ee f il „ ER, ar FL, DIE ENTWICKELUNGSGESCHICHTE DER UNKE (BOMBINATOR IGNEUS). DIE ENTWICKELUNGSGESCHICHTE h if N DER UNKE (BOMBINATOR IGNEUS) ALS GRUNDLAGE EINER VERGLEICHENDEN MORPHOLOGIE DER WIRBELTHIERE voN D* ALEXANDER GOETTE PRIVATDOCENT AN DER UNIVERSITÄT STRASSBURG. MIT EINEM ATLAS VON ZWEIUNDZWANZIG TAFELN. LEIPZIG, VERLAG VON LEOPOLD VOSS. 1875. | N TR wi ur) ER Re KEN RR Fi FAN: TEAnE DE !S% | “ae MN BA Alrap A Ye: | 1 > A F a WER Fr MUFELN K Bei. Be a)" ! 45’, er : hr I Sroreilt IN hab] Ve F Aa E I N ? Bit r aa AR a ana. ki DL a 4 | | M m Bin), Bi 4 ET LTHN al e E De ns ‚ Aue: wu ZN R OHREN). lm 2 a in oacufne un Fr ' } Bi j se“ r | | r u N are f 2 Fi ehe, re MN Ei Be Ber ö EN a ER rn re I 4 . £ Al ! vi “09 r hi: j s f „ . Re. w ar 5 P" FT ITRUERD Rn | sRroar IHN Ve 4 =, | RITT Wpnit . I fig \ Vorwort. Dieses Buch wird den Ansprüchen, welche man mit Rücksicht auf den angezeigten Gegenstand und den äusseren Umfang an dasselbe stellen wird, nicht genügen. Es entstand nicht nach dem Abschlusse der ganzen zu Grunde liegenden Arbeit, sondern allmählich im Verlaufe derselben, wobei eine nachträgliche Umarbeitung der ersten Abschnitte durch äussere Umstände verhindert wurde. Daher beginnt es nicht mit der Sicherheit einer umfassenden Uebersicht, sondern in enggezogenen Grenzen, welche den Vorwurf einseitiger Auffassung hervorrufen könnten. Von diesem beschränkten Anfange breitete sich aber die Arbeit nach so vielen Richtungen aus, dass eine umfassende Darstellung aller bereits vollendeten Unter- suchungen in einem Buche sich sehr bald als unmöglich herausstellte. In vielen Fragen habe ich mich daher auf kurze Referate, bisweilen nur auf flüchtige Bemerkungen beschränken müssen, welche eben nur die Kenntniss des Gegenstandes andeuten sollten, während die Ausführung in eine Fort- setzung meiner „Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere“ verwiesen werden musste. War diese Einschränkung schon für den Haupt- theil dieses Buches nöthig, so wird die Darstellung der allgemeinen Ergeb- nisse im Schlusskapitel nach vielen Seiten noch unvollständiger erscheinen; denn nach jahrelanger Arbeit lockte mich ein schnäler äusserer Abschluss mehr als die Aussicht, die Betrachtung noch über das Mass des Nothwendigen hinausführen zu können. Auf diese Weise ergab sich eine gewisse Ungleich- mässigkeit in der Behandlung des Stoffes und entstanden manche Unzu- träglichkeiten in der Anordnung desselben, sodass das Sachregister noth- wendiger als sonst erscheinen dürfte. Aus dem Gesagten erklärt sich auch, VI Vorwort, warum die entwickelungsgeschichtlichen Arbeiten der letzten Zeit von mir gar nicht mehr oder nur theilweise berücksichtigt werden konnten. So klar mir die genannten Mängel dieses Buches, um von anderen zu schweigen, vorliegen, so mögen ihre Ursachen doch einen Vortheil bieten. Indem ich die ersten Abschnitte so wiedergebe, wie sie vor Jahren entstanden, lange bevor die gegenwärtige Ausdehnung der ganzen Arbeit sich voraus- sehen liess, wünsche ich meine Leser davon zu überzeugen, dass die dort niedergelegte Auffassung von der Bedeutung des Eies und dem Wesen seiner Entwickelung ohne vorgefasste Ansichten unmittelbar aus der Untersuchung eines beschränkten aber ganz besonders günstigen Gegenstandes sich ergab. Dann gewinnt aber auch die Thatsache an Bedeutung, dass es mir nur von diesem Ausgangspunkte möglich war, alle Einzeltheile der thierischen Morphologie in einen einheitlichen und natürlichen Kausalzusammenhang zu bringen, dadurch aber auch den neuerdings häufig verkamnten Werth der individuellen Entwickelungsgeschichte der Thiere für ihre gesammte Morpho- "logie von neuem zu erhärten. A. Goette. Inhaltsübersicht. I. Die Entwickelung des Eierstockseies . Historische Uebersicht Beschreibender Theil Vergleichender Theil II. Die Dottertheilung Historische Uebersicht Beschreibender Theil Vergleichender Theil ' III. Die Bildung der ner Historische Uebersicht Beschreibender Theil Vergleichender Theil IV. Die Sonderung der einzelnen Or gananlagen.. 1) Die Leistungen des oberen Keimblattes. Uebersicht . Beschreibender Theil Vergleichender Theil 2) Die Leistungen des mittleren Keimblattek. Uebersicht . Beschreibender Theil Vergleichender Theil 3) Die Leistungen des Darmblattes. Historische Uebersicht. Beschreibender und vergleichender Theil . V. Das Centralnervensystem. Historische Uebersicht KR: _ Beschreibender Theil: 1. Das Rückenmark 2. Das Hirn . Vergleichender Theil . Seite 1—317. 1—9. 10—26. 26—37. 38—110. 38—49. 49—65. 65— 110. »,111—-145. . 111—122. . 122 —-133. 130-145. 146 — 270. . 146—154. . 154—176. . 176—188. 4188-197. . 198—229. . 229— 257. 258— 260. . 260—270. .,271— 319. . 271— 274. . 275— 280. . 280—297. . 297— 319. Vıll 3 ale YIH. IX. XI. XII, XIII. Inhaltsübersicht. Die dreihöheren Sinnesorgane Historische Uebersicht . Beschreibender Theil Vergleichender Theil Die Wirbelsaite und die wirmieäule Historische Uebersicht . Beschreibender Theil Vergleichender Theil Die Segmente des Rumpfes . Historische Uebersicht . Se ee Theil: 1. Die en. . Die Nerven. $ 3. Das interstitielle Bilde. Vergleichender Theil DerKopf. er Theil: 1. Der Vorderkopf . 2, Der Hinterkopf eröhender Theil Das Herz und das Gefässsy eh Beschreibender Theil: 1. Das Herz . 2. Die Arterien 3. Die Venen . i 4. Die Lymphgefässstämme . Vergleichender Theil Der Darmkanal und seine Anhangsorgane Beschreibender Theil Vergleichender Theil Die Harn- und die Ger ane. Beschreibender Theil: 1. Die Urnieren . 2, Die bleibenden Nieren 3. Die Geschlechtsorgane Vergleichender Theil Schlussbetrachtungen £ Verzeichniss der benutzten Litteratur Alphabetisches Autoren-Verzeichniss Erklärung der Abbildungen Seite . 320— 335. . 320—322. 323 — 332. . 332—335. . 336—437. . 336— 349, . 349— 399, . 399—437, . 438—619. . 438—449, . 449—478, . 478—49%0. . 490—528. . 928-619. . 620 — 744, . 620— 662. . 662—683. . 683 — 744. . 145788. . 145— 752, . 152—759. . 759 — 774. 174— 775 776 — 788, 789— 818. 189—813 813 — 818 . 819 — 840, . 819— 828. . 828-—-831. . 831— 834. . 834 — 840. . 841 904, . 905—-916; . 917—918, . 919-956, I. Die Entwickelung des Eierstockseies. Der natürliche Ausgangspunkt für die Entwickelungsgeschichte unseres Thieres ist derjenige Zustand des Keims, des Bildungsstoffes für den künftigen Organismus, wo derselbe für die Embryonalentwickelung vollkommen reif ist, die letztere aber noch nicht begonnen hat. Dieser Zustand offenbart sich zu- gleich als derjenige der grössten Einfachheit: der Keim besteht alsdann, wie ich zeigen werde, aus einer durchaus gleichartigen, in ein zartes Bläschen ein- geschlossenen Masse. — Die unvollständige Kenntniss von der Entstehung dieses Keims hat aber bisher die Auffassung hervorgerufen und aufrecht erhal- ten, als sei derselbe eine mehr oder weniger modificirte Zelle (Eizelle); wollte ich also meine Mittheilungen mit dem reifen Keime eröffnen, so würde ich jene Auffassung, welcher ich bei einer geschlossenen Untersuchungsreihe vom Eie bis wieder zum Eie nicht beitreten kann, zunächst bestehen lassen müssen. Meiner Darstellung des Zellenlebens und der Entstehung des organischen Lebens überhaupt fehlte alsdann der meiner Ansicht nach einzig richtige Gesichtspunkt, von dem aus sich dem Leser der Zusammenhang aller übrigen Thatsachen offen- barte. — Um also aus der Bildungsgeschichte des Keims seine Bedeutung zu erläutern, und um an einen bestimmten, Allen geläufigen Begriff, nämlich den einer ausgebildeten Zelle mit indifferentem Charakter anzuknüpfen, beginne ich mit der Entwickelung des Eierstocks zu der Zeit, wo derselbe nur aus solchen noch indifferenten Elementen zusammengesetzt ist. Historische Uebersicht der bisherigen Untersuchungen. Die ganze Entwickelungsgeschichte der Geschlechtsdrüsen gehört in ein späteres Kapitel und soll hier nur dasjenige angeführt werden, was sich beson- ders auf die Entstehung und Ausbildung der Eierstockseier bezieht. GOETTE, Entwickelungsgeschichte, 1 2 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. RATHKE verdanken wir die ersten bemerkenswerthen Angaben über die Bildungsweise der Geschlechtstheile überhaupt; über die Eier bemerkt er aber bloss, dass sie sich erst im zweiten Winter nach der Larvenmetamorphose zeigen (No. 3 S. 25. 26). Nach Pr£vost und Dumas sind die reifen Eierstockseier des gemeinen Frosches aus zwei koncentrischen Bläschen gebildet, das innere mit dem un- durchsichtigen Dotter gefüllt, das äussere dem ersteren infligst verbunden. Eine Hälfte des Dotters ist braun, die andere gelb gefärbt. Mitten im braunen Felde befindet sich ein runder heller Fleck und in dessen Centrum ein trüber Punkt, welcher von einem beide Hüllen durchbohrenden Loche herrührt (No. 2 S. 104): Im Eileiter und gleich nachdem die Eier ins Wasser gelangt sind, werden die Grenzen des Flecks zackig und verwaschen, in einem innern koncentrischen Kreise liegt der bezeichnete Punkt. Diese ganze Stelle sei die Narbe (cicatricula), von welcher die Embryonalentwickelung ausgehe und die im Wasser stets nach oben gekehrt bleibe (S. 109). ; v. Baer gibt in seiner Abhandlung: De ovi mammalium et hominis genesi Seite 27—31 einen ausführlichen durch Abbildungen erläuterten Bericht über die Entwickelung des Batrachiereies bis zur Befruchtung und wiederholt ihn im Wesentlichen in seiner Entwickelungsgeschichte, II. Band, Seite 231 und folgende. Der im Eierstocke zuerst erscheinende Theil des Eies sei das (bei den Betrachiereiern von v. BAER zuerst gesehene) PurkinJE'ssche Bläschen (Keimbläschen), an welches darauf die Dotterkörnchen, von einer Seite be- ginnend, sich lagern (Nr. 8 S. 281, Nr. 7. S. 27). Diese das Keimbläschen zu- nächst umgebende körnige Masse vergleicht v. Baer dem Keimhügel des Vogel- ejes. In den jüngeren Eiern sei das Keimbläschen durchsichtig und enthalte mehr oder weniger Körner (Nr. 7 S. 27); wenn das Ei, reifer werdend, an einem Theile der Peripherie eine dunklere Dotterschicht erhalten, rücke das Bläschen aus dem Centrum der Dotterkugel fort bis unter die Oberfläche, durchbreche diese endlich und wölbe die Dotterhaut vor (Nr.7 8. 28 und Nr. 8. S. 281). Sobald das reife Ei den Eierstock verlassen und sich in dem Eileiter oder auch nur auf dem Wege dahin befindet, ist das Keimbläschen verschwun- den; an seiner Stelle zeigt sich eine Lücke in der schwarzen Dotteroberfläche (Keimschicht — v. Baer), durch welche die innere helle Dottermasse zu Tage tritt, und innerhalb derselben eine enge Vertiefung mit einem dunklen Punkte an ihrem Grunde (Nr. 7 8. 28. 29 und Nr. 8 S. 282. 283). „So lange die Eier I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 3 im Eileiter sind, ist diese Lücke stets da, nach dem Austreten konnte ich sie nicht immer erkennen, und auf jeden Fall schwindet sie sehr bald. Ich zweifle daher nicht, dass sie eine Spur von dem Hervordrängen und Schwinden des Keimbläschens ist. Im Innern der Dotterkugel, doch nicht in der Mitte, son- dern unter der Keimschicht ist eine Höhle“; diese, „welche man wohl für den früheren Aufenthaltsort des Keimbläschens ansehen darf, bewirkt, dass immer ' die Keimschicht nach oben liegt, sobald so viel Wasser eingesogen ist, dass die Dotterkugel sich in der Dotterhaut drehen kann“ (Nr. 8. S. 283). — An einer andern Stelle (Nr. 14 S. 485) fügt v. Baer nöch hinzu, dass jene Höhle durch einen Kanal mitten im dunklen Felde ausmünde, und dass die Flüssigkeit zwischen Dotter und Dotterhaut theils vou der Wasseraufsaugung und theils aus dem Keimbleschen herrühren mag. . Ruscoxr’s ausführlichere Mittheilungen über das Verhalten der reifen Batrachiereier im Eierstocke und Eileiter finden sich in seiner Histoire naturelle, developpement et metamorphose de la salamandre terrestre, Seite 26—50. Im reifen Eierstocksei des Frosches liege das Keimbläschen, welches früher das Centrum einnahm, dicht unter der Oberfläche. Sobald das vom Eierstocke abgelöste Ei im den Eileiter aufgenommen ist, findet man vom Keim- bläschen keine Spur mehr, wohl abermitten im dunklen Felde einen hellen runden Fleck, welcher in den Eierstockseiern nie zu bemerken gewesen sei. Ruscoxı glaubt daher, dass, während das Ei sich vom Eierstocke ablöse und in den Ei- eiter eintrete, das Keimbläschen platze und dass sein flüssiger Inhalt unter die Dotterhaut trete und dadurch den hellen Fleck erzeuge (8.27). Der letztere, in dessen Mitte sich noch ein Kreis von Punkten befinde, bleibe bis nach der Befruchtung unverändert bestehen; dann aber beginne er zu schwinden, indem der helle Inhalt des Keimbläschens sich mit dem dunklen Dotter vermische (S. 28). Zugleich ziehe sich jener Kreis zu einem einzigen Punkt zusammen, welcher auch seinerseits bald verschwinde, sodass das dunkle Feld wieder so hergestellt werde, wie es im Eierstocke war (8. 29). — Die im Eileiter be- findlichen Eier der Salamandra maculata sollen an einer Stelle dicht unter der Oberfläche einen undeutlich begrenzten weissen Fleck zeigen, welcher ebenfalls von dem aufgelösten Keimbläschen herrühre (S. 26). WAGNER (Nr 17 8. 10) bezeichnet den Umriss des Keimbläschens aus halbreifen Eiern des gemeinen Frosches als ‚margo undulatus.“ Die Keim- tlecke sollen bei allen Thieren nach Zerstörung des Keimbläschens in die Bildung 1* 4 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. der Keimhaut eingehen und der eigentliche Keim sein — „germen animale verum et vivum, „Jam ante praegnationem praeformatum“ (S. 5). BERGMANN beschreibt (Nr. 24 S.90—92) die Zusammensetzung der Dotter- masse in den reifen Froscheiern. Den vorherrschenden Bestandtheil bilden länglich viereckige Plättchen, an denen der Verfasser „durchaus unfähig war etwas Weiteres, als ihren äussern Umriss zu erkennen.“ Neben diesen grösseren Plättchen finden sich kleinere in allen Abstufungen bis zu punktförmigen Körperchen abwärts, aber ohne wesentlichen Unterschied in ihrer Zu- sammensetzung. Zellige Bildungen seien also im Dotter durchaus-nicht vor- handen. REICHERT war der Erste, welcher die Entwickelung des Batrachiereies unter dem Einflusse der Schwann’schen Zellentheorie beobachtete. — Er geht von der Eizelle aus, welche vor der Erscheinung des Dotters einen Kern (Keim- bläschen) und auch schon eine Hülle, die Dotterhaut, besitze (Nr. 25 8. 525). „Man sieht zunächst bei der Entstehung des Dotters um das Keimbläschen innerhalb der Eizelle einen feinkörnigen Niederschlag erscheinen, in welchem man keine Spur einer besonderen Bildung gewahrt. Dieser feinkörnige Stoff vermehrt sich nun mit dem Wachsthum der Eizelle, die von ihm sehr bald gelblich gefärbt wird“ (S. 526). InderFolge treten in der Dottermasse grössere Körperchen auf(Dotterplättchen), welche auf Kosten des feinkörnigen Blastems schnell zunehmen, sodass sie in reifen Dottern scheinbar die ausschliesslichen Elemente bilden (S. 527). Daneben finden sich andere Körperchen, welche zuerst zahlreich und granulirt, später aber in geringerer Menge und durchsich- tig erscheinen (S. 526. 527). Diese hielt Reichert für die Kerne von Zellen, welche sich im noch unbefruchteten Dotter bilden sollten. (S. 527 und in: Reichert, Bericht über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie für das Jahr 1841, in Mürter's Archiv für Anatomie, Physiologie und wissen- schaftliche Medicin 1842 S. CCLII. CCLIV). Diese Ansicht jedoch, sowie auch wohl diejenige, dass das Keimbläschen sich unter jene Zellen mische (siehe den genannten Bericht S. CCLV), gab REıcHerr später auf, ohne erneute Untersuchungen über die Entwickelung des Batrachiereies mitzutheilen. Die jüngsten Eier, welche Vogr im Eierstocke von Alytes obstetricans sah, besassen schon eine Dotterhaut, einen Dotter und ein excentrisches Keim- bläschen, Das letztere enthielt bläschenförmige, wandständige Keimflecke, deren Zahl und Grösse mit dem Alter des Eies zunehmen (Nr. 26 8. 1). Im hellen Dotter erschienen allmählich feine Körnchen und sammelten sich in I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 5 Gruppen, welche zu den Dottertäfelchen verschmolzen (8. 2). Diese erfüllen den Dotter endlich in dem Maasse, dass zwischen ihnen nur noch eine geringe Menge von Flüssigkeit und Molekularkörnern Platz findet (S. 5). Das Keim- bläschen erhält in etwas älteren Eiern eine zackige Begrenzung mit abgerun- deten Aus- und Einsprüngen (S. 3); im reifen Eie sei es abgeplattet und die kernlosen Keimflecke oval (S. 4). Nachdem die Eier gelegt worden, sei das Keimbläschen verschwunden, aber die Keimflecke fänden sich in der Rindenschicht des Dotters vor, scheinbar nur auf einer Seite des Eies (S. 6). — Was die Bedeutung des Eies und seiner Theile betrifft, so glaubt VosT, „es müssten die Keimflecke selbst als Zellen angesprochen werden; als Zellen, eingeschlossen in einer zweiten Zelle, dem Keimbläschen, welches wieder in einer dritten Zelle, der Dotterzelle eingebettet ist“ (S. 18). Prevost und LEBERT wollen schon in noch durchsichtigen Eierstockseiern grosse gekernte Zellen gesehen haben, welche später zerfallen, worauf um ihre freigewordenen Kerne neue Elemente, die grossen Dotterkugeln des reifen Eies, entstehen (Nr. 30 S. 194. 196. 222). Die übrigen bezüglichen Angaben der genannten Forscher sind nicht originell. . CRAMER hat alle Stufen der Ausbildung des Eies von Rana temporaria an einem und demselben Eierstocke verfolgt. Die jüngsten Eibildungen seien „Kugeln von feinen Körnchen, die von einer zarten Haut knapp umschlossen sind. Ob das Keimbläschen in der Körnermasse begraben liegt, kann man nicht ausmachen, da an eine Präparation nicht zu denken ist. Etwas ältere Eier zeigen eine zarte Dotterhaut, die ein grosses, kugliges Keimbläschen ein- schliesst, was meistens der Wand näher, als der Mitte liest. In dem freien Raum liegt die kleine Kugel von Körnchen, die früher von der Dotterhaut eng umgeben war. Es sieht aus, als wäre diese Haut durch Diffusion von ihr weit abgehoben, und dabei das Keimbläschen mit zum Vorschein gekommen, ob um- gebildet oder nur vergrössert, istnichtauszumachen. Wird das Ei etwas grösser, dann erweicht die kleine Kugel, und immer flüssiger werdend verbreiten sich die Massen in einem eleganten Halbmond in der Höhle des Dotterraums und um das Keimbläschen“ (Nr. 34 S. 21). Jene Körnchen vermehren sich in der konsistenten Flüssigkeit und ein Theil wächst zu den grösseren viereckigen Plättchen aus, sodass man im reifen Eie alle Zwischenstufen von denselben ab- wärts bis zu den kleinsten Pünktchen hinab findet. Die Eierstockseier haben ein schönes Epithel, welches deutlich ausserhalb dem Dotter aufliegt (S. 22). Die Keimbläschen enthalten zuerst feine, helle Körnchen,, welche, bald an der 6 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. Peripherie, bald im Innern vertheilt, allmählich wachsen und sich zu Klümpchen sammeln, worauf die letzteren von Membranen umgeben werden. Diese Zellen seien von der verschiedensten Gestalt (S. 23). Bald aber verflüssige sich der Inhalt, sodass sie als leere, weisse, leuchtende Bläschen zurückbleiben ($. 24). Da die Eier innerhalb der Eileiter ein Keimbläschen nicht mehr besitzen, so glaubt CRAMER, dass die Membran desselben schon bei ganz reifen (Eierstocks-) Eiern aufgelöst werde ‘und jene Bläschen sich alsdann im ganzen Dotter zer- streuen (S. 26). LEREBOULLET will den Dotter von 0.30 mll. grossen Eierstockseiern des Frosches mit durchsichtigen gekernten Zellen von 0.03 mll. im Durchmesser angefüllt gefunden haben, während die Dotterkörner durchaus fehlten (Nr. 34 S. 57). In etwas kleineren Eiern trafer (nach den Abbildungen und den Massen zu urtheilen) viel grössere Keimflecke. Carus hat die von CrAmEr erwähnte Kugel in den Eierstockseiern des Frosches gleichfalls beschrieben. Diese Kugel oder der Dotterkern entstehe durch eine allmähliche Ansammlung einzelner Körner; später löse sich eine Körnerschicht nach der andern von seiner Peripherie ab und vermische sich mit der Eiflüssigkeit. Während seines Bestandes bei derEntwickelung des Eies vermindere sich seine Grösse nicht, aber im vollendeten Eie sei keine Spur mehr von ihm vorhanden (Nr. 87). Newrorrt hat ausführliche Mittheilungen über das reife Froschei von dessen Aufenthalte im Eierstocke an bis zur Befruchtung gemacht (Nr. 35 S. 176). Die Dottermasse desselben bestehe aus dichtgedrängten gekernten Zellen, welche auf einer Seite des Eies dunkel gefärbt, auf der andern hell sind. Mitten unter den dunkelfarbigen Zellen und excentrisch gelegen, befindet sich das linsenförmige Keimbläschen, unregelmässig zusammengedrückt, weiss, undurchsichtig. Dieses Aussehen führt Newrorr auf die Einwirkung des Spiritus zurück, welchen er zur Erhärtung der Eier benutzte. An der Ober- fläche der dunkelfarbigen Eihälfte bemerkte er ferner eine kleine Oefinung, die Mündung eines Kanals, welcher durch den Dotter zum Keimbläschen führe. Das Keimbläschen enthalte eine Anzahl sekundärer Zellen; diese seien mit tertiären und letztere sogar mit quaternären gefüllt. Mitten unter den sekun- dären Zellen, im Centrum des Keimbläschens seien bisweilen eine bis zwei grössere Zellen, die Ueberreste des ursprünglich einfachen Keimflecks sichtbar (S. 175); die peripherischen Zellen des Keimbläschens seien die kleinsten, welche scheinbar aus geplatzten sekundären Zellen abstammen. So wäre das I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 7 Keimbläschen des reifen Eierstockseies nach Newport als eine Mutterzelle zu betrachten, welche ein ganzes System ineinandergeschachtelter Tochterzellen einschliesst (S. 177). — Das Keimbläschen dringe niemals bis an die Ober- fläche des Eies vor und gehe im Innern des Dotters zu Grunde, bevor die Eier den Eierstock verlassen haben; später fänden sich bisweilen an derselben Stelle noch einige Spuren des früheren Gebildes vor (S. 175). Den Grund für das Verschwinden des Keimbläschens glaubt NEwPOoRT in der endogenen Zellen- bildung zu sehen, indem die Mutterzelle durch das fortschreitende Wachsthum der Tochterzellen endlich zur Auflösung kommt (S. 179). Während des Auf- enthalts der Eier im Eileiter nähmen die weissen Dotterzellen gegenüber den dunkelgefärbten an Grösse zu (S. 183). Weiter beschreibt NEwpoRrT eine Reihe von Erscheinungen an der weissen Dotterfläche, welche meist nach der Be- fruchtung der Eier auftreten, aber auch schon im Eileiter ablaufen können also jedenfalls von der Befruchtung unabhängig sind. Es zeigte sich nämlich an der bezeichneten Stelle zuerst ein Fleck, über dessen Natur, ob er von einem Bläschen oder einer Einsenkung herrühre, Newrorr sich nicht vergewissern konnte. Aus dem einen Flecke werden mehre, welche einen dunklen Ring mit eingeschlossener heller Mitte bilden. Nach einiger Zeit und meist vor dem Beginne der Dotterbildung verschwindet dieses Bild und es bleibt nur selten eine flache Einsenkung zurück (S. 185. 186). Aus dem erläuternden Texte zur Tafel XXIII von Ecker’s Icones physio- logicae hebe ich Folgendes hervor. Das Eierstocksei des gemeinen Frosches besteht nach dem Verfasser aus der mit einem Epithel bedeckten Eihaut, welche nebst klarer Flüssigkeit eine noch kleinere gelbliche Dotterkugel und das Keim- bläschen einschliesst, in dessen Innerem zahlreiche kleine Körner enthalten sind. Allmählich füllt der Dotter das ganze Ei aus, und zur Zeit der Reife findet man im Keimbläschen, statt jener kleinen Körner, blasse zellenartige Körperchen von 12—15,u Durchmesser, welche nach dem Verschwinden des Keimbläschens im befruchteten Ei durch den ganzen Dotter zerstreut werden. Im Inneren des frischgelegten Eies umschliesst die grauweisse Dottermasse eine kleine Höhlung, welche nach dem dunklen Pole hinzieht. Nach LeuckArr (Nr. 38 S. 794 — 796) ist das Keimbläschen derjenige Theil des Froscheies, welcher im Eierstocke zuerst, aber schon innerhalb eines mit Epithel ausgekleideten Follikels unterschieden werden kann. Anfangs hat das Bläschen nur einige wandständige Keimflecke, die sich aber später ver- 8 l. Die Entwickelung des Eierstockseies. mehren und vergrössern. Alsdann lagert sich eine eiweissartige Masse (primi- tiver Dotter) um dasselbe ab, in deren peripherischen Theilen die Bildung der Dotterkörner vor sich geht. Diese seien zuerst punktförmige Molekularkör- perchen und erlangen erst ziemlich spät ihre volle Entwickelung. Der eigen- thümliche Dotterkern wurde nicht selten vermisst und die Dotterhaut erst in späteren Stadien wahrgenommen. Das excentrisch gelegene Keimbläschen des reifen Eies seiin der Regel abgeplattet. WirticH findet, dass die leistenförmigen embryonalen Anlagen der Ge- schlechtsdrüsen aller Batrachier in beiden Geschlechtern vollkommen gleich seien; sie beständen aus ziemlich grossen, kernhaltigen und feingekörnten Zellen (Nr. 37 S. 148. 150). Diese Zellenmasse gruppire sich zu einem Cylinder, in dessen Hohlraume eine äusserst lebhafte Entwickelung neuer, sehr grosser kernhaltiger Zellen stattfinde, „die oft schon eine täuschende Aehnlich- keit mit jungen Eiern zeigen“. Die Kerne enthalten verschieden grosse Fett- körperchen und sind umgeben von einer hyalinen Masse, welche aber einer eigenen Zellenmembran noch entbehrt. Bei weiblichen Thieren sammelt sich nun allmählich der Dotter in dieser Masse, die Kerne werden zu Keimbläschen, die den Dotter umgebenden Zellen zur Epithelialauskleidung der Eikapseln. Die übrige Zellenmasse der Anlage wird zu den bindegewebigen Theilen (S. 151). Bei den Anuren wird der innere Raum des Organs von straffen Querbalken durchsetzt, zwischen denen die Eichen entstehen. THomsox schliesst sich in der Entwickelungsgeschichte des Frosches LeuckArT an. Doch betont er, dass der primitive Dotter mit einer scharfen Grenze ein wenig von der Follikelwand abstehe, in welchem Zwischenraume der dunkle Dotterkern liege (Nr. 42 S. 94. 95). Auch sollen die Zellen des Follikelepithels sich gegen den Dotter ausbauchen. Im reifen Ei sei das Keim- bläschen abgeflacht (S. 93), ein gekerbtes Aussehen seiner Oberfläche aber nicht konstant und mehr zufälliger Natur. Den Dotterkanal scheint THomsox nicht selbst gesehen zu haben, sondern nach früheren Berichten anzunehmen (8. 94). Ebenso stellt er in Betreff des Schwindens des Keimbläschens nur die Mittheilungen seiner Vorgänger zusammen. SchurtzE bemerkt über die kleine Vertiefung, welche am oberen Pole innerhalb eines hellen Hofes schon an unbefruchteten Eiern sichtbar ist und welche er „Keimgrube‘“ nennt, dass sie vielleicht der Befruchtung diene, eine dem Dotter eigene Mikropyle sei; auch hielt er es für möglich, dass jene Grube I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 9 in irgend einem Zusammenhange stehe mit der Eigenthümlichkeit befruch- teter Eier, ihren Pol stets nach oben zu kehren (Nr. 52 8. 15).* — v. BAmBEcKE untersuchte die Eierstockseier des Pelobates fuscus. Die Dottermasse lagert sich gleichmässig um das Keimbläschen ab und niemals in Gestalt eines Dotterkernes (Ecker). Die nahezu reifen Eier enthielten noch das runde Keimbläschen nahe der Peripherie, von dunkler Dottermasse umge- ben (Nr. 63 8. 8.9). In den reifsten Eiern war es aber nicht mehr zu finden; statt dessen zeigte der Dotter daselbst ein marmorirtes Aussehen, welches sich bis zur Oberfläche erstreckt und wahrscheinlich von der Vermischung des Dotters mit dem Inhalte des Keimbläschens herrührte (S. 10). An den geleg- ten Eiern bemerkte auch v. BAMBECKE eine heller gefärbte Einsenkung inmit- ten des dunklen Feldes, eben die Keimgrube (S. 17). Ausser derselben beschreibt er in seinem letzten Aufsatze (Nr. 71) ausführlich kleinere Grüb- chen, welche die Mündungen feinster Kanälchen mit terminalen Anschwellungen seien; Lage und Verlauf dieser Bildungen wären unregelmässig und wahr- scheinlich bezeichneten dieselben den Weg der in den Dotter eindringenden Samenkörperchen. — Eine Dotterhaut sei weder an den Eierstockseiern, noch an den gelegten zu erkennen (Nr. 63 S. 9. 14), ( WALDEYER will an erwachsenen Fröschen gefunden haben, dass die ersten Anfänge der Eifollikel vom äusseren Zellenüberzuge des Eierstocks (Endothel) ausgehende Schläuche seien, welche flach unter der Oberfläche sich hinziehen. Diese Schläuche enthalten theils grosse, dunkelgekörnte Zellen (Eizellen), deren ebenfalls grosse Kerne sich oft vielfach theilen, theils kleinere, blasse und platte, die spätern Follikelepithelzellen. „Bald wachsen zarte bindege- webige Fortsätze zwischen die einzelnen Eier eines Schlauches hinein und umschliessen je eines derselben sammt einer Anzahl der zarten platten Zellen, und so entstehen die kleinen Primordialfollikel des Froschovariums“ (Nr. 66 S. 74). Wenn die Dotterplättchen erscheinen, sind sie um so kleiner, je näher sie der Peripherie des Eies liegen. „Das Protoplasma der Follikelepithelzellen ist vollkommen membranlos und geht unmittelbar in die Schicht kleinster Elementargranulationen über, welche am meisten peripherisch gelagert ist.“ Eine Dotterhaut entstehe erst in späterer Zeit (S. 75). *) Dass diese Eigenthümlichkeit nur den befruchteten Eiern zukomme, glaubt ScHULTZE irrthümlicherweise zuerst entdeckt zu haben; denn schon Ruscoxı machte diese Thatsache bekannt (Nr. 39. S. 28). 10 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. Ich gehe nun zu meinen eigenen Untersuchungen über. — Die Anlage der Geschlechtsdrüsen ist anfangs eine indifferente, beiden Geschlechtern gemeinsame und bleibt es für die Wahrnehmung ziemlich lange Zeit. Denn wenn auch die Ursachen für eine Entscheidung nach der einen oder andern Seite schon frühzeitig vorhanden sein mögen, so ist es doch bei der Gleichheit der Elemente, welche beiderlei Organe aufbauen, nicht möglich, dieselben früher zu unterscheiden, als bis die unzweifelhafte Anlage eines Eies vorliegt oder eine Anordnung der Elemente, welche das Nichtzustandekommen von Eiern verbürgt.. Es soll sich aber die Darstellung zunächst nur auf den Eier- stock beziehen, und erst später ausgeführt werden, wann und auf welche Weise die Entwickelung des Hodens sich von derjenigen des Eierstocks trennt. Ich beginne mit der Untersuchung von Larven, an denen die Anlagen der Hinterbeine mit der Lupe eben wahrgenommen werden können. Nach Er- öffnung solcher Larven ist die Anlage der Geschlechtsdrüsen selbst unter der Lupe kaum wahrnehmbar: zu beiden Seiten der Gekrösewurzel verläuft, in den Winkel zwischen Gekröse und Nieren gleichsam eingeklemmt, ein äusserst dünnes Fädchen, welches aber eigentlich nur in der vorderen etwas stärkeren Hälfte sichtbar ist, nach hinten zu wegen seiner Feinheit sich zu verlieren scheint (Taf. XX Fig. 363). Querdurchschnitte, mit stärkeren Ver- grösserungen untersucht, lehren Folgendes: jenes Fädchen erscheint als eine aus gleichartigen Zellen zusammengesetzte, von der die Bauchhöhle auskleiden- den Zellenschicht ausgehende Leiste, welche bald einen rundlichen oder kol- bigen Durchschnitt zeigt, bald seitlich zusammengedrückt ist (Taf. I Fig. 1). Alle jene Zellen, soweit sie zu unserer Organanlage gehören, sind rundlich, ihr ganz klares oder wenig punktirtes Protoplasma besitzt keinen scharfen Umriss; dagegen ist der Kern stets sehr deutlich gezeichnet und erscheint durch seinen körnigen Inhalt dunkler als seine Umgebung. Die Zellen des Peritonealepi- thels, mit welchem jene Leiste in kontinuirlichem Zusammenhange steht, sind aber zur selben Zeit schon bedeutend abgeflacht und ausgedehnt. — Welchem Theile der embryonalen Körperanlagen die Geschlechtsdrüsen angehören, kann erst in einem späteren Abschnitte auseinandergesetzt werden. — Von der bezeichneten Entwickelungsstufe an treten an einzelnen Stellen der fadenför- migen Anlage Umbildungen auf und zwar in der Weise, dass dieselben zuerst in der vordern stärkeren Hälfte als zerstreute Heerde sich zeigen. Später ver- mehren sich diese Heerde und verbreiten sich auch auf den hinteren Abschnitt der Anlage; und da sie entsprechende Anschwellungen der letzteren hervor- I. Die Entwickelung des Eierstockseies. It rufen, so erscheint dieselbe einige Zeit vor der Larvenmetamorphose rosen- kranzähnlich und verliert diese Form erst, wenn die Heerde zusammenrücken und endlich zusammenstossen. Es folgt aus dem Gesagten, dass man von der ersten Entstehung jener Heerde an in den besprochenen Anlagen zu jeder Zeit alle möglichen Entwickelungsstufen ihrer Elemente zugleich antrefien muss, und ferner, dass die Umbildungen nicht an bestimmten Stellen verfolgt werden können. Dazu kommt noch, dass die Entwickelung der Geschlechtsdrüsen durchaus in keinem bestimmten Verhältniss zur Grösse und übrigen Ausbil- dung der Larven steht, sondern bald langsamer, bald rascher verläuft; manche Larven können weniger Umbildungsheerde aufweisen als solche, die ihnen an Alter und Reife nachstehen und diese sogar mit dem ganzen Process früher begonnen haben. Diese Umstände setzen der Untersuchung gewisse Schwie- rigkeiten, welche nur durch sehr ausgedehnte Beobachtungsreihen überwunden werden können. Wo ein Umbildungsheerd im Entstehen begriffen ist, schwillt die Leiste so weit an, dass ihr Querschnitt den Umriss eines gestielten runden Körpers er- hält. Während dabei die Zellen im Stiele noch in der früheren Anordnung beharren, verändert sich dieselbe innerhalb der Anschwellung. Die peripheri- schen Zellen verbinden sich inniger unter einander und werden flach, wahr- scheinlich in Folge der Ausdehnung, welche sie bei der Anschwellung des Organs erleiden. ° An den entsprechenden centralen Zellen dagegen verschmel- zen die Protoplasmaleiber zu einer einzigen Masse, welche durch eine hinzu- tretende klare Flüssigkeit sich zusehends vergrössert, und in deren Mitte die freigewordenen Kerne zusammentreten. Die an diesen neugebildeten Raum angrenzenden Zellen des Stiels passen sich denen der äusseren Lage an. Durch alle diese Vorgänge ist an der Bauchseite des Organs ein Follikel entstanden, welcher von einer Lage platter Zellen umschlossen, mit klarer Flüssigkeit an- gefüllt ist und in seinem Centrum einen Haufen zusammengedrängter Zellen- kerne enthält (Taf. I Fig. 1). Solche embryonale Geschlechtsdrüsen, in denen die Entwickelung der ersten Follikel scheinbar eben begonnen hat, zeigen doch hier und da bereits einen weiteren und wichtigen Fortschritt der Follikelbildung. Ich lege auf diese Thatsache insofern einGewicht, als bei der Untersuchung älterer Anlagen, welche ein nicht leicht zu sichtendes Durcheinander der verschiedensten Ent- wickelungsstufen der Follikel bieten, gegen meine Darstellung Einwürfe gemacht werden könnten, welche bei der Betrachtung jener jüngeren Anlagen 12 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. nicht wohl möglich sind. In jenen weiter entwickelten Follikeln ist das Cent- rum verändert: statt der sechs oder acht Zellenkerne von circa 4—5u Durch- messer findet man nur noch zwei bis drei bis zu 9« Durchmesser, oder sogar nur noch einen einzigen von 12—15u Durchmesser, welcher aber bisweilen nicht rund, sondern traubig erscheint (Taf. I Fig. 2). In jenen mittelgrossen Kernen sieht man gewöhnlich ein hellglänzendes Kernkörperchen, in den grossen mehrere, welche bei der traubigen Forın des Kerns in den Vorragungen liegen. — Die einkernigen Follikel sind offenbar älter als die vielkernigen, denn sie sind grösser und ihre äussere Zellenkapsel ist noch mehr verdünnt als bei den andern. Sie können aber nicht gleich einkernig entstanden sein, denn es fehlen solche jüngere Entwickelungsstufen; auch können sie nicht aus einer Theilung der vielkernigen Follikel mit darauffolgendem schnellen Wachs- thume der Theile hervorgegangen sein, denn auf dem Querdurchschnitte der ganzen Organanlage zeigt sich immer nur ein Follikel, und eine Anordnung von je sechs bis acht sekundären Follikeln hintereinander statt eines ursprüng. lichen müsste das Organ merklich verlängern, was aber niemals der Fall ist. Bleiben aber alle solche Erklärungen für die Entstehung jener einkernigen Follikel ausgeschlossen, so führt uns die Erscheinung der unregelmässig trau- bigen Kerne zur einzig möglichen Annahme: die einkernigen Follikel entstehen aus den vielkernigen durch Verschmelzung der Kerne. Dies erklärt das spä- tere Auftauchen der ersteren ebenso, wie die rasche Grössenzunahme der ein- zelnen Kerne und vielleicht auch die Vermehrung der Kernkörperchen, und scheint überhaupt eine ganz natürliche Folge des Vorgangs, vermittelst dessen zuerst die Leiber der centralen Zellen verschmelzen, um den Follikel zu bilden. Fasst man alle ferneren Entwickelungsstufen der Geschlechtsdrüse, hier im Besondern des Eierstocks, bis nach der Metamorphose der Larven zusam- men, so ergeben sich als wesentliche Momente: 1. die Vermehrung und das Wachsthum der Follikel, 2. die Entwickelung eines Bindegewebsgerüstes; Bei- des zusammen ergibt die Grössenzunahme des ganzen Organs. — Wenn die ersten Follikel eines Umbildungsheerdes an der Bauchseite des Organs entstan- den, so füllen die nachfolgenden jüngern die Mitte und den breiten Stiel desselben aus (Taf. I Fig. 3). Obgleich nun zwischen den grössern und kleinern Follikeln ein gewisser Vorrath von den unveränderten ursprünglichen Zellen liegen bleibt, so können sie doch die verschiedenen Hervorwölbungen der Follikel nach unten nicht ausgleichen, wodurch die Umbildungsheerde I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 13 eine himbeerartige Oberfläche erhalten, was man freilich erst bei etwas grösse- ren Organen vermittelst der Lupe wahrnehmen kann. Es ist aber klar, dass die Follikel, welche sich im Innern des Organs bilden, ihre Hüllen nicht von der äussern Zellenlage, sondern von den sie gerade umgebenden Zellen erhal- ten; und wenn anfangs die peripherischen und centralen Elemente des Organs eine verschiedene Bestimmung zu haben schienen, so beweist der fernere Ver- lauf der Entwickelung, dass sie, schon ursprünglich gleichmässig indifferent, auch später ohne Unterschied und je nach den Umständen bald zur Hülle, bald zum Inhalte eines Follikels verbraucht werden. Denn auch die peripherischen Zellen können in den Winkeln zwischen grössern vorragenden Follikeln sich ansammeln und in ihrer Mitte dann neue Follikel erzeugen, an denen die ur- sprünglich centralen Zellen nicht betheiligt sind. Die einzelnen Vorgänge bei der Follikelbildung treten in den älteren Ge- schlechtsdrüsenanlagen klarer hervor als in den jüngern, weil dort alle Zellen grösser geworden sind und daher in der Dicke eines feinen Schnittes nicht mehr wie in gleichen Präparaten aus früheren Entwickelungsperioden sich decken. Die zu einem Follikelinhalte zusammentretenden Zellen erscheinen aufgebläht, sodass zwischen ihnen selbst und ferner zwischen ihnen und der sie umspannenden Follikelwand jeder Zwischenraum schwindet und der gegenseitige Druck ebene Grenzflächen erzeugt (Taf. I Fig. 7). Untersucht man solche Zellen genauer, so ergibt sich, dass ihre Vergrösserung nicht einem einfachen Wachsthume entsprang, sondern dass neben dem ursprünglichen Protoplasma, welches durch sein punktirtes Aussehen und eine gewisse Schattirung kenntlich ist, eine klare Flüssigkeit sich in den Zellen ansammelte, welche nach der Ver- schmelzung der letztern dieHauptmasse des Follikelinhalts bildet, während die Reste jenes Protoplasmas als unregelmässige Flocken eine Zeit lang an den Kernen hängen bleiben, um endlich aufgelöst zu werden. — Auch die Ver- schmelzung selbst lässt sich an solchen Objecten leicht verfolgen: die zarten Linien, welche innerhalb eines entstehenden Follikel die Zellengrenzen andeu- ten, zerfallen in Reihen mehr oder weniger auseinander stehender Punkte, welche dann allmählich verschwinden (Taf. I Fig. 5. 8). — Erst wenn die Verschmelzung vollendet ist, treten die Kerne zusammen und verwachsen ent- weder alle auf einmal, oder in kleineren Partien, welche zuletzt zu einem Ganzen sich vereinigen (Taf. I Fig. 3. 4. 6. 8). Im ersten Falle sieht man die schon angeführten höckerigen oder traubigen Kerne als Uebergangsform, im andern Falle grössere und kleinere Kerne neben einander in einem Follikel. . 14 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. Es lässt sich aber auf der in Rede stehenden Entwickelungsstufe nicht leicht bestimmen, ob dieser oder jener Kern ein einfacher Zellenkern oder aus der Verbindung von zwei und mehr solchen hervorgegangen sei. Eben so unent- schieden bleibt es, ob die hellen Kernkörperchen sich später selbstständig ver- mehren oder nur durch den Verschmelzungsprocess in den grossen Kernen sich ansammeln. Es ist eine natürliche Folge der fortdauernden Entwickelung neuer Folli- kel, dass die Geschlechtsdrüsenanlagen endlich mit solchen Gebilden von den verschiedensten Entwickelungsstufen und in allen Grössen angefüllt erscheinen. Untersuchte man nun bloss solche ältere Anlagen, so liesse sich der Einwurf, dass die offenbar älteren einkernigen Follikel aus den vielkernigen ebenso gut durch Theilung des Ganzen als durch Verschmelzung der Kerne hervorge- gangen sein könnten, nicht leicht beseitigen. Den entscheidenden Aufschluss über den fraglichen Vorgang gibt die schon besprochene Untersuchung der ersten Follikelanlagen; denn wenn die Art und Weise, wie diese sich entwickeln, bestimmt nachgewiesen werden kann, so wäre es willkürlich, für die folgenden jüngeren Follikel eine andere nicht nachweisbare Bildungsnorm anzunehmen. Dagegen lernt man aus den spätern Entwickelungsperioden die Einzelheiten der ganzen Follikelbildung kennen, so dass für die richtige Erkenntniss eines scheinbar so einfachen Vorgangs die Untersuchung der Geschlechtsdrüsenan- lagen auf allen ihren Entwickelungsstufen nothwendig erscheint. Die bindegewebigen Theile der Geschlechtsdrüsen entstehen erst im wei- teren Verlaufe des geschilderten Umbildungsprocesses. Wenn der Querdurch- schnitt der Anlagen, dessen Masse im Beginn der Follikelbildung 454 Länge und 30u Breite betragen, um das Doppelte zugenommen hat und bereits eine beträchtliche Anzahl von Follikeln umfasst, ist noch keine Spur eines Bindege- webes zwischen ihnen zu entdecken. Erst an Larven, deren Hinterbeine schon gegliedert sind, erkennt man in der Längsaxe des bezeichneten Querschnitts einen Zug streifiger Masse mit eingelagerten Kernen. Diese bindegewebige Leiste, welche sich durch das ganze Organ hinzieht, entsendet alsdann Scheide- wände zwischen die Follikel, welche diese von einander scheiden und die ein- zelnen mehr oder weniger vollständig einkapseln. In der Leiste selbst aber entwickeln sich später grosse, offenbar mit Flüssigkeit gefüllte Räume, welche nach der herrschenden Ansicht als Lymphräume betrachtet werden mögen. Da dieses Bindegewebsgerüst bei seinem ersten Auftreten schon im Gekröse des Organs wurzelt und hier mit dem Bindegewebe des Retroperitonealraums I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 15 zusammenhängt, so glaube ich, dass es auch von dem letztern abstammt und nicht etwa aus den noch indifferenten Zellen der eigentlichen Geschlechtsdrü- senanlage hervorgeht. Während der Metamorphose tritt der Unterschied der Geschlechter schon in der äusseren Gestalt der Geschlechtsdrüsen hervor: die schmalen langge- streckten der künftigen Männchen beginnen allmählich sich zusammenzuziehen und die Form mit der Spitze nach hinten gerichteter Kegel anzunehmen, während die Eierstöcke länger bleiben, stärker in die Breite auswachsen, sich auf diese Weise in dicke Lappen verwandeln und entsprechend den früheren Follikeigruppen an ihrem lateralen Rande rund ausgezackt erscheinen. Nach der Larvenmetamorphose beginnen alsdann die Eierstöcke, indem ihr freier lateraler Rand sich stärker ausdehnt, als der angewachsene mediale, sich in der Art einer Krause zu falten. Ich vermag aber nicht zu entscheiden, ob diese Kräuselung noch im ersten Herbste eintritt, oder ob solche Eierstöcke durchweg Thieren angehören, welche bereits einmal überwinterten. Denn es hält schwer, die jungen metamorphosirten Thiere so lange in der Gefangen- schaft zu erhalten, bis sie jene Reife erlangt; andererseits ist die Laichzeit unseres Thieres eine so ausgedehnte und das Wachsthum der im Freien be- findlichen jungen Unken so sehr verschieden je nach der Gunst oder Ungunst ihrer äussern Lebensbedingungen, dass das Alter der im Laufe des Sommers eingefangenen mit Sicherheit nicht bestimmt werden kann. Ich halte es aber für wahrschemlich, dass allenfalls bloss die Larven des Frühsommers im Herbste die bezeichnete Reife erlangen, die jüngern aber nicht mehr. In den Eierstöcken, welche schon lappig geworden, aber noch nicht ge- kräuselt sind, findet man die einkernigen Follikel oft in überwiegender Zahl; sie sind in allen Theilen gewachsen und erreichen die Grösse von 604 Durch- messer ihre Kerne eine solche von 30u. Die letzteren werden noch meist von einer schmalen aber unregelmässigen Zone trüber Masse umgeben, welche ich für die letzte Spur des ursprünglichen Protoplasmas halte, von der ich schon gesprochen; in etwas älteren Follikeln ist davon nichts mehr zu sehen (Taf. I Fig. 8). Durch die Bindegewebskapseln, welche um die einzelnen Follikel ent- standen sind, haben die eigentlichen, ursprünglichen Follikelhüllen, die, wie wir sahen, aus platten Zellen zusammengesetzt sind, ihre Selbstständigkeit ver- loren und werden in allen Beschreibungen als innere epitheliale Auskleidung des Follikels bezeichnet. Uebrigens ist diese gegenwärtig sehr dünn und nur an den eingelagerten Kernen zu erkennen. — In den gekräuselten Eierstöcken '16 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. beginnt die Ausbildung des Follikelinhalts zum Ei. Denn bis zu diesem Stadium fehlte ihm der eigentliche Eistoff, welcher, wie ich zeigen werde, der alleinige Erzeuger der späteren Entwickelung zum selbstständigen Leben ist, nämlich die Dottersubstanz. Da nun die hier näher zu betrachtenden Bildungs- stufen der Follikel gleichfalls in grosser Menge in den Eierstöcken geschlechts- reifer Thiere vorkommen, so will ich zur Vermeidung von Wiederholungen gleich von diesen reden. Ihr Bau ist nicht wesentlich von demjenigen der ge- kräuselten Eierstöcke unterschieden: man denke ‘sich nur die Wände der letzteren durch die eingelagerten Eier und Eianlagen so stark ausgedehnt, dass die zierliche Krausenform unkenntlich wird, und man hat den klumpigen reifen Eierstock vor sich. — Die hier zunächst in Betracht kommenden, noch klaren Follikel sind nur mehr oder weniger ausgewaschene Exemplare der zu- letzt beschriebenen Form. Ihre Grösse wechselt je nach dem Alter in ausser- ordentlich weiten Grenzen, auch wird ihre kugelige Gestalt bisweilen durch den Druck der umgebenden Theile beeinträchtigt. Das Follikelepithel verhält sich im Wesentlichen ganz so, wie bisher; an frischen Objecten versichert man sich über seine Anwesenheit nur durch die grossen, blassen Kerne, von denen bei der Einstellung des Mikroskopes auf die Follikelfläche eine Anzahl deutlich erscheint. Um sich aber zu überzeugen, dass diese Kerne wirklich Zellen angehören, und um weitere Merkmale der letztern feststellen zu können, empfehle ich die Behandlung der frischen Objecte mit Wasser; dadurch quellen die Zellen sehr stark, blähen sich gegen das Innere des Follikels auf und gewähren ein äusserst scharfes Bild. Da ihre nach aussen gewandten Flächen sich dabei nicht wohl ausdehnen können, so lässt sich ihr normaler Breitendurchmesser in der Flächenansicht leicht bestimmen, — 30. Ferner kann man bei der Anwendung des Wassers nachweisen, dass der Follikelinhalt noch unmittelbar die Zellen berührt, dass aber die Grenze zwischen beiden Theilen eine sehr scharfe ist und sie durchaus nicht kontinuirlich zusammenhängen. Uebrigens kann man sich auch beim Zerdrücken dieser Zellen die Gewissheit verschaffen, dass sie Hüllen besitzen. Diese Beobachtung machte ich noch an Follikeln, welche bereits durch Dotter getrübt waren. — Solange die Follikel eine ge- wisse Grösse (100—150 «) nicht überschritten haben, ist ihr Inhalt im frischen Zustande ganz durchsichtig klar; dass er aber gegen früher eine gewisse chemische Veränderung erlitten, erhellt daraus, dass er durch Chromsäure- lösungen und theilweise schon durch blosses Wasser in eine sehr feinkörnige Masse umgewandelt wird, was in früheren Entwickelungsperioden bei gleicher I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 17 Behandlung nicht geschah. Dieser Versuch bestätigt aber auch, dass der Follikelinhalt, wie es schon im frischen Zustande erschien, in seiner ganzen Ausdehnung, in der nächsten Umgebung des Kernes, wie an der Peripherie, überall gleich beschaffen ist. — Etwa um die Zeit, wann das Wachsthum die obenbezeichnete Grenze erreicht hat, erscheinen in der ganzen Peripherie des Follikelinhaltes, ganz dicht am Follikelepithel, unregelmässige Häufchen von kleinsten, gelblichen, derbkonturirten Körperchen, sodass die Oberfläche des Follikels gefleckt aussieht (Taf. I Fig. 9). Diese Flecke vermehren sich und rücken dabei so nahe zusammen, dass sie endlich eine ziemlich gleichmässige Körnchenschicht bilden, wodurch der ganze Follikel endlich undurchsichtig wird. Zerdrückt man einen solchen von ungefähr 0.3 mll. Durchmesser, welcher dem blossen Augenoch bläulich opalisirend erscheint, so findet man den Inhalt zusammengesetzt aus einer farblosen Flüssigkeit und einer grossen Anzahl kleinster Körperchen, welche genau so aussehen wie jene in den oberflächlichen Häufchen angesammelten. Mit dem Auftreten dieser festen Theilchen in der Follikelflüssigkeit beginnt die Umbildung der letzteren zu einer Dottermasse und die Umwandlung des ganzen Follikinhaltes in ein Ei, wobei der Kern die Rolle des Keimbläschens übernimmt. Jene kleinen Körperchen oder die Dotter- körner vermehren sich nun ziemlich rasch; wobei erst wenige, dann immer mehr von den bekannten Dottertäfelchen oder -plättchen unter ihnen sich zeigen, sodass diese endlich in den der Reife entgegengehenden Eiern den bei weitem grössten Raum in der Dottermasse einnehmen. Bei stärkeren Vergrösserungen bemerkte ich nun, dass jene Dotterkörner in allen Grössenabstufungen bis zum blossen Punkt hinab ebenso eine viereckige Gestalt, gelbliche Farbe und derbe Konturen besitzen, wie die Plättchen, sodass ich nicht daran zweifeln kann, dass beide Formen sich nur in der Grösse unterscheiden. Ob nun die Plättchen durch ein Wachsthum der einzelnen Körner oder durch eine Verschmelzung mehrerer Körner entstehen, konnte ich nicht entscheiden, jedenfalls bilden sie sich zuerst im Innern und breiten sich, erst in der Folge bis zur Oberfläche aus. — Es bliebe nur noch zu untersuchen übrig, woher die Dotterkörner ihren Ursprung nahmen, ob sie durch lokale Differenzirung in der Grundsubstanz des Follikels entstanden oder von der Oberfläche her einwanderten. Die Trü- bung der Follikel im Anfange der Dotterbildung und andererseits die eigen- thümliche Umwandlung, welcher der Follikelinhalt bei der Anwendung der erhärtenden Chromsäure unterliegt, erlaubten mir nicht, auf jene Fragen be- stimmt zu antworten. Jedoch kann man an den Durchschnitten von solchen GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 2 18 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. gehärteten Follikeln, in welchen die Dotterbildung vor Kurzem begonnen hatte, häufig bemerken, dass die dem Kerne oder dem Keimbläschen zunächst gele- genen Theile heller sind als die äusseren; was bei mir die Ansicht hervorruft, dass jene an der Oberfläche des Follikels auftretenden Körnerhäufchen allmäh- lich ins Innere vorrücken und sich daselbst zerstreuen, während andere an ihre frühere Stelle treten. Einige Forscher reden von einem räthselhaften dunklen Gebilde, dem Dotterkerne, welcher in wechselnder Gestalt in den hellen Follikeln vorkomme und bald früher bald später in dem entstehenden Dotter sich auflöse. Ich muss gestehen, dass ich eine solche Erscheinung weder an den frischen, noch an den gehärteten Eierstöcken sowohl junger als älterer Exemplare von Bombinator igneus antraf. Dasselbe Ergebniss lieferten mir einige junge Exemplare von Bufo cinereus, in deren Eierstöcken die Dotterbildung eben begonnen hatte und zwar bloss im vorderen Abschnitte, wesshalb er gelb und opak, der hintere aber noch halb durchsichtig und opalisirend aussah. Ich wende mich nun zur Betrachtung des Keimbläschens. Anfangs, d.h. ohngefähr so lange, als das Protoplasma der ursprünglichen Bildungszellen noch kenntlich ist, gleichen die Keimbläschen noch ganz den Kernen, aus denen sie entstanden: ihre Form ist rundlich, jedoch nicht regelmässig, ihr Inhalt mit feineren und gröberen Punkten oder Körnern untermischt. Ausserdern ent- halten sie einige verhältnissmässig grosse, unregelmässig gestaltete, wandstän- dige Körperchen, die Keimflecke. Dies sind die gewachsenen und vermehrten Kernkörperchen der verschmolzenen Kerne und da sie im Verlaufe der Follikel- bildung neu entstehen und in allen Grössen angetroffen werden, deren unterste an die grössten dunklen Punkte sich anschliesst, so vermuthe ich, dass sie aus den letzteren hervorgehen. Diese Annahme wird durch folgende Ueberlegung unterstützt: je kleiner die Kernkörperchen sind, desto breiter ist verhältniss- mässig die Randzone derselben, welche in Folge einer für das beobachtende Auge zu starken Lichtbrechung dunkel erscheint, und desto kleiner das helle Centrum; sie müssen also natürlich bei einer gewissen Kleinheit nur noch als dunkle Punkte erscheinen. Daher halte ich es für mehr als wahrscheinlich, dass die Keimflecke aus den punktförmigen Körnern der ursprünglichen Kerne heranwachsen. — In dem Masse, als die Follikel immer mehr klare Flüssig- keit aufnehmen und die Protoplasmareste in derselben aufgelöst werden, ver- wandeln sich auch die Keimbläschen: während eines entsprechenden Wachs- thums wird ihr Umriss kreisrund, ihr Inhalt, bis auf die gleichfalls wachsenden I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 19 Keimflecke, vollständig durchsichtig und lässt sich bei verschiedenen Reaktionen (Wasser, Chromsäure u. s. w.) nicht mehr vom übrigen Follikelimnhalt unter- scheiden (Taf. I Fig. 9). Nachdem die Dotterbildung begonnen, verlieren sich jene grossen Keimflecke allmählich und in dem Masse als sie sich ver- mindern, erscheint an ihrer Stelle eine grössere Zahl kleinerer Keimflecke, welche die Farbe und den Glanz der Dottertäfelchen besitzen. Zuletzt ist die ganze Innenfläche des Keimbläschens mit solchen kleinen Keimflecken besetzt. Beim Bombinator igneus gelang es mir nicht, die Umwandlung der grösseren dieser Gebilde in die kleineren zu beobachten; dagegen glaube ich eine solche in den Eiern des Bufo cinereus erkannt zu haben. Zugleich mit dieser innern Veränderung des Bläschens gibt sein Kontur die kreisrunde Form auf und ver- läuft in einer unregelmässigen, allmählich sich immer mehr ausbuchtenden Wellenlinie. Dafür, dass dies ein normaler Befund ist, bürgt die Untersuchung ganz frischer Objekte ohne jeden Zusatz (Taf. I Fig. 10). — Ueber das Wachs- thum der Keimbläschen kann man im Allgemeinen sagen, dass sie bis zu ihrer Umwandlung entsprechend dem ganzen Follikel sich vergrössern, später aber in ihrer Zunahme hinter demselben zurückbleiben. Alsdann verlassen sie auch ihre centrale Lage und rücken gegen die Oberfläche des Follikels vor. Wenn das junge Ei die Grösse von ungefähr 0.4—0.5 mll. Durchmesser erreicht hat, bemerkt man zwischen dem Follikelepithel und dem Dotter eine äusserst schmale, helle und strukturlose Zone — die Anlage der Dotterhaut. Da das ganze Wachsthum des Dotters durch Anlagerung von aussen erfolgt und nach der Bildung der Dotterhaut noch längere Zeit fortdauert, so scheint es mir gar nicht zweifelhaft zu sein, welche genetische Bedeutung derselben zukomme. Sie ist eine von aussen dem Dotter angefügte, anfangs offenbar halbtlüssige Substanzschicht; und wenn man sie mit einer sich entwickelnden Zellenhülle verglich, so vergass man, abgesehen von andern irrthümlichen An- schauungen, dass die Dottermassenach aussen keine fixe Grenze, also zu keiner Zeit während ihrer Ansammlung eine bestimmte Rindenschicht besitze, welche als ein organisch zur Hauptmasse gehöriger Theil erstarren könnte, Zuletzt von allen Bestandtheilen des Eies erscheint das Pigment.* Es verbreitet sich über die ganze Dotteroberfläche, aber in wechselnder Stärke. * Dass dasselbe ein bloss accessorischer Theil der Eisubstanz, ohne jede wesentliche Bedeutung sei, erhellt am besten daraus, dass selbst von so nahverwandten Arten, wie die verschiedenen Tritonen es sind, die einen pigmentirte, die anderen ganz pigmentfreie Eier haben. 2% 20 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. Die Halbkugel, in welcher das Keimbläschen sich befindet, nimmt so viel von dem körnigen, durchaus schwarzen Pigment zwischen die Dotterkörner auf, dass sie ein schwärzliches Kolorit erhält, die andere dagegen nur so viel, dass die durchscheinende gelbliche Dotterfarbe und das Pigment sich zu einem hellen Grau vermischen. Die dunkle Hemisphäre drehtssich bekanntlich, nachdem das Ei gelegt und befruchtet worden, beständig nach oben; woraus man Ver- anlassung genommen hat, von einer oberen und einer unteren Halbkugel und den entsprechenden Polen des Eies zu reden. Ich werde mir erlauben, aus Rücksicht auf die Bequemlichkeit des Ausdrucks, jene Benennungen auch schon auf das Ei vor seiner Befruchtung anzuwenden. Ich darf es als bekannt voraussetzen, wie die reifenden Eier aus der Wand des Eierstocks in gestielten Kapseln hervorwachsen und alsdann in die Höh- lungen des Organs vorragen. Unter den reifen Eiern, welche die volle Grösse von ohngefähr 1.5 mll. Durchmesser erreicht haben, fand ich drei verschiedene Bildungsstufen, deren Reihenfolge leicht zu bestimmen war, und welche often- bar nur durch kurze Zeiträume der Entwickelung von einander getrennt, wahr- scheinlich zu einer und derselben Brut bestimmt waren, da eine solche, wie ich weiter unten noch ausführlicher zeigen werde, stets Eier von verschiedener Ausbildung umfasst. Die der Entwickelung nach jüngsten von jenen Eiern schlossen sich unmittelbar an die halbreifen an. Ihre Dotterhaut hing mit dem Dotter so innig zusammen, dass an eine Ablösung derselben nicht zu denken war; auch liess sich eine bestimmte Grenze zwischen beiden Theilen nicht nach- weisen. Die Dottermasse war in der untern Halbkugel etwas grobkörniger als in der oberen; auch fehlten dicht an der Peripherie die grössten Dotterelemente, wobei die Mächtigkeit dieser feinkörnigen Schicht mit derjenigen der Pigment- lage übereinstimmte, also in der oberen Halbkugel am grössesten war. In der letzteren, ohngefähr 150—180 „ von der Oberfläche entfernt, befand sich die runde, das Keimbläschen enthaltende Höhle, deren Höhe (300—400 u) von der Breite (400— 500 u) etwas übertroffen wird (Taf. I Fig. 11). Es ist klar, dass diese Höhle ihre Gestalt derjenigen des Keimbläschens verdankt; wenn aber letzteres bei seinem Vorrücken gegen die Dotteroberfläche, also im Anfange der Dotterbildung, jene Form besass und auch in gehärteten Eierstöcken be- hielt, so füllt es im vorliegenden Stadium den frühern Raum nicht mehr aus. Geschrumpft liegt es meist an der gegen das Centrum des Eies gekehrten Wand der Höhle, während der leergewordene Theil der letzteren mit klarer Flüssigkeit I. Die Entwickelung des Eierstockseies, 21 angefüllt ist. Obgleich nun die angewandten Erhärtungsmittel in jüngeren Eiern eine solche Schrumpfung nicht bewirkten, also auch hier keine künstliche Bildung vorzuliegen schien, so habe ich diesen Befund doch an frischen Objekten kontrolirt und ihn vollständig bestätigt gefunden. Präparirt man die Keim- bläschen unter Jodserum* aus den dottergefüllten Eiern aller Grössen heraus, so ergibt sich die fortschreitende Schrumpfung des Keimbläschens aufs unzwei- deutigste (Taf. I Fig. 10). Zeigte es anfangs nur einen wellenförmigen Um- riss, so erscheint es später mit stark vorspringenden Buckeln besetzt, in denen die Keimflecke angesammelt sind; zugleich ist es linsenförmig abgeflacht, trübe und gelblich gefärbt. In den reifen Eiern endlich, deren Beschreibung ich eben unterbrach, hat es freilich noch dieselbe äussere Form; aber der Inhalt ist noch undurchsichtiger, sehr feinkörnig und fest geworden und hat sich von der Hülle, an welcher die Keimflecke hängen bleiben, etwas’ zurückgezogen. Die letzteren sind jetzt kreisrund; einige unter ihnen sind offenbar gewachsen (bis zu 15 „u Durchmesser) und enthalten je einige Körner oder Bläschen, welche aber viel kleiner sind, als die kleinsten Keimflecke. Das zweite Stadium der Reife unterscheidet sich vom besprochenen äusser- lich dadurch, dass am oberen Pole, also über dem Keimbläschen, ein gelblicher, unregelmässiger Fleck mit verwaschenen Rändern inmitten des dunklen Feldes entstanden ist. An Durchschnittsbildern erkennt man die Ursachen dieser Erscheinung: die Pigmentschicht ist daselbst theils ganz unterbrochen, theils wie verwischt, sodass die ungefärbte Dottermasse an der Oberfläche zu Tage tritt (Taf. I Fig. 12). Im Innern ist die Höhle des Keimbläschens spurlos verschwunden, und ruht dieses nach dem passenden Bilde Newporr's (Nr. 35 S. 176) wie ein Aprikosenkern im Fleische der Frucht, fest im Dotter einge- zwängt. Es nimmt alsdann die Stelle ein, die es zuletzt auf dem Boden der Höhle inne hatte, hat sich also im Vergleiche zur Zeit, wo es noch die ganze Höhle ausfüllte, von der Oberfläche der Dotterkugel scheinbar entfernt. Auch hat es nur noch annähernd eine linsenförmige Gestalt, denn seine Umrisse sind verschwommen und die Dottermasse dringt bereits hier und da in dasselbe ein. Von der Hülle des Keimbläschens und den Keimflecken sind nur noch einzelne Reste sichtbar, welche zum Theil schon in dem Rande der umgebenden Dotter- masse liegen. Die Dotterhaut eines solchen Eies hängt nicht mehr, wie im * Dieses Mittel konservirt nach meiner Erfahrung auch die viel zarteren Säugethiereier recht gut. 29 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. win früheren Stadium, innig mit dem Dotter zusammen, sondern lässt sich ziemlich rein von ihm abheben. Die dritte und letzte von mir beobachtete Form von reifen Eierstockseiern enthielt keine Spur eines Keimbläschens mehr; an seiner Stelle befand sich eine äusserst feinkörnige Masse, welche ohne bestimmte Grenzen in die mit Dotter- plättchen angefüllte Dottersubstanz überging und offenbar aus dem Zerfalle des Keimbläschens hervorgegangen war (Taf. I Fig. 13). Der Fleck am obern Pole war noch vorhanden, die Dotterhaut konnte gleichfalls unschwer von der Dotteroberfläche getrennt werden. Die reifen Eier lösen sich während der Begattung vom Eierstocke ab, ge- langen in die Bauchhöhle und werden darauf in die Eileiter aufgenommen, aus. denen sie ins Wasser ausgestossen und dabei befruchtet werden. Die normale Be- gattung des Bombinator igneus scheint 24—36 Stunden zu dauern; ich glaube mich aber überzeugt zu haben, dass die Eier erst gegen das Ende der Begattung in die Eileiter eintreten, also in denselben sich nur eine verhältnissmässig kurze Zeit aufhalten. Es ist mir nun nicht gelungen, Eier auf dieser Wanderung anzutreffen; doch glaube ich diese Lücke in der Untersuchung durch Vergleiche der vorhergehenden und der nachfolgenden Bildungsstufen ausfüllen zu können. Ich habe mehrfache Gelegenheit gehabt, dem Legegeschäft des Bombinator igneus beizuwohnen; daher war es mir möglich, die Eier zu jeder beliebigen Zeit, selbst unmittelbar nach ihrem Austritte aus dem Mutterthiere in die Kupferlösung zu bringen und so für die gewünschte Untersuchung jede weitere Veränderung hintanzuhalten. Bekanntlich erhalten die Eier der meisten Batrachier, so auch unseres Thieres, innerhalb der Eileiter gallertartige Hüllen. Ich kann aber die Beschreibung derselben übergehen, da sie, für die Entwickelung ohne Bedeu- tung*, wesentlich nur der Befruchtung dienen. Sonst sind die frischgelegten sier den von mir beschriebenen reifsten Eierstockseiern sehr ähnlich. Die Vertheilung des Pigments ist noch dieselbe: die obere Halbkugel ist schwärz- lich gefärbt, von der untern empfängt man den Eindruck wie von einer hellen, mit einem schwarzen Pulver leicht bestreuten Fläche. Ein Theil der frischge- legten Eier zeigt auch den hellen Fleck in der Gegend des obern Poles; lässt man dieselben sich weiter entwickeln, so kann man gewisse Veränderungen * Schon Ruscosı bewies (Nr, 6 S. 9. Nr. 16 S. 212), dass ein von seiner Gallerthülle be- freites Ei sich ebenso normal wie ein intaktes entwickele. I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 23 innerhalb jenes Flecks und sein schliessliches Verschwinden leicht verfolgen. Untersucht man ihn genauer, so findet man seine Mitte häufig vertieft und etwas dunkler als die Umgebung; bisweilen gewährt sie sogar das Bild der in einem Polster angebrachten Knöpfe oder eines eingezogenen Nabels. Nach kurzer Zeit schwindet dieser Knopf und es bleibt an seiner Stelle ein Loch, wie es beim Einstich in eine teigige Masse entsteht (Taf. I. Fig. 15). Dieses Loch kann entweder auch verschwinden, bevor andere Erscheinungen auftreten, oder es bleibt bis zum Beginne der Dottertheilung bestehen. Ebenso können auch mehrere derartige Löcher vorhanden sein. Unterdess ist aber der helle Fleck verschwunden, indem er sich entweder stetig zusammenzog oder im Gegentheil unregelmässig sich ausbreitete, dem dunklen Felde für kurze Zeit ein marmorirtes Aussehen verlieh und dann erst verschwamm. Uebrigens ist die Reihenfolge aller dieser Ercheinungen durchaus nicht beständig: oft fehlt die eine oder andere oder sie reduciren sich darauf, dass der belle Fleck allmählich schwindet, ohne dass in seinem Bereiche bemerkens- werthe Veränderungen vor sich gingen. Durchschnitte von solchen mit einem Fleck versehenen Eiern lehrten, dass er ebenso wie in den reifen Eierstockseiern von einer theilweisen Zerstörung der Pigmentschicht herrühre; die Löcher und Vertiefungen erwiesen sich als der Ausdruck nur ganz oberflächlicher Unregelmässigkeiten. Die Dottermasse zeigte keine weitere Veränderung, als dass die feinkörnige Substanz, welche ich bereits auf der letzten Reifestufe des Eies als Residuum des Keimbläschens fand, sich unregelmässig in dem umge- benden Dotter zerstreut hat, namentlich in schmalen Streifen gegen die Ober- fläche ausstrahlt. Dies kann man an der grauen Färbung oder der Trübung erkennen, welche jener Substanz durch die angesammelten punktförmigen Körnchen verliehen wird, sodass der Dotter der obern Eihälfte nach seiner Vermischung mit der dunkleren Masse marmorirt aussieht. Aber auch diese innere Verfärbung schwindet bald in Folge einer gleichmässigeren Vertheilung der festen Dottertheilchen. — Alle diese Erscheinungen sind also Störungen in der Gleichmässigkeit der Pigmentschicht einerseits und andererseits der innern Dottermasse, welche vor dem Beginn der eigentlichen Embryonalent- wickelung ganz oder zum grösseren Theile wieder ausgeglichen werden; im letztern Falle aber stehen sie, wie es im folgenden Abschnitte noch näher aus- geführt werden soll, mit jener Entwickelung in keinem Zusammenhange. Ich bemerkte aber schon, dass nur einige der frischgelegten Eier alle jene Erschei- nungen aufweisen. 24 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. Die übrigen verlassen die Eileiter entweder mit einem Flecke, welcher im Verschwinden begriffen ist, oder selbst mit einer, gegenüber den reifsten Eier- stockseiern, schon wiederhergestellten Pigmentschicht; ebenso kann die Aus- gleichung der inneren Dottermasse bereits mehr oder weniger ausgeführt sein. Aus diesen Thatsachen erhellt aber, dass die in einer Brut abgesetzten Eier sich auf verschiedenen Stufen ihrer Umbildung befinden und dass die geschil- derten Vorgänge gewöhnlich zum Theil oder vollständig in den Eileitern, mit- hin von der Befruchtung durchaus unabhängig, ablaufen. Die am weitesten zurückgebliebenen der frischgelegten Eier haben offenbar den Eierstock zuletzt und zwar nur eine kurze Zeit, bevor sie gelegt wurden, verlassen,* sodass ich sie nun in der Entwickelungsreihe ohne Zweifel unmittelbar neben die reifsten Eierstockseier stellen darf, obgleich sie nicht dem Eileiter entnommen wurden. Ein Vergleich beider Formen mag diese Annahme noch weiter begrün- den: eine geringe Abnahme im Umfange des Fleckes und die stärkere Zer- streuung der feinkörnigen Masse sind die einzigen Fortschritte des älteren Eies. Wenn ich also annehmen darf, eine wesentlich ununterbrochene Ent- wickelungsreihe der Erscheinungen am obern Pole beobachtet zu haben, so fragt sich nun: wieentsteht und wasbedeutet jene Zerstörung der Pigmentschicht, deren Ausgleichung so bald erfolgt, ohne nachweisbare Folgen zu hinter- lassen? — Die Antwort ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus meinen Beobachtungen, wohl aber aus einer vergleichenden Betrachtung dieser und einiger älterer Angaben. Ich erinnere zunächst daran, dass der helle Fleck sich nicht allmählich entwickelt, sondern ganz unvermittelt auftritt, und dass zugleich ebenso plötzlich der vom schrumpfenden Keimbläschen zurückge- lassene Hohlraum verschwunden ist. Der letztere war mit einer Flüssigkeit angefüllt, und wenn man bedenkt, dass das schrumpfende Keimbläschen fester wird, also Flüssigkeit verliert, so ist es wohl mehr als wahrscheinlich, dass die ursprüngliche Höhle des Keimbläschens nach wie vor dessen ganzen Inhalt um- fasst, mit dem Unterschiede gegen früher, dassin dem Masse, als seine festen Theile sich zusammenziehen, die flüssigen in den dadurch freiwerdenden Raum der Höhle übertreten. Ich kann nun nicht annehmen, dass diese Flüssigkeit des Keimbläschens sich ganz plötzlich dem übrigen Dotter assimilire; denn dies widerspräche aller Erfahrung. Dagegen finde ich den befriedigendsten Auf. * Ich bemerkte schon, dass die Eier erst gegen das Ende der Begattung in den Eilei- ter treten; und da sie es nach allen bisherigen Beobachtungen einzeln ausführen, so können die zuletzt eingetretenen nur eine kurze Zeit sich in dem Eileiter aufhalten. — I. Die Entwickelung des Eierstockseies, 25 schluss über den fraglichen Vorgang in den Beobachtungen v. BaER'S: er sagt, dass das Keimbläschen die Dotteroberfläche durchbreche und dann erst schwinde, dass ein Theil der Flüssigkeit, welche man an befruchteten Eiern zwischen Dotter und Dotterhaut antreffe, von jenem Bläschen herrühren möge, und endlich, dass der helle Fleck oder die Lücke in dem dunklen Felde aus jenem Durchbruche hervorgehe. Es genügt in der That, diesen Mittheilungen die Ergänzung hinzuzufügen, dass nicht das ganze Keimbläschen, sondern bloss seine in der Höhle frei befindliche Flüssigkeit die Dotteroberfläche durchbreche, um einzusehen, wie die Zerstörung der Pigmentschicht eine natürliche Folge von dem Verschwinden der Höhle sei, Beides aber offenbar in der kürzesten Zeit, ich möchte fast sagen, in einem Momente vor sich gehe. Und v. Barr's Ver- muthung, dass die aus dem Dotter hervorgetretene Flüssigkeit sich über dessen Fläche ergiessend, dieselbe gewissermassen von der Dotterhaut trenne, findet eine nachdrückliche Unterstützung in meiner schon erwähnten Beobachtung über das verschiedene Verhalten jener Haut vor und nach dem Auftreten des hellen Flecks. Fassen wir nun alle Erscheinungen am reifen Eie bis zur Befruchtung zu- sammen, so ergeben sie sich insgesammt als Folgen der Auflösung des Keim- bläschens.. Es dürfte hier der Gedanke nahe liegen, dass dadurch der ur- sprünglichen Dottermasse ein neuer Bestandtheil beigemischt, ihre frühere Zusammensetzung also verändert würde. Ich kann aber diese Ansicht nicht theilen. Zuerst mache ich darauf aufmerksam, dass schon in den ganz klaren Follikeln, ganz im Anfange der Eibildung, der Inhalt des Follikels sowohl in- nerhalb, als ausserhalb des Keimbläschens derselbe ist: in beiden Theilen be- steht er aus einer Mischung von Protoplasma mit der von aussen abgesonderten Flüssigkeit, und die durch die Membran des Keimbläschens erzeugte Endo- smose sorgt für die volle Ausgleichung, sodass weder das nörmale Aussehen, noch das Verhalten beider Theile bei der Einwirkung verschiedener Reagentien einen Unterschied erkennen lässt. Erst das Erscheinen der festen Dotterkör- perchen ruft eine gewisse Differenz hervor: indem sie von der Oberfläche des Follikels gegen das Centrum vorrücken, aber in das Keimbläschen nicht ein- dringen können, verändern sie die Konsistenz in seiner Umgebung, also auch die endosmotische Ausgleichung. Früher blähte sich das Keimbläschen auf, weil es fester war, als die Umgebung; nun schrumpft es, weil die umgebende Flüssigkeit dicker wird.* Daher glaube ich, dass die Substanz des Keim- * Vielleicht ist diese Verdichtung des umgebenden Dotters die Ursache, dass das ver- 96 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. bläschens bei seiner Auflösung von der Grundsubstanz des Dotters sich nicht wesentlich unterscheide, dass also die ganze Ausgleichung innerhalb des Folli- kels bei der Zerstörung der letzten Zellenreste sich weniger auf die Substanzen selbst als auf ihre Form beziehe, und die Dottermasse zu jeder Zeit wesentlich dieselbe bleibe. Eine weitere Frage aber ist die, wie weit die zwei genetisch verschiedenen Bestandtheile des Follikelinhaltes, die Zellenreste und das von aussen eingeführte Sekret, welche sich bereits so frühe zum Dotter mischen, ihrer Beschaffenheit nach sich von einander unterscheiden. Darauf gibt die Entwickelungsgeschichte, wie mir scheint, eine ziemlich ausreichende Antwort: die Zellen, welche das Sekret liefern, und diejenigen, deren Reste sich in den Follikeln auflösen, sind nicht nur ganzgleichartig, sondernauch noch einekurze Zeit vor der ersten Follikelbildung vollständige Embryonalzellen, d. h. mit der- selben Dottermasse gefüllt gewesen, welche sie in den Follikeln neuerdings er- zeugen sollen (vgl. den letzten Abschnitt dieses Buchs). So kann ich denn die Betrachtung des reifen Eies mit dem Ergebnisse schliessen, dass alle seine Veränderungen im Eierstocke und Eileiter nur die unmittelbare Fortsetzung und den Abschluss jenes schon im ersten Anfange der Eibildung eingeleiteten Processes bilden, dessen Bedeutung in der Zerstörung der Zellenreste innerhalb des Ovarialfollikels und in der Herstellung eines Keims beruht, welcher aus einer gleichartigen und in keinem Theile organisirten Masse besteht. — Ich glaube gestützt auf meine Beobachtungen behaupten zu dürfen, dass keiner meiner Vorgänger bei den Untersuchungen über die Entwickelung des Eies bis zu einfachen Zellen zurückgegangen ist. Freilich wollen WrrricH und WALDEYER es gethan haben; aber ihre ununterbrochenen Beobachtungsreihen reichen offenbar nur bis zu jungen Follikeln zurück, welche sie irrthümlicher- weise für einfache Zellen hielten. Denn Wrrrich sah diese zu Eiern bestimm- ten, sehr grossen „Zellen“ unabhängig von den ursprünglichen, die Geschlechts- drüsenanlage zusammensetzenden Elementen und zwarin den innern Hohlräumen des Organs neu entstehen, d. h. er bemerkte die Eianlagen erst sehr spät (wann hältnissmässig leichter gewordene Keimbläschen seine centrale Lage verlässt und nicht an eine beliebige Stelle der Oberfläche, sondern wirklich aufwärts vorrückt. I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 97 die Lymphräume bereits vorhanden sind) und hielt sie für neugebildete Zellen, weil er ihre Genese nicht kannte. Damit hängt wohl auch die irrthümliche Angabe über den Ort ihrer Entstehung zusammen. Andererseits fand Waun- EYER in Eierstöcken ausgewachsener Frösche Gruppen von kleineren und grösseren ein- und vielkernigen Elementen, welche zuweilen an der Oberfläche des Organs frei zu Tage treten. Darauf hin erklärte er die Gruppen für Pruveser’sche Schläuche, die Elemente insgesammt für einfache Zellen, die grössten unter ihnen namentlich für Eizellen. Da nun in embryonalen Orga- nen sowohl das oberflächliche Epithel, von dem die Schläuche hätten ausgehen, als auch ein Bindegewebsstroma fehlt, in welches sie hätten hineinwachsen kön- nen, die ursprünglichen Organanlagen vielmehr in ihrer ganzen Masse aus Elementen bestehen, welche der Follikelbildung dienen, so kann auch von jener bei den höhern Wirbelthieren vorkommenden Schlauchbildung bei jungen Ba- trachiern nicht wohl die Rede sein, auch wenn man von meinen übrigen Beobachtungen absehen wollte. Wie solche oberflächliche Gruppirungen ent- stehen können, habe ich schon in der Beschreibung angedeutet; für eine abweichende Bildung derselben in erwachsenen Thieren fehlt aber der Beweis. Im übrigen muss ich die vielkernigen Eizellen WALpEYEr's für meine viel- kernigen Follikel erklären, um so mehr als WALDEYER uns den Aufschluss schuldig blieb, wie jene vielen Kerne entstehen und was aus ihnen werde. Die genannten beiden Forscher’stimmen also in der Annahme überein, dass die aus je einer Zelle bestehenden Eianlagen vor dem zugehörigen Follikel vorhanden seien, während ich betonen muss, dass die Follikel zuerst und zwar indifferent für beide Geschlechter entstehen, und erst in verhältnissmässig später Zeit sich entscheiden, ob sie die Bildung von Eiern bewirken oder in die Zusammen- setzung eines Hodens eingehen werden. — Noch weniger als den beiden ge- nannten Forschern gelang es den andern, die Hälmchehtng der Eifollikel auf unzweifelhafte Zellen zurückzuführen. Ueber die Dotterbildung bestehen zweierlei Angaben: beim Frosche be- ginnt sie nach v. BAER, CRAMER, CARUS, LEUCKART, THOMSON, WALDEYER ein- seitig mit dem Dotterkerne, während Vogr bei Alytesobstetricans, v. BAMBECKE bei Pelobates fuscus, ich beim Bombinator igneus und Bufo cinereus kein solches Gebilde, sondern eine koncentrische gleichmässige Ablagerung des Dotters fanden. Worin der Grund dieser Verschiedenheit liegt, ist bis jetzt noch nicht aufgeklärt. — Eine allmähliche Rückbildung des Keimbläschens hat keiner meiner Vorgänger beobachtet; Vocr sah allerdings einen unregelmässigen 28 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. Umriss desselben eintreten, vermochte aber dieses Aussehen nicht zu deuten, und Tromsox hält es für unbeständig und von äussern Umständen abhängig. Ueber das endliche Schwinden des Keimbläschens liegen auch keine vollstän- digen Angaben vor, wie denn auch Niemand bisher das schrumpfende Keim- bläschen von seiner in der Höhle befindlichen Flüssigkeit unterschied.* Nach meinen Erfahrungen müsste man die einander durchaus entgegengesetzten An- gaben v. Barr’s und Newrorr’s kombiniren; Ersterer sah die Flüssigkeit an die Oberfläche treten, hielt sie aber irrthümlicher Weise für das ganze Keimbläs- chen, welches daher im Dotter eine Höhle zurücklasse, während Newrorr andererseits dasselbe im Innern des Dotters schwinden sah, aber von dem vor- hergehenden Stadium, wann die mit Flüssigkeit gefüllte Höhle noch besteht, nichts wusste. Jene Beobachtung v. Barr’s erklärt auch ganz ungezwungen die eigenthümlichen Erscheinungen amoberen Pole, über welche mehre Be- schreibungen vorliegen. NEwPporT verfolgte merkwürdigerweise ähnliche Er- scheinungen, wie Ruscoxt und ich siein dem hellen Flecke beschrieben, nur an der unteren hellen Hemisphäre, während v. BAmBEcKE’s ausführliche Be- schreibung der Dotterkanälchen wie eine Wiederholung der v. Barr’schen An- gaben über den Dotterkanal und die centrale Dotterhöhle erscheint, obgleich v. BAMBECKE dieselben ausdrücklich zurückweist (Nr. 71 S. 64). Jedenfalls habe ich allen Grund, die genannten Erscheinungen mit dem Austritte der Flüssigkeit des Keimbläschens in Verbindung zu bringen, durchaus aber keine Veranlassung, mich der Hypothese v. BAMBEcKE’s anzuschliessen. Die Keimflecke bemerkte schon der Entdecker des Keimbläschens im Froscheie, v. Baer**; Vogt, Ecker und LEuckART kannten offenbar nur die zweite, allmählich sich vermehrende und wachsende Generation derselben, während LEREBOULLET in jüngern Follikeln grössere Keimflecke fand als in älteren, was aber nur aus seinen Abbildungen und Massangaben hervorgeht, ohne dass er es selbst ausgesprochen hätte. *** — Nmewprorr’s Angabe, dass anfangs im Froscheie nur ein Keimfleck vorhanden sei, kann ich an meinem e7 v. BAnBEcKE hat freilich in der Figur 10 Tafel V seines grösseren Werkes ein ge- schrumpftes Keimbläschen gezeichnet, welches seine ursprüngliche Höhle nicht mehr ganz ausfüllt. Aber er erklärt diesen Befund aus der Wirkung des zur Erhärtung angewandten Alkohols (Nr. 63. S. 9), der allerdings die natürliche Schrumpfung noch befördert haben muss. — ** Die Benennung „Wasxer’sche Flecke“ ist wohl nur daher entstanden, dass die be- treffende Bemerkung v. Baer's, wie so manche andere Desselben, unbeachtet blieb. *** Vogt meldet von einem gleichen Befunde an Hechteiern, während er dasselbe Ver- hältniss an Froscheiern nicht nachweisen konnte (Nr. 26 S. 16). I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 29 Thiere nicht bestätigen *; ebenso wenig seine und Uramaer’s Beobachtungen über die Zellenbildung im Keimbläschen. Wenn aus einer Stelle von OrAmer’s Abhandlung (Nr. 34 S. 23) hervorgeht, dass er seine Keimflecke an zerdrück- ten Eiern untersuchte, wenn er ferner ihre Anzahl auf mehrere Hunderte in einem Ei angibt (ebendas.) und doch bemerkt (S. 31), dass viele von ihnen grösser sind als die kleinsten Dotterkugeln eines chagrinartig gefurchten Eies (also mindestens von 45 «u Durchmesser), so darf man wohl die Richtigkeit solcher Angaben bezweifeln. — Wagnxer’s Irrthum, dass die Keimflecke, nach- dem das Keimbläschen zu Grunde gegangen, in dem Dotter erhalten blieben, um in die Entwickelung des befruchteten Eies einzugehen, wurde namentlich von VogGT aufgenommen; ihm schlossen sich CRAMER und Ecker an. Es wäre möglich, dass die Keimflecke etwas länger erhalten blieben, als das Keimbläs- chen, obgleich ich nach dem Schwunde des letzteren an Durchschnitten niemals auch nur eine Spur derselben entdeckte. Beim Zerdrücken frischer Dotter er- scheint freilich eine Menge durchsichtiger Kügelchen in allen Grössen, die man an Durchschnitten nicht sieht, aber dies sind einfache Fetttröpfchen. Dagegen werde ich im nächsten Abschnitte zeigen, dass kurz vor dem Erscheinen der ersten Furche allerdings in der Peripherie des Dotters zahlreiche kleine Körperchen auftreten, die aber mit der Embryonalentwickelung so wenig zu thun haben, als die Keimflecke; wenn man nun überlegt, dass die zuletzt ge- nannten Forscher die Keimbläschen im Eierstocke und bereits befruchtete Eier kurz vor der Furchung kannten und untersuchten, nicht aber die Zustände des Eies in der Zwischenzeit (Nr. 34 S. 24. Nr. 26 S. 6—8), so wird man den Irr- thum von der Persistenz der Keimflecke erklärlich finden. Ueber das Follikelepithel bemerke ich noch, dass CRAMER es zuerst be- schrieben, Tuomson aber dasselbe nur in dem durch Wasser veränderten Zu- stande beobachtet hat. Den hierher gehörigen Irrthum LereouLLer's, wel- cher die Epithelzellen in den Dotter verlegte, hat bereits WaALpEvEr nachge- wiesen (Nr. 66 S. 75); die eigentlichen Urheber jener Ansicht sind -aber Pr£vost und LEBERT. — Wenn nun aus der voranstehenden Vergleichung hervorgeht, dass ich gerade in den wichtigsten Beobachtungen über die Eibildung bei den Batra- * Wırrıcı bemerkte in sehr jungen Froscheiern einen verhältnissmässig sehr grossen Keimfleck unter den vielen kleineren (Nr. 85); offenbar war dies der letzte von der ersten Generation zurückgebliebene. 30 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. chiern meinen Vorgängern widersprechen muss, so dürfte es sich von selbst verstehen, dass ich ihnen in ihrer allgemeineren Auffassung der betreffenden Entwickelungsvorgänge und in ihrer Deutung des Eies nicht folgen kann. — Seit Schuwanx’s bahnbrechender Arbeit gilt das thierische Ei ganz allgemein für eine Zellenbildung einfacher oder zusammengesetzter Art; die Einen suchten dies mehr durch Analogien und durch allgemeine Gründe, die Andern aus der 'Entwickelungsgeschichte der Eier zu erweisen. Ich kann mich aber darauf nicht einlassen, auch nur die Darstellungen, welche das Batrachierei betreffen, alle einzeln zu prüfen; denn weder liegen denselben in allen Fällen selbststän- dige Untersuchungen über die Entstehung des Eies zu Grunde, noch hat über- haupt ein Forscher bis jetzt, wie ich gezeigt habe, die ersten Anfänge der Follikelbildung wirklich gesehen. Auffassungen, wie diejenigen REICHERT's, Voers und NEewporr's können eben nur als willkürliche bezeichnet werden, um so mehr, als jene Forscher selbst eine Bestätigung derselben einer künftigen Aufklärung über die Entstehung des Eies anheimstellen (vgl. Reichert, Bericht über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie für das Jahr 1841 in Mürver’s Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Mediein 1842 S. CCLIV; Nr. 26 8. 18). Es sei mir daher gestattet, hier nur drei Arbeiten hervorzuheben, in denen die vorgetragenen Ansichten aus der Entwickelung des Ovarialeies zu begründen gesucht werden. — So wie Wırrich die Ent- wickelung der Batrachiereier darstellt, unterliegt es keinem Zweifel, dass er das Ei für eine einfache Zelle hält, welche sich von ihrem frühesten Zustande und den umgebenden Zellen nur durch die Umbildung ihrer Substanz, durch die später hinzukommende äussere Hülle (Dotterhaut) und durch ihr enormes Wachsthum unterscheidet. Hinsichtlich des jungen Vogeleies gibt Wırrich diese Auffassung mit aller wünschenswerthen Klarheit und Deutlichkeit kund (Nr. 85 5. 119). — LeuckArr zieht denselben Schluss aus einer durchaus abweichenden Darstellung des Entwickelungsganges (Nr. 35 S. 8315— 818). Er sieht in dem letzteren denselben Typus, „nach dem die sogenannten Umhüllungs- kugeln in Zellen sich verwandeln“ (S. 817); denn zuerst erscheine das Keim- bläschen als Zellenkern, dann um denselben herum der Dotter als Zelleninhalt und zuletzt die Dotterhaut als die umhüllende Zellenmembran. — Aber die Vogeleier erregten allmählich so starke Zweifel an der bezeichneten Auffassung, dass endlich in der neuesten Zeit WaLpever versuchte, die Eier der sämmtlichen Wirbelthiere als zusammengesetzte Bildungen hinzustellen, in denen nur ein Theil einer wirklichen Zelle entspräche. Seine Vorstellung über den allgemeinen I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 31 Bildungstypus der Eier ist ohngefähr folgende. Einzelne der für dieKeimdrüsen bestimmten Zellen (Keimepithel) wachsen ganz besonders aus (Eizellen) und in- dem sich eine mit Epithel gefütterte Kapsel um jede derselben herumbildet, wird sie zum „Primordialei“, welches „vollkommen einer ächten einfachen Zelle mit Protoplasma, Kern und Kernkörperchen entspricht“ (Nr. 66 S. 83); für das Protoplasma des Primordialeies adoptirt WALDEYER die von Hıs eingeführte Bezeichnung „Hauptdotter.“ An diesen, den Eizellenkern oder das Keim- bläschen einschliessenden Hauptdotter lagere sich die Hauptmasse der Dotter- substanz als „Nebendotter“ an, worauf die Dotterhaut das Ganze ein- und ab- schliesse. Diese neuen Theile, Nebendotter und Dotterhaut seien „accessorische‘“, welche durch Apposition dem Primordialei zugesellt, demselben den einfachen Zellencharakter nehmen (S. 82. 83). Wenn auch bei den Batrachiereiern „eine Abgrenzung des ursprünglichen Protoplasmas der Eizelle gegen die später hinzutretenden Dotterelemente nicht gut möglich“ sei, so müsse dieser Unter- schied doch genetisch angenommen werden (S. 76). Da ich die Beobachtungen, von denen diese drei Darstellungen ausgehen, auf Grund meiner eigenen Untersuchungen bereits als unrichtige bezeichnete, werde ich die weitere Beweisführung im einzelnen nicht zu widerlegen suchen. Wichtiger scheint es mir, darauf aufmerksam zu machen, dass die genannten Darstellungen trotz der verschiedenen Ausgangspunkte wesentlich zu demselben Schlusse kommen: das Ei sei entweder im ganzen oder zum Theil eine Zelle, also organisirt. Denn ich glaube, dass dieses gemeinsame Resultat kein zu- fälliges, sondern aus der nun einmal allgemein herrschenden Anschauung hervorgegangen ist, dass diethierische Fortpflanzung auf einer ununterbrochen fortlaufenden Kontinuität des organischen Lebens beruhen müsse. Dass aber eine, wie ich glaube, unbefangene Deutung meiner Beobachtungen zu einer ganz anderen Auffassung über die Eibildung führe, will ich im Folgenden zu erwei- sen suchen. Freilich rede ich nur vom Eie des Bombinator igneus; da ich aber auf die Zuverlässigkeit meiner Untersuchungen im Allgemeinen glaube ver- ‚trauen zu dürfen und über die Beobachtung hinaus zu keinen weiteren Annah- men mich gezwungen sehe, so dürfte auch eine so einseitige Behandlung des Gegenstandes Veranlassung geben, meine Angaben und Ansichten auch an anderen Thieren zu prüfen und vielleicht zu verallgemeinern. — Zu welchem Theile der embryonalen Grundlagen die Geschlechtsdrüsen gehören, kann ich, wie gesagt, erst in einem spätern Abschnitte auseinander- setzen; hier bemerke ich nur, dass die keimerzeugenden Elemente (Keimzellen) 32 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. unmittelbar aus den Embryonalzellen, den ersten organisirten Theilen des sich entwickelnden Organismus hervorgehen. Diese Keimzellen erscheinen zuerst als eine indifferente Anlage; bald aber überwiegt die Ernährung an einzelnen Punkten, sodass die daselbst gelegenen Zellen zunächst wohl nur durch ihr Wachsthum sich vor den andern auszeichnen. Diese erste Veränderung wirkt nothwendig auf die Umgebung, es beginnen an jenen Stellen ganze Zellen- gruppen von der übrigen Masse sich abzusondern; im Innern der Gruppen sammelt sich überschüssige Flüssigkeit in den Zellen an, wogegen die Zellen an der Oberfläche sich einer fortdauernden Sekretion anpassen; endlich gehen jene centralen Zellen unter dem Andrange der zunehmenden Flüssigkeit zu Grunde, indem zuerst ihre Form zerstört wird (Verschmelzung), dann ihr Proto- plasma und zuletzt ihre resistenteren Kerne (Keimbläschen) sich jener Flüssigkeit assimiliren. Unterdessen dauert die Thätigkeit der äusseren secernirenden Zellen fort, indem sich eine Bindegewebskapsel mit zuführenden Gefässen um dieselben lagert und die Absonderung regelt und vermehrt. So entstehen die vollstän- digen Follikel und wenn man zunächst davon absieht, wozu sie bestimmt sind, so lässt sich nicht läugnen, dass sie nach ihrer Entwickelung, ihrer Form und Thätigkeit durchaus mit einfachen Drüsen übereinstimmen. Denn die Haut-, Schleim- und Speicheldrüsen entstehen, wie ich es selbst an verschiedenen Wirbel- thieren habe verfolgen können, in der Art, dass dieinneren (centralen oder axialen) Zellen einer noch indifferenten Zellenmasse zerfallen, während die äusseren zu secerniren anfangen, worauf eine bindegewebige Gefässschicht das Ganze einkap- selt. Solche Drüsen erhalten aber unter normalen Umständen offene Mündungen, durch welche das mit den aufgelösten Zellen gemengte Sekret beständig ab- geführt wird, während die vollständig geschlossenen Eifollikel, ähnlich wie ge- wisse abnorm verschlossene Drüsen, zu ihrer Anfüllung eine längere Zeit be- dürfen, ehe sie den angesammelten Inhalt entleeren. Dieser besteht nun eben- so wie in den anderen Drüsen wesentlich aus dem Sekrete der Follikelwand, welches allmählich sich zur Dottermasse ausbildet, und in dem die noch übrigen Zellenreste sich vollständig auflösen, sodass endlich jede Spur eines organisirten Theiles verloren geht. Diese unbedeutende und nach dem Stoffe, wie ich gezeigt habe, der abgesonderten Flüssigkeit verwandte Beimischung beeinträchtigt aber den Charakter derselben ebenso wenig wie die stets vorhan- denen Zellenreste in anderen Drüsen. Das Ei als Drüsensekret der Eierstocks- follikel aufgefasst, hat daher vor anderen ähnlichen Bildungen nur das voraus, dass die bei ihnen allen wesentlich gleichen Entwickelungsvorgänge in einer I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 33 gewissen Ordnung verlaufen. So bestehen Ansammlung und Entleerung des Dotters nicht dauernd gleichzeitig, sondern der Abschluss des Wachsthums führt erst die Entleerung herbei; die Zerstörung der Zellen hat stets die Ver- schmelzung der Kerne zum Keimbläschen zur Folge, und auch dessen schliess- liche Auflösung bedingt eine bestimmte Veränderung im Eie, nämlich die Ab- hebung der Dotterhaut, welche ohne seinen eben bezeichneten Charakter zu ändern, dennoch gerade den eigenthümlichen Zustand hervorruft, aus dem heraus sich ein Leben entwickeln kann. — So sehr nun diese Fähigkeit des reifen Eies selbst a priori die Vorstellung provociren musste, dass es desshalb auch aus lebendigen Theilen unmittelbar hervorging, so zwingt uns doch die voranstehende Betrachtung jene Vorstellung aufzugeben. Das Ei entsteht weder aus einer noch aus mehreren Zellen, sondern dieselben sind nur gewisser- massen die Veranlassung zur Eibildung; sie wachsen nicht durch eine Nahrungs- aufnahme zum ganzen Eie oder zum wichtigsten Theile desselben aus (Haupt- dotter), sondern werden vielmehr in dem von aussen gelieferten Sekrete, der Dottermasse, aufgelöst, gleichsam von ihr verzehrt. Es lässt sich also die Unterscheidung eines Haupt- und eines Nebendotters auch nicht einmal in der Vorstellung durchführen. Ich bin aber allerdings nicht der Ansicht, dass die Zellennatur dem Eie bloss desshalb abgesprochen werden müsse, weil es nicht unmittelbar aus einer oder mehren Zellen hervorgehe; es könnte trotzdem, da das Leben in ihm unzweifelhaft einmal entsteht, die betreffende Organisation schon vor dem Be- ginn der Embryonalentwickelung, schon innerhalb des Eierstockes gewonnen haben und wenn nicht durch seinen Ursprung, so doch durch sein späteres Verhalten den Namen eines Elementarorganismus, einer Zelle verdienen. Bei der Diskussion dieser Frage muss man sich nur vor dem sehr gewöhnlichen Fehler hüten, den Nachweis der Zellennatur einfach schon in der Anwesenheit der Formbestandtheile einer Zelle zu finden. Indem ich mir vorbehalte, auf diesen Gegenstand im nächsten Abschnitte näher einzugehen, hebe ich hier nur ganz kurz diejenigen Merkmale hervor, welche für die Bestätigung des einfachsten Lebens, wie in der uns vorliegenden Frage, allein maassgebend sein dürfen. Die Zellen sind die kleinsten lebendigen Elemente, aus denen sich der Organismus aufbaut und zusammensetzt; unter „Leben“ versteht man aber die nur den organisirten Einzelwesen eigenthümlichen Aeusserungen und Wir- kungen, welche alle in der Selbsterhaltung des Individuums wurzeln. Diese GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 3 34 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. Selbsterhaltung verlangt, dass von aussen an dasselbe herantretende Einflüsse in solche Wirkungen übergeführt werden, welche seinen Bestand nicht beein- trächtigen. Wenn auch selbstverständlich nicht alle äusseren Einwirkungen vom Individuum paralysirt werden können, so ist es andererseits klar, dass es nur unter günstigen Bedingungen entstehen konnte und alsdann auch unter denselben weiter bestehen kann. Diese Bedingungen sind im Wesentlichen der Aufenthalt des Individuums in solchen Medien, welche beim Eindringen in dasselbe von ihm assimilirt werden können. Diese Assimilation oder Ernäh- rung muss dann auch die Ausfälle und Verluste, welche es durch andere Ein- wirkungen erlitt, decken und so entsteht das Spiel von Einnahmen und Aus- gaben, welches man den Stoffwechsel nennt. Dieser, das Mittel der Selbst- erhaltung, ist die Grundbedingung aller Lebenserscheinungen, der Bewegung, des organischen Wachsthums, der Entwickelung und Fortpflanzung; und so muss das Leben eines zweifelhaften Elementarorganismus, wenn alle sicheren Analogien fehlen, kraft deren wir sonst auf die blosse Formerscheinung hin unser Urtheil abgeben*, aus jenen Merkmalen, oder wenn es überhaupt mög- lich ist, aus der Wahrnehmung des Stoffwechsels selbst erwiesen werden, wenn man jenem Gebilde das Prädikat einer Zelle zuerkennen soll. Im vorliegenden Falle brauchen wir auf die vielfachen Schwierigkeiten, denen eine genaue Unterscheidung jener Lebenserscheinungen von den ähnlichen rein physikali- schen häufig begegnet, gar nicht einzugehen; denn es bietet sich uns hier eine Entscheidung gerade in dem vollständigen Mangel jener Erscheinungen. Ver- folgt man das Ei auf seinem ganzen Bildungsgange bis zur Befruchtung, so könnte für unseren Zweck allenfalls nur sein Wachsthum in Frage kommen. Dass aber dieses nur eine Grössenzunahme durch äussere Anlagerung neuen Stoffes ist, lässt sich wohl am untrüglichsten daraus entnehmen, dass die flüssige Dottermasse zu keiner Zeit bis zum Aufhören der Vergrösserung eine Selbstständigkeit der Form, eine fixe Grenze besitzt: sie wird nur mechanisch vom Follikel und der Dotterhaut zusammengehalten, und innerhalb der letzteren erst nach der Befruchtung selbstständig. Ja, man könnte schon bloss aus jenem Mangel einer bestimmten Begrenzung folgerichtig auf den- jenigen einer individuellen Existenz schliessen. — Wie sehr aber der ganze * Selbstverständlich geschieht dies in den bei weitem meisten Fällen mit vollem Recht, welches aber überall da, wo die Analogie nicht ganz klar, und die Entscheidung von weit- tragender Bedeutung ist, die strengere Forderung nicht ausschliessen kann. I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 35 Bestand des Eierstockseies nur eine Folge der Drüsenthätigkeit und von ihr abhängig ist, ersieht man aus folgenden Beobachtungen. Sowie die Sekretion und damit die Massenzunahme des Dotters im reifen Follikel aufhört, beginnt in den Fällen, wo eine Ablösung der reifen Eier nicht mehr erfolgt, die Rück- bildung derselben, was man nach der Brutperiode, also beim Bombinator igneus zu Ende des Sommers in allen geschlechtsreifen Eierstöcken erkennen kann. Man kann also sagen, ein solches Ei gehe zu Grunde, sobald es durch das Aufhören der Stoffablagerung erst die Möglichkeit einer Selbst- erhaltung gewonnen. Seine Fähigkeit aber, ein Leben neu zu erzeugen, kann es erst bethätigen, wenn es, den ursprünglichen Verhältnissen entzogen, in völlig veränderte, ihm fremde versetzt und noch einer besonderen Einwirkung, der Befruchtung unterworfen worden. So glaube ich ausreichende Belege geliefert zu haben für den Satz meiner vorläufigen Mittheilung (Nr. 69), dass das befruchtungsfähige Ei des Bombinator igneus weder im Ganzen, noch zum Theil, weder nach der Entstehung, noch nach der fertigen Erscheinung eine Zelle, sondern bloss eine wesentlich homogene, in eine äusser- lich angebildete Hülle eingeschlossene organische Masse ist. Ich habe bisher allerdings noch nicht selbst untersuchen können, wie weit dieses Ergebniss, welches sich so wesentlich von allen bisherigen Anschauungen über die Natur des Eies unterscheidet, auch für andere Wirbelthierklassen Geltung finde. Immerhin sehe ich einen günstigen Umstand für die Verallge- meinerung meiner Ansicht darin, dass diejenigen neuesten Beobachtungen über die Eibildung der Amnioten, welche auf einer eingehenden Entwickelungsge- schichte des Eierstocks fussend, sich gegenwärtig der allgemeinsten Anerkennung erfreuen, im Grunde genommen vielleicht noch leichter für meine, als für eine entgegengesetzte Auffassung ausgebeutet werden können, — Wenn wir unter den Resultaten, welche WALDEYER in seiner ausgezeichneten und umfassenden Arbeit niedergelegt hat, die eigentlichen unmittelbaren Beobachtungen aus- scheiden und zunächst allein kurz zusammenfassen, so ergibt sich Folgendes. 1. Die ersten Anlagen der Follikel bestehen sowohl bei Vögeln wie bei Säugern in Zellengruppen, welche von einem Abschnitte des Bauchhöhlenepithels ab- stammen; nachdem dieselben durch Bindegewebe eingekapselt, sondern sich je eine oder einige centrale Zellen (Primordialeier) durch überwiegendes Wachs- thum von der sie tümschliessenden peripherischen Zellenlage (Follikelepithel) ab. Soweit stimmen die Amnioten mit den Batrachiern vollständig überein. Wenn 9% [97 36 I. Die Entwickelung des Eierstockseies. bei den ersteren die antängliche Mehrheit der Primordialeier oder ihrer Kerne (Keimbläschen) später ebenfalls schwindet, so lässt sich dies mit Rücksicht auf meine bezüglichen Mittheilungen von den Batrachiern ebenso gut auf eine nachträgliche Verschmelzung jener Theile, als auf eine Theilung der jüngsten Follikel beziehen; alsdann wäre aber die Lebenseinheit, der Zellencharakter des Verschmelzungsproduktes schon nicht mehr über jeden Zweifel erhaben. 2. Die andauernde Zunahme des Follikelinhaltes soll durch direkte Ablagerung von Seiten des Follikelepithels stattfinden; da ein solcher Vorgang mit einem organischen Wachsthume des Primordialeies, einer Zelle, unvereinbar ist, so ist jene von aussen her angelagerte Masse (Nebendotter) als ausserhalb jener Zelle gelegenes, nicht lebendiges Gebilde aufzufassen. 3. Nun besteht aber zu keiner Zeit, in keinem Wirbelthiere, eine scharfe Grenze zwischen dem ursprünglich zelligen und dem nicht organisirten Bestandtheile des Follikelinhalts; die Sub- stanzen beider gehen vielmehr kontinuirlich in einander über. Endlich schwin- det in allen Wirbelthiereiern der einzige unzweifelhafte Zellenrest, das Keim- bläschen, durch Atrophie und unter theilweiser oder vollständiger Elimination seiner Masse aus der Dottermasse, dem eigentlichen Eie. — Auf Grund dieser Beobachtungen halte ich es gar nicht für möglich das Fortbestehen der Zellen- individuen, welche die Eibildung einleiteten, der sogenannten Primordialeier, über die allererste Zeit der Follikelbildung hinaus und gar bis zur Befruchtung anzunehmen. Ich wenigstens kann mir einen Organismus, der keine bestimmte Begrenzung hat, sogar kontinuirlich in eine leblose und zwar vollständig gleich- artige Masse übergeht, also eine Individualität überhaupt nicht besitzt, gar nicht vorstellen; denn wie hätte man sich es zu denken, dass eine jede seiner Lebensäusserungen, Bewegung, organisches Wachsthum oder gar die Grund- lage aller, der Stoffwechsel, an seiner idealen Grenze als solche aufhörten, um bei ihrer Fortsetzung in dem kontinuirlich sich anschliessenden Nebendotter zu blossen physikalischen Vorgängen zu werden? Andererseits wüsste ich kein Merkmal jenes ideal konstruirten Hauptdotters zu nennen, welches ihn als Zelle vor dem unorganisirten Nebendotter auszeichnete, namentlich nicht nach dem Schwunde des Keimbläschens; und doch ist es klar, dass gerade die direkte Abstammung des letzteren von einem oder mehreren Zellenkernen eigentlich die einzige greifbare Thatsache ist, welche für jene Unterscheidung herange- zogen werden könnte. Aber diese selben Beobachtungen WALDEYERS über die Eibildung bei den Amnioten, welche ich im Allgemeinen gern anerkenne, aber für durchaus unge- I. Die Entwickelung des Eierstockseies. 37 eignet halte, die Theorie eines zelligen Hauptdotters gegenüber dem unorgani- sirten Nebendotter zu unterstützen, — diese Beobachtungen scheinen mir dagegen mit den Anschauungen, welche ich aus der Entwickelungsgeschichte der Batrachiereier gewann, durchaus vereinbar zu sein. In beiden Abthei- lungen bilden Zellengruppen von gleichem Ursprunge die Follikelanlagen, und zwar ihre peripherischen Elemente das Follikelepithel, die vergrösserten centralen Zellen den ursprünglichen Follikelinhalt. In beiden Abtheilungen tritt ferner eine Stoffablagerung, Sekretion der Follikelwand auf, in Folge welcher jener zellige Follikelinhalt seine Selbstständigkeit verliert, indem zuerst die Zellenleiber, später auch die Kerne (Keimbläschen) aufgelöst und jenem Stoffe assimilirt werden. So ergibt sich als der schliessliche Follikel- inhalt in jenen beiden Abtheilungen der Wirbelthiere eine relativ homogene, durchweg unorganisirte Masse, der einfache Dotter, dessen spätere Differen- zirungen mit den zelligen Urhebern seiner Bildung in gar keinem unmittelbaren Zusammenhange stehen. — II. Die Dottertheilung. Ieh habe gezeigt, dass die eigenthümlichen Erscheinungen am oberen Pole der Batrachiereier, welche oft nach der Befruchtung beobachtet werden, ihrem Wesen nach nicht zu der durch die Befruchtung hervorgerufenen Embryonalentwickelung gehören, sondern von jener unabhängig verlaufen als der Abschluss der Vorbereitung, durch welche die Dottermasse zum befruch- tungsfähigen Keime wird. Die erste und einzig nachweisbare Wirkung der Befruchtung ist die Einleitung zur Bildung jener Elemente, aus denen der wer- dende Organismus sich aufbauen soll, und die Untersuchung dieser Bildung wird also den ausschliesslichen Inhalt dieses Abschnitts ausmachen. — Historische Uebersicht der bisherigen Untersuchungen. Obgleich Spautanzanı unzweifelhaft zuerst die Furchen auf Batrachier- eiern sah (Nr. 1 S. 39), so gelten doch Pr£&vost und Dumas, weil sie den Vor- gang der „Furchung“ zuerst ausführlicher beschreiben, für die Entdecker desselben. Ihre Darstellung ist folgende. An befruchteten Froscheiern bildet sich alsbald eine flache Furche, welche von der Narbe * oder doch in ihrer Nähe ausgeht; sie verlängert sich beiderseits gegen die helle Hemisphäre und vertieft sich zusehends, während an ihren Wänden parallele Fältchen entstehen, die vom Grunde aufwärts verlaufen (Nr. 2 8. 110). Diese schwinden darauf bis auf zwei, in der Mitte der Furche einander gegenüberliegende, welche sich zu einer zweiten, die erste rechtwinklig schneidenden Furche ausbilden. Ist die braune Hemisphäre so in vier Segmente getheilt, so entsteht eine dritte * Vgl. den im vorigen Abschnitte gegebenen Auszug aus derselben Abhandlung. en II. Die Dottertheilung. 39 äquatoriale Furche, ohngefähr an der Grenze beider Hemisphären. Während darauf Furchen, welche den ersten parallel verlaufen, das braune Feld weiter theilen, setzen sich diese auf die helle Dotterhälfte fort und schliessen sich in grössten Kreisen (S. 111). Im weiteren Verlaufe erscheinen im dunklen Felde ausser den parallelen Furchen auch solche in grössten Kreisen, sodass nach einigen Stunden das Ei eine Himbeerform erlangt (S. 112); im hellen Felde treten die Theilungen um zwei Stunden später auf. Später wird das Aussehen chagrinartig; dann schwinden die Furchen und das Ei erscheint punktirt, endlich kehrt die ursprüngliche Glätte und gleichmässige Färbung wieder, während die Narbe noch als undeutlicher Fleck bestehen bleibt (S. 113). Ruscoxı bemerkt schon in seinem: Developpement de la Grenouille commune $. 22, dass der Furchung eine entsprechende Theilung des Dotters folge, sodass derselbe endlich in eine grosse Menge kleinster Theilchen zerfalle, welche die Elemente für die einzelnen Körpertheile des sich entwickelnden Thieres bilden. Genauer bespricht Ruscoxı die Vorgänge bei der Dotterthei- lung in seinem letzten Werke und in seinem zweiten Briefe an E. H. WEBER (Nr. 16). An der Stelle, wo der helle Fleck verschwand, entstehe unter der Dotterhaut ein leerer Raum, indem der Dotter in Gestalt einer seichten Furche einsinkt. In dem Masse ‚- als diese Furche an Ausdehnung und Tiefe gewinne, senke sich die Dotterhaut in dieselbe hinein, ähnlich wie bei der Anwendung der Schröpfköpfe die Haut in den leeren Raum hineingezogen würde (Nr. 39 S. 29). Diese erste Furche, welche allmählich von der oberen Hemisphäre zur unteren fortschreite, sei oben tief, werde nach unten zu immer flacher und am unteren Pole ganz seicht (Nr. 16 S. 216). Die an die Furchung sich an- schliessende eigentliche Theilung hänge aber offenbar von einer inneren Ent- wickelung ab, denn die Theilstücke seien im Innern hohl (Nr. 39 8. 29. Nr. 16 S. 213). Unter den Nachfolgern von Pr£vost und DumAs* hat jedenfalls v. BAER die eingehendste Darstellung der Dottertheilung oder des sogenannten Furchungs- processes geliefert. Nachdem er angeführt, dass die erste (Meridian-) Furche vom oberen Pole ausgehend allmählich in ‚das helle Feld übergreift und ihre beiden Schenkel sich daselbst erreichen, fährt er folgendermassen fort. „Der * HuscHke (Nr. 4 S. 614) und BaumGÄrtneErR (Nr 12 8. 28) glaube ich hier übergehen zu dürfen, da sie selbstihre Beobachtungen als übereinstimmend mit denjenigen von PR£VOST und Dumas bezeichnen. 40 II. Die Dottertheilung. Fortschritt erfolgt nicht ganz continuirlich, sondern ein wenig absatzweise und zugleich so, als ob eine Schwierigkeit zu überwinden wäre. Man sieht nämlich die Furche so sich verlängern, dass die Dottermasse nach beiden Seiten aus- einander weicht, indem zugleich die Wände der in der Bildung begriffenen Furche zarte, bald vorübergehende Falten werfen, zuweilen auch ein leises, doch deutlich bemerkbares Zittern durch die angränzende Dottermasse fährt. Man sieht schon hieraus, dass die Dottermasse nicht gleichsam durch ein unsichtbares Instrument ausgefurcht wird, sondern dass sie durch einen leben- digen Akt von einander reisst. Die trennende Kraft wirkt auch nicht bloss in der Oberfläche, sondern durch die ganze Dotterkugel, denn nach Beendigung der Meridianfurche ist die Queraxe des Eies bedeutend grösser als die Höhenaxe; beide verhalten sich wie 6:5 und ohne Zweifel würde die seitliche Verlänge- rung noch bedeutender sein, wenn nicht die ziemlich feste Dotterhaut zu wenig nachgäbe. Damit stimmt es auch, dass die Eier der Salamander, die schon ursprünglich länglich sind, durch die erste Meridianfurche so tief getheilt werden, dass zwei wenig zusammenhängende Ellipsoiden neben einander zu liegen kommen. Dass die Furchen nicht ausgegraben werden, auch nicht un- mittelbar und vorherrschend durch eine Tendenz der Oberfläche, sich einzu- falten, entstehen, ist daraus erkenntlich, dass jeder Theil einer Furche bald nach seiner Entstehung am breitesten ist, nachher aber, wenn an einer anderen Stelle die Furche breiter wird, wieder zusammengeschoben wird“ (Nr. 14 5. 486. 487). „Der aufmerksame Beobachter hat also durchaus die Ansicht, als ob eine lebendige Kugel sich in zwei Hemisphären theilen wollte, dabei aber die Zähigkeit der eigenen Masse und den Widerstand der Dotterhaut zu überwinden hätte. Das Wesen dieses ersten Moments der Metamorphosen besteht also darin, dass die Dotterkugel sich in zwei Hemisphären zu theilen beginnt, oder noch richtiger in zwei Kugeln, die aber aneinander gedrückt bleiben“ (S. 487). Darnach falte sich der schwarze Ueberzug wirklich ein, zerreisse aber in einer gewissen Tiefe. Wenn die Furche aussen vollendet ist, gehe die völlige Trennung im Innern fort (S. 488). Aehnlich entstehen die folgenden Furchen, welche aber nicht nur von aussen, sondern auch vom innern Kanale der oberen Halbkugel ausgehen (S. 489. 500). Die Furche jedes einzelnen Dotterstücks ist selbst- ständig, braucht also nicht kontinuirlich in die korrespondirenden Furchen der angrenzenden Dotterstücke sich fortzusetzen (S. 438. 498). Da die Furchung in der hellen Halbkugel langsamer vor sich geht und die Aequatorialfurche dem oberen Pole näher liegt, als dem unteren, so ist es natürlich, dass die II. Die Dottertheilung. 41 hellen Theilungsmassen stets grösser bleiben als die dunkeln (S. 491). Durch geringe Verschiebungen der sich abrundenden Massen geht die frühere Regel- mässigkeit verloren und v. Baer unterscheidet alsdann an dem sich immer weiter zerklüftenden Dotter die Brombeerform, die Himbeerform, die Chagrin- und Sandsteinform. Darnach würde die Dotterkugel durch die fortgesetzte Theilung wieder zu einem Ganzen, indem die elementar gewordenen Körnchen durch ein verhältnissmässig zähes Bindemittel zusammengehalten werden (S. 496). Da die Dotterkugel während der Zertheilung „an Umfang zunimmt und wenn sie wieder glatt erscheint, sehr merklich grösser ist, als sie vorher war“, so folgert v. BAER daraus, dass sie fortwährend Stoff von aussen durch das Eiweiss aufnehme (S. 504). Endlich fasst er das Gesetz des ganzen Processes dahin zusammen, dass das Keimloch (die Mündung des Kanals) der bestimmende Ausgangspunkt und der Kanal die bestimmende Axe für alle Theilungen seien, wesshalb dieselben von aussen nach innen gingen (8.501.502); und das Resul- tat dieses ersten Entwickelungsvorganges sieht v. BAER darin, dass die Selbst- theilungen so lange fortgesetzt würden, „bis die zahllosen neuen Individualitä- ten unendlich wenig Bedeutung haben und nur als Elementartheile eines neuen Individuums erscheinen; — durch einen lebendigen Vorgang wird das frühere Individuum aufgelöst, ohne es ganz zu zerstören, und ein neues aus den Trümmern desselben gewonnen“ (S. 504). BErGMmann betrachtete zuerst die Dottertheilung vom Gesichtspunkte der Zellenlehre aus. Er fand, dass der anfangs halbflüssige Dotter während der Theilung konsistenter würde (Nr. 24 S. 92—93), dass die hellen Höfe oder Vorsprünge, welche durch Wasseraufsaugung oder Druck an den Dottermassen entständen, nicht bestimmt auf Membranen bezogen werden könnten (8. 94— 97); dass endlich jene Massen kernähnliche Gebilde enthielten, welche sich aber von einem Zellenkerne merklich unterschieden (S. 97. 98). Wenn also die Theilungsmassen des Dotters anfangs auch keine Zellen seien, so gingen sie doch zuletzt in die Zellen des Embryo über; und desshalb spricht es BERGMANN aus, „dass die Zerklüftung des Batrachiereies die Einleitung der Zellenbildung bei diesen Dottern ist. Ja ich würde sie Zellenbildung selbst nennen, wenn die ersten grösseren Abtheilungen des Dotters sich ohne Zwang Zellen nennen liessen“ (S. 98). Zum Unterschiede von Schwann’s Zellenbildungstheorie be- zeichnet BERGMANN den von ihm betrachteten Vorgang als „Zellenbildung um ein Vorhandenes, welches dadurch Zelleninhalt wird“ (S. 102). — In seinem zweiten Aufsatze nahm BERGMANN die unterdess von Vosr veröffentlichte 42 II. Die Dottertheilung. Lehre, dass die Keimflecken zu den Kernen der Dotterzellen würden, an {Nr. 27 S. 94) und erläutert alsdann seine Ansicht über den Vorgang der Zellenbildung bei der Dottertheilung folgendermassen. „Der Dotter könnte als höchst dispo- nirt zur Zellenbildung gedacht werden. Aber die Kerne fehlen dazu. In der Keimblase sind die Keimflecken abgeschlossen, langsam vegetirend, völlig aus- gebildet, um mit dem Dotter in energische Wechselwirkung zu treten. Unter solchen Umständen tritt die Befruchtung ein, die Scheidewand schwindet, und Niederschläge der ganzen Dottermasse erfolgen, entweder um mehrere Kerne zugleich, aber durch fortschreitende Spaltung immer wenigere Kerne enthaltend, bis zuletzt diese sich selbst wieder vermehren müssen, um der Anzahl von Zellen oder Spaltungstheilen zu genügen oder um einen einzigen sich verlängernden, spaltenden, fort und fort sich vermehrenden Kern“ (Nr. 27 S. 100). Die von allen übrigen Beobachtungen so sehr abweichenden Resultate der ReıcHerr'schen Untersuchungen beruhen weniger auf neuen Thatsachen, als auf einer ganz neuen Auffassung der schon bekannten Erscheinungen. Die letzten Produkte des Furchungsprocesses seien die den Embryo zusammen- setzenden Zellen; diese unterschieden sich aber in keinem Punkte von den vorhergegangenen Furchungsmassen, deren Membranen durch die (von BERG- MANN bereits angeführten) endosmotischen Erscheinungen und durch die Falten- bildung in den ersten Furchen (Faltenkranz) nachgewiesen würden (Nr. 25 S. 5335—536 und Nr.49)*. In jeder Furchungskugel befänden sich auch einige Kerne, deren Zahl mit der fortschreitenden Furchung abnehme (Nr. 25 S. DIT — 538) ; ferner zerfielen isolirte Furchungskugeln in mehre kleinere Theile (S. 539). Aus diesen Thatsachen, sowie aus dem mangelnden Nachweise einer steten Neubildung der aus einem Furchungsakte hervorgehenden Kugeln (S. 538) ergebe sich, dass jede Furchungskugel schon vorgebildet in der ihr vorangehen- den grössern enthalten war und dass der Furchungsprocess der Batrachiereier nichts weiter sei, „als ein allmählig fortschreitender Geburtsact vielfach einge- schachtelter Mutterzellen, deren End-Resultat die Geburt derjenigen einfachen Dotterzellen ist, welche zum Aufbau des Gesammt-Zellen-Organismus dienen sollen“ (S. 540). Das Freiwerden der Brutzellen aus den Mutterzellen ge- schähe durch Zerreissen der Membranen der letztern (S. 536). — Jene Hypo- these der Einschachtelung verwarf REICHERT später (Nr. 31 8. 278— 279) und * Neuerdings bat sich Dösırz der Reıcmerrt’schen Anschauung und Beweisführung an- geschlossen, ohne etwas Neues hinzuzufügen (Nr. 67 8. 604— 605). II. Die Dottertheilung. 43 will offenbar die Resultate, welche er bei den Untersuchungen über die Ent- wickelung des Eies von Strongylus auricularis gewann, auch für die Batrachier- eier geltend machen (Nr. 31 S. 274 und fig... Darnach müsste bei dem fraglichen Entwickelungsvorgange Zweierlei unterschieden werden: die endogene Zellenbildung und die Furchung (S. 254). Jede Furchungskugel müsse immer- hin als eine Mutterzelle betrachtet werden; nachdem ihr Kern geschwunden, theile sich ihr Inhalt in zwei Portionen, welche eigene Membranen bekämen und dann als noch kernlose Brutzellen von der Mutterzellenmembran um- schlossen würden; ihre Kerne entständen erst später (S. 255—257). Diese Bildungsweise neuer Zellen könne daher ganz wohl als „Zellenbildung um Inhaltsportionen“ bezeichnet werden (S. 262). Der Furchungsprocess be- stehe nun nicht etwa darin, dass eine Mutterzelle sich ein- und abschnüre und so einfach in die Theile zerfalle (S. 273), sei überhaupt kein Theilungsprocess sondern nur der Ausdruck für das Auseinandertreten, Freiwerden der bis dahin, in der Mutterzellenmembran eingeschlossenen Brutzelle durch das Zerreissen der letzteren (S. 270 und flg.). Jedenfalls besteht nach der Furchung der Dotter in der Mitte aus Mutterzellen, welche in der angegebenen Weise in kleinere zerfallen, die an der Dotterperipherie in die embryonalen Organe über- gehen. „Wo Bildungen des Embryo auftreten sollen, da werden prädisponirte, kleinere Dotterzellen dazu gebraucht, und aus der Mitte kommt neuer Ersatz‘ (Nr. 22 5: 3). Nach Vosr’s Untersuchungen soll sich die Entwickelung des befruchteten Eies von Alytes obstetricans wesentlich von derjenigen anderer Batrachier unterscheiden. Die erste Furche umfasst nur 2/; des Eiumfanges, und die übrigen Furchen, deren Regelmässigkeit sehr bald aufhört, gehen nicht einmal über die obere Halbkugel hinaus. Ferner theilen sie die betreffende Dotter- masse nicht vollständig, sondern dringen nur bis zu einer gewissen Tiefe ein, wobei die Dotterhaut Falten in sie hineinschickt. So besteht die gefurchte Dotterhälfte alsbald aus einer Menge von Klümpchen, welche an ihrer unteren Seite mit dem ungefurchten Dotter in kontinuirlichem Zusammenhange stehen, und nur an ihrer freien oberen Seite von einer Membran (Dotterhaut) umhüllt sind. Während der Furchung sind die gröberen Dotterplättchen aus den sich furchenden Theilen verschwunden, wahrscheinlich aufgelöst, sodass der Inhalt jener Klümpchen feinkörniger ist als die übrige Dottermasse; ausserdem be- merkt man darin noch je einen oder mehre Keimflecke (Vogr's Keimzellen), die übrigens auch fehlen können. Aus allen diesen Thatsachen, meint Vogt, 44 II. Die Dottertheilung. gehe aber hervor, dass jene Klümpchen durchaus keine Zellen seien (Nr. 26 S. 8.9). Erst nachdem die Furchen wieder verstrichen sind, der Furchungs- process also aufgehört hat, beginne die Zellenbildung von der feinkörnigen Rindenschicht aus und schreite allmählich gegen das mit grösseren Täfelchen versehene Innere des Dotters (Vo@r's Dotterkern) fort. „Offenbar bilden sich die ersten Zellen in der Rindenschicht auf die Weise, dass sich um jede in der- selben eingebettete Keimzelle in einer gewissen Distanz eine Membran bildet, welche eine grosse Menge des Molecularinhaltes nebst der Keimzelle ein- schliesst“ (S. 10—11). Die letztere werde dadurch zum Kerne. Im Dotter- kerne entständen die Zellen ebenso; aber weil dort keine Keimflecke vor- handen seien, so müssten sich offenbar neue bläschenartige Kerne bilden, wie es ohne Zweifel auch in der Rindenschicht geschähe, da die Zahl der Keim- flecke für die Rindenzellen nicht ausreiche (S. 11. 12). Noch bleibt zu be- merken, dass VogTr „zuweilen in eben gebildeten Dotterzellen vergeblich nach solchen Kernzellen gesucht“ hat (S. 11). „Wir haben demnach in dem Dotter der Batrachier eine Art von Zellenbildung, welche gänzlich von der von Schwan anerkannten abweicht. Es consolidirt sich bei dieser Zellenbildung die Zellenmembran gleich in der ursprünglichen Grösse der Zellen aus dem Cytoblastem heraus, und zwar ohne Mithülfe von Kernen. Zuweilen, wie in der Rindenschicht des Dotters, treten ursprüngliche Zellen in das Verhältniss von Kernen zu diesen Zellen; zwar nur in so fern, dass sie von ihnen um- schlossen werden, denn die eingeschlossene Zelle behielt ganz ihre Zellennatur bei.“ „Allein diese Zellen waren selbst schon eingeschachtelt in zwei anderen, frei geworden durch Platzen ihrer ersten Umhüllung (des Keimbläschens), hatten sich vermischt mit dem Inhalte ihrer zweiten Umhüllungszelle, der Dotterzelle, und in diesem Zelleninhalte war der Process einer neuen Zellen- bildung vor sich gegangen“ (S. 24). Köruiker erklärte die Furchungskugeln der Batrachiereier für membranlos (Nr. 32 S. 10—12), ihre Kerne dagegen für Bläschen (S. 14). In den letzteren befänden sich Kernkörperchen, deren „endogene“ Vermehrung dem gleichen Processe der Kerne vorangehe, was alsdann die Theilung der Furchungskugeln hervorrufe (S. 15—18). Diese Theilung erklärt KörLuiker aus der „Attraktion der Kerne“, ohne auf diesen Ausdruck ein besonderes Gewicht legen zu wollen (S. 20). Ob nun die Furchungskugeln wirkliche Zellen seien, und wie sie sich überhaupt in den ersten Stadien der Furchung verhalten, darüber lässt sich KöLLıker in dem bezeichneten Aufsatze nicht aus. — In den neueren Auflagen II. Die Dottertheilung. 45 seiner Gewebelehre (Nr. 79 S. 23) gibt er folgende Schilderung der Dotter- theilung: „Die Furchung ist ein eigenthümlicher Vorgang, der zur Zeit der ersten Entwickelung in den Eiern der meisten Thiere sich findet, als Einleitung zur Bildung der ersten Zellen des Embryo anzusehen ist und, weil das Ei die Bedeutung einer einfachen Zelle hat, unter den Begriff der endogenen Zellen- theilung fällt. Die Furchung beruht im Wesentlichen auf Folgendem. Nach- dem der ursprüngliche Kern der Eizelle, das Keimbläschen, mit der Befruch- tung verschwunden ist, bilden die Körner des Dotters nicht mehr einen dichten Haufen wie früher, sondern zerstreuen sich und erfüllen die ganze Eizelle. Dann entsteht als erstes Zeichen der beginnenden Entwickelung mitten im Dotter ein neuer Kern mit Nucleolus, der erste Kern des Embryo, der als Anziehungspunkt auf den Dotter einwirkt und denselben wieder zu einem kugeligen Haufen, der ersten Furchungskugel, vereinigt. In weiterer Ent- . wickelung bilden sich aus dem ersten Kerne zwei neue, die sich etwas von ein- ander entfernen, als neue Mittelpuncte auf die Dottermasse einwirken und so die erste Furchungskugel in zwei zerfällen. In gleicher Weise geht dann die Vermehrung der Kerne und der Furchungskugeln und zwar die erstere immer voranschreitend fort.“ Dagegen gesteht KÖLLIkER in seiner Entwickelungs- geschichte (Nr. 48 8.32): „Der Ursprung dieser Kerne ist jedoch bis jetzt noch in ein gewisses Dunkel gehüllt und ist namentlich die Herkunft des Kernes der ersten Furchungskugel noch nicht hinreichend aufgeklärt“. Cramer glaubt an den einzelnen Massen des schon mehrfach getheilten Eies während der Wasseraufsaugung eine Membran erkannt zu haben, obgleich er bemerkt, dass sie endlich springe „wie eine Seifenblase, ohne sichtbare Spuren zurückzulassen“ (Nr. 34 S. 28). Die Theilung des Dotters gehe so vor sich, dass eine Furche von der Oberfläche immer tiefer in die zu theilende Masse vordringe, während im Innern der Inhalt einer Hälfte noch kontinuirlich in denjenigen der anderen übergehe (8. 32). Die hellen Flecke in den Dotter- massen sollen von den eingeschlossenen Keimbläschenzellen herrühren (S. 30); wenn diese zu je einer in den kleiner werdenden Dottermassen vertheilt sind, so spalten sie sich weiterhin zugleich mit der ganzen Masse (S. 31). „Die durch die letzten Theilungen entstandenen Kugeln werden später direkt zum Aufbau des Embryo verwandt, die Embryonalzellen sind fertig, und sind es geworden, indem grössere Zellen sich durch fortgesetzte Spaltung zu diesen kleinsten zerlegten‘ ($. 32). Gestützt auf diese und fremde Beobachtungen macht sich nun Cramer folgendes Bild von dem ganzen Vorgange. Vor dem 46 II. Die Dottertheilung. Anfange der Furchung bildet sich eine Membran um die ganze Dottermasse; „dadurch ist eine grosse Zelle entstanden, die ausser dem Inhalt für alle späteren Zellen auch schon die Kerne für alle in sich trägt. Durch Ein- und Abschnüren zerfällt sie zu zwei neuen von ihrer halben Grösse, die in ihrem Innern zu der eingeschlossenen Dottermasse die Hälfte der Keimbläschenzellen, d. h. jetzt Kerne tragen. Diese Zellen werden, in derselben Weise fortgesetzt, weiter getheilt, jede neue erhält die Hälfte der Kerngebilde, die in der nächst grösseren, durch deren Spaltung sie selbst entstand , enthalten waren, und bei fortschreitender Spaltung wächst die Zahl der Zellen nach einer geometrischen Progression, deren Exponent die Zahl 2 ist. So geht es fort, bis Zellen ent- standen sind, die nur noch einen Kern enthalten. In der ferneren Furchung wird auch dieser jetzt mitgetheilt, und der ganze Process der Spaltung so lange fortgesetzt, bis Zellen von einem gewissen Minimum von Grösse entstehen, die direkt zum Aufbau des Organismus verwandt werden, bis die Embryonalzellen fertig sind“ (S. 33). Remak findet in der Dottermasse des frischgelegten Eies gleich mehreren seiner Vorgänger durchsichtige Bläschen und solide Kügelchen, welche er aber nicht für veränderte Keimflecke, sondern für Leichenzustände der Dottersubstanz erklärt (Nr. 40 S. 128), — Bei seinen ausgedehnten Untersuchungen über die Furchung ist REmaX zu folgenden Resultaten gelangt. Die Furchen der obern Eihälfte sollen „mit Blitzesschnelle“, diejenigen der untern Halbkugel aber langsam entstehen (S. 129). Schon vor der Furchung besitze die Dotterkugel innerhalb der Dotterhaut eine eigene Membran, die Eizellenmembran, welche in eigenthümlicher Weise an der Furchung theilnehme (S. 130). Da sie dem Dotter innigst anhängt, so kleidet sie auch die erste Furche bis zum schmalen Boden derselben aus*; von dem letzteren aus entsendet sie eine Scheidewand in den Dotter, welche dessen Theilung vollzieht. Nach diesem verschiedenen Verhalten der Eizellenmembran bei der Furchung unterscheidet Remak den ersten Theilungsakt als „Einfurchung von der darauffolgenden Durchfurchung‘“. Jene Scheidewand scheine gleich anfangs doppelt zu sein, sodass jede der aus der Theilung hervorgehenden Dotterhälften eine eigene Umhüllung hätte (S. 131). Diese Dotterhälften seien die „beiden ersten nach der Befruchtung entstandenen Zellen“. „In ähnlicher Weise wie bei der ersten Furchung verhält sich die Eizellenmembran bei den folgenden Furchungen“; so komme es, „dass * In der dunkeln Halbkugel soll dieser schmale Bodenstreifen entfärbt sein (S. 131). II. Die Dottertheilung. 47 die Eizellenmembran selbst und ihre während der Furchung ausgesendeten Fortsätze sämmtliche Zellen bekleiden, welche aus der Furchung hervorgehen“ (S. 132). Zu bemerken ist noch, dass nach REmAK die Einfurchung stets, also auch bei der Aequatorialtheilung, an der Aussenfläche des Eies beginnt, sodass die im Innern liegenden Kanten und Ecken der Theilstücke sich zu den äussern verhalten, wie der untere, trägere Eipol zum obern, energischeren (S. 133). In den spätern Stadien des Furchungsprocesses fände man aller- dings „in der Abschnürung begriffene Zellen von gemeinsamer Membran um- hüllt, deren Theilnahme an der Abschnürung sich nicht nachweisen lässt.“ Dies sei aber ein Leichenzustand, wobei die Membran durch einen abnormen Einfluss (z. B. durch Wasser) aus der Furche hervorgezogen werde (8. 134). Eine Vorbereitung, eine Anbahnung der Theilung im Protoplasma sei vor dem Eindringen der Membran nicht nachweisbar; und wenn nach dem Beginn des letzteren eine solche Anbahnung stattfinden sollte, so „bliebe doch immer das langsame Hereinwachsen der Scheidewände das schliessliche und wirksamste Theilungsmittel“ (S. 136). — Ausser diesen Erscheinungen der eigentlichen Furchung untersucht REMmAK aber auch die innern Zustände der Furchungs- zellen. In den meisten noch ungefurchten Eiern will er anstatt des geschwun- denen Keimbläschens unter dem oberen Pole oder auch in der Nähe des Uentrums eine weite platte Höhle bemerkt haben, welche er die v. Baer'sche Kernhöhle nennt; er halte es für sehr wahrscheinlich, dass dieselbe „in der That eine weitere Ausbildung der Höhle ist, welche das Keimbläschen beher- bergt hatte“. Statt der einen Höhle seien bisweilen auch zwei kleinere, durch Theilung aus der ersten hervorgegangene vorhanden; auch fänden sich je eine oder zwei solcher Kernhöhlen, aber in stets verringertem Massstabe in den folgenden Furchungszellen (vgl. Remar’s Tafel IX Fig. 3—7). Alle würden sie von einer grauen Masse (Kernmasse — REMAK) umgeben; über die Lage dieser Höhlen erfährt man aber nichts, da die bezeichneten Abbildungen nach ReEmar’s eigener Angabe rein schematische sind (S. 128. 137). Während der späteren Stufen der Furchung erscheinen diese Kernhöhlen schon äusserlich am unverletzten Eie als helle Flecke, an denen REmak alsdann beobachtete, wie sie „vor dem Eintritt der Furchung eine bisquitförmige Gestalt annehmen und sich allmälig in zwei runde Flecke theilen, wie sie auseinanderrücken, wie die später sich bildende Furche zwischen sie fällt und ein jeder aus der Furchung hervorgegangene neue Abschnitt sofort mit einem runden hellen Flecke versehen erscheint“. Es unterliege also „kaum einem Zweifel, dass die 48 II. Die Dottertheilung. Barr'sche Kernhöhle, mag dieselbe der frühere Aufenthaltsort des Keim- bläschens oder eine Neubildung sein, durch fortschreitende Theilung, von welcher die umgebende Kernmasse mitbetroffen wird, sich in die Kernhöhlen sämmtlicher Furchungszellen umwandelt.“ Die Höhlen scheinen erst später auskleidende Membranen zu erhalten, wodurch sie zu Kernen der entsprechen- den Furchungszellen würden. Auf der achten Furchungsstufe bemerke man auch ein rundes, eingeschnürtes oder doppeltes Kernkörperchen in jedem Kerne und stets ein rundes in jeder Hälfte eines bisquitförmigen Kernes. Folglich gehe die Theilung der Kernkörperchen in derselben Weise derjenigen des Kernes voraus, wie letztere die Furchung einleite (S. 138. 174). Wenn man in kleinen Furchungszellen mehre Kerne von einer gemeinsamen Membran umschlossen antreffe, so sei dies ebenso wenig wie die ähnliche Erscheinung an den Furchungszellen auf eine endogene Bildung, sondern auf abnorme Ein- flüsse zu beziehen, welche die Membran aus den Einschnürungen hervorziehen (S. 135— 139). — Da die kleinsten Furchungs- oder die Embryonalzellen unmittelbar in die Bildung der Organanlagen eingehen und eine von den Zellen unabhängige Zwischensubstanz ebenso wenig vorkomme, wie eine selbststän- dige Entwickelung von Zellen, die nicht aus einer Theilung schon vorhandener hervorgingen, so schliesst REmak seine Untersuchungen über die Furchung mit dem Resultate, „dass sämmtliche im entwickelten Zustande vorhandenen Zellen oder Aequivalente von Zellen durch eine fortschreitende Gliederung der Eizelle in morphologisch ähnliche Elemente entstehen, und dass die in einer embryoni- schen Organ-Anlage enthaltenen Zellen, so gering auch ihre Zahl sein mag, dennoch die ausschliessliche ungegliederte Anlage für sämmtliche Formbe- standtheile der spätern Organe enthalten“ (S. 140). — Nach ScHuutze ist das Ei anerkanntermassen eine Zelle mit Protoplasma (Dotter) und Kern (Keimbläschen), folglich der Furchungsprocess eine Zellen- theilung (Nr. 52 S. 9). Da nun die gewöhnliche Zellentheilung aus der Kontraktilität des Protoplasmas hervorgehe, so müsse dieselbe Eigenschaft auch dem Dotter zukommen und daselbst ebenso wirken. Die zähe Rinden- substanz erzeuge nun bei der Zusammenziehung den sogenannten Faltenkranz, der in Folge der verschiedenen Fähigkeit der innern und der Rindenmasse, sich zusammenzuziehen, wiederum verstreicht (S. 10). Der Faltenkranz beweise daher ebenso wenig die Anwesenheit einer dem Dotter anliegenden Zellenmembran (ReEıcHerr), als es die Haut zu thun vermag, welche REMAK an eigenthümlich erhärteten Eiern demonstrirte und welche nichts weiter sei, II. Die Dottertheilung. 49 als die erhärtete Rindenschicht des Dotters (S. 11—14). Die Furchung beginne unabhärgig von der Keimgrube, welche häufig schon vorher verschwunden ist; andernfalls verlaufen aber die ersten Furchen nicht durch die Keimgrube, sondern neben ihr (8. 15). — In Betreff einer Dottermembran und der Keimgrube stimmt v. BAMBECKE mit Schuntze überein (Nr. 63 S. 14. 17. 18), da er auch die frühere Angabe, dass die erste Furche, wenn die Keimgrube noch besteht, am Umfange der- selben beginne (Nr. 63 S. 19), neuerdings nur als Ausnahme gelten lässt (Nr. 71 S. 64). Unter der Keimgrube und nahe der Oberfläche findet v. BamBEckE häufig einen hellen, von dunkler Masse umgebenen Kern (Nr. 63'8. 17. 20, Nr: 718.63). Welcher Art die Wirkung des Samens bei der Befruchtung der Eier ist, lässt sich noch nicht entscheiden. Für meinen Zweck genügt aber die That- sache, „dass die befruchtende Einwirkung der Samenkörperchen augenblicklich bei der Berührung der Eier stattfindet“ (Nr. 33 S. 908—909). Denn es folgt aus den zu diesem Beweise herangezogenen Experimenten, dass die Samen- elemente die gleichsam ruhende Entwickelungsfähigkeit des Eies zur Thätig- keit bringen, ohne die Zusammensetzung der Dotterkugel irgendwie zu ver- ändern und indem sie offenbar nur eine der wichtigsten Bedingungen der Ent- wickelung erfüllen. Diese Auffassung wird noch wesentlich unterstützt durch die Thatsache, welche LEUCKART ganz besonders an Froscheiern prüfte und bestätigte, dass nämlich „die ersten Schritte der Embryonalentwickelung nicht selten auch in unbefruchteten Eiern stattfinden“ (Nr. 38 8. 958). — Die Beschaffenheit der frischgelesten und befruchteten Eier habe ich be- reits im Allgemeinen beschrieben; doch dürfte hier eine nähere Untersuchung geboten sein. — Zerstört man ein frisches Ei und betrachtet die Masse unter dem Mikroskope, so mag ein ordnender Blick zunächst grössere und kleinere Dottertäfelchen, ebenso verschiedene Körner und endlich eine feinkörnige Grundsubstanz unterscheiden. Erinnert man sich aber der Entstehungsweise der Dotterelemente, so erhellt, dass dieselben insgesammt wesentlich gleich und nur durch ihre Grösse unterschieden sein dürften, sodass wahrscheinlich bei ganz ausserordentlich starken Vergrösserungen jene feinkörnige Grund- substanz für sich allen den bekannten Anblick der mit Plättchen ge- GOETTE, Entwickelungsgeschichte, 4 50 II. Die Dottertheilung. füllten Dottermasse gewähren würde. Die eigentliche homogene Grund- substanz ist vollkommen durchsichtig, wasserklar, wie es die jüngsten Eifollikel lehren; wenn die festen Theilchen auch alle aus der gleichen Masse bestehen, so erscheinen sie doch bis zu einer gewissen Grösse, nämlich solange die durch sie gebrochenen Lichtstrahlen nicht ins beobachtende Auge fallen oder nicht wahrgenommen werden können, als schwarze Punkte, weiterhin, wenn die mittleren ‘Strahlen sichtbar werden, als unregelmässige dunkle Ringe mit einer hellen Mitte, und endlich, wenn diese den dunklen Rand an Grösse weit über- trifft, als die bekannten hellen, derbkonturirten Dottertäfelchen. Um in der Beschreibung einen Anhaltspunkt zu haben, werde ich die mittelgrossen festen Dottertheile ohngefähr auf jener Stufe, wo sie bei den gewöhnlichen, 200—500- fachen Vergrösserungen die erste Spur einer hellen Mitte zeigen, als Körner von den Punkten und Täfelchen unterscheiden. Die geringere oder grössere Anhäufung der Punkte in der Grundsubstanz erzeugt ein sehr fein punktirtes Aussehen oder einfache Schattirungen vom Hellgrauen bis zum Schwarzen *. Die Körner werden schon in geringer Anhäufung eine dunklere Färbung hervor- rufen, welche aber in dünnen Schichten, wie sie die Präparate bieten, wegen der durchscheinenden Mitte der einzelnen Körner gewisse Grenzen haben wird. Wo die Dotterplättchen, grössere oder kleinere, vorherrschen, erscheint die Masse hell; durch die Körner und Punkte wird sie verschieden gefärbt oder schattirt, in dem Masse aber, als dieselben abnehmen, stets heller. — Ich habe diese Verhältnisse näher ausgeführt, um zu zeigen, dass das in Zeichnung und Färbung verschiedene Aussehen der Dottermasse von geringerer Bedeutung ist, als man auf den ersten Blick annehmen möchte, und die Gleichartigkeit der ganzen Masse nicht wesentlich stört. Immerhin kann die Vertheilung jener Elemente in der befruchteten Dotterkugel angedeutet werden. Die grösseren Dottertäfelchen liegen ziemlich dicht beisammen, sodass zwischen ihnen eigentlich nur Fugen übrig bleiben, welche mit den kleinsten Täfelchen, Körnern und Punkten ausgefüllt sind. Das Kaliber jener in den Vordergrund tretenden Täfelchen ist in der unteren Halbkugel des Dotters grösser, als in der oberen, am geringsten aber in der ganzen Peripherie, welche man als Dotter- * Ich wäre daher nicht abgeneigt, wenigstens einen Theil des Pigments bloss für eine Anhäufung der feinsten Punkte zu erklären. Dann liesse sich auch verstehen, dass die nicht unbedeutenden Schwankungen in den Pigmentmassen, welche in den einzelnen Eiern desselben Thieres abgelagert werden, auf deren spätere Entwickelung ohne nachweisbaren Einfluss bleiben. — ’ II. Die Dottertheilung. 51 rinde bezeichnen mag, wenn man im Auge behält, dass sie weder in allen Eiern gleich ausgebildet ist, noch überall nach innen eine wirkliche Grenze hat. Am stärksten und deutlichsten ist sie am oberen Pole, und dem entspricht auch die ungleiche Vertheilung des Pigments, welches, wie ich anführte, möglicherweise aus den feinsten Dottertheilen mit der geringsten Menge der eigentlichen Grundsubstanz besteht (Taf. I Fig. 13). Im Innern der oberen Halbkugel bemerkt man die oft sternförmige Zeichnung der feinkörnigen Dottermasse, welche aus dem Zerfall des Keimbläschens hervorgegangen mit dem übrigen Dotter sich noch nicht gleichmässig vermischt hat. Ich habe aber schon aus- führlich auseinandergesetzt, dass die in einer Brut abgesetzten Eier nicht alle von gleicher Ausbildung sind: die darin zurückgebliebenen — ich will sie kurz die jüngeren nennen — tragen noch die Merkmale der Zerstörung der Pigment- schicht, die älteren lassen dieselben bereits vermissen. Wenn ich nun ein ganzes Eipacket unmittelbar nach der Befruchtung in die Kupferlösung warf und dadurch die Entwickelung augenblicklich unterbrach, so fand ich darauf in jenen Jüngeren Eiern nichts weiter vor, als was ich schon beschrieben, in den älteren dagegen schon den ersten Anfang der Embryonalentwickelung. Bei- läufig in der Mitte dieser Eier und nur wenig aus derselben aufwärts verscho- ben, war ein grosser, runder, etwas abgeplatteter Kern durch einen nicht scharfen, aber deutlichen Kontur von der übrigen Dottermasse gesondert (Taf. I Fig. 14). Histiologisch war dieser Dotterkern durchaus nicht von der Umgebung zu unterscheiden; die noch in ihrer Ausbreitung begriffene fein- körnige Substanz des zerfallenen Keimbläschens reichte in seinen Bereich mit einem grösseren oder kleineren Antheil hinein, aber so unregelmässig, dass man mit Recht annehmen kann, dass diese Masse und die Kernbildung nur in einem zufälligen Verhältniss zu einander stehen. Wenn ich die Grenze des Kernes unter stärkeren Vergrösserungen untersuchte, so fand ich, dass an dieser Stelle alle etwas grösseren Dotterplättchen fehlten und nur feinkörnige Dottersubstanz lag, welche durch ihre dunkle Färbung den Umriss des Kernes erzeugte. Nun erhellt auch, wesshalb derselbe nicht scharf, sondern wie mit einem groben Stifte gezogen erscheint. Lässt man solche Eier sich weiter entwickeln, so erhebt sich der Dotterkern in kurzer Zeit, während die mehr- erwähnte vom Keimbläschen herrührende Verfärbung der Dottermasse schwin- det, gegen die Dotteroberfläche, worauf in seinem Innern sich ein zartes rundes Körperchen bildet — der erste Lebenskeim, welcher die weitere Entwicke- lung des Eies hervorruft (Taf. II Fig. 20). Es ist also der Dotterkern sicher- 4% 52 1I. Die Dottertheilung. _ lich der Ausgangspunkt der ganzen Entwickelung und sein erstes Erscheinen kann in den von mir als ältere bezeichneten, frischgelegten Eiern sogleich nach der Befruchtung, bei den jüngern erst später wahrgenommen werden. — Wenn ich ihm auch nicht immer zuerst in der Nähe des Centrums der Dotter- kugel antraf, so scheint mir doch aus seinem Vorrücken gegen die Oberfläche zu folgen, dass die subcentrale Lage stets die ursprüngliche ist. Er hat die Grösse und Gestalt der Höhle des Keimbläschens, nimmt aber nach seiner Lageveränderung nicht immer die Stelle ein, an der jene lag, sondern befindet sich häufig seitlich vom obern Pole, ja selbst in der Nähe des ursprünglichen Aequators des Eies. Dies kann man nach einiger Zeit schon äusserlich erkennen, indem gerade über dem Dotterkerne die Dotteroberfläche in Vorbe- reitung der ersten Furche zu einer flachen Grube einsinkt (Taf. I Fig. 15). Sobald der Dotterkern diese excentrische Lage eingenommen hat, beginnt das Pigment am unteren Pole und successiv an der ganzen unteren Halb- kugel zu schwinden; da aber in den Fällen, wo jene dem Dotterkerne stets genau entsprechende Grube nicht in der Mitte des dunklen Feldes, sondern excentrisch in demselben lag, dieses Feld sich alsbald koncentrisch um die Grube anordnet, also das Pigment sich augenscheinlich verschiebt, so darf man annehmen, dass auch jenes Schwinden des Pigments an der entgegen- gesetzten Seite nur scheinbar ist und dass dasselbe vielmehr sich nach oben zu einer halbkugelförmigen Kappe zusammenschiebt (Zaf. II Fig. 20. 21). Nach allen diesen Erfahrungen wird es aber sehr wahrscheinlich, dass der gegen die Peripherie vorrückende Dotterkern oder vielleicht der in seinem Innern unter- dessen sich entwickelnde Lebenskeim den Pol des befruchteten Eies bestimmt, eventuell verändert*. Daraus ergibt sich aber, dass der central gelegene Dotterkern desfrischgelesten Eiesim Allgemeinen aufwärts steigt; denn andern- falls müsste unter Umständen ein dunkles Feld, welches beim Legen aufwärts gekehrt war, in der Folge sich nach unten verschieben; dies ist aber noch nie- mals beobachtet worden. Einen Grund für die genannte Bewegung des Dotter- kerns kann ich nicht bestimmt angeben; vielleicht ist er in der Bildung des Lebenskeims zu suchen, welcher mit seiner nächsten Umgebung frei von Dotter- plättchen und von zarter Zusammensetzung ist, also möglicherweise das speci- * Dies legt den Gedanken nahe, dass auch die Pigmentablagerung im Eierstockseie, deren grösste Mächtigkeit der Lage des Keimbläschens entspricht, von dem letzteren ab- hängig ist. — II. Die Dottertheilung. 53 fische Gewicht des ganzen Dotterkerns herabsetzt. Wie dem nun auch sei, die Aufwärtsbewegung des Dotterkerns und die darauffolgende Zusammenziehung des Pigments über dem Kerne scheinen mir, wenn sie sich auch der unmittel- baren Wahrnehmung entziehen, so weit begründet”, dass, wenn sie eine Lücke in unserem Verständniss der Entwickelungsvorgänge auszufüllen vermögen, ich sie nicht von der Hand weisen möchte. Und diesen Dienst können sie aller- dings leisten. Alle Beobachter der sich entwickelnden pigmentirten Batrachier- eier stimmen darin überein, dass dieselben einige Zeit nach der Befruchtung sich stets mit dem dunklen Felde nach oben kehren, wenn es nicht schon gleich zu Anfang der Fall war. Ein genügender Grund dafür liess sich nicht finden; meiner Ansicht nach ist nun diese Umwälzung des Dotters sei es überhaupt oder zum Theile scheinbar, indem nur die Pigmentschicht dem Einflusse des neu bestimmten Poles folgend sich verschiebt. In der Folge werde ich nur von diesem für die Entwickelung allein massgebenden Pole sprechen, auch wenn erim Anfange der Dottertheilung mit dem Mittelpunkte des dunklen Feldes noch nicht zusammenfällt. An die Veränderungen der Pigmentschicht schliesst sich eine ändere Erscheinung an, welche ich schon früher einmal erwähnte. Während der Dotterkern gegen die Dotteroberfläche hinaufsteigt, erscheinen im ganzen Um- fange der Dotterkugel, aber nur nach innen von der feineren Rindensubstanz und nicht in dieser selbst, zahlreiche kleinere und grössere Kügelchen von fein- granulirtem Aussehen, als wenn sie aus den kleinsten Dotterkörnern zusammen- gesetzt wären; die meisten übertreffen die Dotterplättchen bedeutend an Grösse (Taf. II Fig. 20). Diese Kügelchen bilden eine zusammenhängende Zone, deren Mächtigkeit in der obern Halbkugel ansehnlich ist, aber nach unten hin sehr rasch abnimmt; gegen die Dotterrinde setzt sich die Schicht ziemlich scharf ab, nach innen verliert sie sich ohne deutliche Grenze im Dotter. Man betrachte nur die Figuren 20 und 21 Taf. I: Das Pigment, die ungefärbte Dotterrinde und jene Kügelchen bilden drei koncentrische Schichten des Dotters, welche gemeinsam die Eigenthümlichkeit haben, dass sie am obern Pole am *Es liessen sich wohl an Batrachiern, welche eine grössere Menge von Eiern als der Bombinator igneus auf einmal legen, die Beweise dafür so weit vermehren, dass die Wahrscheinlichkeit jener Vorgänge zur Thatsache würde. Die verhältnissmässig wenigen zu gleicher Zeit gelegten Eier meines Thieres mussten stets so vielen Zwecken dienen, dass meine Untersuchungen über jene Vorgänge sich vielleicht auf zwei Dutzend Eier be- schränken. — 54 II. Die Dottertheilung. breitesten sind und gegen den untern Pol hin allmählich dünner werden. Aber damit nicht genug, sind auch ihre nächsten Veränderungen gemeinsam. Ich beschrieb schon die Auflösung der Pigmentschicht am untern Pole, und wie sich dieselbe nach oben zusammenschiebe; dasselbe geschieht zu gleicher Zeit auch mit der Dotterrinde und jener Kügelchenschicht, sodass während der ersten Dottertheilungen alle drei Schichten nicht mehr kugelig geschlossen, sondern wie drei halbkugelige Schalen in einander liegen, welche am obern Pole am dicksten, gegen den Aequator gleichsam mit scharfen Rändern aus- laufen (Taf. II Fig. 20—25). Dabei erkennt man an allen drei Schichten, wie während der Zusammenziehung ihre Mächtigkeit am obern Pole zunimmt, sodass meine Ansicht dahin geht, dass ihre Elemente sich ebenfalls zusammen- schieben, wie ich es schon vom Pigmente anführte. Als Schichten verschwinden endlich alle drei in dem Masse, als die ursprüngliche Kontinuität der obern Halbkugel verloren geht, und letztere in mehre Stücke zerklüftet wird, welche ihre Lage zu einander wechseln. Ich kehre nach dieser Abschweifung zur Entwickelung des Dotterkerns zurück. Seine ganze Entstehung oder Sonderung von der übrigen Dottermasse schien darin zu bestehen, dass an seiner Grenze die grösseren Dottertheilchen nach aussen und innen auseinanderrückten und eine weniger dichte, feinkörnige Zone zurückliessen. Solange der Dotterkern sich im Innern der Dotterkugel befand, war jene Zone schwach und unregelmässig entwickelt und beeinträch- tigte den kontinuirlichen Zusammenhang beider Theile nicht wesentlich. Sowie er aber hinaufrückt, wird die Grenzzone zu einem locus minoris resistentiae, sodass beim Aufbrechen eines nur mässig erhärteten Eies der Dotterkern isolirt, wenn auch mit rauher Fläche, herausfällt. Damit hat aber der Dotter- kern das äusserste Mass von Selbstständigkeit erreicht, bald darauf ver- schwimmt seine Grenze und mit dem schattenhaften Umriss schwindet endlich seine Bedeutung. So vergänglich aber auch die von mir als Dotterkern bezeichnete Erschei- nung ist, so geht sie doch nicht spurlos vorüber; gleichsam als Frucht ihrer Wirksamkeit bleibt der Lebenskeim zurück. — Untersucht man die Textur des excentrischen Dotterkerns, so ergibt sich, dass er sich gegen früher ver- ändert hat; ist schon seine ganze Masse feinkörniger als die neben und unter ihr liegende Dottersubstanz und mehr der Dotterrinde über ihm entsprechend, so weicht namentlich sein Centrum von der Beschaffenheit des übrigen Dotters wesentlich ab. Dieses Centrum umfasst den ersten Lebenskeim und einen ihn II. Die Dottertheilung. 55 umgebenden Hof (Taf. I Fig. 17 a). Der erstere besteht aus einer runden, von oben abgeplatteten, äusserst zarten und durchscheinenden Masse von etwa 30. im Querdurchmesser, welche nach aussen kontinuirlich und ohne scharfe Grenze in den Hof des Lebenskeims übergeht. Dieser hat einen wechselnden, bald weiteren bald engeren Umfang und besteht aus feinkörniger oder grob- punktirter Dottersubstanz; erst an seinen äusseren Grenzen werden Dotter- plättchen sichtbar. Eine nach aussen allmählich verschwimmende Färbung seiner Substanz hebt den Umriss des Lebenskeims kräftiger hervor, als er ohne diesen Umstand erscheinen würde. Die Grösse und deutliche Abgrenzung des ganzen Hofs sind übrigens mannigfachen Schwankungen unterworfen; diese mögen verschiedenen, gesetzlich auf einander folgenden Graden der Entwicke- lung angehören, aber natürlich entziehen sich solche Vorgänge der direkten Beobachtung, da die gröberen äusseren Merkmale, welche sonst an den sich entwickelnden Eiern der chronologischen Bestimmung dienen, in der vorliegen- den Periode noch fehlen. — Bald nach der Entstehung des Lebenskeims traf ich ihn bereits merkwürdig verändert: er erschien in querer Richtung ausgedehnt, wobei seine Masse von der Mitte scheinbar nach beiden Enden ausgewichen war, sodass diese auf Kosten des sich verschmächtigenden mittleren Theils kolbig angeschwollen waren (Taf. II Fig. 21. 22). Im weitern Verlaufe dieser Umwandlung bietet jede der beiden Anschwellungen das Bild eines in der Ablösung begriffenen Tropfens einer zähen Masse dar. Während beide sich stetig von ihrem gemeinsamen Ausgangspunkte entfernen, also in entgegen- gesetzter Richtung auseinander rücken, sind sie auf der äussern, der Dotter- oberfläche zugewandten Seite abgerundet, auf der innern aber haben sie eine kegelförmige, spitz auslaufende Verlängerung, eben die entsprechende Hälfte des Mittelstücks. Darauf reisst dieses mitten durch, und jede Hälfte des Lebenskeims. zieht sich nun allmählich kugelig zusammen und wird zu einem selbstständigen Körperchen, während die frühere Verbindung beider noch durch einen dunklen Streifen der sie allseitigumgebenden feinkörnigen Dottersubstanz angedeutet wird (Taf. II Fig. 23). Der erste Lebenskeim hat sich also in zwei gleichartige neue getheilt. — Diesen seinen Evolutionen ist nicht nur der ihn unmittelbar umschliessende feinkörnige Hof, sondern auch der Umriss des grossen Dotterkerns gefolgt: nach der Trennung der beiden sekundären Lebens- keime sieht man sie im weitem Umkreise von dunklen Bögen umschlossen, welche aber nach aussen allerdings schon undeutlich und verwischt sind. Fasst man dabei die von diesen Bögen begrenzten Massen, namentlich die betreffenden 56 II. Die Dottertheilung. Abschnitte der Kügelchenschicht ins Auge, so lässt sich leicht erkennen, dass dieselben an den bezeichneten Bewegungen und Veränderungen gar nicht theil- nehmen, dass die letztern sich eben nur auf eine stärkere Ansammlung fein- körniger Dottermasse zwischen den Täfelchen im weiteren Umkreise der Lebens- keime beziehen, welche Ansammlung allerdings zuerst an der ursprünglichen Grenze des Dotterkerns stattfindet und somit den Schein seiner Fortexistenz erzeugt. Pr Bevor jedoch die Theilung des ersten Lebenskeims vollendet ist, sind schon andere Vorgänge in den Kreis der Erscheinungen eingetreten. Wenn seine Hälften ziemlich weit auseinandergerückt sind, aber ihre frühere Verbin- dung noch durch eine schattenhafte Linie angedeutet ist, wird eine Halbirung der ganzen Dotterkugel eingeleitet. In der Ebene, welche die beiden Pole und die Mitte jener Verbindungslinie senkrecht durchschneidet, weichen die gröbern Dotterelemente nach beiden Seiten auseinander und lassen eine dünne Lage zarterer Dottersubstanz zurück, welche im Querdurchschnitt als heller Streifen erscheint (Taf. II Fig. 23). In der Längsaxe des letzteren wird alsdann eine Trennung der beiden Dotterhälften durch eine höchst zarte, dunkle Linie angedeutet, welche von der Verbindungslinie der Lebenskeime zunächst bis in die Nähe des obern Poles und bis unter den Aequator sich erstreckt und dann allmählich fortschreitet, schneller gegen den obern, langsamer gegen den unteren Pol. Gleich nach dem Erscheinen dieser spaltartigen Bildung sinkt die Dotteroberfläche genau über derselben am obern Pole zu einer flachen rundlichen Grube ein, über welche die Dotterhaut unverändert hinwegzieht; diese Grube wird aber alsbald muldenförmig in der Richtung der Theilungs- ebene und vertieft sich mehr und mehr zu einer Furche, deren Abhänge genau in jener Ebene zusammenstossen (Taf. I Fig. 15). Bei dieser Umbildung entsteht an den Wänden der Furche der sogenannte Faltenkranz, nämlich eine Reihe vom Grunde zu den Rändern aufsteigender kleinster Falten oder Run- zeln, welche im Entstehen und Schwinden unter Umständen ein lebhaftes Spiel unterhalten. Die Dauer dieses Faltenkranzes ist sehr verschieden, überhaupt aber derselbe keine beständige Erscheinung bei der Furchenbildung. — An- fangs ist die Furche verhältnissmässig weit aber kurz, sodass ihre bisweilen ziemlich scharfen Ränder an beiden Enden zu einer Ellipse zusammenstossen. Bald jedoch geht von diesen Enden je eine schwächere Fortsetzung der Furche gegen den unteren Pol aus, welche genau den von der Theilungsebene an der Dotteroberfläche vorgezeichneten Verlauf nimmt und daher zuletzt am untern II. Die Dottertheilung. 57 Pole mit der anderseitigen zusammenfliesst (Taf. I Fig. 16). Während dieser Vollendung der ersten Furche schliesst sich gewöhnlich ihr weit offener Anfangstheil, mdem die gegenüberliegenden Abhänge sich aneinander legen. Nicht immer ist derselbe so scharf gezeichnet, wie in meinen Abbildungen; da aber andere Ansichten schon hinlänglich bekannt sind, so wählte ich gerade diese an,besonders farbenreinen Eiern beobachteten Bilder. Ich mache noch besonders darauf aufmerksam, wie die Theilungsebene und die ihr folgende Furche ganz ohne Rücksicht auf den Mittelpunkt des dunklen Feldes entstehen; so kann das letztere von der Furche sehr ungleich getheilt werden, doch wird eine symmetrische Anordnung des Pigments bald wiederhergestellt (Taf. I Fig. 15). Aber noch in anderer Beziehung verdient das Verhalten der Pigment- schicht während der Dottertheilung erwähnt zu werden. Ihre äusserste Lage hat man, gestützt auf die Erscheinung des Faltenkranzes oder auf den Befund an erhärteten Eiern, von deren Oberfläche sich ein Häutchen abziehen lässt, als eine Zellenmembran darzustellen gesucht. Dies beruht entschieden auf einem Irrthum, wie es bereits M. SchuLtze ausgeführt hat; ich habe seiner Beweisführung nur Weniges hinzuzufügen. Ein Häutchen lässt sich nur im Bereiche des dunklen Feldes demonstriren; im hellen Felde lösen sich nach der Erhärtung nur einzelne bald derbere, bald feinere offenbar aus Dotter- körnern zusammengesetzte Fetzen ab, während jenes Häutchen um so weniger deutliche Dotterelemente enthält, als das Pigment stärker angesammelt ist (Taf. II Fig. 22— 24). Doch ist auch dort der Nachweis nicht schwer, dass es sich um eine künstliche Ablösung der äussersten Dotterrinde handelt. Dieses Häutchen kann aber auch an Durchschnittsbildern eine zwischen die Theilstücke des Dotters hinemwachsende Membran vortäuschen, und zwar trotzdem die Trennung aus der Mitte des Dotters gegen die Oberfläche vor- dringt. Auf diese Weise wird zuerst die tiefere dicke Pigmentschicht getheilt, während das Häutchen noch intakt erscheint; und ist die Scheidung bis zu letzterem vorgerückt, so dringt auch gleich zwischen die noch aneinander liegenden Grenzflächen einiges Pigment ein, welches freilich nur aus losen Körnern besteht, aber bei schwächeren Vergrösserungen wie eine Fortsetzung jenes Häutchens aussieht. Die Ränder der getheilten tieferen Pigmentschicht können natürlich zu beiden Seiten der Theilungsebene nicht so leicht sich aus- breiten, wie jene einzelnen Körner in der Spalte; sobald aber die zwei ersten Theilungen vollendet sind und die erste Spalte sich wirklich öffnet, setzt sich das Pigment von der äussern Fläche der Theilstücke auf die inneren ununter- 58 II. Die Dottertheilung. brochen aber in dünnerer Lage fort. Was nun den Faltenkranz betrifft, so dürfen die Falten schon desshalb nicht auf ein Häutchen bezogen werden, weil sie ebenso schnell vergehen, als sie entstanden, ohne dass ihre Ursache, die Einschnürung nachliesse. Es müsste denn ein solches Häutchen ein halb- flüssiges sein. Jenes Faltenspiel ist nur der Ausdruck für die Ausgleichung an der Oberfläche des dickflüssigen Dotters, nachdem dieselbe in ihrer Ausdehnung irgendwie verändert worden; gleichwie etwa bei einem Stich in eine teigige Masse oder bei einer Einschnürung derselben Falten entstehen, die alsbald wieder verstreichen. So vollzieht sich die erste Dottertheilung; die wirkliche Trennung wird aber erst später sichtbar, und zwar sobald die aneinanderliegenden Flächen bei den ferneren Theilungen von einander abgezogen werden. (Gerade so wie die erste gehen alle weiteren Dottertheilungen vor sich; stets theilt sich zuerst der Lebenskeim des betreffenden Dotterstücks, dann erfolgt zwischen den neu- entstandenen Keimen hindurch von innen nach aussen fortschreitend die Son- derung und im Anschlusse an dieselbe, gleichsam als ihr äusserer Ausdruck, die Furchung (Taf. II Fig. 24. 25). Stets erreicht die Sonderung die Ober- fläche und bildet sich die Furche zuerst an der Stelle, welche den zwei Lebens- keimen am nächsten lag. Daher beginnen die Furchen bei den beiden ersten Theilungen und wohl überhaupt bei den meridionalen der oberen Halbkugel aussen und oben, bei den aequatorialen und den Theilungen der unteren Halb- kugel meist innen. Aus der excentrischen Lage des ersten Lebenskeims und der daraus folgenden Vertheilung der spätern Keime in der Dotterkugel geht ferner hervor, warum die Dottertheilung am oberen Pole nicht nur am frühsten und regsten erfolgt, sondern dort auch viel kleinere Dotterstücke erzeugt als am untern Pole; ich verweise zur Veranschaulichung dieser Verhältnisse auf meine Abbildungen. — Ueber die Reihenfolge und die Richtungen der fort- laufenden Theilungen brauche ich mich nicht auszulassen und will zu dem Be- kannten nur eine kurze Bemerkung hinzufügen. Wenn man die Thatsache im Auge behält, dass die Theilungen nicht Akte der Dotterkugel als Ganzes be- trachtet, sondern der Ausdruck für die fortlaufende Verkleinerung der einzelnen Theilstücke sind, so wird man auf die Regelmässigkeit und den Zusammenhang der in einen Akt zusammenfallenden Spaltungen überhaupt kein grosses Ge- wicht legen. Diese Anschauung dürfte aber an Klarheit gewinnen, wenn man weniger auf die äusserlich erscheinenden Furchen, als auf die Spaltungsflächen vücksicht nimmt, deren Richtungen aus senkrechten Durchschnitten der Dotter- II. Die Dottertheilung. 59 kugel ersichtlich werden. In den drei ersten Akten verlaufen die Theilungen allerdings in drei senkrecht auf einander stehenden Ebenen; von da ab jedoch, so weit sie die Dotteroberfläche betreffen, in Flächen, welche für jedes Theil- stück von aussen ohngefähr zum Durchschnittspunkte jener drei ersten Theilungen sich hinziehen, sodass also eine sogenannte Aequatorialtheilung, deren äusserer Ausdruck eine einzige fortlaufende Furche sein mag, das Ei auch nicht annähernd in einer Ebene spaltet, sondern eine aus mehren Facetten unter grösseren oder kleineren Winkeln zusammengesetzte Fläche bildet. Die senkrechten Durchschnitte solcher Spalten müssen daher als ungleiche Radien eines excentrischen Punktes der Dotterkugel erscheinen (Taf. II Fig. 26). Weiterhin kommen dazu noch die koncentrisch zur Dotteroberfläche verlaufen- den Spaltungen, bis endlich die Theilung der kleineren Dotterstücke ganz regellos wird. — Schliesslich bemerke ich noch, dass die Furchung nicht nur dem äussern Scheine zuwider bloss eine Begleiterscheinung der eigentlichen Trennung ist, sondern nicht einmal bestehen bleibt; als Einsenkung der Dotter- oberfläche und soweit sie nicht mit der klaffenden Mündung der Trennungs- spalte verwechselt wird, ist dieselbe nur von kurzer Dauer (Taf. IT Fig. 22—25.) Man verfolge eine Furche, z. B. die erste, an Durchschnittsbildern bis in die spätern Theilungsstadien, so wird man finden, dass sie anfangs ganz flach ist, dann sich rasch vertieft und verengt, darauf aber ganz beständig sich zurückbildet und endlich ganz verschwindet. An der relativ dicken Pigment- schicht, welche der Dotteroberfläche eigen ist, und deren Fortsetzungen ins Innere stets merklich schwächer sind, lassen sich jene Erscheinungen leicht ver- folgen. Wenn die Furchen als die Ausgangsstellen einer von aussen nach innen verlaufenden Trennung angesehen werden, so ist jene Thatsache nicht recht verständlich. Ich wende mich nun zu den Dotterstücken selbst. Aeusserlich sind die späteren kleineren Dotterstücke von den ersten grösseren nicht unterschieden; auch im Innern der Dotterkugel lassen sich zwischen den einzelnen Stücken durch geeignete Erhärtungsmittel Häutchen darstellen, welche aber gleich dem bei der ersten Theilung besprochenen nur Kunstprodukte sind. Als weiteren Beleg dafür führe ich noch an, dass ihre im Verhältniss zu einer Zellenhaut ausserordentliche Mächtigkeit sehr schnell mit der Grösse der Dotterstücke abnimmt und dass sie zu der Zeit, wo die letzteren sich in Embryonalzellen verwandeln, nicht mehr nachweisbar sind. — Im Innern der Dotterstücke voll- ziehen sich dagegen sowohl in der Dottermasse selbst, als auch an den Lebens- 60 ll. Die Dottertheilung. keimen Veränderungen, welche eine fortlaufende allmähliche Umbildung und Entwickelung der Dotterstücke offenbaren, die äusserlich durch kein Merkmal angezeigt wird. Ich beginne mit den Lebenskeimen. Den ersten habe ich bereits beschrieben: er ist eine äusserst zarte, scheinbar homogene rundliche Masse inmitten einer koncentrischen Zone von feinkörniger Substanz, welche aber weder von jener ersteren noch von dem übrigen Dotter scharf getrennt ist (Taf. I Fig. 17a). Ich beschrieb gleichfalls die Theilung dieses ersten Lebens- keims, so weit sie sich erforschen liess; seine Hälften entfernten sich von ein- ander, indem sie durch ein dünnes Mittelstück verbunden blieben und nachdem dieses offenbar zerrissen, zogen sie sich zu selbstständigen Kügelchen zusammen. Im Anfange der Theilung mögen diese Hälften auch nach ihrer Masse als solche erscheinen, aber schon im Verlaufe der Trennung beginnen sie zu wachsen, so- dass jede von ihnen nach erlangter Selbstständigkeit die Grösse des ersten Keimes erreicht. An den späteren jüngeren Lebenskeimen habe ich aber die Vermehrung genauer befolgen können als am ersten (vgl. Taf. II Fig. 25). Zu- erst dehnt und streckt sich der kugelige Keim in einen kurzen Cylinder mit abgerundeten Enden aus, dessen Querdurchmesser viel kleiner ist, als der frühere Durchmesser der Kugel, sodass offenbar die Cylindergestalt nicht etwa durch einseitiges Wachsthum der Kugel, sondern durch Verschiebung ihrer Masse entstand. Solche Cylinder sind bisweilen leicht gekrümmt. Darauf beginnen ihre abgerundeten Enden zu wachsen und sich von einander zu entfernen, wodurch das kurze Mittelstück mehr oder weniger ausgezogen wird; ist es endlich in der Mitte durchgerissen, so ziehen die getrennten Hälften oder die neuentstandenen Lebenskeime die ihnen zugehörigen Zipfel des Mittel- stücks an sich und werden kugelig. Bisweilen verwandelt sich die cylindrische Gestalt zuerst in eine bohnenförmige, d.h. das Wachsthum begünstigt nur mehr eine Seite der rundlichen Enden, bis endlich eine gleichmässige An- schwellung der letzteren eintritt. Meist rücken die neuentstandenen Lebens- keime auseinander, bevor sie kugelig geworden; hin und wieder aber erlangen sie die Kugelgestalt an derselben Stelle, wo die Enden des einfachen Cylinders lagen, und das noch wenig veränderte Mittelstück beweist, dass ihrer Entsteh- ung nicht ein einfaches Auseinanderweichen der ursprünglichen Masse, sondern ein mit diesem Vorgange verbundenes, jene Enden bevorzugendes Wachsthum zu Grunde liegt. Die Masse aller Lebenskeime ist also in steter Zunahme be- griffen, ohne dass jedoch die späteren die volle Grösse der ersten erreichen. Eine andere Vermehrung der Keime als die Verdoppelung habe ich nicht be- II. Die Dottertheilung. 61 obachtet; wenn sie vorkäme, würde sie natürlich einem andern Typus, als den ich beschrieb, folgen, wesshalb ich auch eme solche Variation für unwahr- scheinlich halte. Eigenthümlich verhält sich während der Theilung der Lebenskeime die feinkörnige Masse, welche ich als einen Hof jener Keime be- schrieb. Sie leitet jedenfalls die Bewegung nach zwei entgegengesetzten Richtungen ein; zuerst sammelt sie sich an zwei gegenüberliegenden Seiten des Keimes an und dann ziehen sich diese Ansammlungen in zwei Zipfel aus, welche durch den Keim von einander getrennt, die Richtung der darauffolgenden Streckung desselben angeben (Taf. I Fig. 18, Taf. II Fig. 25). Die fein- körnige Masse theilt sich also vor dem Lebenskeim, und jede ihrer langgezo- genen Hälften zieht den entsprechenden des Lebenskeimes voraus, bis endlich beide in ihrer Bewegung anhalten und wieder in der frühern Weise sich an- ordnen: der Lebenskeim in der Mitte, die feinkörnige Masse ringsherum. Aber der Inhalt der Lebenskeime verändert sich alsbald sehr wesentlich: nach der zweiten Dottertheilung erkennt man bei stärkeren Vergrösserungen, dass in der scheinbar homogenen Keimsubstanz eine wechselnde Anzahl runder, heller Körperchen aufgetreten ist — die Kernkeime. Diese müssen sehr zart und weich sein, denn bei den späteren Keimtheilungen strecken sie sich zugleich mit den Keimhälften; ihre Grösse ist wechselnd von 3u an, und offenbar vermehren sie sich noch stärker, als die Lebenskeimmasse selbst (Taf. I Fig. 17b, Fig. 18). — Es enthalten also die Dotterstücke von der zweiten Theilung an 1. als Centrum den Lebenskeim mit den Kernkeimen, 2. als die nächste Umgebung desselben und in ununterbrochenem Zusammen- hange mit ihm eine Zone feinkörniger Dottersubstanz, 3. zu äusserst in über- wiegender Menge die scheinbar noch unveränderte Dottermasse, Dottertäfelchen und körnige Zwischensubstanz. Im weiteren Verlaufe verändert sich das Massenverhältniss dieser Theile, indem die bereits umgebildete Dottersubstanz auf Kosten der unveränderten stetig zunimmt. Dabei kann man die Erzeugung von Kernkeimen als das nächste Ziel des ganzen Umbildungsprocesses, die Lebenskeime mit ihren Höfen als die Uebergangsstadien zwischen der unver- änderten Dottermasse und den Kernkeimen ansehen. Während die letzteren sich ansehnlich vermehren und dabei die Substanz der Lebenskeime verbrauchen, fliessen diese und ihre Höfe in jedem Dotterstücke zu einer einzigen, zartgranu- lirten oder punktirten Masse zusammen, in deren Mitte die Kernkeime zuletzt als ein kompakter Haufen den Raum vollständig ausfüllen, welchen der unver- änderte Lebenskeim eingenommen hätte (Taf. I Fig. 17c). Aber die Kern- 62 II. Die Dottertheilung. keimhaufen treten nicht nur räumlich an die Stelle der Lebenskeime, sondern übernehmen auch die Funktionen derselben; denn sie führen den Dottertheilungs- process in der früheren Weise fort. Besonders deutlich ist dann die voraus- gehende Theilung der punktirten Masse, welche aus der Verschmelzung des Lebenskeims und seines Hofes hervorging (Taf. I Fig. 18). Wenn alsdann im Durchschnittsbilde die Kernkeimmassen noch an den relativ breiten hellen Streifen anstossen, welchen die Trennungslinie umfasst, so glaubt man bei schwächeren Vergrösserungen ein zusammenhängendes helles Kreuz zu sehen, welches erst bei genauerer Prüfung sich in die einzelnen Bestandtheile auflöst und erst nach dem Beginn der wirklichen Trennung zugleich mit jenem hellen Streifen sich zurückbildet (Taf. II Fig. 27). Die Theilungen gehen aber während der Brombeerform des Dotters bisweilen so rasch vor sich, dass bevor die Kernkeimmassen in die ihnen vorausziehende fenkörnige Masse wieder eingerückt sind, diese letztere sich schon von neuem in einer bestimmten Richtung, welche gewöhnlich rechtwinklig von der vorhergehenden abweicht, zu strecken beginnt. Zur selben Zeit konnte ich noch einige weitere Einzel- heiten im Innern der Dotterstücke erkennen. Wenn eins von ihnen eben vollendet war, so erschien die feinkörnige Masse gegen die Kernkeimmasse hin radiär gestreift; und ebenso erschienen an Durchschnittsbildern in den hellen Grenzstreifen, welche die Trennungslinien der sich theilenden Dotter- stücke enthielten, zarte dunkle Linien, welche von der Trennungslinie aus nach beiden Seiten radiär gegen die Kernkeimmasse konvergirten (Taf. I Fig. 18). Die beiderlei radiären Streifen oder Linien sehen aus wie die Falten eines auseinandergezogenen Gewebes. — Es ist klar, dass die Kernkeimmassen während ihrer ziemlich raschen Vermehrung und der damit verbundenen Dottertheilung bedeutend wachsen müssen; dieses Wachsthum geht höchst wahrscheinlich so vor sich, dass stets neue Kernkeime aus der formlosen fein- körnigen oder punktirten Masse entstehen und darauf sich an die schon be- stehenden anlegen. Wenigstens habe ich kein Anzeichen für eine Vermehrung der Kernkeime durch Theilung gefunden. Immerhin ergibt sich aus einem Vergleiche der Dotterstücke aus verschiedenen Perioden der Dottertheilung, dass die feine Substanz, welche ihrer Zusammensetzung nach den früheren Lebenskeimen ohngefähr gleich kommt und, sowie diese nunmehr durch die Kernkeimhaufen vertreten werden, das eigentliche Uebergangsstadium darstellt, merklich verbraucht wird; und dass ferner die Masse der unveränderten Dottersubstanz ebenfalls abnimmt, was wohl nicht anders zu deuten sein wird, II. Die Dottertheilung. 63 als dass ein Theil der Punkte, Körner und Täfelchen sich in feinkörnige Substanz zum Ersatze der verbrauchten verwandele. Diese Umwandlung be- ruht offenbar auf einer allmählichen Schmelzung jener Elemente, welche im Eierstocksfollikel aus den feinsten Punkten heranwachsen; diese Annahme wird dadurch unterstützt, dass je schneller der Verbrauch und der Umbildungs- process der Substanzen im Centrum der Dotterstücke im weiteren Verlaufe der Dottertheilung wird, um so undeutlicher und breiter die Grenzen zwischen der peripherischen grobgekörnten und der inneren feinen Dottersubstanz werden, indem die grösseren Elemente nach innen zu ganz allmählich durch Zwischenstufen in die feinsten Punkte übergehen. Dies halte ich nun im Vereine mit den übrigen Beobachtungen für einen klaren Beweis, dass die peripherische Dottermasse von innen heraus umgewandelt, dem Centrum assimilirt werde. Diese Umwandlung hält aber nicht durchaus Schritt mit dem innern Verbrauche, denn gegen das Ende des Dottertheilungsprocesses ist von der feinkörnigen Substanz nur noch so viel zu sehen, als etwa der fort- laufende Verbrauch des Centrums beträgt. Alsdann, d.h. ohngefähr zu der Zeit, wenn die äussere Zeichnung der Dottertheilung sich der deutlichen Beobachtung mit unbewaffnetem Auge zu entziehen beginnt, tritt auch eine wesentliche Umwandlung der Kernkeimhaufen ein ; sie verschmelzen zu soliden Körperchen, welche anfangs einen unregelmässigen Umriss haben und während einiger Zeit in ihrem Innern eine netzförmige Zeichnung, die letzte Spur ihrer Zusammensetzung aus den einzelnen Kernkeimen bewahren, endlich aber scharf begrenzt, rund und ohne weitere Zeichnung fein granulirt, kurz — wirkliche Zellenkerne werden (Taf. I Fig. 19). Von da ab gestalten sich auch die Verhältnisse der Dottertheilung wesentlich anders, als zur Zeit, wo die Lebens- keime oder die Kernkeimhaufen die Centren der Dotterstücke bildeten. Die von gröberen Dotterelementen freie, feinkörnige, um die Kerne herum gelagerte Masse ist alsdann, wie schon bemerkt wurde, auf eine so schmale Zone reducirt, dass ihr Antheil an der Theilung nicht mehr wahrnehmbar ist. Die Kerne können bei der noch fortdauernden Vermehrung nicht mehr durch Apposition von aussen wachsen, da sie beständig einen scharfen Kontur besitzen und in der Umgebung weder Kernkeime noch andere Gebilde neu entstehen. Offen- bar wachsen also die Kerne durch Aufsaugung, durch wirkliche Ernährung. Auch sieht man nichts mehr von einer die Theilung oder Vermehrung einleiten- den Streckung der Kerne, sondern jener Vorgang erfolgt in ganz anderer Weise, An einer Stelle des Kernes entsteht ein kleiner Auswuchs, welcher 64 II. Die Dottertheilung. entweder regelmässig halbkugelig oder nach einer Seite unregelmässig vorra- gend sich entwickelt (Taf. I Fig. 19). Mit der Grössenzunahme wächst auch seine Selbstständigkeit; wie er sich endlich vom Mutterkerne trennt, habe ich nicht gesehen, doch glaube ich, dass diese Ablösung so vor sich geht, dass die Ernährungsthätigkeit sich für beide Theile absondert und dadurch an der Stelle des Zusammenhangs ein indifferenter, lockerer Zustand erzeugt wird, welcher schon bei einer geringen Wachsthumsbewegung des einen Theils in Trennung übergehen kann. Natürlich lassen sich alle Stadien der Kernver- mehrung nicht an dem gleichen bestimmten Orte verfolgen, wie bei der Theilung der Lebenskeime. Doch halte ich meine Deutung desshalb für richtig, weil die unsymmetrisch geformten (birn- und kolbenförmigen) Kerne, welche in der Mehrzahl vorhanden waren, unzweifelhaft als die Vorläufer der bisquit- und bohnenförmigen anzusehen sind, da die kleineren Auswüchse der ersteren kleiner waren als die gleichen Hälften der letzteren. Aus demselben Grunde halte ich auch dafür, dass die Vermehrung der Kerne wesentlich einem auf einer einzigen Seite überwiegenden Wachsthum entspringe, während bei der Theilung der Lebenskeime die beiden Enden auswachsen. Ich bemerke noch ganz besonders, dass ich Kerne, welche eine Sonderung in mehr als zwei Massen angedeutet hätten, nicht beobachtet habe, sodass ich die Möglichkeit solcher Befunde, wenn ich sie auch nicht durchaus läugnen kann, doch für sehr unwahrscheinlich halte. Diese aus der Dottertheilung hervorgegangenen und sich noch immer weiter theilenden kernhaltigen Dotterstücke gehen in die Zusammensetzung der Embryonalanlagen ein und sollen alsdann bei veränderter Thätigkeit und Bedeutung den Namen „Embryonal- und Dotterzellen“ führen. Wenn aber auch die Kernbildung für das einzelne Dotterstück den Uebergang aus dem einen Zustande in den anderen andeutet, kann sie doch für das ganze Ei zu einer bestimmten Grenzscheide zweier Entwickelungsstufen nicht dienen. Denn weder fällt mit ihr der Anfang der eigentlichen Embryonalbildung zu- sammen, noch erfolgt sie in allen Theilen des Eies zu gleicher Zeit: die in der Nähe des oberen Pols gelegenen Dotterstücke erreichen ihr Ziel weit früher als die tiefer befindlichen. Man kann daher keine bestimmte Zeit nennen, wann die einfache Dottertheilung aufhöre, um einer Vermehrung der Embryonäl- und Dotterzellen Platz zu machen; sondern es lässt sich nur ganz im allge- meinen sagen, dass, bevor ein Theil des Dotters in die Zusammensetzung der ersten Embryonalanlagen, also der Keimschichten eingeht, der Dottertheilungs- II. Die Dottertheilung. 65 process in ihm zum Abschluss gekommen ist und die soweit fertigen Elemente einen neuen Abschnitt ihrer Entwickelung beginnen. Wenn es aber auch in der Natur der organischen Entwickelung liegt, dass die einzelnen Processe vielfach ineinander greifen, keiner rein, für sich allein, sondern schon neben den Keimen anderer Erscheinungen verläuft, so lassen sich immerhin die chronologischen Abschnitte der Entwickelungsgeschichte durch dasVorherrschen eines Bildungsvorganges "bestimmen. Mag also schon während der ersten Dottertheilungen die Entwickelung der erst später zu betrachtenden Keimhöhle begonnen haben und mögen andererseits auch nach dem Erscheinen der ersten Embryonalzellen in andern Theilen des Eies noch Dottertheilungen fortdauern, so erscheint der Dottertheilungsprocess dennoch geeignet, eine erste Periode der Entwickelung zu kennzeichnen, insofern er das wesentliche Ereigniss dar- stellt, welches die volle Aufmerksamkeit des Beobachters fesselt, und neben welchem die unscheinbaren Anfänge anderer Erscheinungen in den Hintergrund treten. Die Betrachtung dieses Vorgangs schliesse ich aber dort, wo uns sein Wesen klar vor Augen liegt, er wenigstens in einem Theile des Eies seinen Zweck erreicht hat, die Elemente zu bilden, aus denen sich die Embryonalanlagen zu- sammensetzen, und nunmehr diese unser Interesse in Anspruch nehmen. Kein Entwickelungsprocess ist wohl so geeignet, den Fortschritt in der Entwickelungsgeschichte der Batrachier zu bezeichnen, wie die Dottertheilung. Bei der Leichtigkeit, Batrachiereier in ihrer Entwickelung von der Befruchtung an zu verfolgen und bei der für Beobachtung und Untersuchung geeigneten Grösse dieser Eier konnte jener Vorgang der Aufmerksamkeit nicht lange entgehen; aus der Art und Weise, wie er untersucht wurde, lässt sich die Untersuchungsmethode bei allen übrigen Vorgängen erkennen, aus der Be- achtung, die er fand, spricht das geringere oder grössere Bedürfniss, die Be- obachtungen für eine allgemeinere Auffassung zu verwerthen. Die ersten Forscher begnügten sich mit der Beobachtung des unberührten Eies, da die Neuheit der äussern Erscheinung ihre Wissbegierde vollständig in Anspruch nahm; ihre Nachfolger suchten bereits den Zusammenhang der äussern Ver- änderungen im Innern des Eies zu verfolgen; die weitern Kenntnisse regten endlich die Frage nach der Bedeutung der Vorgänge an, überall aber entwickelte sich die ganze Lehre von der Entwickelung der Batrachier zugleich mit der GOETTE, Entwickelungsgeschichte. F 66 II. Die Dottertheilung. zunehmenden Vollkommenheit der Beobachtung und der sich stetig läuternden Auffassung der Dottertheilung. Ich werde bei der Vergleichung aller einschlägigen Untersuchungen zuerst nur die einfachen Beobachtungen, in zweiter Reihe erst die verschiedenen Auf- fassungen anführen. — Was nun zuerst das Aeusserliche betrifit, so wurden zwei Typen des äussern, das Ei überziehenden Furchennetzes bekannt: nach Pr£vostr und Dumas sollte es stets quadratische Maschen besitzen, nach v. BAER und REmar würde die zierliche Zeichnung nur durch Meridian- und Breitenkreise entworfen. ScHULTZE (Nr. 52 8. 7. 8) löste den Widerspruch, indem er zeigte, dass sowohl beide Formen durch Verschiebungen und Gestalt- veränderungen der einzelnen Dotterstücke in einander übergehen, als auch von Anfang an bald die eine, bald die andere ausschliesslich sich entwickeln könne. In der That wäre es bei den gegenwärtigen Kenntnissen von den Ursachen der Furchen und Theilungen wunderbar, wenn die Bewegungen der Centraltheile auch nur während der ersten Theilungen in absoluter Regelmässigkeit vor sich gingen. — Die Beobachtungen von Pr£vost und Dumas über die ersten Ent- wickelungsvorgänge des Eies gehen über das Bild der vergänglichen Furchen nicht hinaus; Ruscoxı machte aber schon einen Fortschritt, indem er nachwies, dass die Furchen bloss der äussere Ausdruck einer vollständigen Theilung des Dotters seien, und die Ursache der letzteren in einer innern Entwickelung ver- muthete, welche er in den centralen Höhlen der Dotterstücke angedeutet fand. v. BAER vermochte trotz seiner geistvollen Auffassungsweise diese Thatsachen nicht zu vermehren; seine Nachfolger dagegen suchten um so mehr die Einzel- heiten der Theilung und die Natur der Theilstücke zu erforschen, als nach der inzwischen erfolgten Entdeckung SchwAnns der ganze Vorgang als Vorläufer der Embryonalentwickelung an Bedeutung und Interesse wesentlich gewonnen hatte. — Was nun den „Furchungsprocess“ selbst betrifft, so folgen BERGMANN, ÜRAMER, KÖLLIKER, REMAK, SCHULTZE und v. BAMBECKE im allgemeinen der schon v. BAER und Ruscoxt vorgetragenen Ansicht, dass die mit den Furchen beginnende Einschnürung des Dotters so lange von aussen nach innen fort- schreite, bis seine Kontinuität in der Einschnürungsebene vollständig aufge- hoben sei; Remak schreibt diese Abschnürung einer besonderen in den be- treffenden Dottertheil koncentrisch hineinwachsenden Membran zu, welche KÖLLIKER und ScHuLtze ganz bestimmt läugnen. Ich habe nun gezeigt, dass diese gegenwärtig wohl allgemein verbreitete Ansicht, dass der Dotter sich II. Die Dottertheilung. 67 durch Ein- und Abschnürung theile*, eine irrige sei; die Furchen zeigen nur an, dass das Theilungsbestreben von innen bis an die Oberfläche gedrungen ist, entstehen, wie sich weiterhin ergeben wird, dadurch, dass die zähe Dotter- substanz der wirklichen Trennung anfangs widersteht und vergehen wieder, sobald die letztere wirklich eingetreten ist. Insofern sind die Furchen aller- dings vergängliche Erscheinungen und nicht die Ausgangsstellen der Dotter- theilung**. Ich brauche aber kaum hinzuzufügen, dass die damit ausge- sprochene Uebereinstimmung mit den ähnlichen negativen Resultaten von REICHERT und Vosr meine Darstellung der thatsächlichen Verhältnisse der- jenigen dieser Forscher dennoch um nichts näher bringt. REeıcHErr’s irrige Auffassung habe ich bereits kurz gekennzeichnet; sie entsprang, wenigstens für das Batrachierei, nicht so sehr eingehenden, zusammenhängenden Beobach- tungen, als einem Ueberwiegen der Reflexion, welche die einzelnen Erscheinungen zu einem Gesammtbilde gleichsam zusammensuchte. Vor endlich geht auf den Standpunkt von Pr£vost und Dumas zurück, nur dass er die Dotter- theilung, welche Jene gar nicht kannten, überhaupt in Abrede stellt. — Grösser als bei der Erforschung der Dottertheilung selbst war die Ausbeute meiner Vorgänger in der Untersuchung der innern Zustände des Dotters während jener Entwickelung. BERGMANN entdeckte, wie es scheint ohne Kenntniss der Ruscoxtschen Beobachtung über die innern Höhlen der Dotterstücke, an letzteren helle Flecke, welche er als den Ausdruck zellenkernartiger Gebilde nachweisen konnte. Diese Körperchen erklärte er nach dem Vorgange Vogr’s für die im befruchteten Eie zerstreuten Keimflecke, welche während der Dottertheilung allmählich in den Dotterstücken vertheilt würden. Daneben erwähnte er übrigens auch die Möglichkeit, dass jene Kerne der Dotterstücke durch fortgesetzte Theilung aus einem einzigen hervorgingen. Diese letztere Auffassung, welche zuerst durch Untersuchungen über die Dottertheilung in Eiern niederer Thiere*** hervorgerufen war, machte KÖLLIKER auch für die Batrachiereier geltend, da er in denselben eine Kernvermehrung durch eine ‚endogene“ Bildung je zweier Kerne in einem vorherbestandenen zu beobachten glaubte. Ein besonderes Verdienst KöÖLLIKER’s sehe ich aber darin, dass er * Vgl. KÖLLIKER, Handbuch der Gewebelehre des Menschen 5. Auflage 1867 Seite 26. 27. ** Desshalb muss ich auch die Ausdrücke „Furchungsprocess, Furchungskugeln oder -zellen“ u. s. w. für die Dottertheilung, Dotterstücke u. s. w. als durchaus unpassende aufgeben. *** Vgl. BaGGE, Dissertatio inauguralis de evolutione strongyli auricularis 1841. n* 2 68 II. Die Dottertheilung. diese Vermehrung seiner Kerne zur Erklärung der Dottertheilung heranzog. Daraus, dass die erstere der Dottertheilung vorausgehe, und jedes neuentstan- dene Dotterstück je einen Kern enthalte, schloss er auf einen kausalen Zu- sammenhang beider Vorgänge, sodass jeder neugebildete Kern die Absonderung der ihn umgebenden Dottermasse von den Wirkungskreisen der andern Kerne bestimmte. — Da REıcHErT und Vogr von einer Dottertheilung überhaupt nichts wissen wollen, so passen auch ihre Mittheilungen über die innern Ver- änderungen des Dotters vor dem Auftreten der Embryonalanlage nicht recht in die Entwickelungsgeschichte der in Rede stehenden Lehre; ich verweise daher auf die im Anfange dieses Abschnitts gegebene Uebersicht jener Mittheilungen. Wenn CRAMER es Jedem, der mit der betreffenden Literatur vertraut ist, zu beurtheilen überlässt, worin seine Darstellung von derjenigen seiner Vorgänger abweiche (Nr. 34 S. 34), so muss ich mich dahin aussprechen, dass er, abge- sehen von der Deutung des Beobachteten, nichts vorbrachte, was nicht schon von BERGMANN, REICHERT und Vogr mitgetheilt worden war, dagegen Köruıker’s Arbeiten gar nicht kannte. Remar gelang es, die Theilung der in den Dotterstücken enthaltenen hellen Flecke, nach seiner Ansicht also der Kerne, thatsächlich selbst am lebenden Eie und zwar, wie es schon KÖLLIKER behauptete, als eine beständig der Dottertheilung vorausgehende Erscheinung zu beobachten; über den Kausalzusammenhang beider Erscheinungen sprach er sich nicht aus. Gleich KöLuıker machte REmAK seine Beobachtungen zu- nächst an den kleinen Dotterstücken, und es galt nun, die schwierige Frage, welche auch KöLuiker mit Stillschweigen übergangen, nämlich die nach dem Ursprunge der frühern Kerne zu lösen. ReMmar leitet alle Kerne von einer weiten Höhle ab, welche durch Theilung nach dem bekannten Schema in immer kleinere übergehe; diese bekämen endlich eine Membran und würden dadurch zu den bekannten Kernen. Jene erste Höhle, welche von einer grauen Masse umgeben sei, hält Remax für den frühern Aufenthaltsort des Keimbläschens, welchen schon v. Baer irrthümlicherweise nebst einem davon ausgehenden und am obern Pole ausmündenden Kanale im befruchteten Eie bestehen liess. Wenn ich die Masse von der Höhle des Keimbläschens (bis 500 « breit) und von meinem ersten Lebenskeim (30 „ breit) vergleiche, wenn ich jene Höhle bereits im Eierstocke verschwinden, den Lebenskeim aber erst einige Zeit nach der Befruchtung als solide Masse erscheinen sehe; kurz — wenn ich alle meine Beobachtungen mit denen REemar’s vergleiche, so darf ich wohl behaupten, dass er sich arg getäuscht und weder die ersten Lebenskeime, noch ihren Uebergang II. Die Dottertheilung. 69 in die spätern gesehen habe. Wenn ich aber einem Forscher den Vorwurf mache, dass er Höhlen, welche dem blossen Auge sichtbar sein müssten, an Stellen be- schreibt, wo sich nur eine solide Masse befindet, so glaube ich die Pflicht zu haben, Alles, was zur Erklärung eines so auffallenden Irrthums dienen kann, mitzutheilen. Spaltet man, sowie es REmARX offenbar that, die gehärteten Eier und betrachtet die Hälften oder kleinern Theile bei 15—20facher Vergrösse- rung und auffallendem Lichte (vgl. Nr. 40 S. XXVIH. XXIX), so lassen sich allerdings so zarte Gebilde, wie die ersten Lebenskeime, nicht erkennen, aber man kann an ihrer Stelle unter Umständen scheinbar regelmässige und doch durch die Präparation hervorgebrachte weite Höhlen sehen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, wie der von mir sogenannte Dotterkern an erhärteten Eiern leicht herausfällt; er hat auch ziemlich genau die Grösse von der Höhle des Keimbläschens und liegt bald im Centrum, bald in der Nähe desselben oder endlich unter dem oberen Pole, was durchaus damit übereinstimmt, was REmak von der ersten Kernhöhle aussagt (Nr. 40 S. 137). Während der ersten Thei- lungen der Lebenskeime sind dielben von grösseren Höfen feinkörniger heller Masse umgeben als später; indem diese Höfe bei der Präparation sich von der übrigen Dottermasse ablösen und entweder ebenso wie der Dotterkern mit den eingeschlossenen Keimen herausfallen oder geschrumpft zur Seite gedrängt wer- den, lassen sie einfache oder doppelte aber kleinere Höhlen als die erste zurück, was wiederum durchaus der Beschreibung REmar’s entspricht (Tafel IT Fig. 26. 27). Endlich verweise ich auch noch auf die von mir beschriebenen dunklen Ringe, welche an Durchschnitten die Lebenskeime und ihre Höfe umkreisen und nach REmAR unmittelbar dieHöhlen begrenzen sollen (Kernmasse —- Rzmak). Nach diesen Vergleichen scheint es mir unzweifelhaft, dass REmar jene künstlichen Höhlen für den Ursprung der Kerne gehalten hat. Jedenfalls sah er die Lebens- keime nicht, und ich kann noch hinzufügen, dass er die centralen Gebilde der Dotterstücke auch in den späteren Stadien falsch gedeutet hat. Die helle Flecke, welche man am unversehrten oder am aufgebrochenen gehärteten Eie sieht, entsprechen nicht den Lebenskeimen oder den sie später vertretenden Kern- keimen allein, sondern diesen sammt der feinkörnigen hellen Umgebung; RemAR kennt diese Höfe nicht, giebt aber die Grösse seiner Flecke oder Kerne auf t/s, Linien—=28y. und darüber an (Nr. 40 S. 135), während meine Messungen dieselbe Grösse für dieHöfe, für dieKernkeimmassen aber höchstens 181. ergeben. Dagegen nimmt er später (auf der achten Furchungsstufe) in seinen Kernen je 1 oder 2 Kernkörperchen wahr, zu einer Zeit, wo die losen oder schon kom- 70 II. Die Dottertheilung. pakten Massen der Kernkeime die Stelle der Lebenskeime einnehmen. Meiner Ansicht nach hat also Remax die sich entwickelnden Kerne erst ziemlich spät (auf der achten Stufe) zu Gesicht bekommen und für Kernkörperchen, dagegen die hellen um dieselben gelegenen Höfe für die eigentlichen Kerne gehalten. Erst in jenen Stadien der Dottertheilung, wo die Höfe verschwinden, konnte Remax die Kernkeimmassen als unmittelbare Vorläufer der späteren Zellen- kerne erkennen; er beschreibt diese Massen als Bläschen, welche mit einigen oder mehren Körperchen angefüllt waren. Da dieser, wie aus meiner Beschrei- bung hervorgeht, einigermaassen richtige Befund in REMmAR’s vorher erworbene Ansicht von den Kernen nicht hineinpasste, so erklärte er ihn folgendermassen. Die Kerne seien in mehrfacher Theilung durch die einschnürende Membran be- griffen gewesen, aber durch die angewandten Mittel die letztere aus den Fur- chen oder Spalten _herausgezogen worden; so entstehe das Bild der in einen gemeinsamen Raum eingeschlossenen kleinen Körperchen (Nr. 40 S. 138. 139). Noch hat aber niemand ein kleines Dotterstück — denn um solche kann es sich nur handeln — mit sechs und mehr auseinandergetretenen Kernen oder gar in der beginnenden Theilung in sechs und mehr Stücke gesehen. Jene Aunahme Remar’s hat also durchaus keinen Boden; was er für die Theilstücke des Kernes genommen, sind nur die von mir beschriebenen noch unverschmolzenen Kern- keime. So kann ich denn meine Kritik der Beobachtungen dieses Forschers über die Kerne während der Dottertheilung damit schliessen, dass er die einzigen kernartigen Theile der Dotterstücke, nämlich zuerst die Lebenskeime, später die Haufen von Kernkeimen nirgends als solche erkannte, und erst gegen das Ende jenes Vorgangs die Massen der Kernkeime wahrnahm, aber auch dort in Rücksicht auf seine irrigen Voraussetzungen das ganz naturgemässe Detail für ein Kunstprodukt erklären musste. — Es liegt nun durchaus kein Grund zur Annahme vor, dass die Vorgänger REmAR’S: BERGMANN, KÖLLIKER, ÜRAMER inihren viel beschränkteren Untersuchungen glücklicher gewesen wären, als jener Forscher: für sie alle sind die äusserlich durchscheinenden Flecke das Bild wirklicher Kerne, deren Ursprung sie nicht kennen und welche sie irrthüm- licherweise einfach in die Zellenkerne übergehen lassen. Namentlich hatte KöLuıker in Missdeutung und Verwechselung der Lebens- und Kernkeime schon vor REmAkX dieendogene Vermehrung der Kerne und Kernkörperchen der „Fur- chungskugeln“ gelehrt. Und seit Remar’s Zeft hat sich in der Sache nichts ge- ändert. Ich brauche nur auf die schon citirte Stelle aus KöLuiker's Entwicke- lungsgeschichte zu verweisen, um klar zu stellen, dass seine gleichfalls ange- II. Die Dottertheilung. 71 führte Darstellung der Dottertheilung nur eine schematische Aufzeichnung ist, welche für die Wirbelthiere nur den analogen, aber auch noch nicht genügend erforschten Vorgängen in den Eiern niederer Thiere entnommen ist. — Doch darf ich v. BAMBECKE nicht unerwähnt lassen, da er der einzige Forscher ist, welcher vor mir einen ersten Kern im befruchteten Batrachierei gesehen haben will. Wenn man aber überlegt, dass er denselben mit der Höhle des Keimbläs- chens vergleicht (Nr. 63 S. 21) und neuerdings ihm jeden Antheil an der Dotter- theilung abspricht, weil er ausserhalb, zur Seite der Furchungsebene liege (Nr. 718. 64), endlich die Möglichkeit erwähnt, die eigentlichen nuclei der Dotterstücke von ganz anderen Bildungen abzuleiten (Nr. 71 8. 70), so dart ich annehmen, dass die von v. BAMBECKE beschriebenen hellen Kerne allenfalls meinem Dotterkerne, aber durchaus nicht meinem ersten Lebenskeime ent- sprechen. Ich schliesse nun die Vergleichung der von meinen Vorgängern und von mir über die Dottertheilung mitgetheilten Beobachtungen und wende mich zu den allgemeineren Betrachtungen, welche jene merkwürdige Erscheinung her- vorrief. — Alle Embryologen von Ruscoxı an (mit Ausnahme von REICHERT) stimmen darin überein, dass die letzten Produkte der Dottertheilung die Ele- mentartheile für den künftigen Organismus, dessen Organe und Gewebe seien ; seit Schwann in jenen Elementen Zellen kennen lehrte, entstand aber die wei- tere Frage, wann und wodurch die Dottertheile den Zellencharakter erlangen. Es ist natürlich, dass gleich nach dem Bekanntwerden der ScHhwann’schen Theorie, welche in der Bildungsgeschichte der Zellen die formale Arbeit, die Herstellung der für integrirend gehaltenen Formenbestandtheile einer Zelle be- tonte, auch die Dottertheilung von demselben Gesichtspunkte aus beurtheilt wurde. BERGMANN, VoGT* und CRAMER sehen daher die Bedeutung der letz- teren darin, dass die gleich anfangs für eine grosse Anzahl von Zellen fertig gegebenen Bestandtheile, nämlich die Dotterkugel und die Kerne** oder Keim- * Vosr kann man immerhin neben BERGMANN und CRAMER stellen, wenn man an- nimmt, dass er die spätere Fortsetzung der Dottertheilung übersehen hat; wie denn auch schon BERGMANN ausspricht , dass „Vogrs Dotterzellenbildung durchaus nichts als eine Spaltung mit Verdichtung der Grenzflächen ist“ (Nr. 27 S. 99). REIcHERT dagegen kann ich hier nicht wohl berücksichtigen; denn nach seiner Ansicht entstehen die bleibenden Embryo- nalzellen erstnachdem der Furchungsprocess, der nur momentan bestehende Zellen erzeuge, sein Ende gefunden. ** Wenn auch BEerGmann die Identität der hellen Körper in den Dotterstücken und der Kerne in den Embryonalzellen anfangs bezweifelte, so gab er sie doch später im wesentlichen zu, nachdem er erkanntzuhaben glaubte, dass jene Körper die Rolle vonZellenkernen spielten. 72 II. Die Dottertheilung. flecke auf eine wunderbare Weise so vertheilt und angeordnet würden, dass endlich jeder Kern in eine besondere Dotterportion gelange. So äussert BERGMANN: „So möchten also die Keimflecke, wo sie mehrfach vorhanden sind, nach der Befruchtung die Metamorphose des Dotters einleiten, indem sie sich darin verbreiten, die Spaltung bewirken, welche fortschreitend in deutlicher Zellen- bildung endigt. Die erst entstandenen Theile müssen mehrere Kerne enthalten, die späteren immer weniger, zuletzt müssen Kerne nachgebildet werden.“ (Nr.27. S. 94). Wie nun BERGMANN jene hypothetische Wirkung sich vorstellt, wie die zahlreichen im Dotter regellos zerstreuten Kerne eine fortlaufende Halbirung der ganzen Masse hervorrufen sollen, sodass zuletzt jedes Stück richtig seinen eige- nen Kern hat, bleibt durchaus räthselhaft. Wenn die Kerne die Fähigkeit be- sässen, die sie umgebende Masse zu einer Zelle zu gruppiren, zusammenzuziehen („Bildung um ein Vorhandenes, welches dadurch Zelleninhalt wird“), so müsste der Dotter von Anfang an in einkernige Stücke zerfallen. — Dieser Schwierig- keit der Vorstellung glauben Vogt und CRAMER durch eine scheinbar unbe- fangenere Anschauung zu entgehen. Nach Vocr erwirbt der Dotter nach vor- ausgegangener Furchung die Eigenschaft, Bläschen, eben die Zellen, zu bilden, welche bei ihrer Entstehung einen oder einige von den zerstreuten Keimflecken einschliessen können; ist dies zufälligerweise nicht geschehen, so wird ein Kern nachgebildet. CRAMER lässt die Dotterkugel nach der Befruchtung eine eigene Membran bilden und dadurch zu einer Zelle werden, welche die Bestandtheile zu Hunderten von anderen Zellen in sich beherbergt und eigentlich nur daraus besteht. Die wohlgeordnete Vertheilung dieses Inhalts in eine Menge gleich- artiger Zellen mit je einem Kerne überlässt Cramer dem als Thatsache aller- dings feststehenden Process der Dotterzerklüftung. Scheinbar also halten sich Vogr und Cramer nur an Thatsachen, ohne zu deren Erklärung sich in Hypo- thesen zu verlieren; sie geben scheinbar nur das Beobachtete wieder, wobei der eventuelle Irrthum den Anspruch einer objektiven Forschung nicht beeinträch- tigen sollte. Dies beruht aber auf einer Täuschung. Denn die Beobachtungen in der Entwickelungsgeschichte verhalten sich wesentlich anders, als in den ana- tomischen Disciplinen. In der Entwickelungsgeschichte gilt die einzelne Wahr- nehmung an sich gar nichts, sondern nur als Glied im ununterbrochenen Kausal- zusammenhange des Vorhergehenden und Nachfolgenden; jedes Resultat ist dort eine Kombination von Wahrnehmungen, und an die unkritische Zusammen- stellung unsicherer Thatsachen ist unter allen Umständen die Hypothese ihres Zusammenhanges geknüpft, sodass ein solches Verfahren um nichts entschuld- II. Die Dottertheilung. 13 barer ist, als ein ungenügend, auf blosse Voraussetzungen gegründeter Schluss. Wenn z. B. BERGMANN sich dieses letzteren Fehlers schuldig machte, indem er die Dottertheilung von den zerstreuten Keimflecken abhängen lässt, ohne dass irgend ein Zeichen dafür spräche, so ist die Beobachtungsweise Vocrs nicht exakter, welcher die im Fluge* gesammelten Beobachtungen, wenn sie einander und andern Erfahrungen noch so sehr widersprachen, gar nicht in Zusammen- hang zu bringen sucht, sondern ohne nähere Prüfung als Thatsachen hinstellt, für deren Erklärung die Natur verantwortlich gemacht wird. — Einen wesent- lichen Fortschritt in der Deutung der Dottertheilung bekunden die Darstellungen REMAR’S, KÖLLIKER’S und SCHULTZE’S, besonders da sie sich auf bessere Beob- achtungen stützen. Mochte ihre Anschauung auch im wichtigeren Theile sich bloss auf Analogien stützen, im Einzelnen ungenau sein, so konnte doch mit Recht als Thatsache hingestellt werden, dass die Theilungen des Dotters von den vorausgehenden Theilungen der einzelnen Kerne, wofür die centralen Ge- bilde gehalten wurden, abhängig seien. Aber bei der weiteren Beurtheilung traten die Folgen der Ungenauigkeiten und Lücken der Untersuchung zu Tage: es wird schematisirt, die ersten Theilstücke des Dotters werden qualitativ den letzten, den Embryonalzellen gleichgestellt, und der ganze Process, gleichsam alles Wunderbaren entkleidet, erscheint zuletzt als eine einfache Zellenvermeh- rung durch fortschreitende Theilung (Nr. 48. S. 30. Nr. 52. S. 9). Dass die Dotterkugel vor dem Erscheinen der ersten Furche eine Zelle sein muss, ist unter solchen Umständen selbstverständlich; dies konnte aber um so weniger befremden, als das Ei schon ohnehin für eine Zelle galt, und dass ihr erster Kern, das Keimbläschen, einem andern Platz machte, wurde, wie es scheint, als eine untergeordnete Thatsache hingenommen **, Die Irrthümer dieser An- schauung mögen vielleicht an sich, d. h. insofern für Zellen erklärt wird, was * Vgl. Nr. 26 S. VI. ** HAECcKEL meint: „Wenn die von den meisten Embryologen noch gegenwärtig be- hauptete Thatsache wirklich richtig ist, dass in dem ersten Entwickelungsstadium des thie- rischen Eies gewöhnlich das Keimbläschen oder der Eikern nicht unmittelbar in die beiden Kerne der zwei ersten Furchungskugeln sich spaltet, sondern vielmehr in dem Plasma (Dot- ter) der Eizelle sich vorher auflöst, so wird diese letztere dadurch zur Cytode, und wenn sie durch Neubildung eines neuen Kernes im Plasma wiederum zur Zelle wird, so müssen wir diesen Vorgang zweifelsohne als eine „‚Entstehung einer Zelle aus einer Cytode durch Diffe- renzirung von Plasma und Kern“ ansehen“ (Nr. 100 Bd. II. S. 116. 117). Und neuerdings will derselbe Schriftsteller diesen seiner Ansicht nach noch immer unerwiesenen Vorgang, wenn er sich bestätigen sollte, als „Rückschlag der kernhaltigen Eizelle in das kernlose Cytoden- "stadium eines einfachen Moneres deuten“ (Nr. 101 8. 144). Zu solch unerhörten, alle Erfah- rung über den Haufen werfenden Behauptungen kann die Neigung zum Schematisiren führen 74 ll. Die Dottertheilung. diese Bezeichnung nicht verdient, nicht grösser und nicht schlimmer erscheinen als andere, die gelegentlich bemerkt und zurechtgestellt werden; ja es ist mög- lich, dass ich, meine Vorgänger kritisirend, meinen Nachfolgern die Gelegenheit zu ähnlichen Ausstellungen biete. Aber wichtig erscheint jene irrthümliche An- schauung in ihren Folgen; sie gab den Anstoss zu einer Reform der früheren Zellentheorie und ist noch heutigen Tages die Grundlage für die Lehre von der Neubildung und Fortpflanzung der Zelle, welche in der Zellentheilung zusam- menfallen sollen. Diese Rücksicht verlangte sowohl die genaueste Nachunter- suchung über den „Furchungsprocess“ als auch eine eingehende Kritik der Deu- tungen desselben. Ich komme hierbei zunächst auf einen Punkt zu sprechen, den ich bei meiner Definition der Zelle im vorigen Abschnitte ganz überging und weiterhin nur angedeutet habe. Ich meine die Art und Weise, wie die Zelle und ihr Leben von den Anatomen und Physiologen betrachtet wurde. Wiees vor SCHwAnN’s wichtigen Entdeckungen um die Histiologie aussah, ist bekannt. (vgl. HExLe allgemeine Anatomie, S. 121 und flg.). Anfangs suchte man die Einheit, welche das Gewirr der so sehr verschieden erscheinenden (rewebstheile zusammenfasste, nur in atomistischen Theorien. Aber je weniger Zusammenhang dieselben mit der Erfahrung hatten, desto mehr wandte sich die exakt sein wollende Forschuug von ihnen ab und verlangte Auskunft nur von der greifbaren Erscheinung. So sammelten sich denn die einzelnen Er- fahrungen über thierische Zellen an, bis es Schwan gelang, dieselben als die Grundlage aller Gewebe, als die eigentlichen Formelemente des ganzen Organis- mus nachzuweisen. Nun konnte die Empirie triumphiren, sie stand ganz auf eigenen Füssen, in einfachster Weise lösten sich die früheren Räthsel, indem die ganze Mannigfaltigkeit der Erscheinungen und Wirkungen im Organismus sich zurückführen liess auf die grosse Bildsamkeit eines höchst einfachen Elements, der Zelle. Die ganze ungeheure Arbeit, welche bis zum heutigen Tage sich an die Entdeckung SchwAnv’s knüpft, hat im Grunde nur das eine Ziel gehabt, die von jenem Forscher entworfene Skizze weiter auszuführen, die Form- und Lebenseinheit des Ganzen in einer solchen scheinbar leicht fassbaren Einheit der Theile zu finden. Aber sowie bei der Betrachtung der mannigfaltigen For- men und Wirkungen, welche in dem Organismus zu einem harmonischen Gan- zen verbunden erschienen, sich die Forderung herausstellte, ein einfachstes Ele- ment zu finden, so knüpfte sich an die Auflösung dieser Frage die weitere, wie finden sich diese zahllosen gleichartigen Elemente zusammen, worin liegt die Erklärung für ihr gemeinsames Wirken? — Ich brauche die Antwort kaum an- II. Die Dottertheilung. 15 zudeuten; sie war in der bezeichneten Entwickelung der Wissenschaft gleichsam schon vorgeschrieben. Was im einzelnen Theile galt, musste sich auch für das Ganze bestätigen, der Organismus musste aus einem greifbar Einfachsten, aus einer Zelle hervorgehen. ScHwAnn hatte schon die Vermuthung ausgesprochen, dass das Ei eine Zelle sei, und damit auf die Kontinuität der organischen For- men, des organischen Lebens hingewiesen. Aber er war zu unbefangen, um in der Theorie, welche von ihm erst ausging, schon Meister zu sein; es fiel ihm nicht ein, jene Kontinuität, welche er im grossen, für den ganzen Organismus anzunehmen geneigt war, auch für die Elemente des letzteren zu fordern ; seine Zellen entwickelten sich selbstständig aus formlosen, homogenen Grundsub- stanzen. Diese Ansicht entsprach aber durchaus nicht der Richtung, in welcher sich die Wissenschaft fortbewegte; sie musste aufgegeben werden, und ich wage es auszusprechen, dass, wenn REMAK, VIRCHOW und KÖLLIKER die genannte Kontinuitätauch für die einzelnen Zellen nachzuweisen nicht versucht hätten, ganz gewiss Andere sich dieser Arbeit unterzogen haben würden. Denn es wäre thöricht, läugnen zu wollen, dass auch die sogenannten exakten Wissenschaften eine eigenthümliche Entwickelungsgeschichte haben, welche nicht von dem ein- zelnen Forscher willkürlich bestimmt und abgeändert wird, sondern für jeden Zeitraum von dem vorausgegangenen ihre Richtung erhält, in welcher die Er- kenntniss gefördert, aber auch mancher gute Keim durch die beigesellten Irr- thümer einseitig verbildet wird. Die unfruchtbaren Phantasien, welche die Naturwissenschaft von jeder allgemeinen Auffassung zurückschreckten, riefen das Streben hervor, die Erkenntniss der individuellen Einheit, welche sich als Ganzes dem empirischen Griffe entzog, in den Theilen zu suchen. Die Zellen erschienen als die letzten organisirten Formelemente aller Körpertheile und als solche die eigentlichen und einzigen Träger jener formalen Einheit; und sollte dieselbe vollständig sein, so war der Nachweis unerlässlich, dass jene Elemente in unmittelbarem genetischen Zusammenhange standen, sowie alle Organisation in letzter Instanz nur auf solche zurückführbar erschien. Nun — Suchen und Finden gingen Hand in Hand und bald stand der Satz scheinbar unerschütter- lich fest: omnis cellula e cellula und konnte Remax jenen schon citirten Aus- spruch thun, „dass sämmtliche im entwickelten Zustande vorhandenen Zellen oder Aequivalente von Zellen durch eine fortschreitende Gliederung der Eizelle in morphologisch ähnliche Elemente entstehen, und dass die in einer embryo- nischen Organ-Anlage enthaltenen Zellen, so gering auch ihre Zahl sein mag, 16 II. Die Dottertheilung. dennoch die ausschliessliche, ungegliederte Anlage für sämmtliche Formbestand- theile der späteren Organe enthalten“ (Nr. 40 S. 140). So hatten die Schwierigkeiten, einen Organismus bloss aus dem Ganzen zu erklären, zur analytischen Methode geführt, welche durch die Schwaxx’sche Entdeckung in ihrer Berechtigung glänzend bestätigt, bald zur ausschliesslichen Herrschaft in Untersuchung und Anschauung kam. Denn wenn man im ganzen Organismus nur noch die Formelemente berücksichtigte, so musste für die letzteren die gleiche Anschauungsweise Platz greifen, die morphologische Auffassung einseitig überwiegen. Dies erhellt wohl am besten aus den Defini- tionen und aus der Art, wie dieselben verwerthet werden. Die Unterschiede, ob die Zellen als Bläschen mit Hülle, Inhalt und Kern (KöLLıker) oder als kern- haltige Protoplasmaklümpchen (M. ScHuttze) oder endlich die niedersten Or- ganismen als einfache Protoplasmaklümpchen (BRÜcKkE, HAECcKEL) bezeichnet werden, sind zunächst gleichgültig gegenüber der Thatsache, dass jene Begriffe alle gleicherweise bloss morphologischer Natur sind, sich nur auf die äussere Erscheinung, auf die Theile des Elementarorganismus oder, wo die Differen- zirvung ganz wegfällt, sich ebenso einseitig auf physikalische Merkmale seines Stoffes, eben des Protoplasmas beziehen. In einem rein anatomischen Hand- buche mögen jene Definitionen unter Umständen auch unangefochten stehen bleiben. Aber es fiel, offenbar unter dem Einflusse der herrschenden Ideen, all- mählich die Unterscheidung zwischen dem morphologisch - physikalischen Be- griffe und der allgemeinen Definition einer Zelle, eines Elementarorganismus ganz weg, und jener trat in alle Rechte der letzteren ein®. Ich habe bereits bei (der Betrachtung des unbefruchteten Eies ausgeführt, dass der direkte Nachweis des Lebens aus einem offenbaren Stoffwechsel nur dann erlassen werden kann, wenn bei der vollkommenen Uebereinstimmung der morphologischen und physi- kalischen Merkmale des betreffenden Körpers mit denen anerkannter Organis- men sein Leben nicht nur möglich erscheint, sondern die Annahme desselben durch wichtige Analogien, z. B. der Genese, der weiteren Entwickelung, gefordert wird. Nun entschieden sich aber die Embryologen bald nach der Einführung der Zellentheorie für die Zellennatur der aus der Dottertheilung hervorgehenden * Es ist mir nur eine einzige Ausnahme bekannt, wo der genannte Unterschied klar hervorgehoben wird. Leyvıs sagt in seinem „Lehrbuche der Histologie“ S. 9: „Zellen sind die kleinsten organischen Körper, welche eine wirksame Mitte besitzen, die alle Theile auf sich selber und ihr Bedürfniss bezieht.“ „Zum morphologischen Begriff einer Zelle gehört eine mehr oder minder weiche Substanz, ursprünglich der Kugelgestalt sich nähernd, die einen centralen Körper einschliesst, welcher Kern (Nucleus) heisst.‘ II. Die Dottertheilung. Al Dotterstücke, ohne nach irgend einer Lebenserscheinung zu fragen, bloss auf die oberflächlichste äussere Aehnlichkeit hin; den meisten von ihnen genügte schon der Nachweis einer Membran an jenen Dotterstücken, um sie für Zellen zu erklären (REICHERT, VOGT, CRAMER, REMAK, LEUCKART). Und später gab man sich durchaus nicht die Mühe, auch nur die Formbestandtheile der ver- meintlichen Zellen, soweit sie nur ganz ungenau oder gar nicht bekannt waren, wie die ersten „Kerne“, zu konstatiren. Die Zellennatur aller Dotterstücke musste ja eigentlich selbstverständlich sein, da sie offenbar aus protoplasmati- schem Stoffe bestanden. Gehört.aber wirklich zum Wesen eines Elementar- organismus nur eine gewisse Portion Protoplasma, dann kann allerdings auch dem unbefruchteten protoplasmatischen Dotter z. B. eines Batrachiereies die Bezeichnung eines Organismus nicht abgesprochen werden. Daran könnte man dann die Lebensgeschichte eines Protoplasmaklümpchens studiren: es entsteht und erscheint als ein von einer Drüse abgesonderter ungeformter und unorgani- sirter Stoff, wächst durch Apposition und sobald diese aufhört, geht es unter allen Umständen im Eierstocke oder im Wasser in Zersetzung über. Dies wäre also ein Organismus, der niemals eine Lebenserscheinung äussert; und folge- richtig wäre zwischen der Zersetzung eines solchen Dotterprotoplasmas und der Entwickelung des befruchteten nur ein gradueller Unterschied, d.h. der bisher bestandene Begriff des Lebens wäre fernerhin nicht nur überflüssig, son- dern nicht einmal statthaft. — Ich glaube, dass die Unfähigkeit des morpholo- gischen Begriffes, eine allgemeine Definition zu vertreten, aus den beispielsweise angeführten Konsequenzen genügend erhellt, und dass ich daher berechtigt bin, die Beweise für die Zellennatur des befruchteten Dotters im Ganzen und in sei- nen Theilstücken für ungenügend zu erklären. In Folgendem will ich aber zu erläutern versuchen, zu welchen Ansichten ich bei der Betrachtung des sich theilenden Dotters gekommen bin. Für die Dottermasse des befruchteten Eies gilt dasselbe, was ich schon für diejenige des unbefruchteten Eies nachwies, dass dieselbe weder zum Theil noch im ganzen eine Zelle, ein lebendiger Organismus sei. Allerdings ist die erstere durch die Befruchtung entwickelungsfähig geworden, hat die Bedingungen ge- wonnen, um nach einer Reihe von Umbildungen Lebensformen in sich zu erzeu- gen und endlich ganz in solche überzugehen. Aber bevor dieses Ziel erreicht ist und zunächst während der Dottertheilung sind sowohl die ganze Dotter- kugel als die einzelnen Dotterstücke leblose Uebergangsstufen von dem unorga- nisirten Stoffe zu einem wirklichen Organismus. Dieses lässt sich am einfach- 78 II. Die Dottertheilung. sten durch den Mangel einer Ernährung des Dotters erweisen. Freilich suchte schon v. Baer die Thatsache, dass die Dotterkugel während ihrer Zerklüftung an Umfang zunimmt, aus einer Art von Ernährung derselben zu erklären. Nach- dem aber bereits Rusconı nachgewiesen, was ich bestätigen kann, dass die von ihren Gallerthüllen entblössten Froscheier in destillirtem Wasser sich ungestört entwickeln (Nr. 23 S. 191), so scheint es mir unnöthig noch weiter nach Bewei- sen gegen die Ernährung des sich entwickelnden Dotters zu suchen. Die Zu- nahme seines Volumens erklärt sich aber theilweise aus der Aufsaugung von Wasser in die Dottermasse selbst, theils aus der Bildung von mit Flüssigkeit gefüllten Räumen zwischen den Dotterstücken (die Zerklüftungsspalten und die Keimhöhle). Wenn also den ganzen Dotterstücken eine Ernährung abgesprochen werden muss, so dürfte von einem Leben derselben nicht mehr die Rede sein. Die mit ihrer Selbsttheilung verbundenen Bewegungserscheinungen sind freilich aus einem Lebensakte des Protoplasmas erklärt worden (Nr. 79 S. 41); aber sobald der Mangel eines Stoffwechsels nachgewiesen ist, so erscheint die Kon- traktilität des Dotters als dieselbe physikalische Eigenschaft, wie sie vielen an- organischen und organischen Körpern zukommt und bei gewissen Reizen (Wärme, Feuchtigkeit, Elektricität etc.) sich äussert, ohne die materielle Zusammen- setzung der Körper zu verändern. Ich glaube zudem auf eine rein mechanische Erklärung jener Zusammenziehungen des Dotters um so mehr Gewicht legen zu müssen, als eine solche mit allen betreffenden Beobachtungen durchaus im Einklange steht, während dagegen die einzige sicher und genau zu erforschende lebendige Selbsttheilung, nämlich an den Zellenkernen, wie ich weiterhin zeigen werde, weder mit dem Typus der Dottertheilung übereinstimmt, noch jene Er- klärung zulässt. — Allerdings hat schon KÖLLILER auf die Attraktionskraft der Kerne der Furchungskugeln hingewiesen, nachdem er die Abhängigkeit der Dottertheilung von derjenigen jener Kerne richtig erkannt hatte (Nr. 33 S. 20). Aber vielleicht mit Rücksicht darauf, dass der unmittelbare Zusammenhang zwischen einer solchen Anziehung und der von ihm beobachteten ringförmigen, nach innen fortschreitenden Ein- und Abschnürung durchaus unerklärlich bleiben muss, hat KöLuıker neuerdings erklärt: „Unter dieser Anziehung ist natürlich nicht eine Massenanziehung zu verstehen, sondern molekuläre Wir- kungen, wie sie durch chemische und physikalische Kräfte zu Stande kommen“, und wirft im Hinblicke auf die Bewegungserscheinungen der Zellen und nament- lich der Furchungskugeln die Frage auf, „ob nicht gerade solche Zusammen- ziehungen bei der Zellentheilung die Hauptrolle spielen, als deren Anreger die II. Die Dottertheilung. 79 Kerne anzusehen wären“ (Nr. 79 S. 27). Wenn ich dazu noch berücksichtige, dass KÖLLIKER eben jene Bewegungserscheinungen als „animale Funktionen der Zelle“ bezeichnet (Nr. 79. S. 41), so möchte ich nicht behaupten, dass er mit der Einführung der Anziehungskraft eine mechanische Erklärung der Dotter- theilung hat geben wollen. Wenn ich ihn recht verstehe, so betont er eben nur den schon früher entwickelten Kausalzusammenhang zwischen der Theilung der „Kerne“ und der ganzen Stücke und kommt mit jenen Umschreibungen im wesentlichen auf seinen früheren Standpunkt zurück, dass er sich des Aus- drucks „Anziehungskraft“ bediene, weil ihm jede andere Vorstellung über die eigentlichen Wirkungen der Kerne fehle (Nr. 33 8. 20). Ich erkläre mir die Theilung der nicht organisirten Dottersubstanz folgen- dermaassen. Wenn bei der Theilung einer solchen Masse von aussen wirkende Kräfte als nächste Ursachen ausgeschlossen werden müssen, so stand nach der bisher üblichen Anschauung nur die Annahme innerer Anziehungskräfte frei, welche die Absonderung der ihnen folgenden Theile von den übrigen bewirkten. Da ich zuerst nur den Mechanismus der Theilungen der ganzen Dotterstücke untersuchen will, so werde ich jenen Ausdruck einer centralen Anziehungskraft bis zu einer weiteren Erklärung in dem Sinne beibehalten, dass das ganze Wesen jener Centren auf die umgebenden Massen in einer Weise wirkt, welche in dem Bilde einer Anziehung am deutlichsten veranschaulicht wird. Einen wirklichen Begriff können wir aber mit jenem Ausdruck erst verbinden, wenn es uns ge- lingt, bestimmte Träger der Anziehungskraft nachzuweisen. Bei der Selbstthei- lung des Dotters ist uns dies möglich; es geht ihr stets eine Theilung kernartiger (Gebilde voraus, sodass für jeden neuentstehenden Theil ein besonderes Anzie- hungscentrum vorhanden ist, welches nach der gewöhnlichen Auffassung nach allen Seiten gleichmässig wirken soll. Bei einer solchen Vorstellung von den Ursachen der Selbsttheilung muss eine Kugel, in welcher zwei Anziehungscen- tren entstanden, sich in zwei Kugeln verwandeln, indem die jedem Centrum ent- sprechende Halbkugel das Bestreben haben wird, sich um jenes gleichmässig anzuordnen. Dies müsste also bei der Dottertheilung auch eintreten und ge- schieht auch thatsächlich bei denjenigen Eiern, welche nicht durch eine zu knappe Dotterhaut daran gehindert werden, z. B. an Säugethiereiern; wenn die Dotterhaut aber die Entfaltung dieser Formen hindert, wie bei den Batrachier- eiern, so lässt sich doch das unterdrückte Streben daran erkennen, dass die aus der Theilung hervorgegangenen Kugelausschnitte, sobald sie bei zunehmender Konsistenz ihrer Masse aus dem Eieisolirt und dadurch vom einengenden Drucke 80 II. Die Dottertheilung. befreit werden können, ihre eckige Form verlieren und nahezu kugelig werden. —- Ueberlegen wir ferner, wie die Trennung der Hälften nach jener ersten An- nahme erfolgen müsse. In der ganzen Fläche, in der die Halbkugeln noch zu- sammenhängen, kann man sich jeden Punkt von zwei verschiedenen Zugkräften angegriffen denken, deren Richtungen in der Verbindungslinie der Anziehungs- punkte gerade entgegengesetzt sind, von dort aus zur Peripherie hin in immer kleineren Winkeln zusammenstossen. Ausserdem muss, sobald die Anziehung be- gonnen hat, die Wirkung um so früher, weil um so stärker auftreten, je kürzer die Anziehungsradien sind. Ist der Zusammenhang in der Trennungsfläche ein unbedeutender, so wird nach der aufgestellten Lehre zuerst mitten zwischen den Anziehungspunkten eine wirkliche Trennung entstehen und gegen die Peri- pherie fortschreitend zugleich an Weite zunehmen. Ist aber der zu theilende Stoff ein zäher, so werden die von den Änziehungscentren am weitesten ent- fernten Punkte der Trennung am längsten widerstehen, aber unterdessen durch die zwei unter einem Winkel gemeinsam angreifenden Zugkräfte in der Diago- nale des Kräfteparallelogramms, also in der Theilungsebene gegen das Innere der Kugel fortbewegt werden, wodurch natürlich eine äussere Einschnürung des sich theilenden Körpers entsteht, welche so lange fortdauert, bis sie mit der von innen kommenden Trennung zusammentrifft. In den Dotterkugeln der Ba- trachiereier sind nun beide Fälle vereinigt; die Dotterkörner und -plättchen haben unter sich keinen Zusammenhang, die Grundsubstanz ist aber ein zäher Stoff. Machen wir nun die Anwendung des eben bestimmten Gesetzes auf die Vorgänge der Dottertheilung, so ergeben sich wirklich die beobachteten That- sachen. Zuerst entsteht eine Scheidung der festen Dottertheilchen in der Thei- lungsebene und dann die äussere, dieser Ebene entsprechende Furche, ganz zuletzt die wirkliche Trennung. Jene erste Scheidung wird durch den beschriebenen hellen Streifen bezeichnet, welcher offenbar die von denfesten Theilchen verlassene Grund- masse des Dotters darstellt, welche der Trennung noch widersteht; ist die letztere erfolgt, dann verschwindetauch der Streifen, d. h. jene zähe durchsichtige Grund- masse vermischt sich wieder mit den festen Theilchen in der früheren Weise. Die endliche Trennung wird durch eine dunkle Linie in jenem hellen Streifen angedeutet; sie entsteht aber nicht plötzlich, sondern zuerst zeigen sich isolirte dunkle Punkte, welche erst allmählich zu einer scharfen kontinuirlichen Linie verschmelzen. Dass diese aber einer wirklichen Trennung entspricht, sieht man deutlich während der folgenden Dottertheilungen, wobei die einander berührenden Flächen auf Momente auseinandergezogen werden und nachdem die Ursachen II. Die Dottertheilung. 81 der klaffenden Spalte verschwanden, wieder so zusammenfallen, dass im Durch- schnitte jene Linie erscheint. — Aber wir können beim Batrachierei noch eine besondere Anwendung des Gesetzes von der Wirkung der Anziehungskräfte machen. Die Anziehungscentren liegen nämlich nicht symmetrisch zwischen beiden Polen, sondern dem obern viel näher, und die theoretisch festzustellenden Folgen dieser Abänderung decken sich abermals genau mit den Thatsachen. Die Scheidung und die Trennung müssen beide den oberen Pol früher erreichen als den unteren und die Einschnürung dort früher und ausgeprägter erscheinen als unten. Dies gilt für die sogenannten Meridionaltheilungen. Bei der äquato- rialen liegt die Trennungsebene horizontal zwischen den Polen und der Kern, das Anziehungscentrum, der inneren Fläche des zu theilenden Stückes näher als der äusseren ; daher beginnt die Einschnürung an der ersteren und setzt sich erst nachträglich und schwächer auf die äussere Oberfläche fort. — Bei dieser rein mechanischen Auffassung der Dottertheilung scheint mir auch das Verhal- ten der Furchen, ihr allmähliches Verstreichen, sobald die Trennung sich voll- zogen hat, nicht ohne Bedeutung. Ich habe es ausgeführt, dass und wie die Ein- schnürungen nur die Folgen der Zähigkeit der Dottersubstanz, durchaus aber nicht der einfache Ausdruck der durch die vervielfältigten Anziehungscentren eingeleiteten Theilung sind. Sie werden durch die verzögerte Trennung erzeugt, indem der einer solchen noch widerstehende Stoff die festen Angriffspunkte bietet, an denen die Anziehungskraft in der angegebenen Weise wirken kann. Dadurch wird die Dottermasse jedenfalls etwas zusammengedrückt, was durch die über den Furchen, namentlich der ersten, zwischen Dotterhaut und Dotter sich bildenden Räume ausgesprochen ist. Verschwinden die festen Angriffs- punkte durch die erfolgte Trennung, so tritt die Elasticität der Dottersubstanz wieder in ihre Rechte: das zusammengedrückte Dotterstück dehnt sich zu dem früheren Volumen aus, und seine beiden Hälften füllen, da ihnen innerhalb der gespannten Dotterhaut der Raum zur Bildung von zwei Kugeln fehlt, wieder die Lage und Form des früheren ungetheilten Dotterstücks aus, sodass die Kugelform des ganzen Dotters immer wieder hergestellt wird. Auf diese Weise erscheinen die Einschnürungen des Dotters nicht als der unmittelbare Ausdruck der eingetretenen Theilung, sondern nur als Folgen und Begleiterscheinungen derselben. Wenn aber das von mir gewählte Bild einer centralen anziehenden Kraft geeignet ist, die wirklichen Theilerscheinungen der ganzen Dotterstücke als passive Bewegungen erscheinen zu lassen, so fällt natürlich der Schwerpunkt GOETTE, Entwiekelungsgeschichte. 6 82 II. Die Dottertheilung. der Betrachtung in die Träger jener Kraft, in die von mir sogenannten Lebens- und Kernkeime und endlich die fertigen Kerne. Und da jene Keime selbstständig im Dotter entstanden und durch die ganze Reihenfolge ihrer Veränderungen den Uebergang vom unorganisirten Stoff zum Organismus vermitteln, so wird eine Analyse ihrer Entwickelung und Thätigkeit nicht nur ihre Wirkung bei der Dottertheilung veranschaulichen, sondern auch zugleich die Frage berühren müssen, welche in der ganzen Entwickelungsgeschichte vielleicht das meiste Interesse beansprucht, nämlich diejenige nach dem eigentlichen Wesen jenes bisher völlig unbekannten Uebergangs. Ich kann mir nicht mit der Hoffnung schmeicheln, darauf die einzig richtige oder überhaupt nur eine vollständige Antwort gefunden zu haben; immerhin dürfte schon der blosse Versuch, eine Vorstellung von den Vorgängen zu gewinnen, welche die Entwickelung des Le- bens vorbereiten und ausführen, nicht unberechtigt sein. Um zunächst die Bildung des ersten Lebenskeimes eingehend prüfen zu können, will ich in Kürze wiederholen, welche Erscheinungen am reifen Eie der- selben vorausgingen. — Die Dottermasse erleidet, wie es scheint, oft schon im Eileiter Zusammenziehungen, durch welche sie von der Dotterhaut vollständig getrennt wird und endlich frei innerhalb derselben und von angesammelter eiweisshaltiger Flüssigkeit umspült sich bewegt; im Zusammenhange damit be- sinnt eine allmählich zunehmende Verdichtung der Rindenschicht der Dotter- kugel. Weiterhin erscheint in der Mitte der letzteren der Dotterkern, dessen Bewegung gegen die Peripherie des Dotters, wie ich gezeigt habe, als ein Auf- wärtssteigen anzusehen ist, und ganz wohl aus einer Abnahme im specifi- schen Gewichte des Dotterkerns gegenüber der umgebenden Dottermasse erklärt werden kann. Im Innern des Dotterkernes entwickelt sich nun der erste Lebenskeim als eine Stelle im Dotter, an der die Plättchen und Körner geschwunden sind. Da nun die Dotterplättchen von den äusseren Theilen des Dotterkerns gegen dessen Centrum hin bereits an Grösse abgenommen hatten, bevor sie im Centrum selbst verschwanden, wodurch eben der Lebens- keim entsteht, so darf man wohl diesen Vorgang aus einer centripetal sich steigernden Schmelzung und Auflösung der Plättchen erklären. — Wenn nun ganz bestimmte äussere Einwirkungen, welche alle die genannten Erschei- nungen hervorrufen, nicht klar und deutlich vorliegen, so kann man doch andererseits die Wirkung des Samens davon ausschliessen ; denn aus den Beobachtungen LeucKARrT's geht mit hinlänglicher Sicherheit hervor, dass für die in Rede stehenden Anfänge der Embryonalentwickelung in allen Fällen eme II. Die Dottertheilung. S3 Befruchtung nicht nöthig, sondern bloss als förderndes und unterstützendes Mo- ment bei einer schon eingeleiteten Umbildung des Dotters zu betrachten ist. Steht es nun aber fest, dass das unbefruchtete Ei alle Ursachen zur Weiter- entwickelung unter gewöhnlichen Umständen in sich vereinigen kann, so wird ein Vergleich der Erscheinungen dieser Entwickelung mit denen des entwicke- lungsunfähigen, verderbenden Eies Anhaltspunkte zur Erkenntniss jener Ursachen bieten. Der Dotter eines solchen Eies sondert sich allerdings von der Dotter- haut ab, zieht sieh aber nicht zu einer von derselben abstehenden Kugel zu- sammen; ferner fehlen die äusseren Erscheinungen, welche das Aufsteigen des Dotterkernes begleiten (die Verschiebungen des Pigments); endlich erfolgt eine Dotterschmelzung auch an todten Eiern, aber an der Oberfläche derselben , wo sie sich ganz unregelmässig ausbreitet, und ein geflecktes Ansehen hervor- ruft, darauf aber, nach innen fortschreitend, die Aufquellung und endliche Auflösung des ganzen Eies herbeiführt. Das entwickelungsunfähige, todte Ei ändert also die Wirkung der äusseren Einflüsse, wie sie sich an lebendigen Eiern darstellt, nur in gewisser Weise ab, ohne sie ganz vermissen zu lassen. Die Ursachen dieser Abänderung können in der Dottermasse selbst nicht liegen, da die Befruchtung, welche auch alle sonst zu Grunde gehenden Eier zur Ent- wickelung bringt, den Bestand des Dotters nachweislich nicht ändert (NEwPOoRT, LEucKAKT); ebensowenig aber auch in dem das Ei umgebenden Medium, dem Wasser, welches für alle Eier, befruchtete oder todte, dasselbe bleibt. Wenn aber die empirische Betrachtung zur Erklärung der Veränderungen aller Eier auf die Wechselwirkung zwischen Dotter und Wasser beschränkt bleibt, so dür- fen die Ursachen der jeweiligen Abänderungen nur noch in den beide Stoffe trennenden Hüllen (Gallerthülle, Dotterhaut) gesucht, damit aber auch jene Wechselwirkungen auf endosmotische Bewegungen zurückgeführt werden. Mit einer solchen Annahme im allgemeinen ist aber noch wenig gethan; vielmehr verpflichtet eine solche Denjenigen, der dadurch etwas erklären will, jede einzelne der bezüglichen Erscheinungen darauf hin zu prüfen, wie weit sie sich aus jenen physikalischen Vorgängen ableiten lasse, und ferner, den Zusammenhang und das Zusammenwirken aller Einzelvorgänge zu einem Gesammtresultate nicht aus dem Auge zu verlieren. Wir sehen schon mit blossem Auge Wasser in das gelegte Ei eindringen; wenn wir aber überlegen, dass ausserhalb der Dotterhaut reines Wasser *, zwi- * Wenn nach Rusconı das reine Wasser am günstigsten wirkt, so kann man an- nehmen, dass die gewöhnlichen Zusätze nur durch ihre geringen Mengen nicht schaden. 6* 84 II. Die Dottertheilung. schen derselben und dem Dotter, und ebenso in dem letzteren eine, um es kurz zu sagen, eiweisshaltige Flüssigkeit sich befindet, so dürfen wir nach unseren heutigen Kenntnissen schliessen, dass unter solchen Umständen ein endosmoti- scher Austausch zwischen beiden Flüssigkeiten stattfinden müsse. Und zwar muss die Strömung gegen die koncentrirtere Lösung hin stärker sein, das Volumen des Dotterhautbläschens also zunehmen, welche Voraussetzung mit den Thatsachen übereinstimmt. Kann nun auch die Verschiedenheit der Folge- erscheinungen dieses endosmotischen Vorgangs bei todten und lebendigen Eiern mit vollem Recht auf die wechselnde Beschaffenheit der endosmotischen Scheide- wand oder der Dotterhaut bezogen werden *, so bleibt uns doch die Erkennt- niss der wirksamen Ursachen noch verschlossen und sind wir bloss auf die Untersuchung der zwei verschiedenen daraus hervorgehenden Erscheinungs- reihen angewiesen. — Vergegenwärtigen wir uns zunächst den Inhalt des Dotterhautbläschens als der dem Wasser gegenübergestellten Substanz, so müssen wir die eigentliche visköse Dottermasse, welche aus Flüssigkeit und festen Theilchen zusammengesetzt ist, von der eiweisshaltigen, aus der Höhle des Keimbläschens abstammenden Flüssigkeit unterscheiden, welche jene er- stere umspült. An der Dotterkugel kann das Gefüge der festen Theilchen, Plättehen und Körner, mit den unendlich feinen Zwischenräumen wohl mit Recht als ein poröser Körper aufgefasst werden, welcher schon nach seiner Iintstehung und Beschaffenheit der in seinen Poren enthaltenen Dotterflüssig- keit um so näher verwandt ist, je concentrirter dieselbe ist, dagegen im unver- änderten frischen Zustande der Quellung durch Wasser sehr wenig zugänglich ist. Beide Flüssigkeiten, die intra- und die extravitelläre, sind augenschemlich, wie schon aus ihrer Genese hervorgeht, von verschiedener Koncentration, wel- cher Unterschied aber, da es sich hier um eiweisshaltige Substanzen handelt, nur eine träge Diffusion erzeugen kann. Dieser Inhalt des Dotterhautbläschens ist anfangs in allen Eiern derselbe. An den verderbenden Exemplaren ist jedoch die Dotterhaut für die endosmotische Wechselwirkung desselben mit dem um- sebenden Wasser weniger geeignet, da der Strom des letzteren schwach und langsam, eine Wasseransammlung innerhalb des Eies nicht merklich ist; es wird also die Verdünnung der unter der Dotterhaut befindlichen extravitellären Flüssigkeit und die nothwendig darauf folgende Abänderung der inneren * Dass die nothwendige Wirksamkeit des Samens sich auf eine solche Umstimmung der Dotterhaut beschränkt, scheint nach den Erfahrungen von NEwrorT und LEUCKART festzustehen. II. Die Dottertheilung. 1619) Diffusionsverhältnisse ebenfalls äusserst langsam erfolgen. Nachdem indessen die peripherischen Dotterschichten dem Einflusse der sie umspülenden Flüssig- keit während einer gewissen Zeit ausgesetzt gewesen, beginnen ihre festen Theilchen sich aufzulösen, und die so veränderte Dottermasse erweist sich quellungsfähig; die Quellung führt aber den darunterliegenden früheren Dotter- massen beständig die verdünntere äussere Flüssigkeit zu, welche dadurch eine nach innen successiv fortschreitende Auflösung der festen Dottertheilchen be- dingt. Auf diese Weise erfolgt endlich die vollständige Zerstörung der Dotter- kugel. — Aus dieser Rückbildung des todten Eies ergibt sich, dass die Dotter- täfelchen und -körner bei andauernder Berührung mit Wasser sich allmählich auflösen; und diese Thatsache wird ganz verständlich, wenn man sich erinnert, dass die festen Dotterelemente nicht fertig in die Eifollikel einwandern, sondern in dem Masse, als deren Inhalt an Dottersubstanz reicher, koncentrirter wird, sich aus derselben wie der Niederschlag, die Ausscheidung einer übersättigten Lösung konsolidiren und allmählich wachsen, daher aber auch bei einer an- haltenden Berührung mit neu hinzugetretenem Wasser sich wieder auflösen müssen. Hinsichtlich der besprochenen physikalischen Eigenschaften unterscheidet sich das lebendige Ei vom todten dadurch, dass das endosmotische Aequivalent der eingeschlossenen Flüssigkeit dasjenige des todten Eies weit überwiegt; es wird also das Eindringen von Wasser energischer vor sich gehen, und alsbald neben einer Vermehrung eine starke Verdünnung jener eiweisshaltigen extra- vitellären Flüssigkeit eintreten. Wenn aber dieselbe in ihrer früheren, bei todten Eiern nur wenig veränderten Koncentration die Dotteroberfläche nur sehr allmählich und zwar durch Auflösung verändert, so ist die Wirkung ihrer plötzlichen und starken Verdünnung auf die Dotteroberfläche eine ganz andere. Die letztere verdichtet sich sofort und zieht sich zusammen, indem an Stelle der austretenden Flüssigkeit die festeren Elementartheilchen dichter zusammen- rücken. Worauf diese Wirkung beruht, ist schwer zu sagen; man kann dabei ebenso gut an die Steigerung des Druckes in der rasch zunehmenden und von der straff gespannten Dotterhaut zusammengehaltenen extravitellären Flüssig- keit wie an die Vorgänge denken, welche die nach Zerstörung des Eies dem unmittelbaren Einflusse des Wassers ausgesetzte Dottersubstanz sofort an ihrer Oberfläche koaguliren lassen. ‚Jedenfalls wird durch die Verdichtung der Dotter- rinde das Verhältniss der Dotterkugel zu ihrer Umgebung noch mehr von dem- jenigen des todten Eies abweichen. Wurde schon durch die starke Verdünnung S6 II. Die Dottertheilung. der extravitellären Flüssigkeit die Diffusion beschleunigt, so ist eine weitere Steigerung derselben eine nothwendige Folge jener Verdichtung, indem die durch die Zusammenziehung verengten Poren unter sonst gleichen Verhält- nissen eine Verstärkung des Stroms der schwächeren Lösung hervorrufen (vgl. No. 104 S. 47). Sowohl die Verdichtung der Dotterrinde als die dadurch be- schleunigte Einsaugung der extravitellären Flüssigkeit dürften aber gerade die Dotterrinde jener dauernden Einwirkung der in dieser Flüssigkeit enthaltenen Wassertheilchen entziehen, wodurch in den zu Grunde gehenden Eiern die Auf- lösung der Dotterrinde und weiterhin die Zerstörung des ganzen Eies herbei- geführt wird. Andererseits ergibt sich aus dem Gesagten, dass an der sich entwickelnden Dotterkugel ein gewisser Gegensatz zwischen der dichten kuge- ligen Peripherie und dem unveränderten porösen Centrum sich ausgebildet hat; ja, es lässt sich”jnicht verkennen, dass die koncentrirte Flüssigkeit des letzteren, die weit dünnere extravitelläre Flüssigkeit und die sie trennende ver- dichtete Dotterrinde ein Verhältniss darbiete, welches viel mehr den Bedin- gungen eines endosmotischen Vorgangs als einer einfachen Diffusion entspricht. Wir erhalten somit in den sich entwickelnden Eiern gewissermäassen zwei Stufen der Endosmose, die erste durch die Dotterhaut hervorgerufene mit einem hohen, die zweite durch die Dotterrinde mit einem viel niedrigeren Aequivalente. Aller- dings ist diese Einrichtung nach ihren Ursachen durchaus nicht bloss den leben- digen Eiern eigenthümlich, welche sie vor den todten Eiern voraus hätten. Vielmehr sehen wir auch an den letzteren mehr oder weniger deutliche An- fänge der Zusammenziehung, also auch peripherische Verdichtung des Dotters; nur vermag die geringe Energie dieser Vorgänge die peripherische Auflösung des Dotters nicht zu verhindern und unterbricht dadurch eine weitere Entwicke- lung desselben. Im lebendigen Ei wird dagegen durch die Dotterhautendos- mose die Zusammensetzung der verdünnten extravitellären Flüssigkeit und in Folge dessen die äussere Bedingung für den zweiten inneren endosmotischen Vorgang beständig gleich erhalten. Die bemerkenswertheste Eigenthümlichkeit des letzteren beruht nun darin, dass er nicht in parallel neben einander ver- laufenden Richtungen vor sich geht, sondern dass dieselben von allen Seiten der Dotteroberfläche nach innen eindringend nothwendigerweise gegen einen Punkt konvergiren. Es wird also die verdünntere Lösung von der ganzen kugeligen Peripherie in unzähligen radiären Strömchen gegen das Centrum geführt, die koncentrirtere Flüssigkeit des letzteren auf denselben Bahnen centrifugal bewegt. Die einzelnen Stromgebiete kann man sich daher als Die Dottertheilung. Sm Kegel * denken, welche mit ihren Spitzen in einem centralen Punkte zusammen- stossen und mit ihren Basen die Dotteroberfläche bilden. Ob diese Kegel, ihre Axen oder die Diffusionsradien gleich oder ungleich sind und bleiben, ob also der gemeinsame Ausgangspunkt der centrifugalen und Zielpunkt der centri- petalen Ströme überhaupt mit dem Mittelpunkte der Dotterkugel zusammen- fallen kann, soll erst weiter unten erörtert werden. Hier will ich zunächst darauf aufmerksam machen, dass bei jener Kegelform der Stromgebiete, also bei der nach innen stetig zunehmenden Beschränkung derselben die Diffusions- bewegung natürlich in derselben Richtung sich verlangsamen muss; ja, im ge- meinsamen Zielpunkte müsste sie eigentlich schon desswegen zum Stillstande kommen, weil dort für alle Diffusionskegel die koncentrirtere intravitelläre Flüssigkeit aufhört. Es werden also die mit der verdünnten Lösung in das Innere der Dotterkugel eingeführten Wassertheilchen je näher zum gemein- samen Zielpunkte der radiären Ströme um so mehr in eine dauernde Berührung mit den festen Dottertheilchen treten. Kurz — in dem Gentrum des lebendigen Eies scheinen mir in Folge des beschleunigten Processes in demselben und der daraus sich entwickelnden Zustände gerade dieselben Bedingungen zusammen- zutreffen, um die Affinität zwischen fester Dottersubstanz und Wasser zum Ausdruck zu bringen, wie an einzelnen Punkten der Peripherie todter Eier in Folge einer unvollkommenen Endosmose. So muss denn an dem Zielpunkte der radiären Diffusionsströme der entwickelungsfähigen Dotterkugel eine Auf- lösung der festen Dottertheilchen eingeleitet werden, welche wiederum neue Massen der koncentrirteren intravitellären. Flüssigkeit erzeugt und deren Diffu- sion nach aussen unterhält. In der That kommt also ein Stillstand der Diffusions- bewegung nicht zu Stande, sondern besteht nur eine solche centralwärts zu- nehmende Verlangsamung derselben, dass dadurch eben die Dotterschmelzung und der weitere Fortgang des ganzen Processes gewährleistet wird. Zum deut- lichen Ausdrucke kommt die bezeichnete Dotterumbildung im Innern des Dotter- kerns, in den koncentrischen Zonen des ersten Lebenskeimes und seines Hofes, welche den Fortschritt der Dotterschmelzung von aussen nach innen darstellen. Und vielleicht darf man selbst in der vorübergehenden Abgrenzung des ganzen Dotterkerns und den weiten Schattenringen feinkörniger Dottersubstanz, welche während der ersten Dottertheilungen die Centralgebilde umgeben, nur die * Der mit Rücksicht auf die Vorstellung von der Zusammensetzung einer Kugel ge- nauere Ausdruck „Pyramide“ scheint mir weniger üblich zu sein, tete) II. Die Dottertheilung. äussersten (Grenzen jener Dotterumbildung erkennen, welche eben dort erst anfängt, daher die Dottertäfelchen noch nicht zum Schwunde gebracht hat. Ist aber einmal die Dotterschmelzung eingeleitet, so regelt sich die ganze Be- wegung im betreffenden Diffusionskegel zu einem gleichmässigen Bestande dadurch, dass die bestimmte Einfuhr auch das Quantum der Dotterschmelzung, also der Ausfuhr bestimmt. Hat uns nun die Betrachtung bis zur bestimmten Erscheinung des Lebenskeims geführt, welcher den nachweislichen Ausgangs- punkt der weiteren Entwickelung bildet, so können wir rückblickend es aus- sprechen, dass derselbe Process, welcher in todten Eiern durch regellose Wirk- samkeit die Zerstörung derselben veranlasst, nämlich die Dotterschmelzung, durch eine gesetzmässige Beschränkung ihrer äusseren Erscheinung im leben- digen Ei den Fortgang der Entwickelung bedingt. Sowie die Bildung des ersten Lebenskeimes und seines Hofes nur die Folge der radiären Diffusion ist, bestimmen dieselben nun ihrerseits gewissermassen aktiv den Fortgang der Bewegung; denn als beständige Bildungsheerde neuer koncentrirter Dotterflüssigkeit müssen sie die radiären Diffusionsströme gleich- sam anziehen, stets auf diesen ihren gemeinsamen Sammelpunkt gerichtet halten, sodass, wenn er in Folge gewisser Umstände seine Lage verändert, worüber weiter unten das Nähere folgt, auch die radiären Ströme in und mit ihm den Ort ihrer gemeinsamen Vereinigung wechseln. Dieses Verhältniss wie überhaupt die Diffusionsströmung selbst begründet nun aber eine Steigerung des Zusammenhangs der Dottermassen in den Richtungen der Bewegung gegenüber bewegungslosen Massen, was man sich am besten vergegenwärtigt, wenn man statt eines Sammelpunktes in derselben Dottermasse sich ihrer zwei denkt, welche in ihrer Zusammensetzung und Thätigkeit durchaus den beschrie- benen Lebenskeimen mit ihren Höfen entsprechen. Die Folge wäre, dass die /usammenhangsbezirke beider Centren sich von einander absonderten und zwar in einer Fläche, wo die beiderseitigen Strömungen ihre gemeinsame Grenze finden, sich gegenseitig ausschliessen, also einen gegenüber dem Zusammen- hange der einen und der anderen Dotterhälfte indifferenten Zustand erzeugen, der sich endlich in einer vollständigen Trennung beider Massen äussern muss. Weil nun eine solche Vermehrung der Oentren mit den bezeichneten Folgen thatsächlich vorkommt, so hat man die Wirkung des Zusammenhanges der Dottermasse um je ein Uentrum herum emer Anziehungskraft der letzteren zuschreiben zu müssen geglaubt, da man bisher noch nicht gewagt hat, die un- seren subjektiven Zuständen missverständlich entlehnten Vorstellungen von ll. Die Dottertheilung. 89 immanenten Kräften aus den Konstruktionen des Geschehens ganz zu verbannen. Abgesehen von den Mängeln, welche einer solchen Annahme anhaften, und auf welche einzugehen hier nicht der Ort ist, will ich nur bemerken, dass die Leistung der letzteren ganz illusorisch ist; denn genauer zugesehen, kennen wir von der ganzen Anziehungskraft gar nichts weiter, als den Erfolg oder eben die nach ihren Ursachen zu erklärende Erscheinung. Jene Annahme kommt also einer bequemen Umschreibung der Erscheinung gleich und kann nur dazu dienen, den Mangel einer wirklichen physikalischen Erklärung zu verdecken. — Ich habe den Ausdruck „centrale Anziehungskraft“ so lange beibehalten, als er bei der Betrachtung der Theilungen der ganzen Dottermassen (nicht ihrer Centren) eine gleichbleibende Wirkung, auf deren Erklärung es zunächst nicht ankam, nämlich den radialen Zusammenhang der Dottermasse im Bereiche je eines Öentrums bezeichnen sollte. Darauf habe ich versucht, gleichsam das unbekannte x in allen Formeln durch bekannte Grössen zu ersetzen. Ich fand, dass jener Zusammenhang auf einem Vorgange beruht, welcher gar nicht einseitig vom Centrum oder dem Lebenskeime ausgeht, sondern gemeinsam von diesem, den peripherischen Dottertheilen, den Eihüllen * und den äusseren Flüssigkeiten hervorgerufen, eine nothwendige Folge ihrer gegenseitigen physi- kalischen Bewirkungen ist. Wenn ich aber auf diese Weise den fraglichen Zusammenhang der Dottermasse auf eine Kombination bekannter einfacher und allgemeiner Vorgänge, die ganze Erscheinung auf ihre nächsten Ursachen zurückführe, so glaube ich eine thatsächliche Erklärung derselben gegeben zu haben, mag sie auch noch bloss hypothetischer Natur sein. Jetzt ist noch ein anderer wichtiger Punkt in dem ganzen Dottertheilungs- processe aufzuklären. Ich habe gezeigt, wie eine Dottermasse sich theilen müsse, wenn der eigenthümliche in ihrem Innern bestehende radiale Zusammen- hang auf zwei Centren vertheilt wurde, und aus der Beobachtung wissen wir, dass eine solche Vermehrung der Oentren durch fortlaufende Theilungen der- selben erfolgt. Aber es blieb die Frage nach den Ursachen dieser Theilungen * Ich habe die Gallerthülle nicht besonders berücksichtigt, weil es unmöglich ist, sie vor ihrer Quellung ohne Schädigung des Eies zu entfernen und durch diesen Versuch zu prüfen, ob ihr eine besondere Wirksamkeit bei den endosmotischen Vorgängen zukomme. Wenn aber eine solche auch möglich ist, so ist sie doch nicht wahrscheinlich, weil die Gallert- hülle, sobald sie noch im ersten Anfange jener Vorgänge gequollen ist, ohne den geringsten Nachtheil für dieselben entfernt werden kann. Auf ihre eigentliche Bedeutung ist bereits hingewiesen worden: sie scheint bestimmt, durch die energische Quellung mit dem Wasser zugleich möglichst viel von dem darin enthaltenen Samen an das Ei heranzuzichen. 90 II. Die Dottertheilung. unerörtert, und wurde das Verständniss des ganzen Vorgangs im Beginne jedes neuen Aktes unterbrochen. Auch bei der Beantwortung dieser Frage stelle ich die bisherigen Ansichten voran. Wenn es bisher als Thatsache galt, dass die Dotterkugel einen Kern be- käme, dessen Theilungen durch Ein- und Abschnürung die Dottertheilungen einleiteten, welche ganz in derselben Weise verliefen, so musste es nahe liegen, die Auffassung, welche aus der Betrachtung der genannten Vorgänge am ganzen Dotter und an seinen Theilstücken gewonnen wurde, einfach auf die Kerne zu übertragen, auch hier Anziehungscentren, deren Theilungen u. s. w. anzunehmen. Wollte man es auch gelten lassen, wenn REMmAk und Köuusker die feinkörnigen Dotterhöfe als Kerne, die Kernkeimhaufen als deren Kernkörperchen bezeich- nen , so lehrt die genauere Beobachtung, dass gerade in diesem Falle jene Vor- stellung von der Kerntheilung den Thatsachen schnurstracks zuwiderläuft: denn jene „Kerne“ theilen sich vor den „Kernkörperchen‘“, deren Hälften erst nachträglich in die zugehörigen Kernmassen einwandern müssen! — Und wenn KÖLLIKER für die Theilung der Kerne ebenso wie bei den ganzen Zellen Zu- sammenziehungen, Bewegungen und alle „molekulären“ Wirkungen anzieht, welche von den nucleoli ausgingen (No. 79 8. 27), so hat er damit wohl nur die Sehwierigkeit andeuten wollen, unter jenen möglichen Theilungsursachen eine Wahl zu treffen, wie er denn diese Auseinandersetzung mit dem Aus- spruche einleitete, „dass nach dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse eine Er- klärung der Zellenbildung (oder Zellentheilung) nicht zu geben ist.“ — Es darf nun nicht übersehen werden, dass gerade die Theilung der Umbildungsheerde Demjenigen, welcher sich zur Annahme von Anziehungskräften in den Centren der Dotterstücke verstanden hat, die grössten Schwierigkeiten und Verlegen- heiten bietet. Die Beobachtungen lehren, dass die Lebenskeime und Kernkeim- haufen sich erst strecken und dann theilen, und dass ihnen die feinkörnigen Höfe darin vorausgehen. Das Streben der beiderlei Gebilde, sich in einer be- stimmten Richtung auszudehnen, zu strecken, hört aber nicht auf, sobald die neuen Theile sich zu bilden begannen, sondern dauert offenbar während der Ausbildung der letzteren fort; und es liegt kein Grund vor, das Ausein- anderrücken der neuentstandenen Keime nach ihrer vollständigen Trennung und selbst nachdem die Dottertheilung begann, einer anderen Ursache zuzu- schreiben als derjenigen, welche schon die Masse des Mutterkeims in die Länge zog. (Gregenüber diesen Thatsachen ist nun der Einwurf nicht zu umgehen, wie es denn zugehe, dass die in den Keimen angenommenen Anziehungskräfte, II. Die Dottertheilung. 91 welche doch die ganze Dottermasse ihres Bezirks zusammen- und von den übrigen Dottermassen abziehen, zu gleicher Zeit das Auseinanderrücken der Keimhälften dulden? Eine Antwort für das bestimmte, vorliegende Objekt fehlt, und obgleich nach meiner Ansicht der Mangel einer solchen Erklärung die Möglichkeit, jene Anziehungskräfte anzunehmen, von vornherein aus- schliessen müsste, so erscheint es andererseits als die nächstliegende Kon- sequenz, zu den Anziehungskräften auch gleich deren Antagonisten, nämlich abstossende Kräfte anzunehmen, welchen die Aufgabe zufiele, die Umbildungs- heerde zu theilen und zu trennen. Und diese Auskunft hat Harcken bei der Erklärung der Theilung der niedersten Organismen * gewählt, deren Attraktions- Centrum in zwei getrennte Anziehungs-Mittelpunkte zerfällt, „die sich nun gegenseitig abstossen und von einander isolirt die übrigen Moleküle anzuziehen suchen“ (Nr. 100. 1. S. 151). Gegenüber einer solchen Ausführung scheint es mir auf der Hand zu liegen, dass die ganze Hypothese, gerade so wie ich es schon in Bezug auf die Anziehungskraft allein bemerkte, auf eine Selbst- täuschung hinausläuft, wobei ein passendes Wort die fehlende Erklärung er- setzen muss. Ich will daher eine weitere Kritik dieser Hypothese unterlassen und nur noch darauf hinweisen, dass sie nicht einmal für alle Erscheinungen bei der Theilung der Umbildungsheerde ausreicht. Denn woraus soll die der Streckung und Theilung des Keimes vorausgehende gleiche Bewegung der fein- körnigen Dottersubstanz erklärt werden? Dieselbe kann keine abstossenden Centren besitzen, denn diese müssten in den Keimen liegen, welche aber erst nachträglich sich der Bewegung anschliessen und augenscheinlich der von jener Substanz angegebenen Richtung folgen. Obgleich also die beiderlei Theilungen im innigsten Zusammenhange stehen, können ihre Ursachen nach der bisheri- gen Lehre nicht die gleichen sein, sondern müssten sogar wesentlich sich unter- scheiden. — So erweisen sich die bisherigen Annahmen nach allen Seiten, nicht nur nach ihren Voraussetzungen, sondern auch nach ihrer Brauchbarkeit, als unhaltbar. Ich habe bei dem Bestreben, mir eine Vorstellung von den Ursachen der Vermehrung der Umbildungsheerde zu machen, zunächst von allen besonderen Kräften abgesehen und gesucht, an den möglichst vollständig erforschten * Da Haezcker die Theilung der Zellen, zu denen er die „Furchungskugeln “ rechnet wesentlich ebenso verlaufen lässt (No. 100 II. S. 115. 117), so glaube ich nicht mit Unrecht ihn hier eitirt zu haben. 92 II. Die Dottertheilung _ Erscheinungen die Punkte herauszufinden, wo sie an bekannte allgemeine Vor- sänge angeknüpft werden könnten. — Sowie ich die Lebenskeime beobachtet und beschrieben habe, kaun von einer wirklichen Scheidegrenze zwischen ihnen und dem übrigen Dotter nicht die Rede sein; wenn in ihrem Bereiche die Dotter- plättchen vollständig aufgelöst, in ihrem Hofe noch ungelöste feinere Körner enthalten und die weiteren Dottermassen kaum wahrnehmbar verändert sind, so reichen natürlich solche Unterschiede allein nicht aus, um die betreffenden Zonen als morphologisch besondere Theile erscheinen zu lassen. Behält man jedoch diesen Thatbestand stets im Auge, so ist es für die Beschreibung bequem und vortheilhaft, jene Zonen und ihre Veränderungen so zu behandeln, als wären es selbstständige Theile mit aktiven Bewegungen. So lassen sich die Theilungsvorgänge der Lebenskeime kurz dahin zusammenfassen, dass sie zu- erst in einer gewissen Richtung sich strecken und dann in der Mitte theilen, während beide Hälften durch Wachsthum zunehmen; eine ähnliche Theilung der Höfe geht derjenigen der Lebenskeime voraus. Ferner steht die Richtung und Energie jener Bewegungen in einer ganz bestimmten Abhängigkeit von der Grösse und Form der Dotterstücke. Die Richtung trifft nämlich stets recht- winkehg mit dem kleinsten der Radien zusammen, welche vom Lebenskeim zur Peripherie des zugehörigen Dotterstücks gezogen gedacht werden; und je grösser das letztere ist, um so mehr weichen die Keime auseinander, indem sie gewöhnlich bis in die Mitte der Linie vorrücken, welche in der Fortsetzung der Bewegungsrichtung das neu zu bildende Dotterstück durchschneidet. Es sollten also schon die gröberen Erscheinungen dazu auffordern, die Veranlassung zu den Bewegungen der Umbildungsheerde nicht in ihnen selbst, sondern in den sie umschliessenden Dottermassen zu suchen. In diesen ist mir nun ein Vor- gang im höchsten Grade wahrscheinlich geworden, welcher zur Existenz der Lebenskeime in nächster Beziehung steht. Ja, wenn man sich erinnert, dass die letzteren nur die Sammelpunkte der radialen Diffusionsströme sind, so kann fernerhin eigentlich kaum ein Zweifel darüber bestehen, dass die Veränderungen jener Sammelpunkte nur die Wirkungen entsprechender ursächlicher Verände- rungen in den Diflusionsströmen seien; und es bliebe also nur das Wesen und der Zusammenhang dieser Veränderungen zu untersuchen übrig. Ich komme dazu noch einmal auf die Entwickelung der zweiseitigen Strom- bewegung in einem Diffusionskegel zurück. Sie beginnt natürlich an der Kegel- basis oder der Dotteroberfläche und schreitet gegen die Spitze fort. Dabei überwiegt der von aussen eindringende centripetale Strom wegen der geringeren II. Die Dottertheilung. | 95 Koncentration der von ihm eingeführten Lösung; andererseits verlangsamt sich, wie schon erwähnt, die fortschreitende Bewegung, bis endlich am Orte der schwächsten Bewegung, also an der Kegelspitze die Dotterschmelzung und da- mit ein gleichmässiger Fortgang der zweiseitigen Diffusionsströmung eintritt, an deren centralem Ende das Uebergewicht des eingeführten Stroms verdünn- ter Lösung zur Wirkung und zum Ausdrucke kommt (vgl. No. 104 S. 46). Wäre nun die Ausbildung aller Diffusionskegel von Anfang an eme gleich- mässige und gleichzeitige, so müssten ihre Spitzen thatsächlich im Mittelpunkte der Dotterkugel zusammentreffen, die centrale Dotterauflösung von dort aus unter der Einwirkung der stets neu hinzugeführten verdünnten Lösung sich gleichmässig koncentrisch nach aussen verbreiten. In diesen allseitig sym- metrischen Verhältnissen wäre daher kein Motiv einer Abänderung der Be- wegungen und einer daraus folgenden Entwickelung enthalten; und es erhellt, dass ein solcher Fortgang der Umbildung zu demselben Ende führen müsste wie die vollständig ungeregelten Vorgänge des todten Eies, nämlich zur Auf- lösung und Zerstörung des Ganzen. Dass aber die Dottertheilstücke der Ba- trachiereier nicht vollkommen kugelig sind, die Lebenskeime also auch nicht die Vereinigungspunkte vollkommen gleicher Radien darstellen, ist evident; selbst für die Dotterkugel vor dem Erscheinen des ersten Lebenskeimes lässt sich eine gewisse ungleiche Anordnung der Theile nachweisen. Die feinkörnigen Dotterschichten, vor allen die Dotterrinde, sind nämlich von Anfang an un- gleichmässig angelegt, indem ihre Mächtigkeit gegen den oberen Pol zunimmt; und diese Ungleichmässigkeit steigert sich noch, wie ich schon ausführte, wäh- rend der Zusammenziehung der Dotterperipherie. Da nun die Verdichtung der Dotterrinde den endosmotischen Vorgang einleitet und unterhält, so wird der- selbe am oberen Pole sich am stärksten entwickein, und gegen den unteren Pol an Stärke stetig abnehmen. Die oberen polaren Diffusionsströme rücken also schneller als die übrigen gegen das Innere vor, regen an einem gewissen Orte, wie mir scheint in der Nähe des Centrums, die Dotterschmelzung an (Dotter- kern), worauf dieser von den Diffusionsströmen der unteren Dotterhälfte noch nicht erreichte und beeinflusste Umbildungsheerd in Folge der Abnahme seines specifischen Gewichts etwas in die Höhe steigt. Indem darauf der erste Lebens- keim als Bildungsstätte der auszuführenden Dotterflüssigkeit die Diffusions- ströme von allen Seiten in sich vereinigt, ist eben die Excentrieität ihres ge- meinsamen Sammelpunktes, die Ungleichheit der Diffusionsradien und -kegel, wie sie in den späteren Dottertheilstücken besteht, auch im noch ungetheilten 94 II. Die Dottertheilung. Dotter gegeben, und es kommt nun darauf an, zu untersuchen, welche Wir- kungen eine solche Ungleichheit überhaupt ausüben kann. Natürlich kann die Bewegung in den verschiedenen Diffusionskegeln nicht die gleiche sein, kann also ein Gleichgewicht ihrer Wirkungen nicht bestehen, die Lage und Form ihres gemeinsamen Sammelpunktes nicht unverändert bleiben. Je kürzer ein Kegel ist, um so früher muss sich in ihm nach unseren Voraussetzungen die konstante Diffusionsströmung vollenden, an seinem centralen Ende das Ueber- gewicht der eingeführten verdünnteren Lösung um so schneller und stärker sich geltend machen. In dem gemeinsamen Sammelpunkte eines Dotterstücks übertreffen daher die Ausläufer der Einfuhrströme, welche aus den kürzesten Diftusionskegeln stammen, diejenigen der längeren Kegel ; sie finden in den letz- teren kein genügendes Gegengewicht, welches sie in den früheren Schranken zurückhielte und müssen sie folglich nach einer gewissen Zeit überwinden, zu- rückdrängen. So rücken die Einfuhrströme der kürzesten Diffusionskegel schliesslich über die Grenzen derselben hinaus und erweitern sie auf Kosten gerade der grössten Diffusionskegel, weil diese die schwächsten Gegenströme enthalten, bis die gegenseitige Veränderung der verschiedenen rediären Strom- gebiete ein Gleichgewicht ihrer Wirkungen herbeiführt, und dadurch der Ver- schiebung ihres gemeinsamen Sammelpunktes vorläufig ein Ziel gesteckt wird. Der vorrückende Strom übt nun aber auf die schon bestehende Lebenskeim- masse und ihren Hof eine gewisse Zugkraft aus, welche beide Gebilde bis zum neuen Sammelpunkte verschiebt, wobei sie zugleich durch den Ueberschuss an verdünnter Lösung und die dadurch verstärkte Dotterschmelzung verhältniss- mässig wachsen. Geht man also von der Annahme der beschriebenen radiären Diffusionsströmungen aus, welche in allen Dotterstücken ohne Ausnahme un- gleich sind, so ergibt sich als allgemeinste Folgerung, dass jeder Lebenskeim einmal eine Lageveränderung erfährt. Die Art und Weise derselben wird aber natürlich erst aus der Betrachtung der besonderen Formverhältnisse der ein- zelnen Dotterstücke verständlich werden. Alle Dotterstücke mit Ausnahme der noch ungetheilten Dotterkugel stimmen darin überein, dass sie in irgend einer Richtung einen grössten Durchmesser haben, auf welchem die kleinsten, unter sich mehr oder weniger gleichen Durchmesser nahezu in einer Ebene und meist senkrecht stehen. An den Eiern der Molche, deren Dotterstücke sich viel mehr als bei den ungeschwänzten Betrachiern von Anfang an abrunden, erscheinen dieselben daher durchgängig ellipsoid. Es müssen folglich die in jener Ebene der kleinsten Radien überwiegenden centripetalen Diffusionsströme IT. Die Dottertheilung. 95 Ü unter einem meist rechten Winkel in die Bahn der längsten aber schwächsten Ströme abgelenkt werden; und da diese in zwei einander entgegengesetzten Richtungen verlaufen, welche beide gleicherweise die Bedingungen zu jener Ab- lenkung enthalten, so wird jene überwiegende Strömung nach denselben zwei entgegengesetzten Seiten gespalten auseinanderfahren. Die nothwendige Folge davon ist, dass der"betreffende Lebenskeim mit seinem Hofe sich in der Rich- tung des grössten Durchmessers theilt, wobei die vorausgehende Streckung und überhaupt das ganze Bild des Theilungsvorgangs der von mir der Bewegungs- ursache zugeschriebenen Zugkraft einen sehr zutreffenden Ausdruck verleihen. Damit lässt sich auch die Thatsache ganz wohl vereinigen, dass der Hof des Lebenskeims als die Aussenzone des ganzen Umbildungsheerdes bei einem raschen Verlaufe der Theilung dieselbe einleitet und dem Lebenskeime gleich- sam vorauseilt. — Da ich schon erörtert habe, in welcher Weise die Theilung des ganzen Dotterstückes als nothwendige Folge jener Theilung seines centralen Umbildungsheerdes vor sich geht, so erhellt, dass im Grunde genommen jede Dottertheilung eine Quertheilung ist. Dies gilt auch für die ganze Dotterkugel, indem sie schon durch die ersten Zusammenziehungen am oberen Pole etwas abgeplattet wird. Dennoch verdienen die ersten Dottertheilungen wegen einiger eigenthümlichen Formverhältnisse eine besondere Untersuchung. Wenn die ganze Dotterkugel aus dem eben erwähnten Grunde in der Ver- bindungslinie beider Pole eine kleinere Axe besitzt, und auch die Theilung des ersten Lebenskeims rechtwinkelig zu derselben erfolgt, so ist dadurch die Uebereinstimmung mit den späteren Dotterstücken noch nicht erreicht. Denn der erste Lebenskeim ist vom Mittelpunkte der Dotterkugel so weit entfernt, dass er vom oberen Pole allerdings den kürzesten Diffusionsstrom empfängt, aber nicht etwa auch in seinem Niveau, in welchem er sich später theilt, die beiden grössten Radien vereinigt; der längste Diffusionskegel liegt vielmehr dem kleinsten diametral entgegengesetzt. Es passt also hier die für die übrigen Dotterstücke aufgestellte Regel, dass der überwiegende centripetale Strom aus den kleinsten Radien zusammenfliessend in die beiden grössten ablenkt und sich spaltet, nicht. Um aber auch an der ganzen Dotterkugel den allgemeinen gesetzmässigen Vorgang, wie ich ihn für die übrigen Dotterstücke entwickelte, zu erkennen, muss man sich der Voraussetzung erinnern, welche mir zur Erklä- rung der Bildung und Lage des ersten Lebenskeims nothwendig schien und welche in den eigenthümlichen Verhältnissen der sogenannten meroblastischen Eier ihre beste Stütze findet: ich meine die Annahme, dass bei jener Entwicke- 965 II, Die Dottertheilung. lung die Diffusionsströme der unteren Halbkugel des Dotters noch nicht herge- stellt waren, also auch nicht mitwirkten. In den meroblastischen Eiern wird nur der um den oberen Pol gelegene Theil der Dotterkugel, der eigentliche Keim, zerklüftet; in dem bei weitem grössesten übrigen Theile, dem Nahrungs- dotter, entwickeln sich die bezeichneten Diffusionsströmungen offenbar gar nicht, da er eben ungetheilt bleibt. Wären dieselben im Batrachierei schon zur Zeit des ersten Lebenskeims vollendet, so müsste dieser, statt in der oberen Halbkugel zu bleiben, von dem oberen polaren Strome als dem stärksten ge- rade in die untere Dotterhälfte hinabgedrängt werden. Da jedoch die nach- weisbare Abnahme in der Mächtigkeit und Verdichtung der Dotterrinde gegen den unteren Eipol hin die trägere Entwickelung der von unten aufsteigenden Ditfusionsströme gewiss macht, so dürften alle übrigen Erscheinungen die An- nahme begründen, dass jene Ströme auch während der ersten Dottertheilung noch nicht vollendet sind. Alsdann müsste aber der überwiegende Strom des oberen Pols in dem grössten Radius, also gegen den unteren Pol hin eine ruhende Masse in Bewegung setzen, während er in horizontaler Richtung aus- weichend allerdings einen schwachen Gegenstrom zu überwinden hat, dafür aber durch die in derselben Richtung bestehenden centrifugalen Strömungen einen um so leichteren Abfluss findet. Diese Ueberlegung scheint mir geeignet, den Widerspruch zu lösen, welcher sich in der Erscheinung der ersten und der späteren Lebenskeimtheilungen oftenbart. Was nun bei der ersten Theilung die besondere Richtung der Theilungsaxe unter allen im gleichen Niveau ver- laufenden Durchmessern bestimmt, kann ich desswegen nicht sicher angeben, weil ich es unterlassen habe, dieselben an passenden (horizontalen) Durch- schnitten mit einander zu vergleichen; mit Rücksicht auf die späteren Thei- lungen vermuthe ich aber, dass auch in der ganzen Dotterkugel der zur Thei- lungsaxe gewählte Durchmesser wenn auch unscheinbar länger ist, als die übrigen. Für den zweiten Theilungsakt gilt dasselbe, was ich vom ersten sagte, Hinsichtlich der dritten und vierten „Meridionaltheilungen‘“, welche an der unteren hellen Dotterhälfte als Längstheilungen gelten, will ich noch bemerken, dass ich ausnahmslos die sich theilenden Keime wie bei Aequatorialtheilungen entweder ganz oder beinahe vollständig in einem senkrechten Durchschitte antraf, woraus hervorgeht, dass die Theilungsebene der Dottersubstanz mehr oder weniger von der senkrechten abweichen sollte. Wenn aber darauf trotzdem äusserlich Längstheilungen erfolgen, die ausgesprochen meridionalen nach II. Die Dottertheilung. ; 97 M. ScHULTZE (Nr. 52 S. 7. 8) allerdings in den seltenern Fällen, so kann dies wohl nachträglichen Verschiebungen der Dotterstücke zugeschrieben werden, wie solche schon den ersten Beobachtern des „Furchungsprocesses‘“ bekannt waren. Ich werde in dieser Ansicht durch die Dottertheilung an den unseren Batrachiereiern so ähnlichen Eiern des Petromyzon Planeri bestärkt, an denen M. Schuutze (Nr. 92 8. 8. Taf. I) nach der ersten Aequatorialtheilung eine zweite und dritte beschreibt und abbildet, sodass wirkliche Längstheilungen selbst in der Ausführung des äusserlichen Furchennetzes ganz ausgeschlossen zu sein scheinen, und die Quertheilungen den normalen Vorgang darstellen, dessen äusserer Ausdruck jedoch an den Batrachiereiern nachträglich abge- ändert wird. Dieser Vergleich liefert einen neuen Beleg für die von mir schon mehrfach erörterte Thatsache, dass die äusseren Bilder der Furchen über die eigentliche Richtung und den Verlauf der Dottertheilung uns keinen sichern Aufschluss geben können. Ich glaube nun alles erörtert zu haben, was zur Begründung einer Theorie des ganzen Dottertheilungsprocesses nöthig erscheinen könnte. Ich habe zuerst gleichsam den Mechanismus der Dottertheilungen unter der Voraussetzung einer unbekannten, den radiären Zusammenhang hervorrufenden Ursache untersucht, dann dieses unbekannte x durch die wirklichen Werthe ersetzt, welche sich bei eingehender Betrachtung aller Erscheinungen als die wahr- scheinlichsten ergaben, endlich die Bedingungen zu erforschen gesucht, unter denen jene nächsten Ursachen der Dottertheilung den andauernden Fortgang dieses Theilungsprocesses unterhielten. Ich will jetzt die aus diesen Unter- suchungen gewonnenen Resultate kurz zusammenfassen, um den Vorgang, welchen ich behufs einer eingehenden Erörterung in verschiedene Abschnitte zerlegen musste, in seiner natürlichen Einheit und Einfachheit zu zeigen. — Das reife Ei besteht aus der Dottermasse, der sie umspülenden eiweisshaltigen Flüssigkeit und den Eihüllen, Dotterhaut und Gallerthülle; zur Einleitung und Unterhaltung der Entwickelungserscheinungen ist dann noch das Medium erfor- derlich, in welches das vom Eierstocke gelöste Ei gelangt, das Wasser. Sobald das Ei mit dem letzteren in Berührung tritt, wird durch die Dotterhaut ein erster endosmotischer Strom zwischen den sie beiderseits benetzenden Flüssig- keiten mit einem hohen Aequivalente der inneren eiweisshaltigen hervorgerufen ; darauf folgt die relativ starke Zunahme aber gleichzeitige Verdünnung der letzteren. In dem Masse, als dieser Vorgang sich ausbildet, erfolgt die ganz offenbare, wenn auch in ihrem Zusammenhange mit jenem Vorgange noch GoETTE, Entwickelungsgeschichte. 7 98 II. Die Dottertheilung. nicht aufgeklärte Verdichtung der Dotterrinde. Diese wiederum scheint mir eine zweite endosmotische Strömung zwischen der extra- und der intravitellären Flüssigkeit herzustellen und so zur wichtigsten Bedingung der weiteren Ent- wickelung zu werden. Denn wenn das durch die Endosmose eingeführte Wasser die Dottersubstanz überhaupt nothwendig auflösen muss, um so den für die lebendige Entwickelung unentbehrlichen Stoff herzustellen, so ver- nichtet doch diese Auflösung, sobald sie sich regellos im Dotter verbreitet, jede Organisation desselben und damit die Möglichkeit seiner Fortentwickelung, während sie durch den Einfluss der Dotterrinde in bestimmter Form geregelt, gerade zum Ausgangspunkte für die Herstellung eines Organismus wird. Durch die endosmotische Wirkung der verdichteten Dotterrinde wird nämlich die Auf- lösung, des Dotters auf einen inneren Umbildungsheerd beschränkt, dessen excentrische Lage statt einer vollständigen Symmetrie der radiären Diffusions- strömung, welche gleich der Formlosigkeit zur Zerstörung des Ganzen führen müsste, eine Differenz seiner fortdauernden Beziehungen zur Aussenwelt oder der Diffusionsströme setzt, welche im Kampfe um die Ausgleichung die Thei- lung des ersten Lebenskeims und der ganzen Dotterkugel, damit aber auch den Fortgang der Entwickelung bedingen. Denn in jedem neuen Dotterstücke wiederholt sich dasselbe Schauspiel : die verschiedenen Stromlängen der radıiären Diffusion veranlassen die Verschiebung des Sammelpunktes, des Lebenskeims, in der Richtung des längsten Stromes, und weil dieser sich beständig bipolar entwickelt, die Zweitheilung des ersteren, sowie in Folge dessen des ganzen Dotterstückes. Ein einfacher aber eigenthümlich geregelter physikalischer Process spielt sich in der Dottermasse des lebensfähigen Eies ab und die Thei- lungen der Dotterstück® und ihrer Umbildungsheerde sind nur der sichtbare Ausdruck desselben. Dass es sich jedoch dabei nicht um Organismen handelt, sondern erst um eine Vorbereitungsstufe solcher, bedarf nach dem Gesagten wohl keiner beson- deren Erörterung: von den ganzen Dotterstücken wurde es bereits erwiesen, und von den Lebenskeimen ergibt es sich von selbst, wenn man über die flüch- tigste Untersuchung hinausgeht, — sie sind eben gar keine begrenzten Körper, sondern bloss die Stellen der kontinuirlichen Dottersubstanz, wo deren feste Theile vollständig aufgelöst sind. Doch aber verdienen sie ihren Namen, denn einmal bilden sie die ersten Anlagen des künftigen Zellenleibes, welche durch allmähliche Um- und Anbildung der übrigen Dottermasse diese endlich ganz in ihren Bereich ziehen, andererseits entstehen in ihrem Innern unmittelbar die II. Die Dottertheilung. 99 Protoplasmaklümpchen, welche als Kernkeime die späteren Zellenkerne zusam- mensetzen. Da nun die ganze Dottermasse das vollständige Material zur Bildung von Zellen, von „Elementarorganismen“ liefert und durch allmähliche Umwand- lung in solche übergeht, so könnte sie als unreifes Protoplasma bezeichnet werden, während die Lebenskeime das zur Lebensfähigkeit umgewandelte, reife Protoplasma darstellen, welches nur noch in eine bestimmte Form gebunden zu werden braucht, um einen einfachsten Organismus, den Anfang eines wirk- lichen Lebens zu bilden. Diese Form erscheint nicht am ganzen Lebenskeim, sondern zunächst bloss ın seinem Innern, nämlich an den Zellenkernen durch Vermittelung der Kernkeime. Diese letzteren entstehen in der zarten Sub- stanz der Lebenskeime als etwas festere Protoplasmaklümpchen oder -körner, welche durch Karmin lebhafter gefärbt werden als die übrige Masse und da- durch schon an den Unterschied eines Zellenkerns vom Zellenleibe erinnern. Ob ihnen aber schon die Bezeichnung von Organismen zukomme, vermochte ich durch Beobachtung nicht sicher zu entscheiden; ich konnte sie erst nach der zweiten Dottertheilung wahrnehmen, fand aber alsdann schon mehre vor, welche im Lebenskeime zerstreut lagen und niemals sichere Anzeichen eines Wachsthums und einer Fortpflanzung bei ihrer auffallend raschen Vermehrung offenbarten. Desshalb wird mir die freie Bildung jedes einzelnen Kernkeimes wahrscheinlich; und wenn ich überlege, dass sie eine so schnell vergängliche selbstständige Existenz führen, um als in dieser Existenz bedeutungslose Ein- zeltheile erst durch ihre Verschmelzung unzweifelhafte Lebensträger zusam- menzusetzen, so muss ich mich der Ansicht zuneigen, dass die Kernkeime unorganisirte Körner seien, welche ihre fortdauernde Neubildung der eigenthüm- lichen molekulären Zusammensetzung der beständig wachsenden Lebenskeim- masse verdanken und abgesehen von der Grösse den bekannten dichteren Protoplasmatheilchen verglichen werden können, welche das sogenannte granulirte Aussehen der meisten Zellen hervorrufen. Bei einer solchen Auf- fassung der Kernkeime kann es nicht auffallen, dass sie auf die an den Lebens- keimen und ihren Höfen sich abspielenden Vorgänge ohne Einfluss bleiben : die letzteren verlaufen ganz gleich, ob die Kernkeime fehlen (erster Lebenskeim und die Höfe) oder vorhanden sind. Ich habe daher mit Recht dieselben unbeachtet lassen dürfen, so lange sie in den Lebenskeimen zerstreut den geringeren Theil derselben bildeten. Sobald sie sich aber bis zu dem Masse vermehrt haben, dass sie einen dichten, den Lebenskeim beinahe ausfüllenden Haufen bilden, also die übrige Lebenskeimmasse bedeutend überwiegen, so * 7 100 II. Die Dottertheilung. erscheinen sie auch als die wesentlichen Träger der den Lebenskeimen zugeschrie- benen Thätigkeit; an ihnen werden alsdann das Wachsthum (durch äussere Anlagerung neugebildeter Kernkeime) und die Theilungen kenntlich, welche ich ausführlich an den ganzen Lebenskeimen erörterte. Doch darf hierbei nicht vergessen werden, dass, so lange die Kernkeimhaufen wirklich das sind, was ihr Name aussagt, also bloss die Summe der noch diskreten Kernkeime, sie ihrem Wesen nach sich von den einzelnen dieser ihrer Theile nicht unter- scheiden. Sie sind dann für die künftigen Zellenkerne ebendasselbe, was die unveränderte Lebenskeimmasse für den Zellenleib darstellt, — das reife aber noch unorganisirte Protoplasma. Diese Organisation oder die eigentliche Form des Lebendigen wird eben durch die Verschmelzung der Kernkeimhaufen zu den soliden Zellenkernen hergestellt, welche natürlich im einzelnen nicht nachzuweisen ist, sodass auch keine bestimmte Grenze zwischen beiden Zu- ständen gefunden werden kann. Jedenfalls besitzt aber der fertige Zellenkern die bezeichnenden Merkmale des Lebens. Sein Wachsthum geht innerhalb seiner bestimmten äusseren Grenzen vor sich, kann also nur auf einer Innen- aufnahme neuen Stoffes, auf einer Ernährung beruhen. Die Fortpflanzung der Kerne habe ich bereits ausführlich beschrieben; sie beruht auf einem lokal beschränkten oder überwiegenden Wachsthum, sodass, was sonst die Vergrösse- rung des Ganzen hervorgerufen hätte, in jenem Falle die excessive Ausbildung eines Theils bewirkt, welcher dadurch zu einem neuen Ganzen sich absondert. Man kann eine solche Erscheinung einer Knospenbildung vergleichen, wobei die endliche Ablösung des hervorsprossenden Theils offenbar mechanisch erfolgt, und noch allgemeiner sich dahin ausdrücken, dass diese Fortpflanzung aufeinem Wachsthum nichtüber das individuelle Mass hinaus, wie es häufiger ausgesprochen wird, sondern über die individuelle Form hinaus beruhe. * * Ich bemerkte schon, dass die Bilder der sich fortpflanzenden Zellenkerne in mir die Ansicht erweckten, dass ihre Knospenbildung je auf eine Stelle beschränkt sei. Aber wenn dieselbe auch unter Umständen nach zwei Seiten erfolgte, und alsdann beinahe je eine Hälfte des Muttergebildes umfasste, das letztere in die neuentstehenden Theile vollständig aufgenommen würde, so wäre der von mir aufgestellte Typus dadurch nicht wesentlich ver- ändert. Die Unterscheidung, dass in dem letzteren Falle die ganze vorhandene Masse sich in zwei Hälften sondert, im ersteren Falle dagegen nur der Stoffzuwachs an einer Stelle abgelagert wird, stützt sich nur auf die äussere Erscheinung und ist fehlerhaft, weil sie die Vorstellung wesentlich verschiedener Ursachen in beiden Vorgängen einschliesst, Wenn die allmähliche Theilung in zwei gleiche Hälften unabhängig von der Ernährung II. Die Dottertheilung. 101 Fragt man nun nach den Ursachen jener Abänderung des gleichmässigen Wachsthums, so halte ich es von vornherein für unberechtigt, dieselben, na- mentlich solange in den Kernen differente Theile fehlen, aus hypothetischen Wirkungen hypothetischer Theile, z. B. durch besondere Anziehungscentren, zu erklären. Jede Lebenserscheinung ist allerdings der Ausdruck der an der be- treffenden Stelle irgendwie veränderten Ernährung oder des Stoffverbrauchs ; aber diese nächsten Lebensursachen, mögen sie sich nun allgemein oder lokal äussern, bleiben immer gleichsam das Medium, wodurch alle äusseren Einwir- kungen, welche das Leben unterhalten, in die ihm eigenen Erscheinungen überge- führt werden. Dem Organismus eigenthümlich ist im Grunde nur diese Fähig- keit des An-und Umbildens, welche bei einer homogenen Beschaffenheit desselben überall die gleiche bleiben muss. Tritt nun doch in einem solchen Falle eine Abänderung in der Gleichmässigkeit der Wirkungen ein, sokann man die Veran- lassung dazu, also zu einem einseitigen Wachsthume oder der lokalen Steigerung der Nahrungszufuhr nur den äusseren Einflüssen zuschreiben. Wenn wir aber einen Blick zurückwerfen auf die allmähliche Entwickelung der Zellenkerne aus den Kernkeimhaufen und den Lebenskeimen, so erhellt, dass die centripe- talen, zuführenden Diffusionsströme, welche die Masse der Lebenskeime ver- mehrten, darin die dauernde Neubildung von Kernkeimen unterhielten, auch die Nahrungszufuhr der Zellenkerne besorgen und hier wie dort mit einem wenigstens äusserlich scheinbar gleichen Erfolge wirken, also ebensowohl das gleichmässige, wie das ungleichmässige Wachsthum mit den folgenden Thei- lungen hervorrufen. Hierbei lässt sich nicht verkennen, dass die aus den Er- gedacht wird, so ist sie keine Lebenserscheinung mehr; die Ungleichmässigkeit der Ernäh- rung kann aber, wie im Folgenden noch näher erörtert wird, nur auf der Ungleichmässig- keit der radiären Ernährungsströme beruhen, sodass ein Ueberwiegen des Wachsthums nach zwei Seiten hin auf eine entsprechende Spaltung des stärkeren Ernährungsstromes hindeutet, während derselbe im andern Falle vollständig nach einer Seite gerichtet ist. Hierbei kann aber natürlich die Substanz des Kernsin die früherbestandene und die neuhinzu- kommende nicht wirklich geschieden gedacht werden; es bleibt morphologisch immer eine und dieselbe, welche bei den durch das Wachsthum hervorgerufenen Molekularbewegungen entweder an einer umschriebenen Stelle, theilweise, und zwar gewöhnlich in dem Masse, als sie zunimmt, oder nach zwei Seiten über ihre frühere Form hinausgedrängt wird. Der Erfolg ist in beiden Fällen ganz derselbe: die Neubildung zweier Körper statt des ursprüng- lichen einen, und der Unterschied beruhtnur darin, dass der stärkere, überwiegende Ernäh- rungsstrom einmal nach einer Richtung abgelenkt, dasandere Mal in zwei Schenkel gespalten erscheint, wobei der vollständige Uebergang des Muttergebildes in die sich absondernden Hälften nur mehr ein zufälliger Umstand ist, der bei der einseitigen Knospung selbstver- ständlich nicht eintreten kann, 102 II. Die Dottertheilung, scheinungen erkannten Entwickelungsvorgänge der Lebenskeime, obgleich ich sie nach den früheren Erörterungen nicht für lebendige halten kann, der Lebens- thätigkeit der dabei erzeugten Zellenkerne sehr viel näher stehen, als etwa ähn- lichen Vorgängen anorganischer Körper. Die Lebenskeime wachsen, und dieses Wachsthum bringt Bewegung und Vermehrung hervor, und zwar gerade desshalb, weil es keine Anlagerung von aussen, wie bei den anorganischen Körpern, sondern eine wirkliche Innenaufnahme ist, indem die Bewegung der Stoffzufuhr bei dem halbflüssigen Zustande der Substanz sich in die letztere fortsetzen, die neuhinzugekommenen Theilchen in deren Inneres ein- führen kann. Dass dies in der That stattfindet, erhellt unzweifelhaft aus den Bewegungen der Lebenskeime bei ihrer Vermehrung: die Stofftheilchen müssen vielfach anemander verschoben werden, da die einzig mögliche Ursache der ganzen Erscheinung von einer anderen Seite auf den Lebenskeim wirkt, als wo der Effekt, die neuen Theile erscheinen. — Wenn aber auch die Vor- gänge, welche das Wachsthum und die daraus resultirenden Erscheinungen der Lebenskeime und der Zellenkerne bedingen, dieselben sind, so sind doch jene ihre Wirkungen durch das wechselnde Objekt, an dem sie sich offenbaren, wesentlich von einander unterschieden. Zunächst mache ich darauf aufmerk- sam, dass jene Erscheinungen nicht Eigenschaften des betreffenden Stoffes, des reifen Protoplasmas an sich sind, sondern von bestimmten, gesetzmässig ange- ordneten Beziehungen desselben zu seiner Umgebung, von der beschriebenen Protoplasmaströmung abhängen. Sie sind also das Resultat einer gewissen Organisation des lebensfähigen Stoffes. In dem ausgewachsenen Eierstockseie ist nur ein formloses, unreifes Protoplasma enthalten; unter gewissen Umstän- den entwickelt sich darin eine gesetzmässige Bewegung, es wird organisirt und erhält als sichtbaren Ausdruck davon die bestimmte äussere Gestalt (Dotter- kugel). Diese Organisation leitet zugleich die Umbildung des Stoffes ein, welche sich aber nicht gleichmässig und sofort auf die ganze Dotterkugel erstreckt (wodurch allein dieselbe zu einem Organismus werden könnte), sondern auf einzelne bestimmte Stellen beschränkt, wo der Dotter in lebens- fähiges Protoplasma verwandelt wird. Indem diese Umbildungsheerde eben die Organisationscentren sind, treffen die Bedingungen für jene Erscheinungen zusammen, welche uns durchaus als Lebenserscheinungen imponiren. Aber an den Lebenskeimen entspricht das sichtbare Bild nicht dem objektiven Zu- stande. Ich habe von ihnen wie von wirklichen Körpern nur aus Rücksicht auf die bequeme Beschreibung und mit dem Vorbehalt gesprochen, dass man stets II. Die Dottertheilung. 105 des eigentlichen Thatbestandes bewusst bleibe. Wenn aber der letztere lehrt, dass die Lebenskeime nach allen Seiten kontinuirlich mit dem übrigen Dotter- protoplasma zusammenhängen, dass sie überhaupt nur die sichtbaren Sammel- punkte der ganzen radiären Diffusion sind, so folgt daraus, dass die Vorgänge, welche uns als ihr „Wachsthum“ und ihre „Fortpflanzung“ erscheinen, ebenso- wenig auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt sind, und gleichfalls allseitig ohne irgend eine Grenze in die Bewegungen des offenbar leblosen Protoplasmas, der unveränderten Dottersubstanz übergehen. Weil es nun Lebenserschei- nungen ohne bestimmt begrenztes Objekt nicht geben kann, da man unter jenem Ausdrucke nicht gewisse Bewegungen an sich, sondern Vorgänge in und an bestimmten Körpern, eben den Organismen, versteht, so kann die organi- sirte Bewegung des lebensfähigen Protoplasmas erst dann als wirkliches Leben aufgefasst werden, wenn sie in bestimmte Schranken eingeschlossen, sich dess- halb auch in bestimmten Leistungen innerhalb derselben offenbart. Es ergibt sich also aus dieser Ueberlegung, dass die radiäre Diffusion jedes Dotterstückes dieses beschränkte Gebiet zur Bethätigung des Lebens erst in dem fertigen Zellenkerne findet, welcher daher die erste Lebensform indem sich entwickelnden Batrachiereie darstellt. — Aus diesem Grunde unterscheide ich die Dotterstücke, sobald sie einen fertigen Zellenkern ent- halten als Embryonal- und Dotterzellen von den vorher kernlosen Dotterstücken, obgleich schon aus der früheren Darstellung hervorgeht, dass beide Zustände nirgends scharf getrennt sind, sondern allmählich in einander übergehen. Jene Zellenkerne verzehren das um sie noch angesammelte reife Protoplasma sehr bald, sodass endlich jedes neu umgebildete Quantum der sie umgebenden Dottersubstanz eben nur zum Leben der Kerne, namentlich zu ihrer andauernden Fortpflanzung hinreicht. So erscheinen denn die Embryonal- und Dotterzellen sehr bald als grössere oder kleinere Körperchen von scheinbar unveränderter Dottersubstanz, welche einen Kern einschliesst; sie stimmen mit ausgebildeten, vollkommenen Zellen nur durch den Besitz des lebendigen Kerns überein, während ihr eigentlicher Zellenleib noch aus durchaus unreifem, nicht lebensrähigem Protoplasma be- steht, welches durch die Kernvermehrung gerade ebenso wie bei den früheren Dottertheilungen in immer kleinere Stücke zerfällt, aber von einer Ernährung und deren Folgen nichts wahrnehmen lässt. Die Embryonalzelie ist daher als Ganzes ebensowenig wie die Dotterkugel oder die kernlosen Dotter- stücke ein vollständiger Elementarorganismus oder „das wahre Urbild von 104 II. Die Dottertheilung. Zellen“.* Sie ist nur die letzte Umbildungsstufe in der ganzen langen Ent- wickelungsreihe von der Entstehung des formlosen unreifen Protoplasmas bis zur Herstellung einer vollkommen fertigen, lebendigen Zelle, in welche sie durch die fortgesetzte Umbildung der Dottersubstanz in reifes, lebensfähiges und sich wirklich ernährendes Protoplasma übergeht. Dieser Vorgang beruht, wie ich schon auseinandersetzte, in einer Schmelzung der Dottertäfelchen und Dotterkörner während der andauernden radiären Protoplasmaströmung. Wenn aber dieser Process, welcher die Ernährung des Zellenkerns besorgt, abge- laufen ist, so muss natürlich eine bis dahin fehlende und entbehrliche Ernäh- rung des Zellenleibes selbst eintreten, wenn der ganze Organismus am Leben bleiben soll. Dass diese Ernährung, die Stoffaufnahme von aussen her nicht plötzlich in dem fertigen Zellenleibe erscheine, sondern allmählich und wohl schon während der letzten Periode der Dotterschmelzung sich entwickele, scheint mir eine selbstverständliche Annahme, wenn man einmal erkannt hat, wie die allmähliche Ablösung vergänglicher Zustände, die Entstehung der Ursachen zu solchen Veränderungen als unscheinbare Begleiterscheinung in viel früheren Perioden ganz eigentlich zum Wesen der organischen Entwicke- lung gehören. Am Schlusse dieser Betrachtungen über die Dottertheilung angelangt, will ich noch auf die allgemeine Bedeutung der daraus gewonnenen Ergebnisse hin- weisen. Während die ältere Lehre, indem sie in der Dottertheilung ganz richtig eine Neubildung von Zellen in einer nichtzelligen Keimstätte sah, doch über die äussere Erscheinung, über die geheimnissvolle Zusammenfügung von Kern und Zellenleib nicht hinausging, machte es sich andererseits die moderne Auffas- sung, welche dem Zusammenhange der Erscheinungen nachzuspüren begann, wieder zu leicht, wenn sie schematisirend und unter Vernachlässigung der that- sächlichen Verhältnisse in der Dottertheilung nur den Vorgang einer besonders fruchtbaren Zellenfortpflanzung zu erkennen glaubte. Auf Grund meiner Be- obachtungen und vom Standpunkte der daran geknüpften Betrachtungen darf ich vielmehr behaupten, dass die Dottertheilung der äussere Ausdruck eines Entwickelungsvorganges ist, dessen einzelne Abschnitte weder formell, noch materiell gleichartig sind, während dessen die ursprüngliche Dottersubstanz alle Phasen von einem nicht lebensfähigen Stoffe und einer formlosen Masse * Vgl. Scnuuntze Nr. 93 S. 9. Dass Scnurtze unter seinen Embryonalzellen vor- herrschend die „Furchungszellen‘“ versteht, ist S. 9—11 ganz unzweideutig ausgesprochen. II. Die Dottertheilung. 105 is zum fertigen Elementarorganismus mit ganz allmählichem Fortschritte durchläuft, und wobei das unermüdliche Spiel der fortlaufenden Theilungen nur ine Begleiterscheinung jener fundamentalen Vorgänge darstellt. Diese bieten unserer Betrachtung zunächst wohl die einzige Gelegenheit, die Entstehung des Lebens aus Nichtlebendigem zu belauschen, den nothwendigen Zusammenhang zu finden zwischen der durch äussere Bedingungen und Einflüsse hervorgeru- fenen Zusammenziehung der formlosen Dottermasse zur Dotterkugel, der da- durch erzeugten radiären Anordnung der Diffusionsströme und der daraus fol- genden Bildung des ersten Lebenskeimes, zwischen den an dem letzteren sich offenbarenden Veränderungen, gleichsam Lebenserscheinungen ohne Objekt, und ihrer Fixirung in bestimmte Schranken, wodurch der Elementarorganismus vollendet wird. Eine durch die eigenthümliche Zusammensetzung der Sub- stanz gewährleistete, fortschreitende Beschränkung regelloser allgemeiner Be- wegungen in immer engere Kreise bedingt die Entwickelung, das Leben; und desshalb darf die Reihe von Entwickelungsvorgängen, welche wir nach ihrer äusseren Erscheinung kurzweg Dottertheilung nennen, von der Entwickelung des Eierstockseies durchaus nicht wesentlich getrennt gedacht werden, sondern ist vielmehr ebenso sehr eine unmittelbare Folge der letzteren, welche ja alle wesentlichen Bedingungen jener fortschreitenden Beschränkung schuf, ‚wie die nachstehend zu betrachtende Bildung des Embryo nicht bloss im Anschlusse an die Dottertheilung erfolgt, sondern in eigenthümlichen Umständen schon der ersten Akte derselben begründet wird. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, den Dottertheilungsprocess in dem- selben Umfange wie an den Eiern der Batrachier auch an denen anderer Wir- belthiere zu untersuchen. Die entgegenstehenden Hindernisse beruhen nicht nur in den Eiern selbst, sondern auch in den äusseren Umständen ihrer ersten Entwickelung, welche das Sammeln aller beliebigen Entwickelungsstufen er- schweren. Man wird sich daher zunächst darauf beschränken müssen, die Uebereinstimmung aller Wirbelthiereier hinsichtlich der Dottertheilung anzu- nehmen, sobald man die meisten Einzelheiten derselben, wie sie an den Ba- trachiereiern erkannt werden können, auch nur von einander getrennt an den verschiedenen Eiern der Fische und Amnioten wieder findet. — Der äussere Vorgang der Dotterzerklüftung und der Uebergang der Dotterstücke in die Embryonalzellen des Keims ist bekanntlich in allen Wirbelthiereiern nachge- wiesen; dass jedem Akte der Dottertheilung eine entsprechende Theilung eines kernartigen Centralgebildes vorangehe, hat Kuprrer unmittelbar an durch- 106 II. Die Dottertheilung. sichtigen Fischeiern beobachtet (No. 105 S. 214). Ueber die Entwickelung dieser Oentralgebilde und namentlich des ersten derselben ist jedoch bisher nichts bekannt geworden; die Thatsache, dass sie zuletzt in unzweifelhafte Zellenkerne übergehen, genügte, sie in allen Phasen der Dottertheilung mit solchen Kernen zu identifieiren. Um so interessanter sind daher die Beobach- tungen ÜELLACHER', welcher in den Dottertheilstücken des Forelleneies statt der allgemein angenommenen einfachen Kerne Gruppen von kernartigen Gebilden in Lücken der Dottersubstanz oder in einer „auffallend feinkörnigen‘“ Masse eingeschlossen antraf (No. 106 S. 410 — 411). In den späteren Stadien der Dottertheilung sah er auch je zwei solcher Kerngruppen in einem Dotterstücke, endlich aber statt ihrer grössere einfache Kerne, welche bisweilen gekerbt er- schienen (a. a. O. S. 413 — 414). Auf Grund dieser Beobachtungen schliesst sich OELLACHER im wesentlichen der Anschauung Remar’s betreffs der Ba- trachiereier an und hält die Elemente jener Gruppen für wirkliche Kerne, welche durch fortgesetzte Theilung aus einem einfachen ersten Kerne hervor- gingen, welchen OELLACHER allerdings nur am unzerlegten Keime gesehen zu haben glaubt (S. 409. 415). Diese Kerne würden endlich zu je einem in die kleineren Dotterstücke vertheilt, wobei sie ansehnlich wüchsen, sich aber auch noch nachträglich theilten, wie aus den gekerbten Kernen hervorgehe (8.416). Ein solcher Zusammenhang der Erscheinungen wurde von OELLACHER nicht wirk- lich beobachtet (S. 410), sondern bloss angenommen im Anschlusse an die ent- sprechende Remar’sche Darstellung von den Batrachiereiern. Wenn ich aber schon die letztere als irrthümlich zurückwies, wenn ferner die gleiche Annahme OELLACHER’S für das Forellenei den grössten Schwierigkeiten in seinen eigenen Beobachtungen begegnet, so finde ich dagegen in den letzteren viel mehr Ueber- einstimmung mit meiner die Batrachier betreffenden Darstellung. Von jenen Schwierigkeiten will ich nur auf eine hindeuten. Da die vermeintlichen Kerne während längerer Zeit gruppenweise und in wechselnder Anzahl, später aber einzeln in die sich neubildenden Dotterstücke vertheilt werden, so kann man weder den ganzen sich theilenden Dotterstücken, noch den einzelnen Gruppen- elementen einen gesetzmässigen Einfluss auf ihre Vertheilung zuschreiben; dann sieht man sich aber vergeblich nach einem weiteren Momente um, welches nach Ausschluss jeder Gesetzmässigkeit und Nöthigung bei jenem Vorgange dennoch ein gesetzmässiges Endresultat, nämlich die Einkernigkeit der Embryonalzellen herbeiführte. Wenn es aber schwierig und undankbar ist, Lücken in der Be- “ obachtung durch Hypothesen auszufüllen, so gelingt dies, wie mir scheint, auch II. Die Dottertheilung. 107 im vorliegenden Falle leichter durch den Vergleich mit nahe verwandten aber im Zusammenhange beobachteten Erscheinungsreihen. Indem ich den Angaben OELLACHER'S eine Ähnliche Deutung gebe wie denen REmar's, also die Elemente der Gruppen mit meinen Kernkeimen vergleiche, glaube ich alle weiteren Ein- zelheiten der OrtnAcHer'schen Beobachtungen befriedigend erklären zu kön- nen. Zunächst wäre auch im Forelleneie der Begriff der in den Dotterstücken befindlichen Centralgebilde auf die ganzen Inseln feinkörniger Dottersubstanz auszudehnen, in welchen die Kernkeimhaufen eingebettet sind. Wo dieselbe etwa vermisst wurde, deuten die sie vertretenden Lakunen, welche unzweifelhaft ebenso entstehen, wie ich es an den Batrachiereiern beschrieb, auf ihre An- wesenheit im normalen Zustande hin. Die Annahme, dass das von ÖELLACHER gesehene erste Oentralgebilde, nämlich eine grössere kugelige Masse mit einem kleineren Körperchen in ihrem Innern, einem ersten Lebenskeime mit seinem Hofe entspreche, also die Kernkeime in ihm oder seinen nächsten Nachkommen als isolirte Neubildungen entstehen, scheint mir jedenfalls wahrscheinlicher als die Auffassung, dass jenes Oentralgebilde oder der vermeintliche erste Kern in einem Akte in eine grössere Anzahl bedeutend kleinerer Körperchen zerfiele, deren Masse nur einem sehr kleinen Theile des ersteren gleichkäme.* Endlich bleibt es bei der Ortnacher'schen Auffassung, wie schon bemerkt, schlechter- dings unbegreiflich, wie und warum seine vermeintlichen Kerne, nachdem sie längere Zeit haufenweise in die neu zu bildenden Dotterstücke einwanderten, zuletzt durchgängig zu je einem in denselben vertheilt werden, während an- dererseits einige dieser einzelnen Kerne zu gleicher Zeit durch ihr gekerbtes Aussehen eine massenhafte Produktion andeuten sollen. Gegenüber diesen mit * ÖELLACHER gibt den Durchmesser des „ersten Kerns“ auf 80 «, denjenigen der vier „Kernhäufchen “ nach der zweiten Dottertheilung auf 13—16 u an (No. 106 S. 412). Be- trachtet man beiderlei Gebilde als Kugeln und berechnet darauf aus ihren Durchmessern ihren Inhalt, so ergibt sich, dass die Gesammtmasse der vier Häufchen nur ! „ derjenigen des „ersten Kernes“ beträgt. Wenn aber OELLACHER im Anschlusse an seine Zahlen- angaben meint: „Dies beweist zur Genüge, dass einer Ableitung jener Körperchen vom ersten Kern, was die Massenverhältnisse anlangt, Nichts im Wege steht“ — so ist der Irr- thum schon beim ersten Blicke auf die Zahlen so handgreiflich, dass man nur annehmen kann, OELLACHER habe das Massenverhältniss dem Längenverhältnisse der Durchmesser gleichgesetzt. An einen Schreib- oder Druckfehler in den Zahlenangaben ist desshalb nicht zu denken, weil nach den Massangaben für die zwei Kernhäufchen nach der ersten Dotter- theilung (S. 411) ihre Gesammtmasse sich halb so gross herausstellt, als diejenige der vier Häufchen, — ein Verhältniss, welches durchaus mit meinen Befunden am Batrachierei über- einstimmt 108 II. Die Dottertheilung. einander wenig übereinstimmenden Momenten ergibt sich ein ganz einfacher und natürlicher Zusammenhang der Erscheinungen, sobald man die angegebene Analogie mit den Batrachiereiern annimmt. Sind die Elemente der von OEL- LACHER beobachteten Gruppen wirkliche Kernkeime, so brauchen sie sich nicht einzeln in den Dotterstücken zu vertheilen, um die einfachen Zellenkerne zu bilden, sondern die ganzen Gruppen verschmelzen eben zu den letzteren ; als- dann ist sowohl die auffallende Grössenzunahme der fertigen einzelnen Kerne gegenüber den Gruppenelementen, als auch das gekerbte Aussehen der ersteren als Ausdruck der sich vollziehenden Verschmelzung leicht verständlieh und nach meinen Beobachtungen über die Entwickelung der Eifollikel nicht ohne unterstützende Analogie. — So glaube ich auch schon aus den unzusammen- hängenden Daten über den ganzen Process der Dottertheilung in den Fisch- eiern eine Ueberstimmung desselben mit dem gleichen Vorgange bei den Ba- trachiern herausfinden zu können; und da die Eier der Teleostier denjenigen der Plagiostomen, Reptilien und Vögel noch ähnlicher sind als den Batrachier- eiern und den ihnen nächstverwandten Formen (Eier der Cyklostomen, Gano- iden), so lässt sich die Analogie mit den genannten Klassen und selbst den Säugethieren mit grosser Wahrscheinlichkeit voraussehen. * Der Unterschied aber, auf welchen die Eintheilung aller Wirbelthiereier in zwei Gruppen, nämlich in holo- und meroblastische begründet wird, bedarf hier noch einer kurzen Erwähnung, obgleich seine eigentliche Bedeutung erst im folgenden Abschnitte behandelt werden kann. Hier erhebt sich nur die Frage nach den Ursachen, welche den grösseren Abschnitt des Dotters der meroblastischen Eier (Teleostier, Plagiostomen, Reptilien, Vögel) der Theilung entziehen, und nach den Grenzen, welche dadurch ihrer Analogie mit den holo- blastischen Eiern (Cyklostomen, Batrachier, Säuger) gesteckt werden. Ohne auf die Untersuchungen ausführlich einzugehen, welche ich zu diesem Zwecke an Hühnereiern anstellte, und deren Mittheilung ich einer besonderen Arbeit vorbehalte, will ich hier nur kurz die wichtigsten Ergebnisse hervorheben. Man unterscheidet bekanntlich an den meroblastischen Eiern den eigentlichen Keim, welcher allein zerklüftet werde, von dem Nahrungsdotter, welcher * Ich darf hier wohl die Bemerkung hinzufügen, dass ich auch an den Eiern der Asci- dien als erstes und zwar stark excentrisches Innengebilde des Dotters nicht einen wirklichen Kern, sondern eine nicht scharf begrenzte helle Dottermasse antraf, in welcher erst nach der ersten oder zweiten Theilung ein deutlich begrenztes kernartiges Centrum auftrat, II. Die Dottertheilung. 109 davon nicht berührt werde. Ich finde aber nun, dass der unmittelbar unter dem Keime befindliche Theil des Nahrungsdotters gleichfalls, aber so langsam und spät an der Zerklüftung und Bildung kernhaltiger Dotterstücke theilnimmt, dass er durchaus nicht zu dem eigentlichen Keime gerechnet werden könnte. Während der Zerklüftung des letzteren, wobei um die getheilten Centralgebilde sich sofort die neuen Dotterstücke absondern, gerathen einige jener kernartigen Öentra oder schon fertigen Kerne in die darunterliegende Schicht des Nah- rungsdotters, ohne sogleich eine entsprechende Absonderung der sie zunächst umgebenden Dottermasse hervorzurufen. Erst allmählich und zum Theil nach der vollständigen Ablösung des Keims vom Nahrungsdotter durch die zwischen- liegende Keimhöhle vollzieht sich jene Absonderung, deren Produkte die be- kannten Dotterelemente am Boden der Keimhöhle sind; und es ist nicht un- wahrscheimlich, dass einige jener freien Kerne die betreffende Anpassung der umgebenden Dottermasse überhaupt gar nicht herbeiführen, also wirkungslos zu Grunde gehen. Die Entstehung dieser eigenthümlichen Dotterelemente, deren Bedeutung ich erst später erörtern kann, lehrt aber deutlich, dass der Dottertheilungsprocess am Keime keine scharfe Grenze findet, sondern in seinen fundamentalen Vorgängen allmählich im den Nahrungsdotter ausläuft, dass also sein sichtbares Ergebniss gleichsam stufenweise abnimmt. Dies weist uns aber bereits auf das Batrachierei hin, an welchem wir ebenfalls die eigentliche Thei- lung, wenigstens in ihren ersten Akten, nur allmählich und langsam in die un- tere Eihälfte fortschreiten sehen ; denkt man sich bei einer relativ ausserordent- lichen Ausdehnung dieser Hälfte den Fortschritt der abwärts ziehenden Spal- ten endlich vollständig sistirt, so dass nur noch die oberen Abschnitte der betreffenden Dottermassen an der weiteren Zerklüftung theilnehmen, so hat man das Verhältniss der meroblastischen Eier, wie ich es besonders am Hühner- eie, aber auch am Forelleneie verfolgte. — Durch diese Vorstellung wird man auch gleich auf die Ursachen der Abweichung aufmerksam: die relativ grosse Ausdehnung der Dottermasse unter dem ersten Theilungscentrum, welches ganz peripherisch im eigentlichen Keime liegt, also die ausserordentliche Länge der betreffenden Difiusionsradien macht die Ausbildung von in ihnen verlaufen- den zweiseitigen Diffusionströmen, bevor die Diffusionssysteme in den oberen Dotterabschnitten sich bereits anderweitig verschieben, unmöglich, setzt sie ausser Wirksamkeit, sodass jene ihre Thätigkeit allein fortsetzen. Was also bei den Batrachiereiern nur während der ersten Theilungsakte stattfand, der Ausschluss der unteren Diffusionsströme, wodurch allein die Excentricität des 110 II. Die Dottertheilung. ersten Lebenskeimes und die am oberen Pole überwiegende Energie der Dotter- theilung erklärlich waren, wird in den meroblastischen Eiern zur bleibenden Norm. Daraus ergibt sich als ganz natürliche Folge, dass ihre Keime anfangs nur mehr senkrechte Spalten und eine horizontale Schicht nach unten unvoll- ständig abgesonderter Dotterstücke enthalten (vergl. No. 106); haben sich diese darauf auch vom Nahrungsdotter getrennt, so wird dadurch auch natür- lich der Ausbildung allseitiger Diffusionsströme in ihnen Gelegenheit gegeben und es treten am ganzen Keime alle bekannten Erscheinungen der Dotterthei- lung gerade so wie am Batrachiereie auf. — Der Unterschied in der Entwicke- lung beider Eiformen reducirt sich also darauf, dass die allen Eiern gemeinsame Trägheit, welche der grössere untere Dotterabschnitt bei den ersten Akten der Dottertheilung bekundet, in den holoblastischen Eiern nur zu einer Verzöge- rung des betreffenden Vorgangs, in den meroblastischen dagegen zu einem voll- ständigen Erlöschen desselben in dem grössten Theile des Nahrungsdotters führt. Daraus ergibt sich aber auch schon, dass die holoblastischen Eier in der Dotterzellenmasse allerdings einen dem Nahrungsdotter analogen Theil be- sitzen, welcher sich, wie ich noch zeigen werde, auch später als solcher doku- mentirt. — So ergänzen sich die Kenntnisse, die man an verschiedenen Eiern sammelt, wieder zu einem einheitlichen Bilde, welches bei einseitiger Betrach- tung der Einzelheiten schwerlich erzielt würde. III. Die Bildung der Keimblätter. Historische Uebersicht der bisherigen Untersuchungen. Pr£vosr und Dumas bemerken, der Embryo sei anfangs auf die Anlagen des Rückens, den Primitivstreif und seine Umgebung beschränkt; darauf dehne er sich immer mehr aus und überziehe das ganze Ei, indem er es in die ihm nöthigen Organe und Gewebe umwandle (No. 2 S. 117). Ueber die Theile des frisch befruchteten Batrachiereies spricht sich DurrocHer folgendermassen aus: „Der schwarze Theil des Eies ist der Foetus, welcher schon vor der Befruchtung existirt, und der weissliche Theil ist eine Oeffnung dieses Foetus, welche blos durch die eigenthümliche Haut des Dotters verschlossen wird. Diese Oeffnung schliesst sich durch das concentrische Wach- sen und durch die Annäherung ihrer Ränder einige Tage nach der Befruchtung und wird der After der Larve“ (No. 5 S. 292). Da diese Theile bereits ein Jahr vor der Befruchtung vorhanden, die Larve aber durch einige Zeit ein Maul ent- behrt, so schliesst DuUTRocHET: „Demnach ist also der bei den Weibchen der Batrachier vor der Befruchtung bereits vorhandene Foetus polypengestaltig. Er besteht aus einem kugeligen Nahrungssacke mit einer einzigen Oeffnung, welche für das vollkommene Thier den After abgiebt“ (S. 293). J. Müuter sagt über die erste Entwickelung der Geburtshelferkröte: „Membrana prolifera postquam vitellum crescendo undique ambiit, appendicem efficit saccatum ex carina embryi propendulum, vitelli substantiam continentem. Jam vero saccus ille in laminam externam tenuissimam pellucidam atque inter- nam vasculosam diffinditur, quarum altera integumentorum altera intestinorum est“ (No. 11 8. 73). v. Baer beobachtete zuerst die Bildung einer Höhle im Innern des Dot- ters während dessen Theilungsprocesses. Aus einigen Stellen (No. 14 8. 485 und 491, Fig. 10— 16 Taf. XI) scheint hervorzugehen, dass nach v. BARr die 112 II. Die Bildung der Keimblätter. vom Keimbläschen zurückgelassene Höhle sich zu der bezeichneten, während der Embryonalentwickelung sichtbaren umwandle. Sie dehne sich bedeutend aus, beginne dann „sich regelmässig zu gestalten, indem die einzelnen Dotter- massen wie die Steme eines Gewölbes sich an einander lagern“, und sehe endlich aus „wie die gut abgerundete Höhle eines Backofens“ (No. 14 S. 492. 495). Ueber die weiteren Schicksale dieser Höhle gibt aber v. BAER keinen Aufschluss. — Was die einzelnen Theile des Eies betrifft, so erklärt v. BAER den dunklen, ziemlich dicken Ueberzug für den lebendigen Keim, welcher allmählich den übrigen hellen Dotter überzieht und sich dabei von ihm absondert, und zwar nicht nur äusserlich durch die von Ruscont zuerst beschriebene halbmondför- mige Furche, sondern auch innerlich (No. 8 II S. 254. No. 14 S. 497). „Man unterscheidet deutlich in der Dottermasse, die über der innern Höhle liegt, eine obere Schicht, aus dunklerer Masse bestehend, von einer unteren. Jene ist der Keim, wie die weitere Ausbildung zum Embryo lehrt. Ja ich glaubte in dem Keime selbst allmählich wieder zwei Schichten zu erkennen, von denen die un- tere grössere Elementarmassen hat, als die obere, sodass ich an die beiden Schichten im Keime der Vögel und anderer Lungenthiere erinnert wurde, die animale und die vegetative“ (No. 14 S. 497). Jene helle Stelle, welche Du- TROCHET für den After hält, sei dies ganz gewiss nicht, sondern „wohl ganz einfach für eine langsam sich überdeckende Stelle der Dotterkugel zu halten, die, wie ich glaube, dadurch veranlasst wird, dass der Keim, dessen Rand nicht ohne einige Dicke ist, die Dottermasse vor sich herschiebt. Wenigstens sieht man diese in Durchschnitten wie einen Pfropf vorragen“ (No. 8 Il S. 285). Da die vegetative Schicht später einen Sack bilde, dessen erweiterte Mitte den Vor- rath von unaufgelöstem Dotter bewahrt, so vertritt dieselbe nach v. BAER „die Stelle des Dottersackes, verdient aber diesen Namen nicht ganz, da sich hier nie ein Darmnabel bildet“ (S. 294). Diese innere Dottermasse hält v. BAER offenbar für die erste Nahrung des Embryo (S. 239). Ueber die innere Höhle der Dotterkugel lässt sich Ruscoxt folgender- massen aus (No. 16 S. 217). Wenn die Dotterkugel aus 16 Stücken bestehe, „so bemerkt man unter den 3 Massen der oberen Hemisphäre und in ihrer Mitte, den Anfang einer länglichen, unregelmässigen Aushöhlung.“ Rusconı nimmt an, dass diese Höhlung eine Folge der Trennung sei, welche innerlich zwischen der grauen Substanz, woraus die 8 oberen Massen beständen, und der untern weissgelblichen Substanz entsteht, sodass die ersteren gewissermassen eine Decke der Höhle bildeten. Ist die Oberfläche des Eies glatt geworden, so III. Die Bildung der Keimblätter. 113 hat die Höhle die Form eines Kreisabschnitts bekommen (No. 16 8. 218). „Ich füge noch hinzu, dass um diese Zeit, wie ich in meiner Entwickelungsgeschichte des Frosches bemerkt habe, die braune Lage des Dotters sich allmählich über die weisse Hemisphäre ausdehnt, indess eine gebogene Furche, die erste An- deutung des Afters, entsteht.“ Ferner finde man, „dass im Innern die graue Sub- stanz, die anfangs auf die obere Hemisphäre beschränkt war, sich auf einer Seite des Dotters bis zu jener Furche oder dem After ausgedehnt hat und dass die halbmondförmige Höhle dieser Bewegung der grauen Substanz gefolgt ist, sodass sie nicht mehr im oberen Theile ist, sondern zur Seite. Ausserdern ist in der weisslichen Substanz eine weite elliptische Höhle, die von der halbmond- förmigen mittelst einer dünnen Schicht, oder vielmehr eines Häutchens getrennt ist.“ „Indess verengt sich der After und wenn er fast zu einer einfachen Spalte reducirt ist, ist im Innern des Dotters die elliptische Höhle völlig verschwunden und die halbmondförmige grösser geworden und anders gestaltet“ (No. 16 S. 222. No.6 8.11). Der dunkle Ueberzug des Dotters sei die Haut (ebend. und No. 16 S. 224); aus der grauen Schicht über der halbmondförmigen Höhle entständen Kopf und Rücken, aus der hellen Substanz der Darm (No. 168.222). Was aus der Höhle werde, ist in keiner Schrift Ruscoxt’s angegeben; jedenfalls konnte er sie mit der Nahrungshöhle nicht in Verbindung bringen, da diese seiner Ansicht nach eine spätere Neubildung ist. | ReıcHerT hat uns seine Auffassung über den allgemeinen Entwickelungs- gang des Batrachiereies in seinem embryologischen Hauptwerke (No. 22 Taf. IV Fig. 1—7) und in seinen Beiträgen (No. 28) ganz bestimmt auseinandergesetzt. Im befruchteten Froschdotter unterscheidet REICHERT zweierlei Zellen; im Innern liegen noch kernlose Mutterzellen, welche nach dem bekannten REıcHErT- schen Schema die junge Brut erzeugen, weiter gegen die Peripherie schon vor- gerücktere Entwickelungsstufen dieses Zellenbildungsprocesses, im Keimhügel endlich, dem Ausgangspunkte der Embryonalentwickelung, häufen sich die kleinsten Zellen an, welche unmittelbar in die Zusammensetzung der Anlagen eingehen sollen (No. 22 S.5—8). „Diese Entwickelung währt nun durch die ganze Zeit fort, so lange der Dotter noch besteht. Wo Bildungen des Embryo auftreten sollen, da werden prädisponirte, kleinere Dotterzellen dazu gebraucht, und aus der Mitte kommt neuer Ersatz“ (S. 8). ReıcHErr verwirft für die Entwickelung der Frösche entschieden die Annahme von Keimblättern; die An- lagen der Organe und Gewebe gingen am Orte ihrer ersten Erscheinung einzeln und unmittelbar aus dem Dotter hervor. Da derselbe zu diesen Bildungen GoFTTR, Entwickelungsgeschichte. 5 114 ’ III. Die Bildung der Keimblätter. ganz aufgebraucht wird, so kann die von .ReicHerrT für andere Wirbelthier- eier aufgestellte Unterscheidung von Bildungs- und Nahrungsdotter beim Frosche nicht Platz greifen. „Jede Zelle führt das Nahrungsmaterial als In- halt in den beschriebenen kleinen Kügelchen der Dotterzellen (Dottertäfelchen und -körner) mit sich. Auf Kosten dieses Inhalts wird das Wachsthum und die Erweiterung der einmal gegebenen Anlagen des Embryo unterhalten “ (No. 22 S, 19, No. 28 8. 23. 25). Die erste Bildung des Dotters ist die Her- stellung einer Umhüllungshaut, einer vergänglichen Schutzhülle, welche als pigmentirte Zellenschicht vom Keimhügel aus den ganzen übrigen Dotter über- ziehe; ihre Zellen „grenzen sich durch Aneinanderlagerung polyedrisch ab “ und enthalten Kerne mit 2—3 Kernkörperchen (No. 22 8.10 — 12. No.28 8.119. 120). Innerhalb dieser Umhüllungshaut bildet der übrige Dotter noch eine solide Masse (No. 22 S. 20), welche aber nach der Ausbildung ihrer Elemente in den scheibenförmigen Keimhügel (vgl. No. 22 S. 6) und die centrale Dotter- masse zerfällt.* Von dem Keimhügel hebe sich alsdann suecessiv und in durch- aus isolirten Anlagen ab: 1. das Centralnervensystem, 2. dicht unter seiner Axe die Chorda dorsalis, 3. zu beiden Seiten der letztern das Wirbelsystem, 4. zu beiden Seiten aller dieser Anlagen, wie ein flaches-Dach sich über ihre Ränder emporschiebend das Hautsystem (No. 22 S. 12—15). Nach diesen Bil- dungen bleibt vom Keimhügel nur noch eine dünne Schicht nach, welche sich indess vom centralen Dotter abgehoben hat, wodurch zwischen beiden Theilen eine Lücke entstehe; diese erhält sich aber nur in der Kopfgegend als Mund- höhle, schwindet aber im ganzen Rumpfe, sodass jene Keimhügelschicht im Kopfe die Mundhöhle auskleidet, weiterhin aber in unmittelbarem Zusammen- hange mit dieser Auskleidung die äussere Darmhaut bildet (No. 22 S. 20. 35). An der Innenseite der letzteren entsteht in besonderer Anlage das Cylinder- epithel, von Reichert früher Schleimhautanlage genannt (No. 28 S. 122); die übrigen Organe entwickeln sich in isolirten Anlagen aus dem Reste des Dotters. Nach Vo@r ist die Herstellung der Embryonalanlagen eine sehr einfache. Die ersten Zellen, welche um den oberen Pol entstehen, bilden eine Scheibe, * In den Figuren 2 und 3 Taf. IV gibt Reıcnert eine Rindenschicht der centralen Dottermasse an, welche als eine Fortsetung des Keimhügels erscheint; aber bereits in Fig. 4 ist dieselbe verschwunden und im Texte habe ich vergeblich nach einer Aufklärung dieses Thatbestandes gesucht. III. Die Bildung der Keimblätter. 115 welche bei ihrer Ausbreitung gegen den ungefurchten Pol einen wulstigen Rand bekommt; dieser zieht sich nach unten immer mehr zusammen und schliesst sich endlich vollständig. Dadurch ist eine Rindenschicht des Dotters gegen- über seinem Kerne entstanden, welche beiden Theile locker mit einander zu- sammenhängen (No. 26 8. 26. 27). Jene Rindenschicht, deren Zellen durch die Keimflecke erzeugt werden, ist die eigentliche Embryonalanlage, in welcher alle Organe nicht in vorher abgegrenzten Blättern, sondern in einer gemeinsamen Anlage sich allmählich differenziren (8.33.38). Der Dotterkern dagegen ist das „selbstständige vegetirende Nahrungsmittel“ des Embryo, indem seine Zellen sich auflösen, und aus diesem „secundären Oytoblastem“ der für die Embryonal- anlage nöthige Nachschub von neuen Zellen durch freie Bildung entsteht (S. 39. 40). — Auch Voer nennt die Dottertäfelchen einen Nahrungsinhalt der Zellen, welcher allmählich aufgezehrt würde (S. 29). Als Embryonalanlage betrachtet Cramer gleichfalls die Rindenschicht von Embryonalzellen, welche am oberen Pole ziemlich dick, gegen den unteren an Mächtigkeit abnehme und die inneren grossen Dotterkörper einschliesse. Es sei das Prineip der Entwickelung beim Frosche, „dass die Bildung von Organen und Systemen dadurch vorbereitet wird, dass die dazu dienenden Massen von grossen Dotterkörpern zu Embryonalzellen zerfallen, während der Rest als Dotterkörper fortbesteht, bis er auf dieselbe Weise nach und nach verwandt wird “ (N0.348.37). Die Bildung einer isolirten äussersten pigmentirten Zellen- schicht (Umhüllungshaut) sowie der inneren Höhle beschreibt CRAMER gerade so wie REICHERT (S. 38. 41). RemAR hat die von v. BAER nur angedeutete Bildungsgeschichte der Keim- blätter im befruchteten Froscheie weiter ausgeführt. Nach der Furchung sei die Furchungshöhle kugelrund oder oval und „gut ausgemauert‘“. „Der dicke Boden besteht aus schneeweissen, gegen einander abgeplatteten und leicht aus ihrer Verbindung sich lösenden Kugeln“. „Diese weissen Zellen ziehen sich über den Aequator hinaus zur gewölbten Decke hinauf, als wollten sie die- selbe mit bilden helfen. Allein sie verlieren sich alsbald und die Decke wird durch kleinere graue oder gelbbräunliche Zellen gebildet, die in regelmässigen Schichten über einander liegen oder doch zu drei bis vier Schichten verbunden sich von einander lösen.“ „Sie zerfallen zunächst, und zwar die äussern zu- erst, in kleinere Zellen, welche bei 1öfacher Vergrösserung nur eben noch unterscheidbar sind, und bilden alsdann zwei kleinzellige Lagen, während die weissen Zellen unterhalb des Aequators in ihrer ursprünglichen Grösse ver- 8* 116 II. Die Bildung der Keimblätter. harren. Der Erfolg wird lehren, dass jene beiden Lager in der That Keim- blätter sind, und zwar dem sensoriellen und motorischen Keimblatte der übrigen Wirbelthiere entsprechen, der Boden der Furchungshöhle dagegen in seinen Schicksalen mit dem trophischen Blatte überemnkommt.“ Diese zwei Blätter breiten sich zunächst abwärts aus, indem die an ihre Ränder anstossenden grösseren und helleren Zellen der Dotterrinde in kleinere zerfallen und sich färben. „Die Veränderung reicht allmählich eine Strecke weit hinab bis zu dem scharfen abgerundeten Rande des nunmehr sich bildenden Ruscoxr'schen Afters“ (No. 40 S. 140). Dieser beginnt mit einer sichelförmigen Rinne, welche zunächst in eine seichte, blindendigende, platte Höhle führt, „die nach aussen von einem schirmähnlichen, platten, äusserlich braunen Fortsatze des Aequatorial- theiles des Eies, nach innen von der Fortsetzung der untern weissen Fläche des Eies begrenzt wird. Der platte Fortsatz ist an seinem freien, concaven tande nicht zugeschärft, sondern eher ein wenig verdickt, und lässt unter gün- stigen Verhältnissen sofort drei Schichten unterscheiden, nämlich eine äussere und eine mittlere graue kleinzellige, welche sich in die beiden Zellenschichten der Decke der Furchungshöhle fortsetzen, und eine innere weissliche, gross- zellige, welche ohne Unterbrechung in den grosszelligen Boden der Furchungs- höhle übergeht. Am freien Rande des Fortsatzes biegen die äussere braune und innere weisse Schicht in einander um, so dass die mittlere blind endigend von ihnen umfasst wird. Es ist also auf der Grenze von Decke und Boden der Furchungshöhle ein platter Schirm hervorgewachsen, welcher, eine Fortsetzung von beiden enthaltend, an der untern Eifläche hingleitet, ohne mit ihr zu ver- wachsen.“ Diese Höhle sei der einseitige Anfang der Nahrungshöhle, welche also „durch eine Einstülpung von unten her sich bildet, wobei die untere weisse Fläche des Eies zur innern Fläche der Nahrungshöhle wird.“ Alsbald erwei- tere sie sich in doppelter Weise: „der platte Fortsatz fährt fort das untere helle Feld zu umwachsen, und das blinde Ende der Höhle dringt höher auf- steigend und sich erweiternd in das Innere des Eies vor, mit Beeinträchtigung des Umfanges der Baur'schen Furchungshöhle, von welcher die Ruscoxrtsche oder Nahrungshöhle alsbald durch eine dünne, beinahe senkrecht dicht neben der Axe des Kies herabsteigende Scheidewand getrennt erscheint.“ Inzwischen habe sich die halbkreisförmige Rinne, der Eingang zur Nahrungshöhle, zu einer kreisförmigen ergänzt, wobei gegenüber der sich weit ausdehnenden Rusconxt- schen Höhle eine zweite seichte und platte Höhle gebildet wird. , Dieser klei- nere Theil der Nahrungshöhle, den wir Afterhöhle nennen, erweitert sich nicht, III. Die Bildung der Keimblätter. 117 sondern verbleibt bei seinem ursprünglichen Umfange“ (No. 40 S. 142). Die Furchungshöhle schwinde allmählich ganz, wobei ihre Flüssigkeit wahrschein- lich durch eine kleine Lücke in der Scheidewand in die Nahrungshöhle über- gehe; darauf schliesst sich auch der Rusconxtsche After (S. 143). Remar meint nun, dass mit der Furchungshöhle auch der obere Pol von dem blinden Ende der Nahrungshöhle sich zurückziehe und ihm scheint „der untere weisse Pol um eben so viel sich zur Begrenzung der in der Erweiterung begriffenen Ruscoxtschen Höhle in die Höhe zu wälzen, als der obere Pol auf der andern Seite herabsteigt“. Während dieser Vorgänge verändere sich der Schwerpunkt des Eies, wodurch die äussere dürre Decke der Nahrungshöhle, die Axenplatte, sich von der Seite aufwärts drehe.“ So gestaltet sich das bleibende Lagever- hältniss zwischen Rücken und Bauch, so zwar, dass die Axenplatte, welche bis- her eine seitliche Stellung hatte, nunmehr in eine beinahe horizontale Lage ein- zutreten und die obere Wölbung des Eies zu bilden beginnt, während die ge- genüberliegende weisse Zellenmasse, einer ähnlichen Lageveränderung folgend, als schwerster Theil des Eies, den Bauchtheil desselben abzugeben fortfährt“ (S. 144). „In der Rückenwand unterscheidet man mit Leichtigkeit eine Zu- sammensetzung aus drei Blättern. Das äussere Blatt (das sensorielle) besteht aus einer dünnen kleinzelligen braunen Aussenschicht und aus einer dicken weissen Schicht. In der letztern erkennt man einen radiären Bau, bedingt durch grosse weisse, schon bei 15facher Vergrösserung unterscheidbare cylin- drische Zellen von c. !/,, L. Höhe, welche nach Art eines Oylinderepitheliums senkrecht auf dem mittleren Keimblatte stehen. Diese eylindrischen Zellen theilen sich alsbald in kleinere runde, aus denen die Hauptmasse der Medullar- platte hervorgeht. Das mittlere Blatt (das motorische) haftet innig an dem äusseren: seine Zellen sind so klein, dass sie bei 15facher Vergrösserung kaum unterschieden werden, überdies von grauer Farbe, wodurch sich die Grenze des mittleren und äusseren Blattes kenntlich macht.“ ‚Am leichtesten gelingt die Ablösung des inneren Blattes (des trophischen, Drüsenblattes): dasselbe be- steht aus grossen, schon bei 15facher Vergrösserung unterscheidbaren kern- haltigen Zellen, welche bei Rana temporaria einen grauen Anflug, bei R. escu- lenta in der Regel eine schneeweisse Farbe haben“. Diese drei Keimblätter liessen sich im ganzen Umfange des Eies verfolgen, welches nur aus ihnen be- stehe, da die grosse innere Masse heller Zellen oder der Drüsenkeim nach sei- nen Schicksalen bloss ein verdiekter Theil des Drüsenblattes sei, mit welchem letzteren er kontinuirlich zusammenhänge. Die Annahme eines Gegensatzes 718 III. Die Bildung der Keimblätter. von Keim und Dotter (d. h. Bildungs- und Nahrungsdotter) sei daher beim Ba- trachiereie unstatthaft (S. 145. 146). STRICKER hat zwei Abhandlungen über die Entwickelung des Eies der ge- meinen Kröte veröffentlicht; die jüngere greift auf frühere Bildungsstufen zurück als die andere und erklärt zum Theil (No. 46 S. 317) die ältere Auffas- sungsweise STRICKER’s, welche in Betreff der Embryonalanlage mit der Rer- cHERT’schen durchaus übereinstimmte (No. 45 8. 472). Hier werde ich da- her nur die zweite jener Arbeiten Srricker’s berücksichtigen, welche wesent- lich nur die Bildung der Keimblätter behandelt. —- Bevor eine Spur des Ruscoxt- schen Afters vorhanden ist, besteht die Decke der Furchungshöhle aus einer noch durchaus ungeordneten Zellenschicht, deren kleine Elemente vier- bis sechsfach übereinander liegen, — die Hauptschicht (No. 46 S. 316). Darauf verwandeln sich die unterhalb der Furchungshöhle gelegenen, an jene Haupt- schicht anstossenden peripherischen Dotterzellen bis zu einer gewissen Grenze abwärts in eben solche kleine und gefärbte Zellen wie diejenigen der Haupt- schicht, welche dadurch eine Fortsetzung bis unter den Aequator erhält. Jene Zellen sollen nun der Rindenschicht ReıcHerr's entsprechen und daher an einer Stelle unterhalb der Furchungshöhle, wo sie besonders angehäuft sind, den Keimhügel darstellen (No. 46 S. 317, vgl. auch No. 45 S. 472). Innerhalb dieser Rindenschicht und des Keimhügels liegt die grosszellige centrale Dotter- masse, welche am unteren Pole frei zu Tage tritt und oben im Boden der Furchungshöhle aus relativ kleinen Elementen zusammengesetzt ist (No. 46 S. 316. 