des Eies parallel stellt, wobei er in den meisten Fällen den Kopf gegen den stumpfen, das Schwanzende gegen den spitzen Eipol kehrt. Im Anfange der zweiten Hälfte der Bebrütung hat diese Drehung bereits stattgefunden und man hat es dann in der Hand, je nach der Anordnung des senkrecht gestellten Eies, bald den Kopf (stumpfen Eipol), bald das Schwanzende des Embryo (spitzen Eipol) nach oben oder nach unten zu wenden. Liharzik, welcher in dieser Weise seine Versuche ausführte, konnte nach dem Aus- schlüpfen der Hühnchen feststellen, dass immer der in der zweiten Hälfte der Brütezeit nach unten gekehrte Körper theil eine besondere Ausbildung erfahren hatte, während die andere Körperhälfte in ihrer Entwicklung zurückgeblieben war. Er erhielt so einerseits Hühnchen mit grösserem und dickerem Kopf, mit kürzerem, breiterem Hals und einem kleinen schmalen Bauche; andererseits Hühnchen mit sehr kleinem Kopfe, dagegen mit dickerem, umfangreicherem Bauch. Diese Resultate wurden vermuthlich durch die grössere Blutzufuhr veranlasst, welche die tieferliegenden Körpertheile nach dem Gravitationsge- setze erhalten mussten. Auch Dar est e hat von der verticalen Stellung der Eier zur Production von Missbildungen mit Erfolg Gebrauch gemacht 4). Eine zweite Methode, auf die auszubrütenden Eier mechanisch einzuwirken, beruht in einer Erschütterung der Eier, welche beliebig oft vorgenommen werden kann. Nach den Erfahrungen der beiden Geoffroy St. Hilaire wird durch heftiges Schütteln der Eier die Entwicklung der Embryonen gestört ') 1! »;i u in u i-, Art de faire eclore et (Telever en toute Saison des oiseaux domes- tiqaes de toutee especes, soit par le moyen de la chaleur du furnier, soit par le moyen du ('en ordinaire. Paris 1751. » l.iuiiiH Geoffry St. Hilaire, Sur les deviations organiques provoquees et observ6ea dane Les Etablissements d'incubation artificielle. Memoires du Museum T. XIII, pag. 28!). L826. i Liharzik, I» tz des menschlichen Wachsthums und der unter der Norm zurückgebliebene Brustkorb als ;i t ion artifTCielle. Bulletins de La Soci&e' d'aeclimatation. III. Serie, T. II pag. 582, 1875. 0 1. c. pag. 141. — 102 — innerhalb 10 Stunden bis auf 22° C, worauf sie wieder in die normale Brüt- wärme kamen , bewirkte meistens ein Absterben der Embryonen. Innerhalb der 10 Stunden war demnach vermuthlich im Innern des Eies die Temperatur tiefer gesunken, als es bei der rascheren Abkühlung während eines 2 1J2 stün- digen Aufenthaltes in einer Temperatur von 11 ° — 13 ° C. der Fall gewesen war. .c) Eine Erhöhung der Wärme über die Norm ist bei fortgesetzter Be- brütung für die normale Entwicklung gefährlicher als ein Sinken unter die Norm, welches länger vertragen werden kann. d) Wurde ein in den obengenannten Entwicklungsstadien befindliches Ei an einem warmen Sommertage 12 Stunden und länger der freien Luft aus- gesetzt und hierauf wieder weiter bebrütet, so blieb zwar der Embryo am Leben, es entstand aber in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine Miss- bildung. e) Die so zu Stande gekommene Missbildung ist jedoch bei einzelnen Eiern, selbst bei ganz gleicher äusserer Einwirkung und Entwicklungsstufen, eine variable. Von Einfluss auf die Form derselben ist die Entwicklungsstufe, bei welcher die Abkühlung eintrat. f) Die Widerstandsfähigkeit gegen die Temperaturschwankungen war in den einzelnen Fällen eine individuell verschiedene. Dareste hat von der Methode der Herabsetzung oder Steigerung der Brütwärme wohl den umfassendsten Gebrauch gemacht, um mit Hülfe der- selben Missbildungen der Embryonen zu erzeugen. Nach seiner eigenen Aus- sage hat ihm dieses Verfahren die meisten seiner Missbildungen geliefert J). Von grossem Interesse sind seine Erfahrungen, zu welchen er bei seinen Studien über die Entwicklung des Embryo in unter- oder übernormaler Brüte- temperatur gelangte. Die oben erwähnten Angaben Re"aumur's, wonach eine etwas herabgesetzte Brütwärme eine Verlangsamung, eine etwas gesteigerte dagegen eine Beschleunigung der Embryonalentwicklung bedinge, konnte Dareste mehrfach bestätigen. Bei 41° — 42 ° C. geht die Ausbildung des Embryo sehr rapid vor sich; derselbe erreicht in 24 — 30 Stunden bereits eine Entwicklungsstufe, welche unter normaler Temperatur erst nach drei Tagen sich einstellt. Bei 30 ° C. dagegen gelangte der Embryo in das gleiche Ent- wicklungsstadium erst nach 7 — 8tägiger Bebrütung. Auch die Thatsache, dass bereits bei einer Temperatur von 25° — 30° C. die Entwicklung des Embryo beginnen kann, hat Dareste genauer verfolgt. Bekanntlich hat Kölliker die bei den genannten niederen Temperaturgraden sehr langsam fortschreitende Ausbildung der Embryonalanlage für die Unter- suchung der ersten Entwicklungsstadien des Hühnchens verwerthet 2). Seinem Beispiele ist später Koller gefolgt3). Dareste hat nun festgestellt, dass die bei 25 ° — 30 8 C. — also in einer Temperatur, welche an heissen Sommer- tagen in unseren Klimaten häufig eintritt — beginnende Entwicklung äusserst langsam sich vollzieht und sehr bald, nämlich in einer Entwicklungszeit, 'i i. c. pag. 7:;. ) Kölliker, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere 1879, pag. 8) Koller. Beiträge zur Kenntniss des Hühnerkeima im Beginne der Bebrütung. Sitzungsber. der Wiener Akad. der Wissenschaften Bd. LXÄW. ]>ng. 316, 187'.). — 103 — » welche der Bildung des Herzens und der Area vasculosa entspricht, cessirt, worauf der Embryo einer allmähligen Zersetzung anheimfällt. Der Frucht- hof erscheint alsdann ohne Inhalt; späterhin verschwindet auch das übrige Blastoderma gänzlich oder wenigstens theilweise. Brütet man Eier bei einer Temperatur von 30 ° — 35 ° C. eine längere Zeit hindurch, so dauert die langsam fortschreitende Entwicklung der Embryo- nen eine Weile an; dieselbe kann schliesslich noch ein Stadium erreichen, welches die Embryonen der unter normaler Temperatur bebrüteten Eier nach dem dritten Tage aufweisen. Dann aber cessirt ebenfalls die Entwicklung; der Embryo kann jedoch in diesem Zustande, ohne abzusterben, noch eine gewisse Zeit verharren. D a r e s t e wirft die Frage auf, ob der Grund dieser Erscheinung nicht darin zu suchen sei, dass wegen der geringeren Wärme die Intensität der Respiration des Embryo zu seiner weiteren Ausbildung nicht mehr genüge. Aus den mitgetheilten Thatsachen geht hervor, dass die Ent- wicklung des Embryo auch bei relativ niederen Wärmegraden beginnen und eine Zeit lang andauern kann ; dann aber müssen die betreffenden Eier, damit der Embryo nicht abstirbt, stetig zunehmenden Temperaturen ausgesetzt werden. Daraus folgt, dass man bei einer Bestimmung der gesammten bis zur vollendeten Entwicklung erforderlichen Wärmemenge den für die einzelnen Perioden des embryonalen Lebens nöthigen Minimaltemperaturen Rechnung tragen muss. Im Anschluss an die verschieden rasche Entwicklung und darum kürzere oder längere Brütedauer bei etwas höherer oder niedrigerer Temperatur, als es der Norm entspricht, kommt Dareste auf eine Frage zu sprechen, welche für die Bildungsgeschichte der Thiere von der grössten Bedeutung ist. Er hat dieselbe schon in einer früheren Mittheilung behandelt *). Diese Frage betrifft die Ursachen der Zwergbildung, sowie die Beziehungen der Grössen- verhältnisse eines Thieres zu der Dauer von dessen embryonaler Entwicklung. D a r e s t e geht von dem Satze aus, dass die Gesammtentwicklung eines Organismus von zwei grundverschiedenen Vorgängen abhängig sei ; erstens von den Bildungsvorgängen, welche die Form des ganzen Thierkörpers sowohl als die der Organe zu Wege bringen, und zweitens von den Vorgängen des einfachen Wachsthums, welche sich in einer durch Vermehrung der histo- logischen Elemente bedingte Volumsvergrösserung der bereits geformten Kör- pertheile und Organe äussern. Die beiderseitigen Vorgänge sind durch sehr innige Beziehungen mit einander verknüpft; es ist jedoch nicht absolut noth- wendig, dass dieselben parallel neben einander verlaufen, sondern sie köpnen in gewissen ^Fällen sich sogar antagonistisch gegenüberstehen. Schon Js. Geoffroy St. Hilaire hat einen solchen Antagonismus betont, und durch denselben die Anomalien der Körpergrösse zu erklären versucht. Dareste hat damit übereinstimmende Beobachtungen gemacht. In Fällen, bei welchen in Folge der über die normale etwas erhöhten Brütetemperatur die Entwicklung sehr rapid vor sich gegangen war, hatten die Vorgänge der Formation über die des Wachsthums das Uebergewicht erlangt, was manch- ') Darestc, Sur certaines eonditions de la produclion du nanisme. Comptes rendns T. LX, pag. 1214; 1805. — 104 — mal zu ausgesprochener Zwergbildung führte. So hatte ein Embryo unter den angedeuteten Umständen bereits nach 24 — 26 stündiger Bebrütung eine Entwicklungsphase erreicht, welche nahezu der 60. Stunde bei normaler Be- brütung entspricht; er hatte sich also beinahe dreimal so rasch entwickelt als in der Norm. Allein der betreffende Embryo zeigte eine ungemein geringe Körperlänge. Diese betrug auch nur circa den dritten Theil der Länge eines der gleichen Entwicklungsstufe angehörigen normalen Embryo. Es beruht demnach die Zwergbildung auf einem Zurückbleiben des Wachsthums hinter den formativen Vorgängen, was auf den Einfluss einer relativ hohen Brüte- temperatur zurückzuführen ist. Die von Fe*ry d'Esclands beobachteten differenten Brütetemperaturen bei verschiedenen Racen und die dadurch ver- ursachten kürzeren Brütezeiten hängen demnach vermuthlich mit der Körper- grösse der einzelnen Racen zusammen. Auch bei den Säugethieren steht die Länge der Embryonalzeit in einem gewissen Verhältniss zu der KörpergrÖsse der betreffenden Thierspecies, indem auch hier der Grundsatz im Allgemeinen durchgeführt ist, dass die KörpergrÖsse einer Thierspecies mit der Dauer ihrer Tragzeit zunimmt. Ob umgekehrt bei langsamer Entwicklung in Folge von etwas herab- gesetzter Brütetemperatur die Vorgänge des Wachsthums über die der For- mation prädominiren , und schliesslich daraus Riesenbildungen resultiren, dar- über stehen Dareste keine Erfahrungen zu Gebote. Derselbe hält es für möglich, dass die Incongruenz der beiden genannten Vorgänge auch durch andere Einflüsse bedingt sein könne, als durch die Temperatur. Ich habe schliesslich noch eine Methode zu erörtern, welche ebenfalls auf einer anormalen thermischen Einwirkung auf das Ei während der Brüte- zeit beruht, und die zur Herstellung von Bildungsanomalien angewandt worden ist. Sie besteht in einer ungleichen Erwärmung des Eies und wurde zuerst von Dareste angegeben. Mit Hülfe dieser äusserst sinnreichen Methode lassen sich bereits in der ersten Entwicklungszeit bestimmte Anomalien der Keimhaut hervorbringen, ein Erfolg, der bisher noch durch kein anderes Verfahren erzielt werden konnte. Während die bisher besprochenen Abände- rungen der Brütetemperatur das ganze Ei gleichmässig betreffen, so wird durch das Dareste'sche Verfahren ein einziger beliebig ausgewählter Punct der Eioberfläche einer erhöhten Temperatur ausgesetzt, und von diesem aus theilt sich die zugeführte Wärme dem übrigen Ei mit, indem die betreffende Stelle das Wärmecentrum bildet, von dem aus die Wärme nach der Peripherie hin gleichmässig ausstrahlt. Um einer Stelle der Eioberfläche eine Wärmequelle zuzuführen, benützte Dareste die Bebrütung der Eier in freier Luft mittelst eines Apparates, dessen Princip von einem Amerikaner, Namens Cantelo, angegeben worden ist, den aber Dar est e verbessert hat. Dieser Apparat besteht aus mehreren Röhren, in denen durch zweckmässige, hier nicht näher zu beschreibende Vorrichtungen fortwährend warmes Wasser von gleicher Temperatur circulirt; der Durchmesser der Röhren beträgt 8 Ctm. Unter die Röhren werden nun die zu bebrütenden Eier, welche ihrerseits wieder auf einer Flanellunterlage aufruhen, in der Weise gebracht, dass jedes derselben mit einer Stelle seiner Oberfläche die Wärmequelle, d. h. eine Röhre des Apparats berührt. Will — 105 — man nun normale Hühnchen ausbrüten, so muss der bei Horizontalstellung des Eies culminirende Punct der Eioberfläche an die Wärmeröhre anstossen. In diesem Falle ist der Culminationspunct des Eies dicht über dem Mittel- puncte der Keimscheibe gelegen; beide fallen demnach, wenn man die äusserst geringe Höhendistanz zwischen beiden vernachlässigt, zusammen. Da nun die Keimhaut, von ihrem Mittelpuncte aus gerechnet, nach der Peripherie hin gleichmässig weiter vordringt, indem sie allmählig den Dotter umwächst, so geht dieses Auswachsen in gewissem Sinne parallel einher mit der Ausbreitung der Wärme, die ja auch von dem mit dem Mittelpuncte der Keimhaut zu- sammenfallenden Wärmecentrum aus gleichmässig nach allen Seiten hin aus- strahlt. Fällt dagegen der Culminationspunkt des Eies (worunter im Folgenden diejenige Stelle der Eioberfläche verstanden sein soll, unter welcher bei hori- zontal gestelltem Ei der Mittelpunct des Blastoderma sich befindet) nicht mit dem Wärmecentrum zusammen, d. h. berührt das Ei mit einer anderen Stelle als seinem Culminationspuncte die Wärmeröhre, so wächst die Keimhaut ungleichmässig und anormal. Dies ist dadurch begründet, dass die einzelnen von dem Mittelpunct der Keimhaut gleich weit entfernten Bezirke derselben differente Wärmemengen erhalten, was ein stärkeres Wachsthum an den besser erwärmten Abschnitten involvirt. Man kann demnach Anomalien des Blastoderma und der Area vasculosa herstellen, wenn man die Wärmequelle von dem Culminationspuncte wegverlegt, und zwar lassen sich je nach der Wahl der Contactstelle der Eischale mit der Wärmeröhre beliebige, im Voraus bestimmbare Anomalien erzeugen. Diese Entdeckung Dareste's ist von der grössten Tragweite, denn sie liefert den Beweis, dass äussere Eingriffe die Entwicklung der Keimhaut nach bestimmten von dem Experi- mentator beabsichtigten Bahnen hin lenken können. Begreiflicher Weise coincidiren Culminationspunct und Contactstelle des Eies mit der Wärmeröhre nur dann, wenn das Ei direct unter der Röhre gelegen ist, d. h. wenn alle Puncte der Eioberfläche tiefer als die Contact- stelle liegen. In allen anderen Positionen fallen die beiden Puncte nicht zu- sammen. Die Entfernung zwischen den beiden darf jedoch keine grosse werden, sonst würde die Entwicklung der Keimhaut gänzlich unterbleiben. Es müssen daher alle Versuche, welche eine Anomalie des Blastoderma an- streben, wenn sie gelingen sollen, sehr exact vorgenommen werden. Zur Bestimmung der Entfernung zwischen Culminationspunct und Contactstelle hat Dareste zwei ziemlich einfache geometrische Constructionen angegeben. Ich unterlasse es hier, näher auf dieselben einzugehen, indem ich auf die^in dem D areste'schen Buche befindlichen Zeichnungen dieser Constructionen verweise *), ohne welche eine Erklärung kaum verständlich sein würde. Für unsere Betrachtungen ist es von grossem Interesse, die Resultate, welche Dar este mit Hülfe dieser Methode "erhalten hat, des Genaueren kennen zu lernen. Es gelang ihm, statt der normalen mehr oder weniger rundlichen Gestalt der Keimhaut und der Area vasculosa längliche Formen derselben von sehr differentem Aussehen und Verhalten herzustellen. Die Lage des Embryo in diesen abnorm gestalteten Keimhäuten, sowie deren l) 1. c. pag. 149-152. — 100 — Lagebeziehungen zu der Längsaxe des Eies Hessen sich ebenfalls nach Be- lieben variiren. Was die längliche Form der Keimhaut und des Gefässhofes anlangt, so bilden dieselben Ellipsen ; bei dem Gefässhof zeigten die Ränder der Ellipse vor dem Kopfende des Embryo eine mehr oder minder deutlich ausgesprochene Einbuchtung. Die beiden Ellipsen können nun zu der Längs- axe des Eies verschieden orientirt sein. Ihr langer Durchmesser kann mit der letzteren parallel oder zu ihr senkrecht gerichtet sein, ferner kann sie zu derselben auch schief gestellt sein. In allen diesen Fällen besitzt der Embryo, so verschieden er auch im Innern der Ellipse des Gefässhofes sowohl wie der grösseren Ellipse der ganzen Keimhaut gelagert sein kann, doch seine gesetz- mässige Stellung und Anordnung im Innern des Gesammteies, d. h. er nimmt stets die Normalstellung ein. Es ist daher nur die Keimhaut, welche durch das Dareste'sche Verfahren gegenüber dem Embryo sowohl als im Gesammtei eine Lageverschiebung in Folge ungleichen Wachsthums erlitten hat. Aus dem Umstände, dass in allen Fällen der Embryo seine Normal- stellung im Ei unverändert beibehalten hat, ergibt sich auch seine Stellung im Innern der Ellipse. Er wird parallel mit deren kürzerem Durchmesser verlaufen, wenn deren Längsaxe mit dem längeren Durchmesser des Eies gleich gerichtet ist; dagegen wird der Embryo in dem Längsdurchmesser der beiden Ellipsen liegen, wenn deren grössere Diameter mit der kurzen Eiaxe zusammenfallen. Liegt nun die Embryonalaxe parallel zur kürzeren Axe der Ellipse des Gefässhofes, so kann der grössere Theil der letzteren entweder zur Rechten oder zur Linken des Embryo gelegen sein *). Im anderen Falle, wenn die Embryonalaxe mit der Längsaxe der Ellipse zusammenfällt, kann das grössere Segment der Ellipse entweder vor das Kopfende oder hinter das Schwanzende des Embryo zu liegen kommen. Um nun diese oder jene der vier letztgenannten Möglichkeiten zu er- zielen, gibt Dareste folgende Vorschriften an. Will man eine senkrechte Stellung der Embryonalaxe zum längeren Durchmesser der beiden Ellipsen erhalten, so muss das Ei so gelagert sein, dass die Längsaxe des künftigen Embryo parallel zu dem Verlaufe der Wärme- röhre zu liegen kommt, dabei wird das Ei etwas schief zur Wärmeröhre ge- stellt, so dass der eine Eipol ein wenig über den anderen zu liegen kommt. Ist der stumpfe Pol etwas höher erhoben, so wird man späterhin das grössere Stück der Ellipse der Keimhaut links von dem Embryo finden; steht dagegen der spitze Eipol etwas höher, so wird das rechts von dem Embryo liegende Segment der Ellipse das ausgedehntere werden müssen. Will man eine Parallelstellung der Embryonalaxe zu dem längeren Durchmesser der beiden Ellipsen erreichen, so muss das Ei so angeordnet werden, dass die Längsaxe des künftigen Embryo senkrecht zu der Verlaufs- richtung der Wärmeröhre zu liegen kommt. Befindet sich bei einem so ge- stellten Ki die Wärmequelle, d. h. die Wärmeröhre, näher an der Kopfregion der spatenn Embryonalanlage, bo wird der vor dem Kopfende des Embryo ') Die Begriffe rechts und Links beziehet] sich auf die Dorsalansicht des Embryo, wenn derselbe bo gestellt er sein Kopfende vpn dem Beschauer wegwendet, dem- selben dagegen sein Schwanzende zukehrt. - 107 - gelegene Theil der Area vasculosa der mächtigere werden müssen; ist sie dagegen dem Schwanzende näher, so wird das grössere Segment der Ellipse hinter den Embryo zu liegen kommen. Die zur Embryonal- und Eiaxe mit ihrem längeren Durchmesser schief gestellten Ellipsen kommen dadurch zu Stande, dass die Wärmequelle nicht direct vor oder hinter der Embryonalanlage, sondern etwas mehr rechts oder links von der Linie der Längsaxe derselben liegt, wodurch eine ungleiche Entwicklung der seitlich von dem Embryo befindlichen Theile des Blastoderma nach der Wärmequelle hin bedingt wird. An die willkührlich verursachten Anomalien der Keimhaut schliessen sich, wie Dar est e ferner nachgewiesen hat, sehr häufig Formfehler und Monstro- sitäten des Embryo selbst an. Unter diesen steht obenan der Situs inversus viscerum, der sich, wenn auch nicht constant, dann einstellt, wenn die Ent- wicklung der Area vasculosa mehr nach links hin durch die entsprechend angeordnete Wärmequelle zu incliniren gezwungen war. Es erscheint dann die Herzschlinge anstatt, wie normal, rechts vom Embryo auf dessen linker Seite und der Kopf legt sich später statt mit der linken, mit der rechten Seite auf dem Dotter auf. Eine weiterhin sehr wichtige Thatsache, welche eine oftmals wieder- kehrende Folgeerscheinung der ungleichen Erwärmung der zu bebrütenden Eier darstellt, ist von Dareste beobachtet worden. Sie besteht darin, dass die Blutinseln der weniger erwärmten Theile der Area vasculosa in ihrer Entwicklung gehemmt werden ; die in ihnen gebildeten Blutkörperchen bleiben eingeschlossen, indem die Blutinseln eines mehr oder minder grossen Bezirkes des Gefässhofes nicht mit in die Bildung der Gefässnetze einbezogen werden. Dadurch wird ein Theil der neugebildeten Blutkörperchen verhindert, zu circuliren und zum Herzen zu gelangen; das embryonale Blut enthält nicht die normale Menge von Blutkörperchen, was zu den Erscheinungen der Hydropsie führt, wodurch der Embryo eine verschieden hochgradige Verun- staltung erfährt und schliesslich absterben muss. In Bezug auf diese von Dareste ausführlich erörterten Vorgänge muss ich auf das Original ver- weisen. Respiratorische Einwirkungen. Unter dieselben zähle ich alle die- jenigen durch äussere Umstände hervorgerufenen Veränderungen der normalen Bebrütung, welche den Gasaustausch, der durch die poröse Kalkschale hin- durch zwischen den Zellen der Keimhaut und der äusseren Atmosphäre statt- findet, beeinträchtigen. Jede Zelle muss, um am Leben zu bleiben, Sauer- stoff aufnehmen und Kohlensäure abgeben können; man kann diese Vorgänge die Respiration der Zellen nennen. Damit eine Zelle nun respiriren kann, muss ihr eine genügende Menge Sauerstoff zugeführt werden, und sie muss in der Lage sein, die in ihrem Protoplasma entstehende Kohlensäure auszu- scheiden. Die Apparate der Athmung und Circulation, welche wir in so ver- schiedener Ausbildung in der Thierreihe antreffen, dienen den genannten Zwecken; sie ermöglichen die Respiration der Zellen des Organismus. Viel einfacherer Natur sind die Respirationsvorgänge in der ersten Entwicklungs- zeit bei den Zellencomplexen der Keime, aus dornen der Thierkörper sich entwickelt. Hier geht durch die Dottermembran hindurch auf dem Wege der — 108 — Diffusion die Aufnahme und Abgabe der beiden Gase vor sich. Bei den Vögeln nun schieben sich ausser der Dottermembran noch eine dünne Eiweiss- schichte, die Schalenhaut und die Kalkschale zwischen die Keimscheibe und die äussere Atmosphäre ein, durch welche hindurch die Diffusion der Gase stattfinden muss. Derselben wird durch den Umstand, dass die Keimscheibe wegen ihres geringeren specifischen Gewichtes immer bestrebt ist, die höchste Stelle im Ei einzunehmen, wodurch sie bei Horizontalstellung dicht unter die Kalkschale zu liegen kommt, ein wesentlicher Vorschub geleistet. Die hier zu erörternden Einwirkungen beeinflussen desshalb die Respi- ration der Zellen der Keimhaut, weil sie den Zutritt der äusseren Luft resp. des Sauerstoffes in das Innere des Eies anormal gestalten, indem sie denselben entweder steigern oder beschränken. Man wird ihn steigern, wenn man die Hindernisse, welche die Gasdiffusion zu überwinden hat, verringert, z. B. durch Bruch oder künstliche Verdünnung der Kalkschale : man wird ihn ver- ringern, wenn man die Hindernisse vermehrt, was sich durch partielles oder auch totales Ueberziehen der Schalenoberfläche mit impermeablen Stoffen bewerkstelligen lässt. Dass durch ein solches Verfahren die normale Ent- wicklung der Keimhaut gestört, unter Umständen ganz aufgehoben wird, kann keinem Zweifel unterworfen sein. Gehört ja doch die Respiration der Zellen zu den unumgänglich nöthigen Lebenserfordernissen, und ist diese in irgend einer Weise geschmälert, so werden auch die Processe der Zellenvermehrung und des Zellen wachsthums, auf denen ja die Entwicklung beruht, zu leiden haben. Was diejenigen Versuche und Beobachtungen anlangt, die eine Ver- mehrung des Luftzutrittes in das Innere des Eies während der Bebrütung bezweckten, so ist hier der Mittheilungen Re*aumur's, welcher bei Eiern mit allzu dünner Schale nie ein Ausschlüpfen der Hühnchen erzielen konnte, und ferner aller jener Experimente zu gedenken, bei denen eine Verletzung der Eischale stattfand. Geoffroy St. Hilaire der Aeltere erhielt nach Perforation der Schale nur verkrüppelte Hühnchen-, nach Panum l) hat ein Bruch der Schale gewöhnlich Absterben des Embryo oder Nichtentwicklung zur Folge. Auch ist hier an die früher bei Erörterung der mechanischen Einwirkungen angeführten Versuche von Valentin, Leuckart und Seh rohe zu erinnern, welche gezeigt haben, dass die Entwicklung des Embryo, wenn man bei der Läsion der Schale vorsichtig zu Werke geht und die Oeffnung wieder schliesst, nicht sofort sistirt wird. Sehen wir von den letztgenannten Versuchen ab, so sind die Resultate lu'iiumur's, Geoffroy's und Panum's doch nicht der Art, dass man die- selben der vermehrten Sauerstoffzufuhr allein zuschreiben könnte, da ja bei zu dünner Eischale, oder bei einem Bruch, oder Perforation derselben auch die Verdunstung des Eiweisses ungewöhnlich rasch vor sich gehen muss, wodurch eine Reihe abnormer Zustände geschaffen wird, durch welche sich das Aus- bleiben oder die Störung der Entwicklung hinreichend erklären lässt. Den experimentellen Eingriff in der Weise zu gestalten, dass dadurch unter Ver- meidung der berührten Uebelstände nur allein die Keimscheibe resp. der 'j I. c. pag. 146. — 109 — # Embryo einem vermehrten Luftzutritt ausgesetzt wäre, was eine Art von andauernder Apnoe verursachen würde, dies gehört wohl in den Bereich der Unmöglichkeit. Es muss daher unentschieden bleiben, ob durch gesteigerte Sauerstoffzufuhr zu der Keimhaut die normalen Entwicklungsvorgänge über- haupt eine Alteration erleiden. In bei Weitem vortheilhafterer Lage befindet man sich dagegen, wenn man beabsichtigt, den Luftzutritt zu dem Ei herabzusetzen oder ganz aufzu- heben. Die ersten derartigen Versuche wurden schon von Reaumur1) an- gestellt. Derselbe hat in verschiedener Weise die Porosität der Eischale zu eliminiren gesucht, indem er die Eier entweder an ihrer ganzen Oberfläche mit Firniss überzog, oder sie unter Wasser ausbrütete. Es ergab sich, dass unter diesen Verhältnissen die Entwicklung unterblieb. Auch machte er die Bemerkung, dass bei Eiern, welche in sehr feuchter Luft ausgebrütet wurden, die Hühnchen nicht zum Auskriechen kamen, was er darauf zurückführt, dass durch die Feuchtigkeit der Luft die Poren der Eischalen verstopft wurden. Dareste2), welcher die Versuche Re*aumur's, die Eier vor der Bebrütung totaliter mit impermeablen Stoffen zu überziehen, wiederaufnahm, kam zu dem Resultate, dass, wenn sofort nach dem Legen der Eier die Schale luftdicht verschlossen wird, in denselben bei nachheriger Bebrütung keine Entwicklung stattfindet. Dar est e wies jedoch auf die Verschiedenheiten des Erfolges hin, je nachdem die Eier mit trocknenden Firnissarten, wie z. B. Collodium, oder mit zähflüssigen Oelsorten überzogen wurden. In den mit Collodium behan- delten Eiern trat bei der Bebrütung die Entwicklung ein, dauerte jedoch nur kurze Zeit an, indem sie nach vollendeter Ausbildung der Area vasculosa sistirte. Jedenfalls hat Dareste vollkommen Recht, wenn er zur Erklärung dieser Thatsache annimmt, dass der Collodiumüberzug nach dem Trocknen Sprünge erhielt und somit die Porosität der Schale nicht gänzlich, sondern nur theilweise aufgehoben worden war. Der Embryo konnte sich so lange ausbilden, als ihm die verminderte Menge des zutretenden Sauerstoffs zu seiner Respiration genügte; sobald dies nicht mehr der Fall war, musste er absterben. Wenn dagegen Eier sofort, nachdem sie gelegt waren, mit einer Decke zähflüssigen Oeles versehen und sodann der künstlichen Bebrütung unterworfen wurden, so blieb jegliche Entwicklung aus. Waren jedoch einige Tage nach dem Legen der Eier vergangen, ehe sie mit dem Oele überstrichen wurden, so begann zwar die Entwicklung, hielt aber sehr bald an. In der Zeit zwischen dem Legen der Eier und der Application des Oelüberzuges hatte sich schon die Luftkammer bilden können; der in ihr enthaltene Sauerstoff war für die erste Entwicklung hinreichend ; als derselbe verbraucht war, musste die letz- tere aufhören. Die Ergebnisse des Versuches Dares'te's klären die Angaben von *) Reaumur, Sur la maniere de conserver les oeufs. Mem. de l'Acad. des sc. 1735, pag. 465. — Art de faire eclore etc. T. I, pag. 247 und T. II, pag. 317. 2) Dareste, Sur l'influence, qu'exerce sur le developpement du poulet l'application total d'un vernis ou d'un enduit oleagineux sur la coquille de L'oenf, Ann. des sc. nat. T. XV, pag. 5, 1860. — 110 — Baudrimont und Martin- Saint- Ange *) in befriedigender Weise auf, welche mit den Erfahrungen Re'aumur's nicht im Einklang zu stehen schienen. Die beiden Forscher hatten vier Eier gänzlich überfirnisst und nach darauf folgen- der Bebrütung derselben gefunden, dass die Entwicklungsvorgänge zwar be- gonnen hatten, aber sehr bald ihr Ende erreicht haben mussten. Während Re*aumur das totale Ueberfirnissen der Eier hauptsächlich in der Absicht vornahm, dieselben zu conserviren, oder die Einwirkung dieses Verfahrens auf ihre Entwicklungsfähigkeit zu prüfen, und auch bei den Ver- suchen der anderen Autoren, die ich nannte, die letztere Intention die leitende war, wurde die gleiche Methode auch zum Zwecke der Erzeugung von Miss- bildungen benutzt; natürlich durfte man bei derartigen Experimenten nicht die ganze Eioberfläche überfirnissen, sondern man suchte den zutretenden Sauerstoff quantitativ zu verringern, indem man nur Theile der Eischale für Gase impermeabel machte. Die Versuche, welche auf einem partiellen Ueberfirnissen der Eischale beruhen, wurden zuerst von dem älteren Geoffroy St. Hilaire unternommen2). Es gelang ihm bei Eiern, deren Schale er vor der Bebrütung über die Hälfte mit Wachs überzogen hatte, mehrmals Missbildungen zu Stande zu bringen. Nach ihm haben Baudrimont und Martin-Saint-Ange 3) diese Experimente in der Art abgeändert, dass sie nur eine Längshälfte des Eies überfirnissten. Die Eier entwickelten sich ohne Störung, wenn die von dem Firnissüberzuge freie Hälfte während der Bebrütung nach oben zu gekehrt war; wenn da- gegen die gefirnisste Hälfte oben lag, so stand die Entwicklung bald stille. Auch Dareste hat die Methode der partiellen Firnissüberzüge zur Her- stellung von Missbildungen in Anwendung gezogen 4). Wenn er vor oder in den ersten Tagen der Bebrütung den spitzen Eipol überfirnisste , wurde die Entwicklung in der Mehrzahl der Fälle gestört; wenn dagegen die gleiche Application erst später nach der Ausbildung der Allantois vorgenommen wurde, so geschah dies ohne Schaden für den Embryo. Wenn Dareste jedoch die stumpfe Polhälfte der Eier mit Firniss überzog, so erhielt er je nach der Zeit, in welcher er diese Procedur vollzog, verschiedene Resultate. Firnisste er die Eier am Anfang, oder in den ersten Tagen der Bebrütung, so konnte er bei der späteren Untersuchung der Eier beobachten, dass die Allantois, falls die Entwicklung des Embryo überhaupt nicht unterblieben oder stille gestanden war, statt im stumpfen Eiende an die Wand der Luftkammer sich ') Baudrimont et Martin-Saint-Ange, Recherches anatomiques et plrysiolo- giques but le developpement du foetus et en particulier sur l'evolution embryonnaire des Oiseaus et des Batraciens. Recueil des Savants etrangers 1851. i Geoffroy 8t. Hilaire. Memoire sur Jes d i Heren ts etats de pesanteur des ceufs ;ni commencemenl ei ;i In lin de l'incubation. Journal complementaire des sciences me- dicalefl T. VII. pag. 271, 1820. 