Alt nticlng der Ührmusche _ bei anthropoiden Affen in ihren Beziehungen zu den Bildungs- _ _ Anomalien der menschl. Ohrmuschel. ad Inaugural-Dissertation — Erlangung der Doktorwürde hohen medieinischen Nakullät Aürieh vorgelegt von Walo Koch, Arzt von LAUFENBURG, Kanton Aargau. SONIAN FEB | „LIBRARIES“ II Ir To Buchs, Kt. St. Gallen. “ Buchdruckerei J. Kuhn. R 1902, par7 u" Entwicklung, der, Ührmuschel: bei anthropoiden Affen in ihren Beziehungen zu den Bildungs- Anormnalien der menschl. Ohrmuschel./ de \ Inaugural-Dissertation zur Brlangung der Doktorwürde holen medieinisehen Fakultät Zürich Walo Koch, Arzt von LAUFENBURG, Kanton Aargau. _—— 4 I Buchs, Kt. St. Gallen. Buchdruckerei J. Kuhn. 1902, [94 Dept kockverekrten Slerrn 9 Dr Fr. Tokrer Docemt für Ößremkeilkunde an der Amiversität = ärich, aus Pankbarkert jär seine freundliche Onregung und Geber. ASSUNG SEINES reichkalligen Materiales su dieser Arbeit gemidnret VOM Verfass er. Die Entwicklung der Ohrmuschel bei anthropoiden Affen in ihren Beziehungen zu den Bildungsanomalien der menschlichen Ohrmuschei. An der Ohrmuschel wird behufs Vergleichung ein basaler und ein apicaler Teil unterschieden. Am menschlichen Ohre scheidet beide Teile eine vom oberen Insertionspunkte der Ohrmuschel zum sulcus auris posterior gezogene gerade Linie von einander, welche die wahre Ohrlänge rechtwinklig schneidet. Der basale Teil, nach der Ohrbasis benannt, die der vorderen Insertionslinie der Ohrmuschel entspricht, ist das von Schwalbe auf embryonale Erwägungen hin als Ohr- höcker- oder Ohrhügelregion bezeichnete Gebiet, welches das cerus helieis, den Anfang der helix ascendens, das erus anthelicis inferius in seinem vorderen Teile, ferner tragus, antitragus und lobulus umfasst. Das basale Gebiet ist das conservative, wenig Ver- änderliche. Das apicale Gebiet dagegen, nach der apex auri- eulee Darwini benannt, welche dasselbe besonders charak- terisiert, von Schwalbe als freie Ohrfalte bezeichnet, um- fasst den grössten Teil von helix ascendens und anthelix und ist der ausserordentlich variable Teil der Ohrmuschel. Während dieses apicale Gebiet, verglichen mit dem gewisser Säugetiere (Marsupialier, Nagetiere, Edentaten, Ungulaten und viele Carnivaren) bei Affen und Menschen in hohem Grade reduziert erscheint, ist das bei allen EN Säugetieren gut entwickelte basale Gebiet bei Affen und Menschen nicht im Geringsten reduziert. Darwin sagt in seiner „Abstammung des Menschen“: „Die ganze äussere Ohrmuschel kann man als ein Rudi- ment betrachten, zusammen mit den verschiedenen Falten und Vorsprüngen ete.“ Als Rudiment betrachten auch wir den stark reduzierten apicalen Teil, die freie Ohrfalte, nicht aber das voll entwickelte, vordere, conservative, basale Gebiet. Rudimentäre Teile sind ja bekanntlich auch sehr variabel, weil sie nahezu nutzlos sind und infolge dessen, um Darwinisch zu sprechen, auch nicht länger mehr der natülichen Zuchtwahl unterliegen; oft werden sie vollständig unterdrückt, können aber gelegentlich ganz oder zum Teil in verwandter Form durch Rückschlag wiedererscheinen. Es sind häufig die zurückgefallenen oder frühe von der normalen Bahn der Species entgleisten Formen, Opfer, wie Rütimeyer sich ausdrückt, der innerhalb der Mensch- heit noch im Verborgenen lauernden Tierheit, welche sich durch solche Rückschläge und dadurch bedingte Bildungs- anomalien besonders auffällig bemerkbar machen. „Die Ohren des Chimpanse und Orang“, sagt Dar- win ferner, „sind denen des Menschen merkwürdig ähn- lich, auch sind die Ohrmuscheln gleichfalls nur sehr gering entwickelt ete.