318). Die mittelgrossen Zellen dieser obersten Lage bewegen sich nun über dem Keimhügel oder an der künftigen Rückenseite des Embryo „allmäh- lig längs der Innenfläche der Decke hinauf und legen sich daselbst innig an “ Diese Anlagerung bleibt auf die eine genannte Seite des Eies beschränkt, hat also „einen nach oben gekehrten convexen Rand, dessen Enden zum Boden der Furchungshöhle zurückkehren “ (No. 46 S. 317). Dieser Rand „strebt immer höher hinauf, überschreitet den Pol, steigt auf der anderen Deckenhälfte nach abwärts und erreicht endlich nahe am unteren Rande der letzteren die auch hier zu geringer Höhe herangestrebten oberflächlichen Zellen des’ Bodens“ (No. 46 S. 319). Diese ganze Bewegung beruhe nicht auf einem Vorrücken der ganzen Schicht; die einmal an die Decke angelagerten Zellen verlassen den eingenommenen Platz nicht mehr (S. 320), der Nachschub gelange aber längs des Randes vom Boden der Höhle zu ihrer Decke hinauf (S. 522). Wenn diese Anlagerung eben begonnen hat, entsteht an derselben Seite des Eies die Rus- III. Die Bildung der Keimblätter. 119 coxtsche Furche und ihre spaltenförmige Fortsetzung; sie beruhe nicht auf einer Einstülpung, sondern auf einer Kontinuitätstrennung zwischen dem Keim- hügel und der centralen Dottermasse. Am Boden der Furchungshöhle ange- kommen setze sie sich in die beschriebene Anlagerung fort und spalte dieselbe successiv in zwei Blätter (S. 318). ' Unterdess wird der Rusconxt'sche After kreisförmig und umschliesst den Dotterpfropf, welcher zuletzt von der centralen Dottermasse abreisst (S. 319— 320) und während der Verwachsung des ersteren „durch den ausgeübten Druck zum Schwinden gebracht wird“ (S. 321). — Aus dem Keimhügel scheidet sich „eine äusserste einzellige, dann zwei breite mehr- zellige und dann abermals eine innerste einzellige Lage ab“ — Umhüllungs- haut, Anlage des Centralnervensystems, Wirbelanlage, Drüsenblatt; die Haupt- schicht erscheint als Fortsetzung der beiden ersteren, das ihr anliegende zwei Zellen dicke Blatt der Anlagerung, welche von der centralen Dottermasse ab- stammt, zerfällt entsprechend dem tieferen Theile des Keimhügels in Wirbel- anlage und Drüsenblatt (S. 321— 323). Ausserhalb des Rückens erstrecken sich die zwei ersten Blätter in der Dicke von je einer Zelle über das ganze Ei, die Umhüllungshaut geht am Rusconrtschen After in das Drüsenblatt über; die dritte Schicht, welche ebendaselbst am stärksten einen nach innen vor- ragenden Wall um die Oeffnung erzeugt, und am Kopfe sich wieder verdünnt, geht ausserhalb des Bereichs der Visceralhöhle in die centrale Dottermasse über (8. 323. 324). Ueber den Zusammenhang der letzteren mit dem Drüsen- blatte wird nichts angegeben. Beim Pelobates fuscus soll nach v. BAMBECcKE (No. 63 8. 24—30) die Bil- dung, der primitiven Visceralhöhle (Nahrungshöhle) und der Keimblätter fol- gendermassen vor sich gehen.* Die erste Anlage der Blätter findet sich in der Decke der v. Baerr'schen Höhle (Furchungshöhle); zu äusserst liegt in ein- facher Lage die Umhüllungshaut, darunter die sensorielle Schicht, beide aus kleinen, gefärbten Zellen zusammengesetzt; zuletzt folgt als innere Auskleidung * In der chronologischen Reihenfolge folgt auf den Srrıcker’schen Aufsatz und geht der v. Bamgecke’schen Arbeit unmittelbar voraus mein Aufsatz (No. 64). Da er meines Wissens keine neuen Ansichten, falsche oder richtige, bereits begründet hat, ich daher mei- ner Pflicht, erkannte Irrthümer zurecht zu stellen, durch die neue Darstellung genügend nachzukommen glaube, so halte ich es nicht für nöthig, in den historischen Uebersichten jenen Aufsatz besonders hervorzuheben. Wenn die eine oder andere Ausführung desselben missverstanden wurde, so hängt dies wahrscheinlich mit dem gar zu knappen Ausdrucke zu- sammen, sodass ich auch auf eine Widerlegung gewisser Unterstellungen verzichte und statt dessen die vorliegende Arbeit der Kritik überlasse. | 120 III. Die Bildung der Keimblätter. der Decke eine Schicht grosser, heller Dotterzellen, ähnlich denen, welche den Boden der Höhle zusammensetzen (No. 63 S. 24. 27. 29). Die Elemente der zwei braunen Schichten vermehren sich noch fortlaufend durch Theilung, brei- ten sich dabei nach unten aus, und indem die Umhüllungshaut am schnellsten wächst, rollt sie sich in der Nähe des unteren Poles nach innen um: so entstehe der Ruscoxrtsche After, und durch vorwiegendes Wachsthum dieser umgeroll- ten Zellenschicht an einer Seite des Eies die primitive Visceralhöhle. Im Ni- veau der Furchungshöhle erreicht diese Fortsetzung der Umhüllungshaut die Auskleidung des Gewölbes und verschmilzt alsdann mit derselben zur dritten Keimschicht (S. 25. 27), oder dem motorisch germinativen Keimblatte (S. 29). Das vierte Keimblatt endlich entsteht dadurch, dass eine oder zwei Zellenlagen von der centralen Dottermasse sich an das dritte Keimblatt anlegen (S. 26.28) ; beide, das vierte Keimblatt und jene Dottermasse oder der Drüsenkeim ent- sprechen zusammen einem Drüsenblatte (S. 30). Die Bedeutung der primitiven Visceralhöhle anlangend, schliesst sich v. BAMBECKE durchaus an REMAK an (S. 55 u. flg.). Der Aufsatz von Döntrz enthält eine getreue Wiederholung der REICHERT- schen Behauptungen über die ersten Embryonalanlagen, ohne dass die Bildung der letzteren genauer verfolgt wäre. Zunächst werden die ersten Entwicke- lungsstufen der Keimhöhle für Kunstprodukte (Nr. 67 S. 606-607), die spä- teren für eine „peripherische Exeretionshöhle“ erklärt (S. 608). Die Ent- stehung der Umhüllungshaut, des Haut- und Wirbelsystems und des Darm-, epithels wird auf ebenso viele isolirte Difterenzirungsprocesse zurückgeführt (S. 610—612, 618), wobei weder eigentliche Keimblätter (S. 620) noch Bewe- gungen der Theile vorkämen (S. 611); daher sei auch die Ruscoxtsche Spalte ein Kunstprodukt (S. 611—612) und die Darmhöhle entstände „mitten im weissen Dotter“ ohne Kommunikation nach aussen (S. 613). GoLuBEW beschreibt nur die erste Entstehung der Ruscoxt'schen Höhle (Nahrungshöhle), ohne auf die Sonderung der Keimblätter näher einzugehen. — Zur Erklärung der Sonderungen und Bewegungen der einzelnen Theile legt er den grössten Nachdruck auf die verschiedene Energie der Dottertheilung in der obern und untern Halbkugel und ebenso an der Peripherie und gegen das Centrum hin. „In der obern Hemisphäre des Eies hat dieser Umstand eine wichtige Folge, die oberflächlichen Elemente theilen sich hier besonders rasch, nehmen eine immer grössere Oberfläche in Anspruch und heben sich darum von den darunter liegenden ab. Auf diese Weise entsteht eine Höhle — die III. Die Bildung der Keimblätter. 121 v. Barr'sche Höhle.“ „Mit der Zeit theilen sich die Elemente der Decke jener Höhle immer weiter, die Decke wächst und hebt sich von dem Boden immer mehr ab. Der Theilungsvorgang setzt sich endlich auf die seitlich schon un- terhalb des Bodens liegende Dottermasse fort“ (Nr. 68 8. 98. 99). Diese fort- schreitende Theilung erfolgt zunächst auf einer Seite des Eies (der Rückenseite) und dabei ergibt sich eine Grenze zwischen den sich verkleinernden peripheri- schen und den unveränderten hellen Zellen des Centrums; diese natürlich gleichfalls fortschreitende Grenze wird an Mediandurchschnitten durch Linien angedeutet, welche von der Stelle, wo Decke und Boden der Furchungshöhle zusammenstossen, zu stets tieferen Punkten der Peripherie gezogen gedacht werden. Dieses Vorrücken der Dottertheilung gegen den untern Pol täusche eine Zeit lang die Ruscont’sche Spalte als Anfang der Ruscoxrtschen Höhle und als Eingang in dieselbe vor (S. 97.99). An dieser Grenze will nun GoLuBEw bemerkt haben, dass die in der Theilung begriffenen Zellen in der Richtung jener Grenze oder scheinbaren Spalte, also gegen den Umfang des Bodens der Furchungshöhle sich ausnehmend strecken (S. 99); dadurch würden daselbst die Zellen vom Boden in die Höhe gehoben und an die Decke ange- lagert (S. 100).* Dort aber kommen sie, die bisher an der fortschreitenden Theilung nicht theilgenommen, unter günstigere Bedingungen: die tiefergele- genen strecken sich behufs der Theilung und schieben dadurch die höherge- legenen weiter vor.** Was an der Rückenseite begann, setzt sich alsbald auch auf die gegenüberliegende Bauchseite fort, und durch die massige An- lagerung der Zellen vom Boden an die Decke der Furchungshöhle werde die letztere zum Schwinden gebracht, ohne dass sie von ihrem ursprünglichen Platze verdrängt werde (8. 96. 97. 111). Während der besprochenen An- lagerung wird die frühere Decke der Furchungshöhle dünner, „besonders auf- fallend von der Zeit an, wo die grossen Elemente schon von allen Seiten an die Decke angelagert erscheinen“.*** „Mit diesem Dünnerwerden der früheren * Wie damit die Bemerkung GoLusEw’s, „dass diese Anlagerung der Bildung der Ruscont’schen Furche ein wenig vorausgeht“ (S. 96), zusammenstimmen soll, kann ich nicht verstehen. ** S. 101 sagt GoLusew: „Wir sehen, dass auch in dem Pfropfe die Elemente sich ver- längern, um später sich zu theilen.“ *** GOLUBEW verweist dabei auf seine Abbildungen; dieselben widersprechen aber seinen Worten in der auffallendsten Weise. Denn es ist die genannte Decke der Höhle vor der Anlagerung (Fg. 1) zwei- bis dreimal dünner dargestellt, als nach vollendeter Anlagerung (Fg. 2), und die betreffenden Zellen sind zugleich 4—10 mal grösser geworden! 122 III. Die Bildung der Keimblätter. „u Decke geht aber auch ein sehr ausgedehnter Theilungsprocess in den äusseren Schichten der angelagerten Zellen einher und mit diesen Theilungen halten die tieferliegenden Elemente wieder nicht Schritt und die oberflächlichen Elemente (an den neben dem Aequator liegenden Partien der Rückenseite des Eies in der Regel zwei Schichten) fangen an sich von den tiefer liegenden, relativ unverändert bleibenden Elementen abzuheben. Es entsteht eine Menge von Rissen, die sich zu einer länglichen Spalte vereinigen. Und diese ist der An- fang der Ruscoxtschen Höhle“ (S. 100). Der Dotterpfropf wird weder über- deckt, noch atrophirt er, sondern er schwindet durch fortschreitende Theilung seiner Elemente, welche den umgebenden braunen Zellen endlich gleich werden. Dieser Process ergreift zuerst die tiefere Schicht des Pfropfes, sodass von ıhm nur ein weisses Plättchen übrig bleibt, welches aber zuletzt auch verschwindet (8. 101). Ich habe während der Untersuchung des Dottertheilungsprocesses die Keimhöhle ganz unberücksichtigt gelassen und muss ihre allerdings einfache Bildungsgeschichte jetzt nachholen. Es heisst im allgemeinen, dass sie am Kreuzungspunkte der drei ersten Spalten entstehe, über die nähern Vorgänge dabei ist bisher nichts bekannt geworden. Ich glaube nun, dass zum Ver- ständniss dieser Bildung die von mir bereits mitgetheilte Thatsache wesentlich beitragen kann, dass die sogenannten Aequatorialtheilungen für alle einzelnen Dotterstücke sich in ebenso vielen verschiedenen Ebenen vollziehen, welche radiär nach innen gerichtet, gegen einen gemeinsamen aber mit Bezug auf die Dotterkugel excentrischen Kreuzungspunkt auslaufen (Taf. II Fig. 26). Dann stossen die Spitzen aller 16—32 Kugelausschnitte zusammen und indem sie sich durch dieZusammenziehungen der einzelnen Dotterstücke abstumpfen, entsteht nach oben ein flaches, aus einer einfachen Lage von Dotterstücken zusammengesetztes Grewölbe, darunter aber eine flache Höhle, deren Boden durch die abgestumpften Spitzen der untern, grossen und hellen Dotterstücke gebildet wird (Taf. II Fig. 27). Während der darauf folgenden Dotter- theilungen verkleinern sich die im Gewölbe oder der Decke der Keimhöhle be- findlichen Dotterstücke am schnellsten, diejenigen, welche den dicken Boden der Höhle zusammensetzen, am trägsten, während dort, wo Decke und Boden III. Die Bildung der Keimblätter. 123 zusammentreffen, Uebergangsformen von dem einen Extreme zum andern sich finden; dabei glätten sich die anfangs unebenen Wände der Höhle (Taf. II Fig. 28). Da nun die kleineren Dotterstücke in nächster Folge die morpho- logischen Grundlagen des Embryo, die Keimblätter bilden, die gröberen da- gegen daran nicht theilnehmen, sondern auch im Embryo und in der Larve bis zu ihrem Verbrauche zu andern Zwecken indifferent bleiben, so nenne ich bloss die aus den ersteren hervorgehenden Formelemente Embryonalzellen, die andern aber Dotterzellen. Es ist nun charakteristisch für die Ent- wickelungsgeschichte der Batrachier und wird bei dem Vergleiche derselben mit der Bildungsweise anderer Wirbelthierembryonen die volle Berücksich- tigung finden, dass jene beiden Zellengruppen zu keiner Zeit sich vollständig von einander trennen, dass an gewissen Stellen eine bestimmte Grenze zwischen ihnen bis zum Schwinden der Dotterzellen nicht zu finden ist. Bis auf diese weiter unten näher zu bezeichnenden Stellen entwickelt sich aber eine Schei- dung jener Zellengruppen noch während der Entwickelung der Embryonal- anlagen. Zur Zeit der vorgeschrittenen Dottertheilung bilden die Embryonal- zellen eine halbkugelige Schale, die primäre Keimschicht, welche so über die kompakte Masse der Dotterzellen* gestülpt und mit ihrem Rande derselben angefügt erscheint, dass sie den grösseren Theil der Kugeloberfläche, jene Masse nur den kleineren unteren Theil derselben herstellt (Taf. II. Fig. 28. 29). In der Decke der Keimhöhle sind die Embryoualzellen einander ziemlich gleich, in ihrer ganzen Dottermasse mehr oder weniger pigmentirt und in 2—8 Lagen ange- ordnet. Im Niveau des Bodens der Keimhöhle schliessen sich an sie die etwas grösseren und helleren Uebergangsformen an, welche als eine besondere Rand- zone der primären Keimschicht aufgefasst werden können, da diese Zone von der Keimhöhle nach unten und aussen sich zuschärfend den ziemlich breiten Zusammenhang mit der Dotterzellenmasse vermittelt und eine eigenthümliche Entwickelung erfährt. Sobald die Dottertheilung soweit fortgeschritten ist, dass die Zellen in der Decke der Keimhöhle etwa 304 Durchmesser haben und bereits in mehren Lagen über einander angehäuft sind, verändert sich die primäre Keimschicht in ihrem früheren gleichartigen Aussehen. Die ober- flächliche Lage der Embryonalzellen, in der das Pigment am reichsten abge- * Ich kanı den Ausdruck „Dotterkern“ für die Gesammtheit der Dotterzellen, den ich früher (Nr. 64) gleich meinen Vorgängern gebrauchte, jetzt nicht mehr beibehalten, weil ich diese Bezeichnung schon einem anderen Gebilde verliehen habe, wo sie mir die passendste zu sein schien. 124 III. Die Bildung der Keimblätter. lagert ist, behält zu jeder Zeit ein festes (xefüge, welches den betreffenden Ele- menten endlich eine vieleckige Gestalt verleiht, während der Zusammenhang der tieferen Zellenlagen sich augenscheinlich lockert (Taf. LI Fig. 29). Diese beiden Theile der primären Keimschicht will ich ganz allgemein als deren Deck- und Grundschicht unterscheiden. Das Centrum der letzteren wird nun allmäh- lich dünner, während ihre Randzone an Mächtigkeit zunimmt und diese Zunahme in einer nach innen gegen die Dotterzellenmasse vortretenden Anschwellung offenbart. Diese ungleiche Entwickelung der Keimschicht schreitet stetig fort und begründet die Anschauung, dass ein Theil jener tiefer gelegenen locker zu- sammenhängenden Zellen der Keimschicht aus der Mitte gegen den Rand vor- rückt und dadurch die Anschwellung bildet. Diese Bewegung und Ansamm- lung der Embryonalzellen wird dadurch noch deutlicher, dass die der An- schwellung zunächst liegenden Theile der Dotterzellenmasse im Boden der Keimhöhle in die Höhe gehoben werden, was natürlich nur auf eine ringförmige Zusammenschnürung bezogen werden kann. Die Randzone der Keimschicht lässt sich freilich gegen die Dotterzellenmasse nicht scharf abgrenzen ; wenn man aber im Auge behält, dass alle Uebergangsformen sehr bald ganz unzwei- felhaft den übrigen Embryonalzellen sich anpassen und anschliessen, so kann man darauf hin eine genügend sichere und deutliche Grenzscheide zwischen beiden Zellengruppen herstellen. So erkennt man denn, dass die anfangs breite und sowohl nach oben wie nach unten allmählich abfallende Anschwellung der Keimschicht zugleich mit der fortschreitenden Umwandlung der Uebergangs- formen sich nach unten zusammenschiebt. Wenn das Maximum der An- schwellung am Boden der Keimhöhle oder dicht unter demselben sich befindet, gehen die peripherischen dunkelgefärbten Embryonalzellen noch durch ganz allmähliche Abänderung in die weissen Dotterzellen der unteren Polgegend über; wenn aber die Anpassung der Uebergangsformen an die übrigen Embryo- nalzellen fortgeschritten und dadurch die Abgrenzung gegen die Dotterzellen- masse bestimmter geworden ist, so liegt jenes Maximum auch schon im Be- reiche des äussersten Saumes der Keimschicht, sodass die Anschwellung einen Randwulst bildet, welcher aufwärts allmählich abnimmt, unten aber gegen die ioberfläche ziemlich jäh abfällt. Diese ganze Entwickelung des Randwulstes geht aber nicht gleichmässig im Umkreise des Eies vor sich, sondern von einem gewissen Zeitpunkte an eilt die eine Seite der andern voraus. Dies lässt sich auch am unberührten Eie erkennen, indem die Uebergangsformen bei ihrer Anpassung an die übrigen Embryonalzellen sich entsprechend färben, also die III. Die Bildung der Keimblätter. 125 Ausbildung des Pigments von der oberen Hemisphäre des Eies zur unteren gleichfalls asymmetrisch erfolgt, der Uebergang der Färbung auf der einen Seite breiter, auf der andern jäher erscheint. Dadurch wird es eben möglich, senkrechte Durchschnitte auszuführen, welche zugleich die träger und die weiter vorgeschrittene Seite des Eies treffen und daher zwei Stadien des ganzen Entwickelungsverlaufes in einem Bilde übersehen lassen. Die fortschreitende Umwandlung noch unentschiedener Elemente in kleine, mehr oder weniger gefärbte Embryonalzellen findet aber eine bestimmte Grenze, sowie der Randwulst an einer Seite des Eies sich gebildet hat. Dort, nämlich ohngefähr an der Grenze des mittlern und untern Drittheils der Eihöhe, erscheint zwischen den äussersten Ueber- gangsformen des Randwulstes und den weissen Dotterzellen eine anfangs flache Furche, welche sich aber alsbald zusammenzieht und in eine wirkliche, wenn auch noch oberflächliche Kontinuitätstrennung zwischen Dotterzellenmasse und Randwulst übergeht. Es erklärt sich aus den angeführten Asymmetrien der Entwickelung, dass jene Furche, welche ich nach ihrem Entdecker die Ruscoxrt- sche nenne, einseitig also halbkreisformig beginnt und sich erst nachträglich zu einer kreisförmigen vollendet; und dadas dunkle Pigment ein ausschliessliches Attribut der Keimschicht bleibt, so hört es auch an der Ruscoxt'schen Furche mit ganz scharfer Grenze auf (Taf. II Fig. 29. 30). Sobald sich dieselbe spaltförmig vertieft hat, dringt auch das Pigment in dünner Lage in sie hinein und lässt dadurch die Trennung beider Spaltwände deutlich hervor- treten. Die Spalte dringt nun immer weiter ins Innere vor, indem sie an der Innenfläche des Randwulstes hingleitet und denselben vom Dotterkerne trennt; aber nur an jener Seite des Eies, wo die Spalte zuerst erschien, oder an der Rückenseite des künftigen Embryo setzt sie sich über den Bereich des Rand- wulstes hinaus fort, um auch weiter hinauf Embryonal- und Dotterzellen zu trennen (Taf. II Fig. 31). In ihrem übrigen Umfange macht sie eigentlich nur den lippenförmigen Saum der Keimschicht frei, welcher bei der darauf erfol- genden Ausdehnung der letzteren beständig gegen den untern Pol vorrückt. So muss denn der von ihm umschriebene Kreis, die Ruscontsche Oef fnung*, * Remar sagt S. 142 seines Hauptwerkes (Nr. 40): „Der weisse runde Fleck an der untern Fläche des Eies verdient nunmehr insofern den Namen eines Afters, als er den vor- läufigen Eingang in das hintere Ende der Nahrungshöhle verschliesst. Ofienbar will Remax in diesem höchst verwirrten Satze ausdrücken, dass die Bezeichnung des hintern Eingangs in die Nahrungshöhle als After gerechtfertigt sei; wenn aber auch der erste Ein- 126 III. Die Bildung der Keimblätter. £# sich zusammenziehen, also der in ihr eingeschlossene Theil der Dotterzellen- masse, der Dotterpfropf*, immer mehr zusammengeschnürt, d.h. seine Masse ins Innere zurückgedrängt werden. Dieses Vorrücken des Randwulstes ist nun freilich eine Wirkung der eben besprochenen centrifugalen Wanderung der Embryonalzellen ; aber diese beiden Bewegungen fallen, wie ich gleich näher erläutern will, nicht ohne weiteres zusammen. Die Embryonalzellen sammeln sich offenbar desshalb in der Randzone der primären Keimschicht an, weil ihr Vorrücken in centrifugaler Richtung dort durch den Widerstand der Dotterzellenmasse eine Verzögerung erfährt. Die wachsende Verdickung überwindet diesen Widerstand allmählich und zwar na- türlich in der Richtung seiner geringsten Stärke, wohin die gedrängte Dotter- zellenmasse am leichtesten ausweichen kann. Dass dies gegen die Keimhöhle erfolgen muss, springt sogleich in die Augen. Daher erscheint auch ihr Boden eingeschnürt und zu einem mehr oder weniger deutlichen ringförmigen Walle erhoben, dessen äusserer Abhang die Keimschicht beinahe berührt; nach unten nimmt indess die übrige Dotterzellenmasse an Breite wieder zu. Die bestän- dige Zunahme der Anhäufung in der Randzone ermöglicht aber, nachdem sie den Widerstand der Dotterzellenmasse wenigstens theilweise überwunden, auch ein Vorrücken der centrifugal bewegten Zellen, welche dadurch die ganze An- schwellung gegen den äussersten, ursprünglich zugeschärften Saum der Keim- schicht verschieben und ihn zum Randwulste umbilden. Der Druck, welchen die Anschwellung der Randzone auf die Dotterzellenmasse ausübt, wird sich aber nicht nur mit ihrem Wachsthum steigern, sondern zugleich mit ihr sich abwärts verschieben, also successiv immer tiefer gelegene Theile der Dotter- zellenmasse aufwärts drängen. Die Dotterzellen bewegen sich also, wenn auch langsam, gerade umgekehrt, wie die rascher abwärts wandernden Embryonal- zellen. Wenn aber zwei Schichten, welche ohne bestimmte Grenze zusammen- hängen, in entgegengesetzter Richtung an einander hingleiten, oder wenn nur eine von ihnen sich bewegt, so erfolgt die vermisste Sonderung; und im vor- druck zu Gunsten dieser Ansicht spricht, so gestatten es doch die Rücksichten auf die ent- sprechenden Verhältnisse in andern Wirbelthiereiern nicht, jene bisher gebräuchliche Be- nennung auch weiterhin beizubehalten. * Es wird häufig vom „Ecker’schen Dotterpfropfe“ gesprochen, als wenn Ecker das Verhältniss jenes hellen Dottertheils zu seiner Umgebung zuerst entdeckt oder wenigstens jene passende Bezeichnung zuerst gebraucht hätte. Wenn man die zu Anfang dieses Ab- schnitts eitirte Beschreibung v. Baer’s berücksichtigt, so wird man unzweifelhaft diesem Forscher die Priorität des glücklichen Vergleichs nicht bestreiten. III. Die Bildung der Keimblätter. 127 liegenden Falle sieht man sie denn auch von der Spalte zwischen dem Walle 33). Je weiter die primäre Keimschicht sich ausdehnt, desto weiter sondert sie sich zu- und der Keimschicht aus in die Tiefe vordringen (Taf. IT Fig. 30 gleich nach innen ab. Es ist aber leicht zu verstehen, dass, wenn der beständig gesteigerte Druck der im Randwulste sich anhäufenden Zellen nur zum gerin- geren Theile in einem weiteren Auswachsen der Keimschicht, grösstentheils vielmehr in der gegen die Keimhöhle aufwärts gerichteten Bewegung der ihm unterworfenen Zellen zum Ausdrucke kommt, endlich auch der gestaute Strom der Embryonalzellen selbst einen leichteren Abfluss sucht und ihn in derselben Richtung findet, wohin schon die von ihm gedrängten Dotterzellen auswichen. Im Anschlusse an diese letzteren bewegen sich also die im Randwulste am wei- testen vorgerückten Embryonalzellen an der Innenseite der primären Keim- schicht aufwärts und bilden die sekundäre Keimschicht. Ich habe absicht- lich den Ausdruck vermieden: der Rand der primären Keimschicht rolle sich nach innen um, weil man dies nicht bloss bildlich, sondern auch wörtlich auf- fassen könnte, was aber der Wirklichkeit nicht entspräche. Denn weder voll- führt der ganze Randwulst eine solche Bewegung, noch auch rücken die durch ihr Pigment hinreichend kenntlichen Zellen der äussersten Keimschichtenlage in das Innere vor; sondern die Rückwärtsbewegung geht ganz offenbar von dem an der Innenseite des Wulstes angesammelten Ueberflusse von Zellen aus, wo- für namentlich die darauffolgende Verschmächtigung des Wulstes zeugt. Und ferner lehrt ein Blick auf die betreffenden Abbildungen, dass die Sonderung der primären Keimschicht gegen das Innere des Eies und die Anlage der sekun- dären Schicht nicht zwei auf einander folgende Vorgänge sind, sondern dass die eine vom obern Pole ausgehende centrifugale Ausbreitung der Embryonal- zellen in den äusseren Lagen der ursprünglichen Randzone eine Fortsetzung der primären Keimschicht erzeuge, aber zugleich die inneren Lagen der ange- häuften Embryonalzellen als sekundäre Keimschicht in die Höhe dränge. Beide Schichten sind alsbald bis in den äussersten Randwulst hinein geschieden, wo sie in einander umbiegen. Dieser ganze Vorgang wird zuerst dort deutlich, wo die Ruscoxtsche Furche ihren Ursprung nimmt, also an der Rückenseite, und setzt sich von hier aus mit verminderter Energie um das ganze Ei fort. Da nun die sekundäre Keimschicht aus den gleichen Ursachen, welche die Son- derung der primären Keimschicht bewirkten, sich von der Dotterzellenmasse absondern muss und der Beginn ihrer Entwickelung mit der Entstehung der Ruscoxtschen Furche zusammenfällt, so erhellt, dass die letztere mit ihrer 128 III. Die Bildung der Keimblätter. spaltförmigen Fortsetzung eben nur ein Ausdruck jener Sonderung ist. Und zwar stimmt es mit der schon erwähnten Ungleichmässigkeit der bisher be- sprochenen Entwickelungsvorgänge vollständig überein, dass die ausgeprägtere Form der Sonderung, die wirkliche Trennung, Spaltung, nur dort auftritt, wo ihre Ursachen, die Zufuhr der centrifugal bewegten Zellen und in Folge dessen die Ausbildung des Randwulstes am stärksten wirkten, eben an der Rückenseite, während an der Bauchseite eine Kontinuitätstrennung zwischen der Dotterzellenmasse und der sekundären Keimschicht überhaupt nicht ein- tritt und auch eine scharfe Sonderungsgrenze nur sehr allmählich sich ent- wickelt (Taf. II Fig. 30 Erscheinungen auf eine gemeinsame Grundursache zurückführen, auf die centri- 53). Kurz — es lassen sich alle bisher betrachteten fugale, aber nach einer Seite überwiegende Verschiebung der Embryonalzellen der primären Keimschicht. Bei einer solchen Auffassung erscheint auch die weitere Entwickelung der sekundären Keimschicht als eine natürliche Folge der geschilderten allgemeinen Bewegungen. Sie hat gleich nach ihrer ersten Anlage die Form eines breiten Gürtels, dessen oberer und unterer Rand das Bestreben haben, in einer Kugel- fläche zu verwachsen. So lange der Randwulst gewissermassen noch über die Masse der Dotterzellen hngleiten kann, breitet sich die sekundäre Keimschicht mit der primären verhältnissmässig schnell nach unten aus und scheint nur wenig in die Höhe zu wachsen. Doch zeugt ein kleiner Wulst von Dotterzellen, welcher an der Rückenseite des Eies vom äussersten Umfange des Bodens der Keimhöhle an ihrer Decke oder der primären Keimschicht etwas hinaufsteigt, dass der obere Rand der sekundären Schicht dort etwas hinaufzurücken begonnen und jene Dotterzellen vor sich her geschoben hat (Taf. II Fig. 30). Sobald nun der Randwulst sich soweit nach unten zusammengezogen hat, dass er einen voll- ständigen Dotterpfropf umschliesst, wird er durch den Widerstand des letzteren, der nur sehr langsam sich ins Innere zurückdrängen lässt, in seinem Vorrücken merklich aufgehalten. In Folge dessen muss dann aber auch das Wachs- thum der sekundären Keimschicht, deren unterer Rand fortan ganz allmählich mit der ganzen Ruscoxtschen Oeffnung verwächst, sich vorherrschend am oberen Rande äussern und dadurch die früheren Lagerungsverhältnisse ver- ändern. Diese Ausbreitung der sekundären Keimschicht gegen den oberen Pol hin wird .aber gemäss der schon erörterten Ungleichmässigkeit ihrer Ursachen an der Rückenseite des Eies am schnellsten, an dessen Bauchseite in viel geringerem Grade erfolgen; desshalb erhebt sie auch zuerst mit ihrem dorsalen III. Die Bildung der Keimblätter. 129 Abschnitte einen Wulst von Dotterzellen über das Niveau des Keimhöhlen- bodens. Da nun die Entstehung der gleichfalls dorsal gelegenen Ruscoxrtschen Spalte als der inneren Grenze der sekundären Keimschicht ebenso wenig wie deren Sonderung überhaupt als ein selbstständiger Vorgang, sondern nur als eine unmittelbare Folge, eine Begleiterscheinung der Bewegung der. Embryonal- zellen zu betrachten ist, so geht auch ihre weitere Ausbildung zur embryonalen Darmhöhle mit der Entwickelung der sekundären Keimschicht Hand in Hand. Bis zu der zuletzt beschriebenen Entwickelungsstufe erstreckt sich die Ruscoxr’sche Spalte so weit nach oben, dass die sekundäre Keimschicht von der Dotterzellenmasse vollständig getrennt wird und nur mittelbar durch jenen Wulst, in den sie kontinuirlich übergeht, mit ihr zusammenhängt. Jener Wulst wird nun in der einmal eingeschlagenen Richtung längs der Decke der Keimhöhle oder der primären Keimschicht von der sekundären Keimschicht fort- geschoben; dabei trennt er sich aber nicht etwa von der übrigen Dotterzellen_ masse, sondern bleibt mit derselben durch eine membranartige 1— 2fache Lage von Dotterzellen in Zusammenhang, welche zwischen dem Wulste und seiner Ursprungsstelle am Boden der Keimhöhle sich ausspannt und die sich all- mählich ausdehnende Ruscontsche Spalte von der Keimhöhle trennt (Taf. II Fig. 31— 33). Der an der Decke hingleitende Wulst zieht diese Membran nach sich, bedeckt damit allmählich den ursprünglichen Boden der Keimhöhle und bringt so auch diese zum Schwunde. In dem Masse aber, als diese vor- her einzige Höhle des Eies abnimmt, entwickelt sich auf der anderen Seite der Membran eine neue, indem die Spalte sich von ihrem blinden Ende an auf- bläht; bis endlich, wenn der sich bewegende Theil des früheren Keimhöhlen- bodens mit dem relativ ruhenden der gegenüberliegenden Seite zusammenfloss, wieder nur eine Höhle im Eie existirt, eben die Darmhöhle. Dieser ganze Process geht, wie gesagt, von der Rückenseite des Eies aus, während an der Bauchseite bis zum vollen Schwunde der Keimhöhle höchstens eine wulstför- mige Erhebung des Randes vom Keimhöhlenboden, also nur eine schwache Ausbreitung der sekundären Keimschicht erkennbar ist. An beiden Seiten fällt jene Scheidewand beider Höhlen in schräger Linie zum Niveau des Keimhöhlen- bodens ab, sodass also auch der Dotterzellenwulst an ihrem Rande ebenso niedersteigt, um in jene unbedeutende centrale Erhebung des Keimhöhlen- bodens auszulaufen. Während des Wachsthums der sekundären Keimschicht ist also die Dotterzellenmasse mit einer gewissen Zone, eben jenem ringför- migen Wulste, dem ebenfalls kreisförmigen Rande der sekundären Keimschicht GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 9 130 III. Die Bildung der Keimblätter. angefügt, in dessen Oeffnung gleichsam eingeschaltet. Da aber die stetige Zu- sammenziehung des letzteren jenen Wulst nur vor sich her in immer engere Kreise zusammenschiebt, so ist es, wenn man die von mir angeführte mecha- nische Erklärung der ersten Sonderungen im Eie annimmt, natürlich, dass der ursprüngliche Mangel einer deutlichen Grenze zwischen beiden kontinuirlich zusammenhängenden Theilen zunächst bestehen bleibt: es fehlt, um es so zu sagen, die Reibung zwischen ihnen. Doch treten die Bedingungen ihrer voll- ständigen Sonderung nach dem gänzlichen Schwunde der Keimhöhle ein. Als- dann ist nämlich der ringförmige Dotterzellenwulst wieder zu einer kompakten Masse verschmolzen, welche, ähnlich wie der Dotterpfropf in der Ruscoxtschen Oeffnung, in die kreisföormige Oeffnung des Randes der sekundären Keimschicht eingezwängt durch dessen weitere Zusammenziehung nicht mehr sich einfach vorwärts schieben lässt. Die fortdauernde Wachsthumsbewegung jenes Randes wird ihn daher natürlich an der entgegenstehenden Dotterzellenmasse vorüber- gleiten, zwischen dieser und der primären Keimschicht vordringen lassen, wo- durch eben die Sonderung und zugleich die kugelförmige Verwachsung der sekundären Keimschicht herbeigeführt wird (Taf. II Fig. 34). Wäre nun die- ser Vorgang so einfach und so vollständig, wie ich ihn eben im allgemeinen ge- schildert, so müsste dadurch die sekundäre Keimschicht gerade so wie die pri- märe in eine vollständig kontinuirliche Hohlkugel verwandelt und die ganze Dotterzellenmasse von derselben vollkommen getrennt werden; beide Keim- schichten bildeten dann als die ausschliessliche Grundlage aller morphologi- schen Anlagen des Embryo den eigentlichen Keim in Form einer doppelwan- digen Blase (Keimblase), in welcher die Dotterzellenmasse als besonderer Fitheil eingeschlossen wäre. Im Grunde genommen lässt sich diese Auffassung auch ganz wohl aufrecht halten, trotzdem dass eine scheinbar nicht unbedeu- tende Abweichung das einfache Bild beeinträchtigt. Soweit nämlich die sekun- däre Keimschicht ventralwärts der Dotterzellenmasse, obgleich von ihr geson- dert, unmittelbar anliegt, löst sich auch ihr ganzer Rand von derselben ab (Taf. II Fig.33.34) , dorsalwärts ist sie aber von ihr durch die embryonale Darm- höhle getrennt, und im Bereiche der letzteren sondert sich nun in dem Masse, als ihre Entwickelung vorrückt, die sie auskleidende Zellenlage der sekundären Keimschicht in einem festen Gefüge von deren übrigen mehr locker zusammen- hängenden Embryonalzellen ab, um mit der Dotterzellenmasse theils in der früheren Verbindung zu bleiben, theils in eine neue einzutreten (Taf. III Fig. 55). Ersteres geschieht eben am dorsalen Abschnitte des sich zusam- III. Die Bildung der Keimblätter. 131 menziehenden Randes der Keimschicht, sodass also die bezeichnete Zellenlage oder das Darmblatt sich dort von der Dotterzellenmasse nicht ablöst, sondern mit ihr in kontinuirlichem Zusammenhange bleibt (Taf. II Fig. 30 — 34); das Zweite sehen wir längs der beiden Seiten der Darmhöhle sich vollziehen, wo die sekundäre Keimschicht als die unmittelbare Decke dieser Höhle mit deren Boden oder der Dotterzellenmasse in Berührung tritt, und wo die Ränder des nur bis dorthin abgesonderten Darmblattes mit jener Masse zu einem voll- kommen kontinuirlichen Zusammenhange verschmelzen (Taf. III Fig. 55 — 57). Zur Erklärung dieser merkwürdigen Erscheinung liesse sich vielleicht anführen, dass, da die Bildung des Darmblattes offenbar mit der Entwickelung der freien ‘Oberfläche der Keimschicht zusammenhängt, es auch nur m den Grenzen dieser Oberfläche sich ausdehnt, wie denn auch andererseits sein hautartiges Gefüge es von der Betheiligung an den Bewegungen der tieferen lockeren Schichten ausschliesst. Dann ist es verständlich, dass es nach dem Schwunde der Keimhöhle am blindsackähnlichen Ende der embryonalen Darmhöhle nicht weiter wächst, und auch an deren Seiten gegenüber den beständig und sehr bald gerade dorsalwärts sich verschiebenden tieferen Zeilenlagen zu einem relativen Stillstande kommt. Dadurch passt sich aber das Darmblatt durchaus der anseine Ränder anstossenden gleichfalls passiven Dotterzellenmasse an, und da die Berührung beider Theile nicht gestört wird, so tritt eben zuletzt ihre Ver- schmelzung ein, wodurch sie morphologisch und histiologisch als ein Ganzes erscheinen, ohne durch ihre Entwickelung zu dieser Auffassung zu berechtigen. Die untergeordnete Bedeutung dieser Erscheinung scheint sich mir auch daraus zu ergeben, dass das Darmblatt innerhalb der Ruscoxt'schen Oeffnung mit der äusseren Deckschicht in einen eben solchen kontinuirlichen Zusammenhang wie mit der Dotterzellenmasse tritt, während der Mangel eines morphologisch-gene- tischen Zusammenhangs beider Zellenlagen aus der früheren Beschreibung ge- nügend erhellt (Taf. II Fig. 31 und flg;, Taf. IV Fig. 70. 78). Endlich muss ich noch erwähnen, dass jene auf den ersten Blick so bestechende eigenthümliche Verbindung des Darmblattes mit der Dotterzellenmasse nur eine zeitweilige ist, indem später während des Verbrauchs der letzteren das Darmblatt zu einem sie einschliessenden Sacke auswächst, also die Blasenform der sekundären Keim- schicht, welche durch die Absonderung des Darmblattes gestört erschien, wenngleich erst spät vervollständigt. Mit dem Erscheinen des Darmblattes ist die Bildung der embryonalen Grundlagen, nämlich der Keimblätter und damit wieder ein natürlicher Ab- + v 132 III. Die Bildung der Keimblätter. schnitt der Entwickelungsgeschichte abgeschlossen. Freilich werden, schon ehe die Keimhöhle verschwindet, im Rückentheile des Embryo die wichtigsten morphologischen Umbildungen eingeleitet; doch fallen die ersten kenntlichen Resultate derselben in die folgende Periode, sodass ein Rückblick an dieser Stelle nur das Erscheinen der Keimblätter berücksichtigen soll. Wasschon die Färbung in den Eiern der meisten einheimischen Batrachier andeutet, nämlich eine Zweitheilung des Dotters, vollzieht sich während der ersten Entwickelungsvorgänge recht deutlich. Der aufwärts gerichtete dunklere Kugelabschnitt theilt sich schneller als der untere, hellere und wird von dem- selben im Innern durch die Keimhöhle vollständig getrennt. Dabei gewinnt dieser Theil, welcher als Komplex aller Embryonalzellen die Bedeutung eines IKeimes im engeren Sinne hat, die Form einer Kappe, welche mit ihrem dicken Rande der Dotterzellenmasse zuerst nur aufsitzt, allmählich aber dieselbe ganz umwächst. Von jenem Randwulste der Kappe oder primären Keimschicht breitet sich an deren Innenfläche die sekundäre Keimschicht aus, sodass man, wenn die Ruscoxtsche Oeffnung verwachsen ist, den Keim sich als doppelwan- dige Blase vorstellen kann, in welcher die Dotterzellenmasse, mit einem Theile der Innenwand verwachsen, eingeschlossen ist (Taf. II. Fig. 33 — 35). Im Rückentheile, welcher die Darmhöhle nach aussen überdeckt, trifft man also zu äusserst die primäre Keimschicht — oberes Keimblatt, Sinnesblatt; nach innen davon ist die sekundäre Keimschicht zerfallen in das mittlere Keimblatt und das untere oder das Darmblatt. (Taf. III Fig.57.58). Wäh- vend das Sinnesblatt und das mittlere Keimblatt schon sehr frühe über die sanze Dotterzellenmasse ausgebreitet sind, reicht das Darmblatt zunächst nur bis zu derselben und wächst späterhin ohngefähr in dem Masse auch nach unten zusammen, als jene schwindet. — Ueber die Mächtigkeit und besondere Be- schaffenheit der einzelnen Blätter werde ich in den Beschreibungen ihrer ein- zelnen Leistungen reden. In Betreff des Dotterpfropfs bemerke ich, dass, wenn auch vielleicht in selteneren Fällen ein kleiner äusserer Theil desselben bei sonst normaler Entwickelung abgeschnürt wird, ich jedenfalls bei keinem der von mir untersuchten Batrachier (Rana, Bufo, Bombinator, Triton) dies zu beob- achten Gelegenheit hatte. Vielmehr vollzog sich der von mir beobachtete Schluss der Ruscont’schen Oeffnung stets in folgender Weise. Sie verengte sich vorherrschend von beiden Seiten her, sodass sie spaltartig wurde und ihr Längsdurchmesser in der Medianebene des sich entwickelnden Embryonalkör- vers la®: dabei stiessen die seitlichen Randwülste zuerst mit ihren äussern o) III. Die Bildung der Keimblätter. 133 Säumen und dann mit ihren inneren Flächen zusammen, während der Dotter- pfropf dieser Bewegung entsprechend sich ins Innere zurückzog und endlich an der Dotterzellenmasse ganz verstrich (Taf. IV. Fig. 70). Es ist bemerkenswerth, dass bereits Rusconı und v. BAER je einer beson- dern Grundanschauung über die Embryonalanlage folgten, welche später auch ihre Nachfolger in zwei Lager schied. Ruscont sieht nämlich wie Pr£vosr und Dumas die morphologische Grundlage des Embryo in dem ganzen Dotter, dessen Centralmasse insbesondere sich in den Darm umwandle; und ferner läugnet Ruscont offenbar die Existenz der Keimblätter, mdem seiner Ansicht nach die Dotterkörner unmittelbar in die verschiedenen Anlagen sich verwandeln (Nr. 39 S. 94. 97, Nr. 16 8. 222). v. BAER, welcher mit der Entwickelungsgeschichte der Batrachier sich viel weniger beschäftigte als Ruscosx1, stellte doch im Gegen- satze zu diesem die Sätze auf: 1. dass das Froschei ebenso wie die Eier der anderen Wirbelthiere in Keim und Dotter, d. h. in eine morphologische Grund- lage des Embryo und eine dieselbe ernährende Substanz zerfalle, 2. dass jener Keim oder die eigentliche Embryonalanlage sich in Keimblätter spalte. Ich habe bereits in einem früheren Aufsatze gezeigt, ‚dass der Dotterkern des Bom- binator igneus zum Theil wenigstens einen wahren Nahrungsdotter vorstellt“ (Nr. 64 S. 1135. 114); in der vorliegenden Arbeit werde ich nachweisen, dass die Dotterzellenmasse des Batrachiereies dem sogenannten Nahrungsdotter an- derer Wirbelthiere durchaus und vollständig entspricht, dass also Ruscoxt’s gegentheilige Ansicht der Begründung entbehrt. “Andererseits erscheint es gegenüber einer neuesten Arbeit (Döntrtz) nicht überflüssig, recht nachdrück- lich zu betonen, dass der Ausdruck „Blätter“ für die Embryonalanlagen den Erscheinungen nicht „möglichst wenig“, sondern auf das Beste und Vollstän- digste entspricht (vgl. Nr. 67 S. 620). Kurz — v. BAER hatte in jenen beiden Behauptungen, welche nicht so sehr einer genauen Kenntniss der Entwickelung der Batrachier, als vielmehr seinen umfassenden Studien über die Entwickelung der Wirbelthiere überhaupt entsprangen, vollkommen Recht gegenüber den entgegengesetzten Lehren Rusconxts, welche derselbe auch noch in seinem letzten Werke mit grösstem Eifer vertheidigte. — Rusconts unbedingte Anhänger in der bezeichneten Richtung, auf deren Irrthümer ich daher nicht weiter eingehen will, sind REICHERT, CRAMER, DÖnITz; REMAK, STRICKER und v. BAMBECKE 134 III. Die Bildung der Keimblätter. folgen Ruscoxı darin, dass sie die Annahme eines Nahrungsdotters für die Batrachier verwerfen, während sie dagegen nach dem Vorgange v. Bazrs und J. MueLuers die Keimblätter gelten lassen. Vocr endlich nimmt eine eigen- thümlich vermittelnde Stellung ein. Das, was er Nahrungsdotter nennt, ist vielmehr eine Werkstätte zur Bildung stets neuen Zellenmaterials für die sich entwickelnden Organe. Wenn er aber durch diese Auffassung an REICHERT erinnert, so verwahrt er sich dennoch ganz entschieden gegen einen solchen Vergleich. Die Organe gingen ebenso wenig unmittelbar aus dem Dotter her- vor, als andererseits wirkliche Blätter existirten. Dagegen liesse sich eine schichtenweise Anordnung der von innen her gelieferten Zellen nicht läugnen (Nr. 26 8. 62. 65). Nicht weniger gegenüber diesen schwankenden Angaben als den entschiedenen Abweichungen von der Lehre v. Bars wird es meine Aufgabe sein, dieselbe ausführlicher, als es in meinem Aufsatze geschah, zu bestätigen. Doch kann das Verhalten der Dotterzellenmasse erst später näher beleuchtet werden, hier aber zunächst nur eine Besprechung der Keimblätter stattfinden. Ueber die Blätter des Batrachierkeims hat sich v. Baer nicht eingehend ausgelassen, sondern nur ganz allgemein von zwei Schichten gesprochen. Wenn ich aber auf seine Bemerkung Rücksicht nehme, dass er die allgemeinen Um- bildungen der Keimblätter, welche er zunächst und hauptsächlich am Hühner- embryo erforschte, auch „am Frosche vollständig verfolgt“ habe (Nr.8.1S. 164), so darf ich wohl seine bezüglichen Anschauungen hier aufführen, wobei ich zu- nächst weniger den schematischen Darstellungen, welche häufig ganz allein berücksichtigt werden, als den mitgetheilten Befunden folge (vgl. Nr. 8.18. 20. II S. 67. 68). An der oberen und an der unteren Fläche des Keimes ent- wickeln sich allmählich zwei Schichten, zwischen denen eine indifferente Masse liege. Während jene zur Hautschicht und zur Schleimhautschicht sich aus- bilden, hänge die innere Masse „zum T'heil mehr an der unteren Schicht, zum Theil mehr an der oberen an“, woraus die Gefässschicht dort, hier die Fleisch- schicht hervorgehe. Die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, dass diese beiden Schichten einen gemeinsamen Ursprung in jener mittleren Masse hätten, wird ganz ausdrücklich hervorgehoben (Nr. 8.1 S. 20. 41), sowie die Haut- schicht ganz richtig als die gemeinsame Grundlage für die Haut und den Cen- traltheil des Nervensystems gedeutet und der Name „sensible Schicht“ nur aus formellen Gründen vermieden wird (Nr. 8. ILS. 68 Anm. 3). Wenn aber nach III. Die Bildung der Keimblätter. 135 v. Baer anfangs drei, dann durch Sonderung der mittleren vier übereinander liegende Keimschichten zu unterscheiden sind, so soll sich ihre Gesammtheit erst nachträglich (gegen den dritten Brüttag) in die beiden räumlich getrennten 3lätter, das animalische und das vegetative spalten, sodass ersteres die Haut- und die Fleischschicht, letzteres die beiden anderen Schichten umfasst (Nr. 8 I S. 20. Anm. $. 40 — 42, II S. 68. Anm. 4). Ich glaube, dass es keiner weiteren Begründung bedarf, um in dem Angeführten den Keim der Dreiblättertheorie zu erkennen; ferner erhellt eben daraus, dass die schematischen Darstellungen v. Barr’s, wonach zwei ursprüngliche Schichten oder Blätter, eben das anima- lische und vegetative, sich verdoppelten (Nr. 8. I Scholion IV), mit Unrecht als die eigentlichen Befunde seiner Untersuchungen hingenommen und beurtheilt werden. In seinen „Reflexionen“ hat v. Baer allerdings dem Einflusse der zu seiner Zeit herrschenden Vorstellung, dass die künftige Funktion der Theile ihre Entwickelung bestimme, sich nicht ganz entziehen können; daraus entsprang die Annahme animalischer und vegetativer Anlagen, die er in Uebereinstim- mung zu bringen suchte mit seinen Beobachtungen, welche durchaus nicht eine einfache Bestätigung des Panper’schen Zweiblättersystems enthalten, sondern wenngleich unbestimmt auf drei ursprüngliche Schichten hinweisen. Dass aber diese beiden Auffassungen sich nicht so vereinigen lassen, wie nach meinen Erfahrungen die drei Keimblätter nur eine weitere Ausbildung zweier ursprünglichen Schichten darstellen, liegt auf der Hand. Die Existenz der „animalischen und der vegetativen“ Schicht als ursprünglicher Keimsonderung angenommen, würde das mittlere Keimblatt durch ein Zusammenwirken beider entstehen müssen, d. h. die animalische Schicht enthielte mehr als meine pri- märe Keimschicht, die vegetative also weniger als die entsprechende sekundäre Schicht. Wenn also v. Baer auch auf dem richtigen Wege sich befand, so fehlte ihm doch noch die klare Einsicht in die Entstehung der drei Keimblätter; und nachdem REICHERT vergeblich versucht, die Blättertheorie zu verdrängen und die Entwickelung aller embryonalen Anlagen bloss auf lokale Differenzi- rungen zurückzuführen, war es Remax vorbehalten, das von v. Baer Festge- stellte zu bestätigen, dessen Andeutungen auszuführen und ferner die Entstehung jener Blätter mit der Bildung der im Batrachierei so stark entwickelten Höhlen in Zusammenhang zu bringen. Nachdem nämlich Ruscont ausser der v. BAER- schen Höhle (Keimhöhle) noch eine andere in den Batrachiereiern entdeckt hatte, so führte diese Entdeckung zunächst nur eine Verwirrung in der Kennt- 136 III. Die Bildung der Keimblätter. niss über die Bildung und das gegenseitige Verhältniss beider Höhlen*, aber nicht die geringste Aufklärung darüber herbei, ob sie beide schwinden und was eventuell aus der übrigbleibenden werde. REICHERT, ÜRAMER und Vogr be- rücksichtigten die bezeichnete Entdeckung Ruscoxts gar nicht, obgleich sie mit seinen allgemeinen Resultaten übereinstimmten. Remak that nun einen entscheidenden und bedeutenden Schritt vorwärts, und wenn man einige Ein- zelheiten seiner Beschreibung und gewisse Deutungen bei Seite lässt, so muss man seine Beobachtungen als im wesentlichen richtige anerkennen. Die Decke der Furchungshöhle ist allerdings die erste gesonderte Embryonalanlage, und es wird auch gewissermassen durch die von unten aufsteigende Ruscont'sche Spalte eine zweite Zellenschicht jener ersteren angefügt und zugleich durch die Aus- breitung der neuen Höhle die frühere oder die Furchungshöhle verdrängt. Aber Remak irrte darin, dass er 1. in der Decke der Furchungshöhle und in ihrer Fortsetzung zwei Keimblätter annahm, sodass die neuhinzukommende Anlage nur aus einer Zellenlage oder dem dritten Keimblatte bestehen sollte, 2. dass er die Nahrungshöhle aus einer Einstülpung der hellen unteren Dotterfläche hervorgehen liess, sodass also das dritte Keimblatt genetisch als eine Fortsetz- ung des ersteren erschien, das mittlere Keimblatt dagegen mit freiem Rande in der Tasche oder Falte steckte, welche jene beiden Blätter am Umfange der Ruscoxt’schen Oeffnung bildeten, 3. dass er jene Nahrungshöhle nur als primi- tive betrachtete, welche zum grössten Theile wieder schwinde und durch eine ganz neu entstehende ersetzt werde** (Nr. 40 S. 145). — Die Darstellung von STRICKER bezeichet abermals einen Fortschritt, indem dieser Forscher die unter 1. und 2. bezeichneten Irrthümer Remar’s aufdeckte und zurechtstellte. Aber auf der anderen Seite entwickelten sich auch neue Irrthümer. Nach REmaAr’s Darstellung wurde ein Theil der hellen Dottermasse successiv an die ganze erste Keimblätteranlage angelegt, und so waren die Keimblätter im ganzen Umfange des Eies aus analogen Theilen hervorgegangen; STRICKER läugnete aber diese Analogie, indem er lehrte, dass ein Theil des Rückens und des Bauches schon ursprünglich alsGanzes angelegt sei(Keimhügel, Rindenschicht), * Erst irrte Rusconı selbst in der Bezeichnung der neuhinzugekommenen Höhle, dann wurde die ganze Ruscont’sche Beschreibung von REmAk missverstanden, worauf erst in neuester Zeit GoLugzw dieses Missverständniss aufklärte (Nr. 68 8.89 und fle.). . ** Das Genauere über diesen Punkt kann erst später ausgeführt werden. Ich be- merke hier nur, dass die Remax’sche Anschauung bereits in der Reıcnerr'schen Darstel- lung vorgebildet erscheint. III. Die Bildung der Keimblätter. 15 welches nur einer Spaltung in die Keimblätter bedürfe, während in den übrigen Theilen nur die zwei oberen Keimblätter (beide zusammen meinem Sinnesblatte entsprechend) von Anfang an vorgebildet seien, die zwei weiteren aber aus einem ganz anderen Dotterabschnitte, dem weissen Boden der Furchungshöhle * sich neu bildeten. Wenn aber die Lehre von der Keimblätterbildung bis STRICKER eine fort- schreitende Entwickelung gezeigt hatte, so machte sie durch die Arbeiten von v. BAMBEcKE, Dönttz und GoLuBEew entschiedene Rückschritte. Dass die REICHERT'sche Lehre von den Embryonalanlagen in unveränderter Gestalt wie- derum auftauchen konnte (Dönıtz), erscheint um so weniger erklärlich, als STRICKER, welcher in seinem ersten Aufsatze derselben gleichfalls huldigte, im folgenden {Nr. 46 S. 317) uns neben der neuen Auffassung eine Aufklärung darüber gab, wie REicHErT's allgemein gültig sein sollende Bilder zu Stande kamen.** Die neuen Beobachtungen von Döntrz sind aber zu spärlich und zu wenig zusammenhängend, um Anhaltspunkte zu einer erneuerten Widerle- gung der alten Irrthümer zu bieten. Ebenso ungenügend erscheinen mir die Untersuchungen von v. BAMBECKE und GoLUBEW, welche offenbar in der irrigen Voraussetzung, dass zur Erkenntniss der relativ einfachsten Ver- hältnisse, wie sie in den ersten Entwickelungsphasen bestehen, auch die ein- fachsten Mittel, eben einige gelegentliche Durchschnitte genügen, mit Hülfe solcher das von ihren Vorgängern bereits Festgestellte umzustossen suchten, wäh- rend doch ihre eigenen Auffassungen als durchaus unbegründete zurückge- wiesen werden müssen. Wenn ich zuletzt an meine eigenen Beobachtungen komme, so muss ich zuerst daran erinnern, dass, bevor ich dieselben in der gegenwärtigen Gestalt abschloss, ich die analogen Vorgänge in den Eiern der Knochenfische, Vögel und Säugethiere so eingehend wie es mir nur möglich war untersucht und da- bei im wesentlichen eine vollständige Uebereinstimmung der Keimblätterbildung * STRICKER lässt in diesem Boden irrthümlicherweise eine besondere, mässig starke Schicht von Zellen bestehen, welche auffallend, kleiner als die übrigen Dotterzellen, eine Mittelstellung zwischen diesen und den Embryonalzellen einnehmen. ** Es geht aus der angezogenen Stelle hervor, dass die Rrıcnzrr’schen Ansichten aus der Untersuchung von Durchschnitten entsprangen, welche nur parallel zur Ruscont’schen Oefinung ausgeführt wurden. Wer sich auf diese einseitige Untersuchung beschränkt, dem müssen natürlich die Bildung und Veränderung beider Höhlen, sowie die damit verbundenen Zellenbewegungen im Eie verborgen bleiben. 138 II. Die Bildung der Keimblätter. in allen Wirbelthieren gefunden hatte (No. 102, 103, 108).* Meine Abbil- dungen stimmen im allgemeinen mit denen Stricker’s überein; meine ab- weichende Deutung der Erscheinungen liegt allerdings nicht auf der Hand, aber so wie sie aus den gleichlautenden Ergebnissen der Untersuchung über die Keimblätterbildung bei den übrigen Wirbelthieren sich ergab, erschien sie mir einfacher und geeigneter, den ganzen Vorgang einheitlich zu begründen, als die früheren Auffassungen. Es erhellt aus meiner Beschreibung, dass der ganze Komplex der einzelnen, scheinbar selbstständigen Veränderungen im Grunde auf eine gemeinsame Quelle, auf die Auswanderung der Embroyonal- zellen gegen den Rand der primären Keimschicht hin zurückgeführt werden könne. Früher wurde aber nicht diese ursprüngliche Bewegung, sondern nur ihr Enderfolg, nämlich die Erhebung der Dotterzellen vom Boden der Keim- höhle an die Decke derselben bemerkt; Stricker nahm an, dass jene Dotter- zellen, wenn sie sich einmal angelagert haben, ihren Platz nicht mehr verlassen, nicht längs der Decke fortgeschoben würden, sondern dass stets neue längs des Randes der Anlagerung, also selbstständig hinaufwanderten, wogegen GOLUBEW sie mechanisch gehoben werden lässt durch eigenthümliche Formveränderungen der unmittelbar unter ihnen liegenden Zellen. Obgleich nun Stricker seine Ansicht für den unmittelbaren Ausdruck von unzweifelhaften Thatsachen hält (No. 46 S. 320), so muss ich ihm doch entschieden widersprechen; jener in die Höhe gehobene Wulst von Dotterzellen bleibt unverändert, kompakt und weder gehen seine Zellen in die Zusammensetzung der sekundären Keimschicht ein, noch ist jemals eine Zufuhr neuen Materials vom Boden der Keimhöhle, am wenigsten auf dem von STRICKER angegebenen Wege sichtbar. Ebenso wenig aber kann ich GoLuBEW’s Erklärung beitreten; wenn er bei dem allgemeinern Ausdrucke stehen geblieben wäre, dass die Zellen vom Boden der Keimhöhle durch die Theilungsvorgänge der darunter befindlichen Elemente in die Höhe gehoben würden, so liesse sich dies noch hören, aber da er den Nach- druck darauf legt, dass die sich theilenden Zellen (die Uebergangsformen) alle in einer bestimmten Richtung sich strecken und dadurch die darüberliegenden Massen heben, und dass dieser Vorgang während der ganzen Bewegung sich fort- laufend wiederhole, so muss ich diese Vorstellung durchaus von der Hand weisen. * Betreffs der Ausführung der in den vorläufigen Mittheilungen enthaltenen kurzen Notizen kann ich mich leider nicht auf bereits veröffentlichte Aufsätze berufen, sondern bloss auf solche, welche theils gleichzeitig mit dieser Arbeit, theils wohl etwas später erscheinen werden, III. Die Bildung der Keimblätter. 139 Denn jene gestreckten Zellenformen kommen nach den GoLugew’schen Abbil- dungen ganz besonders ausgezeichnet im Dotterpfropfe und mitten in der cen- tralen Dottermasse vor, also gerade unter ruhenden Massen; andererseits aber habe ich solche Formen, wie sie GOLUBEW beschreibt und abbildet, weder un- mittelbar hinter den sich bewegenden Massen, noch überhaupt gesehen. Da wir also weder eine selbstständige Bewegung jener Dotterzellen noch die von GoLuBEw entdeckte Ursache ihrer passiven Ortsveränderung anzunehmen brauchen, so können wir zur Ausdehnung der ganzen Embryonalzellenmasse zurückkehren. Für diese oder die centrifugale Auswanderung der Embryonal- zellen können natürlich die verschiedensten Ursachen erdacht werden; doch scheinen die Theilungsvorgänge der Zellen am meisten geeignet, jene Bewegung zu erklären, denn sie sind einmal stets an den Zellen selbst gegenwärtig und ferner nehmen sie Bezug auf das Verhältniss von Centrum und Peripherie der Keimschicht, indem sie dort nachweislich am schnellsten, hier langsamer er- folgen. Dass die bei jenen Theilungen erscheinenden Bewegungen, Zusammen- ziehungen der ganzen Embryonalzellen keine lebendigen sind, geht aus den Betrachtungen des vorigen Abschnittes hervor. Der Zellenleib zieht sich auf einen ausser ihm (im Zellenkerne) wirkenden Reiz zusammen, und da die Aus- lösung dieses Reizes durch einen Stoffwechsel nicht vermittelt wird, so fehlt jede Veranlassung, von wirklichen Lebenserscheinungen zu reden. Die Thei- lungen der Embryonalzellen bewirken nun in viel höherem Grade als die frühere Dottertheilung eine Verschiebung der ganzen Masse; solange die Dotterstücke die Form der Kugelausschnitte behielten, konnte das Volumen der ganzen Kugel nicht merklich zunehmen, aber sobald bei jeder Theilung aus einem rundlichen Körper zwei ähnliche runde hervorgingen, musste der zu den Zwischenräumen erforderliche Raum stetig wachsen und eine wirkliche Ver- schiebung der Zellen eintreten. Einen Grund dafür, dass diese Verschiebung in der Flächenrichtung der Keimschicht und nicht in der Richtung ihrer Dicke stattfindet, sehe ich darin, dass die Dottertheilungen, wie man sich an Durch- schnittsbildern leicht überzeugt, mit Bezug auf die Dotterkugel ganz über- wiegend in radiären und nur sehr viel seltener in koncentrischen Ebenen er- folgen. Und dass jene Verschiebung, wenn sie einmal um den oberen Pol begann und auch weiterhin von dort aus am meisten unterstützt wird, in kon- centrischen Kreisen gegen die Peripherie vorrückt, scheint mir ganz natürlich zu sein. So setzen sich alle die kleineren Bewegungen, welche aus den Thei- lungen der Embryonalzellen resultiren, zu einer allgemeinen, zu der Ausdeh- 140 III. Die Bildung der Keimblätter, nung der ganzen primären Keimschicht zusammen, welche durch den Wider- stand der trägen, d.h. sehr viel langsamer sich theilenden Dotterzellen zu einer Veränderung der Bewegungsrichtung gezwungen, in Folge dessen die Bildung der sekundären Keimschicht herbeiführt. Daraus ergibt sich aber, dass die Embryonalanlage oder der eigentliche Keim, welcher nach seiner Abstammung von der Dotterkugel ursprünglich ein Kugelsegment gewesen und darauf zu einer halbkugeligen Schale sich ausgebildet hatte, gleich nach der Entstehung der Embryonalzellen eine einzige Schicht, gleichsam ein erstes Keimblatt bildet (primäre Keimschicht) und dass darauf ein zweites nicht durch Anlagerung neuen Materjals oder durch histiologische Differenzirung der früheren Masse sondern durch eine Art Faltung der ersten einheitlichen Anlage entsteht (sekundäre Keimschicht). Die beiden ersten Schichten des Keims entwickeln sich also aus einer morphologischen Umbildung einer höchst einfachen ersten Anlage; die weitere Ausbildung der Keimblätter erfolgt aber durch lokale Absonderung, welche die einfache Zellenlage an der freien Fläche jeder der beiden Keimschichten betrifft. An der primären Keimschicht, also an der ganzen Oberfläche des Eies geschieht dies zuerst, und zwar zeigt sich der Anfang dazu in der oberen Hemisphäre, noch ehe die sekundäre Keimschicht recht begonnen hat; so entsteht die Schicht, welche seit Reıcmerr als Um- hüllungshaut bekannt ist. Sobald die sekundäre Keimschicht durch die Bil- dung der Ruscostschen Spalte oder der Darmhöhle eine freie Fläche erhält, sondert sich von ihr das Darmblatt ab, welches ebenso wie die Umhüllungshaut aus einer einfachen Zellenlage besteht und mit derselben am Rande der Rus- coxTschen Oeffnung zusammenfliesst. Diese Analogie in der Entwickelung der beiden, man möchte schon vorausgreifend sagen, Epithelial- oder Deckblätter an den beiden Keimschichten scheint hinlänglich die von STRICKER zuerst auf- gebrachte Viertheilung der Embryonalanlage zu begründen und zu recht- fertigen. Und doch kann ich mich dieser Anschauung nicht anschliessen. Ich behandle allerdings zunächst nur die Entwickelung der Batrachier, und wenn ihre Embryonen thatsächlich vier Keimblätter hätten, so finde auch ich darin, dass die Embryonen anderer Wirbelthiere nur drei Keimblätter besitzen, noch keinen Grund, von jenen vier Blättern eines zu Ehren der Analogie zu eliminiren. Aber bevor die Umhüllungshaut (Deckschicht) als selbstständiges Keimblatt von dem darunter befindlichen Theile der primären Keimschicht oder dem Nervenblatte (Grundschicht) getrennt wird, muss dazu auch ein genügender III. Die Bildung der Keimblätter. 141 Grund vorhanden sein.“ Die Deckschicht betheiligt sich nun an den meisten Bildungsakten der Grundschicht (ausgenommen bei der Bildung des Ohrbläs- chens und der Seitennerven) gleich in der ersten Anlage, erzeugt für sich allein nur die einigen Batrachiern ** eigenthümlichen Haftorgane in der Nähe des Mundes und verschmilzt darauf mit der übrigen Grundschicht zu der Epidermis, welcher sicherlich Niemand die Bedeutung eines morphologisch durchaus ein- heitlichen Organs absprechen wird. Nach ihrer Produktionsthätigkeit besitzt die sogenannte Umhüllungshaut nicht den geringsten Anspruch auf die Bezeich- nung eines besonderen Keimblattes; dies gilt von den Batrachiern ebenso wie von den Knochenfischen, bei denen gleichfalls eine besondere Deckschicht des oberen Keimblattes vorkommt (vgl. No. 107.108). Wenn man aber nach dieser Feststellung berücksichtigt, dass aus dem einfachen oberen Keimblatte der Amnioten ganz dieselben Anlagen sich entwickeln, wie aus dem zweischichtiger. der Batrachier und Knochenfische, so dürfte man wohl zu dem Schlusse ge- langen, dass die Deckschicht der letzteren nur als eine zeitweilige Sonderung des oberen Keimblattes anzusehen sei, welche ohne Bedeutung für die morpho- logische Embryonalentwickelung vielleicht einem Ähnlichen Zwecke dient wie das Amnion, und wegen ihres immerhin nicht ganz flüchtigen Bestandes eine besondere Bezeichnung erhalten mag. Um aber nicht an den Irrthum der * Einen solchen sieht nun freilich Török (No. 58 S. 4. 5) bereits in der Beobachtung, dass beide Schichten „ursprünglich“, d h. an den ersten Embryonalanlagen, geschieden seien. Aber das mittlere Keimblatt zerfällt ebenfalls, bevor es sich in verschiedene An- lagen umbildet, in zwei Schichten, welche nicht mehr aber auch nicht weniger verdienten als besondere Keimblätter betrachtet zu werden wie die Umhüllungshaut und das Nerven- blatt. Was aber in dem einen Falle unterlassen wird, dürfte alsdann in dem andern nicht gelten. Eine weitere Unterstützung der STRICKERr’schen Auffassung glaubt TöRöX darin zu finden, dass das Nervenblatt die nervösen Theile erzeuge, aber „mit der Anlage der Horn- gebilde nichts mehr gemeinschaftlich hat“ (S. 5), deren Keimboden, das Hornblatt, Török an einer Stelle (S. 7) mit der Umhüllungshaut identifieirt, obgleich er diese Gleichstellung vorher (S. 3) als unrichtig bezeichnet hatte. Da aber das „Nervenblatt“ die Linse und ge- meinsam mit der Umhüllungshaut die Epidermis bildet, so dürfte auch jener zweite von Török angeführte Beleg für die Viertheilung des Keims hinfällig erscheinen. Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, dass es mir gewagt, wenn nicht ungerechtfertigt erscheint, eine Kritik der Keimblättertheorie auf drei Durchschnitte hin — auf mehr bezieht sich wenigstens Török nicht — begründen zu wollen, zumal die dazu gehörigen Beobachtungen nicht eine einzige neue Thatsache bringen. ** Salamandra maculata besitzt sie jedenfalls nicht; und es scheint mir wahrscheinlich, dass wohl alle Batrachier, die ihr Embryonen- und erstes Larvenleben nicht im Wasser ver- bringen, diese Drüsen entbehren, da dieselben nur embryonale Organe sind und ihre Funk- tion, die herumschwimmenden Larven hier und da durch Schleimfäden an festen Gegen- ständen zu befestigen, bei den genannten Thieren gar nicht ausüben können. 142 Ill. Die Bildung der Keimblätter. ReıcHerr'schen Schule zu erinnern, habe ich den Ausdruck „Umhüllungshaut“ mit der allgemeineren Bezeichnung „Deckschicht“ vertauscht. Anders wie die Deckschicht, welche die Bedeutung, die sie nach ihrem ersten Erscheinen zu haben schien, durch ihre weitere Entwickelung verläug- nete, zeigt der ihr scheinbar analoge Theil der sekundären Keimschicht, das Darmblatt, schon gleich anfangs die grössere Unabhängigkeit vom Mutterboden dadurch, dass es nicht allein von demselben sich trennt, sondern an die genetisch ihm viel ferner stehenden Dotterzellen sich anschliesst. — Ein an- derer Unterschied zwischen der Deckschicht und dem Darmblatte führt die Betrachtung endlich noch auf das mittlere Keimblatt. Jene beiden Blätter sind freilich gleicherweise Abscheidungen an der freien Fläche ihres Mutter- bodens, aber die freie Fläche der primären Keimschicht entspricht zugleich der ganzen Ausbreitung derselben, wogegen die sekundäre Keimschicht nur zum geringeren Theile eine freie Fläche besitzt; und bleibt auch das Wesen des Darmblattes davon unberührt, so fragt sich, ob das mittlere Keimblatt in dem- selben Falle ist. Die Trennung der sekundären Keimschicht und der Dotter- zellenmasse erfolgt so ungleichmässig, dass, wenn auf der einen Seite daraus die Darmhöhle hervorgegangen ist, im übrigen Umfange die Sonderung noch wenig entwickelt ist. Zeigt sich auch dort endlich die Trennung, so läuft sie nicht etwa in die Darmhöhle aus, sondern wird an der Grenze derselben durch die Verbindung, welche das Darmblatt mit der Dotterzellenmasse eingeht, auf- gehalten und gezwungen in die Scheidegrenze zwischen dem Darmblatte und dem mittleren Keimblatte des Rückentheils überzugehen. Es erhellt hieraus, dass das mittlere Keimblatt im ganzen Umfange des Embryo genetisch un- gleich zusammengesetzt ist: im Bereiche der Darmhöhle geht es aus der sekun- dären Keimschicht nach Abzug des Darmblattes, im Umfange der Dotterzellen- masse aus der ganzen Schicht hervor. Aber dieser Unterschied verliert jede Bedeutung durch die Ueberlegung, dass die ungesonderte sekundäre Keim- schicht weder eine bestimmte Anlage, noch überhaupt eine morphologisch be- reits fixirte Bildung (z. B. ein festzusammenhängendes Blatt) ist, sondern eine indifferente Zellenmasse, welche erst im Begriff steht, sich zu einer bestimmten Form umzubilden. Löst sich nun das Darmblatt nicht am ganzen Umfange, sondern nur an einer beschränkten Stelle jener Schicht ab, so bleibt die letz- tere dennoch, weil nach Form und Inhalt noch indifferent, in allen Theilen gleichwerthig zurück und stellt sich daher auch als mittleres Keimblatt eben- so dar. III. Die Bildung der Keimblätter. 143 Diejenigen Momente, welche sich aus der voranstehenden Bildungs- geschichte des Batrachierkeims als die allgemeinen und gesetzmässigen er- geben, habe ich an den Eiern der Teleostier, Vögel und Säugethiere wieder- gefunden (vgl. No. 102. 103. 108). Für die ausführliche Darstellung der betreffenden Untersuchungen verweise ich auf die „Beiträge zur Entwickelungs- geschichte der Wirbelthiere“, welche sich dem schon citirten (No. 108) an- schliessen werden, und will hier nur deren Ergebnisse anführen. An den Eiern aller genannten Wirbelthiere lässt sich ein kleinerer Dottertheil, aus welchem die Keimblätter hervorgehen, von einem grösseren unterscheiden, welcher für die Blutbildung und die Ernährung des aus den Keimblättern sich entwickeln- den Embryo bestimmt ist.* Den ersteren hat man bei den meroblastischen Eiern als Keim, den anderen als Nahrungsdotter bezeichnet; ich über- trage diese Bezeichnungen auch auf die entsprechenden Theile der holoblasti- schen Eier (Batrachier, Säuger), so wie schon v. BAER am Froscheie Keim und Dotter schied. Der Keim begreift die um den oberen Pol gelegene Dotterpartie, welche sich überall vollständig und energischer theilt als der Nahrungsdotter und zuletzt in die scheibenförmige, mehr oder weniger gekrümmte Masse der Embryonalzellen übergeht. Anfangs ist diese Keimscheibe einfach (primäre Keimschicht); während ihrer andauernden Ausbreitung schlägt sich aber ihr Rand nach innen um und entsteht dadurch in der geschilderten Weise die sekundäre Keimschicht. Beide Keimschichten bilden alsdann eine doppel- wandige Kappe, welche den Nahrungsdotter umwachsend zur doppelwandigen Keimblase wird. Der Nahrungsdotter umfasst die in verschiedenem Masse grössere untere Hälfte der Dotterkugel, theilt sich träge, bei den holoblasti- schen Eiern immerhin vollständig, bei den meroblastischen nur theilweise, bis- weilen auch erst sehr spät, wie ich es im vorigen Abschnitte angab. Die kern- haltigen Elemente des Nahrungsdotters gelangen dann in die ihm unmittelbar anliegenden Keimtheile (mittleres Keimblatt), um das embryonale Blut zu bil- den; der übrige Nahrungsdotter wird, mag er organisirt sein (holoblastische Eier) oder nicht (meroblastische Eier), als wirkliche Nahrung verbraucht. Das ganze Innere der doppelwandigen Keimblase kann nämlich als eine grosse, em- bryonale Darmhöhle aufgefasst werden, welche aber nur unmittelbar unter dem * Für die Batrachier ist das Betreffende in den Abschnitten über das Darmblatt und den Darmkanal nachzusehen. Da die bezeichnete Eintheilung allen, auch den holo- blastischen Eiern gemeinsam ist, so erhellt, dass die Wirbelthiereier eigentlich alle mero- blastisch sind. 144 III. Die Bildung der Keimblätter. Keime einen freien Raum aufweist, sonst vom Nahrungsdotter ausgefüllt ist, und deren eigenthümliche Auskleidung, das Darmblatt, anfangs nur auf jenen oberen Theil beschränkt ist und erst später, nachdem nämlich die blutbilden- den Elemente in das mittlere Keimblatt übertraten, sich über den ganzen Nah- rungsdotter ausbreitet. Der letztere ergänzt also gewissermassen das sich ihm auch in den meroblastischen Eiern (Hühnchen) eng anschliessende Darmblatt zur Form eines Hohlgebildes; und wenn bei den holoblastischen Batrachier- eiern auch formell keine wahrnehmbare Grenze zwischen beiden Theilen be- steht, so braucht man sich nur den als Dotterzellenmasse bezeichneten Nah- rungsdotter auf ein geringes Mass reducirt zu denken, um in ihm bloss einen Theil des Darmblattes, also überhaupt der sekundären Keimschicht zu er- kennen. Verfolgt man die Entwickelung des Batrachiereies noch weiter rück- wärts, so findet man jene Dotterzellenmasse (Nahrungsdotter) stets in kontinuir- lichem Zusammenhange mit dem Rande der sekundären Keimschicht, sodass wenn diese gleichsam noch im Randwulste der primären Keimschicht ruht, auch diese kontinuirlich in die Dotterzellenmasse übergeht. Diese Ueberlegung führt uns dahin, Keim und Nahrungsdotter im Anfange ihrer Entwickelung als zwei mehr oder weniger ungleiche Hälften eines einheitlichen Ganzen aufzu- fassen, welche am Umfange des Eies mit ihren Rändern zusammenhängen, innen aber durch die Keimhöhle auseinander gehalten werden. Mit anderen Worten — Keim und Nahrungsdotter bilden anfangs eine einfache dickwandige Hohlkugel oder Blase, welche während des Vorgangs, der uns als Umschlag der primären und Bilduug der sekundären Keimschicht bekannt ist, von einer Seite her bis zur Berührung der entgegenstehenden Wände, also unter Ver- drängung der Keimhöhle sich einstülpt, sodass die Einstülpung den ganzen Nahrungsdotter und einen peripherischen Theil des Keimes (sekundäre Keim- schicht) begreift. Den Eindruck einer solchen Einstülpung empfängt man beim Batrachiereie ohne weiteres, sobald man den Nahrungsdotter oder die Dotter- zellenmasse bloss als eine lokale Verdickung der eingestülpten Hemisphäre an- sieht, wodurch ja das Wesen des ganzen Vorgangs nicht beeinträchtigt wird. Der gleiche Eindruck wird an den Eiern der Fische, Reptilien und Vögel nur durch die grosse Massendiflerenz zwischen Keim und Nahrungsdotter und durch die mangelhafte Dotterzellenbildung des letzteren gestört, während alle wesentlichen Momente jener allgemeinen Auffassung vorhanden sind; und denkt ınan sich dazu die Dotterzellenmasse des holoblastischen Eies nachträglich aufgelöst und verflüssigt, so hat man die Verhältnisse des Säugethiereies, III. Die Bildung der Keimblätter. 145 dessen erste Umbildung also gleichfalls auf jenen Typus einer eingestülpten Keimblase zurückgeführt werden kann. Lässt sich aber in diesem Bilde die Uebereinstimmung aller Wirbelthiereier in ihrer ersten Umbildung zusammen- fassen, so bietet wiederum das Batrachierei, in welchem jenes typische Bild am deutlichsten hervortrat, den nächsten Anschluss an die wirbellosen Thiere: eine bloss quantitative Reducirung der Dotterzellenmasse, also ein vollständiges Zusammenfliessen derselben mit dem Darmblatte und in zweiter Linie über- haupt mit der sekundären Keimschicht zu einer gleichmässigen Zellenlage ergibt die Gastrula Harcker's, die gemeinsame Embryonalform der meisten wirbellosen Thiere, welche sich vielleicht ebenso, wie es bei den meroblastischen Wirbelthiereiern geschah, auch auf alle übrigen Wirbellosen, soweit sie sich aus Eiern entwickeln, ausdehnen lässt. GoOETTE, Entwickelungsgeschichte. 10 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Von dem Zeitpunkte an, wann die einfachen Embryonalanlagen fertig ge- bildet sind, wird die Aufgabe der Darstellung eine besonders schwierige. Alle Theile sind in einer gleichzeitig fortschreitenden Veränderung begriffen, die eingehende Betrachtung des einen wird durch die Vernachlässigung des anderen leicht unverständlich, und kann andererseits eine Besprechung der allgemeinen Fortschritte der Gesammtentwickelung nicht gut vorausgeschickt, können die- selben in ihrer wesentlichen Bedeutung überhaupt nicht erfasst werden, solange die genaue Kenntniss der Einzelvorgänge fehlt. Es hat mir daher folgende Anordnung des Stoffes zweckentsprechend geschienen. — In diesem ganzen Abschnitte soll die Umbildung der einzelnen Keimblätter nur soweit verfolgt werden, als die daraus hervorgehenden Anlagen noch durchweg aus indifferen- ten Embryonalzellen zusammengesetzt bleiben, also die gröbere Form, das morphologische Moment in der Erscheinung durchaus vorherrscht. Indem die Aufmerksamkeit auf diese Weise ausschliesslich der morphologischen Entwicke- lung zugewandt bleibt, soll die dem Aufbau unseres Thieres zu Grunde liegende Architektonik klar hervortreten und der Vorstellung sich einprägen, damit die späteren Zustände der einzelnen Organe und ganzer Körperregionen sich jeder- zeit leicht auf die einfachen Grundlagen und deren gesetzliche, in Wechselwir- kung stehende Umbildungen zurückführen lassen. Dabei glaube ich alles, was für diesen Zweck nicht unmittelbar von Bedeutung ist, also die äusseren Um- wandlungen, wie sie sich am unberührten Embryo darstellen, um so eher zu- rückstellen zu dürfen, als dieselben durch häufige Wiederholung seit Ruscoxts Zeit hinlänglich bekannt geworden sind (vgl. Nr. 6 S. 10 — 22 und Nr. 39 S 32 — 43). 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 147 Um aber gewisse allgemeinere Anhaltspunkte für Zeitbestimmungen zu gewinnen, habe ich den ganzen Zeitraum der Entwickelung bis zur Metamor- phose in drei Abschnitte eingetheilt, zunächst unterscheide ich Embryo und Larve in der Weise, dass der erstere Ausdruck sich auf jene Zeit bezieht, wäh- rend welcher die Anlagen aus mehr oder weniger indifferenten Embryonalzellen bestehen, der Name „Larve‘ alle späteren Entwickelungsstufen umfasst. Die Grenze beider Zustände lässt sich aber begreiflicherweise nicht genau angeben, da die Embryonalanlagen sich nicht gleichzeitig verändern, die einen den an- deren vorauseilen; bestimmend war für mich daher die grosse Masse der Anla- gen, namentlich des mittleren Keimblattes. Die hier zunächst zu betrachtende Embryonalzeit schliesst also ab, wenn der Schwanz als kurzes, am Ende abge- rundetes Ruder hervorgewachsen ist (vgl. Fig. 33. 53); dies geschieht einige Zeit vor dem Ausschlüpfen aus dem Eie, welches übrigens an keine bestimmte Periode gebunden zu sein scheint. Die Larvenzeit wird durch ein sehr gutes Merkmal wiederum in zwei Abschnitte geschieden, nämlich durch den Beginn der Nahrungsaufnahme. Dieser Zeitpunkt gibt sich schon äuserlich zu er- kennen durch die Ausbildung des durch die dünne Bauchwand deutlich durch- schimmernden Darmkanals: sobald derselbe in seinem Verlaufe gleichmässig röhrig geworden ist und die ersten Windungen ausgeführt hat, beginnt die Nah- rungsaufnahme. — Indem ich aber eine Embryonal- und zwei Larvenperioden aufstelle, will ich das so häufig in allgemeiner Bedeutung gebrauchte Beiwort „embryonal“ nicht auf jene erste Periode beschränkt wissen; es bezeichnet eben meist lediglich den Gegensatz zur völlig entwickelten Form. 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. Historische Uebersicht der bisherigen Untersuchungen. Da die ersten Umbildungen des Sinnesblattes in Gemeinschaft mit denen des mittleren Keimblattes an der dorsalen Oberfläche des Eies ein bemerkens- werthes und vor allem Andern in die Augen fallendes Relief hervorrufen, so war dasselbe bereits der Gegenstand der Aufmerksamkeit jener älteren Forschung, welche über die äussere Erscheinung kaum hinaus ging, also von der Gliede- rung der Embryonalanlagen und der Betheiligung ‘derselben an den einzelnen Vorgängen wenig wusste. Trotzdem verdienen die ältesten Beobachtungen über die Entwickelung des Oentralnervensystems mehr Aufmerksamkeit als die ähn- lichen Beschreibungen anderer Körpertheile, weil die betreffenden Anlagen auch 10° 148 IV. Die Sonderung der einzelnen OÖrgananlagen R am unberührten Embryo offen daliegen, unmittelbar betrachtet werden können, und daher durch alle daran geknüpften Untersuchungen der Zusammenhang in der Entwickelung der richtigen Erkenntniss sich leichter verfolgen lässt als in andern verwandten Fragen, bei deren Lösung die Untersuchungsmetho- den mehr ausemander gingen. Von Pr#vost und Dumas stammt, soweit mir bekannt ist, die erste Be- schreibung der Veränderungen an der Rückenseite des Embryo. Nachdem die Furchen vollständig geschwunden, sei immer noch die Narbe mit einer dunklen sie durchziehenden Linie sichtbar (Nr. 2 8. 113). Nach einem längeren Still- stande in der Entwickelung bildet sich um jene Linie eine elliptische Grenze, innerhalb deren die Oberfläche des Kies sich schildförmig erhebt. Dieser Schild nimmt nach einigen Stunden die Gestalt einer Lanzenspitze an, deren schmales Ende dem Schwanzende des künftigen Thieres entspricht, wo auch die dunkle Linie die Grenze des Schildes erreicht (S. 114). Darauf erscheint eine zweite Grenzlinie, welche, am Kopfende entspringend, die erste in gleichem Abstande umkreist; zwischen beiden Linien, also am Schildrande, entsteht ein äusserer Wulst, welcher hinten mit dem Schilde verwächst und in eine herzförmige Er- hebung, die Anlage des Beckens, ausläuft. Unterdess hat sich der Schild ab- seplattet und die ursprüngliche Linie (ligne, trait primitif — Primitifstreif), früher vertieft, wird erhaben und unterscheidet sich durch ihre helle Farbe von der Umgebung (8. 115). Nachdem die Wülste sich am Kopfe mehrfach aus- sebuchtet, wachsen sie über dem Primitivstreife oder der Rückenmarksanlage zusammen und schliessen dieselbe in einen Kanal ein (S. 116). Als Erzeug- nisse der Wülste werden genannt: Kopf, Becken und Rückenmarkshüllen (Sm). Auch v. Baur beschreibt einen Primitivstreif, welcher jedoch eine andere 3edeutung hat als derjenige von Pr£vosr und Dumas. „Zuerst zwar sieht man nur eine mittlere Furche und kann von aussen wegen der Undurchsichtig- keit nicht erkennen, dass der Keim in dieser Furche verdickt ist. Allein der senkrechte Durchschnitt eines erhärteten Eies lässt die Verdickung wahrnehmen, und so stehe ich nicht an, auch im Frosch-Ei einen Primitivstreifen zu finden, der nur tiefer sich einsenkt als im Vogel. Innerhalb des Primitivstreifens bildet sich hier eine Wirbelsaite, die viel stärker ist, als in irgend einem andern Thiere und die man aus erhärteten Frosch-Embryonen früherer Zeit ausschälen und mit den Fingern fassen kann. Zu beiden Seiten des Primitivstreifens ent- wiekeln sich die beiden Rückenwülste, zuerst mit ungemeiner Breite, dann aber 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes, 149 schmäler werdend, sich erhebend und hohe Kanten gewinnend, die, indem sie sich erheben, zugleich sich gegen einander neigen. Während des Schlusses löst sich :die innere Schicht der Rückenwülste, und so hat man gleich nach vollendetem Schlusse eine Medullarröhre, die aus zwei Markplatten verwachsen ist. Noch vor erreichtem Schlusse sieht man im vordern Theile der Rücken- röhre Erweiterungen als werdende Hirnzellen“ (Nr. 8 Bd. IIS.235—236. vgl. auch Nr. 98.223 — 225 und Nr. 15 8. 10). In jenen offenen Hirnzellen will v. Baer auch schon Unebenheiten der inneren Fläche gesehen haben, „welche zum Theil die beginnenden Ausstülpungen der drei Sinnesnerven sind“ (Nr. 8 S. 237). Ruscosı erwähnt weder einen Schild, noch einen Primitivstreif; während die von ihm als After aufgefasste Oeffnung sich schliesst, „erheben sich zwei Wälle in der Nähe des Afters und dehnen sich, einer neben dem andern, bis über den Ort aus, wo die erste Querspalte*) war, von der nun nichts mehr zu sehen ist. Nach aussen von diesen beiden Wällen treten dann zwei andere auf, kleiner als die ersten, aber ausgezeichneter und mit bestimmteren Conturen: sie sind die beiden Hälften des Rückenmarks und Gehirns, welche sich unter den Häuten bilden: sie nähern sich einander nach und nach und vereinigen sich endlich, zuletzt die Theile desselben, welche dem Gehirn entsprechen, so dass, nach der Haut, das Rückenmark immer der Theil des Thieres ist, der sich zu- erst bildet“ (Nr. 16 S. 219). Früher hatte Ruscoxı die Wülste dahin gedeutet, dass sie die Anlagen des Centralnervensystems, seiner Hüllen, der Rücken- muskel und der Oberhaut enthalten (Nr. 6 8. 24). Ueber die Vereinigung der Wülste bemerkt er ebendaselbst, dass die bandartigen Hälften des Gentralnerven- systems, nachdem sie anfangs eine offene Rinne dargestellt, später zu einem Kanale verwachsen. In Betreff der Sinnesorgane wird nur die Entwickelung der Geruchsorgane mitgetheilt. Dieselben entständen als Vorsprünge des vordern Endes der Hirnanlage (Hemisphären); die Basis dieser Vorsprünge wird alsdann zusammengeschnürt, sodass siezu Blasen werden, welche durch helle Stiele mit den Hemisphären zusammenhängen. Diese Blasen stülpen sich endlich nach ihrer Länge ein und bilden sich so zu den Nasenkanälen um (Nr. 6 8. 25. 20, Nr. 16 S. 219). BaumGÄrtnER beschreibt eine ganz flache ovale und hellgefärbte Er- habenheit, deren schmales Ende an die Rusconr'sche Oeffnung stösst, als erste * Es ist darunter die Spalte zu verstehen, durch welche am obern Pole des Salamander- ies die innere Höhle für eine kurze Zeit nach aussen münden soll (vgl. Nr. 16 5. 219), 150 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. sichtbare Veränderung des Rückens. Indem von jener Oeffnung her eine Rinne in der Axe jener Erhabenheit sich entwickelt, wird dieselbe in zwei flache Hügel getheilt, welche alsbald noch durch einen Wulst eingefasst werden. Im breiten Kopfende fliessen die beiderlei Erhabenheiten bogenförmig zusammen (No. 12 5.30. 31). Der v. Barr’sche Primitivstreif sei nicht gleich anfangs, sondern erst später zwischen den inneren Wülsten sichtbar und wahrscheinlich ein schon gebildeter Theil, „gleichsam ein Kern“ des Rückenmarks, an den sich die genannten Wülste anschliessen werden, während eine äussere sie von der Seite her bedeckende Lage (äussere Wülste) die Hüllen des Rückenmarks und Gehirns entwickeln (S. 32— 34). Indem diese äussere Dotterschicht sich über den tieferen Theilen zusammenzieht, wird die Furche stetig enger und endlich ganz geschlossen (S. 36). Wie Reichert sich die erste Anlage des Centralnervensystems dachte, wurde schon im vorigen Abschnitte erwähnt. ‚Die Centraltheile des Nerven- systems bestehen also ursprünglich aus zwei membranartig abgesonderten Zellenschichten des Keimhügels, welche zu beiden Seiten der Chorda aus- gebreitet daliegen. Im Verlaufe der Entwickelung ziehen sich diese Urhälften des Uentral-Nervensystems, an Dicke zunehmend, nach der Mittellinie des Embryo mehr und mehr zusammen. Es bildet sich so aus der membranartigen Anlage jederseits der Wirbelsaite eine sich allmählig stärker erhebende Wulst, welche die tiefer gelegene Mitte, gleich einem Walle, begrenzt. Die Wülste hat man irrthümlich für die Anlage des Wirbelsystems gehalten und sie daher die Rückenplatten genannt; die dazwischen liegende Tiefe die Rückenfurche. Letztere ist am Kopfende breiter als nach hinten, indem die Centralhälften des Nervensystems von der Stelle ab, wo das Gehirn sich ausbildet, mehr aus- einander weichen, dann aber vorn in emem Bogen sich gegen die Mittellinie wenden und sich daselbst vereinigen. Auch nach hinten gehen sie, doch mehr unmittelbar in einander über, so wie dann auch in der Rückenfurche, über die Wirbelsaite hinweggehend, eine lockere feine Verbindungs-Membran zwischen ihnen bemerkbar ist“ (No. 22 8. 13). Darauf verwüchsen sie mit ihren oberen äusseren Rändern, nachdem die unteren inneren sich schon früher vereinigt hätten. Sie bilden demnach eine Röhre, „welche nach dem Gehirn-Ende hin weiter wird, in ihrem Innern die abgeschlossenen Rudera der schwarzen Um- hüllungshaut enthält, deren Seitenwände endlich stärker als die oberen und unteren Verbindungstheile sind und den eigentlichen Urhälften entsprechen“. 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 151 (S. 17). Die Sinneswerkzeuge scheint REICHERT für abgesonderte Theile des Hirns zu halten (S. 18). Eine einfache Folgerung aus der schon bezeichneten Grundanschauung Vogr's über die Entwickelung des Batrachierembryo — dass es nämlich keine differenten morphologischen Anlagen, keine Keimblätter und Umbildungen derselben, sondern nur histiologische lokale Differenzirung gebe — ist die Behauptung jenes Forschers, dass die Rückenwülste „durchaus keine für sich bestehende Anlage eines besonderen Systemes sind, sondern eine indifferenzirte Zellenerhebung, welche erst durch spätere Metamorphosen in einzelne Gebilde sich spaltet“ (No. 26 8. 33). „Erst bei der Schliessung der Rückenwülste liess sich in dem Rohre eine dünne innere getrennte Zellenschicht wahrnehmen, welche die Centralnervenorgane repräsentirte“ (S. 66). CRAMER schliesst sich in Betreff der in Rede stehenden Bildungen theils REICHERT, theils Vogt an, während Ecker die äusseren Erscheinungen ähnlich wie Rusconxı und v. Baer beschreibt, namentlich mit Bezug auf den letzteren gewisse Hervorragungen innerhalb der Hirnanlage für die Anlagen der Sinnes- organe erklärt (No. 41 Taf. XXIII Fig. XVII). RemAk hält die Wülste an der Rückenseite des Eies ausschliesslich für die Anlagen des Centralnervensystems (Medullarwülste), welche durch eine dünne, später sich verschmälernde oder ganz schwindende Verbindungshaut zusammenhängen (No. 40 S. 146. 147; vgl. auch Taf. XII Fig. 5). Wenn aber schon sehr frühzeitig der peripherische, aus zwei Zellenschichten bestehende Theil des oberen Keimblattes sich bis auf die Medullarwülste verfolgen und von denselben ablösen lasse, so dürfe diese Wahrnehmung nicht so gedeutet werden, „als wenn im Bereiche der Medullarplatte eine ursprüngliche Sonderung zwischen einer nervenbildenden Medullarplatte und einer indifferenten Fort- setzung des äusseren Keimblattes stattfände. Das äussere Keimblatt besteht, wie wir gesehen haben, vor der Erhebung der Medullarwülste überall aus zwei Zellenschichten, aus einer äusseren gefärbten und einer inneren weissen. Die Zellen der letzteren sind höher (cylindrisch) in dem Axentheile, welcher die Medullarplatte bilden soll, als in dem peripherischen, und zerfallen (durch fort- schreitende Theilung) in die kleinen Zellen, welche die Hauptmasse der Medullar- wülste zusammensetzen. Man kann also nur sagen, dass im Bereiche der Wülste eine zweite (sekundäre) Sonderung stattfindet, aus welcher eine zwei- blättrige Bedeckung und die dicken Wülste hervorgehen, während im Bereiche der Verbindungshaut der ursprüngliche Gegensatz sich erhält. Ich bekenne, 152 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. dass ich den Zweck dieses abweichenden Verhaltens der Medullarwülste nicht einsehe. Wahrscheinlich ist dasselbe durch folgende Umstände bedingt. Während die Medullarwülste sich erheben und einander nähern, folgen ihnen die unter ihnen liegenden Erzeugnisse des mittleren Keimblattes behufs der Bildung des Wirbelrohrs. Und zwar drängen sie sich, wie es scheint, zwischen den ablösbaren zweiblättrigen Ueberzug der Medullarwülste und die letzteren selbst, so zwar, dass die obere Fläche der Wülste nicht zur innern, den Rücken- markskanal begrenzenden wird, sondern zur äusseren Fläche des Medullar- rohrs“ (8. 140). „Oft genug unterbleibt an dem Hirn-Ende der Medullarwülste vor ihrer Verbindung zum Medullarrohr jede Sonderung in Abtheilungen, welche als Andeutungen von Hirnblasen betrachtet werden könnten. Die Wülste schliessen sich vielmehr rasch, von der Nackengegend beginnend und nach beiden Seiten fortschreitend, zu einem dickwandigen, am Kopfende an- geschwollenen Cylinder, an welchem erst nach der Schliessung eine Abtheilung in Hirnblasen erfolgt. In der Regel zeigen sich jedoch im Bereiche des er- weiterten Kopfendes der thal-artigen Medullarfurche jederseits zwei oder drei blatt- oder zungenförmige Vorsprünge oder Wülste“, welche Remak eben für die Anfänge der Hirmblasen hält (S. 147). Von den Sinnesorganen sei das Auge eine Ausstülpung des Vorderhirns, das Ohr und die Nase Erzeugnisse des peripherischen Theils des Sinnesblattes (S. 150 — 152). STRICKER folgt in semem ersten Aufsatze der Reıcherr’schen Lehre von den isolirten Organanlagen. Die von der Embryonalanlage (Keimhügel) ab- gesonderte „Nervenplatte“ liegt dicht unter der Umhüllungshaut; entsprechend ihrer Axe sinkt sie zugleich mit ihrer Unterlage ein und bildet so eine Furche oder nach dem Ausdrucke STRICKER’s einen „Halbcanal“. „Die Umhüllungshaut folgt anfangs dieser Lagenveränderung, wodurch es zur Bildung einer äusserlich sichtbaren Rinne, der primitiven Rinne der Autoren, kommt; im weiteren Verlaufe der Senkung entfernt sich aber der Boden des Nervenhalbcanals von dem Boden der primitiven Rinne; es entsteht zwischen ihnen ein Raum, der unten und an den Seiten von Nervenmasse, oben aber durch die Umhüllungs- haut begrenzt ist. Die inneren oberen Ränder der Seitentheile der Nerven- anlage nähern sich endlich bis zur Berührung; der Centralcanal wird ge- schlossen, ohne dass die Umhüllungshaut in denselben einbezogen würde. Eine während dieses Vorgangs zwischen Umhüllungshaut und Nervenplatte neu auf- tretende Zellenschicht bildet die innere Auskleidung des Centraleanals“ (No. 45 S. 474). Nachdem Stricker die Keimblätter genauer studirt, erklärte er die 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 153 Anlage des Centralnervensystems für eine Verdickung des zweiten Keimblattes (Nervenblatt), welcher sich das erste Blatt (Umhüllungshaut) innig anschliesse (No. 55 8. 62). Die Verdickung ist am äussersten Vorderende der Anlage ein- fach ; untersucht man von dort aus rückwärts, „so wird zunächst die verdickte Stelle des vereinigten zweiten und ersten Blattes in der Mitte verdünnt und da- durch die Anlage des Gehirns gleichsam zweilappig, indem zu beiden Seiten der Verdünnung je ein Wulst zu liegen kommt“ (8. 63).* Eine ganz eigenthümliche, von allen früheren Darstellungen abweichende Lehre hat v. BAMmBEcK& vorgetragen. Die erste Andeutung der Entwickelung des Centralnervensystems bestehe in einer dreieckigen Einsenkung der Rücken- fläche, deren Spitze vom Dotterpfropfe ausgeht und deren Basis gegen den oberen Pol gerichtet ist; an ihrem Grunde verlaufe ein feiner dunkler Strich, der Primitivstreif (No. 63 S. 30). Um diese Furche herum erhebe sich ein ovaler Schild, dessen Spitze mit derjenigen der Furche zusammenfalle, während ihr Vorderende den Umfang des Schildes nicht erreiche. Die Hälften des letz- teren ziehen sich von den Seiten gegen die Furche wulstig zusammen, worauf dieselbe endlich ganz schwindet (8. 31. 32). An Querdurchschnitten glaubte v. BAMBEcKE zu erkennen, dass der Schild wesentlich von einer Verdickung der Nervenschicht herrühre, während die Umhüllungshaut nur innerhalb der Furche verdickt, ihre einfache Zellenlage in eine mehrfache verwandelt er- scheine. An den beiden Rändern dieser ihrer Verdickung und zugleich der Furche, rolle sich die Umhüllungshaut ein, worauf die dadurch entstandenen Wiilste über den Boden der Furche weg sich einander nähern und endlich ver- einigen; unterdessen bleibe die Nervenschicht passiv und gehe allmählich aus der Verdickung in die peripherischen Theile über (8. 34. 35). Erst nach dem völligen Schlusse der Furche beginne die Bildung des eigentlichen Nerven- kanals, indem der verdickte Theil der Nervenschicht sich von der seitlichen Ausbreitung absondert, sich um die von der Umhüllungshaut gebildete Epithelial- öhre aufwärts krümmt und letztere endlich von der übrigen Umhüllungs- haut trennt (8. 36). Ueber die ersten Anlagen der Sinnesorgane erfährt man * Die zugehörigen Abbildungen (No. 55 Taf. I Fig. 7. 8.9. 15) sind durchaus natur- getreue Darstellungen von Querdurchnitten des Rückens, welche die früheren Angaben über das Verhalten der Umhüllungshaut und die Entstehung einer Auskleidung des Centralkanals durchaus entkräften. Da aber weder ihre Details, noch die vorangehenden und nachfolgenden Entwickelungsstufen der ganzen Bildung mit einem einzigen Worte berührt werden, so kann ich auf diese Abbildungen auch nicht näher eingehen, durfte aber desshalb jene älteren Angaben nicht unerwähnt lassen. 154 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. von v. BAMBECcKE Folgendes. Die Augenanlagen erscheinen zuerst als solide Zellenmassen neben dem Hirne, über ihren Ursprung wird nichts angegeben; die Ohrbläschen entstehen aus dem Nervenblatte allein, das Geruchsorgan end- lich in gleichem Masse aus dem letzteren und der Umhüllungshaut (S.37—40). Dösırz führt als Grund gegen die Annahme eines gemeinsamen Mutter- bodens für das Centralnervensystem, die Sinnesorgane und die Oberhaut mit ihren Erzeugnissen an, dass die (schon ziemlich entwickelten) Anlagen des Rückenmarks von denjenigen der Oberhaut zuweilen deutlich geschieden erscheinen, während das Bild ihres Zusammenhangs durch die Präparation künstlich hervorgerufen werde (No. 67 8. 615). Auf frühere Zustände der genannten Anlagen kann Dönıtz nicht eingehen, denn nach seiner „Auffassung“ entsteht „das Centralnervensystem bei seiner anfänglich so geringen Aus- dehnung wie mit einem Schlage aus den Bildungszellen‘ (S. 614). — Solchen blossen „Auffassungen“ gegenüber halte ich mich zu einer näheren Widerlegung nicht verpflichtet. Von einem oberen Keimblatte kann füglich erst die Rede sein, wenn alle Elemente, welche zur Bildung der beiden anderen Keimblätter bestimmt sind, aus der primären in die sekundäre Keimschicht übergewandert sind; dann wird jene erstere zum oberen Keimblatte. Dies geschieht ohngefähr in dem Stadium, welches die Figuren 31 und 32 auf Taf. II darstellen; denn die offenbar noch andauernde Verdünnung des genannten Blattes braucht nicht mehr durch eine fortgesetzte Auswanderung seiner Elemente erklärt zu werden, sondern hat ihren Grund darin, dass die letzteren nunmehr anfangen, nach einer bestimmten Gegend des Blattes sich zusammenzuziehen, sich dort anzuhäufen, wodurch natürlich die Mächtigkeit der übrigen Theile abnimmt. Das obere Keimblatt besteht, wie bereits angeführt wurde, aus einer äusseren, festgefügten Lage prismatischer Zellen, welche an ihrer der Dotter- haut zugekehrten Seite das dunkle Pigment enthalten und den darunter betind- lichen in zwei bis drei Lagen locker zusammenhängenden rundlichen Zellen (Taf. III Fig. 55). Ich habe gleichfalls schon erwähnt, dass jene äussere Lage an der Ruscont'schen Oeflnung mit dem Darmblatte kontinuirlich zusammen- hängt, die tiefere Schicht dagegen in das mittlere Keimblatt umbiegt (Taf. II Fig. 31 u. flg.). Diese letztere, die Grundschicht (Nervenschicht aut.), führt 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 155 nur die Veränderungen im Keimblatte wesentlich herbei, während die äussere Lage oder die Deckschicht (Umhüllungshaut aut.) ihr entweder scheinbar passiv folgt oder von der Umbildung unberührt bleibt. Die Grundschicht ist ın Folge’ der centrifugalen Zellenwanderung der primären Keimschicht über der Keimhöhle, also ohngefähr gegenüber der Ruscoxr'schen Oeffnung am dünnsten, höchstens zwei Zellen hoch; von dort aus nimmt ihre Mächtigkeit bis zum Rand- wulste zu und zwar stärker an der Bauchseite, wo die Ausbreitung, also Ver- dünnung der Keimschichten langsamer vor sich geht als im Rückentheile. Dies erkennt man leicht an einem Mediandurchschnitte, während im Umkreise eines Querdurchschnittes die Abweichungen in der Dicke der primären Keimschicht nach Bauch und Rücken hin weniger auffallend erscheinen. Diese verhältniss- mässig einfache Anordnung der primären Keimschicht oder nunmehr des oberen Keimblattes verändert sich aber sehr bald, wobei eine beträchtliche Anhäufung von Embryonalzellen in seinem Rückentheile, welche ganz offenbar von der Bauchseite herkommt, die Hauptrolle spielt. Um diese Umbildung nach ihren Ursachen darzustellen, muss ich auf die früheren Auseinandersetzungen über die Bildung der Keimblätter überhaupt zurückgreifen. — Ich habe darauf auf- merksam gemacht, wie alle fundamentalen Entwickelungsvorgänge des Eies nicht gleichmässig in ihrer ganzen Ausdehnung verlaufen, sondern schneller und energischer an dem Rücken- als am Bauchtheile. Den Anfang dazu macht die primäre Keimschicht und veranlasst dadurch dieselbe Ungleichmässigkeit in der sekundären Keimschicht, welche ja als ihre Fortsetzung betrachtet werden kann. Durch die überwiegende Ausbreitung beider Schichten in ihren dorsalen Theilen werden die letzteren anfangs etwas dünner als die ventralen und führen andererseits die einzig mögliche Flächenausdehnung der ganzen Schichten, nämlich für die primäre Keimschicht im Umkreise der dadurch gegen den Bauch verschobenen Rusconxt’schen Oeffnung, für die gürtelförmige sekundäre Keimschicht ausserdem noch an dem freien über die Keimhöhle vordringenden Rande, wesentlich allein aus, sodass die trägeren ventralen Zellenmassen zu einer Ausbreitung in derselben Richtung wie die dorsalen nicht mehr den gleichen Spielraum wie die letzteren übrig behalten (Taf. II Fig.33). Da aber die Theilung der Embryonalzellen und damit das Auseinanderrücken derselben im Bauchtheile, d. h. im Bereiche der Dotterzellenmasse gleichfalls, wenn auch träger fortdauert, so wird diese Bewegung, soweit sie an der Flächenausdehnung der Keimschichten nicht Antheil nehmen kann, innerhalb der Schichten zum Ausdrucke kommen müssen. Wenn wir nun in der Folge die ventralen 156 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Embryonalzellen an beiden Seiten der Darmhöhle in den Rückentheil ein- wandern sehen, so müssen wir annehmen, dass ihre Bewegung in dieser Richtung den geringsten Widerstand findet, ähnlich wie der dorsale Theil der sekundären Keimschicht aus dem Bereiche der Dotterzellenmasse heraus an die Decke der Keimhöhle vorrückte. Jene Bewegung der Embryonalzellen vom Bauche zum’ rücken hin beginnt in der sekundären Schicht oder genauer dem mittleren Keimblatte, welches ja den ganzen ventralen Abschnitt von jener umfasst, und offenbart sich in mannigfaltigen Bildungen bis in die spätere Embryonalzeit hinein. Hier soll aber nur derjenigen fundamentalen Bildung Erwähnung geschehen, welche für die zeitlich sich unmittelbar daranschliessende, gleichartige Zellenanhäufung im Rückentheile des oberen Keimblattes von Bedeutung ist. Die bezeichnete Zellenansammlung im mittleren Keimblatte beginnt schon zur Zeit, wann die spaltförmige Darmhöhle eben sich zu erweitern anfängt, und erscheint zuerst im der hinteren Hälfte des Rückens als eine leichte mediane Ver- dickung, welche, aus der später sehr deutlich werdenden Bewegung zu schliessen, durch den Zusammenstoss der von beiden Seiten andrängenden Zellen entstand. Diese erste Bildung innerhalb der Keimblätter, der Axenstrang, verstreicht nach vorne hin unmerklich und verliert sich hinten ebenso in der im Rand- wulste enthaltenen Verdickung des mittleren Keimblattes; gegen das Darmblatt ragt er nicht vor, sondern erhebt sich mit einer stumpfen Kante über das Ni- veau des übrigen Blattes und drängt so gegen das obere Keimblatt an (Taf. III „Fig. 56. 57). — Sobald der Axenstrang eben kenntlich geworden ist, beginnt auch die Zellenanhäufung in der Grundschicht des oberen Keimblattes. Un- mittelbar über dem Axenstrange behält dieselbe ihre frühere Mächtigkeit; in dem Masse aber, als die Verdickung des Axenstranges sich gegen die Median- ebene zusammenzieht, entwickelt sich jederseits von jenem medianen Theile der Grundschicht eine leichte aber breite Anschwellung derselben (Taf. LII Fig. 57.58). Dort, wo der Axenstrang sowohl im späteren Kopftheile als gegen die Ruscont’sche Oeffnung hin sich verliert, fliessen die beiden Anschwel- lungen in der Mitte zusammen; und zwar schliesst die unpaare Anschwellung vorne, eine Strecke weit vom früheren oberen Pole entfernt, unter merklicher Verbreiterung bogenförmig ab, hinten geht sie aber ungetheilt in den Rand- wulst über. Sobald endlich der Axenstrang sich als Anlage der Wirbelsaite von den lateralwärts abfallenden Seitentheilen oder den Segmentplatten (Urwirbelplatten aut.) gesondert hat, ragt die erstere ganz deutlich so weit gegen das obere Keimblatt vor, dass sie dasselbe in der Medianebene zu I. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 157 verdünnen schemt, jedenfalls dessen seitliche Anschwellungen noch auseinander- hält. Es lässt sich alsdann nicht verkennen, dass der vom Axenstrange auf das obere Keimblatt ausgeübte: Druck die Ursache für die ursprünglich bilaterale Anordnung der Anschwellung desselben in ihrem mittleren Abschnitte ist. Aus der folgenden Entwickelung ergibt sich aber, dass damit keine wirk- liche Doppelanlage im oberen Keimblatte gegeben ist. Denn indem jene Seiten- theile auf Kosten der übrigen Ausbreitung der Grundschicht deutlicher an- schwellen, nimmt das sie über dem Axenstrange verbindende Mittelstück im Verhältniss zu jenen dünnen peripherischen Theilen an Mächtigkeit zu, offen- bart sich also als zu der gesammten Anschwellung der Grundschicht gehörig (Taf. III Fig. 62). Und wenn man weiterhin beobachtet, wie die Seitentheile gegen die Medianebene zusammenrückend endlich über der Wirbelsaite un- mittelbar zusammenstossen und bleibend vereinigt werden, so wird man sich der Auffassung nicht verschliessen, dass, sowie die Zellenbewegung im oberen Keimblatte derjenigen im mittleren entspricht, ihr Erfolg im Grunde genommen auch der gleiche ist, nämlich die Bildung einer medianen Verdickung im Rückentheile, deren Elemente aber von der Bauchseite schneller emwandern als der Axenstrang ihnen bis zur Medianebene vorzurücken gestattet und daher umgekehrt wie im Axenstrange sich in den Seitentheilen stärker ansammeln als in der Mitte. Die erste Umbildung des oberen Keimblattes erzeugt also im Rückentheile seiner Grundschicht eine ziemlich dicke, annähernd ovale und median gelegene Platte, deren Anschwellung nach unten gerichtet und in ihrem mittleren Theile durch den von unten vorragenden Axenstrang eingedrückt und dadurch in zwei seitliche Bäuche getheilt erscheint. Diese Anlage, welche in Gemeinschaft mit dem darüberliegenden noch unveränderten Theile der Deckschicht das ganze Centralnervensystem und die empfindenden Apparate der drei höheren Sinnesorgane zu bilden bestimmt ist, nenne ich die Axen- platte.* Sobald die Embryonalzellen anfangen sich in der Axenplatte anzuhäufen und zusammenzudrängen, geht ihre indifferente rundliche Form in eine läng- liche über, deren Querdurchmesser in der Richtung der Bewegung liegt, sodass die Zellen also senkrecht zur Eioberfläche aufrecht stehen, und man annehmen kann, dass der Druck diese Form hervorbrachte (Taf. III Fig. 57 * Diesen Ausdruck braucht bereits REmAx, aber für die ganze Rückenwand, soweit sie die „primitive Nahrungshöhle“ bedeckt (No. 40 S. 143). 155 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. u. flg.); Ausserhalb der Axenplatte wird die Grundschicht des oberen Keim- blattes durch die andauernde Zellenauswanderung sehr bald auf eine einfache Zellenlage reducirt, deren Elemente bei der späteren Ausdehnung der ganzen Oberfläche des Embryo flach ausgezogen werden und endlich ähnlich wie die Deckschicht ein pflasterförmiges Gefüge bilden. Beide Schichten des oberen Keimblattes bieten ausserhalb der Axenplatte nur ein geringes Interesse: zu Ende der ersten Larvenperiode verschmelzen sie durch gegenseitige Ineinander- fügung ihrer Zellen zu einer Schicht, der Oberhaut des Thieres (Taf. VIII Fig. 159— 161, Taf. XXI Fig. 364. 565). Ueber die Wimperbildung an der Deckschicht vgl. Remar Nr. 40 8. 153. Während die Axenplatte sich von den Seiten zusammenzieht, ist eine ste- tige Abnahme des ganzen Querschnittes bemerkbar (Taf. IIT Fig. 58. 62, Taf. IV Fig. 68). Dies ist nur möglich, wenn die von den Seiten her durch Anlagerung wachsende Masse zugleich sich in der Längsrichtung vertheilt; und eine solche Längenzunahme der Axenplatte ist an den Mediandurchschnitten leicht zu ersehen (Taf. II Fig. 33 u. flg.). Da aber ihr vorderster Theil sich viel weniger zusammenzieht als die dahinterliegenden Abschnitte, so wird die ganze Platte während ihrer Flächenausdehnung birn- oder kolbenförmig, was in dem alsbald sich entwickelnden Relief der Rückenoberfläche seinen Ausdruck findet. Es lassen sich darauf drei Abschnitte der Axenplatte unterscheiden: das breite abgerundete Kopfende, der schmälere längliche Rumpftheil und der an die Rusconxr'sche Oeffnung anstossende Schwanztheil, welche ich in der Be- schreibung einzeln behandeln will. Der Rumpftheil der Axenplatte. Da sich aus diesem Theile (immer in Verbindung mit der zugehörigen Deck- schicht) das Rückemark entwickelt, nenne ich seine beiden seitlichen Anschwellun- gen die Medullarplatten, welche aber nach der gegebenen Erklärung alsvon Anfang an zu einer einzigen Anlage verbunden zu betrachten sind, und nur aus praktischen Rücksichten als besondere Seitenhälften derselben oder der Axen- platte beschrieben werden sollen. — Während die Wirbelsaite die Medullarplatten nur mehr an ihrer Grenzscheide unterstützt, ruhen dieselben vorherrschend auf den Segmentplatten, welche anfangs ziemlich gleichmässig unter ihnen ausge- breitetsind. In dem Masse aber, als die Medullarplatten sich zusammenziehen, ent- wickeln sich die Segmentplatten gleichsam zu dicken Polstern, auf denen jene 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 159 ruhen (Taf. III Fig. 62, Taf. IV Fig. 68.75). Diese an Mächtigkeit be- ständig zunehmende Unterlage ist offenbar die Ursache, dass die Medullar- platten nicht mehr wie früher die Anhäufung ihrer Zellen nur in abwärts ge- richteten Bäuchen offenbaren, sondern üher ihr früheres Niveau sich erheben und zu beiden Seiten der Medianebene je eine flache längliche Anschwellung der Eioberfläche erzeugen. Da aber die Wirbelsaite zu dieser Zeit nicht eben- so schnell in die Höhe wächst wie die Segmentplatten und durch einen innigen Zusammenhang mit dem über ihr befindlichen Theile der Axenplatte diesen von einer Erhebung über das frühere Niveau zurückhält, so entsteht zwischen jenen beiden seitlichen Erhebungen eine Einsenkung, die Rückenrinne. Sie ist das erste am unberührten Eie sichtbare Zeichen von der begonnenen Umbildung der Keimblätter, da die sie einfassenden Erhebungen eigentlich nur durch entsprechende Verfärbungen der Eioberfläche, welche aber nicht be- ständig sind, angedeutet werden (Taf. III Fig. 39). Die Rückenrinne zeigt sich zuerst im Schwanztheile, wo sie aus der Ruscoxr’schen Oefinung auszu- gehen scheint * und entwickelt sich dann succesiv bis in den Kopftheil (Zaf. III Fig. 40 — 42). Im Rumpfe besteht sie aber nicht lange. Solange die Segment- platten vorherrschend in ihren medialen Rändern ansteigen und die Wirbelsaite sogar etwas überragen, erscheint der mittlere Theil der Axenplatte am stärk- sten eingezogen und die Rinne am tiefsten. Wenn aber darauf die Wirbel- saite und jene sie einfassenden Ränder an Höhe verlieren und in ein gleiches Niveau zurücksinken, wenn andererseits die Verdickungen der Medullarplatten von beiden Seiten zusammenfliessen und dadurch die von einer Seite zur andern wechselnde Mächtigkeit des Querschnitts ausgleichen, dann ist auch die Rücken- rinne zugleich mit den Ursachen ihrer Bildung, verschwunden (Taf. IV Fig. 75). Sie ist also weder eine besondere Anlage, noch als der Ausgangspunkt wichtiger Bildungen anzusehen, sondern bloss das äussere Merkmal eines vorübergehen- den Zustandes der Axenplatte, während dessen die Verdickungen der Medullar- platten noch nicht zusammengeflossen sind. Den Vorzug einer besondern Be- nennung verdankt die Rückenrinne vor vielen ähnlichen vergänglichen Bildun- gen dem Umstande, dass sie die erste Entwickelungserscheinung an der sonst noch unveränderten Oberfläche des oberen Keimblattes ist. * Ich werde in dem Abschnitte, welcher den Schwanztheil der Axenplatte besonders behandeln soll, nachweisen, dass die Rinne, welche aus der Ruscoxr’schen Oefinung ent- springend in die Rückenrinne übergeht, mit dieser letzteren genetisch nicht übereinstimmt 160 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Während des Bestandes der Rückenrinne beginnt die Deckschicht des obe- ven Keimblattes mit den medialen Hälften der Medullarplatten zu verschmelzen, Beide Theile waren vorher nicht nur getrennt, sondern auch durch ihre Zellen unterschieden, welche in der Deckschicht annähernd kubisch, in den Medullar- platten länglich und gegen die Medianebene geneigt erschienen. Zur bezeich- neten Zeit nehmen die Elemente der Deckschicht über den medialen Hälften der Medullarplatten die Form und Richtung der darunterliegenden Zellen an und schliessen sich ohne deutliche Grenzen den letztern an. Zwischen den so veränderten medialen und den lateralen Theilen der Deckschicht entsteht jeder- seits eine leichte Kerbe, welche zur Grenzscheide einer äusseren lateralen und einer inneren medialen Hälfte der Rückenmarksanlage der betreffenden Seite wird (Taf. IV Fig. 67. 68). Die weitere morphologische Umbildung dieser Hälften zu einer Rückenmarksröhre erfolgt unter ähnlichen Umständen wie die Entstehung der Axenplatte. In diesem letzteren Falle wanderte nur ein Theil der Zellen des oberen Keimblattes, nämlich bloss innerhalb der Grundschicht vom Bauche und den Seiten zum Rücken hinauf; weiterhin dehnen sich aber beide Schichten, welche im Anschlusse an die Rückenmarksanlage die Ober- hautanlage darstellen, gemeinsam in derselben Richtung aus. Diese Bewegung offenbart sich dadurch, dass die an der Grenze von Rückenmarks- und Ober- hautanlagen befindlichen Theile des obern Keimblattes sich über die ursprüng- liche Fläche erheben und eine Falte bilden, welche sich nach innen gegen die Medianebene umrollt. Untersucht man die Einzelheiten dieses Vorgangs, so findet man wiederum, dass die Veränderungen des oberen Keimblattes keine durchaus selbstständigen sind, sondern mit den gleichzeitigen Umbildungen der Nachbartheile in innigstem Zusammenhange stehen. Solange die Aussenfläche des oberen Keimblattes beim Uebergange von der Rückenmarks- zur Oberhaut- anlage keine merkliche Unterbrechung ihrer gleichmässigen Krümmung erfuhr, war das untere Relief der Medullarplatten so geformt, dass die äussere Hälfte (den ursprünglichen Bauch darstellte, die innere Hälfte, in Folge der Bildung der Rückenrinne, konkav gekrümmt war; damit stimmte die Form der Segment- platten, deren medialer Rand höher als der laterale und deren Oberfläche nur leicht geschweift war (Taf. IV Fig. 68). In der Folge gleicht sich jedoch jenes Relief der Medullarplatten aus, ihre untere Fläche wird eben, die Rinne ver- schwindet; dies ist natürlich nur möglich, wenn zugleich der vorragende me- diale Rand der Segmentplatten bis zur Höhe der Wirbelsaite einsinkt. Dafür erhebt sich der laterale Rand jener Platte und fällt steiler nach aussen gegen l. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 161 die übrige Ausbreitung des mittleren Keimblattes ab. Dadurch muss die frü- here Gleichmässigkeit der Oberfläche des Rückens gestört werden, und da der zuletzt genannte Rand der Grenze zwischen Rückenmarks- und Oberhautanlage entspricht, so entsteht jederseits aus der lateralen Hälfte der ersteren und der daranstossenden Oberhaut ein flacher Wulst — der Rückenwulst, welcher medianwärts durch die oben bezeichnete Kerbe sehr deutlich, lateralwärts aber durch eine leichte und breite Einsenkung der Oberfläche weniger bestimmt ab- gegrenzt wird (Taf. III Fig. 40 —42, Taf. IV Fig.75). Indem sich die Rücken- wülste erheben. entsteht zwischen ihnen eine flache Vertiefung — die Medul- larfurche, deren Boden also aus den innern Hälften der Rückenmarksanlage besteht, während die äussern lateralen Hälften, mdem ihre Konvexität von der untern nunmehr flachen Seite an die Oberfläche überging, die seitliche Einfas- sung bilden. — Die weitere Entwickelung der genannten Rückentheile, soweit sie sich äusserlich kundgibt, lässt sich nun dahin zusammenfassen, dass die Wülste höher, schmäler und steiler werden und von beiden Seiten näher zusammen- rücken, wodurch die Medullarfurche tiefer und enger wird. Wenn aber die Beobachtung des unberührten Eies in dieser Veränderung nur eme Wachsthums- bewegung erblicken durfte, so lehrt die Untersuchung der Durchschnitte, dass jene äussere Veränderung auf einer ziemlich umfassenden Umbildung aller schon genannten Anlagen des oberen wie des mittleren Keimblattes beruht. Betrachten wir zunächst die Rückenwülste. Solange sie ganz flach sind, haben sie eine nach oben und aussen gewandte konvexe Oberfläche, welche in ihrem srösseren medialen Theile der Rückenmarksanlage angehört, während die Ober- hautanlage nur zum geringeren Theile in die Konvexität hineingezogen ist; man kann daher unter solchen Umständen die Rückenwülste allerdings im wesentlichen als Theile der Rückenmarksanlage bezeichnen. Dies ändert sich jedoch alsbald. Die Oberhautanlage drängt offenbar medianwärts und da sie die Rückenmarks- anlage, mit deren äusserem Rande sie zusammenhängt, nicht vor sich her schieben kann, so wälzt sie deren laterale Hälfte medianwärts um, sodass die ganze Rückenmarksanlage gleichsam gebrochen wird, jederseits an der freien Fläche statt einer Kerbe einen Winkel, an der untern Seite aber eine ent- sprechende Kante erhält (Taf. V Fig.83.84). Indem aber aufdiese Weise die la- terale Hälfte der Rückenmarksanlage ihre obere Fläche medianwärts, ihre untere Fläche von jener Kante an lateralwärts wendet, legt sich der aufwärts ın den kückenwulst vorgerückte Streifen der Oberhaut an die zuletzt genannte Fläche an und bildet so mit den Seitentheilen der Rückenmarksanlage eine wirkliche GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 11 162 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. geschlossene Falte, welche daher als Rückenwulst median- und lateralwärts zwei verschiedene Anlagen in ohngefähr gleicher Ausdehnung enthält, sich also von der früheren Entwickelungsstufe des Rückenwulstes erheblich unterscheidet und durchaus nicht einen blossen Fortschritt im Wachsthum derselben vorstellt. Bei diesen Umwandlungen bleiben aber die übrigen Rückenanlagen nicht unthätig. Die medialen Hälften der Medullarplatten werden von den lateralen in die Höhe sehoben, während sie medianwärts an der Wirbelsaite haften bleiben, sodass die beiderseitigen Platten in der Medianebene, wo früher die Rückenrinne lag, mit einander einen Winkel bilden. Entsprechend allen diesen Bewegungen des oberen Keimblattes haben sich auch die Segmentplatten merklich verändert. Ihr lateraler Rand hat sich successiv auf- und medianwärts verschoben, sodass die Platte nicht mehr einen länglich viereckigen, sondern einen ohngefähr dreiecki- Querdurschnitt zeigt, dessen innere dachähnlich abfallende Fläche der medialen Hälfte der Medullarplatte zur Unterlage dient. Ob die gleichzeitige Höhenab- nahme des medialen Randes der Segmentplatte und der Wirbelsaite bloss eine relative sei oder auch thatsächlich stattfinde, habe ich nicht entscheiden können, dla jeneGrössen bei den verschiedenen Embryonen sehr schwanken. — Fasst man nun die Gestalt der ganzen Rückenmarksanlage ins Auge, so kann man sie als eine trogartige Bildung bezeichnen, welche aus zwei aufrechten Seitenwänden und einem Boden besteht, dessen symmetrische Hälften nicht in einer Ebene lie- gen, sondern zur Mittellinie abfallend dort unter einem Winkel zusammenstos- sen. Jene Seitenwände oder die Rückenwülste neigen sich nun mit ihren obe- ren Rändern allmählich zur Medianebene also gegen einander, und endlich be- rühren sich dieselben und verwachsen mit einander, sodass dadurch die trog- ähnliche Bildung sich in eine Röhre umwandelt (7 af. V Fig.87.93). Dieser Vor- gang ist nur eine unmittelbare Fortsetzung der einmal begonnenen Umwälzung der lateralen Hälften der Rückenmarksanlagen; bei diesem letzten Abschnitte der Bewegung sind aber nur die Rückenwülste selbst thätig, während die übri- gen Anlagen keinen Antheil daran erkennen lassen. Sowie die Wülste zusam- mengestossen sind, zeigt die Rückenmarksanlage in ihrem Durchschnitte eine etwas eckige Herzform und umschliesst einen im Querschnitte rautenförmigen Kanal, den unteren Raum der früheren Medullarfurche, welcher zum Central- kanal des Rückenmarks wird. Eine besondere Aufmerksamkeit verdienen während der zuletzt beschriebenen Entwickelung die histiologischen Verhält- nisse der Rückenmarksanlage. Die Eintheilung in eine mediale und eine late- rale Hälfte, welche sich morphologisch sehr deutlich kund giebt, wurde zuerst 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes . 163 (lurch eine histiologische Verschiedenheit der Theile angebahnt: in der medialen Hälfte verschmolz die Deckschicht mit der Medullarplatte mehr oder weniger vollständig, sodass nur die stärkere Pigmentirung als Merkmal der früher ge- sonderten obersten Zellenlage zurückblieb; in der lateralen Hälfte blieb die ursprüngliche Sonderung bis zum Schluss der Medullarfurche bestehen, sodass ich in der Beschreibung immerhin einen Unterschied zwischen der ganzen Rückenmarksanlage und der Medullarplatte machen musste. Wenn also die Wülste zusammentreffen, so berühren sich zunächst nur dienoch unveränderten Streifen der Deckschicht, welche die früher lateralen Hälften der Medullar- platten überziehen und von dort in der gleichen Zusammensetzung in die Ober- hautanlage übergehen. Erst wenn die Verschmelzung der sich berührenden Flächen beginnt, assimilirtsich die Deckschicht auch im oberen Theile des Rücken- marks der übrigen Masse, sodass also ein verhältnissmässig nicht unbedeuten- der Theil der Deckschicht mitten unter die Elemente der Grundschicht, welche anfangs allein Medullarplatte hiess, geräth, während für die übrige Ausbrei- tung der zur Rückenmarksanlage gehörigen Deckschicht nur noch das Pigment in der Wand des Uentralkanals die frühe Selbstständigkeit andeutet. Diese Thatsachen bezeugen hinlänglich die früher hervorgehobene Gleichartigkeit beider Schichten des oberen Keimblattes in Bezug auf die Anlage des Uentral- nervensystems. — Durch die beschriebene Umwälzung der Rückenwülste sind die beiderseitigen Ränder der Oberhautanlage, durch welche dieselbe in die kückenmarksanlage übergeht, über der letzteren einander sehr nahe gerückt; sobald nun die Berührung der beiden Rückenwülste über dem Öentralkanale in Verschmelzung übergegangen ist, so vereinigen sich auch jene Ränder und trennen sich alsdann von dem Rückenmarke, sodass die Oberhautanlage über dem letzteren eine kontinuirliche Haut bildet, welche nur noch einige Zeit über der Rückenmarksnaht eingezogen erscheint und damit die bilaterale Anlage der oberflächlichen Bildungen des Rückens andeutet (Taf. V Fig. 93 u. flg.). — Das selbstständig gewordene Rückenmark ruht mit seiner unteren sich abwärts verschmächtigenden Hälfte zwischen den entsprechend gebildeten Segmentplat- ten, während der obere Theil zunächst nur von der Oberhaut bedeckt wird. Bald verliert der Querschnitt des Centralkanals seine rautenförmige Gestalt und wird aufrecht länglich, bisquitförmig; dann rundet sich auch die äussere, anfangs eckige Oberfläche des Rückenmarks, dessen Umriss im Querdurch- schnitte oval wird (Taf. VI Fig. 114. 115, Taf. VII Fig. 136 — 139.) Die obere und die untere Wand des Oentralkanals werden dabei schmal und dünn, Ol 164 1V. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. während die Masse der Embryonalzellen sich im den Seitentheilen anhäuft. Auf diese Weise erscheint die fertige Rückenmarksröhre aus zwei senkrechten dicken Platten zusammengesetzt, welche oben und unten in die dünnen und schmalen Verbindungsstücke umbiegen, zeigt also eine ähnliche bilaterale An- ordnung der Elemente wie ihre erste Anlage. oO oO Der Kopftheil der Axenplatte. Im allgemeinen hat die Axenplatte auch im Kopftheile die gleiche Anlage und Entwickelung wie im Rumpfe, und die einzige wesentliche Besonderheit des Kopftheils liegt in dem vorderen Abschlusse der Axenplatte. Sobald nur dieser Kopftheil erkennbar wird, sind bereits die seitlichen Verdiekungen der Axen- platte am vordersten Ende in einem Bogen zusammengeflossen; am Kopfende er- folgt also offenbar die beschriebene Zellenverschiebung des oberen Keimblattes nicht bloss von beiden Seiten sondern auch vorne, sodass die peripherische Ver- diekung der Axenplatte gleich anfangs nicht einfach bilateral, sondern halb- kreisförmig erscheint, wodurch eben die Platte ihren vorderen Abschluss ge- winnt. Dies lässt sich aus Quer- und Mediandurchschnitten leicht nachweisen; und namentlich an den letzteren deutet der Durchschnitt der queren, vorderen Verbindung der lateralen Verdickungen die Axenplatte zuerst ganz allein an (Taf. II Fig. 33. 34, Taf. III Fig. 59). Schon aus dieser ersten Anlage des Kopftheils der Axenplatte erhellt, dass er der Länge nach aus verschieden ge- bildeten Abschnitten besteht, deren Unterschiede später noch stärker hervor- treten. Desshalb empfiehlt sich für die Betrachtung der Entwickelung dieser Anlagen die systematische Anordnung, dass man von einem Stadium zum an- dern fortschreitend, die betreffenden Querdurchschnittein ihrer Reihenfolge durch- mustert und zwar von dem schon bekannten Rumpftheile ausgehend alle Bil- dungsübergänge bis zum vordersten Ende der Anlage verfolst.* Erste Entwickelungsstufe. Aeusserlich ist an der kugeligen Rücken- fläche des Eies noch keine Gestaltveränderung zu sehen; bisweilen ist die bereits vorhandene Axenplatte durch eine hellere Färbung der Oberfläche angedeutet, und wenn dieselbe auch nicht bestimmt begrenzt ist, so lässt sich doch meist * Die Abbildungen geben selbstverständlich nur je eine Auswahl aller Schnitte, in die ein Embryo zerlegt wurde, und da nicht bloss auf eine, sondern auf alle Organanlagen zu- gleich Rücksicht genommen werden musste, so habe ich um so mehr gestrebt, nur die aller- nothwendigsten zusammenzustellen. 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 165 ein Oval erkennen, dessen Spitze an die Ruscont'sche Oeffnung stösst. In Uebereinstimmung mit diesem äusseren Befunde lehren die Querdurchschnitte, dass die Axenplatte in dem mittleren Abschnitte ihrer Länge nicht schmäler ist, als in dem vorderen Theile, dass also Rumpf- und Kopftheil noch voll- kommen ungeschieden in einander übergehen und die Bedeutung des letzteren sich wesentlich darauf beschränkt, dass er, wie schon angedeutet wurde, den vorderen Abschluss der Axenplatte bildet, indem ihre seitlichen Verdickungen dort bogenförmig in einander übergehen. Zweite Entwickelungsstufe (Taf. III Fig.59—62). Das helle Oval hat sich in der Mitte etwas zusammengezogen,, ist annähernd birnförmig geworden; das breite runde Ende (Kopftheil der Axenplatte) scheint sich schildförmig über sein früheres Niveau erhoben zu haben, obgleich es beim Mangel eines deutlich abfallenden Randes schwer zu konstatiren ist. Die innere Untersuchung stellt zunächst fest, dass, wenn der Kopftheil der Axenplatte auch vielleicht etwas später entsteht, als die andern Theile, er sie dennoch in seiner Entwickelung durch die grössere Energie der zu Grunde liegenden Zellenbewegung überflügelt. Er wird mächtiger und breiter als der Rumpftheilund koncentrirt sich immer mehr durch die Zusammenziehung der Elemente von einem beinahe kreisförmigen Umfange gegen einen gemeinsamen Mittelpunkt, während in der übrigen Axen- platte die von zwei Seiten angehäuften Zellen den nachrückenden nach vorn und hinten ausweichen, wodurch der Rumpftheil schon sehr frühe sich streckt und schmächtig wird. Doch bietet das Relief an der unteren Fläche beider Abschnitte noch weitere Unterschiede dar. Im Rumpftheile sind die seitlichen Anschwellungen soweit zusammengerückt, dass sie als zwei mit ihren Rändern unmittelbar zusammenhängende Bäuche (Medullarplatten) erscheinen. Im Kopf- theile, welcher sich viel langsamer und in geringerem Masse zusammenzieht, bleiben die seitlichen Anschwellungen mehr auf den Rand der Axenplatte be- schränkt, während ein nach Breite und Dicke ansehnliches, nach unten konkav gebogenes Mittelstück die ursprüngliche Einheit der ganzen Platte gegenüber ihrer Entwickelung aus scheinbar getrennten Seitenhälften im Rumpftheile hervorhebt. Aber auch im Kopftheile selbst lassen sich zunächst zwei auf- einanderfolgende Abschnitte unterscheiden. In der hintern Hälfte ist die Axen- platte im Anschlusse an den Rumpftheil weniger mächtig, und ihre Unterlage, Wirbelsaite und Segmentplatten, stimmt wesentlich mit derjenigen des Rumpf- theils überein; an der unteren Fläche der Axenplatte erscheint die Randan- schwellung durch eine leichte Kerbe von dem Mittelstücke abgesetzt. Beim 166 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Uebergange in den vordern Abschnitt des Kopftheils verliert sich die Wirbel- saite und vom mittleren Keimblatte bleibt nur eine einfache dünne Zellenlage zurück, wogegen die Axenplatte daselbst ihre grösste Mächtigkeit erreicht und dieselbe bei der gleichen Unterlage bis zum vordersten Ende behält, wo sie bogenförmig abschliesst und in die übrige dünne Ausbreitung des oberen Keim- blattes übergeht. — Untersucht man aufmerksam den äusseren Saum des Kopf- theils der Axenplatte, so entdeckt man darin eine feine Spalte, welche von der unteren Fläche her zwischen der eigentlichen Anschwellung und dem zuge- schärften Rande allmählich aufwärts vordringend rund um den ganzen Kopf- theil einen dreikantig prismatischen Streifen von der übrigen Axenplatte ab- löst, sodass nur eine dünne Verbindung beider Theile an der Oberseite übrig bleibt. Ich nenne jenen Streifen nach den daraus hervorgehenden Organen Sinnesplatte; das von ihm in mehr als einem halben Kreise umschlossene Centrum der Axenplatte ist dagegen die Anlage des Hirns, — Hirnplatte. Diese Sonderung beginnt an beiden Seiten des Kopftheils der Axenplatte und erscheint am vordersten Ende erst auf der folgenden Entwickelungsstufe; beim Uebergange in den Rumpftheil wird die Sinnesplatte, indem die Spalte sich verliert, in die ungetheilte Medullarplatte aufgenommen. Die Anlage des Rücken- marks setzt sich also ursprünglich nur mit ihrem mittleren Theile in die Hirn- anlage fort, wogegen ihre seitlichen Theile in die Anlagen der drei sogenannten höheren Sinnesorgane auslaufen. Auf derselben Entwickelungsstufe bildet sich jederseits an der Oberfläche der Hirnplatte und dicht an ihrem äussern Rande eine Kerbe, welche gleichwie in der Rückenmarksanlage die Bedeutung hat, dass nach aussen von ihr der Wulst sich erheben wird, in welchem die äusseren Theile der Platte sich nach oben und innen umwälzen sollen, um die Hirn- höhlen zu bilden. Diese Kerbe ist zuerst nur auf einen kleinen Theil des seitlichen Randes beschränkt, welcher zum Ausgangspunkte der ganzen be- zeichneten Bildung wird; daher senkt sich auch die Deckschicht, welche wie in der ganzen übrigen Axenplatte, so auch im Kopftheile derselben von der Grundschicht noch gesondert ist, in jene Kerbe noch nicht en, sondern über- deckt sie brückenartig. Bis zur nächsten Entwickelungsstufe sind aber an der bezeichneten Stelle beide Schichten zu einer Furche eingesunken, welche sich vorwärts rund um den Kopftheil und rückwärts auf den Rumpftheil fortsetzt. Der Ursprung dieser Furche am Kopftheile ist ein weiteres Zeichen, dass die Entwickelung dort schneller fortschreitet als im Rumpftheile. Endlich bemerke ich noch, dass die Zellen der Grundschicht im Kopftheile ebenso wie es früher 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 167 vom Rumpftheile bemerkt wurde, sich strecken und aufrecht stellen, sobald ihre Anhäufung einen gewissen Grad erreicht hat. Dritte Entwickelungsstufe (Taf. III Fig.£1, Taf. IV Fig. 683— 66). Der Embryo hat noch immer seine kugelige Gestalt, die Rückenseite eine halb- kreisförmige Axe. An der Oberfläche verläuft m der Mittellinie die Rücken- rinne; jederseits in einem gewissen Abstande davon erheben sich die inneren Ränder der noch flachen Rückenwülste, welche von hinten ein wenig divergirend gegen den Kopftheil verlaufen, aber dort angelangt stärker zur Seite ausweichen, um sich am Vorderende in einem gefälligen Bogen zu vereinigen. Um die unter diesem einfachen äusseren Bilde verborgenen mannigfaltigen Abweichungen der gleichsinnigen Anlagen in den verschiedenen Abschnitten aufzudecken, ist ein methodisches Studium der Querdurchschnitte durchaus nothwendig. Hinsicht- lich der allgemeinen Verhältnisse findet man zunächst, dass die Deckschicht sich der Hirnplatte innerhalb der Wülste in derselben Weise anpasst, an den Wülsten selbst aber noch gesondert bleibt, wie ich es am Rumpftheile beschrieb. Auch die Rückenrinne, welche vom Rumpfe her in den Kopftheil eiudringt, entsteht dort unter den gleichen Umständen, wie in der Rückenmarksanlage, bisweilen wird die Hirnplatte in ihrem hinteren Abschnitte unter der Rinne kielartig abwärts gezogen, wobei ihr inniger Zusammenhang mit der Wirbel- saite sich deutlich kundgibt. In der Mitte des Kopftheils dagegen, wo die Wirbelsaite aus der bereit liegenden Zellenmasse sich noch nicht differenzirt hat, hört auch die Rinne auf, während sie später an derselben Stelle von der sich weiter vorwärts entwickelnden Wirbelsaite hervorgerufen wird. Alle diese Beobachtungen halte ich für geeignet, die von mir gegebene Erklärung über die Bildung der Rückenrinne wesentlich zu unterstützen. — Ich wende mich nun zu den wichtigeren Umbildungen der Hirn- und der Sinnesplatte, welche sich im ganzen Umfange des Kopftheils der Axenplatte geschieden haben. Geht die Untersuchung in der angegebenen Weise von den bekannten Quer- durchschnitten des Rumpftheils aus, so ist es leicht die Stelle zu finden, wo die Medullarplatten sich in Hirn- und Sinnesplatte spalten; die letztere begreift nur so viel vom lateralen Theile der ganzen Axenplatte, dass die Hirnplatte jeder- seits noch etwas in den Wulst hineinreicht. Die äussere, der Deckschicht zuge- kehrte Fläche der Sinnesplatte hat sich — wie es scheint, unter theilweiser Auswanderung der Elemente in die Hirnplatte — vertieft und von jener Schicht etwas entfernt; die Sinnesplatte macht dadurch den Eindruck, als wäre sie bloss ein etwas verdickter und nach innen eingedrückter Theil der zur Oberhaut- 168 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. anlage gehörigenGrundschicht, während sie genetisch durchaus zur Axenplatte gehört. Diese Verwandtschaft zeigt sich auch in den Zellen, welche in der Sinnesplatte sich ebenso wie in der Anlage des Centralnervensystems ordnen, nämlich länglich werden und sich aufrecht stellen. Wenn aber die Sinnesplatte einige Zeit nach ihrer Entstehung an die Hirnplatte angeschmiegt blieb, so hat sie sich nunmehr in der hintern Hälfte des Kopftheils von derselben entfernt. Dies geschieht auf die Weise, dass die Hirnplatte sich von der Seite zur Mitte zusammenzieht, die Sinnesplatte in der genannten Region ihr aber nicht folgt, sondern an der frühern Stelle liegen bleibt, wobei das Verbindungsstück zwischen beiden Platten sich ausdehnt. Indem sich aber der untere Bauch der Hirnplatte von der Sinnesplatte zurückzieht, wird die Spalte, die früher ihre Trennung be- wirkte, weit geöffnet, und in dem Masse, als dies geschieht, wird der neu ent- stehende Raum mit einer Neubildung des mittleren Keimblattes, nämlich mit den äusseren Segmenten des Kopfes angefüllt, welche zwischen der Hirn-, Sinnes- und Segmentplatte eingeschlossen einen beiläufig dreieckigen Durchschnitt zeigen. — In der vordern Hälfte des Kopftheils ist die Sinnes- platte über die äusseren Segmente hinweg der sich zusammenziehenden Hirn- platte nachgerückt und bleibt an den oberen sich aufwärts krümmenden Rand derselben dicht angedrückt. In diesem ganzen vorderen Theile ist die Hirn- platte dicker als gegen den Rumpftheil hin und im Ganzen noch konvex nach oben, an der unteren Fläche aber konkav gekrümmt, was durch die leistenartig entwickelten seitlichen Verdickungen noch stärker ausgeprägt erscheint. Wie schon früher steht die Dicke der Hirnplatte im umgekehrten Verhältnisse zur Mächtigkeit ihrer Unterlage, daher die letztere im vorderen Abschnitte des Kopftheils zu einer einfachen Zellenlage wird. Ebenso besteht das früher be- schriebene Relief der unteren Fläche noch einige Zeit fort, und die beiden Furchen an der Oberfläche bleiben dort am tiefsten, wo sıe zuerst entstanden, nämlich an den Seiten des runden Kopftheils. Vierte Entwickelungsstufe (Taf. /I Fig. 35, Taf. III Fig. 42. 50, Taf. IV Fig. 71-—-75). Derbishernoch kugelige Embryo wird während der wei- teren Ausbildung der Medullarfurche länglich ausgezogen; indem die Rückenseite sich abflacht, ihre Axe sich einer geraden Linie nähert und der Querschnitt des ganzen Körpers merklich abnimmt, wird die aus der Kugelform herausgedrängte Masse an die Enden der Rückenseite, d. h. gegen das Kopf- und das Schwanz- ende des embryonalen Körpers verschoben. Bei äusserlicher Untersuchung entzieht sich jedoch eine Thatsache der Erkenntniss, welche für die Aufklärung der I. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 169 Ursachen jener Gestaltveränderung von Bedeutung ist; ich meine die Knickung der Rückenaxe in der Mitte des Kopftheils. Sieht man sich die von den Wülsten umschriebene Rückenbildung am unberührten Eie an, so bildet sowohl die höchste Erhebung, so zu sagen der Grat der Wülste, welcher in der Seiten- ansicht den Kontur des Rückens beschreibt, als auch der ganze äussere Ab- hang der Wülste, dessen Fuss dem Boden der Cerebromedullarfurche oder der ursprünglichen eigentlichen Rückenfläche zu entsprechen scheint, eine un- unterbrochene, gleichmässige Krümmung, welche allmählich in ihrer ganzen Ausdehnung flacher wird. So kommt man zur Ansicht, als strecke sich die ganze ursprünglich krumme Axe allmählich zu einer geraden aus; dagegen weist aber der mediane Durchschnitt eine beinahe rechtwinklige Knickung derselben im vordern Theile auf. Die Auflösung dieses Widerspruches geben die Quer-. durchschnitte. Behält man den Grat der Wülste im Auge, so überzeugt man sich, dass der Abstand desselben vom Boden der Cerebromedullarfurche, also die Tiefe der letzteren je nach der Körperregion wechselt, wie es sich aus einem Vergleiche der eben bezeichneten Abbildungen klar ergibt*. Am Schwanzende ist die Tiefe der Medullarfurche gering; in der Mitte des Rückeus und beim Uebergange in deu Kopftheil nimmt sie merklich zu, indem die Rückenwülste in dem Masse als die ursprüngliche Rückenfläche einsank, sich heben. Bis zur Mitte des Kopfes flacht sich die Medullarfurche wieder ab, in- dem die Hirnplatte an der Knickungsstelle gewissermassen hervorgedrängt, die Erhebung und Umwälzung der Wülste zurückgehalten wird. Inder vorderen Kopfhälfte erheben sich die Wülste wieder bis zu ihrer vorderen bogenförmigen Vereinigung, wo ihre Umwälzung zugleich am stärksten ausgebildet, der@rund der umschlossenen Einsenkung am meisten in die Tiefe gedrückt ist. -Tener hervortretende mittlere Theil der Hirnplatte verdeckt aber den Eingang zu der davor und darunter entstandenen Tasche und lässt die Richtung und Ausdeh- nung derselben, mithin die starke Umbiegung der Hirnplatte leicht übersehen. Da nun die Rückenwand des Embryo während der bisher geschilderten Ent- wickelung in ihrem Dickendurchmesser sich nicht wesentlich verändert, also ihre Axe sich der Oberfläche analog verhält, so kann man an dem medianen * Ich mache darauf aufmerksam, dass die Querdurchschnitte dieser und der folgenden Entwickelungsstufe (Taf. V Fig. 8L— 84) noch durchweg, also auch in der vordersten Kopf- region, senkrecht zur ursprünglichen Rückenfläche, d. h. zum Mittelpunkte des embryonalen Körpers radial konvergirend ausgeführt worden sind, während in den weiteren Schnittreihen die Schnittrichtungen einander alle parallel und senkrecht auf der Hauptaxe, daher aber in der vordersten Kopfabtheilung dem rechtwinklig abgebogenen Axenabschnitte parallel stehen 170 IV Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Umrisse der letzteren die Umbildung der ursprünglichen halbkreisförmigen Rückenaxe verfolgen. Wenn diese Bogenlinie in zwei gesonderten Abschnitten sich gerade streckt, d. h. mit den betreffenden Sehnen zusammenfällt, so müssen diese beiden geraden Linien unter einem Winkel zusammenstossen, die ganze ursprüngliche Linie ein Knie bilden. Wenn aber der hintere, bedeutend län- gere Schenkel weiterhin als die eigentliche Rücken- und Körperaxe gilt, so darf dabei nicht vergessen werden, dass der kurze vordere Abschnitt nicht nachträglich von einer bereits geraden Linie abgebogen wurde, sondern beide Theile gleichzeitig und von einander unabhängig entstanden, und ihr späteres Verhältniss zu einander aus der ursprünglichen Bildung der sie gemeinsam um- fassenden Linie hervorging. Es bleibt jetzt noch übrig, an der Reihe der Querdurchschnitte auf einige Einzelheiten aufmerksam zu machen. Ich habe am Rumpftheile gezeigt, dass die lateralen Hälften der Medullarplatten längs der Kerben der Deckschicht zur Umwälzung nach oben abgebogen werden; in der Kopfregion, wo jener Seitentheil der Hirnanlage durch die Ablösung der Sinnesplatte merklich ver- schmälert wird, geschieht die Abbiegung gleichsam nach innen von der ur- sprünglichen Kerbe, indem die letztere sich medianwärts zu einer breitern Bucht erweitert, und so dem sich erhebenden Seitentheile eine grössere Masse zutheilt. Indem nun diese Seitentheile der Hirnplatte aufwärts gekrümmt wer- den und zugleich die mit ihrem Rande zusammenhängenden Theile des obern Keimblattes sich steiler erheben, bilden sich dem entsprechend die Wülste aus, welche aber nicht wie im Rumpftheile bloss eine Falte des obern Keimblattes darstellen, sondern in ihrem Innern noch die vom mittleren Keimblatte abstam- menden äusseren Segmente enthalten. Es wird aber hieraus ersichtlich, wie die Wülste am Kopftheile noch viel weniger als im Rumpfe bestimmte, auf ein Organ oder auch selbst ein Organsystem beschränkte Anlagen darstellen; und andererseits enthalten sie keine Organanlage, weder die Hirn- noch die Sinnes- platte oder die äusseren Segmente vollständig. Mit anderen Worten, die Rücken- wülste mit ihrer Fortsetzung im Kopftheile sind keine Embryonaltheile im Sinne einer morphologischen Gliederung der Keimblätter, sondern gehören bloss dem äusserlichen Relief des embryonalen Körpers an, welches, an sich ohne Bedeutung, nur die morphologisch zufälligen Aeusserungen der Gesammt- entwickelung an der Oberfläche zur Anschauung bringt. Und sowie die Wülste des Kopftheils nach ihrer Zusammensetzung sich von denen des Rumpfes unter- scheiden, so stimmen sie auch in den verschiedenen Regionen des Kopfes mit 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 171 einander nicht überein. Denn wenn in dem hinteren Kopfabschnitte die Sinnes- platte am Fusse des Wulstes liegen blieb und diesen in Gemeinschaft mit einem zwischen Sinnes- und Hirnplatte allmählich ausgezogenen, später der Oberhaut anheimfallenden Verbindungsstücke bedeckt, so ist in der Seiten- region der vorderen Kopfhälfte die Sinnesplatte bereits theilweise oder ganz mit der Hirnplatte, deren Rande sie aufwärts gefolgt war und ihm angeschmiegt blieb, verschmolzen, der Wulst also nur von der Oberhaut überzogen (vgl. 'af. IV Fig.76). Am vordersten Umfange des Kopftheils dagegen tritt wieder ein ähnliches Verhältniss wie am Hinterkopfe auf, indem die Sinnesplatte nebst Theilen der Oberhautanlage den äussern Abhang des Wulstes bedeckt (Taf. II Fig. 34. 35). — Endlich bemerke ich noch, dass der centrale Theil der Hirn- platte durch die Umrollung ihrer Ränder nach oben seine konvexe Oberfläche verloren und ebenso an der unteren Fläche sich geebnet hat. An der letzteren zeigt sich im vorderen Abschnitte eine leichte mediane Furche, welche durch einen Vorsprung der sonst dünnen Unterlage des mittleren Keimblattes hervor- gebracht wird und mit dem letzteren alsbald wieder schwindet. Fünfte Entwickelungsstufe (Taf. II Fig.36.37, Taf. III Fig.43 — 45, Taf. IV Fig.76—78, Taf.V Fig.81 Umbildung der Hirnplatte zu einem hohlen, retortenförmigen Gebilde, welches 92). Sie umfasst den Abschluss der sich mit dem offenen Röhrenschenkel unmittelbar an die Rückenmarksröhre anschliesst und in seinen letzten embryonalen Bildungsstadien mit derselben ebenso wie früher im wesentlichen übereinstimmt. Die Seitentheile der Hirn- platte krümmen sich über der zwischen ihnen liegenden Furche, der Anlage der künftigen Hirnhöhlen, gegen einander und verwachsen endlich in einer Naht, welche eine Fortsetzung derjenigen des Rumpftheils ist. Während sie sich dazu anschicken, vertheilt sich die Zellenmasse gleichmässig durch die ganze Hirn- platte, sodass die einseitigen Verdickungen schwinden und die Wülste, welche auf der vorhergehenden Entwickelungsstufe noch in eine obere Kante ausliefen, sich abrunden. Was die Form des sich schliessenden Hirns betrifft, so wechselt dieselbe je nach den einzelnen Regionen. In der hinteren Hälfte zieht sich die Hirnplatte über den ansehnlichen Segmentplatten und zwischen den starken äusseren Segmenten bedeutend zusammen, wird unverhältnissmässig dick und verliert dabei äusserlich alle Kanten; nur mit Rücksicht auf die Uebergangs- formen vom Rückenmark her kann man auch an der hinteren Hirnhälfte von einem herzförmigen Querdurchschnitte sprechen, während die Lichtung rund oder querelliptisch erscheint. Von dort an, wo die Hirnaxe nach unten um- 172 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen, biegt, wird die Unterlage der Hirnplatte sehr dünn, der centrale Theil derselben nimmt an der seitlichen Aufkrümmung wenig Antheil und die Abbiegung der lateralen Theile tritt wieder deutlich hervor, sodass, wenn auch äusserlich gerade keine Kanten an der Platte erscheinen, doch der von ihr eingeschlossene Kanal einen rautenförmigen Durchschnitt erhält (Taf. IV Fig. 76—78). Je weiter nach unten, desto mehr springt die Uebergangsstelle vom centralen zum lateralen, den Kanal medianwärts überdeckenden Theile auf den Seiten vor, und verbreitert sich die flache Hirnbasis sowie auch der innere Kanal, sodass der rautenförmige Querschnitt in seitliche Zipfel ausgezogen wird. Man macht sich vielleicht die beste Vorstellung von dieser Bildung der vorderen nach unten abgebogenen Hirnhälfte, wenn man sich die Retortenform, womit bereits Ruscoxı das junge embryonale Hirn verglich, von vorn her abgeplattet und dadurch das blinde Ende verbreitert denkt. Ein zur Körperaxe senkrechter Durchschnitt dieser vorderen Hirnpartie, welcher also parallel zur Basis der letzteren geführt wird, liefert einen beiläufig dreieckigen Umriss derselben und der von ihr eingeschlossenen, von vorn nach hinten jedoch noch sehr engen Höhle. — Mit allen angeführten Unterschieden der vorderen und hinteren Hirn- hälfte, welche beide durch die Umbiegungsstelle geschieden werden, hängt das Verhalten der Sinnesplatte aufs innigste zusammen. Schon auf der vorigen Entwickelungsstufe war dieselbe zur Seite der vorderen Hirnhälfte spurlos in die Seitentheile des Hirns aufgenommen, während sie sowohl am vordersten Ende als auch zur Seite der hinteren Hirnhälfte bestehen bleibt. Wo an der erst- genannten Stelle die breitere Hirnbasis sich der gleichmässigen Aufkrümmung der ganzen Hirnanlage widersetzt, da ergänzt die Sinnesplatte die Seitentheile des Hirns und ermöglicht dessen seitliche Answeitung (vgl. Fig. 76); aus diesen heiderseitigen Vorragungen entstehen endlich die Augenblasen, d.h. die An- lagen der nervösen Theile des Sehapparats oder der Netzhaut; die vom Hirne nicht absorbirte Sinnesplatte producirt aber vorne und unten am Kopfe die (Geruchsplatten, am Hinterkopfe aber die Ohrbläschen, beides gleichfalls die nervösen Grundlagen der betreffenden Sinnesorgane. Die weiteren Umbildungen des Hirns gehören nicht mehr zu den hier betrachteten grundlegenden Entwickelungsvorgängen; doch sei noch bemerkt, dass seine Masse sich in der Folge ebenso wie beim Rückenmarke auf zwei Seitenhälften vertheilt, welche oben und unten nur durch dünne Verbindungs- stiicke zusammengehalten werden. Die eingeschlossene Höhle verändert sich alsdann ähnlich wie der Uentralkanal des Rückenmarks. I. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 173 Der Schwanztheil der Axenplatte. In ihrem hintersten Abschnitte entwickelt sich die Axenplatte niemals bilateral; derselbe ist vielmehr gewissermassen die ungetheilte Wurzel der beiden Medullarplatten, deren Bildung, wie mir scheint, hinten etwas früher anfängt als vorne, also von jenem ungetheilten Schwanztheile nach vorne fort- schreitet. Am hintersten Ende geht der Schwanztheil der Axenplatte in die verdickte ringförmige Falte über, durch welche im Randwulste der Ruscoxr’schen Oeffnung die Deckschicht des oberen Keimblattes mit dem mittleren zusammen- hängt (Taf. II Fig. 33— 35, Taf. III Fig. 39.40). Wenn nun jene Oeffnung sich zu einerSpalte zusammenzieht, deren Richtung in dieMedianebene des künftigen Embryo fällt, so wird die bezeichnete Falte in zwei parallelen Schenkeln längs jener Spalte verlaufen, an deren beiden Enden die Schenkel sich vereinigen. Wo dies gegen den Rücken hin geschieht, geht aus der verdickten Falte in der oberen Schicht eben der Schwanztheil der Axenplatte, in der tieferen der Axen- theil des mittleren Keimblattes hervor (Taf. IV Fig. 69. 70.76— 78, Taf. V Fig. 95 anhäufung von den Seiten und wohl auch von hinten her gewachsen, an der 97).. Jenes Anfangsstück der Axenplatte ist, nachdem es durch Zellen- unteren Fläche konvex, schärft sich an den Seiten gegen die übrige Ausbreitung der Grundschicht zu und besitzt an der übrigens ebenfalls konvexen Oberfläche gemeinsam mit der allmählich sich anpassenden äusseren Schicht eine mediane Rinne, welche aus der spaltförmig zusammengezogenen Ruscoxt'schen Oefinung hervorkommt. Diese Rinne ist aber nach ihrer Genese durchaus nicht für den Anfang der Rückenrinne zu halten; denn sie ist nicht der oberflächliche Aus- druck für eine mediane-Einbiegung der ganzen Platte. Auch findet man eine ähnliche Rinne an der unteren inneren Wand des Rückens, ferner am entgegen- - gesetzten Ende der Spalte und zuweilen selbst an ihren Seitenrändern kleinere Runzeln; sodass ich zur Annahme geneigt bin, dass alle jene Rinnen und Runzeln rein mechanisch aus der Zusammenziehung eines kreisförmigen Wulstes zu Rändern einer Spalte erfolgen. Natürlich gleichen sie sich alsbald aus, nur lässt sich dieses an der medianen Rinne im Schwanztheile der Rückenmarks- anlage nicht gut beobachten, da die Seitentheile derselben nicht etwa in einigem Abstande von der Medianebene, sondern ziemlich unmittelbar neben derselben sich zu der hinteren Verlängerung der Rückenwülste erheben, sodass der letzte Abschnitt der Medullarfurche von Anfang an eigentlich spaltförmig und scheinbar eine blosse Vertiefung der früheren Rinne ist. Dieser Schein wird * 174 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. noch dadurch gefördert, dass die Rückenwülste daselbst bei der gleichmässigen Entwickelung der Segmentplatten nach den Seiten hin kaum merklich aus der Körperoberfläche vorragen. Die Medullarfurche mündet also am Schwanzende unmittelbar in die spaltförmige Rusconxt'sche Oeffnung, und die zugehörigen Theile der Rückenwülste erscheinen als Fortsetzungen des jene Oefinung um- schliessenden Randwulstes (Taf. III Fig. 40). Aus diesem Zusammenhange erhellt es, wie die endlich erfolgende Kontinuitätstrennung zwischen dem hintersten Ende der Medullarplatten und dem mit ihnen ursprünglich zusammen- hängenden mittleren Keimblatte, welche durch die ursprüngliche Verbindungs- falte bis zur oberflächlichen Zellenlage * vordringt, auch seitlich von der Spalte in den Randwulst sich hineinziehen und jederseits eine kurze Fortsetzung je einer Rückenmarkshälfte erzeugen kann (vgl. Fig.70.75). Diese Thatsache er- klärt aber die bereits von v. Baur erwähnten monströsen Bildungen (No. 8 Bd. I 5.285), wobei die Ruscoxrt'sche Oeffnung sich zwischen den Rückenwülsten be- findet. Im hinteren Abschnitte schliesst sich nun die Medullarfurche zu aller- erst, sodass der Uentralkanal des Rückenmarks bis in die Rusconrt’sche Oeffnung hinein überdeckt wird, daselbst aber zunächst in den Raum, den der Dotterpfropf vor kurzer Zeit einnahm, und damit in die eigentliche Darmhöhle selbst einmündet. Indem nun die Ruscoxt’sche Oeffnung vom Rücken her abwärts verwächst, besteht für einige Zeit gleichsam ein doppelter Ausgang dieses spaltförmigen Raumes: oben vermittelt sie den ebengenannten bogen- förmigen Uebergang des Centralkanals des Rückenmarks in die Darmhöhle, unten mündet sie noch frei nach aussen (Taf. II Fig. 36.37). Bald obliterirt aber diese letztere Mündung vollends, und der ganze innere Spaltraum zieht sich zu einem kurzen Kanale zusammen, welcher unmittelbar unter dem Schwanzende des Rückens gelegen und von einer Fortsetzung des Darmblattes ausgekleidet, wie ein ausgezogener Zipfel der Darmhöhle erscheint, während das daranstossende Röhrenstück, welches halbkreisförmig das Ende der Wirbel- saite umgibt, und in dessen Umfange die dünnen Ausläufer der Axenplatte sich an die innere Auskleidung anschliessen, eben desswegen als Fortsetzung des Rückenmarks betrachtet werden kann. Aus den Abbildungen Fig. 36 — 38 wird es vollkommen erhellen, wie das Schwanzende des Rückens mit den eben * Es ist hier diejenige einfache Zellenlage semeint, welche den Randwulst der Ruscoxt'schen Oefinung überziehend, die Verbindung zwischen der Deckschicht des oberen Keimblattes und dem Darmblatt herstellt, aber noch nicht bestimmt dem einen oder andern Theile zugezählt werden kann 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 175 beschriebenen Theilen zum Schwanze der Larve auswächst, in welchem also nicht nur eine Fortsetzung der Rückenanlagen, Rückenmark, Rückenmuskeln u. s. w., sondern auch der fundamentalen Bauchanlage, nämlich des embryonalen Darmes enthalten ist, wobei die beschriebene Kommunikation von Rückenmark und Darm am Ende der Wirbelsaite noch längere Zeit bestehen bleibt. Ich will hier das Ergebniss der Untersuchungen über die Umbildung der Axenplatte kurz zusammenfassen. Dieselbe entsteht im Anschlusse an den Randwulst der Rusconxt’schen Oeffnung und breitet sich rasch vorwärts über den Rücken aus, wobei ihre Seitentheile besonders anschwellen. Indem ihre Gestalt durch die Ausladung am Vorderende birnförmig wird, werden zwei Hauptabschnitte geschaffen, ein beinahe kreisförmiger Kopf- und ein schmälerer Rumpftheil; jener, durch Breite und Mächtigkeit ausgezeichnet, zeigt ein ziemlich gleichmässiges Centrum und einen mehr als halbkreisförmigen stark verdickten Rand, während im schmächtigeren Rumpftheile die seitlichen An- schwellungen so nahe zur Medianebene zusammengerückt sind, dass sie als Seitenhälften der ganzen Platte erscheinen. Der äusserste Saum des Kopftheils sondert sich als Sinnesplatte vom Centrum oder der Hirnplatte ab, welche daher dem Rumpftheile oder den Medullarplatten nicht ganz gleichwerthig ist, aber mit derselben die gleiche Weiterentwickelung erfährt. Diese letztere besteht in einer Aufkrümmung und Umwälzung der Seitentheile gegen die Medianebene, und in einer Verwachsung der über der eingeschlossenen Rücken- furche zusammenstossenden Ränder, während welches Vorgangs die Deckschicht mit den darunter befindlichen Theilen der Grundschicht zu einer einheitlichen Masse verschmilzt. So entsteht eine Röhre, welche ihrer Anlage entsprechend von hinten nach vorne an Mächtigkeit zunimmt; bevor sie aber vollendet wurde, änderte sich die ursprünglich angelegte Richtung ihres Verlaufs, indem die nach aussen konvexe Axe des ganzen Rumpftheils bis in die Mitte des Kopfes hinein sich gerade streckte und sogar konkav wurde, * während das kurze Stück * Diese vorübergehende konkave Krümmung des Rückens ist eine durchaus zufällige, sicherlich sehr wenig bedeutsame Erscheinung. Denn nicht nur unterscheiden sich so nahe verwandte Thiere, wie der Frosch, die Unke, die gemeine und die Knoblauchkröte, durch jene Rückenkrümmung ihrer Embryonen, sodass die konkave Rückenaxe bei den beiden ersten Arten vorkommt, während die Krötenembryonen eine geradlinige besitzen; sondern auch die Embryonen desselben Thieres wechseln in ziemlich weiten Grenzen die betreffende Form, sodass die Rückenaxe mancher Unkenembryonen der geraden Linie viel näher steht, als der gewöhnlichen starken Krümmung. Wenn ich aber jener Erscheinung keinen besonderen Werth beilege, so dürfte sie immerhin für eine etwaige Diagnose der Embryonen ihren Werth haben, 176 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. der vorderen Kopfhälfte sich beinahe rechtwinkelig abwärts bog. Dies gab Veranlassung das Centralnervensystem der jungen Batrachierlarven mit einer Retorte zu vergleichen, obgleich, wie ich zeigte, das vordere umgebogene Ende nicht blasig aufgetrieben, sondern von vorne nach hinten zusammengedrückt erscheint. Da die Medullarfurche gegen das Schwanzende hin sich immer mehr verengernd in die Ruscoxt’sche Oefinung mündete, so konnte durch eine Fortsetzung der beschriebenen Röhrenbildung bis in jene Oeffnung hinein eine vollständig bedeckte Verbindung des Uentralkanals des Rückenmarkes mit der Darmhöhle sich entwickeln, sodass späterhin beide Hohlräume an der Schwanz- spitze mit einander kommuniciren. Wie sich aus den im Eingange dieses Abschnittes mitgetheilten Auszügen ergibt, ist bei den Untersuchungen über die erste Entwickelnng des Central- nervensystems der Batrachier die Untersuchungsmethode der älteren For- schung, welche bloss die äusseren Erscheinungen verfolgte und aus deren Veränderungen auf «ie innere Entwickelung schloss, bis in die neueste Zeit mit wenigen Ausnahmen (STRICKER, vV. BAMBECKE) massgebend gewesen, Daraus erklärt sich, dass alle jene Darstellungen weniger deutlichen Wahr- nehmungen als mehr oder weniger glücklichen Annahmen über den eigentlichen Zusammenhang der Erscheinungen entsprangen. — Das äussere Relief am Rückentheile des Eies wurde bereits von Pr£vosr und Dumas grösstentheils richtig erkannt und von deren Nachfolgern in ähnlicher Weise beschrieben. Die Entstehung dieses Reliefs durch die Bildung des Axenstranges und der Axenplatte blieb aber unbekannt, was sich am klarsten daraus ergibt, dass die Beschreibungen mit der schildförmigen Erhebung der Oberfläche und mit der Rückenrinne, also schon verhältnissmässig vorgerückten Entwickelungs- stufen beginnen. Dies gilt auch für den v. Baer'schen Primitivstreif; denn wenn derselbe eine Verdickung des Keimes, also des ganzen Rückentheils unter- halb der Rückenrinne sein soll, so kann er gerade desshalb nicht mit meinem Axenstrange verglichen werden, der weder eine Vorragung des Rückentheils gegen die Darmhöhle hervorruft, noch überhaupt den ganzen Rückentheil umfasst und endlich bis zum Erscheinen der Rückenrinne gar nicht bestehen bleibt. Der Primitivstreifv. Baer’s bedeutet also nur ganz allgemein die mediane Verdiekung des bereits in die wichtigsten Embryonalanlagen gegliederten l. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 197 4 Rückentheils, ist daher ebenso wenig wie etwa die Rückenrinne eine besondere, an sich bedeutsame Bildung. Was nun die Anlage des Centralnervensytems betrifft, so haben nur Pr#vost und Dumas und nachher BAUMGÄRTNER eine ursprünglich unpaare Entstehung desselben, aber ganz irrig nur in der Mittel- linie seiner eigentlichen Anlage oder der Axenplatte beschrieben; die meisten übrigen Embryologen erklärten dagegen die Rückenwülste entweder theilweise oder im ganzen für die getrennt paarigen Anlagen des Öentralnervensystems. Dies ist allerdings verständlich bei denjenigen Embryologen, welche das letztere irgendwie sich von seiner Unterlage abblättern lassen. Doch muss jene Auf- fassung bei Rrmar, Wunder nehmen, welcher am Hühnerembryo die Anlagen der Haut und des Centralnervensystems als in der Fläche zusammenhängende Abschnitte des oberen Keimblattes richtig erkannt hatte. Wenn er daher die Anlagen des Centralnervensystems der Batrachier gerade so wie REICHERT beschreibt, als gesonderte nur durch eine vergängliche Verbindungshaut zu- sammenhängende dicke Streifen, welche eben die soliden „Medullarwülste “ bilden (vgl. Remar’s Fig. 8 Taf. XII)*, so bezeugt er dadurch, dass auch er seine Darstellung ebenso wenig wie seine Vorgänger auf eine vollständige innere Untersuchung gründete, vielmehr die vor ihm bestandene Auffassung nur seiner Keimblättertheorie anzupassen suchte. — (Gegenüber solchen Anschauungen muss ich wiederholt darauf hinweisen, 1. dass die Rückenwülste nicht die vollständige Rückenmarksanlage, sondern nur die lateralen Theile derselben, daneben aber noch andere Anlagen selbst aus zwei Keimblättern enthalten ; 2. dass diese ihre Zusammensetzung während der Entwickelung wechselt; 3. dass also die Rückenwülste gar keine bestimmten und besonderen Embryonal- anlagen sind, sondern ähnlich dem Primitivstreif und der Rückenrinne zu dem äusseren und beständig wechselnden Relief des Embryo gehören, welches bald diesem, bald jenem Keimblatte, hier einem inneren Hohlraum, dort einer soliden Bildung seine Entstehung verdankt, daher auch in der neueren Entwickelungs- geschichte nur eine untergeordnete Bedeutung haben kann. Denn mochten auch jene äusseren Erscheinungen als die ersten Anhaltspunkte für die Orien- tirung in der unendlich mannigfaltigen Gesammtentwickelung während der * Diese Abbildung soll „nicht schematisch, sondern nach der Natur angefertigt“ sein. Wenn man aber erfährt, dass sie nur nach einer beleuchteten Schnittfläche, nicht nach einem durchsichtigen mikroskopischen Schnitte gezeichnet wurde (vgl. No.40 S.XXXV), so sind die Mängel der Untersuchungsmethode hinlänglich gekennzeichnet, um die Irrthümer der Beobachtung zu verstehen. GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 12 178 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Wiegenzeit unserer Wissenschaft emen bedeutenden Werth haben, so sollten sie doch heutigen Tages, wo man jene Orientirung nicht mehr braucht, auch in der Darstellung gegenüber den eigentlichen Faktoren der morphologischen Ent- wickelung, den Keimblättern und Embryonalanlagen, zurücktreten und als der gleichsam zufällige, äusserlich sichtbare Ausdruck von den Umbildungen der- selben sich nur nebenher ergeben. — Ist nun die Auffassung von einer getrennt paarigen Anlage des Centralnervensystems durchaus unstatthaft, so ist anderer- seits die doppelseitig symmetrische Anordnung in der unpaaren Axenplatte davon wesentlich zu unterscheiden. Ich verweise hierbei auf das in der Be- schreibung Gesagte, woraus klar hervorgeht, dass die ganze Axenplatte in die Bildung des Centralnervensystems und der höheren Sinnesorgane eingeht, und von zwei getrennten Seitentheilen, einer vergänglichen Verbindungshaut und der nachträglichen Verschmelzung jener nicht die Rede sein kann. Gesondert von den übrigen Darstellungen muss ich diejenigen von STRICKER und v. BAMBECcKE betrachten, da diese Forscher, wie erwähnt, die äusseren Erscheinungen aus den Umbildungen der Embryonalanlagen zu erklären suchten. STRICKER hat zu einem besonderen Zwecke einige aus dem Zusammenhange herausgerissene Durchschnitte meist der Kopfgegend abgebildet*; was daraus über die Anlage des Centralnervensystems ersichtlich ist, ist nach Abbildung und Erklärung richtig, hat aber ohne die Anknüpfung an Vorhergehendes und Nachfolgendes keinen sonderlichen Werth, wie es denn auch gegenüber dem eigentlichen Thema, der Entwickelung gewisser Knochen und Muskeln des Kopfes, nur nebensächlich behandelt ist. — Gleich STRICKER hat v. BAMBECKE wesentlich Durchschnitte bei durchfallendem Lichte untersucht, abgebildet und beschrieben. Aber seine Resultate stimmen so wenig mit denen aller übrigen Beobachter überein, dass man nur die Wahl hat anzunehmen, entweder, dass Pelobates fuscus in der Entwickelung des Centralnervensystems nicht nur von den übrigen Batrachiern, sondern von den Wirbelthieren überhaupt, so weit ihre Entwickelung bekannt ist, sich wesentlich unterscheide, oder dass die Präparate durch die Behandlung entstellt waren. Beiläufig sei hier noch bemerkt, dass die irrthümlichen Angaben über die * Die Flächenbilder, welche Stricker bei durchfallendem Lichte erhielt (Nr. 55 Fig.5.6), haben nach meiner Ansicht an sich gar keinen Werth, da sie gerade so wie die äusseren Gestaltveränderungen das Urtheil nur irre führen können. Zur Unterstützung der Quer- durchschnitte, um die Form der Embryonen auch in der Längsrichtung des Embryo kennen zu lernen, sind aber die horizontalen und sagittalen Durchschnitte viel zweckmässiger. 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 179 frühzeitige Entwickelung der Hirnabtheilungen auf der schon gerügten ober- flächlichen Deutung des äusseren Reliefs beruhen. Bei einem Vergleiche meiner Abbildungen (Taf. III Fig.43.44.50. 51. Taf. V Fig.81. 82. 85.88 — 91) mit denen Rrmar’s (Taf. X Fig. 6.3) überzeugt man sich leicht, dass die äusseren Vorragungen der Hirngegend nicht gesonderten Erweiterungen des Hirns, sondern den in den Wülsten eingeschlossenen äusseren Kopfsegmenten, also Theilen des mittleren Keimblattes ihre Entstehung verdanken, während die Hirnröhre (mit Ausnahme der Augenblasen) selbst nach ihrer Vollendung noch gleichmässig verläuft (vgl. Taf. VI Fig. 98). Alle eingehenden Beobachtungen meiner Vorgänger über den Ursprung der drei höheren Sinnesorgane* stimmen darin überem: 1. dass die letzteren von dem oberen Keimblatte abstammen, 2. dass sie aus isolirten Anlagen her- vorgehen und zwar 3. das Auge aus dem Hirn**, Ohr und Geruchsorgan aus der übrigen Ausbreitung des Keimblattes oder derOberhautanlage. Die genetische Bedeutung der Sinnesorgane widerspräche darnach durchaus der allgemein siltigen Auffassung, dass jene Sinnesorgane einander koordinirt seien; denn offenbar stände das Auge dem Centralnervensystem viel näher als das Ohr und das Geruchsorgan, deren Anlage zu jenem System keine nähere genetische Be- ziehung hätte als die übrigen Erzeugnisse des oberen Keimblattes. Aus meinen Untersuchungen geht aber hervor, dass die bisherigen Beobachtungen unvöll- ständig und daher die aus ihnen gezogenen Schlüsse falsch sind. Zunächst ist in der Sinnesplatte eine gemeinsame, überall gleichmässige Grundanlage für die drei höheren Sinnesorgane gegeben; ferner aber entwickelt sich diese nicht sleich vom Anfang an isolirt in dem oberen Keimblatte, sondern bildet zuerst gemeinsam mit der Anlage des Hirnes den Kopftheil der Axenplatte, welcher rückwärts in den ungesonderten Rumpftheil oder die Anlage des Rückenmarkes übergeht. Man könnte also sagen, die 3 höheren Sinnesorgane wären Theile des Gehirnes, welche sich allmählich vom Mutterboden absondern und selbst- * Wie ich schon in der Beschreibung erwähnte, sind unter den hier besprochenen An- lagen der Sinnesorgane die Hülfsapparate (Glaskörper, Linse u. s. w.) nicht mit einbe- griffen. ** Da bereits Remax darauf hingewiesen hat (Nr. 40 $. 148), dass Rusconı ganz offen- bar die Anlage der Augenblasen mit derjenigen des Geruchsorganes verwechselte, so willich darauf nicht noch einmal zu sprechen kommen. Ebenso ist die Angabe Reıcuerr’s über den Ursprung der Sinnesorgane aus dem Gehirne zu unbestimmt, um überhaupt berücksichtigt werden zu können, zumal sie durchaus unrichtig ist, wie er denn auch die Anlage des Auges hinter dem abgebogenen Hirntheile sieht (Nr.22 Taf. I Fig. 6.7). 1917 180 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. ständig werden, indem sich die betreffenden Zellenmassen an gewissen Stellen koncentriren und dadurch indifferente Theile des oberen Keimblattes, welche später der Oberhaut anheimfallen, zwischen jenen Anlagen und dem Hirne zu- rückbleiben. Man könnte noch dazu bemerken, dass, da die Sinnesplatte rück- wärts in die Ränder der Medullarplatten übergeht, die Sinnesorgane für das Hirn eine ähnliche Bedeutung haben dürften wie die hinteren Stränge des Rückenmarkes oder wenigstens Theile von ihnen für das letztere. Wenn man jedoch hier über die Andeutung zunächst noch nicht hinausgehen kann, so bietet sich die Möglichkeit, eine andere Schwierigkeit mit mehr Erfolg zu überwinden; ich meine die Ausnahme, welche das Auge von der eben vorgetragenen Lehre scheinbar macht. Die von mir mitgetheilten Beobachtungen besagen bloss, dass der mittlere Theil jeder Seitenhälfte der Sinnesplatte sich niemals von der Hirnplatte trenne, sondern wieder mit ihr vollständig verschmelze, und dass im Bereiche dieser Verschmelzung die Augenblase scheinbar als Ausstülpung des Hirnes entstehe. Ich gestehe, dass, da jene Verschmelzung erfolgt ohne Spuren der früheren Sonderung zu hinterlassen, es nur für höchst wahrscheinlich, nicht aber ohne weiteres für eine Thatsache gelten kann, dass die Augenblase eben aus jenem in das Hirn aufgenommenen Abschnitte der Sinnesplatte hervorgehe. Erst aus der Entwickelungsgeschichte der Knochenfische habe ich den empirischen Beweis dafür entnommen, was bei den Batrachiern nur wahrscheinlich ist; an dem Embryo der Forelle fand ich, dass die Sinnesplatte auch in der Augenregion niemals wieder vollständig in die Hirnplatte aufgeht, sondern von der ersten Sonderung beider Theile an sich selbstständig weiter entwickelt, zur Augen- blase wird, wobei aber die noch bestehende Verbindung mit dem Hirne nicht etwa wie in der Öhrregion allmählich gelöst, sondern dauernd erhalten und endlich in den Sehnerven verwandelt wird. Ich glaube daher mit Rücksicht auf diese Beobachtung, welche jeden Zweifel über die Bedeutung der Augen- anlage im Batrachierembryo löst, die Abweichung in der Entwickelung des Auges gegenüber den beiden anderen Sinnesorganen darauf beschränken zu müssen, dass das Auge den ursprünglichen Zusammenhang mit dem Central- nervensystem beibehält, während die anderen Sinnesorgane sich von dem letz- teren vollständig trennen, um mit diesem ihrem Mutterboden erst wieder durch eine sekundäre Verbindung (Hör-, Geruchsnerv) in nähere Beziehung zu treten. Schliesslich darf nicht unerwähnt bleiben, dass, wenn auch alleAnhänger, der Keimblättertheorie den peripherischen Theil des oberen Keimblattes für die Anlage der Haut erklären, die älteren derselben darunter zugleichOber- und Lederhaut 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 181 verstehen (vergl. v. BAER Nr. SI S. 166): erst Remak erkannte, dass nur das Zellengewebe der Epidermis aus dem oberen Keimblatte hervorgehe (Nr. 40 S. 152. 185). Indem ich am Schlusse des vorigen Abschnittes die Uebereinstimmung der Keimblätterbildung bei den Batrachiern, Knochenfischen und Amnioten auf Grund meiner eigenen Untersuchungen konstatirte, unterliess ich es auf die Einzelheiten dieses Entwickelungsvorganges und eine Kritik der entgegen- stehenden Darstellungen einzugehen, weil ich Beides in besonderen Arbeiten abgehandelt habe.* Um aber die gleiche Uebereinstimmung für die Haupt- leistungen des oberen Keimblattes — die Anlage des Centralnervensystems und der drei höheren Sinnesorgane — zu erweisen, muss ich auf einen Punkt in den neueren Darstellungen der Keimblätterbildung zurückgreifen, ich meine die Lehre vom Axenstreife oder Axenstrange (Dursy, Hıs, WALDEYER, OEL- LACHER). Ich bezeichne mit dem letzteren Namen nur den noch ungesonderten axialen Theil des mittleren Keimblattes, woraus wesentlich die Wirbelsaite hervorgeht. Sonst wird aber mit den genannten Ausdrücken ein ganz anderer Begrifi verbunden. Die Darstellung v. Baer’s von der innigen axialen Ver- bindung des oberen und mittleren Keimblattes (Primitivstreif) wurde zum Aus- gangspunkte einer Lehre, welche auf eine Vernichtung der wohlbegründeten Keimblättertheorie hinausläuft. In jenem Axengebilde sollen die Keimschichten oder -blätter vollständig mit einander verschmelzen, ihre Elemente mit einander austauschen, sodass schliesslich die Embryonalanlagen unter Zurücktreten der morphologischen Momente wesentlich aus lokalen „histiologischen Difterenzi- rungen“, diesen häufigen Lückenbüssern der Erkenntniss, hervorgingen. Für die vorliegende Frage bedeutsam war also dabei, dass der verdickte dorsale oder mittlere Theil des oberen Keimblattes, die Axenplatte, nirgends mehr als die ausschliessliche Anlage des Centralnervensystems (und nach meiner Erfah- rung auch der drei höheren Sinnesorgane) gelten konnte, da sie ja durch Ver- mittelung des Axenstreifes an der Herstellung der Wirbelsaite, der Urwirbel und noch mancher anderer Anlagen einen grösseren oder geringeren Antheil nehmen solltee Nach meinen Untersuchungen muss ich aber diese Lehre durchaus zurückweisen und an der Behauptung festhalten, dass die Grenze zwischen dem oberen und mittleren Keimblatte vom ersten Erscheinen der * Im Anschlusse an den schon eitirten, die Knochenfische betreffenden Aufsatz (Nr. 108) erscheint im X. Bande derselben Zeitschrift eine Abhandlung über „die Bildung der Keimblätter und des Blutes im Hühnerei.“ 182 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. sekundären Keimschicht an auch im Axentheile des Keimes ununterbrochen fortbestehe. Alle.gegentheiligen Darstellungen entsprangen demselben Be- obachtungsfehler, indem nämlich jene Grenze, welche während der ersten Entwickelung der Axengebilde in Folge der thatsächlich innigen Berührung meines Axenstranges (mittleres Keimblatt) und der Axenplatte (oberes Keim- blatt) allerdings nicht immer leicht kenntlich ist, ganz übersehen wurde. Da- raus wurden alsdann jene Hypothesen über die Betheiligung der Axenplatte an der Bildung der darunterliegenden Embryonalanlagen meist sehr willkürlich abgeleitet. Diese zunächst den Hühnerkeim betreffenden Angaben (Hıs) habe ich in der oben bezeichneten Abhandlung kritisirt; die bezüglichen Mittheilungen OErLAacHEr’s über den Forellenkeim (Nr. 107) weichen allerdings von den ersteren ab, beruhen aber auf demselben Grundirrthume, der Annahme des von den eigentlichen Keimblättern unterschiedenen Axenstreifes, von ÖELLACHER Axenstrang genannt, welcher die gemeinsame Anlage des Centralnervensystems und der Wirbelsaite darstelle. * Freilich leitet Oerzacher keinen Theil des mittleren Keimblattes vom oberen ab; dagegen soll aber der Axenstrang mit den Körperregionen seine Bedeutung wechseln, hinten vorherrschend die Anlage der Wirbelsaite enthalten, während die Rückenmarksanlage aus den in der Medianebene zusammenfliessenden Seitentheilen des Sinnesblattes entstehe, vorne aber ausschliesslich das Hirn bilden (Nr. 107 8.26. 43.46). Auch diese Angaben muss ich nach eingehenden Untersuchungen über die Entwickelung des Forellenkeimes auf eine ungenaue Beobachtung zurückführen, welcher bald hier bald dort eine wichtige Grenzlinie entging. So wenig die ursprünglichen Keimschichten aus einer histiologischen Sonderung, sondern vielmehr aus mor- phologischen Umbildungen hervorgehen (vgl. Nr. 108), so wenig wird dieses Entwickelungsergebniss, die Keimschichtung, nachträglich wieder aufgehoben, die Kontinuität des einmal eingeschlagenen Entwickelungsganges unterbrochen, um durch Vermittelung geheimnissvoller Zwischenglieder an die spätere mor- phologische Umbildung wieder anzuknüpfen. Mit der Selbstständigkeit des oberen Keimblattes ist auch diejenige der Axenplatte übereinstimmend bei allen genannten Wirbelthieren festgestellt. * Gegenüber dem Ausspruche O£LLacuer’s (Nr. 107 8. 63): „Die Bildung des Axen- stranges ist eine dem Forelleneie, dem Eie der Batrachier und dem des Hühnchens gemein- same‘ — muss ich bemerken. dass mir bisher weder von einem solchen Axenstrange des Batrachierkeimes noch überhaupt von Untersuchungen, welche zu einer solchen Annahme führen könnten, etwas bekannt geworden ist. 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 183 Jetzt handelt es sich darum, eine gleiche Uebereinstimmung auch in der wei- teren Umbildung jener Grundlagen des Centralnervensystems nachzuweisen. Die Amnioten bieten dabei keine besonderen Schwierigkeiten, indem sich bei ihnen in derselben Weise wie bei den Batrachiern die Axenplatte in eine Röhre verwandelt. Doch darf nicht unerwähnt bleiben, dass bei einem solchen Ver- gleiche sich bisher mehr Aehnlichkeiten boten, als in der That vorhanden sind. Dies rührt daher, dass der Primitiv- oder Axenstreif insbesondere des Hühner- keimes, obgleich über ihn bereits so viel geschrieben worden ist, immer noch durchaus ungenügend untersucht ist, und daher seine Zusammensetzung unbe- kannt blieb, sein Relief falsch gedeutet wurde. Er gilt nämlich für eine axiale Verdickung des Keimes, welche durch die Prämitivrinne in zwei symmetrische Hälften geschieden werde. Diese Rinne soll verbreitert, aber abgeflacht in den vor dem Primitivstreife gelegenen Keimtheil übergehen und überhaupt den Grund der späteren Medullarfurche bilden, daher auch das Centralnervensystem von Anfang an in zwei symmetrischen Hälften, den Medullarplatten, angelegt sei. Wie sich aber aus dem von mir angekündigten Aufsatze ergeben wird, ist diese Auffassung durchaus unstatthaft. Gleich nach der Entstehung des Pri- mitivstreifes liegt in seinem grösseren hinteren Abschnitte die Primitivrinne allerdings ganz oder nahezu ymmetrisch über der Anlage der Wirbelsaite oder meinem Axenstrange; vor dem Primitivstreife besteht aber bis zur Ausbildung der Medullarfurche niemals eine axiale Rinne, da der künftige Boden jener Furche vielmehr von einer Seite zur andern konvex vorgewölbt ist und von zwei flachen Seitenrinnen eingefasst wird, welche erst während der Entwickelung der Medullarfurche in Folge der ansehnlichen Verschmälerung jenes Bodens schwinden. Zwischen diesen beiden verschieden gebildeten Abschnitten der Axenregion liegt nun der Kopftheil des Primitivstreifes, welcher den Uebergang aus dem einen in den andern vermittelt. Er ist asymmetrisch zusammengesetzt, indem sich dort der Axenstrang vollständig in den rechten Grenzwall der Pri- mitivrinne verschiebt, welcher darauf weiter vorwärts durch ein Niedersinken seiner rechten Seite in den horizontal gelagerten, konvexen Boden der vorderen Medullarfurche übergeht, während die Primitivrinne sich in dessen linke Seiten- rinne fortsetzt. Dieser zuerst nur im Kopftheile des Primitivstreifs vorhandene Uebergang der beiden Abschnitte in einander rückt nun stetig nach hinten vor, indem der zuerst von ihm eingenommene Kejmtheil sich in der geschilderten Weise der Bildung der davor gelegenen Axenregion anpasst, welche allein die bleibende Anlage des Centralnervensystems unmittelbar aus dem indifferenten 184 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Keimblatte hervorgehen lässt. So wird also der ganze ursprüngliche Primitiv- streif erst durch eine asymmetrische Umlagerung seiner Theile in die definitive Bildung der Axenregion übergeführt. Es erhellt daraus: 1. dass die Primitiv- rinne nicht den Grund der künftigen Medullarfurche darstellt, sondern nur in die linke Grenzrinne des konvexen Bodens derselben übergeht, 2. dass, da das obere Keimblatt diesen Boden gleichmässig überzieht, eine axiale Grenze zweier Seitenhälften der Cerebromedullaranlage fehlt, die letztere also thatsächlich nicht aus zwei Medullarplatten, sondern aus einer unpaaren Axenplatte* besteht. Der Vergleich mit dem Batrachierembryo lehrt also, dass dessen Rückenrinne und laterale Anschwellungen der Axenplatte (Medullarplatten) Homologa im Hühnerkeime nicht finden und für die allgemeine Wirbelthierentwickelung ebenso bedeutungslos sind wie die Primitivrinne und überhaupt der ganze Pri- mitivstreif jenes Keimes. Eine Sinnesplatte habe ich an der Axenplatte des Hühnerkeimes nicht unterscheiden können, wahrscheinlich weil die letztere verhältnissmässig sehr dünn ist und während längerer Zeit ganz allmählich in die Oberhautanlage übergeht. — Ueber die Anlage des Centralnervensystems der übrigen Amnioten vermag ich nur wenige hierher bezügliche Daten beizubringen. An frischen wie an zerlegten Keimen der Ringelnatter, welche die beginnende Abschnürung des Kopftheiles auf verschiedenen Stufen zeigten, konnte ich weder einen Primi- tivstreif, noch eine Rückenrinne erkennen; dagegen glaube ich eine gerade nach hinten sich erweiternde, annähernd birnförmige Axenplatte und eine ebensolche breite und flache, mit ebenem oder konvexem Boden versehene Medullarfurche richtig gedeutet zu haben**, so dass auch dieser spärliche Befund immerhin geeignet ist, die Bedeutung des Primitivstreifes um ein weiteres zu reduciren. So leicht nun im vorliegenden Falle der Vergleich der Batrachier mit den Amnioten wenigstens in den Hauptzügen sich ausführen lässt, so misslich er- schien seit dem Bekanntwerden der Kuprrer'schen Untersuchungen über die Entwickelung der Knochenfische der Versuch, die Entstehung und Umbildung ihrer Cerebromedullaranlage mit derjenigen der übrigen Wirbelthiere in Ueber- einstimmung zu bringen. Kurrrer gab an, dass das obere Keimblatt sich im * Wie in der bisherigen Beschreibung behalte ich jedoch auch weiterhin den Ausdruck „Medullarplatten‘ für die idealen Seitenhälften der einheitlichen Axenplatte bei, ** Jedenfalls würde eine genauere Untersuchung jener Keime lehren, dass die Ueberein- stimmung der Vögel und Reptilien in ihrer ersten Embryonalentwickelung lange nicht so gross ist, als man bisher mit Rücksicht auf ältere Entwickelungsstufen glaubte anzelımen zu dürfen. 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 185 Axentheile verdicke und zu einem kielartig nach unten vorspringenden Strange werde, auf dessen Oberfläche sich eine Furche entwickele, um bald wieder zu verschwinden (Nr. 105 8. 232. 234. 243. 244). Eine Fortsetzung des übrigen Keimblattes oder das Hornblatt (Oberhautanlage) löse sich darauf von der Hauptmasse jenes Kiels oder der Anlage des Centralnervensystems ab, worauf unter jenem Blatte „eine Furche sich bildet, die von oben her in den Strang eindringt“ (S. 249). Durch eine Verwachsung der oberen Spaltmündung sei dann die Medullarröhre vollendet (S. 250). Die solide Anlage derselben wurde von mir (Nr. 102) und OELLACHER (Nr. 107 8. 51) bestätigt; doch glaubt ÖELLACHER, dass der Centralkanal durch eine innere Zellenauflösung eritstehe, welche von unten aufsteige (S. 72. 81). Wenn nun zugestanden werden muss, dass es auf Grund dieser Angaben allein unmöglich sein dürfte, am Medullar- strange der Knochenfische den gleichen Entwickelungsgang herauszufinden wie an der Axenplatte der Amnioten und Batrachier, so darf andererseits nicht übersehen werden, dass weder KUPFFER noch ÖELLACHER uns über eine eigent- liche Entwickelung jenes Medullarstranges etwas mitgetheilt haben. In einer nicht ganz frühen Zeit sollen in einer gegebenen Zellenmasse, dem irgendwie verdickten axialen Keimtheile „histiologische Differenzirungen“ beginnen, in Folge deren der Medullarstrang endlich als fertiges Gebilde herausgelöst wird (Nr. 107 8. 15. 50); diese Anlage des Oentralnervensystems sollte also, sowie sie nur überhaupt kenntlich würde, auch schon ohne alle morphologische Um- bildung vollendet sein. Dies ist nun aber ebenso grundfalsch wie die ganze schon gerügte Lehre vom Primitiv- oder Axenstreife. DasCentralnervensystem der Knochenfische entwickelt sich vielmehr ebenso wie in allen übrigen Wirbel- thieren durch allmähliche morphologische Umbildung ganz bestimmter ein- fachster Anlagen. In der Fig. 8 meines Aufsatzes über den Forellenkeim (Nr. 108) lässt sich an einem noch ganz jungen Keime bereits die Bildung eines Axenstranges (Chordaanlage) und der durch ihn geschiedenen Medullarplatten, so wie ich es an der Unke beschrieb, deutlich erkennen. In der Folge fliessen die beiden letzteren über dem Axenstrange zu einer unpaaren Axenplatte zu- sammen, welche sich in dem Masse verdickt, als sie schmäler wird. Daraus lässt sich schliessen, dass dieser ganze Vorgang auf einer von den Seiten gegen die Medianebene gerichteten Zellenverschiebung beruhe, wodurch die Zellen- massen je näher der Medianebene um so mehr gegeneinander gestaut und zu einer Palissadenform zusammengedrückt werden. Dieselbe Bewegung sahen wir bei den Batrachiern die Medullarplatten bilden und in der Querrichtung 186 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. zusammenschieben; sobald dieselben aber dadurch hautartig festgeworden, werden sie durch die fortdauernde Bewegung auf- und medianwärts umgerollt, und so die Bildung der Cerebromedullarröhre herbeigeführt. Am Forellen- keime überzeugt man sich aber leicht, dass ihre Medullarplatten zur ent- sprechenden Zeit viel weniger scharfe Konturen und ebene Flächen, also eine geringere Konsistenz besitzen, wie sie denn auch ganz unmerklich in die übrige Ausbreitung des oberen Keimblattes übergehen. Begreiflicherweise wird daher jene Bewegung sie nur in geringem Grade heben und dadurch die vergängliche Rückenfurche bilden, dagegen die ursprüngliche mediane Zellenanhäufung fort- setzen. Dabei lassen die palissadenförmigen Zellen, sowie sie ihre Gestalt dem Seitendrucke verdanken, die fernere Richtung der ihn erzeugenden Bewegung erkennen; und da sie sich in der Nähe der Medianebene von beiden Seiten ab- wärts neigen, so erhellt, dass die Axenplatte dort unter dem Einflusse jenes Druckes gleichsam nach unten einknickt oder sich faltet, wobei jedoch in Folge der geringeren Konsistenz der Zellenmassen die beiden Faltenwände sich zu dem bekannten Kiele des Medullarstranges aneinanderlegen, ohne eine deut- liche Spalte erkennen zu lassen. Das spätere Auftreten der letzteren in dem fertigen Kiele rechtfertigt aber gerade die eben vorgetragene Auffassung seiner Entwickelung. Ich habe mich nämlich davon überzeugt, dass sie weder durch eine Auflösung der inneren Zellen noch stets von unten aufwärts entsteht, wie eSÖELLACHER lehrt; sondern indem die Verbindung des Kiels mit der Oberhaut- anlage gewissermassen zusammengeschnürt wird, um alsbald einer völligen Trennung Platz zu machen, bauchen sich seine Seiten etwas aus, werden also seine Seitenhälften etwas auseinandergezogen, wodurch eben die mediane Spalte in verschiedener Höhe und Ausdehnung beginnend entsteht. Ihre gesetz- mässige Erscheinung bezeugt eben, dass in derselben Richtung der Zusammenhang der Zellenmasse beständig lockerer ist, also zwischen beiden, unten in einander übergehenden Seitenhälften des Kiels eine gewisse Scheidegrenze besteht; dies gestattet aber gerade den Vergleich derselben mit einer geschlossenen Falte, welche sich alsdann von der nach oben offenen Falte, welche die gehobenen Medullarplatten anderer Wirbelthierembryonen darstellen, nicht mehr wesent- lich unterscheidet, besonders da der Faltenraum dort bisweilen spaltförmig eng wird, wie z. B. am Schwanzende der Batrachierembryonen (vgl. Taf. IV Fig. 76). Wir finden also, dass bei den Knochenfischen ebenso wie bei den übrigen Wir- belthieren die gleiche Kette von Ursachen und Wirkungen im Axentheile des oberen Keimblattes die Cerebromedullarröhre erzeugt: die nachweisbare, bei- 1. Die Leistungen des oberen Keimblattes. 187 derseits gegen die Medianebene gerichtete Zellenverschiebung * lässt die Medullar- platten entstehen, zusammenrücken und eme nach oben offene oder geschlossene Falte bilden, welche endlich unter dem Einflusse desselben Motors sich zu einer Röhre abschnürt. (Gegenüber diesem Ergebnisse muss die verschiedene äussere Erscheinung, welche zwischen dem gleichen Anfange und gleichen Enderfolge liegt, ihre scheinbare Bedeutung verlieren, und die Uebereinstimmung in der Entwickelung des Centralnervensystems aller Wirbelthiere nicht mehr als hypo- thetische, sondern als thatsächliche erscheinen. Denn die Homologie wird in letzter Instanz nicht durch die äussere Form, sondern durch das Entwickelungs- gesetz bestimmt, welches sich aber in der Form nicht immer deutlich offenbart. Von der Sinnesplatte der Knochenfische habe ich bereits in der Beschrei- bung des gleichnamigen Theils der Batrachier gesprochen. Da die ganze Ent- stehung und Umbildung der Axenplatte OELLACHER entgangen ist, so ist es natürlich, dass er auch am Forellenembryo nur die alte Lehre glaubte bestäti- gen zu können, dass das Auge aus dem Hirne hervorwachse, Ohr und Geruchs- organ aber aus dem Sinnesblatte oder der Oberhautanlage, natürlich in isolirten Anlagen, sich entwickelten. Ich finde dagegen, dass die Sinnesplatte, d.h. die gemeinsame Anlage der drei höheren Sinnesorgane, an demselben Thiere viel deutlicher und charakteristischer ausgeprägt ist und sich weiter umbildet als bei der Unker Da der Kiel der Axenplatte ursprünglich nur deren medianen Theil darstellt und die Zellenmassen ihrer horizontalen Seitentheile nur ganz allmählich in sich aufnimmt, so besteht auch während längerer Zeit keine deut- liche Grenze zwischen ihnen, sondern nur ein bogenförmiger, unmerklicher Uebergang. Diese Uebergangsstelle verwandelt sich nun in dem Masse, als jene Seitentheile durch die andauernde Zellenauswanderung zur Oberhautanlage sich verdünnen, in eine abwärts konvexe, gegen den Kiel und gegen die Oberhaut deutlich abgesetzte Leiste, welche von der vorderen Rumpfhälfte aus sich in den Kopftheil fortsetzt, um ihn ganz zu umkreisen, nach hinten zu aber verstreicht. Ihre bogenförmige Anlage erklärt es, dass sie eine schräge Lage einnimmt, gewissermassen den Winkel zwischen dem Kiel und der Oberhaut ausfüllt. Während sie aber im Rumpfe allmählich ganz in die Rückenmarks- anlage aufgenommen wird und so deren dorsalen Abschnitt (hintere Stränge) * Diese Bewegung lässt sich übrigens nicht nur bei den Batrachiern , sondern wenigstens auch bei den Knochenfischen auf die ursprüngliche, centrifugale Zellenverschiebung der primären Keimschicht zurückbeziehen und als deren durch die Embryonalanlage bestimmt abgelenkte Fortsetzung darstellen. 188 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen bildet, unterliegt sie im Kopftheile als Sinnesplatte den schon bei der Unke ge- schilderten Umbildungen. Ihre ursprünglich schräge Lage bildet dabei den Ausgangspunkt entgegengesetzter Verschiebungen. In der hinteren Kopfhälfte vertieft sich die mediale Grenzfurche und wird dadurch der betreffende Ab- schnitt der Sinnesplatte (Anlage des Gehörbläschens) vom Hirn getrennt und in das Niveau der Oberhaut gehoben; an den Seiten der vorderen Kopfhälfte hört diese Vertiefung wieder auf, und wird die Sinnesplatte vielmehr ähnlich wie der homologe Theil des Rumpfes zum Centralnervensystem hinzugezogen, an dessen oberer Hälfte sie eine ansehnliche Vorragung (Anlage der Augenblase) bildet, welche aber durch eme spaltförmige, medianwärts fortschreitende Er- weiterung der lateralen Grenzfurche umgekehrt wie die Anlage des Ohrs zu- nächst von der Oberhaut getrennt wird, um alsdann wie ein Auswuchs des Hirns zu erscheinen. Der vorderste Abschnitt der Sinnesplatte (Anlagen der Nasengruben) stimmt mit dem hintersten überein. Zur Vollendung der Sinnes- anlagen gehört aber neben der geschilderten Umbildung in der Querrichtung noch eine solche in der Längsrichtung. Der kontinuirliche Verlauf der Sinnes- platte bleibt nämlich nicht bestehen, sondern an den Grenzen der wechselnden Umlagerungen entstehen Einschnürungen, namentlich deutlich zwischen Auge und Ohr, welche die Sinnesplatte jederseits in drei getrennte Abschnitte theilen, welche darauf zu den diskreten Sinnesanlagen sich zusammenziehend ent- sprechende Stücke der Oberhautanlage sich dazwischen einschieben lassen. Wenn also bei den Knochenfischen ein sehr charakteristisches Moment in der Umbildung der Axenplatte, nämlich die Furchen- oder Faltenbildung der- selben, bis zur Unkenntlichkeit verdeckt wird, so offenbaren sie uns dagegen in der Entwickelung der Sinnesplatte um so deutlicher ein nicht weniger wich- tiges, nur noch bei den Batrachiern nachweisbares Gesetz, welches aber an den Embryonen der Amnioten schwerlich zur Anschauung gebracht werden könnte. 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. Historische Uebersicht der bisherigen Untersuchungen. Ich habe bereits früher bemerkt, warum v. Baer’s hauptsächlich auf den Hühnerembryo bezügliche Ausführungen über die Umbildung der Keimblätter auch für den Batrachierembryo angezogen werden dürften; und da die Ent- wickelung des mittleren Keimblattes bei der allgemeinen Bildung des ganzen 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 189 Körpers der Wirbelthiere die Hauptrolle spielt, so wird das, was v. Baer über die zwischen der Haut und der Schleimhautschicht auftretenden Theile aussagt, am besten aus einer Darstellung seines Schemas über den Aufbau des Wirbelthierkör- pers ersehen werden können (vgl. Nr. SI Scholion IV S. 160 u. flg. Taf. III Fig. 4. 5.7, S. 57 u. flg. Taf. IV Fig. 1 —6). Das wesentlichste Moment in der Ent- wickelung seiner vier Keimblätter sieht v. Baer darin, dass sie in Röhren, die Fundamental- oder Primitivorgane, verwandelt würden (Nr. 8 I S.164, IIS. 64) Zuerst fällt ein Stamm, die Wirbelsaite, aus dem offenbar noch undifferenzirten animalischen Blatte aus (vgl. Nr.S IS. 15); darüber entsteht die „Nervenröhre“ (Rückenmark und Hirn), darunter aus dem Gefäss- und Schleimblatte die „Darm- röhre“ (Darmkanal und seine Erzeugnisse); beide würden von der inneren Fleischschicht umschlossen, welche zu beiden Seiten des Stammes ausgehend aufwärts die Nervenröhre umwächst (Muskeln, Knochen und Nerven des Rückens) und abwärts nach der vollständigen räumlichen Trennung von dem Gefässblatte (seröse Leibeshöhle) nur in einem gewissen Abstande von der Darmröhre diese letztere umschliesst (Muskeln, Knochen, Nerven der Leibeswand). Um alle diese Röhren bildet endlich die Haut die gemeinsame äusserste Hülle. Für die Extremitäten nimmt v. Baer noch eine besondere röhrenförmige Schicht an — äussereFleischschicht —, welchezwischen der Haut und derinneren Fleischschicht entsteht (Nr. SI S. 196, II S. 75. 76). Was die einzelnen Organe und Körper- theile betrifft, so ist v. Baer der erste Embryolog, welcher die Wirbelsaite des Batrachierembryo bereits im „Primitivstreifen“ entstehen sieht (IIS. 285). Dieselbe gehe bis unter den Hirnanhang, wo sie auch eine leichte Krümmung nach unten bildet (II S. 287). Herz und Gekröse verdanken ihre Entstehung der Gefäss- schicht (II S. 63). Ueber die Bildung der Kiemen spricht sich v. Baer folgender- massen aus: „Man kannbaldan der äusseren Fläche der Bauchplatten einen Wulst unterscheiden, der zwischen dem Gesichte und dem Rumpfe liegt, den Kiemen- wulst. Er erstreckt sich von oben nach unten, und in ihm bilden sich parallele Furchen, denen noch tiefere Furchen von Innen entgegen wachsen und dadurch Kiemenspalten bilden.“ „Frühere Beobachter gaben nur drei Kiemenspalten an. Ich zählte vier in der kurzen Entwickelungsgeschichte der Frösche auf, die in BurvacH's Physiologie Bd. 2 einverleibt ist — und wurde lebhaft deshalb angegriffen. Seit jener Zeit habe ich Frosch-Embryonen in zwei Frühlingen anhaltend untersucht. Ich habe nicht nur mit Sicherheit an ausgekrochenen Larven vier Kiemenspalten gesehen, sondern bin jetzt nur zweifelhaft, ob nicht vorübergehend noch eine fünfte Spalte da ist“ (Nr. 8 TI S.236 vgl. S. 88 Anm.). 190 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Ober- und Unterkiefer hält v. Baer für die Extremitätenpaare des Kopfes; der Unterkiefer insbesondere soll aus der äusseren Fleischschicht des ersten oder der beiden ersten Kiemenbögen, aus der zugehörigen inneren Fleischschicht aber das Zungenbein hervorgehen (IS. 191 — 196, II S. 76. 84. 102). Den Schwanz endlich nennt v. Baer eine Verlängerung der Wirbelsäule, natürlich mit Muskeln und Haut, über die vegetative Abtheilung hinaus (II 5.287. 288), was auch die Anschauung aller späteren Embryologen blieb. In ausführlicher Weise beschrieb REICHERT die unter dem Centralnerven- system sich entwickelnden Theile des Froschembryo.* Nach Vollendung der Umhüllungshaut erscheint als erste Bildung die Wirbelsaite (Nr. 22 S. 12). Anfangs zwischen den Hälften des Centralnervensystems gelegen, hat sie sich später, „während die Urhälften des Centralnervensystems über ihr zur Ver- einigung streben, scheinbar etwas tiefer gesenkt und ruht auf den Zellen des Keimhügels. Vorn und hinten gehen ihre Enden in die Vereinigungsstelle der Urhälften des Nervensystems so über, dass eine Abgrenzung nicht deutlich unterschieden werden kann“ (S. 14). Ueber die ursprüngliche vordere Aus- dehnung der Wirbelsaite unter dem Hirne spricht sich Reichert am deutlich- sten in einem späteren Aufsatze aus (Nr. 86 8. 457): „Die Wirbelsaite endigt also vorn ursprünglich an der späteren Stirnwand, und zwar nicht spitz, auch nicht knopfförmig, sondern einfach abgerundet.“ Im Bereiche des ersten Kopf- wirbels verkümmert die Spitze der Wirbelsaite schon in dem noch schwanz- losen Embryo und hängt alsdann innigst der Hirnbasis an (Nr. 22 S. 18. 50, Taf. I Fig. 15). Die zweite unter dem Centralnervensystem entstehende Anlage sei das Wirbelsytem. „Dasselbe besteht ursprünglich, wie die Centraltheile des Nervensystems, aus zwei membranartigen Schichten des Keimhügels, welche zu beiden Seiten der Wirbelsaite jene Stelle einnehmen, die von den Urhälften des Nervensystems bei dem Streben zur gegenseitigen Vereinigung verlassen wird. Sie befinden sich also unterhalb der früher sogenannten Rücken- platten, dehnen sich der Länge nach ebenso weit aus und gehen vorn und hinten in einander über“ (S. 14). Diese „Urplatten des Wirbelsystems“ treten in dem Masse, als die Urhälften des Centralnervensystems näher zusammenrücken, * Allerdings hat Rrıcnerr bereits in seiner vergleichenden Entwickelungsgeschichte des Kopfes Beiträge geliefert zur Kenntuiss der ersten Anlagen zwischen dem Oentralnerven- und Darmsystem; da sie aber weder vollständig noch zusammenhängend sind und vielfach von den späteren Angaben abweichen, so glaube ich die letzteren für die endgiltigen halten und mich auf dieselben beschränken zu dürfen. 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 191 nach aussen hervor; ihr äusserer Rand „erweitert sich jederseits nach oben zur Rücken-, nach unten zur Visceralplatte; jene verräth das Bestreben, die Centraltheile des Nervensystems, diese die Dottermasse zu umwachsen, um auf diese Weise die obere und untere Wirbelröhre zu bilden. Das Wirbelsystem besteht also gegenwärtig aus einem mittleren Theile, welcher unter dem Central- nervensystem liegt und durch die Wirbelsaite in zwei gesonderte Hälften, die beiden Urplatten geschieden ist, und dann jederseits aus je zwei Seitentheilen, den Rücken- und Visceralplatten, welche unmittelbar von dem mittleren gleich zwei Schenkeln abgehen.“ Sehr bald zeigen sich die ersten Wirbelabthei- lungen in den Urplatten, welche Sonderung auch im Kopftheile, also an der Schädelbasis sichtbar wird. „Hat man nämlich die Urhälften des Central- nervensystems abgenommen, so sieht man zuerst die beiden hinteren Wirbel- abtheilungen des Kopfes, welche sich von denen des Rumpfes nur durch ihre Grösse etwas auszeichnen. Vor ihnen liegt die vorderste und grösste Abthei- lung des Kopfwirbelsystems. Aufihr zeigt sich jederseits eine Grube von der Lage des Augapfels (Taf. II Fig. 15), und nach vorn gehen die beiden Urhälften, als vorderer Schluss der Urplatten des ganzen Wirbelsystems, in einem Bogen in einander über, um die Anlage der Stirnwand zu formiren“ (S. 16. 17). Nach der von REICHERT selbst angezogenen Abbildung geschehe dies alles gleichfalls am noch schwanzlosen Embryo. Etwas später als in den Urplatten entwickeln sich die Wirbelabtheilungen in den Rücken- und Visceralplatten und sind „nicht allein auf das Skelett, sondern auch auf die Weichgebilde zu beziehen“ (S. 32). Während aber die Rückenplatten über dem Centralnervensystem röhrenförmig verwachsen, vereinigen sich die Visceralplatten an der Bauchseite in gleicher Weise nur unter dem ersten und zweiten Kopfwirbel (1—2ten Visceralbogen), dann in der Gegend des Brust- und des Beckengürtels (Grundlage der Extre- mitäten) und an der Schwanzwurzel. „Am dritten Kopfwirbel aber, so wie an dem grössten Theile der Bauchhöhle geschieht die Vereinigung der Visceral- platten nicht durch Wachsthum nach unten, sondern durch eigenthümliche Schlussbildung zwischen den bestehenden vollständigen Abtheilungen der un- teren Wirbelröhre; also zwischen dem zweiten Visceralbogen und dem Brust- gürtel als Analogon des dritten Visceralbogens (Kiemenbogenträger) und zwischen dem Brust- und Beckengürtel nach Art der Musculi reeti abdommis“ (S. 17. 18). — Neben dem Wirbelsystem verdient an dieser Stelle noch das ReıcHerr’sche Hautsystem genannt zu werden, welches als Anlage der künf- tigen Ober- und Lederhaut (S. 71) unter der vergänglichen Umhüllungshaut 192 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. a eine zweite Hülle des ganzen Körpers bildet und, so lange die Wirbelröhren noch unvollendet sind, in der Gestalt der Membranae reunientes dieselben vor- läufig abschliesst (S. 17). — Dass REıcHerr die Darmhaut aus einer ganz selbst- ständigen Anlage hervorgehen lässt (S. 35), wurde schon früher erwähnt. — Eigenthümlich ist nun nach der Reıcnerr’schen Darstellung die Betheiligung der genannten „Systeme“ an dem Aufbaue des Kopfes. Die Lücke, welche zwischen dem Keimhügel und der centralen Dottermasse entstand, soll im tumpfe überall schwinden und nur im Kopfe als Mundhöhle bestehen bleiben. „Die sie von oben bedeckende, zurückgebliebene einfache Zellenschicht des Keimhügels liest nun an der unteren Fläche der Schädelbasis, und hat sich auch über die innere Fläche der Visceralbogen ausgebreitet, wo die übrige Dottermasse nicht mehr vorhanden ist. In der Gegend aber, die dem dritten Schädelwirbel entspricht, und wo der dritte Visceralbogen sich hätte entwickeln sollen, befindet sich noch eine kleinere Partie des Dotters, welche gewisser- massen einen Vorsprung in die Bauchhöhle bildet. Dieselbe umgibt an dieser Stelle von den Seiten und unten (oben ist der Rest des Keimhügels) die zur Mundhöhlesich verwandelnde Lücke des Dotters dergestalt, dass die Wandungen allmählig vom zweiten Visceralbogen ab bis zur Uebergangsstelle (Schlund- öffnung) in die Hauptmasse des Dotters an Dicke zunehmen. Die hinterste Abtheilung der für die Mundhöhle bestimmten Lücke des Dotters wird auf diese Weise nach hinten immer enger, bis sie endlich an der künftigen Schlundöffnung mit dem Dotter des Bauches zusammenstösst. Hier beobachten wir nun fol- sende Bildungsprocesse. — Die der Lücke zugekehrte, innerste Zellenschicht setzt sich mit der vom Keimhügel restirenden Membran an den Visceralbogen und an der Schädelbasis in Verbindung, und formirt mit derselben eine Aus- kleidungsmembran (Schleimhaut?) der Mundhöhle. Unter ihr und zwar zwi- schen dem Schlusstücke des zweiten Visceralbogens und den Anfängen der Visceralplatten des Rumpfes entwickelt sich eine membranöse Verbindung, die zu den Seiten mit dem Hautsystem sich vereinigt und zum Kiemenbogenträger sich ausbildet. Obgleich sie seitlich an das Hautsystem stösst, so geht ihre Entwickelung nach meinen Untersuchungen vom zweiten Visceralbogen, also vom Wirbelsystem aus, und vertritt die Stelle des bei den niedern Wirbelthieren nicht zur Ausbildung gekommenen dritten Visceralbogens. Durch sie wird erst die Kopfvisceralhöhle vollständig konformirt, so zwar, dass seitlich zwischen dem zweiten Visceralbogen und der Visceralplatte des Rumpfes jederseits eine vom Hautsystem gegenwärtig bedeckte Spalte übrig bleibt, in welcher das Kiemen- 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 193 system sich entwickelt. — Der grösste Theil der Dotterzellen aber, welche wir als eine vorspringende Partie der Hauptdottermasse in der Bauchhöhle beschrie- ben haben, wird zur Bildung des centralen Theils des Gefässsystems angewendet; aus der unteren Mitte entwickelt sich das Herz, zu den Seiten die Aortenbogen“ (S. 20.21). An der äusseren Fläche der drei Aortenbögen verdicke sich als- dann das Hautsystem zu den drei Kiemenbögen, welche sich auf den Kiemen- bogenträger stützen und mit ihren Erzeugnissen, den Kiemen selbst, der Cutis angehören. Nach Vogr entsteht die Wirbelsaite erst nachdem die Rückenwülste aus- gebildet sind; da er aber diese nach ihrer inneren Zusammensetzung für durch- aus indifferente Theile hält, so gilt ihm die Wirbelsaite immerhin als erste bestimmte Organanlage (Nr. 26 8. 52. 60). Sie entstehe in der Längsaxe des Embryo unter der Rückenfurche in der übrigen indifferenten Zellenmasse ver- graben und ende im Kopfe scharf begrenzt zwischen den beiden Ohrblasen (S. 41. 56). Die indifferenten Zellenmassen zur Seite der Chorda, welche nach oben als Rückenwülste sich zu einer vollständigen Röhre schliessen, setzen sich auch abwärts als Bauchplatten fort, die anfangs den Dotter nur halb um- fassend eine weit auseinanderstehende Furche bilden (S. 56). Später verwach- sen sie zu einem vollständig geschlossenen Sacke, welcher die centrale Dotter- masse (Dotterkern VogT) enthält und selbst nur noch von der Umhüllungshaut bedeckt wird. Der Dotterkern wird später von einer besonderen sackartigen Membran eingeschlossen, welche sich von der Innenfläche der Bauchplatten absondert und den Darm bildet (S. 57—58). Die Wirbelabtheilungen zeigen sich, „sobald die Wülste am Rücken geschlossen und der Schwanz zu sprossen beginnt, als gleichmässig von einander abstehende, Furchen, welche, die Um- hüllungshaut, die Chorda und die jetzt sich differenzirenden inneren Zentral- organe des Nervensystems ausgenommen, durch die ganze Dicke der Zellen- massen des Rumpfes durchsetzen“ (S. 58). „Jede Wirbelabtheilung zerfällt mit dem Laufe der Entwickelung in drei gesonderte Schichten, Haut, Muskel und starres Gebilde, möge dieses nun blosses Knorpel- oder Knochengewebe sein“ (S. 66). Den Kopftheil lässt Vogt im wesentlichen ebenso zusammen- gesetzt sein; er bestehe „aus einer breiten, mittleren Tafel, der Schädelbasis, welche nach oben in zwei einen Halbkanal bildende Blätter, die Rückenwülste, nach unten in zwei ähnliche, die noch ungetrennten Visceralbogen, sich um- schlägt. Sobald beide sich geschlossen, stellen sie die beiden Hauptröhren dar, aus welchen das Wirbelthier sich zusammensetzt, nach oben das die Organe GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 13 194 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. der sensiblen Sphäre umschliessende Wirbelrohr, nach unten das die vegetativen Organe umfassende Visceralrohr“ (S. 55). Die Kopfvisceralröhre sei aber eine von aussen entstandene Einstülpung der Rindenschicht (S. 57. 67). Ecker beschränkt sich allerdings fast ausschliesslich auf die Beschreibung und Deutung der äusseren Erscheinungen; aber da diese Erklärungen vielfach anerkannt sind, so kann ich nicht umhin sie hier zu erwähnen. Wann die . Rückenwülste eben erschienen sind und sich vorn bogenförmig vereinigt haben, bemerke man jederseits am äusseren Umfange dieses Bogens zwei kleine durch Kerben gesonderte Hervorragungen (Nr. 41 Taf. XXIII Fig. XVIID. Das erste Paar verlängert sich sehr bald vor- und abwärts und vereinigt sich zu einem das Hirnende umkreisenden Bogen. „Diese Erhebung, die Anlage des ersten Visceral- bogens (später namentlich Unterkiefergürtel), umgrenzt eine flache Stelle unter dem vorderen Schlusse der Rückenwülste, welche später einen Theil des Gesichts bildet und deren mittlerer Theil bald einsinkt und am Ende durchbricht, um den vorderen Eingang zur Visceralhöhle zu bilden“ (Fig. XIX. XX). Das zweite Paar sowie zwei weitere hinter ihm entstehende Paare von Wülsten reichen nur bis zu einer gewissen Grenze abwärts und sind die Anlagen der Kiemen- bögen (Fig. XXI. XXI). Die Entwickelung des Herzens im Boden der unter dem Kopfende befindlichen Visceralhöhle lässt EckEr ganz ebenso wie REICHERT erfolgen (Nr. 41 Fig. XXX). Mit Rezmax beginnt die bestimmte Unterscheidung von Keimblättern auch am Batrachierembryo. Die Thätigkeit des mittleren Keimblattes schildert er folgendermassen. „Bevor die Medullarwülste sich zur Bildung des Medullar- rohrs wieder nähern, hat sich schon aus dem Axentheile des mittleren Keimblattes unter der Rinne, welche die vergängliche Verbindungshaut der Medullarwülsste in zwei Seitenhälften scheidet, die dicke grosszellige Chorda gesondert. Ihr zu- gespitztes Kopfende reicht bis zur Basis des Vorderhirnes, ihr breites Hinterende hängt noch mit den Urwirbelplatten zusammen, welche wie beim Hühnchen an- fänglich unter den Medullarwülsten liegend, bei deren Vereinigungihnen als wall- förmige Umgrenzung folgen. Diese Wälle erheben sich zur Umwachsung des Medullarrohrs am frühesten und stärksten im Bereiche des Rückenmarks; im Be- reiche des Gehirns stehen sie weit aus einander und gehen hier ohne scharfe Grenze in die Sinnes- und Schlund- oder Kiemenplatten über. So weit sie sich im Bereiche des Rückens erheben, zerfallen sie durch Querfurchung in die soge- nannten Urwirbel, die nach meiner Ermittelung (Fror. N. Not. 1845 Nr. 768. Ueber ein selbst. Darmnervensystem 1347 S. 23) zunächst blos die Anlage der 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 195 Wirbelmuskeln sind“. „Die Muskelplatten sind unterhalb des Rückenmarks durch eine, die Chorda umhüllende Membran mit einander verbunden, welche die Anlage der Aorta so wie der Wirbelkörper enthält. An der Basis des Gehirns bildet die verdickte Fortsetzung jener Membran die Anlage des Schädelgrundes, die sich ununterbrochen in die Gesichts- und Kiemenplatten fortsetzt“ (Nr. 40 S. 153. 154). Vorn am Kopfe sieht nämlich Remax gleich Ecker zwei Wülste hinabwachsen; der erste soll sich in Gestalt einer Leiste zur Seite des Hirns rückwärts verlängern, den zweiten oder den Kiemenwulst aus seiner Berührung mit dem Hirne verdrängen und endlich alle Sinnesorgane in sich aufnehmen und umhüllen. Aus diesem Grunde nennt RrmAx diesen ersten Wulst die Gesichts- oder Sinnesplatte (S. 149. 150). Der Kiemenwulst zerfällt in die Kiemenbögen, indem erst drei äussere Rinnen entstehen, denen ebenso viele entsprechende rinnenförmige Ausstülpungen des Drüsenblattes entgegenwach- sen; die zwei hinteren Kiemenspalten werden nur von innen her angelegt (3.155). — „Der an die Muskelplatten grenzende peripherische Theil des mittleren Keim- blattes entspricht durchaus den Seitenplatten des Hühnchens, da er sich durch Spaltung in Haut-, Mittel- und Darmfaserplatten sondert“ (8.154). „Nachdem die Spaltung der Seitenplatten erfolgt ist, werden die Urnieren und die Muskel- platten des Rückens an ihrer Aussenfläche von den Hautplatten umwachsen, die sich nunmehr als die Anlage der bindegewebigen Unterhaut erweisen. Im Be- reiche des Schwanzes findet eine solche Umwachsung nicht statt hier ist sofort nach Schliessung des Medullarrohrs die Anlage der Muskelplatten von einer Zellenschicht bedeckt, welche als Fortsetzung der Seitenplatten die Schwanz- flosse bildet. Das Aehnliche gilt von dem Kopfende der Larve: auch hier wird das Hirnrohr schon während seiner Schliessung von einer weichen Zellenschicht umhüllt, welche mit den Gesichts- und Kiemenplatten’und so mittelbar auch mit den gespaltenen Seitenplatten im Zusammenhange sich befindet. Die aus der Spaltung der Seitenplatten hervorgegangene Lücke ist die Anlage der gros- sen serösen Höhle (Pleuroperitonealhöhle)“ (8. 155). Die Extremitäten und Bauchmuskeln hält Rzmax ebenfalls für Erzeugnisse der Hautplatten (S. 156). Stricker hat die Embryonalanlagen zwischen dem oberen Keimblatte oder seinen zwei ersten Blättern und dem Darmblatte eigentlich nur im Kopfe untersucht. Das motorische (mittlere) Blatt, welches im Rumpftheile aus der axialen Wirbelsaite und den etwas verdickten Seitentheilen bestehe, ver- schmelze unter der Hirnanlage zu einer einfachen Zellenlage (Schädelbasis); diese besitze an Stelle der Chorda zuweilen eine Zellenanhäufung, die aber 13 * 196 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. auch oft fehlt, „und gegenüber dem bestimmten Charakter, welchen die Chorda auf dem Querschnitte schon bei ihrem ersten Auftreten zeigt, ist es uns kaum gestattet dieselbe noch am vordersten Hirnende zu suchen“ (Nr. 55 S. 62. 63). Bald aber erscheine im Kopfende „zwischen dem motorischen Blatte und den seitlichen Verlängerungen der Nervenanlage jederseits eine kleine Zellen- gruppe“ (S. 63. 64); später entwickele sich ein zweites Paar solcher Zellen- massen, welche jedoch nicht dem motorischen Keimblatte angehören, son- dern nur auf ihm entstanden sein sollen (S. 69). „Das vordere Paar umfasst jederseits den abgerundeten Winkel, welcher durch die seitliche Ausbuchtung des vorderen breiten Endes der Rückenfurche gebildet wird (die Anlage der Augenblasen), „und dehnt sich sodann, indem es nach vorn zu wächst, derart aus, dass jeder Theil die vordere Grenze der centralen Nervenanlage erreicht und in der Mittellinie mit seinem Gespann zusammentrifit“ (S. 64). Das vor- dere Plattenpaar bildet also „gleichsam eine aus zwei Hälften bestehende Spange für das vordere Ende des centralen Nervensystems, deren Enden sich über die Augenblasen nach rückwärts erstrecken“. Durch die allgemeine Ge- staltveränderung des Embryo wird auch das Plattenpaar beeinflusst; es nimmt dann durch Verschiebung folgende Lage ein. „Je ein Theil der Platte beginnt hinter der Augenblase, umkreist deren hinteren und unteren Umfang und ge- langt sodann an die vordere untere Begrenzung des centralen Nervensystems, an dessen Mittellinie sich beide Theile berühren. Von der ganzen vorderen unteren Grenze des Hirns ausgehend, wuchern nun beide Theile nach abwärts, um so die vordere Grenze des Thierchens zu verlängern ; andererseits geht aber von jedem hinter je einer Augenblase gelegenen Theile der Platten eine Zellenwuche- rung aus, welche über die Augenblase hinweg nach vorne schreitet, und diese so- weit umwächst, dass nur an der vorderen Peripherie eine kleine Stelle frei bleibt, wo die Augenblase an das nach vorne gelegene Geruchsorgan grenzt“ (S. 65). Das zweite Plattenpaar entstehe an der Stelle, wo etwas später das Gehörbläschen sichtbar werde. Es sei anfangs vom motorischen Keimblatte und dem ersten Plattenpaare durchaus geschieden; „wohl besteht aber diese Trennung nicht lange, sondern bei einigermassen vorgerückten Larven setzt sich die vordere Platte ununterbrochen nach rückwärts fort“ (S. 71). Das zweite Plattenpaar wuchert hinter dem ersten abwärts und bildet den zweiten Visceral- oder Kiemenbogen. Beide Paare nennt StrIcKErR Schlundschienen; hinter ihnen entwickeln sich später noch andere Plattenpaare, welche die Kiemen erzeugen. Aus dem ganzen Aufsatze, besonders aber aus einigen Stellen desselben (S. 70. 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 197 74) geht zur Genüge hervor, dass nach Srricker’s Ansicht die ursprüngliche einfache Zellenlage des mittleren Keimblattes, welche unter der Hirnanlage sich befand, nur die dünne Membran bildet, welche auch später noch in der Mitte des Schädelgrundes angetroffen wird, während alle übrigen festen und weichen Gebilde des Kopfes, welche weder zum oberen Keimblatte noch zum Darmblatte gehören, wenigstens bis zu den Öhrkapseln aus dem ersten Schienen- paare hervorgehen. Török glaubt diese Ansicht bestätigen zu können (Nr. 58 S. 7. 9) und behauptet in seinem zweiten Aufsatze noch ganz besonders, dass das erste Schienenpaar vorn verschmilzt, aber in der Mitte dieser Verbindung von der Mundbucht durchbrochen werde, sodass über derselben ein Theil der Schienenmasse als vordere Schädelbasis verbleibe, der andere Theil aber da- runter zum Unterkiefer werde (Nr. 59). v. BAMBECKE nimmt die Remar’sche Eintheilung des mittleren Keim- blattes in Wirbelsaite, Urwirbel und die peripherischen Seitenplatten an; über das weitere Verhalten der Urwirbelplatten theilt er aber einige Beobachtungen mit, welche wesentlich mit meinen, schon vor dem Bekanntwerden der v. Bam- BECKE’schen Abhandlung mitgetheilten Beobachtungen * übereinstimmen. Die Urwirbelplatten sollen nämlich nur in ihrem centralen Theile die Muskelanlagen enthalten, dagegen an ihrer inneren und äusseren Fiäche Zellenschichten ab- sondern, welche anderen Zwecken dienen. Die innere Schicht, welche zwischen den Muskeln und dem Rückenmarke liegt, liefere die Wirbel; die äussere, die Muskeln bedeckende „dorsale Hautplatte“ (lame cutan&e dorsale) verbindet sich abwärts mit der Remar’schen Hautplatte oder der äusseren Schicht der Seiten- platten, aufwärts wuchernd aber mit der wirbelbildenden Zellenlage, worauf beide das Rückenmark oben umwachsen (Nr. 63 8. 52. 54). Im Kopfe gebe es keine gesonderten Anlagen des mittleren Keimblattes, sondern alle die Theile, welche den Urwirbeln des Rumpfes entsprechen, also das Hirn aufwärts um- wachsen und die abwärts gerichteten Visceralfortsätze entwickeln, bilden zu- sammen eine unterschiedslos zusammenhängende Zellenmasse, in welcher erst später die histiologischen Sonderungen vor sich gehen (S. 53). * Mein Aufsatz (Nr. 64) erschien im Anfange des Jahres 1869; der Band der M&moires couronnes etc. der Brüsseler Akademie, welcher v. Bamgecke’s Abhandlung enthält, war, obgleich zum Jahre 1868 gehörig, im Jahre 1869 noch nicht veröffentlicht worden. Durch die ausnehmende Güte des Verfassers erhielt ich jedoch im Winter 18°%/,, einen Separat- abdruck jener Abhandlung. . 198 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Um den innigen Zusammenhang der ersten Entwickelungsvorgänge im Eie anschaulich zu machen, habe ich bereits im vorigen Abschnitte einiges aus der Entwickelungsgeschichte des mittleren Keimblattes anführen müssen. Ich zeigte, wie der dorsale Abschnitt des genannten Blattes vorherrschend die Flächenausdehnung desselben, also die Umbildung aus der Gürtelform zu einer geschlossenen Blase besorgte, während die Embryonalzellen des sich träger ausbreitenden, daher einige Zeit dickeren ventralen Abschnittes in den Rücken- theil hinaufrückten und sich im Axenstrange ansammelten. Diese Zellenaus- wanderung, welche, wie schon mehrfach bemerkt, in erster Linie nicht einer Lebenserscheinung, sondern dem mechanischen Auseinandergedrängtwerden der sich theilenden Embryonalzellen entspringt, offenbart sich zuerst an den der Darmhöhle zunächst liegenden Theilen und pflanzt sich alsdann bis auf die eigentliche Bauchseite fort. Sie bewirkt in dieser Reihenfolge einmal die deutliche Absonderung des Blattes von der Dotterzellenmasse und ferner eine Verdünnung der von ihr betroffenen Theile. Wenn aber diese Veränderungen kaum begonnen haben, vollzieht sich im Axenstrange die Absonderung der Wirbelsaite (Taf. ILI Fig. 57. 58). Was die Ursache derselben sei, ist nicht leicht zu erkennen; ich will es daher nur als Vermuthung aussprechen, dass der Druck des gegen das obere Keimblatt vorragenden Axenstranges die später unläugbar innige Verbindung der beiden Keimblätter bewirkt, und dass dieser Zusammenhang zu einer Zeit, wo das Darmblatt dem mittleren Keimblatte auch noch ziemlich fest anhängt, gleichsam eine feste mediane Scheidewand in dem letztgenannten Blatte erzeugt, von welcher die anstossenden Seitentheile sich absondern müssen, weil ihre Elemente nicht ruhig liegen bleiben, sondern durch die andauernde Zellenanhäufung in beständigem Ortswechsel erhalten werden. Mag man nun dieser Ansicht über die Entstehung der Wirbelsaite beitreten oder nicht, den Werth einer solchen medianen Scheidewand zwischen den Seitentheilen des mittleren Keimblattes hat die Wirbelsaite für die folgende Zeit jedenfalls. Die sie unmittelbar einfassenden Ränder jener Seitentheile sind auch schon verdickt, aber noch in einer sehr mässigen seitlichen Ausdeh- nung. Während nun die Zelleneinwanderung fortdauert, und damit diese Ver- dickung auf Kosten der sich verdünnenden peripherischen Theile zunimmt, ordnen sich die Elemente der letzteren, welche früher locker und mehrfach über einander lagen, allmählich in zwei einfache Zellenlagen an, welche durch spalt- artige Räume untereinander und von ihrer Umgebung deutlich abgegrenzt er- scheinen (Taf. III Fig. 58. 62). Auch diese Entwickelung setzt sich von den 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. | 199 Seiten der Darmhöhle erst allmählich bis an die Bauchseite fort. Im Rücken lassen sich die beiden Lagen bis in die verdickten Ränder des mittleren Keim- blattes verfolgen, wo sie zu einer Falte verbunden bleiben, in deren Innenraume sich die neu hinzukommenden Zellen ansammeln (Taf. IV Fig. 67.68). Denn da an eine freie Zellenbildung zwischen den beiden Zellenlagen schon wegen des Mangels eines freien Raumes, wo die Bildung vor sich gehen könnte, nicht gedacht werden 'kann*, so muss man annehmen, dass bei der Unmöglichkeit einer Flächenausbreitung jener Schichten eine Anzahl der stets neu anrückenden Zellen aus dem Zusammenhange der Blätter hinausgedrängt und so ihnen zur Seite angehäuft wird. Will man nun schon auf dieser Entwickelungsstufe die unter der Axenplatte liegenden Seitentheile des mittleren Keimblattes als Segmentplatten von der weiteren peripherischen Fortsetzung oder den Seitenplatten (REMAR) unterscheiden, so muss hervorgehoben werden, dass die ersteren anfangs nur in ihrem medialen verdickten Abschnitte sich vor den Seitenplatten auszeichnen, und diese wiederum nur in ihren oberen, der Darm- höhle zunächst liegenden Abschnitten bereits die Sonderung in zwei Blätter zeigen, an der Bauchseite aber noch aus dem vollständig ungesonderten Keim- blatte bestehen. So zeigt sich also an einem und demselben Querschnitte die allmählich fortschreitende Entwickelung des mittleren Keimblattes aus dem ursprünglichen, indifferenten Zustande, wo die Zellen in mehrfachen Schichten ungeordnet neben einander liegen, zu der Anordnung in zwei Blätter und end- lich zu der Zellenansammlung zwischen denselben in einem einzigen, noch un- unterbrochenen Verlaufe (Taf. V Fig. 92). Erst allmählich füllen sich die faltenförmigen Segmentplatten so weit mit Zellen, dass ihre Verdickung stets in genauer Anpassung an das untere Relief der Axenplatte bis zum seitlichen Rande der letzteren reicht, und ihr innerer Rand die Höhle der früher vor- ragenden, theils rundlichen, theils leistenförmigen Wirbelsaite erreicht. Die vollständige Entwickelung der Seitenplatten erfolgt aber noch weit später. Was ich aber bisher beschrieb, bezieht sich zur Zeit nur auf den grösseren, mittleren Theil des Rückens. Denn hinten, gegen die Ruscoxtsche Oeffnung hin, sind die geschilderten Sonderungen noch nicht eingetreten, und im vorder- sten Kopftheile fliessen die Segmentplatten und die Wirbelsaite zu einer einfachen * Ich weise eine solche Annahme hier deswegen ausdrücklich zurück, weil sie bei den Embryonen der höheren Wirbelthiere, deren sogen. Urwirbel sehr scharf begrenzte und all- mählich sich ausfüllende Höhlen enthalten, sich leicht empfehlen könnte. 200 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Zellenlage zusammen, ‚welche am Rande des Kopftheils gleich den übrigen Segmentplatten in die Seitenplatten übergeht (Taf. III Fig. 59. 60, Taf. IV Fig. 63. 64.70. 71.78, Taf. V Fig. 81. 82. 95—97). Ob nun die frühzeitige starke Ausbildung der Hirnplatte als die Hemmungsursache jener theilweisen Verkümmerung der medianen Theile des mittleren Keimblattes anzusehen ist oder nicht, jedenfalls steht so viel fest, dass die Entwickelung der Axenplatte und diejenige der Segmentplatten nebst der Wirbelsaite in einem innigen Wech- selverhältnisse stehen, so dass die stärker ausgebildeten Stellen des einen Theils mit einer schwächeren Ausbildung des anderen zusammenfallen und umgekehrt. Nach dieser allgemeinen Uebersicht will ich die Einzelheiten der Ent- wickelung des mittleren Keimblattes nach der schon bei der Axenplatte befolg- ten Methode verfolgen. Erste Entwickelungsstufe (Taf. IV Fig. 63— 70). Dort, wo die Segmentplatten aus dem Randwulste der Rusconr'schen Oeffinung in den Schwanztheil des Rückens eintreten, erscheinen sie als sehr ansehnliche Polster, ein wenig breiter als hoch, deren mediale obere Flächen mit der dazwischen liegenden Wirbelsaite eine gleichmässig ausgehöhlte, flache Mulde zur Aufnahme der ungetheilten Axenplatte bilden, und deren äussere Theile in sanfter Krüm- mung in die Seitenplatten übergehen. Beim Uebergange in den Rumpftheil erhebt sich der innere Rand und sinkt die äussere Kante der Segmentplatten, sodass zwischen beiden jederseits eine flache Einsenkung für die entsprechende Medullarplatte entsteht. Die Wirbelsaite liegt, so lange die Rückenrinne sicht- bar ist, unter dem Niveau der inneren Ränder der Segmentplatten; sie ist schmäler und höher geworden als früher, indem die vorher runden Zellen, von denen drei auf die Breite der Wirbelsaite gingen, nunmehr in die Quere ge- streckt und so über einander geschichtet sind, dass immer je zwei, in der Me- dianebene ziemlich regelmässig zusammenstossende Zellen auf die Breite der Wirbelsaite kommen. Je näher zum Kopfe desto niedriger und breiter werden die Segmentplatten; im hinteren Kopftheile werden sie durch die unteren Vor- ragungen der Hirnplatte namentlich in ihrer Mitte eingedrückt, im abgebogenen Kopftheile mehr gleichmässig abgeflacht. Wenn aber die Segmentplatten des Kopfes auf diese Weise in ihren grösseren medialen Abschnitten am Wachs- thume gehindert erscheinen, so fehlt doch ein solches nicht ganz, indem die neu hinzukommenden Zellen über der äusseren Kante der Platte in den eben ent- stehenden Wulst ausweichen und die Falte, welche am Rumpfe geschlossen 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 201 bleibt, ausfüllen. Diese Zellenansammlung lässt sich nur an der Seite des Kopfes, nicht an seinem vorderen Umfange nachweisen und fängt schon in diesem Stadium an, an einer Stelle selbstständig zu werden; doch will ich diesen Vorgang erst eingehender betrachten, wenn er allgemein geworden ist, und hier nur feststellen, dass die Zellenmasse des mittleren Keimblattes, welche das Innere des Wulstes am Kopfe einnimmt, ursprünglich eine Wucherung der Segmentplatten ist. — Ich bemerke noch, dass zu derselben Zeit die Wirbel- saite noch nicht bis zur Mitte des Kopfes sichtbar geworden ist, und dass in seiner vorderen Hälfte noch immer eine einfache Zellenlage sich unter der Hirn- anlage hinzieht. Zweite Entwickelungsstufe (Taf. IV Fig. 71—80, Taf. V, VI). In dieses Stadium fällt die Umbildung der leistenförmigen Wirbelsaite zu einem cylindrischen Strange und die Differenzirung der Segmentplatten. Jener erstge- nannte Entwickelungsprocess beginnt bald früher bald später, ohne nachweis- baren Zusammenhang mit dem anderen oder den Veränderungen der übrigen Anlagen. Die scheinbar so einfache Umbildung, welche eigentlich nur in einer Abrundung der vier Kanten der ursprünglichen Wirbelsaite besteht, beruht nicht wie in ähnlichen Fällen auf einer Anpassung an die Umgebung, sondern erfolgt unter theilweiser Ablösung der Wirbelsaite von den sie berührenden Theilen und vermittelst einer ganz bestimmten, höchst subtilen Umlagerung ihrer Elemente. Da ich aber für diesen ganzen Vorgang Ursachen in der nächsten Umgebung der Wirbelsaite nicht entdecken konnte, so will ich ihn auch ausserhalb der allgemeinen Darstellung, aber im Zusammenhange mit der ganzen übrigen histiologischen Entwickelung der Wirbelsaite in einem be- sonderen Abschnitte 'abhandeln. Hier sei nur bemerkt, dass der viereckige Querdurchschnitt erst fassartig, dann elliptisch und endlich kreisrund wird; und zwar beginnt die Umbildung im vorderen Körpertheile, an der Grenze des Kopfes und setzt sich zuletzt in das Schwanzende fort. Zur Seite der Wirbelsaite wird die Masse der Segmentplatten in der Weise median- und aufwärts verschoben, dass die früher äussere Kante derselben, beständig in den Winkel des Wulstes hineingepresst, zu einer oberen wird, von der aus eine laterale Fläche zu den Seitenplatten und eine mediale zum inneren Rande hin dachähnlich abfallen. Dadurch wird der Durchschnitt der Segment- platten ein nahezu dreieckiger. Während dieser Umbildung werden die zwei ursprünglichen Schichten der Segmentplatten, zwischen denen die Zellenan- sammlung begann, theils ganz undeutlich , theils tritt an ihre.Stelle eine kon- 202 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. ui nuirliche, jene innere Zellenmasse umschliessende Rindenschicht, welche jedoch, wie ich später zeigen werde, nicht ohne weiteres als eine einfache Erweiterung der ursprünglichen, faltenförmigen Segmentplatte angesehen werden darf. Im Kopftheile erfolgt die Zellenansammlung nicht in der ganzen Breite der Segmentplatte, sondern vorherrschend an der äusseren oberen Kante, von wo aus sie in den schon, mehrfach erwähnten Raum des Wulstes in dem Masse hinein wächst, als derselbe sich entwickelt. Die Beobachtung lehrt aber, dass diese angesammelten Zellen nicht etwa zwischen den beiden Segmentschichten liegen, von denen die äussere in eine scharfkantige Falte wäre ausgezogen worden; sondern dass die innere Schicht unverändert darunter hinwegzieht, die äussere dagegen unmittelbar in jene Zellenwucherung übergeht, welche wie eine Verdickung oder wie ein Auswuchs derselben erschemt (Taf. IV Fig. 64. 72, Taf. V Fig.82). Bisweilen scheint diese Neubildung allerdings ausserhalb der vollständigen Segmentplatte zu liegen (Taf. IV Fig.66);, da aber dieser Befund selten und niemals im Anfange der Zellenansammlung anzutreffen ist, so kann er die Abstammung der fraglichen Zellenmassen von der äusseren SchichtderSeg- mentplatte nicht in Zweifel setzen und stellt offenbar nur eine ungewöhnliche Form ihrer nachträglichen Absonderung vom Mutterboden dar. Gewöhnlich geschieht dies in der Weise, dass die sich ablösenden Zellenmassen» in der äusseren Schicht der Segmentplatten entsprechende Lücken zurücklassen, welche erst nach einiger Zeit sich ausgleichen und dadurch die Zeichen für die ursprüng- liche Zusammengehörigkeit beider Anlagen verwischen (Taf. V Fig. 91, Taf. VI Fig. 111. 112). Die wichtigste Umbildung der Segmentplatten ist jedenfalls ihre Gliederung in diejenigen Theile, von denen sie den Namen erhalten, die Segmente*. Dieser merkwürdige Process beginnt zur Zeit, wann die Cerebromedullarfurche im Kopftheile entwickelt ist, in der Gegend des Hinterkopfes, ob aber innerhalb des letzteren oder des angrenzenden Rumpftheils, vermag ich nicht anzugeben ; von dort aus setzt sich die Theilung nach den beiden Körperenden fort, erreicht aber das Kopfende früher, als sie nur in die Nähe des Schwanzendes gelangt ist. Die Segmente entstehen in der Weise, dass die Platten rechtwinkelig zur Medianebene in schmale Leistchen zerfallen, welche aber mit ihren unteren, * Seitdem ich nicht nur an den Embryonen der Batrachier, sondern auch an denen der Knochenfische, Reptilien, Vögel und Säugethiere entdeckt habe, dass die Wirbelsäule nicht unmittelbar aus den Segmenten hervorgeht, habe ich die alte Benennung der „Urwirbel‘“ ganz aufgegeben und jenen allgemeineren Ausdruck gewählt. er 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 203 äusseren Enden noch mit den Seitenplatten zusammenhängen. Die Theilungen beider Körperseiten korrespondiren ziemlich genau mit einander. Die einzelnen Vorgänge bei diesen Quertheilungen habe ich allerdings bei den Batrachiern weniger deutlich verfolgen können, weil es nicht leicht ist, an ihren Embryonen Sagittalschnitte auszuführen, welche beide Schichten der Segmentplatten senk- recht träfen. Doch glaube ich, dass die Batrachier in dieser Hinsicht sich nicht von den Amnioten und Knochenfischen unterscheiden werden, bei denen ich die Segmente erst nur durch Einkerbungen von oben nach unten, und dann durch spaltförmige Fortsetzungen derselben sich von einander scheiden sah. Und da die sich theilenden Segmentplatten bereits in eine Rindenschicht und eine innere Kernmasse gesondert sind, so müssen auch dieSegmente von Anfang an diese Theile besitzen. Nur ist es bei der anfangs geringen Breite der Segmente von höchstens zwei Zellen schwer, diese Anordnung an Längsschnitten, welche die Segmentirung zeigen, ebenso deutlich wie an Querdurchschnitten zu erkennen. Dies wird erst möglich, wenn die Segmente in dem Masse als die Länge des Rückens überhaupt zunimmt, sich von der Seite zur Medianebene zusammen- ziehen, dagegen nach vorn und hinten ausdehnen (Taf. VI Fig. 100. 102). Eine besondere Erwähnung verdienen hier schon die vier vordersten Seg- mente, welche die Ausdehnung und die Grenzen des Kopfes bestimmen, während der allmähliche Uebergang der Hirn- und Sinnesplatte in die Medullarplatte des Rückens zu breit ist, um mehr als eine ganz allgemeine Eintheilung abzu- geben. Um ein klares Bild von diesen Segmenten des Kopfes und ihrer späteren Umbildung zu entwerfen, muss ich etwas weiter ausgreifen und zum Theil an frühere Beschreibungen erinnern (ausser den schon citirten Abbildungen Taf. III Fig. 45. 50. 51). — Man vergegenwärtige sich einen Embryo aus der Zeit, wann die Rückenfurche noch offen steht. Die Rückenbildung, insofern sie vom Fusse der Rückenwülste an über die ursprüngliche Oberfläche hervorragt, ist in der Mitte des Körpers am stärksten zusammengezogen, schmal und hoch und nach aussen steil abfallend; der darunter befindliche Bauchtheilistim Uebergange zum schma- len Rücken gleichfalls von der Seite her etwas zusammengedrückt, und dasGanze gibt einen birnförmigen Querschnitt. Nach beiden Körperenden hin nähern sich die Querschnitte dagegen wieder der Kreisform, indem am Schwanzende die Höhe und Zusammenziehung des Rückens abnimmt, am Kopfe aber durch eine stärkere seitliche Ausladung der Wülste der schroffe Uebergang vom Rücken zum Bauchtheile ausgeglichen wird. So treten also dort die vom Rumpfe etwas eingedrückten Flanken wieder stärker hervor, wodurch ihr durch einen wulstigen 204 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Rand bezeichneter Uebergang zur vorderen und hinteren Fläche des Körpers, in welche die Rückenbildung scharf umbiegt, um so ausgeprägter erscheint. Und zwar kann diese Erscheinung bisweilen so gleichartig an beiden Körper- enden auftreten, dass die Unterscheidung derselben am unberührten Embryo sich nicht auf den ersten Blick ergibt. Am Schwanzende verwischt sich dieses Bild aber sehr bald, während es am Kopfende den Ausgangspunkt für die wei- tere Entwickelung darstellt. Jeder Frontalschnitt lehrt nun, dass jener wul- stige Rand, welcher das abgestumpfte Kopfende umschreibt, nicht der Ausdruck einer soliden, etwa vom dorsalen Kopfwulste auslaufenden Bildung ist, wie man bisher häufig annahm, sondern durch eine Ausbauchung der unveränderten und aus allen drei Keimblättern zusammengesetzten Körperwand des Embryo ent- steht*. Und zwar entspricht diese seitliche Knickung {der embryonalen Wand der Darmhöhle durchaus der winkeligen Umbiegung des Rückens, ist eigent- lich nur eine seitliche Fortsetzung derselben, was innen aus dem vom Rücken her an den Seiten abwärts fortlaufenden Flächenwinkel des Darmblattes klar hervorgeht, während äusserlich die Wülste den Zusammenhang der Biegung am Rücken und an den Seiten verdecken. Weiter abwärts werden die Schenkel dieser Ausbiegung ganz unbestimmt, und ich konnte eine bogenförmige Ver- einigung derselben nicht nachweisen. Allerdings entsteht am unberührten Embryo der Schein einer solchen Vereinigung, indem jederseits eine dunkler gefärbte Verdickung der’ Deckschicht sich bemerkbar macht, welche im An- schlusse an die abwärts verstreichende Ausbiegung der Körperwand die wulst- förmige Vorragung in einem Bogen nach unten und vorn bis zur Medianebene fortsetzt. Aber diese Verdickungen der Deckschicht oder die Anlagen der sogen. Haftorgane bleiben eine rein äusserliche Bildung, welche ohne nach- weisbaren Einfluss auf die Entwickelung des Kopfes besteht. Immerhin dient sie dazu, die von jener Ausbiegung eingeleitete Abgrenzung zu vollenden sodass von beiden gemeinsam eine rundliche Platte umschrieben wird, welche durch ihre ausgeprägte Abbiegung von der oberen und seitlichen Fläche des Embryo die vordere Abstumpfung desselben hervorruft. Diese Platte, welche die abgebogene Hirnpartie enthält, stellt schon in diesem Entwickelungsstadium eine vordere Kopfhälfte dar; in ihrem ganzen Umfange schliesst sich die hintere * Die embryonale Körperwand, welche überall den ganzen Keim, die zwei Keimschichten oder drei Keimblätter begreift, entspricht durchaus der „Keimhaut“ der älteren Embryo- logen; doch halte ich diese besondere Bezeichnung, namentlicb bei Batrachierembryonen, nicht für nöthig. 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 905 Kopfhälfte an, welche man sich zur selben Zeit als einen Gürtelabschnitt der übrigen Körperwand denken muss, der am Rücken die hintere Hirnhälfte ent- hält und dann seitlich und abwärts sich bedeutend verschmälert, um in der Gegend der Haftorgane in die vordere Kopfhälfte überzugehen. Man könnte also die Anlage des ganzen Kopfes durch einen Schnitt, welcher hinter dem vierten Segmente einsetzt, und schräg nach vorn und unten ausfährt, vom übrigen Körper trennen. Dieser Abschnitt muss um so flacher ausfallen, je jünger und kugeliger der Embryo ist; später verändert er sich namentlich durch das Hervorwachsen des vom Hirne eingenommenen oberen Theils, wodurch der früher steil aufgerichtete untere Theil nach vorn umgelagert und ausgedehnt wird. Ich will jetzt in die geschilderten äusseren und allgemeinen Formen der Kopfregion die einzelnen inneren Theile eintragen. Das Hirn mit seiner vorn abgeplatteten Retortenform ist bereits bekannt, und sind daher wesentlich die für die Erkenntniss der Architektonik des Kopfes so wichtigen Anlagen des mittleren Keimblattes zu betrachten. Sobald die Absonderung der Chorda- anlage vollendet ist, durchsetzt sie nicht nur die hintere Kopfhälfte, sondern zieht sich mit einer entsprechenden Krümmung über die Umbiegungsstelle hinaus in die dünne Unterlage der vorderen Hirnabtheilung hinein. Diese stark ver- schmächtigte, jedoch vollkommene Fortsetzung der Wirbelsaite geht aber aller- dings eine ganz kleine Strecke nach ihrer Abbiegung in eine blosse Zellen- anhäufung über, welche als mediane, strangartige Verdickung des mittleren Keimblattes bis zum Grunde der die vordere Hirnhälfte darstellenden Tasche, aber niemals darüber hinaus bis zur Oberhaut oder, wie REICHERT sich aus- drückt, bis zur Stirnwand reicht (Taf. IV Fig. 77, Taf. V Fig. 81, Taf. VI Fig. 100). Diese Fortsetzung der Wirbelsaite entspricht also dem ganzen, erst bogenförmigen, dann vorn rechtwinkelig geknickten Verlaufe der Rücken- axe, welche aber, wenn man darunter naturgemäss nur eine gemeinsame Rich- tungslinie der dorsalen Anlagen versteht, mit der rechtwinkeligen Abbiegung aufhört und nicht der bogenförmigen vorderen Aufkrümmung der Hirnplatte folgend gedacht werden darf; um so weniger, als auch die Hirnaxe, wie es später noch erörtert werden soll, in der senkrecht nach unten abgebogenen Richtung aufhört. Uebrigens ist der Bestand jener unvollkommenen Fort- setzung der Wirbelsaite nur von kurzer Dauer, und nach ihrer Rückbildung zieht sich auch die vollständig entwickelte umgebogene Chordaspitze so weit zu- rück, dass sie endlich nicht weiter als bis zur Umbiegungsstelle reicht, also ihre 206 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. ursprüngliche Krümmung verliert (Taf. II Fig. 36. 58). — Seitlich eingefasst wird die Wirbelsaite von den Segmenten, welche im Kopfe sehr bald nach dem Beginne der ganzen Gliederung fertig sind und alsdann die schon geschilderte (Gestalt besitzen, nämlich in dem grösseren medialen Theile breit und niedrig sind, an ihrer oberen Seitenkante aber mit den umfänglichen Auswüchsen ihrer äusseren Schicht in den Kopfwulst hineinragen. Da diese Zellenwucherung von der Segmentirung mitbetroffen wird und darauf von ihrer Unterlage sich ablöst, so gehen daraus selbstständige Stücke, eben die äusseren oder late- ralen Segmente, hervor, welche nach Zahl und Lage dem Reste der ursprüng- lichen oder den inneren Segmenten (Stammsegmente) entsprechen. Da diese Sonderung, welche die wichtigsten, dem mittleren Keimblatte angehöri- gen Anlagen des Kopfes ausschliesslich herstellt, auf die vier ersten Segment- paare beschränkt ist, so ist die hintere Kopfgrenze schon in früher Zeit ganz bestimmt abgesteckt. — Die drei hinteren inneren Kopfsegmente liegen an jenem Abschnitte der Wirbelsaite , welcher als eine auch in der Richtung ununter- brochene Fortsetzung ihres Rumpfabschnittes die hintere Kopfbälfte bis zur Umbiegungsstelle durchzieht ; die zugehörigen äusseren Segmente nehmen vom hintersten oder vierten bis zum zweiten an Grösse zu, und da sie über die Seitenlinie des Rumpfes hinausragen, bedingen sie eine seitliche Ausladung des dorsalen Kopftheils und überhaupt sein vorgewölbtes Relief. Solange sie aber unter das Niveau des Rückens noch nicht hinabgehen, verläuft die seitliche Körperwand noch gleichmässig eingebogen vom Rumpfe nach vorn bis zur bogenförmigen Erhebung, deren Grat als Grenze beider Kopfhälften zugleich der vorderen Grenze des zweiten inrieren und äusseren Segmentpaars entspricht. Die genannten drei Segmentpaare (innere und äussere) gehören also vollständig der hinteren Kopfhälfte an. Die vordere Kopfhälfte enthält das erste innere und äussere Segmentpaar. Das innere beginnt eigentlich an der Umbiegungsstelle und liegt mit einem Theil seiner Basis noch in einer Ebene mit den hinteren Segmenten (Taf. VI Fig. 99. 105); weil aber seine Seitentheile und seine spätere Ausbreitung sowie die zugehörigen äusseren Segmente unter und vor der Umbiegung der Rücken- axe sich befinden, so rechne ich es ganz zur vorderen Kopfhälfte, woselbst es sich in einer indifferenten dünnen Zellenschicht verliert. Die beiden äusseren Segmente schmiegen sich seitlich dem Hirne so an, dass die Grundflächen aller drei Theile in einer Flucht liegen; ihre äusseren Ränder reichen bis zur seit- lichen Grenze der ganzen Kopfhälfte, sodass die letztere als eine Fortsetzung 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes 207 bloss des eigentlichen Rückentheils der hinteren Kopfhälfte mit Ausschluss besonderer Seitentheile erscheint. Es wird also auch die dünne Zellenlage, welche in der ganzen Breite der vorderen Kopfhälfte unter dem Hirne und den äusseren Segmenten sich ziemlich gleichmässig hinzieht, bloss als eine Fortsetzung der unmerklich in sie auslaufenden Segmentplatten und der Wirbel- saite aufzufassen sein, welche erst an der lateralen Grenze der vorderen Kopf- hälfte in die Seitenplatten der hinteren übergeht. Der Ansicht, dass diese Zellenlage eine quere Verbindung der beiderseitigen Segmentplatten vor der Chordaspitze darstelle, widerspricht die schon besprochene rudimentäre Fort- setzung der Wirbelsaite, welche jene Schicht durchzieht, und die Beschränkung der äusseren Segmente auf die Seitentheile des Kopfes; und mit dem Schwunde jener rudimentären Bildung geht eine Rückbildung des ganzen Axentheils jener sie einfassenden Zellenschicht Hand in Hand, sodass alsdann die Segment- platten im Vorderkopfe vollständig getrennt aus einander laufen (Taf. VII Fig. 123). Diese Rückbildung innerhalb des mittleren Keimblattes beginnt schon ziemlich früh, gleich nach der Knickung der Rückenaxe, im medianen Theile der unter dem vorderen Hirnende befindlichen Seitenplatte, jenseits der unteren Grenze des Kopfes. Diese längliche Lücke reicht anfangs nur bis zum Hirne, allmählich dehnt sie sich aber unter dasselbe und zwar immer in me- dianer Richtung auf- und rückwärts aus. Da aber an Stelle der geschwunde- nen Zellenschicht keine Zeichen einer zerstörten Zellenmasse zu sehen sind, und an eine Resorption in dem Sinne wie bei einem vollkommen ausgebildeten Thiere nicht gedacht werden kann, so muss man annehmen, dass die von ihrem ursprünglichen Orte verschwindenden Zellen seitwärts auseinanderrücken, und dadurch das Hirn und weiter unten die Oberhaut in der Medianebene mit dem Darmblatte in Berührung bringen. Innerhalb des Vorderkopfes, d. h. unter dem Vorderhirne und bis zu den Haftorganen abwärts, wird in Folge dieses Vorgangs der frühere indifferente Zustand des mittleren Keimblattes gehoben. Denn solange jenes ungesonderte Vorderende der Segmentplatten ganz unmerk- lich in die darunterliegende Seitenplatte übergeht, kann von der Existenz eines bestimmten inneren Segmentpaares eigentlich gar nicht die Rede sein. Erst in dem Masse, als jene ganze indifferente Zellenschicht von vorn her gleichsam zer- reisst, und ihre Elemente sich aufwärts nach beiden Seiten zu zwei dicken Zellensträngen ansammeln, lassen sich dieselben mit Rücksicht auf ihre Lage an der Hirnbasis und nach innen von den lateralen Segmenten als innere Seg- mente bezeichnen, welche alsdann von der Spitze der Wirbelsaite seitlich ab- 208 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. gehen und mit einem ansehnlichen Zipfel in die vordere Kopfhälfte hinabreichen. Das erste äussere Segmentpaar ist sehr bald länger als alle übrigen; denn während die anfangs breite und kurze vordere Hirnhälfte sich schliesst und dabei schmäler aber länger wird, kann! jenes Segmentpaar längs ihrer eigent- lichen Basis entsprechend auswachsen, wogegen die übrigen Kopfsegmente, so- lange der grössere Rumpftheil der Segmentplatten jederseits eine kompakte Masse darstellt, sich in derselben Richtung offenbar nicht auszudehnen ver- mögen, sondern nur nach ihrer Höhe, wovon später die Rede sein soll (Taf. XVI Fig. 286. 287). Es ist aber zur richtigen Würdigung der folgenden Entwicke- lungsvorgänge stets im Auge zu behalten, wie die ursprünglichen Richtungen in der vorderen Kopfhälfte durch die Knickung der Rückenaxe im Verhältniss zum übrigen Körper verändert werden. Denn bei unbefangener Betrachtung scheint das erste äussere Segmentpaar längs des Vorderhirns gerade ebenso hinabzuwachsen, wie es später den anderen Segmenten ergeht, obgleich die Ausdehnung der letzteren rechtwinkelig, jenes erstere Wachsthum aber parallel zum zugehörigen Axenabschnitte erfolgt, während später ein eigentliches Hin- abwachsen des ersten äusseren Segmentpaares im Sinne einer Entfernung von der Axe, wenngleich es von der früheren Richtung nicht wesentlich abweicht, als ein zweiter Akt unterschieden werden kann. Dritte Entwickelungsstufe. In der zuletzt betrachteten Entwicke- lungsperiode vollzog sich die Gliederung des mittleren Keimblattes in Theile, welche aus einer höchst einfachen Grundlage nach bestimmten morphologischen Gesetzen hervorgegangen, eine solche Regelmäsigkeit der Form und der Lage- rung offenbaren, dass ich sie die architektonischen Elemente nennen möchte. Neue Formen derselben entstehen nicht mehr, wohl aber wächst ihre Anzahl durch die nach hinten fortschreitende Gliederung der noch ungetheilten Seg- mentplatten. Abgesehen von dieser einfachen Fortsetzung bereits bekannter Vorgänge liegt der Schwerpunkt der jetzt vorzuführenden Entwickelung darin, dass die ursprüngliche, regelmässige Lage der architektonischen Elemente so- weit verändert, die letzteren soweit umgebildet werden, als es die Lage und die Verbindung der aus jenen Elementen hervorgehenden Körpertheile erfordern. Mit andern Worten — wenn in dem ersten von mir aufgestellten Zeitraume die Grundlagen entwickelt wurden, an denen in der darauf folgenden Periode die architektonische Gliederung sich vollzog, so soll der dritte Zeitabschnitt die Umbildung der architektonischen Elemente in die topographischen Anlagen der Körpertheile umfassen, damit endlich die späteren Kapitel der Einzelbeschrei- 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 209 bung und dem histiologischen Detail nachgehen können. Aber ebenso wie ich es bisher hielt, werde ich auch fernerhin den chronologischen Entwickelungs- gang gegenüber den von mir aufgestellten Perioden häufig vernachlässigen und zu Gunsten des Verständnisses Manches vorausgreifend an frühere Zustände anschliessen, Einzelnes wiederum für spätere Kapitel aufsparen. Auch hier will ich den Rumpf, welcher die einfacheren Verhältnisse darbietet, der Be- trachtung zuerst unterziehen. Der Rumpftheil. Die Segmente des Rumpfes habe ich in der Beschreibung so verlassen, dass man sie ganz kurze dreiseitige Prismen nennen könnte, welche mit der Hauptaxe parallel zur Wirbelsaite gelagert, eine Grundfläche und eine obere Kante mit beiderseits nach aussen und medianwärts abfallenden Flächen besitzen; der innere untere Rand ist breit, während der laterale Theil der Basis mit der Seitenplatte zusammenhängt (Taf. V). Die Formveränderung der ganzen Segmente bis zu der Zeit, wo dieselben sich in verschiedene Gewebe zu verwandeln beginnen, ist nicht von Bedeutung (Taf. IV Fig. 76, Taf. VI Fig. 99—101, Taf. VLI Fig. 121—123). Zunächst nehmen sie in der Längsrichtung zu und füllen sich in der früher angegebenen Weise mit neuen, von den Seitenplatten* her einwandernden Zellen. Dabei ziehen sie sich in der Querrichtung noch mehr zusammen, ihre Kanten und Ecken runden sich ab und die medialen und lateralen Flächen werden von vorn nach hinten konvex. Sah man vorher auf einem Frontaldurchschnitte des Rückens die Segmente durch langgestreckte zur Körperaxe quergestellte Vierecke angedeutet, so er- scheinen die letzteren nach der beschriebenen Veränderung zuerst in Quadrate mit abgerundeten Winkeln und dann in einen fassförmigen Umriss verwandelt. Dieser letztere Durchschnitt besteht noch zur Zeit der histiologischen Sonderung der Segmente. Dass diese Umbildungen jedoch keine wesentliche Gestaltverän- derung der Segmente bedingen, lehren uns die Querdurchschnitte: diese sind höher und schmäler geworden, sonst aber dreieckig geblieben (Taf. VI Fig. 114. 115, Taf. VII Fig. 156--139). Es haben also die Segmente trotz des Formen- * Ich mache darauf aufmerksam, dass die Seitenplatten vor ihrer Trennung von den Segmenten eben nur die ausserhalb des Rückens befindlichen, indifferenten Theile des mitt- leren Keimblattes, keineswegs aber schon bestimmte Anlagen darstellen, da ja solche natür- lich nicht ganz unbegrenzt in den Bestand anderer Theile eingehen könnten. GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 14 210 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. wechsels der Frontaldurchschnitte die frühere prismatische Gestalt behalten. Dagegen ist die schon angedeutete innere Sonderung der Segmente (Rinden- schicht und Kern) unterdessen fortgeschritten und hat endlich zur Ausbildung ganz bestimmter Anlagen geführt. Um aber gleich ein richtiges Bild dieser Entwickelung zu gewinnen, untersuche man zunächst die Segmente der hinteren Hälfte des Rumpfes bis in den Schwanz hinein, wo die Verhältnisse einfacher, übersichtlicher smd. Da nun alle Veränderungen der Segmente ebenso wie die sie erzeugende Gliederung in der Nähe des Kopfes beginnen und dann rück- wärts fortschreiten, sodass am Schwanzende mancher Entwickelungsvorgang noch nicht angefangen hat, der in der vorderen Rumpfhälfte bereits abgelaufen ist, so wird die empfohlene Untersuchung zum Theil an älteren als den bisher betrachteten Embryonen anzustellen sein. Es wurde schon in der Entwickelungsgeschichte der Axenplatte ausgeführt, dass der Schwanz der Batrachierembryonen als eine vollständige Fortsetzung des Rumpfes anzusehen sei, indem nicht nur die Anlagen des Rückens in ihn übergehen , wie die gewöhnliche Ansicht lautet, sondern auch eine sehr ver- schmächtigte Verlängerung der Darmanlage (Schwanzdarm), welche am Ende der Wirbelsaite unmittelbar mit der Rückenmarksröhre zusammenhängt (Taf. II Fig. 38). In der Medianebene des Schwanzes liest also oben und unten je ein röhriges Gebilde (Rückenmark — Schwanzdarm), und zwischen ihnen, sie auseinanderhaltend aber mit beiden innig verbunden, ein solider Strang, die Wirbelsaite. Anfangs, wenn die Schwanzanlage wie ein kurzer Kegel aus dem breiten Rücken hervorragt, überwiegt bei den genannten drei medianen Anlagen die Breitendimension; und dasselbe ist alsdann auch bei der unförmlichen Masse des mittleren Keimblattes der Fall, welche die ersteren jederseits einfasst und die Anlagen der Segment- und Seitenplatten des Schwanzes noch unge- sondert enthält (Taf. V Fig. 95—97, Taf. VI Fig. 117. 118). Während der eigenthümlichen Vertheilung der Embryonalzellen, welche man schlechtweg als Längenwachsthum bezeichnet, nimmt die Mächtigkeit aller jener Theile gerade in der Breite ab, sodass sie wie der ganze Schwanz, welcher sich zu der be- kannten Gestalt des Ruderorgans umzuwandeln begonnen, insgesammt von den Seiten her abgeplattet erscheinen ( Taf. VII Fig. 139—141, Taf. XIII Fig. 242— 245). Jetzt beginnt die Sonderung in den seitlichen Massen des mittleren Keimblattes. Man unterscheidet deutlich zwei Schichten, eine innere und eine äussere, welche in Folge der Zellenvertheilung nach hinten zu ähnlich wie die zwei ursprünglichen Blätter im mittleren und vorderen Rumpftheile 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 911 nicht viel mehr als eine einfache Zellenlage in der Dicke enthalten. Zugleich dringt die Abgliederung der Segmente bis in den Schwanz vor, und man erkennt schon an ihrem Relief nach Entfernung der Oberhaut, dass sie den bei weitem grössesten Theil der seitlichen Massen des mittleren Keimblattes einnehmen und ohngefähr bis zur Bauchfläche des Schwanzdarmes hinabreichen. Ihr senkrechter Querdurchschnitt ist von oben nach unten länglich , in der Mitte breiter und nach innen dem Relief der medianen Bildungen angepasst, nach oben und unten verjüngt. Die Zunahme der Breite in der mittleren Höhe hängt von der inneren Segmentschicht ab, deren Zellen bei ihrer Vermehrung durch Theilung aus ihrem früheren festen Gefüge lateralwärts heraustretend eine lockere Ansammlung bilden, während die Zellen der äusseren Schicht ihre Vervielfältigung etwas früher beginnen, aber damit nicht die Mächtigkeit son- dern die Flächenausdehnung ihrer einfach bleibenden Lage namentlich nach oben fördern.* So kommt es, dass die beiderseitigen äusseren Segmentschichten zwischen Oberhaut und Rückenmark hinaufwachsen und über dem letzteren und unter der dachförmigen Anlage der dorsalen Schwanzflosse sich zu einem lockeren Gewebe vereinigen, dem sich später wohl auch Ausläufer der inneren Segmentschicht zugesellen. Dies ist dieMembrana reuniens superior aut., die aber durchaus nicht eine vorläufige und vergängliche Bildung, sondern die bleibende Grundlage der an dieser Stelle sich entwickelnden Gewebe ist. Unter dem Schwanzdarme sind die Segmente durch ein Zellengewebe verbunden, welches, obgleich offenbar ein Analogon der Seitenplatte, eine Anordnung der Elemente in Schichten vermissen lässt. An der Schwanzwurzel jedoch, wo der röhrenförmige Schwanzdarm im Uebergange zur Darmanlage und Dotter- zellenmasse’ des Rumpfes ansehnlich höher wird, findet man schon, dass die beiden Segmentschichten, indem sie nicht mehr bis an die Bauchfläche der Darmanlage reichen, abwärts sich in zwei einfache Zellenlagen fortsetzen, wel- che die beiden Blätter der Seitenplatten darstellen und erst an der Bauchfläche diese Anordnung verlieren. In der hintersten Rumpfpartie endlich, wo bereits die der Darmanlage angefügte Dotterzellenmasse den Bereich der Seitenplatten nach unten ausdehnt, ist die beschriebene Umbildung des mittleren Keimblattes noch deutlicher zu übersehen; gerade diese Durchschnittsbilder schliessen sich * In Fig. 139—141 ist die Reihenfolge dieser Veränderungen an Durchschnitten des- selben Embryo, die in gewissen Abständen hinter einander lagen, erläutert; was aber dort nur räumlich nach einander erscheint, entwickelt sich in derselben Reihenfolge auch zeitlich an jeder einzelnen Stelle des Schwanzes. 1 212 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. aber unmittelbar an diejenigen der übrigen Rumpfsegmente an und können daher zur Erklärung der Befunde an den letzteren dienen, deren Entwickelungs- gang bei ihrem beständigen Formenwechsel sich der sicheren Erkenntniss ent- zieht. Denn bei der ersten Bildung der Segmentplatten werden die Grenzen der zwei ursprünglichen Schichten meist undeutlich, oder die ganze Oberfläche der Platte erscheint gegenüber der locker gefügten Mitte hautartig, so dass das Bild eines von einer Hülse eingeschlossenen Kernes entsteht, und man annehmen könnte, dass die beiden Hülsenblätter, wie ich sie früher nannte (Nr. 64), die gleichwerthigen Fortsetzungen der zwei Schichten der Seitenplatten seien, wel- che alsdann gemeinsam durch Absetzen überschüssiger Zellen den Kern zwi- schen sich gebildet hätten (Taf. IV Fig. 67—69). Dieses ist nun aber nicht richtig; denn wenn auch an der Innenfläche der im Durchschnitte bereits drei- eckigen Segmente bisweilen die Andeutung einer hautartigen Schicht erscheint, so lässt sie sich alsdann doch nur stellenweise von der lockeren Hauptmasse des Segments unterscheiden, mit welcher sie gemeinsam in die innere Schicht der Seitenplatte übergeht, während die äussere Rindenschicht jederzeit ebenso deutlich als einzige Fortsetzung der äusseren Schicht der Seitenplatte, wie durch eine mehr oder weniger klaffende Spalte von der übrigen Segmentmasse ge- trennt erscheint (Taf. V Fig. 83. 84. 86.87. 92-94). Hält man dies mit dem Befunde am Schwanze zusammen, so wird man auch für den ganzen Rumpf annehmen müssen, dass die schon sehr frühe entwickelte Rindenschicht am lateralen Abhange der Segmente der ganzen äusseren Segmentschicht, die ganze übrige Segmentmasse aber der inneren Segmentschicht ent- spricht, in welcher sich erst allmählich und nachträglich die lockere Hauptmasse (Segmentkern) von einer medialen hautartigen Schicht (inneres Segment- blatt) absondert, während beide vor ihrem Uebergange in die Seitenplatte zu einer einzigen Masse vereinigt sind (Taf. VII Fig. 139). Man wird über- haupt die richtigste Anschauung vom wahren Sachverhalt gewinnen, wenn man sich das Bild der beiden Keimschichten vergegenwärtigt, von denen die äussere in ein einziges Blatt sich verwandelt, während die sekundäre innere in einem Theile ihrer Ausdehnung sich in zwei Blätter spaltet. Mit Rücksicht auf die klaren Verhältnisse am Schwanzende kann man denn auch für den ganzen Rumpf annehmen, dass die Membrana reuniens superior wesentlich aus einer Verlänge- rung der äusseren Segmentschichten entsteht, obgleich dies wenig belangreich erscheint. Während aber diese obere Verbindung der Segmente sich bildet, wird die Trennung derselben von den Seitenplatten eingeleitet (Taf. VI Fiy. 114. 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 213 115, Taf. VII Fig. 156— 138). Das erste Anzeichen davon ist eine Kerbe, welche von dem äusseren unteren Rande der Segmente, also etwas unterhalb der Höhe der Wirbelsaite den vorher bestandenen Uebergang der äusseren Segmentschicht im das äussere Blatt der Seitenplatten unterbricht. Von jener Kerbe aus dringt die spaltförmige Trennung nach innen vor, aber nicht etwa auf dem kürzesten Wege durch das mittlere Keimblatt, d. h. nach innen und unten, sondern in ziemlich horizontaler, eher medianwärts etwas ansteigender Richtung, wobei eine Fortsetzung der ganzen Seitenplatte gleich in Folge der Trennung von den Segmenten unter die letzteren zu liegen kommt. Ohngefähr unter der Mitte der dadurch gebildeten unteren Fläche der Segmente verwach- sen die beiden Blätter der Seitenplatte zu einer durch die ganze Länge des Rumpfes verlaufenden Falte (Gekrösefalte), welche sich alsdann vollends von den Segmenten trennt. Diese Abtrennung der Seitenplatten von den Segmenten reicht etwa bis zu der Stelle, wo die Lichtung des Darmkanals sich erweitert, um sich in die direkte Fortsetzung, den Schwanzdarm, und die abwärts ge- richtete Abzweigung des künftigen Mastdarms zu spalten. Von dieser Stelle an rückwärts verwischt sich sowohl die Zweischichtigkeit der Seitenplatte, als auch andererseits die Segmente auf Kosten derselben immer tiefer hinabreichen (Taf. XILI Fig. 241—245). Uebersieht man nun die ganze geschilderte Ausbildung der Segmente und der Seitenplatten, so ergibt sich eine einheitliche Erklärung derselben, wie mir scheint, ganz ungezwungen, wenn man sich des allgemeinen Vorganges im Anfange dieser Bildungen erinnert. Ist es bei der scharfen Absonderung des mittleren Keimblattes wenigstens in der hier zunächst in Betracht kommenden oberen Körperhälfte und bei dem Mangel jeder anderen Ursache für das Wachsthum der Segmente eigentlich unumgänglich, das letztere aus dem schon geschilderten Vorrücken der ventralen Theile des Keimblattes in die dorsalen Segmentplatten zu erklären, so wird diese Anschauung durch die spätere Entwickelung durch- aus bestätigt. Denn wenn unter einer solchen Voraussetzung die Massen der fertigen Segmente und Seitenplatten überall so von einander abhängig sein müssen, dass, wo der eine Theil überwiegt, dies nicht etwa nur bei relativem Zurückstehen, sondern auf Kosten des ursprünglichen Bestandes des anderen geschieht, so entspricht dies vollkommen den thatsächlichen Verhältnissen, da im Kopfe und im Schwanze, wo die Seitenplatten stetig abnehmen und endlich theilweise ganz verschwinden, die Segmente zu den entsprechend grössten Massen anwachsen und nicht nur aufwärts, sondern auch frühzeitig mit massi- 214 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. gen Fortsetzungen sich abwärts ausdehnen; wogegen die vorherrschende Ent- wickelung der Seitenplatten im eigentlichen Rumpfe (Gekröse, Urniere u. s. w.) die Ausbildung der Segmente auf ein gewisses Mass beschränkt. Dass diese letztere Entwickelung aber nur nach einer Trennung der beiderlei Anlagen möglich ist, bedarf keiner Erklärung, da ihr kontinuirlicher Zusammenhang eben die noch fortdauernde Verwendung der Seitenplatten zur Vergrösserung der Segmente anzeigt. Nun ergeben sich aber auch die Ursachen jener Tren- nung nebst deren Folgen aus dem zu Grunde gelegten allgemeinen Vorgange. Der Vorrath der Seitenplatten an sich theilenden Zellen gewährleistet ein bestimmtes Mass ihrer Ausdehnug nach oben. Solange nun der für die Segmente bestimmte Raum in Folge der Aufkrümmung der Medullarplatten in demselben Verhältnisse wie jene Ausdehnung wächst, werden die vorrückenden Elemente der Seitenplatten in die Segmente aufgenommen, bleibt also der kon- tinuirliche Zusammenhang beider Theile bestehen; sowie aber nach dem Schlusse der Rückenmarksröhre jener Raum nicht mehr in dem früheren Grade zunimmt, kann der Rand der Seitenplatte nicht mehr in dem Masse, als er fortwächst, in die Segmentmassen eingehen, muss also gleichsam dem Widerstande derselben weichend in einer anderen Richtung, eben zwischen dem Darmblatte und den Segmenten vordringen, wodurch die Trennung von den letzteren herbeigeführt wird. Bestätigt wird diese Auffassung einmal durch den Umstand, dass jene andauernde Ausdehnung der Seitenplatten weiterhin ganz augenscheinlich ist, indem die beiden Gekrösefalten über dem Darmblatte zusammenstossen und beide Schichten der Seitenplatten durch Faltung Neubildungen ausführen, be- vor ihr Zellenvorrath etwa durch Nahrungszufuhr vermehrt wird; ferner da- durch, dass, wo eine solche Ausdehnung der Seitenplatten nicht nachweisbar ist, wie im Kopfe und im Schwanze, auch eine Abgliederung derselben von den Segmenten unterbleibt. Durch die Ablösung der Seitenplatten von den Segmenten erhalten die letzteren eine freie äussereKante, in welcher die unteren Ränder beider Segment- schichten zusammenstossen und während einiger Zeit ebenso wie die Blätter der Seitenplatte faltenförmig zusammenhängen (Taf. VII Fig. 137.138, Taf. XIll Fig. 241). Diese Falte wächst später zwischen der Seitenplatte und derOber- haut abwärts, sodass ihre Erzeugnisse endlich von beiden Seiten in der Mittel- linie des Bauches zusammentrefien. Als unmittelbare Fortsetzung der Seg- mente zeigt sie gleich anfangs alle Abtheilungen derselben, welche sich theil- weise dauernd erhalten, sodass also die ursprünglich nur im Rücken angelegte 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 215 Gliederung so weit auch auf die Bauchgegend ausgedehnt wird, als die selbst- ständige Seitenplatte oder die Gekrösefalte reicht. Diese Grenze, welche annähernd mit der Stelle zusammenfällt, wo die Darmlichtung sich gleichsam spaltet, wird ohngefähr durch das zehnte Segment bestimmt. Die nähere Aus- führung dieser Verhältnisse gehört aber in einen späteren Abschnitt. — Schliess- lich will ich noch bemerken, dass durch die Sonderung der Segmente in die äussere Segmentschicht, den Kern und das innere Segmentblatt ihr Bestand im ganzen zunächst noch nicht gestört wird. Allerdings hängen sowohl die ganzen Segmente mit ihren vorderen und hinteren Flächen, als auch ihre Kerne, Schichten und Blätter mit den entsprechenden Nachbarn innigst "zusammen (Taf. VIL Fig. 121— 123); trotzdem tritt aber eine vollkommene Verschmel- zung ohne Spuren der früheren Trennung erst viel später und nur theilweise ein, während der Einfluss der früheren Gliederung sich auch noch auf spätere Neubildungen der genannten Anlagen, ja selbst ausserhalb derselben erstreckt. Die Aufgaben aller der voranstehend beschriebenen Anlagen des mittleren Keimblattes im Rumpfe sind folgende: 1. Die Wirbelsaite ist die Grundlage des ganzen Stammskelets; 2. Die innere Segmentschicht enthält im oberen Abschnitte die Anla- gen der eigentlichen Rückenmuskeln (Segmentkerne), der bindegewebigen Theile, als Gefässe, Rückenmarkshüllen u. s. w. und der Nerven des Stammes (innere Segmentblätter); im unteren Abschnitte alle inneren, ursprünglich der Körper- axe parallel laufenden und segmentirten ventralen Muskeln mit den zugehörigen Nerven und dem tiefer liegenden Bindegewebe der Bauchwand; 3. Die äussere Segmentschicht erzeugt die Gliedmassen (Muskeln, Knochen, Nerven, Bindegewebe), die übrigen (äussern) Rumpfmuskeln, die Lederhaut und das subkutane Bindegewebe; 4. Die beiden Blätter der Seitenplatten trennen sich später von einander und erzeugen so die serösen Rumpfhöhlen zwischen sich. Das äussere oder das Parietalblatt bildet das Epithel und wahrscheinlich einen Theil vom Binde- gewebe des parietalen Bauchfells und Herzbeutels, die Epithelien der Harn- und Geschlechtsorgane, die Keimsubstanzen der letzteren und den Fettkörper; 5. Das innere Visceralblatt entwickelt ausser den Epithelien des visce- ralen Bauchfells alle bindegewebigen und muskulösen Theile des Darms und der von ihm ausgehenden Organe, den Gefässknäuel der Urniere, endlich das Herz mit Ausnahme des Endokardiums. 216 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Der Kopf. Der Zusammenhang der allgemeinen und besonderen Umbildungen, welcher im Rumpfe so bequem übersehen wird, bietet in der Kopfregion einer klaren Auffassung nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Dies bezieht sich insbesondere auf die Seitenwände der hinteren Kopfhälfte, während ge- rade der Rückentheil der letzteren dem gleichnamigen Theile des Rumpfes im wesentlichen entspricht. Ich werde daher, um durch die Theilung der Aufgabe die einzelnen Ausführungen zu erleichtern, jene beiden Theile der hinteren Kopfhälfte und dann den Vorderkopf getrennt betrachten. Denn jene schon früher bezeichnete Zweitheilung des Kopfes kann ohne Schwierigkeit beibehalten werden, auch wenn die äusseren Grenzmarken geschwunden sind. Dieselben bestehen, wie wir wissen, in der halbkreisförmigen Ausbiegung der gesammten Körperwand, welche von der Hirnknickung aus jederseits abwärts zieht. Indem nun die vordere Kopfhälfte sich stark vorwölbt, wird jene wulstförmige Vor- ragung allerdings allmählich ausgeglichen; aber von einer Rinne aus, welche auf der Höhe jenes Wulstes hinabzieht, und von dem entsprechenden inneren Flächenwinkel des Darmblattes her entwickelt sich eine seitliche, weiter unten noch näher zu betrachtende Scheidewand zwischen beiden Kopfhälften, welche dieselben auch in späteren Perioden leicht unterscheiden lässt. Der Rückentheil der hinteren Kopfhälfte. Hinsichtlich der Wir- belsaite habe ich nur an bereits Bekanntes zu erinnern. Nachdem ihre rudi- mentäre Fortsetzung unterhalb der Umbiegungsstelle während der Bildung des ersten inneren Segmentpaars und der dasselbe trennenden medianen Lücke sich aufgelöst, und auch die gekrümmte Spitze sich zurückgezogen hat, gehört die Wirbelsaite eigentlich mit ihrem ganzen vorderen Abschnitte der hinteren Kopf- hälfte an, wenn man nicht ihre äusserste Spitze mit Rücksicht darauf, dass das erste innere Segmentpaar daran stösst, mit diesem zusammen zum Vorderkopfe rechnen will (Taf. IV Fig.76, Taf. VI Fig. 99, Taf. XVI Fig. 287). Ferner gehören zur hinteren Kopfregion das zweite, dritte und vierte innere und äussere Segmentpaar. Die äusseren Segmente entwickelten sich anfangs gleichsam auf Kosten der zurückbleibenden inneren Segmente. In der Folge bilden sich aber nicht nur jene sondern auch die letzteren weiter aus, wo- bei wiederum die engen Beziehungen, welche zwischen den Formumbildungen benachbarter Theile bestehen, deutlich hervortreten, und der Unterschied in der Entwickelung der Rumpf- und Kopfsegmente mit demjenigen der 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 217 Medullarplatten und der Hirnplatte leicht in Uebereinstimmung gebracht werden kann. Gewährten die sich früh erhebenden Medullarplatten den ganzen Rumpfsegmenten alsbald genügenden Raum zur Entwickelung einer kompakten Form, so verhinderte dagegen der breite und längere Zeit horizontale Mittel- theil der Hirnplatte eine ähnlichen Bildung der Kopfsegmente (Taf. IV.V). Denn wenn auch die Aufkrümmung an der Hirnplatte früher beginnt als an den Medullarplatten, so beschränkt sie sich doch während einiger Zeit nur auf die äusseren Ränder und gestattet daher unterdess eine Anschwellung der Kopf- segmente nur im lateralen Theile (äussere Segmente), nicht aber im medialen (innere Segmente).. In dem Masse aber, als der Kopfwulst sich medianwärts umrollt und der ganze betreffende Rückentheil an der allgemeinen seitlichen Abplattung des Körpers Antheil nimmt, werden dadurch die äusseren Segmente abwärts gedrängt, sodass nur eine einfache Zellenlage zwischen Hirn- und Oberhaut zurückbleibt, die Hauptmasse aber in je einen dicken Strang ausge- zogen wird, welcher auf der Seitenplatte mehr oder weniger tief hinabreicht (Taf. V Fig. 91, Taf. VI Fig. 111— 113). Noch unmittelbarer werden die in- neren Kopfsegmente von der Hirnentwickelung beeinflusst. Solange dieselbe im Mitteltheile ruhte, wurden auch jene niedergehalten; sobald aber die Röhren- bildung der Hirnplatte weiter vorgeschritten ist und nun auch ihr verschmälerter Mitteltheil aufgekrümmt wird, ergeben sich die gleichen Umgebungen der Seg- mente im Kopfe wie im Rumpfe, worauf auch die inneren Kopfsegmente sich ähn- lich wie die Rumpfsegmente entwickeln, nur in dem Masse schwächer, als die Zellenzufuhr vorher in die äusseren Segmente abgelenkt worden war (Taf. IV— VI). Sie werden schmäler und höher und erhalten ebenfalls einen an- nähernd dreieckigen Querdurchschnitt. Eine weitere Uebereinstimmung zwischen den inneren Kopf- und den Rumpfsegmenten wird aber erst durch die spätere histiologische Sonderung- evident. Die ersteren verwandeln sich nämlich im Innern in Muskelbündel, welche als eine unmittelbare Fortsetzung der Rücken- muskeln nach vorn zu nur im Durchmesser abnehmen, sodass sie in einen dünnen runden Strang auslaufen; rund um die Muskeln erzeugen die innern Kopfseg- mente ebenfalls Bindegewebe und zur Seite des Hirns Ganglien und Nerven- wurzeln (Taf. VII Fig.122. 133 — 136). Es ergibt sich hieraus, dass die ge- nannten Segmente durchaus denjenigen Theilen der Rumpfsegmente entsprechen, welche aus der inneren Segmentschicht hervorgingen, dem Segmentkerne nebst dem inneren Segmentblatte. Und wenn man dadurch allein schon auf die An- nahme hingewiesen wird, dass alsdann die lateralen, äusseren Kopfsegmente, 218 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. indem sie aus der äusseren Segmentschicht hervorgingen, Homologa der gleichen Schicht des Rumpfes darstellen, so findet man leicht noch weitere Zeugnisse dafür. Erstens wachsen die lateralen Segmente ganz entsprechend der äusseren Segmentschicht des Rumpfes zu Zellenlagen aus, welche nach innen von der Epidermis vollständig oder zum grössten Theile den Umfang des Körpers um- schreiben (Taf. V Fig. 91.92, Taf. VI Fig. 111— 115); ferner erzeugen sie ebenfalls die Lederhaut, das subkutane Bindegewebe und einen seitlichen Bewe- gungsapparat, dessen Muskeln ebenso wenig wie diejenigen der Gliedmassen und der äussere schräge Bauchmuskel der Körperaxe parallel laufen, wodurch sich die aus der innern Segmentschicht hervorgehenden Muskeln auszeichnen, Endlich lässt sich ein unmittelbarer Uebergang der lateralen Segmente in die äussere Segmentschicht des Rumpfes nachweisen, indem sich die letztere an das hinterste äussere Kopfsegment innig anschliesst und später an dieser Ueber- gangsstelle sich gleichfalls strangförmig auszieht, um einem zwischen Kopf und Schulter absteigenden äusseren Muskel (m. sterno-eleido-mastoideus) Entstehung zu geben (Taf. VII Fig. 123). | Die Seitentheile der hinteren Kopfhälfte. Wenn die Bedeutung der lateralen Kopfsegmente nach der voranstehenden Betrachtung unzweifelhaft erscheinen dürfte, so ist doch ihre topographische Umbildung weniger emfach als diejenige der ihnen homologen äusseren Segmentschicht des Rumpfes, und verlangt eine ausführliche Beschreibung. Bevor ich aber dieselbe im Zusammen- hange mit der Entwickelungsgeschichte der ganzen Seitenwände des Hinter- kopfes aufnehme, halte ich es für geboten, wie schon früher einmal bei ähn- licher Gelegenheit, einige Bemerkungen über die allgemeinen Verhältnisse des ganzen vorderen Körperabschnittes vorauszuschicken. Meine Beschreibung ist in dieser Hinsicht mit dem unter- und innerhalb des Darmblattes gelegenen Raume oder der Darmhöhle bisher am meisten im Rückstande geblieben, daher eine kurze Uebersicht ihrer Umbildungen hier zuerst Platz finden soll. Im Beginne der Rückenbildung, wann der Embryo noch kugelförmig erscheint, erstreckt sich die Darmhöhle in ziemlich gleicher Breite und Höhe zwischen dem Keime und der Dotterzellenmasse bis über die vordere Grenze des durch die Hirnanlage bezeichneten Kopftheils hinaus; aber erst während der Embryo sich streckt, wird durch das Hervorwachsen des Kopfes eine vordere Grenze zwischen Rücken und Bauch abgesteckt (Taf. II Fig.33—38). Das ursprünglich eine gleichmässig gewölbte Decke der Darm- höhle darstellende Darmblatt wird dabei nur bis zum vorderen Hirnende dem 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 219 Rücken zugetheilt, sein darüber hinausgehender Abschnitt aber gleichsam nach unten und hinten in den Bauchtheil umgeschlagen, sodass er den Boden des vor- dersten Darmraumes bildet und die an das Darmblatt sich anschkessende Dotter- zellenmasse auf die grössere hintere Körperhälfte beschränkt bleibt. Da nun bei jener Streckung des Embryo sem Rücken einsinkt, also sich der darunter liegen- den Dotterzellenmasse nähert, andererseits entsprechend der fortschreitenden Verlängerung sich von den Seiten her bedeutend zusammenzieht, so ist die ausser- ordentliche Abnahme der Darmlichtung im Rumpfe verständlich (Taf. LII-IV). In der vorderen Körperhälfte dagegen wurde das Darmblatt, wie eben erwähnt, gleich anfangs nicht nur zur Decke, sondern, in Folge einer Art von Ausstülpung in den aus der ursprünglichen Kugelfläche hervorwachsenden Kopf, zur voll- ständigen, sackartigen, nur nach hinten offenen Auskleidung des betreffenden Darmraumes oder Vorderdarmes. Es erhellt daraus, dass der letztere einer Verengerung durch die Dotterzellenmasse, wie sie im Rumpfe stattfindet, voll- ständig entzogen und seine Gestalt nur von den Umbildungen der ıhn um- schliessenden Körperwand abhängig bleibt. Bestimmend sind dabei natürlich die stärksten, widerstandsfähigsten Theile der letzteren, also der ganze vordere Rückentheil und der Vorderkopf, während die von diesen zur Dotterzellenmasse ausgespannte Körperwand sich der wechselnden Lage dieser entgegengesetzten Ansatzstellen zu einander anpasst. Nun verschmälern sich aber die genannten Theile, namentlich der Vorderkopf, viel weniger als der mittlere und hintere Rumpftheil; und wenn der in der Längsrichtung des ganzen Körpers ursprüng- lich sehr kurze, aber hohe und breite Vorderdarm bei seiner mit einer Aus- stülpung verglichenen Umbildung sich nur auf Kosten der übrigen Dimensionen verlängern kann, so geht doch sein Querschnitt im vorderen Theile nicht unter das Mass des Vorderkopfes hinab, welcher seinen vorderen Abschluss bildet, übertrifft daher stets denjenigen des über der Dotterzellenmasse gelegenen Mitteldarms. Nur in seinem hinteren oberen Theile verengt sich der Vorder- darm ganz auffallend, weil er dort bei seinem Uebergange in den engen Mittel- darm bereits die Grenze des Kopfes überschreitet und in den Bereich des Rumpfes gelangt (Taf. VI Fig. 110—114, Taf. VII Fig. 124). Denn dieser aus einem flachen Gewölbe in einen nahezu cylindrischen Blindsack sich aus- ziehende vordere Darmraum umfasst zwei, erst später deutlich geschiedene Ab- schnitte, von denen der vordere dem Kopfe, der hintere dem Rumpfe angehört. Die Grenze zwischen beiden verläuft, wie es schon früher ausgeführt wurde, bogenförmig abwärts und vorwärts, sodass die dem Kopfe angehörige Zone der 220 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Seitenwand nach unten schmäler, die andere in derselben Richtung breiter wird. Diese Grenzlinie blieb aber anfangs bloss eine ideale und wurde nur mit Rück- sicht auf die f#lgende Entwickelung angenommen. Erst in der vorliegenden Periode zeigen sich die ersten Vorbereitungen zu einer solchen Scheidung (Taf. II Fig. 35—38, Taf. VI Fig. 110—112, Taf. VII Fig. 119. 120. 130—135, Taf. XIV Fig. 249). Während jene, die Bildung des ersten inneren Segmentpaares einleitende mediane Lücke des mittleren Keimblattes entsteht, treten innerhalb derselben das obere Keimblatt und das Darmblatt in eine Berührung, welche alsbald in eine ziemlich feste Verbindung übergeht. Diese reicht vom Vorderhirne bis dicht hinter die Anlagen der Haftorgane, also bis in den Boden des noch ungesonderten Vorderdarmes-hinein, wo sie eine leichte mittlere Eimsenkung des dicken Darmblattes hervorruft. Zu beiden Seiten dieser Furche erhebt sich das Darmblatt zu einer queren, gegen die Höhle vor- ragenden Falte; diese beiden Falten fliessen aber in der Mitte sehr bald unter Zurücklassung nur des vordersten Theils jener Einsenkung zu einer einzigen zusammen, welche ich die Grenzfalte nennen will. So lange der ganze Boden des Vorderdarmes zum Vorderhirne steil aufsteigt, bleibt die Grenzfalte unbe- deutend, und markirt sich nur dadurch, dass sie den tiefsten Theil des Vorder- darmes unmittelbar vor der Dotterzellenmasse zu einer Tasche verengt. Indem nun der vordere Theil desselben auf Kosten seiner Höhe und Breite sich ver- längert, bleibt der Rand der Grenzfalte in seiner Lage am Eingange in jenen hinteren Blindsack des Vorderdarmes, wird aber ihr vorderer Abhang zum sanft- geneigten Boden des erweiterten Darmabschnittes ausgezogen und dabei von der sich tiefer senkenden Oberhaut noch weiter abgehoben, sodass die ganze Grenzfalte ansehnlich erweitert erscheint und der von ihren beiden Abhängen und der abgehobenen Oberhaut umschlossene Raum bereits als der künftige Herzraum aufgefasst werden kann, in welchem sich der Perikardialsack mit dem Herzen entwickelt. Die Grenzen dieses Herzraumes sind nun auch für den Kopf mitbestimmend; seine hintere Grenze fällt mit derjenigen des vierten lateralen Kopfsegmentes zusammen, und seine obere Grenze wird andererseits von den abwärts wachsenden Kopfsegmenten nicht überschritten (Taf. X VI Fig. 291. 296). Dagegen erstreckt er sich vorwärts nicht ganz bis zum Vor- derkopfe, sodass zwischen beiden ein schmaler Streifen der ursprünglichen ventralen Körperwand zurückbleibt (Taf. XVI Fig. 292. 293. 298). Da nun der Herzraum durch eine später eintretende Verschiebung ganz in den Rumpf hineingezogen wird, also die Kopfregion verlässt, so kann man den Begriff des # 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 294 Kopftheils ausschliesslich auf alle vor und über dem Herzraume gelegenen Theile beschränken. Seine Grenzlinie zieht also hinter dem vierten lateralen Segmente bis zur Höhe des Herzraumes hinab, dann längs dessen nach vorn geneigter Decke oder dem abfallenden Boden des Vorderdarmes schräg vor- und abwärts zur Bauchseite, wo sie eine kurze Strecke hinter der unteren Grenze des Vorderkopfes mit der anderseitigen Grenzlinie zusammentrifft. So entsteht jene schräge, beinahe kreisförmige Scheidegrenze zwischen Kopf und Rumpf, in Folge dessen die hintere Kopfhälfte einem von oben abwärts sich ansehnlich verschmälernden Gürtelabschnitte der gesammten Körperwand vergleichbar wird (Taf. XVI Fig. 295.296). In der in Rede stehenden Entwickelungsperiode setzt sich übrigens der Kopf auch schon äusserlich gegen den Rumpf deutlich ab; durch die hinabwachsenden dicken Stränge der lateralen Segmente behält seine Seitenwand eine gewisse seitliche Ausladung, wogegen die anstossenden Seiten- wände des hinteren Abschnittes des Vorderdarms, also hinter der Grenzfalte und im Bereiche der schon bezeichneten engen Tasche, in Folge der allgemeinen seit- lichen Abplattung stark einfallen. Und da diese Einziehung tiefer hinabreicht alsin dem sich dahinter anschliessenden Rumpftheile, dessen ganze untere Hälfte durch die Dotterzellenmasse etwas aufgetrieben wird, so entsteht hinter dem Kopfe eine an einen Hals erinnernde Einschnürung (Taf. III Fig. 52—54, Taf. XIV Fig. 247— 249). Mit dieser Abgrenzung des Kopfes ist aber auch gleichzeitig die Scheidung eines Kopfdarmes von dem übrigen Vorderdarme oder dem Vordarme eingetreten. Der Kopfdarm reicht bis zum Rande der Grenzfalte oder dem Eingange in den Blindsack des Vorderdarmes; und bei den bestimmten Grenzen der beiden Kopfabschnitte kann an ihm schon in der vorliegenden Pe- riode die Schlundhöhle oder der Innenraum der hinteren Kopfhälfte von der in die vordere Kopthälfte sich ausstülpenden, noch sehr unansehnlichen Mund- höhle unterschieden werden. Also die Schlundwand ist es, welche als der Seitentheil zu dem schon betrachteten Rückentheile der hinteren Kopfhälfte uns hier zunächst beschäftigen soll. Eines der wichtigsten Merkmale, durch welche sich die Schlundwand von den entsprechenden Theilen des Rumpfes unterscheidet, ist in der Entwickelung ihrer Seitenplatte gegeben. Allerdings wird eine Sonderung derselben in zwei Blätter auch in der Kopfregion eingeleitet, aber nur unterhalb des schrägen Bodens der Schlundhöhle, also im Bereiche des Herzraumes vollständig ausge- führt, wo sie, wie ich zeigen werde, die Entwickelung des Perikardiums und des Herzens veranlasst (Taf. V. Fig. 91, Taf. VI Fig. 111, Taf. VII Fig. 133). 292 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. In der Schlundwand selbst bildet sich jene Sonderung wieder zurück, so- dass die Seitenplatte dort weder eine Fortsetzung der serösen Rumpfhöhle, noch eine Gekrösefalte entwickeln kann, welche beide erst an der hinteren Grenze des Kopfes beginnen (Taf. XIII Fig. 226. 233—237). Vielmehr besteht ihr ursprünglicher, unmerklicher Uebergang in die inneren Segmente unverändert fort, wesshalb auch die letzteren keine selbstständige, über der Seitenplatte hinabwachsende Fortsetzung, wie eine solche am Rumpfe in der ventralen inneren Segmentschicht besteht, erhalten können; wiederum ein charakteristisches Merkmal des Kopfes, dessen Muskulatur nebst den zu- gehörigen Nerven wenigstens an den Seiten ausschliesslich aus den lateralen, der äusseren Segmentschicht des Rumpfes homologen Segmenten hervorgeht, während seine unentwickelte Seitenplatte nur Bindegewebe und Knorpel erzeugt. Die Rückbildung dieser Platte hängt nun innig mit einem umfassenden Ent- wickelungsvorgange zusammen, welcher die Seiten des Kopfes eigenthümlich ausarbeitet, — mit der Bildung der Schlundfalten. Ich sprach bereits da- von, wie an Stelle der vergänglichen Ausbiegung der Körperwand, welche die Grenze der vorderen und hinteren Kopfhälfte abgab, von aussen und von innen eine Scheidewand hervorwächst, welche jene Scheidung auch weiterhin aufrecht erhält. Die rinnenförmige Einsenkung des oberen Keimblattes, welche längs der Höhenlinie jenes Grenzwulstes verläuft, bleibt, während der letztere bei der allmählichen Vorwölbung der vorderen Kopfhälfte verstreicht, bestehen und wird nun zur äusseren Grenzmarke beider Kopfabschnitte (Taf. IV. Fig. 77. 78, Taf. VI. Fig. 98 — 102). Nach innen verdickt sich die Grundschicht im Verlaufe der Rinne und schärft sich zu einer gegen die Seitenplatte mehr oder weniger vorspringenden Leiste zu. Diese Einsenkung des oberen Keimblattes reicht anfangs zwischen dem ersten und zweiten Segmente ziem- lich hoch hinauf; aber zur Seite des Hirnes wird sie durch einen sich von vorn her darunter schiebenden Zipfel des ersten Kopfsegmentes (Gasser'scher Nervenknoten) wieder ausgeglichen, und erst von der Decke der Schlund- höhle an bis zu deren Boden hinab ist sie beständig (Taf. VI Fig. 105—107, Taf. VII Fig. 121. 122, Taf. XIV Fig. 246—249, Taf. XVI Fig. 286 — 291). Jener Leiste der Grundschicht der Oberhautanlage wächst nun in derselben Richtung eine Falte des Darmblattes entgegen; es ist dies nur eine weitere Ausführung jener Ausbiegung, welche das Darmblatt als inner- ster Theil der Körperwand bei der Abstumpfung des Kopfendes erlitt und welche sich ziemlich bald in eine wirkliche Falte, eben die erste Schlundfalte, 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 293 auszieht. Diese dringt allmählich durch die Seitenplatte bis an die Leiste der Oberhaut vor, verwächst mit ihr zuerst im oberen Abschnitte, dann weiter ab- wärts bis zum Boden der Schlundhöhle und bildet so an der seitlichen Grenze beider Kopfabschnitte eine Scheidewand zwischen den beiderseitigen Erzeug- nissen des mittleren Keimblattes. Ebenso wie die erste Schlundfalte entstehen jederseits himter ihr vier weitere Schlundfalten. Sie fallen alle in den Bereich der eigentlichen Schlundwand, soweit dieselbe schon ursprünglich durch die drei Segmentpaare der hinteren Kopfhälfte und die unentwickelte Seitenplatte bestimmt abgegrenzt wird und an diesen Merkmalen auch später kenntlich bleibt. Ferner erscheinen die fünf Schlundfalten alle nach und hinter einander, ver- laufen in senkrechten Querebenen, also parallel zu einander und in ziemlich gleichen Abständen und nehmen rückwärts an Höhe ab, da die Schlundwand selbst übereinstimmend mit ihrer schrägen unteren Grenze in derselben Rich- tung niedriger wird (Taf. XVI Fig. 295, Taf. XXI Fig. 377). Vergleicht man nun Frontaldurchschnitte der Schlundhöhle aus jüngeren und älteren Embryonen, so überzeugt män sich leicht, dass gleich nach der Entwickelung der dritten Schlundfalte dieselbe der hinteren Kopfgrenze so nahe liegt, dass, wenn keine Lageveränderung der Theile einträte, die vierte oder wenigstens die fünfte Schlundfalte hinter das vierte laterale Segment fallen müsste; und ferner dass deren thatsächliche Entwickelung nur dadurch noch in die eigent- liche Schlundwand verlegt wird, dass dieselbe gerade in ihrem hinteren Ab- schnitte sich ausdehnt und das dicke Darmblatt dabei in den wachsenden Kopf- y darm vorgeschoben wird (Taf. VII Fig. 124, Taf. XIV Fig. 247. 248. 254). Wie verhalten sich nun die lateralen Segmente zu den Schlundfalten? — Wann die Schlundwand eben kenntlich wird, ziehen die lateralen Segmente, wie es bereits ausgeführt wurde, in Form von mehr oder weniger dicken Strängen vom Rücken zur Seite hinab, wobei sie namentlich durch eine leichte Pigmen- tirung deutlich unterscheidbar bleiben (Taf. VI, VII, XIII, XIV,XVI). Das zweite Segment wächst am schnellsten dicht hinter der ersten Schlundfalte hinab; es erreicht sehr bald die Bauchseite und trifft dort mit semem Gespann zusammen innerhalb des schmalen Streifens der ursprünglichen Körperwand, welcher die beiderseitigen Schlundwände verbindet, während gleich dahmter zwischen ihre auf- und rückwärts divergirenden Ränder der Herzraum sich ein- schiebt. Dicht hinter dem zweiten lateralen Segmente entsteht die zweite Schlundfalte, sodass die beiderseitigen, zwischen dem ersten und zweiten Schlundfaltenpaare gelegenen Streifen der Schlundwand mit dem sie an der 224 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Bauchseite verbindenden Stücke als em Bogen aufgefasst werden können, welcher dem durch das zweite innere Segmentpaar bestimmten Kopfabschnitte angefügt ist. Dies ist der Zungenbeinbogen. Er hat im Innern zwischen dem Darmblatte und der Oberhaut einen etwas verschiedenen Inhalt in den Seiten- theilen und im Bauchtheile. Jene enthalten wesentlich nur die lateralen Seg- mente, welche beim Hinabwachsen die ursprünglich dort befindliche Seitenplatte sei es rückwärts hinter die sich bildende zweite Schlundfalte oder abwärts ver- drängen und so aus dem lateralen Zungenbeinbogen bis auf geringe Reste ganz ausschliessen. Im Bauchtheile dieses Bogens drängen sie anfangs die ungeson- derten Reste der Seitenplatte ebenfalls rückwärts gegen den Perikardialsack, der sich unter der übrigen Schlundhöhle aus der gespaltenen Seitenplatte ent- wickelte (Taf. XIV Fig. 250. 252). Doch gelingt es jenen zurückge- drängten Theilen später wieder vorzurücken und durch ihre Umbildung zum grössesten Zungenbeinknorpel sogar jenem Bogen den Namen zu leihen. Ganz anders wie in dem Zugenbeinbogen verhält sich die Schlundwand zwischen den übrigen Schlundfalten. Einmal gehen die von ihnen begrenzten Abschnitte oder die Kiemenbögen an der Bauchseite nicht kontinuirlich von einer Körperseite zur andern über, sondern die unteren Enden jedes Bogen- paares werden, wie aus der vorangegangenen Darstellung der Schlundwand er- hellt, durch den Herzraum aus einander gehalten.“ Ferner hat gerade die Seitenplatte einen überwiegenden Antheil an der inneren Füllung der Kiemen- bögen, da das dritte und vierte Paar der lateralen Segmente mit viel schmäch- tigeren Zellensträngen als das zweite Paar in die betreffenden Bögen hinein- wachsen. Beim dritten Paar kommt dabei noch die Entwickelung des inneren Öhres als hinderndes Moment dazu. Die letztere besteht in einer Blasenbildung des oberen Keimblattes, welche in der halben Höhe der Stammsegmente und gerade zwischen dem zweiten und dritten lateralen Segmente nach innen und hinten vorrückt und dadurch die obere Hälfte des dritten Segments aus ihrer ursprünglichen Lage über dem ersten Kiemenbogen nach hinten verdrängt. So seht die Ausdehnung des ganzen Segments in einer S-förmigen Krümmung auf, von der nur ein kleinerer Theil in den Kiemenbogen hineinreicht. — Das vierte Segmentpaar endlich zeigt wieder eine andere Anpassung an die Umgebung und daher eine ganz eigenthümliche Entwickelung. Während die dritte Schlund- * Die spätere ventrale Verbindung der Kiemenbögen im Boden der Schlundhöhle wird nur durch die Erzeugnisse der Seitenplatte (Zungenbein) hergestellt, wobei sich die für alle unteren Bögen des Kopfes besonders bezeichnenden lateralen Segmente nicht betheiligen. 2, Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 295 falte den ersten Kiemenbogen abschliesst, wächst das vierte laterale Segment hinter ihr in den noch übrigen Abschnitt der Schlundwand hinab, welcher, wie ich oben bemerkte, vor der Bildung der letzten Schlundfalten in seiner Ge- sammtheit nieht viel breiter ist als die einzelnen vor ihm liegenden fertigen Bögen und daher von jenem Segmente so ziemlich in seiner ganzen Breite ein- genommen wird. Sowie darauf die Ausdehnung dieses letzten Abschnittes der Schlundwand erfolgt, nimmt die in ihm bereits enthaltene untere Hälfte des vierten lateralen Segmentes daran Theil, sodass sie durch die vierte und fünfte Schlundfalte in drei dünne Stränge gespalten auf den zweiten, dritten und den rudimentär bleibenden vierten Kiemenbogen vertheilt wird. Ueberder Schlund- wand fliessen diese drei getrennten Stränge in der gemeinsamen Wurzel kon- vergirend zusammen. Aus diesen Beobachtungen wird es aber verständlich, dass der 2—4te Kiemenbogen in Folge jener Theilung, ebenso wie der erste aus andern Ursachen, nur je einen kleinen Theil der lateralen Segmentmasse ent- halten können, welcher von der homologen Zellenmasse des Zungenbeinbogens ausserordentlich übertroffen wird. — Mit der Ausbildung der fünften Schlund- falte ist die topographische Anordnung der Anlagen der hinteren Kopfhälfte vollendet. Die vordere Kopfhälfte. Von dieser wissen wir bereits, dass sie anfangs in Form einer queren Platte sich an den Vorderrand der hinteren Kopfhälfte anschliesst, wobei jedoch eine bestimmte ventrale Grenze beider Abschnitte so lange, als die Bauchseite des ganzen Kopfes bis zum Vorderhirne in einer Flucht steil aufsteigt, noch nicht besteht und nur mit Rücksicht auf die spätere Ent- wickelung im Bereiche der Haftorgane angenommen werden kann. So wie ich die allmähliche Scheidung von Rücken und Bauch an dem aus der Kugelfläche hervorwachsenden Kopfe geschildert habe, kann jene seine Schlussplatte ge- wissermassen als die mediane Verbindung oder ein Uebergangstheil zwischen beiden betrachtet werden, dessen ‘obere Hälfte dem Rücken, die untere dem Bauche angehört. Eine solche Eintheilung wird aber auch thatsächlich da- durch begründet, dass die dorsale Hälfte, von der bisher allein die Rede ge- wesen ist, dievorderen Endabschnitte aller wichtigen dorsalen Anlagen und mit- hin auch das Vorderende der Rückenaxe enthält, während die ventrale Hälfte als Vereinigung und Abschluss der Seiten- und der Bauchwand zunächst des Hinterkopfes anfangs auch die gleiche Zusammensetzung wie die letzteren auf- weist, nämlich zwischen dem Darmblatte und der Oberhaut eine indifferente Fort- setzung der Seitenplatte (Taf. IT Fig. 35). Die ursprüngliche Form des Vorder- GOETTE, Entwickelungsgeschichte, 15 226 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen, kopfes als einer queren Schlussplatte bedingt es aber ganz selbstverständlich, dass sein Bauchtheil nicht wie am Hinterkopfe oder am Rumpfe gürtel- oder bogen- förmig gebildet sein, der Vorderkopf also auch keine eigentlichen Seitentheile besitzen kann. Wie aber dennoch durch eine eigenthümliche Umbildung eine solche Anpassung an die übrigen Körperregionen nachträglich erreicht wird, soll sofort erläutert werden. Die in der dorsalen Hälfte oder dem Hirntheile des Vorderkopfes unter der vorderen Hirnhälfte befindliche indifferente Fortsetzung der Wirbelsaite und der Stammsegmente des Hinterkopfes wird, wie schon erwähnt, durch eine mediane Spaltung in die beiden seitlichen Massen des ersten inneren Segment- paares verwandelt. Dass dabei auch die sich daran schliessende, ebenso getheilte Seitenplatte der Bauchhälfte oder des Kiefertheils in jenes Segmentpaar all- mählich ganz hineingezogen wird, kann uns nach den entsprechenden Erfah- rungen am Rücken und am Schwanze nicht Wunder nehmen: überall liefert die Seitenplatte das Material zur Herstellung der Segmente, und ob sie dabei ganz (Vorderkopf) oder grösstentheils (Schwanz) aufgeht oder andererseits genügendes Material zu einer selbstständigen Weiterentwickelung zurückbehält (Rumpf), hängt nur von ihrer ursprünglichen Masse an der betreffenden Stelle ab. Aller- dings ist aber für spätere Deutungen die Thatsache sehr bemerkenswerth, dass der ganze Vorderkopf sehr bald nur ein inneres und ein äusseres Segmentpaar, aber kein Homologon einer Seitenplatte mehr enthält (Taf. VI Fig. 102. 107 — 109, Taf. VII Fig. 124— 129). _Dasinnere Segmentpaar liegt jederseits an der Hirnbasis und wächst wie die homologen Stücke des übrigen Körpers rechtwinklig zu dem zugehörigen Abschnitte der Rückenaxe, also an den Seiten des Vorderhirnes nach vorne aus (Taf. X VI Fig. 286 — 289). Seine Erzeug- nisse (Augenmuskeln und -nerven) stimmen mit denen aller übrigen Stammseg- mente überein, obwohl gewisse unvermeidliche Anpassungen die Homologie verdecken. Die beiden lateralen Segmente erstrecken sich längst der Basis des Vorderhirnes, also parallel der ursprünglichen Axe und nur mit einer geringen Neigung nach vorn abwärts bis unter das Niveau des Vorderhirnes. Unter den Anlagen der Augenblasen treten sie an der Bauchseite dieses Hirntheiles in den Kiefertheil ein, welcher zu ihrer Aufnahme gewissermassen vorbereitet ist (Taf. IV Fig.77 —80, Taf. V Fig.88— 90, Taf. VI Fig. 100 — 103. 108.109, Taf. VII Fig. 124. 125). In der Medianebene wird er durch die feste Verbin- dung des Darmblattes mit der Oberhaut in zwei Hälften geschieden, in denen jene beiden Blätter bis zum Seitenrande des ganzen Kiefertheiles, d. h. bis zur 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 297 ersten Schlundfalte, wo sie wiederum verschmelzen, lose aneinanderliegen, nur im oberen Theile noch von dem Reste der sich zurückziehenden Seitenplatte gefüllt. In diese zwei seitlichen, durch eine mediane Scheidewand getrennten und anfangs gleichsam leeren Fächer des Kiefertheils wachsen die beiden late- ralen Segmente von aussen und oben hinein und füllen sie derart aus, dass sie zwei quere Wülste (Kieferwülste) bilden ; diese verleihen dem Kiefertheil die Gestalt eines flachen, das Vorderhirn gleichsam tragenden Bogens, an dessen unterem Rande die Haftorgane aufsitzen (Taf. ILI Fig.45). Da aber bei diesem Vorgange die mediane Scheidewand nicht in gleichem Masse sich von vorn nach hinten ausdehnt, als die Wülste dick sind, wird die vordere äussere und die hintere, gegen die Schlundhöhle gerichtete Fläche des Kiefertheils in der Medianebene eingezogen (Taf. XIV Fig. 249. 254). Die äussere auf diese Weise entstandene Einsenkung bezeichne ich als Mundbucht, die innere, gleichsam eine Ausstülpung der Schlundhöhle ist die Anlage der eigentlichen Mundhöhle. Die Kieferwülste behalten aber ihre quere Gestalt nicht lange; denn indem der ganze Kopf sich seitlich abplattet, wird die Masse der lateralen Segmente ab- wärts gedrängt, sodass sie zwei nahezu senkrechte Wülste zu den Seiten der in der Medianebene gleichfalls verlängerten Mundbucht bilden würden, wenn sie nicht durch eine anfangs seichte, von der letzteren ausgehende Furche je in eine obere und untere Hälfte geschieden würden (Taf. III Fig. 46 —49.52— 54). Die beiden unteren Hälften werden durch das untere Ende der Mundbucht nur an ihrem oberen Rande wie durch einen Einschnitt geschieden; weiter abwärts aber, wo die Verbindung der Oberhaut mit dem Darmblatte sich wieder gelöst hat, und daher die mediane Scheidewand und die Mundbucht aufhören, stossen die beiden Segmenthälften in der Mitte zusammen und vollenden so den Unter- kieferbogen, welcher unmittelbar vor dem Zungenbeinbogen schräg auf- und rückwärts zum Ausgangspunkte der lateralen Segmente hinter dem Auge sich hinzieht (Taf. VI Fig. 109., Taf. VII Fig. 128.129, Taf. XIII Fig.230. 231, Taf. XVI Fig. 286— 291). Die obere, durch eine seichte Furche von - der unteren geschiedene Hälfte des ursprünglichen Kieferwulstes liegt nun zur Seite der Mundbucht zwischen dem Vorderhirne und dem steil absteigenden Unterkieferbogen und entwickelt sich in dem Masse, als der letztere bei der Verschmälerung des Kopfes tiefer hinabsinkt. Dieser unter dem Hirntheile des Vorderkopfes neu entstehende Oberkieferwulst ist aber in seinem Innern nicht etwa, wie es äusserlich den Anschein haben könnte, bloss aus einem sich abgliedernden Theile der lateralen Segmente zusammengesetzt, sondern enthält Ib 228 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. zn daneben medianwärts auch eine Fortsetzung des Stammsegments, welche gleich- zeitig mit der Umbildung des ganzen Kieferwulstes unter dem Vorderhirn und Augehervorwuchs, sodass also an der Bildung der Oberkiefergegend die beiderlei Segmente sich 'betheiligen. Diese ganze Entwickelung des Oberkieferwulstes nebst den zwischen den Nasengruben hervorwachsenden Gesichtstheilen wirkt aber wie ein Keil auf die durch ihn getrennten Theile des Vorderkopfes, den Hirntheil und den Unterkieferbogen: in dem Masse als er den letzteren hinab- drängt, hebt er den ersteren, wobei dessen freie hintere Wand, welche früher sich an dem senkrechten vorderen Abschlusse der Schlundhöhle betheiligte, sich schräg nach vorn und unten stellt und so zur Decke der darunter sich entwickelnden Mundhöhle wird. Jedoch darf diese Veränderung nicht auf eine Drehung des ganzen Hirntheils um eine quere, an seiner hinteren Grenze ge- legene Axe bezogen werden; sondern es wird bloss das Darmblattstück, welches die künftige Mundhöhlendecke anfangs in ziemlich steiler Richtung überzieht, durch die Höhenzunahme des Oberkieferwulstes, also auch der medianen Scheide- wand, an welcher es einen Befestigungspunkt hat, immer flacher ausgespannt, dadurch aber das ganze Hirn ohne merkliche Veränderung seiner Axenbiegung nur in ein höheres Niveau gehoben (Taf. II Fig. 38, Taf.XV Fig. 283. 284, Taf. XVI Fig. 292. 298). Nach der bisherigen Beschreibung könnte es den Anschein haben, als halle sich das ursprüngliche Verhältniss des Vorderkopfes zum Hinterkopfe und ganzen Körper trotz allen Umbildungen nicht wesentlich verändert, als wäre der ganze Kiefertheil immer noch als eine im Grunde genommen quere Schlussbildung zu betrachten. Dies ist aber nicht mehr der Fall. Denn schon während der Ent- wickelung des Unterkieferbogens haben seine beiden Hälften eine gewisse Dre- hung ihrer medialen Ränder nach vorn und aussen ausgeführt, ihre vordere Fläche lateralwärts gekehrt (Taf. VI Fig. 102. 107, Taf. VII Fig. 124. 125, Taf. XIV Fig. 249. 254, Taf. XVLI Fig. 307. 508). Dadurch wurde die me- diane Scheidewand in eine quere, dünne Haut ausgezogen, welche endlich zer- reisst und so Mundbucht und innere Mundhöhle zu einer ununterbrochenen und offenen Mundhöhle vereinigt. Auf diese Weise ist aber jene oben angedeutete Anpassung des Vorderkopfes an den Hinterkopf vollendet: sein ursprünglich «uerer Bauchtheil ist in der Mitte durchbrochen, und seine Seitenhälften sind seitlich umgelegt, sodass sie nunmehr vom dorsalen Hirntheile ausgehend einen inneren Darmraum, eben die Mundhöhle, gürtelförmig umgreifen, gerade so wie es am Zungenbeinbogen und jedem Rumpfabschnitte von Anfang an der Fall war 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 229 Mit dieser Skizze von der Umbildung der Kopfanlagen kann ich die Be- schreibung dieses ganzen Abschnittes schliessen, da dieselbe nur die allgemeine topographische Disposition der Embryonalanlagen des mittleren Keimblattes veranschaulichen, die vollständige Ausführung ihrer Entwickelung aber späteren Abschnitten vorbehalten bleiben soll. Die Lage und Umbildung des mittleren Keimblattes bringt es mit sich, dass eine Betrachtung seiner allgemeinen, morphologischen Entwickelungs- geschichte beinahe die ganze allgemeine Geschichte des Embryo umfasst. Denn einmal gehören die bei weitem meisten Embryonalanlagen, sowohl nach Zahl, wie nach der Mannigfaltigkeit, dem mittleren Keimblatte an; und ferner bleiben die wenigen Embryonalanlagen der beiden anderen Keimblätter (Öerebromedul- larröhre, Oberhaut, Auskleidung des embryonalen Darmkanals) während der Embryonalentwickelung mit dem mittleren Keimblatte in beinahe ununter- brochener Berührung, stehen hinsichtlich der morphologischen Umbildung, wie ich es weiter unten noch näher ausführen werde, theils in inniger Wechselwir- kung mit demselben (Anpassungen einzelner Organe), theils sogar unter einem beherrschenden Einflusse desselben (allgemeine Gliederung). Daher seheich mich veranlasst, die Betrachtung des ganzen morphologischen Aufbaues des Embryo nicht bis zum eigentlichen Schlusse der allgemeinen Entwickelungsgeschichte, also des nächsten Abschnittes, zu verschieben, sondern schon an dieser Stelle mit der Besprechung der Leistungen des mittleren Keimblattes zu verbinden. — Alsdann findet aber hier das v. Baer’sche Schema der morphologischen Ent- wickelung des Wirbelthierembryo ganz natürlich den ersten Platz. v. Bar erklärt zuerst, wie die wichtigsten physiologischen Systeme des erwachsenen Wirbelthiers in der Gestalt von Röhren, welche alle einzelnen Organe enthielten oder erzeugten, um einen Stamm so angeordnet seien, dass die den letzteren schneidende Medianebene alle jene Röhren der Länge nach halbire. Denke man sich nun die Röhrenhälften über dem Stamme von der oberen Schlusslinie, unter dem Stamme von der unteren Schlusslinie aus nach aussen umgerollt und flach ausgebreitet, so erhalte man eine Anzahl horizon- taler Platten; und denke man sich ferner die in gleichem Niveau gelegenen kontinuirlich zusammenhängend, so sei der ganze Thierkörper in einige wenige über einander liegende einfache Platten verwandelt. Das, was auf diese Weise 230 IV, Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. in der Vorstellung ausgeführt werde, geschehe nun in umgekehrter Ordnung thatsächlich bei der Entwickelung des Wirbelthierembryo (Nr. 8 118.57 und flg.). Diese geistreichen Ausführungen v. Barr's haben eine allgemeine Berechtigung, insofern die in Gestalt und Zusammensetzung so mannigfaltigen Körpertheile des Wirbelthiers auf wenige und einfachste blattartige embryonale Grundlagen zurückgeführt werden können, und einige derselben sich allerdings röhrenförmig umbilden und dadurch eine ähnliche Entwickelung der übrigen theilweise her- beiführen. Der Umstand aber, dass v. Baer der Begründer einer solchen all- gemeinen Auffassung war, erklärt es hinreichend, warum sein Schema in der ausführlichen Anwendung auf die thatsächlichen Verhältnisse manche Irrthümer aufweist. Die letzteren lassen sich theils auf die Verkennung des mittleren Keimblattes und seiner Umbildungen, theils auf irrige Voraussetzungen von der Uebereinstimmung verschiedener Körpertheile zurückführen. Betrachten wir zunächst den Rumpf des Embryo, an dem v. Barr offenbar die eingehendsten Beobachtungen anstellte. Nachdem die röhrenförmigen „Fundamental- oder Pri- mitivorgane“ vollendet sind, bildet die innere Fleischschicht zwei Röhren, welche im Durchschnittsbilde an der Wirbelsaite achterförmig zusammenstossen, und von denen die obere die Nervenröhre, die untere die zweischichtige Darmröhre, (Gefäss- und Schleimhautschicht) umschliesst. Die äussere Fleischschicht und die Hautschicht umgeben das Ganze als äussere Hüllen. Zunächst will ich da- von absehen, dass v. BAER in dem obersten und dem unteren Keimblatte, deren morphologische Umbildung in die betreffenden Röhren richtig angegeben ist, die Anlagen der ganzen äusseren Haut und der Schleimhaut sah*; es kann dies um so eher geschehen, als die bindegewebigen Unterlagen der Epidermis und des Darmepithels keine gesonderten Anlagen im mittleren Keimblatte be- sitzen. Fasst man also die zwischen jenen zwei Blättern befindliche „innere Masse“ des Keimes als Analogon des mittleren Keimblattes auf, so lässt sich die Gefässschicht, da sie in den peripherischen Theilen zuerst allein das mitt- lere Keimblatt vertritt, mit den Seitenplatten vergleichen, die Anlagen der Fleischschicht aber, welche vom Rücken aus jederseits abwärts wachsen, mit den Sögmentplatten. Die Entwickelung der letzteren, soweit sie ohne Rücksicht auf die Gliederung die ganzen Platten betrifft, hat v. Baur richtig erkannt: indem sie zwischen der Haut und den Seitenplatten abwärts wachsen, entwickelt * Eine Unterscheidung der Epithelien von ihren bindegewebigen Unterlagen bestand vor dem Erscheinen der Hexte’schen Untersuchungen natürlich nicht. 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 231 sich eine innere Schicht (innere Segmentschicht), welche eben in Verbindung mit der Wirbelsaite im Durchschnitt eine Achterform zeigt, und eine äussere (äussere Segmentschicht), welche wesentlich als Anlage der Gliedmassen fungirt. Indem aber v. BAER seine Getässschicht, also das Homologon der Seitenplatte in den Darm vollständig aufgehen, die seröse Rumpfhöhle zwischen diesem und den Muskelschichten der äusseren Leibeswand entstehen lässt, wird die Spaltung der Seitenplatte und in Folge dessen das Parietalblatt, die Anlage des parietalen Bauchfells, ganz übersehen. Dagegen ist ganz richtig die Ent- stehung des Gekröses und des Herzens in das viscerale Blatt verlegt. Wie man sieht, sind die Angaben v. Baer's über die Embryonalanlagen des Rumpfes wenn auch nicht fehlerfrei, doch zum grösseren Theile richtig. Ganz irrthüm- lich ist jedoch seine Auffassung, dass das besprochene Schema sich im Kopfe wiederhole, im Schwanze aber nicht. Der letztere wurde allerdings bisher von allen Embryologen für eine Fortsetzung bloss der Wirbelsäule mit den zugehö- rigen Muskeln und Bindegewebstheilen, dem eingeschlossenen Rückenmarke und der äusserenHaut gehalten. Aus meinen Untersuchungen geht aber hervor, dass der Schwanz ursprünglich eine wirkliche Verlängerung des ganzen embryonalen Rumpfes darstellt, sodass der Darmkanal, ja sogar sein Axenstrang dort ebenso vertreten sind wie die beiden Segmentschichten und die Seitenplatten. Da nun der Schwanzdarm ursprünglich viel mächtiger ist als die entsprechende Fortsetzung des Rückenmarks und der Wirbelsaite, also um so viel weniger als diese sich der Beobachtung entziehen kann, so erhellt zur Genüge, dass die innere Entwickelung des Schwanzes gar nicht wirklich beobachtet, sondern eben nur aus den späteren Zuständen erschlossen wurde. Trotzdem aber dass der Schwanz sich als eine vollständige Verlängerung des ursprünglichen Rumpfes darstellt, findet in Folge rückbildender Ursachen eine weitere Entwickelung jener ersten Anlagen des mittleren Keimblattes zu röhrenförmigen „Primitiv- organen“ wie im Rumpfe nicht statt, da weder die Segmentschichten noch die Seitenplatte für sich allein, sondern erst in Gemeinschaft eine einzige röhren- förmige Lage zusammensetzen. — Noch wichtiger sind die Abweichungen der Kopfanlagen. Dass die „Nerven- und die Hautröhre“ sich in den Kopf fort- setzen, ist wohl niemals bezweifelt worden; ferner ist es gerade ein Verdienst v. Baer’s, den kontinuirlichen Uebergang der „Darmröhre‘ aus dem Rumpfe in den Kopf auch für die Batrachierlarven nachgewiesen zu haben. Aber er lässt auch die übrigen Primitivorgane in den Kopf übergehen und sich daselbst nur durch untergeordnete Eigenthümlichkeiten auszeichnen (Nr. 8 ILS. 78. 79). 232 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Nun gibt es freilich auch im Kopfe Segment- und Seitenplatten; aber deren wei- tere Entwickelung unterscheidet sich so wesentlich von derjenigen der homolo- gen Rumpftheile, dass von einer Uebereinstimmung der beiderseitigen Primitiv- organe oder definitiven Embryonalanlagen so gut wie gar nicht gesprochen werden kann. Denn nach meinen Untersuchungen bleiben die inneren Kopf- segmente (innere Fleischschicht) auf den Rückentheil beschränkt, vollenden also höchstens eine Röhre um das Centralnervensystem; die Seitenplatte schwin- det zum Theil (Vorderkopf), theils bleibt sie ungespalten und bildet als solche nur eine einfache und zudem im Zungenbeinbogen unvollständige Röhre. Ebenso entwickeln sich die äusseren Segmente nur im Vorderkopfe und im Zungenbein- bogen zu ganzen Ringen, wogegen sie am Bauchtheile des übrigen Hinterkopfes ungeschlossen bleiben. Letzteres hängt, wie erwähnt, mit der darunter erfol- genden Bildung des Herzraums zusammen; und wenn die ganze diesen letzteren umfassende Herzregion schon durch den Ausschluss der lateralen Segmente, welche zu den wesentlichsten Merkmalen des Kopfes gehören, und durch eine Fortsetzung der serösen Rumpfhöhle (Perikardialhöhle) sich dem Rumpfe an- schliesst, so wird ihre vollständige Zugehörigkeit zu dem letzteren besonders dadurch endgültig bestimmt, dass die innere Segmentschicht des Rumpfes später in jene Herzregion hineinwächst und sie auf diese Weise dem Bereiche des Kopfes entzieht und dem Rumpfe einverleibt. Dadurch geht aber der ursprüngliche ventrale Schluss sowohl der Seitenplatte wie der Oberhaut ver- loren, bleiben also die betreffenden röhrigen Primitivorgane im Hinterkopfe un- vollständig. Kurz — das Unterscheidende in der Entwickelung des Kopfes und des Rumpfes beruht gerade darin, dass die Kopfanlagen in ihrer Gesammt- heit von Anfang an einen anderen Entwickelungsgang haben als die Rumpf- anlagen und ferner ihre einzelnen Längsabschnitte wesentlich von einander ab- weichen. Unter solchen Umständen können denn auch die Vergleiche, welche v. Baer zwischen einzelnen Kopf- und Rumpftheilen anstellte, nicht zutreffen. Es sind also weder das Zungenbein noch andere ‚tiefere Gesichtsknochen“ Wiederholungen der Rippen, sowie sie auch durchaus nicht aus einer Fort- setzung der Bauchplatten (innere Fleischschicht, innere Segmentschicht) her- vorgehen (Nr. 8 II S. 100. 102); und wenn v. Baer auch die Kiefer im allge- meinen richtig mit den Gliedmassen des Rumpfes verglich, so entsprang dies mehr seinen Reflexionen über die anatomischen Verhältnisse des erwachsenen Thiers (Nr. 8 I S. 191. 192), nicht aber seinen bezüglichen embryologischen Untersuchungen, da gerade nach den letzteren der Oberkiefer fälschlich eine 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 233 besondere Anlage, also auch den Werth einer besonderen Extremität haben sollte (Nr.8 II S. 34.102). Es ergibt sich aus den voranstehenden Vergleichen, dass das v. Baer’sche Schema gerade hinsichtlich des mittleren Keimblattes die meisten Mängel aufweist: der Entwickelungsgang desselben, wie er sich im Rumpfe offenbart, wiederholt sich im Kopfe durchaus nicht, und daher setzt sich kein einziges der betreffenden röhrigen Fundamentalorgane aus dem Rumpfe unver- ändert und vollständig in den Kopf fort. Beim Suchen nach einer allen Körper- regionen gemeinsamen Form des mittleren Keimblattes kommt man daher über die von der Axe (Wirbelsaite) ausgehende, die Nervenröhre und die Darmblatt- röhre umschliessende Achterform der Gesammtmasse nicht hinaus. Beachtet man aber, dass diese Grundform nur durch die Einlagerung der Nervenröhre in das einfache blasenförmige Keimblatt hervorgerufen wird, so müsste die Grundform des ganzen Embryo bei den gleichen Bedingungen der Konstruktion auf die dreischichtige längliche Keimblase beschränkt werden, in deren mittle- rem Blatte sich ein axialer Strang und eine Röhre vom äusseren Blatte befinden: ein Bild, welches keineswegs die eigenthümlichen Grundzüge gerade der Wirbel- thierentwickelung enthält, sondern in gleicher Weise diejenigen gewisser niede- derer Thiere (Ascidien) wiedergibt. REICHERT verwarf die v. Baer’sche Auffassung des allgemeinen Entwicke- lungsganges und setzte an deren Stelle dieLehre von der unmittelbaren Entstehung der einzelnen Organe und Systeme aus indifferenter Bildungsmasse (vgl. Nr. 28 5.124). Beieiner solchen Anschauung konnte von einer Kenntniss des genetischen Zusammenhangs der aus dem mittleren Keimblatte hervorgehenden Schichten natürlich nicht die Rede sein. Wenn daher v. Barr die einzelnen Umbildungen dieser Schichten wenigstens im Rumpfe ziemlich richtig erkannte, so finden wir bei REıcHerT darüber keine einzige zutreffende Angabe. Sein Hautsystem ruht zuerst äusserlich auf den „Urplatten des Wirbelsystems‘, welche offenbar der grossen Masse der Segmentplatten entsprechen, und wächst sodann unmittelbar unter der Umhüllungshaut oben und unten zusammen (Membranae reunientes); es entspricht also ersichtlich der äusseren Segmentschicht, soll aber nach REICHERT nur die Lederhaut und nach dem Schwinden der Umhüllungshaut auch die Oher- haut bilden. Aus diesem Irrthume folgt aber der weitere, dass das ganze Knochen- und Muskelsystem des Rückens und des Bauches aus einer Lage, nämlich den röhrenförmig auswachsenden Rücken- und Wirbelplatten (innere Segmentschicht) sich entwickeln. Wenn aber REICHERT einerseits die richtigen Angaben v. BaEr’s über die Segmentschichten vernachlässigte, so adoptirte er andererseits dessen 254 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. irrthümliche Anschauungen über andere Theile des mittleren Keimblattes. Auch er übersah die Seitenplatten, indem er der Darmhaut eine schon ursprünglich selbstständige Anlage zuerkannte, und die inneren Kopfanlagen erscheinen auch bei ihm als eine Wiederholung des am Rumpfe Beobachteten; insbesondere sollen die beiden Visceralbögen (Unterkiefer- und Zungenbeinbögen) als Verdickungen jener ungesonderten Visceralplatte den Extremitätengürteln des Rumpfes ent- sprechen, die Kiemengegend aber ebenso wie die mittleren Rumpftheile solche Bögen entbehren (Nr. 22 8. 17. 15). Auch diejenige Beobachtung ReıcHerr's, welche im Vergleiche zu meinen Untersuchungen am meisten begründet er- scheinen könnte, dass nämlich die Wirbelsaite ursprünglich bis zum vordersten Hirnende reiche, später aber dieser ihr vorderster Abschnitt verkümmere, — auch diese Angabe kann ich nicht unbedingt gutheissen. Denn mit der Be- zeichnung jener Ausdehnung „bis zur Stirnwand‘‘* wird einmal des Guten zu viel gethan, ferner aber dadurch in Verbindung mit der Angabe, dass aus der verkümmernden Chordaspitze der Hirnanhang entstehe, der Verdacht erregt, Reicnerr habe die Anlage des letzteren, welche allerdings von jener „Stirn- wand“ entspringend rückwärts unter das Hirn wächst, mit einer Fortsetzung der Wirbelsaite verwechselt. Dagegen muss hier hervorgehoben werden, dass REICHERT zuerst die Quergliederung des Embryonalkörpers betonte. Frei- lich gedachte schon v. Baer der mit einander übereinstimmenden Abschnitte, die im Knochen-, Muskel-, Nerven- und Gefässsystem des Rumpfes bestehen und die er „morphologische Elemente“ nannte (Nr. $ II S. 82 und flg.); da er aber die im jungen Embryo sichtbaren Abschnitte nur für die Anlagen der Wirbel- bögen hielt (Nr. 8 II S. 97), so wusste er weder die Uebereinstimmung der Gliederung in den verschiedenen Systemen auf einen gemeinsamen Entwicke- lungsvorgang zu beziehen, noch viel weniger erkannte er eine solche als einen allgemeinen, mehr oder weniger auf alle Systeme und alle Regionen des Körpers sich erstreckenden embryonalen Entwickelungsprocess. Die röhrenförmigen Primitivorgane als solche blieben für v. Baer der Inbegriff der allgemeinen Embryonalanlagen. Reıcmerr erkannte nun freilich die embryonale Gliede- rung im Rumpftheile des mittleren Keimblattes, hat sie aber, wie es scheint, bloss auf die Muskeln und Knochen bezogen (Nr. 22 8. 32), während die letz- * Die von Reichert bezeichnete Stelle der vorderen Wand des Kopfes entspricht dem Ursprunge der Anlage des Hirnanhangs; dadurch wird es möglich, den späteren Ueber- gang jener „Stirnwand“ in die Decke der Mundhöhle zu verfolgen (vgl. Taf. XVI Fig. 292. 293. 298). t 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 235 teren in den Embryonalanlageu gar nicht enthalten sind und die Segmente muskulöse, nervöse Theile und die Anlagen eines allgemeinen Bildungsgewebes umfassen. REIcHERT versuchte aber auch ferner die „Wirbelabtheilungen‘“ im Kopfe nachzuweisen. Er findet sie dort nur in den Urplatten des Wirbel- systems (innere Segmente), und zwar erst an Embryonen, die schon Augenblasen und drei Hauptabtheilungen des Gehirns besitzen (Nr. 22 5. 16, Taf. II Fig. 15, Nr. 20 8. 7, Taf. I Fig. 6). An so alten Embryonen kann man aber die wirk- lichen Segmente nach meinen Erfahrungen entweder gar nicht mehr oder nur noch andeutungsweise sehen, an älteren Geschöpfen aber durchaus nicht mehr unterscheiden, während sie dann nach REICHERT gerade deutlicher werden sollen (Nr, 20 S. 18. 28). In Uebereinstimmung damit spricht REICHERT „von dem Einflusse, den die Gehirnabtheilungen auf die drei Wirbelabzeichnungen des Schädels haben“ (Nr. 20 S. 19. 91), und empfiehlt daher, da diese nicht überall deutlich geschieden seien, zur Orientirung über ihre Lage und ihre Grenzen sich an die Hirnabschnitte und die Sinnesorgane zu halten (Nr. 20 >.41;;91.), Theile, die nach meinen Untersuchungen erst erscheinen, wenn die typische Gliederung des Kopfes bereits verschwunden ist. Es entsprechen also die Reıchzrr’schen Wirbelabtheilungen des Kopfes durchaus nicht meinen Kopfsegmenten; und wenn man überlegt, dass er sie verhältnissmässig spät unter dem Einflusse der drei Gehirnblasen entstehen lässt und sie einfach als Schädelwirbel bezeichnet, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass diese An- schauung weniger der Beobachtung als der Reflexion entsprang und dass der ganze Schein von Wahrheit, der ihr anhaftet, von der genialen Konception der allgemeinen Wirbeltheorie entlehnt ist, welcher überhaupt jene ganze Auffassung, dass der Kopf nur eine eigenthümliche Fortsetzung des Rumpfes sei, offenbar erst ihre Entstehung verdankt. Mochte Reıcnerr aber auch von der Richtig- keit seiner Angaben überzeugt sein, so geht doch gerade aus den angeführten Stellen und seiner Entwickelungstheorie (Nr. 28 III. IV) unzweifelhaft hervor, dass er gar nicht daran dachte, jene Gliederung des Rumpfes und Kopfes als integrirendes Element in den embryonalen Aufbau der Wirbelthiere, insbeson- dere der Batrachier aufzunehmen, wie er denn an seinen Primitivorganen, „welche den Organisations-Typus des Thiers bedingen“ (Nr. 28 S. 124 — 125), wohl „Doppelanlagen“, nie aber die Gliederung erwähnt. Da Reıcherr bei seinem Versuch, die Unhaltbarkeit der von v. BAER vor- getragenen Lehre nachzuweisen, sich mehr auf naturphilosophische Deduk- tionen stütze, als auf einfache Beobachtung (vgl. Nr. 28 II. II) und daher auch 236 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. die offenbaren Blätter und Schichten ausser Acht liess, so ist es begreiflich, dass seine Arbeit erfolglos blieb. Schon Vocr, dessen Beobachtungen über die dem mittleren Keimblatte entsprechenden Theile sich im allgemeinen an die ReıcHerr'schen anschliessen und daher an dieser Stelle nicht weiter be- sprochen werden sollen, sucht in freilich unbestimmter Weise sich der älteren Lehre wieder zu nähern. Ganz entschieden trat aber Rem den Anschauungen REICHERT’s entgegen, indem er das von v. Baer Ueberlieferte seinen weiteren Ausführungen zu Grunde legte. Dadurch, dass er die Existenz eines mittleren Keimblattes feststellte und die Gliederung desselben in eine Axe und sich weiter sondernde Seitentheile (Urwirbel-, Seitenplatten)-nachwies, wurde es erst möglich, das von v. Baer entworfene Bild auf ganz bestimmte, klar unterscheidbare Theile zu beziehen. Was Remax aber an dem v. Barr’schen Schema dadurch verbesserte, dass er die Spaltung der Seitenplatten in dasselbe einführte, verdarb er wiederum durch seine Darstellung von der Entwickelung der Hautplatten (Parietalblatt), Fasst man zusammen, dass nach’ ihm die letzteren unter der Oberhaut aufwärts wachsend die gesammten inneren Rücken- theile umhüllen, ferner die Gliedmassen und Bauchmuskeln erzeugen, die Ur- wirbel (Segmente) dagegen nur die Wirbelmuskeln bilden sollen, so ist es klar, dass REemak seine „Hautplatten“ das vom Bauche zum Rücken hinauf aus- führen lässt, was die beiden Fleischschichten v. Baer’s in umgekehrter Richtung leisteten. Aus meinen Abbildungen geht aber hervor, dass das Parietalblatt (Remar’s Hautplatte) nur das parietale Bauchfell liefert und der gesammte zwischen diesem und der Oberhaut befindliche Inhalt der Leibeswand von den Segmenten des Rückens (Urwirbel aut.) abstammt; Remax hat sich also in dieser Hinsicht vollständig geirrt, und muss die alte v. Barr’'sche Darstellung durchaus wiederhergestellt werden. — Auch in der Erkenntniss der Bedeutung, welche die Quergliederung, die Bildung der Segmente für die ganze embryonale Entwickelung hat, ist Remak über Reıcnerr’s Ergebnisse nicht weit hinaus- gegangen. Einmal beschränkte auch er jene Gliederung auf den Rumpf, indem er eine solche für den Kopf des Hühnchens und des Frosches ganz bestimmt in Abrede stellte.