8ur des deviations organiques provoqu6es et observ6es dans les etablissements d'in- cubation axüncielle. Memoires du Museum T. XIII, pag. 289, 1826. 3) I. c. 4) Dareste, Sur l'influence1 «in'exerce sur le developpement du poulet l'application partielle d*un remis sur La ooquille . pag. 968. — 111 — anzulegen, der Eischale an einer anderen nicht gefirnissten Stelle adhärirte. Dareste schreibt es diesem Umstände zu, dass in den betreffenden Eiern der Embryo am Leben geblieben war. Die Allantois, das zweite der Respi- ration des Embryo dienende Organ, wächst in der Norm gegen die Wand der Luftkamrner, in deren Innerem sich nach den Analysen von Baudrimont und Martin-Saint-Ange ein grösserer Procentgehalt von Sauerstoff und ein geringerer von Kohlensäure befindet, als in der das Ei umgebenden Atmo- sphäre. In Folge des Firnissüberzuges des stumpfen Eiendes musste in der Luftkammer sich dieses Verhältniss zweifelsohne zu Ungunsten des Sauerstoffs ändern. Indem nun die Allantois nach einer anderen, ungefirnissten Stelle der Eioberfläche hinstrebte und hier adhärirte, war es ihr möglich geworden, die Respiration des Fötus im Gange zu halten, wodurch die weitere Entwicklung nicht gehindert wurde. Als Folgeerscheinungen des abnormen Allantoisansatzes fasst Dareste geringgradige Missbildungen an den Embryonen auf, die er in einigen Fällen beobachtete. Wurde das stumpfe Eiende etwa am 5. Tage der Bebrütung, zu einer Zeit, wo die Allantois sich bereits an die Wand der Luftkammer inserirt hatte, gefirnisst, so gingen die Embryonen in Folge von Asphyxie zu Grunde. Wenn dagegen dieses Verfahren zu einer späteren Zeit, in welcher die Allan- tois sich bereits über die ganze Innenfläche der Eischale ausgebreitet hatte, vorgenommen wurde, so konnte dadurch keine beträchtliche Behinderung der Wechselbeziehungen zwischen der Allantois und der äusseren Luft mehr ver- ursacht werden; die Entwicklung des Embryo ging ungestört weiter. Im Allgemeinen hat Dareste, der auch noch in anderer Weise Theile der- Oberfläche mit Firniss überzog — so z. B. wie Baudrimont und Martin- Saint-Ange nur die Längshälfte von Eiern — , auf seine diesbezüglichen Untersuchungen folgende Ergebnisse erhalten. Unter den durch das erörterte Verfahren gesetzten Bedingungen findet erstens eine beträchtliche Verringe- rung der Production von Blutkörperchen statt, und zwar vorzugsweise in den Bezirken der Area vasculosa, welche unter der gefirnissten Fläche der Ei- schale gelegen sind; es kommt dadurch eine ausgesprochene Anämie der Keim- haut zu Stande. Zweitens wird es unter besagten Verhältnissen sehr leicht zu einer Asphyxie kommen können, deren Grad von den mit der Ausdehnung der Firnissüberzüge sich mehrenden Respirationsbehinderungen abhängt x). Zu den respiratorischen Einwirkungen sind ferner jene Versuche zu zählen, bei denen die Eier in irrespirabeln Gasarten ausgebrütet wurden. Nach Viborg2) bleibt unter solchen Umständen die Entwicklung gänzlich aus. Ferner möchte ich hier die schon von Re'aumur betonten schädlichen Einflüsse fauler Dünste, wie sie ein abgestandenes Ei verbreitet, auf die in der Ausbrütung befindlichen benachbarten Eier erwähnen. Es ist ja bekannt, dass faule Eier für die im gleichen Neste, liegenden gesunden von dem grössten Nachtheile sind; dieselben können, falls sie nicht zeitig entfernt werden, ansteckend auf die anderen wirken, und sie in Folge von putrider Infection ebenfalls zum Abstehen bringen. J) Dareste, Recherches sur la production artificielfe^etc. pag. 79. 2) Det Kongel. Danske Videnskavernes Selskabs Skrivter for Aar. 1803 og 1804, 111. Bd. Kjöbenhavn 1805, 4, pag. 231. (Siehe Panuin 1. c. pag. 18.) — 112 — Ausser den in Vorstehendem angeführten mechanischen, thermischen und respiratorischen Einwirkungen hat man zum Behufe der Herstellung von Missbildungen auch noch Eier während der Bebrütung electrischen Strömen ausgesetzt und ferner den Einfluss des Magnetismus auf die Entwicklung geprüft. Mit electrischen Strömen scheinen zuerst Pr^vost und Dumas1) ope- rirt zu haben. Im Jahre 1868 hat Lombardini2) gleichfalls dieselben auf auszubrütende Eier wirken lassen, indem er mittelst in die Schale eingestossener Platinelectroden durch Eier sowohl schwache constante Ströme als auch Ent- ladungsschläge, sowie insbesondere Inductionsströme leitete. Durch diese Ein- griffe vermochte er unter 43 Eiern in 19 Fällen Anomalien und Missbildungen der verschiedensten Art zu erzielen. Die Einwirkung des Magnetismus auf die Entwicklung des Embryo hat Maggiorani studirt3), indem er sowohl unter Brüthennen, als auch im Brüt- ofen die Eier während der Incubation zwischen die Pole von Magneten brachte. Unter den von Maggiorani angegebenen Ergebnissen seiner Untersuchungen möchte ich die folgenden hervorheben. In den dem magnetischen Einflüsse unterworfenen Eiern ist die Entwicklung im Vergleiche zu den von jenem Einfluss frei gebliebenen Eiern fast immer verzögert. Trotzdem scheinen die Hühnchen vorzeitig ihre Eier zu verlassen. Die ausgeschlüpften Kücken besitzen noch ein spärliches Gefieder und sind in den ersten 3 — 4 Tagen in bevorzugter Weise häufigen, ohne sichtliche Ursache eintretenden Todesfällen ausgesetzt; sie zeigten jedoch eine grössere Lebhaftigkeit, als. Hühnchen, die aus nicht magnetisirten Eiern stammten. Die Untersuchungen, über deren Resultate ich soeben referirt habe, be- weisen zweifellos und unbestritten die Thatsache, dass äussere Einwirkungen die Entwicklung der Embryonen im Ei modificiren können. Allerdings sind die durch dieselben hervorgerufenen inneren Vorgänge, welche zu Anomalien und Monstrositäten führen, sowie die Ursachen, warum überhaupt auf ge- wisse äussere Einflüsse hin die Embryogenese von der Norm abweicht, erst zum kleinsten Theile erkannt und aufgeklärt. Wenn wir vorerst die zuletzt angeführten Einwirkungen des electrischen Stromes, sowie des Magnetismus, ferner diejenigen Versuche, welche auf einer Läsion der Schale oder des Embryo selbst beruhen, ausser Betracht lassen und somit nur die Folge- erscheinungen der anderen experimentellen Eingriffe in das Auge fassen, so stellt sich heraus, dass eine jede der drei hauptsächlichen Abänderungen der normalen Entwicklungsbedingungen — sowohl die auf mechanischem Wege, als in thermischer oder respiratorischer Hinsicht verursachten Einwirkungen — wichtige und bedeutsame Erfolge aufzuweisen hat. Zu denselben rechne *) Prc'vost und Dumas, Memoire sur le developpement du poulet dans Tauf. Annalee des sciences naturelles. I. Serie. T. XII, pag. 417, 182G. 2j I.. Lombardini, tntorno alla genesi delle forme organiche Lrregolari negli uc- «■tili <• n<- batrachidi. Pisa 1868. ") K. Maggiorani. Heber den Einfluss des Magnetismus anfdas befruchtete £i. Allg. Wiener med. Zeitnng 1879. Nr. 36. — 113 - ich nicht jene mehrfach bestätigten Beobachtungen, wonach heftiges Schütteln oder Temperaturschwankungen eine Missbildung des Embryo hervorgerufen haben, wenn ich damit auch keineswegs deren allgemeines Interesse verkenne. Meiner Ansicht nach sind durch derartige Manipulationen, insbesondere durch zeitweise Abkühlung oder höhere Erwärmung der auszubrütenden Eier, patho- logische Processe eingeleitet worden, vermuthlich Störungen des Blutkreis- laufes an dieser oder jener Stelle, sowohl des Embryo als der Keimhaut, die wiederum zu geringerer Entwicklung der betroffenen Theile und somit zur Bildung von Deformitäten Veranlassung gegeben haben. Wir erfahren eben durch alle diese Experimente nur das Eine, dass in Folge dieses oder jenes Eingriffes überhaupt Missbildungen zu Stande gekommen sind, und zwar ganz ungleichartige, indem nach dem nämlichen Eingriff und unter sonst gleichen Umständen in dem einen Ei diese, in dem anderen jene Missbil- dung sich entwickelte. Es sind demnach die bei den in Rede stehenden Ver- suchen zur Anwendung gekommenen Methoden nicht der Art, dass sie uns darüber Aufklärung verschaffen können, wie, wo und warum die ersten Ab- weichungen von der normalen Entwicklung, welche schliesslich zu Missbil- dungen führen, begonnen haben. Diesen mehr einem unbestimmten Ziel zusteuernden experimentellen Eingriffen stehen jene um vieles werthvolleren Untersuchungen gegenüber, durch deren Resultate festgestellt worden ist, dass auf gewisse, präcis ausge- führte äussere Eingriffe auch die Entwicklungsvorgänge eine bestimmte Ant- wort geben, d. h. dass in der Mehrzahl der Fälle eine dem jeweiligen Ein- griff entsprechende Bildungsanomalie sich einstellt. Mit anderen Worten, es folgen auf bestimmte Abänderungen der normalen Entwicklungsbedingungen bestimmte Formabweichungen des Embryo oder des Blastoderma. Zwar sind es nur wenige Beobachtungen, die hier zu nennen sind, aber sie besitzen eine grosse Tragweite, denn sie eröffnen eine Perspective, welche dem experimentellen Embryologen und Teratologen das anzustrebende Ziel, wenn auch noch aus weiter Ferne vor Augen führt. Dieses besteht in der willkührlichen Erzeugung im Voraus zu bestimmender Formen von Missbil- dungen. Unter den Untersuchungen, welche ich hier im Sinne habe, steht obenan die von Dar este, dessen Verfahren auf einer thermischen Einwirkung, nämlich auf ungleicher Erwärmung des Eies basirt. Ich habe bereits ein- gehend auseinandergesetzt, wie Dareste, indem er verschiedene Stellen der Eischale mit der Wärmequelle in Berührung brachte, ganz beliebige Formen des Blastoderm und der Area vasculosa erhielt. Diese Entdeckung, dass man die Gestalt der Keimhaut von aussen her nach Belieben modificiren kann, ist von fundamentaler Bedeutung, denn sie berechtigt zu der Hoffnung, dass das Gleiche sich auch für den Embryo wird erreichen lassen, dessen erste Anlage einen nur wenig von den übrigen Keimhautbezirken differenten Theil- abschnitt des Blastoderms darstellt. Ein zweites, auf mechanischer Wirkung beruhendes Verfahren, welches ebenfalls ermöglicht, bestimmte Theile des Embryo in ihrer Ausbildung zu bevorzugen, ist das von Liharzik angegebene. Dasselbe geht, wie wir wissen, von bestimmten Voraussetzungen aus und beweist den Einfluss der Gravitation auf die Entwicklung, da ja bei Verticalstellung des Eies in der zweiten Hälfte Gerlach, EntHt^liiin^HWPiRe der Doppelmissbildnn^n. o — 114 — der Bebrütnng immer die nach unten gekehrten Körpertheile sich stärker ausbilden als die anderen. Man kann allerdings durch diese Methode, wenn man den stumpfen Eipol nach unten wendet, den Kopftheil, im umgekehrten Fall den Beckentheil des Embryo zu besonderer Entfaltung bringen; allein es wird sich voraussichtlich diese verschiedene Ausbildung in späterer Zeit nach dem Ausschlüpfen wieder ziemlich ausgleichen und somit keine auf- fallende Verunstaltung des Körpers persistiren. Ferner kann in der späten Entwicklungszeit, in welcher der experimentelle Eingriff erst stattfindet, kaum mehr ein hoher Grad von Missbildung erzielt werden. Immerhin zeichnet sich das Liharzik'sche Verfahren doch insofern von den meisten anderen aus, als durch dasselbe im Voraus bestimmbare Körpertheile den besagten Störungen ausgesetzt werden. Schliesslich glaube ich den beiden genannten Methoden noch eine dritte anfügen zu sollen, welche ebenfalls, wenn auch nicht so regelmässig wie jene, eine bestimmte Entwicklungsanomalie zur Folge hat. Dieselbe ist den respiratorischen Einwirkungen zuzurechnen und besteht in einem Ueberfir- nissen des stumpfen Eipols. Wie Dareste nachwies, wird durch dieses Ver- fahren die Allantois häufig von ihrer normalen gegen den stumpfen Pol hin zielenden Wachsthumsrichtung abgelenkt, indem sie nach einer anderen, nicht gefirnissten Stelle der Eioberfläche hin vordringt. Wie man sieht, reduciren sich die zahlreichen experimentellen Metho- den, welche zur Herstellung von Monstrositäten bei dem Hühnerei seitens der verschiedenen Forscher ausgeübt worden sind, auf die geringe Anzahl von drei, sobald man an sie die Anforderung stellt, dass sie bestimmte Ver- änderungen des Embryo oder der Keimhaut bewirken sollen. Aber auch von diesen drei betrifft nur eine einzige den Embryo selbst, und diese kann erst in einer späten für die Erzielung von stärkeren Deformitäten nicht mehr günstigen Entwicklungszeit angreifen. Die beiden anderen Methoden aber betreffen nicht den Embryo selbst, sondern nur seine Adnexa, die Area vas- culosa und das Blastoderm einerseits , sowie die Allantois andererseits. Aus diesen Gründen wird es begreiflich erscheinen, dass die künstliche Erzeugung von Missbildungen bei vielen Forschern in Misscredit gekommen ist und man sich abfällig über dieselbe äusserte , da man es bisher noch bei keinem Ver- fahren sicher in der Hand habe, immer und jedesmal nach Belieben diese oder jene Form einer Missbildung höheren Grades zu produciren. Wenn ich diesen absprechenden Urtheilen eine gewisse Berechtigung aucli zugestehen muss, so würde ich es auf der anderen Seite doch für sehr verfehlt halten, wollte man das oben bezeichnete Ziel, welches der experimen- tellen Embryologie und Teratologie gesteckt ist, als ein unerreichbares und die dasselbe verfolgenden Bemühungen als aussichtslose hinstellen. Wenn man in Erwägung zieht, wie verhältnissmässig wenige Gelehrte sich mit dem genannten Zweige wissenschaftlicher Forschung eingehender befasst haben, so kann es nicht Wunder nehmen, dass die experimentelle Richtung in der Entwicklungsgeschichte noch in den ersten Anfängen sich befindet und man darf daber von derselben heutzutage noch keine zu grossen Leistungen erwarten. Ich f'i'ir meinen Theil bin der Meinung, dass derjenige Gelehrte, der es zur Auf- gabe seines Lebens gemacht hat, die Bedingungen zu erforschen, unter welchen — 115 — # die Abweichungen von der normalen Embryonalentwicklung auftreten, und der selbst unter den zeitweise ungünstigsten Verhältnissen den eingeschlagenen Weg, welcher ihn zu so bedeutenden Entdeckungen führen sollte, unbeirrt weiter verfolgte, wohl am ehesten in der Lage ist, der von ihm vertretenen Wissenschaft eine Prognose zu stellen. Gegen Ende der Einleitung zu seinen Recherches sur la production artificielle des monstruosites spricht Dareste, indem er zur Theilnahme an seinen experimentellen Studien auffordert, die sichere Erwartung aus, dass derartige Bemühungen von Erfolg gekrönt werden würden. Diese Hoffnung wird durch das Zeugniss Darwin's in nicht geringem Grade bekräftigt, welcher in seinem Werke über die Ab- stammung des Menschen die Untersuchungen Dareste's als für die Zukunft viel versprechende bezeichnet1), eine Anerkennung, auf die der verdiente fran- zösische Forscher gewiss mit Recht stolz sein kann. Als ich mir überlegte, welche unter den vielen Methoden, mit Hülfe derer man versucht hatte, im Innern des Vogeleies Monstrositäten hervorzu- rufen, wohl die geeignetste und aussichtsvollste für die künstliche Production von Doppelmissbildungen sein könnte, so schien mir die von Dareste ange- gebene ungleiche Erwärmung des auszubrütenden Eies vor allen anderen den Vorzug zu verdienen. Denn wenn es möglich ist, die Entwicklung und das Wachsthum der Keimhaut nach einer bestimmten Richtung hin am meisten fortschreiten zu lassen, warum sollte es nicht auch gelingen, auf diejenigen Entwicklungsvorgänge in der Keimhaut, welche das Zustandekommen der Embryonalanlage anbahnen, ebenfalls von aussen her einzuwirken. Jedoch wird man zu dieser Erwartung erst dann berechtigt sein, wenn es sich er- reichen lässt, dass der äussere Eingriff in einer entsprechend frühen Zeit von der Keimhaut empfunden wird. Ich dachte zuerst daran, statt einer zwei Wärmequellen anzuwenden und diese an geeigneten Stellen der Eioberfläche anzubringen, habe jedoch, da mir kein hiezu geeigneter Brüteapparat zu Ge- bote stand, dieses Vorhaben vorerst aufgegeben, indem ich in Erwägung zog, dass ich ja auch durch ein anderes Mittel als durch die Wärme die Vorgänge der Zellen Vermehrung und Wachsthums, auf denen ja jegliche Entwicklung beruht, wohl würden beeinflussen lassen. Für diese ist nicht nur die Wärme, sondern in noch höherem Grade der Sauerstoffzutritt ein unbedingtes Erfor- derniss. Die Physiologie der Zelle, welche den experimentellen Nachweis er- bracht hat, dass ohne Sauerstoff keine Zelle sich am Leben erhalten könne, lehrt fernerhin, dass das Wachsthum und die durch Theilung erfolgende ~ Ver- mehrung nur bei solchen Zellen stattfindet , welche sich auf der Höhe ihrer Lebensfunction befinden, und welche in Bezug auf Ernährung und Respiration unter den günstigsten Verhältnissen stehen. Daraus geht hervor, dass bei Zellencomplexen von grösserer oder geringerer Ausdehnung an denjenigen Stellen, wo die Zellen unter den vortheilhaftesten Existenzbedingungen sich befinden, deren Vermehrung und Wachsthum am intensivsten vor sich gehen wird, während beide Vorgänge an minder gut situirten Stellen langsamer ab- ') Darwin, Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl Deutsche Uebersetzung von Carus Bd. II, pag. 341. - 116 - laufen müssen. Das Gleiche wird auch für den Zellencomplex der Keim- scheibe des gelegten Hühnereies Geltung beanspruchen dürfen, und es ist mit der grössten Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass eben die Stelle der Keim- scheibe, in der durch eine stärkere Zellenvermehrung sich die Bildung der Embryonalanlage einleitet, im Bezug auf die berührten Verhältnisse am gün- stigsten situirt sei. Es ist bekannt, dass die Zellen der Keimscheibe ihre Nahrungsstoffe von dem darunter gelegenen Dotter, den Sauerstoff dagegen von der äusseren Luft beziehen, und es ist das mehrfach betonte Lagever- hältniss der Keimscheibe, welche als der specifisch leichteste Theil des Dotters immer nach oben und ferner wegen der geringeren Schwere des Dotters gegenüber dem Eiweiss bei Horizontalstellung des Eies immer dicht unter den Culminationspunct der Schalenoberfläche zu liegen kommt, für den Sauer- stoffzutritt von der grössten Bedeutung. Die Versuche von Baudrimont und Martin- Saint- An ge haben gezeigt, dass man von der einen Längs- hälfte der Eischale unbeschadet der Entwicklung den Luftzutritt abhalten kann, wenn man die ungefirnisste Schalenhälfte während der Bebrütung nach oben kehrt. Ich selbst habe mehrfach noch weitergehende Versuche angestellt, indem ich noch grössere Strecken der Eioberfläche überfirnisst habe, und nur eine kleine runde Stelle von etwa 2 Ctm. Durchmesser freiliess. War diese, während das Ei in horizontaler Stellung bebrütet wurde, nach oben gewendet, kam sie also unmittelbar über die Keimscheibe zu liegen, so blieb die Ent- wicklung niemals aus, und dauerte mindestens 2 — 3 Tage an. Dadurch ist die Wichtigkeit des vorhin hervorgehobenen Lageverhältnisses der Keimscheibe im Ei experimentell bewiesen und es geht aus diesen Versuchen ferner her- vor, dass die Keimscheibe aus der umgebenden Luft den zur Entwicklung nöthigen Sauerstoff fast ausschliesslich durch den unmittelbar über ihr liegen- den Bezirk der Eischale hindurch bezieht. Hat man nun die Absicht, an einer bestimmten Stelle der Keimhaut die Zellen unter bevorzugte Existenzbedingungen zu bringen, so wird es sich darum handeln müssen, zu der betreffenden Stelle entweder eine grössere Zufuhr von Nährmaterial oder von Sauerstoff hinzuleiten, als zu den übrigen Partien. Das erstere wird sich mit unseren jetzigen Hülfsmitteln nicht er- reichen lassen, dagegen gehört das letztere, da man es ja in der Hand hat, von bestimmten Stellen der Eioberfläche den Sauerstoff abzuschliessen, nicht zu den Unmöglichkeiten. Da ja die Keimscheibe unmittelbar unter der Cul- minationsstelle der Eioberfläche bei Horizontalstellung des Eies liegt, indem sich zwischen sie und die Schalenhaut nur eine minimale Eiweissschichte ein- schiebt, so ist sie dem auf die genannten Voraussetzungen basirenden Experi- mente nicht unzugänglich. Man wird den Firnissüberzug und die Lagerung des Eies so einrichten müssen, dass bei den zu den Versuchen benützten Eiern, welche in horizontaler Stellung zu fixiren sind, gewisse Stellen der Schalenoberfläehe, die den zu bevorzugenden Bezirken der Keimscheibe ent- sprechen, nicht überfirnisst werden. Die freibleibenden Stellen bilden dann gewissermassen die Sauerstoffquellen für die darunter liegende Keimscheibe; die einer jeden Sauerstoffquelle am nächsten liegenden Zellenbezirke werden sich unter besseren Existenzbedingungen befinden, als die entfernter gelegenen; die. ersteren werden daher unserer Voraussetzung nach eine gesteigerte Zellen- - 117 — Vermehrung und somit lebhaftere Entwicklungsprocesse aufweisen müssen, als die letzteren. Ist unsere Annahme, wonach durch das erörterte Verfahren auf bestimmte Stellen der Keimscheibe entwicklungsfördernd eingewirkt werden könne, rich- tig, so hat man es in der Hand, da man ja die Normalstellung der Embryonal- anlage kennt, also weiss, in welchen Keimhautbezirk der Embryo mit seinem Kopfende oder hinterem Ende zu liegen kommt, die Ausbildung beliebig gewählter Theile desselben gegenüber anderen Abschnitten des Embryonal- körpers sich rascher und voluminöser vollziehen zu lassen. Man braucht ja nur den Firnissüberzug, sei es vor oder in der ersten Zeit der Bebrütung, so einzurichten, dass gewisse Stellen der Schale unweit der in ihrer Entwick- lung zu fördernden Embryonaltheile frei bleiben, und wird so auf experimen- tellem Wege eine ungleiche Ausbildung des Embryonalkörpers und damit Monstrositäten erhalten können. Aber nicht nur auf die schon gebildete Fruchtanlage, sondern auch auf deren Zustandekommen wird vielleicht durch das genannte Verfahren ein Ein- fluss ausgeübt werden können. Das Auftreten derselben besteht ja in einer intensiveren Vermehrung der Ektodermzellen , welche an einer bestimmten Stelle der Keimhaut beginnt. Wenn nun die oben ausgesprochene Vermuthung zutreffend ist, dass die normale Stelle der Embryonalanlage für die Zellenver- mehrung die günstigsten Verhältnisse darbiete, so ist die Annahme nicht allzu kühn, dass man die Bildung der Embryonalanlage an eine beliebige Stelle der Keimhaut verlegen könne, wenn man durch das geschilderte Verfahren eben diese gegenüber allen andern Bezirken der Keimhaut günstiger situirt. Würde sich diese Erwartung bestätigen, so würde sich daran die zweite Frage anschliessen, ob es möglich sei, durch Eröffnung von zwei Sauerstoffquellen zwei Stellen der Keimhaut in dem erörterten Sinne zu begünstigen, um viel- leicht dadurch das Auftreten zweier Embryonalanlagen, resp. einer Doppel- bildung zu erzielen. Wie man sieht, ist es die Methode der partiellen Firnissüberzüge, welche mir die besten Resultate für die Production von Doppelmissbildungen zu ver- sprechen schien. Ich habe bereits angedeutet, wie dieselbe angewandt werden muss, wenn hiedurch die gewünschte Einwirkung auf die Bildungsvorgänge in der Keimhaut mit Aussicht auf Erfolg ausgeübt werden soll. Man wird sich vor dem Firnissen der Eier darüber klar sein müssen, welche Bezirke der Keimhaut bevorzugt werden sollen, um dem entsprechende Stellen der Schalenoberfläche ungefirnisst zu lassen. Hierin beruht der wesentliche Unter- schied des von mir vorgeschlagenen Verfahrens gegenüber der Art und Weise, wie bei den früheren Versuchen Theile der Schalenoberfläche impermeabel gemacht wurden. Während die letzteren mehr in der Intention angestellt wurden, um zu erfahren, ob und in welcher Weise die Entwicklung des Embryo beeinträchtigt würde, wenn man grössere oder geringere Strecken der Schale, die stumpfe oder spitze Polhälfte, oder eine Längshälfte für Gase undurchgängig machte , so lag den in Folgendem zu beschreibenden Experi- menten eine ganz bestimmte Voraussetzung zu Grunde, indem je nach der beabsichtigten Einwirkung gewisse Stellen der Schale von den Firnissüber- zügen befreit bleiben mussten. — 118 — Da man nun verschiedene Bezirke der Keimhaut auswählen kann, um in ihnen eine energischere Zellenvermehrung resp. Entwicklung zu veranlassen, so wird man demgemäss auch verschiedene Stellen der Schale ungefirnisst lassen müssen. Damit ist ausgesprochen, dass die Versuche sehr variirt werden können, je nach dem Plane, welcher bei deren Ausführung be- folgt wird. In einem früheren Abschnitte ist die erste Anlage der verschiedenen Formen von Doppelbildungen eingehend besprochen und gezeigt worden, an welchen Stellen der Keimhaut sich deren Genese besonders häufig einleitet. Es scheint darum gerathen, diesen Fingerzeig nicht unbenutzt zu lassen, will man die Experimente mit mehr Aussicht auf Erfolg unternehmen. Es werden desshalb diejenigen Stellen der Keimhaut mit einer grösseren Sauerstoff- zufuhr zu versehen sein, in welchen erfahrungsgemäss die ersten Entwick- lungsvorgänge beginnen, die zu der beabsichtigten Form der Doppelbildung führen. Um eine zu weit gehende Zersplitterung meiner Versuche zu vermeiden, schien es mir angezeigt, vorerst darauf zu verzichten, die Production verschiedener Formen von Doppelbildungen anzustreben; ich hielt es um so mehr für geboten, mich zunächst auf eine einzige Form zu beschränken, da ja die in Anwendung kommende Methode erst nach mehreren Seiten hin auf ihre Leistungsfähigkeit geprüft werden musste. Angesichts der in vielen Fällen zu erwartenden Misserfolge war voraussichtlich über den Werth meines Verfahrens erst dann ein Urtheil möglich, nachdem mittelst desselben recht zahlreiche Experimente und zwar sämmtlich zu demselben Zwecke und immer in der gleichen Weise oder jedenfalls nur unter ganz geringen Abänderungen ausgeführt worden waren. Bei der Wahl unter den einzelnen Formen von Doppelbil- dungen habe ich mich für die Duplicitas anterior entschieden. Ich habe dieser aus verschiedenen Gründen den Vorzug gegeben. Erstens schien sie mir unter allen andern Doppelbildungen der künstlichen Production die günstigsten Chancen zu gewähren, da sich bei ihrer Genese, wie wir wissen, in der ersten Zeit die Embryonalanlage ganz normal verhält, und erst später, während ihres Vordringens in die Area pellucida, anormaler Weise nach zwei Seiten hin divergirt. Es schien mir am leichtesten, die zum Zustandekommen dieser Divergenz nöthigen Bedingungen herzustellen. Zwei- tens sind die Fälle vorderer Verdopplung von Hühnerembryonen in der Lite- ratur bekanntlich nur sehr gering vertreten, wesshalb eine Bereicherung der- selben an solchen Fällen sehr zu wünschen ist. Schliesslich hoffte ich, durch den Ausfall der zu besagtem Zwecke angestellten Experimente am besten über die Richtigkeit der meiner Methode zu Grunde liegenden Voraussetzung Aufschlu88 zu erhalten, nämlich über die Frage, ob überhaupt eine ungleiche Entwicklung der Keimhaut oder des Embryo resultirt, wenn zu gewissen Stellen derselben eine grössere Sauerstoffzufuhr hingeleitet wird. Um eine Duplicitas anterior zu erzielen, verfuhr ich bei dem Firnissen der Eier in folgender Weise: es wurde auf die Schale eines Eies mit Bleistift eine Linie gezogen, welche von dem Mittelpunkt des stumpfen Poles aus zu dem des spitzen Poles und von da nach dem Ausgangspunkte zurückgeführt — 119 — wurde. Diese Linie, welche, wenn man das Ei als eine Kugel auffassen dürfte, einem grössten (Längen-) Kreise entsprechen würde, theilt die Oberfläche der Eischale in zwei Hälften ab; ich will sie kurz als „Richtungslinie" be- zeichnen. Hatte ich die Richtungslinie aufgezeichnet, so wurde die eine Hälfte der Schale mit rasch trocknendem Firniss überstrichen. Nach dem Trocknen der Firnissschichte wurde das Ei so auf einen Eiträger gelegt, dass die frei gebliebene Hälfte nach oben gekehrt war, und die Richtungslinie in eine Horizontalebene fiel. Den Eiträger selbst, auf dem das Ei von nun an nicht mehr aus seiner Lage verschoben werden darf, habe ich hierauf so vor mich hingestellt, dass der stumpfe Pol des Eies nach links, der spitze nach rechts gekehrt war. Sodann zeichnete ich auf die ungefirnisste Schalenhälfte die Figur eines Y in der Weise auf, dass der hintere Schenkel des Y in einer von beiden Eipolen gleich weit entfernten Aequatoriallinie verlief. Die Breite der drei Schenkel des Y war nicht in allen Fällen die gleiche ; sie differirte zwischen 5 und 10 Mm. Auch der nach vorne zu offene Winkel, den die beiden paarigen Schenkel des Y mit einander bildeten, variirte zwischen 70 und 90°. Der hintere Schenkel des Y, dessen Länge in den einzelnen Fällen zwischen 12 und 20 Mm. schwankte, grenzte mit seinem freien Ende an die mir zugewendete Hälfte der Richtungslinie, während die beiden paarigen Schenkel mit ihren freien vorderen Enden an die von mir abgewendete Hälfte der Richtungslinie entweder ganz oder wenigstens nahezu heranreichten. Ich will hier einschalten, dass ich nach einigen Versuchen es für rationeller er- achtete, den hinteren unpaaren Schenkel des Y gänzlich wegzulassen, sodass die Figur eines V entstand, welches jedoch die gleichen Grössenverhältnisse und die gleichen Lagebeziehungen zur Richtungslinie und Aequatoriallinie zeigen muss, welche ich soeben für die beiden vorderen paarigen Schenkel des Y angegeben habe. War nun die eine oder die andere Figur auf die ^Eischale in der be- schriebenen Weise aufgezeichnet worden, so wurde auch die restirende Hälfte der Eischale mit Ausnahme des Y oder des V mit Firniss überzogen und sodann das Ei mit seinem Träger in den Brütofen gebracht. Für gewöhnlich habe ich immer gleich mehrere Eier, 4 — 6 an der Zahl, gefirnisst, und liess sie gleichzeitig sich im Brütofen entwickeln. Die Untersuchung der Eier wurde am dritten bis zum sechsten Tage vorgenommen. Durch das Ueberziehen der Eischale mit Firniss unter Schonung der Y- oder V-förmigen Stellen, war nun der in das Eiinnere eindringenden Luft ein bestimmter Weg angewiesen worden. Der hintere Schenkel des Y im einen, oder die Spitze des V im andern Falle lag nahezu über, oder jeden- falls in einer nur geringen Entfernung von derjenigen Stelle der Keimhaut, in welcher der Primitivstreif auftritt, während die paarigen Schenkel der beiden Figuren mehr seitwärts von der Keimscheibe verliefen. Demnach mussten die seitlichen Theile des Fruchthofes, da sie näher an die Sauerstoff- quelle zu liegen kamen, einen intensiveren Stoffwechsel erlangen und unter- halten als die mehr der Medianlinie genäherten Bezirke. Auf diese Weise hoffte ich die Embryonalanlage in ihrem vordercrr-JTheile , oder was dasselbe sagen will , entweder das vordere Ende des Primitivstreifens oder wenigstens den Kopffortsatz desselben nach beiden Seiten hin abzuziehen, um