* Wir werden das in der vorliegenden Studie näher betrachten, zu welcher in ausgiebiger Weise das Material an ausgestopften Tieren und Spiritus-Cada- vern der zoologischen Sammlungen des eidgenössischen Polvtechnikums und der in zuvorkommender Weise durch Herrn Professor Ruge zur Verfügung gestellten Objekte zur Verwendung gelangt ist. Eine nähere vergleichend-anatomische Betrachtung der OÖhrenmuscheln der Halbaffen und Affeu ergibt das Folgende: Was den freien Ohrrand anbelangt, so zeigt Macacus rhesus noch die weitgehendste Aehnlichkeit mit den lang- ohrigen Tieren, durch seine nur im Anfangsteile der helix —I ascendens bestehende Einrollung, welche die wahre Ohr- spitze noch nicht erreicht, durch die scharfe, hochstehende und nach hinten gerichtete Spitze, die, wie der scharf- kantige hintere Ohrrand, noch gar keine Umkrempung erfahren hat, und ähnliche Verhältnisse finden sich schon bei fast allen Lemuriden. Bei Macacus erythr&us und Cercocebus sinicus er- zeigt sich bei sonst dem eben geschilderten gleichen Grade der Umkrempung im Anfangsgebiete der helix ascendens, und gleich scharfkantigem hinterem Ohrrande, bereits deutliche Umfaltung der wahren und immer noch an höchster Stelle befindlichen Ohrspitze nach vorn, und bei Saimiri sciureus, wo die Einrollung der helix das Gebiet der noch hochstehenden Spitze bereits in sich zieht, ist diese Umklappung derselben besonders ausgesprochen vorhanden, welche bei Cynocephalus nicht erfolgt ist, dessen auch noch hochstehende Ohrspitze von dem oberen Ende der Umkrempung der aufsteigenden helix gerade erreicht wird. Bei anderen der Familie der Catarrhinen, den Cercopithecus-Arten finden wir die helix ascendens durch steileres Aufsteigen eine Scheitelspitze bildend und ihre Einrollung bereits bis zur Ohrspitze reichend, aber ausserdem schon ein bei den verschiedenen Arten ver- schiedengradig vorgerücktes Herabsteigen der wahren Ohrspitze am hinteren Ohrrande. Unter den Platyrrhinen, den Affen der neuen Welt, macht sich Ateles Belzebuth bemerkbar durch Herabrücken einer noch deutlich ausgeprägten und umgeklappten und in die Einrollung der helix einbezogenen Ohrspitze; die Gattung Cebus durch menschenähnliches, rudimentäres Verstreichen einer kaum noch angedeuteten wahren Ohr- spitze und ausserdem durch ebenso menschenähnliche Abrundung und vollendete Einrollung der vorderen oberen und mittleren absteigenden helix. Diese Verhältnisse führen zu den Gibbons und An- thropoiden über. BES On N Der Chimpanse, bei dessen Anlauf zu Höherem der Rückfall in die Tierheit ein weniger grausamer war, als bei den übrigen Anthropoiden, indem er der vielversprechen- den Jugendform zeitlebens treuer blieb, zeigt aber in seiner Ohrmuschel merkwürdigerweise die geringste menschen- ähnliche Reduktion unter seinen Verwandten und steht auch hinsichtlich der geringen Involution der helix und der daher breiten und ziemlich flachen fossa navicularis, wie auch des Sitzes und der Form der Darwin’schen Spitze den Cercopitheeus-Formen noch am nächsten. Allerdings finden sich auch einzelne Individuen unter den Chimpanses, welche auch in ihrer Ohrmuschel einen erfolgreichen An- lauf zu Höherem gemacht haben, und in Hinsicht auf vollendetere Einrollung der ganzen helix und auf spur- haftes bis totales Verstreichen der Öhrspitze den ent- sprechenden menschlichen Formen recht nahe kommen. Der riesenhafte Gorilla, dem kleinen Chimpanse im Allgemeinen, sowohl was Schädelbau, wie alle tieferen Punkte der Organisation anbelangt, der nächste Verwandte, weist durch starke Einrollung der vorderen oberen, steil zu einer Satyr-Spitze ansteigenden, und Wulstung der hinteren helix, woraus dann eine Verschmälerung und Abflachung der Fossa navicularis resultiert, und Herab- rücken der als minimaler Höcker übrig gebliebenen Ohr- spitze, eine schon recht beträchtliche Reduktion der freien Ohrfalte auf. Bei den im Allgemeinen weniger hoch entwickelten Gibbons finden wir die Involution der vorderen oberen helix teils bis zu der in die Gegend der menschlichen herabgerückten Ohrspitze, teils bis über die Mitte der hinteren helix vollzogen. Die Orangs, die zweifellos als Kinder, als ideale Jugendformen, in der Gestalt ihres Schädels unter allen Tieren die menschenähnlichsten Züge aufweisen, so scheuss- lich sie als Greise in die Tierheit zurückfallen, in ihrer Öhrmuschel zeigen gewisse Individuen durch besonders starke Einrollung der ganzen helix und vollständiges Ver- streichen der Darwin’schen Spitze (die sie als Feten scharf entwickelt, wie die langohrigen Tiere, an höchster Stelle der