“ Ferner enthalten seine Mittheilungen über die Rumpfseg- mente mehr Irrthümliches als Zutreffendes.. Denn wenn er auch Muskel, Nerv und Wirbel die Elemente der Urwirbel nennt, so sollen doch letztere * Vgl. Nr,40 5.36, Nr. 83 5.23 Anm. 2. An letzterem Orte sagt Remax ganz ausdrück- lich, dass „beimHühnchen und beim Frosche die Reihe der Urwirbel erst hinter dem Nervus vagus beginnt.“ 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 937 beim Frosche anfangs nur aus Muskelmasse bestehen, und erst später an ihrer Innenseite je ein Spinalganglion und als „Zwischenstücke der Muskelplatten“ die Wirbelbögen erscheinen (Nr.83 8.23 Anm. 3, Nr. 40 S. 154. 186). Dies ist unrichtig, weil die Muskelplatte und das zugehörige Ganglion von Anfang an als Theile des ursprünglichen Urwirbels oder Segments erscheinen; und wenn REMAR für das Hühnchen eine gleichzeitige Entwickelung jener drei Stücke aus den Urwirbeln annimmt (Nr. 40 S. 41), so geht er wieder zu weit, da die Wirbel überhaupt nicht unmittelbar aus den Urwirbeln hervorgehen. Der wichtigste Punkt bleibt aber, dass diese Entwickelung gewissermaassen erst unter Auflösung der ursprünglichen Segmentirung erfolgen soll, indem diese nur in den Muskelplatten erhalten bliebe, für Nerven und Wirbel aber vollständig verwischt würde, um einer durchaus abweichenden Eintheilung Platz zu macher, deren Zusammenhang mit der ersteren durchaus unersichtlich bleibt. Wenn man ferner überlegt, dass jene Muskelplatten Remar’s nur in die Rücken- muskeln übergehen sollen, also die Gliederung der ganzen übrigen Muskulatur, welche REMmAX von seiner Hautplatte ableitet, ganz unabhängig von jener em- bryonalen Segmentirung sich darstellt, so ergibt sich, dass der letzteren als- dann eine allgemeine Bedeutung überhaupt nicht zukommt, sondern sie viel- mehr ähnlichen Gliederungsprocessen in anderen Körpertheilen, so gerade im Kopfe und in der Wirbelsäule, nur koordinirt erscheint. — Ueber den Kopfab- schnitt des mittleren Keimblattes, welcher ungegliedert bleiben soll, hat sich REmAX etwas unbestimmt ausgesprochen. Wenn aber danach die Gesichts- und Kiemenplatten mit den Seitenplatten zusammenhängen und ebenfalls wie die Hautplatte eine Fortsetzung nach oben besitzen sollen, welche das Hirn umhüllt, so darf man wohl annehmen, dass auch Remax dem hergebrachten Dogma huldigte, dass die Kopfanlagen in ihrer allgemeinen Anordnung, aber mit Ausschluss einer Segmentbildung, den Rumpfanlagen entsprächen. * Erst STRICKER trat dieser Ansicht entgegen, verfiel aber gleich ins andere Extrem, indem er die eigenthümliche Kopfbildung nicht nur auf eine abwei- chende Anordnung und Umgestaltung der auch im Rumpfe vorkommenden Anlagen des mittleren Keimblattes, sondern auf ganz neue, ausserhalb der Kontinuität desselben entstehende Theile (Schlundschienen) zurückführte. Dies kann ich nach meinen Erfahrungen nicht gelten lassen; denn einmal wachsen die Schlundschienen Srricker’s oder meine äusseren Kopfsegmente aus der * Als eine Abweichung davon kann das, was Remak von seiner Sinnesplatte aussagt, nicht gelten, da die betreffende Entwickelung einer viel späteren Periode angehört. 238 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. ursprünglichen Segmentplatte hervor, und ferner finden sich, wie ich gezeigt habe, entsprechende Theile in den äusseren Segmentschichten des Rumpfes. Aber auch in der Darstellung der weiteren Entwickelung und in der Deutung der Schlundschienen irrte Srkicker. Dass das erste Paar die Augenanlage von hinten und unten umkreisst und dann senkrecht hinunter wächst, ist richtig; aber STRICKER übersah die mediane Scheidewand, welche jenes Paar der Schlund- schienen nur an der Bauchseite, nicht aber auch vorn und oben zusammen- stossen lässt. Sodann hält er irrthümlicherweise das erste Paar der inneren Segmente, welche über und unter dem Auge nach vorn wachsen, für Theile seiner Schlundschienen (Nr. 55 8. 65), wodurch die Identität der letzteren und meiner äusseren Segmente wieder aufgehoben würde. Daraus erklärt sich, dass er den medianen, dünnen Theil des mittleren Keimblattes, welchen er fälschlich für die Fortsetzung der ganzen Rumpfsegmente, statt bloss ihrer medialen Theile (innere Segmente) ansieht, später in die dünne Unterlage des Vorderhirns voll- ständig aufgehen lässt, wobei die zeitweilige breite Lücke in diesem Theile des mittleren Keimblattes ganz übersehen wurde. So kommt denn STRIckEr endlich zu der ganz irrigen Ansicht, dass jederseits eine einzige Embryonalanlage, eben die erste Schlundschiene alle die verschiedenen Theile des Vorderkopfes bilde, welche zwischen den Erzeugnissen des oberen und unteren Keimblattes liegen, mit alleiniger Ausnahme jener dünnen Membran an der Schädelbasis. — Weiter hat sich aber Stricker über die Umbildungen des mittleren Keimblattes nicht ausgelassen. Ganz so wie Döxızz eine Wiederholung der Reıcnerr'schen Lehre ge- liefert hat, fand sich auch eine bedingungslose Bestätigung der Ansichten STRICKER’S durch TöröR, wesshalb ich betreffs Beider einfach auf die citirten Aufsätze und mitgetheilten Auszüge verweise. Die letzte der hier zu besprechenden Arbeiten lieferte v. BAMBECKE. Für den Rumpf hat er die Remar’schen Angaben über die Entwickelung des mitt- leren Keimblattes wesentlich verbessert durch die Unterscheidung der an den Urwirbelplatten auftretenden oberflächlichen Schicht, meiner äusseren Segment- schicht. Dass aber diese sowie die innere Segmentschicht nicht nur aufwärts- wachsend das Rückenmark umhüllen, sondern auch beide bis zur Bauchfläche hinabwachsen, ist v. BAMBECKE freilich entgangen, wie denn die falsche Deutung der äusseren Schicht aus der Benennung „lame ceutande dorsale“ erhellt. Und da auch er für den ganzen Kopf die bequeme Lehre von der allmählichen histiologischen Sonderung aller inneren Theile aus einer morphologisch indiffe- 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 239 renten Masse adoptirt, so kann auch seine Kenntniss vom morphologischen Aufbaue des Embryonalkörpers und die Einsicht in die Bedeutung eines solchen Entwickelungsganges nicht wesentlich höher gestellt werden als bei den meisten seiner Vorgänger, welche ihre Arbeit auf die Sammlung vereinzelter That- sachen beschränkten, ohne Rücksicht darauf, ob dieselben einen Zusammen- hang erkennen liessen oder nicht. Bei einem Vergleiche aller eben angeführten Darstellungen lässt sich nicht verkennen, dass in ihnen zwei ganz verschiedene Grundanschauungen sich geltend machen, nirgends streng geschieden oder sich gegenseitig ausschliessend, aber doch mit einem entschiedenen Uebergewichte bald der einen, bald der andern. Einmal tritt eine Reihenfolge zusammenhängender, gesetzmässiger Formveränderungen in den Vordergrund, sodass gewisse Körpertheile als das Ergebniss einer ununterbrochen fortschreitenden Formumbildung der ein- fachsten ursprünglichen Anlagen erscheinen; in anderen Fällen erscheint dieser Zusammenhang mehr oder weniger unterbrochen, indem die Wirkungen der fortschreitenden Formumbildung ersetzt werden durch ein geheimnissvolles Leben und Weben innerhalb der unorganisirten Zellenmassen, aus denen als- dann die fertigen Bildungen so zu sagen durch eigene Kraft sich herauslösen. Diese beiden Anschauungen sind seither unter den Namen der „morphologischen und der histiologischen Sonderung“ bekannt und üblich geworden, Namen, deren Bedeutung ich erst später noch näher erläutern will. Hier soll nur festgestellt werden, welche von beiden für die Embryonalentwickelung die rich- tige und massgebende sei, und in welcher Weise sie begründet und ausgeführt werden müsse. — Es wäre nach meiner ganzen Darstellung unnöthig ausein- anderzusetzen, dass ich nur in der zuerst von v. BAER bekannt gegebenen mor- phologischen Entwickelung des Wirbelthierembryo einen einigermassenrichtigen Ausdruck für das Wesen der Embryonalentwickelung, dieses grundlegenden Aufbaues des künftigen Thieres wiederfinde, dass ich dagegen alle Versuche, jenen rein morphologischen Entwickelungsgang in grösserem oder geringerem Masse durch unbegründete „histiologische Differenzirungen‘ zu ersetzen oder zu ergänzen, als unberechtigt zurückweisen muss. Es soll damit nicht gesagt sein, dass durch v. BAER in der angegebenen Richtung die allein richtige Beo- bachtung erschöpft worden, unter seinen Nachfolgern darin kein Fortschritt zu verzeichnen sei. v. Baer blieb aber in seiner allgemeinen Auffassung unüber- troffen, da eine Fortentwickelung derselben sich bisher nicht bemerkbar gemacht hat, und zwar, wie ich glaube, aus dem Grunde, weil die einseitige Ausbildung 240 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. der Zellentheorie den histiologischen Vorgängen zu viel Gewicht einräumte und darüber die Gesetze und Bedingungen der morphologischen Entwickelung zu sehr ausser Acht liess. Seit v. Baer den Grund zu einer wissenschaftlichen Entwickelungsgeschichte gelegt, sind allerdings grössere und kleinere Beiträge zu derselben reichlich herzugeströmt, ohne jedoch jene Grundlage wesentlich zu verändern; die wachsende Fülle der Thatsachen vermochte die Emsicht in die Bedeutung des morphologischen Moments der Entwickelung nicht im gleichem Masse zu erweitern, sodass wir hinsichtlich desselben immer wieder auf jenen Nestor unserer Wissenschaft zurückkommen müssen, der mit den einfachsten Mitteln der Beobachtung und unter dem Einflusse der damals herrschenden unklaren morphologischen Anschauungen das leistete, was seine Nachfolger unter günstigeren Verhältnissen zu fördern und zu läutern nicht vermochten, dagegen gar zu häufig verkannten und vernachlässigten. Das von v. BAER Erreichte ist aber eben nicht vollkommen zu nennen, nicht als abgeschlossen zu betrachten. War er sich doch selbst des Unterschiedes von Morphologi- schem und Histiologischem nicht ganz klar bewusst; beide Entwickelungsweisen sollten nur nach ihrer äusseren Erscheinung und ihren Zielen geschieden sein, in ihrem Wesen jedoch, als Differenzirung des Einfachen zum Mannigfaltigen, durchaus übereinstimmen (vgl. Nr.8 Bd. 11 S. 92— 94). Letzteres ist aber nur eine Umschreibung des allgemeinsten Begriffes der Entwickelung, und dass diesselbe im Embryo wesentlich in zusammenhängenden, nach bestimmten Gesetzen sich gegenseitig bedingenden und erzeugenden Formveränderuugen erfolge, konnte bei v. BAER um so weniger zu klarem und umfassendem Ausdrucke gelangen, als er sich von gewissen aprioristischen Vorstellungen nicht immer frei zu erhalten wusste, So wird der „Wesenheit jedes Primitivorgans,“ welche sich in der physiologischen Aufgabe der daraus hervorgehenden Körpertheile wiederspie- sele, ein bestimmender Einfluss auf dessen weitere morphologische Umbildung zugeschrieben, so ferner im Grunde genommen das ganze Schema der Ent- wickelung von dem Baue des fertigen Thieres abgeleitet (vgl. Nr. 8 II S.57 und flg. S. 86 und flg.), wobei die in einzelnen Theilen erkannte Uebereinstimmung sofort auf den ganzen Körper übertragen wurde. Andererseits wurde eines der wesentlichsten Momente der morphologischen Entwickelung, die Querglie- derung, ganz übersehen, und das ganze Schema über die Keimschichtung hin- aus rückwärts in seiner eigentlichen Konsequenz nicht ausgeführt. So mag uns denn die v. Barr’sche Darstellung über den Aufbau des Wirbelthiers vielfach orientiren, überall dort aber, wo uns nur die klare Emsicht in den Kausalzu- 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 241 sammenhang der Erscheinungen den gewünschten Aufschluss gibt, bei der Vergleichung verschiedener Typen, bei ihrer Ableitung von einander, lässt sie uns heutigen Tages.im Stich. Bewunderungswürdig als Ausgangspunkt einer echt wissenschaftlichen Entwickelungsgeschichte hat sie ihre Aufgabe erfüllt, die Erkenntniss von der Bedeutung dieser Wissenschaft weithin verbreitet und überlässt nun uns Epigonen den Ausbau dessen, was sie angebahnt. In diesem Sinne habe ich meine bezüglichen Untersuchungen zu verwerthen ge- sucht und fasse zur besseren Uebersicht hier noch einmal die ganze allgemeine morphologische Entwickelung unseres Thieres kurz zusammen. Ich erinnere zunächst an die Ergebnisse der in früheren Abschnitten dar- gelegten Untersuchungen. Die erste Organisation des Eies begann mit einem einzigen, einfachen physikalischen Vorgange, der unter dem Schutze günstiger Bedingungen Bestand und Fortgang erhielt, — der radiären Diffusion oder Endosmose. Der erste Erfolg der Entwickelung, die Einleitung der Dotterthei- lung, entsprang einer Grössendifferenz dieser sonst gleichartigen radiären Ströme, welche in der aus dem Eierstocke überkommenen Anordnung des Ei- stoffes begründet war. Mit der Möglichkeit der ersten Dottertheilung war auch ihr Fortgang gesichert; jene fundamentale Differenz wirkte aber nicht nur durch Vererbung in den Theilen fort, dadurch die andauernde Herstellung der erfor- derlichen letzten morphologischen Elemente, der Zellen fördernd, sondern er- hielt sich auch im Ganzen, in dem immer schärfer hervortretenden Gegensatze von Keim und Nahrungsdotter. Nach den von mir angedeuteten, aus jener Differenz entwickelten Gesetzen erfolgten die Dottertheilungen zuerst aus- schliesslich, später vorherrschend radiär gegen einen excentrischen, dem oberen Pole genäherten Punkt, ferner mit einer von diesem Pole gegen den unteren hin abnehmenden Energie; die mit den Theilungen verbundenen und mit dem Fortschritte derselben zunehmenden Verschiebungen der Dotterstücke und Embryonalzellen mussten daher zu einer vom oberen Pole allseitig ausgehenden, mit Bezug auf die Eikugel koncentrischen Ausdehnung der oberen Masse zu- sammenfliessen: es entstand die Keimhöhle, die Sonderung des Keims, dessen Ränder sich über den relativ unthätigen Nahrungsdotter hinschoben. Die sich dabei ergebenden natürlichen Hindernisse riefen den Umschlag des Randes der primären Keimschicht hervor, schufen die sekundäre Keimschicht. Indem sich der ganze Keim in Folge dessen wie eine eingestülpte Blase über dem Nahrungsdotter zusammenzog, entwickelte sich ein neuer Gegensatz in der noch immer einfachen centrifugalen Zellenbewegung des Keims: die letztere bevor- GoETTE, Entwickelungsgeschichte, 16 242 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. zugt eine Seite des Eies in steigendem Masse, sodass dort oder im künftigen Rückentheile ihre Wirkung, die Ausdehnung der primären Keimschicht in centri- fugaler, der sekundären in rückläufiger Richtung, zuerst zum deutlichen Aus- drucke kommt. Der trägeren Zellenbewegung der entgegengesetzten Bauch- seite fehlt mit der entsprechenden Kraft die gleiche Wirkung; dagegen scheint sich ihr in dem vom Nahrungsdotter durch die Darmhöhle vollständig getrenn- ten Rückentheile ein leichterer Abfluss zu eröffnen, denn sie wird dorthin abgelenkt und erzeugt darauf, von beiden Seiten des Rückens gegen ihn vor- rückend die bekannten Axengebilde beider Keimschichten. Die Bildung des Darmblattes hängt in der geschilderten Weise mit der Bildung des Rückens und der Darmhöhle zusammen und gestattet durch ihre ursprünglich beschränkte Ausdehnung, dass das in der Dotterzellenmasse gebildete Blut direkt in das mittlere Keimblatt, diese Keimstätte alles interstitiellen Bildungsgewebes über- trete. Sowie die Sonderung einer Rücken- und einer Bauchseite an der Keim- blase ausgesprochen ist, kann sich die Betrachtung beinahe ausschliesslich der ersteren zuwenden, weil in ihr die nach Zahl und Bedeutung überwiegenden ein- zelnen Entwickelungsprocesse abspielen. Aber auch im Rücken ist gleich im Anschlusse an seine Bildung und in nothwendiger Folge davon ein neuer Gegen- satz angelegt, nämlich der einer vorderen und einer hinteren Hälfte (Kopf und Rumpf), deren eigenthümlich verschiedenes Gepräge aus der sich immerfort steigernden Wechselwirkung des oberen und des mittleren Keimblattes hervor- geht. Das letztere leitet die ganze Axenbildung ein, sodass der Axenstrang, der nach vorn abfallenden Mächtigkeit des ganzen Blattes entsprechend, nur im Rumpfe zu einem zeitweiligen Hinderniss einer gleichen Verdiekung des oberen Keimblattes wird, welche sich daher zu beiden Seiten des Axenstranges und unter dem Einflusse der letzten Ausläufer der ursprünglichen centrifugalen Zellenbewegung vom oberen Pole her auch rund um sein Vorderende anlegt. So haben wir also im oberen Keimblatte eine nach vorn hin verbreiterte und dort alsbald auch dickere Platte, darunter aber das in entgegengesetzter Richtung anschwellende mittlere Keimblatt. War nun die Bildung der Axen- platte durch den zeitlichen Vorsprung des Axenstranges von diesem abhängig, so gewinnt doch das obere Keimblatt wegen seines längeren Bestandes und der damit zusammenhängenden grösseren Festigung einen die übrigen Bildungen beherrschenden Einfluss, welcher erst während des Abschlusses seiner wichtig- sten Bildung, des Centralnervensystems, theilweise an das mittlere Keimblatt übergeht. Dieses Verhältniss steigert jene Differenz von Kopf und Rumpf 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 243 fortdauernd. Solange die mit der Zellentheilung zusammenhängende Verschie- bung in einer lockeren Schicht erfolgte, musste ihr Erfolg eine Anhäufung der Elemente an der Grenze der Bewegung, also im Rücken sein; sobald aber das obere Keimblatt hautartig geworden, vermehrt es die Zellenanhäufung nicht mehr, sondern drängt die Axenplatte bloss zusammen. Durch den Druck des Axenstranges nach oben und andererseits der gegen ihn andrängenden Medullar- platten wird jener innige axiale Zusammenhang beider Keimblätter herbei- geführt, welcher es verhindert, dass die seitliche Zusammenziehung der Axen- platte im Rumpfe zu einer entsprechenden Verdickung führe: der gegen die Medianebene gerichtete Zellenstrom wird in die Längsrichtung abgelenkt, die Zusammenziehung geht in eine Verlängerung der sich verschmälernden Axen- platte über. Am Kopfende fehlt die Hauptbedingung dazu, der bilateral gegen die Medianebene gerichtete Zellenzufluss, welcher vielmehr von einem nahezu kreisförmigen Umfange gegen ein gemeinsames Centrum zielt. Das Kopfende behält also zunächst seine frühere Mächtigkeit und breite, runde Gestalt. So wurden, wie man es schon am äusseren Relief deutlich erkennt, die beiden oben bezeichneten, anfangs nicht erheblich unterschiedenen Hälften der Axenplatte so verschieden verwandelt, dass die vordere endlich zu einem knopfförmig auf- getriebenen Ende der stabförmig verlängerten hinteren Hälfte wird. Aber schon während der Emleitung dieser Sonderung hat sich aus denselben grund- legenden Zellenbewegungen ein neuer morphologischer Vorgang entwickelt. Dem von der sich ausdehnenden Oberhautanlage auf den Rand der Axenplatte ausgeübten Drucke wird durch die Vertheilung der Zellenmasse in der Längs- richtung nicht genügt, und es erfolgt die Hebung und Umrollung jenes Randes, die Bildung der Cerebromedullarfurche und -röhre. Ihr Begimn am Kopfende stimmt mit dem Mangel einer Verlängerung, ihr langsamer Fortgang daselbst mit der Mächtigkeit der Hirnplatte überein. So wird die Medullarfurche zuerst im vorderen und mittleren Rumpftheile ausgebildet, während gegen das Schwanz- ende hin mit der Abnahme der zugehörigen Zellenmassen auch ihre Bewegungen und deren Erfolge sich abschwächen. Indem man aber jene Furche mit vollem Rechte einer Falte vergleicht, welche das von beiden Seiten gegen die Median- ebene, aber zunächst nur auf einer bestimmten Strecke sich ausdehnende obere Keimblatt nach innen schlägt, ergibt sich der ganz natürliche Schluss, dass der mehr oder weniger eingesenkte Grund dieser Furche unter der konvexen Kugel- oberfläche einen gestreckteren Verlauf nehmen muss. Es wird sich also die Axenplatte gegen das Kopfende hin strecken und verlängern; dort setzt aber 16* x 244 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. die breite Hirnplatte sowohl der Einsenkung und daher der Streckung, als auch wie erwähnt der Verlängerung einen Widerstand, und so kommt endlich jene Knickung nicht nur der Axenplatte, sondern des ganzen, ihr sich noch vollständig anpassenden Rückens zu Stande, welche sich in der Folge als eine der bedeutsamsten Veränderungen des Embryo darstellt. — Gehen wir nun auf die Umbildungen des mittleren Keimblattes über, so ist zuerst der Gegensatz seiner ersten dorsalen Anlage zur Axenplatte hervorzuheben, indem es gerade nach vorn hin, wo der Rand der sekundären Keimschicht dünn aus- wuchs und die Hirnplatte in ihrer ganzen Breite seine weitere Entwickelung hindert, sich verschmächtigt. Die axiale Verbindung der Keimblätter bildet nun im Rumpfe eine mediane Scheidewand, sodass der Andrang der lockeren Seitenmassen aufwärts unter die sich erhebenden Medullarplatten abgelenkt und dieselben aus ihrer Verbindung mit dem Axenstrange gelöst werden. So scheint mir die Sonderung der Wirbelsaite und der Segmentplatten mit der Umbildung der Axenplatte in den innigsten Beziehungen morphologischer An- passung zu stehen. Aber auch die Bildung der Segmente, welche aus einer Art querer Faltenbildung der Segmentschichten hervorgeht, lässt sich nur aus einer Anpassung an die schon bekannten morphologischen Verhältnisse erklären. Beim Vorrücken der Zellen aus den Seiten- in dieSegmentplatten haben die nach innen gelegenen einen kürzeren Weg bis zu der Wirbelsaite und den medialen, später tieferen Theilen der Medullarplatten zu beschreiben, als die äusseren Zellen, welche am schnellsten bis zur oberen Kante der Segmentplatten vor- geschoben werden. Die ungleiche Bewegung erzeugt die Sonderung der beiden Segmentschichten; und in Bestätigung dieser Annahme sehen wir ferner die langsamer fortschreitende innere Schicht ihre Leistung mehr in einer Anhäu- fung (inneres Segment, Segmentkern), die äussere in einer hautartigen Ausdeh- nung offenbaren. Der überwiegende Seitendruck führt nun auch in den Seg- mentschichten die Bewegung aus der queren in die Längsrichtung über; wenn aber die sich verlängernde Axenplatte an der sie einfassenden dünnen Ober- hautanlage keinen erheblichen Widerstand findet, andererseits auch wohl durch ihre mediane Befestigung an Faltungen verhindert wird, so ergeben sich für die Segmentschichten ganz andere Bedingungen. Sowohl am abgebogenen Vorder- kopfe wie auch gegen das Schwanzende hin, wo mit der Abnahme der Bewegung auch die Entwickelung der Segmentschichten erst später erfolgt, sind ihnen bestimmte Schranken ihrer Flächenausdehnung in sagittaler Richtung gesetzt; und sobald dieselbe ein gewisses Mass überschreitet, muss sie sich naturgemäss 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 245 in Faltungen äussern. Die schon entstandenen setzen um so präcisere Wider- stände zur Bildung neuer, sich ihnen anschliessender Querfalten, und so erreicht die Sonderung der Segmente sehr bald die vordere Grenze, den Vorderkopf und setzt sich ferner in dem Masse, als die anfangs noch ziemlich ungeformten Zellenmassen der hinteren Rumpfhälfte in ihrer ganzen Umbildung sich den vor- deren Theilen anschliessen, gegen das Schwanzende fort. Im Vorderkopfe tritt eine Segmentirung nicht ein, weil seine abweichende Gestalt und Lage eine un- gleichmässige Bewegung seines mittleren Keimblattes, also die Schichtung des- selben überhaupt ausschliesst. An den fertig abgegliederten Segmenten kann von einer weiteren Faltung nicht die Rede sein; solange aber ihr Wachsthum von der Seitenplatte her fortdauert, passt sich ihre weitere Umbildung den sie bedingen- den Raumverhältnissen in der früher geschilderten Weise an. Werfen wir noch einen Blick auf die allmählige Verschmälerung und Verlängerung des Rückens, wovon die Segmentbildung nur eine Folgeerscheinung ist, in ihrem Verhältniss zum ganzen Embryo, so wird eine weitere Steigerung des Gegensatzes von Kopf undRumpf und Rücken und Bauch ersichtlich. Es ergibt sich aus dem Früheren, dass jene Umbildung zuerst ganz auf den Rückentheil beschränkt bleibt; der unthätige Bauchtheil passt sich jedoch dem die Entwickelung beherrschenden Rückentheile um so früher an, je geringer seine Masse ist, und umgekehrt, so- dass man beide Theile bald in dem Begriffe des Embryo zusammenfasst (die meisten Batrachier), bald die grössere Masse des Bauchtheils als den sogen. Dottersack vom Embryo unterscheidet (die meisten übrigen Wirbelthiere). Damit hängt aufs innigste die ebenfalls nur bei den mit einem Dottersacke ver- sehenen Wirbelthierembryonen angenommene Abschnürung des Embryo zu- sammen. Solange die hintere Rumpfhälfte eine relativ ruhende Masse darstellt, muss die Verschiebung in der Längsrichtung sich vorzüglich vorn äussern, und da sie in Gemeinschaft mit der Verdickung und Abplattung des Rücken- theils sich entwickelt, so wird dieser festeste Theil der ganzen Keimhaut in gerader Richtung, also aus der ursprünglichen Kugeloberfläche des Eies hinaus- geschoben, der zwischen dem Kopfende und der Dotterzellenmasse (Dottersack) ausgespannte Keimtheil aber in der Weise mit ausgezogen, dass er von unten und den Seiten her jenen Rückentheil zu einem aus der ursprünglichen Keim- oberfläche hervorragenden Blindsacke ergänzt. Diese Hervorbildung des vor- deren Rumpfes und des Kopfes ist nach Ursachen und Wirkung bei allen Wir- belthierembryonen dieselbe; ob jene Theile dabei gegenüber dem Dottersacke je nach seiner Grösse abgeschnürt erscheinen oder nicht, ist offenbar nur vo 246 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. ganz nebensächlicher Bedeutung. In ähnlicher Weise wie der Kopf wächst auch der Schwanz als eine vollständige Fortsetzung des Rückens hervor, nur mit dem Unterschiede, dass die viel weniger mächtigen Anlagen des Schwanzes nicht durch einen breiten, queren Abschluss, wie ihn der Vorderkopf vorn bildet, an einer stetig zunehmenden Verschmächtigung und Verlängerung ge- hindert werden. Wie das mittlere Keimblatt sich weiter entwickelt, will ich nach den aus- führlichen früheren Erörterungen nur ganz kurz berühren. Die wirkenden Ursachen sind überall der mehrerwähnte seitliche Zellenandrang und die sich zur Ausfüllung darbietenden Räume, deren wechselnde Verhältnisse vorherr- schend von der nach den einzelnen Regionen verschiedenen Umbildung der Axenplatte abhängen. So liefern die Verkümmerung der inneren Segmente im Kopfe, ihre mächtigere Ausbildung im Rumpfe und Schwanze, dort die mas- sige Anlage der äusseren Segmente und hier deren dünne Flächenausbreitung nur den mittelbaren Ausdruck für die stärkere Ausbildung des Hirns gegenüber dem Rückenmarke. Und die Seitenplatte wiederum kann nur dort selbststän- dig werden, wo ihre ursprüngliche Ausdehnung sich nicht an der Bildung der Segmente erschöpft, also nur am Rumpfe und im Herzraume nicht aber am Vor- derkopfe und Schwanze. Ihre eigenthümliche Entwickelung entspricht ferner ebenfalls ihrer Blätterform und dem beschränkten ihr angewiesenen Raume, denn sie besteht wesentlich in weiteren oder engeren Faltenbildungen (Herz, Urniere, Niere). — Noch ganz unerwähnt blieb aber bisher der Einfluss, den die Segmentirung des mittleren Keimblattes im grossen und ganzen auf andere Embryonalanlagen ausübt. Die Oberhaut wird von den darunterliegenden Segmenten in entsprechender Weise zu queren Wülsten vorgewölbt (Taf. III Fig. 53.54, Taf. VII Fig. 121—125); die dazwischen einsinkenden Rinnen verstreichen allerdings im Rumpfe früher oder später, nicht ohne jedoch in den Organen der Seitenlinie die Spuren ihres Bestandes zu hinterlassen. Im Kopfe erhalten sie sich aber in den Oberhautleisten, welche mit den Schlundfalten des Darmblattes verwachsen. Dasselbe Bild des Abdruckes der Segmente ge- währt das Rückenmark (Zaf. VII Fig. 121), und durch die Verbindung der medialen Segmentbäuche mit den eingedrückten Stellen des ersteren (Wurzeln der Spinalnerven) wird die Gliederung an ihm bleibend gekennzeichnet. Die Wirbelsaite wird nun freilich von den Segmenten nicht unmittelbar beeinflusst; da aber das Stammskelet, wie ich weiter unten zeigen werde, als eine auf die Wirbelsaite stattfindende Ablagerung aufgefasst werden muss, und die knor- 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 247 peligen Ausstrahlungen derselben (Wirbelbögen, Querfortsätze, Rippen) genau den von den Segmenten vorgeschriebenen Bahnen folgend die Gliederung des Knochensystems herbeiführen, so wird auch für die Wirbelsaite eine gewisse mitteibare Theilnahme an dem allgemeinen Theilungsprocesse nicht in Abrede gestellt werden können. Ich komme endlich zu den Anlagen des Darmblattes. Sowohl sein Axenstrang wie der dachförmige obere Theil der Darmanlage zei- gen ähnlich wie das Rückenmark von den Segmenten herrührende Eindrücke, welche wenigstens im Kopfe Bestand gewinnen; denn ich sah die Schlund- falten als Fortsetzungen der zwischen je zwei Segmenten entstandenen leichten Einsenkungen sich von oben abwärts entwickeln (Taf. XVI Fig. 287)” Und wenn schon früher die Gründe angeführt wurden für die Annahme, dass die fünfte Schlundfalte ursprünglich in den Bereich des Rumpfes gehöre, so wird man die Gliederung des Darmkanals um so weniger auf den Kopf beschränken, als die Fünfzahl der Falten oder Spalten durchaus keine typische ist, sondern bei manchen Wirbelthieren überschritten wird. Nur muss man dabei im Auge behalten, dass wenigstens bei den Batrachiern jene für den Kopf überzähligen Darmfalten schon während ihrer ersten Entwickelung aus dem Bereiche des Rumpfes bis in die Schlundwand vorgeschoben werden, sodass sie zuletzt that- sächlich in den Bestand des Kopfes eingehen. Es ist aber selbstverständlich, dass bei der Bildung der Schlundfalten auch die zugehörigen Seitenplatten, sei es zeitweilig oder bleibend von der Quertheilung mit betroffen werden. So sehen wir also die Segmente, deren ganze Entwickelung unter dem bestimmenden- Einflusse ihrer Umgebung, namentlich der Axenplatte, verlief, ihrerseits wieder ausserordentlich vielseitig in die morphologische Bildung aller übrigen Anlagen eingreifen. Dass aber auch diese übertragene (Quergliederung den mannig- faltigsten lokalen Abänderungen unterliegt, lässt sich ebenso wie alle früher betrachteten Differenzen gleichmässig angelegter Vorgänge auf eine Gesetz- mässigkeit morphologischer Bedingungen zurückführen. So kann z. B. die Gliederung des Stammskelets sich nicht ausprägen, sobald die sie bedingenden Stammsegmente frühzeitig mit emander verschmelzen (Hinterkopf). — Schliess- lich sei noch bemerkt, dass das Darmblatt wesentlich nur in seiner Eigenschaft als blasen- oder schlauchförmiges Keimblatt in die morphologische Entwicke- lung hineingehört, da seine weiteren Umbildungen theils blosse Anpassungen *= REmar hätte es gewiss nicht für durchaus willkürlich erklärt „die Schlundspalten für die Grenzen von Urwirbelabtheilungen zu halten“ (Nr. 40 S. 37 Anm ), wenn er eben die „Urwirbel des Kopfes“ gekannt hätte. 248 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. an schon besprochene morphologische Momente (Verhältniss der Schlundfalten zu den Segmenten) sind, theils unter Mitbetheiligung einer solchen Anpassung in den Bereich histiologischer Sonderung fallen. Mit Bezug auf eine frühere Erörterung darf aber an dieser Stelle die Dotterzellenmasse oder der Nahrungs- dotter bloss als das betrachtet werden, was er nach seiner Entwickelung in der Thierreihe und rein morphologisch aufgefasst in der That ist, nämlich als das zeitweilige untere Schlussstück der sekundären Keimschicht und darauf des Darmblattes. Angesichts dieser Skizze der morphologischen Embryonalentwickelung, welche durch die übrigen ausführlicheren Angaben ergänzt werden muss, wäre der Einwurf zu gewärtigen, dass meine Darstellung nur eine gewisse Korrektur des v. Bazr'schen Schemas biete, dass ich jene Primitivorgane nur genauer be- schrieben und vielleicht um einige vermehrt habe. Dagegen muss ich nach- drücklich hervorheben, dass Primitivorgane im Sinne v. Baer’s, mögen sie that- sächlich gestaltet sein wie sie wollen, in die morphologische Entwickelungs- geschichte eigentlich gar nicht hineingehören. Denn sobald sie in fertiger Gestalt sich uns offenbaren, ist die bezügliche Entwickelung, der sie zum Aus- drucke dienen sollen, abgeschlossen; sie bezeichnen daher nur das Endergebniss derselben und mögen zur Veranschaulichung des anatomischen Baues dienen, nicht aber zum Verständniss seiner Entstehung. Die Grundzüge der Ent- wickelung können in gewordenen Formen nicht verzeichnet stehen, nur aus dem lebendigen Flusse des Werdens hervorleuchten. Und soll dieses Werden des ganzen lebendigen Organismus belauscht werden, so genügt es auch nicht, den Entwickelungsgang bloss jedes Einzeltheils festzustellen. Denn an den Grenzen seines Entstehens fliesst er mit anderen in ein Gemeinsames zusammen, sodass sie alsdann nur als Entwickelungsprodukte des letzteren erscheinen. So treibt uns die Forschung, wo sie auch in die Entwickelungsgeschichte hineingriff, Schritt um Schritt immer weiter zurück, bis zum ersten Anfange des uns be- schäftigenden individuellen Lebens. Alsdann ergibt sich Aufgabe und End- ziel unseres Forschens von selbst: alles Gewordene durch die ununterbrochene Reihe der Erscheinungen und Wirkungen auf die einfachsten ersten Ursachen zurückzuführen, keine Erscheinungsreihe für sich, wie eine neue Schöpfung aus einem indifferenten Mutterboden hervorgehen zu lassen, sondern schon in diesem die verborgenen Keime der später hervorbrechenden Gegensätze und Son- derungen aufzusuchen. Nur auf solchem Wege können wir hoffen, die Grund- gesetze der Embryonalentwickelung klar zu erfassen, und erst dann bietet sich 2, Die Leistungen des mittleren Keimblattes, 249 die Entscheidung, welches die bedeutsamen allgemeineren Momente sind, denen sich das Einzelne unterordnet. Lehrt uns eine solche Ueberlegung, dass schon am Ausgangspunkte der Entwickelung die erste Differenz in den gesetzmässig wirkenden Ursachen ge- funden werden müsse, so glaube ich dieses auf die Erfahrung gestützt be- stätigen zu können. Die denkbar einfachste Bewegung der radiären Strömung äussert sofort eine Ungleichmässigkeit ihrer Theile; und die aus ihren Folgen abgeleitete Konstruktion ihrer Wirksamkeit zwingt uns zur Annahme, dass die völlige Ausgleichung der Differenz das Ende der kaum begonnenen Entwickelung herbeiführen würde. Wenn also die Bewegung der eigentliche Grund des weiteren Geschehens ist und bleibt, so erscheint jene gesetzmässig wirkende Differenz als die nothwendige Bedingung, welche die Bewegung erst in die Bahnen des lebendigen Werdens überführt. Die Wirkung jenes ersten sich steigernden Gegensatzes sehen wir zunächst in der Spaltung der Bewegung und ihres Substrats. Wenn also die daraus hervorgehenden letzten morpholo- gischen Elemente, die Zellen, jene gesetzmässig bedingte und beschränkte Be- wegung erben und dadurch zu den ausschliesslichen Trägern der selbstthätig wirkenden Lebensursachen werden, so darf doch damit ein Gegensatz für das (ranze des Eies, wenn es als solches fortbestehen soll, nicht aufgehoben sein; und wieder lehrt uns die Erfahrung, dass jene erste Differenz in der bezeich- neten Wirkung nicht aufgeht, sondern auch schon ein Motiv für eine Verschie- denheit jener Elemente und ihrer Anordnung enthält (Embryonal- und Dotter- zellen). Solange nun die bezeichneten Elementarbewegungen in ihren eigent- lichen Wirkungskreisen, den einzelnen Zellen, keine merkliche oder wesentliche Veränderung hervorrufen, welche auf einen Wechsel in der Gesammtäusserung des Entwickelungslebens Einfluss haben könnte, liegt der Schwerpunkt der Entwickelung in den Gegensätzen jener ganzen Zellengruppen zu einander, d.h. bei der relativen Gleichheit der einzelnen Elemente jeder Gruppe, in der ver- schiedenen Gestalt und Lagerung der ganzen Gruppen, welche eben der Aus- druck sind für die gesetzmässigen Bedingungen, unter denen allein die Summe der in ihnen eingeschlossenen Elementarbewegungen nach aussen wirken kann. Diese gesetzmässigen Formbedingungen enthalten eben auf der bezeichneten und den folgenden Stufen das morphologische Entwickelungsgesetz ; und wir können jetzt deutlich erkennen, in welchem Verhältniss es zu der histiologischen Ent- wickelung steht, zu den eigenthümlichen Umbildungen der letzten morpholo- gischen Elemente. Man dürfte am Ende das Formgesetz auch auf diese be- 250 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. ziehen, und von der morphologischen Entwickelung der Zelle sprechen; ja, es. sagt uns die einfachste Ueberlegung, dass ebenso wie es oben für unsere beson- dere Entwickelungsgeschichte dargethan wurde, überhaupt bei jedem anderen Leben ein bestimmtes Formgesetz die nothwendige Bedingung ist, unter welcher die Bewegung eines lebensfähigen Stoffes zur Lebensäusserung wird... Es bleibt aber ein wesentlicher Unterschied, ob wir uns gerade mit dem ganzen Organıs- mus oder einzelnen seiner Theile beschäftigen. Im letzteren Falle kann das Formgesetz bis zu seinen letzten Grenzen verfolgt werden; im ersteren Falle gehört es aber nur soweit in die Untersuchung als es sich in irgend einer Weise auf den ganzen Körper bezieht. In den Bereich dieses morphologischen Ent- wickelungsgesetzes im engeren und gewöhnlichen Sinne fielen also alle Theile, welche nach irgend einer Richtung dem ganzen Körper angehören, sei es konti- nuirlich, wie die Keimschichten und Primitivorgane v. Barr’s, sei es als gleich- werthige Glieder eines solchen ursprünglich kontinuirlichen Ganzen, wie die Segmente. Wenn wir aber sehen, dass dieses morphologische Entwickelungs- gesetz auch in die histiologische Entwickelung übergreift und dort, wenn auch unter veränderten Bedingungen, ähnliche, mehr oder weniger verbreitete Er- scheinungen (Wirbel) hervorruft, so müssen wir bekennen, dass eine absolute (irenze zwischen beiden Gebieten nicht besteht. Darf man das aber überhaupt in der Entwickelungsgeschichte erwarten, welche den Begriff allmählicher Uebergänge einschliesst? Wie bei allen Fragen derselben genügt es auch im vorliegenden Falle, gewisse Merkmale und Grenzen gefunden zu haben, um die Gegensätze im allgemeinen auseinanderzuhalten. Und so können wir, nach- dem wir das Wesen der morphologischen Entwickelung bestimmt, nach ihrem allgemeinen Gange und ihrem Ziele fragen. Die in den Zellen fortbestehende, während der Embryonalzeit relativ un- veränderliche Bewegungsursache äussert sich in der fortdauernden 'Theilung; zum morphologischen Ausdrucke kommt sie aber erst in der damit verbundenen, gegenseitigen Verschiebung der Zellen. Das Wesentliche unserer Entwickelung beruht aber in den Formbedingungen, welche die Verschiebung bestimmen, und wenn die Entwickelung Fortgang haben soll, von gewissen Gegensätzen ausgehend in denselben stets schon die Keime neuer enthalten müssen. , Ich hätte also an dieser Stelle gewissermässen die Entwickelung der Gegensätze der Form zu beleuchten. Der erste dieser (segensätze, welcher an der einheitlichen Eikugel auftritt, ist der von Centrum und Peripherie und offenbart sich in der Bildung der pri- 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 251 mären Keimblase. Diese Bildung beruht darauf, dass in nothwendiger Folge der ersten Differenz überhaupt am Ausgangspunkte der ganzen Entwickelung die Verschiebung nicht gleichmässig nach allen Seiten, sondern koncentrisch erfolgt*. Aber ebenso liegt schon in jener ersten Differenz der Keim einer weiteren Ungleichheit jener Bewegung, indem die Theilung in der oberen Eı- hälfte energischer erfolgt, die Bewegung dort wächst. Die sich ungleichmässig ausdehnende primäre Keimblase wird daher eine Faltung erfahren, indem ihre trägere untere Hälfte (der Randwulst sammt der Dotterzellenmasse) von der schneller wachsenden oberen nach innen eingestülpt wird. So entsteht als zweite morphologische Entwickelungsstufe die Gastrula. Wenn aber die ursprüng- liche Richtung der in Bezug auf die Eikugel koncentrischen, in Bezug auf die Keimschichten centrifugalen Zellenbewegung für die Gastrula noch unverändert erschien, so macht sich noch vor Vollendung jener Form eine bezügliche Aen- derung bemerklich., Zu dem früheren polaren Gegensatze in der Energie der Bewegung gesellt sich frühzeitig‘ der weitere einer zwischen den Polen ‚liegenden Seite gegenüber der entgegengesetzten. Das Uebergewicht der Be- wegung im Rückentheile lenkt die Zellenverschiebung des Bauchtheils gegen den ersteren ab, sodass sie vorherrschend von zwei entgegengesetzten Seiten her gegen die den Rückentheil halbirende Medianebene vorrückt. Damit ist ein neuer Formgegensatz eingeleitet, dessen Endergebniss die Bevorzugung des Rückens in der ganzen folgenden morphologischen Entwickelung ist. Bei der Entwickelung dieser Form, welche die dorsoventrale heissen kann, wäre zweierlei hervorzuheben. Erstens entstehen im Rücken durch den Zusammen- stoss der beiderseitigen Bewegung unpaare, mediane Theile (Centralnervensystem, Wirbelsaite), welche die Richtungslinie und - ebene für die symmetrische Anord- nung der Seitentheile feststellen und damit die Hauptaxe des Körpers in den Rücken verlegen. Ferner erhält diese dorsoaxiale Form, indem sie noch unter der Wirkung des ursprünglichen polaren Gegensatzes der Bewegung sich entwickelt, zu gleicher Zeit bereits das Motiv einer weiteren fundamentalen Formumbildung, nämlich die Entgegenstellung eines Kopfes und eines in den Schwanz auslaufenden Rumpfs (cephalote Form). — Für das Detail von der Entwickelung der dorsoventralen Form ab verweise ich auf die oben gegebene * Es wurde schon erläutert, wie die Ungleichheit der ersten radiären Diffusionsströme sich derart in den nächsten Theilstücken wiederholt, dass die Theilungen anfangs aus- schliesslich, später vorherrschend radiär zur Eikugel erfolgen. Da nun die Verschiebung rechtwinklig zur Theilungsebene stattfindet. so muss sie, sobald sie sich zu äussern vermag, koncentrisch zur Eikugel wirken. 252 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Uebersicht und die folgenden Abschnitte, welche diejenige morphologische Ent- wickelung der einzelnen Embryonalanlagen ausführen werden, welche ausser dem Zusammenhange der besonderen, eingehenden Beschreibung in jener Ueber- sicht nicht gut angedeutet werden konnte, so z. B. des Hirnes, der Seitenplatte (Herz, Urniere). Ueberall wird man die fortlaufende Reihe der sich vermannig- faltigenden Gegensätze, gleichsam den Stammbaum der morphologischen Ent- wickelungserscheinungen verfolgen, ja, auf das Einzelne sich beschränkend, darin die am Ganzen gewonnenen Bilder der Schichtung, Faltung, Gliederung u. s. w., aber in ungleichmässiger Anordnung, wiederholt finden können. Nachdem wir den Stufengang der morphologischen Entwickelung verfolgt, erhellt es, dass ihr Ziel der fundamentale Aufbau des Thieres ist, an welchem die spätere, vorherrschend histiologische Entwickelung nichts wesentliches mehr ändert, dass siemit anderen Worten den Typus des Thieres feststellt. Allerdings gerathe ich durch diese Bestimmung in Widerspruch mit der üblichen Auf- fassung und Deutung des Typus. Ich glaube jedoch meine Ansicht vertreten zu können. — Ich brauche es in einer Entwickelungsgeschichte nicht näher zu begründen, wenn ich die Frage nach dem heute üblichen Begriffe des Typus so stelle, wie entstand dieser Begriff? Indem der ordnende Geist der Menschen die (resammtheit des Thierreichs je nach gemeinsamen Merkmalen in einzelne Gruppen vertheilte, entstand jene Bezeichnung für die grössten Abtheilungen, ohne dass man anfangs eine allen Typen gemeinsame Formel zur Bestimmung ihres Inhalts aufstellte. Dies geschah erst, indem v. Baer den Typus auf be- stimmte morphologische Momente der thierischen Organisation bezog, welche er der ganzen übrigen, grösseren oder geringeren, morphologischen und histio- logischen Ausbildung des einzelnen Organismus gegenüberstellte. Und indem er jenes Merkmal, „das Lagerungsverhältniss der Theile“, für die Wirbelthiere schon in ihrer Entwickelung ausgesprochen fand, glaubte er die Frage gelöst, das die Organisation und die Entwickelung gememsam beherrschende Prineip in seinem Schema von den Primitiv- oder Fundamentalorganen nachgewiesen zuhaben (Nr.8 I 5.206 und flg.). Es lässt sich auch durchaus nicht verkennen, welcher bedeutsame Fortschritt darin enthalten war, dass die bis dahin bloss dem genialen Instinkte der Anatomen überlassene Bestimmung auf die unwandel- baren, einfachen und klaren Thatsachen der Entwickelung begründet wurde. Ja, in einem solchen allgemeinen Grundsatze wäre die für alle Zeiten einzig richtige Entscheidung getroffen worden. Aber indem v. Barr zunächst vom Standpunkte der vergleichenden Anatomie aus nach realen Werthen 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 253 suchte*, entging ihm die ganze Bedeutung jenes Grundsatzes: von einer hervor- ragenden Erscheinung gefesselt, vermochte er denselben weder im ganzen noch im einzelnen folgerecht durchzuführen. Er verstand unter „Typus“ nicht das Ge- sammtergebniss der morphologischen Entwickelung sondern nur ein beschränk- tes anatomisches Moment, das in seinen Primitivorganen klar ausgeprägte La- gerungsverhältniss der wichtigsten anatomischen Systeme ; die ganze übrige morphologische Sonderung blieb vom Begriffe des Typus ausgeschlossen und bloss dem wechselnden „Grade der Ausbildung“ desTypischen unterstellt (Nr.SI S.207.208). Diese Trennung und Theilung ist aber ganz willkürlich; denn er- kannte nicht v. BAER selbst gewisse gesetzliche Erscheinungen dieser morpho- logischen Sonderung, welche allen Wirbelthieren ebenso gemeinsam sind wie jener „Typus“? Ich erinnere hier nur an die von v. Bar begründete Morpho- logie des Hirnes, welche noch heute für die Bestimmung homologer Hirntheile (Geltung hat.. Und gerade die „Variationen“ solcher morphologischen Sonde- rungen sind es doch offenbar, denen v. BaEr den Begriff der „untergeordneten Typen“ entnahm (Nr. 315.219). Denn das Lagerungsverhältniss der Theile kann an sich nicht abändern, ohne den Typus zu verlassen; die auf den „Grad der Ausbildung“ begründeten untergeordneten Typen können aber nach ihrem Wesen unmöglich einem anderen Begriffe anheimfallen als derHaupttypus. Ausser- dem wird die allgemeine Gliederung in diemorphologischen Elemente (Segmente vgl. Nr. 8 II S. 32) von v. Baer unter den Merkmalen des Wirbelthiertypus auf- geführt (Nr. 8 IS. 211), während sie ihm in der Entwickelung unbekannt blieb. Ergibt sich aber schon aus dem Angeführten, wie wenig sein Schema der Ent- wickelung sich mit dem Typischen deckt, so kann man ferner im Hinblicke auf den praktischen Werth jener Aufstellungen fragen, ob denn überhaupt das Lagerungsverhältniss der Haupttheile des erwachsenen Thieres und seines Em- bryo immer in voller Uebereinstimmung bleibt? Ich glaube die verneinende Antwort nicht besser begründen zu können, als mit dem Hinweise darauf, wie v. BAER selbst in richtiger Konsequenz seiner Bestimmung des Typus Asterien und Coelenteraten nicht zu trennen, die Holothurien dagegen mit den ersteren nicht zu verbinden vermochte (Nr. 8 I S. 208).* Und wenn wir schliesslich sein eigenes Geständniss lesen, dass er bei der mangelhaften Kenntniss von der * Vgl. v. Baer, Beiträge zur Kenntniss der niederen Thiere VII. Nova Acta Acad. Leop. Carol. Tom. XIII. P. 2. * Ich werde wohl noch Gelegenheit finden zum Beweise, dass die gegenwärtige Einthei- lung der genannten Thiere gewiss eine richtige, aber eben darum gegenüber der noch gil- tigen v. Baer’schen Lehre weder konsequent noch genügend begründet ist. 254 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Entwickelung der Thiere überhaupt die verschiedenen Typen nicht aus jenen erkannt, sondern „nach den ausgewachsenen Thierformen aufzustellen“ versucht habe, so werden wir uns um so leichter zu der Behauptung entschliessen, dass er den Begriff des Typus auch für die Wirbelthiere weniger als Embryolog wie als Anatom begründete (Nr. S1S.244). Genau genommen, konnte er es auch nicht anders. Die von ihm erst ins Leben gerufene morphologische Entwicke- lungsgeschichte (vgl. Nr. 3 I S. 163 u. flg., II S. 65 u. fig.) der Wirbelthiere bot nur äussere Erscheinungen dar, deren Gesetzmässigkeit er nicht auf innere Ur- sachen, sondern lediglich auf die Erfahrung zurückzuführen wusste. Jetzt wissen wir aber, dass diese Erfahrung ungenau war in Betreff des Schemas selbst, und unzureichend, weil z. B. die röhrenförmige Umbildung des Central- nervensystems nach ihrer äusseren Erschemung für die Knochenfische keine (Geltung hat. Die Gesetzmässigkeit kann daher nur im Kausalzusammenhange und in der Stetigkeit der ersten fortwirkenden Ursachen beruhen; unzweifel- haft waren aber sowohl die Kenntniss derselben als auch das Bedürfniss dar- nach nur sehr ungenügend entwickelt. Sowie aber die Nothwendigkeit der bezüglichen Annahmen anerkannt wird — denn über die Hypothese kommen wir dabei zunächst nicht hinaus —, ist auch zugleich eine gewisse Form der- selben vorgezeichnet. Ein uniformes Kausalgesetz würde uns nur eine voll- ständige, unabänderliche Gememschaft der Formen bieten, wie sie überhaupt nicht besteht; erst die Verbindung mechanischer Nothwendigkeit und innerhalb gewisser Schranken flüssiger Formbedingungen gestattet uns, von der Grund- lage gemeinsamer Grundformen die mannigfachsten „Variationen“ abzuleiten und dadurch die Gesammtheit der morphologischen Erscheinungen unter ein gemeinsames (resetz zu stellen. Allerdings muss es darnach scheinen, als ob wir damit zugleich die Grenzen für die praktische Bestimmung des Typus ein- büssten. Denn wenn derselbe im Grunde auf jenes Kausalgesetz bezogen wird, von dem aber auch jede in der morphologischen Entwickelung des Individiums auftretende Veränderung abhängig ist, so hätten wir eigentlich so viele Typen als verschiedene Thierformen. In gewissem Sinne ist dies auch richtig; ja wir könnten sogar konsequenterweise von einem Typus der Organe reden. “Aber ebenso wie ich den Begriff der morphologischen Entwickelung in bestimmter und natürlicher Weise beschränkte, freilich ohne absolute Grenze, die wir aber auch nicht suchen, lässt sich dasselbe auch für den Typus durchführen, indem man ihn eben nur auf jene Entwickelung bezieht. Und zwar liegt darin keine Willkür; denn indem das in der morphologischen Entwickelung ausgedrückte 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 255 Formgesetz, dessen Grenzen ein nicht geringes Mass verschiedener individu- eller Ausbildung gestatten, auch aus allen Veränderungen des ausgewachsenen Thieres — bei den Wirbelthieren durchweg, sonst in der überwiegenden Anzahl der Arten — immer wieder hervortritt, gab es eben Veranlassung zur Aufstel- lung der thierischen Typen. Definiren wir also den Typus als die Höhe der morphologischen Entwickelung eines Thieres, so haben wir nicht nur ein Mittel, allgemeinere und untergeordnete Typen natürlich zu gruppiren, sondern auch überall dort, wo die Embryonalentwickelung mit der späteren Umbildung nichtübereinstimmt, in den Fällen der sogenannten Rückbildung, über den mass- gebenden Typus und endlich, wie ich später ausführen will, über den Zusammen- hang und die Verwandtschaft der Typen eine Entscheidung zu treffen. Die voranstehende Erörterung erscheint ganz natürlich zunächst nur als eine gegen v. BAER gerichtete Kritik. Hinter diesem Namen steht aber auch unsere gegenwärtige Wissenschaft, und ich will nicht läugnen, dass mein Wider- spruch mehr dieser gilt als Demjenigen, dessen Namen sie decken soll. Denn was v. BAER überlieferte, das hat er ganz aus eigener Kraft geschaffen, die vie- len reifen Früchte seiner Arbeit einem noch unangebauten Boden abgerungen; und auch an den unvollkommen gebildeten erkennt der aufmerksame Beobach- ter die verborgenen Ansätze richtiger Fortbildung. Bisher hat man aber nur das scheinbar Fertige beachtet und froh des leichten Besitzes es von Hand zu Hand gegeben, bis es gleich einer abgegriffenen Münze baar des ursprünglichen Gepräges nur noch das allgemeine Schema zeigte. Was soll uns aber dieses Schema, was soll uns die ganze v. Barr'sche Lehre, wenn ihre besten Keime unverstanden, unberührt liegen bleiben? Und dies zu einer Zeit, wo von einer anderen Seite dasselbe Ziel erreicht wird, zu dem uns v. Baer so viel des Weges gebahnt hat! — Aber allerdings konnte die Fortentwickelung nicht an jene her- vorragenden Aussprüche und Ergebnisse anknüpfen, welche man gegenwärtig allein eitirt und umschrieben findet, nicht an die rein anatomische Bestimmung des Typus, dessen Wesen alsdann dadurch nicht verändert wird, dass sein Bild sich im Embryo wiederfindet. Wohl aber bot v. Baer dadurch, dass er seine „morphologische Sonderung“ d. h. die weitere Ausarbeitung der Primitivorgane, welche nicht zum Typus gehören sollte, dennoch typisch verlaufen sieht, ferner dadurch, dass er ein Hauptmoment des Wirbelthiertypus, die Gliederung, in seinem Schema der Entwickelung vermissen lässt, endlich durch die vielen ver- streuten Andeutungen über die ausserordentlich frühe Begründung der indivi- duellen Ausbildung Anhaltspunkte genug, den Zusammenhang von Typus und 256 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Entwickelung weiter zu verfolgen, seine Lehre über das Schema hinaus zu immer steigender Vollkommenheit auszubilden. Die Anfänge dazu sind aber noch nicht zu verzeichnen. Zum Schlusse muss ich noch erwähnen, dass ich alle diejenigen Beobach- tungen, auf welche ich meine allgemeinen Ergebnisse gründete, nicht nur ein- seitig den Batrachiern entnommen, sondern grösstentheils auch an den Em- bryonen anderer Wirbelthiere habe bestätigen können. Am Forellenembryo habe ich die morphologische Entwickelung ohngefähr ebenso weit verfolgt wie an den Batrachiern, am Hühnchen zum grösseren Theile; dagegen konnte die eigentliche Embryonalentwickelung der Ringelnatter, des Maulwurfs, des Ka- ninchens und des Schafes nur nach vereinzelten Beobachtungen konstatirt werden. Ich kann sagen, dass ich bei allen diesen Untersuchungen eine voll- kommene Uebereinstimmung der verschiedenen Embryonen in Bezug auf die morphologische Entwickelung des hier insbesondere zu erwähnenden mittleren Keimblattes, der Wirbelsaite, der Segmente und der Seitenplatten fand; und dass wo einmal die äussere Erscheinung abweicht, wir durch die überein- stimmende vorhergehende und nachfolgende Entwickelung gezwungen sind, für den fehlenden äusseren Nachweis die Unzulänglichkeit unserer Unter- suchungsmittel anzuklagen. Dies bezieht sich eigentlich nur auf die Kopf- segmente, deren ursprüngliche Sonderung ich nur bei den Batrachiern nach- weisen konnte; die histiologisch noch ungesonderten äusseren Kopfsegmente habe ich schon an jungen Forellenembryonen erkannt. Mir scheint es aber unzweifelhaft, dass-die Bildungsursachen der übereinstimmenden Kopftheile überall auch die gleichen sind, und dass auch in diesem Falle der Widerspruch der äusseren Erscheinung sich ebenso lösen liesse wie am Öentralnervensystem der Knochenfische und der übrigen Wirbelthiere. Eine Kritik aller abweichenden Darstellungen über die allgemeine mor- phologische Entwickelung der Wirbelthiere hat hier keinen Raum. Da aber bisher nur ein einziger Embryolog, Hıs, eine mechanische Erklärung einiger embryonalen Umbildungen unternommen hat, so darfich diesen Versuch nicht mit Stillschweigen übergehen. — Zunächst bemerke ich, dass diese mechanische Begründung weder von den ersten Grundlagen der ganzen Entwickelung des Hühnerkeims oder überhaupt von einem konkreten Thatbestande ausgeht, noch über gewisse Embryonalanlagen hinaus durchgeführt ist. Hıs beginnt mit dem ra 2. Die Leistungen des mittleren Keimblattes. 957 fertigen Keime, dessen wechselnde Mächtigkeit Wachsthumsdifferenzen und als deren Folge Faltungen hervorrufen soll (Nr. 109 S. 44. 45. 55. 65). Woher die Ungleichmässigkeit des Keimes, seine Schichtung, die Bildung des Axenstreifs stammen, erfahren wir nicht, auch nicht, welches die thatsächliche Anordnung der Wachsthumsdifferenzen sei. Ihre Wirkungen, eben die Faltungen seien anfangs nicht einmal gesetzmässig bestimmte sondern zufällige, und ein gewisses System derselben entwickele sich erst allmählich. Von diesen Falten existiren nun aber die zwei wichtigsten, die centrale Längsrinne und die centrale Querrinne, nach meinen Untersuchungen* überhaupt nicht; die übrigen künstlich geson- derten Hauptfalten beziehen sich auf die Abschnürung des Embryo. Ausserdem wird aber auch von Querfalten der Medullarplatten gesprochen, durch deren Einfluss die Gliederung der Urwirbel erfolgen soll (Nr. 109 8. 82). Dagegen muss ich bemerken, dass es auch beim Hühnchen gerade umgekehrt ist: die Segmentplatten gliedern sich durch eigene Querfalten, welche an ihnen zugleich oben und unten erscheinen, also auf einer Krümmung der ganzen Platten nicht beruhen können, und die Medullarplatten empfangen erst nachträglich vergäng- liche Eindrücke von den Segmenten. Im übrigen kommt die ganze Darstellung darauf heraus, dass „organisches Wachsthum “ der bereits vorhandenen Keim- schichten durch die ihm gebotenen Formbedingungen, die aber nur theilweise bezeichnet werden, die Anlagen und deren Umbildungen hervorrufe. Abgesehen davon, dass ein bestimmtes und einheitliches, aber sich immer weiter gliederndes Kausalgesetz Hıs unbekannt blieb, führte er im schroffsten Gegensatze zu der wenigstens theilweise versuchten mechanischen Erklärung so viele teleologische Momente (Bestimmung der Entwickelung durch die spätere Funktion der Theile) ein, dass seine ganze Arbeit das vergebliche Bemühen offenbart, die beiden schlechterdings unverträglichen Auffassungsweisen zu vereinigen und auszu- söhnen. Dieser ganze Versuch ist ein beredtes Zeugniss dafür, wohin eine be- dingungslose Wiederholung der v. Barr’schen Lehre führt. Denn alle Irr- thümer derselben finden sich bei Hıs wieder (animales und vegetatives Keim- blatt, Primitivstreif, Bestimmung der Umbildung durch die „Wesenheit des Organs‘); wenn sie aber dort mehr in der Reflexion angedeutet, als in irrigen Beobachtungen fixirt waren, wurde hier die Reflexion gar zu häufig zur Richt- schnur der Beobachtungen. * Ich verweise dafür auf den von mir angekündigten Aufsatz und auf die kurze Dar- stellung von der Entwickelung des Primitivstreifs, welche ich in den Schlussbetrachtungen des vorigen Abschnittes (IV. 1) gab. GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 17 258 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. 3. Die Leistungen des Darmblattes. Historische Uebersicht der bisherigen Untersuchungen. Da ich den Aufsatz von Carus über die Bildung des Darmkanals in den Salamanderlarven nicht habe erhalten können, so muss ich die Nachrichten über die Entwickelungsgeschichte des Batrachierdarmes mit HuscHhkE beginnen. Nach diesem Forscher verwandelt sich der ganze Dotter (Nahrungsdotter) in den Darmkanal. Derselbe sei gleich anfangs in einer runden Blase enthalten, welche sich mit dem ganzen Embryo streckt und dabei mit dem schmäleren Ende an die Mundfurche, mit dem dickeren im Grunde der Aftergrube sich be- festige (Nr. 4 8. 617). Funk’s Ansicht geht im Gegentheile dahin, dass der Darmkanal in einer unter dem Rücken angehefteten rinnenförmigen Haut angelegt sei, welche den Dotter ( Nahrungsdotter) erst allmählich umwächst, worauf dieser, im Innern des Darmes an einer Stelle angehäuft, sich allmählich auflöse.* Ruscosı behauptet dagegen, dass der Darm nicht aus einer Rinne entstehe, sondern auf folgende Weise. Während der Zusammenziehung des Afters bilde sich im Kopfe eine Höhle: die Mund- und Kiemenhöhle. Von dieser und zu- gleich vom After aus entwickeln sich alsdann Höhlungen in die in der Mitte liegende, unterdess länglich gewordene Dottermasse; und erst nachdem diese Höhlungen zusammengestossen, sei ein Darmkanal gebildet (Nr. 6 S. 55). Später gibt Ruscoxı von den Embryonen des Erdsalamanders an, dass die Dottermasse nicht von den Enden her, sondern von der Mitte aus durch Auf- lösung der Substanz ausgehöhlt werde (Nr. 39 S. 45). v. Bazr nähert sich wieder der Darstellung von Funk. Das vegetative jlatt bilde nach der Ablösung vom animalischen einen gleichmässigen Sack, „der dann, wenn der gesammte Embryo länger wird, sich auch verlängert, doch so, dass sich zwei Enden herausziehen, ein vorderes und ein hinteres,. Jenes wird Munddarm oder zuvörderst nur Rachenhöhle, dieses Afterdarm. Obgleich ich nicht zugeben kann, dass der After vom Anfange an offen ist, so muss ich doch anerkennen, dass der After früher durchbricht als der Mund“ (Nr. SU S. 288). „Die erweiterte Mitte, welche den Vorrath von unaufgelöstem Dotter bewahrt, vertritt in einiger Hinsicht die Stelle des Dottersackes, verdient aber * Funk, de Salamandrae terrestris vita, evolutione, formatione tractatus. 1827. 3. Die Leistungen des Darmblattes. 259 diesen Namen nicht ganz, da sich hier nie ein Darmnabel bildet.“ „Um die Zeit des Ausschlüpfens ist die Centrallinie des gesammten Speisekanals in Form eines Kammes erhoben, und der senkrechte Durchschnitt lässt also zwei Hälften unterscheiden“ (S. 294). An derselben Stelle wird gegen Rusconxt hervor- gehoben, dass der Darm von Anfang an hohl sei und es auch bleibe. „Ich habe die Schleimhaut des Darmes erkannt, wenn der Rücken des Embryo noch nicht geschlossen ist, und von diesem Augenblicke an nie aus dem Auge verloren.“ Die Darstellung der Bildung der Kiemenspalten findet sich bereits im vorigen Abschnitte. An demselben Orte wurde auch schon mitgetheilt, wie nach ReıcHerr die Mundhöhle entstehe. Alsdann fülle die noch übrige solide Döttermasse die ganze Bauchhöhle aus (Nr. 22 8. 34); später erhalte sie eine äussere Haut und werde endlich in einen Schlauch verwandelt (8. 35 u. flg.). Wie aber die Höh- lung entstehe und wie dieselbe mit der Mundhöhle in Verbindung trete, finde ich nirgends angegeben. — Besondere Beachtung verdient die Angabe REicHERT'S, dass die innerste embryonale Darmschicht bloss die Anlage des Darmepithels sei (S. 39). Auch Vocr’s Anschauung von der Anlage des Darmkanals wurde bereits erwähnt. Nachdem die Bauchplatte die centrale Dottermasse oder den Dotter- kern umwachsen, trenne sich von ihr eine besondere Haut für den Dotterkern ab, und der auf diese Weise entstandene Sack „ist der Darm, mit seiner Peri- tonealhülle, der erst später durch Faltungen röhrenförmig wird“ (Nr. 26 8.58). Indem das Kopfende vom Dotterkern sich ablösend nach vorn auswächst, ent- steht zwischen beiden die Kopfvisceralhöhle (Mund- und Schlundhöhle), in welche der Sack des Dotterkernes später durchbreche; dasselbe geschehe am After (8. 67. 68). RemAX hat, wie ich bei der Bildungsgeschichte der Keimblätter angab, eine bestimmte Antwort auf die-Frage nach dem Ursprung der Darmhöhle ge- geben; aber er lehrte weiter, dass diese „primitive Nahrungshöhle“ im ganzen Rumpftheile von hinten nach vorn fortschreitend sich wieder schliesse, sodass zuletzt nur ihr erweiterter Kopftheil, die Schlundhöhle, und wahrscheinlich auch die Afterhöhle bestehen bleiben (Nr. 40 8. 159). Alsdann bilde sich eine blind- sackartige Fortsetzung der Schlundhöhle in den Drüsenkeim hinein, welche hinter dem Herzen beginne und in der Längsaxe des ersteren bis zur Afterhöhle vordringe. Dieser sekundäre und bleibende Nahrungskanal entstehe „durch ein gleichförmiges Auseinanderweichen der Zellen in der ganzen Axe des Drüsen- I7r 260 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. keimes“ (5. 160). Das Darmdrüsenblatt wie der ganze Drüsenkeim (Darmblatt und Nahrungsdotter) sollen sich in das Darmepithel verwandeln (8. 159. 160). In meinem Aufsatze (Nr. 64 8. 110 u. fig.) habe ich die Beständigkeit der Ruscoxr'schen Höhle oder der primitiven Nahrungshöhle Remar’s und ihre Umbildung in den bleibenden Darımkanal angegeben. v. BAMBECKE schliesst sich durchaus an Remak an und glaubt, dass der Verschluss der primitiven Nahrungshöhle dadurch entstehe, dass bei der Streckung des Embryo der konvex gekrümmte Rücken mit dem Darmdrüsen- blatte sich dem Drüsenkeime nähere (Nr. 63 8. 55. 56). Ich habe in einem früheren Abschnitte ausgeführt, wie die embryonale Darmhöhle entsteht und wie im Bereiche derselben das Darmblatt sich von der sekundären Keimschicht ablöst (Taf. II Fig. 390—34, Taf. III Fig. 55—57). Durch diesen Ursprung beweist es eben seine Zugehörigkeit zu den übrigen Keimblättern, obgleich es gleich darauf mit der Dotterzellenmasse an den Be- rührungsstellen vollkommen verschmilzt. Der nächste Grund dieser Verbin- dung ist, wie mir scheint, kein anderer, als dass die Darmblattzellen bei ihrer relativen Unthätigkeit sich ihrem Wesen nach in demselben Masse den Dotter- zellen nähern, als sie sich von den umgebenden Elementen entfernen, welche bei der raschen Entwickelung der betreffenden Anlagen sich andauernd ver- ändern. Bei dieser Uebereinstimmung in der Beschaffenheit des Darmblattes und der Dotterzellenmasse kann natürlich von einer ganz bestimmten Grenze zwischen beiden nicht die Rede sein: ob in dem Grenzbezirke die einzelne Zelle sich dem einen oder anderen Theile anschliesst, hängt ganz gewiss von zufälligen Umständen ab. Doch gestattet die Kenntniss der weiteren Entwickelung die fernere Unterscheidung jener beiden Zellengruppen und die Annahme, dass ihre Grenze olhngefähr dem Uebergange des blattartigen Gefüges in die kompakte Masse entspreche. Man darf also sagen, dass, sowie die Darmhöhle anfangs in gleicher Weite und parallel der Eioberfläche sich unter dem Rücken hinzieht, auch das Darmblatt von hinten nach vorn eine gleichmässige Ausbreitung besitzt. Es bildet auf diese Weise die sphärische Decke eines Hohlraumes, dessen von der Dotterzellenmasse gebildeter Boden der Deckenwölbung ohn- gefähr entsprechend konvex vorragt. Diese Anschauung muss sich aber ver- ändern, sobald mit der Entwickelung der Axenplatte die bleibende Richtungs- 3. Die Leistungen des Darmblattes. 261 linie des ganzen Körpers und ihre bestimmten Enden gegeben sind. Denn es wird daraus ersichtlich, dass der Darmraum und das Darmblatt, so lange man ihren Verlauf nach der Oberfläche der Keimblase bemisst, eigentlich über das spätere Kopfende hinausreichen, dass aber diese Verlaufsbestimmung durch die Ausbildung des Rückens ihren Werth verliert, indem nämlich da- durch dem vorgeschobenen Stücke die Aufgabe zufällt, auch den ventralen Abschluss des mit dem dorsalen Kopftheile hervorwachsenden Darmraumes zu bilden, wodurch die Dotterzellenmasse von der Begrenzung desselben ausge- schlossen wird (Taf. II Fig. 33—38). Es ergibt sich daraus ganz deutlich, wie jede Richtungsbestimmung der embryonalen Anlagen vom Rückentheile abhängt, sodass er schon in der gleichmässig verlaufenden Decke des ursprüng- lichen Darmraumes einen dorsalen und einen ventralen Abschnitt scheidet. Jenen vom Anfang an vom Darmblatte allein umschlossenen Darmraum nenne ich den Vorderdarm; der sich dahinter anschliessende Abschnitt ist der Mitteldarm. Die Grenze beider Darmtheile ist aber anfangs nur an der Bauchseite abgesteckt, nämlich durch das Vorderende der Dotterzellenmasse, an dessen Fusse durch das sich eng anschliessende Darmblatt eine Tasche gebildet wird — die Anlage der Leber. Die seitliche und dorsale Grenze des Vorderdarmes kann man mit Rücksicht auf die spätere Entwickelung dicht hinter der hintereu Kopfgrenze annehmen und daher den ganzen Vorderdarm, wie es schon beim Kopfe ausgeführt wurde, anfangs als ein ausserordentlich flaches Gewölbe ansehen, welches während des Hervorwachsens des Vorder- körpers sich an seiner Basis zusammenzieht, gegen den Scheitel aber, der mit dem Vorderende des Kopfes zusammenfällt, so ausstülpt, dass die ursprünglich geringe Höhe des Gewölbes zur Axe des daraus hervorgehenden Blindsackes wird. Dass aber das betreffende Darmblattstück zur Auskleidung des hervor- wachsenden Vorderdarms nicht ausreicht, daher vom Mitteldarme her ergänzt werden muss, erhellt schon daraus, dass das anfangs so bedeutende Ueber- gewicht des Mitteldarmes über den Vorderdarm allmählich zu Gunsten des letzteren abnimmt. Dabei ergibt sich aus dem Vergleiche verschiedener Me- diandurchschnitte, dass die Zunahme des den Vorderdarm auskleidenden Darm- blattes in Uebereinstimmung mit den früher geschilderten Vorgängen beim Hervorwachsen des Vorderkörpers keine gleichmässige sein kann. Die Ver- längerung geht vom Rücken aus und bleibt in demselben überwiegend , sodass die Seiten- und Bauchtheile sich ihr nur nachträglich und langsamer anschliessen. Ferner nimmt der vordere Rückentheil in dem flachen Kugelsegment, welches 262 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. die ursprüngliche Anlage des Vorderkörpers darstellt, nur einen kleinen, peri- pherischen Kreisausschnitt ein, während die späteren lateralen und ventralen Theile den bei weitem grössten Theil der Scheibe umfassen. Unter Berücksich- tigung dieser Verhältnisse ist es verständlich, dass die Verlängerung des hervor- wachsenden Vorderkörpers wesentlich den Rückentheil betrifft, der Bauchtheil dagegen bei viel geringerer Verlängerung eigentlich nur umgelegt oder um- geschlagen wird, sodass für den ganzen Vorgang der Ausdruck einer Umrollung oder Faltung des Rückentheils (ähnlich dem Vorgange bei der Erhebung der Rückenwülste) richtiger erschemt als der einer gleichmässigen Ausstülpung eines Blindsackes. Als Folge davon ergibt sich, dass, wenn das zusammen- hängende Darmblatt am Rücken stärker hervorgezogen wird, als es in den zunächst anstossenden Seitentheilen nöthig ist, in diesen quere Faltungen ent- stehen müssen. Die letzteren sind nun im der That in den Schlundfalten zu finden (Taf. III Fig. 77, Taf. VI Fig. 100-102. 106. 107, Taf. VII Fig. 123 — 125, Taf. XIV Fig. 247. 248. 254). Die erste Schlundfalte fällt mit der Abbiegung des Vorderkopfes zusammen und setzt ebenso wie jede weitere neu entstandene den fixen Widerstand, welcher die von hinten her wachsende Flächenausdehnung in rückwärts sich fortsetzenden Falten sich äussern lässt. Dabei passen sie sich anfangs den äusseren Segmenten des Hinterkopfes an; das vierte äussere Kopfsegment verliert aber durch seine Abplattung das be- stimmende Relief, sodass die vierte und fünfte Schlundfalte in den Bereich dieses einen Segmentes fallen und es in drei Stränge spalten. Abwärts werden die Schlundfalten durch die Bildung des Perikardialraumes aufgehalten und be- schränkt, welcher den Bauchtheil des Darmblattes in einer Flucht in die Höhe hebt (Taf. II Fig. 37.38, Taf. KV I Fig. 292). Diese Hebung oder die Bildung der von mir so genannten Grenzfalte erfolgt unmittelbar vor dem Blindsacke der Leberanlage und reicht vorn bis zu der Stelle, wo das Darmblatt mit dem oberen Keimblatte in der Medianebene verschmolzen ist. Die eigenthümliche Lage der Grenzfalte, deren vorderer Abhang beinahe horizontal verläuft, ver- engt die vordere Hälfte des Vorderdarmes, den Kopfdarm, welcher anfangs gleich dem ganzen Abschnitte hinten breiter war als vorn, zu einer gleichmässigen Weite; und der dadurch steil gehobene hintere Abhang der Grenzfalte vertieft wiederum die Leberanlage, welche alsdann auch durch die gerade vordere Wand der Dotterzellenmasse vom Mitteldarme genauer gesondert wird, sodass der darüber liegende hintere Abschnitt des Vorderdarmes, der Vordarm, als ein besonderes, freilich noch sehr kurzes Verbindungsstück zwischen Kopf- 3. Die Leistungen des Darmblattes. 203 und Mitteldarm erscheint. So sehen wir also die Umbildungen des Darmblattes im Vorderdarme in vollständigem Anschlusse an diejenigen der beiden anderen Keimblätter erfolgen, ohne dass man dabei wie bei der ersten Entstehung der Rückenanlagen Veranlassung fände, jene Umbildungen in erster Linie einer aktiven Theilnahme der Darmblattzellen durch selbsterzeugte Verschiebungen zuzuschreiben. Natürlich fehlt eine solche Thätigkeit des Darmblattes nicht ganz; ihre geringe Energie erhellt aber schon aus der relativ unbedeutenden Verkleinerung der Darmblattzellen, welche erst später ganz augenscheinlich wird. Der Mitteldarm reicht so weit als die Dotterzellenmasse, d. h. bis nahe an die Ruscoxr’sche Oeffnung. Da aber deren Randwulst durch die kreisförmige Ruscontsche Spalte rundum von der Dotterzellenmasse abgelöst wurde, so bleibt der ventrale Theil dieser vertieften Spalte, während der dorsale sich zum ganzen Darmraume erweitert, als eine Tasche zurück, welche aus dem Entstücke des letzteren sich zwischen die Dotterzellenmasse und den Randwulst schiebt. Am Hinterende des Mitteldarmes bildet sich also ein ähnlicher kurzer, nach unten taschenförmig vertiefter Darmabschnitt aus, wie er vorn im Vorderdarme besteht; ich nenne ihn den Hinterdarm. Aus seinem oberen Theile wird in der früher geschilderten Weise durch den hervorwachsenden Schwanz der Schwanzdarm ausgezogen (Taf. II Fig. 37. 38). Die weitere Untersuchung dieser Darmabschnitte hat mit dem wichtigsten, dem Mitteldarme anzufangen. Er umfasst den grössten Theil der ursprünglichen Darmhöhle und hat anfangs eine weite, in Folge des auch in der Querrichtung konvexen Bodens halbmond- förmige Lichtung (Taf. III Fig. 57.58.62). Diese verändert sich im nächsten Verlaufe der Entwickelung in ganz auffallender Weise (Taf. IV—YVII). Die Abplattung und Einsenkung des Rückens muss ihn natürlich der Dotterzellen- masse nähern, die Höhle des Mitteldarmes also ebenfalls von oben her abplatten; die gleichzeitig sich entwickelnde seitliche Zusammenziehung und Verlängerung des Rückens äussert sich in der darunterliegenden Darmlichtung in ähnlicher Weise: indem die Dotterzellenmasse sich jener Veränderung anpasst, muss die Darmlichtung überhaupt an Umfang verlieren, was sich auch in rasch steigendem Masse offenbart. Für ihre Formveränderungen ist besonders zu beachten, dass das Darmblatt längs der Wirbelsaite mit derselben innig verbunden bleibt. Wenn nun die in die Höhe und alsbald auch abwärts wachsenden Segmente die vom Darmblatte gebildete Decke des Mitteldarmes von den Seiten zusammen- pressen, wird es in der Medianebene dachrfömig gebrochen (Taf. V Fig. 95. 94). 264 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. Der obere rinnenförmige Theil der Höhle heisst die Darmrinne. Es ist klar, (lass mit dem Fortschritte aller jener die Darmhöhle beemflussenden Umbildungen des Rückens und dersich ihm zunächst anschliessenden Seitentheile die Lichtung immer kleiner wird, ihre seitlichen Buchten endlich ganz schwinden, und darauf bei immer steilerer Aufrichtung der beiden Dachhälften der untere Theil der Höhle mit der Darmrinne zu einem engen Kanale zusammenfliesst, an dessen Seiten das verdickte Darmblatt ganz allmählich und unmerklich in die Dotter- zellenmasse übergeht (Taf. VII Fig. 137—139). Die während dieser Zu- sammenziehung wechselnden Formen der Lichtung — herzförmig, dreieckig, aufrecht spaltförmig, rundlich — mögen m den Abbildungen verfolgt werden; sie haben keine andere Bedeutung als der Ausdruck zu sein für den fortgesetzten Seitendruck auf die oben der Länge nach angeheftete Decke und den dicken Boden des Mitteldarmes. Zuletzt wird der Kanal so eng, dass er nur auf sehr reinen Durchschnitten zu erkennen und wohl desshalb bisher übersehen worden ist (Taf. XX Fig. 362). An beiden Enden des Mitteldarmes erweitert er sich abwärts emerseits in den Blindsack des Vordarmes andererseits des Hinter- darmes (Leberanlage — Afterdarm). Wenn man die bezeichnete Umbildung des Mitteldarmes verfolgt und etwa Querdurehschnitte der ersten und der letzten Form neben einander stellt, so dürfte bei der Wahrnehmung von der ausserordentlichen Abnahme seiner Lichtung die Frage sich aufdrängen, wo denn die Masse des ursprünglich breiten Darmblattes geblieben und wo fernerhin seine Grenze gegen die Dotterzellen- masse zu suchen sei. Darauf ist einmal auf die allgemeine Verlängerung des Darmes hinzuweisen, wobei in ähnlicher Weise wie am Rücken die Zellenmassen aus der Breite in die Länge verschoben werden. Davon wird der Mitteldarm noch stärker als die übrigen Abschnitte betroffen, da er von seinem ursprüng- lichen Antheile am Darmblatte sowohl in den Vorderdarm wie auch zur Bildung des Schwanzdarmes Theile abgeben muss. Immerhin würden alle diese Gründe nicht genügen, um das Missverhältniss in der Masse der Decke des Mitteldarmes am Anfange und am Ende seiner bezüglichen Umbildung zu erklären. Daher muss ich annehmen, dass die Ränder des Darmblattes späterhin nicht dort zu suchen sind, wo es an die Dotterzellenmasse stösst, sondern weiter abwärts, dass es mit anderen Worten nicht mehr bloss die Decke der Darmhöhle bildet, vielmehr angefangen hat jene Masse oder den Nahrungsdotter zu umwachsen, Diese Annahme findet nun an den Enden des Mitteldarmes ihre klare Bestä- tigung. Das Darmblatt nimmt an der Umwandlung des ganzen Darmratmes 3. Die Leistungen des Darmblattes. 265 offenbaı einen viel intensiveren Antheil als der Nahrungsdotter, welcher dadurch nur einfach verlängert wird. In Folge der Verschiebungen und des damit ver- bundenen Seitendruckes nehmen daher die Zellen der freiliegenden Darmblatt- theile überall eine längliche, eylindrische oder keilförmige Gestalt an, während die weniger bewegten Dotterzellen in ihrer Masse rundlich bleiben (Taf. IV bis VIT). Jene Oylinderzellen des Darmblattes sehen wir nun am Vordarme und am Hinterdarme in den Bereich der Dotterzellenmasse vorrücken und die Darmlichtung vollständig umwachsen, wobei sie sich in einer einfachen Schicht von der Dotterzellenmasse ablösen (Taf. XIV Fig. 249. 250. 253. 256, Taf. XVII Fig. 315, Taf. XXI Fig. 372). Diese Trennung erscheint ebenso als nothwendige Folge des Vorübergleitens der Darmblattzellen an der Dotter» zellenmasse *, wie sie andererseits dasselbe voraussetzt; denn die Annahme, dass die jene Lichtung begrenzenden Dotterzellen sich ohne nachweisbare Ver- anlassung den Darmblattzellen angepasst und darauf von den übrigen abgeson- dert hätten, diese Annahme würde zu jenen „lokalen Differenzirungen“ gehören, welche im Grunde genommen eine inhaltlose Umschreibung einer Erscheinung sind. Natürlich lege ich aber hierbei, wie ich schon im Eingange dieser Be- schreibung bemerkte, auf die einzelne Zelle kein Gewicht, sodass eine solche ebensowohl aus der Dotterzellenmasse in die Bewegung und damit in den Bestand des Darmblattes aufgenommen, als gelegentlich aus dem letzteren ausgestossen werden kann, um dann der relativ ruhenden Dotterzellenmasse und ihren Schicksalen anheimzufallen. In dieser Weise wird also zuerst der Blindsack und dann auch der obere Theil des Vordarmes von unten auf ganz vom Darmblatte umwachsen und von der dahinter liegenden Dotterzellenmasse getrennt, ebenso aber auch der Hinterdarm nach vorn zu gegen dasselbe ab- geschnürt (Taf. XIII Fig. 241, Taf. XXI Fig. 372.377). Dass diese Ent- wickelung des Darmblattes im Gegensätze zu den früheren Umbildungen auf einer selbstthätigen Flächenausbreitung desselben beruhe, erhellt schon aus der gleichzeitigen Entwickelung der aus den betreffenden Darmabschnitten hervorsprossenden Organe (Leber, Bauchspeicheldrüse, Harnblase); denn diese Entwickelung erscheint freilich durch die umgebenden Theile bedingt, nicht aber durch dieselben veranlasst. Wenn wir nun jene Abschnürung weiterhin von beiden Enden her gegen die Mitte des Mitteldarmes fortschreiten sehen, so * Ich verweise hierbei auf meine Erklärung von der ähnlichen Sonderung der sekun- dären Keimschicht. 266 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen wäre es willkürlich dafür andere Ursachen anzunehmen als diejenigen, welche sich für die Endabschnitte als die wahrschemlichsten ergaben. Und in der That finden wir, dass die Cylinderzellen auch am ganzen Mitteldarme bis in die Masse der Dotterzellen hinabreichen; wenn aber die Abschnürung in der Mitte des Mitteldarmes nicht erfolgt, so darf es uns ein Zeichen sein, dass jene Zellen weder so schnell noch so weit vorrücken wie an der Grenze der anstossen- den Darmtheile, also die Dotterzellenmasse von dem Umfange der Lichtung nicht ausschliessen. Während nun die vorderen und hinteren Darmabschnitte sich vom Nahrungsdotter abzuschnüren beginnen, wird an seiner Oberfläche das embryonale Blut gebildet und in das anliegende mittlere Keimblatt (Visceralblatt) abgeführt (Taf. XIV Fig. 264. 265, Taf. XXI Fig. 372.377). Wird schon dadurch die Masse des Nahrungsdotters reducirt, so geschieht es noch viel mehr durch die bald ersichtliche Auflösung seiner centralen Theile: (die Zwischenräume der Zellen vergrössern sich zu unregelmässigen Lücken, diese fliessen theilweise zusammen und enthalten einzelne freie Zellen, deren zerfressenes Aussehen ihren Zerfall andeutet (Taf. XX Fig. 361, Taf. XXI Fig. 375). Diese Auflösung nähert sich aber sehr bald der Darmlichtung, sodass diese endlich mit dem dadurch geschaffenen Raume zusammenfliesst. Während so der Nahrungsdotter dem gänzlichen Schwunde entgegengeführt wird und dadurch zur Vergrösserung der Darmhöhle beiträgt, verbreitet sich die Lage der cylindrischen Zellen längs des anliegenden Visceralblattes über die Reste des Nahrungsdotters, welche auf diese Weise in das Innere des Darm- blattschlauches aufgenommen werden. So wird also die Darmhöhle endlich vollständig vom Darmblatte ausgekleidet, dieses in einen ganz geschlossenen Sack verwandelt, welcher in seiner Mitte die Reste des Nahrungsdotters um- schliesst und später vorn und hinten in Mund und After nach aussen durch- bricht. In der weiteren Entwickelung wird diese innerste und ursprüngliche Auskleidung der Darmhöhle zum Darmepithel. Zum Schlusse dieser Beschreibung der allgemeinen Umbildungen des Darm- blattes fasse ich die wichtigsten Ergebnisse kurz zusammen. Es entwickelt sich an der inneren, unteren Fläche der sekundären Keimschicht, soweit die- selbe von der Dotterzellenmasse durch die embryonale Darmhöhle getrennt wird, bildet also die Decke dieser Höhle und ruht mit seinem Rande auf dem Boden der letzteren oder eben aut der Dotterzellenmasse. Die Darmanlage* der Ba- * Man kann das Darmblatt als Anlage des wesentlichsten Darmtheiles, nämlich des € 3. Die Leistungen des Darmblattes. 267 trachier ist also anfangs einem Segmente einer Hohlkugel zu vergleichen. Indem aber ein mittlerer Theil derselben nach zwei entgegengesetzten geraden Richtungen hervorgezogen wird, entstehen an beiden Enden dieser Bewegung blindsackartige Ausstülpungen (Kopf-und Schwanzdarm). Am Vorderende wird das es im Halbkreise umgebende Darmblattstück in die Bauch- und Seitentheile der Ausstülpung umgeschlagen, und die vorherrschend im Rücken sich offen- barende Flächenausdehnung ruft daher in den anstossenden Seitentheilen, welche eine gleiche Ausdehnung nicht bedürfen, die queren Schlundfalten her- vor. Am Darmblatte des Schwanzdarmes, welcher nicht in dieser Weise vor- geschoben, sondern an dem am Rückenmarksende befestigten Zipfel allmählich und gleichmässig hervorgezogen wird, fehlt aus diesem Grunde und wohl schon wegen der engen Röhre jede Faltung. Ausserdem wurde der Mitteltheil des Darm- blattes von beiden Seiten zu einer abwärts gegen die Dotterzellenmasse offenen Rinne umgebildet, deren Randöffnung durch die eingefügte Dotterzellenmasse verschlossen wird. Alle diese Umbildungen erfolgen unter dem unmittelbar bewegenden Einflusse der übrigen Keimblätter. Weiterhin äussert sich aber dieeigene Thätigkeit des Darmblattes darin, dass es jene Blindsäcke noch weiter von der Dotterzellenmasse abschnürt und zuletzt von den Rändern der oftenen Mitteldarmrinne aus jene Masse umwächst und endlich in den vollkommen ge- schlossenen Darmsack aufnimmt. — Ich brauche nicht näher zu erörtern, wie diese Entwickelung des Darmblattes der Batrachier mit derjenigen des Hühn- chens übereinstimmt; aus meiner Beschreibung wird man diesen allbekannten Entwickelungsgang wiedererkannt haben. Eines nur soll hier hervorgehoben werden. Die Entstehung des Kopfdarms sollte nach meiner Ansicht auch bei den Embryonen der Amnioten als ein in Bezug auf das Darmblatt passiver Vorgang nicht derjenigen des Hinterdarms gegenübergestellt werden, sondern nur derjenigen des Schwanzdarms, welcher allerdings bisher noch nicht bekannt war, aber nachdem ich ihn auch am Forellenembryo erkannte, sich wahrschein- lich auch bei anderen Wirbelthieren finden dürfte. Wenn man aber abgesehen von der äusseren Erscheinung nur nach den Bildungsursachen urtheilt, so er- scheint die Abschnürung des Vor- und des Hinterdarms, welche zugleich auch alle wesentlichen Abschnürungsorgane des Darmkanals erzeugen, als ein gleich- artiger Vorgang. — Im Forellenembryo ist die Entwickelung des Darmblattes im Epithels, schlechtweg als Darmanlage bezeichnen, sowie man von den Hirn-, Rückenmarks- und Sinnesanlagen spricht, welche gleichfalls nur die essentiellen Theile der betreffenden Organe enthalten. 268 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. wesentlichen dieselbe wie bei den genannten Thieren. Nur ist bei der anfüng- lich geringen Abschnürung des Vorderkörpers der ursprüngliche vordere Um- schlag ein sehr beschränkter und muss die seitliche Umwachsung der Darm- lichtung durch das Darmblatt viel weiter vorn beginnen als beim Hühnchen, wo sie auch schon vor der Leberanlage anzufangen scheint. Auch ist die äussere Eirscheinung insofern eine abweichende, als die Decke der embryonalen Darm- höhle nicht gewölbt ist, sondern durch den tief eingesenkten Rückentheil konvex in den Nahrungsdotter eingedrückt wird, sodass die ganze Darmhöhle nur in einer Spalte angelegt ist. Die seitliche Umwachsung wird also jederseits an dem höheren Seitentheile des Darmblattes in einer enggeschlossenen (Vorder- darm) oder flachen Längsfalte (Mitteldarm) beginnen, welche sich abwärts und einwärts gegen die Medianebene vorschiebt, um dort mit der anderseitigen zu verwachsen. Am Hinterdarme ist dagegen die Abschnürung sehr deutlich, und seine weit offene, blasenförmige Höhle hat offenbar KuprrEr die Deutung dieses Darmtheils als einer Allantois nahegelegt (Nr. 105 8. 67— 70). ÖELLACHER hat diesen blasenförmigen Hinterdarm ebensowenig wie dessen Fortsetzung in den Schwanzdarm gekannt; auch die Spalten zwischen den gefalteten Darm- blatttheilen hat er übersehen und daher irrigerweise die Darmanlage in allen Körperregionen als eine solide Masse beschrieben, welche sich erst verhältniss- mässig spät im Innern aushöhle (Nr. 107 8.70. 73). Die Veranlassung zur Bildung der Schlundfalten ist im Forellenembryo ebenfalls mit anderen äusseren Erscheinungen verbunden als bei den Batrachiern und Amnioten. Sie entwickeln sich, bevor der Vorderkörper frei geworden ist, und es könnte somit scheinen, als wäre die von mir angeführte Bildungsursache dort nicht vorhanden. Aber der Forellenembryo führt erst zur Zeit der Bildung seiner Schlundfalten die Umbiegung der vorderen Hirnhälfte und der ihr unten angeschmiegten Theile, also auch des medialen Darmblatttheils aus, wobei der letztere der zur starken Biegung nöthigen Ausdehnung allein ausgesetzt ist und daher auch ohne die äussere Abschnürung des ganzen Vorderkörpers dieselben Ursachen der Schlund- faltenbildung hervorruft, welche ich bei den Batrachiern erwähnte. Wenn ich nun auf Grund meiner eigenen Beobachtungen konstatiren kann, dass der Darmkanal bei den Batrachiern und Knochenfischen nicht nach der äusseren Erscheinung, aber nach den Bildungsursachen, ihren Wechselwirkungen und endlichen Erfolgen durchaus ebenso sich entwickeln, wie es beim Hühnchen schon lange bekannt war, so ist doch eine solche Uebereinstimmung gerade für die Batrachier von allen neueren Embryologen in Abrede gestellt worden. — N 3. Die Leistungen des Darmblattes. 269 REmAR war der erste, welcher den Ursprung der Darmhöhle richtig angab. Indem er aber dieselbe zum grössten Theile wieder vergehen liess, kam er auf den Irrthum Ruscoxr’s zurück: die Dotterzellenmasse, der „Drüsenkeim‘“, sollte bloss ein verdickter Darmblatttheil sein und sich von innen aushöhlen. Daher ver- liert auch die Angabe Remax’s ebenso wie diejenige REıcHzrr’s über die Epithel- natur der späteren innersten Darmschicht ihre volle Bedeutung; denn es wurde dabei die Kontinuität zwischen dieser Schicht und der ursprünglichen blatt- artigen Anlage aufgegeben. Die einzigen zutreffenden Darstellungen über die morphologische Umbildung des Darmblattes finden wir nur in der älteren Zeit. Nachdem schon Funk das Auswachsen einer rinnenförmigen Darmanlage rund um einen Nahrungsdotter in den gröbsten Zügen richtig angegeben, wurde diese Beobachtung von v. BAER durchaus bestätigt. Und meine eigenen Unter- suchungen geben eigentlich nur die nähere Ausführung und Begründung jener Angaben. Denn es ist die Dotterzellenmasse, wie ich es schon auseinander- gesetzt habe, nichts anderes als ein bloss vollständig zerklüfteter Nahrungsdotter: er erzeugt das Blut und zerfällt, in den Darm aufgenommen, zu einer breiigen Masse, welche unzweifelhaft die erste Nahrung des Embryo darstellt. Auch die Bildung der Schlundfalten ist zuerst von v. BAER sorgfältig untersucht und die Zahl derselben richtig angegeben worden. Noch auf einen Punkt bei dem Vergleiche der verschiedenen Embryonen möchte ich aufmerksam machen. Es ist ganz allgemein üblich, den Raum zwischen dem Darmblatte und dem Nahrungsdotter, den man an Batrachier- embryonen als Darmhöhle gelten lässt, bei den übrigen Wirbelthieren als Keim- höhle (Furchungshöhle) zu bezeichnen. Dies rührt offenbar daher, dass man die Substituirung der ursprünglichen und eigentlichen Keimhöhle durch die Darmhöhle, welcher Vorgang bei den Batrachiern seit Remar’s Untersuchungen bekannt geworden ist, am Hühnchen bisher nicht erkannt hat. Wenn man aber einmal die ganze Bedeutuug des fertig geschichteten Keims als einer den Nahrungsdotter umwachsenden Gastrula bei allen Wirbelthieren richtig erfasst hat, so darf man wohl auch nicht in den Namen mehr die Verwechselung der Centralhöhle der primären Keimblase (Furchungs-, Keimhöhle) mit dem Innen- raume der Gastrula (Darmhöhle) zulassen. Schliesslich habe ich noch eine Bildung des Darmblattes zu erwähnen, welche wegen der unscheinbaren Rolle, die sie unter den allgemeinen Entwicke- lungsvorgängen des Embryo spielt, bisher kaum erwähnt wurde — ich meine den Axenstrang des Darmblattes (vgl. Nr. 64 S. 99. 115). Ich bemerkte 270 IV. Die Sonderung der einzelnen Organanlagen. bereits in der voranstehenden Beschreibung, dass die Dachform des Darmblattes daher rühre, dass es in der Medianebene von der Wirbelsaite festgehalten werde, während die Seiten hinabgedrückt würden. Da nun sowohl der Zug nach unten als der Zusammenhang mit der Wirbelsaite fortdauern, tritt endlich eine Kon- tinuitätstrennung ein, indem die obere Kante des Darmblattes sich von der übrigen Masse des Blattes löst und als rundlicher Strang an der Wirbelsaite hängen bleibt (Taf. VII Fig. 138. 139). Diese Bildung vollzieht sich in der ganzen Länge des Darmblattes ohngefähr von der Mitte des Vorderdarms an bis zum Ende des Schwanzdarms (Taf. XIII Fig. 235—245, Taf. XXI Fig. 572). Ich habe diesen Axenstrang des Darmblattes, über dessen Bedeu- tung ich erst in der speciellen Entwickelungsgeschichte mich auslassen kann, und welcher bisher unbekannt war, auch im Forellenembryo in gleicher Aus- dehnung angetroften. V. Das Centralnervensystem. Historische Uebersicht der bisherigen Untersuchungen. In der speciellen Entwickelungsgeschichte des Centralnervensystems geht Ruscoxı von dem retortenförmigen Zustande desselben aus (vgl. Nr. 6 8.24 und flg.). Die Cerebromedullarröhre bestehe dann noch aus zwei Seitenhälften, welche in der Medianebene zusammenstossen ohne ganz mit einander zu ver- wachsen. Die Umbiegungsstelle des Hirnes bilde die Grenze zwischen zwei Anschwellungen, aus deren hinterer das verlängerte Mark, aus der vorderen das kleine Gehirn entstehe; am vordersten Ende des Hirnes bedeuten die seit- lichen Höcker die Anlagen der Geruchsorgane (prolongements olfactifs), zwischen denen das Grosshirn und die Lobi optici liegen (Nr. 6 8.25). In der Folge schnüren sich die Anlagen der Geruchsorgane vom Hirne ab und stülpen sich von vorn her becherförmig zu den Nasengruben ein (Nr. 6 8.26, Nr. 39 8.59). Die obere Naht des Hirnes öffne sich zu einer klaffenden Spalte, welche sich in den Lobi optici und dem verlängerten Marke bedeutend erweitere, wogegen in dem soliden Kleinhirne sich eine innere durch die dünne Decke dreieckig durchschimmernde Höhle bilde; darunter verwachsen die Ränder des verlän- serten Markes (Aquaeductus Sylvii). Während der deutlicheren Absonderung aller Hirntheile ziehe sich das ganze Hirn zurück, sodass auch die nach unten abgebogene Hälfte mit dem Rückenmarke in eine Ebene zu liegen komme (Nr. 6 S.27—30, Taf. IV Fig. 5). An der Hirnbasis liege hinter den durch eine Furche getrennten Grosshirnhemisphären der BodendesdrittenVentrikels inGestalteines Dreiecks, dessen Spitze nach vorn gerichtet sei und dessen Basis von den zu- sammenstossenden Sehnerven gebildet werde. Daran schliesse sich rückwärts 272 V. Das Centralnervensystem. ein den Corpora candicantia vergleichbarer Hirntheil mit freiem, in der Mitte eingeschnittenem hinteren Rande (Nr. 6 8.32). Das verlängerte Mark werde später von emem Plexus chorioideus verschlossen, dessen hinterer Rand frei sei (5.33); die Vorderenden der Grosshirnhemisphären verschmelzen mit einander, sodass die Seitenventrikel dort kommunieiren (5. 34). Die Zirbel soll erst median getheilt sein, dann zwei hintere Stiele und nach deren Verwandlung in ein medianes Septum zwei vordere Stiele zur Verbindung mit den Sehnerven- lappen erhalten (8.27 —29. 34). — In der Entwickelungsgeschichte des Erd- salamanders schliesst sich Ruscoxt der früher bekämpften Ansicht an, dass der von ihm als Kleinhirn gedeutete Theil dem Vierhügel, und das Dach seines Aquaeductus Sylvii dem Kleinhirne entspreche (Nr. 39 8. 57). Ueber die weitere Entwickelung des embryonalen Hirnes theilt uns v. BAER Folgendes mit. „Das Hirn ist ursprünglich noch weniger vom Rückenmarke geschieden als in den höheren Thieren; es ist auch viel weniger übergebogen als in diesen, doch fehlt die Krümmung keineswegs ganz. Durch sie wird der Hirnanhang früh nach unten und hinten gedrängt.“ „Noch ehe die Rücken- furche völlig geschlossen ist, kann man die vorderen Abtheilungen des Hirnes unterscheiden; ja man sieht schon Unebenheiten in der inneren Fläche, welche zum Theil die beginnenden Ausstülpungen der drei Sinnesnerven sind. Man kann auch hier, obgleich unter veränderten Formen, zuerst drei Hauptabthei- lungen unterscheiden, die sich später in dieselben morphologischen Elementethei- len, welche wir im Hirne der mit einem Amnion versehenen Embryonen erkannt haben. Nur erlangt bei den Embryonen der Batrachier keine Abtheilung ein auffallendes Uebergewicht über die andere, wenn auch einige Zeit hindurch das Mittelhirn etwas mehr sich erhebt als die anderen Theile. Aus diesem Grunde und weil das gesammte Hirn gleich Anfangs übergebogen war, ist später, wenn das Hirn sich gerade stellt, geringere Zusammenknickung der einzelnen Abtheilungen. Am meisten wird der Uebergang aus dem Mittel- hirne zum Hinterhirne eingeknickt“ (Nr. 8 II S. 287). „Das Vorderhirn wächst zwar in späterer Zeit mehr als die andern und verlängert sich desshalb nach hinten, allein es schreitet darin nicht weit vor, und so kommt es, dass die Seh- hügel nicht vollständig von den Hemisphären überdeckt, viel weniger um- schlossen werden, wie in den Säugethieren. Eine mittlere Einsenkung ist auch im Frosche lange vor dem Auskriechen da und scheidet die beiden Seitenver- trikel“. „Das Zwischenhirn reisst auch in den Batrachiern im vorderen Theile seiner Decke auf, weshalb die Sehhügel entblösst liegen, sobald sie da sind. V. Das Centralnervensystem. 273 Der hintere Theil der Decke erhebt sich um die Zirbeldrüse zu bilden.“ „Doch erhebt sich die Zirbeldrüse in den Batrachiern sehr wenig.“ „Dass es das Zwischenhirn ist, aus welchem die Augen sich hervorgestülpt haben und dessen Höhlung nach unten in den Hirnanhang sich verlängert, lässt sich erwarten. Das Mittelhirn (Vierhügel) hat während seiner stärkeren Entwickelung so viel Ausdehnung erhalten, dass es sich beim Geradestrecken des Hirnes über den verengten Uebergang zum Hinterhirne (kleines Hirn) und über das schmale Band, was das Hinterhirn darstellt, hnüberneigt.“ „Das Hinterhirn hat so wie das Nachhirn keine Decke, sobald die Hirnhäute sich völlig gesondert haben.“ Nur der verengte Uebergang aus dem Mittelhirne sei vollständig eylindrisch oder ringförmig und bilde daher oben eine schmale Binde und kaum merkliche Seitenflügel. „Zuletzt bildet die Gefüsshaut hinter dieser Brücke noch das von Carus beschriebene Blättehen, das wie eine Klappe den vorderen Theil der vierten Hirnhöhle überdeckt, gleichsam als Ergänzung des sogenannten Wurmes vom kleinen Hirne. Das Nachhirn zeigt ausser einer allgemeinen Verstärkung seiner Wände und einer Verengerung der offenen Höhle wenig Veränderungen“ (Nr. 8 II S. 292 — 295). — Die Rückenmarks- und Hirnhäute hält v. Baer für ein Erzeugniss der ursprünglichen Nervenröhre, (Nr. 3 II S. 103), worin sich ihm Rarake anschliesst (Nr. 47 S. 102). ReEIcHeErr sagt vom röhrigen Öentralnervensystem: „Das Central - System der animalischen Nerven verliert, indem die Urhälften sich verdicken und inni- ger vereinigen, mehr und mehr seine Röhrenform ; die in dem Innern des Kanals befindlichen Rudera der schwarzen Umhüllungshaut lassen sich bald nicht mehr nachweisen; das Rückenmark erscheint nun als cylindrischer Strang und an dem Gehirn erhält sieh die Röhre in den Ventrikeln“ (Nr. 22 S. 23—29). Ferner spricht Reıcnerr bisweilen von drei Hirnabtheilungen, welche in F ig. 13. Taf. I seines „Entwickelungslebens“ so gezeichnet sind, dass der vordersten „die An- lagen des Nervus opticus“, der zweiten die „Anlagen des Nervus acusticus“ an- liegen. Die Spitze der Wirbelsaite erhalte sich bis unter den Boden des dritten Veıttrikels; dort aber verkümmere sie später und bilde sich alsdann zum Hirn- anhange aus (S. 30). — Vogt dagegen bestreitet dies ausdrücklich und glaubt bei seinem Thiere (Alytes obstetricans) die Beobachtung Raruke’s, dass der Hirn- anhang aus einer Fortsetzung der Mundhöhlenschleimhaut entstehe, bestätigen zu können (Nr. 26 8. 82. 85. 97. 98). | Nachdem REmAR seine Zweifel dagegen ausgesprochen, dass die äussere braune Zellenschicht des oberen Keimblattes in der Nervenröhre zu einem Epi- GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 18 274 V. Das Centralnervensystem thel sich ausbilde, besonders da er „ebenso wenig bei entwickelten Larven, wie bei erwachsenen Fröschen in dem Rückenmarke einen Kanal darzustellen“ ver- mag, fügt er hinzu: „Auch nimmt der schwarze Strang, der nach Schliessung des Medullarrohrs die Axe desselben bildet, so sehr an Umfang zu, dass mir seine Betheiligung an der Bildung der grauen Axensubstanz kaum zweifelhaft erscheint“ (Nr.40 S. 149). Ferner erklärt REmax, dass von den zwei, dann drei Hirnblasen, deren Anlagen er schon vor dem Schlusse der Nervenröhre zu erkennen glaubt, die mittlere als Anlage der Augenblase mit der ersteren zusammen das Vorderhirn bilde, die hintere dritte sich später in Mittel- und Hinterhirn sondert (S. 147). „Indem die Augenblasen sich von dem Vorderhirn abschnüren, wird der grösste Theil des letzteren verbraucht und dasselbe auf einen sehr kleinen Umfang gebracht. Alsdann erweitert es sich aber wieder nach vorn: dadurch wird die Verbindung des Augenstiels (N. opticus) mit dem Vorderhirn an den hinteren Rand desselben in den Bereich einer seichten, schmalen Einschnürung gerückt, welche, zwischen Vorder- und Mittelhirn eine Brücke bildend, dem /wischenhirn der höheren Wirbelthiere auch deshalb vergleichbar ist, weil später an ihrer Decke ein Analogon der Zirbel erscheint. Diese scheinbare Wanderung des Stiels der Augenblase hat zur Folge, dass der Stiel schliesslich mit dem Mittelhirne verbunden und die Augenblase wie en Auswuchs desselben erscheint.“ „Von dem Vorderhirn schnürt sich der Lobus olfactorius ab, an dessen vorderem Rande als Ausgangspunkt des N. olfactorius sich bei der Larve noch eine kleine Anschwellung zeigt“ (S. 148). W. Mürver hat die Entwickelung des Hirnanhangs von Rana temporaria ausführlich beschrieben (Nr. 74 S. 367 — 374). Danach entstände derselbe aus einer taschenförmigen Ausstülpung desSchlundepithels, welchg gerade unterhalb (ler Chordaspitze entstände und anfangs mit der Mundhöhle durch eire weite Oefinung kommunicire (8. 369); später werde diese Mündung verengt und durch eine Lage spindelförmiger Zellen, welche von der Chordaspitze bis hinter das /wischenhirn sich hinziehe, die ganze taschenförmige Anlage des Hirnanhangs von ihrem Mutterboden, dem Schlundepithel, vollständig getrennt (S. 371). Darauf verschwinde ihre flache Höhle und eine unterdess entstandene bindege- webige Kapsel entsende Scheidewände in das Innere, „welche die daselbst be- findlichen Epithelzellen in eine Anzahl kugeliger und eylindrischer Häufchen schieden“ (S. 373). Der oberste Abschnitt trenne sich vollständig von der übrigen Hauptmasse, V. Das Centralnervensystem. 275 1. Das Rückenmark. Ich beschrieb das Centralnervensystem zuletzt als ein retortenförmiges Gebilde, dessen vorderes, nach unten abgebogenes Ende sich abwärts stetig verbreitert (Taf. II Fig. 37. 38). Die Grenze von Hirn und Rückenmark lässt sich nicht bestimmt angeben, doch kann man sie ohne wesentlichen Fehler hinter dem vierten Kopfsegmente annehmen. Die Rückenmarksröhre erscheint nach ihrer vollständigen Ablösung von derOberhautanlage ohngefähr eylindrisch, aber von den Seiten etwas zusammengedrückt. Ihre Seitentheile sind dicker als das obere und das untere Verbindungsstück und verengen den Centralkanal in der Mitte seiner Höhe, so dass seine Lichtung bisquitförmig erscheint (Taf. VII Fig. 136— 139). Gegen den Kopf hin erweitert sich die obere Hälfte des Rückenmarkes zum Uebergange in die gewölbte Decke des Hinterhirns. Rückwärts aber wird sieschmäler, fast in eine Kante zusammen gedrückt, wobei der von ihr umschlossene obere Theil des Centralkanals durch die Berührung und Verschmelzung der Seitenwände endlich ganz verschwindet, sodass der ganze Kanal auf ein kleineres und tiefer gelegenes Lumen reducirt wird (Taf. XIII, Taf. XI Fig. 197). Mit der zunehmenden Länge des Schwanzes wird der in demselben befindliche Abschnitt des Rückenmarkes immer dünner ausgezogen, sodass das ganze Organ zuletzt in eine rundliche oder kegelförmige Spitze ausläuft (Taf. XII Fig. 213, Taf. NIX Fig. 343). Bei der Atrophie des Schwanzes während der Larvenmetamorphose wird offenbar auch das Rücken- marksende verkürzt; die spätere Zusammenziehung des ganzen Rückenmarkes innerhalb des Wirbelkanals scheint mir aber bloss eine relative zu sein, indem das Wachsthum desselben hinter demjenigen des ganzen Thieres und der Wirbel- säule zurückbleibt. Damit glaube ich die äussere Formveränderung des Rücken- markes erschöpft zu haben und wende mich jetzt zu dessen histiologischen Ent- wickelungsvorgängen, welche ich zum Theil schon in meinem Aufsatze (Nr. 64 S.96-—— 97) erwähnte. Die Embryonalzellen, aus denen das Centralnerven- system zusammengesetzt ist, stammen von beiden Schichten des oberen Keim- blattes; doch erhält sich die frühere vollständige Sonderung derselben im Cen- tralnervensystem nur andeutungsweise, indem die den Öentr alkanal auskleiden- den Zellen allerdings durch eine gestrecktere Gestalt vor den übrigen ausge- zeichnet sind, aber beide Formen ohne eine bestimmte Grenze in einander übergehen (Taf. VIII Fig. 155). Desshalb lässt sich bei dem ferneren Wachs- 18* 276 V. Das Öentralnervensystem. thume des Organs auch nicht mehr bestimmen, ob die Auskleidung des Central- kanals ausschliesslich nur von der Deckschicht des Keimblattes abstamme. Alle Zellen des Centralnervensystems erscheinen gleich anfangs etwas länglich, sodass ihre Längenaxen senkrecht zur Innenfläche gerichtet sind. Während nun die grosse Masse der Zellen zunächst unverändert bleibt, erfährt ein kleiner Theil derselben schon auf der durch die Fig. 231— 245 (Taf. X ILI, dargestellten Entwickelungsstufe des Embryo eine bemerkenswerthe Umwandlung. Dies be- trifft eine dünne Schicht an der Aussenfläche der dicken Seitentheile des Rücken- markes, welche abwärts bis zur Bauchfläche des Organes reicht, aufwärts aber unterhalb der oberen Seite zusgeschärft ausläuft (Taf. VILI Fig. 155). In dieser Schicht lösen sich die Dottertäfelchen, mit denen die übrigen Embryonalzellen noch vollgepfropft sind, auf, indem sie zuerst in Körner zerfallen, welche als- dann in einer wasserklaren Substanz aufgehen. Dieser Auflösungsprocess be- ginnt offenbar im Innern jeder Zelle und schreitet dann zur Peripherie fort; denn die Zellengrenzen bleiben anfangs nochsichtbar und erscheinen wie Scheide- wände, welche die klare Substanz durchziehen. Bald schwinden aber auch diese und nur an der Oberfläche der ganzen umgebildeten Schicht zeigt sich ein zusammenhängendes äusserst zartes Häutchen, welches früher jedenfalls nicht bestand, also ebensowenig wie jene Scheidewände auf wirkliche Zellenmem- branen zurückgeführt werden darf (Taf. XI Fig. 197.198). Ferner ist es leicht zu erkennen, dass jene Auflösung nicht die ganzen Zellen betrifft, welche die bezeichnete Aussenfläche des Rückenmarks bilden, sondern nur in ihrer nach aussen gelegenen Hälfte erfolgt, während in der innern Hälfte der Kern und die übrige noch unveränderte Dottersubstanz sichtbar sind. An der Grenze beider Theile finde ich gleich im Anfange eine dünne Schicht scheinbar fein- körniger Masse, welche sich aber allmählich auf Kosten der klaren Substanz ausbreitet, worauf man.an Längsschnitten erkennt, dass das punktirte Aussehen des (Juerdurchschnitts jener Schicht nicht von Körnern herrühre, sondern von den Durchschnitten feiner etwas wellig verlaufender F asern (Tafı' WIM Fig. 156). Dieses Aussehen bleibt bis nach der Metamorphose der Larven bestehen, sodass ich keine Veranlassung fand, die weitere Entwickelung jener feingefaserten Schicht für diese Arbeit zu untersuchen. Dass dieselbe aber der sogenannten weissen Masse des vollkommen entwickelten Rückenmarkes entspricht, die Fasern also zu Nervenfasern werden, darf wohl als unzweifelhaft betrachtet werden; insbesondere wenn man die noch zu erwähnenden Verände- rungen der innern Zellen oder der Anlage der grauen Masse berücksichtigt. V. Das Centralnervensystem. DT Bis zu dem Zeitpunkte, wann mit einer wirklichen Ernährung auch die Zu- fuhr neuen Bildungsstoffes in allen Körpertheilen eintritt, nimmt die weisse Masse nur sehr mässig zu und zwar ausschliesslich dadurch, dass die geschil- derte Umbildung sowohl in den einzelnen Zellen weiter um sich greift, als auch über einen grössern Theil der Peripherie bis gegen die Medianebene hin sich erstreckt. Dabei muss ich ausdrücklich hervorheben, dass mir zu keiner Zeit der Nachweis gelungen ist, dass auch die inneren Theile der Rindenzellen mit ihren Kernen nachträglich in die Bildung der Fasermasse des Rückenmarks hineingezogen würden; dagegen sehe ich die letztere sehr bald gegen jene die Kerne einschliessenden Zellentheile sich deutlich absondern, wodurch diese sich zu selbstständigen Zellen ab- und der grauen Masse anschliessen (Taf. XI Fig. 197.195). — An dem das ganze Rückenmark einhüllenden Häutchen habe ich eine besondere Textur nicht erkennen können und da die Gefässe erst ausserhalb desselben entstehen, so kann es nicht für die Pia mater gehalten werden, sondern nur für eine Cuticula, welche dieGefässhaut mit dem Rückenmarke verbindet und später schwindet oder unkenntlich wird. Ihre Bedeutung wird aber durch Fol- gendes beleuchtet. Wenn man das Rückenmark, nachdem seine weisse Masse angelegt worden, auf Durchschnitten gehärteter Larven untersucht, so findet man jene Cuticula bald der Fasermasse dicht anliegend, bald von derselben ab- stehend; und da im dem häufigeren letztern Falle die etwa schon vorhandenen Nervenwurzeln vom Rückenmarke abgerissen erscheinen, so halte ich jene Ab- lösung der Cuticula für eine Folge der stärkeren Zusammenziehung der eigent- lichen Rückenmarkssubstanz gegenüber ihrer Hülle (Taf. IX Fig. 172. 179, Taf. XI Fig.197. 198). Diese künstliche Veränderung lässt nun eine Erschei- nung wahrnehmen, welche unter normalen Verhältnissen verborgen bleibt. Die abgelöste Cuticula bleibt nämlich mit der Fasermasse des Rückenmarks durch Substanzbrücken in Verbindung, welche anfangs wenig zahlreich, später sich bedeutend vermehren. AufQuerdurchschnitten erscheinen sie wie zarte Fädchen; Frontalschnitte lehren aber, dass es mehr oder weniger ausgedehnte Blätter sein müssen (Taf. VIII Fig. 156). Wenn sie auch gleich auf den ersten Blick an die frühern Zellengrenzen erinnern, so scheint mir ihr übriges Verhalten doch die Möglichkeit auszuschliessen, dass es die vorher ganz bestimmt ver- missten Zellmembranen seien; denn durch längere Zeit erscheinen sie nur als Brücken zwischen der Cuticula und der weissen Fasermasse und treten aus der letzteren ganz deutlich mit breiterer Basis hervor, alles Merkmale, welche zu ihrer Deutung als Zellmembranen nicht passen, obgleich die früheren 278 V. Das Centralnervensystem. Zellen leicht die Veranlassung zur Bildung dieser ersten Verbindung zwischen dem Rückenmarke und seiner Hülle gegeben haben mögen. Später vermehren sich diese Verbindungen nicht nur, sondern gehen in membranartige Bildungen über, welche zwischen die Fasern der weissen Masse mehr oder weniger tief ein- dringen, und so ein Fachwerk von zarten Scheidewänden bilden, welches mit- sammt der schon beschriebenen Rückenmarkshülle, als deren Fortsetzung es erscheint, in seiner physiologischen Bedeutung neben das übrige Bindegewebe gestellt zu werden verdient, aber nach seiner Entstehung aus offenbar peripheri- schen Theilen der für das Nervensystem bestimmten Zellen vielmehr zu den Kuti- kularbildungen gehört, welche ich im einem folgenden Abschnitte an den Ele- menten des peripherischen Nervensystems beschreiben werde. Als scheidende, umhüllende Zwischensubstanz können aber diese und alle ähnlichen Kutikularbil- dungen mit allen den auch nicht membranösen Zwischen- und Grundsubstanzen zusammengefasst werden, welche sich von den Zellen absondern, die für die ein- zelnen besondern Anlagen bestimmt sind, wie ich eine solche Substanz gleich bei der grauen Rückenmarksmasse anführen werde. Und wenn die Spalten, welche in der Medianebene oben und unten die Rückenmarkshälften scheiden, später auch ausser den Gefässen wirkliches, von aussen eingewachsenes Bindegewebe enthalten mögen, so sind es doch anfangs nur Stellen, wo jenebindegewebsartige Zwischen- substanz des Gentralnervensystems, insbesondere seiner weissen Masse sich stärker entwickelte und dadurch die dickeren Scheidewände bildete. — Auf die Bildung der Gefässe innerhalb des Rückenmarkes will ich aber erst später bei Gelegenheit der allgemeinen Gefässentwickelung eingehen. Hinsichtlich der grauen Rückenmarksmasse bemerkte ich bereits, dass die Embryonalzellen, welche sie zusammensetzen, längere Zeit unverändert bleiben (Taf. VIII Fig.155); erst dann ohngefähr, wenn die äusseren Kiemen bereits gefranst erscheinen, beginnt auch in jenen Zellen ein Umbildungsprocess, welcher wesentlich die Zellenleiber, also die Dottersubstanz, betrifft (Taf. VIII Fig. 156, Taf. XI Fig. 197—195). Während nämlich die Dottertäfelchen derselben sich vermindern, erscheinen neben ihnen grössere und kleinere, helle, klare Kugeln, welche ich, da sie in sehr verschiedenen Embryonalanlagen im Beginn der histiolo- gischen Entwickelung vorkommen, schlechtweg Umbildungskugeln nennen werde. Zuerst sieht man sie innerhalb noch ziemlich unveränderter Dottersubstanz liegen, dann in einem zarten Protoplasma, welches aber noch mehr oder weniger mit Dottersubstanz gemischt ist. Endlich wird die letztere ganz verdrängt und bald .V. Das Centralnervensystem. ae) (darauf verschwinden auch die Umbildungskugeln, womit die Verwandlung der Dottersubstanz in reifes Protoplasma beendet ist. Diese Reihenfolge der Er- scheimnungen erlaubt den Schluss zu ziehen, dass die Umbildungskugeln die Uebergangsform bei jener Verwandlung darstellen, also in jeder Zelle in meh- reren Serien vorkommen, indem die zuerst entstandenen bereits in Protoplasma verwandelt sind, ehe die folgenden auf Kosten des noch unveränderten Dotter- restes sich entwickeln. Diese Umbildung beginnt an der Grenze der weissen Masse und setzt sich centripetal gegen den Centralkanal des Rückenmarkes fort. In derselben Ordnung tritt eine Begleiterscheinung jenes Umbildungs- processes auf, nämlich die Verschmelzung der Zellenleiber mit einander und der daraus folgende Schwund ihrer Grenzen. Die verschmolzenen Zellenleiber bilden nun eine zusammenhängende, noch von Dotterkörnern durchsetzte Grund- substanz, in welcher ein Theil der Kerne eingebettet, die Mehrzahl derselben aber von einer hellen dotterfreien Protoplasmazone umgeben erscheint, sodass man darin die Umrisse der ursprünglichen Embryonalzellen zu erkennen glaubt. Vergleicht man aber die in den Fig. 155, 156, 197 und 198 dargestellten Entwicke- lungsstadien, welche der Zeit nach sehr wenig unterschieden, alle der Periode angehören, in welcher die Gefässe des Centralnervensystems noch gar nicht an- gelegt sind, so wird man jene hellen Zellenkörper, welche nur noch dicht am Kerne einige trübe Stellen enthalten, bloss auf die Centraltheile der früheren Embryonalzellen beziehen und die sie umgebende Zwischensubstanz auf die peripherischen Theile derselben zurückführen. Einen wesentlichen Unterschied zwischen den Zellen, welche den Centralkanal des Rückenmarkes auskleiden und den nach aussen davon gelegenen habe ich nicht erkennen können; nur bilden sich die ersteren, wie schon bemerkt, später um, als die andern, bleiben länglich und entwickeln nur eine spärliche Zwischensubstanz. Dieses letztere mag damit zusammenhängen, dass sie sich stärker vermehren, wobei die Kern- masse auf Kosten der Zellenleiber zunimmt, diese also bedeutend reducirt werden, sodass die nach einiger Zeit nur in Fortsätzen bestehen, welche in wechselnder Gestalt einseitig oder bipolar von den Kernen ausgehen (Zaf. VIII Fig. 157). Jedenfalls liegen die in Rede stehenden Zellen gedrängter als die ‘übrigen und bilden dadurch eine dunkele Zone um den Centralkanal, ohne Je- doch von der übrigen grauen Masse in einer fortlaufenden Linie abgegrenzt zu sein (Taf. IX Fig. 172). Alle diese Umstände scheinen mir die Bezeichnung jener den Centralkanal auskleidenden Zellenschicht als wirkliches Epithel, wenigstens soweit ich dieselbe untersucht habe, d. h, bis zum Ende der Larven- 280 V. Das Centralnervensystem. metamorphose, nicht genügend zu begründen. Bis zu demselben Zeitpunkte vermochte ich eme Entwickelung der beschriebenen Zellen der grauen Masse zu Ganglienzellen ebensowenig zu erkennen wie die Ausbildung der Nerven- fasern, und verweise daher für diesen Abschluss der Entwickelung der Nerven- elemente auf das peripherische Nervensystem. Immerhin kamn ich schon hier als allgemeinstes Resultat der Histiogenese des Centralnervensystems aus- sprechen, dass die fertigen Nervenelemente desselben nicht aus den ganzen Embryonalzellen hervorgehen, sondern die Nervenfasern nur aus Theilen der Zellenleiber, die Ganglienzellen aus solchen und den zugehörigen Kernen, endlich die bindegewebsartige Grund- oder Zwischensubstanz aus beiderlei Substraten. 2. Das Hirn. Es ist die unmittelbare Fortsetzung der hückenmarksröhre im Kopftheile des Embryo. Die Erscheinung, welche an der eben geschlossenen Hirnröhre zuerst in die Augen fällt, ist ihre rechtwinkelige Knickung, welche mit der gleichen Erscheinung am ganzen Rückentheile des Kopfes zusammenfällt. In- dem von der Knickungsstelle der Hirnbasis eine anfangs seichte Einschnürung senkrecht zur oberen Seite aufsteigt, welche alsbald in Folge der Aufblähung der davor und dahinter gelegenen Hirntheile sich vertieft und verengt, so ist dadurch schon sehr früh und vor dem Erscheinen anderer Sonderungen eine offenbar aus der Knickung hervorgegangene Zweitheilung des Hirns gegeben, welche sich dauernd erhält und desshalb gestattet, die beiden Hirnhälften ge- trenntszu betrachten (Taf. II Fig. 38, Taf. XVI Fig. 292). Bevor ich an die besondere Beschreibung gehe, will ich zur besseren Orientirung einige.allgemeine 3ezeichnungen für die Theile der Hirnröhre feststellen. Wenn für das Rücken- mark die Unterscheidung der dicken Seitenhälften von den dünneren Verbin- dungsstücken natürlich und ausreichend erscheint, so passt sie für das Hirn nicht in gleichem Masse, da die morphologischen Umbildungen desselben, wie sie sich der sondernden Beobachtung darbieten, nicht durchweg nach jenen Theilen sich scheiden, sondern vielmehr nach einem oberen, mittleren und un- teren Abschnitte so dass der erste die Decke oder das Gewölbe der Hirnröhre, der zweite ihre eigentlichen Seitentheile und der dritte ihren Basaltheil umfasst, während die seitlichen Verdickungen bald mehr, bald weniger in die Wölbung und die Basis hineinreichen. Ferner muss ich ganz besonders für das Hirn darauf aufmerksam machen, dass die embryologische Untersuchung an die herkömm- lichen Auffassungen der Anatomie, wenn sie auch noch so allgemein anerkannt V. Das Centralnervensystem a wären, sich nicht binden kann, sobald dieselben den ihrigen widerstreiten. Dies ist aber der Fall bei den Lagebestimmungen des embryonalen Hirns; man muss, um Missverständnisse zu vermeiden, stets die Benennungen wie sie ursprünglich den verschiedenen Seiten des embryonalen Gehirns zukommen, von den späteren anatomischen unterscheiden, da die beiderseits gleichlautenden, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, durchaus nicht die gleiche Bedeutung haben. Dies bezieht sich gerade auf die vordere Hirnhälfte, zu welcher ich mich jetzt wende, Da die Einschnürung zwischen den beiden Hirnhälften von der Knickung der Hirnbasis senkrecht aufsteigt, so erhellt, dass die hintere Hälfte an der Beugung keinen Antheil hat, sondern diese ganz in den Bereich der vorderen Hirnhälfte fällt. Daraus aber, dass die Knickung der allgemeinen Hirnbasis eine rechtwinkelige ist, ergibt sich, dass die Basis der vordern Hirnhälfte in einer senkrechten Ebene liegt, während die Seitentheile beim Uebergange aus der horizontalen hintern Hälfte in die senkrecht gestellte vordere einen kürzeren, das Hirndach endlich einen grösseren Bogen beschreiben.“ Das letztere um- fasst also die anatomische Ober- und Vorderseite, der Basaltheil die senkrechte Hinterwand der vorderen Hirnröhre des Embryo, während die anatomische Grundfläche eigentlich den vorderen Abschluss darstellt. Um die besondern Umbildungen der vorderen Hirnhälfte richtig zu würdigen, muss man zurück- greifen bis in die Zeit, wo dasselbe und zwar später als das Rückenmark und hintere Hirn in der Schliessung begriffen ist; dann zeigt es nämlich schon die ersten Spuren späterer Sonderungen. Der allgemeinste Unterschied von der hinteren Hälfte ist die Verbreiterung der Röhre, welche von der Beugung bis zum Vorderende stetig zunimmt und bei einem senkrechten Querdurchschnitte, welcher also der embryonalen Hirnbasis parallel verläuft, einen ohngefähr drei- eckigen Umriss und eine gleiche Lichtung des Hirns zur Ansicht bringt (Taf. V Fig.88. 89). Nach kurzer Zeit bemerkt man in der Mitte jedes Seiten- theils eine leichte Eimsenkung, welche etwas schräg abwärts gegen die Knickungs- stelle der allgemeinen Hirnbasis ausläuft und die Grenze bildet zwischen den * Wollte man also den Verlauf der vorderen Hirnröhre an Querdurchschnitten studiren, welche rechtwinkelig auf der Hirnaxe ständen, so müssten dieselben im Bereiche der Beu- gung, während sie von der senkrechten Lage in die horizontale übergingen, radiär in der Knickungsstelle der Basis zusammenlaufen. Dass aber die Ausführung solcher fortlaufen- der Schnitte an unseren kleinen Objekten unmöglich ist, brauche ich kaum zu erwähnen; andererseits glaube ich, dass die Kombination der in drei Richtungen ausgeführten Durch- schnitte ausreicht, um sich ein plastisches Bild von den wechselnden Zuständen der Hirn- röhre auch im Bereiche der Beugung machen zu können. 282 V. Das Centralnervensystem Anlagen des davor liegenden Vorderhirns und des rückwärts sich daran schliessenden Mittelhirns (Taf. VII Fig. 127.128, Taf. XIII Fig. 224. 231, Taf. XIV Fig. 246). Da nun jene Einsenkung mit der Einschnürung, welche beide Hirnhälften scheidet, ab- und rückwärts konvergirt, so muss man sich das Mittelhirn als ein keilförmiges Verbindungsstück zwischen dem senkrecht gestellten Vorderhirn und der horizontalen hintern Hirnhälfte oder dem Hinter- hirn vorstellen; es umfasst also das Mittelhirn die eigentliche Hirnbeuge und besitzt ein nicht nur in der Querrichtung sondern auch in der Medianebene konvexes Dach, entsprechend kürzere Seitentheile und genau genommen noch keine Grundfläche, da die vordere und hintere Grenze in der Knickungsstelle der allgemeinen Hirnbasis zusammenlaufen (Taf. VIII Fig. 142). Eıst in späterer Zeit weitet sich der scharfe Winkel, welchen die letztere bildet, zu einer Falte aus, deren Grund die schmale Basis des Mittelhirns liefert (Taf. XV Fig. 283. 284). Die übrige Bildung desselben in der embryonalen Periode ist sehr einfach: die einzelnen Höhenabschnitte sind noch nicht zu unterscheiden, sondern der Querdurchschnitt entspricht durchaus demjenigen des vordern Rückenmarks mit einer weiteren oberen und einer schmäleren unteren Hälfte (Taf. v Fig. 127—129, Taf. XIII Fig. 231. 232, Taf. XIV Fig. 257, Taf. XV Fig. 270). Die Grenzen gegen das Hinter- und Vorderhirn werden am Hirndache allmählich immer bestimmter, aber nicht in gleichem Grade an den Seiten und den Basaltheilen, wo sie schwach ausgeprägt bleiben. — Grössere Veränderungen als am Mittelhirne findet man in derselben Zeit am Vorderhirne. Es ist, wie erwähnt, senkrecht gestellt, erinnert aber insofern an das Mittelhirn, als sein Dach wegen der schrägen Grenze gegen jenes ebenfalls länger ist, als seine embryonale Grundfläche. Es ist gleich anfangs von seiner hinteren Grenze an in allen Theilen breiter als das Mittelhirn und man kann sagen, dass eben diese Verbreiterung die Grenzscheide gegen das letztere schaffe (Taf. VI Fig. 99 — 101). Dagegen liegen die Decke und die embryonale Grundfläche des Vorderhirns einander ebenso nahe, sodass es von vorn abgeplattet aussieht. Die Wand ist zuerst eigentlich überall gleich dick; die Lichtung erscheint aber schon sehr früh, nicht nur in seitliche Zipfel ausgezogen, sondern auch gegen die embryonale Grundfläche und das Hirndach ausgebogen (Taf. VI Fig. 106, Taf. VII Fig. 122. 123, Taf. XIV Fig. 247. 251). Dadurch wird eben der Grund zu der Ausbildung eines Gewölbes und Basaltheiles und zweier Mittel- oder Seiten- theile gelegt, welche alsbald deutlich hervortreten; die nächste Sonderung be- V. Das Centralnervensystem 283 trifft die letzteren. Von oben, vorne und hinten werden nämlich die abgerun- deten Ecken, in welche sie abwärts auslaufen, allmählich abgeschnürt und ver- wandeln sich dann in die Augenblasen, welche an der Grenze der embryonalen Schlussseite (anatomische Grundfläche) des Vorderhirns durch hohle Stiele, die Sehnerven, mit demselben in Verbindung bleiben. In dem Masse aber als dessen Seitentheile durch die Abschnürung der Augenblasen frei werden, nähern sie sich einander, zieht sich also der Mitteltheil des Vorderhirns zusammen, während der Gewölbe- und der Basaltheil nach entgegengesetzten Richtungen als stumpfe Vorsprünge hervor treten. Die Lichtung der Querdurchschnitte ver- wandelt sich daher entsprechend aus der quergezogenen in die aufrecht stehende Form, welche ebenso wie das äussere Relief des Vorderhirns eine Dreitheilung andeutet, indem der mittlere Theil mit den in die hohlen Sehnerven ausgezo- genen Zipfeln sich von den in das Gewölbe und die Basis hineinreichenden Enden unterscheidet. Die beschriebene Umbildung des Vorderhirns erfolgt nicht gleichmässig in seinem ganzen Verlauf; vielmehr ist die Vorwölbung der Decke und des Bodens im hintern (oberen) Abschnitte viel schwächer, als im vorderen und ich werde gleich zeigen, dass dieser Unterschied weitere, bedeutendere Folgen nach sich zieht. Was nun noch die Hirnwand in dieser ersten Periode betrifft, so werden die Seitentheile sehr bald dicker als die medianen Theile des (Gewölbes und des Basaltheiles; auch beim Uebergange in die Schlussseite oder anatomische Basis verdünnen sich die Seitentheile im allgemeinen (Taf. XIII, XIV). — Noch ist hier endlich eine Bildung zu erwähnen, welche anfangs als unzweifelhafter Hirntheil erscheint, aber in Folge ihres späteren Verhaltens von den Anatomen mehr als Nebenorgan, denn als integrirender Theil des Hirns, betrachtet wird, — ich meine die Zirbel. Sie entsteht an der Decke des Vorder- hirns etwas unterhalb der Grenze des Mittelhirns. Nach dem Schlusse der Hirn- röhre blieb nämlich dieselbe an jener Stelle mit der Oberhautim Zusammenhange, sodass eine kurze Brücke zwischen beiden ausgezogen wurde (Taf. VI Fig. 105). Indem diese Brücke ihre breite Basis am Hirndache behält, dagegen an der Berührungsstelle mit der Oberhaut sich verdünnt, erscheint sie als ein an der Oberhaut hängengebliebener Zipfel des Hirns; alsbald dringt auch eine Fort- setzung der Hirnhöhle in denselben ein und löst er sich von der Oberhaut voll- kommen ab, sodass er dann als hohler Auswuchs des Hirns sich darstellt (Taf. XIV Fig. 246, Taf. XVI Fig. 292). Doch schnürt sich derselbe nach kurzer Zeit zu einem vollkommen geschlossenen Bläschen ab, welches nur durch einen kurzen Stiel, dessen Kanal allmählich schwindet, mit dem Hirne zusammen- 984 V. Das Centralnervensystem hängt (Taf. XV I Fig. 293. 298, Taf. XV Fig. 283). Dies ist nun die Anlage der Zirbel, welche sich weiterhin morphologisch nicht merklich verändert; nur scheint später auch die Höhle des Bläschens zu schwinden und verlängert und verdünnt sich der Stiel ansehnlich, während seine Wurzel, mit der er in der Decke des Vorderhirns festsitzt, verdickt bleibt (Taf. VIII Fig. 146. 149, Taf. XV Fig. 284. 285). Die Embryonalzellen dieser Anlage verändern sich ähnlich wie im Hirne, sodass die daraus hervorgehenden Nervenzellen und -fasern mit geringer Zwischensubstanz die ganze Masse des Organs auch im erwachsenen Thiere darstellen. Noch in der Larvenperiode lagert sich in der Wand desselben in wechselnder Menge eine schneeweisse, beinahe silberglän- zende Masse ab, welche offenbar den anorganischen Konkrementen vergleichbar ist, die man in der Zirbel höherer Wirbelthiere findet. Das Bemerkenswertheste an der Zirbel unseres Thieres und wohl überhaupt der Batrachier ist ihre spätere Lage. Indem das diekwandige Bläschen der Oberhaut dicht ange- schmiegt bleibt und mit ihr sich vorwärts verschiebt, wird der lang ausgezogene und zarte Stiel von den Hirnhüllen und dem Schädeldach umwachsen, sodass das eigentliche Organ aus der Schädelhöhle ausgeschlossen wird. Beim Ab- ziehen der Kopfhaut bleibt es meist unter Zerreissung des Stieles an dieser hängen (Taf. XV Fig. 283—285, Taf. XVIII Fig. 325. 326). In der ersten Larvenperiode wird die vordere Hirnhälfte bereits so weit entwickelt, dass die vollendeten Formen unzweifelhaft erkannt werden können, und doch wird eigentlich nur das bereits Angedeutete weiter ausgeführt. Ich erwähnte, dass das Mittelhirn wesentlich eine Erweiterung der oberen Hälfte zeigt und dem entsprechend wird auch weiterhin vorherrschend das Gewölbe ausgebildet, während die tieferen Abschnitte mehr indifferent bleiben; am Vorderhirn dagegen wird der schon angelegte Gegensatz von Gewölbe-, Mittel- und Basaltheil und von vorderen und hinteren (oberen und unteren) Abschnitten weiter ausgeführt. Betrachten wir zunächst das Mittelhirn (Taf. VIII Fig. 142 bis 151). Es behält, von der Seite gesehen, die keilförmige Gestalt, in der es zwischen Hinter- und Vorderhirn gleichsam eingeschoben erscheint. Seine Zellenmasse war ursprünglich so vertheilt, dass sie von der dünnen und schmalen Basis aus sich vornehmlich in den dreieckigen Seitentheilen anhäufte, um dann gegen die Decke wieder allmählich abzunehmen. In der untern Hälfte und an der Grenze des Vorderhirns bleibt dieser mehr indifferente Zustand, also auch eine spaltförmige Lichtung bestehen, welche die direkte Verbindung zwischen den Höhlungen des Hinter-und Vorderhirns vermittelt (Taf. XV Fig. 269— 27.2). V. Das Centralnervensystem. 285 Darüber aber entwickelt sich von vorn nach hinten ansteigend und sich ver- breiternd ein Gewölbetheil, in welchem die dicken Seitenmassen in einer ge- wissen Höhe stärker und bestimmter auseinanderweichen und daher den zwischen ihnen befindlichen mittleren Theil der Decke zu einer dünnen durchsichtigen Haut ausziehen. Von oben gesehen erscheint dieses Gewölbe des Mittelhirns zunächst oval mit schmälerem vorderen und breiterem Hinterende. Indem aber die darunterliegende Höhle den dünnen Mitteltheil in dunkler Zeichnung hervortreten lässt, erkennt man an letzterer die Gestalt einer nach vorn ge- richteten Lanzenspitze. Die weitere Entwickelung rechtfertigt die Auffassung, dass, während die untere Hälfte des Mittelhirns sich nur wenig verlängert, das sich in der Länge stärker ausdehnende Gewölbe zur Seite ausweicht, gewisser- massen eine Knickung erfährt. Dadurch werden die dicken Randtheile jeder- seits in zwei nach aussen konvergirende Schenkel gesondert. Die vorderen Schenkel sind aber gleich anfangs länger und stärker, als die hinteren, wachsen also auch schneller und energischer als diese und drängen sie zurück. Dieser Bewegung widersteht aber das Gewölbe des Hinterhirns, welches sich hinter der beide Hirnhälften trennenden Einschnürung erhebt. Die hinteren Schenkel des Mittelhirngewölbes werden also von den andrängenden vorderen quer umgelegt, und bilden erst eine quere Wand, welche aber bei ihrer an- dauernden Ausdehnung und Verdünnung in der Medianebene sich nach innen faltet und dadurch die Halbirung des Mittelhirngewölbes einleitet. Dass dabei die laterale Knickung seiner Randtheile zugenommen hat, die Zeichnung der durchscheinenden Decke herzförmig geworden ist, ist aus den Abbildungen leicht zu ersehen. Solange das ganze Gewölbe noch flach war, kommunicirte seine Höhle unter jener Grenzeinschnürung beider Hirnhälften unmittelbar mit dem Hinterhirnraume; sobald aber alle Theile durch Wachsthum an Höhe an- sehnlich gewonnen haben, während nur der Boden der Einschnürung zurück- blieb, ist auch Jene Gewölbehöhlung des Mittelhirns so weit über jenen Boden gehoben, dass sie nur vermittelst der unteren spaltartigen Hälfte des Mittel- hirnraums mit den übrigen Hirnhöhlen in Verbindung bleibt. — Die späteren Umbildungen des Mittelhirns sind nicht mehr erheblich. Indem das Wachsthum auch fernerhin vorherrschend an den vorderen Schenkeln der dicken Rand- theile sich äussert, der dünne Mitteltheil des Gewölbes aber zurückbleibt, ent- wickeln sich aus den ersteren zwei halbkugelige, hohle aber dickwandige Lappen, welche durch die einsinkende Mitte spaltartig getrennt, die Grenzen des Mittel- hirns nach allen Seiten überragen und alsdann dessen ganzesGewölbe darstellen, 286 V. Das Centralnervensystem. da die anderen ursprünglichen Theile desselben, nämlich die hinteren Seitenschen- kel und die dünne Mitte, theils unkenntlich geworden sind, theils in den Bestand jener halbkugeligen Vorwölbungen hineingezogen wurden. Dass die letzteren endlich etwas länglich werden und gerade umgekehrt wie in ihrer ersten Anlage nach vorn divergiren, ist eine Folge epigonaler Umbildungen, welche uns hier weniger interessiren. Dass die Entwickelung des Vorderhirns reicher sein werde als diejenige des Mittelhirns, darf schon aus dem bereits besprochenen Zustande geschlossen werden. Im allgemeinen lässt sich, wie bemerkt, das Vorderhirn desshalb mit dem Mittelhirne vergleichen, weil seine Basis ebenfalls kürzer ist, als die Decke; wie denn überhaupt die Zerlegung eines gebogenen Cylinders in keilförmige Abschnitte ganz natürlich erscheint. Die wichtigsten Abweichungen aber, welche im ferneren Verlaufe der Entwickelung das Vorderhirn vom Mittelhirne unterscheiden, sind 1. die vor- und aufwärts gerichtete Entwickelung des Ge- wölbetheils, 2. die Ausbildung des Basaltheils, 3. endlich die Anwesenheit der Schlussseite, welche an der Entwickelung der beiden genannten Regionen sich betheiligend den Hauptabschnitt der späteren anatomischen Hirnbasis herstellt. Ich knüpfe die Betrachtung dieser Vorgänge an die Beschreibung zweier Ge- hirne, von denen das eine der ersten, das andere der zweiten Larvenperiode an- gehört (Taf. VIII Fig. 142—151). In jenem ist jeder der beiden Seitentheile des Vorderhirns eine dicke Platte, welche in unmittelbarem Anschlusse an den dreieckigen Seitentheil des Mittelhirns mit ihrer ursprünglichen Längsaxe senk- recht gestellt ist, wobei ihre hintere und vordere (obere und untere) Grenze gegen den schmäleren Basaltheil konvergiren. Unmittelbar unter dem Mittel- hirne, wo das Vorderhirn noch keinen besondern Basaltheil besitzt, gehen die beiden Seitenplatten desselben unmerklich in das Gewölbe über, so dass auch der zwischen ihnen eingeschlossene enge Kanal, eine unmittelbare Fortsetzung des tieferen, spaltartigen Raumes im Mittelhirne, ohne bestimmte Grenzen sich zur Höhle des Gewölbetheils erweitert (Taf. XIV Fig. 246); weiter abwärts jedoch sondern sich der Gewölbe- und Basaltheil äusserlich durch schwache Eindrücke, deutlicher im Innern durch entsprechende Hervorragungen von dem Mitteltheile ab (Taf. X VI Fig. 295. 298, Taf. XV Fig. 283. 284, Taf. XVII Fig. 304. 305. 314 —316). Der von dem letzteren eingeschlossene Raum war schon frühzeitig durch die seitlichen Fortsetzungen in die hohlen Sehnerven an der Schlussseite ausgezeiehnet; und während er in dem grössten Theile seines Verlaufes sich zu einem engen Kanale zusammenzieht, der von oben herab- V. Das Centralnervensystem. 287 _ steigend in die Höhlen des Gewölbe- und Basaltheils gleichfalls durch enge Gänge hinüberführt, bleibt nur an jenem seinen Ende zwischen den Ursprüngen der Sehnerven eine Erweiterung zurück. In dem Boden der letzteren, wo auch die ursprüngliche Hirnaxe endet, stossen die Seitenplatten des Vorderhirns zu- sammen und bilden einen anfangs nur schmalen queren Streifen zwischen dem Gewölbe und dem Basaltheile, an dessen beiden Enden eben die Sehnerven entspringen. Schon früh beginnt dieses Mittelstück der späteren anatomischen Hirnbasis durch eine vordere und eine hintere Querfurche sich gegen die an- stossenden Hirntheile bestimmt abzugrenzen, wodurch es nach aussen als querer Wulst hervortritt.. Die den Furchen im Innern entsprechenden queren Falten verleihen jenem zwischenliegenden Stücke der Hirnwand eine rinnenförmige Gestalt; und da die Sehnerven unmittelbare und nur kanalförmig geschlossene, seitliche Fortsetzungen jener Rinne sind, so muss die letztere als die ursprüng- liche Verbindung derselben betrachtet werden. Ich nenne sie die Sehnerven- platte. Ihr mittlerer Theil oder der Boden der Rinne ist verdünnt und zeigt daher bei äusserer Besichtigung einen dunkeln queren Streifen, welcher in der Mitte breiter ist und seitlich an der untern Fläche der Sehnervenwurzeln spitz ausläuft. Vom dünnen Boden der Sehnervenplatte aus verdickt sich die Hirn- wand in den queren Grenzfalten ganz ausserordentlich, sodass diese endlich in ihrer Erhebung weit über das Mass der ihnen entsprechenden äusseren, seichten Furchen hinausgehen. Dadurch wird jener zwischen ihnen befindliche rinnen- förmige Hirnraum von dem unmittelbaren Verkehre mit den Höhlen des Ge- wölbe- und Basaltheils längs der anatomischen Hirnbasis immer mehr abge- schlossen, bis er schliesslich nur noch aufwärts in der Fortsetzung der ursprüng- lichen Hirnaxe mit dem engen Kanale des Vorderhirns kommunicirt, als dessen eigentliches Ende er zu betrachten ist. Da nun die Bedeutung dieses spaltartigen Kanals darin beruht, dass er in unmittelbarer Fortsetzung der gleichartigen unteren Hälfte der Hinterhirnhöhle der Hirnaxe folgt und dabei in die einzelnen Hirnhöhlen ausmündet, welche im Verlaufe der Entwickelung die früher zwischen innen bestandene unmittelbare Verbindung verloren haben, so verdient er den Namen des axialen oder Verbindungskanals. Vom Hinterhirne geht er unter dem (Gewölbe des Mittelhirns in gerader Linie bis an die Grenze zwischen dem letzte- ren und dem Vorderhirne, wo ein besonderes Gewölbe fehlt; dann biegt er recht- winkelig nach unten ab, um-den Mitteltheil des Vorderhirns zu durchziehen und nachdem er vor- und abwärts in dessen Gewölbetheil, rückwärts und abwärts in dessen Basaltheil sich geöffnet, endigt er blind in dem erweiterten Raume über der 288 V. Das Centralnervensystem, Sehnervenplatte, also an dem eigentlichen vorderen Schlussstücke der ganzen pri- mitiven Hirnröhre. Es darf also dieser Verbindungskanal gewissermassen als der unveränderte Haupttheil des primitiven Hirnraumes betrachtet werden, der allein mit dem Centralkanal des Rückenmarkes zu vergleichen wäre, so wie die ihn einschliessenden Seitenplatten nicht nur nach ihrem Verhalten in der mor- phologischen Entwickelung, sondern, wie ich weiter unten zeigen werde, auch nach ihren histiologischen Verhältnissen als die eigentlichen Fortsetzungen der Seitentheile des Hinterhirns und Rückenmarkes angesehen werden müssen. — An diese primitivisten Hirntheile schliessen sich nun im Vorderhirne noch ein besonderer Gewölbe- und ein Basaltheil an. Ich bemerkte schon gelegentlich, warum der unmittelbar ans Mittelhirn anstossende Abschnitt des Vorderhirns keinen besonderen Basaltheil besitzt: da seine hintere Grenzfläche schräg ab- wärts verläuft, so ist seine Basis gemeinsam mit derjenigen des Mittelhirns in der schmalen, etwas nach innen vorgetriebenen Falte enthalten, welche sich aus dem früheren Knickungswinkel der allgemeinen Hirnbasis entwickelte. Weiter abwärts grenzt sich aber durch eine senkrechte, bis hinter die Sehnerven- platte verlaufende Furche ein sehr deutlicher, allmählich sich immer stärker rückwärts vorwölbender Basaltheil des Vorderhirns von dessen Mittelstücke ab. Er ist mehr breit als lang, und seine rückwärts sehende und vom Vorderende der Wirbelsaite eingedrückte Wand ist durchsichtig dünn, während die übrigen Seiten sehr viel dicker sind. Dieser Hirntheil bleibt im Wachsthume, nament- lich seiner Höhe, hinter den andern zurück ; so kommt es, dass er schon in den jungen, noch lange nicht ausgewachsenen Thieren die Form eines breiten aber platten Beutels hat, welcher dem Hirne hinter der Sehnervenkreuzung so an- gefügt ist, dass seine Höhle in den Verbindungskanal mündet. In der Mitte seines hinteren Randes besitzt er alsdann einen Ausschnitt. Je weniger Interesse die Entwickelungsgeschichte des Basaltheils vom Vorderhirne bietet, um so mehr hat stets ein Organ die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen, welches mit jenem ziemlich fest verbunden, als ein accessorischer Hirntheil betrachtet und beschrieben wird — der Hirnanhang. Derselbe ist ein Erzeugniss des oberen Keimblattes und seine Anlage erscheint schon ziemlich früh. An dem vorderen Umfange der Hirnplatte hat die Sinnes- platte mitten zwischen den Anlagen der Geruchsorgane einen unpaaren Ab- schnitt, welcher weder verstreicht noch sich seitlich in jene nächsten paarigen Sinnesanlagen vertheilt, sondern deutlich wahrnehmbar bestehen bleibt (Taf. II lg. 34-38). In dem Masse als das Hirn sich weiter entwickelt, zieht sich V, Das Centralnervensystem. 289 \ die Grundschicht des bezeichneten Stückes der Sinnesplatte zu einem trichter- förmigen Fortsatze zusammen, welcher in der Medianebene unter das Hirn vor- ragt. Später wächst er mit einer scheinbar soliden Fortsetzung unter der anato- mischen Hirnbasis rückwärts, wobei sein freies Ende sich abplattet, der übrige Theil zu einem runden Stiel wird (Taf. XVI Fig. 292. 293. 298, Taf. XIII Fig. 224. 229. 230, Taf. XIV Fig. 248. 257, Taf. XVLI Fig. 305). Sobald das erstere die Basis des Vorderhirns erreicht hat, verkümmert und schwindet der Stiel, sodass das übrig bleibende abgeplattete Gebilde, welches in dem hinteren Ausschnitte des Basaltheils liegt, nunmehr allein den Hirmanhang bildet (Taf. XV Fig.270. 283. 254). Er hat alsdann seinen grössten Durch- messer noch in der Medianebene und ist in die bindegewebige Hirnhülle so ein- gebettet, dass er an seiner unteren Fläche von ihr einen glatten Ueberzug er- hält. Sein hinteres, breiteres Ende drängt sich aber später aus der Oberfläche der Hirnhaut hervor, wobei es seinen Ueberzug mit sich hervorzieht und sich etwas von der übrigen Masse des Organs abschnürt; so entsteht die allseitig freie und in einen glatten Ueberzug eingeschlossene hintere Hälfte des Hirnan- hangs, während die vordere erst später in ähnlicher Weise hervortritt und da- durch von der ersteren getrennt erscheint (Zaf. VIII). Schon bevor der Hirn- anhang seinen Zusammenhang mit der Oberhaut ganz verliert, bemerkte ich schlauch- oder blasenförmige Auswüchse seiner Masse, welche wie Ausstül- pungen eines Hohlgebildes aussahen (Taf. XV Fig. 282). Später fand ich, dass gerade seine vordere, ursprünglich schmälere Hälfte zahlreiche kolbige Fort- sätze zur Seite ausschickte, womit wahrscheinlich ihre spätere Verwandlung Y einen queren Wulst zusammenhängt. Es bleibt mir jetzt übrig den in der Folge umfangreichsten und wichtigsten Theil des Vorderhirns zu besprechen, nämlich dessen Gewölbetheil (Taf. VIII). In dem auf das Mittelhirn folgenden Abschnitte erreicht er nur eine mässige Entwickelung; viel grösser dagegen ist schon gleich anfangs die Wölbung, die aus dem vordersten Abschnitte des Vorderhirns hervortritt, und zugleich auf die Schlussseite des embryonalen Gehirns oder die anatomische Hirnbasis sich erstreckt. Der Gewölbetheil des Vorderhirns bietet also dieselben Verhältnisse dar, wie derjenige des Mittelhirns, und wir sehen daher auch an seiner vorderen oberen Seite dieselben Erscheinungen sich entwickeln, wie am Mittelhirngewölbe. Die dicken Seitentheile biegen sich gleichfalls nach aussen aus und ziehen dabei den Mitteltheil dünn und viereckig aus, welche Gestalt jedoch wegen der ge- ringeren Ungleichheit der Schenkel rautenförmig erscheint. An der hinteren GOoETTE, Entwickelungsgeschichte, 19 290 V. Das Centralnervensystem. Ecke dieses dünnen Vorderhirndaches entspringt aus ihm dieZirbel und ist daher später die zapfenförmige Wurzel ihres Stieles anzutreffen. Wenn aber am Mittelhirne die durch die seitliche Knickung angedeutete Scheidung einer vorderen und einer hinteren Gewölbehälfte durch die spätere Entwickelung verwischt wird, so erhält sie sich am Vorderhirne beständig und verlangt daher eine entsprechend sondernde Beschreibung eines vorderen und eines hinteren Gewölbes. Bisher nannte ich nur die Aehnlichkeiten zwischen den Gewölben des Vorder- und Mittelhirns. Betrachtet man das erstere von der Seite und von unten, so fällt gleich der wesentlichste Unterschied in die Augen, welcher auch gerade zu irrthümlichen Auffassungen dieser Hirntheile geführt hat. Das vordere Gewölbe hat natürlich, wie es sich aus meiner bisherigen Darstellung ergibt, von Anfang an einen Antheil an der Schlussseite des Hirns, hört also nicht an dessen vorderer Ecke und unmittelbar vor der rautenförmigen, mitt- leren Vorderhirndecke auf, sondern setzt sich bogenförmig abwärts und rück- wärts bis zur Schlussseite des Mitteltheils vom ganzen Vorderhirn, also bis zur Sehnervenplatte fort. Es hat eben gerade so wie die Enden eines gewöhnlichen Hausdaches eine Seite mehr als die übrigen Abschnitte der Hirnwölbung. Da nun aber das Wachsthum im vorderen oberen Theile unseres Vordergewölbes überwiegt, so erklärt sich daraus, dass dasselbe in seiner der anatomischen Hirnbasis angehörigen Hälfte schmäler ist als in der anderen, an das Hinter- gewölbe anstossenden, und dass diese mit einer seitlichen Ausladung über jene vorragt. In Uebereinstimmung damit ist der dünne mediane Theil des Vorder- gewölbes im bogenförmigen Uebergange an die anatomische Hirnbasis nicht breit ausgezogen, sondern auf einen schmalen Streifen beschränkt, welcher die dickwandigen und nahezu halbkugeligen Seitenhälften verbindet; diese Verbin- dungshaut reicht aber nicht bis zur Sehnervenplatte, sondern lässt zwischen ihrem Ende und dieser Platte die dicken Seitentheile sich bogenförmig verei- nigen. — Die Trennung beider Gewölbehälften des Vorderhirns bezieht sich jedoch mehr auf ihre äussere Erscheinung als auf eine durchgehende Sonderung; da sie sich gegen einander erweitern, so gehören sowohl die rautenförmig aus- gedehnte Verbindungshaut als die darunterliegende Höhle beiden gemeinsam an und wahren die Einheit des Vorderhirngewölbes. Diese ungetheilte Höhle oder die spätere dritte Hirnkammer ist längs der anatomischen Hirnbasis durch die beschriebene vordere Grenzfalte vom erweiterten Endstücke des Ver- bindungskanales geschieden, und mündet erst auf- und rückwärts unter dem Hintergewölbe in dessen spaltförmigen Theil (Taf. XVII Fig. 314 - 516). V. Das Centralnervensystem. 291 Die voranstehende Beschreibung bezieht sich auf das Vorderhirn aus der ersten Larvenperiode; später divergirt die Entwickelung seiner Theile noch mehr und erschwert die klare Einsicht in ihren ursprünglichen Zusammenhang. Dazu kommt, dass gewisse Veränderungen in der Gesammtlage des Hirns eine falsche Deutung seiner ursprünglichen Theile unterstützten. Betrachtet man das Vorderhirn von der Seite, so zeigt es zur Zeit, wo seine Gewölbetheile eben deutlich hervortreten, einen nahezu dreieckigen Umriss, dessen Spitze in der Zirbel liegt und dessen untere abgerundete Winkel vom Basaltheile und dem vordern Gewölbe gebildet werden; die Vorderseite (das Hirndach) fällt steil ab und die Grundlinie (anatomische Hirnbasis) senkt sich nach vorn. In der Folge wächst nun der vordere Winkel nicht etwa schräg abwärts, wie seine frühere Gestalt vermuthen lassen könnte, sondern ziemlich horizontal vorwärts und zwar viel stärker als das hintere Gewölbe; dadurch wird die steile Vorderseite des Dreiecks zu einer sanft ansteigenden, die Grundlinie zu einer horizontalen. Während dessen verändert sich die ursprüngliche Axe des Vorderhirns weder in ihrer Länge noch in ihrer Lage. Denn ihre Richtung — von der Vorder- grenze des Mittelhirns bis zwischen die Ursprünge der Sehorgane — bleibt bis auf unwesentliche Abweichungen, wie man sich leicht überzeugen kann, eine senk- rechte*; die Verkürzung ihrer Länge, also des Mittel- und Basaltheils ist aber ebenso offenbar nur eine relative. Wenn man jene einseitigen, ungleichmässigen Wachsthumserscheinungen auf eineUmlagerung des Vorderhirns nach oben bezog, so lag dies einmal daran, dass der relativ verkürzte Basaltheil der Beobachtung endlich ganz entging und man ihn in die anatomische Hirnbasis hineingezogen sein liess, und andererseits daran, dass man glaubte, die Umbildung der Unter- lage des ganzen Gehirntheils, deren viscerale Fläche man von der Mundhöhle aus leicht zur Anschauung bringt, auch auf die Umbildung des Vorderhirns beziehen zu dürfen. - Der wesentlichste Bestandtheil jener Unterlage ist in den Embryonen und jüngeren Larven das Darmblatt. Anfangs liegt es dem Basal- theil und der Schlussseite des Vorderhirns eng an, sodass es von der Spitze der Wirbelsaite an eine nach vorn offene Bucht zur Aufnahme des Vorderhirns bildet (Taf. II Fig.38). Die Tiefe dieser Bucht entspricht aber nicht der Länge des Basaltheils, indem das Darmblatt um die Dicke der Chordaspitze von der eigentlichen Knickungsstelle des Hirns entfernt ist. Und wenn das Hirn sich * Allerdings ist eine gewisse Vergrösserung des Beugungswinkels nicht zu verkennen; da er aber vorher weniger als 90° betrug, so wird die wesentliche Thatsache, der Bestand einer rechtwinkeligen Abbiegung, dadurch nicht beeinträchtigt. 19% 292 V. Das Centralnervensystem. später von der Wirbelsaite ab- und über dieselbe erhebt, so wird die dadurch verflachte Bucht des Darmblattes noch weniger einen annähernd richtigen Ab- druck der darüber liegenden Hirntheile vorstellen können (Taf. XV, XVI) So ist also auch die schliessliche, ebene und horizontale Ausspannung des Darmblattes vom Rumpfe (Speiseröhre) an bis gegen die Mundöffnung durchaus kein Merkmal für eine ähnliche Ausgleichung der vorher gebogenen visceralen Fläche des ganzen Hirns. Nicht viel weniger kann die Schädelbasis, die zwischen dem Darmblatte und dem Vorderhirn entsteht, über die Formverhält- nisse des letzteren täuschen. Wesentlich horizontal ausgebreitet, bestimmt sie dadurch auch die Richtung der wachsenden anatomischen Hirnbasis. Hinten krümmt sie sich aber um den Besaltheil des Vorderhirns aufwärts, um sich der höher gelegenen Schädelbasis des Hinterhirns anzuschliessen. Auch diese Bucht der vorderen Schädelbasis erreicht mit ihrem oberen Rande oder der Chordaspitze die bereits über sie erhobene Knickungsstelle des Hirns nicht (Taf. XV, Fig. 284, Taf. X VI Fig. 305). Weil aber die Schädelbasis im Bereiche der Wirbelsaite viel dicker angelegt ist, als unter dem Vorderhirne, so bleibt eine gewisse Niveau- differenz zwischen den beiden Hälften an ihrer cerebralen Fläche noch lange Zeit bestehen, nachdem sie an der Visceralfläche verschwand. Diese Ausgleichung an der visceralen Fläche fällt mit der Verknorpelung der Schädelbasis zusammen und wenn die ganz eben gewordene Mund- und Schlundhöhlendecke schon vor- her das ganze Vorderhirn und im Zusammenhange damit das Hinterhirn ohne weitere Lageveränderung in die Höhe hob, so geschieht es ebenso auch nach der Verknorpelung der Schädelbasis, wobei nur der Basaltheil des Vorderhirns etwas zusammengedrückt erscheint, die "ursprüngliche Knickung des ganzen Hirns aber in der zwischen jenem Basaltheil und dem Hinterhirne befindlichen engen und spaltförmigen Bucht deutlich erkennbar bleibt. Nachdem die Bedeutung der allgemeinen Wachsthumserscheinungen der vorderen Hirnhälfte festgestellt ist, können die Einzelheiten ihrer weiteren Ent- wickelung die einmal gewonnene Auffassung nicht stören. — Zunächst sind noch die Veränderungen der Sehnervenplatte zu erwähnen (Taf. VILT). Dieselbe wurde zuletzt als eine schmale und quergestellte, nach aussen konvexe Platte beschrieben, welche sich seitlich in die Sehnerven verlängert. Weiterhin wächst ihre nach vorn schauende Hälfte mit einer medianen Spitze aus, während die hintere gerade Grenze bestehen bleibt. So entsteht eine dreieckige Erhabenheit an der anatomischen Hirnbasis, welche wegen der dünnen und daher dunkel erscheinenden Mitte wie von weissen Strängen eingefasst aussieht und deren V. Das Centralnervensystem. 295 hintere Ecken in die Sehnerven auslaufen. Durch Verbreiterung der vor- deren Spitze verwandelt sich das Dreieck später in eine rundliche Platte, während die dunkele, früher gleichfalls dreieckige Mitte sich zu einem schma- len medianen Streifen zusammenzieht, der aber an ganz erwachsenen Thie- ren nicht mehr sichtbar ist. Die Sehnerven haben sich indessen aus der Hirn- wand weiter herausgezogen und stossen am hintern Rande mit jener Platte zu- sammen. Das vor der Sehnervenplatte gelegene vordere Gewölbe des Vorderhirns erschien während der ersten Larvenperiode trotz der Sonderung seiner Seiten- hälften im ganzen als eine einheitliche kugelige Vorragung. Bald gibt sich aber eine leichte Einsenkung der dünnen, medianen Verbindungshaut zu er- kennen, das erste Zeichen der weiteren Entwickelung, welche wesentlich ebenso wie am Mittelhirngewölbe in einem Auswachsen bloss der Seitentheile gegen- über der zurückbleibenden Verbindungshaut besteht, wobei jedoch die Ausdeh- nung nur in geringerem Grade rückwärts, vorherrschend nach vorn gerichtet ist. So stülpt sich das Vordergewölbe zu beiden Seiten der ruhenden Verbindungs- haut in zwei mächtige, durch eine mediane Spalte getrennte, hohle Lappen aus, welche gerade vorwärts und gegen das Ende verjüngt sich hinziehen, dagegen rückwärts in zwei viel kleinere, divergirende und das hintere Gewölbe überra- gende Ecken auslaufen. Durch diese Bildung der Grosshirnlappen ist aber der Bestand des früheren vorderen Gewölbes nicht völlig aufgelöst, dasselbe nicht ganz in jene seine getrennten Seitenhälften aufgegangen. Die mediane Verbindungshaut, welche von dem hinteren Gewölbe bogenförmig nach vorn und unten bis gegen die Sehnervenplatte verläuft und dort in den queren Wulst übergeht, welcher die dicken Seitentheile verbindet, bezeichnet für immer die Grenzen des ursprünglichen Gewölbes, die gemeinsame Wurzel der beiden Gross- hirnlappen. Dieser kenntliche Rest des früheren Vordergewölbes verhält sich also zu den aus ihm hervorgewachsenen Hemisphären ebenso, wie nach einer früheren Darstellung der mittlere oder Stammtheil der ganzen vorderen Hirnhälfte zu den (rewölben. Die Höhle jenes primitiven Gewölbetheils bildet, wie erwähnt, mit derjenigen des hinteren Grewölbes einen einzigen Raum, die dritte Hirnkammer, in welcher die Höhlen der Grosshirnlappen oder die beiden ersten Hirnkam- mern zusammenfliessen; will man daher abgesehen von der ursprünglichen morphologischen Gliederung den ganzen, jene unpaare Hirnkammer ein- schliessenden Hirntheil, also die beiden ursprünglichen Gewölbe als. das 294 V. Das Centralnervensystem. Ziwschenhirn oder einen Theil desselben * bezeichnen, so ist dasselbe früher da als die Grosshirnlappen, sind diese nur als Ausstülpungen des Zwischenhirnes zu betrachten. Die dünne Verbindungshaut des vorderen Gewölbes bleibt, wenn sie auch ihre frühere Lage behält, doch nicht unverändert. Ueber dem vorderen Theile der dritten Hirnkammer senkt sie sich faltenförmig in die Tiefe; diese Falte schnürt sich beutelförmig ab und theilt sich meist traubenförmig in drei seitlich abge- plattete aber mit ihren Stielen zusammenhängende Fortsätze, welche in der Medianebene hinterund übereinanderliegen (Taf. XV Fig.285— 285, Taf. VIII Fig. 152). Das gefässhaltige Bindegewebe, welches alsdann das ganze Gehirn umschliesst, dringt auch bis zu jener eigenthümlichen Tasche vor, entsendet Fortsätze und Gefässe in dieselbe, und nachdem sie auf diese Weise in eine feste Verbindung mit der bindegewebigen Hirnhülle getreten ist, löst sie sich vom übrigen Hirndache ab und bildet den epithelartigen Ueberzug des Ader- geflechtes, welches durch die in Folge jener Ablösung entstandene wirkliche Lücke des Hirndachs in die dritte Hirnkammer hineinragt. Es erscheint später wie aus Schläuchen zusammengesetzt; ich glaube aber, dass dieses Bild nicht auf wirkliche Schläuche zu beziehen ist, sondern auf rinnenförmige Umklei- dungen der einzelnenGefässschlingen von Seiten jener epithelartigen Hirnmasse. Soweit die Verbindungshaut den vorderen Umfang der Hirnlücke bildet, stellt sie eine vordere Kommissur dar. — Auf dem hinteren Zipfel der dünnen Decke der dritten Hirnkammer sitzt die Wurzel des Zirbelstiels; vor ihr ent- wickeln sich zwei kolbige Fortsätze von den dicken Seitentheilen des hinteren Gewölbes, welche gegen die Medianebene einander entgegenwachsen und zwischen dem Adergeflechtknoten und der Zirbelwurzel das noch übrige dünne Hirndach verdrängen und ersetzen, da, wieich annehme, dasselbe zur weitern Entwicke- lung des Adergeflechtknotens verbraucht wird (Taf.ıVIIT). So entsteht zwischen jenen beiden Nebenorganen des Hirns eine schmale Brücke dicker Hirnsubstanz, welche die Hirnlücke hinten umschliesst. Wenn man jene beiden Nebenorgane des Hirns entfernt, indem man den blutrothen Adergeflechtknoten ohne jede Verletzung aus der Tiefe hervorzieht, während der Zirbelstiel aus dem Hirn- dache herausgerissen werden muss, kommt jene hintere Kommissur zur deut- lichen Anschauung. Anfangs überragt noch das hintere Gewölbe seitlich den * Es scheint, dass man gewöhnlich auch den Stammtheil des Vorderhirns in den Begriff des Zwischenhirns einschliesst. V. Das Centralnervensystem. 295 darunterliegenden Stammtheil des Vorderhirns, später verwischt sich diese Sonderung und alles, was zwischen den Grosshirnlappen und dem Mittelhirne liegt, erscheint als ein zusammenhängender Hirntheil, an welchem der Trichter einen unbedeutenden Anhang darstellt. Das Entwickelungsergebniss des Vor- derhirns unterscheidet sich also insofern von demjenigen des Mittelhirnes, dass die vordere Gewölbehälfte trotz ihrer mächtigen Entwickelung die hintere nicht verdrängt oder in sich aufnimngt, sondern nur ein Erzeugniss der ersteren, die (Grosshirnhemisphären, sich von den beiden ursprünglichen, später wieder ver- einigten Gewölbehälften isolirt. Wir haben noch einmal zu den Grosshirnlappen zurückzukehren, um deren weitere, von ihrem Mutterboden unabhängige Entwickelung zu verfolgen (Taf. VIII). Sehr nahe an seinem Vorderende und an der Grenze seiner Seiten- und Bauchfläche verschmilzt jeder Lappen mit der Auskleidung der angrenzen- den Nasengrube; darauf wird zwischen beiden Organen eine Brücke ausgezogen, das Bündel der Riechnerven, und wo dieselben vom Grosshirnlappen ent- springen, entwickelt sich an letzterem ein kleiner rundlicher oder länglicher Hügel, der Riechnervenhügel. Die Grosshirnlappen wachsen nun über die Grenzen der Riechnervenhügel hinaus; dieses Wachsthum beruht aber nicht auf einer einfachen Längenausdehnung der hohlen Lappen, sondern wird durch die Bildung solider Fortsätze ihrer Vorderwand hervorgebracht, welche auch äusserlich durch seichte Furchen von ihrem Mutterboden sich abgrenzen. An der Bauchfläche der Grosshirnlappen erkennt man deutlich, dass jene dicken Auswüchse unmittelbar vor den Riechnervenhügeln von den ersteren ausgehen, und in dem Masse, als sie sich verlängern, eine etwas dünnere strangartige Fort- setzung jener Hügel, welche ihnen eng angeschlossen und mit ihnen verwachsen bleibt, mit hervorziehen. An einjährigen Thieren scheinen diese Stränge noch die einzigen Wurzeln der Riechnerven zu bilden; an älteren Exemplaren dagegen treten Sanz ofienbar noch besondere Faserzüge aus den soliden Auswüchsen der Grosshirnlappen zum Vorderende der Stränge, um mit ihnen gemeinsam das Bündel der Riechnerven zu bilden. Diese Faserzüge sind aber nach meiner Ansicht nachträgliche Bildungen, veranlasst durch die innige Verbindung der Stränge mit der Bauchfläche des Hirns. Ursprünglich sind jene soliden Aus- wüchse der Grosshirnlappen getrennt; aber schon in etwas grösseren Larven findet man sie in der Medianebene verschmolzen, sodass nur eine seichte Furche ihre frühere Trennung andeutet. Sie bilden also eine vordere Verbindung der Grosshirnlappen, während dieselben im grösseren Verlaufe ihrer Länge völlig 296 V. Das Centralnervensystem, getrennt bleiben. —- Ein weiteres Eingehen auf die Eimzelheiten des Vorderhirns liegt nicht im Plane dieser Arbeit; ich wende mich daher jetzt zum Hinterhirne. Das Hinterhirn ist nicht nur ursprünglich eine wenig veränderte Fortsetzung des Rückenmarkes, sondern bleibt es eigentlich auch im erwachsenen Thiere, wesshalb seine weitere Ausbildung der Untersuchung keine Schwierigkeiten macht. Man denke sich die dicken Seitentheile der Rückenmarksröhre, wäh- rend sie an der unteren Hälfte nahe zusammen stehen, aufwärts stark aus ein- ander gebogen, sodass der sehr erweiterte Raum von einem dünnen Dache überwölbt wird, und man hat die allgemeine Form nicht nur des embryonalen sondern auch des Hinterhirnes der jüngeren Larven (Taf. VIII, Taf. XV). So- wohl die Wölbung wie die seitliche Erweiterung nehmen von hinten nach vorn zu. Hinter dem Mittelhirne geht das dünne Dach in eine senkrechte dicke Platte über, welche die Hinterwand der zwischen beiden Hirnhälften befindlichen Ein- schnürung bildet, sodass also nur die spaltartige untere Hälfte des Zinterhirn- raumes unter jener Einschnürung hindurch eine unmittelbare Fortsetzung im Verbindungskanale findet. Das dünne ohngefähr dreickige Dach des Hinter- hirns löst sich später ebenso wie es in der vorderen Hirnlücke geschieht, von den Seitentheilen ab und bildet gleichfalls den unteren epithelartigen Ueberzug des Adergeflechts des Hinterhirns. An demselben glaube ich deutlich erkannt zu haben, dass die Gefässe in tiefe Rinnen des Hirndaches eingesenkt waren; ihre Anordnung in langen Schleifen, welche von einem mittleren, gegen die beiden vorderen Ecken des Hirndaches gabelig gespaltenen Stamme gegen die äusseren Ränder ziehen, erzeugt daher an der Innenfläche des Hirndaches ein zierliches Bild von sehr scharf ausgeprägten Wülsten (Taf. VIII Fig. 149. 152). Während der Ablösung der dünnen Decke drängt der sich ausdehnende Gewölbe- theil des Mittelhirns gegen die vordere senkrechte Platte des Hinterhirns rück- wärts; dadurch wird sie endlich nach hinten umgelegt und bildet alsdann eine schmale Brücke über dem Anfange der Hinterhirnhöhle, welche man mit Recht dem kleinen Gehirne der höheren Wirbelthiere vergleicht. Jene Verschiebung des Gewölbetheils vom Mittelhirne ist unzweifelhaft mit eine Folge der schon besprochenen Hebung der ganzen vorderen Hirnhälfte. Dass sie aber nicht zugleich ein Zeichen für eine wirkliche Umrollung dieser Hirnhälfte ist, ergibt sich aus der gleichzeitigen Erhebung der vorderen Grundfläche des Hinterhirnes, wodurch eme quere Vorwölbung derselben erzeugt und ferner der Knickungs- winkel der allgemeinen Hirnaxe ohngefähr in gleichem Masse verengt wird, als jene Verschiebung zu seiner Erweiterung beiträgt. V. Das Centralnervensystem. 297 Die histiologische Entwickelung des Hirnes ist, soweit es die Bildung der Nervenfasern und -zellen betrifft, ganz dieselbe wie im Rückenmarke. Es ist aber selbstverständlich, dass ich auf ihre mannigfaltigen Gruppirungen im Hirne im Einzelnen nicht näher eingehen kann. Daher will ich nur eine hieher ge- hörige Beobachtung mittheilen, weil sie meine Darstellung der morphologischen Hirnbildung illustrirt. Die weisse Masse setzt sich vom Rückenmarke her un- unterbrochen in das Hirn fort, und so wie dort ihre beiden Streifen der Axe der Nervenröhre parallel verlaufen, befinden sie sich auch im Hinter- und Mittel- hirne in der unteren Hälfte der Seitentheile in geradliniger Fortsetzung vom Rücken her. Im Vorderhirne angelangt, verlaufen sie nicht etwa in derselben Richtung weiter, also horizontal zum späteren Vorderende des ganzen Hirnes, sondern bleiben in der ursprünglichen Richtung der Seitenplatten, biegen also unter dem Gewölbe des Mittelhirnes rechtwinkelig nach unten um, und vereini- gen sich gürtelförmig im Bereiche der Sehnervenplatten, sodass der vor dem Sehnerven liegende Theil der Fasern sich später gegen die Grosshirnlappen ausbreitet, der andere Theil hinter dem Sehnerven in den Basaltheil hinüber- greift, während die graubleibende Sehnervenplatte zwischen beiden Bündeln quer eingelagert bleibt, also den sonst einheitlichen Hauptfaserzug in seinen Schlussstücken spaltet (Taf. XV Fig. 284, Taf. XV I Fig.297. 303, Taf. XV III Fig. 304. 305. 314—316). Andere weisse Faserzüge entstehen wie es scheint unabhängig von jenen ursprünglichen Streifen, welche den Verlauf der eigent- lichen Hirnaxe und die Theile des Hirnes bezeichnen, welche mit den Seiten- hälften des Rückenmarkes verglichen werden können. Indem ich zum Vergleiche der früheren und meiner eigenen Beobachtungen über die Entwickelung des Centralnervensystems übergehe, will ich zuerst einige Angaben über dessen Histiogenese berichtigen. ReıcHErT lässt die innere ge- färbte Auskleidung der Nervenröhre, Remak dagegen den Centralkanal des Rückenmarks schwinden, während jene Auskleidung zur besonderen Anlage der grauen Masse werden soll. Es schwindet aber weder das Eine noch das Andere, und auch die zweite Angabe Remax’s ist rrig, da die Deckschicht des oberen Keimblattes sich bloss in den inneren Theil der grauen Masse verwandelt, sodass dieGrundschicht an der Bildung des letzteren jedenfalls stärker betheiligt ist. Es bietet gerade das Centralnervensystem den ersten Beleg dafür, dass jene beiden 293 V. Das Centralnervensystem. Schichten, sobald sie aufhören die Theile des indifferenten oberen Keimblattes zu sein, zu einer gleichartigen Bildungsmasse verschmelzen. Allerdings unter- scheidet sich die unmittelbare Auskleidung des Oentralkanals der fertigen Nervenröhre in einem gewissen Grade von der übrigen grauen Masse durch die epithelartige Anordnung ihrer Zellen. Aber diese Zellenlage lässt sich nicht auf die besondere morphologische Anlage der Deckschicht zurückführen , son- dern entsteht nach der Verschmelzung der beiden Keimblattschichten durch histiologische, d. h. auf den Veränderungen der Zellen selbst beruhende Sonde- rung; und ausserdem wird ein nicht geringer Theil der Deckschicht sowohl beim Schlusse der Medullarröhre als auch bei der Verwachsung des oberen Theils des spaltförmigen Uentralkanals von dem unmittelbaren Umfange des letzteren ausgeschlossen und in das Innere der grauen Masse aufgenommen.* Dieser rein physiologische und nicht morphologische Werth der Zellenauskleidung des Centralkanals kann gar nicht treffender illustrirt werden als durch die homolo- gen Theile in der Augenblase, nämlich die Stäbchen- und Zapfenschicht und das Pigmentepithel der Netzhaut, welche urspünglich gleichfalls die kontinuir- liche innere Auskleidung der röhrig geschlossenen Axenplattedarstellen (vyl. Taf. VIII Fig.159). Die Zapfenschicht ist von der übrigen Netzhaut weder genetisch geschieden noch ihr in der Art eines Epithels entgegengestellt, während das Pigmentepithel bloss eine verdünnte Fortsetzung der ganzen Netzhaut ist. — Die ursprüngliche Zellenmasse der Gerebromedullarröhre bildet ferner ausser den Nervenelementen auch noch bindegewebige Theile zwischen denselben; doch muss ich ganz entschieden der Ansicht von v. BAER und RArHKE entgegentreten, als wenn die äussern Hüllen. des Centralnervensystems aus der ursprünglichen Nervenröhre abstammten. Ich habe ihre Bildung aus dem mittleren Keimblatte Schritt für Schritt verfolgen können (vgl. Taf. XI 197. 198). Hinsichtlich der morphologischen Entwickelung des Hirnes sind die älte- sten Beobachtungen, selbst diejenigen Ruscoxt's, viel zu vereinzelt um einen richtigen Einblick in den Zusammenhang der Erscheinungen gewähren zu können; sonst wäre es auch unerklärlich , wie Ruscoxt die Augenblasen vom * Ich mache hier darauf aufmerksam, dass Srıepa im Rückenmarke des Amphioxus Spuren eines obliterirten oberen Abschnittes vom Centralkanal fand, dessen frühere Epithel- zellen sich in der grauen Masse erhalten hatten (Studien über den Amphioxus lanceolatus, Mömoires de l’Acad. imp. des sciences de St. Petersbourg, XII Serie, Tome XIX, Nr. 7 8.39). Ihre Anwesenheit scheint aber hinlänglich zu beweisen, dass sie entweder schon vorher in ihrer Funktion sich von der übrigen grauen Masse nicht unterschieden oder sich ihr nach- träglich angepasst hatten. V. Das Centralnervensystem. 299 Beginne ihrer Abschnürung an für die Anlagen der Nasengruben halten konnte. So beschreibt er ferner ganz richtig die Hirnbasis älterer Larven, ohne ihre frühere Bildung zu erwähnen, während er die Längstheilungen der meisten Hirntheile, namentlich aber die wirklichen Lücken des verlängerten Markes und des Vorderhirnes durchaus irrthümlich auf die offen bleibenden Hirnnäthe zurückzuführen suchte. Ueber die Bildung der einzelnen Hirnabschnitte hat Ruscoxı immerhin einige bemerkenswerthe Thatsachen festgestellt. Erstens erkannte er vollständig die ursprüngliche Hirnbeuge und die Retortengestalt des Hirnes; ferner, dass die nach unten abgebogene Hirnhälfte drei vorgewölbte Abschnitte erzeuge, dieGrosshirnhemisphären, die Lobioptici und den Vierhügel, die hintere Hirnhälfte aber sich in das Kleinhirn und das verlängerte Mark sondere. Doch wird die bleibende Lage dieser Hirntheile irrigerweise so auf- gefasst, als wenn in Folge einer Hebung der abgebogenen Hirnhälfte die ganze spätere Hirnaxe in einer geraden Linie verliefe. Diese von Ruscont eigentlich nur angedeuteten Verhältnisse gewannen erst ihre volle Bedeutung durch die weiteren Ausführungen v. Barr’s*, welche die noch heute giltigen Grundlagen zur Beurtheilung der Architektonik des Hirnes lieferten. Ich muss dazu bemerken, dass, wenn v. Baer die Entwickelung des Batrachierhirnes nur ganz kurz behandelte, weil er sich auf die derselben durchaus entsprechenden und näher ausgeführten Verhältnisse im Himne des Hühnchens berufen konnte, es mir auch gestattet erscheint, seine Bemerkungen über das letztere hier in den Kreis der Betrachtung zu ziehen. Die Sonderungen des vorderen, erweiterten Endes der Medullarröhre schildert er folgendermassen. „Nachdem zuerst ein vorderes rundliches Bläschen von dem viel längern hintern Raume sich. abgegrenzt hatte, theilt sich fast gleich darauf auch dieser, und man hat nun drei Bläschen.“ „Die vordere Blase wird.das grosse Hirn, die hintere das kleine Hirn mit dem verlängerten Marke, ung die mittlere die so- genannte Vierhügelmasse mit einem entsprechenden Theile der Hirnschenkel (Mittelhirn). Das vordere Bläschen theilt sich aber bald in zwei Abtheilungen, indem die vorderste und obere Wand sich rasch hervorstülpt. Sie stülpt sich aber doppelt oder zu beiden Seiten neben der Mitte hervor (Grosshirnhemi- sphären — Vorderhirn), sodass diese im Verhältniss zu den Seitentheilen ein- gesenkt bleibt. Die hintere Region des ersten Hauptbläschens bleibt unpaarig * Für die theils oberflächlichen, theils falschen Angaben Reıcnerr’s und REmar’s über die Morphologie des Batrachierhirnes verweise ich einfach auf die im Eingange dieses Abschnittes mitgetheilten Auszüge. 300 V, Das Centralnervensystem. » (dritte Hirnkammer — Zwischenhirn) und grenzt sich auch etwas von den vor- dern gedoppelten ab. Auch sondert sich die hintere Hauptblase in zwei, eine vordere kürzere (kleines Hirn — Hinterhirn) und eine hintere längere (ver- längertes Mark — Nachhirn). So sind also fünf Bläschen aus den ursprüng- lichen dreien entstanden“ (Nr. S II S. 106—107). „Alle Bläschen liegen . ursprünglich ziemlich in einer Linie hinter einander, machen jedoch vorn eine Krümmung, da das vorderste Ende des Embryo sehr früh umgebogen ist. Auch stehen sie in so fern nicht in gleicher Beziehung zu einander, als das vorderste Doppelbläschen eine Erweiterung oder eine Art Aussackung, nicht von dem ganzen Umfange der Medullarröhre, sondern nur von der oberen Wand ihres vordern Endes ist, woraus folgt, dass das ursprüngliche vorderste Ende der gesammten Medullarröhre hinter diesem Doppelbläschen zurückbleibt, und eine unmittelbare Verlängerung des Zwischenhirnes nach unten wird. Dieses Ende verengt sich später allmählich mehr, wird durch die allgemeine Krümmung die das Hirn erfährt, nach dem Rückenmark hin zurückgebogen und bildet sich zum Trichter und Hirnanhange“ (S. 108). Endlich wird noch bemerkt, „dass das Hirn aus denselben Markplatten gebildet wird, aus denen auch das Rückenmark besteht. Diese Platten sind nun absatzweise zu den Bläschen ausgebuchtet und sehr dünn. Nur der untere Rand, eine Fortsetzung des un- teren Rückenmarkstranges, ist schon sehr früh etwas dicker. Er nimmt dann allmählich an Dicke zu und gewinnt das Ansehen eines Hirnschenkels. Man kann also nun zwei untere Stränge, die Hirnschenkel, und von ihnen sich er- hebende Blätter unterscheiden. Jede Abtheilung des Hirnes hat ihren Antheil an dem Hirnschenkel mit seiner blattförmigen Ausbreitung jederSeite. So lange der Hirnschenkel nur noch der kaum umterscheidbare Saum der Markplatten ist, findet er in der hintern Wand des Trichters sein Ende.“ „Die unteren Stränge des Rückenmarks gehen nämlich, sobald sie eine gewisse Ausbildung erlangt haben, allerdings in das Vorderhirn über, nicht aber die Centrallinie der Me- dullarröhre und was ihr zunächst liegt“ (S. 109). Aus diesen Beobachtungen zieht v. Baer den Schluss, dass die oben bezeichneten fünf Abschnitte „morpho- logische Elemente des Hirns“ seien, und dass man mit Recht sagen könne, „dass das Hirn in der ersten Periode eine längliche, in fünf Abschnitte getheilte Erweiterung der Medullarröhre ist“ (S. 107 — 108). Die vorangestellten eigentlichen Beobachtungen enthalten, ohne dass es v. Baer selbst hervorgehoben hätte, zwei sehr wichtige allgemeine Thatsachen: 1. dass, da der Trichter und Hirnanhang das ursprüngliche Hirnende darstellten, V. Das Centralnervensystem. >01 auch die fortgesetzten Seitenplatten des Rückenmarks dort ausliefen, die Hirn- axe stets umgebogen bleiben müsse, 2. dass jeder Hirnabschnitt einen Theil der ganzen Hirnröhre, also auch der gemeinsamen Axe, der Seitenplatten und der dadurch bezeichneten Grundfläche enthalte. Diese Thatsachen sind in ihrer Allgemeinheit ganz richtig, und wenn v. Barr selbst keinen besonderen Nach- druck darauf legte, so sehe ich den Grund dafür darin, dass seine Auffassung des fertigen Hirnes, die ich erst weiter unten besprechen will, gar nicht an jene Thatsachen anknüpfte. Im einzelnen sind jedoch jene Beobachtungen nicht fehlerfrei und dies rührt zum grössten Theile daher, dass das ihnen zu Grunde liegende Objekt, das embryonale Hirn des Vogels, zur Feststellung allgemein- giltiger Unterscheidungen viel weniger geeignet ist als z. B. das Hirn der Ba- trachierembryonen. Im ersteren ist allerdings die Basis der abgebogenen vorderen Hirnhälfte, nämlich die Hinterwand des späteren Trichters sehr deut- lich markirt; von dort an vor- und aufwärts beschreibt aber die Hirnwand bis zum Scheitel des Mittelhirnes einen fortlaufenden Bogen, und wurde daher von v. Baer offenbar bloss für die eigentliche Oberseite der Hirnröhre gehalten, sodass also die letztere sehr verschmächtigt und gewissermassen mit einer Spitze im künftigen Hirntrichter enden sollte. An den Batrachierembryonen ist aber die Axe der vorderen Hirnhälfte und daher die Schlussseite oder das eigentliche Hirnende so bestimmt vorgezeichnet und ferner durch den Verlauf der Seitenplatten weisser Marksubstanz so unverkennbar festgestellt, dass bei den Amnioten dieselben Verhältnisse, wie mir scheint, nur durch die sehr früh beginnende Vorwölbung des Vorderhirnes sich der Erkenntniss entziehen. Denn (das, was v. BAER von den Hirnschenkeln seiner Embryonen sagt, kann ich für (die Embryonalzeit, um welche es sich bei unseren Bestimmungen handelt, nicht bestätigen, da ich alsdann in der Hirnwand gar keine histiologischen Unterschiede tinde. Daher muss ich daran festhalten, dass die Hirnaxe zwischen der Wurzel der Grosshirnhemisphären und dem Trichter, also ohngefähr zwischen den Seh- nervenursprüngen ende, und dass der Trichter nur den Basaltheil des Vorder- hirnes darstelle. Immerhin hat v. Baer ganz richtig die Grosshirnhemisphären und. den Trichter als zusammengehörige Theile eines ersten Hirnabschnittes und nur irrigerweise das die dritte Hirnkammer einschliessende Zwischenhirn als einen zweiten, darüber liegenden Abschnitt aufgefasst. Denn jene beiden erstgenanntenHirnregionen bilden niemals, auch nicht bei den Amnioten, einen unter der dritten Hirnkammer zusammenhängenden und von dieser abgeson- derten Theil; sondern die letztere liegt stets zwischen beiden und bildet den 302 V. Das Centralnervensystem. Gewölbetheil, der Trichter den Basaltheil eines ersten vordersten Hirnabschnittes, dessen Decke sich in die zwei hohlen Lappen des grossen Hirnes ausstülpt. Wenn man von homologen Abschnitten der ganzen Hirnröhre reden will, so gibt es in der vorderen Hirnhälfte nur zwei, mein Vorderhirn und das Mittelhirn. Denn wenn ich auch in der Beschreibung zwei Gewölbehälften des ersteren unterschied, so kann doch nicht entgangen sein, dass diese Unterscheidung sich mit der anatomischen Eintheilung des fertigen Hirns nicht deckt. Einmal bleiben die zu jenen beiden Gewölbehälften zugehörigen übrigen Regionen der Hirnröhre, nämlich der Mittel- oder Stammtheil des Vorderhirns mit dem Ver- bindungskanale und alsdann der Basaltheil, der sich später in den Hirntrichter verwandelt, ungetheilt. Was nun das Gewölbe des Vorderhirns selbst anbe- langt, so geht sein ursprünglicher Bestand gar nicht in der Art verloren, dass eine vordere Hälfte sich in den Grosshirnhemisphären von einer hinteren trennte; sondern die erstere bleibt, soweit sie durch die vordere Umschliessung der un- paaren dritten Hirnkammer und durch die Verbindungshaut, namentlich durch deren rautenförmige Verbreiterung von Anfang an gekennzeichnet ist, auch weiterhin bestehen und z. B. durch die an Stelle jener Verbindungshaut tretende Hirnlücke immer leicht unterscheidbar. Während ferner die Grosshirnlappen nur als eine Art Anhangsbildung dieses Vordergewölbes erscheinen, verliert dasselbe später sogar seine vorübergehende und nur äusserliche Absonderung gegen dasHintergewölbe, um mitilm wiederzu dereinheitlichen Decke der dritten Hirnkammer zusammenzufliessen. Wäre dies aber auch nicht der Fall und erhielte sich auch die äusserliche Sonderung beider Gewölbehälften, so wäre doch die ähnliche Entwickelung des Mittelhirns massgebend: dasselbe zeigt anfangs, wenn auch in geringerem Grade, dieselbe Sonderung seines Gewölbes wie das Vorderhirn. Die kückbildung der hinteren Hälfte des Mittelhirn- gewölbes ist aber natürlich für die Beurtheilung der Homologie von keinem Belang. Wenn die homologen Körpertheile sich nicht verschieden entwickelten, so würden wir eben überhaupt nicht nach Homologien suchen. Solange also das Mittelhirn mit vollem Rechte für einen einheitlichen und einfachen Hirnabschnittangesehen wird, so lange muss dies auch für das Vorderhirn gelten. Selbst die Sonderung von Vorder- und Mittelhirn ist nicht so ursprünglich und scharf, als man es vielleicht annimmt. Remax’s Angabe, dass dieselbe bei den Batrachiern derjenigen von Mittel- und Hinterhirn vorangehe, ist nach meinen Untersuchungen ganz irrig und konnte sich nur auf die Beobachtung des Vogel- hirns stützen, an welchem schon v. Barr das Vorderhirn sich zuerst V. Das Centralnervensystem. 3053 abgrenzen sah. Genau genommen gründet sich aber diese Sonderung nur auf die beginnende Vorwölbung der Augenblasen, deren hintere Abschnürung jedoch selbst in der allerersten Zeit nicht mit der bleibenden Grenze des Vorderhirns zusammenfällt, welche vielmehr eine kurze Strecke dahinter und nicht früher als die ähnliche hintere Abgrenzung des Mittelhirns oder die Scheidung meiner beiden Hirnhälften erscheint (vgl. Nr. 40 Taf. Hl Fig. 30, Nr. 110 Taf. I. III). Und damit stimmen meine Beobachtungen an Batrachiern überein (Zaf. VI Fig. 108, Taf. VII Fig.127), sodass ich die Theilung in jene beiden Hälften als die ursprünglichere betrachten muss. — Was die Trennung von Hinterhirn und Nachhirn betrifft, so gilt für sie dasselbe, was ich vom Vorderhirne sagte: homologe Abschnitte der ganzen hinteren Hirnhälfte gibt es bei den Batrachier- embryonen ganz bestimmt nicht, und soweit meine Erfahrungen reichen, auch nicht bei den Embryonen anderer Wirbelthiere, sondern nur verschiedene Ab- schnitte des Hirndaches, welche bald früher und stärker (Amnioten), bald später und schwächer (Batrachier) hervortreten und ebensowenig wie etwa die Aus- stülpungen der Darmröhre (Leber, Lunge u. s. w.) zur Eintheilung des ganzen betreffenden Primitivorgans benutzt werden dürfen. Meine Untersuchungen ergeben also, dass die drei primitiven Hirnabschnitte oder „Hirnbläschen“ von v. Baer nach ihrer Lage und ihren Grenzen im allgemeinen richtig bestimmt wurden, wogegen die fortgesetzte Theilung in fünf homologe Abschnitte un- zulässig ist. Wir hätten also zuerst zwei Hirnhälften, von denen die hintere annähernd horizontal liegen bleibt *, die vordere aber abgebogen wird, sodass die ursprüngliche Axenknickung niemals verschwindet. Die Beugung selbst fällt in den Bereich der vorderen Hirnhälfte, und der sie umfassende Abschnitt sondert sich als Mittelhirn ab, welches keilförmig den Raum zwischen dem Hinter- und dem Vorderhirne ausfüllt. In dem letzteren läuft die Axe an der Sehnervenplatte aus, d. h. etwa in der Mitte der Schlussseite des ganzen Hirns oder der späteren anatomischen Hirnbasis. Diese drei Abschnitte beziehen sich alle auf die ganze ursprüngliche Hirnröhre, sind also einander vollständig homolog; denn jeder hat einen Antheil an der Basis, am Mitteltheile und an der Decke des röhrigen Primitivorgans. Ausserdem ist aber auch ihre fernere Entwickelung ihrem Wesen nach nicht sehr verschieden, indem sie überall vor- herrschend in der gleichen Region, nämlich am Gewölbe oder Hirndache erfolgt, * Die nach unten konvexe Biegung des Hinterhirns tritt erst während der späteren Entwickelung ein und ändert ferner, wie ich zeigte und worauf es hier in erster Linie an- kommt, nicht das Verhältniss des hinteren Axenabschnittes zum vorderen. 304 V. Das Centralnervensystem. dessen Ausdehnung durch die umgebenden Formbedingungen am meisten be- günstigt erscheint. Darin, dass diese Entwickelung des Gewölbes überall in aufwärts gerichteten Ausbuchtungen sich offenbart, welche in der Höhe mehr oder weniger deutlich halbirt erscheinen*, lässt sich eine fernere allgemeine Uebereinstimmung der drei Gewölbeabschnittenicht verkennen. Die homologen Theile derselben im Vorder-, Mittel- und Hinterhirne sind also 1. die Grosshirn- hemisphären nebst der Decke der dritten Hirnkammer und dem Epithel des Adergeflechtes, der Vierhügel und das kleine Gehirn nebst dem Epithel des hinteren Adergeflechts, 2. die dritte Hirnkammer, die obere Erweiterung des Aquaeductus Sylvii und der vierten Hirnkammer. Hinsichtlich der Abwei- chungen in :der Entwickelung der einzelnen Gewölbe verweise ich auf die oben mitgetheilten Bemerkungen über das Vorderhirngewölbe. Alle übrigen Besonderheiten** ergeben sich von selbst ohne die allgemeine Auffassung zu stören. Die Veränderungen der Basaitheile sind geringer, indem der Trichter (Vorderhirn), der Boden des Aquaeductus Sylvu (Mittelhirn) und derjenige der vierten Hirnkammer (Hinterhirn) die betrefienden drei Homo- loga sind, wobei übrigens nicht zu vergessen ist, dass am Vorderhirne eine Schlussseite dazukommt, sodass dort das, was am Mittel- und Hinterhirne als eine fortlaufende Rinne erscheint, einen vorderen (unteren) Abschluss besitzt und daher natürlich von Anfang an, bevor noch eine weitere Umbildung eintrat, buchtförmig ist. Am wenigsten verändert sich der Mitteltheil der drei Hirnabschnitte, den ich daher den Stammtheil nenne; er behält seine dicken Wände mit dem eingeschlossenen engen Kanale, welcher der einzige ununter- brochen fortlaufende Theil des ursprünglichen Hirnraumes bleibt und daher die durch Einschnürungen von einander getrennten Buchten der Gewölbe und der Basaltheile mit einander verbindet (Verbindungskanal). Wo die Basal- theile wenig verändert sind, also im Mittel- und Hinterhirne, bildet der Stamm- theil mit denselben einen einzigen Höhenabschnitt. Seinen Abschluss findet er in der Sehnervenplatte. Da alle voranstehenden Ausführungen sich auf die Batrachier und grössten- theils auch auf die Amnioten beziehen, so will ich hier noch einige kurze Be- * Auch am Homologon des kleinen Gehirns bei den Batrachiern ist die Halbirung in dem medianen Einschnitte angedeutet (Taf. VII Fig. 151). ** Die Entstehungsweise der Zirbel der Batrachier verbietet es, sie einfach für eine Ausbuchtung des Gewölbes zu erklären. Da sie ein Umbildungsprodukt einer letzten Ver- bindung des Hirns mit der Oberhaut ist, könnte dabei an die ähnliche Oefinung bei den Em- bryonen von Amphioxus gedacht werden (Nr. 111 8. 7, Taf, Il Fig. 21. 23). V. Das Centralnervensystem. 305 merkungen über die Entwickelung des Hirns der Knochenfische hinzufügen.* Sein ursprünglicher Zustand ist der einer gestreckten, vorn nur wenig geneigten Fortsetzung des Rückenmarks, und'es kann bei den eigenthümlichen äusseren Verhältnissen der Entwickelung des Teleostierkopfes leicht der Eindruck ent- stehen, dass jene Lage sich erhalte, und der Hirntrichter und die über ihm befindliche Faltung der Hirnbasis sich nicht in Folge einer allgemeinen Hirn- biegung, sondern ohne eine solche lokal entwickelten. Dennoch glaube ich eine solche Beugung an folgenden Merkmalen erkannt zu haben. Die Abschnürung der Augenblasen erfolgt bei allen genannten Wirbelthierembryonen in der Weise, dass sie in der Nähe des Mittelhirnes anfängt und parallel der Axe des Vorder- hirns gegen die Schlussseite fortschreitet, sodass die Wurzeln der Augenstiele an der letzteren liegen. Daher finden wir die Augenblasen bei den Amnioten und Batrachiern von unten aufgerichtet, bei den Knochenfischen von vorn nach hinten sich erstreckend und ziemlich nahe der Oberfläche des vordersten Hirn- endes wurzelnd. Diese letztere Lage bleibt aber nicht erhalten; das hintere freie Ende der Augenblase richtet sich allmählich auf, die Wurzel ihres Stieles senkt sich und zugleich wird ein unterer hinterer Theil des Vorderhirns rück- wärts unter das Hinterhirn, ein oberer Theil vor die Augenblasen geschoben. Da ein Zusammenhang dieser Lageveränderungen nicht zu verkennen ist, so folgere ich daraus, dass die durch die Wurzel der Augenstiele bezeichnete Schlussseite des Vorderhirns sich abwärts und rückwärts umwälzt und dadurch die hinter und unter dem Auge befindliche eigentliche Basis des Vorderhirns nach hinten umlegt, sodass genau dieselben Verhältnisse hergestellt werden, wie ich sie bei den andern Wirbelthieren beschrieb. DieseBewegung kann aber nur auf eine Verlängerung des ganzen Centralnervensystems während seiner Umbildung zur Röhrenform zurückgeführt werden. So lassen sich also für die morphologische Umbildung des Hirns bei allen Wirbelthierklassen nicht nur die wesentlich gleichen Endergebnisse, sondern auch ebenso gleiche allgemeine Ursachen derselben selbst bei verschiedener äusserer Erscheinung nachweisen, wobei ich jedoch für das Einzelne wie für die ganze spätere Entwickelung auf die Deutung der besonderen mechanischen Formbedingungen verzichte, da ihre Manmnigfaltigkeit, welche mit derjenigen der Theile wächst, gar zu leicht zu einseitiger und daher irriger Auffassung führt.**. * Vgl. den Schluss des Abschnittes IV. 1. „Die Leistungen des oberen Keimblattes.“ ** Einen Beweis dafür liefert uns Hıs, indem er die nach unten konvexe „Brücken- GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 20 306 V. Das Centralnervensystem. Nachdem ich aus dem Vergleiche der v. Baer’schen und meiner eigenen Untersuchungen erwiesen habe, dass v. Baer den morphologischen Aufbau des Hirns in einigen der wichtigsten Punkte, der bleibenden Axenbiegung und der ursprünglichen Dreitheilung senkrecht zur Axe, richtig erkannt hat, komme ich zu der von ihm aufgestellten allgemeinen Auffassung, zu seinem Schema der Hirnbildung. Dieses Schema beweist noch klarer als dasjenige der Ge- sammtentwickelung, wie sehr bei v. Baur noch die rein anatomische Vorstel- lung in der Entwickelungsgeschichte überwog. Jene nächstliegenden Folge- rungen aus seinen Beobachtungen hat v. Baer selbst anzuführen unterlassen; Ja, im unmittelbaren Anschlusse an die letzteren werden zu Gunsten einer sche- matischen und durchaus fehlerhaften Darstellung gerade die wichtigsten Er- gebnisse vernachlässigt. Er wusste und hat es namentlich für die Fische hervorgehoben (Nr. 8 II 8. 298. 303), dass es ursprünglich nur drei primäre Hirnbläschen gebe, er wusste, dass sein von der Uentrallinie der Nerven- röhre ausgeschlossenes Vorderhirn keine einfache und ursprüngliche Anlage besitze, sondern eine nachträgliche Doppelausstülpung aus der Decke des ersten jener Bläschen sei und ursprünglich mit dem Trichter zusammen- hänge (Nr. $II S. 307); im fertig ausgebildeten Cyklostomenhirn, „welches am meisten auf der ursprünglichen Embryonenform beharre“ und welches daher „von der Selbstständigkeit der fünf morphologischen Elemente des Hirns zu überzeugen“ besonders geeignet sei, sieht endlich v. Baer Hinter- hirn und Nachhiru in einem einzigen Abschnitte vereinigt (S. 311). Wenn er trotz diesem allen an den fünf Hirnbläschen als den Grundlagen der Hirn- bildung festhält, so lässt sich dies nur so erklären, dass er im Entwickelungs- verlaufe gar nicht nach allgemein giltigen Normen suchte, welche erst die anatomische Auffassung bestimmen sollten, sondern nur nach der einfachsten und möglichst gleichartigen Erscheinungsform verschiedener, anatomisch be- stimmter und hervorragender Theile. So entstand jenes Schema der Hirnbil- dung, welches sich weder an die durch die Beobachtung festgestellten Homo- logieen band, noch durch die vielen Beweise gegen seine allgemeine Giltigkeit selbst nur für die fertige anatomische Erscheinung erschüttert wurde. v. Baer war eben Anatom, bevor es noch eine Entwickelungsgeschichte gab. In seinen krümmung“ des Hinterhirns mit der Amnionbildung in Zusammenhang bringt und daher den Anamnia abspricht (Nr. 109 S. 133). Ich habe dieselbe an unserm Batrachier beschrie- ben und von einem jungen, vollständig entwickelten Thiere abgebildet (Taf. VILL Fig. 148). Noch ausgezeichneter finde ich die Brückenkrümmung an einem Acanthiasembryo. V. Das Centralnervensystem. 307 grossartigen Entwürfen zur vergleichenden Anatomie erkennen wir schon den Einfluss der Vorstellungen vom Wesen der thierischen Entwickelung, denen er zuerst lebendigen Ausdruck verlieh, aber noch fehlte die Sicherheit in der Füh- rung dieser neuen Begriffe, noch war manches Vorurtheil zu mächtig um unter den wuchtigen Streichen der jungen Wissenschaft völlig zusammenzubrechen. So hinterliess v. Barr seinen Nachfolgern nicht eine unfehlbare Urkunde, sondern eigentlich nur eine grossartige Aufgabe, zu deren Lösung er die ersten wichtigen Fingerzeige gab. So wenig vollkommen aber auch seine einzelnen Ausführungen waren, so durchzog sie doch alle die lebendige Auffassung der organischen Entwickelung; und diesem fesselnden Antheile an der vollen Wahr- heit haben es die v. Baer’schen Schemata zu danken, dass sie noch immer die Dogmen vorstellen, nach denen die Anatomie ihre Urtheile abwägt. Ja, seitdem der Begriff jener Entwickelung unsere morphologischen Anschauungen ganz durchsättigt und sich selbst in steigendem Masse geläutert hat, überträgt man ihn in dieser vollkommeneren Gestalt auf jene Tradition: wer jetzt v. Barr’s Schema von der Hirnbildung wiederholt, muss davon überzeugt sein, dass die fünf Hirnbläschen homologe Abschnitte der Hirnröhre und als solche thatsäch- lich in allen Wirbelthierembryonen vorhanden seien. Und doch hat v. BAER dies weder strikt behauptet, noch uns seine widersprechenden Beobachtungen vorenthalten. Diese scheinen aber vergessen, und das unvollkommene Bild gilt für die eigentliche Beobachtung, welche man immer von neuem bestätigt zu haben glaubt, indem man sich bloss das Bild stets von neuem zusammen- sucht. Bevor ich unsern Gegenstand, die Darstellung der allgemeinen Hirnbildung verlasse, glaube ich noch einige praktische Fragen erledigen zu müssen. — Wenn uns die Entwickelungsgeschichte zwingt, im Wirbelthierhirn* nur drei ursprüng- liche und homologe Abschnitte anzunehmen, so braucht desshalb die anato- mische Eintheilung noch nicht erschöpft zu sein. An jedem der drei Abschnitte lassen sich untergeordnete Sonderungen unterscheiden, welche je nach ihrer Verbreitung und der Ausbildung der gesonderten Theile natürlich eine ver- schiedene Beachtung verdienen, aber da sie nirgends den ganzen Umfang der [1] * Was für die Batrachier, Amnioten und Knochenfische gilt, kann bei der allgemeinen Uebereinstimmung ihrer embryonalen und ausgewachsenen Hirne mit denen der übrigen Wirbelthiere (Selachier, Ganoiden, Cyklostomen) auch für die letzteren angenommen werden. 20* 308 V. Das Centralnervensystem. Hirnröhre betreffen, auch niemals den Werth jener 3 primitiven Theile bean- spruchen können. Die erste Stelle nimmt dabei das Vorderhirn ein, weil seine Eintheilung in drei Höhenabschnitte am weitesten verbreitet ist. Unter diesen scheinen die paarigen Ausstülpungen der Decke, die Grosshirnhemisphären, ausnahmslos vorhanden und daher die Ursache zu sein, dass man sie irriger- weise unter die primitiven homologen Abschnitte einreihte. Durch ihre Tren- nung vom Zwischenhirne hat v. Bazr eine Eintheilung geschaffen, welche, wenn auch nicht im ursprünglichen Sinne, anatomisch und genetisch durchaus ge- rechtfertigt ist. Sein Zwischenhirn stellt nämlich zwischen dem Mittelhirne und den Grosshirnhemisphären das ganze ursprüngliche Vorderhirn, wie ich es bestimmte, vor* und wird nach v. Baer’s Angaben (Nr. 3 II S. 108. 110. 113) durch die Hirnlücke oder den Hirmschlitz oben und die Sehnervenursprünge (Sehnervenplatte) unten, wozu man noch vorn die Verbindungshaut mit der vorderen Kommissur hinzurechnen sollte, ganz genau gekennzeichnet. Will man ausserdem den Trichter als den mehr oder weniger abgeschnürten Basal- theil des Vorderhirns vom Zwischenhirne trennen, so entspräche das letztere immerhin genetisch gut unterschiedenen Theilen, nämlich dem Stammtheile und dem primitiven Gewölbe des Vorderhirns. In neuerer Zeit hat nun MixtucHo- Macray, indem er behauptet von den v. Bazr'schen Grundformen der Hirn- bildung auszugehen (Nr. 112. S. 5), den vordersten Abschnitt des Selachierhirns als Vorderhirn so bestimmt, dass derselbe ausser den Grosshirnhemisphären in der vorderen Hälfte der dritten Hirnkammer noch einen unpaaren Theil besitze, welcher an der (anatomischen) Hirnbasis in den Trichter übergehe und sowohl den Hirmschlitz als auch, wie die Bezeichnung der Abbildungen bestätigt, den Sehnervenursprung umfasse (S. 7). Eine Erklärung dieser scheinbar ganz willkürlichen Abweichung von der allgemein angenommenen und wie ich zeigte ganz gut begründeten v. Baerr’'schen Eintheilung des Vorderhirns findet sich in einer zugehörigen Bemerkung insofern, als daraus hervorgeht, dass MikLucHo- Macray die Imkongruenz der v. Baur’schen Beobachtungen und seines Schemas gar nicht erkannt, sondern geglaubt hat, aus Beidem eine einheitliche Darstellung herauslesen zu müssen. Aber gegenüber derbestimmten anatomischen Unterschei- dung des Zwischenhirns, welche v. Bazr für die Fische ausdrücklich wiederholte * Hat man die untergeordnete Stellung der Grosshirnhemisphären in der typischen Gliede- rung des Hirns zugegeben, so dürfte der Name „Vorderhirn“ für sie nicht mehr passen, weil darin doch eine Gleichstellung mit dem Mittel- und Hinterhirne angedeutet ist. V. Das Centralnervensystem. 309 (Nr. 8II S. 303—306) kann seine Bemerkung über den ursprünglichen Zusammen- hang der Grosshirnhemisphären und des Trichters nur den Sinn haben, dass sie, was auch in der That der Fall ist, zusammengehörige Höhenabschnitte, Decke und Basis desselben horizontal umgelegten Vorderendes der Hirnröhre seien; was aber nicht ausschliesst, dass das Zwischenhirn als der betreffende Mitteltheil von Anfang an zwischen ihnen liege. Denn v. Baer selbst sieht die Augenanlagen, also einen Theil des Zwischenhirns früher auftreten, als jene später durch die Sehnervenursprünge getrennten Theile sich aus der Hirnröhre abgesondert haben. Daher muss ich jene Ausscheidung des vorderen Theils der dritten Hirnkammer mit dem Hirnschlitze und der Sehnervenplatte aus dem Begriffe des Zwischenhirns, wenn MixtucHo-Macray sich dabei auf v. BAER beruft, als missverständlich bezeichnen. Anatomisch ist sie aber auch nicht haltbar; denn die deutliche Sonderung des hinteren Gewölbes des Vorderhirns (M. Macvay’s Zwischenhirn) scheint, soweit ich es beurtheilen kann, auf die Fische beschränkt, also nichts weniger als eine allgemeine Erscheinung zu sein. Mehr noch als im Vorderhirne, bleibt die Einheit im Hinterhirne gewahrt; denn wenn wir seine embryonale Form bei den niedern Wirbelthieren (Fische, Ba- trachier) auch im ausgebildeten Zustande ziemlich unverändert wiederfinden, so kann das Gemeinsame nur in jener Einheit, die weitere Sonderung aber als ein Vorzug einzelner Klassen erscheinen. — Noch beschränkter in ihrer Ver- breitung ist die Gliederung des Mittelhirns, dessen Theilung in eine vordere und hintere Hälfte sich vielleicht auf die von mir beschriebenen vorderen und hinteren Schenkel des Gewölbes zurückführen liesse. Für die Vergleichung der verschiedenen Wirbelthierhirne sind bisher nur die Formen ihrer Einzeltheile und die daraus sich ergebenden Lageverhältnisse massgebend gewesen. Dies wird auf die Dauer nicht genügen; denn wenn uns dieFrage nach den Verschiedenheiten der Hirnbildung zunächst auf das ursprüng- lich Gemeinsame verweist, von dem dieselben ausgingen, so muss man beim Suchen nach einer bestimmten Erscheinungsform des Gemeinsamen stets auf ein Schema kommen, da eine volle Gleichheit der Erscheinungen thatsächlich nicht existirt. Auch die Dreitheilung des Hirns wäre ein Schema, wenn man dabei an drei gleiche Bläschen dächte. Die volle Geichheit und Gemeinsamkeit ist eben nur im Gesetze zu finden, nicht wie es in der Erscheinung seinen be- sonders bedingten Ausdruck findet, sondern wie es im allgemeinen Wechsel- verhältniss der wirkenden Kräfte, in den Ursachen des Werdens sich bethätigt. So muss uns jene Vergleichung nothwendig auf die allgemeinen Bildungsur- 310 V. Das Centralnervensystem. sachen zurückführen, um in ihnen die Gemeinsamkeit des Gesetzes und die Be- sonderheit der konkreten Bedingungen zu erkennen. Wenn man jedoch die reiche Gliederung der einzelnen Wechselwirkungen überblickt, in welche gerade bei der Entwickelung des Hirns die offenbar höchst einfachen embryonalen Grundlagen und ersten Formbedingungen auslaufen, so muss es bedenklich erscheinen, schon jetzt dem einheitlichen Kausalgesetze nachzuforschen. Indem ich daher die ganze Arbeit besserer Erkenntniss und reiferer Ueberlegung über- lasse, erlaube ich mir nur auf ein Verhältniss aufmerksam zu machen, welches ein allgemeines Gesetz anzudeuten scheint, nämlich den Verlauf der Hirnaxe, Da in ihr die Lagerungsbeziehungen aller Theile der Hirnröhre zusammentreffen, so ist es klar, dass darin auch das Lagerungsgesetz derselben ausgesprochen ist, daher auch aus einer Veränderung der Axe eine solche der allgemeinen Lagerungsbeziehungen oder der die ganze Hirnröhre betreffenden Bildungs- ursachen erkannt werden kann. Eine solche Untersuchung setzt natürlich die Bestimmung der Axe voraus, was wiederum von der allgemeinen, gesetzmässigen Gestalt desHirns abhängt. Denn selbstverständlich kann von einer eigentlichen Axe nur bei regelmässigen Formen die Rede sein. Eine solche ist für das Hirn bekanntlich die cylindrische Röhre; wie aber deren Verlauf oder was dasselbe ist, derjenige ihrer Axe sich während der Entwickelung gestaltet, scheint mir bis- her nicht genügend untersucht zu sein. Dass die Hirnröhre gleich anfangs eine starke Biegung ausführt, ist nicht nur aus der Entwickelung der Amnioten und Batrachier bekannt, sondern kann, wie ich zeigte, auch für die Fische ange- nommen werden. Ich will hier auf die Ursachen dieser Biegung nicht weiter eingehen, sondern nur ihre weiteren Schicksale verfolgen. Solange die Höhe der abgebogenen Hirnröhre wie z. B. im jungen Batrachierembryo eine gleich- mässige bleibt, kann man ihren Verlauf allerdings nach der Grundfläche, inso- fern dieselbe der Axe parallel läuft, beurtheilen; sowie jene Gleichmässigkeit aufhört, hat nur noch die Hirnaxe darüber zu entscheiden. Vergebens sucht man aber nach bestimmten Angaben über die Hirnaxe. v. Baer sagt von den Batrachiern in Uebereinstimmung mit Ruscoxı, dass das vorher „wenig über- gebogene“ Hirn sich später „gerade stelle“ (Nr. $ II S. 237); bei den Säugethie- ren soll nach der „Erhebung“ des Hirns „nur noch der Trichter mit dem Hirn- anhange als Denkmal der starken Umbeugung zurückbleiben“ (S. 216). Huxuey, der eine ganz vortrefflliche anatomische Darstellung des Wirbelthierhirns ge- liefert hat, zeichnet das Schema desselben so, dass nur eine gerade fortlaufende V. Das Centralnervensystem. 3ll Axe des ganzen Hirns angenommen werden kann (Nr. 113 8.55).* So wenig aber die Hirnaxe genannt und bezeichnet wird, ist es doch klar, dass, wo man in den Grosshirnhemisphären das erste Hirnbläschen annimmt, an welches das Zwischenhirn als zweites Hirnbläschen bekanntlich in demselben Niveau sich anschliesst, die Hirnaxe nothwendig an jenem vordersten Hirnende horizontal auslaufend gedacht werden muss. Dies ist aber nach meinen Untersuchungen nicht der Fall. Die Hirnaxe läuft anfangs nicht, wie man nach v. BAER an- nehmen könnte, im Trichter als dem zugespitzten Hirnende, sondern schon lange bevor ein zugespitzter Trichter besteht, an der eigentlichen Schlussseite des Hirns oder seiner späteren anatomischen Basis aus, und zwar in deren Mitte, wo in der Folge die Sehnervenplatte entseht. Es fragt sich nun, welche Umstände diesen Verlauf abändern können. Von den Seiten des Hirns kann dabei ganz abgesehen werden, weil sie sich vollständig symmetrisch entwickeln. Für die Decke und die Basis der vorderen Hirnhälfte muss man aber annehmen, dass nur allgemeine Veränderungen ihrer Mittellinien auf die Bestimmung der Hirnaxe von Einfluss sein können. Die beiden Grosshirnhemisphären müssen daher davon ausgeschlossen bleiben, weil sie überhaupt keine Fortsetzung der Hirnröhre, sondern seitlich symmetrische Ausstülpungen derselben sind, welche also ihren Verlauf gar nicht berühren ; dasselbe gilt vom Mittelhirne, welches nur eine lokal beschränkte Erweiterung der ganzen Hirnröhre darstellt. Die allgemeinen Lageveränderungen der Decke und der Basis der vorderen Hirn- hälfte sind nun sehr einfach. Im Batrachierembryo sieht man sie anfangs im sagittalen Bilde senkrecht und einander parallel verlaufen, sodass also die vor- dereJabgebogene Hirnaxe die gleiche Richtung verfolgt (Taf. II Fig.37);, weiter- hin divergiren sie gegen die sich ausdehnende Schlussseite, und wenn man die Axe stets in möglichst gleichen Abständen von beiden annimmt, so ergibt sich, dass sie durch die gleichartige Verschiebung jener beiden Mittellinien nicht verändert wird, sondern stets in die Sehnervenplatte ausläuft (Taf. XVI Fig. 292. 293. 298), endlich weitet sich die ganze Decke nach vorn und oben aus, ohne jedoch ihren Endpunkt an der Schlussseite entsprechend zu verändern, sodass dadurch die Umbiegungsform der ganzen Hirnaxe aus einem Winkel in * Huxrey spricht allerdings nur von drei Hirnbläschen;; da er aber dieselben durchaus nicht als die einzigen homologen Abschnitte der ganzen Hirnröhre bezeichnet, sondern nur als die Ausgangspunkte der Entwickelung, wie sie ja v. Baer selbst aufstellte, so muss jene schematische Abbildung gerade zur Vorstellung verleiten, dass auch die späteren Bildungen den Hirnbläschen koordinirte Abschuitte seien. 312 V. Das Centralnervensystem. einen immer flacheren Bogen übergeht, aber das durch die geraden Enden der Axe (im Hinterhirn und in der Sehnervenplatte) bestimmte Mass der Krümmung nicht erheblich geändert wird (Taf. NV Fig. 283. 284). Bei unserem Batra- chier und ich kann wohl sagen, bei den Anuren überhaupt nimmt also die Hauptkrümmung der Hirnaxe im Laufe der Entwickelung von einem etwas spitzen bis zu einem nahezu rechten Winkel ab, ohne sich aber darüber hinaus wesentlich zu verändern. Stellt man an den übrigen Wirbelthieren dieselbe Untersuchung an, so ergibt sich: 1. dass die Krümmung der Hirnaxe im Em- bryo um so flacher beginnt und um so langsamer sich ausbildet, je weniger das ganze Hirn sich später entwickelt, 2. dass die im weiteren Verlaufe der Ent- wickelung sich offenbarende Rückbildung dieser Krümmung um so schwächer ist, je mächtiger die Grosshirnhemisphären sich ausbilden und umgekehrt. An den Säugethieren finden wir die stärkste Anfangskrümmung unter einem sehr spitzen Winkel,* und ferner beim Menschen eine sehr geringe, bei den Säugethieren mit wenig entwickelten Hemisphären (Kaninchen) schon eine stärkere nach- trägliche Erweiterung jenes Winkels (Nr. 113 S.56, Nr. 114 Taf. I Fig. 12, Taf. VI Fig. 2). Die Vögel und Reptilien haben anfangs eine beinahe ebenso starke Krümmung der Hirnaxe wie die Säuger (Nr. 115 Taf, I Fig. 7); die Rück- bildung derselben ist aber sehr auffallend, der Winkel wird stumpf und weiter als bei unsern Batrachiern (vgl. Nr. 113 S. 260 und meine Abbildungen Taf. VIII Fig. 148—151). Daraus erklärt sich auch, warum das Massenverhältniss der Grosshirnhemisphären und des Zwischenhirns bei jenen Amnioten und den Ba- trachiern ohngefähr dasselbe ist; die ersteren haben für die spätere Entwicke- lung günstigere Grundlagen, aber offenbar viel ungünstigere weitere Bedin- gungen als dieBatrachier, sodass sie gegenüber den letzteren, welche einen lang- samen Fortschritt bekunden, eine Rückbildung von einer typisch höheren Stufe darstellen. Aehnlich verhält es sich bei den Fischen. Die Anfangskrümmung finde ich bei den Teleostiern (Forellenembryo) am flachsten, bei den Selachiern (Embryo von Acanthias) ebenso stark ausgebildet wie bei den Vögeln, sodass eine noch stärkere hückbildung eintritt; und der bezeichnete Zusammen- hang zwischen der Hirnkrümmung und der Ausbildung der Grosshirnhemis- phären ist auf der Uebersichtstafel von MixLucno-Macuay (Nr. 112 Taf. VD) sehr evident. Dass die Cyklostomen endlich von der angegebenen Regel keine * Da der Trichter anfangs gar nicht hervortritt, so kann der Winkel alsdann schon aus der Biegung der Basis erkannt werden, wie ich sie in Fig. 153 (Taf. VIII) von einem jungen Kaninchenembryo abgebildet habe, V. Das Centralnervensystem. 313 Ausnahme machen und auch in dieser Hinsicht die unterste Stufe einnehmen, ergibt sich aus den Abildungen J. Mürver's (Nr. 76 II Taf. I. IH): die Hirn- axe verläuft bis zur Sehnervenplatte in einem der geraden Linie sehr genäherten Bogen. — Sowie die Grosshirnhemisphären mit der Hauptkrümmung des Hirns, scheint das kleine Hirn (Amnioten) und das Mittelhirn (Selachier) mit der sogen. Brückenkrümmung in Wechselbeziehung zu stehen. Denn diese finde ich auch an Haiembryonen sehr stark entwickelt. Nach diesen Bemerkungen über den wechselnden Verlauf der Hirnaxe wird man demselben eine gewisse Bedeutung für die vergleichende Beurtheilung verschiedener Wirbelthiere nicht absprechen können. Denn ganz offenbar deutet er als idealer Ausdruck für die allgemeinen Bildungsursachen der ganzen Hirnröhre darauf hin, wie die Entwickelung der Einzeltheile unter einer kau- salen Wechselwirkung derselben verläuft, wie nur eine ganz bestimmte Richtung und Energie jener Ursachen einen Fortschritt der Gesammtentwickelung des Hirns bedingt, und in welcher Weise etwa beim Ueberblick über die ganze Reihe vorhandener Hirnformen das Endergebniss im einzelnen Falle hier als Stillstand auf einer niederen Stufe, dort als Fortschritt gegenüber dem ersteren oder end- lich als Ablenkung von der aufwärts führenden Bahn, als Rückbildung erscheinen kann. Mit diesem blossen Hinweise auf ein noch wenig bebautes Gebiet der Entwickelungsgeschichte schliesse ich die Betrachtung der allgemeinen Hirn- bildung, um noch einige Einzelheiten hervorzuheben. Die soliden vorderen Auswüchse der Grosshirnlappen, welche ich an der Unke beschrieb, werden allgemein als Lobi, Bulbi oder Tubercula olfactoria aufgeführt und mit den gleichnamigen Theilen anderer Thiere verglichen (Nr. 41 Taf. XXIV Fig. VII, Nr. 80 8.140.142, Nr. 89 S. 728, Nr. 94 8.7, Nr. 113 8.161). Ausmeinen Beobachtungen geht aber hervor, dass die Anlagen des Geruchsorgans, die Ge- ruchsplatten, mit der Grundfläche der eigentlichen hohlen Grosshirnlappen ver- schmelzen, bevor jene soliden Fortsätze nur angedeutet sind, und daraufaus dieser Verbindung dieRiechnervensträngeneben den nunmehrgleichfalls hervorwachsen- den Fortsätzen herausgezogen werden. Allerdings ist die Anlagerung der Stränge an die darüberliegenden soliden Grosshirnfortsätze sehr innig; aber wenn auch in späterer Zeit ein unmittelbarer Uebertritt von Nervenfasern aus den Fortsätzen in die Stränge nachweisbar ist, so lässt sich doch die grosse Masse der letzteren stets leicht bis zum ersten Ursprung oder den Riechnervenhügeln verfolgen, welche dem Vorderende der Streifenhügel in den Seitenventrikeln entsprechen. Und da diese Bildung sich nicht auf unser Thier beschränkt, sondern, um einen Ge- 314 V. Das Centralnervensystem. währsmann zu nennen, durch Wyman von der Rana pipiens beschrieben und abgebildet ist (Nr. 94 S. 7. 24, Taf. I Fig. 1), so kann die Vernachlässigung einer solchen Beobachtung (auch durch Wyman selbst) nur der mangelnden Kennt- niss der betreffenden Entwickelung zugeschrieben werden. Auf Grund der letzte- ren muss ich aber behaupten, dass nicht jene soliden Auswüchse, welche mit den Riechnerven erst spät und in beschränktem Masse in Verbindung treten, sondern die Riechnervenhügel die eigentlichen Lobi oder Bulbi olfacterii der Batrachier sind. Was stellen alsdann jene mit einander verwachsenen Fortsätze derGross- hirnhemisphären vor? Wyman’s Vermuthung, dass sie der nicht getheilte Rest des ersten Hirnbläschens seien (Nr. 948.7 — 8), brauche ich hier nicht ernst- lich zu widerlegen. Vielmehr wird man darin, dass die genannten Gebilde bei den niedriger stehenden, weniger entwickelten Batrachiern, bei Proteus, Siren, Menopoma, Menobranchus, gar nicht oder viel weniger mit einander ver- schmelzen als bei den Anuren (vgl. Nr. 6 Taf. IV Fig. XI. XI, Nr. 116 I Taf. VI Fig. V. VI, Nr. 94 Taf. II Fig. 5), einen Beweis sehen, dass die Verbindung beider Grosshirnhemisphären durch jene Fortsätze nicht ein Rück- bildungsprocess, wie bei der vollständigen Verschmelzung derselben in manchen Selachierhirnen, sondern ein Fortschritt sei, bestimmt, eine besondere Kom- missur der einander zugekehrten freien Flächen der Grosshirnhemisphären her- zustellen. Alsdann kann aber die Homologie dieser Kommissur nicht zweifel- haft sein, — sie stellt gewissermassen eine erste Entwickelungsstufe eines Hirn- balkens vor. Derselbe entsteht bei den Säugethieren als eine freie\und im Durchschnitterundliche Kommissur zwischen den Grosshirnhemisphären,,* deren Ausgangspunkt in unentwickelten Hirnformen (Kaninchen) vor der vorderen Kommissur der dritten Hirnkammer liegt (vgl. Nr. 113 8. 58); und damit stimmt die betreffende Kommissur der Batrachier vollständig überein. Nur fehlt ihr die weitere Entwickelung, namentlich die Fortsetzung nach hinten in Folge eines entsprechenden Wachsthumes der Hemisphären und der untere Anschluss an die Lamina terminalis, unsere Verbindungshaut des Vorderhirns, wodurch die zwischenliegende Trennungsspalte und die sie begrenzenden Wände der Hemisphären zum Septum pellueidum würden. Danach dürfte aber die Ver- bindungshaut des Vorderhirns der Fische, Reptilien und Vögel nicht, wie es M. Macvay auffasst (Nr. 112 8. 7), alsHHomologon des gesammten Kommissuren- systems der Säugethiere, sondern nur der Commissura anterior und des Fornix * Vol. KöLLıKEr Nr. 48 S. 237 und HuxLey Nr. 113 8. 51. 55. V. Das Centralnervensystem. 315 gelten. Jene Anlage eines Balkens wäre ein ferneres Zeugniss, dass das Hirn der Batrachier in gerader Linie zum Anschlusse an die Hirne niederer Säuge- thiere führt, während die viel höher angelegten Hirne der Selachier, Reptilien und Vögel eben durch die frühzeitig zur Geltung kommende hückbildung diesen Punkt der fortschreitenden Entwickelung nicht erreichen. Ueber die Zirbel der Batrachier ist schon Manches gesagt worden, und doch bin ich der Ansicht, dass sie als solche noch gar nicht gesehen worden ist. Wenn man meine Zeichnungen neben diejenigen von Wyman (Nr. 94 Tafl Fig. 2—9) und Ecker (Nr. 41 Taf. XXIV Fig. VII) hält, so wird man finden, dass das Organ, welches sie alsZirbel bezeichnen, genau dort liegt, wo ich den Adergeflechtknoten sehe; und die Beschreibung und das mikroskopische Bild des von Wyman Zirbel genannten Organs lässt darüber gar keine Zweifel, dass es der von mir sogenannte Adergeflechtknoten ist. Denn er vergleicht seine Zirbel mit einer Maulbeere, lässt sie aus einem Gefässnetz bestehen und mit einem Flimmerepithel überzogen sein (a. a.0.S. 11, Taf. I Fig. 11. 12). Leyvıe endlich sagt über die Zirbel der Salamandra maculata und des Proteus (Nr. 81 S.95), dass sie ein röthliches Körperchen sei, aus gewundenen, geschlossenen, mit Zellen ausgekleideten Schläuchen und einem dichten Gefässnetze bestehe; sodass auch in diesem Falle die Uebereinstimmung des beschriebenen Organs mit meinem Adergeflechtknoten unzweifelhaft ist und an die Identität mit dem von mir als Zirbel erkannten Gebilde schon wegen der Lage nicht gedacht werden kann. Denn innerhalb der Schädelhöhle und unmittelbar am Hirne liegt nur die zapfenförmige Wurzel des Zirbelstiels. Aber auch die letztere kann LeyvıG nicht gemeint haben, da er seine vermeintliche Zirbel blutroth nennt. Jene Zirbelwurzel ist nämlich im frischen Zustande so farblos durchsichtig, dass sie an einem blossgelegten frischen Gehirne von einem unbefangenen Auge nicht wohl entdeckt werden kann, während es den blutrothen Adergeflechtknoten schwerlich übersehen wird. Selbst nachdem ich die Lage der ersteren aus der Entwickelungsgeschichte genau kennen gelernt hatte, gelang es mir nur mit Hülfe des schneeweissen, von der grauen Unterlage des frischen Hirnes leuchtend hervortretenden Hirnsandes die Anwesenheit des gesuchten Organs zu konstatiren und esdann herauszupräpariren. Andere Anatomen haben die „Zirbel“ der Batrachier weniger genau beschrieben, liefern aber nichtsdestoweniger in den kürzesten Beschreibungen den Beweis, dass sie nichts Anderes vor Augen hatten als ihre Vorgänger (vgl. RATHKE Nr. 47 S. 100, Stıeva Nr. 95 8.310, GEGENBAUR Nr. 89 8. 730). Ebenso aber wie es feststeht, dass das von mir als 316 V. Das Centralnervensystem. Zirbel aufgefasste Organ auch in seinem dem Hirne angeschlossenen Wurzel- theile unbekannt war, scheint mir auch meine Deutung und Bezeichnung des- selben gerechtfertigt, und der Name Zirbel bisher nur aus Unkenntniss einem (Gebilde beigelegt zu sein, welches darauf nicht den geringsten Anspruch machen konnte. Die Entstehung aus dem Gehirne, die Zusammensetzung aus Hirn- masse, die Anwesenheit des Hirnsandes, endlich die Befestigung an der Hirn- decke zwischen der hinteren Kommissur und dem Mittelhirne sind ebenso sichere Indicien für eine Zirbel, als die Entstehung und Zusammensetzung vor- herrschend aus Blutgefässen, der äussere epithelartige, von der Hirndecke stammende Ueberzug, der Mangel eines unmittelbaren Zusammenhanges mit dem Gehirne, dagegen der sehr feste Verband mit den Hirnhüllen und die Lage ın der Hirnlücke den Merkmalen einer Zirbel, wie sie zuerst an höheren Wir- belthieren festgestellt wurden, widersprechen, dagegen zum Wesen der Ader- getlechte gehören. Wie sehr die Zirbel der Batrachier bisher verkannt wurde, geht am deutlichsten daraus hervor, dass der einzige Beobachter, welcher ihren ausserhalb der Schädelhöhle befindlichen, der Oberhaut anhaftenden Endknopf an erwachsenen Fröschen sah, nämlich SrızpA, denselben als „Stirndrüse“ be- schrieb (Nr. 96). — Die Angaben über die Zirbel der Fische und Reptilien, welche ich bei Wyrman zusammengestellt finde (Nr. 94 S. 11, vgl. auch Levvie Nr. 81 8.6. 94), lassen vermuthen, dass bei jenen Thieren eine ähnliche Ver- wechselung wie bei den Batrachiern stattgefunden habe. Und wenn diese Vermuthung sich bestätigen sollte, so würden die nach den bisherigen Ansichten bestandenen grossen Unterschiede der Zirbel in den verschiedenen Wirbel- thieren einer grösseren Uebereinstimmung Platz machen, sodass man dieselbe nicht mehr bald als nervöses Organ bald als Blutgefässdrüse (Leyvıc a. a. O. und Nr. 91 S. 177) aufzufassen brauchte. Allerdings muss es aber noch einer erneuerten Untersuchung anheimgestellt bleiben zu entscheiden, ob die Zirbel der Amnioten und Fische dem ganzen Organ der Batrachier oder nur seiner in der Schädelhöhle eingeschlossenen Wurzel entspreche. Vereinzelte Beobach- tungen an Embryonen der Vögel und Selachier lassen mir das erstere wahr- schejnlich erscheinen. Sowie bei der Entwickelung der Zirbel der Batrachier ihre frühe Lagever- änderung die Veranlassung war, dass sie im erwachsenen Thiere gar nicht wiedererkannt wurde, so hat eine ähnliche frühzeitige Veränderung der topo- graphischen Verhältnisse den Hirnanhang von einer ganz anderen Embryonal- anlage, sogar von einem andern Keimblatte als es thatsächlich der Fall ist, V. Das Centralnervensystem. 317 ableiten lassen. Bekanntlich bestanden ehedem zwei verschiedene Ansichten über die Entwickelung des Hirnanhangs, nämlich diejenige REıcHerr's, welcher das Organ aus der Spitze der Wirbelsaite ableitete (a. a. O.), und die andere von RATHkE, nach welchem der Hirnanhang der höheren Wirbelthiere aus einer Ausstülpung oder Falte der Mundschleimhaut entstände (Nr. 193.482 —485, Nr. 47 S. 100). Nachdem ich nun selbst denHirnanhang der Batrachier als aus einem Fortsatze der Oberhaut hervorgegangen beschrieben habe, scheint die Abweichung von der Raruke’schen Beobachtung allerdings nicht unerheblich. Der Unterschied bezieht sich aber nicht auf die Sache, sondern auf die Deutung des Gesehenen. Ich finde das Bild, welches Rarax& aus Embryonen höherer Wirbelthiere beschreibt, an denselben genau so wieder; während jedoch RArHkE es einfach auf einen Entwickelungsvorgang der Mundhöhlenschleimhaut bezieht, habe ich mich durch die Untersuchung jüngerer Embryonen überzeugt, dass der hohle Fortsatz unmittelbar vor der die Mundhöhle anfangs abschliessenden Scheidewand aus der Oberhaut ganz in derselben Weise sich entwickelt, wie ich es an den Batrachierlarven beschrieben habe (Taf. VILI Fig.155). Erst später, nachdem jene Scheidewand geschwunden und durch ein stärkeres Vor- wachsen des Hirns und der primitiven Schädelbasis die Decke der Mundhöhle nach vorn erweitert, der Ausgangspunkt jener Ausstülpung also verhältniss- mässig nach hinten gerückt ist, kann dieses Bild die Ansicht hervorrufen, als sei die besprochene Neubildung das Erzeugniss der ursprünglichen Mundhöhlen- schleimhaut, d. h. nach unsern jetzigen Begriffen des Darmblattes (Zaf. VIII Fig.154).. Der Umstand, dass die Untersuchung der Entwickelung des Hirn- anhangs der Amnioten auf zu weit vorgeschrittenen Bildungsstufen anfıng, war die Veranlassung, dass auch neuerdings der Irrthum Raruxe’s durch W. MÜLLER wiederholt wurde (Nr. 74 8. 374 und flg.). Auch die Bilder, welche W. MüLvEr an Haiembryonen antraf (Taf. IX Fig.5), kann ich vollkommen bestätigen, indem ich die Tasche des Hirnanhangs sogar noch weit offen sehe. Ich brauche jedoch nicht zu erörtern, dass diese Beobachtung an sich nicht mehr für den Ursprung des Hirnanhangs aus dem Darmblatte spricht, als dieähnlichen, bisher mit Unrecht in demselben Sinne gedeuteten Erscheinungen bei den Amnioten. Ich finde sogar bei den Haien die Auskleidung jener Tasche mit der Ober- haut völlig übereinstimmend, von dem auffallend dünneren Darmblatte da- gegen merklich unterschieden; dazu kommt, dass an meinen Embryonen die Oeffnung der Tasche unmittelbar hinter den eben hervorwachsenden medialen Gesichtsfortsätzen (Stirnfortsatz aut.) liegt, sodass die Annahme von 318 V. Das Centralnervensystem, vu der Abstammung der ganzen Anlage vom oberen Keimblatte dadurch wesent- lich unterstützt wird. Wenn ich aber für die genannten Thiere W. Mürver gerade so wie RATHKE nur in der Deutung seiner sonst richtigen Beobach- tungen angreife, so muss ich dagegen alle Thatsachen, die er uns über die Ent- wickelung des Hirnanhanges der Batrachier mittheilt (Nr. 74 8. 367 und flg., ' Taf. XH Fig. 1. 2), für durchaus falsche erklären. Es entsteht dieser Hirnan- hang weder aus dem Darmblatte, noch überhaupt hinter dem Hirnanhange, noch auch zu der späten Zeit, wie sie durch W. Mürter’s Abbildungen gekenn- zeichnet ist, nämlich nach der Eröffnung der Mundhöhle oder im Beginne der zweitenLarvenperiode; die von W. Müster abgebildete Darmblatttasche endlich existirt überhaupt nicht. Vielmehr ist der Hirnanhang zu einer Zeit, wann W. Mütter die ersten Anfänge seiner Entwickelung noch nicht glaubt erkennen zu können, bereits in der von mir geschilderten Weise von der Oberhaut her entwickelt und in einer selbstständigen Anlage vorhanden. — Vom Hirnan- hange der Knochenfische glaube ich die taschenförmige Anlage, wenn auch nicht mit voller Sicherheit, dicht über der vorderen Mundöffnung erkannt zu haben; auf einer folgenden Stufe sehe ich ihn ganz deutlich in Gestalt einer Scheibe unter der Sehnervenplatte und mit seinem Vorderende dicht hinter dem ange- nommenen Ausgangspunkte liegen, sodass die Uebereinstimmung der Fische mit den übrigen Wirbelthieren hinsichtlich des Ursprungs ihres Hirnanhangs sehr wahrscheinlich ist. Da die Entwickelung des Hirnanhangs vom medianen Schlussstücke der Sinnesplatte, also einer sehr wichtigen Embryonalanlage ausgeht, von dem ganzen Fortsatze aber die vordere Hälfte, nämlich der obliterirende Kanal* vollständig verkümmert und schwindet, so liegt es nahe, in diesem ganzen Vor- gange einen Rückbildungsprocess zu vermuthen. Da ferner bei den Batrachiern die beiden Anlagen der Geruchsorgane median- und abwärts mit der trichter- förmigen Anlage des Hirnanhanges zusammenhängen (vgl. den nächsten Ab- schnitt), so kann man sich zur Hypothese veranlasst fühlen, dass die vollkräf- tige Entwickelung der Hypophysisanlage unter Einbeziehung der beiden Ge- ruchsplatten den unpaaren Nasenrachengang der Cyklostomen bilde, welcher ja nachweislich als ein von vorn ausgehender Blindsack erst nachträglich, d. h. gerade so wie die Nasengruben der Batrachier in die Mundhöhle durchbricht. * Als solchen kann man auch den Stiel der Hypophysisanlage der Batrachier ansehen, da er doch einen triehterförmigen Anfang hat. V. Das Centralnervensystem. 319 u? Die Anwesenheit eines Hirnanhangs bei den Oyklostomen (W. Mütter Nr. 74 S. 392 u. flg.) wäre kein Grund gegen jene Annahme, denn derselbe entsteht eben nicht aus der ganzen Anlage, sondern nur aus deren Endabschnitte; und was die verschiedene Lage der äusseren Oeffnung des unpaaren Nasenrachen- ganges und der Hypophysisanlage betrifft, so erinnere ich an die Unterschiede der Naseneingänge bei den amphirrhinen Selachiern und Delphinen. Daher glaube ich, dass wenn man zunächst die Batrachier zum Ausgangspunkte wählt (vgl. Taf. I Fig. 34 — 33, Taf. III Fig. 45 —49, Taf. XV Fig.232 — 284, Taf. XVI Fig. 292. 295. 298), die Hypothese von einer Homologie ihrer drei- theiligen vorderen Sinnesplatte (Anlage des Hirnanhangs und der Geruchs- platten) mit dem unpaaren Nasenrachengange nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen wäre. w VI. Die drei höheren Sinnesorgane. Historische Uebersicht der bisherigen Untersuchungen. Dass Ruscoxt die Geruchsorgane aus dem Hirn hervorwachsen liess, ist schon mehrfach erwähnt worden. — Aus den beiden Aussprüchen v. Baer’s „dass der sogenannte Riechnerv oder die innere Region des Riechorgangs anfangs ebenso, ja noch mehr blasig ist, als der Augapfel“ (Nr.8 II S. 2537), und dass die Nase äusserlich nur als Grube erscheine (Nr.98 S. 300 — 301), scheint her- vorzugehen, dass v. Baer sich das Geruchsorgan aus zwei Ausstülpungen ent- standen dachte, von einer inneren vom Hirn und einer äusseren von der Ober- haut ausgehenden. Jedenfalls seien alle drei Sinnesnerven Erzeugnisse des Hirnes (Nr. 8 II S. 287). Während alsdann noch Reıc#err die Absonderung der drei ganzen Sinnes- organe vom Hirn lehrte (Nr. 22 S. 18), stellte Remax auch für die Batrachier fest, dass nicht nur das Geruchsorgan, sondern auch das Gehörorgan aus dem peripherischen Theile des oberen Keimblattes hervorgehe, wozu er als wahr- scheinlich aussprach, dass die betreffenden Sinnesnerven aus dem mittleren Keimblatte sich entwickeln (Nr. 40 8.148). „Die Anlage des Auges besteht zunächst nur aus der sehr dickwandigen Augenblase, einem Seitenauswuchse des Vorderhirns.“ „Alsbald beginnt die von dem peripherischen Theile des äusseren Keimblattes ausgehendeBildung der Linse. Allein es sind nicht beide Zellenschichten dieses Blattes hierbei betheiligt, sondern blos die innere weisse Zellenschicht. Sie bildet, bedeckt von der grauen Zellenschicht, einen weissen blasigen Auswuchs (die Anlage der Linse), welcher von einer entsprechenden Vertiefung in der convexen äusseren Fläche der Augenblase aufgenommen wird, d.h. die letztere wandelt sich gleichzeitig in einen doppelwandigen Napf, die secundäre Augenblase um“ (S. 150). Die Anlage der Riechhöhlen „besteht aus VI. Die drei höheren Sinnesorgane. 321 zwei hohlen, blind endigenden, zapfenförmigen Auswüchsen des oberen Keim- blattes, welche an der Basis des Vorderhirns in die Sinnesplatte eindringen. An dieser Einstülpung betheiligen sich beide Zellenschichten: es machen sich daher die äusseren Eingänge in die Riechhöhlen sofort alsGrübchen oder Löcher kenntlich. Zieht man die Zapfen aus den Sinnesplatten heraus, so unterscheidet man an ihnen einen engen Kanal und eine ziemlich dicke Wand, weshalb auch die nach dem Herausziehen der Zapfen zurückbleibenden Gruben theils umfang- reicher sind, als der enge Eingang erwarten lässt‘ (S. 151). Die Labyrinth- blase soll sich aus der tiefen Schicht des äusseren Keimblattes gerade so wie die Linse des Auges bilden (S. 152). BapgucHin hat einige der wichtigsten Nachweise über die histiologische Entwickelung der sekundären, eingestülpten Augenblase und der blasenförmi- gen Linsenanlage geliefert. Die innere Schicht der Augenblase wird zur ganzen. Netzhaut; sie besteht anfangs aus spindelförmigen Körpern, welche sich zu allen zelligen Elementen umwandeln und die Zwischensubstanz erzeugen. Diese tritt auf der freien Oberfläche hervor (Nr. 53 S. 72). „Aus den Zellen, welche die äusserste Lage der primären Retina bilden und aus denen sich die äussere Körnerschicht bildet, gehen auch die Stäbchen der Zapfen hervor“ indem die Zellen birnförmig nach aussen auswachsen, und diese schmäleren Fortsätze theils zu den Zapfen, theils zu den längeren, cylindrischen Stäbchen sich um- bilden. Indessen gehen die Zellenkörper in Körner über, welche also mit den Stäbchen und den Zapfen ein „unzertrennliches Ganzes“ bilden (S. 77. 78. 86). Die an der Oberfläche hervorgetretene Zwischen - oder Bindesubstanz wird von den Stäbchen überragt, so dass die Grenze wie eine sie durchschneidende Linie aussieht (S. 80). Die äussere Wand der Augenblase bildet nicht die bindege- webigen Theile der Aderhaut, sondern nur das Pigmentepithel, sodass also dieses genetisch zur Netzhaut gehört (Pigmentum retinae, vgl. S. 84. 86). An der Linsenblase wachsen die Zellen der medialen Wand am schnellsten, sodass letztere, endlich nach innen vorwachsend, die Höhle ausfüllt und die dünne Aussenwand der Blase berührt. Jene wird daher zur eigentlichen Linse, die dünne Aussenwand zum Epithel, welches am Rande in die Linsenfasern über- geht und daher nie «(ie Hinterwand der Linse überzieht (S. 55. 57). ScHEnK bestätigt Remar’s Angaben in Betreff der Gehörorgane (Nr. 56), BaRrKAaU für das Auge (Nr. 57 8.71 — 73). Die Zellen, welche zwischen Linse und Netzhaut dringen, seien aus der Srrrerer’schen Schlundschiene, also dem mittleren Keimblatte "abzuleiten. GOFTTE, Entwickelungsgeschichte, 21 322 VI. Die drei höheren Sinnesorgane. . Hensen nimmt an, dass die Stäbchensubstanz der Hauptmasse nach vom Pigmentepithel und nicht von der nervösen Netzhaut gebildet werde. Nachdem (las Pigment in den Zellen des äusseren, epithelialen Blattes der Augenblase sich abgelagert, entwickeln sich bei niederen Wirbelthieren „innerhalb dieses Pig- ments die Stäbchen; beim Frosche ist es durchaus nicht möglich zwischen den Pigmentkörnchen, welche wie eine Scheide dem Stab anliegen und diesem selbst eine trennende Masse aufzufinden“ (Nr.98 8. 421). Nach v. BAMBECKE seien die Anlagen der Augenblasen anfangs solid (Nr. 63 8.37); hohl geworden erscheinen sie früher von aussen eingedrückt, als die Linse auftrete, an deren Bildung das mittlere Keimblatt Antheil nehme (5.35). Auch das Labyrinthbläschen gehe aus einer soliden Verdickung des Nervenblattes hervor, deren Zellen sich allmählich senkrecht zur Oberfläche strecken, worauf die ganze verdickte Scheibe sich nach innen vorwölbe und endlich eine Blase bilde (S. 39. 40). Aehnlich entstehe das Geruchsbläschen; aber die Verdickung des Nervenblattes werde nach ihrer Verwachsung mit dem Hirne zum Lobus olfactorius (S. 41) und das Epithel der Nase entwickele sich folglich nur aus der Umhüllungshaut (S. 43. 44). — LiEBERKÜHN bietet in seinen kurzen Angaben über die Entwickelung des Batrachierauges nichts Bemerkens- werthes (Nr. 75 8. 64); Kesster’s Arbeit habe ich nicht erhalten können. In dem Abschnitt IV. habe ich es näher auseinandergesetzt, dass die be- sonderen Empfindungsapparate der drei höheren Sinnesorgane einmal unter sich und dann mit dem Hirne eine gemeinsame Anlage besitzen (Sinnes-, Hirn-, Axenplatte). Es wurde auch weiter ausgeführt, wie die von der Hirnplatte abgesonderte Sinnesplatte an dem vorderen Umfange und an den Seiten der vorderen und der hinteren Hälfte des Hirnes sich verschieden verhält, indem sie an der mittleren der bezeichneten Regionen mit demselben wiederum ver- schmilzt, um sich neuerdings als Augenblase aus ihm heraus zu entwickeln, davor und dahinter aber erst in der Form der fertigen Nasengruben und Laby- rinthbläschen die Verbindung mit dem Centralnervenorgan aufsucht. Mit dieser Erinnerung an die ursprünglichen allgemeinen Verhältnisse der Anlagen der drei höheren Sinnesorgane wende ich mich zur einzelnen Beschreibung ihrer weiteren Entwickelung. VI. Die drei höheren Sinnesorgane. 393 Das Auge. Die ersten Anlagen der Augen, oder die primären Augenblasen entstehen durch Abschnürung der unteren seitlichen Ecken des Vorderhirns (Taf. VI Fig. 106. 108, Taf. VII Fig.125. 127). Da die Breite des Hirns im Bereiche jener Ecken ursprünglich schon ebenso gross ist wie während der Entstehung der Augenblasen, so kann von einer Ausstülpung derselben aus dem Hirne nicht wohl die Rede sein. Dagegen dürfte der Ausdruck einer Abschnürung allein passend erscheinen, da die anfangs breite Basis jener runden Vorragung von oben, vorn und hinten sich zusammenzieht, oder genauer ausgedrückt, von der sich ausdehnenden Hirnwand gegen die Schlussseite des Hirns zusammenge- schoben wird. In dem Masse als dieser Vorgang fortschreitet, verwandelt sich also jene Basis zu einem hohlen Stiele, der Anlage des Sehnerven, welcher am Rande der eigentlichen Schlussseite des Hirns oder der anatomischen Hirn- basis die Augenblase mit ihrem Mutterboden, dem Zwischenhirne, in Verbin- dung erhält (Taf. XIII Fig. 224, Taf. XIV Fig. 247.251). Jene auf den Zellenverschiebungen beruhende Bewegung pflanzt sich natürlich auch in die Augenblase fort, deren durch die Abschnürung geschaffene, mediale Wand einen Theil ihrer Zellen in die laterale Wand vorrücken lässt und dadurch dünner, die letztere aber dicker wird. Im Beginne der Abschnürung der Augenblase wird diese schon etwas verdickte Aussenwand mit einer konvexen Oberfläche an die Oberhaut gedrückt, während sie nach innen die weite Höhle ziemlich eben begrenzt (Taf. VII). Sehr bald plattet sich aber ihre Aussenfläche nicht nur ab, sondern erscheint sogar in der Mitte, wo sie am dicksten ist, nach innen eingedrückt, sodass ihre vorgewölbte Innenfläche der ihr gegenüberstehenden medialen Wand der Augenblase beträchtlich genähert, die dazwischen gelegene Höhle in einen spaltartigen Raum verwandelt ist (Taf. XJIIL, XIV). Wenn esnun gewöhnlich heisst, die Augenblase werde von aussen so eingestülpt, dass sie die Form eines doppelwandigen Bechers annehme, so denkt man sich als bewegende Ursache einen auf die Aussenwand der Augenblase wirkenden Druck von Seiten der aus der Oberhaut sich entwickelnden Linse (vgl. KörLuiker Nr. 48 5. 275, LIEBERKÜHN Nr. 75 8.5). Die Thatsachen ge- statten aber eine solche Anschauung nicht, denn jene Einstülpung beginnt viel früher als die bezeichnete Neubildung erscheint, deren Druck die erstere her- vorbringen sollte. Dagegen lässt sie sich unter Voraussetzung der schon ange- führten Zellenbewegung in derselben Weise erklären, wie der Vorgang bei der 21* 324 VI. Die drei höheren Sinnesorgane. Bildung der Gastrula, wo die primäre Keimblase von unten eingestülpt wird. So wie dort die vom oberen Eipole abwärts vorrückenden Zellen die bewegende Kraft darstellen, welche die Masse des Randwulstes nach innen und aufwärts . „als der Richtung des geringsten Widerstandes verschiebt, so müssen die in der "medialen Wand der Augenblase centrifugal sich bewegenden Zellen vom Rande aus eine radiär konvergirende Stosswirkung gegen die Aussenwand ausüben, worauf die Masse derselben nothwendig gegen die Höhle der Augenblase aus- weichen muss, da der Widerstand in dieser Richtung natürlich viel geringer ist als gegen die dicht anliegende Oberhaut hin. Diese Vorstellung von den Ursachen der Einstülpung der Augenblase wird wesentlich unterstützt durch gewisse Einzelheiten des ganzen Vorganges. Indem jene Einstülpung fort- (lauert und gerade so wie bei der Bildung der Gastrula (vgl. Nr. 111 Tat. I Fig. 11— 16) aus der Form einer flachen Schale in diejenige eines Napfes mit verengter Oeffnung (sekundäre Augenblase) übergeht, wird bekanntlich nicht der ganze Einstülpungsrand gleichmässig zusammengezogen, sondern sein unterster Abschnitt bleibt darin vollständig zurück, sodass dort von der Sehnervenwurzel an ein stetig zunehmender Ausschnitt der zweischichtigen Blasenwand entsteht (Taf. VIII Fig.159. 160, Taf. XV Fig. 269, Taf. XVI Fig. 294, Taf. XVII Fig. 304). Diese Bildung lässt sich auf den Druck der regelmässig gebildeten Linse nicht zurückführen; daher hat man die von unten zwischen die Linse und den Augenblasengrund eindringende Glaskörperanlage für die von aussen wirkende Ursache erklärt, welche die Ausbildung des Ein- stülpungsrandes hemmte (Nr. 48 8.230). Diese Annahme ist jedoch wenigstens für die Batrachier unzulässig; denn jene Anlage des Glaskörpers, welche sich allerdings in jenem Ausschnitte befindet, und von dort in den Innenraum der soliden Augenblase vorrückt, besteht nicht aus festen Massen des mittleren Keimblattes, sondern aus einer namentlich anfangs ganz lockeren Anhäufung von Dotterbildungszellen, welcher wohl niemand, der die betreffenden Präpa- rate ansieht, die Kraft eines wirksamen Widerstandes gegen die Ausdehnung des Augenblasenrandes zutrauen kann; abgesehen davon, dass diese Ansamm- lung der aus den embryonalen Blutbahnen herrührenden, unverkennbaren Dotter- bildungszellen* nicht schon vorher dort bestand, söndern oflenbar erst durch die Bildung der Augenblasenspalte veranlasst wird (Taf. VIII). Nach der von mir vorgeschlagenen Erklärung der Entwickelung der Augenblase erhellt es * Es muss hierbei auf den Abschnitt VIII. verwiesen werden. VI. Die drei höheren Sinnesorgane. 325 aber aus dem geringeren Grade einer Einschnürung an der unteren Seite des Augenblasenstiels, dass die sie offenbar verursachendenZellenbewegungen dort unverhältnissmässig schwächer sind, als im übrigen Umfange der ursprüng- lichen Basis der Augenblase, daher aber auch ihr Erfolg oder die Bildung des Einstülpungsrandes an derselben Stelle sehr gering sein muss. Daraus erklärt sich auch, warum die ganze eingestülpte Augenanlage, worauf bisher kein Ge- _ wicht gelegt wurde, mit ihren oberen Theilen viel weiter nach aussen vorragt, als mit den tieferen (Taf. VIII). So erscheinen sowohl die Abschnürung der Augenanlage vom Hirn oder die Bildung der Augenblase wie die Umwandlung derselben in die Becherform mit dem unteren Ausschnitte als die innig zu- sammenhängenden Folgen eines einzigen, höchst einfachen aber eigenthümlich beschränkten Vorganges innerhalb der bezüghchen Anlagen selbst, nämlich einer bestimmt gerichteten Zellenbewegung, wie eine solche in grösserem oder geringerem Masse in der ganzen Nervenröhre, ja in allen sich ausdehnenden embryonalen Anlagen als nothwendige Wirkung der fortdauernden Theilung der Embryonalzellen besteht. Die Bedeutung der einzelnen Theile der eingestülpten und blasenförmig zusammengekrümmten Augenanlage, welche in Folge dessen die Bezeichnung einer sekundären Augenblase verdient, ist schon von mehreren Seiten festge- stellt worden. Ihr dickes inneres Blatt, die frühere Aussenwand der primären Augenblase, ist die Anlage der eigentlichen Netzhaut, die äussere dünne Schicht verwandelt sich in das Pigmentepithel, sodass diese beiden Gewebe, wie BaßucHin nachwies, ein genetisches Ganze bilden. — Ueber die histiologi- sche Umbildung der Netzhaut habe ich nur Weniges zubemerken, was sich zudem wesentlich auf eine Bestätigung der Basuchin’schen Beobachtungen beschränkt. Die Embryonalzellen der Netzhaut verlieren sehr bald, noch bevor die Dotter- körner, ganz verschwunden, ihre bestimmten Grenzen* und ihr enges Gefüge, indem um die stets deutlichen Kerne hellere Zellenleiber sich anlegen, welche an den Stellen der früheren Zellengrenzen in eine trübere Zwischensubstanz über. gehen. Ich nehme daher an, dass in der Netzhaut ebenso wie im Centralner- vensystem nicht die intakten Embryonalzellen, wenigstens nicht alle, in die zelligen Elemente des fertigen Organs sich verwandeln, sondern unter theil- weiser Verschmelzung bloss aus den centralen, die Kerne unmittelbar umge- benden Massen neue Zellen hervorgehen lassen, die peripherischen Theile aber * Dieselben sind in den Abbildungen Fig. 158 — 160 (Taf. VIII) zu scharf gerathen, in Fig. 161 ist das Verhältniss, freilich aus einem älteren Auge, richtig wiedergegeben. 526 VI. Die drei höheren Sinnesorgane. zur Bildung einer bindegewebigen Zwischensubstanz hergeben. Die letztere für ein Ausscheidungsprodukt der Embryonalzellen zu erklären erscheint mir bedenklich; einmal wäre die specifische Funktion mit der unentwickel- ten Zelle nicht leicht zu vereinen, dann aber finde ich im ganzen übri- gen Embryonalkörper, wie die folgenden Abschnitte lehren werden, sehr viele Belege für die eben erwähnte Umbildung der Embryonalzellen, nir- gends aber Anhaltspunkte dafür, dass bindegewebige Theile aus einem Ausscheidungsprodukte sich bildeten. — Hinsichtlich der Entwickelung der Stäbchen und Zapfen muss ich BaBucHin im allgemeinen bestätigen; nur sehe ich ihre Anlagen bei meinem Thiere nicht als verschmälerte Fortsätze runder, sondern als blasige Enden länglicher Zellen, welche aus kleinen Umbildungs- kugeln entstehen, deren Zunahme endlich das ganze Zellenende ausfüllt (Taf. VIII Fig. 159). Die grosse Verbreitung dieser Umbildungskugeln auch in den tiefer gelegenen Zellen ist aus der Fig. 162 (Taf. VIII) ersichtlich. Die blasigen Zellenenden treten aus der Oberfläche der Netzhaut gegen die anlie- gende Pigmentschicht hervor und erhalten dann von dieser Kappen, welche Hensen bewogen die Stäbchen und Zapfen von dem Pigmentepithel abzuleiten.* Die zwischen dem letzteren und der Netzhaut ausgespannten Brücken und die freien Zwischenräume zwischen beiden Theilen erkläre ich mir ebenso wie die ähnlichen Vorgänge an der Oberfläche des Gentralnervensystems, als Folgen einer ungleichen Zusammenziehung bei der Erhärtung der Objekte. Der kurze Augenblasenstiel zeigt anfangs dieselbe Textur, wie die Netzhaut und anderer- seits die Hirnsubstanz, welche beiden Theile er verbindet. Denn die Bedeutung des Augenblasenspaltes erschöpft sich nicht damit, dass die Anlage des Glaskörpers in den Innenraum der Blase gelangt, sondern scheint mir gerade darin zu gipfeln, dass der Sehnery dadurch von Anfang an einen kontimuirlichen Ueber- gang in die Netzhaut erhält (Taf. VIIL, Taf. XVLI Fig. 515). Der Druck, den die konvexe Aussenwand der primären Augenblase auf dieOberhaut ausübt, indem sie dieselbe eine Zeit lang vorwölbt, scheint zwischen beiden eine gewisse Verbindung herzustellen. Denn sobald die betreffende Fläche der Augenblase einzusinken anfängt, folgt ihr das noch unverändert an- liegende Stück der Oberhaut und wird gleichfalls etwas eingedrückt; dass dabei jedenfalls die mächtige Wand der Augenblase das mechanische Moment setzt und nicht die dünne Oberhaut, dürfte auf den ersten Blick unzweifelhaft *) Wie ich nachträglich finde, scheint Hexsex diese Ansicht wieder aufgegeben zu haben (vgl. M. Scuuntze’s Archiv für mikroskopische Anatomie 1868. 8. 349). ‘ v aa Zu de VI. Die drei höheren Sinnesorgane. 327 erscheinen (Taf. VII, XIII, XIV). Die erste Einsenkung der Oberhaut mag aber die Ursache für eine an jener Stelle alsbald auftretende Wucherung der- selben bilden. Je mehr die Einsenkung der Augenblase sich vertieft, desto mehr wird das entsprechende Hautstück in dieselbe hineingezogen; da aber nach einiger Zeit seine tiefere Schicht, die Grundschicht des Keimblattes, der Einsenkung entsprechend sich verdickt, so füllt alsdann diese scheibenför- mige Verdickung, eben die Anlage der Linse, allein jene Einsenkung aus, wäh- rend die äussere Deckschicht, welche anfangs gleichfalls etwas eingezogen war, nunmehr glatt über die Augenblase hinzieht (Taf. VIII Fig. 155). Weiterhin bläht sich der ganze den Embryo umhüllende Hautsack auf; dadurch entfernt sich auch die Oberhaut. von der Augenblase, und indem die solide Anlage der Linse in der letzteren zurückgehalten wird, zieht sich zwischen ihr und ihrem Mutterboden, der tieferen Hautschicht, ein kurzer, gleichfalls solider Stiel als Zeichen der eingeleiteten Trennung aus (Taf. VIII Fig.159, Taf. XIV Fig.257, Taf. XV Fig. 269). Sobald im weiteren Verlaufe der Entwickelung diese Abschnürung vollendet ist, erscheint die Linse als ein runder, seitlich abgeplatteter Körper, welcher vom Rande der sekundären Augenblase eingefasst und gehalten, nicht nur den Zugang zu ihrer Höhle nach aussen verschliesst, sondern dieselbe noch zum grössten Theile ausfüllt. Ich nannte die Linse solid, und während ihrer Ablösung verdient sie noch diese Bezeichnung, obgleich die in ihrem Oentrum befindlichen Zellen ihren gegenseitigen Verband etwas gelockert haben, sodass, wenn man den früheren Zustand nicht kennt, man von einer kleinen mit Zellen vollgepfropften Höhle der Linse reden könnte. Die Beobach- tung verlangt aber den Ausdruck, dass durch eine Lockerung und nachträg- liche Auflösung jener centralen, der äusseren Oberfläche zunächst gelegenen Zellen die Höhle erst entstehe (Taf. VIII Fig. 159, Taf. XV Fig. 269). Einige Zeit nach der völligen Ablösung von der Oberhaut beginnt die mediale Wand der hohlen Linsenanlage sich vorherrschend in der Mitte zu verdicken und auf diese Weise gegen die innere Höhle vorragend, dieselbe mehr und mehr zu ver- drängen; während die laterale Wand in demselben Masse in eine dünne Schale ausgezogen wird, welche über die Aussenfläche der kugeligen Innenwand ge- stülpt, sich ihr im sagittalen Umfange anschliesst (Taf. VIII Fig.161). Die Umbildung dieser beiden verschiedenen Theile der Linsenanlage zur eigentlichen Linsensubstanz (Innenwand) und zum vorderen Epithel (Aussenwand) ist leicht zu konstatiren; dann ist es aber auch klar, dass jenes Epithel nicht zur Kapsel, sondern zur eigentlichen Linsensubstanz gehört, gerade so wie das Pigment- 328 VI. Die drei höheren Sinnesorgane. epithel der Netzhaut zu dieser und nicht zur Aderhaut. Die Linsenzellen sehe ich an meinem Thiere sehr bald koncentrisch geschichtet. Es wird aus der bisherigen Beschreibung und den Abbildungen erhellen, dass die in den Rand der sekundären Augenblase eingefügte Linse den Innen- raum derselben nicht vollständig abschliesst, indem der untere Ausschnitt des Blasenrandes einen Zugang often hält. Auf diesem Wege gelangt die Anlage des Glaskörpers in jenen Raum, welcher übrigens nach der Ablösung der Linse ringförmig erscheint, da der flache Grund der schalenförmigen Netzhaut die Innenwand der Linse berührt (Taf. VIII Fig. 159—161, Taf. XV Fig. 269, Taf. XV I Fig. 294. 299). Jene ersten Grundlagen des Glaskörpers bestehen aus interstitiellem Bildungsgewebe, d. h. einem zarten Zellennetzwerke, dessen weite Räume eine wasserklare Zwischenzellenflüssigkeit und die leicht kennt- lichen, kreisrunden embryonalen Blut- oder Dotterbildungszellen 'einschliessen. Wenn man die verhältnissmässig grosse Anzahl dieser dort angesammelten Zellen berücksichtigt, so wird die Auffassung nahe gelegt, das ganze Gewebe auf deren Einwanderung und Umbildung zurückzuführen, während sie sonst überall nur die vom mittleren Keimblatte her von Anfang an vorhandenen Grund- lagen des allgemeinen Bildungsgewebes ergänzen. Ueber die Schliessung des Ausschnittes zu einer Spalte habe ich nichts Besonderes zu bemerken. In dem beschriebenen Zustande liegt das embryonale Auge in das umge- bende Bildungsgewebe eingesenkt und durch solches selbst von der Oberhaut getrennt. Während der Larvenmetamorphose, wann jenes Gewebe aus der lockeren Verbindung mit den eingehüllten Theilen in eine engere übergeht, liefert es die übrigen accessorischen, bindegewebigen Theile des Auges und die Knorpelschicht der Sclerotica, während die auliegende Oberhaut scheinbar nur in das Epithel der Bindehaut und der Hornhaut sich verwandelt. Das Ohr. Das Labyrinthbläschen geht, wie Remak richtig erkannt hat,, nur aus der Grundschicht des oberen Keimblattes, also aus der Sinnesplatte im engeren Sinne hervor. Dieselbe zieht sich in der hinteren Kopfhälfte zu beiden Seiten des Hirns stetig zusammen, sodass die Zellen eylindrisch umgebildet wer- den; indem die dadurch gebildete verdickte Platte noch weiteren Zuwachs erhält, wird sie an der Grenze des zweiten und dritten Segments nach innen vorgetrieben und bildet eine Tasche, deren Boden rückwärts gerichtet ist (Taf. VI. Die drei höheren Sinnesorgane. 329 VI Fig. 105, Taf. VII Fig. 121. 132. 133). Bald schnürt sich dieselbe von der Oberhaut vollends ab und bläht sich zu einem rundlichen Bläschen, eben der Anlage des Labyrinthes, auf (Taf. XILI Fig. 225. 234, Taf. XIV Fig. 246. 260, Taf. XV Fig. 275, Taf. XVI Fig. 258—290). Die Wand dieses Laby- rinthbläschens besteht aus den vollständigen Embryonalzellen, in denen die Dottertäfelchen allmählich einer homogenen Masse Platz machen, deren geson- derte Zellenleiber aber, so weit ich es verfolgen konnte, erhalten bleiben. Nach- dem ich noch festgestellt, dass auch die Zellenauskleidungen der halbeirkel- förmigen Kanäle durch Faltung der epithelartigen Zellenanlage des Labyrinth- bläschens entstehen, gab ich die weitere Untersuchung auf (Taf. X VT Fig. 295. 302). Noch verdient bemerkt zu werden, dass der Hörnerv weder aus dem Gehirne, noch aus dem Labyrinthbläschen, etwa bei einer unmittelbaren Berüh- rung beider, entsteht; eine solche Berührung tritt niemals ein, vielmehr liegen stets verschiedene Theile des mittleren Keimblattes dazwischen. Aus einem derselben, nämlich der Nervenanlage des zweiten äusseren Kopfsegments ent- wickelt sich der Hörnerv und setzt sich nach beiden Seiten mit dem Central- nervensystem und dem Gehörorgan in Verbindung (Taf. XV Fig. 273, Taf. XVII Fig. 5304. 314. 315). Einen äusseren Hülfsapparat erhält das Gehörorgan der Unke bekanntlich nicht. } Das Geruchsorgan. Die Anfänge des Geruchsorgans bestehen wie beim Gehörorgan aus einer durch Zellenzusammenziehung entstandenen Verdickung der Sinnesplatte. Dieselbe füllt zuerst jederseits die Einsenkung zwischen dem unteren Theile der primären Augenblase und dem nach vorn auswachsenden Vorderhirne aus (Taf. VII Fig. 125). Später treten Theile des mittleren Keimblattes zwischen Hirn, Auge und Geruchsorgan, doch bleibt die Lage desselben seitlich vom Vor- derende des Vorderhirns und im Niveau seiner Grundfläche ziemlich unver- ändert, wobei die ganze Platteschräg von vorn und oben nach hinten und aussen gerichtet ist und eine schwache Einsenkung ihrer Mitte zeigt (Taf. XIII Fig. 223, Taf. XIV Fig. 248.251, Taf. XVI Fig. 288— 291). Noch ist die unver- änderte Deckschicht von der verdickten aus eylindrischen Zellen zusammen- gesetzten Grundschicht deutlich geschieden; bald jedoch verschmelzen sie zu einer einzigen Zellenmasse, sodass also das ganze Keimblatt in die Grundlage des Geruchsorgans eingeht. Die Vorstellung, dass jene leichte Einsenkung der 330 VI. Die drei höheren Sinnesorgane. Geruchsplatte sich einfach zur Nasengrube vertiefe, ist aber falsch. Es lässt sich nämlich beim Vergleiche verschiedener Entwickelungsstufen leicht erkennen, dass die sich allseitig ausdehnende Oberhaut des Kopfes am hinteren Rande der dieken Geruchsplatte von dieser aufgehalten wird und nach aussen von ihr eine nach vorn schauende Falte schlägt, welche weiter vorwachsend die Aussenwand der dadurch entstandenen Nasengrube bildet und die Geruchs- platte nur als mediale Wand derselben zurücklässt (Taf. XV Fig. 266—268, Taf. XVII Fig. 305. 314-—- 316). Der Grund der Nasengrube wird durch den Uebergang beider Wände, also der eigentlichen Geruchsplatte und der seit- lichen Nasenplatte bezeichnet. Diese Faltenbildung der Oberhaut beginnt wie gesagt am hinteren Rande der Geruchsplatte; weil dieser aber schräg auf- wärts zieht, so bildet die seitliche Nasenplatte alsbald auch das Dach der Nasengrube. Nicht ebenso schnell zieht sich deren Boden aus. Unten läuft nämlich die eben angelegte Nasengrube in eine Furche aus; da zugleich zwischen beiden Nasengruben ein Dach der Mundbucht hervorwächst, unter welchem das mediale Schlussstück derSinnesplatte, also eine Fortsetzung beider Geruchs- platten sich trichterförmig zur Anlage des Hirnanhangs einzieht, so laufen die furchenförmigen unteren Enden beider Nasengruben unter jenem Dache zu- sammen (Taf. III Fig. 45—49). Bald darauf ergänzt sich aber der Rand der seitlichen Nasenplatte auch unten und verbindet sich mit dem Dache der Mund- bucht, sodass alsdann die Nasengrube von der letzteren geschieden einen voll- ständigen Blindsack darstellt. Ihr oberer Theil bleibt weit und enthält beständig eine offene Höhle; der abwärts gerichtete Grund verengt sich spaltförmig und stösst, indem die innere Mundhöhle sich nach vorn erweitert, dicht hinter der queren Mundscheidewand an das Darmblatt, um mit ihm zu verschmelzen (Taf. XVIII Fig. 5320—322). Darauf erst bricht an dieser Stelle eine hintere Oeff- nung der Nasengrube in die Mundhöhle durch. — Einzelnheiten über die Aus- bildung der Nasengrube werde ich im Abschnitt IX, welcher den Kopf speciell behandelt, anführen; hier lasse ich nur noch einige histiologische Beobach- tungen folgen. In beiden Haupttheilen der Nasengrube, der medialen Geruchs- wie der lateralen Nasenplatte, erhalten sich die ursprünglichen Unterschiede. Jene bleibt dick und mehrfach geschichtet, ihre Zellen werden länglich und wie in Fortsätze ausgezogen; aber noch in metamorphosirten Thieren enthalten sie meist runde Kerne. In der Seitenwand der Nasengrube bilden die abgeplatteten früheren Oberhautzellen nur eine einfache Lage. Die Verbindung der Geruchs- platte mit dem Hirne geschieht wie beim Gehörorgan durch Vermittelung des VI. Die drei höheren Sinnesorgane. 331 mittleren Keimblattes. Allerdings sind beide Organe einander so sehr genähert, ' dass man erst bei stärkeren Vergrösserungen erkennt, dass sie sich in der That nicht berühren; alsdann ergibt sich aber, dass auch hier embryonale Blutzellen das Material zu einer Neubildung, nämlich zur Entwickelung der Geruchsnerven- bündel liefern (Taf. VIII Fig. 163, Taf. XVII Fig. 514, Taf. XVIII Fig. 3271). Aus der relativ geringen Anzahl der vermittelnden Blutzellen möchte ich aber schliessen, dass sie nicht etwa in das ganze Nervenbündel sich ver- wandeln, welches darauf hinüber und herüber die Verbindung anknüpfe, sondern dass sie als noch nicht differenzirte Elemente zunächst nur gleichsam den beide Organe verbindenden Kitt abgeben und die anfangs ausserordentlich kurze Brücke fein gestreifter Nervensubstanz bilden, in welche alsdann die zelligen Elemente der grauen Hirnmasse hineinwachsen, um das Gros des Riechnerven, namentlich seine strangförmige Verlängerung an der Basis des Vorderhirns, zu bilden. Dass die bindegewebigen Umhüllungen der epithelialen Auskleidung der Nasenhöhle vom mittleren Keimblatte herkommen, sei nur beiläufig erwähnt. Die knorpeligen Theile dieser Umhüllung werden ebenso wie diejenigen des Ohrs an einer anderen Stelle berücksichtigt werden. | Zum Schluss sei noch erwähnt, dass das obere Keimblatt ausser den genannten drei Sinnesorganen noch Bildungen erzeugt, welche den Sinnes- organen beigezählt zu werden verdienen. Dahin gehören vor allem die sogenannten Seitenorgane, welche sich aus der Grundschicht der Ober- haut längs der Mittellinie der Segmente entwickeln; die Einzelnheiten dieses Vorganges gehören aber mehr in eine specielle Geschichte dieser Theile, als in eine allgemeine Entwickelungsgeschichte (Taf. XIII Fig. 238—240). Doch verdient der Umstand Erwähnung, dass am Kopfe und vorderen Rumpfe, worauf ich noch später zurückkomme, dieselbe Grundschicht der Oberhaut ganze Nervenanlagen, nämlich die Wurzeln und Stämme der Seitennerven er- zeugt (Taf. XIII Fig. 233. 2838, Taf. XV Fig. 276, Taf. XIX Fig. 545). — Ueber den Hirnanhang als ein von den Sinnesorganen abweichendes Erzeugniss der Sinnesplatte ist schon gesprochen worden, ebenso über die Oberhäut selbst, welche aus einer vollständigen Verschmelzung der beiden Schichten des oberen Keimblattes hervorgeht und damit hinlänglich die nur vorübergehende Bedeu- tung dieser Schichtung anzeigt. Ein Sinnesorgan aber, welches sonst in der üblichen Fünfzahl nicht fehlen durfte, habe ich nicht erwähnt, das Geschmacks- organ. Man lässt allerdings ganz allgemein die Zunge aus einem von der Ober- haut überzogenen Unterkiefertheile hervorgehen (Nr. 40 S. 75. 184. 1855, 332 VI. Die drei höheren Sinnesorgane. Nr. 45 S. 354— 355); wenn man aber meine Abbildungen Fig. 303 und 283 vergleicht, wird man leicht erkennen, dass sie im der noch vollkommen ver- schlossenen Mundhöhle sich entwickelt, also die Geschmackszellen aus dem Darmblatte hervorgehen. Da bei der Untersuchung der Sinnesorgane das überwiegende Interesse sich ganz natürlich dem Auge zuwandte, so musste auch der Erfolg dem auf- sewandten Fleisse entsprechen; während die Entwickelungsgeschichte des am meisten vernachlässigten Geruchsorganes auch bis in die neuere Zeit von gröberen Irrthümern nicht frei blieb. Denn Rrmar selbst, welcher die irrige Beobachtung Ruscoxr’s von der Entwickelung der Nasenhöhlen aus dem Hirne zurechtstellte, bezeichnet an noch jungen Larven die blossgelegten, sackartigen Erweiterungen der Nasengruben als Lobi olfactorii, d.h. als die Anlagen der vorderen Kommissur (Balken), welche aber an solchen Larven entweder noch gar nicht existiren oder vom Vorderende der eigentlichen Grosshirnlappen nicht zu unterscheiden sind (Nr. 40 8. 148). v. BAMmBECKE lässt sogar umgekehrt wie Ruscoxt einen Theil der Nasengruben sich in jene Lobi verwandeln. Ganz offenbar ist aber noch die Ansicht allgemein verbreitet, dass die ganzen Nasen- gruben das Geruchsorgan darstellen, während nach meinen Untersuchungen nur ihre dicke , aus der ursprünglichenGeruchsplatte hervorgegangene mediale Wand als das eigentliche Sinnesorgan gedeutet werden kann. Daher will ich die ganzen Nasenhöhlen erst in Verbindung mit den umgebenden Kopftheilen näher betrachten. Für die morphologische Entwickelung des Auges habe ich ausser der etwas auffallenden Angabe v. Bamgecke's über die solide Anlage der Augenblasen nur die Beschreibung Remar’s und Barkau’s von der Bildung der Linse in etwas zu berichtigen. Die letztere wird nämlich eine von der Grundschicht der Oberhaut sich abschnürende Einstülpung genannt, deren Höhle also von der Deckschicht nach aussen verschlossen würde; ich sehe dagegen die Linse aus einer soliden Wucherung der Oberhaut hervorgehen, welche erst nachträglich eine Höhle erhält. Ebenso kann ich SCHENK und OELLACHER nicht beistimmen, wenn sie die Linsenbildung bei den Knochenfischen gerade so wie BARKAU bei den Batrachiern verlaufen lassen (Nr. 117 8. 4. 5, Nr. 107 8. S1). Auch im l’orellenembryo finde ich, dass anfangs das gesammte Keimblatt in die be- ginnende Einstülpung der primären Augenblase sich einsenkt. Dabei ver- VI. Die drei höheren Sinnesorgane. 333 wandelt sich aber nur der grösste mediale Theil der verdickten Grundschicht in eine feste Schicht oder Platte, welche die weitere Eimstülpung und Abschnü- rung ausführt. Der kleinere centrale und laterale Theil der Linsenanlage füllt dagegen als lockere Zellenmasse den Einstülpungsraum jederzeit aus, sodass nicht von Anfang an eine wirkliche Höhle der Linsenanlage besteht, wie SCHENK angibt, sondern nur ein beständig ausgefüllter Raum, wie ihn ScHENK gegen seine eigene Aussage in der sich abschnürenden Linsenkugel zeichnet (Nr. 117 Taf. II Fig. 7). Indem diese centrale lockere Zellenmasse ebenso wie bei den Batrachierlarven sich auflöst, gibt sie Veranlassung zur Bildung der spaltar- tigen Höhle, welche später die innere und äussere Wand der Linsenanlage trennt (vgl. Nr. 117 Taf. I Fig. 3. 4). Auch die bekannte Einstülpung der Lin- senanlage der Amnioten ist nicht überall ganz gleich; denn wenn sie meist tellerförmig abgebildet wird (Nr. 40 Taf. V Fig. 58, Nr. 75 Fig. $), so habe ich sie beim Maulwurfe dagegen vollständig trichterförmig gesehen. — Die Bildung des Ohrbläschens findet im Forellenembryo gerade so statt wie die Entwicke- lung der Linse, sodass die lockere laterale und später centrale Masse durch ihre Auflösung die Höhle erzeugt; ich muss also darin OELLACHER vollkommen be- stätigen (Nr. 107 8.73. 75). Und wenn er eine Falte der Deckschicht erwähnt, welche in jene Einstülpung hineinhänge, so kann ich hinzufügen, dass ich eine ebensolche ziemlich tiefe Einziehung der Deckschicht in die Linsenanlage beob- achtet habe. Aus meinen Bemerkungen zur Entwickelungsgeschichte der Nervenröhre wird man entnehmen können, dass ich bei den Umbildungen der Embryonalan- lagen das Hauptgewicht durchaus nicht auf die äussere Erscheinung lege. Wenn ich für die Anlagen der Linse und des Labyrinthbläschens die gesehenen Bilder ausführlich beschrieb, so geschah es gerade, um zeigen zu können, wie die Homologie nicht in der wechselnden äusseren Erscheinung sondern in den gleichen wirkenden Ursachen zu suchen sei. Ebenso wenig wie die Axenplatte sich in allen Wirbelthierembryonen in eine offene Furche verwandelt, welche sich darauf zu einer Röhre schliesst und abschnürt, sind die Linse und das Ohr- bläschen überall einfache Einstülpungen des oberen Keimblattes. Die Veran- lassung zur Entstehung der Linse glaube ich bei Batrachiern und Fischen in dem Drucke der die Oberhaut vorwölbenden primären Augenblase erkennen zu müssen. LiEBERKÜHN meint freilich, dass die Augenblasen der Säugethiere stets durch Theile des mittleren Keimblattes von der Oberhaut getrennt seien, sodass die Linsenanlage diese Theile in die sekundäre Augenblase mit einstülpe (Nr. 75 334 VI. Die drei höheren Sinnesorgane, 5.35); ich muss dagegen auf Grund meiner Präparate vom Maulwurfe behaup- ten, dass dies im Beginne der Linsenbildung nicht der Fall ist, also jene meine Begründung dieser Bildung auch auf andere Wirbelthiere Anwendung finden kann. Die von der Linsenbildung jedenfalls unabhängige Einstülpung der primären Augenblase, welche schon v. BAMBECcKE erkannte, und ich an Ba- trachiern und Fischen bestätigen kann, betrachte ich ferner als die äussere Formbedingung, welche die angeregte Wucherung der Oberhaut sich nach innen ausdehnen und gewissermassen an die Oeffnung der sekundären Augen- blase anpassen lässt. Wenn dabei die Deckschicht der Batrachier und Fische nur vorübergehend eingestülpt wird, so ist dies ganz natürlich, da, wie ich zeigte, die Grundschicht so stark wuchert, dass sie lateralwärts keine leere Höhle erhält, sondern deren Raum mit Zellen angefüllt bleibt. Die Linsen- bildung zeigt also bei denselben Bildungsursachen die gleichen äusseren Unter- schiede in den verschiedenen Thieren wie die Entwickelung des Ohrbläschens und des Centralnervensystems, darf aber mit diesen nicht ohne weiteres ver- glichen werden; denn sie geht, wie es mir scheint, aus einer sekundären An- passung an die Umbildungen der eigentlichen Augenanlage hervor, und ist daher abgesehen von der Form und nur mit Rücksicht auf den Werth des Kausalzusammenhanges mit viel mehr Recht der noch späteren Anlage des Glaskörpers zu vergleichen. Das Ohrbläschen ist dagegen in erster Reihe auf die Sinnesplatte und dann die Axenplatte mit den daraus sich ergebenden Bil- dungsursachen znrückzuführen. Ueberhaupt hat sich auch hinsichtlich der Sinnesorgane das Bestreben kundgegeben, für physiologisch gleichartige Theile auch eine möglichst gleiche Entwickelung, sowohl nach dem Ursprunge wie nach der Form nachzuweisen. So hat denn REMmAK, welcher für die allgemeine Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere seit v. BAER am meisten geleistet hat, das Gemeinsame und Bedeutsame in der Betheiligung des oberen Keim- blattes an der Bildung der Sinnesorgane darin zu sehen geglaubt, dass das- selbe ursprünglich eine allgemeine sensorielle Oberfläche des Körpers darstelle, „die sich im Laufe der Entwickelung in kleinere sensorielle Bezirke sondert‘“, und dass diese letzteren „nicht die wesentlichsten (nervösen) Bestandtheile der Sinneswerkzeuge“, sondern durch hohle Einstülpungen die freien Oberflächen derselben bilden (Nr. 40 5.100. 101). Als solche selbstthätige („nicht passive“) Einstülpungen des Sinnesblattes werden aufgeführt: die Riechhöhlen, die Ge- schmackshöhle, die Linse, das Labyrinth (a. a. O. S.94. 95). Wie man leicht erkennt, ist dies nur eine den verbesserten Kenntnissen angepasste Auffasungs- VI. Die drei höheren Sinnesorgane. 335 weise der älteren Zeit, welche die Sinnesorgane einfach als Auswüchse des Hirns betrachtete. Im übrigen zeigt sie alle Mängel einer morphologischen Vorstellung, welche statt bloss im Zusammenhange der Formumbildungen zu wurzeln, sich stets auf die subjektive, Werthschätzung der fertigen Organe be- zieht: die Erklärung wird nicht entwickelt, sondern erzwungen, die Beobach- tung muss sich dem Schema fügen. Ich will auf die Konsequenzen und Inkon- sequenzen jener Auffassung nicht weiter eingehen und nur die Irrthümer der Beobachtung zurechtstellen. Die Geschmackshöhle muss zunächst ausgeschieden werden, da das Geschmacksorgan weder in der Mundbucht noch überhaupt aus dem oberen Keimblatte entsteht. Damit ist freilich die specifische Bedeutung des „Sinnesblattes“ bereits gewaltig erschüttert. Aber auch die Nasengrube ist keine besondere „Sinneshöhle“, da sie gar nicht ausschliesslich oder nur grösstentheils von der Geruchsplatte gebildet wird, welche auf eine Seite der- selben beschränkt bleibt. Endlich ist die Linsenblase weder dem Ohrbläschen und der Geruchsplatte homolog, noch stehen diese der Augenblase so gegen- über wie anderen Theilen des Centralnervensystems. Kurz — die Sinnesor- gane gehören nach ihrem Ursprunge nicht alle zusammen, und ihre aus dem Sinnesblattehervorgehenden Theile entwickeln sich nicht allein der gleichen Form von Einstülpungen, d. h. die Auffassung REmAr’s ist im ganzen und im einzel- nen unhaltbar. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen über die Sinnesorgane lassen sich vielmehr dahin zusammenfassen, dass nur die drei sogenannten höheren Sinnesorgane in der Sinnesplatte eine gemeinsame Grundlage haben, welche als eine Absonderung von der Axenplatte betrachtet werden kann, dass also ihre Homologie sich auf ganz andere Theile bezieht, als welche bisher da- für galten, nämlich auf die Geruchsplatte (nicht Nasengrube), auf die Augen- blase (nicht Linse) und das Ohrbläschen, wozu noch ein Sinnesorgan hinzu- kommt, welches im Schlussstücke der Sinnesplatte angelegt, mit den Geruchs- platten in sich wechselweise ausschliessender Korrelation zu stehen scheint (Nasenrachengang der Cyklostomen, Anlage des Hirnanhangs). Die übrigen Sinnesorgane (Seitenorgane, äussere Haut, Zunge) stehen weder mit jenen drei erstgenannten noch unter sich noch endlich mit dem Oentralnervensystem in einem besonderen genetischen Zusammenhange und fallen zudem ausschliesslich ins Gebiet lokaler histiologischer Sonderung. VII, Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. Historische Uebersicht der bisherigen Untersuchungen. Die erste ausführliche Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule der Ba- trachier lieferte Dusks. Schon vor dem Ausschlüpfen der Embryonen fand er in denselben einen knorpeligen Strang (Wirbelsaite) unter dem Rückenmarke. Weiterhin entwickelten sich neun Paar knorpelige Wirbelbögen um das Rücken- mark, welche der Wirbelsaite jederseits aufsitzen (Nr. 13 8. 102). Zuerst er- scheinen sie als kleine Höcker; indem sie sich aber aufwärts verlängern, theilen sie sich gabelig in zwei Aeste, von denen einer den Querfortsatz, der andere den eigentlichen Bogen und später den Gelenkfortsatz bildet (8.103).” Der Knochen des Wirbelkörpers entwickele sich von zwei seitlichen Punkten aus, welche sich alsbald durch ein dünnes Mittelstück verbinden. Beim gemeinen Frosche setze sich diese Verknöcherung des Körpers rund um die Wirbelsaite ringförmig fort und schnüre dabei die letztere ein (S. 105). Beim Bombinator fuscus, Alytes punctatus und Hyla (S. 103) verschmelzen die beiden ersten Ver- knöcherungspunkte zu einem annähernd kubischen Stücke, welches namentlich unten ausgehöhlt ist. Daher entsteht an der Unterseite der aneinander ge- reihten Wirbelkörper eine Furche, in welcher die Wirbelsaite lagert, und welche erst in demselben Masse als die letztere verkümmert und schwindet, ausge- glichen wird (5. 106). In den Intervertebralräumen liegen kugelige Knorpel- massen, welche gleichfalls ausserhalb der Wirbelsaite entstanden nach der Metamorphose mit je einem Wirbelkörper verschmelzen, um das konvexe Ge- lenkstück zu bilden (8.107). Die Wirbelbögen schienen Dusks sehr früh zu verknöchern (S. 104) und zwar ebenso wie die Wirbelkörper von der Oberfläche VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 337 her, da er in den Wirbelbögen junger Thiere eine knorpelige Axe zu finden glaubte (S. 107). Das Steissbein werde anfangs durch zwei Paar knorpelige Bögen gebildet, von denen das erste Paar bei gewissen Batrachiern Querfortsätze besitze. Zu diesen Bögen gesellen sich alsbald zwei entsprechende Wirbel- körper, so dass das Steissbein aus zwei Wirbeln zusammengesetzt erscheint. Dazu kommt aber noch ein axialer Knorpelstreif unterhalb der Wirbelsaite, welcher während der Auflösung derselben im vorderen Theile mit jenen beiden Wirbelkörpern verschmilzt, rückwärts aber bedeutend über sie hinausreicht (S. 108. 109). . J. MÜLLER bestätigte im allgemeinen die Angaben von Dusks, namentlich die zwei verschiedenen Bildungsweisen der Wirbel, welche die Anuren in zwei Gruppen scheiden (Nr. 76 IS. 83. 101. 103. 130. 131, III S. 69. 74). MÜLLER weicht aber von Dusks darin ab, dass er die Wirbelsaite nicht aus Knorpel sondern aus mit Gallerte angefüllten Zellen bestehen lässt (IT S. 81. 82). Daraus folgerte er anfangs, „dass die Chorda dorsalis der Verknöcherung der Wirbel durchaus fremd bleibt“, und dass vielmehr „alle Ossification an der Wirbelsäule erfolgt in der äusseren fibrösen Schicht um die Scheide der Gallertsäule, in jener Schicht, welche auch das Rückenmarksrohr bildet.“ In dieser Skelet- schicht entstehe aber der Wirbel nicht durch ursprüngliche Verknöcherung, sondern derselben gehe die Bildung paariger Knorpelstücke voraus, welche erst verschmelzen, bevor in ihnen die Verknöcherungspunkte erscheinen (1 S. 82 — 83). Später hebt aber MüLtLer ganz besonders hervor, dass die Wirbelkörper der meisten Batrachier ausser Pelobates und Pseudis aus währen ringförmigen Össificationen der Chordascheide selbst entstehen (IIT S. 69. 74).. RATHKE sagt über die Entwickelung der Wirbelsäule: — „Als das Funda- ment der Wirbelsäule erscheint die Wirbelsaite, ein häutiges allenthalben ge- schlossenes Rohr, das mit einer Substanz ausgefüllt ist, die eine gallertartige Beschaffenheit hat. Demnach besteht die Wirbelsaite an und für sich selbst aus zwei verschiedenen Theilen, die man den Kern und die Scheide nennen kann. Um sie herum lagert sich ein Blastem ab, das anfangs allenthalben gleich- artig beschaffen ist und ein grobkörniges Gefüge hat. Zuvörderst scheint es an der rechten und linken Seite der Chorda vertebralis zum Vorschein zu kommen, dann aber in der Regel von hier aus nach oben und unten um die Chorda herum zu wuchern, so dass diese nach einiger Zeit eine besondere aus solchem Blastem GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 2% 338 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. bestehende Belegung erhalten hat, die eine neue oder zweite Scheide für sie ausmacht.“ Raruk& nennt sie die Belegungsmasse der Wirbelsaite. Dieselbe verdicke sich rund um die Wirbelsaite in einer Reihe hintereinander liegender Ringe, welche durch dünne Abschnitte verbunden bleiben; zugleich umwuchere sie das Rückenmark ebenfalls röhrenförmig, wobei den dickeren Ringen ent- sprechende obere Bögen entstehen, welche eigentlich nur als Verlängerungen jener zu betrachten seien (Nr. 21 8.2). Die Ringe werden dicker und breiter und verwandeln sich, indem die von ihnen eingeschnürten Stellen der Wirbel- saite schwinden, in die späteren knorpeligen Wirbelkörper. Zwischen je zwei solchen Körpern bleibt ein Theil der Wirbelsaite bestehen; die Scheide des- selben wird zu einem Lig. intervertebrale, der Kern aber verflüssigt (S. 3). Die zwischen je zwei jener Wirbel zurückbleibenden Theile der Belegungsmasse der Wirbelsaite werden zu einer Fortsetzung der Knochenhaut der Wirbelkör- per und zu den Ligg. intereruralia und interspinalia (Nr. 21 3.4, Nr. 47 S. 124 und fig). ScHwAnn hat die Wirbelsaite und den Knorpel nur an erwachsenen Frosch- larven untersucht (Nr. 77 8. 10). Nach ihm besteht die Wirbelsaite im Innern aus grossen aneinander gefügten Zellen mit selbstständigen Membranen und wandständigen Kernen. Die Grösse dieser Zellen nimmt gegen die Oberfläche der Wirbelsaite ab und die dünne, mit kernähnlichen Körperchen durchsetzte Rinde der letzteren bestehe aus abgeplatteten Zellen, deren epitheliales Ge- füge bisweilen kenntlich ist. An einigen Stellen sieht Somwann etwas Intercel- lularsubstanz zwischen den Chordazellen und in ihrem Innern hier und da junge, bläschenförmige, aber kernlose Zellen (S. 12 — 15). Den Knorpel lässt SCHWANN so entstehen, dass in einer Grundsubstanz erst Kerne auftreten, dann an ihrer Oberfläche, sei es durch Abspaltung von ihren Membranen oder durch Neubildungen sich die blasigen Zellen entwickeln, welche den Kernen zuerst dicht anliegen und erst durch ihr ferneres Wachsthum sich von denselben ab- heben. Diese ganze Bildung könne entweder innerhalb schon fertiger Knorpel- zellen oder in der Intercellularsubstanz vor sich gehen. Weiterhin verdicken sich die Membranen der jungen Knorpelzellen und können dann entweder be- stehen bleiben oder mit den angrenzenden Membranen und der Intercellular- substanz verschmelzen (S. 21 und flg., S. 113 und flg.). ReıcHerr lässt das Stammskelet aus seinem Wirbelsystem, den Segmenten, hervorgehen. ‚In den Urplatten entwickelt sich am Rumpfe die Wirbelsäule, VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 339 am Kopfe die Schädelbasis, welche also gemäss der Genesis ursprünglich aus zwei Theilen zusammengesetzt werden. Die Skelettheile der Wirbelröhre, welche durch die von dem äusseren Rande der Urplatten hervorwachsenden Rücken- und Visceralplatten gebildet werden, sind die von den Wirbelkörpern abgehenden oberen und unteren Wirbelbogen (Rippen)“ (Nr. 22 8.30.31). Die beiderseitigen Urplatten verschmelzen von vorn rückwärts fortschreitend, an- fangs unterhalb"der Wirbelsaite und erst später auch oberhalb derselben. Im Kopfe geschehe das letztere erst von dem Türkensattel an rückwärts, während davor die Chordaspitze dem Hirne angeheftet bleibe, um sich in den Hirnanhang zu verwandeln (3. 29. 30). Im weiteren Verlaufe der Entwickelung verkümmere die Wirbelsaite, sodass Reste derselben nur zwischen den einzelnen Wirbeln übrig bleiben. Aus allem folge, „dass die Wirbelsaite und das Wirbelsystem zwei ursprünglich verschiedene Gebilde sind und nicht zusammen gehören,“ beide aber die gleiche Bedeutung von Stützorganen haben, sodass jene im Anfange der Entwickelung als solches diene, später aber diese ihre Funktion der Wirbelsäule übertrage (S. 31. 32). | Nach Vor besteht die ganze Chorda „aus einem gleichmässigen Gallert- strang mit unzähligen Molecularkörpern und manchen Stearintäfelchen ge- mengt, welcher nur durch Mangel von Zellenstructur von der umgebenden Masse sich unterscheidet.“ Bald erscheinen aber „zuerst an dem Kopfende in Mitte der (Gallertmasse hie und da rundliche, helle Flecken, welche ganz wie Höhlungen aussehen.“ Da Vogr diese Gebilde aus der Wirbelsaite isoliren konnte, hielt er sie für kernlose Zellen (Nr. 26 S. 42). Diese Zellen vermehren und vergrössern sich und verdrängen dabei die intercellulare Körnchenmasse bis auf geringe Spuren an den Stellen, wo die Ecken der durch gegenseitigen Druck poly&drisch abgeplatteten Zellen zusammenstossen. Darauf erhält die Wirbelsaite eine dünne, structurlose Scheide, welche die Zellenmasse, oder den Kern der Wirbel- saite eng umschliesst. In den Zellen erscheinen zu einer gewissen Zeit wand- ständige Kerne, vom Aussehen plattgedrückter Bläschen (8.43.44). In Tritonen- larven fand Vosr vor dem Erscheinen der sekundären Zellen die Dotter- plättchen in gleiched Abständen ringförmig um die Wirbelsaite herumgelagert (S. 45) ; dieses Aussehen hält er für Spuren einer Verschmelzung von zerstörten Embryonalzellen, woraus eben die gleichmässige Chordamasse hervorgehe (S. 49). Die darauf entstehenden sekundären Zellen füllen je einen der vorbezeichneten Abschnitte aus, sodass sie scheibenförmig erscheinen und in der Scheide wie Münzen in einer Rolle liegen (S. 45); später erst trete eine a2 940 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. Theilung derselben ein (S. 47).* Was nun die Entstehung der knorpeligen Wirbelsäule betrifft, so glaubt Vo@r, „dass es die Scheide der Chorda ist, welche den (anfangs ringförmigen) Wirbelkörper entwickelt,“ während „der Bogentheil als Differenzirung in der Masse der ursprünglichen Rückenwülste anzusehen ist“. „Auch hier erschemt der Knorpelring erst später von dem auflagernden Muskelgewebe verschieden, während anfangs keine genaue Grenze zwischen beiden gezogen werden kann“ (S. 83). Innerhalb der Wirbel werde alsdann der Chordakern resorbirt. „Da, wo die Knorpelringe den Strang drücken, werden die Zellen resorbirt und erhalten sich noch in den Gelenk- flächen, wenn endlich der Ring sich zu einem soliden Körper geschlossen. Ich habe noch bei einem einjährigen, mithin vollständig ausgebildeten Alytes die tückenwirbel in Form von Doppelkegeln, wie bei den Fischen, gesehen und die Zwischenräume dieser Doppelkegel mit Chordazellen ausgefüllt gefunden. Eine Metamorphorse der Chordazellen etwa in Knorpelzellen oder anderes Ge- webe findet durchaus nicht statt bei den Batrachiern; die ausgebildete Chorda- zelle hat das Ende ihrer Laufbahn erreicht“ (S. 86). Am Schädel vergleicht Vogr die Basis mit den Wirbelkörpern, das Gewölbe mit den Wirbelbögen (S. 74), sodass die entsprechenden Theile auch auf gleiche Weise entstehen. „Die Scheide des Endstückes der Chorda bildet eine breite Knorpeltafel, welche der letzten Hirnabtheilung zur Stütze dient. Von dieser aus gehen zwei seitliche Knorpelbalken, welche sich unter der Hemisphärenabtheilung wieder vereinigen und die, nebst der hinteren Tafel das ganze Gewölbe des Schädels, mit seinen verschiedenen Kapseln für Gehirn, Nase, Augen und Ohr tragen“ (S. 86). Im Kopfe hat Vogr ebenfalls die Entwickelung des Knorpels ver- folgt. „Die erste Anlage zum Knorpelgewebe der Schädelbasis besteht in einem dichten, dunkeln Cytoblastem, vollgepfropft von Moleeularkörperchen und halbverzehrten Stearintäfelehen und offenbar hervorgegangen aus der Zerstörung der ursprünglichen Embryonalzellen.“ „Auch die wasserhellen Blasenkerne der Embryonalzellen sind verschwunden“ (S. 105). Während die Zahl der Stearintäfelehen abnimmt, erschienen in diesem Blastem grosse, helle, rundliche Zellen, mit je einem oder mehreren grossen Kerfien versehen. Voer glaubt, dass diese Zellen ohne Zwischenstufen „gleich in der ihnen zukommen- den Form und Grösse ins Leben treten“ (S. 106). Indem ihr Wachsthum die * Vgl. auch Vocr, Quelques observations sur l’embryologie des Batraciens, in: Annales des Seiences naturelles Serie 3. Zoologie Tom. 2. 1844. VI. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 341 Intercellularsubstanz verdrängt, berühren sie sich endlich und platten sich polyedrisch ab, worauf ihre Membranen nach Ablagerung eines plastischen Stoffes an ihrer Innenfläche mit einander und dem letzteren zu einer neuen Intercellularsubstanz verschmelzen. Die dadurch frei gewordenen Kerne wachsen, werden hohl und erhalten endlich einen eigenen Kern, sodass sie eine zweite Zellengeneration darstellen (S. 107), diese verändert sich in derselben Weise wie die ersten Zellen bis zur Bildung von freien, hohlen Kernen (S. 108). Zwischen diesen letzteren zeigten sich alsdann in der Intercellularsubstanz kleine helle Bläschen, welche sich zu kernhaltigen Zellen, den sekundären Knorpelzellen, entwickelten und durch ihr Wachsthum jene hohlen Kerne oder die zweite Generation der primären Knorpelzellen zum Schwunde brächten (S. 109111). In ihren Kernen endlich glaubt Vosr wieder neue Zellen- generationen gesehen zu haben (S. 104. 115). Pr£vosrt und LEBERT fanden die Wirbelsaite anfangs aus Embryonal- zellen zusammengesetzt, in denen alsbald helle, vakuolenartige Gebilde erschie- nen, nach der Ansicht der Verfasser die vergrösserten Kerne jener Embryonal- zellen, welche schliesslich den ganzen übrigen Inhalt der Wirbelsaite ver- drängten. Zu beiden Seiten der Wirbelsaite liege ein pigmentrirter Strang mit Fortsetzungen zwischen die Wirbelplatten (Segmente); dies sei der embryonale Knorpel mit einer unorganisirten, aus den zerstörten Leibern der Embryonalzellen zusammengesetzten Grundmasse und den hellen Kernen der- selben, welche zu Knorpelzellen würden (Nr. 30 S. 204. 205. 224). ÜRAMER wiederholt für den Frosch dieselben Angaben, welche Vogr über die Entwickelung der Wirbelsaite der Tritonen gemacht hat. Die Embryonal- zellen würden vollständig zerstört, worauf in dem quergestreiften Strange die sekundären Zellen auftreten (Nr. 34, S: 56—58). | KÖLLIKER hat in seiner „mikroskopischen Anatomie“ die früher nur aus- zugsweise gegebene Mittheilung über die Entwickelung der Wirbelsaite des Frosches (Nr. 32) ausführlich wiederholt. Anfangs sei die Wirbelsaite nur aus Embryonalzellen zusammengesetzt und besitze noch keine Scheide. Indem sich die Zellen vergrössern, „legen sie sich fest aneinander, wodurch ihre Con- touren minder deutlich werden; dann beginnen ihre Dotterkörperchen von Innen her zu schwinden, so dass zuerst um die nun deutlich sichtbar werden- den Kerne helle Höfe sich bilden, die nach und nach immer weiter nach aussen greifen, bis am Ende nur noch an der Peripherie der Zellen unmittelbar an der Zellenmembran eine Schicht verkleinerter Dotterkörperchen sich findet.“ 342 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. Endlich verflüssige sich auch diese und die Zellen werden ganz hohl und lassen blasse Kerne erkennen. Während dieser Vorgänge erscheint auch die Scheide in Gestalt eines zarten Saumes, welche ein Ausscheidungsprodukt der ursprüng- lichen Chordazellen sei (Nr. 731. S. 347). Das Wachsthum der Wirbelsaite ‚sei einmal auf die Ausdehnung der ursprünglichen Zellen, welche „nachweisbar am Kopfe beginnt und von da rückwärts fortschreitet“, und ferner darauf zurückzuführen, dass an dem hinteren Ende der Wirbelsaite, aus einem dort aufgespeicherten Material von kleinen Bildungszellen fortwährend neue Zellen sich ansetzen (S. 348). An weiter entwickelten Wirbelsaiten unterscheidet KÖLLIKER ausser an der Pipa dorsigera (Nr. 44 5.247) eine Elastica externa, aus platten anastomosirenden Fasern bestehend, dann die queren parallelen Bindegewebsbündel der eigentlichen Scheide und endlich die weiche Gallert- masse, an welcher eine äusserste Lage kleinerer Zellen zu erkennen sei (Nr. 44 S. 217. 233). Das Rumpfskelet gehe nicht aus der Wirbelsaite hervor, sondern aus den an ihrer Seite befindlichen Bildungs- oder Embryonalzellen (Nr. 78 S. 348). In dieser „skeletbildenden Schicht“ entstehen aber die Anlagen der Wirbel auch nach KÖLLIKER auf zweifache Weise: 1. „aus zwei oberen knorpelg präßormirten Bögen, die auch die Querfortsätze bilden, und aus einem unpaaren Körper, der mit zwei Seitenhälften, ohne knorpelig präformirt zu sein, aus der äusseren skeletbildenden Schicht hervorgeht und die Chorda ring- förmig umgibt“ (Nr. 44 8. 219); 2. aus jenen Bögen und deren verschmolzenen Basen (Wirbelkörper), woran sich noch Theile der äussern Chordascheide (skeletbildende Schicht) anschliessen, die gleichfalls knorpelig präformirt sind (Nr. 44 $.232— 239). Im besonderen verdicken sich die Knochenringe des ersten Typus zu Doppelkegeln, welche in der Mitte solid sind und mit den voraus- gehenden und nachfolgenden Wirbelkörpern intervertebrale, gleichfalls aus der skeletbildenden Schicht hervorgegangene Knorpelmassen einschliessen, und je nachdem dieser Intervertebralknorpel unverändert bleibe (Perennibranchiata, Derotremata) oder mit der hinteren Hälfte einen Gelenkkopf des Wirbel- körpers bilde (Salamandra, Triton) oder beide Hälften auf diese Weise den entsprechenden Wirbeln sich anpassen (Rana), entständen die verschiedenen Formen der Batrachierwirbel (Nr. 44 S. 219— 222). In der zweiten Gruppe der Batrachier bilden die verschmolzenen Basen der Wirbelbögen oder die Wirbelkörper eine Rinne, in welcher die Wirbelsaite lagert; doch wächst an (den Larven von Qultripes provincialis jene Rinne an den zwei ersten Wirbeln zu einem vollständigen Knorpelringe zusammen (Nr. 44 5. 233. 234. 257. 238). ” VI. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 343 -— Ueber die histiologische Entwickelung des Knorpels an den Skeletanlagen sowohl des Kopfes wie des Rumpfes lässt sich KÖLLIKER im Gegensatze zu seinen Vorgängern folgendermaassen aus (Nr. 78 S. 348—349). Die Knorpel- zellen gingen aus den Embryonalzellen in ähnlicher Weise wie die Chordazellen durch Verflüssigung des Inhalts hervor; später vermehrten sie sich durch endogene (Tochterzellen-) Bildung, wobei die Wandungen der verschiedenen Generationen zu einer Zwischensubstanz verschmelzen. Nach dem Erscheinen der Remar’schen Arbeiten hat KöuLLIkEr seine Darstellung dahin ausgeführt, dass die Zellmembranen durch Anlagerung von Knorpelmasse an ihrer Innen- fläche zu Knorpelkapseln würden, welche das von ihnen deutlich gesonderte Protoplasma (Protoblasten) umschlössen. Die Grundsubstanz lässt KÖLLIKER theils aus einer Zellenausscheidung, theils aus einer Verschmelzung von Knorpelkapseln entstehen (Nr. 79 S. 64. 65). Die Verknöcherung des Knorpels soll von der Oberfläche der betreffenden Wirbeltheile ausgehen (Nr. 44 S. 254. 235). Ueber die Wirbelsaite des Frosches hat Remax nichts Bemerkenswerthes mitgetheilt, und von der Wirbelsäule sagt er uns bloss, dass sie aus einer die Chorda umhüllenden Membran sich entwickele (Nr. 40 S. 154). Der. Knorpel entstände aus den Embryonalzellen in der Art, dass an den Membranen der- selben eine Knorpellage entstände (Knorpelblase), während ihr Protoplasma zu den ersten Knorpelzellen würde. Während sich diese Knorpelzellen durch Theilung vermehrten, entständen an ihnen sekundäre Knorpelblasen, welche mit den ersten zu einer gemeinsamen Grundsubstanz, der Parietalsubstanz ver- schmelzen (Nr. 36 8. 68). Auf die frühere Behauptung, dass die Knorpelblase an der Innenfläche der ursprünglichen Zellmembran sich bilde und dass die Knorpal- oder Primordialzelle eine eigene Membran (Primordialschlauch) be- süsse, legte Remax später kein sonderliches Gewicht, erwähnte dagegen noch eine Interkapsularsubstanz, welche die Knorpelblasen verbände (Nr. 40 S. 171. 172). Bruch bestätigt die Angaben von Dusks und MüLLEr über die embryo- nale Wirbelsäule von Rana fusca und diejenigen von KÖLLIKER über denselben Bildungstypus bei anderen Anuren (Nr. 50 8. 180. 186). Dabei bemerkt er, dass die Wirbelbögen nicht aus irgend einer Grundlage sich metamorpho- siren, sondern als stellenweise Wucherungen der Chordascheide aufzufassen seien, „die jedoch von Anfang an und so weit sie sich über das Niveau derselben erheben stets schon aus hyalinem Knorpelgewebe bestehen, streng genommen 344 VI. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. daher nie einen Bestandtheil der Chordascheide gebildet haben“ (S. 130—1S1). Die letztere sei auch nicht als in Knorpel übergehendes Bindegewebe anzu- sprechen, sondern als indifferentes „Bildungsgewebe‘“, welches theils in Binde- gewebe theils in Knorpel sich verwandele (S. 157. 189). GEGENBAUR unterscheidet gewisse, allen Batrachiern gemeinsame Grund- lagen der Wirbelsäule, nämlich die Wirbelsaite und die skeletbildende Schicht, welche später eine nach drei Gruppen gesonderte Entwickelung erfahren. Die Wirbelsaite bestehe aus der inneren Zellenmasse und der Scheide. Die Wan- dungen der grossen Chordazellen seien nicht Zellmembranen, sondern bestän- len aus Intercellularsubstanz, an deren Innenfläche noch eine dünne Proto- plasmaschicht vorhanden sei (Nr. 58 8. 19).- Bei den Salamandrinen läge an der Oberfläche dieser Masse grosser Chordazellen eine Schicht von platten kleineren Zellen, welche bei den Anuren nicht vorkäme (S. 19. 22. 34). Die Chordascheide sei aus zwei elastischen Häuten, einer äusseren dünnen und einer inneren dicken zusammengesetzt, welche bei Bombinator igneus lose zusammen- hängen, und von denen die innere eine eigenthümliche Faserzeichnung besitze und dieser entsprechend in bandartige Streifen zerfalle (S. 13. 22. 34. 35). Die skeletbildende Schicht bilde eine Röhre um die Wirbelsaite und im kontinuir- lichen Anschlusse daran eine ebensolche um das Rückenmark. Sie bestehe aus jungem Bindegewebe d. h. einer anfangs indifferenten Schicht, aus welcher später Bindegewebe und Knorpel sich differenziren. Doch kennt GEGENBAUR nur den schon differenzirten Zustand, wobei die innerste Lage theils aus Knorpel bestehe, theils noch junge spindelförmige Zellen enthalte, welche beide Gewebe aber nicht scharf geschieden seien, sondern allmähliche Uebergänge zeigen, sodass die Knorpelbögen z. B. sowohl in das umgebende als das sich unten anschliessende Bindegewebe kontinuirlich sich fortsetzen. Die äusserste binde- gewebige Lage der skeletbildenden Schicht, welche die ganze Wirbelsäule über- ziehe, sei die Anlage des Periosts (S. 13. 15. 22. 23. 30 —34). 3ei den Salamandrinen geht GEGENBAUR von jenem Zustande der Wirbel aus, wo die obere Röhre der skeletbildenden Schicht bereits spangenartige Knorpelstücke, die Wirbelbögen enthält. Die sie verbindende, aus spindelför- migen Zellen zusammengesetzte Membran geht kontinuirlich in die epithel- artige untere Röhre über, welche die Wirbelsaite umschliesst. Dieses letztere Gewebe verdiekt sich in Form von Ringwülsten je in der Mitte zwischen zwei Wirbelbögenpaaren, welche Wülste im Innern knorpelig werden (Interverte- x .. . ” ” s ” * bralknorpel), an der Oberfläche in Bindegewebe mit quergestellten spindelför- VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 345 migen Zellen sich verwandeln (Intervertebralligament, S. 13.14). Der Interverte- bralknorpel, welcher an der Öberfläche platte Zellen besitzt, erstreckt sich vorn und hinten noch eine kurze Strecke über die Wirbelsaite, ohne jedoch den voran- gehenden und folgenden zu erreichen; die Intervertebralligamente hängen da- gegen alle durch eine bndegewebige Schicht (Periost) zusammen, welche durch Kalkablagerungen verknöcherndan jedem Wirbel einen Doppelkegel darstellt. Bei dieser Verknöcherung scheidet das Periost um die Mitte des Wirbels zunächst eine zellenfreie homogene Knochenlamelle ab, welche an dem Intervertebralknorpel in eine Lage von platten Knorpelzellen mit ossificirter Grundsubstanz übergeht (S. 14. 16). Erst dieser „anfänglich sehr fragile Doppelkegel, der nur aus einer äusserst dünnen ossifieirten Knorpelschicht gebildet wird, bedeckt sich mit einer querwachsenden Schicht von Faserknochen‘ (S. 15). Doch spricht GEGENBAUR später wieder von einer homogenen zellenlosen Lamelle zwischen Knorpel und Faserknochen (S. 64). Die knorpeligen Wirbelbögen verwachsen oben ring- . förmig. „An der Vereinigungsstelle beider Hälften zieht sich der Bogen nach hinten und vorn in einen Fortsatz aus, so dass siämmtliche Bögen oben in der Medianebene nicht weit von einander entfernt sind. Indem dieser mittlere, obere Theil des Bogens allmählich mehr in die Breite wächst, nähern sich die Bögen je zweier benachbarter Wirbel, und es tritt endlich an jeder Seite ein Uebereinanderwachsen auf, welches die Bildung der Gelenkfortsätze ein- leitet. Die Gelenke an den Bogen sind somit nicht eigentlich Difterenzirungs- producte von Knorpelmassen, denn es sind die Bögen je zweier Wirbel zu keiner Zeit in continuo des Knorpels untereinander verbunden“ (S. 14). Später bildet sich auch an den knorpeligen Wirbelbögen ein Faserknochenüberzug. Die Intervertebralknorpel schnüren, nach innen wuchernd, die Wirbelsaite ein und bilden sich zu den Gelenktheilen aus, indem mitten durch den Knorpel eine konvex-konkave Lage quergestellter Zellen sich entwickelt (S. 16. 18). Aus der Schicht platter peripherischer Chordazellen an der Innenfläche der Chorda- scheide entwickelt sich in der Mitte des Wirbels eine ringförmige Knor- pelschicht (Chordaknorpel), welche die Wirbelsaite ebenfalls zusammen- schnürt (8. 19). An den Larven von Fröschen und Kröten findet GEGENBAUR die Interver- tebralknorpel durch eine kontinuirliche, die Wirbelsaite umhüllende Knorpel- schicht unteremander und mit den knorpeligen Wirbelbögen im Zusammen- hange (8.23). Da in der die Intervertebralknorpel quer durchziehenden Schicht länglicher Zellen sich eine wirkliche Gelenkhöhle entwickelt, so werden die 346 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. ersteren auf die beiden angrenzenden Wirbel vertheilt, an denen sie zugleich die Körper vergrössern und die Gelenktheile bilden (S. 25). Die Verknöche- rung ist eine doppelte, indem zuerst um die Mitte des Wirbels eine ringförmige Knorpelverkalkung entsteht, welche sich auf die Bögen und zuletzt im das Innere der Intervertebralknorpel fortsetzt um durch die Bildung von Mark- räumen die Herstellung echter Knochensubstanz vorzubereiten; dazu kommt dann die periostale Verknöcherung, welche das Wachsthum namentlich an der Bauchfläche der Wirbel bedingt (S. 26— 28). Durch das Eimwachsen des Inter- vertebralknorpels wird die Wirbelsaite in getrennte vertebrale Abschnitte ge- theilt, welche sich lange erhalten (S. 25). Vor dem ersten Wirbel bildet sich kein Intervertebralknorpel (S. 24); im hintern Theile des Basilarknorpels liegt die Wirbelsaite in der Mitte seiner Dicke, vorn nähert sie sich der oberen Fläche und wird endlich am vordersten Ende nur vom Perichondrium bedeckt (S. 29). In diesem Schädeltheile der Wirbelsaite sollen einzelne Chordazellen sich in Knorpelzellen verwandeln (S. 30). AnLarven von Bombinator igneus, deren vordere Glieder eben erst gebildet sind, bestehe die skeletbildende Schicht oben an der Wirbelsaite aus Knorpel, welcher seitlich und abwärts kontinuirlich in junges, aus spindelförmigen Zellen und zerklüfteter Grundsubstanz bestehendes Bindegewebe übergehe, aufwärts aber sich in zehn Bogenpaare fortsetze. Zwischen je zwei derselben bezeichnet stets ein queres, jedoch nur oberflächliches bindegewebiges Band (Interverte- bralligament) die Grenze zweier Wirbel an dem kontinwirlichen epichordalen Knorpelstreifen, welcher sich abwärts nur so weit entwickelt, dass er eine flache Rinne für die Wirbelsaite bildet und nur an den zwei ersten Wirbeln dieselbe bis zu ihrer unteren Seite umfasst (S. 33. 34). „Erst am Schädel wird die Chorda allseitig von Knorpel umgeben. Sie erstreckt sich mit langgezogener conischer Spitze bis vor die Petrosa und läuft so durch den Basilarknorpel hindurch, dass sie anfänglich nur von einer dünnen Knorpellage an der Unter- fläche überzogen wird, in der Mitte ihres Verlaufs eine gleich dicke Knorpel- schicht über und unter sich hat, von denen die obere sich allmählich so ver- dünnt, bis die Chorda frei nach innen liegt. Dies Ende bettet sich in eine Rinne des Basilarknorpels und wird nun von einer dünnen Lamelle des Perichon- driums überzogen. Der Untergang der Chorda erfolgt am Schädel durch den wachsenden Basilarknorpel (S. 37) Die Verknöcherung beginnt zuerst an den epichordalen Wirbelkörpern im Knorpel, später an den Bögen im Perichondrium. „Jeder Wirbelkörper zeigt zuerst an zwei Stellen vorn und linten eine ver- VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 347 kalkte Stelle, die gegen die Mitte der Länge des Wirbelkörpers sich ausdehnt und endlich mit der ihr vom andern Ende her entgegenwachsenden zusammen- stösst, so dass schliesslich eine einzige Masse von Knorpelknochen den Wirbel- körper darstellt. So trifft man es am Ende jenes Larvenstadiums, welches durch die Vollendung des Durchbruchs der Vorderextremitäten characterisirt ist. Vorn und hinten bleibt aber an jedem Wirbelkörper noch eine unverkalkte Knorpellage zurück und auch die seitlichen, in die Bogen übergehenden Massen verkalken noch nicht, so dass von hier aus das Weiterwachsen des Wirbels noch vor sich gehen kann“ (S. 35). Das Wachsthum der Wirbel durch periostale Knochen- bildung geschehe vorzugsweise an der dorsalen Seite. „Die Zwischenwirbel- stücke bilden vom Anfang keinen differenten Theil, sie zeigen nur allmählich “eine etwas hellere Grundsubstanz und kleinere Zellen, als die zu Wirbelkörpern werdenden Knorpelpartien. Selbstständiger werden sie jedenfalls erst mit der Verkalkung der Wirbelkörper.“ Später entwickeln sie je vorn eine Gelenk- pfanne, hinten einen nach abwärts vorgewölbten Gelenkkopf. „Die Bögen zeigen, wie bei allen hierauf untersuchten Batrachiern, eine vollkommen selbstständige Verkalkung, die immer an dem, dem Körper angefügten Basalstücke zuerst auftritt, bald nur oberflächlich, bald die ganze Dicke des Knorpels durchsetzend. Die innigere Verbindung mit den Wirbelkörpern tritt mit Ablagerung der Faserknochenlamellen ein, die vom Perioste aus sich bilden und von einer Hälfte des Bogens über den Wirbelkörper hinweg zur andern ziehen“ (S. 56). Der Knorpel der Bögen erhält sich, wenn auch verkalkt, sehr lange. Die Wirbelsaite und der ventrale nicht weiter verwendete Theil der skeletbildenden Schicht sind nach der Metamorphose zu einem den Wirbelkörpern lose anlie- senden, platten Bande umgebildet und schwinden endlich ganz (S. 37). Die Bildung des Steissbeins ist bei allen ungeschwänzten Batrachiern die- selbe; hinter dem neunten Wirbel liegt der Wirbelsaite ein langer epichordaler Knorpel auf, welcher ganz vorn einen Bogen trägt, an den sich rückwärts niedrige Leisten anschliessen. Dazu kommt noch ein hypochordaler Knorpel- streif, welcher gleichfalls aus der skeletbildenden Schicht hervorgegangen, mit den epichordalen Theilen durch Bindegewebe kontinuirlich verbunden ist. Die zwischenliegende Wirbelsaite ist endlich zum Schwunde gebracht, worauf beide Knorpeltheile zusammenfliessen. Vorher ist aber schon die Verknöcherung eingetreten, welche bei Bombinator igneus mit einem äusseren Faserknochen beginnt, dessen Erscheinen aber am ‚epichordalen Knorpel eine paarige Knor- pelknochenlage vorausgeht. Beim Frosche unterscheide sich das Steissbein 348 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. dadurch von den übrigen Wirbeln, dass einmal die Wirbelsaite ganz schwinde und die Knorpelknochenbildung nur an den oberflächlichen, nicht an den innersten, die Chorda umschliessenden Schichten erscheine. Da der untere Knorpelstreif ursprünglich über die Grenzen von vier Muskelabtheilungen hin- ausreicht, so sieht GEGENBAUR in dem Steissbein die Anlagen mehrerer Wirbel (8.40). Die übereinstimmende Entwickelung desselben in allen ungeschwänzten Batrachiern gibt GrGENnBAUR Veranlassung zu bemerken, dass die Verschieden- heit in der peri- und epichordalen Wirbelbildung überhaupt nicht so gross sei, wie sie scheine. ‚In beiden Modis ist es die, die Chorda umlagerrde skelet- bildende Schicht, aus welcher die Wirbelsäule hervorgeht; sie bildet Knorpel- ringe um die Chorda mit davon ausgehenden Bögen in dem einen Falle, in dem andern sind die bogentragenden Knorpelringe nur an der oberen Peripherie der Chorda vorhanden und der untere Theil der skeletbildenden Schicht bleibt aus Bindegewebe bestehen“ (8.39). Da nun alle jene Skelettheile kontinuirlich zusammenhängen, so „kann daher nicht gut gesagt werden, dass bei der epi- chordalen Wirbelbildung der Körper aus den an der Basis zusammenwachsen- den oberen Bogen entstehe, und dass hierin ein Unterschied von der perichor- dalen Bildungsweise gegeben sei (Nr. 40).“ v. BAMBECKE beschreibt die aus Zellen zusammengesetzte Wirbelsaite aus ziemlich früheren Entwickelungsperioden. So will er die Entstehung ihrer Scheide schon gleich nach Schliessung der Rückenfurche beobachtet haben, worauf deren stärker pigmentirte Zellen die Peripherie des Organs einnehmen und den axialen Theil desselben ungefärbten Elementen überlassen. Sowie der Schwanz hervorwachse, verlängere sich die Wirbelsaite mit einer Spitze in den- selben hinein; und während das Pigment allmählich schwinde, verwandeln sich die ursprünglich rundlichen Zellen in sternförmige, mit einander anastomo- sirende (Nr. 63 S. 51). W. Mürver beschreibt an der Wirbelsaite von Embryonen und Larven der Rana temporaria eine Rindenschicht von protoplasmareichen Zellen, welche klein bleiben und sich allmählich abplatten, dadurch aber von den grossen polygonalen Zellen des Gallertkörpers sich. wesentlich unterscheiden, deren Protoplasma schon an mittelgrossen Larven aus einer unmessbar feinen, der Membran anliegenden Schicht bestehe. Auch die peripherischen kleinen Zellen erhalten eine Membran. In erwachsenen Fröschen hat W. Mürver innerhalb des Gallertkörpers knorpelähnliche Zellen gefunden (Nr. 74 S. 334, 355). VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 549 Der Zellenkörper der Wirbelsaite werde von einer homogenen Hülle um- schlossen, welche W. Müuver als eine vom Protoplasma der Rindenzellen ab- stammende Kutikularbildung auffasst, während die dünne, aussen derselben angelagerte elastische Membran vom umgebenden Gewebe abgeleitet wird (S. 350. 352). Nach der Trennung der Wirbelsaite von den Urwirbeln ent- stände um jene ein mit heller Lymphe gefüllter Raum. ‚In diesen Raum wachsen von den Adventitien der beiden primitiven Aorten aus spindelförmige Zellen, welche durch ihren geringen Pigmentgehalt von den Zellen der Ur- wirbel sofort sich unterscheiden. Sie umwachsen die Chorda zunächst seitlich und liefern die Anlagen der Wirbelbögen; erst später umwächst die innerste Schicht die Chorda auch oben und unten nach Bildung einer concentrischen, aus spindelförmigen Zellen bestehenden Umhüllung. Diese Umhüllung ist es, welche durch ein membranartiges Netz feiner elastischer Fasern von der Cutieularschicht nach Innen und durch ein viel lockereres von den Wirbelbögen nach Aussen sich abgrenzt, um später in ganz analoger Weise, wie bei den Haien mit Kalksalzen sich zu imprägniren“ (S. 353). Neuerdings hat auch LIEBERKÜHN einige Beobachtungen über die Wirbel- saite der Batrachier mitgetheilt. In den jungen, noch unveränderten Chorda- zellen treten allmählich mit Flüssigkeit gefüllte Vakuolen auf, bisweilen mehrere in einer Zelle. Dann lassen sich an den Zellen unterscheiden: 1. eine äusserste, feste, leimgebende Hülle, 2. eine zweite, ebenfalls allseitig ge- schlossene, feinkörnige Schicht, das eigentliche Protoplasma, welches den Kern enthält, 3. die von diesem Protoplasma umschlossene Zellenflüssigkeit der Vakuolen. In den weiter entwickelten Theilen der Wirbelsaite schwindet dann das Protoplasma bis auf geringe Reste (Nr. 99 S. 338). Ich habe die Entwickelung der Wirbelsaite bereits bis zu dem Zeitpunkte beschrieben, wo die Verwandlung des vierkantigen Stranges in einen runden beginnt (Taf. IV--VI). Ich bemerkte ebenfalls schon, dass der Querschnitt dabei aus einer viereckigen in eine aufrecht fassförmige und zuletzt in eine kreisrunde Gestalt übergeht. Dieser Veränderung der äusseren Form liegt eine entsprechende Umlagerung der Zellen zu Grunde. Dieselben waren vorher etwas quer gestreckt und lagen in zwei Schichten von mehreren Zellen Höhe 350 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. und je einer in der Breite so nebeneinander, dass die inneren Enden der beider- seitigen Zellen in der Medianebene sich berührten. Die genannnte Um- wandlung des Querschnitts entsteht nun wesentlich dadurch, dass die äusseren Zellenenden auf Kosten der inneren anschwellen; dabei werden natürlich die ersteren an den obersten Zellen aufwärts, an den untersten abwärts gegen die Medianebene verschoben, während. die innern Enden von oben und unten sich gegen einen gemeinsamen Punkt zusammenziehen. Man kann daher sagen, dass die senkrechte Axe des Querschnitts der Wirbelsaite, in welcher alle Zellen zusammenstossen, sich in einen Punkt verwandele, in Folge dessen die-. selben sich radiär um den gemeinsamen Richtungspunkt ordnen, also Kreis- ausschnitte des runden Querschnitts darstellen. Es fällt dieser Vorgang zu- sammen mit der selbstständigen Ablösung der Wirbelsaite von den Segmenten, welche ihrerseits während der festeren Verbindung ihre oberflächlichen Zellen (inneres Segmentblatt) gleichfalls ihre früheren Kanten abrunden, sodass zwischen den genannten Embryonalanlagen sehr deutliche Lücken entstehen, die mit klarer Flüssigkeit gefüllt erscheinen. Ich weiss für diese Vorgänge eine ganz bestimmte Erklärung nicht zu geben; immerhin glaube ich nicht zu irren, wenn ich dieselben als den Ausdruck der fortschreitenden Abnahme des einmal gelockerten früheren Zusammenhanges jener Embryonalanlagen be- trachte, wodurch die Innigkeit der Verbindung zwischen den Elementen der einzelnen Anlagen, also der Wirbelsaite einerseits und der Segmente anderer- seits relativ zunimmt und als Zusammenziehung derselben mit Abrundung der Kanten erscheint. Wenn aber die Zellen der Wirbelsaite auf dem Querschnitte scheinbar eine Scheibe zusammensetzen, so ergibt sich aus den Längsschnitten, dass das Organ nicht wirklich aus einer Reihe hinter einander liegender Scheiben ähnlich einer Geldrolle besteht, sondern dass die zusammenstossen- den Zellen unregelmässig zwischen einander eingreifen und so ein der Länge nach zusammenhängendes Gefüge bilden. Diese Umbildungen beginnen im vorderen und mittleren Rumpftheile und setzen sich alsdann wie die ganze Entwickelung desselben rückwärts fort, sodass man an einer Reihe von Durch- schnitten eines und desselben Embryo alle Stufen der Ausbildung der Wirbel- saite antreffen kann: in der vorderen Rumpfhälfte die runde Form mit den scheinbar radiär angeordneten Zellen, weiter zurück die seitlich abgeplattete Form mit dem fassföormigen Durchschnitt, endlich im äussersten Schwanzende den noch ganz indifferenten, durch die Umgebung vierkantig gestalteten Strang. Bei der radiären Stellung der Zellen sammelt sich eine geringe Menge von VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 351 Pigment zwischen ihren Kernen und ihren Enden an, sodass die letzteren selbst davon frei bleiben; im Durchschnittsbilde der ganzen Wirbelsaite wird da- durch um die ungefärbte Mitte herum ein Kranz von Pigmentkügelchen erzeugt (Taf. VI). Die nun folgende Umbildung der Wirbelsaite beginnt ebenfalls in der vorderen Rumpfhälfte, um rückwärts fortzuschreiten. Zunächst theilen und vermehren sich die embryonalen Zellen, wobei sie in der Richtung der Körper- axe noch mehr zusammengedrückt und. abgeplattet erscheinen, sodass die Kerne in derselben Richtung beimahe den ganzen Durchmesser der Zellen einnehmen (Taf. X Fig. 182). Wenn aber die Anlage des Schwanzes in Ge- stalt eines stumpfen Höckers sichtbar wird, entstehen im Innern der Zellen durch Schmelzung und Umbildung der Dottersubstanz deutlich begrenzte Massen einer klar durchsichtigen, halbflüssigen Substanz, welche in der Nähe der Kerne entstehen und erst allmählich gegen die Oberfläche der Wirbelsaite sich ausdehnen (Taf. II Fig. 38, Taf. X Fig. 183.184). Dass im einer Zelle mehr als ein solches vakuolenartiges Gebilde auftrete, konnte ich bestimmt nicht nachweisen, da die einzelnen in der Umbildung begriffenen Embryonal- zellen der Wirbelsaite sich nicht isoliren lassen; doch ist mir ein solches Ver- halten aus einigen Durchschnittsbildern sehr wahrscheinlich geworden. Die Kerne werden von dieser Umbildung des Zelleninhalts nicht mit betroffen, sondern zur Seite gedrängt, sodass sie in der peripherischen, die klare Flüssigkeit (Vakuole) allseitig einschliessenden Dottersubstanz zu liegen kommen. Diese Vakuolen stimmen nach ihrer ersten Erscheinung in der Dottersubstanz der Embryonalzellen durchaus mit den Umbildungskugeln überein, welche, wie ich zeigte, im Uentralnervensystem und in der Netzhaut die histiologische Sonderung einleiten. Da in der Dottersubstanz selbst und in der aufgenommenen Flüssigkeit, welche als embryonale Interstitialsubstanz den ganzen Körper durchzieht, lokale specifische Unterschiede anzunehmen nicht statthaft erscheint, so glaube ich, dass die in den Organanlagen verschie- den entwickelten Formbedingungen, Gestalt, Masse und Lage der ganzen An- lagen und ihrer Elemente im Verhältniss zu ihrer Umgebung, kurz — das Form- gesetz oder morphologische Moment die Verschiedenheit der histiologischen Sonderung in ihrem weiteren Verlaufe bestimmt, während die ersten Anfänge überall relativ gleich zu sein scheinen. Sehen wir die Umbildungskugeln in kenntlicher Grösse nur ineinem beschränkten Gebiete der Netzhautund im Central- nervensystem erst ganz allmählich den Bestand der ursprünglichen Embryonal- zellen lösen, so geht eine solche Zerstörung in der Wirbelsaite in ganz anderer 352 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. Weise vor sich. Durch eine rapide Aufsaugung grosser Massen der genannten Interstitialflüssigkeit schwellen die Umbildungskugeln der Chordazellen so stark an, dass sie einen an den Kernen, welche je nach ihrer Lage eckig oder platt werden, deutlich nachweisbaren Druck auf die peripherischen Dotterschichten ausüben. In Folge dessen verschmelzen die letzteren, wo sie zusammenstossen, zu einfachen und hautartig festen Scheidewänden der Vakuolen, an deren freien Flächen anfangs eine zusammenhängende Schicht noch unveränderter Dottersubstanz mit punktirter Grundmasse und einzelnen Dottertäfelchen, worin die Kerne eingelagert sind, deutlich zu erkennen ist (Taf. VILI. Fig. 155); in dem Masse aber, als die klare Flüssigkeit zunimmt und die von ihr ausge- füllten Räume durch den gegenseitigen Druck sich vieleckig gestalten , schwin- det jene dünne Dotterschicht an vielen Stellen, sodass sie nicht mehr blasen- förmig geschlossen ist, sondern in einzelnen getrennten Stücken den Scheide- wänden anliegt (Taf. XI Fig. 197. 198). Zuletzt schwinden auch diese letzten teste der Dottersubstanz im Innern der Wirbelsaite, welche sich noch am längsten in den Ecken, wo die Scheidewände zusammenstossen, erhalten. Da nun die Kerne in diesen Dotterresten lagern, müssen sie dort, wo dieselben vollständig aufgelöst wurden, frei werden und erscheinen dann an den Flächen der Scheidewände platt und wandständig. In den Ecken erhalten sie eine den- selben entsprechende Form und sind alsdann meist unzweifelhaft in die Substanz der in jenen Ecken zusammenstossenden Scheidewände eingeschlossen, sodass ich daraus schliesse, dass dort die Dotterreste nicht in der Flüssigkeit aufgelöst wurden, sondern sich der homogenen Substanz der Scheidewände an- passten, so wie diese ursprünglich aus den peripherischen Dotterschichten der Embryonalzellen hervorgingen (Taf. X Fig. 185. 156). Anders als im Innern gestalten sich die Verhältnisse an der Oberfläche der Wirbelsaite. Die peri- pherischen Dotterschichten der Embryonalzellen, welche die Aussenwand der Wirbelsaite zusammensetzen, verschmelzen während der Ausbildung der an die Stelle der Zellen tretenden, mit Flüssigkeit gefüllten Räume zu einer kontinuir- lichen Schicht, welche viel dicker ist, als die Dotterreste an den Scheide- wänden und auch mehr Kerne enthält. Von Zellen kann in jener Chordarinde nicht mehr die Rede sein; denn da die vakuolenartigen Räume schon zur Zeit, wann die Zellengrenzen an der Oberfläche der Wirbelsaite noch deutlich sind, ausnahmslos in diesen peripherischen Zellen angetroffen werden , so ist es klar, dass die Aussenwand der in der Umbildung begriffenen Wirbelsaite nur aus den peripherischen Dotterresten der bezeichneten Zellen hervorgeht, wobei der VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 353 grössere Theil der früheren Zellenkerne in diese Aussenwand gedrängt wird (Taf. X Fig. 184, Taf. VIII Fig. 155). Wo die hautartigen inneren Scheide- wände auf diese Aussenwand stossen, bildet die letztere als Ansatzstellen jener Innenwände leistenartige Vorsprünge, deren Entwickelung als Zwischenräume zwischen den rundlichen Vakuolen aus den Abbildungen hinlänglich erhellt (Taf. XI Fig. 197.198, Taf. X Fig. 185.186). In dem Masse als die Aussen- wand bei der folgenden Ausdehnung der inneren Chordasubstanz zwischen diesen Leisten sich verdünnt, werden die meisten Kerne in die letzteren verdrängt und dort bisweilen eckig geformt, während die wenigen in der dünnen Wand liegen bleibenden Kerne sich abplatten, gerade so wie es im Innern der Wirbel- saite geschieht. Während des Uebergangs aus der embryonalen Periode zur ersten Larvenperiode bildet sich die oberflächliche Schicht der Aussenwand der Wirbelsaite zu einer anfangs dünnen, festen und homogenen Masse um, welche stärker lichtbrechend ist als die innere Lage, deren Aussehen nach dem Schwunde der Dotterplättchen protoplasmaähnlich wird. Da diese beiden Schichten der Aussenwand zuerst nicht scharf getrennt erscheinen, und die innere überhaupt nicht aus Zellen besteht, so lässt sich meiner Ansicht nach die Bildung der äusseren Schicht mit den Kutikularausscheidungen wirklicher Zellenschichten nicht vergleichen. Ich sehe darin vielmehr den- selben Vorgang lokaler Umbildung der äussersten Dotterschichten wie bei der Bildung der inneren Scheidewände, wo sich ebenfalls eine homogene, kutikula- ähnliche Substanz von einer protoplasmatischen sondert. Jene äusserste Schicht der Wirbelsaite nimmt jedoch in der Folge an Mächtigkeit und Konsi- stenz so sehr zu, dass sie als selbstständige, von der inneren protoplasmatischen Schicht gesonderte Scheide der Wirbelsaite angesehen werden kann (Taf. XI). Diese von der ursprünglichen Wirbelsaite allein abstammende Hülle nenne ich zum Unterschiede von einer weiter unten zu erwähnenden äusseren die innere Scheide der Wirbelsaite. In der späteren Larvenzeit treten an ihr sehr scharfe (uerstreifen auf, und diesen entsprechend zerfällt sie schon an Weingeist- präparaten bei der Behandlung unter Wasser in schmale ringförmige Bänder. Aber auch die innere protoplasmatische Schicht der ursprünglichen Aussen- wand der Wirbelsaite bleibt nicht unverändert. Zur Zeit, wann die knorpeligen Wirbelstücke sich entwickeln, sehe ich an Durchschnitten sehr deutlich, dass die inneren Scheidewände nicht mehr unmittelbar in die leistenförmigen Vor- sprünge jener Schicht übergehen, sondern an deren Kanten sich in zwei Lamellen theilen, von deuen jede an der betreffenden Seite der Leiste hinab- GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 23 354 V]I. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. läuft und sich an der freien Fläche der bereits ungemein dünnen protoplas- matischen Schicht fortsetzt, um an der nächsten Leiste wieder in eme Scheide- wand überzugehen. Man kann also annehmen, dass ebenso wie an der Aussen- fläche der Chordarinde sich die innere Chordascheide absonderte, auch an der Innenseite im Anschlusse an die Scheidewände eine dünne homogene Membran entsteht, welche die mit Flüssigkeit gefüllten Fächer nach aussen abschliesst und beim Uebergange auf die inneren Scheidewände furchenartig eingezogen ist (Taf. X Fig. 186. 195). Sie bildet also mit diesen Scheidewänden ein kontinuirliches Ganze, das nach aussen vollkommen abgeschlossene Gerüst des sogenannten Gallertkörpers der Wirbelsaite. Den Zwischenraum zwischen diesem und der inneren Chordascheide füllt die protoplasmatische Schicht aus, welche also in die furchenartigen Einziehungen mit entsprechenden Leisten vorragt, in denen die sich vermehrenden Kerne vorherrschend sich ansammeln; in der Flächenansicht bilden daher diese mit Kernen reichlich durchsetzten Leisten ein Netzwerk, in dessen Maschen nur wenige platte Kerne anzutreffen sind. Von diesem Verhalten der protoplasmatischen Rindenschicht der Wirbelsaite überzeugt man sich auch leicht, wenn man die innere, aus dem geschlossenen Fachwerke bestehende Masse der Wirbelsaite, welche ich nach dem Vorgange anderer Forscher ebenfalls den Gallertkörper nennen will, von der Chorda- scheide abtrennt. Meist bleiben dabei allerdings die ganzen Leisten mit der sie bekleidenden Membran an der Chordascheide hängen, während die Scheide- wände abreissen und die peripherischen Fächer nach aussen geöffnet werden. Häufig fand ich aber bei dem angegebenen Versuch nur die Kerne mit der sie umhüllenden protoplasmatischen Masse an der Innenfläche der Scheide, während die dünneren peripherischen Fortsetzungen der Scheidewände des Gallertkörpers mit diesem im Zusammenhange blieben und ihn auch nach seiner Isolirung an der Oberfläche vollkommen abschlossen. — Auf diese Weise ist die ursprünglich aus Zellen bestehende Wirbelsaite in drei leicht zu unterscheidende Theile verwandelt, in den inneren Gallertkörper, die ihn zu- nächst umgebende protoplasmatische Rindenschicht* und die an die letztere Oo * Doch will ich nicht behaupten, dass die protoplasmatische Rindenschicht der Unken- larven später ebenso vollständig und kontinuirlich bleibt, als sie anfangs erscheint An Durchschnitten lässt es sich wegen der ungemeinen Dünnheit der Schicht zwischen den leistenförmigen Verdickungen überhaupt nicht nachweisen, und in der Flächenansicht fand ich das punktirte Aussehen, welches auf das Protoplasma schliessen lässt, beständig nur in der Umgebung der Kerne, vermisste es aber grösstentheils in den Maschen des oben be- zeichneten Netzwerkes. VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 355 sich anschliessende innere Chordascheide, von denen keiner mehr zelliger Natur ist. Von der Scheide versteht es sich von selbst, und für die protoplasmatische Rindenschicht habe ich es bereits nachgewiesen. Ebenso wenig kann ich die Fächer des Gallertkörpers als Zellen gelten lassen, da die Zusammensetzung von Zellenleib und Kern an ihnen nicht mehr besteht. Einmal können die Scheidewände, da sie niemals doppelt sondern stets einfach erscheinen, nicht mehr den durch sie geschiedenen Massen beigezählt werden, sondern bilden ein kontinuirliches, für sich bestehendes Fachwerk, sodass für den Nachweis von Zellen nur jene von demselben eingeschlossenen Massen in Betracht kommen können. Diese bestehen nach dem Schwunde der Dottersubstanz nur aus der gallertigen Flüssigkeit, in welcher die Kerne zum weitaus grössten Theile fehlen, da sie theils in die Substanz der Scheidewände, theils in die Rindenschicht gerathen sind. Diese Ausscheidung der Kerne aus der über- wiegenden Zahl jener eingeschlossenen Massen oder der bisher so genannten Chordazellen entscheidet, wie mir scheint, die Frage nach ihrer Zellennatur in verneinendem Sinne, selbst solange noch Dotterreste in ihnen vorkommen; was aber für die meisten von ihnen gilt, wird für die wenigen anderen desshalb, weil zufällig Kerne in ihnen zurückblieben, nicht in Abrede gestellt werden können, da für eine Lebensthätigkeit dieser Massen als solcher nicht der geringste Umstand spricht. Dass die Kerne für sich allen, solange sie wohl erhalten sind, ebensowohl im Gallertkörper wie in der protoplasmatischen Rindenschicht lebensfähig bleiben, werde ich später nachweisen. Dies ändert aber natürlich nichts an der Auffassung der ganzen im Fachwerke einge- schlossenen Massen. Diese Ergebnisse über die Umbildung der embryonalen Wirbelsaite habe ich , soweit sie von den bisher darüber vorgetragenen Ansichten wesentlich ab- weichen, erst nach häufig wiederholter Prüfung des Gegenstandes festgestellt, wobei ich ausser der Unke und gemeinen Kröte noch die Salamandrinen zur Untersuchung zog, deren Wirbelsaite ich aber auf den bisher betrachteten Entwickelungsstufen nur in nebensächlichen Dingen von derjenigen der Unke unterschieden fand (Taf. X Fig. 195). Ich erwähne daher bloss, dass in den Embryonen des Erdsalamanders die protoplasmatische Rindenschicht stärker ist, ihre Kerne, vielleicht in Folge frühzeitiger Theilungsvorgänge, zahlreicher erscheinen und die Dotterreste im Gallertkörper lange erhalten bleiben, wäh- rend die Tritonen in dieser Hinsicht ohngefähr die Mitte zwischen dem Erd- salamander und der Unke halten. Die wesentlichen Unterschiede beider 3% 23 356 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. Batrachiergruppen in der Entwickelung ihrer Wirbelsaite stellen sich erst später ein, nachdem die Bildung der Wirbelsäule begonnen hat, kommen daher erst bei der Besprechung der letzteren zur Erörterung. Man braucht nur die aufeinanderfolgenden Bilder der geschilderten Um- bildung der Wirbelsaite zu vergleichen, um einzusehen, dass dieser Vorgang nothwendig eine Vergrösserung des ganzen Organs und zwar zuerst vor- herrschend eine Verlängerung desselben hervorrufen müsse, da an die Stelle der scheibenförmigen Embryonalzellen mit ihrem kurzen sagittalen und be- deutend grösseren Querdurchmesser die grossen Höhlen oder Fächer mit all- seitig ziemlich gleichem Durchmesser getreten sind. Selbstverständlich ist eine solche Längenausdehnung der Wirbelsaite ohne eine entsprechende Ver- längerung des ganzen Embryo nicht möglich. Und wenn man weiter überlegt, (lass die Wirbelsaite sowohl mit dem Rückenmarke als dem Axenstrange des Darmblattes und durch diesen, wie ich später zeigen werde, mit den Segmen- ten im Zusammenhange bleibt, so muss man annehmen, dass die Umbildung der Wirbelsaite mit der Längenausdehnung des ganzen Embryo nicht nur im allgemeinen sondern in jedem einzelnen Abschnitte durchaus Hand in Hand geht. Damit stimmen auch alle Erscheinungen vollständig überein. Ich zeigte in der Entwickelungsgeschichte des mittleren Keimblattes, dass zuerst der Vorderkörper sich verlängert und zwar nach vorn auswächst, dass darauf der mittlere Rumpftheil dieser Umbildung unterworfen wird, und in Ueberein- stimmung mit der rückwärts fortschreitenden Segmentirung ganz zuletzt der Schwanz auszuwachsen beginnt (Taf. IT). Was nun bei diesen Vorgängen aus den verschiedenen Lageveränderungen, aus der Ausdehnung des Vorderdarms, aus der Verlängerung der Dotterzellenmasse u. s. w. erschlossen wurde, lässt sich aber noch einfacher an den leicht zu konstatirenden Umbildungen der Wirbelsaite übersehen. Die Vakuolen erscheinen zuerst über dem Vorder- darme, dann über dem Mitteldarme, während der kaudale Abschnitt der Wirbelsaite noch in der ersten Larvenperiode das Aussehen zeigt, welches dem flüchtigen Blicke geldrollenähnlich erscheint, und gegen das Ende hin noch seitlich zusammengedrückt ist. Daraus ergibt sich aber, dass und wie die histiologische Sonderung auch über ihre nächste Umgebung hinaus von allgemeinen morphologischen Vorgängen abhängig sein kann. — Das hinterste Ende der Wirbelsaite ist übrigens so lange, als die Vakuolenbildung dasselbe noch nicht erreicht hat, nicht spitz oder nur verjüngt, sondern bei der seitlichen Abplattung in der Medianebene verbreitert (Taf. II Fig. 35). Eine abge- VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 357 rundete Spitze entwickelt sich erst, wenn der Umbildungsprocess bis ans Ende vorgedrungen ist, besteht also nicht schon in dem hervorwachsenden Schwanze, wie v. BAMBECKE meint (Taf. XII Fig. 213). Jene runde Spitze krümmt sich alsdann sehr häufig aufwärts. An die ursprüngliche, bisher allein betrachtete Wirbelsaite schliesst sich schon während des Ueberganges des Embryo in den Larvenzustand ein Ge- bilde an, dessen ferneres Verhalten es rechtfertigt, wenn man es weiterhin als zur Wirbelsaite gehörig betrachtet. Es wurde schon erwähnt, dass die An- lage der Wirbelsaite in dem Masse, als sie sich aus der ursprünglichen ohnge- fähr vierkantigen Gestalt in einen cylindrischen Strang umbildet, sich von dem gleichfalls abgerundeten inneren Rande der Segmente, also von dem unteren Theile des späteren inneren Segmentblattes trennt, sodass sie von demselben jederseits nur tangential berührt wird. Sowie aber dessen ursprünglich fest zusammengefügte Embryonalzellen in Folge eines weiter unten zu betrachten- den Vorganges (vgl. den folgenden Abschnitt) zu einem lockeren Zusammen- hange auseinandertreten, füllen sie auch die Lücken aus, welche zwischen dem Rückenmarke, der Wirbelsaite und dem Axenstrange des Darmblattes einer- seits und den Segmenten andererseits entstanden waren, sodass die Wirbelsaite von den angrenzenden inner Segmentblättern wiederum eng umschlossen wird (Taf. VII). Sie bestehen alsdann aus einem Zellennetze, welches durch Dotterbildungszellen ergänzt und erweitert, endlich die ganze Oberfläche der Wirbelsaite überzieht und in dieser Ausdehnung sich in der Folge vollständig von den übrigen Segmenttheilen ablöst, um der Wirbelsaite eng anliegend eine röhrenförmige Scheide um dieselbe zu bilden — die äussere Chorda- scheide (Taf. X Fig. 187, Taf. XI Fig. 197.198). Ihre durch vielfache Fortsätze netzförmig zusammenhängenden Zellen platten sich von Anfang an unter dem Einflusse der sich ausdehnenden Wirbelsaite immer mehr ab; dabei werden sie nebst ihren ursprünglich fadenförmigen Fortsätzen immer breiter, die sie trennenden Lücken runder und kleiner, und endlich verschmelzen sie zu einer kontinuirlichen Schicht, in welcher nur noch die stark abgeplatteten, daher blassen und scheinbar grossen Kerne den Bestand der früheren Zellen andeuten (Taf. X Fig. 181. 