so ein — 120 — Divergiren der Embryonalanlage in zwei Schenkel und, daran anschliessend, eine Dicephalie zu erzielen. Dass mir dies in einzelnen günstigen Fällen auch wirklich gelungen, wird man aus den Ergebnissen meiner Versuche, deren Schilderung ich so- gleich folgen lasse, ersehen. Ich habe zu denselben nach und nach 60 Eier verbraucht. Von diesen enthielten 20 normal gebildete Embryonen1); nur waren dieselben ohne Ausnahme zeitlich in ihrer Entwicklung zurück, einige nur verhältnissmässig wenig, die andern aber in ziemlich hohem Grade. Diese verlangsamte Embryogenese ist wohl zweifelsohne in der Reduction des in das Innere des Eies eindringenden Luftquantums in Folge der Firnissüberzüge begründet. Bei weiteren 14 Eiern vermochte ich überhaupt keine Embryonal- bildung zu erkennen ; die Keimhjjtute derselben waren theils sehr klein — nur wenig grösser als die Keimscheibe des unbebrüteten Hühnereies — theils hatten sie sich unregelmässig ausgedehnt, jedoch ohne dass eine Area pellu- cida und opaca bei ihnen zu unterscheiden gewesen wären. Diese negativen Befunde möchte ich weniger dem experimentellen Eingriff zur Last legen, als anderen Ursachen. Vielleicht handelte es sich um unbefruchtete Eier; oder, da meine Versuche im Sommer ausgeführt wurden und viele der hiezu benützten Eier, die ich allerdings ganz frisch zugetragen bekam, oft über eine Woche lang in meinen um die genannte Zeit ziemlich hoch temperirten Arbeitszimmern lagen, ehe sie zur Verwendung kamen, so konnte leicht eine langsame Entwicklung bei denselben eingetreten sein, nach deren Stillstand eine allmählige Zersetzung der Keimhaut und des Embryo stattfand. Von den restirenden 26 Eiern zeigten 19 ausgesprochene Abnormitäten der Embryonalentwicklung; bei den letzten 7 Eiern endlich erschien es mir zweifelhaft, ob die bei ihnen vorgefundenen Formabweichungen nicht als zu- fällige zu betrachten seien, ob sie nicht vielleicht auch dann eingetreten wären, wenn man vor der Bebrütung das Firnissen der Schale gänzlich unterlassen hätte. Die in den 1 9 Eiern enthaltenen Keimhäute habe ich nach den Entwick- lungsstadien, welche die abnorm beschaffenen Embryonen derselben darboten, geordnet, und werde nachstehend dieselben in der Reihenfolge schildern, dass die frühesten Entwicklungsphasen den Anfang machen. Der leichteren Ueber- sicht halber bei der Besprechung der Resultate meiner Versuche habe ich die einzelnen Keimhäute numerirt. Nr. 1. Die Keimhaut (Fig. 1, Taf. VIII) war am vierten Tage der Bebrütung aus dem Ei herausgenommen worden. Die Area pellucida und opaca sind deutlich zu unterscheiden. Die erstere hat hinsichtlich ihrer Form noch am meisten mit einem Viereck Aehnlichkeit, von dem zwei Ecken abgerundet sind, während die beiden anderen Ecken durch (-inen Schrägschnitt abgetrennt erscheinen. Der längere Durch- messer des durchsichtigen Fruchthofes beläuft sich auf 372, der kürzere auf 3 Mm. Von einem Primitivstreifen oder einer sonstigen Embryonolanlage ist nichts zu be- ') Durch die bereits mitgetheilten Erfahrungen Dareste's über die zuweilen vor- kommende [ncongruenz der formativen HntwieUlungsvorgänge und der des embryonalen Wachsthums aufmerksam gemacht, luibe ich die Körperlänge der meisten dieser 20 Em- bryonen mii <\rv vnii normal bebrüteten Embryonen der gleichen .Studien verglichen, und konnte in vielen Ballen codjI ;n neu . dass dieselbe bei den ersten- n etwas geringer war, als bei den letzteren. — 121 — » merken; dagegen ist in der Nähe des Randes der Area pellucida an einer Stelle, welche wahrscheinlich in den Bezirk des Primitivstreifens gefallen wäre, eine kleine, rundliche Verdickung des Blastoderm wahrzunehmen. Das Ektoderm ist über den Rand der Area opaca um eine beträchtliche Strecke weiter peripherwärts gewachsen. Nr. 2. Das Ei wurde am vierten Tage untersucht. Die Keimhaut desselben (Fig. .2, Taf. VIII) zeigt eine Area pellucida und opaca, welche jedoch auf einer Seite sich nicht scharf von einander abheben. Die Area pellucida besitzt die Gestalt eines Vierecks, dessen Ecken abgerundet, dessen Seiten bogenförmig eingebuchtet sind. An der muthm asslichen Eintrittsstelle des Primitivstreifens beobachtet man eine breitere Verdickung der Keimhaut, welche, in den durchsichtigen Fruchthof vor- dringend, mit zwei Zacken endet; es macht den Eindruck, als ob es sich um die ersten Stadien der Entwicklung von zwei nebeneinander in den durchsichtigen Fruchthof eindringenden Primitivstreifen handeln würde. Die Grenzen des Ektoderm, welches sich über den Rand der Area opaca hinaus bereits ausgedehnt hatte, sind in der Fig. 2, Taf. VIII nicht wiedergegeben worden. Nr. 3. Das Ei wurde am dritten Tage der Bebrütung geöffnet. Die Keimhaut (Fig. 3, Taf. VIII) besass eine deutlich abgegrenzte Area opaca und pellucida. Die letztere zeigt bereits schon eine leicht birnförmige Gestalt, indem das Zuwachsstück im Begriff ist, sich mit ihr zu vereinigen. Der Längsdurchmesser des durchsichtigen Fruchthofes beträgt 2,3 Mm. Der Primitivstreifen zeigt an einem vordem Ende eine unbestreitbare Bifurcation. Die Länge eines jeden der beiden Schenkel wird sich ungefähr auf den dritten Theil der Gesammtlänge des Primitivstreifens bemessen, so dass demnach nur dessen vorderes Drittheil verdoppelt erscheint. Von dem hinteren Rande der Area pellucida bis zur Spitze des Divergenzwinkels der beiden Schenkel messe ich 1,2 Mm. Eine Primitivrinne ist noch nirgends bemerklich; das Mesoderm ist bereits in den Anfängen vorhanden; doch ist seine Grenzlinie beider- seits von den Primitivstreifen noch sehr undeutlich. Das Ektoderm hat nur wenig die Ränder der Area opaca überwachsen. Im Entoderm der Area pellucida sind bei durchfallendem Lichte zahlreiche Furchungs- kugeln zu erkennen. Nr. 4. Das Ei wurde am vierten Tage aus dem Brütofen genommen. Die Keimhaut (Fig. 4, Taf. VIII) theilt sich deutlich in eine Area opaca und pellucida ab. Letztere ist länglich und besitzt einen längeren Durchmesser von 2 Mm. Sie enthält eine oblonge Verdickung, welche an ihrem einen Ende etwas seitlich um- biegt, und welche wohl die in der Zersetzung befindliche Embryonalanlage darstellt. Das Ektoderm hat den Rand der Area opaca nur wenig überwuchert. Nr. 5. Das Ei wurde am vierten Tage untersucht. In der Keimhaut (Fig. 5, Taf. VIII) sind Area pellucida und opaca gut gegen einander abgegrenzt ; die erstere ist oval und besitzt einen längeren Durchmesser von 2 Mm. Der Primitivstreifen ist schon aufgetreten; er stellt jedoch nur eine kurze Verdickung der Keimhaut im hinteren Theile des durchsichtigen Fruchthofes^ dar und zeigt eine merkwürdige Verbildung. Von seiner hintern Hälfte geht gegen die Furchungshöhle zu eine zapfenförmige Wucherung ab, welche nur von der ventralen Seite aus ersichtlich ist. Die dorsale Seite der Keimhaut lässt an der Abgangsstelle der Wucherung eine feine Oeffnung erkennen, so dass eine hohle Beschaffenheit der letzteren nicht unwahr- scheinlich ist. Dieselbe würde dann eine ventral wärts "gerichtete , blindsackförmige Ausstülpung der Keimhaut bilden. Das Ektoderm ist noch nicht sehr weit peripherwärts vorgedrungen. — 122 — Nr. 6. Die Keimhaut (Fig. 6, Taf. VIII) wurde am dritten Tage der Bebrütung dem Ei entnommen. Die Area pellucida und opaca heben sich gut von einander ab ; der durchsichtige Fruchthof hat sein Zuwachsstück bereits erhalten, ist länglich und besitzt einen Längsdurchmesser von 3 1/2 Mm. Der Primitivstreifen grenzt mit seinem hintern Ende an den Eand der Area opaca an ; dasselbe besitzt eine ventralwärts gerichtete, rundliche Anschwellung. Der mittlere Theil des Primitivstreifens ist sehr undeutlich, das vordere Ende dagegen wieder etwas besser ausgebildet. Eine Primitiv- rinne ist nicht vorhanden; die Grenzen des Embryonalschildes sind sehr deutlich markirt. Das Ektoderm hat nur um ein Geringes den Rand der Area opaca über- schritten. Nr. 7. Das Ei wurde am Anfange des dritten Tages aus dem Brütofen heraus- genommen. In der Keimhaut (Fig. 7, Taf. VIII) sind die beiden Areae sehr gut von einander zu unterscheiden. Die Area pellucida besitzt eine ovale Form; ihre Länge beträgt 3^2 Mm. Das Entwicklungsstadium der Embryon anläge entspricht der 15. — 16. Stunde bei normaler Bebrütung. Vor dem Primitivstreifen ist bereits der Kopffortsatz, resp. Chorda dorsalis aufgetreten und schon verhältnissmässig lang geworden , so dass die Anlage der Rückenfurche und der Kopffalte wohl in nächster Zeit sich hätte einstellen müssen. Das mittlere Keimblatt hat schon eine ziemliche Ausdehnung erlangt. Es hat, abgesehen von dem vorderen Bezirke der Area pellucida, deren Rand schon überall überschritten. Eine vordere Amnionfalte ist angedeutet. Das Ektoderm hat sich nur massig über die Grenzen der Area opaca hinaus ausgedehnt. Das Pathologische an der in Rede stehenden Keimhaut besteht in einem ab- normen Verhalten des Primitivstreifens. Derselbe zeigt eine mehr von seiner hinteren Hälfte ausgegangene starke Wucherung, welche dorsalwärts gerichtet ist. Dieselbe ist, wie es scheint, solide, von kugelig spindelförmiger Form und lässt auf der rechten Seite einen seichten Einschnitt erkennen ; hinter der Wucherung befindet sich noch ein ganz kurzes Stückchen des Primitivstreifens, innerhalb dessen er normale Verhältnisse aufweist, indem hier eine Primitivrinne erkennbar ist; auch in dem vor der Wucherung gelegenen Abschnitte ist die Primitivrinne ausgebildet. Die Wucherung selbst besitzt auf ihrer dorsalen Oberfläche nicht die geringste Spur einer rinnen- förmigen Einsenkung. Nr. 8. Das Ei wurde am vierten Tage aus dem Brütofen genommen und untersucht. Die Keimhaut (Fig. 1, Taf. IX) ist gut ausgebildet; der durchsichtige Fruchthof hebt sich von der Area opaca deutlich ab. Der erstere- hat eine längliche Form , sein Längsdurchmesser beträgt 3 Mm. Die Dorsalfläche der Keimhaut lässt sehr deutlich eine Rückenfurche erkennen, welche vorne und hinten an geschwulst- artige Massen angrenzt. Bei näherem Zusehen bemerkt man, dass die hintere Ge- schwulst von dem Primitivstreifen gebildet wird, der zu einer dorsalwärts prominenten ländlichen Verdickung angeschwollen ist; eine Primitivrinne existirt nicht. Von dem vorderen Ende des Primitivstreifens sieht' man conisch sich verjüngend die Chorda abgehen, welche sich jedoch nicht mehr weit am Boden der Rückenfurche verfolgen ! ässt. Vor dem vorderen Ende der Itückenfurche, welches durch die hier conver- girenden und sich aneinanderlegenden Rückenwülste gebildet wird, befindet sich eine nnregelmassig umgrenzte Oeffnung, welche in eine L,r(,^^,',1 den Dotter und nach vorne zu gerichtete ventrale Ausstülpung Fährt, deren vorderes Ende durch die dünne Keimhaul durchscheint. Es isl also hier anstatt der normalen dorsalen Ausstülpung des Blastoderms, als welche man die Anlage dos Vorderdarms in der ersten Zeil auffassen kann, eine solche aufgetreten, welche die. entgegengesetzte Richtung einschlug. — 123 — # Entlang der Medullarfurche haben sich beiderseits eine Reihe von Urwirbeln gebildet, die bei der Betrachtung der Dorsalfläche nur schwer zu sehen sind, da- gegen auf der ventralen Fläche der Keimhaut deutlicher hervortreten. Das mittlere Keimblatt ist schon mehr entwickelt, es ist fast überall — nur vorne ausgenommen — über den Rand der Area pellucida hinäusgewuchert ; es hat eine kartenherzförmige Gestalt; in dem Ausschnitt des Herzens liegt das durch- scheinende vordere Ende der Ausstülpung. Die letztere erscheint auf der ventralen Seite als eine entsprechend grosse zapfenartige Wucherung. Der Durchmesser der gesammten Keimhaut beträgt etwa 8 Mm. Nr. 9. Das Ei wurde am vierten Tage der Bebrütung untersucht. Die Keim- haut (Fig. 2, Taf. IX) zeigt eine birnförmige Area pellucida, welche gegen die Area opaca sich gut abgrenzt. Das Blastoderma macht den Eindruck , als ob es bereits in der Zersetzung begriffen sei; doch lässt sich die Form des Embryo noch durchaus erkennen. Seine Ausbildung entspricht etwa der 20. Stunde des ersten Tages bei normaler Entwicklung. Auffallend ist seine geringe Länge , welche sich nur auf 1,75 Mm. bemisst, während die Länge eines dem gleichen Entwicklungsstadium an- gehörigen normalen Embryo etwa 3 Mm. beträgt. Die Hälfte der gesammten Länge des Embryo wird von dem Primitivstreifen eingenommen, welcher eine längliche wulstförmige Verdickung darstellt; eine Primitivrinne ist nicht wahrzunehmen. Vor dem Streifen liegt eine nur schwach vertiefte Rückenfurche, welche vorne mit einer sehr gut ausgebildeten Kopffalte abschliesst; die letztere ist jedoch so stark ver- breitert, dass die Medullarfurche an ihrem vordem Ende in die Quere ausgezogen erscheint, wodurch ihre Gestalt eine Tförmige wird. Es gewinnt dadurch den An- schein, als ob das vordere Ende der Medullarfurche, allerdings unter sehr stumpfem Winkel in zwei kurze Schenkel divergire. Man könnte demnach die breite Kopffalte also aus zwei neben einander gelegenen bestehend, auffassen, wofür auch die nur unbedeutende Länge der Medullarfurche sprechen würde. Leider war es mir un- möglich, die Chorda dorsalis, welche im hinteren Theile der Rückenfurche sehr deutlich zu beobachten ist, bis an ihr vorderes Ende zu verfolgen. Es muss daher unbestimmt bleiben, ob sie einfach verlief, oder ob sie vorne vielleicht eine Bifur- cation aufwies. Betrachtet man die Keimhaut von der ventralen Seite aus, so kann man die bereits beginnende Anlage des Vorderdarms wahrnehmen ; dieselbe ist eine un- gemein breite. Das mittlere Keimblatt hat , wie die Abbildung zeigt , schon eine ziemliche Ausdehnung erlangt. Der Durchmesser der ganzen Keimhaut beträgt 7 Mm. Nr. 10. Das Ei wurde am dritten Brütetage untersucht. Die Keimhaut (Fig. 3, Taf. IX) besitzt eine Area pellucida von länglicher Form, deren Längs- durchmesser 3,7 Mm. beträgt. Die Ausbildung des Embryo entspricht den letzten Stunden des ersten Brütetages bei normaler Entwicklung. Die Rückenfurche ist vollkommen ausgebildet , es sind 5 Urwirbelpaare aufgetreten , die Kopfdarmhöhle ist in der Anlage begriffen. Der Primitivstreifen, welcher noch überall deutlich zu erkennen ist, hat eine Länge von 1,7 Mm. Auffallend und anormal bei dem Embryo ist seine kurze, gedrungene Gestalt, indem er, inclusive des Primitivstreifens, nur 3,4 Mm. lang ist, während die Länge eines im gleichen Stadium befindlichen normalen Embryo mindestens 4,2 Mm., gewöhnlich sogar schon 4,5 Mm. beträgt. Ferner überrascht bei dem Embryo die ungemeine Breite des vorderen Endes der Rücken- furche, sowie der Kopfdarmhöhle. Die erstere ist nahezu 1 Mm. breit, während bei einem gleich entwickelten normalen Embryo dieselbe nur eine Breite von 0,5 Mm. bis höchstens 0,75 Mm. besitzt. — 124 — Das Mesoderm zeigt eine ähnliche Ausdehnung wie im vorigen Falle; die vordere Amnionfalte ist bereits angedeutet. Der Durchmesser der gesammten Keim- haut beläuft sich auf 9 — 10 Mm. Nr. 11. Das Ei wurde am dritten Tage der Bebrütung geöffnet. Die Keim- haut (Fig. 4, Taf. IX) hat mit der vorigen sehr viele Aehnlichkeit. Die Area pellucida ist gleichfalls von länglicher Form und enthält einen Embryo, der einem nur wenig weiter fortgeschrittenen Entwicklungsstadium angehört, wie der des vorigen Falles, indem der vordere Theil der Rückenfurche und die Kopfdarmhöhle etwas weiter ausgebildet erscheinen. Die Länge des Embryo ist die gleiche wie bei Nr. 10, nämlich 3,4 Mm. ; er ist demnach ebenfalls in seinem Längenwachsthum hinter einem normal bebrüteten Hühnerembryo der gleichen Ausbildung zurückgeblieben. Die Unregelmässigkeit besteht auch hier in einer ungewöhnlichen Breite der vorderen Rückenfurche; jedoch ist dieselbe verhältnissmässig nicht ganz so stark, wie beim vorigen Embryo. Die Zahl der Urwirbelpaare beträgt 4— 5; der Primitivstreifen, dessen hinteres Ende noch die Reste der Sichel zeigt, lässt in seiner Rinne einen sehr gut aus- gebildeten Axenfaden erkennen. Das Mesoderm hat sich entsprechend der Entwicklungsstufe des Embryo aus- gedehnt; die vordere Amnionfalte ist schon aufgetreten. Der Durchmesser der ge- sammten Keimhaut beträgt 10 Mm. Nr. 12. Das Ei wurde am vierten Tage der Bebrütung untersucht. Die Keimhaut (Fig. 5, Taf. IX) enthält eine Area pellucida, deren Gestalt länglich bis- quitförmig ist. Der Embryo entspricht hinsichtlich der Zahl der Urwirbelpaare, sowie der Grösse des noch nicht geschlossenen Theiles des Medullarrohrs einem normal bebrüteten Hühnerembryo der 26. — 28. Stunde. Diesem Entwicklungsstadium ist jedoch seine Länge nicht proportional, welche nur 3,3 Mm. beträgt, also mindestens um 1 Mm. hinter der normalen Embryonallänge dieses Stadiums zurücksteht. Während die hinteren Abschnitte des Embryo normal gebildet sind, zeigt das in der Entwicklung etwas zurückgebliebene Kopfende mehrfache Unregelmässigkeiten; die- selben betreffen den Schluss des Medullarrohres, der sich an drei Stellen noch nicht vollzogen hat ; dadurch sind drei quere Oeffnungen entstanden, von denen die beiden vorderen spaltförmig sind und dicht hintereinander liegen. Die dritte Oeffnung ist queroval und liegt etwas weiter von den ersteren entfernt. Durch diese Unregel- mässigkeit im Schlüsse des Medullarrohres ist eine Verbildung desselben im Kopftheile eingeleitet worden; die Gehirnbläschen erscheinen mangelhaft angelegt, sodass sie kaum zu erkennen sind. Der Kopftheil ist ferner etwas verbreitert; die Kopfdarm- höhle besitzt eine Länge von 0,5 Mm. ; die Herzhälften sind in der Anlage begriffen. Die Area vasculosa hat, indem sie sich besonders stark seitlich von dem Embryo ausdehnte , eine querovale Form angenommen. Der Durchmesser der gesammten Keimhaut beträgt 12 Mm. Nr. 13. Das Ei wurde am vierten Tage der Bebrütung geöffnet. Die Keim- haut (Fig. 6, Taf. IX) besitzt eine Area pellucida, welche länglich ausgezogen und in ihrem vorderen Theile stark verbreitert ist. Der Embryo gehört einem Entwicklungs- stadium an, welches anter normalen Verhältnissen am die 30. Stunde der Bebrütung erreicht wird. Auch hier ist es der Kopftheil, weh-her ein unregelmässiges Aussehen besitzt. Es macht den Eindruck, als ob das Behr breil angelegte Hirnrohr, nachdem blossen hatte, zusammenklappte, wodurch sich Beine W^ände theilweise be- rühren mussten, und sodann im weiteres Wachsthum naeli einer Seite liin umbog. In der Gegend des Sinus rhomboidalis hat sieh (las Medullarrohr noch nicht — 125 — » ganz geschlossen. Die Ränder der Medullarwülste haben sich hier auffallender Weise nur in der Mitte des Sinus vereinigt, so dass ober und unter dieser Stelle das Medullar- rohr noch klafft. Es haben sich ferner zwei Herzen entwickelt; ausserdem sind die vorderen Urwirbelpaare , sowie auch das Kopfende augenscheinlich etwas breiter als normal. Der Embryo ist nur 4,2 Mm. lang, demnach mindestens um 1,5 Mm. kürzer wie ein gleich entwickelter normaler Embryo. Die Area vasculosa, deren Vena terminalis bereits sichtbar ist, zeigt in ihren hinteren Bezirken eine entschieden bessere Ausbildung der Blutinseln, als wie vorne. Bezüglich ihrer Form ist zu bemerken, dass sie ebenfalls leicht queroval ist. Der Durchmesser der gesammten Keimhaut beträgt 12 — 13 Mm. Nr. 14. Das Ei wurde am vierten Brütetage geöffnet. Die Keimhaut enthält einen Embryo, dessen Entwicklungsstufe den ersten Stunden des dritten Brütetages entspricht. Bezüglich seiner Länge ist er jedoch hinter diesem Stadium merklich zurückgeblieben; dieselbe beträgt nur 5,5 Mm., während ein dem genannten Stadium angehöriger normal bebrüteter Hühnerembryo, den ich zur Controle gemessen habe, 7 Mm. lang ist. Der Embryo ist sonst normal gestaltet; das Kopfende liegt mit seiner linken Seite der Keimhaut auf, Scheitel- und Nackenhöcker sind schon auf- getreten ; die Herzschlinge normal , ebenso die Gehirn- und Augenanlagen. Die Kiemenbögen sind bereits zu erkennen, dessgleichen die Ohrgrübchen. Die Bildung' der Beckendarmhöhle steht bevor. Die Area pellucida ist länglich , bisquitförmig, die Area vascula rundlich, hat einen Durchmesser von nicht ganz 11 Mm. Das Absonderliche der Keimhaut beruht in dem Fehlen eines Amnion, indem die Kopfscheide desselben nicht zur Ausbildung gekommen ist. Nr. 15. Das Ei wurde am fünften Brütetage untersucht. Es enthielt einen Embryo (Fig. 7, Taf. IX), der in seiner Entwicklung etwas weiter fortgeschritten ist, wie der eben besprochene ; dies gilt besonders für den hintern Abschnitt des Embryo, wo bereits die Beckendarmhöhle sich angelegt hat ; dagegen ist das Kopfende gegen- über der mittleren und hinteren Körperregion in der Bildung weit zurück. Was die Länge des Embryo anlangt, so beläuft sich dieselbe auf 5,3 Mm. Die Formanomalie betrifft nur das Kopfende, welches eine ungemeine Ver- breiterung zeigt; sein querer Durchmesser beträgt 1,5 Mm. Ueber die Deutung der den Kopf zusammensetzenden Gebilde bin ich mir nicht ganz klar geworden. Man bemerkt drei nebeneinander gelegene Hirnbläschen, welche die vorderste und breiteste Abtheilung des Kopfes bilden ; das Bild erinnert etwas an das Aussprossen der primitiven Augenblasen aus dem primären Vorderhirn; doch glaube ich kaum, dass die seitlichen Bläschen die stark vergrösserten primären Augenanlagen vorstellen, da sie nach hinten zu unmittelbar in die folgenden Hirntheile übergehen, welche durch eine dorsale, longitudinale Einbuchtung in zwei Abtheilungen gebracht werden. Zutreffender, aber auch nicht in allen Punkten befriedigend erscheint mir die An- nahme, dass das Hirnrohr doppelt angelegt worden war, und jedes derselben sich etwas um seine Längsaxe gedreht habe, das eine nach rechts, das andere nach links, wodurch es zu einer Verschmelzung der schon vor der Drehung etwas ventralwärts gerichteten Vorderhirnbläschen kommen musste. Nach dieser Auffassung hätte man das mittlere der drei nebeneinander gelegenen Bläschen als gemeinsames Vorderhirn, jedes der beiden seitlichen als Mittelhirn anzusprechen , an welche sich auf jeder' Seite je ein Hinterhirn anschliessen würde. Der Vorderdarm ist einheitlich , ebenso existirt-nur ein Herzschlauch , dessen Schlinge nach rechts gewendet ist; dieselbe ist jedoch, da das Herz sich noch nicht sehr entwickelt hat, ziemlich kurz. Die Area pellucida hat sich sehr in die Länge — 126 — ausgedehnt, ihr breiterer Theil liegt hinten. Die Area vasculosa ist rundlich und besitzt einen Durchmesser von 18 — 20 Mm. Nr. 16. Das Ei wurde am sechsten Tage der Bebrütung eröffnet, und die Keimhaut ausgeschnitten. Der Embryo (Fig. 8 A und B, Taf. IX), dessen Herz kräftig pulsirte, fiel durch seine abnorm geringe Längenentwicklung und ferner durch sein stark verbreitertes, soweit es sich jetzt schon erkennen Hess, verdoppeltes Kopf- ende auf. Seine Länge bemass sich auf nur 5,2 Mm., trotzdem er bereits die vorderen und hinteren Extremitätenstummel aufwies, und somit einem Entwicklungsstadium angehörte, welches Anfangs des fünften Tages bei normaler Bebrütung erreicht wird. Bei der Untersuchung des frischen Embryo in einer lauwarmen V2°/oigen Kochsalz- lösung überraschte mich das lange Anhalten des Herzschlages, den ich noch nirgends so gut, wie in diesem Falle , lange Zeit hindurch beobachten konnte. Anfänglich war ich bemüht , die erkaltete Kochsalzlösung durch warme immer wieder zu er- setzen, um die Herzpulsation im Gange zu halten; später habe ich es aufgegeben und überliess den Embryo sich selbst. Trotzdem die Kochsalzlösung vollkommen abgekühlt war, fuhr das Herz, wie ich mich durch zeitweiliges Nachsehen überzeugte, fort, zu schlagen, und als ich 21/i Stunden nach Eröffnung des Eies den Embryo schliesslich in die Erhärtungsflüssigkeit brachte, hatte das Herz immer noch, wenn auch in verlangsamtem Rhythmus, seine Pulsationen ausgeführt. Bei normal be- brüteten Eiern, deren Keimhaut vom Dotter losgelöst und in der erwärmten Koch- salzlösung untersucht wurde, ist es mir niemals, trotz aller Bemühungen und Cautelen geglückt, die Action des embryonalen Herzens länger als V2-3/4 Stunde im Gange zu erhalten. Desto mehr musste mich die ungemeine Lebenszähigkeit des Herzens bei dem in Rede stehenden monströsen Embryo überraschen. Der sorgfältig erhärtete Embryo zeigte nun auf das Deutlichste eine Ver- doppelung des Kopfendes, jedoch nur eine theilweise, indem sie sich auf das Hirnrohr beschränkte. Die Dorsalansicht Hess deutlich die durch einen tiefen Ein- schnitt getrennten Hirntheile erkennen; bei beiden Hirnrohren waren die drei primitiven Hirnbläschen gut entwickelt. Die Ventralansicht des Kopfes (Fig. 8 B, Taf. IX) zeigt jedoch nur eine einheitliche Gesichtsanlage; die primitive Mundbucht ist bereits gebildet, der erste Kiemenbogen und sein Oberkieferfortsatz tritt deutlich hervor; ober dem letzteren liegt jederseits die wulstige Vorwölbung eines jeden Gehirnrohres, in welcher ein kleines Grübchen sich befindet; ob letzteres das Linsengrübchen dar- stellt oder vielleicht das Riechgrübchen, muss ich unentschieden lassen. Im ersteren Falle wären die beiden Vorwölbungen als Augenblasen, im letzteren als Hemisphären- blasen aufzufassen. In beiden Fällen würde jedes der genannten Gebilde von je einem Gehirnrohre entstanden sein. Die Kopfdarmhöhle ist einheitlich; ebenso das Herz, dessen Schlinge nach rechts sieht; die Beckendarmhöhle ist schon ziemlich entwickelt. Die Area pellucida hat sich ziemlich gleichmässig erweitert; die Area vasculosa ist annähernd rundlich und besitzt einen Durchmesser von 22 — 25 Mm. Nr. 17. Das Ei wurde am fünften Tage der Bebrütung untersucht. Es ent- hielt einen Embryo, dessen Entwicklungsstadium etwa dem Ende des dritten oder dem Anfang des vierten Tages bei normaler Bebrütung entsprach. Das Herz pulsirte Lebhaft; die I'Atromitätenanlagen sind bereits vorhanden, ebenso die Kiemenbogen und Kii'iiif'iispiihcn, die Ohrgrübchen, die Rfeehgrübchen , die Ilemisphärenbläschen; auch die Allantoiflblase hat Bich s.hon vorgewölbt. Die genannten Organe sind Bämmtlich normal entwickelt. Der Embryo liegt mit seiner linken Kopfseite der Keimhaut auf; seine Körperlänge y»»in S.heitelhöeker bis zum Beckenende gemessen, beträgt 7,5 Mm. Demnach slimnii dieselbe mit der Entwicklungsphase des Embryo so ziemlich liberein. — 127 — Die Anomalie der vorliegenden Keimhaut beruht in dem vollständigen Mangel des Amnion. Die Keimhaut hatte schon den grösseren Theil des Eies umwachsen. Der Durchmesser der Area vasculosa beläuft sich auf 28 — 30 Mm. Nr. 18. Das Ei wurde am fünften Tage der Bebrütung geöffnet. Seine Keimhaut besass einen Embryo , welcher fast gleich weit entwickelt war , wie der soeben beschriebene. Auch hinsichtlich seiner Körperlänge stimmt er mit dem letzteren überein ; ebenso in der Ausbildung des Kopfes, der Extremitäten etc. Eine Allantoisblase ist dagegen noch nicht erkenntlich. Ferner ist die sehr starke Nacken- krümmung hervorzuheben, welche der Embryo zeigt. Auch bei der in Rede stehenden Keimhaut betrifft die Unregelmässigkeit der Entwicklung nicht den Embryo, soüdern das Amnion. Dasselbe hat zwar angefangen, sich zu entwickeln, indem eine kleine vordere und hintere Amnionfalte unschwer zu beobachten ist , scheint jedoch sehr frühzeitig aufgehört zu haben , sich weiter aus- zubilden. Die Entfernung der beiden sehr kleinen Amnionfältchen von einander beträgt etwa 5 Mm. Das vordere befindet sich in der Höhe des Herzens und ist von dem Abschnitt des Embryonalkörpers bedeckt, welcher zwischen der Nacken- krümmung und den vorderen Extremitäten anlagen gelegen ist; das hintere Amnion- fältchen wird von dem hintersten Theile des Beckenendes eben noch überdeckt. Die beiden Amnionfalten , welche ihrer Ausbildung nach einem viel Jüngern Embryo entsprechen , sind gewissermassen markirte Stellen der Keimhaut , deren Lage- beziehungen zu dem Embryo das nach vorwärts gerichtete Wachsthum desselben sehr gut illustriren. Die Keimhaut verhält sich hinsichtlich ihrer peripheren Ausdehnung wie die des vorigen Falles; sie hat ebenfalls den Aequator der Dotterkugel bereits über- schritten. Der Durchmesser der Area vasculosa beträgt circa 30 Mm. Nr. 19. Das Ei wurde am sechsten Tage der Bebrütung geöffnet. Es enthielt einen Embryo (Fig. 9 A und B, Taf. IX), welcher seiner Entwicklung nach sämmt- liche bisher besprochenen übertrifft, indem sowohl die Allantoisblase sich schon stark ausgedehnt hat, als auch die Extremitäten in ihrer Ausbildung ziemlich weit fort- geschritten sind. Seine Lage auf der Keimhaut ist eine sehr ungewöhnliche. Der- jenige Körperabschnitt , welcher von der stark ausgeprägten Nackenkrümmung bis zum hinteren Embryonalende reicht, liegt mit seiner linken Seite der Keimhaut auf und wendet die rechte dem Beschauer zu, während der vor der Nackenkrümmung befindliche Körperabschnitt, welcher mit dem ersteren einen rechten Winkel bildet, sich so um seine Längsaxe nach rechts gedreht hat, dass das Gesicht nach unten, und die Dorsalseite nach oben gekehrt ist. Der Kopf des Embryo ist verbreitert und missgestaltet. Eine von der Scheitelgegend aus einschneidende Spalte zerlegt ihn in zwei Hälften, die aller Wahrscheinlichkeit nach zwei Hirnrohren entsprechen. Die Verdoppelung reicht jedoch nicht sehr weit nach hinten; die Gegend des ^Nach- lürns ist zwar noch etwas verbreitert, doch ist sie unstreitig einfach vorhanden. Ebenso ist die untere Gesichtshälfte einfach, indem eine einheitliche Mundbucht vor- liegt, die seitlich von je einem Oberkieferfortsatz, unten von dem ersten Kiemenbogen umgrenzt wird. Die obere Gesichtshälfte wird dagegen durch die erwähnte, bis nahe an die Mundbucht vordringende Spalte in zwei Abtheilungen gebracht; dicht neben dieser Spalte liegt jederseits ein Bläschen, welches ich für ein Hemisphärenbläschen zu halten geneigt bin , während mir die beiden lateralen Bläschen, von denen ein jedes nach aussen und hinten von der Mundbucht liegt*, rücksichtlich ihrer Deutung nicht ganz klar geworden sind. Die Kiemenbogen und Kiemenspalten verhalten sich normal, ebenso das Herz, — 128 — welches, als das Ei eröffnet wurde, lebhaft pulsirte und verhältnissmässig lange seine Contractionen fortsetzte, jedoch bei Weitem nicht so lange, wie bei dem unter Nr. 16 angeführten Embryo. Was die Grössenverhältnisse des Embryo anlangt, so ist der Abschnitt des Embryonalkörpers zwischen der Nackenkrümmung und dem Beckenende 8 Mm., der übrige Theil, von der Nackenkrümmung bis zur Spalte der Scheitelgegend 5 Mm. lang. Die Bildung des Amnions ist gänzlich unterblieben. Die Allantois dagegen ist im Auswachsen begriffen. Die Dimensionen der gesammten Keimhaut, sowie der Area vasculosa zeigen ein ähnliches Verhalten, wie bei den zwei letzten Keimhäuten. In Rücksicht auf die Keimhäute der sieben Eier, von denen oben be- merkt wurde, dass ihre nur geringgradigen Forniab weichungen nicht absolut auf Rechnung des experimentellen Eingriffs gesetzt zu werden brauchen, in- dem sie vielleicht