helix trugen), verbunden mit der hohen Ent- wicklung ihres Anthelixsystemes, die grösste Reduktion der freien Ohrfalte, des apicalen Gebietes der Ohrmuschel, unter den Anthropoiden. Mit der nach oben fortschreitenden Reduktion der freien Ohrfalte steht auch die Entwicklung des Anthelix- systemes in innigem Zusammenhang, dessen vergleichend- anatomische Details wir im Folgenden einer näheren Be- trachtung unterziehen. Bei gewissen Lemuriden (z. B. Lemur macaco) ent- decken wir als erste deutliche Anfänge eines Anthelix- systemes zwei Leisten, eine obere, über dem cerus helieis nach hinten fast horizontal gegen die freie Ohrfalte ver- laufende, von Schwalbe als crista anthelieis anterior be- zeichnete, und eine untere, vom Antitragus nach hinten oben verlaufende Leiste, der erste uns begegnende Ver- such zur Bildung des untersten Teiles eines Anthelixstammes, die crista anthelieis inferior Schwalbes. Beide Leisten laufen gegen die freie Ohrfalte flach aus, noch ohne sich mit einander zu verbinden, während diese Verbindung der crista anthelieis anterior mit der erista anthelicis in- ferior bei Macacus erythr&us sich bereits vollzogen hat. Hier bildet die crista anthelieis anterior eine deutliche, vorspringende und lang ausgezogene Leiste, die, über dem crus helicis entspringend, quer durch die cymba horizontal nach hinten an die noch flache freie Ohrfalte verläuft, wo ihre untere Kante in die obere der crista anthelieis inferior übergeht. Die beiden erist®e anthelicis sind als die primären, der ÖOhrhügelregion angehörenden Bestandteile des zu- künftigen Anthelixsystemes zu betrachten, welches erst später durch eine weitere Reduktionserscheinung, die Bild- ung einer Anthelixfalte, welche dann die Fortsetzung der erista anthelicis inferior nach oben vorstellt, vervoll- ständigt wird. Unter den Platyrrhinen finden wir eine crista ant- helieis anterior deutlich und scharf entwickelt bei Ateles Belzebuth, wo indess eine Anthelixfalte noch fehlt, deren estes Auftauchen wir bei Cebus variegatus entdecken, wo sich an dieselbe eine schwächer ausgeprägte crista ant- helicis anterior nach oben anlehnt, und es ist interessant, wie Menschenohrähnlich der habitus dieses Cebusohres mit seiner so schon vervollkommneten Helix-Einrollung durch das Hinzutreten dieser Anthelixfalte schon erscheint. Quer durch die grosse ceymba der Paviane erstreckt sich eine kräftig entwickelte crista anthelieis anterior, vom cerus helieis ascendens horizontal an die bogenförmige Kante, welche die Einsenkung der cymba von der Ohr- falte scheidet und nach unten in die crista anthelieis in- ferior übergeht. Die Gattung Cercopitheeus bietet ähnliche Verhält- nisse dar. Einen bedeutenden Aufschwung nimmt durch aus- gesprochene Bildung einer Anthelix-Falte das Anthelix- System bei den Gibbons, wo es sich auch deutlicher in seine primären (criste anthelieis) und sekundären (pliea anthelicis, entstanden durch Abnahme des Wachstums im Spitzengebiet) Bestandteile scheidet. Während nun z. B. die Species Hylobates variegatus und hoolock nebst deutlich entwickelten eristze anthelieis anteriores ebenso deutliche Anthelix-Falten darbieten, die aber sich noch nicht nach oben durch Auseinanderweichen in erus superius und inferius antheliecis differenzieren, mit da- zwischenliegender fossa triangularis, so Konstatieren wir bei der Species Hylobates syndactylus neben scharf und gut ent- wickelten crist® anthelieis anteriores bereits eine deutliche Differenzierung in ein crus anthelieis superius und inferius. Wie hinsichtlich der schon genannten mehr oder weniger entwickelten Einrollung ihres Helixrandes und der mehr oder weniger ausgesprochenen Ausprägung der Darwin’schen Spitze, erkennen wir bei den Chimpanses individuelle Verschiedenheiten in der mit der Reduktion ler“ des apicalen Gebietes Hand in Hand gehenden Entwick- lung des Anthelixsystemes. Während gewisse Individuen, welche hinsichtlich der Form und geringen Reduktion den Cereopithecus-Arten nahe stehen, mit stark entwickelten eristee anthelieis anteriores quer durch die eymba, von der