188. 1859). Zugleich hat auch die Umbildung der Dottersubstanz zu einer fein punktirten protoplasmatischen Masse begonnen und zwar in der Weise, dass davon zuerst die ursprünglich peripherischen Zellentheile ergriffen werden, so dass die Dotterreste sich am längsten in der unmittelbaren Umgebung der Kerne erhalten. Diese Kerne theilen sich viel- 358 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. fach, und offenbar stehen damit die mannigfaltigen Formen im Zusammen- hange, welche man neben den ursprünglichen runden und ovalen häufig antrifft; auch bemerkte ich nicht selten kleinere und grössere helle Stellen im Innern der Kerne, welche bei geringem Umfange und mehrfacher Zahl als das impo- niren, was man gewöhnlich als Kernkörperchen bezeichnet, während die verhältnissmässig grossen Flecke, die mit den ersteren von gleicher Beschaffen- heit zu sein schienen, an die tropfenartigen Gebilde erinnern, welche ich als Umbildungskugeln in mehreren Organanlagen beschrieb und noch beschreiben werde, Dass jedoch dadurch die Zerstörung eines gewissen Theils der Kerne angedeutet werde, muss ich bezweifeln, da mir weitere Stufen einer solchen nicht zu Gesicht kamen. Während der andauernden Theilung und Ver- mehrung der Kerne nimmt die Mächtigkeit der ganzen Scheide in der zweiten Larvenperiode ansehnlich‘ zu, sodass die Kerne nicht mehr in einfacher, sondern in mehrfacher Lage angeordnet sind. In Durchschnitte eines ganzen Embryo grenzt sich.das Gewebe der äusseren Scheide gegen das umgebende Bildungsgewebe weniger scharf ab, als man es nach seiner Entstehung erwarten sollte; immerhin unterscheidet es sich von demselben durch sein dunkleres Aussehen, da ihm die klar durchsichtige Intercellularsubstanz des Bildungsge- webes fehlt*, und durch die Menge der im Durchschnittsbilde stabförmig erscheinenden platten Kerne, während die Zellenkerne und ganzen Zellen des Bildungsgewebes stets rundlich und spindelförmig erscheinen. Präparirt man aber die Wirbelsaite einer beliebigen Larve vor oder nach dem Erscheinen der knorpeligen Wirbelstücke heraus, so bleibt ihre äussere Scheide ausnahmslos mit der inneren in Zusammenhang und trennt sich ganz rein und leicht von dem umgebenden Gewebe, worauf es am Rande eine ganz scharfe äussere Grenzlinie zeigt. Zwischen beiden Chordascheiden erkennt man zur Zeit, wo dieselben eine gewisse Mächtigkeit erlangt haben, eine äusserst dünne, schein- bar homogene Membran, welche ich aber nicht zu isoliren vermochte. Bei der Trennung beider Chordascheiden blieb sie an der äusseren hängen, wesshalb ich sie mit W. Müruver für ein von der letzteren abgesetztes Pro- (lukt halte. Der Kopftheil der Wirbelsaite verhält sich bis auf seine von Anfang ‚an * Dies ist wohl auch’ der Grund, warum die Karminfarbe, welche die Intercellular- substanz des Bildungsgewebes nicht oder wenig angreift, die Grundsubstanz der äussern Ohordascheide leicht färbt. VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 359 schmächtigere Gestalt im wesentlichen ebenso, wie der Rumpf- und Schwanz- theil. Die Wirbelsaite wird im Kopfe ebenso wie im Rumpfe von den inneren oder den Stammsegmenten eingefasst, welche ebenfalls aus ihren medialen, der Wirbelsaite zunächst gelegenen, also den inneren Segmentblättern des Rumpfes entsprechenden Theilen ein lockeres Gewebe bilden (Taf. XIII—-XYV). Da dieses aus zackigen, durch ihre Fortsätze netzförmig mit einander anastomosi- renden Embryonalzellen bestehende Gewebe, dessen weite Zwischenräume von der bezeichneten Intercellularflüssigkeit eingenommen sind, die Lücken zwischen dien deutlich umschriebenen Anlagen bestimmter Organe und Gewebstheile ausfüllend zur Grundlage verschiedener Gewebe des entwickelten Thieres wird, so will ich es als interstitielles Bildungsgewebe bezeichnen. Ein solches entsteht nicht ausschliesslich aus den inneren Segmenten, sondern an andern Stellen auch aus den äusseren; doch haben wir es zunächst nur mit den ersteren zu thun. Da der Haupttheil des ersten inneren Kopfsegments, wie ich es früher beschrieb, von der Spitze der Wirbelsaite aus nach vorn zwischen Augapfel und Vorderhirn auswächst, andererseits eine Muskelbildung im zweiten Segmente nicht vorkommt, so ist es begreiflich, dass das Vorderende der Wirbelsaite eigentlich nur von jenem interstitiellen Bildungsgewebe umhüllt wird, welches abwärts an ddas Darmblatt, seitlich an die deutlich unterscheid- baren Anlagen der äusseren Segmente grenzt und aufwärts sich in einer dünneren Lage zwischen die letzteren und das Hirn fortsetzt (Taf. XILI—-XV, XVII Fig. 304). Dieses Gewebe liefert die äussere Chordascheide zunächst in einer einfachen Schicht abgeplatteter und später mit einander verschmelzen- der Zellen, wie es bereits beschrieben wurde (Taf. X Fig.181). Daran schliesst sich allseitig, jedoch mit einer gewissen Abgrenzung, das "weitmaschige Ge- webe, welches in seinen obersten und tiefsten Schichten für das Stammskelet nicht in Betracht kommt, weil daraus die zwischen dem letzteren und einerseits dem Centralnervensystem, andererseits dem Darmkanal des entwickelten Thieres befindlichen Theile (Bindegewebe, Gefässe, Nerven) hervorgehen. In den äusseren Seitentheilen des interstitiellen Bindegewebes erscheint nun während der ersten Larvenperiode, wenn der Darmkanal die ersten Krümmungen zeigt, eine Anzahl von embryonalen Blut- oder Dotterbildungszellen *, welche * Ich habe diese letztere Bezeichnung gewählt, weil die betreffenden Zellen als fertige Blutzellen noch nicht betrachtet werden können, sondern in derselben Gestalt sich in ver- schiedene Gewebe verwandeln, andererseits aber zum Unterschiede von den Embryonal- zellen nicht aus dem eigentlichen Keime, sondern von den Dotterzellen abstammen. 360 VI. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. alsdann durch ihre Grösse, die kugelrunde oder ovale Gestalt ohne alle Fort- sätze oder Spitzen und durch die noch vollständige Anfüllung mit Dotter- plättchen im allgemeinen von allen übrigen Embryonalzellen leicht unterschie- den werden können. Wie diese Dotterbildungszellen aus den Blutbahnen in das interstitielle Bildungsgewebe gelangen, soll später erläutert werden. Ihre erste Ansammlung zeigt sich an beiden Seiten der Chordaspitze in einer geringen Entfernung von derselben und wächst durch fortdauernde Anlagerung neuer Elemente jederseits zu einer Spange aus, welche den Basaltheil des Vorderhirns bogenförmig umfasst und dann etwas abwärts geneigt zur Seite der anatomischen Hirnbasis unter dem Sehnerven nach vorn sich erstreckt (Taf. XVI Fig. 305, Taf. XVII Fig. 314—316, Taf. XXI Fig. 377). Es erhellt aus den früheren Mittheilungen über die topographische Anordnung der Kopfanlagen, dass die bezeichneten Spangen dem Verlaufe des ersten inneren Segmentpaares, genauer dessen innerem unteren Rande folgen. Doch soll ihr weiteres Verhalten erst später, namentlich mit dem ganzen Kopfe ausführlich behandelt, und hier nur ihre Wurzel als der Ausgangspunkt und das vordere ‘nde der Anlagen der hinteren Schädelbasis in den Kreis der Unter- suchung gezogen werden. Von jener Ursprungsstelle der bezeichneten Spangen neben der Chordaspitze setzt sich nämlich die eigenthümliche, gleich näher zu schildernde Zellenansammlung jederseits in einem schmalen Streifen rückwärts fort und wird eben zur Grundlage der Schädelbasis von der den Hirnanhang aufnehmenden Sattelgrube an, welche ja unmittelbar vor der Chordaspitze entsteht, bis zum ersten Rumpfwirbel (Taf. XVIII Fig. 324). — Indem die Dotterbildungszellen in den weiten Maschen des interstitiellen Bildungsgewebes sich ablagern und sie ausfüllen, auf diese Weise aber auch die Zellen desselben in ihre Masse einschliessen,, bilden sie innerhalb dieses lockeren Gewebes kom- pakte Platten, welche durch die dichte Aneinanderfügung ihrer Zellen und (die damit verbundene Ausschliessung der flüssigen Intercellularsubstanz sich hinlänglich von dem umgebenden Gewebe unterscheiden (Taf. X Fig. 18T). Andererseits sind sie während längerer Zeit ebenso deutlich von der äusseren Chordascheide und ihren Umbildungsprodukten gesondert. Bevor die Platten sich im Knorpel verwandeln, besteht nämlich die äussere Chordascheide noch immer nicht aus vollständigen Zellen, sondern aus der durch die Verschmelzung der Embryonalzellen entstandenen kontinuirlichen Grundmasse mit den einge- lagerten freien und platten Kernen. Ausserdem liegen die letzteren kon- centrisch um die Wirbelsaite. Die Zellen der seitlichen Platten sind dagegen VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 361 durch ihre Aneinanderlagerung rundlich eckig geworden und entsprechend dem Zuge des früheren Bildungsgewebes mit ihren längsten Durchmessern meist schräg von aussen gegen die Seiten der Wirbelsaite gerichtet. Nachdem aber die Knorpelbildung eingetreten ist, erhält sich noch immer darin, dass dieselbe in der äusseren Chordascheide zum Theil später als in den Seitenplatten, zum Theil aber gar nicht erfolgt, eine Andeutung des zweifachen Ursprungs der hinteren Schädelbasis, nämlich aus zwei lateralen Platten und einem axialen Theile, zu dessen Herstellung übrigens nicht nur die äussere Chordascheide, sondern in geringerem Masse auch die Wirbelsaite selbst einen bleibenden Beitrag liefert. Was nun die Knorpelbildung der hmteren Schädelbasis betrifft, so geht sie in den bezeichneten Seitenplatten ganz einfach vor sich. Die daselbst über- wiegenden Dotterbildungszellen sind so wie die übrigen Embryonalzellen mem- branlos und fügen sich so eng zusammen, dass ich, wie erwähnt, eine besondere Zwischensubstanz nicht unterscheiden kann. Während nun ihre Dottersubstanz durch Auflösung der Dotterplättchen sich aufzuklären beginnt, zeigt sich statt des bisherigen zarten Umrisses ein scharfgezeichneter doppelt konturirter Saum, der Ausdruck emer starken, aus der oberflächlichen Dotterschicht entstandenen Hülle oder Kapsel. Ist die Dottersubstanz ganz aufgelöst, so erscheint die Zellsubstanz innerhalb der Kapsel hell, durchsichtig, der Kern mehr oder weniger rund. Während die nunmehr fertigen Knorpelzellen mit ihren Kapseln sich ansehnlich vergrössern und durch Theilung vermehren, bilden sich zwischen ihnen, namentlich um die Ecken herum, deutliche Lücken, welche in einen kontinuirlichen Zwischenraum zusammenfliessen und mit einer ziemlich festen Intercellularsubstanz angefüllt erscheinen. Wo der Knorpel an das interstitielle jildungsgewebe anstösst, bildet diese seine Intercellular- oder genauer gesagt Interkapsularsubstanz eimen fortlaufenden Saum, welcher sich bestimmt, wenn auch mit zarter Linie gegen die flüssige Intercellularsubstanz jenes (rewebes abgrenzt. Wenn daher die Knorpelkapseln als von den Zellenleibern abgelöste Schichten, die Interkapsularsubstanz als unmerkliche Abscheidung derselben Zellen entstanden gedacht werden müssen, so sehe ich mit GEGENBAUR (Nr. 88 S. 12) in der Entstehung beider Substanzen ebenso wenig einen triftigen Grund zu ikrer principiellen Unterscheidung wie in ihrem Ver- halten im fertigen Knorpel, wo die Kapseln bei der Zellentheilung, von welcher sie nicht mit betroffen werden, aus der Interkapsularsubstanz ergänzt werden. Beide Gebilde zusammen bilden also die eigentliche Intercellularsubstanz des 362 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 2 Knorpels. — An der Oberfläche der knorpelig werdenden Schädelbasis findet sich eine dünne Zellenlage von anderer Beschaffenheit. An senkrechten Durchschnitten, an denen allein sie sicher unterschieden werden kann, hat es den Anschein, als wären dort spindelförmige oder etwas abgeplattete Kerne in eine kontinuirliche Grundmasse eingebettet. Sie dürfte daher aus der die Knorpelanlage nach aussen abschliessenden Grenzschicht des interstitiellen Bildungsgewebes und zwar durch eine ähnliche Verschmelzung ihrer Zellen entstanden sein, wie ich sie an der äusseren Chordascheide beschrieb und noch von anderen Anlagen (vordere Schädelbasis, Schulterblatt) beschreiben werde. Beim Isoliren des Knorpels bleibt diese peripherische Zellenschicht, die Anlage des Perichondriums, ausnahmslos mit demselben in Zusammenhang, wie es namentlich leicht und deutlich an den Knorpelstücken der Rumpfwirbelsäule sich nachweisen lässt. Da nun die Gesammtanlage des Knorpels von den Erzeugnissen des umgebenden interstitiellen Bildungsgewebes nicht durch den verschiedenen Ursprung ihrer Substrate sondern nur durch die weitere histiolo- gische Umbildung sich unterscheidet, so darf das Perichondrium nach seiner ersten Zusammensetzung und Verbindung stets nur zu seiner knorpeligen Unterlage, nicht aber zu dem ausserhalb derselben entstehenden Bindegewebe gerechnet werden (vgl. den folgenden Abschnitt). Wenn die Seitenplatten der hinteren Schädelbasis in ziemlich einfacher Weise knorpelig werden, so ist die Bildung eines sie verbindenden axialen Knorpelstreifens an Stelle der Wirbelsaite und ihrer äusseren Scheide etwas umständlicher (Taf.]IX). Zunächst werden die Seitentheile der äussern Chorda- scheide, welche mit ihrer ganzen Fläche an die Seitenplatten anstossen, gleich- falls frühzeitig knorpelig und verschmelzen mit den letzteren zu einem kontinuirlichen Gewebe. Doch ist für die Beobachtung dieser Knorpelbildung die Schädelbasis kein günstiges Objekt, und verweise ich daher auf die Be- schreibung dieser Vorgänge an andern Stellen, wo die äussere Chordascheide leicht frei gelegt werden kann. Nachdem nun ihre Seitentheile zu Knorpel geworden, sind die übrigen Veränderungen des Axentheils der Schädelbasis in dessen vorderen und hinteren Abschnitten verschieden. An der Spitze der Wirbelsaite wird die Chordascheide alsbald auch oben und unten in Knorpel verwandelt, sodass die erstere allseitig von Knorpel eingeschlossen und durch eine starke Entwickelung desselben von den Seiten her zu einer senkrechten Platte zusammengepresst wird, welche bei oberer Ansicht der Schädelbasis wie ein feiner Faden aussieht (Taf. IX Fig. 167, Taf. XVILI Fig. 324. 529). Bei VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 363 dem fortgesetzten Drucke verschwindet die Spitze der Wirbelsaite endlich ganz, sodass die letztere nunmehr eine Strecke hinter dem Hirnanhange auf- hört. Im mittleren und hinteren Abschnitte des in Rede stehenden Schädel- theiles erhält sich die Wirbelsaite bei der oberen Ansicht scheinbar viel länger intakt; doch lehren Querdurchschnitte, dass ihre Atrophie dort viel früher eintritt, als man bei jener Ansicht erkennt. Gleich hinter der seitlich abge- platteten Spitze der Wirbelsaite unterbleibt in einem kurzen Stücke die Ver- knorpelung an der Oberseite der äusseren Scheide; sie wird dabei hautartig und schliesst sich seitlich an das Perichondrium der Seitenplatten an, sodass die Wirbelsaite nach Entfernung dieser Haut wie in einer Mulde nackt zu Tage liegt (Taf. IX Fig. 173). Dieses V.erhältniss ändert sich auch nicht, während das betreffende Stück der Wirbelsaite atrophirt; und wenn die Mulde dabei flacher wird, so geschieht dies zunächst nicht durch Verdickung ihres Bodens, welcher vielmehr unverändert dünn bleibt, sondern durch Verdünnung der seitlichen Knorpelplatten. So erscheint also die Wirbelsaite bei ihrer Atrophie in dem mittleren Theile der hinteren Schädelbasis nicht wie an der Spitze von den Seiten, sondern von oben nach unten zusammengefallen und muss daher bei oberer Ansicht in geringerem Grade zurückgebildet aussehen, als sie es in der That ist. Im hinteren Abschnitte der Schädelbasis entwickelt sich ihr Axentheil in ähnlicher Weise aber in umgekehrter Ordnung, sodass die Mulde nicht an der Oberseite, sondern an der Bauchseite entsteht (Fig. 169. 175). Dort lagen vorher die Muskelbündel, welche aus dem dritten und vierten inneren Segmentpaare hervorgingen, der Wirbelsaite von beiden Seiten eng an (Taf. XV Fig. 273—276); und wenn sie von den über ihnen entstehenden knorpeligen Seitenplatten abwärts und rückwärts verdrängt werden, so mag doch ihre frühere Lage die Ursache sein, dass jene Platten in ihrem hintersten Theile dicht hinter den Gehörorganen sich bereits über das übrige Niveau erheben und schräg von aussen und oben auf die Wirbelsaite oder vielmehr auf deren äussere Scheide stossen. Daher greifen sie mit einem medialen Rande auf deren Oberseite über und laufen seitlich, noch bevor sie die Bauchseite erreicht, gleichfalls mit einem zugeschärften Rande aus. Die äussere Chordascheide bleibt in diesem Abschnitte der Schädelbasis nur an der Bauchseite häutig; die übrigen oberen und seitlichen Theile verdicken sich, während sie knorpelig werden, ansehnlich, sodass man leicht erkennt, wie ihre Zellen entsprechend den früheren Kernen in einigen zur Wirbelsaite koncentri- schen Lagen angeordnet sind (vgl. Taf. IX Fig. 170. 176). Da diese Knorpel- 364 VI. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. zellen der Chordascheide zudem kleiner sind als diejenigen der Seitenplatten und ihre Intercellularsubstanz dunkler erscheint und sich imtensiver färbt als in jenen Platten, so lässt sich dort der Axentheil der Schädelbasis zu jeder Zeit von den Seitentheilen unterscheiden. Dieses sehr deutliche Verhalten im hintersten Abschnitte der Schädelbasis, welches sich innig an dasjenige der ersten Wirbel anschliesst, nähert sich nach vorn insofern dem umgekehrten Verhältnisse in der Mitte der Schädelbasis, als die seitlichen Knorpelplatten allmählich tiefer sinken und in dem Masse, als sie sich der Bauchseite der Wirbel- saitenähern, deren Oberseite wieder ganz der knorpeligen äusseren Scheide über- lassen, welche aber an derselben Stelle unten noch häutig ist. Soll nun diese Lage der Wirbelsaite in die umgekehrte übergehen, wie ich sie für den mittleren Abschnitt der Schädelbasis beschrieb, so erhellt, dass die Wirbelsaite an der Uebergangsstelle zugleich oben und unten entweder von Knorpel eingeschlossen oder nur von der häutigen Scheide bedeckt sein müsse. In der That ist nun das letztere der Fall (Fig. 164. 168. 174). In der Mitte des Larvenlebens ist an der bezeichneten Stelle die Kontinuität des Knorpels sowohl im der oberen wie in der unteren Mittellinie unterbrochen und die Lücke nur von der Wirbel- saite und dem häutigen Rücken- und Bauchtheile ihrer äusseren Scheide aus- gefüllt. Gegen das Ende der Larvenmetamorphose aber, wenn die Wirbel- saite in der hinteren Hälfte ihres Kopftheils durch die Verdickung des sie über- deckenden Knorpels an die Visceralfläche der ganzen Schädelbasis verdrängt und von oben her abgeplattet wird, füllt sie jene Lücke im Knorpel nur theil- weise aus, indem sie dort gleichsam selbst den Boden der muldenförmigen Vertiefung bildet, in welcher sie weiter nach vorn hin eingebettet liegt. Der Eindruck, welchen der Mediandurchschnitt einer solchen Schädelbasis hervor- ruft, lässt sich so bezeichnen, dass die Wirbelsaite die Axe der knorpeligen Schädelbasis schneidet und dieselbe unterbricht, um von deren unterer Fläche (hinten) an die Oberseite (vorn) zu gelangen (Fig. 165). Denkt man sich nun die knorpelige Decke der Wirbelsaite im Hinterkopfe mit ihrer knorpeligen Unterlage im vorderen Abschnitte der Schädelbasis fortlaufend verbunden, was thatsächlich während des völligen Schwundes der Wirbelsaite und unter gleichzeitiger Ausgleichung der sie früher beherbergenden Furchen geschieht, so wird die nunmehr kontinuirliche Knorpeltafel der hinteren Schädelbasis immerhin an der Stelle der vorher bestandenen Lücke eine gewisse Knickung von hinten und oben nach vorn und unten zu erkennen geben, wie ich es auch bei jungen, vollständig entwickelten Unken finde (Fig. 166). VI. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 365 Schliesslich bemerke ich noch über die Atrophie der Wirbelsaite, dass es mir an einigen Präparaten nachzuweisen gelang, dass der Knorpel, welcher später an ihrer Stelle gefunden wird, nicht überall aus einer Fortsetzung des umgebenden Knorpelgewebes, sondern theilweise aus ihr selbst hervorging. Nach vollständig beendeter Metamorphose finde ich die Wirbelsaite in der Oeccipitalgegend als platten Strang an der beinahe ebenen Bauchfläche der knorpeligen Schädelbasis; ihre frühere Zusammensetzung ist unkenntlich ge- worden, sie erscheint als undeutlich faseriges Gewebe und nur über ihr und zwar dem Knorpel fest angeheftet, welcher aus ihrer äussern Scheide hervor- ging, hat sich jenes dünne Häutchen unverändert erhalten, welches früher die beiden Scheiden trennte (Fig.166). Dieses Häutchen durchsetzt ganz deutlich die knorpelige Schädelbasis dort, wo sie früher unterbrochen war, nach vorn, worauf es sich in der Nähe ihrer oberen Seite verliert. An derselben Stelle geht aber der faserige, atrophische Rest der Wirbelsaite unmittelbar unter diesem Häutchen sich hinziehend in die Axe des Basalknorpels über, sodass mir die Umwandlung des betreffenden Chordatheils in Knorpel nicht zweifel- haft erschemt. Nur fehlen mir zusammenhängende Beobachtungen über den Vorgang dieser Umwandlung, sodass ich auf die noch mitzutheilenden Unter- suchungen über dieselbe Erscheinung an der Rumpfwirbelsäule unseres Thieres und der Tritonen verweisen muss. Hier sei also nur konstatirt, dass der Kopf- theil der Wirbelsaite vorn im Knorpel atrophirt und verschwindet, in der Mitte sich in Knorpel umbildet, hinten aber aus dem Oceipitalknorpel an dessen Pauchfläche verdrängt, sich in ein faseriges Band verwandelt. Dieses liegt aber immerhin innerhalb des Perichondriums, dem sich schon vorher der häutige Rest der äusseren Chordascheide angeschlossen hatte und welches später das Os sphenoideum oder das Parasphenoid (Nr. 90 8. 31, Nr. 89 8. 647, Nr. 113 8. 151) entwickelt (Taf. IX Fig. 164-166). Hinsichtlich der allgemeinen Gestalt der hinteren Schädelbasis muss zu- nächst bemerkt werden, dass ihre vordere Hälfte nicht nur zuerst entsteht, sondern während der ersten Larvenperiode und im Anfange der zweiten auch allein besteht. Die vorn aus ihr entspringenden Knorpelspangen haben schon längst die anatomische Hirnbasis umkreisend sich an deren Vorderende bogen- förmig geschlossen und so den Umfang der vorderen Schädelbasis um- schrieben, ehe die Seitenplatten der hinteren Schädelbasis bis hinter die Ohr- bläschen reichen. Dort angelangt finden sie eine bestimmte Grenze gegen die sich ihnen anschliessende Bildung der Rumpfwirbelsäule, worüber ich weiter 366 VI. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. unten das Nähere mittheilen werde. Alsdann bildet die hintere Schädelbasis, wenn man ihre Seitentheile mit dem Axentheile als ein Ganzes betrachtet, eine längliche Knorpeltafel, welche zwischen den Ohrbläschen am schmälsten ist, davor und dahinter aber sich etwas verbreitert, sodass ihre Seitenränder ausge- schweift erscheinen (Taf. XV III Fig. 329). Ihre erste Anlage verräth jeden- falls die Neigung, dem Hauptzuge des interstitiellen Bildungsgewebes, also der Innenfläche der Stammsegmente zu folgen und so zwischen den äusseren Segmenten und dem Hirne aufwärts zu wachsen (vgl. Taf. XV). Im grösseren mittleren Abschnitte werden jedoch die Ränder der hinteren Schädelbasis durch die Ohrbläschen daran verhindert, welche bei ihrer starken Ausdehnung sich dem Hinterhirne ziemlich eng anschmiegen. Daher bleibt die Schädel- basis in diesem Abschnitte auf den Raum zwischen den beiden Ohrbläschen und der Bauchseite des Hinterhirns beschränkt; und indem sich die letztere weiterhin eben ausbreitet, wird die sich anpassende Schädelbasis dort zu einer ebenfalls ebenen Platte (Taf. IX). Wo jenes Hinderniss ihrer seitlichen Aus- breitung fehlt, umwächst sie den ganzen Umfang der Hirnröhre nicht nur vorn mit den genannten Knorpelbögen sondern auch hmter den Ohrbläschen, zwischen diesen und dem ersten Rumpfwirbel (Taf. XV III Fig. 331, Taf. XIX Fig. 337). Dort entsteht gleichfalls ein vollständiger, breiter Ring um das Ende des Hinterhirns, welcher sich den davorliegenden Ohrbläschen dicht anschliesst. Während dieser Entwickelung der hinteren Schädelbasis entsteht rund um jedes (Gehörorgan eine knorpelige Kapsel, deren innerer unterer Rand mit der Schädelbasis verschmilzt. Dadurch kann leicht der Eindruck hervorgerufen werden, als sei wenigstens die horizontale, die Gehör- organe tragende, Platte jener Knorpelkapsel als unmittelbare Fortsetzung der knorpeligen Schädelbasis aus dieser hervorgewachsen. Einer solchen Auf- fassung widerspricht einfach der Umstand, dass die das Gehörbläschen über- ziehende Knorpellage am äussern Umfange desselben bereits entstanden ist, bevor der mittlere Theil der Schädelbasis auch nur angelegt ist, und dass sie nach innen förtwachsend erst nachträglich mit dem Seitenrande desselben zusammenstösst. Die knorpelige Ohrkapsel ist also dem eingeschlossenen Sinnesorgane eigenthümlich und entspricht durchaus den festen Kapseln der zwei anderen Sinnesorgane, von denen das Auge bei unserem Thiere gleichfalls eine dünne Knorpelschicht in der Sclerotica besitzt. — Anders verhält es sich mit den Knorpeltafeln, welche im Anschluss an die beiden Bogenpaare des Schädels einen Theil seiner Seitenwände und seines Daches bilden. Das VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 367 vordere Bogenpaar bildet, indem es sich zur anatomischen Hirnbasis nieder- senkt und dieselbe umkreist, einen Knorpelrahmen, innerhalb dessen man anfangs nur das indifferente Bildungsgewebe erkennt, welches von beiden Seiten in die dort früher befindliche Lücke des mittleren Keimblattes hinemgewuchert ist und alsdann gleichmässig den ganzen Raum zwischen dem Vorderhirne und dem Darmblatte ausfüllt (Taf. XVILI Fig. 322—324). Mitten in der ersten Larvenperiode sondert sich aus diesem Gewebe ein mit dem Knorpelrahmen zusammenhängendes, dichtes Netzwerk von etwas quergezogenen Zellen ab, dessen Maschen um so enger werden, je mehr sich die Zellen abplatten. Die Dottersubstanz ist in den letzteren bereits grösstentheils aufgelöst. Im An- fange der nächsten Periode lässt sich endlich eine festzusammenhängende, im Knorpelralımen lose ausgespannte Membran als Unterlage des Vorderhirns herauspräpariren. Statt des dichten Netzwerks erkennt man aber nur eine kontinuirliche Grundsubstanz, welche durchweg protoplasmaartig punktirt ist und die nunmehr rundlich gewordenen freien Kerne enthält; mit der Inter- cellularsubstanz des Knorpelrahmens hängt sie durchaus kontinuirlich zu- sammen. Von den früheren Zellengrenzen konnte ich dort keine Spur mehr entdecken, und da die Grundsubstanz durchweg den gleichen Charakter hat, so ist ein Grund für die Annahme, dass Zell- und Intercellularsubstanz trotz- ‘dem neben einander beständen und die Grenzen nur undeutlich wären, nicht vorhanden. Eine Vermehrung der Kerne geht genau in derselben Weise vor sich, wie ich es von der äussern Scheide beschrieb, sodass dieselben alsbald in mehrfacher Lage über einander liegen und häufig jene mannigfaltig ausge- schweiften Formen (Bisquit-, Bohnen-, Herzform) zeigen. Und wenn ich selbst bei diesen lebhaften Theilungsvorgängen jede Andeutung (diskreter Zellen- leiber vermisste, so musste diese Thatsache in mir den letzten Zweifel an der Richtigkeit der allerdings auffallenden Beobachtung zurückweisen, dass näm- lich die Embryonalzellen dem späteren Knorpelgewebe nur die Zellenkerne unmittelbar überliefern, nicht aber zugleich die zugehörigen Zellenleiber. Zur Zeit wann die ersten Spuren der knorpeligen Wirbelbögen im Rumpfe erschei- nen, beginnt auch die Knorpelbildung in der bezeichneten Schicht oder der vorderen Schädelbasis (Taf. X Fig. 190). Sie geht von den Rändern des Knorpelrahmens aus und setzt sich allmählich gegen die Mitte fort, und zwar schien sie mir stets am vorderen Ende anzufangen oder dort wenigstens rascher vorzurücken. Um die freien Kerne bildet sich dann zuerst eine äusserst zarte Grenze in einer solchen Entfernung, dass die benachbarten Grenzen sich 368 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. nicht berühren, sondern gleich ein gewisses Quantum einer Zwischensubstanz übrig lassen. Diese Grenzen erscheinen anfangs ebenso zart wie diejenigen membranloser Zellen, und ihre Gestalt entspricht weniger dem zugehörigen Kerne als seinem Abstande von den umgebenden Kernen, sodass sie meist rundlich eckig ist. Bald darauf verwandelt sich der zarte Umriss in den Durchschnitt einer derben, doppelt konturirten Membran, eben der Knorpel- kapsel; und damit sind die Bestandtheile des fertigen Knorpels, der Zellen, Kapseln und der Interkapsularsubstanz gegeben. Ich will hierbei auf eine Erscheinung aufmerksam machen, welche, wie ich glaube, den bekannten Irrthum SCHwAnNSs, die Abhebung der Zellmembran vom Kerne betreffend, zu erklären im Stande ist. An den noch freien Kernen sehe ich häufig und zwar meist eine kurze Zeit vor dem Beginne der Knorpelbildung einen sehr feinen aber deutlichen hellen Saum, welcher um so mehr auffallen muss, als man gleichzeitig im der Grundsubstanz andere Veränderungen vermisst. An einzelnen Stellen, wo die Kerne besonders dicht liegen, umkreisen die zarten Umrisse der sich neu bildenden Knorpelzellen die Kerne in so geringer Entfernung, dass die betreffenden Durchmesser sehr wohl ein Mittelglied zwischen jenen freien Säumen und den grösseren Knorpelzellen darbieten und die Vermuthung erwecken können, als seien die Säume in der That die ersten Anlagen der neuen Zellenleiber, welche allmählich zu grösserem Durchmesser auswüchsen. Doch ergibt eine genauere Prüfung, dass die Säume bleibende Erscheinungen sind, also die Anlage des sie umgebenden Zellenleibes nicht sein können. Und wenn sie in den fertigen Zellen weniger auffallen, so mag es daran liegen, dass die Substanz der fertigen Knorpelzellen klarer ist und daher von den Säumen weniger als die früher punktirte Grundsubstanz oder endlich gar nicht absticht. — (Granz so wie an der vorderen Schädelbasis entsteht die Knorpelsubstanz in allen sekundären Schädeltheilen, d. h. solchen, welche sich erst nachträglich im unmittelbaren Anschlusse an das ursprüngliche Knorpelgerüst, nämlich die hintere Schädelbasis mit ihren beiden Bogenpaaren entwickeln. Dazu gehören die Seitenwände der vorderen Schädelkapsel und gewisse Theile des Schädel- ddaches, welche erst später ausführlich behandelt werden. Wenn man von den eben mitgetheilten Beobachtungen zunächst die Kontinuität der beiderlei Anlagen und den ununterbrochenen Fortgang der Knorpelbildung von den primären Schädeltheilen in die sekundären hinein ins Auge fasst, so müssen die letzteren unzweifelhaft als wirkliche, durch Anlage- rung entstandene und durch Anpassung weiter gebildete Fortsetzungen der VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 369 ersteren erscheinen. Erinnert man sich aber an ihre histiologische Entwickelung, so muss mit Recht auffallen, dass die einzelnen Theile eines und desselben kontinuirlichen Gewebes auf die beschriebene, scheinbar verschiedene Weise entstehen. Dies kann auf den verschiedenen Ursprung der Embryonal- und Dotterbildungszellen nicht zurückgeführt werden. Denn abgesehen davon, dass die Beobachtung in beiden Zellenarten eine verschiedene innere Zusammen- setzung nicht nachzuweisen vermag, kommen dieselben neben einander in beiderlei Schädeltheilen, den primären wie den sekundären vor, da, wie ich später ausführen werde, die. Vermehrung des ganzen Bildungsgewebes auf einer Einwanderung von Dotterbildungszellen zwischen die übrigen Embryonal- zellen beruht. Zudem wird aus der folgenden Beschreibung der Entwickelung der Rumpfwirbel hervorgehen, dass deren Bögen, obgleich morphologisch den Seitenplatten und Bögen der hinteren Schädelbasis gleichwerthig, histiologisch genau so sich entwickeln, wie die sekundären Schädeltheile. Wenn es also feststeht, dass die beiden Arten der Knorpelbildung weder nach der Anlage noch nach dem schliesslich erzeugten Gewebe sich unterscheiden, so lehrt andererseits eine genauere Ueberlegung, dass jene Unterschiede nur viel grösser erscheinen, als sie wirklich sind und sich im Grunde auf unwesentliche Abweichungen zurückführen lassen. Allerdings scheinen die Zellen der Seiten- platten unmittelbar in Knorpelzellen überzugehen, während im übrigen Knorpel nur die Kerne der Embryonalzellen in ihrem ursprünglichen Bestande erhalten bleiben. Wenn man aber überlegt, dass die Knorpelkapseln in den Seitenplatten unmöglich ausserhalb der sich theilweise berührenden Zellen abgelagert, sondern nur aus deren umgebildeter peripherischen Schicht hervor- gegangen sein können, dass sie aber nach ihrer Vollendung jedenfalls intercellu- läre Gebilde sind, so folgt daraus, dass die von ihnen eingeschlossenen Knorpel- zellen nicht aus den ganzen intakten Embryonalzellen, sondern nur je aus dem Kerne und der ihn zunächst umgebenden Protoplasmaschicht entstanden, wie es ja auch bei der zweiten Art der Knorpelbildung der Fall ist. Da wir ferner aus der letzteren lernen, dass die- Kapsel- und damit die Knorpelzellen- bildung von einer Präexistenz vollständiger Zellen unabhängig, dagegen nur um präexistirende Kerne erfolgt, so können wir diese Erfahrung auch für die Seitenplatten anziehen, sodass also in beiden Fällen der Knorpelbildung gleicherweise bloss die Kerne als thätige Faktoren in Betracht kämen. Die einzigen noch übrigen Unterschiede ‚- die sich aber weder auf die Substanz der Knorpelelemente noch auf ihre nächsten Bildungsursachen beziehen, beständen GoETTE, Entwickelungsgeschichte, 24 370 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. also darin, dass die Zellen der Seitenplatten vor ihrer Umwandlung scheinbar nicht verschmelzen und zwischen den Knorpelkapseln nicht gleich anfangs eine deutliche Zwischensubstanz zu bemerken ist. Gegenüber der Thatsache, dass die Integrität der Zellen für die Knorpelentwickelung bedeutungslos ist, wird auch jener erstgenannte Unterschied so unwesentlich, dass es kaum nöthig scheint, darauf hinzuweisen, dass er bei dem schnellen Verlaufe der Verwandlung nicht einmal unzweifelhaft erwiesen werden kann. Was nun aber den zweiten Punkt betrifft, so kann nur die Abwesenheit einer hinreichend deutlichen ursprünglichen Interkapsularsubstanz, nicht aber einer solchen überhaupt in äusserst dünner Schicht behauptet werden, da die eben entstan- denen Kapseln durchaus nicht allseitig, namentlich nicht an den Ecken ein- ander berühren. So bleibt also als einziger nennenswerther. Unterschied zwischen den beiden auf den ersten Anblick scheinbar so sehr abweichenden Knorpelbildungsarten die wechselnde Menge der ursprünglichen Interkapsular- substanz übrig; ein hinreichender Grund, um dieselben einander wesentlich gleich zu setzen. Jene quantitative Differenz ‚lässt sich aber daraus erklären, dass die Seitenplatten der Schädelbasis in der ersten Larvenperiode angelegt werden, also zu einer Zeit, wo eine allgemeine Ernährung der Gewebe und ihrer mit Dotter gefüllten Zellen noch nicht stattfindet, während die übrigen Knorpelbildungen des Schädels und der Rumpfwirbelsäule in die zweite Larvenperiode fallen, wo eine solche Nahrungsaufnahme in sehr lebhafter Weise vor sich geht. Damit hängt auch das histiologisch verschiedene Wachs- thum in jenen älteren und den jüngeren Knorpelanlagen zusammen. In der ersten Larvenperiode ist die Vermehrung der Zellen durch Theilung gar nicht so bedeutend, als man vielleicht anzunehmen geneigt sein möchte, um die aus dichten Zellenansammlungen hervorgehenden Anlagen zu erklären. Wäre die Zellentheilung in der angegebenen Zeit nur einigermassen lebhaft, so müssten die emzelnen Zellen, da sie durch Nahrungsaufnahme noch nicht wachsen können, sich ebenso rasch verkleinern, wie es im Anfange der Embryonal- entwickelung geschah. Dies ist aber ebenso wenig der Fall, als Theilungsvor- gänge in dieser Zeit leicht zur Anschauung zu bringen sind; andererseits erklärt aber die massenhafte Einwanderung der Dotterbildungszellen hinläng- lich die Vermehrung der Elemente. Desshalb wachsen auch die Anlagen durch An- und Einlagerung neuer Elemente von aussen her. Im Anfange der zweiten Larvenperiode hört die Einwanderung der Dotterbildungszellen auf, tritt aber dafür eine wirkliche Ernährung der metamorphosirten Elemente ein u) VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 371 © und ruft daher die lebhafte, leicht zu beobachtende Theilung derselben hervor. Unter solchen Umständen müssen aber die Anlagen gleichsam von innen heraus ohne Zuhülfenahme ihnen fremder Elemente sich ausdehnen. Dass unter dem Einflusse dieser aus der Theilung zu erschliessenden reichlichen Ernährung nicht nur die Zahl der Elemente, sondern auch ihre Grösse und die Menge der von ihnen abstammenden Zwischenzellensubstanz zunehmen muss, bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung. Der Antheil dieser Vergrösserung der Knorpelzellen und der relativen Zunahme der Interkapsularsubstanz an der ganzen Massenzunahme des Knorpels wird aber vielleicht überhaupt unter- schätzt; sowie andererseits seine Ausdehnung an gewissen Stellen, namentlich an der hinteren Schädelbasis viel weniger auf einer Massenzunahme als einer Abnahme seiner Mächtigkeit, also einer Verschiebung der sich gleich bleiben- den Masse aus der Dicke in die Breite beruht (Taf. IX Fig. 167—170.1753—170). Aus diesen Betrachtungen ergibt sich aber, dass mit demselben Ausdrucke des Wachsthums sowohl nach ihren Ursachen und ihrer Entwickelung, als auch nach ihrem Enderfolge verschiedene Erscheinungen bezeichnet werden, sodass weder die Zellentheilung zu jeder Zeit als Mass der allgemeinen Vergrösserung einer Anlage, noch umgekehrt die letztere als Beweis einer entsprechenden Zellenvermehrung durch Theilung oder überhaupt einer wirklichen Ernährung angenommen werden darf. Wenn es nun gelingt in Betreff der histiologischen Entwickelung für die ganze knorpelige Schädelkapsel im wesentlichen eine Uebereinstimmung nach- zuweisen, so fehlt doch eine solche in morphologisch genetischer Hinsicht, wie aus der Beschreibung hervorgegangen sein wird. Zunächst muss man von den Theilen ganz absehen, welche nur accessorisch zur Herstellung der knorpeligen Hirnkapsel beitragen, nämlich die Gehörorgane und später zu erwähnende Knorpeltheile des ersten äusseren Segments (grosser Flügelknorpel). Ferner ist zu unterscheiden zwischen den Theilen, welche schon im histiologisch indifferenten Zustande morphologisch bestimmte und selbstständige Anlagen besitzen und solchen, welche sich erst nachträglich durch histiologische Differenzirung jenen ersteren anschliessen, dieselben gleichsam nur vergrössern, ohne selbst in besonderer Form angelegt gewesen zu sein. Es erhellt aus der früheren Darstellung, dass in die erste Kategorie der von der Wirbelsaite und ihrer äusseren Scheide gebildete Axentheil der hinteren Schädelbasis und die sich daran schliessenden Seitenplatten mit dem vorderen und dem hinteren Bogenpaare gehören, welche also die eigentlichen typischen Grundlagen des * 24 372 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. Schädels darstellen, während die zur zweiten Kategorie zählenden Knorpel- platten, welche im Anschluss an das erste Bogenpaar den grössten Theil der vorderen Hirnkapsel und zwischen den Gehörorganen ebenso den grössten Theil des hinteren Schädeldaches bilden, nur als nachträglich ergänzende und daher dem allgemeinen Typus fremde Theile betrachtet werden müssen. Aber jene Grundlagen des Schädels bilden weder nach ihrem Ursprunge (Wirbel- saite, Segmente, Dotterzellen) noch morphologisch ein Ganzes, indem, wie erwähnt, der Axentheil und die Seitenplatten bis in das spätere Larvenleben hinein unterscheidbar bleiben, um dann untereinander und mit den histiolo- gisch angepassten und den accessorischen Theilen zu einer einheitlichen ana- tomischen Bildung, der knorpeligen Schädelkapsel, zu verschmelzen. — Es lässt sich also nicht verkennen, dass wir bei der Betrachtung der Schädel- bildung das Gebiet der früher bezeichneten morphologischen Entwickelung verlassen haben, so sehr auch vom Standpunkte anatomischer Betrachtung aus aller Schein dagegen spricht. Erst nachdem die beschriebenen typischen Grundlagen des Schädels in allen ihren Theilen knorpelig geworden und mit Ausnahme des hinteren Bogenpaares, welches noch in Gestalt zweier kurzer Fortsätze der Seiten- platten erscheint, wesentlich fertig ausgebildet sind, beginnt die Entwickelung der knorpeligen Rumpfwirbelsäule. — Wie man sich erinnern wird, liegen (die dorsalen Anlagen anfangs dicht zusammengefügt; durch die nachfolgende Abrundung ihrer Kanten und die fassförmige Umbildung des Frontaldurch- schnitts der Segmente entstehen zwischen jenen Anlagen Zwischenräume, welche mit der allgemeinen interstitiellen Flüssigkeit angefüllt sind. Die letztere dringt darauf im die Anlagen der Wirbelsaite und des interstitiellen sildungsgewebes (äussere Segmentschicht, inneres Segmentblatt) ein, sammelt sich aber dort intracellulär, hier intercellulär in ansehnlicher Menge an. Die damit verbundene Anschwellung zerstört daher die morphologische Anlage der Wirbelsaite nicht, welche ihren Zusammenhang und im wesentlichen ihre eylin- drische Gestalt behält, d.h. bei ihrer Vergrösserung mehr ihre Umgebung beein- flusst als von ihr in Schranken gehalten wird. Die Zwischenzellenflüssigkeit des interstitiellen Bildungsgewebes ist dagegen in keine ihr eigenthümlichen Grenzen eingeschlossen, wesshalb ihre Ansammlung und die weitere Ausbil- dung des dadurch erzeugten und durch die eingeschwemmten Dotterbildungs- zellen fortwährend wachsenden interstitiellen Bildungsgewebes sich nach den Zwischenräumen richten, welche durch die vorhandenen morphologischen An- VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 37: lagen bestimmt werden. Die aufquellende Wirbelsaite findet in der senk- rechten Richtung anfangs keinen Widerstand, da die seitliche Abplattung des ganzen Körpers die Darmanlage tiefer hinabdrängt, als es die ungehinderte Ausbreitung der Wirbelsaite bedarf (Taf. XIII, XIV). Erst später, wenn zwischen diesen beiden Theilen andere Organanlagen Platz gegriffen haben, platten sich Rückenmark und Wirbelsaite an den gegeneinander gedrückten Flächen etwas ab, und dasselbe geschieht auch theilweise an der Bauchseite der Wirbelsaite gegen die darunter liegende Aorta (Taf. XI Fig. 198). Bemerkenswerther ist der Einfluss der anschwellenden Wirbelsaite auf die seitlich sie einfassenden Segmente. Diese werden von den konvexen Seiten der Wirbelsaite eingedrückt, und daraus erklärt sich, dass dort das innere Segment- blatt bis auf eine gleich zu erwähnende, nach der Masse unbedeutende Anlage (Spinalnervenstamm) zur Herstellung der dünnen äusseren Chordascheide ver- braucht wird, sodass, wenn man darauf die letztere zur Wirbelsaite rechnet, diese unmittelbar an die Segmentkerne, die Anlagen der Stammuskelplatten anstösst. Der spätere Abschluss jener Scheide an der Ober- und der Bauchseite der Wirbelsaite vollzieht sich unter ähnlichen Raumbedingungen. Ganz anders ge- stalten sich dieselben für die oberen Theile des inneren Segmentblattes. Indem das Rückenmark längere Zeit keme wahrnehmbare Verbreiterung zeigt, also relativ schmäler wird als die anschwellende und die Segmente auseinander- drängende Wirbelsaite, erhalten die das Rückenmark einfassenden Abschnitte des inneren Segmentblattes gerade einen grösseren Raum zu ihrer Ausbreitung (Taf. XKII—XV). Dieser kaum umgibt das Rückenmark seitlich in nahezu gleicher Weite, geht aufwärts ganz unbestimmt in das Gebiet der Membrana reuniens superior über, und endet abwärts auf jeder Seite etwas unterhalb der Basalebene des Rückenmarks dort, wo die Berührung desselben mit der Wirbel- ‚saite und später ihrer äusseren Scheide aufhört, und deren ebene Dorsalfläche mit einer deutlichen Kante in die gebogenen Seitenflächen übergeht. Dieser Raum wird nun von den inneren Segmentblättern in verschiedener Weise ausgefüllt. Bei dem fassförmigen Frontaldurchschnitte der ganzen Segmente bilden sie die plan-konvexen Schichten an deren Innenseite, welche anfangs das Rücken- mark mit ihren Bäuchen eindrücken, während dessen relativer Verschmälerung aber bis zu einer bloss tangentialen Berührung abrücken, sodass ihre senk- rechten vorderen und hinteren Ränder an den Grenzeinschnürungen je zweier Segmente vom Rückenmarke abstehen und mit demselben einen freien Raum einschliessen (Zaf. VII). Jedes Segmentblatt sondert nun gleich im Anfange 374 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. seiner weiteren Umbildung aus seinem dicksten ‚mittleren und das Rücken- mark berührenden Theile, also in annähernd senkrechter Richtung eine platte, strangförmige Anlage ab (Taf. XI Fig. 198, Taf. XII Fig. 214). Zur Seite der Wirbelsaite ist der untere dünne Theil dieser Anlage, der spätere Spinal- nervenstamm, ausser der Chordascheide das einzige Erzeugniss des inneren Segmentblattes. Zur Seite des Rückenmarks füllt die stärkere obere Hälfte des Stranges, die Anlage des Spinalganglions, den grösseren unteren Theil des oben beschriebenen Raumes zwischen dem Rückenmarke und den Stamm- muskelplatten vollständig aus; und dieses Verhältniss dauert noch längere Zeit an, indem das Spinalganglion in dem Masse beständig anschwillt, als jener Raum sich erweitert. Erst mit Berücksichtigung aller dieser Raumverhältnisse, welchen wesentlich mechanische Momente, insbesondere die Anschwellung der Wirbelsaite zu Grunde liegen, kann man eine klare Vorstellung gewinnen, in welcher Weise die zum interstitiellen Bildungsgewebe bestimmten Theile der inneren Segmentblätter von Anfang an angeordnet sind. Sie sind zunächst auf den seitlichen und in Verbindung mit der Membrana reuniens superior, welche ja theilweise ihre Fortsetzung darstellt, auf den oberen Umfang desRückenmarkes beschränkt; abwärts stossen sie auf den oberen Seitentheil der äusseren Chordascheide, welcher zwischen deren Anlagerung an das Rückenmark eimer- seits und andererseits an die Muskelplatten für jene Berührung mit dem inter- stitiellen Bildungsgewebe allein frei bleibt. Aber nur im oberen Umfange des Rückenmarks verläuft dieses Gewebe kontinuirlich; in seinem unteren Theile wird es an jedem Segmente durch die Anlage des Spinalganglions unter- brochen. Und da immer zwischen je zwei solchen Anlagen, wie erwähnt, gleich anfangs ein freier Raum bestand, so werden gerade dort, also den Scheidegrenzen der Segmente entsprechend, für die Ausbildung des intersti- tiellen Bildungsgewebes aus den miteinander verschmelzenden inneren Segment- blättern die günstigsten Bedingungen geschaffen. Die erste Organanlage, welche in diesem Bildungsgewebe erscheint, betrifft nun nicht Theile der künftigen Wirbelsäule, sondern eine besondere Umhüllung des Centralnervenorgans. Im unmittelbaren Umfange desselben bis zur Wirbelsaite hinab entwickelt sich nämlich eine zarte Gefässschicht, welche an ihrer Aussenfläche durch eine hautartige Verdickung und durch Pigmentablagerung sich frühzeitig von dem übrigen Bildungsgewebe abgrenzt (Taf. XI Fig.197. 198). Diese ganze Rücken- markshülle endet vorläufig an den oberen Kanten der Wirbelsaite und ihrer äusseren Scheide, d. h. an der Grenze ihrer innigen Anlagerung an das Rücken- VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 315 mark; erst später wächst sie zwischen beiden Organen auch an der Bauchseite des ersteren zusammen. Da jenes Pigment später die innere Auskleidung der Dura mater bildet, so ergibt sich daraus, dass jene erste gefässreiche Rücken- markshülle die Anlage der Pia mater vorstellt, zu welcher das Pigment in ähnlicher Weise gehört, wie das Pigmentepithel des embryonalen Auges zur Netzhautanlage. Selbstverständlich ist die Anlage der Pia mater anfangs ebenso wie das ihr zu Grunde liegende Bildungsgewebe in ihrer Kontinuität durch die Spmalganglien unterbrochen, Bevor nun die Dura mater sich um die erstere anlegt, finde ich die ersten Anzeichen der Wirbelbogenanlagen. Zwischen je zwei Spinalganglien und nach innen von den Stellen, wo die hinter einander liegenden Muskelplatten zusammenstossen, hat das die Rückenmarks- hülle umgebende Bildungsgewebe, wie ich es eben beschrieb, den ausgiebigsten Raum zu seiner Entwickelung. Im Grunde dieser durch die Spinalganglien getrennten Räume sammeln sich schon in der ersten Larvenperiode die einge- führten Dotterbildungszellen in ähnlicher Weise wie bei der ersten Anlage der Schädelbasis, also in den Zwischenräumen des Bildungsgewebes zu kleinen Häufchen an, welche unmittelbar den oben bezeichneten, dem Bildungsgewebe zunächst allem zugänglichen Stellen der äusseren Ohordascheide aufliegen (Fig. 195). Zuerst unterscheiden sich diese Zellenhäufchen von dem übrigen Bildungsgewebe nur durch ihre rundlich bleibenden und zusammengedrängten Elemente, da das netzförmige Gefüge des Bildungsgewebes wenigstens an (uerdurchschnitten nicht deutlich hervortritt, sodass man wohl zu der Ansicht geneigt sein könnte, einen wesentlichen Unterschied beider Theile überhaupt zu läugnen. Sobald aber die Anhäufung zu einer dichten Aneinanderlagerung der Elemente geführt hat, wird die Intercellularsubstanz des Bildungsgewebes dort ganz ausgeschlossen und somit eine abweichende histiologische Grundlage geschaffen. Diese Abweichung tritt noch klarer hervor, sobald die betreffen- den Zellen zu einer kontinuirlichen Grundmasse verschmelzen, in welcher die freigewordenen Kerne zerstreut liegen (Taf. X Fig. 188). Die auf solche Weise veränderten und gleich noch näher zu beschreibenden Zellenkonglo- merate sind nun die Anlagen der Wirbelbögen, welche also nach ihrem Ursprunge und ihrer Lage den Seitenplatten der hinteren Schädelbasis, nach ihrer weiteren histiologischen Entwickelung der vorderen Schädelbasis gleichen. Es sind daher die Wirbelbogenanlagen, sobald sie sich überhaupt gesondert haben, von dem übrigen interstitiellen Bildungsgewebe durchaus verschieden. Sie können aber auch nicht von der äusseren Chordascheide 376 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. abgeleitet werden; denn diese ist von den noch zelligen Wirbelbogenanlagen ebenso leicht wie von den anderen angrenzenden Geweben und Anlagen als zusammenhängende, hautartige Schicht zu trennen, und andererseits lagern sich die kugeligen Dotterbildungszellen der frühesten Wirbelbogenanlagen erst ab, nachdem die platten Zellen der äusseren Chordascheide bereits ver- schmolzen, also zu einer Proliferation überhaupt unfähig sind. Erst dann, wenn diese Veränderung auch in den Wirbelbogenanlagen eingetreten ist, ver- binden sie sich in dem Masse, als ihr Zusammenhang mit dem Bildungsgewebe abnimmt, ziemlich fest mit der äusseren Chordascheide. Aber selbst nach diesem Zeitpunkte lassen sich beide Theile, welche alsdann eine kontinuirliche Masse zu bilden scheinen, an gewissen Merkmalen auch weiterhin unterscheiden. Doch sind gute Querdurchschnitte aus der vorgeschrittenen zweiten Larven- periode schwer auszuführen und auch sonst für die vollständige Erkenntniss der Wirbelbogenanlagen nicht mehr geeignet, da die ursprüngliche Regel- mässigkeit aller Grenzen durch die mannigfaltigsten Verschiebungen gestört und in Folge dessen die Konstruktion plastischer Bilder aus den ebenen Schnitten erschwert ist. Dagegen gelingt die vollständige Präparation der ganzen embryonalen Wirbelsäule zu der angegebenen Zeit ohne alle Mühe, worauf man an glücklichen Präparaten die jüngsten Stufen der vollkommen gesonderten Wirbelbogenanlagen zur Ansicht bekommt* (Taf. X Fig. 188. 189). Die von ihrer äusseren Scheide umkleidete Wirbelsaite trägt seitlich von der abgeplatteten Oberseite eine Reihe flacher Anschwellungen, welche, wie es leicht festzustellen ist, an den Grenzen der Muskelplatten liegen, und deren Zwischenräume von den Ganglien ausgefüllt werden. Jene Anschwellungen oder die Wirbelbogenanlagen sind anfangs ganz flach und in der Längsrichtung des Körpers ausgedehnter als in der Querrichtung, sodass, wenn man sich die auf einer Seite hinter einander liegenden verbunden denkt, sie einer fortlaufenden, regelmässig ausgeschweiften niedrigen Leiste gleichen würden. Erst etwas später wächst ihr Mittelstück aus der leistenförmigen Basis als warzenförmige Erhabenheit hervor, worauf die ganzen Anlagen der gewöhnlichen Vorstellung *Es ist mir nicht möglich das betreffende Entwickelungsstadium durch besondere äussere Merkmale der Larve genau zu bezeichnen. Wenn man jedoch eine Anzahl von Larven, deren hintere Gliedmassen eben walzentörmig hervorgewachsen sind, in verschie- denen Grössen zusammensucht, so wird sich an der einen oder anderen die gewünschte Entwickelungsstufe der Wirbelsäule ohne grosse Mühe finden lassen. VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 377 von Wirbelbogenanlagen eher entsprechen. Von der äusseren Chordascheide, welcher sie fest aufsitzen, unterscheiden sie sich durch ihre zahlreicheren, rundlichen und nicht abgeplatteten Kerne, welche daher dunkler und deutlicher erscheinen als diejenigen der ersteren, welche in Folge ihrer Abplattung so blass sind, dass sie ohne künstliche Färbung kaum zur Anschauung zu bringen sind. Die freie Oberfläche der warzenförmigen Wirbelbogenanlagen trennt sich ganz glatt vom umgebenden Bildungsgewebe, sodass die homogene Grundmasse derselben, in welcher zudem die Leiber der künftigen Knorpelzellen und deren Intercellularsubstanz gemeinsam enthalten sind, schon in jener beständigen Sonderung einen von der Zwischenzellenflüssigkeit des Bildungsgewebes ver- schiedenen Ursprung andeutet. In der Aussenschicht unserer Anlagen finde ich ferner spindelförmige Kerne, und aus den folgenden Entwickelungsstufen ist es mir wahrscheinlich geworden, dass diese Schicht zum Perichondrium wird. — Noch während die Wirbelbogenanlagen warzenförmig erscheinen, beginnt ihre Umwandlung in Knorpel ganz in derselben Weise, wie ich es bereits von der vorderen Schädelbasis beschrieb‘; daher verweise ich dafür lediglich auf die Abbildungen (Taf. X Fig. 189. 190). Diese Knorpelbildung be- schränkt sich während längerer Zeit durchaus auf die Wirbelbogenanlagen, während die äussere Chordascheide ihre nichtzellige Beschaffenheit zunächst behält, sodass die allgemeine histiologische Uebereinstimmung beider genetisch verschiedenen Theile — freie Kerne in einer homogenen Grundmasse — nach kurzem Bestande wieder einer wesentlichen Verschiedenheit weicht. Und da selbst nach der relativ späten Verknorpelung der Chordascheide unter der Wurzel der Wirbelbögen gewisse Unterschiede der Interkapsularsubstanz be- stehen bleiben und dadurch die fortgesetzte Unterscheidung beider Skelet- anlagen ermöglichen, kann ich ihre weitere Entwickelung ganz getrennt betrachten. Für die Wirbelbogenanlagen ist noch nachträglich zu bemerken, dass sie nicht etwa alle gleichzeitig entstehen und sich fortbilden, sondern in der für alle dorsalen Bildungen massgebenden Reihenfolge, also die vorderen früher und schneller als die hinteren und die paarig zusammengehörigen gleichzeitig. Doch sind einzelne Abweichungen von dieser Regel nicht selten und namentlich korrespondiren die beiden Seiten häufig nicht miteinander. — Sobald die warzenförmigen Anlagen knorpelig geworden, wachsen sie aufwärts zu schlanken Spangen aus, welche der häutigen Röhre der Rückenmarkshüllen sich dicht anschmiegend nach innen konkave Bögen beschreiben. Da sie der 378 VII, Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. Grenze je zweier Muskelplatten entsprechend entstanden und auch bei ihrem weiteren Wachsthume dieser Grenze folgen, so biegen sie gleich dieser m der Höhe der Oberseite jener von ihnen umschlossenen Röhre nach hinten um und legen sich mit ihrer Spitze an die nächstfolgende Spange an, sodass nun Je zwei derselben ein Spinalganglion umkreisen (Taf. IX Fig. 171. 172.177. 179, Taf. XVIII Fig. 326. 327). An den Berührungsstellen der bogenförmigen Knorpelspangen bilden sich die beiderseitigen Gelenkfortsätze aus, und erst von der Ursprungsstelle seines hinteren Gelenkfortsatzes aus wächst jeder Bogen quer über den häutigen Rückenmarkskanal der Dura mater dem entsprechenden Stücke der anderen Seite entgegen, um sich mit ihm zu dem vollständigen Wirbelbogen zu vereinigen. Ein solcher entsteht also nicht aus zwei, von der Wirbelsaite her das Rückenmark in einer und derselben Quer- ebene umwachsenden Hälften, um mit den benachbarten Wirbelbögen erst durch frei hervorwachsende Gelenkfortsätze verbunden zu werden; sondern diese Verbindung wird von den ursprünglichen Bogenhälften selbst durch jene rückwärts gerichtete Biegung ausgeführt, sodass die bereits vollzogene Anlagerung jeder Bogenhälfte an die ihm nächste Stelle des dahinter liegenden Bogens erst die Bildung besonderer Gelenkfortsätze hervorruft. In Folge dieser Bogenbildung kann an senkrechten Querdurchschnitten natürlich niemals der ganze Wirbelbogen, sondern abwechselnd nur das Paar seiner aufstrebenden Seitentheile oder nur das sie verbindende obere Schlussstück zur Erscheinung kommen. In der eben beschriebenen Weise entwickeln sich vom Schädel angefangen neue Wirbelbogenpaare, hinter diesen aber noch zwei, deren Bildung etwas einfacher ist (Taf. XVIII Fig. 326. 327). Am zehnten Bogenpaare habe ich allerdings die seitliche Bogenbildung noch beobachtet, doch kommen dort hintere Gelenkfortsätze nicht zur Entwickelung; ob aber statt dessen die sich berührenden Knorpelbögen verschmelzen oder sich trennen, um später durch eine noch zu erwähnende Knochenbildung wieder verbunden zu werden, habe ich nicht ermitteln können. Am eilften Wirbelbogenpaare entwickeln sich nicht einmal mehr die Anlagen der Gelenkfortsätze; doch schliesst es sich oben zu einem vollständigen Wirbelbogen ab (Taf. XI Fig. 196, Taf. XIX Fig. 346). Diese beiden Wirbelbögen sind aber erheblich niedriger als die übrigen, da nicht nur ihre Scheitel unter die Höhe jener hinabsinken, sondern zugleich ihre Basis nach hinten zu ansteigt. Hinter dem eilften Wirbelbogen erscheint noch ein Paar Knorpelleisten, welche die Gestalt der allerersten Wirbelbogenanlagen - VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 379 bleibend behalten und da ich sie über das nächstfolgende zwölfte Spinalnerven- paar hinaus sich nicht erstrecken sah, als ein rudimentäres zwölftes Paar knorpeliger Wirbelbögen angesehen werden dürfen. Die Wirbelsäule der Unkenlarven besitzt also eilf vollständige und einen rudimentären knorpeligen Wirbelbogen. } Wie bereits frühere Untersuchungen festgestellt haben, beginnt die Ver- knöcherung der Wirbelbögen mit der Bildung einer oberflächlichen Faser- knochenschicht, welche aus dem Perichondrium entsteht und daher die Knorpelspangen wie eine Rinde überzieht. Ich habe es schon als wahrschein- lich ausgesprochen, dass das Perichondrium zur ursprünglichen Wirbelbogen- anlage gehört; daher kann ich auch den Faserknochen in seiner ersten Anlage nicht als eine nachträgliche Anlagerung betrachten. Doch schliessen sich später unzweifelhaft Zellen aus dem umgebenden Bildungsgewebe dem Peri- chondrium und Faserknochen an, um dieselben zu verstärken und wie ich gleich zeigen werde, über den Bereich der knorpeligen Unterlage fortzusetzen. Dieser Faserknochen entwickelt sich in der Weise, dass- zuerst die die Zellen ein- schliessende Grundmasse glasartig erhärtet, ohme körnige Kalkablagerungen erkennen zu lassen; darauf werden erst die anfangs platten oder länglichen Zellen, wie es scheint durch eine Art von Schrumpfung, zu den zackigen Formen der Knochenkörperchenanigebildet. Diese Knochenrinde überziehtaber nicht den ganzen Wirbelbogen, sondern hört zu beiden Seiten der Medianlinie des oberen Schlusses auf, sodass dort der Knorpel in einem schmalen, rückwärts sich etwas verbreiternden und vorspringenden Streifen offen zu Tage liegt (Taf. XIX Fig. 346). Dieses Knorpelstück erhält sich länger unverändert als der vom Faser- knochen bedeckte Knorpel, welcher einige Zeit nach der Metamorphose sich in Knochen umzuwandeln beginnt. Später erhält es einen eigenen Knochenkern. -— Soweit nun die Wirbelbögen die Spinalganglien gleichsam einrahmen, also an ihren aufsteigenden Wurzelstücken und am äusseren und unteren Umfange ihrer rückwärts gewandten, horizontalen Abschnitte, bildet der Faserknochen eine nach allen Seiten kontinuirlich abgeschlossene Hülse um jede Knorpel- spange. Anders verhält es sich aber an den übrigen Theilen der Wirbelbögen. Zwischen den horizontalen Seitentheilen, welche vorn und hinten in die Gelenk- fortsätze auslaufen, und der sie verbindenden queren Spange umfasst jeder Wirbelbogen einen Raum, welcher von dem davor liegenden queren Bogen- stücke zu einem annähernd halbmondförmigen abgeschlossen wird. In diesem Raume ist eine derbe, bindegewebige Membran ausgespannt, welche auf Durch- 380 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule, schnitten als eine von den Rändern der umgebenden Knorpelbögen entspringende unmittelbare Fortsetzung des Faserknochens sich darstellt (Taf. IX Fig. 171. 177, Taf. XI Fig. 196). Sie schliesst sich der Dura mater ebenso fest an wie die Wirbelbögen und verbindet dieselben zu einem kontinuirlichen Gewölbe, welches von den aufsteigenden Wurzelstücken wie von Säulen getragen wird. In diesem Gewölbe, welches mit seinen Seitenstützen und der sie tragenden festen Unterlage (Wirbelkörper) den weichen Rückenmarkshäuten erst den erforderlichen Halt verleiht, sind die knorpeligen queren Wirbelbogenstücke und die zwischen ihnen ausgespannten sehnigen Membranen oder dieZwischen- bogenbänder noch an ganz jungen Unken von gleicher Ausdehnung, während später die Bänder bedeutend verkürzt, die Wirbelbögen beinahe bis zur Berührung einander genähert erscheinen (Taf. XIX Fig. 346). Dieser schembar unwesentlichen Veränderung liegen aber nicht die gewöhnlichen Wachsthumsvorgänge zu Grunde, sondern sie wird hervorgerufen durch eine nachträgliche Verknöcherung jener Zwischenbogenbänder, soweit sie die nach hinten gerichtete Ausbiegung jedes Wirbelbogens ausfüllen. Dieser nengebildete Knochen, welcher am vorderen Rande einen medianen Einschnitt zeigt, ver- wächst vollständig mit dem ihn umfassenden ursprünglichen Wirbelbogen, welcher dadurch in seinem oberen Schlussstücke nach vorn um das Doppelte verbreitert wird und ferner seine Ausbiegung verliert, ‚sodass sein ganzer Ver- lauf nunmehr anders als in der Larve in eine Querebene fällt*. Jeder Wirbel- bogen emes älteren Thieres besteht also aus zwei genetisch gesonderten An- lagen, eine Thatsache, welche sich vielleicht auch bei anderen Wirbelthieren mit breiten Wirbelbögen nachweisen liesse. — Ueber die Umbildung des Knorpels in Knochensubstanz führe ich hier nichts an, weil dieser Vorgang einer relativ späten Lebenszeit unseres Thieres angehört und ferner auf das rein histiologische Gebiet beschränkt mit keiner Formumbildung der betreffen- den Skelettheile zusammenhängt. Dagegen ist an den Wirbelbögen noch einer wichtigen Neubildung zu gedenken, nämlich der Entwickelung der queren Fortsätze. An der Stelle, wo die Wirbelbögen nach hinten umbiegen, wachsen * Wenn man an einer solchen Wirbelsäule die in der Verknöcherung begriflienen knorpeligen Theile durch Kupfervitriol grün färbt, treten sie schon bei auffallendem Lichte deutlich hervor, indem die sie einfassenden und sich nicht färbenden Faserknochentheile durch das unterliegende Pigment der Rückenmarkshüllen dunkel erscheinen (ZVg. 346). VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 381 knorpelige Fortsätze aus ihnen heraus und quer zwischen je zwei aus den Seg- menten hervorgegangene Muskelbündel hinein, wobei ihnen der Weg durch eine Theilung der Muskelplatten in je eine obere und eine untere Masse vorge- zeichnet wird (Taf. X VIII Fig. 326. 327, Taf. XIX Fig. 338). Diese soge- nannten Querfortsätze der Wirbel liegen also in den Linien, in denen sich (die bindegewebigen Schichten schneiden, welche die Muskelmasse der Wirbel- säule theils quer, den Segmenten entsprechend, theils horizontal in zwei über einander liegende Hälften theilen; auf diese Weise bilden die Querfortsätze die Stützen dieses Bindegewebsgerüstes, ohne jedoch Differenzirungsprodukte desselben zu sein, da sie deutlich nachweisbar von den Wirbelbögen auswachsen. Diejenigen des 2.—4. Wirbelbogenpaares entwickeln sich erst, nachdem die seitlichen Bögen ganz vollendet sind, die übrigen noch später. Der erste und der eilfte Wirbel sind hiervon ausgeschlossen; doch habe ich ausnahmsweise auch an dem letzteren Querfortsätze gefunden. Diese Fortsätze sind lateral- wärts mehr oder weniger horizontal abgeplattet und verbreitert; und sobald sie eine gewisse Länge erreicht haben, erkennt man an ihnen eine Theilung in ein kürzeres Wurzelstück und ein längeres Aussenglied, indem die Zellen- masse in einer zur Länge des Fortsatzes queren, scheibenförmigen Schicht weicher bleibt und die Zellen länglich werden (Taf. X Fig. 192). Es ist die- selbe histiologische Umbildung, durch welche die Entwickelung der Zwischen- wirbelgelenke in den später zu erwähnenden Intervertebralwülsten eingeleitet wird; und indem dadurch in einigen der queren Wirbelfortsätze noch lange nach eingetretener Verknöcherung eine gewisse Beweglichkeit an jener Stelle erhalten bleibt, stehe ich nicht an, dieselbe für ein rudimentäres Gelenk zu erklären. Im allgemeinen ist diese Entwickelung allen queren Wirbelfortsätzen scmeinsam; das Mass ihrer Ausbildung wechselt aber nicht unerheblich in den verschiedenen Wirbeln (Taf. XIX Fig. 346). Die drei ersten Fortsätze (2.—4. Wirbel) sind gleich gebildet, ziemlich platt und breit, am Gelenke verdickt; der zweite derselben (dritter Wirbel) ist der längste und lässt daher die Einzel- heiten am bequemsten übersehen. Sein Aussenglied ist am Gelenke sehr dick, nach aussen davon aber an der Oberseite stark ausgeschweift, sodass es einen besonderen Gelenktheil mit leicht konkaver Gelenkfläche besitzt. Das laterale Ende ist namentlich rückwärts hakenförmig verbreitert, und diese hintere Spitze nähert sich dem entsprechenden Theile des folgenden Wirbels oft nicht unbeträchtlich. Die Verknöcherung unseres Fortsatzes beginnt ebenfalls mit einer Faserknochenrinde, welche am Wurzelstücke eine einfache Fortsetzung ’ 382 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. vom Wirbelbogen her und am Gelenkwulste unterbrochen ist, um am Aussen- oliede sich auf den mittleren Abschnitt zwischen dem Gelenktheile und dem breiten Ende zu beschränken. Die Verknöcherung des inneren Knorpels geht lem entsprechend von zwei durch das Gelenk getrennten Ossifikationspunkten im Wurzelstücke und im Aussengliede aus, sodass die ganze Gelenkpartie und das laterale Ende des Aussengliedes noch in vollständig entwickelten Unken knorpelig erscheinen. In älteren Thieren verknöchert endlich auch die erstere, lässt sich jedoch noch lange in einem queren Wulste oder Höcker etwa in der Mitte des ganzen Fortsatzes, wesentlich dem Gelenktheile des Aussengliedes, wieder erkennen; das freie Ende des letzteren verknöchert aber niemals, sondern bleibt durch das ganze Leben knorpelig. Aehnlich, nur bei etwas geringeren Massen, sind die Verhältnisse des ersten und dritten Fortsatzes. Die folgenden vier Fortsätze (5.—8. Wirbel) sind viel schmächtiger und kürzer als der zweite, und ihre Gelenke schwinden viel früher, wogegen die knorpeligen Enden sich ebenfalls dauernd erhalten. Diese Fortsätze sind in Ueberein- stimmung mit den Verschiebungen der queren Muskelgrenzen mehr oder weniger bogenförmig nach vorn gerichtet (vgl. Taf. XIX Fig. 343). Derselbe Verlauf und Erfolg der Verknöcherung wie bei ihnen findet sich auch am achten und neunten Fortsatze (9. und 10. Wirbel), welche nur in ihrer Gestalt auffällig abweichen. Der quere Fortsatz des neunten Wirbels ist bei der Unke bekanntlich in seinem lateralen Theile beilförmig verbreitert und ansehnlich srösser als alle übrigen, sodass sein knorpeliges Ende einen langen Saum bildet. Der letzte Fortsatz endlich ist nicht immer rudimentär entwickelt; an der von mir abgebildeten Wirbelsäule eines beinahe erwachsenen Thieres ist er auf der rechten Seite ebenso lang und nur schmäler als der vorangehende, sodass die Knorpelsäume beider zu einer kontinuirlichen Platte verschmolzen sind. Ob darin eine seltene Ausnahme oder ein häufigeres Vorkommen zu sehen ist, habe ich festzustellen versäumt; jedenfalls lässt ein solcher Befund vermuthen, dass auch an anderen, namentlich den vorderen Fortsätzen, deren Knorpelenden ich bisweilen einander sehr genähert antraf, dieselben gelegent- lich verschmelzen. — Damit schliesse ich die Entwickelungsgeschichte der Wirbelbögen, der lateralen paarigen Grundlagen der Wirbelsäule und wende mich zu dem unpaaren, axialen und zugleich ursprünglicheren Theile der Wirbelsaite und ihrer äusseren Scheide. Solange die knorpeligen Wirbelbögen noch wenig entwickelt sind, bleibt die äussere Chordascheide, der sie mit ihren länglichen Basen an der oberen VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 383 Seitenlinie aufsitzen, in dem schon früher beschriebenen, im ganzen Umfange der Wirbelsaite gleichförmigen Zustande. Ohngefähr zur Zeit, wenn die Quer- fortsätze sich entwickeln, hört der indifferente Zustand auf. Zunächst verdickt sich die ganze Oberseite der äusseren Chordascheide unter Vermehrung sowohl der Grundsubstanz wie der Kerne zu einer festeren Unterlage für die Wirbel- bögen, während ihre Bauch- und Seitentheile unverändert bleiben (Taf. IX Fig. 171.172). Sehr bald beginnt jene verdickte Oberseite sich in Knorpel- substanz zu verwandeln und zwar in der Weise, wie ich es für die Knorpel- bildung mit reichlicher, ursprünglicher Interkapsularsubstanz beschrieb, was sich also auch auf die Chordascheide in der Schädelbasis bezieht. Aber so wenig jene Verdickung eine ebene Platte darstellt, so wenig ist auch die Knorpelbildung in derselben eine nach Form, Ausbildung und Aenderung der Zellen fortlaufend gleichförmige. Da die ursprüngliche, leistenförmige Basis an jedem Wirbelbogen bestehen bleibt, so wird die äussere Chordascheide nur in der Mitte zwischen zwei Wirbelbogenpaaren, wo deren Basen aufhören, in ihrem ganzen Umfange frei daliegen; an diesen schmalen Stellen ist ihr Durchschnitt siegelringförmig. Im Bereiche der Wirbelbogenbasen wird aber ihre obere Platte, da sie viel schwächer ist als jene, von ihnen zu beiden Seiten eingedrückt, und ihre Masse daher gegen die Mitte zusammengedrängt. Und zwar beschränkt sich dieser Druck nicht bloss darauf, dass die mit der noch unveränderten Chordascheide verwachsenen Wirbelbogenbasen deren spätere Entwickelung von Anfang an beeinträchtigen; sondern indem sie sich in der Folge medianwärts verdicken und konvexe Anlagerungsflächen erhalten, wird die zwischenliegende Masse der Chordascheide thatsächlich zusammenge- drückt, sodass sie sogar in der Mitte etwas unter das Niveau der Wirbel- bogenwurzeln einsinkt (Taf. IX Fig. 177, Taf. X Fig. 192). Diese Auffassung wird wesentlich unterstützt durch die Bilder der Mediandurchschnitte (Zaf. IX Fig. 164). Aus diesen ergibt sich, dass jene freien intervertebralen, d.h. an der Scheidegrenze zweier künftigen Wirbel gelegenen und beiden gemeinsam angehörigen Abschnitte der Chordascheide anfangs mitsammt der Wirbelsaite quer nach oben ausgebogen sind, sodass die Rückenlinie beider Theile feston- artig verläuft, in den vertebralen Abschnitten sich einsenkt, in den interverte- bralen aber zu einer Spitze erhebt. Die aus diesen Durchschnittsbildern erschlossene plastische Form des axialen Haupttheils der künftigen Wirbel- körper ist also auch bei unserem Thiere, wenigstens im oberen Theile, die sogenannte doppelkegelförmige, welche ich mir eben dadurch entstanden \ 384 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. denke, dass die vertebralen Abschnitte durch die Wirbelbogenbasen zusammen- gedrückt und in Folge dessen die zugehörigen intervertebralen Theile in quere Erweiterungen hervorgedrängt werden. Und der weitere Verlauf der Entwicke- lung verleiht der Annahme dieser Formbedingungen noch einen Anhaltspunkt, indem die unbehinderten intervertebralen Abschnitte der Chordascheide gegen- über den zwischen den Wirbelbogenbasen eingezwängten vertebralen en auf- fallend überwiegendes Wachsthum zeigen, und zwar in Uebereinstimmung mit den vorausgesetzten Ursachen im querer Richtung. An diesen intervertebralen Stücken der äusseren Chordascheide kommt zunächst ebenso wie an den verte- bralen nur die dorsale, verdickte Platte in Betracht, welche dem Quer- (urchschnitte wie erwähnt die Form eines Siegelrings verleiht. Ihre starke Wucherung äussert sich darin, dass sie sehr bald nicht nur den von der Erweiterung der Wirbelsaite eingenommenen Raum jener dachförmigen Aus- biegung ausfüllt, sondern darüber hinaus zu einem nach innen vorragenden queren Wulste sich entwickelt, dessen fortdauernde Anschwellung die vorher weitesten intervertebralen Stellen der Wirbelsaite immer mehr von oben her zusammendrückt und abplattet (Taf. IX Fig. 164—166. 178). Diese nach oben und unten (aussen und innen) vorragenden intervertebralen Scheidentheile, die Intervertebralwülste, sind aber auch histiologisch von den verte- bralen in einer Weise unterschieden, dass daraus noch weitere Belege für meine Auffassung ihrer Formbedingungen geschöpft werden können (Taf. IN,X Fig. 191—195). In den vertebralen Abschnitten wird die dorsale Platte der äusseren Chordascheide sehr bald vollkommen knorpelig; die Merkmale aber, welche sie zu jeder Zeit sehr deutlich von den aufsitzenden Wirbelbogenbasen unterscheiden, sind die zur Wirbelsaite koncentrische Anordnung ihrer Zellen und das Aussehen der Interkapsularsubstanz, welche dunkler erscheint und sich intensiver färben lässt als in dem angrenzenden älteren Knorpel. Ausser- dem wachsen diese knorpeligen vertebralen Theile der Chordascheide kaum merklich und erhalten schr frühzeitig Kalkablagerungen. Unter den schräg aufsitzenden Wirbelbogenbasen verdünnen sie sich lateralwärts, um darauf die Seiten und die Bauchfläche der Wirbelsaite in dem unveränderten früheren Zustande als nichtzellige, hautartige Schicht zu umgeben. Viel später als in den eben beschriebenen Platten, den eigentlichen Kernen der künftigen Wirbelkörper, erscheinen jene histiologischen Umbildungen in den Inter- vertebralwülsten, welche ich daher nicht ohne weiteres Intervertebralknorpel nennen möchte, Schon in ihrer ersten, dachförmig ausgebogenen Anlage VII: Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 335 vermehren sich die freien Kerne in der weichen Grundmasse ansehnlich und strecken sich zugleich quer zur Körperaxe. In Uebereinstimmung mit der Wucherung der ganzen Wülste steigert sich die Vermehrung der verlängerten Kerne gegen die ideale Grenze zweier Wirbel; dort bilden sie lange Zeit eine dunkele Scheidewand, welche den Intervertebralwulst in seiner Mitte quer durchsetzt. Vor und hinter dieser Scheidewand, also gegen die anstossenden vertebralen Knorpelplatten nimmt die Anhäufung der Kerne allmählich ab, d. h. sie treten weiter auseinander, wobei sie ihre längliche Gestalt und quere Lage verlieren. Dort beginnt auch die Knorpelbildung, welche wie überall im entstehenden Knorpel durch mässig breite helle Säume um die freien Kerne eingeleitet wird, zuallererst, um erst später und allmählich gegen die mittlere Scheidewand des Intervertebralwulstes vorzudringen. Selbstverständlich wird durch das Auseinanderrücken der Zellen eine Vergrösserung der zur Knorpel- bildung vorbereiteten Masse herbeigeführt, welche darauf an die oben bezeichne- ten vertebralen Theile der anstossenden Wirbelkörper sich anschliesst und dadurch eine Längenzunahme derselben bedingt. Die vorderen und hinteren Hälften der Intervertebralwülste stellen also die Epiphysen der Wirbelkörper dar, welche, wie schon GEGENBAUR nachwies, das Längenwachsthum derselben wesentlich besorgen. Dies wird aber erst vollständig deutlich, wenn man sich (die Bedeutung der Verschiedenheit in den geschilderten histiologischen Zu- ständen vergegenwärtigt. Wenn es unserer Ueberlegung natürlich erscheinen möchte, dass überhaupt kein Gewebe in selbstthätig und stark wuchernden, sondern nur in relativ zur Ruhe gekommenen Theilen sich weiter differenziren kann, so muss dies ganz besonders für die von mir beobachtete Knorpelbildung selten, weil dort nicht bereits fertige Zellen sich umzubilden haben, sondern solche erst um freie Kerne herum hergestellt werden sollen. Daher lassen sich die frühzeitige Verknorpelung und Verkalkung der vertebralen Platten der äusseren Chordascheide füglich als eine Folge ihres langsameren Wachsthums betrachten, während die Verzögerung derselben Vorgänge in der unmittel- baren, intervertebralen Fortsetzung jener Platten auch schon vor dem Erschei- nen deutlicher Intervertebralwülste die Stellen andeutet, wo ein überwiegendes Wachsthum der äusseren Chordascheide sich vorbereitet. In innigem Zusammen- hange damit steht unzweifelhaft die längliche Form und quere Lage der sich rapid vermehrenden Kerne jener Wülste, indem sie ganz offenbar die Richtung angeben, in welcher die Wucherung der einzelnen Elemente und der ganzen Massen den freiesten Spielraum hat und andererseits dem stärksten Wider- GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 25 336 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. stande ausgesetzt ist. Die Intervertebralwülste deuten also die begünstigten Stellen der in einem gleichmässigen Wachsthum behinderten äusseren Chorda- scheide an, von welchen aus der angesammelte Bildungsstoff in dem Masse, als die vertebralen Widerstände seiner Ausdehnung bei der allgemeinen Verlänge- rung des Körpers auseinanderrücken, sich den ursprünglichen Mittelstücken der Wirbelkörper anpasst und sie verlängert. Nach dem Kausalzusammen- hange der Erscheinungen ist nun die Bildung der Intervertebralwülste, also auch der Wirbelkörper, für eine Folge der Wirbelbogenbildung anzusehen ; und da diese von den ursprünglichen Segmentgrenzen abhängt, so ist auch die Abgrenzung der ganzen Wirbelkörper, welche mit den Segmenten nicht korrespondiren, immerhin aus einer mittelbaren, mechanisch morphologischen Wirkung der allgemeinen Segmentirung zu erklären. Die bisher allein betrachteten dorsalen Theile der äusseren Chordascheide sind nun freilich die wichtigsten, aber nicht die einzigen Anlagen der Wirbelkörper, in welche vielmehr auch bei unserem Thiere die Wirbelsaite mit ihrer ganzen äusseren Scheide eingeht. Die lateralen und ventralen Theile der letzteren bleiben an den vertebralen wie an den intervertebralen Abschnitten lange Zeit in ihrer Textur vollständig indifferent; und selbst wenn endlich um ihre freien Kerne Zellen sich zu bilden anfangen, so bewahrt das Gewebe zunächst auch an den vertebralen Abschnitten, wo es aufwärts in die dorsalen Knorpelplatten übergeht, den indifferenten Charakter, welcher am meisten noch mit der Be- schaffenheit der scheidewandähnlichen Mitte der Intervertebralwülste überein- stimmt (Taf. IX,X). Weit auffälliger ist die morphologische Veränderung dieses grössten Theils der äusseren Chordascheide, welche sie aber nur im engsten Anschlusse an die Wirbelsaite ausführt. Ich erwähnte bereits, wie die Intervertebralwülste die darunterliegenden, vorher weitesten Abschnitte der Wirbelsaite von oben her zusammendrücken, sodass dort gerade interverte- brale Verengerungen derselben gegenüber den weiter bleibenden vertebralen Theilen entstehen.- Wenn man nun gegen das Ende der Larvenzeit die intervertebralen Chordaabschnitte ganz geschwunden sieht, so liegt es aller- dings nahe, diesen Schwund aus dem fortgesetzten Drucke der Intervertebral- wülste zu erklären. Bei näherer Untersuchung ergibt sich jedoch, dass eine Schrumpfung der Wirbelsaite unter entsprechender Faltung ihrer ganzen inneren und des häutigen Theils der äusseren Scheide zu einer Zeit eintritt, wann der Intervertebralwulst eben erst ihre Oberseite abgeplattet hat; und dieses andauernde Zusammenfallen der Wirbelsaite in senkrechter Richtung VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 387 e führt zu ihrem vollständigen Schwunde an den bezeichneten Stellen, wann die Intervertebralwülste etwa so tief hinabgewachsen sind, dass sie bei passivem Verhalten der Chorda erst deren Axenhöhe erreicht hätten (Fig. 164—166). Mag also die Atrophie der Wirbelsaite durch die Wirbelbildung gefördert werden, so ist doch ihr Schwund nicht der einfache Ausdruck des von den Intervertebralwülsten ausgeübten Druckes, sondern eine Folge ihrer inneren Destruktion, deren Beginn ich bereits in der zellenzerstörenden Entwickelung der Vakuolen erblicke. Während jenes Rückbildungsprocesses muss natürlich der gleichfalls"schrumpfende häutige Theil der äusseren Chordascheide seine beinahe ringförmige Gestalt einbüssen und zu einem ebenen, queren Bande werden, welches sich der Unterfläche des Intervertebralwulstes eng anschliesst. Dieses Band löst sich aber niemals von dem Wulste ab, dessen seitliche, untere Fortsetzung um die Wirbelsaite herum es ursprünglich war, sondern ver- schmilzt mit ihm nach dem Schwunde der letzteren in der ganzen Fläche, um an der Bauchfläche dieser Anlage eines Zwischenwirbelgelenks in die gleichen bindegewebigen Theile (Zwischenwirbelbänder) sich zu verwandeln, welche oben von den oherflächlichen Schichten des Intervertebralwulstes selbst ge- liefert werden. In der Gelenkregion geht also die Wirbelsaite, wenn sie auch nicht in den Knorpel aufgenommen wird, immerhin innerhalb der einheitlichen Wirbelanlage zu Grunde. — Noch deutlicher wird ihre Aufnahme in den Wirbelkörper an den vertebralen Abschnitten. Dort fällt ihr Schwund ganz auf Rechnung ihrer Atrophie, indem der darüberliegende Mitteltheil des Wirbelkörpers seine zuerst gewonnene Form so gut wie gar nicht verändert, also als eine in der Querrichtung nur wenig gewölbte Platte auf der Wirbel- 'saite ruhen bleibt. Natürlich kann aber die letztere in diesen vertebralen Abschnitten nicht so schnell schwinden wie unter den abwärts wuchernden Intervertebralwülsten. Denn zur Zeit, wann die schrumpfende äussere Chorda- scheide die letzteren bereits mit ihrer ganzen Fläche berührt, besteht zwischen ihr und dem Mittelstücke jedes Wirbelkörpers noch ein viereckiger Raum, dessen Höhe gleich ist dem Masse der unteren Vorragung der ihn vorn und hinten abschliessenden Intervertebralwülste, und welcher noch von den verte- bralen Resten der Wirbelsaite gefüllt ist; diese Theile sind also auch bei den Unken die am längsten persistirenden. Jene allseitig geschlossenen Räume und die sie ausfüllenden Chordareste nehmen weiterhin in dem Masse ab, als die unteren Vorragungen der Intervertebralwülste bei dem beschriebenen Längenwachsthum des Wirbelkörpers sich zurückbilden; endlich beschränken 25,” 388 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. sie sich nur noch auf die flache Wölbung des knorpeligen Wirbelkörpers, wor- auf der Atrophie der Wirbelsaite in eigenthümlicher, gleich näher zu beschrei- bender Weise ein Ziel gesteckt wird. Die zugehörigen unteren Theile der äusseren Chordascheide geben nun freilich gegen das Ende des geschilderten Rückbildungsprocesses ihren ursprünglichen kontinuirlichen Zusammenhang mit den knorpeligen dorsalen Scheidentheilen oder eben dem Mittelstücke des Wirbelkörpers auf, lösen sich aber dort, d. h. an der unteren Grenze der Wirbelbogenbasen durchaus nicht von dem betreffenden Wirbel ab, sondern passen sich ähnlich wie an den Intervertebralwülsten der anstossenden ober- flächlichen Skeletschicht, nämlielr dem Faserknochen an (Fig. 193). Es ver- wandelt sich also’ der vertebrale untere Abschnitt der äusseren Chordascheide schliesslich in die periostale Knochenrinde an der Bauchfläche des Wirbel- körpers und geht somit ganz offenbar in den Bestand desselben ein, sowie er jederzeit die unmittelbare Fortsetzung der bereits geschilderten Zwischen- wirbelbänder bleibt. Dadurch werden aber natürlich die vertebralen Chorda- reste in das Innere des Wirbelkörpers eingeschlossen, wo sie jedoch nicht völlig zu Grunde gehen, sondern in bescheidenem Masse an seiner Bildung Antheil nehmen. Während nämlich das Fachwerk der atrophischen Wirbelsaite sich allmählich auflöst, erscheinen zwischen den zerrissenen und verknitterten Membranen, namentlich an der Innenseite der in dichte Falten zusammenge- zogenen inneren Scheide zuerst einzelne, dann immer zahlreichere Zellen, welche theils körnig und pigmentirt, zum Theil wie echte Knorpelzellen aus- sehen (Fig. 166). Da in der ausgebildeten Wirbelsaite unseres Thieres Zellen nicht mehr vorhanden sind, und ich überdiess die im emzelnen verfolgte Knorpelbildung niemals aus fertigen Zellen hervorgehen sah, so kann die Annahme, dass jene sekundären Chordazellen um die freien Kerne herum entstehen, keine Schwierigkeiten bieten. Nach dem völligen Schwunde der früheren Scheidewände füllen die neugebildeten Knorpelzellen den Raum des vertebralen Chordarestes immer mehr aus und schliessen sich, nachdem auch die Reste der inneren Scheide sich vollständig verloren haben, dem darüber befindlichen Knorpel in kontinuirlichem Zusammenhange an (Fig. 193). Aus allen diesen Beobachtungen ergibt sich aber, dass die bisher so oft wiederholte Lehre von der „epichordalen Wirbelbildung‘“ der Unke und einiger anderen Anuren, wonach die Wirbelsaite und ihre Scheiden in ein kontinuirliches Band verwandelt würden, welches ausserhalb der darüber entstehenden Wirbelsäule zu Grunde gehen soll, eine durchaus irrige ist. Rinnenförmige Vertiefungen VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 389 sind nur unter den Mittelstücken der Wirbelkörper vorhanden, welche aber durch die nach unten vorragenden Intervertebralwülste in ebenso viele Ab- schnitte geschieden werden, als Wirbel vorhanden sind. Die in diese ge- trennten Vertiefungen eingelagerten Abschnitte der Wirbelsaite sind nicht ein- mal dann, wenn sie ihre intervertebralen Verbindungen bereits eingebüsst haben, also in getrennte Stücke verwandelt sind, mit einem platten und gar bindegewebigen Bande zu vergleichen; später erfolgt aber, wie ich gezeigt habe, eine solche Umbildung der isolirten Chordareste ebensowenig als ihre Lösung von den Wirbeln und ein darauffolgender völliger Schwund, indem sie in Knorpel verwandelt die früheren Vertiefungen der vertebralen Knorpel- platten ausgleichen und mit der verknöchernden Scheide die kleine untere Hälfte des vollständigen Wirbels bilden. Auch sind diese Thatsachen durchaus nicht schwer nachweisbar, und man überzeugt sich von denselben schon mit Zuhilfenahme der Lupe oder selbst mit unbewaffnetem Auge an jungen Unken während und nach der Metamorphose. Anfangs, wenn die atrophische Wirbel- saite sich noch mit emiger Mühe als kontinuirliches Gebilde von der Bauch- saite der Wirbelsäule ablösen lässt, geschieht dies gerade an den weniger ver- dünnten vertebralen Abschnitten ziemlich leicht, während die einzigen band- artigen Theile, nämlich die schmalen intervertebralen Streifen, mit den Inter- vertebralwülsten bereits fest zusammenhängen, sodass sie nur bei stärkerem Zuge sich ruckweise von den letzteren trennen oder selbst mitten durchreissen. Etwas später lässt sich eine Kontinuität der Wirbelsaite durchaus nicht mehr darstellen und die getrennten, aber noch weichen vertebralen Chordareste sind durch eine derbe Haut nach unten abgeschlossen, durch welche man vermittelst eines tastenden Instruments den Eindruck einer Fluktuation empfängt. Diese Haut oder die äussere Chordascheide lässt sich aber an ihren schon theilweise verknöcherten Rändern ohne gewaltsame Zerreissung vom Wirbelkörper nicht mehr trennen; und indem ihre Verknöcherung fortschreitet, wird auch die breiige Innenmasse oder der eigentliche Chordarest durch seine Umwandlung in Knorpel ganz fest. Die Wirbelkörper der Unke entstehen demnach ungleich wie die Wirbel- bögen aus mehren verschiedenen Anlagen. Unter diesen steht die äussere Chordascheide obenan, an der sich unter dem Einflusse der Wirbelbogen- bildung die vertebralen Abschnitte von den epiphysenartigen Intervertebral- wülsten scheiden. An beiderlei Theilen sind es bei unserem Thiere die dorsalen Hälften, welchen der Haupttheil der Bildung zufällt; die unteren Hälften 390 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. schliessen sich den ersteren als untergeordnete peripherische Schichten der Bauchfläche des Wirbels an. Dadurch wird die atrophische Wirbelsaite freilich in das Innere des Wirbels, nur nicht in seinen Axentheil aufgenommen ; unter den Epiphysen obliterirt sie dicht unter der oberflächlichen Bandmasse voll- ständig, an den Mittelstücken bildet sie ohngefähr das untere Drittheil der Knorpelmasse. Es ergibt sich daraus, dass die Axe der eben erst angelegten Wirbelsäule, welche anfangs natürlich mit derjenigen der Wirbelsaite zu- sammenfiel, während der Atrophie der letzteren immer höher bis in die dor- sale Platte der äusseren Chordascheide hinaufrückt. Daher müssen die Wirbelbogenbasen,, welche den primitiven doppelkegelförmigen Wirbelkörpern ganz oben aufsassen, den sich nach oben zusammenziehenden Körpern endlich vollständig seitlich anliegen, was noch dadurch unterstützt wird, dass die Krümmung der Wirbelbögen im Laufe der Entwickelung von oben her zusammengedrückt wird, und daher ihre Wurzelstücke sich stark zur Seite neigen. Dadurch werden aber ihre Basen ganz und gar in den anatomischen Bestand der Wirbelkörper aufgenommen, welche in Folge dessen eine breitere Form annehmen. Sowie schon hinsichtlich der Bögen der erste und die letzten Wirbel sich von den übrigen unterscheiden, gilt auch die voranstehende Beschreibung der Wirbelkörper vollständig nur für den 2.—8. Wirbel. Der erste Wirbelkörper enthält freilich keine neuen Theile, zeigt aber doch gewisse Abweichungen. Minder wesentlich erschemt es, dass die Wirbelbogenbasis am ersten und theil- weise auch noch am zweiten Wirbel von Anfang an an der Seite tiefer hinabreicht und so sich den gleichen Verhältnissen im hintersten Theile der Schädelbasis anschliesst; denn diese Abweichung wird später durch die beschriebene relative Lageveränderung der übrigen Wirbelbogenbasen wieder ausgeglichen (Taf. IX Fig. 170. 176). Bemerkenswerther ist die Thatsache, dass aus dem allerdings schwach entwickelten Intervertebralstücke zwischen dem ersten Wirbelkörper und der Schädelbasis sich kein Gelenk ausbildet (Taf. LX Fig. 166). Dies steht jedenfalls damit in Zusammenhang, dass das hintere Bogenpaar der Schädelbasis nicht rechtwinkelig zur Wirbelsaite, sondern schräg nach aussen und hinten aufsteigt, sodass zwischen seiner Basis und derjenigen des ersten Wirbels ein viel grösserer Zwischenraum entsteht als zwischen den anderen Wirbelkörpern. In diesem Raume verwandelt sich nun die Gelenkanlage der äusseren Chorda- scheide in ein starkes Band, indem sie noch vor der Bildung einer vollkommenen Knorpelmasse ihre Entwickelungsrichtung ändert und häutig wird. Dieses VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 39] Band ist also nicht etwa den übrigen Zwischenwirbelbändern, sondern nur den (Gelenken selbst vergleichbar, besonders da unter ihm die atrophische Wirbel- saite mit den übrigen Theilen ihrer Scheide sich dem von der Schädelbasis zum ersten Wirbel hinüberziehenden Periost anschliesst, und so eine von An- fang an rein bindegewebige Verbindung beider Skelettheile von dem nachträg- lich umgebildeten Gelenke sondert. Die bezeichnete Krümmung der Oceipital- bögen lässt sie ferner das Bogenpaar des ersten Wirbels in viel geringerer Höhe erreichen, als es bei den übrigen Wirbeln der Fall ist, sodass, wenn auch die an den beiden lateralen Berührungsstellen entstandenen Gelenke sich physiologisch als Stellvertreter der zwischen den Wirbelkörpern bestehenden einfachen Gelenke darstellen mögen, ihre genetische Bedeutung als Zwischen- bogengelenke doch nicht in Zweifel gezogen werden kann. Vom neunten Wirbel rückwärts tritt zu den bereits besprochenen Anlagen der Wirbelkörper noch ein besonderes, nur dieser Gegend der Wirbelsäule eigenthümliches Stück, nämlich ein in dem Bauchtheile der äusseren Chorda- scheide sich entwickelnder Knorpelbalken, der ohngefähr unter der Mitte des neunten Wirbels anfängt und rückwärts eine ansehnliche Strecke über die letzten Wirbelbogenanlagen hinaus reicht (Taf. XI Fig. 196). Seine erste Entstehung ist mir nicht bekannt; da ich aber die Knorpelbildung in der äusseren Chordascheide an anderen Stellen kennen gelernt habe, so zweifele ich nicht daran, dass auch jener Knorpelbalken ebenso entsteht. Zwischen demselben und der Wirbelsaite bleibt noch ein schmaler Streifen unveränderten (rewebes von der äussern Chordascheide bestehen; an beiden Seiten geht er kontinuirlich in die gleichfalls noch unveränderten lateralen Theile derselben über, welche sich oberhalb der Wirbelsaite vom zehnten Wirbel an rückwärts ganz besonders deutlich von den Wirbelbogenbasen abgrenzen (Taf. IX Fig. 179). Sobald die Schrumpfung der Wirbelsaite überhaupt anfängt, wird sie unter dem neunten Wirbel zuerst platt zusammengedrückt, indem das Vorderende des Balkens sich in die ventrale Ausschweifung der oberen Knorpelplatte ein- fügt, um so einen Theil der untern Hälfte des künftigen Wirbelkörpers zu bilden (Fig. 196). Die Wirbelsaite zieht sich daher hinter dem achten Zwischenwirbelgelenk in die Höhe, um aus dem Bauchtheile des achten Wirbelkörpers in die Axe des neunten zu gelangen und diese Lage in den folgenden Wirbeln zu behalten, woselbst sie aber noch längere Zeit annähernd cylindrisch bleibt. Hinter dem zehnten und hinter dem eilften Wirbelbogen, welche beide 392 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. einen oberen Schluss sehr deutlich erkennen lassen, bilden sich ebenfalls die Gelenkanlagen gerade so wie -zwischen den übrigen Wirbelkörpern, sodass an der vollständigen, diskreten Anlage jener beiden Wirbel nicht zu zweifeln ist, obwohl später die Gelenke sich nicht ausbilden, sondern einer Verschmel- zung der Wirbelbogenbasen Platz machen. An die Basis des eilften Wirbel- bogens schliesst sich dann die epichordale Knorpelplatte des rudimentären zwölften Wirbels an, an deren Ende ich ebenfalls eine quere Ausbiegung als Andeutung eines rudimentären Intervertebralwulstes fand. Dahinter hört die Knorpelbildung im dorsalen Theile der äusseren Chordascheide ganz auf und zieht sich nur noch der hypochordale Knorpel eine Strecke weit unter der Wirbelsaite hin; und da in Folge der frühzeitigen Verkümmerung des Schwanzes der Anuren auch die Atrophie der Wirbelsaite und ihrer nicht weiter entwickel- ten Scheide dort früher beginnt, so stellen sich ihre Reste schon zur Zeit der Metamorphose als ein plattes Band dar, welches auf der ziemlich ebenen Ober- seite des hypochordalen Knorpelbalkens ruht (Taf. IX Fig. 180). — Alle hinter dem neunten Wirbel liegenden Theile des Stammskelets verschmelzen später zu dem sogenannten Steissbein der Anuren, welches also in seiner vorderen und hinteren Hälfte verschieden zusammengesetzt ist; beiden gemein- sam ist als bleibender Bestandtheil der kontinuirliche Knorpelbalken, dazu kommen in der vorderen Hälfte drei Wirbelanlagen (Taf. XI Fig. 196, Taf. XIX Fig. 346). Diese verschmelzen nicht nur mit ihren Körpern, sondern auch im Bogentheile durch eine vollständige Verknöcherung der Zwischenbogenbänder zu einer engen Röhre, welche nur an jeder Seite zwei feine, später ziemlich weit von einander entfernte Löcher zeigt, deren Bedeutung durch die austretenden zehnten und eilften Nervenstämme * genügend bezeichnet wird, sodass dadurch Zahl und Grenzen der diesem Skelettheile zu@runde liegenden Wirbel auch an alten Thieren deutlich kenntlich bleiben. Diese hinter dem letzten (zwölften) Wirbelbogen und zwar vor der Mitte des ausgebildeten Steissbeins frei ausmündende, im späteren Leben ausserordentlich enge Röhre ist also eine unzweifelhafte, nur nach der relativen Zusammenziehung des Rückenmarkes unbenutzte Fortsetzung des Rückenmarkskanals. In ihrem dicken Boden wird aber die Wirbelsaite nicht einfach zum Schwunde gebracht, indem sie zwischen dem epichordalen und dem hypochordalen Knorpel zusammengepresst würde, sondern ich sah dort * Das zarte letzte (eilfte) Nervenpaar scheint bisher übersehen worden zu sein (vgl. Ecker Nr. 41 Taf. XX1V Fig. 1. I). VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 393 eine Knorpelbildung grade so wie in den übrigen Wirbeln und namentlich in der oberen Hälfte sich vollziehen, sodass sie jedenfalls an der Verbindung jener beiden Knorpeltheile thätigen Antheil nimmt. Hinter diesem vorderen, aus drei Wirbeln zusammengesetzten Abschnitte des Steissbeins besteht der hintere in Ermangelung jeder Wirbelanlage wesentlich aus dem kontinuirlichen hypo- chordalen Knorpel, sodass dieser letzte Abschnitt der Wirbelsäule weder mit ganzen Wirbeln noch mit Wirbelkörpern verglichen werden kann. Dieses einfache Ende der Wirbelsäule ist anfangs sehr kurz, da es dicht hinter dem zwölften Spinalnervenpaare, also auch dem zwölften Wirbelbogenpaare aufhört (vgl. Taf. XIX Fig. 343). Später wächst es mit dem ganzen Steissbeine in bedeutendem Masse; seine hintere Spitze bleibt stets knorpelig. Da alle Beobachter von Dvsks an die Wirbelbildung der Unke und der ihr darin nächstverwandten Batrachier (Pelobates, Hyla, Pipa) als nicht unwesentlich verschieden von derjenigen der übrigen Amphibien behandeln, so will ich meine Untersuchungen an den letzteren, und zwar sowohl Anuren als Salamandrinen zu leichterem Vergleiche hier folgen lassen. Die sogenannte perichordale Wirbelentwickelung des grünen Frosches und der Kreuzkröte fand ich nur in untergeordneten Punkten von der unpassenderweise sogenannten epichordalen Wirbelbildung unterschieden. Die Grundlagen der Wirbelsäule, die Wirbelsaite, die sie eylindrisch einschliessende äussere Scheide und die knorpe- ligen Wirbelbogenanlagen sind bei allen Anuren die gleichen; und da ferner überall die Bögen sich in gleicher Weise weiter entwickeln, die äussere Chorda- scheide vollständig in die Wirbelkörper aufgeht und die Wirbelsaite daher in deren Inneres aufgenommen wird, so besteht die Verschiedenheit lediglich in der äusseren Form der aus der Scheide hervorgehenden Theile. Ihre verte- bralen Abschnitte bleiben nämlich in der Gruppe der Frösche und Kröten gleichmässig eylindrisch und verknöchern ringförmig*, wesshalb sich auch die entsprechenden Chordareste in derselben Gestalt und in der Mitte des Wirbel- körpers erhalten; während das einseitig dorsale Wachsthum derselben Anlage in der anderen Anurengruppe [Bombinator, Hyla] zur Abplattung des Ringes und zu einer relativen Verdrängung des ebenso gestalteten vertebralen Chorda- restes in die untere Hälfte des Wirbelkörpers führt. Die häufig dauernde Konservirung solcher Reste bei den Fröschen kann keine besondere Bedeutung * Der Knorpelknochen ist nicht gleich anfangs ringförmig, sondern fliesst zu dieser Form aus zwei Seitenhälften zusammen, welche sich oben früher vereinigen als unten, 394 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. beanspruchen, da sie zuweilen an einzelnen Wirbeln dieser Thiere und bei den zu derselben Gruppe gehörenden Kröten durchweg vermisst wird. Der Unter- schied in der Entwickelung der intervertebralen Wülste ist eigentlich noch seringfügiger, indem die ursprünglich einfache Ringform der intervertebralen Scheidentheile überall verändert wird. Zunächst ist deren Erweiterung hervor- zuheben, welche die Doppelkegelform der primitiven Wirbelkörper, wenn auch vorübergehend, herbeiführt. Diese Erweiterung ist aber nicht vollständig ring- förmig, sondern bei der Unke und dem Laubfrosche nur in der dorsalen Platte ausgeführt, bei den Fröschen vorherrschend an den Seiten angedeutet. Damit hängt auch die gleiche Ausbildung des eigentlichen Wulstes zusammen, welcher dort einseitig dorsal, hier in zwei lateralen Seitenhälften sich entwickelt und daher die eingeschlossenen Chordaabschnitte einerseits zu einer horizontalen und tiefge- legenen, andererseits zu einer senkrechten, medianen Platte zusammenschnürt. Da jedoch die Kröten, wie schon GEGENBAUR nachwies [Nr. 38 S. 25] und ich bestätigen kann, mit ihren aufwärts konvergirenden intervertebralen Wülsten ganz offenbar einen Uebergang der rein lateralen zur dorsalen Lage derselben darbieten, und ferner jene verschiedenen Formen und Lagen der Wirbelsaite in der hinteren Schädelbasis jedes einzelnen Individuums dicht auf einander folgen, so wird man jenen Unterschieden keinen besonderen Werth beimessen können. Hat man einmal den in den wesentlichen Punkten allen Anuren gemein- samen Verlauf der Wirbelbildung vollständig erkannt, so wird man im der Entwickelungsgeschichte der Wirbel der Salamandrinen, wenn man von den später zu erwähnenden accessorischen Querfortsätzen und unteren Bögen absieht, ebenso wenig erhebliche Abweichungen von der ersteren Entwickelungsform finden, als die perichordale und epichordale Form einander entgegen gestellt zu werden verdienen. Die Entwickelung der Wirbelsaite und ihrer Scheiden fand ich, wie bereits erwähnt, bei den Tritonen und der Salamandra maculata durchaus übereinstimmend mit derjenigen der Anuren. Im weiteren Fortgange der Wirbelbildung offenbart sich an diesem unpaaren, axialen Haupttheile eine grössere Regelmässigkeit, als sie bei den Anuren vorkommt und anderer- seits eine länger dauernde Sonderung von den paarigen, lateralen Wirbel- anlagen, den Wirbelbögen (Taf. X Fig. 194. 195). Diese letzteren kommen in ihrer knorpeligen Anlage niemals mit knorpeligen Theilen der äusseren Scheide in Berührung, deren vertebrale Abschnitte selbst nach eingetretener Ver- knöcherung eine Zellenbildung um ihre freien Kerne vermissen lassen; anderer- VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 395 seits habe ich an älteren Salamanderlarven die Wirbelsaite mit ihrer verknöcher- ten Scheide durch die aufsitzenden Wirbelbogenbasen sehr deutlich eingedrückt gesehen, sodass darin der von mir angenommene Einfluss der Bogenbildung auf die Entwickelung der Wirbelkörper zum thatsächlichen Ausdrucke kommt. Doch ist die bleibende Doppelkegelform der letzteren nicht allein jenem Ein- flusse, sondern zugleich dem Umstande zuzuschreiben, dass die vertebralen Abschnitte der äusseren Chordascheide schon in dieser ursprünglichen Gestalt verknöchern und zwar imganzen Umfange der Wirbelsaite in gleichmässig dünner Schicht. Dabei wird die homogene Grundmasse glasartig und zeigt noch längere Zeit die ausserordentlich platten, daher blass und gross erscheinenden freien Kerne. Was aus diesen letzteren in der späteren Entwickelungszeit wird, weiss ich nicht. Die Intervertebralwülste sind von Anfang an ebenfalls gleichmässig ringförmig angelegt und bezeugen durch ihre Verdickung und die dichte An- häufung ihrer Elemente gegenüber jenen vereinzelten platten Kernen der vertebralen Abschnitte, dass die Wucherung der äusseren Chordascheide wesentlich auf die intervertebralen Wülste beschränkt ist. Ihre Kerne sind wie bei den Anuren je näher der Mitte, um so mehr in querer Richtung lang- gestreckt und schon früh von zarten Zellengrenzen umgeben. Die Knorpel- bildung erfolgt jedoch nur in der inneren Hauptmasse des Wulstes; die äusserste Schicht verknöchert dagegen im Anschlusse an die zarte vertebrale Knochenrinde, sodass die letztere mit entsprechend zunehmender Erweiterung ihres Randes allmählich bis zur queren Mittelebene des Intervertebralwulstes vorrückt. Der letztere schnürt darauf, nach innen wuchernd, die Wirbelsaite ringförmig ein und bringt sie dort endlich zum völligen Schwunde; doch bleiben ihre vertebralen Erweiterungen nicht unverändert bestehen, sondern werden, wie e8 GEGENBAUR entdeckt hat, in der Mitte ihrer Länge von einer in der Wirbelsaite selbst entwickelten Knorpelmasse durchwachsen. Nur kann ich mit GEGENBAUR darin nicht übereinstimmen, dass dieser Knorpel bloss aus der Rindenschicht, also ausserhalb des eigentlichen Gallertkörpers und diesen ringförmig zusammenschnürend aus dort zurückgebliebenen embryonalen Zellen entstehe. Die letztere Annahme wird, wie ich zeigte, durch die früheste Entwickelungsgeschichte der Wirbelsaite und dadurch hinfällig, dass die Knorpelzellen auch mitten im Gallertkörper entstehen, wo von zurückge- bliebenen embryonalen Zellen keine Rede sein kann. In der protoplasmatischen Rindenschicht wie im Gallertkörper sehe ich ganz übereinstimmend mit allen meinen übrigen Befunden über die Knorpelbildung die Zellen um die freien 96 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 8) Kerne sich entwickeln. Am ersten Orte beginnt dieser Vorgang schon zur Zeit, wann die Intervertebralwülste nach innen zu wuchern beginnen. Die neu entstandenen Knorpelzellen nehmen in dem Masse, als sie durch fort- dauernde Neubildungen und vielleicht auch durch nachträgliche Theilungen sich vermehren und durch Wachsthum sich vergrössern, einen immer grösseren Raum in Anspruch, was natürlich nur auf Kosten des schrumpfenden Fach- werks und der allmählich aufgesogenen Flüssigkeit des Gallertkörpers ge- schehen kann. So wird der letztere nicht nur von aussen zusammengedrückt, sondern auch von innen her zum Schwunde gebracht, wesshalb man auch an Querdurchschnitten, welche für diese Beobachtung sich besonders empfehlen, in dem zusammengeschnürten Gallertkörper die Ueberreste seines Fachwerkes zwischen den Knorpelzellen unregelmässig vertheilt findet. Etwas vor oder hinter der Mitte des Wirbelkörpers, also im Bereiche der vertebralen Fort- setzung des Intervertebralknorpels zeigen die Durchschnitte älterer Larven eine gleichmässige Knorpelscheibe, deren Centrum durch eine vielfach gewundene glänzende Linie, den Durchschnitt der gefalteten und am längsten erhaltenen inneren Chordascheide von der breiten ringförmigen Peripherie (Intervertebral- knorpel) getrennt wird; woraus man deutlich erkennt, welchen Antheil an der Bildung des Wirbelkörpers der Gallertkörper selbst und die protoplasmatische Rindenschicht haben. — So finde ich an den Salamandrinen die Wirbelbildung der Anuren im wesentlichen wiederholt. In beiden Batrachiergruppen lassen sich nach der Entstehung und theilweise auch nach dem späteren histiologischen Verhalten zweierlei Wirbelanlagen unterscheiden: die Bögen und die Wirbel- saite mit ihrer äusseren Scheide. In beiden Gruppen geben die knorpeligen Wirbelbogenanlagen die Veranlassung zur Bildung der intervertebralen Erwei- terung der unpaaren Anlage der Wirbelkörper und später der Intervertebral- wülste. Indem aber die ursprüngliche Doppelkegelform bloss bei den Salaman- drinen durch die frühzeitige Verknöcherung fixirt, bei den Anuren dagegen durch fortschreitende Entwickelung unkenntlich wird, ergeben sich die späteren Unterschiede der Wirbelkörper als verschiedene Entwickelungsstufen desselben Vorganges; ebenso wie die ringförmigen intervertebralen Einschnürungen der Wirbelsaite den gleichmässigen und daher gewissermassen indifferenten ursprünglichen Zustand gegenüber den verschiedenen bei den Anuren Platz sreifenden Modifikationen im Wachsthume der äusseren Chordascheide dar- stellen. Selbst im den histiologischen Verhältnissen lassen sich nur solche graduelle Unterschiede der Entwickelung nachweisen, denn die äussere VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 397 Chordascheide zeigt bei allen Batrachiern ursprünglich dieselbe Zusammen- setzung, welche bei den Salamandrinen durch die vorzeitige Verknöcherung in den vertebralen Abschnitten jedenfalls längere Zeit erhalten bleibt, während sie bei den Anuren in Abwesenheit dieser konservirenden Ursache zur Knorpel- bildung hinüberführt. Andererseits ist aber in der Textur der Intervertebral- wülste und selbst in der Entwickelung des „Chordaknorpels“ die vollkommene Uebereinstimmung beider Batrachiergruppen nicht zu verkennen. Der voranstehende Vergleich bezieht sich, da den Anuren eine Schwanz- wirbelsäule fehlt, natürlich nur auf die Rumpfwirbel. An den Schwanzwirbeln der Salamandrinen kommen ausser den bisher genannten Stücken noch die unteren Bögen hinzu, welche eine vollständige Wiederholung der oberen darstellen. Sie entstehen in knorpeliger Anlage zu beiden Seiten der Bauch- fläche des Wirbels, sind also ebenfalls selbstständige, von der äusseren Chorda- scheide nicht abzuleitende Neubildungen; auch folgen sie beim Hinabwachsen der Innenseite der Segmentmuskeln, um innerhalb des von den letzteren unter der Wirbelsäule eingeschlossenen Raumes mit ihren Spitzen sich zu vereinigen. Diese Vereinigungsstelle ist bei Salamandra knopfartig verdickt und bleibt am längsten knorpelig. — Ausserdem verdienen die seitlichen Wirbelfortsätze der Salamandrinen eine besondere Erwähnung. Sie wachsen gerade so wie bei den Anuren in knorpeliger Anlage aus den oberen Bögen hervor und zwischen die segmentalen Muskelmassen hinein, welche sie quer durch- setzen, sodass ihre Enden meist an der Aussenseite der Muskelmassen frei zu Tage treten. Sie verknöchern auch in ähnlicher Weise wie bei den Anuren, d. h. die Faserknochenrinde und die spätere innere Verknöcherung sind in den medialen Hälften der Fortsätze durch einen knorpeligen Gelenk- theil unterbrochen und lassen auch das laterale Ende frei. Das Merkwürdigste an diesen seitlichen Wirbelfortsätzen der Salamandrinen ist aber der Umstand, dass sie an jedem Rumpfwirbel jederseits doppelt auftreten und darauf in eigenthümlicher Weise verschmelzen. Die beiden Fortsätze einer Wirbelbogen- hälfte entspringen über einander, der obere etwas unter der Höhe der Gelenk- fortsätze, der untere nahe der Wirbelbogenbasis. Die unteren Fortsätze sind überall gut entwickelt und setzen sich auf die Schwanwirbelsäule fort. Im vorderen Rumpfe, und zwar in grösserer Ausdehnung bei den Tritonen als bei Salamandra, treten sie unter dem mittleren Seitennerven oder der eigentlichen Seitenlinie aus den segmentalen Muskelscheidewänden hervor und biegen dann mit ihren stets knorpelig bleibenden Enden, welche bisweilen (Salamandra) 398 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. ähnlich wie bei den Änuren verbreitert sind, nach unten um (Taf. XIX Fig.341). Im hinteren Rumpfe werden sie (mit Ausnahme der Kreuzbeinwirbel) etwas kürzer, noch mehr im Schwanze. Da die Grenze der oberen und unteren Muskelhälften namentlich im vorderen Rumpfe bei den Salamandrinen anders wie bei den Anuren unter das Niveau der Wirbelbogenbasis hinabsinkt, so beschreiben die unteren Fortsätze, um zwischen jene Hälften zu gelangen, in ihrem medialen Theile (Wurzelstück und Gelenktheil des Aussengliedes) einen nach aussen und oben konkaven Bogen (Taf. XIX Fig. 340). Die oberen Fortsätze sind besonders in ihren Aussengliedern kürzer als die unteren; bei den Tritonen bleibt aber das Längenverhältniss beider durch den ganzen Rumpf ziemlich gleichmässig, während die oberen Fortsätze der Salamander- larven sich nach hinten zu auch relativ stark verkürzen. Im vorderen Rumpfe beschreiben die oberen Fortsätze von ihrem Ursprunge an einen nach aussen und oben konvexen Bogen, dringen also zwischen die oberen Muskelhälften ein "und erreichen darauf erst die unteren Fortsätze, sodass die Aussenglieder beider sich aneinanderlegen und endlich verschmelzen. Von dieser Ver- schmelzung sind einmal die medialen Gelenkenden jener Aussenglieder ausge- nommen, welche gegen die zugehörigen Wurzelstücke divergiren; ferner auch die lateralen Enden der oberen Aussenglieder an den ersten Wirbeln von Sala- mandra und im ganzen vorderen Rumpfe der Tritonen, welche Enden aufwärts gekrümmt über der Seitenlinie aus den Muskeln hervortreten (Taf. XIX Fig. 341). Die lateralen Enden der unteren Aussenglieder nehmen an der Verschmelzung natürlich nirgends Theil, da sie über die oberen Aussenglieder mehr oder weniger weit hinausragen. Weiter rückwärts werden die beschrie- benen Bögen der beiderlei Fortsätze flacher, die von ihnen umschlossene Oeffnung kleiner; die oberen Aussenglieder der Salamanderlarven werden dort so klein, dass sie eigentlich nur das obere Gelenkende des aus der Verschmel- zung hervorgehenden Skeletstücks bilden. An einem oder zwei Kreuzbein- wirbeln werden alle Theile der beiden Fortsätze stärker, dahinter verlieren sich jedoch die oberen vollständig. — Im weiteren Verlaufe der Entwickelung verschmelzen auch die doppelten Wurzelstücke von ihrer Basis aus, sodass in den fertig ausgebildeten Salamandrinen nur noch die gespaltenen Gelenkenden der scheinbar einfachen Wurzelstücke und Aussengliedern die doppelte Anlage anzeigen. Diese fertigen Skeletstücke werden, da ihre Artikulation sich bei den Salamandrinen zeitlebens erhält, als Querfortsätze und Rippen unter- schieden; alsdann muss natürlich auch die von mir beschriebene Gliederung * VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 399 der seitlichen Wirbelfortsätze der Anuren in gleicher Weise gedeutet werden, sodass man dieselben im vollendeten Zustande als mit einander verwachsene Querfortsätze und Rippen aufzufassen hätte. Zwischen den gleichmässigen Theilen beider Gruppen bestände aber der Unterschied, dass sie bei den Anuren aus einfachen, bei den Salamandrinen aus mit einander verschmolzenen Doppel- anlagen hervorgehen. — Die Verschmelzung der doppelten Querfortsätze schliesst natürlich die Auffassung aus, als wenn das an der Basis des fertigen Querfortsatzes befindliche Foramen transversarium eine Lücke zwischen zwei Wurzeln desselben wäre. Dieses Loch entsteht vielmehr dadurch, dass der untere Querfortsatz mit der vorderen Wirbelkörperhälfte durch eine schräge und anfangs sehr dünne knöcherne Brücke verbunden wird, welche das genannte Foramen nach unten abschliesst und später als eine untere vom Wirbelkörper entspringende Wurzel des ganzen Querfortsatzes erscheint (vgl. Sransıus Nr. 80, 8. 11. 12). Diese Knochenbrücken können aber mit den Querfortsätzen nicht zusammen- gestellt werden, denn sie besitzen weder eine knorpelige noch überhaupt eine morphologische Anlage und sind nur spätere, lokale Verknöcherungen binde- gewebiger Bandmassen. Dies ergibt sich am deutlichsten daraus, dass sie bei den Tritonen anfangs sehr unregelmässig, oft zackig sind, selbst Maschen bilden und auch zwischen anderen Skelettheilen vorkommen, so z. B. am Schwanze, wo sie jederseits mehrfache unregelmässige Brücken zwischen den unteren Bögen und den Querfortsätzen darstellen. Sie können daher zu den Faserknochenbildungen gestellt werden, welche, wie ich zeigte, die ursprüng- lichen Wirbelbögen nachträglich verbreitern und zwar bei den Molchen in noch höherem Grade als bei den Anuren, sodass sie dort mehr wie kurze Röhren als wie einfache Bögen erscheinen. Obgleich die Wirbelsaite in den meisten Wirbelthieren eine rein embryo- nale Bildung ist, so hat man sie doch gar zu häufig nur anatomisch, d.h. im fertig ausgebildeten Zustande untersucht, daher aber auch zu manchen irrigen Schlüssen sich verleiten lassen. — Nachdem J. Mürter und RAtHkE an der Wirbelsaite eine Scheide und den von ihr umschlossenen Kern, welcher aus mit ‚Gallerte angefüllten Zellen bestehe, unterschieden hatten, glaubte Vogt irriger- weise ihre späteren Elemente für vollständige Neubildungen der homogenen 400 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. Masse, welche aus der gänzlichen Zerstörung der Embryonalzellen hervorgehe, erklären zu müssen; in dieser Masse erkennt er ganz richtig das allmähliche Auftreten und Wachsen der Vakuolen, hält sie aber für die eigentlichen noch kernlosen Zellen. Pr£vost und L£gerr haben allerdings die Vakuolen in den noch vollständig erhaltenen Embryonalzellen sich entwickeln lassen, wie es seitdem auch allgemein angenommen wird, aber dieselben mit den von ihnen über- sehenen Kernen jener Zellen verwechselt. Seitdem ist die Natur der Vakuolen richtig erkannt, aber das spätere Verhalten der von ihnen ausgefüllten Zellen, wie ich glaube, falsch beurtheilt worden. Bei Körner, W. MüLter und Lisserkünn findet sich lediglich eine Bestätigung der alten Schwann’schen Lehre, dass die Elemente im Innern der Wirbelsaite grosse Zellen mit Mem- branen und wandständigen Kernen seien, um welche sich eine Rindenschicht von abgeplatteten Zellen erhalte; und es lässt sich nicht leugnen, dass wenn man nur die Vergrösserung der ursprünglichen Embryonalzellen durch die schnell wachsenden Vakuolen im Auge behält, der äussere Anschein jene Auf- fassung befürwortet. Dann müssten aber die Scheidewände des Gallertkörpers als Ausdruck der sich berührenden Zellenmembranen zweiblätterig sein; dieses habe ich aber weder selbst an guten Durchschnitten irgendwo konstatiren können, noch von irgend einem andern Beobachter nachgewiesen gefunden. Daher halte ich das Gerüst jener Scheidewände einfach für ein Analogon der Intercellularsubstanz des Knorpels und würde diesen letzteren von GEGENBAUR zuerst gebrauchten Ausdruck gern wiederholen, wenn er nicht die Annahme enthielte, dass wenigstens die in jenes Fachwerk eingeschlossenen Massen Zellen seien. Da aber, wie ich zeigte, den bei weitem meisten dieser Massen die in die Scheidewände und die Rindenschicht ausgewanderten Kerne fehlen, und von dem eigentlichen Zellenleibe nur noch unbeständige Protoplasmafetzen übrig bleiben, so kann von Zellenindividuen im Gallertkörper nicht die Rede sein. Andererseits erhalten die einzelnen Embryonalzellen oft mehr als je eine Vakuole, sodass nicht wenige der in die Fächer eingeschlossenen Gallertmassen überhaupt nicht ganzen Zellen, sondern nur kleineren oder grösseren, regellos abgesonderten Theilen derselben entsprechen. Ebenso wenig wie der Gallert- körper enthält die protoplasmatische Rindenschicht Zellen; und wenn schon die sorgfältige anatomische Untersuchung GEGENBAURS die peripherische Zellenlage wenigstens den Anuren abspricht, so muss die Erneuerung des alten Irrthums durch W. Münver auf Grund fortlaufender embryologischer Unter- "suchungen an denselben Thieren um so mehr auffallen, als gerade die frühesten VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 401 Bilder von der histiologischen Umbildung der Wirbelsaite für sich allein die Unmöglichkeit darthun, dass in diesem Organe irgend eine ursprüngliche Embryonalzelle den späteren Entwickelungsstufen intakt überliefert werde. Ein Vergleich meiner bezüglichen Abbildungen (Taf. X Fig. 182—184), welche wesentlich gleich alten Embryonen entnommen sind, lehrt, dass die Vakuolen- bildung in allen die Aussenfläche der Wirbelsaite zusammensetzenden Zellen stattfindet* und dass die kontinuirliche protoplasmatische Rindenschicht nur aus sehr kleinen peripherischen Abschnitten dieser Zellen hervorgeht. Und wenn man für die spätere Entwickelungszeit nicht bloss die unsicheren Befunde der Querdurchschnitte jener Schicht, sondern die Flächenansichteu derselben, natürlich nach Entfernung der störenden äusseren Chordascheide, zu Rathe zieht, so wird man sich dort ebenso vergeblich nach wirklichen Zellen umsehen. Ich darf daher wohl die Vermuthung aussprechen, dass für die Annahme solcher Rindenzellen wenigstens an der Wirbelsaite der Salamandrinen bei GEGENBAUR der Umstand ins Gewicht fiel, dass er bei diesen Thieren einen intrachordalen Knorpel auftand, welcher damals noch direkt von fertigen Zellen abgeleitet werden musste. Meine Befunde über die Knorpelbildung in der vorderen Schädelbasis, den Wirbelbogenanlagen und innerhalb der Wirbelsaite der Unke, in welcher ja GEGENBAUR selbst die Rindenzellen fehlen lässt, ergeben aber, dass die Knorpelzellen überhaupt nicht unmittelbar aus voll- ständigen Zellen sondern um freie Kerne herum entstehen, sodass ihre spätere Anwesenheit in der Wirbelsaite keinesfalls die Annahme präexistirender Zellen unterstützen kann. Daher sehe ich in der histiologischen Umbildung der Wirbelsaite einen ähnlichen Verschmelzungsprocess der Embryonalzellen, wie ich ihn schon in der Anlage des Centralnervensystems beschrieb, und wie er sich noch klarer an den Wirbelbogenanlagen und der äusseren Chordascheide darstellt. Doch gibt es zwischen der Wirbelsaite und den anderen Organen einen nicht unwesentlichen Unterschied hinsichtlich der weiteren Entwickelung und daher des Masses der physiologischen Bedeutung. Wenn in den genannten Organen und einigen noch zu beschreibenden Geweben jene Zellenverschmelzung die Vorstufe ist zu weiteren histiologischen Differenzirungen, zur Bildung neuer Zellen und anderer Gewebselemente, so hat die Wirbelsaite der Batrachier mit * In der bezeichneten Zeit dürfte überhaupt die Gesammtheit der radiär angeordneten Chordazellen an der Oberfläche der Wirbelsaite theilnehmen. (Vgl. Taf. VI Fig. 114 und Taf. VII, Fig. 137). GOETTE, Entwickelungszeschichte, 26 402 VI. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. jenem ersten Erfolge das Ende ihrer eigentlichen histiologischen Entwickelung erreicht; denn die Bildung des Chordaknorpels betrifft weder das ganze Chorda- sewebe noch gewisse Theile desselben in ihrer ganzen Ausdehnung, sondern nur einzelne Stellen des ganzen, zudem in der Atrophie befindlichen Organs. Ein greifbarer Erfolg dieser Bildung zeigt sich nicht einmal bei allen Batra- chiern, indem z. B. die Wirbelsaite der Frösche und Kröten nur ganz vereinzelte Knorpelzellen erzeugen mag (W. MÜLLER), nirgends aber einen wirklichen Chordaknorpel aufweist. In Uebereinstimmung damit ist die volle physiologische Wirksamkeit der Wirbelsaite auf die Zeit vor der Entwickelung der Wirbel beschränkt; dann dient sie nämlich den sie seitlich begrenzenden Segment- muskeln zur Anheftung, wobei die Beweglichkeit der Ansatzpunkte durch die Biegsamkeit des ganzen Organs erzielt wird. Diesen Dienst leistet sie auch noch nach der Bildung ihrer äusseren Scheide, welche darauf die Muskelansätze aufnimmt, aber den nöthigen Halt und die Elastieität nur von der einge- schlossenen Wirbelsaite erhält. In dem Masse jedoch, als die aus der äusseren Chordascheide hervorgehenden Wirbelkörpertheile fester werden , lösen sie die zu gleicher Zeit zusammenfallende Wirbelsaite in jener ihrer Wirksamkeit ab, indem ihre Biegsamkeit durch die Gliederung der Wirbelsäule ersetzt wird. Es hat also die Wirbelsaite, wie es REICHERT zuerst lehrte, unzweifelhaft die Bedeutung eines vorläufigen einfachsten Stammskelets; da jedoch ihre erste Umbildung zu einer Auflösung der überwiegenden Masse ihrer protoplasmati- schen Theile oder zu ihrer Verwandlung in feste membranöse Bildungen führt, so ist es verständlich, dass dieser bekannteste Zustand der elastischen „Saite“, welcher ihre Funktion eines passiven Bewegungsorgans allein ermöglicht, geradezu ein seniler ist, als solcher aber jede wirkliche Entwickelung aus- schliesst und nur eine vollständige Rückbildung zur Folge haben kann. Als- dann darf aber auch die Aufquellung des ganzen Organs, welches mit einer Thätigkeit der bereits zerstörten einzelnen Zellen nichts mehr zu thun hat, nicht mit einem organischen Wachsthume verglichen werden; und wenn GEGENBAUR die Erhaltung der vertebralen Chordareste in der Wirbelsäule mancher Batrachier mit Recht aus dem konservirenden Einflusse knöcherner Theile erklärt (Nr. 88 8. 13. 26), so möchte ich diese Darstellung insofern ergänzen, dass der blosse Mangel solcher konservirenden Vorrichtungen genügt, um die Rückbildung der Wirbelsaite als einfache Folge ihrer Entwickelung auch dort eintreten zu lassen, wo ein äusserer, sie beeinträchtigender Druck fehlt, wie z. B. an den mittleren Wirbelabschnitten.der Unke. VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 403 In dem Masse, als die Wirbelsaite ihre Thätigkeit als Skelettheil aufgibt, erscheint sie nur mehr als der Grundstock, auf den sich die sie ablösenden eigentlichen Wirbelanlagen ablagern. Bleiben wir zunächst beim Rumpfe stehen, so ist die Entwickelung dieser Anlagen bei den Batrachiern in ver- schiedener Weise beschrieben worden. Schon J. MürLvEr und RATHKE sprechen von einer einheitlichen Anlage der ganzen Wirbel, doch so, dass die Bögen einzeln und von kleinen Anfängen aus der „Belegmasse“ der Wirbelsaite hervor- wachsen. Aber schon bei MÜLLER finden sich die Anfänge einer Lehre, welche von KÖLLIKER und GEGENBAUR weiter ausgebildet wurde, dass nämlich der ganzen Wirbelsäule ausserhalb der Wirbelsaite eine vollständig kontinuirliche, häutige Anlage, die „skeletbildende Schicht“, zu Grunde liege, welche aus einer die Wirbelsaite und das Rückenmark einschliessenden Doppelröhre bestehe, und sowohl die diskreten Skelettheile als ihre bindegewebigen Verbin- dungen als nachträgliche Differenzirungen einer gemeinsamen, indifferenten Grundlage absondere. Diese Vorstellung ist aber nach meinen Untersuchungen unstatthaft. Denn meine äussere Chordascheide, die wesentliche Anlage der Wirbelkörper, entsteht allein als kontinuirliche Röhre um die eingeschlossene Wirbelsaite; die Wirbelbögen wachsen weder aus dieser hervor, noch differen- ziren sie sich aus einer häutigen, das Rückenmark einschliessenden Röhre, sondern sind Neubildungen, welche bloss auf der Unterlage der äusseren Chordascheide, nicht aus ihr hervor, von kleinen, warzenförmigen Anfängen aus das Rückenmark umwachsen. Dieses Verhältniss, welches bereits Bruch, wenn auch nicht bestimmt genug angedeutet hat, ist namentlich in der aller- ersten Zeit, auf die es zumeist ankommt, leicht zu konstatiren. Denn wenn die ersten Zellenhäufchen der Wirbelbogenanlagen sichtbar werden, ist die äussere Uhordascheide bereits zu einer nichtzelligen, von freien Kernen durchsetzten Membran geworden. Ferner gibt es wohl eine häutige Rückenmarksröhre, die Anlage der Rückenmarkshäute, aber die Bögen entstehen und wachsen nicht innerhalb, sondern ausserhalb derselben und sind, bevor sie die anfangs relativ sehr grossen Spinalganglien umwachsen haben, unter sich gar nicht unmittel- bar verbunden, da sie sowohl von jener gemeinsamen Unterlage, als auch vom umgebenden interstitiellen Bildungsgewebe deutlich unterschieden sind. Will man dieses letztere, innerhalb dessen allerdings die Wirbelbögen entstehen, als die skeletbildende Schicht betrachten, wie es GEGENBAUR und namentlich KöLLikEr, welcher die Membrana reuniens superior dazu rechnet (Nr. 485.61), zu thun scheinen, so ist daran zu erinnern, dass dieses Bildungsgewebe bei dem 26* 404 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. bedeutenden Uebergewicht der allgememen Interstitialflüssigkeit überhaupt nicht als eine häutige, noch viel weniger aber als eine bloss Bindesubstanzen erzeugende Embryonalschicht angesehen werden kann. Denn in ihr entwickeln sich, wie ich im nächsten Abschnitte zeigen werde, alle allgemeinen Gewebe, Muskeln, Gefässe, Nerven so gut wie dic Bindesubstanzen. Die beiderlei Wirbelanlagen, die äussere Chordascheide und die Wirbelbögen, sind also als . besondere und gesonderte Erzeugnisse des allgemeinen interstitiellen Bildungs- gewebes aufzufassen und als solche den umgebenden noch nicht verbrauchten Theilen desselben so entgegenzusetzen wie die übrigen Erzeugnisse, die Gefäss- und Nervenanlagen. Der Hauptunterschied unserer Anlagen und dieses Bildungs- gewebes beruht in jener wässerigen Interstitialflüssigkeit, welche das Bildungs- gewebe durchtränkt, aus den Wirbelanlagen aber. durch die feste Aneinander- lagerung der Elemente vollständig verdrängt wird; damit hängt auch zusammen, dass beide Theile durchaus nicht einen unmittelbaren Uebergang in einander zeigen, wie esGEGENBAUR behauptet, sondern namentlich die knorpeligen Wirbel- bögen sich sehr leicht und ganz glatt aus dem umgebenden „jungen Bindegewebe“ d.h. dem übrigen Bildungsgewebe herauslösen lassen. — Fürdie Erkenntniss der allgemeinen morphologischen Bedeutung der Wirbelanlagen ist noch die Frage nach dem Ursprunge der dieselben zusammensetzenden Elemente zu erörtern. Früher wurden dieselben einfach von den Segmenten (Urwirbel) abgeleitet; nachdem schon Voer die Wirbelbögen als Differenzirungen der Rückenwülste bezeichnet, bestimmte Remax ihren Ursprung von den Segmenten namentlich beim Hühnchen genauer*, worauf diese Lehre von KöÖLuıxer (Nr. 48 8. 62) und GEGENBAUR (Nr. 88 S. 52—53) wiederholt wurde. Neuerdings hat aber W. Mürver die Hıs’sche Behauptung, dass alle Bindesubstanzen von den Gefässadventitien abstammten, auch an den Batrachiern bestätigen zu können geglaubt und demnach die Wirbelanlagen von der Adventitia der zwei Aorten abgeleitet (Nr. 74 S. 353. 417). Meine Beobachtungen geben gewissermassen eine Vermittelung beider gegentheiliger Auffassungen; das Gerüst des hier in Betracht kommenden Bildungsgewebes wird unzweifelhaft von den Segmenten, insbesondere vom inneren Segmentblatte geliefert und besteht schon vor der * Wie ich schon früher anführte (S. 236), leugnet Remakx die direkte Abstammung der Batrachierwirbel von den Segmenten, indem sie aus einer diese letzteren verbindenden Chordahülle hervorgehen sollen. Dies bezieht sich aber nur auf die formale Erscheinung, denn in letzter Instanz wird jene Wirbelanlaee doch auf die Urwirbelmasse zurückeeführt (Nr. 40 8. 156). VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 405 Anlage der Gefässe, wodurch also die Hıs-Mürver’sche Ansicht zunächst in ihrer Allgemeinheit hinfällig wird. Aber allerdings wird der zweite wesentliche Bestandtheil der Wirbelanlagen, die das Bildungsgewebe zu kompakten Massen ausfüllenden Dotterbildungszellen, von den Gefässen geliefert, nur nicht von der embryonalen Gefässwand“* (Hıs, MürLter), sondern wie ich im folgenden Abschnitte zeigen werde, aus dem embryonalen Blute selbst. Da nun dieser zweite Bestandtheil der Wirbelanlagen nicht etwa bloss schon fertige Anlagen vergrössert, sondern zu ihrer Herstellung wesentlich mitwirkt, so kann von ursprünglichen morphologischen Anlagen des Stammskelets, wie es die Wirbel- saite ist, nicht die Rede sein; sie gehören vielmehr zu den histiologischen Umbildungen und Neubildungen innerhalb des Bildungsgewebes, welches dazu an bestimmten Stellen durch das allgemeine plastische Ernährungsmaterial der Dotterbildungszellen wesentlich ergänzt wird. Wie ich schon in. der Be- schreibung andeutete, passen sich diese histiologischen Bildungen der Form und Lagerung gewisser ursprünglich morphologischer Theile, der Wirbelsaite und der segmentalen Muskelplatten an, bringen also dadurch die in diesen Theilen bereits verkörperten allgemeinen morphologischen Verhältnisse der Rückenaxe und der Quergliederung zu wiederholten Ausdruck, und erben andererseits von ihnen die typische Anordnung. Man kann sie desshalb als sekundär-typische Theile bezeichnen. Alsdann wird aber auch die Bedeutung der zweierlei Wirbelanlagen erst völlig klar. Die Anpassung an die Wirbel- saite und diejenige an die Segmentmuskeln ergibt zweierlei Bildungen, welche nach dem Gesagten auseinandergehalten werden könnten, selbst wenn sie histiologisch vollständig kontimuirlich in einander übergingen. Dass dies anfangs nicht der Fall ist, wurde schon erörtert. Aber auch weiterhin erhält sich eine deutliche Scheidegrenze sehr lange, bei den Salamandrinen in Folge des verschiedenen Gewebes (Knorpel der Wirbelbögen, Faserknochen des Wirbelkörpers), bei den Anuren durch gewisse Unterscheidungsmerkmale des beiderseits gleichartigen Gewebes. Die Wirbelbogenanlagen haben nämlich anfangs kleine runde Kerne, die äussere Chordascheide grosse platte; ferner ist die Interkapsularsubstanz dort heller, hier dunkler, der Färbung zu- gängbicher und früher verkalkt. Aber wie gesagt, diese histiologischen Unter- * Diese primitiven Gefässwände besitzen zudem noch gar keine Adventitia, welche erst viel später erscheint, sondern bestehen bloss aus der netzförmigen Anlage der Intima (Taf. XI1 Fig. 210). 406 \ VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. schiede scheinen mir gar nicht so wesentlich zu sein, wie der Umstand, dass die beiderlei Wirbelanlagen als sekundär-typische Theile ihre Bedeutung erst von den embryonalen Anlagen erhalten, denen sie sich bei ihrer Entwickelung anpassten, und welche eben verschieden sind. Die Wirbelsäule ist, wie ich .sie geschildert habe, als primäres Skelet ein unpaares, axiales und ungegliedertes (Gebilde; ihre äussere Scheide erscheint daher anfangs ebenso und überhaupt nur als eine jenes Organ nach aussen verstärkende Hülle, welche den von jener übernommenen Muskelansätzen nicht selbstständig dient, sondern nur als Ver- mittlerin der diesem Organ allein zukommenden und für die Funktion eines Skelettheils nothwendigen Eigenschaften einer genügenden Festigkeit und Be- weglichkeit erscheint. Die Wirbelbögen dürfen dagegen zunächst nur als durch die lokalen Verhältnisse erzeugte Verstärkungen des Gewebes zwischen Rückenmarkshüllen und den intersegmentalen Muskelscheidewänden aufge- fasst werden; natürlich werden sie aber in derselben Weise wie jede unter rein mechanischen Formbedingungen erzeugte, indifferente Embryonalanlage in ihren weiteren Umbildungen durch die physiologische Thätigkeit beeinflusst, welche zu einer gewissen Zeit durch die Form, Lage und die Wechsel- beziehungen jener indifferenten Anlage nothwendig hervorgerufen wird. Solche Beziehungen ergeben sich im vorliegenden Falle zwischen den Wirbelbögen und den Muskelscheidewänden, sodass die ersteren zu den wesentlichen Skelet- theilen der segmentalen Muskeln werden, so weit diese über dem Niveau des axialen Skeletstammes, der Wirbelsaite und ihrer äussern Scheide, eine unmittelbare Befestigung noch entbehrten. Die Verbindung der Bögen mit dem axialen Stamme ist aber bei ihrer gemeinsamen Funktion und den gege- benen Lageverhältnissen eine ganz natürliche Anpassung. Sie erhalten dadurch eine festere Unterlage und behalten andererseits eine durch den elastischen axialen Stamm vermittelte Beweglichkeit. Es haben also die Wirbelbögen, noch bevor der letztere sich wesentlich verändert hat, demselben einen Theil der ursprünglich ihm allein zukommenden Aufgabe, den Stammuskeln Be- festigungspunkte zu bieten, abgenommen, ihm aber die Sorge für eine genügende Unterstützung und Beweglichkeit der Träger der neuen Muskelansätze über- lassen. Diese Theilung der Arbeit geht aber aus leicht begreiflichen Ursachen noch weiter. Einmal erhalten die Wirbelbögen, indem sie mit den queren Muskelgrenzen aufwärts auswachsen, immer längere Ansatzlinien; ein noch wichtigeres Moment ist aber die zunehmende Gliederung der letzteren. Die ursprüngliche Muskelbefestigung war in Uebereinstimmung mit der einfachen VI. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 407 und beschränkten Muskelthätigkeit der Embryonal- und ersten Larvenperiode von höchst einfacher Anordnung: die kurzen Muskelansätze lagen an der Wirbelsaite in einer Reihe regelmässig hintereinander und ermöglichten ledig- lich die Beugung in horizontaler Richtung. Und diese Anordnung ist an der Wirbelsaite einer Weiterentwickelung gar nicht fähig, da diese primäre Skelet- anlage bei dem Abschluss ihrer Entwickelung sich in wechselnder Weise den Muskeln gar nicht anpassen kann. Die fortgesetzten Verschiebungen der Segmentmuskeln bedingen dagegen gleichzeitig eine wachsende Mannigfaltig- keit von Ansatzpunkten an den ihnen sich anpassenden Wirbelbögen und Fortsätzen, wodurch jene ersten Ansätze vollkommen entbehrlich und in Folge des Hinabrückens der Basen der Wirbelbögen und ihrer seitlichen Fortsätze diesen letzteren übertragen werden (Taf. XIX Fig.338—340). Indem aber das primäre, axiale Skelet die Muskelbefestigungen verliert, bildet es in gleichem Masse diejenigen Seiten seiner Skeletfunktion aus, welche ihm gemäss der schon angedeuteten Arbeitstheilung besonders zufallen, nämlich die Festi- gung und Beweglichkeit der die Wirbelbögen tragenden Unterlage. Natürlich ergibt sich aber auch dabei die „Zweckmässigkeit‘‘ nur als der Ausdruck eines Zusammenhangs der Entwickelung, einer nothwendigen, gegenseitigen An- passung. Mit der frühzeitigen Muskelthätigkeit und der sich ihr anpassenden Entwickelung der Wirbelbögen steigern sich ebenso frühzeitig die auf die letzteren wirkenden Zugkräfte und der auf die Stützpunkte ausgeübte Druck. In dem letzteren glaube ich aber gerade die Ursache zu erkennen für das geringe Wachsthum der so früh davon unmittelbar betroffenen vertebralen Theile der äusseren Chordascheide, welche wiederum aus demselben Anlass früher erhärten, wenn auch zunächst nur durch eine periostale Verknöcherung. Andererseits verlangt und erzielt die ununterbrochene Muskelaktion nicht nur feste Stützpunkte, sondern auch die Beweglichkeit derselben. Diese muss sich in dem Masse als die unmittelbaren vertebralen Stützpunkte an Nachgiebigkeit verlieren, auf die Grenzen benachbarter Stützpunkte, also auf die interverte- bralen Abschnitte beschränken, wo, wie ich zeigte, das Wachsthum der äussern Chordascheide gerade in Folge seiner Beschränkung in den vertebralen Abschnitten sich besonders steigerte, diese Wucherung des Intervertebral- wulstes aber die Verknöcheruug seines Gewebes hintanhielt und dessen Nach- giebigkeit wahrte. Auf diese Weise wird durch die Steigerung der Ansprüche an die Festigkeit des-axialen Skeletstammes, welche sich mit der Beweglichkeit nur bis zu einem gewissen Grade gleichmässig vereinigen lässt, eine vollständige 408 VU. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. Vertheilung beider Eigenschaften auf verschiedene Abschnitte herbeigeführt und die Gliederung, welche von den Segmenten ursprünglich nur auf die Wirbelbögen übertragen war, durch diese auch auf den ursprünglich unge- gliederten Skeletstamm vererbt. — An dem letzteren war anfangs nur die Wirbelsaite der wirksame Theil, ihre äussere Scheide von untergeordneter Be- deutung. Für die weitere Entwickelung kommt aber nur die letztere in Betracht, da die Wirbelsaite als eine abgeschlossene Bildung einer fortschreitenden Entwickelung nicht fähig ist. Desshalb übernimmt die äussere Chordascheide allmählich ein immer grösseres Mass von der Aufgabe des axialen Skelet- stammes, wogegen die Wirbelsaite in demselben Verhältnisse als sie ausser Thätigkeit gesetzt wird, emer vollständigen Rückbildung entgegengeht. Dass dabei einzelne Abschnitte der Wirbelsaite unter dem konservirenden Einflusse des sie einschliessenden Knochens bei einigen Batrachiern längere Zeit, selbst zeitlebens bestehen bleiben, kann gegenüber den allgemeinen Ergebnissen ebenso wenig ins Gewicht fallen, als die bei andern Batrachiern eintretende Umbildung einzelner ihrer Zellenreste zu Knorpelmassen, welche sich den übrigen Wirbelkörperanlagen anschliessen. Die fernere Ausbildung der Wirbel- körper erscheint endlich gleichfalls als eine nothwendige weitere Folge der für ihre Bildung überhaupt einmal in Wirkung getretenen Ursachen; denn wenn die Entwickelung der Intervertebralwülste oder die Gliederung des Axen- theils in der angegebenen Weise begründet werden kann, so liegen im weiteren Fortgange dieses Bildungsprocesses offenbar auch die Bedingungen zur Entstehung der Doppelkegelform der Wirbelkörper und zur Ausbildung der Zwischenwirbelgelenke. Jene Form ist eben bloss der Ausdruck für das ge- steigerte intervertebrale Wachsthum der äusseren Chordascheide, welches sich zuerst in einer queren Ausweitung äussert; die folgende Wucherung oflenbart aber die Wirkung derselben beschränkenden Ursachen, da ihre Höhe in die quere Grenzebene je zweier vertebralen Abschnitte fällt, sodass dort die ursprünglich freien Kerne nothwendig am stärksten angehäuft und von Anfang an quergestreckt erscheinen und am längsten in diesem Zustande erhalten bleiben. Auf diese Weise entstehen die von mir beschriebenen queren Scheide- wände oder die Anlagen der Zwischenwirbelgelenke nicht als nachträgliche Umbildungen einer Knorpelmasse, sondern als die der Knorpelbildung am längsten widerstehenden Theile der Intervertebralwülste. Aus diesen Betrachtungen ergibt sich der folgende allgemeine Entwickelungs- gang des Stammskelets der Batrachier. — 1. Die einzige morphologische An- VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 409 lage desselben ist die Wirbelsaite, ein unpaares axiales Gebilde, welches sehr bald durch eine den Bestand seiner Embryonalzellen auflösende Umbildung in einen elastischen Oylinder verwandelt wird. Dieser fungirt während einer gewissen Zeit als einfachstes, ungegliedertes Stammskelet; dieser Thatbestand wird durch eine einfache, dünne und häutige Umhüllung (äussere Chorda- scheide) zunächst nicht wesentlich verändert. 2. Dazu treten als histiologische Anpassungen an die der Wirbelsaite nicht unmittelbar anliegenden Muskel- massen, also als sekundär-typische Theile die oberen Wirbelbögen *, welche dem axialen Skeletstamme fest aufsitzen aber genetisch nicht zu ihm gehören. Solange die einfache und regelmässige ursprüngliche Muskelanordnung besteht, wirken der ungegliederte und gleichmässige Axentheil und die gesonderten, paarigen, aber noch wenig entwickelten Wirbelbögen gleichartig neben einander ohne Veranlassung zur Veränderung. — 3. Die topographische Umbildung der Muskelmassen hat eine entsprechende Entwickelung der sich ihnen anpassenden Wirbelbögen (Krümmungen, Auswüchse) zur Folge, welche daher immer mehr Muskelansätze aufnehmen, endlich die einfache ursprüngliche Muskelbefestigung an dem Axentheile entbehrlich machen und ganz ablösen. Dadurch wird der letztere nicht überflüssig, sondern nur eine Arbeitstheilung im Skeletsysteme eingeführt. Die Wirbelbögen übernehmen die Aufgabe durch ihre reiche Gliederung den mannigfachsten Hebelwirkungen Angriffspunkte zu gewähren und enthalten gerade in ihrer Thätigkeit die Ursachen, welche ihnen im axialen Skelettheile entsprechend festere aber doch bewegliche Stützpunkte erzeugen. Die nicht entwickelungsfähige Wirbelsaite kann dazu nichts beitragen; dagegen wird ihre äussere Scheide in der unmittelbaren Unterlage jedes Bogenpaares durch frühzeitige Verknöcherung fester, in den intervertebralen Abschnitten weicher. Jeder dieser embryonalen Wirbelkörper ist mehr oder weniger doppelkegelförmig, und die eingeschlossene, noch unveränderte Wirbelsaite ge- währt ihm noch einen gewissen Halt, ist also noch nieht von jeder Funktion ausgeschlossen. — 4. Die weitere Entwickelung der einmal angelegten Gliederung des axialen Skelettheiles lässt die Erzeugnisse der äusseren Chorda- scheide immer vollständiger an die Stelle der Wirbelsaite treten, wobei diese ausser Thätigkeit gesetzt endlich ganz der Rückbildung anheimfällt. Dabei tritt der Gegensatz der vertebralen Regionen und der Intervertebralwülste, * Die unteren Bögen werden als Theile nur einzelner Batrachierwirbel ebenso wie die (Querfortsätze und Rippen erst später betrachtet werden. 410 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. worauf ihre eigene Entstehung überhaupt beruht, nothwendig immer stärker hervor: jene , die Mittelstücke der künftigen Wirbelkörper sind fester, wachsen langsamer, konserviren daher die Wirbelsaite länger, die Epiphysen dagegen sind die weichen, stärker wuchernden Theile, welche also die Wirbelsaite zuerst zum Schwunde bringen. Die Ausbildung der Zwischenwirbelgelenke schliesst wenigstens in morphologischer Hinsicht die zusammenhängende Kette von Ur- sachen und Wirkungen der ganzen Wirbelbildung, welche von einfachem Anfange ausgehend in immer divergentere Erfolge ausläuft. Denn Wirbelsaite und Segmente mit ihrer Umgebung liefern zunächst die eimzigen mechanischen Formbedingungen, welche das indifferente Bildungsmaterial zu den zweierlei Wirbelanlagen verdichten; und die sich daraus ergebenden physiologischen Momente der Muskelaktion wirken ebenfalls auf mechanischem Wege, um die Gliederung der Wirbelbögen auf die Wirbelkörper zu übertragen, und deren Form und Gelenkbildung sowie die Verbindung und Arbeitstheilung beider Theile zu veranlassen. An der Hand dieser allgemeinen Uebersicht der Wirbelbildung zunächst der Batrachier will ich versuchen, die besonderen Erscheinungen bei diesen und anderen Wirbelthieren in Einklang zu bringen. Für die Amphibien liefert die umfassende Arbeit GEGENnBAUR’s den reichsten und werthvollsten Stoff. Es erhellt daraus (Nr. 83 S. 3-- 21. 64. 65), dass die Perennibranchiata, denen sich Cöcilia anschliesst, ferner die Derotremen und Salamandrinen eine fortlaufende Entwickelungsreihe darbieten, welche mit der dritten der von mir unterschie- denen Entwickelungsstufen beginnt. Die gememsame Grundform dieser Reihe offenbart sich zunächst in der Doppelkegelform der Wirbelkörper, welche um so deutlicher hervortritt, als die letzteren sehr lang gestreckt sind. Hin- sichtlich der Wirbelbögen hat aber GEGENBAUR die eigenthümliche Form ihrer knorpeligen Anlagen nicht beachtet, was namentlich aus den ungenauen Abbildungen hervorgeht (Nr. 88 Taf. I Fig. $, Taf. IID), welche in je einem Durchschnittsbilde stets den ganzen Verlauf eines Bogens darstellen, während derselbe auch nicht annähernd in einer Ebene liegt*. Daher rührt auch die falsche Angabe über die Bildung der Zwischenbogengelenke durch Ueberein- anderschieben der schon fertigen und in die Breite auswachsenden Bögen. — * Eine Ausnahme wäre nur für den letzten vollständigen Bogen denkbar, wenn der Schnitt nicht senkrecht und ziemlich dick ausgeführt wird. VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 411 Der Gesammtfortschritt der bezeichneten Wirbelbildungen fällt zusammen mit der fortschreitenden Entwickelung des Intervertebralwulstes, welcher aber trotz seiner Ausbreitung und der vollständigen Verdrängung- der intervertebralen Chordaabschnitte in dieser Reihe noch zu keiner vollständigen Gelenkbildung führt. — Um nun diese Form der Wirbelbildung mit der peri- und epichordalen der Anuren in Verbindung zu bringen, hat GEGENBAUR eine Hypothese vorge- schlagen, welcher ich nicht beistimmen kann. Davon ausgehend, dass in der kontinuirlichen Skeletschicht der Anuren die Knorpelbildung von den Bögen aus sich um die ganze Wirbelsaite fortsetze und dass diese kontinuirliche Knorpelröhre schon bei den Ganoiden (Lepidosteus) vorkomme, also eine sehr alte Einrichtung sei, hält GEGENBAUR die Trennung des Intervertebralknorpels und der knorpeligen Wirbelbögen der Salamandrinen und noch tiefer stehender Batrachier für eine aus jener ursprünglichen Einrichtung hervorgegangene Rückbildung, welche dort, wo der Intervertebralknorpel bis zu grosser Annähe- rung an die Wirbelbogenbasen ausgebreitet erscheint (Siredon, Menopoma), am wenigsten vorgeschritten sei (Nr. 118 S. 395 —397, Nr. 89 S. 607). Aus der Entwickelungsgeschichte der Salamandrinen wissen wir aber, dass diese Aus- breitung des Intervertebralknorpels von einem beschränkten intervertebralen Ausgangspunkte fortschreitet, also doch höchst wahrscheinlich für alle ge- schwänzten Amphibien die grösste Beschränkung jenes Knorpels oder seine weiteste Trennung von dem Knorpel der Wirbelbögen gerade der ursprüngliche Zustand ist; wie denn HEGENBAUR selbst die in der Amphibienreihe zunehmende Verdickung des Intervertebralknorpels für einen Fortschritt erklärt*. Und da ich gegen GEGENBAUR ganz bestimmt daran festhalten muss, dass die knorpeligen Wirbelbögen der Urodelen nicht unmittelbar auf der Wirbelsaite, d. h. ihrer inneren Scheide, sondern auf der ununterbrochenen äusseren Chorda- scheide aufsitzen, welche dort früher verknöchert als der Intervertebralwulst überhaupt knorpelig wird, so erscheint die Trennung der beiden Knorpeltheile schon in den Anfängen der in Rede stehenden Wirbelbildung begründet und ohne jeden Uebergang zum kontinuirlichen Zusammenhange jener Theile bei den Anuren. Denn die stärkste Ausbreitung der Intervertebralknorpel, welche aber * Die Vereinigung beider Annahmen, dass nämlich das Wachsthum eines und desselben Theiles nach zwei Richtungen (Verdickung und Verlängerung), obgleich es beiderseits in demselben Verhältnisse zu- oder abnimmt, für eine Richtung einen Fortschritt, für die andere in umgekehrter Ordnung eine Rückbildung bedeute, scheint mir in der Darstellung GEGENBAUR’S überhaupt der bedenklichste Punkt zu sein. 412 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. nach dem Gesagten selbst bei einem Zusammentliessen derselben in der Wirbel- mitte (Menopoma) die Trennung von den Wirbelbögen nicht aufheben kann, ist nur ein Folgezustand der grössten anfänglichen Trennung, kann also nicht als ein Mittelglied zwischen dieser und dem angeblich ältesten Zustande des kontinuirlichen Zusammenhanges aufgefasst werden. Ueberhaupt war jene Hypothese GEGENBAURS nur denkbar, solange die von mir sogenannte äussere Chordascheide in ihrer morphologischen Anlage und ihrer späteren Sonderung unerkannt blieb. Denn der histiologische Unterschied, ob sie aus ihren inneren Theilen eine kontinuirliche Knorpelschicht oder diskrete Knorpelpartien herstellt, tritt in seiner Bedeutung wesentlich zurück, sobald man die ursprünglich knöchernen Doppelkegel mit den Intervertebralwülsten aus einer kontinwirlichen Anlage hervorgehen sieht. Und wenn man die Selbstständig- keit dieser Anlage gegenüber den Wirbelbögen dazunimmt, so lässt sich gerade der einfache Fortschritt von den Salamandrinen zu den Anuren, wie ich glaube, unschwer begründen. Bei den ersteren verändern sich die vertebralen Abschnitte der äusseren Chordascheide bis zu ihrer frühzeitigen Verknöcherung gar nicht, bei den Anuren wuchert ihr Gewebe in derselben Zeit ganz merklich, wenn auch langsamer als m den Intervertebralwülsten, und wird viel später knorpelig und knöchern. Es findet hier also dasselbe Verhältniss statt, welches ich schon bei den verschiedenen Gewebsbildungen der äussern Chorda- scheide an einer und derselben Wirbelsäule hervorhob: je lebhafter die Ver- mehrung der Elemente vor sich geht, desto später erfolgt die Differenzirung und umgekehrt. Die dickeren vertebralen Abschnitte der äusseren Chorda- scheide bei den Anuren offenbaren also nicht den ursprünglichen Zustand gegenüber demjenigen der anderen Amphibien, wie GEGENBAUR meint, sondern einen Fortschritt der Bildung, indem die lebhaftere Entwickelung jenes Theils eine frühzeitige Verknöcherung verhindert und dieselbe erst in dem Ueber- gangszustande der Knorpelbildung eintreten lässt. Einen solchen Bildungs- fortschritt hat GEGENBAUR trotz des erwähnten Widerspruchs am Interverte- bralwulste im grossen und ganzen nachgewiesen, dabei jedoch übersehen, dass die Anlage des Gelenks schon ursprünglich im den Bildungsursachen jenes Wulstes selbst begründet ist und daher nicht erst nachträglich in einem „kontinuirlichen Intervertebralknorpel“ entstehe. _ Desshalb bezog auch GEGENBAUR das an der Oberfläche zu Tage tretende, quergestreifte Gewebe jener Anlage nur auf ein oberflächliches Ligament. Eine kontinuirliche Knorpel- masse, welche alle Wirbel mit einander verbände, habe ich weder bei Sala- VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 413 mandrinen noch bei Anuren gesehen. Allerdings geht der Knorpel jedes Wirbels allmählich in jene Scheidewand der Gelenkanlage über; dies geschieht aber auch am queren Umfange der vertebralen Abschnitte bei den Pelobatiden, wo doch niemand die ventralen Scheidentheile als knorpelige bezeichnet. — Mit diesem allmählichen Fortschritte in der Entwickelung der äusseren Chordascheide durch die ganze Reihe der Amphibien hängt auch die Ver- änderung der Wirbelform zusammen. Bisher war die Doppelkegelform der Wirbelkörper nur bei den geschwänzten Batrachiern und nach Vogr's Angabe bei Alytes obstetricans bekannt; ich finde sie auch bei den Anuren im Anfange der Entwickelung und halte sie überhaupt für die gemeinsame Grundform aller Batrachierwirbel, hervorgerufen durch dieselben überall vorhandenen Wirkungen der Wirbelbögen auf ihre Unterlage, wodurch das Wachsthum der- selben in den vertebralen Abschnitten gehemmt, in den intervertebralen gesteigert wird. Man kann auch eigentlich nicht sagen, dass diese Form bei ‘den Anuren durch eine nachträgliche abweichende Entwickelungsrichtung ver- drängt werde; sondern während die früh entstandene Knochenrinde der Sala- mandrinen die vertebralen Abschnitte nur langsam sich verdicken lässt, dagegen über die sich ausdehnenden Intervertebralwülste mit immer weiterer Oeffnung auswächst, also die Grundform immer auffallender ausbildet, wird dieselbe bei den Anuren wenig weiter entwickelt und dadurch bloss der Aufmerksamkeit entzogen, theils weil die Wirbelkörper sich wenig verlängern, theils weil das Wachsthum der vertebralen Abschnitte weniger gehemmt ist, als bei den Sala- mandrinen. Endlich mag die breite Wirbelbogenbasis die ursprüngliche Form der Wirbelkörper der Anuren mehr verdecken, obgleich dieselbe im weiteren Umfange der Epiphysen stets angedeutet bleibt. Wie sehr diese Grundform nur von jener oben bezeichneten, der Wirbelbildung aller Amphibien gemein- samen Ursache abhängt, erhellt am besten an den Unkenlarven. Bei diesen äussert sich das Wachsthum der äussern Chordascheide nur im dorsalen Theile; und übereinstimmend damit zeigt sich auch jene auf dieselbe ausgeübte Wirkung nur in einer sattelförmigen Ausbildung der Oberseite des primitiven Wirbelkörpers, d. h. in einer entsprechend partiellen Doppelkegelform. Diese Beschränkung der gleichmässigen Entwickelung des Wirbelkörpers enthält auch den einzigen Unterschied der sogenannten epichordalen Wirbelbildung von den übrigen Bildungstypen und ich habe schon darauf hingewiesen, dass jene Abweichung nicht unvermittelt dasteht, sondern in den bei den Kröten und Fröschen nachweisbaren Formen ein allmählicher Uebergang zu der regel- “ 414 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. mässigen Grundform zu finden ist. Auffallend bleibt es nur, dass die irrthüm- liche Auffassung dieser unregelmässigen perichordalen Entwickelungsform der Wirbel von Dvess an bis in die neueste Zeit unbeanstandet überliefert werden konnte. Die genauere Untersuchung derselben weist aber noch einen anderen zwischen den Anuren und übrigen Amphibien aufgestellten Unterschied zurück. GEGENBAUR legt einigen Nachdruck darauf, dass die Anuren keinen Chorda- knorpel entwickelten und sich dadurch den höheren Wirbelthieren näherten (Nr. 85 8. 65); nachdem ich aber diesen Knorpel bei der Unke nachgewiesen, bliebe noch zu untersuchen übrig, ob er nicht auch bei anderen Anuren, welche ihre vertebralen Chordareste verlieren, z. B. bei den Kröten, sich gleichfalls entwickele. Jedenfalls kann seine Anwesenheit oder sein Fehlen schon jetzt nicht mehr als Unterscheidungsmerkmal der beiden Amphibiengruppen gelten. Aus allen allgemeinen Betrachtungen und besonderen Vergleichen hin- sichtlich der Wirbelbildung der Amphibien ergibt sich ganz unzweideutig, dass’ sie in der ersten Anlage, in den Bildungsursachen und der ganzen Entwickelungs- richtung in allen Abtheilungen dieser Wirbelthierklasse durchaus gleich ist, und dass die Unterschiede der ausgebildeten Formen sich nur auf verschiedene Grade in der Energie derselben Entwickelungsvorgänge beziehen. Die beiderlei Wirbelanlagen, ihre gegenseitigen Beziehungen und die doppelkegelförmige Anlage des Wirbelkörpers sind gemeinsam und nur das Wachsthum der äusseren Chordascheide schreitet von der äussersten Beschränkung auf die intervertebralen Abschnitte (Cöcilia, Proteus) durch eine immer grössere Aus- breitung des Intervertebralwulstes (Menobranchus, Siredon, Menopoma, Sala- mandrinen) bis zu einem blossen Ueberwiegen in den intervertebralen Abschnitten (Anuren) fort. Die intervertebrale Beschränkung jenes Wachs- thums bedingt in jedem Fall die regelmässige und frühzeitige Verknöcherung der vertebralen Abschnitte; die Wucherung auch der letzteren hält die früh- zeitige Verknöcherung nothwendig auf und geht mit einer Abweichung von jener Regelmässigkeit in der ganzen äusseren Chordascheide Hand in Hand, welche bei den Fröschen ganz gering anfängt, sich dann bei den Kröten steigert, um bei den Pelobatiden und ihren nächsten Verwandten zur vollen Einseitigkeit zu gelangen. Mit der allmählichen Ausbildung der Intervertebral- wülste steht die ebenso fortschreitende Entwickelung der Zwischenwirbel- selenke in innigem Kausalzusammenhange. Nach dieser Darstellung können aber die histiologischen Unterschiede nicht mehr besondere Berücksichtigung VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 415 finden, da sie nur die nothwendigen Folgen der quantitativen Unterschiede im wesentlich gleichen Entwickelungsreihen sind. Diese Wachsthumsdifterenzen beziehen sich allerdings vorherrschend, aber nicht ausschliesslich auf die äussere Chordascheide, denn der zunehmenden Energie in ihrem Wachsthum geht eine Ähnliche Steigerung an den Wirbelbögen parallel. Diese sind nämlich bei den Anuren relativ dicker und namentlich ihre Basen erheblich verbreitert, sodass sie schliesslich einen nicht geringen Theil des queren Umfanges der Wirbelbögen umfassen. y Von den übrigen Wirbelthieren schliessen sich hinsichtlich der Wirbel- bildung die Knochenfische und die Amnioten an die beiden Enden der Amphibienreihe an. An Forellenembryonen fand ich die Entwickelung der Wirbelsaite in allen wesentlichen Punkten vollkommen übereinstimmend mit derjenigen der Batrachier. Anfangs sind die Embryonalzellen der Wirbel- saite deutlich radiär angeordnet; bald verliert sich aber dieses Bild, weil die von vorn nach hinten sich stark abplattenden Zellen eine entsprechende Aus- dehnung im Querschnitte des Organs gewinnen und alsdann scheibenförmig den grössten Theil dieses Querschnittes durchsetzen. Diese Umbildung bezieht sich auf alle Zellen, und sobald die Vakuolenbildung in der bei den Batrachiern beschriebenen Weise angefangen hat, geht auch bei den Forellenembryonen die Integrität der ursprünglichen Chordazellen verloren, indem sie in die dünnen Wände der mit gallertiger Flüssigkeit gefüllten Vakuolenräume über- gehen, und diese Wände zu den einfachen Scheidewänden des Gallertkörpers, nach aussen aber zur kontinuirlichen und sehr dünnen protoplasmatischen Rindenschicht verschmelzen. In der letzteren habe ich bis nach dem Erscheinen der Wirbelbögen keine Zellen entdecken können, welche überdies bei der geschilderten Entwickelung der Wirbelsaite aus den scheibenförmigen, oft die ganze Dicke des Organs durchsetzenden Embryonalzellen nicht abge- leitet werden, sondern nur als Neubildungen entstehen könnten. Ich muss daher die Richtigkeit einer Abbildung GEGENnBAURr's von der Chorda eines Lachs- embryo bestreiten (Nr. 118 Taf. IX Fig. 16). Ueber die dicke innere Chorda- scheide habe ich nichts besonderes zu bemerken. Eine kontinuirliche Skelet- schicht (GEGENBAUR Nr. 33 8.58) habe ich an den Knochenfischen ebenso- wenig wie an anderen Wirbelthieren gesehen; auch ihre Wirbelanlagen bestehen in der eylindrischen, der Wirbelsaite angepassten äusseren Scheide und den Wirbelbögen, welche aus abgelagerten Dotterhildungszellen hervor- gehen. Dadurch, dass ihre protoplasmatische Grundmasse durch Karmin 416 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. lebhaft gefärbt wird, unterscheidet sich die äussere Chordascheide leicht von dem umgebenden Bildungsgewebe, wobei natürlich zunächst Frontalschnitte zu berücksichtigen sind. Da diese äussere Chordascheide niemals knorpelig wird, so bleibt sie auch von den aufsitzenden knorpeligen Wirbelbögen stets deutlich gesondert. Die letzteren haben eine konische Gestalt und wachsen gerade aufwärts, was natürlich von der einfacheren Anordnung der Muskeln abhängt. Sie bleiben daher wie der ganze Lokomotionsapparat der Fische auf einer niedrigen Bildungsstufe stehen, welche von den Amphibien überschritten wird. Dasselbe gilt vom Wirbelkörper; die vertebralen Abschnitte der äusseren Chordascheide verknöchern gerade so wie bei den geschwänzten Amphibien, die intervertebralen Ringe zeigen aber nicht einmal die Anfänge einer Wucherung und Knorpelbildung, welche GEGENBAUR selbst bei den niedersten Amphibien entdeckte, sondern gehen offenbar in die bindegewebigen Interverte- bralligamente über. Wenn ich daher GEGENBAUR beistimme, dass der Interverte- bralknorpel die niedersten Amphibien über die Knochenfische erhebe (Nr. 38 S. 64), so geschieht es doch nicht in dem Sinne, als wenn derselbe bei den Teleostiern überhaupt kein Homologon hätte und beide Klassen dadurch eigentlich weit geschieden würden (Nr. 115 8. 397). Hätte GEGENBAUR die allerersten Entwickelungszustände der Wirbelsäule der Amphibien und Knochen- fische untersucht, hätte er insbesondere die äussere Chordascheide als die einheitlich morphologische Grundlage sowohl der primitiven perichordalen Wirbelkörpertheile als ihrer intervertebralen Verbindungen erkannt, so wären die Ergebnisse seiner sonst so gründlichen und gedankenreichen Untersuchungen gewiss anders ausgefallen. Denn wie überall bieten auch im vorliegenden Falle die weiter entwickelten Zustände für sich allein zu unsichere Ausgangs- punkte, um den onto- und phylogenetischen Zusammenhang der Erscheinungen und daraus die Homologie der einzelnen Theile festzustellen. Ich sehe mich daher veranlasst, die Mannigfaltigkeit der bezüglichen anatomischen Thatsachen und selbst die embryologischen Untersuchungen, soweit ich dieselben selbst nicht prüfen konnte, hier unberücksichtigt zu lassen und mich zunächst auf den Forellenembryo zu beschränken. Dessen Wirbelbildung bleibt nach meinen Beobachtungen allerdings unter derjenigen von Cöcilia und Proteus stehen; aber der Unterschied beruht nicht darin, dass die Intervertebral- knorpel dieser Amphibien als vollständig neue Theile dazukämen, sondern darin, dass die überall gleichen Anlagen der Intervertebralringe der äusseren Chordascheide bei der Forelle bloss in dünne Bänder, bei den Amphibien VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 417 ausserdem noch in verschieden dicke Knorpelringe sich verwandeln. Nach dem morphologischen Werth schliessen sich also die Forellenwirbel unmittelbar an die Proteuswirbel rückwärts an, wobei jedoch in Folge der späteren Knochen- ablagerung auf den primitiven Wirbelkörper und der Betheiligung der Wirbel- bögen an der Herstellung des anatomischen Wirbelkörpers Besonderheiten von sekundärer Bedeutung sich entwickeln können. Und es ist nicht unmöglich, (lass solche minder wichtige Eigenthümlichkeiten bei einem grossen Theil der Teleostier die fundamentale Uebereinstimmung verdecken. Sowie die von mir untersuchten Knochenfische die zusammenhängende Entwickelungsreihe der verschiedenen Amphibienwirbel rückwärts ausdehnen, scheinen die Amnioten sie zu höheren Bildungen fortzuführen. Hinsichtlich der Wirbelsaite der Vögel und Säuger muss ich das oft Erwähnte noch ein- mal wiederholen. Die ganze Masse der embryonalen Chordazellen wird zur Herstellung eines Gallertkörpers und einer dünnen protoplasmatischen Rinden- schicht verbraucht, in denen intakte Zellen nicht mehr nachweisbar sind. Ihr ganzer Bau stimmt vollkommen mit demjenigen der Chorda der Knochenfische und Amphibien überein; doch sind die freien Kerne der Rindenschicht an jungen Schaf- und Kaninchenembryonen sowie an 5—6tägigen Hühner- embryonen noch viel deutlicher zu erkennen als bei den erstgenannten Thieren, wobei ich wiederholt darauf aufmerksam mache, dass diese Thatsachen nur an Flächenansichten jener Schicht zu eruiren sind, welche wie es scheint bisher wenig benutzt wurden. Wenn daher W. Müuter darin Recht haben mag, dass in der ersten Zeit der Vakuolenbildung, über welche ich keine Erfahrungen besitze, die peripherischen Chordazellen zum Unterschied von den früher ange- führten Wirbelthieren intakt bleiben (Nr. 74 S. 335—338), so existiren solche undenzellen an 5—6tägigen Hühnerembryonen ganz bestimmt nicht, noch viel weniger aber an 4 Centimeter langen Embryonen des Schafes, da ich sie in viel jüngeren vermisste. — Ueber die eigentliche Wirbelbildung der Amnioten habe ich nur folgendes zu berichten. Der erste Fortschritt gegenüber den niederen Wirbelthieren besteht jedenfalls darin, dass die Wirbelsaite wenigstens der Vögel und Säuger in keiner Weise mehr zur Skeletfunktion benutzt wird, sondern lediglich als Grundstock zur Ablagerung des sekundären Stammskelets dient, daher aber auch relativ am frühesten schwindet. Eine kontinuirliche, Wirbelbögen und Wirbelkörper gemeinsam differenzirende Skeletschicht muss ich auch für die Amnioten in Abrede stellen und namentlich die Remar'sche Darstellung (Nr. 40 S. 41) als unrichtig bezeichnen, wonach die innere Hälfte GoETTE, Entwickelungsgeschichte. 27 418 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. jedes Segments sich in einen vorderen und einen hinteren Absehnitt, die Anlage eines Spinalganglions und eines Wirbelbogens spalte, und der letztere sich erst nachträglich an die Grenze zweier Segmente verschiebe. Die Wirbelbögen sind eben keine Difterenzirungen vorhandener Embryonalanlagen, sondern wachsen als Neubildungen von ihrer Basis an aufwärts; an Säugethier- embryonen sehe ich anfangs zwischen den sehr grossen Spinalganglien nur Gefässe und einiges Bildungsgewebe, die Wirbelbögen wachsen erst später dazwischen hinen. Noch unbegründeter ist die Angabe Rrmar’s über die zweifache Gliederung der Wirbelkörpersäule (Nr. 40 8. 42—43), indem die „primitiven Wirbelkörper“ als die um die Wirbelsaite zusammengewachsenen unteren Segmentränder in ihren. Grenzen durchaus mit den Segmenten zusammenfallen, dann aber verschmelzen und durch die „sekundären Wirbel- körper“ ersetzt werden sollen, deren Grenzen der Mitte der Segmente entsprächen. Die primitiven Wirbelkörper Rezmar’s existiren überhaupt nicht; sein Irrthum liesse sich aber vielleicht dadurch erklären, dass, wie ich an jungen Schafsembryonen finde, die hintersten Rumpfwirbelkörper je eine quere Einschnürung zeigen*, und REeMmAK seine Auffassung wie es scheint nur aus einem ganz ähnlichen Bilde schöpfte. — Der Ursprung der Bildungszellen der Wirbelbögen wie der Wirbelkörper dürfte aber bei den Amnioten wegen der viel weniger klaren histiologischen Verhältnisse ihrer Embryonalanlagen nicht so leicht wie bei den Amphibien und Fischen nachzuweisen sein; und die schon erwähnte Hıs’sche Lehre, dass alle Bindesubstanzen von den Gefässadventitien abstammten (Nr. 109 S. 40. 41. 175— 179), ist mir am Hühnchen nicht wahr- scheinlicher geworden als an den Batrachiern. Die erwähnte gerimge Deutlich- keit der Embryonalzellen der höheren Amnioten erschwert natürlich auch die Erkenntniss ihrer ersten Wirbelanlagen. Zur Zeit, wann sie aus den umgeben- den Massen klar hervortreten, lässt sich zwischen den Bögen und den Central- theilen der Wirbelkörper eine Grenze nicht leicht auffinden; im vorderen Rumpfe iuneer Schafsembryonen aber, deren Wirbelsaite noch nicht angefansen hatte fo} I o° oO * Dies erinnert offenbar an KörLıkkr’s Beobachtung von der Wirbelverdoppelung bei Haien, wobei jedoch auch die Nerven sich verdoppelten (Nr. 44 S. 199). Ich finde dagegen im Schwanze von Scyllium doppelt soviele vollständige Wirbel als Ganglien und Muskel- segmente. Dass diese merkwürdige Erscheinung aus einer nachträglichen Theilung hervor- gehe, muss ich bezweifeln, weil alsdann die Bögen, Interkalarknorpel und diskreten Dorn- tortsatzanlagen sich nicht einfach neben einander verdoppeln, sondern auf unbegreitliche Weise alternirend stellen müssten. VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 419 zu schrumpfen, fand ich um dieselbe eine dicke Zellenschicht, deren Elemente durchweg koncentrisch angeordnet waren, und im seitlichen Anschlusse daran oftenbare Wirbelbogenanlagen, deren Zellen jedoch ohne bestimmte Anordnung waren, sodass dadurch eine wenn auch nicht ganz scharfe Grenze gegen die unmittelbare Umhüllung der Wirbelsaite gegeben war. Diesen Befund halte ich für genügend, um mit Rücksicht auf die klaren Bilder bei den Amphibien und Knochenfischen auch für die Säuger, denen sich wahrscheimlich die übrigen Amnioten anschliessen, eine äussere Chordascheide als besondere Wirbelanlage anzunehmen. Das Bemerkenswertheste an unserem Objekte waren jedoch die Massenverhältnisse und Lagerungsbeziehungen der beiderlei Anlagen. Die relativ sehr kleinen Masse der Wirbelsaite bedingen es, dass wenn auch die äussere Scheide bei der so spät eintretenden Muskelaktion und ihrer Wirkung sich anfangs bis zu einer ansehnlichen Dicke unbeschränkt entwickeln kann, dieser ganze axiale Wirbeltheil doch nur eine sehr unvoll- ständige Unterlage des Rückenmarkes bildet; daher krümmen sich die mächtigen Wirbelbogenbasen von Anfang an unter das letztere, um sich dem Axentheile in seiner ganzen Höhe anzulegen und mit zugeschärftem Rande auf seine Ober- und Unterseite überzugreifen. Dieses Uebergewicht der Wirbel- bögen stimmt nicht nur vollkommen überein mit der später hervortretenden Doppelkegelform der Wirbelkörper, d. h. dem schliesslich dennoch ungleich- mässig abgeänderten Wachsthum der dicken Chordascheide, sondern erklärt auch das Fehlen einer deutlichen Abgrenzung zwischen den zweierlei Wirbel- anlagen älterer Embryonen: indem die histiologisch noch ziemlich indifferenten Wirbelbogenbasen den Axentheil vollständig umwachsen, ordnen sich ihre Zellen ebenfalls koncentrisch um denselben an, wird also das frühere Grenz- merkmal verwischt, dagegen ein ganz unmerklicher Uebergang aus der Zellen- anordnung des Wirbelkörpers in diejenige der freien Bogentheile hergestellt. Mit dieser starken Wucherung der histiologisch indifferenten Wirbelanlagen stimmt nach den früheren Erörterungen die späte Knorpel- und Knochen- bildung gut überein. — Für die Reptilien darf ich, gestützt auf die Unter- suchungen GEGENBAUR’S (Nr. 88 8.40 und flg., Nr. 113 S. 398—401), annehmen, dass die Entwickelung ihrer Wirbel sich vollständig an diejenige der Amphibien und zwar zum Theil (Ascalobatae) der niedersten unter ihnen sich anschliesse. Wenn ich dabei GrakEnBAUR folge, so geschieht es natürlich nur bedingt, indem ich eine andere Auffassung der Wirbelbildung von den Amphibien auf jene Amnioten übertrage als mein Gewährsmann. — Was ich über die Form 27* 420 VI. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule, der Wirbelbögen der Amphibien und die damit zusammenhängende Bildung der Zwischenbogengelenke mittheilte, gilt gleicherweise für alle Amnioten, deren fertige Wirbel das betreffende Verhältniss noch deutlich erkennen lassen. Die besten Beweise für die getrennte Anlage der äusseren Chordascheide und der Wirbelbögen bieten jene Wirbelthiere, in denen die erstere schon längst bekannt und nur nach ihrem Ursprung und ihren Homologien verschieden aufgefasst wurde — die Selachier und dieDipnoi. Auch an dieser Stelle halte ich eine wiederholte Zusammenstellung der verschiedenen einzelnen Formen und Beschreibungen für überflüssig und beziehe mich bloss auf die neuesten Darstellungen (GEGENBAUR Nr. 118 8. 374. 389, W.MüLter Nr. 74 S.349— 353). Entgegen seiner früheren Ansicht (Nr. 88 S. 64) hält GEGENBAUR die durch die sogenannte Elastica externa nach aussen deutlich abgegrenzte, knorpelig-binde- gewebige Chordascheide für ein Produkt der Rindenzellenschicht der Wirbel- saite, wie sie allen Fischen zukomme, und daher für ein Homologon der nicht organisirten Kutikularbildungen der Wirbelsaite anderer Wirbelthiere (meine innere Chordascheide). W. Münver bestreitet dieZulässigkeit dieser Auffassung und glaubt, dass jene Chordascheide dem perichordalen Theile der Skelet- schicht der Amphibien entspreche. Auf Grund freilich sehr beschränkter Untersuchungen an Selachierembryonen (Acanthias, Scyllium), noch mehr aber aus Rücksicht auf den an den übrigen Wirbelthieren festgestellten Entwickelungs- verlauf schliesse ich mich der Auffassung Mürter's an, natürlich mit der schon erörterten Einschränkung, dass die betreffende Wirbelanlage weder von den Gefässadventitien abstamme, noch mit den Anlagen der Wirbelbögen aus einer kontinuirlichen Skeletschicht hervorgehe, um sich erst später bis zu einem gewissen Grade von denselben abzugrenzen*. Alsdann ist aber auch die Uebereinstimmung in der Wirbelbildung der bei weitem meisten Wirbel- *W. Mürter sagt an der betreffenden Stelle (Nr. 74 $. 353): „Sie (die Zellen der Adventitia) umwachsen die Chorda zunächst seitlich und liefern die Anlagen der Wirbel- bogen, erst später umwächst die innerste Schichte die Chorda auch oben und unten unter jildung einer koncentrischen , aus spindelförmigen Zellen bestehenden Umhüllung. Diese Umhüllung ist es, welche durch ein membranartiges Netz feiner elastischer Fasern von der Cutikularschicht der Chorda nach Innen und durch ein viel lockeres von den Wirbelbogen nach aussen sich abgrenzt.“ Es erhellt daraus, dass W. Mürter die ursprüngliche und fundamentale Trennung der Wirbelbogenanlagen und der perichordalen Wirbelkörper- anlagen der Anuren, von deren verschiedenen Texturverhältnissen er überdies nichts anführt, gar nicht gekannt hat. Uebrigens kann ich die Anwesenheit der elastischen Fasern unter den Wirbelbogenbasen nicht bestätigen. VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 421 thiere ganz offenbar; denn die Selachier und Dipnoi besitzen nach jener Annahme dieselben zweierlei Wirbelanlagen, die äussere Chordascheide und die Wirbelbögen, in der deutlichsten Sonderung, welche ich für die Knochenfische, Amphibien und Säuger direkt beweisen und für die übrigen Amnioten mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen konnte. Bemerkenswerth ist bei den Selachiern, dass sie durch das starke Wachsthum ihrer äusseren Chorda- scheide eine höhere Entwickelungsstufe andeuten als die Amphibien, während doch das charakteristische Merkmal höherer Wirbelbildung, stärker entwickelte Intervertebralwülste fehlen. Zur Erklärung dieser Thatsache erinnere ich zunächst daran, dass gemäss meiner früheren Darstellung vom Zusammen- hange der einzelnen Entwickelungsvorgänge das Wachsthum der äusseren Chordascheide überhaupt nicht nothwendig mit der Bildung eines Interverte- bralwulstes zusammenfällt, sondern nur gewisse Abänderungen eines gleich- mässigen Wachsthums auf Wirkungen der Bogenbildung zurückgeführt werden sollten. Jene aus der Entwickelungsgeschichte anderer Wirbel gewonnenen Vorstellungen scheinen mir aber gerade besonders geeignet, die eigen- thümlichen Verhältnisse der Selachierwirbel in ein neues Licht zu setzen. Die dicke Chordascheide besteht an den mir vorliegenden Scylliumembryonen zu innerst aus einer dunkleren Schicht, welche die bekannte Doppelkegelform zeigt, in der sie auch später verkalkt, und welche die weiten Intervertebral- ringe allein bildet. Diese Form tritt äusserlich desshalb weniger hervor, weil um die vertebralen Verengerungen eine ringförmige helle Knorpelschicht derselben Scheide liegt, welche gegen die Intervertebralwülste zugeschärft ausläuft und daher gerade die Ausschweifung zum grössten Theile ausgleicht. Ihr sitzen die Wirbelbögen, allerdings mit verbreiteter Basis, sonst aber als schmächtige, ceylindrische Stücke auf, welche in einer senkrechten Querebene aufwachsen, ohne jedoch über dem Rückenmarke zur Berührung zu kommen, wie GEGENBAUR meint (Nr. 89 S. 605), sodass ihre spätere mediane Verbindung durch besondere diskret angelegte Knorpel (Dornfortsätze) bewirkt wird. Die Interkalarknorpel erscheinen in derselben Gestalt, nur umgekehrt nach unten verschmälert und den Intervertebralringen aufsitzend ; jene oberen Verbindungs- stücke liegen je zwischen den Spitzen der Bögen und der Interkalarknorpel, sodass ihrer zwei auf jeden Wirbel kommen. Dass die unvollkommenen Bögen, welche mit der einfachen Muskelanordnung übereinstimmen, anfangs die Doppelkegelform hervorriefen, aber ähnlich wie bei den Knochenfischen die Bildung von nach innen wucherniden Intervertebralwülsten nicht hervorzu- 49» VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. rufen vermochten, ist nach dem früheren verständlich. Wenn aber darauf statt eines relativen Stillstandes gerade eine vertebrale Verdickung der äusseren Chordascheide erfolgt, so müsste nach meinen Voraussetzungen die Wirkung der Bögen auf ihre Unterlage geradezu sich zurückbilden; und dies lässt sich, wie ich glaube, an den Selachierwirbeln wirklich begründen. Schon an älteren Embryonen verschiedener Haie sehe ich die Ansätze der Rücken- muskeln auf die queren Sehnenscheiden beschränkt, und statt der bei anderen Wirbelthieren erkennbaren Vermannigfaltigung ihrer Befestigung an den Wirbelbögen erscheinen die letzteren an den reifen Selachiern sammt den Interkalarknorpeln zu breiten Platten umgebildet und diese zu einer festen Röhre um das Rückenmark gefügt, welche mit der Muskelaktion unmittel- bar nichts mehr zu thun hat. Die Wirbelbögen des Selachier geben also umgekehrt wie bei anderen Wirbelthieren ihre Beziehung zu den Muskeln, durch deren Steigerung und Gliederung sie allein auf ihre Unterlage, die äussere Chordascheide, im Sinne der Wirbelkörperbildung wirken können, ganz auf, um im einer Anpassung an die häutige Rückenmarksröhre ihre ursprüngliche Bestimmung vollständig zu wechseln. Dann lässt sich aber auch die beschriebene Wirbelkörperbildung durchaus im Einklange mit dem von mir aufgestellten Kausalzusammenhange bei der Wirbelentwickelung erklären: es schwinden die Ursachen für den Fortschritt derselben so weit, dass an seine Stelle eine gewisse Entartung des allgemeinen Entwickelungs- ganges tritt. Diese Beweisführung mag unvollkommen sein, dürfte aber nicht ganz unberechtigt erscheinen, da sie nicht nur Neues erklärt, sondern auch meine früheren Voraussetzungen wesentlich erläutert. — Der grosse Formen- reichthum, welcher nicht nur bei den Selachiern, sondern auch bei den übrigen Fischen * dieWirbelbildung auszeichnet, lässt zunächst bestimmte Entwickelungs- reihen nicht mit Sicherheit bezeichnen, und muss ich mich für meinen Zweck damit begnügen unter jenen Thieren die Belege für gewisse fundamentale Vorgänge der allgemeinen Wirbelbildung gefunden zu haben. Nur ein kurzer Hinweis auf die Öyklostomen sei noch gestattet. Bekanntlich gilt ihr Stamm- skelet, d. h. die Wirbelsaite mit ihrer äusseren Scheide und die sich daran schliessende häutige Rückenmarksröhre für das vollkommenste Beispiel der * GEGENBAUR sagt (Nr. 88 S. 62). „Es sind also bei den Ganoiden die einfachsten wie die höchsten Formen der Wirbelkörperbildung vertreten, und es einigen sich zugleich bei ihnen die beiden sonst streng geschiedenen Hauptformen der Fischwirbelbildung, jene der Knochenfische mit der der Selachier.‘ VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 423 kontinuirlichen Skeletschicht. Wenn aber J. Mürter von Petromyzon angibt (Nr. 7613.84): „An dem oberen häutigen Rohr (sind) Knorpelschenkel ange- wachsen wie Rudimente von Wirbelbogen‘“, so folgt daraus, dass diese Wirbel- bogenanlagen ausserhalb der häutigen Röhre und ihr nur dicht anliegen, d.h. sich genau so verhalten, wie die homologen Theile der Batrachier, Fische und Amnioten zu der häutigen Rückenmarksröhre, welche nicht zum Skeletsystem gehört. Darin und dass ferner die knorpeligen Wirbelbögen auch bei den Uyklostomen von allen Theilen diskreter Wirbel zuerst erscheinen, während der ungegliederte Axentheil (die Wirbelsaite mit ihrer äusseren Scheide) das primordiale Stammskelet darstellt, wie es bei den Myxinoiden allein bestehen bleibt, finde ich Grund genug, das ganze Stammskelet der Cyklostomen den ersten von mir nachgewiesenen Entwickelungsstufen desselben bei höher- stehenden Wirbelthieren, insbesondere den Batrachiern, gleichzustellen. Wenn ich nach dieser freilich sehr unvollständigen Durchmusterung der meisten Wirbelthierklassen bezüglich ihres Wirbelbaues die Hauptmomente der Entwickelung kurz zusammenfasse, so darf ich als wesentlichstes Ergebniss obenan stellen, dass die Wirbel überall aus demselben Ursprunge und nach denselben Gesetzen sich bilden, und dass die verschiedenen Wirbeltypen ebenso wie die auf den ganzen Organismus bezüglichen „Typen“ nur verschiedene Stufen eines gemeinsamen Entwickelungsganges bezeichnen. Hinsichtlich des Ursprungs der Wirbel ist daran festzuhalten, dass sie weder aus einer kontinuirlichen Skeletschicht, welche auch das Rückenmark röhrig umschlösse, noch überhaupt aus einer einheitlichen, sondern aus zweierlei Anlagen hervor- gehen: dem unpaaren Axentheile (Wirbelsaite und äussere Chordascheide) und den paarigen, durchweg diskret entstehenden Wirbelbögen. Die Lehre von den „häutigen Wirbeln“ ist um so unzulässiger, als der Begriff einer voll- ständig ungegliederten Wirbelsäule ein Widerspruch in sich selbst ist. Einen einheitlichen Entwickelungsverlauf der Wirbelbildung hat bisher nur GEGENBAUR aufgestellt: die Knorpelbildung innerhalb der häutigen Skeletschicht sollte von den Bögen ausgehend sich um die Wirbelsaite ausbreiten, und so aus den paarigen Bögen allmählich ein einheitlicher Wirbel sich entwickeln (Nr. 113 S. 395 — 406). Diskontinuirliche Knorpelanlagen (niedere Amphibien) seien aus einer Rückbildung zu erklären, der Fortschritt der Entwickelung offen- bare sich dagegen in der Ausbildung der Intervertebralknorpel, der Anlagen der Wirbelepiphysen und Zwischenwirbelgelenke. Nachdem ich die Einzel- heiten dieser Darstellung bereits kritisirt, will ich hier nur hervorheben, dass 424 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. in ihr jeder Hinweis auf einen Kausalzusammenhang der Entwickelungs- erscheinungen fehlt, und dass, indem der Schwerpunkt in die Knorpelbildung verlegt ist, überall dort, wo dieselbe auf die Wirbelbögen (Knochenfische‘ beschränkt oder wenigstens aus dem eigentlichen Wirbelkörper ausgeschlossen ist (niederste Amphibien), dem letzteren überhaupt die wesentliche Grundlage der übrigen Wirbelformen fehlt, also die Wirbelbildung nicht durch die ganze Wirbelthierreihe mit denselben Elementen beginnt. Ich habe dagegen versucht aus einem einheitlichen Entwickelungsverlaufe der Wirbelbildung auch ein einheitliches Kausalgesetz desselben abzuleiten; so wie ich beides, Verlauf und (Gesetz der Erscheinungen, für die Batrachier bis ms einzelne ausführte, kann es, wie ich glaube, als Vorbild auch für die übrigen Vertebraten gelten. Von den Cyklostomen an durch die Teleostier, Amphibien und Amnioten hindurch finden wir dieselbe Reihenfolge der Stammskeletformen, die uns an der individuellen Entwickelung einer vollkommeneren Wirbelform entgegentritt: überall ist die Wirbelsaite die einzige primär-morphologische Anlage des Stamm- skelets, überall sind es die Stammuskeln, welche theils durch ihre morpho- logischen Anlagen (Segmente), theils durch ihre Funktion die sekundäre Skeletbildung veranlassen; überall endlich wird die Gliederung und weitere Ausbildung der letzteren durch die diskreten Wirbelbogenanlagen vermittelt und dadurch dem ursprünglichen Skeletgebilde, der Wirbelsaite die Thätigkeit suecessiv entzogen und endlich ihr Bestand zerstört. Sobald wir uns aber die grossen Schwankungen vergegenwärtigen, welche m der Entwickelungshöhe der Wirbel nahverwandter Thiere vorkommen (vgl. KÖLLIKER, Nr. 44, (GEGENBAUR Nr. 88), werden wir darauf verzichten müssen in den Entwickelungs- reihen der verschiedenen Wirbelformen unfehlbare Wegweiser für phylogene- tische Verbindungen zu suchen. Nur in einem Falle, bei den Haien*, glaube ich genügende Anhaltspunkte gefunden zu haben zu der Annahme, dass dort ebenso wie es schon bezüglich der Hirnbildung angedeutet wurde, eine Entartung einer höher angelegten Wirbelbildung vorliege. Die lebhafte Wucherung der äusseren Chordascheide weist mit ebenso grosser Wahrschein- lichkeit auf jene letztere hin, als die Umbildung der Wirbelbögen, das Auf- seben ihrer ursprünglichen Funktion eine Entfernung von der allgemeinen Entwickelungsrichtung deutlich offenbaren. Daher befinden sich die betreffen- * Es ist sehr wohl möglich, dass das für die Haie Nachweisbare auch noch auf einige andere Wirbelthiere (gewisse Ganoiden, Chimära) übertragen werden könnte. VIT. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 425 den Wirbelsäulen trotz ihrer relativ mächtigen Wirbelanlagen funktionell auf der niederen Stufe eines einfachen elastischen Stabes, wozu die Wirbelbögen als besondere lokomotorische Skelettheile nicht mehr gehören. Es bleibt mir noch übrig einige besondere Theile des Stammskelets einer näheren Prüfung zu unterziehen, die Querfortsätze, Rippen und unteren Bögen. In der Beschreibung habe ich sie in der herkömmlichen Weise genannt und dabei festgestellt, dass die Anuren einfache Querfortsätze und Rippen, die Salamandrinen und wohl alle übrigen Amphibien dagegen im Rumpfe beider- lei Skeletstücke doppelt und paarweise verschmolzen besitzen, ausserdem aber noch untere Bögen an der Schwanzwirbelsäule. Indem ich aber hinzufüge, dass ich an den Larven der Salamandrinen die Anlagen der Querfortsätze und Rippen auch an den Schwanzwirbeln, welchen untere Bögen angefügt sind, wiederfinde, und dass dieser Befund sich noch an erwachsenen Thieren nach- weisen lässt, geräth meine Darstellung in offenbaren Widerspruch mit der neuerdings von GEGENBAUR durchgeführten Deutung jener Anhänge und Fortsätze der Wirbel (Nr. 89 S. 602—605. 612—622, Nr. 118 5. 406—417). Allerdings hatte schon RATHRE (Nr. 47 8. 128) eine im allgemeinen zutreffende vergleichende Darstellung der Wirbelfortsätze gegeben, indem er von den Wirbelkörpern zwei Strahlen aufwärts (obere Bögen) und zwei abwärts hervor- gehen liess, die sogenannten Rippen der Fische und die unteren Bögen der Schwanzwirbel aller Wirbelthiere, während die seitlichen Querfortsätze und die von ihnen sich abgliedernden Rippen der Amphibien und Amnioten besondere, von jenen unteren Wirbelstrahlen unterschiedene Bildungen sein sollten. Da Je- doch Rarnke diesen Vergleich weder embryologisch noch sonstwie zu begründen versuchte, vermochte er demselben keine bleibende Anerkennung zu sichern, sodass GEGENBAUR mit demselben Recht eine ganz abweichende Auffassung vortragen konnte. Er stellt dem System der oberen Wirbelbögen das untere Bogensystem entgegen, welches die Querfortsätze einerseits, andererseits die Rippen und unteren Bögen, und diese zwar als zweierlei Entwickelungsstufen gleichwerthiger Anlagen, umfasst. Beide Bogensysteme seien nicht homotype Theile, weil sie „bei absoluter Verschiedenheit der subvertebralen und supraverte- bralen Hohlräume“ überhaupt nicht „vergleichbare Objekte seien“ (Nr. 118 S.412). Das ventrale Bogensystem, welches die betreffenden Hohlräume ebenso 426 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule, umschliesst wie die oberen Wirbelbögen das Rückenmark, wird durch seine „Anpassung an den veränderlichen Umfang“ der eigentlichen Rumpfhöhle von den Wirbelkörpern abgegliedert, behält dagegen in der Umschliessung des beständigeren Kaudalkanals die indifferentere Form unbeweglicher Wirbel- fortsätze. ‚Diese werden von GEGENBAUR als „untere Bögen“, alle gegliederten Anhänge als „Rippen“ bezeichnet, denen sich die Querfortsätze als häufige Träger der Rippen und andererseits bisweilen als Elemente besonderer unterer Dornfortsätze (Teleostier) anschliessen, welche jedoch mit den eigentlichen unteren Bögen nicht zusammengeworfen werden dürften (Nr. 89 8. 603. 605. 617. 618, Nr. 118 S. 409. 415. 417). Da diese Darstellung aus Untersuchungen hervorgmg, welche durch die ganze Wirbelthierreihe ausgeführt wurden, so handelt es sich in erster Reihe darum, die bei verschiedenen Thieren und in verschiedenen Körperregionen gleichwerthigen Stücke herauszufinden. Dabei stützte sich aber GEGENBAUR nicht auf embryologische Thatsachen, welchen allein die Entscheidung über die Homologie zusteht, sondern nur auf die fertigen Zustände, die rein ana- tomische Beobachtung, welche wohl die Geltung der ersteren verallgemeinern, aber für sich allein dieselben niemals mit voller Sicherheit ersetzen kann. Die Unvollkommenheit einer solchen anatomischen Argumentation ergibt sich denn auch sofort, wenn wir die bezüglichen Untersuchungen GEGENBAUR'S näher prüfen. Einmal wechselte er seine Definition in kurzer Zeit vollkommen aus: indem er zuerst von der gewiss willkürlichen Voraussetzung ausging, dass die Rippen nicht als kontinwrliche Wirbelfortsätze sondern selbstständig sich entwickelten, erschienen ihm dieselben als die ursprünglichen Stücke, von denen ein Theil durch Verschmelzung mit den Wirbeln die unteren Bögen bilde (Nr. 118 8.414. 415. 417); darauf nannte er sie aber umgekehrt „Fortsatz- bildungen der Wirbel“, welche durch Abgliederung aus den unteren Bögen sich differenzirt hätten (Nr. 89 8. 617. 621). Ebenso schwankt aber auch seine Deutung einzelner Stücke, wie z. B. der seitlichen Wirbelfortsätze der Schildkröten, welche er anfangs für einfache @uerfortsätze, später ohne erkennbare Veranlassung für indifferente Anlagen solcher nebst den zuge- hörigen Rippen erklärte (Nr. 118 8. 414. 415, Nr. 89 S. 619). Und wenn (HEGENBAUR bei der ersten Entscheidung es ausspricht, „dass der auf eine Vergleichung von Folgestücken bei emem und demselben Thiere sich sründende Nachweis einer Homotypie nur dann völlige Geltung haben kann, wenn auch die genetischen Beziehungen mit dem Befunde des ausgebildeten VIl. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule, 427 ad Theiles im Einklange stehen“, so wurde doch gerade in jenem Falle die bezügliche embryologische Thatsache der antieipirten anatomischen Definition untergeordnet und dadurch ihre Beweiskraft illusorisch gemacht: weil die fraglichen Fortsätze aus den Wirbeln hervorwüchsen (RATHKE), sollten sie keine Homologa von Rippen sein, obgleich deren selbstständige Entwickelung eine unbegründete anatomische These war, welche GEGENBAUR selbst alsbald aufgab. Im übrigen basiren aber alle seine Feststellungen lediglich auf ana- tomischen Vergleichen, namentlich der Folgestücke am blossen Skelet. Dass aber bei einer solchen Methode nicht nur die einzelnen Deutungen, sondern auch die allgemeineren Vorstellungen unsicher und unklar bleiben müssen, ist natürlich. Daher ist bisher, solange die Bedeutung der morphologischen Entwickelung überhaupt nicht genügend erkannt war, auch das Verhältniss des festen Stammskelets und namentlich seiner Bögen und Fortsatzbildungen zu den übrigen Körpertheilen irrig aufgefasst worden. Es gehört, wie ich darzuthun mich bemüht habe, nicht gleich der Wirbelsaite zu den primär- morphologischen und -typischen Anlagen, sondern stellt nachträgliche Neu- bildungen vor, welche neben manchen andern Bildungen (Gefässe, Nerven, Rückenmarkshäute) innerhalb des indifferenten Bildungsgewebes aus dem plastischen Ernährungsmaterial (Dotterbildungszellen) entstanden und sich dabei ebenso wie jene andern den bestehenden morphologischen Embryonal- anlagen anpassten. Ja, man kann sagen, dass sie eigentlich nur den Lagebeziehungen dieser Embryonalanlagen, den in denselben enthalte- nen Formbedingungen ihre Entstehung verdanken, indem das plastische Ernährungsmaterial dadurch zu ungleichmässiger Verheilung im intersti- tiellen Bildungsgewebe, zu den lokalen Anhäufungen veranlasst wird, deren histiologische Umbildung das gegliederte Stammskelet erzeugt. Daher ist aber auch die morphologische Selbstständigkeit dieser von mir soge- nannten sekundär-typischen Theile keine ihnen eigenthümliche sondern nur eine entlehnte; und sowie desshalb das gegliederte Stammskelet nicht zum Begriff des Wirbelthiertypus gehört, darf es auch nicht für sich allein ver- gleichend betrachtet, d. h. die einzelnen Theile wie etwa beim Centralnerven- system immer nur auf das Ganze ihrer Anlage bezogen werden. Wie sehr die Verkennung dieser Verhältnisse der vergleichenden Osteologie schadete, werde ich ganz besonders beim Kopfe auszuführen haben. Für das Stammskelet des Rumpfes lassen sich die meisten Irrthümer darauf zurückführen, dass seine Bedeutung in der Umschliessung des Rückenmarks gesucht wurde. Die daraus 428 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. geschöpfte irrige Vorstellung, dass seine gegliederte Form der häutigen Rückenmarksröhre der Cyklostomen homolog sei, wurde darauf in die Entwickelungsgeschichte hineingetragen und veranlasste so die Lehre von der kontinuirlichen, röhrigen Skeletschicht, welche die ursprünglichen Beziehungen der passiven zu den aktiven Bewegungsorganen der Aufmerksamkeit ganz entzog. Wurden aber die oberen Bögen nur auf den eingeschlossenen Raum und dessen Kontenta bezogen, so lag es nahe, den übrigen Wirbelanhängen und Fortsätzen ähnliche Beziehungen zu den subvertebralen Räumen zuzu- sprechen. So wurde überall eine einfache Reihe unterer, der Rumpfhöhle und dem Kaudalkanal angepasster Bögen aufgesucht und gefunden, wobei man ein ganzes Fortsatzsystem übersah oder vom Stammskelet willkürlich ausschloss, (die eigentlichen Schwanzrippen der Amnioten, die sogenannten Fleischgräten der Fische), andererseits unter dem Namen der Rippen und Querfortsätze homologe Stücke trennte, ungleichwerthige zusammenstellte. Wie schematisch die Begründung solcher Auffassungen oft war, erhellt daraus, dass die Abgliederung oder „Rippenbildung“ der unteren Bögen, welche aus einer An- passung an den veränderlichen Umfang der Rumpfhöhle hervorgehen soll, um den unveränderlichen Kaudalkanal der Reptilien ebenfalls erfolgt, und für das Unterbleiben einer solchen Abgliederung im Halse und in der Lendengegend jedenfalls andere Gründe hervorgesucht werden müssen, als die Unveränder- lichkeit der betreffenden subvertebralen Räume. Die wahren Ursachen aller Zustände der verschiedenen Wirbelfortsätze lassen sich eben erst aus ihrer Entwickelungsgeschichte erkennen, welche uns ihre ursprünglichen Beziehungen und Homologien aufdeckt. /unächst lernen wir aus der Entwickelungsgeschichte der Batrachier, dass die aus den Segmentkernen hervorgehenden Stammuskeln die Bildung des Stammskelets beherrschen. In welcher Weise dies am Wirbelkörper und den oberen Bögen erfolgt, ist bereits geschildert worden; für alle übrigen Wirbel- fortsätze ist die Kenntniss von der wechselnden Lage jener Muskelmassen wichtig. Da ihre Anlagen, die Segmentkerne, die überwiegende Masse der Segmente ausmachen, so verhalten sie sich natürlich durchaus übereinstimmend mit den ganzen Segmenten, deren nach den Körperregionen verschiedene Anordnung bereits geschildert wurde (S. 209 und flg.). Im Schwanze sind daher die Stammuskeln am gleichmässigsten angeordnet (Taf. XIII, XVILD; ihre Mitte liegt ohngefähr in der Höhe der Wirbelsaite und die unteren Hälften erstrecken sich in ähnlicher Weise gerade abwärts wie die oberen bis VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 429 über das Rückenmark gerade aufsteigen. Im Rumpfe verhalten sich die oberen Hälften ebenso, die unteren dagegen sind zur Seite der Chorda zusammenge- zogen und desshalb von Anfang an verbreitert, um später mehr oder weniger seitlich auszuwachsen*. Ausserdem tritt eine vollständige Trennung beider Hälften aller Stammuskeln ein. — Die diesen präexistirenden Muskelanlagen sich anpassende Skeletbildung besteht erstens in Bögen, welche unabhängig von der äusseren Chordascheide und nur auf sie gestützt sich der Innenseite der Stammuskeln längs der queren Scheidegrenzen anlegen und dort deren Befestigungen aufnehmen; zweitens in seitlichen Fortsätzen, welche aus jenen Bögen zwischen die oberen und unteren Muskelhälften hineinwachsen und gleichsam als quere Träger derselben erscheinen. Bei der durchgängigen horizontalen Muskeltheilung und der Gleichartigkeit der oberen Muskelhälften sind die Formbedingungen für die oberen Bögen und seitlichen Fortsätze überall dieselben, diese Skelettheile daher an allen nicht rudimentären Wirbeln sowohl des Rumpfes wie des Schwanzes, wo ein solcher persistirt, vorhanden. Die unteren Muskelhälften bieten aber nur im Schwanze ähnliche Anpassungs- bedingungen dar wie die oberen Bögen, schliessen sich dagegen im Rumpfe, nachdem sie zur Seite der Wirbelkörper verschoben, vollständig den lateralen Wirbelfortsätzen an; und die Erfahrung, dass die unteren Bögen nur an den Schwanzwirbeln vorkommen (Urodelen), bestätigt ihre Abhängigkeit von der erstgenannten Lage der Stammuskeln. Obere und untere Bögen sind mithin nach Ursprung und Lagebeziehungen als homotype Theile zu betrachten. GEGENBAUR’S Einwand ist nach seiner Begründung nicht stichhaltig, denn die ursprünglichen, wesentlichen Beziehungen der beiderlei Bögen werden eben nicht durch die Kontenta der eingeschlossenen Räume, sondern durch die angehefteten Muskeln bedingt; im übrigen gehört aber jener Einwand eigentlich nicht ganz hierher, da er sich auf das ganze untere Bogensystem GEGENBAUR’S, also auch auf die seitlichen Fortsätze bezieht, welche allerdings weder den oberen noch den unteren Bögen homotyp sind. Diese Fortsätze sind bei ihrer Anpassung an die horizontale Muskeltheilung in ihrem Wachs- thume von der seitlichen Ausbreitung der von ihnen getragenen Muskelmassen abhängig, welche natürlich im Schwanze am geringsten ist und sich bis in den vorderen Rumpftheil steigert, ohne jedoch eine auffallende Differenz zu * In Folge der Anschwellung des Bauches findet jene Zusammenziehung bei den Anuren- ‚larven viel früher statt als bei den Larven der Urodelen (vgl. Taf. XIX Fig, 338—540). 430 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. erreichen. Dabei tritt offenbar unter dem Einflusse der sich ausbreitenden und verstärkenden Muskelansätze die Gliederung jener Fortsätze in die medialen Wurzelstücke (Querfortsätze) und die Aussenglieder (Rippen) ein; wo die Entwickelung dieser Fortsätze nicht so weit fortge$chritten oder die Gliederung durch Verwachsung rückgängig gemacht ist, müssen sie daher stets als die indifferenten Anlagen je eines (Querfortsatzes und einer Rippe angesehen und von Querfortsätzen in diesem Sinne unterschieden werden. Ich werde sie Rippenfortsätze nennen. Von diesen Rippenfortsätzen der Anuren sagt GEGENBAUR (Nr. 39 8.619); „Bei den Anuren sind sie (die Rippen) vollständig verloren gegangen, oder werden in indifferentem Zustande durch die hier sehr ansehnlichen Querfortsätze repräsentirt.“ Dagegen muss ich bemerken, dass diese Fortsätze nicht einen unentwickelten, sondern einen rückgebildeten Zustand darstellen. Eine solche Rückbildung fehlt bekanntlich nicht nur an den Rumpfwirbeln, sondern auch an einigen vorderen Schwanz- wirbeln der ausgewachsenen geschwänzten Amphibien, wie ich Sraxnıus für Menopoma bestätigen kann (Nr. s0 I 8.12). GEGENBAUR erwähnt dieses Ver- hältniss an Menopoma, dessen untere Bögen er untersuchte (Nr. 118 S. 414), nicht; es bietet aber dieses gleichzeitige Vorkommen von Rippen und unteren Bögen an denselben Wirbeln den klarsten Beweis gegen die Lehre GEGENBAUR’S von der Identität beider Skelettheile. Die Rippenfortsätze der Amphibien entspringen übrigens stets, auch wo sie doppelt vorkommen, von den oberen Bögen; wenn aber schon im Folge der Verschiebung der Wirbelbogenbasen die Wurzel wenigstens des unteren Fortsatzes an die Seite des fertigen Wirbel- körpers zu liegen kommt und daher irrigerweise überhaupt nicht mehr auf die Wirbelbogenbasis bezogen wird, so dienen die früher erwähnten, ganz unregel- mässig verknöchernden Bindegewebsbrücken zwischen verschiedenen Wirbel- theilen dazu, Zahl und Lage der eigentlichen Quer- und Rippenfortsätze am ausgebildeten Thiere völlig m Zweifel zu stellen, bis die Entwickelungsge- schichte die Entscheidung bringt. Doch glaube ich, dass, wenn man dieses Verhältniss im allgemeinen richtig erkannt hat, die ausführliche Deutung an jeder Species und jedem auffallenden Wirbel (vgl. Sranııus Nr, 50 II. S. 13) kein sonderliches Interesse hat. — Gregenüber der GeGEnBAur'schen Theorie steht also für die Amphibien fest, 1. dass ihre unteren Bögen den oberen homo- typ, beide aber den Rippen nicht gleichwerthig sind; 2. dass diese letzteren nicht selbstständiee Bildungen darstellen, sondern in continuo mit den Querfortsätzen te} oO x VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 431 aus den oberen Bögen hervorwachsen und sich erst später abgliedern, daher neben unteren Bögen bestehen können. Diese Zustände der Amphibienwirbel lassen sich im allgemeinen auch an den übrigen Wirbelthieren nachweisen, sobald man ihre Entwickelung berück- sichtigt. — Die Amnioten finde ich darin von den Amphibien am wenigsten abweichend, indem ihre unteren Bögen auf die Schwanzregion beschränkt und die Rippenfortsätze, d. h. die gemeinsamen Anlagen der Querfortsätze und Rippen, seitliche Auswüchse der oberen Bögen sind. Dieses letztere Verhältniss habe ich besonders deutlich im Schwanze von Schafsembryonen gesehen, wo die Rippenfortsätze von der Wirbelbogenbasis zur Seite verlaufen und die Stammuskeln in zwei sehr symmetrische Hälften theilen; da diese Schwanz- muskeln aber sehr klein sind, reicht die untere Hälfte nur bis zur Bauchtfläche der Wirbelkörper, gibt also zur Bildung unterer Bögen, wenigstens hinter den allerersten Wirbeln, keine Veranlassung. Dies geschieht erst bei den Thieren, deren Schwanzmuskulatur mächtiger entwickelt ist, z. B. bei den Reptilien; und beim Chamaeleon habe ich ferner ein Seitenstück zu der Schwanzwirbel- säule der Urodelen gefunden, indem an den vorderen, mit unteren Bögen (untere Dornfortsätze aut.) versehenen Wirbeln jener Gegend den langen Quer- fortsätzen gesonderte und artikulirende knöcherne Rippen angefügt sind, welche allerdings bei ihrer ausserordentlich geringen Grösse von ca. 0.5 Mm. mit den Muskeln leicht unbemerkt von den Querfortsätzen abgerissen werden können. Ich mache auf diese Thatsache deshalb aufmerksam, weil GEGENBAUR das Fehlen solcher Rippen bei anderen Reptilien (Krokodile) zu Gunsten seiner Ansicht anzieht, dass nämlich die Rippen in den unteren Bögen zu suchen seien (Nr. 118 8. 414, Nr. 89 8. 620—621). Uebrigens steht gar nicht die Frage zur Entscheidung, ob solche kontinuirliche seitliche Wirbelfortsätze (uerfortsätze oder Rippen seien, sondern es sind eben gemeinsame Anlagen für beides, welche entweder in ihrem indifferenten Zustande bleiben oder ihre Gliederung nachträglich verlieren. Sehr anschaulich ofienbart sich dies an den Schwanzwirbeln des Schnabelthieres, deren breite aber spitz auslaufende Rippenfortsätze theils kontinuirlich erscheinen, theils bei der gleichen Gestalt eine Naht zeigen, welche die Spitze vom übrigen Körper trennt. Dieselbe Be- deutung wie die kaudalen Rippenfortsätze haben alle übrigen seitlichen Wirbel- fortsätze, von denen keine Rippen sich abgegliedert haben, während Querfort- sätze nach der von mir vorgeschlagenen Terminologie nur die bei der Abgliederung von Rippen am Wirbel zurückbleibenden Wurzelstücke genannt 432 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. werden sollten. Dass aber mit dieser Definition die Schwierigkeiten bei der anatomischen Deutung im einzelnen Falle nicht gehoben sind, wird sich aus dem folgenden ergeben. Die Wirbelfortsätze der Vögel und Säuger (Huhn, Wasserhuhn, Schaf, Maulwurf) stimmen in ihrer Entwickelung im allgemeinen mit denen der Salamandrinen überein, d.h. im vorderen Rumpftheile (Hals) sind die Rippenfortsätze doppelt und mit ihren lateralen Enden verschmolzen, im mittleren Rumpftheile (Brust) verkümmert der obere Fortsatz gegenüber dem unteren zu einer blossen Stütze des letzteren, um in der Lendengegend und im Schwanze ganz zu verschwinden. Indem jedoch bei jenen Amnioten die Massen- entwickelung der Stammuskeln je nach der Körperregion stärker wechselt, die- selben nämlich im Halse und in der Lendengegend nur wenig seitwärts, in der Brustgegend dagegen bis an die Bauchseite sich ausbreiten (Mm. intercostales), tritt ein entsprechender Unterschied auch an den davon abhängigen Wirbel- fortsätzen deutlich hervor. Die doppelten Rippenfortsätze des Halses sind daher so kurz, dass sie durch ihre Verbindung annähernd einen Ring bilden, dessen Oeffnung natürlich entgegen dem gleichen Namen nicht dem Foramen transversarium der Amphibien, sondern nur deren unansehnlichen und desshalb unbeachteten Lücke zwischen den doppelten Rippenwurzeln entspricht*; die verschmolzenen Enden sind oft nur durch zwei Spitzen am äusseren Umfange jenes Ringes angedeutet. Im Uebergange zur Brustregion verlängert sich be- kanntlich an den letzten Halswirbeln der untere Fortsatz und gliedert sich zu einer Halsrippe ab, sodass das gegen den oberen Fortsatz gerichtete Ver- bindungsstück als das Tuberculum der folgenden Brustrippen, jener als das Homologon der bisher sogenannten (Querfortsätze erscheint. Diese Homo- logien sind gewiss richtig, nicht aber die letzte Bezeichnung; denn jene „Querfortsätze“ entwickeln sich durchaus selbstständig und gliedern keinen Theil ab, welcher etwa mit der unteren Rippe verschmölze, sind also wahre tippenfortsätze und folglich homolog den Rippen nebst deren eigentlichen (uerfortsätzen, an denen ihr Capitulum artikulirt. Die vertebralen Enden der Brustrippen sitzen nämlich im Embryo ebenfalls auf kleinen Vorsprüngen (Querfortsätze) an der Seite des Wirbelkörpers, welche erst in Folge der Ver- schiebung der Rippenenden an die Wirbelgrenzen sich zurückbilden. Die Tubercula dieser Rippen sehe ich aber als spätere Anpassungen an den von * GEGENBAUR identifieirt daher mit Unrecht beide Oeflnungen (Nr. 859 5. 621). VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 433 oben heranwachsenden Rippenfortsatz entstehen. Bei dieser Sachlage dürfen natürlich die Wurzeln dieser Rippen nicht mit den gabeligen Vertebralenden der Doppelrippen bei den Urodelen verglichen werden: der obere Schenkel der letzteren gehört, wie ich zeigte, zu einer zweiten Rippe, welche mit der unteren verschmilzt, das Tuberculum der ersteren ist dagegen bloss eine sekundäre Bildung einer einfachen Rippe. Es entsprechen also die Wirbelfortsätze der Vögel und Säuger, da an ihnen obere Rippen gewöhnlich nicht zur Abgliede- rung kommen, den Wirbelfortsätzen der Urodelen nur in der Anlage, nicht in der späteren Umbildung. Doch dürften Doppelrippen in der vordersten Hals- gegend jener Amnioten nicht ganz ausgeschlossen sein; denn am Epistropheus des Schnabelthiers finde ich eine sehr breite, nicht ganz kurze Rippe, welche mit zwei ganz gleichen dünneren Schenkeln an zwei ebenfalls gleichen Quer- fortsätzen durch Naht befestigt ist, sodass dieses Aussehen viel mehr für eine Doppelrippe als dafür spricht, dass der horizontale obere Schenkel ein eigen- thümlich gebildetes Tuberculum sei. — Die lumbalen „Querfortsätze“ sind nach meinen Untersuchungen untere Rippenfortsätze, während die oberen in den „accessorischen Querfortsätzen“ zu suchen sind. Wo sich Rippen in der Lendengegend abgliedern, erscheinen die in der Brustgegend verschwundenen (uerfortsätze vollkommen entwickelt, sodass zum Unterschiede von der letz- teren Region die Rippenenden ebenso wie am Halse vom Wirbelkörper entfernt sind. Es verlieren daher die Rippen beim Uebergange aus der Brust- in die Lendengegend nicht, wie GEGENBAUR meint (Nr. 39 S. 621), ihre unteren Schenkel (Rippenhals), sondern gerade der Höcker fehlt in Folge der Verküm- merung des oberen Rippenfortsatzes. Für die Reptilien fehlen mir eigene embryologische Untersuchungen; wenn ich aber die Angabe Raruke’s (Nr. 47 S. 129), dass die Rippen der Vögel und Säuger zum sogenannten Querfortsatze (oberer Rippenfortsatz) ge- hören, also ihr Hals mit dem Köpfchen eine nachträgliche Bildung sei, als irrthümlich bezeichnen kann, so dürfte die gleiche Angabe für die Krokodile wenig Vertrauen verdienen (Nr. 119 S. 58). Daher werden die Reptilien wahr- scheinlich keine Ausnahme von den übrigen Amnioten machen. Etwas andere Ergebnisse als“ bei den bisher genannten Wirbelthieren lieferte mir die embryologische Untersuchung einiger Haie (Acanthias, Seyllium). Ihre kaudalen unteren Bögen besitzen ebenso breite Basen an der äusseren Chordascheide wie die oberen Bögen, gleichen ihnen daher vollständig. Ausserdem zeigen sie aber dicht unter ihrer Wurzel jederseits einen median- GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 28 434 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. wärts gerichteten kurzen Fortsatz, welche beide durch eine bindegewebige Brücke verbunden sind und so den Kaudalkanal in eine kleinere obere und eine grössere untere Abtheilung scheiden. Beim Uebergange vom Schwanze zum humpfe verlieren sich die unteren Bögen bis auf die breiten Basen, welche im ganzen Rumpfe als die „unteren Wirbelstücke“ der älteren Embryolagen vorhanden sind. Statt der unteren Fortsetzung zeigen diese Basalstücke seitliche Auswüchse, welche anfangs als kontinuirliche Knorpelstäbe zwischen die beiden Hälften der Stammuskeln bis an deren Aussenseite sich erstrecken, also nach Ursprung und Lagebeziehungen den Rippenfortsätzen der Amphibien und Amnioten entsprechen. Denn der Unterschied, dass sie nicht aus den oberen, sondern aus den unteren Bögen entspringen, ist durch die tiefe Lage der horizontalen Muskeltheilung bedingt und verlangt allenfalls sie den Rippen- fortsätzen anderer Thiere nicht einfach homolog, sondern homotyp zu be- zeichnen. Später gliedern sie sich in kurze Querfortsätze und Rippen, welche jedoch im ausgebildeten Thiere an Länge und Stärke verlieren. Mit diesen Befunden erledigt sich die irrige Ansicht GEGEnBAUR’S von dem Uebergange auch der Salachierrippen in untere Bögen (Nr. 118 S. 409-410. 417, Nr. 89 S. 618). Seine Vergleiche am blossen Skelete lassen aber gar nicht errathen, welche Lagebeziehungen zu den Muskeln die Wirbelanhänge der von ihm untersuchten Genoiden haben (Nr. 118 S. 410. 413), ob die letzteren also sich den Salachiern anschliessen oder den Teleostiern, den letzten hier zu betrachtenden Thieren. Hinsichtlich dieser hat GEGENBAUR in der Sache inso- fern Recht, als die Stücke, welche er Rippen nennt, thatsächlich abgegliederte untere Bögen sind. Die Stammuskeln der Teleostier reichen nämlich im Rumpfe gerade so wie im Schwanze bis zur Bauchseite hinab, sodass die Bogenbildung dieselben Anpassungsbedingungen auch unter der Wirbelsäule findet. Desshalb verdienen aber natürlich jene „Rippen“ ihren Namen gerade nicht; sowenig als die Bezeichnung „untere Querfortsätze“ für die kurzen Fortsätze passt, welche nach innen von ihnen häufig schon im Rumpfe und ferner im Schwanze einen Kanal für die Hauptgefässtämme bilden (Srannıus Nr. SOTS. 27, GEGENBAUR Nr. 59 8. 603. 605). Zunächst scheinen diese Fortsätze ohne Vorbild zu sein; doch enthält die von mir angegebene quere Theilung des Kaudalkanals der Salachier einen beachtenswerthen Fingerzeig. Ohne eine ausreichende Erklärung geben zu wollen, halte ich es doch nicht für unmöglich, dass jene ventralen Fortsätze der Teleostierwirbel die mit medialen Auswüchsen versehenen Wurzelstücke der unteren Bögen darstellen, welche ich von den Salachiern VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. 435 beschrieb, und dass von jenen Wurzelstücken die übrigen grösseren Bogen- theile sich abeliedern. Wie dem auch sei, das wichtigere Ergebniss bleibt, dass diejenigen Wirbelanhänge, welche man bisher allein als den Teleostier- wirbeln zugehörig betrachtete, bloss dem oberen und unteren Bogensystem angehören, also wirkliche Rippen nicht enthalten. Fehlen nun solche den Teleostiern thatsächlich? Zwischen den Hälften der Stammuskeln liegen vegelmässig lange Knochenstücke, welche mit ihren medialen Enden an die Wirbelbogenbasen oder die Bögen selbst sich anfügen; sie wurden früher als obere oder äussere Rippen, in neuerer Zeit aber als rein accessorische Skelet- theile bezeichnet (Nr. 89 8. 622). Nach allem, was ich über die Entwickelung der echten Rippen gesagt, scheinen mir jene „Fleischgräten“ die einzigen wirklichen Rippen der Teleostier zu sein, deren Bedeutung nur desshalb ver- kannt wurde, weil man sich die wesentlichen Merkmale der Rippen überhaupt nicht klar gemacht hatte, Jedenfalls liegt weder in ihrer nicht seltenen Befestigung an den unteren Bögen, noch in ihrer Spaltung oder Verdoppelung ein Hinderniss für jene vorläufige Annahme, da sowohl Rippenfortsätze aus beiderlei Bögen hervorwachsen, als auch ihre Querfortsätze verkümmern können. . Dass das Stammskelet des Kopfes demjenigen des Rumpfes homolog sei, hat man in der Schädelwirbeltheorie angenommen, bevor eine einzige bezüg- liche embryologische Thatsache bekannt war. Daher findet sich denn z. B. bei Vo@r die entschiedene Behauptung, dass der ganze quere Schädelumfang (Schädelbasis, Schädeldach) einem vollständigen Wirbel mit Körper und Bogen entspreche, während der vorsichtige Raruke nicht einmal über die ersten Entwickelungsstufen der Schädelbasis sich bestimmt auszusprechen wagt (Nr. 21 8.6). Wie ich zeigte, ist bloss die zwischen den grossen Ohrbläschen befindliche Schädelbasis mit den aus ihren verbreiterten Enden hervorge- wachsenen zwei Ringen als Kopftheil der Wirbelsäule zu betrachten, wenngleich abweichende Formbedingungen von Anfanganihn vom Rumpftheile in nicht ge- ringem Masse unterschieden sein lassen. Der unpaare Axentheil, die Wirbelsaite mit ihrer äusseren Scheide, sowie der Ursprung der sich ihm anschliessenden Seitentheile sind in beiden Regionen die gleichen, sodass die Lehre vom „häuti- sen Primordialkranium“ nicht mehr Boden hat als diejenige von den häutigen 28* 436 VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. Wirbeln. Dagegen verschwinden die segmentalen Muskelplatten, welche die Gliederung des Stammskelets im Rumpfe bedingen, im Kopfe kurz vor der Entwickelung des Schädels zum grössten Theile, und desshalb bilden die Homologa der oberen Wirbelbögen im Kopfe, die Seitenplatten der Schädel- basis, jederseits vom Axentheile eine kontinuirliche, ungegliederte Anlage, an der jede Andeutung von der Zahl und den Grenzen der zu Grunde liegenden Segmente fehlt. Für die Frage nach der Gliederung des Kopfes ist daher seine Stammskeletbildung von gar keiner Bedeutung; die Entscheidung ruht wie m allen Körperregionen in den primär-morphologischen Segmenten und ihren Erzeugnissen, deren Uebersicht einem späteren Abschnitte vorbehalten ist. — Den Lagewechsel der Wirbelsaite in der hinteren Schädelbasis hat GEGENBAUR nicht richtig geschildert; sie verläuft nicht in dem hinteren Abschnitte mitten durch Knorpel, um erst vorn an seine Oberfläche herauszutreten und dort in einer Rinne zu enden, sondern ist hinten vom Knorpel ventralwärts niemals überzogen, und wenn sie ihn darauf nach vorn vollständig durchsetzt, also in eine oberflächliche Rinne zu liegen kommt, so bleibt doch die eigentliche Spitze stets im Knorpel eingeschlossen, wo sie zu einer senkrechten Platte umgebildet wird. Doch möchte ich diesen Einzelheiten keine besondere Bedeutung beilegen. Was den histiologischen Entwickelungsprocess der Knorpelbildung betrifft, so ıst in letzter Zeit die Köruıker'sche Ansicht zur herrschenden geworden, dass die Knorpelzellen nur Umbildungen von Embryonalzellen seien (vgl. STRICKER, Handbuch der Lehre von den Geweben IS. S0); und der Satz: „Von freier Zellenbildung kommt in Knorpeln nichts vor“ (KöLuıxer Nr. 78 IS. 351) gilt jetzt wohl als selbstverständlich. Und doch ist er grundfalsch, wie über- haupt die ganze allgemeine Auffassung, dass die histiologisch ausgebildeten Zellen stets direkte Nachkommen der Embryonalzellen seien. In der gewisser- massen schon von SCHWANN herrührenden Erkenntniss, dass der Knorpel erst aus den Trümmern der Embryonalzellen hervorgehe, übertreffen Vo@r, Pr£vosr und CRAMER KÖLLIKER ganz entschieden, wenn ich auch mit ihren weiteren Darstellungen nicht überemstimmen kann; und zur Erklärung des auffallenden Widerspruchs muss man annehmen, dass Könuıxerss Untersuchung sich auf jene allererste Knorpelbildung um «die Chordaspitze herum beschränkt habe, welche für sich allein betrachtet allerdings den Schein. eines unmittelbaren VII. Die Wirbelsaite und die Wirbelsäule. AT Uebergangs der Embryonalzellen hervorruft. Ich habe die wesentliche Ueberein- stimmung dieser Knorpelbildung mit derjenigen, welche ich in der überwiegenden Anzahl der Fälle beobachtet habe (Wirbelbögen, äussere Chordascheide, vordere Schädelbasis, Chordaknorpel, gewisse Theile des Brustbeins) bereits in der Be- schreibung nachzuweisen gesucht. Daher erinnere ich hier nur daran, dass auch im ersten Falle ganz offenbar nur die centralen Theile der Embryonal- zellen sich in die Knorpelzellen verwandeln, die Rindenschicht aber, und nicht irgend welche „Ausscheidungen“ der intakten Zellen, die Bildung der Kapseln und theilweise wohl auch der Interkapsularsubstanz besorgen. Dass dabei die (Grenzen der früheren Embryonalzellen längere Zeit erhalten bleiben, kann gegenüber der viel klareren Knorpelentwickelung an anderen Stellen gar nicht ins Gewicht fallen, weil darnach jene Konservirung durchaus nicht nothwendig, also als mehr zufällige, lokale Besonderheit erscheint. Der Knorpel gehört daher unzweifelhaft zu den (Geweben, welche aus sekundärer Zellenbildung hervorgehen, und zwar bietet er gerade in den meisten Fällen die deutlichsten Bilder der Zellenbildung aus homogener Grundsubstanz um freie Kerne herum. VIII Die Segmente des Rumpfes, Historische Uebersicht der bisherigen Untersuchungen. Da die Segmente des Rumpfes, wie aus den früheren Beschreibungen hervorgegangen sein wird, mit Ausnahme der Oberhaut, des Rückenmarks und der Wirbelsaite die ganze übrige Masse des Rückentheils und ebenso das Innere der Leibeswand zwischen der Oberhaut und dem Epithel des Bauchtells (Parietalblatt) bilden, so erhellt, dass dieses Kapitel die Entwickelungsgeschichte der Muskeln, der Nerven, des Bindegewebes im weitesten Sinne (Zwischen- gewebe, Häute) und der Gefässe umfassen wird. Da aber die volle Bedeutung der Segmente bisher unerkannt blieb, so kann ich auch in der folgenden Uebersicht der betreffenden Literatur keine zusammenhängende Beschreibung jener mamnigfaltigen Leistungen der Rumpfsegmente vorführen, sondern nur mehr einzelne Darstellungen über die Entwickelung dieses oder jenes Gewebes, deren Erforschung in neuerer Zeit gerade von Seiten der speciellen Histiologie angeregt und gefördert wird. Dieser Umstand erklärt es aber auch, warum die Literatur für diesen Abschnitt ganz besonders reich, d.h. in viele kleinere und grössere Abhandlungen vertheilt ist, sodass ich fürchten muss, dass die eine oder andere gelegentliche Bemerkung über die Histiogenese der Batrachier- larven mir entgangen sein wird. Ruscoxt machte die ersten Angaben über die Entwickelung der Aorta. Sie entstehe zugleich mit dem Gehirn an noch schwanzlosen Embryonen und sej alsdann „immödiatement au-dessous et presque collee a l’axe cerebro-spinal“. Sie besitze anfangs dicke, undurchsichtige Wände und zwei Näthe oben und unten, sodass sie aus zwei Blättern entstanden sein müsse, Vorn geht sie o VIII. Die Segmente des Rumpfes. 439 zuerst rechtwinkelig, später unter stumpfem Winkel in zwei Aeste auseinander, woraus Ruscont folgert, dass sie sich rückwärts verschiebe (Nr. 6. 8. 47. 48). BAUMGÄRTNER beobachtete zuerst die Bildung des Blutes und der Gefässe in den Schwänzen von Froschlarven. Bevor eine Blutbewegung in denselben sichtbar geworden war, sah er „aus Dotterkügelchen bestehende kugelichte Massen“ in der Art reihenweise aneinander gelagert, dass dadurch auf- und absteigende Bögen gebildet wurden. In diesen Bahnen oder eben den Gefäss- anlagen beginnen alsdann jene runden Körperchen oder die embryonalen Blut- kügelchen sich zu bewegen, wobei sie durch allmählichen Schwund der undurchsichtigen Dotterkügelchen sich aufhellen und endlich einen runden Kern erhalten (Nr. 12 8. 43. 45. 46). Nachdem BAumGÄRTNER die Blutbildung in den Kröten- und Tritonenlarven im wesentlichen ebenso beschrieben (8. 49. 50. 58— 60), sagt er: „Hieraus erhellt, dass der Schwanz der Salamanderlarve nicht blos der Form nach aus den ursprünglichen Dotterkügelchen geschaften werde, sondern dass auch die materielle Umbildung ohne Hülfe von Blut, das von dem Herzen aus hergetrieben wird, geschehen könne.“ Nach Schuurtz erscheinen die ersten erkennbaren Blutkörperchen als Häufchen von Dotterkügelchen, „die, von einer eigenen blasenartigen Haut eingeschlossen, in ihrer Mitte eine Luftblase eingeschlossen enthalten und daher ganz hohl erscheinen, während die Dotterkügelchen bloss an der inneren Wand der Blase ankleben“ (Nr. 18 S. 30. 31). Allmählich nimmt die Zahl der Dotterkügelchen ab und wird die Blasenform des ganzen Körperchens dadurch klarer, weiche endlich sich länglich auszieht und abplattet. „Immer haben die plattwerdenden Bläschen noch anfangs zwei und mehrere grössere Dotter- körnchen, zuweilen noch ganze Haufen kleinere. Aus diesen bilden sich die Kerne entweder, indem mehrere kleine in einen grösseren körnigen Kern zusammenschmelzen, oder indem einer von den grösseren allein übrig bleibt und die kleineren nach und nach schwinden“ (8. 32). ScHwAnn beschreibt Nervenanlagen aus dem Schwanze von Froschlarven als schmale blasse Fasern, welche sich vielfach verzweigten und an den Theilungsstellen etwas angeschwollen wären, zuweilen Kerne enthielten. Diese Anschwellungen hält Schwann für die ursprünglichen Zellen, aus denen die Nerven hervorgehen, die feinen Zweige aber für die Fortsätze jener Zellen. Die weisse Nervenmasse sah SchwAnn von den Centraltheilen aus gegen die Peripherie sich entwickeln (Nr. 77 8. 177—179). Unter den Kapillargefässen des Froschschwanzes, deren Kerne Schwann auf die zusammensetzenden Zellen 440 VII. Die Segmente des Rumpfes. bezieht, fand er netzförmige Verbindungen, deren Knotenpunkte ansehnlich erweitert, die Verbindungen derselben aber bis zur Feinheit von Zellenfort- sätzen verdünnt waren; auch gingen frei endigende feine Ausläufer von jenen Erweiterungen aus. Diese Bilder deutet SchwAann in der Weise, dass jene Knotenpunkte ursprünglich Zellen gewesen seien, deren Fortsätze sich theil- weise mit einander verbunden hätten, theilweise noch solche Verbindungen mit den freien sternförmigen Zellen des umgebenden Gewebes suchten; nach Vollendung der Verbindung würden weiterhin die Zellen und ihre Fortsätze in cylindrische Hohlräume, eben die Kapillaren verwandelt (S. 135—137). Reıcnerr konnte die Bildung von Kapillargefässen durch eine Vereinigung verästelter Zellen nicht bestätigen, glaubte aber die Lehre v. Baer’s, wonach im Hühnerembryo das Blut sich früher bilde als die Gefässe und durch seine jewegung die ursprünglichen wandungslosen Blutbahnen in den Geweben gleichsam ausgrabe (Nr. S II S. 126. 127), auch auf den Batrachierembryo übertragen zu können (Nr. 22 8. 22. 23. 73. 74). Ueber die Muskelbildung finde ich bei REICHERT nur eine bestimmte Angabe, nämlich hinsichtlich d&r geraden Bauchmuskeln. „Es wachsen hier zuerst von der Beckengegend und später auch vom Schultergürtel aus die primitiven Muskelbündel einander auf beiden Seiten der Mittellinie entgegen, bis sie sich erreichen und vereinigen“ (Nr. 22. 8. 70). Auch nach Vogr erschienen die Blutgefässe anfangs „eher wie in den Zellenmassen ausgehöhlte Rinnen und Kanäle denn als selbstständige Gebilde“ (Nr. 26 S. 70). Doch ist er der Ansicht, „dass die Bildung aller Blutgefässe, Kapillaren wie Stämme, nach demselben Typus vor sich geht, und dass diese Bildung weder von Ramification von Zellen, noch von der mechanischen Gewalt des Herzens, sondern von dem selbstständigen Zellenleben abhängt und von dem Vermögen der Zellen, durch nach einer bestimmten Richtung vorgezeichnete Gruppirungen an dem einen Orte Anhäufungen an dem andern leere Räume hervorzubringen. Die (Grefässe sind nicht verzweigte Zellen, sondern zwischen den Zellen verzweigte Räume und bilden sich durch Auseinanderweichen der Zellen ganz ebenso wie die meisten Canäle des Körpers, namentlich alle Drüsen- ausführungsgänge und Drüsencanäle“ (S. 78. 79). ° PLArxer versichert auf das bestimmteste, dass aus den sternförmigen Zellen des Froschlarvenschwanzes sich niemals Kapillargefässe bilden, und dass jedes neue Gefäss eine Fortsetzung bereits vorhandener sei. Die Kapillargefässe enden anfangs stumpf, besitzen aber an diesen Enden je einen feinen soliden VIII. Die Segmente des Rumpfes. 44] Ausläufer, welcher sich mit einem benachbarten Ausläufer bogenförmig verbindet. Da in solchen erst nachträglich ausgehöhlten Schlingen Zellen wie Zellenkerne vermisst würden, müssten die Kerne der fertigen Kapillargefässwände spätere Bildungen sein. Pr£vost und L£EBERT haben sowohl bemerkt, dass einige Zellen der Haut sternförmig auswachsend sich darauf netzförmig verbinden, als auch, dass die Elemente der Wirbelplatten (Segmente) verlängerte Embryonalzellen seien, von denen je 3—4 zu breiten Fasern verschmelzen, in welchen endlich die querge- streiften Muskelelemente entständen (Nr. 30 S. 201—203. 224). Alle Beobachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes, der Muskeln, Nerven und Gefässe der Froschlarven, welche REMAK zuerst in verschiedenen Aufsätzen mittheilte, hat er in seinem Hauptwerke vollständig wiederholt, so- dass ich es zweckmässig finde, die Citate dem letzteren allein zu entlehnen. Was das Bindegewebe betrifft, so hat Remax vorherrschend die Unterhaut des Schwanzes untersucht. Die anfangs dicht zusammenliegenden Zellen dieser dünnen Schicht weichen allmählich auseinander und erzeugen so helle Zwischen- räume zwischen sich; zugleich erscheinen sie sternförmig und die Zwischen- räume von einem ungemein feinen und zierlichen Netze ihrer mit einander ver- bundenen Ausläufer durchzogen. Die gallertige Zwischensubstanz reicht nach aussen über jene Zellen hinaus und verdichtet sich unter der Oberhaut zu einer festen glashellen Membran. Dann folgen die weichen, gleichfalls stern- förmigen Pigmentzellen und endlich kleine farblose Sternzellen, „welche bei fortschreitender Entwickelung in dem Masse an Umfang abnehmen, als die von ihnen ausgehenden Fasernetze an Ausbildung gewinnen. Bei grösseren Larven sieht man an beiden Flächen des unverletzten Schwanzes ein solches Fasernetz, das schon durch seine Zierlichkeit und Feinheit die Aufmerksamkeit hätte fesseln sollen. Vielleicht haben es andere Beobachter gesehen und für eine Zellenschicht gehalten, eine Täuschung, welche bei der Regelmässigkeit der kaum 1/j00 L. messenden Maschenräume leicht entstehen kann. Die Fasernetze der beiden Schwanztlächen stehen durch Fasern mit einander in Verbindung, welche, von den Winkeln der Maschenräume ausgehend die Dicke des Schwanzes durchsetzen und offenbar die Festigkeit desselben bedingen.‘ Diese Fasern vergleicht Remak mit den Hexur’schen Kernfasern des ausge- bildeten Bindegewebes und findet die Zellen jener Netze an reifen Larven fast unkenntlich. „Da der Schwanz der Larve schwindet, so ist begreiflicherweise nicht die Rede davon, den Uebergang dieses embryonischen, gallertigen, von 442 VIII. Die Segmente des Rumpfes. Sternzellen und Fasernetzen durchsetzten Unterhautbindegewebes in bleihen- des, unterhäutiges Bindegewebe zu verfolgen.“ Die Unterhaut des Bauches sah Remar als eine glashelle Membran, welche wahrschemlich aus einer Ver- schmelzung von Zellen hervorgegangen sei und später Quer- und Längsstreifen zeige als Andeutung sich kreuzender Bindegewebsbündel. Unter dieser Cutis befinde sich „eine dieke Schicht embryonischen Bindegewebes, welche in ihrem Bau mit der Unterhaut des Schwanzes übereinkommt.“ Welche dieser Ele- mente das definitive Bindegewebe erzeugen, konnte Rsmar nicht feststellen. „Sicher ist nur, dass das gallertige, von Sternzellen durchwebte Bindegewebe an den meisten Stellen des Körpers schwindet und die mit Flüssigkeit erfüllten Räume zurücklässt, welche bis zu Jos. Meyer's Untersuchungen als Lymphräume gedeutet worden sind“ (Nr. 40 8. 152. 155). — Wie schon erwähnt hält Remax die Urwirbel bloss für die Anlagen der Wirbelmuskeln. „Die bestehen aus kernhaltigen mit Keimkörnern erfüllten Zellen, die sich ver- längern und nach Theilung des Kernes in querer Richtung auch in der Längs- richtung theilen. Die Kerne vermehren sich alsdann in den verlängerten Zellen durch fortschreitende Theilung und bilden am inneren Rande der eylindrischen Zelle eine von feinen Körnchen umgebene Reihe, während die gröbere Körnermasse den andern nach aussen zugewendeten Theil der Zelle einnimmt. An der Obertläche dieses äusseren Theils der Zelle erscheint zuerst, und zwar sobald die Larve innerhalb der Eihaut die ersten Krümmungen zeigt, eine dünne helle homogene quergestreifte Schicht von Muskelsubstanz, wie es scheint an der Innenfläche der Zellenmembran abgelagert.“ „Die so querge- streifte helle Substanz verdickt sich auf Kosten der Keimkörnerschicht und gelangt so bis zum anderen von den Kernen eingenommenen Rande der ver- längerten Muskelzelle, welche nunmehr ein vollständig quergestreiftes sogenann- tes Muskelprimitivbündel darsteilt. An dem letzteren erscheint alsdann ausser der primitiven Reihe noch eine von neuen Kernreihen besetzte dünne glashelle Scheide, von welcher ich nicht anzugeben vermag, ob sie die verdickte Zellen- membran oder ein bindsgewebiges Neugebilde sei.“ Die Spinalganglien bemerkte Remax erst später und vermuthet wegen ihrer Kleinheit, dass die- selben aus einer oder einigen wenigen Embryonalzellen hervorgehen, die sich durch Theilung vermehren. Da die fadenförmigen Anlagen der Hautnerven des Schwanzes sich immer als Fortsätze der Spinalganglien erwiesen, so sei eine Zurückführung derselben auf Embryonalzellen nicht gelungen. „Ein solcher Faden ist nicht die Anlage einer Nervenfaser allein, sondern auch der VIII. Die Sesmente des Rumpfes. 443 kernhaltigen Scheide: überdies enthält er häufig die Anlage mehrerer Nerven- fasern. Körrıker's Behauptung von dem Zusammenhange dieser Fäden mit den sternförmigen Zellen der Bindegewebeschicht konnte ich nicht bestätigen“ (S. 154). — Ueber die Bildung der Aorta sagt Remar: „Es ist das einzige Gefäss, von welchem sich mit Sicherheit behaupten lässt, dass dessen Anlage zugleich auch eine grosse Anzahl Blutzellen liefert.“ Doch hält Remak es auch von den übrigen primitiven Gefässanlagen für wahrscheimnlich , dass sie „aus ihrer Axe Blutzellen bilden, während die Rindenzellen sich in die (Grefäss- wände umwandeln“ (S. 156). Daraus erhellt, dass Remar bei seiner früheren Ansicht blieb, wonach die primitiven Hauptgefässe aus soliden eylindrischen Zellenmassen hervorgehen (vgl. Nr. 56. 8. 56). „Die seceundären (refässe ent- stehen, wie schon PLATNER im Schwanze gesehen, als fadenförmige Ausläufer der Gefässwände, die allmälıg sich verdiecken und in Kanäle umwandeln.“ Diese lieferten keine neuen Blutzellen (S. 156). In seiner mikroskopischen Anatomie unterscheidet KöLLixEr zwei Arten der Bildung von Blutgefässen. Die erste betrifft alle grösseren Gefässe (Nr. 75 II S. 545. 552. 554); sie erscheinen zuerst als solide aus Zellen zusammenge- setzte Cylinder, „die durch Verflüssigung ihres Innern und Umwandlung ihrer centralen Zellen in Blutkügelchen Höhlungen bekommen“, welche unter ein- ander zu einer vollständigen Blutbahn verschmolzen. Nach einiger Zeit ver- wandeln sich die peripherischen Zellen, welche die Wände der Schläuche bilden, in die Fasergewebe und Häute der fertigen Gefässe, wobei ihre Vermehrung theils durch Theilung, theils durch Anlagerung neuer Zellen aus dem umliegen- den Gewebe geschieht. Diese Auffassung über die Bildung der nicht kapillären Gefässe hat KÖLLIKER auch in seiner Gewebelehre aufrecht erhalten (Nr. 79 S. 632). Was die Entwickelung der Kapillaren betrifft, so schloss sich KÖLLIKER ursprünglich der Schwasv’schen Darstellung an, wobei er neben der Verschmelzung sternförmiger Zellen auch eine solche von rundlichen und spindelförmigen in gerader Linie hintereinander erwähnte (Nr. 32 8. 3, Nr. 75 S. 546—548. 553. 554). Neuerdings aber hat Köruıxer mit Rücksicht darauf, dass auch an den Froschlarven „die Zusammensetzung der Kapillarwand aus getrennten platten Zellen durch Höllenstein sich nachweisen lässt“ (Nr. 7) S. 632), seine frühere Darstellung der Entwickelung der Kapillargefässe in einem wesentlichen Punkte ändern zu müssen geglaubt (S. 635 —655). Auch jetzt geht er zwar davon aus, dass die ersten Anlagen der Kapillargefässe im Schwanze der Batrachierlarven solide Verbindungsbögen zwischen den schon 444 VIII. Die Segmente des Rumpfes. bestehenden grösseren Gefässen seien, welche in der Weise entständen, dass die letzteren „an bestimmten Stellen scheinbar solide Sprossen treiben , welche dann theils unter einander sich verbinden, theils — und diess scheint um diese Zeit die Regel zu sein — je zu zwei mit spindelförmigen, in der Bindesubstanz der Schwanzsäume befindlichen Zellen zusammenfliessen. Einmal gebildet, werden nun diese Anastomosen nach und nach von den schon für das Blut wegsamen (refässen aus hohl, nehmen erst nur Blutplasma, bald auch Blutzellen auf und dann sind die neuen Gefässe fertig.“ Erst solche Kapillargefässe ver- binden sich auch mit sternförmigen Zellen oder auch untereinander „ohne Vermittelung selbstständiger Zellen, einfach durch das Verschmelzen zweier Gefässausläufer.“ Diese Bildungsweise der Kapillargefässe sei früher so ge- deutet worden, „dass man annahm, die Capillaren seien Intracellulargänge, d. h. durch Verschmelzung von Zellenhöhlungen entstandene Räume und bildeten sich auch als solche weiter. Da nun aber, wie ich es gefunden, auch die Capillaren im Schwanze der Froschlarven Intercellulargänge sind, und ihre Wandungen aus nicht verschmolzenen Zellen bestehen, ist diese Auffassung nicht mehr möglich und können die Gefässe, wie sie von Hause aus Intercellu- largänge sind, auch nur als solche sich weiter bilden. Die Art und Weise, wie dies geschieht, ist jedoch erst noch zu ermitteln.“ Diese Lücke in den Beobachtungen hat KöLLıker durch eine Hypothese auszufüllen gesucht, wo- nach einmal die scheinbar ungesonderten soliden Ausläufer aus platten, anein- andergelagerten Zellentheilen beständen, welche später zur Bildung der Gefäss- wandung ausemanderweichen, während die neu hinzukommenden Zellen, ähnlich abgeplattet und gebogen, gleichfalls intakt in die Zusammensetzung der Wand des sich neu bildenden Gefässes eingehen. Die neuesten Angaben KöLuıker’s über die Entwickelung der Lymphgefässe sind im wesentlichen nur eine Wiederholung seiner früheren bezüglichen Mittheilungen (Nr. 32 S. 3, Nr.78 II 8. 548. 555, Nr. 79 S. 599. 636). „Die Capillaren des Lymphge- fässsystems, die im Schwanze von Batrachierlarven leicht zu verfolgen sind, nehmen im wesentlichen genau dieselbe Entwickelung, wie die des Blutgefäss- systems, nur dass hier Verbindungen der Gefässe selten sind und die Bildungs- geschichte mehr auf die Aneinanderreihung spindelförmiger oder mit drei Hauptausläufern versehener Zellen sich beschränkt. Ueber die grösseren Stämme dieser Gefässe fehlen Beobachtungen, doch ist nicht zu zweifeln, dass auch sie ganz den Blutgefässen folgen.“ Eigenthümlich seien den Lymphge- fässen die vielen von ihrer Hülle ausgehenden feinen Zacken und dass sie „fast VII. Die Segmente des Rumpfes. 445 alle mit zugespitzten freien Ausläufern beginnen.“ Dagegen sei es im hohen Grade wahrscheinlich, dass sie gleich den Blutkapillaren Intercellularräume seien, obgleich die Anwendung von Höllenstein Zellengrenzen in ihren Gefäss- wänden nicht sichtbar machen konnte. — Die Entwickelung der Muskeln lehrte KÖLLIKER längere Zeit im Sinne der Schwann'schen Hypothese (Nr. 32 8. 2, Nr. 781.257). „Die Primitivbündel.der Muskeln des Stammes und Kopfes bilden sich aus Primitivzellen, die der Extremitäten aus Zellen ohne Fettinhalt. Diese Zellen ordnen sich, in Reihen verwachsen, zu einer Röhre, deren Membran aus den Wänden der Zellen, deren Inhalt von den Kernen, den Körnchen und der klaren Flüssigkeit gebildet wird. Die Primitivfasern der Muskeln entstehen aus einer Metamorphose dieses Inhalts entweder im ganzen Umfange an der innern Fläche der Membran (so bei den Extremitäten des Frosches und bei Triton) oder nur an einer Seite (Muskeln des Stammes und Kopfes beim Frosche). Im ersten Fall befinden sich in der Axe des Primitivfaserbündels Zellenkerne, welche lange sichtbar bleiben. Im letzteren Falle befinden sich die Kerne ausserhalb des Faserbündels zwischen seiner Oberfläche und der Membran der Röhre. Die Haut, welche die Primitivbündel umgiebt, und die Kerne sind identisch mit dem Sarcolemma und den Kernen der Muskeln des erwachsenen Thieres.“ Später schloss sich KöLLIKER der Remar’schen Lehre an, dass jede Muskelfaser nur aus je einer Zelle hervorgehe (Nr. 43 S. 141, Nr. 79 S. 85. 177. 178). Dabei betont er namentlich die Vielkernigkeit der theil- weise noch mit Dottermasse angefüllten Muskelzellen und nennt die letzteren bandartig. ÜURAMER folgt hinsichtlich der Entwickelung der Muskeln der SchwAnn- schen Lehre und lässt die Kerne der Muskelzellen frühzeitig schwinden (Nr. 34 (5. 60.61). Die Nerven würden vor den Muskeln gebildet und die Ganglien- kugeln beständen ganz aus Dotterkörnern, seien wahrscheinlich aus mehreren Zellen zusammen gewachsen (S. 61—63). F. E. Scrunze bestätigt im allgemeinen Rrmar’s Angaben über die Muskel- entwickelung. In der embryonalen Muskelfaser erscheine zuerst nur eine einzige Muskelfibrille (Nr. 51 S. 386); später kommen immer neue hinzu, welche das Protoplasma, aus dem sie entstanden, halbrinnenförmig umschliessen. Die unterdess vermehrten Kerne rücken zwischen den Fibrillen in’s Innere der Faser (S. 355). Aus dem Vorkommen einkerniger Muskelfasern, deren beide Enden bereits m Sehnen übergehen, ferner aus dem Umstande, dass in den fertigen Muskelfasern der Tritonenlarven, deren Muskelzellen stets nur 446 VIII. Die Segmente des Rumpfes. eine Kernreihe enthalten , auf dem Querschnitte nie mehr als ein Kern in jeder Muskelfaser sich zeigt, schliesst Schutze, dass die Muskelzellen weder mit ihren Enden noch in ihrer ganzen Länge miteinander verschmelzen, sondern jede für sich allein eine Muskelfaser bilden. Dies gelte zunächst nur für die Stammuskeln, doch glaubt Scnurze dieselbe Entwickelungsweise auch für die Gliedermuskeln annehmen zu dürfen. Das Sarcolemma mit den ihm innen an- liegenden Kernen stamme von der Muskelzelle (S. 339—391). Hıs gibt in seinen Untersuchungen über den Ursprung der Lymphgefässe an, dass sie im Froschlarvenschwanze nicht verschmolzene Zellenhöhlen, sondern „Paracellulargänge“ seien. Ihre Wand bestehe aus ganzen Zellen, deren solide Ausläufer die äusseren Zacken bilden, welche die Gefässe vielleicht mit einander verbinden; mit den sternförmigen Bindegewebszellen hängen sie nicht zusammen. Ebenfalls auf den Froschlarvenschwanz beziehen sich die histiogenetischen Bemerkungen Hexsen’s. Die Schwanzflosse enthalte eine Flüssigkeit, welche, wahrscheinlich von der Epidermis abgeschieden, anfangs zellenlos sei; darauf wandern Zellen von der Schwanzaxe aus in jene Flüssigkeit, die erst später gallertig wird. Diese Zellen sind zuerst rund, schicken aber nachträglich Fortsätze aus, durch welche sie sich netzförmig verbinden; ein Theil dieser Bindesubstanzzellen legt sich einer festen, der Epidermis anliegenden Basal- membran an und durchwächst sie mit seinen Fortsätzen. Dieses Netzwerk der „Uutiszellen‘“ wird in verschiedenem Masse gefärbt (Nr. 54 S. 55—57, Nr. 61 S. 114. 115). Die Zellennetze und epithelartigen Zellenlagen Ererrn's hat Hessen nicht finden können (Nr. 618.116). Die Blut- und Lymphgefässe sollen von den Bindesubstanzzellen durchaus unabhängig entstehen und be- stehen (Nr. 61 8. 112); vor ihnen erscheinen aber die Nerven als dünne Fädchen ganz ohne Kerne, welche erst dadurch hinzukommen, dass dünne, blasse, äusserst lang gestreckte Zellen jeden Nerv so einscheiden, „dass er in ihrem Innern zu laufen scheint. Diese Zellen geben nicht anders Ausläufer ab, als (da, wo ein Nervenzweig abgeht, und hängen nicht mit den Parenchymzellen zusammen.“ Sie sollen auch nicht von den letzteren abstammen, sondern direkt von der Axe her den Nerven entlang wachsen (Nr. 54 5.60). Das Mark erscheint in einzelnen Tropfen innerhalb der Scheide (Nr. 54 8. 61). Die Nervenenden treten nur vereinzelt an Outiszellen heran, die meisten senken sich, ohne sich netzförmig zu verbinden, in die Epidermiszellen hinein (Nr. 54 S.61-—-64). Um dieses Verhalten zu erklären, macht Hexsex folgende Hypo- VIII. Die Segmente des Rumpfes. 447 these (S. 65—72). Nach ihm sind sowohl alle peripherischen Nerven als auch die Muskeln Erzeugnisse des oberen Keimblattes. Er nimmt darauf an, dass die Zellen in diesem noch nicht difterenzirten Keimblatte sich bei ihrer Ver- mehrung nur unvollständig, mit Ausziehung eines Verbindungsfadens, eben eines Nerven, theilen, worauf die eine Endzelle ins Epithel oder eine Muskel- faser übergeht, die andere sich im Centralorgan in eine Ganglienzelle ver- wandelt. Alle diese Angaben über die Nerven hat HEnsEn im zweiten Aufsatze aufrecht erhalten (Nr. 61 8. 116 u. fle.). Die Anlage der Outis sieht EBErTH an Larven des Bombinator igneus in jener gallertigen, homogenen Membran, welche unmittelbar unter der Oberhaut liegt. Sie bestehe aus „feinen, steifen, unter rechtem Winkel sich kreuzenden Fasern“, und werde von Ausläufern der darunter gelegenen Zellen senkrecht durchsetzt. Jene Fasern kräuseln sich später und verwandeln sich in Bündel fibrillären Bindegewebes, während in die erweiterten Lücken von unten her sich Zellen einschieben, um zu den Bindegewebszellen zu werden. Unter der Anlage der Cutis stellte EBErTH „schon in sehr früher Zeit der Larvenperiode“ durch Silbertinktion eine Lage grösserer, zackiger , mit geringen Zwischenräumen an einander gefügter Zellen dar, welche einem Gefässepithel auffallend gleichen, und später in das Epithel der Lymphräume übergehen sollen. Unter diesen Zellen befinden sich einzelne spindelförmige, welche wasserhelle Bläschen und stellenweise Pigment enthalten und zu fortlaufenden Zellenbändern zusammen- treten, die sich untereinander zu rechtwinkligen Netzen verbinden. Da diesem Netze entlang die feinsten peripherischen, ebenfalls netzförmig verbundenen und mit einzelnen Ausläufern versehenen Nerven verlaufen, so hält EBerrH dasselbe für die Anlage der bindegewebigen Nervenscheiden. An den Nerven findet er kernhaltige Protoplasmahäufchen, die Anlagen der späteren Primitiv- scheide, und lässt die ersteren mit den Sternzellen des Gallertgewebes in Ver- bindung stehen (Nr. 60 S. 491— 496). Langer findet an den Lymphgefässen des Batrachierlarvenschwanzes „scharfe Contouren, ohne jene zackigen Ausläufer, welche Köunıker und Hıs an ihnen zeichneten.“ Eine Wand der Lymphgefässe sei deutlich nachweisbar und sie umschliesse auch die Kerne (Nr. 62 8. 6). Blinde Ausläufer der Lymph- gefässe seien gewiss vorhanden und wahrscheinlich aus der Gefässwand hervor- gewachsen; dies und das Vorkommen feiner Schleifen begründe die Annahme, dass die Fortbildung des Lymphgefässsystems durch die Verbindung solcher 448 VIII. Die Segmente des Rumpfes. Ausläufer vor sich gehe (S. 10. 11). Ein Zusammenhang der Lymphkapillaren mit den Sternzellen besteht nach. LAnGer nicht (S. 12). Der einzige Forscher, welcher die Anlage der Aorta nicht nur als einen von den Segmenten abstammenden soliden Strang ansieht, sondern denselben auch als aus zwei Hälften zusammenfliessend zeichnete, ist v. BAMBECKE (Nr. 63 8.55). (GOLUBEW untersuchte die Gefässbildung in den Schwänzen lebender Larven und kam gleichfalls zu dem Schlusse, dass dieselbe nur durch Gefäss- sprossen, ohne die Betheiligung der Sternzellen vor sich gehe (Nr. 65 S. 65). Die Gefässsprossen seien kegelförmig zugespitzte solide Fortsetzungen der Substanz der Gefässwand, welche bei weiterem Wachsthume vom Mutter- gefässe aus hohl werden. Die Spitzen je zweier Sprossen treffen alsdann zusammen und verbinden sich zu emer Schlinge, welche von ihren beiden Enden her ausgehöhlt wird (S. 66. 68). Das regelmässige Zusammentreffen wenigstens der ersten Sprossenenden versucht GoLuskw folgendermassen zu erklären: die gerade gegen den Schwanzsaum wachsenden Sprossen erreichen in der Nähe desselben eine dichtere Grundsubstanz, der sie bogenförmig aus- weichen und so in gegeneinander gerichteten Bögen zusammenstossen (S. 7). In der Mitte jedes Bogens, wo der endliche Zusammenfluss der beiden hälftigen Aushöhlungen stattfindet, bilden sich Anhäufungen der Substanz der neu entstandenen Gefässe (S. 65), die von GOLUBEW sogenannten Gefässspindeln oder die zelligen Elemente der späteren inneren Gefässwand (S. 64). Diese Spindeln vermehren sich durch Theilung, erhalten Kerne und verdrängen wahrscheinlich die frühere Wandsubstanz (S. 73. 83). Aus den fertigen Kapillar- gefässen treten amöboide Blutkörperchen heraus, welche in das umgebende (sewebe wandern und sich allmählich zu den Sternzellen desselben umbilden (8.75). Hinsichtlich der Entwickelung der Lymphgefässe bemerkt GonusEw, „dass sie in allen wesentlichen Punkten mit jener der eigentlichen Blutcapillaren übereinstimmt“ (S. 85). Kuem, welcher einige Einzelheiten des subepithelialen Netzwerks be- schreibt, spricht sich auch gegen den Zusammenhang der Nerven mit Stern- zellen aus (Nr. 70 8.4). Arnonp bestätigt Gonupew's Angaben. Die Gefässentwickelung beginne immer von einem schon bestehenden Gefässe aus durch Sprossen, welche zu Protoplasmafäden auswachsen, indem die Substanzkörnchen sich vermehren VIII. Die Segmente des Rumpfes. 449 und vorrücken. Die Körnchen liegen aber getrennt von einander und bewegen sich innerhalb lichter Bahnen, die vielleicht Spalten des Gewebes darstellen. Durch Verbindung dieser Protoplasmafäden unter sich und mit den Gefässen entstehen die Bögen und Schlingen. Die Kanalisirung erfolgt meist von der Wurzel der Sprossen aus, kann aber auch weiter im Protoplasmafaden beginnen. In dem Abschnitte, welcher von den Leistungen des mittleren Keimblattes handelt, habe ich auseinandergesetzt, wie dasselbe frühzeitig sich in zwei Schichten zu spalten und in einen dicken dorsalen und einen dünnen ventralen Theil sich zu sondern anfängt. Die vollständige Abtrennung und Quer- gliederung des ersteren ergibt dann die Segmente, welche also ursprünglich zweischichtig sind und später eine eben solche ventrale Fortsetzung erhalten. Diese letztere ist in beiden Segmentschichten gleichmässig dünn und unter- scheidet sich daher äusserlich nicht unbedeutend von den ursprünglichen und eigentlichen Segmenten, deren innere Segmentschicht in einer kompakten Masse erscheint und dadurch, dass die histiologische Umbildung in ihr nicht gleichartig erfolgt, sehr bald noch einmal getheilt wird, in den massigen Seg- mentkern und das innere Segmentblatt. Da die folgende Entwickelungsge- schichte dieser Segmenttheile zunächst mit der Histiogenese zu thun hat und die topographische Anordnung der differenzirten Gewebsmassen erst in zweiter Linie folgen kann, so sollen auch die verschiedenen Gewebe einer Eintheilung des ganzen Stoffes zu Grunde gelegt werden. 1. Die Muskeln. Es werden in beiden Segmentschichten Muskeln erzeugt, in der inneren die eigentlichen Muskeln des Stammskelets (Stammuskeln) und die tieferen Bauchmuskeln, in der äusseren der M. obliquus externus und die zu den Glied- massen gehörigen Muskeln. Ich betrachte zuerst die Entwickelung der Stam- muskeln im Segmentkerne. — Dort liegen die embryonalen Zellen anfangs dicht gedrängt und nehmen die aus dem gegenseitigen Drucke hervorgehenden rundlich eckigen Formen an (Taf. XI Fig. 199). Aber sobald der Schwanz hervorzuwachsen beginnt, sieht man die ersten Anfänge einer bestimmten Gortrß, Entwiekeluugsgeschichte. 29 450 VIH. Die Segmente des Rumpfes. Formveränderung der genannten Zellen (Fig. 200). Diese Veränderung erscheint zuerst im vorderen Rumpftheile und schreitet dann nach hinten fort, wie ich es schon von mehreren Entwickelungsvorgängen angab; und dieselbe keihenfolge halten auch alle übrigen an den Zellen der Segmentkerne noch zu beschreibenden Erscheinungen ein. Indem die Masse der schmalen Segmente parallel zur Körperaxe ausgezogen wird, geschieht dies auch mit den einzelnen Zellen der Segmentkerne; sie verlängern sich in der angegebenen Richtung unter entsprechender Abnahme ihres Querdurchmessers, und indem sie dabei aneinander vorbeigleiten , dauert diese Veränderung so lange an, bis jede Zelle die Form eines ziemlich gleichmässigen Stabes erreicht, dessen vorderes und hinteres Ende in den entsprechenden Flächen des ganzen Segments liegen. Diese zur Stäbchenform verwandelten Muskelzellen sind aber nicht eylin- derisch, sondern bei der innigen Aneinanderlagerung prismatisch abgeplattet und zugleich in ihrer Länge lateralwärts konvex, medianwärts konkav gebogen, indem in Folge der Absonderung des inneren Segmentblattes die ganze Muskelplatte jene Form erhält (Taf. XI Fig. 197, Taf. XIV Fig. 251). Der Kern liegt ohngefähr im der Mitte der Länge der Zelle und bedingt eine geringe Anschwellung derselben; indem diese Anschwellungen bei der Anein- anderlagerung der Zellen einander auszuweichen suchen, sieht man auf sagittalen Durchschnitten die Kerne nicht in einer geraden Linie über einander liegen, sondern eine Zickzacklinie beschreiben. Die stumpfen Enden der Muskelzellen stossen unmittelbar mit denjenigen der benachbarten Segmente zusammen und verbinden sich mit ihnen zu einem ziemlich festen Zusammen- hange. Während der beschriebenen Formveränderung der Muskelzellen bleibt ihre Zusammensetzung zunächst noch bestehen. Sobald aber die erstere bereits in den Schwanz vorgedrungen ist, bemerkt man im Innern der ersten Segmente schon bei schwächeren Vergrösserungen eine gewisse Ungleichheit in der Zeichnung der Dottersubstanz (Taf. XI Fig. 201—203). Bei genauerer Untersuchung erkennt man die Umbildung derselben in reifes Protoplasma im ähnlicher Weise, wie ich es bereits von den Embryonalzellen des Gentral- nervensystems beschrieb. Die Umbildungskugeln erscheinen in der unverän- derten Dottersubstanz, der gestreckten Zellenform entsprechend, in einer Reihe, welche in ihrer Mitte durch den gleichfalls verlängerten Kern unter- brochen wird; und indem sie darauf in dem Masse verschwinden, als die Dottersubstanz sich in reifes Protoplasma verwandelt, weisen sie, wie ich glaube, deutlich genug auf den Zusammenhang beider Erschemungen hin. 1. Die Muskeln. 451 Gleich im Anfange dieses Processes beginnt aber schon eine weitere Differen- zung des Protoplasmas. In isolirten Muskelzellen aus jener Periode entdeckt man nämlich leicht eine sehr regelmässige, feine und ziemlich dichte (uerstreifung, welche sich durch Rollen der Zellen und bei wechselnder Ein- stellung des Mikroskops als eine oberflächliche und auf die konkave d.h. in natürlicher Lage die mediale Seite der Zellen beschränkte nachweisen lässt. Die Bestätigung dessen findet man an den scheibenförmigen Querdurchschnitten solcher Muskelzeller, in deren medialem Rande ein schmaler Streifen punktirter, sich lebhaft färbender Substanz sehr scharf von der übrigen, erst theilweise in Protoplasma verwandelten Zellenmasse sich absetzt; dieser Streifen greift häufig bogenförmig auf die obere oder untere Seite der Scheibe über, bleibt dagegen selten auf eine der letzteren beschränkt (Taf. XI Fig. 197. 198). Dass aber diese einseitige Rinde der Muskelzellen mit der quergestreiften Muskelsubstanz identisch ist, lässt sich an nur wenig älteren Larven, deren Muskelzellen in den verschiedensten Entwickelungsstufen neben einander liegen, leicht konstatiren. Obwohl ich den Punkten der Durchschnittsbilder ent- sprechende Längsstreifen an den ganzen Zellen entweder gar nicht, oder doch nur andeutungsweise bemerkte, so möchte ich dennoch jene Punkte auf Quer- durchschnitte von Muskelfibrillen beziehen. Die Flächenbilder der Muskel- substanz, welche F. E. SCHULZE auf getrennte, relativ dicke Fibrillen bezieht, von denen zuerst eine einzige entstehe, muss ich nach meinen Erfahrungen aus der Lichtbrechung an den Kanten der prismatischen Zellen erklären. Von feinerem histiologischen Detail sei noch erwähnt, dass an ganz frisch unter- suchten Muskelfasern die hellen Streifen ganz deutlich eme zarte punktirte Linie zeigen, welche sie in der Mitte und parallel den einfassenden dunkeln Streifen durchzieht (Fig. 203b). — Wenn nun die peripherische Anlage der Muskelsubstanz in ihrer ersten dünnen und meistentheils rinnenförmigen (Gestalt die Neigung erkennen lässt, sich in der Peripherie der ursprünglichen Muskelzelle weiter auszudehnen und so deren übrige noch mit Dotterplättchen (durchsetzte Masse röhrenförmig zu umwachsen, so habe ich doch eine solche Entwickelung nicht verfolgen können. Vielmehr traf ich es als Regel, dass die anfangs dünne Muskelschicht, während sie an Mächtigkeit beständig zu- nimmt, sich annähernd eylinderisch zusammenzieht und so in die übrige Masse der Muskelzelle vorragt, dass diese alsdann ihrerseits die Rolle einer Rinden- schicht übernimmt und gewöhnlich rinnenförmig, zuweilen aber auch eylin- derisch geschlossen erscheint (Fig. 198). Neben den scheibenförmigen Durch- 29” 452 VIII. Die Segmente des Rumpfes. schnitten dieser regelmässigen soliden Cylinderform der Muskelsubstanz finde ich allerdings nicht ganz selten Ringe, welche auf eine röhrenförmige Umbil- dung jener Substanz schliessen lassen. Eine solche Röhre kann aber auf die oben angedeutete Weise d.h. durch Ausbreitung der Muskelschicht über die ganze Oberfläche der Muskelzellen nicht entstanden sein, da sie nur den kleineren Theil der unverwandelten Zellenmasse einschliesst, während der grössere ihr aussen anliegt. Andererseits ist es mir nicht gelungen die Röhren- form der Muskelsubstanz -an isolirten Muskelzellen zu bestätigen, sodass möglicherweise jene ringförmigen Durchschnitte nicht von wirklichen Muskel- röhren, sondern nur von zufälligen, beschränkten Einschlüssen einfacher Zellen- masse in die sonst soliden Muskelcylinder herrührten. Jedenfalls bleibt weder die eingeschlossene noch die ausserhalb der Muskelsubstanz befindliche Zellenmasse als solche längere Zeit bestehen, sondern verwandelt sich sehr bald gleichfalls in Muskelsubstanz, welche sich der schon bestehenden an- schliesst. Wenn die Muskelzelle anfangs ebenso wenig wie jede andere Embryonal- zelle eine Membran besitzt, so bildet sich doch eine solche während der Ver- wandlung der Dottermasse aus der äussersten Schicht der letzteren, welche nach Beendigung jener Umbildung als dünnes Häutchen dem Muskelcylinder anliegt, sen Sarkolemm darstellt (Fig. 204). Dasselbe umschliesst aber noch einen Theil der ursprünglichen Zelle, welcher sich nicht in Muskelsubstanz verwandelt, nämlich den Kern. Er streckt sich mit der ganzen Muskelzelle, wird meist walzenförmig und bleibt nach wie vor in der Mitte der Zellenlänge, und zwar so lange es noch indifferente protoplasmatische Masse gibt, inner- halb derselben liegen. Sobald aber das Protoplasma soweit m Muskelsubstanz verwandelt ist, dass der Rest nicht mehr die Mächtigkeit des Kerns erreicht, so wird der letztere nicht etwa in die zunehmende Muskelsubstanz eingebettet, sondern nach aussen gedrängt, sodass er das Sarkolemm je länger desto stärker vortreibt. Besonders auffallend erscheint dies an den kurzen Muskel- fasern des Schwanzendes, deren Kerne länger sind als die Hälfte der ganzen Faser und diese auf einer Seite beinahe in der ganzen Länge ausbauchen (Fig. 204). Für diese Lagerung des Kerns fehlte ein Motiv, wenn wir die Bildung der Muskelsubstanz gerade so einfach wie bei anderen Massen- umbildungen erfolgen liessen. Ich glaube daher, dass dieser Vorgang in der Ausfällung stets neuer Fibrillen beruht, welche alsdann nicht an der alten Stelle liegen bleiben und so den Kern allmählich umwachsen, sondern sofort 1. Die Muskeln. 453 zur Aktion der ganzen Muskelmasse herangezogen, mit dieser sich eylindrisch zusammenziehen und dabei den Kern vollständig aus diesem ihrem kontinuir- lichen Ganzen hinaüsdrängen. Erst nachdem die ursprüngliche Zellenmasse vollständig in Muskelsubstanz übergegangen ist, beginnt die Theilung und Ver- mehrung des Kerns; wenigstens scheint dies die Regel zu sein, da ich nur äusserst selten zwei Kerne an einer Muskelfaser antraf, in deren Umgebung noch Dotterreste vorhanden waren. Mit der fortdauernden Vermehrung der Kerne geht ihre Ausbreitung über die ganze Oberfläche der Muskelfaser, zwischen der eigentlichen Muskelsubstanz und dem Sarkolemm Hand in Hand, sodass die Larven bereits vor dem Erscheinen der knorpeligen Wirbelanlagen in ihren Muskelfasern alle Elemente enthalten, welche das vollständig entwickelte Thier besitzt, mit dem einzigen Unterschiede, dass die Kerne nicht im Innern der Muskelsubstanz liegen, wo sie später angetroffen werden, sondern ausserhalb derselben, wie man sich an Querdurchschnitten leicht überzeugen kann. Die Art und Weise, wie jene definitive Innenlage der Kerne ohngefähr zur Zeit der Verknorpelung der Wirbelbogenanlagen erreicht wird, ist insofern von besonderem Interesse, als sie von eimer eigenthümlichen Ver- änderung der Muskelsubstanz bedingt wird. Dieselbe vollzieht sich nicht gleichzeitig in allen Muskelfasern auch nur eines einzelnen Muskels und kann daher leicht an einigen wenigen gelungenen Querdurchschnitten studirt werden. Die Muskelsubstanzsäule jeder Faser zerfällt nämlich durch Eim- und .Ab- schnürung nach ihrer Länge erst in zwei und dann fortschreitend in immer mehr rundliche oder prismatische Säulchen, welche freilich immer zu einem Bündel oder der Muskelfaser vereinigt bleiben, aber sich augenscheinlich an einander verschieben (Fig. 205). Bei diesen wie es scheint langsamen und wahrscheimlich wie bei der Dotterzerklüftung durch die Theilungsvorgänge selbst hervorgerufenen Verschiebungen wird ein Theil der peripherisch gelege- nen Kerne erst in die oberflächlich ausmündenden Fugen gedrängt und dann von den sich verschiebenden Säulchen vollständig umlagert, sodass er sich endlich im Innern des ganzen Bündels oder -der ursprünglichen Muskelfaser befindet, welche durch fortgesetzte Vermehrung, also auch Verfeinerung der. sekundären Säulchen wieder ein einheitlicheres Ansehen gewinnt. Es ist also die Lageveränderung der Kerne von der Peripherie ins Innere der Muskel- substanz ein nachträglicher und gleichsam zufälliger Vorgang, der ebenso wenig wie seine nächste Ursache, nämlich die Zerklüftung der ursprünglichen Muskelsäule für die eigentliche Muskelbildung von wesentlicher Bedeutung zu 454 VIII. Die Seemente des Rumpfes. sein scheint. Dagegen erklärt uns jene Zerklüftung, in welcher Weise die Kerne der Muskelzellen, welche anfangs gerade durch den Zusammerhang der ganzen Fibrillenmasse einer Faser stets an die Peripherie gedrängt werden, später (doch in das Innere derselben gelangen, ohne jenen Zusammenhang völlig zu lösen; und darum liegt es nahe, jene Zerklüftung nicht bis zur Isolirung aller Fibrillen, sondern nur bis zu einer solchen Verfeinerung ihrer sekundären Bündelchen fortgehen zu lassen, dass man die bekannten ConnHEmm’schen Felder für die Durchschnitte derselben halten kann. — Bevor ich nunmehr auf die topographische Umbildung der dorsalen Muskelmassen übergehen kann, muss ich einiges über die Entwickelung der Sehnen vorausschicken. Schon gleich im Anfange der Umbilduug der Muskelzellen sammeln sich in den Rinnen, welche äusserlich die Grenzen der Muskelplatten bezeichnen, Zellen des interstitiellen Bildungsgewebes an, theils Elemente der inneren Segmentblätter und der äusseren Segmentschichten, zum grösseren Theile aber, wie mir schien, un- mittelbar aus den embryonalen Blutgefässen abstammende Dotterbildungszellen (Taf. XI Fig. 201). Diese Elemente besorgen später auch die Bildung der Nerven, Gefässe und bindegewebigen Scheiden der Muskeln, wofür ich jedoch auf die weiter unten folgende Entwickelungsgeschichte dieser allgemeinen Gewebe ver- weise, um mich hier auf die Muskelsehnen zu beschränken. Jene an den Muskelgrenzen angesammelten Bildungszellen schmiegen sich anfangs bloss in die Grenzfurchen, wobei sie sich durchweg entsprechend verlängern, also mit ihrer Längsaxe diejenigen der Muskelzellen kreuzen und stets je mehrere der- selben berühren. Darauf verschmelzen sie untereinander zu einer kontinuir- lichen, von freien Kernen durchsetzten Masse, welche mit den anliegenden Muskelfaserenden eine feste Verbindung emgeht und allmählich zwischen die- selben eindringt (vgl. Fig. 206). Auf diese Weise tritt an die Stelle des unmittelbaren Zusammenhangs der Muskelenden eine besondere Verbindungs- masse, welche zuerst den ganzen Muskelgrenzen entsprechende, dünne quere Scheidewände bildet. Aus Zellen entstanden sind diese jungen Sehnenanlagen doch nicht als Zellengewebe in dem Sinne aufzufassen, als wenn die ganzen Bildungszellen seine weitere Entwickelung bedingten und bestimmten und etwa unmittelbar in die Strukturelemente der fertigen Sehne, in die einzelnen feinsten Bündel übergingen. Selbst die Verbindungsfäden zwischen einzelnen Muskelfasern können nicht auf einzelne Zellen bezogen werden, da, wie erwähnt, die Bildungszellen schon frühzeitig sich über mehrere Muskelfaserenden erstrecken und die aus ihrer Verschmelzung hervorgegangene Masse jene 1. Die Muskeln. 455 Enden umwächst und sich mit ihnen verbindet, ehe sie deren unmittelbaren Zu- sammenhang mit den gegenüberstehenden Muskelfaserenden auflöst. Daher ist diese anfangs kontinuirliche Masse gleichsam als ein die Muskelsegmente verbin- dender Kitt zu betrachten, dessen spätere Difterenzirung in fibrilläres Bindege- webe, wovon später die Rede sein wird, von einer Anwesenheit von Zellen ganz unabhängig ist, und dessen Anordnung in grössere und kleinere Bündel erst in Folge einer gleichen Eintheilung der Muskelmassen erscheint. Nach dieser Or- ganisation der Sehnen habe ich, um es beiläufig zu erwähnen, gleich KöLLıker an einzelnen Muskelfasern des Schwanzes 2—-3 divergirende, sehr dünne Sehnen- fäden an einem Ende entspringen sehen, wobei dieses Muskelende in ebenso viele verdünnte Aeste gespalten war. Neben den freien Kernen habe ich in den Sehnen der Larven bis in die späteren Perioden ganze Zellen vermisst ‚Fig. 204); und nach der eben vorgeführten Entwickelungsgeschichte dieses Gewebes können alle später darin anzutreffenden Zellen nur eingewandert oder um die freien Kerne neugebildet sein. Schon bevor die Bildung der Muskelfasern ganz vollendet ist hat die topo- graphische Umbildung der ganzen aus den Segmentkernen hervorgehenden Muskelplatten begonnen. Anfangs verlaufen ihre Grenzscheiden nahezu senk- recht und rechtwinkelig zur Körperaxe; darauf gehen sie aber allmählich in eine zu jener Axe schräge Stellung über, sodass der spitze Winkel nach hinten sieht (Taf. XVLI Fig. 302). Durch diese Verschiebung werden die Endflächen der Muskelzellen so verändert, dass sie schräg abgeschnitten und mehr oder weniger zugespitzt aussehen (Zaf. XI Fig. 202). Diese Form zeigen sie aber nur bei Erhaltung ihres natürlichen Zusammenhangs, also in gehärteten Präparaten, während im frischen Zustande isolirte Muskelzellen runde Enden erhalten (Fig. 203). Jene Richtungsänderung der Muskelgrenzen wird noch dadurch komplieirt, dass sie von oben abwärts eine nach vorn konvexe Krümmung erleiden (Zaf. XVI Fig. 290). Diese Konvexität steigert sich allmählich bis zur Bildung eines Flächenwinkels, dessen Kante ohngefähr in der halben Höhe der Segmente liegt (Taf. XV III Fig. 525. 526). Dadurch entsteht die bekannte Zeichnung der ineinandergreifenden, mit ihren Spitzen nach vorn gerichteten Zacken, welche zu beiden Seiten des Rückens hinziehen und häufig schon an dem unberührten Embryo und der jungen Larve durch das auch an der Hautoberfläche ausgeprägte Relief der Segmente erkannt werden können. Der Grund dieser komplicirten Verschiebung der Segmente, welche sich wesentlich in deren Hauptmasse, eben den Muskelplatten aus- 456 VIII. Die Segmente des Rumpfes. spricht, muss wie ich glaube in den Beziehungen der letzteren zum primären Stammskelet gesucht werden. Solange die Segmente in der horizontalen Richtung einen fassförmigen Durchschnitt besitzen und die axialen Anlagen nur berühren, ohne mit ihnen zusammenzuhängen, erhält sich auch die ursprüngliche Richtung ihrer Grenzflächen. In der ersten Larvenperiode lösen sich die inneren Segmentblätter aus dem Bestande der einzelnen Segmente und fliessen an den Grenzen kontinuirlich zusammen, während ihre dicksten Stellen an der Segmentmitte zu den Anlagen der Spinalganglien und -nerven sich ab- sondern. Das die letzteren umgebende interstitielle Bildungsgewebe vermag bei seinem zarten, lockeren Gewebe weder über noch unter der Wirbelsaite Befestigungspunkte für die Muskelplatten abzugeben; dagegen gewährt die Wirbelsaite der sie seitlich einfassenden dünnen Schicht jenes Bildungsgewebes, der späteren äusseren Öhordascheide, eine relativ feste Unterlage und dadurch den in gleicher Höhe liegenden Sehnenanlagen die nöthigen Ansatzpunkte, so- dass, wenn die Muskelbäuche durch die Spinalganglien und -nerven von dem primären Stämmskelet getrennt bleiben, die betreftenden Stellen ihrer medialen Sehnenenden zipfelig gegen dasselbe angezogen erscheinen. Davon kann man sich sowohl an Durchschnitten wie bei der Präparation ganzer Larven über- zeugen. Nach der Beobachtung dieser einseitigen und beschränkten Be- festigung der Muskelplatten braucht man nur ein ungleichmässiges Wachs- thum der betreffenden Anlagen, welches übrigens sich schon aus den Folgen klar ergibt, anzunehmen, um die beschriebene Umbildung der Muskelmassen zu erklären. Bei dem allgemeinen, wesentlich nach hinten gerichteten Wachs- thume des Rückens verlängert sich die Wirbelsaite, wie aus der betreffenden Beschreibung (S. 356) erhellen wird, relativ schneller dort, wo der Gallert- körper in der Bildung begriffen, als wo seine Anlage fertig ist, d. h. die früher hergestellten vorderen Chordaabschnitte und mit ihnen alsdann die äussere Scheide nebst den Muskelbefestigungen rücken langsamer vor als die hinteren, als Stammskelet noch nicht fungirenden Abschnitte. Zugleich vertheilt sich aber dasselbe Mass der Gesammtverlängerung gleichmässig über die ebenfalls in verschiedenem Grade entwickelten Segmente, sodass die an der vollendeten Chorda entstandenen primären Muskelbefestigungen sich langsamer verschieben als die ganzen nicht unmittelbar befestigten Muskelmassen. Die Scheidewände der letzteren werden daher an ihren beschränkten Befestigungspunkten zurück- gehalten und beschreiben in ihren übrigen Theilen einen um so grösseren Weg, je weiter dieselben von jenem Punkte entfernt sind. Die äusseren Theile 1. Die Muskeln. | 457 müssen folglich weiter nach hinten rücken als die inneren, die über und unter dem axialen Stammskelete befindlichen weiter als die in der Höhe desselben und somit der Befestigung liegenden. Die auf diese Weise konstruirte Wirkung gewisser vorausgegangener Zustände und Vorgänge stimmt nun ersichtlich mit der beobachteten Muskelbildung überein und lässt die versuchte Erklärung derselben nicht unbegründet erscheinen. Denn die nach vorn gerichteten Spitzen der Zacken der Muskelgrenzen liegen thatsächlich im Niveau der Muskelbefestigungen, von wo aus, die Verschiebung der Muskel- platten auf- und abwärts ebenso zunimmt, wie von innen nach aussen. — Ich habe mich bei dieser Erörterung aufgehalten, weil ich die gewiss nicht ganz einfache Entwickelung der ganzen Wirbel auf die eben erläuterte Umbildung der Muskelmassen und deren weitere Wirkungen zurückzuführen versucht habe (S. 378. 381. 406 u. flg.), und weil die Darlegung eines solchen Zusammenhangs beweist, wie selbst so mannigfaltig zusammengesetzte Bildungen, wie der gesammte passive und aktive Bewegungsapparat des Stammes, sich als die nothwendigen Folgen verhältnissmässig einfacher vorangegangener Entwicke- lungsvorgänge nachweisen lassen. Durch die beschriebene Veränderung der Muskelplatten ist bereits eine gewisse Gliederung derselben angelegt. Die Spitzen der Muskelzacken bezeichnen die Höhe, in welcher die Muskelplatten in schon erwähnter Weise in eine obere und eine untere Hälfte getheilt werden und die Rippenfortsätze, die Träger der seitlichen Stammuskelmassen, hervorwachsen. Dieser neuen Muskeltheilung entspricht zugleich die obere Seitenlinie unserer Larven, in welcher der N. lateralis superior vagi verläuft und die Seitenorgane der Haut versorgt. — Da im vorderen Rumpftheile die stärkere seitliche Aus- ladung des Rückenmarkes die Ausbildung der inneren Segmente nach oben anfangs beeinträchtigte, was weiter rückwärts nicht der Fall ist, und ferner im Schwanze schon die ganzen Segmente unter Reducirung der Seitenplatten viel tiefer hnabreichen als im Rücken, so ist es verständlich, dass auch die Höhe der Muskelplatten sowohl in ihrer oberen wie in der unteren Hälfte von vorn nach hinten ansteigt (Taf. XIII, XV). Während sie dicht am Kopfe über die Wirbelsaite anfangs nicht weit hinausreichen, um erst später sich den übrigen Folgestücken anzupassen, überragen sie in der Mitte des Rumpfes bereits die Axengebilde, sodass ihre medianwärts gekrümmten oberen Ränder später über denselben zusammenstossen; im Schwanze geschieht dies aber 458 VIII. Die Segmente des Rumpfes. auch unterhalb der Axengebilde, wodurch um die letzteren eine vollständige Röhre gebildet wird. Diese Muskelröhre bleibt m der Nähe der Schwanz- wurzel in der ursprünglichen Weite und der Zusammensetzung aus den dicht aneinandergelagerten Muskelplatten bestehen; während des Wachsthums des Schwanzes verjüngt sie sich gegen dessen Spitze hin und dehnen sich die sehnigen Zwischenwände soweit aus, dass sie sogar längere Abschnitte jener Röhre darstellen, als die mit ihnen alternirenden Muskellagen (vgl. Taf. XI Fig. 204). Bei der Schrumpfung des Schwanzes gehen diese hintersten Theile der Stammuskulatur, nachdem sie sich wieder zusammengeschoben, zuerst zu Grunde, sodass nach dem schon vorher erfolgten Verluste des Flossensaumes (ler Schwanzstummel wesentlich aus einem muskulösen Hohlkegel besteht, der aber mit den eingeschlossenen Axengebilden fortdauernd von hinten nach vorn bis auf seine Basis atrophirt (vgl. Taf. XIX Fig. 342). — Im Rumpfe besteht die geschilderte Anordnung der Stammuskulatur nur bis zur Entstehung des knorpeligen Skelets und verändert sich darauf, wie ich schon im vorigen Ab- schnitte beschrieb, nicht unwesentlich. Die Wirbelbögen, welche entsprechend den bezeichneten Muskelverschiebungen ihre nach hinten gerichteten Krüm- inungen ausführen, nehmen die Muskelansätze anfangs nicht gleich in ihrer ganzen Länge auf, sondern wirken zunächst am meisten durch die in die sehni- gen Scheidewände hineinwachsenden Rippenfortsätze. In der Folge entwickeln sich zwischen je zwei benachbarten Rippenfortsätzen, so weit dieselben die Stammuskulatur durchsetzen, dünne bindegewebige Brücken; von den Rippen- fortsätzen des 9. und 10. Wirbels ziehen sie sich zum Steissbem in seiner ganzen Länge hinüber, laufen also an seinem Ende spitz aus. Alle diese apo- neurotischen Ausbreitungen bilden in ihrer Verbindung mit den Rippenfortsätzen auf beiden Seiten der eigentlichen Wirbelsäule eine horizontale Platte, welche die vorher durch die Seitenlinie nur angedeutete Scheidung der Stammuskel- masse in eine obere und eine untere Lage thatsächlich und vollständig aus- führt®. Jede derselben ist zunächst freilich nur mit einer Fläche an den Rippenfortsatz befestigt, während die grosse Masse der Muskelfasern einen andern Halt als die aufrechten Scheidewände noch entbehrt. Im Verlaufe des * Die für die Anurenlarven bezeichnende beiderseitioe starke Aufblähung des Bauches, zwischen welche der Rückentheil etwas einsinkt, verdeckt in der Seitenansicht die unter den Rippenfortsätzen befindliche Muskellage vollständig (vgl. Taf. XVIII Fig. 325, Taf. XIX Fig. 338-340). I. Die Muskeln. 459 späteren Larvenlebens verändert sich dieser Zustand. Während die ganzen Wirbelbögen von oben her etwas zusammengedrückt werden, die Rippen- fortsätze sich nahezu horizontal stellen und an Länge zunehmen , wird die Masse der oberen Muskelhälften aus der Höhe in die Breite umgelagert: die lateralen Theile verschieben sich mit den wachsenden Rippenfortsätzen nach aussen und vermehren dabei ihre Befestigungspunkte längs derselben, die oberen Theile legen sich aber medianwärts auf die Wirbelbögen um und ver- binden sich mit diesen in der ganzen Breite ihrer medialen Fläche. Die untere Lage der Stammuskeln wird auf ähnliche Weise und in dem Masse, als die embryonalen Wirbelkörper von unten her sich abplatten, ebenfalls flacher und breiter und zuletzt in ihrer ganzen Masse unter die Rippenfortsätze verschoben, mit welchen allein sie verbunden bleibt. Bei dieser Umbildung der Muskel- platten sind natürlich auch ihre aufrechten Scheidewände bedeutend reducirt und längs der Rippenfortsätze und Wirbelbögen in breite, platte Sehnen ver- wandelt, welche in ihrer ganzen Ausbreitung mit jenen Skelettheilen zusammen- hängen. Nur an den oberflächlichen Schichten der oberen Lage werden die Sehnen nicht unmittelbar an die Wirbelbögen befestigt, sondern bleiben entweder als freie Sehnen in den Verlauf der oberflächlichen Muskelmasse eingeschaltet oder verschwinden ganz, wodurch die vorher getrennten Muskel- abschnitte kontinuirlich zusammenfliessen. Dies tritt insbesondere hinter dem 9. Wirbel in der ganzen Masse der daselbst erhalten bleibenden Stammuskeln ein, wozu etwa 35—4 Segmente beitragen. Verfolgt man die weitere Um- bildung der ganzen in Rede stehenden Muskulatur der Wirbelsäule bis zum vollkommen fertigen Zustande, so ergibt sich, dass aus.der oberflächlichen, mit den Inscriptiones tendineae versehenen Muskelmasse der lange Rückenmuskel (M. longissimus dorsi Ecker Nr. 90 S. 86—88), aus den tieferen Schichten der oberen Lage die Mm. intercrurales und intertransversarii superiores, endlich aus der ganzen unteren Stammuskellage die Mm. intertransversarii inferiores her- vorgehen. Hinter dem 9. Wirbel bleiben die Fortsetzungen der Mm. intertrans- versarii gleichfalls für immer und zwar durch die genannte dreieckige Binde- - gewebsplatte in eine obere und eine untere Portion getrennt. Die erstere ver- bindet sich mit der Fortsetzung der Mm. intererurales zum M. coceygeosacralis ; in der andern oder dem Ende der unteren Stammuskellage stellt sich der Faserverlauf allmählich schräg nach aussen und abwärts, sodass endlich die vorderen Muskelenden am Hüftbein und die hinteren am Steissbein sich befestigen: so entsteht der M. coccygeo-iliacus. An den Mm. 460 VIII. Die Segmente des Rumpfes. intertransversarii vom 2.—9. Wirbel erhält sich die Zweitheilung nicht so deutlich, weil die Richtung des Faserverlaufs in beiden Lagen dieselbe bleibt; daher wird von den Anatomen nur eine Lage unterschieden (Ecker a. a. O.). lÜbenso muss man mit Rücksicht auf die wenngleich vorübergehende Gliederung _ der Rippenfortsätze auch bei unserem Thiere die äusseren, an die Rippen be- festigten Theile der bezeichneten Muskeln als von den eigentlichen Mm. inter- transversarii nicht deutlich gesonderte Mm. intercostales superiores et inferiores betrachten. — Vor dem 2. Wirbel verschmächtigt sich die dorsale Muskelmasse beim Uebergange in den Kopf so rasch, dass sie dort vollständig unter das Hinterhirn, also unter die Stelle zu liegen kommt, wo sich später das eigentliche Stammskelet des Hinterkopfes (hintere Schädelbasis) bildet (Taf. X VI Fig. 303). Während der Entwickelung des letzteren zieht sich jener Muskelstrang stetig zurück und wird dabei unter Verschmelzung der früheren Segmentgrenzen zu eimem kleinen Muskelbündel reducirt, welches, da der 1. Wirbel einen Rippenfortsatz nicht besitzt, vom 2. Wirbel direkt zur Schädelbasis hinzieht (Taf. XIX Fig. 543). Die Wurzel des N. vagus lag schon ursprünglich über und nach aussen von diesem Muskel, ohne von einem anderen bedeckt zu sein (Taf. XV. Fig. 375). Wenn sie nun später zwischen zwei Muskeln hervor- kommt, welche vom 1. Rippenfortsatze nach vorn divergiren, so ist nur der untere, der von Ecker sogenannte M. mtertransversarius capitis inferior, dem ursprünglichen Muskelstrange zu vergleichen, der M. intertransversarius capi- tis superior aber als ein nachträglich vorgeschobener Zipfel von der 2. Muskel- platte des Rumpfes anzusehen, gerade so wie die vordersten Mm. intercrurales auf das Schädeldach hinübergreifen (Zaf. XVIII Fig. 331). — Mit der geschilderten Anordnung ist die Entwickelungsgeschichte der aus den Stammsegmenten oder dem Rückentheile der inneren Segmentschicht hervor- gehenden Muskeln erschöpft, und ich wende mich nun zum Bauchtheile dieser Embryonalanlage. Nachdem die Stammuskeln sich oben von der übrigen Masse der Segmente abgesondert haben, erkennt man den indifferenten Rest der inneren Segment- schicht leicht in der noch kompakten Masse, welche gerade unter jenen Muskeln den ganzen Raum zwischen ihnen, dem Darmblatte, der Gekrösefälte und dem aus dem Parietalblatte unterdessen entwickelten Urnierengange ein- nimmt und nach aussen an die äussere Segmentschicht anstösst (Taf. XIII Fig. 241). Indem sie in Gemeinschaft mit dieser sich abwärts ausbreitet, ver- 1. Die Muskeln. 461 liert sich auch ihre Verdickung unter den Stammuskeln und macht einer dünnen Lage von lockerem interstitiellen Bildungsgewebe Platz, welche wegen ihrer histiologischen Uebereinstimmung mit dem inneren Segmentblatte nun- mehr als eine unmittelbare Fortsetzung desselben erscheint (Taf. XIII Fig. 238, Taf. XIV Fig. 263—265, Taf. XV Fig. 279- 281). In dem eigent- lichen Bauchtheile ist die innere Segmentschicht ebenso wie die äussere sehr dünn und liegt dieser wie dem Parietalblatte eng an; es wird daher in kurzer Zeit eine Unterscheidung dieser Embryonalanlagen an Durchschnitten sehr schwierig, und muss ihre fernere Entwickelung von der Fläche her studirt werden. Zu diesem Zwecke löse ich die beiden Segmentschichten an ganz jungen Larven von 6—7 Mm. voller Länge längs des ganzen Rückens ab und untersuche sie dann entweder isolirt oder beide zusammen, was bei dem netz- förmig durchbrochenen Gewebe keine Schwierigkeiten macht. Da man ferner aus den Durchschnitten ersieht, dass zwischen dem Parietalblatte und der inneren Segmentschicht sich sehr früh Pigmentzellen eindrängen, so liefert dieser Umstand ein bequemes Merkmal, um in zweifelhaften Fällen die Grenzen jener Theile auch in der Flächenansicht zu bestimmen (Taf. XVII Fig.507--311). So fand ich, dass, während die indifferenten, rundlichen Zellen der äusseren Segmentschicht sehr bald auseinanderrücken, um nur durch schmale Brücken in Verbindung zu bleiben, die Elemente der inneren Schicht anfangs dichter zusammenstehen und wahrscheinlich desshalb auch die segmentalen Abthei- lungen aufrecht erhalten, welche in der äusseren Segmentschicht sehr bald verloren gehen. Dabei strecken sich jene Zellen der inneren Schicht in. hori- zontaler Richtung, sodass sie den queren Abtheilungen ein streifiges Ansehen verleihen (Taf. XX. Fig. 356). Zu derselben Zeit verwandelt sich aber die Gestalt des ganzen Bauchtheils der Larve: vorher schmal und lang, wird er nun durch die eigenthümliche Entwickelung des Darms weit breiter und scheinbar kürzer. Dies hängt so zusammen, dass, während früher die Darm- anlage mit der unmittelbar sich ihr anschliessenden Dotterzellenmasse einen kompakten und schmalen, aber vom Kopfe bis zum After gleichmässigen Körper bildete, in der ersten Larvenperiode das absteigende Ende des Darm- kanals, der künftige Mastdarm, sich von der Dotterzellenmasse treunt und ver- schmächtigt, die letztere aber sich unter dem Mitteldarme zusammenzieht, dessen weitere Entwickelung und die zugleich sich verschiebenden übrigen Eingeweide einen grösseren, annähernd kugeligen Raum beanspruchen, welcher allein von den Segmentschichten umhüllt wird und desshaib auch 462 VIII. Die Segmente des Rumpfes. allein als Bauchtheil imponirt, ausserhalb dessen der dahinter befindliche Mastdarm zu liegen kommt (Taf. II Fig. 38, Taf. XXI Fig. 372, Taf. AIII, XIV, XX). Es ist leicht verständlich , dass die Segmentschichten bei dieser Umbildung des Bauchtheils einmal dessen hintere Einschnürung zuerst vollständig umwachsen und andererseits im Bereiche seiner starken Erweiterung einer entsprechenden Dehnung ausgesetzt sind. Diese zieht das streifige, vorher ziemlich dichte Gewebe in den segmentalen Abtheilungen der inneren Segmentschicht auseinander und ermöglicht dadurch, seine histiolo- gische Entwickelung bequem zu verfolgen. Die länglichen Zellen verwandeln sich nämlich in kurzer Zeit in eine dünne Muskelschicht, deren Fasern der Körperaxe parallel verlaufen; wo sie aber etwas dichter liegen, ist es unmög- lich die Einzelheiten ihrer Entwickelung klar zu erkennen, sodass man leicht geneigt sein möchte, dieselbe derjenigen in den Stammuskeln analog anzu- nehmen. Die der Untersuchung günstigeren, weit auseinander gezogenen Stellen des Gewebes lehren aber, dass jede durch die Breite je einer segmen- talen Abtheilung verlaufende Muskelfaser nicht aus einer, sondern aus mehreren Zellen hervorgeht (Taf. XI Fig. 206). Sie erhalten alsbald eine spindelförmige (Gestalt und legen sich dann meist so aneinander, dass ein Zellenbauch sich je an die dünnen Enden der vorausgehenden und nachfolgenden Zelle anschmiegt. Die Endzellen, welche einen solchen Strang an den Grenzen der segmentalen Abtheilung abschliessen, laufen dort breit aus und verbinden sich mit der An- lage des Sehnenstreifens oder direkt mit den ähnlichen Zellensträngen der benachbarten Abtheilung. Da nun solche Stränge aneinandergefügter Spindel- zellen an den am meisten ausgedehnten Stellen des Gewebes beinahe immer isolirt und nur durch dünne Substanzbrücken mit den benachbarten verbunden erscheinen, so ist es nicht schwer, ihre Verschmelzung zu emer vielkernigen platten Faser nachzuweisen. Gegen die Ausbildung der einzelnen Zellen zu ebenso vielen Muskelfasern, in der Weise wie es bei den Stammuskeln der Fall ist, spricht schon der Umstand, dass die Anzahl der eben fertig gewordenen Muskelfasern mit derjenigen der Zellenstränge durchaus übereinstimmt, während andernfalls die erstere ganz bedeutend überwiegen müsste. Wenn daher das undichte Gitterwerk des eben hergestellten Bauchmuskels später zu einer kompakten Schicht wird, so ist dies aus einer Neubildung durch nach- träglich eingeführte Bildungszellen zu erklären. Die Verbindungsfäden, durch welche die Zellenstränge anfangs zusammenhängen, und die wellenförmigen Umrisse der letzteren verlieren sich in dem Masse, als dieselben sich in band- 1. Die Muskeln. 463 förmige Muskelfasern verwandelt. Während dieser Umbildung verwandelt sich ihre Dottersubstanz in ähnlicher Weise wie ın den Stammuskeln: erst schwindet ein Theil der Dotterplättchen, dann erscheint ein schmaler einseitiger Saum von quergestreifter Muskelsubstanz, endlich ist die ganze Dottersubstanz durch Muskelmasse ersetzt. Eine wesentliche Vermehrung der Kerne erfolgt wohl kaum, da dieselben bereits von Anfang än in jeder Muskelfaser zahlreich vorhanden sind; über ihr Hineinwachsen in die Muskelsubstanz habe ich an den Bauchmuskeln keine Erfahrungen gemacht. Alle übrigen Gewebe, welche an ihnen später vorkommen, als Nerven, Bindegewebe, Gefässe, kann ich von der ursprünglichen Segmentschicht nicht ableiten, da ich die letztere vollstän- dig in die Muskeln aufgehen sehe; ich muss daher die Entstehung jener Gewebe auf nachträglich eingewanderte Bildungszellen zurückführen. - Ebenso wie die eben beschriebenen entstehen alle Muskeln des Bauches, der Extremitäten und des Kopfes, ausgenommen die direkte Fortsetzung der Stammuskeln in dem letzteren, während die Augenmuskeln, welche, wie ich zeigen werde, ebenfalls den Stammuskeln homolog sind, in der zuletzt geschil- dderten Weise sich entwickeln. Der einzige unwesentliche Unterschied zwischen allen diesen Muskeln besteht darin, dass die später gebildeten nicht aus dotterhaltigen Embryonal- oder Dotterbildungszellen, sondern aus protoplas- matischen Bildungszellen hervorgehen (Taf. XI Fig. 207). Wenn also eine zweifache, auf den ersten Blick nicht unerheblich uuterschiedene Bildungs- weise der gesammten der Willkür unterworfenen Muskulatur besteht, ohne dass die betreffenden Muskeln nach ihrem Ursprunge oder ihrem späteren Verhalten irgendwie in zweierlei Formen zerfielen, so wird man unwillkürlich an das ähnliche Verhältniss bei der Knorpelbildung erinnert und aufgefordert, auch für die Muskeln die Ursachen der Verschiedenheit in äusseren, neben- sächlichen Momenten zu suchen. Allerdings mag es vielleicht nahe liegen, den Muskelfasern selbst einen verschiedenen Formwerth zuzuschreiben, indem man die einen als einzellige, die anderen als mehrzellige betrachtet. Von einem auf die Bildungszellen bezüglichen Formwerthe der Gewebselemente kann aber wie ich glaube nur die Rede sein, wenn eine Kontinuität der Formentwicke- lung besteht; in den Anlagen der Muskelfasern geht aber der individuelle Formbestand der Bildungszellen, ob es nun eine oder mehrere verschmol- zene sind, verloren, indem sowohl der Kern aus dem Protoplasma hervortritt, als auch dieses in diskrete Elementartheile zerfällt. Die Bildungszellen über- liefern also den fertigen Muskelfasern nichts von ihrem Formbestande, sondern 464 VIII. Die Segmente des Rumpfes. gewähren nur das Substrat zu wirklichen Neubildungen. Die Ein- oder Mehr- zelligkeit der Anlagen hat folglich für die Muskelfasern gar keine morpholo- gische Bedeutung und lässt sich wahrscheinlich ähnlich wie die zweifache Knorpelbildung auf die verschiedenen Entwickelungsperioden und Körper- regionen beziehen, in denen die Bildung vor sich geht. Ich kehre zu dem segmentirten Bauchmuskel zurück, welcher der späteren Verhältnisse wegen der mittlere heissen kann. Seine queren Streifen reichen, solange sie noch aus Zellensträngen bestehen, oben bis an die Stam- muskeln, unten noch nicht bis an die mittlere Bauchlinie, sodass dort die beiderseitigen Ränder eine längliche Lücke einfassen, welche sich nach vorn erweitert, rückwärts aber spitz ausläuft, da die beiden Muskeln frühzeitig unter dem Mastdarme zusammenstossen, um dann denselben umgreifend hinter und über ihm aufzuhören (Taf. X Fig. 356). Indem aber die Vorwölbung des Bauches namentlich an den Seiten beständig zunimmt, wird auch der mittlere Bauchmuskel stärker ausgedehnt; sein oberer Rand entfernt sich dabei in einer aufwärts konkaven Linie von den Stammuskeln, sodass sein hinteres Ende, welches eimer Dehnung nicht ausgesetzt ist, gegen dieselben unter spitzem Winkel ausläuft, der mittlere Theil am weitesten von ihnen absteht, und der vordere sich ihnen wieder nähert (Taf. XV III Fig. 325. 326). Zugleich sind, je höher hinauf, die Muskelfasern desto mehr auseinandergezogen und die segmentalen Abtheilungen durch Verschmelzung der Muskeln theilweise un- kenntlich geworden; an der Bauchfläche und an beiden Enden liegen die Muskelfasern dichter und sind die queren Sehnenstreifen deutlicher. Ganz besondere Erwähnung verdient aber der vordere Abschnitt des mittleren Bauch- muskels. Da im Kopfe eine Ausbreitung der inneren Segmentschicht nach unten nicht stattfindet, so kann dort von einer ursprünglichen Fortsetzung jenes Bauchmuskels nicht die Rede sein; die Seitentheile der hinteren Kopf- hälfte enthalten im ganzen Zungenbeingürtel und in den Kiemenbögen neben den Seitenplatten nur Erzeugnisse der oberen Segmentschicht, und in der Wand des unter dem Kiemenapparate gelegenen Perikardialsackes befindet sich anfangs nur das Parietalblatt (Taf. VII, XIII, XIV). Ferner ist aber die Kiemengegend nicht nur in Folge ihrer lateralen Vorwölbung durch eine Einschnürung vom Rumpfe abgesetzt, sondern auch in ihrem Innern die Kontinuität des mittleren Keimblattes durch die nach aussen hervorwachsenden Darmblattfalten unterbrochen, sodass der vordere Rand der Anlage des mittleren Bauchmuskels, soweit er in der Höhe jener Einschnürung oder der 1. Die Muskeln. 465 nach vorn konkaven hinteren Kopfgrenze liegt, in seiner weiteren Ausbreitung aufgehalten wird (Taf. XIV Fig. 254, Taf. XVII Fig. 3077”—309). Anders liegen die Verhältnisse für den unteren Theil jenes Muskelrandes. Unter dem Kiemenapparat schliesst sich der von der Oberhaut unmittelbar bedeckte Peri- kardialsack mit allmählichem Uebergange an den dahinter liegenden, die Leber enthaltenden Bauchtheil an, wobei auch das perikardiale Parietalblatt konti- nuirlich in die gleichnamige Unterlage des mittleren Bauchmuskels übergeht. Auf diesem ununterbrochenen Plan und begünstigt durch den lockeren Zu- sammenhang desselben mit der Oberhaut wächst nun unsere Muskelschicht dicht unter den Kiemenbögen den Perikardialsack umfassend nach vorn aus (Taf. XVII Fig. 310). Zur selben Zeit ist das 2. äussere Segmentpaar des Kopfes am Bauchtheile des Zungenbeinbogens noch nicht zur Vereinigung ge- kommen, sodass dort das betreffende Stück der Seitenplatte (Anlage der Zungenbeinhörner) in unmittelbarer Fortsetzung des perikardialen Parietal- blattes ebenfalls nur ganz locker mit der Oberhaut zusammenhängt. Auf diese Weise wird dem auswachsenden Bauchmuskelstrange nahe der ventralen Mittellinie eine freie Bahn bis zum Unterkieferbogen eröffnet (Taf. XV, XVII). In Folge der starken Aufblähung des Bauches konvergiren beide Stränge schon am Perikardialsacke, werden aber von dessen unterer Vorwölbung auseinander- gehalten; sobald er sich später aus dem Bereiche der Kiemengegend nach hinten zurückzieht, schliessen sie sich unter der letzteren ebenso zusammen, wie sie zwischen Zungenbein - und Unterkiefer nebeneinander verlaufen Taf. XVILI Fig. 325. 326. 328, Taf. XX Fig. 348). ‚Endlich muss noch be- merkt werden, dass diesem unteren strangförmigen Vorderende des mittleren Bauchmuskels später auch dessen obere Randtheile sich anschliessen, indem durch das Zusammenfallen der ursprünglich weit offenen Schlundhöhle die bogenförmige hintere Grenze des ventralen Kopftheils, wo jener Rand aufhörte, zu einer ganz flachen, beinahe horizontalen wird, worauf die betreffenden Muskelenden konvergirend sich zusammenschieben und dem unteren Strange anschmiegen. Auf diese Weise wird die bereits erwähnte Einbeziehung des Perikardialsackes in den eigentlichen Bauchtheil ausgeführt und erscheint der in der Längsrichtung verlaufende mittlere Bauchmuskel auch dort, wo er ursprünglich nicht angelegt war, an der Bauchseite der Kopfregion. Da dieser sein Kopftheil nur aus einer excessiven Verlängerung der in der vorderen Bauchwand schon vorher bestandenen Anlage hervorgeht, so kann man auch nicht annehmen, dass durch ihn die segmentalen Abtheilungen des mittleren GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 30 466 VII. Die Segmente des Rumpfes. Bauchmuskels vermehrt seien. Wie viele derselben aber an der Verlängerung theilnehmen, ist desshalb nicht leicht zu entscheiden, weil der ganze Muskel sich von den Stammuskeln entfernt und seine vorderen Segmentgrenzen schwinden, ehe man eine solche Untersuchung an dem enthäuteten, sonst aber intakten Larvenkörper vornehmen kann. Sobald derselbe die dazu nöthige Grösse erreicht hat, findet man nämlich nur noch sechs Sehnenstreifen, welche der Ausdehnung der Bauchwand entsprechend in grösseren Abständen als die Scheidewände der dorsalen Muskelplatten, jedoch gleich weit von einander entfernt ohngefähr die hinteren zwei Drittheile des Bauchmuskels vom unteren Rande bis zur halben Breite durchziehen, während das. vordere Drittheil bis zum Zungenbeinknorpel ununterbrochen verläuft, dort aber von der vorderen schmalen Verlängerung nur durch eine nachträgliche Verbindung mit diesem Skelettheile geschieden wird, welche also mit einer segmentalen Grenze nichts zu thun hat (Taf. XVIII—XX). Immerhin lässt sich die ursprüngliche Anzahl der segmentalen Abtheilungen des Bauchmuskels bestimmen, sobald man die Nerven des Rumpfes topographisch darstellen kann, was schon an Larven aus dem Anfange der zweiten Periode gelingt. Die Nerven, welche dem mittleren Bauchmuskel unmittelbar aufliegend, vom Rücken her ziemlich gerade abwärts ziehen, sind die Fortsetzungen der an der Innenfläche der dorsalen Muskel- platten gebildeten Nervenstämme, sodass jedem derselben eine Abtheilung des Bauchmuskels entsprechen muss. Allerdings verlaufen jene Nerven meist etwas unregelmässig und werden wohl ebenso wie der Muskel selbst durch die starke Ausdehnung des Bauches verschoben* (Fig. 325. 326). Doch sah ich den Nerv, welcher zu der 5. dorsalen Muskelplatte gehört, beständig in die Abtheilung eintreten, welche von dem 2. und 3. Sehnenstreifen begrenzt wird; und wenn die Richtung der hinteren Nerven einigermassen regelmässig erscheint, so folgen sie der von jenem ersteren angedeuteten Ordnung. Hat man dies einmal festgestellt, so ergibt sich die weitere Bestimmung von selbst: der erste Sehnenstreif entspricht alsdann der 3. Scheidewand der dorsalen Muskelplatten, mithin sind vor ihm zwei Sehnenstreifen verloren gegangen und drei Abtheilungen verschmolzen, womit die zugehörigen zwei ersten Rumpt- nerven insofern stimmen, als an der ersten dorsalen Muskelplatte überhaupt * An Tritonenlarven, deren Bauch niemals so aufgetrieben wird wie bei den Larven ler ungeschwänzten Batrachier, verlaufen die Bauchnerven regelmässig längs der ihnen entsprechenden queren Abtheilungen des mittleren Bauchmuskels (Fig. 341). 1. Die Muskeln. 467 kein Nervenstamm sich entwickelt. — Während der Metamorphose bildet sich im zweiten Sehnenstreifen ein länglicher Knorpel, welcher mit dem anderseiti- gen nach vorn konvergirend in der Medianebene zusammenstösst und zu einem winkelig gebogenen, bauchrippenähnlichen Stücke verschmilzt (Fig. 343. 348. 349). Durch dieses wird nun die ganze Ausbreitung des mittleren Bauch- muskels ganz natürlich in eine vordere und eine hintere Hälfte geschieden, von denen die erstere vier, die andere scheinbar fünf, wahrscheinlich aber sieben segmentalen Abtheilungen entspricht. Die letzte Abtheilung darf man nämlich mit Rücksicht auf die Zahl der über sie hinziehenden Spinalnerven (der 8. 9. 10.) als aus drei segmentalen Abschnitten zusammengesetzt auffassen, deren Scheide- grenzen entweder sich gar nicht ausbilden oder sehr frühzeitig schwinden (Fig. 326). Die weitere allgemeine Veränderung des ganzen Muskels besteht darin, dass er sich gegen das Ende der Larvenzeit bedeutend nach unten zusammen- zieht und dabei verdickt, sodass er von den Seiten des Körpers ganz ver- schwindet und nur der Bauchfläche angehört (Fig. 343). In der hinteren Hälfte bleiben die vier Sehnenstreifen und fünf Abtheilungen zunächst bestehen; in- dem aber auf der letzten Abtheilung jederseits eine Hälfte des Beckengürtels sich entwickelt und hinabwachsend in der Bucht zwischen dem Mastdarm und dem eigentlichen Bauchsacke mit der anderseitigen zusammenstösst, verbindet sich der vordere Beckenrand mit dem hintersten Sehnenstreifen, sodass für die Bauchwand im engeren Sinne, zwischen den beiden Extremitätengürteln jeder- seits nur vier Abtheilungen übrig bleiben, welche je die Hälfte des M. rectus abdominis darstellen (Fig. 325. 326. 339. 345). Der vordere Theil der letzten Abtheilung, welcher vom Beckengürtel unmittelbar umschlossen wird, atrophirt in der Folge; die dahinter befindlichen Fasern, welche den Mastdarm um- greifen, verwandeln sich dadurch, dass sein nacktes, durch die Schwanzflosse verlaufendes Ende während der Atrophie der letzteren sich aufwärts zurück- zieht, zu einer Art von Sphincter ani, welcher aber wegen seiner Befestigung viel passender M. ischio-coceygeus (Dusks Nr. 13 S. 126) genannt wird. — Die vordere Hälfte des mittleren Bauchmuskels sondert sich in Folge der be- reits erwähnten Befestigung am Zungenbeine in zwei Abschnitte: der vordere, welcher am Zungenbeinkörper lateralwärts von dem hinteren befestigt ist, wird zum M. genio-hyoideus, der hintere Abschnitt, welcher als Fortsetzung des M. rectus abdominis von dem bauchrippenähnlichen Skeletstücke verhältnissmässig breit entspringt und darauf gegen seine Insertionsstelle sich stark zusammen- zieht, ist der mit einer Inscriptio tendinea versehene M. sterno-hyoideus (Fig. 30* 468 VIII. Die Segmente des Rumpfes. Fi 328. 348. 356). Da sein Vorderrand ursprünglich hinter dem Kiemenapparate schräg unter denselben hinabstieg, also die oberen Theile kürzer sind als die unteren, so wird auch bei der Zusammenschiebung der Muskel selbst wohl schmäler, aber sein Ende nicht gleichmässig, sondern schräg zugespitzt, sodass seine frühere breite Insertion an der ventralen und hinteren Seite des Kiemen- apparates oder dem Zungenbeine nicht aufgehoben, sondern nur horizontal gestellt wird und an der Seite des Muskelendes verläuft. Abzweigungen dieses M. sterno - hyoideus habe ich nicht finden können; und da die Ansicht Hexue's (die Muskellehre des Menschen 1858 S. 116), dass der vordere Bauch des M. omo-hyoideus des Menschen ein dem M. sterno- hyoideus homologer Muskel sei, durch anatomische Thatsachen begründet erscheint, so bemerke ich dagegen, dass der M. omo-hyoideus unseres Thieres keine gemeinsame Anlage mit dem M. sterno-hyoideus besitzt, sondern noch bevor der letztere sich in der bezeich- neten Weise zusammengezogen, auf demselben und dessen Insertionsrande parallel dicht hinter dem M. hypoglossus als Neubildung entsteht, was man an seinen noch unentwickelten Fasern erkennt (Fig. 342. 348). Diese Ent- wickelung beweist, dass der M. omo-hyoideus gar nicht aus der inneren Seg- mentschicht, sondern aus der dieselbe deckenden äusseren Segmentschicht hervorgeht; und obwohl ich wegen seiner anfänglichen Zartheit nicht nach- weisen konnte, dass er vom Schultergürtel hervorwächst, so ist dies doch leicht möglich, da ich erkannt habe, dass die übrigen von den Extremitäten ausstrah- lenden Muskeln ihre Anheftungspunkte am Kopfe und Rumpfe erst allmählich erreichen. Viel später als die Differenzirung der inneren Segmentschicht beginnt die Muskelentwickelung in der äusseren Segmentschicht. Bevor sie aber bemerk- bar wird, hat in der letztgenannten Schicht ein anderer Vorgang Platz gegriffen — die Entwickelung der Rumpfglieder. Ihre ersten Anlagen sind ganz be- schränkte hügelartige Wucherungen der noch indifferenten äusseren Segment- schicht, welche unmittelbar unter der Oberhaut liegen. Sie entstehen ohngefähr gleichzeitig gegen das Ende der ersten Larvenperiode jederseits an beiden Enden des Rumpfes, und zwar vorn ziemlich hoch am Eingange in die hinter den Kiemen befindliche Tasche und zur Seite der an der Innenfläche der Bauch- wand gelegenen Urniere, hinten auf dem letzten Abschnitte des mittlern Bauch- muskels, wo nach innen die Trennung des Parietal- und des Visceralblattes oder die Anlage der Bauchhöhle aufhört (Taf. XVI Fig. 299, Taf. XVII Fig. 319). An diesen Stellen geht die ganze äussere Segmentschicht in jene Anlagen 1. Die Muskeln. 469 auf; und da dieselben den Rumpf in querer Richtung umwachsen, ehe eine all- gemeine Umbildung der übrigen Theile der Segmentschicht eingetreten ist, so werden diese in drei Abschnitte geschieden, in den kleineren vorderen, welcher zwischen dem Kopf- und dem Schultergürtel in der mehrfach genannten Tasche liegt, in den grösseren mittleren Abschnitt, welcher zwischen beiden Glieder- gürteln die Hauptmasse des Bauches umgreift, und endlich in den an den Beckengürtel sich anschliessenden Schwanztheil, welcher aber bloss die binde- gewebige Bedeckung der Stammuskelplatten liefert und daher hier nicht weiter zur Sprache kommt. Auch auf die Entwickelung der Gliedmassen werde ich nur soweit eingehen, als mir nöthig erscheint, um die genetisch ihnen zu- gehörigen Theile von den übrigen Körpertheilen abzugrenzen, d.h. es sollen nur ihre Beziehungen zum Rumpfe erörtert, die'vollständige Ausarbeitung ihrer Anlagen aber, insbesondere der aus dem Rumpfe frei hervorwachsenden Theile ganz übergangen werden. Mich leitet bei dieser Beschränkung meiner Aufgabe die Ueberzeugung, dass, wenn auch die Entwickelung der Glieder einen für das spätere Leben sehr wichtigen Theil der Gesammtentwickelung zum Ausdruck bringt, dennoch der allgemeinere typische Werth desselben bisher viel zu hoch angeschlagen wird. Mit Rücksicht darauf, dass die Gliedmassen bis in die Reihe der Amnioten hinauf vollständig fehlen können, ferner oft in engeren, mehr oder weniger verwandten Kreisen eine ansehnlich wechselnde Ausbildung zeigen, müsste sie schon der Anatom aus der Reihe allgemein typischer Theile streichen. Die Entwickelungsgeschichte bestätigt aber diese Auffassung; die späte Entstehung der Rumpfglieder als letzte morphologische Anlagen hindert sie, in den durch die Embryonalentwickelung begründeten Typus einzugreifen oder ihn nachträglich abzuändern, und lässt sie als Anpassungen der äusseren Segmentschicht an die schon bestehende Organisation des Rumpfes erscheinen. Indem die Bildung der Gliedmassen auf diese Weise wesentlich auf das man- nigfach wechselnde Moment der Gesammtökonomie des übrigen Bewegungs- apparats zurückgeführt werden muss, ergibt sich auch ihr beschränkter typi- scher Werth; in einer Geschichte des allgemeinen Aufbaues der Wirbelthiere spielensie nureine Rolle als quere Gürtelabschnitte der äusseren Segmentschicht, die Ausbildung der freien Aussenglieder gehört aber dort nicht mehr hinein. Die Anlagen der vorderen und der hinteren Gliedmassen entwickeln sich im allgemeinen gleichartig. Es sind kompakte Wucherungen der äusseren Seg- mentschicht, hervorgerufen durch massenhafte Einwanderung von Dotter- bildungszellen, für deren beschränkte Ablagerung jedoch eine Ursache sich 470 VIII. Die Segmente des Rumpfes. nicht erkennen lässt; nachdem sie zu kleinen Hügelchen angewachsen, ent- wickeln sich von der Aorta her ansehnliche zuführende Blutkanäle, welchen die weitere Vermehrung des Bildungsstoffes offenbar zuzuschreiben ist. Darauf breiten sich die dem mittleren Bauchmuskel aufliegenden Zellenmassen nach oben und unten aus, um den Gürtel herzustellen, während die frei hervor- tretenden Aussenglieder ohngefähr aus der Mitte jeder Gürtelhälfte (Schulter- gürtel) oder etwas tiefer (Beckengürtel) hervorsprossen. — Die durch das Schultergelenk geschiedenen dorsalen und ventralen Abschnitte des Schulter- gürtels sind insofern gleichartig gebildet, als sie von der Verbindungsstelle aus sich auf- und abwärts verbreitern, dort bis über die Stammuskeln, hier bis zur mittleren Bauchlinie hinab. Der dorsale Theil enthält zwischen einer äusseren und einer inneren Muskellage das knorpelige Schulterblatt; die von diesem oder dem Oberarm entspringenden, zur Verbindung mit dem Rumpfe bestimmten Muskeln sind anfangs sehr zart, aber von vornherein so angelegt, dass ihre Richtungen entsprechend der Gestalt des ganzen vom Schultergelenke aufwärts sich verbreiternden Gürteltheils nach oben, vorn und hinten ausstrahlen (Fig. 325.342). An der Aussenfläche des Schulterblattes liegt nur ein zum Rumpfe hinziehender Muskel, der M. latissimus dorsi, welcher bei unserem Thiere aus der bandartig dünnen und schmalen Anlage sich zu ganz besonderer Mäch- tigkeit entwickelt und rückwärts bis gegen die Schwanzwurzel über den Rücken ausstrahlend in dieser Ausbreitung alle übrigen Wurzeln bedeckt, also auch den M. obliquus abdominis externus, welcher aus dem breiten Mitteltheile der äusseren Segmentschicht entstand. Ich hebe dies hervor, weil der letztgenannte Muskel beim Frosche mit seinem vorderen Rande den hintern Rand des M. latissimus dorsi deckt, wie es bereits Ecker richtig angab (Nr. 90 8. 81). Die übrigen Muskeln, welche den dorsalen Theil des Schultergürtels mit dem übri- gen Körper verbinde, entspringen meist an der Innenfläche, einzelne von den Rändern des Schulterblattes, um nach dem Kopfe und nach der Wirbelsäule auszuwachsen und sich dort zu befestigen (vgl. ECKEr Nr. 90 S. 84. 55. 3S9— 91). Nur der M. sterno-cleido-mastoideus macht davon eine Ausnahme, indem er gar nicht aus der Anlage des Schultergürtels hervorgeht, sondern im Anschlusse an die äusseren Segmentstreifen des Kopfes aus dem vordersten Rumpf- abschnitte der äussersten Segmentschicht selbstständig sich entwickelt (vgl. S. 215). Daher sieht man ihn vom Hinterkopfe rückwärts und abwärts gegen die Stelle verlaufen, wo die Urniere durch die dünne Bauchwand durch- schimmert, und dort ohne eigentliche Befestigung endigen, solange die dicht au 1. Die Muskeln. 471 diesem seinen Ende hervorsprossenden vorderen Extremitäten noch die Gestalt von ganz indifferenten Wärzchen zeigen (Taf. XVI Fig. 299—301). Die Ver- bindung des M. sterno-cleido-mastoideus mit dem Schulterblatte ist also keine ursprüngliche, sondern tritt erst später ein. — Vom Schulterblatte selbst will ich noch die eigenthümliche Entwickelung des Periostal- oder Deckknochens auf der oberen knorpeligen Hälfte (Suprascapulare) erwähnen (Taf. XX Fig. 349). Diese Knochenanlage ist durch eine quere Streifung der Oberfläche an- gedeutet und besteht aus genau zusammengefügten spindelförmigen Bildungs- zellen, welche miteinander verschmelzen, worauf die Grundsubstanz so ver- knöchert, dass um die Kerne eine zellenartige Zone übrig bleibt. Die Analogie dieser Knochenbildung mit der von mir geschilderten Knorpelentwickelung er- gibt sich von selbst. Im ventralen Abschnitte des Schultergürtels liegt das Skeletstück zu innerst, unmittelbar auf dem M. sterno- hyoideus; aussen bedecken es die vom Oberarm her gegen die mittlere Bauchlinie ausstrahlenden Brustmuskeln (Taf. XX Fig. 348 — 351). Jenes Skeletstück besteht anfangs aus einem querver- laufenden Knorpelrahmen mit schmaler vorderer und hinterer Leiste und einer breiten, ihre medialen Enden verbindenden Platte, welche ich mit Bezug auf die von ihr eingenommene Brustbeingegend die Sternalplatte des Schultergürtels nennen will. Die hintere Leiste verknöchert vollständig und wird so zum Coracoideum; an der vorderen Leiste bildet sich nur ein Deckknochen,, welcher sie von vorn her halbrinnenförmig umgibt, mit seinem medialen Ende jedoch auf die Bauchfläche der Sternalplatte übergreift und dort platt ausläuft. Ich halte diesen Deckknochen nebst dem darunter befindlichen Knorpel für gleich- werthig einem Schlüsselbeine, sodass die Sternalplatte den gemeinsamen Brust- beinantheil des Schlüsselbeins und des Korakoids darstellte. Diese Sternalplatte ist flach und breit, ihr medialer Rand konvex gebogen; indem die beiderseitigen Plattennach unten vorrücken, sich also einandernähern, entwickelt sich ein breites festes Band, welches vom bauchrippenähnlichen Knorpel entspringt und sich überwiegend am Rande der rechten Sternalplatte, theilweise auch an der linken befestigt. Nachdem die Sternalplatten die Mittellinie des Bauches erreicht, über- schreiten sie dieselbe, wobei die rechtsseitige Platte sich von unten herüber die linksseitige schiebt* und das Band sich zwischen beide Theile legt. Uebrigens verbinden sich die beiden vorderen Ecken der Sternalplatten fest miteinander, * Dies scheint mir die Regel zu sein, obwohl auch das umgekehrte Verhältniss vor- kommt. 472 VIII. Die Segmente des Rumpfes, sodass die Verschiebungen der letzteren als Drehungen um jenen festen Punkt erscheinen. Das Band besteht anfangs aus einem indifferenten Bildungsgewebe, in welchem die ursprünglichen Zellen in bekannter Weise untergingen, sodass freie Kerne in einer leichtgestreiften Grundsubstanz eingebettet liegen (Fig. 350). Zum grössten Theile geht es in Bindegewebe über; zwischen der Bauchrippe und den Sternalplatten entsteht jederseits frühzeitig eine Verdichtung in jenem Bil- dungsgewebe, woraus endlich ein länglich-rundes Knorpelplättchen hervorgeht (Fig. 349). Beide Knorpelstückchen stossen in der Medianebene zusammen und verschmelzen zuletzt noch mit der Spitze des Bauchrippenbogens; so ent- steht jenes merkwürdige Skeletstück der Unken, dessen nach hinten diver- sirende Schenkel in die mittlere Bauchmuskellage eingesenkt sind, und dessen mediane ‚Scheibe frei aus jener Muskelschicht vorragend von hinten her sich etwas über oder auch zwischen die Sternalplatten schiebt (Fig. 351). Diese Scheibe und theilweise auch das Band, durch welches sie an die rechte Sternal- platte geheftetist, dienen einem Theil der beiden grossen Brustmuskeln zur In- sertion, während von ihnen bedeckt jederseits ein schlanker Muskel von der hinteren Ecke der Sternalplatte schräg nach aussen und rückwärts zum Schenkel des Bauchrippenbogens zieht (Fig. 348). So sind die Sternalplatten unseres Thiers theils durch Muskel, theils durch ein Band mit der Bauchrippe des geraden Bauchmuskels verbunden; mit dem in jenem Bande enthaltenen Knorpelstücke hängen sie aber nicht unmittelbar zusammen. Um aber die Bedeutung desselben zu erkennen, habe ich Larven des grünen Frosches unter- sucht, und gefunden, dass der untere Knorpelrahmen ihres Schultergürtels ge- rade so wie bei der Unke beschaffen ist. In der Folge schieben sich aber ihre Sternalplatten nicht übereinander, sondern ihre medialen Ränder stossen in der Medianebene zusammen; von ihren vorderen und hinteren Rändern entspringt je eine aponeurotische Ausbreitung, welche vorn zur Linea alba der Mm. sub- hyoideus und submaxillaris hinzieht und einem Theile des M. sternö- radialis zur Insertion dient, hinten aber mit der Linea alba und demjenigen Sehnen- streifen des geraden Bauchmuskels sich verbindet, welcher der Bauchrippe der Unke entspricht. Am Ursprunge beider Aponeurosen entstehen nun Knorpel- scheiben, welche sich den Sternalplatten anfügen und zu den als Epi- und Hypo- sternum unterschiedenen Skeletstücken werden. Es erhellt daraus, dass das mit den Sternalplatten stets nur mittelbar verbundene hintere Knorpelstück der Unke, freilich nur in seinem breiten Mittelstücke, d. h. mit Ausnahme der ange- fügten Bauchrippe, mit dem Hyposternum der Frösche übereinstimmt, dass 1. Die Muskeln, 473 aber sowohl dieses wie das Episternum blosse Anhangsstücke der Sternal- platten des Schultergürtels sind, welche genetisch von diesen Platten durchaus getrennt werden müssen. Von dem Beckengürtel habe ich schon angeführt, dass seine Hälften in der Bucht zwischen dem absteigenden Mastdarm und dem eigentlichen Bauche zusammenstossen (Fig. 325). Ihre dorsalen Abschnitte wachsen längs der Grenze zwischen den Stammuskeln und dem Bauche bogenförmig nach vorn aus, und zwar liegt in diesem anfangs sehr schmalen Substanzstreifen die Anlage des Darmbeins oben und medianwärts und reicht nur bis etwas über die Hälfte des Streifens, während die an der Seite des Darmbeins und unter ihm befindliche Muskelmasse (M. ileo-psoas und M. glutaeus) an seinem Vorderende durch den M. ileo - lumbaris ( quadratus lumborum) fortgesetzt wird. Die be- deutende laterale Ausbreitung des Rippenfortsatzes vom 9. Wirbel bringt es mit sich, dass das Ende des Darmbeins nicht zur Seite des ersteren, sondern etwas unter seinem Rande liegt, während der M. ileo-lumbaris wieder seitlich von den Enden der Rippenfortsätze bis zum 4. Wirbel hinzieht und später sich an denselben befestigt (Fig. 343). An diesem oberflächlich und isolirt gelege- nen Muskel kann man sich am leichtesten überzeugen, wie die von den Extre- mitätengürteln ausstrahlenden Muskeln nicht an der Stelle entstehen, wo sie sich später zeigen, sondern durch Hervorwachsen aus dem betreffenden Glieder- gürtel dorthin gelangen. Zugleich lässt sich an dieser Muskelanlage gut be- obachten, wie die sie zusammensetzenden Spindelzellen sich in Muskelfasern verwandeln, ohne die Masse des ganzen Muskels merklich zu vermehren, was natürlich nur bei einer Verschmelzung der bestehenden Zellenreihen zu den Fasern angeht, bei einem Auswachsen der einzelnen Zellen zu ebenso vielen langen Fasern unmöglich wäre (Taf. XI Fig. 207). Sehr bemerkenswerth ist an jenem Hervorwachsen und der späteren Lage des dorsalen Abschnittes vom Beckengürtel der Umstand, dass dieser aus der äusseren Segmentschicht her- vorgegangene Theil unter Erzeugnisse der inneren Segmentschicht, nämlich die lateralen Ränder einiger Mm. intertransversarii zu liegen kommt; in der That ist aber die Abweichung von der ursprünglichen Anlage nicht so gross als es scheint, da die innere Segmentschicht vom Beckengürtel nicht wirklich durch- brochen wird, sondern durch die Trennung und Entfernung des mittleren Bauchmuskels von den Stammuskeln an der Grenze des Rückens ihre Muskel- schicht verliert, an deren Stelle der vorgerückte Beckengürtel tritt und dabei etwas unter die Stammuskeln geräth, während die betreffenden Spinalnerven- 474 VIII. Die Segmente des Rumpfes. stämme die Kontinuität und ursprüngliche Lage der inneren Segmentschicht aufrechterhalten, da sie stets unter jenen Theilen des Beckengürtels liegen bleiben (Taf. XIX Fig. 339). — Ausser demM. ileo-lumbaris gibtes nur noch einen Muskel, welcher vom Beckengürtel entspringend sich an der Wirbelsäule befestigt, der M. pyriformis (Ecker Nr. 90 8.111). Die ausserhalb der Gliedergürtel gelegenen, flach ausgebreiteten Rumpf- abschnitte der äusseren Segmentschicht liefern die schon erwähnten Muskeln. In der dorsalen Hälfte des kleinen, durch den Rumpf und den Schultergürtel begrenzten Abschnittes entsteht der M. sterno-cleido-mastoideus, welcher aber richtiger M. scapulo- mastoideus genannt werden sollte (Taf. XVI Fig. 300. 301, Taf. X VIII Fig. 525, Taf. XIX Fig. 339. 342). In der ventralen Hälfte desselben Abschnittes liegt zunächst der M. omo-hyoideus, von welchem ich es unentschieden lassen muss, ob er als eine Ausstrahlung des Schultergürtels oder als selbstständige Differenzirung der äusseren Segmentschicht entsteht; dagegen muss die Aponeurose, welche die Sternalplatten und Schlüsselbeine mit dem hinteren Rande des M. submaxillaris verbindet, dessen Grundlage im Kopfe gleichfalls die äussere Segmentschicht ist, wegen dieser Lage und Ver- bindung auf jenen Bauchtheil derselben Schicht zurückgeführt werden. Den gleichen Ursprung scheint mir die andere Aponeurose zu haben, welche den Schultergürtel an die Bauchrippe befestigt, sodass daraus die Homologie des Epi- und Hyposternum erhellt. Die übrige zwischen den beiden Gliedergürteln ausgespannte flache Ausbreitung der äusseren Segmentschicht bildet den äusseren Bauchmuskel, M. obliquus abdominis externus, dessen Fasern im all- gemeinen von oben abwärts, jedoch hinter der Schulter etwas schräg nach hinten, vor dem Becken dagegen meist ebenso nach vorn verlaufen (Fig. 339. 342). Am Rücken bedeckt er alle Stammuskeln und daher selbstverständlich auch den vorgeschobenen Theil des Beckengürtels, am Bauche den geraden Bauchmuskel, wird aber selbst sowohl vom M. latissimus dorsi wie vom lateralen Rande der Portio abdominalis des grossen Brustmuskels bedeckt, welche sich ziemlich weit nach hinten erstreckt. Diese Uebereinanderlagerung hat natür- lich nicht die Bedeutung wie die Lage des Darmbeins und seiner vorderen Muskeln unter den Rippenfortsätzen; sie bezieht sich auf nebeneinander ange- legte Theile derselben Embryonalanlage, welche sich später in verschiedener Weise (Frosch, Unke) übereinander verschieben können, ohne die Lagebeziehun- gen der ganzen Schicht zu beeinträchtigen. An der Bauchseite geht der M. obliquus externus in eine aponeurotische Ausbreitung über, welche den mitt- 1. Die Muskeln. 475 leren (geraden) Bauchmuskel bis zum Beckengürtel überzieht. — Bei den Uro- delen entspringt der äussere Bauchmuskel mit einzelnen Zacken von den Rippenenden und erhält auch mehr oder weniger deutlich die ursprüngliche Segmentirung, welche bei den Anuren vollständig verwischt wird (Taf. XIX Fig. 341). Ausser den beschriebenen Bauchmuskeln, dem mittleren und äusseren, be- sitzen die Batrachier wie es scheint durchgängig einen dritten, queren. Derselbe steht später als die anderen unmittelbar am parietalen Bauchfelle, welches er in der ganzen Ausdehnung vom Becken bis zum Perikardialsacke und anderer- seits bis unter die seitlichen Stammuskeln und bis unter den geraden Bauch- muskel überzieht, ohne dass jedoch die beiden Seitenhälften in der Median- ebene irgendwo zusammenstiessen (Taf. XIX Fig. 339. 343). Er liegt also nach innen von den Erzeugnissen der inneren Segmentschicht, kann aber von der letzteren nicht abgeleitet werden; denn diese Schicht sah ich vollständig in den mittleren Bauchmuskel aufgehen, als derselbe noch bis zu den Stam- muskeln hinaufreichte, und zwischen ihm und dem Parietalblatte findet sich anfangs nichts weiter als einige verzweigte Pigmentzellen. Während nun diese Pigmentschicht immer dichter wird, lagern sich auf ihren beiden Seiten Dotter- bildungszellen ab, welche nach innen am Parietalblatte, nachdem es zum grössten Theile in das Bauchfellepithel übergegangen, mit einem kleinen Reste desselben das subepitheliale Gewebe des Bauchfells bilden, nach aussen vom Pigment aber neben den übrigen allgemeinen Geweben (Bindegewebe, Gefässe, Nerven) eben den inneren Bauchmuskel erzeugen. Dieser besitzt also über- haupt keine morphologische Grundlage, sondern ist als eine lokale histiologische Differenzirung des interstitiellen Bildungsgewebes anzusehen, welche nach den Lagebeziehungen zu schliessen aus einer Anpassung an das Bauchfell hervor- ging und daher ihre Produkte diesem letzteren beizuzählen gestattet. Dieser Auffassung entsprechen auch alle Verbindungen des inneren Bauchmuskels. Seinen von der Lageordnung der Embryonalschichten ganz abweichenden Ur- sprung nimmt er an der Aussenseite des Darmbeins, indem er aus der Lage unter den Spinalnerven (innere Segmentschicht) hervor sich über den M. ileo- psoas (äussere Segmentschicht) schlägt, sodass er vom 6. und 7. jener Nerven durchbohrt wird. Von diesem Ursprunge aus breitet er sich fücherförmig über die ganze seitliche Bauchwand aus; hinten verlaufen seine Fasern gerade ab- wärts, je weiter nach vorn desto schräger vor- und abwärts bis unter den ge- raden Bauchmuskel und vom Vorderende des Darmbeins aus ziehen sie sogar 476 VIII. Die Segmente des Rumpfes. theilweise in horizontaler Richtung nach_ vorn. Dieser oberste und vorderste, unter dem M. ileo-lumbaris gelegene Theil des inneren Bauchmuskels ist am dicksten und befestigt sich in der Halsgegend, wo die Rumpfhöhle aufhört und (las parietale Bauchfell nach innen auf den Vorderarm sich umschlägt, an der Speiseröhre; die nächsttieferen Theile desselben Muskels finden ihre Insertion an der oberen Seite des Perikardialsackes, während an die Hinterwand des letzteren, in das später zu beschreibende häutige Zwerchfell, keine Muskel- fasern vordringen. Aus diesen Verbindungen unseres Muskels erhellt zur Ge- nüge, dass er, ohne in den nach aussen wirkenden Bewegungsapparat des Rumpfes einzugreifen, wesentlich nur die Baucheingeweide zu komprimiren vermag. Die geschilderte Anordnung des inneren Bauchmuskels habe ich noch im nahezu erwachsenen Thieren unverändert angetroffen, sodass es nicht un- wichtig wäre zu entscheiden, ob er wirklich, wie vielfach angenommen wird (vgl. Ecker Nr. 90 8. 