auch ohne diesen eingetreten wären, möchte ich noch er- wähnen, dass die meisten derselben Entwicklungsstadien darboten, welche der Anlage der Rückenfurche vorausgeben. Bei mehreren von ihnen war der Primitivstreifen nur sehr schwach entwickelt und von geringer Länge; auch die Area pellucida war verhältnissmässig klein. Zwei Keimhäute gehörten etwas älteren Entwicklungsphasen an ; bei der einen lag eine geringe Unregel- mässigkeit im Schluss des Medullarrohres, bei der andern ein, wie mir schien, etwas verbreitertes Kopfende vor. Die in Vorstehendem genauer beschriebenen 19 Keimhäute lassen sich hinsichtlich ihrer Entwicklungszeit am besten in 3 Abtheilungen bringen; die ersten 7 Keimhäute fallen in die Zeit der Anlage und Ausbildung des Primitiv- streifens und seines Kopffortsatzes; die folgenden 6 Keimhäute (Nr. 8 — 13) gehören einer Entwicklungszeit an, welche mit dem Auftreten der Kopffalte anfängt, und mit dem vollständigen Schluss des Medullarrohres beendet ist; die letzten 6 Keimhäute dagegen (Nr. 14—19) befinden sich in einer noch späteren Periode der Entwicklung, welche mit dem vollendeten Schlüsse des Medullarrohres beginnt. Unter den sämmtlichen 19 Keimhäuten sind es nur 2, bei denen eine unbestrittene, vordere Verdoppelung erzielt worden ist; die eine unter Nr. 3 aufgeführte (Fig. 3, Taf. VIII) gehört der ersten Abtheilung an, und zeigt einen in seinem vorderen Drittheil verdoppelten Primitivstreifen; die zweite Keimhaut Nr. 16 (Fig. 8, Taf. IX) repräsentirt dagegen eine viel spätere Entwicklungsperiode, und lässt ein zweifaches Hirnrohr auf das Deutlichste erkennen. Diesen zwei Fällen schliessen sich die Keimhäute Nr. 9, 15 u. 19 (Fig. 2, Fig. 7 und Fig. 9, Taf. IX) an, bei denen eine theilweise Verdop- pelung des Kopfendes für wahrscheinlich erachtet werden muss. Es folgen dann die Keimhäute Nr. 10 und 11 (Fig. 3 und 4, Taf. IX) mit ausge- sprochener Verbreiterung des vordersten Abschnittes des Medullarrohres, sowie des ganzen embryonalen Kopfendes, während in Nr. 12 u. 13 (Fig. 5 u. 6, Taf. IX) vermuthlich die gleiche Ursache zu den Unregelmässigkeiten in der Schliessung und der Form des Hirnrohres geführt hat. Wenn man die an- geführten Abnormitäten des embryonalen Kopfendes überblickt, welche in Folge der angewandten Methode sich einstellten, so will es mir scheinen, als ob der experimentelle Eingriff bei den einzelnen Keimhäuten die Embryonal- — 129 — entwicklung in verschieden hohem Grade beeinflusst haben. So viel geht meiner Ansicht nach aus den erhaltenen Resultaten hervor, dass es in den bezeichneten Fällen gelungen ist, die Embryonalanlage von der Medianlinie mehr oder weniger abzuziehen; am vollkommensten in den zwei Keimhäuten, welche eine Bifurcation des vorderen Embryonalendes aufweisen, weniger gut in den Keimhäuten, bei denen nur eine Verbreiterung des Kopfendes einge- treten ist, welche ja ebenfalls auf einem nach beiden Seiten hin gerichteten grösseren Wachsthum und Volumzunahme beruht. Somit haben meine Ex- perimente ein entschieden positives Resultat ergeben, das allerdings hinsicht- lich der Regelmässigkeit seines Eintreffens und der minimalen Anzahl wirklich erzielter vorderer Verdoppelungen noch sehr zu wünschen übrig lässt. Zieht man jedoch den Umstand in Betracht, dass bei meinen Experimenten ein Verfahren befolgt wurde, welches noch sehr der Verbesserung bedarf, indem sowohl das Ueberfirnissen exacter vorgenommen werden kann, als auch die Stellen der Schale, welche ungefirnisst bleiben müssen, noch präciser festzustellen sind, so wird man zu dem Schlüsse gelangen, dass an eine noch relativ unvollkommene Methode, wie die von mir ausgeübte, auch noch keine zu grossen Anforderungen gestellt werden dürfen. Diejenigen Keimhäute, bei denen eine Duplicitas anterior wirklich auf- getreten ist, berechtigen jedenfalls zu der begründeten Hoffnung, dass man auf dem zur Erzeugung dieser Missbildung eingeschlagenen Wege schliess- lich das gewünschte Ziel erreichen werde. Es wird darum bei einer etwaigen Wiederaufnahme meiner Versuche vor allen Dingen nöthig sein, die Methode möglichst zu vervollkommnen. Leider ist gegenwärtig meine Zeit durch ander weitige Verpflichtungen so in Anspruch genommen, dass es sich nicht voraussagen lässt, wann es mir möglich sein wird, die in Rede stehenden Untersuchungen weiter zu führen. Sollte dies von anderer Seite unternommen werden, so würde es mich sehr freuen, hiezu die Anregung gegeben zu haben , und ich möchte daher an diesem Orte nicht unterlassen, auf einige Momente, welche bei einer Wiederholung und Verbesserung meines Verfahrens in erster Linie berücksichtigt werden müssen, aufmerksam zu machen. Was zunächst die ungefirnisst zu lassenden Stellen der Eischale anlangt, so wird zu prüfen sein, ob statt der Y- und V-förmigen Figuren nicht besser an den Enden der 3 Schenkel des Y liegende rundliche oder längliche Bezirke der Schale vom Firnissüberzuge befreit bleiben. Ferner muss ausfindig ge- macht werden , welche Distanz die ungefirnissten Stellen von einander haben müssen, damit der Versuch das bestmögliche Resultat liefere. Ausserdem wäre nachzusehen, ob nicht durch Abfeilen der freibleibenden Stellen, wodurch die Schale verdünnt und damit der Luftzutritt in das Eiinnere an den be- treffenden Orten vermehrt wird, sich günstigere Ergebnisse erzielen lassen. Auch auf die Zeit, welche von dem Legen der Eier bis zum Beginn der Bebrütung verstreicht, muss Acht gegeben werden, was ich bei den bisherigen Versuchen zu meinem Bedauern versäumt habe. Es ist denkbar, dass in einer bestimmten Zeit nach dem Legen die Eier sich in den für das Gelingen der Experimente günstigsten Zuständen befinden^ wenngleich vieles dafür spricht, dass frische Eier geeigneter sind, als ältere. Endlich muss bei der Lagerung der Eier darauf gesehen werden, dass ihre Längsaxe genau hori- Gerlach, Eutslehuugsweise der Doppelmissbildungen. 9 — 130 — zontal verläuft. Dass man bei dem Bezeichnen der frei zu lassenden Stellen, sowie bei dem Ueberfirnissen der Eischale exact zu Werke gehen muss, habe ich oben bereits angedeutet. Ausser den schon genannten Abnormitäten des Kopfendes wird man bei der Durchmusterung der 19 Keimhäute ein anormales Verhalten des hinteren Embryonal endes als ein relativ häufiges Vorkommniss constatiren können. Ich habe hier die Anschwellungen des Primitivstreifens im Sinne, welche sowohl bei den Keimhäuten der ersten als der zweiten Abtheilung mehrfach zu finden sind. Bei den ersteren sind es, wie die Keimhäute 5, 6 und 7 (Fig. 5, 6, 7, Taf. VIII) zeigen, nur partielle Intumescenzen des Primitiv- streifens, welche mehr dessen hintere Abschnitte betreffen und in Form von zapfenartigen Wucherungen aufgetreten sind. Bei den etwas älteren Keim- häuten der zweiten Abtheilung und zwar bei Nr. 8 und 9 (Fig. 1 und 2, Taf. IX) stellt sich der ganze Primitivstreifen als eine längliche, wulstförmige Verdickung dar. Diese Befunde, welche auf einer im hinteren Embryonal- bezirke abnorm gesteigerten Vermehrung und Wucherung der Keimhautzellen beruhen, scheinen mir sehr dazu angethan, die Richtigkeit der Voraussetzungen, welche bei dem Firnissen der Eioberfläche massgebend waren , zu beweisen. Dadurch, dass die SauerstofFquelle dem hinteren Theile der Keimscheibe am nächsten lag, musste hier vor Allem eine erhöhte Vermehrung der Zellen verursacht werden. Dass auch in den Keimhäuten der dritten Gruppe nicht ähnliche Befunde zur Beobachtung kamen, dürfte darin seinen Grund haben, dass späterhin mit der Ausbildung des ersten Blutkreislaufes die durch den experimentellen Eingriff bedingte, bessere Versorgung des hinteren Keim- hautbezirkes mit Sauerstoff mehr und mehr aufgehoben wird; ferner wird der angeschwollene Primitivstreifen, wenn sich über seinem vorderen Theile das Medullarrohr schliesst, und wenn die Beckenkrümmung auftritt, unsicht- bar werden müssen. Dass ausserdem auch eine Rückbildung des abnorm verdickten Primitivstreifens in den späteren Entwicklungsstadien eben so gut eintritt, wie wenn derselbe normal gebildet wäre, ist wohl ohne Weiteres anzunehmen. Ich möchte fernerhin als ein Ergebniss meiner Experimente den Um- stand hervorheben, dass bei den meisten Keimhäuten die Grösse und Länge der Embryonalanlage oder des Embryo hinter der Norm zurückgeblieben ist, und zwar ist diese Differenz in einigen Fällen eine sehr beträchtliche. Auch an dieser Erscheinung kann nur der experimentelle Eingriff Schuld sein, in Folge dessen die vorderen Keimhautbezirke und später die vorderen Theile des Embryo während der ersten Entwicklungszeit nur mangelhaft mit Sauer- stoff versorgt wurden. Auch in späteren Entwicklungsperioden konnte der erste Blutkreislauf wegen des durch die Firnissüberzüge behinderten Gasaus- tauschea die zur Vermehrung der Zellen nöthigen Bedingungen nur unvoll- kommen herstellen. Dadurch musste das Wachsthum des Embryo verringert werden, während die Formbildung andererseits, für welche die geringe Zell- rermehrang ausreichte! ihren Fortgang nahm. Es liegen demnach hier Ver- hältnisse vor, welche eine ähnliche Incongruenz der formativen und Wachs- thums- Vorgänge bei der Embryonalentwicklung nach sich ziehen, wie sie Dareste durch eine etwas liher die Norm erhöhte Brütetemperatur zu Stande — 131 — # gebracht hat, was bereits früher eingehender besprochen wurde. Aller Wahr- scheinlichkeit nach ist durch die Behinderung der Respiration, welche man durch zweckmässig ausgeführtes Firnissen von Theilen der Eischale bewirken kann, ebenso gut eine Zwergbildung des Hühnchens zu erzielen, als durch Steigerung der Brütetemperatur. Ein wichtiger Unterschied zwischen diesen beiden Methoden, durch welche sich in der erörterten Weise die normale Ent- wicklung modificiren lässt, muss jedoch betont werden. Während eine etwas über die Norm erhöhte Brütetemperatur die formativen Vorgänge ungemein beschleunigt und andererseits das Wachsthum verringert, übt die Behinderung der Respiration auf beide Processe in der Weise ihren Einfluss aus, dass so- wohl das Wachsthum reducirt, als die Formation sehr retardirt wird. Letz- teres kann man an den Embryonen der 19 Keimhäute sehr gut constatiren, welche fast ausnahmslos die der jeweiligen Brütedauer entsprechenden Ent- wicklungsstadien noch lange nicht erreicht haben. Von Interesse scheint mir ferner das gänzliche Fehlen oder die nur sehr rudimentäre Ausbildung des Amnions zu sein, was bei den der dritten Abtheilung angehörenden Keimhäuten durchweg zu beobachten war. Den Grund dieser Entwicklungshemmung stelle ich mir in der Weise vor, dass in Folge der durch das Ueberfirnissen erschwerten Respiration an den be- treffenden Keimhautstellen keine so lebhafte Zellvermehrung stattfand, wie sie für die Ausbildung und rasche Vergrösserung des Amnions erforderlich ist. In besonders günstigen Fällen, wie bei der Keimhaut Nr. 18, konnten sich vielleicht Amnionfalten anlegen; dieselben mussten jedoch aus den ge- nannten Gründen sehr bald ihr Wachsthum einstellen, was dazu führte, dass sie von dem sich vergrössernden Embryo späterhin überdeckt wurden. Aus dem Fehlen oder der baldigen Sistirung der Amnionbildung ist zu folgern, dass der unter den obwaltenden Verhältnissen in nur massiger Quantität zu der Keimhaut gelangende Sauerstoff fast ausschliesslich der Embryonalbildung selbst zu Gute kam. Diese konnte durch den experimentellen Eingriff zwar bedeutend retardirt werden — auch das embryonale Wachsthum Hess sich beschränken — dagegen konnte nur in vereinzelten Fällen die Entwicklung gänzlich hintangehalten oder bereits in einem sehr frühen Stadium zum Still- stand gebracht werden. Allein auch in diesen wenigen Fällen kann es sich um solche Eier gehandelt haben, die mir ausnahmsweise nicht ganz frisch mehr zukamen, und die vielleicht schon 2 — 3 Wochen alt geworden waren, ehe sie in den Brütofen gebracht wurden, wesshalb sie bereits ihre Entwick- lungsfähigkeit mehr oder minder eingebüsst hatten. In dieser Weise erkläre - jch mir die Beschaffenheit der Keimhaut Nr. 1 , deren Area pellucida keine Embryonalanlage enthält. Die Keimhaut war, als ich das Ei untersuchte, ihrem Aussehen nach noch nicht abgestorben, gehörte aber vermuthlich einem älteren Ei an, dessen ohnehin durch die Länge der Zeit geschwächtes Ent- wicklungsvermögen unter der Einwirkung des experimentellen Eingriffes nicht mehr im Stande war, die Bildung des Embryo einzuleiten. Es konnte zwar in diesem Falle in Folge der Brutwärme eine langsame Vermehrung der Zellen, wozu der in das Ei tretende Sauerstoff xeben noch hinreichte, und somit eine Ausdehnung der Blastoderma erfolgen, aber zu einer energischeren Zellwucherung, wie sie die Anlage des Primitivstreifens erheischt, waren die — 132 — nöthigen Bedingungen nicht gegeben. Vielleicht ist die kleine rundliche Ver- dickung, welche in der Nähe des Randes der Area pellucida in letzterer auf- getreten ist, gewissermassen als ein schwacher, bald aufgegebener Versuch zur Bildung eines Primitivstreifens aufzufassen, dessen regelrechtes Entstehen unter den obwaltenden ungünstigen Verhältnissen unmöglich war. Dass in den wenigen Fällen der ersten Abtheilung (Keimhaut Nr. 1; 2 und 4, Fig. 1, 2 und 4, Taf. VIII) das Ausbleiben resp. das frühzeitige Aufhören der Entwicklung des Embryo nur zum geringsten Theile durch den Firnissüberzug bedingt worden ist, geht auch aus dem Umstände hervor, dass bei einem Drittheil der zu den Versuchen benutzten Eier, wenn wir von dem mehrfach beobachteten geringeren Embryonal wachsthum absehen, die Entwicklung keinerlei Störung erlitt. Diese Thatsache, dass in 20 Eiern keine Bildungsanomalien zu bemerken waren, während doch in den anderen Eiern sich dieselben in verschieden hohem Grade einstellten, beweist aufs Neue, dass bei der Entwicklung der Embryonen eine Reihe von individuell variablen Factoren mitspielt, welche in Betracht zu ziehen sind, wenn man auf experimentellem Wege die Embryogenese modificiren will. Erst dann, wenn diese Factoren durchaus oder wenigstens zu ihrem grössten Theile er- kannt sind, wird man hoffen dürfen, dass die künstliche Erzeugung von Bildungsanomalien einigermassen constante Resultate erzielen werde. Ich habe schon zu wiederholten Malen auf das Alter der Eier hingewiesen, welchem meiner Ansicht nach die bei den einzelnen Eiern bestehenden Ver- schiedenheiten der Entwicklungsbedingungen hauptsächlich zuzuschreiben sind. Je länger das Ei bereits gelegt ist, desto mehr dehnt sich die Luftkammer aus. Es bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung, dass die von mir ge- übte Methode der partiellen Firnissüberzüge bei einem frisch gelegten Eie ganz andere Folgen haben muss, als bei einem älteren Eie, dessen Luftkammer schon geräumiger geworden ist. Bei dem ersteren treffen alle jene früher erörterten Voraussetzungen zu, indem der Sauerstoff nur durch die ungefir- nissten Stellen der Eischale hindurch zu der Keimscheibe gelangen kann; bei dem letzteren jedoch haben wir in der Luftkammer, deren Luft nach den Erfahrungen von Baudrimont und Martin-Saintw- Ange einen grösseren Sauerstoffgehalt besitzt, wie die äussere Atmosphäre, eine im Eiinneren selbst befindliche Sauerstoffquelle, deren Vorhandensein die durch den experimen- tellen Eingriff beabsichtigten Einwirkungen auf die Entwicklung der Keim- scheibe bedeutend abschwächen oder vielleicht gänzlich eliminiren muss. Leider sind mir diese Ueberlegungen erst nach Abschluss meiner Versuche gekommen, und ich muss daher sehr bedauern, über das Alter der zu meinen Experimenten benutzten Eier keine Angaben machen zu können, da ich das- selbe, damals nicht berücksichtigt habe. Es scheint mir jedoch recht gut möglich, dass jene 20 Eier, welche normale Embryonen enthielten, bereits einige Tage gelegen hatten, ehe sie in den Brütofen kamen und es ist viel- leicht auf diesen Umstand das negative Ergebniss der diesbezüglichen Ver- suche in erster Linie zurückzuführen. Schliesslich möchte ich noch einer mehr physiologischen Beobachtung gedenken, welche ich bei meinen Untersuchungen zu machen Gelegenheit hatte. Dieselbe betrifft die ungemeine Lebenszähigkeit der unter erschwerten — 133 — * Respirationsverhältnissen befindlichen Embryonen. Zeugniss davon gibt das stundenlange Andauern des Herzschlags, welches bei dem monströsen Doppel- embryo Nr. 16 beobachtet werden konnte. Dass die Herzen von Hühner- embryonen nach Entfernung der Eier aus dem Brütofen im Innern derselben lange Zeit noch in Action bleiben, ist eine bekannte Thatsache ; auf derselben beruhen unter anderem die früher erwähnten Versuche Panum's, welcher zur Her- stellung von Missbildungen die Eier aus dem Brütofen auf einige Zeit herausnahm, sie abkühlen Hess und dann wieder in die Brut wärme zurückbrachte. Es ist ferner in neuerer Zeit durch mehrfache Erfahrungen bestätigt worden, dass auch dem menschlichen Fötus ein relativ hoher Grad von Lebenszähigkeit zukommt. So konnte Pflüger x), welcher einen menschlichen Embryo von etwa 18 — 20 Tagen, den er erst spät am Abend erhalten, während der Nacht in einem kalten Zimmer aufbewahrt hatte , am anderen Morgen bei Untersuchung derselben noch in Pausen von je 20 — 30 Secunden wiederkehrende Herzpulsationen wahrnehmen. In ähnlicher Weise konnte Rawitz 2) bei einem älteren 8 Ctm. langen menschlichen Fötus (das denselben enthaltende in toto abortirte Ei hatte einen Durchmesser von 11 Ctm.) volle vier Stunden hindurch den Herz- schlag studiren. Ich selbst habe im vergangenen Sommer in Folge der Liebenswürdigkeit eines mir befreundeten Collegen, der mir kurz nach dem stattgefundenen Aborte einen menschlichen Fötus von 10 lU Ctm. Kopfsteiss- länge brachte, die Contractionen des Herzens etwa drei Stunden nach der Ausstossung des Embryo noch in vollem Gange wahrgenommen. Man kann somit in der aus dem langen Anhalten des Herzschlages zu folgernden Lebenszähigkeit der Embryonen von Warmblütern, so interessant dieselbe auch an und für sich ist, keine allzu überraschende Erscheinung mehr erblicken, da ja zu wiederholten Malen auf dieselbe hingewiesen worden ist. Dagegen ist die Thatsache, dass Hühnerembryonen, welche während der Bebrütung unter Respirationsbehinderungen zu leiden hatten, eine viel bedeutendere Lebenstenacität aufweisen, wie normale unter gewöhnlichen Ver- hältnissen bebrütete Embryonen bisher noch nicht beobachtet worden. Die- selbe scheint mir aber in mancher Hinsicht beachtenswerth. Dass die in Rede stehende grössere Widerstandsfähigkeit sich erst im Laufe der Ent- wicklung ausbildet und demnach als eine erworbene Eigenschaft aufzufassen ist, ergibt sich aus der einfachen Ueberlegung, dass Hühnerembryonen, welche sich unter normalen Bedingungen entwickeln, diese gesteigerte Lebenszähig- keit nicht besitzen. Ihr Auftreten scheint somit mit der Anpassung des Embryo an die durch den äusseren Eingriff gesetzten ungünstigen Entwick- lungsbedingungen Hand in Hand zu gehen. Meiner Ansicht nach erhält der Embryo das Vermögen, den seine Existenz und Fortbildung bedrohenden schädlichen Einflüssen, die von aussen her auf ihn einwirken, möglichst Stand zu halten, nur durch eine vermehrte Leistungsfähigkeit des Herzens, indem das letztere durch eine kräftigere und beschleunigtere Action die erwähnten Schädlichkeiten bekämpft. Es handelt sich demnach um eine „functionelle *) Pflüger, Die Lebenszähigkeit des menschlichen Fötus. Pflüger's Archiv Bd. XIV, pag. 628, 1877. 2) Rawitz, Die Lebenszähigkeit des Embryo. Archiv für Anatomie und Physio- logie 1879, pag. 69. — 134 — Anpassung a Seitens des embryonalen Herzens in dem Sinne, wie sie von Roux1) in seinem unlängst erschienenen Buche eingehend erörtert worden ist. Dieses erhöhte Leistungsvermögen des Herzens wird bei dem aus dem Ei entfernten Embryo eben durch die grössere Widerstandsfähigkeit mani- festirt, welche sich in der langen Andauer der Herzschläge kundgibt, auf welche sogar eine allmählige Abkühlung bis auf etwa 18 — 20 ° C. nur wenig verlangsamend einwirkte. Durch die functionelle Anpassung des embryonalen Herzens an den in Folge des Ueberfirnissens eintretenden Sauerstoffmangel und die daraus resul- tirende gesteigerte Functionsfähigkeit desselben erklärt es sich auch, wess- halb die unter so ungünstigen Verhältnissen befindlichen Embryonen verhält- nissmässig lange Zeit am Leben bleiben können, was durch meine Versuche festgestellt worden ist. Es wäre jedenfalls eine lohnende Aufgabe, den Ein- fluss der Firnissüberzüge auf die Herzthätigkeit der sich entwickelnden Em- bryo genauer zu studiren, was mir bei meinen Experimenten ferner lag, und desshalb nur beiläufig berücksichtigt wurde. Nach den Erfahrungen der Teratologie scheint es äusserst wahrschein- lich, dass bei missbildeten Embryonen eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Herzens häufig auftritt, und zwar überall da, wo die dem Herzen zuge- messene Aufgabe anwächst. Es ist ja bekannt, dass Embryonen von der höchsten Verunstaltung, die wegen des Fehlens der wichtigsten Organe absolut unlebensfähig sind, nicht selten bis an das Ende der intrauterinen Entwicklung gelangen. Dies wäre geradezu unmöglich, wenn nicht bei diesen Monstrositäten die Herzthätigkeit eine ungemein lebhafte wäre, indem gerade dieses Organ, da es fortwährend thätig ist, eine Ausbildung erfährt, welche zu der der anderen Organe bedeutend contrastirt, welche aber auch ein ver- mehrtes Leitungsvermögen zur Folge haben muss. Unter Bezugnahme auf die Ergebnisse meiner Experimente, welche ich vorstehend geschildert habe, möchte ich zum Schlüsse dieses Capitels noch die Methode, welche dabei befolgt wurde, einer kurzen Besprechung und Kritik unterziehen. Einen glänzenden Erfolg hat dieselbe, wie ich gerne zu- gebe, bis jetzt noch nicht aufzuweisen, denn dazu ist die Zahl der wirklich erzielten Doppelmissbildungen eine viel zu geringe. Doch steht zu erwarten, dass eine systematisch vorgenommene Verbesserung meines Verfahrens dazu führen wird , dass auch die Resultate regelmässiger eintreffen werden. Ich habe bereits oben angegeben, welche Vorversuche anzustellen sind, und nach welcher Richtung hin experimentirt werden muss, um zu einer vollkommeneren und exaeteren Handhabung der Methode zu gelangen. Dass dieselbe wirk- lich leistungsfähig ist, beweisen die, wenn auch nur wenigen, vorderen Ver- doppelungen, welche in den gefirnissten Eiern sich entwickelt haben. Unmög- lich können dieselben rein zufällige sein, denn wie sollten bei der ungemein grossen Seltenheit der Duplicitas anterior bei Hühnerembryonen diese gerade in den zu den Versuchen gebrauchten Eiern, deren Zahl je eine relativ ge- OjW. Uoiix. Der Kampf der Theile im Organismus, 1881. — 135 — ringe ist, wiederholt zur Beobachtung kommen, während ich die gleiche Form der Missbildung ausserdem niemals wahrnehmen konnte, trotzdem ich bei meinen entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen die Keimhäute von mehr als 1000 Eiern, welche die verschiedensten Stadien der Ontogenese darboten, zu prüfen Gelegenheit hatte. Es steht somit fest, dass die experimentelle Abänderung der normalen Bebrütung die Veranlassung zu dem Auftreten der angestrebten Doppelmissbildung gegeben haben muss. Es wurde durch die Beschränkung des Luftzutrittes in das Eiinnere auf bestimmte Stellen der Schale die nach vorne sich verlängernde Embryonalanlage aus der Median- linie des Fruchthofes nach den beiden Seiten hin, wo mehr Sauerstoff zu den Keimhautzellen gelangen konnte, abgezogen und dadurch eine Bifurcation derselben zu Stande gebracht. Auch einer anderen Anforderung, welche ich an meine Methode stellte, ist dieselbe gerecht geworden. Durch die mehrfach beobachtete stärkere Aus- bildung des hinteren Theiles der Embryönalanlage ist der Beweis erbracht worden, dass wirklich durch die auf bestimmte Stellen der Keimhaut vorzugs- weise gerichtete SauerstofFzufuhr eine lebhaftere Zellbildung an den betreffen- den Stellen eingeleitet werden kann. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Entwicklung sich in der er- örterten Weise nur in den frühesten Stadien beeinflussen lässt. Ganz abge- sehen von der Bifurcation, welche zur Zeit des Auftretens der Rückenfurche bereits sich vollzogen haben muss, wird auch eine localisirte stärkere Zellen- wucherung sich nur so lange erzielen lassen, als die Area vasculosa noch nicht ausgebildet ist. Mit dem Zustandekommen des Blutkreislaufes geht auch eine gleichmässige Vertheilung des Sauerstoffes einher. Es empfiehlt sich desshalb, die Eier bereits vor der Bebrütung in der bewussten Weise mit Firniss zu überziehen. Schon nach dem ersten Brütetage hat diese Manipulation keinen Zweck mehr. Durch die mit Hülfe meiner Methode gewonnenen Resultate ist auch die Art und Weise, wie eine Beeinträchtigung der Respiration zu Missbil- dungen führen kann, genauer erkannt worden. Seit den von Geoffroy St. Hilaire, Dareste und Anderen gemachten Erfahrungen, dass durch partielle Firnissüberzüge der Eischale Missbildungen zu Wege gebracht werden können, hat man über die dabei obwaltenden Ursachen nur unbestimmte Muthmassungen hegen können; die eigentlichen causae efficientes, welche die Abweichungen von dem normalen Entwicklungsgang veranlassen, waren nichts weniger als aufgeklärt. Dar est e, welcher nach dem Firnissen des stumpfen Eipols auch mehrfach geringe Missbildungen an den Embryonen selbst vorfand, ist geneigt, die letzteren als secundäre, bedingt durch die Anomalie der Allantois, aufzu- fassen. Bei meinen Versuchen dagegen wurden zweifellos die Störungen der Entwicklung primär hervorgebracht, indem jlie Zellen der Keimhaut in Folge des experimentellen Eingriffs an gewissen Stellen unter bessere, an anderen jedoch unter ungünstigere Existenzbedingungen versetzt wurden. Es liegt desshalb sehr nahe, anzunehmen, dass ähnliche Verhältnisse, wie wir sie künst- lich hervorriefen, indem an bestimmten Bezirkender Eioberfläche für die in das Ei eindringende Luft der Weg offen gelassen, an anderen dagegen ver- sperrt wurde, bei einzelnen Eiern auch schon von vorneherein vorliegen. — 136 — Vielleicht sind es abnorme Verdickungen der Dottermembran, welche Theile der Keimscheibe überdecken, oder locale Verdickungen der Kalkschale in Gestalt von kleinen warzenförmigen Excres.cenzen (Mamillen), welche den Sauerstoffzutritt zur Keimhaut abnorm gestalten. Jedenfalls wird durch die besagten Bildungen an den betreffenden Stellen der eindringenden Luft die Passage erschwert und es kann desshalb zu den allenfalls unter ihnen ge- legenen Keimhautbezirken nur eine geringere Sauerstoffmenge gelangen, als zu anderen Abschnitten des Blastoderma. Es sind daher ganz ähnliche Be- dingungen gegeben, wie bei meinen Versuchen und ich stehe darum nicht an, zu behaupten, dass in solchen Fällen prädisponirende Momente für die Genese von Entwicklungsanomalien oder Missbildungen vorhanden sind. Verwachsung oder Spaltung? Verfolgt man die historische Entwicklung der Anschauungen, welche im Laufe der Zeit über den Bildungsmodus der Doppelmonstra aufgestellt wurden, so wird man finden, dass dieselben nach den jeweiligen Errungen- schaften der normalen Embryogenie zwar verschiedentliche Umgestaltungen erfahren haben, dass in ihnen aber auch heute noch die gleichen principiellen Gegensätze ausgesprochen sind, wie dies in früheren Zeiten der Fall war. Es ist die alte Streitfrage, ob die Doppelmissbildungen durch Verwachsung oder durch Spaltung resp. Theilung entstanden seien, welche noch in den letzten Jahren Gegenstand einer lebhaften Discussion gewesen ist. Es wird daher zunächst meine Aufgabe sein müssen, eine kurze übersichtliche Dar- stellung der beiden sich gegenüberstehenden Theorien zu geben, um sodann im Anschluss an dieselbe, sowie unter Bezugnahme auf die in den voraus- gegangenen Abschnitten mitgetheilten Ergebnisse zu den beiden Theorien Stellung nehmen zu können. Die Verwachsungstheorie, mit der ich beginnen will, reicht bis in den An- fang des vorigen Jahrhunderts zurück. Le*mery scheint der Erste gewesen zu sein, der die Entstehungsweise der Doppelmissbildung aus einer Verschmelzung zweier aus verschiedenen Eiern stammender ursprünglich wohlgeformter Embryonen ableitete; er glaubte, dass dieselbe in Folge einer im Uterus auf die beiden Embryonen einwirkenden Pression zu Stande komme. Indem er diese seine Meinung in der Pariser Academie im Jahre 1724 aussprach, ver- anlasste er in derselben eine sich über eine Reihe von Jahren hin erstreckende Discussion1). Unter Le'mery's Gegnern war es hauptsächlich Winsl-ow, welcher die selbstständige Entstehungsweise einer jeglichen Missbildung ver- trat. Es ist hier daran zu erinnern , dass in der ersten Hälfte des ver- gangenen Jahrhunderts die Präexistenz- oder Evolutionstheorie, wonach der ganze Organismus bereits im Keime vorgebildet sein sollte, noch die allein- herrschende war. Es ist begreiflich, dass mit dieser Theorie im engsten Zu- sammenhang die Meinung stand, dass auch die Missbildungen als Wesen eigener Art bereits im Keime präexistiren sollten. Erst als in Folge der *) In den Memoires de l'Academie des Sciences lässt sich diese Discussion von 1724 bis 1743 verfolgen. — 138 — bahnbrechenden Untersuchungen C. F. Wolffs1) die Theorie der Epigenese begann, die Evolutionstheorie aus dem Felde zu schlagen ; musste auch jene Lehre von der Präexistenz der Monstra fallen. Die Hypothese Lemery's von dem Zusammenwachsen zweier verschie- denen Eiern angehörenden Embryonen hat auch in unserem Jahrhundert Ver- theidiger gefunden; es sind hier vor allem die beiden Geoffroy St. Hilaire zu nennen, welche den bezeichneten Bildungsmodus vertreten. Insbesondere hat der jüngere Geoffroy St. Hilaire in seinen diesbezüglichen Schriften die Verwachsung zweier Embryonen befürwortet. Dieselbe werde jedoch nicht , wie Lemery meint, durch Druckwirkungen von aussen verursacht, sondern sie sei begründet in der Tendenz ähnlicher embryonaler Theile zur Vereinigung, indem die Verwachsung der beiden Componenten zu einer Doppelmissbildung immer gleichartige Regionen und Organe betreffe. Es ist das von Geoffroy St. Hilaire dem Vater aufgestellte Gesetz der Verwandt- schaft des Gleichen zu dem Gleichen (Loi de Paffinite de soi pour soi), welches für die Verwachsung nach Geoffroy St. Hilaire dem Jüngeren mass- gebend ist 2). Auch unter den deutschen Gelehrten besass die Theorie Le*mery's Vertreter; unter diesen führe ich Barkow3) und H. Meckel von Hems- bach4) an, welche sich Beide für eine Verwachsung zweier in verschiedenen Eiern sich entwickelnder Embryonen aussprachen, der Letztere jedoch unter der Modifikation, dass die beiden Eier von einer Zona umschlossen seien. Im Jahre 1855 fand wiederum im Schosse der Pariser Academie eine lebhafte Debatte über die uns beschäftigende Frage statt 5). Auf der einen Seite stehen v. Quatrefages, Serres und J. Geoffroy St. Hilaire, auf der anderen Coste; der Letztere spricht sich für die Bildung eines Doppelmonstrum in einem einzigen Ei aus und bekämpft, hauptsächlich ge- stützt auf die Vorgänge der normalen Entwicklung, die Annahme, dass Doppelmissbildungen sich von zwei Eiern ableiten; ihm gegenüber haben die erstgenannten Gelehrten einen schwierigen Stand, ihre Anschauungen zu ver- theidigen. So sieht sich v. Quatrefages genöthigt, für gewisse Fälle die Zeit der Verschmelzung zweier Eier vor die Befruchtung zu verlegen, während sie dagegen in anderen nach derselben erfolge, wie dies eine von Geoffroy bei einem Hühnchen gemachte Beobachtung beweise. Ueber diesen Fall be- richtet der später sich an der Discussion betheiligende J. Geoffroy St. Hilaire, dass es sich um ein grosses Hühnerei gehandelt habe, welches zwei Dotter enthielt, wie man vor der Bebrütung durch Spiegelung hatte nachweisen können. In demselben entwickelte sich eine omphalopage Doppel- missbildung. !) Wo 1 ff, Theoria generationia 1759. Ferner: De formatione intestinorum in Novi commentarü Academiae sc. Petrop. 17G8 und 1709. T. XII u. XIII, deutsch von Meckel, Balle 1812. *) IsMore Geoffroy Saint- Hilaire. Bistoire generale et particnliere des anomalies de l'organisation chez L'homme et Lee animanx. l'.'iris 1836, T. III, pag. 580. • i Barkow. Monstra animalium duplicia. per anatomen indagata. 4) II. Meckel von Hemsbach. Deber die Verhältnisse des Geschlechtes etc. in Müll. \ m L850. '') Cnni|»l<> II ■ 1 1 • I U - T. \ I.. IS.V». — 139 — In einer etwas späteren Mittheilung legt Coste1) seine Anschauungen ausführlicher dar. Seine Beobachtungen über die Entwicklung der Knochen- fische lassen ihm eine Verschmelzung zweier Dotter als baare Unmöglichkeit erscheinen ; vielmehr hat er bei Knochenfischen eine Doppelbildung innerhalb einer einzigen Keimscheibe mehrmals angetroffen. Zu den gleichen Resul- taten, wie Coste, gelangte Lerebou 11 et 2). Auf Grund seiner Erfahrungen über die Genese von Doppelbildungen des Hechtes spricht sich derselbe dahin aus, dass die zu einem Doppelmonstrum verschmelzenden Embryonen in einem Dotter und einem Keime sich bilden. Auch für die Vögel und Säugethiere Hess sich die ursprüngliche Ver- schmelzungstheorie Lerne ry's nicht mehr lange aufrecht erhalten. Was die Ersteren anlangt, so stellte es sich immer mehr heraus, dass die Ansicht der beiden Geoffroy St. Hilaire, wonach ein Doppelmonstrum nur in einem zwei Dotter umschliessenden Ei entstehen könne, sich nicht mit den beobach- teten Thatsachen vereinigen Hess. Das Ausschlüpfen einer Omphalopagen Doppelbildung aus einem Ei mit zwei Dottern kann, wie ein von Panum beschriebener Fall zeigt3), in der Weise seine Erklärung finden, dass auf einem der beiden Dotter sich zwei Embryonen entwickelt haben, während auf dem anderen die Embryogenese gänzlich unterblieb. Somit kann die oben mitgetheilte Beobachtung Geoffroy St. Hilaire's, sowie anderweitige meist nur ungenaue Angaben über ähnliche Vorkommnisse nicht mehr als ein un- umstösslicher Beweis für die Verschmelzung zweier auf getrennten Dottern entstandener Embryonen angeführt werden. Wohl die meisten Erfahrungen über die Entwicklung von Eiern mit zwei Dottern hat Panum gesammelt4), dem 77 Hühnereier und 3 Gänseeier, welche ein derartiges Verhalten zeigten, zu Gebote standen. Derselbe hat niemals bei Ausbrütung dieser Eier auch nur die geringsten Spuren einer Verwachsung von zwei je einem der beiden Dotter zugehörenden Embryonen constatiren können. Schon aus diesem Grunde musste die Möglichkeit eines derartigen Vorkommens sehr proble- matisch erscheinen. Ausserdem verlor die Theorie Lemery's durch die immer zahlreicher werdenden Angaben über die Entwicklung von zwei Em- bryonen oder einer Doppelmissbildung auf einem einzigen Dotter immer mehr an Wahrscheinlichkeit. Bezüglich der Säugethiere hat schon J. Geoffroy St. Hilaire zuge- geben, dass eine Verschmelzung zweier Embryonen nicht eintreten könne, wenn jeder derselben seine eigenen Hüllen, Amnion und Chorion, oder auch nur ein eigenes Amnion besitze 5). Wäre daher zu jener Zeit die Bildung der Eihüllen so vollständig bekannt gewesen, wie heutzutage, so würde nach der eben citirten Aeusserung Geoffroy selbst nicht mehr daran haben zweifeln können, dass bei Säugern nur für eineiige Zwillingsembryonen eine Verwach- sung anzunehmen sei. Erst mit der Erkenntniss, dass nur solche Embryonen !) Comptes rcndus T. XL, pag. 913, 1855. 2) Comptes rendus T. XL, pag. 854, 910, 1028, 1064. 3) Panum, Untersuchungen über die Entstehung «in- Missbildungen pag. 234 und 238, Taf. XII, Fig. 1-3. - 4) 1. c pag. 215. "') 1. <;. T. III, pag. 529, Anmerkung 2. — 140 — von einer gemeinsamen Amnionhülle umgeben sein können, welche in einem Eie sich gebildet haben, war die Verwachsungstheorie, insofern sie die beiden Componenten einer Doppelmissbildung von verschiedenen Eiern bei den Säuge- thieren und dem Menschen ableitete, als endgültig widerlegt zu betrachten. Man könnte zwar noch zu Gunsten derselben geltend machen, dass bei zwei neben einander im Uterus gelegenen Eiern — ich habe hier hauptsächlich die beim Menschen vorkommenden Verhältnisse im Auge — ein allmähliges Schwinden der die Amnionhöhlen beider Embryonen trennenden membranösen Scheidewand eintreten kann, allein es fällt dies jedenfalls in eine so späte Entwicklungszeit , dass eine Verwachsung der beiden nun in einer gemein- samen Höhle eingeschlossenen Zwillinge unmöglich erscheinen muss. Aus dem Gesagten ist zu ersehen, wie die Verwachsungstheorie allmäh- lich eine andere Fassung erhielt. Es sind nicht zwei in verschiedenen Eiern entstandene Embryonen, sondern eineiige Zwillingsembryonen, deren Anlage gleichzeitig erfolgt und welche mit einander verschmelzen. In dieser Weise stellen sich in unserer Zeit die Anhänger der Verwachsungstheorie die Bil- dung der Doppelmonstra vor. Jeder, der dieser Anschauung huldigt, hat sich wiederum auf folgende Fragen Antwort zu geben: Erstens, wie findet die Anlage von zwei Embryonen innerhalb eines Eies statt, und zweitens, in welcher Ausdehnung, zu welcher Zeit, und wodurch erfolgt die Verschmel- zung der beiden Zwillinge? Es liegt in der Natur der Sache, dass in Bezug auf die letzteren Fragen je nach der Art der resultirenden Doppelmonstra auch Verschiedenheiten hinsichtlich ihres Bildungsmodus obwalten müssen. So müssen z. B. zweifelsohne andere Bedingungen gegeben sein, wenn es zur Genese einer Duplicitas posterior kommen soll, als wenn eine dicephale Missbildung sich entwickelt. Da nun über die ersten Stadien der Doppel- bildung nur bei einzelnen Vertebratenclassen und selbst da verhältnissmässig wenige positive Beobachtungen bis in die letzten Jahre vorlagen, so ist es begreiflich, dass sich die einzelnen Autoren vielfach auf theoretische Erwägungen angewiesen sahen. Ein solches Vorgehen musste aber nothwendiger Weise zu mannigfachen Differenzen der Ansichten hinführen. Ferner waren die thatsächlichen Erfahrungen, welche in Betreff der ersten Anlage der Doppel- bildungen den einzelnen Forschern zu Gebote standen, theilweise dazu ange- than, die schwebenden Controversen womöglich noch verworrener zu machen. Es sind nämlich mehreren Beobachtern Vogeleier zu Gesicht gekommen, deren Dotter zwei getrennte Areae pellucidae aufwies. Diese sind entweder in einer gemeinsamen Area opaca enthalten oder jeder derselben kann von einem eigenen Ringgebiet umschlossen sein. In letzterem Falle besitzt der Dotter zwei getrennte Keimhäute, deren Entfernung von einander wiederum eine wechselnde sein kann. Das Vorkommen von zwei Keimhäuten auf einem einzigen Dotter ist durch die Untersuchungen von Panum und neuerdings durch die von Dareste über allen Zweifel erhoben worden. Es können demnach bei den Vögeln — für die Säugethiere liegen überhanpt noch keine Angaben über das Vorkommen zweier Fruchthöfe auf einer einzigen Keim blase vor — die Doppelembryonen sich in verschiedener Weise anlegen, ent- weder in einer oder in zwei Areae pellucidae; liegen diese in gesonderten Keimhäuten, so werden sie weiter von einander entfernt sein, und darum — 141 — auch die in ihnen sich bildenden Embryonen einen grösseren Abstand zwischen sich lassen müssen. Man hat demnach in Betreff der Bildung von Doppel- monstra auf die genannten Verschiedenheiten in dem Verhalten der Frucht- höfe Rücksicht zu nehmen , was jedoch von Seiten der Autoren leider viel- fach vernachlässigt worden ist. Dass auch in einem gemeinsamen Fruchthofe die Anlage einer Doppelbildung sich verschieden verhalten kann, brauche ich im Hinblick auf die früheren Capitel nicht näher auseinander zu setzen. Unter den Vertretern der Verwachsungstheorie möchte ich ausser den schon genannten Forschern noch B. Schultze, Panum und Dareste an- führen, deren Ansichten hier noch in Kürze erörtert werden sollen. B. Schultze1) will die Doppelbildungen der Achsenorgane von denen der Extremitäten und sonstigen äusseren oder inneren Organgruppen getrennt wissen, und wendet nur auf erstere den Namen „Doppelmonstra" an. Die Genese derselben führt er in letzter Linie auf eine Duplicität des Keim- bläschens eines Eies zurück. Diese habe das Zustandekommen von zwei Fruchthöfen zur Folge, in denen die Embryonalanlagen gleichzeitig auftreten. Die gegenseitigen Lagebeziehungen der beiden Fruchthöfe mit ihren Em- bryonalanlagen ist für die Form und den Grad der resultirenden Doppel- missbildungen entscheidend. Die berührten Bildungsvorgänge präcisirt Schultze in den nachstehenden Sätzen: „Alle Doppelmonstra entstehen in einem Ei.a „Doppelmonstra entstehen durch gleichzeitige ursprüngliche Differenzi- rung in Eiern, deren Dotter zwei Keimbläschen enthält, von deren grösserer oder geringerer Entfernung von einander der Grad der Duplicität abhängt. a Ferner gebe ich noch von den Resultaten Schultze's, die er am Schlüsse seiner Arbeit zusammengefasst hat, die folgenden wieder: „Liegen zwei getrennte Embryonen auf dem gemeinsamen Dotter so nahe bei einander, dass sie von einem Amnion umhüllt ^werden, so hängt es allein von der erfolgenden oder nicht erfolgenden Trennung des Dotters ab, ob die Embryonen sich zu einem getrennten Zwillingspaar oder zu einem am Bauche verwachsenen einnabligen Monstrum entwickeln. Diese Trennung des Dotters wird stets erfolgen, wenn die Embryonen mit den Köpfen oder Schwänzen gegen einander gerichtet sind, vielleicht nie bei paralleler Axenlage." „Sind dagegen die beiden aus einem Dotter entstandenen Embryonen so weit von einander entfernt, dass über jeden ein eigenes Amnion sich bildet, so findet bei jeder Stellung der Axen diese Trennung des Dotters statt, und es entsteht das vollendetste aller Doppelmonstra, das im gemeinsamen Chorion getrennte Amnion mit vollkommenen Zwillingen enthaltende Ei. So kehrt der höchste Grad monströser Duplicität in seinem Resultat zur Norm zurück. a Während die erste der beiden citirten Abhandlungen Schultze's sich hauptsächlich auf die Säugethiere bezieht, beschäftigt sich die zweite auch eingehender mit der Genese der Doppelmissbildungen bei den Vögeln. Bei diesen entstehen die Doppelmonstra meist in einem Ei, jedoch muss die Möglichkeit zugegeben werden, dass auch zwei Dotter verschmelzen, wodurch l) Ii. Schultze, Ueber anomale Duplicität der Axenorgane. Virchow's Archiv Bd. 7, 1854. Ferner: Sur les Monstres doubles. Comptes rendus 185G, I, Nr. 23. — 142 — die Bildung einer Doppelmonstrosität veranlasst werden könne. Schult ze hat demnaeh den Standpunct von J. Geoffroy St. Hilaire, was die Säuger anlangt, vollständig, dagegen hinsichtlich der Vögel noch nicht so ganz ver- lassen, was nicht sehr auffallend erscheinen kann, da seine zweite Mittheilung vom Jahre 1856 datirt, also nur ein Jahr nach der oben erwähnten Discus- sion in der Pariser Academie erschienen ist. Panum, der sich schon in seinem mehrfach erwähnten Buche für die Verwachsungstheorie günstig geäussert hat, indem er auf Grund seiner Be- obachtungen einer doppelten Keimscheibe auf dem Dotter von Vögeln die Doppelheit der Keimanlage in einer sehr frühen Periode der Eibildung be- ginnen lässt1), hat vor einigen Jahren nochmals der Verwachsungstheorie lebhaft das Wort geredet 2). Seiner Ansicht zufolge sind durch frühere Be- obachtungen die folgenden fünf Puncte unzweifelhaft festgestellt: 1. „Alle Doppelmissbildungen kommen auf einem einfachen Dotter zu Stande, und sie entstehen niemals durch Verwachsung zweier auf verschiedenen Dottern entwickelter Keime, oder durch Verschmelzung zweier in einem Ei vorhandener Dotter. u 2. „In Vogeleiern kommen bisweilen auf einem gemeinschaftlichen Dotter zwei ursprünglich vollkommen getrennte Keimanlagen vor und zwei Embryen, von welchen bisweilen jeder mit seinem eigenen Bluthofe und seinem eigenen Amnion versehen ist, während bisweilen zwei übrigens ganz selbstständige Embryen einen gemeinschaftlichen Bluthof und ein gemein- schaftliches Amnion haben. a 3. „Durch experimentell hervorgebrachte mechanische Spaltungen einer einfachen Keimanlage auf den frühesten Stadien ist niemals eine wirkliche Verdoppelung der Axengebilde oder irgend eines Organes zu Stande ge- bracht worden. a 4. „Es kommen in Fischeiern (und zwar verhältnissmässig häufig) Doppelmissbildungen vor, deren allererste Anlage schon bei Entstehung des Primitivstreifens von Anfang an vorn verdoppelt, hinten aber einfach ist und es ist bei Berücksichtigung etwas weiter entwickelter, aber immerhin noch sehr junger Doppelmissbildungen nicht zu bezweifeln, dass in anderen Fällen schon auf dem Stadium des Primitivstreifens auch hinten verdoppelte, vorn einfache Anlagen zu Doppelmissbildungen vorkommen. a 5. „In allen Fällen, wo es (in Fischeiern) gelungen ist, den Fortgang der Entwicklung an Doppelmi'ssbildungen vom frühesten Beginn, d. h. von der Anlage des Primitivstreifens an während längerer Zeit zu verfolgen, hat es sich immer gezeigt, dass die ursprünglich verdoppelten Partien immer weiter mit einander verwachsen und zu einem einheitlichen Körpertheile ver- schmelzen. Dahingegen hat man niemals eine zunehmende Verdoppelung durch fortschreitende Spaltung eines ursprünglich einfachen Theiles der Körperanlage beobachtet." Die in dem Absatz 5 befürwortete Verschmelzung zweier ursprünglich verdoppelter Partien zu einem einheitlichen Körpertheil leitet Panum haupt- ') 1. c. pag. 242. 2) Panum. Beitrage zur Konntniss der physiologischen Bedeutung der angebornen ttissbildungeu. VTirchow's Archh Bd. 72, 1878, pag. 165. — 143 — 0 sächlich aus den Beobachtungen Lereboullet's ab, welcher an missbildeten Hechteiern, auf denen die Embryonalanlagen vorn und hinten einfach, in der Mitte aber verdoppelt waren, ein allmähliges Zusammenwachsen, sowie schliess- lich eine äusserliche Vereinfachung der mittleren Körpertheile verfolgen konnte. Es handelt sich hier um Missbildungen, welche später Oe 11 acher Terata mesodidyma nannte und deren Genese der letztgenannte Forscher auf eine Spaltung der ersten Embryonalanlage zurückführen möchte. Ich werde später auf die Ansichten Lereboullet's und Oellacher's noch zurückkommen und bemerke hier nur vorläufig, dass den richtigen Bildungsmodus der Terata mesodidyma späterhin Raub er nachgewiesen hat, indem er zeigte, dass die- selben Hemmungsbildungen darstellen. Dass diese Mesodidymi mit ihren mittleren Abschnitten später bei fortschreitender Entwicklung nach und nach verwachsen, und endlich für die äussere Inspection einfach werden , erklärt sich sowohl durch die Volumvergrösserung der ursprünglich doppelten Theile, als hauptsächlich durch das in frühen Entwicklungsstadien vorwiegend statt- findende Längenwachsthum der Embryonen. Hinsichtlich der weiteren in der angegebenen Arbeit Panum's ent- haltenen Ausführungen hebe ich nur noch hervor, dass P an um die verschie- denen Formen der Doppelmissbildungen auf 5 ursprüngliche Hauptstellungen der Primitivstreifen zurückführt ; dieselben können parallel oder winkelig zu einander gestellt sein, oder in einer Linie verlaufen; die beiden letzten An- ordnungen zerfallen in je zwei Unterabtheilungen, indem die Kopfenden der Primitivstreifen entweder einander genähert erscheinen, resp. sich entgegenstehen oder von einander abgewendet sind. Auch eine Kreuzung der Primitivstreifen ist Panum geneigt anzunehmen. Diese verschiedenen Stellungen leitet Panum ab von älteren Missbildungen; er schliesst demnach von den bereits mehr oder weniger ausgebildeten Formationen auf die Anfangsstadien, indem er für diese die gangbaren Begriffe „ Primitivstreifen a verwendet. Wie die Primitivstreifen sich anlegen, darauf geht Panum nicht ein und motivirt dies dadurch, dass über das Stadium der Bildung der Primitivstreifen hinaus die Entstehung der Doppelmissbildungen nicht durch Beobachtungen zu ver- folgen sei. „Wir müssen es daher unentschieden lassen, worauf das abnorme Resultat der Dotterfurchung und der ersten Bildung des Primitivstreifens beruht, ob es, wie B. Schultze vermuthet hat, vom Vorhandensein zweier Keimbläschen oder von einer zu üppigen Bildung und abnormen Verdoppe- lung eines grösseren oder kleineren Theils, der beim Furchungsprocess ent- standenen ersten Urzellen der Keimanlage abhängen mag. Es lässt sich in diesen Fällen oft darüber disputiren, ob es sich hier um ein theilweise ver- doppeltes Individuum handelt, oder um zwei theilweise verkrüppelte Indi- viduen. Man mag das aber auffassen, wie man will, so muss man doch zu- geben, dass in solchen Fällen eine partielle Verdoppelung einer übrigens ein- fachen oder eine partielle Einfachheit einer übrigens doppelten Keimanlage als der erste der Beobachtung zugängliche Ausgangspunct schon von Anfang an, d. h. auf dem Stadium des Primitivstreifens gegeben ista x). Ferner möchte ich darauf aufmerksam machen., dass Panum die Be- ') 1. c. pag. 1G9 u. 170. — 144 — Zeichnung „Primitivstreifen" bei Fischembryonen noch in demselben Sinne gebraucht, wie bei den Vogel- und Säugethierembryonen. Dies ist heutzu- tage nicht mehr zulässig, da durch die neueren embryologischen Untersuchungen festgestellt ist, dass der Primitivstreifen der Vögel und Säuger bei den niederen Wirbelthierclassen kein Analogon hat. Bei den Ersteren ist streng zwischen einer Primitivrinne und einer später auftretenden Medullarrinne zu unterscheiden. Bei den Amphibien und Fischen jedoch bleibt die Bildung der Primitivrinne, da kein Primitivstreifen sich entwickelt, gänzlich aus, und es legt sich sofort die Medullarrinne an. Während für Schultze und Panum bei der Beurtheilung der Tera- togenie der Doppelmissbildungen die normale Entwicklungsgeschichte nicht in erster Linie massgebend war, hat Dareste1), dessen Anschauungen nun dargelegt werden sollen, die normale Embryogenese zum Ausgangspuncte seiner Betrachtungen über die Bildung der Doppelmonstra gemacht. Seine Beobachtungen betreffen ausschliesslich die Classe der Vögel. Nach Dareste entsteht in der Norm der Embryo aus einem homogenen Blastem, welches zwischen den beiden ursprünglichen Blättern der Keimscheibe dem Ektoderm und dem Entoderm in Erscheinung tritt; dasselbe wird als „Disque embryonnaire" bezeichnet. Aus demselben geht der Primitivstreifen und das Gefässblatt hervor: der erstere bildet sich aus den medialen Theilen des Disque, das letztere aus den lateralen. Im Falle einer Doppelmissbildung entstehen in einer einzigen Keimhaut zwei Disques embryonnaires, die not- wendigerweise bei ihrem Wachsthum sich berühren und vereinigen müssen. Aus dieser Vereinigung ergeben sich je nach dem Grade der Entfernung sehr verschiedene Folgeerscheinungen. Sind nämlich die beiden Disques durch eine gewisse Entfernung von einander getrennt, so können sie sich nur mit den Gefässblättern vereinigen; sind sie jedoch einander sehr nahe, so werden diejenigen Theile, welche zu den Primitivstreifen sich umbilden, an einander stossen, und ihre Verschmelzung wird ein Doppelmonstrum hervorbringen. Derartige Vereinigungen können demnach nur in der ersten Entwicklungszeit stattfinden, wenn die Embryonen aus einem noch nicht differenzirten gleich- artigen Zellenmaterial sich aufbauen. Ueber die verschiedenen Arten der Vereinigung gibt Dareste im All- gemeinen an, dass bei einer sehr frühzeitigen Verschmelzung der betreffende Körpertheil vollständig einfach sich gestalten kann; kommt eine solche etwas später zu Stande, so wird der von der Verwachsung betroffene Theil alle möglichen Abstufungen des Doppelseins aufweisen können, wie man sie später an den ausgebildeten Organen desselben wahrnimmt. Das Mitgetheilte lässt bereits den Standpunct erkennen, den Dareste in der uns beschäftigenden Frage einnimmt. Dareste bezeichnet ihn als die Doctrin der primitiven Dualität, versteht aber hierunter etwas ganz anderes wie in früherer Zeit Le"mery. „Ich glaube zwar, wie Le'mery, dass die Doppelmissbildungen aus der mehr oder weniger vollständigen Ver- schmelzung zweier Embryonen resultiren ; aber diese Verschmelzung erfolgt und kann nur erfolgen während der Bildung der Embryonen selbst, und sie 'j ProductioE artificielle < l'ruchtungsvorgang und hiermit implicite eine Doppel- missbildung veranlassen könnte. „Pour ma part je suis dispose* a croire que la condition , qui de*termine l'apparitioo de deux foyers de produetion em- — 147 - bryonnaire dans une cicatricule unique appartient tantöt ä Fe'le'ment male, et tantöt ä l'^l^ment femelle de la ge"ne*rationa *). Von besonderer Wichtigkeit für unsere Betrachtungen sind diejenigen der mitgetheilten Resultate Dareste's, welche die verschiedenen Eventualitäten der Entwicklung von Doppelbildungen betreffen. Ich möchte sie desshalb noch- mals kurz in den folgenden drei Sätzen zusammenfassen: 1) Entwickeln sich zwei Embryonen auf zwei Cicatriculae desselben Dotters, so tritt eine Vereinigung ihrer Annexa erst relativ spät ein ; die Verschmelzung der Embryonen selbst ist nur bei sehr nahe an einander gelegenen Cicatriculae allenfalls möglich; schliesslich muss jedoch bei gleichmässig fortschreitender Ausbildung der beiden Componenten eine Omphalopagie resultiren. 2) Entwickeln sich zwei Embryonen auf einer einzigen Cicatricula, so tritt eine innigere Verbindung ihrer Annexa ein, wodurch die Verschmelzung der Embryonen selbst zu einem Doppelmonstrum in hohem Grade begünstigt wird. Unterbleibt jedoch die Verschmelzung der Embryonen, so entstehen unter der Voraussetzung einer gleichmässigen Weiterentwicklung der letzteren ebenfalls Omphalopagen. 3) Tritt bei der Entwicklung zweier Embryonen auf einer Cicatricula schon in den ersten Stadien der Embryonalanlage eine Verschmelzung der Gefässblätter und der werdenden Primitivstreifen ein, so entstehen unabweis- lich Doppelmissbildungen (deren Axenorgane theilweise sinfach sind). Die Spaltungstheorie, zu der ich nun übergehen will, ist viel jüngeren Datums, als ihre Gegnerin, die Verwachsungstheorie. Es musste zuvor der Sieg der Epigenese über die Präformation vollständig entschieden sein, was wiederum zur Folge hatte, dass auch die noch von A. v. Haller2) vertretene Lehre der bereits im Keime präformirten Missbildungen als irrthümlich auf- gegeben werden musste, ehe man anfing, die Genese der Missbildungen vom entwicklungsgeschichtlichen Standpuncte aus zu betrachten. Erst durch ein derartiges Vorgehen waren die Prämissen gegeben, auf die hin eine Theorie ins Leben treten konnte, welche in einer gewissen embryonalen Entwicklungs- stufe eine verschieden hochgradige Spaltung des werdenden Organismus an- nimmt und darin die Ursache für die Bildungen der Doppelmonstra erblickt. Der berühmte Begründer der Theorie der Epigenese, C. F. Wolff, hat auch die Missbildungen hinsichtlich ihrer genetischen Erklärung von den Fesseln befreit, welche ihnen durch die alte Lehre der Präexistenz auferlegt worden waren. Er weist Haller gegenüber schlagend nach, dass die Missbildungen keineswegs unmittelbare Werke des Schöpfers seien, sondern dass bei ihrer Bildung Naturkräfte thätig waren, die durch ein Hinderniss in ihrem gesetz- mässigen Walten gestört worden seien3). Es musste Wolff, der in Folge seiner entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen mit den verschiedensten Formen der Embryonalbildung vertraut war, der Gedanke sehr nahe liegen, 2) 1. c. pag. 308. x. 2) A. v. Hai ler, Opera minora T. III, 1768. 3) Wolff, De ortu monstrorum. Novi commentarii Ac. sc. Petropol. T. XVII, pag. 5G0 und 507, 1772. — 148 — dass so manche Missbildung eine frühe Entwicklungsstufe des normalen Organis- mus repräsentirt. Damit hatte Wolff die Entstehungsweise jener Monstrosi- täten, die wir als Hemmungsbildungen zu bezeichnen pflegen, aufgedeckt; es war in diesen Fällen der Organismus, indem die bildenden Kräfte nicht ge- nügend wirksam waren, auf einem für eine frühere Entwicklungszeit normalen Zustand stehen geblieben. Aber nicht nur die Hemmungsbildungen, sondern überhaupt alle Miss- bildungen, die Doppelmonstra mit eingeschlossen, führt Wolff auf eine ab- weichende Thätigkeit der Vegetationskraft zurück1). Wolff ist ein ent- schiedener Gegner der älteren Verwachsungstheorie. „Non probabile est, fieri monstra ex gemellis compressis et concrescentibus" , sagt er bei Gelegenheit einer Beschreibung eines Ovum simplex gemelliferum des Hühnchens2). Diese Bemerkung richtet sich offenbar gegen Lemery's Hypothese, wonach in Folge mechanischer Einwirkungen, wie durch Pression von aussen, eine Verschmelzung zweier Embryonen stattfinden könne. Dagegen scheint Wolff, wie aus einer Stelle seiner Abhandlung „de ortu monstrorum" (pag. 570) hervorgeht, eine rein oberflächliche, nur durch die Haut vermittelte Vereinigung zweier Zwillinge für nicht unmöglich zu halten. Aus dem Gesagten erhellt, wie W. der bildenden Kraft bei allen Ent- wicklungsvorgängen die Hauptrolle zuertheilt. Dieselbe wirkt bei der Bildung eines normalen Embryo in gesetzmässiger Weise, dagegen zeigt sie bei der Entwicklung der Monstra insofern ein regelwidriges Verhalten, als sie von gewissen Embryonalstadien an den Aufbau des bisher normal entwickelten Organismus bald mit zu grosser, bald mit zu geringer Energie vollziehe. Im ersteren Falle werden Monstra per excessum, und hierzu gehören die Doppel- missbildungen, im lezteren Hemmungsbildungen entstehen müssen. Ganz auf den Schultern Wolffs steht bezüglich der Auffassung der Missbildungen J. F. Meckel. Dass auch dieser Forscher die Monstrositäten durch eine Ablenkung der Bildungskraft aus ihrer normalen Bahn zu erklären sucht, ersieht man aus den folgenden Citaten. „ Wirkt diese bildende Kraft des männlichen und weiblichen Samens allein, so wird die normale Form des Embryo dadurch hervorgebracht; eine abweichende entsteht dagegen, wenn zu derselben Zeit irgend ein Hinderniss, irgend eine Unordnung, sie betreffe den Eierstock, die Trompeten, die Gebärmutter, den Unterleib, oder sie sei in der krankhaften Beschaffenheit der Zeugungsfeuchtigkeiten selbst begründet, jene bildende Kraft in ihrem Wirken stört ; denn nothwendig muss eine aus der Vereinigung verschiedener Kräfte entstehende dritte Kraft einen anderen Erfolg bewirken, als wenn die bildende Kraft allein thätig ist. Hierin ist eigentlich die ganze bessere Ansicht der Lehre von der Ent- stehung der Missbildungen begründet, wenngleich der Umstand nicht besonders hervorgehoben ist, dass die bildende Kraft auch an und für sich vom Normal abweichen kann.a „Die Richtung und Energie der bildenden Kraft aber kann durch so viele Momente abgeändert werden, als auf das Generations- und Nutritions- ') Wolff, Theoria generationia 1759., pag. 134 und 186. 2) Novi commentarü A.c. ac. Petrop. T. XIV, pag. 478. — 149 — * geschäft einwirken und dieses abändern können, sie mögen nun vor der Be- gattung und Zeugung, oder während, oder nach derselben eintreten" *). In letzterer Hinsicht kommt Meckel gänzlich auf die Anschauungen Wolff s zurück, wonach Missbildungen aus früher normalen embryonalen Zu- ständen hervorgehen, indem die formative Kraft von einer gewissen Entwick- lungszeit an von der Norm abweicht. Wodurch jene Abänderung in dem Wirken der bildenden Kräfte bedingt sein könne, darüber hat Meckel keine bestimmten Angaben zu machen vermocht ; er hebt nur hervor, dass die Zeugungs- und Nutritionsvorgänge solche dynamische Momente mit sich bringen können. Einwirkungen mechanischer Natur, welche von aussen her jene Kräfte modi- ficiren sollen, scheinen M. sehr unwahrscheinlich. Was die Bildung der Doppelmonstra anlangt, so führt M. dieselben wie Wolff auf eine übergrosse Energie der bildenden Kräfte zurück und äussert sich über diese Puncte, sowie über die Beziehungen der Doppelmissbildungen zu den normalen Zwillingsembryonen in folgender Weise: „Offenbar muss man daher die Doppelmissgeburten als eigene durch ungewöhnliche Energie der bildenden Kraft entstandene Bildungen ansehen, die sich in dem Masse der Einfachheit und der Zwillingsschaft nähern, als die Energie der bildenden Kraft grösser oder geringer war" 2). Eine Verschmelzung zweier Anfangs getrennter Individuen wird von Meckel auf das entschiedenste in Abrede gestellt. Viel eher kann das Gegen- theil angenommen werden, indem sich vielleicht aus einem ursprünglich völlig einfachen Embryo eine Doppelmissgeburt entwickeln könne. Da in der Norm der Embryo im Anfange seiner Entwicklung aus zwei seitlichen Hälften be- stehe, welche sich dorsalwärts und ventralwärts zur Bildung des Nerven- und Eingeweiderohres vereinigen, so könne es in gewissen Fällen möglich sein, dass die beiden Seitenhälften wegen einer zeitweise zu geringen Energie der Vegetationskraft nicht zur Vereinigung kommen, sich getrennt entwickeln, wodurch mehr oder weniger vollständige Doppelmissbildungen zu Stande kommen. Meckel sucht dieser seiner Vermuthung im Hinblick auf die künstliche Thei- lung von Polypen und Actinien eine grössere Wahrscheinlichkeit zu verleihen 3). Die letztgenannten Anschauungen MeckeTs fanden besonders bei den Embryologen vielfachen Beifall, und es entwickelte sich aus ihnen späterhin die Spaltungstheorie, indem von Seiten mehrerer Gelehrten, welche jene mehr oder minder weitgehende frühzeitige Trennung der beiden embryonalen Seiten- hälften befürworten, als Grund für diese Erscheinung zufällige, vielleicht von aussen her auf das Ei einwirkende Ursachen in Anspruch genommen wurden. In diesem Sinne hat sich bereits im Jahre 1827 C. E. v. Baer geäussert im Anschluss einer von ihm beim Hühnchen beobachteten Doppelbildung4). Auch in einer späteren Abhandlung ist v. B a er für die Spaltungstheorie nach- drücklich eingetreten; jedoch muss nach ihm schon in der allerersten Zeit der Embryonalbildung eine Spaltung der Axenorgane eingeleitet werden 6). ') J. F. Meckel, Handbuch der pathologischen Anatomie Bd. I, 1812, pag. 37 u. 38. 