82), die Vereinigung der schon bei den Urodelen deutlich setrennten beiden M. obliquus abdominis internus und M. transversus abdominis darstelle. Die Untersuchung von Tritonenlarven, allerdings nur wenn sie von den frühesten Bildungsstufen der Bauchmuskeln anfängt, gibt darauf eine be- friedigende Antwort (Taf. XIX Fig. 340.341). Anfangs sind deren Rumpf- muskeln gerade ebenso angeordnet wie bei den Unkenlarven: die Stammuskeln gehen über die kurzen Rippen niemals hinaus, aber im Anschlusse an dieselben entstehen nachträglich in dem ventralen Abschnitte der inneren Segmentschicht die spärlichen Fasern des gleichfalls segmentirten mittleren Bauchmuskels. In Bestätigung dessen, dass ich das Hinabrücken jenes Muskels bei den unge- schwänzten Batrachiern durch die Anschwellung des Bauches begründete, findet eine gleiche Lageveränderung des mittleren Bauchmuskels bei den stets sehr schmächtig bleibenden Tritonenlarven nicht statt: während er dicker wird, breitet er sich allmälig bis zur Mittellinie des Bauches aus, bleibt aber mit seinem dorsalen Rande den Stammuskeln innig angeschlossen, sodass, wer seine erste selbstständige Entwickelung nicht beobachtete, ihn leicht für eine einfache Ausbreitung der Stammuskeln halten kann. Der Schein eines solchen unterschiedslosen Zusammenhanges kann noch dadurch gesteigert werden, dass in älteren Larven, welche am häufigsten zur Untersuchung kommen, der Faser- verlauf beider Muskellagen bis an die Bauchseite gleichmässig in eine schräg vor- und abwärts geneigte Richtung übergeht, während der eigentliche Bauch- theil horizontal gefasert bleibt. Dies veranlasst aber gerade eine Scheidung 1. Die Muskeln. 47T des mittleren Bauchmuskels in einen schräg verlaufenden oberen oder Seiten- theil, den M. obliquus abdominis internus, und in den horizontal verlaufenden geraden Bauchmuskel (M. rectus abdominis). Durch diese Entwickelung wird aber festgestellt, dass der innere schiefe Bauchmuskel mit dem inneren queren Bauchmuskel, dem eine morphologische Grundlage überhaupt fehlt, nicht zu- sammengehört, sondern mit dem M. rectus abdominis und dessen Fortsetzungen ursprünglich eine kontinuirliche Schicht, eben den mittleren Bauchmuskel bildet, welcher je nach äusseren Formbedingungen, die ich in erster Linie auf die (re- stalt des Bauches zurückführte, entweder einheitlich bleibt und sich bloss zu einemM. rectus abdominis zusammenzieht (Anura), oder in diebeiden genannten Muskeln, den geraden und den inneren schiefen sichtrennt (Urodela). Daraus folgt, dass die Mm. recti der beiden Batrachiergruppen nicht vollständig homolog sind und der innere Bauchmuskel der Anuren thatsächlich nur einem M. trans- versus entspricht, dessen obere und vordere Fortsetzungen unvollkommene Zwerchfellmuskeln darstellen. Die Muskeln, welche aus den Rumpfsegmenten hervorgehen, lassen sich nach der vorangehenden Beschreibung in folgender Weise gruppiren, wobei den Hauptunterscheidungsgrund die beiden Segmentschichten abgeben. I. Die innere Segmentschicht zerfällt m den Rücken- und den Bauchtheil. 1. Der Rückentheil liefert in den miteinander zusammenhängenden Segment- kernen die Stammuskeln; diese sondern sich in zwei Lagen, von denen a. die obere Lage denM. longissimus dorsi, dieMm. intererurales und Mm. intertransversarii superiores (mit Einschluss der Mm. intercostales externi) mit den Fortsetzungen im M. coceygeo-sacralis und M. intertransversarius capitis superior, b. die untere Lage die Mm. intertransversarii inferiores (mit Einschluss der Mm. intercostales interni) mit den Fortsetzungen im M. coceygeo-iliacus und M. intertransversarius capitis inferior* umfasst. 2. Der Bauchtheil verwandelt sich in den mittleren Bauchmuskel, welcher bei den Anuren in die Mm. ischio-coceygeus, rectus ab- * Zur leichteren Uebersicht lasse ich an dieser Stelle die in der Beschreibung erörterte Thatsache, dass dieser Muskel Theile der oberen Stammuskellage enthält, unberücksichtigt. 478 VIII. Die Segmente des Rumpfes. dominis, sterno-hyoideus, genio-hyoideus zerfällt, wozu bei den Tritonen noch als Abspaltung des geraden Bauchmuskels der M. obliquus abdominis internus hinzukommt. II. Die äussere Segmentschicht zerfällt in 4 quere Abschnitte. 1. Im ersten entwickelt sich nur der M. scapulo-mastoideus (und der M. omo-hyoideus?); 2. im zweiten der Schultergürtel mit allen von ihm und zu ihm verlau- fenden Muskeln mit Ausnahme des voranstehenden; 3. dieser Abschnitt liefert den M. obliquus abdominis externus, und der letzte 4. den Beckengürtel mit allen von ihm und zu ihm verlaufenden Muskeln, ausgenommen die Bauchmuskeln, den M. coceygeo-iliacus und M. ischio- coccygeus. Der innere quere Bauchmuskel (M. transversus) nimmt ausserhalb der Segmentmuskeln eine besondere Stellung ein. 2. Die Nerven. Bei der Betrachtung der Rumpfmuskeln war es leicht, Morphologisches und Histiologisches auseinanderzuhalten; denn ihre histiologische Entwickelung vollzieht sich an den morphologisch schon bestimmt abgegrenzten Anlagen. Anders verhalten sich die Spinalnerven. Die Anlagen der Ganglien mit den sich ihnen anschliessenden Nervenstäimmen sondern sich unzweifelhaft in früher Zeit aus histiologisch indifferenten Embryonalanlagen ab, während ihre peripherischen Fortsetzungen ebenso unzweifelhaft nicht aus einer Ausdehnung, einem Wachsthum jener Anlagen hervorgehen, sondern dadurch entstehen, dass . Theile des ursprünglich von verschiedenen Embryonalanlagen gelieferten, dann durch Dotterbildungszellen wesentlich vermehrten interstitiellen Bildungs- gewebes sich jenen ersten Bildungen anschliessen. Daher werde ich diese beiden Theile des peripherischen Nervensystems des Rumpfes getrennt beschreiben. Da sie aber stets in kontinuirlichem Zusammenhange sich entwickeln, also eine bestimmte Grenze zwischen ihnen festzustellen nicht möglich ist, will ich die hier zuerst zu betrachtendeu Nervenstämme soweit verfolgen, als sie sich in ihrem Verlaufe den zugehörigen Segmenten anpassen, und nur die unbeständi- gen oder unregelmässigen Zweige den übrigen Erzeugnissen des interstitiellen Bildungsgewebes anreihen. 2. Die Nerven. 479 Untersucht man die Rumpfsegmente am Ende der Embryonalperiode, so erkennt man an ihren fassförmigen Frontaldurchschnitten unschwer, dass die inneren Segmentblätter nicht wie die einzelnen Abschnitte der äusseren Seg- mentschicht konkav-convex gebildet sind, sondern plan-konvexe, an den queren Segmentgrenzen in scharfe Ränder auslaufende Platten darstellen, deren Vor- wölbung dem Rückenmarke zugewandt ist (Taf. VII Fig. 121— 123). Zugleich gewahrt man auch eine Veränderung in der früher gleichmässigen Anordnung der Embryonalzellen, welche wohl mit jener Gestalt der ganzen inneren Seg- mentblätter zusammenhängt und in kurzer Zeit sehr deutlich wird. In den vorderen und hinteren dünneren Theilen wird nämlich das Gefüge der Zellen lockerer und geht allmälig in den Zustand des interstitiellen Bildungsgewebes über, während dieselben im Bereiche der Vorwölbung, also in der senkrechten (ueraxe der Segmentblätter sich gerade fester zusammendrängen, ohne dabei sich wesentlich zu verändern. Eine richtige Ansicht dieser aus jedem inneren Segmentblatte ausfallenden Anlagen gewinnt man aber erst auf sagittalen Durchschnitten, also gleichsam von der Fläche her (Taf. XII Fig. 214). An- fangs erscheinen sie als spindelförmige, etwas abgeplattete Haufen von rund- lichen Embryonalzellen, welche etwa in der Höhe der unteren Rückenmarks- hälfte den Muskelplatten so anliegen, dass ihre Längsaxe den Scheidegrenzen der letzteren parallel läuft. Allmählich strecken und verschieben sich die Zellen in derselben Richtung, sodass beide Spindelenden, namentlich aber das untere zu einem kurzen Strange ausgezogen wird. Dann kann man den spindelförmi- gen Körper als künftiges Spinalganglion von seiner kürzeren oberen Fort- setzung oder der hinteren Nervenwurzel und der längeren unteren oder der Anlage des Nervenstammes unterscheiden. Ich will zuerst die histio- logischen Veränderungen des Spinalganglions betrachten, welche in gleicher Weise bei allen übrigen Ganglien vorkommen (Taf. XI Fig. 198, Taf. XII Fig. 214— 215). Man kann sagen, dass sie anfangs mit der Entwickelung der grauen hückenmarkssubstanz übereinstimmen: während die Dottersubstanz ver- mittelst der Umbildungskugeln in reifes Protoplasma verwandelt wird, ver- schmelzen die Leiber der früheren Embryonalzellen zu einer Grundsubstanz, in welcher um die Mehrzahl der Kerne ein neuer Zellenleib sich absondert, ein Theil derselben aber frei eingelagert bleibt. Die neuen Zellenleiber sind oft etwas dunkler als die Grundsubstanz und ihre Masse erscheint in der Richtung des Nervenstammes an einer Seite des Kerns angehäuft und bisweilen annähernd kegelförmig ausgezogen, während die übrige Peripherie des Kerns von einer 480 VIII. Die Segmente des Rumpfes. dünneren Schicht umgeben ist (Fig. 195). Ausserdem habeich an den Spinalgang- lien deutlich gesehen, dass die neuen Zellenleiber früher protoplasmatisch um- gewandelt waren als die Grundsubstanz, welche neben den Umbildungskugeln noch Dotterplättchen enthielt; und da sie, je jünger das Ganglion ist, gegen die Grundsubstanz um so mehr zurücktreten, oft kaum andeutungsweise vorhanden sind, während dieses Verhältniss später sich gerade umkehrt, so möchte ich an- nehmen dass diese neuangelegten Zellen nicht gleich eine fixe Grenze besitzen, sondern aus der umgebenden Grundsubstanz fortwährend neues Protoplasma sich ihnen anfügt..Die Kerne dieser neuen Zellen bleiben kugelig und erscheinen sehr bald grösser als die länglichen freien Kerne der Grundsubstanz; meist sind sie mit einem oder mehreren Kernkörperchen versehen. Sind einmal die Umbil- dungskugeln aus der Grundsubstanz verschwunden, so entwickeln sich in der- selben Fasern, welche kontinuirlich in diejenigen der austretenden Nerven über- gehen; der Rest der Grundsubstanz verwandelt sich dann in eine bindegewebs- artige Zwischensubstanz, welche später von aussen her vermehrt wird. Jene darin eingebetteten Zellen oder die Ganglienzellen bleiben bis in die spätere Larvenzeit ohne alle Verbindung mit den Nervenfasern, wachsen aber beträcht- lich in ihren feinkörnigen Zellenleibern (Fig. 217). Sobald sie eine gewisse Grösse erreicht haben, bemerke ich häufig an gehärteten Präparaten, dass zwischen den scharfen Grenzlinien der Ganglienzellen und deren feinkörnigem Inhalte entweder stellenweise oder im ganzen Umfange ein schmaler klarer Saum entstanden ist, den ich an frischen Präparaten nicht wiederfinde. Ich schliesse daraus auf die Anwesenheit einer festeren äusseren Hülle, von welcher die zarte Innenmasse sich bei der Erhärtung trennt. Zu gleicher Zeit erhalten die Ganglienzellen ihre Fortsätze auf folgende Weise, Zwischen ihnen liegen sowohl breite, doppelt konturirte Nervenfasern, mit denen sie eine unmittelbare Verbindung nicht eingehen, als auch spindelförmige Kerne, an deren beiden Enden äusserst dünne Fäden auslaufen, Bildungen, wie ich sie gleich auch an den eigentlichen Nervensträngen beschreiben werde. Diese Kerne schmiegen sich nun einzeln oder zu zweien (mehr habe ich wenigstens nicht gesehen) einer Ganglienzelle an, sodass man anfangs beide Körper deutlich unterscheidet; darauf verschwindet aber die Grenze zwischen ihnen, der freie Umriss des Kerns geht unmerklich in denjenigen der Ganglienzelle über, und die Ver- schmelzung beider ist endlich so weit vorgeschritten, dass der frühere Kern nur wie eine dunkle Spitze der Zelle erscheint, welche in einen fadenförmigen Fort- satz ausläuft. Zur weiteren Bestätigung dieses Vorgangs führe ich noch an, 2. Die Nerven. 481 dass, solange die Grenze zwischen dem Kerne und der Ganglienzelle noch scharf ausgeprägt ist, die peripherische, durch die Schrumpfung des Zellenleibes zwischen ihm und der äusseren Hülle hervorgerufene Lücke auch unter dem Kerne sichtbar ist, nach der genannten Verschmelzung aber dort unterbrochen erscheint. Dass an den Kernen, welche mit den Ganglienzellen verbunden sind, oft kein Fortsatz sichtbar ist, darf bei der grossen Zartheit dieser Ausläufer und bei der sich daraus ergebenden Schwierigkeit, sie in dem Gewirr der übri- gen Fasern zu erkennen, nicht Wunder nehmen; dagegen ist es auffallend, dass solche Kerne nie mehr als je-einen Fortsatz zu besitzen scheinen, während die freien Spindelkerne ihrer stets zwei zeigen. Mir scheint dies so zusammenzu- hängen, dass diese zwei Fortsätze von zwei entgegengesetzten Polen des Kerns abgehen und der Axe des ganzen Ganglions parallel verlaufen; sieht man nun einen Fortsatz mitten aus dem mit einer Ganglienzelle verschmolzenen Kerne entspringen, so muss der andere in entgegengesetzter Richtung liegen, also der Ganglienzelle angeschmiegt und dadurch unkenntlich sein, um sie dann ohne Kernanschwellung und daher ebenso unbemerkt zu verlassen. Eine andere Entstehungsweise der Ganglienzellenfortsätze als die geschilderte habe ich nir- gends angedeutet gefunden ; doch genügt diese Kenntniss vollständig, um sich die Entwickelung der unipolaren, wie der bi- und multipolaren Ganglienzellen zu erklären. DieErhaltung und Verwachsung oder der Schwund des der Gang- lienzelle angeschmiegten Fortsatzes kann uni- und bipolare, bei der Anwesen- heit von mehr als einem angewachsenen Kerne multipolare Zellen oder solche mit zwei nicht polar entgegengesetzten Fortsätzen herstellen (Fig. 216. 217). Eine wesentliche Veränderung der beschriebenen Form der Spinalganglienzellen habe ich bis nach dem Ablauf der Larvenmetamorphose nicht angetroffen. Er- wähnt sei nur, dass gegen das Ende dieser Periode die Oberfläche der inneren Zellsubstanz mit der Hülle bisweilen in ähnlicher Weise, wie ich es-am Rücken- marke beschrieb, an vielen diskreten Punkten in festere Verbindung tritt, sodass bei der schon erwähnten Schrumpfung jener Substanz zwischen ihr und der Hülle eine Anzahl von zarten Brücken ausgezogen wird, welche an die von M. SCHULTZE (Nr. 120 IS. 128) innerhalb der Ganglienzellenscheide abgebildeten Fortsätze erinnern (Fig. 218). Diese bindegewebige Scheide entwickelt sich aber natürlich nicht unmittelbar aus der strukturlosen Cuticula, sondern die letztere ist nur die Unterlage für die von aussen hinzutretenden bindegewebi- gen Elemente der Zwischensubstanz der Ganglien. Ich bemerkte bereits, dass ich eine Verbindung der Ganglienzellen mit GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 31 482 VIII. Die Segmente des Rumpftes. markhaltigen Nervenfasern während der Larvenzeit niemals nachweisen konnte; wenn aber dadurch die Bedeutung der fadenförmigen Fortsätze zweifelhaft er- scheint, so vermag nur die Untersuchung der Nervenstämme darüber aufzu- klären. Sie entwickeln sich aus den unteren Hälften der breiten aber flachen Zellenanhäufungen, deren obere Hälften den Spinalganglien zur Anlage dienen (Taf. XII Fig. 214). Während aber die letzteren ihre Ausbildung an Ort und Stelle erhalten, dehnen sich die ersteren nach unten aus und verschmächtigen sich dabei zu dünnen Strängen. Dies geschieht dadurch, dass die Zellen, deren Dottersubstanz eben in der Umwandlung in Protoplasma begriffen ist, sich an- sehnlich strecken und so aneinander vorbeigleiten, dass nur zwei, höchstens drei auf den Durchschnitt der Nervenanlagen kommen. Alsdann verschmelzen je die hintereinander liegenden zu eylindrischen, nur durch die eingelagerten Kerne etwas aufgetriebenen, nicht zu dünnen Fäden, von denen also zwei bis drei in einem Strange liegen (Taf. X Fig. 187). Endlich fliessen auch diese zu einer einzigen Masse zusammen, welche der Länge nach fein gestreift er- scheint und die sich vermehrenden spindelförmigen Kerne trägt (Taf. XII Fig. 216. 221). Entsprechend den Längsstreifen lösen sich leicht einzelne äusserst feine Fasern vom Strange ab, mit welchen meist ein oder zwei von denspindel- förmigen Kernen verbunden erscheinen, sodass, wer die vorangehende Ent- wickelung nicht kennt, darin nur lang und dünn ausgezogene Spindelzellen sehen und geneigt sein könnte, dieselben unmittelbar auf die Embryonalzellen zurückzuführen. Da aber von solchen nur zwei bis drei, von den Fasern aber ausserordentlich viele auf den Durchschnitt, des Stranges kommen, sodass nur ein Theil von ihnen überhaupt mit Kernen verbunden sein kann, so fehlt jener Ansicht jede Unterstützung. Ich muss vielmehr annehmen, dass diese Fasern ebenso wie in der weissen Masse des Rückenmarks aus den miteinander ver- schmolzenen Leibern der Embryonalzellen ohne irgend welche Beziehung zu deren früherem Bestande sich differenziren. Diese ausserordentlich feinen Fasern, die ersten histiologischen Differenzirungsprodukte der Nervenanlagen umfassen jedoch nicht die ganze Masse derselben; dies geht daraus hervor, dass in der späteren Larvenzeit neue, ihnen durchaus fremde Bildungen zwischen ihnen sich entwickeln, die Anlagen des Nervenmarks (Taf. XII Fig. 222). Sie erscheinen zuerst als ganz kurze Reihen von hellen, klaren Körperchen, welche in ihrem Aussehen an die Umbildungskugeln anderer Gewebe erinnern, aber neben rundlichen Formen auch längliche zeigen und alsdann häufig eine Ver- schmelzung aus kugeligen Stücken andeuten. In längeren, weiter entwickelten 2. Die Nerven. 483 Reihen fliessen diese Körperchen zu stabförmigen Abschnitten und endlich zu kontinuirlichen Strängen zusammen, deren wechselnde Einschnürungen aber nur zum Theil auf die unvollständige Verschmelzung, im übrigen auf die Ein- wirkung der Konservirungsmittel zu beziehen sind. Denn diese weiter ent- wickelten Stränge haben bereits das stark lichtbrechende Aussehen des voll- endeten Nervenmarks angenommen, besitzen also wahrscheinlich schon dessen Zusammensetzung und die Empfindlichkeit gegen äussere Reize. Die weniger weit entwickelten Markstränge zeigen anfangs dicke, daher relativ dunkle Hüllen, denen einige Spindelkerne aufsitzen und welche, während sie nach aussen cylindrisch erscheinen, nach innen sich den wechselnden Formen der Markaniagen unmittelbar anschliessen; an natürlich isolirten dünnsten Nerven- anlagen, welche von einem Markstrange soweit ausgefüllt werden, dass man sie auf einzelne Nervenfasern beziehen kann, sehe ich jene Rindenschicht am Ende der Markanlagen sich in die ganze cylindrische Nervenanlage fortsetzen. Später sind die Markstränge in zarte dünne Scheiden eingeschlossen, welche oft von der geschrumpften Marksubstanz weit abstehen. — Weitere Beobach- tungen über die Bildung von Nervenfasern stehen mir nicht zu Gebote; doch halte ich die mitgetheilten für ausreichend, um daraus eine bestimmte Ansicht über ihren Zusammenhang abzuleiten. Es scheint mir zunächst unzweifelhaft, dass die primären feinen Fasern der Nervenanlagen die „Nervenprimitiv- fibrillen“ M. Schuutzze's darstellen (vgl. Nr. 120 IS. 108), d. h. die allen verschiedenen Nervenfasern gemeinsamen Elemente; denn bis in die spätere Larvenzeit sind jene Fibrillen die einzigen und bis nach der Metamorphose die überwiegenden differenzirten Bestandtheile der Nervenstränge, welche in dieser ganzen Zeit allem Anscheine nach nicht anders funktioniren als in älteren Thieren. Es bliebe also wesentlich zu erklären übrig, wie diese Fibrillen sich zu den einzelnen Nervenfasern ordnen und dadurch die einzelnen Leitungen wirksamer isoliren. Wie erwähnt nehmen die Primitivfibrillen nicht die ganze Masse der Nervenanlagen ein, sondern lassen, wie aus der Bildung der Mark- substanz zu schliessen ist, eine zunächst indifferente Zwischensubstanz zwischen sich zurück, wie eine solche im Rückenmarke, an den Scheidewänden der weissen Masse direkt nachzuweisen ist. Nehmen wir nun an, die Nerven- primitivfibrillen bildeten sich in der Weise, wie die Fibrillen in den Muskelzellen, also nicht durch die ganze Substanz zerstreut, sondern so, dass die zusammen- wirkenden sich in getrennte Bündel zusammenziehen, denen die sich neubilden- den Fibrillen anpassen; bei dieser wie ich glaube nicht unwahrscheinlichen . * 31” 484 VIII. Die Segmente des Rumpfes. Annahme wären jene „Primitivfibrillenbündel“ (M. Schuutze) von An- fang an in der Nervenanlage so gelagert, dass jedes von der zuerst gleichartigen und kontinuirlichen Zwischensubstanz, welche zugleich als Grundmasse zur Bildung neuer Fibrillen dient, eingeschlossen wird. Der jedem Bündel zuge- hörige Theil der Zwischensubstanz kann nun entweder bis auf einen kutikula- ähnlichen Rest, die sogenannte Schwanv'sche Scheide, verbraucht und da- durch eine marklose Nervenfaser gebildet werden; oder er verliert seine Indiffe- renz, also die Fähigkeit zur Bildung neuer Fibrillen schon früher, bleibt also mächtiger und entwickelt darauf die Markanlagen. Diese können aber unter solehen Umständen bei ihrer offenbaren Ausdehnung und Verbreiterung nicht strangförmig bleiben, sondern müssen ihrer Grundlage entsprechend das be- treffende Fibrillenbündel umwachsen und .es dadurch zum Axencylinder machen. Dieser Auffassung widersprechen wenigstens die beschriebenen Bilder der Markbildung nicht, da die Axencylinder in den werdenden Nervenfasern nicht deutlicher sind als in den fertigen, folglich die Röhrenbildung der Mark- substanz sich der direkten Beobachtung entziehen und als solide Verdickung erscheinen muss. Der Umstand, dass, wo eine Markanlage zu sehen ist, auch schon eine Grenze der ganzen künftigen Nervenfasern besteht, lässt darauf schliessen, dass die Absonderung der jedem Fibrillenbündel zugehörigen Theile der Zwischensubstanz relativ früh eintritt. Dann ist es verständlich, warum die jungen Markanlagen von einer dicken, nach innen ihnen unmittelbar ange- passten Rindenschicht umgeben sind; es ist die noch unverbrauchte ursprüng- liche Zwischensubstanz, welche bis auf eine peripherische Membran, eben die Schwannw’sche Scheide, noch in Marksubstanz verwandelt wird. Diese Scheide ist daher weder als eine Ausscheidung des Marks oder bei marklosen Nerven- fasern der Fibrillenbündel, noch als eine von aussen kommende Anlagerung, sondern nebst dem Marke als ursprüngliche Zwischensubstanz, als der nicht zu Nervenprimitivfibrillen verbrauchte Rest der embryonalen Nervenanlage zu betrachten. Anders verhält es sich mit den bindegewebigen Scheiden der ganzen Nervenstränge und ihrer Unterabtheilungen, welche erst später auf- treten und daher höchst wahrscheinlich von aussen angebildet werden. — Wenn die eben vorgetragene Auffassung vom Entwickelungsgange der peripherischen Nervenfasern gebilligt wird, so ist auch die Erklärung ihrer Verbindung mit den Ganglienzellen gegeben. Mögen die mit den letzteren verbundenen Fäden auch nur eine oder einige wenige Fibrillen enthalten, so werden dieselben nach dem Uebergange in den Nervenstamm sich dem einen oder anderen Bündel 2. Die Nerven. 485 anschliessen und alsdann die sich dort in zerstreuten Anlagen bildende Mark- substanz ebenso gut bis zur Ganglienzelle leiten können, wie sie thatsächlich dem Verlaufe der anderen Fibrillenbündel folgt. Jedenfalls muss hervorgehoben werden, dass das Nervenmark nicht vom Centrum ausgeht, sondern gerade um- gekehrt von den peripherischen Nerven zu demselben hin sich entwickelt. Im Rückenmarke ist es zur selben Zeit noch nicht vorhanden (vgl. S. 280); ob es dort selbstständig oder im Anschlusse an die centripetal fortschreitende Bildung in den Nervenstämmen sich bildet, muss ich unentschieden lassen. Während der histiologischen Entwickelung der spinalen Ganglien und Nervenstämme vollzieht sich auch ihre Verbindung mit dem Rückenmarke. Die Ganglien füllen anfangs in ihrer ganzen Länge den spaltartigen Raum zwischen dem letzteren und den Muskelplatten aus; während sich aber dieser Raum in der Folge erweitert, bleibt ihre Innenfläche dem Rückenmarke ange- schmiegt, sodass sowohl ihr oberes strangförmiges Ende als auch der unterste Theil der Berührungsfläche mit demselben verwachsen kann (Taf. XI Fig. 198). An diesen Stellen tritt die zellige graue Masse des Rückenmarks durch die weisse hindurch mit den von aussen angewachsenen Nervenwurzeln in Ver- bindung und vermittelt so deren Uebergang in die sogenannten Hörner der grauen Masse (Taf. IX Fig. 172). Weiterhin werden die Spinalganglien vom Rückenmarke etwas abgezogen und dadurch die Nervenwurzeln zu kurzen Strängen ausgezogen, welche aber an den hinteren Nerven in Folge der schon erwähnten relativen Verkürzung des Rückenmarkes während und nach der Me- tamorphose sich nicht unbedeutend verlängern. Die obere (hintere) Wurzel be- hält ihren unmittelbaren Uebergang in das Spinalganglion; die untere (vordere) spaltet sich aber allmählich von demselben ab, sodass sie direkt in den gemein- samen Nervenstamm mündet und alsdann aus demselben hervorgewachsen zu sein scheint. Doch gehen nicht nur die beiden Wurzeln ursprünglich aus dem Spinalganglion hervor, sondern ebenso auch der Ramus dorsalis jedes Spinal- nerven, welcher anfangs aus einem abgelösten und aufwärts wachsenden Zipfel des Ganglions besteht und erst später auf dieselbe Weise wie die untere Wurzel bis zum gemeinsamen Nervenstamm hinab sich vom Ganglion abspaltet (Fig. 172). Daher erscheint dieser Ramus dorsalis bei der seitlichen An- sicht einer blossgelegten Wirbelsäule aus der mittleren Larvenzeit als eine dem abwärtsziehenden Nervenstamme entsprechende obere Fortsetzung des Spinal- ganglions, während die anatomische Darstellung der späteren Verhältnisse den aus beiden Wurzeln zusammentretenden Nervenstamm sich in die beiden A486 VII. Die Segmente des Rumpfes. gleichwerthigen Aeste, den R. dorsalis und R. ventralis theilen lässt (Taf. XV III Fig. 326). Jener versorgt Muskeln und Haut des Rückens, dieser die gleichen Theile der Seiten und des Bauches; sowie aber die Muskeln dieser letzteren Regionen eine mannigfaltigere Umbildung erfahren als die Stammuskeln, nehmen auch die von ihnen abhängigen Nerven ein grösseres Interesse in An- spruch. Alle Segmente des Rumpfes bis auf das erste Paar, welches keine Nervenanlagen entwickelt, enthalten je einen Nervenstamm, welcher im allge- meinen den aus dem zugehörigen Segmente hervorgehenden Muskeln folgt (Taf. XVIIL, XIX). Allerdings kann ich nicht bestimmen, wie weitder aus der mor- phologischen Anlage des inneren Segmentblattes hervorgehende Nervenstanm über den Bereich der Stammuskeln hinausreicht, an deren innerer und unterer Fläche er zur Bauchwand hinzieht, und wo seine Fortsetzung durch von aussen angefügte Elemente beginnt. Denn einmal gewinnt auch diese Fortsetzung sofort das Aussehen des Stammes, und ferner verschieben sich die Nerven bei ilhırem Wachsthum aus ihrer ursprünglichen Lage. Immerhin glaube ich aus einigen Beobachtungen annehmen zu dürfen, dass der ursprüngliche Nervenstamm sich ohngefähr so weit erstrecke, als er der zugehörigen segmentalen Abtheilung wenigstens in der ersten Zeit regelmässig folgt, und dass alle End- und Seiten- zweige nicht dazu gehören. Verfolgt man nun die einzelnen Rami ventrales der Spinalnerven in ihrer späteren Umbildung, so ergibt sich Folgendes. Bei der Unke, dem Frosche und wahrscheinlich allen Batrachiern, deren Bauchmuskeln sich ähnlich verhalten, treten jene Nervenstränge unter den Stammuskeln in die Lücke zwischen diesen und dem mittleren Bauchmuskel ein, um darauf an der Aussenfläche des letzteren abwärts zu verlaufen; bei den Salamandrinen, deren mittlerer Bauchmuskel sich von den Stammuskeln nicht entfernt, bleiben jene Nerven durchweg an der Innenfläche der inneren Segmentschicht liegen und befinden sich daher später zwischen dem inneren und mittleren Bauchmuskel oder dem M. transversus und M. obliquus internus abdominis (Fig. 341). Der erste vom zweiten Rumpfsegmente stammende Ramus ventralis wird gewöhnlich als N. hypoglossus bezeichnet; er beschreibt entsprechend der Verschiebung des unteren Theils vom zugehörigen Abschnitte des mittleren Bauchmuskels einen nach vorn konkaven Bogen und zieht über den M. sterno -hyoideus zum M. ge- nio-hyoideus, welchen er bis an den Unterkiefer begleitet (Fig. 326, 525, 545. 3458). Die beiden folgenden Seitenrumpfnerven verlaufen anfangs ziemlich ge- rade zur hinteren Hälfte des M. sterno-hyoideus hinab, wo ihre beiden Ver- breitungsbezirke nach ‘der segmentalen Eintheilung durch den ersten Sehnen- 2. Die Nerven. 487 . streifen geschieden sein sollten. Während aber die Anlage des Schultergürtels sich unmittelbar auf ihnen entwickelt, erhalten sie ziemlich bald nach ihrem Ursprunge eine direkte Fortsetzung in die Gliedmasse, wobei die beiden be- treffenden Aeste zu einem Stamm, dem Plexus brachialis, zusammenfliessen (Fig. 3,26). Indem diese Aeste nebst den über ihrem Ursprung befindlichen Abschnitten der beiden Nervenstämme sehr bald ansehnlich anschwellen, er- scheint der Plexus brachialis als die eigentliche Fortsetzung des 2. und 3. Seitenrumpfnerven, während ihre ursprünglichen Stämme das Ansehen von Seitenzweigen annehmen, insbesondere da sie mit den Brachialästen so weit verschmelzen, dass ihr selbstständiger Verlauf später erst vom Armgeflecht ausgeht, sie also gewissermassen aus diesem entspringen (Fig. 326, 343). Sie bleiben natürlich unter dem Schultergürtel liegen und versorgen mit ihren späteren Verzweigungen wesentlich die Brustmuskeln und den M. sterno- hyoideus, weshalb sie als Nn. thoracici anterior et posterior unterschieden wer- den können. Der regelmässige Verlauf. der Spinalnerven wird also im Bereiche des Armgeflechts nur durch nachträgliche Anpassungen verdeckt. Die folgenden Rami ventrales sind dadurch ausgezeichnet, dass sie nicht nur unter den Stam- muskeln, sondern auch, wie ich bereits erwähnte, unter den dorsalen Muskeln des Beckengürtels, dem M. ileo-Jumbaris und M. ileo-psoas hervorkommen, ob- gleich dieselben theilweise unter der Wirbelsäule und ihren Muskeln liegen. Vom 4. und 5. Seitenrumpfnerven ist nichts weiter zu bemerken, als dass sie sich wie die zwei folgenden meist schon in der Mitte der Seitenhöhe in zwei Aeste theilen; sie versorgen die in ihrem Bezirke liegenden Bauchmuskeln. Der 6. und der vordere Ast des 7. Nerven (N. ileo-hypogastricus) durchbohren ausserdem, um an die Aussenfläche des M. transversus zu gelangen, denselben dicht am Beckengürtel, wo dieser Muskel sich vom Bauchfelle abhebt, um an der freien Kante des Darmbeins eine Befestigung zu suchen (Fig. 343). Am 8. und 9. Seitenrumpfnerven habe ich eine Theilung in zwei Aeste nicht be- merkt, sondern sie scheinen mit ihrer ganzen Masse den Plexus ischiadicus zu bilden (Fig. 327); sollte dies thatsächlich und nicht bloss einer mangelhaften Beobachtung* zuzuschreiben sein, so erklärt sich jenes Verhalten dadurch, dass der Theil des mittleren Bauchmuskels, dem jene Nerven angehören, innerhalb des Beckengürtels alsbald atrophirt, und dass ausserdem die Stämme der- * Ich bemerke hier beiläufig, dass ich die Untersuchung des Nervenverlaufs mit einer Brücke’schen Lupe von 6—8facher Linearvergrösserung ausführte. A488 VIII. Die Segmente des Rumpfes. selben entsprechend dem Ende der Bauchwand so kurz sind, dass gleichsam die Enden ihres ventralen Verlaufs in den Plexus ischiadieus aufgenommen werden, also eine Fortsetzung der Stämme, wie sie unterhalb des Armgeflechts vorkommt, unterhalb des Plexus ischiadicus gar nicht angelegt wäre. An den letzteren schliesst sich auch der hintere Ast des 7. Seitenrumpfnerven an, ver- schmilzt aber mit ihm nur in einer ganz kurzen Strecke, während seine Fort- setzung, schon bevor diese Verbindung erfolgt, ganz selbstständig den N. eru- ralis bildet. Vollständig geht aber in jenes Geflecht der vordere Ast des 10. Nerven ein, indess der hintere Ast dem Endstücke des mittleren Bauchmuskels, dem M. ischio-coccygeus verbleibt und als N. perinealis figuriren mag.* Der. 11. und letzte unserer Nerven verläuft ursprünglich jenseits des Endes vom mittleren Bauchmuskel ; indem aber gerade die hintere Hälfte des Steissbeins mit der Anheftung des M. ischio- cocceygeus gleichsam unter dem 11. Nerven nach hinten auswächst, bleibt dieser so weit zurück, dass er dem Steissbeine dicht anliegend eine ansehnliche Strecke rückwärts laufen muss, ehe er hinter dem genannten Muskel seinen eigentlichen Verbreitungsbezirk am After findet (Fig. 343, 346). Ich glaube ihn daher mit Recht als den eigentlichen N. cocey- geus bezeichnen zu dürfen. Der 12. Spinalnerv, welcher im kegelförmigen Schwanzstummel noch über das Ende des Steissbeins hinabzieht, verschwindet später mit allen übrigen Schwanznerven. Diese Anordnung der hinteren Spinal- nerven ist aber weder bei den Unken beständig, noch finde ich sie bei andern Anuren (Rana) in unveränderter Wiederholung. Es schwankt nämlich die Zu- sammensetzung des Plexus ischiadicus, indem sich daran bald nur der 8. und 9. oder der 9. und 10., bald der 8. bis 10., 9. bis 11. oder der 8. bis 11. Nerv betheiligen. Vollständig gehen dabei in den Plexus höchstens zwei von den ge- nannten Nerven ein; diese können alsdann von den benachbarten Nerven- stämmen Zweige aufnehmen oder umgekehrt ihnen solche abgeben, wodurch eben jene verschiedenen Zusammensetzungen des Plexus ischiadicus entstehen. Aus welchem Nerven die Anastomosen entspringen, bestimme ich nach den Winkeln, welche sie mit der Axe der mit ihnen verbundenen Nervenstämme bilden; diese Winkel und damit die Bestimmung der Richtungen können sich aber unzweifelhaft allmählich verändern, sei es durch ungleichmässiges Wachs- * Vgl. Fig. 326, 327. Fig. 343 zeigt bereits eine so vollständige Verschmelzung des vor- deren Astes vom 10. Nerven mit dem Plexus ischiadieus, dass der freie hintere Ast aus dem letzteren zu entspringen scheint. 2. Die Nerven. 439 thum der verbundenen Nervenstämme, sei es durch fortschreitende Verschmel- zung eines Anastomosenendes mit dem betreffenden Stamme, sodass der Wechsel in der Anordnung der Lumbal-, Sakral- und Steissbeinnerven selbst im Bildungsgange eines einzelnen Individuums vorkommen kann. Gegen- über dieser Unbeständigkeit in der Anordnung scheint die Gesammtzahl jener Nerven bei den Anuren sich gleich zu bleiben, und desshalb wiederhole ich die Notiz (vgl. S. 392), dass auch der Frosch ein 11. Spinalnervenpaar besitzt, welches’ wohl wegen seiner ausserordentlichen Zartheit bisher übersehen wer- den konnte. Wenn das beschriebene System der Spinalnervenstämme aus dem grösseren oberen Theile des inneren Segmentblattes entsteht, so entwickelt sich innerhalb des interstitiellen Bildungsgewebes, welches von dem untersten Theile jenes Blattes abstammend den Retroperitonealraum ausfüllt, gleichfalls ein Nerven- system, das wenigstens im Anfange seiner Ausbildung eine durchaus selbst- ständige Existenz hat und erst nachträglich mit den Spinalnerven in Verbin- dung tritt, — das Eingeweidenervensystem. Aehnlich wie bei dem ersteren entsteht auch bei dem Eingeweidenervensystem zuerst der Stammtheil, der sogenannte Grenzstrang, während die weiteren Verzweigungen in den Ein- geweiden erst später erscheinen. Die ersten Andeutungen des Grenzstranges glaube ich bereits am Ende der ersten Larvenperiode in kleinen Gruppen von Zellen gefunden zu haben, welche, in ihrem Aussehen mit den Ganglienzellen der Spinalnerven übereinstimmend, zu beiden Seiten der Aorta zwischen dieser und den Anlagen der Nieren liegen. Der Umstand, dass ich sie nur an einzelnen Querdurchschnitten antraf, scheint darauf hinzudeuten, dass die gangliösen Anschwellungen die ersten Anlagen bilden. In der Mitte der zweiten Larven- periode konnte ich den Grenzstrang bereits als ein zusammenhängendes, dem unteren Theile der Wirbelsaite anliegendes Gebilde vom Kopfe bis über die Mitte des Rumpfes herauspräpariren (Fig. 327). Er bestand aus den spindel- förmigen Ganglien und deren Verbindungssträngen; jene waren vorn grösser und lagen in unregelmässigen Abständen näher beisammen als hinten. Die vom Grenzstrange entspringenden Nervenzweige waren äusserst zart und ebenfalls unregelmässig, vertheilt. An Querdurchschnitten konnte ich mich hinlänglich davon überzeugen, dass die aussen und dicht am Grenzstrange hinablaufenden Spinalnervenstämme mit demselben noch keine Verbindung eingegangen waren, sowie auch sein vorderes Ende nur erst bis zum N. vagus reichte, aber mit demselben noch nicht zusammenhing (Zaf. IX Fig. 172). Etwas später waren 490 VIU. Die Segmente des Rumpfes. die vermissten Verbindungen vorhanden: das Vorderende des Grenzstranges kommunicirte vermittelst einiger äusserst dünnen Fädchen mit dem N. vagus dicht unterhalb seines Ganglions, und von den Verbindungsstellen des Stranges mit den Spinalnerven aus spalteten sich kurze Stämmchen der letzteren auf- wärts von dem Hauptstamme ab (Taf. IX Fig. 178, Taf. XVILI Fig. 329). Eine weitere Verfolgung der Verbindungen und Verzweigungen des Grenz- stranges lag nicht in meiner Absicht. Die mikroskopische Untersuchung seines (sewebes ergab, dass seine Histiogenese bis nach der Metamorphose von der- jenigen des Spinalnervensystems nicht wesentlich abweicht. Unter den Nerven- fasern vermisste ich die markhaltigen, und die Leiber der Ganglienzellen sind durchweg viel klemer als in den Spinalganglien, sodass beim ersten Hinsehen nur die kreisrunden Zellenkerne auffallen. 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. Dieses embryonale Gewebe entwickelt sich aus allen den Theilen der Seg- mente, welche nicht zu den Muskeln, Ganglien und Nervenstämmen verbraucht werden, also im Rumpfe aus den inneren Segmentblättern mit Ausnahme des von der Nervenanlage eingenommenen mittleren Streifens, ferner aus den ganzen oberen Säumen und einzelnen anderen Theilen der äusseren Segmentschicht. Im Schwanze geht die ganze äussere und der Bauchtheil der imneren Segment- schicht in das Bildungsgewebe über (Taf. VII). Diese seine ursprünglichen Anlagen bezeichnen aber nur die Ausgangspunkte für seine weitere Ausbrei- tung, welche durch die Ansammlung der Interstitialtlüssigkeit und eine dauernde Einwanderung von Dotterbildungszellen vermittelt, .in alle zugäng- lichen Zwischenräume zunächst zwischen den morphologischen Anlagen und ddlann zwischen den Gewebstheilen der letzteren selbst eindringt. Durch diese allgemeine Entwicklung rechtfertigt das interstitielle Bildungsgewebe das Bei- wort seines Namens und offenbart sich anderseits als eine rein histiologische Anlage, welche nach der Auflösung des Formbestandes seiner embryonalen Grundlagen (Segmentschicht, Segmentblatt) eine Selbstständigkeit im ganzen und daher jede morphologische Bedeutung entbehrt, um von der jeweiligen Umgebung unbedingt abhängig sich ihr erst formal anzupassen und dann ihre späteren Differenzirungen unter dem verschiedenen Einflusse dieser formalen Anpassung einzuleiten. Desshalb repräsentirt auch das interstitielle Bildungs- sewebe keine bestimmte physiologische Gewebsform, etwa die Gruppe der 3indesubstanzen allein, sondern dient allen allgemeinen Geweben zur Grund- 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 491 lage, welche ausserhalb der primär-morphologischen Theile entstehen; dahin gehören aber ausser den Bindesubstanzen alle Gefässe, die weiteren Nerven- verzweigungen und einzelne Muskeln (M. transversus, Hautmuskeln). Anderer- seits ist es aber auch verständlich, dass überall dort, wo die formale Anpas- sung des interstitiellen Bildungsgewebes an seine Umgebung in sehr be- stimmten und engen Schranken auftritt, sie die Gestalt von dem die Anpas- sung beherrschenden Theile entlehnt und dadurch die sekundär -morpholo- gischen oder -typischen Körpertheile erzeugt, von denen einige, z. B. das Stamm- skelet, die röhrigen Rückenmarkshüllen, der innere Bauchmuskel, bereits als solche geschildert wurden. Alle diese Formbeziehungen des interstitiellen Bil- dungsgewebes zu den uns bekannten Embryonalanlagen prägen sich der Vor- stellung leicht ein, wenn man die Hauptzüge seiner Ausbreitung und seiner Verbindungen verfolgt (Taf. VII, XIIL, XIV). Zuerst denke man sich die inneren Segmentblätter jeder Körperseite in eine kontinuirliche Schicht ver- wandelt, in welcher die ursprünglichen Nervenlagen eingelagert sind und welche im allgemeinen die Axenorgane (Rückenmark, Wirbelsaite, Axenstrang des Darmblattes) von den Stammuskeln trennt. Die beiderseitigen Schichten verbinden sich darauf zwischen diesen Axenorganen und um sie herum, sodass dieselben gewissermassen ebenso wie jene Nervenanlagen in das Bildungs- gewebe eingebettet erscheinen. Dabei entstehen aus enger Anpassung an die beiden mächtigeren Organe die äussere Chordascheide und die Rückenmarks- hülle, beides röhrige Bildungen, welche aber in Ermangelung eines selbststän- digen Formwerths den sekundär-morphologischen Körpertheilen zugezählt werden müssen. Lateralwärts ruft die Anpassung des Bildungsgewebes an die Segment- oder Muskelgrenzen die sekundär - morphologische Bildung der Wirbelbögen und ihrer Fortsätze hervor. Ueber dem Rückenmarke eröffnet sich den vereinigten Segmentblättern in Folge einer entsprechenden Ausdeh- nung des Oberhautsackes ein weiterer Raum, in welchem sie mit den aufwärts wachsenden Säumen der äusseren Segmentschicht zur Herstellung der soge- nannten Membrana reuniens superior zusammentreffen, welcher Namen aber nur eine topographische Bedeutung hat und weder ein besonderes noch ein vergängliches Gewebe bezeichnet. Ein ähnlicher freierer Zwischenraum wird unter der Wirbelsaite dadurch gebildet, dass die Darmanlage unter Zurück- lassung ihres der Chorda angehefteten Axenstranges sich von derselben ent- fernt, wobei das Bildungsgewebe die von der Wirbelsaite, dem Parietalblatte und den Stammuskeln begrenzte Lücke, den Retroperitonealraum, in dem 492 VIII. Die Segmente des Rumpfes. Masse als er entsteht gleich ausfüllt. Von diesem Raume aus dringt das inter- stitielle Bildungsgewebe einmal in die Bauchwand vor, wo es mit den gleichen Gewebstheilen der äusseren Segmentschicht zusammentrifft und die segmen- talen Bauchmuskeln einscheidet und den inneren sogar erst bildet; anderseits verbindet es sich mit dem Bildungsgewebe, welches zwischen dem Darmblatte und dem Visceralblatte aus dem letzteren entsteht und in alle Anhangsorgane des Darmkanals sich verbreitet. Im Schwanze, dessen untere Hälfte eine symmetrische Wiederholung der Anordnung in der oberen Hälfte zeigt, erfährt auch das interstitielle Bildungsgewebe eine entsprechend symmetrische Anpassung; daraus erklärt sich die Entwickelung der unteren Wirbel- bögen und einer unteren medianen Platte des Bildungsgewebes, welche allein passenderweise als Membrana reuniens inferior bezeichnet werden kann, wenn man diese Benennung überhaupt beibehalten will. Beide Verbindungs- häute liefern dort die Innenmasse der oberen und unteren Schwanzflosse. Nach dieser Uebersicht der topographischen Entwickelung des intersti- tiellen Bildungsgewebes wende ich mich zu seiner Histiogenese. Die erste und charakteristische Bildung dieser Gewebsanlage kann man an den Segment- theilen des Rumpfes desshalb nicht gut kennenlernen, weil die betreffenden Em- bryonalanlagen, die inneren Segmentblätter und die äussere Segmentschicht, zu dünn sind, um auf Durchschnitten ein klares Bild zu gewähren. Ich habe aus diesem Grunde entsprechende Segmenttheile des Kopfes zur Demonstration jener Anfänge gewählt. Ursprünglich liegen die rundlichen Embryonalzellen auch in den hier in Rede stehenden Anlagen (innere Segmente) dicht zusam- mengeschlossen. Aber schon gegen das Ende der Embryonalperiode treten sie auseinander, und die sie trennenden, mit Flüssigkeit getüllten Lücken ver- grössern sich allmählich so sehr, dass sie endlich einen grösseren Raum ein- nehmen als die Zellen (Taf. XI Fig. 208). Bei dem Vergleiche der ersten Ent- wickelungsstufen dieses Vorganges, welche oft nebeneinander angetroffen werden, muss uns die einfachste Ueberlegung davon überzeugen, dass wir es hier nicht mit einer selbstthätigen Bewegung der Embryonalzellen zu thun haben. Ich habe allerdings schon eine solche ausführlich beschrieben, die Ver- schiebung der Embryonalzellen bei ihren Theilungen, und dieselbe als die eigentliche bewegende Kraft bei den ersten Umbildungen und Ausbreitungen der Embryonalanlagen hingestellt. Dieses Moment fehlt natürlich auch den- jenigen Theilen nicht, welche für die Entwickelung des interstitiellen Bildungs- sewebes bestimmt sind. Aber ebenso natürlich scheint es mir, dass es sich nur 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 495 auf den Zustand der kompakten Embryonalanlagen bezieht; soll dagegen ge- rade die unmittelbare Flächenberührung der Embryonalzellen aufhören, so kann dafür die gegenseitige Verschiebung der sich drängenden Zellen offenbar nicht angezogen werden. Ebensowenig kann das geschilderte Auseinandertreten der Embryonalzellen durch eine solche selbstthätige Bewegung derselben erklärt werden, wie sie etwa in Form von Kontraktionen die unzweifelhafte Ortsveränderung fertiger protoplasmatischer Elementarorganismen herbeiführt. Denn der Raum, in welchem eine solche Ortsveränderung ausgeführt werden muss, wird erst durch jenes Auseinandertreten der Embryonalzellen und in Folge dessen der Embryonalanlagen erzeugt, sodass gewisse zellenfreie Räume bloss nachträgliche Erweiterungen bereits bestehender weiter Zelleninterstitien sind. Kurz, es bleibt nichts übrig, als in der die Lücken ausfüllenden Flüssig- keit die nächste Ursache für die uns hier beschäftigende Erscheinung anzu- sehen. Die Quelle jener in die Embryonalanlagen eindringenden Flüssigkeit ist in dem embryonalen Darmraume zu suchen, dessen wasserheller flüssiger In- halt genau dieselben Eigenschaften wie die erstere zeigt, bei der Erhärtung der Embryonen theilweise gerinnt und alsdann durch Karmin sehr schwach gefärbt wird. Die Ursachen für den Uebertritt der Flüssigkeit aus dem Darmraume in die Masse des eigentlichen Keims glaube ich mit Recht in den veränderten Spannungsverhältnissen der letzteren zu erkennen. Schon gleich im Anfange der Entwickelung hatte ein ähnlicher Vorgang stattgefunden. Die Keimhöhle entstand durch die Zusammenziehung der radiär gestellten Dottertheilstücke an ihren centralen Enden und vergrösserte sich in Folge der koncentrischen Ausbreitung und daher Verdünnung ihrer Decke oder der primären Keimschicht (Taf. IT). Indem darauf der hervorwachsende Rand der sekundären Keimschicht eine Lage von Dotterzellen vom Boden der Keimhöhle hob und sie in der ganzen Höhe der letzteren mit sich zog, wurde der Keimhöhlenraum successiv ver- engt und endlich zum Schwunde gebracht, während auf der anderen (dorsalen) Seite der vorrückenden Scheidewand die Darmhöhlenspalte in demselben Masse sich erweiterte. Da jene Scheidewand der dünnste von allen die Keim- höhle umschliessenden Theilen ist, so erhellt, dass die Flüssigkeit der letzteren durch jene Wand in die Darmhöhle übertritt, welche darauf zum Sammelraume der Interstitialflüssigkeit des ganzen Eies wird. Zwischen den aneinander- gelagerten runden Zellen der Keimschichten bestehen alsdann nur kleine mit derselben Flüssigkeit gefüllte Zwischenräume, welche gerade hinreicht, um die fortdauernde Zellenbildung zu unterhalten. Im weiteren Verlaufe der Entwicke- 494 VIII. Die Segmente des Rumpfes. lung unterliegen aber die einzelnen Theile der relativ gleichmässigen und kon- tinuirlichen Keimschichten und -blätter verschiedenen mechanischen Form- bedingungen, welche die allgemeine, noch immer unmittelbar auf. die sich theilenden und verschiebenden Embryonalzellen zurückführbare Bewegungs- ursache in immer divergentere Bahnen ausstrahlen lassen. In dem Masse als diese Bewegungsströme und die von ihnen veranlassten Zellenanhäufungen und Schichtungen sich von einander sondern, fliessen die aus dem festen Zusammen- hange ausgeschlossenen Lücken zwischen den Anlagen zu spaltförmigen sie deutlich trennenden Räumen zusammen. Wenn also gerade die morphologische Entwickelung die einzelnen Embryonalanlagen fester zusammenfügt, so wird ein Nachlass ihrer Wirksamkeit den Zusammenhang der Zellen lockern, sodass die davon betroffenen Theile oder die Anlagen des Bildungsgewebes sich nicht weiter zusammenziehen, d. h. die ursprünglichen Zelleninterstitien hinaus- drängen, sondern im Gegentheil bei den fortdauernden Verschiebungen der festen Embryonaltheile durch den ganzen von diesen übrig gelassenen Raum sich gleichmässig vertheilen. Diese Ausbreitung der sich formal auflösenden Anlagen des interstitiellen Bildungsgewebes wird aber erst dann evident, wenn jener ganze Raum, oder was auf dasselbe hinauskommt, die mit Flüssigkeit ge- füllten Interstitien sich vergrössert haben. Dies erfolgt aber im Zusammen- hange mit der schon früher beschriebenen Umbildung des Darmraums (vgl. Abschnitt IV, 3, Taf. II, IV—VIr). Derselbe nahm während der Entwicke- lung der Keimblätter und ihrer ersten Sonderungen beständig zu; sobald aber seine anfangs breite Decke oder der Rückentheil während der Ausbildung des Centralnervensystems und der Segmente sich zusammenzuziehen begann, wurde er einer andauernden Einschränkung unterworfen. Dabei wird gerade so wie bei dem Schwunde der Keimhöhle der Raum, welcher in der Darmhöhle verloren geht, den Interstitien zwischen den übrigen Anlagen zugelegt, und natürlich das entsprechende Mass von Flüssigkeit in dieselben übergeführt. Die Wirkungen dieses Vorgangs äussern sich zunächst eben in der Entwicke- lung und Ausbreitung des interstitiellen Bildungsgewebes durch die ansehn- liche Zunahme seiner Zwischenräume. Die wichtigeren Enderfolge sind aber jedenfalls in der Einwirkung der sich ansammelnden Interstitialflüssigkeit des 3ildungsgewebes auf die innere Umbildung aller von ihr umspülten Zellen- massen oder deren Histiogenese zu suchen. Unter diesem Gesichtspunkte er- scheint die Anwesenheit jener ursprünglichen Flüssigkeit überhaupt als eine Grundbedingung für die ganze Entwickelung des Individuums. Hervorgegangen 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 495 aus den endosmotischen Wechselwirkungen, welche die erste Entwickelung des Eies einleiten, unterhält sie fortdauernd die Auflösung des Dotters, wo- durch zuerst die Dottertheilung und deren Fortsetzung, die Vermehrung der Embryonalzellen, damit aber ihre die morphologischen Umbildungen bedin- genden Bewegungen herbeigeführt werden; sobald aber die einzelnen Zellen- gruppen eben in Folge dieser Umbildungen verschiedenen und mannigfaltigeren Bedingungen der fortgesetzten Dotterauflösung unterworfen werden, läuft die letztere in ebenso verschiedene Wirkungen innerhalb der Zellen selbst aus. Denn dass ihre letzten Akte unter dem Einflusse der in die Embryonalzellen aufgesogenen Interstitialflüssigkeit zur Histiogenese hinüberführen, glaube ich schon im der Entwickelungsgeschichte der Sinnesorgane (Netzhaut), des Cen- tralnerven- und Skeletsystems, der Muskeln und Nerven genügend erwiesen zu haben; und für die übrigen Gewebe wird sich derselbe Zusammenhang ergeben. Um aber die ganze Wichtigkeit jener Substanz hier vorausgreifend anzudeuten, füge ich hinzu, dass sie vom Darmraume aus auch in die Dotterzellenmasse eindringend dort höchst wahrscheinlich die Blutbildung und endlich die Auf- lösung der übrigen Masse zu einer wirklichen Dotternahrung herbeiführt; dass sie ferner als erste Blutflüssigkeit und überhaupt den ganzen Körper durch- tränkende Ernährungsflüssigkeit zur Grundlage aller und jeder Zwischenzellen- flüssigkeit wird, welche daher nur in sehr bedingter Weise als ein Produkt der Zellen und Gewebe betrachtet werden kann. Aber obgleich Grundbedin- gung der Gesammtentwickelung, verläuft ihre Thätigkeit dennoch unter dem massgebenden Einflusse der morphologischen Momente, sodass, wo dieser Ein- fluss nachlässt, auch gleich der Gegensatz jener Thätigkeit gegen das Form- gesetz sich offenbart: so werden einige morphologische Anlagen als solche auf- gelöst, sobald in ihnen die Entwickelung des interstitiellen Bildungsgewebes beginnt, zu deren Erscheinungen ich jetzt zurückkehre. Während die Interstitialflüssigkeit in den Anlagen des Bildungsgewebes die Embryonalzellen auseinander drängt, büssen dieselben nicht alle ihre frü- heren Verbindungen ein, sondern bleiben durch Substanzbrücken in Zusam- menhang (Taf. XI Fig. 208). Diese Brücken, deren Zahl je nach der früheren Lage der einzelnen Zellen ausserordentlich schwankt, erscheinen anfangs, so- lange sie noch eine geringe Länge besitzen, verhältnissmässig breit und be- stehen aus der vollständigen, mit Dotterplättchen angefüllten Dottersubstanz. In dem Masse jedoch. als sie sich bei dem anhaltenden Auseinanderrücken der Zellen verlängern, werden sie auch schmäler, endlich fadenförmig, und ver- 46 VII. Die Segmente des Rumpfes. wandelt sich ihre Substanz unter Verlust der Dotterplättchen in eine gleich- artige protoplasmatische Masse (Taf. XI, Fig. 209). Dabei bietet das ganze Gewebe schon frühzeitig lokale äussere Unterschiede dar; so erscheint es in engen Räumen dichter als in weiten, daher in der Membrana reuniens superior lockerer als in der unmittelbaren Umgebung des Uentralnervensystems und der Wirbelsaite (Taf. XI Fig. 209, Taf. XII Fig. 211). Die Gestalt der Zellen- körper wird dadurch, dass die fadenförmigen Ausläufer ihre Ursprungsstellen allmählich kegelförmig ausziehen, zackig, sternförmig, woraus sich der Namen „Sternzellen“ erklärt; die Spindelform ist wie die sie bedingende Anwesenheit bloss zweier Ausläufer an den embryonalen Zellen selten. Wenn die Fortsätze sich bis zu einem gewissen Grade verdünnt haben, endigen einzelne scheinbar frei; dies kann auch thatsächlich sein, indem die betreffenden Fortsätze bei einer gewissen Anspannung rissen. Doch glaube ich gestützt auf Beobachtung und Ueberlegung solche mögliche Fälle von frei endigenden Fortsätzen in dem noch nicht differenzirten Gewebe auf eine so geringe Zahl beschränken zu müssen, dass dieselben für die richtige Auffassung der folgenden Entwickelungs- processe nicht in Betracht kommen können. Einmal muss man die Möglichkeit zugeben, dass bei der künstlichen Erhärtung der Objekte, welche für solche Untersuchungen unerlässlich ist,* hier und da ein Verbindungsfaden reisst, obgleich ich selbst solche Fälle bei gelungenen Präparaten, an denen sich die feinsten Fasernetze intakt erhalten, für sehr selten halte. Scheut man jedoch die Mühe nicht, eine grössere Anzahl von solchen Zellenfortsätzen, welche im mikroskopischen Bilde zuerst frei zu enden scheinen, mit der nöthigen Geduld zu verfolgen, so wird man finden, dass ein nicht unbedeutender Theil derselben allerdings mit anderen Fortsätzen zusammenhängt. Von den übrigen werden manche in ihrem Verlaufe durch Theile verdeckt, welche über oder unter ihnen liegen; und anderseits wird man zugeben, dass alle diejenigen Fortsätze, deren Ursprung im mikroskopischen Bilde sichtbar ist, welche aber nicht in * Frische Objekte kann man nämlich erst von dem Zeitpunkte an untersuchen, wann die Theile durchsichtig werden ; dies tritt aber erst in den späteren Phasen des vorliegenden Entwickelungsprocesses ein. Um jeden störenden Einfluss hintanzuhalten, wäre es ferner nöthig, die zu untersuchenden Theile, unter denen der Larvenschwanz jederzeit eine grosse Rolle gespielt hat, ohne weitere Vorbereitung, also auch ohne die Haut abzulösen, unter das Mikroskop zu bringen. Dass aber dadurch manche feinere Einzelheiten sich der Beobach- tung entziehen, wird Keiner bezweifeln, der den Durchschnitt eines ohne wahrnehmbare Schrumpfung gehärteten Objekts dagegenhält. 3. Das interstitielle Bildunugsgewebe. 497 der Fläche derselben, sondern in daraus hervortretenden Richtungen verlaufen, als frei endigende imponiren, während sie im unzerlegten Körper sicherlich gerade ebenso sich verhalten wie die im vorliegenden Bilde vollständig zu über- sehenden. Berücksichtigt man, dass dieses letztgenannte Verhältniss den bei weitem grössten Theil aller in einem Durchschnitte sichtbaren Fortsätze be- trifit, so braucht man nur noch für einige anzunehmen, dass ihr Verlauf theil- weise verdeckt ist oder wegen ihrer Zartheit undeutlich bleibt, um zu dem Er- gebniss zu kommen, dass, solange der bisher betrachtete embryonale Charakter des interstitiellen Bildungsgewebes besteht, die Zellen desselben durch ihre Fortsätze nach allen Seiten in Zusammenhang stehen, ein Netzwerk bilden, welches gleich ursprünglich durch die erste Ansammlung der Zwischenzellen- flüssigkeit angelegt wurde. Doch bleibt noch ein Punkt zu erörtern. Vergleicht man die ersten und die späteren-Zustände dieses Zellennetzes, so überzeugt man sich leicht, dass die Zahl der Fortsätze zugenommen hat, und dass im Zu- sammenhange mit ihnen zarte Fasernetze entstanden sind, welche man früher vermisste. Sollte man nun nicht annehmen, dass die Zellen neue freie Fort- sätze hervorgetrieben haben, welche zum Theil unter sich und mit den anderen verschmolzen? Ich halte diese Annahme für unwahrscheinlich, weil der Nach- weis solcher Erscheinungen an den Embryonalzellen vollständig fehlt. Ander- seits ist jene Annahme unnöthig, weil eine andere, vollkommen nachweisbare Erscheinung die vermisste Erklärung gibt. Sobald das Netzwerk des Bildungs- gewebes sich entwickelt hat, finde ich in demselben keine einzige runde, fortsatzlose Zelle mehr; aber von dem Zeitpunkte an, wann die Aorta ent- standen ist, auf deren Bildung ich gleich zu sprechen komme, erscheint eine Anzahl beinahe kreisrunder Zellen in jenem Gewebe, wie sie nur noch im Herzen und den eben angelegten Gefässen, namentlich der weiten Aorta als Blutzellen vorkommen (Taf. XI Fig. 197, Taf. XII Fig. 211). Wenn man erst erkannt hat, dass diese Gefässe während längerer Zeit eine netzförmig durch- brochene Wand besitzen und anfangs in die Zwischenräume des Bildungs- gewebes offen auslaufen, so wird man über den Ursprung der in dem letzteren neu auftretenden runden Zellen nicht zweifelhaft sein: es sind die durch den Herzstoss aus der Aorta und den übrigen primitiven Gefässen hinausgetriebenen embryonalen Blutzellen oder Dotterbildungszellen, welche alsdann von der durch die wiederholten Stösse und die eigene Ansammlung beständig bewegten /wischenzellenflüssigkeit des Bildungsgewebes weiter geschwemmt werden. Diese durch ihre Gestalt von den ursprünglichen Zellen des Netzwerkes leicht GOETTE, Entwickelungsgeschichte, 32 498 VIII. Die Segmente des Rumpfes. unterscheidbaren, in ihrer Zusammensetzung aber mit denselben durchaus übereinstimmenden Dotterbildungszellen verbinden sich früher oder später mit einem ihnen anstossenden Zellenfortsatze oder Zellenkörper; die anfangs kurze Brücke wird allmählich lang und dünn ausgezogen, die daran befestigte, in der Flüssigkeit flottirende Dotterbildungszelle findet neue Befestigungspunkte, an denen bei der anhaltenden Ausdehnung des ganzen Gewebes wieder neue Fäden ausgezogen werden, und endlich ist sie von den übrigen Zellen des Netzwerkes nicht mehr zu unterscheiden und vollständig in dessen Bestand eingetreten, wodurch aber zugleich die Zahl der Fortsätze an den früheren Zellen vermehrt ist, und durch Verschmelzung sich kreuzender und zufällig berührender Ver- bindungsfäden bereits Fasernetze entstanden sein können. Die einzelnen Stufen einer solchen Umbildung habe ich übrigens in jeder Variirung häufig genug beobachtet, um jenes Bild des ganzen Vorganges zusammenstellen zu dürfen (vgl. Fig. 211). Da nun die Einwanderung der Dotterbildungszellen in das inter- stitielle Bildungsgewebe längere Zeit ununterbrochen andauert, so erklärt sich daraus ebenfalls dessen bedeutende Massenzunahme, welche aber den Cha- rakter des Gewebes zunächst nicht verändert, sondern, indem sie mit der An- sammlung der Interstitialflüssigkeit Hand in Hand geht, lediglich die Ausbil- dung des Zellennetzes und seine Ausbreitung in alle Zwischenräume der Em- bryonalanlagen bewirkt. Die wenigen Ausnahmen von dem vollständigen Zu- sammenhange aller Zellenausläufer unter einander kommen hier nicht in Betracht; dagegen entstehen später allerdings Neubildungen im interstitiellen Bildungsgewebe durch kompakte Ansammlungen der Dotterbildungszellen, welche an bestimmt begrenzten Stellen das Netzwerk vollständig ausfüllen und in sich aufnehmen. Diese Bildungen, nämlich die Anlagen gewisser Knorpel- theile und der Muskelsehnen, habe ich bereits beschrieben; die eigentliche Be- deutung des Zellennetzes wird dagegen aus der folgenden Entwickelungs- geschichte der übrigen Gewebe, und zwar zuerst des Blutgefässsystems, erhellen. Die ersten Blutgefässanlagen betreffen die Wurzeln und Stämme des arteriellen und venösen Gefässsystems, welche im Kopftheile ( Aortenbögen, Aortenwurzeln, A. carotis, A. basilaris, Vv. jugulares) oder doch unmittelbar an dessen hinterer Grenze (A. vertebralis, Ductus Cuvieri, Endstücke der Vv. jugulares, V. cardinalis) entstehen (Taf. XIII). Da die topographische An- ordnung und Ausbildung aller dieser Gefässe erst später behandelt werden soll, so stelle ich hier nur die Hauptarterienstämme als Muster für alle übrigen hin. 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 499 — Die Aorta entspringt in der Schlundwand mit den sogenannten Aortenbögen, welche zu den Aortenwurzeln und durch diese zur eigentlichen Aorta zusam- menfliessen; in dieser selben Ordnung erfolgt auch ihre Entstehung (Taf. XIII— XVII, Taf. XX Fig. 365). Im interstitiellen Bildungsgewebe der Kiemenbögen zeigen sich im Anfange der zweiten Larvenperiode längliche Lücken, welche sich von den übrigen ganz unregelmässigen Lücken desselben (rewebes bloss dadurch auszeichnen, dass sie mit etwas weiterer Lichtung der Axe jener Bögen folgen (Taf. XIII Fig. 234). Denn ohne besondere Wan- dungen zu besitzen, werden sie lediglich von dem lockeren Bildungsgewebe umschlossen, welches aber durch die angesammelte Interstitialflüssigkeit aus- einandergedrängt im unmittelbaren Umfange der kanalförmigen Lücken in einer nahezu eylindrischen Fläche angeordnet wird, indem die Zellen dieser zunächst noch vollständig netzförmigen Grenzschicht entsprechend abgeplattet werden. Durch diese Abplattung wird das Netzgefüge jener Grenzschicht oder eben der primitiven Gefässwand engmaschiger und dichter als in dem übrigen Bildungsgewebe, sodass dieselbe dadurch auf Durchschnittsbildern in gewissem Grade von der Umgebung abgesondert erschemt (vgl. Taf. XI Fig. 197). Diese Zusammensetzung der primitiven Gefässwand habe ‘ich aber nicht an den Aortenbögen, sondern erst an der Aorta selbst entdeckt, deren Untersuchung wegen des grösseren Umfangs leichter ist (Taf. XII Fig. 210). Natürlich lässt sich dieses Ergebniss nicht aus Querdurchschnitten der Gefässe gewinnen, auf denen die Wand aus fest aneinandergefügten Spindelzellen zu bestehen scheimt, sondern nur aus Flächenansichten, wie sie sich an einzelnen glücklichen Längs- (durehschnitten darstellen. Am Schnittrande erkennt man alsdann leicht die starke Abplattung der Zellen. — Diese schlauchförmigen Gewebslücken ent- stehen ferner nicht mit gleichmässig verlaufender Lichtung; diese verengt sich vielmehr an einzelnen Stellen so sehr, dass die Entstehung dieser Gefässanlagen aus mehreren erst nachträglich zusammenfliessenden Abschnitten wahrschein- lich wird (Taf. XIII Fig. 254). Endlich lässt sich an verschiedenen Durch- schnitten konstatiren, dass, indem die Aortenbögen "unter den äusseren Seg- menten des Hinterkopfs zu den Aortenwurzeln und diese zum Anfange der Aorta zusammenfliessen, die jeweiligen Enden dieser Gefässanlagen ganz un- merklich in das übrige Bildungsgewebe auslaufen. Bis zum Zusammentreffen der beiden Aortenwurzeln, wenn die Artt. carotis, basilaris, vertebralis gleich- falls schon angelegt sind, habe ich eine Verbindung der Aortenbögen mit dem Herzen vermisst; und selbst gleich nachdem diese Verbindung zu Stande ge- 32* 500 VIII. Die Segmente des Rumpfes. kommen, finde ich in der Interstitialflüssigkeit jener Getässanlagen und des Herzens selbst keine Spur von Blutzellen, welche zur selben Zeit erst in ganz spärlichen Anlagen an der Oberfläche der Dotterzellenmasse sich zu bilden an- fangen (Taf. XIII, XIV). Dasselbe gilt von den Venenstämmen, welche mit Ausnahme der Dottervenen noch später als die Arterienstämme sich mit dem Herzen verbinden. Ich sehe aber auch gar keine Möglichkeit, wie die freien runden Blutzellen in den Gefässanlagen selbst, also aus den platten, netzförmig verbundenen Zellen ihrer Wandung entstehen sollten, und kann alle meine Be- obachtungen gar nicht anders deuten, als dass die Blutzellen bloss in der Dotterzellenmasse entstehen, von dort durch die Dotternerven erst in das Herz und von diesem Sammelraume aus in alleübrigen Gefässe gelangen (vgl. w.u. und Abschnitt X, XD). Die bezeichneten primitiven Gefässe entwickeln sich also nicht nur unabhängig vom Herzen, sondern auch ohne jede Beziehung zum wirklichen Blute als schlauchförmige Erweiterungen von Interstitien des Bildungsgewebes, deren Inhalt, ein Theil der allgemeinen Interstitialflüssigkeit, vor der Einfüh- rung von Blutzellen vom Herzen her nur ein embryonales Blutserum vorstellt. Diese schlauchförmigen Erweiterungen können aber nicht durch ein aktives Auseinanderweichen des Zellennetzes entstanden gedacht werden; denn abge- sehen von der schon mehrfach erörterten unvollkommenen Lebensthätigkeit der ‘mbryonalzellen ist jenes Auseinanderweichen mit einer entsprechenden Ab- plattung der betheiligten Zellen verbunden, welche bei dem deutlichen An- schwellen der Lichtung nur aus dem Drucke der eingeschlossenen und in Zu- nahme begriffenen Interstitialflüssigkeit sich erklären lässt. Ferner deutet aber noch ein Umstand auf lediglich ausserhalb des Bildungsgewebes ge- legene Ursachen dieser ganzen Gefässbildung, nämlich die Gesetzmässigkeit in dem Verlaufe und den Verbindungen der genannten Gefässanlagen. Da der allgemeine Formbestand und damit das Formgesetz des interstitiellen Bildungs- gewebes im ganzen verloren gehen, so können seine gesetzmässigen, morpholo- gischen Bildungen nur aus dem Einflusse der sie umgebenden Theile erklärt und daher bloss als sekundär-morphologische im bekannten Sinne aufgefasst werden. An den Aortenbögen, welche in der Axe der in den einzelnen Kiemen- bögen eingeschlossenen Stränge von Bildungsgewebe (Seitenplatte) verlaufen, springt dies sofort in die Augen, und ihr Zusammenfliessen zu den Aorten- wurzeln ist ebenfalls durch die bereits in der Anlage gegebene Biegung ihrer oberen Enden nach innen und hinten vorgezeichnet. Wenn also jene vom Herzen und vom Blute unabhängigen Gefässanlagen bloss durch ihre Kon- 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 501 tinuität und ihren gesetzmässigen Verlauf ausgezeichnete Lücken des inter- stitiellen Bildungsgewebes sind, deren zunehmende Erweiterung erst die Anlage der Gefässwand hervorruft, so lassen sich ihre Bildungsursachen so bezeichnen, dass die von verschiedenen Seiten her aus dem Darmraum in das interstitielle Bildungsgewebe übertretende Flüssigkeit in gewissen mässig weiten Zwischen- räumen der geformten Embryonalanlagen günstige Bedingungen zur Ansamm- lung, zugleich aber bestimmte Schranken und Verlaufsbahnen dieser Ansamm- lung durch jene Anlagen vorgezeichnet findet. Dann erklärt es sich auch, warum solche Gefässanlagen nicht mitten in den weiten und rasch wachsenden Itegionen des interstitiellen Bildungsgewebes, wie z. B. den Membranaereunientes, sich entwickeln, wo die sich ansammelnde Flüssigkeit gleichmässig nach allen Seiten sich ausbreiten kann; und warum sie anderseits zuerst im Kopfe auf- treten, dessen zur Gefässbildung geeignete Zwischenräume früher gebildet sind als im Rumpfe, wo zur selben Zeit der Retroperitonealraum, welchen die Aorta später durchzieht, eigentlich noch nicht vorhanden ist. — Diese Ergebnisse der Bildungsgeschichte der ersten Gefässe dürfen, soweit es sich bloss um den Auf- bau der primitiven Gefässe und nicht um die Gesetze des Kreislaufs handelt (vgl. Abschnitt X), auch auf die Fortsetzungen jener ersten Gefässe ausgedehnt werden, welche nach der Verbindung der Aortenbögen mit dem Herzen, also nach dem Eintritt des Blutes in die für dasselbe vorbereiteten Bahnen sich ent- wickeln. Zunächst erscheint diese Verbindung gar nicht als ein besonderer, von den bisher betrachteten Vorgängen wesentlich unterschiedener Akt. Das Herz kann nämlich nach seiner Entwickelung insofern mit einem Gefässe ver- slichen werden, als es ebenfalls einen erweiterten, mit der allgemeinen Inter- stitialflüssigkeit angefüllten Zwischenraum, allerdings nicht im Bildungsgewebe, sondern unmittelbar zwischen morphologischen Embryonalanlagen darstellt (Taf. VII Fig. 133, Taf. XILI Fig. 225. 226. 234). Ferner liegt diese Herz- lücke an der Bauchseite der Schlundhöhle und ist von den unteren Enden der Aortenbögen nur durch eine spaltförmige Verengerung der Interstitien getrennt, sodass eine zunehmende Erweiterung der letzteren diebeiderlei Bluträume in der- selben Weise verbindet, wie die anfangs mehr oder weniger getrennten Abschnitte der Aortenbögen und -wurzeln zusammenfliessen, Jene Verbindung erfolgt nun zu der Zeit, wann die Aortenwurzeln ihrer medianen Vereinigung an der hin- teren Kopfgrenze sehr nahe gekommen sind oder dieselbe eben ausgeführt haben, sodass die sie fortsetzende und in dem Masse als der Retroperitonealraum entsteht, nach hinten fortschreitende Aortabildung bereits während der offenen 502 VIII. Die Segmente des Rumpfes. Verbindung mit dem Herzschlauche vor sich geht (Taf. XIIL XIV). Es wäre aber voreilig daraus zu schliessen, dass von dem Zeitpunkte jener Verbindung an die nächsten Fortsetzungen der schon ‚angelegten Gefässe bloss durch den drängenden und sie im Bildungsgewebe gleichsam ausgrabenden Blutstrom er- zeugt würden. Bei dem durchgängig netzförmigen Gefüge der primitiven Ge- fässwände dringt das durch den Herzstoss vorgetriebene Blut an allen Stellen der von ihm erfüllten Gefässe in die benachbarten Theile ein, und daher nach bekannten Gesetzen an den jeweiligen Gefässenden, also dort, wo die Gefäss- bildung eben fortschreitet, gerade mit der geringsten Kraft. Aber auch der Einwand, dass es dabei auf die Stärke des andrängenden Blutstromes nicht an- komme, sondern darauf, welchen Widerstand er ausserhalb des Gefässes finde, und dass folglich die Gefässbildung in der Richtung des relativ geringsten der- artigen Widerstandes erfolge, ist nicht stichhaltig. Allerdings findet das all- seitig austretende Blut in den umgebenden Theilen einen Widerstand, welcher zudem, wie ich annehmen muss, sehr gross ist, da ein allgemeiner Umlauf der Interstitialflüssigkeit noch nicht besteht, und sie daher im Bildungsgewebe nur in dem Masse Blut aufnehmen kann, als der ganze Raum in Folge der morpho- logischen Umbildungen wächst. Dies geschiehtaber ganzallmählich, und desshalb verlässt auch das Blut die durchbrochenen Gefässe nur ganz unmerklich. Jener Widerstand ist auch unzweifelhaft verschieden, geringer in der reichlichen In- terstitialflüssigkeit des Bildungsgewebes als in den kompakten Embryonal- anlagen, sodass die sich neubildenden primitiven Gefässe ganz natürlich nur in dem ersteren erscheinen. Trotzdem bliebe die Erklärung, dass die fort- schreitende Gefässbildung der Richtung folge, in welcher der vordringende Blutstrom dem geringsten Widerstande ausserhalb der Gefässe begegne, man- gelhaft. Denn die Beobachtung lehrt, dass die in Rede stehenden Gefässe in die weitesten Regionen des interstitiellen Bildungsgewebes, in welche sich das Blut am reichlichsten ergiesst, sich gerade nicht fortsetzen, sondern ebenso wie vor der Verbindung der Aortenbögen mit dem Herzen den kompakten Em- bryonalanlagen folgen, wo dieselben dem Bildungsgewebe mässig weite, be- stimmt begrenzte Bahnen vorzeichnen. So sehen wir z. B., dass am oberen Ende des ersten Aortenbogens, wo der Blutstrom doch die grösste Kraft besitzt, weder unmittelbar noch durch die Wurzel der A. carotis, welche zwischen dem 1. äusseren Segmente und dem Darmblatte entstand, Gefässstämme in den nach innen anstossenden weiten Raum des Bildungsgewebes (2. inneres Segment) ab- zweigen, obwohl der starke Blutaustritt gerade an dieser Stelle aus den über- 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 503 wiegend vielen freien Dotterbildungszellen direkt bewiesen werden kann (Taf. XIV Fig. 258. 259, Taf. XV Fig. 271.272). Dasselbe wiederholt sich etwas später an der Membrana reuniens superior (Taf. XV Fig. 279 —281). Indem wir aber durch diese Beobachtungen an die allererste, unter Ausschluss eines Blutstromes erfolgende Gefässbildung erinnert werden, finden wir in der An- nahme derselben Bildungsursachen auch für die spätere Fortsetzung jener Bildung die gewünschte Erklärung. Das Vordringen des Blutstroms und die Gefässbildung fallen eben nicht ohne weiteres zusammen. Wo das Blut in weite Räume des lockeren Bildungsgewebes austritt, verbreitet es sich ähnlich der sich ansammelnden Interstitialflüssigkeit bei der Bildung jenes Gewebes gleichmässig nach allen Seiten und wird.dabei gleichsam in ein formloses Zwi- schengewebe aufgelöst, dessen flüssige Grundmasse die allgemeine Ernährungs- flüssigkeit fortdauernd ergänzt und vermehrt, und dessen zellige Bestandtheile als allgemeines plastisches Bildungsmaterial sich zunächst dem Bildungsgewebe selbst, dann aber allen übrigen Geweben und Organen anpasst. Nur dort da- gegen, wo der Blutstrom in die beschränkteren Bahnen des Bildungsgewebes einlenkt, wird er durch die benachbarten festeren Theile so zusammengehalten, dass seine Bewegung gleich der Ansammlung der Interstitialflüssigkeit bei den ersten selbstständigen Gefässanlagen nur in bestimmter Richtung wirken, also (das entgegenstehende Netzwerk des Bildungsgewebes allmählich zuröhrenförmi- gen Bahnen auseinanderdrängen kann. Die aus dem Darmraume in die Em- bryonalanlagen übertretende Interstitiaflüssigkeit und das durch den Herzstoss vorgetriebene Blut, welches ja im Grunde dieselbe, nur mit Blutzellen vermengte Flüssigkeit ist, rufen also die Bildung der primitiven Gefässe mit den gleichen Mitteln und unter gleichen Bedingungen hervor; und da für die mechanische Auffassung dieses Vorgangs jener Unterschied der Kraftträger nach Zusammen- setzung und Ursprung gleichgiltig ist, so darf der übereinstimmende Kausal- zusammenhang als das einzige wesentliche Moment betrachtet werden. Aus einer solchen Entwickelungsgeschichte der primitiven Gefässe ergibt sich, dass unter ihren Bildungsursachen nicht der bewegenden Kraft, sondern den in der morphologischen Entwickelung gegebenen Formbedingungen die erste Stelle eingeräumt werden muss; denn jene wirkt gleicherweise auch in der formlosen Ausbreitung des Bildungsgewebes und des austretenden Blutes, wird aber erst durch jene besonderen Bedingungen zur gesetzmässigen Leistung der Gefäss- bildung gezwungen. — Eine andere und höhere Bedeutung gewinnt die Bildungs- thätigkeit des Blutstromes, sobald wir nicht nur den Aufbau der primitiven 504 VIII. Die Segmente des Rumpfes. Gefässe, sondern ihren Zusammenhang, die kontimuirliche Leitung des kreisen- den Blutes ins Auge fassen. Morphologisch bleiben jene Gefässe gesetzmässig ausgebildete und angeordnete Lücken des interstitiellen Bildungsgewebes; da- durch aber, dass ihre ersten in unmittelbarer Nähe des Herzens befindlichen Anlagen sich sehr frühzeitig mit demselben verbinden, wird die aktive Bildungs- ursache in die schon bestehenden Gefässe verlegt und wirkt von dort aus succes- siv in bestimmten Richtungen fortschreitend, sodass einerseits das arterielle, anderseits das venöse Gefässsystem, deren Trennung erst später erörtert werden soll (vgl. Abschnitt X), von den Wurzeln aus in zusammenhängenden Verzweigungen auswachsen. Es fragt sich nur, wie weit eine solche Eutwicke- Jung fortgeht. Aus der bisherigen Darstellung erhellt, dass die primitiven Gefässe als sekundär-morphologische Theile nur unter bestimmten Bedingungen entstehen, welche durchaus nicht an allen Stellen des ganzen Körpers gegeben sind; im folgenden werde ich eine zweite Art von Gefässbildung beschreiben, welche die von der ersteren zurückgelassenen Lücken ausfüllt, daher unter ganz veränderten Bedingungen die nicht bestimmt vorgeschriebenen Blutbahnen her- stellt. Wenn es nun auch unmöglich ist, die einzelnen Grenzen beider Gebiete durch direkte embryologische Beobachtungen zu bestimmen, so glaube ich doch mit Rücksicht auf jene doppelte Bildungsweise ohne wesentliche Fehler zur ersten Gruppe der primären oder Hauptgefässe alle im allgemeinen regelmässig verlaufenden Arterien und Venen, zu den sekundären Gefässen dagegen die unbeständigen und unregelmässigen Fortsetzungen der ersteren mit Einschluss aller Haargefässe zählen zu dürfen. Von dieser Eintheilungkann man die Dottergefässe ausschliessen, insofern ihre Entstehung mit der Blutbil- dung zusammenhängt; und auch die Gefüsse der Leber und der Urnieren ent- stehen aus einer gewissen Modifikation desersten Typus (vgl. Abschnitt X, XD. — Bevor ich jedoch zur sekundären Gefässbildung übergehe, will ich noch über den Bau der Wand der Hauptgefässe emige Worte hinzufügen. Als der die primitiven Gefässräume unmittelbar begrenzende Theil des interstitiellen Bildungsgewebes ist die ursprüngliche Gefässwand ein von innen her abge- . plattetes und geebnetes Zellennetz, welches aber nach aussen seine Verbindun- dungen mit dem übrigen Bildungsgewebe behält und dadurch gerade die un- unterbrochene Fortsetzung der Gefässbildung ermöglicht. Ich bemerkte eben- falls, dass offenbar in Folge der Abplattung und Verbreiterung der nicht ent- sprechend auseinanderrückenden Zellen ihre Verbindungsbrücken kürzer und breiter, die von ihnen umschlossenen Maschen enger würden (Fig. 210). Die 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 505 Umbildung dieses Netzwerks zu einer zusammenhängenden Haut habe ich im einzelnen nicht verfolgen können. Wenn man aber die nachweisbar noch fort- dauernde Verdünnung der primitiven Gefässwand und den ganz ähnlichen Entwickelungsgang der äusseren Chordascheide berücksichtigt, so darf man _ annehmen, dass die spätere Haut als eine Fortsetzung des anfangs beobachteten Vorgangs entsteht, indem mit der Abplattung der Zellen die Verengerung ihrer /wischenräume Schritt hält und zuletzt eine vollständige Verschmelzung der ersteren zu einer nicht mehr zelligen Membran herbeiführt (vgl. Taf. XII Fig. 212a). Eine solche Membran, welche ähnlich der noch nicht differen- zivten äusseren Chordascheide aus einer kontinuirlichen homogenen Grund- substanz mit den eingestreuten Kernen besteht, halte ich für die Anlage der epithelialen Innenhaut der Arterien und Venen, weil sie nach der Entwickelung der sich anschliessenden Haargefässe unmittelbar in deren Wand übergeht. Alsdann würden die Epithelzellen nachträglich um die freien Kerne entstehen, alle übrigen Theile der Gefässwand aber aus dem interstitiellen Bildungsgewebe, der Anlage der meisten Bindesubstanzen, von aussen angelagert werden, wobei natürlich zunächst an die freien Dotterbildungszellen und deren spätere Ana- loga gedacht werden muss. Ich habe es oben zu erklären versucht, warum die Hauptgefässe nur in bestimmten Linien sich entwickeln, und alle übrigen Räume daher auf eine andere Weise mit Gefässen versehen werden müssen. Solche Räume: sind über- all dort zu finden, wo das Bildungsgewebe nicht in regelmässige Grenzen von bestimmter Ausdehnung eingeschlossen ist, also zunächst in den Membranae reunientes und an fortlaufenden Flächen (Oberfläche des Centralnervensystems, der Bauchmuskeln), später gerade in den engsten Spalten innerhalb der Organe, sobald das Bildungsgewebe so weit vorgedrungen ist, oder in der nächsten Um- gebung der schon bestehenden Hauptgefässe. Da allen diesen Räumen be- stimmt angeordnete Widerstände gegen die sich ansammelnde Interstitial- flüssigkeit gerade fehlen, so können die sekundären Gefässe auch nicht aus den Interstitien, d.h. als Intercellularräume entstehen ; und die bisherige Darstellung lenkt daher die Aufmerksamkeit ganz naturgemäss auf das Zellennetz des Bildungsgewebes selbst. — Etwa in der Mitte der zweiten Larvenperiode be- ginnt an einzelnen Stellen desselben, welche aber mit den schon bestehenden (refässen gewöhnlich in keinem unmittelbaren Zusammenhange stehen, eine Umbildung der Zellensubstanz, welche an die Vakuolenbildung in den ursprüng- lichen Chordazellen erinnert und im wesentlichen in einer verstärkten Auf- 506 VIII. Die Segmente des Rumpfes. saugung der Interstitialllüssigkeit in das Innere der Zellen beruht (Taf. XII Fig. 211. 212). In den eigentlichen Zellenkörpern wird erst die feste Dotter- substanz aufgelöst und dann verflüssigt, was man an der Lichtbrechung der an ihre Stelle tretenden Substanz erkennt. In den dünnen Verbindungsfäden und ihren konischen Ursprungsstellen, wo die Dotterplättchen bereits fehlen, scheint aus diesem Grunde die Aufsaugung der Flüssigkeit beschleunigt zu sein; (denn diese Theile schwellen rasch bis zu einem ansehnlichen Durchmesser an und sind schon mit klarer Flüssigkeit gefüllt, während die Dottersubstanz der Zellenkörper noch in der Auflösung begriffen ist. Zugleich bemerke ich aber in dieser Flüssigkeit zerstreute Dotterplättchen, welche unmittelbar vorher in den Verbindungsfäden fehlten und daher nur aus den anstossenden Zellen- körpern hineingeschwemmt sein können; woraus zu schliessen ist, dass die Flüssigkeit jener röhrenförmigen Verbindungsstücke die feste Substanz der an- stossenden Zellenkörper unterwühlt und deren Zerfall beschleunigt. Und wenn man ferner berücksichtigt, wie die letzteren sich in ihrer Gestalt den sie ver- bindenden kurzen Röhrchen anpassen, so wird man den Einfluss solcher im wesentlichen bereits fertigen Abschnitte den Gefässanlagen auf die ihnen an- geschlossenen, noch in der Umbildung begriffenen nicht verkennen (vgl. Fig. 211). Es ist klar, dass die Entwickelung dieser mit Flüssigkeit gefüllten Röhren die gleichzeitige Bildung einer sie umschliessenden Membran voraus- setzt, da die Embryonalzellen eine solche nicht besitzen. Eine derartige Ver- diehtung der peripherischen Schichten scheint überhaupt eine nothwendige jegleiterscheinung oder Folge der Verflüssigung eines Zelleninnern zu sein, und wenn ich dabei wiederum an die sich umbildenden Chordazellen erinnere, so lässt sich gleich noch eine Aehnlichkeit der sekundären Gefässanlagen mit den- selben hervorheben. In beiden Fällen werden die Kerne in die Auflösung der übrigen Zellensubstanz nicht einbezogen, sondern an die Peripherie gedrängt, abgeplattet und in die sich gerade bildende Membran aufgenommen. An den (refässanlagen ist übrigens die Vermehrung ihrer Kerne durch Theilung leicht nachweisbar, indem man oft in einem Zellenkörper zwei und mehr Kerne dicht zusammengedrängt, und anderseits einen Theil derselben bis in die ursprüng- lichen Fortsätze vorgerückt findet. Es spricht sich darin sehr deutlich die Auf- lösung des Bestandes der einzelnen Zellen aus, indem nicht nur ihre mit einan- der verschmolzenen Leiber in kontinuirliche Röhren verwandelt werden, sondern ihre in die Röhrenwand verdrängten Kerne sich in derselben ohne Rücksicht auf die ehemaligen Grenzen der zugehörigen Zellen verbreiten: die Einzeltheile > 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 507 der letzteren werden eben aus der individuellen Anordnung in eine Massenord- nung übergeführt. — Alle diese Umbildungen des Zellennetzes des Bildungs- gewebes lassen sich an geeigneten Stellen, z. B. an der Oberhaut des Central- nervensystems (Pia mater), nebeneinander und in kontinuirlichem Uebergange beobachten. Die betreffende Abbildung Fig. 212 zeigt uns ferner diejenige seltenere Form der sekundären Gefässbildung, wo das gesammte Zellennetz des zu Grunde liegenden Bildungsgewebes in der angegebenen Weise kanalisirt wird (vgl. Taf. XI Fig. 209). Dienatürliche Folge davon ist, dass die neugebildeten (refässe gleichfalls ein Netzwerk darstellen, welches in Folge der Anschwellung der ursprünglichen Zellenfortsätze ziemlich engmaschig ist und sich frühzeitig mit dem nächsten Hauptgefässe, im angezogenen Falle der A. basilaris, ver- bindet. Denn es erhellt, dass, wenn alle Zellenfortsätze einer bestimmten Re- gion des Bildungsgewebes zur Gefässbildung herangezogen werden, dies auch diejenigen trifft, welche mit den Wandzellen der benachbarten Hauptgefässe zusammenhängen. Bei der Eröffnung des sekundären Gefässnetzes in das Hauptgefäss fliessen aber zuerst nur die beiderlei Fluida zusammen, weil die Lichtung der sekundären Gefässröhren anfangs noch zu eng ist, um den Ein- tritt der Blutzellen zu gestatten (Fig. 212). Da jedoch die beiderseitigen Flüs- sigkeiten gleicherweise aus (der Interstitialflüssigkeit abstammen, so verhalten sich die sekundären Gefässe zum eindringenden Blutstrom ebenso wie die aller- ersten Gefässe: der in beiderlei isolirten Anlagen befindliche flüssige Inhalt ist mit vollem Recht auch vor der Beimischung von Blutzellen ein embryonales Blutserum zu nennen, sodass der Blutstrom ebenso wenig einen völlig neuen Inhalt in die vorgebildeten Bahnen einführt, als er dieselben erst ausgräbt. Denn wenn auch die vom Hauptgefäss entspringenden Zellenfortsätze in man- chen Fällen früher ausgehöhlt werden als die davon entfernteren, so scheint mir doch, nachdem ich die unzweifelhaft isolirten Gefässanlagen beobachtet habe, die Annahme natürlicher, dass der Blutstrom die auf endosmotischem Wege bereits kanalisirten Fortsätze bloss erweitere, als dass sein Stoss gerade diejenigen Stellen der von ihm bespülten Gefässwand, welche Fortsätzen zum Ursprung dienen, durchbohre und darauf die letzteren aushöhle. — Diese Be- merkungen über die Verbindung mit den Hauptgefässen beziehen sich auf alle sekundären Gefässe; nicht alle entstehen jedoch wie die erwähnten unter Be- nutzung des gesammten zur Stelle befindlichen Bildungsgewebes. Gerade in den weiteren Regionen desselben, z. B. in der Membrana reuniens superior des Rückens, wo die vollständig isolirten Gefässanlagen so überaus deutlich zu 508 VIII. Die Segmente des Rumptfes. sehen sind, umfassen sie nur gewisse verzweigte Linien in dem ganzen Zellen- netze, bei deren unregelmässiger Gestalt es ganz unmöglich ist, die lokalen Ursachen der getroffenen Auswahl zu entdecken (Fig. 211). Im einzelnen geht (dort die Entwickelung durchaus in der beschriebenen Weise vor sich, und es bliebe nur die Erscheinung zu erörtern, dass solche Gefässanlagen trotz ihrer unregelmässigen Form und Ausdehnung endlich doch zu einem geschlossenen Röhrensystem und mit den Hauptgefässen zusammenfliessen. Ohne die mehr- fach betonte allseitige Kontinuität des interstitiellen Bildungsgewebes wäre ein solcher Fortgang der Entwickelung nicht recht verständlich, wenn man nicht zu unbegründeten Hypothesen seine Zuflucht nehmen will; durch die Erkenntniss jener besonderen Erscheinungsform des Bildungsgewebes ist zunächst die Mög- lichkeit sichergestellt, dass die sekundären Gefässanlagen nach allen Seiten Fortsetzungen erhalten und folglich Verbindungen sei es unter sich, sei es mit Hauptgefässen eingehen. In der Ausführung dessen vermag ich aber ein be- stimmtes allgemeines Formgesetz nicht zu erkennen; ebenso wie die Ausbildung der ersten, auf gewisse Linien beschränkten und isolirten sekundären Gefäss- anlagen von der zufälligen Anordnung der dazu geeignetsten Stellen des Bil- dungsgewebes abhängt, müssen auch die späteren Verbindungen ihrer unregel- mässigen Verzweigungen gewissermassen dem Zufall unterliegen, wobei jedochh gewisse günstige und sie daher bestimmende Bedingungen nicht zu verkennen sind. Wenn sekundäre Gefässanlagen einander oder primären Gefässen so nahe kommen, dass nur eine relativ kurze Zellenbrücke zwischen ihnen übrig bleibt, so wird sie wie ich glaube unter dem Einflusse der von zwei Seiten sich ihr anschliessenden, mit Serum gefüllten Hohlräume leichter ausgehöhlt werden als andere in indifferentes Bildungsgewebe übergehende Fortsätze derselben Anlagen; gerade so wie in den ersten sekundären Gefässanlagen die Aushöh- lung der zwischen die bereits röhrenförmigen Abschnitte eingeschalteten, noch undurchgängigen Theile (Zellenkörper) unter dem Einflusse der ersteren be- ‘schleunigt wird. Mit anderen Worten, die Verbindung zweier benachbarter Enden von sekundären Gefässanlagen oder einer solchen und eines benach- barten Hauptgefässes auf dem nächsten Wege des mit ihnen zusammenhängen- den Bildungsgewebes ist im allgemeinen wahrscheinlicher als ihre Fortsetzung in getrennten Bahnen. Und diese günstigen Bedingungen für die Her- stellung eines geschlossenen Gefässnetzes steigern sich noch, sobald der Blut- strom in das sekundäre Gefässsystem eingedrungen ist und ähnlich wie bei den Hauptgefässen die Kanalisirung der mit den fertigen Gefässen zusammenhän- 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 509 genden Theile des Bildungsgewebes unterstützt und anregt. Auf diese Weise verbreitet sich das sekundäre Gefässsystem als kontinuirliche Fortsetzung des primären schon zu Ende der ersten Larvenperiode durch alle Körpertheile, so- dass für isolirte, d. h. mit fertigen Gefässen nicht unmittelbar verbundene sekundäre Gefässanlagen eigentlich kein Raum mehr vorhanden ist, und die quellenden, zur Gefässbildung sich vorbereitenden Zellenstränge oder einzelnen Fäden des Bildungsgewebes nur im Anschlusse an die fertigen Gefässe und vor- zugsweise, wenn nicht ausschliesslich von den Stellen aus kanalisirt werden, wo sie mit jenen zusammenhängen und die Verflüssigung ihres Innern vom Blutstrome her begünstigt und beschleunigt wird. Im diesen vorgerückten Perioden, wann die Dotterplättchen bereits aus dem ganzen Bildungsgewebe verschwunden sind, erscheinen die Bilder, an denen man bisher allein die Ent- wickelung der Gefässe studirte und welche man, wie ich behaupten muss, falsch deutete, weil die nothwendige Kenntniss von der vörausgegangenen Entwicke- lung und überhaupt von dern Bestande des interstitiellen Bildungsgewebes, so- wie von der Abstammung aller Gefässe aus demselben fehlte. Auch ich sehe an den Gefässen des Larvenschwanzes, dieses bevorzugten Objekts histiogence- tischer Untersuchungen, feinere und gröbere Fortsätze entspringen, welche theils mit noch indifterenten Zellen des Bildungsgewebes und so indirekt unter- einander zusammenhängen, theils unmittelbar fertige Gefässe verbinden, oder endlich scheinbar frei enden (Taf. XII Fig. 213). Die Kanalisirung der ersteren habe ich an lebenden Larven verfolgt, und gefunden, dass sie durchaus über- einstimmend mit der oben gegebenen Darstellung verläuft. Erst schwellen die Fortsätze vor ihrer Aushöhlung etwas an, ferner erfolgt die letztere zuerst an den dazu geeignetsten Ursprungsstellen der Fortsätze, um dann in den dazu vorbereiteten Bahnen fortzuschreiten. Dass dabei ein Zusammenfluss der be- nachbarten Röhrenenden vermittelst der nächsten Verbindungsbahn des Bil- dungsgewebes stattfindet, bedarf nach dem oben Gesagten keiner weiteren Er- läuterung.* Noch einfacher liegen die Verhältnisse bei den direkten, meist fadenförmigen Verbindungen zweier Blutgefässe, welche Fäden bei der Ausdeh- * In der Fig. 213 sind diese Verbindungen der fertigen Blutgefässe mit den Zellen- und Fasernetzen des Bildungsgewebes nur an zwei Stellen (h, h) in geringer Entwickelung, viel charakteristischer dagegen an den Lymphgefässen zu sehen (m, m, 0, 0), welche sich im wesentlichen ganz so wie die Blutgefässe entwickeln. 510 VIII. Die Segmente des Rumpfes. nung der ganzen wachsenden Gewebsmassen gewöhnlich in geraden Linien an- gespannt erscheinen (Fig. 213 i, t). Wie steht es nun aber mit den scheinbar frei auslaufenden Grefässfortsätzen , aus denen schliesslich fortlaufende Gefäss- schlingen entstehen? Dass sie aus der glatten Gefässwand hervorwüchsen (Ge- fässsprossen), behauptet doch wohl niemand thatsächlich gesehen zu haben; ich darf sie daher mit Recht für die ursprünglichen Fortsätze derjenigen Zellen erklären, welche die zugehörigen Gefässe in der einen oder der andern Weise bildeten. Wenn man sich ferner davon überzeugt hat, welche Mühe es kostet, an möglich dünnsten Präparaten der (rewebe eben des Larvenschwanzes die feinsten Fasernetze des Bildungsgewebes zu verfolgen (vgl. Fig. 220), wird man nicht behaupten können, dass alle am unversehrten Schwanze der lebenden Larve, also unter sehr viel ungünstigeren Beobachtungsbedingungen gesehenen, scheinbar freien Gefässfortsätze wirklich solche sind, Und wenn endlich ein solcher Fortsatz nach der herrschenden Ansicht während seiner Umbildung mit seinem freien Ende bogenförmig und genau auf dasjenige des benachbarten Fortsatzes stossen soll, um eine Gefässschlinge zu bilden, so kann ich mich zu der Annahme eines solchen unerklärlichen, aus offenbar unvollkommener Be- obachtung erschlossenen Vorgangs um so weniger entschliessen, ‘als sich die ganze Erscheinung natürlich und mit den günstiger beobachteten analogen Fällen vollkommen übereinstimmend erklärt, sobald man annimmt, dass die ursprünglichen feinen Verbindungen der Fortsätze bei der Ungunst der Be- obachtungsbedingungen sich der Erkenntniss entzogen. Das allmähliche Hervor- wachsen der angeblich frei auslaufenden Gefässfortsätze wäre demnach als die von ihrer Wurzel aus fortschreitende Anschwellung der am lebenden Thiere unsichtbaren Fäden aufzufassen, deren schon vorher bestehender Zusammen- hang die Bildung der Gefässschlingen vorzeichnet, indem, wie ich auseinander- setzte, die nächsten Verbindungen zweier Gefüssröhren leichter kanalisirt werden als ihre ins indifferente Zellennetz übergehenden Fortsetzungen. — Da die spätere Ausbreitung des sekundären Blutgefässnetzes von dem durch die Dotterbildungszellen unterhaltenen Wachsthume des interstitiellen Bildungs- gewebes abhängig ist, so bedarf es kaum der Erwähnung, dass die Faser- und Zellennetze des letzteren nur in Bezug auf die einzelne in ihnen stattfindende Gefässentwickelung als vorgebildet betrachtet werden müssen, im übrigen aber sich zu jeder Zeit neubilden können. Denn nachdem Gouupew die Umbildung (ler aus fertigen Kapillargefässen austretenden Blutzellen in die sogenannten Sternzellen, d. h. die Elemente des Bildungsgewebes, in späteren Entwickelungs- 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 511 perioden direkt beobachtet hat, ist es höchst wahrscheinlich, dass dieser Ver- lauf der beständigen Ergänzung des allgemeinen Bildungsgewebes, welcher schon vor der Existenz von Kapillargefässen durch die Vermittelung der primi- tiven Hauptgefässe in ganz ähnlicher Weise bestand, sich mit gewissen Abän- derungen bis in das spätere Leben des ausgebildeten Thieres erhält. Diese Abänderungen bestehen einmal darin, dass die sekundären Gefässe nicht netz- örmig durchbrochen sind, der unzweifelhafte Austritt der Blutzellen aus ihnen daher unter anderen, noch nicht genügend erkannten Bedingungen erfolgt; und da die Wände der Hauptgefässe und eines Theiles der sekundären Gefässe sich allmählich verdichten und verdicken, so wird der Blutaustritt endlich gerade auf die aus den letzteren hervorgehenden Kapillaren beschränkt. Ferner sind die später austretenden Blutzellen nicht mehr die indifferenten, dotterhaltigen Ge- bilde wie in der ersten Larvenperiode, sondern vollständige und wirkliche „Ele- mentarorganismen“ (vgl. Abschnitt X, XI), deren selbstständige Bewegungen und Formveränderungen ihre Anpassung an die verschiedensten Gewebe, namentlich aber die Einfügung in das Zellennetz des interstitiellen Bildungs- sewebes wesentlich unterstützen. Immerhin bleibt es sehr bemerkenswerth, dass die doppelte Thätigkeit des Blutes, nämlich der allgemeinen Ernährung durch die beständige Erneuerung und Ergänzung jeder Interstitialflüssigkeit und der plastischen Bildung durch die auswandernden Bildungszellen (Wander- zellen), schon zu derselben Zeit wie die histiologische Entwickelung des Embryo überhaupt ihren Anfang nimmt. Ein Vergleich der primären und sekundären Gefässbildung weist zunächst einen bedeutsamen Unterschied beider nach ihrem Ursprunge auf; die erstere verwandelt röhrenförmige Intercellulargänge des Bildungsgewebes, die andere ebensolche Intracellulargänge in Blutgefässe, wobei dort nur die schon be- stehende Interstitialflüssigkeit als erstes Blutserum eingeschlossen, hier dasselbe erstdurch Vermischung der aufgesogenen Flüssigkeit mit dem aufgelösten Zellen- innern hergestellt wird. Die Ursachen dieser Verschiedenheit habe ich weiter oben zu erläutern versucht; der schliessliche Erfolg der Bildung ist aber in beiden Fällen derselbe. Denn einmal ist der letztgenannte Unterschied ein ganz unwesentlicher, da es sich bei der Bildung des Blutserums doch nur um die stoffliche Zusammensetzung handelt, welche dieselbe bleibt, ob nun die Dotterlösung innerhalb der Zellen diluirt oder in Folge der endosmotischen Vorgänge bei der allmählichen Umbildung der Zellen ausserhalb derselben der Interstitialflüssigkeit beigemischt wird. Was aber den Formwerth des Gewebes 512 VII. Die Segmente des Rumpfes. der einfachen Gefässwände (Innenhaut und Kapillarwand) betrifft, so muss ich ihn auf Grund derselben Erwägung, welche mich bei der Beurtheilung der verschieden angelegten Muskelfasern leitete, bei primären und sekundären Ge- füssen für ganz gleich erklären. In beiden Fällen wird der Formbestand der die Gefässwand bildenden Embryonalzellen, wie aus meiner Darstellung genug- sam erhellt, vollständig aufgelöst und dadurch ihre individuelle Formentwicke- lung unterbrochen, sodass der Formwerth der Elemente einer fertigen Gefäss- wand nicht mehr genetisch, sondern nur nach dem gerade vorliegenden ana- tomisch-physiologischen Befunde beurtheilt werden darf. Nun besteht aber die Wand der primären wie der sekundären Gefässe in der früheren Larvenzeit gleicherweise aus einer homogenen Membran mit eingestreuten, sich stetig ver- mehrenden Kernen; wo sie später in den Arterien und Venen zur Innenhaut wird, zerfällt die Grundsubstanz in zellenähnliche Bezirke, welche sich um je einen Kern bilden, und in den Kapillaren, deren Wand durch keinen äusseren Ueberzug verstärkt wird, lässt sich jene sekundäre Zellenbildung wenigstens künstlich veranschaulichen, sodass, wenn man in den bekannten Silberfiguren auch nicht den Ausdruck eines vollkommenen Zellengefüges sehen mag, die- selben doch im allgememen die Grenzen der von den einzelnen Kernen be- herrschten Gebiete der Grundsubstanz darstellen dürften, in dem Sinne wie VırcHow die von ganzen Zellen abhängigen „Zellenterritorien“ auffasste. Man kann also sagen, dass die Zellenbildung in den Wänden der Haargefässe bloss weniger weit fortgeschritten ist als in der Innenhaut der Arterien und Venen, was aber die wesentliche Uebereinstimmung beider Membranen nicht beein- trächtigt. Ganz besonders wird dies dadurch bestätigt, dass in jenen sekun- dären Gefässen, welche sich in Arterien und Venen verwandeln, dieselbe Mem- bran zur epithelialen Innenhaut wird, welche in der unmittelbaren kapillären Fortsetzung keine vollkommenen Zellen entwickelt; dass also zwischen beiden Zuständen kontinuirliche Uebergänge in derselben Grundlage bestehen. Wenn daher die Bedeutung der intra- und intercellulären Abschnitte des Blutgefäss- systems auf die allerersten Entwickelungsstufen desselben beschränkt bleibt, so bringt uns dies wieder einen Schritt näher zur Auffassung, dass ganz allge- mein der Formwerth der Gewebselemente von ihrer Genese unabhängig ist. In der voranstehenden Entwickelungsgeschichte der Blutgefässe habe ich dargestellt, wie sie anfangs in selbstständigen Anlagen, dann im Anschlusse an die schon bestehenden Gefässe und unter dem Einflusse des sie durch- strömenden Blutes im Bildungsgewebe entstehen und durch die kontinuirlichen 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 513 Netzbahnen desselben sich allmählich immer weiter ausbreiten. Aber schon während der ersten Ausbildung dieses Gefässnetzes haben sich andere davon unberührte Theile des interstitiellen Bildungsgewebes in anderer Weise umzu- bilden begonnen, sodass sie dadurch die Fähigkeit zur Gefässbildung verlieren. Ueberall wo diese Theile des Bildungsgewebes mit den fertigen oder in Ent- wickelung begriffenen Gefässen zusammenhängen, lösen sich die Verbindungs- fäden entweder in Folge der heterogenen Differenzirung von den Gefässen all- mählich ab, oder wenn dies trotz der divergenten Entwickelung nicht geschieht, so büssen sie doch die innige Gewebskontinuität mit der primitiven Gefässwand ein und werden zu bloss angelagerten Gewebstheilen, welche die Anfügung neuer Bildungselemente an jene Gefässwand unterstützen oder deren späteren Zusammenhang mit anderen Geweben, insbesondere den Nerven vermitteln mögen. Auf diese Weise wird das Blutgefässnetz aus dem kontinuirlichen Ge- füge des interstitiellen Bildungsgewebes als besonderes Gewebssystem heraus- gelöst, ohne jedoch allen Zusammenhang mit den übrigen Geweben einzubüssen und unbeschadet der Fähigkeit, bei der ununterbrochenen Ausbreitung und Ergänzung des Bildungsgewebes den eigenen Bestand fortdauernd auszudehnen. — Während dieser Herauslösung des Blutgefässsystems entwickelt sich das Lymphgefässsystem, welches KöLLiker im Schwanze der Froschlarven entdeckte und dessen Verzweigungen ich an dem gleichen Objekte untersuchte. Ihre erste Entstehung im Bildungsgewebe konnte ich nicht mit Sicherheit er- mitteln; da sie aber auf einer vorgeschrittenen Entwickelungsstufe nur durch den Mangel eines Blutstroms, durch kleinere Lichtung und grössere Zartheit, nicht aber in ihrer äusseren Gestalt und dem Bau ihrer Wand sich vor den sekundären Blutgefässanlagen auszeichnen, und da sie ferner alsdann noch mit unvollkommen ausgehöhlten oder selbst soliden Zellen- und Fasernetzen zu- sammenhängen und in solche auslaufen, so schliesse ich daraus, dass die Lymph- gefässe sich in ähnlicher Weise bilden, wie die sekundären Blutgefässe (Taf. XII Fig. 215). Aus diesem Grunde will ich mich bei ihrer Histiogenese nicht aufhalten und nur noch die Verbindung dieser Gefässanlagen zu einem beson- deren kontinuirlichen Röhrensystem der Betrachtung unterziehen. Entwickelte sich das ganze Lymphgefässsystem bloss aus dem Zusammenflusse jener feinen netzförmigen Anlagen und gar zur selben Zeit mit den isolirten sekundären Blutgefässanlagen, so wüsste ich keinen haltbaren Grund anzugeben, warum die beiderlei gleichartigen Anlagen in dem ihnen gemeinsam zu Grunde liegen- den kontinuirlichen Netzwerke des Bildungsgewebes sich nicht vielfach mitein- GOETTE, Entwickelungsgeschichte, 33 514 VII. Die Segmente des Rumpfes. ander verbinden sollten. Das Lymphgefässsystem hat aber auch eine morpho- logische Anlage, welche jedoch als Theil des Darmblattes (Schwanzdarm) erst später beschrieben werden soll (vgl. Abschnitt X). Dieser unter der Wirbelsaite hinziehende Zellenstrang, an welchen sich das umgebende Bildungsgewebe schon bei seiner ersten Entstehung befestigt, verwandelt sich in den subverte- bralen Lymphgefässstamm, nachdem das sekundäre Blutgefässnetz bereits an- gelegt ist; und erst darauf erscheinen die in zarte Zellennetze auslaufenden Verzweigungen jenes Stammes (Taf. XILI Fig. 244. 245, Taf. XXI Fig. 372. 377). Es folgt daraus, dass das aus dem Bildungsgewebe hervorgehende Lymph- gefässsystem erst im Anschlusse an den bereits hergestellten Gefässstamm entsteht und zwar zu einer Zeit, wann auch die weitere Ausbildung des Blut- gefässsystems sich lediglich auf eine wachsende Verzweigung und Verbindung schon bestehender Blutbahnen beschränkt. Die beiden Gefässsysteme breiten sich also, von einem bestimmten Zeitpunkte an, von genetisch gesonderten Stammbahnen in dasselbe Bildungsgewebe aus, jedoch mit einem bemerkens- werthen Unterschiede in den wirkenden Bildungsursachen. Sobald der Lymph- gefässstamm vollendet ist, mündet er auch schon an der Schwanzwurzel in die Venen, sodass der Abfluss seines Inhalts die Aufsaugung der Interstitialflüssig- keit in die mit ihm unmittelbar verbundenen Theile des Bildungsgewebes und dadurch deren Umbildung zu Verzweigungen des Lymphgefässstammes hervor- ruft. Da nun jener Abfluss fortdauert, eine andere Zufuhr als aus der Inter- stitialflüssigkeit sich aber nicht entwickelt, so wird die Aufsaugung der letzteren zur bleibenden Funktion des Lymphgefässsystems. Das Blutgefässsystem, welches ganz in derselben Weise durch stärkere Ansammlung oder Aufsaugung jener Flüssigkeit in die zu bildenden Röhren angelest wurde, hat diesen Bildungsgang zur Zeit der Lymphgefässentwickelung bereits verändert und ge- wissermassen umgekehrt, indem das in die ersten Gefässe einströmende Blut unter dem Drucke des Herzstosses nur nach aussen diffundiren kann, d. h. so- wohl in die freie Interstitialflüssigkeit als auch in die sich an die Gefässwand unmittelbar anschliessenden Zellenstränge, welche dadurch eben von den fertigen (efässen aus kanalisirt werden und dann deren Thätigkeit erben. Diese formale Verschiedenheit der endosmotischen Grundbedingungen beider Gefäss- bildungen, welche allerdings den allgemeinen Charakter der betreffenden Histio- genese nicht berührt und dieselbe bei Lymph- und sekundären Blutgefässen gleich verlaufen lässt, scheint mir dagegen die Verbindung beider verschiedenen Stromgebiete im Bildungsgewebe zu verhindern; denn wo eine Lymph- und 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 515 eine Blutgefässanlage auf den Zellenbahnen des Bildungsgewebes einander nahe kommen, werden ihre verschieden gerichteten Diffusionsströme leichter ein jeder für sich im den anstossenden indifferenten Theilen des Gewebes Anpas- sungen hervorrufen, als sich einander anpassen, ist also eine getrennte Fort- setzung beider Anlagen viel wahrscheinlicher als ihr Zusammenfluss. Diese Trennung beider. Gefässsysteme und ihre entgegengesetzten Funktionen stehen aber auch in innigem ursächlichen Zusammenhange. Denn sowie bekanntlich die Diffusion des Blutes aus den geschlossenen Blutbahnen nur so lange möglich ist, als einerseits die allgemeine Interstitialflüssigkeit durch den ununterbroche- nen Abfluss in die Lymphgefässe und anderseits das Blut selbst durch die Zu- fuhr desselben Lymphstromes in den erforderlichen Spannungsverhältnissen erhalten werden, so beruht auch die Fortentwickelung beider Gefässsysteme auf denselben Grundsätzen. Vor der Entwickelung des peripherischen Lymph- sefässsystems ist nämlich der Uebertritt des Blutes in die Gewebszwischenräume abhängig von der andauernden Ausdehnung derselben einerseits und der be- ständigen Zufuhr von der Dotterzellenmasse (Blutzellen) und dem flüssigen Darminhalte anderseits. Sobald diese Zufuhr bei der fortschreitenden Umbil- dung des Darmkanals versiegt und von der periodisch unterbrochenen Aufsau- gung der aufgenommenen Nahrung ersetzt wird, würden die Spannungen des geschlossenen Blutkreislaufs und der allgemeinen Interstitialflüssigkeit während der Pausen sofort ausgeglichen und mithin die Diffusion des Blutes sistirt werden, wenn nicht die Entwickelung des Lymphgefässsystems jene Ausglei- chung verhinderte und gleichsam einen beständigen Kollateralkreislauf von den Blutkapillaren durch die Gewebe in die Lymphgefässe und darauf die Venen hersteilte. Der regelmässige Verlauf dieses vom Blute ausgehenden Stromes ist aber gerade die Ursache, dass stets die ihm nächsten Zellennetze des Bildungsgewebes im Zusammenhange kanalisirt werden und das Blutgefäss- system auf diese Weise kontinuirlich auswächst, während andernfalls seine Zunahme vom zufälligen Anschluss getrennter und blind endigender Röhren- netze abhängig und eine ebenso zufällige Verbindung mit dem Lymphgefäss- system nicht ausgeschlossen wäre. Anderseits ist die Ausbreitung des letzteren unmittelbar abhängig von einer entsprechenden Entwickelung der Blutbahnen, indem diese die Menge der aufzunehmenden Lymphe, also auch den Abfluss derselben bestimmen, welcher, wie ich oben ausführte, als die Ursache der Bildung von neuen Lymphgefässen angesehen werden kann. — Ausser den eben besprochenen Lymphgefässen, die ich gleich meinen Vorgängern nur im 83* 516 VII. Die Segmente des Rumpfes. Larvenschwanze, einen Theil der Rückenflosse mit embegriffen, verfolgt habe, gibt es noch andere Lymphbahnen, auf welche ich erst weiter unten beim Bindegewebe zu sprechen komme. Die selbstständig angelegten Nervenstämme kommen, indem sie in das Bildungsgewebe hineinwachsen, alsbald mit Theilen desselben m Berührung und verbinden sich darauf mit ihnen. Da ich niemals isolirte Anlagen von Nervenverzweigungen im Bildungsgewebe antraf, welche sich nicht hätten bis zu den Nervenstämmen verfolgen lassen, so muss ich annehmen, dass die eigenthümliche histiologische Sonderung dieser Stämme durch ihre Fortsetzung in die angeschlossenen Zellenbahnen des Bildungsgewebes die letzteren erst dem Nervensystem anpasst. Auf diese Weise schreitet die feinere Nervenver- zweigung allerdings centrifugal fort, aber nicht von den eigentlichen Nerven- centren, sondern bloss von den ursprünglich angelegten Nervenstämmen aus, und nicht durch ein Auswachsen derselben, sondern durch eine Anpassung von sich ihnen anfügenden neuen Theilen. Dies sind natürlich nur solche Abschnitte des interstitiellen Zellennetzes, welche nicht schon in irgend einer anderen tichtung sich zu differenziren begonnen haben; und auf diesen Bahnen geht die Nervenbildurg so weit fort, bis sie die zur Schlussbildung der Nervenenden geeigneten Stellen in Muskeln, Epithel- und Drüsenzellen u. s. w. erreicht hat. Innerhalb des Bildungsgewebes ist es auch leicht nachzuweisen, dass die einzel- nen ursprünglichen Zellenfortsätze desselben zu ganzen Nervenbündeln werden, und gerade im Schwanze jüngerer Larven offenbaren sich die Knotenpunkte des feinen, meist geradlinigen Nervennetzes auf das deutlichste als die regel- mässigsten Sternzellen, deren Verbindungen durch die Ausdehnung des ganzen Netzes sehr lang ausgezogen wurden (Taf. XII Fig. 213). Aber auch für stärkere Nervenzweige lässt sich die ursprüngliche Zusammensetzung eines längeren Abschnittes aus wenigen Zellen, deren Fortsätze theils sich zu einem Stämmchen verbinden, theils zu selbstständigen Verzweigungen divergiren, mit aller Sicherheit feststellen, wenn die betreffende Stelle, wie z. B. am Ende des Ikamus nasalis vom N. trigeminus, an verschiedenen Larven leicht aufgefunden und bestimmt werden kann (Fig. 219). Für die ausserordentlich reichen netz- förmigen Endverzweigungen der Schwanznerven oder mit anderen Worten, für ihre Zusammensetzung aus stark verästelten Sternzellen verweise ich bloss auf Fig. 220. Die dritte Gewebsform, welche aus dem interstitiellen Bildungsgewebe her- vorgeht, umfasst eine Gruppe von äusserlich verschiedenen Bildungen , welche - - 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 517 aber wegen ihrer gleichartigen Funktionen und der mannigfachen Uebergänge in einander sehr nahe verwandt erscheinen und desshalb miteinem gemeinsamen Namen als „Bindesubstanz“ bezeichnet werden. Vergegenwärtigt man sich, dass dieselbe nicht nur als Bindemittel der physiologisch höheren Gewebe, sondern auch in Form von Scheiden, Stützen und Unterlagen für dieselben er- scheint, so wird man finden, dass die Bindesubstanz dem ursprünglichen Charakter des interstitiellen Bildungsgewebes insofern am meisten getreu bleibt, als sie beide eine allgemeine, indifferentere Grundmasse darstellen, in welcher die anderen Körpertheile eingebettet liegen. — Eine ganze Reihe dieser Zwi- schengewebe, nämlich die verschiedenen Skeletbildungen, habe ich im vorigen Abschnitte bereits eingehend beschrieben und fasse deshalb hier nur die wich- tigsten Momente ihrer Entwickelung zusammen. Die früheste Skeletbildung ist der Knorpel. Seine Grundlage im Bildungszewebe stellt sich je nach den Anpassungsbedingungen in zweierlei Form dar. Wo sie in ausgedehnter dünner Schicht erscheint, wie in der röhrenförmigen äusseren Chordascheide oder in der im Knorpelrahmen der vorderen Schädelbasis ausgespannten Membran, da wiederholt sie den Entwickelungsgang der Wand der Hauptgefässe , indem das Zellennetz des Bildungsgewebes durch die andauernde Abplattung und Ausdehnung der Zellen in einer fortlaufenden Fläche zu einer kontinuirlichen, nichtzelligen und bloss kernhaltigen Haut verschmilzt. Wo dagegen die Grund- lage des Knorpels, wie z. B. in den Wirbelbogenanlagen, gleich im Anfange massig erscheint, entsteht sie durch eine Ausfüllung des ursprünglichen Zellen- netzes mit den rundlichen Dotterbildungszellen, worauf das ganze Zellenkon- glomorat ebenfalls zu einer kontinuirlichen, mit freien Kernen durchsetzten Masse verschmilzt. Ob während dieser Verschmelzung der sich berührenden peripherischen Zellentheile, wodurch der individuelle Bestand der Embryonal- zellen jedenfalls aufgelöst wird, diecentralen, den Kern umschliessenden Zellen- theile sich von jenen ersteren oder der künftigen Zwischenzellensubstanz sofort absondern und dadurch zu sekundären Zellen werden (hintere Schädelbasis), oder ob diese sekundäre Zellenbildung erst nach einer gewissen Dauer des nicht- zelligen Zustandes der Masse eintritt (Wirbel, Hyposternum), scheint von äusse- ren Umständen abzuhängen und begründet jedenfalls keinen durchgreifenden Unterschied. Denn auch im ersten Falle dürfen weder die Knorpelkapseln mit der übrigen Zwischenzellensubstanz als ein Produkt der zurückbleibenden Zellen, noch die letzteren als die fortdauernden Embryonalzellen aufgefasst werden, indem beide Theile zu gleicher Zeit und aus derselben Grundlage, 518 VIII. Die Segmente des Rumpfes. nämlich den einzelnen Embryonalzellen, gleichsam als Spaltungsprodukte der- selben sich entwickeln. Das Knorpelgewebe hat also zur unmittelbaren Grund- lage ganz allgemein eine bloss aus untergegangenen Embryonal- und Dotter- bildungszellen zusammengesetzte nicht zellige Masse, in welcher sich darauf um die freien Kerne neue Zellenleiber absondern und der Rest der aus den Lei- bern der primären Zellen hervorgegangenen Grundsubstanz alsZwischenzellen- masse zurückbleibt. — Gerade dasselbe lässt sich von dem Knochengewebe aussagen, welches sich ohne dieZwischenstufe eines Knorpels bildet, und dessen bleibende Formelemente (Knochenkörperchen) ebenso wie beim Knorpel ent- weder schon während der Verschmelzung der Bildungszellen (Knochenkruste der oberen Schulterblatthälfte) oder erst einige Zeit darnach um die freien Kerne der nichtzelligen Grundlage entstehen, wie in der äusseren Chordascheide der Salamandrinen. Die äussere Chordascheide zeigt ausserdem die Verwandt- schaft der Bindesubstanzen sehr anschaulich, indem dort Knorpel, Faserknochen und Bindegewebe kontinuirlich in einander übergehen; ich erinnere bloss an die Intervertebralknorpel und vertebralen Knochenröhren der Salamandrinen und an den Zusammenhang des Knorpels mit seinem Perichondrium und den Zwischenwirbelbändern (S. 362. 357). Den sogenannten echten, erst in rück- gebildetem Knorpel sich entwickelnden Knochen übergehe ich hier, da er als epigonale Gewebsform auch mit seiner Bildungsgeschichte mehr in die reine Histiologie als in eine allgemeine Entwickelungsgeschichte gehört. Die wichtigste Form der Bindesubstanz ist jedenfalls das eigentliche Bindegewebe, welches nicht nur für sich allein alle Funktionen der Binde- substanz ausüben und daher die Skeletbildungen ersetzen kann, sondern auch neben diesen durch die Ausfüllung aller Zwischenräume in und zwischen den Organen und übrigen Geweben die weiteste Verbreitung im Körper und die mannigfaltigste Anordnung erfährt. Dabei zeigt das Bindegewebe in seiner Entwickelung ähnliche Verschiedenheiten, wie sie bei den Skeletbildungen er- wähnt wurden, indem es bald unmittelbar aus dem Zellennetze des Bildungs- gewebes hervorgeht, bald in massigen Ansammlungen der Bildungszellen seine Grundlage findet. In der ersten Form findet sich die Anlage des Bindegewebes in allen Zwischenräumen, welche weit genug sind, um die Ausbildung eines netzförmigen Zusammenhangs der Bildungszellen zu gestatten. An den durch die verschiedenen Embryonalanlagen gebildeten Wänden dieser Zwischenräume plattet sich das Zellennetz gerade so ab, wieich esvon der Anlage der äusseren Uhordascheide beschrieb, und bildet einfache und mehrfache Schichten, deren o Das interstitielle Bildungsgewebe. 519 Netzgefüge durch die Abplattung und Ausdehnung der Zellen und die daraus folgende Verengerung der von ihnen umschlossenen Maschen immer dichter wird, sodass schliessheh der Eindruck eines Netzes ganz verloren geht, und man nur von einer durchlöcherten Membran reden kann (Taf. XXI Fig. 306). Dabei vertheilen sich die sich stark vermehrenden Kerne unregelmässig durch die ganze aus den verbundenen Zellenleibern bestehende Membran, sodass die Abgrenzung und damit der individuelle Formbestand der früheren Zellen voll- ständig aufgehoben wird. Solche mit Kernen durchsetzte, stärker oder spär- licher durchlöcherte Membranen habe ich dort, wo das Bildungsgewebe sich einem spaltartigen Raume anzupassen hat, oft in mehrfacher Schichtung ange- troffen, so z. B. zwischen der Schädelbasis und dem Epithel der Mundhöhlen- decke, ferner zwischen den Basen der Rippenfortsätze, wo die horizontale binde- gewebige Scheidewand zwischen der oberen und der unteren Stammuskelmasse anfängt (S. 458). Da mir gerade an dieser letzteren Stelle der Nachweis ge- lang, dass die Zahl und die Grösse der Löcher, welche meist eine regelmässige Rundung zeigen, gegen das Ende der Larvenzeit ganz merklich abnehmen „so glaube ich, dass jene feste Scheidewand im allgemeinen ebenso entsteht wie etwa die äussere Chordascheide oder die Innenhaut der Hauptgefässe, mit dem geringen Unterschied, dass in die erstere wenigstens zwei von den dünnen Zellen- schichten eingehen, welche von Anfang an mehrfach miteinander zusammen- hängen, und dass ein Theil der Löcher bestehen bleiben kann. Ein Durch- schnittsbild solchen geschichteten Bindegewebes lässt mit Ausnahme der kurzen Verbindungen, welche alsdann allein eine Flächenansicht darbieten, die eigent- lichen Platten wegen ihrer ausserordentlich geringen Dicke als lange dünne Fortsätze der eingelagerten Kerne erscheinen, welche, ebenfalls abgeplattet, in jenen Durehschnitten spindelförmig aussehen (Taf. AXI Fig. 568). Ich mache auf dieses Bild aufmerksam, weil eine Verwechselung solcher Durchschnitte mit lang ausgezogenen Zellen, welche als die Grundlage des fibrillären Bindegewebes angesehen werden könnten, leicht eintreten kann. — Die Entwickelung einfacher Bindegewebsmembranen habe ich am Umfange der Nerven und der primitiven Gefässwände verfolgt. Dass diese Anlagen der Nervenscheiden und fibrösen Ge- fässhäute anfangs netzförmig die eigentlichen Nerven und primitiven Gefäss- vöhren umspinnen, tritt namentlich in jenen Strecken, wo sie pigmenthaltig sind, deutlich hervor (Taf. IX Fig. 172). Die anfangs sehr lockeren und weit- maschigen Netze verdichten sich allmählich, indem die amöboiden Bildungs- zellen, welche in der späteren Larvenzeit die Dotterbildungszellen vertreten, 520 VIII. Die Segmente des Rumpfes. selbstständig Fortsätze ausschicken und durch dieselben ihre allseitigen Ver- bindungen vermehren. Endlich fliesst das ganze Zellennetz zu einer kontinuir- lichen dünnen Membran zusammen, welche später wohl durch neue Anlagerun- gen sich verdickt (Taf. XL/ Fig. 221). Dieselben Entwickelungsvorgänge habe ich ferner an der Aussenfläche des Parietalblattes oder des parietalen Bauch- fellepithels und in den Rückenmarkshüllen beobachtet, an welchem letzteren Orte ganz besonders stark ausgezackte Zellen vorkommen, welche in Folge der Abplattung ausserordentlich gross erscheinen und so zart sind, dass sie sich nur schwer auffinden und in ihrem netzförmigen Zusammenhange darstellen lassen. Von allen diesen Schichten und Membranen ist übrigens zu bemerken, dass sie nicht immer und überall alle ihre ursprünglichen Lücken einbüssen und daher auch später, wenn nicht netzförmig, so doch durchlöchert er- scheinen können. Ihre weitere Umbildung ist sehr einfach; zu einer gewissen Zeit und zwar an einigen Stellen bedeutend früher als an anderen zeigt die Grundsubstanz erst eine leichte Streifung und dann einen deutlichen Zerfall in die bekannten Bindegewebsfibrillen (Taf. XXI Fig. 367). Die in der Richtung des Faserverlaufs etwas verlängerten Kerne liegen meist scheinbar frei zwischen den Fibrillen; bisweilen treten sie aber aus der Fibrillenmasse heraus und zei- gen dann zwei lange und dünne Fortsätze, welche an beiden Enden des Kerns konisch entspringen. Ob diese Gebilde als wirkliche Spindelzellen anzusprechen sind, will ich nicht entscheiden; jedenfalls sind sie keine Umbildungen der ursprünglichen Bildungszellen, welche lange vorher untergegangen waren, und könnten so entstanden sein, dass, soweit die Fibrillenbildung durch die Kerne gleichsam unterbrochen wird, die in dieser Richtung vor und hinter ihnen lie- genden Theile der protoplasmatischen Grundsubstanz sich ihnen in zellen- ähnlicher Form anschlossen. Es soll damit nicht behauptet sein, dass nicht auch neu eingewanderte Bildungszellen sich der Fibrillenmasse anschliessen und durch einfache Gestaltveränderung in ähnliche Zellen übergehen; nur muss ich auf Grund der mitgetheilten Beobachtungen behaupten, dass, solange im vollständig fertigen fibrillären Bindegewebe nicht eine grosse Anzahl von freien Kernen nachgewiesen ist, der allem Anschein nach überwiegende Theil der Zellen dieses Gewebes einer sekundären Bildung aus den Resten der unter- gegangenen primären Bildungszellen seine Entstehung verdankt. Die genannten Spindelzellen würden demnach zur Fibrillenmasse gerade dieselbe Stellung einnehmen, wie die sekundär gebildeten Knorpelzellen zu ihrer Intercellular- snbstanz. Bei diesem Anlass will ich noch eine Vermuthung aussprechen, 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 521 welche durch Analogien gut unterstützt wird. Wenn innerhalb des Binde- gewebes, z. B. an den Wänden der interstitiellen Lymphräume, später epithel- artige Auskleidungen gefunden werden, so sind meiner Ansicht nach nur zwei Vorstellungen über die Entwickelung jener Zellenschichten möglich: entweder fügten sich die allmählich sich ansammelnden Bildungszellen an der Wandtfläche unmittelbar zu einer kontinuirlichen Epithelschicht aneinander, oder sie bildeten längs der Wand ein flaches Netzwerk und daraus eine kontinuir- liche, kernhaltige Membran, in welcher das zellige Gefüge erst sekundär ent- stand. Für die erste Möglichkeit spricht weder irgend eine direkte Beobachtung noch eine Analogie; wenn ich dagegen die sekundäre Zellenbildung nicht nur in den übrigen Zellenhäuten (Innenhaut der Gefässe, Kapillarwände), sondern überhaupt in allen zellenhaltigen Bildungen (Knorpel, Faserknochen) nach- weisen konnte, welche in derselben Grundlage des interstitiellen Bildungsgewebes entstehen wie die fraglichen Zellenauskleidungen, so glaube ich diesen Ent- wickelungsgang auch für die letzteren als sehr wahrscheinlich bezeichnen zu dürfen. — Endlich mag hier noch eine Bemerkung über die Pigmentzellen des Bindegewebes ihren Platz finden. Dieselben sind in ihren bekannten, reich ver- ästelten Formen gerade bei den Batrachiern so weit verbreitet, dass ich dem Einwande begegnen muss, als seien die von mir unter den Grundlagen der eigentlichen Bindesubstanz aufgeführten Pigmentzellen mit Unrecht so gedeutet worden und vielmehr identisch mit jenen intakt bleibenden Pigmentzellen. Zur Unterstützung meiner Darstellung muss ich bemerken, dass die ersteren that- sächlich ebenso wie die ungefärbten Bindegewebsanlagen zu Membranen ver- schmelzen, an denen Zellen nicht mehr zu unterscheiden sind; da aber das Pigment ziemlich ausnahmslos die äussersten Enden der Zellen frei lässt, sodass beim Zusammenwachsen einer solchen Pigmentzellenschicht immer unregel- mässige pigmentfreie Lücken zurückbleiben, so können die auf diese Weise ge- trennten Pigmentflecke ebensolche Zellen vortäuschen. Untersucht man solche Schichten an etwas grösseren Larven, so findet man die scheinbaren Pigment- zellen häufig zerrissen und die Pigmentkörnchen so sehr durch die Zwischen- zellenräume zerstreut, dass diese ganz allmählich und ohne eine bestimmte (Grenze in die dunkleren, zellenförmigen Pigmentflecke übergehen. Auch ist es dann trotz vorsichtiger Behandlung nicht möglich, die Pigmentmasse nicht theilweise in die umgebende Flüssigkeit hinauszuschwemmen. Endlich findet man oft an Stelle des Kerns eine Lücke, in welcher keine Spur einer Kernmasse zu entdecken ist, während die darunter liegenden Theile völlig klar und unver- 522 VIII. Die Segmente des Rumpfes. deckt erscheinen. Bei einem solchen Befunde kann man an dem unverletzten Zustande der Pigmentzellen nicht festhalten; und man wird zunächst geneigt sein anzunehmen, dass man es mit einem vollständigen Auflösungsprocesse von Zellen zu thun habe. Eine solche Auflösung, schon an sich auffallend, wird erst recht zweifelhaft, wenn man die wenig veränderte Lage des Pigments, nament- lich in der Umgebung des Kerns berücksichtigt; denn das Auflösungsmittel, die _Interstitialtlüssigkeit, müsste mit der eigentlichen Zellsubstanz auch deren Pig- ınent gleichmässig in sich vertheilen. Nimmt man aber an, dass das Proto- plasma und die Kerne der miteinander netzförmig verbundenen oder membran- artig verschmolzenen Pigmentzellen sich in die Bindegewebstibrillen und Binde- gewebskörperchen verwandelt haben, welche man unter dem Pigmente liegen sieht, so erscheint es ganz erklärlich, dass auch die zwischen den Fibrillen frei gewordenen Pigmentkörner, wenn auch aufdie eine Seite der ungemein dünnen Fibrillenschicht hervorgedrängt, im allgemeimen ihre frühere Anordnung be- halten und dadurch noch längere Zeit die Anwesenheit von wirklichen Pigment- zellen vortäuschen. Diese Beobachtung offenbart es aber recht klar, wie der Formbestand der ursprünglichen Zellen völlig gelöst und nur ihremetamorpho- sirte Substanz in grössere, gleichartige Gewebsmassen übergegangen ist. Im Anschlusse an die einfachen Bindegewebsmembranen erwähne ich noch die von REmak und EBErtu beschriebene subepidermoidale Schicht, welche von ihnen als Anlage der Cutis gedeutet wird. Schon an Larven aus der Mitte der ersten Periode (vgl. Taf. XX Fig. 352—354) habe ich sie als völlig homo- gene, glasartige dünne Haut in grösseren Lappen am ganzen Körper isoliren können. Sie liegt zwischen der Oberhaut und einem ihr eng angepassten platten Zellennetze des Bildungsgewebes, dessen dotterhaltige Elemente noch voll- ständig den embryonalen Charakter zeigen. Es kann also jene feste Haut in keiner Weise auf umgebildete Zellen zurückgeführt und nur als kutikulare Ausscheidung sei es von der Epidermis oder von der Interstitialflüssigkeit auf- gefasst werden. In der zweiten Larvenperiode findet man sie von rechtwinkelig sich kreuzenden steifen Fasern durchzogen, an ihrer Innenseite aber statt des Zellennetzes nur noch die ausserordentlich zarten und grossen scheibenförmi- gen Kerne und zwischen ihnen diffuse protoplasmaähnliche Substanz, beides mit der Faserhaut innig verbunden. Zur Zeit der Metamorphose sehe ich an Stelle dieser Protoplasmaschicht ein sehr zartes Gewirr von gewundenen Fasern und kleineren Kernen, welche zum Theil in das straffere Gewebe der geraden Fasern eingelagert erscheinen, sodass sich beide Schichten nicht mehr sondern 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 523 lassen. Das letztgenannte Gewebe bildet alsdann noch immer eine vollständig kontinuirliche Haut, welche am Rande, längs dessen sie abgerissen wurde, nicht ausgefasert, sondern stufenförmig ausgezackt aussieht, sodass man die angeb- lichen steifen Fasern ebenso gut für Spalten erklären könnte. Desshalb halte ich diese Membran nicht für die eigentliche Anlage der Unterhaut, sondern nur für eine verdichtete Grenzschicht der Interstitialsubstanz, welche das Unter- hautbindegewebe gegen die Epidermis abschliesst. Hätten dagegen REmak und Egerte Recht — was ich nicht sicher entscheiden kann, da ich die bezüg- liche Untersuchung ebenso wenig wie sie über die Larvenmetamorphose hinaus fortsetzte —, dann wäre die Unterhaut nach Ursprung und Entwickelung von allen übrigen Bindesubstanzen so sehr verschieden, dass sie keinesfalls als Typus für die Entwickelung des fibrillären Bindegewebes hingestellt werden könnte. — Nach innen schliesst sich an die genannte Schicht lockeres, von Ge- fässen und Nerven durchzogenes Bindegewebe, über welches ich gleich ausführ- licher sprechen werde; doch traf ich darin stellenweise sehr klare Bilder von jenen oben beschriebenen durchlöcherten Bindegewebsmembranen. In diesem (ewebe liegt zu innerst das bekannte schwarze Pigmentzellennetz, dessen lange und schlanke Fortsätze meist gerade verlaufen und sich oft regelmässig unter rechten Winkeln kreuzen. Zwischen diesem Netze und dem äussersten unter- häutigen Bindegewebe findet man an mittelgrossen Larven breite schwarze Pigmentzellen auf allen Stufen der beschriebenen Auflösung; später schwinden sie nebst dem zerstreuten körnigen Pigment immer mehr und an ihre Stelle tritt ein ausserordentlich dichtes Netz von vielfach gezackten helleren aber doch sehr deutlich konturirten Zellen. Es sind die weissen, silberglänzenden Pigmentzellen, welche im durchfallenden Lichte bräunlich erscheinen. Da ich im selben Raume auch mit Höllensteinlösung keine andere epithelartige Zellen- lage nachweisen konnte, so ist es wahrscheinlich, dass das von Eserrn an der- selben Stelle ähnlich beschriebene Epithel mit jener weissen Pigmentschicht identisch ist. Ich habe die ganze Histiogenese des fibrillären Bindegewebes an der einen hautartigen Form desselben geschildert und kann nun die übrigen Formen kürzer behandeln. — So wie die Schichtung und Hautbildung offenbar aus einer Anpassung an entgegenstehende Flächen hervorgeht, so bedingen die weiten Zwischenräume zwischen den Organen die Entwickelung des kompak- teren oder lockeren, nach allen Seiten unter sich zusammenhängenden Binde- gewebes. Am frühesten beginut diese Entwickelung zwischen der Oberhaut 524 VII. Die Segmente des Rumpfes. und den tieferen Theilen des Kopfes. Dort steigert sich die Zunahme der Inter- stitialtlüssigkeit des Bildungsgewebes schon in der ersten Larvenperiode in dem Masse, dass die Oberhaut zu einem unförmlichen, von den tieferen Theilen weit abstehenden Sacke ausgedehnt wird, an welchem das frühere, die innere Kopf- bildung abspiegelnde Relief vollständig verloren geht (Taf. ILI Fig. 54, Taf. XX Fig. 355. 356, Taf. XVI, XVII). Diese das subepidermoidale Bildungs- gewebe betreffende Anschwellung verändert aber auch die Anordnung seines Netzwerks. Seine an die Oberhaut befestigten Maschen sind an mehreren Stellen erweitert und durch Zerreissen einzelner Netzstränge zu grösseren Räumen zusammengeflossen, in den zwischenliegenden Theilen dagegen zusam- mengeschoben (Taf. XXI Fig. 364). Ich glaube keinen Widerspruch zu er- fahren, wenn ich diese erste Umbildung des früher gleichmässigen Netzwerks durch den Druck der sich stellenweise stärker ansammelnden Flüssigkeit be- gründe. In der Folge verschmelzen aber die strangförmig zusammengeschobe- nen, meist senkrecht zur Oberhaut gerichteten Netztheile zu Balken und Scheidewänden, welche jedoch in feinere Bälkchen und Bänder gespalten er- scheinen (Fig. 365). Später verwandelt sich dieses Gerüst in der beschriebenen Weise in fibrilläres Bindegewebe, und indem zugleich die weiten Zwischenräume zu spaltartigen Lücken zusammenfallen, treten an die Stelle des weitmaschigen Gerüstes kompaktere Bindegewebsmassen, deren von Gefässen und Nerven durchzogene Bündel sich mannigfach kreuzen. Wie schon bemerkt, kommen unter diesen subepidermoidalen Bindegewebsanlagen, welche vorherrschend aus einem Balken- und Fachwerke bestehen, mitunter auch membranöse Bil- dungen vor, und es mögen selbst einige freigebliebene Zellenfortsätze unmittel- bar in Fibrillen sich verwandeln, obgleich ein Beweis dafür sich schwer führen liesse. Wo die Dichtigkeit dieses Gewebes gegen die Oberhaut zunimmt, be- ginnt eben die Unterhaut, welche ich vom übrigen Bindegewebe genetisch nicht trennen möchte. — In den spaltartigen das Bindegewebe durchziehenden Lücken sehe ich die Anlagen des Lymphgefässsystems des Rumpfes und der sogenann- ten Saftkanäle. Da die letzteren thatsächlich nichts anderes sind als die feinsten Bindegewebslücken, welche in unregelmässiger Gestalt und ohne besondere Wändungen vielfach miteinander zusammenhängen, und in denen die allge- ineine, vom Blute her stets erneuerte Ernährungstlüssigkeit alle Gewebe durch- strömt, um darauf von den Lymphgefässen wieder aufgesogen und abgeführt zu werden (vgl. Nr. 120 IX, das Lymphgefässsystem von F. v. RECKLINGHAUSEN), so steht nichts im Wege, sie für die letzten Reste der ursprünglichen Inter- 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 525 stitien des Bildungsgewebes zu erklären, welche etwa durch fortschreitende Zerklüftung des Bindegewebes an Ausbreitung und Verfeinerung gewannen. Weniger einfach erscheint die Sachlage bei den grösseren Lücken, welche ich für die Lymphgefässe anspreche; denn diese sind mit einer Zellenhaut ausge- kleidet und zudem in ihren feineren Theilen röhrig. Jene Auskleidung besorgen aber offenbar in der oben angegebenen Weise die freien Bildungszellen, welche jederzeit in den Interstitien des Bildungsgewebes angetroffen werden (vgl. Taf. XXI Fig. 364.368); und was die röhrenförmigen Intercellulargänge betrifft , so bestehen sie ja, ganz übereinstimmend mit meinen Voraussetzungen über die Bildung solcher Gänge, nur in engeren Räumen, während im lockeren sub- epidermoidalen Bindegewebe nur die grossen Lymphsäcke vorkommen. Mit einer solchen Vorstellung, dass das ganze Lymphgefässsystem des Rumpfes sammt den Saftkanälen und in beständigem Zusammenhange mit denselben aus dem intercellulären Lückensystem des Bildungsgewebes hervorgehe, stimmt der Umstand gut überein, dass im Rumpfe der Batrachierlarven solche Lymph- gefässe wie diejenigen des Schwanzes bisher nicht gefunden wurden. Wenn es aber höchst unwahrscheinlich ist, dass nur der Larvenschwanz ein Lymph- gefässsystem mit allen damit verbundenen Folgen besitzen sollte, so wird man schon dadurch zur Annahme geführt, dass, sowie die grossen Lymphräume ganz offenbar mit den grösseren Bindegewebslücken der Larve identisch 'sind, auch dieses ganze Lückensystem in der Larve als unvollkommenes Lymph- gefässsystem fungire. Wenn m manchen Organen dennoch intracelluläre Lymphgefässanlagen gleich denen des Schwanzes entstehen sollten, so fehlte ihnen ein Zusammenhang mit den einfachen Bindegewebslücken; denn den spitz auslaufenden Enden der kaudalen Lymphgefässe wird man entsprechende Oefinungen kaum zuschreiben wollen. Uebrigens will ich durch diese mehr hypothetische Darstellung der Lymphgefässentwickelung im Rumpfe der Ba- trachier nichts entschieden und nur weitere Untersuchungen angeregt haben. Nachdem ich die ersten Anlagen der Muskelsehnen als feste Massen, welche aus der Verschmelzung von Bildungszellen hervorgingen, bereits geschildert habe (S. 454), bedarf ihre weitere histiologische Umbildung keiner besonderen Beschreibung, da sie von derjenigen des gemeinen fibrillären Bindegewebes, so- weit ich sehe, in keinem wesentlichen Punkte abweicht (Taf. XI Fig. 204. 206). Ebenso will ich hier nur daran erinnern, dass der Glaskörper und die Hornhaut des Auges, deren bereits im Abschnitt VI Erwähnung geschah, ebenfalls Er- zeugnisse des interstitiellen Bildungsgewebes sind, welche zu den Binde- 526 VIII. Die Segmente des Rumpfes. substanzen gerechnet werden könnten. Dagegen ist es mindestens zweifelhaft, ob man ein Recht hat, die Reste des interstitiellen Bildungsgewebes im Larven- schwanze der Anuren, soweit sie nicht zur Anlage bestimmter Gewebstheile (Gefässe, Nerven, Sehnen) dienen, für eine Art von Bindegewebe anzusehen. Da die Atrophie eines solchen Schwanzes nicht durch einen abnormen pathologischen Prosess, sondern durch die ganze individuelle Entwickelung be- dingt ist, so muss man auch annehmen, dass ihre Ursachen nicht plötzlich ein- treten, sondern verhältnissmässig früh zu wirken anfangen. Daher ist es aber mehr als wahrscheinlich, dass schon in den beinahe zur vollen Grösse ausge- wachsenen Schwänzen der Zustand der Gewebe von demjenigen der persistiren- den Theile sich unterscheide, und zwar trotz des allgemeinen Wachsthums inindestens eine Verzögerung in der histiologischen Entwickelung, in manchen Theilen selbst die ersten Anfänge eines Rückschritts derselben anzeige. Dies letztere betrifft nun insbesondere jenes sogenannte „embryonale Bindegewebe“, die in der Zwischenzellensubstanz zerstreuten, zu keiner besonderen Bildung verwandten Sternzellen; denn im Vergleich mit analogen Theilen des Rumpfes ist der Stillstand in der Entwickelung jenes Gewebes ganz offenbar (vgl. Taf. XII Fig. 215). Unter solchen Umständen halte ich es für passender, statt darin eine besondere Form der Bindesubstanzen zu erblicken, es bloss als sich rückbildende Reste des ursprünglichen allgemeinen Bildungsgewebes auf- zufassen. Ich will die Entwickelungsgeschichte des interstitiellen Bildungsgewebes nicht abschliessen, ohne die Aufmerksamkeit noch einmal auf zwei Thatsachen zu lenken, welche allerdings schon erwähnt worden sind, aber bei ihrer Bedeu- tung für die allgemeine Histiogenese eine Wiederholung an dieser Stelle recht- fertigen. — Wenn ich in der voranstehenden Darstellung in dem Begriffe jenes Gewebes das ursprüngliche, aus den Embryonalanlagen hervorgegangene Netz- werk von den beständig einwandernden Dotterbildungszellen und den sie später vertretenden indifferenten Bildungszellen nirgends trennte, so kann ich auch den Bestand und die Thätigkeit des Bildungsgewebes zu keiner Zeit des individuellen Lebens für beendet erklären. Die dem Blute entstammenden und in den zurückgebliebenen Interstitien des früheren Bildungsgewebes (Saftkanäle) alle Organe und Gewebe durchwandernden Zellen halte ich für das indifferente plastische Ernährungs - und Bildungsmaterial auch des ausgebildeten Thieres, welches alle Ausfälle ergänzt und alle Neubildungen ausführt, und eben daher nach Ursprung und Bedeutung als eine Fortsetzung des embryonalen Bildungs- 3. Das interstitielle Bildungsgewebe. 527 gewebes erscheint. Bei einer solchen Auffassung wird man aber nicht geneigt sein, die wie immer geformten Bildungszellen zu den zelligen Elementen des Bindegewebes zu rechnen; denn dasselbe ist eben nicht, wie es so häufig ange- nommen wird, eine einfache Fortsetzung des ursprünglichen Bildungsgewebes, zu welchern die Dotterbildungszellen allerdings gehören, sondern ein specifisch differenzirter Theil desselben, zu welchem die späteren Bildungszellen in keiner näheren Beziehung stehen als zu allen übrigen Erzeugnissen des interstitiellen Bildungsgewebes. Der Bestand des letzteren ist eben ein flüssiger: von Anfang an werden Theile von ihm ausgefällt, neue ihm zugeführt; aber während die eigentliche Entwickelungszeit zu den vielen Neubildungen grösserer vorräthiger Massen bedurfte, welche uns als zusammenhängendes, besonderes Gewebe ins Auge fallen, erfüllt es im fertig eingerichteten Organismus seine Aufgabe in so bescheidener Gestalt, dass seine selbstständige Bedeutung sich leicht der Er- kenntniss entzieht. — Der zweite Punkt, auf den ich hier hinzuweisen habe, betrifit den Umstand, dass dem in diesem Abschnitte besprochenen Bildungs- gewebe ein nach seinem Ursprunge durchaus verschiedenes, aber in seiner Entwickelung und Wirksamkeit ebenso vollständig entsprechendes Bildungs- sewebe gegenübersteht. Ich meine die Zellen und Zellentheile, welche, soweit ich finden konnte, nur im Centralnervensystem und der Netzhaut des Auges von deren besonderen, dem oberen Keimblatte angehörigen Anlagen abfallen, um Gefässe und verschiedene Bindesubstanzen zu entwickeln. Ich erwähnte in dieser Beziehung bereits die stützenden und scheidenden Zwischensubstanzen des hückenmarks und Hirns (S. 277—230), woraus hervorging, dass sie ebenso wenig wie die übrigen Bindesubstanzen unmittelbar auf ganze umgebildete Em- bryonalzellen zurückgeführt werden können. Ich glaube aber auch die Gefäss- bildungen der Centralnervenorgane von den ursprünglichen Anlagen derselben ableiten zu können. Denn zu einer gewissen Zeit sehe ich Zellen aus der Anlage der grauen Masse in die weisse Fasermasse einwandern, sich dort strecken und verzweigen und dann Verbindungen mit den Gefässen der weichen Hirnhaut anspinnen (Taf. X Fig. 181). Allerdings erkennt man diese Gefässanlagen nicht in ihrer primitiven Gestalt; denn die dichtgelagerten Nervenfasern ver- decken die Zellenumrisse so sehr, dass man un den Kern herum eben nur einen halbverwischten hellen Saum, von eigentlichen Fortsätzen aber nichts unter- scheidet. Immerhin spricht die Auswanderung der Zellen gegen die Peripherie des Organs — wobei sie von den radiären Scheidewänden geleitet werden mögen (vgl. Taf. IX Fig. 172) — kurz vor der Bildung der Gefässe deutlich 528 VIII. Die Segmente des Rumpfes. genug für meine Ansicht. — Dasselbe Verhältniss halte ich für die Netzhaut des Auges, obgleich die betreffenden Untersuchungen nicht weit genug geführt wurden, für sehr wahrscheinlich, weil ich ein Eindringen des übrigen Binde- sewebes in die Retina vermisste (vgl. S. 325— 326). Auch in dem folgenden vergleichenden Theile dieses Abschnittes werde ich die histiologischen Beobachtungen voranstellen. — Wie die Uebersicht der früheren Untersuchungen ergibt, war es REMmAk, welcher zuerst die noch heute siltige Lehre von der Einzelligkeit der Muskelfaseranlagen aufstellte. Ausser diesem allgemeinen Ergebniss, welches für die Rückenmuskeln richtig ist, sind aber die Einzelheiten seiner Untersuchung irrig. Er zeichnet, wie es scheint nach frischen Objekten, an den erst wenig verlängerten Zellen der Segment- kerne klare, kreisrunde Kerne in mehrfacher Anzahl, welche meist paarweise in der Nähe der beiden Zellenenden liegen ; an den grössten Zellen wird merk- würdigerweise nur ein quergestreckter Kern dargestellt. Ich fand dagegen, dass die Kerne sich mit ihren Zellen verlängern, stets in der Mitte derselben und bis zur Vollendung der Muskelfasern einfach bleiben, ausserdem blass und granu- lirt sind, sodass sie wie in allen dotterhaltigen Zellen nur durch Karminfärbung deutlich gemacht werden können. Wenn ich ferner die Vermehrung der Em- bryonalzellen der Segmentkerne durch Theilung durchaus nicht bestreiten will, so muss ich doch das Verfahren Remar’s als willkürliches bezeichnen, wenn er aus einem quergestreckten oder zwei in derselben Richtung nebeneinander liegenden Kernen auf eine folgende Längstheilung der Zelle schliesst, aber die in der Längsrichtung gestreckten oder vermehrten Kerne zur Deutung einer Quertheilung nicht benutzt. Und mehr als solche vermemtliche Kerne, welche ich nicht dafür anerkennen kann, hat REmAK für die nach seinen Angaben sehr lebhafte Längstheilung der Muskelzellen nicht angeführt. Nicht zuverlässiger ist seine übrige Beschreibung dieser Zellen. Die vermehrten Kerne sollen in der feinkörnigen Substanz an der medialen Seite der Zelle liegen, die Muskel- substanz an der Aussenseite innerhalb der grobkörnigen Dottermasse entstehen. (Querdurchschnitte unseres Objekts, aus welchen die Lage der Theile unbedingt sicherer bestimmt werden kann als an isolirten Zellen, wie sie REemax benutzte, ergeben, dass jene Lage der beiden Dottersubstanzen allerdings richtig, die- VIII. Die Segmente des Rumpfes. 529 jenige der Kerne und der Muskelsubstanz aber gerade umgekehrt angegeben ist. Dies führt uns auf die Quelle des Irrthums bezüglich der Kerne. Bleibt nämlich der wirkliche, stets einfache und längliche Kern der Muskelzelle von der Dottersubstanz verdeckt, so treten um so deutlicher die klaren, kreisrunden Umbildungskugeln hervor, welche Remar als solche gar nicht erwähnt; nimmt man dazu, dass sie anfangs in geringer, dann in stets zunehmender Anzahl und in einer Reihe die Länge der Zelle durchsetzen, so wird man sich der Ueber- zeugung nicht verschliessen, dass RemAr die Umbildungskugeln mit Kernen verwechselt, den wirklichen, in der Mitte liegenden Kern dagegen ganz über- sehen hat. Ein Vergleich seiner Abbildung (Nr. 40 Taf. XI Fig. 7a) mit den meinigen (Taf. XI Fig. 201—203) wird meine Ansicht wesentlich unterstützen. Ganz demselben Irrthume unterlag KöLuıxEr; aus seiner bezüglichen Abbildung (Nr. 79 S. 177 Fig. 127) ergibt sich bei dem angegebenen Vergleiche die Ver- wechselung noch klarer, und man versteht erst dann seinen Ausdruck von den mehrfachen „prächtigen Kernen“ der jüngeren Muskelzellen (Nr. 43). Es ist aber, wie schon bemerkt, die Thatsache richtig, dass jede Muskelfaser der Rückenmuskeln der Batrachier aus einer Embryonalzelle hervorgeht, wie es seit REMAK KÖLLIKER und ScHurze bestätigten. Daraus wurde nun trotz gegentheiliger Ansichten und nicht zustimmender Beobachtungen geschlossen, dass sämmtliche Muskelfasern der Wirbelthiere auf dieselbe Weise aus ein- zelligen Anlagen hervorgingen (vgl. KöÖLLIKER a. a. O., STRICKER Nr. 120 8. 1227), Dieser Schluss ist aber, wie meine Beobachtungen lehren, selbst in der Beschränkung auf die Stammuskeln der Batrachier unzulässig, da nebst dem vordersten Abschnitte dieser Muskeln ( Augenmuskeln ) alle übrigen von mir untersuchten Muskeln des Kopfes, des Rumpfes und der Gliedmassen mehr- zellige Anlagen ihrer Fasern besitzen. Ausser der Beobachtung, dass die Rückenmuskeln der Knochenfische sich ebenso bilden wie bei den Batrachiern, fehlen mir eigene zusammenhängende Untersuchungen über die Muskelbildung bei anderen Wirbelthieren. Immerhin dürften die Angaben über mehrzellige Muskelfaseranlagen jetzt wieder mehr Vertrauen verdienen, seitdem jene ein- seitige Auffassung nicht mehr für so „gesichert angesehen werden kann“, als KöLLıkEr meint. Nur finde ich, wie ich schon früher ausführte (S. 464), ın dieser Thatsache von der zweifachen Bildungsweise der Muskelfasern durchaus keine Veranlassung, einen verschiedenen Formwerth der letzteren anzunehmen, und sehe in den bezüslichen Beobachtungen nur eine Bestätigung dafür, dass oO oO ) GorTTE, Entwickelungsgeschichte. 34 530 VIII. Die Segmente des Rumpfes. der ursprüngliche Formwerth der Gewebsanlagen in der Histiogenese erlischt. — Von der Entwickelung der Texturverhältnisse der Muskelfasern will ich hier nur einen Punkt hervorheben. Nachdem zuletzt noch ScHULze bis zur Evidenz erwies, dass das Sarcolemma von den ursprünglichen Muskelzellen abstamme. hat STRICKEr neuerdings dieses Häutchen sammt den ihm innen ansitzenden sogenannten Muskelkörperchen von nachträglich angelagerten Bindegewebs- körperchen abzuleiten versucht (Nr. 120 8. 1227. 1225). Dass das Sarcolemma eine ursprüngliche Zellenmembran sei, wird jetzt wohl niemand behaupten wollen; wer aber die Muskelentwickelung an dem bei weitem günstigsten Ob- jekte, an den Batrachiern studirt, wird die Ansicht Schuze’s bestätigen, dass jenes Häutchen aus der äussersten Rindenschicht der Muskelzellen hervorgehe. Dann kann aber auch über den Ursprung der Muskelkörperchen kein Zweifel bestehen: es sind die an der Oberfläche der Muskelfaser zurückgebliebenen Muskelzellenkerne, denen die peripherischen Reste des zur Fibrillenbildung nicht ganz verbrauchten Protoplasmas anhängen. Sie entstehen also in den Muskelanlagen gerade so wie die ursprünglichen Bindegewebskörperchen aus den Bindegewebsanlagen und sind wie diese nicht als ganze, bloss in der Ge- stalt umgebildete Embryonalzellen, sondern als aus den Resten solcher unter- gegangenen Zellen hervorgehende Neubildungen aufzufassen. Ueber die Entstehung der Nervenelemente hat sich in neuerer Zeit keine bestimmte Ansicht herausgebildet, sodass eigentlich nur die Angaben ScHwAnN’s und REMAR’S zu diskutiren wären. ScHwAnn hat darin vollkom- men Recht, dass die peripherischen Nervenstämme selbstständig und an dem Orte, wo sie später liegen, aus indifferenten Zellen entstehen (Nr. 77 8. 175—177). Nur irrt er in der von seiner allgemeinen Zellentheorie gebotenen Vorstellung, dass die Nervenfasern wie alle übrigen Gewebselemente bloss um- geformte ganze Zellen oder Zellenkomplexe seien. An den Nervenanlagen ist es wohl noch deutlicher zu erkennen als selbst an den Muskelfaseranlagen, dass der Bestand der sie bildenden Embryonalzellen in gar keiner Beziehung zu den entfernteren oder näheren Elementen der daraus hervorgehenden Gewebe steht; denn wenige, selbst einzelne verlängerte Embryonalzellen bilden einen gewissen Abschnitt eines ganzen Nervenstranges mit allen seinen zahlreichen Fasern. Das Objekt, welches, von Scuwann selbst benutzt, gerade die leichteste Wider- legung seiner Ansicht vom Formwerthe der Nervenfasern gestattet, das Nerven- system des Larvenschwanzes der Anuren, hat nun aber gerade die Veranlassung zu einer neuen, noch weniger haltbaren Annahme gegeben. Remak, welcher VII. Die Segmente des Rumpfes. 531 wie alle folgenden Beobachter bloss ziemlich vorgeschrittene Nervenanlagen untersuchte, an denen die sie zusammensetzenden Zellen bereits unkenntlich geworden waren, liess die Nervenfäden als auf Embryonalzellen nicht zurück- führbare Bildungen aus dem Rückenmarke hervorwachsen; und KÖLLIKER ver- suchte diese Hypothese noch weiter auszuspinnen, indem er nach dem Vorgange von Bipper und KuPFrer die Nervenfasern, beziehungsweise deren Axencylinder einfach für Protoplasmafortsätze der Nervenzellen sowohl der Öentralorgane wie der Ganglien erklärt, welche im Schwanze der Froschlarven in die aus ver- schmolzenen Zellen vorgebildeten Scheiden hineinwüchsen (Nr. 79 8. 334— 335). Noch kühner ist die Hypothese Hessenx’s; doch finde ich mich nicht bemüssigt, diese Darstellungen, welche an die Stelle leicht anzustellender Beobachtungen zum Theil rein willkürliche Vorstellungen setzen, anders als durch einen Hinweis auf meine Beobachtungen zu widerlegen. Aus diesen geht hervor, dass die Nervenfasern sowohl in den Centralorganen (vgl. S. 276) wiein den periphe- rischen Verzweigungen aus einer von verschmolzenen und aufgelösten Em- bryonalzellen hergestellten Bildungsmasse sich entwickeln; dass insbesondere die Nervenstränge theils in selbstständiger morphologischer Anlage, theils durch Anfügung und Anpassung einzelner Theile des interstitiellen Bildungsgewebes an die ersteren entstehen, sodass der centrifugale Fortschritt ihrer Ausbildung lediglich auf die dorsale Lage jener selbstständigen Anfänge zurückzuführen, und die Verbindung mit dem Rückenmarke als eine nachträgliche und gerade centripetale zu betrachten ist. Zudem ist die Fasermasse der Nervenstränge beinahe vollständig gebildet, ehe die Ganglienzellen die‘ ersten Fortsätze und zwar durch Verschmelzung mit jenen schon gebildeten Fasern oder Fibrillen erhalten. Wenn die meisten Untersucher des Froschlarvenschwanzes, auch wenn sie über die Entwickelung der Nerven nichts Neues auszusagen haben, es zu bemerken nicht unterlassen, ob dieselben nach ihrer Ansicht mit den Sternzellen zusammenhängen oder nicht, offenbar um daraus Anhaltspunkte für oder gegen den genetischen Zusammenhang beider Bildungen zu gewinnen, so kann ich diesen Beobachtungen insofern nur geringe Bedeutung zuerkennen, als sie durchweg an viel zu alten Larven angestellt sind. Wer die Nerven- anlagen nicht als einen Theil des Bildungsgewebes, als ein Netz von vielstrahli- gen Zellen, sondern nur als ein bereits gleichmässiges Fadennetz kennen lernt, kann ihre Verwandtschaft mit den Sternzellen, mögen sie nun mit diesen Resten des Bildungsgewebes noch verbunden sein oder nicht, beliebig leugnen oder be- haupten, dies aber nicht begründen. Denn dass gerade die Ausbildung der diffe- 31* 532 VIII. Die Segmente des Rumpfes. renten Erzeugnisse des Bildungsgewebes sie von einander und von jenen indiffe- renten Resten desselben trennt, habe ich in der Beschreibung auseinander- gesetzt, sodass ein Befund ihrer Trennung weder gegen den genetischen Zu- sammenhang, noch die etwa noch vorhandenen spärlichen Verbindungen dafür sprechen, dass jene von der Differenzirung offenbar ausgeschlossenen Theile des Bildungsgewebes unbedingt als künftige Fortsetzungen der Nervenanlagen anzusehen seien. — Ueber das Nervenmark sei hier noch bemerkt, dass SCHWANN es mit Unrecht vom Centralorgan in die peripherischen Nerven . wachsen lässt; bei den Batrachiern wenigstens existirt am Ende der Entwicke- lungszeit in der weissen Rückenmarksmasse noch kein Mark, wohl aber an vielen peripherischen Nervenfasern. Aber auch an diesen tritt es erst auf, nach- dem die Sonderung der Organe, in denen die Nervenfasern enden, so z. B. der Muskeln, ziemlich weit vorgeschritten ist; und die anfangs sehr geringe Anzahl markhaltiger Fasern nimmt ganz allmählich zu. Diese Thatsachen erlauben die Vermuthung auszusprechen, dass die Markbildung, welche jedenfalls eine verstärkte Isolirung der umhüllten Axencylinder bezweckt, eine nothwendige Folge von der fortschreitenden Absonderung der terminalen Wirkungsbezirke sei, wofür noch der Umstand ins Gewicht fällt, dass die Eimgeweidenerven, deren Wirkungbezirke in grossen Strecken ungesondert zusammenfliessen, nackt bleiben. Ueber die Entwickelung der Ganglien bestanden bisher nur die spärlichen Angaben Remar’s und Cramer's; Jener hält die ganzen Ganglien für Erzeug- nisse einer oder doch nur weniger Zellen, Dieser jede einzelne Ganglienzelle für ein Zellenkonglomerat, Beweis genug, dass die Untersuchung an der Entsteh- ung dieser Ansichten wenig Antheil hatte. Die Behauptung Köruixer's ferner, (dass die Nervenzellen ausgebildete Embryonalzellen seien, lässt sich nur da- durch erklären, dass ungünstige Objekte von höheren Wirbelthieren zur Be- obachtung kamen. Denn ich kann versichern, dass es mir wenigstens nicht gelang, die an den Batrachiern gewonnenen Ergebnisse über die Nervenent- wickelung an den Embryonen der Amnioten zu bestätigen, aus dem einfachen (runde, weil deren Embryonalzellen zu klein und undeutlich sind, um die klaren Bilder ihrer Umwandlung zu zeigen, wie sie an den Batrachiern zur Anschauung kommen. — Eine ganz neue Ansicht über den Ursprung der Spinalganglien des Hühnchens hat bekanntlich Hıs vorgetragen: sie sollen aus einer zwischen das Rückenmark und die Segmente vorragenden Falte des oberen Keimblattes (Zwischenrinne , Zwischenstrang) hervorgehen, welche sich VIII. Die Segmente des Rumpfes. 533 darauf von ihrem Mutterboden ablöse, um mit jenen beiden Theilen Verbindun- gen einzugehen (Nr. 109 5. 87. 117). Ich habe diese Thatsachen, nachdem ich sie für die Batrachier zurückweisen konnte, an Forellen-, Hühner- und Säugethierembryonen (Kaninchen, Schaf) geprüft und dabei folgendes Ergeb- niss gewonnen. Die Zwischenrinne besteht allerdings als seichte Einsenkung des oberen Keimblattes lateralwärts vom auf- und einwärts gekrümmten Rande der Medullarplatte; bei zu starker Einwirkung der Erhärtungsmittel zieht sie sich zu einer tieferen Falte ein. Gleich oder sehr bald nach dem Schlusse der Medullarfurche, wann sie nach Hıs (Nr. 109 Taf. IX Fig. 4—7) als Zwischen- strang abwärts wachsen soll, finde ich sie unverändert, dagegen zwischen den Segmenten, deren Theilung in inneres Segmentblatt, Kern und äussere Segment- schicht alsdann vollendet ist, und dem Rückenmarke in der ganzen Höhe des- selben eine gleichmässig dünne Zellenschicht, deren oberer Rand naturgemäss an den Boden der Zwischenrinne stösst, aber mit ihm nicht kontinuirlich zu- sammenhängt. Da der Schein eines solchen Zusammenhangs an manchen Durchschnitten von Embryonen der Amnioten sehr auffallend sein kann, so bemerke ich noch ausdrücklich, dass jene dünne Zwischenschicht nicht zapfen- förmig und allmählich von oben hinabwächst,, sondern in gleicher Mächtigkeit und gleich in ihrer ganzen Höhe entsteht, indem die anfangs zerstreuten Zellen sich allmählich zu einer Schicht ansammeln, welche längs der ganzen Seite des Rückenmarks kontinuirlich fortläuft. Die Forellenembryonen, bei denen diese Verhältnisse sich besonders klar darstellen , bieten daher zu jener Verwech- selung keinen Anlass. Ganz vollständige Analoga der beschriebenen Bildung _ findet man zwischen den hintereinander liegenden Segmenten, indem dort das obere Keimblatt sich gleichfalls rinnenförmig den Einschnitten der Segment- grenzen anpasst, und im Anschlusse daran die segmentalen Scheidewände mit den sie durchziehenden Gefässen entstehen.* Folgerichtig hätte Hıs auch diese Muskelsehnenanlage vom oberen Keimblatte ableiten sollen. Wenn aber auch seine Behauptung von der Abschnürung des Zwischenstranges und dessen Ver- wandlung in jene Zwischenschicht richtig wäre, so hätte er damit bewiesen, dass nicht die Spinalganglien, sondern die gefässreichen Hirnhäute vom oberen Keimblatte abstammten; denn diese Bedeutung hat die fragliche Zellenschicht, * Vgl. Hıs Nr. 109 Taf. X Fig. V. VI, wo die Scheidewände allerdings noch nicht zu sehen sind. Das frühzeitige Erscheinen der Blutgefässe in den Embryonen der Amnioten erlaubt es, die genannte Schicht auf ausgewanderte Bildungszellen des Blutes zu beziehen. 5534 VIII. Die Segmente des Rumpfes wie ich mich namentlich an Kaninchenembryonen überzeugte. Frontaldurch- schnitte aus verschiedenen Entwickelungsstufen ergeben auf das unzwei- deutigste, dass die äussere Segmentschicht (Rückentafel Hıs) am längsten un- verändert bleibt und später in die Bauchwand hineinwächst, um den äusseren Rumpfmuskeln zur Anlage zu dienen; die schmächtigen Segmentkerne ver- wandeln sich frühzeitig in die Stammuskeln, und die inneren Segmentblätter, welche immer in deutlicher Abgrenzung gegen die Segmentkerne und die dem Rückenmarke unmittelbar angefügte neugebildete Zellenschicht bleiben, ver- dicken sich am meisten, um endlich die alternirenden Anlagen der spinalen Ganglien und des dazwischen übrigbleibenden Bildungsgewebes (Bindegewebe, Gefässe, Wirbel) auszusondern. Jene zwischen den Ganglien und dem Rücken- marke befindliche dünne Schicht lässt sich freilich, sobald die bei allen Amnioten ausserordentlich mächtigen und in der Längsrichtung beinahe zu- sammenstossenden Nervenwurzeln sich mit dem Rückenmarke verbunden haben, nicht mehr in der früheren Ausdehnung demonstriren, doch kann man stellen- weise nachweisen, dass sie sich in eine ähnliche lockere und gefässreiche Hülle des Öentralnervenorgans verwandelt, wie ich sie bei den Batrachiern als erste Bildung des aus den Segmentblättern hervorgehenden Bildungsgewebes be- schrieb. Der Umstand, dass bei diesen Thieren die Auflösung der Segment- blätter nach der Ausfällung der Ganglien bereits eingetreten ist, bevor die Ge- fässe entwickelt sind und damit die Möglichkeit von Neubildungen durch Dotterbildungszellen gegeben ist, erklärt es zur Genüge, warum dort die Anlage der Rückenmarkshäute sich von dem anstossenden Bildungsgewebe nicht so deutlich absondert wie bei den Amnioten. — Auf Grund meiner Untersuchun- gen behaupte ich also, dass die Spinalganglien und Spinalnervenstämme bei allen Wirbelthieren aus den Segmenten hervorgehen (REmAk) und nicht aus dem oberen Keimblatte, wie Hıs irrthümlich angegeben hat.* Hinsichtlich der peripherischen Nervenausbreitung fand ich eine Bestätigung des bei den Batrachiern Beobachteten nur bei den Forellenembryonen; bei den Amnioten habe ich aber klare Befunde über diesen Vorgang vermisst, und wenn Hıs, wie es scheint, der Ansicht ist, dass die peripherischen Nerven aus dem Rücken- * Die Zwischenrinne hat mithin keine andere Bedeutung, als dass sie vorübergehend die Grenze von Rückenmark und Segmenten äusserlich andeutet, wie es bereits Dursy dar- gethan hat, ohne übrigens auf die wirkliche Bildung der Spinalganglien einzugehen (Nr, 110 S. 54. 55). VIII. Die Segmente des Rumpfes. 535 marke und den Ganglien herauswüchsen (Nr. 109 8. 169), so scheint es mir bei dem Mangel eines Beweises dafür um so mehr gerechtfertigt, den Amnioten dieselbe selbstständige Entwickelung der Nervenzweige aus dem Bildungs- gewebe zuzuschreiben, wie sie bei Batrachiern und Fischen thatsächlich besteht. Indem ich jetzt in der vergleichenden Betrachtung auf das interstitielle Bildungsgewebe übergehe, muss ich gleich eingangs konstatiren, dass ein solches bisher gar nicht bekannt war. So oft noch von einem embryonalen Bildungsgewebe die Rede war, verstand man darunter lokale indifferente Grundlagen einzelner Organe und Gewebe; nirgends finde ich aber eine An- deutung, dass die (resammtheit der lockeren Zellennetze mit den darin zeit- weilig frei herumwandernden Bildungszellen, indem sie die Zwischenräume in und zwischen allen morphologisch geschlossenen Embryonalanlagen erfüllen, als die gemeinsame und zusammenhängende Grundlage des überwiegend grössten Theils aller Bindesubstanzen, Gefässe, peripherischen Nerven und mancher Muskeln* aufgefasst wurden. Den Grund dafür sehe ich hauptsächlich darin, dass die Untersuchungen an viel zu vorgeschrittenen Entwickelungs- stufen angestellt wurden, wann das Bildungsgewebe kein indifferentes Gepräge mehr aufweist, und die Anlagen der Gefässe und Nerven nicht mehr so deutlich wie früher als unmittelbare Theile jenes Gewebes erscheinen. Der ausge- wachsene Larvenschwanz ist eben ein so bequemes Objekt, dass man immer wieder bei demselben stehen blieb, und die dort gesehenen Bilder sowie die daraus gezogenen Schlüsse als massgebend für alle analogen Entwickelungs- vorgänge betrachtete. Da nun in diesen vorgerückten Perioden die sich neu- bildenden Gefässe und Nerven aus den bereits fertigen hervorzuwachsen scheinen, so ergab sich die Auffassung von selbst, dass die von mir als allge- meines Bildungsgewebe erkannten Zellenmassen bloss die Anlage der Binde- substanz seien. Am schärfsten wurde diese Auffassung von Hıs am Hühnchen durchgeführt, dem sich darauf W. Mütter hinsichtlich der Batrachier an- schloss (vgl. S. 404). Die Darstellung von Hıs, welche ich übrigens schon an anderer Stelle kritisirt habe (Nr. 121 S. 165. 183. 192), lässt sich dahin zu- sammenfassen, dass der Keimwall (Nebenkeim), welcher an den jungen Batra- * Ausser den schon erwähnten Hautmuskeln und dem M. transversus ist hier noch der M. depressor maxillae inferioris (Ecker, Nr. 90 $. 72) zu nennen, welcher erst während der Metamorphose entsteht. 536 VIII. Die Segmente des Rumpfes. chierlarven der blutbildenden peripherischen Schicht der Dotterzellenmasse entspricht, nicht nur die Blutzellen (Blutinseln), sondern auch die ganze Platte von „gefässbildenden Zellen“ erzeugt, in welche die peripherischen Theile des mittleren Keimblattes auslaufen, und dass darauf diese netzförmigen Gefäss- anlagen durch Sprossen in den Embryo hineinwachsend dessen sämmtliche Ge- fässe herstellen, während von der primitiven Gefässwand fortwährend Zellen sich ablösen, welche als parablastische Anlagen der Bindesubstanzen alle /wischenräume zwischen den übrigen Anlagen ausfüllen (Nr. 109 8. 95—100. 175. 176). Wenn man aber erfährt, dass Hıs den Beweis für seine Darstellung nur aus dem Vergleiche der isolirten Elemente des Keimwalls und seiner Ge- fässschicht schöpfte (S. 96. 97), so versteht man, wie ihm entgehen konnte, was sich nur aus systematisch gesammelten Durchschnittspräparaten erkennen lässt, dass nämlich jene Gefässschicht als peripherischer Theil des mittleren Keimblattes (Randwulst) stets vom Keimwalle deutlich geschieden besteht, und schon vor demrErscheinen der ersten Blutinseln gerade so wie ich es vom inter- stitiellen Bildungsgewebe der Batrachier beschrieb, sich in ein Zellennetz ver- wandelt, welches zur Gefässbildung im Gefässhofe verbraucht wird, während die erst im Fruchthofe deutlicher werdende Sonderung der Seitenplatten sich allmählich über jene Gefässschicht ausbreitet (vgl. Nr. 121 S. 184—136. Taf. XI, Nr. 122 5. 46—48. Fig. 8). Es entspricht also diese Gefässschicht durch- aus dem Bildungsgewebe, welches bei den Batrachiern am Umfange der Dotterzellenmasse sich an der Innenseite des Visceralblattes ausbildet, um die Blutanlagen (Blutinseln ) einzuscheiden und in das Herz überzuführen (vgl. weiter unten). Eine zweite Keimstätte des allgemeinen interstitiellen Bildungs- gewebes finde ich in den inneren Segmentblättern (mediale und untere Ur- wirbelwände Hıs), deren Umbildung in der Entwickelungsgeschichte der Spinal- ganglien erwähnt wurde; inwieweit die äussere Segmentschicht ( Rückentafel aut.) sich später am Bildungsgewebe betheiligt, ist mir bei den Amnioten nicht klar geworden, wogegen ihr vollständiger Uebergang in die subepidermoidalen Theile desselben Gewebes in Forellenembryonen leicht zu verfolgen ist, bei welchen ich überhaupt dieselbe Entwickelung des interstitiellen Bildungs- gewebes wie bei den Batrachiern nachweisen konnte. Es scheint mir daher festzustehen, dass in allen Fällen gewisse Theile des mittleren Keimblattes die ersten Grundlagen des interstitiellen Bildungsgewebes abgeben; und nur zur Ergänzung und Vermehrung desselben dient die Einwanderung indifferenter Blutzellen, welche ich mit Rücksicht auf meine Beobachtungen an den Anuren- VIII. Die Segmente des Rumpfes. 537 larven für alle Wirbelthierembryonen annehme. His leitet nun alles lockere /wischengewebe von diesen überall in Begleitung der Gefässe auftretenden Bildungszellen ab, welche er zudem „von den Gefässwandungen weitersprossende Zellen“ nennt (S. 175). Da er aber nach seinem eigenen Geständniss die Bil- dung und Zusammensetzung der primitiven Gefässröhren nicht bestimmt er- kannt hat (5.95) und uns ferner die Erklärung schuldig bleibt, wie er jenen merkwürdigen Vorgang sich selbst vorstellt, so sehe ich in dieser Hypothese am allerwenigsten ein Hinderniss, die einzelnen Lücken der Beobachtung über die Entwickelung des Bildungsgewebes bei den Amnioten durch meine an den Batrachieren und Fischen gemachten Erfahrungen auszufüllen. Die Behaup- tung W. MüLter's dagegen, dass die Hıs'sche Lehre auch für die Batrachier Geltung finde (Nr. 74 8. 555. 417), wird wohl einfach durch den Hinweis darauf widerlegt, dass bei diesen Thieren das Bildungsgewebe sich früher als die Ge- fässe entwickelt und dass die „zwei Aorten“, von welchen diese Entwickelung ausgehen soll, bei den Batrachiern niemals vorhanden sind. — Aus dieser ganzen Darstellung ergibt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit für alle Wirbel- thiere, dass ihr interstitielles Bildungsgewebe theils aus vorgebildeten Theilen des mittleren Keimblattes, theils aus eingewanderten Blutzellen entsteht. Gegen- über der Ansicht aber, dass es nur eine embryonale Bindesubstanz darstelle, muss ich an den von mir an einer anderen Stelle erhobenen Einwand erinnern (Nr. 121 8. 192), dass es durchaus nicht möglich ist, jene Beschränkung in der Thätigkeit des Bildungsgewebes zu beweisen, während auf der anderen Seite es mir zunächst bei Batrachiern und Knochenfischen gelang, seine allgemeine Bedeutung nachzuweisen. Von den Erzeugnissen des Bildungsgewebes sind hier noch die Gefässe und das Bindegewebe vergleichend zu betrachten. — In der Entwickelungs- geschichte des Blutgefässsystems haben sich von Anfang an bis in die neueste Zeit die verschiedensten Ansichten gegenübergestanden; und dies erklärt sich leicht aus dem Umstande, dass es drei Arten der Gefässbildung gibt (primäre, sekundäre, Dottergefässe), deren Verschiedenheit aber bisher unbekannt blieb, sodass meist das an einer Art Geschene auf das ganze Gefässsystem übertragen wurde und natürlich den anderen ebenso einseitigen und an verschiedenen Thieren ausgeführten Beobachtungen widersprechen musste. Bei einer solchen Mannigfaltigkeit der zu kritisirenden Untersuchungen sehe ich mich veranlasst, hier einige Bemerkungen über die Dottergefässe der Batrachierembryonen, deren Entwickelungsgeschichte eigentlich in ein späteres Kapitel gehört, sowie 538 VIII. Die Segmente des Rumpfes. meine eigenen Beobachtungen über die Gefässbildung der Knochenfische und Vögel vorauszuschicken. Am unteren und seitlichen Umfange der Dotterzellenmasse der Batrachier- embryonen bilden sich in der ersten Larvenperiode Inseln von Blutzellen, indem einzelne von den grossen peripherischen Dotterzellen in Haufen kleinerer runder Zellen zerfallen. Zugleich löst sich von der anstossenden Innenseite des Vis- ceralblattes eine Anzahl von Zellen ab, welche unter Ansammlung einiger In- terstitialflüssigkeit eine flache Schicht von Bildungsgewebe herstellen. Dieses Bildungsgewebe deckt anfangs die von den neugebildeten Blutzellen ausgefüll- ten Gruben der Dotterzellenmasse; indem aber die zunehmende Zwischen- flüssigkeit die Blutzellenmassen lockert und ausdehnt, treten sie aus der Ober- fläche der Dotterzellenmasse hervor und wirken dann auf das umgebende Bildungsgewebe in der gleichen Weise wie die sich ansammelnde Interstitial- flüssigkeit bei der Entstehung der primären Gefässe, d. h. sieerzeugen um sich herum netzförmige Schläuche, welche miteinander in Verbindung treten und so das Dottergefässn etz zusammensetzen. Da die Dotterzellenmasse vorn unmittelbar an die Leberanlage ( Vordarm) und diese wieder an das Herz an- stösst, sodass das Visceralblatt von jener Masse in einer Fläche über die Leber hinweg in die Herzwand übergeht, so ist es verständlich, dass sein Bildungs- gewebe die Verbindung zwischen dem Dottergefüssnetz und der Herzhöhle vermittelt. In diesen den Vordarm umschliessenden Theilen des Gewebes entstehen ganz nach dem Typus der primären Gefässe die Dottervenen, welche die Blutzellenmasse in das Herz überführen. — Dieses Bildungsgewebe des Visceralblattes ist eben als Bedeckung des Nahrungsdotters homolog der oben bezeichneten Gefässschicht des Hühnerembryo, welche dem Nahrungs- dotter (Keimwall) ebenfalls unmittelbar aufliegt; und nimmt man dazu, dass auch dieser Dotter, wie ich es bereits ausführlich beschrieben habe (Nr. 121 S. 180-186), Dotterzellen erzeugt, welche in Haufen von Blutzellen zerfallend (Blutinseln) sich in jene Schicht eindrängen und das sie zunächst umgebende Zellennetz in primitive Gefässwandungen verwandeln, und dass darauf diese mit Blut gefüllten Schläuche sich netzförmig verbinden, so hat man eine voll- ständige Uebereinstimmung in der Dottergefässbildung der Batrachier und des Hühnchens. Der Fruchthof des letzteren, in welchen nur selten einige Blut- inseln vorrücken, entspricht aber dem Gebiete der sammelnden Dottervenen, welche in der Batrachierlarve, in Folge der Beschränkung ihres Nahrungs- dotters auf die Ausbreitung des Mitteldarms hinter der Leberanlage, neben VIII. Die Segmente des Rumpfes. 539 dieser einen sehr kurzen Verlauf bis zum Herzen haben. Diese Venen entstehen höchst wahrscheinlich auch im Fruchthofe des Hühnchens nach dem Typus der Hauptgefässe; schon v. BAER und Remax sahen dort anfangs nur blutleere Kanäle (Nr. SS. 31. 32, Nr. 40 S. 14). Von den übrigen Gefässen des Hühner- embryo kann ich noch anführen, dass dort, wo jederseits eine der beiden primi- tiven Aorten entsteht, nämlich in dem dreieckigen Raume zwischen dem medialen Rande des Visceralblattes, den Segmenten und dem Darmblatte un- mittelbar vor dem Erscheinen des Gefässes etwas lockeres Bildungsgewebe liegt, welches einen Zusammenhang mit demselben Gewebe des Visceralblattes nur stellenweise zeigt und daher unbedenklich wie bei den Batrachiern von den inneren Segmentblättern (untere Segmentfläche) abgeleitet werden kann. In dieser Beobachtung sehe ich einen Beweis, dass die Aorta weder aus einem soliden Zellenstrange sich entwickelt, noch aus der peripherischen Gefässschicht in den Stammtheil hineinwächst. — An den Embryonen der Knochenfische fand ich, dass, wenn auch der eigentliche Ursprung der blutbildenden Elemente nicht ganz sicher zu ermitteln ist, immerhin die Blutinseln ebenso wie bei den Batrachiern und Vögeln an der Oberfläche des Nahrungsdotters entstehen und in die anliegende Schicht des mittleren Keimblattes aufgenommen werden, worauf die Dottergefässbildung in der geschilderten Weise fortschreitet (Nr. 121 8. 196). Hinsichtlich der bleibenden Körpergefässe beobachtete ich, dass die Aortenwurzeln und die Aorten mit ihren ersten Verzweigungen (die inter- segmentalen Zweige, die Artt. subelaviae) in dem sehr deutlich ausgebildeten Lückensystem des Bildungsgewebes so entstehen, dass vor dem Erscheinen einer scharfumgrenzten grossen Lichtung an derselben Stelle bereits erweiterte Lücken lagen; die eben entstandenen Gefässwände bestehen aus einer Lage von Zellen, welche zum Theil untereinander verschmolzen sind und jedenfalls hier und da kleine Lücken zwischen sich frei lassen, also ein freilich sehr dichtes, plattes Netz bilden. Diese Beobachtungen halte ich gleichfalls für geeignet, das bei den Batrachiern unmittelbar Erkannte zu bestätigen, dass nämlich die Hauptgefässe des Körpers aus regelmässig angeordneten Inter- cellulargängen des allgemeinen Bildungsgewebes hervorgehen. Aus allen meinen Untersuchungen über die Bildung der Dottergefässe und der Hauptgefässe des Körpers ergibt sich, dass ihre Entwickelungsweise im (runde genommen dieselbe und nur in der äusseren Erscheinung verschieden ist. Denn der wesentliche Bildungsvorgang, nämlich die Ausweitung gewisser Lücken des Bildungsgewebes zu cylindrischen Intercellulargängen durch eine 540 VIII. Die Segmente des Rumpfes. in ihnen sich ansammelnde Flüssigkeit, bleibt sich gleich; und da selbst im Körper die nach dem Beginn der Herzthätigkeit entstehenden Hauptgefässe (len ausweitenden Inhalt von einer bestimmten Seite her und zuletzt sogar in Form vollständigen Blutes aus den bereits fertigen Gefässen zugeführt erhalten, so beschränkt sich der ganze Unterschied in der Entwickelung der Dotter- und Hauptgefässe auf die nicht sehr bedeutenden Differenzen des ursprünglichen Inhalts, welcher bald als blosses Serum, bald in der Form kompakter Blut- zellenheerde, oder endlich als vollständiges Blut erscheint, nirgends aber mit den Gefässwänden aus derselben zelligen Anlage hervorgeht, sowie er auch später nicht zu ihnen gehört. Ich hätte daher auch die Entwickelungsgeschichte der beiderlei Gefässe gar nicht so vollständig auseinandergehalten, wenn nicht gerade jene wechselnde äussere Erscheinung zur Quelle der meisten Verwech- selungen und Irrthümer in diesem Gebiete geworden wäre. — Die Dottergefässe der Batrachier sind freilich bei den Salamandrinen (vgl. Rusconi Nr. 39 Taf. I I) und bei Alytes (vgl. Vocr Nr. 26 Taf. I), nicht aber bei den am häufigsten un- tersuchten übrigen Anuren bekannt gewesen; über ihre Entstehung berichtet uns Vocr nichts Besonderes, sondern bringt sie mit allen übrigen Gefässen, die Kapillaren eingeschlossen, unter ein Bildungsgesetz, wonach sie ohne Mitwir- kung eines Inhalts entstandene Gewebszwischenräume wären. Diese irrige Auffassung war offenbar der Rückschlag gegen die v. Baer'sche Lehre, welche das zuerst gebildete und in Bewegung gesetzte Blut seine Bahnen in indifferen- tem Bildungsgewebe ausgraben, und Wandungen derselben erst nachträglich entstehen liess. Diese nur von ReıicHerr anerkannte Lehre enthält, trotz der offenbaren Fehler in der allgemeinen These, in ihren Anfängen, in den Be- obachtungen v. Baer’s, viel mehr Richtiges als alle späteren Theorien. Auch bei dieser Gelegenheit muss ich darauf aufmerksam machen, wie sehr man v. Baer Unrecht thut, wenn man über seinen theoretischen Auseinandersetzungen seine eigentlichen Beobachtungen vergisst, jene allein als das Ergebniss seiner Arbeit betrachtet. Die Beobachtungen, welche nach v. Baur’s eigenem Ge- ständniss seinen vorgefassten und später zu jener Theorie benutzten Ver- muthungen nicht entsprachen, enthalten Folgendes (Nr. 818. 31—36). Im Gefässhofe des Hühnerembryo allein füllt wirkliches Blut gleich anfangs die (Gefässe, von denen wenigstens die Grenzvene zuerst eine blosse Lücke im Ge- webe sei, welche erst später von einer festeren Wandung umschlossen werde. Die Gelässe des Fruchthofes sowie die Jüngsten Aortenanlagen enthalten zuerst bloss Blutserum, und jene zeigen sofort Andeutungen einer zarten Wand, VIII. Die Segmente des Rumpfes. 541 während eine solche an den Aorten eine Zeit lang zu fehlen scheine, und das Blut wahrscheinlich unbestimmt im Bildungsgewebe sich verliere, um sich erst allmählich festbegrenzte Bahnen auszugraben. Aus diesen Bemerkungen ergibt sich, dass meine eigenen Beobachtungen über die Dotter- und primären Körpergefässe sich unmittelbar an die v. Barr’schen anknüpfen lassen , indem sie lediglich als Ergänzungen und weitere Ausführungen der letzteren erscheinen und den gesammten Bildungsvorgang näher bestimmen. RemaAr brachte da- gegen die Ansicht auf, welche in verschiedener Gestalt sich bei allen folgenden Embryologen erhalten hat, dass nämlich alle Dotter- und Hauptgefässe zu- gleich mit einem Blutinhalte als Differenzirungsprodukte einer gemeinsamen Anlage entstehen. An den nicht ganz leicht zu erforschenden Dottergefässen kann man dies noch zu sehen glauben ; nirgends habe ich aber im Körper dieser und aller anderen Wirbelthierembryonen einen noch so schwachen Anhalts- punkt für jene Behauptung gefunden, da die ersten Gefässanlagen überall blut- leere Röhren darstellen, welche erst später vom Herzen aus mit Blut gefüllt werden. Diese irrige Ansicht REmAR’S wurde nur von KÖLLIker unverändert adoptirt; Hıs folgt ihr, wenn auch nicht ganz bestimmt, in Betreff der Dotter- gefässe (Nr. 109 S. 98), natürlich unter Voraussetzung des anderen Ursprungs der ganzen Gefässschicht. Die Entstehung der übrigen Gefässe hat Hıs nur ganz allgemein dargestellt: aus der Wand der Dottergefässe sollen Zellen- stränge hervorsprossen, welche quer gegen die Längsaxe des Embryo wachsend sich in demselben zu Längssträngen, den Anlagen der Aorten und Kardinalvenen, verbinden, deren Wucherungen das übrige Gefässnetz erzeugen (Nr. 109 S. 100. 175. 176). Da jedoch Hıs über die Zusammensetzung der Wand der Dottergefässe nur eine Vermuthung ausspricht, für die übrigen Gefässe aber nicht einmal andeutet, wie sie aus den nicht weiter beschriebenen „Zellen- strängen“ entstehen sollen, so befinde ich mich nicht in der Lage, die Behaup- tung eines bestimmten Thatbestandes zu widerlegen; sollte übrigens Hıs unter den strangförmigen Gefässanlagen etwas Aehnliches verstehen wie REMAK, so verweise ich auf das darüber Gesagte. — Krein glaubte zu erkennen, dass die Gefässe des Gefäss- und Fruchthofes aus miteinander verschmelzenden Blasen entständen, aus deren Wand zudem die Blutzellen hervorwüchsen, oder aus Riesenzellen, welche das Blut endogen erzeugten; ich habe diese Auffassung, der sich auch Stricker anschloss (Nr. 120 S. 1218), schon früher zurück- gewiesen (Nr. 121 8. 194. 195) und will hier nur hinzufügen, dass KLein jene merkwürdige Entstehungsweise auch auf die Aorten ausgedehnt wissen will 542 VIII. Die Segmente des Rumpfes. En (Nr. 122 S. 44). — Die fadenförmigen Verbindungen zwischen den Dotter- gefässen, welche seit REmAK bekannt sind, gehören offenbar in die Kategorie der kapillären Gefässanlagen, zu denen ich jetzt übergehe. Ueber die Entwickelung der Haargefässe des Froschlarvenschwanzes, welche das Vorbild für alle analogen Vorgänge geblieben sind, hat, nach der sehr ungenauen Beschreibung BAUMGÄRTNER’s, SCHwAann die ersten und nach meiner Erfahrung bisher relativ richtigsten Beobachtungen bekannt gemacht. Richtig ist nämlich die Ansicht, dass das Kapillarnetz aus einem vorgebildeten Zellennetze entsteht; irrig aber die später so oft wiederholte Lehre, dass das Netz in der Weise sich entwickele, dass die Bildungszellen Fortsätze ausschicken, welche sich mit ihren Spitzen zu kontinwirlichen Fäden verbinden. Diese Vor- stellung, welche noch auffallender wird, wenn es sich um dotterhaltige, also unvollkommene Zellen handelt, ist so geläufig geworden, dass ich es nicht für überflüssig halte, noch einmal darauf zurückzukommen (vgl. S. 493. 495). Ein- mal setzt jene Vorstellung voraus, dass die Zellen in ganz ausserordentlichem (Grade amöboid beweglich seien, was für die Embryonalzellen mindestens nicht erwiesen ist; ferner verlangt sie, dass solche Zellen vor ihrer selbstthätigen Verzweigung den dazu nöthigen Raum vorfinden, was aber nirgends zutrifft. Denn es ist nicht richtig, dass z. B. in der Schwanzflosse ein solcher Raum vor- gebildet wird, in welchen alsdann runde Embryonalzellen einwandern, um sich dort nachträglich netzförmig zu verbinden (HexsEs); sondern die Zunahme des ganzen Innenraums der Schwanzflosse fällt mit der Vergrösserung der Inter- stitien der dort vorher zusammengedrängten Embryonalzellen zusammen, und indem zu gleicher Zeit die früheren Verbindungen der Zellen zu kurzen Brücken und endlich zu längeren Fäden ausgezogen werden, so geht die Entwickelung der Intercellularräume mit derjenigen eines vollständigen Zellennetzes von Anfang an Hand in Hand. In diesem Thatbestande fehlen also nicht nur die nothwendigen Voraussetzungen für die oben bezeichnete Ansicht, sondern es wird dieselbe dadurch auch vollkommen überflüssig. Ich habe ferner bereits ausgeführt, dass und wie die in das ursprüngliche Netzwerk ergossenen Dotter- bildungszellen dasselbe vervollständigen, ohne dass zunächst amöboide Aus- strahlungen derselben angenommen zu werden brauchten, und anderseits führt die andauernde Ausdehnung des ganzen Gewebes in Folge des allgemeinen Körperwachsthums so vielfache Verschiebungen undneue Verbindungen herbei, dass ich alle diese Bedingungen zur Herstellung des komplicirtesten Netzwerkes für vollständig genügend erachte. Für die späteren Perioden, in denen die Um- VIII. Die Segmente des Rumpfes, 543 bildung aller Zellen in vollkommene „Elementarorganismen“ vollendet ist, will ich die amöboiden Verästelungen der Bildungszellen nicht in Abrede stellen, namentlich wo dieselben gewissen Flächen sich anpassend (Gefässwände, Oberflächen mancher Organe), leicht zur Ausbildung oder doch zur Vervoll- ständigung netzförmiger Verbindungen führen können. Es fragt sich nur, ob wir in der Entwickelungsgeschichte der Haargefässe zur ausschliesslichen oder nur bevorzugten Annahme solcher Ursachen gezwungen sind. Durch meinen Nachweis der isolirten Anlagen der sekundären Gefässe und ferner der mit fertigen Gefässen zusammenhängenden weitläufigen Zellennetze, welche bei der theilweise schon eingeleiteten Umbildung ganz unzweifelhaft für Gefäss- anlagen gehalten werden müssen, ist es einmal festgestellt, dass die seit Prarner übliche Erklärung der Kapillarbildung sich nur auf spätere Perioden und Vorgänge beziehen könnte, welche allerdings auch allein zur Untersuchung kamen, da man stets die leichtere, aber wie ich früher ausführte (S. 496), durchaus ungenügende Beobachtung älterer Larven vorzog. Anderseits be- ruhen aber gewisse wesentliche Voraussetzungen der neueren Theorie lediglich auf der Unkenntniss über jene unzweifelhafte Kanalisation von Zellennetzen.* Denn aus meinen bezüglichen Beobachtungen ergibt sich, dass die in gewissen Linien des Zellennetzes ausgebildeten sekundären Gefässe ebenso wie die pri- mären nach verschiedenen Seiten und an vielen Stellen noch unbenutzte Zellen- verbindungen behalten, oder solche durch die wandernden Dotterbildungszellen neugebildet werden können. Es fehlt daher jede Nöthigung, die von den Ge- fässwänden ausgehenden Fortsätze für „Sprossen“, d.h. Wachsthumsprodukte der ersteren zu erklären: sie sind nicht zur Gefässbildung neu entstanden, sondern aus der Zeit zurückgeblieben, wo die Gefässe aus verzweigten Zellen hervorgingen oder, was ich für den selteneren Fall halte, nachträglich sich mit solchen verbanden. Hier erhebt sich nun freilich der Einwand, dass man jene Fortsätze unmittelbar habe wachsen sehen (GOLUBEW, ArnoLp). Ein solcher * Es bleibt fraglich, ob auch die Bilder, welche die Scuwanw’sche Auffassung seinen Nachfolgern, z. B. KörLLıker,, empfahlen, wirklich so frühe Entwickelungsstufen betrafen, dass sie genügende Beweiskraft besassen. Denn wenn KöLuıker auch anfangs die Schwanv’sche Darstellung derjenigen von PLATNER so sehr vorzog, dass er über keinen Gegenstand in der ganzen Histiologie sich glaubte zuversichtlicher äussern zu können (Nr. 78 II S. 554), so hat er doch später nicht nur die Sprossentheorie PLarser’s, sondern auch noch andere Hypothesen jener ersten Darstellung substituirt. 544 VIII. Die Segmente des Rumpfes. + Befund wird aber gegenwärtig in einem anderen Lichte erscheinen als früher. Die fertigen Harngefässe des Larvenschwanzes der Anuren, von denen die Untersuchung bisher ausging, besitzen, wie ich gefunden, ebenso wie alle übri- gen Gefässe von ihrer ersten Entstehung her mehrfache Verbindungen mit noch indifferenten Theilen des interstitiellen Bildungsgewebes. Diese Verbin- dungsfäden erreichen mitunter eine solche Feinheit, dass nur die günstigsten Präparate sie zu verfolgen erlauben, und sie daher unter weniger günstigen Beobachtungsbedingungen, wie solche bei der Untersuchung lebender Larven unzweifelhaft vorhanden sind (vgl. S. 496), nach kürzerem oder längerem Ver- lauf mit freiem Ende auszulaufen scheinen. Wenn also ein solcher dünner Gefässfortsatz von seiner Wurzel in der Gefässwand an nach aussen fort- schreitend aufzuquellen beginnt, so kann er unter jenen ungünstigen Beobach- tungsbedingungen allerdings nur zu wachsen scheinen, obgleich in der That bloss die Sichtbarkeit seines Verlaufs in derselben Richtung fortschreitet. Da nun diese ursprünglichen Verbindungsfäden der Haargefässe mindestens ebenso zahlreich sind als deren spätere Zweige, so ist es im höchsten Grade wahr- scheinlich, dass jedes Hervorwachsen eines Gefässsprosses nur scheinbar ist. Diese Wahrscheinlichkeit wird noch verstärkt durch den Umstand, dass die Spitzen benachbarter angeblicher Gefässsprossen sei es im kürzesten Bogen oder trotz einzelner abweichender Biegungen stets auf einander zu wachsen, um sich darauf zu den bekannten Gefässschlingen zu vereinigen. Denn nach meiner Darstellung erklärt es sich leicht, dass die Gefässbildung auf den Bah- nen des ausgespannten Zellennetzes die Maschen desselben umschreibt, also bogenförmig verläuft, und dass wohl die meisten Gefässanlagen die nächste Verbindung zum Zusammenfluss benutzen und so die Bögen und Schlingen schliessen (vgl. S. 508). Im anderen Falle bleibt aber das regelmässige Er- gebniss ein wunderbares, und der Erklärungsversuch von GoLUBEw scheint mir weniger sein Ziel zu erreichen, als vielmehr die Schwierigkeit erst recht zu be- leuchten. Denn das vorausgesetzte mechanische Hinderniss eines geraden Wachsthums der Gefässsprossen müsste, von allen übrigen Bedenken abgesehen, für jede einzelne Gefässschlinge besonders konstruirt werden, und würde auch dann überhaupt nur eine Biegung der einzelnen Sprossen, aber in keiner Weise das regelmässige Zusammentreffen ihrer Enden erklären. Auf Grund meiner Beobachtungen darf ich also die Gefässsprossentheorie für jeden einzelnen Fall anzweifeln, weil die ihr zu Grunde liegenden Beobachtungen sich als unzuver- lässig, gewisse Folgeerscheinungen mit ihnen unvereinbar erweisen; ich darf VII. Die Segmente des Rumpfes. 545 ferner jene Theorie als überflüssig erklären, da die dabei nicht beachtete vor- ausgegangene Entwickelung der betreffenden Theile eine emfachere und natür- lichere, weil mit der Bildung der ersten sekundären Gefässanlagen überein- stimmende Deutung auch der späteren Gefässentwickelung gestattet.“ Endlich möchte ich aber auch die innere Wahrscheinlichkeit der Gefässsprossentheorie, die Möglichkeit der von ihr behaupteten Vorgänge überhaupt in Frage stellen. Dass eine neugebildete Kapillarwand, an der weder selbstständige, noch zu- nächst überhaupt welche Zellen vorhanden sind, dieselbe ausserordentliche amöboide Beweglichkeit besitze wie die einzigen vollkommen selbstständigen Zellen und Elementarorganismen des Wirbelthierkörpers, nämlich die den Ge- fässen entstammenden wandernden Bildungszellen, kann nur demjenigen möglich und gar selbstverständlich erscheinen, der darauf verzichtet hat, die Begriffe des Protoplasmas und des Organismus, d.h. der stofflichen Unterlage gewisser Elementarvorgänge und des individuellen Trägers einer bestimmten Organisation jener Vorgänge, worin eben das Leben besteht, auseinander- zuhalten. Da ich auf diesen Gegenstand weiter unten ausführlich zurückkomme, so sei hier nur bemerkt, dass der Begründer der Gefässsprossentheorie, PrArner, seine Ansicht mit der Unbefangenheit äussern konnte, welche der unentwickelte Zustand der Zellen- und Entwickelungslehre damals bedingte, dass wir aber gegenwärtig nicht in der Lage sind, die für den einzelnen Fall nächstliegende Deutung einer auffallenden Erscheinung insbesondere in der Entwickelungsgeschichte als Thatsache zu verzeichnen, ehe wir ihre Beziehungen zu den thatsächlich festgestellten analogen Kenntnissen und namentlich ihre genetischen Voraussetzungen geprüft. — Was nun die der (refässsprossen- theorie angehängte, ganz unhaltbare Hypothese Körnıker's betrifft, so zeigt sie uns das-Seitenstück zu der eben kritisirten Auffassungsweise: überwog dort die Wahrnehmung einer isolirten Erscheinung jedes allgemeine Bedenken , so lässt uns diese Hypothese die Stärke eines Vorurtheils, nämlich hinsichtlich des ununterbrochenen Zusammenhangs der Zellenbildung, gegenüber anerkannten Beobachtungen bemessen, | Ueber die Lymphgefässe des Larvenschwanzes kann ich mich kurz fassen. Von den meisten Beobachtern werden sie nach ihrer Entstehung mit Recht den * Selbst in erwachsenen Thieren finden sich Bilder von reichverzweigten, mit Haar- gefässen verbundenen „ Sternzellen‘ (vgl. Ererrnu Nr. 120 S. 205), welche die Annahme sichern, dass dort die Neubildung von Gefässen keine abweichende sei. GOFTTE, Entwickelungsgeschichte. 35 546 VII. Die Segmente des Rumpfes. Blutgefässen gleichgestellt. Wenn Hıs sie als „Paracellulargänge “ entstehen lässt, so müsste er, um den Widerspruch zwischen Beobachtung und Auffassung zu lösen, sich die eben bezeichnete Hypothese KörLuiker's oder eine ähnliche aneignen. — Was den Zusammenhang der Lymphgefässe mit den Sternzellen und ihre „Zacken “ betrifft, so gilt hier dasselbe, was ich über die ähnlichen Verhältnisse der Nerven bemerkte: es haben Hıs, Hexsen und LAnGEr es gar nicht beachtet, dass sie offenbar ältere Entwickelungsstufen vor sich hatten als KÖLLIKER, der die früheren Zustände, namentlich den deutlichen Zusammen- hang der Lymphgefässe mit dem übrigen Bildungsgewebe im allgemeinen richtig schilderte. Die Zacken erklären sich nach den vorausgeschickten Be- merkungen über die Blutkapillaren einfach als die Ursprungsstellen der feinsten und daher oft unsichtbaren ursprünglichen Fortsätze; auf meiner Abbildung (Taf. XII Fig. 213) fehlt nur einer Zacke jede Andeutung einer Fortsetzung. Die kegelförmige Vorragung der Gefässwand ist übrigens nicht ohne weiteres auf eine beginnende Kanalisirung des Fortsatzes, sondern gewiss zum grössten Theile auf die Zugwirkung des sich beständig ausdehnenden Zellennetzes zu beziehen; denn dieselbe Gestalt der Fortsatzwurzeln besteht auch an den soliden Gefässanlagen wie überhaupt am ganzen Zellennetze des Bildungsgewebes. Ebenso wie hinsichtlich dieser Zacken muss ich auch die Angabe KöLuıker’s über die blinden Ausläufer der Lymphgefässe bestätigen. — Mit Rücksicht auf das, was ich über die Lymphgefässe des Larvenschwanzes im Vergleiche zu denen des übrigen Körpers in der Beschreibung sagte, dürfte es geboten sein, die bisherigen, auf das erste Objekt beschränkten Erfahrungen über die Lymph- sefässentwickelung nicht unbedingt für alle Lymphgefässe oder selbst Lymph- kapillaren anderer Körpertheile und anderer Wirbelthiere zu verwerthen. Das Bindegewebe ist bisher von allen Bindesubstanzen der Batrachier am wenigsten embryologisch untersucht worden. Die homogene subepidermoidale Membran , welche Remar als vorläufige, Ererrn als bleibende Unterhaut auf- fasst, glaube ich mit mehr Recht nach dem Vorgange Hexsen’s für eine blosse Basalmembran erklären zu dürfen. Auftallend bleibt es, dass Rrmax diese Membran im Schwanze ganz richtig als verdichtete Zwischensubstanz, am Bauche aber als ein Verschmelzungsprodukt von Zellen betrachtet. Ihr leicht nachweisbarer Ursprung in der erstgenannten Weise schliesst die Möglichkeit aus, ihr zerklüftetes oder faseriges Gewebe mit dem eigentlichen fibrillären 3indegewebe zu vergleichen. Die Entwickelung des letzteren ist an höheren Wirbelthieren häufiger untersucht, aber in sehr verschiedener Weise gedeutet VIII. Die Sesmente des Rumpfes. 547 worden. SCHWANN glaubte, dass die Spaltung spindelförmiger Bildungszellen in feinste Fasern die Fibrillenbündel des gewöhnlichen Bindegewebes und der Sehnen herstelle (Nr. 77 8. 137. 147); seitdem beachtete man aber auch be- sonders die Zwischensubstanz der zelligen Elemente der Bindegewebsanlagen, und der Ursprung dieser Substanz, sowie der Antheil, den man ihr bei der Ent- wickelung des Bindegewebes zuschrieb, bilden die wichtigsten Differenzpunkte aller späteren Auffassungen. Köruıker führt alle Bindegewebsformen zurück auf die einfache zellige Bindesubstanz, welche ursprünglich einzig und allein aus runden, indifferenten Embryonalzellen bestehe (Nr. 79 S. 57. 76). Wenn dieselben in Kontinuität bleiben, bilden sie die unächten Epithelien der serösen Säcke, des Herzens und der Gefässe (8. 62). Meist scheiden sie aber eine Flüssigkeit aus, welche sich zu einer festeren Grundsubstanz verdichtet, wäh- rend die Zellen sich netzförmig verbinden oder getrennt verschiedene Formen annehmen (S. 40. 58). Die Grundsubstanz kann dabei gallertig weich bleiben (Gallertgewebe), oder sie verknöchert (echter Knochen, Zahnbein), oder zerfällt endlich in die leimgebenden Fibrillen des gewöhnlichen Bindegewebes, wobei die ursprünglichen Embryonalzellen sich in die zelligen Elemente der ausge- bildeten Formen (Knochen -, Bindegewebskörperchen) verwandeln (S. 58. 76). Eine Grundsubstanz des einfachen netzförmigen Bindegewebes erwähnt Köruıker überhaupt nicht; die Zellennetze werden aber bloss mit den zelligen Elementen des fibrillären Bindegewebes verglichen (S. 79). M. ScHuutze brachte dagegen die Ansicht auf, dass die Fibrillenmasse aus den Leibern mit- einander verschmolzener Zellen hervorgehe, deren unveränderte Reste mit den zurückbleibenden Kernen die Bindegewebskörperchen bilden (Nr. 928. 12. 13). Diese Ansicht hält auch Rotverr für die wahrscheinlichste (Nr. 120 8. 67), während STRICKER sie für unerwiesen, dagegen als Thatsache erklärt, dass, wie es KUSNETZOFF und ÖBERSTEINER behaupten (vgl. Nr. 120 8. 62), die Fibrillen aus Zellenfortsätzen entstehen (Nr. 120 S. 1217). Bouv's Darstellung ‚scheint mir von denjenigen ScHwAnn’s und M. Scnuutze's nicht wesentlich abzuweichen (Nr. 126), — Ich habe über die Entwickelung des Binde- gewebes nur an Batrachiern ausreichende Untersuchungen angestellt, glaube aber in denselben genügende Anhaltspunkte zur Beurtheilung der analogen Vorgänge bei anderen Wirbelthieren zu fmden, Zunächst liefern also meine Untersuchungen die thatsächliche Bestätigung dessen, was M. ScHULTZzE aus allgemeinen Gründen glaubte annehmen zu dürfen. Und zwar gilt es nicht bloss für das Bindegewebe, sondern für alle Bindesubstanzen mit fester Grund- 35® 548 VII. Die Segmente des Rumpfes. oder Zwischensubstanz, dass dieselbe aus den verschmolzenen Leibern der Bildungszellen hervorgeht, die Knorpel-, Knochen- und eigentlichen Binde- sewebskörperchen aber sekundäre Bildungen sind, ganz analog den Muskel- körperchen und Nervenzellen. Ja selbst die Elemente der epithelialen Binde- substanzen, vor allem der Innenhäute der Gefässe und der Kapillarwände sind nach meiner Erfahrung sekundäre Bildungen und keinesfalls die End- produkte einer kontinuirlichen Formentwickelung der ursprünglichen, embryo- nalen Bildungszellen. Aus diesem Thatbestande ergibt sich nicht nur die Un- haltbarkeit der Köwuıger'schen Anschauung, sondern auch eine relative Ueber- einstimmung im Bildungsverlaufe aller Bindesubstanzen , welche in allen ihren wesentlichen Theilen auf die ursprünglichen Bildungszellen selbst zurückzu- führen sind. Allerdings glaubt auch Körner einen „genetischen Zusammen- hang“ der Bindesubstanzen in ihrer gleichen Anlage zu erkennen (Nr. 798.57); diese Anlage aus ganz indifferenten Zellenmassen hätten aber die Bindesub- stanzen mit allen übrigen Geweben gemein, auch wenn man den Umstand nicht berücksichtigen wollte, dass die interstitielle Bindesubstanz des Centralnerven- organs, der Netzhaut und der Ganglien ebensowenig aus durchweg vollstän- digen Embryonalzellen sich entwickelt wie die Innenhäute aller sekundären Gefässe. Weiter hätten aber die epithelialen und einfach netzförmigen Binde- substanzen nach Köuuıker’s Darstellung gar keine Gemeinschaft mit den wesentlichen Theilen des fibrillären Bindegewebes und überhaupt mit der soge- nannten Grundsubstanz aller übrigen Bindesubstanzen. Abgesehen von der ungenügenden Beobachtung offenbart aber die Theorie KöLuıker’s auch ge- wisse Mängel der Vorstellung, welche ich hervorhebe, weil sie, unbeachtet ge- lassen, in ähnlichen Fällen leicht wiederholt werden könnten. Körner hat nämlich die Intereellularsubstanzen mit den Ausscheidungsprodukten der Drüsen und freien Oberflächen zusammengestellt (a. a. 0.8. 38).* Bei den letzteren Bildungen erfolgt die Ausscheidung auf einer anderen Seite der be- treffenden Zellenschicht als die Stoffaufnahme, sodass man die Ausscheidungs- produkte allerdings gesondert bestimmen kann. Wie soll man sich aber bei den übrigen Geweben, deren Zellen allseitig von einer Intercellularsubstanz umgeben werden, die Entstehung der letzteren „durch Ausscheidung von Flüs- * Eine theilweise Ausnahme wird nur für den Knorpel zugelassen, indem die Knorpel- kapseln als Zellenwandungen an der Bildung der Grundsubstanz des Knorpels theilnehmen (Nr. 79 S. 68). VII. Die Segmente des Rumpfes. 549 sigkeit im Innern von ursprünglich zusammenhängenden Zellenmassen“ vor- stellen? Mag man nun an die Embryonalzellen oder die späteren Bildungs- zellen denken, so ist es klar, dass sie ohne entsprechende Aufsaugung keine Flüssigkeit ausscheiden können, sodass, wo dieser Stoffwechsel allseitig und gleichartig erfolgt, irgendeine von aussen stammende Intercellularflüssigkeit gerade die nothwendige Voraussetzung jeder Ausscheidung ist, welche wieder- um beständig sich mit jener vermischt. Sollte in dieser die ursprünglichen Zellen umspülenden Flüssigkeit rund um dieselben eine Verdichtung entstehen, so könnte diese Umbildung nicht einseitig auf die gar nicht isolirbare Zellen- ausscheidung, sondern nur auf die Wechselwirkung der schon bestehenden und durch Zufuhr stets erneuerten Zwischensubstanz und der Zellenthätigkeit zu- rückgeführt werden. Also auch bei der Annahme, dass die M. Schuurtze’sche Theorie falsch wäre, erschiene die Auffassung KöLLıker's nicht zutreffend, dass die festen Grundmassen der Bindesubstanzen Abscheidungen der Zellen wären, „die sie in sich bereitet haben“ (S. 38). Wenn aber diese Massen, soweit meine Erfahrung reicht, ohne Ausnahme als Verschmelzungsprodukte von Zellen und daher als sekundäre Intercellularsubstanzen sich ergeben, so sind davon die Bildungen wohl zu unterscheiden, in denen die ursprüngliche Interstitialflüssig- keit unter gewissen Bedingungen, wozu in erster Linie ein gewisser Abschluss gegen die Umgebung zu gehören scheint, sich eigenthümlich verdichtet. Eine solche Bildung, z. B. der Glaskörper des Auges, darf ın toto mit den anderen Bindesubstanzen gar nicht verglichen werden; nur sein Zellengerüst und dessen Umbildungsprodukte sind das vergleichbare Aequivalent, während die gallertige Zwischensubstanz ihm gegenüber dieselbe Stellung einnimmt wie dielymphoiden Zellenmassen zum bindegewebigen Fasergerüst eines lymphatischen Follikels, aber durchaus nicht, wie KÖLLIKER meint ($. 58), der Grundsubstanz des Knorpels und Knochens oder der Fasermasse des Bindegewebes entspricht. — Hält man daran fest, dass nach unseren jetzigen Kenntnissen alle Bindesub- stanzen unmittelbar aus Zellen hervorgehen, so wird man zugeben, dass die von SCHWANN gelieferte Entwickelungsgeschichte des fibrillären Bindegewebes ım wesentlichen richtig ist, und dass, nachdem andere Auffassungen sie verdräng- ten, die neueren Beobachtungen und Deutungen eine Rückkehr zu der Schwann’schen Ansicht bedeuten. Denn es stehen die neueren Wiener Unter- suchungen und die Beobachtungen Rouuerr’s gar nicht im principiellen Wider- spruche, sondern es wird nur für eme Bindegewebsform (Sehnen) die getrennte Umbildung der ursprünglichen Bildungszellen behauptet, während auf der an- 550 VII. Die Segmente des Rumpfes. deren Seite die Entwickelung der Fibrillen in einer Verschmelzungsmasse der- selben für wahrscheinlich gehalten wird. Nach meinen Erfahrungen muss ich die erste Bildungsweise, wie ich schon in der Beschreibung erwähnte, auf ein- zelne Zellen beschränken, für die ganze Masse jedoch in Abrede stellen. s Ebenso wie die vergleichende Betrachtung der Leistungen des mittleren Keimblattes zur näheren Prüfung der ganzen morphologischen Entwickelung einlud, ist hier der Ort, nach der Darstellung der Entwickelung der verschiede- nen Gewebsformen, die Bedeutung der ganzen Histiogenese, ihr Verhältniss zur morphologischen Entwickelung und überhaupt zur Herstellung des ganzen individuellen Lebens zu erläutern. Nur eine Gewebsform, welche in den fol- senden Abschnitten häufiger vorgeführt werden wird, ist bisher nur ganz bei- läufig bei der Oberhaut und den Sinnesorganen erwähnt worden, nämlich das Epithel und seine Modifikation in den absondernden Drüsen. Desshalb be- merke ich hier zur Ergänzung ihrer allgemeinen Bildungsgeschichte, dass alle echten Epithelien mit den unmittelbar aus ihnen abgeleiteten Bildungen dadurch sich von allen ähnlichen Geweben, den unechten Epithelien oder Endothelien, unterscheiden, dass ihre Elemente unmittelbar auf die Embryonalzellen sich zurückführen lassen und daher nebst den Blutzellen* als primäre Zellen allen übrigen entgegengestellt werden können. Nachdem v. Baer den Grund zur morphologischen Entwickelungs- geschichte der Wirbelthiere gelegt, gab die bald darauf bekannt gewordene Zellenlehre Scrrwanv’s die Veranlassung, das Verhältniss der Histfogenese zu jener Entwickelungsgeschichte zu prüfen. Dies geschah zuerst durch Reichert. Er nimmt zwei, die ganze individuelle Entwickelung beherrschende Principien an, 1. eine dem zelligen Bildungsmaterial eigenthümliche Kraft der Umbildung in einzelne Organe und Gewebe (Nr. 28 8. 21. 33. 37), 2. den Endzweck der Entwickelung, welcher im Typus des fertigen Thieres zum Ausdruck komme * Ich kann hier mit Sicherheit nur die Blutzellen und natürlich auch die Dotterbildungs- zellen der jüngeren Larven anführen. Denn es scheint festzustehen, dass die Masse der späteren Blut- und Bildungszellen (Wanderzellen) durch Lymphzellen ergänzt wird, deren Ursprung und Entwickelung aber noch unbekannt sind, VIII. Die Segmente des Rumpfes. 551 und die Anordnung jener Einzeltheile von Anfang an bestimme (S. 41-—44. 60). Es wird also die Verschiedenheit der Gewebsbildung in gar keinen Kausal- zusammenhang mit der morphologischen Entwickelung gebracht, sondern nur von der „eigenen Energie“ der Embryonalzellen, d.h. da die letzteren in den einzelnen Embryonalanlagen nach ‚Ursprung und Zusammensetzung vollkom- men gleich sind, von übersinnlichen Ursachen abhängig gemacht. Dass die Lehre von dem die morphologische Entwickelung bestimmenden Endzwecke auf dasselbe Ergebniss hinausläuft, brauche ich nicht weiter auszuführen. ReEMmAR glaubte bei seinem Versuche, die leitenden Gesichtspunkte in der Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere festzustellen, einseitige teleologische Erklärungen entbehren zu können, weil sowohl manche Zweckmässigkeitsrück- sichten als auch anderseits die „Umwege“ und die „Unbequemlichkeit“ bei der Bildung der Organe sich gleicherweise zurückführen liessen auf „eine innere Nothwendigkeit, sie aus einer bestimmten Anlage hervorgehen zu lassen “ (Nr. 40 S. 102. 105). In demselben Sinne einer einheitlichen, besonderen Bedeutung jedes Keimblattes ist Remak der Ueberzeugung, „dass die Bildungsgesetze des Thieres mit den physiologischen Gesetzen des entwickelten Zustandes im Ein- klange stehen“ (S. 76), und sucht diesen Einklang sowohl in den Beziehungen der Keimblätter zur Bildung der verschiedenen Organe (morphologische Ent- wickelung) als zu den grossen physiologisch differenten Gewebsgruppen des erwachsenen Körpers zu finden. In ersterer Hinsicht sieht er „den entwicke- lungsgeschichtlichen Werth des oberen Keimblattes in dessen Bestimmung, die Sinnesorgane und deren Centralorgane zu bilden“ (S. 75); doch bekennt er selbst, dass damit nur die hervorragenden Leistungen des Sinneshlattes be- zeichnet seien, und die übrigen ganz anderen Zwecken dienen (8.76), dass ferner die Einheit jener Bildungsthätigkeit nur in den Beziehungen zu den Sinnesorganen überhaupt zu suchen sei, während die einzelnen Bildungen im übrigen die grössten histiologisch- physiologischen Verschiedenheiten darböten (S. 100). In der physiologischen Charakteristik des mittleren Keimblattes wird die motorische Eigenschaft, welche die verschiedensten Gewebe (Muskeln, Nerven, Skelettheile) vereine, in den Vordergrund gestellt; ihre Verwandtschaft mit der demselben Keimblatte zukommenden keimbereitenden Thätigkeit sucht REmAR daraus zu erweisen, dass auch der Bewegungsapparat „die Fähigkeit besitzt, durch Wirkungen nach aussen hin die Existenz des Individuums zu sichern“ (S. 101— 103). Dagegen „trotzen die Urnieren jedem Versuche, ihnen im Entwickelungsplan eine entsprechende Stelle anzuweisen“, weil sie nicht aus 552 VII. Die Segmente des Rumpfes. dem Darmdrüsenblatte entspringen, dessen Bedeutung in der Bildung assimi- lirender und absondernder Organe der Ernährung beruhe (S. 76. 77). — Aus dieser kurzen Uebersicht des Remar’schen „Entwickelungsplans“ erhellt zur Grenüge, zu welcher Einschränkung der angenommenen speeifischen Bedeutung der Keimblätter ihn seine Beobachtungen zwangen. Die ganze physiologische Gleichartigkeit in den Leistungen eines Keimblattes beruht eben nur in dem gleichen „physiologischen Zweck“ bei verschiedenem „physiologischen Werth“ der aus derselben Anlage hervorgehenden Organe (S. 77); und jener bezeichnet zudem nicht einmal die ausschliessliche, sondern bloss eine subjektiv bemessene hervorragende Verwendung der Keimblätter, sodass der ‚thierische Charakter“ des Sinnesblattes nach der Abschnürung des Öentralnervenorgans und der Sinnesorgane im Hornblatte sich sogar in den „pflanzlichen Charakter “ des Darmdrüsenblattes verwandle (S. 75). — Remar erwähnt ferner beim Horn- blatte und beim Darmdrüsenblatte eine histiologische Uebereinstimmung ihrer Erzeugnisse, welche aber wenigstens im ersteren durchaus nicht mit dem die morphologische Entwickelung beherrschenden physiologischen Zweck oder dem schliesslichen histiologisch-physiologischen Werth jener Erzeugnisse zusammen- fällt, sondern sich auf die gleichartige äussere Erscheinung während der Ent- wickelung beschränkt, sodass z. B. die Linse, das Nasen- und Mundepithel, die Horngebilde u. s. w, als oberhäutige, gefäss- und nervenlose Theile nebenein- ander gestellt werden (S. 100). Es lässt sich darin die Andeutung nicht ver- kennen, dass jene Uebereinstimmung wesentlich in der freien Oberfläche der genannten Blätter oder, allgemeiner ausgedrückt, in einer Lagebeziehung der- selben begründet ist. Dass eine solche Auffassung Remak selbst vorschwebte, beweist er dadurch, dass er das Gemeinsame der Sinnesanlagen in den blasigen Ausstülpungen, also lediglich in der Formbildung erkannt und die ganze sensorielle Thätigkeit des oberen Keimblattes mit der Oberfläche des embryo- nalen Körpers in Verbindung bringt (S. 100. 101). Ja, diese Erkenntniss ver- anlasst ihn, das Horn- und das Darmdrüsenblatt als oberhäutige und drüsen- bildende Embryonalanlagen direkt miteinander zu vergleichen und in dieser Gleichartigkeit, deren morphologische Begründung ihm allerdings nicht klar wurde, „eine breite und sichere Grundlage der Histologie“ anzuerkennen (S. 73. 100). Es konnte aber Remak unmöglich entgehen, dass diese Begrün- dung der Histiogenese weder mit der Lehre vom besonderen physiologischen /weck der Keimblätter noch mit der blossen Sonderung der letzteren zusam- menhing, und so verlässt er uns am Schlusse seiner trefflichen Untersuchungen VIII. Die Segmente des Rumpfes. 553 in der schlecht verdeckten Unsicherheit, ob er in der vergleichenden Entwicke- lungsgeschichte der Wirbelthiere das Hauptgewicht in der That auf jenen mangelhaft erwiesenen Endzweck der einzelnen Keimblätter legen sollte, wel- chem er doch die morphologische Entwickelung unterstellt hatte, oder ob nicht in jener, nach ihren Ursachen allerdings nicht klar erkannten Grundlage der (rewebsentwickelung ein noch wichtigerer Anhaltspunkt gegeben sei. — Unsere Betrachtung führt uns zu dem Ergebniss, dass Remakx trotz seiner Verwahrung gegen eine unbeschränkte teleologische Erklärung anfangs doch der herge- brachten Auffassung vom Einflusse des Endzwecks auf die Entwickelung und von der specifischen Bedeutung der Keimblätter für die morphologische Ent- wickelung anhing; dass aber gerade seine mit anerkennenswerther Unbefangen- heit angestellten Untersuchungen ihn ganz allmählich dahin brachten, die Autorität jener Lehre anzuzweifeln und wenigstens daneben einen ursächlichen. Zusammenhang gewisser allgemeiner Vorgänge unmittelbar in einer eingehen- den Beobachtung zu suchen. Indem er dies zunächst bei der Histiogenese unternahm, konnten ihm deren innige Beziehungen zur morphologischen Ent- wickelung um so weniger klar werden, als die letztere sich ihm noch immer im Lichte der bezeichneten Vorurtheile darstellte. Wie wenig indessen dieser Fortschritt RemAr’s in der Erkenntniss der Entwickelungserscheinungen verstanden wurde, ergibt sich daraus, dass von seinen Nachfolgern als sein Hauptverdienst bezeichnet wurde, die histiologische Sonderung mit der Keimblattbildung in Parallele gebracht zu haben (vgl. Hıs Nr. 109 8. 49), während er selbst, wie ich eben zeigte, dies gar nicht einmal versucht hat. Diese missverständliche Auffassung der Remar’schen Darstel- lung entsprang daher, dass die meisten seiner Nachfolger ihre histiogenetischen Einzelforschungen in eine ganz bestimmte Verbindung mit seiner Keimblatt- lehre zu bringen suchten; bei Hıs aber, dem ersten Embryologen, der seit RemAaK eine umfassende und selbstständige Entwickelungsgeschichte eines Wirbelthiers schrieb, überwog zu sehr die Neigung zur Spekulation, um nicht | gerade die ähnlichen Seiten in Remar’s Untersuchungen besonders hervorzu- heben. Was aber nach meiner Ansicht Remak besonders auszeichnet, dass bei ihm die traditionelle und anfangs von ihm selbst anerkannte allgemeine Auffassung in Folge der objektiven Beobachtung eigentlich vollständig Schift- bruch leidet, hält Hıs offenbar für die Folge unvollkommener Handhabung der aprioristischen Theorie, welche bei ihm überall dort, wo die Beobachtung sich ihr nicht zwanglos oder gezwungen fügt, einfach über sie hinwegschreitet. Ich 554 VIH. Die Segmente des Rumpfes. habe die Hıs’sche Darstellung bereits an anderen Stellen aufgezeichnet (vgl. S. 256. 257, Nr. 121 8. 145 — 162. 157— 192), aber noch keine Gelegenheit gehabt, sie in ihrem. ganzen Zusammenhange zu kritisiren, wie es hier ge- schehen soll. Hıs geht bekanntlich von der Annahme zweier nach Ursprung und Lei- stungen durchaus getrennten Keime aus: der Hauptkeim oder der umgewandelte Hauptdotter (Primordialeiı Waupeyer) liefere alle Gewebe mit Ausnahme des Blutes und der Bindesubstanzen und führe zudem die morphologische Gliede- rung allein und ganz selbstständig aus; der Nebenkeim stamme vom Neben- dotter und des weiteren direkt von den Bindesubstanzzellen des mütterlichen Organismus ab, bilde das Blut und die Bindesubstanzen und passe sich in seiner Formbildung vollständig dem Hauptkeime an (Nr. 109 S. 534—42. 183). Die morphologische Entwickelung erfolge dadurch, dass ein ungleichmässiges Wachsthum (Massenzunahme) des Keims Faltungen hervorrufe, in denen die mechanischen Bedingungen für alle weitere Formbildung zu suchen ‚seien (S. 154). Neben dieser mechanischen Begründung kehrt aber bei Hıs, wie ich in meiner oben citirten Arbeit nachgewiesen habe, das Dogma wieder, dass der physiologische Werth eines Körpertheils seinen Ursprung und seine intwickelung bestimme, und dass daher auch in Ermangelung eines Beweises die beiden ursprünglichen Keimblätter als animales und vegetatives anzusehen seien. Hinsichtlich der histiologischen Entwickelung unterscheide sich der Hauptkeim wieder bedeutsam vom Nebenkeime, indem „für die archiblastischen (rewebe das Entwickelungsgesetz im Akte der Zeugung scharf bestimmt wird. Eine archiblastische Zelle durchläuft sonach niemals eine Entwickelungsstufe, in der sie eben so gut Muskel- als Nerven - oder Epithelialzelle werden könne, und in welcher es blos von äusseren Verhältnissen abhinge, ob sie das eine oder das andere wird. Jeder Zelle ist vielmehr ihre Entwickelungsbahn vor- geschrieben“ (5.200). Der Nebenkeim sei dagegen auch in seiner histologischen Entwickelung von den Organen und Geweben des Hauptkeims, denen er sich anschliesse, abhängig. Ferner soll die histiologische Entwickelung des letzteren nur in untergeordneten Punkten von der morphologischen Gliederung beein- flusst werden (S. 195), dennoch aber in den vier Hauptformen der archiblasti- schen Gewebe (Nerven, animale und organische Muskel, Epithel) mit der vier- in der obersten Schicht zudem mit deren Sonderung fachen Keimschichtung, in einen centralen und einen peripherischen Theil zusammenfallen, wobei das VIII. Die Segmente des Rumpfes. 555 ungleichmässige Wachsthum in ein ganz bestimmtes Verhältniss zum physio- logischen Werth jener Grewebe gebracht wird (5. 195. 196). * Hıs selbst sieht in der Annahme semer zwei Keime und emes allgemeinen Grundgesetzes ihres Wachsthums die zwei Principien,, deren Feststellung die Aufgabe seiner Arbeit sei (S. VI). Den grundverschiedenen Ursprung und die völlig gesonderte Entwickelung beider Keime begründete His 1. aus der Ent- wickelung des Eierstockseies, 2. aus der Entwickelungsgeschichte des Keim- walls. Die merkwürdige Einwanderung der ovarialen Bindesubstanzzellen in den jungen Eifollikel hat sich aber durch die Untersuchungen von WALDEYER als Irrthum erwiesen, und ich konnte Ornnacher darin bestätigen, dass in dem sogenannten weissen Dotter des eben befruchteten Eies überhaupt keine Zellen vorkommen (vgl. Nr. 121 8. 155 u. flg.) Aber selbst wenn die von Hıs ange- nommene Zusammensetzung des Eierstockseies richtig wäre, so steht ihm doch gar kein Urtheil über die ferneren Schicksale der ovarialen Keime zu, da er von der ganzen, so ausserordentlich wichtigen Entwickelung, welche das reife Ei bis zum Beginn der Bebrütung durchläuft, nichts Eerähnäinehiiie weiss (Nr. 109 8. 58), also die Erhaltung der beiden Keime, insbesondere der Ueber- sang des Nebenkeims in den Keimwall sich nur als eine durch keine einzige Thatsache unterstützte Vermuthung ergeben {vgl. Nr. 1218. 156). Und auch die letzte Stütze der Hıs’schen Darstellung, die Entwickelungsgeschichte des Keimwalls (Nebenkeim), bestätigt sich in keinem einzigen Punkte (Nr. 121 5. 192). Das einzige, was vom Keimwalle her, nicht aus ihm selbst, ın den Embryo übergeht, ist das Blut, und die einzige Anlage, welche in der äusseren Erschemung an den Hıs’schen Nebenkeim erinnert, ist mein inter- stitielles Bildungsgewebe; offenbar hat nun Hıs aus einer irrthümlichen Ver- mengung beider Erscheinungen sich das Bild seines den Hauptkeim durch- wuchernden Nebenkeims konstruirt. Wenn aber in meinem Bildungsgewebe eine Scheidung der von den Embryonalanlagen abstammenden und der aus dem Blute eingewanderten Elemente gar keinen Sinn hätte, ist der genaue Nachweis der angeblich strengen histiologischen Sonderung der beiderlei Keimtheile für Hıs ganz unerlässlich; er hat dieselbe aber nicht einmal wahr- scheinlich gemacht, und sich eben wieder mit der blossen Behauptung begnügt. * Hıs formulirt das betreffende Gesetz folgendermassen: „Es steigt die physiologische Dignität eines archiblastischen Gewebsblastems mit der Grösse der Wachsthumsgeschwin- digkeit, welche dem Blastem im Beginn der Entwickelung zukommt“! 556 VII. Die Segmente des Rumpfes. Kurz, die Lehre von den beiden Keimen ist weniger aus unvollkommener Be- obachtung als aus überwiegender Spekulation hervorgegangen. Ebenso illusorisch erweist sich auch das zweite Princip der Hıs’schen Ent- wickelungsgeschichte. Sem in den „theoretischen Ableitungen “ so mühsam ausgearbeitetes Wachsthumsgesetz soll die morphologische und histiologische Sonderung gleicherweise erklären. Die Thatsache der Massenzunahme des Keims vom ersten Anfange der Entwickelung an wird dabei als selbstverständ- lich vorausgesetzt. Diese Auflassung ist ganz erklärlich, solange man seine Aufmerksamkeit auf die Formveränderungen beschränkt: die äusseren Formen „wachsen“ s6 augenfällig, ein Nahrungsmaterial (Nahrungsdotter) ist so reich- lich vorhanden, dass die Massenzunahme, welche man in den vorgeschrittenen Embryonalperioden mit der wägenden Hand feststellen kann, auch am Keime und den jüngsten Embryonen unzweifelhaft erscheint. Einer weitläufigen Theorie ihres organischen Wachsthums hätte aber doch eine Prüfung der grundlegenden Thatsache vorausgehen sollen. Bei einer solchen Prüfung sind wir auf die Vergleichung der Durchschnitte und der einzelnen Elemente ange- wiesen. Berücksichtigt man, dass der sich furchende Keim kompakt ist, und dass seine Elemente später grossentheils sehr locker angeordnet sind, so wird man bei dem Vergleich der medianen Durchschnitte,* welche ich in meinem Aufsatze abbildete (Nr. 121 Fig. 1—7), und welche bis zur Zeit der beginnenden Abschnürung des Kopfes reichen, 1. eine Massenzunahme des Keims nicht wahr- scheinlich finden, geschweige sich von ihr überzeugen können, dagegen 2. er- kennen, dass die Ausbreitung des Keims zuerst in der Mitte und dann am tande auf Kosten seiner Mächtiekeit erfolgt. Ferner kann man sich aus der vergleichenden Untersuchung der @Querdurchschnitte verschiedener Keime überzeugen, dass deren Formveränderungen nicht auf einer Massenzunahme, sondern einer Massenverschiebung beruhen, wie ich es in der morphologischen Entwickelungsgeschichte der Batrachier ausführlich darstellte. Während jener Umbildungen vermehren sich nun allerdings die Elemente des Keims, aber die Fig. 1— 7 und 37- 46** der bezeichneten Arbeit erweisen, dass ihre Verkleinerung mit der Vermehrung Schritt hält und allein während der Bebrü- * Solche Durehschnitte fallen mit der Queraxe des ganzen Eies zusammen, sind also auch an den unbebrüteten Keimen mit ziemlicher Genauigkeit ausführbar. ‘“* Da die Fig. 37 und 38 nur stärker vergrösserte Theile der Fig. 6 und 7 darstellen, so bieten die bezeichneten Abbildungen eine durchaus fortlaufende Reihe, VIII. Die Segmente des Rumpfes. 557 tung bis zum Beginn der Blutbildung die Masse der einzelnen Zelle aufden vier- ten Theil und noch mehr reducirt. Ich muss daher die Behauptung von Hıs: „Die Keimscheibe wächst durch Vermehrung und Vergrösserung ihrer Zellen“ (Nr. 1098. 53) für durchaus unbegründet erklären. Mit der Herstellung der Gefässe beginnt jedenfalls eine nachweisbare Massenzunahme des Keims, aber einmal sind alsdann die meisten fundamentalen Vorgänge der morphologischen Entwickelung bereits abgeschlossen, und ferner berührt nach His selbst diese Massenzunahme nicht den dem Wachsthumsgesetze unterworfenen Hauptkeim. Den Anfang einer wirklichen Ernährung der Embryonalzellen nnd daher einer Massenzunahme während ihrer Vermehrung setze ich entsprechend einer früheren Darstellung (S. 104) in die Zeit, wo die Umbildung der Dottersubstanz vollendet ist. Noch leichter ist der Nachweis einer mangelnden Massenzunahme des Keims und des Embryo bei den Batrachiern, indem selbst die Möglichkeit derselben sowohl für das ganze Ei (8.78) wie insbesondere für den Keim von dem zelligen und längere Zeit unveränderten Nahrungsdotter (Dotterzellen- masse) her ausgeschlossen werden kann. Mit solchem Nachweise ist natürlich auch das ganze Wachsthumsgesetz gerichtet. Doch will ich seine Bedeutung gar nicht bloss von seiner äusseren Berechtigung abhängig machen und es auch unter der Voraussetuung eines thatsächlichen Wachsthums prüfen. Nachdem Hıs alle möglichen Folgen eines ungleichmässigen Wachsthums erwogen (Nr. 109 8. 51—56. 184— 188), zählt er „die durch die Beobachtung eonstatirbaren Eigenschaften des Wachsthumsgesetzes“ auf, also den thatsächlichen Inhalt seiner auf den Hühnerkeim bezogenen Theorie, um darauf zu dem überraschen- den Ergebniss zu kommen, dass jene Sätze der „unmittelbare Ausdruck der Beobachtung‘ seien (S. 190). Diese aus v. Baer's Entwickelungsgeschichte entlehnten geistreichen Verallgemeinerungen gewisser Formveränderungen der Keimschichten könnte man allenfalls ein Erschemungsgesetz nennen, welches das Wesentliche und Gesetzmässige einer Erscheinung zusammenfasst und her- vorhebt und dadurch die Aufmerksamkeit auf das zu Grunde liegende Kausal- gesetz lenkt, ohne es selbst zu enthalten oder zu bezeichnen. Allerdings sucht Hıs sowohl seine Keimfalten aus den Formbedingungen der sich ungleichmässig ausdehnenden Keimschichten und aus ihnen wieder andere Erscheinungen zu erklären; aber er selbst bezeichnet die Spaltungen, Falten u. s. w. nur als Folgen seines Wachsthumsgesetzes (8. 55), und dieses bleibt eine blosse Summe von gesetzmässigen Wachsthumserscheinungen, deren einheitlicher Ursprung und Verlauf bei Hıs um so geheimnissvoller erscheinen müssen, als ihm die 558 VIII. Die Segmente des Rumpfes. nicht ganz kurze Entwickelung des Keims bis zu dem Punkte, wo seine Unter- suchungen anfingen, völligunbekannt blieb. Unter der Voraussetzung des Wachs- thums ist also das Hıs’sche Wachsthumsgesetz thatsächlich nur eine Auf- zählung gewisser allgemein ausgedrückter morphologischer Erscheinungen, wie wir sie in ähnlicher Weise schon bei v. Baer antreffen. Und sollte es etwa an- deuten, dass man auf demselben Wege der Untersuchung bis zu einer einheit- lichen Begründung jener Vorgänge gelangen könnte, so wäre es im günstigsten Falle ein Problem zu nennen, dessen ganze Bedeutung natürlich davon abhinge, dass seine fundamentale Voraussetzung, eben das Wachsthum, sich bestätigte. Nach der Widerlegung der letzteren kann das Hıs’sche Grundgesetz nicht ein- mal den Anspruch erheben, ein genauer Ausdruck der Beobachtung zu sein: eine bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft verunglückte Wiederholung der v. Bare’schen Reflexionen, verliert es jeden empirischen und theoretischen Werth. Wenn nun die morphologische Entwickelung durch das Wachsthumsgesetz nichts weniger als erklärt wird, so tritt dafür um so unzweideutiger ein anderes Erklärungsmoment hervor, der Einfluss des physiologischen Endzweckes. Dass eine solche Annahme neben den so häufig in den Vordergrund gestellten Ver- suchen einer rein mechanischen Begründung Platz findet, ist kein Zeugniss für eine klare Auffassung der zu lösenden Probleme; um so weniger, als Hıs in der Erörterung der histiologischen Sonderung denselben Widerspruch noch in einer anderen Form sich aneignet. Diese Sonderung wird nur im Nebenkeime (Bindesubstanzen, Blutgefässe) von der morphologischen Entwickelung mechanisch abhängig gemacht.* Für die Gewebe des Hauptkeims wird dagegen eine ganze Reihe verschiedener Beziehungen ihrer Entwickelung aufgeführt (s. oben), wobei allerdings der gänzliche Mangel histiogenetischer Untersuchun- gen in einem merkwürdigen Gegensatze zu der Sicherheit der Aussprüche steht. Will man zunächst in dem kühnen Satze vom Zusammenhange der Histiogenese mit der Wachsthumsgeschwindigkeit einen Hinweis auf eine empirische Erklä- rung erkennen, wobei aber Hıs dennoch von einem Kausalnexus zwischen histio- * Die Vorstellung, dass die Bindesubstanzzellen des mütterlichen Organismus im Bie zu indiflerenten Dotterzellen werden, im Embryo wieder zu Bindesubstanzzellen u. s. f., also ein gewissermassen unsterbliches Leben in einem beständigen Wechsel von „Rückschlag“ und Fortentwickelung führen, dürfte in diesen Konsequenzen nicht geeignet erscheinen, eine ernstliche Prüfung anzuregen. VIII. Die Segmente des Rumpfes. 559 logischer und morphologischer Entwickelung nichts wissen will,* so werden wir durch die Behauptung von der Uebereinstimmung der Hauptgewebe mit ebenso vielen gesonderten morphologischen Anlagen, nämlich den*Keimschich- ten, zu der weiteren Behauptung hinübergeführt, dass die Umbildung jeder einzelnen archiblastischen Zelle schon vor dem Beginn der Entwickelung im Zeugungsakte scharf bestimmt sei! Wir hätten also eine geheimnissvolle Präde- stination in der Gewebsbildung so gut wie in der morphologischen Entwicke- lung; und da sie in beiden Richtungen mit der von Hıs konstruirten Keim- schichtung zusammenfällt, so darf man annehmen, dass ihm selbst eine Einheit wenigstens des übersinnlichen Prineips, des so zu sagen ursächlichen End- zwecks, vorgeschwebt habe. Andernfalls würde die Dualität desselben ganz auffallend an Reicnerr’s bezügliche Darstellung erinnern. — Bei solchen Er- gebnissen muss man darauf verzichten, in der Hıs’schen Entwickelungs- geschichte irgend eine einheitliche Auffassung zu finden; und daher konstatire ich bloss, dass darin von einer bestimmten Vorstellung über das Verhältniss der morphologischen und der histiologischen Sonderung zur Gesammtentwicke- lung und zu einander nichts zu entdecken ist. Aus der voranstehenden Kritik der verschiedenen Entwickelungspläne lässt sich entnehmen, wie wenig man bisher geneigt war, einen innigen Kausalzusam- menhang zwischen histiologischer und morphologischer Entwickelung anzuneh- * In diesen Angaben von Hıs häufen sich Widerspruch und Unklarheit ganz besonders an. Hinsichtlich des eben genannten Satzes folgert Hıs so (8.195): „Im Kopftheil des Keims waltet die Masse des Nervenblastems beträchtlich vor über die Masse der übrigen Blasteme“. ‚Im Rumpf- und Schwanztheil des Keimes dagegen nimmt die absolute und relative Menge des Nervenblastems ab, diejenigen der Muskelblasteme zu“. „Fassen wir das Hauptergebniss des obigen Befundes zusammen, so ergiebt sich ; dass das Nervenblastem in denjenigen Ab- schnitten der Keimscheibe sich bildet, welche beim Beginn der Entwickelung die grösste Wachsthumsgeschwindigkeit besitzen, während das Muskelblastem in den Ab- schnitten mittlerer, und das Epithelialgewebe in denjenigen geringerer Wachsthums- geschwindigkeit entsteht“. Es erhellt, dass dieser Schluss und das daraus abgeleitete Ge- setz vom Zasammenhange der physiologischen Dignität eines Gewebes mit der Wachsthums- geschwindigkeit (s. oben) sich nur auf den Kopf beziehen können, im Bumpfe aber gerade umgekehrt lauten müssten, was zum Ergebniss hätte, dass dieselben Gewebe im Kopfe und Kumpfe einen verschiedenen physiologischen Werth hätten! — Wenn ferner jener Zusam- menhang keine „Erklärung“ der betreffenden Histiogenese enthalten soll, auf derselben Seite aber dennoch zu den „Erklärungsmomenten“ gerechnet wird (8. 197); wenn endlich das Wachsthum der Keimschichten als Ausdruck morphologischer Vorgänge die gewebliche Entwickelung, wie eben bemerkt, wesentlich „beeinflussen“ (8. 200), trotzdem aber der morphologischen Gliederung, worunter auch die Keimschichtung verstanden ist (S. 195), „kein entscheidender Eintluss“ auf die histiologische Entwickelung zukommen soll, so darf eine solche Darstellung auf Ueberzeugungskraft keinen Anspruch erheben. 5 560 VIN. Die Segmente des Rumpfes. men, die Ursachen der ersteren gerade in dernatürlichsten Weise in dengreifbar vorliegenden lokalen Beziehungen zu suchen. DenGrund dafür glaube ich darın zu erkennen® dass man, einem sehr verbreiteten Irrthum folgend, Kausalgesetz und Erscheinung’nicht gehörig unterschied und die Identität des ersteren mit einer Einheit der Erscheinungen verwechselte. Dieser Irrthum hatte schon die Auffassung der morphologischen Eintwickelung geschädigt,indem das (remeinsame in den gesonderten Organen, ihr physiologischerZweck, ihr animaler oder vege- tativer Charakter, nicht nur auf die gleichen Ursachen bezogen, sondern auch gleich für den gemeinsamen Ursprung verantwortlich gemacht wurde. Ebenso slaubte man ferner die Einheit der histiologischen Entwickelung nur in der Ver- einigung äller gleichen Gewebstheile in je einer besonderen Anlage voraussetzen zu müssen, ohne sich dessen klar bewusst zu werden, dass man dadutch theoretisch morphologische und histiologische Anlagen, Organe und Gewebe vollkommen schied, was wiederum mit der einfachsten Erfahrung nicht im Einklange stand. Daher beruht auch die am häufigsten wiederkehrende Vorstellung, dass die Keimblätter sowohl für die Organe wie für die Gewebe eine besondere eimnheit- liche Bedeutung hätten , auf einer Täuschung, welche nur durch ungenaue Be- obachtung und oberflächliche Ueberlegung sich aufrechterhalten liess. Ich habe bisher aus den betreffenden Arbeiten selbst theils jenen Widerspruch auf- zudecken, theils nachzuweisen gesucht, wie er nur durch die Annahme unklarer übernatürlicher Eingriffe verdeckt werden konnte. ‚Jetzt werde ich durch eine Zusammenstellung einiger entscheidender Thatsachen, wie sie sich aus meinen Untersuchungen ergeben, ausführen, wie gründlich jene irrigen Voraussetzun- sen durch die einfache Beobachtung widerlegt werden. Zählen wir bloss die histiologischen Leistungen der einzelnen Keimblätter auf, so schwindet schon von vorn herein jede Aussicht, jedes von ihnen auch nur in dem Umfange, wie es noch RemAar möglich war, durch einige besondere Gewebsformen zu charakterisiren. Gehen wir vom Darmblatte aus, dessen Leistungen jener Forscher noch auf die epitheliale Form beschränken konnte, so finden wir neben dieser noch die endotheliale Auskleidung des Herzens (vgl. Abschnitt X) und die Erzeugnisse des Axenstranges und des Schwanzdarms, welche wenigstens theilweise mit grosser Wahrschemlichkeit auf endotheliale Lymphgefässwände bezogen werden können. Des weiteren bezeichnet aber die „epitheliale Form“ nur eine sehr allgemeine äussere Gleichartigkeit der betref- fenden (Gewebe. Denn zwischen dem Leberparenchym, dem Lamgenepithel und etwa den Geschmackszellen, welche letzteren mit dem Ueberzug des ganzen VIII. Die Segmente des Kumpfes. 561 Mundhöhlenbodens vom Darmblatte abstammen (8. 332. 335), dürfte der Unterschied gerade so gross sein wie etwa zwischen den Nerven- und Knorpel- zellen des Bildungsgewebes. Denn wenn man die einzige wirkliche Gemein- schaft der erstgenannten Bildungen, nämlich ihre Zusammensetzung aus pri- mären Zellen hervorhebt, so hat man kein Recht, die entsprechende Aehnlich- keit in jenen sekundären Zellen des Bildungsgewebes geringer anzuschlagen. Ferner ist die epitheliale Gewebsform innerhalb des mittleren Keimblattes in der Auskleidung der Nieren und Geschlechtsorgane und der grossen serösen Höhlen, innerhalb des oberen Keimblattes in der ganzen Oberhaut, dem Epithel der Nasen- und Mundhöhle so reichlich vertreten, dass auch von einer relativen Beschränkung: dieser Gewebsform auf das Darmblatt abgesehen werden muss. Noch auffallender offenbart sich die Ungleichartigkeit der Gewebsbildung in den beiden andern Keimblättern. Im oberen bildet der centrale Theil (Axen- platte) nicht nur die Nervenmasse, sondern auch die Bindesubstanz des Hirns und Rückenmarks nebst der Epithelbekleidung der Adergeflechte, also ganz verschiedene Gewebe innerhalb einer einheitlich bleibenden Anlage; eine Ab- gliederung dieses centralen Theils, die Sinnesplatte, erfährt in der Riechschleim- haut, der Netzhaut mit dem Sehnerven und der Auskleidung des Gehörorgans ebenfalls eine wechselnde gewebliche Umbildung. Die peripherischen Ab- schnitte des oberen Keimblattes endlich liefern neben den oberhäutigen Bil- dungen (Oberhaut, Drüsen, Schleimhaut der Mundhöhle) noch die Linse und das ganze System der Seitennerven mit den Seitenorganen. Alle diese Bildungen sind nun aber nicht im geringsten eine ausschliessliche Eigenthüm- lichkeit des oberen Keimblattes; abgesehen von den schon erwähnten Epithelien bildet das mittlere Keimblatt ebenso wie das Darmblatt (Geschmacksorgan) eine Art von Sinnesorganen, nämlich die sogenannten Tastkörperchen, und ferner eine ganze Reihe von diskreten Nervencentren, die Ganglien. Es ist daher nur eine Gewebsform, die Muskeln, auf ein Keimblatt, nämlich das mittlere beschränkt, während alle übrigen Gewebe auf zweioder alle drei Blätter vertheilt sind, und zwar nicht in einheitlichen Anlagen, von denen aus ihre Bildungs- zellen dem „Endzwecke“ gemäss zu den entferntesten Organen auswandern müssten (Hrs), sondern in rein lokaler Anordnung. Diese Auffassung wird durch die Thatsache der wandernden Bildungszellen nicht beeinträchtigt; denn einmal dienen sie nur zur Ergänzung schon bestehender Anlagen, und ferner stellen sie kein besonderes einzelnes Gewebe dar, sondern bleiben bis zur Zeit ihrer lokalen Niederlassung völlig indifferent, um erst dann je nach den vorge- GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 36 562 VIII. Die Segmente des Rumpfes. fundenen Bildungsbedingungen in Nerven, Muskeln, Bindesubstanz oder epi- theliale Bildungen überzugehen. Eine genaue Beobachtung widerlegt aber nicht nur vollständig die speci- fische Bedeutung der Keimblätter und -schichten für die Gewebsbildung, sondern erweist auch die rein lokale Begründung ihrer Verschiedenheit durch die morphologische Entwickelung. Die aktiven oder Bewegungsursachen der Histiogenese sind natürlich die in jeder Embryonalzelle sich entwickelnden, : anfangs überall gleichen physiologischen Vorgänge, deren Massenwirkungen zuerst in der schon geschilderten morphologischen Entwickelung zu Tage treten, in der Folge aber sich in die einzelnen histiologischen Erscheinungen auflösen. Die Bedingungsursachen dagegen, welche jenen Bewegungen Form und Ziel vorschreiben und dadurch eben allein die histiologischen Unterschiede begrün- den, sind nun, wie ich aus einer Vergleichung der Beobachtungen glaube ent- nehmen zu können, in den örtlich verschiedenen, von der vorausgegangenen morphologischen Entwickelung gesetzten Formbedingungen zu suchen, d. h. in der Summe von Lagebeziehungen der ganzen Anlagen und ihrer Elemente, wozu die äussere Form, Grösse, Umgebung der ersteren und das besondere Gefüge der letzteren gehören. — Im Anfange der Entwickelung sind die Embryonal- und Dotterzellen nach Inhalt und Zusammensetzung und selbst in der indifferenten rundlichen Gestalt einander vollständig gleich; aber schon die ersten Abweichungen, welche die Gestalt betreffen, werden von der morpho- logischen Entwickelung herbeigeführt, indem diese einige Zellenmassen in epi- theliale Schichten zusammendrängt, andere in lockerem Gefüge lässt oder zu Netzen auseinander zieht. Der Beginn der inneren histiologischen Veränderung ist ebenfalls in allen Zellen gleichartig, da er von der vorausgehenden Auf- lösung der Dottersubstanz abhängig ist, welche überdies in den verschiedensten Gewebsanlagen von der Erscheinung der von mir so genannten Umbildungs- kugeln begleitet ist. Da diese Einleitung der Histiogenese nicht gleichzeitig in allen Anlagen, für die einzelnen aber stets in ganz bestimmten Zeitpunkten, also auch bei ganz bestimmten morphologischen Zuständen eintritt, so dürfte der wesentliche Einfluss der letzteren schon im Beginne der Gewebsbildung nicht zu verkennen sein. In einzelnen Fällen, wie bei der ersten Gefässent- wickelung und der Umbildung der Wirbelsaite können wir sogar diesen Ein- fluss näher bestimmen. Im ersteren Falle ist jedenfalls die Herstellung des Bildungsgewebes als der nothwendigen Voraussetzung der Gefässbildung, ob- wohl dabei gewisse morphologische Anlagen aufgelöst werden, vollständig ab- VIII. Die Segmente des Rumpfes. 563 hängig von einem bestimmten Fortschritte der ganzen morphologischen Entwickelung (S. 492 u. flg.); und ebenso erscheint die Umbildung der Wirbelsaite als eine Folge eines allgemeinen morphologischen Vorgangs, nämlich der Verlängerung der dorsalen Anlagen (S. 356). Noch offenbarer wird der Einfluss der morphologischen Entwickelung, genauer gesagt der von ihr gesetzten Formbedingungen im weiteren Verlaufe der Histiogenese. So finden wir zunächst, dass das Mass der Veränderung in der zusammenhängen- den morphologischen und histiologischen Entwickelung, soweit wir beurtheilen können, sich völlig gleich bleibt, d. h. geringere oder grössere morphologische Sonderung bedingt auch geringere oder grössere histiologische Differenzirung. Solange das obere Keimblatt morphologisch indifferent erscheint, lässt sich auch an seinen Zellen kein Unterschied wahrnehmen. In der sich absondernden Axenplatte nehmen sie bereits eine andere Gestalt und Lagerung an als in den peripherischen Theilen, um nach der Abschnürung der Cerebromedullarröhre einen völlig heterogenen Entwickelungsgang einzuschlagen. Aber gerade dieses Beispiel mahnt uns, die wirkenden Formbedinguugen nicht ohne weiteres mit der äusseren Formerscheinung zu verwechseln; denn die letztere ist bei der Entwickelung des Centralnervenorgans der Knochenfische eine andere als bei derjenigen anderer Wirbelthiere, und nicht immer ist es möglich, die Gleichheit der dabei wirksamen Ursachen und somit der Formbedingungen der bereits eingeleiteten Histiogenese dennoch so wahrscheinlich zu machen, wie in diesem Falle (vgl. S. 185—187). Zum Beweise, wie eng sich die histiologische Diffe- renzirung an die morphologische Sonderung anschliesst, sei hier an die Knickung der Hirnaxe und die ihr parallel laufende Biegung der weissen Markfaserstränge erinnert. Dagegen zeigen wiederum die Schicksale der Sinnesplatte, dass die- selbe Anlageunter wesentlich veränderten Formverhältnissen ihrer einzelnen Ab- schnitte auch einer wesentlich divergirenden geweblichen Umbildung unterliegt: die Fortsetzung jener Platte im Rumpfe (hinterer Rückenmarksstrang) entbehrt eine morphologische Scheidung vom Rückenmarke und daher auch eine beson- dere Histiogenese, während die dreitheilige Sinnesplatte des Kopftheils mit ihrer Absonderung vom Hirne auch die abweichende gewebliche Umbildung erwirbt. Und noch einmal tritt uns in diesem engeren Kreise verwandter Bil- dungen ein Beispiel entgegen, wie die unvollkommene Beobachtung des morpho- logischen Zusammenhangs auch gleich das Verständniss der histiogenetischen Beziehungen trübt; denn den früheren Embryologen erschienen die homologen Sinnesanlagen in der Nasengrube, der Linse und dem Gehörbläschen, ‚welche 36* 564 VIII. Die Segmente des Rumpfes. vom physiologischen Endzwecke geleitet, aus dem scheinbar gleichartigen Hornblatte hervorwuchsen, während in der That die Augenblase an die Stelle der Linse zu treten hat, und alsdann die drei Anlagen der empfindenden Sinnes- apparate eine gewisse histiologische und physiologische Verwandtschaft unter sich schon in der gemeinsamen morphologischen Anlage offenbaren, welche nicht weniger von der Stirnplatte als von der Oberhautanlage sich absondert. Wie aber die Linse aus einer nachträglichen mechanischen Anpassung an die Augenblase hervorgeht, habe ich in einem früheren Abschnitt erörtert (5. 326), damit aber auch erklärt, warum dieses Organ auch geweblich der Oberhaut näher steht als den empfindenden Sinnestheilen. Die Oberhaut endlich erfährt die geringsten morphologischen Umänderungen und daher auch die am wenig- sten wesentliche gewebliche Differenzirung: alle ihre Bildungen bewahren mehr oder weniger den epithelialen Charakter, und dadurch nähert sie sich eben dem Darmblatte, welches zum weitaus grössten Theile ebenfalls im epitheliale Bil- dungen übergeht. Desshalb wurde schon REMAK, wie wir sahen, zu einem eigenthümlichen Vergleiche beider Keimblätter veranlasst, wobei die histio- logische Ueberemstimmung mit den verschiedenen physiologischen Zwecken in Widerstreit gerieth. Hıs verlegte sogar alle echten Epithelien in seine beiden Grenzblätter. Dass aber die Epithelbildung ihnen nicht ausschliesslich eigen- thümlich ist, habe ich ‘schon gezeigt; und es kommt hier nur darauf an zu erweisen, dass sie überhaupt nicht aus ursprünglichen Eigenthümlichkeiten der Keimblätter, sondern aus bestimmten, erst durch die ganze morphologische Entwickelung örtlich zusammengeführten Formbedingungen hervorgeht. Wenn ich die Epithelbildung für eine nothwendige Folge einer Lagebeziehung, näm- lıch der freien Oberfläche erkläre, wie es schon REMAR vorschwebte, so mag dies Manchem selbstverständlich erscheinen; dagegen muss ich aber bemerken, dass alsdann bisher wenigstens die selbstverständlichen Schlüsse daraus nicht abgeleitet wurden, auf die es hier allein ankommt. Die Oberfläche des ursprüng- lichen indifferenten Keimblattes bedingt nicht ohne weiteres seine Umbildung in ein epitheliales Gewebe, sondern diese tritt nur dort ein, wo die mit jener Lagebeziehnng der freien Oberfläche verbundenen besonderen Formbedingungen bis zum Beginn der betreffenden Gewebsbildung erhalten bleiben oder, wenn sie anfangs nicht vorhanden waren, sich im Verlaufe der morphologischen Eut- wickelung zusammenfinden; und ferner betrifft diese Bildung gar nicht durch- weg die ganze Mächtigkeit des zu Grunde liegenden Keimblattes, sondern reicht nur so weit, als jene Formbedingungen wirken. Desshalb sehen wir die ‚VII. Die Segmente des Rumpfes. 565 Axenplatte, welche anfangs von den peripherischen Theilen des Keimblattes kaum verschieden ist, durch ihre morphologische Umbildung die Fähigkeit zur Epithelbildung grösstentheils verlieren, und der Hirnanbang hat mit einer solchen nichts mehr gemein. Anderseits hindert die Epithelbildung die tiefe- ren Theile nicht, sich an gewissen Stellen histiologisch vollkommen abzusondern, wofür ich besonders das aus der Oberhautanlage abstammende Seitennerven- system anführe. Doch wird meine Erklärung namentlich durch die Entwicke- lung des mittleren Keimblattes unterstützt. Die Seitenplatten liefern die Epithelien der serösen Höhlen, der Harn- und Geschlechtsorgane auf demselben histiogenetischen Wege wie das obere Keimblatt die Oberhaut, aber nach einer ganz anderen vorausgehenden morphologischen Entwickelung. Sie sind anfangs weder hautartig noch im Besitz einer freien Oberfläche; beides entsteht erst im Verlaufe der morphologischen Entwickelung, nach der Spaltung der Seiten- platten, welche aber alsdann nicht vollständig in ein Epithel übergehen, sondern im Rumpfe aus ihren tieferen Elementen interstitielles Bildungsgewebe (Ge- fässe, Nerven, Bindegewebe und Muskeln des Darmkanals, des Herzens u. s. w.) erzeugen, im Kopfe dagegen (Zungenbein-, Kiemenbögen) in Folge einer nach- träglichen Verwachsung der freien Oberflächen die Fähigkeit zur Epithelbildung vollständig einbüssen. Nach solchen Erfahrungen werden wir der Thatsache, dass das Darmblatt entsprechend seiner ursprünglichen Formbildung ganz überwiegend in oberhäutige Gebilde übergeht, keine besondere Bedeutung mehr zuschreiben wollen; es ist vielmehr das mittlere Keimblatt kaum weniger als das obere, darin dem Darmblatte verglichene, ein Epithelblatt zu nennen, und die Epithelbildungen aller drei Blätter stellen sich als Wirkungen der in ihren unmittelbaren morphologischen Grundlagen vereinigten Formbedingungen dar, ganz ohne Rücksicht darauf, ob die letzteren bereits in den indifferenten Keim- blättern theilweise vorgebildet waren, oder erst während der morphologischen Entwickelung neu entstanden. Auch der letzte Einwand, dass diese Epithelien nur äusserlich gleichartig, funktionell aber ganz verschieden seien, ist hinfällig; wenn wir beim Vergleich der Funktionen naturgemäss eine gewisse Grenze der Aehnlichkeit nicht überschreiten dürfen, so kann ich eine Grundverschiedenheit jener drei Epithelformen nicht einsehen. Die sensorielle Bedeutung der Ober- haut müssen wir jetzt, wo die besonderen Anlagen der drei höheren Sinnes- organe (Sinnesplatte) nicht mehr mit derselben zusammengeworfen werden können, auf eine untergeordnete Beziehung zu den empfindenden Sinnesaparaten (Linse, äusserer Gehörgang, Ueberzug der Tastnervenendigungen) und ebenso 566 VIII. Die Segmente des Rumpfes. untergeordnete eigentliche Sinnesbildungen (Seitenorgane) beschränken. Und gerade ebenso verhalten sich die Epithelien der anderen Keimblätter zur Bil- dung eigener Sinnesorgane (Zunge) oder zu ausser ihnen befindlichen Empfin- dungsapparaten, wie das Darmblatt am ganzen Mundhöhlenboden, die Epithelien des mittleren Keimblattes im Gekröse und der Scheide zu den Krause’schen und VArEr’schen Körperchen. Gegenüber jener beschränkten sensoriellen Be- deutung der Oberhaut erscheint ihre perspiratorische und überhaupt absondernde Thätigkeit von weit grösserer Bedeutung; und wenn gewissen Wirbelthieren auch eine Aufsaugung aus dem umgebenden Medium durch die Oberhaut nicht fehlt, so stehe ich nicht an, sie in funktioneller Beziehung den Epithelbildungen des Darmblattes und der Seitenplatten im allgemeinen gleichzustellen. Prüfen wir jetzt den behaupteten Kausalzusammenhang der histiologischen und morphologischen Entwickelung von einer anderen Seite, an der Bildung homologer Theile, zunächst der Gegen- und Folgestücke. Die sie bedingende Gliederung vollzieht sich an den Wirbelthierembryonen zuerst und selbstständig im mittleren Keimblatte; die daraus hervorgehenden Segmente bieten als Folgestücke grösstentheils völlig gleiche, als Gegenstücke durchweg symmetrisch gleiche Formbedingungen, und ihre gewebliche Umbildung folgt durchaus dieser Anordnung. Als Folgestücke gewähren sie aber gleichsam noch eine Gegenprobe. Ihre Formbedingungen verändern, sich nämlich beim Uebergange aus dem Rumpfe in den Kopf; und zwar schwächt sich die morphologische Gliederung der inneren Segmente bis zum Vorderkopfe ab, wogegen diejenige der äusseren Segmente in derselben Richtung an Intensität zunimmt. In Ueber- einstimmung damit fällt und steigt auch die histiologische Differenzirung:: den inneren Segmenten entfällt schon vor dem ersten Wirbel die Nervenanlage, um erst am zweiten Kopfsegmente, aber dort ohne eine zugehörige M uskelbildung wiederzuerscheinen (vgl. Abschnitt IX); die äusseren Segmente, im Schwanze morphologisch alsbald aufgelöst und nur in interstitielles Bildungsgewebe ver- wandelt, erhalten sich im Rumpfe in blattförmiger Anlage, welche entsprechende Muskelschichten liefert, während ihre mächtigere Entwickelung im Kopfe neben zusammengesetzten Muskelmassen selbstständige Nervenanlagen und Skelettheile hervorruft. Wir lernen daraus, dassursprünglich gleiche morphologische Anlagen durchaus nicht den gleichen Entwickelungsverlauf nothwendig involviren, indem nachträgliche Formveränderungen derselben, welche von der Anpassung an die umgebenden Anlagen, also von äusseren Formbedingungen abhängen, ebenfalls nachträgliche Veränderungen der histiologisch-physiologischen Ergebnisse zur u ri VIII. Die Segmente des Rumpfes. 567 unausbleiblichen Folge haben. Wir können ferner diese Betrachtung verallge- meinern und von den Folgestücken ausgehend, welche so offenbar durch eine all- mählich sich steigernde Divergenz ihrer anfangs relativ gleichen Formbeding- ungen zu verschiedenen Zielen geführt werden, für jede einzelne morphologische Grundlage eines Organs oder Gewebes behaupten, dass, was wir ihre besonde- ren Formbedingungen nennen, nicht eine ihr mnewohnende und ursprünglich an sie gebundene Eigenthümlichkeit ist, sondern sich erst allmählich im Gefolge der ganzen morphologischen Entwickelung im Wirkungskreise der einzelnen Anlage, theils an ihr selbst, theils in ihren Beziehungen nach aussen ansammelt. Desshalb ist auch der Werth des Komplexes von Formbedingungen, welche an eine Anlage geknüpft sind, ein während ihrer eigenen Ausbildung wechselnder und gewinnt erst im Beginne der daraus hervorgehenden Gewebsbildung die volle Bedeutung einer sie mit Nothwendigkeit hervorrufenden Grundlage. Da nun nach allen Beobachtungen, wie ich noch näher ausführen werde, ‘der An- fang der Histiogenese im. allgemeinen das Ende der betreffenden morpholo- gischen Entwickelung bezeichnet, so liegt die Bedeutung der letzteren für das physiologische Endresultat nur in ihrem eigenen Endziel, nicht in den wechseln- den Fähigkeiten früherer Zustände. Ueber diesen Wechsel. können wir uns aber nicht nur aus dem eben besprochenen Beispiele der verschieden umge- bildeten homologen Folgestücke eine Vorstellung machen, sondern vielleicht noch besser aus dem Vergleich einer verschiedenen Entwickelung identischer Theile. Ein solcher Vergleich lässt sich natürlich nur an verschiedenen Thieren anstellen, bietet sich aber im Bereich der Wirbelthiere häufig genug dar in den sogenannten rudimentären oder rückgebildeten Organen. Es erhellt, dass diese Rückbildung sich von derjenigen einzelner Folgestücke desselben Thieres nicht unterscheidet; ich erwähne sie nur, weil sie stets eine besondere Auf- merksamkeit auf sich zog. Wenn die gleichen morphologischen Anlagen der Kiemen bei dem einen Thiere zu einem bestimmten physiologischen Endresultat führen, bei dem andern schon vor einer besonderen histiologischen Entwickelung atrophiren und verschwinden, so müssen wir im letzteren Falle offenbar die abweichenden Anpassungsbeziehungen zum übrigen embryonalen Körperbau anschuldigen, die in den ursprünglichen morphologischen Anlagen gelegenen Fähigkeiten unterdrückt zu haben, und daher gestehen, dass dieselben, mögen wir sie nun auf ein Keimblatt oder ein Gliederungsprodukt desselben be- ziehen, ein bestimmtes Ziel nicht nothwendig involviren. Dies wird an dem gewählten Beispiele dadurch noch besonders gut illustrirt, dass selbst das er- 568 VIII. Die Segmente des Rumpfes. reichte physiologische Endresultat unbeständig, schon in der Entwickelungs- zeit vergänglich sein kann, wie bei den meisten Batrachiern; wobei die Ver- theidiger des vorherbestimmten Ziels in Verlegenheit gerathen müssen, ob es für die Kiemenbögen in dem zeitweilig bestehenden Kiemenapparate oder in den spärlichen Schlundmuskeln und -nerven zu suchen sei, welche zuletzt für das vollkommene Leben übrig bleiben. — Von nicht geringerem Gewicht für meine Ansicht ist die von mir als Gaumenleisten noch zu beschreibende Larven- bildung, welche sich füglich mit den Anlagen des Gaumens der Amnioten ver- gleichen lässt (vgl. Abschnitt IX, Taf. XVIII, Fig. 329. 532). Bei den Batrachiern, wo dieses Organ in der ganzen Wirbelthierreihe zuerst auftritt, geht es über den Zustand der getrennten seitlichen Leisten. den wir bei den Amnioten als Anlage bezeichnen, nicht hinaus, ist zudem sehr vergänglich und daher gewiss von geringer Bedeutung für den ganzen Organismus. Man darf also behaupten, dass hier das umgekehrte Verhältniss wie bei den Kiemen vor- liege, nämlich nicht eine in der Entwickelungsreihe eines Typus fortschreitende Rückbildung, sondern eine in derselben Richtung sich allmählich steigernde Aus- bildung eines Organs, wobei der@Grad der letzteren und daher die physiologische Bedeutung offenbar nicht von der relativ gleichen Anlage, sondern vielmehr von der während der Entwickelung wechselnden Korrelation der Theile abhängt. — Es beweisen also die verschieden entwickelten Folgestücke, die rudimentären Anlagen und die provisorischen Larvenorgane, dass das thatsächliche Endziel und die Bedeutung für den fertigen Organismus in durchaus homologen und ursprünglich gleichen Anlagen sehr verschieden sein können, dass also das jeweilige Endresultat nicht von der einzelnen ursprünglichen Anlage, sondern von der schliesslichen Zusammensetzung ihrer inneren und äusseren Formbe- dingungen abzuleiten sei, welche erst durch den Gesammtverlauf der morpho- logischen Entwickelung und daher auch bei gleichen Anlagen unter Umständen in ganz verschiedener Weise zusammengeführt werden. Ich kann mich aber nicht enthalten, zur Beleuchtung des Gesagten noch auf eine grosse Reihe von Bildungen hinzuweisen, welche den Mangel einer ursprünglichen Bestimmung vielleicht am klarsten offenbaren. Ich meine die dem interstitiellen Bildungsgewebe entstammenden und insbesondere die sekundär-morphologischen Gebilde. Sie entbehren insgesammt morphologische Anlagen und entstehen aus einem ganz indifferenten und ungeformten Bildungs- material, welches durch äussere Umstände von verschiedenen Seiten her an gewissen Stellen zusammengeführt wird, um dann morphologisch sich der Um- VIII. Die Segmente des Rumpfes. 569 sebung anzupassen und in seiner weiteren histiologischen Umbildung dieselbe Abhängigkeit von den lokalen Formbedingungen zu bethätigen, wie ich sie eben an den primär-morphologischen Anlagen nachzuweisen suchte. Angesichts einer solchen Entwickelung ist die Ansicht natürlich ganz unhaltbar, dass die Bildungsursachen auch vor ihrem schliesslichen Zusammenwirken in der be- treffenden Gewebsentwickelung beständig in irgend einer Anlage vereinigt seien und daher derselben eimen bestimmten Entwickelungsverlauf vorschrieben. Sucht man diese Ursachen genau zu verfolgen, so verzweigen sie sich gleich- sam in dem ganzen morphologischen Aufbau; und schon zur Erklärung einer einzigen Wirbeanlage hat man die Bildung des Blutes, der Gefässe und überhaupt des Bildungsgewebes, ferner die formalen und funktionellen Be- ziehungen der dorsalen Hauptanlagen (Oentralnervenorgan, Wirbelsaite, Rücken- muskeln und Spinalnerven), endlich den Einfluss der Muskelwirkung auf die in der Entwickelung begriffenen Skelettheile in ursächlichen Zusammenhang zu bringen. Alle vorstehenden Beobachtungen und Betrachtungen sollten meiner An- sicht nach Jeden überzeugen, dass die Gewebsentwickelung und die sich weiter daraus ergebenden physiologischen Folgen für das Leben des ganzen Individuums ihre Ursachen nothwendig und ausschliesslich in ihren unmittelbaren morpholo- gischen Grundlagen finden, oder mit andern Worten — damit nicht selbstver- ständlich erscheine, was bisher dafür nicht gegolten —, dass die Gewebsent- wickelung nirgends in einem besonderen Bildungsmaterial, seien es Embryonal- anlagen oder einzelne Bildungszellen, ursächlich vorherbestimmt, sondern ein Ergebniss der Gesammtentwickelung desIndividuums ist, welche von einem formal und funktionell durchaus eimfachen und einheitlichen Anfange aus sich in ein immer mannigfaltigeres zusammenhängendes Gefüge gliedert, worin jeder Einzel- theil nur in dem Zusammenwirken vieler anderen bedingt, seinerseits wieder wesentlich in die Bildung und den Bestand anderer eingreift. — Ich habe dieses Entwickelungsleben in der morphologischen Entwickelung aufzudecken gesucht; da jedoch die histiologisch-physiologische Ausbildung der Einzeltheile nur den endlichen Ausfluss der morphologischen Entwickelung darstellt, so ist auch die erstere demselben Gesetze unterworfen. Ich habe ferner nicht nur für die ganze morphologische Entwickelung, sondernauch für die Einleitung der Gewebsbildung die mechanischen Formbedingungen mit Recht stets in den Vordergrund ge- stellt; denn die eigentliche Triebkraft der Entwickelung, welche wir insden Lebensherden der einzelnen Elemente zu suchen haben, wirkt in den bezeich- TO VIII. Die Segmente des Rumpfes. neten Perioden in völlig gleichartiger, ebenfalls mechanischer Weise durch die Theilungsbewegungen, sodass das eigentliche Motiv jeder Sonderung gerade in jenen beständig wechselnden, sich gliedernden Formbedingungen zu suchen ist. Es erscheint daher geboten, auf das Wesen und den Ursprung dieser Formbe- dingungen näher einzugehen, als es bisher geschehen ist. Es ergibt sich aus der früheren Darstellung der morphologischen Ent- wickelung (S. 31—35. 77—105. 139. 241—252), dass für den Beginn und weiteren Verlauf derselben zwei ursächliche Momente auseinanderzuhalten sind: die von dem besonderen Stoff abhängigen Beziehungen zum umgebenden Medium und die Umstände, welche dieselben im eine gesetzliche Form über- führen. Der Ursprung der ersteren liegt also in den sämmtlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften der Dottersubstanz. Wie wenig aber dieselben für sich allein genügen, um die Entwickelung hervorzurufen, geht aus der Be- obachtung des nicht befruchteten Eies hervor, welches gewöhnlich ganz ohne Ansatz der Dottertheilung abstirbt, nicht weil die Wechselwirkung zwischen Dotter und Wasser ausbleibt oder in ihrem Wesen abändert, sondern weil die bestimmte Regelung derselben fehlt (S. 83—85); und selbst wenn in den selteneren Fällen ein unbefruchtetes Ei sich zu entwickeln anfängt, so geht es doch an der Unregelmässigkeit der Dottertheilung und ihren Folgen zu Grunde (S. 49). Es ist also die bestimmte Zusammensetzung der Dottersubstanz die erste nothwendige Voraussetzung für den Beginn der Entwickelung, indem die darin begründete Wechselwirkung mit dem umgebenden Medium die Bewegungen und Veränderungen des Stoffes erzeugt, welche ich die aktiven Entwickelungs- ursachen oder die Elementaraktionen nenne. Aber erst die Summe der Bedingungen, welche zunächst weder den Stoff noch jene seine Wechselwirkung ihrem Wesen nach verändern, dagegen das Mass und die Anordnung, dadurch aber die Leistung derselben bestimmen, ruft die Entwickelung thatsächlich hervor. Diese Bedingungen habe ich, da sie sich nicht auf die stofflichen Ver- änderungen an sich beziehen, als Formbedingungen, ihre Gesammtwirkung als Formgesetz der Entwickelung bezeichnet. Dieses Formgesetz sehen wir schon im Verlaufe der morphologischen Entwickelung oder der Embryonal- periode im werdenden Organismus selbst enthalten, und daraus entsprang der Irrthum, dass man desshalb auch den Ursprung des Formgesetzes oder, wie man zu sagen pflegt, der „Organisation“ in den sichtbaren Ausgangspunkt der Entwickelung, in die Dottermasse selbst verlegte, sodass die ganze Ent- wickelungsfähigkeit mit der stofflichen Zusammensetzung derselben zusammen- VIII. Die Segmente des Rumpfes. 571 fiele. Die Beobachtung gestattet uns aber einen solchen Schluss nicht. Die Formbedingungen beziehen sich einmal auf die Herstellung der radıären Diffusion in der Dotterkugel und zweitens auf die bestimmte formale Differenz derselben gleich im Anfange ihrer Entstehung. Jene Diffusion ist eine Folge der Kugelgestalt des Dotters und der Verdichtung seiner Rindenschicht, diese sind aber, wie ich früher auseinandersetzte (S. 83 u. flg.), auf Wirkungen der “ihüllen zu beziehen, welche jedoch zum Theil erst ausserhalb des Eierstocks dem Eie angefügt werden (Gallerthülle), am Eierstockseie aber (Dotterhaut) ganz allgemein unmittelbar von der Follikelthätigkeit abgeleitet werden. Die ursprüngliche und wie aus meiner Darstellung der Dottertheilung hervorgeht so bedeutsame formale Differenz in den radiären Diffusionsströmen ist nun allerdings in der Entwickelung des Eies selbst, aber doch nicht stofflich be- gründet. Denn zur Erklärung der excentrischen Lage des ersten Lebenskeims weiss ich für das Batrachierei nichts anderes anzuführen als die nachträgliche Verschiebung des centralen Sammelpunktes der Diffusion oder des Dotterkerns in Folge seines abnehmenden Gewichts; die Lage des Keimbläschens stimmt mit derjenigen des Dotterkerns nicht überein (8.52.53), kann also auch in diesem Falle nicht herangezogen werden. Allerdings erscheint eine solche Uebereinstimmung bei den meroblastischen Eiern, indem, wie es namentlich ÖELLACHER für das Hühner- und Forellenei nachwies*), die Austrittsstelle des Keimbläschens den späteren Keim, also auch den Theilungspol bezeichnet. Bei solchen Eiern mag die ausserordentlich excentrische Lage des Keimbläschens die Verstärkung der feinkörnigen Dotterrinde in seiner nächsten Umgebung und dadurch die beständige Pollage derselben bedingen. Jedenfalls sind aber die beiderlei Vorgänge, das Aufsteigen desKeimbläschens und des Dotterkerns, vollständig ausserhalb der chemischen Zusammensetzung der Dottermasse be- sründete Ursachen für die Herstellung der ungleichen Diffusionsradien. — * Ich nehme hier Gelegenheit, die bezügliche Arbeit OELLACHEr’s nachträglich anzu- führen, da sie am rechten Orte durch ein Versehen übergangen wurde: Beiträge zur Ge- schichte des Keimbläschens im Wirbelthiereie, in M. Schuurrze’s Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. VII, 1872. Der Unterschied im Schwunde des Keimbläschens bei den Batrachiern und andern Wirbelthieren — dort Austritt der Flüssigkeit und Auflösung der festen Theile innerhalb des Dotters, hier vollständiger Austritt — ist natürlich von gar keiner weiteren Bedeutung. Wenn dagegen dieser Vorgang für eine „Lebensäusserung“ erklärt wird (S.14), weil seine angeblichen Ursachen, die Zusammenziehungen des Keims, eine solche seien, so konstatire ich hier bloss, dass eine solche Erklärung eine einfache Konsequenz der weiter unten zu erörternden Protoplasmatheorie ist, 572 VIII. Die Segmente des Rumpfes. Alle diese äusseren Formbedingungen kommen nunim Formgesetz der Bewegun- gen und Umbildungen des Dotters zur Wirkung und zwar so, dass dasselbe früher oder später von seinen Ursachen unabhängig wird und sich in den Entwickelungs- vorgängen selbstständig erhält. So ist, wie wir uns leicht überzeugen können, die Dotterhaut auch nach dem Beginn der Dottertheilung zur Erhaltung der Kugelgestalt des Eies und der davon abhängigen Erscheinungen unentbehrlich, während sie nach der Herstellung einer fest zusammenhängenden Eioberfläche selbst vor dem naturgemässen Ausschlüpfen der jungen Larve ohne Nachtheil entfernt werden kann; und wo die Lage des Keimbläschens ganz ausschliesslich für die Ursache der excentrischen Lage des ersten Theilungscentrums gehalten werden kann, da wird die betreffende Wirkung noch früher von dem Fortbe- stande der Ursache unabhängig. Es ist daher unser Formgesetz, obgleich später ausschliesslich an die Entwickelungserscheinungen und deren Substrat, den Dotter und seine Umbildungsprodukte, gebunden, nach seinem Ursprunge als ein ausserhalb derselben verursachtes und vorbereitetes Motiv der Ent- wickelung anzusehen, von welchem sogar hinsichtlich der unumgänglichen Wirkung des Samens behauptet werden kann, dass es in diesem wichtigen Punkte gewissermassen zufällig zum Keimstoffe hinzukomme. Doch brauche ich bei einem Hinweise auf meine ganze Darstellung nicht weiter auszuführen, dass in dem bezeichneten Formgesetze der Entwickelung kein irgendwie ausser- empirischer, etwa teleologischer Eingriff in die natürlichen, d. h. naturnoth- wendigen Wirkungen des uns beschäftigenden Dotterstoffes enthalten sei. Die weiblichen Wirbelthiere bereiten einen für die Elementaraktionen der Ent- wickelung geeigneten Stoff und umgeben ihn zugleich mit gewissen Vorrich- tungen, welche ausserhalb des mütterlichen Organismus noch wesentlich er- sänzt, die nothwendigen Wechselwirkungen jenes Keinistoffes mit dem Medium, in welches er unter normalen Umständen geräth, unter ein ganz besonderes - Gesetz des Masses, der Ordnung und daher der schliesslichen Leistung stellen. Ich will mit meiner Darstellung nur immer von neuem hervorheben, dass, wenn die Entwickelung eines individuellen Lebens, eines Organismus, in den bezeich- neten Elementaraktionen keine anderen aktiven Mittel besitzt, als wie sie aus den chemisch-physikalischen Eigenschaften gewisser nicht lebendiger Stoffe, eben der Keimstoffe, bei ihrer Wechselwirkung mit bestimmten, sie gewöhnlich umgebenden Medien sich ergeben, anderseits ihre Verwendung zu der Leistung eines wirklichen Lebens, und zwar eines sich ausserordentlich mannigfaltig gliedernden Lebens, nicht bereits an die blosse Existenz jener Elementaraktionen VIII. Die Segmente des Rumpfes. 573 und ihres Substrats, sondern an eine Reihe besonderer, sie formal regelnder Bedingungen geknüpft ist, welche wenigstens in ihrer nothwendigen Gesammt- heit mit der Entstehung jener Keimstoffe nicht in ursächlichem Zusammenhange stehen, und daher als von aussen zufällig hinzugekommene Momente betrachtet werden müssen. Dass diese ganze Auffassung sich auch auf die übrigen Wirbelthiere aus- dehnen lasse, scheint mir selbst nach den bisherigen unvollständigen Beobach- tungen über ihre Entwickelung nicht zweifelhaft zu sein (vgl. S. 105—110. 1435— 145. 156. 167, Nr. 108, 121)*, sodass ich auch alle aus jener Auffassung abzuleitenden allgemeinen Schlüsse als für alle Wirbelthiere giltige glaube be- zeichnen zudürfen. Diese nicht unwichtigen Schlussfolgerungen fasse ich in nach- stehender Weise kurz zusammen. — Da die Keimstoffe und ihre Elementar- aktionen den selbstverständlichen Inhalt der organischen Existenz überhaupt bilden, so kann bei einem Vergleiche nichtlebendiger Vorgänge und des Lebens das Formgesetz füglich als die eigentliche und wesentliche Grundursache der organischen Entwickelung bezeichnet werden. Mit Rücksicht auf frühere Erläuterungen meiner bezüglichen Beobachtungen (5. 98 u. flg.) will ich hier hervorzuheben nicht unterlassen, dass zunächst für * Die äusseren Umstände, unter denen sich die verschiedenen Eier der Wirbelthiere entwickeln, weichen nur in ihrer Erscheinung, nicht inihrer Wirkung in erheblichem Masse von einander ab. Wenn wir als dasmit dem Keimstoffe in Wechselwirkung tretende Medium genau genommen nur die innerhalb der Dotterhaut befindliche eiweisshaltige Flüssigkeit betrachten dürfen, so scheinen die verschiedenen Eihüllen nur dazu zu dienen, trotz der je nach der Species oft innerhalb desselben Geschlechts wechselnden äusseren Umgebung des Eies jenes nothwendige innere Medium in seiner relativen Gleichartigkeit herzustellen oder zu erhalten. Die auf eine dünne Dotterhaut reducirten Eihüllen der lebendiggebärenden Salamandra dürften dem Umstande entsprechen, dass der Eihälter bereits eine eiweiss- haltige Flüssigkeit liefert, welche dem Dotter unmittelbar zugeführt werden kann; die umfänglichen Eihüllen der im Wasser befruchteten Eier sind dagegen oflenbar dazu be- stimmt, den unmittelbaren und plötzlichen Zutritt des Wassers zum Dotter aufzuhalten, und es nur in dem Masse heranzuleiten, als ihm die nöthige Beimischung gegeben werden kann. Und noch innerhalb der Abtbeilung der Batrachier sehen wir endlich diejenigen Eier, welche sehr bald aus; dem Wasser in die Luft gelangen (Alytes), an der Oberfläche erhärten, um wie es scheint die Verdunstung des aufgenommenen Wassers zu verhindern. Aehnlich gestalten sich diese Verhältnisse bei den übrigen Wirbelthieren; und für die Amnioten willich zum Schluss noch darauf aufmerksam machen, dass auch die ausserembryo- nalen Theile der Keimhaut, indem sie nach der Absonderung des Embryo morphologisch bedeutungslos werden, im Amnion und theilweise im Chorion zu Vorrichtungen benutzt werden, welche dieselbe Bestimmung wie die einfachen Eihüllen offenbaren, nämlich das für die Entwickelung nothwendige äussere Medium zu sammeln, 974 VIII. Die Segmente des Rumpfes. die uns gerade beschäftigenden Organismen das vollkommene Leben nicht etwa ein zeitlich unmittelbares Produkt von der Unterstellung der bezeichneten Elementaraktionen unter das Formgesetz ist, wobei die Entwickelung als Folge des erzeugten Lebens erschiene, sondern dass vielmehr umgekehrt die Entwicke- lung des ursprünglich nicht lebendigen Keimstoffes oder die Wirkung und eigen- thümliche Gliederung des Formgesetzes in demselben erst ganz allmählich das Leben hervorruft. Die Entstehung des Lebens ist nothwendig an eine gewisse Entwickelung seines Substrates, also an das die- selbe beherrschende Formgesetz gebunden. Nicht minder wichtig ist die Erkenntniss, dass die volle Bedeutung des Formgesetzes erst in seiner Ein- heit gefunden wird. Es äussert sich anfangs in einem einfachen, einheitlichen Vorgange, der radiären Diftusion, innerhalb eines durchaus einheitlichen Körpers; und indem sich dieser Körper theilt, werden durch das noch von aussen auf das Ganze wirkende Formgesetz nicht nur die Theile in inniger gegenseiti- ser Anpassung erhalten und dadurch endlich in thatsächlichen Zusammenhang gebracht, sondern damit zugleich die in ihnen hervorgerufenen Lebensvorgänge in regster Wechselwirkung entwickelt, sodass fernerhin kein einziger Entwieke- lungsvorgang isolirt für sich verlaufen kann. Jeder von ihnen entspringt gemein- sam mit anderen aus einer Gliederung und geweblichen Sonderung einer einfachen Grundlage und kann in den vom Formgesetz gezogenen Grenzen nur in wechsel- seitiger Anpassung an jene anderen Vorgänge und überhaupt an seine ganze Umgebung sich ausbilden; und seine eigene Bildung setzt daher bereits die unvermeidlichen Bedingungen für die folgende Entwickelung. Die Einheit desindividuellen Lebens wurzelt daher nurin der individuellen Entwickelung. Aus dieser Abhängigkeit des einzelnen Vorgangs, der ein- zelnen Erscheinung nach allen Seiten hin, einer nothwendigen Folge von der Gliederung eines einheitlichen Ganzen bei der Fortdauer seines Einheitsgrundes, erhellt, dass das im einzelnen Theile erreichte Ziel niemals bloss auf den Ur- sprung seiner stofflichen Unterlage, sondern stets auf das Ganze bezogen werden muss, dass, sowie jeder Theil integrirend für das Ganze erscheint, dieses demselben erst Ziel und Zweck bestimmt. Die volle Bestimmung des einzelnen Körpertheils ist vor seiner Vollendung nirgends lokal vorgebildet; sie entwickelt sich in und mit dem Ganzen. That- sächlich ist freilich die Erhaltung des Ganzen nicht unbedingt an die vollstän- dige Erhaltung der Einzeltheile gebunden ; soweit die Wirkung des Einzelnen auf das Ganze sich in dem Masse abschwächt, dass sie eventuell durch andere VIII. Die Segmente des Rumpfes. 575 Theile ergänzt und ersetzt werden kann, wird das Ganze auch beim Verluste einzelner Theile bestehen bleiben können. Grundsätzlich steht aber fest, dass nur der volle Zusammenhang des einheitlichen Formgesetzes den Bestand des individuellen Lebens gewährleistet; und in dieser Unverletzlichkeit des den Or- ganismus einheitlich aufbauenden, einheitlich zusammenhaltenden Formgesetzes liegt offenbar das, was wir die Individualitätnennen. Die Individualität ist der,physiologische Ausdruck des Formgesetzes. Ich glaube nicht, dass der flüchtige Ueberblick, welcher die eben hervor- gehobenen Hauptsätze zusammenlas, vollständig genügt, um von ihrer Wahr- heit zu überzeugen. Ich hoffe indessen, in den weiter unten folgenden Bemer- kungen sie besser beleuchten zu können. Ich habe diese Sätze im ihrem kurz motivirten Zusammenhange an dieser Stelle vorgeführt, weil es mir für das Folgende dienlich erscheint, an ihrer Hand eine Kritik der entsprechenden Auffassungen, wie sie bisher geboten wurden, vorauszuschicken. Noch immer machen sich bei der Betrachtung des Lebens und bei der Un- tersuchung seiner Ursachen und Bedingungen zwei entgegengesetzte Auffassun- gen unter den Naturforschern geltend. Die ältere von ihnen glaubt aus allge- meinen Gründen daran festhalten zu müssen, dass für die Entstehung und Er- haltung des Lebens die blossen Stofte und ihre Kräfte nicht genügen, und dass dazu noch ein besonderes Moment hinzukomme. Dieses Moment bezeichnete man früher als Lebenskraft und stand nicht an, derselben nicht nur ein nicht empirisches, aussernatürliches Wesen zuzuschreiben, sondern sie auch in der- selben Weise in den natürlichen, empirisch fassbaren Verlauf der Erscheinun- gen eingreifen zu lassen. Nachdem die Unhaltbarkeit dieser krassen Negation jeder Empirie erkannt war, suchte man das Princip in der Weise zu wahren, dass man die unnatürlichen Eingriffe in den Verlauf der naturnothwendig be- stimmten Erscheinungen aufgab, aber im gesetzlichen Zusammenhange der- selben ein auf deren Substrat nicht zurückführbares Moment, den „Zweck“, an- zuerkennen fortfuhr. Der gediegenste Fürsprecher dieser Ansicht, v. Barr, hat dafür jüngst den Ausdruck „Zielstrebigkeit“ vorgeschlagen (Nr. 124). Gegen die Annahme einer unnatürlichen Lebenskraft oder des Endzwecks überhaupt entwickelte sich mit der Lebhaftigkeit eines Extrems die Lehre, dass, da jene Annahmen den Boden der einfachen Erfahrung verliessen, diese uns dagegen für den Ursprung und Zusammenhang aller Naturerscheinungen nur die An- nahme der unabänderlichen, Zweck wie Zufall ausschliessenden Nothwendigkeit gestatte, die Lebenserscheinungen gerade ebenso wie die Vorgänge in der an- eyı 76 VIII. Die Segmente des Rumpfes. organischen Natur lediglich aus den besonderen Stoffen und ihren Eigenschaf- ten zu erklären seien. Der hervorragendste Vorkämpfer dieser Richtung in unserer Zeit und Wissenschaft ist Haecken (vgl. Nr. 100). Aus meinen bis- herigen Erörterungen wird wohl bereits erhellen, dass ich keiner von den beiden genannten Auffassungen beistimme: wo die eine ihrem richtigen Gefühl eine entsprechende Deutung nicht zu geben wusste und dadurch in unklare An- schauungen und Folgerungen gerieth, suchte die andere jeden Zweifel durch blosse Negation zu heben, und über die kritischen Punkte durch das Pochen auf die von keiner Seite mehr angefochtenen Sätze hinwegzukommen. Die Beweisführung für diese Behauptung will ich aber nicht schuldig bleiben. Die Teleologie v. Barr’s betont den zweckmässigen Zusammenhang aller Theile eines Organismus, das Ineinandergreifen, die gegenseitigen Zweck- 'beziehungen ihrer immerhin nothwendigen Wirkungen, welche nur in dieser Weise das Leben ermöglichen, während die ohne diese Zielstrebigkeit verlau- fenden Vorgänge zu einer einheitlichen Wirkung unfähig seien, in sich selbst die Kraft dazu nicht besässen. So weit, d.h. bis zur Anerkennung einer die einheitliche Existenz gewisser Naturkörper beherrschenden besonderen Ursache schliesse ich mich jener Auffassung an, dann aber gehen unsere Wege ausein- ander. Es scheint nichts natürlicher, als dass v. BAER das unter gewissen Be- dingungen immer wiederkehrende Zusammenwirken von Naturnothwendigkeiten mit dem einzig passenden Namen eines Gesetzes bezeichnet hätte, welches eben jenen Naturkörpern eigenthümlich sei; die Unterlassung scheint mir dadurch veranlasst zu sein, dass v. Baer dem Einwande nicht zu begegnen wusste, das (sesetz, welches die innere Einheit eines lebenden Naturkörpers beherrsche, sei eben nichts weiter als der Ausdruck für die im Zusammenhange wirkenden Eigenschaften der Einzeltheile, also lediglich in diesen begründet. Ich glaube aber, dass man auf Grund der von mir mitgetheilten Beobachtungen und ihrer Erörterung jenes (Gesetz, also in der Entstehungsgeschichte der Wirbelthiere mein Formgesetz recht gut von den inhärenten Eigenschaften der stofflichen Träger der Entwickelung unterscheiden könne: es isteben der Ausdruck für eine Summe von gesetzmässig zusammengefügten Formbedingungen, welche ausser- halb des Keimstoffes verursacht, theilweise sogar zufällig zusammentrefien, um seine naturnothwendigen, aber an sich nichts weniger als formbildenden Wir- kungen zu formal und daher funktionell ganz bestimmten Leistungen zu zwin- gen. Solange nun diese Bedeutung des Formgesetzes unerkannt blieb, musste die Teleologie entweder das besondere Princip des Lebens und der Entwicke- VII. Die Segmente des Rumpfes. 577 lung in besonderen, individuell wirkenden „Zwecken“ suchen, wie die ältere Lehre lautete, oder sie erkannte bei universeller Auffassung dasselbe allgememe Princip der Zielstrebigkeit der nothwendigen Erfolge auch im Bereich der An- organe an, im Kreislaufe tellurischer und kosmischer Erscheinungen, und führte es in letzter Reihe auf die Grundlagen des empirisch fassbaren Seins überhaupt zurück (v. Baer). In der That lässt sich auch gar nicht leugnen, dass ein ganz ähnliches Formgesetz wie das von mir aus der thierischen Entwickelungs- geschichte abgeleitete die Bildung und den Bestand gewisser kosmischer und tellurischer Vorgänge beherrscht. Auch steht wahrlich der Empirie kein Ur- theil darüber zu, ob es zulässig sei, einen letzten Grund des empirisch fass- baren Seins überhaupt anzunehmen und mit demselben den Begriff des Zweckes zu verbinden. Sobald aber der Nachweis desselben in den Naturerscheinungen versucht wird, tritt auch gleich die Kontrole der Naturforschung in ihre Rechte. Von einem solchen dem Ausgangspunkte alles Seins inhärenten Zwecke könnte man einmal annehmen, dass er mit der Gliederung desursprünglichen Substrats sich allen Naturerscheinungen ohne Ausnahme mittheilte; dann liesse sich vom empirischen Standpunkte nichts dagegen einwenden, da die Allgegenwart des /weckes ihn eben nirgends unterscheiden, also auch nirgends ausschliessen liesse. Aber eine solche Annahme hätte für die empirische Erkenntniss natür- lich gar keinen Werth, da die Zweckidee sich überall mit der Vorstellung von der gleichfalls allgegenwärtigen Naturnothwendigkeit deckte. Ferner könnte der ursprüngliche Zweck bloss durch alle zweckmässigen oder zielstrebigen Vorgänge durchlaufend gedacht werden, während die sogenannten zufälligen davon unberührt blieben; und gerade bei dieser Annahme, auf welche die v. Baer’sche Darstellung hinauszulaufen scheint, lässt sich die Inkonsequenz un- schwer nachweisen. Der beschränkte Zweck bedingt nätürlich die Annahme unzweckmässiger Vorgänge und Bildungen, welche man unter den Begrifi des Zufalls zusammenfasst. v. Barr hat denselben definirt als „ein Geschehen, das mit einem anderen Geschehen zusammentrifft, mit dem es nicht in ursächlichem Zusammenhange steht“ oder „nicht von einem gemeinschaftlichen Grunde aus- seht“ (Nr. 124 S. 71); und indem er an einer anderen Stelle die „nothwendige Wirksamkeit‘ eben als die zweckmässige der zufälligen gegenüberstellt (S. 54), so sollte man meinen, die Zielstrebigkeit sei nur darin begründet, dass die Ur- sachen einer solchen Erscheinung nieht unabhängig von einander, sondern im Folge eines vorangehenden, gesetzlichen Zusammenhangs zusammenwirkten. Diese folgerichtige Auffassung wird aber sofort vernichtet durch die Erklärung, h or GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 34 578 VIII. Die Segmente des Rumpfes. dass das Ziel, die Aufgabe den Zusammenhang einer zielstrebigen Erscheinung bestimme (S. 71. 72. 81. 82), wobei v. Barden Widerspruch mit seiner eigenen Definition übersieht; denn wenn er in einer Reihe von Vorgängen, z. B. derjeni- sen, welche den ‚Zusammenhang zwischen der Sonnenwärme und dem thieri- schen Leben bilden, deren gegenseitige Beziehungen in Bezug auf ein bestimmtes /ael zweckmässige nennt, so ist daran zu erinnern, dass aus denselben Be- ziehungen auch zufällige Erscheinungen hervorgehen, also dasselbe Verhältniss je nach dem, welche von seinen Folgen man ins Auge fasst, zielstrebig wäre oder nicht, während doch nach der ersten Definition die Bedeutung einer Er- scheinung lediglich von der Art ihrer Verursachung abhängen sollte. So wäre, um ein Beispiel aus dem hier nächstliegenden Erscheinungskreise anzuführen, die Begattung im Hinblick auf die befruchteten Eier ein zweckmässiger Vorgang, hinsichtlich der nicht befruchteten Eier aber jedenfalls nicht zweckmässig; und die Befruchtung selbst dürfte desshalb, weil sie in der Entwickelung des Thieres ein eminentes „Ziel“ hat, doch nicht zweckmässig genannt werden, da das Zu- sammentreffen des Samens und des einzelnen Eies gar nicht gesetzlich bestimmt und absolut nothwendig ist, folglich im besten Falle ein sehr gewöhnlicher Zu- fall genannt werden müsste. Gewiss gibt es Vorgänge in der Natur, welche man als zielstrebige bezeichnen könnte in dem Sinne, dass gewisse Ursachen- komplexe nicht nur eine nächste Wirkung involviren, sondern unabhängig von anderen Einflüssen eine ganze Reihe von gesetzlichen Folgen; und es ist leicht zu erkennen, dass die Vorstellung einer solchen Erscheinungsreihe mit dem Begriffe der individuellen Entwickelung zusammenfällt; denn die Fähigkeit eines Vorgangs, ohne Anziehung neuer Ursachen in andere Wirkungen überzu- gehen, finden wir bloss in den eigenthümlichen, durch das Formgesetz begrün- deten Verhältnissen der Entwickelung. Will man also schlechtweg die Ent- wickelungsvorgänge als zielstrebige allen übrigen Vorgängen in der Natur als zufälligen entgegensetzen, so beruht der Unterschied lediglich in der Art des Kausalzusammenhangs, welcher im ersten Falle durch das Formgesetz der Be- dingungen zu einer fortlaufend sich potenzirenden Wirkung befähigt wird, bei den zufälligen Erscheinungen dagegen zu einer formgesetzlich nicht geregelten Leistung führt, welche daher in sich ein Motiv zu bestimmten weiteren Wirkun- gen nicht besitzt. — Ich zeigte, wie sehr v. Baer in der Definition des Zufalls sich dieser Ansicht nähert, wie er aber bei der Verkennung des eigentlichen In- halts des Formgesetzes die Ursachen des Unterschieds dennoch wieder in den Zielen sucht, welche für die Bedeutung und das Wesen. des Entwickelungsver- VIII. Die Segmente des Rumpfes. 579 c laufs gar nicht m Frage kommen. Ebenso wenig hängen die verschiedenen Entwickelungsverläufe unmittelbar zusammen und bilden eine kontinuirliche Kette von Zweckbeziehungen; jeder von ihnen verliert nach längerer oder kür- zerer Wirksamkeit die Energie der ursprünglichen Fähigkeit, um dann erlah- mend wieder in bloss zufällige Erscheinungen sich aufzulösen, und selbst die Fortpflanzung wohl aller eierzeugenden Thiere beruht, wie ich schon vor län- gerer Zeit erklärte, nicht auf einer Kontinuität des Lebens, sondern auf einer Neubildung des Entwickelungsgesetzes für jedes Individuum, wozu der mütter- liche Organismus nur das Substrat liefert. So wechseln Zufallund Entwickelung im unaufhörlichen Wogen des Seins, und wenn wir im weiten und im ganzen doch beschränkten Ueberblick von der frühesten Jugend unseres Sonnensystems bis zu den höchsten thierischen Schöpfungen der Erde eine steigende Vervollkommnung der Entwickelungsverläufe wahrnehmen, so dürfen wir nicht vergessen, dass neben den höchsten derselben die elementaren noch fortdauern, und gewiss noch fortdauern werden, wann längst das letzte lebende Wesen auf der veröde- ten Erde verschwand. Wer trotzdem in jener Vervollkommnung den Fortschritt des Weltzweckes sieht, für den schliesst derselbe allerdings im Menschen ab, und alle übrigen daneben entwickelten „Ziele“ werden zwecklos, sobald sie mit jenem Erfolge entweder gar nicht oder nicht mehr unmittelbar zusammenhän- gen. So kann aber die unbefangene Naturforschung nicht urtheilen; in ihren Augen geht der Werth eines Entwickelungsverlaufs über sein eigenes Ziel nicht hinaus, und widerspricht ein durch die Entwickelungsreihen durchlaufender Zweck ebenso sehr der Erfahrung, wie ein Allzweck des Seins jede Bedeutung entbehrt. Der isolirte „Selbstzweck“ der einzelnen Entwickelung hebt sich aber entweder selbst auf, insofern seine erste Begründung immer gewissermassen zu- fällig ist, und er anderseits, soweit unsere Kenntniss reicht, nothwendig in eine schliessliche Vernichtung seines Erfolges ausläuft; ‚oder er streift jede aus- schliessliche Beziehung auf irgendwelches Ziel ab und fällt mit dem empirischen Wesen der Entwickelung, mit ihrem thatsächlichen Gesetze zusammen: dann hat aber der Selbstzweck mit dem teleologischen Begriff nur noch den Namen gemein, der mehr verwirrt als nützt. ich habe mich bei dieser Erörterung etwas aufgehalten, nicht so sehr um die oft besprochenen Irrthümer der Teleologie von neuem aufzudecken, als um zu zeigen, was ihre Gegner bisher kaum gethan, dass ihr Ausgangspunkt im Grunde ein berechtigter ist. Diejenigen Erscheinungen, welche zunächst die Vorstellung des Zweckes und der Zweckmässigkeit in der Natur weckten , näm- 37° 580 VII. Die Segmente des Rumpfes. lich die verschiedenen individuellen Lebensformen mit ihren wechselnden, aber stets auf die Selbsterhaltung hinzielenden inneren und äusseren Beziehungen, unterscheiden sich allerdings, nicht in analytischer Hinsicht, sendern nach der Art des Kausalzusammenhangs von den übrigen Naturerscheinungen. v. BAER kam der Erkenntniss dieses Zusammenhangs sehr nahe, seine Zielstrebigkeit steht eigentlich mitten inne zwischen dem wirkenden Zwecke und dem empiri- schen Entwickelungsgesetz, und könnte sogar mit dem letzteren im wesentlichen zusammenfallen, wenn nicht gar zu viele Reminiscenzen aus der älteren Teleo- logie hinzugezogen wären und so mit der einen Hand genommen würde, was die andere gab. Prüfen wir jetzt die gegentheilige Auffassung. Die unhaltbaren Folgerungen, zu denen ein Theil der Naturforscher durch eine richtige, aber im ihrer Allge- meinheit unklare Vorstellung von der Besonderheit des Lebens und der Ent- wickelungsvorgänge überhaupt sich verleiten liess, mussten den Widerspruch um so mehr reizen, als Jene die unzutreffende Erklärung von jener Thatsache der Besonderheit selbst nicht zu trennen wussten und daher nicht geneigt waren, mit der ganzen Lehre auch die nicht unbegründete allgemeine Ueber- zeugung aufzugeben. Dieselbe Unklarheit leitete aber auch die lebhaften An- griffe gegen den Zweckbegriff; der leichte Erfolg gegenüber dem letzteren führte sie über das natürliche Ziel hinaus, und an die Stelle der irrigen Unterschei- dung trat der Beweis von dem Mangel eines wesentlichen Unterschieds zwischen lebendigen und leblosen Naturkörpern. Dem unempirischen Zwecke wurde die Naturmothwendigkeit gegenübergestellt; aber mit dem Ausschluss übernatür- licher Principien hat auch die Naturnothwendigkeit ihre Rolle ausgespielt. Wenn man ihr darüber hinaus eine besondere Beweiskraft bei der Beurtheilung des Lebensbegriffes zuschreibt, so beruht dies auf einer missverständlichen Deutung. Die Naturnothwendiekeit alles Geschehens enthält nur die Behaup- tung, dass dasselbe die unausbleibliche Wirkung natürlicher Ursachen sei, sagt aber nichts aus über das Wesen und die Gleichheit oder Verschiedenheit des Kausalzusammenhangs, welcher sich erst aus dem besonderen Gesetze des ein- zelnen Geschehens ergibt. Ein solches Gesetz bezeichnet aber nicht nur die aktiven Ursachen, gleichsam die Träger der Naturnothwendigkeit an sich, son- dern stellt auch die Bedingungen fest, unter deren Voraussetzung allein die naturnothwendige Wirkung eintreten kann. In vielen Fällen sind diese Beding- ungen mit der thatsächlichen Möglichkeit der Wechselwirkung jener Ursachen erschöpft: die blosse Anwesenheit zusammenwirkender aktiver Ursachen genügt VII. Die Segmente des Rumpfes. 581 zur erwarteten Wirkung; und dieser einfachste Fall des Naturgeschehens hat offenbar zu der irrigen Ansicht geführt, als sei dasselbe überall eine Folge aus- schliesslich der aktiven Ursachen, der in Wechselwirkung tretenden Stoffe, und somit durch die Naturnothwendigkeit genügend erklärt. Ich habe aber aus- einandergesetzt, dass die Entwickelungsvorgänge ausser jener Wechselwirkung als Bewegungsursache noch einen Komplex von sie formal bestimmenden Be- dingungen voraussetzen, deren Ausdruck ich in demnäher beschriebenen Form- gesetz finde. Zum Beweise, dass diese Bedingungen bei der eben bezeichneten Ansicht nicht etwa in den wirkenden Ursachen mit inbegriffen, sondern that- sächlich und vollständig übersehen sind, soll die folgende Beleuchtung der Hazckzv'schen Erklärung des Lebens dienen. - \ Hazcren beginnt seinen Vergleich der leblosen Naturkörper oder Anorgane und der lebendigen Organismen mit der Untersuchung ihrer Stoffe (Nr. 100 1. S. 111 u. fle.) Hier begeht er nun gleich die Inkonsequenz, die Stoffe jener von ihm selbst so definirten beiden Arten von Naturkörpern mit den organischen und anorganischen Stoffen im Sinne der Chemiker zu verwechseln. Allerdings ist der Vergleich in diesem Sinne seit langer Zeit gebräuchlich und daher seine Wiederholung sehr natürlich; indem man die Stoffe, welche allen Lebens- äusserungen ohne Ausnahme zu Grunde liegen, mit denjenigen verglich, welche die grosse Masse der leblosen Körper zusammensetzen, kam man zu dem be- friedigenden Ergebniss, dass die Organismen stofflich nur relativ von den An- organen verschieden seien. Wenn man aber jene Verwechselung vermeidet und der Frage: wie unterscheiden sich lebloseund lebendige Naturkörper nach ihren Stoffen — die Antwort genau anpasst, so kommt man nicht nur schneller zum Ziel, sondern entgeht der Gefahr eines Grundirrthums, welcher bisher unver- meidlich gewesen zu sein scheint, dass nämlich gewisse Stoffe, wenn sie auch nur relativ von den übrigen unterschieden seien, dennoch den Organismen aus- schliesslich eigenthümlich seien. Es ist klar, dass die leblosen Naturkörper, welche HAECKEL Anorgane nennt, nicht mit den sogenannten anorganischen Stoffen zusammenfallen ; denn die organischen Kohlenstoffverbindungen, welche keine Lebewesen darstellen, müssen ebenfalls zu jenen Anorganen gezählt wer- den, und dazu gehören nicht etwa bloss lebensunfähige Substanzen ( Fette, organische Säuren u. s. w.), sondern unter Umständen dieselben Stoffe, welche unter gewissen Bedingungen Lebensträger werden. Ich glaube dafür kein besseres Beispiel anführen zu können als die meroblastischen Eier der Vögel: mag man an denselben dem eigentlichen Keime eine besondere Zusammen- 582 VIII. Die Segmente des Rumpfes. setzung zuschreiben, so ist es doch gewiss unmöglich, die Dotterzellen stofflich von dem übrigen nieht organisirten Keimhöhlenboden ( Nahrungsdotter ) zu unterscheiden, aus welchem sie sich je nach zufälligen Umständen, bald hier, bald dort herauslösen (vgl. Nr. 121). Und wenn ich ferner daran erinnere, dass jeder Organismus und jeder Theil desselben zu leben aufhört, sobald man seinen formalen Zusammenhang völlig zerstört, so bedarf es wohl keines weiteren Beweises mehr, dass die Stoffe lebloser und lebendiger Naturkörper identisch sein können, dass also die ganze Erörterung von den Unterschieden anorganischer und organischer Stoffe in einer direkten und präcisen Beantwor- tung der eben bezeichneten Frage gar nicht am Platze ist. Gewisse organische Stoffe, welche man unter den Kollektivbegriffdes Protoplasmas zusammenfassen kann, sind allerdings durch ihre besonderen Eigenschaften, worunter der fest- flüssige Aggregatzustand und die damit verbundene Quellungsfähigkeit obenan stehen, allein befähigt, Lebensäusserungen hervorzurufen; dajedoch die letzteren an denselben Stoffen unter Umständen auch ganz fehlen, also nicht der einfache Ausdruck der allgemeinen Eigenschaften derselben sein können, so sind für die Erklärung des Lebens noch andere Ursachen zu entdecken als die blosse An- wesenheit jener Stoffe. Solange es sich nicht um eine Einsicht in den Verlauf der einzelnen Lebenserscheinungen, sondern wie bei der Untersuchung Hazcker’s darum handelt, den empirischen Grund des Lebens überhaupt zu erkennen, kann es zunächst gleichgiltig sein, die Unterschiede der protoplas- matischen Stoffe und der anorganischen Substanzen zu erfahren; die Haupt- frage lautet vielmehr: was verwandelt jene erstgenannten Stoffe aus leblosen in lebendige oder umgekehrt? — HaEcker stellt allerdings eine solche Frage gar nicht, denn die beständige Verwechselung von Organismen und organischen Stoffen ist nicht nur unvereinbar mit der Erkenntniss, dass dieselben sich in keinem Falle ohne weiteres decken, sondern führt ihngerade zu einer entgegen- gesetzten Ansicht. Die Bekämpfung der „Lebenskraft“ verlangte den Nach- weis, dass die Organismen vor den Anorganen weder durchaus andere Stoffe noch wesentlich verschiedene Kräfte voraus hätten; die häufige Wiederholung dieser Analyse liess endlich die allein derselben zugänglichen Stoffe auch als die einzigen für das Leben in Betracht kommenden Faktoren erscheinen, und es wurde daher dasselbe ausschliesslich für den Kollektivbegriff der gewissen Stoffen inhärenten Kräfte erklärt. Diese Folgerung, dass die synthetische Auf- fassung des Lebens mit den Ergebnissen der analytischen Untersuchung seines Substrats zusammenfalle, musste trotz ihres Anspruchs auf eine empirische VIII. Die Segmente des Rumpfes. 535 Thatsächlichkeit Hypothese bleiben, solange nicht ein völlig unorganisirter protoplasmatischer Stoff unmittelbar als Lebensträger demonstrirt war. HasckEu glaubt dies an den seither entdeckten, denkbar niedersten Organismen, den Moneren, nachweisen zu können. Dieselben seien vollkommen homogene, forın- und strukturlose Protoplasmaklümpchen (Nr. 100 IS. 133—1306), d. h. es be- stehe an ihnen weder eine Differenzirung noch eine feststehende Anordnung und Wechselwirkung ihrer nach allen Richtungen frei verschiebbaren Theile. Es sei daher das Leben dieser Moneren (Ernährung, Bewegung, Fortpflanzung) ganz offenbar der „unmittelbare Ausfluss der formlosen organischen Materie“, ihrer „atomistischen Constitution als ein leicht zersetzbarer und imbibitions- fähiger Eiweissstoff.“ „Indem bei diesen homogenen belebten Naturkörpern von differenten Formbestandtheilen, von „Organen“ noch keine Spur zu ent- decken ist, erscheinen vielmehr alle Moleküle der structurlosen Kohlenstoffver- bindung, des lebendigen Eiweisses, in gleichem Masse fähig, sämmtliche Lebens- functionen zu vollziehen.“ Da HaEckEr zur Verallgemeinerung seiner Schlüsse die Moneren für gleichwerthig mit allen Cytoden erklärt, welche Bedeutung auch den Wirbelthiereiern vor dem Beginn der Entwickelung zukommen soll (vgl. S. 73 Anm.), so muss ich zunächst mit aller Entschiedenheit das schon mehr- fach Behauptete wiederholen, dass die morphologische und physiologische Ent- wickelung der Wirbelthiere wohl einen bestimmten und besonderen Stoff, eben den protoplasmatischen Dotter, nothwendig voraussetzt, aber durchaus nicht eine blosse Folge seiner materiellen Zusammensetzung und der davon ab- hängigen Wechselwirkung mit dem umgebenden Medium ist, sondern dass die daraus hervorgehenden Elementaraktionen nur durch das von aussen bedingte Formgesetz zu den Leistungen jener Entwickelung und des Lebens befähigt werden. Und ich habe allen Grund zur Annahme, dass ein solches Formgesetz auch das Leben jener niedersten Organismen hervorrufe und unterhalte, wo es Hacken allerdings völlig übersah. M. Schuntze beschreibt sehr anschaulich das Absterben der Pseudopodien von Foraminiferen, deren Körper durch Druck zerstört war (Nr. 126 8. 22. 23); das Protoplasma jener Pseudopodien blieb ebenso intakt wie ihre Beziehung zum umgebenden Medium, und dennoch ver- loren sie nach der theilweisen Abtrennung vom übrigen Körper ihre Lebens- fähigkeit, „bis der diffundirende Einfluss des Wassers endlich die Auflösung der Fadenreste herbeiführte.“ Dass dies in noch höherem Grade von dem zerdrück- ten Protoplasma gilt, ist selbstverständlich. Wenn es gewiss statthaft erscheint, diese Erfahrungen am „amorphen Protoplasma “ der Foraminiferen auf das- 7 584 VIll. Die Segmente des Rumpfes. jenige der Moneren zu übertragen, so stehen sje mit den bezüglichen Behaup- tungen Hazcrev's in vollem Widerspruche. Denn sie lehren, dass das Leben jener niedersten Organismen lediglich an eine gewisse Integrität des formalen Zusammenhangs gebunden ist und ohne die geringste vorhergehende Verän- derung in der chemischen Zusammensetzung des Stoffes und der ihn’ beein- flussenden Medien dennoch ausnahmslos vernichtet wird, sobald jenerindividuelle Zusammenhang verletzt wird. Wie wäre dies aber zu verstehen, wenn die Lebensfähigkeit in den einzelnen Molekülen der steukturlosen Kohlenstoffver- bindung vollständig vorhanden wäre, welche alsdann doch in jenen Pseudo- podien, ja selbst in den zerrissenen Körpertheilen das Leben ununterbrochen fortsetzen müssten? Um nichts zu übersehen, sei hier noch der mögliche Eim- wurf erwähnt, dass bei jeder mechanischen Zerstörung eines Organismus ganz gewöhnlich früher oder später eine Zersetzung des Stoffes, also auch eine Ver- änderung semer früheren Eigenschaften eintrete, sodass in dem angeführten "alle bloss die Zersetzung des lebenzeugenden Protoplasmas auch seine Lebens- eigenschaften vernichtete. Dieser Einwuıf erledigt sich aber durch die Ueber- legung, dass, wenn jener mechanische Eingriff weder die chemische Zusammen- setzung des Protoplasmas, noch dieäusseren Lebensbedingungen (das umgebende Medium u. s. w.) unmittelbar verändert, die nothwendig folgende Zersetzung doch nur aus der Zerstörung des formalen Zusammenhangs hervorgehen kann, dieser also auch als die ausschliessliche und unentbehrliche Lebensbedingung im Organismus selbst sich herausstellt; dass also die Zersetzung dem Tode des (Ganzen oder eines Theils nicht vorausgeht, sondern gewöhnlich ganz unzweifel- haft als Folge desselben erscheint. Ergibt sich daraus die Unmöglichkeit, das Leben der Moneren bloss aus der chemischen Mischung ihres Protoplasmas zu erklären, so provociren dagegen alle bezüglichen Beobachtungen die Annahme, dass in ihnen einälinliches einfaches Formgesetz, wie ich es für die Bier der Batra- chier als radiäre Endosmose beschrieb, die Wechselwirkungen der einzelnen Stofl- theilchen zur Gesammtleistung des Lebens anordnet. Indem die mechanische Zer- störung des Organismus ausschliesslich dieses Formgesetz trifit, ist eimenothwen- dig darauf folgende Einstellung der Lebensthätigkeit ohne vorausgehende Ver- änderung in der stofflichen Zusammensetzung genügend erklärt.* Wenn aber * Die Beobachtung Hascker’s über die Vermehrung der Moneren durch künstliche Theilung (Nr. 101 8. 22) kann gegen meine Darstellung nicht angerufen werden, da eine solche, auch bei viel höheren Organismen nicht ungewöhnliche Theilbarkeit an gewisse Be- VII. Die Segmente des Rumpfes. 585 HAECKEL von einer Organisation der Moneren nichts wissen will — und das Formgesetz ist doch nichts weiter als ein allgemeiner Ausdruck dafür — so rührt dies theilweise daher, dass er in der heftigen Opposition gegen die teleo- logische Anschauung alle ihre Lehren, daher auch diejenige von der allen Lebe- wesen eigenthümlichen Organisation prineipiell verwarf, zum Theil aber auch von den ganz unklaren Definitionen von Organisation und Struktur. Wenn die letztere bloss die Zusammensetzung aus gleichartigen oder ungleichartigen Theilen (Nr. 10018. 25) oder ganz allgemein „das Verhältniss der einzelnen constituirenden Bestandtheile der Organismen zu einander und zum Ganzen“ (ebend.S. 370) bedeuten soll, soist natürlich eine Struktur überall dort vorhanden, wo Ganzes und Theile unterschieden werden können, fehlt also auch den „form- und structurlosen“ Moneren keineswegs, wie denn HarckEu selbst in der 48. These von ihrer Struktur spricht. * Dieser Widerspruch wird aber dadurch wenigstens erklärlich, dass Harcken an anderen Stellen (vgl. S. 133) die Struktur als „Zusammensetzung aus bestimmt angeordneten Theilen“ definirt, welche letzteren in den Organismen durch die Organe dargestellt würden. Eine solche Struktur fehlt den Moneren allerdings; und auch die erste, von HaEckEL selbst für sie angenommene Struktur erweist sich als ein für ihre Morphologie sanz bedeutungsloser Begriff. Sie soll nämlich in den Lagebeziehungen aller konstituirenden Moleküle bestehen; der stete Wechsel dieser Beziehungen in dem fortwährend strömenden Protoplasma der niedersten Organismen spottet aber natürlich jeder Bestimmung. Damit ist aber noch nicht die Möglichkeit dingungen des Masses u. s. w. geknüpft ist, also mit einer beliebigen mechanischen Zer- störung nicht identisch ist; und weil ferner die Theilstücke nicht unverändert das Leben weiter fortsetzen, sondern gewöhnlich in einem Ruhezustande das dem ursprünglichen Ganzen eigenthümliche Formgesetz und seine Organisation wiederherstellen müssen, ehe die entsprechenden Lebensäusserungen wiederkehren. Wenn wir überlegen, dass diese Fähig- keit nur solchen Organismen zukommt, deren Organisation ein relativ einfaches Formgesetz oder doch eine sehr gleichartige Gliederung zu Grunde liegt, so brauchen wir nur anzuneh- men, dass jedes regenerationsfähige Theilstück einen den übrigen gleichwerthigen Abschnitt des gesammten Formgesetzes enthalte, um zu verstehen, dass jene Regeneration bis zu einem gewissen Grade einer eigentlichen Entwickelung gleicht, also jene Theilstücke von beliebigen Substanzpartikeln desselben Organismus sich ebenso unterscheiden wie ein ent- wickelungsfähiges Ei von anderen nicht organisirten Substanzen. * Derselbe Widerspruch begegnet uns bei Hascker auch hinsichtlich des Ausdrucks „Form.“ Gegenüber der Behauptung, dass das Leben der Moneren ein Ausfluss der „form- losen organischen Materie“ sei (S. 136), finden wir wenige Seiten weiter den Satz, dass „sämmtliche Lebenserscheinungen der Organismen ohne Ausnahme Wirkungen der geform- ten organischen Materie“ seien (8. 140). 586 VIN. Die Segmente des Rumpfes. erschöpft, bei den Moöneren ein Formgesetz überhaupt nachzuweisen. Das was ich so nenne, und z. B. sowohl im noch ungetheilten Batrachierei wie in dessen Dotterstücken und den indifferenten Embryonalzellen in der radiären protoplas- matischen Strömung erblicke, ist eben gar nicht der Inbegriff der gegenseitigen Lage- oder Wirkungsbeziehungen aller einzelnen Moleküle, sondern bezieht sich nur auf das Gesammtziel aller einzelnen elementaren Bewegungen , mögen die- selben im einzelnen je nach wechselnden Umständen noch so häufig von einer bestimmten Richtung abweichen; gerade so wie die einzelnen Wassertheilchen eines Flusses in Wellen und Wirbeln eine ganz andere Bahn beschreiben als die ganze Wassermasse, welche einen ganz bestimmten, relativ unveränderlichen Verlauf zeigt. Und folgerecht besteht das Leben als sich allmählich ent- wickelnde Wirkung der formgesetzlich geordneten Elementaraktionen des Dotters nicht in deren einzelnen Vorgängen, sondern lediglich in ihrer einheit- lichen Gesammtleistung. Genau dieselben Verhältnisse wie in dem sich ent- wickelnden Eie finden sich nun auch in den lebenden Moneren wieder. Denn eine radiäre Anordnung aller ihrer protoplasmatischen Strömungen lässt sich meist unmittelbar erkennen, und in dieser bestimmten Gesammtform ihrer inneren Elementarvorgänge darf ich wohl mit demselben Rechte wie bei den Batrachiereiern ihr Formgesetz oder ihre eigentliche Struktur erkennen. Soweit nun eine solche Gesammtförm der Elementaraktionen mit einer vollständigen Einheit auch der äusseren Formerscheinung zusammenfällt, können wir die letztere ein formgesetzliches oder morphologisches Element nennen, so- dass also die sogenannten monoplastiden Organismen über den Werth eines einfachen morphologischen Elements nicht hinausgehen und daher von einer Korrelation von Formtheilen bei ihnen nicht die Rede sein kann, während die Struktur aller übrigen, aus vielen solchen Elementen zusammengesetzten Or- ganismen aus den Wechselbeziehungen derselben und ihrer Produkte (Gewebe und Organe) bestimmt werden kann. Auf diese Weise wird die Kluft, welche nach Hasckkr'’s Darstellung bezüglich des Baues zwischen den mono- und polyplastiden Organismen besteht, ganz natürlich ausgefüllt, und zugleich durch eine solche Auffassung das eigentliche Wesen der Organisation richtig beleuchtet. Sie hat eben nur Sinn als Ausdruck für die Formbedingungen des Lebens, und wenn wir in der organischen Morphologie uns auf die blossen Körperformen glauben beschränken zu dürfen, so erscheint dies doch nur unter der Voraus- setzung statthaft, dass uns die Beziehung der organischen Form auf die Form- gesetze eines Geschehens stets gegenwärtig bleibe. Und sowie sie daher natur- VII. Die Segmente des Rumpfes. 587 semäss nicht in den Bewegungen der einzelnen Moleküle sich äussern kann, sondern im Gesetz ihrer Gesammtleistung in den morphologischen Elementen, so kann auch anderseits die Formerscheinung der letzteren, deren Elementar- aktionen durch die stete Wechselwirkung mit der Aussenwelt unterhalten wer- den, ebenso wenig starr und unabänderlich sein, als ihr Formgesetz Mass und Ordnung nur relativ bestimmt. Nur wird mit der steigenden Gliederung des Formgesetzes und der Struktur und mit der dadurch bedingten physiologischen Arbeitstheilung die Veränderlichkeit der Formerscheinung theils beschränkt, theils sehr ungleich im Organismus vertheilt; wenn in den morphologisch und physiologisch ungesonderten Moneren noch der ganze Körper die Ernährung, (lie Lokomotion besorgt, so kann er dabei keine starre äussere Form behalten wie gewisse Theile höherer Organismen, äussert aber im Grunde genommen keine grössere Beweglichkeit als die Ernährungs- und Lokomotionsvorgänge der letzteren. Dazu kommt, dass mit der höheren Differenzirung eine gewisse Periodieität im ganzen Lebensverlaufe auftritt, die einzelnen Aeusserungen desselben intermittirend erscheinen, und dass es uns anderseits unmöglich ist, ‚mit Ausnahme eben der niedersten Organismen, den Zusammenhang der Or- ganisation am lebenden Thiere unmittelbar zu beobachten. Daraus erklärt sich aber zur Genüge die Gewohnheit, die Vorstellung von der Organisation der betreffenden Geschöpfe dem indifferentesten Ruhezustande der Erscheinung zu entnehmen; und alsdann widerspricht allerdings die rulıelose Erscheinung eines Moners jenen Vorstellungen von der feststehenden Struktur der übrigen thieri- schen Organismen. Folgerichtig wäre aber mit der letzteren auch nur der in- differente Ruhezustand des Moners zu vergleichen gewesen; und in der ency- stirten regelmässigen Protoplasmakugel hätte sich eine sehr bestimmte Form und damit- auch das Moment der Vergleichung ergeben. Es offenbart eben jeder Organismus ein beständiges Formgesetz im nothwendig ununterbroche- nen Wechsel der Erscheinungen ; dass dasselbe in der Gliederung und Sonderung deutlicher zum Ausdruck kommt, ist von untergeordneter Bedeutung, wichtiger dagegen die Erkenntniss, dass es ein ursächliches Moment des Lebens, eines Komplexes von Vorgängen und Bewegungen ist, und daher in der allein wahr- nehmbaren und meist in der Vorstellung unnatürlich isolirten Formerscheinung nicht aufgeht. Der Grundirrthum Harerers besteht aber darin, dass er die Morphologie der Organismen ebenso wie diejenige der Anorgane auf eine unver- änderliche äussere Formerscheinung bezieht, und daher beide in ihrem Wesen identifieirt. Die Morphologie der Krystalle fällt allerdings thatsächlich mit 588 VIII. Die Seamente des Rumpfes. den unveränderlichen Lagebeziehungen der Moleküle zusammen, also mit den Folgen einer Bewegung, welche der jeweiligen Existenz des Krystalls voraus- ging; aber gerade in diesem Sinne würden nicht nur die Moneren, sondern über- haupt alle Organismen eine Struktur entbehren, da die stete Auswechselung und Bewegung ihrer Theile eine starre Form ausschliessen, und überhaupt jede Beständigkeit derselben verhindern würden, wenn nicht das bestimmte Form- gesetz zugleich mit der Bewegung auch ihren sinnlichen Ausdruck in der Form- erscheinung beherrschte und beschränkte. Dass einzelne starre Körpertheile das Wesen der organischen Morphologie als eines Ausdrucks von formgesetz- lichen Bewegungen oder der besonderen Existenzform der Organismen nicht verändern können, istselbstverständlich; und wenn HazEcKeEn sich den Ausdruck entschlüpfen lässt, dass die Radiolarien „zum Theil vollständig, in ihrer ge- sammten Körperform “, „die reinsten und regelmässigsten Krystallformen dar- stellen“, so verbessert er sich doch gleich dahin, dass zu dem Krystallskelet stets noch die „amorphe Sarkode “ als eigentlicher Lebensträger dazu komme (Nr. 100 18.138). Es offenbart sich also bei diesen Organismen, welche bei oberflächlicher Betrachtung den Krystallen in morphologischer Beziehung nahe _ zu stehen scheinen, das Leben oder ihr eigentliches Wesen m den Theilen, welche nach Hazrcrer’s Bestimmung gerade die strukturlosen, nach meiner Ansicht aber die Träger des organischen, also für die Organismen allein in Frage kommenden Formgesetzes sind. Dass das letztere sich gar nicht wesent- lich von demjenigen der Moneren zu unterscheiden braucht, um das regelmässige Kalkskelet hervorzurufen, dürfte ohne weiteres erhellen, sobald man an eine in den einzelnen Strahlen etwa bloss quantitativ verschiedene radiäre Lebensthätig- keit denkt. — (regenüber dem im ersten Momente der Entstehung unveränder- lich festgesetzten Strukturgesetze der Krystalle erstreckt sich also die Formen- lehre in jedem einzelnen Organismus auf die ganze Reihe von wechselnden Erscheinungen, welche aus dem nothwendig allmählichen-Werden und der fort- schreitenden Gliederung des Formgesetzes bis zu seiner Vollendung, mit anderen Worten aus der nothwendigen organischen Entwickelung hervorgehen. In der Eintwickelung liegt das Wesen der organischen Morphologie und des Lebens überhaupt, die Entwickelung scheidet die Organismen von den Anorganen. Wer aber wie HaEcKEL statt dieses fundamentalen Un- terschiedes zwischen Organismen und Anorganen bloss ihre oberflächliche Form- ähnlichkeit hervorhebt, gelangt in nothwendiger Konsequenz zu ganz unhalt- baren Anschauungen und in letzter Linie zu einer Verneinung des Lebens- VIII. Die Segmente des Rumpfes. 589 begriffes. HAECKEL nennt die Moneren und Oytoden strukturlos; die That- sache ihrer Fortentwickelung zu mannigfach organisirten Geschöpfen erkennt er natürlich an, erklärt dieselbe jedoch für eineunmittelbare Wirkung der form- losen Materie, ihrer besonderen chemischen Konstitution (Nr. 100 IS. 164. 165. 190). Es muss uns aber die einfachste Ueberlegung überzeugen, dass ganz im allgemeinen die Form niemals eine unmittelbare Funktion ihres stofflichen Substrats sein kann; sie ist stets eine mechanische Leistung, hervorgegangen aus bestimmten Beschränkungen einer Bewegung, sodass, wenn die an 'sich regellosen Elementaraktionen in einem unorganisirten Stoffe einmal eine gesetz- mässige Gesammtform und in Folge dessen eine sich mehr oder weniger ent- wickelnde Organisation erhalten, diese Formbeschränkung (Formgesetz) nicht von Anfang an im amorphen Substrate gelegen haben, sondern als nenes ursäch- liches Moment der Formerscheinung nur von aussen eingeführt sein kann. Da die organische Form überall erst mit einer geregelten (resammtleistung der zu einem morphologischen Elemente verbundenen Moleküle anfängt, und die Kräfte des amorphen Protoplasmas in den einzelnen, zu einer regellosen Gesamnıt- erscheinung verbundenen Molekülen beruhen, so fehlt uns auch jede Vorstellung darüber, worin die angebliche ‚‚formbildende Funktion des Plasmas“ (Nr. 100 I S. 190) begründet sem könnte. Wie sollen dieselben Eigenschaften, welche den unorganisirten Zustand bedingen, allein und unmittelbar die Organisation hervorrufen, und gar auf dem Wege der Eintwickelung, einer kausal zusammen- hängenden Reihe von sich stetig weiter gliedernden Formerscheinungen? Ist überhaupt in jenem Ausdrucke der „formbildenden Funktion des Protoplasmas“ mehr enthalten als eine Umschreibung der Thatsache, dass die Entwickelungs- vorgänge und die organischen Formen nur an protoplasmatischen Substraten sich offenbaren ? — Die von aussen bedingte und allmählich zur Wirkung kom- mende formale Beschränkung der Elementaraktionen eines Protoplasma- klumpens oder die Thätigkeit unseres Formgesetzes veranlasst und erklärt da- gegen die Entwickelung als unmittelbarste naturnothwendige Folge, woraus erst die Organisation des ganzen Substrats und die einheitliche Gliederung der physiologischen Wirkungen oder das Leben hervorgehen, sodass diese drei Mo- mente nicht als verschiedene Funktionen des Stoffes, sondern nur als verschie- dene Aeusserungen desselben Vorgangs erscheinen, welche sich bloss unserer Erkenntniss und Auffassung einzeln präsentiren und in ihrem ursächlichen Zu- sammenhange keimem Organismus fehlen. Ganz im Gegensatze dazu hält HaEcKEL die Entwickelung für den Ausfluss besonderer Eigenschaften des nicht 590 VII. Die Segmente des Rumpfes. organisirten, aber schon vollkommen lebendigen Protoplasmas, wesshalb sie bei der Unterscheidung der Organismen von den Anorganen kaum berücksichtigt wird. Dabei wird aber entweder in dem einer Entwickelungsreihe vorangehen- den Zustande das schon bestehende Formgesetz übersehen, wenn z. B. dem „formlosen Eiweissklumpen“ des Radiolarienkörpers die Fähigkeit zugeschrie- ben wird, „lediglich vermöge seiner specifischen atomistischen Constitution“ das komplicirte formenstrenge Kalkskelet zu erzeugen, während dieses doch nur das Formgesetz des Protoplasmaleibes zum sichtbaren Ausdruck bringt; oder es wird anderseits dem Eie im Beginn seiner Formentwickelung ein Leben zu- erkannt, welches ihm in der That noch fehlt. Nach meiner Ansicht, welche ich weiter unten noch näher ausführen will, macht ein vollkommenes Leben die Enntwickelung unmöglich, sowie eine solche und folglich em Formgesetz im ersten Anfange der individuellen Existenz unbedingt nöthig sind, um das Leben in seiner individuellen Einheit zu erzeugen. Die Existenz und der Ursprung dieser Einheit bleiben aber in der Hazcker'schen Darstellung unerklärt. Alle Untersuchungen und Betrachtungen HAEcKEr's über das Wesen der Organismen laufen in dem einen Ziel zusammen, welches schon im Anfange kenntlich wurde, dass nämlich der Gesammtinhalt der organischen Existenz nach Form- und Bewegungserscheinungen ausschliesslich eine naturnothwendige Wirkung der chemischen Mischung des Substrates sei, dass folglich die Or- ganismen sich nur durch die letztere von den Anorganen unterschieden. „Alle uns bekannten Naturkörper der Erde, belebte und leblose, stimmen überein in allen wesentlichen Grundeigenschaften der Materie, in ihrer Zusammen- setzung aus Massen-Atomen und darin, dass ihre Formen und ihre Funktionen die unmittelbaren und nothwendigen Wirkungen dieser Materie sind. Die Un- terschiede, welche zwischen beiden Hauptgruppen von Naturkörpern hinsicht- lich ihrer Formen und Funktionen existiren, sind lediglich die unmittelbare und nothwendige Folge der materiellen Unterschiede, welche zwischen Beiden durch die verschiedenartige chemische Verbindungs-Weise der in sie eintretenden Ele- mente bedingt werden“ (a. a. ©. S. 164). Ich habe dagegen gezeigt, 1. dass die Organismen sich von den Anorganen unter Umständen stofflich gar nicht unterscheiden, da es ebenso wohl lebloses als lebendiges Protoplasma gibt, 2. dass das Leben folglich eine Wirkung des blossen Stoffes nicht sein kann, viel- mehr nothwendig eine Organisation desselben, d.h. eine von aussen bedingte formgesetzliche Anordnung seiner Elementaraktionen voraussetzt, 3. dass diese wichtigste Lebensursache oder das Formgesetz durch seine allmähliche Aus- VIII. Die Segmente des Rumpfes. 591 bildung in dem zu organisirenden Stoffe die Formentwickelung und steigende physiologische Arbeitstheilung herbeiführt, sodass die Entwickelung ganz im allgemeinen zur nothwendigen Entstehungsform des Lebens und seiner körper- lichen Träger wird, 4. dass das Formgesetz ferner, da es nur in seiner Einheit Bestand findet, das Leben nothwendig an die Bedingung knüpft, dass es eine inihren Theilen kausal zusammenhängende Gesammtleistung eines nach aussen bestimmt abgeschlossenen Körpers oder mit anderen Worten durchausmdividuell ‘sei. Aus diesen Ergebnissen meiner Untersuchung ergibt sich natürlich die Unmöglichkeit, die Organismen in irgend einer anderen Hinsicht als gerade nach der chemischen Konstitution mit gewissen Anorganen in Parallele zu bringen. Wenn aber HAEcKEL die Organismen nicht nur bezüglich der Struktur mit den Krystallen vergleicht, welche ich in den beiderlei Naturkörpern für srundverschieden erklärte, sondern auch Analoga wahrer Lebenserscheinungen an den Krystallen glaubt nachweisen zu können, so beruht auch dieser Irrthum auf seiner fehlerhaften Auffassung des Lebens und unzureichenden Begrifis- bestimmungen. So soll die Erscheinung des Wachsthums den Organismen und Krystallen gemeinsam sein (a. a. 0. S. 141 u. flg... Der Ausdruck „Wachs- thum“ bezieht sich aber ursprünglich nur auf die betreffende Lebenserscheinung und bezeichnet eine bestimmte Folge der Ernährung; da die letztere den Kry- stallen fehlt, so kann ihr Wachsthum nur in einem übertragenen und wesentlich anderen Sinne gemeint sein, welcher einen unmittelbaren Vergleich mit dem organischen Wachsthum gar nicht zulässt. Zur Durchführung der Analogie erklärt HAccker das Wachsthum für eine durch die Anziehungskraft des be- treffienden Körpers herbeigeführte Massenzunahme desselben (a. a. ©. S. 142.. 144. 152); in welcher Weise dies aber für die Organismen Geltung finden soll, deren Nahrungsaufnahme doch nicht durch eine Anziehung erfolgt, . ist mir durchaus räthselhaft geblieben , wie nicht minder die aus jener Behauptung konsequent abgeleitete Folgerung, dass die Ernährung nicht die Ursache, son- dern nebst der Fortpflanzung eine Folge der Besonderheiten des organischen Wachsthums sei (S. 166). Solche Behauptungen würden allerdings den genann- ten Vergleich unterstützen, wenn sie nur mit der bisher allgemein üblichen Auffassung und Bestimmung der Ernährung und des Wachsthums irgendwie in Uebereinstimmung gebracht werden könnten. Es lässt sich nun nicht verkennen, dass die von HAEcKEL verfochtene Auf- fassung des Lebens als einer unmittelbaren Wirkung des Protoplasmas nur eine konsequente Ausführung der sogenannten Protoplasmatheorie ist, welche 592 VIII. Die Segmente des Rumpfes. in M. Scnunsze ihren Hauptbegründer gefunden hat. Indem dieser ausge- zeichnete Forscher die alte schematische Begriffsbestimmung der Zelle als un- haltbar nachwies und ihre Hauptbedeutung in das Protoplasma, „die unge- [ormte contractile Substanz“ verlegte (Nr. 93 8. 2), wollte er zunächst gewiss nicht der Zelle die ihr eigenthümliche, wenn auch unsichtbare Organisation absprechen und ihre Lebensursache mit den chemisch - physikalischen Eigen- schaften des Protoplasmas identifieiren. Die Individualität des lebendigen Zell- protoplasmas sollte sich nicht nur durch „seine eigenthümliche' CGonsistenz“ er- halten, sondern ebenso „durch sein centripetales Leben, durch die Eigenthüm- lichkeit, mit dem Kern em Ganzes zu bilden, in einer gewissen Abhängigkeit von demselben zu stehen“ (a. a. O. S. 12). Ich finde in dieser Aeusserung ganz unverkennbar diejenige Struktur oder Organisation angedeutet, welche ich selbst für alle werdenden oder fertigen Plastiden als unentbehrliche Lebens- bedingung annehme, und wenn die Ursache dafür, nämlich das von mir soge- nannte Formgesetz, unerkannt blieb, so lag dies daran, dass die Entwickelung der Zellen zu wenig beachtet wurde. Denn schon die deutlichen Bilder der Knorpelzellenbildung hätten davon überzeugen müssen, dass die Leiber dieser Zellen nicht lediglich durch die Eigenschaften des Protoplasmas, sondern durch die ausser ihm in den freien Kernen enthaltenen Formbedingungen aus der formlosen Grundsubstanz ausgefüllt werden, während der Rest derselben in der /wischenzellensubstanz unverändert zurückbleibt. M. ScHhuntze ging aber über jene Andeutungen von der Eigenthümlichkeit des Lebens in seinen einfachsten löxistenzformen nicht hinaus; und solange die bestimmte Formel zur Erklärung ihres kausalen Zusammenhangs fehlte, musste jeder Versuch, ihn näher zu de- finiren , entweder zu Widersprüchen oder zur einfachen Negation jener Eigen- thümlichkeit führen. So meint Stricker, dass zum Begriff einer Zelle oder eines Elementarorganismus ein Klümpchen Protoplasma genüge, schliesst aber daran die Behauptung, dass nicht jedes Stück lebender Materie eo ipso eine Zelle sei: „damit wir ein isolirtes Klümpchen lebender Materie eine Zelle nen- nen, müssen wir daran die ganze Gruppe von Erscheinungen wahrnehmen, welche ein selbständiges Thierindividuum, einen selbständigen Organismus charakterisiren“ (Nr. 120 IS. 6. 7). Diese eigenthümliche Ansicht, dass lebende Körper und Organismen nieht identisch seien, beleuchtet «die Mängel der neuesten Protoplasmatheorie aufs klarste. Während man einerseits sich daran gewöhnt hat, die Kraftäusserungen des Protoplasmas, insbesondere seine Kontraktilität, schlechtweg als Leben zu bezeichnen, scheut man sich doch, x VIII. Die Segmente des Rumpfes. 593 dasselbe mit dem Inbegriff der die Organismen auszeichnenden Thätigkeiten, was doch stets für die allgemeinste Bestimmung des Lebens galt, ohne weiteres zu identificiren. Man braucht dasselbe Wort für zwei Erscheinungen, deren wesentlichen Unterschied man doch nicht leugnet; und dadas Substrat in beiden Fällen dasselbe bleibt, so muss das unterscheidende Moment eben ausserhalb des blossen Stoffes liegen. Der Unterschied von der teleologischen Auffassung reducirt sich alsdann darauf, dass an die Stelle der Lebenskraft oder des Zweckes ein unbekanntes X tritt; indem man aber die Erörterung desselben zu umgehen oder es durch jenen Doppelsinn des Wortes „Leben“ zu verdecken sucht, lässt sich der innere Widerspruch doch nicht vermeiden. Die natürliche Lösung desselben ergibt sich nach meiner Ansicht durch die Erkenntniss des von mir erörterten Formgesetzes; wer dagegen den Schwierigkeiten der Untersuchung dadurch zu entgehen glaubt, dass er jene unbekannte besondere Lebensursache einfach leugnet, verlegt den Widerspruch bloss in die weiteren Schlussfolgerun- gen, wie ich es in der Kritik der Harckev’schen Darstellung nachwies. Ich glaube durch die voranstehende Untersuchung jedem möglichen Ein- wande gegen die Annahme und die Bedeutung des Formgesetzes der Organis- men begegnet zu sein und nehme jetzt die nähere Erörterung der sich daraus ergebenden Folgerungen wieder auf, welche ich in einigen Hauptsätzen bereits andeutete (S. 573—575), und welche uns den richtigen Standpunkt für die Beurtheilung der Gewebe nach ihrem Formwerthe anweisen sollen. Die Unter- suchung über die Beziehungen der morphologischen und histiologischen Ent- wickelung führt zum Ergebniss, dass die erstere gewissermassen keine unmittel- bare Bedeutung für das vollständige individuelle Leben hat, sondern eine Art von Vorbereitung für die Gewebsbildung darstellt, sodass die ursächliche Dis- position für die letztere und damit für jenes Leben erst am Schlusse der morpho- logischen Entwickelung vollständig gegeben ist. Wenn also schon daraus hervorgeht, dass das individuelle Leben während der morphologischen Ent- wickelung nur ein unvollkommenes sein kann, so lässt sich dies noch be- stimmter begründen. Ich habe in dem IH. und IV. Abschnitte dieses Buchs erörtert, dass ich keine Möglichkeit sehe, die morphologischen Entwickelungs- vorgänge anders als durch die Massenverschiebungen der Embryonalzellen in Folge ihrer fortlaufenden Theilungen zu erklären. Mit der Indifferenz der Embryonalzellen hört auch diese ununterbrochene Theilung auf, theils weil ihre individuelle Existenz in den meisten Geweben überhaupt verloren geht, theils weil die Theilung nunmehr als Fortpflanzung nur noch einen Theil der Ge- GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 38 594 VIII. Die Segmente des Rumpfes. sammtleistung der individuell erhaltenen Zellen bildet, also viel seltener er- scheint als früher. Anderseits würden die individuell verschiedenen Ernäh- rungs-, Wachsthums- und Anpassungsvorgänge vollkommener Zellen die Gleich- artigkeit der Massenbewegung, welche mir für die morphologische Entwicke- lung unumgänglich scheint, in verschiedenster Weise stören und daher ihre nothwendigen Leistungen wesentlich beeinträchtigen. Die Aufgabe aber, welche dadurch der Natur gestellt wird, nämlich dieselben Bewegungen, welche später Lebensäusserungen hervorrufen, anfangs in nicht lebendigen Wirkungen der morphologischen Elemente sich äussern zu lassen, diese Aufgabe wird in ein- fachster Weise dadurch gelöst, dass im Innern dieser unvollkommen lebendigen Elemente wirkliches Leben und daher individuelle Lebensträger (Kerne) sich allmählich entwickeln, deren Lebensbewegungen bei der Gleichmässigkeitihrer in der umgebenden Dottermasse gegebenen Bedingungen ebenfalls gleichartig verlaufen, durch die Ernährung stets zum Wachsthum, durch dieses zur be- ständig wiederholten Fortpflanzung führen und dadurch zu den fortdauernden Ursachen der mechanischen Theilung und Verschiebung der ganzen Embryonal- zellen werden. Es ist ferner natürlich, dass die fundamentale Lebensbedingung dieser Kerne, ihre Ernährung, innerhalb der sie enthaltenden morphologischen Elemente durch die früher beschriebene Dotterschmelzung unterhalten wird, also durch einen Vorgang, welcher unter Ausschluss eines Gesammtlebens des Eies und des Embryo dennoch das Theilleben in jenen Elementen ermöglicht. Die feste Dottersubstanz enthält die Spannkräfte, deren massenhafte Auf- speicherung jede Nahrungszufuhr entbehrlich macht, indem dieselben durch die fortdauernde Umwandlung in lebendige Kräfte die isolirten und be- schränkten Lebensprocesse nicht nur zu unterhalten, sondern allmählich auf das Ganze oder die ganzen morphologischen Elemente auszudehnen ver- mögen.* In dem nothwendigen Vorrath von immanenten Spannkräften liegt daher auch die besondere Bedeutung der Dottersubstanz für die Entwicke- * Gleichsam als Gegenprobe zu dem früher gebrachten Beweise von dem Mangel einer Ernährung und einer Massenzunahme des Keims ($. 78. 556. 557) dürfte hier die Notiz am Platze sein, dass nach einem von mir mehrfach angestellten Versuche 100 Eier und ebenso viele Larven aus der ersten Periode, also vor dem Beginn der Nahrungsaufnahme, auf einer genauen Wage sich das Gleichgewicht halten. Die beiderlei Entwickelungsformen wurden dazu natürlich ohne ihre Hüllen und im getrockneten Zustande benutzt. — Für die Säuge- thiere wäre noch insbesondere zu bemerken, dass die rasche Anschwellung ihrer Eier durch- aus nicht ein von den übrigen Wirbelthieren abweichendes Verhalten bedeutet, da sie wohl die sogenannte Keimblase, aber nicht den davon unterschiedenen und hier alleinin Betracht kommenden Keim (vegetatives Blatt aut.) betrifft (vgl. Nr. 103). VII. Die Segmente des Rumpfes. 595 lung und die Berechtigung sie als unreifes Protoplasma zu bezeichnen. Das Mass jener Spannkräfte steht nämlich im geraden Verhältniss zum Mass oder Fortsange der morphologischen Entwickelung, indem ein relativ geringerer Vorrath von fester Dottersubstanz ihre vollständige Auflösung, damit aber auch den Eintritt der histiologischen Differenzirung oder das Ende der morphologi- schen Entwickelung natürlich früher herbeiführt als ein grösserer Vorrath, und umgekehrt. Aus einer solchen Ueberlegung ergibt sich, dass die morphologische Entwickelung, welche den Grund zu der ganzen individuellen Existenz legt, mit der histiologischen Differenzirung oder der Ausbildung eines vollständigen Lebens der morphologischen Elemente im Wechselverhältniss gegenseitiger Beschrän- kungsteht, sodass im ganzen wieim einzelnen der Satz gilt: die histiologische Differenzirung schliesst die morphologische Entwickelung ab, und diese verträgt sich wieder nicht mit einem@Gesammtlebendes werdenden Organismus.* Mit Rücksicht auf das praktische Ergebniss kann man dies auch so ausdrücken: je früher jene Difterenzirung oder das vollständige Leben in einem Entwickelungsverlaufe erscheint, desto geringer wird dietypische Entwickelungshöhe des betreffenden Organismus sein. Von diesem Gesichts- punkte aus müssen die bisher noch immer verfochtenen Ansichten, dass die Entwickelung der Anfang des Wachsthums und daher gewissermassen eine Lebens- äusserung sei (vgl. Hıs Nr. 109 S.51, HaEcken a. a. O.), als ungenaue oder un- klare bezeichnet werden; die Entwickelung ist die Entstehungsform des Lebens und der Organismen und kann folglich nicht eine Wirkung derselben vorstellen. Dies wird noch ganz besonders erläutert durch ihr Verhältniss zur Indi- vidualität der Organismen. Ich nannte diese den physiologischen Ausdruck dies Formgesetzes mit Rücksicht darauf, dass weder die zusammengesetzte Form- erscheinung, noch die Summe der analytisch wahrgenommenen einzelnen Wir- kungen des Organismus, sondern füglich nur das Erscheinung und Bewegung einheitlich umfassende Kausalgesetz auf die Bezeichnung der Unverletzlichkeit oder Untheilbarkeit Anspruch erheben kann. Dieses Gesetz ist aber, wie ich schon früher andeutete (S. 570 u. flg.), wohl in seinen Ursachen, den äusseren Formbedingungen, nothwendig von Anfang an gegeben, jedoch nicht sofort * Natürlich muss man dabei im Auge behalten, dass weder alleKörpertheile sich gleich schnell entwickeln, noch der Uebergang von der morphologischen und histiologischen Ent- wickelung ein plötzlicher ist. Wenn ich hinzufüge, dass ich die nachträglichen topographi- schen Anpassungen nebst allen Rückbildungen und histiologischen Neubildungen nicht mehr zur eigentlichen morphologischen Entwickelung zähle, glaube ich alle möglichen Einwürfe gegen meine Behauptung berücksichtigt zu haben (vgl. S. 249 255). 35* ey 96 VIII. Die Segmente des Rumpfes. vollständig an den werdenden Organismus selbst geknüpft, und daher auch die Individualität desselben nicht gleich vollkommen angelegt. Selbst in der ein- fachen Dotterkugel ist die radiäre Diffusion nicht gleich mit der Herstellung jener Bedingungen vollendet, sondern entwickelt sich erst allmählich; und gleich darauf wird mit der ersten Dottertheilung die Einheit der im Eie verlaufenden Elementaraktionen zunächst wieder aufgehoben, indem jener Vorgang zwei ge- trennte Diffusionssysteme schafit, welche mit jeder folgenden Theilung vermehrt, gewissermassen ebenso viele getrennte Individuen vorbilden. Und in der That zeigen uns homologe Vorkommnisse, auf die ich im Schlusskapitel zurückkom- men werde, dass solche getrennte Eitheile, indem sie durch histiologische Aus- bildung den weiteren Fortgang der morphologischen Entwickelung unter- brechen, zu vollständigen Einzelindividuen werden können. Im Wirbelthiere werden sie aber durch die noch bestehenden äusseren Formbedingungen , ins- besondere die Dotterhaut, in der ursprünglichen Gesammtform des Eies zuerst bloss zusammengehalten, dann aber in Folge der andauernden Berührung wenigstens an den freien Oberflächen durchweg in festere Verbindung gebracht, sodass im weiteren Verlaufe der Entwickelung die Gliederung des Formgesetzes in einem thatsächlich zusammenhängenden Körper sich vollzieht. Bei dieser gruppenweisen Verbindung der morphologischen Elemente zu Gewebs- und Organanlagen büssen dieselben jene Fähigkeit ein, selbstständige Individuen herzustellen, indem das Formgesetz der einzelnen Zelle bis zu einem nicht mehr unbedeutenden Grade von den mit ihr verbundenen Theilen mitbestimmt wird, also in ihr allein nicht mehr zu individuellem Abschluss gelangt. Und dasselbe, was für die einzelnen morphologischen Elemente gilt, lässt sich von den zu sanzen Körpertheilen verbundenen Zellengruppen, den Geweben und Organen, aussagen: je weniger die Gliederung des Formgesetzes, nicht extensiv sondern im Sinne divergirender Bildungen, vorgeschritten ist, also je einfacher der ganze Bau und je gleichartiger die einzelnen Abschnitte sind , desto beschränkter ist die Unverletzlichkeit jenes Gesetzes oder die Individualität des ganzen Organis- mus. Denn die Gleichartigkeit des Formgesetzes in jenen homologen Ab- schnitten sichert ihnen eine gewisse Unabhängigkeit von einander, indem keiner von ihnen durch ihm selbst fehlende, daher integrirende Formbedingungen der anderen mitbestimmt wird; und diese Beschränkung der Individualität des ganzen Organismus zu Gunsten seiner Einzelabschnitte geht bisweilen so weit, dass er spontan oder in Folge äusserer Eingriffe in zwei und mehr sich voll- kommen individualisirende Theile zerfallen kann. Im ersten Falle, bei der VIII. Die Segmente des Rumpfes. 597 Fortpflanzung durch Theilung oder Knospenbildung, wird die volle Unab- hängigkeit der gleichwerthigen oder von den übrigen abgesonderten Abschnitte im natürlichen Lebensprocesse herbeigeführt, bei der künstlichen Vermehrung dagegen das Formgesetz des abgelösten Theils individuell hergestellt. Ander- seits nimmt aber in dem Masse, als die einzelnen gröberen Körpertheile eine divergente Entwickelung erfahren, ihre gegenseitige Anpassung und Abhängig- keit zu Gunsten des Gesammtindividuums zu, dagegen ihre Fähigkeit zur Aus- bildung einer eigenen Individualität ab, indem die aus jener Entwickelung re- sultirende physiologische Arbeitstheilung die verschiedenen Gewebe, Organe und ganzen Körperabschnitte theils über ein gewisses Mass hinaus, theils über- haupt nach ihrer Eigenschaft für die Erhaltung des einheitlichen Formgesetzes und dieses wieder für die Existenz des Einzeltheils unentbehrlich macht. Solche Betrachtungen führen uns nothwendig zu dem Ergebniss, dass die Individualität eines Organismus nur ein besonderer Ausdruck seines Entwickelungsziels ist, also während seiner Entstehung sich ebenfalls allmählich und parallel der (rliederung des Formgesetzes entwickelt. Je mehr dabei die Einzeltheile, seien es die morphologischen Elemente oder deren Verbindungen zu Organen und Körpersegmenten, sich eimer morphologischen Gleichartigkeit und physio- logischen Koordination nähern, desto lockerer wird der Bestand der Indivi- dualität des Ganzen bis zu einer vollständigen Vertheilung derselben auf jene Elemente und Abschnitte ; dagegen erhöht sich ihre Intensität mit der steigen- den Divergenz in der Gliederung des Formgesetzes und der dadurch herbei- geführten Unterordnung der Theile, sodass zunächst die ursprünglich angelegte Individualität der morphologischen Elemente in der Herstellung der Organe und Körpersegmente, und in zweiter Linie die Selbstständigkeit der letzteren im Kausalzusammenhange des ganzen Organismus aufgeht. Wollen wir auf Grund dieser Ergebnisse den Formwerth der verschiedenen (Gewebe der Wirbelthiere prüfen, so muss vor allem vorausgeschickt werden, dass die verschiedenen Stufen in der Ausbildung der Individualität, wie sie sich in der allgemeinen Betrachtung ergaben, in dem Entwickelungsverlaufe eines bestimmten Thieres natürlich nicht thatsächlich durchlaufen werden, aus dem einfachen Grunde, weil sie selbst ein Entwickelungsergebniss und als „physio- logischer Ausdruck des Formgesetzes“ (S. 575) erst im vollendeten Zustande des Organismus erfasst werden kann. Dieselbe Ueberlegung, welche dem ganzen Eie sowie den einzelnen Dotter- und Embryonalzellen ein vollkommenes Leben abspricht, kann ihnen auch nur die Anlage zur Ausbildung einer eigenen 598 VIII, Die Segmente des Rumpfes. Individualität zugestehen. In der Gewebsbildung wird aber diese Anlage nicht weiter entwickelt, sondern wie erwähnt gerade zurückgebildet; sobald jene Zellen durch ihre innere Umbildung zum wirklichen individuellen Leben fähig werden, gehen sie auch schon gruppenweise in Massenprodukten auf, werden gewissermassen zu neuen Formbeständen höheren Grades „verwebt.“ Ich habe es für die Mehrzahl der Gewebe, für die Bindesubstanzen im weitesten Sinne, für die Muskelfasern und Nervenelemente nachgewiesen, dass bei ihrer Ent- wickelung der frühere Formbestand der Embryonalzellen aufgelöst und aus dem dadurch gewonnenen Bildungsmaterial unter dem Einflusse der lokalen Formbedingungen theils neue Zellenformen, theils nichtzellige Gewebsbestand- theile hervorgehen. Aber auch diese sekundären Zellen können als wirkliche Organismen (Elementarorganismen) nicht angesprochen werden, da ihnen ein selbstständiges Formgesetz, eine vollkommene Individualität fehlt. Sie treten meist in den engsten anatomisch-physiologischen Zusammenhang mit anderen, selbst nichtzelligen Gewebstheilen, wie z. B. die Nervenzellen mit den Nerven- fasern, sodass schon ihre körperliche Abgrenzung ganz unbestimmt wird; ander- seits sind die sie betreffenden Lebensvorgänge, namentlich die Ernährung, nicht in ihnen abgeschlossen, sondern verbreiten sich in einheitlicher Gliederung durch das ganze Gewebe. Sie bleiben also integrirende Theile desselben und verhalten sich zu ihm gerade so wie die Kerne zu den ganzen Zellen, verdienen dalier den Namen eines Elementarorganismus so wenig wie die Zellenkerne. Die Zellen als Gewebstheile sind keine Organismen, keine or- ganischen Individua. Man wird mir vielleicht erwidern, dass diese Be- weisführung auf eine Spitzfindigkeit hinauslaufe, da jene sekundären Zellen jedenfalls lebende Körper seien. In diesem Ausdrucke liegt aber der Doppel- sinn von lebenden Individuen und von Körpern, die an einem Leben theil- nehmen. Dies letztere kommt natürlich ebenfalls den Zellenkernen und den nichtzelligen Gewebselementen, den Fasern, festen Intercellularsubstanzen u. s. w. in gleichem Grade zu, sie werden ernährt, sie wachsen, bewegen sich und ver- mehren sich selbst unter Umständen durch Theilung. Und folglich konnte, so- lange die Anwesenheit eines selbstständigen Formgesetzes als eine nothwendige Voraussetzung der Existenz eines Organismus nicht erkannt war, eine grund- sätzlich verschiedene Bedeutung der Zellen und der übrigen Protoplasma- produkte wenigstens nicht genügend begründet werden: sollten die zelligen Ge- webstheile Elementarorganismen sein, so hatten die übrigen Gewebselemente denselben Anspruch auf diese Bezeichnung. Dieselbe Ueberzeugung aber, welche VII. Die Segmente des Rumpfes. 599 mich veranlasst, den bisher besprochenen unselbstständigen zelligen Gewebs- elementen den Werth eines Elementarorganismus nicht zuzuerkennen, lässt mich ganz allmähliche Uebergänge von denselben zu völlig selbstständig und individuell lebenden Zellen finden. Die Epithelien stellen eine solche Ueber- gangsstufe dar; denn wenn sie sich durch die spärliche, ihre Zellen verbindende Kittsubstanz auch nur graduell etwa vom Knorpel unterscheiden, so erscheinen doch die Epithelzellen bisweilen so locker gefügt, dass sich einzelne aus dem (zewebe herauszulösen und in dem umgebenden Medium eine Zeit lang ein scheinbar vollkommen individuelles Leben zu führen vermögen. Endlich finden wir in den Bildungszellen des vollendeten Thieres (Lymph-, junge Blut- und Wanderzellen ), solange sie nicht thatsächlich in den Bestand eines Gewebes eingehen, wirkliche Elementarorganismen, d.h. Formelemente mit einem voll- kommen individuellen Leben. Da sie aber ein solches Leben nur eine relativ kurze Zeit führen und nach meiner Ansicht im vollendeten Organismus ebenso wie ich für gewisse Entwickelungsperioden nachweisen konnte, in die ver- schiedensten (rewebe übergehen und sich denselben anpassen, so besitzen wir an ihnen das beste Beispiel eines thatsächlichen, allmählichen Uebergangs von Elementarorganismen in untergeordnete Theile eines einheitlichen Gesammt- individuums. Ich bestreite jedoch, dass wegen eines solchen Uebergangs das Anfangs- und das Endglied des betreffenden Entwickelungsverlaufs als gleich- artig angesehen werden dürften; denn nach diesem Grundsatze müsste man auch den gar nicht bestimmt begrenzten Lebenskeimmassen den Formwerth von Zellenkernen, also ganz bestimmt gesonderter Körper, zuschreiben. Daher kann auch nach meiner Ansicht nicht alles, was man eine Zelle zu nennen gewohnt ist, unter allen Umständen und in jeder Umbildungsform denselben Werth be- halten, so wenig wie die verschiedenen Entwickelungsstufen des ganzen Organis- mus den gleichen morphologisch - physiologischen Werth besitzen. Nun wird aber häufig davon gesprochen, dass der eine oder andere Gewebstheil, welcher nicht einmal in seiner äusseren Erscheinung an Zellen erinnert, den Formwerth einer oder mehrerer Zellen habe. Wenn damit in den meisten Fällen nur der Ursprung des betreffenden Gewebstheiles aus einer oder mehreren Zellen be- hauptet werden sollte, so wäre an dem Ausdrucke nur auszusetzen, dass er wenig exakt ist. Denn es ist nicht einzusehen, warum die Beziehung auf die Zahl der Bildungszellen durch das Wort „Formwerth“ bezeichnet wird, da doch ihr Formbestand gerade aufgelöst wird. Neuerdings hat sich aber HAEcKEL derselben Ausdrucksweise in einem andern Sinne bedient, indem er den Form- 500 VIII. Die Segmente des Rumpfes. werth der mehrkernigen Gewebstheile (Zellfusionen, Zellenstöcke) ganz ohne Rücksicht auf die Zahl der Bildungszellen nur nach derjenigen der späteren Kerne bemisst. Allerdings sagt er an einer Stelle von den Muskelfasern: „Die Zahl dieser Kerne bezeichnet die Zahl der Zellen, welche in der Bildung des Zellenstockes aufgegangen sind“ (Nr. 100 IS. 297); aber wenn wir sehen, dass die einfachen Kerne der Primitivfasern derStammuskulatur sich erst zu theilen anlangen, nachdem die Muskelsubstanz längere Zeit fertig bestand und thätig war, so lässt sich eine solche Kern-Vermehrung natürlich nicht auf eine unvoll- ständige Theilung der Bildungszellen beziehen. Auch erwähnt Harcren die Bildungszellen bei der eigentlichen Erörterung seiner Auffassung überhaupt nicht. Er schliesst folgendermassen. Da ein einfacher Protoplasmaklumpen (Cytode) von einem kernhaltigen (Zelle) unterschieden werden müsse, so be- stimme „einzig und allein der Nucleus die Individualität der Zelle“, wobei natürlich die von HasckeEu sogenannte morphologische Individualität, d.h. die Einheit der Formerscheinung gemeint ist.* Folglich habe ein Gewebstheil den Formwerth von soviel Zellen, als Kerne in ihm enthalten seien, wogegen der Ausdruck „vielkernige Zelle“ eine contradictio in adjecto sei. Die einkernigen Gewebstheile werden daher einfachen Zellen gleichgesetzt und einzellige Ele- mentarorganısmen genannt (vgl. Nr. 100 IS. 265. 278.296, Nr. 127 8. 15. 17. 21—22. 40, Nr. 125 1. S. 105. 106). Ich glaube, dass diese Darstellung zunächst nicht anders zu verstehen ist, als dass ein Gewebstheil aus so viel „morpholo- gischen Individuen“ bestehe, als Kerne vorhanden sind. Dieses Raisonnement Hazcrenvs ist aber an sich und mit Bezug auf andere seiner Definitionen fehlerhaft, wenn wir dieselben vorläufig annehmen. Wenn ganz unzweifelhaft die Anwesenheit eines Kerns die Formerscheinung einer Zelle gegenüber einer Cytode bestimmt, so darf doch daraus nicht ohne weiteres gefolgert werden, (lass ein Kern in einem Gewebe nun unter allen Umständen die Existenz einer Zelle andeute; der Erörterung, ob ein mehrkerniger Gewebstheil einer oder * Hascrer unterscheidet nämlich die Individualität nach der untheilbaren Form- erscheinung und der theilbaren Lebenseinheit (morphologische, physiologische Individualität), und sondert ferner die entsprechenden Individuen in verschiedene Ordnungen, sodass jedes morphologische Individuum unter Hinzutritt der physiologischen Individualität für sich allein, oder ohne dieselbe als untergeordneter Theil einer höheren Ordnung bestehen kann (Nr. 100 1 5. 265 und tlg. 333 — 339. 367). Die morphologische Individualität wird durch den Mangel der physiologischen nicht beeinträchtigt, sondern kann trotz aller Unterordnung „scharf ausgeprägt‘ bleiben (ebend. S. 304); zur Herstellung eines Organismus ist daher offenbar das Zusammentrefien der beiderlei Individualitäten erforderlich, VIII. Die Segmente des Rumpfes,. 601 mehreren Zellen entspreche, hätte der Beweis vorausgehen sollen, dass jenem eine Zellennatur wenigstens im morphologischen Sinne überhaupt zukomme. Nunbezeichnet aber HAEcKEL die morphologischen Individuen, also in erster Linie Cytoden und Zellen, als räumlich abgeschlossene Körper von bestimmter Ge- stalt (Nr. 100. 18. 265); dann kann aber doch ein einheitliches aber vielkerniges Plasmastück, z. B. gerade eine sogenannte vielkernige Zelle, eine Mehrheit von solchen Körpern nicht genannt werden, um so weniger, als HaEcken selbst ausspricht, dass die Zellen als morphologische Individuen bei ihrer Verbindung zu höheren Formindividuen „ihre individuelle Selbständigkeit mehr oder weniger aufgeben“ (ebend. S. 290). Da nun bei einer solchen Beurtheilung des Form- werthes vielkerniger Gewebstheile die Beziehung auf die Bildungszellen ebenso wie die einfache Identificirung mit ebenso vielen morphologischen Individuen als Kerne vorhanden sind, ausgeschlossen werden muss, so ist nicht leicht ein- zusehen, was der bezeichnete „Formwerth von mehreren Zellen“ eigentlich be- deuten soll. — Ansprechender ist schon die Bezeichnung einkerniger Muskel- fasern und Ganglienkugeln als Zellen, sobald man die letzteren lediglich als kernhaltige Protoplasmastücke und nicht, wie ich es allein für richtig halte, jede Bildung nach dem ihr eigenthümlichen Formgesetze definirt. Nun bleibt aber Hazcken bei ihrer morphologischen Zellennatur nicht stehen, sondern er- klärt sie gleich für Elementarorganismen. Ein Organismus involvirt aber die physiologische Individualität im Sinne Hazcrenv’s (vgl. die letzte Anm.), d.h. die Fähigkeit, vollkommen selbstständig zu leben, wenigstens sich zu ernähren (a. a. 0.8.266), was freilich nach meiner Ansicht auch schon Bewegung, Wachsthum, Fortpflanzung facultate einschliesst; und eine solche Fähigkeit den genannten Gewebstheilen zuzuschreiben, dürfte nicht leicht Jemand sich bereit finden, es sei denn, dass man bereits in ihrem normalen Zustande innerhalb des Gewebes jenes vollkommen selbstständige Leben erkennen wollte, was aber nach der oben eitirten Bemerkung Harcrer's bei ihm nicht der Fall ist. — Noch schärfer treten die Mängel solcher Bestimmungen hervor, wenn man den ausgesuchten, ansprechenden Beispielen andere, unzweifelhaft analoge Fälle zur Seite stellt. Die Ganglienzellen sind von blossen kernhaltigen Stellen des Axencylinders nur quantitativ zu unterscheiden (vgl. M. Scnuurze Nr. 120 I S. 115. 126. 127); folglich wäre ein kernhaltiger Axeneylinder eine Kolonieoder ein Stock von Elementarorganismen, ein kernloser dagegen mit Zellen und Ele- mentarorganismen überhaupt nicht vergleichbar und daher im Formwerthe nur etwa einer Bindegewebsfaser verwandt. Und erinnern wir uns der thatsäch- 602 VIII. Die Segmente des Rumpfes. lichen Entstehung einer Muskelprimitivfaser, so müssen wir gestehen, dass nach der Formerscheinung die Muskelfibrillen zu den Muskelkörperchen gerade so sich verhalten, wie die Fibrillen eines Bindegewebsbündels zu den anhaften- den Bindegewebskörperchen, dass demnach, wenn die gesammte Muskelprimitiv- faser so vielen Zellen entspräche, als Kerne in ihr vorhanden sind, auch jene Bindegewebsfibrillen auf alle zugehörigen Bindegewebskörperchen vertheilt ge- dacht werden müssten, um mit ihnen „untheilbare Formindividuen“ zu bilden ! Diese Konsequenzen, welche sich beträchtlich vermehren liessen, sind folge- richtig, aber ich muss bezweifeln, dass Hascren selbst sie annehmen möchte. Ganz anders gestaltet sich die Sache, wenn wir die organische Formerscheinung als Ausdruck eines Formgesetzes von Bewegungen auffassen und so die Morpho- logie und Physiologie zur Lehre von der formgesetzlichen Erscheinung des Lebens wahrhaft synthetisch verbinden. Dann muss auch bei der Beurtheilung des Formwerthes der Gewebe die organische Entwickelung zu Grunde gelegt werden; aus dem Neben - und Nacheinander verschiedener Formen lässt sich aber ein einheitlicher Vorgang erkennen, welcher, wie ich bereits erwähnte, aus ungleichartigen Gliedern besteht, deren grösste Divergenz an den End- punkten ersichtlich wird. Die freien Bildungszellen sind die einzigen wirklichen l:lementarorganismen des Wirbelthierkörpers ; diese Bedeutung verlieren sie in dem Masse, als sie sich zu Formelementen eines Gewebes umbilden. Soll da- her der Begriff der Zelle mit demjenigen eines Elementarorganismus zusammen- fallen, so wird der Name „Zellen“ auf die noch nicht in Gewebe übergegangenen Formelemente beschränkt werden müssen. Da man aber höchst wahrscheinlich diesen Namen stets so weit ausdehnen wird, als die äussere Formerscheinung im wesentlichen dieselbe bleibt, so wird die Zelle einen wechselnden Indivi- dualitätswerth behalten. Wo aber nicht nur die Individualität des ursprüng- lichen Elementarorganismus, sondern auch seine frühere Form in derfortschrei- tenden Metamorphose vollständig aufgelöst ist, dort noch von einem Zellen- bestande zu reden, halte ich für willkürlich und für schädlich, weil der Ge- brauch eines Wortes in ganz verschiedenem Sinne nur bei vollständig befestig- ten Begriffen ohne nachtheilige Folgen bleibt. Bei einem schnellen Rückblick auf die voranstehenden Betrachtungen der Zellenlehre kann es uns nicht entgehen, dass alle Widersprüche, Ungenauig- keiten und offenbaren Irrthümer in dieser Lehre die nothwendigen Folgen der einseitig analytischen Methode und der schematischen Begriffsbestimmungen sind, welche sich meist bloss an die äussere Erscheinung hielten, und wo sie VII. Die Segmente des Rumpfes. 603 das Wesen der organischen Form zu erschöpfen versuchten, seine Einheit in eine Reihe getrennter Begriffe zersplitterten. So verstand Hazcren wohl den relativen Werth des Individualitätsbegrifls wie aller verwandten Begrifte (Leben, Organisation) auf analytischem Wege zu zerlegen, aber nicht mehr zur thatsäch- lichen Einheit zurückzuführen. Die Neigung zur vollsändigen Sonderung der * tatsächlichen Verhältnisse je nach den verschiedenen Seiten unseres Erkennt- nissvermögens hängt aber gerade aufs innigste zusammen mit der Neigung; die qualitativen Unterschiede zu leugnen, die bestehenden Differenzen zu nivelliren, in der Zellenlehre nicht weniger als in allen übrigen Beziehungen des organi- schen Lebens. Indem man sich in der analytischen Untersuchung verlor, über- sah man das einzig und allein untheilbare Gesetz des Zusammenhangs, wurde jede in ihre Elemente zerlegte Erschemung zur blossen Summe derselben, welche daher in ihrem Wesen dem Ganzen gleich sein mussten. So wurde das Leben zur Summe der ihm zu Grunde liegenden Elementaraktionen der Materie und konsequenter Weise mit den inhärenten Eigenschaften des Protoplasmas identificirt, der Organismus, das organische Individuum als blosses Aggregat von Formelementen und auf der niedersten Stufe nur als indifferente „Raum- einheit“ jenes specifischen Lebensstoffes hingestellt. Dabei wurde die Bedeutung der Entwickelung für die Entstehung des Lebens, der Organisation, der Individualität vollkommen übersehen, das Wesen dieser Erscheinungsformen als der Endprodukte eben des individuellen Entwickelungsverlaufs durchaus verkannt, und daher brachte man auch den letzteren unter das Schema jener Analyse und Summirung, welche man so oft für synthetische Betrach- tung ausgab: die einzelnen Entwickelungsstufen der Organisation und des Lebens wurden nur äusserlich, nach dem Masse der Gliederung unterschieden, im Wesen war das noch unveränderte Ei so gut ein Organismus wie alle seine späteren Theilungsprodukte, die Embryonalzellen und deren weitere Umbildun- gen, und diese unterschieden sich nur durch ihre elementare Form (Elementar- organismen) von dem Gesammtorganismus oder Gesammtindividuum. Indem ich aber hier insbesondere dieser letzteren Auffassung entgegentrete, kommt es mir natürlich nicht darauf an, den Sprachgebrauch abzuändern, welcher nun ein- mal den Ausdruck „Leben“ nicht auf die Gesammtleistung des Organismus be- schränkt, sondern auch alle Einzeltheile desselben lebendige nennt. Ich ver- lange nur, dass man sich den grundsätzlichen Unterschied eines solchen Theil- lebens von dem individuellen Leben eines vollkommenen Organismus vergegen- wärtige und sieh dessen stets bewusst bleibe. Da ich jedoch der Ansicht bin, 604 VIII. Die Segmente des Rumpfes. dass die Entstehung eines jeden Organismus unmittelbar oder mittelbar (bei der Fortpflanzung durch Theilung) auf eine Entwickelung aus einem ursprüng- lich unorganisirten protoplasmatischen Stoffe zurückzuführen, und selbst jeder. Theil des vollendeten Thieres in seiner früheren Anlage niemals nach seinem ganzen wesentlichen Inhalte enthalten sei, sondern der letztere ganz allmählich durch die Gesammtentwickelung zusammengeführt werde, so kann es mir natür- lich nicht einfallen, zwischen dem vollendeten und dem unvollkommenen Zu- stande oder noch weiter zurückliegenden Ursachen des Lebens, der Organisation und Individualität an irgend einem Punkte des Entwickelungsverlaufs eine be- stimmte Grenze abzustecken. Sobald man diese Begriffe aus dem Wesen der Entwickelung erklärt, welches in der vollständigen aber ganz allmählichen Ein- führung eines neuen, von aussen bedingten Moments, eben des Formgesetzes, in die Existenz gewisser Naturkörper besteht, so ist darin die Thatsache des unmittelbaren Zusammenhangs der einzelnen Zustände ebenso begründet wie die Anerkennung eines grundsätzlichen Unterschieds zwischen Anfang und Ende des ganzen Vorgangs. In dieser Auffassung der organischen Entwicke- lung liegt eben die Ausgleichung der bisherigen Gegensätze, der Annahme einer übernatürlichen Lebensursache und der radikalen Identificirung des Lebens mit nichtlebendigen Vorgängen: ohne einen unnatürlichen Eingriff in den Zu- sammenhang und Verlauf der Elementaraktionen des Protoplasmas werden sie doch in begrenzten Körpern aufeigenthümliche Weise zu einer Gesammtleistung vereinigt, deren Theile durch ihre Entstehung ursächlich zusammenhängen, daher sich nothwendig gegenseitig voraussetzen und bedingen und so ein relativ untheilbares Ganze, eine organische Individualität konstituiren, deren form- gesetzliche Wirksamkeit sie von dem blossen Aggregate der Elementaraktionen in unorganisirten Körpern wesentlich unterscheidet. Wer aber dieser Auffas- sung sich anschliesst, wird meine übrigen Folgerungen kaum zurückweisen. Die zuletzt erörterte war aber der Satz, dass die Individualität des Wirbelthier- organismus eine so vollständige ist, dass von einem individuellen Sonderleben seiner einzelnen Theile nicht die Rede sein kann,* vielmehr von den Elementen durch die Gewebe, Organe, Körpersegmente bis aufwärts zum Ganzen jeder * Die Ausnahme, welche die freien Bildungszellen machen, muss durch die Ueberlegung auf ihr richtiges Mass zurückgeführt werden, dass ihre Thätigkeit gewissermassen die letzten Ausläufer oder eine Fortsetzung der plastischen Entwickelung darstellt, welche für die Er- haltung der endgiltig erreichten Form ebenso nothwendig ist wie für deren Entstehung VIII. Die Segmente des Rumpfes. 605 Theil als mehr oder weniger untergeordnetes Glied in den Bestand der nächst- höheren Kategorie aufgehe und dadurch seine eigene Selbstständigkeit oder In- dividualität einbüsse. Jeder nımmt Theil am Leben, welches aber nicht eine Summe, sondern ein durch den Kausalzusammenhang der Entwickelung ge- wonnenes Resultat aller der Theilvorgänge ist, nur in der einheitlichen Ge- sammtleistung des Ganzen oder des organischen Individuums besteht. Bietet die an den Rumpfsegmenten nachzuweisende Histiogenese einen passenden Ausgangspunkt zu einer Reihe von allgemeinen Betrachtungen, so finden wir anderseits in der morphologischen Gliederung der segmentalen Ge- websmassen der Batrachier Anknüpfungspunkte an die entsprechenden Ver- hältnisse aller übrigen Wirbelthiere. Sowenig der vollendete Zustand der Teleostier eine Uebereinstimmung ihrer Rumpfmuskulatur mit derjenigen der Batrachier vermuthen lässt, so offen- bart sich eine solche doch unzweifelhaft in der Entwickelung und zwar insbe- sondere zwischen Teleostiern und Salamandrinen. Die Segmente dieser Fische (Forelle, Lachs) entsprechen einmal in ihrer Anlage und Sonderung vollständig der uns bekannten Form: die Anlage der Muskeln, der Segmentkern, liegt als die Hauptmasse des Segments zwischen der hautartigen äusseren Segmentschicht und dem ebenfalls dünnen inneren Segmentblatte mitseinen Nervenanlagen ein- geschlossen und zeigt frühzeitig eine Sonderung in zwei Hälften, indem das ganze Segment in der Höhe der Wirbelsaite und entsprechend der Erweiterung des an den Embryo sich anschliessenden Dottersackes nach aussen umgebogen erscheint (Taf. XXII Fig. 582). In die dadurch entstehende fortlaufende Längsfurche wachsen von der Oberhaut die Seitenorgane hinein und bezeichnen daher die Linie, in welcher die Stammuskeln später sich vollständig in eine dorsale und eine ventrale Masse trennen. In dem Masse, als sich der Embryo über den Dottersack erhebt, gleicht sich jene Winkelstellung beider Hälften aus; die untere erstreckt sich alsdann gerade abwärts, ist ebenso hoch wie die obere und läuft mit zugeschärftem Rande an der Grenze des Dottersackes aus, sodass dieser Rand am After in die Bauchlinie des Schwanzes übergeht. Die «ueren Scheidewände der Muskelsegmente verlaufen gleichfalls in gebrochenen Linien, deren nach vorn gerichtete Spitzen an der Grenze beider Muskelhälften liegen und daher sämmtlich in die Seitenlinie fallen. Diese ganze horizontal 606 VIII. Die Segmente des Rumpfes. gefaserte Muskelmasse entspricht also durchaus der Stammuskulatur der Batrachier. An dem eben ausgeschlüpften Fischchen finde ich nun an der Aussenseite dieser Stammuskelmasse, also an der Stelle der früheren äusseren . Segmentschicht, ausser spärlichem Bildungsgewebe eine dünne Muskellage, deren Fasern schräg nach unten und hinten gerichtet ist; es ist darin die An- lage eines M. obliquus externus nicht zu verkennen, welche noch an Fischchen von einigen Centimetern Länge sich unterscheiden lässt, aber später offenbar den Stammuskeln sich anpasst und spurlos in sie aufgeht. An dem eben aus- geschlüpften, noch mit einem ansehnlichen Dottersacke versehenen Fische habe ich ferner eine deutliche Fortsetzung der Stammsegmente oder der inneren Segmentschicht in die Wand des Dottersackes oder die spätere Bauchwand auf- gefunden, welche natürlich auf den eigentlichen Rumpf zwischen Kopf und After beschränkt bleibt, da im Schwanze die Stammsegmente bis zur Bauch- seite hinabreichen. Diese ventrale Fortsetzung der inneren Segmentschicht besteht zum grössten Theile aus Bildungsgewebe, enthält aber darin eine dünne Muskellage, welche in der angegebenen Zeit erst in der Bildung begriffen ist, und deren Fasern gerade so wie ich es für den mittleren Bauchmuskel schilderte, je aus mehreren Zellen sich zusammensetzen. Diese Muskelschicht schliesst sich nur mit einigen weit auseinander stehenden Fasern an den unteren Rand der Stammuskeln an, während sie weiter abwärts, wo auch ihre Entwickelung noch im Rückstande ist, gleich in dichtem Gefüge entsteht. Ferner verlaufen die Fasern in jenem oberen Theile nicht horizontal, sondern denen des M. obliquus externus gerade entgegengesetzt schräg nach vorn und unten, und ihre erst zart angedeuteten segmentalen Scheidegrenzen fallen ebenfalls nach vorn ab, sodass sie mit denen der unteren Stammuskelhälfte einen nach hinten ge- richteten Winkel bilden. Die Neubildung dieser Muskeischicht innerhalb eines reichlichen jungen Bildungsgewebes, der abweichende Verlauf ihrer Fasern und Segmentgrenzen, endlich ihr lockerer Zusammenhang mit den Stammuskeln, während ihre Hauptmasse gleich kompakt entsteht, lassen in ihr nicht eine einfache Fortsetzung eben dieser Stammuskeln, sondern die Grundlage eines neuen Muskels erkennen, welcher nur dem mittleren Bauchmuskel der Batra- chier verglichen werden kann, sodass die gesammte Rumpfmuskulatur des jungen Teleostiers bis auf die geringere Ausdehnung des äusseren schrägen Bauchmuskels vollständig mit derjenigen der Urodelenlarven übereinstimmt (vgl. Taf. XIX Fig. 341). Statt einer weiteren Ausbildung dieser ursprüng- lichen Sonderung tritt aber bei den Teleostiern allmählich eine Rückbildung fe} VIII. Die Segmente des Rumpfes. 607 ein, indem die Stammuskeln mit dem mittleren Bauchmuskel , welcher die An- lagen eines M. obliquus internus und M. rectus abdominis enthält, und mit dem M. obliquus externus zu dem sogenannten Seitenrumpfmuskel verschmelzen, an welchem nur die Trennung der Stammuskelhälften erhalten bleibt. Es scheint mir auch zweifelhaft, ob in den untersten Zacken der segmentalen Scheidewände des fertigen Seitenrumpfmuskels die frühere Grenze des mittleren Bauchmuskels wiederzuerkennen ist, da solche Zacken alsdann auch an der Bauchseite des . Schwanzes vorkommen (vgl. Nr. 129 Taf. H), welcher ja anders wie der Rumpf ausschliesslich Stammuskeln enthält. — Der Mangel eines inneren Bauch- muskels (M. transversus abdominis) bei den Fischen kann nicht auffallen, da er lediglich eine aus nachträglicher Anpassung an das parietale Bauchfell her- vorgehende Bildung darstellt, und die innige Verbindung desselben mit der be- schriebenen Hauptmuskelmasse bei den Fischen die Entwickelung eines M. transversus unmöglich zu machen scheint. — An Selachierembryonen lässt sich eine Trennung der Stammuskeln von einem Bauchmuskel noch deutlicher nach- weisen als bei den Teleostiern. An den schon früher erwähnten Scyllium- embryonen sehe ich die untere Stammuskelhälfte im Rumpfe nur wenig unter das Niveau des Rückens hinabreichen ; daran schliesst sich der Bauchmuskel, dessen Fasern oben schräg, unten horizontal verlaufen, und dessen verdünnter oberer Rand kaum merklich über denjenigen der Stammuskeln übergreift. An reifen Mustelusembryonen reichen die letzteren tief hinab und werden zu einem ganzen Drittheil vom Bauchmuskel bedeckt, sodass jenes Drittheil dort wo es hinter dem Becken frei zu Tage tritt, bei flüchtiger Untersuchung eine Fort- setzung des Bauchmuskels vortäuscht. Die Untersuchung von der Bauchhöhle aus, sowie die Inkongruenz der segmentalen Abtheilungen in den beiderlei Muskelgruppen schützt jedoch leicht vor jener Verwechselung. Aus dem Ver- gleiche beider Befunde schliesse ich, dass die Ueberlagerung des Bauchmuskels über die Stammuskeln nachträglich eintritt. — Ferner beweisen uns die Unter- suchungen M. ScHuutze’s, dass die allereinfachste unter den Wirbelthieren vorkommende Rumpfmuskulatur, nämlich diejenige der Neunaugen, nicht einer niedersten Entwickelungsstufe, sondern nur einer am weitesten gediehenen Rückbildung gesonderter Grundlagen entspricht. Denn er hebt ausdrücklich hervor, dass die Embryonen dieser Thiere ausser den segmentirten „ Seiten- muskeln“, welche nach den beigefügten Abbildungen nur wenig unter die Wirbelsaite hinabreichen, noch ein „System von Bauchmuskeln “ besitzen, „welche der Längsaxe des Körpers parallel laufen‘ (Nr. 928. 34, Taf. VL. VII). 608 VIII. Die Segmente des Rumpfes. Ich kann diese Muskeln nur als einen mittleren Bauchmuskel und eine ungetheilte Stammuskelmasse deuten. Dann ist es aber für die meisten Fische* nachweis- bar, dass ihre einfache Rumpfmuskulatur aus der Rückbildung einer typischen. ursprünglichen Sonderung hervorgeht, welche mit derjenigen der Batrachier vollständig oder doch im wesentlichen übereinstimmt. Für die Vögel und Säugethiere habe ich dieselbe Sonderung und topo- graphische Anordnung der Segmenttheile wie bei den Batrachiern nachgewiesen (S. 533—534). Die Verwandlung des in jenen Klassen schmächtigen Segment- kerns in die Stammuskulatur sowie das Hinabwachsen der längere Zeit indiffe- renten äusseren Segmentschicht und einer ebensolchen Fortsetzung der inneren Segmentschicht in die Bauchwand lassen es mir unzweifelhaft erscheinen, dass die gesammte Rumpfmuskulatur dieser Thiere und überhaupt aller Amnioten dem Typus folge, welchen ich aus der Entwickelungsgeschichte des Muskel- systems der Batrachier erkannte, wesshalb auch der fertige Zustand in beiden Abtheilungen leicht in Uebereinstimmung zu bringen ist.”* Für die Stamm- muskulatur der Amnioten wäre nur besonders hervorzuheben, dass sie sich im Bereiche der Rippen mit denselben bis zur Bauchseite erstreckt (vgl. S. 432. 460); bei der Herstellung eines kostalen Brustbeins wird der mittlere Bauch- muskel von demselben überlagert und dort ganz oder theilweise zum Schwunde gebracht (vgl. Meckeu Nr. 130 Bd. III S.304.450), sowie er nachweislich durch den Beckengürtel erst nachträglich unterbrochen wird (vgl. S. 467). Ferner kann die untere Stammuskelhälfte ebenso wie sie am Halse in die langen tiefen Halsmuskeln sich verwandelt, auch am Schwanze besondere Längsmuskel bilden; so finde ich beim Chamaeleon zwei starke Rollmuskeln des Schwanzes, welche vom Becken entspringend und in besondere, den unteren Wirbelbögen ange- #= Die Rumpfmuskeln der Myxinoiden besitzen eine Anordnung, welche mit derjenigen anderer Wirbelthiere nicht ohne weiteres übereinstimmt, und die ich daher bei dem Mangel embryologischer Daten nicht sicher zu deuten weiss. ## So sehr auch in den meisten Einzelheiten der Entwickelung und des anatomischen Banes gerade die Anuren nähere Beziehungen zu den Amnioten zeigen als die Sala- mandrinen, welchen in vieler Hinsicht mit Recht eine nähere Verwandtschaft mit den Fischen zugeschrieben wird, so liefert doch der vorliegende Fall gerade keine Belege dafür. Die Gliederung der Rückenmuskeln bleibt allerdings bei den Urodelen auf niederer Stufe stehen und eleicht mehr derjenigen der Fische, sowie sie in den Anuren bis zu der bei den Amnio- ten eewöhnlichen Anordnung fortschreitet. Aber den letztgenannten Batrachiern fehlt mit ausgebildeten Rippen auch deren besondere Muskelgruppe, und was von grösserem Gewichte ist, ihr mittlerer Bauchmuskel entbehrt die Sonderung in einen M. obliquus internus und rectus abdominis, welche wohl allen Amnioten zukommt. VIII. Die Segmente des Rumpfes. 609 “ heftete Scheiden eingeschlossen ihre Sehnen bis zur Schwanzspitze erstrecken und wie die Beuger der Finger und Zehen wirken. — Der wichtigste ventrale Theil des mittleren Bauchmuskels muss in seiner ursprünglichen Anlage als eine vom Kinne bis zum After oder der Schwanzwurzel kontinuirlich fortlaufende Muskelmasse angesehen werden, welche erst sekundär in die Mm. genio-, sterno- hyoidei, recti abdominis und die hinter dem Becken gelegenen Längsmuskel zerfällt. Diese letztere Abtheilung wird bei den Batrachiern nur durch den M. ischio-coceygeus repräsentirt, dessen ursprüngliche Verhältnisse aber meist verdeckt werden, indem nur seine den After oben und seitlich umgürtende Partie muskulös bleibt, während die absteigenden Schenkel sehnig werden. Nur bei der gememen Kröte bilden auch diese Schenkel, wie bereits Du ges sehr richtig hervorhob (No. 13 8. 126), schlanke Muskelbäuche, deren Enden ich unter der Symphyse der Sitzbeine in eine Sehne zusammenlaufen und sogar mit der End- sehne des M. rectus abdominis sich verbinden sehe,was aber wahrscheinlich eine spätere Anpassung ist, da ihre gemeinsame Anlage bei der Unke nach innen vom Becken liegt. Der M. ischio-coceyeus der Kröte lässt es aber kaum zweifelhaft erscheinen, dass alle im Beckenausgange, zwischen der Schwanzwurzel oder dem Steissbeine einerseits und den Sitz- und Schambeinen anderseits, mehr oder weniger sagittal ausgespannten Muskeln, welche namentlich bei den Säugern eine reichere Gliederung zeigen, aus Umbildungen jenes hintersten Abschnittes vom mittleren Bauchmuskel hervorgehen. —Wenn man ferner für den M. sterno- cleido-mastoideus den gleichen Ursprung annehmen darf, wie für den M. scapulo- mastoideus der Batrachier, so ergeben sich natürlich der erstere und der M. obliquus externus abdominis der Amnioten als Homologa. Auf Grund dieser vergleichenden Untersuchungen und Betrachtungen glaube ich ein System der Rumpfmuskulaturaufstellen zu dürfen, nach welchem die Grundlagen derselben allen daraufhin untersuchten Wirbelthieren durch- aus gemeinsam sind, und nur die fortschreitende Ausbildung der ursprünglichen Sonderung oder deren nachträgliche Rückbildung die späteren Unterschiede herbeiführen. In der folgenden Tabelle habe ich dieses System übersichtlich zu schematisiren versucht, wobei die einzelnen Ausnahmen, wie z. B. Ostracion unter den Fischen, nicht weiter berücksichtigt wurden. GOETTE, Entwiekelungsgeschichte. 39 610 VIII. Die Segmente des Rumpfes. Petro- | 1 y | : ‚Teleostier | Selachier | Anuren | Urodelen Amnioten myzon nn Muskeln der äusseren Seement- schicht (die Glied- massen ausge- nommen) 1. M. scapulo- oder sterno-eleido- fehlt. mastoideus. 2. M. obliquus externus abdominis die über der Rippenlinie befindlichen Rücken- und Schwanzmuskeln. | =! Hmmm U PER | mit Absonderung der Mm. e intercostales externi. = Tone gg ae = 5 die unter der Rippenlinie befindlichen Rücken- und = 5 7 mit Absonderung der Mm. intercostales interni. Untere HätttelObere Hälfte Stammuskeltheilung. Er | | Länosmuskeln des 2 M. ischio-eoceygeus. 3E | Beckenausgangs. 1. M. rectus abdominis. Stammuskel, Bauchmuskel. verschmolzen zum Seitenrumpfmuskel mit der ursprünglichen M. rectus abdominis 2. M. obliquus internus Abschnitt | Abschnitt | Mittlerer | Hinterer Bauchtheil: mittlerer Bauchmuskel Schwanzmuskeln. | Te abdominis. | verschmolzen zum einfachen Seitenrumpfmuskel, nur in der Kiemengegend zweitheilig: Muskeln der inneren Segmentschicht. 1. M. sternohyoideus 2. M. geniohyoideus (vgl. Nr. 80 TS. 113. 117.) Vorderer Abschnitt A er rret Ye Dii Dani Innerste Bauch- fehl | M.transversus .| &bdominis en erh ar: ehlt. “ Jill | ; muskelschicht abdominis. 2. M. diaphrag- | matis. Wenn die bisherigen Leistungen in der vergleichenden Muskellehre nach zuständigem Urtheile (vgl. GEGENBAUR Nr. 89 S. 706) unvollkommene blieben, so lag dies nicht nur an dem Mangel vergleichender Betrachtung, sondern, auch wo eine solche durchgeführt wurde, daran, dass zur Grundlage derselben aus- schliesslich die fertigen anatomischen Zustände dienten. Es offenbart sich darin wiederholt die irrige Meinung, dass die Homologien unmittelbar aus der fertigen VIII. Die Segmente des Rumpfes. 611 Formerscheinung erschlossen werden könnten, dass die Bedeutung der letzteren schon in der unmittelbaren Wahrnehmung enthalten sei. Ich muss aber dagegen an der Auffassung festhalten, dass die organische Form als Aus- druck eines Geschehens, welches das Ergebniss einer Entwickelung ist, eben- falls nur aus ihrer Entstehungsgeschichte verstanden werden kann, und dass daher ein Vergleich organischer Formen nur auf eine Vergleichung ihres Bil- dungsganges sich gründen kann. — J. Münver hat die Rumpfmuskulatur der Wirbelthiere bekanntlich zuerst in drei Systeme geschieden, „welche sich auf einander nicht reduciren lassen, sich meistens gegenseitig beschränken“; es sind dies die Seitenrumpfmuskeln, die Interkostalmuskeln und die seitlichen Bauchmuskeln (Nr. 76 IS. 225 u. lg... GEGENBAUR folgt dieser Eintheilung nıit der Modifikation, dass er die Interkostal- und geraden Bauchmuskeln als eine zusammengehörige aus den Seitenrumpfmuskeln hervorgehende Gruppe be- trachtet (Nr. 89 S. 707 u. flg.). Der Seitenrumpfmuskel erscheine in seiner in- differentesten Gestalt bei den Fischen, bei denen er von der dorsalen bis zur ventralen Mittellinie theils ungesondert (Petromyzon), theils inzweiübereinander gelegene Hälften geschieden vom Kopfe bis zur Schwanzspitze sich erstrecke. Dieser Muskel habe sich auch noch auf die Amphibien „vererbt“, indem die Perennibranchiaten und die Larven der übrigen Amphibien ihn besässen; bei den ausgebildeten Salamandrinen sei sein Bauchtheil am Rumpfe verschwunden und bleibe nurnoch am Schwanze erhalten. Bei den Amnioten komme ein solcher Bauchtheil im Rumpfe überhaupt nicht zur Entwickelung, sondern werde ebenso wie bei den Batrachiern durch die Interkostalmuskeln ersetzt, denen sich der gerade Bauchmuskel mit dem M. sterno-hyoideus anschliesse. Ebenfalls als Modifikationen jenes Bauchtheils vom Seitenrumpfmuskel werden die tiefen Halsmuskeln und der M. quadratus lumborum, dagegen die beiden schiefen und der quere Bauchmuskel sowie der Zwerchfellmuskel als besondere 3ildungen vorgeführt. — Diese Darstellung wird nun durch dieembryologischen Thatsachen widerlegt. Der so oft genannte Seitenrumpfmuskel der Fische ist im Rumpfe aus drei getrennten Anlagen (Stammuskeln, mittlerer Bauchmuskel, M. obliquus externus abd.) und nur im Schwanze einfach, bloss aus den Stamm- muskeln entstanden, also weder eine genetisch einheitliche, noch überhaupt eine in der ganzen Länge des Körpers gleichwerthige Bildung. Als Rückbildungs- produkt kann er daher nicht den einfachen Ausgangspunkt für weitere Umbil- dungen darstellen. So besitzen denn auch die Larven der Salamandrinen wohl die gleiche Muskulatur wie die noch unentwickelten Fische, aber niemals deren 39* 612 VIII. Die Segmente des Rumpfes. Seitenrumpfmuskel; auch verschwindet in der Metamorphose gar kein Theil, sondern wird nur jede Schicht schärfer gesondert und in geringem Masse um- gebildet. Die Anurenlarven zeigen aber, sobald ihre Muskeln gebildet sind, niemals eine kontinuirliche Seitenmuskulatur, also auch nicht einmal eine Äusser- liche Aehnlichkeit derselben mit dem Seitenrumpfmuskel. Die Batrachier führen uns aber zu den Amnioten hinüber. Für diese wäre noch insbesondere zu bemerken, dass die tiefen Halsmuskeln, die Zwischenrippenmuskeln und die unteren Schwanzmuskeln nicht Modifikationen des Bauchtheils vom Seitenrumpf- muskel, sondern nur der Stammuskeln sind, und zwar die Zwischenrippenmuskeln der oberen wie der unteren Hälfte derselben, die übrigen nur der unteren. Der M. quadratus lumborum ist aber ein Extremitätenmuskel, sowie anderseits der M. sterno-celeido-mastoideus genetisch nicht zum Schultergürtel, sondern mit dem M. obliquus externus zusammengehört. Der letztere fehlt aber den Fischen nicht vollständig, sondern verliert nur frühzeitig seine Selbstständigkeit, welche von den Amphibien aufwärts erhalten bleibt. Der M. obliquus internus ist zu- sammen mit dem M. rectus abdominis nur ein Gliederungsprodukt einer ein- heitlichen Anlage, was namentlich deutlich aus dem Vergleiche der Anuren und Urodelen hervorgeht; und diese Anlage oder der mittlere Bauchmuskel ist eben der eine ursprüngliche Bestandtheil des sogenannten Seitenrumpfmuskels, zu welchem sich die Stammuskulatur und bei den Fischen noch der äussere schräge Bauchmuskel gesellen. Die Enden des mittleren Bauchmuskels sind aber nicht am Zungenbein und dem Becken zu suchen, sondern am Unterkiefer (M. genio-hyoideus) und dem Steissbein oder der Schwanzwurzel (Muskeln des Beckenausgangs). — Sowie die Mm. recti und obliqui interni abd. scheinen mir der M. transversus und der Zwerchfellmuskel der Amnioten zusammenzugehören; jedenfalls fehlt beiden eine besondere morphologische Grundlage und jede Be- ziehung zu den Segmenten, sodass sie viel passender mit der übrigen Muskula- tur der Seitenplatten, nämlich den Eingeweidemuskeln des Herzens und des Darms zusammengestellt werden können. Ausser der eben kritisirten und bisher allgemein anerkannten Auffassung des Muskelsystems des Rumpfes liegt uns eine neueste vergleichende Darstellung desselben von SCHNEIEER vor (Nr. 131). Der Seitenrumpfmuskel der Fische wird bloss den Rückenmuskeln der übrigen Wirbelthiere verglichen; und indem SCHNEIDER den Begriff des Rumpfes von der Anwesenheit eines M. rectus ab- (lominis abhängig zu machen scheint, erklärt er: „Die Pisces bestehen demnach nur aus Kopf und Schwanz.“ Ich brauche aber wohl nicht erst auf die voll- VIH. Die Segmente des Rumpfes. 613 ständige Irrigkeit jener Deutung der Muskeln wiederholt hinzuweisen, um einen solchen Ausspruch als völlig unbegründeten zu bezeichnen. Als eine Fortsetzung des M. rectus sieht SCHNEIDER ebenso wie ich es bereits in meiner vorläufigen Mittheilung angab (M.Schuurze’s Archiv 1872), auch den M. genio-hyoideus an ; der M. sterno-hyoideus soll eine Fortsetzung bald der Rückenmuskeln (Hyodorsa- lis) bald der Bauchmuskeln (Hyoventralis) sein. Diese Unterscheidung ist aber nicht nur grundfalsch, indem der M. sterno-hyoideus stets ein Theil des freilich nicht immer kenntlich bleibenden mittlerenBauchmuskels ist, sondern hebt auch für alle Fälle,wo einHyodorsalisneben einemM.rectus vorkommen soll (Amphibien, Reptilien), den genetischen Zusammenhang des letzteren mit dem genio - hyoi- deus auf.* In der „äusseren Querfaserschicht“ werden der M. obliquus externus, M. mylo-hyoideus, einige Kiemen- und Halsmuskeln ohne Bedenken zusammen- geworfen, und ebenso verfährt SCHNEIDER hinsichtlich der „inneren Querfaser- schicht“, zu welcher einige ungenannte Muskeln des Kopfes und Halses, im Bauchtheile aber die Mm. obliquus internus und transversus abdominis ge- rechnet werden. Dass die letzteren nichts mit einander gemein haben, geht aus meinen Untersuchungen hervor, ebenso aber auch, ‘dass weder den Am- phibien überhaupt ein M. transversus fehlt, noch den Anuren ein M. obliquus internus zukommt, wie SCHNEIDER meint. Er behauptet auch auf Grund von Untersuchungen an Froschlarven, dass mit Ausnahme des M. rectus und M. sterno-hyoideus alle an die Gliedergürtel sich ansetzenden Muskeln weder vor denselben bestanden, noch Theile der Rumpfmuskeln („Stammesmuskeln“ SCHNEIDER) seien; dies ist aber für den M. sterno - cleido-mastoideus und die Muskulatur des Beckenausgangs falsch. Kurz, ich vermag in der SCHNEIDER- schen Auffassung einen Fortschritt gegenüber der früheren nicht zu erkennen. (ranz neu istaberder Anspruch, auf dievergleichende Anatomie der Muskeln ein neues System der Wirbelthiere zu begründen, weil diese Organe ebenso frühe aufträten als andere zur Eintheilung benutzte Hauptorgane und ihren ursprüng- lichen Charakter behielten. Aber das Centralnervenorgan tritt noch früher auf als die Muskeln, und von der Beständigkeit ihrer ursprünglichen Anlagen kann man eben doch nur bei einer völligen Vernachlässigung ihrer Entwicke- lungsgeschichte reden ; man findet wohlkeinzweitesOrgansystem, welches durch fortschreitende Gliederung, Neu- und Rückbildung sich so mannigfach verändert * Die Verwechselung gewisser selbstständiger Kiemenmuskeln mit abgelösten Enden des M. sterno-hyoideus a. a. O. S. 7) beruht auf einer willkürlichen Annahme. 614 VII. Die Segmente des Rumpfes. wie das Muskelsystem. Und zwar legt Schneiper selbst in seinen Bemerkungen über die Veränderung der Rückenmuskulatur der Anuren (a. a. ©. 8. 4. 5) da- für Zeugniss ab. Nur kann ich allerdings diesen seinen Angaben nicht beistim- men. Dass die Rückenmuskulatur der Froschlarven fischähnlich sei, später aber derjenigen der Amnioten gleiche, dürfte nicht neu sein ; dass aber die Lar- venmuskulatur und die epigonalen Rückenmuskeln zweierlei nebeneinander entstehende, getrennte Bildungen seien, welche demnach in dem Verhältniss wie die Urnieren und die bleibenden Nieren zu einander ständen, ist allerdings eine neue, aber nach meinen Untersuchungen irrige Meinung. Von den defini- tiven Rückenmuskeln sollen die Mm. intertransversarii und interspinales wenig- stens gleichzeitig, wahrscheinlich aber schon vor der Bildung der vertebralen Knorpel entstehen und von den Larvenmuskeln durch Lymphräume getrennt sein, „sodass sie bei älteren Larven sich leicht von einander ablösen lassen.“ Aber auch „innerhalb der Fascien der Larvenmuskeln “ und zwar an deren medialen Rändern entständen neue Muskelfasern als Anlagen des M. extensor dorsi communis. Nach der Metamorphose lösten sich die Larvenmuskeln, deren Primitivfasern durch ihre Dicke sich vor den neuen auszeichnen, vollständigauf. „Keiner von den übrigen Muskeln erleidet eine ähnliche Metamorphose.“ Das Thatsächliche aller dieser Angaben reducirt sich darauf, dass die bis zu ihrer Gliederung während und nach der Metamorphose stetsnur zweitheilige Stamm- muskulatur der Anuren (Rana, Hyla, Bombinator, vgl. Taf. XIX Fig.338.339) alsdann ihre einzelnen Fasern gegen neue austauscht, indem zwischen den alten neue und daher dünnere erscheinen und nach der Auflösung der ersteren an ihre Stelle treten. Diese Neubildung von Muskelfasern, welche mir zum Theil wenigstens von den Muskelkörperchen auszugehen scheint, tritt einmal unregelmässig in den ursprünglichen Muskelmassen auf, sodass der Querdurch- schnitt derselben wegen des verschiedenen Durchmessers der atrophischen und neuen Elemente und wegen ihrer verschiedenen Tinktionsfähigkeit unregel- mässig gefleckt aussieht; oder die neugebildeten Fasern sammeln sich am Rande der ursprünglichen Muskelmassen zu gleichartigen Gruppen an, welche aber anfangs von jenen nur durch die kompakte Anhäufung der neuen Elemente gesondert sind. In diesem ganzen Vorgange sehe ich aber nur eine ungewöhn- liche Steigerung des normalen Ersatzes verbrauchter Gewebstheile durch neue, welche durch die allgemeine Metamorphose herbeigeführt, den neuen Gewebs- theilen auch gleich neue Ansatzpunkte in den vollendeten Wirbelbögen und Rippenfortsätzen bietet. Wenn aber dadurch die allmählich neu eingeführten VIII. Die Segmente des Rumpfes. 615 (rewebstheile zugleich einer reicheren Gliederung entgegengeführt werden, als sie bei den ursprünglichen Stammuskeln möglich war, so tritt doch diese Um- bildung niemyals aus dem Rahmen einer Gliederung des Formgesetzes innerhalb , der ursprünglichen Muskelanlage hervor. Die dabei stattfindende Gewebs- erneuerung ist nur am Muskelgewebe besonders auffallend, aber durchaus nicht auf die Rückenmuskulatur beschränkt, wie SCHNEIDER meint, sondern noch in höherem Masse am Kopfe nachweisbar. Wenn man die nach gleichem Mass- stabe gezeichneten Fig. 326 und 342 vergleicht, so wird man finden, dass der M. temporalis der Larve während der Metamorphose nicht nur kürzer wird, sondern seinen Ursprung von der Hinterwand der Augenhöhle auf die Schädel- decke verschiebt. Diese Veränderung ist ohne eine lebhafte Gewebserneuerung unmöglich; doch erkenne ich darin nur eine Verwandlung des Schläfenmuskels aus seinem Larvenzustande in den definitiven, nicht aber den Ersatz eines Larvenmuskels durch eine morphologische Neubildung. Dasselbe gilt für die meisten übrigen Kopfmuskeln und die definitiven Rückenmuskeln; ja ich behaupte, dass die auffallende Umbildung gewisser Kopfskelettheile, des Darms u. s. w. während der Larvenmetamorphose dieselbe Bedeutung hat, wie jene Veränderung der Muskeln. Die schlagendste Widerlegung der SCHNEIDER- schen Auffassung von dem thatsächlichen Wechsel der Rückenmuskulatur der Anuren finde ich endlich darin, dass die jungen Larven der Salamandrinen die gleichen Erscheinungen der gruppenweisen Neubildung von Muskelfasern in ihren Stammuskeln darbieten, obgleich die letzteren fischähnlich bleiben und jene Metamorphose nicht eingehen sollen (a. a. ©. S. 4). Hinsichtlich der Bildung der Gliedmassen habe ich schon Gelegenheit gehabt zu erläutern (5.231. 236), dass v. Bar eigentlich der einzige Embryolog ist, welcher sie richtig von den Segmenten und zwar einer äusseren Fortsetzung derselben, also der äusseren Segmentschicht (äussere Fleischschicht v. BAER) ableitete, obgleich die weitere Ausführung, dass dieses röhrenförmige Primitiv- organ in seiner Gesammtheit durch Zusammenziehung sich in die beiden Glied- massengürtel verwandle, nicht zutrifft. Diese Angaben v. BaER’s müssen um so beachtenswerther erscheinen, wenn man damit die Darstellung von der Ent- wickelung der Gliedmassen vergleicht, welche neuerdings Hıs geliefert hat (Nr. 109 5. 153. 154), und welche sich darauf beschränkt, die Ursachen zu be- zeichnen, welche die Lage der Extremitäten bestimmen sollen, über den Ur- sprung ihres Bildungsmaterials aber nichts anzugeben weiss. Jene Ursachen wären nach Hıs in gewissen am Hühnerkeime sichtbaren Faltungen zu suchen ; 616 VIII. Die Segmente des Rumpfes. es wird aber dabei, wie überhaupt in der ganzen von Hıs aufgestellten Falten- theorie, übersehen, dass den Keimen und Embryonen der Anamnia solche Fal- ‚tungenfehlen, und überdiessehe ich an jungen Kaninchenembryonen die Entwicke- . lung der vorderen Gliedmassen an einer ebenen Stelle der Leibeswand ganz ebenso verlaufen wie bei den Batrachiern. Die erste Anlage jenes Schultergürtels er- scheint als ein ausserordentlich kleines Hügelchen, welches unmittelbar aus der dort leicht kenntlichen äusseren Segmentschicht (Muskelplatte aut.) nach aus- sen hervorwächst und die Oberhaut in der entsprechenden beschränkten Aus- dehnung vorwölbt. Bei den Knochenfischen dagegen entsteht der Schultergür- tel gleich mit sehr breiter Basis aus einer Fortsetzung der äusseren Segment- schicht. Es passt daher die Erklärung von Hıs, welche selbst für die Vögel un- genügend begründet erscheint, für die übrigen Wirbelthiere ganz entschieden nicht, sodass wir uns nach anderen allgemeinen Ursachen der Gliedmassenbil- dung umzusehen haben. Ich habe schon in der Beschreibung hervorgehoben ($. 469), dass die Gliedmassen nicht als allgemein typische Theile gelten können, sondern ledig- lich als besondere und nachträgliche Anpassungen der äusseren Segmentschicht an die schon bestehende Organisation des Rumpfes erscheinen. Es äussert sich nämlich in der Entwickelung der Gliedmassen in ganz besonders hohem Grade die Abhängigkeit des Einzeltheils von der Gesammtentwickelung. Ihre mor- phologischen Grundlagen sind einzelne Abschnitte der äusseren Segmentschicht, welche aber für sich allein keine Andeutung von besonderen jene Neubildungen hervorrufenden Formbedingungen enthalten und in gewissen Abtheilungen der Wirbelthiere trotz eines gleichen allgemeinen Entwickelungsganges die Extre- mitätengürtel bald erhalten bald entbehren. Es müssen also deren Bildungs- ursachen nothwendig unmittelbar aus allgemeinen Formbedingungen der Ge sammtorganisation zusammenfliessen. Prüfen wir dieselbe in verwandten Arten, von denen ein Theil Gliedmassen besitzt, ein anderer Theil aber nicht, so er- gibt sich alsbald, dass die wesentlichen Unterschiede nicht in besonderen Ab- weichungen der Bildungsgesetze, sondern in gewissen Massverhältnissen be- ruhen. Je allmählicher der Uebergang in der Ausbildung der Segmente vom Kopfe bis zum Schwanzende ist, je gleichmässiger sich also auch grössere Körperabschnitte gestalten, desto weniger Gelegenheit findet sich, den Zufluss an Bildungsmaterial an einzelnen Stellen zu koncentriren; jene Bedingungen finden aber ihren Ausdruck theils in einem langgestreckten Rumpfe, theils in einem stark entwickelten, vom Rumpfe nicht merklich abgesetzten Schwanze, VIII. Die Segmente des Rumpfes. N 617 sodass wir in einer solchen gleichmässigen Vertheilung der Körpermasse oder in der embryonalen Disposition dazu den Grund für eine unvollkommene Aus- bildung der Gliedmassen oder einen vollständigen Mangel derselben erkennen dürfen, während ihre kräftige Entwickelung mit einer ausgeprägten Sonderung der Körperabschnitte zusammenfällt. Da nun diese Massenverhältnisse selbst in engeren Kreisen der Wirbelthiere nicht unbedeutend wechseln, habe ich auf eine umfassende Entwickelungsgeschichte der Gliedmassen verzichtet, und selbst ihre dem Rumpfe unmittelbar angelagerten Theilenur bei den Batrachiern in ihrer Entstehung verfolgt. Es kann hier folglich von einer vergleichenden Betrachtung der Extremitäten nicht die Rede sein, und beschränke ich mich lediglich auf einzelne Bemerkungen. — An dem ventralen Skelettheile des Schultergürtels der Anuren habe ich nach dem Vorgange älterer Autoren den vorderen Ast des Knorpelrahmensals Clavicula und das ihm angefügte Knochen- stück als seinen Deckknochen bezeichnet. GEGENBAUR (Nr. 132 8. 52 u. flg.) sieht aber nur in letzterem die eigentliche Clavicula, in dem anderen Stücke aber ein Procoracoideum. Die Gründe, welche GEGENBAUR zu Gunsten seiner Deutung anführt, halte ich nicht für entscheidend, muss aber auf eine ein- gehende Kritik verzichten, da mir genügende vergleichende Beobachtungen über die Entwickelung der entsprechenden Theile anderer Wirbelthiere fehlen. * Dagegen gestattet die Entwickelungsgeschichte des Schultergürtels der Anuren eine nähere Bestimmung des Brustbeins und seiner Theile. Zunächst versteht man darunter das Skeletstück der Amnioten, welches aus einer Vereinigung der beiderseits die Rippenenden verbindenden Knorpelstreifen hervorgeht; und als- ‘ dann besitzen die Amphibien kein Brustbein. Wenn GRGENBAUR das Hypo- sternum der Batrachier einfach für ein Brustbein erklärt, welches seine Beziehun- gen zu den rückgebildeten Rippen verloren habe (Nr. 89 S. 623. 626, Nr. 132 5.64), so erhellt die Hinfälligkeit dieses Vergleichs aus der Entwickelungs- geschichte. Denn das Hyposternum ist ein Erzeugniss der äusseren Segment- * Wenn übrigens GEGENBAUR selbst für die Schildkröten die Möglichkeit zugibt,, dass die Clavicula in das Procoracoideum aufgenommen sei, so könnte eine solche Vereinigung in dem Schlüsselbeine der Säuger ebenfalls bestehen, dieses also der Clavicula und dem Procoracoideum, wo sie getrennt vorkommen, entsprechen (vgl. S. 471). Denn dass das letztgenannte Stück nicht bloss in medialer Verbindung mit dem Coracoideum, sondern auch mit freiem Ende vorkommen kann, beweisen die Urodelen (vgl. Nr. 132 Taf. II; ich selbst habe bei Menopoma auf einer Seite die beiden Knorpelstücke verbunden, auf der anderen getrennt gefunden. 618 ? VIII. Die Segmente des RKumpfes. schicht dicht hinter der Mitte des Schultergürtels, welches daher zu den aus den Wirbeln hervorwachsenden und im Rückentheile bleibenden Rippen in gar keiner genetischen Beziehung stehen, noch einst gestanden haben kann. Es ist eine selbstständige Bildung, welche nach ihrem Ursprunge dem Schultergürtel näher verwandt ist als einem kostalen Brustbeine. Uebrigens ist die Verbin- dung dieses Skelettheils mit einer Bauchrippe bei der Unke bisher unbekannt geblieben (vgl. Nr. 132 8. 65). Den Anfang einer Brustbeinbildung erkenne ich dagegen in der Verbreiterung der vorderen Rippenenden bei Anuren und Salamandra, welche Enden dadurch beinahe bis zur Berührung sich einander nähern können. Und wenn man die homologen Stücke aus der Beckengegend thatsächlich mit ihren Enden verschmelzen sieht (vgl. Taf. XIX Fig. 346), so hat man in dem zusammenhängenden Seitenrande des Kreuzbeins auch der höheren Wirbelthiere ein Homologon einer Brustbeinhälfte anzuerkennen. An- derseits finde ich an Maulwurfembryonen, dass ihr Manubrium aus der Ver- wachsung der vertebralen Enden derSchlüsselbeine gerade so entsteht wie das unpaare mediane Knorpelstück aus den von mir so genannten „Sternalplatten“ des Frosches; sodass man eine solche Abgliederung des Schultergürtels als klavikulares oder korakoidales Brustbein von dem eigentlichen kostalen unter- scheiden muss. Da das embryonale Manubrium des Maulwurfs sehr bald aus einem Hauptstücke, welches Spuren einer medianen Theilung zeigt, und zwei getrennten vorderen Seitenstücken besteht, so dürfte darin die Uebereinstim- mung mit den Bildungen nicht zu verkennen sein, welche GEGENBAUR als Epi- sternalknochen der mit einem Schlüsselbeine versehenen Säuger besonders auf- führt (vel. Nr. 132 Taf. II Fig. 6—9, Nr. 39 S. 625). Die Episterna der Am- phibien und Reptilien sind dagegen selbstständige Anhangsgebilde des Schulter- gürtels oder Brustbeins, welche wegen des gleichen Ursprungs aus der äusseren Segmentschicht mit dem Hyposternum verglichen werden können. Nach der Bestimmung des letzteren bietet die Annahme, dass der Schwertfortsatz der Säuger die gleiche Entstehung habe, keine Schwierigkeiten. — Das Ergebniss dieser Vergleiche ist folgendes. Unter der Bezeichnung „ Brustbein“ werden zweierlei nach ihrem Ursprunge aus den Embryonalanlagen verschiedene Bildungen zusammengefasst: einmal die Abgliederungsprodukte der Rippen — kostales Brustbein, Brustbemkörper; ferner Abgliederungsprodukte des Schultergürtels — klavikulares oder korakoidales Brustbein. Dazu kommen vordere und hintere Anhangsgebilde, welche der äusseren Segmentschicht angehören — Epi-, Hyposternum. Diese Skeletstücke können sich in VIII. Die Segmente des Rumpfes. ' 619 verschiedener Weise zusammenfinden und miteinander verbinden, durch Ge- lenke, Näthe oder völlige Verschmelzung. 1. Die Säuger besitzen ein klaviku- lares Brustbein (Manubrium mit den Episterna GEGENBAUR’S ), ein kostales Brustbein ( Brustbeinkörper ) und ein Hyposternum (Schwertfortsatz); einigen Säugern, welchen Schlüsselbeine fehlen, mag auch ein selbstständig angelegtes Episternum zukommen. 2. Bei den Reptilien ist das letztere unzweifelhaft vorhanden, und da das Brustbein des Chamaeleons und der Krokodile in dem vordersten grossen, mit dem Schultergürtel verbundenen Stücke nach meiner Ansicht unzweifelhaft ein Homologon des Manubriums enthält, so sind die bei- den Formen desBrustbeins in dieser Klasse vertreten. 3. Für die Vögel bleibt es noch der weiteren Untersuchung zur Entscheidung überlassen, ob ihr Ster- num bloss ein kostales ist oder noch andere Theile aufgenommen hat. 4. Die Amphibien besitzen meist nur die endständigen Anhangsgebilde, Epi- und Hyposternum, welche mit den unveränderten Schultergürtelhälften verbunden sind; nur bei den Fröschen hat sich ein Homologon eines Manubriums von dem Schultergürtel abgegliedert, welches daher auf den Namen eines Brustbeins am meisten Anspruch hat. Die topographische Anordnung und Umbildung der segmentalen Rumpf- nerven, wie ich sie für die Anuren nachwies (S. 485 —490), halte ich für ge- eignet, der Deutung derselben Körpertheile in anderen Wirbelthieren,, wo sie namentlich im Bereiche der Gliedergürtel nicht ohne weiteres in die Augen springt, zu Grunde gelegt zu werden ; doch fehlen mir die direkten bezüglichen Untersuchungen. Die ohne jeden Nachweis hingestellte Bemerkung von Hıs, dass die motorischen Wurzeln der Spinalnerven des Hühnchens, „wie kaum zu bezweifeln ist“, aus dem Rückenmarke in die Muskeln hineinwüchsen ( Nr. 109 S. 107. 169), scheint mir nicht geeignet, die vorläufige Annahme einer Ueber- einstimmung aller Wirbelthiere in Bezug aufdie Entwickelung der Spinalnerven zu stören. IX. Der Kopf. Da dieser Abschnitt sich mit der weiteren und zwar vorherrschend mit der topographischen Umbildung der bereits besprochenen fundamentalen An- lagen des Kopfes beschäftigen soll, über diese Entwickelung der Batrachier- larven bisher aber meist nur ganz vereinzelte, zusammenhangslose Angaben be- standen, so sehe ich keinen Vortheil darin sie voranzustellen, und werde sie daher erst in den vergleichenden Betrachtungen zur Sprache bringen. Die allgemeine Histiogenese wird nach ihrer ausführlichen Erörterung im vorigen Abschnitte natürlich nicht wiederholt werden. Nach dem Bilde von der Zusammensetzung des embryonalen Kopfes, welches ich bei der Besprechung der Leistungen des mittleren Keimblattes ent- warf, werden die einzelnen Regionen, in welche sich derselbe natürlich gliedert, nach den verschiedenen Segmenten bestimmt, denen die Anlagen der übrigen Keimblätter je nach ihren Beziehungen zugetheilt werden müssen. So bezeich- nen also einerseits die inneren Segmente den Stammtheil, welcher als eine Fort- setzung des gleichnamigen Theiles im Rumpfe erscheint, die äusseren Segmente aber die Seitentheile des Kopfes, während anderseits das erste Doppelpaar der Segmente den Vorderkopf vom Hinterkopfe abscheidet (vgl. S. 216 u. flg.). 1. Der Vorderkopf. In der ersten Embryonalzeit, wann die Entscheidung schwankt, ob man es mit einem etwas differenzirten Eie oder schon mit einem noch kugeligen 1. Der Vorderkopf. 891 Embryo zu thun habe, ist der ganze spätere Kopf in einem kreisrunden Seg- mente der Keimblase enthalten, welche Form, wie es scheint, in dem Keime aller Wirbelthiere sich wiederfindet, aber auffallender Weise oft auf «das Hirn allein bezogen wird. Etwas später, wann der ganze Embryo länglich geworden, und die dem zweiten Kopfsegmentpaare entsprechende Zone bereits als der vor- dere Rand des eylindrischen Körpers angesehen werden kann, bildet der Vorder- kopf in Gestalt einer dicken Platte den vorderen Schluss des Oylinders. Ihre hintere Fläche steht alsdann ziemlich senkrecht, entspricht im Rückentheile genau der Grenze zwischen Mittel- und Hinterhirn und der Chordaspitze, wird darunter zur Vorderwand des Kopfdarmes, welcher zur Zeit erst die Schlund- höhle enthält, und endet ohngefähr an der Stelle der Bauchfläche des Kopfes, wo die epidermoidalen Haftorgane später in der Medianebene zusammenstossen (Taf. II Fig. 37. 38, Taf. IV Fig. 76—79, Taf. XVI Fig. 286— 287). Die Vorderfläche des Kopfes fällt anfangs schräg nach hinten ab, indem der Kiefertheil unter dem vorragenden Vorderhirne ohne Abgrenzung in die Bauch- fläche des Rumpfes übergeht. Aeusserlich markirt sich die hintere Grenze des Vorderkopfes oben durch eine Einsenkung zwischen den genannten Hirntheilen, seitlich durch die seichte Furche, welche die Anlage der ersten Schlundspalte bezeichnet (Taf III Fig. 50.51). Dadurch, dass die lateralen Stücke des ersten Segmentpaares vom Rückentheile in den Bauch- oder Kiefertheil des Vorderkopfes hinabwachsen,, wird die Plattenform desselben in der schon be- schriebenen Weise verändert. Indem zwischen dem Stammtheile und dem Unterkieferbogen die Oberkieferwülste und die mittlern Gesichtstheile sich ent- wickeln, wird der erstere gehoben und seine senkrechte hintere Wand zur flachen Mundhöhlendecke umgewandelt, zwischen den auseinander tretenden Kiefer- wülsten aber aussen die Mundbucht, nach innen die Mundhöhle angelegt (Taf. III, XIV, XVI, XVII). Da aber in der Bildung der Oberkieferwülste die beiderlei Segmente konkurriren, sodass ihre Beschreibung daselbst nicht wohl getrennt werden kann, so werde ich die zuerst angedeutete einfache Eintheilung des Vorderkopfes in einen Stammtheil und Seitentheil dahin abändern, dass ich die erstere Bezeichnung auf die nächste Umgebung der vorderen Hirnhälfte beschränke und die aus ihm hervorwachsenden Gesichtstheile mit dem Unter- kieferbogen zusammen bespreche. 622 IX. Der Kopf. Der Stammtheil des Vorderkopfes. Da ich die Entwickelung des Hirnes und des Auges bereits abgehandelt habe, so sind für den Stammtheil desVorderkopfes nur noch die Umbildung des inneren Segmentpaares und die zwischen seinen Erzeugnissen und jenen Theilen sich all- mählich entwickelnden Lagebeziehungen zu betrachten. Ich knüpfe dazu an die frühere Beschreibung der morphologischen Anlagen des Vorderkopfes an (vgl. S.225 u.fle.). Anfangs nimmt die vordere Hirnhälfte, welche an ihrem Ende jeder- seits zur Anlage einer Augenblase ausgebuchtet ist, noch den bei weitem gröss- ten Theil jener Kopfregion ein, und die Oberhaut liegt ihr vorn, oben und theil- weise an den Seiten eng an, sodass sie erst im hinteren und unteren Umfange der Augenanlage an die Segmente stösst, welche die ganze hintere Hälfte des Vorderhirns von innen nach aussen und vornumgreifen (Taf. VI Fig.89— 107). Das äussere Segment bedeckt dabei die hintere Aussenseite der Augenanlage, krümmt sich darauf an ihrer Unterseite bis unter das Vorderhirn, um dort als kompakte Masse die entsprechende Hälfte des Kiefertheils auszufüllen (Taf. VI Fig. 108. 109, Taf. XVI Fig. 286. 287). Die Masse des Stammsegments hegt nach innen vom äusseren, umgreift von der Chordaspitze aus die Basis des Vorderhirns, um dann rechtwinkelig zu dessen Axe, also ziemlich horizontal nach vorn seine Seitentheile zu umwachsen. Die Gleichmässigkeit dieses Wachsthums wird aber zunächst durch die weite Verbindung zwischen Augen- anlage und Vorderhirnoder die verhältnissmässig noch kolossale Sehnervenanlage gehindert, welche daher das Segment in einen oberen und einen unteren Zipfel auslaufen lässt und ihm eine sichelförmige Gestalt verleiht. In dem Masse aber, als sich die Sehnervenanlage zu einem dünnen Strange abwärts zusammenzieht, füllt der obere Zipfel des Stammsegments die dadurch entstehende Spalte zwischen Augenblase und Hirn aus und fliesst vor dem Sehnerven mit dem un- teren Zipfel zusammen, sodass alsdann das ganze Stammsegment wieder eine einheitliche nur von jenem Nerven durchbohrte Platte darstellt. Indem die beiderseitigen Platten von ihrem gemeinsamen Ausgangspunkte an der Chorda- spitze längs der Schlussseite des Vorderhirns durch die weite mediane Lücke les mittleren Keimblattes geschieden sind, aber bei ihrem Wachsthume nach vorn hinaus am Gewölbetheile des Vorderhirns zur Vereinigung kommen, bilden sie wie alle übrigen Stammsegmente einen rechtwinkelig zur Axe des eingeschlos- senen Abschnittes vom Öentralnervenorgane gerichteten Ring,welcher aber wegen der Abbiegung des ganzen Vorderkopfes nicht zugleich senkrecht zur übrigen 1. Der Vorderkopf. 623 Körperaxe, sondern ihr parallel oder horizontal liegt. Diese horizontale Ring- form kommt jedoch desshalb nicht zu deutlicher Anschauung, weil die beiden ersten Segmente bei ihrem Wachsthum sich auf- und rückwärts bis zum zweiten senkrecht stehenden Segmentpaare ausdehnen, ähnlich wie die Seiten der recht- winkelig hinuntergebogenen vorderen Hirnhälfte von ihrer kurzen Basis bis zur Schlusslinie der konvexen Decke merklich an Ausdehnung gewinnen. Diese Umbildung des ersten Stammsegmentpaares erfolgt aber nicht so einfach und so rasch, als die eben gegebene Darstellung andeuten dürfte, welche nur den Zweck hat, über die wesentlichen, bleibenden Lagebeziehungen jener Theile zu orientiren. Der Gang der Entwickelung ist vielmehr folgender. Sowie das Hirn anfangs überhaupt alle Umbildungen der anliegenden Seg- menttheile beherrscht, so ist auch, solange an seiner vorderen Hälfte die Breiten- (limension überwiegt, die Masse des ersten Stammsegments in dem engen Raume über und hinter der Augenanlage zu der erwähnten kompakten, sichelförmigen Anlage zusammengedrängt (Zaf. VI, XVI). Sobald jedoch das Vorder- und ddas Mittelhirn auf Kosten ihrer Breite sich nach vorn und oben hervorzuwölben beginnen, verengt sich auch der den Segmenten zugewiesene Raum in querer Richtung, um in der allgemeinen Längsrichtung und in die Höhe zu wachsen. Zugleich legt sich die stärker hervortretende Augenblase mit breiterer Fläche der Oberhaut an und drängt dadurch das äussere Segment vollständig an ihren hinteren Umfang, was natürlich wiederum das Stammsegment in derselben Richtung beeinträchtigt (Taf. VII Fig. 121—123). Dafür erhalten die oberen Theile beider Segmente einen freieren Spielraum in der geräumigen Bucht, welche an dem bogenförmigen Uebergange aus dem Hinterhirn in die vordere Hirnhälfte unter dem sich erweiternden Gewölbe, zwischen der verschmälerten Basalhälfte der Hirnröhre und der Oberhaut entsteht. In F olge dessen rücken nun die oberen Wurzeltheile beider Segmente auf- und rückwärts über die Grenze des Vorderkopfes etwas hinaus und kommen an den vorderen Abschnitt des Hinterhirns zu liegen, mit dem ihre Erzeugnisse später in Verbindung zu treten haben, obgleich sie nach ihrer ursprünglichen Lage zur vorderen Hirn- hälfte gehören (Taf. VII Fig. 121. 129. 130, Taf. XIV Fig. 246, Taf. XVI Fig. 236 — 289). Es sondert sich nämlich schon sehr frühe und noch bevor dasselbe im Rumpfe geschieht, in jenen beiden Theilen jeeine kompakte spindel- förmige Anlage eines Nervenknotens ab, welche beide mit ihren hinteren oberen Enden zusammenstossen und später zum Ganglion Gasseri verschmelzen, nach vorn aber divergiren, sodass die Fortsetzung des äusseren schräg zum 624 IX. Der Kopf. Unterkieferbogen hinabzieht, die des inneren nur wenig gegen die Spalte zwischen Auge und Vorderhirn neigt, im wesentlichen jedoch einen horizontalen Verlauf nimmt (Zaf. XVI). Die übrige Zellenmasse jener Wurzeltheile beider Seg- mente, in welche die Doppelanlage des GAassur’schen Nervenknotens eingebettet ist, verwandelt sich in interstitielles Bildungsgewebe und überzieht als solches sowohl das Mittelhirn, wie den Basaltheil des Vorderhirns, an welchem es die Spitze der Wirbelsaite einfasst, um sowohl zur Keimstätte für die Wurzeln des ersten Wirbelbogenpaars zu werden, als auch von dort aus in die davor und darüber entstehende Tasche zwischen dem platten Hirntrichter und der Hinter- hirnbasis wuchernd, die bindegewebige quere Leiste zu bilden, welche man seit Raruk& den mittleren Schädelbalken zu nennen pflegt (Taf. XV Fig. 283. 284, Taf. XV]). — Die Formbedingungen, in Folge deren das erste Stamm- segment anfangs zurückgedrängt wurde, bleiben jedoch nicht lange bestehen, indem durch die allmähliche Ausdehnung der Oberhaut die Zwischenräume zwischen ihr und dem Hirne zunehmen und dadurch die Ausbreitung des Stamm- segments gerade nach vorn ermöglichen. Sein oberer Zipfel wächst einmal an der Seite des Vorderhirns in die Höhe, um an dessen Decke eine Fortsetzung der Membrana reuniens superior zu Stande zu bringen, anderseits aber wie er- wähnt in den spaltförmigen Raum zwischen dem Augapfel und dem Hirne hin- ein (Taf. VII). Dieser Raum war vorn zuerst dadurch abgeschlossen, dass die dicke Geruchsplatte die anfangs flache Einsenkung zwischen dem Vorderhirn und der Augenblase vollständig ausfüllte. Sobald diese Einsenkung sich spalt- förmig vertieft, dringen die Elemente des genannten Segmenttheils in derselben vorwärts und verbinden sich an der Vorderfläche der Sehnervenanlage mit der unteren Segmenthälfte, welche vom Wurzeltheile aus an der unteren Fläche des Auges, zwischen diesem und dem sehr deutlich begrenzten äusseren Seg- mente ebenfalls bis an die Geruchsplatte sich erstreckt (Taf. XIII, Taf. XVI Fig. 294— 297). Nachdem auf diese Weise das Stammsegment wieder zu einer Platte geworden, deren Kontinuität durch dienunmehr unwesentliche Lücke für den Durchtritt des Sehnerven nicht mehr beeinträchtigt wird, wächst sie, wieich schon auseinandergesetzt habe, im allgemeinen geradevorwärts und bildet, wo sie über die nächste Umgebungdes Hirnes hinausgeht, unter Mitbetheiligung des äusseren Segments die entsprechende Hälfte der subepidermoidalen Ge- sichtstheile. Soweit aber jene Platte im nächsten Bereiche des Centralnerven- systems bleibt und den dorsalen Abschnitten der übrigen Stammsegmente ent- spricht, bildet sie den hier zunächst in Betracht kommenden Stamm- oder Hirn- 1. Der Vorderkopf. 625 theil des Vorderkopfes. Ausser in der genannten vorherrschenden Wachsthums- richtung breitet sie sich in dünner Schicht nach allen Seiten aus und stösst da- her mit der anderseitigen Platte in der Medianebene und zwar nicht nur an der ursprünglichen Grundfläche und der Decke, sondern zuletzt auch an der Schlussseite des Vorderhirns zusammen (S. 367). So verwandelt sich der horı- zontal liegende erste Segmentring in eine die ganze vordere Hirnhälfte ein- schliessende Kapsel, welche aber mit einer vorläufigen Schädelkapsel ebenso- wenig identificirt werden darf als ein Paar Rückensegmente mit einem Wirbel. Denn in jener kapselförmigen Verbindung der beiden ersten Stammsegmente sind ganz dieselben Anlagen enthalten wie in jedem andern Stammsegmente, deren Erkenntniss nur durch die abweichenden Lageverhältnisse der Einzel- theile des Vorderkopfes erschwert wird. Die Anlage des zugehörigen Ganglions, nämlich der mneren Portion des Gasser’schen Nervenknotens habe ich schon beschrieben. Da das erste Stammsegment keine ventrale Ausdehnung gleich der inneren Segmentschicht des Rumpfes erfährt, sondern auf den Rückentheil beschränkt bleibt, so ist es natürlich, dass von jenem Ganglion aus sich nur nach einer Richtung hin ein Nervenstamm fortsetzt; und zwar bringt es die abweichende Richtung der Axe des ganzen Vorderkopfes mit sich, dass sein Stammnerv, indem er wie alle Spinalnerven jene Axe rechtwinkelig kreuzt, mit Rücksicht auf die natürliche Lage des ganzen Körpers horizontal verläuft (Taf. XVT). Wenn die Muskelanlage des ersten Stammsegments in ihrer Lage und Anordnung ebenso wie der zugehörige Stammnerv mit den homologen Theilen des Rumpfes übereinstimmen sollte, so müsste sie parallel zur Medianebene liegen und müssten ihre Fasern der Axe des Vorderkopfes parallel, d. h. senk- recht verlaufen. Im grossen und ganzen ist auch eine solche Anordnung nicht zu verkennen, doch tritt der Einfluss des Auges auf die Umbildung des ersten Stammsegments bei den Muskeln desselben früher und stärker hervor als beim Nervenstamme. Die Muskulatur entsteht nämlich aus jenen Theilen des Stamm- segments, welche der Innenseite des primitiven Augapfels anliegen und von dort aus ihn in seinem ganzen Umfange lateralwärts umwuchern (Taf. XII], XIV, XV Fig. 269. 270). Daher wird die genannte Muskelanlage, welche übrigens nur bis zum grössten sagittalen Durchschnitte des Auges vordringt, zu einer nach aussen konkaven Form gezwungen und kann, da das Auge hinten und unten von der kompakten Masse des äusseren Segments (Kaumuskeln, Flügelgaumenbogen) umkreist wird und vorn beinahe an die Nasengrube stösst, im allgemeinen nur eine geringe Mächtigkeit besitzen, welche natürlich dadurch GOETTE, Entwickelungsgeschichte, 40 626 IX. Der Kopf. nicht verändert werden kann, dass um die vollendete zusammenhängende An- lage nachträglich weite, von Bildungsgewebe erfüllte Räume sich entwickeln (Taf. XVI). Gehen wir nun auf die topographischen Verhältnisse des den Augapfel umgebenden primitiven Orbitalraumes näher ein, so finden wir, dass die stärkste mediale Vorwölbung des Augapfels gegen das Vorderhirn die Mäch- tigkeit der zwischenliegenden Segmenttheile am meisten beeinträchtigt, sodass in der Mitte der dem Auge angepassten schalenförmigen Vertiefung die Muskel- anlage sich überhaupt nicht entwickelt, vielmehr eine sphärisch gekrümmte Zone darstellt, die Anlage der gesammten Augenmuskulatur, welche diese ihre ursprüngliche Form auch im vollendeten Zustande im allgemeinen bei- behält, indem sowohl die ganze laterale als ein gewisser Theil der medialen Fläche des Augapfels von Muskeln nicht überdeckt wird (Taf. XVI Fig. 302). Die vordere Hälfte dieser Muskelzone ist schon durch ihre Entstehung in dem engen Raume zwischen Auge, Hirn und Nasengrube und in dem dünnen Seg- mentstreifen unterhalb des Auges flach angelegt. Ihr demselben angepasstes, gekrümmtes Blatt zieht sich am Augenhöhlenboden bis an dessen hintereGrenze hin, wo es später die aus der hinteren Zonenhälfte hervorgehenden Muskeln von unten her verdeckt; an die Oberseite des Augapfels greift es dagegen viel weni- ger hinüber. Da diese dünne aber breite Muskelplatte an der Vorderwand der Augenhöhle Befestigungspunkte findet, so theilt sie sich natürlich im einen oberen kleineren Abschnitt, der M. obliquus superior, und einen unteren grösseren, welcher sich in der Hauptmasse in den grössesten Augenmuskel, den M. levator bulbi* verwandelt, während der M. obliquus inferior nur als ein ab- gelöstes Bündel desselben zu betrachten ist. Die hintere Hälfte der ganzen Muskellage ist von Anfang an nicht flach gebildet wie die vordere, sondern nach hinten und oben verdickt und mit einer in gleicher Richtung vorspringenden Ecke versehen (Taf. XIV Fig. 257, Taf. XV Fig. 270, Taf. XVII Fig.304) Im Innern enthält diese Muskelanlage eine spaltförmige, scharfbegrenzte Lücke und erscheint dadurch wie aus Platten zusammengesetzt, welche jene Lücke umschliessen. Drei derselben, nämlich die horizontale obere, die sagittale innere und die quere hintere, stossen in jener anfangs scharf ausgeprägten Ecke pyra- midal zusammen, und der zwischen ihnen befindliche Raum wird gegen das Auge durch eine gekrümmte, der Oberfläche des letzteren angepasste Platte abgeschlossen. Zur Zeit, wann die Muskelfasern durch Verschmelzung der Yu . . . „ | ® 6 m | »” [/ * Für die Benennungen der Augenmuskeln verweise ich auf Ecker Nr. W 8. 66— 70. 1. Der Vorderkopf. 627 länglichen Zellen sich zu bilden beginnen, werden die Kanten der Pyramide und die innere Lücke undeutlich; die ganze Anlage sinkt etwas tiefer hinab und verwandelt sich in einen niedrigen Kegel, dessen Fasern von seiner medialen Spitze gegen den ganzen hinteren Umfang des Auges ausstrahlen (Taf. XVII Fig. 314.315). Es entstehen daraus die Mm. recti und der M. retractor bulbi, sodass es sehr wahrscheinlich ist, dass schon jene erste pyramidale Form der hinteren Muskelhälfte auf die Sonderung der einzelnen Muskeln bestimmend einwirkt, indem die geraden, in je einer Ebene verlaufenden Platten den geraden Augenmuskeln zur Grundlage dienen*, die von ihnen verdeckte gekrümmte Platte aber dem an mehreren Punkten der Augenoberfläche sich inserirenden M. retractor bulbi entspricht, welcher auch im erwachsenen Frosche „inner- halb des von den geraden Augenmuskeln gebildeten Conus gelagert ist‘ (EckER 8. 67). Die Ausbildung dieser in verschiedenen sich kreuzenden Richtungen ver- laufenden Augenmuskeln bedingt auch die allmählich eintretende Verzweigung des zugehörigen Stammnerven, dessen Wurzel gerade hinter dem Ursprunge der geraden Augenmuskeln liest (Taf. XVI, XVII). Während der ersten Larvenperiode ist nur ein Hauptast desselben vorhanden, der spätere Ramus nasalis nervi trigemini, welcher zwischen der oberen Hälfte des Auges und dem Vorderhirne, später der seitlichen Schädelwand lateralwärts dicht anliegend bis an die Nasenhöhle vordringt, dort aber sich theilt, um die letztere von innen und aussen mit je einem Zweige zu umfassen (Fig. 302. 314). Der laterale Zweig bleibt bis in die spätere Larvenzeit oberflächlich liegen, wird alsdann beim Austritte aus der Augenhöhle über dem Gaumenbeinknorpel von einem lateralwärts vordringenden Knorpelflügel der Nasenkapsel umwachsen und ver- liert sich mit mehreren Ausläufern in der Haut der Zwischenkiefergegend (Taf. XVIII Fig. 325, Taf. XIX Fig. 335. 342). Der mediale Zweig, welcher an der Seite des Vorderhirns bleibt und zwischen demselben und der Geruchsplatte ‚den Geruchsnerven überschreitet, durchläuft später die ganze Nasenkapsel längs der medianen Nasehscheidewand, um nach innen und unten von der äusseren Nasenöffnung gleichfalls an die Oberfläche hervorzutreten und dem lateralen Zweige parallel hinabzuziehen, mit dem er Ziel und Endigungsweise gemein hat. Uebrigens mögen von ihm auch die Nasenmuskeln innervirt werden * Eine besondere Anlage des M. rectus inferior würde entweder fehlen oder übersehen worden sein. 40* 623 ‚IX. Der Kopf. (vgl. Fischer Nr. 82 5. 7). Ausser dieser Endverzweigung entsendet der un- getheilte Stamm unseres Nerven schon in der ersten Larvenperiode ohngefähr aus der Mitte seines orbitalen Verlaufs zwei zarte Zweige gerade aufwärts, welche allerdings mit dem noch zu erwähnenden N. trochlearis anastomosiren, aber medianwärts an den oberen Augenmuskeln vorüberziehen, um sich an der Oberseite des Schädels und in dem oberen Augenlide zu verbreiten. Der erste ausgebildete Ast des Stammnerven des Vorderkopfes ist also ganz vorherrschend ein Empfindungsnery. Die motorischen Aeste entstehen später, und zwar als neue Fortsätze des zugehörigen Ganglions oder der medialen Hälfte des GassEr- schen Knotens, also in derselben Weise wie die dorsalen Aeste der Spinalnerven sich entwickeln (vgl. S. 485). Am deutlichsten habe ich dies hinsichtlich des N. abducens und N. trochlearis an jungen Larven erkannt, welche eben in die zweite Periode eingetreten waren (Taf. XIX Fig. 344). Der N. abducens ent- springt von der Unterseite des Ganglions mit einer verdickten Wurzel, welche zahlreiche Ganglienkugeln enthält, sodass der Stamm des Nerven sich offenbar allmählich aus dem Ganglion herauszieht. Er ist dem N. nasalis dicht ange- schmiegt, und durchsetzt daher mit ihm gemeinsam die quere Knorpelwand)» welche sich zwischen die Nervenwurzeln des Vorderkopfs und deren weitern Verlauf einschiebt (Schläfenflügelknorpel s. unten). Inder Augengrube wendet er sich dicht am M. rectus inferior vorbei lateralwärts zum M. rectus externus. Der N. trochlearis geht ebenfalls mit ganglionärer Wurzel aus der Oberseite desselben Ganglions hervor, steigt aber hinter dem Schläfenflügelknorpel nach vorn an, um erst dann die seitliche Schädelwand, sobald sie gebildet ist, lateral- wärts zu durchsetzen und an ihr entlang zum oberen schiefen Augenmuskel zu gelangen. Auf diesem Wege anastomosirt er mit dem ersten Orbitalzweige des N. nasalis dort, wo die beiden Nerven sich kreuzen.* Die erste Entstehung des N. ocnlomotorius habe ich überhaupt nicht verfolgen können, weil er bis zu * An dem Präparate, welches meiner Abbildung zu Grunde lag, war diese Anastomose in Folge der unvermeidlichen Verschiebung der weichen Theile während der schwierigen Entfernung des Schläfenflügelknorpels nicht zu erkennen. Diese Verschiebung täuschte mich damals auch in der Deutung der Nerven, indem ich den N. lateralis capitis superior, welchen ich erst weiter unten beschreiben werde, für den bereits abgelösten N. trochlearis, diesen für einen zweiten N. oculomotorius hielt. Daher stammt die irrige Bezeichnung nt für den Seitennerv, »o für den Rollmuskelnerv. Bei der Nachuntersuchung, welche ich für diese Theile wie für die meisten anderen längere Zeit nach der ersten Beobachtung ausführte, erhielt ich von jungen Froschlarven (3—4 Mm Länge ohne den Schwanz), indem ich jenen Knorpel im Präparate liess, klarere Bilder, auf welche meine Beschreibung sich wesentlich stützt. 1, Der Vorderkopf. 629 seinem Eintritt in die Augengrube zwischen den zusammenstossenden Ursprün- gen der geraden Augenmuskeln hervor theils durch diese, theils durch den N. nasalis und den Knorpel verdeckt wird. Wenn man jedoch überlegt, dass die Wurzel des N. oculomotorius anfangs dem Ganglion der bisher genannten Nerven dicht anliegt, dass ferner sein oberer Zweig bei den Salamandrinen durch einen Zweig des N. nasalis vertreten wird (FiscHEr Nr. 82 S. 26. 27), dass endlich bei Pipa dieser letztere Nerv neben dem N. oculomotorius die meisten Augen- muskeln gleichfalls versorgt (a. a. O. S. 16), so wird es sehr wahrscheinlich, dass der N. oculomotorius ebenso wie die anderen Augenmuskelnerven eine Abzweigung der gemeinsamen Nervenanlage des ersten Stammsegments ist. — Im Stammtheile des Vorderkopfes kommen noch zwei Nervenpaare vor, je ein Gaumennerv und ein Hautnerv, welche aber aus dem ersten Stammsegmente nicht hervorgehen und daher später beschrieben werden sollen. Diejenigen Theile des ersten Stammsegments, welche zur Bildung der be- schriebenen Muskeln und Nerven nicht verwendet werden, verwandeln sich sehr frühe in interstitielles Bildungsgewebe, welches sowohl die bindegewebigen Theile des Vorderkopfes, die Hirnhäute und Gefässe, die verschiedenen Hüllen des Auges, das Gerüst des Glaskörpers u. s. w., als auch die Skelettheile liefert. Die ersteren habe ich schon theils im Abschnitte über die Sinnesorgane, theils bei der Darstellung der allgemeinen Histiogenese ausreichend besprochen. Auch die Entwickelung der Knorpelkapsel, welche vom ersten Bogenpaare der hinteren Schädelbasis aus die ganze vordere Hirnhälfte unten und seitlich umwächst, wurde im allgemeinen und nach ihrer histiologischen Seite darge- stellt (S. 360. 367. 368), sodass nur mehr Einzelheiten unerwähnt blieben. — Die ursprüngliche Grundlage des ganzen Schädels besteht erstens in der hin- teren Schädelbasis, einer die Wirbelsaite einschliessenden Knorpeltafel, in wel- cher ich gleichwie an den Rumpfwirbeln einen Axentheil, die Wirbelsaite mit ihrer äusseren Scheide, und die den Wirbelbögen homologen Seitenplatten unterscheide; dazu kommen noch die zwei Bogenpaare, welche als Fortsetzun- gen dieser Seitenplatten an dem vorderen und hinteren Ende derselben dort die anatomische Vorderhirnbasis, hier einen Theil des Hinterhirns seitlich um- greifen und endlich ringförmig umschliessen (Taf. XV LI Fig. 524. 327. 331). Das vordere Bogenpaar gehört also dem in Rede stehenden ersten Körperseg- mente an; es bildet den ersten Wirbelbogen,welcher inUebereinstimmung mit der ganzen Lage diesesSegments horizontal liegt, aber einen entsprechend gelagerten Wirbelkörperabschnitt entbehrt, da das einen solchen erzeugende Axengebilde, 630 IX. Der Kopf. l die Wirbelsaite, aus dem Vorderkopfe sich bis zur vorderen Grenze des Hinter- kopfes zurückzog. Das ersteStammsegment enthält also nicht sowohl die Anlage eines vollständigen Wirbels, sondern nur eines Wirbelbogens, dessen Wurzeln mit dem Axentheile der übrigen Kopfwirbelreihe verbunden sind. Dass dieser Wirbelbogen anfangs nicht unter dem Niveau der anatomischen Vorderhirnbasis liegt, wie man von ihm als Grundlage der vorderen Schädelbasis annehmen könnte, geht schon daraus hervor, dass seine Ursprungsstelle oder die Chorda- spitze an die embryonale Vorderhirnbasis (Hirntrichter) stösst (Taf. XVI Fig. 303, Taf. XVII Fig. 314— 316). Sein querer Wurzeltheil umgreift diese Basis jederseits in einem flachen, nach vorn konkaven Bogen, welcher nach innen vom Gasserschen Nervenknoten gerade bis zum gemeinsamen Ausgangs- punkte der geraden Augenmuskeln reicht, durch den sein Verlauf abgelenkt wird (a. a. O.). Hinter diesem Muskelursprunge biegt sich pämlich der Wirbel- bogen abwärts, um dicht unter demselben und dem davor liegenden Sehnerven an den Seitenrand der anatomischen Vorderhirnbasis zu gelangen. Anfangs folgt er aber der letzteren nicht bis zu ihrem Vorderrande, sondern krümmt sich noch hinter dem eben angelegten Riechnerven abwärts in den unterdessen hervorgewachsenen und mehr unter als vor dem künftigen Zwischenhirn befind- lichen Gesichtstheil. Dabei sind beide Wirbelbogenhälften gegen einander konkav gekrümmt, also mit ihren vorderen Enden einander genähert; zwischen ihnen spannt sich die hautartige Zellenschicht aus, welche in Verbindung mit dem sie haltenden Knorpelrahmen die Anlage der vorderen Schädelbasis dar- stellt. Diese reicht also zuerst nicht so weit nach vorn als das von ihr getragene Vorderhirn; erst dadurch, dass dieses gegenüber den anderen Theilen des Vor- derkopfes im Wachsthum etwas zurückbleibt, schiebt sie sich allmählich bis unter das vordere Ende der Grosshirnlappen vor, wo ihre Ränder, eben die Wirbelbogenhälften, sich bis zur Berührung einander nähern und so einen voll- ständigen Wirbelbogenring bilden (a. a. O. und Taf. XV Fig. 254, Taf. XXI Fig. 377). Da die Geruchsorgane bei dieser Ausdehnung der vorderen Schädel- basis an die Vorderseite des Grosshirns verschoben werden, so ist es verständ- lich, dass alsdann die Wurzeln der Geruchsnerven den Wirbelbogen nicht mehr seitlich, sondern an seiner Schlussseite überschreiten. Gleich darauf beginnt auch die Bildung der Seitentheile der vorderen Hirnkapsel, welche im Anschlusse an den Wirbelbogen gerade aufwärts wachsen und dabei für die ihre Anlage quer durchsetzenden Gebilde ebenso wie die Schädelbasis Lücken frei lassen. Von diesen verdienen ausser den Oeffnungen für den Austritt der Geruchs-, Seh- und N E 1. Der Vorderkopf. 651 Augenmuskelnerven noch besonders erwähnt zu werden die Lücken, durch welche jederseits die Ursprungsenden der geraden Augenmuskeln und hinter ihnen die beiden inneren Karotiden in die Hirnkapsel eindringen (Taf. X VI Fig. 297, Taf. XVII Fig. 5314—516, Taf. XVILI Fig. 327). Jene Muskel- ursprünge biegen sich vor und über dem queren Wurzelstücke desWirbelbogen- knorpels etwas rückwärts an dessen Innenfläche und befestigen sich daher eigentlich an der seitlichen Iunenwand der Bucht, welche die Schädelbasis vor der Chordaspitze unter dem Einflusse des nach unten vorragenden Basaltheils vom Vorderhirne bildet. Später ziehen sie sich in die Schädelwand selbst zu- rück, so dass sie gleichsam nur eine Lücke derselben ausfüllen; im vollständig entwickelten Thiere endlich werden sie durch Knorpelmasse an die Aussen- fläche der seitlichen Schädelwand verdrängt, und behält nur noch der N. ocu- lomotorins an der Stelle der früher gleichmässig weiten Lücke ein kleines Durchtrittsloch. Die Karotiden treten hinter den Ursprüngen der Mm. recti aber dicht unterhalb der Wirbelbogenwurzeln in die Hirnkapsel ein, sodass durch diese Muskelursprünge und Gefässe der Verlauf des ursprünglichen Wirbelbogens auch späterhin bestimmt werden kann. Denn wenn derselbe während des grössten Theils des Larvenlebens in dem Rande jener Bucht und weiter nach vorn in dem verdickten Seitenrande der vorderen Schädelbasis leicht zu erkennen ist, so gleichen sich diese Unterschiede zwischen den eigent- lichen Grundlagen des Schädels und den sekundär sich daran schliessenden Knorpeltafeln später vollständig aus, sodass sie schon an dem sogenannten Primordialkranium der noch ganz jungen Thiere nicht mehr unmittelbar unter- schieden werden können. Verfolgt man nun die Ausdehnung und die Grenzen der Seitenwände der vorderen Hirnkapsel, so vermisst man an ihnen eine solche vollständige und kontinuirliche Fortsetzung in die Seitenwände des hinteren Schädeltheils, wie sie an den Basaltheilen beider Schädelhälften statt- findet. Zunächst sieht man leicht ein, dass sie nur so weit dem ursprünglichen Wirbelbogen aufsitzen können, als dieser zur Seite des Vorderhirns hinzieht, und dort aufhören müssen, wo die Wurzeltheile jener Knorpelspangen sich medianwärts unter das Hirn biegen, um sich an der Chordaspitze zu ver- einigen (Taf. XV III Fig. 324. 326. 327). Diese Stelle liegt dicht hinter dem Ursprunge der geraden Augenmuskeln ; ebendaselbst erreicht aber auch die Knorpelplatte des ersten äusseren Segments, welches, wie erwähnt, mit seinem Wurzeltheile sich medianwärts hinter das zugehörige Stammsegment einschob, denWirbelbogen desselben, um mit ihm zu verschmelzen (a.a.0. und Taf. XVII 632 IX. Der Kopf. _ Fig. 314. 315). Dieses Wurzelstück des Skeletgürtels des ersten äusseren Segments, welches ich aus später zu erörternden Gründen den grossen oder Schläfen-Flügelknorpel nenne, ist eine senkrecht und quer gestellte Platte, welche vom Wirbelbogen aufwärts auch mit dem hinteren Rande der vorderen Hirnkapsel zusammentfliesst, sodass deren Seitenwand an ihrer hin- teren Grenze mit einer beinahe rechtwinkeligen Krümmung nach aussen fort- gesetzt erscheint. Auf diese Weise schliesst der Schläfenflügelknorpel den Raum, welcher zugleich einer Augenhöhle und Schläfengrube entspricht, nach hinten ab und bildet ferner eine Scheidewand zwischen dem Gasser'’schen Nervenknoten und allen übrigen Segmenttheilen desVorderkopfes. Da aber die Nerven dieses Ganglions nach vorn verlaufen, so müssen sie, soweit sie sich nicht schon frühzeitig medianwärts entfernt haben, wie der N. oculomotorius und N. trochlearis, jene Scheidewand entweder durchsetzen oder überschreiten. Ersteres geschieht durch die Nn. nasalis und abducens, die von dem Schläfen- flügelknorpel dicht an seinem Uebergange in die vordere Schädelkapsel um- wachsen werden; der zum äusseren Segment gehörige Nervenstamm der late- ralen Portion des Gasser'schen Ganglions bleibt aber frei auf dem oberen, medianwärts etwas ausgeschweiften Rande des Schläfenflügelknorpels liegen, und krümmt sich erst von dort aus seitwärts auf die Oberfläche des Schläfen- muskels, wo er sich sofort in die beiden Kiefernerven spaltet. — Anfangs be- findet sich zwischen dem Schläfenflügelknorpel oder der hinteren Wand oder Schläfen-Augengrube und dem Gehörbläschen ein merklicher, von dem Gas- ser’schen Nervenknoten und dem Wurzeltheile des zweiten Kopfsegments (Ganglion des N. facialis und N.palatinus)ausgefüllterZwischenraum, welcher nach aussen offen daliegt, da der entsprechende Abschnitt der Schädelbasis kaum an- gelegt ist, also von einer lateralen Fortsetzung derselben zur Bildung einer Seiten- wand nicht die Rede sein kann (Taf. XV II. XVII). In dem Masse aber, als der Hinterkopf in semem Längenwachsthum durchaus hinter dem Vorderkopfe zu- rückbleibt,wird jene Oeffnung nicht nur relativ, sondern durch dieVergrösserung der knorpeligen Ohrkapsel auch thatsächlich kleiner, sodass die nach hinten ausgebogene laterale Hälfte des Schläfenflügelknorpels endlich die knorpelige Öhrkapsel berührt und auf dieseWeise den seitlichen Abschluss des Hirnraumes hinter der Schläfen-Augengrube bis auf eine an der Schädelbasis zurück- bleibende Lücke herbeiführt (Taf. XVILI Fig. 329. 531). Medianwärts von jener Verbindung bleibt ein etwa dreieckiger Raum als seitliche Ausbuchtung der Schädelhöhle bestehen; von den Ganglien, welche ilın einnehmen, entsendet 1. Der Vorderkopf. 635 das hintere, zum zweiten Seginent gehörige seinen Nervenstamm durch die erwähnte Lücke am Boden der Schädelbucht nach aussen. Es erhellt aus dieser Beschreibung und den Abbildungen, dass der Schläfenflügelknorpel die seitliche Schädelwand unmittelbar vor der Ohrkapsel allein bildet, dass also im Vorderkopfe ein Skelettheil des äusseren Segments sich der ursprünglichen Schädelanlage,, welche in einem Wirbelbogenpaar und den sich aus demselben entwickelnden Bildungen besteht, zur Umschliessung des Hirnes an- und so in die Zusammensetzung des definitiven Schädels einfügt. Dabei offenbart sich wiederum das Hinübergreifen von dorsalen Theilen des Vorderkopfes in die Region des Hinterkopfes, und dem Nerven- und Skelettheil folgt darin schliess- lich ein Muskel, indem der Ursprung des M. temporalis sich vollständig auf die Oberseite der Ohrkapsel verschiebt (Taf. XIX Fig. 837. 342). Hinter dem Schläfenflügelknorpel wird die seitliche Schädelwand ebenfalls durch einen nicht zum Wirbelsystem gehörigen Theil, die Ohrkapsel, gebildet, und erst nach dieser doppelten, ansehnlichen Unterbrechung schliesst wieder eineWirbel- bogenbildung, nämlich das ringförmig verbundene hintere Bogenpaar der Schädelbasis, den Schädel auch seitlich ganz allein ab. — An der Herstellung des knorpeligenSchädeldachs, welches ich bisher noch nicht erwähnt habe, betheiligen sich nur die Wirbelbogenhomologa oder ihre Fortsetzungen. Der obere Rand der vorderen knorpeligen Hirnkapsel überragt die Oberseite des Vorderhirns mit nem ganz unbedeutenden, medianwärts umgebogenen und zugeschärften Streifen, während das Perichondrium von einer Seite kontinuir- lich zur anderen hinüberzieht, gerade so wie ich es von den aufeinanderfolgen- den Wirbelbögen des Rumpfes beschrieb (Taf. XVIII Fig. 331, Taf. XIX Fig. 337. 347). Dieser horizontale Knorpelstreifen nimmt an metamorpho- sirten Thieren an Breite zu, geht aber über die Form eines eine weite mittlere Lücke umschliessenden Saumes auch am vorderen Schädeldach ganz erwachse- ner Thiere nicht hinaus. Rückwärts setzt sich jener Knorpelrand anfangs in den konkaven oberen Rand des Schläfenflügelknorpels fort; während aber dieser unverändert bleibt, wächst der erstere noch in der Larvenzeit über des- sen Niveau in die Höhe und nach hinten und aussen zu einer horizontalen Platte aus, welche ich den kleinen oder Orbital-Flügelknorpel nenne. Er bildet die etwa dreiekige Decke der lateralen Ausbuchtung der Schädel- höhle zwischen der Ohrkapsel und dem Schläfenflügelknorpel; sein vorderer Seitenrand Jegt sich über den Ausschnitt des letzteren und verwandelt ihn in eine Austrittsöffnung für den Kiefernervenstamm, die äussere Ecke und der 634 IX. Der Kopf. hintere Seitenrand verschmelzen dagegen theils mit dem Schläfenflügelknorpel, theils mit der Ohrkapsel. Dieser entlang zieht sich nun eine Fortsetzung des Orbitalflügelknorpels nach hinten und trifft mit einem ebensolchen vorwärts wachsenden Fortsatze des hinteren Wirbelbogenringes zusammen, sodass auch am hinteren Schädeldache ein lateraler Knorpelsaum entsteht. Zugleich wächst etwa aus der Mitte des medialen Randes des Orbitalflügelknorpels ein schmaler Knorpelzipfel hervor, welcher in querer Richtung unter dem häutigen Schädeldache, d. h. unter der erwähnten Fortsetzung des Perichondriums, mit dem anderseitigen zu einer queren Brücke zusammenstösst. Indem diese Bil- dung ganz augenscheinlich der Vordergrenze des rückwärts verschobenen paarigen Mittelhirngewölbes folgt, ist die Mitte jener Brücke nach hinten in einen Zipfel ausgezogen, welchem eine ähnliche mediane Spitze des hinteren Wirbelbogenringes entgegenwächst. Nachdem daraus auch eine mediane Knorpelbrücke entstanden, bilden alle Knorpeltheile des Schädeldaches einen Rahmen, der durch eine quere Brücke in einen grösseren vorderen und kleine- ren hinteren Abschnitt getheilt ist, von denen der letztere wiederum durch den medianen Knorpelstreif in zwei Seitenhälften zerfällt. Die grosse unpaare Lücke des vorderen Theils entspricht dem Vorderhirne, die zwei kleineren hinteren den Mittelhirnhemisphären; nach aussen werden diese knorpelfreien Stellen bloss durch das kontinuirlich darüber hinziehende Perichondrium verdeckt, welches, soweit die Lücken erhalten bleiben, über ihnen die einzige Grundlage des Schädels bildet. Aber sowie jene Lücken nicht aus einer nachträglichen Auflösung innerhalb einer kontinuirlichen Knorpeltafel, sondern aus der Ver- bindung schmaler Knorpelstreifen hervorgehen, nimmt ihre Grösse im Verlaufe des Lebens nicht zu, sondern gerade ab; dies bezieht sich namentlich auf die beiden hinteren Lücken, welche zuletzt zu kleinen Löchern werden (vergl. Ecker No. 90 8.34). Das perichondrale häutige Schädeldach, welches ich mit der ähnlichen Bildung in der vorderen Hälfte der horizontalen Wirbel- bogenabschnitte des Rumpfes verglich, verknöchert in der Folge gleichfalls, jedoch mit anderem Erfolge. In den Wirbelbögen des Rumpfes schliesst sich der betreffende Faserknochen an die vollständige knöcherne Hülse an, in welcher die knorpeligen Wirbelbögen stecken, um endlich einer inneren Verknöcherung Platz zu machen; am Schädeldache bleibt aber die Knochenbildung einseitig und erzeugt dadurch zwei symmetrische Platten (Ossa frontoparietalia Ecker a. a.0. 8. 31), welche dem unveränderten Knorpel nur äusserlich gngefügt er- scheinen. 1. Der Vorderkopf. 635 Der Unterkieferbogen und der &esichtstheil des Vorderkopfes. Der Umfang und die Begrenzung des von mir so genannten Gesichtstheils ist aus demVorangehenden leicht zu ersehen: er umfasst die Nasen-, Zwischen: kiefer- und Oberkiefergegend, während das Auge wegen seiner Lage und der Bedeutung seiner Muskeln zum Stammtheile im engeren Sinne gehört. Der Gesichtstheil entsteht wesentlich durch eine Fortentwickelung des Vorderendes des ersten Stammsegmentpaares; weil aber der Kiefertheil in eigenthümlicher Weise an jener Bildung theilnimmt, werde ich dessen Entwickelung zuerst be- trachten. Aus der Beschreibung der ersten Umbildung des Vorderkopfes (5. 223— 228) wird man sich erinnern, dass das äussere Segment nach seinen topo- graphischen Verhältnissen in einen dorsalen und einen ventralen Abschnitt zerfällt, obgleich seine Erzeugnisse kontinuirlich aus dem einen in den anderen übergehen und daher in ihrer Hauptmasse als Unterkieferbogen ‘aufgefasst werden können. * Jene Unterscheidung beruht aber darauf, dass die obere Hälfte des Segments im Hirntheile des Vorderkopfes, also über der Mundhöhle liegen bleibt, die ventrale Hälfte aber nach der vollendeten Drehung der Kiefer- wülste die Mundhöhle seitlich und von unten umschliesst und dort nach der Zusammenziehung der Seitenplatte nach oben dem Darmblatte unmittelbar anliegt (Taf. VII Fig. 128. 129). Von der Grenze beider Abschnitte geht dann noch ein kleiner Theil des äusseren Segments schräg vor- und aufwärts in den Oberkieferwulst hinein (lateraler Gesichtsfortsatz), welcher sich keilförmig zwischen Hirn- und Kiefertheil entwickelt (Taf. X VI Fig. 288—291). — Der dorsale Abschnitt des äusseren Segments oder des Unterkieferbogens geräth durch die Ausdehnung der Augenblase hinter dieselbe und die ihr anliegenden Muskelanlagen des Stammsegments. Sein oberster Zipfel verbindet sich dar- auf unter Verwandlung in die spindelförmige Anlage eines Nervenknotens mit dem analogen Theile des Stammsegments zum Gasser’schen Doppelganglion. Doch bemerkte ich bereits, dass, während die aus der inneren Portion der letzteren entspringenden Zweige des ersten Stammnerven ziemlich horizontal nach vorn verlaufen, der aus der äusseren Portion hervorgehende Kiefernerven- * Ich werde die epithelialen Bildungen des Darmblattes und der Oberhaut, soweit sie nur durch Flächenausbreitung am allgemeinen Wachsthum theilnehmen, hier unberück- sichtigt lassen. 6356 IX. DerKopf. stamm steil gegen die Unterseite des Auges hinabzieht. Die Embryonalzellen, welche diese Nervenanlage des äusseren Segments umgeben, und überhaupt die ganze Rindenschicht der Segmentmasse verwandeln sich in interstitielles Bildungsgewebe. Unterhalb des Ganglions hebt sich alsdann die centrale Masse, als ein kompakter dicker Zellenstrang gegenüber dem schon gelockerten umgebenden Bildungsgewebe ab, welcher etwa von der halben Augenhöhe an sich der hinteren Oberfläche des Auges nähert, dasselbe bis nach unten um- greift und darauf zur Seite der Mundhöhle abwärts zieht, wobei er sich gegen sein unteres Ende verschmächtigt. Dieser durch seine zusammengedrängten und längere Zeit mit Dotter gefüllten Elemente leicht kenntliche Zellenstrang ist die Anlage für die Muskeln des Unterkieferbogen s, sodass also die Nerven und Muskeln im äusseren Segmente ebenso wie im Stammsegmente von allen Geweben zuerst angelegt erscheinen. Um aber die Gliederung dieser Muskelanlage zu verstehen, muss man die Veränderungen im Verlaufe des Unterkieferbogens berücksichtigen. Er umschliesst die Mundhöhle anfangs mit zwei abwärts bogenförmig konvergirenden Hälften. In dem Masse jedoch, als sich der rinnenförmige Mundhöhlenboden ebnet und verbreitert, erfährt der ventrale Abschnitt des Unterkieferbogens in der Höhe jenes Bodens eine Knickung; darüber bleibt er in der seitlichen Mundhöhlenwand sagittal ge- lagert, darunter biegt er sich aber horizontal unter den Mundhöhlenboden und kommt so mit seinem Gegenstücke in eine Fläche zu liegen (Taf. VII Fig. 129, Taf. XIII Fig. 231, Taf. XIV Fig. 257, Taf. XV Fig. 270). Nach dieser Umbildung des Unterkieferbogens kann man selbstverständlich nicht mehr von einem dorsalen und ventralen Abschnitte desselben reden, sondern nur einen ventralen, horizontal liegenden und einen lateralen, bis in den Rückentheil hin- aufreichenden Abschnitt unterscheiden, deren Axen sich nunmehr rechtwinkelig schneiden. Dem entsprechend sondert sich auch die dicke strangförmige Muskelanlage in einen längeren oberen Theil, welcher bis zum Niveau des Mundhöhlenbodens steil hinabsteigt, und einen kleineren horizontalen Theil unter demselben. Der erstere spaltet sich alsbald in zwei Hälften. Die äussere oder die Anlage des M. temporalis beginnt mit breitem Ursprungsrande hinter dem Kiefernervenstamme; weiter abwärts gliedert sich der M. masseter seitlich von ihr ab (a. a. O. und Taf. XV III Fig.331). Die innere Hälfte oder der M. pterygoideus liegt der hinteren Augenfläche, also auch den betreffendeti Augen- muskeln ziemlich dicht an und tritt erst am Augenhöhlenboden lateralwärts hervor, um mit seinem lateralen Rande sich unter den M. temporalis zu schieben. 1. Der Vorderkopf 637 Die untere Muskelanlage entwickelt einen Antagonisten der genannten Kau- muskeln oder einen Oeffner des Mundes, den M.submentalis, welcher jederseits nach innen und etwas rückwärts zieht. Während die Muskelfasern dieser An- lagen sich durch Zellenverschmelzung auszubilden beginnen , wächst der Kiefernervenstamm in zwei Äeste aus, welche bis unter die hintere Augen- hälfte neben einander liegen bleiben, von dort an aber so auseinandergehen, dass der laterale oder untere Kiefernerv (R. maxillaris inferior n. trigemini) über die vordere Fläche des M. temporalis schräg nach aussen und unten ver- läuft, um die Kiefermuskeln zu versorgen, der mediale obere Kiefernerv (R. maxillaris superior n. trigemimi) dagegen unter dem Auge nach vorn in die Oberkiefergegend (lateraler Gesichtsfortsatz) hinabzieht, wo er oberflächlich. gelegen in der Haut und vielleicht dem oberen Lippenmuskel seine Endigung findet (Taf. XVI Fig. 294, Taf. XV III Fig. 525—327). Diese Kiefernerven sind schon mitten in der ersten Larvenperiode kenntlich; zu gleicher Zeit er- scheinen die ersten Anlagen für die knorpeligen Skelettheile des ganzen Unterkieferbogens. Da die Gliederung desselben in einen lateralen und ventralen Theil alsdann vollendet ist, so wird die Knorpelanlage des ventralen Theils oder der Unterkiefer von Anfang an quer unter der Mundhöhle lie- gen, diejenige des lateralen Theils oder das gesammte Kiefersuspensorium von oben herab unter einem rechten Winkel auf das laterale Unterkieferende stossen; beide Anlagen werden sehr frühzeitig in Knorpel verwandelt (Taf. X K Fig. 270. 271, Taf. XVI Fig. 299—303). Da der ganze ventrale Theil des Unterkieferbogens alsbald unter reichlicher Entwickelung eines weitmaschigen oder mit grossen Lymphräumen versehenen Bindegewebes stark aufgetrieben wird, so nimmt der knorpelige Unterkiefer nur den kleinen oberen Theil des ganzen Raumes unmittelbar unter der queren Scheidewand ein, welche die innere Mundhöhle und die äussere Mundbucht trennt, sodass er zwischen der inneren und äusseren Bekleidung des ganzen Bogens, d.h. zwischen Darmblatt und Oberhaut eingeschlossen liegt. Sowie aber ‚der ganze ventrale Unter- kieferbogen noch längere Zeit einen medianen Einschnitt behält, die letzte Spur seiner Entwickelung aus zwei konvergirenden Hälften und folglich eine Art Fortsetzung oder Ausläufer der Mundbucht, so verläuft auch die cylindrische Anlage des Unterkiefers nicht geradlinig von einer Seite zur anderen, sondern besteht aus zwei Seitenhälften, welche hinter jenem Einschnitte in einer rück- wärts und abwärts gerichteten Spitze zusammentreffen, von dort aus aber lateralwärts einen nach vorn konvexen Bogen beschreiben, dessen Ende wieder 638 IX. Der Kopf. nach aussen umgebogen ist, sodass jede Unterkieferhälfte S-föormig gekrümmt erschemt (Taf. XVII Fig. 318. 319). Jenes laterale Ende umgreift den hin- abziehenden Muskelstrang von hinten her und zwar, da es im Niveau des Mundhöhlenbodens die Grenze des Bauchtheils vom Unterkieferbogen gegen (dessen Seitentheil bildet, gerade an der Stelle, wo die dicke obere Muskelmasse (Mm. pterygoideus, temporalis, masseter) in die schmächtigere untere Fort- setzung (M. submentalis) übergeht (Taf. XV. Fig. 269. 270). Allmählich schiebt sich aber dieses quere Unterkieferstück zwischen die anfangs zusam- menhängenden Enden beider Muskelmassen und trennt sie dadurch vollständig. Die Kaumuskeln befestigen sich an ihm an der ursprünglichen Berührungsstelle, d.h. etwas medianwärts von seinem äusersten Ende (Taf. XVIIT). Die beiden einwärts gerichteten Hälften des M. submentalis rücken indessen gegen die Medianebene vor und vereinigen sich schliesslich zu einem einzigen queren Muskel, welcher die Enden der Mm. geniohyoidei von unten verdeckt (vergl. 5.465. 467) und deren Ansatzstellen, nämlich das eingeknickte Mittelstück des Unterkiefers von hinten her umgreift, indem er seine bleibenden Insertionen jederseits nach aussen von dem Scheitel der konvexen Krümmung des Unter- kiefers findet (Taf. XX Fig. 365). Wie schon aus den Ansätzen dieser Mus- keln hervorgeht, muss der M. submentalis die lateralen Abschnitte des Unter- kiefers einander zu nähern suchen, während die Mm. geniohyoidei die beiden Schenkel des eingeknickten Mittelstückes, an denen sie sich befestigen, rück- wärts ziehen müssen. Da nun der Unterkiefer jederseits in der sich allmählich ausbildenden Gelenkverbindung mit dem Suspensorium einen festen Drehpunkt besitzt, so sind jene Muskelwirkungen nur ausführbar bei einer zusammenge- setzten Bewegung jeder Unterkieferhälfte, wobei ihre Seitenstücke bei einer Drehung nach hinten ihre medialen Enden rückwärts nähern und zugleich das Mittelstück stärker einknieken. Dies setzt aber nothwendig voraus oder ver- anlasst die Bildung dreier, wenngleich unvollkommener Gelenke des ganzen Unterkiefers in den Zwischenräumen der vier Muskelansätze, also am Scheitel der beiden konvexen Krümmungen und an der medianen Spitze. In Folge dessen muss man am Unterkiefer unserer Larven zwei Paare symmetrischer Stücke unterscheiden, zwei kleinere mediale und zwei grössere laterale, von denen jene nach hinten und unten, diese in horizontaler Lage nach vorn kon- vergiren. Diese ursprüngliche Stellung der Seiten- und Mittelstücke des Unterkiefers, wobei die Mundhöhle eine ziemlich weite Lichtung besitzt und die Mundränder von einander abstehen , entspricht auch bei der ihre Kiefer 1. Der Vorderkopf. 639 bereits bewegenden Larve dem Zustande bei geöffnetem Munde. Wird er ge- schlossen, so tritt eine sehr auffallende Lageveränderung der Unterkieferstücke ein, welche ich jedoch erst nach der Beschreibung des gesammten Bewegungs- apparats der Kiefer erörtern kann. Das Suspensorium des Unterkiefers ist eine vielfach gebogene, mit mehre- ren Fortsätzen versehene Knorpelplatte, welche desshalb an den jüngsten Lar- ven, welche eine plastische Zergliederung noch nicht gestatten, in einzelnen Durchschnitten nur unvollständig dargestellt werden kann. Doch ergibt sich ihr Bau ohne Schwierigkeit aus ihrer Entwickelungsgeschichte, welche die ein- zelnen Theile erst nacheinander auftreten lässt und zum Ganzen fügt. Ihre erste Anlage, zugleich ihr Hauptstück, ist eine relativ dünne und sich erst all- mählich verbreiternde Platte, welche an der Hinter- und Aussenseite der Heber des Unterkiefers schräg nach vorn hinabzieht und in zwei dicke Gelenktheile ausläuft (Taf. XVI Fig. 300). Der eine liegt in der angegebenen Richtung, stösst auf den Unterkiefer und artikulirt mit ihm auswärts von der Insertion jener Muskeln. Seine geschweifte Gelenkfläche sieht nach innen, vorn und unten, sodass das eingefügte Unterkieferende bei. der Ausführung seiner Be- wegungen am seitlichen Ausweichen aus dem Gelenke verhindert wird (Taf. XVII Fig. 324. 327. 329. 351). Der zweite Gelenktheil wächst aus der unteren Hälfte des Suspensoriums nach hinten und unten hervor und besteht in einem niedrigen aber breiten Stumpfe, dessen Ende eine Gelenkgrube ent- hält, in welche der flache vordere Seitenhöcker des grossen Zungenbeinhorns sich einsenkt. Im oberen Theile geht die ganze Knorpelplatte oder der Qua- dratbeinknorpel hinter dem dorsalen Ende des M. temporalis medianwärts in den schon früher beschriebenen Schläfenflügelknorpel über, welcher sich allmählich in den Schädel einfügt (S. 633). Der Uebergang beider Theile in einander ist ein durchaus kontinuirlicher, unmerklicher, und ihre Unterschei- dung ist nicht genetisch, sondern durch das spätere Verhalten begründet und gerechtfertigt. Oben und seitwärts an der konkav gebogenen Vorderfläche des Schläfenflügelknorpels befestigt sich der M. temporalis in flacher Ausbrei- tung, um sich abwärts zu einem rundlichen Bauche zusammenzuziehen, dessen Ende den Unterkiefer von oben etwas umgreifend sich an dessen Vorderfläche ansetzt. Der M. temporalis rollt daher das Seitenstück des Unterkiefers nach oben und hinten um, während er es zurückzieht. Ein lateraler, ziemlich star- ker Bündel inserirt sich während der Larvenzeit an dem noch zu beschreiben- den, unmittelbar davor liegenden Oberkieferknorpel. Die mediale Fläche des 640 IX. Der Kopf. Schläfenflügelknorpels, an welcher die einzelnen Aeste des Stammnerven und der Kiefernervenstamm aus der Schädelhöhle in die Augengrube eintreten, bleibt frei; sein unterer Rand dagegen dient dem M. pterygoideus zum Ur- sprunge, dessen Insertionsende sich unter den M. temporalis schlägt und nach aussen von dessen Ansatzstelle, hart neben dem Unterkiefergelenk sich am Unterkiefer befestigt. Ausser den genannten Theilen entwickelt der Quadrat- beinknorpel noch zwei Fortsätze: die Flügel gaumenplatte und den Jochfortsatz. Der letztere ist eine dreieckige Knorpelplatte, welche am Aussenrande des Quadratbeinknorpels über und vor dem Zungenbeingelenke mit breiter Basis entspringt, die Kaumuskeln lateralwärts verdeckt und mit ihrer Spitze vor- und aufwärts gerichtet ist (Zaf. XVII Fig. 316, Taf. XVIII Fig. 324— 327.531, Taf. XIX Fig. 335—337). Von der Innenfläche des ‚Jochfortsatzes entspringt der kurze M. masseter mit zwei Bündeln; sie kon- vergiren nach innen, vorn und unten und erreichen lateralwärts vom M. tem- poralis das Seitenstück des Unterkiefers, welches sie umrollen und zurück- ziehen, d.h. in einer Kegelfläche, deren Spitze im Hauptgelenke liest, auf- und rückwärts bewegen helfen, wobei das geknickte Mittelstück des Unterkiefers etwas quer gestreckt wird. Die Aussenfläche des Jochfortsatzes dient dem zum Zungenbeinbogen gehörigen breiten M. depressor ossis hyoidei zum Ur- sprunge; von ihm bedeckt und mit ihm sich kreuzend zieht der gleichfalls aus dem zweiten äusseren Segmente hervorgehende M. depressor mandibulae von der Hinterfläche des Quadratbeinknorpels zwischen dem Jochfortsatze und dem Zungenbeingelenke zum äussersten Ende des Unterkiefers hinab (a. a. O. und Taf. X VI Fig. 294.299). Dicht unter seinem Ansatze liegt derjenige des M. levator ossis hyoidei, welcher horizontal vom Ende des grossen Zungenbein- horns kommt. — Aehnlich wie der Jochfortsatz am Aussenrande des Quadrat- beinknorpels, wächst die Flügelgaumenplatte an seinem Innenrande hervor; sie liegt dem Darmblatte, soweit es die seitliche Auskleidung der Mundhöhle bildet, dicht an, steigt also unter den Kaumuskeln und medianwärts von ihnen in gleichmässiger Breite vorwärts auf und verschmilzt mit dem ersten Wirbel- bogen, dem späteren Seitenrande der Schädelbasis (Taf. XVI Fig. 296. 302, Taf. XV LI Fig. 316. 317, Taf. XVILI Fig. 324. 331). Diese Verbindung rückt während der Ausdehnung der Schädelbasis endlich so weit vor, dass die Flügelgaumenplatte die innere Nasenöffnung ‚von hinten begrenzt. Auf diese Weise umgibt das Knorpelstück, welches ich zuerst ganz allgemein als Sus- pensorium des Unterkiefers bezeichnete, indem es sich mit der Mitte und dem 1. Der Vorderkopf. 641 Vorderende der ganzen seitlichen Schädelwand verbindet, eine Oeffnung, welche den Boden der Schläfenaugengrube einnimmt und durch Bindegewebe und Mus- keln ausgefüllt wird. Aus der Verbindung der Flügelgaumenplatte und der Schädelwand entwickelt sich weiterhin eine hinter der Nasenkapsel aufsteigende Leiste; sie wird unter Einschliessung des äusseren Zweiges vom N. nasalis vom Orbitalfortsatze des Nasenknorpels bedeckt und beide bilden alsdann eine nie- drige vordere Wand der Augenhöhle (Taf. XVII Fig.331, Taf. NIX Fig. 342. 343). Vervollständigt wird dieselbe durch straffes Bindegewebe, welches von ihr zum Jochfortsatze sich erstreckend (Jochbogen) zugleich die von letzterem dargestellte Seitenwand der Schläfenaugengrube ergänzt. Die hintere und die innere Wand derselben Grube (laterale Schädelwand, Schläfenflügelknorpel) habe ich bereits beschrieben. Es besitzt also schon die Larve eine gut begrenzte Schläfenaugengrube, deren vorderer innerer Theil vom Auge und dessen vom ersten Stammsegmente gelieferten Muskeln und Nerven, der hintere und äus- sere Theil von den Muskeln und Nerven des ersten äusseren Segments einge- nommen wird. Die Betrachtung der Flügelgaumenplatte führt naturgemäss zur Entwicke- lungsgeschichte des zuletzt angelegten und ausgebildeten Theils des Vorder- kopfes, nämlich des Gesichtstheils; denn jene Knorpelplatte entsteht bereits in dem am Aufbaue des Gesichts betheiligten lateralen Gesichtsfortsatze des äus- seren Segments. — Da das Gehirn und damit der ganze Rückentheil des Vor- derkopfes anfangs den Unterkieferbogen nach vorn überragt, so muss alsdann die ganze Vorderfläche des Kopfes schräg nach hinten abfallen. Aus dieser schrägen Kopfseite wächst nun der Gesichtstheil der Larve hervor. Betrachtet man das äussere Relief dieser Kopfregion an verschiedenen Larven der er- sten Periode, wobei also der Blick den Kopf von vorn und unten treffen muss, so kann man folgende Entwickelungsstufen der Gesichtsbildung unterscheiden. Zur Zeit, wenn das Centralnervensystem eben in der Schliessung begriffen ist, wird die ganze Vorderseite des Kopfes unter der Oberhaut nur von zwei Haupt- anlagen eingenommen: die durch die Augenanlagen verbreiterte, in dieser Ansicht ohngefähr dreieckige vordere Hirnhälfte bildet den oberen Theil, die sich darunter hinziehenden, in einem flachen Bogen zusammenstossenden Kie- ferwülste den unteren Theil der Gesichtsgegend (Taf. III Fig. 45). Zwischen beiden und in der Medianebene liegt eine Einsenkung, gleichsam eine Erweite- rung der trichterförmigen Anlage des Hirnanhangs, welche seitlich am unteren Rande des Hirns in je eine flache Furche, den Anfang der Nasengrube, ausläuft, GOETTE, Entwickelungsgeschichte, 41 P4 642 IX. Der Kopf. abwärts aber sich zwischen die Kieferwülste fortsetzt und so die Anlage der äusseren Mundbucht herstellt. Während der seitlichen Abplattung des ganzen Kopfes verändert sich das äussere Bild ganz auffallend (Fig. 46). Der vor- derste Abschnitt des Vorderhirns erscheint als ein schmaler Vorsprung zwi- schen den vertieften, aufwärts gerichteten Nasengruben, welche unter jenem Vorsprunge durch rinnenförmige Fortsetzungen mit dem obersten Ende der Mundbucht oder der Anlage des Hirnanhangs zusammenhängen (vgl. S. 318. 330). Darunter ist der flache Bogen der Kieferwülste durch die ansehmliche Höhenzunahme auf Kosten der Breite unkenntlich geworden, und seine Stelle nehmen dann paarige seitliche Wülste und die beiden ventralen Hälften des Unterkieferbogens ein, unter denen die beiden vorher auseinanderstehenden Haftorgane zusammengestossen sind. Die folgende Entwickelungsstufe zeigt Veränderungen vorherrschend in der Umgebung der Nasengrube (Fig. 47). Die sie mit der Mundbucht verbindenden Furchen sind ausgeglichen oder nur noch schwach angedeutet, die Gruben selbst durch paarig zwischen ihnen und dem Vorderhirn hervortretende Fortsätze von einander entfernt; diese letzteren aber verbinden sich miteinander in der Medianebene, anderseits lateral- und abwärts unter den Nasengruben mit den oben bezeichneten seitlichen Wülsten, sodass aus diesen vier Vorsprüngen endlich ein gewölbtes Dach der Mundbucht hervorwächst, welches sich mit seinen seitlichen Enden auf den Unterkiefer- bogen stützt und mit ihm die äussere Mundöffnung umschliesst (Fig. 48). Im weiteren Verlaufe der Entwickelung schwindet dieses durch die Umbildung der einzelnen Segmenttheile hervorgerufene Relief des Gesichts, indem die Oberhaut durch die weiten Lymphräume des subepidermoidalen Bindegewebes ziemlich gleichmässig aufgetrieben wird (Fig. 49). — Hält man sich nun an die eben gegebene Uebersicht der äusseren Erscheinungen bei der Entwicke- lung des Gesichts, welche bisher für die Bildungsgeschichte des letzteren mass- gebend waren, so würde jeder mit der Entwickelungsgeschichte der Wirbel- thiere einigermassen Vertraute in der ersten der angeführten Entwickelungs- stufen einen einfachen unter dem Hirn hinziehenden Unterkieferbogen, darauf zwei seitlich daraus hervorwachsende „Oberkieferwülste* und ferner einen zwischen den Nasengruben erst einfach, dann paarig hervorwuchernden „Stirn- fortsatz“ zu erkennen glauben. Eine solche Deutung wäre aber sowohl im Vergleiche mit anderen Wirbelthierembryonen falsch als auch an sich für die Krkenntniss der betreflenden Entwickelungsvorgänge von geringem oder gar keinem Werthe, und ich halte gerade die genannten Erscheinungen bei der 1. Der Vorderkopf. 643 Bildung des Batrachiergesichts für besonders geeignet die Unvollkommenheit der bisher geübten Methode darzulegen, welche die Entwickelungsgeschichte des Gesichts zum grössten Theile auf die Beschreibung des äusseren Reliefs beschränkte. Fürs erste kann der laterale oder Oberkieferwulst der Batrachier dem Öberkieferfortsatze anderer Wirbelthierembryonen gar nicht verglichen werden, da er sowohl das Homologon des letzteren, den lateralen Gesichts- fortsatz des äusseren Segments, als auch eine dem sogenannten „seitlichen Stirnfortsatze“ oder „äusseren Nasenfortsatze“*) entsprechende Fortsetzung des inneren Segments enthält, welche Theile aber äusserlich allerdings nicht geschieden erscheinen (Taf. XVI Fig. 295. 296). Ferner scheint es mir un- passend, den lateralen Gesichtsfortsatz (Oberkieferfortsatz aut.) aus dem Un- terkieferbogen abzuleiten, da die nähere Untersuchung ergibt, dass beide Theile gleichzeitig und neben einander sich aus dem indifferenten Kieferwulste absondern (Taf. XVI Fig. 258 u. flg). Endlich ist der „mittlere Stirnfortsatzf wenigstens im Anfange seines Bestehens nur der Ausdruck des vorragenden Vorderhirns und sind in seinem Innern die für das Gesicht bestimmten Theile des mittleren Keimblattes kaum spurweise enthalten (Taf. XIV Fig. 251, Taf, XVII Fig. 305). Ueberdies muss ich aber die bisher üblichen Bezeichnungen zurückweisen, weil sie falschen Voraussetzungen über die Bedeutung der Theile entsprangen. In dem allerdings nur bei den Batrachiern vorkommenden unge- sonderten Oberkieferwulste sind freilich die Grundlagen für die ganze Ober- kiefergegend enthalten, nicht aber bloss in seinem äusseren Theile, welcher bei anderen Wirbelthierembryonen als Oberkieferfortsatz bekannt ist. Denn der Oberkieferknorpel unserer Larven entsteht, wie ich gleich zeigen werde, mit der Hauptmasse des Gesichts aus den beiderlei „Stirnfortsätzen.“ Dieser letztere Ausdruck ist aber nicht nur für den in den Oberkieferwulst eingehenden Theil des Stammsegments unzulässig, da derselbe zur Stirn in gar keiner Beziehung steht (vgl. Kölliker a. a. O.), sondern auch für den mittleren, zwischen den Nasengruben gelegenen Theil unpassend, weil derselbe auch nicht einmal theil- weise „aus dem Schädeldache“ hervorwächst, sondern unter dem Hirn bervor umfänglich sich zu entwickeln beginnt, während zwischen der Oberhaut und dem Vorderhirngewölbe eine Grundlage der späteren Stirntheile entweder noch gar nicht oder doch nur in den spärlichen Andeutungen eines interstitiellen Bil- * Dieser Fortsatz legt sich keilförmig zwischen den „Oberkieferfortsatz“ und den „mitt- leren Stirnfortsatz“ (vgl. Kölliker No. 48 8. 211). a® 644 IX. Der Kopf. dungsgewebes vorhanden ist (Taf. XVI Fig. 293. 298. 303). Die sogenannten Stirnfortsätze und die Stirnanlagen sind vielmehr als Erzeugnisse des das Centralnervenorgan über seiner Axe umwachsenden Stammsegments gleicher- weise Homologa der Membrana reuniens superior des Rumpfes und daher ge- netisch durchaus koordinirte Sonderungen derselben Grundlage; und wenn man an ihnen wie gewöhnlich die Skelettheile zunächst ins Auge fasst, so ist die Stirnwand oder das Schädeldach vielmehr als Fortsetzung der Schädelbasis und ihrer Ausläufer in den Gesichtstheil zu betrachten als umgekehrt. _ Und da die beiderlei Stirn- oder Nasenfortsätze, obgleich sie anfangs äusserlich durch die Nasengrube und ihre zur Mundbucht hinabziehende Furche geschie- dden erscheinen, in der Folge gar keine entsprechend gesonderten anatomischen Theile entwickeln, sondern in durchaus gemeinsamer Arbeit das Gesichtsskelet entwickeln, so wähle ich für beide den gemeinsamen und ganz allgemeinen Namen des medialen Gesichtsfortsatzes. — Es werden auf diese Weise die Bildungsanlagen des Gesichts nicht nach dem äusseren Relief, sondern nach ihrem Ursprunge aus den Segmenttheilen unterschieden; der mediale Gesichts- fortsatz, welcher mit zwei Schenkeln die Nasengrube umwächst, ist eine Bildung des Stammsegments, der laterale Gesichtsfortsatz des äusseren Segments (Aus- sentheil des ganzen Oberkieferwulstes) legt sich nur von aussen und hinten dem ersteren an. Die Bedeutung dieser Lagebeziehungen erhellt aber erst vollstän- dig, sobald wir die Ursachen der genannten Fortsatzbildungen uns klar zu machen suchen. Das durch die Sehnervenanlage anfänglich getheilte Stammsegment fliesst vor dem Auge, zwischen (diesem, der Geruchsplatte und dem Vorderhirne wieder zusammen, um von dort aus in alle anstossenden, zwischen den genannten Or- ganen und der Oberhaut befindlichen spaltartigen Räume hineinzuwachsen (Taf. XVI Fig. 288 u. flg.). Dies ist eben die ungetheilte Wurzel des medialen (resichtsfortsatzes. Sie erstreckt sich nun nicht gleichmässig über die ganze Fläche des anliegenden Vorderhirnabschnittes, sondern läuft aufwärts in eine verdünnte Zellenlage, eben die erste Stirnanlage, aus, während ihre grössere Masse sich gerade um die vordere anatomische Hirnbasis ansammelt, um darauf schräg vor- und abwärts auszuwachsen. Diese ungleichmässige Anord- nung der mit einer Membrana reuniens superior zu vergleichenden Theile des Vorderkopfes hängt unzweifelhaft aufs innigste zusammen mit dessen komplicir- ten Lagebeziehungen. Die Bildung des Vorderhirngewölbes ist dabei nicht in erster Linie massgebend; denn sie ist in der in Rede stehenden Periode noch un- 1. Der Vorderkopf. 645 bedeutend, und anderseits liegt jenes Gewölbe im Uebergange zur Schlussseite des Hirns der Oberhaut ursprünglich ebenso eng an wie weiter oben. Von ent- scheidender Bedeutung für die Bildung des mittleren Gesichtsfortsatzes scheint mir aber der Umstand zu sein, dass das erste äussere Segmentpaar das Hirn nicht vorwärts umkreist, sondern durch die mediane Scheidewand des Kiefer- theils in dessen seitliche Taschen gedrängt nach unten auswächst. Der daraus hervorgehende Unterkieferbogen bildet also mit dem horizontal auswachsenden Vorderhirne einen Winkel, welcher aber durch die zwischen beiden Theilen . ausgespannte Oberhaut äusserlich verdeckt wird. Dieser durch die Einsenkung der Mundbucht gewissermassen in eine Falte verwandelte Oberhautabschnitt umschliesst einen von der Seite gesehen dreieckigen Raum, welcher für die Ausbreitung der angrenzenden Segmenttheile die günstigsten Formbedingungen darbietet, also auch ihre Richtung bestimmt. Aus der vorangegangenen Be- schreibung wird man erkennen, dass diese neuentstehende Kopfregion äusser- lich durch den Oberkieferwulst bezeichnet wird, und ferner verstehen, warum sie trotz ihrer topographischen Einheit von zwei Seiten her ganz verschiedene und durch embryonale Lymphräume deutlich gesonderte Segmenttheile erhält. Dieser Inhalt des Oberkieferwulstes wächst eben nicht aus einer einheitlichen Wurzel im Grunde des oben bezeichneten Winkels hervor, sondern das Stamm- segment wie das äussere Segment entsenden in den sich neben ihnen neu er- öffnenden Raum Ausläufer ihrer noch indifferenten Bildungsmassen, welche da- her für das eine von oben, vorn und innen (medialer Gesichtsfortsatz), für das andere von unten, hinten und aussen herkommen (lateraler Gesichtsfortsatz) und bei weiterer Ausbreitung sich auch entsprechend decken. Da jedoch die be- zeichnete Abhebung der Oberhaut vom Hirntheile des Vorderkopfes sich selbst- verständlich nicht auf die Aussenseite beschränkt, sondern gleicherweise dessen laterale Bauchseite betrifft, soweit ihr nicht durch die mediane Mundbucht Grenzen gesteckt werden, so entwickelt sich der mediale Gesichtsfortsatz nicht nur lateralwärts von der entgegenstehenden Nasengrube (seitlicher Stirnfort- satz, äusserer Nasenfortsatz), sondern auch medianwärts von ihr nach unten und vorn (mittlerer Stirnfortsatz); und da beide Schenkel des Fortsatzes durch die Nasengrube ebenso wie weiter rückwärts das Stammsegment durch den Sehnerven nur zeitweilig getrennt erscheinen, sehr bald aber um die Nasen- höhle herum kontinuirlich zusammenfliessen, so ist ihre Zusammenfassung zu einem medialen Gesichtsfortsatze auf jeder Körperseite gerechtfertigt. Nach dieser Darstellung des ursächlichen Zusammenhangs der embryo- 646 IX. Der Ko £. nalen Gesichtsbildung mit den ursprünglich im Vorderkopfe enthaltenen Form- bedingungen wende ich mich zur speciellen Entwickelungsgeschichte des Ge- sichtstheils. — Die Grenzen des medialen Gesichtsfortsatzes lassen sich auf- und rückwärts nicht bestimmt angeben, da er dort kontinuirlich in die schon betrachteten, das Vorderhirn und das Auge umgebenden Stammsegmenttheile übergeht. Abwärts bleibt er gegen den lateralen Gesichtsfortsatz des äusseren Segments so lange, bis die histiologische Sonderung der einzelnen Anlagen an- gefangen hat, durch deutliche Spalten getrennt, und daher lassen sich auch seine späteren Erzeugnisse leicht bestimmen (Taf. XVTI). Von seiner Wurzel aus umwächst der mediale Gesichtsfortsatz zuerst die davor liegende Geruchs- platte, wobei deren dem Vorderhirn angeschmiegte konvexe Fläche seine Masse in einen oberen und einen unteren Strang'theilt, zwischen denen der Geruchs- nerv sich absondert (Taf. XILI Fig. 223. 227—229, Taf. XV Fig. 266—-268). Nachdem diese Stränge sich vor dem Geruchsnerven wieder vereinigt haben, ist die Kontinuität des ganzen Fortsatzes in derselben Weise wiederhergestellt, wie der Sehnerv den älteren Theil des Stammsegments nur zeitweilig spaltete. Die laterale Umwachsung des Geruchsorgans fällt mit der Herstellung einer wirklichen Nasengrube zusammen. ich habe früher gezeigt (S. 330), dass die Nasengrube nicht aus einer Einstülpung der Geruchsplatte, sondern dadurch entsteht, dass die Oberhaut zuerst am oberen und hinteren Umfange jener Platte mit einer freien Falte nach vorn auswächst und indem sie dadurch der medialen Geruchsplatte eine seitliche Nasenplatte entgegenstellt, zwischen bei- den die anfangs enge Nasenhöhle erzeugt (Taf. X VII). In diese Oberhautfalte dringen auch sofort Theile des Gesichtsfortsatzes vom Stammsegmente von hinten ein, welche die epitheliale Auskleidung der Nasenhöhle nunmehr von innen, oben und aussen kontinuirlich umgeben. Nur der Boden der Nasengrube entwickelt sich später als ihre Seitenwand, indem die früher erwähnte rinnen- förmige untere Fortsetzung der Grube in die Mundbucht die beiden Seiten- wände während einiger Zeit als getrennte Vorsprünge, eben die beiderlei Stirn- oder Nasenfortsätze, erscheinen lässt (Taf. III). Diese kurzdauernde Erschei- nung wird aber bei den Batrachiern nicht dadurch aufgehoben, dass die beiden Vorsprünge jene Furche wie bei den Amnioten überbrücken; dieselbe wird viel- mehr von hinten her ausgeglichen, indem die beiden durch sie getrennten Theile des medialen Gesichtsfortsatzes von ihrer gemeinsamen Wurzel hinter der Na- sengrube aus und unter entsprechender Vortreibung der Oberhaut successiv nach vorn zusammenwachsen. Auf diese Weise erhält die Nasengrube einen 1. Der Vorderkopf. 647 Boden und wird in einen Blindsack verwandelt, dessen Oeftnung in dem Masse, als sie vorgeschoben wird, sich zugleich verengt. In der Folge scheint diese äussere Nasenöffnung successiv nach oben zu rücken; diese Lageveränderung ist aber keine thatsächliche, sondern bloss eine relative und dadurch hervor- gerufen, dass der die Nasengrube nunmehr vollständig umschliessende mediale Gesichtsfortsatz in einer gleich näher zu erläuternden Weise sich rasch vor- und abwärts ausdehnt, also sein Rand sich von der Nasenöffnung entfernt, welche durch die ganze mit dem Hirn verbundene Nasengrube an ihrer früheren Stelle zurückgehalten und nur durch den darunter entstehenden Gesichtstheil aufwärts gekehrt wird. Der Grund der blind endigenden Nasengrube verlän- gert sich unterdessen abwärts und einwärts gegen die Mundbucht; bevor er aber mit ihrer Oberhautauskleidung verschmelzen kann, hat sich die innere Mundhöhle mit der sie quer verschliessenden Scheidewand in Folge jenes star- ken Vorwachsens des Gesichtsfortsatzes so weit vorgeschoben, (dass jener untere hintere Zipfel der Nasenhöhle dicht hinter der queren Scheidewand in die eigent- liche Mundhöhle durchbricht (Taf. XV Fig. 268, Taf. XV ILI Fig. 320 —323). Wenn ich eben von einem vor- und abwärts gerichteten Wachsthume des medialen Gesichtsfortsatzes sprach, so ist dies nicht so zu verstehen, als wenn derselbe in der angegebenen Richtung frei hervorwucherte. Aus der Darstel- lung, welche ich vom Kausalzusammenhange der Gesichtsbildung mit den all- gemeinen im Vorderkopfe enthaltenen Formbedingungen gab, geht hervor, dass der Ueberschuss von indifferentem Bildungsmaterial am Vorderende des Stamm- segments die bequemsten Bedingungen zu seiner Ausbreitung in der weiten Oberhautfalte findet, welche jederseits zwischen der Vorderhirnbasis und dem Unterkieferbogen sich ausspannt und dieMundbucht seitlich begrenzt. Der me- diale Gesichtsfortsatz des Stammsegments breitet sich daher während der Um- wachsung der Nasengrube zugleich abwärts und rückwärts in jener Falte (Oberkieferwulst, Seitenwand der Mundbucht) gegen den Unterkieferbogen aus. Dabei füllt er die seiner Wurzel am nächsten liegenden vorderen und oberen Theile des wulstigen Mundbuchtrandes zuerst und ausschliesslich aus, um sich gegen den Unterkieferbogen etwas zu verschmächtigen, während der ihm ent- gegenwachsende laterale Gesichtsfortsatz des äusseren Segments seine Haupt- masse hinter dem ersteren entwickelt und auf den genannten wulstigen Rand nur seitlich mit verdünntem Saume übergreift (Taf. X VI Fig. 288 u. flg). Da dem seitlichen Mundbuchtrande oder dem Oberkieferwulste durch die früh- zeitig beginnende Einwärtsbiegung des ventralen Abschnittes vom Unuterkiefer- 648 IX. Der Kopf. bogen eine bestimmte untere Grenze gesteckt wird, so endet auch der in ihm enthaltene mediale Gesichtsfortsatz an derselben Stelle und geht darauf mit dem Unterkieferbogen die schon kurz erwähnte innige aber vergängliche Ver- bindung ein (Oberkieferknorpel und M. temporalis). Der hintere innere Rand unseres Fortsatzes, welcher vom Augenhöhlenboden ziemlich steil zu jener Stelle hinzieht, bleibt von den dahinter liegenden Kaumuskeln längere Zeit durch embryonale Lymphräume deutlich getrennt. Die Hauptmasse des Fort- satzes ist daher im ganzen Umfange der Nasengrube und im seitlichen oberen Mundbuchtrande zu suchen. Diese beiderseitigen Randwülste divergiren an- fangs von ihrer oberen Verbindung nur wenig abwärts, umfassen also eine median gestreckte Mundbucht, welche oben am Ausgangspunkte der An- lage des Hirnanhangs beginnt und unten in die beide Unterkieferhälften schei- dende Furche ausläuft (Taf. IIT). In dem Masse, als die letzteren sich quer stellen und dadurch die Mundbucht mit ihrer Scheidewand verbreitern, nimmt auch die Divergenz der oberen Randwülste zu, sodass sie endlich die querge- zogene Mundbucht ganz flach überragen und in der Medianebene immer mehr zu einem kontinuirlichen schirmähnlichen Dach zusammenfliessen, welches von einer Seite zur anderen gekrümmt die Mundbucht von vorn her verdeckt (Taf. XVI Fig. 305). Die äussere Mundöffnung wird dadurch natürlich nach unten gerichtet. Die breite Basis dieses Daches geht zwischen und unter den Nasenhöhlen in die Gegend der vorderen Schädelbasis und der vorderen Schä- delwand über; unmittelbar hinter jenen Höhlen steigt sie zum Unterkieferbo- sen hinab, auf den sich die lateralen Enden des Daches in der Nähe des Uuter- kiefergelenks gleichsam stützen. Anfangs schickt das Stammsegment im den medialen Gesichtsfortsatz nur interstitielles Bildungsgewebe hinein. Sobald aber die beiden Wirbelbogen- hälften des Vorderkopfes angelegt sind, erscheint auch sofort eine Fortsetzung derselben in den medialen Gesichtsfortsätzen oder dem Dache der Mundbucht, wosie an seiner Innenseite der Oberhaut dicht anliegen (Taf. X VI Fig. 303, Taf. XVII Fig. 316—515). Solange aber dieser Gesichtstheil noch unter dem Zwischenhirne entspringt, die künftige Schädelbasis über den Sehnervenur- sprung wenig hinausreicht, stehen die konvergirenden Wirbelbogenhälften auch beim Uebergange in den Gesichtstheil, wo sie lateralwärts die inneren Nasen- mündungen unmittelbar begrenzen, ziemlich weit auseinander und wachsen im Mundbuchtdache divergirend nach aussen und unten, sodass ihre abgeplatteten Enden an dessen unterster Grenze sich dem Unterkiefergelenke nähern. Wäh- ee 1. Der Vorderkopf. 649 rend die Schädelbasis und damit die Basis des medialen Gesichtsfortsatzes sich bis unter das vordere Hirnende vorschieben, verbinden sich dort die Wir- belbogenhälften ringförmig; und von diesem vorderen Schlusse der Schädel- basis oder der Wurzel der vorderen Schädelwand setzt sich die Verschmelzung der Bogenhälften noch in den Gesichtstheil fort und bildet dadurch die unpaare mediane Wurzel oder die Stammplatte des Gesichtsskelets (Taf. XV Fig. 284, Taf. XV ILI Fig.3.24.326.327.331, Taf. XIX Fig. 337.343). Mit den ursprünglichen Hälften dieser Stammplatte sind auch die ihnen anliegenden inneren Nasenöffnungen nach vorn und medianwärts gerückt, sodass sie end- lich zur Seite der Stammplatte liegen. Dabei haben die eigentlichen Nasen- höhlen ihre Lage in gleichem Sinne verändert und lagern daher jederseits vor der Schädelkapsel nahe bei einander auf den Seitentheilen der Stammplatte. Zwischen ihnen entwickelt sich später von der Stammplatte aus eine mediane Knorpelwand, die Nasenscheidewand, während die übrigen die Nasenhöhlen später umgebenden Knorpelstücke selbstständige Bildungen sind, ähnlich den Knorpelkapseln des Gehörorgans und des Auges. — Aus der Stammplatte tre- ten die beiden Wirbelbogenhälften wieder divergirend hervor; indem sie sich aber abwärts gekrümmt dem Rande des Mundbuchtdaches nähern, erleiden sie gewissermassen eine Knickung gegen die Medianebene und stossen mit den da- durch gebildeten Vorsprüngen an jenem Rande zusammen, ehe sie längs des- selben nach beiden Seiten diametral auseinanderfahren. Diese ihre Seitentlügel, welche durch eine rasch zunehmende Abplattung und Verbreiterung eine ohn- sefähr viereckige Gestalt mit geschweiften Rändern erhalten, sondern sich als- bald durch einen Einschnitt von den medialen Theilen ab und verdienen als- dann die Bezeichnung von Oberkieferknorpeln. Denn indem sie sich dem Mundbuchtdache entsprechend nach hinten umbiegen, stösst ihre laterale obere Ecke an das Insertionsende des M. temporalis und verbindet sich mit einem Bündel desselben, einem zeitweiligen M. retrahens maxillae superioris, sodass die fragliche Knorpelplatte den lateralen oberen Mundrand bis zum Unterkie- ferbogen umzieht. Dann ergeben sich aber die beiden medialen Knorpelstücke, welche in der Mitte des oberen Mundrandes zusammenstossen, seitlich in den Oberkiefer, aufwärts rückwärts um eine mediane Spalte herum in die Nasen- scheidewand übergehen, als die Hälften des Zwischenkiefers. — Auf diese Weise entsteht die ganze knorpelige Grundlage des vorderen Gesichtsskelets aus den Enden des ersten Wirbelbogenpaars, soweit sie über den Wirbelbogen- ring linauswachsen; und wenn die ganze subepidermoidale Masse des medialen 650 IX. Der Kopf. Gesichtstheils mit der Membrana renniens des Hinterkopfes und Rumpfes ver- glichen werden kann, so darf man jenes ursprüngliche Gesichtsskelet als Homo- logon der Darmfortsätze der Rumpfwirbel betrachten, welche allerdings bei unserem Thiere in den knorpeligen Spitzen der queren Bogenstücke nur ange- deutet sind. Der laterale Gesichtsfortsatz des äusseren Segments ist theils in die Tiefe des Oberkieferwulstes, theils auf dessen untere Aussenseite verwiesen (Taf. XYVT). Am erstgenannten Orte entsteht die schon beschriebene Flügelgaumen- platte als Brücke vom Unterkieferbogen zur Schädelbasis. Aussen zwischen demselben und dem Mundbuchtdache erzeugt der laterale Gesichtsfortsatz vor- herrschend mterstitielles Bildungsgewebe; nur sein unterster Theil, welcher vom Ende des lateralen Unterkieferbogens nach vorn ausstrahlt, verwandelt sich in spärliche Muskelbündel. Doch wird diese dünne Muskellage von der im oberen Mundrande überwiegenden Masse des medialen Gesichtsfortsatzes so weit hin- abgedrängt, dass der anfangs stumpfe seitliche Mundwinkel, indem er sich all- mählich zuspitzend quer vorrückt, jene nach vorn ausstrahlende Muskelschicht in zwei Hälften theilt, von denen nur die obere die Seite des Mundbuchtdaches bedeckt, die andere unter dem Mundwinkel in den queren Unterkieferwulst verschoben wird (Taf. XVII Fig. 318. 519, Taf. XV III Fig. 326. 328. 331). Beide Muskeln entspringen mit schlanken Sehnen von der Mitte der vorderen Fläche des lateralen Unterkieferstückes; um aber ihre Insertionen am oberen und unteren Mundrande zu verstehen, muss man die besondere Umbildung der letzteren kennen lernen. — Wenn das Knorpelgerüst des Gesichtstheils an- fangs in der Tiefe desselben, an seiner visceralen Seite liegt, so wird der nicht unansehnliche Raum zwischen demselben und der vorgewölbten äusseren Ober- haut theils von den Nasenhöhlen eingenommen, zum grösseren Theile aber von einem bindegewebigen Balkenwerke durchzogen, dessen Stränge nach vorn aus- strahlen und sehr weite Lymphräume zwischen sich frei lassen (Taf. XV Fig. 283, Taf. XV I Fig. 302. 505). Dieses lockere und leicht verschiebbare Ge- webe erfüllt also auch den ganzen wulstigen Mundrand, dessen Oberhaut da- gegen resistenter ist, da sie schon sehr frühe verdickt erscheint. Diese Ver- diekung zieht sich vom unteren Rande des Zwischen- und Oberkieferknorpels an deren hintere viscerale Fläche hinüber, wo beide Theile so innig zusammen- hängen, dass eine Trennung derselben ohne wesentliche Beschädigung des einen oder anderen nur selten gelingt. Eine ähnliche Oberhautverdickung befindet sich auf dem vorgewölbten Theile des ventralen Unterkieferbogens, dicht unter 1. Der Vorderkopf. 651 dem Mittelstücke des Unterkiefers, deren obere Fortsetzung dem letzteren eben- falls angelöthet ist. Beide Oberhautbildungen oder die Hornlippen der Larve gehen lateralwärts mit einem Umschlag in einander über, und zwar in einem solchen Abstande von der Medianebene, dass die Seitenstücke des Unterkie- fers zum grössten Theile und von den Oberkieferknorpeln die hinteren Fortsätze frei bleiben (Taf. X VIII Fig. 329). Diese Hornplatten entwickeln, soweit sie nicht mit den Kieferknorpeln verwachsen sind, einige parallele Quer- reihen von sogenannten Hornzähnen, deren Entwickelungsgeschichte und Hi- stiologie mir zu fern lag, um sie genauer zu untersuchen (vgl. VoGT, LeyviG, SCHULZE). Jede Hornplatte besteht also aus zwei Theilen, dem unbeweglich an den betreffenden Kieferknorpel befestigten und dem davon nach vorn ab- gehenden, zähnetragenden Theile, welcher nach innen mit dem beschriebenen lockeren Bindegewebe in Verbindung steht und daher am Knorpelrande wie an einem Charnier bewegt werden kann (Fig. 326— 331). Bevor die Larven zu fressen anfangen, stehen diese beweglichen Theile beider Lippen so zu ein- ander, dass die obere Platte mit ihrer konkaven Fläche schräg nach unten und hinten sieht, die untere nach vorn und in Folge einer dem eingeknickten Mit- telstücke des Unterkiefers entsprechenden Einbiegung etwas nach oben gekehrt ist. Und da die Ansatzlinien beider Lippen kürzer sind als ihre freien Aussen- ränder, so umschliessen sie in der bezeichneten Periode einen von zwei Seiten her etwas zusammengedrückten trichterförmigen Raum; diese ihre Stellung deutet daher ebenso wie die schon erwähnte gleichzeitige Lage des Kieferge- rüstes den Zustand des mässig weit geöffneten Mundes an, welcher zunächst in die vorherröchend im oberen Theile entwickelte Mundbucht oder den Raum vor dem Unterkiefer und den hinteren Nasenöffnungen, und nach dem alsbald er- folgenden Durchbruche und Schwunde der queren Scheidewand in die ganze eröffnete Mundhöhle führt (Taf. XX Fig. 352-556). An die bezeichneten Hornlippen setzen sich nun die beiden dünnen Muskeln an, welche als ein nach- träglich gespaltenes Erzeugniss des lateralen Gesichtsfortsatzes betrachtet wer- den können. Der obere Lippenmuskel, M. constrietor labii superioris, schlägt sich um den hinteren Seitenrand des Oberkieferknorpels und strahlt über des- sen Seitenfläche fächerförmig gegen den Rand der Oberlippe aus, welche er hebt und da ihre Enden befestigt sind, stärker krümmt. Aehnlich inserirt sich der andere Lippenmuskel an der unteren Hornlippe, welche durch ihn gleich- falls gekrümmt wird; er wird vom unteren Kiefernerven versorgt, welcher wahr- scheinlich auch den oberen Muskel mit Zweigen versieht, So klein und zart auch 652 IX. Der Kopf. diese beiden Lippenmuskeln erscheinen, so sind sie doch nicht unwichtige Theile des ganzen Bewegungsapparats der Kiefer, welcher bei der Larve viel kom- plieirter ist als im erwachsenen Thiere. Im beständigen Zustande des geöffneten Mundes, welcher den noch nicht fressenden Larven der ersten Periode eigen ist, wird die trichterförmige Stel- lung der beiden Hornlippen theils durch den gekrümmten Oberkieferrand (Zwischen- und Oberkieferknorpel), theils durch den Unterkiefer aufrecht er- halten, dessen: Seitenstücke ziemlich horizontal liegen, also von der Mundhöh- lendecke abstehen, und dessen stark geknicktes Mittelstück nach hinten und unten gerichtet ist. Dieser Zustand der noch unbeweglichen Kiefer kann aber natürlich nicht das Maximum der Oeffinung darstellen, da in diesem Falle bei dem Eintritte der Bewegungsfähigkeit den Oefinungsmuskeln die Möglichkeit einer Verkürzung, also der Thätigkeit überhaupt fehlte. Es ist also ein mitt- lerer Ruhezustand des Kieferapparats, der aber dem Maximum der Oeffnung näher steht als dem vollständigen Verschlusse des Mundes. Soll jene ursprüng- liche Oeffnung erweitert werden, so kann dies, da die zusammenhängenden Flächen der Lippen sich nicht ausdehnen können, nur durch ihre stärkere Krümmung oder eine Vervollkommnung der Trichterform, und ein Verschluss des Mundes nur durch ein Zusammenpressen der abgeplatteten Lippen erreicht werden. In beiden Fällen führt aber die Unterlippe, wie man sich an lebenden Larven leicht überzeugt, die stärkere Bewegung aus und unterstützt dabei die entsprechenden Veränderungen der Oberlippe. Diese würde zum Zweck der Oeftfnung des Mundes durch den M. constrietor labii superioris nur wenig ge- hoben werden, wenn ihre Enden nicht durch die sich gleichzeitig senkende Unterlippe hnabgezogen und dadurch der obere Mundrand stärker gekrümmt, also der Trichterraum des Mundeingangs nach oben vergrössert würde. Die Senkung und Krümmung der Unterlippe setzen aber eine entsprechende Lage- und Formveränderung ihrer Ansatzlinie oder des Unterkiefers voraus. Die Sen- kung wird durch den M. depressor mandibulae herbeigeführt, welcher das Sei- tenstück des Unterkiefers wie einen zweiarmigen Hebel um das Hauptgelenk abwärts dreht; da aber beide Gelenkstücke ursprünglich horizontal lagen, so würde diese Bewegung ihre medialen Enden von einander entfernen, daher das Mittelstück strecken und die Krümmung der daran befestigten Unterlippe ge- rade abflachen, wenn nicht die Mm. geniohyoidei jenes Mittelstück nach hinten zögen und mit der dadurch herbeigeführten Annäherung seiner Enden auch seine Knickung vergrösserten, wobei der M. submentalis wesentlich mitwirkt. 1. Der Vorderkopf. 653 Es wird also durch die vereinigte Wirkung dieser Muskeln die mittlere Spitze des Unterkiefers unter Verkleinerung ihres Winkels schräg rückwärts und ab- wärts bewegt, und in Folge dessen das durch die Hornlippen gebildete Larven- maul trichterförmig erweitert. Diese Bewegung kann aber die eigentliche Mundhöhle, welche hinter dem queren Unterkiefer über dem grossen embryona- len Zungenbeinapparate liegt, und die sich daran schliessende Schlundhöhle nicht wesentlich verändern. Ursprünglich stellen beide allerdings einen weit offenen Raum dar, welcher sogar höher als breit ist; allmählich wird er aber niedriger und breiter, sodass er am Ende der ersten Larvenperiode zu einer horizontalen Spalte geworden ist, welche Decke und Boden des ganzen Kopf- darmraums sich berühren lässt (Taf. XIH—XV, XXI Fig. 369. 5370, Taf. XVI Fig. 292. 293. 298. 303). Soll nicht bloss das Larvenmaul kauen, son- dern Nahrung, Wasser oder Luft in die Mundhöhle aufgenommen und von dort weiter befördert werden, so muss der Boden der letzteren gleichfalls gesenkt und darüber auf diese Weise ein freier Raum geschaffen werden; dies geschieht durch den M. depressor ossis hyoidei, welcher jederseits das laterale Ende des Zungenbeinhorns rückwärts hebt, das mediale aber senkt. Dabei fixirt er diesen Skelettheil für die oben erwähnte Oeffnungsbewegung des M. geniohyoideus. Die Schliessung des Mundes erfolgt, sobald die genannten Oeffner erschlaf- fen, durch die Thätigkeit der Kaumuskeln (Mm. temporalis, pterygoideus, mas- seter). Wie schon erwähnt (S. 339. 340), rollen sie die Seitenstücke des Unter- kiefers in einer Kegelfläche, deren Spitze im Hauptgelenke liegt, nach oben und hinten um und heben sie lateralwärts; dadurch wird das geknickte Mittelstück quer gestreckt und nach vorn gehoben, zugleich aber an den Öberkieferbogen gedrückt, welcher seinerseits durch die beiden Mm. retrahentes maxillae su- perioris zurückgezogen, also dem Unterkiefer entgegengepresst wird. Da nun der letztere durch seine quere Streckung die Krümmung der Unterlippe ab- plattet, so passt sich ihr die angelagerte Fläche der Oberlippe an, und beide verwandeln so den Mundtrichter in eine geschlossene quere Spalte. Zugleich schliesst sich auch die Mundhöhle theils durch Erschlaffung des M. depressor ossis hyoidei, theils durch die Wirksamkeit seines Antagonisten, des Zungen- beinhebers, welcher an dem durch die Kaumuskeln fixirten Unterkiefer einen festen Ursprungspunkt erhält. Da aber die Bewegungen des Mundhöhlen- bodens Drehungen um eine quere, die seitlichen Zungenbeingelenke verbindende Axe sind, so muss meiner Ansicht nach eine Hebung vor dieser Axe (Mund- höhle) mit einer Senkung dahinter (Schlundhöhle) zusammenfallen, sodass der 654 IX. Der Kopf. Inhalt der Mundhöhle durch ihre Schliessung ganz natürlich in die Schlund- höhle geschoben wird. Es bleiben noch einige Bildungen im Bereiche der Nasenhöhlen zu er- wähnen, An den letzteren sind, nachdem sie die zuletzt geschilderte Ausbil- dung erlangt, zwei Abtheilungen zu unterscheiden: die weitere obere Höhle mit der eigentlichen Geruchsplatte und der untere enge Ausgang in die Mund- höhle (Taf. XVI Fig. 302, Taf. XVILI Fig. 326, Taf. XXI Fig. 377). Die erstere liegt allein auf der Stammplatte und stösst hinten mit blindem Ende an die vordere Schädelwand; aus ihrer vorderen, unter der äusseren Oeffnung gelegenen Bucht geht abwärts und einwärts ein kleiner Blindsack ab, welcher von oben durch ein horizontal aus der Wand hervorgewachsenes Blättchen be- deckt wird, abwärts sich aber mit einer Drüse verbindet, welche vom Mund- epithel aus sich zwischen die beiden Zwischenkieferschenkel entwickelt (Kiefer- drüse Levpıe Nr. 81 8.36). Es dürfte daher jene Ausstülpung der Nasen- höhle einem Jacogson’schen Organ, welches mit beiden Haupthöhlen des Ge- sichts in Verbindung steht, verglichen werden. Auch fehlt der Nasenhöhle der Batrachier eine besondere knorpelige Umhüllung nicht. Der Boden und die gemeinsame Scheidewand entspringen allerdings aus der Stammplatte. Das Dach und die Seitenwand der Nasenhöhle werden aber von einem Knorpel- blatte überdeckt, welches der bindegewebigen, pigmentirten Unterlage des Nasenepithels dicht anliegt, aber von der angrenzenden Schädelwand und der Nasenscheidewand anfangs leicht getrennt werden kann, sodass mir seine Uebereinstimmung mit den eigenen Knorpelkapseln des Auges (Sklerotikal- knorpel) und des Ohres nicht zweifelhaft ist (Taf. XVILI Fig. 331, Taf. XIX Fig. 356). Der Nasenknorpel umkreist die äussere Nasenöffnung von hinten und innen, wo er später mit dem Schädel und der Nasenscheidewand verschmilzt, und legt sich ferner mit einem gekrümmten dünnen Blatte über die ganze vordere äussere Fläche der Nasenhöhle; dabei umfasst er auch das Jacorson’sche Organ, dessen untere Kommunikation ihn durehbohrt, und schickt auch einen Fortsatz in das erwähnte horizontale Blättchen, worauf dasselbe eine unbestreitbare Aehnlichkeit mit einer Nasenmuschel erhält (vgl. Ecker Nr. 90 85.53). Rückwärts erreicht diese vordere äussere Platte des Nasenknorpels dessen hinteren Theil, aus dem ihr eine kurze Spitze entgegen- wächst, nicht; ein anderer Fortsatz desselben Theils, der Orbitalfortsatz des Nasenknorpels, erstreckt sich seitwärts auf die Leiste des Gaumenbeinknorpels und verbindet sich mit ihr je länger desto fester. Er umwächst den Seitenzweig 1. Der Vorderkopf. 655 des N. nasalis und erhöht die vordere Augenhöhlenwand (Taf. XIX Fig. 355, 336. 342). Der kanalförmige enge Ausgang der beschriebenen weiten Nasen- höhle entsteht dadurch, dass die noch nicht verbundenen Wirbelbogenhälften als getrennte Anlagen der Stammplatte den ursprünglichen Blindsack der Nase in seiner halben Fläche von innen her eindrücken, sodass der untere Theil des- selben nach seiner Verbindung mit dem Epithel der Mundhöhle um den Rand der Stammplatte gekrümmt und abgeplattet bleibt (Taf. XV III Fig. 522). Daher besitzt er, obgleich spaltartig eng, eine gewisse Höhe und sagittale Länge und verdient den Namen eines Nasenrachenganges. Seine Mündung liegt in dem Winkel zwischen der Stamm- und der Flügelgaumenplatte, und ist vor dem Beginn oder Metamorphose schräg nach innen gerichtet, sodass ein wulstiger lateraler Saum sie von unten bis auf das vorderste Ende verdeckt (Fig. 323). In der Basis dieser wulstigen Lippe entwickelt sich später ein festes Band, welches an der Aussenseite der Nasenöffnung zwischen jenen beiden Knorpelplatten ausgespannt, aus kurzen Fortsätzen derselben entspringt (Fig. 327. 351). Von diesen bezeichnet der vordere ohngefähr die Grenze zwischen Stammplatte und Zwischenkiefer; der hintere scheidet ebenso die Flügelgaumenplatte in den medianen Gaumenbeinknorpel und den late” ralen Flügelbeinknorpel. Unterdessen hat sich jene wulstige äussere Lippe der inneren Nasenöffnung eigenthümlich weiter entwickelt (Fig. 529). Nach vorn setzt sie sich in einen niedrigen Wall fort, welcher bogenförmig mit dem anderseitigen zusammenstösst und so den Gaumenbogen bildet. Vom vorderen Ende der Nasenöffnung an wächst die genannte Lippe, indem sich ihre Bildung in der ursprünglichen schrägen Richtung über die ganze Bauchfläche des Gaumen- und Flügelbeinknorpels fortsetzt, zu einer dünnen aber breiten Platte aus, welche horizontal gegen die Medianebene gerichtet ist, einen vorderen queren und einen medialen nach hinten und aussen gekrümmten Rand besitzt, der mit kurzen Zäpfchen besetzt ist. Nach ihrer Lage gehört sie vorn dem medialen, hinten dem lateralen Gesichtsfortsatze an; ihre Be- ziehungen zur inneren Nasenöffnung und zur Mundhöhle gestatten sie als Gaumenleiste zu bezeichnen. Die Spalte, welche zwischen beiden nach hinten divergirenden Gaumenleisten liegt und nach vorn sich gleichsam innerhalb des Gaumenbogens erweitert, stellt alsdann eine mediane Gaumenspalte dar. Verwüchse dieselbe, so entstände auch bei den Batrachiern ein vollständiger Gaumen als Boden einer weiten gemeinsamen Fortsetzung der beiden kurzen Nasenrachengänge; und selbst für eine Theilung dieses Raums findet sich eine 656 IX. Der Kopf. Anlage in unseren Larven, indem ein medianer dreizipfeliger Fortsatz zwischen den Gaumenleisten aus der Mundhöhlendecke hervorwächst. Alle diese Bil- dungen beginnen sich zurückzubilden, sobald die Larvenmetamorphose emtritt, welche auch alle übrigen Theile des Vorderkopfs wesentlich verändert. Die Larvenmetamorphose der Batrachier ist eine Periode im Ge- sammtverlaufe ihrer Entwickelung, welche sich dadurch auszeichnet, dass eine Anzahl von bereits funktionirenden Organen und Organsystemen im relativ kurzer Zeit wesentlich und in gegenseitiger Anpassung verändert werden, und dadurch das Bild einer gründlichen Umwälzung in der gesammten Organi- sation und Oekonomie der Larve hervorgerufen wird. Es darf jedoch dabei die Vorstellung nicht Platz greifen, als wenn die wichtigste Veränderung, näm- lich diejenige des Ernährungssystems, die ausschliessliche Ursache der ganzen Metamorphose oder diese ein Entwickelungsvorgang sui generis sei, ohne rechte Analogie im übrigen Entwickelungsverlaufe. Man hat sich daran gewöhnt, den Begriff der in Rede stehenden Larvenmetamorphose in durchaus unnatür- licher Weise so zu bestimmen, dass sie im Verluste gewisser provisorischer Larvenorgane bestehe (vergl. Harcren Nr. 100 I S. 24. 25); diese auf die äussere Erscheinung beschränkte und daher von den Ursachen derselben ganz absehende Auffassung muss aber nothwendig den Schluss provociren, dass die (Gesammtveränderung eine Folge jenes Verlustes der provisorischen Larven- organe sei. Gegenüber den entwickelungsgeschichtlichen Thatsachen scheint mir aber eine solche Vorstellung ganz unhaltbar zu sein. Einmal findet jeder Verlust einen Ersatz oder eine Ausgleichung durch korrelative Ausbildung anderer Theile: an die Stelle der Kiemen treten die Lungen, die räumliche Re- duktion des Kiemenapparats steht im Zusammenhange mit der stärkeren Ent- wickelung des davor liegenden Unterkiefers und Flügelgaumenbogens, die Ver- änderung der Fresswerkzeuge mit der Umbildung des Darms, und die Korre- lation in der Ausbildung des Schwanzes und des übrigen Bewegungsapparats habe ich schon früher erörtert (S. 616). Ferner”verläuft die korrelative Aus- bildung der bleibenden Theile im allgemeinen gleichzeitig mit der Rückbildung der provisorischen Organe, sodass ebenso oft die erstere die Ursache zu sein scheint als umgekehrt. So finden wir bei den Anurenlarven die Lungenath- mung in energischer Ausbildung begriffen, während die innere Kiemenathmung noch in vollem Flor steht, und im Zusammenhange damit schwindet auch die letztere relativ, d. h. im Verhältniss zur Bildung des ganzen Thiers bis zur (e- schlechtsreife, viel früher als bei den Tritonen, deren Lungen viel später zu I. Der Vorderkopf. vi funktioniren anfangen; ferner ist bei den Tritonen, deren Kiemenapparat beim Mangel innerer Kiemensäcke eine viel geringere räumliche Reduktion erfährt als bei den Anuren, auch der Unterkiefer von Anfang an stärker und vor- springender entwickelt als bei den letzteren. Kurz, alle bezüglichen Beobach- tungen reden der Auffassung das Wort, dass das Wesen der Metamorphose nicht in den einzelnen Rückbildungen, sondern in der gegenseitigen Anpassung gewisser in verschiedenem Grade entwickelter Theile beruhe, wobei Rückbil- dung und Fortbildung sich gegenseitig bedingen und zum Ganzen in bestimm- tem Wechselverhältnisse bleiben. Dann werden wir aber auch in der Larven- metamorphose nur eine besondere Form der korrelativen Entwickelung erkennen, welche bereits in der embryonalen Periode deutlich genug, aber in der äusseren Erscheinung weniger auffallend hervortritt, weil die Differenzirung aller Körper- theile weniger weit vorgeschritten ist. Und wenn man darauf Gewicht legen wollte, dass es in dem ersten Falle sich um Theile handle, welche bereits funk- tionirt haben, in dem andern Falle aber um histiologisch und physiologisch noch indifferente Embryonalanlagen, so erinnere ich an die Stammuskeln des Hinterkopfes und die Haftorgane der eben ausgeschlüpften Larven, welche voll- kommen, aber nur bis zum Anfange der zweiten Larvenperiode, mit welcher das physiologische Gesammtleben erst beginnt, funktioniren, und deren alsdann eintretende Rückbildung doch wohl nicht den Anfang der Larvenmetamorphose bezeichnen soll. Es kommt der letzteren folglich nur eine, wenn ich so sagen darf, praktische, nicht theoretische Bedeutung zu, indem gewisse Entwicklungs- vorgänge aus Ursachen, die ich erst an einer anderen Stelle erörtern will, auf eine Zeit verschoben sind, welche uns für eingreifende Veränderungen un- gewöhnlich spät erscheint. Mit welchem Recht soll erst später untersucht werden. Bei einer solchen Beurtheilung der Larvenmetamorphose kann die Beschreibung ihrer einzelnen Erfolge nur eine einfache Fortsetzung der voran. gegangenen Darstellung sein. — Während der aufgetriebene Bauch der Larve durch die beträchtliche Verkürzung des Darmkanals abschwillt, um erst in einen walzenförmigen, dann einen abgeplattet breiten Rumpf überzugehen, während ferner der Lokomotionsapparat in der Stammuskulatur eine reichere Gliederung, in den wachsenden Gliedmassen eine stärkere Entwickelung erfährt, dafür aber im Schwanze das seitherige Ruderorgan verliert, ist es eigentlich der Kopf, an welchem sich die mannigfaltigsten Veränderungen vollziehen. Sie lassen sich leicht in zwei Gruppen scheiden, welche sich auf den Vorder- und den Hinterkopf vertheilen, nämlich für diesen als Rückbildung des Kiemen GoETTE, Entwickelungsgeschichte. 42 658 IX. Der Kopf. apparats, für jenen als.Umbildung des Kieferapparats. Zunächst beschäftigt uns nur der letztere. Der eigentliche Gesichtstheil wird während der Larvenmetamorphose einer merklichen Reduktion unterworfen (Taf. XVIIL, XIX). Zuerst schwin- det die Hornlippe mit ihren Muskeln, sodass der obere Mundrand sich bis auf den horizontalen unteren Rand der Kieferknorpel zurückzieht (Fig. 335. 336). Ferner verkürzen sich die Zwischenkieferhälften bis zur Gestalt zweier nach unten und aussen gekrümmten unansehnlichen Fortsätze der Stammplatte; die Oberkieferknorpel lösen sich von ihnen ab, schrumpfen zu niedrigen Platten ein und büssen ihre Verbindung mit dem M. temporalis ein (Flg. 337. 3453). Diese Schrumpfung der Knorpeltheile des vorderen Gesichts geht Hand in Hand mit einer Zusammenziehung des lockeren Bindegewebes, welches sie vorn bedeckte und den relativ grossen seitlichen Zwischenraum zwischen ihnen, den Nasen- kapseln und dem Unterkieferbogen ausfüllte. Es verwandelt sich in ein dich- tes Binde- und Bildungsgewebe, und zieht sich mit den darin enthaltenen Zwischen- und Oberkieferknorpeln bis zum unteren Umfang der unterdessen vergrösserten Nasenkapseln hinauf, welchem es sich in Form eines das Vorder- ende des Gesichts abschliessenden, abwärts in den oberen Mundrand aus- laufenden Bogens eng anschliesst. Die Nasenkapseln dehnen sich vorherrschend in die Breite aus, woran insbesondere ihr knorpeliger Boden oder die Stamm- platte theilnimmt, sodass die inneren Nasenöffnungen lateralwärts verschoben sich von einander entfernen (vgl. Fig. 329. 332). Zugleich wächst am Ur- sprunge des jede dieser Nasenöffnungen lateralwärts umziehenden Bandes ein halbmondförmiger Fortsatz der Stammplatte hervor, welcher dasselbe theil- weise ersetzt, sowie auch der Gaumenbeinknorpel eine Spitze in jenes Band vor- schiebt (Fig. 337). Diese nunmehr theilweise knorpelige laterale Einfassung der inneren Nasenöflnung bezeichnet die Wurzel des jederseitigen hinteren Ab- schnitts vom Gaumenbogen, welcher im übrigen mit der sich ausdehnenden Stammplatte flach in die Breite ausgezogen den vorderen und seitlichen Umfang der Nasenkapseln umschreibt. Daraus erhellt aber, dass der sich ausdehnende Gaumenbogen endlich sehr dicht nach innen von dem sich aufwärts um die Nasengegend zusammenziehenden Oberkieferbogen zu liegen kommt, dessen hinteres Ende mit dem atrophischen Oberkieferknorpel sich gleichfalls an den lateralen Vorsprung des Gaumenbeinknorpels befestigt (Fig. 532. 330. 337). Während aber der Gaumenbogen in den vollendeten Zustand des Batrachier- kopfes mit hinübergenommen wird, atrophiren die Gaumenleisten so weit, dass 1. Der Vorderkopf. "869 an ihrer Stelle der schmale Gaumenbogen auf den Flügelbeinknorpel fortgesetzt erscheint. Mit jenen Leisten schwindet auch der ganze wulstige Saum der inneren Nasenöffnungen, welche in Folge der Ausdehnung der Nasenhöhlen aus der früheren schräg seitlichen Lage in eine horizontale übergehen; durch diese Veränderungen verlieren sie die ursprüngliche Form kurzer abgeplatteter Kanäle (Nasenrachengänge) und werden zu unmittelbaren Oeffnungen der Nasenhöhlen mit weiter runder Lichtung. — Aehnlich dem Gaumenbogen er- hält auch der Oberkieferbogen eine Art Fortsetzung nach hinten, indem zwischen seiner konvexen Aussenseite und dem vorderen Gelenkende des Quadratbeinknorpels sich ein breites Band entwickelt (Fig. 335—337. 342. 343). Diese Anlage eines unteren Jochbogens steht anfangs von dem hin- teren Theile des Oberkieferbogens ziemlich weit nach aussen ab. In Folge des queren Wachsthums des Gaumenbeinknorpels erreicht aber sein laterales Ende jenen J ochbogen, welcher also davor mit dem Oberkieferbogen völlig verschmilzt und selbst rückwärts dem unterdessen in sagittaler Richtung lang ausgezogenen Flügelbeinknorpel und dem von ihm getragenen hinteren Gaumenbogen eine Strecke weit sich eng anschliesst. — Schon während der Metamorphose beginnen an dem geschilderten Gesichtsskelete Verknöcherungen aufzutreten. Zuerst bilden sich schmale und dünne knöcherne Platten, welche die Zahnwurzeln des oberen Mundrandes befestigen und verbinden. Diese Alveolarplatten zerfallen jederseits in ein vorderes und ein hinteres Stück; die beiden vorderen schliessen sich den Zwischenkieferknorpeln an, welche mit ihren hinteren von der Stamm- platte und der Nasenscheidewand abgelösten Enden sich aufrichten und ganz verknöchern. DieOssa intermaxillaria des ausgebildeten Thieres bestehen daher aus einem aufgerichteten medialen und einem unteren horizontalen Seitenstücke, von denen nur das erstere knorpelig vorgebildet aus dem ersten Kopfwirbelbogen hervorging. An die Zwischenkieferbeine schliesst sich jeder- seits eine Alveolarleiste, welche nach aussen von dem atrophischen und alsbald ganz verschwindenden Oberkieferknorpel gelegen und in wechselnder Länge in dem unteren Jochbogen sich fortsetzend als Os maxillare beschrieben wird. Mit den genannten Knochen verbindet sich medianwärts eine schmale horizon- tale Knochenplatte, welche im Gaumenbogen entsteht und daher ein cchtes, wenngleich unansehnliches Homologon eines nicht zum medianen Abschluss kommenden harten Gaumens darstellt. Der hinterste Abschnitt des Joch- bogenbandes verknöchert ebenfalls und zieht zugleich einen kleinen Theil vom (relenkende des Quadratbeinknorpels in seine Verknöcherung hinein, sodass 42* 660 IX. Der Kopf. das Os jugale an der Herstellung der Gelenkgrube betheiligt ist (vgl. Ecker Nr. 90 5.36). Die Nasenbeine gehören als Deckknochen der Nasenkapseln durchaus nicht in dieselbe Kategorie wie die Schädeldachknochen; dagegen dürfen zum eigentlichen Schädel mit mehr Recht die Pflugscharbeine ge- rechnet werden, welche anfangs an der Grenze von Schädelbasis und Stamm- platte sich ebenso bilden wie dahinter das sogenannte Os sphenoideum. Die Verknöcherung des Vorderrandes der knorpeligen Schädelkapsel (Os en ceinture) habe ich in den von mir untersuchten Entwickelungsstufen nicht beobachtet. Bei der Metamorphose des Unterkieferbogens greifen ebenfalls Rückbildung und Wachsthum in einander, um den Kauapparat den veränderten Verhältnissen anzupassen. Wenn der laterale Abschnitt des Unterkieferbogens durch das mit ihm verbundene Larvenmaul zu einer sehr schrägen Lage nach vorn ge- drängt war, der Unterkiefer alsdann nur einen queren Träger der unteren Horn- lippe darstellte, so wächst er in dem Masse zu einem weiten Bogen aus, als sein Suspensorium oder der Quadratbeinknorpel nach der Atrophie jenes zeit- weiligen Kauapparats zusammenschrumpft und nach hinten rückt, wo ihm der reducirte Zungenbein- und Kiemenapparat Platz machen. Dabei stellt sich der Quadratbeinknorpel aufrecht und später sogar von oben nach hinten und unten. Während dieser Lageveränderung löst er seine Kontinuität mit dem Schläfenflügelknorpel des Schädels, um nach einer kurzdauernden Selbst- ständigkeit mit dem letzteren neuerdings und zwar etwas rückwärts von der ersten Stelle bleibend zu verschmelzen. Jene allerdings vergängliche Trennung, wobei der Quadratbeinknorpel über die Aussenfläche des Schädels hinzugleiten scheint, lässt seine Homologie mit dem gleichnamigen Theile anderer Wirbelthiere deutlich hervortreten. Die Gelenkgrube für das Zungen- beinhorn verstreicht, sobald das letztere sich herauslöst um einer eigenthüm- lichen Umbildung zu unterliegen. Auch der Jochfortsatz schrumpft; ein Theil von ihm geht aber in die Verknöcherung des oberen Jochbogens (vorderer Arm des Os tympanicum, Processus zygomaticus Ecker Nr. 90, S. 35) ein, wesshalb auch der von jenem Fortsatze entspringende M. masseter später an dem be- zeichneten Knochen befestigt erscheint. Mit dem Zurückweichen des Quadrat- beinknorpels geht eine Verlängerung des unteren Jochbogens und des Flügel- beinknorpels Hand in Hand; der letztere wird dabei aus seiner queren Lage, in welcher er die unmittelbare Fortsetzung des Gaumenbeinknorpels darstellt, von demselben nach hinten abgebogen und sagittal gestreckt. Von dem Deck- knochen dieses Flügelbeinknorpels heisst es, dass er rückwärts in zwei Schenkel 1. Der Vorderkopf. 661 ausläuft, von denen der eine dem Knorpel folgt, der andere nach innen zum Felsenbeine ablenkt (Ecker Nr. 90, S. 37). Dies muss dahin berichtigt wer- den, dass schon der Knorpel einige Zeit nach der Metamorphose sich an seiner Wurzel spaltet und darauf der theilweise verknöcherte innere Schenkel sich dem Deckknochen des äusseren Schenkels anschliesst. — Mit dem Quadrat- beinknorpel müssen natürlich auch die Kaumuskeln sich wieder steil aufrich- ten, wobei die Ursprungsenden der Mm. temporalis und pterygoideus sich theils auf den Schläfenflügel, theils auf das Schädeldach verschieben. Die Umbildung des Unterkiefers erfolgt nicht einfach so, dass sein mehr- fach gebogener querer Verlauf in horizontaler Richtung sich zu einer kontinuir- lichen Bogenlinie ausdehnt, sondern mit einer gleichzeitigen Drehung seines Mittelstücks. Eine solche findet in der Larvenzeit bei der Streckung dieses Stückes während der Schliessung des Mundes statt; dass aber während der Metamorphose der Mund ziemlich beständig geschlossen bleibt, geht schon daraus hervor, dass das Fressen eingestellt wird und die Oefiner des Mundes mit Ausnahme der Mm. genio-hyoidei atrophiren ;. die letzteren werden erhal- ten, weil sie bei einer Fixirung des Unterkiefers durch die Kaumuskeln als Anta- gonisten der Mm. sterno-hyoidei zu wirken haben. Indem also während jener an- haltenden Schliessungslage das geknickte Mittelstück des Unterkiefers wächst, richtet sich seine mediane Spitze ganz nach vorn und streckt es sich quer in der ganzen Breite des Unterkieferbogens. Dabei weichen ihm die ursprünglich gleich- falls queren Seitenstücke aus, welche durch die weite Verschiebung des Unter- kiefergelenkes nach hinten in eine sagittale Richtung gerathen. Dass bei einer solchen Umbildung des dreifach gebogenen Unterkiefers der Larve in einen kon- tinuirlichen Bogen die unvollkommenen Gelenke in seinem Verlaufe ganz ver- schwinden, brauche ich kaum zu bemerken. Wenn aber die eigentlichen Kau- muskeln des sich metamorphosirenden Kieferapparates erhalten bleiben, so tritt an die Stelle der schwindenden Senker des Unterkiefers ein neuer M. de- pressor mandibulae, welcher vom Unterkieferende etwas rückwärts gegen die Schädeldecke ausstrahlt und die noch zu erwähnenden Schlundmuskeln verdeckt. Zur Zeit, wann der Schwanzstummel nur noch als ein kleiner Kegel sichtbar ist, finde ich die Anlage dieses Muskels noch aus spindelförmigen, nur zum Theil in Stränge verschmolzenen Zellen bestehend. Nach dieser Einzelbeschreibung lassen sich die wesentlichen Momente in der ganzen Umwandlung des Kieferapparates übersehen. Die Anurenlarven besitzen zwei bewegliche Kieferhälften, welche aber nicht die Rahmen zweier 662 IX. Der Kopf. entgegengesetzten Mundflächen darstellen, deren Oeffnen und Zusammen- schliessen dazu diente, die Nahrung zu ergreifen und zu kauen, sondern welche im allgemeinen quergestellt als Träger der beiden Hornlippen oder des vor der eigentlichen Mundhöhle befindlichen und von ihren Bewegungen unabhängigen Kauapparats fungiren. Dadurch, dass er bei der Oeffnung eine Trichterform annimmt, kann er zum Ergreifen der Pflanzenblätter, welche die Nahrung der Anurenlarven ausmachen, nicht gerade geschickt sein. Es ist mir daher sehr wahrscheinlich, dass, indem der Trichter an eine Blattfläche angedrückt und dann dahinter die Mundhöhle erweitert wird, eine saugende Wirkung auf jene Fläche ausgeübt und durch Kauen des etwas eingezogenen Blattes Theile des- selben abgelöst und dann m die Mundhöhle aufgenommen werden. Es wäre also der Kauapparat der Anurenlarven dem Cyklostomenmaul zu vergleichen, ihre Mundhöhle dagegen, welche mit der Schlundhöhle sich wechselsweise öffnet und schliesst, ausser zu jenem Ansaugen nur noch zur Fortbewegung der aufgenommenen Stoffe bestimmt (vgl. S. 653). Die Umwandlung besteht nun darın, dass unter Schwund des saugenden und kauenden Larvenmauls das Kieferskelet rückwärts die Mundhöhle umrahmt und so zwei horizontal zusam- menschliessende Mundflächen bildet, von denen die obere oder der Oberkiefer unbeweglich mit dem ganzen Kopfe verbunden die feste Wand bildet, gegen welche der an hinteren Gelenken deckelartig bewegliche Unterkiefer angepresst werden kann, sodass die Nahrung nunmehr unmittelbar von den Kiefern er- griffen wird und in die Mundhöhle gelangt. Der eigenthümliche Bau des Kie- ferapparats der Anurenlarven ist daher daraus zu erklären, dass er eine der unvollendeten Entwickelung des späteren Kieferapparats zeitweilig angepasste Vorrichtung zu einer dennochrelativ vollkommenen Nahrungsaufnahme darstellt. 2. Der Hinterkopf. Der embryonale Hinterkopf hat die Form eines kurzen Cylinders und ist aus drei segmentalen Ringen zusammengesetzt (vgl. S. 216—225). Denkt man sich aber die innere Auskleidung oder den kontinuirlichen und vollständigen Darm- blatteylinder entfernt, so ist nur der erste Abschnitt, der Zungenbeinbogen, ring- förmig geschlosseir; die folgenden Kiemenbögen hören im mittleren und oberen Keimblatte an der Grenze des Perikardialsackes auf, welcher ihre unteren Enden auseinanderhält. Später wachsen jedoch die Seitenplatten dieser Bögen median- wärts zwischen den Perikardialsack und das Darmblatt und schliessen dort die 2, Der Hinterkopf. 663 eigentliche Schlundwand auch im mittleren Keimblatte cylinderisch ab (Taf. XILI—XY). Indem endlich der Perikardialsack sich in die Bauchgegend zu- rückzieht, und an seiner Stelle nur die Fortsetzung des mittleren Bauchmuskels (Mm. sterno-, genio-hyoidei) zurückbleibt, fällt diese und die sie deckende Ober- haut der Schlundgegend anheim (Taf. AVILI Fig. 525, Taf. XX Fig. 348). — Der Rückentheil des Hinterkopfes enthält in der medianen Region das Hin- terhirn, darunter die Wirbelsaite mit den inneren Segmenten; zur Seite dieser Anlagen liegen die Wurzelstücke der drei lateralen Segmente, zwischen deren erstes und zweites (2. und 3. des ganzen Kopfes) das Ohrbläschen sich von aussen einschiebt (Zaf. VII Fig. 121). Die Seitenwand des Hinterkopfes oder die Schlundwand besteht vorn im Anschlusse an den Unterkieferbogen aus dem Zungenbeinbogen, welcher im lateralen Abschnitte jederseits nur das zweite laterale Kopfsegment, an der breiteren Bauchseite daneben auch noch Reste der Seitenplatte enthält (Fig. 730. 137). Die hinter dem Zungenbeinbogen gelegenen Kiemenbögen werden je weiter nach hinten desto kürzer und bestehen zum grösseren Theile aus den verschmolzenen Schichten der Seitenplatte, während die sie von aussen deckenden lateralen Segmente nur als dünne Streifen er- scheinen (Taf. XILI.X VI). Dadas Ohrbläschen gerade über dem ersten Kiemen- bogen sich entwickelt und das dorsale Wurzelstück des dritten lateralen Kopf- segments nach hinten verdrängt, so beschreibt dasselbe einen Bogen um die hintere und die Bauchseite des Gehörorgans, ehe es in den Kiemenbogen ein- tritt. Das vierte laterale Kopfsegment vertheilt sich, wie ich es früher erklärte, auf die drei anderen, d. h. den 2.—4. Kiemenbogen. Vom dorsalen Stammtheile des Hinterkopfes sind das Hinterhirn und der Schädel bereits ausführlich beschrieben worden. Ebenso bemerkte ich schon (S. 217), dass die drei inneren Segmentpaare im allgemeinen dieselbe Entwickelung zeigen wie die entsprechenden Rumpfsegmente, mit dem Unter- schiede jedoch, dass sie zum Theil unvollständig bleibt oder einer Rückbildung anheimfällt. In ihrem Innern entsteht jederseits neben der Wirbelsaite ein Muskel- strang, an dem man die Abtheilung für das dritte und vierte Segment längere Zeit deutlich, diejenige für das zweite Segment dagegen nur unsicher oder gar nicht erkennt (Taf. XVI Fig. 305, XVII, Fig. 304. 314—8316). Dafür er- zeugt das letztere allein von den Stammsegmenten des Hinterkopfes eine Ner- venanlage, welche nach ihrer Lage, medianwärts neben derjenigen des zu- gehörigen lateralen Segments (N. facialis), für ein Homologon eines Spinalgan- glions gelten darf (Taf. XVI Fig. 302, Taf. XVII Fig. 315). Diese Ansicht 664 IX. Der Kopf. wird dadurch unterstützt, dass der aus dieser Anlage entspringende Gaumen- nerv inder Region der Stammsegmente bleibt, und da ein solches im Zungen- beinbogen fehlt, sich in den entsprechenden Theil des Vorderkopfes begibt. Unter dem ersten Wirbelbogen, dicht neben seiner Verbindung mit dem Schläfen- Hügelknorpel, gelangt der Gaumennerv an die Bauchfläche der vorderen Schädelbasis und folgt ihr jederseits bis zur Gaumengegend (Taf. XVIII Fig. 329). Doch hindert nicht bloss jene Deutung des Gaumennerven, einer zweiten gesonderten Nervenbildung desselben Stammsegments, nämlich dem Hörnerven, die gleiche Bedeutung zuzuschreiben. Denn der letztere geht aus einer histiologischen Differenzirung des zwischen dem Hinterhirne und dem Ohrbläs- chen eingezwängten Bildungsgewebes hervor, gleicht also darin durchaus dem Ge- ruchsnerv, welcher mit den Stammsegmentnerven des Vorderkopfes nichts gemein hat. Allerdings verbindet sich aber sehr bald die Anlage des Hör- nerven abwärts mit derjenigen des N. facialis, welche von vorn und unten dem Ohrbläschen angeschmiegt ist, sodass beide Nerven, obgleich sie genetisch durch- aus nicht zusammengehören, später aus einer gemeinsamen Wurzel entspringen (Taf. XVI Fig. 288—291. 296, Taf. XVII Fig. 304. 314. 315). Im übrigen verwandelt sich die Hauptmasse der Stammsegmente des Hinterkopfes unter Verlust ihrer segmentalen Gliederung in interstitielles Bildungsgewebe, welches ausser den noch besonders zu beschreibenden Gefässen den Skelettheilen jener Gegend (hintere Schädelhälfte) zur Grundlage dient (Taf. XV, XXI Fig. 369 — 372). Dieses schon ursprünglich hervortretende Uebergewicht des Bildungs- gewebes über die unvollständigen primär -morphologischen Anlagen in den Stammsegmenten des Hinterkopfes wird noch durch eine nachfolgende Rück- bildung ıhrer Muskeln erhöht, welche durch die Entwickelung der hinteren Schädelbasis nach hinten gedrängt und ausser Thätigkeit gesetzt, atrophiren und mit ihren Resten jederseits in den M. intertransversarius capitis inferior aufgenommen werden (S. 460). Die Unvollständigkeit und Rückbildung jener primär-morphologischen Anlagen der Stammsegmente wird durch ‘die reichere Entwickelung der zuge- hörigen lateralen Segmente aufgewogen, welche alle Muskeln und die meisten und wichtigsten Nerven des Hinterkopfs liefern und durch ihre die Stammseg- mente überwiegende sagittale Ausdehnung dieselben rückwärts so weit über- ragen, dass der dorsaleRumpftheil in den Kopf eingekeilt erscheint. — Bevor das erste dieser Segmente oder das zweite des ganzen Kopfes die Bauchseite des Zungenbeinbogens erreicht hat, sondert sich sein dorsaler Wurzeltheil zu einem 2. Der Hinterkopf. 665 schräg aufgerichteten spindelförmigen Nervenknoten ab, dessen obere Verbindung mit dem Hörnerven bereits erwähnt wurde, und dessen untere Fortsetzung im Zungenbeinbogen zum N. facialiswird (Taf. VII Fig. 131, Taf. XIII Fig. 255, Taf. XIV Fig. 259, Taf. X VI Fig. 290. 294). Jener Nervenknoten liegt anfangs frei zwischen dem Ohrbläschen und dem Gasser’schen Ganglion; später, wann der Zwischenraum zwischen diesen Theilen sich bedeutend verengt, kommen die beiden Nervenknoten in der Bucht des Schädelraums, welche zwischen dem Schläfenflügelknorpel und der Ohrkapsel entsteht, in Berührung und ver- schmelzen so weit, dass ihre beiden Massen nur durch eine leichte Emschnürung unterscheidbar bleiben (Taf. XVIII Fig. 326). Dagegen vereinigt sich die ganglionäre Anlage des N. palatinus mit dem Ganglion des N. facialis sehr bald vollständig, sodass der erstere in der Folge nur wie ein Zweig des Gesichtsnerven erscheint. Der letztere versorgt sämmtliche Muskeln des Zungenbeinbogens. Sein Stamm folgt vom M. depressor mandibulae verdeckt und dem Quadratbeinknorpel angeschmiegt dem Verlaufe jenes Muskels bis zu dessen Ansatzpunkte, dem Unterkieferende, schlägt sich sodann um dieses an die Innenseite des Unterkiefers, um derselben entlang nach vorn zu verlaufen (Taf. XVIII Fig. 326. 328. 329, Taf. XIX Fig. 335. 336, Taf XX Fig. 348.) Er bezeichnet also, sowie er im vorderen Theile des Zungenbeinbogens sich entwickelte, auch späterhin die Grenze desselben gegen den Unterkiefer- bogen. Auf diesem Verlaufe giebt der Stamm des Gesichtsnerven einen stär- keren Zweig an der Mitte des Unterkiefersenkers ab, welcher an die Aussen- seite dieses Muskels tritt, gerade abwärts ziehend auch den M. levator ossis hyoidei überschreitet und dann an der Bauchseite des Zungenbeinbogens den vierten gleich zu erwähnenden Muskel desselben versorgt. Die Entwickelung der Muskulatur des Zungenbeinbogens entspricht insofern: derjenigen des Unterkieferbogens, als in jenem ebenfalls frühzeitig ein mittlerer heller Zellenstrang von kompaktem Gefüge als Muskelanlage, welche mit der Nerven- anlage in Verbindung bleibt, sich von der umgebenden, mehr lockeren und pig- mentirten Schicht von interstitiellem Bildungsgewebe absondert, und ferner dieser Zellenstrang der Form des ganzen Zungenbeinbogens entsprechend in einen oberen lateralen und einen ventralen Abschnitt zerfällt (Taf. VII, XIII, XIV). Der erstere füllt mit seiner Umhüllung von Bildungsgewebe , welches gleichfalls vom äusseren Segmente abstammt, den Seitentheil des Zungenbein- bogens vollständig aus, da die Seitenplatte dort schon vorher verdrängt war; er spaltet sich in den Senker des Unterkiefers und den Senker des Zungenbeins, 666 XI. Der Kopf. welche erst allmählich auseinandertreten (Taf. XV Fig. 272, Taf. XVI Fig. 294. 299). Die ventrale Muskelmasse des Zungenbeinbogens wächst mit einer Portion gerade vorwärts (M. levator ossis hyoidei), mit einer andern aber ebenso wie der M. submentalis quer gegen die Medianebene, in der er mit seinem (regenstücke durch Vermittelung eines zarten Sehnenstreifenszum M.subhyoideus sich verbindet (Taf. X VIII Fig. 328). Als Erzeugniss eines lateralen Segments deckt er alle übrigen Theile des mittleren Keimblattes, welche aus der inneren Segmentschicht (Mm. sterno-, genio-hyoidei) oder der Seitenplatte (Zungenbein) hervorgegangen in seinem Bereiche liegen. Die ersteren sind schon mehrfach erwähnt, die Umbildung der ventralen Seitenplatte des Zungenbeinbogens aber noch nicht erörtert worden. Anfangs, wenn die Grenzfalte oder die künftige Decke des Perikardial- raumes unmittelbar hinter dem queren Kiefertheile des Vorderkopfes aufsteigt, existirt ein besonderer Bauchtheil des Zungenbeinbogens ebensowenig als ein solcher des Unterkieferbogens: beide Bögen laufen unter der ersten Schlund- falte unmerklich aus (Taf. VII Fig. 119. 120). Erst während der allgemeinen seitlichen Abplattung und Verlängerung des Embryo dehnt sich auch der Raum vor der Grenzfalte so weit aus, dass die hinunterwachsenden lateralen Segmente jener beiden Bögen auch deren ventrale Abschnitte abstecken können; bevor aber der Unterkieferbogen seinen queren ventralen Schluss erhält, haben seine Seitenhälften bereits angefangen, jene Drehung nach vorn und aussen um eine an ihrer hinteren Grenze oder in der ersten Schlundfalte befindlichen Axe aus- zuführen, wodurch zwischen ihren einander zugekehrten inneren Flächen die im Frontaldurchschnitte dreieckige innere Mundhöhle entsteht. Dadurch muss die noch indifferente Schlusseite beider Bögen in dem Boden der‘ neuen Mund- höhle eine entsprechende Ausdehnung von annähernd dreieckiger Gestalt erahren (Taf. XIV Fig. 249— 253). Die beiden lateralen Segmente des Unter- kieferbogens benutzen aber diese Vergrösserung des ihnen zugewiesenen ven- tralen Raums nicht, indem sie während der gedachten Drehung eine Wachs- thumsrichtung nach vorn, unten und innen erhalten , und so jenen dreieckigen Mundhöhlenboden nur mehr mit konvergirenden Schenkeln, deren hintere Theile nur Bindegewebe enthalten, einrahmen. Dafür breitet sich die ventrale Seitenplatte des Zungenbeins, welche bereits durch den Perikardialsack in zwei nach vorn konvergirende Hälften angeordnet war, in derselben Gestalt in jenen davor befindlichen Raum aus. Wesentlich beeinflusst wird die Entwickelung dieser Seitenplatte noch durch die Anlage der Schilddrüse. Sie ent- 2. Der Hinterkopf. 667 wickelt sich aus einer Grube des Darmblattes, welche als Rest der früher bestandenen, durch die mediane Verwachsung der Oberhaut und des Darm- blattes hervorgerufenen Einsenkung des letzteren hinter dem Unterkieferbogen zurückblieb (Taf. VII Fig. 127—130, Taf. NIH—XV, XVI Fig. 292. 295). Anfangs hängt sie noch nach vorn mit der medianen Scheidewand zusammen, welche jenen Bogen durchsetzt; nach dem Schwunde derselben erscheint die Anlage der Schilddrüse als ringsum freie, trichterförmige Vertiefung des Darm- blattes, welche durch die geschilderte Ausdehnung des Mundhöhlenbodens in den vorderen Theil des Zungenbeinbogens geräth und dadurch von vorn her einen Einschnitt in dessen Seitenplatte veranlasst. Indem sich nun die letztere zu einer ventralen Knorpelanlage des Zungenbeinbogens verdichtet, nimmt die- selbe die durch die genannten Formbedingungen vorgeschriebene Gestalt an: sie besteht aus einer queren Platte, welche von beiden Seiten medianwärts und nach vorn sich verbreitert, aber gerade in der Mitte durch die Schilddrüsen- anlage einen so tiefen Einschnitt erfährt, dass sie dadurch in zwei nach vorn konvergirende Seitenhälften zerfällt (Taf. XVII Fig. 309). Wo diese Hälften oder die grossen Zungenbeinhörner hinter dem sie trennenden vorderen Einschnitte zusammenstossen, bildet sich eine weichere Verbindungsmasse, unter welcher und dem sich dahinter anschliessenden Zungenbeinkörper die Schilddrüsenanlage in zwei divergirende Schenkel ausläuft, deren Enden sich zuletzt als kugelige Massen abschnüren, während der Stiel atrophirt* (Taf. XVI Fig. 298, Taf. XVII Fig. 319, Taf. XVIII Fig. 832—334). Die Seitentheile der grossen Zungenbeinhörner sind schmäler aber dicker als die platten Mittelstücke und besitzen zwei seitliche Höcker, einen vorderen, auf- wärts gerichteten, welcher zur Seite derersten Schlundfalte mit dem Quadratbein- knorpel in Gelenkverbindung tritt, und einen hinteren, weiter nach aussen vor- ragenden Höcker, welcher den Hebelwirkungen des Zungenbeinhebers und -senkers zum Angriffspunkte dient (Zaf. XVI, XVIII). Der M. subhyoideus befestigt sich jederseits an der Bauchfläche desselben Höckers und mag schon in der Larvenzeit den Schlundhöhlenboden heben. Nach der Larvenmetamor- phose thut er es gewiss, und zwar im Anschlusse an einen andern Muskel, dem die Stellvertretung des geschwundenen M. levator ossis hyoidei zufällt. Es ist der M. submaxillaris, welcher jedoch in der Larvenzeit so schwach ist, dass ihm eine nennenswerthe Wirkung nicht zugeschrieben werden kann (Taf. * Eine ausführliche Entwickelungsgeschichte der Schilddrüsen des Frosches hat W, MUELLER geliefert (Nr. 7t Ill), 668 IX. Der Kopf. XVII Fig. 328). Er entspringt an der Hinterfläche des Unterkiefers nach aussen von den Lippenmuskeln und strahlt unter den Mm. genio-hyoidei fächer- förmig gegen die Medianebene aus, so dass seine vordersten Fasern quer, die hintersten schräg rückwärts verlaufen und mit einigen vorgeschobenen Fasern des M. subhyoideus sich sehr frühe verbinden. Während der definitiven Um- bildung des Unterkiefers breitet sich der Ursprung des M. submaxillaris über die ganze Länge der lateralen Unterkieferstücke aus und nimmt in Folge ihrer Lageveränderung eine vollständig quere Stellung ein (Taf. XX Fig. 348). Die beiderseitigen Muskellagen verbinden sich gerade so wie der M. subhyoideus durch einen medianen Sehnenstreifen und erreichen jenen Muskel wenigstens in der Mitte, sodass die Anatomen bisher beide Muskeln bloss für zwei Partien eines ein- zigen ansahen (vgl. EckEr Nr. 90 8. 74). Nach ihrer Entwickelung* und ihren Ursprüngen sind sie aber füglich zu trennen. Die späte Ausbildung des M. sub- maxillaris ist aus dem provisorischen Kieferapparate der Larve verständlich: sie war verhindert durch die quere Lage des ganzen Unterkiefers, und zudem der Muskel zur Hebung des Mundhöhlenbodens überflüssig, da dieselbe bereits durch die breiten Zungenbeinhörner besorgt wurde. Sobald diese letztere Thätigkeit im der Metamorphose aufhört, tritt die Funktion des M. submaxillaris an Ihre Stelle; da es mir aber für die Schling- und Athembewegungen nöthig scheint, dass der Boden der Mundhöhle und derjenige des Schlundes nicht gleichzeitig, sondern wie ich es von der Larve beschrieb, nacheinander gehoben werden, so halte ich auch die Wirkungen des M. submaxillaris und M. sub- hyoideus weder für gleichzeitige noch für durchaus analoge. Wird der erstere einem M. mylo-hyoideus verglichen, so dürfte der andere einem M. stylo-hyoideus am meisten entsprechen. Der von den grossen Zungenbeinhörnern getragene, nach vorn verschmä- lerte und daher beinahe dreieckige Mundhöhlenboden ist anfangs glatt und eben; darauf erhält er seitlich kleme runde Papillen, aus seiner Mitte wächst aber ein ganz neues Organ hervor — die Zunge (Taf. XV Fig. 285, Taf. X VI Fig. 303, Taf. XVII Fig. 318, Taf. XVIII Fig. 550). Sie ent- wickelt sich unmittelbar hinter dem Ursprunge der Schilddrüse, und da die quere Scheidewand der beiden ursprünglichen Mundräume, der äusseren Mundbucht und der inneren Mundhöhle, über dem Unterkiefer aufsteigt, so ist * Es kommt mir sehr wahrscheinlich vor, dass der M, submaxillaris nicht aus dem Zungenbeinbogen, in dessen Gebiete er später liegt, sondern aus dem Unterkieferbogen her- vorgeht. 2. Der Hinterkopf. 669 die Bildungsstätte der Zunge ganz unzweifelhaft der ursprüngliche Darmraum. Ihre Anlage besteht in einem nach vorn gerichteten Auswuchse des Darmblattes und des zwischen diesem und dem Zungenbeine befindlichen Bildungsgewebes der Seitenplatte, in welchem ich längere Zeit jede Spur von Muskeln vermisste. Diese scheinen erst während der Metamorphose aus einer einheitlichen An- lage hervorzugehen, welche von der Zungenbasis nach vorn (M. genio-glossus) und hinten (M. hyo-glossus) ausstrahlt und erst nach begonnener Bildung der Muskelfasern sich in zwei Massen sondert. Nach ihrem Ursprunge sind diese Muskeln von allen übrigen Kopfmuskeln verschieden und nur der gleichfalls aus der Seitenplatte (Visceralblatt) hervorgehenden Darmmuskulatur ver- gleichbar. — Im Anfange der histiologischen Differenzirung des Zungenbein- und Unterkieferbogens beginnt auch die Rückbildung der sie trennenden ersten Schlundfalte. Nachdem sie sich von der Oberhaut wieder abgelöst und ihre beiden Blätter lateralwärts zu einer einfachen Platte verschmolzen sind, schrumpft dieselbe zu einem unansehnlichen Klümpchen zusammen, welches sich endlich vom medialen Theile abschnürt und entweder ganz vergeht oder den gleichen Resten der zweiten Schlundfalte sich anschliesst, woraus, wie ich weiter unten zeigen werde, die Halsdrüse entsteht (Taf. XV Fig. 271, Taf. XVI Fig. 294. 295. 300, Taf. XV LI. Fig. 307). Die Umbildung des Zungenbeinbogens in der Larvenmetamorphose erfolgt im innigen Anschlusse an diejenige des Kiemenapparats, dessen Ent- wickelungsgeschichte daher der Betrachtung der ersteren vorangehen soll. — Wenn wir die anfangs weite und namentlich hohe Kopfdarmhöhle allmählich in einen viel breiteren aber spaltförmig niedrigen Raum sich verwandeln sehen, so sind die Ursachen davon unschwer in der Form- und Lageveränderung der Seitentheile jenes Darmraumes oder der so oft genannten lateralen Bögen des Kopfes zu erkennen. Darin gehen die zwei ersten und zugleich stärksten, der Unterkiefer- und der Zungenbeinbogen, voran, indem sie aus der ursprünglich nahezu senkrechten Lage in eine schräg nach vorn und unten gerichtete über- gehen, und ihre unteren Abschnitte horizontal umlegen, wodurch die Höhe der von ihnen umschlossenen Mundhöhle in zweifacher Weise verkürzt wird. Diese Umbildung der beiden ersten Bögen beeinflusst diejenige der Kiemenbögen um so mehr, als sie schwächer angelegt sind und zwischen jene und den Rumpf eingekeilt sich nach allen Seiten äusseren Formbedingungen zu fügen haben. Indem der Zungenbeinbogen sich besonders stark zur Seite ausbaucht, zieht er den ersten Kiemenbogen zu derselben Breite aus, während der letzte Kiemen- 670 IX. Der Kopf. bogen in der zwischen Kopf und Rumpf entstandenen Einschnürung zurück- gehalten wird; es muss folglich die Gesammtheit der Kiemenbögen schräg nach aussen und hinten gerichtet werden, wozu sich allmählich, in Anpassung an die betreffende Lage der zwei ersten Kopfsegmente noch die Richtung nach hinten und unten gesellt (Taf. XIV, XVL XXIII. Und selbst eine ventrale Umlagerung ihrer unteren Seitenflächen kommt an den Kiemenbögen zu Stande, obgleich dem ganzen Kiemenapparate eine freie Bauchseite anfangs fehlt. Der Boden der Schlundhöhle, welcher die ganz lateralen Kiemenbögen beider Körperseiten mit einander verbindet, ist zugleich die Decke des Perikar- dialraums und muss durch dessen stete Erweiterung ebenso beständig gehoben werden (Taf. XIV, XV, XXI Fig. 369—571). Dadurch werden aber die Kiemenbögen nach aussen vorgewölbt und endlich ihre unteren Abschnitte seit- lich vom Schlundhöhlenboden beinahe horizontal umgelegt, sodass die darin enthaltenen Schlundfalten und ihre alsbald entstehenden spaltförmigen äusseren Mündungen nach unten und hinten sehen, während die oberen Kiemenbogen- abschnitte, in deren Bereiche die Schlundfalten die Oberhaut nicht durch- brechen, aus- und aufwärts gekehrt bleiben. — Nach der Feststellung dieser allgemeinen Lageverhältnisse der Kiemenbögen gehe ich zur Entwickelungs- geschichte ihrer äusseren Segmente über. Im ersten Kiemenbogen erzeugt das dritte laterale Kopfsegment den N. slosso-pharyngeus, dessen Wurzel hinter dem Ohrbläschen mit dem Ganglion des folgenden Hauptnerven, des N. vagus, verschmilzt (Taf. XVTI). Von dort beschreibt der mit einem sehr langgezogenen Ganglion versehene N. slosso-pharyngeus den schon erwähnten Bogen unter das Gehörorgan, um seinen Kiemenbogen zu erreichen, und entsendet, bevor er in denselben eintritt, eine Anastomose zum N. facıjalis, den R. communicans. Im weiteren Verlaufe durch den ersten Kiemenbogen versorgt der N. glosso-pharyngeus dessen ebenfalls aus dem äusseren Segmente hervorgegangene Muskeln (Zaf. XVIII Fig. 325—328). Es sind ihrer drei, welche nach ihrer Lage als Kiemenöffner zu bezeichnen sind. Der obere entspringt breit und.dünn am Schädel, ver- deckt den oberen Verlauf des Nerven und setzt sich über der ersten Kiemen- spalte und mit ihrer Axe einen nach vorn offenen Winkel bildend an der Aussen- fläche des Kiemenbogens an; ebenfalls an der Aussenfläche, aber tiefer, befindet sich die Insertion des zweiten Muskels, welcher am Aussenrande des Zungen- beinhorns entspringt; der dritte und unterste endlich ist wie der vorige schmal und platt und an der Bauchseite des Kiemenbogens zwischen diesem und dem ‚2. Der Hinterkopf. 671 Innenrande des Zungenbeinhorns ausgespannt. Er enthält in der Larvenzeit das Ende des N. glosso-pharyngeus. — Das vierte und letzte laterale Kopfseg- ment bildet an seiner Wurzel das Ganglion und den Stamm des N. vagus, welcher anfangs über den Stammuskeln des Kopfes und später zwischen den beiden Mm. intertransversarii capitis nach aussen hervortritt (vergl. S. 460). Seine Verbindung mit dem N. glosso-pharyngeus habe ich oben erwähnt; die- jenige mit dem Hinterhirn erfolgt wohl zur selben Zeit wie an den übrigen Hirnnerven. Unter jener Nervenanlage theilt sich das vierte laterale Segment in 3 Streifen für den 2.—4. Kiemenbogen (Taf. XV Fig. 275. 276, Taf. XVIIL XXI Fig. 571. 377). Der vorderste liefert nur einen oberen Kiemen- öffner des zweiten Kiemenbogens, demjenigen des ersten Bogens in Beschaffen- heit und Befestigung ähnlich, und den zugehörigen zweiten Kiemennerv, wel- cher sich alsbald bis zum Ganglion vom gemeinsamen Stamme abspaltet. Der zweite Streifen des vierten Segments zieht an der Aussenseite des dritten Kiemenbogens hinab, welcher die Vorderwand der zwischen dem Kiemen- apparate und dem Rumpfe frühzeitig angelegten und sich immer mehr ver- tiefenden Tasche bildete, sodass sie endlich bei äusserer Ansicht der enthäuteten Larve sich dem Blicke ganz entzieht. Die Muskeln dieses Segmentstreifens sind der dritte obere Kiemenöfiner, welcher in allem den zwei ersten entspricht, und weiter unten der gemeinsame Kiemenschliesser, der am Grunde jener Tasche vom unteren Ende des dritten Kiemenbogens entspringt und an der unteren Grenze des ganzen Kiemenapparates, also lateralwärts vom M. sterno- hyoideus ziemlich horizontal nach vorn verläuft, alle Kiemenbögen unten um- greift und an der Bauchfläche des ersten endigt. Nach dieser Lage kann es freilich zweifelhaft erscheinen, ob der bezeichnete Muskel zum zweiten Theile des vierten lateralen Segments gehöre. Mir scheint aber seine Innervirung durch den zweiten Ast des N. vagus entscheidend zu sein, während die Verschiebung des Insertionsendes über den ursprünglichen Bezirk hinaus eine ganz gewöhnliche Erscheinung ist. Dasselbe gilt für einen anderen Muskel, welcher von der Basis des Kiemengerüstes entspringend unter den vom Bulbus arteriosus kommenden Getässstämmen zum Zungenbeinkörper zieht, und in welchen hinein ich einen Ausläufer des zweiten Vagusastes verfolgen konnte. Der dritte Abschnitt des vierten lateralen Kopfsegments, welcher hinter der fünften Schlundfalte auf den vierten Kiemenbogen fällt, verwandelt sich eben- falls in einen oberen flachen Muskel mit seinem Nerven. Es sind aber dieselben nicht nur für den vierten und kleinsten Kiemenbogen bestimmt. An der 672 @ IX. Der Kopf. ui äussersten Kopfgrenze gelegen schliesst er sich nämlich in dem Masse, als die schräge Verschiebung des Kiemenapparates nach hinten erfolgt, der unmittel- baren Fortsetzung der Schlundhöhle von aussen an, welche beim Uebergange in den Rumpf noch eine ungespaltene Seitenplatte um die Darmblattröhre ent- hält (Taf. XV Fig. 275. 276, Taf. XVI Fig. 303, Taf. XV LI Fig. 308.318). Dieser vorderste Abschnitt des Vordarms stellt in seiner unteren Hälfte die mit der darüber liegenden Speiseröhre noch weit kommunicirende Anlage des Kehl- kopfes dar; und daher kommt es, dass die Hälfte unseres Kiemenmuskels schräg gegen den Kehlkopf ziehend sich an ihm befestigt und der betreffende Nerv zum vorderen Kehlkopfaste desN. vagus wird. Dieser hinterste Ast der im vierten Kopfsegmente entstehenden Nervenanlage spaltet sich in Folge seiner tiefen Lage nur wenig vom gemeinsamen Stamme ab, und erscheint daher als ein Seitenzweig, der zweite und stärkste Ast (3. Kiemennerv) dagegen als die eigentliche Fortsetzung desselben (Taf. XVII Fig. 326. 327). Wenn die bisher beschriebenen drei Vaguszweige die einzigen ursprüng- lichen und nach ihrer Entstehung zusammengehörigen sind, so verbinden sich loch im Laufe der Entwickelung ganz heterogene Nervenanlagen mit dem N. vagus, welche später als seine Aeste, der eine sogar als der eigentliche Vagus- stamm gelten. Es sind dies die Seitennerven und der Eingeweideast des N.vagus. Jedoch gibt es im Vorderkopfe einen Seitennerven, welcher selbstständig bleibt, den ich aber hier mit beschreiben will. — Zur Zeit, wann die Sonderung des zweiten lateralen Segments im Zungenbeinbogen beginnt, bemerke ich eine längliche Verdickung der Oberhaut zwischen dem GAsSER'- schen Ganglion und demjenigen des Gesichtsnerven (Taf. XIII Fig. 233). Das obere Ende dieser Verdickung löst sich von der übrigen Haut ab, wächst bis zum Hinterhirn hinauf, mit dem es sich verbindet und verwandelt sich in einen Nervenstamm (Taf. XV Fig. 272, Taf. XVI Fig. 291. 294. 295, Taf. XVII Fig. 304). Die eigentliche Hautverdickung wird gangliös und zieht sich eben- falls in einen zweitheiligen Nerven aus, der mit der Oberhaut in eigenthümlicher Verbindung bleibt, indem er die in seinem Verlaufe entstehenden Seitenorgane des Kopfes versorgt (Taf. XIX Fig. 344. 545). Sein Stamm kommt über dem Orbitalflügelknorpel hervor, theilt sich hinter dem Auge und umfasst dasselbe innen und aussen, um darauf in der Kiefergegend auszulaufen (Taf. X VIII Fig. 325—327). An gehärteten Larven ist sein Verlauf schon äusserlich an den Seitenorganen kenntlich, welche Reihen von hellen Punkten darstellen. Ebenso entsteht etwas später der dorsale und der ventrale Seitennerv des Rumpfes. 3, Der Hinterkopf. 6753 Der erstere geht von einer gangliösen Anschwellung aus, welche dicht hinter dem Ganglion des N. vagus in horizontaler Richtung sich vonder Haut ablöst und wegen dieser Lage sich leicht mit jenem Ganglion verbindet; der aus dieser An- lage ausgesponnene Nervenstamm verläuft in der schon erwähnten Seitenlinie des Rumpfes, also längs der Grenze zwischen den oberen und unteren Stammuskelhälften (Taf. XIV Fig. 251. 262—265,. Taf. XV Fig. 276— 278, Taf. XVI Fig. 291. 296. 302, Taf. XVII. Fig. 305). Bei den Anuren- larven wird jedoch durch die starke Auftreibung des Bauches und die Abhebung der Oberhaut von den tieferen Organen die Reihe der Seitenorgane aus ihrer ursprünglichen Lage aufwärts verdrängt; bei den Tritonen verharrt sie aber in derselben (Taf. XVIII Fig. 325. 326, Taf. XIX Fig. 341. 342). Da übrigens Stannıus (Nr. 80 II S. 145) und FiscHer (Nr. 82 S. 34) an Tritonen nur einen Seitennerven des Rumpfes kennen, so bemerke ich, dass ihre Larven ebenso wie Proteus ind Menobranchus drei solcher Nerven besitzen, indem sowohl über dem beschriebenen ein oberster Seitennerv verläuft, als auch der ventrale vorkommt. Der letztere entwickelt sich übrigens bei der Unke ebenso selbst- ständig wie der obere Seitennerv an der vorderen Grenze des Rumpfes, vor der Anlage des M. scapulo-mastoideus und ihr parallel; aufwärts verbindet er sich mit dem Hauptstamme des Vagus ziemlich entfernt vom Ganglion, in der Nähe der Bauchseite wendet er sich rückwärts, um in einer grossen S-förmigen Biegung die Spinalnerven zu kreuzen (Taf. XV Fig. 276, Taf. XVI Fig. 300, Taf. XVIII Fig. 325—327). — Der Eingeweideast des N. vagus besitzt eben- falls eine durchaus selbstständige Anlage in einem länglichen Ganglion, welches sich jederseits in der Wand der Speiseröhre über der Lungenwurzel bildet und daher dem ursprünglichen Vagusstamme sehr nahe liegt (Taf. XVIII Fig. 327). Er verbindet sich zuerst mit demselben dicht unter dessen Ganglion durch einige dünne Fädchen, dann immer fester, indem er sich ihm abwärts eine Strecke weit anlegt, sodass der Eingeweideast endlich ziemlich tief unter dem Ganglion vom N. vagus abgeht (Taf. XIX Fig. 343). Und wenn er bis- her für den Stamm des N. vagus gehalten wurde, aus welchem die Schlund- und Hautzweige mit wesentlich anderem Ziele entsprängen, so erhellt aus den ange- führten Thatsachen, dass dieser in einer gemeinsamen Wurzel vereinigte Nerven- komplex gar nicht aus einer einheitlichen Nervenanlage, ja nicht einmal inner- halb derselben Embryonalanlage sich entwickelt, vielmehr der typische Kopf- nerv nur in der Verzweigung der Schlundnerven und des vorderen Kehlkopfastes zu suchen ist, während die Hautäste und der scheinbare Stamm (Eingeweideast) GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 43 674 IX. Der Kopf. nach Genese und Wirkung ganz anderen Gebieten des Rumpfes angehörig und ohne eigene Verbindung mit dem Centralnervensytem erst nachträglich sich jenem typischen Kopfnerven anschliessen. Von der Seitenplatte der Kiemenbögen habe ich schon erwähnt, dass ihr Bildungsgewebe allmählich zwischen den Perikardialsack und das Darmblatt wächst und auf diese Weise die inneren Theile der Kiemenbögen zum ventralen Schlusse und ausserhalb des Bereichs der Schlundfalten zur kontinuirlichen Wiedervereinigung bringt. Dieses Bildungsgewebe verbindet sich vorwärts mit der Anlage der grossen Zungenbeinhörner und geht rückwärts in die Seitenplatte des Rumpfes über, welche den unmittelbar angrenzenden Darmtheil, die Kehlkopfanlage, gleichfalls zwischen Perikardialsack (Sinus venosus) und Darmblatt (Kehlkopfepithel) an der Bauchseite umgreift (Taf. XIV—XVTJ) Die erste histiologische Umbildung der Seitenplatte des Kiemenapparats beginnt aber nicht in dem eben geschilderten neugebildeten Theile des Schlundhöhlenbodens und im Anschlusse an die ihm homologen vorderen Zungenbeinhörner, sondern in den lateralen Kiemenbögen selbst. In jedem derselben entsteht nämlich eine Knorpelanlage, welche, seiner Axe folgend, zwischen dessen äusseren Segmenttheilen, Muskeln und Nervenstämmen, und der inneren Darmblattauskleidung einen entsprechend gebogenen cylin- drischen Stab darstellt, welcher aufwärts an die Schädelbasis anstösst, und dessen unteres Ende in dem Schlundhöhlenboden eine Fortsetzung erhält (Taf. XVI, XVII). Zwischen dem vordersten Paare dieser einander gegen- überstehenden unteren Fortsetzungen der Kiemenknorpel finde ich ein geson- dertes medianes Stück, welches mit dem homologen Mittelstücke der ersten Zungenbeinhörner in Verbindung steht; und aus dem späteren Verhalten der übrigen Knorpelanlagen schliesse ich, dass alle Kiemenknorpelpaare im Schlund- höhlenboden anfangs solche mediane Schlussstücke besitzen (Fiy. 318). Dies ist desshalb nicht leicht unmittelbar festzustellen, weil die Sonderung der ge- nannten Anlagen im Schlundhöhlenboden nur kurze Zeit besteht; nachdem sie aber dort zu einer kontinuirlichen Knorpelplatte, dem Zungenbeinkörper, verschmolzen sind, zeigt derselbe in der Mittellinie eine Reihe flacher runder Vorsprünge, welche ich eben auf jene Copulae beziehe (Taf. X VIII Fig. 532). Er füllt den ihm zugewiesenen Raum zwischen den grossen Zungenbein- hörnern, den Kiemenbögen und dem Rumpfe vollständig aus und entlehnt daher seine Gestalt von den Grenzen des Schlundhöhlenbodens. Dieser ver- schmälert sich von der grössten vorderen Breite, welche über der queren 2. Der Hinterkopf. 675 Drehungsaxe beider Zungenbeinhörner liegt, nach hinten zu, ebenso wie es am Mundhöhlenboden nach vorn zu der Fall ist, sodass beide einen rautenförmigen Plan herstellen (Taf. XVILI Fig. 530). Der Zungenbeinkörper wird daher zwei zum Kehlkopf konvergirende hintere Seitenränder erhalten , welche jeder- seits die untere Grenze der bereits schräg verschobenen Kiemenbögen bezeich- nen. An seinem hinteren Ende läuft er in zwei kurze Fortsätze aus, welche ab- wärts vom letzten Kiemenknorpel gleich diesem schräg nach aussen und hinten ' gerichtet sind und den Kehlkopf von unten umgreifen, sodass dieser in den durch jene Fortsätze oder die hinteren kleinen Zungenbeinhörner ge- bildeten Ausschnitt eingefügt erscheint. Lateralwärts von der Wurzel dieser hinteren Hörner liegen die beiden Schilddrüsen. Der Vordertheil des Zungen- beinkörpers zeigt dagegen entsprechend dem ihn aufnehmenden stumpfen Winkel, unter welchem die vorderen Zungenbeinhörner zusammentreffen, eine mediane Spitze. Die beiden von derselben ausgehenden Kanten stossen übrigens nicht gerade auf die angrenzenden Kanten jener Hörner, sondern schieben sich seitwärts etwas unter dieselben, sodass die sich senkenden Hörner des Zungen- beins auch den Vordertheil seines Körpers hinunterdrücken, zugleich aber dessen hintere Hälfte heben. Ich kann mich nun zum wichtigsten, dem eigentlichen respiratorischen Theile des Kiemenapparats wenden. Sobald die Kiemenbögen nach aussen vorgewölbt und ihre unteren, die äusseren Spaltmündungen enthaltenden Ab- schnitte ventral umgelegt sind, beginnen an ihrer von der Öberhaut überzogenen pigmentirten Aussenfläche fingerförmige Fortsätze auszuwachsen, welche unter der Haut Bildungsgewebe mit je einer Gefässschlinge des den ganzen Bogen durchziehenden Hauptgefässes (Aortenbogen) enthalten * (Taf. XIV—XVI). Diese ersten äusseren Kiemenfransen sind auf das laterale Ende der ven- tralen Kiemenbogenabschnitte beschränkt, was man aber erst bei einer gewissen Ausdehnung der letzteren und der von ihnen eingefassten Kiemenspalten deut- lich erkennt; sie stehen büschelweise, sind am ersten Kiemenbogen am längsten und nehmen bis zum dritten an Länge ab. Der vierte Kiemenbogen entwickelt solche Kiemen nicht. Anfangs hängen sie frei in’s Wasser hinein und sind daher äusserlich sichtbar; bevor aber die hinteren genügend entwickelt sind, * Eine ausführliche Beschreibung der Gefässverzweigungen in den äusseren Kiemen der Froschlarven hat Rusconi geliefert (Nr. 6 $.51—53); dieselben Organe der Unkenlarven sind zu einer gleichen Untersuchung weniger geeignet, doch glaube ich Ruscont’s Angaben im allgemeinen auch für diese Larven bestätigen zu können. 3 676 IX. Der Kopf. beginnt vorn die Bildung des Kiemendeckels, welcher sie alsbald völlig verdeckt und der Ansicht von aussen entzieht (Zaf. XV Fig. 273, Taf. XVI Fig. 299—301, Taf. XVII). Die Oberhaut und das subepitheliale Bildungs- gewebe des Zungenbeinbogens wachsen nämlich in einer wulstigen Falte über dessen hintere Grenze hinaus; diese Anlage des Kiemendeckels geht aber nur über die ventralen, die äusseren Kiemenfransen erzeugenden Abschnitte der - Kiemenbögen frei hinüber, verwächst aber sowohl mit den oberen Abschnitten, welche von den Schlundfalten nicht mehr durchbrochen werden, als auch unter den Kiemenbögen mit der Hautbedeckung des Perikardialsackes, sodass die Anheftung des Kiemendeckels aus einer geraden Linie in eine bogenförmige übergeht, welche den respiratorischen Kiemenapparat von vorn her auf- und abwärts umkreist. Hinter demselben geht sie nicht etwa auf den letzten im Grunde der tiefen Grenzeinschnürung zwischen Kopf und Rumpf befindlichen Kiemenbogen über, sondern umzieht diese ganze Bucht von oben, um dann hinter ihr und sogar unmittelbar hinter der Anlage der vorderen Gliedmassen auf der Bauchhaut fortzugleiten. In gleicher Weise umwächst der Kiemendeckel den Kiemenapparat auch von unten, sodass sein freier Rand hinter und unter demselben einen engen Zugang zu dem ganzen überdeckten Raume, dem äusseren Kiemensacke oder der äusseren Kiemenhöhle, begrenzt (Taf. XX Fig. 252—258). Solange jene Oefinung noch breit und nicht weit nach hinten vorgerückt ist, hängen die beschriebenen Kiemenbüschel aus ihr heraus; sobald sie aber abwärts und rückwärts vorgeschoben sich in einen engen all- seitig von der Oberhaut ausgekleideten Kanal verwandelt, werden jene Büschel vollständig in den äusseren Kiemensack aufgenommen, welcher übrigens nach dem Gesagten nicht nur die äusseren Kiemen, sondern auch die vordere Ex- tremität beherbergt. Indem die beiderseitigen etwas abgeplatteten Kiemen- gänge oder Athemröhren in der angegebenen Richtung gleichmässig vor- rücken, stossen sie in der Mittellinie des Bauches zusammen und vereinigen sich alsdann zu einer einzigen Oeffnung, welche noch weiter rückwärts wächst, so- dass aus jener Vereinigung beider Röhren noch ein gemeinsames medianes End- stück ausgezogen wird (Taf. XV ILI Fig. 528). Diese Beschreibung der Athem- röhren gilt übrigens zunächst nur für die Larven der Unke und der gemeinen Kröte. Bei den übrigen Anuren verbinden sich beide Kiemensäcke durch einen queren ventralen Kanal, ohne dass die Kiemendeckelöffnungen zusammen- treffen, sodass der rechte Kiemensack, auch nachdem seine Oeffnung sich ge- schlossen hat, durch jenen Verbindungskanal und die erhalten bleibende linke 2. Der Hinterkopf. 677 Oefinung einen Ausgang behält (vergl. v. Baer Nr. 9 S. 304—805). Merkwür- digerweise schweigen die späteren Darstellungen von jenem Verbindungskanale, sodass der Schein erweckt wird, als wenn durch den Verschluss der rechten Oefinung der betreffende Kiemensack einen Ausgang überhaupt verliert (vergl. RemaR Nr. 40 S. 156, Ecker Nr. 41 Taf. XXI Fig. XXVU-—-XXIX). Die Lage des unpaaren Kiemenlochs korrespondirt übrigens mit der Stellung des Hautafters: ist jene median, so ist esauch diese, dem bloss linkerseits erhal- tenen Kiemenloche entspricht eine Verschiebung des Afters an die rechte Seite der ventralen Schwanzflossenwurzel. Nachdem die Kiemendeckel vollendet, beginnen die in dem engen Kiemen- sacke eingeschlossenen Kiemenfransen zu atrophiren; dafür wachsen aber an den bis dahin freien medialen Abschnitten der Kiemenspaltränder neue und zwar verzweigte Kiemenfransen — bei den Fröschen sind auch die ersten ver- zweigt — nach aussen hervor, welche kürzer als die ersten sind, aber dichter und nach der Ausdehnung der ganzen Spalten in längeren Reihen stehen (Taf. XVIL Fig. 325. 528, Taf. XIX Fig. 335). Da jeder Rand eine Kiemenreihe trägt, so besitzen der erste und vierte Kiemenbogen je eine, der zweite und dritte zwei Reihen. Ich bezeichne diese neuen Kiemen zum Unterschiede von den ersten, am lateralen oder oberen Ende jedes Kiemenbogens entspringenden als die medialen; diese beiden Gruppen sind aber nach ihrem Ursprunge an der von der Oberhiaut überzogenen Aussenseite der Kiemenbögen durchaus gleich- werthige Bildungen und können daher ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Kiemendeckel stets verdeckt werden oder nicht, um so mehr gleicherweise Aussenkiemen genannt werden, als die Anurenlarven noch eine ganz andere Art von Kiemen besitzen, welche weder an der Aussenseite des Körpers ent- stehen, noch an dieselbe hervortreten. Diese Innenkiemen entwickeln sich nämlich an den einander zugekehrten vom Darmblatte überzogenen Flächen einiger Schlundfalten. Von der ersten derselben war bereits die Rede; die zweite bildet sich in ähnlicher Weise zurück, indem sich ihre beiden Blätter von der Oberhaut trennen und lateralwärts zu einer einfachen Scheidewand ver- schmelzen, sodass nur der mediale Abschnitt dieser Schlundfalte unmittelbar vor dem inneren Kiemenapparat zu einer Seitenbucht der Schlundhöhle sich eröffnet (Taf. XVII Fig. 317—319, Taf. XXI Fig. 369). Jene Scheidewand trennt noch einige Zeit den ersten Kiemenbogen von der ihn nach aussen be- deckenden Fortsetzung des Zungenbeinbogens oder der Wurzel des Kiemen- deckels; später löst sie sich von dem medialen Darmblatte vollständig ab und 673 IX. Der Kopf. ballt sich zu einem runden Körperchen zusammen, welches als Halsdrüse durchaus den ähnlichen Rückbildungsprodukten der Schlundfalten bei höheren Wirbelthieren, den sogenannten Nebendrüsen der Schilddrüse entspricht (vgl. Remax Nr. 40 S. 123) und daher mit einer Thymus nicht verglichen werden kann, wie es durch Leyvi@ geschieht (Nr. 81 S. 63. 64 Anm.). Sie verschiebt sich alsbald unter den ersten oberen Kiemenöffner (Taf. X VIII Fig. 325, Taf. XIX Fig. 355). Die mediale Bucht der zweiten Schlundfalte befindet sich nach dem Schwunde der sie ursprünglich vorn begrenzenden Muskeln des Zungenbeinbogens und des hinter ihr liegenden ersten Kiemenknorpels zwischen dem Quadratbeinknorpel und den Schlundmuskeln oder den umgewandelten Kiemenöffnern und unter dem Stamme des Gesichtsnerven. Bald nach der Metamorphose wird sie bei der Unke, einigen verwandten Anuren und allen Urodelen (vgl. Stansıus Nr. 80 II S. 161) vollständig ausgeglichen; bei anderen Anuren (Rana, Bufo etc.) bleibt sie aber, wie ich es an Larven von Rana escu- lenta fand, als Anlage der Paukenhöhle und der Tuba Eustachii erhalten. Zeigen uns nun die zwei ersten Schlundfalten der Batrachierlarven eine theilweise oder vollständige Rückbildung, so deutet die Entwickelung der fol- genden Falten bei allen von mir untersuchten Anuren jedenfalls ihre ursprüng- lichere Bestimmung an. Nachdem die Falte in ihrem unteren Theile die Ober- haut erreicht hat, spaltet sie sich der Länge nach, sodass jedes Faltenblatt einen eigenen lateralen Saum erhält (Taf. XIV Fig. 248). Diese Säume diver- giren an der entgegenstehenden Einsenkung der Oberhaut so, dass sie dieselbe zwischen sich fassen, und erst dann spaltet sich auch die Oberhautrinne, sodass jeder Spaltrand der Oberhaut mit dem unter ihn geschobenen Darmblattsaum verschmilzt (Fig. 254, Taf. XVLI Fig. 508). Während nun an den Aussen- flächen der Kiemenbögen die lateralen Aussenkiemen entstehen, entfernen sich die beiden Blätter der früheren Darmblattfalten von einander und erzeugen so je einen anfangs platten Raum, der aber durch beständige Erweiterung sich in eine runde Höhle verwandelt (Fig. 317. 318, Taf. XXI Fig. 37 0). Dies hängt natürlich lediglich von der Formveränderung der Kiemenbögen ab. Würden sie ihre früheren Dimensionen in querer und sagittaler Richtung beibehalten, so könnten sie auch später nur cylindrische Spangen und die ursprünglichen Schlundfalten zwischen ihnen bloss die Auskleidung unmittelbarer Spaltöff- nungen der Schlundhöhle darstellen. Indem sie aber frühzeitig sich in querer Richtung ausdehnen und dabei dünner werden, verwandeln sie sich in wirk- 2. Der Hinterkopf. 679 liche Scheidewände der in der Bildung begriffenen Schlundfaltenräume oder derinneren Kiemenhöhlen. Diese Ausbildung der Kiemenbögen bezieht sich aber nicht auf ihre Aussenseiten, welche daher nicht zu dünnen Aussen- rändern der queren weit auseinanderstehenden Innenwände werden und so die Kiemenspalten ausserordentlich erweitern, sondern im Gegentheil von Anfang an in sagittaler Richtung, rechtwinkelig zu jenen Wänden sich in demselben Masse ausdehnen, als die letzteren sich von einander entfernen oder die zwischenliegenden Höhlen sich erweitern; diese nach aussen und unten gewölb- ten Aussenwände schliessen also die inneren Höhlen bis auf die ursprünglichen Spaltöffnungen gegen den äusseren Kiemensack ab (Taf. XVIII Fig. 330). Doch ist die Betheiligung der einzelnen Kiemenbögen an der Herstellung des inneren Kiemenapparats eine ungleiche. Da der erste Bogen mit seiner vorderen Darmblattfläche theils die Paukenhöhlenbucht begrenzt, theils seitlich mit der Wurzel des Kiemendeckels sich verbindet ‚‘ so bildet er keine innere Kiemen- scheidewand, sondern nur die ausgedehnte Vorderwand der ersten inneren Kiemenhöhle. Im 2. und 3. Kiemenbogen stossen die queren Innenwände auf die Längsaxe der gewölbten Aussenwände, sodass der horizontale Durchschnitt dieser Verbindung T-förmig wird; der 2. umschliesst die hintere Hälfte der ersten und die Vorderhälfte der zweiten Kiemenhöhle, der 3. ebenso die zweite und dritte Kiemenhöhle. Der 4. und letzte Kiemenbogen endlich legt sich in Ermangelung einer sechsten Schlundfalte rückwärts und einwärts an den Kehl- kopf an, sodass seine freie, etwas rückwärts geneigte Vorderfläche zur hinteren Schlusswand der dritten Kiemenhöhle wird, seine hintere Hälfte aber bereits in die Zusammensetzung des Kehlkopfs eingeht. Auf diese Weise nehmen an der Bildung des inneren Kiemenapparates nur zwei ganze Kiemenbögen, der 2. und 3., und zwei halbe, der 1. und 4., Theil. In die geschilderte äussere Formver- änderung der Kiemenbögen werden aber nicht alle ihre inneren Bestandtheile gleichmässig hineingezogen ; indem sich ihre anfangs cylindrischen: Knorpel in der Aussenwand und mit ihr abplatten, schliessen sie die inneren Kiemenhöh- len vollständig gegen die äusseren Segmente und die Aussenkiemen ab; selbst die Gefässstämme der letzteren, die Aortenbögen, bleiben in äusseren Längs- rinnen der Knorpel liegen. Im ersten Kiemenbogen setzt sich die Knorpelplatte auf die Vorderwand der ersten Kiemenhöhle fort, im letzten Bogen ebenso auf die Hinterwand der dritten Höhle; wie weit dies in den Scheidewänden des 2. und 3. Bogens geschieht, weiss ich nicht. Die zwei ersten Knorpelplatten artiku- liren am Zungenbeinkörper,, die zwei folgenden verschmelzen alsbald mit dem- 680 IX. Der Kopf. selben und unter einander zu einer einzigen von der kleinen dritten Kiemen- spalte durchbrochenen Platte (Taf. X VIII Fig. 332). Aehnlich verbinden sich die oberen Enden aller Knorpel einer Seite. — Die inneren Kiemenhöhlen wer- den aber nicht bloss gegen einander und nach aussen in der beschriebenen Weise abgeschlossen, sondern auch nach innen gegen die Mundhöhle. An den beiderseitigen, nach hinten konvergirenden Grenzen des inneren Kiemenappa- rats und des Schlundhöhlenbodens erhebt sich nämlich sehr frühe ein Wulst, welcher sich darauf in eine niedrige aber breite Leiste mit zwei scharfen Rän- dern verwandelt, von denen einer gegen die Schlundhöhle, der andere gegen die Kiemenhöhle vorragt (Fig. 330. 370). Vorn und auswärts geht jene Leiste in die Vorderwand der ersten Kiemenhöhle über; die zwei folgenden Scheide- wände laufen an ihr mit vorspringenden Ecken aus, wodurch die Leiste feston- artig geschweift erscheint. Die hinteren Ecken beider Leisten verbinden sich quer vor dem Kehlkopfe, wobei sie eine ziemlich weite Kommunikation des letzten Kiemenhöhlenpaars überdachen; der Kehlkopf wird daher vorn und seitlich von einer kontinuirlichen Bucht, einer Art Vorhof, umgeben. Jener un- teren Grenzleiste des inneren Kiemenapparats entgegen entwickelt sich von der Schlundhöhlendecke ein länglicher Wulst, welcher vorn mit den Leisten, aber hinten weder mit ihnen noch mit semem Gegenstücke sich verbindet (Fig. 329). Auch reichen die queren Scheidewände nicht bis zu ihm hinauf, sodass die drei Kiemenhöhlen unvollkommen geschieden bleiben. Immerhin bilden die beiderlei Vorsprünge einen solchen Abschluss der Kiemenhöhle gegen die Schlundhöhle, dass nur eine spaltförmige Verbinduug zwischen ihnen übrig bleibt. An der Innenfläche unserer Kiemenhöhlen, welche ausschliesslich vom Darmblatte gebildet wird, entwickelt sich eine nicht geringe Anzahl gegen die äusseren Spalten rechtwinkelig auslaufender zarter Leistchen; sie fehlen nur an der glatt bleibenden Höhlendecke. Aus ihren Rändern sprossen kleine kolbige oder verzweigte Blättchen hervor, welche ihnen ein zickzackförmiges Aussehen verleihen. Diese Leistehen, welche mit ihren Auswüchsen die Ober- fläche der inneren Kiemenhöhlen ansehnlich vergrössern, finde ich mit Blut ge- füllt und kann sie daher nur für einen respiratorischehn Apparat halten, woraus sich die Bedeutung der inneren Kiemenhöhlen ergibt. Während der Larvenmetamorphose gehen auch im Hinterkopfe Rückbil- dung und Fortentwickelung neben einander her. Indem die lateralen Muskeln des Zungenbeinbogens (Mm. depressor mandibulae, depressor et levator ossis hyoidei) schwinden, wird auch die ganze Hebeleinrichtung der grossen Zungen- 2. Der Hinterkopf. 681 beinhörner überflüssig. Es schwindet der den Zungenbeinkörper überragende Rand ihrer breiten medialen Platten und macht einem Ausschnitte Platz; medianwärts von diesem verschmelzen sie mit dem Körper und beschreiben von (diesem aus jederseits einen nach vorn konvexen Bogen, während ihre Seiten- theile die Gelenkverbindung mit dem Quadratbeinknorpel aufgeben und sich schlank ausziehend zur Schädelbasis hinaufwachsen, an der sie sich befestigen (Taf. X VIII Fig. 3532—334). Der Zungenbeinkörper wächst in die Breite und erhält dadurch einen weiten Ausschnitt zwischen den Ursprüngen der grossen Hörner; der hintere Seitenrand, welcher den Kiemenknorpeln zum Ansatze diente, erscheint nach dem Schwunde derselben ebenfalls tief ausgeschnitten, indem ein Rest des ersten jener Knorpel ihn mit einer vorderen, das stärker sich entwickelnde hintere Zungenbeinhorn mit einer hinteren Spitze versieht. In den Grund dieses Ausschnittes hat sich jederseits die Schilddrüse einge- bettet; indem er sich aber rückwärts zusammenzieht, richtet sich der ursprüng- liche Vorderrand des Zungenbeinkörpers immer entschiedener seitwärts und wächst in derselben Richtung bogenförmig aus. Das ganze Wachsthum des Zungenbeinapparats lässt ihn aber trotzdem im Verhältniss zu den übrigen Kopftheilen bedeutend zurücktreten, sodass aus den breiten horizontalen Knorpelstücken, welche den Boden der Mund- und Schlundhöhle in der Larven- zeit vollständig einnahmen und die Schaukelbewegung seiner Hebung und Senkung besorgten, ein von der Schädelbasis hinabhängendes schlankes Knorpel- und Knochengerüst geworden ist, dessen ventrales Schlussstück nur einen kleinen Theil des Mundhöhlenbodens einnimmt und mit seinen Be- wegungen unmittelbar nicht viel zu thun hat. Während es in dieser seiner früheren Funktion durch die zum Theil neugebildeten Mm. subhyoideus und submaxillaris ersetzt wird, erscheint es dagegen mehr als eigentliches Zungen- bein, d. h. als Träger der stärker auswachsenden Zunge. — Die am meisten in die Augen fallende Veränderung am Hinterkopfe ist der Schwund des Kie- menapparats. Zuerst schrumpfen und schwinden die Aussenkiemen mit den sie stützenden Knorpeln, worauf auch die Kiemenspalten sich schliessen. Der Kiemendeckel, welcher auch die Vordergliedmassen in den äusseren Kiemen- sack einschloss, wird zuerst von denselben durchbrochen, sodass sie wie aus kurzen Aermeln hervorragen (Taf. XIX Fig. 335. 336), dann verwächst er mit den anliegenden Kiemenbögen und geht auf diese Weise in die Haut der Schlundwand über. Aehnlich schwinden die Athemröhren in der Bauchhaut. Die inneren Kiemen atrophiren erst später; die verödeten inneren Kiemen- 682 IX. Der Kopf. höhlen bestehen noch bis ans Ende der Metamorphose, und es ist mir wenig- stens bei Hyla wahrscheinlich geworden, dass sie sich in die dem Kehlkopfe vorn und seitlich angeschlossenen Kehlsäcke ausziehen. Die auf einen schmalen Streifen hinter und unter dem Gehörorgan reducirte Schlundwand wird nur noch von den Kiemennervenstämmen (N. glossopharyngeus, Rami n. vagi) und den früheren oberen Kiemenöffnern umgürtet, welche von der ge- sammten Muskulatur dieser Gegend allein übrig bleiben und, indem ihre unteren Ansatzenden bis zum Zungenbeinkörper hinabrücken, sich in die Konstrik- toren des Schlundes verwandeln (Mm. petro-hyoidei Ecker Nr. 90, S. 77. 78), deren vorderster den Stamm des N. glossopharyngeus und wenigstens noch einige Zeit nach der Metamorphose die Halsdrüse halb verdeckt (Taf. XIX Fig. 342. 543). Die Bauchseite des Schlundes, also auch des ganzen Zungen- beinkörpers tritt in Folge des Zurück weichens des Perikardialsackes in unmittel- bare Berührung mit den breiter gewordenen ventralen Längsmuskeln, den Mm. sterno- und genio-hyoidei, welche wiederum entsprechend den ursprünglichen Lagebeziehungen der zu Grunde liegenden Segmentschichten von unten durch die Mm. subhyoideus und submaxillaris völlig verdeckt werden. Die Kiemen- nervenstämme behalten die Zweige, mit welchen sie die erhalten bleibenden Schlundmuskeln versorgen, der N. glossopharyngeus zudem seine Verbindung mit dem N. facialis; ihre untern Fortsetzungen erhalten aber in Folge des Schwundes der unteren Kiemenmuskeln eine andere Verwendung. Der N. glossopharyngeus, dessen unteres Ende schon anfangs zwischen dem grossen Horne und dem Körper des Zungenbeins lag (Taf. XV III Fig. 5328), kommt mit dem N. hypoglossus, welcher den Mm. geniohyoidei folgt, dadurch, dass die Zungenbeinmuskulatur sich unter dem Zungenbein ausbreitet (M. hyoglossus), in die unmittelbare Nähe derselben; und da die Zunge keine eigenen Nerven- anlagen besitzt, so bezieht sie die nöthigen Nervenzweige von jenen ihr zu- nächst -liegenden Nervenstämmen, und zwar aus dem Bereiche sowohl der inneren Segmentschicht des Rumpfes (N. hypoglossus) als der äusseren Kopf- segmente (N. glossopharyngeus) (Taf. XX Fig. 348). Durch die Verschiebung des Unterkiefersuspensoriums nach hinten werden beide Nervenstämme im lateralen Verlaufe gleichfalls zurückgedrängt und beschreiben daher, bevor sie die Bauchseite des Kopfes erreichen, zwei parallele nach hinten konvexe Bö- gen (Fig. 343). Zwischen denselben liegt der Vagusstamm, dessen Verzweigung eigentlich nach allen Richtungen ausstrahlt. Seine drei ursprünglichen Aeste bleiben in zwei Schlundnerven und dem vorderen Kehlkopfnerven erhalten ; in IX. Der Kopf. 683 welcher Weise der mit ihm nachträglich verbundene Eingeweideast später als die eigentliche Fortsetzung des Stammes erscheint, habe ich bereits erörtert. Nach dem Schwunde der Seitennerven entsendet der Vagusstamm, sei es direkt oder aus den Wurzeln jener Nerven Zweige in die benachbarten Hals- und Schultermuskeln, Ich glaube in dem beschreibenden Theile die wesentlichsten Momente in der Entwickelungsgeschichte des Batrachierkopfes genügend hervorgehoben zu haben. Das Hirn, die Sinnesorgane und die Oberhaut sind wegen ihrer Grösse, scharfen Sonderung und ihrer oberflächlichen Lage zu jeder Zeit leicht zu unter- scheiden und einzeln zu verfolgen; im übrigen spielen sie mit Ausnahme des Hirns in der allgemeinen Architektonik des embryonalen Kopfes keine wesent- liche Rolle und finden nur gelegentlich in ihren Lagebeziehungen zu den übrigen Theilen Beachtung. Am Hirn spricht sich aber ein sehr bedeutsames Form- verhältniss des Kopfes aus, nämlich die Axenbiegung, wodurch Vorder- und Hinterkopf bleibend geschieden und für den ersteren ganz besondere Lagever- hältnisse herbeigeführt werden. Als einheitliche Embryonalanlage nimmt daran unmittelbaren Antheil das Darmblatt, was aber bisher nicht richtig auf- gefasst wurde. Am mittleren Keimblatte ist eine solche Biegung desshalb nicht immer unmittelbar nachweisbar, weil es keine durch alle Kopfregionen zusam- menhängende Bildung bleibt. Dafür bietet aber seine Sonderung in die ver- schiedenen Segmente, die daraus hervorgehende Gliederung ihrer den verschie- densten Organsystemen angehörigen Erzeugnisse und endlich die theilweise Uebertragung dieser Gliederung aufandere Anlagen (Schlundbögen) das reichste Material für eine vergleichend-anatomische Analyse des Wirbelthierkopfes. Die Anpassung dieser Segmenttheile an die Lageverhältnisse, welche durch die Hirnröhre und den Kopfdarm bereits vorgezeichnet waren, ist der Schlüssel zum Verständniss des ganzen Aufbaues des Kopfes. Die Kenntniss der bezüg- lichen Thatsachen kann nach meinen Erfahrungen zunächst nur aus der Ent- wickelungsgeschichte der Batrachier in ausreichendem Masse geschöpft wer- den; diese gewährt uns aber ferner die Anhaltspunkte, um auch an den übrigen Wirbelthieren den wesentlich gleichen Entwickelungsgang zu verfolgen. Für die Entwickelung des Batrachierkopfes bestehen aber noch immer die alten Arbeiten Reıcnerr's als die einzigen einigermassen umfassenden. Ich habe dieselben schon einmal kritisirt (vgl. S. 190—193. 234. 235), jedoch nur mit 684 IX. Der Kopf. Rücksicht auf die Gliederung des mittleren Keimblattes überhaupt, sodass die ganze Entwickelung des Kopfes hier besonders ausgeführt werden muss. REICHERT betrachtet den Batrachierkopf als eine unmittelbare Fortsetzung des Rumpfes mit den durch die Chorda getrennten Röhren des Centralnerven- und Darmsystems und den sie auf- und abwärts umwachsenden Rücken- und Visceralplatten (Nr.20S.2u. flg. 152u. flg.). Dass aber Reichert den Kopfdarm überhaupt nicht näher untersucht hat, geht sowohl aus seinen bereits eitirten Angaben über die Bildung des Darmblattes als besonders aus der häufig wieder- holten Behauptung hervor, dass die Batrachier ebenso wie alle niederen Wir- belthiere wegen der schwächeren Entwickelung des Geruchsorgans (!) niemals eine Gesichtskopfbeuge besässen, sodass die genannten röhrenförmigen Kopfanlagen mit ihren Rücken- und Visceralplatten in unveränderter Richtung vom Rumpfe bis an das vordere Kopfende verliefen (Nr. 20 S. 13. 156. 157. 206). Schon daraus lässt sich entnehmen, dass die senkrechten queren Abschnitte, welche REıcHErRT am Kopfe als Fortsetzung der „Wirbelabtheilungen“ des Rumpfes unterscheidet, unmöglich mit den von mir nachgewiesenen Kopfsegmenten des mittleren Keimblattes übereinstimmen können, von denen das erste von Anfang an eben in Folge der ursprünglichen Kopfbeuge rechtwinkelig nach unten um- gelegt ist. Die ganz willkürliche Bestimmung der ReıcHerr'schen Kopfwirbel wird vollends evident, wenn man erfährt, dass sie im Rückentheile zuerst in den drei Hirnblasen sich ausprägen, in den Rückenplatten oder dem „häutigen Schädel“ dagegen erst durch die Ossifikation gleichfalls in der Dreizahl hervor- treten (Nr. 20 S. 28. 44. 91. 208. 209). Denn jene Hirntheile haben mit der grundlegenden Segmentirung des mittleren Keimblattes nichts zu thun, da die beiden ersten Hirnblasen in den Bereich des ersten Segments fallen, während auf die letzte drei von jenen Segmenten kommen; und ferner ist diese Grlie- derung des mittleren Keimblattes von REICHERT um so gewisser übersehen wor- den, als er die bezüglichen „Wirbelabtheilungen“ erst nach der vollständigen Umbildung der Segmente erkennt. Nicht anders steht es mit den Wirbel- abtheilungen in der Visceralplatte des Kopfes, den sogenannten Visceralfort- sätzen und -bögen. REICHERT nimmt für die Batrachier nur zwei solche Bögen an, welche durch die erste Visceralspalte von einander getrennt würden; die darauf folgenden Kiemenbögen seien keine Visceralbögen und daher der ganze Raum zur Seite des Kiemenapparats zwischen dem zweiten Visceralbogen (Zungenbeinbogen) und dem Rumpfe als zweite Visceralspalte, als eine wirk- liche „Oeffnung in der Kopfvisceralröhre“ zu betrachten (Nr. 20 8.55.56. 155.207) IX. Der Kopf. 685 — eine Auffassung, die sich nicht weiter kritisiren lässt. Auch die beiden Visceralbögen REICHERT’S entsprechen meinem Unterkiefer- und Zungenbein- bogen nicht; denn der erste soll erst unter dem Auge und zwar mit breiter, bis zum Geruchsorgan reichender Basis entspringen und senkrecht hinunterziehen, bezeichnet also nur die untere Hälfte meines Unterkieferbogens nebst dem late- ralen Gesichtsfortsatze, während die dorsale Hälfte jenes Bogens dem zweiten Visceralbogen zugerechnet wird (Nr. 20 S. 22). Diese Verwechselung wird aus der weiteren gleich zu erwähnenden Darstellung REICHERT's ganz evident. Eine Neubildung, welche der Kopf vor dem Rumpfe voraushaben soll, sei das Ge- sicht; es entstehe dadurch, dass die Basis der Rückenplatten oder die „Schädel- basis“ in der geraden Richtung der gesammten Wirbelreihe über den ersten Kopfwirbel hinauswachse und sich ihr dabei seitliche Fortsätze sowohl der- selben Platten (Nasen-, Stirnfortsätze) als auch des ersten Visceralfortsatzes (Oberkiefer) anschliessen (Nr. 20 8. 6. 7. 14. 15. 155. 183). Aus der weiteren Angabe, dass der Oberkiefer die ganze Seitenwand der Nasenhöhle bilde, geht aber hervor, dass in dieser Anlage Theile der beiderlei Segmente und Gesichts- fortsätze unterschiedslos zusammengeworfen werden (vgl. S. 642. 643). Indem ReEicHErT auf diese Weise die ganze fundamentale Kopfbildung bloss nach dem äusseren Relief und ohne Rücksicht auf die ursprüngliche innere Zusammensetzung zu veranschaulichen und zu erklären suchte, musste ihm die Einsicht in den ursprünglichen Zusammenhang zwischen der morphologischen Entwickelung und dem anatomischen Verhalten der Einzeltheile entgehen und. konnten sich selbst in die Darstellung des letzteren mannigfache Irrthümer einschleichen. Ist schon die Unterscheidung von Rücken- und Visceralplatten selbst für die erste Entwickelungsperiode unpassend, da sowohl in der dorsalen, wie in der ventralen Kopfhälfte verschiedene Theile des mittleren Keimblattes nebeneinander vorkommen, so ist die Annahme, dass die Rückenplatten, indem sie das Hirn umwüchsen, einen „häutigen Schädel“ darstellten, geradezu falsch; denn dieser angebliche Schädel bildet die Anlagen für die Muskeln und Nerven dieses Kopftheils (Augen-, hintere Stammuskeln, alle Segmentnerven) früher als diejenigen des Skelets; ausserdem aber noch alle zu dem letzteren nicht ge- hörenden Bindesubstanzen (Hirnhäute, Gefässe u. s. w.), lauter Theile, welche über den „Schädelwirbeln“ vergessen wurden, abgesehen davon, dass die ver- tebralen Skelettheile als sekundär-morphologische Bildungen eine ursprüng- liche Anlage gar nicht besitzen. Hiernach bedarf es keiner näheren Erörterung, dass Reıc#err’s Schädelwirbel mit den von mir beschriebenen vertebralen 686 IX. Der Kopf. Schädeltheilen nur den Namen gemein haben; und daraus folgt weiter, dass er die Knorpel der Stirnfortsätze als einfache Verlängerungen des ersten Wirbel- bogenpaars nicht zu erkennen vermochte. Von der weiteren Entwickelung des ersten Visceralfortsatzes berichtet uns REICHERT, dass in dessen oberstem Theile, und zwar als sehr späte Bildung, der Gaumenflügelbogen, gerade dar- unter der Quadratbeinknorpel entstehe, welcher letztere anfangs nur durch seinen Orbitalfortsatz (Jochfortsatz) an der Wurzel der Stirnfortsätze mit dem Schädel verbunden sei, und dem sich im ventralen Schlusse des ganzen Bogens der in Mittel- und Seitentheile gesonderte Unterkiefer anschliesse. Die breite ursprüngliche Fortsetzung des Quadratbeinuknorpels in den Schläfenflügel- knorpel, welche REICHERT gegen Dusks ein „unscheinbares Knorpelstückchen“ nennt, soll im oberen Theile des zweiten Visceral- oder des Zungenbeinbogens entstehen (Nr. 20 S. 30—87. 234). Die Unhaltbarkeit auch dieser Angaben ergibt sich ohne weiteres, sobald man die betreffenden Theile genauer unter- sucht (vgl. Taf. X VI). Wenn es ferner anzuerkennen ist, dass REICHERT zuerst die Bedeutung der später sogenannten Urwirbel auf die Muskeln ausdehnte (vgl. S. 234), so muss es um so mehr auffallen, dass er es unterlassen hat, die von ihm beschriebene Muskulatur des Kiefer- und Zungenbeinapparats (Nr. 20 S. 33—40) auf seine Visceralbögen als ventrale Wirbelabschnitte zu vertheilen. Sollte übrigens die Eintheilung jener Muskeln in Beweger der Kiefer und des Zungenbeins und Kiemendeckels ihre verschiedene Zugehörigkeit zu den beiden Visceralbögen ausdrücken, so wäre dies fehlerhaft, indem der M. depressor mandibulae nicht aus dem Unterkiefer-, sondern aus dem Zungenbeinbogen her- vorgeht. Von den Kiefermuskeln beschreibt REICHERT einen grossen auf dem (uadratbeinknorpel liegenden Kaumuskel, welcher durch seinen Ansatz am Unterkiefer denselben vorziehe und durch ein abgezweigtes Bündel den knor- peligen Zwischenkiefer (Oberkieferknorpel) senke. Diese ganz unbegründete Vereinigung der drei sehr deutlich geschiedenen Kaumuskeln — was schon mit blossem Auge erkannt werden kann — und die schon gegen den äusseren Augenschein sprechende Angabe ihrer Wirkung hebe ich besonders hervor, weil REICHERT seiner Beschreibung eine spöttische Bemängelung der durchaus zutreffenden bezüglichen Darstellung von Duess (Nr. 13 S. 146) vorausschickt. Dagegen hat er die gleichzeitige Querstreckung des Unterkiefers und die damit zusammenhängende Abplattung der Unterlippe richtig beobachtet. Diese Wirkung soll ein zweiter Muskel unterstützen, von dem es heisst: „Er kommt von dem mittleren Theil des hinteren Randes vom Meckel’schen Knorpel und IX. Der Kopf. 687 setzt sich an den äusseren Rand des entsprechenden unteren Kieferstücks, gleichfalls ungefähr in der Mitte.“ Dieser von REICHERT sogar abgebildete Muskel (Nr. 20 Taf. I Fig. 17) existirt aber bei den Froschlarven ebensowenig wie bei den Unkenlarven; und wenn er vorkäme, so würde er, wie namentlich aus der Abbildung klar genug hervorgeht, die Biegungen des Unterkiefers nicht abschwächen können, sondern sie gerade verstärken müssen. Die folgen- den Muskeln sind von REICHERT ebenfalls nicht benannt worden, aber aus der Beschreibung nicht zu verkennen. Die Mm. depressor mandibulae, submaxil- laris und genio-hyoideus sollen durch ihre vereinigte Aktion das Mittelstück des Unterkiefers stärker knicken, wasich für richtig halte, dabei aber den Unter- kiefer zurückziehen und die Mundspalte verengen, wogegen Dusks den ersten Muskel als Unterkiefersenker * richtigbezeichnet(Nr. 13 8. 147). Danun mit Aus- nahme der schwachen Lippenmuskeln und des M. submentalis** andere Kiefer- muskelnals die von REıcHzrrbeschriebenen nicht existiren, *** so muss die Vor- stellung, welche er sich von derKieferbewegung macht, namentlichim Hinblicke auf die ihm vorliegende, im allgemeinen richtige Beschreibung von Ducks, eine höchst unvollkommene genannt werden. Wenn die eigentlichen Kaumuskeln durch Vorziehen und Strecken des Unterkiefers und Senken des Oberkiefers „die Mundöffnung zuschliessen,“ die Antagonisten jener Muskeln oder die Zu- rückzieher des Unterkiefers „die Mundspalte verengen“ sollen, so vermag ich weder einen Gegensatz in der Wirkung beider Gruppen, noch die eigentlichen Oeffiner des Mundes zu entdecken. Die zwei von REICHERT bezeichneten Zungenbeinmuskeln (M. depressor ossis hyoidei, M. subhyoideus) bewegen an- seblich den Kiemendeckel; bei den Unkenlarven sind aber während der kurzen # Der Unterkiefer stellt für den M. depressor mandibulae einen zweiarmigen Hebel vor, indem die Last, die Unterlippe, medianwärts vom Unterstützungspunkte oder dem Gelenke, die Kraft auf der entgegengesetzten lateralen Seite angreift; die Richtung der Kraft — schräg auf- und rückwärts — muss also der Bewegungsrichtung der Last entgegengesetzt sein, folglich die Unterlippe sich schräg vor- und abwärts bewegen, wobei die Mitwirkung des einfach zurückziehenden M. genio-hyoideus das Vorziehen paralysirt. — Bei gleicher Beurtheilung ist der Unterkiefer hinsichtlich der Mm. temporalis und pterygoideus ein einarmiger Hebel, sodass diese dem M. depressor mandibulae parallel laufenden Muskeln doch seine Antagonisten werden. #* Ducks kennt die Lippenmuskeln, hält aber den M. submentalis, den er an der Larve vermisst, irrthümlicherweise für den metamorphosirten unteren Lippenmuskel (Nr. 13 S. 144. 145). | *%# Der M.lavator ossis hyoidei könnte unter Umständen, bei einer Fixirung des Zungen- beins durch dessen Senker, auch den Unterkiefer bewegen, nämlich vorziehen; jedoch kommt diese Möglichkeit hier gar nicht in Betracht, da Reıcuerr diesen Muskel nicht anführt. 688 IX. Der Kopf. Zeit seines fischähnlichen, deckelartigen Zustandes weder jene Muskeln noch das Zungenbein bis zur Bewegungsfähigkeit entwickelt (Taf. XVII Fig. 308 311), dagegen mögen solche Bewegungen bei den Fröschen stattfinden, deren Kiemendeckel länger frei bleibt und überdies einen eigenen Muskel entwickelt (vgl. Dugks Nr. 13 8. 148). Die übrigen Kopftheile (Nerven, Augen-, Stamm-, Kiemenmuskeln u. s. w.) hat REICHERT so vollständig ausser Acht gelassen, dass man sehr bald einsieht, dass er unter der Entwickelungsgeschichte des Kopfes eigentlich nur die Bil- dung des Kopfskelets verstanden habe. Aber auch dieses ist nur zum Theil eingehender untersucht worden; vom Kiemenapparate erfährt man nur, dass, obgleich die eigentlichen Bögen ausser allen Vergleich mit den Visceralbögen gestellt werden, ihr ventrales Verbindungsstück oder der spätere Zungenbein- körper (Kiemenbogenträger) dennoch wieder der Visceralplatte angehöre, wozu dann noch das mit dem vierten Kiemenknorpel verwechselte hintere Zungenbeinhorn gerechnet wird (Nr. 20 S. 56—59). — Ueber die Verän- derungen des Kopfskelets in der Larvenmetamorphose ist REıcHerr gleichfalls in mancher Beziehung weniger gut unterrichtet als Ducks. Allerdings hat auch dieser Beobachter, da er die Entwickelung bis zur zweiten Larvenperiode so gut wie gar nicht verfolgt hat, weder die Bedeutung des Schläfenflügelknorpels, noch den Zusammenhang der Skelettheile der Nasengegend erkannt. Aus Be- schreibung und Abbildungen erhellt, dass sein Rostrale superius zugleich meinem Oberkieferknorpel und dem unteren Theile des Zwischenkieferknorpels, (das Adrostrale der hinteren oberen Spitze des ersteren entspricht (Nr. 13 8. 54—86, Fig. 70—72). Die Kontinuität dieser beiden Knorpelstücke unter- einander und mit dem oberen Theile meiner Zwischenkieferknorpel (Ethmoi- dale Dusks) ist aber Ducks entgangen, so wie ihr völliger Schwund während der Metamorphose und die vorausgehende Entwickelung der Zwischen- und Oberkieferknochen als Deckknochen auf denselben falsch angegeben ist (a. a. 0.8. 90—92). Der Oberkieferknorpel löst sich vielmehr alsdann erst vom /wischenkieferknorpel ab und atrophirt ganz unabhängig von der Faserknochen- anlage des Maxillare, während der gesammte von der Stammplatte abgelöste /wischenkieferknorpel in den aufsteigenden Ast des Intermaxillare übergeht. Die Ethmoidalia endlich scheinen nicht nur den oberen Theil meiner Zwischen- kieferknorpel, sondern auch die Stammplatte und emen Theil der Nasenscheide- wand und der Nasenhöhlendecke zu umfassen (a. a. O. und Taf. XVII); es sind zwei nach einer sehr ungenauen Untersuchung willkürlich konstruirte und IX. Der Kojf. 684 daher ganz falsch wiedergegebene Skelettheile. Die Umbildung des übrigen Kopfskelets wird von Dusks richtig beschrieben (a. a. 0. S. 88—102). REıcHErT hat nun die oben bezeichneten Irrthümer seines Vorgängers nicht verbessert, dagegen bezüglich der Metamorphose andere hinzugefügt. So sollen alle Zu- rückzieher des Unterkiefers vollständig und die zwei erwähnten Zungenbein- muskeln „zum grössten Theile“ atrophiren (Nr. 20 8. 42. 43); die Mm. sub- maxillaris, genio- und subhyoideus wachsen aber gerade während der Metamor- phose ansehnlich, wie es schon Dughs bekannt war. Und da ReıcHerr einmal den äusseren Kiemensack als zweite Visceralspalte aufgefasst hatte, hält er es konsequenterweise für wahrscheinlich, dass derselbe bei den mit einer Pauken- höhle versehenen Batrachiern sich in die letztere verwandele (a. a. 0. S. 74). Seit den Untersuchungen REICHErT’s sind manche Beiträge zur Entwicke- lungsgeschichte des Batrarchierkopfes geliefert, dieselbe aber nicht mehr um- fassend, durch die Embryonal- und beide Larvenperioden hindurch, behandelt worden. Wo aber auch die Embryonalperiode scheinbar vollständig unter- sucht wurde, fehlte immer die Erkenntniss von dem Ineinandergreifen jener beiden wichtigsten Formverhältnisse, der Kopfbeuge und der Segmentirung (vgl. S. 229—239). Ferner ist seit Reıcherr’s Arbeiten auf die von ihm be- haupteten Unterschiede in der Entwickelung der Anuren und Tritonen nicht mehr die Rede gekommen, wahrscheinlich weil die angeblichen Folgen jener Unterschiede, namentlich der Mangel eines Flügelgaumenbogens bei den Tri- tonen, von der vergleichenden Anatomie mit Recht nicht anerkannt wurden. Immerhin verdienen die bezüglichen Bemerkungen REICHERT's eine grössere Beachtung, als ihnen bisher geschenkt wurde, weil die individuelle Entwicke- lung jener beiden Batrachiergruppen, obgleich in den ällgemeinen Anlagen über- einstimmend, in der gegenseitigen Anpassung derselben nur Unterschiede offen- bart, deren Bedeutung für den Vergleich mit der Bildungsgeschichte anderer Wirbelthiere REICHERT im allgemeinen richtig herausgefühlt hat, obschon ihm das klare Verständniss der einzelnen Vorgänge fehlte. Um nur an eines zu er- innern, so hat er die Beschränkung der Larvenmetamorphose bei den Urodelen als Folge jener ursprünglichen Verschiedenheit ganz zutreflend hervorgehoben (a. a. 0. S. 75. 207), wobei freilich mehr der „Endzweck“ als der natürliche Kausalzusammenhang zur Erklärung dienen muss. Doch kann ich hier auf diese Verhältnisse nicht in ihrer Allgemeinheit, sondern nur in der besonderen Beziehung auf die Entwickelungsgeschichte des Kopfes eingehen. Ich habe dieselbe bei den Tritonen nicht fortlaufend verfolgt, aber durch die Unter- GorTTE, Entwiekelungsgeschichte. 44 590 IX. Der Kopf. suchung einzelner Entwickelungsstufen aus der Embryonal- wie aus den Lar- venperioden die wesentlichen Abweichungen von der Bildung der Anuren- embryonen -und -larven wie ich glaube genügend erkennen können. REICHERT sieht diese Abweichungen namentlich darin, dass der erste Visceralfortsatz bei den Anuren einen breiten Ursprung an der Schädelbasis bis vor das Auge be- sitze, bei den Tritonen dagegen hinter dem Auge hervorwachse. Die Folge davon sei, dass die Tritonen mit jenem suborbitalen Theile des Visceralfort- satzes auch seine Erzeugnisse, den Flügelgaumenbogen, entbehrten, während er bei den Anuren durch das Zurückweichen des Quadratbeinknorpels während der Metamorphose vor demselben freigelegt, ebenso wie bei den Amnioten jenen Skeletbogen ausbilden könne (a. a. ©. S. 82—102.123). Wenn nun schon der knorpelige Flügelgaumenbogen der Urodelen ganz evident ist (vgl. Ruscont Nr. 39 8. 69. 73, GEGENBAUR Nr. 135), so sind auch die angeblichen Ursachen seines Mangels nur aus der schon erwähnten missverständlichen Bestimmung der Visceralfortsätze entnommen. Allerdings reicht der ursprüngliche Kiefer- theil der Urodelen mit seiner ganzen Masse nicht so weit unter das Auge wie bei den Anuren; dies hat aber semen Grund nicht in einem anderen Ursprunge desselben, welcher bei allen von mir untersuchten Wirbelthierembryonen hinter dem.Auge zu suchen ist, sondern in den besonderen Formbedingungen, welche sein Hinabwachsen und daher seine spätere Lage bestimmen. Wir sehen den Kopf der jüngsten Anurenembryonen so allmählich aus der Form einer sphäri- schen Scheibe zu derjenigen eines Uylinders hervorwachsen, dass der Vorder- kopf anfangs, statt einen ersten Cylinderabschnitt zu bilden, eine quere und fast senkrechte Platte darstellt, in deren oberer Hälfte (Hirntheil) die künftige Decke, darunter ım Kiefertheile die ungesonderten Seiten- und Bauchtheile des noch gar nicht existirenden vordersten Kopfdarmabschnittes oder der inne- ren Mundhöhle enthalten sind. Die neben und hinter dem platten Vorder- hirne und seiner Augenanlage hervorkommenden Aussensegmente werden da- her nicht gerade abwärts, sondern etwas schräg vorwärts unter jene Theile ge- leitet, sodass der dadurch gebildete quere und breite Kieferwulst eigentlich ganz vor dem Kopfdarme und unter dem Hirne liegt und durch seine mediane Scheidewand einen ebensolchen Durchbruch des Koptdarms nach aussen, d. h. eine senkrechte Mundspalte vorzubereiten scheint. Dieses Lageverhältniss wird durch die folgende seitliche Abplattung der Anurenembryonen noch stär- ker hervorgehoben, indem die beiden Hälften des Kieferwulstes sich in zwei absteigende Kieferschenkel verwandeln, denen sich vorn und oben von der IX. Der Kopf. 691 Hirnbasis her die medialen Gesichtsfortsätze auflagern (Oberkieferwulst), so- dass zwischen den beiderseitigen Kieferbildungen auch thatsächlich eine äussere Mundbucht von der Form einer medianen Furche entsteht, welche an das ge- schlossene Cyklostomenmaul erinnert. Durch die früher erörterte Drehung beider Kieferschenkel und die damit verbundene dachförmige Ausbreitung der medialen Gesichtsfortsätze, was natürlich mit dem Auswachsen des Hirntheils zusammenhängt, werden allerdings die Mundbucht wie die durch die quer- gezogene Scheidewand noch abgeschlossene innere Mundhöhle verbreitert; da aber der Kiefertheil von Anfang an soweit vorgeschoben war, dass sein ven- trales Schlussstück auch beim Hervorwachsen der medialen Gesichtsfortsätze sich unmittelbar, unter denselben befindet und mit ihnen in Verbindung bleibt, so wird dadurch einmal die seitliche Beschränkung der Mundbucht und später der Mundöffnung durch die ineinander übergehenden Lippen und ferner die Anpassung der Skelettheile des Ober- und Unterkiefers zu queren, annähernd ıingförmig zusammengefügten Trägern bloss jener Lippen erzielt. In Folge dessen wird der grössere Theil der Masse des Kiefertheils zum schräg vorge- schobenen Suspensorium des schwach entwickelten Unterkiefers verbraucht, der laterale Gesichtsfortsatz zunächst nach aussen und hinten verdrängt und von der Begrenzung der Mundöffnung ausgeschlossen. Aufdiese Weise wird also der für die unmittelbare Nahrungsaufnahme bestimmte Abschnitt des Kiefer- apparats auf das von den Lippen gebildete weit vorgeschobene Rundmaul be- schränkt, welches sich vom Uyklostomenmaul im allgemeinen nur dadurch un- terscheidet, dass es sich von der ersten, zur aufrechten Mundöffnung neigenden Anlage, welche bei den Cyklostomen noch im geschlossenen Maule zum Aus- drucke kommt, weiter entfernt hat, indem seine Schliessung in einer queren Spalte erfolgt. Dieses Verhalten bahnt aber auch schon die Metamorphose des Kieferapparats der Anuren an, deren allgemeine Bedeutung darin beruht, dass das vorgeschobene runde Saugmaul in ein weit zurückweichendes, breit- gespaltenes Greifmaul umgebildet wird. Mit den ineinander übergehenden Lippen schwindet auch das dadurch bedingte ringförmige Gefüge ihrer Skelet- theile; das Unterkiefersuspensorium zieht sich aus der schrägen Lage in eine immer steilere zurück, wobei der Unterkiefer zum horizontalen Bogen aus- wächst und die Mundöffnung im mer weiter rückwärts sich ausdehnt; der late- rale Gesichtsfortsatz (Oberkieferfortsatz) endlich tritt an die Stelle der ver- kümmernden Seitentheile des Oberkiefers der Larve und damit in die unmittel- bare obere Begrenzungder Mundöffnung. — Aus diesem Bildungsgange des Kiefer- 44 * 692 IX. Der Kopf. apparats der Anuren lässt sich entnehmen, dass das langsame Hervorwachsen des embryonalen Vorderkopfes die Ursache der vorgeschobenen Lage des Kiefertheils und folglich der Ausbildung des Rundmauls ist, und dass die entgegengesetzt wir- kende, durch die Hirnentwickelung bedingte Verbreiterung der Mundhöhle und Mundöffnung zu spät eintritt, um die zeitweilige Larvenbildung zu verhindern. Die Urodelen zeigen dagegen von Anfang an günstigere Bedingungen für die Herstellung des definitiven Kieferapparats. Die Abschnürung des Vorder- kopfes erfolgt sehr bald, indem der Hirntheil sich frühzeitig vorwölbt, und der . ihn umkreisende Keimtheil sich rückwärts umlegend zum Boden des breiten und flachen vorderen Kopfdarmabschnittes wird. Begreiflicherweise wächst dann das äussere Segmentpaar in diesen hinter dem Vorderhirne den Kopf- darm umschliessenden Kieferbogen ziemlich steil hinab und füllt dessen flach- gebogenen. ventralen Abschnitt oder den Unterkiefer gleich mit grösserer Masse aus. Und da der vordere Faltenrand des platten Darmblattsackes der Mundhöhle zwischen dem vorgewölbten Hirntheile und dem noch zurücktreten- den Unterkieferbogen mit der Oberhaut verwächst, so stellt sich die Mund- bucht umgekehrt wie bei den Anurenlarven als eine quere, übrigens wenig ver- tiefte Furche dar, welche den lateralen Gesichtsfortsatz (Oberkiefer REICHERT) gleich bei seiner Entstehung vom zurückgedrängten Unterkieferbogen trennt. Diese Mundbucht öffnet sich alsdann nach innen ganz nach dem Vorbilde der Kiemenspalten, sodass der Mundraum der jungen Urodelenlarven nicht aus zwei durch eine Scheidewand getrennten Höhlen besteht, sondern einem voll- ständigen Munde bei geschlossenen Kiefern und Lippen gleicht (vgl. meinen Aufsatz Nr. 64 Fig. 29). — Also nur eine wesentlich durch die Hirnentwicke- lung herbeigeführte Verschiedenheit in den Formbedingungen der topographi- schen Anordnung der gleichen Kopfanlagen ruft jenen Unterschied in der Entwicke- lung der Anuren und Urodelen hervor, wodurch die ersteren während ihrer Lar- venzeit sich hinsichtlich des Kieferapparats den niedersten Wirbelthieren nähern, die Urodelen ähnlich den Teleostiern und Amnioten sich von Anfang an dem blei- benden Zustande anpassen. Leider lässt sich aber die Entwickelungsgeschichte des Oyklostomenkopfes auch aus den Untersuchungen M. Schustze's nicht ein- mal annähernd erkennen; denn die äussere Erscheinung, namentlich die Ab- schnürung des Kopfendes (vgl. Nr. 92 Taf. III. IV), erinnert weit mehr an die Embryonen der Urodelen, während der vollendete Zustand des Kopfes wenig- stens der Neunaugen ganz entschieden auf die Anurenlarven hinweist. Doch habe ich schon häufig auf die Unsicherheit der Schlüsse aus der äusseren IX. Der Kopf. 693 Erscheinung aufmerksam gemacht, und es bietet sich, indem wir auf die Knochenfische übergehen, hier gleich die Gelegenheit, jene Erfahrung von neuem zu bestätigen. Ueber die Entwickelung des Teleostierkopfes, soweit sie sich auf die Theile des mittleren Keimblattes und des Darmblattes bezieht, liegen bisher nur die spärlichen Beobachtungen OELLACHER’S vor. Er erwähnt eine mediane Lücke des mittleren Keimblattes in der Kopfregion, welche die Hirnanlage mit dem Darmblatte in der ganzen Kiemengegend oder dem Hinterkopfe bis vor die Augenanlagen in Berührung bringe (Nr. 107 S. 44. 45. 56. 57); die Wirbelsaite schiebe sich erst nachträglich in den Hinterkopf vor. Bei dieser irrigen Dar- stellung ist aber eine Vergleichung jener Lücke des mittleren Keimblattes mit derjenigen der Batrachier nıcht möglich; vielmehr besteht die Chordaanlage der Forellenembryonen gleich ursprünglich bis gegen die Mitte zwischen Augen- und Ohranlage, und jene Lücke entsteht ebenso wie bei den Batrachiern vor der Chordaspitze, um den vordersten Theil des mittleren Keimblattes durch- weg in zwei Seitenhälften zu theilen, in welchen die Seitenplatten gleichfalls zur Herstellung der Segmentplatten (1. Segmentpaar) aufgebraucht werden. Im übrigen Kopfe unterscheidet OELLACHER nur die das Hirn umfassenden Kopfplatten und die lateralwärts gelegenen Perikardialplatten, welche beiderlei (Gebilde jederseits durch einen soliden, bis zu den Augenanlagen reichenden seitlichen Auswuchs des Darmblattes geschieden würden ; dieser Wulst sei die Anlage der Kiemenhöhle, welche erst hohl werde, nachdem sich an den Ver- bindungsstellen mit der Oberhaut die Kiemenspalten gebildet und Fortsetzungen der Kopfplatten zwischen jene Kiemenhöhlenanlage und die Perikardialplatten die Kiemenbögen angelegt hätten (a. a. O. S. 70. 73. 74. 78—82). Auch diese durchaus irrigen Angaben erklären sich theils aus einer mangelhaften Unter- suchung der @Querdurchschnitte, theils daraus, dass die letzteren allein über die Form- und Lagebeziehungen des Kopfes nur sehr ungenügend orientiren kön- nen. Eine gleichzeitige Prüfung von Frontal- und Sagittaldurchschnitten hat mich belehrt, dass die Knochenfische auch hinsichtlich der Kopfentwickelung im wesentlichen den Batrachiern, insbesondere den Urodelen sich anschliessen. Schon von Anfang an gehen die zweischichtigen Seitenplatten ganz unmerklich in die Segmentplatten über; darauf schlägt das Darmblatt, während der ganze Kopftheil sich höher hebt, eine nach aussen und oben gerichtete Falte, und indem der untere Faltenumschlag nach innen vorrückt und sich mit dem ander- seitigen vereinigt, wird der breite aber spaltföormig enge und vom Hirn konkav 694 IX. Der Kopf. eingedrückte Kopfdarm gebildet, welchen OELLACHER für eine solide Ver- dickung des Darmblattes und die Anlage der Kiemenhöhle erklärt (vgl. S. 263). An dieser Herstellung des Kopfdarmes durch das Darmblatt nimmt auch das mittlere Keimblatt Theil, indem die Seitenplatten sich unter die Darmblatt- falte einschlagen; doch erscheint der ihr unmittelbar anliegende und rückwärts den Segmentplatten angeschlossene Theil ungespalten und geht erst im Grunde der Tasche in den gespaltenen Theil, OerrAcher's Perikardialplatten, über. Wir haben daher in jenem ersteren Theile die rückgebildete Seitenplatte der Schlundwand der Batrachier vor uns, nicht nachträgliche’ Auswüchse der oberen Segmentplatten. Da nun, wie erwähnt, im Vorderkopfe die gesammte Seiten- platte in die Segmentplatte aufgeht, kann der Faltenrand des abgeplatteten Kopfdarms unter der letzteren im ganzen vorderen und seitlichen Umfange des Vorderkopfes mit der Oberhaut verwachsen und dadurch eine ausgedehnte aber noch geschlossene horizontale Mundspalte anlegen. Eine Strecke weit hinter dem Mundwinkel erreicht jener Faltenrand mit einer nach hinten stark geneig- ten und zu einer gewissen Höhe auswachsenden Fortsetzung die Oberhaut aber- mals, um die erste Schlundfalte zu bilden; die zweite entsteht unter dem Ohr- - bläschen, dahinter noch vier weitere. Bei ihrer schrägen Stellung kann man ihre Grenzen, Zwischenwände u. s. w. an Querdurchschnitten natürlich nicht erken- nen, welche vielmehr eine fortschreitende Annäherung des ganzen Seitenrandes vom Kopfdarme an die Oberhaut vortäuschen. Was endlich die Kopfsegmente des Forellenembryo betrifft, so sind sie allerdings nicht so klar zur Anschauung zu bringen wie bei den Batrachiern. Immerhin habe ich an einigen glücklichen Frontaldurchschnitten zwei sehr grosse zwischen Ohr und Auge gelegene und zwei kleinere hinter dem Ohr nachweisen können; die ersteren werden abwärts durch die erste und zweite Schlundfalte begrenzt, sodass ihre ventralen Fort- setzungen gleichfalls schräg nach vorn und unten auswachsen. Das erste late- rale Kopfsegment wird dabei durch den Mundwinkel gleichsam gespalten, so- dass der obere Schenkel oder der laterale Gesichtsfortsatz und der Unterkiefer- bogen in einer weiten Strecke von einander geschieden werden, wodurch die Uebereinstimmung mit der embryonalen Anlage des Kieferapparates der Urodelen deutlich hervortritt. Aeusserlich gibt sich dies alles nicht zu erken- nen, weil die Oberhaut an der beschriebenen Abschnürung des Kopfes zunächst gar keinen Antheil nimmt, vielmehr von der Unterlippe und den oberen Theilen aller seiner Bögen sich unmittelbar auf den Dottersack umschlägt, unter dessen Oberfläche daher der Kopfdarm mit den längeren ventralen Abschnitten jener IX. DerKopf. 695 Bögen verborgen bleibt. Erst um die Zeit des Ausschlüpfens der jungen Fisch- chen beginnt die Oberhaut von den eben bezeichneten Grenzen an sich um die fertige Bauchwand des Kopfdarms und des Perikardialsackes zusammen- zuziehen und sie vom Dottersacke vollends abzuschnüren. — Von weiteren Ein- zelheiten der Kopfbildung sei hier noch hervorgehoben, dass die segmentalen Nervenanlagen sich gerade so verhalten wie bei den Batrachiern, dass folglich die Nervengruppe des Vorderkopfes auf zwei Hauptanlagen zu vertheilen ist und der N. vagus mit Ausnahme des R. lateralis und R. intestinalis einheitlich entsteht. —- Von der morphologischen Entwickelung des Teleostierkopfes wäre also besonders hervorzuheben, dass er durch die frühzeitige Abschnürung eines flachen Kopfdarms und die Anlage einer ausgedehnten queren Mundspalte sich nicht weniger als bei den Urodelen von einer Neigung zur Bildung eines runden Saugmauls entfernt, obgleich äusserlich weder von jener Abschnürung noch von der bereits angelegten queren Mundspalte etwas zu erkennen ist. Und ebenso wie die gemeinsamen Bildungsursachen bei der Entwickelung des Centralner- vensystems der Teleostier und der übrigen Wirbelthiere auch bei der inneren Untersuchung nicht sofort in der äusseren Erscheinung sich offenbaren, ergeben sie sich hinsichtlich der allgemeinen Kopfbildung ebenfalls nicht ohne weiteres aus den uns vorliegenden Bildern. Bei den Urodelen und, wie ich weiter unten zeigen werde, auch bei den Amnioten erscheint die Vorlagerung des Vorder- hirns vor den Kopfdarm als das wesentlichste ursächliche Moment für die Zu- rückdrängung des Kiefertheils; und dieses fehlt den Teleostiern anfangs voll- ständig. Aber sowie es in Verbindung mit der Kopfbeuge auch den rund- mäuligen Anurenlarven nicht völlig mangelt, spricht sich darin der Einfluss des Hirns auf die übrige Kopfbildung nur ganz einseitig aus; von nicht geringerer Bedeutung ist die Verbreiterung und Abplattung des vordersten Kopfdarmab- schnittes mit der daraus folgenden Anlage einer queren Mundspalte, welche den Unterkieferbogen von dem vorderen Hirntheile trennt und dadurch die Bildung des vorgeschobenen Rundmauls hindert. Und dieser Umstand ist gerade bei den Teleostiern entscheidend, und muss trotz der späten Abbiegung und Vor- lagerung des Vorderhirns dennoch auf eine Wirkung der tief eingesenkten und anfangs so massigen Hirnanlage zurückgeführt werden. Also nicht ein be- stimmtes Formverhältniss des Hirns, sondern seine stärkere oder schwächere anfängliche Entwickelung nach der einen oder andern Seite bleibt überall das Hauptmoment in der typischen Kopfbildung. Ueber die embryonale Kopfbildung bei den Vögeln und Säugethieren 696 IX. Der Kopf. hat Dursy die letzten umfassenden Untersuchungen veröffentlicht. Er unter- scheidet in seiner Beschreibung einen dorsalen Kopftheil von einem ventralen. Jener bestehe aus der Hirnröhre und der sie allseitig umschliessenden Schädel- röhre, welche beide sich gleichzeitig durch die seitliche Aufkrümmung des Keimes (Medullarwülste) von einer ebenen Grundfläche aus bilden und daher bis zum ursprünglichen Vorderende des Kopfes oder dem Chordaknopfe (Hypophysis- gegend) ganz gerade ohne jede Biegung verlaufen (Nr. 136 S. 45-48. 53). Die Schädelröhre bestehe aus den Wirbelplatten, welche sich nicht in Urwirbel gliedern, aber bis zu seinem Vorderende von den Seitenplatten gesondert blieben; an der Vorderseite der geraden Hirnröhre fliessen sie im Schlussbogen oder der primitiven Stirnwand zusammen, welche abwärts mit dem Chorda- knopfe oder dem Ende der primitiven Schädelbasis (Spheno-Oceipitaltheil) zu- sammenhänge (a. a. O0. S. 8. 9). Um eine dieses Ende durchsetzende quere Axe drehe sich darauf das Vorderende des dorsalen Kopftheils nach vorn und unten, sodass die primitive Stirnwand vom Chordaknopfe nicht mehr steil auf- sondern absteige und dadurch zu einer stark umgebogenen Fortsetzung der ursprünglichen Schädelbasis, d. h. zum Spheno - Ethmoidaltheile derselben werde (a. a. O0. S. 54). Diese ganze Darstellung soll sich auf alle Wirbelthier- embryonen gleicherweise beziehen (S. 57. 59). Der ventrale Kopftheil oder der Kopfdarm bilde sich durch Umschlag und Abschnürung der Keimhaut vom Chordaknopfe aus nach unten und rückwärts, sodass das spitze Ende der Kopf- darmhöhle im Grunde der Kopfbeuge eingeklemmt zur Rar#ke’schen Tasche oder der Anlage des Hirnanhangs werde (S. 90--93). Nach den beigefügten schematischen Zeichnungen berührt aber die vordere Schlussseite des Kopf- darms oder die quere, angeblich aus allen drei Keimblättern bestehende Scheide- wand der Mundhöhle den vor ihr liegenden umgebogenen Hirn -Schädeltheil nicht, sondern ist von dessen Basalfläche durch eine enge Bucht getrennt. Seit- lich umwüchsen den Kopfdarm die Schlundbögen, die unteren durch dieSchlund- spalten geschiedenen Fortsetzungen der Bauchplatte, von denen der erste Unter- kiefer und Zungenbein gemeinsam erzeuge, der zweite den Kiemendeckel her- vortreibe, welcher alle folgenden Spalten verdecke und mit den Bögen ver- wachse (a. a. ©. S. 112. 113. 115). Während die vordere Schädelbasis in ihrer sanzen Breite zwischen den beiden Nasengruben als deren Scheidewand hervor- wächst, schliessen sich ihr zur Bildung des Gesichts die seitlichen Stirn- und die Oberkieferfortsätze an, welche aus dem ursprünglichen Kopfende der Bauch- platte entspringen sollen (a. a. O. S. 92. 107. 143. 145). Der Oberkieferfort- 5 IX. Der Kopf. 697 satz soll hinter dem Auge mit der Schädelbasis verbunden sein, und unter dem- selben hervorkommend von dem seitlichen Stirnfortsatze oder der seitlichen Nasenhöhlenwand durch eine Spalte vollkommen getrennt bleiben; hinter dem Auge umkreist er es mit einer Fortsetzung, welche die Grundlage für das Joch- bein und die Weichtheile der Schläfengrube enthalte, abwärts bilde eine zum Unterkiefer hinüberziehende Falte die Backe (a. a. ©. S. 131. 162—165). Der Gaumen endlich entstehe aus einem medialen Längswulste des Oberkieferfort- satzes (S. 171). Nach ihrer Entwickelung hätten die seitlichen Stirn- und die Oberkieferfortsätze die Bedeutung von Visceral- oder Schlundbögen, welche nur nicht zur medianen Vereinigung gelangen, und die sie trennende Spalte sei da- her einer Visceralspalte homolog (S. 3. 164. 165). Auch wenn es Dursy nicht selbst im Vorworte ausspräche, so müsste man es bei der Durchsicht seiner Arbeit erkennen, dass gewisse Einzelheiten der späteren Kopfbildung (Entwickelung des Gaumens, der Nasenhöhlen u. s. w.) das eigentliche Thema seiner Untersuchung bildeten, dass hingegen erst nach- träglich versucht wurde, jene einzelnen Vorgänge auf frühere Entwickelungs- stufen des ganzen Kopfes zurückzuführen, welche theils nur nach dem äusseren Relief beurtheilt, theils nur schematisch konstruirt wurden. Je schwieriger aber die Aufgabe ist, eine den gegenwärtigen Anforderungen entsprechende Entwickelungsgeschichte des Kopfes gerade der Amnioten zu liefern, desto weniger konnte die angedeutete Untersuchungsmethode Dursy's zum Ziele füh- ren. Gleich der wichtigste morphologische Bildungsvorgang des Kopfes „ die embryonale Kopfbeuge, ist durchaus falsch und zwar so dargestellt, dass man leicht erkennt, wie der Verfasser sich denselben lediglich aufGrund der späteren Zustände zurechtlegte. Der vordere Hirntheil des Kopfes mag später aller- dings unabhängig vom Kopfdarm und bei der Ansicht ganzer Hühnerkeime, welche Dursy allein zu Rathe zog, wohl auch erst nach der Schliessung der Hirnröhre abwärts umgebogen zu sein schemen. Thatsächlich verhält es sich aber ganz anders. Mediane Durchschnitte solcher Keime, an denen der Um- schlag am Kopfende beginnt, lehren, dass dort das mittlere Keimblatt allen- falls noch in geringen Spuren (vgl. Nr. 121 Fig. 8), meist aber gar nicht mehr vorhanden ist, sodass das obere Keimblatt und das Darmblatt im Bereiche der ganzen S-förmigen Biegung sich unmittelbar und zwar in fester Verbindung berühren. Ob diese Verbindung bei der Betrachtung des ganzen Keims von oben und im durchfallenden Lichte den rundlichen Flecken verursacht, welchen Dursy auf einen Chordaknopf bezieht (vgl. Nr. 136 Taf. II Fig. 10), weiss ich 698 IX. Der Kopf. nicht; jedenfalls existirt in jener Zeit an der Umbiegungsstelle des Keims weder ein Chordaknopf noch überhaupt ein mittleres Keimblatt, welches aus dem ganzen vorderen Theile des Keims sich zurückzieht und somit die Erscheinung wiederholt, welche ich bei Batrachiern und Knochenfischen als Lücke des mitt- leren Keimblattes im Kopfe beschrieb. Jene erste Faltung des noch wenig veränderten Keims betrifft an den Seiten des Kopftheils allerdings nur die Bil- dung des Kopfdarms, indem die Axenplatte in den Umschlagnicht hineingezogen wird, sondern zwischen den beiden seitlichen Umschlagsrändern noch flach ausgebreitet zurückbleibt. Es entbehrt auch der epitheliale Kopfdarmsack ebenso wie bei den Knochenfischen eine eigentliche Seitenwand, da seine kon- kave Oberseite mit einem einfachen Faltenumschlage in die konvexe Bauch- seite übergeht. V-.orn bildet aber das absteigende Darmblatt eine wirkliche Vorderwand des Kopfdarms, welche mit winkeliger Biegung nicht nur in dessen Decke, sondern auch in den Boden seines abwärts erweiterten vorderen Endes übergeht. Das mit dieser Vorderwand des epithelialen Kopfdarmsackes innig verbundene und mit ihr zugleich aus der ebenen Keimfläche abwärts gebogene Stück des oberen Keimblattes ist nun, wie Untersuchungen an Hühner- und Kaninchenembryonen mich gelehrt haben, die ursprüngliche Vorderhirnbasis, von, welcher aus das Vorderhirn nicht im gleichen Plan wie das Hinterhirn, sondern von dessen Anlage bereits rechtwinkelig abgebogen sich röhrig ent- wickelt. Wenn man an dem in Fig. 56 oder 37 dieser Arbeit abgebildeten Mediandurchschnitte eines Unkenembryo die unter dem Hirne absteigende Kopfdarmwand (Kiefertheil) sich horizontal nach hinten umgelegt, das Darm- blatt bis zu seiner obersten Biegung mit der Vorderhirnbasis in Berührung und endlich den Rarnke'schen mittleren Schädelbalken bereits entwickelt denkt — also lauter Umbildungen, welche den Batrachiern nicht ganz fehlen, son- dern lediglich erst später eintreten —, so hat man das Bild eines Kaninchen- embryo, welches selbst die vordere Abplattung der abgebogenen Hirnhälfte sehr deutlich zeigt. Solchen Befunden gegenüber lässt sich die Dursy’sche Dar- stellung um so weniger bloss auf unvollkommene Beobachtung zurückführen, als sie den Anspruch erhebt, die allen Wirbelthieren gemeinsamen Normen der embryonalen Kopfbildung thatsächlich wiederzugeben; sie entsprang vielmehr dem noch immer üblichen wenig empirischen Verfahren, aus den späteren Ent- wickelungszuständen die früheren mit mehr oder weniger Scharfsinn zu kon- struiren. Dies trifft aber nicht nur zu für die eben besprochene embryonale Kopfbeuge nebst der Bildung des Vorderhirns und des Kopfdarms, sondern IX. Der Kopf. 699 auch für das ganze übrige Verhalten des mittleren Keimblattes im Kopfe. Wenn wir auch bei Dursy als Erbtheil von den ältesten embryologischen Unter- suchungen des Kopfes die Bezeichnung der das Hirn umgebenden noch. indiffe- renten Theile des mittleren Keimblattes oder der dorsalen Segmenttheile als primitive häutige Schädelröhre wiederfinden, so verweise ich hinsichtlich der in die Augen springenden Unrichtigkeit solcher Deutung auf das, was ich darüber - bei der Besprechung der RrıcHerr'schen Untersuchungen sagte, und will hier nur bei der Behauptung verweilen, dass jene angebliche Schädelröhre zugleich mit der Hirnröhre entstehe. Diese Angabe kann sich wie bemerkt auf that- sächliche Beobachtung gar nicht stützen, weil einige wenige sagittale und mediane Durchschnitte aus der Zeit bis nach dem Schlusse der Hirnröhre voll- kommen genügen, um von der medianen Lücke des mittleren Keimblattes und überhaupt von dessen Fehlen an der ganzen von der Oberhaut überdeckten Oberfläche des Vorderhirns zu überzeugen. Der „Schlussbogen der Urwirbel- platten“ des Kopfes existirt ebenso wenig wie die „‚primitive Stirnwand‘“, welche durch die nachträgliche Kopfbeuge in die vordere Schädelbasis verwandelt wer- den soll. Vielmehr finde ich die ursprünglichen Segmenttheile des Amnioten- kopfes in denselben Lagebeziehungen zu dessen übrigen Embryonalanlagen wie bei den schon behandelten niederen Wirbelthieren, sodass sich hier sofort die Frage erhebt, ob nicht auch in der segmentalen Gliederung des Kopfes eine Uebereinstimmung beider Gruppen nachweisbar sei. Wenn es nun auch wegen der eigenthümlichen formalen und histiologischen Beschaffenheit des embryona- len Amniotenkopfes vielleicht unmöglich bleiben sollte, eine ursprüngliche seg- mentale Eintheilung an demselben unmittelbar nachzuweisen, so daif doch der diesbezügliche Befund an Batrachiern und Teleostiern, denen jene Eintheilung bisher irrthümlicherweise ebenfalls abgesprochen wurde (vgl. S. 236) den Schluss rechtfertigen, dass, da die übereinstimmende Anordnung der morpho- logisch bereits gesonderten Anlagen des Kopfes, namentlich der Nerven, bei allen Wirbelthieren gewiss aus gleichen Ursachen erfolgt, dieselben auch bei den Amnioten in einer ursprünglich angelegten und nur äusserlich verdeckten segmentalen Gliederung der dorsalen Theile des mittleren Keimblattes beruhen. Auch glaube ich beim Hühnerembryo wenigstens ganz im allgemeinen äussere und innere Segmenttheile in indifferentem Zustande unterscheiden zu können, von denen die ersteren über den Stammsegmenten liegend den Hıs’schen, an- geblich aus dem „Zwischenstrange‘“ abstammenden Nervenanlagen entsprechen würden. Daraufhin muss ich aber auch den Amnioten vier Stammsegment- 700 IX. Der Kopf. paare und ebenso viele laterale Segmente des Kopfes Mit derselben Bedeutung wie bei den niederen Wirbelthieren zuschreiben. Das Homologon des 1. Stamm- segmentpaares finde ich namentlich an Kaninchenembryonen in dem sogenann- ten mittleren Schädelbalken Rarake’s, welcher bei den Amnioten sehr früh- zeitig und stark entwickelt ist, und in seinen seitlichen bis hinter das Auge reichenden Fortsetzungen. Von dort wächst es in der Folge zu beiden Seiten der medianen Verbindung zwischen der vorderen aufrechten Darmblattwand und der Vorderhirnbasis abwärts und rund um das Auge vorwärts, gerade so wie ich es von den Batrachiern schilderte. Nach aussen von diesem Stamm- segmente erstreckt sich eine dichtere Zellenmasse des mittleren Keimblattes hinter den Seitentheilen der Vorderhirnbasis und den daran stossenden Kopf- darm umgreifend abwärts; und da das Darmblatt im der Medianebene nicht nur mit der davor liegenden Hirnbasis, sondern auch mit der ventralwärts es überziehenden Oberhaut innig verbunden ist, so bilden jene beiderseitigen Zellenmassen einen den vordersten Kopfdarmabschnitt umgürtenden, an seiner Bauchseite aber durch einen medianen Einschnitt getheilten Wulst oder den Kieferwulst, woraus die Bedeutung der Zellenmassen als des ersten lateralen Kopfsegmentpaars erhellt. Da nun das Vorderhirn anfangs sich nicht weiter hinab erstreckt als seine ursprüngliche mit der Vorderwand des Kopfdarms ver- bundene Basis, so erreicht der Kieferwulst bereits zu jener Zeit jederseits von der medianen Einsenkung das Niveau der Schlussseite des Vorderhirns oder dessen späterer anatomischer Grundfläche, an welcher das Stammsegment (Dursr's vordere Schädelbasis) sich auszubilden anfängt. Indem darauf ge- rade jene anatomische Hirnbasis mit dem ganzen Vorderhirngewölbe mächtig auswächst, zeichnet sie nicht nur dem Stammsegment die Bahnen seines Wachs- thums vor (medialer Gesichtsfortsatz), sondern zieht auch jenen vordersten untersten Zipfel des lateralen Segments nach vorn aus (lateraler Gesichtsfort- satz). Ich habe oben gezeigt, dass wenn bei träge entwickeltem Vorderhirn der Kiefertheil weit unter dasselbe vorrücken konnte, ehe eine quere Mundbucht angelegt war, mit der Anlage eines Rundmauls auch die schwache äussere Ab- sonderung des lateralen Gesichtsfortsatzes von dem schräg vorgeschobenen Unterkieferbogen verbunden ist (Anuren), während eine stärkere Hirnentwicke- lung auch eine Verbreiterung des Kopfdarms und darauf die Anlage einer queren Mundspalte zur Folge hat, welche den Unterkieferbogen frühzeitig vom lateralen Gesichtsfortsatze trennt (Urodelen, Teleostier). Die Säuger, welche schon durch die Lage ihres Kiefertheils diese letztere Bildungsweise erkennen IX. Der Kopf. 701 lassen, erhalten denn auch frühzeitig im seitlichen Anschlusse an die trichter- förmige Anlage des Hirnanhangs eine quere Mundbucht unter dem vordersten Ende des Kopfdarms, welche den auswachsenden Kiefertheil in die eben bezeich- neten Schenkel spaltet. Da aber, wie ich es bereits bei den Batrachiern aus- führte, die meisten Einzeltheile aus der Wurzel des Kiefertheils kontinuirlich und gerade zum Unterkieferbogen hinabziehen, so fasse ich die Gesammtheit dieser Erzeugnisse des ersten lateralen Kopfsegments (Kaumuskeln, unterer Kiefernerv, Anlagen des Unterkiefers und seines Suspensoriums) als Unter- kieferbogen zusammen, und betrachte den lateralen Gesichts- oder Oberkiefer- tortsatz als Abspaltung von demselben. Da dieser Fortsatz bei den Amnioten nicht nur äusserlich sich von der Umgebung deutlich absetzt, sondern auch in den Durchschnittsbildern durch ähnliche Gewebslücken wie bei den Anuren- larven von den anstossenden Gewebsmassen abgesondert erscheint, so ist seine ganze Entwickelung leicht zu verfolgen. Hinter dem Auge entspringend und unter demselben neben dem medialen Gesichtsfortsatze nach vorn ziehend nimmt er den unteren Seitenrand des unter dem Vorderhirn sich entwickeln- den Gesichts ein; vorn wird er durch die in den medialen Gesichtsfortsatz ein- gesenkte Nasenhöhle mehr auswärts gedrängt, sodass erst seine unter dem Niveau dieser Nasengegend frei hervorwachsende Gaumenleiste sich median- wärts wenden kann, während er hinter dem Blindsack der Nasenhöhle von An- fang an dem Stammsegmente angeschmiegt bis gegen die Medianebene sich erstreckt. — Die Einheit des medialen Gesichtsfortsatzes ist gerade bei den Jüngeren Embryonen der Amnioten (Maulwurf) sehr deutlich zu erkennen, in- dem der hintere Blindsack der noch unentwickelten Nasenhöhle von einer völlig indifferenten und kontinuirlichen Masse des mittleren Keimblattes all- seitig umschlossen wird (vgl. Taf. XIII Fig. 228), welche erst. weiter nach vorn durch die offene Nasenfurche abwärts gespalten erscheint. Die beiderseitigen medialen Gesichtsfortsätze sind anfangs durch die mediane Lücke des mittleren Keimblattes, in welche sich das Vorderhirn gleichsam einsenkt, viel weiter von einander entfernt als es bei den Batrachiern der Fall ist (vgl. Taf. XIII Fig. 223), und fliessen daher auch viel später in der Medianebene zusammen, erst dadurch die vermeintliche und angeblich ursprüngliche vordere Schädelbasis (Dursy) bildend. Die Divergenz ihrer vorderen Enden lässt sie zuerst in ziemlicher Breite das Gesicht vorn abschliessen; später scheinen mir aber die Oberkieferfortsätze jenen Zwischenkiefertheil vollständigzu überwachsen, denn die Lippenmuskeln der Säugerhalteich fürrichtige Homologader gleichnamigen Theile der Anurenlarven. 702 IX. Der Kopf. Diese allgemeine Entwickelung der Vorderkopfsegmente, wovon ich nur die für meinen Zweck wichtigsten Punkte hervorhob, ist von Dursy vielfach anders gedeutet worden. Den medialen Gesichtsfortsatz zerlegt er nach dem Vorgange REICHERT'S in einen mittleren und einen seitlichen Stirnfortsatz. Mit Rücksicht auf das Relief und zum Zwecke der Beschreibung mag diese Unter- scheidung ganz nützlich sein; nur darf sie nicht auf den Ursprung beider Fort- sätze ausgedehnt werden, wiees Dursy thut, indem er den mittleren mit der vorderen Schädelbasis, also dem Schlussbogen der Urwirbelplatten identifi- eirt, den seitlichen als Visceralfortsatz von der „Bauchplatte“ des Kopfes ab- leitet. Zunächst bleibt uns dabei Dursy die Erklärung schuldig, wie jene Bauchplatte zwischen dem Oberkieferfortsatze und dem Schädel, welche hinten von dessen Basis an bis über das Auge hinauf in Berührung geschildert wer- den, nach vorn vordringen kann. Ferner hätte im Hinblicke auf die bedeut- samen Folgerungen, die daraus gezogen werden, jener wiederholten Behaup- tung vom Ursprunge und der Bedeutung des seitlichen Stirn- und des Ober- kieferfortsatzes eine Untersuchung vorangehen sollen, was die Bauchplatte eigentlich sei, und ob sie überhaupt am Kopfe in dem gleichen Sinne wie am Rumpfe vorkomme. Ich habe sowohl in der Beschreibung der morphologi- schen Entwickelung des Batrachierkopfes als auch in der Kritik der bisherigen Vorstellungen über die Zusammensetzung des embryonalen Wirbelthierkopfes überhaupt auseinandergesetzt, dass die Kopfdarmwand eine durchaus andere Zusammensetzung hat wie die Leibeswand des Rumpfes und nicht einmal in ihren einzelnen Abschnitten übereinstimmt (S. 218—229. 231 u. flg.). Mag daher Duzsy die Bauchplatte im Sinne v. Bazr’s oder eines anderen Embryo- logen auffassen, so bleibt die Annahme, dass sie sich in den Kopf fortsetze, jedenfalls ganz irrig. Nehmen wir aber auch die Existenz der Bauchplatte im Kopfe und den Ursprung der bezeichneten Gesichtstheile aus derselben als rich- tig an, so lässt sich noch immer nicht deren Bezeiehnung als Visceralfortsätze rechtfertigen. Die von Reichert zuerst so genannten Theile sind Bögen, welche das vordere Kopfdarmende abwärts umschliessen: der seitliche Stirn- und der Oberkieferfortsatz umwachsen dagegen vor dem Kopfdarme nur die Gesichtshöh- len, welche dem Kopfdarme nichts weniger als homolog sind: Die Spalte endlich, welchenach Dursy jene Fortsätze trennen soll, thatsächlich aber nicht existirt, * * Da Dursy Durchschnitte jüngerer Embryonen überhaupt nicht untersucht hat, so hat er bei der Besichtigung von Durchschnittsflächen bei auffallendem Lichte und schwacher Vergrösserung wahrscheinlich die von mir bezeichneten Gewebslücken des mittleren Keim- blattes mit einer durchgehenden, von der Oberhaut ausgekleideten Spalte verwechselt. IX. Der Kopf. 703 könnte nur bei einer vollständigen Verkennung des Begriffs der Homologie mit einer Visceralspalte verglichen werden. Kurz, ich komme zum Schlusse dieser Bemerkungen darauf zurück, dass die Dursy'sche Arbeit trotz der zutreffenden Untersuchungen über einzelne spätere Entwickelungszustände des Säugethier- kopfes über den eigentlichen morphologischen Aufbau desselben nur mangel- hafte und irrige Aufschlüsse geliefert hat. Dagegen muss ich hervorheben, dass die morphologische Entwickelung des Kopfes, soweit ich sie nur verfolgt habe, bei allen Wirbelthieren von denselben Grundlagen ausgeht und ganz im allgemeinen auch denselben Gang offenbart, sodass nur die allmählich stärker hervörtretenden Folgen der gegenseitigen Anpassung der in ihren Massen- und äusseren Formverhältnissen wechselnden Einzeltheile die definitiven Unter- schiede hervorrufen. Von diesen treten diejenigen des Vorderkopfes, also der vorderen Hirnhälfte und des Gesichtes mit dem Kieferapparate am stärksten hervor, wesshalb ich auch deren wahrscheinliche Ursachen besonders hervor- hob. Je träger sich der Hirntheil anfangs entwickelt und je ungünstiger sich alsdann das Massenverhältniss zum Kiefertheile gestaltet, desto weiter rückt dieser unter ihm vor, um den unter dem schmalen Hirntheile gleichfalls schma- len Kopfdarm (innere Mundhöhle) mit zwei abwärts wachsenden Schenkeln zu umfassen ; durch ihre obere vordere Verbindung mit den unter dem Vorderhirn hervortretenden medialen Gesichtsfortsätzen wird zwischen den sagittalen wul- stigen Rändern beider Bildungen eine mediane Mundfurche angelegt, sodass das dadurch vorgezeichnete Rundmaul nur den kleineren Abschnitt des ganzen Kiefertheils in Anspruch nimmt, der grössere zu dem schräg auf- und rückwärts ziehenden Bewegungsapparat desselben verbraucht wird (Anurenlarven). Die Ursachen, welche das Massenübergewicht des Kiefertheils hervorrufen, wirken aber offenbar auch noch auf den Zungenbeinbogen,, dessen Muskelmassen sich dem Kiefersuspensorium anschliessen. Diese mächtige Entwickelung der Kie- fermuskulatur und des ihr zur Stütze und Befestigung dienenden Suspensoriums passt insofern zum kleinen Bewegungsobjekt, dem eigentlichen Larvenmaul, als die meisten jener Muskeln gegen die zu bewegenden Hebel ausserordentlich geneigt liegen und daher unter ungünstigen Bedingungen wirken. Ganz an- ders gestaltet sich das Ergebniss dort, wo das Hirn gleich anfangs durch seine Entwickelung den Kiefertheil so sehr überwiegt, dass es sich ganz vor ıhın und den von ihm eingeschlossenen Kopfdarm lagert und die Ausbildung dieser Theile in die Breite veranlasst (Teleostier, Amnioten). In Folge der sich daraus ergebenden queren Mundbucht wird auch ein grösserer Abschnitt des Kiefer- 704 IX. Der Kopf, theils in den queren ventralen Unterkiefer verwandelt, welcher durch die zu- rückgedrängten und steiler gerichteten Kaumuskeln unter günstigeren Be- dingungen bewegt, einen in die Gesichtsbildung viel weniger eingreifenden und doch viel stärkeren Hebelapparat darstellt, als es im ersten Falle möglich war. Indem aber den Anurenlarven die Bedingungen zur Herstellung dieses zweiten Typus der Vorderkopfbildung nicht ganz fehlen, sondern erst spät zur Geltung kommen, stellen sie sich als die erwünschtesten Verbindungsglieder beider Typen dar. Wenn aber der Uebergang ihrer Larvenform in die definitive, den Teleostiern und Amnioten entsprechende Kopfform klar vorliegt, so scheint mir nunmehr auch ein Vergleich der ersteren mit der Organisation des Cyklostomen- kopfes wenigstens der Neunaugen ausführbar. Abgesehen von der auffallenden Uebereinstimmung im Schädel der jungen und erwachsenen Neunaugen und der Anurenlarven, woraufich später zurückkomme, will ich hier nur auf den dem Schädel der Neunaugen seitlich angefügten Knorpelrahmen hinweisen, welcher das Auge trägt und vorn und hinten einen Fortsatz ausschickt, von denen der erstere schräg vor- und abwärts gerichtet sich mit einem vorderen Mundknor- pel verbindet, der hintere wenigstens ebenfalls nach vorn zum Munde ziehen- den Muskeln zum Ursprunge dient (vgl. J. MUELLER Nr. 76 I S. 106—110 Taf. IV). Schon J. MuELLEr verglich diesen ganzen Skelettheil mit dem Kie- fersuspensorium und dem Flügelgaumenbogen der Knochenfische und nannte den hinteren Fortsatz ein Zungenbeinhorn (a. a. O. S. 162— 163); ungleich an- sprechender finde ich aber den Vergleich mit den gleichnamigen Theilen der Anurenlarven (vgl. Taf. XV III Fig. 324). Die schräg vorwärts gerichtete Lage dieses Suspensoriums der Neunaugen und der von ihm entspringenden mäch- tigen Muskelmassen stimmt nach der oben gegebenen Auseinandersetzung nit dem weit vorgerückten Saugmaul gut überein; da sich aber dieses bei den Neunaugen viel stärker und entschiedener entwickelt als bei den Auurenlarven, wo es doch schon den Unterkiefer rudimentär erscheinen lässt, so finde ich es nicht auffallend, dass die ersteren einen Unterkiefer ganz entbehren und statt dessen im knorpeligen Lippenringe und dem vorderen Mundschilde nebst ihren knorpeligen Anhängen * ganz eigenthümliche, ausschliesslich der Unterstützung der Lippen dienende Bildungen besitzen. Diese Auffassung gewinnt durch den Umstand, dass das Larvenmaul der Neunaugen (Ammocoetes) durch die * Es könnte vielleicht die hintere Seitenplatte des Mundschildes (J. MuELLER a. a. OÖ.) davon ausgenommen werden, indem sie wegen ihrer Lage und Verbindung mit dem Suspen- sorium dem Oberkieferknorpel der Anurenlarven verglichen werden dürfte. IX. Der Kopf. 705 Anwesenheit einer grossen schirmdachähnlichen Oberlippe und einer kleinen zurückstehenden und quergeschweiften Unterlippe (vgl. Raruke Nr. 157 S. 68. 75, Taf. IH Fig. 15, M. Schuntze Nr. 92 S. 25), sowie durch die Ab- wesenheit jenes besonderen Mundskelets dem Larvenmaul der Anuren bedeu- tend ähnlicher ist als dasjenige der erwachsenen Neunaugen; die Neunaugenlarve steht also nach ihrer allgemeinen Kopfbildung in der Mitte zwischen dem fertig entwickelten Neunauge und den Anurenlarven, deren beider Formen von jenem indifferenten Zustande immer mehr divergiren, indem einmal der cyklostome Charakter, immer einseitiger ausgeprägt, zu ganz besonderen Bildungen hin- führt, anderseits in die Organisation des ursprünglichen Rundmauls neue Form- elemente wie der am Suspensorium befestigte Unterkiefer eingehen, welche die "Verwandlung dieses Typus in einen wesentlich anderen, den des queren Greif- mauls, ermöglichen. Dadurch, dass dies in der individuellen Entwickelung der Anuren wirklich ausgeführt wird, gewähren sie uns die befriedigendste Einsicht in den ursprünglichen und ursächlichen Zusammenhang beider Typen. Die morphologischen Grundlagen beider sind eben dieselben, und selbst die Ur- sachen ihrer Umbildung in der einen oder anderen Richtung schliessen sich nur in den extremsten Bildungen aus (Cyklostomen und Amnioten), und können im übrigen sich mannigfaltig kombiniren. So sehen wir die Ursachen beider Entwickelungsrichtungen in den Anurenlarven gewissermassen vereinigt und nur abwechselnd das Uebergewicht erlangen. Bei den Teleostiern ferner über- wiegen’ die Formbedingungen für den zweiten Typus der Vorderkopfbildung allerdings gleich im Anfange der Entwickelung; doch nimmt das Uebergewicht der Hirnbildung in der Folge so stark ab, dass trotz der quermäuligen Anlage unter Umständen nachträglich eine Annäherung an die Kieferbildung der Anurenlarven darin sich zu erkennen gibt, dass die beweglichen Skelettheile des oberen Mundrandes (Maxillare, Intermaxillare) sich auf den Unterkiefer stützen, und zwar oft so steil, dass die genannte Aehnlichkeit in Form und Be- wegung sofort in die Augen springt. Die Uebereinstimmung aller Wirbelthiere in den primär-morphologischen Anlagen und der allgemeinen Entwickelung des Hinterkopfes ist weit leich- ter kenntlich als diejenige des Vorderkopfes, weil dort die Lagebeziehungen und Umbildungen der ursprünglichen Anlagen während der Entwickelung sich länger gleich bleiben. Hinsichtlich der segmentalen Gliederung und der grund- legenden Zusammensetzung der Schlundwand habe ich jene Uebereinstimmung allerdings nur für die Batrachier und Knochenfische unmittelbar nachweisen GorTTE, Entwickelungsgeschichte. 45 706 IX. Der Kopf. können. Wenn wir aber an den Embryonen der Amnioten wenigstens diesel- ben ursprünglichen Nervenanlagen im Rückentheile des Hinterkopfes, deren Entstehung zu den frühesten Sonderungen der Embryonalanlagen gehört, und ferner dieselbe Schlundspaltung wie bei den niederen Wirbelthieren erkennen, so dürfen wir wohl mit vollem Recht annehmen, dass den schliesslich noch so differenten Kopfformen aller Wirbelthiere homologe Embryonalanlagen mit derselben segmentalen Gliederung zu Grunde liegen. Wenn ich nun auf Grund der voranstehenden Vergleiche die Ueberzeugung ausspreche, dass die Batrachier, weil sie wie in den meisten embryologischen Beziehungen, so auch in der Bildungsgeschichte des Kopfes die einzigen klaren und vollständigen Befunde liefern, und ferner die Uebergänge von niederen zu höheren Formzuständen uns lebendig vor die Augen führen, desshalb die einzig sichere Grundlage für jede vergleichende Betrachtung des Wirbelthierkopfes bieten, so trete ich damit in scharfen Gegensatz zu GEGENBAUR, welcher die- selbe Frage von einer ganz anderen Seite her zu lösen versucht hat (Nr. 135). Dieser Versuch, in formeller Hinsicht ein Muster vergleichend-anatomischer Darstellung und in der Durchführung ein glänzendes Zeugniss anatomischen Scharfsinns, hat nach meiner Ansicht sein Ziel desshalb verfehlt, weil der Ver- fasser von der die Methode und den Gang seiner Untersuchungen bestimmenden Auffassung ausgeht, dass die rein anatomische Vergleichung fertiger Formen wirklich zuverlässige Ergebnisse liefere, und bei der Unzulänglichkeit embryo- logischer Nachweise allein die Lücken unserer Erkenntniss vom Zusammen- hange der verschiedenen Formen auszufüllen fähig sei. Ich habe schon mehr als einmal irrige Deutungen hervorgehoben, welche jener Auffassung und Me- thode ihren Ursprung verdanken und hoffe in dem Folgenden wiederholt den Beweis zu erbringen, dass die vergleichende Anatomie nur als letzte Schluss- folgerung einer vergleichenden Ontogenie volle Sicherheit und bleibende Be- deutung gewinnt, ohne genügende Berücksichtigung derselben aber jedes Kri- terium für die Richtigkeit ihrer Schlüsse entbehrt. GEGENBAUR hat sich die Aufgabe gestellt, die Genese des Kopfskelets der Wirbelthiere zu erklären, indem er es an dem angeblich günstigsten Objekte, den Salachiern, in seinen einzelnen Theilen vergleichend untersucht. Der Angelpunkt der Frage ist die Vergleichbarkeit des Kopfskelets mit dem Wir- belsystem des Rumpfes. Dabei werden zunächst die Fehler der älteren Wirbel- theorie aufgedeckt, welche das fertige knöcherne Kopfskelet in eine Reihe vollständiger Wirbel zu zerlegen versuchte, während die embryonale Grund- IX. Der Kopf. 107 lage desselben, das häutige und knorpelige Primordialkranium, „keine Spur einer Gliederung in Wirbel“ zeige, und der Grundstock der Wirbelbildung, die Wirbelsaite, nur die hintere Hälfte der Schädelanlage durchziehe (Nr. 135 S. 1-8). Wenn daher der Schädel nicht als aus wirklichen Wirbeln zusam- mengesetzt angesehen werden dürfe, so seien doch in seiner Entstehungs- geschichte und seinem späteren Verhalten genügende Anhaltspunkte vorhan- den, um seine Bildung auf dieselben Grundlagen wie bei den Wirbeln des Rumpfes zurückzuführen. Soweit die Wirbelsaite den embryonalen Kopf durchzieht, wird sie von denselben skeletogenen Theilen wie im Rumpfe um- geben, * von denen die den Wirbelbögen entsprechende kontinuirliche Knorpel- schicht aufwärts das Hirn und das ihm anliegende Gehörorgan umwächst (a. a. 0. S. 26-29); dabei sei die Anpassung dieses vertebralen Schädelknor- pels an das Gehörorgan so offenbar, dass in den Wirbelthierformen, welche das letztere noch nicht besassen, die Labyrinthregion nothwendig ebenso einfach gestaltet war wie die Oceipitalregion, welche sich in ihrer Gestalt oft noch un- mittelbar an die Wirbelsäule anschliesse (S. 30—52. 258—260). Ferner könne der Mangel einer Gliederung im Schädelknorpel nicht gegen seine Wirbelnatur zeugen: denn jene Gliederung könne auch an einzelnen Abschnitten der Wirbel- säule fehlen, sodass das Kriterium des Wirbels nicht sowohl in seiner vollstän- digen Sonderung als in der Beziehung zu einem bestimmten Körpersegmente (Metamer) zu suchen sei (S. 260— 263). Es entwickele sich also der bis zum Vorderende der Wirbelsaite oder bis zur Sattelgrube reichende Abschnitt des Primordialschädels im wesentlichen ebenso wie die Rumpfwinkel, wogegen die vor der Sattellehne befindliche Schädelhälfte sowohl wegen der Abwesenheit der Wirbelsaite und ihrer Scheide als auch desshalb, weil ihre Grundlagen, die beiden seitlichen Schädelbalken Raruke's erst nachträglich aus der hinteren Schädelbasis hervorwüchsen, von jener Homologie als prävertebraler Schädel- theil ausgeschlossen werden müsse (S. 119—134. 295). Bleiben wir zunächst bei diesen grundlegenden Ausführungen GEGENBAUR’S stehen, so muss die Unhaltbarkeit der alten Wirbeltheorie ebenso unbedingt zugegeben werden wie die Uebereinstimmung der allgemeinen Grundlagen der Rumpfwirbel und des Schädels. In der näheren Begründung und Bestimmung * Da mir die in Rede stehende Schrift GesenBAur’s bei der Abfassung des VII. Ab- schnittes (vgl. $. 420) noch nicht vorlag, so muss ich nachträglich hinzufügen, dass GEGEN- BAUR nunmehr zu seiner ersten, später verworfenen und von W. MurLver wieder aufge- nommenen Ansicht zurückgekehrt ist (Nr. 135. 8. 123. 126), dass die äussere (skeletogene) Chordascheide nicht von der Wirbelsaite selbst abstamme. 45° 708 IX. Der Kopf. dieser Homologie kann ich aber GEGENBAUR nicht folgen. Allerdings kann nur der hintere chordale Abschnitt der Schädelbasis mit einer Reihe von noch ungesonderten Wirbelkörperanlagen verglichen werden ; die zugehörigen Homo- loga der Wirbelbögen sind aber weder auf jene hintere Schädelhälfte be- schränkt, noch die ausschliesslichen Elemente der Seitenwand und der Decke des Primordialkraniums. Allerdings sind nach meinen Erfahrungen die Embryonen der Haie nicht geeigneter als diejenigen der Amnioten, die elementare Zusam- mensetzung des Kopfes im Bereiche des mittleren Keimblattes uns kennen zu lehren ; um so bestimmter sind nun aber die Aufschlüsse, welche uns die Ent- wickelungsgeschichte der Batrachier liefert, und welche aus den schon mehr- fach bezeichneten Gründen auf alle übrigen Wirbelthiere angewandt werden dürfen. Darnach gehören alle ursprünglich vor der Chordaspitze befindlichen Schädeltheile einem einzigen vordersten Stammsegmentpaare an, welches in Folge der embryonalen Kopfbeuge horizontal umgelegt war; und da als Grund- lage dieses vorderen Schädelabschnitts bei allen Wirbelthieren ein Paar Knor- pelbögen erscheint, welche von der Chordaspitze entspringend längs der ana- tomischen Vorderhirnbasis nach vorn verlaufen und sich endlich ringförmig schliessen, so sehe ich darin gerade den vollkommensten, weil am deutlichsten gesonderten Wirbelring, dessen Körper bloss durch die frühzeitige Zurück- ziehung der Wirbelsaite in den Bereich des Hinterkopfes verschoben ist. Auf den möglichen Einwurf, dass dieser Wirbelring das Hirn gar nicht umgreife, was doch eine wesentliche Lagebeziehung aller Wirbel sei, ist zu erwidern, dass es am Hirntrichter wohl bei allen Wirbelthieren, bei den Batrachiern da- gegen noch in viel grösserem Masse geschieht (vgl. Taf. XVII Fig. 314— 316), und dass bloss die überall nachweisliche nachträgliche Zusammenziehung der ursprünglich getrennten Wirbelbögen unter das Vorderhirn bei den meisten Wirbelthieren auch schon während der ersten Entwickelung mitgewirkt haben mag. Es liegt demnach auf der Hand, dass der vertebrale Charakter des vor- deren Schädelabschnittes mit der Thatsache, dass die Wirbelkörperanlagen des ganzen Schädels nur bis zur Sattellehne reichen , sich ganz wohl verträgt. Jener erste Wirbelbogenring ist aber nicht die einzige Grundlage der vorderen Schädelhälfte Rartuke, welcher diese seine seitlichen Schädelbalken in allen -- Wirbelthieren nachwies* und selbst im Knorpelringe der vorderen Schädel- * Da Rartıke gerade bei den niederen Wirbelthieren die jüngsten Entwickelungsstufen dieser Skelettheile nicht kannte, so ist ihm auch entgangen, dass sie an der Stelle ihrer spä- teren Vereinigung ursprünglich weit auseinanderstehen. Der mittlere Schädelbalken oder die bindegewebige Leiste über der künftigen Sattellehne hat mit den seitlichen Balken gar IX. Der Kopf. 709 basis der Neunaugenlarven mit Recht dieselbe Bildung erkannte (Nr. 21 8.7. Ss. 16. 19. 22), hat deren Betheiligung am Aufbau der vorderen Schädelhälfte im allgemeinen richtig gesehen, aber irrig gedeutet. Er nahm an, dass die orbitale Schädelwand (vorderer Keilbeinflügel) der Batrachier und Knorpel- fische eine unmittelbare Fortsetzung der seitlichen Schädelbalken sei (a. a. O. S. 17. 25); bei den Knochenfischen (Blennius viviparus) und den Amnioten, aus- genommen die Eidechsen und Vögel, entständen allerdings gesonderte Knor- peltafeln der vorderen Keilbeinflügel, aber immerhin in einer aus den Schädel- balken hervorgewucherten Grundlage, sodass sie gleich dieser zum Wirbel- system gerechnet werden müssten (a. a. ©. S. 13. 20. 25). Ich kann diese Auf- fassung nicht theilen. Bei den Batrachiern wächst die orbitale Schädelwand nur bis zu einem gewissen Grade ganz bestimmt aus den cylindrischen Wirbel- bögen (Schädelbalken) hervor, da diese sich zusehends abplatten. Da sie aber dabei an den Rändern ihre bestimmte Grenze einbüssen, so muss ich an der Ansicht festhalten, dass ihr Wachsthum nicht weniger durch Anlagerung neuer Bildungselemente an jene Ränder erfolgt (vgl. S. 367. 368). Dasselbe dürfte für alle mit einem sehr vollständigen Primordialschädel versehenen Knorpel- fische, also gerade die Selachier, um so mehr gelten, als die noch immer voll- ständigsten Untersuchungen über die Entwickelung desselben, welche wir Ley- pIG verdanken, dieser Auffassung das Wort reden (Nr. 139 S. 100. 103. 106. 108). Die unbedeutende orbitale Schädelwand der Neunaugen mag dagegen allerdings ausschliesslich aus den ursprünglichen Wirbelbögen der Ammocoetes- form hervorgehen. Bei den Forellene mbryonen sehe ich aber die vorderen Wirbel- bögeninihrer Gestalt längere Zeit unverändert unter dem Vorderhirn bloss immer mehr zusammenrücken, während im Umfange des vorderen Schädeldachs, also von ihnen vollständig getrennt und sogar weit entfernt einschmaler Knorpelstreif ent- standen ist. Ebenso kann ich an Coronella laevis bestätigen, was RATHKE von Coluber natrix aussagt, dass nämlich die orbitale Schädelwand aus einer grossen von den Schädelbalken gesonderten Knorpelplatte hervorgeht, welche später den grössten Theil der vorderen Schädelkapsel bildet, während jene Balken sich unverändert in der Schädelbasis erhalten (Nr. 115 S. 124. 194). Duxsy’s Be- obachtung, dass die Orbitaldecke und die Orbitalflügel der Säugethiere nicht aus dem hinteren, noch in die Schädelhöhle hineinragenden Rande der medianen keine Aehnlichkeit und ist, wie es Raruke selbst angibt, ein vergängliches Gebilde (Nr. 21 S. 8). Da dieser Theil übrigens nicht eine Eigenthümlichkeit der Amnioten ist (vgl. RAruke a.a. 0. S. 7), sondern allen Wirbelthieren nur in wechselndem Masse zukommt, verdient er eine eigene Bezeichnung, wozu ich die eingebürgerte Raruk»’sche beibehalte. 710 IX. Der Kopf. Scheidewand des Gesichts, also nach Raruke’s Erklärung der miteinander ver- schmolzenen Schädelbalken, hervorwachsen, sondern durch lokale Differenzirung entstehen, spricht natürlich gerade gegen ihren vertebralen Charakter, wäh- rend Dursy sie trotzdem nach der alten Schädelwirbellehre für Wirbelbögen erklärt (Nr. 136. S. 182. 193. 206). Was endlich die Ausfüllung des vorderen Wirbelbogenrings oder die Bildung des Mitteltheils von der vorderen Schädel- basis betrifft, so beruht dieselbe überall, wo sie vorkommt, auf einem selbst- ständigen Vorgange. Dies war bereits RarukE bekannt (Nr. 21 8. 10—12. 17. 22, Nr. 115 8. 123); bei seiner Auffassung der Schädelbalken als Wirbel- bogenbasen musste ihm jedoch jenes Mittelstück des vorderen Keilbeinkörpers als Bestandtheil eines Wirbelkörpers imponiren, während nach meiner Dar- stellung darin nur das quere Schlussstück der in den Kopf fortgesetzten und an seinem Vorderende horizontal umgebogenen Wirbelröhre zu sehen ist. — Es ergibt sich aus diesen Thatsachen, dass der erste Wirbelbogenring (Schädel- balken) entgegen der Deutung Raruke's nicht durchweg die Grundlage auch nur der seitlichen und oberen Knorpeltheile des vorderen Primordialkraniums ist, sondern wahrscheinlich bloss bei den Neunaugen diese Rolle spielt, bei den übrigen Knorpelfischen und den Batrachiern in geringem Grade, ganz entschie- den aber bei den höheren Wirbelthieren durch accessorische Bildungen zu jenem Schädeltheil ergänzt wird. Ebenso wenig wie der mit Unrecht „prävertebral“ genannte vordere Ab- schnitt des Primordialkraniums verdient der hintere Abschnitt die Bezeichnung „vertebral“ in dem Sinne, dass alle seine Knorpeltheile aus kontinuirlich mit- einander hervorgewachsenen Wirbelbögen bestehen. Schon RATHKE sieht in der Ohrkapsel eine vom Wirbelsystem ganz gesonderte Bildung; dagegen wer- den die unmittelbar vor derselben gelegenen hinteren Keilbeinflügel, mögen sie auch gesondert auftreten wie bei der Natter, gleich den vorderen Keilbeinflügeln und dem Oceipitalringe von der hinteren Schädelbasis abgeleitet und daher dem Wirbelsystem hinzugezählt (Nr. 21 S. 13. 25, Nr. 115 a. a. O.). Meine Unter- suchungen an den meisten Wirbelthieren haben mich zur Ueberzeugung ge- bracht, dass die ihnen allen gememsamen ventralen Theile der hinteren Schädel- hälfte nur die Schädelbasis und der Öceipitalrng sind, dass aber die Bedeu- tung der übrigen Bestandtheile, wenn dieselben auch nach dem anatomischen Verhalten sehr ähnlich erscheinen, je nach den einzelnen Abtheilungen sehr verschieden sein kann. — Wie ich es für die Batrachier bereits nachgewiesen habe (S. 632), wird der grössere Theil der hinteren seitlichen Schädelwand von \ ’ IX. Der Kopf. 711 dem Schläfenflügelknorpel und der knorpeligen Ohrkapsel eingenommen, also Skelettheilen, welche beide getrennt von den in der Schädelbasis enthaltenen Wirbelelementen entstehen und von denen das erstere durch seine Grundlage (äusseres Segment) von der Bildungsstätte der Wirbel (Stammsegmente) fun- damental geschieden, den nicht entwickelten Wirbelbogen des zweiten Kopf- segments vertritt, das andere aber, die Knorpelkapsel des Ohrs, eine dem Wir- belsystem noch fremdere Einschaltung darstellt, an welche sich erst wieder ein vertebrales Stück der seitlichen Schädelwand anschliesst. Da das letztere oder der Ocecipitalring dem 3. und 4. hinter das Ohrbläschen verdrängten Kopfseg- mente gemeinsam angehört, auch deren beide Nervenstränge (N. glossopharyn- geus, N. vagus) seine Wurzel durchsetzen, so muss man in ihm das Aequivalent zweier miteinander verschmolzenen Wirbelbogenabschnitte anerkennen. Wie weit derin den Hinterkopf übergreifende Orbitalflügelbogen sowie überhaupt die vor dem Occeipitalringe befindlichen Knorpeltheile des Schädeldachs von jenem oder dem vorderen Wirbelringe abzuleiten sind, ist gerade bei den Batrachiern schwer zu entscheiden. Die häutigen Theile des Schädeldachs habe ich in der Beschreibung als unmittelbare Fortsetzungen des Perichondriums der beschrie- benen Knorpel „perichondrale‘“ genannt, um damit anzudeuten, dass es nicht Reste eines häutigen Primordialschädels sind, welcher als Vorläufer des knor- peligen demselben zugleich als Grundlage diente. Die Anlage eines Knorpels ist weder jemals häutig noch ein fertiges Gewebe, und jene Verbindungshäute des Schädels entstehen ebenso wie die ihnen homologen Zwischenbogenbänder des Rumpfes später als die Wirbelbögen;, so lange man aber diese Bänder nicht zu den Wirbelelementen zählt, können auch jene häutigen Schädeltheile überall nur als accessorische betrachtet werden. Der Schädel der Neunaugen bietet in seiner hinteren Hälfte gewisse Unter- schiede vom Primordialkranium der Batrachier dar. Die Wurzel des Kiefer- suspensoriums, welche bei den Neunaugenlarven unmittelbar vor und unter dem vorderen Ende der Ohrkapsel mit dem vorderen Wirbelbogen zusammenhängt, behält diese Lage auch im erwachsenen Thiere, sodass es höchst wahrschein- lich ist, dass der in die Höhe auswachsende Wirbelbogen über ihr mit der Ohr- kapsel zusammenstösst und sie somit von der Betheiligung am Aufbaue der Schädelwand ausschliesst, wenn nicht diese Betheiligung vielleicht an der Schädelbasis in bescheidenem Masse stattfindet (vgl. J. MuELLer Nr. 76 IS. 106—110, Taf. IV, LAnGErHAns Nr. 138 S. 34 Taf. IV Fig. 2). Ferner ist der dorsale Schluss des Oceipitalringes jener orbitalen Schädelwand so nahe ge- 712 IX. Der Kopf. rückt, dass ihr unmittelbares Zusammentreffen an der Seite des Schädeldachs angenommen werden darf. Unter diesen Voraussetzungen besitzen natürlich die Neunaugen die einfachste Zusammensetzung des Schädels, indem derselbe neben den beschriebenen Wirbelelementen nur die Ohrkapsel und das Schlussstück der ganzen Wirbelröhre (harter Gaumen J. MUELLER) als accessorische Stücke enthält. Denn dass die Öhrkapselmit den Wirbelanlagen nichts gemein hat, scheint mir auch abgesehen von den bezüglichen embryologischen Beweisen für die übrigen Wir- belthiere, ausden angeführten Darstellungen selbst deutlich genughervorzugehen. Die Knochenfische stehen in den eben erörterten Punkten den Batra- chiern wieder näher als die Neunaugen. Die hintere Schädelbasis der von mir unter- suchten Forellenembryonen ist von dem das Gehörorgan anfangs nurlateralwärts bedeckenden Knorpel durch eine deutliche und stellenweise breite Lücke ge- trennt; nur an beiden Enden des Gehörorgans setzt sie sich in seitliche Bö- gen fort, welche mit dem äusseren Ohrknorpel alsbald in kontinuirlichen, wenn- gleich längere Zeit nur lockeren Zusammenhang gerathen. Das hintere Bogen- paar unterscheidet sich vom Oceipitalringe der Batrachier nicht. Der vordere Seitenast der Schädelbasis beginnt am vorderen Wirbelbogen, bald nachdem derselbe die Wirbelsaite verlassen hat, * zieht dann bogenförmig nach aussen und zwischen den Stämmen des Trigeminus und Facialis unter das Vorderende des Gehörorgans und verschmilzt mit dessen äusserer Knorpel- wand nur wenig einwärts von der Stelle, wo das Hyomandibulare dieselbe noch sehr nahe von der Basalseite berührt. Wenn ich hinzufüge, dass das Hyoman- dibulare, wie ich weiter unten beweisen werde, zum Kiefersuspensorium gehört, und daran erinnere, wie bei den Batrachiern die ursprüngliche Wurzel des Suspensoriums (Schläfentlügelknorpel) sich von semem äusseren Theile trennt, so ist es kaum zweifelhaft, dass wir in jenem Seitenaste des ersten Wirbel- bogens nicht einen Auswuchs desselben, sondern ein mit ihm sekundär verbun- denes Homologon des Schläfenflügelknorpels der Batrachier vor uns haben. Seine geringe Entwickelung bei unseren Fischen ist dadurch bedingt, dass ihr Auge und Ohr, welche anfangs weit auseinander vor und hinter dem ersten äusseren Segment lagen, während und nach der Bildung der Kopfbeuge sehr nahe zusammenrücken und dadurch sowohl das Wachsthum des Schläfenflügel- knorpels in die Höhe unterdrücken, als ihn auch von den zurückgedrängten Aussentheilen des Kiefersuspensoriums trennen. Durch seine frühzeitige Ver- * Bei den Salmoniden verlässt der vordere Wirbelbogen die Wirbelsaite schon hinter ihrer Spitze, sodass dieselbe frei hervorragt (vgl. Vo@er Nr. 123 S. 111 Taf. VII Fig. 166). IX. Der Kopf. 713 schmelzung mit der Ohrkapsel’ lassen sich seine Grenzen später ebenso wenig bestimmt unterscheiden wie bei den Batrachiern ; jedenfalls ist er im vorderen unteren Theile des Pro-oticum enthalten. Im Anschlusse an das äussere Ende des Schläfenflügelknorpels der Forelle setzt sich ein nach vorn über das Gehör- organ vorragender Saum seiner Knorpelwand aufwärts fort, um in den schon erwähnten seitlichen Knorpelstreifen des vorderen Schädeldachs überzugehen. Ob nun diese Bildungen, welche ich für die Grundlagen des Ali- und Orbito- sphenoids und des Schädeldachs halte, vom Schläfenflügelknorpel oder von der Ohrkapsel ausgehen oder. endlich, was wohl wahrscheinlicher ist, eine ganz lokale Entstehung haben, ist von gar keinem Belang gegenüber der Thatsache, dass sie ausserhalb des Wirbelsystems stehen. An die oben erläuterte Zusammensetzung des Teleostierschädels schliesst sich der Schädelbau der Reptilien ziemlich eng an. Bei Coronella laevis und Anguis fragilis finde ich die hintere Schädelbasis im allgemeinen so wie sie RatHke von Coluber natrix beschrieben hat (Nr. 115 8. 