2) 1. c. pag. 70. 3) 1. c. pag. 40. 4) Meckel's Archiv für Anatomie und Physiologie 1827, pag. 576. :>) v. Baer, Memoires de l'Acad. imp. d. St. Petersbourg 1845. — 150 — Ein Jahr nach dem Erscheinen der ersten der beiden citirten Mit- theilungen v. Baer's hat sich Joh. Müller gleichfalls für eine Spaltung des Embryo in sehr früher Entwicklungszeit erklärt *). „Etwas Bildsames wird auf der niedersten Stufe der Entwicklung, ehe es das Einzelne aus sich gesondert, was zu einer vollkommenen Ausbildung gehört, wenn es durch innere oder äussere Ursachen getheilt wird, in beiden Theilen die noch un- entschiedenen, ungesonderten Momente des Ganzen gleich enthalten, die daher im Processe der Entwicklung zur Bildung gleicher Individuen in den ge- spaltenen Theilen procediren. Die Theile sind auf dieser niedersten Stufe der Entwicklung noch so wenig verschieden, und enthalten so gleichviel vom Ganzen, dass sie selbst das in ihnen vom Ganzen Enthaltene zum Ganzen ausbilden können. Diese Art der Doppelbildung durch Theilung und Zeugung durch Doppelbildung muss daher den niedersten Thierformen zukommen, wie denn die Zeugung und Theilung durch Längenspaltung von den Polypen und besonders von den Vorticellen erwiesen ist. Aus gleichen Gründen muss diese Art der Doppel- bildung dem Embryo des Menschen und der Thiere zu einer Zeit zukommen können, wo das Einzelne noch im Ganzen und vom Ganzen gleichviel in ver- schiedenen Theilen enthalten ist. Wenn nur äussere oder innere Ursachen dieser theilweisen Spaltung des noch unentwickelten Grundstoffes vorhanden sind, so müssen beide Theile das in ihnen vom Ganzen gleich Enthaltene zur Doppelbildung ausscheiden." Kurz darauf bemerkt Joh. Müller weiterhin: „So bedarf es zu allen Erörterungen wahrer Doppelbildung nie der Annahme von Ineinsbildung zweier Keime ; doch muss zum rechten Verständniss scheinbarer Annahmen wohl be- merkt werden, dass, wenn auch die in einem Ei von allem Anfang an wirk- lich doppelt vorhandenen Keime in der Regel getrennt bleiben, und nicht ver- wachsen, in sehr seltenen Fällen diese Verwachsung mit äusseren Theilen späterer Bildung, ja selbst mit den Schädelknochen eintreten kann, wobei aber die inneren Theile beider Embryonen getrennt bleiben. Diese Fälle sind von den Doppelbildungen ganz auszuschliessen und haben so wenig Wunder- bares als die Verwachsung der verwundeten Finger bei den Erwachsenen, das Aneinanderheilen natürlicher Theile desselben Individuums." Joh. Müller führt demnach die wahren Doppelbildungen, worunter er ohne Zweifel solche mit theilweise einfacher Axe versteht, auf eine frühzeitige Spaltung der Embryonalanlage zurück, indem er eine partielle Verschmelzung und Ineinsbildung verwirft. Für solche Fälle jedoch, bei denen die beiden Componenten nur in geringem Grade mit oberflächlichen Theilen unter einander zusammenhängen, lässt er in derselben Weise wie Wolff eine Verwachsung zu. Der Spaltungstheorie leistete, wie begreiflich, die früher eingehender mitgetheilte Angabe Val entin's 2), aus einem Hühnchenembryo durch künstliche Spaltung eine Doppelmissbildung erzielt zu haben, wesentlichen Vorschub, und so sehen wir denn, wie unsere ersten deutschen Embryologen und Terato- logen fast ausnahmslos den Standpunct Joh. Müller's theilen, indem sie eine ') Joh. Müller, Ueber die Metamorphose des Nervensystems in der Thierwelt. Keckel'fl Archiv 1828, pag. 18. 2) Valentin, Repertorium II, 1837, pag. 169. — 151 — # sehr frühe Spaltung des werdenden Organismus annehmen ; ich nenne hier Valentin1), Bischoff2), Leuckart3), Förster4), Reichert5), von den jüngeren Forschern Dönitz6), Dittmer7), Oellacher8), Ahlfeld9). Ueber die Art und Weise, wie die Spaltung sich vollziehe, sowie in Betreff der Entwicklungszeit, in welcher dieselbe stattfinde, gehen jedoch die Ansichten der genannten Gelehrten aus einander. Bischoff kann nicht mit Meckel übereinstimmen, dass sich die Thei- lung erst nach dem Auftreten der Rückenplatte und Medullarrinne einstellen solle. Die Spaltung müsse in eine frühere Embryonalzeit verlegt werden, da das genannte Stadium nicht mehr einen Zustand primärer Indifferenz, sondern bereits eingetretener Differenzirung darstelle. Es sei gar nicht denk- bar, dass jede der beiden Hälften der Rückenplatten, die schon die Elemente für ganz andere zukünftige Theile enthalten, jetzt nochmals die Elemente für neue Partien des Centralnervensystems in sich entwickeln solle10). Reichert hat ausser der Längsspaltung einen neuen Modus der Spal- tung aufgestellt. Nach ihm können auch Doppelbildungen durch eine quere Spaltung des Keimes entstehen. Was die Längsspaltung anlangt, so schliesst er sich eng an die Ansichten Meckel's an. Er betont die bilateral sym- metrische Anlage des Wirbelthierkörpers, in welcher die linke und rechte Hälfte zweien Individuen angehören, die in der Norm mit Aufopferung der fehlenden Hälften sich vereinigen, und dadurch die Entwicklung eines bila- teral construirten Körperbaues herbeiführen. Diese Vereinigung werde nun bei der Genese einer Doppelmissgeburt gestört und theilweise verhindert, in Folge dessen eine selbstständige Entwicklung und eine mehr oder minder vollständige Trennung der beiden Hälften resultire. Die Querspaltung des Keimes lässt dagegen Reichert in einem der Bildung der Primitivorgane (Medullarrinne) vorausgehenden Entwicklungs- stadium statthaben. Die dadurch verursachte Spaltung der Bildungs- dotterzellenmasse soll das Auftreten von zwei totalen Embryonalanlagen veranlassen. In vollkommener Harmonie mit Reichert befindet sich Dönitz. Auch er lässt neben der longitudinalen eine transervale Keimspaltung zu. Durch *) 1. c. 2) Bisch off, Entwicklungsgeschichte mit besonderer Berücksichtigung der Miss- bildungen, in R. Wagner's Handwörterbuch der Physiologie Bd. I, 1842, pag. 911. 3) Leuckart, De monstris, eorumque caussis et ortu 1845, pag. 74. 4) Förster, Die Missbildungen des Menschen, Jena 1861, pag. 20. 5) Reichert, Anatomische Beschreibung dreier sehr frühzeitiger Doppelembryonen von Vögeln zur Erläuterung der Entstehung von Doppelmissgeburten. Archiv für Anatomie und Physiologie 1864, pag. 744. 6) Dönitz, Beschreibung und Erläuterung von Doppelmissgeburten. Archiv für Anatomie und Physiologie 1866, pag. 518. 7) Dittmer, Zur Lehre von den Doppelmissgeburten. Archiv für Anatomie und Physiologie 1875, pag. 360. 8) Oellacher, Terata mesodidyma von Salmo Salvelinus. Sitzb. der Wiener Acad. der Wissensch. Bd. LXVIII, 1873. 9) Ahlfeld, Beiträge zur Lehre von den Zwillingen. "Archiv für Gynäkologie Bd. IX, pag. 196. ,0) 1. c. pag. 912. — 152 — die letztere jedoch werden im Gegensatz zur ersteren immer zwei voll- ständige Individuen angelegt, indem sämmtliche Primitivorgane doppelt vor- handen sind. Dönitz deducirt dieses Vorkommen einer Querspaltung aus denjenigen Fällen von Doppelbildungen (Hühnchen), in denen die Längsaxen der beiden Körper genau in einer Linie liegen; diese lassen sich nur durch die Annahme einer Querspaltung erklären, während die Doppelbildungen, deren Gomponenten mit ihren Längsaxen einen Winkel bilden, sich zur Noth auch aus einer Längsspaltung ableiten lassen. Der Beweis einer transversalen Spaltung könne aber nur an sehr jungen Embryonen geführt werden; eine derartige frühzeitige Doppelbildung sei die von ihm mitgetheilte *) (Fall 10 unserer zusammengestellten Fälle, Fig. 8, Taf. IV). Die in Folge einer Querspaltung entstandenen Doppelembryonen ver- binden sich mit ihren Kopfenden mehr oder minder innig mit einander, wo- durch die verschiedenen Grade von Cephalopagen oder Janusformen zu Stande kommen. Gegen die Annahme einer Querspaltung wendet sich nun Dittmer und führt des Näheren aus, dass ein bilateral symmetrischer Keimspaltungsprocess, bezüglich dessen Auffassung er ganz auf der Seite Reichert's steht, voll- kommen hinreiche, um sämmtliche Doppelmissbildungen zu erklären. Die Lage der Embryonen des Dönitz'schen Falles sei die Folge einer Drehung der beiden ursprünglich neben einander gelegenen am Kopfende inniger ver- bundenen Embryonalanlagen. Die Kräfte, welche eine solche Drehung der Embryonen im Fruchthofe bewirken, beruhen nach Dittmer erstens im Breiterwerden der Anlagen selbst, wozu Raum gebraucht werde, der nur durch Auseinanderdrängen der beiden Anlagen geschafft werden könne. Es beginnen die Schwanzenden zu divergiren. Wenn nun zweitens die Rücken- platten sich erheben, und zwei sonst getrennte nur am Kopfende confluirende Medullarfurchen zu Stande kommen, so wird in dem Winkel, den die beiden Anlagen machen, und dessen Raum für die doppelten Rückenplatten zu klein ist, ein gewisser Druck, eine Art Keilwirkung stattfinden, durch welche die Embryonen in noch grössere Divergenz gebracht werden. Erst wenn die- selben in einer geraden Linie stehen , wird der Druck gänzlich aufhören 2). Schon in einem früheren Abschnitte wurden die Anschauungen Ahl- feld's, des jüngsten Verfechters der Spaltungstheorie, in Kürze erwähnt. Ahlfeld spricht sich gegen das primitive Vorkommen von zwei Keim- scheiben auf einem Dotter aus. Ein von Panum beschriebener Fall, in dem die Areae vasculosae zweier eineiiger sieben Tage bebrüteter Entenembryonen sich eben berühren, beweist nach Ahlfeld wegen der vorgerückten Ent- wicklungszeit nichts für die ursprüngliche Lage der beiden Cicatriculae. Diese können sehr wohl dicht neben einander gelegen haben, ja eine Einheit gewesen sein, die gespalten, und deren beide Theile bei der Entwicklung sich mehr oder weniger getrennt haben. Damit, dass Ahlfold das Vor- kommen zweier Cicatriculae auf einem Dotter bestreitet, ist zugleich ausge- sprochen, dass er der Schultze'schen Hypothese, nach welcher ja in zwei ') Don i t z I. c. pag. 522. 2) Dittmer 1. c. pag. :}'J3. — 153 — ♦ ursprünglich getrennten Fruchthöfen die Componenten einer Doppelmissbildung entstehen sollen, feindlich gegenübersteht. Wäre die letztere Theorie richtig, so müsste bei den bekannten Fällen frühzeitiger Doppelbildungen vom Hühn- chen der Fruchthof, welcher ja nach Schultze durch eine Verschmelzung zweier zusammengekommen sein soll, die Spuren der Fusion erkennen lassen, und demnach eine der jeweiligen Anordnung der Axen beider Em- bryonen entsprechende mehr regelmässige Form haben. In Wirklichkeit aber zeigt in den betreffenden Fällen sowohl bei divergenten embryonalen Längs- axen, als auch wenn dieselben in eine Linie zu liegen kommen , der Frucht- hof häufig eine Kreuzesform oder eine unregelmässige Gestalt. Ahlfeld sieht nun in der besagten Form der Area pellucida bei den Doppelbildungen ein bedeutsames Argument für eine stattgehabte Drehung der beiden aus einer Längsspaltung hervorgegangenen Embryonalanlagen, und befindet sich dem- nach in diesem Puncte in vollkommener Uebereinstimmung mit Dittmer, dem er auch hinsichtlich der die Drehung veranlassenden Momente beipflich- tet. Die Drehung kann jedoch nur bis zu dem Entwicklungsstadium an- dauern, in welchem die Gefässe des Fruchthofes sich bilden und ausbreiten; von dieser Zeit an verwachsen die Fruchtanlagen mit einander in der Lage welche sie zur Zeit gerade einnehmen. Was die Spaltung der Fruchtanlage betrifft, so kommt dieselbe nach Ahlfeld bei Eiern vor, welche sich im Eierstock sowohl, als wie später während der Furchung ganz normal verhalten. Das Bildungsmaterial für den Embryo, welches sich nach der Furchung an einer Stelle sammelt, hat die normale Ausdehnung, oder es ist in übermässig reichlicher Menge vor- handen. In ihm vollzieht sich bereits vor der Bildung der Primitivrinne die Spaltung und zwar in longitudinaler Richtung. Die Gründe für die Spaltung können in einer übermässigen Menge des Bildungsmaterials gesucht werden; eine erbliche Anlage ist ebenfalls nicht auszuschliessen. Je früher die Spaltung beginnt, desto vollständiger greift sie durch die Fruchtanlage durch; kommt sie erst später zu Stande, so findet nur eine partielle Theilung der Keimanlage statt. Vermuthlich wirkt die trennende Kraft zuerst und am kräftigsten auf das Kopfende der Embryonalanlagen, was daraus zu schliessen ist, dass partielle Spaltungen der oberen Körper- theile am häufigsten beobachtet werden. Hinsichtlich der spaltenden Kräfte hat Ahlfeld eine neue Hypothese aufgestellt; er glaubt, dass dieselben auf einer von Seiten der Eihülle (£ona pellucida) auf den Keim ausgeübten Druckwirkung beruhen. „Ist diese Hülle zu eng, während das Bildungsmaterial über die Norm vermehrt wird, so muss es zu einer Zerreissung der Umhüllungshaut, oder zu einer Spaltung der Embryonalzellen kommen. a Der grössten Spannung seitens der Zona sind die am meisten hervorragenden Partien der Keimblase ausgesetzt. Im Fruchthof ist nun das meiste Zellenmaterial an der Stelle aufgespeichert, wo der Kopftheil des Embryo sich herausheben wird. Desshalb muss an dieser Stelle die Spaltung zuerst und am tiefsten auftreteirr Ueber den Mechanismus und das Resultat der Spaltung gibt Ahlfeld das Folgende an : - 154 - „Wenn die spaltende Kraft als lineare Kraft wirkt, so kommt es nur zu einer Trennung der Fruchtanlage, die beiden Hälften liegen dann ruhig parallel neben einander. Wirkt die Kraft aber als der Druck einer sphärischen Fläche, was wohl fast ausnahmslos der Fall sein wird, so muss nothwendiger Weise nach der Trennung noch ein Auseinanderweichen der getrennten Partien stattfinden, indem jede Hälfte auf der schiefen Ebene der Keimblase nach deren Aequator zu getrieben wird. War die Trennung eine vollständige, und der Druck von der Zona pellucida dauert in allen Theilen gleichmässig fort, so entfernen sich die Theile der Anlage und wir bekommen es mit einer Duplicitas parallela zu thun. War die Trennung reine partielle, so bleiben die noch nicht getrennten Theile auf ihrer Stelle liegen, die getrennten hin- gegen rücken auf den beiden schiefen Ebenen abwärts, i. e. sie divergiren. War die Trennung so weit vorgeschritten, dass nur noch an einem sehr kleinen Theile, entweder dem Kopf- oder dem Schwanzende, ein Zusammen- hang stattfand, so werden die Embryonalkörper auf den schiefen Ebenen natürlicher Weise so weit sich entfernen, bis ihre Axen eine gerade Linie bilden, wenn nicht inzwischen die drückende Kraft nachgelassen oder die Fruchtanlagen durch Bildung von Gefässen auf dem Fruchthofe fixirt wurden. Dies ist der einfache Mechanismus der Drehung der Fruchtaxen. In den letzteren Fällen bekommen wir die Duplicitas posterior, wenn die beiden Köpfe noch zusammenhängen, die Duplicitas anterior, wenn die beiden Schwanz- enden in Verbindung bleiben" x). Vorstehend habe ich einen Ueberblick über die Anschauungen der ein- zelnen Forscher, sowohl der Anhänger der Verwachsungstheorie als ihrer Gegner, zu geben versucht. Unterzieht man die beiderseitigen Ansichten einem Vergleiche , so ist leicht zu ersehen , dass so schroff und unvermittelt, wie zu den Zeiten eines Le'mery, ja noch zu denen eines Meckel und der beiden Geoffroy St. Hilaire heutzutage die beiden Theorien sich nicht mehr gegenüberstehen; sie sind einander entschieden näher gerückt, ja es gibt Puncte von nicht untergeordneter Bedeutung, in denen zwischen den Vertretern der beiden Richtungen eine merkliche Uebereinstimmung erzielt worden ist. So ist auf der einen Seite die Zweieiertheorie gegenwärtig als völlig überwunden zu betrachten, von Seiten der Anhänger der Spaltungs- theorie ist dagegen die mehr oder minder tiefgehende Verschmelzung von mehr oberflächlichen Theilen zweier Embryonen für gewisse Fälle zugestanden worden. Ferner hat sich bezüglich der Zeit, in welcher die Doppelmissbil- dungen zuerst in Erscheinung treten, insofern eine Einigung ergeben, als fast alle Autoren zu dem Schlüsse gelangten, dass dieser Zeitpunct mit den ersten Anfängen der Entwicklung zusammenfallen müsse. Trotz aller dieser Annäherungen herrschen jedoch in der Cardinalfrage, um die sich im Grunde genommen der ganze Streit dreht , auch heute noch zwischen den beiden Theorien die gleichen principiellen Gegensätze. Nach wie vor lautet die strittige Alternative: l) Ahlfeld I. c pag. 288. — 155 — Sind es die Anfangsstadien der Entwicklung eines einzigen oder zweier Individuen, welche bei der Genese einer Doppelmiss- bildung, oder eineiiger in derselben Keimscheibe sich bildender Zwillinge zuerst zu Tage treten? Wer die erste Frage bejaht, steht auf dem Boden der Spaltungstheorie, wer die letztere Möglichkeit befürwortet, ist ein Anhänger der Verwachsungs- theorie. Wir können auch den ersteren Standpunct als den der primitiven Unität, den letzteren als den der primitiven Dualität oder Pluralität be- zeichnen. Dass diese Begriffe den wahren Sachverhalt viel zutreffender wieder- geben, sowie, dass die Begriffe „Spaltung" und „Verwachsung" sehr leicht zu Verwirrungen führen und keineswegs die wirklichen bei der Entwicklung einer Doppelmissbildung obwaltenden Vorgänge richtig bezeichnen, gedenke ich in der Folge genauer auseinanderzusetzen. Vorerst möchte ich jedoch die Auffassung Rauber's hinsichtlich der berührten Frage noch mittheilen. Dieser verdienstvolle Forscher ist weder den Anhängern der Spaltung noch denen der Verwachsung zuzuzählen; er beleuchtet aber die beiden Theorien in einer Weise, welche deutlich erkennen lässt, dass auch er von der Hinfälligkeit der beiden Gegensätze „Spaltung" und „Verwachsung", sowie von der Bedeutungslosigkeit des um sie geführten Streites überzeugt ist. In seiner Abhandlung „Ueber die Theorien der excessiven Monstra" zollt Raub er jener Controverse, indem er sie in einem kurzen Capitel be- handelt, den schuldigen Tribut *). Sie sei von den beiderseitigen Anhängern zum Feldgeschrei erhoben worden und lasse sich darum nicht umgehen. Raub er sagt mit vollem Rechte, dass bei einer Discussion über die Zulässig- keit der Theilung (Spaltung) oder Verwachsung es sich zunächst darum handeln müsse, festzustellen, was eigentlich gemeint sei? Denn es könne ja die Theilung resp. die Verwachsung sowohl die Keime, als die Embryonal- anlagen, als die Embryonen betreffen. Diese Unterscheidung müsse aber, um Verwirrungen vorzubeugen, gemacht werden. Raub er bespricht znnächst jene Alternative in Bezug auf die Keime und hält die Theilung der Keime für das allein Mögliche. Er weist darauf hin, dass eine Mehrfachbildung vor dem Auftreten der Embryonal anläge im Zustande der Cicatricula eine einzige zusammenhängende Keimzellenmasse vorstelle. Wenn nun nach Rauber's Anschauungen eine Sonder ung in Mittel- scheibe und in Keimring eingetreten ist, so sind auch bereits statt einer zwei oder mehrere durch verschiedene Abstände von einander getrennte Embryonal- anlagen im Keimringe vorhanden, die dann in die Mittelscheibe einstrahlen. Diese Theilungsform , welche man Divisio radialis nennen könnte, ist jedoch vorerst eine unvollständige, da durch sie keineswegs die Continuität der Keimblätter aufgehoben werde 2). Sie könne ^aber unter Umständen nach be- endeter Entwicklung, wenn Zwillinge geboren werden, eine vollständige 0 Virchow's Archiv Bd. 74, 1878, pag. 108. 2) Hier begegnet Raub er der Auffassung Dareste's, der, wie früher bereits erwähnt, ebenfalls betont, dass die beiden Componenten einer Doppelmissbildung von dem Momente ihres Erscheinens auf mittelbare Weise vereinigt sind. — 156 - werden, indem dann erst der indirecte Zusammenhang zwischen beiden Zwillingen gänzlich aufgehoben werde. Bei der Genese einer Doppelmissbildung bleibt die Trennung immer nur eine unvollständige, und es kann der Zusammenhang zwischen den beiden Embryonalanlagen resp. Embryonen in verschiedener Weise vermittelt werden, nämlich sowohl durch die Stammes- als auch nur durch die Seitenzonen } so dass hierdurch ein gewisses Stück dieser Zonen beiden Embryonen gemeinsam zukommt. Es ist nach dem Vorhergehenden selbstverständlich, dass Raub er nicht für eine Theilung der Embryonalanlagen oder der Embryonen sein kann. „Dass Mehrfachbildungen nicht aus einer Theilung von Embryonalanlagen hervorgehen können, darüber dürfte ein Zweifel nicht mehr möglich sein.a Diese Bemerkung hat meine volle und ungetheilte Zustimmung. Was aber eine etwaige Verwachsung beider Embryonalanlagen oder Embryonen betreffe, so könne bei dem schon gegebenen Zusammenhange der- selben eine solche primär überhaupt nicht statthaben. „Was man Verwachsung nennt, ist demnach eine secundäre Erscheinung, und die Behauptung, Mehr- fachbildungen gingen hervor aus Verwachsung von Embryonen, ein Missver- ständniss, hervorgehend aus der Nichtunterscheidung der embryonalen Zonen und ihres primitiven Zusammenhanges bei den Mehrfachbildungen. u Schliesslich berührt R. die Möglichkeit, ob nicht vielleicht eine Ver- wachsung zweier Eier im Ovarium eintreten könne, und daraus eine Mehr- fachbildung sich ableiten Hesse; er wirft hierbei die Frage auf, warum man nicht lieber eine unvollständige Theilimg ovarialer Eier annehme ? Er ver- meidet es aber wohlweislich, auf diese Puncte näher einzugehen. Mit den Anschauungen Rauber's über Spaltung und Verwachsung harmoniren die ineinigen in sehr vielen Puncten. Auch darin werde ich bei der Besprechung dieser beiden hypothetischen Vorgänge seinem Beispiele folgen, dass ich bezüglich derselben die einzelnen Hauptstadien des sich ent- wickelnden Organismus gesondert erörtern werde. In Anbetracht der mannigfachen und zahlreichen] Möglichkeiten, welche besonders hinsichtlich der Verwachsung in Frage kommen, scheint es mir zum Zwecke einer übersichtlichen Darstellung geboten, in erster Linie zwischen der Entstehung von zwei Embryonen in getrennten Areae pellucidae und der Entwicklung derselben in einem gemeinschaftlichen durchsichtigen Fruchthofe zu unterscheiden. Den ersteren Bildungsmodus kann man biareale, den letzteren monoareale Entwicklung benennen. I. Die biareale Entwicklung. Das Vorkommen von zwei Areae pellucidae auf einem einzigen Dotter ist bei Vögeln eine sicher erwiesene Thatsache. Bei den Säugern jedoch und ebenso bei den Fischen sind analoge Verhältnisse bis jetzt noch nicht beobachtet worden, wesshalb die folgenden Betrachtungen nur für die Classe der Vögel Geltung beanspruchen können. Die beiden univitellinen Areae pellucidae können, wie ein Vergleich der hierher gehörigen Fälle ergibt, eine verschieden grosse Entfernung zwischen — 157 — sich lassen. Ist dieselbe beträchtlich, so wird jede Area pellucida von einem eigenen Ringgebiete umschlossen; es existiren dann auf dem Dotter zwei be- sondere Keimhäute. Ist dagegen die Entfernung zwischen beiden nur gering, so liegen dieselben in einer gemeinsamen Area opaca. In dieser können die beiden durchsichtigen Fruchthöfe wieder nur durch einen sehr dünnen oder durch einen breiteren Substanzstreifen getrennt sein. Die Existenz von zwei gesonderten Keimhäuten auf einem Dotter ist bis in die jüngste Zeit bestritten worden. Meines Erachtens darf, seit Panum den bereits erwähnten Fall, bei dem in einem sieben Tage bebrüteten Entenei zwei vollkommen ausgebildete Areae vasculosae mit lebenden Embryonen vor- gefunden wurden , beschrieben und abgebildet hat, nicht mehr an diesem Factum gezweifelt werden. Die rundliche Form der beiden Areae vasculosae, deren Grenzsaum nur an der Verwachsungsstelle unterbrochen ist, kann nur auf eine von zwei etwas entfernteren Centren ausgegangene, gleichmässig fortgeschrittene Ausbreitung der zwei Keimhäute bezogen werden. Ferner deutet die beträchtliche Distanz zwischen den beiden Embryonen, von denen jeder in seiner eigenen Area pellucida liegt, mit Notwendigkeit darauf hin, dass im unbebrüteten Ei zwei Keimscheiben vorhanden gewesen sein müssen. Ob dieselben, wie Ahlfeld meint, ursprünglich näher aneinanderlagen, ja vielleicht durch Theilung einer einzigen entstanden sind, dies ist eine andere Frage, von der wir aber vorerst absehen wollen. Ferner hat Dareste drei Fälle beschrieben und durch Abbildungen illustrirt, bei denen eine doppelte Keimhaut vorlag. Ueber den einen Fall, bei dem die eine Area pellucida zwei Embryonen enthält, habe ich schon früher referirt (Fall 29, Fig. 9, Taf. VI). Die Abbildung lässt deutlich eine Grenzlinie erkennen, welche die Gebiete der beiden Keimhäute trennt. Die Form derselben ist sowohl durch ihre Aneinanderlagerung und Verschmelzung, als in Folge der dreifachen Embryonalbildung bei dem Flächenwachsthum der Keimhäute eine unregel- mässige geworden. Die beiden anderen Fälle Dareste's sind auf Taf. I seines Buches (Fig. 4 und 5) bildlich dargestellt. Beide haben das Gemeinsame, dass in den zwei Keimhäuten die Entwicklung sehr früh aufgehört hat. Dagegen liegen auf dem einen Dotter die beiden Keimhäute dicht neben einander und sind an der Berührungsstelle verschmolzen; auf dem anderen sind sie durch eine nicht unerhebliche Distanz von einander getrennt. Wahrscheinlich waren auch in der von W olff beschriebenen Doppel- bildung x) zwei ursprünglich getrennte Keimscheiben vorhanden. Hierfür spricht wenigstens die Entfernung der beiden Areae pellucidae; doch ist die Entwick- lung in diesem Falle schon zu weit fortgeschritten, als dass sich Genaueres darüber feststellen Hesse. Bei den noch restirenden vier Fällen von biarealer Entwicklung ist nur eine einzige Keimhaut vorhanden, indem ein gemeinsames Ringgebiet die beiden Areae pellucidae umfasst. Letztere können nun, wie ich schon hervorhob, bald dicht neben einander liegen, bald durch eine etwas breitere Zwischen- distanz getrennt sein, was natürlich auch auf die Form der gesammten Keim- haut von Einfluss sein muss. Eine relativ weite, Entfernung von einander ') C. F. Wolf'f, Ovum simplex gemelliferum 1. c. — 158 — zeigen die beiden Areae pellucidae einer von Dareste beobachteten Doppel- bildung. Der betreffende Fall ist auf Taf. XIV, Fig. 3 seines Buches abge- bildet. Die Zeichnung lässt einen eben sich bildenden Gefässhof erkennen, der zwei Embryonen enthält ; von diesen ist der eine wohlgebildet; die primitiven Augenblasen waren schon angelegt; die Herzschlinge führte bei Eröffnung des Eies Contractionen aus. Der zweite Embryo war nur unvollkommen ent- wickelt, der Kopf war rudimentär, das Herz fehlte ; derselbe liegt zur rechten Seite des ersten Embryo. Die Areae pellucidae beider Zwillinge sind von un- gleicher Ausdehnung; die des normalen Embryo ist von regelmässigem Umfange, während der andere seine äusserst enge Area pellucida fast vollständig erfüllt. Auch bei der uns bereits bekannten Rauber'schen Dreifachbildung (Fall 30, Fig. 10, Taf. VI) handelt es sich um zwei Areae pellucidae, welche durch einen feinen an seinen beiden Enden dreiseitig verbreiteten Substanz- streifen getrennt werden. Ein gleiches Verhalten bietet ein von Reichert mitgetheilter Fall dar, bei dem ebenfalls eine solche feine Linie, welche zu beiden Seiten in eine dreieckige Verbreiterung auslief, die zwei Areae pellu- cidae von einander abgrenzte 1). Jede derselben enthielt einen Embryo von der gleichen Entwicklungsstufe, wie sie in dem gleichfalls von Reichert beobachteten Falle 5 unserer Zusammenstellung (Fig. 4, Taf. IV) die beiden Zwillinge aufweisen. Die Längsaxen der Embryonen der beiden Areae con- vergirten unter einem rechten Winkel nach vorne zu. Dadurch rücken die Kopfenden der beiden Embryonen ziemlich nahe an einander heran; zwischen ihnen geht die erwähnte Grenzlinie durch, welche aber von beiden Kopfenden noch um eine kleine Strecke entfernt ist. Der letzte Fall endlich, den ich noch anzuführen habe, ist von Dareste auf Taf. XIV, Fig. 2 seines Buches abgebildet worden. Die beiden Areae pellucidae zusammen haben eine rhombische Form; in der kurzen Diagonale verläuft eine feine Linie, welche die beiden Areae von einander scheidet. Die Embryonen derselben liegen in einer Linie, welche mit der längeren Diagonale des Rhombus zusammenfällt. Sie wenden ihre Kopfenden einander zu, befinden sich also in Oppositionsstellung. Von der Grenzlinie sind ihre Kopfenden jederseits durch eine kleine Zwischenstrecke getrennt. Die Zwillinge sind un- gleich entwickelt; der stärkere zeigt bereits die drei Hirnbläschen, eine grössere Anzahl von Urwirbeln, eine Herzschlinge etc. ; der kleinere besitzt noch kein Herz, sein Kopfende hat einen nur sehr geringen Umfang. Nachdem nun die einzelnen Fälle von biarealer Entwicklung erörtert sind, komme ich zu der Frage, wie man sich die Genese einer zweifachen Area pellucida auf einem Dotter vorzustellen habe. In Bezug auf die in ge- trennten Keimhäuten liegenden Areae kann die Beantwortung dieser Frage nicht schwer fallen. Hier liegt nur die eine Möglichkeit vor, dass schon vor der Furchung getrennte Cicatriculae bestanden haben, was wiederum darauf hindeutet, dass bereits in den ersten Zeiten der ovarialen Eientwicklung zwei in einem Follikel enthaltene Eizellen vorhanden waren, die bei der allmähligen Anlagerung der Dotterelemente verschieden weit von einander abgedrängt ') Siehe die Abbildung dieses Falles in dem Archiv für Anatomie und Physiologie 1SC4.. Tai AVlll. Fig. 5 o. 0. — 159 - werden können. Später werden dieselben als Cicatriculae einem gemeinsamen Dotter aufliegen; das Ganze wird endlich, wenn die Dottermembran gebildet ist, von dieser umhüllt werden. Die in einem gemeinsamen Blastoderm befindlichen Areae pellucidae lassen sich genetisch in verschiedener Weise erklären. Man kann unter Be- tonung der wechselnden Entfernung zwischen denselben annehmen, dass die bezüglichen Verhältnisse aus einer verschieden weit fortgeschrittenen Ver- schmelzung zweier ursprünglich getrennter Keimscheiben hervorgegangen seien. Mit demselben Rechte könnte man aber auch eine Spaltung einer ursprünglich einfachen Keimscheibe, die in dem einen Falle weiter gediehen sei, als in dem anderen, befürworten. Um diese beiden Ansichten hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit gegen einander abwägen zu können, muss man sich zuerst darüber klar sein, in welche Zeit jene hypothetischen Vorgänge der Spaltung und Verwachsung zu setzen sind. Man wird hierbei einen Zeitraum zu berücksichtigen haben, der sich von den Anfangsstadien der ovarialen Eientwicklung bis zum Beginn der Embryonalbildung in der Keimhaut erstreckt. Es wird sich darum handeln müssen, zu prüfen, ob entweder während, oder kurz nach der Furchung, oder bereits schon vor derselben während der ovarialen Eientwicklung die Processe der Theilung oder der Verwachsung stattgefunden haben mögen. Dass zwei in der Nähe gelegene Cicatriculae während oder kurz nach der Furchung zusammenrücken und verschmelzen können, halte ich für absolut unmöglich; dazu wären gewisse Compulsivkräfte nöthig, die aber dem Eie zu dieser Zeit vollständig abgehen. Ebenso wenig kann ich aber auch einer während der genannten Entwicklungsphase sich vollziehenden Theilung der Cicatriculae das Wort reden ; denn der Furchungsprocess zerklüftet eben nur das vorhandene