33. 34. 122 u. flg.); nur hat er die vordere Hälfte des Schädelabschnitts der Wirbelsaite desshalb übersehen, weil dieselbe nicht in der Schädelbasis steckt wie die hintere Hälfte, sondern ihr nur aufliegt und daher bei der Abtragung der Hirnhäute mit die- sen entfernt wird. Ueber die gesonderte Anlage der Ohrkapsel und die Bil- dung des Oceipitalringes habe ich nichts hinzuzufügen. Von anderen Stücken der hinteren Schädelhälfte beschreibt RarukeE nur die sogenannten hinteren Keilbeinflügel, welche als Knorpel getrennt von der Schädelbasis auftreten, aber wahrscheinlich doch ursprünglich aus derselben hervorgewachsen seien und später ausser der Schläfengegend gleich den vorderen Keilbeinflügeln die zuge- hörigen Abschnitte des Schädeldachs, die Parietalia, bilden (Nr. 115 8. 124. 193. 194, Nr. 21 8. 13. 25). Die Auffassung ‚Rarake's über den Ursprung dieser Knorpelplatten der Schlangen ist aber nach meinen Beobachtungen un- begründet, und wenn selbst die Beschreibung derselben richtig ist, so ist da- gegen ihre Bezeichnung unpassend. Das Homologon des Schläfenflügelknor- pels der Batrachier und Teleostier, welches die Schlangen und Eidechsen ge- meinsam besitzen, hat Raruk&allerdings gezeichnet (Nr. 115 Taf. VU Fig. 17 c*), aber als bedeutungslosen Fortsatz der Ohrkapsel unbeachtet gelassen. Er be- steht schon von dem Erscheinen der erstgenannten Knorpelplatte, beginnt an der Wurzel des ersten Wirbelbogens dort, wo nach RATHk& ursprünglich das stielförmige Kiefersuspensorium aus der Schädelbasishervortritt,und zieht durch den zwischen der letzteren und dem Vordertheil der Ohrkapsel befindlichen 714 IX. Der Kopf. Zwischenraum aus- und rückwärts unter diese Kapsel (vgl. Nr. 115 Taf. VI Fig. 12. 17). Nach seinen Verbindungen, seiner Lage zwischen den Aus- trittsstellen des Trigeminus und Facialis entspricht er ebenso sehr den oben be- zeichneten Schläfenflügelknorpeln , namentlich demjenigen der Fische, als der Raruke'sche Keilbeinflügel durch seme Lage vor dem Trigeminus, durch seine späte und wie ich an Coronella laevis sehe, von dem unterdessen rückwärts verschobenen Kiefersuspensorium vollkommen getrennte Entstehung von jener Homologie ausgeschlossen wird. Die Verbindung jenes Schläfenflügelknorpels der Reptilien mit dem äusseren Kiefersuspensorium habe ich in Ermangelung genügend junger Embryonen allerdings nicht gesehen; da jedoch sein mediales Ende dieselbe Stelle einnimmt wie nach RarHukeE's Beobachtung der ursprüng- liche Stiel des Kiefersuspensoriums, und sein laterales Ende ganz entsprechend der starken Verschiebung des letzteren nach hinten ebenfalls dorthin gerichtet ist, so halte ich es für mehr als wahrscheinlich, dass bei den Reptilien die nach Ursachen und Folgen gleiche frühzeitige Trennung der Wurzel oder des Stiels vom äusseren Theile des Kiefersuspensoriums eintritt wie bei den Batrachiern und Knochenfischen. Dann erschemt es aber auch erklärlich, dass RATHKE jenen an der Schädelbasis zurückgelassenen Stiel, weil er ihn in der veränder- ten Lage nicht wiedererkannte, sich mit dem übrigen Suspensorium ablösen und verkümmern liess (Nr. 115 8. 126. 127). Ist einmal der Schläfenflügel- knorpel der Reptilien bestimmt, welcher später ebenso wie bei den Knochen- fischen in das Pro-octicum aufgeht, so ergibt sich die richtige Deutung des Rarnke'schen Keilbeinflügels von selbst: es ist bloss ein Parietale, welches wegen der geringen Ausbildung des eigentlichen Keilbeinflügels vor demselben und der Ohrkapsel bis an die Schädelbasis hinabreichen kann. Zum Ueber- tlusse mache ich darauf aufmerksam, dass er niemals den sogenannten hinteren Keilbeinkörper berührt, sondern eine gute Strecke davor an die vorderen Wirbelbögen oder Schädelbalken herantritt. Nach seiner Entstehung ist er dem Wirbelsystem ebenso fremd wie die Ohrkapsel oder der Schläfenflügel; denn die Annahme Rarnke's, dass der letztere oder sein Kieferstiel mit dem Unterkiefer und Flügelgaumenbogen gleich einer Rippe aus der Schädelbasis hervorwüchse (Nr. 115 8. 78), entbehrt in demselben Masse jede direkte Be- sründung, als sie indirekt durch den Vergleich mit den Batrachiern widerlegt wird. Die Columella der Eidechsen kann nach RATHkE's Vorgang auf Grund ihrer Lagebeziehungen sehr wobl mit dem Seitentheile des Parietale der Schlangen verglichen werden (Nr. 21 S. 13); denn ihre besondere Verbindung IX. Der Kopf. 715 mit dem Flügelbein lässt sich aus der bei den Schlangen fehlenden Anlagerung des letzteren an die Schädelbasis erklären. Jedenfalls lässt sich das Parietale der Schlangen mit den knorpeligen Grundlagen des Alisphenoids und des Schädeldachs der Teleostier ebenso gut vergleichen wie die Orbito-Frontalia (vordere Keilbeinflügel, vorderes Schädeldach) beider Formen; und da das „Alisphenoid“ gar zu sehr an den „Schläfenflügelknorpel‘ erinnert, so wäre es vielleicht passender, den ersteren Namen ganz aufzugeben und den Orbito- Frontalia die Temporo-Parietalia entgegenzustellen, welche beiden in wech- selnder Ausdehnung sich auf je einen der durch ihren Namen bezeichneten Theile beschränken können (Orbitalia, Frontalia; Temporalia, Parietalia). Ueber die Genese des Vogelschädels weiss ich nichts weiter anzugeben als was schon RATHKE bekannt war und wonach sie in den vertebralen Schädel- anlagen (Schädelbasis, Occipitalring) mit der bereits betrachteten Schädelent- wickelung namentlich der Reptilien überemstimmt. — Dasselbe gilt auch von den Säugethieren, deren Keilbeinflügel sich übrigens leicht mit dem Orbital- und Schläfenflügelknorpel der Batrachier in Parallele bringen lassen. Die Uebereinstimmung der Schläfenflügel halte ich wegen ihrer gleichen Lage- beziehungen zur Schädelbasis, zur Ohrkapsel und zum Trigeminus für ge- sichert. Dann braucht man, um die Homologie der vorderen Flügel vollstän- dig zu machen, zum Bestande des von mir so genannten Orbitalflügels der Ba- trachier nur noch dessen Wurzelstück bis zum Austrittsloche des Opticus hinzu- zurechnen (vgl. Taf. X VIII Fig. 331). Darnach weicht aber auch der Säuge- thierschädel hinsichtlich seiner vertebralen Zusammensetzung in keinem wesent- lichen Punkte von den bereits betrachteten Schädeln ab. Wenden wir uns nun zuletzt zu den höheren Knorpelfischen, insbesondere den Selachiern, so stimmt das, was uns LEYDIG über die Genese ihres späteren Primordialkraniums mittheilt (Nr. 139 a. a. O.), mehr zu meinen Befunden an den übrigen Wirbelthieren als zu der Auffassung GEGEnBAUR’s. Levypıe gibt nämlich an, dass die „festen Gehörkapseln“ erst zur Zeit, wann der vordere Wirbelring bereits ausgefüllt ist und der Oceipitalring sich zu bilden begonnen, mit der zwischen ihnen liegenden Schädelbasis kontinuirlich verwachsen, und ist offenbar der Ansicht, dass die Knorpelsubstanz auch ausserhalb der genann- ten Theile lokal entstehe. Wenn also LeyvıG ein kontinuirliches Aufwachsen des gesammten knorpeligen Primordialkraniums von der Schädelbasis nicht kennt, GEGENBAUR es aber behauptet (Nr. 135 S. 27—29), so dürften doch die zahlreichen unzweifelhaften Befunde an anderen Wirbelthieren, welche ganz 716 IX. Der Kopf. unvergleichlich günstigere Untersuchungsobjekte darbieten, den Ausschlag geben. Berücksichtigt man, dass die Primordialschädel aller übrigen Wirbel- thiere aus diskreten und ungleichwerthigen Knorpelanlagen hervorgehen, welche in den einzelnen Abtheilungen in verschiedenem Grade zu einem Kon- tinuum verschmelzen und auswachsen, sodass das fertige Primordialkranium der Batrachier demjenigen der Selachier an Vollständigkeit nicht viel nach- steht , so stellt das letztere eben nur die letzte Stufe dieser sekundären Ausbil- dung dar, ohne dass es darum in seinen Anlagen irgendwie von den anderen Wirbelthieren abzuweichen brauchte. Die Ergebnisse der angeführten vergleichenden Betrachtungen des Primor- dialkraniums der Wirbelthiere sind folgende. 1. Nicht nur die hintere Hälfte desselben, sondern auch die vordere enthält Theile, welche Wirbelanlagen homolog sind. 2. Diese Wirbelanlagen erhalten aber durch die embryonale Kopfbeuge in beiden Kopfhälften eine verschiedene Lage, indem die Bögen im Hinterkopfe gleichwie im Rumpfe auf den horizontal verlaufenden Wirbelkörper- anlagen aufrecht stehen, im Vorderkopfe sich horizontal umlegen und daher den zugehörigen Wirbelkörperabschnitt an der Chordaspitze oder der Grenze bei- der Hälften zurücklassen. 3. Dieser vorderste Wirbelring und der Oceipitalring sind nebst der sie verbindenden Schädelbasis die einzigen ursprünglichen Schädel- wirbeltheile, welche allen Wirbelthieren gemeinsam sind. 4. Der dem Vorderkopfe angehörige vordere Wirbelring entspricht dem ersten Kopfsegment, repräsentirt «laher einen einzigen Wirbel, welcher den in der Grösse sehr wechselnden vor der Sattellehne liegenden Abschnitt der Schädelbasis bildet und theilweise seitlich auswachsen kann (orbitale Schädelwand der Cyklostomen und Batrachier) ; mit seinen vorderen Fortsetzungen gehört er dem Gesichte an. Die Bögen des zum 2. Kopfsegment gehörigen Wirbelsegments kommen nirgends zur Ent- wickelung; der auf das 3. und 4. Kopfsegment gemeinsam fallende Oceipital- ring enthält ebendesshalb die stets ungesonderten Elemente zweier vollständigen Wirbel. 5. Die zwei genannten, nur in ihren Basaltheilen kontinuirlich ver- bundenen, in den Bogentheilen getrennten Wirbelringe bilden das Primordial- kranium nur in Gemeinschaft mit anderen von ihnen unabhängig entstehenden, nicht vertebralen Knorpeltheilen, welche theils dem Wirbelsystem fremden Organen angehören, wie die Ohrkapsel und das den 2. Kopfwirbelbogen ver- tretende Schädelende des Kiefersuspensoriums (Schläfenflügelknorpel), theils den Interkalarknorpeln der Rumpfwirbelsäule verglichen werden können, wie die Orbito-Frontalia und Tempora-Parietalia der Knochenfische und Reptilien IX. Der Kopf. ehr oder das den ersten Wirbelring ausfüllende Schlussstück der ganzen Wirbel- reihe.“ Die Ohrkapsel ist ein allen Wirbelthieren, der Schläfenflügelknorpel ein den meisten von ihnen zukommender Bestandtheil des Schädels; die übrigen Schaltstücke sind weder in ihrem Vorkommen, noch in ihrer Lage und Aus- dehnung beständig und können selbst durch Auswüchse der Wirbelbögen theil- weise ersetzt werden. 6. Die vergleichende Entwickelungsgeschichte der ver- schiedenen Primordialschädel lehrt uns aber nicht nur, dass sie weder als Kon- tinuum noch aus lauter homologen Wirbelanlagen entstehen, sondern vermag allen uns den Weg ihrer phylogenetischen Entwickelung anzudeuten. Wir erfahren dadurch, dass die Schädelanlagen die spätesten Bildungen des Kopfes sind, welche sich den schon vorhandenen primär-morphologischen Theilen (Hirn, Sinnesorgane, Wirbelsaite) und deren charakteristischen Lagebeziehungen von kleinem Anfange aus bis zu immer grösserer Ausdehnung anpassen und nicht etwa aus einem gleichartigen früheren Bestande durch jene Theile nach- träglich abgeändert werden. Eine solche Annahme hat nur einen Sinn, wenn man den knorpeligen Wirbelanlagen häutige vorangehen lässt, welche mit ge- wissen fundamentalen Segmenttheilen identisch wären (vgl. GEGENBAUR NT. 135 S. 26); denn dass z. B. das Gehörbläschen früher da ist als irgend eine ver- tebrale Knorpelanlage, geht aus der Entwickelungsgeschichte aller Wirbel- thiere ganz unzweifelhaft hervor. Sie weist aber auch ebenso entschieden die Lehre vom häutigen Primordialschädel und den häutigen Wirbeln zurück. Die Zusammensetzung der uns vorliegenden Primordialschädel ist also nicht ein Zeugniss für die allmähliche Umbildung, der seine einfachen und gleichmässigen ursprünglichen Grundlagen unterlagen, sondern nur ein Ausdruck für die vor seiner Herstellung bereits erreichte Entwickelungshöhe des Wirbelthierkopfes. Da ferner der Schädel früher erscheint als die Rumpfwirbelsäule, so dürfte es konsequenter sein, in seinen von der Wirbelsaite ausgehenden Skelettheilen nicht sowohl durch ungünstige Bedingungen nicht zur vollen Entwickelung ge- kommene Wirbelanlagen, als vielmehr in der Rumpfwirbelsäule eine höhere Entwickelung jener im Schädel bereits vorgebildeten Skeletstücke zu sehen. Bei der embryologischen Untersuchung des Schädelbaues habe ich die Frage nach der Wirbelnatur des Primordialschädels im allgemeinen von der besonderen Bestimmung der einzelnen vertebralen Theile gar nicht trennen * Mir scheint es richtiger, nur solche Schädeltheile mit den Interkalarknorpeln zu ver- gleichen, welche neben der Ergänzung des Wirbelsystems des Schädels keine anderen ur- sprünglichen Beziehungen haben; daher kann ich RArHke nicht beistimmen, wenn er jenen Knorpeln allein die Ohrkapsel zur Seite stellt (Nr. 21 8. 32). 718 IX. Der Kopf. können, weil eben die letzteren nicht die einzigen Bestandtheile des Schädels sind und daher von den übrigen einzeln unterschieden werden mussten. Indem aber GEGENBAUR zur Ansicht gelangte, dass die hintere Schädelhälfte bloss aus kontinuirlich verbundenen Wirbeln entstehe, musste er die Bestimmung ihrer Zahl und Lage zum Gegenstande einer besonderen Untersuchung machen. Da er nun von der Ueberzeugung ausgeht, dass die Unzulänglichkeit der Entwicke- . lungsgeschichte in diesem Punkte feststehe (Nr. 135 S. 301), sucht er seine Aufgabe dadurch zu lösen, dass er die den fraglichen Wirbeln zu Grunde lie- genden, den Rumpfsegmenten homologen Abschnitte aus den Merkmalen der vollendeten anatomischen Formen nachweist. Dabei leiten ihn die Nerven als die beständigsten, mindest wandelbaren Theile (Nr. 134, Nr. 135, S. 264—293). Die der vertebralen Schädelhälfte angehörigen Kopfnerven, also den N. olfac- torius und N. opticus ausgenommen, werden nun durchweg für Homologa der Spinalnerven erklärt; und da sie mit den ventralen Hauptästen je einen Vis- ceralbogen versorgen, in welchen Bögen sich eine Metamerenbildung gleich derjenigen des Rumpfes offenbare, wo auf jedes Metamer je ein Spinalnerv komme (Nr. 155 8. 257), so müssten im Kopfe ursprünglich so viele gesonderte Spinalnerven bestanden haben, als es Visceralbögen gibt. Da jedoch an den letzteren eine Reduktion nicht zu verkennen sei, so bezeichneten die noch be- stehenden Visceralbögen die Minimalzahl der ursprünglichen und nur allmäh- lich vielfach miteinander verschmolzenen spinalen Kopfnervenstämme (Nr. 135 S. 275). Doch erklärt GEGENBAUR die beiden Kiefernerven nur mit Vorbehalt für die ventralen Aeste zweier Spinalnervenhomologa, weil auch ihm die Vis- ceralbogennatur des ersten zugehörigen Bogens, nämlich des Labialbogens, nicht ganz unzweifelhaft erscheint. Der R. ophthalmicus sei der dorsale Ast, die Augenmuskelnerven die motorischen Zweige des 1. und 2. Trigeminusastes (Nr. 135 5. 236—290). Der N. facialis mit dem N. palatinus stelle den Haupt- nervenstamm des Zungenbeinbogens vor, wozu sich der N. acusticus als R. dor- salis gesellt (5. 230—286). Hinter dem N. glosso-pharyngeus, dem ersten Kiemennervenstamm, stelle der N. vagus einen Komplex von mindestens fünf solchen ebenso vielen Spinalnerven entsprechenden Stämmen dar, woran die Hypothese geknüpft wird, dass der R. lateralis und R. intestinalis als umgebil- dete Reste von verloren gegangenen, d. h. in das Darmrohr umgewandelten Kiemenbögen zurückgeblieben seien (S. 264—280). Aus diesen mindestens neun nach dem Typus der Spinalnerven angelegten Kopfnervenstämmen der Selachier ergebe sich die gleiche Zahl von ursprünglichen Metameren des verte- IX. Der Kopf. 7119 bralen Kopfabschnittesund folglich von ursprünglichen, später durch Konkrescenz verbundenen Wirbelsegmenten des vertebralen Primordialkraniums(S.290—293). Soweit sich diese Ausführungen GEGENBAUR'S auf die ursprünglichen Me- tameren und Wirbelsegmente des Kopfes beziehen, kann ich ihnen mit dem kurzen Hinweise darauf begegnen, dass während er eine grössere Zahl jener Theile auf indirekte Weise wahrscheinlich zu machen sucht, die Entwickelungs- geschichte, wie ich gezeigt habe, vier Kopfsegmente und die zugehörigen Schädelwirbelanlagen direkt und mit aller Bestimmtheit nachweist und dadurch die endgiltige Entscheidung fällt. Aber auch hinsichtlich der anderen wich- tigen Verhältnisse der Kopfbildung, auf welche näher einzugehen GEGENBAUR bei seiner Beweisführung sich veranlasst sah, namentlich hinsichtlich der Spi- nalnervennatur der Kopfnerven und der Metamerenbildung und Homologie der Visceralbögen stimmen die Ergebnisse der GEGENBAURschen Untersuchungen mit den embryologischen Befunden nicht überein. Zur leichteren Uebersicht werde ich im Folgenden die beiderlei Auffassungen, und zwar zuerst mit Bezug auf die Kopfnerven, dann auf die Visceralbögen vergleichend betrachten. Bei der Untersuchung der Kopfnerven handelt es sich zunächst um ihre Zugehörigkeit zu den ganzen hintereinander liegenden segmentalen Ab- theilungen des Kopfes, ferner um ihre Unterscheidung, je nach dem Ursprunge aus dem inneren oder äusseren Segmente des mittleren Keimblattes oder aus anderen Embryonalanlagen jeder Abtheilung. Zu den letzteren gehören der Sehnerv und die Seitennerven als Erzeugnisse des oberen Keimblattes; die übrigen Kopfnerven entstehen aus dem mittleren Keimblatte.e GEGENBAUR vertheilt dagegen alle Kopfnerven auf seine beiden grundlegenden Abschnitte des Kopfes in der Art, dass der Olfactorius und Opticus auf den prävertebralen, alle übrigen auf den vertebralen Theil kommen. Jene beiden Sinnesnerven seien mit den anderen Kopf- und den Spinalnerven des Rumpfes nicht ver- gleichbar, einmal weil sie m ihren Stämmen als zum Gehirn gehörige Uentral- organe sich ergeben, und ferner weil der prävertebrale Kopftheil eine Meta- merenbildung überhaupt entbehre (Nr. 135 S. 290—292). Da es nun aber einen prävertebralen, von der Metamerenbildung ausgeschlossenen Kopftheil nicht gibt, so können auch jene beiden Sinnesnerven die ihm eigenthümlichen Nervenbildungen nicht darstellen; sie fallen vielmehr mit dem ganzen Trigemi- nus, den vorderen Seitennerven mit inbegriffen, und den Augenmuskelnerven gemeinsam in den Bereich der ersten segmentalen Kopfabtheilung (Vorder- kopf). Auch kann ihre Bedeutung als Centralorgane gegen ihre Vergleichung 720 IX. Der Kopf. mit peripherischen Nerven gar nicht aufgeführt werden, da die embryologi- schen Beweise, auf welche sich GEGENBAUR dabei stützt, nicht stichhaltig sind. Für den Olfactorius der Batrachier habe ich nachgewiesen, dass sein Stamm nicht aus einer unmittelbaren Verschmelzung der Geruchsplatte und des Vorderhirns, sondern durch Vermittelung einer zwischengelagerten Masse des mittleren Keimblattes entsteht (S. 331). Und wenn ich dabei auch der Vermuthung Raum gab, dass später auch Elemente des Hirns in jene ursprüng- liche Nervenbrücke einwandern, so scheint mir doch die Annahme, dass die letztere auf jene Weise endlich durch einen specifischen Hirntheil vollständig ersetzt werde, ebenso unbegründet wie etwa die Bezeichnung der in ähnlicher Weise entstehenden Spinalnervenwurzeln als besondere Centralorgane.* Wenn ich aber gleichfalls den Tractus olfactorius ausser allen Vergleich mit den übrigen aus dem mittleren Keimblatte hervorgehenden Nervenstämmen stelle, so geschieht es desshalb, weil ihm die ursprüngliche morphologische Anlage fehlt, welche jene auszeichnet, er vielmehr aus einer sekundären Anpassung eines morphologisch indifferenten Theils an besondere lokale Formverhältnisse sich entwickelt. — Hinsichtlich des Opticus kann seine Auffassung als Central- organ nur auf der bisher üblichen Vorstellung beruhen, dass die Augenanlage ein wirklicher Auswuchs des Hirns sei. Diese Vorstellung ist aber nach meinen Untersuchungen für das Auge nicht weniger unstatthaft wie für das Geruchs- und Gehörorgan (S. 180); soll daher der Opticus nach seiner Genese — denn nach semem anatomisch-physiologischem Verhalten unterscheidet er sich von allen übrigen Nervenwurzeln in keinem wesentlichen Punkte — sich als Central- organ ausweisen, so liegt kein Grund vor, dieselbe Bedeutung der Netzhaut, der Geruchsplatte und den epithelialen Bildungen des Labyrinths vorzuenthal- ten, welche gemeinsam aus der von der Hirnanlage abgegliederten Sinnesplatte hervorgehen. Wenn wir aber diese Organe als peripherische Endapparate dem Üentralnervensystem entgegensetzen, so ergibt sich daraus, dass eine solche Unterscheidung lediglich aus physiologischen Anschauungen hervorging, und dass wir auf Grund derselben den Opticus nicht weniger als den Olfactorius oder Acustieus als die vermittelnden Leiter oder als peripherische Nerven anzu- sehen haben, welche aber durch ihre Entwickelung jede Verwandtschaft mit * Bei gewissen Wirbelthieren, z. B den Plagiostomen, mag die Höhlung des Traetus olfaetorius dafür zu sprechen scheinen, dass es ein Hirnauswuchs sei; wenn sich dies aber auch bewahrheiten sollte, so ist damit noch nicht gesagt, dass auch dem endständigen Bul- bus dieselbe Bedeutung zukomme und er dadurch von der Homologie mit dem Geruchs- nerven der Batrachier ausgeschlossen wäre. IX. Der Kopf. al allen eigentlich segmentalen Nerven entbehren. Dasselbe gilt von den Seiten- nerven. Da der vordere Seitennerv der Anurenlarven sich nachträglich mit dem Trigeminus verbinden kann, wesshalb ihn schon Fischer als Zweig des letzteren beschrieb (Nr. 82 S. 59), so ist es nicht unwahrscheinlich, dass er in gewissen dorsalen Trigeminusästen namentlich der Teleostier Homologa findet (vgl. Srannıus Nr. SO IS. 155), welche alsdann vom übrigen Trigeminus prin- eipiell geschieden werden müssen. — Von segmentalen Nerven enthält der Vorderkopf den Trigeminus und die Augenmuskelnerven. Bei der Deutung dieser Nervengruppe schwankt GEGENBAUR allerdings hinsichtlich der Zahl der von ihr vertretenen Metameren; indem er ihr aber ausschliesslich den Charakter von Spinalnerven zuerkennt, bleibt die Ansicht, dass sie bloss einen Spinalnerv repräsentire, nicht viel weniger fehlerhaft als die Annahme zweier Spinalnerven, welcher GEGENBAuR übrigens den Vorzug zu geben scheint, da sie in der von ihm ausgeführten Tabelle allein zum Ausdruck kommt (Nr. 185 S. 293). Der Trigeminus und die Augenmuskelnerven der Batrachier ent- wickeln sich innerhalb der einen segmentalen Abtheilung des Kopfes allerdings aus zwei Anlagen, welche aber nicht gleichwerthig sind, sondern den zweierlei Theilen jedes ganzen Segments entsprechen. Sie verhalten sich folglich zu einander wie die Nerven der aus äusseren Segmenten sich entwickelnden Rumpfgliedmassen zu den mit ihnen verbundenen Spinalnervenstämmen: der N. nasalis mit den Augenmuskelnerven repräsentirt den durch die abweichen- den Lagebeziehungen des ersten Kopfsegments in seinem Verlaufe veränderten und nachträglich zersplitterten Spinalnervenstamm, die zwei Kiefernerven sind aber die mit ihm verbundenen Homologa der Extremitätennerven. Die theil- weise Zersplitterung und anderseits die Verbindung der beiden ursprünglichen Anlagen erfolgen erst im Laufe der individuellen Entwickelung; und da diese Umbildung selbst in so nahverwandten Kreisen wie die einzelnen Batrachier- gruppen es sind, mannigfach wechselt (vgl. FıscHEr Nr. 82), so kann aus den ähnlichen Abweichungen bei den übrigen Wirbelthieren ein Argument gegen die Gleichartigkeit der ersten Anlagen bei ihnen allen nicht entnommen werden. : Ganz ähnlich wie diese Nerven in der ersten segmentalen Kopfabtheilung verhält sich in der zweiten die Doppelanlage des Gesichts- und Gaumennerven, welche genetisch ebenso wenig zu einander wie mit dem Acusticus zusammen- gehören, wie es GEGENBAUR annimmt. Wenn er ferner die gesonderte Anlage, des Acusticus und den Mangel eines Ganglions an diesem rein sensiblen Aste GoETTE, Entwickelungsgeschichte. 46 722 IX. Der Kopf. dadurch erklärt findet, dass die Bildung der Spinalganglien wie die Verbindung der beiden Spinalnervenwurzeln lediglich aus sekundären Vorgängen resultiren (Nr. 135 5. 284), so muss ich diese bestimmte Behauptung, mag sie nun einer mir unbekannten embryologischen Quelle, oder, wie es wahrscheinlicher ist, einer allgemeinen Ueberlegung entnommen sein, als durchaus unzutreffend be- zeichnen; denn der ganze Spinalnerv mit seinen beiden Wurzeln und seinen dlorsalen Zweigen spinnt sich gerade von der ursprünglichen Anlage des Gang- lions aus (S. 479. 485). Uebrigens habe ich meine Ansicht über den Acusticus als peripherischen Nerven bereits ausgesprochen. — Der N. glosso-pharyngeus und N. vagus enthalten überhaupt keine Elemente, welche mit Spinalnerven übereinstimmten ; sie gehören bloss zwei äusseren Segmenten an. Damit fallen alle Versuche GEGENBAUR’S, in ihnen eine grössere Anzahl spinaler Nerven nachzuweisen, besonders da die zu demselben Zwecke herangezogene „Meta- merenbildung“ der Visceralbögen, wie ich gleich zeigen werde, auf eine solche Bezeichnung gar keinen Anspruch hat. Die Verzweigung und selbst vollstän- dige Spaltung des Vagus kann aber dabei um so weniger von Belang sein, als das analoge Verhalten der Augenmuskelnerven GEGENBAUR zu keiner solchen Auffassung provocirt hat. Dass der R. intestinalis und die Rr. laterales des Vagus ursprünglich weder zum letzten Nervenstamme des Kopfes noch überhaupt zu den segmentalen Bildungen gehören, wird aus meiner Beschreibung. genügend erhellen. Den N. hypoglossus hält GEGENBAUR für einen Theil des Vagus- komplexes (Nr. 134 S. 530. 531, Nr. 135 S. 269); wenn wir ihn aber nach seinem Wirkungsbereich überall zu den Fortsetzungen der ersten Rumpfseg- mente (Mm. genio-hyoidei etc.) gehören sehen, und wenn er auch wie bei den ;atrachiern thatsächlich aus einem Spinalnerven sich entwickelt, ihn nachträg- lich mit dem Vagus verbunden finden (vgl. Fischer Nr. 82 S. 63), so scheint mir die Annahme berechtigt, dass auch bei den höheren Wirbelthieren der N. hypo- glossus ursprünglich aus dem ersten Spinalnerven hervorgehe und mit dem Vagus nur eine sekundäre Anastomose eingehe, welche in Folge eines über- wiegenden Wachsthums das Aussehen des eigentlichen Nervenursprungs erwirbt. Für solche den genetischen Zusammenhang der Nervenursprünge verdeckende Umbildungen besitzen wir eine ganze Reihe von Analogien, z. B. an dem eben erwähnten Eingeweideast des Vagus, welcher fälschlich für den Stamm dessel- ben gilt, dann am Armgeflecht, wo die eigentliche Fortsetzung der zugehörigen Spinalnervenwurzeln nicht gemäss der gewöhnlichen Auffassung in den Arm- nerven selbst, sondern in den schwachen Brustzweigen derselben zu suchen ist IX. Der Kopf. 7123 (vgl.S. 487) u.s.w. Es würde alsdann die GEeGEnBAUR’sche Auffassung den anatomisch-physiologischen Verhältnissen der erwachsenen Thiere, die meinige dem genetischen Zusammenhange entsprechen. In ganz ähnlicher Weise wie die Kopfnerven weder unter sich noch mit den Spinalnerven völlig übereinstimmen, unterscheiden sich die Visceralbögen von der Leibeswand des Rumpfes. Was zunächst ihre von GEGENBAUR behaup- tete Homologie mit den segmentalen Abtheilungen des Rumpfes betrifft, so muss ich hier noch einmal auf das eigenthümliche Verhältniss der Metameren- bildung in der Schlundwand zurückkommen. Die Metamerenbildung ist lange nicht in allen Theilen, an denen sie später erscheint, ein und derselbe Vorgang, sondern betrifft primär nur die dorsalen Segmente des mittleren Keimblattes. Der Satz, dass die Metamerenbildung der Schlundwand nothwendig den dor- salen Kopftheil in Mitleidenschaft gezogen haben müsse (Nr. 135 8. 257) be- ruht daher auf einer ganz irrigen Anschauung, indem die primäre Metameren- bildung des Kopfes ebenfalls nur von dessen dorsalen Segmenten abhängig ist. Die ursprünglichen Segmente übertragen nun ihre Eintheilung auf die übrigen Embryonalanlagen erst sekundär, durch sehr verschiedene Anpassung und in verschiedenen Perioden ($. 246). Ein Beispiel dafür sind die Wirbel, von deren Körpern immer je eine vordere und hintere Hälfte einem und demselben Seg- mente entsprechen, während von ihren an den Segmentgrenzen entstehenden Fortsätzen (Bögen, Rippen) eigentlich gar nicht gesagt werden kann, ob sie zum vorderen oder hinteren Segmente gehören. In anderen Fällen wird die ursprüngliche Metamerenbildung durch die Verschiebung gewisser segmentaler Systeme in den Bereich anderer geradezu verwischt. Das Vorrücken der vor- dersten ventralen Rumpfsegmente an die Bauchseite des Kopfes stört bereits die durchgehende segmentale Eintheilung desselben, da die betreffenden Mus- keln (Mm. 'sterno-, genio-hyoidei) im Bereiche des Kopfes nur vom ersten Rumpfnerven (N. hypoglossus) versorgt werden, also höchstens zwei Segmente auf der ganzen dorsalwärts von den vier Kopfsegmenten beherrschten Strecke darstellen (vgl. S. 466). Eine noch intensivere Störung wird durch die Schlundfalten herbeigeführt. Ich habe ihre Entstehung dadurch wahrschein- lich zu machen gesucht, dass das bei der Abschnürung des Kopfes in den- selben hineingezogene Darmblatt nur im dorsalen Theile die entsprechende ebene Ausdehnung erfährt, in den Seitenplatten aber bei der geringeren Aus- dehnung der Unterlage zu Faltungen veranlasst wird, welche sich im allge- meinen den Segmenten anpassen (S. 222—225. 247. 262). Die drei ersten 46* 724 IX. Der Kopf. Schlundfalten werden dabei durch die dreiersten lateralen Kopfsegmente und zwar durch deren an Masse anfangs noch überwiegenden dorsalen Theile bestimmt ; dies ergibt sich daraus, dass die Anlagen jener Schlundfalten an der Decke der Schlundwand in unmittelbarer Anpassung an die bezeichneten Segmenttheile und weiter abwärts, wo die letzteren noch fehlen oder zunächst nur in dünnen Strängen vorhanden sind, dennoch in den gleichen Proportionen wie oben er- scheinen (Taf. VI Fig. 98—107, Taf. VII Fig. 121—126). Da jedoch schon vor der Entwickelung der vierten Schlundfalte das vierte laterale Kopfsegment im Bereiche des Darmblattes sich zu einer breiten aber dünnen Platte aus- gedehnt hat, welche an der Grenzeinschnürung des Kopfes unmerklich in die laterale Segmentschicht des Kopfes übergeht (Fig. 123. 124), so kann dieselbe die folgende Schlundfalte nicht mehr bestimmen, und diese wie die fünfte ent- stehen beide mitten im Bereich des vierten Kopfsegments unter anderen Form- bedingungen als die drei ersten Falten. Diese Bedingungen setzen sich fol- gendermassen zusammen. Der Kopf wächst, wie ich es schon früher erwähnte, ungleichmässig hervor (S. 647). Während im Rumpfe die Ausdehnung der Segmente von den mächtigeren Stammtheilen abhängt, welche die dünnen Platten der lateralen Segmente mit sich ziehen, können im Kopfe die an Masse überwiegenden und von den Stammsegmenten völlig unabhängigen Aussenseg- mente über die Grenzen der letzteren hinaus sich ausbreiten. Die Veranlassung dazu findet insbesondere das 4. laterale Kopfsegment in der seine untere Hälfte enthaltenden und während der Faltenbildung sich ansehnlich ausdehnenden Schlundwand. So verschieben sich die hinteren Aussensegmente über den Be- reich ihrer rudimentären Stammsegmente rückwärts, wogegen das 1. Stamm- segment des Rumpfes keilförmig zwischen sie vorrückt (Taf. VI, Taf. VII). Während nun das Darmblatt vom 4. lateralen Kopfsegmente nicht weiter be- einflusst wird, schmiegt es sich jenem ersten Rumpfsegmente ebenso an wie allen übrigen (S. 247) und springt folglich an der eingezogenen vorderen und hin- teren Segmentgrenze mit zwei queren Leisten vor, welche weiter abwärts die Bildung der beiden letzten Schlundfalten im Bereiche des vierten lateralen Kopfsegments bestimmen, obwohl sie nach ihrem Substrat und ihren Bildungs- ursachen dem Rumpfe angehören.* So ist es verständlich, dass die durch die beiden letzten Schlundfalten erzeugten drei Kiemenbögen nicht aus einer ein- * Ich habe leider versäumt, jene Anpassung des Darmblattes an die Rumpfsegmente abzubilden, und kann daher dieselben nur am Axenstrange des Darmblattes demonstriren (Fig. 123). IX, Der Kopf. 125 fachen Metamerenbildung, sondern aus einem sehr komplicirten Vorgange resultiren, wobei eine sekundäre Segmentirung des Rumpfes in Folge nachträg- licher Verschiebung das eigentliche letzte Metamer des Kopfes mehrfach spal- tet; folglich können sie weder als Metameren des Kopfes noch überhaupt als primäre Metameren bezeichnet werden. Was aber für die zwei letzten Schlund- falten der Batrachier gilt, muss bei der sonstigen Uebereinstimmung offenbar auch für die drei letzten Schlundfalten der meisten Fische gelten, deren Zahl bekanntlich nur selten um eine oder zwei überschritten wird. — Das Ergebniss dieser Untersuchung lautet daher: der Unterkiefer-, Zungenbein- und erste Kiemenbogen sind die ventralen Abschnitte der drei ersten Metameren des Kopfes, die übrigen Kiemenbögen dagegen Spaltungsprodukte eines einzigen Metamers. Da sich dies natürlich auch auf die in den Bögen eingeschlossenen Nerven bezieht, so werden auch von dieser Seite her die betreffenden Vagus- zweige genetisch einem einzigen Stamme zugewiesen. Schon dadurch ist eine völlige Homologie der ganzen Visceralbögen unter sich widerlegt, und es bliebe noch zu erwägen, wie weit sie bei Nichtberücksichtigung des Metameren- charakters die von GEGENBAUR befürwortete gleichwerthige Zusammensetzung zeigen. | Für den Kiefer- und Zungenbeinbogen führt GEGENBAUR zunächst den Nachweis, dass sie in den früheren Stammformen der Selachier ebenfalls voll- ständige Kiemen getragen hätten, und da die Gleichartigkeit der Funktion auf ein gleichartiges morphologisches Verhalten schliessen lasse, auch im Bau der Skelettheile einfache Kiemenbögen gewesen seien, welche nur durch spätere Anpassungen sich zu ihrer gegenwärtigen Gestalt entwickelt hätten (Nr. 135 S. 183—186. -205—211. 231. 236). Auch die Labialknorpel werden den kiementragenden Bögen gleichgestellt, obgleich dieselbe Funktion in zurück- liegenden Bildungszuständen für sie nur wahrscheimlich gemacht, nicht bewie- sen werden könne (8. 2283—230). Ferner seien alle diese Bögen namentlich wegen ihrer Innervirung als zum Kopfe gehörig zu betrachten; und da ihre Skeletbögen, wenn auch wegen des Mangels der serösen Leibeshöhle im Kopfe den Rippen nicht vollständig homodynam, so doch im allgemeinen homolog er- scheinen, so müsse für sie ein gleicher ursprünglicher Kontinuitätszusammen- hang mit den zugehörigen Wirbelanlagen wie für die Rippen vorausgesetzt, d. h. alle Visceralskeletbögen als untere Bogenbildungen des vertebralen Schädeltheils aufgefasst werden (S. 252—257). — GEGENBAUR stützt sich bei diesem Vergleiche auf die im besten Falle nur wahrscheinlich gemachte ana- 726 IX. Der Kopf. tomische Uebereinstimmung der fraglichen Theile; aber die anatomische Aehn- lichkeit allein erlaubt nicht einmal auf die Gleichwerthigkeit der verschiedenen Abschnitte eines kontinuirlichen Theils, also noch viel weniger diskreter Theile mit aller Sicherheit zu schliessen. Oder ist nicht der Körper des Steissbeins der Anuren in seinem hinteren Abschnitte, welcher nur aus dem hypochor- dalen Knorpelstabe entsteht, wesentlich verschieden von dem kurzen, bogen- tragenden Vordertheile , dessen Knorpel die theilweise ebenfalls verknorpelnde Wirbelsaite einschliesst? Und wenn die unteren Bögen und die Rippen der- selben oder verschiedener Thiere noch so ähnlich erscheinen, so ergibt sich doch ihre Ungleichwerthigkeit aus der Entwickelungsgeschichte mit voller Be- stimmtheit (8. 392. 393. 425 u. fig). Ebenso gewiss ist aber auch die geneti- sche Verschiedenheit der Visceralskeletbögen unter sich und im Vergleich mit unteren Wirbelbögen zunächst bei den Batrachiern und Knochenfischen und in Folge dessen sehr wahrschemlich auch bei den übrigen Wirbelthieren, in erster Reihe bei den Selachiern. Die Visceralskeletbögen entsprechen den Schädel- wirbeln weder in der Zahl, noch wachsen sie überhaupt aus denselben hervor, unterscheiden sich also in ihrer Entwickelung von den Rippen und unteren Wirbelbögen ganz wesentlich, wie sie denn auch zu ganz anderen Muskel- und Nervengruppen in Beziehung treten. Auch sind die Knorpelbögen der Kiemen (bei den Selachiern die inneren Kiemenbögen) als Erzeugnisse der Seitenplatte wohl den Zungenbeinknorpeln nicht aber den Knorpeln des Kieferbogens homo- log, welche als Skelettheile eines gürtelförmig die inneren Körpertheile um- wachsenden äusseren Segmentpaars ausschliesslich den Skeletgürteln der Rumpfgliedmassen an die Seite gestellt werden dürfen. Der Schwund der Seitenplatte im Unterkieferbogen kann dabei die Homologie ebenso wenig stören, als der Mangel der Rumpfhöhlenbildung innerhalb des Beckengürtels dessen Gleichwerthigkeit mit dem Brustgürtel aufhebt. Dagegen ist allerdings die Gesammtheit der aus den äusseren Segmenten jedes Kiemenbogens und des Zungenbeinbogens hervorgehenden Bildungen (Muskeln, Nerven, Kiemenstrah- len) mit der Masse einer Rumpfextremität ebenfalls vergleichbar, sodass eine solche nach der Sonderung der Einzeltheile vor jenen Organkomplexen eben nur den die Aussentheile tragenden Skeletbogen voraushätte, welcher in jenen Bögen des Kopfes durch einen genetisch verschiedenen Skelettheil ersetzt wird. Daher muss der Vergleich zwischen dem Kiemenbogen- und Gliedmassenskelet auf die Aussenglieder, die Kiemenstrahlen und die Flosse, beschränkt, alsdann aber auch auf eine wirkliche allgemeine Homologie bezogen werden, während IX. Der Kopf. 727 GEGENBAUR bei der Erwähnung jener Vergleichung offenbar die ganzen Skeletkomplexe im Auge hatte und daher konsequenterweise bei der angeb- lichen Uebereinstimmung der inneren Kiemenbogenknorpel mit Rippen von einer Homologie jener ganzen Komplexe nicht reden konnte (Nr. 135 8. 181). Um so leichter lässt sich aber unter solchen Umständen der Kiemenstrahlen tragende Unterkieferbogen der Haie (Nr. 155 S. 203—207) mit deren ganzen Gliedmassen in Parallele bringen. — Am wenigsten glücklich ist GEGENBAUR beim Vergleiche der Lippenknorpel der Haie mit den übrigen Visceralskelet- bögen. Denn nach seiner Ansicht, welcher ich gern beitrete, sind sie den oberen Lippenknorpeln der Anurenlarven homolog (Nr. 89 S. 648), alsdann aber auch als kontinuirliche erst sehr spät abgegliederte Fortsetzungen des ersten dor- salen Kopfwirbelbogens von allen sogenannten Visceralskeletbögen grundsätz- lich verschieden, wie ich sie denn genetisch in Gemeinschaft mit ihrem Wurzel- stücke oder der Stammplatte nur knorpelig vorgebildeten Dornfortsätzen an die Seite zu setzen weiss. Nach diesen mehr allgemeinen Betrachtungen’ will ich noch auf einige be- sondere Ergebnisse der vergleichenden Entwickelungsgeschichte des Wirbel- thierkopfes aufmerksam machen. Ich beginne mit dem Gesichtstheil des 1. Kopfwirbelbogens. Es ist bekannt, dass dieses Wirbelbogenpaar oder die von RATHkE so genannten seitlichen Schädelbalken in sehr verschiedener Ausdehnung zur Verschmelzung kommen (RATHkE Nr. 21 8. 8, Nr. 47 8. 133). Auf der niedersten Entwickelungsstufe aller Wirbelthiere umfassen sie die vor- dere Schädelbasis bis zu den Geruchsorganen mit einem länglichen Ringe, aus dessen vorderem Schlusse sie vereinigt hervortreten, um darauf nach beiden Seiten auseinanderzufahren; die gemeinsame Wurzel dieser vorderen Hörner oder die Stammplatte des Gesichts wird zum Boden des unpaaren Geruchs- organs oder wächst zur senkrechten Scheidewand der paarigen Nasenhöhlen aus. Bei den Oyklostomen und Batrachiern bleiben diese. Lagebeziehungen durch das ganze Leben erhalten: die vom Wirbelringe umschriebene vordere Schädelbasis bildet stets im der ursprünglichen Gestalt und relativen Grösse das einzige Verbindungsglied zwischen der hinteren Schädelbasis und jenen Nasenskelettheilen. Die Teleostier zeigen noch nach der Enthüllung einen ähnlichen vorderen Wirbelring, wie ihn RarHk& von einem jungen Nat- terembryo abbildet (Nr. 115 Taf. VII Fig. 12); erst später, also in einer sehr vorgerückten Bildungsperiode beginnen die beiden Wirbelbögen von der ur- sprünglichen Nasenscheidewand rückwärts fortschreitend sich zu nähern, um 128 IX. Der Kopf. endlich miteinander zu verschmelzen, und im Anschlusse-an sie verwandeln sich die über ihnen liegenden orbitalen Schädelwände in ähnlicher Weise von unten und vorn aus in eine mediane Scheidewand, die Interorbitalwand, welche alsdann wie eine Fortsetzung der Nasenscheidewand erscheint. Diese Umbil- dung und insbesondere die Verschmelzung der Wirbelbögen geht bis an die Stelle, wo deren Wurzeln den Hirntrichter mit dem Hirnanhange umkreisen; diese Wurzelstücke bleiben getrennt, und da ich den M. rectus externus des Auges schon sehr frühe das Wurzelstück seiner Seite überschreiten’ und unter die hintere Schädelbasis vorriicken sehe, so ist es klar, dass die beiden Wirbel- bogenwurzeln das sogenannte Sphenoideum superius oder Basisphenoid kon- stituiren und ferner den Umfang der Sattelgrube bleibend bezeichnen (HAtr- MANN Nr. 140 S. 57, Stannıus Nr. SO 1S. 61). In Folge dessen ist aber natür- lich auch nur die Decke des Augenmuskelkanals als hintere Schädelbasis und das Parasphenoid der einen solchen Kanal besitzenden Fische nicht als Deck- knochen der Bauchseite des Schädels anzusehen. Jenes scheinbare Vorrücken der Nasenscheidewand unter den verkümmernden vorderen Schädelraum, welches von dessen ursprünglicher Basis nur einen kleinen Rest vor der Sattellehne , die so- genannte Sattelgrube zurücklässt, ist nur denkbar bei einer zurückbleibenden Entwickelung des Vorderhirns, wodurch dasselbe aus dem früher eingenomme- nen Raume sich successiv zurückzieht; und diese Formbedingung der geschil- derten Umbildung des Schädels zeigt sich bei allen Teleostiern in gleichem Masse, sodass, wo der in seiner Grösse ausserordentlich wechselnde Rest des vorderen Schädelraums am wenigsten reducirt erscheint (Cyprinoiden), er auch vom zurückgewichenen Vorderhirn am wenigsten ausgefüllt wird. Das wech- selnde Mass der Konservirung des vorderen Schädelraums und der damit zusam- menhängenden Ausbildung der Interorbitalwand hängt mithin von sekundären Ursachen ab, während der gesammte Rückbildungsprocess der vorderen Hirn- und Schädelhälfte in seinem wesentlichen Kausalzusammenhange allen Te- leostiern gleicherweise gemeinsam zu sein scheint. Aehnlich verhalten sich die Reptilien und Vögel, unter denen sich bekanntlich bloss die Schlangen durch den Mangel einer Interorbitalwand und die Erhaltung des allerdings ausser- ordentlich komprmirten Wirbelrings auszeichnen (vgl. Raruke Nr. 115 8. 194, Taf. VH Fig. 17, Huxver Nr. 113 8. 203); da jedoch ihr Hirn keine grössere Entfaltung zeigt als bei den übrigen Reptilien und anderseits ihre orbitalen Schädelwände sich über den Wirbelbögen zu einer neuen vorderen Schädel- basis verbinden, so werden dieselben immerhin unzweifelhaft durch die gleichen IX. Der Kopf. 129 Ursachen aus ihren früheren Lagebeziehungen zum grössten Theile verdrängt und gewissermassen überflüssig, um nur noch in der den Hirntrichter mit der Hypophysis aufnehmenden Grube die ursprüngliche Lage und Funktion zu be- - halten. Ich will noch hinzufügen, dass ich bei der Forelle und wenn ich mich nicht täusche, auch beim Hühnchen eine Einschnürung des ursprünglichen Wir- belrings in seiner hinteren Hälfte erkannt habe, als frühzeitig angedeutete Grenze zwischen seinem unter der Interorbitalwand verschmelzenden vorderen und dem hinteren Abschnitte, welcher bei den mit einem Basisphenoid ver- sehenen Teleostiern so gut wie bei den Reptilien und Vögeln den Umfang ihrer Sattelgrube bleibend bezeichnet. — Behält man jenes Verhältniss der Schlangen zu den übrigen Reptilien im Auge und überlegt ferner, dass, wie ich bei einem Vergleich meiner Präparate von jüngeren Acanthiasembryonen mit den Abbil- dungen Lryvig's von solchen älteren Embryonen (Nr. 139 Taf. III Fig. 9) finde, bei den Selachiern der vordere Wirbelring sich ebenfalls von den Seiten zu einerrela- tiv schmalen Platte zusammenzieht, und dass auch ihr darüber gebildeter vorderer Schädelraum vom zurückbleibenden Vorderhirn nicht ausgefüllt wird, so scheint es mir richtiger, sie mit Bezug auf die vordere Schädelbildung nicht einfach etwa den Batrachiern an die Seite zu setzen, sondern ihnen dieselbe Stellung zu den Teleos- tiern anzuweisen, welche die Schlangen zu den übrigen Reptilien einnehmen. Die geschilderten Verhältnisse sind bei den Säugethieren noch nicht ver- gleichend festgestellt worden. Berücksichtigt man jedoch, dass ihre Sattel- grube ganz allgemein mit dem gleichnamigen Theile der übrigen Wirbelthiere verglichen und ihr Praesphenoid, welches das Ende der medianen Scheidewand des Gesichts nebst den oft beträchtlichen hintersten Abschnitten der Nasen- höhlen enthält, im ganzen vom Primordialkranium abgeleitet wird (GEGENBAUR Nr. 89 S. 658), so ergibt sich daraus unausgesprochen aber konsequenterweise die Auffassung, dass auch bei den Säugethieren der vorderste Theil ihres pri- mordialen Schädelgrundes sich abwärts in eine senkrechte Scheidewand ver- wandele, welche als hintere Fortsetzung der knorpeligen Nasenscheidewand den Charakter einer Interorbitalwand, welcher sie homolog wäre, nur dadurch verlöre, dass zu ihren beiden Seiten sich die Nasenhöhlen in die ursprüngliche Schädelbasis hineinzögen. Wie ungenügend Nasenscheidewand und Inter- orbitalwand auseinandergehalten werden, erhellt übrigens auch daraus, dass Huxvey die Interorbitalwand der Vögel als hinter der eigentlichen Nasen- scheidewand liegendes Ethmoideum bezeichnet (Nr. 113 S. 242). Dagegen muss ich in Bestätigung der Dursy'schen Untersuchungen (Nr. 136 8. 97. 142. 730 . IX. Der Kopf. 143. 191) bemerken, dass das Septum und die seitlichen Höhlen des Prae- sphenoids schon in den ursprünglich bis an den vorderen Boden der Sattelgrube reichenden Anlagen der Nasenscheidewand und der Nasenhöhlen vorgebildet sind, und zwar so, dass nur das knorpelige Septum in den Schädelgrund konti- nuirlich übergeht, die untern Seitentheile des späteren Praesphenoids aber frei daneben liegen (Dursy a. a. O. Taf. VII Fig. 14. 15). Es wird folglich kein Theil des primordialen vorderen Schädelgrundes der Säugethiere in der Weise wie bei den Vögeln, Reptilien und Teleostiern umgewandelt, derselbe vielmehr zwischen der Sattellehne und der Wurzel des Keilbeinseptums, nicht aber im ganzen Praesphenoid, in seinem ursprünglichen Bestande unverändert erhalten; wie denn auch über diesem Theil der anatomischen Schädelbasis der Wirbel- thiere die ganze Basis des Vorderhirns vom Hirnanhange bis zum Ursprunge des Balkens liegt. Es folgt also die Entwickelung der Schädelbasis der Säuge- . thiere lediglich dem durch die Batrachier repräsentirten Typus, und nur aus ihrer relativen Verkürzung könnte man vielleicht den Schluss ziehen wollen, dass sie eine gewisse Rückbildung anzeige. Darin passt sie sich aber vollständig dem Vorderhirn an, dessen an der Basis allerdings zurückbleiben- des Wachsthum durch die Entfaltung der Gewölbetheile mehr als aufgewogen wird; und indem dieselbe die temporalen und orbitalen Schädelwände nebst ihrem vorderen Schlusse theilweise horizontal nach aussen umlegt, veranlasst sie nicht nur eine entsprechende stärkere Entwickelung dieser, sondern nament- lich der Schädeldachtheile, sodass die vordere Schädelhälfte der Säugethiere in ihrer Gesammtentwickelung diejenige der ihr morphologisch am nächsten stehenden Wirbelthiere weit überholt. Als Begleiterscheinung eines fundamen- taleren Vorgangs, eben der Hirnentwickelung, bekundet auch die Schädelbil- dung in denselben Beziehungen, welche uns bei den Cyklostomen und Ba- trachiern einen relativen Stillstand, bei den Selachiern, Teleostiern, Reptilien und Vögeln einen allmählichen Rückschritt der Entwickelung anzeigen, bei den Säugethieren im allgemeinen einen entschiedenen Fortschritt. Aus dem vorderen Schlusse des ersten Wirbelbogenrings geht bei allen Wirbelthieren die Stammplatte hervor. Bei den Monorrhina entwickelt sie sich natürlich nur zum Skeletboden des unpaaren Nasenorgans (RATukE Nr. 21 8. 22. 25)*; bei den Amphirrhina verwandelt sie sich vorherrschend in die * Der Umstand, dass Lanseruans den betreffenden Fortsatz des Ringschlusses bei Ammocoetes nicht erwähnt (Nr, 138 S. 33), erklärt sich vielleicht auf dieselbe Weise wie die Thatsache, dass der umsichtige Raruke bei der ersten Untersuchung von Ammocoetes zum IX. Der Kopf. 731 Nasenscheidewand, was aber die gleichzeitige Entwickelung eines Nasenhöhlen- bodens aus derselben Grundlage nicht ausschliesst (Batrachier, Reptilien). In- dem man den unteren Rand der Nasenscheidewand und, wo eine Interorbital- wand vorkommt, auch diese als eine Art Fortsetzung der Schädelbasis betrach- tet, werden die Biegungen ihres Gesammtverlaufs mit derembryonalen Kopfbeuge in Zusammenhang gebracht. Da man jedoch die letztere meist nach den weiter entwickelten Zuständen in ganz unzutreffender Weise bestimmte, wurde vollkommen übersehen, dass wenn auch die spätere Schädelbasis ganz eben ausläuft, die Erfolge der embryonalen Kopfbeuge an ihr nicht weniger als am Hirn erhalten bleiben (S. 303). Die Biegung der Schädelwirbelröhre ergibt sich überall aus dem Winkel, den der vordere Wirbelring mit dem occi- pitalen bildet. Dabei darf natürlich nur die ursprüngliche vordere Schädel- ' basis, also wohl auch der untere Rand einer Interorbitalwand zur Bestimmung des vorderen Winkelschenkels dienen, nicht aber gleicherweise die Nasen- scheidewand, deren unterer Rand oft nicht im der Ebene jener Schädelbasis fortläuft. — Die Entwickelung und Umbildung der vorderen Hörner der Stamm- platte des Gesichts habe ich an den Batrachiern eingehend geschildert (8. 649. 658). Noch viel entschiedener als bei diesen tritt dieUnabhängigkeit des Maxillare von jenen knorpeligen Hörnern bei den Teleostiern hervor, bei denen der ge- nannte Knochen weit hinter jenen Enden der Stammplatte entsteht und erst nachträglich mit seinem vorderen Ende deren Spitzen erreicht. Ob die Prae- maxillaria der Knochenfische sich zu den bezeichneten Knorpeln ebenso ver- halten wie bei den Batrachiern oder ihnen nur aufliegen, weiss ich nicht. GE- GENBAUR hält nach dem Vorgange von Ducks die Maxillaria und Praemaxillaria der Batrachier für Deckknochen ihrer embryonalen oberen Lippen- oder Schnauzenknorpel oder der von mir sogenannten Oberkieferknorpel (Nr. 89 S. 648); und indem er ferner die letzteren in den Labialknorpeln der Selachier wiedererkennt, erklärt er die genannten Kieferknochen der übrigen Wirbel- thiere gleichfalls für ursprüngliche Deckstücke von Labialknorpeln, welche nach ihrer Rückbildung die ersteren allein hätten forterben lassen (Nr. 135 8. 222. 223. 227). Nach meinen Beobachtungen passt aber diese Auffassung für die Batrachier und wenigstens zum Theil auch für die Knochenfische nicht; am wenigsten kann ich mich aber der Behauptung anschliessen, dass ein Deck- Erstaunen J. MvErter’s gerade die härtesten Theile, eben den ersten Wirbelring oder die Gaumenleisten MuELLER’S nicht gefunden hat. Es liegt nämlich jetzt die Vermuthung nahe, dass den genannten Forschern verschiedene Altersstufen jener Larve vorlagen. 732 XI. Der Kopf. stück auch ‚ghre seine knorpelige Unterlage vererbt werden könne. Entweder fehlt ein genetischer Zusammenhang solcher Bildungen ; dann ist natürlich die einseitige Vererbung des Deckknochens möglich, aber zugleich jede morpholo- gische Beziehung desselben zur früheren Unterlage auszuschliessen. Oder jener Zusammenhang besteht in der Weise, dass der Knorpel die Bildung des Deckknochens veranlasst; dann kann nach dem Wegfall des ersteren als der nothwendigen Formbedingung der Knochenbildung die letztere allein nicht identisch vererbt werden. An die Stelle der Doppelbildung mag freilich eine einfache Knochenbildung treten; sie ist aber alsdann der früheren nicht homo- log; es sei denn, dass man die Homologie nach dem anatomisch-physiologischen und nicht nach dem genetischen Verhalten beurtheilt. Ersteres kann uns aber zunächst nur über die Analogie Auskunft geben, weil auch die genetisch dispa- ratesten Theile endlich zu grosser Aehnlichkeit sich umbilden können. Daher sollte nach meiner Ansicht die morphologische Gleichwerthigkeit lediglich aus der Entwickelungsgeschichte begründet, in letzter Instanz nur aus der Gleich- artigkeit der Bildungsursachen abgeleitet werden. Wenn wir also die bisherigen identischen Bezeichnungen für die Randtheile des knöchernen Oberkiefers bei- behalten wollen, so dürfen wir damit den Begriff ihrer Homologie nicht ver- binden. Einen sehr guten Beleg für diese meine Ansicht liefert uns die vergleichende Betrachtung des Kiefersuspensoriums der Wirbelthiere. Ich habe damit jenes primordiale Skeletstück der Batrachierlarven bezeichnet, welches in der oberen Hälfte des Unterkieferbogens gelegen, zuerst mit seinem oberen Ende gerade einwärts, dann durch einen Ast vor- und aufwärts sich mit der Schädelbasis verbindet (Schläfenflügel, Flügelgaumenbogen), am unteren Ende aber die betreffende Unterkieferhälfte trägt. Bei den Cyklostomen behält es diese .primitiven Beziehungen zum Schädel und den kontinuirlichen Zusam- menhang seiner Theile. Im weiteren Entwickelungsverlaufe der Batrachier sondert es sich in zwei Stücke, indem das mediale Schädelende sich vom äusseren Theile vollständig ablöst und als Schläfenflügelknorpel in den Zusam- menhang der seitlichen Schädelwand eingeht, während das frei gewordene obere Ende des Aussentheils alsbald weiter rückwärts mit der Ohrkapsel ver- schmilzt. Diese erste Theilung des primitiven Kiefersuspensoriums habe ich bei den Teleostiern und Reptilien, denen sich wohl die Vögel und Säuger an- schliessen lassen, wiedererkannt; und wenn wir das Quadrato-Palatum der scheinbar niedersten Haie in einer Gelenkverbindung mit dem oberen Theile IX. Der Kopf. 733 der Ohrkapsel antreffen (GEGENBAUR Nr. 135 S. 53), so dürfte auch für diese die Annahme eines in die Schädelbasis aufgenommenen Homologons eines Schläfen- flügelknorpels nicht unwahrscheinlich sen. An dem abgesonderten Aussen- theile des primitiven Kiefersuspensoriums lassen sich bei den Batrachiern zwei Theile unterscheiden, der eigentliche Träger des Unterkiefers und Zungenbeins oder das Quadratum und der von diesem nach vorn aufsteigende und es offen- bar stützende Flügelgaumenbogen. Ihre knorpeligen Grundlagen bleiben im kontinuirlichen Zusammenhange, lassen aber durch die völlig getrennten knöchernen Auflagerungen bereits eine Neigung zum weiteren Zerfall erkennen. Ganz besondere Beachtung verdient aber der Umstand, dass die Wurzel des Flügelgaumenbogens nach der festeren Verbindung des Quadratum mit dem Schädel sich spaltet und der mediale Ast mit seinem Ende weiter gegen die Schädelbasis vorrückt. Da bei allen Teleostiern an der Stelle, wo das Qua- dratum und der Flügelgaumenbogen der Batrachier liegen, eine Reihe diskreter Knochen sich vorfinden, von denen keiner die Merkmale eines jener ersteren Skeletstücke ganz vereinigt, so hat sich der anatomische Scharfsinn in sehr verschiedenen Deutungen derselben versucht. Da ich mit den älteren ebenso wenig übereinstimmen kann wie mit der neueren, werde ich nur die letzteren als die gegenwärtig massgebenden berücksichtigen. Nach Huxtry und GE- GENBAUR’hat man in dem ganzen vom Schädel zum Ober- und Unterkiefer absteigenden Skeletkomplex Theile des Kiefer- und Zungenbeinbogens zu schei- den; zum ersteren gehören das Quadratum mit dem Flügelgaumenbogen (Ekto-, Meta-, Entopterygoid und Palatinum), zum Zungenbeinbogen das Hyomandi- bulare mit dem Symplecticum (Nr. 113 8. 133, Nr. 89 S. 643). Die Entwicke- lungsgeschichte dieser Knochen lehrt nun Folgendes. Ihre knorpeligen Grund- lagen bestehen in zwei länglichen, anfangs ausserordentlich geneigt verlaufen- den sagittalen Knorpelplatten, einer grösseren hinteren, welche mit dem breiten Haupttheile an der Ohrkapsel hängt und vor- und abwärts in einen stielför- migen Fortsatz ausläuft, und einer kleineren länglich-ovalen Platte, welche sich dem Vorderrande der ersteren eng anschmiegt. Das grössere Knorpelstück stellt das Hyomandibulare mit dem Symplecticum, das andere die Grundlage des Quadratum und Metapterygoids und später, nachdem es vorwärts gegen die Schädelbasis mit einem schmäleren Fortsatze ausgewachsen ist, in diesem die übrigen Stücke des Flügelgaumenbogens dar. Die spätere Sonderung dieser einfachen Grundlagen wird theils durch getrennte innere Verknöcherungen, theils durch die Entwickelung getrennter Deckknochen herbeigeführt. Sowie das 734 IX. Der Kopf. auf- und rückwärts überwiegende Hyomandibulare die Verbindung mit dem Schädel besorgt, trägt das vor- und abwärts über das Symplecticum vorragende Ende der vorderen Platte oder das künftige Quadratum den Unterkiefer; das breite Zungenbeinhorn ist durch einen kurzen dünnen Stiel an dem Hinterrande der grösseren Platte an der Grenze zwischen Symplecticum und Hyomandi- bulare befestigt,-von diesen aber immer deutlich gesondert. Die erste Schlund- falte, welche die Verbindung mit der Oberhaut sehr frühe aufgibt und sich etwas einwärts zurückzieht, liegt, wie ich es am besten an successiven Frontal- durchschnitten feststellen konnte, zwischen dem Zungenbeinhorn einerseits und dem Unterkiefer und Symplecticum anderseits und verstreicht nach innen vom Zungenbeinstiele. Dadurch ist einmal erwiesen, dass das Hyomandibulare mit dem Symplecticum gleichfalls im Unterkieferbogen entstehen und nach ihren Lagebeziehungen eben nur zu der als Kiefersuspensorium thatsächlich fungiren- den vorderen Platte gehören können. Vergleicht man nun diesen ganzen Auf- hängeapparat der Teleostier mit demjenigen der Batrachier (vgl. Taf. XVI Fig. 294— 29%. 500—302, Taf. XIX Fig. 343), so ergibt sich als einziger wesentlicher Unterschied die ursprüngliche oder vielleicht nur sehr frühe Tren- nung des ersteren in die zwei beschriebenen Hälften. Da nun die Sonderung des ganzen primitiven Suspensoriums in getrennte Stücke (Schläfenflügelknorpel, Quadratum) schon bei den Batrachiern beginnt, so kann ein weiterer Fort- schritt dieser Erschemung bei den Teleostiern die Vergleichung im allgemeinen nicht beeinträchtigen. Ich sehe daher im Hyomandibulare und Symplecticum das Quadratum der Batrachier, in der Grundlage des Quadratum der Teleostier und ihres Ektopterygoids einerseits, und des Meta- und Entopterygoids ander- seits die beiden Wurzeläste des Flügelgaumenbogens der Batrachier. Allerdings könnte der Uebergang des Unterkiefergelenks von der ihm nach der eben ausge- führten Vergleichung zukommenden Stelle, also dem Symplecticum, auf den äusseren Wurzelast des Pterygoids (Quadratum aut.) die Ansicht vertheidigen lassen, dass der ursprüngliche Gelenkfortsatz des Kiefersuspensoriums sich vom unteren Theile desselben abgelöstund mit dem Pterygoid verbunden hätte; da aber nicht nur allgemeine Gründe, wie die oft nachweisbare Uebertragung eines Ge- lenks auf benachbarte Theile und der Umstand, dass das Symplecticum an- fangs den Unterkiefer ebenfalls erreicht, sondern auch der direkte Nachweis einer Antheilnahme des Pterygoids an der Bildung des Unterkiefergelenks bei einem Amphibium, dem Uryptobranchus (vgl. Hykru Nr. 141 $ 15 Taf. I Fig. 1), für die erste Auffassung sprechen, so gebe ich ihr den Vorzug. Da der IX. Der Kopf. 39 Zungenbeinbogen der Teleostier in seiner dorsalen Hälfte anfangs so wie bei den Batrachiern ohne Skelettheile bleibt, und auch die erste Schlundfalte nicht so hoch hinaufreicht, so verwachsen seine Weichtheile dort mit dem davor liegenden Kieferbogen und zwar, weil in demselben die Nerven und Muskeln ebenfalls vorn und aussen, die Skelettheile hinten und innen liegen, mit dem sogenannten Hyomandibulare. Indem nun die in ziemlicher Breite miteinander verschmolzenen dorsalen Hälften beider Bögen eine rückwärts von der zweiten Schlundfalte begrenzte Platte bilden, welche sich mit dem ganzen Kiemen- apparate aus der ursprünglichen queren Lage schräg nach hinten und beinahe ganz sagittal umlegt, so wird in ihr zuletzt das Hyomandibulare nach aussen von seinen Muskeln, nach innen von den dünnen Weichtheilen des Zungenbein- bogens bedeckt, wesshalb auch der N. facialis als der zu diesem Bogen gehörige Nervenstamm nach seinem Austritt aus dem Schädel an der medialen Seite des Hyomandibulare abwärts verläuft und wo er dessen schrägen Hinterrand über- “ schreitet, erst ganz allmählich von demselben umwachsen wird. Aus demselben Grunde wurzelt die Kieme des’ Zungenbeinbogens anfangs scheinbar an der Innenseite des Kieferbogens, an der Grenze des Hyomandibulare und der Grundlage des Metapterygoids; der als Kiemendeckel frei hervorwachsende Hinterrand des Zungenbeinbogens endlich muss als eine Fortsetzung des Hinterrandes vom. Kieferbogen erscheinen, und kann in Folge dessen das Kiemendeckelskelet sich dem Hyomandibulare und Symplecticum rückwärts unmittelbar anschliessen. Wenn man sich über diese Verschiebungen an Batrachierembryonen orientirt (Taf. XVI Fig. 300—502, Taf. XVII Fig. 307. 308, Taf. XVILI Fig. 326, Taf. XIX Fig. 343), so lässt sich dadurch jedem Einwurfe begegnen, der sich bei einer Ausdehnung des oben vorgenommenen Vergleichs auf die Selachier erheben könnte. Gehen wir dabei von den Noti- daniden aus (vgl. GEGENBAUR Nr. 135) und denken uns bei ihnen so wie es bei den Teleostiern geschieht, die Erzeugnisse der ersten Schlundfalte oder das Spritzloch atrophirt, die Skeletbogentheile des Zungenbeinbogens auf die ven- trale Hälfte desselben beschränkt, so würde das Quadratum genannte dorsale Skeletstück des Kieferbogens, welches an der Labyrinthregion des Schädels artikulirt, vorwärts in den Flügelgaumenbogen kontinuirlich übergeht und den Unterkiefer trägt, scheinbar auch die Kieme des Zungenbeinbogens tragen, und der Facialis, welcher eigentlich hinter dem Spritzloch liegt (Nr. 134 S. 514), in seinem ganzen Verlaufe jenem Quadratum angeschmiegt sein; kurz, unter Berücksichtigung sekundärer Erscheinungen, wozu auch die Abgliederung des 736 IX. Der Kopf. Flügelgaumenbogens und die Verschiebung des Unterkiefergelenks gehören, stimmt das Quadratum der Notidaniden sowohl mit demjenigen der Batrachier wie auch mit dem Hyomandibulare der Teleostier überein. Und da GEGENBAUR die abweichenden Verhältnisse des Kiefer- und Zungenbeinskelets der übrigen Haie und der Rochen mit jenem der Notidaniden in Einklang gebracht hat, so gilt jener Vergleich auch für diese Plagiostomen, und kann daraus, dass bei ihnen der dorsale Skelettheil des Zungenbeinbogens oder des Hyomandibulare theilweise in die Funktion des zurückgebildeten und vom Schädel abgelösten Quadratum tritt und diese Theile dadurch den bisher ebenso genannten Skelet- stücken der Knochenfische äusserlich sehr ähnlich werden, ein anatomischer Beweis für deren Homologie im Sinne Huxuey's und GEGENBAUR’S (vgl. Nr. 135 S. 174) jetzt nicht mehr geschöpft, sondern müssen im Gegentheil alle Selachier in der gedachten Beziehung den Teleostiern um so weniger ähnlich erklärt werden, je weiter sie sich in der Organisation ihres Kieferapparates von den Notidaniden entfernen. Es darf daher das Hyomandibulare der Teleostier seinen Namen nicht gemeinsam mit dem gleichbenannten Stücke der Haie und Rochen führen, welches als oberes Skeletstück des Zungenbeinbogens bei den Teleostiern entweder gar nicht vorkommt oder sein Homologon allenfalls nur in dem kurzen Zungenbeinstiel findet. Ueber die erste Entwickelung des Kiefersuspensoriums der Amnioten geben uns zunächst nur die Beobachtungen RATHkE's an der Natter einige Aufklärung. Ihr Suspensorium besteht aus einem kurzen Stiele, welcher zwischen Auge und Ohr mit der Schädelbasis zusammenhängt, und zwei davon ausgehenden Bögen, wovon der eine als Flügelgaumenbogen im Oberkiefer- fortsatze, der andere als Meckzuv’scher Knorpel im Unterkieferwulste liegt (Nr. 115 8. 77. 75). An der gemeinsamen Wurzel dieser Bögen wächst der Quadratbeinknorpel hervor, und gliedert sich darauf von ihnen ab; alsdann verkümmert auch der erstgenannte Stiel, löst sich von der Schädelbasis ab und wird in Folge der Verschiebung des Quadratbeins nach hinten zu dem rück- wärts vorspringenden Ende des Mecker’schen Knorpels, mit welchem der Flügelgaumenbogen in Verbindung bleibt (Nr. 115 S. 126. 127). Beim Ver- gleiche mit den Batrachiern wird man den ursprünglichen Kieferstiel der Natter mit dem primitiven Schläfenflügelknorpel jener Thiere und ebenso die beiderlei Quadrata für Homologa erklären. Da ich nun bei etwas älteren Embryonen an der Stelle jenes Kieferstiels ein Knorpelstück finde, welches in allen Lagebeziehungen mit dem bezeichneten Schläfenflügelknorpel überein- IX. Der Kopf. r 137 stimmt, so kann die Erklärung ihrer Identität um so eher gebilligt werden, als Raruke’s Deutung die bezügliche Entwickelung der Natter ausser alle Be- ziehung zu den übrigen Wirbelthieren brächte, während meine Auffassung ihre vollständige Uebereinstimmung auch in diesem Punkte befürwortet. Auch das von RATHKE angenommene Hervorwachsen des knorpeligen Zungenbeinbogens aus der Schädelbasis kann ich auf Grund meiner Erfahrungen an Batrachiern und Fischen mit grosser Wahrscheinlichkeit für einen Irrthum erklären. Wenn das Gehörknöchelchen der Reptilien wirklich als oberster Abschnitt des Zungen- beinhorns (Nr. 115 S. 78. 128), also wohl auch dem Zungenbeinstiele der Teleostier und dem Gelenkkopf des Zungenbeinhorns der Batrachier homolog zu betrachten ist, so stimmt seine frühzeitige, auch von mir gesehene Anschmie- gung an das Quadratum mit der Suspension jener andern Theile gut überein. Bei den Batrachiern, Teleostiern und Reptilien finden wir also gleicherweise ein primitives Kiefersuspensorium, welches drei Abschnitte unterscheiden lässt: 1. einen medialen, mit der Schädelbasis stets an der gleichen Stelle (Wurzel des vorderen Wirbelrings, hinterer Keilbeinkörper) verwachsenen Stiel, welcher allmählich zum Schläfenflügel auswächst; 2. eine äussere längliche Platte, welche sich von jenem Stiel früher oder später ablöst und als Quadratum der Ohrkapsel angelagert oder mit ihr verwachsen den ursprünglichen Träger des Unterkiefers und des Zungenbeins darstellt, um später bald die eine, bald die andere Verbindung aufzugeben; 3. den im Anschlusse an das Quadratum entstehenden Flügelgaumenbogen, dessen Wurzel sich am Unterkiefergelenke betheiligen oder es ganz übernehmen kann. Hinsichtlich ihres späteren Ver- haltens zeigt aber dieselbe nicht unbedeutende Verschiedenheiten. Ihre ein- fache Verbindung mit dem unteren Ende des Quadratum scheint von der ursprünglichen, vorwärts absteigenden Richtung des letzteren abhängig zu sein; wenigstens besteht sie nur bei den Neunaugen und den Anurenlarven. In dem Masse als sich das Quadratum steiler stellt, verbreitert sich die Wurzel des Pterygoids und beginnt eine Spaltung desselben in zwei Schenkel oder Aeste; und zwar zeigen die Batrachier bereits die Vorbilder für die betreffenden Um- bildungen aller übrigen Wirbelthiere. An den schon erwähnten jungen Embryonen von Anguis finde ich die Verbindung des Pterygoids mit der Schädelbasis bereits in der bekannten Form des erwachsenen Thieres: es ist mit einem stumpfen, noch sehr lange knorpelig bleibenden Höcker einem beil- förmigen Fortsatze der Schädelbasis angelagert. Man braucht daher nur die Abbildung Ecker’s vom Pterygoid des Frosches (Nr. 90 8. 37) mit dem Flügel- GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 47 138 IX. Der Kopf. bein der Eidechsen zu vergleichen, um in dem beschriebenen medialen Gelenk- höcker des letzteren den medialen Wurzelast des ersteren wiederzuerkennen, wie denn schon Duszs einen ähnlichen, nur wie es scheint auf die Knochen beschränkten Vergleich anführt (Nr. 13 S. 25). Bei den Embryonen von Coro- nella laevis vermisse ich die genannte Verbindung; nach dem anatomischen Verhalten der meisten Reptilien und Vögel muss sie aber als die Regel be- trachtet werden. Sowie also die Anuren durch ihr schlankes und deutlich ge- spaltenes Pterygoid zu den Reptilien und Vögeln hinüberführen, weisen uns die Urodelen mit ihrem breiten, ungespaltenen Flügelbein auf die übrigen Wirbelthiere. Den Salamandrinen und dem Axolotl z. B., deren Flügelbein wesentlich am Quadratum entspringt und über dessen mediale Grenze hinaus den Schläfenflügel nicht erreicht (vgl. Nr. 39 Taf. IV, Nr. 133), entsprechen im allgemeinen die Teleostier, bei denen nur der spätere Zerfall der einheitlichen Anlagen in mehre Stücke störend eingreift; Cryptobranchus endlich, dessen Flügelbein unter dem Schläfenflügel bis vor denselben sich der Schädelbasis an- schliesst (Nr. 141 Taf. I) macht es uns verständlich, wie bei einer Rückbildung und Ablösung des Quadratum von Pterygoid, wie es bei den Säugern eintritt, dieses unter der Sattelgrube befestigt erscheinen kann, ohne dass man kompli- cirte Lagenveränderungen anzunehmen brauchte. Dass auch die Haie sich hinsichtlich dieser Anpassungen des Pterygoids von den übrigen Wirbelthieren nicht ausschliessen, lehren uns die Untersuchungen GEGENBAUR'S über die Palato-Basal- Verbindung jener Thiere (Nr. 155 S. 63). Den Kiemenapparat sehe ich bei den Selachiern, Teleostiern und Urodelen in gleicher Weise entstehen und sich entwickeln. Es verdient nur bemerkt zu werden, dass, sowie die Kiemenstrahlen dem Operculum homolog sind (GEGENBAUR Nr. 89 S. 667), die namentlich bei den Selachiern weit ent- wickelten Kiemenscheidewände lauter Kiemendeckel darstellen, welche den Urodelen schon wegen der ausschliesslichen Anwesenheit dorsaler Aussen- kiemen auf den oberen Enden der Kiemenbögen fehlen. Die Selachier besitzen also die am meisten differenzirten Aussenkiemen. Der Kiemenapparat der Anurenlarven zerfällt dagegen in zwei durchaus verschiedene Abtheilungen, von denen nur die äussere, d. h. die Knorpelbögen mit den Aussenkiemen, Muskeln und Nerven dem Kiemenapparate der genannten Thiere gleichwerthig sind; die inneren Kiemen entwickeln sich ganz abweichend von jenen aus der Oberhaut !hervorwuchernden Aussenkiemen am Darmblatte, welches die ein- wärts erweiterten Kiemenspalten überzieht, und finden ihre Homologa wahr- IX.» Der Kopf. 739 scheinlich nur in den Kiemensäcken der Cyklostomen, welche alsdann mit den Kiementaschen der Selachier nicht vergleichbar wären. Da diese Ansicht sich zunächst noch nicht direkt beweisen lässt*, will ich sie durch die Darstellung dessen, was aus der Ontogenie für die phylogenetische Entwickelungsgeschichte des Wirbelthierkopfes geschlossen werden könnte, zu unterstützen suchen. Wenn ich dabei zu ganz anderen Resultaten gelange als GEGENBAUR, dessen Untersuchungen ganz vorherrschend den Nachweis des phylogenetischen Zusammenhangs der verschiedenen Wirbelthierformen zum Ziel haben, so liegt dies weniger an den einzelnen Schlussfolgerungen und Beweisen als in den ver- schiedenen Voraussetzungen und Ausgangspunkten unserer Arbeiten. Aus der vergleichenden Anatomie der Selachier glaubt GEGENBAUR schliessen zu können, dass deren Kopf ursprünglich dem Rumpfe wesentlich gleich aus morphologisch übereinstimmenden Metameren gebildet gewesen sei, in welchen diskrete obere Wirbelbögen von der Wirbelsaite ausgehend das Centralnervensystem und ähnliche untere Bögen den ventralen Eingeweideraum umschlossen; ebenso habe jedes Metamer des Kopfes einen Nerv enthalten, welcher den Spinalnerven in jeder Beziehung gleich war. Ein Unterschied beider Körperabschnitte hätte nur insofern bestanden, als im Kopfe zwischen den unteren Bögen Spalten vom Darm nach aussen durchbrachen, deren Wände ein respiratorisches Gefässnetz trugen, während die unteren Bögen des Rumpfes in die kontinuirliche Leibeswand eingeschlossen waren. Ein solcher Zustand stände demjenigen von Amphioxus am nächsten, indem dieses Thier in seinen Metameren die diskreten Elemente der Wirbel durch den ganzen Körper hin- durch , im vorderen Abschnitte aber jene einfachste Form des Kiemenapparats darstelle, welcher Abschnitt somit auch in Abwesenheit eines kontinuirlichen Kraniums zuallererst den Kopf bezeichne. Die Umwandlung der Acrania in Craniota (Haie) gehe von einer Differenzirung des Kiemenapparats aus, welcher in seinen hinteren Abschnitten reducirt, vorn mannigfaltig umgebildet werde. Von den zwei vordersten Visceralbögen (Lippenknorpel) abgesehen, deren ehe- malige Kiemenbogennatur zweifelhaft erscheine, verwandle sich der dritte m den Kieferbogen und verliere alsdann die zugehörige Kieme bis auf geringe *® Aus M. Schuntze’s Untersuchungen geht allerdings hervor, dass die äusseren Kiemenspalten der Neunaugenembryonen ohne die Dazwischenkunft von lateralwärts hervor- wuchernden Scheidewänden sich in die bleibenden äusseren Kiemenöffinungen verwandeln; doch hat er die Frage, ob die Kiemenhöhlen von der Oberhaut oder dem Darmblatte ausge- kleidet würden, unentschieden gelassen (Nr. 92 5. 24. 25). 47* 740 IX. Der Kopf. Reste (Spritzlochkieme); geringer sei die Veränderung des folgenden Bogens (Zungenbeinbogen). Die übrigen Visceralbögen (Kiemenbögen) lösten sich in Folge der gesteigerten Ansprüche an ihre Bewegungsfähigkeit vom dorsalen Kopftheile ab, welcher vor allem dadurch den Anstoss zur Konkrescenz seiner diskreten Wirbelelemente zu einem kontinuirlichen Kranium erhält. Der Zu- stand der zugehörigen, zum Theil gleichfalls miteinander verschmolzenen Nerven scheine dafür zu sprechen, dass auch die ursprünglich zu den verloren gegangenen hinteren Kiemenbögen gehörenden Wirbelelemente in das kontinu- irliche Primordialkranium aufgegangen seien. Die weitere Entwickelung desselben werde durch den nachträglich hervorwachsenden prävertebralen Ab- schnitt sowie durch den Einfluss des Hirns und der Sinnesorgane herbeigeführt. — Als Hauptergebniss der GEGEnBAur’schen Untersuchung darf also hinge- stellt werden, dass der Kopf der Craniota aus dem kiementragenden vorderen Rumpftheile einer dem Amphioxus sehr nahe stehenden Stammform durch Zu- sammenziehung und Differenzirung vieler ursprünglich gleichartiger Metameren und zwar in Folge der nach dem Princip der Arbeitstheilung divergirenden Umbildung des Kiemenapparats entstand (Nr. 89 S. 746, Nr. 135 S. 294—305). Die vergleichende Entwickelungsgeschichte der Craniota gestattet mir nicht solche Folgerungen zu ziehen. 1. Die Hauptunterschiede in den morpho- logischen Verhältnissen des Kopfes und Rumpfes sind in letzter Instanz nicht auf Veränderungen der anfangs gleichartigen ventralen Abschnitte zurückzu- führen, sondern gehen umgekehrt von den dorsalen Theilen aus. 2. Von diesen sind es zunächst die Segmente, welche die Metamerenbildung des Bauches erst ausführen, also von ihnen eine Aenderung ihrer eigenen grundlegenden Formen nicht erfahren können; zugleich mit der Metamerenbildung bedingen die dor- salen Segmente durch ihre eigene Verschiedenheit die divergente Entwickelung der Leibeswand in der vorderen und hinteren Körperhälfte. 3. Die Ver- schiedenheit der dorsalen Segmente muss wiederum auf die Differenzirung des Centralnervensystems zurückgeführt werden. Die besondere Ausbildung des Kopftheils der Axenplatte bedingt zugleich die embryonale Kopfbeuge, welche zur Grundlage der Besonderheiten des Vorderkopfes wird, und führt anderer- seits zur Entwickelung der drei höheren Sinnesorgane, welche die Kopfbildung noch weiter beeinflussen. 4. Kein kraniotes Wirbelthier gestattet die Annahme, dass sein Kopf aus der Zusammenziehung vieler theils zurückgebildeter Meta- meren hervorgegangen sei; vielmehr sind an allen übereinstimmend nur vier ursprüngliche Metameren des Kopfes nachweisbar, auf deren jedes ein Theil IX. Der Kopf. 741 der allgemeinen Organsysteme des Kopfes (Muskeln, Nerven, Skelet) zurück- geführt werden kann, und deren erstes insbesondere die Anlage des Vorder- kopfes enthält, welcher daher aus der Metamerenreihe nicht ausgeschlossen werden darf. Das sogenannte Visceralbogensystem der Craniota stellt in seinem hinteren Abschnitte keine einfache Metamerenbildung, sondern eine komplicirte sekundäre Erscheinung dar. 5. Alle genannten Bildungsmomente beziehen sich zunächst nur auf die primär -morphologischen Organe (Central- nervensystem, höhere Sinnesorgane, Wirbelsaite, Muskeln, Nerven), während das vertebrale Skeletsystem als eine sekundär-morphologische Bildung , welche aus der Anpassung an die bereits erreichte fundamentale Absonderung des Kopfes hervorgeht, im indifferenteren Zustande des Wirbelthiers überhaupt nicht, also auch niemals in gleicher Form am Kopf und Rumpf bestanden haben kann. Ausserdem entstehen die dorsalen und ventralen Skelettheile des Kopfes viel früher als diejenigen des Rumpfes, können daher füglich nicht als Modificationen des letzteren betrachtet werden. Dies sind die Thatsachen, welche uns die individuelle Entwickelungsge- geschichte als Richtschnur bei phylogenetischen Untersuchungen überliefert. Gehen wir nun ebenfalls vom Amphioxus als der ältesten Wirbelthierform aus, "so fehlt an seinem vorderen Körperabschnitte in Uebereinstimmung mit dem Mangel einer besonderen Entwickelung des Centralnervensystems sowohl die von mir beschriebene Abänderung der Segmente und der Leibeswand als auch ein Merkmal der Kopfbeuge; folglich kann kein Abschnitt seines Körpers als Kopf unterschieden und dürfen höchstens die vom Rumpfe noch in keiner Be- ziehung verschiedenen vier ersten Metameren nach Zahl und Lage mit den- jenigen verglichen werden, aus denen in der Stammform der mit einem Kopf versehenen Wirbelthiere sich dessen Grundlagen entwickelten. Wenn ich auch mit GEGENBAUR den ganzen Kiemenapparat der Craniota zum Kopfe rechne, so ist doch der Kiemenapparat des Amphioxus nach seiner morphologischen Anlage mit dem ersteren gar nicht durchweg zu vergleichen. Bei den Amphir- rhina besteht jener Apparat wesentlich aus den von den äusseren Segmenten des Kopfes und der Oberhaut abstammenden Aussenkiemen. Von den inneren, aus der Seitenplatte hervorgehenden Knorpelbögen kann dabei ganz abgesehen werden; denn einmal fehlen sie manchen Kiemen (Spritzloch-, Operkularkieme) . vollständig, ferner können sie bei den Anurenlarven ebenso gut zu den inneren Kiemen gerechnet werden, und endlich ergeben sie sich aus der Entwickelungs- geschichte als sekundäre Anpassungen an den schon angelegten Kiemen- 742 IX. Der Kopf. apparat, welche zu seinem Wesen ebenso wenig gehören wie die Wirbel zum primitiven Bewegungsapparat des Rumpfes. Auch die Darmblattfalten müssen morphologisch von den Aussenkiemen getrennt werden, mit welchen sie in keinem unmittelbaren Kausalzusammenhange stehen, da sie sich in den bei weitem meisten Fällen zum blossen Epithelüberzuge der erstgenannten Knorpelbögen zurückbilden. Nur in den Anurenlarven zeigen sie eine höhere Difterenzirung zu einem selbstständigen inneren Kiemenapparate, welcher nach seinen morphologischen Grundlagen und sogar nach seiner physiologischen Ausbildung allein den Darmkiemen des Amphioxus an die Seite gestellt werden kann, und dem folglich die ursprünglichen Kiemenspalten zugezählt werden müssen*. Da nun ein Theil von den Anlagen dieser Darmkiemen auch bei den Batrachiern nachweislich dem Rumpfe angehört und erst nachträglich und bloss in den Darmblatttheilen in den Kopf vorrückt, so kann die ursprüng- liche Lage derselben bei Amphioxus am wenigsten zur Abgrenzung eines Kopf- abschnittes benutzt werden. Dieses Thier hat also weder einen Kopf noch kann die Entwickelung eines solchen von einer Differenzirung der Darmkiemen zu dem morphologisch nur den Gliedmassen vergleichbaren Aussenkiemenappa- rate der Craniota abgeleitet werden. Die Entwickelung des Hirns und der höheren Sinnesorgane ist die eigentliche Ursache der Kopfbildung der Wirbel- thiere, indem dadurch die Besonderheit der Kopfsegmente und die Kopfbeuge mit allen ihren Folgen hervorgerufen werden. Im Vorderkopfe oder dem ersten Metamer des Körpers erscheint die grösste Veränderung in den Anlagen des mittleren Keimblattes durch die vollständige Auflösung der Seitenplatte, während die drei folgenden Metameren nur mehr in den abweichenden Massen- verhältnissen jener Anlagen vom Rumpfe differiren. Die weitere Umbildung des doppelten Segmentpaars in jenem ersten Metamer zum Gesicht und Kiefer- apparat ist aber, wie ich zeigte, noch insofern von der Hirnentwickelung sehr wesentlich abhängig, als ein geringeres Mass derselben zur eyklostomen Bildung führt, in welcher die Bedeutung der Kiefer kaum angedeutet ist, während eine grössere Energie jener Entwickelung dieselben Anlagen zum vollkommeneren plagiostomen Kieferapparate umbildet. Ferner unterdrückt das Hirn in den * Dass diese Kiemenspalten auch bei den übrigen Wirbelthieren nur als rückgebildete innere Kiemenanlagen aufzufassen sind, welche sich dem äusseren Kiemenapparate erst sekundär einfügen, dürfte aus dem Umstande erhellen, dass die ins Wasser frei hinein- hängenden Aussenkiemen bereits funktioniren, bevor die sie trennenden Kiemenspalten eröffnet sind (Taf. X VII), was bereits den älteren Embryologen bekannt war (Nr. 9 5. 304). IX. Der Kopf. 743 inneren Segmenten die Grundlagen für den allgemeinen Bewegungsapparat, wie er im Rumpfe besteht, und drängt mit den äusseren Segmenten die Anlagen der von Anfang an mehr lokal angeordneten, weil nicht an den durchgehenden Skeletstamm (Wirbelsaite) geknüpften Muskelgruppen als Homologa der Extremitäten an die Seiten des Kopfes. Was von den Muskeln und Nerven jener inneren Segmente sich nicht unter ganz neuen Formbedingungen den lokalen Bedürfnissen des Auges anpasst, geht im Hinterkopfe allmählich zu Grunde, sodass jedoch dieser mit der Ausbildung der seitlichen Muskulatur zusammenhängende Schwund erst nach der Entwickelung des Gehörbläschens aber vor der Anlage der hinteren Schädelbasis oder der hinteren Kopfwirbel- theile erfolgt. Die beginnende Bildung des Primordialkraniums musste daher die besonderen morphologischen Grundlagen des Wirbelthierkopfs bereits vor- finden; und da sie im Vorderkopfe beginnend die Entstehung der Wirbelsäule einleitete, so erweisen sich auch darin die Cyklostomen als diejenigen von den uns bekannten Craniota, welche der vorausgesetzten Stammform der Wirbel- thiere am nächsten stehen. Kommen wir endlich zum Kiemenapparate, so konnten die uns bekannten Aussenkiemen erst nach der Entwickelung der lateralen Kopfsegmente entstehen, d. h. nachdem die wesentlichen Grundlagen des Wirbelthierkopfes bereits gelegt waren. Bis dahin funktionirten also wahr- scheinlich die Darmkiemen allein und zwar im Kopfe nach der Rückbildung seiner etwa vorher bestandenen serösen Höhle* in der Form, wie wir sie bei den Anurenlarven kennen. Dann werden die beiderlei Kiemenapparate neben- einander existirt haben, wie es die Anurenlarven noch zeigen, bis der äussere das Uebergewicht gewann und der innere sich bis auf wenige Reste zurück- bildete. Da nun die Cyklostomen sich in der Bildung aller übrigen Kopftheile als älteste der uns bekannten Craniotenformen erwiesen haben, ihre Kiemen dagegen mit den übrigen Fischkiemen verglichen eine ausserordentlich weit vorgeschrittene Umbildung einfacher Aussenkiemen bekunden würden, ander- seits aber viel mehr mit den Innenkiemen der Anurenlarven korrespondiren, so sehe ich in ihnen die modificirten und zum Theil aus dem Rumpfe in den Kopf vorgeschobenen Darmkiemen des Amphioxus. Wenn wir aber ihre morpho- logischen Anlagen bis auf die höchsten Wirbelthiere vererbt und theilweise in neuer Umbildung erhalten sehen (Paukenhöhle mit ihrem Rachengange), so * Aus der Anlage der beiden Schichten der Seitenplatte im Kopfe (S. 221. 222) könnte auf eine frühere Ausdehnung der serösen Rumpfhöhle bis in den letzteren hinein ge- schlossen werden. 744 IX. Der Kopf. liesse sich vielleicht noch die weitere Hypothese vertheidigen, dass nämlich die Lungen weniger weit veränderte Homologa der Darm- oder Innenkiemen seien. Wenn man ihre hintersten Anlagen bei den Anuren in den Rumpf verlegen muss, wenn man dann die Anlage der Lungen dicht hinter der letzten in den Kopf vorgerückten Schlundfalte ebenfalls in einem Paar seitlicher Darmblatt- falten erkennt (Taf. XIV Fig. 254, Taf. XVII Fig. 308), welche nur wegen ihrer bleibenden Lage innerhalb der Rumpfhöhle eine andere Fortentwicke- lung erfahren, so wird man jene Hypothese nicht ohne weiteres von der Hand weisen. — Das Ergebniss dieser Betrachtungen über die sogenannte paläonto- logische Entwickelung des Wirbelthierkopfes wäre nun folgendes. Nicht der Primordialschädel unterscheidet die Craniota von Amphioxus, sondern der Be- sitz eines dem letzteren fehlenden Kopfes; nach der Entwickelung desselben stehen aber dem Amphioxus ganz unbedingt die Cyklostomen am nächsten, und auf sie folgen nicht etwa die Selachier, sondern die Batrachier , vor allem die Anuren. Die Selachier zeigen ein im Verhältniss zu den Batrachiern mächtig angelegtes und erst nachträglich zurückbleibendes Hirn (S. 312), daher eine starke Kopfbeuge und ein frühes Uebergewicht der plagiostomen Form, endlich sehr weit differenzirte Aussenkiemen ohne Spur der inneren, lauter Momente, welche ihrem Ursprunge eine höhere phylogenetische Stufe anweisen als den Anuren. Der knorpelige Zustand ihres Kopfskelets, welcher übrigens bei den Batrachiern erst spät und nur theilweise aufgegeben wird, kann als histiolo- gisches Moment am wenigsten in allgemeinen morphologischen Fragen mass- gebend sein, besonders da es sich dabei nur um sekundär-morphologische Theile handelt; wenigstens mit dem gleichen Rechte könnte der Zustand der Oberhaut zum gleichen Zwecke benutzt werden und aus der weichen, indifferenteren Haut der Batrachier gerade ihr engerer Anschluss an die Oyklostomen und die Stammform gegenüber den Selachiern gefolgert werden. X. Das Herz und das Gefässsystem. 1. Das Herz. Die morphologischen Grundlagen des Herzens und des Perikardialsackes sind die beiden Schichten der Seitenplatte unter der Schlundhöhle. Der Boden dieses Darmabschnittes und überhaupt des ganzen Vorderdarms wird im ersten Anfange der Embryonalentwickelung unmittelbar vor der Dotterzellenmasse, wo dieselbe in das einfache Darmblatt übergeht, durch die aneinandergeschlos- senen drei Keimblätter gebildet (Taf. II Fig. 35—37). Sehr bald zeigt sich auch dort in Folge der dorsalwärts gerichteten Zellenbewegung eine Fort- setzung der medianen Lücke des mittleren Keimblattes vom Vorderkopfe her, welche weiterhin auch auf den Rumpf übergeht; in der Schlundhöhle senkt sich das Darmblatt zwischen die getrennten Ränder der beiden Seitenplattenhälften bis zur Oberhaut ein (Taf. V Fig. 91, Taf. VI Fig. 111. 112). Indem aber darauf die Rückbildung der Seitenplatte in der Schlundwand beginnt und da- durch jene Zellenbewegung aufgehalten wird, behalten die ventralen Abschnitte - jener Platte im primitiven Schlundhöhlenboden einen genügenden Ueberfluss an Bildungsmaterial, um in rückläufiger Bewegung ihre beiden Schichten, das Visceral- und das Parietalblatt in ganz bedeutender Ausdehnung auszubilden (S. 213. 214. 246). In dieser Entwickelung werden sie durch die Entstehung der Grenzfalte gefördert, wodurch das Darmblatt zwischen der vor der Dotter- zellenmasse zurückbleibenden Tasche des Vorderdarms und dem Zungenbein- bogen zuerst aus ihrer medianen Einsenkung und dann noch höher gehoben wird, und so zwischen dem unmittelbaren Boden der Schlundhöhle und der in ihrer früheren Lage zurückbleibenden Oberhaut sich der Herzraum successiv erweitert (S. 220). Dieser Raum ist also innerhalb der genannten Grenzen dem 746 X. Das Herz und das Gefässsystem. Darmblattboden der Schlundhöhle genau angeschlossen, sodass seine oberen Seitenränder mit der fortlaufenden unteren Grenze der Kiemenbögen zusam- menfallen (Taf. XILI Fig. 225. 226. 235—237). In dem Masse als der Herz- raum wächst, erweitern sich auch die in ihm enthaltenen Abschnitte der Seiten- platte, und indem ihre beiden Blätter auseinanderweichen, verwandeln sich die sie zusammenhaltenden Ränder in Falten, welche mitten durch den Herzraum einander entgegenwachsen und sich in der Medianebene endlich verbinden (Taf. VII Fig. 132—134, Taf. XIII). Dabei erhält sich ein medianer Zusam- menhang der beiden Blätter noch emige Zeit, sodass die beiderseitigen von ihnen eingeschlossenen Spalträume getrennt bleiben. Rückwärts setzt sich natürlich die so gebildete Seitenplatte mit ihren beiden Blättern kontinuirlich in die gleichnamigen Theile des Rumpfes fort, wobei sie sich tiefer senkend zu- nächst die Tasche des Vordarms umgreift (Taf. II Fig. 38, Taf. VII, XIII). Da nun die von beiden Blättern eingeschlossenen grösstentheils noch spaltför- migen Lücken im Herzraume die künftige Perikardialhöhle, im Rumpfe die sogenannte Pleuroperitonealhöhle darstellen, so ergibt sich daraus die kontinuirliche, einheitliche Anlage beider Höhlen. Aber noch ein anderer ursprünglicher Zusammenhang der Herzbildung ist hier hervorzuheben. Die eigentlicheHerzhöhle ist nämlich in der Lücke zu suchen, welche zwischen dem sich hebenden Darmblattboden der Schlundhöhle und der von den Kiemenbögen gleichsam herabhängenden Seitenplatte, genauer gesagt deren Visceralblatte entsteht. Während diese beiden Blätter auseinanderweichen, löst sich eine lockere, nicht zusammenhängende Schicht vom Darmblatte ab, um vielleicht in Verbindung mit einigen vom Visceralblatte stammenden Bildungszellen eine zarte, zunächst bloss untere und seitliche Auskleidung der primitiven Herzhöhle zu bilden. Verfolgen wir das Visceralblatt rückwärts, wo es sich senkend die Vordarmtasche umgreift, so treffen wir bereits eine Ausbuchtung dieses Darmtheils gegen den Herzraum und im Anschlusse daran eine begin- nende seitliche Abschnürung desselben gegen den darüberliegenden Vordarm- abschnitt; die dadurch entstandene Furche schliesst das sich darüber spannende Visceralblatt zu einer kanalartigen Lücke ab, welche den oberen Umfang jener sich abschnürenden Darmblatttasche oder der Leberanlage umkreist, vorn im unmittelbaren Zusammenhange mit der Herzlücke steht und jederseits an der hinteren Grenze der Leberanlage in den Spaltraum zwischen der Dotterzellen- masse und dem Visceralblatte des Rumpfes übergeht (Taf. VII, XIII. In diesem Spaltraume entstehen die Dottergefässe und in jener die Wurzel 1. Das Herz. 747 der Leberanlage umgreifenden Lücke die Dotterdarmvenen in der Weise, dass ein vom Visceralblatte geliefertes Bildungsgewebe die von Blut oder bloss Serum gefüllten Lücken mit einer primitiven Gefässwand umkleidet, welche dort, wo die beiden Dotterdarmvenen über der vorderen Ausbuchtung der Leberanlage zusammentreffen, sich alsbald mit der inneren Auskleidung der primitiven Herzhöhle oder dem Epithel des Endocardium verbindet (S. 538). Daraus ergibt sich aber der ursprüngliche kontinuirliche Zusammen- hang aller dieser in analoger -Weise entstandenen Bluträume von selbst. Wen- den wir uns nun wieder dem Herzen zu, welches von allen Bluträumen zuerst angelegt wird, so betrifft seine Absonderung anfangs nur die Höhle: die künftige Herzwand, nämlich das zumeist vom Darmblatte abstammende Endokardialblatt und das ihm unterliegende Visceralblatt bilden zuerst nur den muldenförmigen’Boden jener Höhle. Mit der wachsenden Erweiterung des ganzen Herzraums nimmt aber auch die Ausdehnung der Seitenplatte zu, und da das Visceralblatt wie im ganzen übrigen Körper das Parietalblatt an Dicke übertrifft, schreitet auch seine Ausdehnung schneller fort und zwingt es daher innerhalb des vom Parietal- und dem Darmblatte begrenzten Raumes zu Fal- tungen. Die Lage und Richtung derselben wird durch die noch bestehende mediane Verlöthung beider Blätter bestimmt; sie zieht das Mittelstück des Visceralblattes hinunter und lässt in Folge dessen seine Seitentheile an der Darmblattdecke jederseits in einer medianwärts gerichteten Falte vorrücken und so die muldenförmige Herzwand allmählich zu einem Schlauche ab- schnüren, während zugleich die Decke des Herzraums eine perikardiale Aus- kleidung erhält (Fig. 133. 225. 226. 234—236). Indem das Parietalblatt da- bei an der Oberhaut zurückbleibt, * verwandelt jene Abschnürung die spalt- förmigen Perikardiallücken in weitere Räume, welche nach der Lösung der sie trennenden medianen Verbindung zu einer Höhle zusammenfliessen, in welche der Herzschlauch frei hinabhängt. Eine vollständige Abschnürung dieses dop- pelwandigen Schlauches erfolgt übrigens nur in seinem mittleren Abschnitte Vorn bleibt er gegen das Darmblatt geöffnet, sodass die Enden der ersten “Kiemenbögen mit den darin gebildeten primitiven Aortenbögen zwischen dem Visceral- und dem Darmblatte bis an dieses Vorderende des Herzschlauches oder * An den Durchschnittspräparaten berühren sich Parietalblatt und Oberhaut gewöhn- lich nicht; wenn man aber berücksichtigt, dass in anderen Fällen oft ganz unzweideutige Zeichen einer durch die Präparation gelockerten oder gelösten Verbindung jener Theile vorliegen (Taf. XIII Fig. 236), so darf der bisweilen relativ grosse Abstand derselben auch in Abwesenheit jener Zeichen für unnatürlich gehalten werden. 748 X. Das Herz und das Gefässsystem. den zukünftigen Bulbus arteriosus vorrücken und sich mit dessen Endo- kardialsacke verbinden können (Fig. 234); rückwärts erweitert sich der Herz- schlauch gewissermassen trichterförmig gegen den ganzen Vordarm, indem sein Visceralblatt in dessen unmittelbare Umhüllung übergeht (Taf. XIV Fig. 249. 250. 252). Dabei legt es sich der Vorderseite der Leberanlage eng an, lässt aber über ihrem Vorsprunge die Lücke frei, in welcher die primitiven Dotter- darmvenen aus ihrem seitlichen Verlaufe medianwärts gelenkt zusammen- treffen und endlich zum Sinus venosus verschmelzen (Taf. XIII, XIV, XVI Fig. 292. 293). Darüber geht dann die Abschnürung des Herzschlauches bis an die hintere Grenze des Venensackes fort, sodass derselbe bis auf die hin- tere und untere Anlagerung an die Leber frei in die Perikardialhöhle vorragt. Die Wände dieser Höhle werden nur vorn, unten und seitlich vom Parietal- blatte gebildet, das Visceralblatt überzieht dagegen nicht nur den eigentlichen Herzschlauch mit seinen Uebergängen in die Gefässe, sondern auch die obere und hintere Wand der Perikardialhöhle. Dort, wo beide Blätter an der vor- deren und seitlichen Grenze des Herzraums in die Seitenplatte des Zungenbein- bogens und der Kiemenbögen übergehen, verschmelzen sie alsbald zu einem kontinuirlichen Zusammenhang und lösen sich von ihrer ursprünglichen Fort- setzung ab. Dasselbe geschieht, nur später, im vorderen queren Umfange des Vordarms, soweit derselbe die ursprüngliche Hinterwand des Perikardialsackes bildet; nur sind dabei folgende Punkte hervorzuheben. Anfangs biegt der horizontale Darmblattboden der Schlundhöhle unmittelbar in die Vorderwand des Vordarms um, sodass die letztere den Herzraum nur rückwärts begrenzt (Taf. II Fig. 38); allmählich legt sich aber der oberste Abschnitt jener Wand nach vorn um und nimmt daher als mehr oder weniger gerade Fortsetzung des Schlundhöhlenbodens an der oberen Begrenzung des Herzraums Theil (Taf. XVT) Nach der vollständigen Abschnürung des Herzschlauchs und seines Sinus venosus erscheint jener Vordarmabschnitt (Kehlkopf, Lungenwurzel) mit dem ihn überziehenden Visceralblatte als Decke der über dem Venensacke be- findlichen engen Bucht der Perikardialhöhle (Taf. XILI Fig. 257. 238, Taf. XIV Fig. 261. 262, Taf. XV Fig. 274-277). Das sich daran schliessende zur Leberanlage absteigende Stück des Vordarms (Magen, vorderes Duodenum) begrenzt mit seinem Darmblatte den Innenraum des Venensackes von hinten, welcher das der Vorderseite dieses Darmtheils zukommende Visceralblatt ihm völlig entzieht (Taf. X VI). Darunter bildet die vom Visceralblatte überzogene Vorderfläche der Leberanlage den grössten Theil der Hinterwand der Perikardial- 1. Das Herz. 749 höhle. Diese dem eigentlichen Darmkanal und verschiedenen seiner Anhangs- organe angehörigen Visceralblattflächen bleiben dort, wo sie an die Leibeswand anstossen, d. h. unter der vorderen Leberfläche, zur Seite derselben, des Venensackes und des horizontalen oberen Vordarmabschnittes ‘(Lungenwurzel) mit dem Parietalblatte in Berührung , um von dort aus die* betreffenden Ein- geweide weiter einzuscheiden. An jener Berührungsgrenze zieht aber das Parietalblatt nicht eben weiter, sondern schiebt auf jene Visceralblattflächen eine kurze Falte vor, welche mit ihnen nach einiger Zeit verwächst und so die Perikardialhöhle auch gegen die Pleuroperitonealhöhle vollends abschliesst (Taf. XILI Fig. 227, Taf. XIV, XV). Wenn aber in der Folge mit dem ganzen Larvenkörper auch die genannten Höhlen an Breite zunehmen, wachsen jene in die Perikardialhöhle schauenden Visceralblattflächen nicht in entsprechen- dem Masse, sondern nebst den betreffenden Eingeweiden etwas langsamer in die Breite; dadurch werden aber die an ihren Rand gehefteten Falten des Parietal- blattes als Duplikaturen in die Scheidewand beider grossen Höhlen hinein- gezogen (Taf. XXI Fig. 375). Soweit diese Duplikaturen den Rand der Scheidewand bilden, soweit allein wird sie selbstständig, während die gleich- sam von diesem Rande umschriebene grosse mittlere Lücke nur durch ein- geschobene Eingeweide, die Leber und die Lungenwurzel, ausgefüllt wird. Die grosse Bedeutung dieser Entwickelungsvorgänge für die Erkenntniss der gene- tischen Beziehungen der übrigen Eingeweide wird sich im nächsten Abschnitte ergeben, hier soll nur das den Perikardialsack unmittelbar Betreffende er- wähnt werden. Da derselbe nach vorn, unten und den beiden Seiten vollkom- men abgeschlossen und abgesondert ist und durch keine irgendwie festere Ver- bindung gehalten wird, und-auch mit dem Schlundhöhlenboden nur durch die Aortenbögen zusammenhängt, welche bei der bekannten Leichtigkeit der Wachsthumsausdehnung der Gefässe kein bedeutendes Hinderniss für die Ent- fernung des Perikardialsackes von jenem Boden und dem darin enthaltenen Zungenbeine sein können, so hängt seine Lage lediglich von jenen Eingeweiden ab, welche mit breiter Fläche seiner Wand eingefügt, also aufs innigste mit ihm verbunden sind, — die Lungenwurzel und die Leber (Taf. XVI Fig. 292. 293. 298, Taf. XXI Fig. 272.277). Das absteigende Vordarmstück (Magen, Duo- denum) kommt hier desshalb nicht in Betracht, weil es sein vorderes Visceral- blatt ganz dem Venensacke überlässt und darauf in später zu erläuternder Weise sich von dem letzteren völlig abschnürt und zurückzieht. Schon die horizontale Umlagerung der unteren Wand der Lungenwurzel ist ein Ausdruck . 750 X. Das Herz und das Gefässsystem. der Streckung und Verlängerung dieses Darmabschnittes, wodurch der Peri- kardialsack bereits ein wenig über die hintere Grenze der Schlundhöhle hin- ausgerückt wurde; geschieht dies in.noch höherem Grade und wird zugleich die Leber zurückgezogen, so muss natürlich der ganze Perikardialsack mit seinem Inhalte ihnen folgen und so seine Bildungsstätte, die Bauchseite der Kopfregion, verlassen, um ganz in den Rumpf überzutreten, während von diesem aus schon vorher die Mm. genio- und sterno-hyoidei zwischen Perikardium und Oberhaut an jene Bauchseite des Kopfes vorgerückt sind, welche sie später an Stelle des Herzbeutels allein einnehmen. Die Beschreibung des embryonalen Herzschlauches habe ich auf jener frühen Entwickelungsstufe unterbrochen, wann er zwischen seinen befestigten Enden eben zur vollen Abschnürung gelangt. Schon während dieses Vorgangs beginnt er sich zu verlängern, und da seine Endpunkte sich nicht entsprechend von einander entfernen, muss er seinen gestreckten Verlauf aufgeben und seine Verlängerung in Windungen zum Ausdruck bringen (Fig. 252. 253. 255. 260. 273). Diese sind ganz gesetzmässig und daher müssen auch die Ursachen ihrer bestimmten Richtung gesetzmässig konstante sein. Wenn es aber auch gelingt, nachzuweisen, dass bevor jene bestimmte Asymmetrie im Verlaufe des Herzschlauches eintritt, bereits ebenso konstante asymmetrische Form- und Lageveränderungen der mit ihm in engstem Zusammenhange stehenden Theile des Vordarms sich zeigen, welche sogar schon auf den Mitteldarm hinüber- greifen (vgl. Taf. XILI Fig. 238—240), so ist es mir doch nicht gelungen, irgend einen haltbaren Grund für diese eigenthümliche Erscheinung zu ent- decken, als deren Folgen alle späteren Asymmetrien des Situs viscerum er- scheinen. Der ungleichmässige oder unsymmetrische Zufluss des Blutes, wel- chen v. Baer zur Erklärung der gleichen Erscheinungen am Hühnerembryo glaubte benutzen zu können (Nr. S IS. 177. 178. 215— 219), kann abgesehen davon, dass er selbst ebenso unerklärt bliebe, desshalb in unserem Falle nicht angezogen werden, weil er erst später eintritt als die ersten Zeichen der übrigen Asymmetrie. Ihr gesetzmässiger Ausdruck am Herzschlauche ist nun fol- gender. Zuerst beschreibt er mit seinem Haupttheile einen Bogen nach links und unten; dann schnürt sich sein Vorderende oder der Bulbus arteriosus bis an die gerade aufwärts gerichtete Verbindung mit den Aortenbögen vollends ab und weicht von der Medianebene in der Weise nach rechts ab, dass er nach hinten, aussen und unten gerichtet, in der Tiefe quer in den linken Bogen über- gehen kann, welcher den hintersten, unmittelbar an den Venensack stossenden 1. Das Herz. 151 Abschnitt des freien Herzschlauches noch kaum merklich nach rechts hinüber- (drängt. Es beschreibt also der ganze Herzschlauch von dem Ursprung der Aortenbögen bis zum Sinus venosus, welche beiden die oberen, ziemlich genau median gelegenen Endpunkte darstellen, einen vollständigen Schraubengang, von vorn nach rechts und unten, dann nach links hinüber, endlich rückwärts und aufwärts wieder in die Medianebene zurück. Durch allmählich entwickelte Einschnürungen theilt sich der gewundene Herzkanal in den vorderen, rechts hinabsteigenden Bulbus arteriosus, in die Kammer, welche den nach links ge- wandten Haupttheil umfasst, und in den venösen Vorhof, welcher in dem hin- teren aufsteigenden Abschnitte enthalten ist (Taf. XIV, XVT). Indem schon durch die Zusammenziehung und schräge Verschiebung der Kiemenbögen nach hinten der Ursprung der Aortenbögen zurückgedrängt wird, nähert sich natür- lich auch der Bulbus arteriosus der Vorderwand des Vorhofs, an die er sich schliesslich anlegt, während die Kammer unter den letzteren rückt, wobei sie jedoch die Richtung ihres Grundes nach links beibehält (Fig. 298. 310—312. 372. 377). Darauf weitet sich der Vorhof auf jeder Seite zu einem sogenann- ten Herzohre aus, welches auf die Kammer hinabhängt. Inzwischen hat er auch seine anfangs ziemlich symmetrische Stellung aufgegeben und ist ganz entschieden vor die rechte Hälfte des Sinus venosus gerückt, sodass seine am meisten über der Kammer gelagerte linke Wölbung durch eine ziemlich tiefe Bucht von der linken Hälfte des Venensackes und überhaupt der Hinterwand des Perikardialsackes getrennt wird (Fig. 255.311. 319). Indem nun von der Decke des Vorhofs eine Scheidewand schräg nach hinten und links hinüber gegen den an der linksseitigen Grenze von Vorhof und Venensack nach innen vorspringenden Grund der genannten Bucht hervorwächst und darauf bis zur Kommunikationsöffnung zwischen Kammer und Vorhof vordringt, wird die linke Hälfte des letzteren nicht nur von der rechten, sondern auch von ihrer früher gemeinsamen Wurzel, dem Venensacke, völlig getrennt und bildet, wenn man von einer inzwischen neu entstandenen Gefässöffnung an ihrer hinteren oberen Wand (V. pulmonalis) absieht, einen bloss in die Kammer sich öffnen- den Blindsack (Fig. 310. 319. 370). Der Venensack bleibt dann nur mit der rechten Vorhofshälfte in Verbindung. Eine ähnliche nur unvollkommene Hal- birung der Kammer und des Bulbus arteriosus, deren physiologische Bedeutung uns BrUEcKE geschildert hat (Nr. 142 S. 354—357), habe ich allerdings schon frühe beginnen sehen, doch nicht näher untersucht (Fig. 372). Bezüglich der Histiogenese des Herzens habe ich zu bemerken, dass das 752 X. Das Herz und das Gefässsystem. Visceral- und Parietalblatt überall das ganze Perikardium, das erstere am Herzen ausserdem noch die ganze Muskulatur und überhaupt alle Gewebe bis auf ° das endokardiale Epithel bilden. Dieses leitet aber die Bildung der Vorsprünge ein, welche schon sehr zeitig die innere Kammerwand bedecken (Fig. 370). 2. Die Arterien. Während der Herzschlauch in der Abschnürung begriffen ist, vollzieht sich die schon erwähnte Verbindung seines Bulbus arteriosus mit den Aorten- bögen, indem die letzteren von Bildungszellen umgeben, welche die ventrale Vereinigung der getrennten Kiemenbogenenden im Schlundhöhlenboden ein- leiten, zwischen das Darmblatt und das Perikardium bis zum offen daliegenden Endokardialsack hineinwachsen (Fig. 234). Daher entspringen die beider- seitigen einfachen Wurzelstücke der Aortenbögen nicht divergirend,, sondern rechtwinkelig aus dem Ende des Bulbus arteriosus (Fig. 309. 319). In den Kiemenbögen verlaufen sie in der äusseren Schicht der Seitenplatte, liegen also später dem knorpeligen Kiemgerüste aussen an, der zweite Aortenbogen ins- besondere in einer Rinne des unterliegenden Knorpels, was an das ähnliche Verhalten bei den Fischen erinnert (Taf. XVILI Fig. 5332); von den aus den äusseren Segmenten hervorgehenden Muskeln und Nerven werden die Aorten- bögen, soweit sie mit ihnen in denselben Querebenen liegen, bedeckt. Sehr bald nach seiner Entstehung verdoppelt sich jedes solche Hauptgefäss eines Kiemenbogens im Bereiche der Kieme in der von Ruscosi (Nr. 6 8..50—54) beschriebenen Weise (vgl. XVI Fig. 295. 300—502, Taf. XVII Fig. 309. 319); da ich mich aber auf die Einzelheiten des Blutumlaufs in den Kiemen nicht einlassen will, werde ich von den Aortenbögen als von einfachen Gefäss- stimmen reden oder vielmehr nur die bleibenden Hälften vom Doppelbogen be- rücksichtigen. — Zuerst entsteht der Aortenbogen des ersten Kiemen- bogens, welcher sich alsbald mit dem Herzen in Verbindung setzt; unter dem Ohrbläschen und auf der Darmblattdeke der Schlundhöhle angelangt, wendet er sich rückwärts und etwas einwärts, sodass er unter den Stammuskeln zu lie- gen kommt, und endet vorläufig, da eine Aorta noch nicht besteht, an der Hintergrenze des Kopfes (Taf. XIII Fig. 234—237). An dieser Stelle schliesst sich ihm aber bereits ein Seitenast an, welcher die Stammuskeln von aussen und aufwärts umgreifend das Hinterhirn erreicht, um an dessen Basis und nach innen von den Wurzeln der Kopfnerven vorwärts zu ziehen. Es ist dies die 2. Die Arterien. 753 primitive Wirbelarterie mit ihrer Fortsetzung, der A. basilaris (Fig. 237.274). Zur selben Zeit ist auch schon ein zweiter Ast des ersten Aortenbogens vorhanden, die A. carotis, welche denselben dort verlässt, wo er die Schlundhöhlendecke unter dem Ohrbläschen erreicht, und auf dieser Decke gerade vorwärts zieht. Beide Aeste des ersten Aortenbogens verlieren sich jedoch gleich ihm selbst nach kurzem Verlaufe im Bildungsgewebe. Immerhin erhellt aus der selbstständigen Entwickelung des ersten Aorten- bogens bis jenseits des Ursprunges der primitiven Wirbelarterie, dass er die dorsale Verbindungsbahn der Aortenbögen bis zum Anfange der Aorta ganz allein bildet. — Der zweite Aortenbogen fliesst am Bulbus arteriosus mit dem ersten zusammen und ergiesst sich in dessen oberen horizontalen Verlauf, sodass darauf die jenseits ihrer Vereinigung liegende Aortenwurzel von den eigentlichen Bögen unterschieden werden kann, obgleich sie ebenso wie der sogenannte R. communicans, nämlich der zwischen dem Anfange der Aorten- wurzel und der Carotis liegende Gefässabschnitt, lediglich aus dem ersten Aortenbogen entsteht. Der dritte Aortenbogen der Anurenlarven kann jedoch als an der Bildung der Aortenwurzel mitbetheiligt gar nicht angesehen werden; denn sowie er nicht mehr aus dem Bulbus arteriosus, von dem er be- reits zu weit entfernt ıst, sondern aus dem Wurzelstück des zweiten Aorten- bogens entspringt, so mündet er auch gar nicht unmittelbar in die Aorten- wurzel; indem er im dritten Kiemenbogen schräg rückwärts aufsteigt und in derselben Richtung über die letzte Kiemenspalte hinzieht, schickt er dem End- stück des zweiten Aortenbogens bloss einen Verbindungszweig, während der Gefässstamm in den vierten Kiemenbogen, nach innen vom dritten ursprüng- lichen Vagusaste (N. laryngeus anterior), eindringt und medianwärts gewandt sich der Lungenwurzel anschliesst (Taf. XV Fig. 275. 276, Taf. XX Fig. 233, Taf. XXI Fig. 377). Aehnlich wie der zweite Aortenbogen zum zweiten, ver- hält sich der letzte Kiemengefässstamm zum dritten, mit dem er sich an dessen Wurzel und auf seinem Verlaufe zur Lungenwurzel verbindet. — Obgleich es nicht möglich ist, an den kleinen schwarzen Unkenlarven die Rich- tung der verschiedenen Blutströme unmittelbar und sicher festzustellen, so gibt es doch genügende Anhaltspunkte, um jene Bestimmung indirekt auszuführen. Der dritte Aortenbogen führt sein Blut nur so lange, als der Lungenkreislauf noch gar nicht angelegt ist, vollständig in den zweiten Aoıtenbogen über. Da jener Kreislauf aber schon im Anfange der zweiten Larvenperiode fertig entwickelt ist, so ist es wenigstens möglich , dass von diesem verhältnissmässig GoETTE, Entwickelungsgeschichte. 48 754 X. Das Herz und das Gefässsystem. frühen Zeitpunkte an das Blut des dritten Aortenbogens nur zum Theil in die Aorta, zum Theil in die Lunge abfliesst. Wahrscheinlich wird dies erstens da- durch, dass der Uebergang jenes Bogens nach hinten gegen die Lunge stumpf- winkelig, nach vorn zum 2. Aortenbogen spitzwinkelig erscheint, dass also das Blut in der ersten Richtung einen bequemeren Abfluss hat. Der 4. Kiemen- gefässbogen kann aber abgesehen davon, dass seine Mündung in den ursprüng- lichen hinteren Ast des 3. Aortenbogens nach hinten gerichtet ist, schon wegen seines schwächeren Durchmessers nicht zugleich die stärkere Verbindungsbahn zum 3. Aortenbogen und den rückwärts weiter ziehenden Lungenast mit seinem Blut füllen. So sprechen alle Umstände dafür, dass der 3. Aortenbogen schon ausserordentlich frühe den grösseren Theil seines Blutes rückwärts der Lunge zuführt, also die Rolle spielt, welche ihm durch die Metamorphose ganz un- zweifelhaft zufällt, nämlich als Lungenarterie zu fungiren, wodurch sein Verbindungsast zum 2. Aortenbogen als Botalli’scher Gang erscheint. Der spät entwickelte 4. Kiemengefässbogen hat daher wohl niemals die Bedeutung eines Aortenbogens, sondern stellt nur einen der Lungenarterie angefügten Seitenbogen dar. Wenn frühere Beschreibungen bei den Anuren vier Aorten- bögen erwähnen, welche zur Aortenwurzel zusammenfliessen und von denen der letzte den Lungenast abgebe (Ruscont Nr. 6 8. 53. 54, v. BAER Nr. 9 S. 307), so widerspricht dem schon der anatomische Befund, wonach der 3. und 4. Gefässbogen gar nicht mehr unmittelbar mit der Aortenwurzel zu- sammenhängen, und die Thatsache, dass der Lungenast schon vor der Ent- wickelung des letzten Bogens besteht; die Auffassung aber, dass alle Bögen ihr Blut zur Aortenwurzel schicken und nur der letzte einen Theil zur Lunge fliessen lasse, wird auch abgesehen von den schon angeführten Gründen allein beim Vergleiche mit den Urodelenlarven unwahrscheinlich. Diese zeigen aller- dings das von den Anuren irrthümlich behauptete Verhalten der Aortenbögen, indem alle vier, von denen der letzte keine Kieme speist, unter spitzen , strom- abwärts gerichteten Winkeln zusammenfliessen, sodass sämmtliches Kiemen- blut in die Aorta gelangt, während die vom 4. Bogen abgehende Lungenarterie nur einen Theil seines nicht oxydirten Blutes empfängt. Diese selben Larven machen aber auch bis kurz vor der Metamorphose von ihren wenig entwickelten Lungen so gut wie gar keinen Gebrauch, während die Anurenlarven schon sehr frühe energische Lungenathmung erkennen lassen, was sich ausdem anatomischen Zustande und der verschiedenen Anfüllung der Lungen mit Luft leicht konstatiren 2. Die Arterien. 155 lässt*. Dass nun dieser bedeutsame Unterschied in der Athmung der beiden Larvenformen ganz ausser Beziehung zur Anordnung des Blutkreislaufs stände, scheint mir undenkbar. Um so mehr muss der genannte Unterschied zu Gunsten meiner Ansicht sprechen, dass die überwiegende und so gut wie aus- schliessliche Kiemenathmung der Urodelenlarven nur einen Theil des vom letzten und kleinsten Gefässbogen geführten Blutes zur Lunge gelangen lasse, bei den mit Kiemen und Lungen gleichmässig athmenden Anurenlarven aber in Folge einer für die Lungen vortheilhafteren Einrichtung der gleichen Gefäss- bahnen jene Organe schon von Anfang an alles Blut des 4. Gefässbogens und den grösseren Theil des Blutes vom 3. Bogen empfangen. Jede wesentlich aus den zwei ersten Aortenbögen gebildete Aortenwurzel unserer Unkenlarven umkreist die hintere Schädelbasis und vereinigt sich dicht hinter der Grenze des Kopfes mit der anderseitigen (Taf. XV II Fig. 305. 306. 316. 317). Vor ihrer Vereinigung oder dem Anfange der Aorta finde ich eine quere strangförmige aber zarte Brücke zwischen beiden Aortenwurzeln ausge- spannt. Ihre Bedeutung ist mir unbekannt geblieben; doch habe ich durch sie feststellen können, dass jene Vereinigungsstelle der beiden Aortenwurzeln zur ungetheilten Aorta, welche später viel weiter rückwärts angetroffen wird, diese Lageveränderung nicht mittelst einer Ausdehnung oder Verschiebung der ganzen Wurzeln (vgl. Ruscont Nr. 6 S. 48), sondern durch eine nach hinten fortschreitende Spaltung der Aorta ausführt. Bevor jedoch die Aorta voll- ständig angelegt ist, entwickelt sich eine neue besondere Verbindungsbahn zwischen dem 1. Aortenbogen und der Aortenwurzel. Die Carotis hat sich nämlich schon während der Entwickelung des zweiten Aortenbogens bis an das Wurzelstück des ersten Wirbelbogens verlängert, unter welchem sie in die Sattelgrube eintritt, um von dort aus sich in zwei Aeste fortzusetzen. Der vordere verläuft als ihre gerade Fortsetzung jederseits an der anatomischen Hirnbasis nach vorn, wobei er durch das Austrittsloch des Sehnerven eine A. ophthalmiea abgibt; der andere Ast (R. communicans carotidis posterior) steigt aus der Sattelgrube gerade auf und umgreift, dem Vorderhirn dicht anliegend, dessen Basaltheil oder den Hirntrichter bis an seine Oberseite, wo ® Die Urodelenlarven zeigen solche Lungen, wie sie den Anurenlarven in der ersten Larvenperiode eigen sind (Taf. XVII Fig. 318), dickwandige Cylinder, welche selten vereinzelte Luftblasen enthalten; die Lungen der Anurenlarven erscheinen von dem ange- gebenen frühen Zeitpunkte an als weite und dünnwandige, gewöhnlich prall mit Luft ge- füllte Säcke. 48* 756 X. Das Herz und das Gefässsystem. er in dem sogenannten mittleren Schädelbalken Raruke's eingebettet ist (Fig. 305. 316.377). Von dort aus geht unser R. communicans in die Basilar- arterie seiner Seite über, welche alsdann auch eine hintere Fortsetzung im Rückenmarkskanale besitzt (A. spinalis inferior); indem aber beide Basilar- arterien sowie diese ihre Fortsetzungen unter dem Hirn und Rückenmark allmählich zusammenrücken und sich endlich zum unpaaren medianen Stamme vereinigen, erscheint dieser als Zusammenfluss jener nach hinten konvergirenden Karotiszweige. Die beiden primitiven Wirbelarterien und ihre noch getrennten ‘vorderen Fortsetzungen, die Basilararterien, bilden also jederseits die hintere Hälfte, die inneren Karotiden mit ihren hinteren Verbindungszweigen die vordere Hälfte eines cerebralen Gefässbogens, welcher dem extra- kraniellen Herz-Aortenbogen gleichsam von oben aufgesetzt ist. Bevor dieser cerebrale Gefässbogen vollendet ist, müssen die ersten ins Herz und die Aorten- bögen eintretenden Blutwellen von beiden Seiten her, von vorn durch die Karotiden, von hinten durch die primitiven Wirbelarterien dem (Gehirn zuge- führt werden. Während der Vollendung des Bogens bilden sich bereits die Seitenbahnen, in welche sich die beiderseitigen Blutströme vertheilen, sodass sie nicht mit der ganzen Masse in der Hauptbahn aufeinanderstossen, sondern die Karotiden mehr das Hirn, die primitiven Wirbelarterien das Rückenmark versorgen; und wenn der Blutzufluss zu den letzteren schon durch die indess erfolgte Bildung der Aorta abnimmt, was man an den sich verengenden Gefäss- lichtungen erkennt, so hört er sehr bald, noch zu Ende der ersten Larven- periode ganz auf, indem die primitiven Wirbelarterien verschwinden und ihr Gebiet ganz den Karotiden überlassen. An das bisher geschilderte zusammenhängende Gefässbogensystem des Kopfes fügt sich als letztes Glied eine im Zungenbeinbogen verlaufende Arterie an. Sie entsteht ganz wie die Aortenbögen in der Aussenschicht der Seiten- platte und nach innen vom lateralen Segmente, liegt also im Bauchtheile des betreffenden Bogens zwischen dem M. subhyoideus und dem grossen Zungen-. beinhorn, welcher den Kiemenknorpeln homolog ist, im Seitentheile des Zungenbeinbogens dagegen, welcher seine Seitenplatte frühzeitig verlor, zwischen dem Darmblatte und den Senkern des Unterkiefers und Zungenbeins an der Vorderseite der Paukenhöhlenbucht; der Gesichtsnerv verläuft vor dem Gefässe (Taf. XIV Fig. 259, Taf. XVI Fig. 294. 295, Taf. XVII Fig. 316, Taf. XXI Fig. 377). Dasselbe hängt an der Bauchseite des Schlundes mit der Wurzel des ersten Aortenbogens zusammen; dieser Ursprung wird aber 2. Die Arterien. 7157 durch das Auswachsen des letzteren etwas lateralwärts verschoben, sodass jenes Gefäss wie ein Zweig des Aortenbogens erscheint (Fig. 319). Im Zungen- beinbogen aufsteigend erreicht es hinter und unter dem Ganglion des N. facia- lis den Karotisast des ersten Aortenbogens und mündet in denselben. Da nun der vorwärts gerichtete Strom der Carotis schon vor jener Verbindung bestand, und die in sie mündende Arterie des Zungenbeinbogens viel dünner ist, so kann gar nicht daran gedacht werden, dass die letztere ihr Blut durch die Carotis zu den übrigen Aortenbögen hinüberleite und auf diese Weise sich ihnen funktionell änschliesse. Sie kann folglich ihren Blutstrom , solange und wenn er überhaupt aufsteigt, nur demjenigen des cerebralen Gefässbogens beimischen und verhält sich zu den Aortenbögen so wie die 4. Kiemenarterie: sie stimmt mit ihnen in der Anlage, nicht aber in der Bedeutung für den allgemeinen Kreislauf überein. Wenn ich aber die Möglichkeit zugebe, dass das Blut des in Rede stehenden arteriellen Verbindungsbogens anfangs in den cerebralen Gefässbogen aufsteige, so dauert dies jedenfalls nur kurze Zeit. Schon im An- fange der zweiten Larvenperiode finde ich sein Mittelstück enger als die beiden Endstücke, von denen das untere in der geraden Fortsetzung seiner nach vorn gerichteten Wurzel alsbald einen Zweig entwickelt, der an der Aussenseite des M. genio-hyoideus verläuft. Nach einiger Zeit obliterirt jenes Mittelstück voll- ständig, sodass ich vom ganzen ursprünglichen Gefässbogen nur noch seine ventrale Wurzel mit der geraden vorderen Fortsetzung oder die A. lingualis mit einem dünnen in den Zungenbeinbogen aufsteigenden Seitenzweige, und das obere Endstück finde, welches sich gleichfalls nur als Wurzel einer neuge- bildeten Arterie erhält, welche für den Unterkieferbogen bestimmt ist (Fig. 294. 305. 363. 377). Sie dringt unter dem Suspensorium in die Masse der Kau- muskeln und gelangt zuletzt unter und hinter den Unterkiefer, um vor dem Ursprunge der Schilddrüse im Bildungsgewebe, später wohl im M. submaxilla- ıis zu enden. Dass diese A. temporo-maxillaris noch viel weniger als die vergängliche Verbindungsbahn des Zungenbeinbogens mit einem Aorten- bogen verglichen werden kann, liegt auf der Hand. Während der Larvenmetamorphose unterliegen die Aortenbögen gewissen Abänderungen, wodurch das bleibende Gefässsystem des Koptes hergestellt wird (Taf. XXI Fig. 378). Indem die Fortsetzung des 1. Aortenbogens vom Ursprunge des Karotisastes bis zur Mündung des 2. Aortenbogens (R. commu- nicans aut.) obliterirt und nur als dünner Strang bestehen bleibt, wird das Blut des genannten Bogens nicht mehr dem Rumpfe, sondern ausschliesslich 758 X. Das Herz und das Gefässsystem. der vorderen Kopfhälfte zugeführt; er wird so zum Stamm der Carotis, welcher die längst bekannte, aber von LeyDIG zuerst richtig erkannte Anschwellung zeigt (Nr. S1 S. 55). Der 2. Aortenbogen wird dadurch und durch die gleich- zeitige Rückbildung des Boratrrschen Ganges zum ausschliesslichen Ur- sprunge der Aortenwurzel, der 3. Aortenbogen nach dem Schwunde- des 4. Kiemengefässbogens zur einfachen Lungenschlagader seiner Seite. Ein zweiter Ast des 3. Aortenbogens, nämlich die von BuRoWw zuerst genauer beschriebene A. cutanea (Nr. 144 S. 11), entwickelt sich erst während der Metamorphose. — Die Aortenwurzel verliert ihren ersten Zweig, die primitive Wirbelarterie, bereits sehr frühe; dadurch wird aber der Zufluss zur A. spinalis inferior von unten her nicht ganz aufgehoben, indem jene vergängliche Wirbelarterie abge- sehen von kleineren neugebildeten Aortenzweigen namentlich durch eine blei- bende Wirbelarterie ersetzt wird, welche an derselben Stelle wie die erstere aus der Aortenwurzel entspringt, aber nach innen von den Stammuskeln (M. intertransversarius capitis inferior), zwischen diesen und der Wirbelsaite und durch das erste Zwischenwirbelloch in den Rückenmarkskanal eindringt (Taf. XXI Fig. 372). Sie entlässt auch die A. supravertebralis anterior. Hinter der Wirbelarterie entwickelt sich aus der Aortenwurzel in dem Masse, als die vordere Extremität hervorwächst, die A. subelavia. — Gleich hinter der Vereinigung beider Aortenwurzeln entsendet die Aorta ihren stärksten Ast, die A. mesenterica, welche an derselben Stelle wie die Hohlvene die Wirbel- säule verlässt, sodass jene rechts, die Arterie links hinüberneigt (Fig. 363.572. 377). Da die Gekrösearterie im erwachsenen Thiere als Ast der linken Aorten- wurzel erscheint, so liefert dies einen neuen Beweis, dass die Aorta der Anuren sich rückwärts spaltet und dadurch ihre Wurzeln verlängert. Rückwärts ver- läuft die Aorta der Larven bis an das Schwanzende der Wirbelsaite und gibt auf diesem Wege zahlreiche obere und untere Zweige ab. Die ersteren steigen an der Innenseite der Stammuskelplatten und längs deren Scheidewänden auf, und gelangen mit einer geraden Fortsetzung in die dorsale Flosse, während ein Seitenzweig in der halben Höhe jeder Muskelscheidewand dieselbe durchbohrt und an ihrer Aussenseite sich in eine obere und eine untere Vene (V. vertebra- lis) theilt. Die unteren Aortenzweige versorgen im Rumpfe die Baucheinge- weide und die Leibeswand, im Schwanze dessen untere Flosse. Mit der Ent- wickelung der hinteren Extremitäten erschemen die beiden Aa. iliacae. Nach der Larvenmetamorphose bleibt von der kaudalen Fortsetzung der Aorta nur 3. Die Venen. 159 ein kleines unpaares Stämmchen zurück, welches im Theilungswinkel der beiden Aa. iliacae wurzelt (Taf. XXI Fig. 380). 3. Die Venen. Das Venensystem entwickelt sich von mehreren getrennten Hauptanlagen aus, welche sich in zwei natürliche Gruppen scheiden: die eine gehört dem Kopfe, den Stamm- und Seitentheilen des Rumpfes an, die andere ausschliess- lich den Eingeweiden. Alle Hauptanlagen der ersten Gruppe erscheinen zuerst als Reihen zusammenhängender grösserer Lakunen des interstitiellen Bildungs- gewebes, welche sich darauf in Kanäle verwandeln und dann gleich den Arte- rienstämmen ihre feineren Verzweigungen vom Stamme aus, aber im Hinblick auf ihre spätere Stromrichtung stromaufwärts entwickeln. Die zuerst auf- tretende dieser Anlagen, welche mit den Aortenbögen ohngefähr um dieselbe Zeit entsteht, kann mit Rücksicht auf ihre spätere Ausbildung gleich anfangs in drei Abschnitte zerlegt werden, welche in einem Punkte zusammentreffen, sodass der eine die gemeinsame Fortsetzung der beiden anderen "bildet. Dies sind Theile der Drosselvene, die Stammvene (V. cardinalis RATHkE) und der sie vereinigende Ductus CuVIERI (RATHKE). | Von der Drosselvene finde ich zunächst ein kurzes, horizontales Stück, welches unter dem äusseren Rande der ersten Stammuskelplatten des Rumpfes liegt und alsbald sich in eine vordere Wirbelvene fortsetzt, welche aussen an der Grenze der 2. und 3. Stammuskelplatte aufsteist und die dorsalen Venen des vorderen Rumpftheils sammelt (Fig. 238—240). An dieses horizon- tale Stück schliesst sich an der hinteren Kopfgrenze ein gleichfalls an der Aussenseite der Muskeln aufsteigendes Stück der Drosselvene, welches von hinten her zwischen die Vaguswurzel und das Hinterhirn tritt und so den Anfang der V.jugularisinterna bezeichnet. Bevor aber diese letztere sich ausbildet, erscheint die V. jugularis externa als der mächtigste Theil des Drossel- venensystems (Fig. 273—278. 305. 306. 315—317. 377). Sie umkreist in weitem Bogen, welcher dem inneren arteriellen Bogen von dem Schädeleintritt der Carotis bis zu den Aortenwurzeln koncentrisch verläuft, den unteren äusseren Umfang desÖhrbläschens und liegt dabei lateralwärts vom Facialis, Glossopharyn- geus und Vagus, sodass also diese Nerven den arteriellen vom venösen Bogen trennen. Hinten mündet die äussere Drosselvene unter der Wurzel des Seiten- nerven in die innere Vene; vorn dringt sie zwischen dem Facialis und dem Gasser'schen Nervenknoten in den Schädelraum, nachdem sie vorher einige 760 X. Das Herz und das Gefässsystem. stärkere Zweige in den Zungenbein- und Unterkieferbogen entsandt hat. Der horizontale Stamm der vorderen Wirbelvene und die gemeinsame Wurzel der inneren und äusseren Drosselvene verbinden sich zu einem kurzen gemeinsamen Stamme oder der V. jugularis communis, welche hinter dem Kiemen- apparate hinabläuft; dort trifft sie mit der von der Urniere kommenden Stamm- vene zum abwärts ziehenden Ductus CuvIErr zusammen. Die letztgenannten Venenstämme liegen dem Parietalblatte aussen an, also in der künftigen Leibes- wand, und werden von den später erscheinenden Bauchmuskeln bedeckt. — Mit diesen Beobachtungen, welche bis in den Anfang der zweiten Larvenperiode reichen, schliesse ich die Entwickelungsgeschichte der Y. jugularıs, da es mir nicht gelang, Präparate derselben aus der späteren Larvenzeit herzustellen. Die Stammvene wendet sich aus dem Ductus Cuvierı sofort auf- und rückwärts zur Urniere und geht vollständig in die Zwischenräume der Schläuche derselben über, um erst am oberen hinteren Ende des Organs wieder zu einem Gefässe zusammenzufliessen (Fig. 235— 240. 263—265. 78—281. 308-311). Um eine richtige Vorstellung von den genetischen Beziehungen der Urniere und der Stammvene zu gewinnen, muss man sich vergegenwärtigen, dass die Anlage dieses Gefässes in Lakunen besteht, welche zwischen dem Parietalblatte und der ihm sonst eng anliegenden inneren Segmentschicht auftreten, und dass anderseits die Urniere aus schlauchförmigen lateralen Ausstülpungen desselben Parietalblattes sich entwickelt, welche jene Segmentschicht ebenfalls nach aussen abheben und so zwischen und um sich unregelmässige, von spärlichen Bildungszellen durchzogene Zwischenräume hervorrufen, welche mit den an sie herantretenden Venenanlagen in Kommunikation treten und von ihnen aus mit Blut gefüllt werden. Indem der vom ganzen Organ eingenommene Raum sich allmählich gegen die Umgebung abschliesst und abkapselt, liegen seine Schläuche gleichsam frei in einem von Bildungszellen durchzogenen Venensinus, der in den Verlauf der Stammvene eingeschaltet ist; und während ferner die sich verlängernden und aufknäuelnden Urnierenschläuche diesen Sinus in ein System von allseitig zusammenhängenden Spalträumen verwandeln, können die Bildungszellen die engen Stellen derselben ganz abschliessen, die weiteren zum Theil oder ganz auskleiden und so den weiten ursprünglichen Gefässsack in ein pfortaderähnliches Gefässnetz der Urniere umbilden, welches aus der Stammvene kommt und in deren Fortsetzung wieder übergeht. Die Stammvene verlässt die Urniere zugleich mit dem Urnierengange, an dessen mediale Seite sie ange- schlossen bleibt, und gleitet dann über das Parietalblatt (parietales Bauchfell) 3. Die Venen. ol median- und rückwärts bis gegen die Gekrösefalte, sodass beide Gefässe den medianwärts von ihnen gelegenen Aortenwurzeln ohngefähr parallel nach hinten konvergiren; unter den Stammuskeln angelangt wenden siesich gerade nach hinten, lateralwärtsnoch immer von den Urnierengängen, medianwärts von den aus den Ge- krösefalten hervorwachsenden Nierenanlagen eingefasstund unterdem Niveau der Aorta gelegen (Taf. XI Fig. 197, Taf. XX Fig. 362. 363). Während daraufdie Gekrösefalten unter der Aorta zusammenstossen, nähern sich auch die Nierenan- lagen mit den Venen und Urnierengängen der Medianebene, indem sie zwischen die Aortaund die neugebildete Gekrösewurzel eindringen, sodass zuletzt nur noch die komprimirten Wurzeln der Nierenanlagen die Venen unter der Aorta trennen, während der Haupttheil jener Anlagen jederseits zwischen den beiderlei Ge- fässen nach aussen und oben gedrängt, über die Stammvene hinüber den Ur- nierengang erreicht (Fig. 198). Zu Ende der ersten Larvenperiode löst sich die Verbindung der Nieren und Gekrösefalten vollends, sodass die beiden Stamm- venen lediglich durch ihre eigenen dünnen Wände geschieden den Raum zwischen der Gekrösewurzel und der Aorta ausfüllen. Diese ihre Anemanderlagerung reicht bis gegen das Ende des Rumpfes, wo an Stelle der Nieren der oberste Theil der Darmanlage sich aufwärts zwischen die Venen drängt und sie dort bleibend trennt. Indem aber die gerade Fortsetzung jenes Darmtheils als Schwanzdarm aus dem hinabziehenden Afterdarm frei hervortritt, stossen die unter seinem Niveau verlaufenden Stammvenen unter ihm zusammen und ver- schmelzen zur unpaaren unteren Schwanzvene (Fig. 363. 377). Der Schwanzdarm liegt also zwischen den kaudalen Fortsetzungen der arteriellen und venösen Hauptgefässe des Stammes. Dort, wo die Stammvenen die Wurzel des Schwanzdarmes nach unten und hinten umgreifen, entwickeln sie jederseits in derselben Richtung einen starken Ast, die V. iliaca, welche zwischen dem Afterdarm und der Anlage des Beckens abwärts verläuft, um darauf nach vorn in die A. iliaca bogenförmig überzugehen. Der ganze Kreislauf an der Wurzel der hinteren Extremität besteht also anfangs in einer einfachen mit der Aorta und der Stammvene zusammenhängenden Schlinge; durch Wachsthum, Ver- zweigung und fortgesetzte Schlingenbildung dieser ersten Anlage entsteht dann der definitive Kreislauf mit arteriellem, venösem und kapillärem Gebiete ganz ähnlich wie derjenige des Schwanzes aus den einfachen bogenförmigen Ueber- sängen der ursprünglichen kaudalen Hauptgefässe (8. 509 —511). Auf dieselbe Weise sammelt also die untere Schwanzvene das zurückströmende Blut der unteren Schwanzhälfte, sowohl aus den gerade nach unten gerichteten wie auch 762 X. Das Herz und das Gefässsystem. aus den durch die Muskelplatten zurücklaufenden Zweigen. Die zwischen den oberen Rändern der Muskelplatten hinziehende obere Schwanzvene sammelt die übrigen Venenzweige der dorsalen Flosse und ergiesst sich an der Schwanz- wurzel jederseits mit zwei äusseren, intersegmentalen Stämmchen in die V. cardinalis. Eine Fortsetzung der oberen Schwanzvene in den Rumpf hinein existirt nicht; vielmehr werden die dorsalen Gefässschlingen der hinteren Rumpfhälfte in einzelne Venenäste hinübergeleitet, welche unregelmässig, bald die Muskeln ganz von aussen umgreifend, bald dieselben durchbohrend die Stammvenen erreichen. Die stärkste dieser hinteren Wirbelvenen scheint mir die erste zu sein, welche an der nächsten hinter der vorderen Wirbelvene gelegenen Muskelscheidewand und hinter der Urniere hinabsteigt (Fig. 362). Dicht über der Mündung dieser hinteren Wirbelvene finde ich in der letzten Zeit der ersten Larvenperiode eine Erweiterung des Gefässes, welche alle übrigen (refässlichtungen an Grösse übertrifft. Wenn ich das Mikroskop auf die ent- sprechende Stelle der Obertläche einer etwas älteren lebenden Larve einstelle, so sehe ich einen runden, blutrothen Fleck, welcher durch regelmässige Pul- sationen bewegt wird. Da nun J. MüLLer solche von dem vorderen Lymphherz abhängige Pulsationen an der vorderen, in die Drosselvene sich ergiessenden Wirbelvenen des erwachsenen Frosches nachgewiesen hat (Nr. 143 8. 299), so muss ich annehmen, dass jene erste hintere Wirbelvene später, wenn ihr Abfluss in die atrophirende Stammvene aufhört, mit der vorderen Wirbelvene sich verbindet und so deren Gebiet vergrössert. In der beschriebenen Anordnung bleiben die Stammvenen und die meisten ihrer Zweige nicht lange bestehen. Die erste Veränderung wird durch die Ent- wickelung des vorderen, von der Wirbelsäule zur Leber niedersteigenden Ab- schnitts der hinteren Hohlvene herbeigeführt. Ich werde diesen Vorgang weiter unten genauer schildern und erwähne hier nur seinen Enderfolg, welcher darin besteht, dass jener von den Stammvenen unabhängig entwickelte Hohlvenen- abschnitt dierechte Stammvene von vorn und unten dicht vor ihrem Zusammen- treffen mit der linken und neben der Wurzel der A. mesenterica erreicht und mit ihrsich verbindet (Fig. 363). Dies geschieht im Anfange der zweiten Larvenperiode und hat zur Folge, dass das Blut aus dem hinter jener neuen Mündung der rechten Stammvene gelegenen, bei weitem grössesten Abschnitte derselben durch zwei Bahnen, also leichter abfliessen kann als aus der linken Stammvene. Zu gleicher Zeit ist auch die zwischen den aneinandergelagerten Stammvenen noch bestehende Scheidewand gegen die linke Gefässlichtung konvex vorgewölbt, 3. Die Venen. 7163 also die linke Vene viel weniger gefüllt als die rechte, was wohl so zusammen- hängen mag, dass der leichtere Abfluss durch die letztere auch einen stärkeren Zufluss zu derselben aus der gemeinsamen Quelle beider Blutbahnen, nämlich der Schwanzvene hervorruft. Unterdessen drängen sich die frei gewordenen Nierenanlagen jederseits zwischen die Stammvene und den Urnierengang ein und geben dadurch Veranlassung, zu zweierlei Umbildungen der Stammvenen. Wenigstens möchte ich auf diesen Umstand zunächst ihre Verschmelzung in dem grösseren vorderen Theile ihres Verlaufes zwischen den Nieren zurück- führen, da die letzteren dort am stärksten entwickelt und einander am meisten genähert sind, während ihre schmächtigen, sich von einander entfernenden hinteren Abschnitte auch die getrennt bleibenden, in der angegebenen Weise ungleichen Stammvenenabschnitte zwischen sich fassen (Fig. 380). Der auf diese Weise entstandene unpaare Venenstamm stellt die hintere Hälfte oder den Nierentheil der Hohlvene dar, sodass also dieses Hauptgefäss des erwachsenen Thieres aus zwei genetisch ganz geschiedenen Hälften hervorgeht. Seine vollständige Herstellung hat aber die Rückbildung der beiden ursprüng- lichen Urnierenabschnitte der Stammvenen von ihrem Zusammenfluss bis zu ihren Mündungen in die Ductus Cuvieri nicht zur unmittelbaren Folge, sondern dieselbe wird erst durch die allmähliche Schrumpfung der von ihnen durch- strömten Urnieren herbeigeführt. Diese Organe scheinen freilich in dem Masse, als ihre Funktion an die bleibenden Nieren übergeht und sie in Folge dessen atrophiren, sich von den Stammvenen abzuschnüren (Fig. 363); dennoch müssen sie dabei dem centripetalen Blutstrome dieser Gefässe hinderlich werden, denn dieselben veröden zuerst gerade in den vor den Urnieren gelegenen Hälften, während ich die mit der Hohlvene zusammenhängenden Abschnitte noch bei einjährigen Thieren theilweise mit Blut gefüllt angetroffen habe (Fig. 380). — Die bleibenden Nieren beeinflussen jedoch nicht nur die Umbildung der Stamm- venen, sondern auch diejenige ihrer Seitenzweige oder der hinteren Wirbel- venen. Während die Nieren zur Seite der Stammvenen zwischen jene ihre Längs- axe quer durchschneidenden Gefässe hineinwachsen, erhalten sie von ihnen zahlreiche, zu einem Gefässnetze zusammenfliessende Zweige, unter denen die ursprünglichen Stämmchen im engeren Bereiche der Nieren unkenntlich werden, sodass sie nur an den Rändern derselben, wo sie das Organ verlassen, als stärkere Gefässe hervortreten. Von diesen heissen nunmehr die medialen, welche sich in den Nierentheil der Hohlvene ergiessen, Vv. renales adve- hentes; die lateralen Stämmchen werden am Seitenrande der Niere durch 764 X. Das Herz und das Gefässsystem. fortlaufende Anastomosen oderdie Jacobson’'sche Vene verbunden, welche, da die letzten Wirbelvenen an der Mündung der V. iliaca die Stammvene noch unmittelbar erreichen, ebendaselbst mit der letzteren zusammentrifft und daher wie eine Fortsetzung derselben oder später der V. iliaca erscheint. Die Jacop- sox’sche Vene scheidet also jene lateralwärts von der Niere liegenden Abschnitte der ursprünglichen Wirbelvenen in innere Stämmchen, welche sich in die Niere einsenken und Vv. renales advehentes heissen und äussere, welche im (Grunde dieselbe Bedeutung haben, aber immerhin den alten Namen „hintere Wirbelvenen“ behalten mögen. Ihre Zahl ist schliesslich gering, was wohl eine Folge mehrfacher Verschmelzungen ist; denn wenn die ursprünglichen Wirbel- venen kaum mehr als je zwei Segmenten angehören, haben die späteren weit grössere Bezirke. Bei der Unke finde ich zwei solche Venen, welche am Vorderende und der Mitte der Niere sich in die Jacogsox’sche Vene ergiessen; eine dritte mündet mit der V. ıliaca zusammen. Dass die vor der Niere befind- lichen hinteren Wirbelvenen sich später wahrscheinlich an die vordere Wirbel- vene anschliessen, wurde bereits erwähnt. — Die getrennten hinteren Stamm- venenabschnitte bleiben den medialen Rändern der Nieren bis zu derer hinterem Ende, wo sie mit der Jacogson’ schen Vene und der Hüftvene zusammentreffen, und von dort an den Urnierengängen dicht angeschmiegt. Indem nun im Ver- laufe der Entwickelung die beiden hinteren Nierenenden divergirend auseinander- weichen, sodass hinter ihnen die freien Urnierengänge bis zu ihrer gemeinsamen medianen Mündung wieder konvergiren, bilden die getrennten Stammvenen- abschnitte eine rautenförmige Figur, deren vordere Spitze in die Hohlvene, die hintere in die untere Schwanzvene übergeht, und deren laterale Winkel den Zusammenfluss der Stammvenen mit den oben genannten Venen bezeichnen. Erst nach der Larvenmetamorphose atrophiren die vorderen Schenkel jener Rautenfigur und zwar, sowie die linkeStammvene schon frühzeitig die schwächere wurde, zuerst der linke Schenkel, während der rechte als Andeutung einer aus den Hüftvenen entspringenden Hohlvene, wie sie bei höheren Wirbelthieren be- steht, bisweilen noch in einjährigen Unken vorhanden ist (ZÜg. 380). Doch habeich auch das umgekehrte Verhalten angetroffen. Die lateralen Winkel der Rauten- figur ziehen sich allmählich je in ein kurzes unpaares Venenstämmchen aus, welches nach dem Schwunde der vorderen Schenkel einerseits eine V. renalis advehens für das Nierenende entwickelt, anderseits in den hinteren Schenkel übergeht; diese beiden hinteren Rautenschenkel erhalten sich aber, nachdem ihre Vereinigung in dem Reste der unteren Schwanzvene sich gelöst, als zwei 3. Die Venen. 765 hinter dem Mastdarm rückwärts verlaufende Venen. Es sind die einzigen in den vollendeten Zustand des Venensystems übergehenden Reste der getrennten Stammvenen. Hinsichtlich der Ductus Guvieri kann ich mich kurz fassen. Es sind kurze Gefässstämme, welche anfangs vom Zusammenfluss der Drossel- und der Stammvene hinter der Kopfregion senkrecht in der Leibeswand hinablaufen undnach dem Schwunde der Stammvenenals Vv. cavae anteriores s. ano- nymae jederseits die Verbindung der Drosselvene und der V. subelavia darstellen (Fig. 238—240. 255. 262. 296. 302. 311. 312. 318. 319. 363.377). Sie haben zuerst wie alle grossen primitiven Gefässe keine Mündung, sondern endigen blind im obersten Abschnitte jener Falte des Parietalblattes, welche dieses auf die perikardiale Visceralblattfläche der Leber vorschiebt; während der Ver- wachsung jener sich berührenden Blätter durchbrechen die Ductus CuvIzrt diese sie von der Höhle des Venensacks trennende Scheidewand und münden dann seitlich in den letzteren ein. In ihre Mündung ergiesst sich noch ein selbst- ständig entstehender Venenstamm des Kopfes, die V. jugularis inferior (V. jugularis externa Grusy Nr. 145 $. 224. 225). Sie verläuft ohngefähr parallel der A. lingualis, aber am medialen Rande des M. genio-hyoideus, und nachdem sie ihn an seinem Ursprunge überschritten, am lateralen Rande des M. sterno-hyoideus* und unter den Wurzeln der Aortenbögen rückwärts bis zur Mündung der Ductus Cuvıeri, welche sie von oben her erreicht (Fig. 255. 273—277. 302.310. 312. 319. 363). Während die zwischen der Bauch- und Perikardialhöhle hergestellte Scheidewand in ihren freien, selbstständigen Randtheilen oder der beschriebenen Duplikatur des Parietalblattes sich aus- dehnt, also auch die Leber mit dem Venensack von der Leibeswand entfernt, werden die anfangs unmittelbaren Mündungen der Ductus OuVIERI in kurze, zwischen der Leibeswand und dem Venensacke ausgespannte Stämme aus- gezogen. Als letzter Venenstamm der ersten Gruppe ist die V. abdominalis zu nennen. Ihre paarigen Anlagen liegen jederseits in der unteren Bauchwand unmittelbar auf dem Parietalblatte oder dem Bauchfelle und erstrecken sich zuerst von der Lebergegend nur eine kurze Strecke rückwärts. Neben der Leber durchbrechen sie die ihr angeheftete Duplikatur des Parietalblattes gerade so wie die Ductus CUVIERI, nur dass diese mehr von oben, die Bauch- * Dieser laterale Rand ist anfangs, solange der Muskel den Herzbeutel nur oben um- oreift, natürlich ein oberer Rand. 766 X. Das Herz und das Gefässsystem. venen von unten in den Venensack münden (Fig..277. 296. 302.371). Rückwärts verlängern sie sich bis in die Beckengegend, wo sie mit den Venen der Extremitäten in Verbindung treten (Vv. epigastricae) una namentlich das Venennetz der Harnblase aufnehmen. Später verschmelzen diese hinteren Abschnitte der Bauch- venen vonder Harnblasean vorwärts zu einem Stamme(Fg.380), worauf in dem noch getrennten vorderen Verlaufe die rechte Bauchvene völlig schwindet, sodass die linke allein die Fortsetzung des hinteren Stammes bildet. Wenn man die Be- ziehungen der Allantois zur Harnblase bei den höheren Wirbelthieren berück- sichtigt, so erscheinen die Bauchvenen der Anuren als richtige Stellvertreter der Umbilikalvenen der Amnioten, um so mehr, als sie später in unmittelbare Beziehungen zu den Dotterdarmvenen treten, welche sich als Homologa der Vv. omphalo-mesentericae erweisen. Diese und eine andere Verbindung der Bauchvene können aber erst nach der Betrachtung der eigentlichen Eingeweide- venenstämme verständlich werden. Das viscerale Venensystem im engeren Sinne scheidet sich gleichfalls in mehre Gruppen. — Die Dotterdarmvenen habe ich als zwei Gefässstämme beschrieben, welche jederseits das Dotterblut sammeln und über der Leber- anlage dem Herzen zuführen, an dessen hinterem Ende sie sich zum Venen- sacke verbinden (Taf. XIII—-XV). Diese Darstellung passt aber nur auf den ersten Entwickelungszustand der Dotterdarmvenen. Was zunächst deren Wurzeln, die Dottergefässe betrifft, so sind sie nicht von sehr langem Bestande; denn sobald die Dotterzellenmasse bis unter den Mitteldarm abgeschnürt ist, beginnt ihre Umwachsung durch das Darmblatt, welches folglich an Stelle der ersteren zur Unterlage des Visceralblattes wird und dadurch die Bildung des Dotterblutes und seine Abführung in die Dotterdarmvenen unterbricht (S. 265. 266). Desshalb ist aber der Blutzufluss zu den letzteren nicht aufgehoben. Sehr bald nach der Anlage der ersten Dottergefässe finden sich auch primäre (sefässanlagen zwischen dem Visceralblatte und unzweifelhaften Dotterblatt- theilen, welche auf der kontinuirlichen Unterlage (Darmblatt, Dotterzellen- masse) mit den Dottergefässen ähnlich wie die Dotterdarmvenen in Verbindung treten und sich in demselben Masse ausbreiten als die ersteren durch das aus- wachsende Darmblatt beschränkt und verdrängt werden (Fig. 362). Die Dotterdarmvenen kommuniciren also sehr bald nieht nur mit den Dottergefäs- sen, welche man ja wohl als Venen bezeichnen muss, sondern, wie ihr Name besagt, auch mit eigentlichen Darm- und Eingeweidevenen, welche wäh- rend der Rückbildung der Dottergefässe an deren Stelle treten und so die 3. Die Venen. 7167 Dotterdarmvenen in blosse Darmvenenstämme verwandeln. Während dieses eigenthümlichen Wechsels im Ursprungsgebiet unseres Venensystems werden auch seine ausführenden Stämme wichtigen Veränderungen unterworfen. Wenn sie anfangs in ihren vordersten Abschnitten, namentlich in der Anlage des Venensackes und sogar im Uebergange zum freien Herzschlauche bloss als zwei getrennte primitive Gefässröhren erscheinen, so finden sich doch schon in jener ersten Zeit ihrer Entstehung etwas rückwärts neben der Wurzel der Leberanlage einige kleinere Gefässlichtungen statt der einen grossen (Fig. 237 — 239. 255). Diese Vermehrung der Dotterdarmvenen nimmt während ihrer weiteren Ausbildung zu, sodass zwei einfache Stämme derselben eigent- lich nur ganz vorn und wegen der frühzeitigen Verschmelzung zum Venensacke nur kurze Zeit bestehen. Indem sich nun die Leberanlage gegen den übrigen Vordarm abzuschnüren beginnt, wobei ihre Wurzel, der primitive Lebergang mit der medianen unteren Aussackung der Gallenblasenanlage, sich abwärts zusammenzieht, rücken die über dieser Wurzel gelagerten Dotterdarmvenen gleichfalls hinab. Die eigentliche Leberanlage wächst dagegen vorwärts und aufwärts gegen den Perikardialsack aus, hebt also den Venensack und zieht zugleich ihre Wurzel vor, sodass sie gewissermassen zwischen diese Theile sich einfügt (Taf. XVL XXI Fig. 572). Ferner verändert sich ihre blindsack- artige Darmblattanlage sehr wesentlich. Wenn ihre Fläche anfangs ganz glatt und darauf mit flachen Buckeln sich dem Visceralblatte anlegte und daher nur im Verlaufe der Grenzeinschnürung gegen den Vordarm zur Bildung der Dotter- darmvenen geeignete Lücken unter dem Visceralblatte entstehen liess, so nimmt ihre Unebenheit allmählich so zu, dass die Buckeln in kolbige Auswüchse, diese aber durch mannigfache Verschmelzung in ein massiges Balkenwerk sich ver- wandeln, wobei die sackartige Grundlage zu dieser Umbildung verbraucht, in sie hineingezogen wird. Auf diese Weise schiebt sich in den Verlauf der in der Eintwickelung begriffenen Dotterdarmvenen und zwar zwischen ihre Mündungen in den Venensack und ihre zur Seite der Gallenblasenanlage gelegenen hinteren Abschnitte allmählich eine von netzförmig verzweigten und verbundenen /wischenräumen durchzogene Masse ein; und gerade so wie ein ähnliches In- einandergreifen der Entwickelung eines Gefässverlaufs und eines drüsigen Or- gans die Stammvene zur Auflösung in ein die Urniere durchziehendes Gefäss- netz brachte, verwandeln sich auch die Zwischenräume der Leber gleichsam in Folge einer Zerklüftung der noch unausgebildeten Dotterdarmvenen in ein voll- ständiges Grefässnetz, welches nur vorn mit dem Venensacke, rückwärts und 768 X. Das Herz und das Gefässsystem. unten mit den noch intakten hinteren Abschnitten der Dotterdarmvenen kom- municirt. Ich mache noch besonders darauf aufmerksam, dass in der Leber anfangs ebenso wenig wie in der Urniere die Gefässanlagen vollkommen sind, das Blut vielmehr die Zwischenräume beinahe ganz ohne eigene Wandungen durchströmt (2g. #72); diese entwickeln sich erst allmählich von den benach- barten Gefässen aus und unter direkter Betheiligung der embryonalen Blut- zellen , welche ja als Dotterbildungszellen das interstitielle Bildungsgewebe überall ergänzen. Die Umbildung dieses einfachen kontinuirlichen Lebergefäss- netzes in ein zu- und ein ausführendes Gefässsystem durchsekundäre Vorgänge, wie solche die einfache Gefässschlinge der Extremitätenanlage in die Gesammt- heit ihrer Arterien, Venen und Kapillaren verwandeln, widerlegt hinlänglich die Auffassung, dass jene zwei Lebergefässsysteme von zwei getrennten Ursprüngen aus in die Lebermasse hineinwüchsen. Von den ausserhalb der Leber zurück- gebliebenen Abschnitten der ursprünglichen Dotterdarmvenen sind nun die Mündungen in den Venensack als die ausführenden Lebervenen zu be- trachten; die hinten in das Organ eintretenden Gefässe atrophiren auf der rechten Seite frühzeitig, links von der@allenblase vereinigen siesich aber zueinem Stamm, der Pfortader. Da die Pfortader ebenso wie ihre Anlagen innerhalb des Visceralblattes an der Hinterseite der Leber, also auch innerhalb der späteren Bauchhöble liegt, die in der Leibeswand verlaufende Bauchvene aber erst durch die stets mit der Vorderfläche der Leber zusammenhängende Dupli- katur des Parietalblattes an den Venensack gelangt, so kann von einem ursprüng- lichen Zusammenhange beider Gefässanlagen keine Redesein. Nurdie Mündungen der Bauchvenen und der Lebervenen in den Venensack sind anfangs insofern vei- bunden, als die erstere nach ihrem Durchbruch unter das Visceralblatt der Leber nicht weiter abgesondert erscheint sondern dort eigentlich mit den Mündungen aller übrigen Venenstämme zusammenfliesst (Fig. 371). Diese zuerst vermisste Absonderung des extraparietalen Verlaufs der Bauchvene vollzieht sich in der Folge ähnlich wie ich es von den Ductus Cuvizrt beschrieb. Wenn aber diese innerhalb der Duplikatur des Parietalblattes in der ursprünglichen queren Richtung ausgezogen werden, so tritt dagegen die Bauchvene rückwärts aus derselben hervor, indem sie auf dem Wege durch die vordere Bauchwand und an der linken Seite der Leber bis zum Venensacke eine sie einschliessende und in die Bauchhöhle vorspringende Peritonealfalte abhebt. Nachdem aus der ur- sprünglichen Leberanlageein linker Lappen zur Seite jener Faltehervorgewachsen ist, leitet dieselbe die Bauchvene durch den Einschnitt zwischen dem Mittelstück 3. Die Venen. 769 und dem linken Lappen der Leber unter und vor letzterer zum Venensacke, verhält sich also bis auf die abweichende Lage der Vene —- vor statt hinter der Leber — wie das Lg. suspensorium hepatis der Säuger. Auch geht die Bauchvene dort, wo sie die Leber streift, mit dem Gefässsystem derselben direkte und durch die Pfortader indirekte Verbindungen ein; dies geschieht aber erst sehr spät. Lange vorher ist sie mit einer Herzvene, welche in der Einschnürungs- furche zwischen der Kammer und dem Vorhofe entsteht und auf der rechten Seite sich unter den Venensack begibt, an der Mündung zusammengeflossen (Fig.379). Diese gemeinsame Mündung der Bauch- und der Herzvene atrophirt indessen zur Zeit, wann weiter rückwärts und unten die Verbindung der ersteren mit der Pfortader zu Stande kommt und das Bauchvenenblut nicht mehr direkt zum Venensacke, sondern in das Pfortadersystem und in die Leber fliesst, in Folge dessen auch das Herzvenenblut in den gleichsam unbenutzten, der unteren Leberseite angeschmiegten vorderen Abschnitt der Bauchvene und dann gleichfalls in die Leber geleitet wird. Die so ausserordentlich abweichenden Verhältnisse des Pfortadersystems der Batrachier (vgl. Nr. 145, Nr. 8011 8. 235) entstehen also dadurch, dass in Folge der nachträglichen Verbindung der Bauchvene mit der Leber ihr vorderster Abschnitt unter Umkehrung seines früheren Blutstroms in eine Fortsetzung der Herzvene bis zur Leber ver- wandelt wird. Wenn das Pfortadersystem der Batrachier sich aus mehreren getrennten Anlagen (Darm-, Herz-, Bauchvene) entwickelt, so zeigen die übrigen Venen des engeren visceralen Gebiets sehr viel einfachere Verhältnisse. Die Lungen - vene sehe ich, noch bevor die Theilung des primitiven Vorhofs sich vollzogen hat, an der Decke des Venensacks in einer nach innen vorspringenden Leiste entstehen und an der Hintergrenze des Venensackes aufwärts zur Lungenwurzel ziehen (Fig. 371.372). Ob diese Leiste eine Fortsetzung der hervorwachsenden Vorhofsscheidewand ist, habe ich nicht entscheiden können. Indem sich die Lungenvene darauf vom Venensacke nach aussen und oben abschnürt und anderseits in den linken Vorhof eröffnet, ist ihre Bildung vollendet. — Der von der Wirbelsäule zum Herzen niedersteigende vordere Abschnitt der Hohlvene entsteht ganz evident stromaufwärts (Fig. 378 — 380. 359 — 362. 376. 377). Ich werde im nächsten Kapitel auseinandersetzen, wie nach der Ver- schiebung der embryonalen Leberanlage aufdie rechte Seitesiedort in beständigem Zusammenhange mit dem übrigen Vordarme bis zu dessen Gekröse rückwärts auswächst, sodass von ihrer Oberseite, welche unmittelbar an den Venensack GoETTE, Entwickelungsgeschichte. 49 770 X. Das Herz und das Gefässsystem. : stösst, bis zur Gekrösewurzel eine besondere kontinuirliche Brücke hergestellt wird. Im Visceralblatte dieser Brücke entwickelt sich nun von der Hinter- wand des Venensackes aus ein Grefäss, dessen Lichtung anfangs unter allmäh- licher Abnahme nur bis in die Nähe der Gekrösewurzel sich verfolgen lässt, und erst in der zweiten Larvenperiode die rechte Stammvene erreicht, worauf sie mit dem sich daranschliessenden unpaaren Abschnitte beider Stammvenen oder der hinteren Hohlvenenhälfte die ganze V. cava posterior konstituirt. Ihrer Mündung in den Venensack schliessen sich später die Lebervenen an. Ueber die definitive Umbildung der embryonalen Blutzellen, deren Ent- stehung ich bereits beschrieben habe (S. 535) kann ich zu dem von früher her Bekannten nichts hinzufügen: während die Dotterplättchen in den Blutzellen allmählich schwinden, nehmen die Zellenleiber und Kerne ein homogenes, etwas opalisirendes Aussehen an, dann verlängern sie sich unter Abplattung von zwei entgegengesetzten Seiten und erhalten einen leichten gelblichen Schimmer. Diese fertigen gelben Blutzellen scheinen im Anfange der ersten Larvenperiode eine Zeit lang die einzigen Formelemente des Blutes zu sein; darauf erscheinen aber in demselben auch weisse Zellen, deren Ursprung ich aber erst im nächsten Kapitel erörtern kann. Bevor ich das Blutsystem ganz verlasse, mögen hier noch einige Be- merkungen über die ersten Anfänge der Blutbewegung, des Kreislaufs, Platz finden. Die ersten Herzkontraktionen habe ich an den Unkenlarven nicht beobachten können; doch scheint es mir nach den direkten Beobachtungen Vogr's an der Geburtshelferkröte sicher zu sein, dass jene Bewegungen bei allen Batrachiern nicht später beginnen als bei Fischen und Vögeln, nämlich noch vor dem Eintritt wirklichen Blutes in das Herz (Voct Nr. 26 8. 69, Nr. 123 S. 182. 185. 189, v. BAER Nr. 31S. 31—34). Nur kann ich Vocr darin nicht beistimmen, dass die Herzkontraktionen die ausschliessliche Ursache jeder Blutbewegung seien. Zuerst rufen sie nur undulirende Bewegungen des serösen Inhalts des Herzens und der mit ihm gleich anfangs verbundenen Dotterdarm- venen (Venenschenkel aut.) hervor; dann beginnt aus den letzteren Blut ins Herz hineinzufliessen und seinen Lauf stets in derselben Richtung vom venösen zum arteriellen Ende und in die sich daran schliessenden Gefässstämme fort- zusetzen. Nun kann schon jener nachträgliche Eintritt des Dotterblutes ins Herz weder durch die Herzkontraktionen noch durch den Anschluss der Körpergefässstiämme verursacht werden; denn die ersteren bestehen schon stundenlang vor jenem Einströmen des Blutes und anderseits kann jener An- Be. 3. Die Venen. aa schluss die Spannung des Herzinhalts nicht vermindern und dadurch auf das Blut gleichsam saugend wirken, da die primitiven Gefässanlagen nicht leere sondern ebenso gefüllte Räume sind wie das Herz. Und da ferner niemals ein Kreislauf des blossen Serums im Körper beobachtet wird, bevor nicht das Dotterblut oder wenigstens das Serum der Dotterdarmvenen in ihn einzu- fliessen begonnen hat, so kann auch die bestimmte Richtung jenes Umlaufs nicht ohne weiteres allein von den lange vorher thätigen Herzkontraktionen abhängig sein. Denken wir uns dagegen, dass die Spannung in den Dotter- gefässen in Folge der fortgesetzten endosmotischen Ansammlung von Inter- stitialflüssigkeit in den anfangs kompakten Blutinseln, der jene Gefässe ihre Entstehung verdanken (S. 538), allmählich über das Mass des Druckes ge- steigert wird, unter welchem der Herzinhalt steht, so lässt sich daraus die ver- misste Erklärung ohne Zwang ableiten. Einmal muss jene gesteigerte Spannung in den Dottergefässen eine Ausgleichung in den kontinuirlich mit ihnen ver- bundenen, aber unter geringerem Drucke stehenden Bluträumen, nämlich dem Herzen und den ihm bereits angeschlossenen Gefässen, suchen, folglich das Dotterblut allmählich in dieselben hineintreiben, wasdurch die Herzkontraktionen weder gefördert noch gehindert, sondern bloss rhythmisch geregelt werden kann. Und wenn die Spannung in den Körpergefässen durch das einströmende Blut mo- mentanauch vergrössert würde, so muss siedoch beidem beständigen Austritt des Blutes aus jenen Gefässen immer wieder unter das Mass derjenigen der Dotter- gefässe hinabgedrückt werden, welches durch den zunächst noch andauernden Ersatz des Abflusses sich relativ unverändert erhält. Die Dotterdarmvenen münden ferner von hinten her in das Herz, sodass ihr Blut in der Fortsetzung seiner ersten Strömung gegen das Vorderende des Herzens andringt und somit während des peripherisch getrennten Bestandes der Arterien und Venen in grösserer Masse in die Aortenbögen gelangen muss als in die Venenstämme, deren Mündungen theils gleich denen der Dotterdarmvenen nach vorn gerichtet, theils ihnen wenigstens nicht entgegengesetzt sind. Dass aber immerhin auch in die blind endigenden Venen Blut eindringt, sehe ich am deutlichsten am Mündungsstücke der Hohlvene, bevor es sich mit dem subvertebralen Nieren- theile derselben verbunden hat. Sobald nun die peripherische Verbindung der Arterien und Venen hergestellt ist, kann kein nennenswerthes Blutquantum aus dem Herzen in die Venenstämme eindringen, weil alsdann eben jener durch die Arterien auf sie fortgepflanzte Hauptstoss des Herzblutes stärker ist als der vom Venensacke her rückwärts aufsie ausgeübte Druck des an ihren Mündungen f 49* 772 X. Das Herz und das Gefässsystem. vorüberströmenden Dotterblutes, und folglich das Venenblut, wenngleich es früher unmittelbar aus dem Herzen kam, allmählich umgekehrt in dasselbe zurückströmen muss. Dieser venöse Blutstrom kann natürlich anfangs nur sehr schwach sein, weil die Stosskraft des Aortenblutes im Verlaufe des Arterien- systems durch den Blutaustritt abgeschwächt wird, und anderseits das mit Dotterblut gespeiste Herz nicht zugleich einen der in die Aortenbögen abge- gebenen Blutmasse entsprechenden Venenstrom aufnehmen kann. Wir werden durch diese Ueberlegung vielmehr zu der weiteren Folgerung gedrängt, dass das Venenblut nach seinen ersten Oscillationen nur in dem Masse einen centri- petalen Strom einleiten kann, als der Zufluss des eigentlichen Dotterblutes sich erschöpft, und die Dotterdarmvenen mehr und mehr mit aus dem Körper zurück- kehrendem Blute gefüllt werden. Und als Ersatz des in die Gewebe und Organe entlassenen Blutes schiebt sich der Zufluss der Lymphgefässe in die Venen allmählich in den allgemeinen Kreislauf ein, sodass das quantitative Gleichgewicht in dem das Herz verlassenden und es wieder füllenden Blute er- halten bleibt (vgl. S. 515). Da jedoch, wie ich eben erwähnte, die Produktion des Dotterblutes nach nicht sehr langer Zeit abnimmt, so würde damit die Triebkraft der fortdauernden Blutbewegung versiegen, wenn nicht alsdann die von hinten nach vorn fortschreitenden Herzkontraktionen bereits vollkommen ausgebildet wären und jene Bewegung im Gange erhielten. Die Drucksteigerung des Dotterblutes kann also nur die Bedeutung haben, dasselbe in den Körper einzuführen und dadurch in Folge der ihm durch die morphologische Ent- wickelung vorgeschriebenen Bahnen einen bestimmten Kreislauf einzuleiten, während die Erhaltung dieses Zustandes auch nur von einer konstanten Be- wegungsursache abhängen kann, eben den Herzkontraktionen, welche dagegen für sich allein den ersten und bestimmt gerichteten Blutstrom nicht zu erzeugen vermögen. — Sowie nun die wenigstens ihrem Wesen nach primäre Bewegungs- ursache allmählich zurücktritt, so muss auch die sekundäre mit langsamer Steigerung stellvertretend eingreifen, sodass man annehmen darf, dass eine normale Entwickelung der Bluteirkulation ein genau abgewogenes Wechsel- verhältniss beider Thätigkeiten nicht entbehren könne. Dann wäre aber auch die Auffassung wenig befriedigend, dass die beiderlei Ursachen der Blutbewegung sich unabhängig von einander entwickelten, folglich die bestimmt geregelte Herzthätigkeit lediglich von lokalen histiologischen Prädispositionen abhinge, welche mit der Bildung der Dottergefässe natürlich in keine direkte ursächliche Beziehung gebracht werden könnten, obgleich die Erfolge beider Vorgänge oO oO oO oO oO u 3. Die Venen. 73 stets in derselben Weise unmittelbar zusammentreffen. Ich halte daher folgen- den Zusammenhang der Erscheinungen nicht für unwahrscheinlich. Die centri- petale Blutströmung bringt zuerst nothwendigerweise bloss das Serum der Dotter- darmvenen ins Herz, ehe dasselbe sich mit den Blutzellen der Dottergefässe füllen kann; dies stimmt auch mit den Beobachtungen v. Barr’s, welcher beim Hühnchen zuerst die Bewegungen des Herzens, dann das Serum aus den Gefässen des Frucht- hofes und zuletzt das rothe Blut des Gefässhofes in das Herz fliessen sah (a. a. O.). Da aber eine langsame Strömung des farblosen Serums jedenfalls schwerer zu er- kennen ist als dieHerzbewegung, so steht der Annahme nichts im Wege, dass jene Strömung schon vor der letzteren, nur unmerklich beginnt, und dass die ersten wurmförmigen Bewegungen des Herzens nur Auslösungen des Reizes sind, welchen die durch jene unmerkliche Zufuhr sich steigernde Spannung des Herz- inhalts auf die Herzwand ausübt. Unter dieser Voraussetzung erscheint es ganz natürlich, dass auch schon jene ersten Herzbewegungen dem Verlaufe der bezeichneten Steigerung oder langsamen Strömung folgen, d.h. vom Venenende des noch geschlossenen Herzens zum arteriellen fortschreiten, um durch die von v. Baer zuerst beobachtete zurückschlagende Welle der Herzflüssigkeit zur fortgesetzten Wiederholung dieses Spiels veranlasst zu werden, bis der durch- gehende Blutstrom ihrer Thätigkeit wesentlichere Erfolge sichert. Erst bei einer solchen Auffassung ergibt sich ein einheitlicher Kausalzusammenhang von Blut- bildung und Blutbewegung: nicht die Herzkontraktionen sind es, welche spontan und doch in auffallender Uebereinstinnmung mitder gleichzeitigen Blutbildung und den vorher angelegten Bahnen den Kreislaufhervorrufen, sondern die Blutbildung selbst treibt nothwendig das von ihr bereitete Fluidum in und durch den Körper, wobei es beim Eintritt in die vorgeschriebenen Bahnen auch gleich die Muskel- aktionen hervorreizt, und regelt welche nach dem Versiegen jener lebendigen Blutquelle seinen ferneren Umlauf unterhalten sollen. Und wenn ich früher andeutete, dass die Bildung des Blutes und der entfernt davon für seinen künf- tigen Lauf vorbereiteten Gefässe auf eine gemeinsame Ursache, nämlich den Uebertritt der allgemeinen Interstitialflüssigkeit aus der Darmhöhle in das Bildungsgewebe und die Dotterzellenmasse, dieser Vorgang aber ebenso wie die einzelne Gefässbildungauf dieganze morphologische Entwickelung zurückgeführt werden müssten (S. 494. 495. 500—503. 569), so erscheint die Behauptung nicht mehr als lediglich unerweisbare Hypothese, dass die gesammte anatomisch- physiologische Einrichtung des Gefässsystems eine nothwendige Folge des ursprünglichen individuellen Formgesetzes sei, in dem Sinne wie ich dasselbe 774 X. Das Herz und das Gefässsystem. definirt habe (8. 570 u. fle.). Es ist eben die konservirende plastische Thätig- keit des den ganzen Organismus durchströmenden Blutes nicht der Ausdruck eines unfassbaren „formbildenden Princips“, sondern stellt im ganzen nur eine von den Metamorphosen jener ursprünglich so einfachen, aber gesetzmässig geregelten Bewegung der organischen Entwickelung dar, so wie im einzelnen die überwiegende Spannung des Dotterblutes gewissermassen in die ersten Muskelaktionen des Herzens übertragen wird. 4. Die Lymphgefässstämme. Von den primären Gefässanlagen ist nur noch diejenige des subverte- bralen Lymphgefässstammes nicht zur Sprache gekommen, welcher allerdings zu den erst im nächsten Abschnitte zu betrachtenden Erzeugnissen des Darmblattes gehört, aber wegen seiner nahen Beziehungen zu den Blut- gefässen hier abgehandelt werden soll, nachdem die Entwickelung des übrigen Lymphgefässsystems bereits früher mitgetheilt wurde (S. 513—516. 524). Ich habe nämlich den Schwanzdarm ganz bestimmt als die Anlage des den Schwanz durchziehenden, zwischen der Schwanzaorta und der unteren Schwanz- vene gelegenen Lymphgefässstammes erkannt. Er ist eine röhrenförmige, enge aber diekwandige Fortsetzung der Darmanlage des Rumpfes, welche an der Schwanzwurzel gerade über der Vereinigung der Urnierengänge vom Hinter- darme ausgeht und ebendaselbst von den beiden Stammvenen nach hinten und unten umgriffen wird, sodass deren Fortsetzung oder die untere Schwanzvene unter den Schwanzdarm zu liegen kommt (Taf. XIII. Fig. 242—245, Taf. XXI Fig. 372.377). Dieser wird mit der zunehmenden Länge des Schwanzes immer dünner, sodass seine Lichtung nur an seiner Wurzel deutlich bleibt, und löst sich gegen den Ausgang der ersten Larvenperiode vom Hinterdarme voll- ständig ab, worauf seine Wurzel zwischen den Enden der beiden Stammvenen oder im späteren hinteren Winkel ihres rautenförmigen Verlaufs gleichsam ein- geklemmt zurückbleibt. Während alsdann die Dotterschmelzung in den Zellen des nunmehr soliden Schwanzdarms durch helle Umbildungskugeln ein- geleitet wird, platten sich die peripherischen Elemente ab und verbinden sich zu dem Gefüge einer Gefässwand, wogegen die wenigen centralen Zellen rund bleiben und nach der Ansammlung von einiger Interstitialflüssigkeit zwischen ihnen zu einem blutähnlichen Inhalte des auf diese Weise entstandenen Kanals, eben des kaudalen Lympfgefässstammes werden. Diese spärlichen ersten Lymphzellen verschwinden sehr bald aus dem Gefässe und beweisen dadurch, 4. Die Lymphgefässstämme. 775 dass sein zwischen die Stammvenen eingeklemmtes Vorderende mit demselben bereits sich in Verbindung gesetzt und die Lymphflüssigkeit auf diesem Wege ihren ersten Abfluss in die Venen gefunden hat. Ob man damit zugleich die Entwickelung der hinteren Lymphherzen der Batrachier in Verbindung bringen dürfe, müssen spätere Untersuchungen lehren. — Nach dem Angeführten muss die Frage ganz natürlich erscheinen, ob denn nur der bei den Anuren zudem so bald verschwindende Schwanz eine morphologische Anlage für das Lymph- gefässsystem besitze und dem Rumpfe eine solche vollständig fehle? Nach den Erfahrungen am Schwanzdarme sollte der Axenstrang des Darmblattes als eine solche Anlage bezeichnet werden dürfen (S. 270); wenigstens spricht dafür seine Abstammung vom Darmblatte, seine strangartige Form und die ganz in derselben Weise wie am Schwanzdarme auftretende Dotterschmelzung in seinen Zellen (Taf. XI Fig. 197). Und wenn man ihn zwischen Wirbelsaite und Aorta eingezwängt allmählich sich abplatten und über die ganze Oberseite „dieses Gefässes sich ausbreiten, anderseits den die Aorta später einscheidenden Lymphraum sie noch während der Metamorphose nur oben und seitlich umgeben sieht, so gewinnt die Vermuthung an Wahrscheinlichkeit, dass der Axenstrang eben in jenen Lymphraum übergehe (Taf. IX Fig. 180, Taf. XI Fig. 198). Dennoch muss ich diese Annahme aufgeben, weil es mir nicht nur nicht gelang, die Kontinuität beider Bildungen nachzuweisen, sondern ich mich von der Atro- phie und dem Schwunde des Axenstranges im Anfange der zweiten Larven- periode überzeugt zu haben glaube. Sein vorderer Abschnitt zeigt übrigens während seines intakten Bestandes noch eine besondere Entwickelung. An medianen Durchschnitten erkennt man nämlich über dem Vordarme unzweifel- hafte, abwärts gerichtete Auswüchse jenes Stranges, welche scheinbar alle in die Aortenlichtung vordringen und zum Theil dieselbe durchsetzend das dar- unter liegende Bildungsgewebe erreichen (Fig. 372); an Querdurchschnitten fand ich eine häufige Bestätigung dieses Befundes, insoweit die Aorta von den Auswüchsen nur eingedrückt, nicht völlig durchsetzt wird. Weiter habe ich diese Bildungen nicht verfolgt, doch ist es nicht unmöglich, dass dieser Theil des Axenstranges, welchen letzteren ich nebst dem Schwanzdarme in Forellen- embryonen wiederfinde, ähnlich dem Hirnanhange als vererbter Rest eines vollkommeneren Organs in irgend einem unscheinbaren Gebilde erhalten bleibt. X. Das Herz und das Gefässsystem. —1 —] © Von wirklichen Beobachtungen über die erste Bildung des Batrachier- herzens kann ich in den früheren Entwickelungsgeschichten nichts entdecken. REICHERT beschränkt sich auf die Bemerkung, dass es aus dem vorspringendem Vorderende der Dotterzellenmasse hervorgehe (vgl. S. 193), was ich wohl nicht näher zu widerlegen brauche. Bei Remax findet sich nur eine Angabe über die Perikardialhöhle: die kanalförmigen Anlagen der Bauchhöhle zu beiden Seiten der Wirbelsäule liessen sich vorn von dem hinten eingeschnürten Rande der Schlundhöhle bis zu deren Bauchfläche verfolgen und vereinigten sich dort „oberhalb der Leberanlage“ zur Perikardialhöhle (No. 40 S. 156). Dass diese Höhle kontinuirlich mit der der Bauchhöhle zusammenhänge, ist gewiss richtig; die sehr ungenaue nähere Ausführung dieses Zusammenhangs lässt aber deut- lich genug erkennen, dass REmAk die am Hühnchen gewonnenen Resultate auch auf die Batrachier glaubte übertragen zu können. v. BAMBEcKE bezeichnet die Lage der Herzanlage, vor der Leberanlage, ganz richtig, hat aber offenbar sie selbst nicht gesehen, da er sie als cylindrische Verdickung der Seitenplatte beschreibt (No. 63 S. 55). Erst in dem Beitrage, den ÖELLACHER zur Ent- wickelungsgeschichte des Batrachierherzens lieferte (No. 73), finde ich einige Momente derselben genauer beschrieben ; nur hat ÖELLACHER dabei, scheinbar ohne es zu wissen, im "allgemeinen das wiederholt, was ich zwei Jahre vorher in derselben Zeitschrift veröffentlicht hatte (No. 64 S. 112), dass nämlich das Batrachierherz durch eme Ausbuchtung des Visceralblattes unter der Schlund- höhle und eine darauf folgende Abschnürung des ausgebuchteten Stückes ent- stehe. Ich kann dies sowie die schon damals von mir gegebene Erklärung über den Kausalzusammenhang dieses Vorgangs durch die ausführlichere Darstel- lung in diesem Kapitel bestätigen, wogegen die Erklärung OELLACHER's, dass die Perikardialhöhle durch die Ausstülpung des Herzschlauches hervorgerufen werde, gerade so wie die Lungen die Blätter der Seitenplatte auseinanderdrän- gend die Pleurahöhlen bilden, nur möglich erscheint, weil OELLACHER die erste Entwickelung beider Organe gar nicht kannte. Die Anlage des Endokardial- epithels hat er dagegen in dem noch oftenen Herzschlauche richtig wiederge- geben, wenngleich er sie nicht sicher zu deuten wusste; die Anwesenheit der freien Zellenmassen in der Perikardialhöhle, welche vermuthungsweise mit der Bildung des Perikardiums in Zusammenhang gebracht werden, ist lediglich auf beschädigte Präparate zu beziehen. Die Litteratur über die Entwickelung des Teleostierherzens hat KuPFFER so eingehend und übersichtlich zusammengestellt (No. 105 S. 255 X. Das Herz und das Gefässsystem. 177 und flg.), dass ich um so eher auf eine Wiederholung verzichten kann, als erst KupFrer selbst jenen Vorgang auf bestimmte Umbildungen des mittleren Keim- blattes bezogen und jedenfalls richtiger dargestellt hat als Vo@T, LEREBOULLET und AUBERT. KuPpFFEr sieht zuerst den künftigen Herzbeutel aus einer Spal- tung des mittleren Keimblattes unter der Kopfregion entstehen; diese Spalte erweitere sich zu einer Blase, aus deren oberer Wand darauf eine konische Zellenwucherung als Anlage des Herzens hinabwachse, welche den Boden des Perikardialsackes erreiche und mit ihm sich verbinde, sodass ihre nachträglich gebildete Höhle in den Raum unter dem Perikardialsacke oder den Venensack münde (No. 105 S. 239. 254. 255). Zutreifend an dieser Darstellung ist, dass die Perikardialhöhle aus einer Spaltung des mittleren Keimblattes (Seitenplatte) und früher sich entwickelt als das Herz; dies hängt aber nicht etwa so zu- sammen, dass das von einer Seite zur anderen kontinuirliche mittlere Keimblatt sich ebenso kontinuirlich spaltete und das Herz von der Decke dieses Spalt- raumes frei in denselben hinenwüchse. Die Perikardialhöhle der Fische wird vielmehr, wie ich es zuerst angedeutet (No. 102) und. darauf OELLACHER beschrieben (No. 107 S. 69. 34), in den beiderseitigen noch getrennten Seiten- platten paarig angelegt, und erst durch die Verschmelzung dieser medianwärts unter den Kopfdarm auswachsenden Platten (Perikardialplatten OELLACHER) in einen einheitlichen Raum verwandelt. Dieser Vorgang in den Forellenem- bryonen ist der nämliche, welcher von den Amnioten schon längst als „Abschnü- rung“ des Darmkanals bekannt ist, wobei das Visceralblatt mit dem anlie- genden Darmblatte oder die künftige Darmwand ein- und abwärts eine Falte schlägt (Darmschlussfalte) und die beiderseitigen Falten unter der Darmlich- tung in einer medianen Naht sich verbinden, von welcher die unbenutzten un- teren Faltentheile sich als kontinuirliche Schicht ablösen und auf dem Dotter zurückbleiben. ÖOELLACHER hat aber diese Uebereinstimmung der Teleostier mit den Amniotennichterkannt, weilfür ihn das Darmblatt sich gar nicht blattför- mig umbildet, sondern als solide dicke Zellenmasse unter der Wirbelsaite liegend von den Visceralblattfalten umwachsen wird (vgl. S. 268). In Folge dessen sieht er auch die Herzanlage in einer kompakten Zellenmasse, welche von den Kopf- platten (Segmente, Kiemenbögen) her zwischen jener Darmanlage und den Perikardialplatten (Visceralblatt) hinabwachse und zwischen der ersteren und dem Dotter liegen bleibe, sodass sie die mediane Vereinigung der Perikardial- platten verhindert, aus denen nur der äussere Perikardialüberzug hervorgehe (No. 107 S. 81—86). Auf die Batrachier bezogen würde dies etwa so viel 7178 X. Das Herz und das Gefässsystem. heissen, dass die Innenmasse der Kiemenbögen zwischen die ventralen F alten der Seitenplatte hinenwüchse und dort das Herz bildete. Wenn also diese Darstellung OELLACHER'S schon mit seinen eigenen Beobachtungen an der Kröte in offenem Widerspruche steht, so habe ich sie auch direkt als voll- ständig verfehlte nachweisen können. Ich finde nämlich die Herzbildung der Knochenfische und Batrachier im wesentlichen durchaus übereinstimmend, und die nicht unbedeutenden Unterschiede in der äusseren Erscheinung nur in nebensächlichen Grössendifferenzen ihrer verschiedenen Embryonal- und Ei- theile begründet. Denken wir uns den Nahrungsdotter der jüngsten Batrachier- embryonen (Taf. II Fig. 34—56) in dem Masse vergrössert, dass er immer in Verbindung mit dem Darmblatte bis unter den Kopfdarm reichte, so würde das Darmblatt des letzteren zwischen den weit auseinandergezogenen Falten der Seitenplatte fortlaufend auf den Dotter übergehen wie bei den Teleostiern und Amnioten; in Ermangelung dieser Ausdehnung des Dotters schlägt sich bei den Batrachiern das Darmblatt nur sackförmig zwischen die Seitenhälften der Seitenplatte ein (Taf. VI Fig. 111, Taf. VII Fig. 152-134). Bei der folgenden Abschnürung des Darmkanals der Teleostier wird nun das gesammte Darmblatt in den Darmkanal zusammengeschoben und eingeschlossen, sowie es auch bei den Batrachiern geschieht; doch erfolgt dies in der Kopfregion nur ausserhalb der eigentlichen Herzanlage in der geschilderten Weise. Diese Anlage stellt in beiden Thierformen im Grunde genommen eine Unterbrechung der Darmnaht in schräger (Batrachier) oder senkrechter Richtung (Teleostier) vor, worauf sich mein Vergleich dieser Anlage mit emem Darmnabel bezieht (Nr. 102). Man überzeugt sich davon leicht, wenn man Durchschnitte unter- sucht, welche mit der Längsaxe der Herzanlage zusammenfallen (Taf. XIV Fig. 249. 250): es lässt sich die letztere stets auf den Raum zwischen den nicht zur Vereinigung gekommenen Darmschlussfalten zurückführen. Ergänzen wir an den eben citirten Abbildungen das aufgekrümmte Vorderende der Herzanlage (Taf. VII Fig. 133, Taf. XIII Fig. 226), so versteht sich erstens, dass das Visceralblatt des Herzschlauches eine nabelförmige Verbindung zwischen der Decke und der Hinterwand des Perikardialsackes bildet, und ferner, dass das Darmblatt, indem es sich in den Darmkanal hinaufzieht, eine Auskleidung jener Nabelröhre zurücklässt, welche mit dem Venensacke in Ver- bindung tritt. Gerade dasselbe geschieht bei den Teleostiern, mit dem unwesentlichen Unterschiede, dass ihre hintere Perikardialwand anfangs noch gewissermassen im Boden der Perikardialhöhle liegt (vgl. Nr. 105 Fig. 32); X. Das Herz und das Gefässsystem, 779 das die Darmschlussfalten auskleidende Darmblatt bleibt, während es sich darüber zum Epithelialschlauche des Schlundes abschliesst, in der Nabelröhre des Herzens als eben solcher Schlauch (Endokardialepithel) zurück, und diese Bildung ist offenbar in geschrumpftem Zustande OELTACHER als eine kom- pakte Anlage des ganzen Herzens mit Ausnahme des Perikardialüberzugs erschienen. Um aber die Uebereinstimmung zwischen Teleostiern und Batra- chiern vollständig übersehen zu lassen, müsste noch hinzugefügt werden, dass der Venensack der Teleostier unter dem Perikardialsacke rückwärts an den Darmblattumschlag stösst, welcher den Vorderrand des Darmnabels überzieht und die noch indifferente Leberanlage darstellt; die spätere Zusammenziehung dieser Theile bringt auch den Herzschlauch der Teleostier in die definitive an- nähernd horizontale Lage. Bei den Vögeln und Säugern ist die Herzbildung noch leichter als bei den Teleostiern mit derjenigen der Batrachier in Uebereinstimmung zu bringen. Denn nicht nur besteht sie ebenfalls wesentlich in einer Lücke, welche zwischen den sich verbindenden Darmschlussfalten der Schlundgegend in schräger Richtung zurückbleibt, und bis auf die Enden durch das Visceralblatt oben und unten vollkommen röhrig abgeschlossen wird, sondern es lässt sich auch sofort erkennen, dass das hintere Venenende des Schlauches an dem zur Leberbildung bestimmten Umschlage der ventralen Vordarmwand oder dem Vorderrande des Darmnabels in die zwei sogenannten Venenschenkel übergeht, welche jene Umschlagsfalte umgreifend in die Vv. omphalo-mesentericae sich fortsetzen. Daran knüpft sich auch gleich die Besonderheit der Herzbildung bei den Ampioten. Sowie die primitiven Gefässschläuche der Dotterdarmvenen bei den Batrachiern bis in das Herz hinein getrennt verlaufen, ist diese Bil- dung bei den Amnioten noch weiter fortgesetzt, da auch der Endokardialsack in den noch getrennten Darmschlussfalten paarig vorgebildet ist, sodass diese paarige Herzanlage erst nach dem erfolgten Darmschlusse zu einem einfachen Schlauche zusammenfliesst. Diese paarigen Endokardialschläuche liegen bei den Vögeln sehr flach zwischen Visceral- und Darmblatt, bei den Säugethieren stülpen sie aber das erstere schon frühzeitig gegen die Perikardialhöhle aus, sodass diese Bildung als eine vollständige Herzhälfte angesehen werden kann. Bei den Vögeln blieb mir der Ursprung des Endokardialschlauches (Endo- kardialepithel) zweifelhaft; bei jungen Kaninchenembryonen sah ich aber das Darmblatt sehr deutlich in das Innere der genannten Herzhälften hineingezogen und mit dem Endokardialsack in Zusammenhang, sodass ich den letzteren 780 X. Das Herz und das Gefässsystem. ebenso wie bei den Batrachiern und Fischen für ein Erzeugniss des Darmblattes halten möchte. Der Unterschied aller dieser Herzbildungen bestände also nur in der äusseren Erscheinung, indem die Ausbuchtung der für den Herzschlauch bestimmten Abschnitte der Darmschlussfalten gegen die Perikardialhöhle bei den Teleostiern ganz unmerklich erst nach vollzogener Herzbildung, bei den Batrachiern während derselben und bei den Säugethieren sogar schon vorher erfolgt. — Die geschilderte Doppelanlage des Vogelherzens finde ich zuerst bei Hıs beschrieben (Nr. 109 S. 84. 85), wobei nur seine schon früher erwähnte falsche Deutung der Seitenplatten in der Herzgegend die ganze Darstellung empfindlich schädigt (vgl. Nr. 121 8. 190). Hıs läugnet nämlich den kontinuir- lichen Zusammenhang der Perikardial- und Bauchhöhle und überhaupt die Anwesenheit des Visceralblattes in der Herzgegend, wodurch natürlich die Möglichkeit eines Vergleichs mit meiner Darstellung ausgeschlossen ist. Auch die Angabe, dass der Endokardialschlauch vom „Nebenkeim“ abstamme, muss ich, selbst wenn man darunter das interstitielle Bildungsgewebe versteht, nach den eben mitgetheilten Beobachtungen an den Embryonen der übrigen Wirbel- thiere, insbesondere der Kaninchen, beanstanden. Mit meinen eigenen Beobach- tungen am Hühnchen stimmen noch am meisten die von BaLrouR gegebenen Abbildungen der Herzanlage desselben Thiers überein (Nr. 146). In einer Anmerkung erwähnt Hıs, dass Hexsen dieselbe doppelte Herzanlage in Kaninchenembryonen gefunden habe (a. a. O.). Es ist freilich nicht leicht, ohne die betreffenden Abbildungen die Ueber- einstimmung in der Herzentwicklung aller Wirbelthiere auseinanderzusetzen; in der Hoffnung, dass mir ein solcher Nachweis wenigstens in den wichtigeren Punkten gelungen ist, will ich daran eine allgemeinere Betrachtung über die Entstehung des Herzens anknüpfen. — In allen genannten Wirbelabtheilungen ist der Endokardialsack, weil er sich kontinuirlich in die primitiven Gefäss- wände der Aortenbögen und Dottervenen fortsetzt, und aus einer ganz locke- ren, durchbrochenen Haut besteht, jenen Gefässen gleich zu achten. Der ab- weichende Ursprung kann desswegen von keiner Bedeutung sein, weil es sich um eine histiologische Entwickelungserscheinung in dem früher erörterten Sinne handelt, und zwar um interstitielles Bildungsgewebe, welches sich ebenso im oberen Keimblatte, im Centralnervensysteme und der Netzhaut, wie im mittleren Keimblatte entwickelt, ohne dass wir die Bindesubstanzen der ver- schiedenen Organe principiell zu scheiden vermöchten (S. 560 u. fle.). Die äussere Umhüllung des Eudokardialsackes oder die Masse der Herzwand ist X. Das Herz und das Gefässsystem. 7s1 ebenfalls in histiogenetischer Beziehung von der sekundären Gefässwand der grossen Arterien und Venen nicht unterschieden, besonders wenn wir dem peri- kardialen Ueberzuge den peritonealen der stärkeren Gekrösegefässe und der Pfortader gegenüberstellen. Kurz, wir könnten das Herz einfach als Ver- schmelzungsprodukt zweier Hauptgefässe betrachten, wenn nicht sein Visceral- blatt in unzweifelhaft primär-morphologischer Weise an seiner Bildung be- theiligt wäre und es dadurch von den lediglich sekundär-morphologischen oder gar atypischen Bildungen des Gefässsystems schiede. Diesen Konflikt kann nun gerade die Betrachtung des Säugethierherzens am meisten aus- gleichen helfen. Die primär-morphologische Bildung desselben erscheint ganz offenbar als unmittelbare Fortsetzung der sekundär-morphologischen Dotter- darmvenen, diese als der Zusammenfluss der im einzelnen völlig atypischen Dottergefässe; und der Grund dieses verschiedenen Formwerthes ist auch nicht schwer zu erkennen. Die Dottergefässe verlaufen atypisch, weil sie dem direkten formbildenden Einflusse der Embryonalanlagen vollständig entzogen sind; ihr Zusammenfluss wird aber durch die schon vorher angelegten Dotter- darmvenen bestimmt, welche bereits in unmittelbarer Anpassung an jene mor- phologischen Grundlagen des Embryo entstehen; in der Herzanlage endlich sind die gesetzlichen Formbedingungen, wenn ich so sagen darf, dermassen koncentrirt, dass eine von den formbedingenden Embryonalanlagen, das Vis- ceralblatt, gleich in toto in die betreffende Blutraumbildung hineingezogen wird und derselben dadurch den Charakter eines ebensolchen Entwickelungs- produktes verleiht, wie es etwa eine andere Faltenbildung des Visceralblattes z. B. die Urniere ist. Ferner lehrt uns aber die Entwickelungsgeschichte des Gefässsystems der Wirbelthiere, dass, sowie in ihm die verschiedenen Stufen des Formwerths nebeneinander vorkommen, jede derselben in ihrer besonderen Entwickelung tiefere Stufen durchläuft. Am Herzen ist der Endokardialsack als einfache primitive Gefässröhre früher angelegt und vollendet als die primär- morphologische Visceralblattröhre; diese primitiven Gefässröhren besitzen anfangs, bevor ein Theil von ihnen sich mit verschiedenen Aussenschichten um- gibt, sämmtlich den Bau von Kapillaren, welche eigentlich nur eine besondere Gewebsform darstellen, und entstehen aus einer Reihe von hinter- und neben- einanderliegenden, an sich zunächst formlosen Lücken des interstitiellen Bil- dungsgewebes, welche erst allmählich in der kürzeren oder queren Richtung zu einer einzigen Lichtung, in der Längsrichtung zu einem fortlaufenden Kanale 732 X. Das Herz und das Gefässsystem. zusammenfliessen.* Dieses Lückensystem des interstitiellen Bildungsgewebes, welches im Saftkanalsystem des entwickelten Organismus erhalten und als Zwischenglied zwischen Blut- und Lymphgefässsystem in den allgemeinen Kreislauf eingeschoben ist, stellt gewissermassen die niederste Bildungsstufe seiner Leitungen dar (vgl. S. 524. 525), da an ihm von einem eigenen Form- bestande selbst im Sinne eines Gewebes nicht mehr die Rede sein kann. Da nun kein anderes Organsystem diesen Uebergang und Zusammenhang ganz analoger, aber durch alle Grade des Formwerths verschiedener Theile zeigt, so darf auch gerade in dieser Betrachtung ein nicht unwichtiger Fingerzeig er- kannt werden, wie in der phylogenetischen Entwickelungsreihe eine atypische histiologische Bildung (primitive Gefässröhren) sich erst aus einem partiellen Formverhältniss eines allgemeinen Gewebes (Lückensystem) herauszulösen und weiterhin in eine primär-morphologische Bildung (Herz) sich zu verwan- deln vermag. Es läuft eben diese Entwickelungsreihe dem Fortschritte der morphologischen Gliederung parallel, sodass mit den niedersten Stufen der- selben auch ein regelloses Lückensystem des Körpers zusammenfällt, und während der sich steigernden Ausbildung des Formgesetzes auch immer mehr gesonderte Bahnen entwickelt werden, bis endlich ein bestimmter Abschnitt derselben sogar als primär-morphologische Bildung auftritt. Wir dürfen daher in jenem blossen Interstitialsystem denthatsächlichen phylogenetischenAusgangs- punkt für die allmähliche Entstehung des höchstentwickelten Kreislaufes an- erkennen. Um uns aber nicht gleich in schematische Deduktionen zu verlieren, wird der Hinweis darauf nicht überflüssig sein, dass der angedeutete Entwicke- lungsverlauf nur im allgemeinen jene Stufenleiter durchläuft, nicht aber regel- loses Lückensystem, atypische Kapillaren, typische Gefässe, Herz, nothwendig in dieser Reihenfolge auftreten. Im Gegentheil scheinen die ersten wirklichen (Grefässe überall gerade einige typische Stämme, die sekundären und kapillaren (sefässnetze dagegen eine Begleiterscheinung erst höher entwickelter Gefäss- systeme zu sein. Meine Absicht war es auch nicht, eine fertige „Stammes- geschichte“ des Gefässsystems anzudeuten, sondern, was mir viel wichtiger scheint, nachzuweisen, dass formgesetzliche Bildungen ganz allgemein aus histiologischen und atypischen sich allmählich entwickeln, und dass dieser * Ich muss nachträglich berichten, dass ich diese zuerst von den Batrachiern und Fischen angeführte Erscheinung (8. 499 539) auch an der Aortenanlage junger Kaninchen- embryonen, und zwar womöglich noch charakteristischer gesehen habe; sie besteht aus einem an den aufeinanderfolgenden Querdurchschnitten wechselnden Komplex von grossen und kleinen Lichtungen, einem wahren Lückensystem. Das Herz und das Gefässsystem. 183 Vorgang in der fortschreitenden Gliederung des Formgesetzes der individuellen Entwickelung begründet ist. Bezüglich des Verlaufs, der Verbindungen und Umbildungen der einzelnen Gefässanlagen verschiedener Wirbelthiere, besitze ich zu wenige eigene Erfah- rungen, um eine vollständige Vergleichung durchführen zu können; doch dürften dieselben genügen um zu zeigen, wie abhängig diese sekundär-morpho- logischen Bildungen von ihren Formbedingungen, nämlich in erster Reihe nicht von den allgemein-typischen, sondern gerade von den besonderen Lagebezie- hungen der Organe abhängig sind, welche in den bei verschiedenen Formen desselben Typus vielfach wechselnden Dimensionen begründet sind und die Unbe- ständigkeit und die vielen Anomalien der Gefässe, vornehmlich aber die Schwierig- keit, ihre allgemeinen Homologien festzustellen, erklären. — Gehen wir vom ar- teriellen @efässsystem aus, so bieten schon die Aortenbögen Belege dafür. * Für die Karpfen gibt v. Baer sieben ursprüngliche Aortenbögen an, von denen der erste vor der ersten Schlundfalte im „Unterkiefer“, d. h. der gemeinsamen An- lage des Unterkiefer- und Zungenbeinbogens (vgl. Nr. 8 II S. 300), der zweite hinter jener Spalte oder im künftigen ersten Kiemenbogen, der sechste und siebente beide hinter der fünften und letzten Spalte verlaufen; jener erste Ge- fässbogen schwinde bald bis auf den oberen Theil, aus dem die Carotis und die Kiemendeckelarterie hervorgehen (a a. O., Nr. 147, S. 27). Vocr lässt den ersten Aortenbogen der Salmoniden am Zungenbeinbogen, die übrigen, mit Ausnahme des nicht beobachteten siebenten Bogens, ebenso verlaufen wie es v. Baer beschrieb; der zuerst allein bestehende erste Bogen entsendet bereits eine Carotis (Nr. 123 S. 226). Ich kann diese Angaben für den Forellenembryo bestätigen und muss daher hervorheben, dass der Unterkieferbogen kein beson- deres Verbindungsgefäss vom Herzen zur Aortenbahn enthält und dass folglich der erste Aortenbogen nicht vor sondern hinter der bisher vollständig über- sehenen ersten Schlundspalte liegt (vgl. S. 734). Die Aortenbögen der Teleostier fangen also erst im Zungenbeinbogen an, wo die Batrachier allerdings auch einen Verbindungsbogen, aber nicht zur Aortenwurzel sondern zum cerebralen Gefäss- bogen besitzen. Beiden Amnioten scheinen dagegen allesogenannten Visceralbögen des Kopfes eigene Aortenbögen zu entwickeln, deren Blut direkt in die Aorten- wurzeln fliesst. Da nun der erste Aortenbogen in der dorsalen Kopfhälfte den * Da die Entwickelung der Aortenbögen ganz allgemein so geschildert wird, als wüchsen sie aus dem Herzen hervor, so mache ich darauf aufmerksam, dass sie wenigstens bei den Batrachiern und Fischen ganz unabhängig vom Herzen in den Schlundbögen ent- stehen. 784 X. Das Herz und das Gefässsystem, umgekehrten Weg wie der Karotisstamm der Batrachier beschreibt, so ersetzt er gewissermassen den bei diesen Thieren so frühzeitig angelegten, bei den Am- nioten dagegen erst viel später erscheinenden cerebralen Gefässbogen; wenn er aber zu dieser Bahn durch die besonderen Formbedingungen des embryo- nalen Amniotenkopfes veranlasst wird, so gewährleistet wiederum sein Massen- übergewicht über jenen cerebralen Gefässbogen der Batrachier dem Amnioten- hirn die stärkere Ernährung und damit die Mittel zu der überwiegenden Entwickelung desselben. Der frühzeitige Schwund der beiden ersten Aorten- bögen lässt den dritten zum Karotisstamm, den vierten zur eigentlichen Aor- tenwurzel, den fünften zur Pulmonalis mit dem Borauırschen Gange werden; diese Umbildung stimmt also mit derjenigen der gleichen Bögen bei den Batrachiern überein. Zur leichteren Uebersicht habe ich die folgende ver- gleichende Tabelle des Gefässsystems der Visceralbögen zusammengestellt, wobei die Richtigkeit der von mir nicht nachuntersuchten Gefässentwickelung |,Visceral- Teleostier Urodelen | Anuren Amnioten bögen. | I. Ze 4 En 1. Aortenbogen | (Unterkieferbogen) | = I. 1. Aortenbogen Verbindung zum cerebralen Gefäss- |2. Aortenbogen = (Zungenbeinbogen) | bogen K | III. 2. Aortenbogen 1. Aortenbogen 3. Aortenbogen | m nn een m © IV. 3. Aortenbogen 2. Aortenbogen '4. Aortenbogen e N. ‚4. Aortenbogen) 3. Aortenbogen | 3. Aortenbogen 5. Aortenbogen = (eigentlich Pulmona- ie | lis mit D. Botalli) VE. 5. Aortenbogen 4. Aortenbogen Zweiter Pulmonalast _ 0ER 6 Aortenbogen == | = Fu IE - — — schwinden (Unterkieferbogen) bis auf Ab- I. Operkularkie- | schwindet bis auf Abschnitte der Carotis | [ Schnitte der 5 | (Aungenbeinbogen) |menarterie und) und Lingualis Carotis 8 . | - Karotiswurzel = IR 1. Kiemenge- | 1. Aorten- od. Kie- Karotiswurzel Karotiswurzel Be fässbogen | mengefässbogen | = I 2. Kiemenge- | 2. Aorten- od. Kie- Aortenwurzel | Aortenwurzel = fässbogen mengefässbogen & Vi ' 3. Kiemenge- | 3. Aorten- od. Kie- Pulmonalis Pulmonalis = fässbogen mengefässbogen 2) VI. 4. Kiemenge- | 4. Aorten- od. Kie-| schwindet | fässbogen | mengefässbogen mit Pulmonalast vi | schwindet — | — _ 4. Die Lymphgefässstämme. 155 der Amnioten vorausgesetzt wurde und die spätere asymmetrische Anordnung unberücksichtigt blieb. Die Entwickelung des Venensystems der Wirbelthiere hat bekanntlich RarHk& zuerst übersichtlich behandelt und die noch heute giltigen Grundlagen für eine vergleichende Anatomie der Venen geschaffen*. Ein Hauptpunkt der- selben besteht darin, dass die allen Wirbelthierembryonen gemeinsamen Kardi- nalvenen nur bei den Fischen als paarige Venenbahn des Stammes sich erhalten, bei allen übrigen Vertebraten aber grösstentheils schwinden und durch die neugebildete hintere Hohlvene ersetzt werden ; ihre hinteren Hälften mit der Schwanzvene und den Hüftvenen werden bei den Amphibien und Reptilien in Vy. renales advehentes verwandelt, bei den Vögeln und Säugern schliessen sie sich aber der neuen Hohlvene an, während die vorderen queren Zweige der- selben Kardinalvenen durch Längsanastomosen verbunden in die hinteren Wirbelvenen oder die Vv. azygos und hemiazygos zusammenfliessen. — Diese Darstellung ist für die Batrachier, wie ich gezeigt habe, unrichtig; von den Kardinalvenen vergehen nur die vordersten Urnierenabschnitte, die Nierentheile verschmelzen zum Theil zum unpaaren Stamme der hinteren Hohlvene, welche nur in ihrem vordersten absteigenden Gekröseabschnitte eine Neubildung ist und noch längere Zeit nach der Metamorphose wenigstens eine einseitige Ver- bindung mit den zuführenden Nierenvenen oder den Enden der Kardinalvenen (Vv. iliacae, caudalis) behält. Es unterscheiden sich also die Batrachier von den Teleostiern nur darin, dass der zur unpaaren Hohlvene verschmolzene Hauptahschnitt ihrer Kardinalvenen nicht mehr durch die ursprünglichen paarigen sondern ein neugebildetes unpaares Mündungsstück zum Venensacke gelangt, welches Stück bei den Teleostiern wohl wegen der fehlenden Leber- gekrösebrücke nicht entwickelt wird. — Für die Amnioten kann ich nun freilich RATHkeEs Darstellung nicht ohne weiteres angreifen, weil mir eigene Beobach- tungen über diesen Gegenstand fehlen; überlegt man aber, dass die Art und Weise, wie die Hohlvene sich entwickelt und die Hauptäste der Kardinalvenen auf dieselbe übertragen werden, noch unbekannt ist, für die Batrachier aber ein ganz ähnlicher Vorgang von mir auf eine blosse Umbildung der Stamm- * Da mir das betreffende Hauptwerk (Ueber den Bau und die Entwickelung des Venen- systems der Wirbelthiere) zur Zeit leider nicht zugänglich war, so habe ich mich an die übrigen bezüglichen Mittheilungen RATHke’s (Nr. 148) und an seine Entwickelungsgeschichte (Nr. 47) halten müssen. Dazu bemerke ich noch, dass v. Baer das Verhältniss der Stamm- venen zu der hinteren Hohlvene schon früher angedeutet hatte (Nr. 81 8. 71). GoETTE, Entwickelungsgeschichte. SO 786 X. Das Herz und das Gefässsystem. venen und eine Neubildung bloss ihres Mündungsstückes zurückgeführt ist, und dass ferner aus dieser Bildungsgeschichte des Venensystems der Batrachier alle Modificationen desselben bei den Amnioten sich ableiten lassen, so muss - die Glaubwürdigkeit der Rarake’'schen Darstellung erschüttert erscheinen. Jenes Venensystem der Batrachier stimmt zunächst mit demjenigen der Reptilien im wesentlichen überein; denkt man sich ferner, dass die hintere Fortsetzung der Hohlvene der Batrachier bis zur Schwanzvene in dem ursprünglichen kontinuirlichen Zusammenhange bliebe, und ihre sekundäre Verbindung mit der Jacogsov’schen Vene nicht zu Stande käme, so hat man die den Säugern eigenthümlichen Zustände, nämlich eine aus den Hüftvenen sich zusammensetzende Hohlvene ohne renalen Pfortaderkreislauf und in den beiden Jacogsov’schen Venen die Vv. azygos und hemiazygos. — Die Entwicke- lungsgeschichte der Venen der Batrachier, dürfte aber auch in ihren übrigen Theilen zu erneuerten Untersuchungen über denselben Gegenstand bei den anderen Vertebraten anregen. Einmal finde ich nirgends eine Andeutung darüber, auf welchem Wege, von der hinteren Hohlvene ganz abgesehen, die in der Leibeswand verlaufenden beiden Ductus Cvvierr und die Umbilikal- venen das Venenende des Herzens erreichen, welches mit seinen beiden Schen- keln (Dotterdarmvenen) der Darmwand angeschlossen ist und folglich anfangs durch die zusammenhängenden Höhlen des Herzbeutels und des Bauchfell- sackes von der Leibeswand und jenen Gefässen getrennt ist. An die Leber wurde dabei jedenfalls nicht gedacht, da z. B. KöLLiker behauptet, dass beim Menschen „die Umbilikalvene sicherlich vor der Bildung der Leber“ sich entwickele (Nr. 483 S. 418); und da die Frage nach dem oberen und hinteren queren Abschlüsse der Perikardialhöhle gegen die übrigen serösen Höhlen gar nicht berührt wird, derselbe aber auch ohne die Anlage der Leber gar nicht existiren kann, so muss man über die Unbefangenheit staunen, mit der bisher alle damit beschäftigten Embryologen jene Gefässe der Leibeswand in das Herz münden lassen ohne mit einem Worte zu erwähnen, wie dieselben die ursprüng- lich kontinuirliche Leibeshöhle durchsetzen. Daber haben alle jene schemati- schen Darstellungen dieses Gefässsystems, welche den Zusammenhang der ein- zelnen Stämme veranschaulichen sollen, ohne eine vorangegangene Untersuchung ihrer ersten Beziehungen zur Leberanlage und zum Perikardialsacke nur einen sehr beschränkten Werth. So kommt mir z. B. die Beschreibung, welche v. BAER und RATHKE vom ursprünglichen Verlaufe der Umbilikalvene der Amnioten und seiner Umbildung geben (Nr. 8 IS. 93, Nr. 148), wegen ihrer 4. Die Lymphgefässstämme. 787 grossen Uebereinstimmung mit den analogen Verhältnissen der Batrachier viel glaubwürdiger vor als die gewöhnliche Vorstellung, dass jene Vene schon ur- sprünglich nicht unter und vor sondern hinter der Leber aufsteige und der Ductus venosus Arantii, welcher bei den Batrachiern vollständig fehlt, nicht sekundär gebildet (RArHkE), sondern ein Rest der ersten Mündung sei(KÖLLIKER Nr. 48 S. 421). Ueber die Bildung des Blutes kann ich mich kurz fassen, da ich dieselbe von den Teleostiern, Batrachiern und Vögeln bereits ausführlich beschrieben habe (S. 538, Nr. 121 S. 130— 186. 196). Alle Beobachter stimmten bisher darin überein, dass das Blut theils in den Gefässen, theils in den peripherischen Theilen der tieferen Keimschichten (mittleres Keimblatt) an der Oberfläche des Dottersackes gebildet würde (vgl. a. a. O. und Vogt Nr. 26 S. 71, KuPFFER Nr. 105 S. 263— 265); ich habe dagegen den Ursprung der Blutzellen aus dem Nahrungsdotter für die Batrachier und Vögel genauer nachgewiesen, für die Teleostier wenigstens wahrscheinlich gemacht. Auch habe ich schon bei einer früheren Gelegenheit darauf hingedeutet, dass diese Bildung mit der Aufnahme der Interstitialflüssigkeit aus der Darmhöhle in den Nahrungsdotter zusammen- hänge, also der eigentliche Keim dabei nicht unmittelbar sondern nur durch die mechanischen Wirkungen seiner morphologischen Entwickelung betheiligt sei (S. 494). Als weiteren Beleg dafür führe ich hier noch an, dass ich an einigen jungen Unkenlarven ganz ansehnliche kugelige Blutinseln mitten im Nahrungsdotter angetroffen habe. Nach solchen Erfahrungen musste mich selbstverständlich die scheinbar ganz evidente Thatsache wenig befriedigen, dass bei den Säugern, weil ihre Keimblase und daher auch der Dottersack nur eine Flüssigkeit enthält, das Blut sich in den peripherischen Keimtheilen selbst bilde. Doch ist es mir endlich gelungen, auch diese. wohl ganz allgemeine Ansicht zu widerlegen und zugleich eine neue wichtige Uebereinstimmung in der Entwickelung der Säugethiere und übrigen Vertebraten nachzuweisen. An Kaninchenembryonen, deren Dotterdarmvenen eben angelegt, aber die eigent- lichen Dottergefässe noch nicht gebildet waren, fand ich unter dem ganzen Keime eine feste Dotterschicht von demselben Aussehen wie die feinkörnige Dottermasse der Hühnereier und von einer Mächtigkeit, welche diejenige des Keims übertraf. Diese vorherrschend dem mittleren Keimblatte und nur in der unmittelbaren Nähe des Embryo dem Darmblatte, welches dort seine Grenze findet, fest angefügte Dotterschicht kann nach ihrer gleich zu erwähnen- den Umbildung kein künstliches Gerinnungsprodukt sein; doch habe ich sie 50 * 788 X. Das Herz und das Gefässsystem. an den noch wenig entwickelten Eiern, welche mir die merkwürdige Bildung der Keimschichtung gezeigt haben (Nr. 103), nicht erkennen können. An den erstgenannten Keimen besitzt jene Dotterschicht gegen das mittlere Keimblatt eine ganz glatte, scharfe Grenze; an verschiedenen Stellen sind grössere Platten oder kleinere dicke Stücke dieser Masse durch zarte aber deutliche Linien in der Weise abgesondert, dass sie mit ihrer unteren konvexen Fläche im übrigen Dotter eingebettet liegen, mit der ebenen Oberseite aber an das mittlere Keim- blatt stossen. Schon die kleineren Stücke übertreffen die Embryonalzellen um ein Vielfaches an Grösse und besitzen je einen grossen klaren Kern , sodass sie in jeder Hinsicht den in den Keimwall vorrückenden Dotterzellen des Hühner- eies gleichen (vgl. Nr. 121). An nur wenig älteren Kaninchenembryonen hat die Anzahl dieser Dotterzellen zugenommen; sie zeigen verschiedene Theilungs- erscheinungen, wobei die Theile je nach dem Grade der Vermehrung allmäh- lich kleiner werden und da sie bereits als Zellenhaufen vom übrigen Dotter abstechen, wie in einer Ablösung von dem darüber hinstreichenden mittleren Keimblatte begriffen aussehen. Doch findet schon in dieser Zeit, noch deutlicher aber etwas später gerade das Gegentheil statt, nämlich eine allmähliche Auf- nahme jener Zellenhaufen in das mittlere Keimblatt, wo ich sie in Blutinseln sich verwandeln sehe, gerade so wie ich es vom Hühnerkeime beschrieb. Zur selben Zeit erscheint der grösste Theil der beschriebenen Dotterschicht aufge- braucht; unbedeutende Reste mögen später aufgelöst werden. — Diese Beobach- tung bringt natürlich das Säugethierei um einen bedeutenden Schritt den Eiern der übrigen Vertebraten näher ; wenigstens kann ich es jetzt als Thatsache hin- stellen, dass es nicht nur durch die Gastrulaform seines Keims, sondern auch durch einen wirklichen blutbildenden Nahrungsdotter mit denselben überein- stimmt. XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. Nach den vorausgegangenen Darstellungen über die Form, Lage und Ein- theilung des embryonalen Darmkanals der Unke (S. 218—221. 260 und fig.) können wir denselben in seinem morphologisch wichtigsten Theile, dem Darm- blatte, als einen länglichen Schlauch betrachten, welcher an beiden Enden blindsackartig geschlossen (Vorder-, Hinterdarm), in seiner Mitte jedoch ab- wärts noch weit offen ist (Mitteldarm) und mit den Rändern dieser anfangs länglichen Oeffnung der Dotterzellenmasse ohngefähr so aufgesetzt ist wie im ersten Anfange der Entwickelung die primäre Keimschicht (Zaf. II). Die besondere Hülle oder Scheide dieses Darmschlauches ist zuerst überall die Seitenplatte, deren auseinanderweichende Blätter die grossen serösen Höhlen bilden; ihre verschiedenartige Rückbildung in der Kopfregion sondert den Kopfdarm am meisten vom übrigen Darmkanal, in erster Linie also von dem anstossenden Vordarme. Im Vorderkopfe geht die Seitenplatte in die Bil- dung der Segmentplatten vollständig auf; im Hinterkopfe wächst sie über der Darmblattdecke der Schlundhöhle nicht zusammen, sodass das Darmblatt dort unmittelbar an das Bildungsgewebe der Stammsegmente stösst, und in der Seitenwand jener Höhle verschmelzen die Blätter der Seitenplatte zu einer ungesonderten Schicht, welche sich von ihrer ventralen Fortsetzung (Perikardial- sack) vollends löst und beiderseits unter den Darmblattboden der Schlundhöhle auswächst, wodurch dieselbe von jeder Beziehung zur eigentlichen serösen Höhle des Kopfes, nämlich dem Perikardialsacke ausgeschlossen wird (Taf. VII, XIIT). Jene das Darmblatt des Kopfdarms oder die Anlage seines Epithels umgebenden Theile der Seitenplatte und der Segmente liefern ausser einem gleich zu erwähnenden beschränkten Bewegungsapparate die bindegewebige 790 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. Unterlage des Epithels, sodass der ganzen Kopfdarmwand als kontinuirliche Bildung nur eine den übrigen Kopftheilen eng angeschlossene Schleimhaut eigen ist und daher jede Selbstständigkeit abgeht. In Folge dessen wird der ganze Kopfdarm während der Ausbildung des Kiemenapparats durch den sich hebenden Boden zu einem breiten spaltartigen Raume zusammengedrückt, welcher nicht eben hinzieht, sondern dem Relief der Decke und des Bodens entsprechend gebogen und ausserdem bei den Bewegungen des Kieferapparats einem beständigen Wechsel unterworfen ist (Taf. XV, XXI). Diese Abhängigkeit derdem Kopfdarm eigenthümlichen Theile vom übrigen Kopfe ist aber nicht in allen Entwickelungs- perioden dieselbe. Während der Larvenzeit erzeugt seine Seitenplatte einmal das Zungenbein mit der Zunge und ferner das Kiemengerüst, welches bei den Anuren vielmehr den inneren Kiemen als dem äusseren Kiemenapparate ange- passt erscheint. Die inneren Kiemen sind als eigentliche Darmbildungen auf- zufassen, welche durch das angepasste Knorpelskelet eine gewisse Selbst- ständigkeit erhalten (S. 741 u. flg.); aber wir sehen siesowohl in der individuellen Entwickelung der Anuren wie durch die ganze Thierreihe in dem Masse sich zurückbilden und schwinden als die Ausbildung der die ganze Entwickelung des Kopfes beherrschenden Theile zunimmt; und soweit sich trotzdem das Kiemenskelet erhält, tritt es aus den Beziehungen zum eigentlichen Kopfdarme heraus und ganz in den Dienst des äusseren Kiemenapparats. Ebenso verhalten sich das Zungenbein und die Zunge zum Kieferapparate; denn wenn auch die Muskulatur der letzteren den Darmmuskeln homolog ist (S. 669), so entfernt sie sich doch von denselben in Folge der Anpassung an die besonderen Form- bedingungen jener Kopfregion bis zum Verluste jeder Aehnlichkeit in Form, Lage und Innervirung. Sehen wir ferner auf die histiologischen Umbildungen der dem Kopfdarme eigenthümlichen Schleimhaut, so finden wir in dem Sinnes- apparate der Zunge und den meisten Zahnbildungen* wiederum besondere Anpassungen an den Kieferapparat, welcher am Eingange des Darmkanals allerdings die Ernährungsthätigkeit eröffnet, aber in einer Form, welche ihn * Ein Theil der Zähne ist freilich auf die zur Auskleidung der Mundhöhle hineinge- zogene Oberhaut zu beziehen, und es ist mir selbst an den Salamandriıfen, deren Darmblatt bis an den Lippenrand des Mundes vordringt, wahrscheinlich geworden, dass die Grund- schicht der Oberhaut nach innen unter das Darmblatt auswächst, um an der Bildung der Kieferzähne theilzunehmen (Nr. 64 S. 118). Aber bei den Teleostiern, deren Darmblatt ebenfalls bis zum Lippenrande reicht und dort einfach mit der Oberhaut verschmilzt, sind alle Zähne ebenso gewiss Erzeugnisse der Darmblattschleimhaut wie wenigstens die Gaumen- zähne der Batrachier. XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. 791 auch darin den ihm morphologisch gleichwerthigen Gliedmassen des Rumpfes an die Seite stellt. In ganz anderem aber nicht weniger innigem Zusammenhange mit der Kopfbildung vollzieht sich die EntWickelung des Vordarms. Während der Kopfdarm durch die Entstehung des Herzraums in seinem Boden und der Mitteldarm von Anfang an durch die Dotterzellenmasse von unten- her verengt erscheinen, behält der Vordarm allein die ganze ursprüngliche Höhe zwischen der dorsalen und ventralen Körperwand und maeht daher den Eindruck einer zwischen Perikardialsack und Dotterzellenmasse eingesenkten Tasche, obgleich die definitive Hinterwand dieser Tasche erst allmählich durch das aus- wachsende und die Dotterzellenmasse abschnürende Darmblatt hergestellt wird (S. 260), und wenn man bloss die morphologischen Anlagen in Betracht zieht dieser Darmtheil anfangs durchaus jenem rück- und abwärts trichterförmig erweiterten Uebergange des vorderen Darmblindsackes des Hühnchens in den Dottersack und die Mitteldarmfurche entspricht, welchen die älteren Embryo- logen als „Fovea cardiaca“ (WoLrr) oder als „vorderen Eingang in den Speise- kanal“ (v. Baer) bezeichneten. Der Vordarm besitzt eine vollkommen ausge- bildete Seitenplatte, welche nur eine kurze Zeit an der Bauchseite durch eine schwache Fortsetzung der medianen Lücke des mittleren Keimblattes getrennt ist, (Taf. VII Fig. 135—137, Taf. XIII Fig. 239. 240). Sobald sich diese geschlossen und die beiden Blätter der Seitenplatte vollkommen ausgebildet haben, gehen sie in der oberen Hälfte in die rückgebildete Seitenplatte der Kiemenbögen, in der unteren Hälfte aber kontinuirlich in die beiden Perikardial- blätter über (Taf. XIV Fig. 247—256). Diese bereits im vorigen Abschnitte erörterten Beziehungen des Vordarms zum Perikardialsacke (S. 746) enthalten den Schlüssel zum Verständniss der Trennung der verschiedenen serösen Höhlen des Rumpfes, der Verbindungen der vorderen Baucheingeweide unter- einander und des schon geschilderten Zusammenflusses der Venenstämme mit dem Herzen, und müssen daher hier theils wiederholt, theils ausführlicher be- handelt werden. Anfangs, solange der Perikardialsack in seiner ursprünglichen Lage die hintere Grenze der Schlundhöhle oder des Kiemenapparats nicht überschreitet, biegt der Darmblattboden der Schlundhöhle unmittelbar in die Vorderwand des Vordarms um, welche den Perikardialsack nach hinten ab- schliesst (Taf. IT Fig. 38). Der letztere liegt also als Fortsetzung der Anlage der Pleuroperitonealhöhle des Rumpfes genau vor dieser, welche erst an seiner hinteren Grenze sich aufwärts bis zum Rücken erstreckt; die hintere Oeffnung 792 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. g des Perikardialsacks gegen die Pleuroperitonealhöhle wird unten von der Vorderfläche der Leberanlage, darüber ebenfalls von der Vorderseite eines Darmabschnitts ausgefüllt, welcher in seinem kurzen Verlaufe die Anlage des Darmkanals von der Mündung des Leberganges bis zur Schlundhöhle oder bis zum Kehlkopfe umfasst. Diese Anordnung verschiebt sich in Folge des weiteren Vorwachsens des Kopfes (Taf. XVI Fig. 292. 293. 298, Taf. XXI Fig. 372). Mit der Leberanlage, welche noch mit der Dotterzellenmasse verbun- den ist, wird auch der Perikardialsack an seiner früheren Stelle zurückgehalten (S. 749), während der obere Abschnitt des Vordarms durch die Schlundhöhle vorwärts gezogen den entsprechenden Theil seiner Wand aus der Hinterwand des Perikardialsackes in dessen Decke umschlägt. Diese unscheinbare Ver- änderung hat nun sehr bedeutsame Folgen. Das horizontal über die hintere Hälfte des Perikardialsackes umgelegte Vordarmstück — ich will es vorläufig den Lungendarm nennen — hat in diese neue Lage natürlich auch die es um- hüllende zweiblättrige Seitenplatte mit hinübergezogen, sodass nun der darin eingeschlossene Abschnitt der Pleuroperitonealhöhle über der Perikardialhöhle liegt, und beide Höhlen dort ebenso kommuniciren und darauf geschieden werden wie im vorderen Umfange der Leber: die vom Visceralblatte überzogene breite Bauchseite des Lungendarms bildet die Decke der über dem Venensacke befindlichen Perikardialbucht, welche an den beiden Seitenrändern jener Decke durch enge Spalten mit dem an jeder Seite des Lungendarms befindlichen Ab- schnitte der Pleuroperitonealhöhle zusammenhängt und gewissermassen die ventrale Vereinigung dieser beiden lateralen Abschnitte oder, um es gleich zu sagen, der primitiven Pleurahöhlen darstellt (Taf. XIV Fig. 261. 262, Taf. XV Fig. 274—277). Indem nun aber längs jener Verbindungsspalten das Parietalblatt ebenfalls durch vorgeschobene Falten mit den Seitenrändern der ventralen Visceralblattfläche des Lungendarms verschmilzt, so hört damit der ventrale Zusammenhang beider Pleurahöhlen auf und der Lungendarm wird zu einer vollkommenen medianen Scheidewand derselben, sodass sie erst rückwärts durch die Peritonealhöhle, in welche sie offen ausmünden, in Verbin- dung bleiben. Die Trennung der beiden primitiven Pleurahöhlen von einander und anderseits von der Perikardialhöhle ist also das Ergebniss eines einheitlichen Entwickelungsvorganges, nämlich der Einfügung der Bauchseite des Lungen- darms in die Decke des Perikardialsackes. Der vorderste Abschnitt des Vordarms, welchen ich eben als Lungen- darm bezeichnete, wird wie der ganze übrige hinter dem Kopfe gelegene Darm XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. 793 in Folge der seitlichen Abplattung des Körpers zu einem schmalen aber hohen Kanal, dessen fernere Gestaltveränderungen in innigem Zusammenhange mit der Umbildung der ihn begrenzenden Darmabschnitte stehen (Taf. XIII). Die seitlichen Leisten, welche am Boden der Schlundhöhle längs der Grenze der inneren Kiemen sich erheben (S. 680), konvergiren rückwärts in dem Masse, dass sie beim Uebergange in den Vordarm eine enge mediane Spalte einfassen, in welcher Form sich dann auch die untere Hälfte des vordersten Lungen- darms darstellt, während die über diesen Leisten befindlichen Mündungen der Innenkiemen in der oberen Hälfte jenes Darmstückes zu einem breiten Schlauche zusammenfliessen (Taf. XV). Darauf verschmelzen jene Leisten dort, wo sie an der hinteren Kopfgrenze zusammenstossen, vollständig und schliessen daduıch die spaltförmige untere Hälfte des vorderen Lungendarms oder die Anlage des Kehlkopfs nach vorn vollständig ab, sodass sie nur auf- wärts mit der weiten oberen Hälfte oder dem Eingange in die Speiseröhre kommunieirt (Taf. XVII Fig. 308, Taf. XXI Fig. 371). Diese Verbindung bleibt immer spaltförmig und wird daher, während sich die darunterliegende Kehlkopfhöhle später erweitert, zur Stimmritze (Taf. XVIII Fig. 330). Durch die Einkeilung des vorderen Rumpfendes in den Hinterkopf gelangt der Kehlkopf endlich ganz zwischen die hintersten inneren Kiemensäcke, welche nicht nur über ihm unmittelbar in die Speiseröhre übergehen, sondern auch vor ihm in jener Bucht zusammenhängen, welche durch den quer nach hinten vorspringenden scharfen Rand der vereinigten medialen Kiemenleisten entstand. Denkt man sich die innere Scheidewand des dritten Kiemenbogens jederseits so stark entwickelt, dass das hinterste, den Kehlkopf vorn und seitlich um- ziehende Paar der Kiemensäcke gegen die anderen vollkommen abgeschieden wird, so lässt sich in dieser Bucht oder dem von mir sogenannten Vorhof des Kehlkopfes und dem ihn von vorn her überragenden Schirmdach eine auf- fallende Aehnlichkeit mit dem vorderen Kehlkopfraume und dem Kehldeckel der Wirbelthiere nicht verkennen. Diese Theile erhalten sich bei den Batra- chiern, welche Kehlsäcke besitzen, indem die letzteren, wie ich an Hyla zu sehen glaube, aus jenem Vorhofe hervorwachsen und das kiemendeckelartige Schirmdach zu einer rückwärts über die Stimmritze verschiebbaren Hautfalte wird (S. 682). — Hinter der Kehlkopfgegend bleibt nicht bloss der dorsale Abschnitt des Lungendarms als vordere Speiseröhre etwas erweitert, sondern auch der ventrale buchtet sich seitlich aus und bildet so die breite Lungen- wurzel, deren Höhle mit dem Kanal der vorderen Speiseröhre noch einige 794 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. Zeit gleichsam durch eine hintere Fortsetzung der Stimmritze in Verbindung bleibt (Taf. XV Fig. 277). Erst nachdem die Lungenwurzel jederseits in einen Lungenschlauch ausgewachsen ist, schnürt sich ihr Darmblattsack von der Auskleidung der Speiseröhre völlig ab, bleibt aber so kurz, dass die Unter- scheidung eines Kehlkopfs und einer Lungenwurzel als Homologon einer Luft- röhre endlich illusorisch wird. Die Seitenplatte rückt am Lungendarm niemals ganz hinauf, sodass so ziemlich sein ganzer dorsaler Abschnitt oder die vordere Speiseröhre zwischen den Gekrösefalten aufwärts hervorragt und wesentlich vom Bildungsgewebe der ersten Rumpfsegmente, dem sich hnaufwuchernde Theile jener Faltenanschliessen mögen, umhüllt wird, während die zweiblättrige Seitenplatte die Scheide des Kehlkopfs und der Lungenwurzel bleibt (Fig. 262. 276. 277). Im Umfange des ersteren bilden sich jedoch die beiden Blätter frühzeitig zurück, indem sie mit dem ganzen Organ zwischen die hintersten Kiemenbögen eingeklemmt, unter- einander und mit dem Bildungsgewebe der letzteren zu einer Masse verschmelzen (Fig. 308), immerhin können die Kehlkopfknorpel schon desshalb von der Seitenplatte abgeleitet werden, weil der ganze Kehlkopf in der aufwärts ge- richteten Gabel der hinteren Zungenbeinhörner ruht, welche mit dem übrigen Kiemenskelet ebenfalls aus der Seitenplatte hervorgehen. Wegen dieses über- einstimmenden Ursprungs können wir die Knorpel und Knochen des Kiemen-, Zungenbein- und Kehlkopfapparats sowie weiterhin überhaupt der ganzen Respirationsorgane als homologe Bildungen ansprechen. — Erst von der Lungen- wurzel rückwärts erhält sich die Sonderung des Visceral- und Parietalblattes und daher jederseits zwischen ihnen die Anlagen der Pleurahöhlen, in welche von der Lungenwurzel aus die Lungen hineinwachsen. Die Anlagen dieser Organe sind aber nicht als einfache Ausstülpungen des Lungendarms aufzu- fassen, sondern nachdem eine quere Erweiterung der Darmblattröhre die Lungenwurzel angedeutet, entwickelt zunächst das Visceralblatt eine grössere Thätigkeit, indem es unter dem Zufluss der alsdann überall einwandernden Dotterbildungszellen jederseits von der Lungenwurzel aus rückwärts zu einem mächtigen soliden Wulste anschwillt, welcher im kontinuirlichen Zusammen- hange mit der übrigen Darmwand über sie hingleitet (Fig. 254. 263. 378. 279). Hinterher dringt erst in diese schon vorgebildeten Visceralblattwülste je ein Auswuchs der Darmblattauskleidung der Lungenwurzel von der Form eines Handschuhfingers hinein ; und indem dieser Darmblattschlauch den ihm gleichsam vorauseilenden Visceralblattwulst im Wachsthum einholt, entwickelt XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. 795 sich die embryonale Lunge zu einem am hinteren Ende blind geschlossenen Hohleylinder, dessen Aussenwand sich darauf von der Seite des Darms abzu- schnüren beginnt, aber eine bandartige Verbindung mit demselben und später mit dessen Gekröse noch lange behält (Fig. 308. 318. 359— 362). Wie diese diekwandigen, von einem sehr engen Kanale durchzogenen Lungencylinder sich in die weiten, dünnwandigen Luftsäcke des athmenden Thieres verwandeln, mögen speciellere Untersuchungen darthun; ich begnüge mich hier mitder Bemer- kung, dass das Darmblatt wohl ziemlich zweifellos nur die innere epitheliale Aus- kleidung der Lunge liefert, alle übrigen Gewebe aber vom Visceralblatte ab- stammen. Wichtiger scheint es mir, die Aufmerksamkeit noch auf einige topo- graphische Verhältnisse der Amphibienlunge zu lenken. Die Lungenwurzel reicht anfangs bis an die Hinterwand des Perikardialsackes, und wenn später auch noch der Lungenhals in der primitiven Pleurahöhle steckt, so ragt doch das übrige Organ rechts über der Leber, links über dem Magen frei in die Bauchhöhle vor. Es könnte demnach der Vergleich jener unbedeutenden vor- deren Ausläufer der Bauchhöhle mit wirklichen Pleurahöhlen sehr gesucht erscheinen. Aber wie ich es schon an mehreren Beispielen ausführte, dass nicht die äussere Erscheinung, die fertige anatomische Form, sondern lediglich die gleichen Bildungsursachen und deren gleichsinnige Verknüpfung die Homo- logien begründen können, $o verhält es sich auch mit der Deutung der unschein- baren Pleurahöhlen der Batrachier. Würde der ganze Vordarm mit der in ihm enthaltenen Anlage des Lungendarms vollständig in seiner ursprünglichen Lage hinter dem Herzraume liegen bleiben, so wäre wohl irgend ein Abschluss des jede Lunge unmittelbar umgebenden Raumes möglich, aber diese Lungen- behälter wären nur Analoga, nicht Homologa der Pleurahöhlen der Säugethiere. Denn sie würden weder den Herzbeutel begrenzen, noch überhaupt vor sondern über der übrigen Bauchhöhle liegen, und ihre eigene mediane Scheidewand müsste entweder ein Darmgekröse oder eine Neubildung, die untere sie von der Bauchhöhle scheidende Wand ganz bestimmteine solche sein, — kurz, Lage- beziehungen und Zusammensetzung solcher Höhlen würden sie morphologisch von den Pleurahöhlen vollkommen scheiden. Dadurch aber, dass der Lungen- ddarm sich über den Perikardialsack lagert und mit seiner Bauchseite sich in ihn einfügt, stellt er für die ihn beiderseits begrenzenden Abschnitte der konti- nuirlichen Pleuroperitonealhöhle alle wesentlichen Formbeziehungen der Pleura- höhlen hinsichtlich der Lage, der Zusammensetzung der äusseren Wände und der inneren Scheidewand her. Abgesehen davon, dass den Batrachiern, wie AR 796 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. ich zeigen werde, die Anlage einer hinteren, dem Zwerchfelle vergleichbaren Schlusswand nicht fehlt, so ist deren Vollendung desshalb für den obigen Ver- gleich nicht unerlässlich, weil die embryonalen Pleurahöhlen der Säuger sie ebenso entbehren wie die embryonalen Perikardialsäcke aller Wirbelthiere, also ein solcher hinterer Abschluss ein sekundärer Vorgang ist. Es bliebe also nur der Punkt aufzuklären, warum bei den Batrachiern Pleurahöhlen und Lungen nicht miteinander korrespondiren. Dazu erinnere ich zunächst daran, dass bei allen Wirbelthierembryonen das Herz unter dem durch die Schlund- falten bezeichneten Kopfdarme entsteht, also auch bei den Säugern der Vor- darm ebenso wie bei den Batrachiern sich über den Perikardialsack vorschieben muss. Der Raum der Pleurahöhlen ist nirgends wie derjenige der Perikardial- und Bauchhöhle in den ersten Embryonalanlagen topographisch fertig abge- steckt, sondern entsteht erst in dem Masse, als jene Verschiebung fortschreitet. Bei den Batrachiern ist nun dieser Fortschritt ein so langsamer, dass ihre Lungen aus den für sie ungenügenden Höhlen endlich in bedeutendem Masse hervorwachsen und dadurch natürlich deren Abschluss hindern, während die Lungen der Säugethierembryonen über eine gewisse hintere Grenze, welche etwa mit dem Vorderende des Magens zusammenfällt, niemals hinausragen, weil die primitiven Pleurahöhlen dieser Thiere entsprechend dem Wachsthume ihrer Lungenanlagen sich nach vorn ausdehnen (vgl. KöLLIKER Nr. 48 8. 373, Bjscnorr Nr. 140 S. 109 Taf. XI. XII). Dieses Wachsthum des von den Pleurasäcken umfassten Lungendarms oder der Lungenwurzel und Speiseröhre ist aber natürlich abhängig von der Verlängerung der zugehörigen Stammtheile, also davon, wie viele Segmente sich nachträglich über den Perikardialsack oder vielmehr die ihn zurückziehende Leberanlage vorschieben, welche durch die Dotterzellenmasse (Batrachier) oder den Darmnabel (Säuger) zurückgehalten wird, in dessen Vorderrande sie ja entsteht. Das Hauptmotiv einer solchen Verschiebung sehe ich nun bei den Säugethierembryonen in der starken kon- vexen Krümmung ihres Rückens, in dessen konkaver Beuge der Darmkanal einen viel kürzeren Bogen beschreibt, sodass bei der Streckung der vorderen Rückenhälfte der entsprechende Darmabschnitt oder der Lungendarm über den Perikardialsack weit vorgezogen werden muss. Mit jener ursprünglichen Krüm- mung, welche auf die Entwickelung der Axenplatte zurückzuführen ist, fehlt den Batrachiern auch die nothwendige Folge, sodass wir nun zu folgenden Re- sultaten gelangen. Die Anlage wirklicher Pleurahöhlen ist als Folge zweier Entwickelungsvorgänge zu betrachten, erstens der frühzeitigen Anheftung XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. 797 des Perikardialsackes an die Leber als einen so zu sagen fixen Punkt des embryonalen Darmkanals, und zweitens der Ausdehnung des Lungendarms über jene Organe nach vorn, deren Mass abhängig ist von der Verschiebung der vorderen Stammtheile über jenen fixen Punkt des Darmkanals hinaus und in letzter Linie von der ersten Entwickelung der Axenplatte. Auf diese Weise gelangen wir zu einer bestimmten Definition der Brustregion als desvor der Leber liegenden Rumpftheils, dessen Ausbildung diejenige der Pleurahöhlen erst bedingt und nicht etwa umgekehrt; bei der Entwickelung der Brustregion sehen wir aber dieselben Ursachen wirksam eingreifen, welche bereits die Kopfbildung am wesentlichsten bestimmen, nämlich die in der sich umbildenden Axenplatte .enthaltenen Formbedingungen. Diese Auffassung scheint mir geeignet, das Verständniss für die Verschiedenheiten im allgemeinen Aufbau der einzelnen Wirbelthierformen zu fördern: mit der relativ geringsten Formentwickelung des Hirns, worin doch die Entwickelungshöhe der Axen- platte zum Ausdruck kommt, fällt auch der Mangel einer Brustregion und folg- lich der Brusthöhlen im engeren Sinne zusammen (Fische), und die steigende Ausbildung dieser Theile läuft auch dem Fortschritte der Hirnbildung parallel (Batrachier, Amnioten)*. Etwa zur selben Zeit, wenn die durch ihre Gestalt kenntlichen Darmblatt- zellen vom Grunde des blindsackartigen Vordarms an dessen Hinterwand hin- aufzurücken und durch diese Bewegung ihn zu vervollständigen und von der Dotterzellenmasse abzusondern beginnen, offenbart das Darmblatt auch an allen übrigen Stellen desselben Darmtheils Zeichen einer erhöhten Thätigkeit, welche in gesteigerter Zellentheilung und -verschiebung besteht und in einer Flächenausdehnung des Blattes und einer Anpassung desselben an die umgeben- den Formbedingungen zum Ausdruck kommt. Dabei ist vor allem zu berück- sichtigen, dass dem Vordarme eine kanalförmige Anlage vollständig fehlt, also als Folgen der Ausdehnung in einem beschränkten Raume zunächst nicht Win- dungen, sondern vielmehr Faltung und Einschnürung zu erwarten sind. An einer Stelle stösst übrigens der Vordarm auf keinen Widerstand, nämlich dort, wo er den noch relativ weiten Perikardialsack begrenzt; daher buchtet er sich auch frühzeitig in jene Höhle aus und bildet so die Leberanlage. Dieser Ausweg gestattet der vorderen und seitlichen Wand des Vordarms sich abwärts * Die Halsbildung ist eine sekundäre Folgeerscheinung des eben geschilderten Ent- wickelungsvorgangs und als solche in eben dem Grade von geringerem morphologischen Interesse, als ihre Ursachen unbeständiger und schwieriger zu bestimmen sind, 798 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. auszudehnen und dadurch den Uebergang in die dabei vorwärts ausweichende Leberanlage einzuschnüren (Taf. XVT). Diese Einschnürung stellt den künf- tigen Ductus hepaticus vor, hinter dem noch ein von vorn abgeplatteter, beutel- förmiger Rest des ursprünglichen Vordarm -Blindsacks zurückbleibt, welcher abwärts und nach beiden Seiten die Anlagen der Gallenblase und des bleiben- den pankreatischen Ganges hervortreibt, in seinem Mittelstücke aber eine kontinuirliche Fortsetzung des Lebergangs zum eigentlichen Darm enthält (Ductus choledochus). Zunächst nenne ich aber die ganze Verbindung zwischen Leber und Darm ohne Rücksicht auf jene accessorischen Bildungen den pri- mitiven Leberstiel, dessen Axe also, wenn man sich die blosse Einschnürung der Leberwurzel in einen kurzen Gang ausgewachsen denkt, von vorn nach hinten und dann aufwärts gebogen verläuft. Während dieser Entwickelung der unteren Hälfte des ursprünglichen Vordarms wird auch sein oberer weiter Abschnitt, welcher anfangs einen geraden, nur abwärts erweiterten Uebergang vom Kopf- und Lungendarm zum Mitteldarm darstellt, eingreifenden Umbil- dungen unterworfen. Wie man sich an Durchschnitten leicht überzeugt, ist die Decke des Vordarms zuerst schmal und dachförmig wie am Mitteldarm; da ihr bei dem Beginn der Ausbreitung des Darmblattes eine sagittale Ver- längerung offenbar noch nicht freisteht, buchtet sie sich seitlich aus, wobei sie etwas einsinkt und von der Wirbelsaite sich entfernt (Taf. XILI—-XV). Da diese beiderseitigen Ausbuchtungen nur die Folgen einer Flächenausdehnung im relativ beschränkten Raume sind, äussert sich die letztere in einer jederseits unter die Ausbuchtung sich einwärts einschlagenden Falte; und indem eine eben solche Falte alsbald auch quer hinter dem verbreiterten Mittelstücke der Vor- darmdecke, eine andere vor ihm entsteht, welche mit den seitlichen Falten in einer kontinuirlichen Einschnürung sich abwärts und einwärts zusammenziehen, so erhellt daraus, dass diese Abschnürung die Mitte des weiten oberen Ab- schnittes des Vordarms gleichsam so herausschneidet, dass der Rest desselben als ein aufwärts konkaver Verbindungsbogen zwischen dem Lungen- und dem Mitteldarme zurückbleibt, in dessen untere Seite der primitive Leberstiel ein- mündet (Fig. 372, vgl. Nr. 64 Fig. 39—41). Im vorderen niedersteigenden Schenkel dieses Bogens ist als Fortsetzung der aus dem Lungendarme hervor- tretenden Speiseröhre die Anlage des Magens enthalten; der untere Theil und der hinten aufsteigende Schenkel des Bogens bilden die Anlage der Duodenal- schlinge, auf welcher der quer abgeschnürte Darmtheil oder die Hauptanlage der Bauchspeicheldrüse wie ein Zwerchsack auf jeder Seite überhängend XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. 799 ruht. Die Einzelheiten der Entwickelung dieser Drüse wie der Leber werde ich erst weiter unten eingehender behandeln, hier aber die weitere topographische Umbildung des Vordarms zu Ende verfolgen. Schon während die ersten Aus- buchtungen der Pankreasanlage hervortreten, lässt sich eine ganz bestimmte asymmetrische Lage derselben konstatiren: der rechts überhängende Blindsack ist etwas vorwärts, der linke rückwärts gerichtet; zugleich offenbart sich eine entsprechende Umlagerung des ganzen Gastro-Duodenalbogens und der Leber- anlage (Fig. 254. 255. 311). Indem diese auf die rechte Seite hinüberneigt, weicht der vordere Schenkel mit dem primitiven Leberstiele oder der Magen- Leberdarm nach links von der Medianebene ab, während der Uebergang des Duodenums in den Mitteldarm in Folge einer entgegengesetzten Verschie- bung des hinteren Schenkels oder des Pankreasdarms auf die rechte Seite zu liegen kommt (Fig. 278. 279. 311—313. 852. 359 — 362). Mit anderen Worten, die ganze Gastro-Duodenalschlinge rückt aus der medianen in eine schräge und selbst quere Stellung, welche ihrer Verlängerung mehr Spielraum gewährt; und indem sie sich dabei ventralwärs ausdehnt, verdrängt der links hinabsteigende. Magen die darunter liegende Leber auf die noch freie rechte Seite. Diese sehr unmerklich beginnende Lageveränderung des Vordarms und seiner Abschnürungsorgane ist nicht nur die Einleitung und, ohne dass sich ihre | eigene Ursache bezeichnen liesse, der leicht nachweisbare Ausgangspunkt für alle späteren Zustände des Situs viscerum, sondern auch die unerlässliche Grund- lage für die gesetzmässigen, eigenthümlichen Verbindungen der vorderen Bauch- eingeweide vermittelst des sie gemeinsam überziehenden Visceralblattes. Schon am Hinterende des Lungendarms, wo die Speiseröhre sich zum Magen zu erweitern beginnt, dringen die Gekrösefalten wieder bis zur Rücken- seite des Darmblattkanals hinauf und vereinigen sich über ihm zur Anlage eines Gekröses (Fig. 263—265. 279—281). An der genannten Stelle bleibt es allerdings sehr kurz; rückwärts aber über der ganzen Gastro-Duodenal- schlinge bis zum Mitteldarm dehnt es sich bereits in der ersten Larvenperiode zu einem wirklichen Aufhängebande aus (Fig. 359—362). Unmittelbar erreicht. es übrigens nur die Anlage des Magens; dahinter endet es an der Oberseite der zwerchsackförmigen Pankreasanlage, welche die konkave Biegung, des Duo- denums vollständig ausfüllt und mit demselben breit zusammenhängt. In Folge der asymmetrischen Umlagerung der Vordarmtheile wird das genannte Gekröse von seiner medianen Wurzel aus durch den Magen Leberdarm nach links, vom. Pankreasdarm nach rechts hinübergezogen. — Zu gleicher Zeit mit diesem S00 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. (Gekröse entwickelt sich das Ligamentum hepato-gastro-duodenale oder das kleine Netz, welches man ganz wohl als interviscerales Gekröse be- zeichnen darf. Wenn alle bisherigen Schilderungen der Leberentwickelung richtig wären, wenn also dieses Organ wirklich ein freier Auswuchs, eine voll- ständige Ausstülpungsbildung des Darmkanals wäre, so bliebe für die noch nirgends erörterte Entstehung des kleinen Netzes nur die Annahme übrig, dass es aus einer sekundären Verbindung der Leber mit dem Darmkanal hervor- ginge, welche aber um so wunderbarer erschiene, als die frühzeitige Streckung des primitiven Leberstiels, welcher doch später in der breitesten Stelle jenes Bandes liegt, nothwendig eine von Anfang an zunehmende Entfernung jener beiden Eingeweide wenigstens an jener Stelle voraussetzt, was auch thatsäch- lich der Fall ist. Erscheint aber schon die Vorstellung einer Ausstülpung für die Anlage der Batrachierleber ganz unstatthaft, so bezieht sich auch die ge- schilderte Abschnürung derselben nur auf das Darmblatt. Das Visceralblatt, welches ursprünglich kontinuirlich von der Seite des Vordarms auf die Leber- anlage überging, zieht sich allerdings jederseits in die Abschnürungsfurche faltenförmig ein, wird aber über dem Leberstiel nicht quer durehbrochen, son- dern beide Falten vereinigen sich in dem Masse, als jene Eingeweide ausein- andertreten, zu einer Platte, deren beide Blätter beim Uebergange auf die dadurch verbundenen Eingeweide nach beiden Seiten wieder auseinander- weichen (Fig. 298. 312). Dasselbe geschieht auch über der Leber zwischen dem Magen und dem Venensacke bis zum Lungendarm hinauf, wo das Visceral- blatt jenes Sackes das Darmblatt wieder erreicht, also die mediane Platte auf- hört (Fig. 255. 311). In ihrer Entstehung stimmt folglich diese Platte oder eben das kleine Netz mit dem Gekröse vollständig überein und ihre Lage und (restalt bleiben stets in genauer Anpassung an die Lagebeziehungen der durch sie verbundenen Theile. Anfangs, solange die Leber aus ihrer Lage vor und unter dem Vorderschenkel der noch ziemlich median gestellten Gastro- Duodenalschlinge noch wenig gewichen ist, verläuft auch das kleine Netz ziem- lich senkrecht und in einem sehr schmalen Streifen zwischen der Hinterfläche der Leber, der nur wenig geneigten Vorderfläche des Magens und Duodenums bis zum kurzen primitiven Leberstiel hinab (Fig. 298). Je weiter die Leber nach rechts rückt, desto länger wird der primitive Leberstiel und damit ein unterer Rand des kleinen Netzes ausgezogen, sodass es zwischen Leber, Magen-Leberdarm und dem Leberstiele eine dreieckige Scheidewand bildet, deren Basis mit dem letzteren zusammenfällt und deren Spitze im Uebergange XT. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. 801 des Magens in die mediane Scheidewand der Pleurahöhlen liegt. Diese drei- eckige Membran wird aber in Folge jener Lageveränderung der Vordarmtheile zugleich schräg von vorn und rechts nach links mit einer Neigung nach hinten gestellt. Auf diese Weise entsteht zwischen dem kleinen Netze und der Leber vorn und etwas rechts, dem Magen-Leberdarm links und dem queren Pankreas- darm, nebst dessen ebenfalls quergezogenem Gekröse als Hinterwand ein nur abwärts und rechts sich öffnender Raum, welcher aber so eng ist, dass der durch ihn repräsentirte Netzbeutel nur als Spalte erscheint (Fig. 278. 311. 312. 359—362). Später sucht man aber auch nach einem solchen spaltförmi- gen Netzbeutel vergebens; denn indem sich einerseits die Masse der Bauch- speicheldrüse von der Gastro-Duodenalschlinge vollkommen und ohne Aus- ziehung eines intervisceralen Gekröses trennt, und anderseits auch der schmälere Theil des kleinen Netzes bis auf das die Gefässe, Nerven und den Leber-Gallengang leitende Band resorbirt wird,* erhalten die Wände des ur- sprünglichen Netzbeutels so viele Lücken, dass sein embryonaler Bestand aus dem anatomischen Verhalten im entwickelten Thiere nicht erkannt werden könnte. — Wenn die Leber ihrer Entstehung gemäss ursprünglich nur ein interviscerales Gekröse, eben das kleine Netz, besitzen kann, so erhält sie nachträglich gewisse Verbindungen mit der Leibeswand, welche allerdings nicht im wörtlichen Sinne Aufhängebänder, aber doch die Leber in ihrer Lage zu erhalten bestimmt sind und daher als ihre Richtbänder bezeichnet werden könnten. Von diesen habe ich das gewöhnlich sogenannte Lig. suspensorium hepatis oder das Leitband der Bauchvene bereits geschildert (S. 768); ein zweites geht in entgegengesetz- ter Richtung an die Wirbelsäule. Auf der rechten Seite wächst nämlich die Leberanlage mit dem ihr angeschlossenen bleibenden pankreatischen Gange am Venensacke bis an die rechte Seite der in den Magen übergehenden Speise- röhre und bis dicht unter den der letzteren angehefteten rechten Lungen- schlauch hinauf, wobei sie mit diesen Theilen kontinuirlich verbunden bleibt (Fig. 278. 359— 562). Indem aber diese rechte Leberhälfte seitlich an die Leibeswand stösst und längs derselben auswachsend sich rückwärts wendet, schiebt sie sich von vorn und rechts vor die Oeffnung des Netzbeutels und ver- vollständigt so dessen vordere Bucht, während sie anderseits durch die Aus- füllung des Raumes zwischen ihrer Befestigung an der Speiseröhre und der * Stannıus spricht noch von einem kontinuirlichen Gekröse der Anuren (Nr. 80 II S. 180), während Levvıe bereits auf Gekröselücken in der Magengegend einiger Amphibien aufmerksam machte (Nr. 81 S. 45). GOETTE, Entwickelungsgeschichte, öl 802 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. seitlichen Leibeswand die um die rechte Lunge bereits entstandene offene Höhle von einer ähnlichen ventralen Lücke zur Seite der Gallenblasenanlage scheidet. Die obere Befestigung dieser rechten Leberhälfte zieht sich darauf zu einem kurzen Bande aus, welches beim weiteren Auswachsen der Leber von der rech- ten Seite der Speiseröhre auf das sich daran schliessende Pankreasgekröse sich fortsetzt und so schräg auf- und rückwärts die Wurzel desselben erreicht. Im Anfange der zweiten Larvenperiode wird dieses neugebildete Gekröse der rech- ten Leberhälfte durch ihr andauerndes Wachsthum schräg nach rechts hinab- gezogen und dadurch vom Gekröse der Gastro-Duodenalschlinge gleichsam ab- sespalten, sodass es endlich rechts neben der Wurzel desselben und gerade unter der Stammvene derselben Seite eine eigene subvertebrale Befestigung er- hält (Taf. XXI Fig. 376). Dabei wird natürlich die Anheftung der Lunge auf die schräg auf- und lateralwärts gekehrte Fläche dieses Lebergekröses über- tragen. Auch ist es jetzt leicht verständlich, wie der vordere Hohlvenen- abschnitt, indem er vom Venensacke aus sich in diesem Gekröse in dem Masse rückwärts entwickelt, als dasselbe vorrückt, durch dasselbe endlich in die rechte Stammvene hinübergeleitet wird (S. 769). Untersucht man nun diese Bildung nach der Larvenmetamorphose, so findet man mit der Verbreiterung der rech- ten Leberhälfte auch das geschilderte Gekröse noch mehr lateralwärts um- gelegt, sodass zwischen seinem freien Rande und der Leibeswand nur ein Schlitz übrig bleibt, durch welchen die rechte Lunge, welche bei mässiger Fül- lung durch jenes Gekröse von unten verdeckt werden könnte, bei stärkerer Luftaufnahme in die Bauchhöhle hervortritt. Nun denke man sich die Aus- dehnung der Pleurahöhlen nach vorn so beschleunigt, dass sie zur Bergung der wachsenden Lungen jederzeit vollkommen ausreichen und daher der nach rechts schauende freie Rand des genannten Lebergekröses der Leibeswand einige Zeit angeschmiegt bliebe, ohne von der in Thätigkeit versetzten Lunge beständig wieder abgehoben zu werden; dann wäre eine Verwachsung jenes Randes mit dem parietalen Bauchfelle oder der feste hintere Verschluss der rechten Pleurahöhle ebenso wahrscheinlich wie der hintere Verschluss der Perikardialhöhle unter ähnlichen Umständen konstant eintritt. Jene Voraus- setzung ist nun für die Säugethierembryonen vollständig zutreffend: ihre Leber wächst ausserordentlich schnell, während die Lungen noch ganz über (hinter) dem Herzen in ihren Pleurahöhlen liegen, und zugleich vollzieht sich auf eine noch nicht aufgeklärte Weise der hintere Abschluss dieser Höhlen (vgl. KoEr- LIKER Nr. 48 S. 379). Es kommt mir daher mehr als wahrscheinlich vor, dass IX. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane 303 der letztere so entsteht, wie er bei den Batrachiern angelegt und nur durch die relativ frühe Ausdehnung der Lunge an der Vollendung gehindert wird; um so mehr als nur bei dieser Annahme die noch ebenso unaufgeklärte Entwickelung des vorderen Hohlvenenendes der Säuger verständlich wird, welches eben nicht durch ein Darmgekröse, sondern über der rechten Leberhälfte und innerhalb des Zwerchfells von der Wirbelsäule zum Herzen hinabsteigt. — Ganz ähnliche Beziehungen, wie sie das subvertebrale Lebergekröse zur rechten Lunge und Pleurahöhle eingeht, zeigen zu den linken Gegenstücken derselben der letzte Speiseröhrenabschnitt und der Magen mit ihrem Gekröse, denen sich noch, wie ich wenigstens an erwachsenen Unken sehe, ein linkes Leberband anschliesst, sodass ich zu behaupten wage, dass die Batrachier so gut wie die Säugethiere hintere Schlusswände ihrer Pleurahöhlen entwickeln, welche aus den angeführ- ten Ursachen nur nicht zur Verbindung mit der lateralen Leibeswand gelangen. Diese beiden Wände und die Hinterwand des Perikardialsackes bilden nun eine die Rumpfhöhle quer durchsetzende nach vorn und oben gewölbte Scheide- wand, ein vollkommenes Homologon des Zwerchfells. Denn es erhellt, dass die morphologische Bedeutung desselben von der Anwesenheit der vom M. transversus sekundär hineinwachsenden Muskelbündel unabhängig ist, wel- cher Vorgang bei den Batrachiern wohl zum grössten Theil durch die mangelnde Verbindung des pleuralen Zwerchfells mit der Leibeswand verhindert wird. Ebenso ist die schliessliche Ausdehnung desselben bei den Säugethieren, welche natürlich mit der Ausbreitung der Pleurahöhlen bis an die Bauchseite des Perikardialsackes fortschreitet, sowie die grössere oder geringere Absonderung der Leber vom Zwerchfelle für jenen Vergleich unerheblich. Bevor ich diesen Gegenstand verlasse, will ich nur noch die Frage anregen, ob nicht das Centrum tendineum eine Folge der unmittelbaren Einfügung der vorderen Leberseite in die künftige Mitte des Zwerchfelles ist, indem dort anfangs die einfachen Duplikaturen von Peritoneum und Pleura, Peritoneum und Perikardium auf- hören, und die zwischen die auseinanderweichenden serösen Blätter eingefügte Leber dem Fortschritt der Muskeln in jenen Duplikaturen ein Ziel setzt. Ueber die besondere Entwickelung der zwei grossen Abschnürungsorgane des hinteren Vordarms habe ich noch Folgendes zu berichten. — Die erste Anlage der Leber zeigt sich in der vorderen unteren sackförmigen Ausbuchtung des Vordarms, welche beim Beginn der aktiven Umbildung des Darmblattes als erster Ausdruck seiner Ausdehnung erscheint. Die Folge zeigt, dass diese Thätigkeit mit einem organischen Wachsthum unter Massenzunahme nichts zu 51* 304 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. thun hat; denn die Ausdehnung geht im allgemeinen mit der Verkleinerung der Zellen und der Verdünnung des ganzen Blattes Hand in Hand, und Beides schreitet dort am schnellsten fort, wo die Formbedingungen dazu am günstig- sten sind, nämlich die Ausdehnung genügenden Spielraum findet. Daher scheint es natürlich, dass der Darmblattsack sich zuerst gegen die freie Perikardial- höhle ausbuchtet; sobald aber diese Ausbuchtung durch das mit vorgeschobene Visceralblatt oder durch andere Umstände behindert, in ihrem Inneren indessen ein grösserer freier Raum entstanden ist, findet die fortschreitende Ausdehnung, gemäss jener mechanischen Vorstellung den bequemsten Ausweg gegen diesen Innenraum und zwar in Form von Faltungen oder Einsenkungen (Fig. 250. 256. %7.278. 292. 293. 313). Da nun aber diese nicht als isolirte gruben- oder furchenförmige Vertiefungen auftreten, sondern von Anfang an nach verschie- denen Seiten zusammenhängen, sodass die zwischen ihnen zurückbleibenden Theile der ursprünglichen Darmblattoberfläche erst als flache Buckel, dann als kolbige hohle Sprossen erscheinen, so hat man sich daran gewöhnt, diese als einfache Ausstülpungen anzusehen. Achtet man jedoch darauf, dass wäh- rend dieser ersten Umbildung der äussere Umfang der Leberanlage nicht zu- nimmt, dagegen ihre Höhle alsbald verdrängt und durch die von der Leber- wurzel aus nach allen Seiten hin ausstrahlenden engen Kanäle jener Sprossen ersetzt wird, so muss die erste Schilderung den Thatsachen besser entsprechend erscheinen. In dem Masse als die sich centripetal ausdehnende Darmblattmasse den weiten Innenraum der Leberanlage zum Theil ausfüllt, wachsen an der Peripherie die Zwischenräume zwischen dem glatt gespannten Visceralblatte und den Enden der Lebersprossen; folglich können diese Enden anschwellen und im kleinen die erste Umbildung der ganzen Leberanlage wiederholen: sie be- decken sich mit Buckeln, welche sich in kleine Blindsäckchen verwandeln, und die ganze Darmblattmasse der Leber bietet das Bild einer Drüsenanlage, welche zu einer traubigen Form auszuwachsen im Begriffe steht (Fig. 277). Doch folgt die weitere Leberentwickelung diesem Typus nicht, sondern die sich weiter verzweigenden und dabei stets dünner werdenden Blindsäckchen oder hohlen Kölbehen verwachsen mit ihren Enden nach allen Seiten und bilden auf diese Weise das bekannte embryonale Lebernetz (Fig. 259. 371.373). Diese Ab- weichung der Leber von anderen ähnlich angelegten Drüsen trifft mit der früh- zeitigen Blutgefässbildung in ihren ersten Interstitien zusammen, welche Bil- dung sie nur noch mit den nicht verzweigten Urnierenanlagen theilt; und ich glaube es daher als wahrscheinlich bezeichnen zu dürfen, dass die Entwickelung XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. 305 jenes schon beschriebenen Gefässnetzes zwischen den noch einfachen Leber- sprossen diese veranlasst, die Blutbahnen zu umwachsen und dabei netzförmig zusammenzustossen. Dies bleibt aber auch der einzige wesentliche Unter- schied der Leber von anderen verzweigten Drüsen; denn dass von den ersten hohlen Sprossen nur noch solide Kölbchen auswachsen, das ganze embryonale Lebernetz also ein Balkenwerk und nicht ein Kanalsystem sei, muss ich nach meinen Erfahrungen für die Batrachier in Abrede stellen. Allerdings nimmt aber die Weite der Lichtungen schon in den sekundären Sprossen so beträcht- lich ab, dass man sie zwischen den noch mit Dotterkörnern angefüllten und da- her nicht scharf begrenzten Zellen nur an ausgesuchten Durchschnitten und bei stärkerer Vergrösserung erkennt (Fig. 374). Dieser Umstand lässt mit Rück- sicht auf die bekannte Enge der feinsten Gallenkanälchen erwachsener Thiere annehmen, dass auch die scheinbar soliden Cylinder in der Leberanlage unseres Thieres hohl seien. Die weitere Entwickelung des Lebernetzes, welche ich noch bis in die zweite Larvenperiode verfolgt habe, bot mir nur eine fortlaufende Wiederholung der geschilderten Vorgänge, wozu ich noch bemerke, dass aufden Durchmesser eines Lebercylinders durchgängig zwei Zellen kommen, so dass die Annahme eines denselben durchziehenden feinen Kanälchens auf keine Schwierigkeiten stösst. Für die entwickelten Batrachier ist bekanntlich ein solcher Bau der Leber durch HeErına nachgewiesen worden (Nr. 154 S. 94—97), sodass der direkte Uebergaug des netzförmigen aus dem Darmblatte hervor- gehenden Kanalsystems der embryonalen Leber in den (ralle bereitenden und ausführenden Apparat des fertigen Organs unzweifelhaft erscheint; die einzige erwähnenswerthe Veränderung besteht eben darin, dass im ersten Falle die secernirenden Drüsenzellen und das Epithel der Ausführungsgänge noch voll- ständig gleich sind, in der Folge aber das letztere abgeplattet wird. Alle Bindesubstanzen der Leber werden vom Bildungsgewebe des Visceralblattes geliefert, natürlich stets unter Voraussetzung der Ergänzung durch Dotter- bildungszellen. | Die Entstehung des Ductus hepaticus, eysticusund choledochus wäre sehr ein- fach zu verstehen, wenn der primitive Leberstiel nichts weiter erzeugte. Der gleichzeitige Ursprung des pankreatischen Ganges aus derselben Anlage er- schwert die sondernde Erkenntniss um so mehr, als seine Entwickelung nach den genauesten Untersuchungen, die ich darüber anstellen konnte, von zwei getrennten Punkten ausgeht. Die Auffassung, dass der pankreatische Gang gar nicht zum primitiven Leberstiel gehöre, sondern als besonderer Auswuchs 806 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. des Duodenums zu betrachten sei, kann die Darstellung desshalb nicht verein- fachen, weil die Anlagen der genannten Gänge und der Gallenblase ursprüng- lich einen einfachen Sack bilden, der durch allmähliche Abschnürung in jene Theile aufgeht. Zunächst lässt sich die mehr hohe als breite Einschnürung, welche die eigentliche Lebermasse absondert, als unbestrittene Anlage des Ductus hepaticus von dem dahinter liegenden Beutel scheiden, welcher aufwärts in das Duodenum übergeht (Fig. 298. 372). Weil sein schmälerer Grund ge- rade unter der Mündung in den Lebergang sich zu einer anfangs platten Tasche oder der Gallenblasenanlage abschnürt, lässt sich sein Mittelstück, wel- ches in den Lebergang und die Gallenblase unter der geringsten Aenderung seiner Axe sich fortsetzt, als D. choledochus bezeichnen. Die Gallen- blasenanlage schiebt sich in der Folge unter die Leber (Fig. 278), und indem sie sich zu einer dickwandigen Blase erweitert, verursacht sie einen Eindruck an der Unterseite des weichen auswachsenden Organs und im Anschlusse daran scheinbar auch dessen erste Sonderung in zwei Hälften oder Hauptlappen, von denen der linke sich später noch einmal theilt (Fig. 371. 379). Die Seitentheile des beutelförmigen primitiven Leberstiels buchten sich frühzeitig aus, der linke schwächer und etwas tiefer, der rechte stärker und aufwärts, sodass er als länglicher Blindsack der Hinterseite des rechten Leberlappens angeschlossen, mit ihm in der beschriebenen Weise auswächst und dabei an der rechten Seite des Magens auf die dort herabhängende Hauptanlage des Pankreas stösst und sich mit ihr verbindet (Fig. 278. 279. 360). Da diese Verbindung sich voll- zieht, bevor noch die feinere Ausbildung der Drüse begonnen hat, so kann na- türlich eine Grenze, wie weit ein jeder von den beiden genetisch verschiedenen Theilen am Aufbau des ganzen Organs betheiligt ist, nur annähernd bestimmt werden; und wenn ich zur Vereinfachung der Darstellung die aus dem primi- tiven Leberstiel hervorgehende Anlage bisher als pankreatischen Gang bezeich- nete, so will ich jetzt ausdrücklich hervorheben, dass die Mächtigkeit derselben gegenüber derjenigen des Ausführungsganges der Leber es mir höchst wahr- scheinlich erscheinen lässt, dass jene Anlage ausser dem Endstücke des pankreatischen Ganges auch noch Theile der eigentlichen Drüsensubstanz er- zeuge, dass also die Batrachier, sowie ich es seinerzeit für die Vögel nachwies (Nr. 153 8. 48—51), ebenfalls zwei vollständig getrennte Bauchspeicheldrüsen- anlagen besitzen. Die morphologische Entwickelungsgeschichte ihres gemein- samen bleibenden Ausführungsganges ist aber in der obigen Darstellung noch nicht erschöpft. Die linke Ausbuchtung des primitiven Leberstiels, welche an- XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. 807 fangs scheinbar isolirt besteht, wird während der folgenden Lageveränderung der Leber mit der rechtsseitigen Anlage des pankreatischen Ganges dadurch verbunden, dass die letztere über die Vorderseite des primitiven Leberstiels nach links hinüber sich von ihm abschnürt und daher endlich in die linksseitige mündet, welche ihrerseits sich allmählich vom D. choledochus bis zum Duo- denum absondert (Fig. 278. 313. 359. 360). Daraus erhellt, warum der fer- tige Ausführungsgang der Bauchspeicheldrüse den D. choledochus von rechts her überschreitet, um an dessen linker Seite sich in den Darm einzusenken (Fig.37 3). Die dorsale Pankreasanlage, welche ich in ihrer ursprünglichen Gestalt mit einem Zwerchsacke verglich, ist von Anfang an mehrfach aber weniger regelmässig als die Leberanlage ausgebuchtet; der überwiegende Theil ihrer Masse neigt nach rechts von der Gastro-Duodenalschlinge und verschmilzt dort mit dem vom Leberstiele hinaufwachsenden Blindsacke, während die kleine, halbkugelig vorragende linke Hälfte am längsten mit dem konkaven Grunde jener Schlinge verbunden bleibt und daher deren Umlagerungen sehr gut kennzeichnet (Fig. 311. 312. 352. 373). Diese Verbindung besteht längere Zeit in einer bei der Abschnürung der ganzen Anlage zurückgebliebenen kanal- förmigen Kommunikation zwischen dem Innenraum des Darms und des Pankreas, sodass dasselbe nicht nur, wie wir sahen, aus drei getrennten An- lagen hervorgeht, sondern einige Zeit durch zwei an den entgegengesetzten Enden mündende Kanäle mit dem Darme in Verbindung steht. Der zuletzt be- schriebene, der Hauptanlage angehörige Gang schwindet aber in der Folge, worauf sich die Drüse von der Gastro-Duodenalschlinge völlig ablöst und so einen der merkwürdigsten Wechsel in den ursprünglichen und späteren Verbin- dungen und Beziehungen eines Organs zu anderen offenbart. Die weitere Ent- wickelung der Darmblattanlage beginnt ähnlich wie an der Leberanlage: das sich ausdehnende Blatt erzeugt gegen den Innenraum vorspringende und den- selben verengende Falten und zwischen diesen nach aussen gerichtete Blind- säckchen, welche sich allmählich verzweigen. Der verengte Innenraum wird zum centralen Ausführungsgang, die Blindsäckchen ordnen sich zu den an- sitzenden Drüsenläppchen an. Diese behalten stets deutliche Lichtungen und scheinen sich nicht stark weiter zu verzweigen, sondern die Drüsenkanälchen länger zu werden, als es’ sonst bei traubigen Drüsen der Fall ist (FÜg. 376). Der Umstand, dass obgleich die Entwickelung der Bauchspeicheldrüse der- jenigen der Leber anfangs sehr ähnlich ist, bei dem relativ viel späteren Auf- treten der weniger zahlreichen und starken Gefässe die Drüsensprossen wohl S08 Xl. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. dicht zusammengedrängt erscheinen, aber niemals miteinander verschmelzen, dürfte die Auffassung unterstützen, dass die Entwickelung des besonderen Ge- fässnetzes der Leberanlage auch ihre abweichende Drüsenbildung bedinge. Der Mitteldarm ist der am spätesten zum vollständigen unteren Ab- schlusse kommende Darmabschnitt (vgl. S. 265—267). Man macht sich die richtigste Vorstellung von seinem Verhältniss zu den anderen Abschnitten, wenn man sich das Darmblatt als einen weiten Sack denkt, der an beiden Enden (Vorder-, Hinterdarm) blind geschlossen, in der Mitte seiner Unterseite eine grosse Oeflnung besitzt, in welche eine kompakte Masse (Dotterzellen- masse) so weit eingefügt ist, dass sie die darüberliegende Lichtung ausser- ordentlich verengt (Mitteldarmkanal) und die anstossenden unteren Theile der endständigen weiteren Räume rückwärts und vorwärts abschliesst (Vordarm, Afterdarm). Daher sind auch diese an beiden Enden des Mitteldarmkanals sich abwärts vertiefenden Buchten nicht als vollständige Darmblattbildungen anzusehen, was sofort erhellt, wenn man sich die Dotterzellenmasse durch ihr Homologon bei anderen Wirbelthierembryonen, den flüssigen Nahrungsdotter vertreten denkt: der „Blindsack“ des Vordarms ergibt sich dann als die gegen den Dotter weit offene Fovea cardiaca, der „Blindsack“ des Afterdarms als die ebenso weit zugängige hintere Darmbucht der Amnioten. Indem aber die gleichsam freien Ränder des sich ausdehnenden Darmblattes die vordere und hintere Fläche der Dotterzellenmasse aufwärts überziehen und sie dadurch von der Begrenzung jener Blindsäcke ausschliessen, an den Enden des Mitteldarms angekommen aber in dessen Darmblattränder umschlagen, welche umgekehrt die Dotterzellenmasse abwärts umwachsen, wird die letztere in eine bruchsack- artige, vorn und hinten gegen die endständigen Darmabschnitte abgeschnürte Erweiterung des Mitteldarms eingeschlossen (Fig. 372. 377). Diese Bildung unterscheidet sich, besonders wenn wir die mit einer grossen Dotterzellenmasse versehenen Batrachier, z. B. Salamandra maculata berücksichtigen (vgl. Nr. 39 Taf. I), vom Dottersacke der meisten Teleostierembryonen nur durch die seit- lich mangelnde Abschnürung eines Darmdotterganges, während in beiden Fällen der innere Dottersack in einer einfachen Erweiterung der Bauchhöhle ruht (Taf. XX). Dann ist aber auch die Homologie mit den Amnioten, denen auch die Leibeswand um den Dottersackstiel eingeschnürt wird, leicht verständlich; und selbst die zellige Beschaffenheit des Nahrungsdotters der Batrachier kann nicht mehr als Ausnahme gelten, seit ich die Blutbildung im Nahrungsdotter der Fische und Vögel nachgewiesen und neuerdings dasselbe Verhalten auch XI, Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. ' 809 bei den Säugethieren angetroffen habe (vgl: S. 787). Anderseits lässt sich aber der durchweg zellige Nahrungsdotter der Batrachier, indem wir uns nur seine Masse reducirt denken, als Theil der primären Keimblase und der sich darauf einstülpenden Hälfte derselben betrachten; und daraus rechtfertigt sich die Auffassung, dass der Nahrungsdotter der Batrachier, wenn er auch thatsächlich nicht als Theil des Darmblattes bezeichnet werden kann, dennoch aus einem Eitheil hervorgeht, welcher bei geringerer Differenzirung des ganzen Eies in dem gleichmässigen Entoderm der Gastrulaform enthalten ist (vgl. S. 143— 145). Sowie aber in diesem Falle der Nachweis der Homologie noch nicht ohne weiteres dieselbe Bezeichnung für die ursprünglich homologen aber verschieden weiter entwickelten Theile gestattet, so werden wir auch den unteren Theil des Mitteldarms der Batrachier nicht schlechtweg einen Dottersack nennen können, um so weniger, als jener Theil, wenn er sich vollkommen geschlossen, d. h. sein Darmblattsack die Dotterzellenmasse vollends in sich aufgenommen hat, auch die entfernteste Aehnlichkeit mit einem abgeschnürten Sacke verliert und der ganze Mitteldarm als die bloss etwas dickere und zudem quer gestellte Mitte des gesammten, gewundenen Darmkanals erscheint (Fig. 353. 354). Diese Form- und Lageveränderung wird durch die Umbildungen des Vor- und Hinter- darms eingeleitet und bedingt (Taf. XX). Die Gastro-Duodenalschlinge ent- wickelt sich von vorn nach hinten fortschreitend, sodass zuerst ihr vorderer Schenkel sich ausdehnt und dabei in Folge der einmal angeordneten Asymmetrie sich auf die linke Körperseite hinüber biegt, der sich daran schliessende, noch wenig abgesonderte, hintere Schenkel sich quer umlegt, wodurch zugleich dessen Mündung in den Mitteldarm nach rechts rückt{Fig. 361. 362. 373). Inder Folge trägt nun, wie man es leicht an dem noch angewachsenen linken Pankreas- lappen erkennen kann, wesentlich die Verlängerung des Magen- Leberdarms zur Lageveränderung der ganzen Gastro-Duodenalschlinge bei, indem seine untere Hälfte den Pankreasdarm vor sich her schiebend an seine frühere Stelle, von links und oben quer über die Bauchseite nach rechts und wieder aufwärts, tritt, sodass der Verlauf der Gastro-Duodenalschlinge vom Ende des Lungen- darms bis zum Uebergang in den Mitteldarm eine Spirale beschreibt (Taf. XX). Der letzte auf der rechten Seite quer aufsteigende Abschnitt dieser Spirale zieht aber auch das anstossende Stück des Mitteldarms in dieser Richtung her- vor und drängt ferner mit der fortschreitenden Ausdehnungsbewegung dessen Hauptmasse nach links hinter den absteigenden Magen-Leberdarm (vgl. Fig. 373). Damit erhält auch der Mitteldarmkanal eine etwas schräge Richtung 810 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. von vorn und rechts nach hinten und links und wird auch das Vorderende des’ Hinterdarms auf die letztere Seite verschoben. Sobald nun der Hinterdarm in sagittaler Richtung nach vorn sich zu strecken beginnt, schiebt er in ähnlicher Weise wie es die Gastro -Duodenalschlinge am Vorderende des Mitteldarms thut, dessen Hinterende vor sich her, legt ihn also vollends in eine quere Lage um (Taf. XX). Indem sich zuletzt der Mitteldarm selbst der allgemeinen Ver- schmächtigung und Verlängerung des Darmkanals anschliesst, zieht sich sein mit dem Hinterdarm verbundenes Ende in eine nach vorn gerichtete Schlinge aus, welche zuerst an der linken Seite des Magen-Leberdarms liegt und darauf während des andauernden Längenwachsthums sich abwärts und rückwärts wendet, um die bekannten Schneckenwindungen auszuführen, durch welche (lie Gesammtlänge des Darms endlich das 12—13fache der ganzen Körper- länge bis zur Schwanzwurzel erreicht.* Bei dieser Aufwindung des eigent- lichen Dünndarms muss natürlich das Mesenterium die Form einer Schraube annehmen, an deren scharfem Rande eben der Darm befestigt ist. Durch diese Entwickelung des Dünndarms wird die gleichfalls stärker gewundene Gastro- Duodenalschlinge ganz nach rechts verdrängt; indem aber während der Meta- morphose jene bedeutende Länge des Dünndarms ganz unverhältnissmässig reducirt wird, rückt auch jene Schlinge wieder in ihre frühere quere Lage hinter der Leber. Während der Abschnürung des Hinterdarms entwickelt sich die zwischen seinem absteigenden Ende oder dem Afterdarm und der Dotterzellenmasse befindliche Seitenplatte nicht in entsprechender Weise zu einer jenen dreieckigen Raum ausfüllenden Fortsetzung des Bauchfellsackes, sondern atrophirt dort zu einer dünnen medianen Bindegewebsplatte, welche mit den seitlich anliegenden Oberhauttheilen eine Fortsetzung der Schwanzflosse vor dem Afterdarm dar- stellt (Taf. XVILI Fig. 326, Taf. XXI Fig. 372.377). Dieselbe Rückbildung zeigt die Seitenplatte auch im lateralen Umfange des Afterdarms, sodass er in die Schwanztlosse vollständig eingeschlossen einen besonderen, extraperitonealen Darmabschnitt bildet. Dass auch die Bauchmuskulatur jene Vordergrenze der ventralen Schwanzflosse nicht überschreitet und daher den Afterdarm unbe- deckt lässt, wurde früher erwähnt, ebenso die Rückbildung desselben in der Larvenmetamorphose und die bei verschiedenen Anuren wechselnde Lage seiner Mündung innerhalb der Flosse (S. 467. 609. 677, vgl. Fig. 356). Dort wo der * Cuvier gibt das bezeichnete Verhältniss bei den Froschlarven auf 1:9, 7 an (Lecons d’anatomie compare6e, 2. edit. IV, 2. S. 202). XI. Der Darmkanal und seine Anhanssorgane. (>| [o} Hinterdarm das Ende der Bauchhöhle erreicht, wächst jederseits eine Hälfte der Harnblase aus ihm heraus, welche durch diese Doppelanlage an ihr Homologon in höheren Wirbelthieren, die Allantois, erinnert. Darüber liegt dieWurzel des Schwanzdarms und die Einmündung der Urnierengänge, sodass diese Region nach der Reduction des Afterdarms als Kloake vom eigentlichen Mastdarm unterschieden werden kann. Von der Histiogenese des Darmkanals habe ich nur wenig zu be- richten. Die Auflösung der in den Mitteldarm aufgenommenen Reste der Dotterzellenmasse geht gegen das Ende der ersten Larvenperiode, wann seine geschilderte äussere Umbildung beginnt, rasch von statten. Die Dotterzellen werden durch die zwischen sie eindringende Interstitialflüssigkeit von einander gelöst und bilden, indem die grösseren Lücken mit der ursprünglichen kleinen Darmlichtung zusammenfliessen, in diesen Raum unregelmässig vorspringende oder bereits in ihm frei suspendirte grössere und kleinere Zellenhaufen, an denen die Auflösung der einzelnen Elemente oft ganz deutlich zu sehen ist (Fig. 361. 362.373). Während der Darmraum dadurch vergrössert, aber seine Zunahme auf den sich verlängernden Kanal vertheilt wird, verwandeln sich die wandständigen Darmblattzellen unter fortschreitender Vermehrung und Verkleinerung in das ceylindrische Darmepithel (Fig. 376). Solche Bilder, wie sie Remar auf Längstheilungen dieser Zellen bezieht (Nr. 40 8. 160), habe ich niemals wahrgenommen. Alle übrigen Gewebe der Darmwand (Bindegewebe, Muskeln, Bauchfellepithel) liefert das Visceralblatt, natürlich unter Zuziehung von Dotterbildungszellen, aber unter Ausschluss einer irgend- wie nennenswerthen Betheiligung der Segmente. Dass die letzteren nament- lich nicht das gesammte subepitheliale Gewebe liefern, wie es SCHENK für die Vögel wahrscheinlich zu machen sucht (Nr. 155 8. 195 u. flg.), geht wenigstens für die Batrachier daraus hervor, dass erstens das Visceralblatt als angeblich ausschliessliche Epithelanlage des visceralen Bauchfells gar keine glatte Innen- fläche behält, sondern gegen das Darmblatt ganz kontinuirlich in unregel- mässige Zellenschichten übergeht, und dass ferner der Zugang zu den sub- epithelialen Darmtheilen vom Lungendarm an bis zum Hinterdarm schon vor dem Eintritt einer regeren Differenzirung des Visceralblattes theils durch die Aorta, die Gefässknäuel der Urnieren, die Gekrösefalten erschwert, theils durch die vollendete Gekrösebildung ganz verschlossen ist (Taf. XIV. XV). Ferner spricht für meine Ansicht noch der Umstand, dass das Bildungsgewebe auf der Dotterzellenmasse (Dottergefässschicht) und die Muskelwand des Herzens ganz 812 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. unzweifelhaft selbstständige Bildungen des Visceralblattes sind. — Nur an einer Stelle entsteht im Visceralblatte ein besonderes Organ, die Milz. Sie hat keine ursprüngliche morphologische Anlage, sondern erscheint im Mesen- terium des Mitteldarms, nahe der Wurzel der A. mesenterica, im Anfange der zweiten Larvenperiode als ein flaches Häufchen indifferenter rundlicher Zellen mit granulirten deutlichen Kernen, welche ich eben desshalb und weil alle umgebenden Zellen alsdann bereits differenzirt erscheinen, für direkte Abkömm- linge der Dotterbildungszellen halte (Frg. 576). In den Blutbahnen sind die- selben zu der. angegebenen Zeit schon sämmtlich in der Umwandlung in voll- ständige Blutkörperchen begriffen. Bald darauf tritt jenes Zellenhäufchen als rundliches dem Mesenterium anhängendes Körperchen hervor, ohne dass jedoch seine Innenmasse sich merklich verändert hätte. Ohngefähr zur Zeit, wann die Larve die Hälfte ihrer vollen Rumpflänge erreicht hat, konnte ich an der Milzanlage Folgendes erkennen. - Die Anwesenheit einiger weniger, (durch ihre gelbliche Färbung, ihre ovale Gestalt und den homogenen Kern wohl charakterisirter Blutzellen liess annehmen, dass alsdann die Gefässe der Milz in der Bildung begriffen seien. Zerdrückte ich eine solche Milzanlage, so stürzte der Inhalt nicht sogleich vollständig heraus, sondern quoll allmählich an vielen Stellen hervor und bestand aus einer grossen Menge freier Zellen, welche ungefärbt, wasserhell, mit grossen zarten leicht granulirten Kernen ver- sehen, also von den darunter gemischten noch äusserst spärlichen Blutzellen sehr leicht zu unterscheiden waren. Aus jenem Verhalten beim Zerdrücken der Milz vermuthe ich, dass sie in jenem Zustande bereits enge geschlossene Hohlräume enthält, in denen die genannten weissen Zellen angehäuft sind. Noch bemerke ich, dass sie in der Grösse sehr schwanken, auch verhältniss- mässig zahlreiche Theilungserschemungen darbieten. Untersuchte ich nun das Herzblut derselben Larven, so fand ich unter der Masse gelber Blutzellen bereits einige den Milzzellen ähnliche Elemente, die aber ebenso spärlich waren wie die gelben Blutzellen in der Milz. An wenig grösseren Larven hatte sowohl die Zahl der Blutzellen in der Milz als auch diejenige der weissen Zellen im Herzblute ansehnlich zugenommen. Da nun von allen Lymphgefässen allen- falls nur der subvertebrale Lymphgefässstamm des Schwanzes eine sehr geringe Anzahl von Lymphzellen liefern könnte, eine andere Quelle der weissen Blut- zellen bei den Batrachiern, denen die Lymphdrüsen bekanntlich fehlen, nicht ausfindig zu machen ist, so halte ich es für mehr als wahrscheinlich, dass jene weissen Blutzellen und die Milzzellen als direkte Abkömmlinge der Dotter- XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. el bildungs- oder embryonalen Blutzellen identisch sind. Ueberlegt man, dass die Milzzellen erst dann ihr Organ verlassen können, wann dessen Blutgefässe in genügender Weise gebildet und sekundär mit den Aufenthaltsräumen jener Zellen in Verbindung getreten sind, so stimmen damit meine obigen Beobach- tungen vollkommen überein und liefern dadurch einen thatsächlichen Beleg für die von Leypıs und W. Mütter histiologisch begründete Ansicht, dass die Milz der niederen Wirbelthiere einer Lymphgefässdrüse gleichkomme (Nr. 81 S. 46—52, Nr. 12018. 252). Die Entwickelungsgeschichte des Darmkanals der Batrachier halte ich für besonders geeignet, in dem unbefangenen Beobachter die Ueberzeugung hervor- zurufen, dass alle dabei erzielten Bildungen lediglich auf eine einfachste, im wesentlichen überall gleichartige Bewegungsursache zurückzuführen sind, welche erst vermöge der sie formgesetzlich bestimmenden übrigen Embryonal- anlagen in jene mannigfaltigen Leistungen übergeführt wird, durch die der fertige Darmkanal mit seinen Anhangsorganen sich auszeichnet. Für das Darmblatt, an welchem die Formbildung des Darmkanals ihren unmittel- barsten und deutlichsten Ausdruck findet, kann wenigstens bei den Batrachiern jede allgemeine Massenzunahme während seiner morphologischen Entwickelung vollständig ausgeschlossen werden: es behält nicht nur sein festes epitheliales (Gefüge, sondern bei dem späten Beginn histiologischer Veränderungen auch die embryonale Zusammensetzung seiner dotterhaltigen Zellen, was einer Auf- nahme von Dotterbildungszellen sogut wie einer wirklichen endosmotischen Nahrungsaufnahme widerspricht. Auch erfolgt die morphologische Umbildung des Darmblattes stets im Zusammenhange mit einer entsprechenden Ver- kleinerung und Verschiebung seiner Elemente, sodass die aus der Zellen- theilung abzuleitende Bewegungsursache als die bei dieser Entwickelung ausschliesslich wirksame betrachtet werden muss; und seine ursprüngliche epitheliale Form lässt die Zellenbewegung sich wesentlich in einer Flächen- ausdehnung äussern. Anderseits verbietet die relativ gleichmässige Be- schaffenheit aller Abschnitte des Darmblattes ihm innewohnende Differenzen als selbstständigen Ausgangspunkt seiner Formbildung anzunehmen; seine gleichmässig angelegte Ausdehnung gelangt aber zu wirksamer Entwickelung erst dann, wann die umgebenden Embryonalanlagen ihr bereits mannigfach ge- gliederte Formbedingungen entgegenstellen, sodass die mechanische Wechsel- 814 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. wirkung sich bei eingehender Beobachtung eigentlich von selbst ergibt. Daher glaube ich die bezüglichen Erklärungen, welche ich in diesem und früheren Kapiteln (vgl. S. 260—270. 723—725) für die Entwickelung der einzelnen Darmabschnitte gegeben habe, wenigstens im grossen und ganzen als natur- gemässe bezeichnen zu dürfen. Dieser wesentlich mechanische Kausalzusammen- hang in der morphologischen Entwickelung des Darmkanals lässt sich aber auch über die ersten Anlagen hinaus weiter verfolgen, wenn man überhaupt auf die gleichzeitige Entwickelung der umgebenden Theile achtet. Bisher wurden aber die Umbildungen der sack- oder schlauchförmigen Darmanlage für sich gesondert und vorherrschend an dem relativ ungünstigen Objekte des Vogelembryo beschrieben, sodass entweder auf die Einsicht in jenen Kausal- zusammenhang ganz verzichtet oder die Bildungsursachen in den einzelnen Darmtheil selbst verlegt, d. h. der leidigen „histiologischen Differenzirung‘“ oder einem die Erscheinung einfach umschreibenden „Wachsthumsgesetze“ alles das aufgebürdet werden musste, wofür eine Erklärung fehlte. tuscont gab die ersten schönen, aber leider nicht fehlerfreien Abbildungen von der allmählichen Ausziehung und Aufwindung des Froschdarms (Nr. 6 S. 56. 57 Taf. IID)*. Reichert, welcher bekanntlich den im Rumpfe liegenden Darmkanal und Nahrungsdotter der Batrachierembryonen für einen abge- schlossenen und mit Dotter ganz erfüllten Sack hält, lässt das Vorderende desselben zur Zeit, „wo beim Frosch nogh’keine Spur des Darmsystems in der Bauchhöhle enthalten ist‘‘, in die gemeinschaftliche Anlage der Leber und Bauchspeicheldrüse sich verwandeln, und die Lungen überhaupt nicht aus dem Darmkanal, sondern im Zusammenhange mit dem „Kiemenbogenträger“ aus dem „Wirbelsystem“ entstehen (Nr. 22 S. 24. 74). Vocr hat die Leberanlage von Alytes ziemlich ebenso wie REICHERT beschrieben (Nr. 26 8. 58. 77. 92). \rst REMAK führte, gestützt auf seine vergleichend- embryologischen Studien, den Darmkanal und seine Anhangsorgane wenigstens auf eine einheitliche (resammtanlage zurück, obgleich es ihm nicht gelang, die morphologische Be- deutung der letzteren auch nur so weit richtig zu erfassen wie v. BAER (vgl. S. 268. 269). Leber, Pankreas und Lungen sind nach Remax Auswüchse der Darmwand, die beiden ersten an der Bauch- und Rückenseite einander * Durch die dritte bezügliche Abbildung hat Ruscoxı den Formzusammenhang zwischen den ersten und den folgenden Entwickelungsstufen vollständig unterbrochen und das Ver- ständniss des allmählichen Uebergangs ganz unmöglich gemacht. XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. 815 entgegengesetzt und erst nachträglich miteinander verwachsen (Nr. 40 S. 162. 163). Sowie aber diese Verwachsung irrthümlich als eine linksseitige bezeich- net wird, ist auch die von der Leber angeblich unabhängige Bildung der (sallenblase und die Entwickelung eines blinden Pankreasganges vom Organ selbst gegen den Darm hin unrichtig angegeben. Die Entwickelung des Leber- netzes hat REMAK ganz unverkennbar unter dem Einflusse seiner bezüglichen Beobachtungen am Hühnchen beschrieben, welche ihn zur Annahme solider Leberbäikchen bewogen; sonst hätte er die Kolben der Leberanlage nicht einfach für verlängerte Zellen halten und bei starker Vergrösserung so zeichnen können (Nr. 40 Taf. IX Fig. 23). Wenn REmax ferner die Lungenanlagen solide nennt, so entspricht dies nicht den soliden Verdickungen des Visceralblattes, welche nach meiner Darstellung der Bildung der hohlen Darmanhänge vorausgehen ; sondern REMAX hält irrigerweise auch den bereits vorhandenen axialen Darm- blattheil der Lungenanlagen für eine solide Bildung, welche erst durch Ausein- anderweichen der Zellen hohl werde. Die im allgemeinen richtige Angabe REMmAK's, worin ihm übrigens REICHERT vorausgegangen war (8. 259), dass die innerste Schicht des embryonalen Darmkanals zum Epithel werde, verliert wiederum ihren Hauptwerth durch die früher erörterte Verwechselung der Dotterzellenmasse mit dem eigentlichen Darmblatte (S. 268). v. BAMBECKE weicht in keinem wesentlichen Punkte von REMmAK ab (Nr. 63 S. 55—58), so- dass sich die sämmtlichen bisherigen Beobachtungen über die vorgeschrittenere Darmentwickelung als ausserordentlich dürftige darstellen. Ueber die gleichen Vorgänge bei den übrigen Wirbelthieren fehlen mir eigene Untersuchungen in der Ausdehnung, welche ich oben als für eine richtige Erkenntniss des Kausalzusammenhangs nothwendig bezeichnete, und ich kenne auch keine fremden Arbeiten dieser Art; und nur daraufhin, dass ich in den primitiven Darmanlagen eine Uebereinstimmung aller Wirbelthiere nachweisen konnte, habe ich es schon im beschreibenden Theile versucht, den noch aus- stehenden Einzeluntersuchungen vorausgreifend einige Vergleichungspunkte hervorzuheben. Was zunächst den Vordarm betrifft, so sehe ich bei den Batrachiern die wichtigsten seiner Formbedingungen darin, dass er durch die Dotterzellenmasse gleichsam fixirt, durch den Uebergang seines Darmblattes auf dieselbe rückwärts und abwärts erweitert, in seiner Ausdehnung aber durch ebendieselbe Masse auf den davor liegenden Raum beschränkt ist, wobei die Perikardialhöhle die günstigsten Bedingungen zum Auswachsen der Leber- anlage bietet. Die gleichen ursprünglichen Formbedingungen finde ich am 816 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. Vordarm der übrigen Wirbelthiere wieder. Indem der Nahrungsdotter der Teleostier und Amnioten unter das Niveau des Darmkanals hinabsinkt, und die auf ihn übergehende Darmwand durch eine Einschnürung (Darmnabel) in Darmanlage und den inneren Dottersack * geschieden wird, fällt allerdings die bedeutungslose hintere Begrenzung des Vordarmsackes durch den Nahrungs- dotter (Batrachier) fort; doch bleibt dieser Darmtheil durch den Vorderrand des Darmnabels, welchen man mit dem Grunde jenes Sackes bei den Batra- chiern vergleichen kann, fixirt und nach unten und hinten erweitert, während die Perikardialhöhle seinen Uebergang in den Kopfdarm von unten verengt. Dieser trichterförmig erweiterte hintere Abschnitt des Vordarms der Teleostier und Amnioten entspricht also vollständig dem Vordarmblindsacke der Batra- chier, sobald man dessen nicht dazu gehörige, vom Nahrungsdotter gebildete Hinterwand hinwegdenkt, und enthält ebenfalls in seiner unteren Wand die Anlage der Leber, in seiner dorsalen Wand diejenige der Bauchspeicheldrüse. Bei den Teleostiern sehe ich den engen und rückwärts nur an Höhe zu- nehmenden Vordarm die weite kontinuirliche Leibeshöhle (Perikardial- und Bauchhöhle) wie eine mediane Scheidewand durchsetzen, da er nach seiner Abschnürung noch einige Zeit mit seinem unteren Rande an den Dottersack oder die unteren Blätter der Darmschlussfalten geheftet bleibt. An der Vorder- grenze des Darmnabels beginnt dieser erweiterte untere Theil des Vordarms sich nach vorn und etwas links gegen die künftige Perikardialhöhle auszu- sacken; und indem der Darmnabel von hinten gegen diese Aussackung oder die Leberanlage zusammenzieht, kommt er an ihre rechte Seite zu liegen und kann der atrophirende innere Dottersack sich sogar vor jenes Organ schieben. In dieser Weise hat auch v. Baer die Lagebeziehungen der Leber im Karpfen- embryo geschildert und nur darin geirrt, dass er aus der rechtsseitigen Lage der Darmnabelmündung darauf schliesst, dass die Bauchseite des Darms der Fischembryonen ebenso wie bei den Embryonen der Amnioten nach rechts ge- wandt sei (Nr. 147 8. 32-34). Denn die ersteren legen sich nicht auf die linke um wie z. B. die Vögel (vgl. Nr. SS. 80), sondern umgekehrt auf die rechte Seite; und wenn man dann ihre Medianebene durch den Dottersack fortsetzt, so liegt dessen grössere Hälfte allerdings rechts von jener Ebene, aber gerade *= Nach einem schon v. Baer geläufigen Ausdruck kann man den Dottersack in eine Fortsetzung der Darmwand und der Leibeswand sich geschieden denken, und alsdann die erstere als inneren Dottersack der anderen oder dem äusseren Dottersack entgegensetzen. XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. 817 weil die Bauchseite des Darms sich nach links verschoben hat. Auch hat v. Baer die Leberanlage richtig als eine Art Ausstülpung beschrieben, deren innere Höhlung sich in die dicke Wand hinein verzweige, ohne dass die Läpp- chen der letzteren deutlich würden (Nr. 147). Statt diese richtigen Beob- achtungen zu bestätigen, lässt Vo@T die Leber der Forellenembryonen sich aus _ einer soliden Zellenmasse entwickeln, welche erst durch eine nachträgliche Aus- höhlung mit dem Darm in Kommunikation trete (Nr. 26 8. 58. 92, Nr. 123 S. 175); auch Levvie scheint geneigt, die Leberanlage der Haie für eine blosse Zellenanhäufung zu halten (Nr. 139 S. 116). — Die Perikardialhöhle der Fische bleibt wegen der mangelnden Abschnürung der Leibeswand lange Zeit sehr weit und kann daher durch die viel schmälere Leber rückwärts nicht ver- schlossen werden ; dass dieser Verschluss endlich doch eintritt, dürfte sich da- durch erklären, dass bei der Zurückziehung des schrumpfenden Dottersackes aus dem Boden des Perikardialraumes der letztere bedeutend zusammenge- zogen und verschmälert wird. Warum bei den Fischen eine Ausdehnung des Vordarms nach vorn unterbleibt und in Folge dessen Brust und Pleurahöhlen fehlen, habe ich schon erläutert (S. 797); der Ursprung der Schwimmblase über der Leber ist ein weiterer Beleg für den Mangel jener Ausdehnung, da dieses Organ von v. BAER mit vollem Recht für eine rechte Lunge erklärt wird. Ich kann sie zu einer gewissen Zeit von den noch nicht thätigen Lungen der Batrachierlarven nicht unterscheiden, und zweifele auch gar nicht an der Rich- tigkeit der Beobachtung und Auffassung v. BaEr's, dass die Schwimmblase während der ersten Zeit der Luftaufnahme als wirkliche Lunge fungire (Nr. 147 S. 35). Die Ausstülpung der Schwimmblasenanlage aus dem embryonalen Darmkanal hat Vor ebenfalls übersehen, dagegen die Luftaufnahme ebenso wie v. BAER beschrieben (Nr. 123 8. 177). Ueber die sekundären Umbildungen des Darmkanals der Amnioten habe ich ebenfalls nur wenig zu bemerken. Erwähnt wurde bereits, wie sehr die Beziehungen der Anhangsorgane des Vordarms zur Leibeswand und zum Ver- schluss des Perikardialsackes und der Pleurahöhlen vernachlässigt wurden; dass sie aber im wesentlichen mit den entsprechenden Verhältnissen der Batra- chier übereinstimmen, glaube ich in einigen Durchschnittsbildern bestätigt zu sehen, welche sich in der Hıs’schen Arbeit über die Entwickelung des Hühn- chens finden (Nr. 109 Taf. XD. Fig. 13 der 1. Serie zeigt uns den Venensack unter der Lungenwurzel, und da die Abschnürung und seitliche Abplattung des ganzen Embryo bereits vorgeschritten sind, jenen Herztheil bereits in Verbin- GOETTE, Entwickelungsgeschichte, 52 818 XI. Der Darmkanal und seine Anhangsorgane. dung mit der Leibeswand. Diese Verbindung würde allein dadurch, dass die Leibeswand bis an das Herz heranrückte, nicht zu Stande kommen, weil das letztere ohne seine Fixirung am Vorderrande des Darmnabels oder an der Leberanlage zu stark bewegt würde; ferner scheint mir auch die letztere, wie es auf dem folgenden Durchschnitte Fig. 14 zu sehen ist, die sie umgreifenden Dotterdarmvenen auseinanderzutreiben und dadurch der Leibeswand zu nähern. Nur darf man die Bestätigung dessen nicht im Texte von Hıs selbst suchen; denn er erklärt jene Leberanlage für die Anlage der Lungen, welche nach hinten offen, zwischen und über den Dotterdarmvenen lägen (Nr. 109 S. 145. 146)! Ferner hat Hıs auf derselben Tafel (Serie IV Fig. 5. 6) eine sehr interessante Bildung wiedergegeben, ohne sie jedoch mit einem Worte zu erwähnen: es sind Durchschnitte eines Lebergekröses, welches rechts vom Magen und dem Netzbeutel zur ursprünglichen Gekrösewurzel aufsteigt und ein Gefäss dorthin leitet. Man braucht diese Bilder nur mit den von mir ge- sebenen entsprechenden Durchschnitten der Unkenlarven zu vergleichen (Taf. XX Fig. 559— 361), um sich davon zu überzeugen, dass wir in jener jildung des Hühnchens dieselbe von mir ausführlich besprochene Gekröse- brücke vor uns haben, welche das Mündungsstück der hinteren Hohlvene vom Herzen und der Leber zur Wirbelsäule hinaufleitet. Mit allen diesen Be- merkungen soll aber der bezügliche Gegenstand nicht als erledigt betrachtet sondern nur ferneren Untersuchungen empfohlen werden. XII, Die Harn- und die Geschlechtsorgane. Die gemeinsame Embryonalanlage für die Entwickelung der Harn- und der Geschlechtsorgane ist die Seitenplatte des Rumpfes, und zwar ihr dorsaler Theil, wo die beiden Blätter in der Gekrösefalte ineinander übergehen. Eine „Mittelplatte“ in dem Sinne wie bei den Amnioten lässt sich bei den Batra- chiern weder lateral- noch medianwärts abgrenzen, da jene Bildungen ebenso- wohl auf das Parietalblatt der Leibeswand wie auf das Visceralblatt des Darms übergreifen. Bekanntlich gibt es in den Embryonen der Wirbelthiere zweierlei Harnorgane, die Urnieren und die bleibenden Nieren, von denen jene zuerst entstehen , sehr bald ihre definitive Struktur erhalten und wie es scheint auch in Funktion treten, die anderen später sich zu bilden anfangen und bis zum Eintritt der Funktion eine längere Entwickelungszeit brauchen. Doch fällt die Entwickelung der beiderlei Harnorgane vor diejenige der Geschlechts- organe, und daher gebührt ihnen der Vortritt in der Beschreibung. 1. Die Urnieren. Ihre ersten Anfänge erscheinen bereits in der Embryonalperiode zu der Zeit, wann die Seitenplatte sich von den Segmenten zu trennen beginnt. Während die laterale Einkerbung zwischen dem Parietalblatte und den Seg- menten entsteht, buchtet sich dasselbe in der Gegend des Vordarms und ohngefähr in der Höhe der Darmlichtung in einer abwärts überhängenden Falte lateralwärts aus, sodass die letztere anfangs nur unten gegen das Parietalblatt abgesetzt erscheint, aufwärts aber noch ohne Grenze in dasselbe übergeht (Zaf. VI Fig. 114). Indem sich aber dieser beutelförmige Anhang 52* 820 XII. Die Harn- und die Geschlechtsorgane. des Parietalblattes alsbald auch nach oben ausdehnt, also sich von diesem Blatte abzuschnüren beginnt, erscheint er nach den Querdurchschnitten als abgeplattete, mit dem Parietalblatte durch einen hohlen Stiel zusammen- hängende, also auch mit der spaltförmigen Rumpfhöhle kommunicirende Tasche (Taf. VII Fig. 157. 138). Verfolgt man die ganze Reihe der aufein- ander folgenden Querdurchschnitte, so überzeugt man sich, dass die Breite der Tasche nicht gleichmässig bleibt, dass der Stiel in horizontaler Richtung fort- läuft, also eigentlich eine hohle Leiste darstellt, und dass endlich die Höhe seines Ansatzes gleichfalls wechselt (Taf. XIII Fig. 2339—241). Diese Um- stände machen es begreiflich, dass eine klare Vorstellung über die Gestalt der ganzen Ausstülpung des Parietalblattes oder der Urnierenanlage aus den Durchschnitten unmittelbar nicht zu gewinnen ist. Und da es unmöglich ist, diese Anlage aus dem weichen Embryo im Zusammenhange herauszupräpariren, so habe ich ein anderes Mittel gewählt sie zu klarer Anschauung zu bringen. An einer lJückenlosen Reihe von Querdurchschnitten der betreffenden Embry- onen bestimmte ich aus ihrer Zahl und der Länge des zerlegten Körpertheils* ihre durchschnittliche Dicke. Dann zeichnete ich ein Liniennetz, dessen (Quadrate die Länge jenes Masses und die Höhe meiner Mikrometereintheilung in gleicher Vergrösserung besassen. Nach dieser Vorbereitung brachte ich die Durchschnitte der Reihe nach unter das Mikroskop und bestimmte alle Grenzen der Urnierenanlage, indem ich ihre Entfernungen von einer durch den ganzen Rumpf sich gleich bleibenden Höhenlinie, nämlich der tiefsten Stelle der Wirbelsaite, mass. Diese Masse bezeichnete ich darauf in dem genannten Liniennetze, ebenfalls von einer bestimmten Horizontalen ausgehend, in der Weise, dass ich die Masse des ersten Durchschnitts in eine senkrechte Kolonne, die Masse des zweiten in die folgende eintrug u. s.w. So wurden auf dem Papier durch die aneinandergereihten Grenzbestimmungen der Querdurch- schnitte der Urnierenanlage deren in sagittaler Richtung verlaufenden Umrisse dargestellt. Um die Richtigkeit solcher Konstruktionen zu prüfen, habe ich erstens dasselbe Bild zu verschiedenen Malen durch neue Messungen hergestellt, wobei sich keine nennenswerthen Differenzen herausstellten, ferner stets die beiderseitigen Urnierenanlagen desselben Embryo in der angegebenen Weise gezeichnet, und kann versichern, dass ihre Unterschiede in der Zeichnung nicht grösser waren, als sie auch ganz naturgemäss an anderen paarigen Organen * Die letztere wurde an Frontaldurchschnitten ganz gleicher Embryonen gemessen. 1. Die Urnieren. s21 vorkommen. Die Zusammenstellung der Durchschnittsbilder mit den konstru- irten Seitenansichten ergibt nun, dass die vom Parietalblatte sich abschnürende Urnierenanlage an ihrem vorderen Ende aus einer länglichen platten Tasche besteht, welche mit der Bauchhöhle durch eine aufwärts konkav gebogene Längs- spalte kommunieirt; dies ist die eigentliche Drüsenanlage (Fig. 239— 241. 247, Taf. NXII Fig. 381a). Von der Stelle, wo ihr unterer und hinterer Umfang zusammentreffen, setzt sie sich röhrenförmig verengt nach hinten fort, und indem diese Fortsetzung in horizontaler Richtung bis zum Hinterdarm sich aus dem Parietalblatte hervorstülpt, aber dann auch sofort als ge- schlossener Kanal sich von ihm vollständig abschnürt, entsteht der Ausführungs- gang der Urniere, der Urnierengang. Auf der folgenden Entwickelungs- stufe hat sich das Bild nicht unwesentlich verändert. Die obere, die Verbin- dung mit der Bauchhöhle enthaltende Hälfte der Drüsenanlage hat sich in der Längsrichtung über den unteren Theil hinaus erweitert, bildet also einen vorderen und einen hinteren Zipfel, welche die Enden der ursprünglichen peritonealen Verbindungsspalte enthalten; indem sich aber die letztere durch eine entsprechende Abschnürung der Drüsenanlage vom Parietalblatte bis auf jene Enden und eine zwischen ihnen gelegene Stelle schliesst, verwandelt sich jene obere Hälfte unserer Anlage in einen horizontalen Schlauch, welcher durch zwei endständige und eine mittlere Mündung, die sich alsbald in kurze Röhr- chen ausziehen, mit der Bauchhöhle zusammenhängt (Fig. 381b). Die untere Hälfte der früheren Tasche oder der künftige Haupttheil des Organs beginnt unterdessen von jenem oberen Mündungstheile sich abzusondern, wobei natürlich der Ansatz des Urnierengangs abwärts gezogen wird, sodass er hinter der Drüsenanlage bis zu seiner horizontalen Fortsetzung bogenförmig aufsteigen muss (Taf. XVI Fig. 290. 291). In der Folge verlängern und verengen sich die beiden Zipfel des Mündungstheils bis zu ihren peritonealen Oeffnungen wobei sie einen geschlängelten Verlauf annehmen; und auch die mittlere Mün- dung zieht sich so weit röhrenförmig aus, dass dieser ganze obere Theil der Drüsenanlage in drei Mündungsröhren umgebildet erscheint, welche von ihrer gemeinsamen Wurzel, wo sie in die unpaare Fortsetzung der Drüse übergehen, gegen die Bauchhöhle in Form eines Delta divergiren (Taf. XVII Fig. 308), Der untere Theil des Organs dehnt sich in gleicher Weise zu einer immer engeren Röhre aus, deren Durchmesser endlich demjenigen des Ausführungs- ganges gleichkommt, und deren bedeutende Verlängerung in stetig zunehmen- den hin- und her gerichteten Windungen ihren Ausdruck findet, in welche 829 XII. Die Harn- und die Geschlechtsorgane. möglicherweise auch die angrenzenden Abschnitte des Urnierengangs hinein- gezogen werden (Taf. XVI Fig. 299—501, Taf. XX Fig. 359 — 361 Fig. 381 e. d.). So verwandelt sich die ganze Anlage in einen dichtgewunderen Knäuel, der aber weder aus einer einzigen Röhre noch aus einem quastenför- migen Bündel von Röhren besteht, welche gemeinsam in den Urnierengang zu- sammenlaufen, sondern uns eine eigenthümliche Verbindung beider Formen zeigt: der knäuelförmig aufgewundene Hauptgang, welcher allein unmittelbar in den Urnierengang übergeht, mündet in die Bauchhöhle mit drei gleichfalls gewundenen divergirenden Armen. In welcher Weise diese Urniere sehr bald nach ihrer ersten Anlage von der Stammvene durchsetzt wird, habe ich schon in der Entwickelungsgeschichte der letzteren angegeben. Das Blut erfüllt dabei die Zwischenräume der Urniere gerade so wie anfangs diejenigen der Leber, ohne von vollständigen Gefässwänden umschlossen zu sein; dagegen bildet sich sehr frühzeitig eine die ganze Urniere einschliessende zarte Haut, welche in die Gefässwand der ein- und austretenden Stammvene sich fortsetzt (Taf. XIV, XV, XVII Fig. 307—311. 318. 319). Das ganze Organ bleibt stets dicht am Parietalblatte, also am parietalen Bauchfelle liegen und wird daher von den Segmentschichten und den daraus hervorgehenden Muskeln lateralwärts bedeckt. Die Mündungen der Urniere bleiben gegenüber der Vorderhälfte des Vordarms, jedoch stets über den hervorwachsenden Lungen liegen. Die Urnierengänge folgen den Lageveränderungen der ihnen median- wärts angeschlossenen Stammvenen und gelangen auf diese Weise allmählich in den Retroperitonealraum, wo sie zunächst zwischen dem Parietalblatte und den Stammuskeln, später den Nierenanlagen liegen bleiben (Taf. XI Fig. 197. 195). Während sie sich aber rückwärts vom Parietalblatte abschnüren, bildet sich die zweiblättrige Seitenplatte um das hinterste Ende des Hinterdarms zu einer einfachen dünnen Schicht von Bildungsgewebe zurück, sodass die Entwickelung der Urnierengänge an derselben Stelle, nämlich unterhalb der Wurzel des Schwanzdarms eine natürliche Grenze findet, und ihre blinden Enden dort nur durch etwas Bildungsgewebe vom Darmblatte des Hinterdarms geschieden werden (vgl. Taf. XIII Fig. 242. 243). Dieses Hinterdarmende wird aber während der Abschnürung der Schwanzdarmwurzel von seiner dor- salen Seite etwas quer ausgezogen, sodass diese beiden seitlichen Zipfel des Hinterdarms gerade auf die danebenliegenden blinden Enden der Urnieren- gänge stossen und sich darauf mit denselben verbinden. Auf diese Weise erhalten die Urnierengänge eine Mündung in den Darmkanal, und indem das 1. Die Urnieren. 823 die beiden Mündungen enthaltende dorsale Ende des Hinterdarms sich vom absteigenden Afterdarme etwas abschnürt, verwandelt es sich in ein kurzes Röhrenstück, durch welches beide Urnierengänge gemeinsam und von hinten her in die spätere Kloake münden (Taf. XXI Fig. 372.377). Dieses gemein- same Mündungsstück der Urnierengänge, welches nicht aus einer Verschmel- zung ihrer Enden hervorgeht, sondern aus dem Darme gleichsam hervorge- zogen wird, bildet sich nach kurzer Zeit wieder zurück und lässt die Urnieren- gänge definitiv getrennt münden. Wenn die Urniere nun in dem Urnierengange einen unzweifelhaften Aus- führungsgang besitzt, so weist der Umstand, dass sie auch mit der serösen Leibeshöhle kommunicirt, darauf hin, dass sie in engeren Beziehungen zu dieser im allgemeinen oder gewissen Einzeltheilen derselben stehe. Allerdings galt auch bisher schon ein in der Nähe der Urniere gelegener Gefässknäuel für ein ihr zugehöriges Gebilde; aber seine Lage innerhalb der serösen Leibeshöhle war meinen Vorgängern ebenso unbekannt wie die Mündungen der Urniere in dieselbe, und die Zustände in der zweiten Larvenperiode, wann die Urniere und ihr Gefässknäuel getrennt, wenn auch nahe beieinander unter dem Bauchfell liegen, sind nichts weniger als geeignet, die Beziehungen beider Theile zu ein- ander über Vermuthungen hinaus festzustellen. Möglich wird dies nur durch die Kenntniss der frühesten Entwickelungszustände jener Organe und ihrer Umgebung und durch Vergleiche mit entsprechenden Entwickelungsvorgängen anderer Wirbelthierembryonen. Hinsichtlich des Ersteren finde ich, dass die seröse Leibeshöhle sich zuerst im Bereiche der noch jungen Urnierenanlage und zwar nur im nächsten Umfange der peritonealen Mündungen dieses Organs öffnet, und dass dieser beschränkte Theil der Bauchhöhle, selbst nach- dem sie sich darunter gleichfalls geöffnet hat, dadurch für sich abgeschlossen und nur mit den Urnierenmündungen in Verbindung bleibt, dass während der ursprünglichen Berührung des die Urniere einwärts bekleidenden Parietal- blattes und des Visceralblattes des Lungendarms im Verlaufe der Lungen- anlagen eine zarte Verbindungsbrücke entsteht, und einige Zeit bestehen bleibt (Taf. XIV, XV). Unterdessen hat sich die Anlage des Gefässknäuels aus dem Visceralblatte gebildet, welches gegenüber den Urnierenmündungen die mediale Wand des bezeichneten abgeschlossenen Raumes darstellt. Diese Wand treibt zuerst eine längliche horizontale Leiste hervor, welche anfangs wie die ganze (rekrösefalte noch neben der Darmrinne liegt und erst später über dieselbe hinaufrückt (Fig. 240. 264. 265). Diese Leiste könnte man 8924 XTI. Die Harn- und die Geschlechtsorgane. einige Zeit nach ihrem Entstehen geneigt sein als hohle Ausstülpung des Visceralblattes zu bezeichnen, in welche nachträglich locker zusammen- hängende Zellen eingewandert seien. Wenn man aber erkannt hat, dass das Visceralblatt schon vor dieser Bildung in eine äussere epitheliale und eine lockere innere Zellenschicht zu zerfallen begonnen hat (S. 811), und darauf die erstere in den äusseren Ueberzug der Leiste, die andere in deren Inhalt übergehen sieht, so wird man die Anlage des Gefässknäuels eine solide nennen müssen und mit der darunterliegenden für die Lunge bestimmten Verdickung des Visceralblattes vergleichen können, an der auch von Anfang an zwei entsprechende Zellenschichten sich absondern, das Pleuraepithel und die weniger fest gefügte Anlage der subepithelialen Gewebe. Jene unter der Ge- krösefalte entstandene Leiste schnürt sich gegen das übrige Visceralblatt immer mehr ab und rückt dabei bis zur späteren Gekrösewurzel hinauf, sodass daraus erhellt, dass das Mesenterium eigentlich nicht aus der primären Ge- krösefalte sondern vom ursprünglichen Darmtheile des Visceralblattes hervor- gezogen wird (Taf. NIII—XYV). Da dasselbe Verhältniss längs der ganzen Anlage der bleibenden Nieren und der Geschlechtsorgane sich wiederholt, indem dieselben aus jener primären Gekrösefalte hervorgehen, will ich die letztere die Uro-Genitalfalte nennen, mit dem Bemerken, dass sie ausser- halb des Bereichs der Uro-Genitalorgane die Bedeutung einer einfachen (rekrösefalte behält. Jene innere lockere Zellenmasse der Gefässknäuelanlage der Urniere verwandelt sich nun ziemlich bald in eine unregelmässig geformte (refässanlage, die mit der Aorta nachträglich in Verbindung tritt, und alsdann von derselben aus mit Blut gefüllt wird (Fig. 279. 280). Durch zahlreiche Ausbuchtungen gewinnt der Gefässknäuel ein traubiges Aussehen, welches mir noch dadurch verstärkt zu sein scheint, dass die Zellen der äusseren Epithel- schicht nicht eineglatte Fläche bilden, sondern höckerig vorragen (Fig.307. 308). Wie der Kreislauf in diesem Gefässknäuel eigentlich vor sich geht, weiss ich nicht; doch dürfte derselbe kaum von grösserer Bedeutung sein, da der ganze (zefässknäuel, wie ich gleich erklären werde, nur eine rudimentäre Bildung zu sein scheint. Fassen wir die früheren Zustände der Urniere ins Auge, so ist es nach unseren übrigen Kenntnissen vom Nierenbau sehr nahe gelegt, den vom Gefäss- knäuel gleichsam eingestülpten, mit den Urnierenkanälen unmittelbar kommunicirenden, sonst aber ziemlich vollständig abgeschlossenen Theil der allgemeinen Bauchhöhle mit dem erweiterten, einen Manrı@nr'schen Grefäss- 1. Die Urnieren. 8325 knäuel umfassenden Ende eines Harnkanälchens — ich will es kurz „Harn- kanalkapsel“ nennen — zu vergleichen. Nun wird aber bei unserem Thiere der Vergleich ganz wesentlich durch den Umstand gestört, dass jener Abschluss des genannten Raums sehr bald aufhört, und der letztere wieder in die allgemeine Bauchhöhle aufgeht, theils bevor, theils gleich nachdem der Gefäss- knäuel Blut aufgenommen hat (Taf. XV, XX). Allerdings sind im Grunde genommen alle Hohlräume der ganzen Urniere umgewandelte Theile der ursprünglichen Bauchhöhlenanlage, welche mit derselben zunächst in Ver- bindung bleiben; und anderseits bleibt der Gefässknäuel in seiner ursprüng- lichen Lage, dicht vor den Mündungen der Urniere, sodass, solange er ein Exkret liefern sollte, dieses zum Theil von den Urnieren aufgenommen werden könnte, also der zwischen beiden befindliche Raum seiner ihm ursprünglich bestimmten Aufgabe getreu bliebe. Immerhin lässt sich nicht läugnen, dass durch seine vollständige Eröffnung in die Bauchhöhle die ganze Einrichtung des harnleitenden Apparats mangelhaft geworden ist, gegenüber der ersten Anlage eine Rückbildung erfahren hat, sodass man fragen könnte, ob die Aehnlichkeit der in Rede stehenden Bildungen mit den bekannten Einrichtungen eines Harnapparats allen genügt, den oben ausgeführten Vergleich zu begründen, und ob nicht die Urnierenanlage im engeren Sinne mit der sie durchströmen- den Stammvene für sich allein einen primitiven Harnapparat darstelle und mit dem Gefässknäuel gar nicht in Verbindung zu bringen sei. Die Untersuchung des Forellenembryo hat mir einen vollkommen entscheidenden und befriedigen- den Aufschluss über jene bei den Batrachiern zweifelhaften Verhältnisse gelie- fert. Bekanntlich hat RosengEre den Nachweis geliefert, dass die Teleostier- niere im allgemeinen aus zwei verschiedenen Anlagen hervorgehe, von denen die eine (Kopfniere) der Urniere, die andere (Bauch- und Kaudalniere) der bleibenden Niere zunächst der Batrachier entspreche (Nr. 156). Ich kann dieses Resultat nach meinen Beobachtungen an der Forelle im allgemeinen durchaus bestätigen, muss aber eben desshalb die Entwickelung der Kopfniere des Hechtes, wie sie uns ROSENBERG beschreibt, für viel weniger geeignet erklären, um jene Homologie nachzuweisen. RosENBER@’S Darstellung lautet folgender- massen (a. a.0.S. 41 u. fle.). Der Urnierengang entsteht als Ausstülpung der Hautplatte (Parietalblatt) und schnürt sich darauf von derselben zu einem ge- schlossenen Kanal mit blindem Vorderende ab; das letztere erweitert sich in der Folge, rückt über der ursprünglichen Gekrösefalte (Uro - Genitalfalte) medianwärts gegen die Aorta vor und wird alsdann von einer aus der letzteren 826 XII. Die Harn- und die Geschlechttsorgane. hervorwachsenden Gefässschlinge eingestülpt, wodurch eben der (refässknäuel der Urniere entstehe. Eine darauf folgende Aufknäuelung des Urnierengangs in der Gegend des vom Gefässknäuel eingestülpten Endes bilde die eigentliche Urniere; die beiden Gefässknäuel vereinigen sich unter der Aorta zu einem Körper. — Meine an Forellenembryonen angestellten Untersuchungen ergeben etwas andere Resultate. Während der Urnierengang in seinem grössten Theile sich vom Parietalblatte abschnürt, ist sein Kopfende von Anfang an in einer solchen Ausdehnung angelegt, dass die mediale Abschnürungsfalte sich auf dem Visceralblatte des Darms befindet (Taf. XXII Fig. 382). Dieses Kopf- ende des Urnierengangs oder die von seinem übrigen Verlaufe so wesentlich unterschiedene Anlage der eigentlichen Urniere erscheint daher von ihrer engen Mündung in die Bauchhöhle auswärts zum Uebergange in den Urnieren- gang, einwärts aber in die Uro-Genitalfalte ausgebuchtet und kommt daher dort in Folge des Zusammentreffens beider Uro -Genitalfalten mit ihrem (regenstücke in Berührung. Die unter dieser medialen Bucht der Urnieren- anlage gelegene Visceralblattfalte ist gleich anfangs so breit, dass nur ihr unterer Rand mit der gegenüberstehenden Parietalblattfalte sich zum Abschluss der ganzen Urniere verbindet, während ihr oberer Theil die Lichtung der letzteren lateralwärts verengt und alsbald wie ein eingedrückter Theil ihrer Innenwand erscheint. Es ist dies, wie sich aus dem Folgenden ergibt, die ursprüngliche Anlage des Gefässknäuels. Während dieser Bildungen ist eine Aorta noch gar nicht vorhanden und sind die sich berührenden medialen Enden beider Urnieren oder eben die Uro-Genitalfalten von der Wirbelsaite (durch die zusammengeflossenen unteren Theile der inneren Segmentblätter ge- trennt. Indem sich darauf der Darmblattschlauch senkt und so zwischen den Anlagen der Gefässknäuel heraustritt, schnürt sich das Visceralblatt jederseits an der Grenze dieser beiden Theile ein; und indem beide Blätter sich dort zum definitiven Gekröse vereinigen , scheiden sie den Darm vollends von den beiden nun mehr gegen einander offenen Gefässknäuelanlagen ab (Fig. 383). Unter- dessen hat sich im Innern der letzteren gerade so wie bei den Batrachiern eine lockere Zellenmasse angesammelt, welche durch ein geringes Auseinander- weichen der sie oben abschliessenden Uro-Genitalfalten zunächst mit dem erwähnten Bildungsgewebe der Segmente und durch dieses mit der gleichzeitig gebildeten und der Wirbelsaite dicht angefügten Aorta in Verbindung tritt. Diese Innenmasse der Gefässknäuelanlagen kann, solange die Uro-Genital- falten in Berührung bleiben, nur vom Visceralblatte selbst abstammen; später 1. Die Urnieren. 827 i mögen reichliche Dotterbildungs- oder Blutzellen dieses Bildungsgewebe ver- mehren , aus welchem die Gefässanlagen jedenfalls unabhängig von der Aorta entstehen. — Es erhellt aus dem Voranstehenden, dass bei der Forelle abweichend von der Rosenterg’schen Darstellung bezüglich des Hechtes 1. das Kopfende des Urnierengangs den ganzen Bereich der Uro-Genitalfalte mit umfasst, also auch einen Theil des Visceralblattes einschliesst, dadurch aber von Anfang an als besondere Anlage der eigentlichen Urniere sich dar- stellt, 2. dass das eingeschlossene Visceralblattstück den Gefässknäuel unab- hängig von der späteren Verbindung mit der Aorta anlegt, 3. dass der zwischen denselben und den Anfang des eigentlichen Urnierengangs ohne Lage- veränderung eingeschlossene Abschnitt der serösen Rumpfhöhle zu einer Harn- kanalkapsel wird. Die Richtigkeit der Rosengerg’schen Darstellung voraus- gesetzt, erscheinen die Unterschiede zwischen derselben’ und meinen Unter- suchungen in Bezug auf die allgemeine Auffassung nicht bedeutend, da man eigentlich nur die Grenze von Parietal- und Visceralblatt zu verschieben braucht, um im wesentlichen auf dasselbe Resultat hinauszukommen. Nur in Betreff der Gefässknäuelbildung von der Aorta her, worüber ROSENBERG selbst übrigens sich nicht ganz sicher ausspricht (Nr. 156 8. 48), muss ich seine An- gaben schon desshalb bezweifeln, weil es unwahrscheinlich klingt, dass die Aorta erst über den beiden Urnieren, dann ganz zwischen ihnen und endlich wieder über ihnen liege (vgl. Nr. 156 Fig. I, I, VI). Für den Vergleich mit den Batrachiern ist aber der Befund an den Forellenembryonen ungleich geeigneter. Die Harnkanalkapsel ihrer Urniere mit der ursprünglich in sie eingeschlossenen Uro-Genitalfalte und den Gefässknäuelanlagen entspricht auf das vollständigste jener zweifelhaften Harnkanalkapsel der Urniere bei den Batrachiern, welche sich von der ersteren nur dadurch unterscheidet, dass sie den unvollkommenen Abschluss gegen die Bauchhöhle alsbald völlig zurück- bildet und dadurch den eingeschlossenen Theil der ursprünglichen Bauchhöhle ihr wieder zurückgibt (vgl. Fig. 278—.280. 360. 382. 383). Diese Eröffnung und Zurückbildung der Harnkanalkapsel macht es aber sehr unwahrscheinlich, dass der Gefässknäuel dennoch weiter funktionirte, weil unter solchen Um- ständen gerade der grössere Theil des Sekrets unfehlbar in der Bauchhöhle sich ansammeln müsste; und anderseits ist aus ähnlichen Gründen die Fort- dauer der peritonealen Urnierenmündungen sehr zweifelhaft. Wenn es daher feststeht, dass die Urniere wenigstens der Unkenlarven der Kopfniere der Forelle vollständig homolog angelegt wird, so sprechen doch alle Beobachtungen 828 XII. Die Harn- und die Geschlechtsorgane. dafür, dass von der ersteren der mediale Gefässknäueltheil rudimentär bleibt und sehr bald bis zur Funktionsunfähigkeit sich zurückbildet, dass aber der laterale Theil alsdann für sich allein, durch die unmittelbare Wechselwirkung zwischen den gewundenen Röhren und dem sie allseitig umspülenden Stamm- venenblut, in der Art einer einfachen Knäueldrüse, z. B. einer Schweissdrüse, funktionirt. Bekanntlich verödet aber auch die Urniere noch in der Larven- zeit, während der Urnierengang eine andere Bestimmung erhält. 2. Die bleibenden Nieren. Diese Organe entwickeln sich aus der Uro-Genitalfalte ohngefähr von der Stelle an, wo der absteigende Hohlvenenabschnitt sich später mit der rechten Stammvene verbindet, bis gegen das Schwanzende hin. In jener Falte behal- ten die Embryonalzellen ihre ursprüngliche Grösse, während sie im übrigen Parietal- und Visceralblatte noch in der ersten Larvenperiode nach Ablösung einer inneren lockeren Schicht von Bildungsgewebe an der freien Oberfläche zum Peritonealepithel werden. Etwa zur Zeit, wann die Stammvenen unter den medialen Rand der Segmente vorrücken, dringen die grosszelligen Uro- Genitalfalten jederseits in einer Reihe von schlauchförmigen Sprossen zwischen die Aorta und die Stammvenen ein; diese hohlen Sprossen schliessen sich dabei bis auf eine Spaltöffnung, welche die beiden Blätter bleibend auseinanderhält (Taf. XI Fig. 197. 198, Taf. XXI Fig. 372.376). Während darauf die beiden Stammvenen zur Medianebene zusammenrücken, werden jene Sprossen der Uro-Genitalfalten seitwärts über die Venen und die ihnen aussen anliegenden Urnierengänge gehoben und endlich von ihren zwischen den Venen zusammen- gedrückten Stielen abgelöst. Die auf diese Weise von den Uro-Genitalfalten getrennten und in das Bildungsgewebe des Retroperitonealraums eingebetteten kleinen Schläuche sind nun die Anlagen der bleibenden Nieren; die an der Gekrösewurzel zurückbleibenden Reste der Uro-Genitalfalten entwickeln da- gegen die Geschlechtsorgane. Die Zellen, welche die spaltförmige Lichtung der getrennten Nierenschläuche umschliessen, nehmen alsbald nicht nur an Zahl, sondern nach der Umwandlung der Dottersubstanz auch an Masse zu; in Folge davon beginnen die Schläuche sich auszudehnen und erhalten eine grössere, stetig wachsende Lichtung. Dabei zieht sich aber der gedrungene, (liekwandige Schlauch nicht etwa gleichmässig zu einer schlanken Röhre aus, sondern die Ausdehnung überwiegt sehr bald am unteren Umfang, welcher 2. Die bleibenden Nieren. 829 röhrenförmig und wegen des beengten Raumes immer mehr sich aufwindend zwischen die Hohlvene und den Urnierengang hervorwächst, welcher letztere dadurch seitwärts gedrängt wird; der obere Theil des ursprünglichen Schlauches bleibt aber gleichsam als Vorrath für die fortdauernde Ausdehnung der von ihm ausgehenden schlanken Röhren noch einige Zeit in der früheren Gestalt, nämlich als sehr enger, dickwandiger Blindsack , dessen grosse Zellen ausser- ordentlich gedrängt erscheinen und ganz allmählich in das flachere Epithel der relativ fertigen Harnkanälchen übergehen. Dies erkennt man an Quer- durchschnitten, welche aber wegen der vielfachen Windungen der auswach- senden Harnkanälchen deren ganzen Verlauf und Zusammenhang nicht über- sehen lassen. Präparirt man die ganzen Nierenanlagen einer Seite aus jungen Larven im Beginn der zweiten Larvenperiode heraus und bringt sie im Zusam- menhange unter das Mikroskop, so erkennt man sofort, dass die Entwickelung der Nierenanlagen vorn früher beginnt und schneller fortschreitet als hinten, wodurch während längerer Zeit die Nieren rückwärts verjüngt auslaufen (Taf. XX Fig. 363). Dieser Umstand gewährt den Vortheil, die einzelnen Ent- wickelungsstadien neben einander verfolgen zu können, wobei ich darauf auf- merksam mache, dass die Salamandra maculata viel schönere und klarere Bil- der der Nierenentwickelung bietet, als alle anderen von mir untersuchten Ba- trachier. Solche Präparate lassen nun weiter erkennen, dass jeder primitive Nierenschlauch nicht etwa in eine einzige Röhre, sondern in eine ganze Gruppe von solchen auswächst, worauf einzelne dieser röhrenförmigen Auswüchse sich vom Stamme ablösen und selbstständig weiter wachsen und sich aufwinden (vgl. Taf. XXI Fig. 375 und Nr. 64 Fig. 46). So entstehen anfangs neben einander liegende getrennte Knäuel von kürzeren und längeren Röhren, welche aber während des weiteren Wachsthums zusammenstossen und sich verbinden; denn wenn es auch nicht möglich ist, die einzelnen gewundenen Röhren zu isoliren und ihren ganzen Verlauf zu verfolgen, so schliesse ich doch auf jene sekundären Verbindungen der ursprünglich getrennten Anlagen aus dem Umstande, dass später auch keine Spur jener Trennung bei der Unke anzutref- fen ist. Ziemlich frühe erscheinen die Anlagen der Gefässknäuel der bleibenden Nieren, welche so wenig wie an der Urniere Erzeugnisse schon be- stehender Gefässe sind, vielmehr vollständig aus den primitiven Nierenschläu- chen selbst hervorgehen, wie es bereits KuprrEr von den Säugethieren angab (Nr. 151). Dies ergibt sich einfach daraus, dass die Gefässknäuel bis zu einem gewissen Grade entwickelt erscheinen, bevor noch irgend ein Gefäss in der 330 XII. Die Harn- und die Geschlechtsorgane. Niere auftritt. Ich sehe nämlich einzelne der blinden Röhrenenden sich ver- dicken, sodass ein Zellenpfropf nach innen gegen die Lichtung vorwächst; in- dem sich nun die letztere um den kugeligen Pfropf ausdehnt, erscheint das blinde Röhrenende kapselartig erweitert und gleichsam seine Mündung von dem ersteren ausgefüllt (Fig. 375). In dem Masse als der Zellenpfropf wächst, platten sich die Zellen der dadurch erweiterten Kapsel immer mehr ab, sodass sie am Uebergange in das unveränderte Harnkanälchen ziemlich unvermittelt an dessen dickere Elemente sich anschliessen. Einen Uebergang dieses Platten- epithels auf die Innenfläche des Zellenpfropfes oder was dasselbe ist, eine epitheliale Absonderung der diese Fläche bildenden Zellen habe ich nicht erfolgen sehen, ebenso wenig alle Stufen der Vaskularisirung jener Gefässknäuel- anlage verfolgt; nach den Erfahrungen bei der Urniere zu schliessen, dürften auch in der Niere die kompakten Zellenmassen jener Anlagen sich erst zu einem lockeren Bildungsgewebe ausdehnen, bevor Fortsetzungen der dieZwischenräume der Niere durchziehenden Gefässe in sie eindringen. Ob alle einzelnen primi- tiven Harnkanälchen Gefässknäuel bilden, weiss ich nicht; doch unterscheiden sich die mit solchen versehenen in keiner Hinsicht von anderen, welche diesel- ben noch nicht besitzen, vielleicht auch nie erhalten. Und wenn es auch nicht gelingt, die späteren Verbindungen der auswachsenden Harnkanälchen zu ver- folgen, so glaube ich doch annehmen zu dürfen, dass sie ohne ein bestimmtes Gesetz aus den zufälligen Anpassungen der Lage und der beginnenden Funktion erfolgen , ähnlich wie es bei den Gefässverbindungen geschieht. Die Verbin- dung der Harnkanälchen mit dem Urnierengange erfolgt erst in der Mitte des Larvenlebens. Schon vorher war dessen mediale Wand durch die einzelnen Gruppen der Harnkanälchen eingedrückt, sodass er zwischen denselben scharfe Vorsprünge erhält (Fig. 375). Auch dieses Verhalten finde ich an Salamander- larven deutlicher ausgeprägt. Von diesen Vorsprüngen entwickeln sich kurze Röhrenstämmchen, welche aber dünner sind als die Harnkanälchen, daher nach ihrer Verbindung mit denselben sich immer vor ihnen auszeichnen. Auch finde ich sie bei den Unkenlarven gewöhnlich ebenso pigmentirt wie den Urnieren- gang, sodass man sie auf den ersten Blick unterscheiden und ihren geringeren Durchmesser erkennen kann. Wie diese Mündungsstücke der bleibenden Niere sich von dem Urnierengange bis zu seinem letzten Abschnitte ablösen, habe ich nicht weiter beobachtet, bin aber von der Richtigkeit der Angabe Wirrich's überzeugt, dass dies durch allmählich fortschreitende Abspaltung erfolge (Nr. 378. 139). Nur muss dazu bemerkt werden, dass, wie es LeypıG unzwel- 3. Die Geschlechtsorgane. 831 deutig nachwies (Nr. S1 S. 73, Taf. II Fig. 25. 26), Wırrich sich entschieden versehen hat, wenn er jene Abspaltung gerade für die männlichen Unken in Abrede stellt und den Urnierengang im den Harnsamengang sich verwandeln lässt (Nr. 37 S. 155). 3. Die Geschlechtsorgane. Was von der grosszelligen Uro-Genitalfalte nach der Abschnürung der Nierenschläuche an der Gekrösewurzel zurückbleibt, dient zur Anlage der Ge- schlechtsorgane; und zwar beginnt ihre Entwickelung zuallerletzt von allen aus den Embryonalanlagen hervorgehenden Körpertheilen. Daher schwindet auch die Dottersubstanz in den grossen Zellen der Geschlechtsdrüsenanlagen später als in allen übrigen Zellen des Larvenkörpers. Diese Zellen rücken im Anfange der zweiten Larvenperiode an der Gekrösewurzel, unter dem späteren medialen Rande der Niere zusammen und bilden jederseits eine lange Leiste, welche durch die unregelmässig neben und hinter einander angeordneten grossen runden Zellen ein traubiges Ansehen hat (Taf. XXI Fig. 572.377). Bei ihrer weiteren Entwickelung sondert sich diese Leiste in zwei Abschnitte. Der kleinere vor- dere, welcher auf die nächste Umgebung des Ursprungs des absteigenden Hohl- venenabschnittes beschränkt ist, beginnt sehr bald kleine Sprossen gegen die Bauchhöhle zu treiben, welche fingerförmig auswachsen und sich in den be- kannten Fettkörper verwandeln (Taf. XX Fig. 363). Der hintere längere Abschnitt der Leiste, die eigentliche Geschlechtsdrüsenanlage, wächst unter Ver- kleinerung und Vermehrung ihrer Zellen gleichmässig nach unten aus, wobei insbesondere ihre oberflächliche Zellenlage sich dem übrigen Peritonealepithel kontinuirlich anschliesst. Dadurch kann unter Umständen das Bild einer Falte entstehen, deren Inneres mit anderen Zellen angefüllt ist (Fig. 1.2). Doch lässt sich die ganze Leiste leicht auf eine einfache Verdickung der Zellenschicht der Uro-Genitalfalte, also auf eine durchaus einheitliche Anlage zurückführen, und zeigt sich auch fernerhin kein Unterschied in der Entwickelung ihrer peri- pherischen und centralen Elemente, wie ich es schon in der Entwickelungs- geschichte des Eierstocks hervorhob, welche mit der eben beschriebenen Ent- wickelungsstufe begann (vgl. S. 10 u. flg.). Es wurde dort auch schon bemerkt, dass die Geschlechtsdrüsenanlagen anfangs geschlechtlich nicht geschieden sind, sodass die ganze Beschreibung der ersten Umbildung jener Zellenmassen so- wohl für den Eierstock wie für den Hoden gilt. Auch der letztere entwickelt 332 XII. Die Harn- und die Geschlechtsorgane. sich also aus den durch Zellenverschmelzung entstandenen Follikeln, sodass seine endliche Bildung sich erst durch nachträgliche Abweichungen vom Bil- dungsgange des Eierstockes ergibt. Die letzteren beginnen allerdings schon vor der Larvenmetamorphose, fallen aber anfangs, wenn man die Entwickelung nur vorwärts verfolgt, nicht in die Augen. Denn einmal treten sie bei dem langsamen Fortschritte der Geschlechtsdrüsenentwickelung nur sehr allmählich auf, und zweitens betreften sie zunächst noch keine Neubildungen, sondern be- stehen vielmehr in einer Art Stillstand der begonnenen und in ihrem direkten Fortgange zur Eierstocksbildung führenden Follikelentwickelung. Statt dass nämlich die einzelnen noch indifferenten Follikel durch energisches Wachsthum sich zu den Anlagen junger Eierstockseier ausbilden, bleiben sie in den künf- tigen Hoden im Wachsthum durchaus zurück, sodass, während immer neue dazu entstehen, die älteren sich viel weniger von denselben unterscheiden als in den Eierstocksanlagen. Daher erscheinen die Hodenanlagen beinahe bis zum Eintrittder Larvenmetamorphose nur als in der Entwickelung etwas zurück- gebliebene Eierstöcke, die sich daher mehr äusserlich, durch die schmächtigere kürzere Gestalt vor den andern auszeichnen. Dieser Eindruck wird noch da- durch verstärkt, dass unter den der Metamorphose entgegengehenden Larven, deren relatives Alter oder Zustand der Reife durch äussere Merkmale, die Aus- bildung des Kopfes und der Glieder, Rückbildung des Schwanzes u. s. w., leicht bestimmt werden kann, unter gleichen Umständen und im allgemeinen die künftigen Weibchen die Männchen an Grösse übertreffen. Ich will damit na- türlich nicht ohne weiteres das Gesetz aufstellen, dass die kräftigere Ernährung des Larvenkörpers unbedingt das weibliche Geschlecht erzeuge; wenn aber die erste Scheidung der indifferenten Genitaldrüsenanlagen nach dem Geschlechte nachweislich dadurch erfolgt, dass die Entwickelung derselben bei den künfti- gen Männchen gegenüber derjenigen der künftigen Weibchen zurückbleibt, und damit auch das Wachsthumsverhältniss des gauzen Körpers, wenigstens bei den äussersten Grössenunterschieden meist übereinstimmt, so sehe ich nicht em, warum man der Ernährung der Larven nicht einen wesentlichen Einfluss auf die Erzeugung der Geschlechter einräumen sollte. Sehen wir uns die Textur der Hodenanlagen älterer Larven an, so erscheinen manche Follikel ganz unverändert, einkernig, aber gegenüber den gleich alten Eifollikeln sehr klein; ich halte sie wegen ihrer relativen Formvollendung für die ältesten Follikel. An den anderen, jüngere Entwickelungsstufen darstellen- den Follikeln fällt es auf, dass die Verschmelzung der centralen Zellenkerne > 3. Die Geschlechtsorgane. 