Material der Keimscheibe in kleinere Elemente, eine Umlagerung desselben, wie sie bei einer etwaigen auf, langsamem Aus- einanderrücken beruhenden Theilung erforderlich wäre, kann bei der Furchung nicht stattfinden. Es bleibt somit nur noch übrig, die beiden hypo- thetischen Vorgänge der Spaltung und Verwachsung in die Zeit der ovarialen Eibildung zu verlegen. Da wir nun wissen, dass die Cicatricula, wenn sie an der Oberfläche des bis auf ein gewisses Volumen angewachsenen Ovarial- eies sichtbar geworden ist, von nun an bis zu dem Ausstossen des Eies aus dem Follikel und dem Beginn der Furchung die gleiche Stelle an der Eioberfläche beibehält, so scheint mir daraus gefolgert werden zu dürfen, dass in Eiern, deren Keimhaut nach der Furchung zwei Areae pellucidae aufweist, schon in einer sehr frühen Zeit der ovarialen Eientwicklung zwei mehr oder weniger getrennte resp. verschmolzene Cicatriculae vorhanden gewesen sein müssen. So kommen wir denn schliesslich zu dem Resultate, dass auch hier, wie bei den Eiern mit zwei durchaus getrennten Keimhäuten, vor dem Auftreten des Nahrungsdotters zwei Eizellen in demselben Follikel gelegen sein müssen, welche jedoch nicht gänzlich von einander geschieden sind, wie in jenen Eiern, sondern in einem mehr oder minder innigen Connex zu einander stehen. Man kann wegen ihres Zusammenhanges diese beiden Zellen mit B. Schultze auch als eine einzige grosse mit zwei Keimbläschen versehene Zelle auffassen. Ob sie von einer Mutterzelle, die sich nur unvollkommen getheilt hat, ab- — 160 — stammen, oder ob zwei Anfangs getrennte Eizellen mit ihrem Zellprotoplasma eine stellenweise Verbindung eingegangen sind, hierüber lässt sich keine be- stimmte Entscheidung treffen. Die zweite Annahme sagt mir jedoch aus dem Grunde mehr zu als eine Theilung, weil man bei Säugethieren zwar relativ häufig die Anlage und Ausbildung eines Follikels mit zwei Eiern zu beobachten Gelegenheit hat, dagegen meines Wissens niemals etwas über Theilungser- scheinungen der Eizelle eines jungen eineiigen Follikels trotz der vielfachen Untersuchungen, die über das Ovarium vorliegen, berichtet worden ist. Wie bei den Säugethieren, so werden auch bei den Vögeln zuweilen bei der An- lage eines Follikels zwei Eizellen in denselben hineingelangen können. Treten sie nun mit ihrem Protoplasma mit einander in Verbindung, so können sie sich während der Anlagerung des Nahrungsdotters nicht von einander ent- fernen, sondern werden später zwei zusammenhängende Cicatriculae dar- stellen müssen. Wir haben somit wahrscheinlich zu machen gesucht, dass das Vorkom- men von zwei Areae pellucidae auf einem Dotter, mögen sie sowohl in einer gemeinsamen, oder in getrennten Keimhäuten gelegen sein, bereits in einer sehr frühen Zeit dadurch herbeigeführt wird, dass zwei Eizellen in das Innere eines sich eben anliegenden Follikels gelangen. Damit erklärt sich einiger- massen auch jene immerhin auffallende Thatsache, dass unter der grossen Anzahl von Säugethiereiern, welche im Zustande der Keimblase besonders in neuerer Zeit den Embryologen unter die Augen gekommen sind, sich niemals eine solche befand, welche eine doppelte Keimanlage entsprechend den zwei Cicatriculae eines Vogeleies dargeboten hätte. Dass derartige Beobachtungen ausgeblieben sind, hat einen sehr natürlichen Grund. Es ist nämlich ein Ding der Unmöglichkeit, dass ein der doppelten Cicatricula eines Vogeleies analoger Zustand sich bei einem Säugethierei ausbilden könnte. Daran ist die Verschiedenheit der intrafollikulären Eientwicklung bei beiden Thierclassen Schuld. Werden bei den Säugethieren zwei Eizellen in denselben Follikel eingeschlossen, so erhält jede derselben sehr rasch ihr eigenes Eiepithel und in Folge dessen auch ihre eigene Zona pellucida; ferner kommt jede Eizelle in ihren eigenen Discus proligerus zu liegen. Auf diese Weise wird es ver- hindert, dass zwei Eizellen in nähere Beziehungen zu einander treten. Bei den Vögeln jedoch ist hierzu mehrfach Gelegenheit gegeben. Wie soeben auseinandergesetzt, können sich zwei Eizellen im Innern eines gerade ange- legten Follikels befinden. Sie werden hier nicht durch Zellen, die sich zwischen sie einschieben, von einander geschieden, müssen darum längere Zeit in Berührung bleiben, und werden schliesslich, da ja bei den Vögeln das Eiepithel, von dem die Bildung der Dotterhaut ausgeht, zugleich das Follikularepithel darstellt, von einer gemeinsamen Dottermembran umhüllt werden müssen. Je nachdem die beiden Zellen während der Zeit ihrer Aus- einanderlagerung eine protoplasmatische Verbindung eingegangen sind oder nicht, werden nach der Furchung entweder zwei in einer gemeinsamen Keim- haut liegende Areae pellucidae oder zwei getrennte Keimhäute resultiren müssen. Ferner können gleichzeitig in einem nur kurzen Zeitintervall zwei Eier sich vom Ovarium loslösen und in die Tube eintreten : in diesen Fällen kann — 161 — es sich leicht ereignen, dass die beiden Eier im Eileiter während der Auf- lagerung der Eiweissschichten sich einander zu nahe kommen, und dann später eine gemeinsame Kalkschale erhalten. Es entstehen auf diese Weise die Eier mit zwei Dottern. Die Differenz der intrafollikulären Entwicklung der Eier bei den Vögeln und bei den Säugethieren, die ich soeben hervorgehoben habe, ist, soweit mir bekannt, von Seiten der Autoren, welche über die Genese der Doppel- missbildungen sich verbreitet haben, kaum berücksichtigt worden. Prüft man aber von diesem Gesichtspuncte aus die S chultze'sche Theorie von dem Vorkommen zweier Keimbläschen im Bildungsdotter solcher Eier, in denen später Doppelmissbildungen auftreten, so scheinen sich mir die nachstehenden Folge- rungen von selbst zu ergeben. Das Vorhandensein von zwei Keimbläschen kann mit einer gewissen Berechtigung für solche Eier von Vögeln supponirt werden, welche sich in einem zwei Eizellen enthaltenden Follikel entwickelt haben. Für die anderen Eier der Vögel, sowie für die Eier der Säuger ent- behrt diese Annahme jeglicher Begründung. Nachdem ich nun das muthmassliche Verhalten der Eier mit doppelter Area pellucida in den dem Beginn der Embryonalbildung vorausgehenden Entwicklungsperioden besprochen habe, komme ich zu den Veränderungen, die sich in derartigen Eiern während der Bebrütung vollziehen müssen. Wir wollen dabei voraussetzen, dass beide Cicatriculae entwicklungsfähig sind. Liegen dem Dotter zwei getrennte Keimhäute auf, so wird sich von wegen ihres mit der allmähligen Genese des Embryo gleichzeitig einher- gehenden Flächenwachsthums die Distanz zwischen beiden immer mehr ver- ringern müssen. Eine Vereinigung der beiden Keimhäute wird naturgemäss um so früher zu Stande kommen, je geringer die ursprüngliche Entfernung zwischen beiden war. Eine Verwachsung der Embryonen wird dagegen erst am Ende der Bebrütung eintreten können; es wird dann, falls die Entwick- lung der beiden Zwillinge gleichmässig vor sich gegangen war, eine omphalopage Doppelbildung aus dem Ei ausschlüpfen. Erfolgt dagegen die Bildung von zwei Zwillingen in einer zwei durch- sichtige Fruchthöfe enthaltenden Keimhaut, so ist natürlich ein durch das Blastoderm vermittelter Zusammenhang zwischen beiden von vorneherein ge- geben. Nur die beiden mittleren Keimblätter müssen sich noch vereinigen, und werden dies jedenfalls um so früher thun, je näher die beiden Areae pellucidae und somit auch die beiden Primitivstreifen an einander liegen. Bedeutend schwerer ist dagegen die Frage zu beantworten, ob eine Verwachsung der Embryonen selbst in diesen Fällen eintreten kann. Es scheinen mir be- züglich dieser Eventualität hauptsächlich zwei Momente in Betracht zu kommen : 1) die Entfernung der beiden durchsichtigen Fruchthöfe von einander und 2) die Richtung der Längenaxen beider Embryonen. Es ist aus der Ent- wicklungsgeschichte bekannt, dass die Area pellucida fast ausschliesslich in der Längsrichtung der Primitivstreifen sich ausdehnt, und zwar vergrössert sie sich, nachdem das Zuwachsstück zu ihr getreten, hauptsächlich nach vorne zu; damit im Zusammenhang steht das vorwiegend vor den Primitivstreifen fallende embryonale Längenwachsthum. Setzen wir nun den Fall, dass in den beiden Areae pellucidae die zwei Primitivstreifen einen parallelen Verlauf ein- öerlach, Entstehungaweise der Doppelmissbildungeii. 11 — 162 — halten, so ist selbst, wenn die beiden Ersteren nur ein sehr dünner Substanz- streifen trennt, eine Verwachsung der sich ausbildenden Embryonalkörper nicht möglich, da deren Längenwachsthum sich nicht entgegengerichtet ist, sondern dieselben neben einander für ihre Volumvergrösserung Platz haben. Anders dagegen liegt die Sache, wenn die Primitivstreifen der beiden Areae pellucidae mit ihren Kopfenden convergiren oder gar in Oppositionsstellung sich befinden. Im letzteren Falle werden die beiden Embryonen sich direct entgegenwachsen, was unter der Voraussetzung eines nur sehr schmalen Sub- stanzstreifens zwischen den beiden Areae die meisten Chancen für eine Vereinigung mit den Kopfenden darbietet. Trotzdem aber halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass selbst unter diesen Umständen eine Verwachsung der Kopfenden der zwei Embryonen zu Stande kommen kann. Jedenfalls ist die Distanz zwischen den Köpfen der wachsenden Zwillinge bei einer Keim- haut mit zwei Areae unter allen Verhältnissen immer grösser als die Zwischen- strecke der Keimhaut, welche die Kopfenden zweier rechtwinkelig oder oppositio- nell gestellter Embryonen trennt, die sich in einer gemeinsamen Area pellucida entwickeln. Wenn wir nun finden, dass selbst hier, indem sich die Zwischen- strecke der Keimhaut entsprechend ausdehnt, die Verwachsung der Köpfe beider Embryonen häufig unterbleibt, so dürfen wir entschieden das Gleiche mit noch grösserer Wahrscheinlichkeit für die Fälle annehmen, in denen eine grössere und darum auch ausdehnungsfähigere Keimhautstrecke zwischen den Köpfen der in zwei gesonderten durchsichtigen Fruchthöfen sich ausbildenden Zwillinge gelegen ist. Ich gebe jedoch zu, dass wegen der unzureichenden Anzahl hieher gehöriger Beobachtungen in dieser Frage eine sichere Ent- scheidung noch nicht zu treffen ist. II. Die monoareale Entwicklung. In einem früheren Abschnitte dieses Buches sind die Doppelbildungen, welche in einer gemeinsamen Area pellucida aufgetreten sind, zusammenge- stellt, und in dem darauf folgenden Kapitel ist ihre Entstehungsweise von den Gesichtspuncten der normalen Entwicklungsgeschichte aus eingehend erörtert worden. An dieser Stelle kann ich mich desshalb darauf beschränken, unter Bezugnahme auf die früher erhaltenen Resultate zu untersuchen, ob und unter welchen Umständen bei der monoarealen Entwicklung die Annahme einer Spaltung oder Verwachsung zulässig ist. Wir wollen hiebei nach dem Vor- gange von Raub er zwischen Embryonalanlagen und Embryonen unterscheiden, wobei ich im Hinweis auf das die normale Entwicklungsgeschichte enthaltende Capitel daran erinnern will, dass das Stadium der Embryonalanlage mit den ersten Spuren der Anlage des Primitivstreifens beginnt, und bis zu der Ent- wicklungszeit reicht, in welcher die Anlage der Rückenfurche eben vollendet ist. Es muss daber unsere nächste Aufgabe darin bestehen, zu prüfen, ob während des Stadiums der Embryonalanlage eine Verwachsung oder eine Spaltung stattfinden kann. Die erstere Möglichkeit setzt natürlich das Vor- handensein von zwei Embryonalanlagen voraus. Dass eine eigentliche Verwachsung zweier in einer einzigen Keimhaut sich bildenden Embryonalanlagen nicht mehr sich vollziehen könne, weil sie — 163 — durch diese schon in mittelbarer Verbindung stehen; ist schon mehrfach urgirt worden; wir können daher, da der Begriff „ Verwachsung a immer eine vor- her bestehende Trennung involvirt, höchstens nur von einer Verwachsung zweier von gesonderten Primitivstreifen auswachsenden mittleren Keimblätter sprechen. Eine Verschmelzung zweier Embryonalanlagen selbst, welche ja anfangs flach in der Ebene der Keimhaut ausgebreitet sind, und aus deren Keimblätter, soweit sie in ihren Bezirken sich befinden, sich zusammensetzen, ist dagegen von der Hand zu weisen. Erst in späteren Entwicklungsperioden, wenn sich die beiden Embryonen aus dem Niveau der Keimhaut erhoben haben, kann erst wieder von einer (allerdings nur secundären) Verwachsung die Rede sein, welche auf einer Verschmelzung vorher getrennter Körpertheile beider Embryonen beruht. Es scheint mir aus diesen Gründen zweckmässig, den Terminus „Verwachsung" hinsichtlich des Vereinigungsmodus zweier Em- bryonalanlagen durch eine zutreffendere Bezeichnung zu ersetzen. Man kann sich vorstellen, dass die in die Area pellucida einstrahlenden Embryonalanlagen auf zweierlei Weise mit einander in Verbindung kommen, erstens dadurch, dass sie direct auf einander stossen, was ich als ein Confluiren bezeichnen möchte, und zweitens dadurch, dass sie beim Auftreten der Rückenwülste mit einem grösseren oder geringeren Theile ihrer Kopffortsätze auf den Boden einer theilweise gemeinsamen Medullarfurche zu liegen kommen, ein Vorgang, dem ich den Namen „Copulation" beilegte. Bei der ersteren Art der Ver- einigung sind die Embryonalanlagen mehr activ, bei der letzteren mehr passiv betheiligt. Das Confluiren zweier in die Area pellucida einwachsender Embryonal- anlagen wird um so früher eintreten müssen, je mehr dieselben convergiren. Man kann sich ein Zusammentreffen der beiden schon vor oder erst nach vollendeter Ausbildung der Primitivstreifen, ferner während der Bildung der Kopffortsätze denken. Der muthmassliche Effect eines solchen Zusammen- treffens kann wohl nur der sein, dass sich nach dem Momente der Vereinigung der bis dahin noch nicht gebildete Theil der Embryonalanlagen nur einfach anlegt. Die Richtung, welche dieser einfache Abschnitt einhält, wird, falls die beiden Embryonalanlagen mit der gleichen Wachsthumsenergie aufeinander- getroffen sind, durch eine Linie repräsentirt werden, welche mit der Richtungs- linie der doppelt vorhandenen Embryonaltheile einen gleichen Winkel bildet. Letztere kann man als die beiden Katheten, erstere als die resultirende Diagonale eines Kräfteparallelogramms auffassen. Diese rein theoretischen Deductionen entbehren jedoch vorerst noch jeglicher reellen auf Beobachtung beruhender Unterlage. Der eine v. Baer'sche Fall (3), welcher hier allenfalls angezogen werden könnte, ist in Beschreibung und Abbildung so unbestimmt gehalten, dass es nicht zulässig erscheint, den- selben als Beleg für die Möglichkeit eines Confluirens zweier Embryonal- anlagen auszuführen. Dass zwei Primitivstreifen vor ihrer vollendeten Ausbildung bereits con- fluiren können, halte ich übrigens für sehr problematisch ; ihre Verlaufsrichtung müsste wegen der hierzu nöthigen starken Convergenz zu sehr von der radiären Richtung abweichen ; eher könnte man annehmen , dass zwei convergirende Primitivstreifen während ihres Einwachsens sich so genähert haben , dass sie — 164 — schliesslich nach ihrer Vollendung mit den Kopfenden sich seitlich berühren; vor den beiden würde dann nur ein einziger Kopffortsatz sich anlegen. Auch scheint mir diese Möglichkeit annehmbarer als ein Confluiren von zwei Kopf- fortsätzen; dazu wäre bei dem Einstrahlen zweier Primitivstreifen unter einem Winkel von 90° oder über 90° oder 180° wohl die beste Gelegenheit geboten. Es wurde aber bekanntlich bei den hieher gehörigen Doppelbildungen der zweiten und dritten Gruppe unserer Eintheilung niemals eine Vereinigung der beiden Embryonalanlagen vor dem Auftreten der Medullarrinne wahrgenommen. Es scheint mir demnach, so lange nicht positive Beobachtungen für ein Confluiren zweier Embryonalanlagen vorliegen, geboten, diese Art der Ver- einigung gänzlich fallen zu lassen. Somit bleibt die Copulation nur allein noch übrig, für deren Vorkommen die von Ahlfeld und Reichert be- schriebenen Doppelbildungen (Fall 7, Fig. 6, Taf. IV und Fall 13, Fig. 2A und B, Taf. V) als Belege angeführt werden können. Die verschiedene Ausdehnung, welche die Copulation gewinnen kann, wofür die Anordnung der beiden Embryonalanlagen allein bestimmend ist, habe ich aber schon früher ausführlicher erörtert, so dass ich hier diese Ver- hältnisse als bekannt übergehen kann. Es genüge an dieser Stelle die Be- merkung, dass die Copulation oder, wie ich sie früher auch nannte, die primäre Vereinigung nur sehr selten stattzuhaben scheint. Ich wende mich nun zu der Frage, ob der sich entwickelnde Organismus im Zustande der Embryonalanlage eine Spaltung der Art erleiden kann, dass aus den beiden Hälften je ein besonderer Embryo zur Ausbildung gelangt. Diese Frage ist absolut zu verneinen; die Hypothese der Theilung einer Embryonalanlage im Sinne der Anhänger der Spaltungstheorie, welche sämmt- lich darunter eine totale oder partielle Theilung einer bereits einheitlich ent- wickelten Embryonalanlage verstehen, ist ein reines Phantasiegebilde, welches auf vollkommen unklaren Vorstellungen basirt, und mit den Resultaten der neueren embryologischen Forschung unvereinbar ist. Die Spaltungstheorie wird, wie wir wissen, in verschiedenen Schattirungen vertreten, indem sowohl eine longitudinale als transversale Theilung befür- wortet wurde, und ferner auch bezüglich der Zeit dieses supponirten Vor- ganges die Ansichten auseinandergehen. Sehr viel hat seiner Zeit von sich reden gemacht die von Meckel zuerst angedeutete, von Reichert des Näheren ausgeführte Theorie der paarig symmetrischen Keimtheilung. Dieselbe beruht auf der Vorstellung, dass bei der normalen Entwicklung der Primitivrinne und Medullarrinne eine unvollkommene Längstheilung der Fruchtanlage vor- liege, was ich für die Primitivrinne allenfalls noch zugeben könnte; dagegen kommt die Medullarrinne hauptsächlich durch Verdickung des seitlich von der Chorda befindlichen Mesoderms und die in Folge dessen sich erhebenden Rücken- wülste zu Stande, wcsshalb von einer unvollkommenen Längstheilung nicht die Rede sein kann. Diejenigen Autoren, welche eine letztere annehmen, glauben, dass bei der Genese von Doppelmissbildungen die weiteren normalen Ent- wicklungsvorgänge, wie der Schluss des Medullarrohres etc. durch ein Excessiv- werden jener normalen Längsspaltung hintangehalten werde. Es werde da- durch die mediane Längsrinne zu tief, und im Verlaufe derselben werde schliesslich die blätterartigo Embryonalanlage stellenweise durchtrennt. „Indem — 165 — nun jede der selbstständig gewordenen Hälften die Fähigkeit besitzt, sich die ihr fehlende andere Hälfte zu ergänzen, entstehen so die Doppelmissbildungen, die in einem Theil, Kopf oder Rumpf oder beiden, zusammenhängen, und in diesen bilateral- symmetrisch, in den übrigen Theilen jedoch getrennt und paarig- symmetrisch sind." Ganz abgesehen davon, dass eine vollständige Durchtrennung der ge- sammten Keimhaut bei Doppelbildungen, die in einer Area pellucida sich ent- wickeln, niemals zur Beobachtung gelangt ist, entsteht zunächst die Frage, was man unter selbstständig gewordenen Hälften zu verstehen hat. Jeden- falls ist hier der Phantasie ein sehr weiter Spielraum gelassen, und ich ge- stehe offen, dass ich mir ebensowenig von selbstständig gewordenen Embryo- nalhälften einen klaren Begriff machen kann, als ich es mir zurecht zu legen vermag, wie sich eine Embryonalhälfte so ergänzen kann, dass eine vollständige Embryonalanlage daraus entsteht. Noch viel unverständlicher und den Vorgängen der Entwicklungsgeschichte sowohl, wie den Erfahrungen über das Verhalten frühzeitiger Doppelbildungen direct widersprechend, ist die Annahme einer Quertheilung der Embryonal- anlage. Dieselbe hat jedoch bereits von Dittmer und -Ahlfeld eine so schlagende Widerlegung erfahren, dass ich es für überflüssig erachte, hier nochmals die gegen diese Theorie von Seiten der beiden genannten Forscher angeführten Argumente zu wiederholen. So bleibt mir denn nur noch übrig, die von A hl fei d in der letzten Zeit warm befürwortete Hypothese einer Längsspaltung der Fruchtanlage vor dem Auftreten der Primitivrinne mit nachfolgender Drehung der beiden Hälften einer Kritik zu unterziehen. Was zunächst die Annahme einer Drehung an- langt, so glaubt Ahlfeld dieselbe aus der häufig kreuzförmigen oder unregel- mässigen Form der Area pellucida folgern zu dürfen. Wenn wir die Reihe der zusammengestellten Doppelbildungen durchgehen, so scheint es einzig und allein der von Allen Thomson beschriebene Fall (Fall 25, Fig. 5, Taf. VI) zu sein, bei dem die Area pellucida eine Kreuzesform von solcher Ausdehnung besitzt, dass dieselbe eine Drehung der in früheren Stadien viel kürzeren Embryonalanlagen gestattet haben könnte. Dagegen scheinen mir die Fälle von Reichert (Fall 5, Fig. 4, Taf. IV), v. Baer (Fall 9, Fig. 7, Taf. IV), Dönitz (Fall 10, Fig. 8, Taf. IV), bei denen die durchsichtigen Fruchthöfe eine deutlich kreuzförmige Gestalt aufweisen, der Ahlfeld'schen Hypothese nicht gerade günstig zu sein. Die quere Ausdehnung der Area pellucida in der Höhe der Kopfenden oder mit andern Worten der quere Schenkel des Kreuzes ist in den genannten Fällen so unbeträchtlich im Verhältniss zur Längendimension, dass mir eine früher stattgefundene Drehung der beiden Embryonalanlagen, seien diese zu jener Zeit auch noch so unentwickelt und desshalb von nur geringer Grösse gewesen, nicht annehmbar erscheinen kann. Die Gestalt der Area pellucida dieser Doppelbildungen erklärt sich am ein- fachsten aus der normalen Entwicklungsgeschichte. Es wurde früher betont, dass in der Norm der durchsichtige Fruchthof nach Einverleibung des Zu-* wachsstückes sich kaum mehr nach rückwärts, sondern vorwiegend nach vorn zu ausdehnt. Im Falle nun bei einer Doppelbildung deren beide in Oppo- sitionsstellung befindliche Embryonen mit den Kopfenden frühzeitig verwachsen, — 166 — so kann die Ausdehnung des gemeinsamen durchsichtigen Fruchthofes nicht mehr vor die Köpfe der beiden Embryonen fallen, und als Aequivalent hiefür sehen wir eben nach beiden Seiten hin eine Vergrösserung desselben sich vollziehen. Den hypothetischen Vorgang der Spaltung setzt Ahlfeld in eine Ent- wicklungszeit, in welcher die Primitivrinne noch nicht aufgetreten ist. Für das Hühnchen würde dieses Stadium dem Zustande der Keimhaut entsprechen, welcher in (Fig. 1 und 2, Taf. I) bildlich wiedergegeben ist. Die Embryonal- anlage wird nun nach Ahlfeld dadurch gespalten, dass von aussen resp. von oben auf dieselbe ein Druck Seitens der gespannten Zona pellucida ausgeübt werde, wie dies früher bereits auseinandergesetzt wurde. Gegen eine der- artige Möglichkeit dürften sich nicht ungewichtige Gründe anführen lassen. Erstens ist die Zona sehr extensionsfähig, was schon daraus erhellt, dass sie dem Wachsthum des Eies kein Hinderniss entgegenzusetzen vermag. Ferner umschliesst die Dottermembran zur Zeit der auftretenden Embryonalanlage das Ei nicht so innig, dass sie auf dasselbe auch nur die geringste Com- pression ausüben könnte. Davon kann man sich leicht bei einem kurz ange- brüteten Hühnerei durch Betasten des Dotters mit einem stumpfen Instrumente überzeugen. Bei den Säugern liegen die Verhältnisse für die Ahlfeld'sche Hypothese womöglich noch ungünstiger. Die äusserst dünne Zona ist zur Zeit des Auftretens der Area embryonalis so expansionsfähig, dass nach Ein- legen der Keimblase in eine indifferente Flüssigkeit schon das Eindringen der letzteren in das Ei auf dem Wege der Diffusion hinreicht, um die Zona von der Keimblase selbst allseitig abzuheben. Sehr schön zeigen die Abbildungen Bischoffs x) von Kanincheneiern, die sich im Zustande der Keimblase be- finden, den in besagter Weise zwischen Zona und Ektoderm entstandenen Zwischenraum. Die Zona würde sich von dem Ektoderm der Keimblase sicher nicht so leicht abdrängen lassen, wenn sie derselben dicht anliegen und sie eng umschliessen würde. In diesem Falle müsste bei der Aufnahme von Flüssigkeit die Höhlung der Keimblase selbst, deren Wand sich von der Zona nicht trennen könnte, sich ausdehnen. Man könnte zwar annehmen, dass die zwischen Zona und Keimblasenwand befindliche Flüssigkeit aus der letzteren, selbst durch Transsudation in den genannten Zwischenraum gelangt sei; allein dies wird nothwendiger Weise mit einer Faltenbildung der Keimblase, deren Höhlung nicht mehr ad maximum gefüllt ist, einhergehen müssen. Da eine solche nicht beobachtet wurde, vielmehr die Keimblase nach ihrer Loslösung von der Zona eine vollständig runde oder leicht ovale Form beibehält, so ist jene Annahme nicht gut aufrecht zu erhalten. Hauptsächlich scheint mir gegen die von Ahlfeld supponirte Druck- wirkung der Zona die folgende Erwägung zu sprechen. Gibt man eine ge- ringere Expansionsfähigkeit der Zona pellucida zu, wodurch allein eine Druck- wirkung auf das wachsende Ei im Sinne Ahlfeld's verursacht werden kann, so wird dieselbe nicht erst nach dem Auftreten der Embryonalanlagc, sondern zweifelsohne schon vorher sich äussern müssen. Eb wird daher an Stollen der Keim blase, welche einer besonderen Druckwirkung ausgesetzt sind, wie ') 1. c Tai". VIII u. I.\. - 167 — sie Ahlfeld bei der Spaltung in Anspruch nimmt, von vorneherein die Bil- dung der Embryonalanlage nicht gut stattfinden können. Haben jedoch die Wachsthumsvorgänge, welche das Auftreten der Fruchtanlage bedingen, den auf der betreffenden Stelle der Keimblase lastenden Druck der Zona über- wunden, d. h. ist es zur Bildung der Embryonalanlage gekommen, so ist nicht einzusehen, wie plötzlich jener Druck wieder stärker werden, und die letztere langsam zertheilen soll. Ebensowenig aber, als die Druckwirkung erst in einer bestimmten Zeit nach dem Erscheinen der Embryonalanlage sich geltend machen kann, wird dieselbe zu einer bestimmten Zeit, d. h. nach vollzogener Spaltung aufhören, die Entwicklungsvorgänge zu beeinflussen. Beide Postu- late sind aber in der A hlfeld'schen Hypothese enthalten. Ahlfeld kann die Druckwirkung der Zona als spaltende Kraft nur von dem Auftreten der Embryonalanlage an, bis nach erfolgter Spaltung brauchen. Denn wenn sietnach dieser Zeit noch wirksam sein sollte, so müssten ja die beiden ge- spaltenen Hälften ganz nach den von ihm aufgestellten Gesetzen einer er- neuten Spaltung unterliegen. In dem Voranstehenden habe ich die Gründe angegeben, aus denen ich weder den von Ahlfeld vermutheten Spaltungsmechanismus, noch die von ihm vertretene Drehung der gespaltenen Embryonalhälften gutheissen kann. Ebensowenig bin ich seiner Meinung, was die Spaltung selbst anlangt, inso- fern man darunter eine Trennung früher vereinigter, resp. einheitlicher Ge- bilde versteht. Trotzdem ich daher augenscheinlich ein Gegner der Ahl- feld'schen Anschauungen bin, haben dieselben mit meinen eigenen dennoch so viele Berührungspuncte, dass es nicht überflüssig erscheinen wird, meine an einem anderen Orte bereits mitgetheilten Ergebnisse den Resultaten Ahl- feld's an die Seite zu stellen. Den Entwicklungszustand, welchen Ahlfeld als Ausgangspunct für sämmtliche Doppelbildungen betrachtet, nehme auch ich, an, jedoch nur für gewisse Formen der Doppelmonstra. Es sind dies die allerersten Bildungs- stadien der Embryonalanlage eines einzigen Individuums. Während jedoch Ahlfeld der Meinung ist, dass in einer gewissen Zeit vor der Bildung der Primitivrinne eine Spaltung der gemeinsamen Fruchtanlage stattfindet, so halte ich dafür, dass unter besonderen Verhältnissen die nach vorne wachsende Embryonalanlage nach zwei Seiten hin divergiren kann. Findet dieses Diver- giren schon vor Vollendung des Primitivstreifens statt, so erhält man, wie ich es künstlich herzustellen vermochte (Fig. 3, Taf. VIII) einen gabelig ge- theilten Primitivstreifen. Der Unterschied zwischen der Ahlfeld'schen Auf- fassung und der meinigen gipfelt demnach darin, dass Ahlfeld eine~ mehr oder minder hochgradige Spaltung eines vorher einheitlichen Gebildes zulässt, während ich, jegliche Spaltung negirend, zu dem Resultate komme, dass die- jenigen Theile der Embryonalanlage, welche später gespalten resp. verdoppelt erscheinen, von vorneherein zweifach angelegt, demnach niemals aus einer ursprünglich gemeinsamen Organanlage in Folge von Zertheilung hervor- gegangen sind. Ich komme zu einem zweiten Punkte, in dem Ahlfeld und ich bis zu einem gewissen Grade übereinstimmen. Es ist diesem Forscher nicht ent- gangen, dass bei vielen der bekannten Doppelbildungen in früherer Zeit eine — 168 — Lageveränderung der beiden Embryonen stattgefunden haben müsse. Ahl- feld glaubt jedoch, dass diese Ortsverschiebung auf einer Drehung beruhe und hat diese seine Ansicht insofern generalisirt ; dass er für alle Fälle un- vollkommener Spaltung, wenn die Embryonalanlagen mit ihren vorderen oder hinteren Enden noch zusammenhängen, eine der Spaltung auf dem Fusse folgende Drehung annimmt. Bezüglich der Drehung kann ich Ahlfeld, wie schon erörtert, nicht beipflichten; dagegen habe ich in einem früheren Abschnitt auf das durch die mesodermale Wachsthumsenergie verursachte Auseinanderrücken zweier neben einander in die Area pellucida einstrahlen- der Embryonalanlagen aufmerksam gemacht, und gezeigt, wie unter diesen Verhältnissen eine Lageverschiebung der beiden Primitivstreifen stattfinden kann, die allerdings mit einer Drehung manche Aehnlichkeit darbietet. Es wurde dann an demselben Orte noch des Weiteren darauf hingewiesen, von welchen besonderen Umständen der Grad dieser Lageverschiebung abhängt, und wie sich darauf wiederum die einzelnen Formen der Duplicitas posterior zurückführen lassen. Nachdem wir nun die Möglichkeit einer Verwachsung oder Spaltung von Embryonalanlagen , die in einer Area entstehen , erörtert und dabei zu dem Resultate gelangt sind, beide Vorkommnisse in Abrede stellen zu müssen, gehe ich nun zu der Frage über, ob dieselben in einer späteren Ent- wicklungszeit statthaben können, d. h. ob eine Spaltung eines Embryo oder eine Verwachsung zweier monoarealen Zwillingsembryonen behauptet wer- den darf. Dass eine Verwachsung zweier monoarealer Zwillinge nicht mehr primär sich vollziehen kann , ist einleuchtend , da die beiden je durch die gemein- same Keimhaut schon mittelbar verbunden sind. Es handelt sich demnach nur um eine secundäre Verwachsung, welche in einer Vereinigung vorher getrennter embryonaler Körpertheile besteht. Ueberblickt man die Abbil- dungen, welche für die beobachteten Fälle frühzeitiger Doppelbildungen vor- liegen (siehe die Figuren auf Taf. IV, V und VI), so muss jeglicher Zweifel daran schwinden, dass zwei Embryonen mit einander in dem eben erörterten Sinne verschmelzen. Zwar weisen die bekannt gewordenen Mehrfachbildungen noch lange nicht eine continuirliche Stufenreihe hinsichtlich der Ausdehnung der Verschmelzung auf, doch lässt sich aus ihnen immerhin so viel mit Ge- wissheit schliessen, dass in der ersten Zeit, nachdem die beiden Embryonen aus dem Stadium der Embryonalanlage herausgetreten sind, eine Vereinigung zwischen ihnen in verschieden hohem Grade sich vollziehen kann. Auch ist ja von vielen Anhängern der Spaltungstheorie für gewisse Fälle von Doppel- missbildungen eine oberflächliche Verschmelzung zugegeben worden. Wenn wir demnach eine Verwachsung zweier Embryonen als sichergestellt betrachten müssen, so können jedoch in Rücksicht auf die Zeit und den Grad derselben die Meinungen auseinandergehen. Was die Zeit anlangt, so kann eine Ver- schmelzung nur bei sehr jungen Embryonen statthaben, da bei älteren das Integument derselben bereits zu sehr differenzirt ist und die beiden Zwillinge vor einer Verwachsung schützt. Eine genaue Zeitgrenze anzu- geben, von der an eine Vereinigung nicht mehr möglich ist, dürfte schwer halten. — 169 — Der Grad der Verwachsung hängt wesentlich von zwei Momenten ab; erstens von der Grösse der sich berührenden Stellen der Körperoberfläche zweier Embryonen und zweitens von dem Zeitpunkt der Verschmelzung ; je früher dieselbe stattfindet, desto inniger wird sie schliesslich werden müssen. Besonders der letztere Punct scheint mir von Interesse zu sein, da bei seiner Erörterung die Frage nicht unbeantwortet bleiben kann , ob , wie von Seiten der Anhänger der Verwachsungstheorie behauptet wird , aus der Verschmel- zung zweier ein einheitlicher Körpertheil resultiren kann. Bei der Be- sprechung dieser Frage möchte ich die Axenorgane von den übrigen Organen trennen. Was die ersteren betrifft, so verweise ich auf meine früheren Aus- führungen über die primäre Vereinigung der Embryonalanlagen und die secundäre Verwachsung von Embryonen, als deren Endresultate sich im ersteren Fall eine Doppelmissbildung mit partieller Einfachheit der Axen- organe (Kopf mit inbegriffen) herausstellte, während im letzteren Falle nach- weislich Doppelbildungen mit durchaus getrennten Wirbelsäulen entstanden, deren Köpfe jedoch, falls sie in einer sehr frühen Zeit mit einander ver- wachsen waren, zwar äusserlich einfach, jedoch durchaus missgebildet er- schienen. Je später die Verwachsung stattfand, desto deutlicher wird das Doppelsein des Kopfes dieser Missbildungen auch äusserlich zu Tage treten müssen. Die Vereinigung der lateral von der Axe gelegenen Organe kann sich ebenfalls in verschiedener Zeit vollziehen. Am Besten werde ich das vorher ausgesprochene Gesetz , dass desto inniger und hochgradiger die Verschmel- zung sich gestaltet, je früher dieselbe beginnt, an einem Beispiele erläutern können. Ich wähle hiezu die Verschmelzung der Extremitäten zweier neben einander gelegenen Embryonen, wie wir sie sehr gut in dem Dareste'schen Falle, der in Fig. 6, Taf. VI wiedergegeben ist, beobachten können. Wir sehen hier, dass sowohl die oberen, als die unteren Extremitätenstummel sich offenbar sehr kurze Zeit nach ihrem Aussprossen aus der Körperoberfläche berührt haben und mit einander verklebt sind. Was für einen schliesslichen Erfolg wird diese Verschmelzung nach sich ziehen? Unzweifelhaft werden die vereinigten mittleren Extremitäten von nun an einheitlich weiterwachsen und wenn später im Innern derselben das Skelett sich differenzirt , so wird es theilweise einfach sich anlegen, es wird voraussichtlich nur eine für die äussere Inspection einfache obere und untere Extremität entstehen müssen, deren Zergliederung jedoch ergeben wird, dass die proximalen Skeletttheile dieses dritten mittleren Extremitätenpaares doppelt, vielleicht theilweise schon verschmolzen, die distalen jedoch einfach sind. Würde die Vereinigung ^später erfolgt sein, so würden die Skeletttheile der Extremitäten noch weiter distal- wärts doppelt geworden sein. Dieses eine Beispiel mag genügen, um die Wirkungen der Verschmel- zung zu zeigen, welche je nach deren zeitlichem Auftreten sehr verschieden ausfallen können. Man wird aus ihm ersehen, dass eine partielle Duplicität eines Organes nicht auf einer verschieden weitgehenden Ineinsbildung, wie Joh. Müller sich so treffend ausdrückt, sondern auf einer mehr oder minder frühzeitigen Verschmelzung noch nicht differenzirter Organeanlagen beruht. Der Annahme einer Ineinsbildung zweier schon differenzirter Organe, — 170 — wie sie von Anhängern der Verwachsungstheorie mehrfach aufrecht erhalten wird, muss ich desshalb eben so entschieden entgegentreten, wie ich eine Spaltung bereits einheitlich angelegter Theile einer Embryonalanlage in zwei sich später zu vollständigen Theilen ergänzenden Hälften von der Hand weisen musste. Nach der Verschmelzung von Organen können sich diese nur dann theilweise einfach gestalten, wenn zur Zeit der Verschmelzung die Organtheile aus völlig gleichartigem noch nicht difFerenzirtem Gewebe be- stehen. So sehen wir denn, dass die einfachen Theile einer ausgebildeten Doppel- bildung, mögen sie der Axe oder den sonstigen Organen angehören, niemals aus einer Verschmelzung früher doppelt vorhandener bereits dhTerenzirter Organe, die schliesslich zur Ineinsbildung geführt hat, sich ableiten. Eine Ineinsbildung kommt überhaupt nicht vor und eine Verschmelzung kann nur dann zu einem theilweise einfachen Zustande eines Organs führen, wenn die betreffenden Organe in noch ganz rudimentärem Zustande sich ver- einigen. Die älteren Anhänger der Verwachsungstheorie glaubten, dass, wenn zwei embryonale Theile, z. B. zwei Köpfe, mit einander bis zur Ineinsbildung verwachsen, die einander zugekehrten Kopfhälften durch Atrophie zu Gründe gehen. Dass ich eine derartige Auffassung für eine total irrige halte, geht aus den eben angestellten Betrachtungen mit Nothwendigkeit hervor. Damit soll jedoch keineswegs gesagt sein, dass bei der Genese von Missbildungen überhaupt keine Atrophie mitspiele 5 ich betone vielmehr ausdrücklich , dass derartige Processe zweifellos bei teratogenetischen Entwicklungsvorgängen gar nicht selten stattfinden, und immer dann eintreten, wenn ein embryonaler Körpertheil einer Druckwirkung, möge sie von Seiten eines Zwillingsembryo ausgehen oder in äusseren Ursachen begründet sein, ausgesetzt ist. Nur eine so hervorragende Rolle, wie man früher vielfach der Atrophie für die Bil- dung der Doppelmonstra zuschrieb, kann ich derselben nicht einräumen; ich erinnere daran, dass die Verwachsungstheorie, um ein anderes Beispiel anzu- führen, bei einer Duplicitas anterior die beiden Seitenhälften des einfachen Körperabschnittes von zwei ursprünglich gesonderten Individuen ableitete, deren seitliche Verschmelzung zu einer vollständigen Atrophie der einander zugekehrten Seitenhälften geführt haben sollte. Die über das Wesen und die Folgen der Verwachsung zweier mono- arealer Embryonen angestellten Erwägungen lassen sich in Bezug auf ihre Hauptergebnisse in folgender Weise recapituliren: 1) Je später die Verschmelzung beginnt, desto oberflächlicher wird die Vereinigung der beiden Embryonen sich gestalten. 2) Eine Verwachsung zweier Embryonen, wenn sie auch noch so frühzeitig erfolgt, zieht niemals eine partielle Einfachheit der Wirbelsäule nach sich. 3) Die Verwachsung von Organen oder Organtheilen kann, wenn die- selbe sehr frühzeitig, so lange; noch keine Differenzirung der betreffenden Theile eingetreten ist, sich vollzieht, eine partielle Einfachheit der verschmol- zenen Organe veranlassen. 4) I >ie Verschmelzung zweier bereits differenzirter Organe kann unter — 171 — keinen Umständen bis zur Ineinsbildung führen, sondern es wird in diesen Fällen nur zu einer mehr oberflächlichen Vereinigung der beiden Organe kommen können. Wir haben schliesslich noch zu untersuchen, ob eine Spaltung von Em- bryonen stattfinden könne. Hier kann ich mich kurz fassen, da in dieser Frage unter den Autoren so gut wie keine Meinungsverschiedenheit mehr herrscht. Selbst die Anhänger der Spaltungstheorie, soweit sie der neueren Zeit angehören, versetzen eine Theilung nur in das Stadium der Embryonal- anlage: die Spaltung eines Embryo, wodurch eine theilweise Duplicität der Axenorgane entstehen solle, halten sie nicht für möglich. Wir können daher als feststehend betrachten, dass nach der vollständigen Ausbildung der Medullarrinne nicht mehr durch Spaltung des Embryo eine Doppelmissbildung stattfinden kann. Bei dieser Gelegenheit möchte ich kurz auf die Frage eingehen, wie und zu welcher Zeit sich die Genese überzähliger Embryonaltheile bei einer Einfachbildung vollzieht ; ich denke hier an über- zählige Eingeweide, oder an verdoppelte Extremitätentheile , wie supernum- meräre Finger etc. Man ist selbst von Seiten der Verwachsungstheorie viel- fach geneigt, für diese Fälle eine Spaltung anzunehmen.- Ich kann dieser Auffassung, insofern man unter Spaltung eine passive Trennung vorher ein-, heitlicher Theile versteht, nicht beipflichten. Was die Verdopplung innerer Organe anlangt, so hat es sich bei vielen herausgestellt, dass dieselben, z. B. der Uterus bicornis, Hemmungsbildungen darstellen, und nicht durch unvollkommene Spaltung einer einheitlichen An- lage entstanden sind. In Bezug auf die Ueberzahl von Extremitätentheilen liegt eine interessante Beobachtung von Ahlfeld vor, welche eine Verdoppe- lung des Daumens betrifft. Ahlfeld fand nämlich zwischen den beiden Daumen einen amniotischen Faden , durch den seiner Ansicht nach die Daumenanlage gespalten worden war. Auch ich sehe in dem Amnionfaden die Veranlassung für die Genese von zwei Daumen, welche ich mir jedoch nicht in der Art denke, dass die Anlage eines gemeinsamen Daumens durch einen zwischen in dieselbe eindringenden Amnionfaden passiv eingefurcht wurde, sondern meines Dafürhaltens hat die sich entwickelnde Anlage, durch den Amnionfaden an ihrem normalen Verwachsen verhindert , nur da , wo kein Hinderniss bestand, also zu beiden Seiten des Fadens vordringen können, wodurch ein sich nach und nach vergrössernder Einschnitt in derselben ent- stehen musste. Als nun die Sonderung im Innern der Daumenanlage eintrat und die Anlage der Knochen stattfand, konnte jede der beiden Daumenhälften sich zu einem Finger organisiren. Man sieht, zwischen der Ahlf einsehen und meiner Auffassung, die sich offenbar sehr nahe stehen, herrscht dieselbe Differenz, der ich auch schon früher, als die Spaltung der Embryonalanlage erörtert wurde, Ausdruck gegeben habe. Ahlfeld redet der passiven Spal- tung, bereits einheitlich angelegter Theile das Wort, nach meiner Ansicht kann es sich um keine Spaltung handeln, da es überhaupt nicht zu einer einheitlichen Anlage der später doppelten Theile kommt, sondern bereits sehr frühe durch ein auf irgend eine Veranlassung^ hin anormales Wachsthum von vorneherein die später doppelten Theile sich doppelt anlegen. Der schliess- liche Effect ist nach unserer beiderseitigen Meinung ein gleicher; nur theilt — 172 — Ahlfeld zur Herbeiführung dieses Zustandes dem betreffenden Embryonal- theile eine passive Rolle zu, während derselbe nach meiner Meinung, indem er einem anormalen Wachsthum unterliegt, an dem Zustandekommen der Bildungsanomalie activen Antheil nimmt. Darin stimmen wir dagegen wieder überein, dass der fragliche Process — ich möchte ihn, um beiden Auffas- sungen gerecht zu werden, als scheinbare Spaltung bezeichnen — auf irgend eine äussere Veranlassung hin zu Stande kommt. Für das Doppelwerden des Daumens in dem genannten Falle ist ganz entschieden der im Wege stehende Amnionfaden das ursächliche Moment gewesen 1). Für das Zustande- kommen einer theilweise doppelten Embryonalanlage verlegt Ahlfeld die Hauptursache auf eine mechanische Einwirkung in Gestalt eines Seitens der Zona auf die Embryonalanlage ausgeübten Druckes, während ich, die Mög- lichkeit mechanischer Einwirkungen zugebend, auch noch die locale Behinde- rung des Sauerstoffzutrittes im Hinblick auf meine experimentellen Unter- suchungen als eines der Momente hervorheben möchte, welche eine Bifurcation zur Folge haben können. Zum Schlüsse dieses Capitels, welches die Möglichkeit einer Verwach- sung und Spaltung in verschiedenen Entwicklungsperioden behandelt, scheint es mir angemessen, die Ergebnisse unserer Betrachtungen nochmals kurz zu recapituliren. Was die Verwachsung anlangt, so haben wir bei den Erörterungen über die biareale Entwicklung wahrscheinlich machen können, dass in der ersten Zeit der ovarialen Eibildung eine mehr oder minder weitgehende Vereinigung (Verwachsung) zweier Eizellen eines Follikels zu der Entstehung einer mit zwei Areae pellucidae versehenen Keimhaut Veranlassung gibt; unterbleibt diese Vereinigung, so werden bei den Vögeln späterhin zwei getrennte Keim- scheiben dem Dotter aufliegen. Ich gebe mich der Hoffnung hin, dass dieses thatsächlich beobachtete Vorkommen von nun an nicht mehr in Zweifel ge- zogen wird, seit darauf hingewiesen wurde, dass zwei in einem Follikel ein- geschlossene Eizellen bei den Vögeln in Folge der dieser Classe eigenthüm- lichen Entwicklungsprocesse im Eierstock, falls sie keine gegenseitige Ver- bindung eingehen, nothwendig das Zustandekommen zweier getrennter Keim- scheiben bedingen müssen. Es werden daher, wenn beide — häufig scheint nur eine Cicatricula befruchtet zu werden — entwicklungsfähig sind , zwei Xwillingsembryonen auf einem Dotter entstehen müssen. Im Stadium der Embryonalanlage kann von einer Verwachsung zweier sich entwickelnder Individuen nicht die Rede sein ; sie können nur auf dem Wege der Copulation mit einander sich innig verbinden. Da- gegen findet unzweifelhaft eine Verwachsung zweier Embryonen statt, ]) l'm Kissverständnissen vorzubeugen, bemerke, ich, dass Duplicitäten der Finger (»der grösserei distaler Endabschnitte der Extremitäten, wie ganzer Hände und Füsse, nicht nur auf äussere Veranlassungen hin durch mechanische Ursachen zu Stunde kommen, sondern dass für - 2) His, Ueber die Bildung der Haifischembryonen. Zeitschrift für Anatomie und Entwicklungsgeschichte 1876, pag. 108. — 180 — nach abwärts und vorne umzubiegen , worauf sie bald wieder ihre Richtung ändernd seitlich in den ausserembryonalen dünneren Theil des Randwulstes übergehen. Die auseinandertretenden Schenkel des hinteren Embryonalendes hat Balfour Caudallappen, His Randbeugen genannt *). Später treten die- selben zu dem Schluss des Medullarrohres zusammen, dessen hinterer Ab- schnitt somit den ursprünglichen hinteren Embryonalrand überragen muss. Un- mittelbar hinter dem letzteren erhält sich bei dem Zusammentreten der Caudal- lappen und der ausserembryonalen Randwulsttheile eine Oeffnung (Canalis neurentericus) , durch welche das Medullarrohr zeitweise mit dem Darmrohre communicirt 2). Bei der weiteren Umwachsung des Dotters Seitens der Keim- haut fahren die ausserembryonalen Randwulsttheile fort, sich hinter der Embryo- nalanlage zu vereinigen , was in einer geraden in der hinteren Verlängerung der embryonalen Längsaxe gelegenen Linie geschieht. Dadurch entfernt sich der Rand der Keimhaut nach hinten zu immer mehr von dem Embryo. Mit dem vollständigen Verschlusse der von dem successive sich verengernden Ringe des Randwulstes umgrenzten rundlichen Zone der Dotteroberfläche (Dotterloch) ist der Umwachsungsprocess beendet. Bei den Knochenfischen, zu denen ich nun übergehe, verläuft die Furchung, die Genese der Furchungshöhle und damit einhergehend die Differenzirung der Keimscheibe in eine dünnere Mittelscheibe und einen dickeren Randwulst oder Keimring in ähnlicher Weise, wie dies soeben für das Ei der Selachier beschrieben wurde. Die Keimhaut beginnt sodann, den Dotter zu umwachsen, während sehr bald eine Stelle des Randwulstes sich verdickt und verbreitert, wodurch dieselbe als ein Vorsprung des Randwulstes in die Mittelscheibe hinein erscheint. Dieser Vorsprung stellt die Embryonalanlage dar oder, wie wir sie mit Raub er bezeichnen können, die vordere Embryonalanlage, da sie dem spätem Kopfende des Embryo entspricht. Längsschnitte durch dieselbe zeigen auch hier am hinteren Rande einen unmittelbaren Uebergang der Zellen der oberen Keimschichte in die der unteren. Während die Furchungshöhle all- mählig schwindet, tritt bald in der grösser gewordenen vorderen Embryonal- anlage die verhältnissmässig breit angelegte Rückenfurche auf, die sich jedoch bei der Streckung der Embryonalanlage rasch verschmälert; seitlich ist sie von den Rückenwülsten begrenzt, die vorne bogenförmig in einander über- gehen. Auf Querschnitten, welche durch die Embryonalanlagen kurz nach dem Auftreten der Rückenfurche gelegt sind, kann man bereits die drei Keim- blätter erkennen, das Ektoderm, ferner dem Dotter aufliegend das Entoderm, zwischen beiden die Mittellinie, wo sich aus dem Entoderm die Chorda bildend, freilassend, das Mesoderm. Hinsichtlich der mit der weiteren Umwachsung gleichzeitig einhergehenden Streckung der Embryonalanlage verweise ich auf die vortrefflichen Abbildungen von His3), welche diesen Vorgang sehr gut !) Von den Randbeugen gibt His (1. c.) in Fig. 5 und 6, Taf. VII sehr instructive Abbildungen. 2) Ueber die Genese dieser CommunicationsölTnung gewähren die schematischen Ab- bildungen in Balfour's Hsndb. der vergleichenden Embryologie (übersetzt von Vetter) Bd. II, 2. Ibilfte. pag. 41, Fig. 19 eine sehr gute Vorstellung. 3) His, Untersuchungen Biber die Entwicklung von Knochenfischen, besonders über diejenige des Salmens. Zeitschrift für Anatomie und Entwicklungsgeschichte 1875, pag. 17, Flg. 1-5. — 181 — veranschaulichen. Wir sehen an denselben, dass die Rückenfurche Anfangs sehr kurz ist, sich hierauf etwas streckt, aber niemals bis zu dem hinteren Kande der Embryonalanlage reicht ; der letztere erscheint nach rückwärts etwas vorgetrieben, was His als Randknospe bezeichnet ; diese geht seitlich unmittelbar in die an- liegenden Randwulsttheile über. Bei der Verlängerung und Vervollkommnung der vorderen zur totalen Embryonalanlage, schliesst sich die nur vorne gut ausgeprägte Rückenfurche sehr rasch zum Gehirnrohre , während sie nach hinten zu sich nicht sehr weit fortsetzt, indem hier das Medullarrohr sich nicht als Rohr, sondern als eine solide strangförmige Verdickung des Ektoderm anlegt, durch welche die Keimhaut dotterwärts kielartig vorgetrieben wird; erst späterhin tritt nach der Loslösung dieses soliden Medullarstranges vom Ektoderm durch Auseinanderweichen der Zellen desselben eine centrale Höhlung, d. h. ein Canal auf, wodurch die Umwandlung desselben in ein Rohr erfolgt. Die Umwachsung des Dotters unter allmähliger Verlängerung des Embryo hat His durch schematische Zeichnungen ungemein deutlich wiedergegeben1). Die Umwachsung geht ungleichmässig vor sich, indem die der Embryonallage gegenüberliegende Hälfte des Randwulstes einen viel grösseren Weg zurück- zulegen hat, als die andere Hälfte. Am wenigsten verändert die Randknospe, welche ja sowohl der Embryonalanlage, als dem Randwulste angehört, ihre Lage auf der Dotteroberfläche. Gegen Ende der Umwachsung bildet der Randwulst einen kleinen ringförmigen Anhang des hinteren Embryonalkörpers, in welchen er schliesslich ganz aufgeht. Das von diesem Ringe umschlossene Dotterloch kommt sodann unter das Medullarrohr zu liegen. Nachdem auf diese Weise der Randwulst gänzlich dem Embryonalkörper einverleibt ist, wächst dessen hinteres Ende zum Schwänze aus. Die allmählige Vervollkommnung resp. Lähgenzunahme der Embryonal- anlage beruht nach der Ansicht von Oellacher vorwiegend auf interstitiellem Wachsthum, indem von der Stelle des Randwulstes., aus , wo sich die Rand- knospe (Schwanzknospe) befindet, der Embryo sich nach vorne zu verlängere. Bei dem Forellenei rückt nach Oellacher2) die Randknospe selbst bei der Ausbreitung der Keimhaut nicht von der Stelle, so dass die Umwachsung des Dotters als eine einseitige aufzufassen wäre. His und Raub er dagegen führen das Längenwachsthum der Embryonal anläge auf eine fortwährend statt- findende Apposition an das hintere Ende derselben zurück. Bei der Um- wachsung legen sich die angrenzenden Randwulsttheile hinter der bereits ge- bildeten Embryonalanlage successive an einander und verschmelzen in der Ver- längerungslinie derselben, wodurch der Embryo auf Kosten des Randwulstes nach rückwärts wächst, indem fortwährend Randwulsttheile in den Embryonal- körper übergehen. Nach vollendeter Umwachsung ist der gesammte Rand- wulst zur Bildung des Embryo aufgebraucht worden. His3) schildert den ganzen Vorgang in folgender Weise : „Die Uranlage des Körpers ist sonach ein platter Ring, dessen Breite und Dicke an einer Stelle, dem zukünftigen Kopfende ein Maximum , am gegenüberliegenden Schwanzende ein Minimum x) 1. c pag. 20 u. 21. 2) Oellacher, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte nach Beobachtungen am Bach- forelleneie. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie Bd. XXIII, pag. 3 und 4. 3) 1. c. pag. 19 u. 20. tm — 1-3 . _ Ui :.:.- ; Bei 4» i irr : :'.: — ■ ~ - - 184 — Dotterloch bei den Selachiern, wo es zu dem embryonalen Körper in keine Beziehungen tritt, nicht vollkommen homolog sein kann, dem Dotterloch der Teleostier; welches ; wie wir wissen , mit in den Embryo eingezogen wird, unter dessen Medullarrohr es zu liegen kommt. Von einer Homologie kann nur so lange die Rede sein, als bei den Selachiern die dorsale Blastoporuslippe einen Theil der Umrandung des um diese Zeit noch sehr weiten Blastoporus bildete. Sobald nach Vereinigung der Caudallappen jene hinter der dorsalen Blastoporuslippe gelegene Communicationsöffnung zwischen Darm- und Nerven- rohr (Canalis neurentericus) sich gebildet hat, ist die ursprüngliche Blasto- porusöffnung in jene und in das Dotterloch zerfallen; mit andern Worten, es hat sich der Canalis neurentericus von der gemeinsamen grossen Oeffnung ab- geschnürt, welche bisher von dem Ringwulste umrandet wurde. Demnach ist der Canalis neurentericus -|- dem Dotterloche bei den Selachiern homolog dem Blastoporus oder dem Dotterloche der Teleostier. Die berührten Verhältnisse sind desshalb von Bedeutung, weil sich das Verhalten des Blastoporus bei den Teleostiern eng anschliesst an die gleichen Entwicklungsvorgänge der Cyclo- stomen, während die Theilung des Blastoporus in den Canalis neurentericus und Dotterloch bei den Selachiern überleitet auf die hier in Betracht kommenden Entwicklungserscheinungen der Vögel. Die Amphibien, deren erste Entwicklungsvorgänge ich noch zu schildern habe, besitzen holoplastische Eier, deren Furchung, wie bei den Cyclostomen inaequal vor sich geht. Hierauf folgt die Umwachsung der grossen Furchungs- elemente des Nahrungsdotters von Seiten der kleinen Furchungszellen, sowie die Bildung des Blastoporus ganz in der gleichen Weise, wie bei den Cyclo- stomen-, auch die Differenzirung der Keimblätter, der Embryonalanlage, der Chorda findet nach den gleichen Entwicklungsgesetzen statt, so dass die Am- phibien hinsichtlich der letztgenannten Entwicklungsvorgänge, wenn wir von untergeordneten Einzelheiten absehen, vollständig mit den Cyclostomen über- einstimmen. Unter den neueren Arbeiten möchte ich das bekannte Werk Götte's *) über die Entwicklungsgeschichte der Unke hervorheben. Sehr schön lassen die trefflichen Abbildungen dieses verdienstvollen Autors die Beziehungen des Blastoporus zu dem Canalis neurentericus erkennen. Ferner möchte ich noch auf die Untersuchungen von Scott und Osborn2), sowie auf die von O. Hert- wig3) hinweisen, welche beide die Entwicklung von Tritonen betreffen und die so ziemlich zu den gleichen Resultaten geführt haben. Die Entwicklung des Mesoderms, welche ich hier noch kurz anführen will, beginnt bei den Tritonen nach Hertwig schon in einer Zeit, in welcher die Ausbildung der Gastrula noch nicht ganz vollendet ist. „Sie nimmt ihren Ausgangspunkt allein von den Lippen des Blastoporus, von welchen aus sich linker- und rechterseits je eine kleinzellige Masse zwischen die beiden primären Keim- blätter hineinschiebt, um sich von hier .-ins nach vorne und ventnilwärts aus- ') A. Gott, e, Die Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 2) w. n. Scott and II. F. Osborn, On the early dcvclopment ol* the common Newt. Quart «Fourn. of Hier. Science. Vol. XXIX, 1879. 8) 0. Hertwig, Uebrr die Entwicklung des mittleren Keimblattes der Wirüelthiere. Sitanngsber. der Jenaischen Gesellschaft der Media a. Naturw. 1880. pag. 110. — 185 — zudehnen. Am Mesoblast sind von Anfang an wenigstens zwei Lagen von Zellen, von welchen die eine an den Ektoblast, die andere an den Endoblast angrenzt, zu unterscheiden und als parietales und viscerales Blatt zu benennen. a 0. Hertwig gibt ferner an, dass das Mesoderm von Anfang an vollkommen paarig angelegt werde, indem in der Medianlinie sich zwischen die beiden Hälften Entodermzellen einschieben, aus denen die Chorda hervorgeht. Nach- dem vorstehend die ersten Entwicklungserscheinungen bei den beiden niedersten Wirbelthierklassen, den Fischen und Amphibien, soweit es für unsere Zwecke nöthig war, erörtert worden sind, will ich nun zu der Genese der Doppel- bildungen, wie sie von Rauber für diese Thiere dargestellt wird, übergehen. Unter den beiden Vertebratenclassen sind es fast ausschliesslich die Fische, von denen frühzeitige Mehrfachbildangen vorliegen, welche ja allein zur Erkenntniss der Genese derselben verwerthbar sind. Nur zwei Beobach- tungen dieser Art sind meines Wissens bei Amphibien gemacht worden; die eine betrifft eine ältere, bereits der Metamorphose nahe Larve von Pelobates fuscus, welche von Bruch1) beschrieben worden ist; die andere eine Doppel- bildung von Salamandra maculata , die von S p e n g e 1 beobachtet und von Braun2) mitgetheilt worden ist. Bei den Fischen dagegen sind Doppelbildungen viel häufiger ; unter ihnen sind es wiederum die Knochenfische, bei denen die verschiedensten Arten der Doppelmonstra und zwar schon in den frühesten Entwicklungsstadien wahr- genommen wurden. Ausserdem sind einige vereinzelte Fälle von Doppel- bildungen älterer Haifischembryonen oder neugeborener Haie bekannt ge- worden. Das reichhaltigste Untersuchungsmaterial frühzeitiger Mehrfachbildungen von Knochenfischen (Hechten) stand Lereboullet zu Gebote, der in der oben citirten Abhandlung über dasselbe ausführlich berichtet. Die Resultate Lereboullet' s haben zweifelsohne viel dazu beigetragen, dass Raub er zu der Theorie der Radiation hingeführt wurde ; sie waren, wie R. selbst angibt 3), grundlegend für die richtige Erkenntniss der bei der Genese von Doppel- bildungen obwaltenden Entwicklungsvorgänge. Die Untersuchungen Lereboullet' s sind vor Allem desshalb so werth- voll, weil sie am lebenden Objecte angestellt wurden. Die Doppelmissbildungen wurden von frühen Entwicklungsstadien an beobachtet und die allmähligen Veränderungen, welche sie während ihrer Ausbildung bis zu ihrem Tode er- litten, auf das Sorgfältigste verfolgt. Man überblickt die Ergebnisse, zu denen Lereboullet gelangte, am besten aus seiner Zusammenstellung der ver- schiedenen Möglichkeiten , welche das Verhalten des Randwulstes und der Embryonalanlage darbieten kann 4). Er schickt derselben eine kurze Schilde- rung der normalen Entwicklungsvorgänge voraus. Die erste Andeutung der Embryonalankige nennt L. Embryonalstreifchen. Dasselbe erscheint im Anfang als eine kleine, gewöhnlich dreieckige Anschwellung des embryogenen Wulstes 1) Jenaische Zeitschrift Bd. VII, Heft 2. 2) Braun, Notiz über Zwillingsbildungen bei Wirbelthieren. Würzburger Verhand- lungen. N. F. Bd. IX, Heft 1 u. 2. 5- 3) Theorien der excessiven Monstra.' Virchow's Archiv Bd. 71, pag. 191. 4) 1. c. pag. 253 u. 254. — 186 — (Randwulst), die nach dem Eipole zu wächst, welcher der Oeffnung des Keim- hautsackes gegenüber gelegen ist. Indem diese Anschwellung, welche ein Product des embryogenen Wulstes ist, sich rasch verlängert, bildet sie sich in das Embryonalstreifchen um. Diese von dem embryogenen Wulste aus- gehende Bildung kann nun verschiedene Anomalien aufweisen: 1) Es können statt einer zwei solcher Anschwellungen auftreten, welche bald nur sehr wenig, bald eine grössere Strecke weit von einander entfernt sein können. Jedes der von ihnen sich ableitenden beiden Embryonalstreif- chen enthält eine besondere durchscheinende Furche (Rückenfurche) und in Folge eine besondere Chorda dorsalis. Diese erste Anomalie zieht das Zustandekommen von Doppelmissbildungen nach sich, welche aus zwei Körpern bestehen, deren hintere Enden mit ein- ander in wechselnder Ausdehnung vereinigt sind. In sehr früher Zeit kann nun bei ungleicher Entwicklung der eine der beiden Fischkörper verkümmern und schliesslich nur noch als eine Hervorragimg dem Hauptkörper aufsitzen. 2) Der embryogene Wulst kann statt einer nur wenig verlängerten An- schwellung zwei hervorbringen, welche durchaus seitlich zusammenhängen; es entsteht so eine Lage von embryonaler Substanz, welche ein breites Embryonal- streifchen darstellt, das sehr bald zwei parallele Rinnen erkennen lässt ; dieses gegenüber dem normalen Zustand ungemein breite Embryonalstreifchen hört nach vorne zu mit zwei Lappen auf. Aus dieser Form der Anlage gehen Doppelmissbildungen mit zwei Köpfen hervor-, letztere haben die Fähigkeit, sich zu einem gemeinsamen Kopfe zu vereinigen. 3) Der embryogene Wulst kann ausser einem breiten vorne zweilappigen Embryonalstreifchen, wie im Falle 2), noch eine weitere Anschwellung er- zeugen, die zu einem Embryonalstreifchen auswächst. Das gleichzeitige Vor- kommen dieser zwei Bildungen ist selten; es bedingt die Genese eines Embryo mit drei Köpfen. 4) Eine vierte Art von Anomalie in dem Verhalten des embryogenen Wulstes beruht darin, dass er selbst an der Bildung des Embryonal- körpers theilnehmen kann. In diesem Falle entwickelt sich das Embryonalstreifchen nicht; man be- obachtet an dem embryogenen Wulst nur eine sehr kurze Anschwellung von normaler Dicke, welche jedoch sich unverändert gleichbleibt, ohne auch nur die geringste Verlängerung zu erfahren. Alsdann ist es der embryogene Wulst selbst, in welchem die zum Aufbaue des embryonalen Körpers führenden Entwicklungsvorgänge ablaufen, und es entsteht ein Embryo, dessen Mittel- körper verdoppelt, dessen Kopf und Schwanz dagegen einfach ist. 5) Die von dem embryogenen Wulst erzeugte Embryonalanlage bleibt, statt sich in das Embryonalstreifchen umzubilden, kurz, einem dünnen Faden ähnlich. Man sieht alsdann hieraus einen nur unvollständigen Embryo her- vorgehen. Der embryogene Wulst kann es endlich ganz und gar unterlassen, irgend eine Bildung hervorzubringen; er bleibt eine Zeit lang unverändert, n IvE Wm gwmMk ■ j. y^^k4-) nm &jgsjß/ß "Aom A oiri Vi 1 :7. Fi*.3 Fig. 4 Fi6.8 Fi6.5 /,,//• ii.oeriach di N 1,AP l,Af Fig.5. 2SJU. Taf.'I. stp Nr SfeT. - $• 17 sf"— i/V Fig.10. 30.1. vAf hAf Fig.3. 23.11. Fi£.8B. 2S.J.0.) Fi£.&A. Fi£.4< Fig7. zu(n.) Fjg.il Fi* 4. Viil-A n Fig.]./rr^ Fi6.2. w fi?z) Fif.it jjm-j 4>- Ao Fig.3. "ms) Y&sJm). 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