333 zu keimbläschenartigen Bildungen nirgends über die ersten Anfänge hinaus fortgeschritten ist, und anderseits umgekehrt wie in den Eierstocksanlagen mit der Grösse der Follikel nicht zu- sondern abnimmt, sodass die grössesten Follikel auch am weitesten zurückgeblieben erscheinen, die am meisten ge- trennten Kerne enthalten. Es versteht sich daraus, dass solche Follikel weniger klar sind als die kleineren mehr eiähnlichen und daher dem frischen Organ ein etwas fleckiges Ansehen verleihen. Eine bestimmte Anordnung der beiderlei Follikelformen, sodass die einkernigen kleinen und klaren ausschliesslich die Oberfläche, die anderen also das Innere des Organs einnähmen (WrrricH), muss ich nach der Untersuchung zahlreicher querer und longitudinaler Durchschnitte vollständig in Abrede stellen; sie sind unterschiedslos durch das ganze Organ vertheilt, und nur an einzelnen Stellen sah ich bei Fröschen die kleineren Follikel kranz- oder röhrenförmig um die grösseren angeordnet, aber natürlich ohne Bezug auf Peripherie und Uentrum des Organs. Vergleicht man nun wieder die einzelnen Follikel mit einander, so ergibt sich ferner, dass die grössesten, scheinbar am meisten gewachsenen nicht nur die am meisten ge- trennten, sondern auch die zahlreichsten Kerne emschliessen. Ueberlegt man, dass die ganzen Hodenanlagen in jener Zeit gar nicht wachsen, und da eine wirkliche Atrophie einzelner Follikel nicht zu konstatiren ist, auch die übrigen sich nicht wohl durch Wachsthum vergrössert haben können, so bleibt nur die Annahme übrig, dass sie aus der Verschmelzung mehrer kleiner Follikel hervor- gingen. Dies ergibt sich auch immer deutlicher an den jungen Unken nach be- endigter Larvenmetamorphose: die Follikel — um zunächst noch bei diesem Ausdrucke zu bleiben — werden immer weniger zahlreich, indem an Stelle vieler geschwundener nur einzelne ganz grosse Follikel treten, an denen oft die Spuren der Verschmelzung aus einer Gruppe kleinerer in den Resten ihrer früheren Wände deutlich wahrzunehmen sind, und welche daher geräumige und unregelmässig ausgebuchtete Höhlungen mit einer ausserordentlich grossen An- zahl freier Zellenkerne im Innern darstellen.“ An jungen Unken, die ich nach ihrer Grösse für mindestens einjährige halten musste, waren die kleinen ein- kernigen Follikel bloss auf die engen Zwischenräume zwischen jenen grossen Höhlen beschränkt, die letzteren aber in ihrem Inhalte nicht verändert, woraus * Ich habe Abbildungen der Hodenentwickelung mir ersparen zu können geglaubt, da man sich an den Bildern der embryonalen Eierstöcke bloss die vielkernigen Follikel im Verhältniss zu den einkernigen ausserordentlich vergrössert zu denken braucht, um das Bild der bezüglichen Struktur des Hodens zu erhalten. GorTTE, Entwickelungsgeschichte. 33 XII. Die Harn- und die Geschlechtsorgane. hervorgeht, dass die Entwickelung der eigentlichen Hodensubstanz vollständig in das spätere Leben unseres Thieres gehört. Ich habe sie auch nicht weiter verfolgt als bis zu dem angegebenen Zeitpunkte, glaube aber, dass in den be- schriebenen schlauchförmigen Höhlen die Anlagen der Hodenschläuche un- zweifelhaft erkannt werden dürfen. T Ein Rückblick auf die Entwickelung der beiderlei Geschlechtsdrüsen liefert das Ergebniss, dass beide Formen aus völlig gleichen Anlagen hervorgehen und sich erst dadurch scheiden, dass im künftigen Eierstocke die einmal be- gonnene Entwickelung in der Follikelbildung fortdauert, im künftigen Hoden dagegen neben einem Stillstande in der Fortbildung der schon fertigen Follikel die Ausbildung der jüngeren auf einer niedrigeren Stufe stehen bleibt, sodass wenigstens für die Anlage des Hodens der Ausdruck berechtigt erscheint, die- selbe gehe hervor aus einem gewissen Rückschritte des früher eingeschlagenen und im Eierstocke fortdauernd eingehaltenen Entwickelungsganges. Die fertige Hodenbildung ist aber das Resultat weiterer sich an den letzteren Zustand an- schliessenden histiologischen Umbildungen. Da die Ausführungsgänge der Sexualdrüsen der Batrachier theils im Urnierengange (Eileiter), theils im gewissen Abschnitten der Niere und ihrer aus- führenden Kanäle (Samenleiter) gegeben sind, so halte ich eine Wiederholung der Untersuchungen Wiırric#’s und Leypı@’s nicht für geboten. Bekänntlich war es J. MuvELLER, welcher die Urnieren der Amphibien- larven entdeckte und sie als von dem Ende des Urnierengangs ausstrahlende Blinddärmchen beschrieb, denen ein weissliches Körperchen anliege, während die eigentlichen Nieren anfangs aus einer Reihe gestielter Körperchen bestän- den (Nr. 10 S. 10—12). Bipper erkannte in dem der Urniere locker anlie- senden Körperchen einen Marpısur'schen Gefässknäuel (Nr. 157 8. 58); Wır- rıcH verbesserte wiederum die Beschreibung J. MvELrer's dahin, dass die Urniere nicht aus einer Quaste von Blinddärmchen, sondern bei Bombinator und Triton aus einem einzigen aufgewundenen Kanale bestehe, welcher bei den anderen Batrachiern verzweigt sei. Er hält es daher für wahrscheinlich, dass das Vorderende des Urnierengangs, welcher solid zu entstehen scheine, sich in mehre Aeste ausbuchte, die sich darauf zu einem Knäuel aufwinden; ebenso seien die Anlagen der bleibenden Nieren, die von J. Muruver beschriebenen gestielten Körperchen, Auswüchse des Urnierengangs (Nr. 57 8. 129 — 133). — 3. Die Geschlechtsorgane. 835 Ich kann, wie aus meiner Beschreibung genügend erhellt, diesen Darstellungen meiner Vorgänger nicht beistimmen. Abgesehen davon, dass die Entstehung des Urnierengangs unerwähnt blieb, so ist die Auffassung, als wenn die Umniere lediglich aus einer Aufknäuelung seines gespaltenen Vorderendes ent- stände, nicht zutreffend. Denn zur Urniere gehört, wie eine vergleichende Unter- suchung lehrt, auch der Gefässknäuel und der ganze zwischen beiden liegende Bauchraum, mit welchem die Urnierenkanäle einige Zeit kommuniciren; und ferner entsteht die Urniere als breite taschenförmige Ausbuchtung des Parietal- blattes zuerst, sodass der Urnierengang als Fortsetzung derselben erscheint. Es haben eben die genannten Forscher das Organ nicht in seinen frühesten Zu- ständen untersucht; im der zweiten Larvenperiode sind aber seine ursprüng- lichen Theile vollständig getrennt, die Urniere im engeren Sinne liegt als blosse Knäueldrüse in der Leibeswand, während der atrophische Gefässknäuel, nach- dem die primitive Harnkanalkapsel wieder in die allgemeine Bauchhöhle auf- gegangen ist, an der Gekrösewurzel hängen bleibt,* sodass die genetischen Beziehungen dieser Theile nicht mehr erkannt werden können. Offenbar hat denn auch das Postulat ihres vermissten innigen Zusammenhangs REMAK ver- anlasst, den Gefässknäuel irrthümlicherweise gleichfalls in die Leibeswand hin- ter die Urniere zu versetzen, wo er, wenn auch nicht in den Kanal eingeschlossen, doch von ihm umfasst sein sollte (Nr. 40 8.59. 154. 155, Taf. X Fig. 17a. 1Sb). Anderseits mag die ungenaue Auffassung, dass die Urniere ein Produkt des sich spaltenden und aufwindenden Urnierengangs sei, die irrige Annahme Wirrich’s hervorgerufen haben, dass die Nierensäckchen Ausstülpungen des- selben Ganges seien. Eine solche Annahme ist zudem nach meinen Beobach- tungen gar nicht nöthig, um die Homologie der beiderlei Harnorgane zu erweisen, denn mit dem Nachweise, dass der Drüsentheil der Urniere mit dem (Gefässknäuel und dem zwischenliegenden Raume als primitive Harnkanalkapsel eine ursprünglich einheitliche Anlage der gleichsam erweiterten Uro-Genital- falte bilden, an welche sich der Urnierengang erst sekundär anschliesst, ist jene Homologie gesichert, da ja die Nierensäckchen als gemeinsame Anlagen für die Harnkanälchen, deren Kapseln und Glomeruli ebenfalls Abschnürungs- produkte derselben Falte sind. Der einzige Unterschied zwischen beiden * Ich möchte es hier als Vermuthung aussprechen, dass die Röhrenknäuel, welche LeypıG neben dem atrophischen Urnierengange einiger Urodelen, und zwar rückwärts von dessen freiem Ende fand (Nr. 31. 88 Fig. 25. 29), nicht nach seiner Deutung die Reste der Drüse, sondern gerade des Gefässknäuels darstellen. 53= 8336 XII. Die Harn- und die Geschlechtsorgane. Harnorganen bestände also darin, dass die bleibenden Nieren, wie es WITTICH und Leypıe (Nr. 81 S. 85) zuerst erkannten, anfangs keinen eigenen Aus- tührungsgang besitzen, sondern als solchen den Urnierengang benutzen, mit dem sie sich erst sekundär verbinden, um dann im späteren Leben sich doch wieder von ihm abzuspalten. Bezüglich der Nierenbildung stehen den Batrachiern die Teleostier am nächsten. Wenn RosExBErG die Kopfnieren derselben als Homologa der Urnieren der Amphibien betrachtet (Nr. 156 S. 70—73), so kann ich ihm inso- fern nur bedingt beistimmen, als die bisher allein untersuchten weiter entwickelten Urnieren einfache Knäueldrüsen sind ohne Zusammenhang mit dem sich zurückbildenden Gefässknäuel. Die vollständige Urniere der Batra- cher ist daher nur die allerkürzeste Zeit der Kopfniere der Teleostier homolog und kann im allgemeinen als rudimentäre Bildung betrachtet werden. Bei dem genannten Vergleiche konnte sich ROSENBERG immerhin auf einen für that- sächlich gehaltenen Nachweis, nämlich vom Zusammenhange der Urniere und des Gefässknäuels der Batrachierlarven, berufen; wenn er aber ferner die Bauch- und Kaudalniere der Teleostier mit der bleibenden Amphibienniere ver- gleicht, obgleich er die von Wrrrich angegebene Entwickelungsgeschichte der letzteren bezweifelt (Nr. 156 S. 73 Anm. 2) und hinsichtlich der ersteren nur vermuthet, dass sie sich in ähnlicher Weise entwickele, wie es KuUPFFER für die Säuger annimmt (Nr. 156 S. 74), so muss ich jene zweite Vergleichung für unbegründet erklären. Denn wenn RosENBERG’S Vermuthung sich bestätigte, so würden die Bauch- und Kaudalnieren der Teleostier aus einem anderen Keimtheile und auf andere Weise entstehen als die Amphibiennieren, diesen also auch nicht homolog sein. Dagegen glaube ich jene Hypothese allerdings unterstützen zu können, indem ich die Zellenmasse, welche später den Retro- peritonealraum zwischen den Stammgefässen und den Urnierengängen aus- füllt und von Rosengere als Bildungsstätte der Bauch- und Kaudalnieren erkannt wurde (Nr. 156 8. 52—55), ebenso wie die Nierenanlagen der Batra- chier von den verdickten Uro-Genitalfalten sich abschnüren sehe. Weniger sicher als hinsichtlich der Teleostier ist der Vergleich der beider- lei Harnorgane der Batrachier mit denjenigen der Amnioten. Nachdem Waupeyer die Entwickelung der Urniere des Hühnchens im Gegensatz zu seinen Vorgängern auf Ausstülpungen des Urnierengangs zurückgeführt hat (Nr. 66 5. 119. 120), was mir durchaus begründet erscheint, und anderseits die Entstehung des Urnierengangs aus einer Ausbuchtung des Parietalblattes \ \ 3. Die Geschlechtsorgane. 837 nunmehr auch für das Hühnchen durch Rourrr bestätigt worden ist (Nr. 150 S. 204. 205), dürfte die Homologie der Urniere aller Wirbelthiere ziemlich zweifellos sein. Denn auch bei Kaninchenembryonen finde ich die Anlage des Urnierengangs im Zusammenhange mit dem Parietalblatte, wenn es mir auch nicht gelang die Kontinuität seiner Lichtung und der Bauchhöhle klar zu erkennen. — Der eigentliche Ureter der Säuger und Vögel entspringt nach Kuprrer's und meinen Beobachtungen aus dem Ende des Urnierengangs, wo- gegen wir die Angabe Remar’s (Nr. 40 S. 121) von der Ausstülpung der Harn- kanälchen aus dem Ureter nicht zu bestätigen vermochten (Nr. 151, 152, 153 S. 56—60). WALDEYER schliesst sich uns hinsichtlich des Ureters an, glaubt aber für die Harnkanälchen der bleibenden Niere aus allgemeinen Gründen dieselbe Entstehungsweise wie bei der Urniere annehmen, also darin gerade Remax bestätigen zu müssen (Nr. 66 8. 130— 132). Ich gestehe, dass ich dieser Remar’schen Ansicht jetzt ebenfalls den Vorzug gebe und daher vorbehaltlich ihrer definitiven Bestätigung die bleibenden Nieren der Amnioten allerdings für eine Weiterbildung des Urnierengangs halten möchte*. Unter einer solchen Voraussetzung wären aber die vergänglichen und bleibenden Amnioten- nieren als zusammengehörige Organkomplexe zunächst nur mit den Urnieren der Knochenfische und Amphibien in Parallele zu bringen. Da ich aber nach- gewiesen habe, dass die beiderlei Harnorgane der Batrachier und ihre Homo- loga bei den Fischen im Grunde genommen bei dem gemeinsamen Ursprunge aus der Uro-Genitalfalte sich gar nicht unterscheiden, so kann ich zum Schluss dieser vergleichenden Betrachtungen meine Ueberzeugung aussprechen, dass die beiderlei Harnorgane aller Vertebraten sich nicht morpho- logisch, sondern nur physiologisch, nach der verschiedenen Zeit ihrer Entstehung und Wirksamkeit von einander trennen lassen. Von den Geschlechtsorganen der Batrachier ist der Eierstock bereits im ersten Kapitel dieser Arbeit so weit, als es mir meine Erfahrungen erlaubten, vergleichend betrachtet worden; und es erübrigt hier noch in gleicher Weise vom Hoden zu reden. Ueber dessen Entwickelung finde ich erst bei Wrrrich etwas eingehendere Angaben (Nr. 37 8. 155—158). Längere Zeit bleiben die Anlagen der beiderlei Geschlechtsorgane sich völlig gleich; während aber = Natürlich würde der etwaige Nachweis, dass die Drüsenanlage der Amniotenniere auf direkterem Wege als durch den Ureter und Urnierengang vom Parietalblatte abstamme, ihre Homologie mit den bezüglichen Organen der Anamnia nur noch klarer stellen. 838 XII. Die Harn- und die Geschlechtsorgane. darauf die grossen eiähnlichen Zellen in den künftigen Weibchen allmählich das ganze Organ bis auf die bindegewebigen Theile durchsetzen, beschränken sie sich in den männlichen Thieren auf die Peripherie, um früher oder später ganz zu schwinden, während im Innern sich die eigentliche Hodensubstanz bildet. Von derselben erscheine zuerst im mittleren oberen Theile der (reschlechtsdrüsenanlage eine Röhre, welche später die Vasa eflerentia vor ihrem Eintritt in die Niere vereinigt. Neben diesem Kanale bildeten sich mit kleinen Zellen ausgekleidete und angefüllte weite Höhlungen,, welche sich mit ihm verbinden und ihm schliesslich gestielt aufsitzen. Diese ganze Hoden- substanz würde anfangs noch von der peripherischen grosszelligen Eierstocks- masse umschlossen, welche erst allmählich und zwar langsamer bei Bombi- nator als bei den Fröschen schwinde. Bei den Krötenlarven sei das Kopfende der Geschlechtsdrüsenanlage knopfförmig angeschwollen und bilde in beiden (reschlechtern Eier aus, welche nur in den Männchen, deren Hodensubstanz in der grösseren hinteren Hälfte der Geschlechtsdrüsenanlage entstehe, in der weiteren Entwickelung zurückbleiben ; immerhin sei dieser Kopftheil des Hodens als rudimentäres Ovarium aufzufassen und der peripherischen Eierstocksmasse an den Hodenanlagen der übrigen Batrachier homolog, sodass „jede Batrachier- larve die Bedingungen sowohl der männlichen, als auch der weiblichen keim-" bereitenden Drüsen in sich trägt, ja, bei allen ein gewisser unvollkommener Hermaphroditismus der vollen Geschlechtsreife voraufgeht.“ Nur in der Dauer des hermaphroditischen Zustandes unterscheiden sich die einzelnen Batrachier nicht unwesentlich, indem derselbe am frühesten bei den Fröschen, später bei der Unke und einigen Krötenarten schwinde, bei Bufo cinereus aber lebenslänglich erhalten bleibe (Nr. 37 S. 158—164). — Ich kann die voran- stehenden Beobachtungen Wırricw's über die Entwickelung des Hodens der Batrachier nicht bestätigen, daher auch seine allgemeine Auffassung nicht theilen. Abgesehen von der schon in der Beschreibung hervorgehobenen Differenz, dass ich die Hodenbildung durchaus nicht so regelmässig angeordnet finde wie Wrrrich, mache ich vor allem darauf aufmerksam, dass nach seinen Beobachtungen die eigentliche Hodensubstanz aus der indifferenten Geschlechts- (drüsenanlage morphologisch und histiologisch sich ganz anders entwickelt als die Eierstocksmasse, sodass in dem einen Falle nur Eianlagen, im anderen Falle neben und nicht aus ihnen Hodenanlagen entständen, deren Wachsthum die ersteren zurückdrängt und ganz oder theilweise zur Atrophie bringt. Nach meinen Beobachtungen ist aber die embryonale Hodensubstauz eine durch >. 5A 3. Die Geschlechtsorgane. 839 einen gewissen Rückschritt des ursprünglichen Entwickelungsverlaufs modifi- cirte Eierstocksmasse; sie entsteht nicht aus indifferenten Zellen, wie es WITTICH annimmt, sondern aus wirklichen, nur unreifen Eifollikeln, welche statt zur vollständigen Individualisirung fortzuschreiten, zu grösseren kontinuirlichen Gewebsmassen verschmelzen. Der unvollkommene Hermaphroditismus der Kröten beruht daher, wie ich schon einmal an anderer Stelle aussprach, darauf, dass das in der Entwickelung voraneilende Kopfende des indifferenten Geschlechtsorgans, sowie es dem jungen Eierstocke die grössesten oder die ersten reifen Eifollikel liefert, bei dem Eintritt der Hodenentwickelung bereits zu weit vorgeschrittene Follikel enthält, um dieselben noch in Hodenschläuche verwandeln zu können. Daraus ergibt sich aber als natürliche Schluss- folgerung, dass die Eibildung den primären, ursprünglichen Entwickelungsver- lauf der Geschlechtsdrüsenanlage, die Hodenbildung eine sekundäre Abweichung derselben darstellt, der sogenannte Hermaphroditismus also konsequenter- weise nur als eine Uebergangsstufe von der weiblichen zur männlichen Form betrachtet werden kann. Wie sehr diese Auffassung von derjenigen Wirrich's abweicht, erhellt daraus, in welcher Weise WALDEYER dazu kommt WırticH zu bestätigen. Er weist die Ansicht, dass das nie fehlende Keimepithel des Hühnchens auch die Hodensubstanz liefere, zurück, und nachdem er gewisse Beobachtungen ange- führt, welche für den Ursprung der Samenkanälchen aus der Urniere sprechen, kommt er zum Ergebniss: „Das Epithel des Wourr’schen Ganges ist die An- lage der männlichen Sexualorgane“ (Nr. 66 8. 137—140. 152). Die Ueber- einstimmung mit Wırrıc# sieht nun WALDEYER besonders darin, dass die Samenkanälchen nicht aus dem Keimepithel, der Grundlage der weiblichen Geschlechtsprodukte, sondern getrennt von demselben entstehen; daraus folgert er dann weiter, dass der Urzustand der Geschlechtsdrüsen nicht ein indifferenter oder gar weiblicher, sondern ein hermaphroditischer sei, was freilich schon früher behauptet worden, aber „erst durch das gleichzeitige Auf- treten ‚beider Keimdrüsenanlagen bei jedem Individuum sicher gestellt ist“ (Nr. 66 S. 152, 153). Dagegen muss ich bemerken, dass meine Beobachtungen eine solche Auffassung für die Batrachier vollständig zurückweisen, indem die Entwickelung der männlichen Geschlechtsprodukte aus rudimentären weib- lichen ganz evident ist, während die Beobachtungen WALpEYEr’S über den Ur- sprung der Samenkanälchen des Hühnchens gar nicht so bestimmt lauten, dass er das oben eitirte Ergebniss für gesichert halten könnte, Soweit ich meiner eigenen 840 XII. Die Harn- und die Geschlechtsorgane. Beobachtungen sicher zu sein glaube, halte ich es vielmehr für viel wahr- scheinlicher, dass bei allen Wirbelthieren die beiderlei Geschlechtsprodukte aus einer Quelle stammen, also die Samenkanälchen der Amnioten aus dem Keimepithel hervorgehen, welches nach WALDEYER auch am Hoden Primordial- eier zeigt und von ihm „das weibliche Princip in der (hermaphroditischen) Keimdrüse“ genannt wird. Und wenn WALDEYER die hermaphroditische Ur- anlage der Geschlechtsorgane für die ganze Thierreihe wahrscheinlich zu machen sucht (a. a. O. S. 1535—158), so will ich, um nicht in ein gar zu weites Gebiet abzuschweifen, nur auf die im nächsten Kapitel noch näher zu präci- sirende Thatsache hinweisen, dass die niedersten thierischen Organismen, die Protozoen, ihre Entwickelung gleichfalls mit der Eiform beginnen, welche von den entwickelten Individuen erzeugt wird, ohne dass von einer besonderen Geschlechtlichkeit derselben wenigstens auf den niedersten Organisationsstufen geredet werden könnte. Ist also das weibliche Zeugungsprodukt das ursprüng- lichere in der ganzen Thierreihe, so schliesst dieses die hermaphroditische Form als Ausgangspunkt der ersten geschlechtlichen Differenzirung aus, sowie in dem uns zunächst vorliegenden Falle der Batrachier die Annahme doch kaum ernstlich versucht werden dürfte, dass die hermaphroditische Atı- lage sekundär sich in eine für beide Geschlechter weibliche verwandelt hätte, um dann bloss in den künftigen Männchen wieder zur ersten Form zurück- zukehren. Und da die Eibildung als gemeinsame Grundlage für die beiderlei Sexualprodukte innerhalb des höchsten thierischen Typus sich unzweifelhaft nachweisen lässt, so darf eine Bestätigung dessen auch in manchen niederen Kreisen erwartet werden, wo die hermaphroditische Uranlage der Geschlechts- organe jetzt noch so sicher erscheint, wie es bisher auch bei den Batra- chiern schien. Mit der Annahme aber, dass das weibliche Zeugungsprodukt das ursprüng- liche sei, kann ich, am Schlusse der eigentlichen Entwickelungsgeschichte der Unke angelangt, gerade auf das letzte Ziel der individuellen Entwickelungsge- schichte überhaupt hinweisen, nämlich allen Formenreichthum stets und immer wieder in ursächlichem Zusammenhange auf eine einfachste erste organische Form, auf die homogene Dotterkugel des Eies, zurückzuführen und so den ung der Untersuchungen zu schliessen: ab ovo usque adovum! XIII. Schlussbetrachtungen. Ich habe dieses Buch nicht in der Absicht verfasst, um lediglich die Erscheinungsthatsachen in der Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere fest- zustellen; sondern mein Ziel war, an der Hand jener Thatsachen und auf Grund des beobachteten Uebergangs der Formen ineinander zu einer Vorstellung über den Kausalzusammenhang derselben zu gelangen. Bei dieser Behandlung des Gegenstandes blieb ich bisher im allgemeinen innerhalb der Grenzen, die ich mir gesteckt hatte, und verliess das (Gebiet des Wirbelthierreichs nur aus- nahmsweise. Da ich aber dabei neben den Ergebnissen für die vergleichende Anatomie der Wirbelthiere zu einer Reihe allgemeiner Sätze gekommen bin, deren Werth wesentlich davon abhängt, dass ihnen in der Entwickelungs- geschichte anderer Thiere wenigstens kein Widerspruch begegnet, so will ich in diesem letzten Abschnitte kurz andeuten, in welcher Weise ich jene Sätze stets in Bezug auf die Gesammtheit der Thiere gedacht habe. Ich verzichte dabei auf eine erschöpfende Erörterung der betreftenden Vergleiche, welche hier nicht am Platze ist, glaube aber dennoch für die folgende gedrängte Uebersicht die gleiche Berechtigung in Anspruch nehmen zu können wie für die weiter ausgeführten Betrachtungen in den vorangehenden Kapiteln, weil im allgemeinen dieselben Beweismomente wiederkehren, namentlich die streng genetische und ursächliche Begründung der Homologien. Für die Wirbelthiere steht der Erfahrungssatz fest, dass jede individuelle Existenz ausnahmslos mit der einfachsten Formerscheinung anhebt, mit der relativ homogenen Dotterkugel des reifen Eies, welche in dem mütterlichen Organismus aus einer oder mehren Keimzellen durch eine eigenthümliche Um- 842 XIII. Schlussbetrachtungen. bildung derselben entsteht. Ich habe gezeigt, dass das Produkt dieser Bildung eine unorganisirte, nicht lebende Masse ist, und dass Lebensvorgänge auch als wirksame Ursachen der ersten Entwickelungserscheinungen jener Masse aus- geschlossen werden müssen. Ich kann natürlich die betreffende Beweisführung hier nicht wiederholen, sondern nur kurz an die wichtigsten Momente erinnern (vgl. S. 31— 35. 71—110. 241— 252. 570—605). Betrachten wir zunächst die erste Entwickelungserscheinung, die Dottertheilung mit ihrer Fortsetzung an den Embryonal- und Dotterzellen, so verläuft dieselbe ohne Ernährung und Wachsthum der Gesammtmasse und der ganzen Theilstücke, sodass man sie schon desshalb nicht als eine Lebenserscheinung der letzteren ansehen darf. Da ich nun eine nicht greifbare, specifische und immanente „Bildungskraft“ der Dottersubstanz nicht anerkenne, so glaube ich jene Theilungen annehmbar und genügend zu erklären, wenn ich sie von einem einfachen und durch die Beobachtung nachweisbaren chemisch - physikalischen Vorgange ableite. Die üntwickelung des Eies setzt nothwendig die Wechselwirkung der Dotter- substanz mit einer sie umgebenden Flüssigkeit voraus; den Beweiss dafür liefert uns die zu beobachtende Auflösung oder Schmelzung der festen Dottertheile, gewissermassen eine Verflüssigung der ganzen Substanz. Die allmähliche Lösung der in den festen Dottertheilen aufgespeicherten Spannkräfte liefert nothwendigerweise durch eine gewisse Zeit hindurch ein Quantum an leben- digen Kräften oder Bewegungen, welche in den Theilungen zur Erscheinung kommen, während das stoffliche Lösungsprodukt vollkommen lebensfähiges Protoplasma wird (Lebenskeime). Hätte die Dottermasse im wesentlichen die Zusammensetzung der im vollkommenen Leben begriffenen protoplasmatischen Substanzen, so würde ihre fortdauernde Lösung ohne entsprechenden Ersatz durch Ernährung die Erhaltung des Ganzen unmöglich machen, d. h. wirklich lebendes Protoplasma kann den Entwickelungserscheinungen des Eies nicht zu (runde liegen, diese können nicht Lebensäusserungen sem. Das lebensfähige „reife“ Protoplasma, welches neben den festen Theilen im Dotter enthalten ist und durch die Lösung der ersteren erzeugt wird, unterliegt aber der Zerstörung dlesshalb nicht, weil es, soweit es selbstthätig an den Umbildungsbewegungen des Dotters theilnimmt, eben durch die Dotterlösung auch beständig ernährt wird. Wir hätten demnach in dem im Ganzen nicht lebenden Eiprodukt einzelne wirkliche Lebensherde anzunehmen; und da der Begriff „Leben“ nothwendig einen bestimmt begrenzten Lebensträger voraussetzt, so stellen nicht die von inir sogenannten Lebenskeime, sondern erst die fertigen Kerne die ersten that- XIII. Schlussbetrachtungen. 843 sächlichen Lebensformen des sich entwickelnden Eiprodukts dar, mit nachweis- barem Wachsthume und daraus folgenden Theilungserscheinungen. Dieses Theilleben als Erzeugniss der bestimmt angeordneten Dotterlösung breitet sich immer weiter aus und tritt in dem Masse an die Stelle der nicht lebendigen Entwickelungsvorgänge, als diese mit dem Verbrauch der festen Dottersubstanz sich erschöpfen. Hat es dieselben vollständig ersetzt, ist also das ganze Ei- produkt oder ein Theil desselben individuell lebendig, so muss natürlich eine Ernährung desselben eintreten, mag sie selbstständig oder passiv durch einen Nahrungsdotter, durch Placentarbildungen erfolgen. Es kann sich also jedes individuelle Leben, da es im unveränderten reifen Eie nicht möglich erscheint, nur ganz allmählich im Laufe der Entwickelung und als Folge derselben entwickeln. Die Entwickelung ist die nothwendige Entstehungs, form des Lebens und kann anderseitsnur an einem nicht lebenden- aber mit Spannkräften erfüllten Substrat beginnen. Indem ich aber eben andeutete, wie ein gewisser Vorrath von Spann- kräften die erste Voraussetzung und deren allmähliche Lösung die einzige thatsächliche Bewegungsursache der Entwickelung des Eies darstellen, habe ich bereits angenommen, dass die daraus hervorgehenden Elementaraktionen unter der Leitung eines Komplexes von bestimmten Formbedingungen stehen ; denn ohne diese bestimmte formale Beschränkung können sie die sich immer weiter gliedernden Formleistungen, worin eben die Entwickelung des Eies be- steht, entweder gar nicht ausführen, oder dieselben werden mit einer solchen Abänderung der Massverhältnisse begonnen, dass dieselbe in der folgenden Gliederung die gegenseitige Anpassung der einzelnen Formleistungen im bestimmten Rahmen des Ganzen aufhebt, und so den Keim der Zerstörung des letzteren und seiner Theile in sich trägt. Dieses Formgesetz der Elementar- aktionen braucht aber ebenso wenig wie die Entwickelungsbewegung selbst als der unmittelbare Ausdruck undefinirbarer, verborgener Eigenschaften des Eistoffes angesehen zu werden; seine Annahme kann vielmehr nur dann eine wirkliche natürliche Erklärung der uns beschäftigenden Vorgänge involviren, wenn wir dasselbe auf eine einfache und allgemeine nachweisbare physi- kalische Erscheinung zurückzuführen vermögen. Als seine einfachste Grund- lage betrachte ich die kugelige Zusammenziehung, welcher sehr viele organische Substanzen bei einer gewissen relativ kleinen Masse und in Folge der Ein- wirkung gewisser sie umgebenden Flüssigkeiten unterliegen und dadurch die denkbar einfachste erscheinungsgesetzliche Form erhalten. Aber sowie die 344 XII. Schlussbetrachtungen. Entwickelung des Kies einerseits an eine ganz bestimmte, die Lebensthätigkeit ausschliessende Zusammensetzung ihres protoplasmatischen Substrats ge- bunden ist, so ist auch die kugelige Zusammenziehung eines solchen zur formalen Begründung der Entwickelung nicht ohne weiteres genügend. Denn wenn die Kugelgestalt an sich nur eine gleichmässige radıäre Anordnung der Wechselwirkungen der Dottermasse mit der umgebenden Flüssigkeit bedingt, so ist zu einer weiteren Gliederung dieser ersten und einfachsten Form- erscheinung eine gewisse Differenz nothwendig. Allerdings mag die zufällige Entstehung einer solchen naturgemässer erscheinen als die vollständige Gleich- mässigkeit der radiären Dotterströmung. Doch kann nur eine beschränkte und bestimmte Differenz der Stromlängen in die fortgesetzten Theilungen des Stromgebiets und damit der zusammenhängenden Masse im der Weise hinüberführen, dass darin die nothwendigen Bedingungen zum weiteren form- gesetzlichen, d.h. individuell zusammenpassenden Fortschritt der gesammten Formgliederung gegeben werden. Die Besonderheit dieser ersten Differenz ist nun ebenso wie das bestimmte Mass der endosmotischen Wechselwirkungen der Dottermasse abhängig von einer Reihe von Formbedingungen, welche theils schon im Eierstocke bei der Ausbildung des reifenden Eies angelegt werden (Dotterrinde, Dotterhaut), theils nachträglich und selbst mehr zufällig sich hinzugesellen (äussere Eihüllen, Befruchtung). Das aus diesen Bedingungen resultirende Formgesetz der Entwickelung kann daher keines- falls als eine besondere Eigenschaft der Dottermasse betrachtet werden, sondern ist lediglich die nothwendige Folge verschiedener unter gewöhnlichen Verhältnissen zusammentreffender Umstände, welche die Wirksamkeit der Dottersubstanz in einer ganz bestimmten und einheitlichen Form regeln. Das Formgesetz ist der Inbegriff der rein mechanischen Momente, welche die lebendigen Kräfte der sich lösenden Dottersubstanz zu den einheitlichen Formleistungen der Entwickelung zwingen und dadurch mittelbar in derselben die einzelnen Lebensthätig- keiten erzeugen und zur individuellen Einheit verbinden. Untersuchen wir endlich das Wechselverhältniss der beiden Faktoren, als deren Produkt das individuelle Leben erscheint, nämlich der protoplasmati- schen Elementaraktionen und des mechanisch wirkenden Forıngesetzes im Laufe der Gesammtentwickelung, so ergibt sich uns Folgendes. Solange und soweit das ganze Eiprodukt und seine Theilstücke ein vollkommenes Leben noch nicht erlangt haben, gehen die Wirkungen der in ihnen thätigen Kräfte XII. Schlussbetrachtungen. 845 über die Grenzen des Ganzen nicht hinaus, indem sie in die rein mechanischen und sich stetig weiter gliedernden Formleistungen auslaufen. In dem Masse jedoch, als die in den Formelementen des Eiprodukts eingeschlossene Lebens- thätigkeit sich ausbreitet, und an Stelle der sich erschöpfenden inneren Kraft- quelle, nämlich der anfangs andauernden Dotterschmelzung, der Verbrauch der Formelemente selbst tritt, muss die‘ zu deren mechanischen Ver- schiebungen und dadurch zum formalen Ausbau des Ganzen verwandte Arbeit immer mehr eingeschränkt und müssen dafür die frei werdenden Kräfte immer mehr zum Ersatz der einzelnen Verluste und so endlich lediglich zur Erhaltung des Ganzen herangezogen werden. Daraus folgt nothwendig, dass die rein mechanische Formentwickelung, — welche ich die morphologische nenne, weil sie die Grundlage jeder Formbildung, auch der histiologischen ist — in demselben Verhältniss abnehmen und endlich zum Stillstande kommen muss, als die histiologische Entwickelung das vollständige Leben des Ganzen vorbereitet und endlich zur Herrschaft bringt. Auf welcher Entwickelungs- stufe dies eintritt, hängt natürlich ab von dem relativen Mass der im Ei ange- sammelten oder ihm andauernd zugeführten Spannkräfte (Nahrungsdotter, Placentarbildungen), deren Anwesenheit die Entwickelung überhaupt erst ermöglicht; jedenfalls stehen aber morphologische und histiologische Ent- wickelung, Formgesetz und Individualisirung des Ganzen und der Theile in dem Wechselverhältniss, dass wenn im Laufe der Entwickelung das Eine über- wiegt, das Andere solange zurücktritt. Die morphologische Entwicke- lung als Grundlage der gesammten typischen Formbildung und die Ausbildung der Individualität des ganzen Eiprodukts erreichen daher eine um so höhere Stufe, je länger der Beginn des vollendeten Lebens im Ganzen oder in den Theilen zurück- schalten wird. Ich will jetzt die im Voranstehenden hervorgehobenen allgemeinen Sätze auf den niedersten Thierkreis oder die Urthiere anzuwenden versuchen. Von Eiern derselben wird gewöhnlich desshalb nicht gesprochen, weil man darunter ein befruchtungsbedürftiges weibliches Zeugungsprodukt versteht. Da aber die Befruchtung keine unerlässliche Bedingung für den Anfang und Fortgang der Entwickelung des Eies ist, so ist jene Definition zu beschränkt, und wir haben bloss zu untersuchen, ob die Urthiere Zustände zeigen, welche mit dem reifen Eie der Vertebraten verglichen werden können. Die wesentlichen Merkmale desselben fmde ich nun in den encystirten Protoplasmakugeln der 846 XIII. Schlussbetrachtungen. Protozoen vereinigt*. Die eneystirte Protoplasmakugel wird allerdings allge- mein als das fortlebende Thier betrachtet, welches durch die Cystenbildung die Fortpflanzung durch einfache Theilung nur modificirt. Dagegen muss ich aber bemerken, dass, wenn ein solcher Organismus in Folge der kugeligen Zu- sammenziehung seine Bewegungen oft für lange Zeit einstellt, seime bisweilen nicht unbedeutende gewebliche Differenzirung völlig einbüsst, die Vakuolen verliert, die Skelettheile resorbirt (Heliozoa, Radiolarıa), und dabei insbeson- dere der etwa vorhandene Kern, das verbreitetste und wichtigste Analogon eines Organs, aufgelöst wird **, diese Erscheinungen weit mehr einer Rück- bildung als einer bloss temporär veränderten Lebensweise gleichen; während anderseits die Behauptung, dass das encystirte Wesen ungestört weiter lebe, wohl nur demjenigen selbstverständlich erscheinen könnte, wer das Leben ein- fach als eine dem Protoplasma inhärente Eigenschaft betrachtet. Die chemi- schen und physikalischen Eigenschaften des Protoplasmas stellen aber, wie iclı bereits an mehren Stellen dieses Buchs auseinandersetzte, bloss die eine Hälfte der Lebensursachen dar, welche ohne die andere, nämlich das durch die Entwickelung erworbene Formgesetz, nicht zum Leben, sondern gerade zur Auflösung des etwa schon bestandenen Lebens führt. Unter „Leben“ kann man daher füglich nicht bloss den einen der beiderlei Ursachenkomplexe, son- dern nur die Gesammtheit ihrer gemeinsamen Leistungen verstehen ; und die bezüglichen fehlerhaften Schlussfolgerungen bekunden auf das unzweideutigste, dass der Komplex der Formbedingungen, welche im Formgesetz der organischen 3ildung zum einheitlichen Ausdruck kommen, nicht etwa stillschweigend vorausgesetzt, sondern thatsächlich übersehen wurde, wie es sich noch im * Die Infusorien muss ich von dem Vergleiche ausschliessen, da die Beobachtungen über ihre Fortpflanzung noch zu wenig klar, bestimmt und übereinstimmend sind. Denn die blosse Thatsache, dass der Nucleus der Ausgangspunkt, ein zellenähnliches Gebilde das erste Ziel der Entwickelung des Infusorienindividuums ist, kann in der zunächst vorliegen- . den Frage in keiner Weise verwerthet werden. #%* Manche Beobachter, welche in den Theilungen der encystirten kernhaltigen Proto- zoen nur durch die Anwesenheit der Schale modifieirte Zellentheilungen sehen, vermuthen den Fortbestand des früheren Kerns auch dann, wenn er nicht zu sehen ist. Da nach meiner Auffassung der Mangel eines Kerns unter Umständen nur eine kurze Zeit dauern kann, indem wenigstens ein kernähnliches Centrum der ersten T'heilung vorausgeht, so haben alle Nachweise eines Kerns in den Protozoeneiern keine Bedeutung, solange nicht die Identität desselben mit dem Kern des Zeugungsthieres evident nachgewiesen ist, Dies ist bisher nicht geschehen, das Gegentheil aber in manchen Fällen sehr wahrscheinlich gemacht oder selbst bestimmt festgestellt worden (SCHULZE, ÜIENKOWSKY). XIII. Schlussbetrachtungen. 347 Folgenden ergeben wird. Wenn wir nun den gesammten Ausdruck der form- gesetzlichen Differenzirung eines Urthiers schwinden und dasselbe alle seine Lebensäusserungen einstellen sehen, so scheint mir die Ansicht weit begrün- deter, dass wir in der encystirten Protoplasmakugel der Protozoen eine ebenso unorganisirte, nicht lebende Bildung wie das Ei der Wirbelthiere vor uns haben. Ein solches Protozoenei besitzt allerdings nicht immer eine besondere Eihülle, dieselbe wird aber theils durch die zurückgebliebene Schale des Zeugungsthieres ersetzt (Monothalamia, Heliozoa), theils liesse es sich wohl denken, dass gerade bei den Protozoen die Formbedingungen für die Einleitung der Entwickelung so einfacher Natur seien, dass unter Umständen eine beson- dere Eihülle ganz entbehrlich würde. Ein wichtigerer Einwurf wäre derjenige, dass die Encystirung oder Eibildung gar nicht für alle Protozoen nachgewiesen, dagegen die Theilung des lebenden Thiers viel allgemeiner verbreitet sei und als einzige Fortpflan- zungsweise mancher niedersten Protozoen gerade als die ursprüngliche sich darstelle. Zunächst wissen wir aber nur so viel sicher, dass einfache Theilung und Eneystirung mit der darauf folgenden Vermehrung nebeneinander vor- kommen; die fehlende Beobachtung der einen oder anderen Erscheinung könnte nur dann eine vorläufige Bedeutung beanspruchen, wenn man in beiden einen gleichartigen, nur nebensächlich modificirten Vorgang annimmt. Dies halte ich jedoch für unstatthaft; die Theilung des lebenden Thiers ist eine Lebens- erscheinung, diejenige des Eies ein nicht lebendiger Entwickelungsvorgang. Ferner spricht aber auch ein sehr gewichtiges Bedenken gegen die Annahme, dass selbst ein Urthier nur in der ersten Weise sich fortpflanze. Aus dem Wechselverhältniss der beiden Faktoren des individuellen Lebens, wie wir es aus der Entwickelungsgeschichte herauslesen können, ergibt sich die Noth- wendigkeit eines zeitlich beschränkten Bestandes des Einzellebens, also seine früher oder später erfolgende Auflösung. Anfangs überwiegt, wie ich auseinandersetzte, in gewissem Sinne das Formgesetz, indem es die Elementar- aktionen in solchem Masse beschränkt, dass ihre Leistungen innerhalb der Grenzen des Ganzen wesentlich in der mechanischen Formbildung aufgehen. Das fertig entwickelte Leben löst aber diese Form des Geschehens ab, seine Arbeit wird zum grossen Theil ausserhalb des Organismus geleistet, indem die Bewegungen der Lokomotion, der Nahrungsaufnahme auf Aussendinge über- tragen werden, und die innere formbildende Arbeit erschöpft sich in der Erhaltung s, dem Ersatz der durch jene Bewegungen gelösten Spannkräfte und 848 XIIT. Schlussbetrachtungen. Formtheile. Das individuelle Leben ist aber nicht nur unvermögend, seine einmal gewonnenen formalen Grundlagen weiter zu gliedern, sondern die unveränderte Erhaltung derselben erscheint auf die Dauer unmöglich, da das Formgesetz mit jedem Verbrauch eines Formtheils durchbrochen wird, und der Ersatz die einmal .eingetretene Lockerung des ersteren nicht ungeschehen machen, sondern bloss zeitweilig ihren Fortschritt aufhalten kann. Kurz, so- bald die aktiven Lebensursachen nicht mehr von den innerhalb der Embryonal- theile im Ueberfluss angesammelten Spannkräften zehren, sondern die ganzen Formelemente selbst anzugreifen anfangen, nimmt der Zusammenhang des Formgesetzes langsamer oder schneller ab, und die volle Auflösung desselben und damit der Tod des Individuums ist ebenso unvermeidlich wie sein zeitlicher Anfang, und zwar nicht in Folge einer „lebensunfähigen“ Veränderung des stofflichen Substrats, welches z. B. bei der Encystirung der Protozoen mehr oder weniger vollständig in neue Lebensformen übergeführt werden kann, sondern lediglich in Folge der Auflösung des formgesetzlichen Zusammenhangs seiner Theile. Eine solche erfolgt aber bei der Theilung des ununterbrochen fortlebenden Thieres nicht; nimmt man daher an, dass irgend ein Urthier nur durch solche Theilungen sich fortpflanze, so ist, wie mir scheint, die weitere Annahme konsequenterweise unerlässlich, dass der ganze von einem ersten Individuum ausgegangene Stamm nach einer relativ beschränkten Zeitdauer ausstirbt. Und da die Bildung neuer Lebensformen, wie ich noch ausführ- licher zeigen werde, nur auf ontogenetischem Wege möglich ist, so könnten höher organisirte T'hiere von solchen Protozoen, welche sich nur durch ein- fache Theilung fortpflanzten, nicht abgeleitet werden, die letzteren niemals der Ausgangspunkt von phylogenetischen Reihen sein. Die ebenfalls aus meiner Auffassung der individuellen Entwickelungsgeschichte logisch begründ- bare Nothwendigkeit der Descendenztheorie (s. w. u.) fordert daher die Annahme einer Eibildung bei den allerersten Stammformen des Thierreichs sowohl mit Hinsicht auf die dauernde Erhaltung. wie auch die Weiterbildung derselben. Endlich folgt auch aus der voranstehenden Erörterung, dass das löi unmöglich einen besonderen Zustand des fortdauernden individuellen Lebens darstellen kann, weil alsdann die durch das Ei ausgeführte Fortpflanzung mit (ler einfachen Theilung zusammenfiele und alle daraus gezogenen Konsequenzen mit sich brächte, welche eben mit der Descendenztheorie im Widerspruch stehen. Nach der eben gegebenen Definition des individuellen Todes erscheint es ganz natürlich, dass bei der niederen Organisation der meisten Protozoen nicht XIII. Schlussbetrachtungen. 849 einzelne Theile derselben zu Eiern difterenzirt”werden, sondern der ganze absterbende Mutterorganismus sich in eine unorganisirte Protoplasmakugel zusammenzieht und so sich in ein Ei verwandelt. Dabei wird nicht bloss mit der individuellen Lebensform jede Differenzirung des Protoplasmas aufgegeben, sondern dasselbe verdichtet sich in ganz auffallender Weise und wird durch eine Ausfällung zahlreicher Körner undurchsichtig. Diese nur dem Encystirungs- zustande eigene Erscheinung entspricht aber vollkommen dem aus der Entwickelungsgeschichte der Vertebraten abgeleiteten allgemeinen Postulat, dass das Ei zur Einleitung und Ausbildung eines individuellen Lebens einen gewissen Vorrath von Spannkräften in Form eines festen, durch Auflösung in lebensfähiges Protoplasma überführbaren Stoffes enthalte. Diese Dotter- bildung im Protozoeneie sowie seine Umhüllung sind aber nicht sowohl Lebens- erschemungen des Protoplasma, sondern Erzeugnisse der Wechselwirkung zwischen dem leblosen Protoplasma und dem umgebenden Wasser, ähnlich wie bekanntlich einzelne künstlich und beliebig abgetrennte Protoplasmastücke gewisser Protozoen unter demselben Einfluss sich kugelig zusammenzuziehen pflegen, ohne dass daraus stets wieder neue Individuen entständen. Grerade die Beobachtung, dass in solchen, ich möchte sagen künstlich erzeugten Tibildungen die Entwickelung bald leicht und schnell eintritt, und neue Individuen bildet, bald nach unvollkommenem Anfang wieder zurückgeht oder endlich ganz unterbleibt, diese Beobachtung scheint mir sehr geeignet um darzuthun, dass die zur Entwickelung nothwendigen Formbedingungen nicht bereits fertig im Eistoffe enthalten sind, sondern erst unter gewissen Umständen an demselben zusammentreffen. Denn selbst wenn wir für die denkbar ein- fachsten Organismen annehmen wollten, dass zur Einleitung ihres individuellen Lebens nichts weiter nöthig wäre als die unter der Einwirkung des Wassers nothwendige kugelige Kontraktion eines beliebigen Protoplasmastückes, so setzt dies doch immer einen Zustand voraus, in welchem dasselbe Protoplasmastück alle Bedingungen zu jener Eibildung noch nicht vereinigte, mögen dieselben nur sanz zufällig oder normal im Laufe einer Generationsreihe zusammentreffen. Der Bestand und die Thätigkeit des von mir erörterten Formgesetzes zeigt sich an den Protozoeneiern auch in ihrem weiteren Verhalten. Als erster Ausdruck der formgesetzlich angeordneten Wechselwirkungen ihrer Dotter- kugel mit dem umgebenden Wasser stellt sich gleichfalls eine Theilung ein, welche bereits von Anderen mit der Dottertheilung der höheren Thiere ver- glichen worden ist. Ein Wachsthum der sich theilenden Masse fehlt auch am GorTTE, Entwickelungsgeschichte 54 850 XII. Schlussbetrachtungen. Protozoeneie, wodurch sich ein solcher Vorgang grundsätzlich von einer durch Wachsthum herbeigeführten Zellentheilung unterscheidet.* Ob dabei sofort oder erst nach einiger Zeit oder gar keine Kerne sichtbar werden, ändert an der allgemeinen formgesetzlichen Bedeutung nichts; denn auch in kernlosen Proto- plasmakugeln kann nach begonnener Entwickelung ein centraler Sammelpunkt ihrer radiären Strömungen so wenig geläugnet werden, wie etwa in den Wirbel- thiereiern, wo ich solche Öentra in der Dotterkugel und ihren ersten gleichfalls kernlosen Theilstücken nachwies. Die Kernbildung bezeichnet bloss eine höhere histiologische Difterenzirung, der morphologische Typus bleibt aber in kern- losen und kernhaltigen Dottertheilstücken derselbe. Die weiteren Schicksale der aus einem Protozoeneie hervorgehenden Theilstücke sind lauter Bestä- tigungen für meine Ansicht von den Beziehungen der morphologischen und histiologischen Entwickelung und der Individualität des ganzen Eiprodukts und seiner Theile. Meist ist die Dottersubstanz so ungenügend gebildet und daher die histiologische Ausbildung und individuelle Lebensfähigkeit der Theil- stücke so früh hergestellt, dass dadurch nicht nur der Fortgang der morpho- logischen Entwickelung unterbrochen wird, sondern, wo dieselbe sogar bis zur radiären Anordnung der Elemente, ja bis zur Bildung einer während einiger Zeit zusammenhängenden Keimblase gedieh (Magosphaera planula HAECKEL), diese Gesammtform schliesslich doch wieder aufgelöst wird. Die kaum an- selegte Individualität des Ganzen geht vollständig auf die einzelnen Form- * Haecker hat den Mangel eines Wachsthums bei der „Furchung‘“ der Magosphaera planula selbst konstatirt (Nr. 101). Er hat den abnehmenden Durchmesser der Furchungs- kugeln direkt gemessen; ich habe sie von demselben ersten Durchmesser ausgehend berech- net unter der Voraussetzung, dass das Gesammtvolumen nicht zunimmt, und stelle hier die beiderlei Verhältnisszahlen zusammen: Von H. gemessen. N Von mir berechnet; Einfache Eizellen | Durchmesser 60 Durchmesser 60 l. Furchung 2 Zellen | 40 e 48 Int „ 4, 5 | Ps 34 | 4 35 II. 4 wa Er 25 | a 30 IV. 4; NEU ers X 22 2] 24 V. r a b 20 # 19 r Ks ergibt sich daraus, 1. dass das Volumen der 32 Theilstücke dasjenige des ungetheilten Kies nieht nennenswerth übertrifit, 2. dass aber das letztere bei der ersten Theilung plötz- lich abnimmt, um allmählich wieder das frühere Mass zu erreichen. Diese Thatsachen stimmen auf das befriedigendste mit der nothwendigen Zusammenziehung des Eies vor der Theilung überein und verallgemeinern dadurch meine bezüglichen an den Batrachiern ge- wonnenen Resultate. XII. Schlussbetrachtungen. s51 elemente über, das Eiprodukt zerfällt m zahlreiche einelementige Organismen, sinkt also vom höheren Typus der Keimblase auf die niederste Stufe des einfach kugeligen Typus zurück, welcher trotz aller äusseren Abweichungen wenigstens in dem von mir erörterten Sinne der Grundform oder des Typus allen ein- elementigen Organismen gemeinsam bleibt. Allerdings können durch Ungleich- heit der Radien und denselben angepasste histiologische Differenzirungen uni- und bipolare, sowie bilaterale Formen auch an den einelementigen Organismen hervorgebracht werden; zu typischer Bedeutung gelangen aber solche Form- verhältnisse erst dort, wo sie der morphologischen Entwickelung angehören, während sie für jene Organismen nur die Bedeutung haben wie die „Variationen“ desselben Typus z. B. bei den verschiedenen Wirbelthieren. Ferner wird nach meiner Ansicht der Begriff des einelementigen Organismus, soweit er durch die morphologische Entwickelung festgestellt ist, auch durch die postembryonale Vermehrung der Kerne, ja selbst durch Erzeugung endogener Zellen nicht berührt; denn diese Bildungen gehören in die Kategorie histiologischer Differen- zirung, welche den genetisch-morphologischen Werth des ganzen Organismus nicht abändern kann. Der allgemeine Charakter der Protozoen lässt sich daher dahin zusammenfassen, dass es Thiere sind, deren morphologische Entwickelung auf so niederer Stufe bleibt, dass das Eiprodukt seine Individualität nicht zu wahren vermag, sondern stets in die sämmtlichen Formelemente als die indivi- duellen Fortpflanzungsprodukte zerfällt. Nur einzelne deuten in ihrer Entwicke- lung Ansätze zum Fortschritte des Typus an (Magosphaera); Uebergänge zur nächsthöheren Gastrulaform sind nicht bekannt. Dafür, dass die Eier der über den Protozoen stehenden Thiere am Aus- sangspunkte ihrer Entwickelung kernlose Protoplasmakugeln sind, wurden be- reits so viele Beweise erbracht, dass wir diese Thatsache im allgemeinen auf alle jene Thiere beziehen dürfen. Was alles über die Zellennatur ihres Eies ge- schrieben worden ist, konnte eigentlich nur so lange eine grössere Bedeutung beanspruchen, als man glaubte daran festhalten zu können, dass gewisse Zellen des Zeugungsthiers durch blosses Wachsthum zu reifen Eiern würden und dann durch ebenso einfache Zellentheilungen in die Embryonalbildung über- gingen. Seitdem wohl allgemein anerkannt wird, dass in dem allein ent-. wickelungsfähigen reifen Eie mit dem Schwunde des Keimbläschens die Zellen- natur der seiner Bildung zu Grunde liegenden Keimzelle aufhört, kann die Frage nach der „Eizelle“ füglich nur noch für die letztere oder etwa die erste Stufe der bereits begonnenen Embryonalentwickelung, die sogenannte erste Bat 54 852 XII. Schlussbetrachtungen. Furchungszelle, in Betracht kommen, aber nicht mehr auf eine vom Zeugungs- thier auf die Nachkommen kontinuirlich vererbte Zellenexistenz hinzielen. Da es sich jedoch bei dieser Frage in erster Linie um die Bedeutung des Eies als eines Elementarorganismus handelt, welcher von der Keimzelle an bis zu dem aus ihm hervorgehenden vollkommenen Organismus das Leben kontinuirlich fortführe, so nehmen die Anhänger der Eizellentheorie gegenwärtig in dem kernlosen Zustande des reifen Eies nur einen Wechsel in der äusseren Form des kontinuirlichen Lebens an. So hält Haeckeu den Schwund des Keimbläs- chens, den er früher nicht recht anerkennen wollte (S. 73), nunmehr für einen durch die Befruchtung bewirkten Rückschlag aus der Zellen- in die Cytoden- form , welche vor der Dottertheilung wieder in die erste übergehe, sodass die „Furchung“ eine einfache Zellentheilung sei. Aber schon durch die sich be- ständig mehrenden Nachweise der Parthenogenesis, sowie durch die wenigstens bei den Wirbelthieren vollständig gewisse, lange vor der Befruchtung eingeleitete Atrophie des Keimbläschens wird der Einfluss der Befruchtung auf diesen Vor- gang ganz bestimmt ausgeschlossen. Mögen aber auch in anderen Fällen beide Vorgänge koincidiren oder selbst im Kausalzusammenhange stehen, so haben wir in jener Umbildung des reifenden Eies immerhin einen Rückbildungspro- cess anzuerkennen; und dass ein solcher, welcher zudem einen der zwei Haupt- bestandtheile der angeblichen einfachen Zelle zerstört, dennoch ihr Leben nicht abschwächen, sondern gerade zur höchsten Entwickelung veranlassen soll, scheint mir schon a priori eine bedenkliche Annahme. Anderseits ist mir nichts bekannt, was der Auffassung widerspräche, dass die reifen Eier der zwi- schen den Protozoen und Vertebraten stehenden Thiere sich in jeder Hinsicht so wie bei diesen verhielten. Ueberall geht das die Eibildung einleitende Zellenleben zu Grunde, indem das Keimbläschen sich auflöst und die übrige Eimasse sich in eine mehr oder weniger körnige Dottersubstanz verwandelt, welche in ihren überwiegenden festen Theilen die Lebensfähigkeit des Proto- plasmas nicht besitzt. Und dies stimmt wieder mit meiner Auffassung von den edingungen der Entwickelung vollkommen überein : die Entwickelungsfähig- keit des reifen Eies schliesst ein wirkliches Leben desselben aus. Natürlich verträgt sich aber damit die Deutung der Dottertheilung als einer einfachen Zellentheilung nicht. Und wenn gerade dieser unpassende Vergleich wohl nicht wenig dazu beigetragen hat, die Annahme zu empfehlen, dass die Keimzelle ım wesentlich ungestörten Fortbestande in die sich theilende Dotterkugel über- gehe, dass also die Eizelle vor und nach dem vorübergehenden kernlosen Zu- XIII. Schlussbetrachtungen. 353 stande im Grunde dieselbe Bildung sei, so will ich nochmals an die hinsichtlich der Wirbelthiere und Protozoen bereits hervorgehobenen Inkonsequenz erinnern, womit z. B. HAEcKEL die Zellentheilung als ein Wachsthum über das indivduelle Mass hinaus bezeichnet (vgl. S. 100, Nr. 100 ILS. 16), während er selbst in dem am genauesten untersuchten Falle der Dottertheilung bei Magosphaera den voll- ständigen Mangel eines Wachsthums nachgewiesen hat. Nicht einmal in der äusseren Erscheinung stimmen beide Theilungsvorgänge überein. Die Ansicht, dass die Dotterkugel unmittelbar vor der ersten Theilung bereits einen voll- ständigen Kern enthalte, ist freilich so naheliegend, sobald man die deutlichen Bilder desselben an den späteren Zellen kennt, dass man jene Ansicht leicht für thatsächlich erwiesen hält, auch wo die bezügliche Beobachtung sich auf die Wahrnehmung irgend eines hellen Gentrums am unberührten Eie be- schränkt. Genügende Sicherheit gewährt nur die Untersuchung von Durch- schnitten, wie sie z. B. KowAauewsk1 an Eiern von Euaxes ausgeführt hat (Nr. 159 8. 15 u. fig. Taf. IV). Vergleicht man aber dieselben mit den ent- sprechenden Abbildungen von Batrachiereiern, so wird man nicht geneigt sein, die grossen hellen Centren, welche KowaLewsky selbst als Kerne deutet, auch wirklich für solche zu halten. Einmal sind sie selbst auf den stark vergrösser- ten Durchschnittsbildern nicht durch emen eigenen Kontur, sondern bloss durch die körnige Dottermasse selbst und zwar mit winkelig gebogenen oder zackigen Linien begrenzt; ferner sollen die Kernkörperchen dieser Kerne anfangs nur Körnerhaufen sein, welche sich bei der Theilung in zwei durch einen Faden ver- bundene Hälften ausziehen. Diese auffallenden Angaben passen zu allen sonstigen Beobachtungen von einfachen sich theilenden Kernen nicht im gering- sten, decken sich aber vollständig mit meinen Beobachtungen am Batrachiereie, wenn man die angeblichen Kerne und Kernkörperchen von Euaxes mit den Lebenskeimen und Kernkeimhaufen jener Vertebraten vergleicht, welche früher ebenfalls für Kerne und Kernkörperchen gehalten wurden (S. 68. 69). Nimmt man dazu, dass in der Fig.25der KowaLewsky’schen Arbeitnach Grösseund Aussehen genau gleiche Gebilde in den grösseren Stücken als Kernkörperchen, in den da- von abgetrennten kleineren Dotterstücken als Kerne figuriren, so wird es noch wahrscheinlicher, dass die letzteren die Hälften der sich theilenden angeblichen Kernkörperchen sind und dass folglich diese in der That die während der Dottertheilung in der Bildung begriffene Kerne darstellen, welche also ebenso wie bei den Batrachiern aus Körnerhaufen inmitten der mit der unver- änderten Dottersubstanz kontinuirlich zusammenhängenden Umbildungscentren 354 XIII. Schlussbetrachtungen. derselben oder der Lebenskeime entstehen. Der Umstand, dass nach meinen Beobachtungen die Kerne allerdings zuletzt an die Stelle der aufgebrauchten Lebenskeime treten, lässt die von mir angenommene Verwechselung um so er- klärlicher erscheinen, besonders da die Aufmerksamkeit bisher auf diesen Punkt nicht gelenkt war. Aus denselben interessanten Untersuchungen Kowa- LEWSKY’s, welche jedenfalls die Dottertheilung niederer Thiere am ausführlich- sten darstellen, entnehme ich ferner die wichtige Thatsache, dass die Dotter- schmelzung der morphologischen Entwickelung durchaus parallel geht, in den sich schneller theilenden und verkleinernden Dotterstücken auch am schnell- sten abläuft (Embryonalzellen), in den grösseren aber zum Stillstand kommt, sobald ihre Theilungen eingestellt werden. Ferner sind die Umbildungsherde der grossen ersten Dotterstücke excentrisch gelegen, wie ich es nicht nur an Vertebraten und einigen niederen Thieren als Norm fand, sondern auch als die nothwendige nächste Ursache der Scheidung des Eies m zwei ungleichmässige Hälften erkannte, woraus an Euaxes in durchaus ähnlicher Weise wie bei den Batrachiern die weitere morphologische Entwickelung sich ergibt. Es lassen sich also aus dem ausführlichsten Beispiele der ersten Entwickelung des Eies niederer Thiere alle diejenigen Merkmale und Vorgänge beobachten, aus denen ich zunächst für die Wirbelthiere den Kausalzusammenhang der Entwickelung ableitete, sodass die darauf bezüglichen allgemeinen Sätze dadurch eine weitere Verallgemeinerung erfahren. Und zwar glaube ich ihre Gültigkeit auch für alle diejenigen Fälle annehmen zu dürfen, welche nicht genau dieselben äusseren 3efunde liefern sollten. Mag z. B. die Dottersubstanz weniger deutlich, der Kern aber früher erscheinen als in den erörterten Beispielen, so schwächt dies die Bedeutung der ersteren für die ganze Entwickelung ebenso wenig ab, als selbst eine wirklich und nicht bloss scheinbar kernhaltige Dotterkugel dadurch noch nicht zum fertigen Elementarorganismus wird. Auf die blossen Namen „Eizelle“, „Zellentheilung“ kann es dabei freilich nicht viel ankommen, solange man die Morphologie in der bisherigen schematischen Weise weiter behandelt, wonach Protozoen, Eier , Gewebsfasern u. s. w. in eine Kategorie zusammen- geworfen werden. Auch werden gewiss die grundsätzlich verschiedenen Zu- stände des reifen Eies und des vollkommenen individuellen Lebens in den ein- zelnen Thierformen durch einen wechselnden Abstand getrennt sein. Es kommt mir aber nur darauf an, an einzelnen Beispielen zu zeigen, dass ein solcher nur durch allmähliche Entwickelung auszufüllender Abstand wirklich besteht; und die bezeichneten Abweichungen in dem Befunde verschiedener Entwickelungs- XIII. Schlussbetrachtungen. 8355 verläufe werden uns nicht an sich, sondern nur insofern interessiren, als sich uns daraus die Unterschiede erklären müssen, welche bei dem relativ gleichen Anfang und Vorgang der gesammten thierischen Entwickelung in den einzelnen Endergebnissen entgegentreten. Die verschiedene chemische Beschaffenheit der Dottersubstanz kann zu- nächst natürlich nicht festgestellt werden. Auch scheint sie mir in den vor- liegenden Fragen von geringerer Bedeutung zu sein und erst später, namentlich in der Histiogenese zur vollen Geltung zu kommen. Denn einmal können wir den am leichtesten nachweisbaren stofflichen Unterschieden, nämlich hinsicht- lich des Pigments, jeden Einfluss auf die fundamentale morphologische Ent- wickelung absprechen, da dasselbe oft in derselben Art einem nicht unbedeu- tenden Wechsel unterworfen ist; und ferner finden wir ebenso oft eine so grosse Uebereinstimmung in der ersten morphologischen Entwickelung ganz verschie- dener Thiere — ich erinnere nur an die Entstehung der Gastrula bei manchen Coelenteraten, Echinodermen, Würmern, Ascidien, Amphioxus —, deren Eiern man unzweifelhaft eine verschiedene chemische Konstitution zuschreiben muss, dass wir auch in diesem Falle eine unmittelbar massgebende Einwirkung der letzteren auf jene Entwickelungsresultate nicht wohl annehmen können. Dagegen kommt die Beschaffenheit der Dottermasse allerdings in Betracht, soweit es sich um ihre Verschiedenheit in demselben Eie handelt, also insbesondere um die Aüsbildung einer Rindenschicht und deren relative Massverhältnisse, und soweit durch jene Beschaffenheit das Mass der im Eie angesammelten Spannkräfte relativ bestimmt wird. Im ersten Falle liegt aber bereits eine von den mechanisch wirkenden Formbedingungen vor, welche das Formgesetz konstruiren (8. 571), und das Mass der Spannkräfte wirkt natürlich nicht unmittelbar formbildend, sondern stellt sich, indem es das Quantum der für die morphologische Ent- wickelung verfügbaren Elementaraktionen bestimnit, dem Formgesetz eben als der zweite der beiden Faktoren der Gesammtentwickelung gegenüber, dessen Werth wir gerade nach der Höhe der morphologischen Entwickelung bemessen. So müssen wir auch bei den bevorstehenden Vergleichen stets von den Form- verhältnissen ausgehend auf den Kausalzusammenhang des Vorgangs schliessen, aber alsdann auch die Werthschätzung der ersteren oder die Homologien nur auf diesen genetischen Zusammenhang begründen. Eine eingehendere Vergleichung der individuellen Entwickelungsgeschichte der verschiedenen Hauptformen des Thierreichs ist erst seit der durch DAr- wıy veranlassten lebhaften Wiederaufnahme der Descendenztheorie ins Leben 8356 XIII. Schlussbetrachtungen. getreten; und auch in dieser Beziehung ist es vornehmlich HaEckEL gewesen, der mit der ihm eigenthümlichen Energie das Problem gleich im grossen und ganzen zu vollständiger und radikaler Lösung zu bringen versuchte. Ich halte es daher für geboten, bevor ich jene Vergleichung nach den von mir entwickel- ten Grundsätzen unternehme, gleich hier auf den wesentlichen Unterschied zwischen HAEckEr's und meiner Auffassungsweise in dieser Frage hinzuweisen. — Harcker kennt und berücksichtigt in der individuellen Entwickelungs-. geschichte nur die äusseren Formerscheinungen, und wenn er von ihrem Kausal- zusammenhange spricht, so kann er nur ihren Kontinuitätszusammenhang meinen ; denn der erstere mag dabei wohl stillschweigend vorausgesetzt werden, gegenständlich bezeichnet wird er entweder gar nicht oder in einer Weise, welche nicht gerade an mechanische Auffassung erinnert. Allerdings könnte hierher der Versuch einer mechanischen Erklärung der Zellentheilung bezogen werden, indem nach Hazckev’s Ansicht die Dottertheilung nichts anderes vor- stellen soll. Wollten wir aber auch im Widerspruch mit den Thatsachen bei der Dottertheilung ein Wachsthum über das individuelleMass hinaus anerkennen, so wäre doch dasselbe durch die ganz allgemeine Annahme anziehender und abstossender Kräfte als mechanischer Ursachen nicht im mindesten erklärt (S. 90. 91). Denn Anziehung und Abstossung können wohl die „Erscheinung“ des individuellen Zusammenhangs und darauf der Theilung einer Zelle ganz im allgemeinen ausdrücken, aber ebendesshalb ihre thatsächlichen Ursachen selbst hypothetisch nicht im entferntesten andeuten, sowie in der Physik jene Ausdrücke die Wechselbeziehungen der Atome zu einander nicht erklären, son- dern lediglich bezeichnen und so die Formel für das letzte nicht weiter erklär- bare „Erscheinungsgesetz“ darstellen. Zudem ist mit der angeblichen Zellen- theilung für die individuelle Entwickelung wenigstens der über den Protozoen stehenden Thiere, der Metazoen nach HAEcKEL, gar nichts gewonnen, da die Dottertheilstücke eben nicht auseinanderfallen, sondern von Anfang an bei einer sewissen Verschiedenheit in der Grösse in einem eigenthümlichen formgesetz- lichen Zusammenhange bleiben, um auf Grundlage desselben eine kürzere oder längere Reihe ganz gesetzmässiger Umbildungen des Ganzen auszuführen, bis dieselben allmählich durch die lokale histiologische Entwickelung abgelöst wer- den. Alle diese Thatsachen, auf denen das Verständniss der ganzen thierischen Morphologie beruht, hat Harcren unmittelbar gar nicht anders als durch die „formbildende Funktion des Plasmas“ zu erklären versucht. In zweiter Linie wird allerdings «die Phylogenese als „mechanische Ursache“ der gesammten XIII. Schlussbetrachtungen. 357 individuellen Entwickelung genannt; doch kann uns natürlich die Bezeichnung entfernterer hypothetischer Ursachen nicht befriedigen, wenn die nächsten so wenig greifbar sind wie in diesem Falle, also der Nachweis eines Zusammen- hangs zwischen der Phylogenese und ihrer zu erklärenden Wirkung fehlt. Ich habe bereits auseinandergesetzt (S. 589), dass Substrat und Form niemals in dem einfachen Verhältniss von Grund und Folge gedacht werden können; ich will hier aber hinzufügen, dass wir überdies von der ganzen Funktion des Plasmas nichts weiter erfahren als ihren „formbildenden“ Einfluss, und dass uns daher nichts verloren geht, wenn wir uns statt dessen mit der Behauptung begnügen, die gesammte Morphologie der Thiere beruhe eben auch lediglich auf naturnothwendigen Vorgängen. Damit wird aber unzweifelhaft nichts er- klärt, sondern nur der Standpunkt bezeichnet, von welchem die Untersuchung des besonderen Kausalzusammenhangs auszugehen habe. — Noch auffallender ist gerade bei HarckEr, eine Annahme, die uns ganz konsequent über den naturnothwendigen Kausalnexus hinausführt. Er ist nämlich der Ansicht, dass die Bildungszellen gewisser Organe bereits unter den „gleichartigen Furchungs- zellen“ soweit vorherbestimmt seien, dass sie bei der Sonderung der beiden pri- mären Keimblätter im Laufe der Phylogenese allmählich aus der ursprüng- lichen Lage in dem einen Blatte in das andere übergehen und so die Entwickelung des gleichen Organs in die fundamental verschiedensten Lagen übertragen könnten (Nr. 163 8. 45. 46). Wenn HAcrcKEL einen solchen Vor- gang für einige besondere Fälle (Sexualzellen und Theile des mittleren Keim- blattes) auch nur vermuthet, so nimmt er doch offenbar an der Vorstellung selbst nicht den mindesten Anstoss. Demzufolge hätte eine jede Furchungs- zelle* eine besondere und ganz bestimmte Bildungskraft, welche durch die eingreifendsten Lageveränderungen unberührt bleibt, also den Einwirkungen der im Laufe der Entwickelung wechselnden formalen und sonstigen Anpassungs- bedingungen nicht unterworfen ist. Und da die „gleichartigen Furchungs- zellen“ aus der „ganz gleichartigen und strukturlosen Masse“ des Eies (Monerula) unmittelbar hervorgehen, so fehlt auch in dem letzteren jedes mechanische oder physiologische Kausalmoment für die Entstehung jener einzelnen von Anfang an gesonderten und unendlich mannigfaltigen Bildungs- = Es ist selbstverständlich, dass die Sexualorgane und die Erzeugnisse des mittleren Keimblattes keine Ausnahme von allen übrigen Körpertheilen machen können, obgleich es für die folgende Beweisführung ganz gleichgültig ist, auf welche und auf wie viele Organe die bezeichnete Ansicht angewandt wird. 858 XII. Schlussbetrachtungen. kräfte. Denn selbst eine hypothetische formbildende Funktion des Plasmas könnte in einem homogenen Substrat nicht mannigfaltig und unveränderlich getheilt und weiterhin jedem natürlichen Einflusse entzogen gedacht werden. Kurz, jene Vorstellung HAzckev's, welche mit der von Hıs gelehrten Prädesti- nation der Embryonalzellen zusammenfällt (S. 554), löst konsequenterweise die Erscheinungen der individuellen Entwickelung von den natürlichen Be- dingungen ihres Substrats ab und setzt für sie eine in natürlicher Weise nicht zu begründende Ursache voraus, welche von der Lebenskraft oder sonst einer teleologisch konstruirten Ursache nur durch den Namen sich unterschiede. Die Berufung auf die Phylogenese als die letzte „mechanische Ursache‘ der individuellen Entwickelung ändert an dem Gesagten nichts, da sie ja doch nur durch das Ei wirken könnte, wo die mechanische Begründung der weiteren Entwickelung nach der eben kritisirten Darstellung aufhört. — Ich finde daher bei HasckEn nicht nur keinen Aufschluss über den natürlichen Kausal- zusammenhang der aneinandergereihten Entwickelungsglieder, sondern ge- legentlich Vorstellungen, welche denselben durchaus verneinen. Aber auch die Art und Weise, wie HAECKEL die Homologien ableitet, kann seine ontogene- tischen Vergleiche nicht unterstützen. Zum Beleg dafür wähle ich die Begrün- dung der Gastraea-Theorie, welche HaEcKEL zum Ausgangspunkte für die Erkenntniss des monophyletischen Zusammenhangs aller Metazoen nimmt. Nachdem bereits in sehr vielen grösseren und kleineren Abtheilungen des Thierreichs eine ganz gleiche Entstehung der Gastrulaformen, durch Em- stülpung der Keimblase, beobachtet worden ist, so liesse sich die Annahme einigermassen rechtfertigen, dass, wo diese Entstehung auch nicht beobachtet wurde, die entsprechende Embryonalform dennoch ähnlich entstehe wie Jene anderen Gastrulae, also ihnen auch homolog sei. HAECKEL nimmt aber für die Schwämme an (Nr. 125 IS. 330— 336), dass die aus der Eitheilung hervorge- gangene kompakte Zellenmasse (Morula) durch lokale Absonderung in zwei koncentrische Schichten zerfalle (Planula), von denen darauf die innere eine Höhle erhalte (Planogastrula); und indem diese Höhle nach aussen durch- breche, sei die Gastrula der Schwämme als eine den übrigen homologe Form fertig. Später lässt er sogar beide Arten der Gastrulabildung mit der Aus- höhlung der Morula beginnen, worauf die dadurch gebildete Blase entweder vermittelst einer Einstülpung oder durch lokale Schichtung ihrer Wand und sekundären Durchbruch des Mundes zur Gastrula werde (Nr. 163 8. 23). In beiden Fällen sei das Resultat ganz dasselbe und daher die scheinbar XIII. Schlussbetrachtungen. 859 bedeutende Verschiedenheit. der Genese aus einer sekundären Anpassung in Folge abgekürzter Vererbung abzuleiten. Durch eine solche Art Homologien festzustellen würde aber die genetische Begründung derselben überhaupt illusorisch. Denn wenn die ausgehöhlte Morula oder die Keimblase der ge- meinsame Ausgangspunkt ist, so wäre im ersten Falle das Entoderm in der unteren Hemisphäre, im anderen Falle an der Innenfläche der Keimblase ange- legt, die Darmhöhle dort eine an die Stelle der Keimhöhle tretende Neubildung, hier die fortbestehende Keimhöhle selbst. Die sekundär durchbrechende Mundöfinung endlich hat mit der Einstülpungsöffnung gar nichts zu schaffen. Mag nun die „Fälschung der Ontogenese“ noch so gewiss die Ursache der grundsätzlichen Verschiedenheit beider Entwickelungsvorgänge sein, so wird doch im gegebenen Falle die letztere dadurch nicht gehoben, folglich auch die vermisste Homologie der Hazcrer’schen Gastrulaformen nicht hergestellt. Allerdings scheint aber HarckeEL die genetische Uebereinstimmung für die Homologie überhaupt nicht unbedingt zu verlangen; denn an einer anderen Stelle sucht er dieHomologie der beiden überall nachweisbaren ursprünglichen Keimschichten, worauf mit Recht das Hauptgewicht gelegt wird, ausschliesslich dadurch zu beweisen, dass sich aus ihnen überall dieselben fundamentalen Organe entwickelten (Nr. 158 S. 159). Nur vermag ich wenigstens alsdann den Unterschied zwischen Analogie und Homologie nicht mehr einzusehen. Soll erst die Gleichheit der Erzeugnisse die Homologie ihrer Anlagen begründen, so erhellt, dass jene Gleichheit zunächst nur eine Analogie sein kann; denn die Homologie jener Erzeugnisse würde natürlich diejenige ihrer Anlagen voraussetzen. HAECKEL bestimmt also die Homologie durch Analogien und erklärt damit zugleich, dass auch ein gleicher Ursprung verschiedener Gastrula- formen ihre genetisch -morphologische Uebereinstimmung — denn dies allein kann „Homologie“ heissen (vgl. Nr. 39 S. 79) — noch nicht genügend bekundet. Die nothwendige Folge davon, dass HAEcKEL auf diese Weise die Begriffe der Analogie und Homologie zusammenwirft und willkürlich abändert, ist nun die, dass er die morphologische Gleichwerthigkeit aller Gastrulaformen auch von seinem Standpunkte aus nicht beweisen kann. Er macht dieselbe wie gesagt davon abhängig, dass die beiden primitiven Keimblätter überall die gleichen fundamentalen Organe erzeugen. Dabei nimmt natürlich der Nachweis des überall gleichen Ursprungs des mittleren Keimblattes, gewissermassen des ersten Erzeugnisses des zweischichtigen Keims, die erste Stelle ein; und diese lediglich vergleichend -embryologische Untersuchung wird von HAECcKEL in 860 XIII. Schlussbetrachtungen. folgender Weise angestellt (Nr. 163 S. 25 u. flg.). Da die Embryologen noch uneinig seien, ob das einheitlich auftretende mittlere Keimblatt der Wirbel- thiere aus dem Ektoderm oder dem Entoderm abstamme, so sei zu vermuthen, dass es aus beiden hervorgehe, der animale Theil aus dem Ektoderm, der vege- tative aus dem Entoderm. Dies werde „fast zur Gewissheit“ dadurch, dass eine solche Entstehung des Mesoderms bei niederen Thieren, z. B. bei Euaxes, beobachtet (KowArewsky) und dieselbe Lehre auch bezüglich der Wirbelthiere vertreten sei (v. BAER). Von entscheidender Bedeutung für die letzteren wäre der unzweifelhafte Nachweis dieses Vorgangs bei Amphioxus (KowALEWSKY). Nun hat aber KowaLewskY selbst den einseitigen Ursprung des ganzen Meso- derms aus dem Entoderm ganz unzweideutig bei Lumbricus- nachgewiesen (Nr. 159) und für den nahverwandten Euaxes, wo die Verhältnisse durchaus nicht so klar vorliegen und namentlich die Abgrenzung beider primitiven Keimschichten ganz dem Ermessen des Beobachters anheimgestellt ist, wohl die Ableitung des mittleren Blattes von dem oberen für möglich erklärt, aber schliesslich seinen Ursprung aus dem Entoderm als Thatsache hingestellt (Nr. 159 S. 16. 27). Haeckeu erwähnt mit keinem Worte, worauf sich seine abweichende Deutung stützt; dagegen werde ich weiter unten zeigen, dass die Ansicht KowA- LEWSKY’sS sich sehr wohl aus seinen Beobachtungen beweisen lässt. Ferner ist die angeführte Auffassung v. Baer’s allerdings in seinen Schemata enthalten ; doch wird der aufmerksame Leser seiner Entwickelungsgeschichte finden, dass seine Beobachtungen dieses Schema durchaus nicht bestätigen, sondern das mittlere Keimblatt einheitlich zwischen den beiden anderen auftreten lassen (vgl. S. 134. 135). Die Entstehung zweier ursprünglicher Mittelblätter aus den beiden primären Keimschichten ist dagegen eine fundamentale Lehre von Hrıs, welche also HAEcKEL von demjenigen Embryologen adoptirt, dessen Unzuverlässigkeit zu betonen er nicht müde wird. Dieses letztere ist wohl auch der Grund, warum nicht jener Hıs’schen Lehre, sondern der ganz gleichen und ebenso ungenügend erwiesenen Behauptung von KowauewskY bezüglich des Amphioxus eine in dieser ganzen Frage entscheidende Bedeutung beigelegt wird. Alles zusammengenommen, läuft die Beweisführung Harcker's darauf hinaus, dass er aus den verschiedenen ihm vorliegenden Angaben desselben Beobachters (KowaLewsky) über die Entstehung des Mesoderms der Metazoen ganz will- kürlich die am wenigsten sichere ausliest und für die massgebende erklärt, die übrigen willkürlich deutet oder verschweigt, endlich alle anderen Beobachtungen als verdächtige bezeichnet. Dass eine solche Kritik doch nicht „fast zur XIII. Schlussbetrachtungen. 861 Gewissheit“ führe, scheint denn HAECKEL neuerdings selbst eingesehen zu haben, indem er die Entscheidung mit den Worten: „sei dem nun, wie ihm wolle“ aufgibt und darauf das Hauptgewicht nicht mehr auf die überein- stimmende Entstehung, sondern auf die blosse Anwesenheit von vier Keim- blättern bei den höheren Metazoen legt (Nr. 158 S. 164. 165). Ist aber die gleiche Abstammung des Mesoderms und folglich seiner Erzeugnisse von den primären Keimblättern nicht zu beweisen, so fällt damit nach HAEcKEn’S eigener Bestimmung die Homologie der verschiedenen Gastrulaformen und ihrer beiden primären Keimschichten. Wenn aber Hazcker trotzdem fort- fährt, diese Homologie als die sichere Grundlage aller seiner phylogenetischen Hypothesen zu behandeln und mit deren Hülfe eine ganz neue Entwickelungs- geschichte der Wirbelthiere zu konstruiren, so ist sein Standpunkt dabei genügend bezeichnet: die allgemeinen Folgerungen werden nicht unbedingt an die Beobachtungen geknüpft, sondern eine vorgefasste Hypothese bestimmt die Zulässigkeit der letzteren oder setzt an deren Stelle eine willkürliche Be- hauptung. Eine weitere Kritik der übrigen in ähnlicher Weise durchgeführten ontogenetischen Vergleiche HAEcKEr's wird dadurch überflüssig, und es bleibt mir nur übrig, seine grundlegende Theorie über den phylogenetischen Zusammen- hang der Thiere einer Prüfung zu unterwerfen. Um aber beurtheilen zu können, wie sich die bisherigen thatsächlichen Beobachtungen zu jener Theorie verhalten, nehme ich den unterbrochenen Vergleich der Vertebraten und der übrigen Thiere in genetischer Beziehung wieder auf. Ich habe durch den Vergleich der Entstehung und Zusammensetzung der verschiedenen Eier, sowie der ersten an ihnen nachweisbaren Entwickelungs- erscheinungen nachzuweisen versucht, dass der Anfang der individuellen Entwickelung aller Thiere nach dem Wesen und Kausalzusammenhange der wirksamen Faktoren überall der gleiche ist. Dies beseitigt eigentlich schon den möglichen Einwurf, dass, da die Eier der verschiedenen Thiere theils aus einem ganzen eimelementigen Organismus (viele Protozoen) oder innerhalb eines solchen (Infusorien), theils innerhalb verschiedener, nicht homologer Theile der Metazoen auf verschiedene Weise entstehen, sie selbst auch nicht als homologe Bildungen betrachtet werden könnten, folglich ihre genetische Uebereinstimmung an einem wesentlichen Mangel leide. Doch sei hier zum Ueberfluss noch auf Folgendes hingewiesen. Indem sich die Homologie auf Vorgänge der Formbildung bezieht, diese aber mit Bezug auf den künftigen Organismus im werdenden Eie noch gar nicht begonnen hat, so ist selbstver- 862 XIII. Schlussbetrachtungen. ständlich die Homologie über den vollendeten, entwickelungsfähigen Zustand des alsdann stets selbstständigen Fies hinaus rückwärts nicht zu verfolgen. In diesem. und in seinen ersten Theilungen haben wir aber einen nach der Erscheinung und ihren Ursachen gleichartigen Ausgangspunkt für die individuelle Entwickelung aller Thiere, in deren Verlauf sich erst die Homo- logien herausstellen können. ‚Jene Uebereinstimmung schliesst nun aber ein verschiedenes Mass der gleichen Ursachen nicht aus, wesshalb auch die Entwickelung von Anfang an, wenn auch nicht gleich merklich, nach ver- schiedenen Richtungen auseinandergeht. Bei den Protozoen wird nämlich, wie erwähnt, die eigentliche Dottersubstanz so ungenügend entwickelt, dass die morphologische Entwickelung während der Theilungen unterbrochen wird; und die Formdifferenz der radiären Dotterströmung ist offenbar so unbedeutend, dass sie in den Theilstücken zur Ausgleichung kommt. Die in Folge davon relativ gleiche und histiologisch vorgeschrittene Entwickelung der einzelnen Formelemente löst den individuellen Zusammenhang des ganzen Eiprodukts, spaltet gewissermassen das in der Bildung begriffene Formgesetz und die Individualität desselben vollständig in die Bezirke jener Theile, welche alsdann auseinanderfallen und selbstständig werden (vgl. S. 596. 597. 850). Wenn aber diese vollständige Spaltung des Eiprodukts in genetisch einelementige Orga- nismen das gemeinsame Merkmal aller Protozoen ist, so findet sich doch schon unter diesen eine gewisse Entwickelungsreihe des Formgesetzes. Zerfällt ein Protozoenei in einen ungeordneten Haufen von Formelementen, so darf man annehmen, dass die bedingende Formdifferenz der radıären Dotterströmung keine bestimmte und beständige sei, sondern in der ersten Dotterkugel ebenso zu- fällig entstehe wie während der späteren Dotter- und Zellentheilungen auch in viel höher organisirten Thieren. Dagegen müssen wir einen Fortschritt in der Ausbildung des Formgesetzes bei denjenigen Protozoen annehmen, deren Dottertheilstücke eine regelmässige radiäre Anordnung zeigen (Myxastrum, Magosphaera); denn diese setzt eine gesetzmässige Beständigkeit der Form- differenz voraus. Endlich"sehe ich in dem wenngleich kurzdauernden keim- blasenförmigen Zusammenhange des Eiprodukts von Magosphaera ein Zeichen dafür, dass die Einheit seines Formgesetzes durch einen relativ grösseren Vorrath von Spannkräften länger unterhalten wird. Dadurch wird aber die Möglichkeit angedeutet, dass diese einfachste Grundform eines mehrelemen- tigen Organismus oder eines ganzen individuell gewordenen Eiprodukts sich zu irgend einer Zeit bleibend erhielt und so die Reihe aller über den Protozoen XIII. Schlussbetrachtungen. 863 stehenden Thiere eröfinete *. Der primären Formdifferenz der radiären Dotter- strömung, welche einer solchen aus relativ gleichen Formelementen zusammen- gesetzten Keimblase zu Grunde liegt, möchte ich nach dem Gesagten die einfachsten gesetzmässigen Verhältnisse zuschreiben, nämlich dieselben, welche auf der oben bezeichneten niedersten Entwickelungsstufe unbeständig auf- treten und bereits in der vorübergehenden radiären Anordnung wenigstens eine regelmässige Entstehung andeuten. Und zwar glaube ich auf Grund der noch zu erläuternden Befunde bei der Dottertheilung höherer Thiere jene Formdifterenz sogar gegenständlich bezeichnen zu können. Denken wir uns dazu die drei sich rechtwinkelig schneidenden Hauptdurchmesser der Dotter- kugel, so ist die einfachste Abweichung von einer gleichmässig radiären Dotter- strömung nicht in der Excentrieität ihres gemeinsamen Sammelpunktes, sondern lediglich in der symmetrischen Verlängerung eines einzigen Durch- messers gegeben; denn im ersten Falle würden mindestens dreierlei, im anderen Falle nur zweierlei verschiedene Radien in jenen Hauptdurchmessern entstehen. Letzteres genügt, um die Theilung einzuleiten und fortzuführen und bedingt anderseits die beobachtete relative Gleichheit der Theilstücke. Denken wir uns dagegen einen Durchmesser der Dotterkugel aus zwei unter sich und daher auch mit den anderen Radien ungleichen Hälften zusammen- gesetzt, so ergibt sich aus meiner früheren Darstellung der Dottertheilung der höheren Thiere, dass die Endpunkte dieser Hauptaxe des Eies die Pole zweier sich ungleich theilenden Hemisphären bezeichnen. Um den oberen Pol, welcher. dem excentrischen ersten Lebenskeim näher liegt, müssen kleinere Dotterstücke entstehen, mag dies nun von Anfang an oder in Folge des damit verbundenen schnelleren Fortschritts der Dottertheilung bemerkbar werden. Diese kleinzellige Hemisphäre der Keimblase muss sich ferner in Folge der mit der Theilung verbundenen Verschiebung schneller in koncentrischer Richtung ausbreiten und so die trägere grosszellige Hemisphäre umwachsen, wobei ebenso mechanisch die Sonderung zweier koncentrischen Zellenschichten (Keimschichten) herbeigeführt wird. Dadurch dass die Keimblase in ihrer Entstehung die Bedingungen zur Herstellung einer wenn auch noch so kleinen * Ich brauche kaum zu bemerken, dass hier der Ausdruck ‚„mehrelementig‘ sich ebenso wie der Ausdruck „einelementig“ für die Protozoen nicht auf den histiologisch entwickelten Zustand, sondern nur auf die genetische Grundform bezieht. Diese Bezeich- nungen sind daher von den Worten „ein- und mehrzellig“, welche auf jeden beliebigen Zu- stand angewandt werden, wesentlich zu unterscheiden. 864 XIII. Schlussbetrachtungen. Centralhöhle (Keimhöhle) enthält, in welche die untere Hemisphäre unter dem Andrange der sich ausbreitenden oberen ausweichen und so der Innenfläche der letzteren sich anlegen oder wenigstens nähern kann, wird die Herstellung einer neuen centralen Höhle ermöglicht, indem gleichsam der ausgefüllte Raum der Keimhöhle in die Mitte der koncentrisch umgelagerten unteren Hemisphäre verlegt wird. Diese Embryonalform des sich entwickelnden Eies, welche nach dem Gesagten wesentlich aus zwei koncentrischen, eine Höhle (Darmhöhle) umschliessenden Zellenschichten besteht, bezeichne ich mit dem passenden von HAECKEL eingeführten Namen der Gastrula, muss aber gleich hinzufügen, dass ich darunter nicht ohne weiteres dasselbe verstehe wie Hazcrer. Indem er von der klarsten Erscheinung der Gastrulabildung aus- geht, welche sich in der bekannten Einstülpung der Keimblase darstellt, hält er die nach aussen führende Einstülpungsöffnung der Gastrulahöhle für so wesentlich, dass er bei der sonst ganz ähnlichen, aber eine solche Oeffnung entbehrenden Embryonalform (Planogastrula) einen sekundären Durchbruch eines Mundes zur Vervollständigung der Gastrula verlangt. Ich habe es bereits erwähnt, dass dadurch ganz heterologe Bildungen zusammengestellt werden, und werde ferner zeigen, dass, wenn wir die verschiedenen zwei- schichtigen Embryonalformen auf ihre Homologie prüfen, jene Einstülpungs- öffnung sich als eine unbeständige, für die Homologie ganz unwesentliche Erscheinung herausstellt. Jene ausserordentlich klare Erscheinung der Gastrulabildung, wobei sich die einschichtige Keimblase von einer Seite einstülpt und so zwei koncentrische Keimschichten, das Ektoderm und das Entoderm, herstellt, ist bekanntlich bei einem Theil der Öoelenteraten, Echinodermen, Würmer, Brachiopoden, Aseidien u.a. m. nachgewiesen worden. In einigen dieser Darstellungen ist die von mir erörterte Verschiedenheit der beiden Keimblasenhältten, der Ekto- und der Entodermhemisphäre, sehr deutlich, sodass meine Ansicht vom Kausal- zusammenhange der Gastrulabildung direkt bestätigt wird; in andern Fällen wird die Keimblase in ganz symmetrischer Bildung vorgeführt, und da muss ich einen wenn auch geringfügigen und bei dem Mangel einer besonders darauf gerichteten Aufmerksamkeit leicht erklärlichen Beobachtungsfehler annehmen. Denn die Einstülpung ist ohne irgend eine vorhergehende Verschiedenheit der Keimblasentheile nicht denkbar; diese kann aber weder von zufälligen äusseren Einflüssen abhängen, da die Gesetzmässigkeit der Erscheinung dem widerspricht, noch von histiologischen Zuständen, da dieselben überhaupt keine primär- XIII. Schlussbetrachtungen. 865 morphologische Bildung herbeiführen, im Gegentheil die Formentwickelung unterbrechen. Ein treffendes Beispiel dafür, wie ein solcher Beobachtungs- fehler entstehen kann, liefert uns KowALewsky. Die anfänglichen Grössen- unterschiede der „Furchungszellen“ von Lumbricus sieht er bei der Betrach- tung der Oberfläche des Eies sich fast ausgleichen, während der optische Quer- schnitt einen sehr auffallenden und während der ganzen Embryonalentwickelung beständigen Grössenunterschied in den Elementen beider Hemisphären und später beider Keimschichten zeigt (Nr. 159 S. 21, Taf. VI, VII). Nun ist aller- dings noch der Fall denkbar, dass die Formdifferenz anders als ich sie angab, und zwar umgekehrt dadurch wirkte, dass eine beschränkte kleinzellige Keim- blasenhälfte durch den nicht zu überwindenden Widerstand der grösseren Hälfte selbst eingestülpt würde. Die Beobachtungen an den Eiern von Cassiopea (Nr. 160), welche dafür zu sprechen scheinen, kommen mir nicht ganz unzweideutig vor*; sollten sie aber trotzdem, dass sie den Befunden an nahverwandten Formen, z. B. anderen Acraspeda, nicht entsprechen, sich dennoch bestätigen, so hätten wir darın und in dem ähnlichen Verhalten bei den Kalkschwämmen (Nr. 164) eine unvollkommene Homologie zu erkennen, indem die Einstülpung durch eme andere Wechselwirkung der beiden differenten Keimblasenhälften erfolgt. An der Keimblase der Ktenophoren ** und Arthropoden ist eme Einstülpung eines aus grösseren Elementen zusammen- gesetzten Theils ebenfalls nachweisbar (Nr. 159, 160). Nur tritt dabei die Modifikation ein, dass der Nahrungsdotter und das Entoderm nicht nebenein- ander im Umfange der Einstülpungs- oder Darmhöhle liegen, sondern das Entoderm allein die Auskleidung besorgt und der Nahrungsdotter zwischen dieser und dem Ektoderm zurückbleibt. Augenschemlich ist also der Kausal- zusammenhang bei diesen Bildungen, wenn auch nicht fundamental, doch so weit äbweichend, dass der allgemeine Entwickelungsgang auf einer vorge- schrittenen Stufe die homologen Bahnen verlässt. * Bei Cassiopea ist das Dickenverhältniss beider Schichten gleich nach der Bildung der Gastrula gerade umgekehrt dargestellt, ohne dass beide Verschiedenheiten von KowA- LEWSKY mit einem Worte erwähnt werden (Nr. 160 Taf. II). Bei Sagitta, an deren Ei Kowarzwsky gleichfalls das sich einstülpende Entoderm dünner als das Ektoderm " zeichnet (Nr. 159 Taf. I), habe ich das umgekehrte Verhältniss wenigstens während der Einstülpung sehr deutlich gesehen. *# Die zeitweilige obere Lücke der Ektodermkappe der Ktenophoren findet bei dail Vertebraten ein Homologon, nämlich die von Rusconxt beschriebene polare Oefinung der primären Keimschicht der Molcheier, welche direkt in die Keimhöhle führen soll (Nr. 16). GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 55 66 XIII. Schlussbetrachtungen. Für eine ganze Reihe von Thieren wird die Bildung der beiden primären Keimschichten durch eine einfache Einstülpung der Keimblase ganz bestimmt ausgeschlossen und im allgemeinen angenommen, dass die einfache Keim- blasenwand sich der Fläche nach in jene Schichten spalte. Ich wähle nur wenige Beispiele, um diese Auffassung zu prüfen. Am bestimmtesten ist der behauptete Vorgang von METSCHNIKOFF am Geryonienei dargestellt worden (Nr. 165 8. 18). Aber wollten wir auch davon absehen, dass es so leicht ist, sich bei solchen Untersuchungen zu täuschen, indem bei der natürlichen mit dem oberen Pol aufwärts gekehrten Lage des Eies sowohl die excentrische Lage des ersten Lebenskeims und die Ungleichmässigkeit der Keimblase, als insbesondere die Einstülpung der letzteren sich der Beobachtung entziehen , so liegt uns für das bezeichnete Thier die ebenso bestimmte Angabe KowALEWsKY'S vor, dass es sich in der Gastrulabildung von den schon erwähnten höheren Medusen nicht unterscheide (Nr. 160 S. 11). Ferner erinnere ich an die Wirbelthiere, für welche (mit Ausnahme des Amphioxus) bisher niemand angenommen hat, dass ihre beiden ursprünglichen Keimschichten sich ebenso entwickeln wie bei den sich einstülpenden Keimblasen. Ich habe aber an Teleostiern, Batrachiern, Vögeln und Säugern gezeigt, dass es sich dennoch so verhält. Der um den oberen Pol gelegene kleinzellige Keimtheil schliesst sich zur Seite der oft nur spaltförmigen Keimhöhle durch eine Zone von Uebergangs- formen (Randwulst der primären Keimschicht) an den meist nur theilweise grobzerklüfteten Nahrungsdotter an*. Das kleinzellige Centrum jenes Keim- theils umwächst darauf in Folge seiner schnelleren Ausbreitung den trägeren Randwulst und den Nahrungsdotter gerade so wie die Ektodermhemisphäre * Dafür, dass bei den Säugern diese Formdifferenz der sich theilenden Dotterkugel nicht bemerkt wurde, verweise ich auf das hinsichtlich der niederen Thiere Bemerkte. Die Annahme einer solchen Verschiedenheit wird durch die bekannten Abbildungen BıscHorr'’s vom Hundeei, wo eine kleine peripherische Zellenscheibe als Keim gegenüber der aufge- lösten grösseren Dotterhälfte (Nahrungsdotter) zurückbleibt, durchaus gefordert (vgl. Nr. 159 Taf. Il). Daraus folgt allerdings, wie sich am Ende schon aus meiner vor- läufigen Mittheilung ergibt (Nr. 105), dass die während der Auflösung des Nahrungsdotters durch freie Zellenbildung sekundär entstehende einschichtige „Keimblase“ in keiner unmittelbaren Beziehung zur Gastrula steht, sondern eine von dem eigentlichen Eie sich ablösende zellige Eihülle darstellt, welche auch thatsächlich in die Bildung des Chorions aufzugehen scheint. Aehnliche Vorkommnisse sind auch an anderen Thieren verschiedener Typen beobachtet worden, wesshalb mir auch der von KLEINENBERG angestellte Vergleich einer solchen Keimschale von Hydra mit dem Hornblatte der Wirbelthiere nicht zutreffend erscheint (Nr. 167 S. 85). XII. Schlussbetrachtungen. 367 die sich einstülpende Entodermhemisphäre an den oben genannten Thieren ; wobei man sich vergegenwärtigen muss, dass jene Randzone der primären Keimschicht dem Rande, der eigentliche Nahrungsdotter der Mitte einer Entodermhemisphäre homolog ist (vgl. Taf. II Fig. 28. 29). Indem sich nun diese Theile der Innenfläche des sie umwachsenden Ektoderms anlegen, schnürt sich der Nahrungsdotter von der Randzone (sekundäre Keimschicht) ganz oder theilweise ab und füllt, indem er dieselbe zu einer kontinuirlichen koncentrischen Schicht verwachsen lässt, den grössten Theil der Gastrulahöhle aus. Die Rusconr’sche Oeffnung ist eime wirkliche Einstülpungsöffnung der Gastrula, deren grundsätzliche Verschiedenheit von der sekundär durch- brechenden Mundöffnung in diesem Falle ganz besonders in die Augen fällt. Die zweischichtige „Keimblase“ der Wirbelthiere stimmt also mit der schon besprochenen Gastrulaform niederer Thiere genetisch vollkommen überein, ist ihr homolog. Diese Auffassung des Wirbelthierkeims lässt sich nun auf viele jener Keime niederer Thiere übertragen , welche ein klares Bild der Gastrulabildung nicht gewähren. Betrachten wir den bestuntersuchten solcher Keime, nämlich den von Euaxes. KowALEwsKY interpretirt den ganzen Vorgang dieser von ihm untersuchten Keimbildung in der Weise, dass das obere Keimblatt in einer kleinen Scheibe und darunter das alsbald in zwei Streifen gespaltene mittlere Keimblatt von der übrigen grosszelligen Dottermasse oder dem „Darmdrüsen- blatt“ sich absondern und darauf das letztere umwachsen. Danach entständen also die Blätter durch lokale Absonderung in übereinanderliegenden Schichten, während die Umwachsung der inneren Blätter durch das äussere allerdings mit einer Einstülpung verglichen wird (Nr. 159 8. 16. 27. 28). Ich deute die so wichtigen Durchschnittsbilder KowaLewsky's etwas anders. In Fig. 26 der betreffenden Entwickelungsgeschichte sche ich ein relativ kleinzelliges Gewölbe über die Keimhöhle gestülpt und mit seinem Rande der grosszelligen Masse aufruhen, gerade so wie sich die primäre Keimschicht der Batrachier verhält. Fig. 27 zeigt uns den Umfang dieses kleinzelligen Gewölbes ein wenig weiter ausgedehnt, aber die am aufruhenden Rande hervortretenden grösseren Zellen nach innen unter die deutliche Keimhöhle verschoben und dort zusammen- stossend, sodass dieser durch die vorgeschrittene Auflösung des Dotters in seinen Zellen charakterisirte Theil wie eine abgeplattete, die Keimhöhle enthaltende Blase auf der grosszelligen Dottermasse liegt. Mit der fort- schreitenden Abplattung dieser Blase schwindet die Keimhöhle vollends; indem 55* S68 XIII. Schlussbetrachtungen. sich aber die erstere stetig ausbreitet, drängen sich dotterhaltige Zellen von unten in ihre Innenschicht ein, sodass deren protoplasmareichere Elemente nur mehr auf die Peripherie beschränkt, einen nach innen umgeschlagenen ring- förmigen Saum der äusseren Zellenschicht darstellen, dessen Oefinung in dem Masse, als sie sich erweitert, von dotterhaltigen Zellen ausgefüllt wird, welche dadurch sich an die Innenfläche der äusseren Zellenschicht anlegen und wenigstens im Anfange Uebergangsformen zwischen den kleinen Zellen jenes verdickten Saums und der ganz grosszelligen unteren Dottermasse bilden (Nr. 159 Fig. 28. 29). Wir finden also am Euaxeseie eine kleinzellige polare Keimschicht, welche sich koncentrisch ausbreitend ihren eigenen Rand und die sich daran schliessenden gröberen Dotterelemente unter Verdrängung der Keimhöhle an ihre eigene Innenfläche anlagert; d.h. die Einstülpung und Um- wachsung einer Entodermhemisphäre durch ein in der Entwickelung über- wiegendes Ektoderm erfolgt bei Euaxes genau so wie bei den Wirbelthieren, insbesondere den Batrachiern. Wie bei diesen schliesst sich auch bei jenem Wurme ein grobzelliger Nahrungsdotter kontinuirlich an das peripherische Entoderm an; und indem der verdickte Randwulst des letzteren sich reger entwickelt, trennt er sich als mittleres Keimblatt von den trägeren Theilen, welche mit dem Nahrungsdotter ohne nachweisbare Grenze verbunden bleiben. Jenes mittlere Keimblatt von Euaxes bleibt länger als bei den Wirbelthieren ringförmig auf den Randwulst beschränkt, während das obere Keimblatt im Wachsthum gleichsam vorauseilend über ihn hinweggleitet und dadurch von ihm sich völlig ablöst, wie es auch am Hühnerkeime geschieht. Auch der anfängliche Mangel einer offenbaren Darmhöhle kann die allgemeine Ueberein- stimmung der Embryonalentwickelung von Euaxes und den Wirbelthieren nicht stören. Die Darmhöhle ist ursprünglich auch bei diesen eine zwischen Darmblatt und Nahrungsdotter befindliche Spalte, deren Lichtung bei den Knochenfischen so unansehnlich bleibt, dass sie bisher ganz übersehen wurde (S. 268), während ein Theil der embryonalen Darmhöhle der Batrachier nach- träglich so reducirt wird, dass man sie irrthümlicherweise ganz schwinden liess und daher das Darmblatt, welches nach meiner Auffassung dann bereits einen grossen Theil des Nahrungsdotters umwachsen hat, mit dem letzteren identi- fieirte (S. 269). Die deutliche Ausbildung der Darmhöhle hängt aber von der morphologischen Entwickelung des übrigen Keims ab, welche die Spalte theils unmittelbar erweitert und dadurch die Sonderung des Darmblattes fördert (vgl. S. 564), theils mit der dort angesammelten Flüssigkeit zugleich die Auflösung XIII. Schlussbetrachtungen. 869 des zelligen Nahrungsdotters einleitet und so den vom Darmblatte umschlosse- nen Raum in eine Höhle verwandelt. Da diese Vorgänge bei Euaxes erst viel später eintreten, so bleiben eben das Darmblatt und der Nahrungsdotter dieses Thiers länger m einem vollständigen Zusammenhange (Nr. 159 Taf. IV, V). — Auf Grund des voranstehenden Vergleichs muss ich die Auffassung zurück- weisen, dass die Keimblätter des Euaxeseies und aller ähnlich sich entwickeln- den Eier sich ohne Lageveränderung schichtenweise absondern, wonach die Umwachsung der inneren Blätter durch das äussere als ein besonderer, davon unabhängiger Vorgang erschiene; denn nach meiner Ansicht kann nur die Zellenverschiebung die Schichtung bewirken und muss die wirksame Ver- schiedenheit dieser Bewegung auf diejenige der Dottertheilung und endlich die erste Formdifterenz zurückgeführt werden. Ich habe mich bei diesem Vergleiche etwas aufgehalten, um zu zeigen, dass, wenn man von den im allgemeinen entschiedeneren und klareren Befunden der Entwickelung der Wirbelthiere ausgeht, auch die auf den ersten Anschein weniger deutlichen Erscheinungen niederer Thiere sich in emer ganz bestimmten Weise deuten lassen. Denn nachdem die Gastrulabildung von Euaxes auf den einfachen Einstülpungsprocess zurückführbar erscheint, darf man annehmen, dass dasselbe sich auch für andere niedere Thiere nachweisen liesse, deren Eier weder eine offenbare Einstülpung der Keimblase noch eine ursprüngliche Darmhöhle zeigen, sondern erst eine äussere Zellenschicht um einen zelligen oder nicht zelligen centralen Dottertheil, und dann an der Peripherie des letzteren eine zweite Zellenschicht hervortreten lassen, während sich das Centrum mehr oder weniger offenbar auflöst. In dieser Weise verhalten sich bekanntlich viele Coelenteraten (vgl. KowaLews&kY Nr. 160, METSCHNIKOFF Nr. 165). Nur müsste, um den Vergleich mit der besprochenen Gastrulabildung durchführen zu können, angenommen werden, dass das Ektoderm bloss aus einem Theil der Keimblasenoberfläche entstände und die anderen Theile umwüchse; und dies bleibt desshalb möglich, weil in den meisten Fällen die Uebergänge von der Dottertheilung zum zweischichtigen Keime entweder gar nicht oder sehr unvoll- ständig zur Beobachtung kamen. Endlich könnte in der Entwickelung des Eies der Hydroidpolypen eine dritte abweichende Bildungsform der Gastrula gesehen werden, indem KowAa- LEWSKY an Kampanulariaeiern die Keimblase in einer fortlaufenden Reihe von Entwickelungsstufen scheinbar unverändert antraf, während von ihrer Innen- fläche vereinzelte Zellen sich ablösten und im Zusammenhange mit einer s70 XIII. Schlussbetrachtungen. eigenthümlichen Umbildung des flüssigen Inhalts der Keimhöhle das Entoderm herstellten (a. a. O.). Nun scheint es aber doch, dass diese Zellenablösung vorzugsweise, wenn nicht ausschliesslich an einem verdickten Ende der ver- längerten Keimblase vor sich geht, sodass man annehmen könnte, diese Stelle sei eine wie so häufig bei den Coelenteraten sehr beschränkte Entoderm- hemisphäre, welche von der an Ausdehnung ausserordentlich überwiegenden Ektodermhälfte in sehr unregelmässiger Weise nach innen gedrängt werde. Diese Ansicht wird sehr wesentlich unterstützt durch die Beobachtungen Kowarewsky's über die Entwickelung der Brachiopoden. Während nämlich die Keimblase von Argiope sich deutlich einstülpt, geschieht es bei Thecidium nicht, sondern die Keimhöhle füllt sich mit Zellen, welche von der äusseren Zellenwand sich in der Weise ablösen, dass sie aus deren festem Zusammen- hange nach innen hervortreten (Nr. 161 S. 14. 15). Ein solcher Vorgang kann um so weniger als eine histiologische Absonderung des Entoderms vom blasen- förmigen Ektoderm bezeichnet werden, als seine Wirkungen sich mit denen der eingestülpten Keimblase von Argiope vollständig decken. Dagegen illustrirt er die eben für das Kampanularienei gemachte Annahme sehr gut, und Beides könnte alsdann als eine in ihrer Erscheinung weniger vollkommene Form der gewöhnlichen Gastrulabildung betrachtet werden, welche aber in ihrem Kausal- zusammenhange durchaus mit der letzteren übereinstimmte. Sollten aber erneuerte Untersuchungen nachweisen, dass es wenigstens bei den Üoelenteraten zwei Bildungsarten des zweischichtigen Keims gebe, so dürfen auch die daraus hervorgehenden Bildungen als homologe nicht betrachtet werden. — Die Ergebnisse unserer Untersuchung lassen sich also dahin zusammenfassen, dass der zweischichtige Keim, auch wo er nicht durch eine Einstülpung einer Keim- blase entsteht, allerdings auf eine solche zurückgeführt werden kann, dass aber in einigen Fällen die Homologie eine unvollständige oder zweifelhafte bleibt. Ich gehe nun zur Bildungsgeschichte des mittleren Keimblattes über, welches, wo es vorkommt, in der morphologischen Entwickelung nächst der (rastrulabildung zuerst in Betracht kommt. Ich brauche nicht weiter zu erklären, dass, da die ganze Keimblättertheorie von der Embryologie der Wirbelthiere ausging, man natürlich auch das mittlere Keimblatt derselben zum Ausgangspunkte der Vergleichung zu nehmen hat. Dieses ist nach meinen Untersuchungen diejenige embryonale Zellenmasse, welche von der inneren oder sekundären Keimschicht nach der Absonderung des epithelialen Darm- blattes übrig bleibt oder von dem epithelialen Gefüge des Entoderms sich XIII. Schlussbetrachtungen. 871 ablöst. Bei den bisherigen Untersuchungen der Homologien des mittleren Keimblattes hat jedoch, abgesehen von der seither bestandenen Unsicherheit dieses Begriffs bei den Wirbelthieren selbst, der Mangel einer Unterscheidung von morphologischer und histiologischer Entwickelung oder die missverstandene Remar'sche Keimblättertheorie zu ganz auffallenden allgemeinen Irrthümern geführt. Es ist mir kein Beispiel bekannt, dass nach dem Ursprunge des mittleren Keimblattes als einer indifferenten embryonalen Bildung und ohne Rücksicht auf seine etwaigen Erzeugnisse gefragt worden wäre; vielmehr wird darunter stets a priori die Grundlage des Muskel-, Nerven-, Bindegewebes u. s. w. verstanden, und je nach dem Ursprunge dieser Gewebe aus dem Ekto- derm oder dem Entoderm die Homologie des mittleren Keimblattes bestätigt oder verworfen, wobei die Homologie jener beiden ursprünglichen Keimschichten offenbar durch ihre blosse Anwesenheit im Keime als erwiesen vorausgesetzt wird. Ich finde aber nach allen thatsächlichen Beobachtungen über die Entwickelung niederer Thiere meine für die Wirbelthiere begründete Ansicht nur bestätigt, dass Morpho- und Histiogenese nicht ohne weiteres zusammenfallen, sondern in einem eigenthümlichen Wechselverhältniss stehen, an welchem nur die Kausalität überhaupt, nicht aber etwa eine stets gleiche Wirkung beständig ist. Die Schwämme und viele Coelenteraten besitzen kein mittleres Keimblatt, weil die Histiogenese ihrer beiden primitiven Keimschichten so frühe eintritt, dass dadurch die weitere morphologische Entwickelung unterbrochen oder wenigstens eingeschränkt wird. Und zwar betrifft dies zunächst das Ektoderm, welches z. B. nach METScHnIKöFF bei den Schwämmen zur Sarkode zu ver- schmelzen und selbst Nadeln auszuscheiden beginnt, bevor die Gastrula vollendet ist (Nr. 164). Wenn METSCHNIKOFF die Umbildung dieses Ekto- derms in eine skeletbildende Schicht als Beweis für ihre Homologie mit einem Mesoderm ansieht, so ist dies nur eine sehr auffallende Konsequenz des häufigen Irrthums, dass die Erzeugnisse eines Embryonaltheils seine Homo- logie bestimmen. Demselben Irrthum unterliegt KLEINENBERG, indem er die Uebereinstimmung des muskelerzeugenden Ektoderms der Coelenteraten mit dem Ektoderm der Wirbelthiere für eine „rein äusserliche gleichgültige Aehnlichkeit“ erklärt, falls nicht das letztere ebenfalls das mittlere Keim- blatt erzeugte (Nr. 167 8. 84). Obgleich nun diese Voraussetzung nicht zutrifft, so halte ich doch die angeblich gleichgültige Aehnlichkeit für eine echte morphologisch - genetische Gleichwerthigkeit, das von KLEINENBERG in Betracht gezogene Verhältniss aber für eine blosse Analogie. Die muskulösen 372 XIII. Schlussbetrachtungen. Ektodermfortsätze der Hydroiden bilden überhaupt niemals eine Embryonal- anlage, welche einem Keimblatte verglichen werden könnte, sondern sind sekundäre histiologische Bildungen von ganz ähnlicher Bedeutung wie die aus der Oberhautanlage der Batrachier hervorgehenden Seitennerven. Erst bei den höheren Coelenteraten finden sich unzweideutige Spuren eines mittleren, Keimblattes als einer indifferenten zelligen Anlage zwischen Ekto- und Ento- derm, deren Ursprung von dem letzteren bei Cassiopea und namentlich bei Pelagia beobachtet worden ist (Nr. 160). Für Alcyonium vermuthet KowAuewsky die Abstammung derselben Schicht vom Ektoderm darauf hin, dass sie demselben dichter anliege als dem Entoderm; doch hat sich die gleiche und ähnlich begründete Vermuthung bei den Wirbelthieren als irrthümlich erwiesen und ist jedenfalls von keiner Bedeutung gegenüber den ersteren positiven Beobachtungen. Anderenfalls hätten die Aleyonien und vielleicht auch andere Anthozoen kein Homologon eines mittleren Keimblattes, sondern gleich den Hydroidpolypen nur analoge Bildungen. Ebenso wider- sprechend sind die Angaben bezüglich der Ktenophoren, indem von demselben Beobachter in zwei Familien (Euchariden, Cydippiden) das Gallertgewebe mit seinen zelligen Theilen vom Ektoderm, bei den Beroiden vom Entoderm abge- leitet wird (Nr. 160 8. 35. 36). Aehnlich wie bei Pelagia, nur umfassender entwickelt sich ein mittleres Keimblatt vom Entoderm bei den Stachelhäutern ; und da meines Wissens die Beobachtung METSCHNIKOFFS, dass bei den jüngsten Larven dieser Thiere einzelne oder gruppenweise vereinigte Zellen sich zu dem Zwecke von der Darmanlage ablösen (Nr. 166), noch nicht bestätigt worden ist, thue ich es hiermit auf Grund meiner eigenen Beobachtungen. Dieses mittlere Keimblatt der Echinodermen bildet keine primär-morphologischen Anlagen, sondern nach meinen Befunden. sehr bald ein netzförmiges Bildungs- sewebe, ganz übereinstimmend mit dem interstitiellen Gewebe der Wirbelthiere, welches erst später sich zu sekundär-morphologischen Bildungen (Darm- muskel-, Perisomscbichten, Nerven) den übrigenTheilen anpasst. * Bei den übrigen Wirbellosen ist nach den besten Beobachtungen (Nr. 159, 160, 161) ein echtes mittleres Keimblatt als anfangs indifferentes * Das gedachte Zellennetz schien mir wenigstens bei Ophiurenlarven auch ebenso wie bei den Vertebraten zu entstehen. An den jüngsten Larven füllen zusammengedrängte rundliche Zellen den grössten Theil des von der Keimhöhle zurückgebliebenen Raumes aus; indem der letztere durch Ansammlung von Flüssigkeit wächst, werden die bereits theilweise verbundenen Zellen zu einem Netz auseinandergezogen. Später wird es durch freie Wander- zellen vervollständiet (vgl. S. 492 u. flg.). Zu 2; % XIII. Schlussbetrachtungen. 373 Produkt des Entoderms vorhanden, und nur in seiner Abgrenzung gegen dasandere Produkt derselben Keimschicht oder das Darmblatt kann ich mit KowALEWSKY nicht übereinstimmen, welcher die ursprünglichen Ausstülpungen der Gastrula- höhle bei Sagitta und den Brachiopoden, weil sie sich später in die gesonderte sogenannte Peritonealhöhle verwandeln, als Theile des mittleren Keimblattes behandelt. Das letztere erscheint bei den Vertebraten nicht als beliebiger Abschnitt des Entoderms oder der sekundären Keimschicht, sondern als indifferente Zellenmasse, welche ausserhalb der unmittelbaren Auskleidung der ganzen Gastrulahöhle, also ausserhalb des sich absondernden Darmblattes zurückbleibt. Wenn daher ganze Theile der ursprünglichen Darmhöhle, indem sie an ihrer Aussenfläche eine dem mittleren Keimblatte homologe Zellenmasse absondern, sich selbst vom bleibenden Darm abschnüren und eine Peritoneal- höhle bilden*, bleiben sie immerhin echte Homologa von anderen Darm- aussackungen. Nachdem METSCHNIKOFF die sogenannte Peritonealhöhle und das Wassergefässsystem der Echinodermen als symmetrische Ausstülpungen des primären Darmschlauchs nachgewiesen hat (Nr. 166), was ich in vollem Umfange bestätigen kann, muss man ihm auch ferner folgen, wenn er neuer- dings diese Abschnürungsräume mit den blossen Ausstülpungen des embryo- nalen Darms der Ktenophoren vergleicht (Nr. 165 S. 74). Alsdann lässt sich die folgende Entwickelungsreihe des ursprünglichen Darmraums aufstellen. 1. Einfache vom Entoderm ausgekleidete Gastrulahöhle, erhalten bei den einfachsten typischen Schwammformen (Ascones der Kalkschwämme HAECKEL) und bei einigen Hydroidpolypen mit gar keinen oder soliden Tentakeln (Proto- hydra, Cordylophora u. s. w.); 2. verzweigte Darmhöhle oder das gesammte Gastrovaskularsystem der meisten Schwämme und Coelenteraten; 3. Darm mit abgetrennten Aussackungen und Verzweigungen oder den Peritoneal- und Wassergefässräumen der Echinodermen, Brachiopoden und Sagitten. Ausser- dem kommt es mir nach der Darstellung KowALewsky’s sehr wahrscheinlich vor, dass die „Leibeshöhle“ der Arthropoden in ganz ähnlicher Weise von der ursprünglichen Entodermeinstülpung sich abschnürt, wogegen bei den Oli- gochaeten ähnlich wie bei den Wirbelthieren das mittlere Keimblatt eine seröse * Ich selbst habe eine solche Ablösung der dem mittleren Keimblatte vergleichbaren Bildungszellen von dem eben eingestülpten Entoderm bei Sagitta noch vor dessen Aus- sackung gesehen. Und da bei den Echinodermen die Darmmuskulatur längst fertig ist, bevor das Peritonealblatt den Darm umwächst, so ist selbst die Analogie desselben Blattes mit dem Visceralblatte (Darmfaserblatte) der Vertebraten unvollständig. 874 XIII. Schlussbetrachtungen. Leibeshöhle bildet. Sollte die Angabe KowauEewskKY's richtig sein, dass dasselbe Keimblatt des Amphioxus in doppelter Anlage aus beiden primären Keim- schichten hervorgehe (Nr. 111 S. 6), so würden seine definitiven vier Keim- blätter gar keine Homologie mit den drei Blättern anderer, namentlich der Wirbelthiere darbieten; wesshalb ich denn doch jene nicht sehr zuversichtliche Angabe im Gegensatz zu HacckEr (vgl. S. 860) in Zweifel ziehen möchte. Hinsichtlich des mittleren Keimblattes lässt sich also Aehnliches behaupten wie über die Gastrulabildung, dass nämlich nur ein Theil der bisherigen Beobachtungen sich in Uebereinstimmung bringen lässt, ohne dass wir ein Recht hätten, alle abweichenden Darstellungen zu verwerfen, dass aber ander- seits die verschiedenen Erscheinungen einer vom Entoderm abstammenden Zwischenschicht eine fortlaufende Entwickelungsreihe eines und desselben Vor- sangs darstellen. Sowie am Anfange der Metazoenreihe die beiden primären Keimschichten sich etwas anders zu bilden scheinen (Schwämme) als weiterhin, dann der Einstülpungsprocess der Keimblase unvollkommen beginnt (Hydroid- polypen), um sich aufwärts immer vollständiger und umfassender auszubilden, so fehlt auch die Bildung eines mittleren Keimblattes bei den Schwämmen und einem Theil der Coelenteraten ganz und erscheint erst allmählich in einer den beiden anderen Blättern koordinirten Form. Wird es nämlich anfangs durch das ganze Ektoderm (Schwämme) oder histiogenetische Erzeugnisse desselben physiologisch vertreten (Hydroidpolypen, Anthozoa? Ctenophora?), so sind auch die ersten einem mittleren Keimblatte homologen Absonderungen des Entoderms (Cassiopea, Pelagia, Beroe) weniger als eine morphologische Embryonalanlage wie als ein histiogenetisches Produkt des Entoderms zu betrachten. Erst bei den Echinodermen erscheint zum Theil ein etwas kom- pakteres mittleres Keimblatt, welches aber dennoch nur durch die histio- logische Zwischenform eines netzförmigen Bildungsgewebes in die sekundären Erzeugnisse übergeht, sodass bei dieser seiner ungenügenden Entwickelung Theile der Darmhöhle vikarirend eintreten müssen (Echinodermen, Sagitta, Brachiopoden); und nicht früher als bei den höheren Würmern gelangt das mittlere Keimblatt zu der Ausbildung, welche es befähigt, in die morphologische Entwickelung des Thiers bestimmend einzugreifen. Dieser allgemeine Paralle- lismus in der Entwickelung der Gastrula und des mittleren Keimblattes lässt sich nun ganz wohl auf eine Abhängigkeit des letzteren von der Entwickelungs- stufe der Gastrula zurückführen, welche ihrerseits wenigstens bis zu einem gewissen Grade als Ausdruck für das Mass der ersten Formdifferenz der XIII. Schlussbetrachtungen. 375 die morphologische Entwickelung einleitenden und unterhaltenden Dotter- strömungen gelten kann. Denn die Steigerung dieser Differenz steigert auch den Gegensatz beider Hemisphären der sich theilenden Dotterkugel, alsdann aber auch die Bedingungen zu einer raschen und umfassenden Einstülpung ; je früher aber bestimmte Formleistungen erscheinen, desto mehr werden die Anpassungsbedingungen für die folgenden Wirkungen gegliedert, sodass ganz im allgemeinen eine grössere primäre Formdifferenz auch mehr leistet. Doch muss uns die einfachste Ueberlegung sagen, dass aus den bisher allein betrach- teten Massverhältnissen der im oberen Theilungspol auslaufenden Eiaxe die Mannigfaltigkeit aller Formbildungen sich nicht erklären lasse. Allerdings behält jene Formdifferenz als Massstab für die quantitative Ausbildung der Keimblätter ihre Bedeutung durch die ganze Reihe der Metazoen; aber die oft sehr frühe sich offenbarende besondere und bestimmte Anordnung dieser embryonalen Grundlagen, also auch ihre daraus folgende eigenthümliche Umbildung und gegenseitige Anpassung zu einer bestimmten typischen Grund- form kann nur von anderen als den genannten Formbedingungen abgeleitet werden. In der folgenden Betrachtung dieser Verhältnisse und namentlich der Haupterzeugnisse der Keimblätter muss ich mich aber natürlich noch viel mehr als bisher auf ausgewählte Beispiele beschränken. Indem ich erst bei gewissen Protozoen eine konstante Formdifferenz der ersten Dotterströmung und zwar in einfachster Gestaltung, für die Metazoen aber in steigender Gliederung annehme, so sollen damit die Thatsachen nicht unter schematische Formeln gebracht werden, von denen die eine die anderen absolut ausschlösse. Ich denke vielmehr, dass wenn anfangs bei den niedersten Protozoen die Formdifferenzen der radiären Dotterströmung nach allen Seiten schwanken, allmählich die eine so weit überwiegt, dass sie, konstant geworden, die anderen nicht zu nachdrücklicher Wirkung gelangen lässt, ohne sie völlig auszuschliessen. Diese erste konstante Formdifferenz kann auch in der Keim- blasenform nicht auf einer entschieden ungleichtheiligen Hauptaxe beruhen, weil dadurch bereits die Gastrula angelegt würde; unter den Protozoen muss daher die Formdifferenz in dem sich entwickelnden Eie in relativ gleichtheiligen Abänderungen der Durchmesser sich bewegen, während jene oftgenannte Hauptaxe, deren Ungleichtheiligkeit in der Excentrieität des ersten Lebens- keims zum Ausdruck gelangt, durch die in ihr enthaltenen Bedingungen zur Gastrulabildung von den Proto- zu den Metazoen hinüberführt. Denken wir uns nun, dass diese naturgemäss senkrechte Hauptaxe (Scheitelaxe) die 376 XIII. Schlussbetrachtungen. eleichtheiligen Durchmesser, welche für die Herstellung einer Keimblase noch genügten, nicht ablöse, sondern neben ihnen zur Entwickelung komme, so würden diese, durch die Excentrieität des Lebenskeims aus Durchmessern in excentrische Axen verwandelten Richtungslinien in einer horizontalen (Aequa- torial-) Ebene liegend und einander und die Scheitelaxe rechtwinkelig schneidend gedacht werden müssen (Kreuzaxen). Werden nun diese beiden Kreuzaxen als von früher her unter sich ungleich angenommen (Formdifferenz der Keimblasenform), so muss nach dem von mir vorausgesetzten Kausal- zusammenhange der Dotter- und Zellentheilung (vgl. S. 58. 31. 95—96. 249) dieselbe im Bereiche der kürzeren Axe oder auf zwei entgegengesetzten Seiten der primären Keimschicht und darauf der Gastrula beschleunigt werden, die Flächenausdehnung dort überwiegen, sodass die Gastrula keinen kreisförmigen, sondern einen regelmässig elliptischen Querdurchschnitt bekäme. Ein solches Verhältniss der Eiaxen und ihrer Wirkungen ist nun thatsächlich und sehr deutlich an manchen in der Theilung begriffenen Eiern und den symmetrisch abgeplatteten Gastrulaformen vieler Coelenteraten ausgesprochen (vgl. Nr. 160 Taf. II, VII, Nr. 165 Taf. III Fig. IV). Ferner können wir uns statt der gleich- theiligen Abänderung der einen Kreuzaxe eine ungleichtheilige entstanden denken, und würden davon konsequenterweise neben der ursprünglichen polaren Differenz der Dottertheilung auch eine solche in querer Richtung und demzufolge eine Beschleunigung der Gastrulabildung am kürzeren Ende der neuen Axe erwarten. Bei den Wirbelthieren vermochte ich eine solche einseitige Abweichung von der gleichmässig koncentrischen Ausbreitung der primären Keimschicht erst während des Beginns der Einstülpung (Batrachier) oder doch nach abgelaufener Dottertheilung (Knochenfische) nachzuweisen; KowArLEwsky lässt uns in seiner vortrefflichen Arbeit über die Entwickelung des Euaxes und des Lumbricus die Ursachen jener ungleichmässigen Gastrula- bildung schon im ersten Anfange der Dottertheilung erkennen (Nr. 159 Taf. ID). Doch ist daneben ein gewisses Uebergewicht der Theilungsvorgänge in der gleichtheiligen Kreuzaxe bemerkbar, sodass die Zone der schneller getheilten kleineren Elemente auf den beiden Längsseiten am breitesten bleibt (a. a. O. Fig. 8. 9. 13. 14. 16). Erst bei den Wirbelthieren geht das Uebergewicht der ganzen Entwickelung vollständig auf den einen Pol der ungleichtheiligen Kreuzaxe über. Die andere Kreuzaxe greift allerdings auch noch durch ungleichhälftige Ausbildung in die Kombinationen der übrigen Formdifferenzen ein, bleibt aber im allgemeinen weniger bedeutsam und soll daher erst später XIII. Schlussbetrachtungen. 377 zur Erörterung kommen. Hier will ich aber die allgemeine Bedeutung jener näher bezeichneten ursprünglichen Formdifferenzen des sich entwickelnden Metazoeneies zu erklären versuchen (vgl. den Holzschnitt S. 380). Die erste für die Metazoen in Betracht kommende Formdifferenz der radiären Dotterströmung erzeugt durch den oftgenannten mechanischen Kausal- zusammenhang die Gastrula, und die betreffende ungleichtheilige Hauptaxe des Eies oder die Scheitelaxe wird, sowie sie die Pole der Keimblase bestimmte, agıch zur Hauptaxe der Gastrula (S. 880 Fig. 1. ID. Bleiben die Kreuzaxen gleich und in- different, so hatjene Gastrulaaxe, welche natürlich mit der Längsaxederprimitiven Darmhöhle zusammenfällt, die Bedeutung, dass alle Keimtheile in ihrem Um- fange in der Weise gleichmässig angelegt sind, dass jeder Querdurchschnitt der Gastrula eine regelmässig radiäre Anordnung zeigt, die verschiedenen Quer- durchschnitte aber je nach dem Mass der Differenz der beiden Pole in deren Nähe verschieden abändern. Für jeden axialen Längs- und jeden Querdurchschnitt liegt also die wesentlichste Formbedingung in dem Gegensatz von Peripherie und Axe oder Centrum, sodass die etwaigen weiteren Umbildungen jener gleich- mässigen Gastrula auch nur in gleichmässig radiärer Form erfolgen können. Damit ist der Strahltypus gegeben. Doch darf man dabei nicht an ein starres Schema denken. So ist es für viele Schwämme leicht möglich, dass durch eine zu geringe Beständigkeit der besprochenen Formdifferenz die Gastrula- form überhaupt nicht zu einer regelmässigen Entwickelung gelangt oder dieselbe sekundär abändert. Ferner wird die radiäre Grundform, welche zudem oft ausschliesslich in der Vierzahl der Kreuzradien zum Ausdrucke kommt (Rugosa, Medusae), durch einen mässigen Grad von gleichtheiliger Ditierenz in einer Kreuzaxe nicht beeinträchtigt, weil dadurch nur die Radien symmetrisch abgeändert werden, nicht aber die Gastrulaaxe selbst; dieses Verhalten trifft man bereits unter den Schwämmen (Grantia compressa), noch häufiger wie erwähnt unter den Coelenteraten, und zwar bei Larven und entwickelten Thieren (Hydroidlarven, Ktenophoren). Und selbst wenn wir die Greuzen erlaubter Deduktionen in diesem Gebiete der Morphologie eng ziehen, so scheint es mir doch statthaft, aus der Entwickelungsgeschichte der Siphonophoren den Schluss zu ziehen, dass unter den Coelenteraten selbst die Wirkungen einer ungleich- theiligen Kreuzaxe sich bemerkbar machen. Eine Radialebene tritt bereits am jungen Embryo ganz offenbar vor allen anderen hervor und ändert dadurch die gesammte Anordnung der Organisation in der Weise ab, dass obgleich die radiäre Grundform im allgemeinen erhalten bleibt, wie wir denn die Scheitelaxe 375 XIII. Schlussbetrachtungen. des Eies in die Darmaxe übergehen sehen, dennoch die Symmetrie des Strahl- typus verloren geht, was nicht nur in der Stellung, sondern auch in der höchst divergenten Entwickelung der aus dem polypoiden Centralkörper hervor- wachsenden Organe sich kundgibt (Nr. 165 Taf. VI, X—XI)*. Wir finden also, dass die gesetzmässige Differenzirung der Kreuzaxen, welche bei den Schwämmen noch selten ist, in ihrer einfachsten gleichtheiligen Form bei den Larven der Hydroiden allgemein wird, bei vielen Anthozoen und namentlich den Ktenophoren im vollendeten Zustande erhalten bleibt, und bei den Sipho- nophoren sogar in eine ungleichtheilige Form übergeht. Daraus lässt sich aber entnehmen, dass alle im Eie möglichen und in erster Linie massgebenden Form- differenzen nicht nur bereits im niedersten Metazoentypus vereinigt vorkommen, sondern dass sie sich auch bis zu einem gewissen Grade gleichmässig steigern, sodass in dem Verhältniss, als die Ausbildung der Keimblätter zu- nimmt, auch die sekundären Formdifferenzen beständiger hervortreten. Der Strahltypus wird aber immerhin durch eine solche relativ geringe Höhe jener Steigerung begrenzt, dass diese sekundären Differenzen jedenfalls nicht zu typisch bestimmendem Einfluss gelangen, womit eben auch eine gegenüber anderen Typen schwächere Entfaltung der ersten Formdifferenz in der Scheitelaxe und daher der embryonalen Grundlagen zusammenfällt. Dieses * Mit dieser Auffassung schliesse ich mich natürlich Merscunikorr an, welcher die sogenannten polymorphen Individuen eines Siphonophors für Organe erklärt (a. a. O. S. 38). Es ist hier nicht der Ort, diese Ansicht näher zu begründen und beschränke ich mich daher auf die Bemerkung, dass die Lehre vom Polymorphismus der Siphonophoren sich auf unpräcise Begriffe der Knospung und der Individualität stützt. Eine Knospe ist stets ein physiologisches Produkt, setzt also ein vollständiges Leben des Keimbodens voraus, wovon aber während der morphologischen Entwickelung keine Rede sein kann. Daher knospen fertige Schwammindividuen, Hydroidstöcke, auch wohl die thatsächlich wachsenden Seyphistomen, nicht aber die noch nicht individualisirten Eiprodukte; man müsste denn den besonderen Sinn des Wortes „Knospung‘“ ganz aufgeben und mit Harckeu auch die Segmentirung der Wirbelthierembryonen als „terminale Knospung“ ansehen (Nr. 100 II S. 137). Anderseits ist die Folge der schematisch-analysirenden Auflösung des Individua- litätsbegriffs durch Haeckeı (vgl. S. 600) die, dass dieses Wort „Individualität“ nunmehr nicht ein bloss nach dem Entwickelungsgrade verschiedenes Verhältniss, sondern ganz heterogene Dinge bezeichnet. So kann offenbar die „untheilbare morphologische Individualität“ nichts anderes bedeuten als die blosse Abstraktion der Form, welche aber zur organischen Individualität in keiner näheren Beziehung steht als zu irgend einem beliebigen Formverhältnisse. Bei einer solchen willkürlichen Zersplitterung eines Begriffs kann das in verschiedenem Sinne gebrauchte Wort allerdings gewisse Schwächen einer Erklärung verdecken, um jedoch andere um so leichter hervortreten zu lassen. So lässt sich dadurch der Polymorphismus der Siphonophoren vertheidigen, aber die Konsequenz nicht ausschliessen, dass jeder beliebige andere Organismus dasselbe Verhältniss zeigt. XIH. Schlussbetrachtungen. 879 spricht sich in verschiedenen Richtungen der individuellen Entwickelung der Coelenteraten aus. Einmal können wir uns dadurch die Erfahrung erklären, dass mit dem Vorherrschen der ersten Formdifterenz oder mit dem radiären Typus ein Uebergewicht des einfachen Entoderms oder des Darmblattes in der morphologischen Entwickelung zusammenhängt. Da die letztere mit der Dottertheilung in der Ektodermhemisphäre beginnt, und diese wiederum ihre erste und wichtigste Arbeit in der Entodermausstülpung, also ausserhalb ihres eigenen Bereichs leistet, bevor für sie selbst differentere Anpassungsbedingungen entstehen, so ist es natürlich, dass die morphologische Entwickelung des Ekto- derms sich früher erschöpft und gleichsam ungünstiger arbeitet als im Ento- derm, wo sie später aber auch sofort unter der bestimmenden Formbedingung der typischen Anordnung anhebt. Kommt daher der radiäre Typus vor- herrschend im Entoderm zum Ausdruck, sodass das Ektoderm nur mehr passiv, sekundär daran theilnimmt, so ist dennoch ein bezüglicher Fortschritt innerhalb desselben Typus nicht zu verkennen: bei den Hydroiden bleibt das obere Keimblatt morphologisch indifferent, dann gibt sich seine selbstthätige Entwickelung wenigstens in einer stärkeren gleichmässigen Ausdehnung (Medusenschirm) und, wenn sie endlich noch unter dem Einflusse der schneller gebildeten Gastrula erfolgt, in selbstständigen radiären Bildungen zu erkennen (Rippen, Tentakel der Ktenophoren, Schwimm-, Deckstücke u. s. w. der Siphonophoren). Mit der niederen Formstufe des Strahltypus hängt ferner nicht nur die dürftige Entfaltung eines mittleren Keimblattes, sondern überhaupt die geringe histiologisch-physiologische Differenzirung des ganzen Organismus zu» sammen (S. 874), wobei aber immer Ursache und Wirkung eine Reihe von ver- schiedenen Entwickelungsstufen darstellen. Die eben entwickelten allgemeinen Gesichtspunkte über das Wechselver- hältniss und die Wirkung der Formdifferenzen der Eiaxen finden ihre Bestätigung in den über den Üoelenteraten stehenden Thieren. Die für die Würmer bereits angegebenen ursprünglichen Formbedingungen erzeugen ein Uebergewicht der Entwickelung auf zwei symmetrisch entgegengesetzten Seiten der Gastrula, sodass die aktiven Wirkungen der zweiten ungleichtheiligen Kreuzaxe dagegen zurücktreten. Immerhin bestimmt die letztere die vor- herrschende Ausdehnung jener Seiten nach dem trägeren Kreuzpole, wodurch die ganze Gastrula im derselben Richtung ausgezogen wird und eine neue Längsaxe des Darms rechtwinkelig zu der früheren Gastrulaaxe entsteht, während diese nur noch in der Einstülpungsöffnung, d. h. in sehr vielen Fällen 880 XIII. Schlussbetrachtungen. (lem späteren Munde sich erhält (s. u. Fig. II. IV). Da dienach memer Darstellung vom Kausalzusammenhangeder Embryonalentwickelung nothwendigen ursprüng- lichen Formursachen einer solchen Larvenform in den Dottertheilungsbildern einiger Ringelwürmer einen getreuen Ausdruck finden (Nr. 159 Taf. II), so ist es wohl erlaubt anzunehmen, dass die gleiche Larvenform der Echinodermen, welche namentlich bei Pentacta und den wurmförmigen Seesternlarven J. MÜLLER’S deutlich hervortritt (Nr. 162, Nr. 168 Taf. VI, VII, Nr. 169 Taf. I), und die typische Anordnung der entwickelten Plattwürmer ganz ähnliche Ursachen & NE IV. WAR Er? a. Scheitelaxe. II, Reguläre Gastrula. b, e. Kreuzaxen. III. Wurmembryo. a’. Rückenaxe. IV. X vom Scheitelpol gesehen. b’. Bauchaxe, V. Vertebratenembryo. vH sr vom Scheitelpol gesehen. haben. Diese drei Gruppen haben also als gemeinsamen Ausgangspunkt ihrer Formbildung neben der ungleichtheiligen Scheitelaxe eine überwiegende gleich- theilige und eine untergeordnete ungleichtheilige Kreuzaxe, also die schon bei den höheren Coelenteraten nachweisbaren Formdifferenzen, aber in solcher Steigerung, dass die Gastrulaaxe nicht erhalten bleibt, sondern durch eine rechtwinkelig auf sie stossende Darmaxe ersetzt wird. Aber auch in jenen drei Gruppen divergirt die Entwickelung in Folge eines ungleichen Masses jener Steigerung schliesslich so weit, dass sie in drei verschiedene Typen aus- läuft. — Die definitive Grundform der Plattwürmer weicht nach meiner re A XIII. Schlussbetrachtungen. 881 Ansicht von der bezeichneten Larvenform am wenigsten ab; denn sie behält die Darmaxe als Richtungslinie des ganzen Körpers, sodass die Scheitelebene a b (Medianebene) und die Kreuzebene b c (Frontalebene) allerdings unter sich differiren, aber jede für sich relativ symmetrisch oder gleichtheilig bleibt. Man kann daher diese Ebenen mit den bilateral abgeänderten Radialebenen der Ktenophoren vergleichen, wobei als grundsätzliche Differenz die verschiedene Bedeutung der beiderlei Darmaxen erscheint. Viel näher stehen den Coelen- teraten die Echinodermen, deren Larven bereits durch die bilateralen Darm- ausstülpungen eine Aehnlichkeit mit den Ktenophoren erhalten (METScHNIKorFF). Indem aber eine von diesen bilateralen, radiär getheilten Embryonalanlagen sich theilweise zurückbildet und dadurch die andere allein mit ihrer gleich- mässig radiären Theilung den Darm umwachsen lässt, wird von dieser Seite her eine entsprechende Anpassung der übrigen noch indifferenten Theile des Ekto- und Mesoderms bewirkt; es verwandeln sich demnach die paarig symmetrischen Hauptebenen der Plattwürmer bei den Echinodermen mit wenigen Ausnahmen in lauter gleiche Radialebenen. Kurz, der Strahltypus, dessen allgemeinster Ausdruck in der centralen Darmaxe auch den Platt- würmern nicht fehlt, kommt bei den Stachelhäutern schliesslich zu ganz besonders deutlicher Entwickelung, wobei nur wie bei den Plattwürmern die neue Darmaxe eine grundsätzliche Abweichung von den Coelenteraten bildet. Bei dieser Rückbildung der bilateral angeordneten Theile der Echinodermen- larven zur Strahlform ist es wiederum der embryonale Darm, von welchem die Veranlassung zu der letzteren gerade so wie bei den Coelenteraten selbst aus- geht. Schon die Gastrula der Echinodermen zeigt uns deutlich, dass die Entodermeinstülpung im Verhältniss zu derjenigen der Würmer eine schwache ist (Nr. 162); und wenn dies schon auf ein geringes Mass der Formdifferenz in der Scheitelaxe des Eies deutet, so wird dieser Hinweis noch unterstützt durch die weitere morphologische Entwickelung, welche ähnlich wie bei den Ktenophoren wesentlich vom Darmblatte ausgeführt wird, während das Ekto- derm nur in untergeordneten Bildungen sich selbstständig entwickelt, das mittlere Keimblatt aber als bloss sekundär geformtes netzförmiges Bildungs- gewebe auftritt. Zeigen uns schon die eben behandelten beiden Gruppen eine nicht unbe- deutende Divergenz der Entwickelung von einem wahrscheinlich gleichen Ausgangspunkte aus, so entfernen sich die Ringelwürmer noch weit entschiedener von demselben, und zwar wiederum nur durch eine weitere GOoETTE, Entwickelungsgeschichte. 56 S82 XIII. Schlussbetrachtungen. _ Steigerung der oftgenannten Formdifferenzen. Zunächst bewirkt sie eine Beschleunigung der Gastrulabildung, sodass dieselbe im Anfange der Dotter- theilung beginnend ein mächtiges Entoderm mit einem frühe sich abspaltenden ansebnlichen mittleren Keimblatte anlegt. Die ausgeprägt bilateral- sym- metrische Anlage des letzteren erlangt auch den massgebenden Einfluss auf die typische Gestaltung dieser Thiere. Einmal wird das Darmblatt von einer aktiven morphologischen Entwickelung dadurch ausgeschlossen, dass die Grundzüge derselben durch die beiden anderen weit vorauseilenden Keim- blätter festgestellt sind, ehe jenes seine andauernde Indifferenz aufgibt, welche eben die Folge davon ist, dass die untere Eihälfte (Darmblatt und eventuell Nahrungsdotter) durch die Begünstigung der um den oberen Pol gelegenen Eitheile (oberes, mittleres Keimblatt) gleich bei der Dottertheilung ausser- ordentlich zurückbleibt. Ferner kann aber auch die Bildungsthätigkeit des oberen Keimblattes auf diejenige des mittleren zurückgeführt werden; denn die geringe Verdickung des ersteren über dem Randwulste tritt erst mit der Ausbildung des letzteren hervor und bleibt während der Umwachsung des übrigen Entoderms auf ihn beschränkt (Nr. 159 Taf. IV). Es ist daher durch- aus gerechtfertigt, die paarigen Keimstreifen in erster Linie nur auf das mittlere Keimblatt zu beziehen. Durch ihre symmetrische Disposition auf zwei entgegengesetzte Seiten des Einstülpungsrandes der Gastrula unter- scheiden sie sich ebenso sehr von den ersten morphologischen Anlagen der Vertebraten, wie sie dadurch die in zwei Längsebenen relativ symmetrische Anordnung der Embryonalanlagen der Echinodermen und Plattwürmer ver- hindern. Denn mit der sich zusammenziehenden Gastrulaöffnung kommen sie auf die Seite des unteren Eipols, wo sie endlich in der durch sie gleich von Anfang bestimmten Medianebene und unter Einschluss der Mundöffnung zusammenstossen und auf diese Weise sowohl im eigenen Bereich wie auch im oberen Keimblatte, dessen bilaterale Verdickungen darüber gleichfalls zusammenfliessen, die Anlage je einer unpaaren Bildung veranlassen, des merkwürdigen Analogons einer Wirbelsaite und des Bauchmarks (Nr. 159 S. 20). Jede Homologie dieser Bildungen mit der Chorda und dem Nervensystem der Vertebraten ist selbstverständlich ausgeschlossen, aber nicht etwa desshalb, weil sie auf der oralen oder Bauchseite liegen, denn die „ventral“ und „dorsal“ genannten Lagebeziehungen stimmen in beiden Typen überhaupt nicht überein, wie ein Blick auf die Schemata zeigt (S. 830 Fig. HI— VI); sondern weil jene XIII. Schlussbetrachtungen. 383 Axentheile der Vertebraten primär unpaar*, diejenigen der Würmer aber aus einem Zusammenstoss symmetrisch paariger Anlagen sekundär entstehen. Ausserdem muss hervorgehoben werden, dass nach den vorliegenden embryolo- gischen Thatsachen sowohl bei den Oligochaeten wie bei Sagitta das obere Schlundganglion genetisch zum Bauchmarke gehört. — Die Keimstreifen des mittleren Keimblattes führen aber noch eine weitere Neuerung der morpholo- gischen Entwickelung herbei, die Flächenspaltung und die Quergliederung, welche allerdings in ihren nächsten, lokalen Anpassungsbedingungen mit der- jenigen der Wirbelthiere übereinzustimmen scheinen, ohne dass jedoch die weitere Entwickelung der Segmente in diesen beiden Abtheilungen des Thier- reichs irgend. welche bestimmten Homologien böte**. Die Lagebeziehungen dieser Segmente zu den unpaaren zwischen ihnen entstehenden Organen lassen es unmittelbar erkennen, dass die Hauptrichtungslinie des Körpers solcher Würmer aus der Darmröhre auf die durch jene Körpertheile ausgezeichnete Seite der Leibeswand übergegangen ist, womit sich eine wichtige Veränderung der primären, in zwei Richtebenen symmetrischen und folglich darmaxigen Wurmform vollzogen hat. Sie ist ventro-axial geworden, sodass sie von den ursprünglichen Lagebeziehungen der Gastrula nur noch die orale Seite und deren Gregensatz im Rücken behält. Da nach dem Gesagten diese Veränderung der Grundform sich leicht auf eine Steigerung der Formdifferenzen des Eies zurückführen lässt, so brauche ich die weiteren Folgen derselben für die Organisation der höheren Würmer nicht näher auszuführen. Die hier zum ersten Mal auftretende primär-morphologische Entwickelung des mittleren Keimblattes überträgt ihre Formen nicht nur auf das obere Keimblatt, sondern bietet m ihrem eigenen Bereiche so mannigfaltige neue Formbe- dingungen, dass die höhere histiologische Differenzirung als Folge einer solchen morphologischen selbstverständlich ist. *) Wer von meiner bezüglichen Darstellung bei den eigentlichen Wirbelthieren (8. 157. 158) sich nicht will überzeugen lassen, den kann ich an dieser Stelle auf Aseidia und Amphioxus verweisen. #=%) Ich erinnere zunächst daran, dass die getrennten Segmente und die primär und grösstentheils überhaupt nicht segmentirten Seitenplatten zwei verschiedene Keimtheile darstellen. Die aus den Segmenten der Würmer hervorgehende Leibeshöhle und ihre Segmentalorgane können daher den ähnlichen Erzeugnissen der Seitenplatten der Wirbel- thiere nicht homolog sein; die Segmentalorgane als röhrenförmige Auswüchse der Segment- wand in die Leibeshöhle hinein (Nr. 159 S. 25) haben insbesondere mit den Urnieren, mit denen sie KowaLEwsKY selbst vergleicht (8. 29), nur die genetische Aehnlichkeit, dass sie im mittleren Keimblatte als Röhren entstehen, was sich aber natürlich auch vom Herzen und anderen heterogenen Organen behaupten lässt. 56* 384 XIII. Schlussbetrachtungen. Den höheren Würmern sind die Arthropoden und die Brachiopoden nach ihrer Entwickelung unbedingt anzureihen; vielleicht dürfen auch die Mollusken derselben Grundform, natürlich in weiteren Grenzen, zugezählt werden. Bei den Insekten liegt die Gastrulaöffnung als lange Spalte zwischen den bilateral symmetrischen Randwülsten (Nr. 159 Taf. VID), sodass die Lage der die Körperaxe bestimmenden Hauptorgane (mit Einschluss des oberen Schlund- ganglions), parallel zur sekundären Darmaxe oder rechtwinkelig zur Scheitel- axe des Eies und zur Gastrulaaxe leicht verständlich ist. Doch ist das Zusammenfliessen dieser paarigen Anlagen zu unpaar-axialen weniger voll- ständig als bei den Oligochaeten, welche den Schluss einer Entwickelungsreihe bilden, die mit einer relativ symmetrischen Trennung der bilateralen Anlagen bei den Ktenophoren und Echinodermen beginnt und dann durch die Platt- würmer zu den höheren Formen des ventro-axialen Typus führt. Ueber die Wirbelthiere brauche ich nicht viel zu sagen. Das sie von dem eben betrachteten Typus unterscheidende Merkmal ist bei der allgemeinen Steigerung aller Formdifferenzen das sehr früh hervortretende Uebergewicht jener im vorigen Typus noch untergeordneten ungleichtheiligen Kreuzaxe, so- dass Ektoderm und mittleres Keimblatt gleich primär in einseitigen unpaaren Anlagen die künftige Richtungslinie des Körpers bestimmen, welche aber nicht wie im ventroaxialen Typus aus der sekundären, abgebogenen Darmaxe, sondern aus der ursprünglichen Gastrulaaxe verschoben wird, dieser also parallel liegt (vgl. S. 880). Mit anderen Worten, wenn der Rücken eines Wurms oder Arthropoden dem oberen Polfeld des Eies entspricht, so entsteht der Rücken des Wirbelthiers längs einer meridionalen Linie desselben; die Einstülpungs- öffnung der Gastrula, welche bei den erstgenannten Thieren zum Munde wird, bezeichnet bei den Vertebraten (Knochenfische, Batrachier) die Lage des künftigen Afters*. Sowie nun im Strahltypus das Darmblatt oder doch das ungetheilte Entoderm, im ventro-axialen Typus das mittlere Keimblatt die morphologische Entwickelung beherrscht, so ist es bei den Wirbelthieren (dorso-axialer Typus) das obere Keimblatt, welches in seiner fundamentalen Anlage des Oentralnervensystems im allgemeinen und im besonderen die Höhe * Wenn dies auf die Amnioten nicht ohne weiteres anwendbar ist, so wissen wir doch, dass die Embryonalanlage nur mit ihrem Schwanzende den Rand der Keimscheibe erreicht, mit dem Kopfende aber von ilım weit absteht, sodass der Schluss dieses Randes unter dem Nahrungsdotter dem After immer näher liegen muss als dem Munde. XIII. Schlussbetrachtungen. 885 jener Entwickelung bestimmt, wie ich es vielfach nachgewiesen habe, für den Kopf in seinen einzelnen Theilen (Kiefer, Kiemen, Herz), für die Brust und ihre Eingeweide u. s. w. Daher ist der Gegensatz von Bauch und Rücken der Wirbelthiere erst mit jener dorso-axialen Anlage bezeichnet, während bei den Würmern und Arthropoden die schon ursprünglich bestimmte orale Seite der Gastrula sich in die ventrale des entwickelten Thieres verwandelt. Bevor ich diese vielleicht schon ermüdenden Vergleiche verlasse, sei noch kurz der Wirkungen einer geringen Ungleichtheiligkeit der bisher als gleich- theilig behandelten zweiten Kreuzaxe des Eies gedacht. Diese Abänderung kann nach allen voranstehenden Betrachtungen ein gewisses niederes Mass nicht überschreiten, wenn die typische Entwickelung überhaupt nicht beein- trächtigt und endlich ganz aufgelöst werden soll. Ihre Wirkungen treten daher nur sekundär und relativ spät ein, sodass der bereits festgestellte Typus dadurch keine wesentliche Abänderung erleidet, obgleich sie für gewisse beschränktere Entwickelungsvorgänge von grösster Bedeutung sind. Deutlich erscheint eine solche Wirkung erst bei den Echinodermen in der erwähnten Rückbildung der einen lateralen Darmaussackung, wodurch die andere allein die Anlage des Wassergefässsystems liefert und die radiäre Anordnung der meisten oder selbst aller Körpertheile hervorruft. Bei den Mollusken mag die spirale Aufwindung daher rühren; und wenn sich ganz allgemein die Ursachen der gesetzmässigen Asymmetrie des Situs viscerum darauf zurückführen liessen, so brauche ich die Bedeutung dieser Formdifferenz für die Bildung gewisser Organe, Gefässe u. s. w. nicht weiter zu erörtern (vgl. S. 750. 799). An dieser Stelle habe ich sie nur erwähnt, um zu zeigen, dass in den uns vorliegenden Typen des gesammten Thierreichs alle im Eie möglichen wirksamen Form- ursachen erschöpft sind. Die voranstehenden Betrachtungen beziehen sich allerdings nur auf die Hauptformen des Thierreichs, und behandeln ferner nur die grundlegenden Erscheinungen ihrer individuellen Entwickelung; doch halte ich sie für genügend, um mit Rücksicht auf meine eingehenden Untersuchungen an Wirbelthieren auch für die weitere Entwickelung der übrigen Thiere die allge- meine Auffassung geltend zu machen, dass die ganze morphologische Entwickelung in mechanischen Formleistungen verlaufe, welche in ununter- brochenen Kausalzusammenhang von jenen ersten einfachsten Formbedingungen der im Eie eingeleiteten protoplasmatischen Bewegungen ausgehen, durch gegenseitige Anpassung und Bewirkung sich fortlaufend gliedern und am Ende 336 XIH. Schlussbetrachtungen. dieser Entwickelung in den lokal geschaffenen Formbeziehungen der embryo- nalen Körpertheile die einzigen unmittelbaren Ursachen der Gewebssonderung darstellen. Von diesem Gesichtspunkte aus rechtfertigt sich die Beschränkung auf die bisher betrachteten primären Formverhältnisse, da in ihnen die wesentlichen Grundlagen des Gemeinsamen und Verschiedenen in der späteren üntwickelung hinlänglich angedeutet sind. Gemeinsam für die Ontogenese aller Thiere ist die Natur der im jeweiligen Ausgangspunkte (Ei) vorhandenen Ursachen der Entwickelung und die Art ihres Zusammenwirkens, verschieden lediglich das Mass derselben; die einzig denkbaren qualitativen Unterschiede, nämlich diejenigen der stofflichen Zusammensetzung, kommen zunächst in qualitativ verschiedenen Wirkungen nicht zum Ausdruck, können daher nur jenes Mass der gleichartigen Vorgänge beeinflussen, also füglich unbeachtet bleiben, solange es sich in erster Linie um diese Vorgänge selbst handelt. An jenem Ausgangspunkte der individuellen Entwickelung aller Thiere finden wir nun gerade so wie ich es zuerst bei den Wirbelthieren nachwies, eine unorganisirte, relativ homogene Masse, welche an sich ohne. Leben, ein gewisses Quantum von Spannkräften enthält, deren Lösung die an der ganzen Masse sich vollziehenden Formbildungen unterhält und in denselben ein individuelles Leben neu entstehen lässt. Das Formgesetz, welches in den bestimmten Formleistungen dieser aktiven Bildungsursachen sich ausspricht, ist überall auf die denkbar einfachste gesetzmässige Form im Anfange der Entwickelung zurückzuführen, auf die Kugel, welche die radiäre Anordnung der Elementaraktionen bedingt. Jedes Heraustreten aus diesen indifferentesten gesetzmässigen Formverhältnissen ist daher an die Abänderung der Bewegungs- radien geknüpft, welche durch die Extreme in den drei Hauptdurchmessern oder -axen bemessen wird. Im allgemeinen darf man annehmen, dass diese dreierlei Formdifferenzen in allen Eiern, nur in sehr verschiedenem Masse angelegt sind, sodass die weniger ausgebildeten nicht zu wirksamem Ausdrucke kommen. Da gleiche Axen indifferent bleiben*, so muss bei eingetretener Wirkung stets eine axiale Formdifterenz überwiegen, an welche sich eventuell die anderen anschliessen; die verschiedenen Kombinationen dieser ineinander- sreifenden Formdiflerenzen ergeben alsdann in der beschriebenen Weise die = Sind sie eleichtheilig, so ist die Indifferenz selbstverständlich; sind sie ungleich- theilie, so wird die in der Mitte zwischen ihnen liegende Axe als differentere allein zur Wirksamkeit gelangen. RN XIII. Schlussbetrachtungen. 887 verschiedenen Grundformen*, wobei ich nur hervorheben will, dass im allge- meinen (aber durchaus nicht regelmässig) die Formdifterenzen in allen drei Axen sich gemeinsam steigern, und daher auch die Steigerung der ganzen Organisation von einer Grundform zur andern fortschreite. Die Verschiedenheit der letzteren lässt sich also sowohl im ganzen Thierreiche wie in den einzelnen grösseren Abtheilungen desselben auf eine Reihe verschiedener Grade in der Formdifferenzirung der radiären protoplasmatischen Strömung zurückführen, welche den allen Thieren gemeinsamen Ausgangspunkt ihrer individuellen Entwickelung bildet; und nothwendig knüpft sich an diesen Schluss die Frage, ob wir in jener allmählich fortschreitenden Gliederung einen thatsächlichen Entwickelungsverlauf vor uns haben und wie eventuell der Zusammenhang der Glieder sich gestalte. Ich komme damit zur Kritik der Descendenztheorie, zu welcher ich mich an dieser Stelle desshalb veranlasst fühle, weil HAECKEL bekanntlich behauptet, dass die Phylogenese die eigentliche mechanische Ursache der Ontogenese (Nr. 163 S. 7), und folglich die letztere nur aus der ersteren zu erklären sei. „Die Descendenz-Theorie ist die wissenschaftliche Begründung der gesammten Entwickelungsgeschichte durch das allgemeine Kausalgesetz“. „Ohne die Abstammungslehre ist die Morphogenie nur eine empirische Sammlung von Thatsachen, welche erst in den von der ersteren enthüllten wirkenden Ursachen ihre Erklärung finden“ (Nr. 100 II S. 149). Ich glaube nun allerdings in diesem ganzen Buche bis zu dieser Stelle den Be- weis geliefert zu haben, dass die Ontogenese in ununterbrochenem ursächlichen Zusammenhange auf den allereinfachsten nicht lebenden Ausgangspunkt sich zurückführen lasse, ohne dass die Phylogenie auch nur erwähnt zu werden brauchte; ich glaube ferner darin nicht zu viel behauptet zu haben, dass sich bei HAEcKEL nicht nur keine einzige thatsächliche Bezeichnung irgend eines * Ich brauche hier nur kurz zu bemerken, dass meine Auffassung der genetischen Grundformen der Thiere mit der Promorphologie HAEcker’s nicht im geringsten zusammen- fällt. Die letztere sucht die Gestalten aller organischen Erscheinungen durch Beziehung auf eine ihnen zu Grunde liegende stereometrische Form in anschaulicher Weise dem Ge- dächtniss einzuprägen (Nr. 100 I S. 377 u. flg.). Natürlich werden dabei die heterogensten Dinge zusammengestellt, Pflanzen und Thiere, ganze Organismen und einzelne Körper- theile, Organsysteme und Gewebselemente; dass aber auch die „Promorphen‘ der ganzen Thiere sich nicht mit deren genetischen Grundformen decken, ergibt sich aus folgenden Zusammenstellungen gleicher Promorphen: Rugosa, Anneliden, Nemertinen u. s. w. — Wirbelthiere, Arthropoden, Mollusken, Echinodermenlarven,, Siphonophoren (a. a. 0. S. 515. 521), wobei namentlich im zweiten Falle Metazoen von allen genetischen Grund- formen als Eudipleura vereinigt werden. 888 XII. Schlussbetrachtungen. ontogenetischen Kausalzusammenhangs, sondern im Gegentheil als Ausgangs- punkt jeder Ontogenese eine empirisch weder begründbare noch fassbare Ursache (Bildungstrieb des Plasmas) angegeben findet, sodass damit der natürliche Kausalzusammenhang zwischen Onto- und Phylogenese bereits negirt ist. Dennoch wäre es möglich, dass manchem Leser dieses Buches die insbe- sondere von HaEcKEL systematisch ausgearbeitete Darwın sche Descendenz- theorie so unanfechtbar erschiene, dass dadurch meine Darstellung an Glaub- würdigkeit einbüsste; dies veranlasst die folgenden Bemerkungen. Die Nothwendigkeit der Descendenztheorie finde ich nirgends anders motivirt, als dadurch, dass im Falle ihrer Verneinung nur die Annahme einer übernatürlichen Schöpfung aller Thierformen im fertigen Zustande übrig bliebe. Dieses Dilemma existirt für denjenigen nicht mehr, wer HAEckKEL'S Theorie von der autogonen Entstehung der ersten Organismen sich zu eigen macht. Danach entstanden dieselben wie Krystalle, indem die Moleküle anorganischer Stoffe sich unmittelbar zu fertigen Moneren verbanden, welche lediglich vermöge ihrer chemischen Konstitution in form- und strukturlosem Zustande Leben und Entwickelungsfähigkeit besassen (vgl. S. 533 —589, Nr. 100 IS. 164. 165. 182. 190). Nun betrachtet aber HArcKEL die reifen Eier aller Thiere als ebensolche Bildungen (Monerulae), deren Bildungskraft ebenfalls nur in ihrer besonderen chemischen Zusammensetzung beruhe (Nr. 100 II S. 174). Dann muss aber konsequenterweise die Möglichkeit einge- räumt werden, dass solche Eistofie ebenso gut wie das Protoplasma der Moneren autogon entstanden und vermöge der ihnen adhärenten Bildungskraft sich unmittelbar zu den verschiedensten Thieren entwickelten*. Meine Auf- fassung der individuellen Entwickelung nöthigt.aber allerdings unbedingt zu der Annahme, dass jeder etwas weiter differenzirte thierische Organismus sowie jedes solche Ei durch eine kontinuirliche Generationsreihe von aller- einfachsten ersten Lebewesen abstammen, und dass wahrscheinlich ganz im allgemeinen die Reihe der dabei durchlaufenen verschiedenen Formstufen um so länger sei, je differenter die individuelle Entwickelungshöhe des betrachteten * Die besonderen Eihüllen werden von Hazcker bei der Erklärung der Entwickelungs- fähigkeit der Eier (a. a. O0.) nicht erwähnt und beachtet, sie können daher auch die genannte Schlussfolgerung nicht stören. Uebrigens gibt es bekanntlich auch unter den Metazoen nackte Eibildungen, sowie auch eine einfache Dotterhaut als Absonderung der Dotterkugel für die Autogonie keine Schwierigkeiten bieten könnte. XIII. Schlussbetrachtungen. 889 Organismus sich herausstellt. Nachdem ich auseinandergesetzt, dass ein wirkliches Leben ohne ein Formgesetz undenkbar , dieses aber keinesfalls eine Eigenschaft der Stoffmoleküle an sich ist (S. 533 u. flg.), so kann ich selbst- verständlich die Hypothese Harcren’s von der Autogonie der ersten Organismen nicht billigen. Auch die Krystallisation der Anorgane setzt bereits die fertigen Moleküle des betreffenden Stoffes voraus, welche durch den Krystallisations- process nicht erst geschaffen, sondern in neue Lagebeziehungen zu einander gebracht werden; wie viel mehr muss bei der Entstehung der ersten Organismen ein bereits fertiges und zusammenhängendes organisches Substrat vorausgesetzt werden, da die Organisation desselben nicht der unmittelbare Effekt irgend einer physikalischen Wirkung, sondern erst die Folge einer wenn auch noch so kurzen Entwickelung sein kann. Denken wir uns nämlich einen Theil eines nichtorganisirten protoplasmatischen Stoffes, welcher selbst erst durch eine Reihe von Umbildungen entstanden sein mag, von der übrigen Masse abgelöst und darauf unter dem Einflusse des umgebenden Mediums kugelig kontrahirt, dadurch also in eine gesetzmässige Form gebracht, so wären damit im besten Falle erst die Bedingungen angelegt, unter denen die früheren Wechselwirkungen des Stoffes mit seiner Umgebung sich gegenseitig so anpassen können, dass ihre einheitlichen Wirkungen sich allmählich zu der physiologischen Leistung der Ernährung steigern, welche erst die durch Reize ausgelösten Kontraktionen des ganzen Körpers fortdauernd unterhält und so in individuelle oder Lebensbewegungen verwandelt. Eine solche in Folge einer wirksamen Formbildung eingeleitete und allmählich sich vollziehende Herstellung eines individuellen Lebens fällt aber mit dem Begriff der indivi- duellen Entwickelung zusammen. So konnten also nach meiner Ansicht auch die ersten Organismen nur auf ontogenetischem Wege aus bereits vorgebildeten organischen Stoffen entstehen. Sie konnten aber auch nur eine relativ einfachste Organisation besitzen, mochte dieselbe auch in den einzelnen Individuen bereits innerhalb gewisser Grenzen verschieden sein; denn schon unter den Protozoen sehen wir die Eibildung und -entwickelung an gewisse Bedingungen geknüpft, welche bei den einfachen Wechselwirkungen eines unorganisirten Stoffes mit seiner natürlichen Umgebung nothwendig fehlen, so z. B. die Herstellung und den Aufenthalt des Eies im Mutterthier bei den Infusorien. Dies erfordert die Annahme, dass diese Thiere irgend einmal aus anderen hervorgingen, deren individuelle Entstehung nicht an jene Bedingung geknüpft war, d.h. ausserhalb des Zeugungsthieres verlief, also auch nothwendig 890 XIII. Schlussbetrachtungen. einen anderen Verlauf hatte; die Vorfahren der Infusorien mussten anders ge- bildet gewesen sein. Selbstverständlich müssen solche Schlussfolgerungen noch in viel höherem Masse für die Metazoen Platz greifen. Und da die relativ niedersten Protozoen eine Form der individuellen Entwickelung zeigen, welche dem vermuthlichen Vorgange der ersten Entstehung von Organismen am nächsten steht, so folgt daraus, dass alle über den Protozoen stehenden Thiere von niedersten Organismen abstammen müssen, welche jenen sehr ähnlich waren; und da ferner die einzelne Fortpflanzung die schon bestehende Form der Eltern in den Nachkommen im allgemeinen wiederholt (Vererbung), so wird, je komplicirter die Formbedingungen einer bestimmten Eibildung und -entwickelung erscheinen, eine um so grössere Reihe verschiedener von den Vorfahren durchlaufener Formen wahrscheinlich, von denen jede einen neuen Beitrag zur Herstellung jenes Komplexes von Formbedingungen und somit der daraus folgenden Organisation lieferte. Im allgemeinen wird also jede solche zusammenhängende Formenreihe einen Fortschritt von niederen zu höheren Formstufen darstellen. Damit wäre zunächst nur die Nothwendigkeit der Annahme der Descen- denztheorie überhaupt erwiesen. Wie steht es aber mit dem Kausalzusammen- hange der von ihr geforderten phylogenetischen Entwickelungsreihen, was bewirkt die Abänderung der Stammformen und dann die relative Erhaltung der veränderten Form? — Die Antwort, welche Darwın darauf gegeben hat, wird wie mir scheint noch immer falsch beurtheilt. Dass naturgemässe Veränderlichkeit und die Erblichkeit in ihrer Wechselwirkung der fort- schreitenden Formbildung der Generationsreihen zu Grunde lägen, war am Ende schon für den ersten Begründer der Descendenztheorie, LAMARCK, selbstverständlich; und wenn HAzcker hervorhebt, dass das eigenste besondere Verdienst Darwın’s in der Fassung der Selektionstheorie, der natürlichen Zucht- wahl bereits vorhandener Formen im Kampfe ums Dasein, beruhe (Nr. 100 H S. 166), so ist es mindestens inkonsequent, wenn Haroren auf der folgenden Seite ausspricht: „Der Grundgedanke von Darwın's Selektions- Theorie liegt in der Wechselwirkung zweier physiologischen Functionen“, nämlich der Ver- erbung und Anpassung. Denn die natürliche Zuchtwahl im Kampfe ums Dasein kann lediglich von den bereits vorhandenen Formen einige ganz aus- schliessen, andere erhalten und daher eine einschränkende Bedingung für die Formumbildung der folgenden Generationen werden, gerade so wie daneben die Isolirung nach Waanur’s Migrationstheorie und vielleicht noch andere be- XII. Schlussbetrachtungen. s91 stimmter zu sondernde äussere Beziehungen des thierischen Lebens. Indem aber so die natürliche Zuchtwahl bloss von der Verschiedenheit abhängig, wie sich gleiche oder ungleiche Formen zu verschiedenen oder denselben äusseren Lebensbedingungen verhalten, nur unter gewissen Umständen die aus Ver- änderlichkeit und Erblichkeit hervorgegangenen formbildenden Wirkungen sekundär trifft, kann sie uns weder die mechanischen Ursachen der letzteren aufdecken, noch gar enthalten, ihre Lehre daher nicht im geringsten zur „unerschütterlichen mechanischen Basis der Descendenztheorie‘‘ werden, wie HAEcKEL meint (a. a. O.). Die Selektionstheorie ist vielmehr nur zulässig unter der Voraussetzung, dass die Descendenzlehre bereits vollkommen ge- sichert ist. Die jener entgegengesetzten Auffassung zu Grunde liegende Ver- wechselung wird dadurch verständlich, dass man bisher, wie ich weiter unten zeigen werde, irrthümlicherweise die Ursachen der erblichen Veränderungen und diejenigen der natürlichen Zuchtwahl gleicherweise in den äusseren Lebens- bedingungen der Thiere suchte, also identifieirte. Dies that bereits Darwın, aber erst HaeckEu hat es mit aller wünschenswerthen Klarheit auseinander- gesetzt, sodass ich meine Kritik auch vorzugsweise gegen sein fertiges System richte. Ehe ich daran gehe, sei im voraus bemerkt, dass ich dadurch, dass auch Darwın ein Irrthum nachgewiesen wird, seine grossen Verdienste nicht wesentlich geschmälert, sondern nur in einer anderen Richtung sehe als in der „mechanischen Begründung“ der gesammten Descendenztheorie. Ob der Beweis für die letztere im einzelnen richtig, ob eine thatsächliche und aus- reichende Erklärung derselben überhaupt gegeben ist oder nicht, tritt gegen die Thatsache zurück, dass er es verstanden hat, uns die Wahrheit jener Hypothese durch ihre Brauchbarkeit mit überwältigender Macht zum Bewusst- sein zu bringen, uns zu einer instinktiven Anerkennung derselben zu zwingen. Seiner Selektionstheorie an sich kann dagegen nur die sekundäre Bedeutung zukommen, zu zeigen, wie die aus der Descendenztheorie abzuleitenden Folgen sich in der Gesammtökonomie der Natur gestalten, und zwar in wechselnder Weise je nach den aufeinanderfolgenden oder nebeneinander gesonderten Bedingungen jener Oekonomie. Daher ist jene Bedeutung auch nur eine relative; indem wir die natürliche Zuchtwahl an einem Ort und zu einer Zeit eine Form erhalten sehen, welche sie an anderen Orten und zu einer anderen Zeit vernichtet, werden wir sie nur für den jeweiligen Bestand der organischen Formenwelt verantwortlich machen können, nicht für die Entstehung der Formen überhaupt. Die Täuschung, als ob die letztere 892 XIII. Schlussbetrachtungen. wirklich von der natürlichen Zuchtwahl geleitet werde, entspringt eben aus der Verwechselung der Begriffe der Formbildung am einzelnen Individuum und der Artbildung oder des praktischen Resultats der im Kampfe ums Dasein einander gegenübergestellten Formen, welches Resultat zudem ganz subjektiv auf einer früheren oder späteren Stufe bestimmt wird, während jener nie rastende Kampf und die daran geknüpfte Zuchtwahl endgiltige Resultate nicht kennen. Die bestimmte individuelle Formbildung und der willkürliche, schwankende, nur aus einer Mehrheit von Individuen und Generationen zu abstrahirende Artbegriff sind eben zwei verschiedene Dinge, die sich nicht im mindesten decken, sodass die erstere ebenso gut eine vorübergehende Erscheinung sein oder vererbt und in den Nachkommen weiter ausgebildet eine wirkliche Art bilden kann. Daraus geht aber klar hervor, dass die Entstehung der Arten gar nicht unmittelbar oder ausschliesslich in der individuellen Formbildung begründet ist, sondern dass die letztere gleichsam nur das Material liefert, womit die Artenbildung unter den Bedingungen der Gesammtökonomie der Natur operirt; und wenn dieser letztere Vorgang in Darwın’s Selektionstheorie eine ganz ausgezeichnete Darstellung fand, so kann ich dies von der Begründung der Descendenztheorie durch denselben Naturforscher nicht behaupten. Er selbst hat auch jene kausale Begründung durchaus nicht in den Vordergrund seiner ganzen Beweisführung gestellt; dies geschah jedoch durch seinen beredtesten Anhänger, durch HarEcker, dessen übersichtliche und bestimmte Darstellung ebenso sehr für sich gewinnen mag, als sie anderseits die Kritik erleichtert. DieAnpassung und die Vererbung sind nach HaAEcKEL zwei allgemeine physiologische Funktionen, von denen die eine die Form des sich anpassenden Individuums verändert, die andere sie auf die Nachkommen überträgt und bis zum Eintritt neuer Veränderungen erhält. Dies seien die einzigen „mechani- schen Ursachen der Morphogenesis“ (Nr. 100 ILS. 9. 223). — Indem HAEcKEL selbst die Anpassung unterscheidet, je nachdem sie selbstständige Individuen oder den Keim im mütterlichen Organismus betrifft, so ist die Bezeichnung der Anpassung als individueller physiologischer Funktion nur unter der Voraus- setzung allgemein statthaft, dass der Keim, das Ei, als selbstständiger Or- ganismus und lebendes Individuum betrachtet wird. Da ich diese Auffassung mehrfach widerlegt habe, so kann ich die durch das Mutterthier hervorgerufenen Veränderungen des Eies während seiner Entstehung nicht als eigene physio- logische Anpassung desselben, sondern nur als mechanische Wirkung seiner XIII. Schlussbetrachtungen. 393 Umgebung ansehen , welche zudem gar nicht immer unmittelbar durch physio- logische Akte des Zeugungsthiers hervorgerufen wird, da bei den Protozoen der Tod des letzteren der Eibildung vorausgeht. Von diesen Veränderungen des sich bildenden Eies, welche nach meiner Ansicht unter allen Umständen sich im Wesen gleich bleiben, nennt HAEcREL diejenigen, deren spätere: Wirkung einer vorangehenden Veränderung des Zeugungsthieres entspricht, Vererbungs- erscheinungen; die anderen oder die „indirekten Anpassungen“, wobei die Ernährung des Zeugungsthiers nur den Keim, nicht es selbst abändere, seien überhaupt nicht sicher zu beweisen, sodass ihre Existenz nur dadurch begründet werden könne, dass eigentlich niemand daran zweifle (Nr. 100 II S. 203. 207. 208). Unter solchen Umständen muss man wohl annehmen, dass HAEcKEL bei seinen weiteren Folgerungen jene angeblich unerwiesenen Vor- gänge unberücksichtigt gelassen und bloss die empirisch festgestellten, direkten physiologischen Anpassungen im Auge gehabt habe. Die auf solche Weise vom Individuum erworbenen Veränderungen würden nun — ob ausnahmslos oder nicht, bleibt sich im vorliegenden Falle gleich — mit der gesammten angeborenen Organisation auf die Nachkommen vererbt. — Von der. Ver- erbung behauptet HAEcKEL, dass sie eine physiologische Funktion der organischen Individuen sei, welche sich in der Thatsache äussere, dass die- selben bei ihrer Fortpflanzung ihnen ähnliche Individuen erzeugten; und die Ursache der ihr zu Grunde liegenden „Kraft“ oder der Erblichkeit sei lediglich „die partielle Identität der specifisch -konstituirten Materie im elterlichen und im kindlichen Organismus, die Theilung dieser Materie bei der Fortpflanzung“ (Nr. 100 II S. 170. 171). Wir erfahren hier allerdings, was die Aeusserungen und Ursachen der Vererbung sind, aber durchaus nicht, worin nun der betreffende physiologische Vorgang bestehe, der Vererbung heisst. Vergegen- wärtigen wir uns den ganzen Vorgang der Fortpflanzung, die Bildung, Ablösung, Befruchtung des Eies, so wird wohl keiner dieser Akte Vererbung genannt werden können; die Vererbungsfunktion könnte also bloss in einem bisher nicht entdeckten Vorgange neben den genannten empirischen Erscheinungsreihen bestehen. Dagegen stellt es die einfachste Ueberlegung fest, dass das einzige Bestimmte und Thatsächliche, was wir mit dem Worte „Vererbung“ unzweifelhaft bezeichnen, ein Verhältniss ist, nämlich die Relation der Gleichheit zwischen Zeugungsthier und Nachkommen. Es kann also die Vererbung in diesem Sinne natürlich nicht die mechanische Ursache dessen sein, was sie selbst bezeichnet, nämlich des Wiedererscheinens der elterlichen 894 XIII. Schlussbetrachtungen. En: . Form in den Nachkommen. Und Harcken selbst liefert uns den Beweis, dass er in der That diese Erscheinung mit den ihr zu Grunde liegenden Vorgängen verwechselt und in Folge dessen zu einer angeblichen Funktion gestempelt hat, mit welcher fernerhin als mechanischer Ursache operirt wird. Setzen wir nämlich die Richtigkeit der Behauptung voraus, dass die Erblichkeit, welche sich mit dem ‚inneren Bildungstriebe“ oder der „unmittelbaren Wirkung des Stoffes der Organismen“ decke, nur in jener Identität des Stoffes des Zeugungs- thiers und seiner Zeugungsprodukte begründet sei (Nr. 100 IS. 155, II S. 171), so ergibt sich daraus, dass diese Identität auch schon den gleichen Bildungs- trieb in beiden Theilen involvirt, also das Verhältniss der Gleichheit in der Bildung der Eltern und Nachkommen zur Folge haben muss. Da nun bei HaEcKEL als diese nothwendige Folge die „Vererbungsfunktion*“ erscheint, so erhellt, dass nach seinen eigenen Worten diese angebliche Funktion sich mit der Vererbung als Relation deckt. — Ist nun auf diese Weise die Vererbung als mechanische Ursache eliminirt, so bleibt noch die eben erwähnte kausale Begründung der als Relation erkannten Erscheinung zu untersuchen übrig. Jene von Hazcren als die fragliche Ursache angeführte Identität des Stoffes des Zeugungsthiers und seiner Zeugungsprodukte ist nach allen angezogenen Vergleichen, mit Rücksicht auf die handgreiflichen That- sachen und daraus sich ergebenden Folgen grundfalsch (vgl. Nr. 100 II S. 174). Mag die Theilung lebender Organismen auf einem Wachsthum des gleichen stofflichen Substrats beruhen, so besagt dies eben nichts für die Eibildung, welche als Herstellung einer unorganisirten Dottermasse mit jenen Theilungen nichts gemein hat und am wenigsten aus solchen hervorging. Die Behauptung, ‚dass die Gesammtheit der verschiedensten Stoffe des mütterlichen Organismus dem „homogenen“ Eistoffe gleich sei, und dass daher dieselben Kräfte und Formen an beiden „haften“, kann im ersten Theil nur Sinn haben, wenn man überhaupt alle materiellen Differenzen der protoplasmatischen Substanzen leugnet;, der zweite Theil ist aber ein so krasser Ausdruck jener schon mehr- fach widerlegten Auffassung, dass Leben und Formbildung inhärente Eigen- schaften des Plasmas seien, dass ich nur auf Früheres hinzuweisen brauche (8.7589). Das Ergebniss unserer Untersuchung ist, dass HazckEn weder eine klare Vorstellung vom Begriffe der Vererbung hat, noch diese Erscheinung irgendwie zu erklären vermag. Sehen wir uns zuletzt noch den Zusammenhang an, in den er Vererbung und Anpassung zu bringen sucht, um dadurch die gesammte u XIII. Schlussbetrachtungen. 395 Descendenztheorie kausal zu begründen. Ich zeigte, dass für HAEcKEL zunächst nur die direkten physiologischen Anpassungsvorgänge bei der Ver- erbung in Betracht kommen können; und in der That sind auch die von HaEcKEL erdachten Beispiele nur auf solche Vorgänge bezogen, wie z. B. die Abänderung der Planaea in eine (rastraea durch einseitige Nahrungsaufnahme, der Gastraea in einen Protascus (Strahltypus) und eine Prothelmis (Wurm- typus) durch festsitzende und kriechende Lebensweise erklärt wird (Nr. 158 S. 393. 401. 402). Die Vererbung solcher direkteri Anpassungen oder im individuellen Leben erworbener Veränderungen wird nach Darwın's Vorgange allerdings behauptet, und zwar sowohl für normale als pathologische, psychische, histiologische und morphologische Verhältnisse. Natürlich kann ich mich hier auf eine Kritik aller angeführten Fälle nicht einlassen; die psychischen Zustände kann ich zudem ganz übergehen, da ihr Kausalzusammenhang noch gar nicht diskutabel ist und sie für die hier zunächst in Betracht kommende Umbildung der Körperformen ohne Bedeutung sind. Die in den Nachkommen wiederholten histiologischen Veränderungen, namentlich des Integuments und seiner Erzeugnisse, sind von Darwın selbst in vielen Fällen auf eine an den Nachkommen wiederholte gleiche Anpassung an Klima, Lebensweise u. s. w. zurückgeführt worden, und bezüglich der pathologischen Veränderungen ist es klar, dass so oft ein Krankheitsstoff vorhanden ist, welcher direkt auf die Zeugungsprodukte übertragen werden kann, er ganz unabhängig von den Ver- änderungen des Zeugungsindividuums in den Nachkommen wirkt, gerade so als wenn er in einen vom Mutterthier abgelösten Keim eindränge. Können wir uns aber rühmen, die Anwesenheit eines solchen Krankheitsstoffes oder etwa eines unmerklichen Organisationsfehlers, dessen Folgen nur scheinbar als erworbene sich vererbten, in allen zweifelhaften Fällen ausschliessen zu können? Es bleiben also die nachweislich erworbenen morphologischen Veränderungen übrig, welche angeblich erblich würden; von einem Beweise dieser Behauptung habe ich aber nicht gehört. Man verweist z. B. auf die abgeänderten Haus- thiere; wer hat es aber beobachtet, dass die jeweilige erste Veränderung nicht angeboren war, oder dass nicht ein Theil der Unterschiede für jeden einzelnen Fall eben durch die äusseren Einflüsse hervorgerufen wird, gerade so wie bei den erwähnten nicht vererbten sondern immer neu erzeugten histiologischen Veränderungen? Wer kann überhaupt behaupten, dass irgend eine Veränderung im späteren Leben, deren äussere Verursachung nicht unmittelbar beobachtet wurde, dennoch erworben sei und ihre Vererbung für 396 XIII. Schlussbetrachtungen. das von mir bestrittene Verhältniss zeuge? Gegenüber allen solchen mindestens zweifelhaften Fällen der Vererbung direkt erworbener Ver- änderungen wird ums das gerade Gegentheil täglich vor Augen geführt; ja wir wissen, dass durch lange Zeiträume systematisch fortgesetzte künstliche Abänderungen des Körpers, auch wo sie zweckmässig erscheinen, nicht erblich wurden. Ich erinnere an die im zartesten Alter begonnene Verunstaltung des Kopfes verschiedener uncivilisirter Volksstämme, an die Füsse der Chinesen, an die verschiedenen Arten der Beschneidung u. s. w. Natürlich entscheidet dies die fragliche Angelegenheit nicht, und ich habe zunächst nur hervorheben wollen, dass die gemeine Erfahrung nicht für, sondern gegen die Vererbung erworbener Veränderungen spricht. Wollen wir aber die innere Wahrschein- lichkeit dieser Hypothese prüfen, so kann offenbar nur eine genaue Kenntniss der individuellen Entwickelung uns darüber Aufschluss geben, und zwar nicht in ihren äusseren Erschemungen, sondern lediglich durch die logisch erworbenen Vorstellungen von ihrem thatsächlichen Kausalzusammenhange. Ich habe bei einer eingehenden Untersuchung und Betrachtung der individuellen Entwickelung gefunden, dass die gesammte Organisation des fertigen Thiers sich auf zweierlei ursprüngliche Kausalmomente des reifen und eventuell befruchteten Eies zurückführen lasse: die Zusammensetzung der Dottersubstanz und die Formbedingungen, welche ihre unter der Wechsel- wirkung mit der Aussenwelt hervorgerufenen Elementaraktionen regeln. Der Einfluss des Zeugungsthieres auf die spätere Entwickelung des Eies ist also auch auf die Bildung des an sich einer Formbildung unfähigen Dotterstoffes und auf die Anlage seiner Formbedingungen beschränkt. Soll nun eine beliebige erworbene Veränderung des mütterlichen Organismus vererbungs- fähig sein, so erfordert dies die Annahme, 1. dass jeder, auch der kleinste Körpertheil unmittelbar und in bestimmtester, in ihrem Wesen nie abge- änderter Weise auf jedes einzelne Zeugungsprodukt, z. B. jedes Ei wirke, 2. dass jede dieser Wirkungen vollständig für sich gesondert sowohl die Dotterbildung wie die Herstellung aller Formbedingungen beeinflusse, 3. dass diese Wirkungen stets und ausschliesslich diejenigen Punkte treffen, welche massgebend sind für die dem Ausgangspunkte der Wirkung ähnlichen Entwickelungserfolge. Verlässt uns schon beim ersten Punkte jede empirische Vorstellung, so verlangen die zwei anderen geradezu die Annahme über- natürlicher, teleologischer Kräfte. Denn wie soll man sich die unmittelbare natürliche Wirkung eines vom Geschlechtsorgan entfernten Körpertheils, z. B. XIII. Schlussbetrachtungen. 397 eines Knochens, eines Nagels, auf die Bildung jedes Follikels, der Dotter- substanz und der Dotterhaut, des Keimbläschens mit seinen nothwendigen Lageveränderungen, ferner aber auch in durchaus zusammenstimmender Weise auf die etwaigen Dotter- und Eihüllendrüsen u. s. w. denken? Wie hat man sich vorzustellen, dass das alles in vollständiger unabänderlicher Harmonie mit allen übrigen Körpertheilen geschehe, welche für ihre streng gesonderte Vererbungsthätigkeit dennoch gemeinsam dieselben Objekte haben ? Was sagt endlich die naturwissenschaftliche Logik dazu, dass die Endglieder jener wunderbaren Ketten heterogenster Ursachen und Wirkungen stets wieder zur Beschaffenheit der Anfangsglieder zurückkehren ? Und alle diese Annahmen wären erforderlich, um etwas zu erklären, was in keinem einzigen Falle that- sächlich erwiesen ist, aber von unzähligen anderen Thatsachen widerlegt wird und zudem, wie ich noch zeigen werde (S. 900), für die Descendenztheorie nicht den geringsten Werth hat, da die einzigen für die letztere in Frage kommenden Formbildungen überhaupt nicht erworben werden können. Wenn die Wahrheit der Descendenztheorie wirklich von jenen Hypothesen abhinge, so wäre sie damit eben gerichtet. Darwın selbst, welcher seine Theorie nicht aus der Entwicke- lungsgeschichte schöpfte, sondern aus dieser erst nachträglich gewisse Belege für die erstere suchte, verfuhr ganz konsequent, indem er der eben bezeich- neten, nach der vorausgesetzten Vererbungshypothese nothwendigen Vor- stellung vom kausalen Zusammenhange des mütterlichen Organismus mit dem Zeugungsprodukte in der Hypothese der „Pangenesis“ offenen Ausdruck verlieh, und zwar weil er schon vorher zur Ueberzeugung gelangt war, dass die einzelnen Erscheinungen eines Entwickelungsverlaufs unabhängig von- einander entständen (Nr. 170 II S. 483. 491). Ich brauche am Ende dieses Buches jene Ueberzeugung, welche den Kausalzusammenhang der Entwickelung einfach negirt, ebenso wenig wie die Hypothese der Pangenesis mit allen ihren Voraussetzungen und Folgerungen zu widerlegen; ich bemerke bloss, dass die Annahme der Vererbung erworbener Veränderungen, sowie überhaupt irgend einer wirklichen Uebertragung der im elterlichen Organismus vorhandenen Stoffkombinationen und Formzusammenhänge auf die Zeugungsprodukte in jedem Falle nothwendig zu einer Erklärung führt , welche ihrem Wesen nach mit der Darwın’schen Pangenesis übereinstimmt. Die beiden angeblichen physiologischen oder mechanischen Ursachen der in der Generationsreihe fortschreitenden Formbildung oder der Phylogenese, die Vererbung und die Anpassung, haben sich als ungenügend erwiesen, die GOETTE, Entwickelungsgeschichte. 57 898 XII. Schlussbetrachtungen. verlangte Erklärung zu leisten. Die Vererbung erklärt nichts, sondern ist nur ein Ausdruck für eine Thatsache, welche selbst erklärungsbedürftig bleibt; soll dieses Wort mehr bedeuten, nämlich was man offenbar bei seiner Einführung im vorliegenden übertragenen Sinne annahm und noch immer annimmt, einen Vorgang, durch welchen Eigenschaften des Zeugungsthiers in irgend einer Weise thatsächlich auf die Nachkommen übertragen werden, so ist man zu unhaltbaren, unempirischen Schlussfolgerungen gezwungen. Damit ist auch die Vererbungsfähigkeit erworbener Veränderungen der Organisation, also gerade die physiologische Anpassung lebender Individuen an äussere Einflüsse von der Begründung der Phylogenese ausgeschlossen. Dagegen halte ich meine Auffassung von dem Kausalzusammenhange der individuellen Entwickelung für geeignet, die noch ausstehende Erklärung der Phylogenese zu geben. — Das Formgesetz der individuellen Entwickelung enthält die Ursachen für die Bildung aller Körpertheile, also auch der Geschlechts- produkte sogut wie anderer Organe und Gewebe; das Zeugungsthier verhält sich daher zu den ersteren im allgemeinen nicht anders als zu jedem anderen Körpertheile, indem ihre gegenseitige physiologische Anpassung lediglich der Inhalt der in der morphologischen Entwickelung begründeten Individualität des Ganzen ist (S. 575. 595. 596). Bei der Frage nach dem Grunde der Ver- erbung kann es sich also nicht um ein besonderes Verhältniss des fertigen Zeugungsthiers und seiner Zeugungsprodukte, sondern lediglich darum handeln, warum ein Theil eines Eiproduktes sich regelmässig in einige dem Ausgangspunkte oder reifen Eie relativ gleiche Gebilde verwandle. Die nächste, auf den einzelnen Fall beschränkte Antwort liegt eben in dem Hin- weise auf das Formgesetz der individuellen Entwickelung, welches bei allen Thieren, wie ich kurz zu erläutern versuchte, den Ausgangspunkt in ununter- brochenem Kausalzusammenhange mit allen Endpunkten der Entwickelung verbindet*. Von dem einzelnen individuellen Formgesetz können wir alsdann vorwärts blickend sagen, dass es eine thatsächliche mechanische Ursache für die Vererbungserscheinungen aller folgenden Generationen ist, indem es in jedem Individuum Gebilde schafft, an denen sein eigener Bildungsverlauf * Für die Geschlechtsorgane mag noch besonders hervorgehoben werden, dass sie selbst unter den Wirbelthieren sich nachweislich unmittelbar aus Formelementen entwickeln, welche den Charakter völlig indifferenter Embryonalzellen tragen. Aehnliches liesse sich auch für andere Thiere leicht nachweisen und dadurch bestätigen, dass die Bildung der Geschlechtsorgane ein unmittelbarer Effekt des Formgesetzes der individuellen Entwickelung ist. ET. © N XI. Schlussbetrachtungen. 399 sich wiederholt. Wenn daher jede einzelne Vererbung in dem erörterten Sinne der Relation die nothwendige Bedingung aller kontinuirlich folgenden ist, so erscheint sie selbst auch nur in den vorhergegangenen begründet: die Frage nach ihrem Kausalzusammenhange setzt sich von jedem individuellen Formgesetze auf das diesem zu Grunde gelegene fort, sodass wir nothwendig bis zu den ersten Organismen zurückgeführt werden. Nach meiner schon ausgeführten Vorstellung über die Entstehung derselben findet dabei im Grunde genommen dasselbe statt, wie bei der individuellen Entwickelung vom Eie an: ein formloser, unorganisirter Stoff wird unter günstigen Umständen unter Formbedingungen gebracht, welche seine Beziehungen zur Aussenwelt regeln und daraus allmählich ein einfachstes Leben entwickeln, gerade so wie in der Dotterkugel eines vollkommeneren Eies lediglich durch die gesetz- mässige Regelung der rein physikalisch-chemischen Elementaraktionen in den Kernen die ersten einfachsten Lebensformen entstehen. Die Bildung des ersten Formgesetzes unterscheidet sich also von derjenigen der folgenden dadurch, dass seine Ursachen sich in jedem einzelnen Falle ganz zufällig zusammenfanden, während weiterhin das Zeugungsthier schon unter den Protozoen die Neubildung des Formgesetzes für seine Nachkommen bis zu einem gewissen Grade sichert, indem es durch sein Absterben die Encystirung als Eibildung herbeiführt. So wird durch die Entstehung des ersten Form- gesetzes die Vererbung als relativ gesicherte Folge desselben auch in letzter Instanz durch die individuelle Entwickelung erklärt, deren nothwendiger Ab- schluss im Tode des Individuums zur Ursache der ersten Realisirung der Ver- erbung wird. Wer aber die ersten Organismen geschaffen oder überhaupt mit einem Schlage fertig aus anorganischen Elementen entstehen lässt wie HAECKEL, der kann eine Antwort auf die Frage nach dem ersten Formgesetz natürlich nicht erhalten. Denn im fertigen Organismus lebt das Formgesetz nur noch in seinen Wirkungen fort, also nur unter der Voraussetzung seines Werdens in der Entwickelung, niemals jedoch , wie ich schon häufig ausführte, als inhärente Eigenschaft des Stoffes. Für jene angeblich fertig hingestellten ersten Organismen fehlt daher ein solches Form&esetz, mag es nun durch Schöpferkraft oder durch Eigenschaften der Anorgane ersetzt gedacht werden; und damit fehlt die letzte kausale Erklärung der Vererbung, wenn man dazu nicht etwa den Hinweis auf jene Eigenschaften oder überhaupt die Natur- nothwendigkeit für genügend halten will. Allerdings befindet sich HAECKEL dieser Schwierigkeit scheinbar nicht 57% 900 XIII. Schlussbetrachtungen. gegenüber, indem er die Fortpflanzung der höheren Thiere von der einfachen Theilung, angeblich der ausschliesslichen Fortpflanzungsweise der niedersten Lebewesen, ableitet und so die Vererbung zur selbstverständlichen Begleit- erscheinung eines physiologischen Vorgangs macht. Aber einmal lässt sich die Fortpflanzung durch Eier mit der Theilung weder vergleichen, noch von ihr ableiten, da durch Theilung allein die Generationsreihe sich unmöglich über das bescheidenste Mass hinaus fortsetzen lässt (S. 845). Doch muss ich hier den möglichen Einwurf erwähnen, dass, bevor eine gewisse durch blosse Theilungen fortgeführte Generationsreihe von niederen Protozoen ausstarb, irgend ein Individuum durch fortgesetzte Differenzirung in Folge direkter An- passungen sich soweit verändert hätte, dass es ein keimerzeugender Organismus geworden wäre, wodurch selbst nach meiner Auffassung die Fortführung der (Generationsreihe gesichert und die blosse Theilung thatsächlich durch einen wirklichen Zeugungsakt abgelöst würde (vgl. No. 158 S. 120). Mit der Be- antwortung dieses Einwurfs komme ich zum zweiten Hauptpunkt in der Unter- suchung der Phylogenese, nämlich zur Frage nach der Entstehung der Veränderungen, welche in irgend einer Weise vererbt die einzelnen Ent- wickelungsstufen der phylogenetischen Reihen darstellen. Ich habe die Gründe auseinandergesetzt, warum die Vererbung erworbener, d. h. vom Formgesetz der individuellen Entwickelung unabhängiger Veränderungen unmöglich ange- nommen werden könne; aus dem Kausalzusammenhange der Ontogenie ergibt sich aber auch ferner, dass selbst die Annahme einer solchen Vererbung die fortschreitende Phylogenese nicht im geringsten erklären könnte. Allerdings lassen sich die möglichen Fälle jener direkten Anpassung nicht zählen, nicht übersehen, sodass es nahe liegt, nach dem beschränkten Massstab unserer Erkenntniss und Vorstellung jene Anpassungsfähigkeit eine unbeschränkte zu nennen; und doch ist dies nicht statthaft, weil für dieselbe ein grosses Gebiet uns bekannter und für die Phylogenie allein massgebender Veränderungen verschlossen bleibt. Es sind dies eben die Entwickelungsvorgänge. Geht man davon aus, dass jedem Entwickelungsverlauf gerade durch die ihm zu Grunde liegenden Ursachen eine gänz bestimmte Grenze gesetzt ist, von wo ab die formgesetzliche Einheit der erreichten Organisation nur noch zeitweilig erhalten werden kann, um alsdann dem unvermeidlichen Zerfall entgegenzugehen, und dass ferner jene Grenze für jeden einzelnen Körpertheil mit dem Eintritt des vollständigen Lebens erreicht ist, so erhellt, warum jenseits dieser Grenze eine Weiterentwickelung im Sinne morphologischer Gliederung und Neubildung un- er XII. Schlussbetrachtungen. 901 möglich ist (S. 595. 847. 848). Dem fertig gebildeten Körpertheil und dem fertigen Gesammtorganismus fehlen eben die inneren Bedingungen dazu, welche durch lokale, nicht aus dem individuellen Formgesetze hervorgegangene Ein- flüsse nicht ersetzt werden können; die letzteren mögen daher in morphologischer Hinsicht wohl Rückbildungen veranlassen, Neubildungen können sie bloss. in histiologisch-physiologischer Richtung erzeugen, dadurch aber die abgeschlos- sene typische Entwickelung des Individuums nicht wieder wachrufen. Die Einsicht in den Kausalzusammenhang der individuellen Entwickelung verbietet uns also die Annahme, dass irgendwelche Entwickelungsveränderungen im physiologischen Leben erworben würden; wo solche erscheinen, sind sie unbe- dingt auf die noch nicht abgelaufene ursprüngliche Entwickelung zu beziehen. Damit ist auch der oben bezeichnete Einwurf erledigt: auch ein Protozoon kann die einmal abgeschlossene Gliederung des seiner Organisation zu Grunde lie- genden Formgesetzes im physiologischen Leben nicht weiter führen und dess- halb, unbeschadet einer mannigfaltigen histiologischen Differenzirung, niemals mit Umgehung der individuellen Entwickelung eine höhere phylogenetische Stufe erreichen. Wären die ersten Organismen nur auf die direkte physio- logische Anpassung angewiesen geblieben, so hätte es eine Phylogenese gar nicht geben können. Die Ursachen derselben liegen eben in ganz anderen Ver- hältnissen. Aus der Untersuchung über die Vererbung ging bereits hervor, dass lediglich das Formgesetz des Zeugungsthiers die mit dessen Fortpflanzung zusammenhängende Vererbung oder die Neubildung eines ebensolchen Form- gesetzes in den Zeugungsprodukten bedinge. Diese Vererbung kann aber dess- halb keine absolute Gleichheit der aufeinanderfolgenden Generationen betreffen, weil sie nicht eine Kontinuität, sondern lediglich eine wiederholte Neubildung desselben Formgesetzes bedeutet, sodass bei der stets erneuerten Zusammen- stellung der gleichen Bildungsursachen immerhin kleine, wenn auch noch so unmerkliche Abänderungen unvermeidlich sind. Diese sind theils vom Zeu- gungsthier, welches die Zeugungsprodukte unter dem wechselnden Einfluss seiner physiologischen Verhältnisse ausbildet, theils von den abweichenden Einflüssen abhängig, denen das vom Zeugungsthier getrennte Ei unterliegt *. * Für diejenigen Eier, welche ihre Entwickelung zum Theil oder vollständig innerhalb des Zeugungsthiers durchlaufen, lässt sich natürlich eine bestimmte Grenze nicht angeben, wann der Einfluss desselben auf die Zusammensetzung der Dottersubstanz und die Fest- stellung der Formbedingungen aufhört und sich lediglich auf lokale, später selbst physiolo- gische Bewirkungen beschränkt. Doch finde ich nicht, dass eine solche Bestimmung im vorliegenden Falle von irgend welcher Tragweite wäre. 902 XII. Schlussbetrachtungen. Woher sie aber auch stammen, so muss uns nach meiner Ansicht die individuelle Entwickelungsgeschichte überzeugen, dass sie nur in gewissen Grenzen fördernd eingreifen können, einmal weil sie sich auf sehr einfache Verhältnisse der Bildungsursachen zu beziehen haben, und ferner, weil uns manche darauf zu- rückführbare Missbildungen, die Untauglichkeit des Samens zur Befruchtung nahverwandter Arten u. a. m. lehren, dass nur gewisse Kombinatipnen jener Verhältnisse zu lebensfähigen Erzeugnissen führen. Betrachten wir endlich diese Kombinationen, wie sie sich uns aus der vergleichenden Ontogenie ver- schiedener grosser Abtheilungen des Thierreichs als wahrscheinliche ergeben so müssen wir gestehen, dass sie sich auf eine gewisse Masssteigerung von grundlegenden Entwickelungsursachen beschränken, welche in ihrem Wesen und ursächlichen Zusammenhange überall gleich vorhanden sind. Also nur ein Theil jener für HAeckEL nicht sicher nachweisbaren „indirekten Anpassungen“, nämlich diejenigen, welche die Eibildung in allen ihren Beziehungen betreffen * und eben desshalb keine physiologischen sein können ($. 892. 395), kommen bei der Phylogenese in Betracht; und da die Wirkungsweise dieser Abänderungen durch die nach ihrem Kausalnexus allen Thieren gemeinsame Form des Aus- gangspunktes der individuellen Entwickelung auf relativ enge Grenzen be- schränkt ist, so werden wir auch, trotz aller Mannigfaltigkeit der schliesslichen Entwickelungserzeugnisse, in jener gemeinsamen Grundlage aller Ent- wickelung ein die ganze Thierwelt, ja vielleicht die ganze or- ganısche Welt einheitlich beherrschendes Kausalgesetz an- erkennen müssen. Und dies um so mehr, als die Nothwendigkeit der Phylogenese für jeden einzelnen Organismus noch nicht im geringsten die An- nahme der ausnahmslosen Blutsverwandtschaft aller fordert , welche ohne jene aus der Ontogenie abgeleitete Erkenntniss allein die Einheit der organischen Welt begründen könnte und daher für den grössten Theil der Thierwelt, näm- lich alle Metazoen und ihre Stammformen unter den Protozoen, einen (Grundsatz der phylogenetischen Hypothesen Haeckerv's bildet. Der Satz: „Formverwandt- schaft ist Blutsverwandtschaft“ (Nr. 100 II S. 290. 419, Nr. 158 S. 85) könnte wohl als Schluss aller endgiltig durchgeführten phylogenetischen Untersuchungen gedacht werden; im ersten Anfange derselben bleibt er eine unbegründete, will- * Ein Theil der sogenannten angeborenen Besonderheiten kann bei einer längeren Dauer der Entwickelung innerhalb des Zeugungsthiers unbedingt auf direkte physiologische Anpassungen bezogen werden. u XIII. Schlussbetrachtungen. 903 kürliche Behauptung. Denn Formgemeinschaft deutet zunächst lediglich auf eine Gleichheit der Ursachen; dass damit eine thatsächliche Identität der- selben zusammenfalle, lässt sich nur in den engsten Kreisen wahrscheinlich machen, in den weiteren kaum vermuthen, wie viel weniger annehmen. Und welche Inkonsequenz ist es, den monophyletischen Zusammenhang der Meta- zoen zu behaupten und die Protozoen davon auszuschliessen, da sie doch so- wohl unter sich wie mit den Metazoen die einelementige Form des Eies ge- meinsam haben! Ist aber für die Protozoen eine polyphyletische Abstammung möglich, so gilt das auch für die Metazoen, und die Entscheidung über die Blutsverwandtschaft hängt nicht mehr von der Formgemtinschaft allein, son- dern von der kritischen Prüfung sehr vieler anderer Verhältnisse ab, und bleibt eine Wahrscheinlichkeitsrechnung in allen möglichen Abstufungen der Glaub- würdigkeit. Wie übrigens HAECKEL die Formgemeinschaft begründet, habe ich in der Kritik seiner Untersuchungen über die Homologie der Gastrula und der Keim- blätter gezeigt; darnach kann es uns nicht mehr wundern, in seinem oftgehörten biogenetischen Grundgesetze, „von dessen Anerkennung das ganze innere Ver- ständniss der Entwickelungsgeschichte abhängt“ (Nr. 158 S:7, Nr. 163 8. 7), dass nämlich die Keimesgeschichte eine kurze Wiederholung der Stammes- geschichte sei, eine Verleugnung nicht nur jedes ontogenetischen Kausal- zusammenhangs, sondern selbst der Erscheinungsthatsachen der individuellen Entwickelungsgeschichte zu finden. Denn es ist klar, dass wenn man nicht an die Stelle jenes Zusammenhangs übernatürliche Anpassungs- und Vererbungs- vorgänge treten lässt, ein individueller Entwickelungsverlauf nicht nach einem Typus anfangen kann, um dann nach einem andern fortzufahren, dass also keine Form irgendwelche Entwickelungsstufen einer anderen Form durchlaufen kann. Die thatsächlichen Uebergänge aus der einen in die andere können daher nur in der Weise stattgefunden haben, dass eben die bereits im Eie be- gründeten Ursachen und damit auch alle folgenden Erscheinungen der Entwicke- lung sich veränderten. Und wenn dabei das Mass der Veränderung bei einander nahestehenden Formen so gering ist, dass es unserer Aufmerksamkeit ent- gehen kann, obschon es bei oberflächlicher Kenntniss der Ontogenie stets unter- schätzt wird, so nehmen selbst die äusseren Unterschiede für die grossen Ab- theilungen des Thierreichs so sehr zu, dass die individuelle Entwickelung innerhalb derselben auch schon in grossen Zügen von Anfang an auseinander- geht, wie ich es beim Vergleiche der typischen Formdifferenzen zeigte. Doch 904 XIll. Schlussbetrachtungen. habe ich hier keine Veranlassung, darauf näher einzugehen und bemerke nur noch Folgendes. Selbstverständlich stehen die zuletzt genannten Aussprüche Haecker's nicht isolirt da; er hält sie eben für die nothwendige Folge der „Erkenntniss“, dass die durch die physiologischen Funktionen der Vererbung und Anpassung begründete Phylogenese die einzige mechanische Ursache der individuellen Entwickelung und im weiteren der gesammten Morphologie sei und daher auch die einzige Erklärung beider enthalte (Nr. 100 II S. 290). Ich habe dagegen gezeigt, dass die von HAECKEL missverstandenen Begriffe der Vererbung und Anpassung zur Begründung der Phylogenie gar nichts bei- tragen, dass ferner, söwie die Bedeutung jener Ausdrücke nur aus einer genauen Untersuchung der Ontogenie sich ergibt, ebenfalls lediglich individuelle Ent- wickelung durch Erzeugung der ersten Organismen den Grund zu allen sich daraus ergebenden Folgen der Vererbung und Abänderung, mithin auch der Phylogenese legte; und zwar nicht auf Grund der chemischen Wahl- verwandtschaft, auf welche alle Erklärungen Harcker’s zuletzt hinauslaufen, sondern vermöge der Einführung des organischen Formgesetzes in die lebens- fähigen Stoffe. Alsdann kann aber auch keine Frage entstehen, was von beiden die Erklärung für das andere enthält, etwaige phylogenetische Thesen und überhaupt die gesammte Descendenztheorie oder die in ihrem Kausalzusammen- hange erforschten Thatsachen der ÖOntogenie. Die individuelle Ent- wickelungsgeschichte der Organismen begründet und erklärt allein die gesammte Morphologie derselben. Sowie ich in den vorangehenden Theilen dieses Buchs darzuthun mich be- mühte, dass die vergleichende Entwickelungsgeschichte einer engeren Thier- gruppe nicht nur für diese allein die eben bezeichnete Aufgabe zu lösen, son- dern daneben auch allgemeine, weitergreifende Gesichtspunkte aufzudecken vermöge, so habe ich in diesem letzten Abschnitte in gedrängter Uebersicht den Nachweis liefern wollen, dass solche Ergebnisse der vergleichenden indivi- duellen Entwickelungsgeschichte allein uns selbst über diejenigen Verhältnisse Aufschluss geben, welche weit über die Grenzen des zuerst betrachteten Gebiets hinausgehen. Vieles musste in einer solchen Uebersicht unerwähnt bleiben ; mein Zweck ist erreicht, wenn nur die Grundzüge des SERIES klar vor- liegen, welcher vom Einzelnen zum Allgemeinen führt. Verzeichniss der benutzten Litteratur. . Spallanzani, Versuche über die Erzeugung der Thiere und Pflanzen, aus dem Französischen von Michaelis. 1786. . Prevost et Dumas, Deuxieme Memoire sur la generation, in: Annales des sciences naturelles Tom. 2. 1824. . Rathke, Ueber die Entwickelung der Geschlechtstheile bei den Amphibien, in den Beiträgen zur Geschichte der Thierwelt 3. Abtheilung. (Aus: Neueste Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig I. Band 4. Heft 1825). . Huschke, Ueber die Umbildung des Darmkanals und der Kiemen der Froschquappen, in: Isis 1826. S. 613—627. . Dutrochet, Ueber die Eier und Larven der Batrachier, in: Froriep’s Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde Band 13. Nr. 283. 1826. . Rusconi, Döveloppement de la Grenouille commune depuis le moment de sa naissance jusqu’a son etat parfait. 1326. . v. Baer, De ovi mammalium et hominis genesi epistola. 1327. 8. — , Ueber Entwickelungsgeschichte der Thiere. 1828. 1837. 10. 1m 9. —, Geschichte des Froschembryo in: Burdach, die Physiologie als Erfahrungswissenschaft. II. Band. 1. Auflage 1828 8. 222— 235; 2. Aufl. 1838 8. 297—312. J. Müller, Bildungsgeschichte der Genitalien aus anatomischen Unter- suchungen an Embryonen des Menschen und der Thiere. 1830. — , De glandularum secernentium structura penitiori earumque prima formatione in homine atque animalibus. 1830. 906 Verzeichniss der benutzten Litteratur. 12. Baumgärtner, Ueber Nerven und Blut. 1830. 13. Duges, Recherches sur l’osteologie et la myologie des Batraciens ä leurs differents äges. 1834. Aus: Memoires presentes par divers savants & l’Acadömie des sciences de [Institut de France, sciences mathematiques et physiques Tom. 6. 1835. 14. v. Baer, Die Metamorphose des Eies der Batrachier vor der Erscheinung des Embryo und Folgerungen aus ihr für die Theorie der Erzeugung, in Müller’s Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Mediein 1854. 15. —, Entwickelungsgeschichte der ungeschwänzten Batrachier in: Bulletin scientifique, publi& par l’Acad&mie Imperiale des sciences de St. Peters- bourg Tom. I. 1355. 16. Rusconi, Erwiderung auf einige kritische Bemerkungen des Hrn. v. Baer über Rusconis Entwickelungsgeschichte des Froscheies in Müller’s Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin 1836. 17. Wagner, Prodromus historiae generationis hominis atque animalium, sistens icones ad illustrandum ovi primitivi, inprimis vesiculae germina- tivae ac germinis in ovario inclusi genesin ac structuram, per omnes ani- malium classes multosque ordines indagatae. 1336. 18. €. H. Schultz, Das System der Circulation in seiner Entwickelung durch die Thierreihe und im Menschen und mit Rücksicht auf die physiolo- gischen Gesetze seiner krankhaften Erscheinungen dargestellt. 1836. 19. Ratlıke, Ueber die Entstehung der glandula pituitaria in Müller's Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin 1838. 20. Reichert, Vergleichende Entwickelungsgeschichte des Kopfes der nackten Amphibien, nebst den Bildungsgesetzen des Wirbelthierkopfes im Allge- meinen und seinen hauptsächlichen Variationen durch die einzelnen Wirbelthier-Klassen. 1838. 21. Rathıke, Ueber die Entwickelung des Schädels der Wirbelthiere. Vierter Bericht über das naturwissenschaftliche Seminar zu Königsberg 1339. 22. Reichert, Das Entwickelungsleben im Wirbelthierreich. 1340. 23. Rusconi, Ueber künstliche Befruchtung von Fischen und über einige neue Versuche in Betreff künstlicher Befruchtung an Fröschen in Müller's Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin 1340. 24. 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Stannius, Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. Erstes Buch: Die Fische. Zweites Buch: Die Amphibien. 1854. Ss). Verzeichniss der benutzten Litteratur. 911 . Leydig, Anatomisch - histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien. 1853. . Fiseher, Amphibiorum nudorum neurologiae specimen primum. 1843. . Remak, Ueber ein selbstständiges Darmnervensystem. 1847. . Lereboullet, Recherches sur l’anatomie des organes genitaux des anımaux vertebrös. (Aus: Nova acta physico-medica Academiae Caesareae Leopol- dino-Carolinae naturae curiosorum Tom. XXIH Pars I 1851). Wittieh, Die Entstehung des Arachnideneies im Eierstocke in Müller’s Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Mediein 1849. Sl . Reichert, Zur Controverse über den Primordialschädel, ebend. 1349. . Carus, Ueber die Entwickelung des Spinneneies in Siebold’s und Kölliker's Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 1850 S. 103. 88. 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Dursy, Zur Entwickelungsgeschichte des Kopfes des Menschen und der höheren Wirbelthiere. 1369. Rathke, Bemerkungen über den inneren Bau des Querders (Ammocoetes branchialis) und des kleinen Neunauges (Petromyzon Planeri), in den Beiträgen zur Geschichte der Thierwelt. (Aus den neuesten Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig II. Bd. 2. Heft 1827). Langerhans, Untersuchungen über Petromyzon Planeri. 1373. Leydig, Beiträge zur mikroskopischen Anatomie und Entwickelungs- geschichte der Rochen und Haie. 1352. . Hallmann, Die vergleichende Osteologie des Schläfenbeins. 1837. . Hyrtl, Cryptobranchus Japonicus. 1365. . Brücke, Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Gefässsystems, in den Denkschriften der kais. Akademie zu Wien, mathe- matisch-naturwissenschaftliche Klasse III 1852. 3. J. 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BABUCHN 53. v. BAER 7. 8.9. 14. 15. 124. 147. BALFOUR 146. v. BAmBECcKE 62. 71. BARKAU 97. BAUMGÄRTNER 12. BERGMANN 24. 27. Bipper 15%. BiscHorr 149. Born 126. Bruch 50. Brücke 142. Burow 144. Carus 87. CRAMER 34. Darwın 170. Dönıtz 67. Duszs 13. Dursy 110. 156. DUTRöchHeET 5. EBERTH 60. Ecker 41. 90. Fick 104. FIscHER 82. FRIEDREICH und GEGENBAUR 153. GEGENBAUR 88.89. 118. 132. 134. 155. GoETTE 64. 69. 102. 103.108. 121. 153. GOLUBEW 69. 68. GruBY 145. HAECcKEL 100. 101. 127. 128. 158. 163. HALLMANN 140. | Hensen 54. 61. 98. HerınG 154. Hıs 97. 109. HUuscHKE 4. Huxuey 113. Hyrrtu 141. Keim 70. 122. KLEINENBERG 167. KÖöLLIkEr 32. 33. 43. 44. 48. 78. 79. KowAuews&Ky 111. 159. 160. 161. 162. KvprFrer 105. 151. 152. LANGER 62. LANGERHANS 138. LEREBOULLET 84. LEUCKART 38. Levoie 81. 91. 139. LIEBERKÜHN 75. 9. MAYER 116. MEcKEL 130. METSCHNIKOFF 164. 165. 166. MIKLUCHO-MACLAY 112. 918 Alphabetisches Autoren-Verzeichniss. MüLter (J.) 10. 11. 76. 143. 168.169. ScHuuzz 18. MüLter (W.) 74. SCHULTZE 52. 92. 93. 125. NEWPORT 55. SCHULZE 51. OELLACHER 73. 106. 107. SCHWANN 77. PLATNER 29. SPALLANZANI 1. Pr£vost et Dumas 2. STANNIUS 80. Pr£vost et LEBERT 30. StIEDA 95. 96. RATaKE 3. 19. 21. 47. 115. 119. 137. STRICKER 45. 46. 55. 120. 148. THomson 42. REICHERT 20. 22. 25. 28. 31. 49. 86. TIEDEMANN 114. REMAK 306. 40. 83. Török 58. 59. Romırı 150. Vocr 26. 123. ROSENBERG 156. WAGNER 117. Ruscont 6. 16. 23. 39. WALDEYER 66. SCHENK 56. 117. 155. Wirtich 37. 85. SCHNEIDER 131. WYMman 9. BETEN ne Erklärung der Abbildungen. Alle Abbildungen, bei denen das zugehörige Thier nicht genannt ist, beziehen sich auf die Unke. Die Taf. II, III Fig. 39—54 sind nach gleichem Massstabe gezeichnet, ebenso Taf. II Fig. 55—62, Taf. II—VHO, XIU—XV Fig. 281, XVI. XV. TAFELLIL Fıs. 1. Querdurchschnitt einer jungen Geschlechtsdrüsenanlage. a. Gekröse, b. Stammvenen, c. Peritonealepithel, d. solide Anlage der Geschlechts- drüse, e. Anlage des Follikelepithels, f. flüssiger Inhalt des Follikels, g. Kerne. Fıs. 2. Querdurchschnitt einer ähnlichen Anlage, die Follikel- bildung vorgeschritten, Bezeichnung wie in Fig. 1. Fıs. 3. Querdurchschnitt einer etwas älteren Geschlechtsdrüsen- anlage, Bezeichnung wie in Fig. 1. Fıs. 4—8. Einzelne Follikel aus älteren Geschlechtsdrüsen- anlagen, Verschmelzung der primären Follikel und ihrer Kerne zu Eifollikeln und Keimbläschen g, Bezeichnung wie in Fig. 1. Fıc. 9. Grösserer Eifollikel mit beginnender Dotterbildung. e. Follikelepithel, g. Keimbläschen, h. Dotterkörnerhaufen, i. Keimflecke, k. Binde- gewebe. Fıs. 10. Schrumpfendes Keimbläschen aus einem reifenden Eie. Fıs. 11. Meridionaldurchschnitt durch ein ausgewachsenes Eier- stocksei. a. Keimbläschen, b. die durch seine Schrumpfung entstandene Höhle. Fıc. 12. Meridionaldurchschnitt durch ein ähnliches Ei nach dem Schwunde jener Höhle. a. Keimbläschen, c. zerstörte Pigmentschicht. Fıs. 15. Ein ähnlicher Durchschnitt nach der Auflösung des Keim- bläschens. 920 Erklärung der Abbildungen. Fısc. 14. Meridionaldurchschnitt eines eben befruchteten Eies. a. Dotterkern. Fıs. 15. 16. Die Bildung der ersten Theilungsfurche. Fıs. 17. Verschiedene Lebenskeime. a. vor der ersten Theilung, b. nach der zweiten Theilung, c. in kleineren Dotterstücken, d. Lebenskeim ohne und mit Kernkeimen, e. Hof desselben, f. Dottersubstanz. Fıs. 18. Durchschnitteines sich theilenden Dotterstücks. a. Trennungslinie, b. äussere Einschnürung, d. Kernkeimhaufen, e. Hof desselben. Fıs. 19. Kernbildung in den Dotterstücken. d. Kern mit der An- deutung der verschmolzenen Kernkeime, d‘. Kerne in der Theilung, e. Hof des “ früheren Lebenskeims. Tafel II. Fıs. 20. Meridionaldurchschnitt durch ein Ei vor der ersten Theilung, mit peripherischer Körnerschicht, Dotterkern und Lebens- keim. Fıs. 21—23. Desgl. während der ersten Theilung. Fıs. 24. 25. Desgl. während der ersten Aequatorialtheilung. Fıe. 26. 27. Desgl. während der folgenden Theilungen. a. Keimhöble. FıG. 28. Desgl. während der Bildung der primären Keimschicht. a. Keimhöhle, b. Grenzen der primären Keimschicht. Fıs. 29. Mediandurchschnitt durch ein Ei während der Bildung der Ruscontr’schen Spalte. a. Ruscoxrsche Spalte, b. ventraler Rand der primären Keimschicht, ce. Keimhöhle, d. d‘. die zwei Lagen der Keimschicht, e. Dotterzellenmasse (Nahrungsdotter). Fıs. 30. Desgl. an einem älteren Ei. a. b. dorsaler und ventraler Rand der Ruscoxtschen Oeffnung, ce. gehobener Rand des Keimhöhlenbodens. d. d‘. wie in Fig. 29, f. sekundäre Keimschicht. Fıs. 31. Desgl. während der Anlage der Darmhöhlenspalte. a. b. c. wie in Fig. 30, d. Deckschicht, d‘. Grundschicht des oberen Keimblattes e, f. ff. mittleres Keimblatt, g. Darmblatt. Fi. 32. Desgl. während der Entwickelungder Darmhöhle. c. ce’. ge- hobene Theile des Keimhöhlenbodens, e. Dotterpfropf. Fıs. 33. Desgl. während des Schwundes der Keimhöhle. c. Keim- höhle, d. Deckschicht des oberen Keimblattes, d‘. Hirnplatte, e. f. f“. g. wie in Fig. 31. 32, o. Darmhöhle. Fıs. 34. Mediandurchschnitt durch einen jungen Embryo. d‘. Hirn- platte, e, Ruscoxrt'sche Oeffaung, f. f, Mittleres Keimblatt, h. Medianer Schluss Erklärung der Abbildungen. 921 des Kopfwulstes, i. medianer Schluss der Sinnesplatte (Anlage des Hirnanhangs), n. Dotterzellenmasse (Nahrungsdotter), o. ventrale Vordarmbucht, p. ventrale Hinterdarmbucht. Fıs. 35. Mediandurchschnitt durch einen Embryo mit einsinken- dem Rücken. e. h. n. o. wie in Fig. 34, k. vordere Tasche der Hirnplatte, l. Knickung der Hirnplatte. Fıs. 36. Mediandurchschnitt eines Embryo nach Schluss der Rückenrinne. e.n.o.p. wie in Fig. 34. 35, i. Anlage des Hirnanhangs, k. plattes Vorderhirn, m. Uebergang des Rückenmarkskanals in den Hinterdarm. Fıs. 37. Dasselbe von einem Embryo mit vortretendem Schwanzende. | Fıs. 38. Dasselbe von einem Embryo mit auswachsendem Ruder- schwanz. a. Hinterhirn, b. Vorderhirn, c. Anlage der Zirbel, d. Rückenmark, e. ventrale Seitenplatte des Hinterkopfs, Anlage des Perikardialsackes, f. Anlage des Afters, g. Afterdarm, h. ventrale Vordarmbucht, i. Anlage des Hirnanhangs, k. Schwanzdarm, 1. Grenzeinschnürung zwischen Mittel- und Hinterhirn, m. Ueber- gang des Rückenmarkskanals in den Schwanzdarm, n. Membrana reuniens superior. Tafel IEE. Fıc. 39. Ein ganzes Ei vor der Bildung der Rückenwülste, von hinten und oben gesehen. Fıs. 40. Die gleiche Ansicht eines Eies mit Rückenwülsten. a. Rückenrinne, b. Medullarplatten, c. Rückenwülste. Fıs. 41. Dasselbe Ei von oben gesehen, Bezeichnung wie in Fig. 40. Fıg. 42. Ein Embryo von oben gesehen. a. b. c. wie in Fig. 40, d. vor- gewölbter Uebergang von der Schlundwand zum Kieferwulst (vgl. Fig. 77—80). FıG. 43. Embryo während des Schlusses der Rückenfurche, Be- zeichnung wie in Fig. 42. Fıs. 44. Aehnlicher etwasälterer Embryo. c. Vorderhirn, d. Kiefer- wulst, e. Zungenbeinbogen, f. Hinterhirn, g. Uebergang zum Rückenmark, h. Vorragung der Segmentplatten. Fıg. 45. Junger Embryo von vorn gesehen. a. Hirnschluss, b. Hirn- theil des Vorderkopfes, c. Kiefertheil desselben (Kieferwulst), d. Zungenbeinbogen, e. Haftorgan, f. Anlage der Mundbucht und des Hirnanhangs. Fıs. 46. Seitlich abgeplatteter und gekrümmter Embryo von vorn gesehen. b. Vorderhirn, ec. Unterkieferwulst, d. Zungenbeinbogen, e. Vorwölbung 992 Erklärung der Abbildungen. des Herzraums, f. Mundbucht, g. Nasengruben, h. dazwischen vortretende Vorder- hirnwölbung (vgl. Fig. 251), i. Oberkieferwulst, k. Rücken, m. linke Körperseite. Fıs. 47. Embryo von vorn und unten gesehen. b.ce.d.f.g. i. wie in Fig. 46, h. medialer Gesichtsfortsatz, k. Vorwölbung des Auges. FıG. 48, 49. Aeltere Embryonen in derselben Ansicht, Bezeichnung wie in Fig. 47. e. Kiemen. Fıs. 50. Junger Embryo in der Seitenansicht. a. vordere Hirnhälfte, b. Hinterhirn, c. Rückenmark, d. Kiefertheil des Vorderkopfes, e. Schlundwand. Fıs. 51. Seitenansicht eines etwasälteren Embryo. a. Vorwölbung des Auges, b. Hinterhirn, d. Kiefertheil, e. Schlundwand, f. zweites laterales Kopf- segment, g. Vorragung der Segmentplatten, h. abgestumpftes Hinterende. Fıg. 52. Noch älterer Embryo. a. Mittelhirn, a’. Auge, d. Unterkiefer- bogen , d‘. Gl. GAsseRr1, e. Schlundwand, f. zweites laterales Kopfsegment, f‘. drittes und viertes Kopfsegment, g. Segmente des Rumpfes, h. Anlage des Schwanzes, i. ventrale Grenze zwischen Vordarm (Leberanlage) und Dotterzellenmasse. Fıs. 53. Weitere Entwickelungsstufe a.a’‘.d.d‘i. wie in Fig. 52. b. Hinterhirn, e. Zungenbeinbogen, e’‘. Kiemenbögen, f. Gl. nervi facialis, f‘. Gl. nervi glosso-pharyngei et vagi, g. Gehörbläschen, k. Haftorgan, l. Vorwölbung des Herzraums, m. Vorwölbung der Urniere. Fıs. 54. Nochältere Entwickelungsstufe. a.a‘.d.d’‘.e.e‘f.f‘.g.k. wie in Fig. 53, i. Seitennerv, l. Nasengrube, m. Mundbucht, n. Oberkieferwulst. Fıs. 55. Querdurchschnitt durch die Rückenseite des Eies. a. b. Deck- und Grundschicht des oberen Keimblattes, d. Dotterzellenmasse (Nahrungsdotter), e. Darmblatt, s. mittleres Keimblatt. Fıs. 56. Dasselbe von einem etwas älteren Eie. a... e. wie in Fig. 55, b. Medullarplatte, s. s‘. Rücken- und Seitentheil des mittleren Keimblattes, h. Rest der Keimhöhle, Fıs. 57. Desgl. nach Erweiterung der Darmhöhle. a.b.d. e. wie in Fig. 55. 56, f. Darmhöhle, s. Axenstrang des mittleren Keimblattes, s‘. Seiten- theil desselben. Fıs. 58. Desgl. mit der Anlage der Wirbelsaite. a.b.d.e. f. wie in Fig. 55. 57, g. Anlage der Wirbelsaite, s. Segmentplatte, s‘. Seitenplatte. Fı6.59—62. Querdurchschnitte eines Embryo von vorn nach hinten folgend, Fig. 59—61 durch den Kopftheil, Fig. 62 durch den Rumpf. a. Deck- schicht, b. Hirn-, Medullarplatte, b‘. Grundschicht der Oberhaut, d. Dotterzellen- masse (Nahrungsdotter), e. Darmblatt, f. Darmhöhle, g. Wirbelsaite, h. Sinnes- platte, i. Spalte zwischen Hirn- und Sinnesplatte, k. Einbiegung der Hirnplatte a Erklärung der Abbildungen. 9923 zwischen dem medialen und lateralen Theil (Kopfwulst), s. Segmentplatte, s', Seitenplatte. Tafel IV. Fıs. 63—67. Querdurchschnitte durch den Kopftheil, von vorn nach hinten folgend, Fig. 65 aus zwei Schnitten zusammengesetzt, einem vorderen links und einem hinteren rechts. a‘. Kopfwulst, b. Hirnplatte, g. noch nicht gesonderter Axenstrang (Fig. 65) und Wirbelsaite (Fig. 66. 67), h. Sinnes- platte, Fig. 63—65 links zur Augenanlage, Fig. 65 rechts und Fig. 66 zur Ohran- lage gehörig, Fig. 67 im Uebergange in die Medullarplatte, i. Spalte zwischen Hirn- und Sinnesplatte, r. Rückenrinne, s. Segmentplatte, s‘. Seitenplätte, is. inneres Segment, as. äusseres, laterales Segment. Fıc. 68. Querdurchschnitt durch den hinteren Rumpftheil eines gleich alten Embryo, Bezeichnung wie im Voranstehenden. Fıc. 69. Querdurchschnitt dicht vor der Rusconxr’schen Oeffnung. d. Dotterzellenmasse (Nahrungsdotter), e. Darmblatt, f. Darmhöhle, g. Uebergang des Darmblattes in die Deckschicht des oberen Keimblattes, weiter oben noch ausserhalb des Schnittes (vgl. Fig. 35), v. s. wie vorher. Fıs. 70. Querdurchschnitt durch die Ruscont’sche Oeffnung (vgl. Fig. 77. 78). a. Deckschicht, b. Grundschicht (Medullarplatte) im Uebergange in das mittlere Keimblatt, s. s‘. wie vorher, d. Dotterzellenmasse (Nahrungsdotter), e. Darmblatt, durch die Ruscoxt'sche Oeffinung in die Deckschicht a übergehend. Fıc. 71—74. Querdurchschnitte durch den Kopftheil eines etwas älteren Embryo. a‘. Kopfwulst, b. Hirnplatte, e. Darmblatt, f. Darmhöble, g. Anlage der Wirbelsaite, h. Sinnesplatte, Fig. 71 im Bereiche der Augenanlage, weiterhin der Ohranlage, i. Rückenfurche, r. Rückenrinne, s. s‘. is. as. wie vorher, as’“. das letzte laterale Kopfsegment. Fıs. 75. Durchschnitt durch die Mitte des Rückens, im Anschlusse an Fig. 71—74. a. Deckschicht auf dem Rückenwulst, b. Deckschicht auf dem medialen Theil der Medullarplatte b’, mit dieser bereits verschmolzen, i. s. 5’. wie vorher. Fıs. 76—80. Frontaldurchschnitte (senkrecht zu den Median- und Querdurchschnitten) eines Embryo kurz vor der Schliessung der Cerebromedullarfurche, von oben nach unten folgend. b. Hirn- und Medullarplatte, d. Dotterzellenmasse (Nahrungsdotter), e. Darmblatt, f. Darm- höhle, g. Wirbelsaite, h. Sinnesplatte (Augenanlage), i. Cerebromedullarfurche, in Fig. 77. 78 in die Darmhöhle übergehend, is. is‘. is“. is‘. die vier inneren Kopf- 924 Erklärung der Abbildungen. segmente, as. as’. as“. as‘. die vier lateralen Kopfsegmente, is*. as*. innere und laterale Segmentplatten und Segmente des Rumpfes, m. Grenzfurche der Oberhaut zwischen den beiden ersten lateralen Kopfsegmenten, n. Anlage der- ersten Schlundfalte, o. Anlage der Grenzfalte am Boden des Vorderdarms, p. Verbindung von Oberhaut und Darmblatt im Bereiche der medianen Lücke des mittleren Keimblattes, s. s‘. Segment- und Seitenplatte. Tafel V. Fıs. 81—83. Querdurchschnitte durch den Kopf eines Embryo vom gleichen Alter wie in Fig. 76—80. a. Deckschicht der Oberhaut, a‘. Kopfwulst, b. Hirnplatte, b‘. Grundschicht der Oberhaut, d. Dotterzellenmasse (Nahrungsdotter), e. Darmblatt, f. Darmhöhle, g. Wirbelsaite, h. Sinnesplatte, i. Cerebromedullarfurche, is. as. erstes inneres und laterales Kopfsegment, is*, as*, erstes inneres und laterales Rumpfsegment, as‘. viertes laterales Kopf- segment, s’‘. Seitenplatte. Fis. 84. Durchschnitt durch die Mitte des Rückens eines gleichen Embryo. d. f. g. s‘. wie in Fig. 81—83, is*. as*. inneres und äusseres Rumpfsegment. | Fıs. 85—87. Querdurchschnitte durch Kopf und Rumpf während der Schliessung der Cerebromedullarfurche, Bezeichnung wie in Fig. 81—84. Fıs. 88 — 97. Querdurchschnitte eines Embryo nach der Schliessung der Cerebromedullarfurche, von vorn nach hinten folgend; Fig. 88—91 Kopf, Fig. 92—94 Anfang und Mitte des Rumpfes, Fig. 95—97 Schwanzende und Rusconr'sche Oeffnung. a’. d. e. f. g. h. m. as. as‘. as’. as*, is. is‘. is®. s‘ wie vorher, a. Mittelhirn, b. (Fig. 883—90) Vorderhirn, b. (Fig. 97) Medullarplatte, zur Seite des Vorderendes der Ruscoxtschen Oeffnung fortgesetzt, i. i‘. Hirnhöhle, 0. Anlage des Hirnanhangs, r. Rinne über der Verschmelzung der Kopf-Rückenwülste, hinten in die Ruscoxr'sche Oeffnung übergehend. Tafel VI. Fıc. 98 — 104. Frontaldurchschnitte eines etwas älteren Embryo. b. Hirn, c. medialer Rand der Seitenplatte am Grunde der Schlund- höhle, d. Anlage des Haftorgans, e. (Fig. 100—102) erste Schlundfalte, e. (Fig. 103) Grenzfalte am Boden der Schlundhöhle, e‘. zweite Schlundfalte, f. oberer Erklärung der Abbildungen. 925 Theil des Vorderdarms, g. Wirbelsaite, i. Scheidewand der beiden Unterkiefer- wülste, l. Anlage der Mundbucht, m. Oberhautfalte an der Grenze der beiden ersten Kopfsegmente, x. Schlundhöhle mit der seitlichen Ausbuchtung in die Schlundfalte o und der vorderen Ausbuchtung oder der inneren Mundhöhle (irrthümlich ebenso bezeichnet wie das Parietalblatt p), y. Vordarm, v. Visceral- blatt, p. Parietalblatt, r. Einbuchtung der Oberhaut über der Hirnnath, s. Seiten- platte, is—is“‘. innere Kopfsegmente, as—.as’‘’. laterale Kopfsegmente, is*. as*. innere und laterale Rumpfsegmente. Fıs. 105 — 107. Frontaldurchschnitte eines noch älteren Embryo. a. Vorderhirn mit der seitlichen Ausbuchtung der Augenanlage, b. Anlage der Geruchsplatte, e. Darmblatt, x. Verbindung des Vorderhirngewölbes mit der Oberhaut. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 98— 104. Fıs. 108—118. Querdurchschnitte eines Embryo mit hervor- sprossendem Schwanze. ji. Mundbucht, p. Parietalblatt, u. Urnierenanlage, v. Visceralblatt, x. Schlundhöhle, is—is‘“. as—as‘. innere und äussere Kopf- segmente, is*, as*, innere und äussere Rumpfsegmente, ias. laterale Verbindungs- falte der beiderlei Segmente. — Fıe. 108. 109. Vorderkopf. a. Mittelhirn, a‘. Basaltheil des Vorderhirns, b. Augenanlage, e. Vorderende der inneren Mund- höhle.e — Fıe. 110. Schnitt durch die erste Schlundfalte. b. Ver- bindung derselben mit der Oberhaut, g. Wirbelsaite, d. Haftorgan. — Fıe. 111. Schnitt durch den Zungenbeinbogen. 1]. Membrana reuniens superior, h. Ohranlage, e. Darmblatt, s‘. Seitenplatte mit breiter ventraler Lücke — Fıc. 112. Hinterende des Kopfes. s‘. Seitenplatte, e. Darmblatt am Ueber- gange zum Vordarm (vgl. Fig. 102) schräg durchschnitten und daher scheinbar verdickt. — Fıc. 113. Anfang des Rumpfes. s‘. ungesonderter ventraler Schluss der Seitenplatten, y. Vordarm. — Fıs. 114. Urnierengegend. h. Mem- brana reuniens superior, s. ungesonderter ventraler Schluss der Seitenplatten, f. Uebergang des Vordarms in den Mitteldarm, e. unterer Blindsack des Vordarms. — Fıs. 115. Einige Schnitte weiter rückwärts. e. Mitteldarm. — Fıs. 116. Hintere Hälfte des Rumpfes. e. Mitteldarm, s. s‘. Segment- und Seitenplatte. — Fıs. 117. Durchschnitt durch die Ruscontr’sche Oeffnung. a. Rückenmark, b. Wirbelsaite, e. Hinterdarm, s. Segmentplatte. — Fıe. 118. Durchschnitt durch die Schwanzanlage. a. Rückenmark übergehend in den Schwanzdarm e, s. Segmentplatte. Tafel VII. Fıs. 119. 120. Tiefe Frontaldurchschnitte des vorderen Körper- theils. a. Haftorgan, b. vorderer Theil der Schlundhöhle, c. Vordarm, 926 Erklärung der Abbildungen. d. Dotterzellenmasse (Nahrungsdotter), f. über der Grenzfalte zwischen b und c gelegene hintere Hälfte der Schlundhöhle, i. mediane Verbindung der Oberhaut und des Darmblattes, p. Parietalblatt, p‘. Perikardialhöhle, v. Visceralblatt, s’, ventrale Reste der Seitenplatte im Zungenbeinbogen, as. as‘. ventrale Enden der lateralen Segmente des Unterkiefer- und Zungenbeinbogens. Fıs. 121—126. Frontaldurchschnitte einer Larve aus dem An- fange der ersten Periode. gb. Gehörbläschen, e. Darmblatt, sf—sf“, die drei ersten Schlundfalten, s“. s“. Seitenplatte des ersten und der folgenden Kiemenbögen, p. Parietalblatt, v. Visceralblatt, is—is‘. as—as‘. die vier inneren und äusseren Kopfsegmente, is*. as*. innere und äussere Rumpfsegmente. — Fıs. 121. In der Höhe der Gehörbläschen. a. Vorderhirn, b. Rückenmark, g. innere Segmentblätter, m. Segmentkern (Rückenmuskulatur). — Fıe. 122. In der Höhe der Wirbelsaite w. a. Vorderhirn, b. Augenblase, m. Segment- kern (Rückenmuskulatur). — Fıs. 123. In der Höhe des Axenstranges vom Darmblatte l. a. Vorderhirn, b. Augenblase, d. Haftorgan, m. leistenförmige Vorsprünge der Oberhaut gegen die Schlundfalten, m‘. dasselbe an der hinteren Kopfgrenze (Seitennerv? vgl. Fig. 251), n. Anlage des Facialis, g. inneres Segmentblatt, s*. Seitenplatte des Rumpfes. — Fıs. 124. In der Höhe des Mitteldarmkanals. b. Uebergang desselben in die Schlundhöhle, f. innere Mundhöhle, i. mediane Scheidewand des Kiefertheils, m. Verbindung der Oberhaut mit der ersten Schlundfalte, u. Urnierenanlage. — Fıe. 125. Unterhalb des Mitteldarmkanals. b. Mundhöhle, c. Vordarm, i. mediane Scheidewand des Kiefertheils. — Fıe. 126. Unterhalb der Schlundhöhle. a. schräger Durchschnitt des Haftorgans, c. Blindsack des Vordarms, g. Perikardialhöhle. Fıs. 127—141. Querdurchschnitte einer Larve von gleichem Alter wie in Fig. 121—126. h. Membrana reuniens superior, h‘. Membrana reuniens inferior, i. mediane Scheidewand des Kiefertheils, 1. Axenstrang des Darmblattes, m. Muskelanlagen, p. Parietalblatt, v. Visceralblatt, gb. Gehör- bläschen, is—is*. as—as*. wie in Fig. 121—126. —*Fıe. 127. Schnitt durch die Augenanlagen b. a. Vorderhirn. — Fıc. 128. Durchschnitt des Unterkieferbogens. a. Vorderhirn, d. Haftorgan, e. Mundhöhle, n. Ganglion des Stammsegments (innere Portion des Gl. Gasserı.. — Fıc. 129. Ein weiterer Schnittdurchden Unterkieferbogenas. a. Mittelhirn, a‘. Basal- theil des Vorderhirns, e und n wie vorher. — Fıs. 130. Durchschnitt durch die 1. Schlundfalte e, welche mit der Oberhaut b verbunden ist, oben der zurückgedrängte obere Zipfel des 1. lateralen Segments as (äussere Portion des Gl. GAsserI), unten das vorgerückte untere Ende des Zungenbeinbogens as‘, durch die Lücke d noch vom Gegenstücke getrennt, w. Wirbelsaite, f. Schlundhöhle. — u ee - Erklärung der Abbildungen. 927 Fıs. 131. Im Bereiche des Zungenbeinbogens, mit seiner Muskelanlage m und Nervenanlage n (Ganglion des Facialis). d. wie in Fig. 130. — Fıc. 132. Im Bereiche der 2. Schlundfalte e. g. der faltenförmige mediale Rand der Seitenplatte, durch die Lücke d noch vom Gegenstücke getrennt. — Fıc. 133. Im Bereiche des 1. Kiemenbogens, welcher ausser der Seitenplatte s“ noch das 3. laterale Kopfsegment as” (N. glossopharyngeus u. s. w.) enthält, die beider- seitigen Falten der Seitenplatte sind in g verbunden und vom Darmblatte e der Schlundhöhle so weit entfernt, dass dazwischen die Anlage der Herzhöhle o entsteht, v‘. das vom Darmblatte abgelöste Endocardium, w. Wirbelsaite. — Fıs. 134. Im Bereiche der 3. Schlundfalte e. f. Schlundhöhle, g. Rand der Seitenplatte zur Seite der medianen Lücke, o. Vorderwand des Blindsackes vom Vordarme oder der Leberanlage. — Fıc. 135. Durchschnitt durch den Vordarm f, mit dem schräg durchschnittenen und daher unnatürlich breit erscheinenden 4. lateralen Kopfsegmente as‘, welches rückwärts verschoben ist (vgl. Fig. 121—124). g. wie in Fig. 134. — Fıc. 136. Ein weiterer Durch- schnitt des Vordarms, auf welchem keine Kopfsegmente mehr sicht- bar sind. f. Blindsack des Vordarms, e. Darmblatt, b. Gekrösefalte. — Fıc. 137. Hintere Grenze des Vordarms. f. sein Uebergang in den Mitteldarm, f‘. der Grund seines Blindsackes, e. Darmblatt in die Dotterzellenmasse d über- gehend, a. Leiste der Oberhaut, in welche die Rückenflosse ausläuft, b. primäre Gekrösefalte (Urogenitalfalte), u. Urniere. — Fıc. 138. Mitte des Rumpfes. x. Rückenflosse, b. wie in Fig. 137, u. Urnierengang. — Fıc. 139. Hinterer Rumpftheil mit kontinuirlichem Zusammenhange der beiden Schichten der Segmente und der Seitenplatte und des Darmblattes mitseinem Axenstrange. — Fıe. 140. Inder Gegend der geschlosse- nen Rusconrsschen Oeffnungf. a. Rückenmark, b. Wirbelsaite, e. Hinter- darm, is. as. die beiden oben genannten Schichten des mittleren Keimblattes, x. wie in Fig. 138. — Fıe. 141. Durchschnitt durch den Schwanz, dicht vor dem Uebergange des Rückenmarks a in den Schwanzdarm e. x. dorsale, f. ventrale Schwanzflosse. Tafel VIEL. Fıs. 142—144. Hirn einer Larve gegen das Ende der ersten Larvenperiode. Fig. 142 von der Seite, Fig. 143 von oben und in gestrecktem Zustande, Fig. 144 von unten gesehen. a. Vorderhirn, b. Mittelhirn, c. Hinter- hirn, d. Grenze der beiden Gewölbehälften des Vorderhirns, e. Basaltheil desselben, f. Sehnervenplatte unter dem Mitteltheile des Vorderhirns, g. Hirnanhang, h. Vordergewölbe des Hinterhirns (kleines Hirn), i. Zirbel, k. mediane Ver- 923 Erklärung der Abbildungen. bindungshaut des Vorderhirns, 1. wulstige ventrale Verbindung beider Gewölbe- seiten des Vorderhirns. Fıs. 145—147. Hirn einer Larve aus der zweiten Periode, Fig. 145 von der Seite, Fig. 146 von oben, Fig. 147 von unten gesehen. a—b. wie in Fig. 142—144, a‘. hinteres Gewölbe des Vorderhirns, a‘. vorderes Gewölbe desselben (Grosshirnhemisphären), a“. solide Fortsätze der Grosshirnhemisphären, i. Wurzel des Zirbelstiels, k. mediane Spalte zwischen beiden Grosshirnlappen, l. verdickter Boden der ersten Hirnkammern als Fortsetzung des queren Wulstes vor der Sehnervenplatte (vgl. Fig. 144), m. Riechnervenhügel mit dem Tractus olfactorius, n. Gl. GAssERI und seine Wurzel, o. Ganglion des N. facialis und seine Wurzel, p. N. vagus, q. N. glosso-pharyngeus. Fıs. 148—150. Hirn einer fertig entwickelten Unke in dendrei bezeichneten Ansichten. a—b. wie in Fig. 142—144, a‘. a. a“. i—m. wie in Fig. 145—147, c‘. Decke des Hinterhirns mit ihrem Gefässnetze, f’. Sehnerv, m’. Geruchsnerven, r. Hirnlücke mit dem Adergeflechtknoten. Fıg. 151. Dasselbe Hirn wie in Fig. 149, auseinandergezogen und nach Entfernung der Adergeflechte und der Zirbelwurzel. a”. Paarige Hirnkammern durch eine punktirte Linie angedeutet, b. Gewölbe- höhlen des Mittelhirns ebenso angedeutet, c. Rautengrube des Hinterhirns, h. das Vordergewölbe desselben (Kleinhirn), i. durch das Herausreissen der Zirbelwurzel entstandene Lücke, r. vordere=Hirnlücke. Fıs. 152. Die verdickten Hirnhauttheile (a, b) zwischen den Grosshirn- und Mittelhirngewölben mit den daran befestigten Adergeflechten r und ce (vgl. Fig. 149). i. Durchtrittsstelle des Zirbelstiels durch die Hirnhäute. Fıs. 153. Mediandurchschnitt der Mundhöhle und Mundbucht mit ihrer Umgebung von einem Kaninchenembryo. a. Durchschnitt der anatomischen Vorderhirnbasis, c. Basis des Hinterhirns, d. innere Mundhöhle, e. umgebogener Theil der embryonalen Hirnbasis, g. Oberhaut, g‘. Tasche der- selben zwischen Mundhöhle und Hirnbasis, Anlage des Hirnanhangs, h. mittlerer Schädelbalken RATHKE'S, i. Umriss der in der Medianebene noch getrennten Unterkieferwülste, Fıs. 154. Dasselbe von einem älteren Kaninchenembryo, nach dem Durchbruch der inneren Mundhöhle in die Mundbucht, wo- durch die Anlage des Hirnanhangs in die Tiefe der sekundären Mundhöhle gelangt. k. Wirbelsaite mit ihrer Scheide, die übrigen Bezeich- nungen wie in Fig. 153. Erklärung der Abbildungen. 929 Fıc. 155. Querdurchschnitt des Rückenmarks einer jungen Larve (vgl. Fig. 241). a. Anlage der grauen Masse, b. Anlage der weissen Masse, c. Centralkanal des Rückenmarks, d. inneres Segmentblatt, e. Muskelplatte, f. Gallertkörper der Wirbelsaite, g. innere Scheide derselben. Fıs. 156. Frontaldurchschnitt des Rückenmarks einer älteren Larve der ersten Periode (vgl. Fig. 314— 319), Bezeichnung wie in Eig:/155. Fıs. 157. Die den Centralkanal des Rückenmarks begrenzenden Zellen. a. die inneren, b. die auswärts gekehrten Enden. Fıs. 158. Querdurchschnitt einer Augenanlage mit beginnender Linsenbildung. a. Deckschicht der Oberhaut, b. Grundschicht derselben, b‘. Anlage der Linse, c. Anlage der Netzhaut, d. Pigmentepithel, e. Kanal des Seh- nerven, f. Hirn, g. interstitielles Bildungsgewebe. Fıs. 159. Querdurchschnitt eines älteren Auges. a—e. wie in Fig. 158, g. Anlage des Glaskörpers, i. Anlagen der Stäbchen und Zapfen. Fıs. 160. Tiefer Frontaldurchschnitt des Auges, a. c. d. wie vorher. g. Anlage des Glaskörpers in der Augenspalte. Fıs. 161. Querdurchschnitt des Auges mit freier Linse. a.c.d.g. wie vorher, b‘. Linsenkörper, b‘. Linsenepithel, h. Linsenhöhle, k. Anlage der Bindehaut und Hornhaut. Fıs. 162. Aeussere Netzhautschicht, Bezeichnung wie in Fig. 159. Fıg. 163. Durchschnitt der ersten Verbindung von Hirn (a) und Geruchsplatte (b). e. interstitielles Bildungsgewebe mit Dotterbildungszellen d. Tafel IX. Fıs. 164. Mediandurchschnitt durch die hintere Schädelbasis und den Anfang der Wirbelsäule einer grossen Larve. a. Gallert- körper der Wirbelsaite, b. innere Chordascheide, c. Sattelgrube, d. knorpelige Bauchseite der äusseren Chordascheide der Schädelbasis, e. häutige Dorsalseite derselben Scheide in der Mitte der Schädelbasis, rückwärts in eine dickere Knorpelplatte f übergehend, g. nicht knorpeliger Uebergang dieser Platte in den . epichordalen Knorpel der 1. Wirbelanlage, Homologon eines Intervertebral- wulstes, h. h‘. vertebrale epichordale Knorpelplatten der beiden ersten Rumpf- wirbel, i. i‘. Anlagen der epichordalen Intervertebralwülste, k. gleichmässig fort- laufende Bauchseite der äusseren Chordascheide. Fıs. 165. Mediandurchschnitt der gleichen, aber weiter ent- wickelten Theile, Bezeichnung wie in Fig. 164. m. ventraler Deckknochen der Schädelbasis. GoETTE, Entwickelungsgeschichte. 59 930 Erklärung der Abbildungen. Fıs. 166. Die gleichen Theile nach der Larvenmetamorphose, Bezeichnung wie in Fig. 165. 166. a‘. vertebrale, Chordareste theilweise ver- knorpelnd, e. Stelle, wo die Wirbelsaite vor ihrem Schwunde an der Oberseite der Schädelbasis hervortrat. Fıs. 167—170. Querdurchschnitte der hinteren Schädelbasis. a. Wirbelsaite, b. knorpelige Theile der äusseren Chordascheide, b‘. häutige Theile derselben, c. Seitenplatten der Schädelbasis.. — Fıe. 167. Vorderende der Wirbelsaite. d. Ganglion des Faeialis, e. Basis der Ohrkapsel. — Fıe. 168. Mitte der Schädelbasis. d. Kanal des Acusticus, e. wie in Fig. 167. — Fıs. 169. Hintere Hälfte der Schädelbasis, mit der Innenwand der Ohrkapsel und ihrer Basis (e) kontinuirlich verbunden. — Fıe. 170. Hinterende der Schädelbasis. d. freie Vorderseite des ersten Rumpfwirbel- bogens, e. Gefässlichtung in der harten Hirnhaut. Fıs. 171. Querdurchschnitt einer Rumpfwirbelanlage desselben Embryo. a. b. b‘. e. wie in Fig. 170, c. Wirbelbogen, d. Rippenfortsatz, h. Fort- setzung des Periosts, zwischen den dorsalen Theilen der Wirbelbögen ausge- spannt, i. Centralkanal des Rückenmarks, k. Rückenmark, 1. Dura mater, n. Pia mater. Fıs. 172. Querdurchschnitt durch einen intervertebralen Theil derselben Wirbelsäule aus der vorderen Rumpfhältfte. a. Wirbelsaite, b. Intervertebralwulst, b‘. untere häutige Theile der äusseren Chordascheide, ce. queres Schlussstück des vorangehenden Wirbelbogens, e. Gefäss- lichtung, f. Rückenast des Spinalnerven, g. Ganglion desselben, g‘. hintere Wurzel dess., g”. Stamm dess., h. vordere Wurzel dess., i. Öentralkanal des Rückenmarks, k. hinteres Horn der grauen Rückenmarksmasse, 1. Dura mater, n. Pia mater, r. N. sympathicus, s. Aortenwurzel, t. Speiseröhre. Fıs. 173—176. Querdurchschnitte der hinteren Schädelbasis aus einer älteren Larve als in Fig. 167—172. a. Wirbelsaite, a’. innere Uhordascheide, b. knorpelige Theile der äusseren Chordascheide, b’‘. häutige Theile derselben, c. Seitenplatten der Schädelbasis. — Fıe. 173. 174. Vordere Hälfte der hinteren Schädelbasis. d. Ohrkapsel, e. Basis derselben. — Fıs. 175. Hintere Hälfte derselben Schädelbasis. — Fıe. 176. Hinter- rand derselben. d. freie Vorderseite des 1. Rumpfwirbelbogens, e. Gefäss- lichtung, f. Durchschnitt des schräg aufsteigenden hinteren Schädelwirbelbogens, &. Knochenrinde. Fıs. 177. Vertebraler Querdurchschnitt derselben Wirbelsäule. a. a‘. b. b‘. wie in Fig. 173—176, c. Wirbelbogen, d. Rippenfortsatz, e. Gefäss- Erklärung der Abbildungen. 931 lichtung, g. Knochenrinde, h. häutige Fortsetzung derselben, ausgespannt zwischen den dorsalen Theilen des Wirbelbogens, l. Dura mater. Fıs. 178. Intervertebraler Durchschnitt derselben Wirbel- säule. a. a‘. b‘. wie vorher, b. Intervertebralwulst, g. Spinalnervenstamm, 1. Dufa mater, n. Pia mater, r. N. sympathicus. Fıs. 179. Vertebraler Querdurchschnitt derselben Wirbel- säule hinter dem 9. Wirbel. a. Wirbelsaite, a‘. innere Chordascheide, b. epichordaler Knorpel der äusseren Chordascheide, b‘. häutige Seitentheile der- selben, ec. Wirbelbogenbasis, ce‘. Schlussstück des Wirbelbogens, f. hypochordaler Knorpel. ; Fıs. 180. Querdurchschnitt der hinteren Hälfte des Steissbeins während der Larvenmetamorphose. a. atrophische Wirbelsaite, b. ihre äussere Scheide, übergehend in den Periostalknochen des hypochordalen Knorpel- stabs f, o. Schwanzaorta, p. Mündungsstück der Harnleiter, s. Kloake., Tafel X. Fıs. 181. Aus einem Frontaldurchschnitt des Kopfes (Fig. 314). a. Wirbelsaite, a‘. innere Chordascheide, b. äussere Chordascheide im Durch- schnitt, b‘. äussere Chordascheide von der Fläche, c. erster Wirbelbogen des Kopfes, d. interstitielles Bildungsgewebe, e. verdünnte Vorderhirnbasis, f. graue Masse des Vorderhirns, g. Höhle des Basaltheils desselben, h. hinterer Theil der weissen Masse zwischen dem Basaltheil und dem Mitteltheil des Vorderhirns (vgl. Fig. 314—316), i. Gefässanlage, k. fertiges Gefäss, 1. R. communicans posterior art. carotidis, m. Ursprung der Mm. recti des Auges. Fig. 182. Mediandurchschnitt der Chordaanlage a, b. anliegendes Darmblatt. Fıe. 183. Gleicher Durchschnitt einer älteren Chordaanlage. a. b. wie in Fig. 182, a‘. Lakunen der Chordazellen, b‘. Axenstrang des Darm- blattes. Fıs. 184. Noch ältere Chordaanlage mit den vergrösserten und vermehrten Lakunen a‘. Fıs. 185. Beinahe fertige Wirbelsaite im Durchschnitt. a. ein Fach des Gallertkörpers, b. Verbindung dreier Scheidewände, c. protoplasmatische Rindenschicht, nach aussen von der inneren Chordascheide umschlossen, d.äussere Chordascheide. Fıs. 186. Vollständig entwickelte Wirbelsaite, Bezeichnung wie in Fig. 185. 59* 932 Erklärung der Abbildungen. Fıs. 187. Anlage der äusseren Chordascheide a von der Fläche gesehen. b. Anlage eines Spinalnervenstammes. Fıs. 188. Wirbelbogenanlage des Rumpfes b auf der äusseren Chordascheide a aufsitzend, von oben gesehen; der Gallertkörper scheintin netzförmiger Zeichnung durch. Fıs. 189. Eine grössere Wirbelbogenanlage mit beginnender Knorpelzellenbildung, Bezeichnung wie in Fig. 188. Fıs. 190. Knorpelzellenbildung in der vorderen Schädelbasis. a. freie, vielfach in Theilung begriffene Kerne, b. neugebildete Zellen gleich nach der Entstehung, c. fertige Knorpelzellen. Fıs. 191. Sagittaldurchschnitt eines Intervertebralwulstes. a. Wirbelbogenbasis, b. Perichondrium, c. äussere Chordascheide, c‘. Höhe des Intervertebralwulstes. Fıs. 192. Querdurchschnitt des 3. Wirbels. a. Wirbelsaite, b. Wirbel- körperkern (äussere Chordascheide), c. Wirbelbogen, mit der Basis c‘ und dem oberen Theil ce‘, d. Querfortsatz, e. Anlage des Rippengelenks, f. Rippe mit dem knorpelig bleibenden Ende g und der verdickten Basis h, i. (h. irrthümlich zum zweiten Mal angegeben) verknöcherte Fortsetzung des Periosts am dorsalen Theile des Wirbelbogens (vgl. Fig. 171. 177). Fıs. 193. Unteres Mittelstück desselben Durchschnitts stärker vergrössert. a. Wirbelsaite in der Verknorpelung begriffen, a‘. innere Chorda- scheide, b. Knorpel des Wirbelkörperkerns (äussere Chordascheide), b‘. b‘. ver- knöchernde Theile dieses Knorpels, c. Knorpel der Wirbelbogenbasis, links mit einigen leeren Knorpelzellenkapseln, g. Periostalknochen, bei g‘ im Uebergange in den Knorpel, h. ventraler Theil der äusseren Chordascheide, seitlich in das Periost des Wirbelbogens übergehend. Fıs. 194. Frontaldurchschnitt der Wirbelsäule einer Triton- larve, dicht über der Oberseite eines Wirbelkörpers. a. vertebraler Abschnitt der knöchernen äusseren Chordascheide, a‘. Intervertebralwulst, b. Wirbelbogenbasis, c. Perichondrium und Periost. Fıs. 195. Ein tieferer Frontalschnitt derselben Wirbelsäule. a. Durchschnitt der vertebralen Knochenhülse (äussere Chordascheide), über- gehend in den weichen Intervertebralwulst a‘, b. Wirbelbogenbasis, c. interstitielles Bildungsgewebe, e. innere Chordascheide, e‘. protoplasmatische Rindenschicht der Wirbelsaite, f. Muskeln, g. Gallertkörper der Wirbelsaite. a a Erklärung der Abbildungen. 933 Tafel XI. Fıs. 196. Mediandurchschnitt des hinteren Theils der Wirbel- säule zu Ende der Larvenmetamorphose. a. Umriss des Rückenmarks- endes, b. b‘. vertebrale Chordareste des 8. und 9. Wirbels, b’”. Wirbelsaite des künftigen Steissbeins, theilweise verknorpelnd, c.—c‘. vertebrale Körpertheile des 8—11. Wirbels, dahinter noch die Anlage eines 12. Wirbelkörpers, d.—d’”. 8.—11. Intervertebralwulst, dahinter noch die Andeutung eines zwölften, e. hypo- chordaler Knorpelstab, e’. Periostalknochen desselben, g. Durchschnitte des 8.— 11. Wirbelbogens, h. häutig-knöcherne dorsale Verbindungen der Wirbel- bögen als Fortsetzungen ihres Periostalknochens, h‘. dasselbe im Bereiche des rudimentären 12. Wirbelbogens. Fıs. 197. Querdurchschnitt durch die Mitte des Rumpfes einer Larve aus der 1. Periode (vgl. Taf. XV). a. graue Masse des Rückenmarks, b. weisse Masse desselben, c. longitudinale Verbindungen derselben mit der äusseren Cuticula, d. Centralkanal des Rückenmarks, dessen oberer Theil bereits zusammengefallen ist, e. dorsales Blutgefäss, f. Wirbelbogenanlage, g. Muskel- platte, h. Gallertkörper der Wirbelsaite, i. protoplasmatische Rindenschicht derselben mit der inneren Chordascheide, k. Anlage der äusseren Chordascheide, l. Axenstrang des Darmblattes, m. Aorta, n. Visceralblatt, n‘. Parietalblatt, o. Nierenanlage, p. Urnierengang,, s. Stammvene, t. interstitielles Bildungsgewebe des Retroperitonealraums, v. Darmblatt. Fıs. 198. Aehnlicher Durchschnitt einer etwas älteren Larve, der obere Theil aus zwei Durchschnitten, einem vertebralen rechts und einemintervertebralen links zusammengesetzt. a.b.g.h.i.k.l. m.n.n‘. 0. p.s. v. wie in der Fig. 197, e. Anlage der Dura mater, e‘. interstitielles Bildungsgewebe zwischen jener und den Muskeln, f. Wirbelbogenanlage, f‘. Spinal- ganglion, x..y. z. verschiedene Lagen der Fibrillenmasse in den Muskelfasern. Fıs. 199. Sagittaldurchschnitt eines Segments b mit noch indifferenten Embryonalzellen. a. Darmblatt vom Segment eingedrückt, daher an den Segmentgrenzen a’ in queren Kanten hervortretend. Fıs. 200. Aehnlicher Durchschnitt nach der Streckung der Zellen des Segmentkerns. Fıs. 201. Stück aus dem Sagittaldurchschnitte eines etwas älteren Segments. b. Muskelzellen, c. Bildungszellen an den Segmentgrenzen (Sehnenanlagen). Fıs. 202. Muskelzellen. a. im Zusammenhange des Segments, b. isolirt (aus Durchschnitten gehärteter Objekte). 934 Erklärung der Abbildungen. Fıs. 203. Segmentale Muskelzellen (Muskelfaseranlage), a. aus einer gehärteten Larve isolirt, b. frisch isolirte einkernige Muskelfaser. Fıc. 204. Muskelfasern des Schwanzes. a. eine etwas längere Faser mit der Sehnenanlage a’, b. ganz kurze Muskelfasern mit ihren Sehnen- anlagen b’. Fıc. 205. Querdurchschnitt von segmentalen Muskelfasern nach der Theilung des Kerns. a. Fibrillenmasse, ungetheilt oder mehrfach in longitudinale Stränge zerklüftet, b. Sarcolemma, c. Kerne, zum Theil zwischen die Fibrillenstränge verschoben. Fıc. 206. Aus einem Segmentstreifen der inneren Segment- schieht oder der Anlage des mittleren Bauchmuskels. a. theilweise isolirte Muskelzellen, a‘. mehre zu einer Muskelfaseranlage verschmolzene Zellen, b. intersegmentale Sehnenanlagen, c. Pigmentzellennetz. Fıs. 207. Muskelfaserbildung im M. ileo-lumbaris. a. in der Verschmelzung zu kontinuirlichen Zellensträngen (b) begriffene Bildungszellen, b’. kortikale Fibrillenmasse der sich umbildenden Muskelfaser. Fıs. 208. Stück eines Querdurchschnittes der Ohrgegend einer sehr jungen Larve (vgl. Taf. VO). a. Darmblatt der Schlundhöhle, b. Epithel des Ohrbläschens, ec. Oberhaut, d. kompakte Seitenplatte des ersten Kiemenbogens, e. erste Entstehung des interstitiellen Bildungsgewebes. Fıs. 209. Interstitielles Bildungsgewebe an der Aussenfläche des Hirns. Tafel XII. Fig. 210. Mediandurchschnitt der Aortenanlage, sodass man die konkaveInnenfläche einer Hälfte übersieht. a. medianer Durchschnitt der netzförmigen Gefässwand b. Fıs. 211. Intercelluläre Gefässanlagen des interstitiellen Bildungsgewebes (Membrana reuniens superior). a. Halbvaskularisirte Zellenstränge, a‘. deren spitze, scheinbar freie Enden, b. Fadennetze, c. d. farblose und pigmentirte Zellen des übrigen Bildungsgewebes. Fıs. 212. Kapillarbildung an der Hirnbasis. a. Art. basilaris, b. mit ihr verbundenes Kapillarnetz, b‘. ein in dasselbe eingedrungenes Blutkörperchen, c. noch nicht vaskularisirtes Zellennetz. Fıs. 213. Das Schwanzende einer Larve aus dem Anfang der 2. Periode nach Entfernung der Oberhaut. a. Wirbelsaite, b. Rückenmark, c. Schwanzaorta, d. d‘. untere Schwanzvene, e. bogenförmige Uebergänge der Erklärung der Abbildungen. 935 Aorta in die Venen, f. obere Schwanzvene, mit dem Ast f‘ scheinbar blind aus- laufend, g. beginnendes Extravasat, h. mit den Gefässen verbundene Zellennetze, i. die Gefässe direkt verbindende Zellenstränge, 1. untere Lymphgefässstämme, l‘. oberer Lymphgefässstamm, m. mit demselben verbundene Zellennetze, n. schein- bar freie Enden der Lymphgefässe, o. Anlagen von bogenförmigen Seitenbahnen derselben, p. Anlagen von Nervenverzweigungen, r. scheinbar freie verzweigte Zellen des interstitiellen Bildungsgewebes (Sternzellen). Fi. 214. Anlage eines Spinalganglions auf einem Sagittal- durchschnitt gesehen. a. Innenseite der Muskelplatte, b. Spinalganglion mit dem oberen Ende (hintere Nervenwurzel), b‘. unteres Ende desselben (Nervenstamm). Fıc. 215. Ganglion des Vagus aus dem Anfange der 2. Larven- periode. a. das Ganglion, b. zwei Aeste desselben, c. Ganglienzellen, d. freie Kerne, e. Zwischensubstanz mit Nervenfasern und Umbildungskugeln. Fıs. 216. Stück aus dem N. nasalis einer etwas älteren Larve. a. Nervenstamm, b. Zweige desselben, c. eingelagerte Ganglienzellen, d. den Zellen angefügte und mit ihnen theilweise schon verschmolzene Kerne mit langen Fortsätzen. Fıs. 217. Sagittaler Anschnitt eines schräg gelagerten Spinal- ganglions während der Metamorphose. a. a‘. grössere und kleinere freie Ganglienzellen, b. bereits mit Fortsätzen versehene Ganglienzellen, c. markhaltige Nervenfaser, d. Zwischensubstanz mit feinen Nervenfäden. Fis. 218. Ganglienzellen desN. sympathicus aus derselben Zeit. a. Ganglienzelle, a‘. Fortsätze einer solchen, b. Verbindungen des Zellproto- plasmas mit der Membran, c. Zwischensubstanz. . Fıs. 219. Endzweige des N. nasalis aus der 1. Larvenperiode, aus einigen gestreckten Embryonalzellen bestehend. Fıs. 220. Nervengeflecht des Schwanzes einer älteren Larve., a. Nervenstämmchen, b. freie Nervenzweige, mit Zellennetzen verbunden. Fıs. 221. Etwas zerfaserter Ast des N. maxillaris superior einer jungen Larve. a. Nervenstamm, b. abgelöste Fasern mit eingelagerten Kernen, c. Nervenscheide, Fıs. 222. Einzelne Nervenfasern verschiedener Larven. a. mit beginnender, b. c. mit vorgeschrittener Markbildung, b‘. homogene Fortsetzung einer markhaltigen Nervenfaser. 936 Erklärung der Abbildungen. Tafel XIII. Fıs. 223—226. Querdurchschnitte eines Larvenkopfs, im An- schlusse an Fig. 127 u. fig. — Fıc. 223. Nasengegend. vh. Vorderhirn, ep. Geruchsplatte, is, erstes Stammsegment. — Fıc. 224. Augengegend. vh. Vorderhirn, mh. Mittelhirn, a. Augenblase, is. as. erstes inneres und äusseres Segment, i. mediane Scheidewand des Kiefertheils, 1. Anlage des Hirnanhangs, m. Mundbucht. — Fıc. 225. Ohrgegend. hh. Hinterhirn, gb. Ohrbläschen, sh. Schlundhöhle, e. Darmblatt, is. 2. Stammsegment des Kopfes, m. Muskel- anlage desselben, w. Wirbelsaite, p. Parietalblatt, p‘. Perikardialhöhle, v. Visceral- blatt, v‘. Endocardium. — Fıe. 226. Gegend des 3. Kopfsegments (as). e. m. p. p‘. v. v‘. w. wie in Fig. 225, 1. Axenstrang des Darmblattes, h. Herzhöhle. Fıs. 227—245. Querdurchschnitte einer etwasälteren Larve der 1. Periode. — Fıe. 227. 228. Nasengegend. vh. Vorderhirn, a. Zirbel, ep. Geruchsplatte, m. Mundbucht, is. as. erstes inneres und äusseres Kopfsegment. — Fıs. 229. Durchschnitt durch den vordersten Theil der Augen- blase a. ji. Scheidewand des Kiefertheils, 1. Anlage des Hirnanhangs, m. is. as. wie vorher. — Fıs. 230. Augengegend. a. Augenblase, a‘. Linsenanlage, e. innere Mundhöhle, 1. is. as. wie vorher, m. Muskelanlage des Unterkiefers. — Fıs. 231. Durehschnittdesganzen Unterkieferbogens. vh. Vorderhirn, mh. Mittelhirn, a. Anlage der Netzhaut, a‘ der Linse, b“. des Pigmentepithels, f. innere Mundhöhle, h. Haftorgan, is. 1. Stammsegment, as. Unterkieferbogen, m. m‘. m‘. Anlagen des M. pterygoideus, M. temporalis, M. submentalis. — Fıs. 232. Durchschnitt der 1. Schlundfalte. h. vh. mh. wie in Fig. 231, is. Ganglion des N. nasalis, as. Ganglion der Kiefernerven, s‘. vorgerücktes ventrales Bildungsgewebe (Seitenplatte) des Zungenbeinbogens, sh. Schlundhöhle, b. 1. Schlundfalte, t. hinterster Zipfel der Schilddrüsenanlage. — Fıc. 233. Zungen- beinbogen. hh. Hinterhirn, as. oberes Ende der Kiefernervenanlage, nl. Anlage des vorderen Seitennerven, w. Wirbelsaite, is’. 2. Stammsegment, as‘. Zungen- beinbogen mit der Nervenanlage n (N. facialis) und der Muskelanlage m, v. Vorder- ende des Perikardialsacks. — Fıe. 234. 1. Kiemenbogen kb. hh. Hinterhirn, gb. Ohrbläschen, na. N. acusticus, m. Muskeln des 3. Stammsegments, as”, 5. laterales Kopfsegment, p. Parietalblatt, p‘. Perikardialhöhle, v. Visceralblatt, h. Herzhöhle, a. 1. Aortenbogen, a‘. Umbiegung desselben zur Aortenwurzel, ab. A. basilaris. — Fıe. 235. 2.Kiemenbogen kb. as“. oberes Nervenende (N. glosso- pharyngeus) des 3. lateralen Kopfsegments, as“. erster Strang des 4. lateralen Kopfsegments, h. Herzhöhle, a. primitive Aortenwurzel, e. Axenstrang des, Darm- blattes. — Fı. 236. 3. Kiemenbogen kb. mr. Membrana reuniens superior Erklärung der Abbildungen. u 937 as‘. zweiter Strang des 4. lateralen Kopfsegments, a. Aortenwurzel, p. Parietal- blatt, v. Visceralblatt (Venenende des Herzschlauchs) auf die Vorderfläche der Leberanlage übergehend v‘. — Fıc. 237. Hintere Kopfgrenze. as’. dorsale Enden der hinteren Stränge des 4. lateralen Kopfsegments, s. Vorderrand der Segmentschichten, p. p‘. v. wie in Fig. 234, dv. Dottervene, 1. Leberanlage, av. primitive Wirbelarterie. — Fıc. 238. 239. Gegend des Vordarms vd. l. Anlage der Leber (Fig. 238) und des primitiven Leberstiels (Fig. 239), mr. Membrana reuniens superior, nl. N. lateralis, is. Stammsegment des Rumpfes mit der Muskelplatte m und weiter abwärts innere Segmentschicht, as. laterales Segment abwärts in die äussere Segmentschicht auswachsend, p und v wie in Fig. 237, s“ ungesonderter ventraler Theil der Seitenplatte, gf. primitive Gekröse- falte als Uro-Genitalfalte, u. Urnierenanlage, vj. V. jugularis communis, de. Ductus Cuvierı, dv. Dottervene. — Fıc. 240. Uebergang des Vordarmsin den Mitteldarm. vj. u. dc. wie in Fig. 239, gb. Anlage der Gallenblase, v. v‘. innere Schichten des Visceralblattes (Faserschicht des Darms und Dottergefässschicht), gk. Anlage des Gefässknäuels der Urniere. — Fıe. 241. Mitte des Rumpfes. mr. (statt m) obere Verbindungshaut (Rückenflosse), is. Anlage des Spinal- sanglions, is‘. unterer Theil des inneren Segmentblattes, m. Muskelplatte, as. laterales Segment, ias. untere Verbindungsfalte der beiderlei Segmente, gf. Gekröse- falte, u. Urnierengang, d. Dotterzellenmasse, vd. Uebergang des Mitteldarms in den Hinterdarm. — Fıe. 242. 243. Durchschnitte des Afterdarms. hd. Hinterdarm dicht vor der Theilung in den Schwanzdarm sd und den Afterdarm ad, s’. Seitenplatte, m. stark gebogene Segmente, sodass mehre Durchschnitte derselben in einen Körperdurchschnitt fallen. — FıG. 244. After ad. sd. Schwanz- darm, 1. Axenstrang des Darmblattes, s. Seitenplatte, f. dorsale Schwanzflosse. — Fıs. 245. Durchschnitt des Schwanzes. f. f‘. dorsale und ventrale Schwanz- flosse; die übrigen Theile, Rückenmark, Wirbelsaite, Axenstrang des Darmblattes, Schwanzdarm und Segmente sind aus den vorangehenden Durchschnittsbildern erkennbar. Tafel XIV. Fıs. 246 — 250. Frontaldurchschnitte des Vorderkörpers. — Fıs. 246. Inder Höhe des Rückenmarks. vh. Vorderhirn, a. Anlage der Zirbel, hh. Hinterhirn, gb. Gehörbläschen, is. as. Nervenanlagen des 1. inneren und äusseren Kopfsegments, b. interstitielles Bildungsgewebe des ersteren, as’. as’. as‘. 2.—4. laterales Kopfsegment, is*. as*. innere und äussere Segmente des Rumpfes. — Fıs. 247. 248. In der Höhe des oberen Theils der Schlundhöhle sh. vh. Vorderhirn mit dem Basaltheil a und Gewölbetheil b, c. Augenblase, y 938 Erklärung der Abbildungen. c‘. Linsenanlage, gp. Geruchsplatte, I. Hirnanhang, is. 1. Stammsegment, as—as’“, laterale Kopfsegmente, m. Muskelanlagen, n. Nervenanlagen derselben, s“—s’‘“, Seitenplatte der Kiemenbögen, an der hinteren Kopfgrenze in das Parietal- und Visceralblatt des Rumpfes p. v. übergehend, ias. hinabwachsende Segmentschichten, u. Urniere, u‘. Urnierengang, e. Darmblatt, mh. Mundhöhle , sf—sf‘. die vier ersten Schlundfalten, vd. Vordarm. — FıG. 249. In der Höhe der Grenzfalte des Schlundhöhlenbodens, deren theilweise Abtragung die Herz- höhle h eröffnet. v. Visceralblatt (Herzwand), p. Parietalblatt, p‘. Perikardial- höhle, s‘. vorderer Zusammenfluss jener beiden Blätter, as. Unterkieferbogen, as‘. Zungenbeinbogen, m. deren Muskelanlagen, mh. Mundhöhle, mb. Mundbucht, l. Leberanlage, d. Dotterzellenmasse, dv. Dottervene. — Fıc. 250. In der Höhe des Herzschlauchsh. as. as‘. p. p‘. v. 1 d. wie in Fig. 249, s‘. ventrale Seiten- platte des Zungenbeinbogens, sd. Scheidewand des Unterkieferbogens, rückwärts in Verbindung mit der Schilddrüsenanlage, e. Darmblatt, ec. Endocardium, g. Grenzeinschnürung zwischen der Leberanlage und der Dotterzellenmasse. Fıs. 251—253. Aehnliche Frontaldurchschnitte einer wenig älteren Larve. — Fıc. 251. vh. a. b. e. c‘. gp. sh. wie in Fig. 247. 248, is—is*. as—as®, gb. wie in Fig. 246, nl. N. lateralis, ax. Axenstrang des Darmblattes. — FıG. 252. sd. as. as‘. s‘. p. p‘. v. h. 1. d. wie in Fig. 250, g. Haftorgan. — Fıc. 253. g. g‘. schräger Durchschnitt des Haftorgans und der darunterliegenden Grund- schicht, as. Bildungsgewebe des Zungenbeinbogens, s‘. äussere Bildungszellen des Parietalblattes p, k. Falte desselben auf den Visceralblattüberzug der Leber vorgeschoben, dv. Dottervene, die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 252. Fıs. 254—256. Frontaldurchschnitte einer noch älteren Larve. — Fıs. 254. mb. Mundbucht, mh. Mundhöhle, sh. Schlundhöhle, st—sf’“. die fünf Schlundfalten, vd. Vordertheil des Vordarms (Lungendarm) mit der An- deutung der Lungenanlagen, bd. Anlage der Bauchspeicheldrüse, d. Dotterzellen- masse, as. Unterkieferbogen, as‘. Zungenbeinbogen, m. n. Muskel- und Nerven- anlagen derselben, k—.k‘‘. die drei ersten Kiemenbögen mit den Gefässen innerhalb der Seitenplatte s”’, as’. letzter Strang des 4. lateralen Kopfsegments, links schwächer und noch unmittelbar übergehend in die äussere Segmentschicht des Rumpfes as*, is*. die innere Segmentschicht, u. Urniere, p. Parietalblatt, v. Visceralblatt, dv. Dotterdarmgefässanlage. — Fı6. 255. sd. Schilddrüsenanlage, as. tiefste Muskelanlage des Unterkieferbogens, as‘. dasselbe vom Zungenbein- bogen (M. subhyoideus), s‘. ventrale Seitenplatte des letzteren (Anlage der grossen Zungenbeinhörner), sf‘. 2. Schlundfalte, k. erste Aussenkieme, p. Parietalblatt, v. Visceralblatt, h. Venensack und Anfang des Vorhofs, h‘. Herzkammer, de. Ductus Cuvierı, dv, Dotterdarmgefässe, vj. V. jugularis inferior, 1. primitiver Leberstiel, Erklärung der Abbildungen. 939 e. Darmblatt, d. Dotterzellenmasse. — Fıc. 256. g. Haftorgan, as. lockeres Bildungsgewebe des Unterkiefer- und Zungenbeinbogens, h. Uebergang der Herz- kammer in den Vorhof, p. Perikardialhöhle, p. v. d. wie in Fig. 255, 1. Leber- anlage, lv. ihre peripherischen Gefässanlagen. Fıs. 257— 265. Querdurchschnitte des Vorderkörpers. — Fıc. 257. mh. Mittelhirn, gm. wm. graue und weisse Hirnmasse, vh. Basaltheil des Vorder- hirns, a. eingestülpte Augenblase, a‘. Linse, a’. Gefäss am Eingange in den Glaskörperraum, 1. Hirnanhang, g. Haftorgan, is. Stammsegment mit der Augen- muskelanlage, as. Unterkieferbogen mit seinen Muskeln m. m‘. m“. (M. ptery- goideus, temporalis, submentalis), mh. Mundhöhle. — Fıc. 258. hh. Hinterhirn, ab. A. basilaris, ac. A. carotis, is. Ganglion des N. nasalis, as. Ganglion der Kiefer- nerven, mh. Mundhöhle, sf, unteres Ende der 1. Schlundfalte, sd. Schilddrüsenanlage. — Fıs. 259. ias. oberes Ende des Gl. Gasserı, as‘. Zungenbeinbogen mit seinen Muskeln m‘, ab. Gefässbogen desselben, ac. A. carotis, sh. Schlundhöhle. — FıG. 260. mr. Membrana reuniens superior, gb. Ohrbläschen, na. N. acusticus, ax. Axenstrang des Darmblattes, sf“. 3. Schlundfalte, k. 1. Kiemenbogen, s‘. unter die Schlundhöhle auswachsende Seitenplatte desselben, is*. am Perikardialsack vorwachsende innere Segmentschicht des Rumpfes (Mm. sterno-, genio-hyoideus), p‘. Perikardialhöhle, h. Herz, ab. A. basilaris, ab‘. 1. Aortenbogen, ac. A. carotis dicht vor ihrer Abzweigung, ab“. 2. Aortenbogen. — Fıc. 261. as‘. Nervenanlage des 4. lateralen Kopfsegments, ab‘. ab“. 1. und 2. Aortenbogen, sf““. sf““. die beiden letzten Schlundfalten, vd. Uebergang der Schlundhöhle in den Vordarm, p. Parietalblatt, v. Visceralblatt, p‘. is®. wie in Fig. 260, sv. Venensack, va. Bauch- vene, ]. Leber. — FıG. 262. as’. p. v. is*. 1. sv. wie in Fig. 261, nl. nl‘. oberer und unterer Seitennerv, a. Aorta, gf. Gekrösefalte, vd. Vordarm (Lungendarm), vp. Verbindung des Parietal- und Visceralblattes, de. Ductus Ovvizrı, Iv. Leber- gefässe. — Fıs. 263 — 265. as*. is*. äusssere und innere Segmentschicht, s‘. ventraler noch ungesonderter Theil der Seitenplatte, u. Urniere, gk. deren Gefäss- knäuel, vj. V. jugularis, ve. Stammvene, dv. Dottervene, d. Dotterzellenmasse, bd. Anlage der Bauchspeicheldrüse, g. Blutinseln, ph. Bauchhöhle, nl. a. v. p. vd. 1. wie in Fig. 262. Tafel XV. Fıs. 266—281. Querdurchschnitte des Vorderkörpers einer älteren Larve der ersten Periode. — Fıe. 266. vh. Vorderhirn, a. Zirbel, ng. Nasengrube, is. Stammsegment (medialer Gesichtsfortsatz). — FıG. 267. vh. is. ng. wie in Fig. 266, gm. wm. graue und weisse Hirnmasse, wb. 1. Wirbelbogen, mb. Mundbucht. — Fıe. 268. ng. wb. mb. is. wie in Fig. 267, as. äusseres Segment 940 Erklärung der Abbildungen. (lateraler Gesichtsfortsatz), nn. N. nasalis. — FıG. 269. vh. mh. Vorder-, Mittel- hirn, a. Augenblase, 1. Linse, a‘. Augenspalte, no. N. opticus, is. Stammsegment, as. Unterkieferbogen mit dem M. pterygoideus m und M. temporalis m‘, nm. unterer Kiefernerv, mi. Bildungsgewebe des Unterkiefers, mh. Mundhöhle. — Fıc. 270. vh. mh. a. 1. is. as. m. m‘. nm. mh. wie in Fig. 269, ism. Augenmuskeln, h. Hirn- anhang, m‘. M. submentalis, daneben Ursprung des Lippenmuskels, mi. Anlage des Unterkieferknorpels. — FıG. 271. isn. Ganglion des N. nasalis, asn. Ganglion der Kiefernerven, hb. Anlage der hinteren Schädelbasis, asc. Anlage des Kiefer- suspensoriums, sf. 1. Schlundfalte, sd. Schilddrüsenanlage, h. Haftorgan, v. V. jugularis inferior, am. A. temporo-maxillaris, ac. A. carotis. — Fıs. 272. hh. Hinter- hirn, ias. Wurzel des Gl. GAsserı, as’n. Ganglion des N. facialis, nl. Seitennerv, ac. A. carotis, sh. Schlundhöhle, as’. Zungenbeinbogen, s‘. Anlage der Zungenbein- hörner, m. M. depressor mandibulae, m‘. M. depressor ossis hyoidei, m‘. M. sub- hyoideus, m‘“. M. levator ossis hyoidei, is*. M. genio-hyoideus, sd. Schilddrüse. — Fıs. 273. gb. Ohrbläschen, na. N. acusticus, as‘. N. facialis und der Hinterrand des zugehörigen Zungenbeinbogens, welcher sich in den Kiemendeckel kd fortsetzt, k. 1. Kiemenbogen mit dem Kiemenknorpel kk und dem N. glosso- pharyngeus as’, s‘. seine Fortsetzung unter die Schlundhöhle (Zungenbein), km. unterer Kiemenmuskel, vj. V. jugularis externa, ac. A. carotis, ab‘. 1. Aorten- bogen, vj‘. V. jugularis inferior, is*. M. genio-hyoideus, sf’. 3. Schlundfalte, p‘. Perikardialhöhle, h. Herz. —— Fıc. 274. vj. vj‘. is*. p‘. s‘. wie in Fig. 273, K‘. 2. Kiemenbogen, ks. ks‘. 1. und 2. Kiemenspalte, ab‘. 2. Aortenbogen, aw. Aorten- wurzel, av. primitive Wirbelarterie, a. A. basilaris, as“. Vagusast, sh. Schlundhöble. — Fıs. 275. as’. dreifach gespaltener Vagusstamm, k‘’—k’. 2.—4. Kiemen- bogen, sf’“. letzte Schlundfalte (3. Kiemenspalte), is*. M. sterno-hyoideus, ab’. 3. Aortenbogen, a. Aorta, av. vj. p‘. wie in Fig. 274. — Fıe. 276. as‘. Vagus- wurzel, nl. nl‘. oberer und unterer Seitennerv, der letztere mit dem Vagusstamme dicht an der Abzweigung des 3. Astes (N. laryngeus anterior) verbunden, ab‘. Ductus Borauuı, ap. A. pulmonalis, 1. Kehlkopfanlage, sv. Venensack, vj. vj‘. is®. p‘. wie vorher. — Fıe. 277. vj. vj‘. p‘. is*. nl. wie vorher, as*. äussere Segment- schicht des Rumpfes (M. scapulo-mastoideus), p. v. Parietal-, Visceralblatt, o. Speiseröhre, 1. Lungenwurzel, p‘‘. Bauchhöhle, h. Leber, vh. Lebervenen, de. Ductus Cvvıerı, va. Bauchvene. — Fıe. 278. nl. p“. v. h. vh. wie vorher, vje. V. jugularis communis, vor der Urniere u‘ hinabsteigend zur Vereinigung mit der Stammvene vc, ce. V. cava, vp. Pfortader, g. Gallenblase, vd. Vordarm, zwischen demselben und der Leber rechts der Durchschnitt der Anlage des sekundären Pankreasganges, 1. Lungenanlage. — Fıe. 279. as*. is*. die beiden Segment- schichten, ek. Gefässknäuel der Urniere, bd. sekundäre Pankreasanlage, dv. Dotter- Erklärung der Abbildungen. 941 vene, g. v. p. pP‘. c. vc. wie vorher. — Fıs. 280. Bezeichnungen wie vorher. — Fıc. 281. bd. primäre Pankreasanlage, u. Urnierengang, vd. Vordarm, vc. Stammvene. Fıc. 282. Mediandurchschnitt der Anlage des Hirnanhangs (vgl. Fig. 298). mb. Mundbucht, oh. Deckschicht der Oberhaut, oh‘. Grundschicht derselben, h. h‘. Stiel und verzweigtes Ende des Hirnanhangs, d. Darmblatt. Fıs. 285. Mediandurchschnitt des Kopfes einer Larve im Be- ginn der 2. Periode. a. Zirbel, b. erste Anlage des Adergeflechtknotens, c. mittlerer Schädelbalken RATHkE’s, d. Zapfen an der Mundhöhlendecke (vgl. Fig. 329), e. Anlage der Stammplatte, g. mediale Fläche des hervorwachsenden Gross- hirnlappens, h. Hirnanhang, k. k‘. Hornlippen, vh. mh. hh. Vorder-, Mittel-, Hinter- hirn, sp. Sehnervenplatte, t. Basaltheil des Vorderhirns, mh. Mundhöhle, z. Zunge, gh. M. genio-hyoideus, w. Wirbelsaite. Fıs. 284. Mediandurchschnitt des Hirns einer älteren Larve. s. Dura mater, die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 283. Fi. 285. Theil eines ähnlichen Mediandurchschnittes aus der Zeitder Metamorphose. a.Zirbelbläschen, a“. Wurzel des Zirbelstiels, welcher die Schädeldecke s. durchbohrt, b. Adergeflechtknoten, g. Grosshirnlappen. Tafel XVI. Fi. 286. 287. Sagittaldurchschnitte des Kopfes von aussen nach innen folgend. a. Augenblase, sh. Schlundhöhle, sf. 1. Schlundfalte, e. Darmblatt, d. Dotterzellenmasse, is. is‘. 1. und 2. Stammsegment des Kopfes, as—as’. 1.—4. laterales Kopfsegment, s. Rumpfsegmente, s’‘. Seitenplatte des Rumpfes. Fıs. 288. 289. Aehnliche Durchschnitte einer älteren Larve. a. Augenblase, vh: Vorderhirn, hh. Hinterhirn, gp. Geruchsplatte, gb. Gehör- bläschen, is. Grundlage des medialen Gesichtsfortsatzes vom 1. Stammsegment, ish. Anlage des N. nasalis, ism. Anlage der Augenmuskeln, asn. Anlage der Kiefer- nerven, asm. Anlage der Kaumuskeln, asb. Bildungsgewebe des Unterkieferbogens, vor- und aufwärts in den lateralen Gesichtsfortsatz auswachsend, sf‘. 2. Schlund- falte, sh. sf. d. e. s. s‘. as’—as‘. wie in Fig. 286. 287. Fıc. 290. Sagittaldurchschnitt eines Larvenkopfes mit hinab- gewachsenen Aussensegmenten. a.hh. gp. gb. is. isn. asn. asm. as‘—as‘‘“, d. wie in Fig. 286— 289, sf. sf”“. sf‘“. 1.—3. Schlundfalte, die Anlage der 4. hat das 4. Aussensegment gespalten, s‘. Seitenplatte, u. Urniere (vgl. Fig. 381), m. Muskelplatten der Rumpfsegmente. 942 Erklärung der Abbildungen. Fıs. 291. Aehnlicher Durchschnitt einer älteren Larve. a.gp. gb. vh. is. isn. asn. asm. asb. d. e. wie in Fig. 288. 289, asc. Anlage des Kiefer- suspensoriums (vgl. Fig. 295), asn‘. N. facialis, as‘. N. glosso-pharyngeus, as‘‘, N. vagus, nl. nl‘. Seitennerven, s’. Anlage des Zungenbeinhorns, asm‘. M. levator ossis hyoidei, s‘‘. Seitenplatte des 1. Kiemenbogens, sf—sf’“. 1.—4. Schlundfalte, as®. Anlage des M. scapulo-mastoideus hinter der von der dunklen Oberhaut aus- gekleideten Grenzeinschnürung zwischen Kopf und Rumpf, u. Urniere, p‘. Peri- kardialhöhle, h. Haftorgan. Fıc. 292. Mediandurchschnitt desselben Kopfes. vh. mh. hh. Vorder-, Mittel-, Hinterhirn, a. Zirbel, b. Basaltheil des Vorderhirns, k. Hirnan- hang, e. Darmblatt, sh. Schlundhöhle, mh. Mundhöhle, sd. Schilddrüsenanlage, l. Leberanlage, w. Wirbelsaite, p. Parietalblatt, p‘. Perikardialhöhle, v. Visceral- blatt, s. ventrale noch ungesonderte Seitenplatte, h. Herzkammer, ba. Bulbus arteriosus, sv. Venensack. Fig. 293. Medianer Kopfdurchschnitt einer etwas älteren Larve. o. Sehnervenplatte, sonst dieselben Bezeichnungen wie in Fig. 292. Fıc. 294—297. Sagittaldurchschnitte des Kopfes einer noch älteren Larve. a. Auge mit der Augenspalte a’, ng. Nasengrube, gb. Gehör- bläschen, vh. vh‘. mh. hh. Vorder-, Mittel-, Hinterhirn, b. Basaltheil des Vorder- hirns, 0. N. opticus, is. medialer Gesichtsfortsatz des Stammsegments, isn. Ganglion des N. nasalis, asn. Ganglion der Kiefernerven nm und nm‘, asm. Kaumuskeln, asc. Kiefersuspensorium und Unterkieferknorpel, g. Flügel-Gaumenplatte, as’n. Ganglion des N. facialis, in Fig. 296 rückwärts sich an den Acusticus anschmiegend, s’. Zungenbeinhorn, as’m. M. subhyoideus, as‘. N. glosso-pharyngeus, as‘. N. vagus, nl. Seitennerven, sh. Schlundhöhle, sf—sf”‘. 1.—3. Schlundfalte, k—k”: 1.—3. Kiemenbogen, u. Urniere, h. Herz, p‘. Perikardialhöhle. — Fıe. 294. vj. V. jugu- laris externa, ab. Gefässbogen des Zungenbeinbogens, ab‘. 1. Aortenbogen, m. Zungenbeinsenker, den Unterkiefersenker theilweise verdeckend, m‘. Zungen- beinheber. — Fıs. 295. ac. A. carotis, ab. Zusammenfluss der Aortenbögen zur Aortenwurzel. — Fıe. 296. m. Lippenmuskel, ab‘. 3. Aortenbogen, de. Ductus Cuvızrı, va. Bauchvene. — Fıc. 297. ac. A. carotis, wb. 1. Wirbelbogen, wb‘. Wurzel desselben, w. Wirbelsaite. Fıs. 298. Mediandurchschnitt desselben Kopfes. vh. vh‘. vorderes und hinteres Gewölbe des Vorderhirns, k. k‘. Stiel und drüsiges Ende des Hirn- anhangs, asc. Unterkieferknorpel, gh. M. genio-hyoideus, lg. Lungenwurzel, g. Gallenblase, ce. Anlage des kleinen Netzes. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 292. 293. Erklärung der Abbildungen. 943 Fıs. 299—303. Sagittaldurchschnitte des Kopfes von einer Larve am Schlusse der 1. Periode. a.a’. ng. gb. vh. vh‘. mh. hh. b. o. is. isn. asn. nm. g. Ss‘. as’n. as‘. as‘. nl. sf—sf”. k—k“. u. p‘. wie in Fig. 294—297, kd. Kiemendeckel, is*. mittlerer Bauchmuskel mit dem M. sterno-hyoideus, d. Darm, h. Haftorgan, asc. Kiefersuspensorium, asc‘. Unterkieferknorpel. — Fıs. 299. as. lateraler Gesichtsfortsatz, asm. Kaumuskeln, m. Zungenbeinsenker, m‘. Zungenbein- heber, m‘. Unterkiefersenker, as‘m. as‘“m. obere Kiemenöffner, as®. Anlage der vorderen Extremität. — Fıe. 300. asm. Kaumuskeln, m”. M. submentalis, m’. M. subhyoideus, as*. M. scapulo-mastoideus, de. Ductus Cuvierı. — Fıc. 301. ism. Augenmuskeln, nn. Endzweige des N. nasalis, asm. M. pterygoideus, asm‘. M. temporalis, f. Schläfenflügelknorpel, as®. M. scapulo-mastoideus. — Fıc. 302. ism. Augenmuskeln, nn. N. nasalis, asm. M. temporalis, wb. 1. Wirbelbogen (Ober- kieferknorpel), z. Zungenbeinbogen, de. Ductus Cuvierı, vj. V. jugularis inferior, va. Bauchvene. — Fıc. 303. wb. wb‘. 1. Wirbelbogen, kl. kl‘. Hornlippen, sd. Schilddrüsenanlage, gh. M. genio-hyoideus, lg. Lunge, h. Vorhof des Herzens, h‘. Herzkammer, sv. Venensack, l. Leber, m. Muskelplatten, mh. Mundhöhle nur durch eine dünne Scheidewand von der Mundbucht getrennt. Tafel XVII. Fıs. 304—313. FrontaldurchschnittedesVorderkörpers. Fıc. 304. vh. Vorderhirn, b. Basaltheil desselben, ng. Nasengrube, a. Auge mit der Augen- spalte a’, ism. Augenmuskeln, asn. Ganglion der Kiefernerven, nl. Seitennerv, as’n. N. facialis, na. N. acusticus, gb. Ohrbläschen, as’. N. vagus, m. Muskelplatte des 1. Rumpfsegments, w. Wirbelsaite, vj. V. jugularis externa, vj’. V. jugularis interna. — Fıs. 305. 306. vh. ng. vj. as’. wie in Fig. 304, o. Sehnervenplatte, h. Hirnanhang, is. Aussentheil des medialen Gesichtsfortsatzes, wb. 1. Wirbel- bogen, asm. Kaumuskeln, asc. Kiefersuspensorium, as’n. Ganglion des N. facialis, . mit dem sich der Gaumennerv bereits verbunden hat, as’. N. glosso-pharyngeus, nl. Seitennerv, ax. Axenstrang des Darmblattes, sh. Schlundhöhle, mh. Mundhöhle, sf. 1. Schlundfalte, vj‘. Zusammenfluss der Jugularvenen, aw. Aortenwurzeln, vor ihrer Vereinigung zur Aorta a. durch eine quere Anastomose verbunden, ac. A. carotis, ab. Mündung des Gefässbogens vom Zungenbeinbogen, am. A. temporo- maxillaris. — Fıe. 307. 308. is. medialer Gesichtsfortsatz, as. Unterkieferbogen, asc. Kiefersuspensorium (Fig. 307) und Unterkieferknorpel (Fig. 308), asm. Kau- muskeln, as‘. Zungenbeinbogen, as’n. N. facialis, as’m. und m Muskeln dieses Bogens, k—k“. 1.—3. Kiemenbogen, ab‘—ab‘”. 1.—3. Aortenbogen, as*, is*. die beiden Segmentschichten des Rumpfes, sh. Schlundhöhle, mh. Mundhöhle, mb. Mund- 944 Erklärung der Abbildungen. bucht, sf. 1. Schlundfalte, o. Speiseröhre, lg. Kehlkopfanlage zwischen den 4. rudimentären Kiemenbögen, lg‘. Lungenanlagen, p‘. Bauchhöhle, u. Urniere mit ihren Mündungen u‘, gk. ihr Gefässknäuel. — Fıs. 309. as. Unterkiefer, sd. Schilddrüse, s‘. Zungenbeinhörner, kd. Kiemendeckel, K. 1. Kiemenbogen mit Aussenkiemen, k‘. 2. Kiemenbogen, ab‘. 1. Aortenbogen, h. Herz, 1g‘. Lungen- wurzel, v. verdicktes Visceralblatt, bd. Pankreasanlage, u. Urniere. — Fıe. 310. as. sd. u. wie in Fig. 309, as’m. M. subhyoideus, is®. innere Segmentschicht (M. sterno-, genio-hyoideus), as*. äussere Segmentschicht des Rumpfes, v). V. jugu- laris inferior, ve. V. cardinalis, h. Bulbus arteriosus, h‘. h‘. Vorhof im oberen Abschnitte bereits getheilt, p‘. Perikardialhöhle, p“. Bauchhöhle. — Fıe. 311. 312. as’m. p‘. vj. wie in Fig. 310, h. Herzkammer, h‘. Vorhof des Herzens, sv. Venen- sack, de. Ductus Cuvzekr, vd. Vordarm (Magen), l. Leber, p‘. Bauchhöhle, zwischen den letztgenannten Eingeweiden, welche durch die Anlage des kleinen Netzes zusammenhängen, zum Netzbeutel verengt, bd. Anlage der Bauchspeicheldrüse, md. Mitteldarm, is. M. sterno-hyoideus. — Fıe. 313. h. 1. p‘. wie in Fig. 312, p. v. Parietal- und Visceralblatt, im Umfange der Leber verwachsend (ec), 1. primi- tiver Leberstiel, bd. Anlage des sekundären Pankreasganges, d. Dotterzellenmasse, va. Bauchvene. Fıc. 314—319. Aehnliche Frontaldurchschnitte einer Larve am Schlusse der 1. Periode. Fıc. 314. 315. is. Mundbuchtdach, ng. Nasen- grube, vh. Gewölbe und Mitteltheil des Vorderhirns, b. sein Basaltheil, a. Auge, a‘. Augenspalte, o. Sehnerv, ism. Augenmuskeln, wb. Orbitalwand des 1. Wirbel- bogens, wb‘. Wurzel desselben, asc. Schläfenflügelknorpel, isn. Ganglion des N. nasalis nn, asn. Ganglion der Kiefernerven, as’n. Ganglion des N. facialis, na. N. acusticus, np. N. palatinus, gb. Gehörbläschen, as‘. N. glosso-pharyngeus, as“. N. vagus, w. Wirbelsaite, vj. V. jugularis externa. — Fıe. 316. ng. as“. as‘. vj. wie in Fig. 307, vh. vh‘. b. die drei Abschnitte des Vorderhirns (3. Hirnkammer, Sehnervenplatte, Hirntrichter), wb. 1. Wirbelbogen, g. Flügel-Gaumenplatte, asc. Quadratbeinknorpel, pt. M. pterygoideus, t. M. temporalis, m. Zungenbeinsenker, m‘. Unterkiefersenker, c. Unterlage des Ohrbläschens, ab. Gefässbogen des Zungen- beinbogens, ac. A. carotis. — F1G.317. ng. wb. g. asc. pt.t. m. m‘. ab. ac. wiein Fig. 316, as”. N. glosso-pharyngeus, links mit der Anastomose zum Facialis, as“‘. N. vagus, mb. mh. vereinigte Mundbucht und Mundhöhle, sh. Schlundhöhle, st— st‘. 1.—4. Schlundfalte, ab‘. ab‘. 1. und 2. Aortenbogen, aw. Aortenwurzeln mit querer Anastomose, ax. Axenstrang des Darmblattes, vj. V. jugularis communis, u. Urniere, u‘. Mündung derselben, p“. Bauchhöhle. — Fıe. 318. 319. mb. mh. Mundbucht und Mundhöhle, wb. Oberkieferknorpel, Im. Lippenmuskel, asc. Quadratbein, asc‘. Unterkieferknorpel, t. M. temporalis, t‘. M. retrahens maxillae superioris, Erklärung der Abbildungen. 945 s‘. Zungenbeinhorn, m. Zungenbeinsenker, m‘. Zungenbeinheber, m‘. Unterkiefer- senker, gh. M. genio-hyoideus, sd. Schilddrüse, z. Zunge, as‘. N. glosso-pharyngeus, sf’—sf’“, 2.—5. Schlundfalte, k—k’“. 1.—4. Kiemenbogen mit Knorpeln und Kiemen, ks. Kiemensack, ab’. ab‘. 1. und 2. Aortenbogen, der erstere mit der Lingualis, de. Ductus Cuvizrı, u. Urniere, as*. Anlage der vorderen Extremität, p‘. Perikardialhöhle, p‘. Bauchhöhle, h‘. h“. linker und rechter Vorhof des Herzens, sv. Venensack, vj. V. jugularis inferior, lg. Lungenwurzel, o. Speiseröhre. Tafel XVIII. Fıs. 320—322. Querdurchschnitte der Nasengegend einer Larve aus der 1. Periode. vh. Vorderhirn, a. Zirbel, ng. Nasengrube, nn. N. nasalis, wb. 1. Wirbelbogen, wb‘. Oberkieferknorpel, as. lateraler Gesichts- fortsatz, mb. Mundbucht, mh. Mundhöhle. | Fig. 323. Querdurchschnitt der Nasengegend einer Larve aus der 2. Periode. vh. wb. wb‘. mh. wie in Fig. 322. nrg. Nasenrachengang, gl. Gaumenleiste, v. medianer Auswuchs der Mundhöhlendecke, hl. laterales Ende der oberen Hornlippe, hl‘. untere Hornlippe. Fis. 324. Kopfskelet einer Larve aus der 2. Periode, mit gestrecktem Vordertheil. wb. 1. Wirbelbogen, wb‘. Stammplatte, wb’’. Zwischenkieferknorpel, wb‘‘. Oberkieferknorpel, sb. vordere Schädelbasis, sb‘. hintere Schädelbasis, gb. Ohrkapsel, gf. Schläfenflügelknorpel, q. Quadratbein- knorpel, g. Flügelgaumenplatte, a. Augenhöhlenboden, b. Unterkiefergelenk, ce. Zungenbeingelenk, op. Jochfortsatz. Fiıse. 325. Larve der 2. Periode nach Entfernung der Haut, des subkutanen Bindegewebes mit der unscheinbaren Anlage des äusseren Bauchmuskels und des Kiemendeckels; in Folge der Behandlung mit Weingeist erscheinen alle mehr oder weniger durchsichtigen Theile (Linse, Muskeln, Nerven u. =. w.) weiss. Bezeichnung auf Taf. XXI. a. Auge, a‘. Grenze der Bindehaut, 1. Linse, gk. Ohr- kapsel, ng. Nasenloch, hl. Oberlippe, z. Zirbelknopf, k. k’. 1. und 2. Kiemenbogen, hd. Halsdrüse, h. Perikardialsack, is. I—XII. Stammsegmente des Rumpfes und der Schwanzwurzel, is. I—IX. Segmente des mittleren Bauchmuskels, is‘. hinteres Ende desselben, af. After, hex. hintere Extremität, mg. M. glutaeus, vex. vordere Extremität, isp. M. infraspinatus, ld. M. latissimus dorsi, sm. M. scapulo-mastoideus (M. sterno-cleido-mastoideus), kl. Athemröhre, km. obere Kiemenöffner, km’. unterer Kiemenöffner,, m. M. depressor ossis hyoidei, m‘. M. levator ossis hyoidei, m‘. M. depressor mandibulae, Im. oberer Lippenmuskel, nn. nn‘. medialer und GoETTE, Entwickelungsgeschichte. 60 946 Erklärung der Abbildungen. lateraler Endzweig des N. nasalis, nm. oberer Kiefernerv, nl. Seitennerv des Kopfes, as’. N. glosso-pharyngeus, as’. erster Kiemenast des Vagus, nl‘. dorsaler Seitennerv des Rumpfes, nl‘. ventraler Seitennerv desselben, n. I—n. VII. 2.—7. Spinalnerv. Fıc. 326. Dieselbe Larve nach Entfernung der Rücken- muskulatur, der Gliedmassen, des Kiemenapparats, des Zungen- beinsenkers und der bindegewebigen Theile des Kopfes. Bezeichnung auf Taf. XXI a2. z. hl. Im. nl. nl’. nl“. m‘. m/X.n. kl. af. wie in He 2 mh. hh. Vorder-, Mittel-, Hinterhirn, ng. ng‘. oberer und unterer Theil der seitwärts eröffneten Nasenhöhle, ng‘. vordere Ausbuchtung derselben (Jacogson’sches Organ), wb‘. wb‘. Zwischen- und Oberkieferknorpel, op. Jochfortsatz des Quadratbeinknorpels, asc’. Unterkieferknorpel, s‘. Zungenbeinhorn, mm. M. masseter, t. M. temporalis, nm. nm‘. oberer und unterer Kiefernerv mit ihrem Ganglion asn, asn‘. Wurzel des N. facialis mit der Abzweigung des Gaumennerven und der Anastomose zum Glosso - pharyngeus, nf. ventraler Seitenzweig des Gesichtsnerven , asn‘‘. N. glosso-pharyngeus (1. Kiemennerv), asn‘‘. Ganglion des Vagus aussen an der Basis des oceipitalen Wirbelbogens, mit dem 2. Kiemennerv kn und dem Stamm kn‘ der übrigen Zweige r (3. Kiemennerv) und In (N. laryngeus anterior), 1. Kehlkopf (Stimmritze), w. I—w. X. 1.—10. Wirbelbogen, I—XI. der segmentirte mittlere Bauchmuskel, vorn bei der Ablösung des Kiemenapparats von seinem Vorderende (M. genio-hyoideus) getrennt, n. I—n. X. 1.—10. Spinalnerv, der 1. —= N. hypoglossus, der 2. und 3. mit dem Armgeflecht verbunden. Fıc. 327. Skelet und Nerven derselben Larve. sh. vordere Schädel- höhle, wb‘. Stammplatte, wb‘. wb‘”. Zwischen-, Oberkieferknorpel, gf. Schläfen- flügelknorpel, op. Jochfortsatz des Quadratbeinknorpels, g. Flügelgaumenplatte, asc‘. Unterkieferknorpel, s’. Zungenbeinhorn, sb. hintere Schädelbasis, hwb. oceipitaler Wirbelbogen, w. Wirbelsaite, w. I—w. XI. 1.—11. Wirbelbogen, sc. ec]. Scapula, Clavicula, h. br. Ober-, Unterarm, il. p. Darm-, Schambein, f. Ober- schenkel, nn, N. nasalis, no. N. oculomotorius, na. N. abducens, asn. Ganglion der Kiefernerven, nl. Seitennerv des Kopfes, asn‘“. N. glosso-pharyngeus, asn‘., Ganglion des Vagus mit dem 2. Kiemennerv kn, dem Stamm des 3. Kiemennerven r und des vorderen Kehlkopfastes In, dem ventralen Seitennerven nl”, p‘. Einge- weideast des Vagus, s. N. sympathicus, n. VII—n X. 7.—10. Spinalnerv, in etwas anderem Verhalten als in Fig. 326 dargestellt, indem der 8. und 9. Nerv voll- ständig, der 7. und 10. mit je einem Aste zum Plexus ischiadicus b verbunden sind, b‘. N. perinealis. fr Fıc. 328. Untere Ansicht des Vorderkörpers einer ähnlichen Larve nach Entfernung der Haut, die Unterlippe vorgezogen. Erklärung der Abbildungen. 947 Bezeichnung auf Taf. XXI. hl. hl‘. Ober-, Unterlippe, Im. Im‘. unterer und oberer Lippenmuskel, asc‘. Unterkieferknorpel , s’. Zungenbeinhorn, sm. M. submentalis, smx. M. submaxillaris, sh. M. subhyoideus, is“. mittlerer Bauchmuskel, is‘. M. sterno-hyoideus, is*, M. genio-hyoideus, m. Zungenbeinsenker, m‘. Zungenbein- heber, m‘. Unterkiefersenker, h. Herz im geöffneten Perikardialsack, k. k“. 1. und 2. Kiemenbogen, ks. 1. Kiemenspalte, ks‘. die an der Bauchseite zusammen- fliessenden Athemröhren, kl. gemeinsame Oeffnung derselben, vex. vordere Extremität, auf der einen Seite mit den Aussenkiemen in den äusseren Kiemen- sack eingeschlossen, auf der anderen durch Entfernung des Kiemendeckels frei gelegt, asn“. N. glosso-pharyngeus, km‘. unterer Kiemenmuskel, asn‘. ventraler Seitenzweig des Gesichtsnerven, nm‘. unterer Kiefernerv. Fıe. 329. Die Mund- und Schlundhöhlendecke nach Abtragung des Unterkiefers, Zungenbein- und Kiemenapparats von unten gesehen; die Schleimhaut und die Kaumuskeln nebst einigen anderen Theilen sind auf einer Seite ebenfalls entfernt, auf der anderen Seite ist der dorsale Grenzwulst der inneren Kiemen- höhlen erhalten. hl. Theil der Oberlippe (Innenfläche), asc’. Gelenkende des Unterkieferknorpels, wb‘“. Oberkieferknorpel, m. Bündel des Schläfenmuskels, gb. Gaumenbogen, ng. innere Nasenöffnung, rückwärts verdeckt von der Gaumen leiste gl, wb. 1. Wirbelbogen (Seitenrand der vorderen Schädelbasis); nk. Ohr- kapsel, gf. Schläfenflügelknorpel, c. Gelenkpfanne für das Zungenbeinhorn, op. Jochfortsatz, b. Gelenkpfanne für den Unterkiefer, w. Wirbelsaite, asn‘. N. facialis, np. Gaumennerv, as“. N. glosso-pharyngeus, as’. N. vagus, nl. oberer Seitennerv desselben, n—n“. die drei ersten Spinalnerven, s. N. sympathicus. Fıs. 330. Der Mund- und Schlundhöhlenboden nach Entfernung des ganzen Hirn- und Gesichtstheils von oben gesehen. asc‘. Unter- kieferknorpel, z. Zunge, s’. Zungenbeinhorn, in der Mitte durch die Schleimhaut durchscheinend, k—k“. 1.—3. Kiemenbogen, sf”. sf“. 1. und 2. Kiemenspalte, ks. Kiemenscheidewand, ks’. mediale Grenzleiste des inneren Kiemenapparats, kh. kh‘. 1. und 2. innere Kiemenhöhle, nach Abtragung der Decke, lg. Kehlkopf mit der Stimmritze, zwischen den hintersten inneren Kiemenhöhlen, 1g‘. Lungen, p‘. Bauchhöhle, b. Bauchwand. Fıe. 331. KopfeinerälterenLarve, nach Entfernung der Haut, der Schädeldecke und des Hirns von oben gesehen. Bezeichnung auf Taf. XXI. hl. Im. wb“. wb‘“. op. asc‘. mm. t. nm. nm‘. asn. asn‘, asn“. nl‘. wie in Fig. 326, nk. nk‘. Nasenknorpel, g. Flügelgaumenplatte, b. Unterkiefergelenk, q. Quadratbeinknorpel, gf. Schläfenflügelknorpel, pt. M. pterygoideus, isn. N. nasalis, kf. Orbitalflügelknorpel, rechts abgetragen, vsh. hsh. vordere und hintere 60* 948 Erklärung der Abbildungen. Schädelbasis, f. Foramen opticum, f‘. Foramen earoticum, st. Sattelgrube, gk. Ohr- kapsel, rechts bis auf die Basis abgetragen, hwb. oceipitaler Wirbelring, k. Kiemen- bögen, km. obere Kiemenmuskeln, w. II. w. III. 2. und 3. Wirbelbogen , mi. Mm. intertransversarii, isp. M. infraspinatus, ld. M. latissimus dorsi, me. M. cucullaris. Fıc. 5332. Frei präparirtes Zungenbein- und Kiemenskelet nach Entfernung des Unterkiefers von unten gesehen, aus dem Anfange der Larvenmetamorphose. ng. gb. gl. b. wie in Fig. 329. k—k“. 1.—4. Kiemenbogenknorpel, an der Bauchseite durch den Zungenbein- körper getrennt, s’. s’. vordere und hintere Zungenbeinhörner. FıG. 333. Zungenbein einer nur noch mit einem Schwanzstummel versehenen Larve. sd. Schilddrüse, die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 332. Fıc. 354. Zungenbein einer vollständig metamorphosirten jungen Unke. Bezeichnung wie in Fig. 333. Tafel XIX. Fıc. 355. Kopfeiner Larve aus dem Anfange der Metamorphose nach Entfernungder Haut und desM. depressor ossis hyoidei, Wein- geistpräparat. a. Auge, b. Vorderwand der Augenhöhle, nn. lateraler Ast des N. nasalis, nm. oberer Kiefernerv, hl. Oberlippe, c. bandförmige Anlage des unteren Jochbogens, in den Oberkieferbogen übergehend. Wegen der Bezeichnung der übrigen Theile siehe Fig. 336. Fısc. 336. Derselbe Kopf nach Entfernung des Auges und einiger oberflächlichen Bindegewebsschichten des Gesichts. ok. Öhrkapsel, wb. Orbitalwand, wb‘. Zwischenkieferknorpel, wb‘“. Oberkieferknorpel, x. tiefe Schichten des Oberkieferbogens, hl. Umriss der Oberlippe, ng. äussere Oefinung der seitlich eröffneten Nasenhöhle, sodass man auch deren innere Oeffnung sieht, nk. Orbitalfortsatz des Nasenknorpels, an die leistenförmige Fort- setzung des Gaumenbeinknorpels g oder die vordere Orbitalwand angefügt, nk. vorderer Nasenknorpel, asc‘. Unterkieferknorpel, op. Jochfortsatz des Quadrat- beins, s’. Zungenbeinhorn, k. 1. Kiemenbogen, hd. Halsdrüse, ab. 1. Aortenbogen, as*, vordere Extremität aus einer ärmelförmigen Hautöffnung hervorkommend, t. M. temporalis, mm. M. masseter, m‘. M. levator ossis hyoidei, m“. M. depressor mandibulae, nm‘. N. maxillaris inferior, as’n. Seitenzweig des Facialis, as“, N. glosso-pharyngeus. Fıs. 337. Das Kopfskelet einer gleichen Larve von oben ge- sehen. Die Nasendachknorpel und der rechte Oberkieferbogen Erklärung der Abbildungen. 949 sind entfernt, ebenso das Schädeldach abgetragen; die Schläfen- flügelknorpel sind mit den Ohrkapseln bereits verwachsen, die Quadratbeinknorpel zurückgezogen. t. mm. wb‘. wb‘. asc‘. g. op. k. wie in Fig. 336, nb. Nasenhöhlenboden, ns. Nasenscheidewand, b. Unterkiefergelenk, hw. occipitaler Wirbelring, s. Schulterblatt. Fıc. 338. Querdurchschnitt durch den Rücken während der Entwickelung der Wirbelsäule Theilung und Umlagerung der Rückenmuskeln. w. Wirbel, is. obere Hälfte der Stammuskeln, is‘. untere Hälfte derselben, as. äusserer Bauchmuskel, vp. Bauchfell, n. Nieren. Fıc. 339. Querdurchschnitt der Leibeswand einerälteren Larve während der Metamorphose. w. w‘. seitlicher und oberer Theil des Wirbel bogens, w“. Rippenfortsatz, n. Nieren, g. Gekrösewurzel, vp. Bauchfell, is. is‘. obere und untere Hälfte der Stammuskeln, is‘. mittlerer Bauchmuskel (M. rectus abdominis), as. äusserer (schiefer) Bauchmuskel, as‘. M. ileo-lumbaris, as“. Portio abdominalis M. pectoralis, p. p‘. seitlicher und dorsaler Theil des inneren Bauch- muskels (M. transversus abdominis). Fıc. 340. Querdurchschnitt der Leibeswand einer jungen Tritonlarve. nl. Organ der Seitenlinie. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 339. Fıs. 341. Eine Tritonlarve mit der Darstellung der verschiedenen Muskelschichten des Rumpfes. k. Kiemen, nl. nl‘. nl“. die drei Seiten- nerven, w’. w‘“. die doppelten Rippenenden, ld. M. latissimus dorsi, is. Stamm- muskeln. An den vier letzten segmentalen Abtheilungen ist der äussere Bauch- muskel as entfernt, wodurch der mittlere Bauchmuskel is“ zu Tage tritt, durch dessen Abtragung der innere Bauchmuskel p mit den Spinalnerven isn bloss- gelegt wird. Fıc. 342. Eine junge Unke am Schlusse der Metamorphose nach Entfernung der Haut; Weingeistpräparat. Bezeichnung auf Taf. XXM. a. Auge, ng. Nasengegend, c. ce’. unterer und oberer bindegewebiger Jochbogen, z. Zunge, asc‘. Unterkiefer, m. M. depressor ossis hyoidei, m‘. M.levator ossis hyoidei, m‘. M. depressor mandibulae, diese drei Muskeln bereits in der Atrophie begriffen, daher dünn, durchscheinend, m*. M. masseter, t. M. temporalis, smx. M. submaxillaris, sh. M.subhyoideus, ph. Schlundmuskeln als Reste der oberen Kiemen- muskeln, die Halsdrüse theilweise verdeckend, sm. M. scapulo -mastoideus (M. sterno-cleidomastoideus), oh. M. omo-hyoideus, me. M. cucullaris, isp. M. infraspi- natus, ld. Id‘. M. latissimus dorsi, d. M. deltoideus, tr. M. triceps brachii, sr. M. sterno-radialis, p. M. pectoralis, is. VI--VIIL. Abtheilungen des M. rectus abdominis, is. Stammuskeln des Schwanzes, is’“. M. sterno-hyoideus, asm*. M. obliquus Dr 950 Erklärung der Abbildungen. externus abdominis, lässt die Spinalnerven durchscheinen, il. Darmbein, mg. M. glutaeus, ve. M. vastus externus, ra. M. rectus femoris anterior, ad. Mm. adductores femoris, g. M,. gastrocnemius, p. M. peroneus, ta. M. tibialis anticus, nn. N. nasalis, nm. nm‘. N. maxillaris superior, inferior, asn‘. Ganglion des Vagus, nl‘. nl“, dorsaler und ventraler Seitennerv desselben. Fıc. 343. Dasselbe Objekt nach Abtragung der Gliedmassen unddesäusserenBauchmuskels, der Stammuskeln des Schwanzes undder meisten Weichtheile desKopfes. Bezeichnung auf Taf. XXI. gk. Ohrkapsel, fo. Foramen ovale, f. Foramen opticum, g. Flügelgaumenplatte, wb‘. Stammplatte mit der Nasenscheidewand, wb“. wb‘. Zwischen- und Ober- kieferknorpel, nb. Nasenhöhlenboden, asc‘. Unterkiefer, e. unteres Jochbogen- band, op. Jochfortsatz des Quadratbeins, s‘. Zungenbeinhorn, sh. Umriss der Mm. subhyoideus, submaxillaris, br. Bauchrippe, is‘“. M. sterno-hyoideus, V—VIH. M. rectus abdominis, is*. M. ischio-coceygeus, af. After, il. pb. ois. Darm-, Scham- und Sitzbein, ac. Gelenkpfanne für den Oberschenkel, oc. Steissbein, w. atrophische Wirbelsaite des Schwanzes, w. IX. Rippenfortsatz des 9. Wirbels, p. innerer Bauch- muskel (M. transversus abdominis), p‘. M. ileo-lumbaris (M. quadratus lumborum), mi. mi‘. M. intertrans versarius capitis superior, inferior, asn‘. N. facijalis, asn“. N. glosso-pharyngeus, asn‘. Ganglion des Vagus mit den früheren Kiemennerven kn und den Seiten nerven nl‘. nl“, nI. N. hypoglossus, n IIT—n VII, 2.—7. Spinal- nerv, n. X. 10. Spinalnerv, dessen hinterer Ast b‘ (N. perinealis) in Folge successiver Verschmelzung des vorderen Astes mit dem Plexus ischiadicus b endlich aus dem letzteren entspringt (vgl. Fig. 327), n. XI. N. coccygeus. Fıc. 344. Die Stammnerven des Vorderkopfs einer jungen Larve (vgl. S. 623 Anm.). isn. innere Portion des Gasser’schen Nervenknotens, asn. äussere Portion desselben (Kiefernerven), nn. N. nasalis, nn‘. nn“. äusserer und innerer Endast desselben, na. N. abducens, no. N. trochlearis, nt. Seitennerv des Kopfes, no‘. N. oculomotorius, mr. mr‘. mr“. oberer, innerer und unterer gerader Augenmuskel, mo. mo‘. oberer und unterer schiefer Augenmuskel. Fi. 345. Anlage des ventralen Seitennerven (vgl. Fig. 276). oh. Deckschicht der Oberhaut, oh‘. Grundschicht derselben, von welcher sich der Seitennerv nl ablöst. Fıs. 346. Wirbelsäule einer beinahe ausgewachsenen Unke (#/, der vollen Länge); durch Kupferlösung sind die in der Verknöcherung begriffenen inneren Wirbeltheile hell undurch- sichtig geworden und bezeichnen daher den Verlauf der ursprünglichen Knorpelanlagen. wb. Wirbelbögen mit den acces- sorischen periostalen Theilen wb‘, w. Querfortsätze, w‘. Rippen und Rippen- Erklärung der Abbildungen. 951 homologa, s. Steissbein, r. hinterer Ausgang des Rückenmarkskanals, IX— XI. 9.—12. Wirbel, n!0, nt!, 10. und 11. Spinalnerv. Fıc. 347. Das in der Verknöcherung begriffene Schädeldach einer jungen Unke, isolirt und bei durchfallendem Lichte gesehen, sodass die unterliegenden, seitlich vorragenden Knorpeltheile k dunkel durchscheinen, ihre vordere grosse und die hinteren paarigen Lücken a. a. als helle Flecke erscheinen. Der darüber- liegende dünne Faserknochen liess die Näthe des fertigen Schädel- dachs nicht erkennen. b. die oceipitalen Verknöcherungen des Knorpels. Tafel XX. Fıc. 348. Bauchseite des Vorderkörpers nach Entfernung der Haut und auf einer Seite auch der oberflächlichen Muskeln, von einer Larve nach beinahe beendeter Metamorphose (vgl. Fig. 342). a. Auge, cl. Clavicula, ce. Coracoideum, br. Bauchrippe, sm. M. submentalis, smx. M. submaxillaris, sh. M. subhyoideus, durch Abtragung der linken Hälften dieser beiden Muskeln sind die longitudinalen Zungenbeinmuskeln (is’. is*) und das linke Zungenbeinhorn blossgelegt, m. M. depressor ossis hyoidei, m‘. M. depressor mandibulae, smt. M. scapulo-mastoideus, is“. M. rectus abdominis, is‘“. M. sterno- hyoideus, is*. M. genio-hyoideus, oh. M. omo-hyoideus, d. M. deltoideus, sr. M. sterno-radialis, p. p‘. p“. M. pectoralis, asn. N. maxillaris inferior, as’n. Ende des Facialisstammes, as”n. N. glosso-pharyngeus, is*n. N. hypoglossus. Fıs. 349. Das Schultergürtelskelet und seine Verbindung mit der Bauchrippe während der Larvenmetamorphose, in querer Richtung eben ausgespannt. sc. Schulterblatt mit dem ganz knöchernen medialen Stücke a, dem von Faserknochen überzogenen b und dem rein knorpeligen Theile c, g. Gelenkgrube für den Oberarmknochen, cl. Clavicula, c. Coracoideum, c‘. Sternalplatte, ep. episternales Ende derselben, h. Bandmasse zwischen den Sternalplatten und der Bauchrippe, h‘. Knorpelscheiben in dieser Bandmasse, br. Bauchrippe, is“. M. rectus abdominis. Fıc. 350. Die Bandmasse mit einer Knorpelscheibe vergrössert dargestellt. h.h‘. wie in Fig. 349. Fıc. 351. Die Sternalplatten und ihre Verbindung mit der Bauchrippe auf einer weiteren Entwickelungsstufe, Bezeichnung wie in Fig. 349. Fıs. 352—355. Die Umbildung des Darms zu Ende der 1. Larven- periode, dargestellt an Larven, denen die ventrale Leibeswand 952 Erklärung der Abbildungen. ausgeschnitten ist. ng. äussere Nasenöffnung, m: Mund, h. Haftorgan, k. Aussenkiemen, 1. Leber, g. Gallenblase, vd. Vordarm, bd. linke Hälfte der primären Pankreasanlage, md. Mitteldarm mit der Dotterzellenmasse, hh. Hinter- darm, a. After. Fıc. 356. Folgende Entwickelungsstufe mit beginnender Auf- windung der Mitteldarmschlinge, nach Entfernung der gesammten Haut, aber mit Erhaltung des mittleren Bauchmuskels. hl. hl‘. Horn- lippen, k. Kiemenapparat, h. Herz im geöffneten Perikardialsacke, m. m‘. M. depressor,, M. levator ossis hyoidei, is“. mittlerer Bauchmuskel,, fortgesetzt durch die Mm. sterno-, genio-hyoideus is‘, deren Kontinuität nach Durchschneidung des M. subhyoideus kenntlich wird. Fıc. 357. Larve mit einmal gewundenem Mitteldarm, nach Eröffnung der Bauchhöhle. k. Athemröhre der Kiemen, vd. bd. md. wie in Fig. 352. Fıc. 358. Aechnliche Larve mit etwas anderer Lagerung der Baucheingeweide. Das kleine Netz ist fortgelassen und dadurch der Netzbeutelraum völlig offen dargestellt. 1. Leber, g. Gallen- blase, bd. linke Hälfte der Pankreasanlage, lg. Lunge, o. Speiseröhre. Fıs. 359—362. Querdurchschnitte des vorderen Rumpfes einer Larve vom Alter der in Fig. 352. 353 dargestellten. — Fıc. 359. 1g. Lunge, u. Urniere, p‘. Bauchhöhle, zwischen Leber (l) und Vordarm (vd) als Theil des Netzbeutels, worunter ein Stück des kleinen Netzes zu sehen ist; der Aus- führungsgang der Leber 1 hängt abwärts mit der Anlage der Gallenblase g, nach links mit der Anlage des sekundären Pankreasganges zusammen; dv. Dottervenen, c. Anlage des absteigenden Stückes der Hohlvene. — Fic. 360. u. Urniere, gk. ihr Gefässknäuel, p‘. Netzbeutel, c. Anlage der absteigenden Hohlvene, 1. Leber, bd. sekundäre rechtsseitige Pankreasanlage, vd. Vordarm (Magendarm), g. Gallenblase. — Fıe. 361. u. gk. p“. ce. wie in Fig. 360, lg. Lunge, vd. Vordarm im Uebergange in den Mitteldarm md, d. Dotter- zellenmasse, bd. primäre Pankreasanlage. — Fıc. 562. u. Urnierengang, ve. Stammvene, vv. Wirbelvenenast derselben, dv. Dottervenen, p‘. Bauchhöhle, d. bd, md. ec. wie in Fig. 361. Fıc. 363. Larve aus dem Anfange der 2. Periode, nach Entfernung der Haut, der Bauchwand, der meisten Baucheinge- weide, des Zungenbein- und Kiemenapparats einer Seite mit Erhal- tung der Gefässe. Die Arterien sind roth, die Venen blau bezeichnet. ab‘—ab“. 1.—3. Aortenbogen (Pulmonalis mit Ductus Borauuı), ab“. 2. Pulmo- nalast, al. A. lingualis, ac. A. carotis, aw. Aortenwurzel, am. A. mesenterica, Erklärung der Abbildungen. 953 a. Aorta, de. Ductus Cuvierr, vj. V. jugularis communis, vj‘. V. jugularis inferior, vc. Stammvene, entspringt aus der unteren Kaudalvene vc’”, welche sich an der Schwanzdarmwurzel in zwei Stämme theilt vc”, welche darauf eng aneinanderge- schlossen (ve‘) zwischen den Nieren das Blut dieser Organe und der Wirbelvenen sammeln und dann die Urnieren u durchströmen, c. das absteigende Vorderstück der Hohlvene, aus der rechten Stammvene entspringend, as’. Anlage der Vorder- extremität. Tafel XXI. Fıc. 364. Subepidermoidales Bildungsgewebe des Kopfes aus der ersten Larvenperiode im Durchschnitt. oh. Oberhaut noch aus zwei gesonderten Schichten bestehend, g. Blutgefäss, d. embryonale Blut- oder Dotter- bildungszellen. Fıc. 565. Derselbe Theil aus dem Anfange der 2. Larvenperiode im Durchschnitt. oh. Oberhaut zu einer einzigen Zellenschicht verschmolzen, Ir. Lymphräume, b. Balken und Scheidewände derselben, p. Pigmentzellen des subepidermoidalen Pigmentzellennetzes, p‘. zu einer kontinuirlichen Membran verschmelzende Pigmentzellen. Fıs. 366. Durchlöcherte Bindegewebsmembran aus der Gegend eines Zwischenwirbellochs von einer älteren Larve. Fıe. 367. Bindegewebsstränge des Kopfes einer jüngeren Larve. Fıc. 368. Bindegewebsplatten im queren Durchschnitt aus der Mundhöhlendecke einer in der Metamorphose begriffenen Larve. a. quere Verbindungsplatte mit der ganzen Fläche in den Schnitt fallend, b. Durchschnitte der parallelen Platten und ihrer Kerne, d. Lymphzellen in den Zwischenräumen. Fie. 369—371. Querdurchschnittteeineretwasälteren Larve als die in Fig. 359—362 dargestellte. — Fıc. 369. hh. Hinterhirn, gb. Gehörbläschen, sh. Schlundhöhle, sf. die vom Darmblatt abgelöste 1. Schlundfalte, sf. 2. Schlundfalte, s‘. Anlage des Zungenbeinkörpers, p‘. Perikardialhöhle, h. Herz, vj. V. jugularis externa, vj‘. V. jugularis inferior, ac. A. carotis. — Fıc. 370. sh. sf. vj. ac. p‘. s‘. wie in Fig. 369, sf“. 1. innere Kiemenhöhle, b. ihre mediale Grenzleiste, k. 1. Kiemenbogen mit dem N, glosso-pharyngeus as“ und dem 1. Aortenbogen ab‘, ks. äusserer Kiemensack, kd. Kiemendeckel, h. Herz- kammer, h‘. h‘. linker und rechter Vorhof des Herzens. — Fıe. 371. 0. Speise- röhre, lg. Kehlkopf, k—k“. 1.—3. Kiemenbogen, as’. Ganglion und Wurzel des Vagus, woraus der 2. und 3. Kiemennerv kn und der vordere Kehlkopfast In 954 Erklärung der Abbildungen. hervorgehen, m. Muskel des 4. Kiemenbogens (später zum Theil Kehlkopfmuskel), av. Aortenwurzel mit der sekundären Wirbelarterie, ab. A. pulmonalis, sv. Venen- sack, vp. V. pulmonalis, vj‘. V. jugularis inferior, va. V. abdominalis, g. Gallen- blase unter die Lebermasse vorgeschoben, p“. Bauchhöhle. Fıs. 372. Sagittaler, links dicht neben der Medianebene gelegener Durchschnitt einer Larve der 1. Periode, nur in der Bauchhälfte ausgeführt. vh. Vorderhirn mit der Sehnervenplatte o und dem Basaltheile b, w. Wirbelsaite, mh. Mundhöhle, sh. Schlundhöble, sd. Schild- drüsenanlage, lg. Lungenwurzel, bd. primäre Pankreasanlage, vd. Vordarm, x. Stelle, von wo er sich nach rechts zum Uebergange in den Mitteldarm wendet, l. Leber, g. Gallenblase, md. Mitteldarm, hd. Hinterdarm, af. Afterdarm, shd. Schwanzdarm, gh. M. genio-hyoideus, s’. Zungenbein, h. Herzkammer mit Andeutungen einer Theilung (die eine Scheidewand ist irrthümlich als nach aussen offene Falte, statt ebenso wie die gegenüberstehende solide Leiste wiedergegeben), ba. Bulbus arteriosus, sv. Venensack mit einem Theil des Vorhofs, d. Anlage des Zwerchfells zwischen der Perikardialhöhle p’ und der erst spaltförmigen Bauch- höhle, ax. Axenstrang des Darmblattes mit seinen Fortsätzen, ms. Gekröse, am. A. mesenterica, a. Aorta, n. Nierenanlagen, gd. Anlagen der Genitaldrüsen, ds. Blutbildungsheerde., Fıs. 373. Frontaldurchschnitt der Vordarmgegend einer etwas älteren Larve. h. Herz, p‘. Perikardialhöhle, p“. Bauchhöhle, d. Zwerchfell, 1. Leber, I‘. Lebergang, bd. primäre Pankreasanlage, bd‘. sekundärer Pankreasgang, vd. Vordarm (Duodenum, dessen Lichtung in dem vorliegenden Präparate durch eine quere Darmblattwand getheilt erscheint), vp. Pfortader (Dotterdarmvene), md. primäre Mitteldarmlichtung, md‘. durch die Auflösung des Nahrungsdotters entstehende Räume, welche in der Folge jene Lichtung ver- grössern. Fig. 374. Lebernetz mit den Leberbalken Ib und den Gallen- gängen gg, v. seröser Ueberzug der Leber (Visceralblatt), vv. Anlagen der Lebergefässe. Fıc. 375. Theil des hinteren Endes einer Nierenanlage aus dem Anfange der 2. Larvenperiode. u. Urnierengang, n. gewundener Nieren- schlauch, n‘. primitive Harnkanalkapsel, g. Anlage eines Gefässknäuels, gl. Anlage einer Geschlechtsdrüse. Fıc. 376. Querdurchschnitt einer Larve aus dem Anfange der 2. Periode. vd. Vordarm (Magen), md. Mitteldarm (das Gekröse der einzelnen Schlingen war im Durchschnitte nicht erhalten), 1. Leber, gb. Bauchspeicheldrüse, vc. linke Stammvene, ve’. die rechte Stammvene, welche in das Gekröse jener Erklärung der Abbildungen. 955 Drüsen den absteigenden Hohlvenenabschnitt entsendet, a. Aorta, entsendet in das Darmgekröse die A. mesenterica am, lg. Lunge, am Gekröse befestigt, e. Anlage der Milz, u. Urnierengang, n. Nierenanlagen. Fıc. 377. Eingeweide, Skelet und Gefässstämme einer Larve am Schlusse der 1. Periode, aus den aufeinander folgenden Sagittal- durchschnitten zusammengesetzt. Bezeichnung auf Taf. XXI. vh. vh‘. Vorderhirn mit der Zirbel z, mh. hh. Mittel-, Hinterhirn, m. Rückenmark, ng. ng‘. Nasenhöhle, a. Auge, gb. Ohrbläschen, isn. asn. innere und äussere Portion des Gasser’schen Nervenknotens (1. Kopfsegment), asn‘. N. facialis (2. Kopfsegment), asn‘. N. glosso-pharyngeus (3. Kopfseg.nent), asn“. der 3theilige Vagus (4. Kopf- segment), w. Wirbelsaite, wb. 1. Wirbelbogen, gf. Schläfenflügelknorpel, op. Joch- fortsatz des Quadratbeins, asc’. Unterkieferknorpel, s‘. grosses Zungenbeinhorn, 1g. linke Lunge, abgeschnitten, lg‘. rechte Lunge, o. Speiseröhre, vd. Duodenum; der zwischen diesen beiden Darmtheilen an der linken Seite hinabziehende Magen wurde fortgelassen, daher jene Darmstücke durchschnitten dargestellt sind, 1. Leber, e‘. Lebergang, gl. Gallenblase, bd. Pankreas mit dem primären hinteren und dem sekun- dären Ausführungsgange bd‘, ms. rechtes Lebergekröse, nur theilweise dargestellt, ms‘. Darmgekröse ebenso dargestellt, p‘. Perikardialhöhle, p“. Bauchhöhle, d. Zwerch- fell, md. Mitteldarm mit der Dotterzellenmasse, hd. Hinterdarm , af. Afterdarm, sd. Schwanzdarm, u. Urnierengänge (abgeschnitten), gd. Anlage der Genitaldrüse, h. Herzkammer, h. Vorhof des Herzens, ba. Bulbus arteriosus, ab. Gefässbogen des Zungenbeinbogens, al. A. lingualis, ab‘. ab“. 1. und 2. Aortenbogen, ab’. 5. Aortenbogen, eigentlich Wurzel der Pulmonalarterie ap mit Ductus BorALLr, ab“. 2, Pulmonalast, ac. A. carotis, am. A. temporo-maxillaris, rc. Verbindung der Carotis zur-Basilararterie abs, av. A. vertebralis, aw. Aortenwurzel, a. Aorta, ams. A. mesenterica, sv. Venensack, de. Ductus Cuvierı, ve. linke Stammvene (abge- schnitten), vc’. rechte Stammvene, beide stossen weiter rückwärts zusammen (ve, irrthümlich statt ve‘), c. absteigendes Stück der Hohlvene, lv. Lungenvene, vhp. Lebervenen, vp. Pfortader mit ihren Wurzeln, vj. V. jugularis communis, vj‘. V. jugularis inferior, hinter dem Vagusstamm aus der inneren und äusseren Drosselvene zusammenfliessend, dv. Dottergefässnetz (schematisch). Fıs. 578. Definitive Umbildung der Aortenbögen. a. gemeinsame Wurzel am Bulbus arteriosus, ab‘. 1. Aortenbogen oder Wurzel der Carotis ac, ab. Wurzel der A. lingualis, cd. Karotidendrüse, c. obliterirter Uebergang des 1. Aortenbogens in die Aortenwurzel, ab“ 2. Aortenbogen oder Anfang der Aortenwurzel aw, ab‘. 3. Aortenbogen oder Wurzel der Pulmonalisap, ax. A. cutanea. Fıc. 379. Herz und Leber einer jungen Unke mit ihren Gefässen von vorn und unten gesehen. 1. Leber, gb. Gallenblase, h. Herzkammer, 956 Erklärung der Abbildungen. h‘. h“. Herzohren, ba. Bulbus arteriosus, ab. Arterienstämme, c. V. cava, de. Ductus Cuvrert der rechten Seite, vj‘. V. jugularis inferior, v. Herzvene, va. Bauch- vene, vp. linker Pfortaderast. Fis. 380. Die Nieren mit ihrem Pfortadersystem von einer ein- jährigen Unke. n. Nieren, u. Urnierengang, u‘. Zusammenfluss beider Urnieren- sänge, aw. Aortenwurzel, am. A. mesenterica, a. Aorta, ai. A. iliaca, acr. A. cruralis, ah. A. hypogastrica, ae. A. epigastrica, ve. Urnierentheil der linken Stammvene, vc‘. derselbe Theil der rechten Stammvene, c. Hohlvene, vc”. hinterste Abschnitte der Stammvenen, 've‘“. Schwanzvene, vi. V. iliaca, ver. V. cruralis, vh. V. hypo- gastrica, ve. V. epigastrica, vu. Harnblasenvene, va. Bauchvene, vJ. Jacogsox’sche Vene, vv. vv‘. hintere Wirbelvenen. Tafel XXIL Fıs. 381. Vier Seitenansichten (a. b. c.d.) der sich entwickelnden Urniere. u. Urniere, ug. Urnierengang, sp. Bauchhöhlenmündung der Urniere, alsbald dreigetheilt (sp. sp‘. sp“). Fıg. 382. 383. Querdurchschnitte von Forellenembryonen, die Entwickelung der Kopfniere betreffend. r. Rückenmark, w. Wirbelsaite, is. Muskelplatte, is’. inneres Segmentblatt, as. äussere Segmentschicht, ug. Urnieren- gang, gk. Anlage des Gefässknäuels, v. Visceralblatt, g. Gekrösefalte, d. Darmblatt, a. Aorta, ax. Axenstrang des Darmblattes. Die übrigen Abbildungen dieser Tafel sind Umrisszeichnungen der mit den- selben Zahlen bezeichneten Figuren auf den Taf. XVIIL, XIX, XXI. Alphabetisches Inhaltsverzeichniss, Die römischen Zahlen bezeichnen die Kapitel, die anderen die Seiten. Abschnürung des Embryo 245. 69. — des Darmkanals 777. 778. Adergeflecht 294. 296. After 677. Afterdarm 264. 810. Anpassung 657. 892. 893. 89. Aorta 499. 539. 540. 755. 758. 775. 826. 827. Aortenbögen 499. 679. 752— 758, der Fische und Amnioten 783— 185. Aortenwurzel 753. 755. 758. Arteria basilaris 753. 756. — carotis 631. 753. 755. 757. 758. 784. — cutanea 758. — iliaca 758. 761. — lingualis 757. — mesenterica 758. — ophthalmica 755. — pulmonalis 754. 758. 754. — spinalis inferior 756. — subelavia 758. — temporo-maxillaris 757. — vertebralis 753. 756. 758. Athmung 754. 755. Auge 323—328. 332. Augenblase 172. 323. 324, der Teleostier 187. 188. Augenmuskeln 463. 625—627. 630. 631. Augenmuskelkanal 728. Augenmuskelnerven im allgem. 718. 721. Augenspalte 324. Axenplatte 156—176, der übrigen Wirbel- thiere 177—188. 796. 797. Axenstrang des Darmblattes 269. 270. 775. — des mittleren Keimblattes 156. 198. Axenstreif (Primitivstreif) 176. 1831—184. Basisphenoid der Teleostier 728. Bauchfell 811. 828. Bauchhöhle s. Pleuroperitonealhöhle. Bauchmuskel, äusserer s. Musculus obliquus externus. — mittlerer 464—468. 476. 477. 609, der Fische und Amnioten 606— 608. 610—612. — innerer s. Musculus transversus. Bauchrippe 467. 471. 618. Bauchspeicheldrüse s. Pankreas. Beckengürtel 473. 474. 478. Befruchtung 49. 82. 83. 845. 852. Bildungsgewebe, interstitielles 359. 372. 490—528. 535—537. 542. 555. 872. 874. Bindegewebe 518—526. 530. 546 — 550. Bindesubstanz 517. 527. 547, 548. Blut 495. 200—503. 507. 538. 770. 812, der übrigen Wirbelthiere 536. 538. 539. 541. 713. 787. 788, s. ferner Blutzellen, Kreis- lauf. Blutgefässe 498 — 516. 536. 537-545. 781. 958 782, primäre 498—504. 539.541, sekundäre 505—511. 542 —549. Blutzellen 497. 493. 500. 511. 550. 770. 812. Brustbein 471—473. 617—619. Brustregion 797. 817. Bulbus arteriosus 748. 751. Centralnervensystem 177. 178. V, der Knochenfische 184 — 187 ; Histiogenese dess. 275— 280; Hüllen dess. 298. 374. 375. 403. 533. 534; Gefässe dess. 527; s. ferner Hirn, Rückenmark. Chordaknopf 696. 697. Chordascheide s. Wirbelsaite. Outis s. Unterhaut. Dammuskeln 609. 610. 612. Darmblatt 131. 247. 260—270. 552. 560. 561. 564. 565. 683. 766. 789. 797. 811. 813. Darmdottergang s. Darmnabel. Darmhöhle, Darmkanal 129. 218 — 221. 260—270. 494. XI, der Teleostier und Amnioten 777. 816—818; Histiogenese dess. 789. 790. 811. 815; s. ferner Kopf-, Vor-, Vorder-, Mittel-, Hinter-, After-, Schwanzdarm. Darmnabel 779. 796. 808. 816. Darmrinne 264. Darmschlussfalten 777—779. 816. Darmvenen 766. 767. Darwinismus 890—897. Deckschichtd. primärenKeimschicht 124.155. Descendenztheorie 888— 890. Dornfortsätze, obere 421, untere 431. Dotterbildungszellen 497. 498. 505. Dotterdarınvenen 500. 538.539. 747. 766. 781. Dottergefässe 536. 5358—541. 746. 766. 781. Dotterpfropf 126. 132. Dottersack 245. 808. 816. Dottertheilung II, bei Fischen 106—108, bei Amnioten 108—110, bei niederen Thieren 850—854. 862; Theorie ders. 78 u. flg. 842. Dottervenen s. Dotterdarmvenen. Dotterzellen 64. 71. 103. 123. 249. Dotterzellenmasse 144.260, 264. 265. 789.808. 811. Ductus Botalli 754. 758. 734. Alphabetisches Inhaltsverzeichniss. Ductus choledochus 805. 806. — Ouvieri 765. 768. 786. — ceysticus 805. 806. — hepaticus 798. 805. 806. — venosus Arantii 787. Dünndarm 810. Duodenum 798. Ei, Bildung dess. 10—31. 355—37. 555. 571. 832—834, holo- und meroblastische Eier 108. 143—145, Ei der Protozoen 8S45—851, der Metazoen 851—855, Bedeutung dess. 30 —35. 75. 77. 812. 861. Eierstock 10—18. 20. 22. 26. 27. 32. 831— 834. 838— 840. Eingeweidenervensystem s. Nervus sympa- thieus. Ektoderm 809. 864. Embryonalzellen 64. 71. 103. 123. 126 u. flg. 241. 249. 492. 557. Endocardium 747. 752. 776. 779. 780. Endothel 521. 550. Entoderm 809. 864. Entwickelung, allgemeine 97—105. 139— 145. 239 — 257. 260—262. 267. 494. 495. 503. 551—575. 593 — 597. 703. 723—725. 740. 742. 797. 813. 814. 812—845. 856 — 858. 862—887; Bedeutung ders. 574. 588. 603. 604. 843. 845. — der ersten Organismen 899. Episternum 472. 474. 618. 619. Epithel 550. 560. 561. 564. Extremitäten s. Gliedmassen. Fettkörper 831. Flügelbeinknorpel 655. 660. 661. Flügelgaumenbogen 733. 736. 737. Flügelgaumenplatte 640. 641. 650. Formgesetz 249—252. 570. 573. 574. 586— 591. 596 —598. 602—604. 773. 782. 843. 844. 849 — 851. 862. 886. Gallenblase 806. Gallenkanäle 805. Ganglienzellen s. Nervenzellen. Ganglion Gasseri 623. 625. 635. Gastrula 144. 145. 809. 855— 861. 864— 870. Gastroduodenalbogen 799. 309. 810, Alphabetisches Inhaltsverzeichniss. Gaumen, harter 659. 697. 701. Gaumenbeinknorpel 655, s. Flügelgaumen- bogen. Gaumenbogen 655. 658. 659. Gaumenleiste 568. 655. 658. 659. 701. Gaumenspalte 655. Gefässbogen, cerebraler 756. 783. 784. — des Zungenbeinbogens 756. 757. 785. 784. Gefässe s. Blut-, Lymphgefässe. Gefässwand 504. 505. 512. 519. 543. Gehörknöchelchen der Reptilien 737. Gehörorgan 172. 328. 329. 366. 633, der Teleostier 188. 333. Gekröse 799. 801. 803. 810. 826. Gekrösefalte 213. 799. 824. Geruchsorgan 172. 329—331, der Teleostier 188, der Cyklostomen 318. 519. 335, s. ferner Nasenhöhle. Geruchsplatte 172. 329. Geschlecht, Entstehung dess. 832. Geschlechtsorgane I. 828. 831 — 834. 839. 840. Gesichtsfortsatz, lateraler 635. 641. 643— 648. 650. 691. 692, der Säuger 700. 701. — medialer 644—648. 691, der Säuger 700. 701. Gesichtstheil des Vorderkopfs 641 — 656. 658—660. 727— 732. Gewebe, Formwerth ders. 597—605. Glaskörper 324. 328. 525. 549. Gliedmassen 215. 231. 236. 468 —474. 615— 619. Gräten der Teleostier 435. Grenzfalte des Vorderdarms 220. 745. Grundschicht der primären Keimschicht 124. 154. Haftorgane 204. 642, 697. Hals 797. Halsdrüse 669. 678. 682. Halsmuskeln 608. 611. 612. Harnblase 811. Harnkanälchen 829. Hermaphroditismus 883— 840. Herz 501. 746—752. 776— 783. 959 Herzkammer 751. Herzraum 220. 224. 745 —749, s. ferner Perikardialsack. Herzthätigkeit 770—774. Herzvene 769. Hinterdarm 263. 810. 822. Hinterhirn 232. 296. Hinterkopf 216— 225. 662— 683. 70. Hirn 166—172. 179. 280—319, kleines Hirn 296. 304. 313, gross. H. 293. 308. 313, H.d. Fische 305. 308, der Säuger 730; Histio- genese desH. 297. 298, Architektonik dess. 299 — 313, Einfluss dess. auf andere Theile 692. 695. 700. 703. 728. 730. 740. 742, 797. 884. 885. Hirnanhang 288. 289. 317— 319. 641.696. Hirnbalken 314. Hirnbläschen, primitive 299. 300. 303. 306. 307. 634. Hirnhäute 298. 507. Hirnplatte 166 u. fig. Histiogenese, allgemeine s. Entwickelune. Hoden 831— 834. 837 — 840. Hohlvene s. Vena cava. Homologie 610. 611. 706. 732. 795. 858— 861. Hornhaut 328. 525. Hornlippen 651—653. 658. Hyomandibulare 712. 733 — 756. Hyposternum 472. 474. 618. 619. Jacobsonsches Organ 654. Individualität 575. 595 —597. 604. 878. 889. Intercellularsubstanz 548. 549. Interkostalmuskeln 460. 608. 610— 612. Interorbitalwand 728. 729. 731. Interstitialflüssigkeit 493 — 495. 500. 508. 713. 787. Intervertebralwulst 383 —386. 390. 394. 395. 407. 408. 411. 412. 414. 416, Jochbogen, oberer 641. 660, unterer 659. Jochfortsatz 640. 641. 660. Kapillaren s. sekundäre Blutgefässe. Kehlkopf 672. 680. 682. 793. 794. Kehlsäcke 682. 793. Keilbeinflügel 709. 710. 713—715. Keim 108. 130. 132, der Wirbelthiere über- 960 haupt 143—145, der Amnioten 554-557, der Säuger 866. Keimblase 145. &09. 863. Keimblätter III, oberes K. 132. 140—142. 147 — 188. 551—553, mittleres K. 132. 142. 188— 229. 683, mediane Lücke dess. 207, 693. 697. 698. 745, unteres K. s. Darm- blatt. j Keimblättertheorie 133—142. 1838—192. 229 — 257. 551—566. 858—861. 864— 874. Keimhöhle 122. 129. 150. 269. 493. Keimschicht, primäre 123 u. flg., sekundäre 127: Kern der Zellen 63. 64. 68—71. 99—103. 594. 600, der Protozoen 846. 850. 851, s. ferner Kernkeime, Dottertheilung. Kernkeime 61 u. flg. 99. 853. Kieferapparat 662. 686. 690-692. 703. 742. 7%. Kieferdrüse 654. Kiefersuspensorium 697. 639. 660—662. 691. 132—738. Kiefertheil des Vorderkopfs 226. 228. 641. 642. 690—692. 742. Kiemen 567. 568, äussere K. 675—677. 681, der Fische 738. 741; innere K. 677—682. 738. 742. 790, der Cyklostomen und des Amphioxus 739. 743. Kiemenapparat 669 — 672. 674—682, der Fische 738— 744. Kiemenbögen 224. 669 — 672. 674 — 683. 125 —727. Kiemendeckel 676. 687. 688, der Amnioten 696, der Fische 735. 738. Kiemenknorpel 674. 679. 726. 741. 752. 790. Kiemenmuskeln 670—672. Kiemensack, äusserer 676. 677. 689. Kloake 811. Knochenbildung 379. 380. 385. 388. 395. 471. 518. 547. Knorpelbildung 361. 367 — 371. 377. 436. 437. 517. Kopf 203. 208. 216—229. 262.IX,d. Amphibien überhaupt 684 —692. 703. 704, der Cyklo- stomen 692, 704. 705, der Teleostier 693-— 695. 703. 705, der Amnioten 695 — 703, des Alphabetisches Inhaltsverzeichniss. Amphioxus 739. 741—744, im allgemeinen 620—622, 683. 705— 711. 739— 744. Kopfbeuge 169. 204. 625. 683. 684. 697. 731. 740. Kopfdarm 221. 262. 690. 789. 790, der Teleostier 694, der Amnioten 698—704. Kopfnerven, Bedeutung ders. 718—723. 739. Kreislauf des Blutes 513— 516. 753 — 757. 770— 774. Kreuzbein 618. Larvenmetamorphose im allgemeinen 656. 657. 689. Leben, Begriff, Entstehung, Ursachen dess. 33. 34. 574. 581—604. 842. 843. Lebenskeime 51 u. flg. 82. 87. 92. 98. Leber 746—750. T67—T70. 792. 7I6— 79%. 800-806. 814. 815, der Teleostier 817, der Amnioten 818. Lebergekröse 802. 803. 818. Lebernetz 804. 805. 815. Leberstiel, primitiver 798. 805. 806. 807. Leibeshöhle 873. Ligamentum hepato - gastro - duodenale s. kleines Netz. — suspensorium hepatis 768. 769. 801. Linse 327. 332—334. Lippenknorpel 725. 727. 731. 739. Lobi olfactorii 313. 314. Lungen 744.748. 749. 754. 73 — 7%. 802. 815. Lungendarm 792. 793. Lymphgefässe 513 —5106. 524. 525. 546. 774. 775. 812. Lymphherzen 762. 775. Magen 798. 803. Magenleberdarm 799. 509. 810. Mastdarm 811. Meckelscher Knorpel 736. Medullarfurche 161 u. tlg. 169. Medullarplatte 158—163. 173. Membrana reuniens superior 211. 373. 374. 491. 644, inferior 492. Mesenterium 810. Metameren s. Segmente Metamerenbildung (Segmentirung) 246. 723. — 125. 739. \ Alphabetisches Inhaltsverzeichniss. Milz 812. 813. Mitteldarm 261. 263— 267. 808— 810. Mittelhirn 282. 234—286. Mittelplatte 819. Mundbucht 227. 637. 642. 647, 648. 651. 691. 69. Mundhöhle 221. 227. 228. 636. 651. 653. 666. 669. 691. 790. Mundöffnung 651—653. 661. 687. 691, der Cyklostomen 662. 691, der Teleostier 694. Muskeln, Histiogenese ders. 449 — 454. 462 — 464. 473. 5283—530. Museuli constrietores labiorum 650 — 653. 658. 687, der Säuger 701. Musculus depressor mandibulae 640. 652. 661. 665. 680. 687. — depressor ossis hyoidei 640. 653. 665. 680. 687. — genio-glossus 669. — genio-hyoideus 465 —468. 609. 610. 612. 613. 638. 652. 661. 682. 723. — hyo-glossus 669. 682. — ileo-lumbaris(M.quadratuslumborum) 473. 611. 612. — ischio-cocceygeus 467. 609. 610. — levator ossis hyoidei 640. 653. 666. 680. 687. — masseter 636. 638. 640. 653. 660. — obliquus abdominis externus 474. 478. 606. 610—613. — obliquus abdominis internus 476. 478. 610. 612. 613. — omo-hyoideus 468. 474. -—- .pterygoideus636.638.640.653. 661.687. — quadratus lumborum s. M. ileo-lum- baris. — recetus abdominis 467. 477. 478. 609— 612. — retrahens maxillae superioris 649. 653. 658. — scapulo-mastoideuss. M.sterno-cleido- mastoideus 470.471.474. 478. 609.610. 612. — sterno-hyoideus 465—468. 609—611. 613. 723. subhyoideus 666. 667. 682. 687. GoETTE, Entwickelungsgeschichte. 961 Musculus submaxillaris 667. 668. 682. 687. — submentalis 637. 638. 652. 687. — temporalis 633. 636. 638. 639. 648. 653. 658. 661. 687. — transversus abdominis 475. 476. 610, 612. 613. Nahrungsdotter 108. 143. 144. 778, der übri- gen Wirbelthiere 788. 808. 809. Nasenbeine 660. Nasengrube, Nasenhöhle 330. 642. 646. 647. 654. 655. 658. 659. Nasenknorpel 654. 688. Nasenplatte, seitliche 330. 646. Nasenscheidewand 649. 654. 688. 696. 728. 1292131. Nerven der Extremitäten 487—488. Nervenfasern 482—485. 516. 530—532. Nervenscheide 519. Nervenzellen 480. 481. Nervus abducens 628. 632. — acusticus 664. 720—722. — coceygeus 488. — facialis 632. 633. 664. 665. 718. 721, der Fische 735. — glosso-pharyngeus 670. 682. 718. 722. — hypoglossus 486. 682. 722. 723. — Jlateralis des Bauches 672. 673, des Rückens 457. 672. 673. 718. 719, des Vor- derkopfs 628. 672. 719. 721. — maxillaris inferior, superior 632. 633. 635 —637. 718. 721. — nasalis 627— 629.632.641.655.718.721. — oeulomotorius 628. 629. — olfactorius 295. 331. 630. 719. 720. — ophthalmicus s. Nervus nasalis. — opticus 287. 323. 622. 719. 720. — palatinus 632. 664. 665. 718. 721. — sympathicus 489. — trochlearis 628. — vagus 460. 671—673, 682. 718. 722. Netz, kleines 800, 801. Netzbeutel 301. 818. Netzhaut 298. 325—322. Niere 761. 763. 828-831. 834—837, der Teleostier und Amnioten 836—837. 61 962 Öberhaut 158. 246. Öberkiefer 652. 653. 658. 659. Oberkieferfortsatz 643. 696. 697, der Amnio- ten 701. 702, Öberkieferknorpel, -knochen 649. 658. 659. 683, der Teleostier 731. Öberkieferwulst 227. 228. 642. 643. 645. Oceipitalgelenk 390. 391. Ohr, Ohrbläschen s. Gehörorgan. Öperkularkieme 735. 741. Orbitalflügelknorpel 633. 634. 711. 713. 715, s. ferner Keilbeinflügel. Os intermaxillare, maxillare s. Zwischen-, Öberkieferknochen. Palatinum 733, s. Gaumenbeinknorpel. Pankreas 798. 799. 801. 806—808. 815. Pankreasdarm 799. 809. Pankreasgänge 798. 801. 805—807. Parasphenoid 365. 728. Parietalblatt 215, vgl. Perikardialsack, Ur- niere, Bauchfell u. s. w. Paukenhöhle 678. 689. 743. Pericardium 752. Perikardialhöhle,-sack 746..748— 751. 776. 791. 792. 796 797. 816, der Teleostier 777. 778. 786. 817. Perioden der Entwickelung 147. Phylogenese 739— 744. 782. 856--858. 861. 887 und fle. Pigmentzellen des Bindegewebes 521—523. Pleurahöhle 792. 795. 796. 802. 803. Pleuroperitonealhöhle 746.776. 792. 795. 816. 823. Plexus brachialis 487. 619. 722. — ischiadieus 437. 438. 619. Praesphenoid 729. 730. Primitivstreif s. Axenstreif. Primordialkranium, häutiges 435. 685. 699, 717, knorpeliges 716— 717. 743. Promorphologie 887. Protoplasmatheorie 591—5923. Pterygoid 660. 661, der Fische und Reptilien 733—738, 8. Flügelgaumenbogen. ferner Flügelbeinknorpel, Alphabetisches Inhaltsverzeichniss. Quadratbeinknorpel, Quadratum 639. 660. der Fische und Reptilien 733—738. Querfortsätze der Wirbel 381. 397-399, 425—435. Quergliederung s. Metamerenbildung. Retroperitonealraum 491. 822. Riechnerv s. Nervus olfactorius. Riechnervenhügel 295. 313. Rippen,-fortsätze der Wirbel 381. 397— 399. 425 —435. 618. Rückenmark 158—164. 246. 275—280, Zu- sammenhang dess. mit der Darmhöhle 174. 176. Rückenmärkshäute s. Centralnervensystem. Rückenmuskeln s. Stammuskeln. Rückenrinne 159. 167. 173. Rückenwulst 161. 167. 170. 177. Rudimentäre Organe 567. Rusconische Oeffnung 125. 132. 174. Sattelgrube 292. 360. 728. 729. Schädel 367. 371. 372. 650—634. 707— 719, der Neunaugen 704. 709. 711. 727. 750, der Selachier 707. 709. 715. 729, der Teleostier 709. 712. 727—729, der Reptilien 709. 713. 727—729, der Vögel 715. 728. 729, der Säuger 709. 710. 715. 729. 73). Schädelbalken, mittlerer (Rathke) 624. 700. 708. 756, seitliche 707. 708. 727. Schädelbasis, hintere 360. 362—366. 629. 728, vordere 365. 367. 629. 630. 727. Schädeldach 633. 634. 644. 711. 713. Schädelwirbeltheorie 235. 435. 684. 685. 707. 716— 718. 739. Schilddrüse 666. 667. Schläfenflügelknorpel 632. 711. 712. 714. 715. 736. 737. Schlundfalten 222 —225. 247. 262. 669. 677. 678, der Teleostier 694. 734, im allgemeinen 1723—725. Schlundhöhle 221. 653. 630. Schlundmuskeln 682. Schultergürtel, Muskeln und Skelet dess. 470— 473. 478. 616—619. Schwanz 174.175. 210. 231. 458. 490. 492. 526. 542. 616. Alphabetisches Inhaltsverzeichniss. Schwanzdarm 210. 231. 263. 514. 761. 774. Schwanzflosse 810. Schwanzmuskeln 608. 610—612. Schwimmblase 817. Sclerotica 328. 366. 654. Seementblatt, inneres 212. 373. 491. 534. 536.539. Segmente 202. 244. 256. 566. 740, des Kopfes 203—208. 216—229. 232. 235 —238. 262. IX, der Teleostier 694, der Amnioten 699; des Rumpfes und Schwanzes 209-215. 230. 231. 234. 236. VII. Segmentirung s. Metamerenbildung. Segmentkerh 212. 534. Segmentplatten 199 u. flg. Segmentschichten 212. 215. 461. 610, äussere 468—475. 534. 536. Sehnenbildung 454. 525. Sehnerv s. Nervus opticus. Seitennerv s. Nervus lateralis. Seitenorgane 331. 605. 672. 673. Seitenplatte 199. 256. 789, des Kopfes 221-— 226. 232. 236. 674. 743. 745.789, des Rum- pfes und Schwanzes 210 —215. 250. 231. dal: Seitenrumpfmuskel 607. 610— 612. Selektionstheorie 890 — 892. Sinnesblatt s. oberes Keimblatt. Sinnesorgane 179. 335— 535. 563. 565. Sinnesplatte 166. 168. 172, der Teleostier 180. 187. Sinus venosus Ss. Venensack. Situs viscerum 750. 799. 885. Skeletbildende Schicht 403. 415. 417. 428. 429. 707. Speiseröhre 793. 803. Spinalganglien 373. 374.479—482. 532—535. Spinalnerven 392. 466. 479— 489. 532—535. 619. | Spritzloch der Selachier 735. Spritzlochkieme 740. 741. Stammplatte des Gesichts 649. 688. 730.731. Stammskelet s. Wirbel. Stammuskeln 381. 407. 428. 449. 455—460. 477. 610. 613—615. 663. 664, der Fische 963 605—608. 610. 611, der Amnioten 608— 610. Stammvene s. Vena cardinalis. Steissbein 391— 393. 726. Sternzellen 496. 510. 516. 526. 546. Stimmritze 79. Stirnfortsatz 642—644. 685. 696. 702. Symplecticum 733 — 735. Teleologie 407. 575— 580. Trigeminus 718—721, s. ferner die einzelnen Vorderkopfnerven. Tuba Eustachii 678. Typisch, sekundär-typ. Theile 405. 427. 491. 568. 741. 783. Typus, Begriff dess. 252-255, 423, T. der Protozoen 584. 587. 588. 851, der Metazoen 877. und flg. Umhüllungshaut 140—142. Unterhaut 522—524. 546. Unterkiefer 637. 638. 651— 653. 660—662. Unterkieferbosen 227. 228. 635 —b41. 660 — 662. 666. 690—692. 725—727, der Fische 694. 734-736. 739, der Säuger 701. Urniere 760. 763. 819—828. 834—837, der Teleostier 825—827, der Amnioten 836. 837; Gefässknäuel der U. 823. 828. 835. Urnierengang 821— 823. 829— 831. 834 - 837. 839. Urogenitalfalte 824. 826. 828. 835. 836. Urwirbel s. Segmente. Vena abdominalis 765. 766. 768. 769. — anonyma s. V. cava anterior. — azygos 786. — cardinalis 760-765. 774. 785. 822. — caudalis 761. 762. 764. 774. 785. — cava anterior 765, posterior 762— 764. . 770. 785. 786. 802. 803. 818. — epigastrica 766. — hemiazygos 786. — iliaca 761. 785. — Jacobsonii 764. 786. — jugularis communis, externa, interna 759. 760. 769. — portae 768. 769. — pulmonalis 769. 61* 964 Vena subelavia 769. — umbilicalis 766. 786. Venae hepaticae 768. 770. — omphalo-mesentericae 766. 779. — renales 763. 764. 785. 786. — vertebrales 758. 759. 762—764. Venensack 748— 751. 765. 766. 769. Vererbung 892 und flg. Visceralblatt 215. 538, vgl. Herz, Harn- und Geschlechtsorgane, Zwerchfell u. s. w. Visceralbögen 684—68b. 690. 697. 702. 723 — 7127. 741. Vomer 660. Vordarm 221. 262. 748—750. 791— 808. 815. 816. Vorderdam 219. 261. Vorderhirn 282. 236—296. 698. Vorderkopf 223—229. 620— 662, der Wirbel- thiere überhaupt 703 — 705. Vorhof des Herzens 751. Wanderzellen 526. 527. 561. Wirbelbildung im allgemeinen: der Amphi- bien 403—415. 429, der Knochenfische 415 417, der Selachier und Öyklostomen 420-423, der Amnioten 417-420, der Wirbelthiere überhaupt 423 — 425. 427.723, epichordale W. 388. 413, perichordale W. 393— 397. 413. 414. Wirbelbögen des Kopfes 360. 390. 391. 435. 456. 624. 629—634. 648. 649. 707—719, untere 725. 739; W. des Rumpfes 374 — Alphabetisches Inhaltsverzeichniss. 382. 390. 406. 409. 415 - 425, untere 397. 425. Wirbelkörper 383 — 397. 406. 409. 413. 415— 423. 723, Bänder und Gelenke derselben 387. 390. 412. Wirbelsaite 156. 193.201. 205. 216. 234. 349 — 397. 372.373. 386—391. 395.456, Kopftheil d. W.359.362—365. 436, innere Scheide der W. 353, äussere 357. 373. 377. 394. 403. 408. 412. 518; W. der Teleostier 415. 693. der Amnioten 417. Bedeutung d.W. 399 — 402. 408. Wirbeltheilung 418. Zähne 79%. “ Zelle, Bildung im Eie 71—75. 103—105, Be- deutung ders. 76. 592. 598—602. Zellenkern s. Kern. Zellentheorie s. Zelle. Zirbel 283. 284. 304. 315. 316. Zunge 331. 332. 335. 668. 669. 682. 790. Zungenbein 639. 667. 674. 675. 681. 688. 794, der Fische 734. 735, der Reptilien 737. Zungenbeinbogen 224. 664— 669. 725 — 727, der Fische 735. 736. 740. Zwerchfell 765. 796. 803. Zwerchfellmuskeln 610. 612. Zwischenhirn 294. 308. 309. Zwischenkiefer 649. 658. 659. 688, der Teleo- stier 731. Zwischenwirbelbänder 380. 387. 390. 458. ünk Druckfehlerverzeichniss. Seite 136 Zeile 14 von unten lies bezeichnet statt bezeichet. SMRLHS\ 2; 975; 2 „ Rückenmark statt Rückemark. RE e „ symmetrisch statt ymmetrisch. _ RR A 55 „ Homologon statt Analogon. RE 15. 3% 35 „ des lateralen Segments statt der lateralen Segmente. DH ı;, = r „ stützte statt stütze. nn 2Ah, er > „ von statt vo. est 5 „ oben ,„, jener statt jenen. 1 1 1 » 254 „ 9 „ unten ,„ Individuums statt Individiums. » 263 „ 14 „ oben ,„ Endstücke statt Entstücke. ag Me 1 ,„ unten „ dachförmig statt dachrfömig. a Bun > „ sie statt die. » 292 „ 11 „ oben ,„, Basaltheil statt Besaltheil. la else untenes ,„sneunsstatuunele, aloe ar loben’ .„ deratatt’des. „ 434 lies durchweg Selachier statt Salachier. „ 468 Zeile 15 von oben lies N. hypoglossus statt M. hypoglossus. de, 8.5 e „ entsteht statt steht. 7500, 2,0102, R „ Dottervenen statt Dotternerven. 5 2506, 155 lg 55 7 „ der statt den. ln 3 5; ” „ Oberfläche statt Oberhaut. a ur > „ förmig statt örmig. »„ 517 „ 13 „ unten ,„ Zellenkonglomerat statt Zellenkonglomorat. 540,7; ER = „ Gefässe statt Gelässe, LO Le Ra Ni Be 55 ‚„ Zusammenhange statt Zasammenhange. Mlr5bar 6 „ oben , Hirnplatte statt Stirnplatte. 19698) z.. 105, E „ Wirbelanlage statt Wirbeanlage. „ 592 ,„ 17 ,„ unten ,„ ausgefällt statt ausgefüllt. 0 5 ,„ oben „ vollständige statt vollsändige. 628, 5 „ unten ,„ Schneider statt Schneieer 32 I: 55 » Wand der statt Wand oder. 680,5, I 5 „ M. levator statt M. lavator. a Be N 5 „ uns statt nur. a a > » Anurenlarven statt Auurenlarven. um. 208, 77,5% Dur Dieen: 3 „ Selachier statt Salachier. EETLB0 2 Has, PAARE, E: „ Ihnen statt ihr. Hu 92 4, 20 e; » Kiemengerüste statt Kiemgerüste. IN aIDDE >; er Br „ Darmblattdecke statt Darmblattdeke. „ 785 und 787 Seitentitel lies X. Das Herz und das Gefässsystem statt 4. die Lymph- gefässstämme. r „ 816 Zeile 13 von unten lies sich zusammenzieht statt zusammenzieht. EHEN 30% 5 „ begriffenen statt begriffene. Berichtigung zur Anmerkung auf Seite 724. Die vermisste bildliche Darstellung ist, wie ich nachträglich bemerke, in der Fig. 199 kenntlich angedeutet. ' u 2 7 ERR De Rn Ni IR sed Di: De uloaie Aül nim PRT au larenct sitaältlf vn) we Le % e; ) SER Pr 1 Vo Are DraRNE ya Be Bit : Ye RR RN: 2 51 g 1 N Ben ww iM A ad ia RE dar "nein veahdhkun Ho rg per Re Re er Ben u, yarlainganh rn sur lt. rar bu, f | 1, Kraea nu EM TUN ® RR“ „airianung Make Aualsln u a M ie Le | Ey oglail, Jule m y '5 EN ‚Sa a Ser almuimha: nehm oh Hkaıı sg a ne a Zn = a A hin en uni mitm Yang waüle di Se 4 eh uw Ya Er rm; le | DV: Er Re RAR Jule Aeruulen er Be ER ÄUR Ian Yu imfkllndlt Ari at Ro SSMDELL” re 3 ih tan ae FEN Kapadı and" Vila Bag "nade rend EN} a a „id Me EEE: eh PN ot RR Te ih Ve inne att=aoof geht fi if, „inmto uoR.0f DER a j 2 jdeasn nk 3 dan a Hann ACH" Yale Ai 22: ON a ee N teiabumdch Klara, rfailha ie erh Eee je Ar ia N R ER USERS une LEIP alas“ N ar ran Gut PATER Hg un Zt. 3 HE m = nuc« von oizbncke Karben. vr Be are an aan, AR Mlteysan. 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