Mitte einer noch flacheren und nach oben noch nicht segabelten Anthelix-Falte horizontal durch die breite, Ohrfalte hindurch nach hinten an die deutliche Darwin- sehe Spitze. eine breite, flache, lateral convexe Leiste entsenden, ein crus anthelicis tertium, welches nichts anderes ist, als eine direkte Fortsetzung der crista ant- helieis anterior zum tubereulum Darwini, finden wir andere unter den Chimpanses, welche neben vollkommen ent- wickelter Einrollung der ganzen helix und totalem Ver- streichen der Darwin’schen Spitze, eine auffällige Ent- wicklung des Anthelixsystemes mit ziemlich starken erist® anthelieis anteriores und kräftiger Evolution der Anthelix- Falte darbieten, welche nach oben zu beiden Seiten einer tiefen fossa triangularis in ein erus superius und inferius ausläuft, und das cerus anthelieis tertium fehlt. Die stärkere Reduktion der freien Ohrfalte ist gegenüber der erst be- schriebenen Varietät in die Augen springend. Bei einem von Herrn Professor Ruge gütigst zur Verfügung gestellten Spiritus-Cadaver eines Chimpanses, wo die Umkrempung der helixv an der rechten auricula nur im oberen und unteren Teile des hinteren Randes vollzogen ist, streicht eine starke cerista anthelieis anterior durch die eymba in der Richturg nach hinten-unten und ein crus tertium fehlt, während ein solches die linke aurieula aufweist, welche eine mässige, wenn auch vollkommene und den ganzen Helixrand umfassende Einrollung und eine starke hori- zontal streichende crista anthelicis anterior besitzt; dieses erus tertium ist ungewöhnlich tief, weit unter dem Sitz der Darwin’schen Spitze, in der Höhe des tragus von der gut entwickelten Anthelix-Falte durch die fossa scaphoidea nach hinten an den Helixrand ziehend. Durch besonders kräftige Ausprägung fällt die cerista 12 anthelieis anterior der Chimpanses bei denjenigen Indivi- duen auf, welche eine einfache, nach oben nicht in erus superius und inferius gegabelte Anthelix-Falte besitzen und bei denen auch ein cerus tertium vorkommt, zugleich dieselben, bei denen die Einrollung des Helixrandes auf bloss mässiger Entwicklung steht. Die Anthelixsysteme von Orang und Gorilla zeichnen sich aus durch Entwicklung schärfer ausgeprägter und lateral stärker convex vorspringender und nicht bifurkier- ter Anthelix-Falten und kräftiger, vom oberen Teil des Anthelixstammes fast horizontal durch die eymba streichen- der criste antheliecis anteriores. Die Behinderung der Flächenentfaltung durch die zur Involution des Helix- randes hinzutretende Evolution des Anthelixsystemes im- poniert durch abgezirkelte Masse: Bei einer Chimpanse-Auricula aus der Sammlung von Herrn Professor Ruge beträgt noch die grösste Länge des Ohres 6,3 em, die grösste Breite 4,5 cm. Dieselben Masse belaufen sich beim Gorilla auf 4,2 und 2,1 und beim Orang auf 3,5 und 2,5 em. Die anthelix der menschlichen awricula besteht aus drei fundamentalen Teilen: Truncus, erus superius und crus inferius anthelieis. Der grösste Teil des truneus und das crus superius bilden die als Anthelix-Falte bekannte Reduktionserscheinung. In der erista anthelieis inferior der Lemuriden haben wir den ersten Versuch zur Bild- ung des untersten Teiles eines Anthelixstammes erkannt, und das erste Auftauchen einer eigentlichen Anthelixfalte bei Cebus unter den Platyrrhinen; bei den Gibbons zeich- net sich ihr erheblicher Aufschwung durch kräftige Bild- ung dieser plica aus, die, bei den Chimpanses bald flacher, bald bedeutender verwickelt, endlich bei Orang und Go- rilla durch hochentwickelte Evolution den grössten Re- duktionsgrad in der Tierreihe erreicht. Der Anthelixstamm beginnt an der menschlichen auricula über dem sulcus auris posterior und verläuft auf- steigend zwischen concha und fossa navicularis bis ans hintere Ende der fossa triangularis, wo seine obere Fort- setzung, das erus superius anthelieis, das also sekundärer Natur ist, beginnt und über der fossa triangularis gegen die Grenze der aufsteigenden — vorderen und oberen — vorderen helix verläuft. Eine Differenzierung der Anthelix-Falte in ein erus superius und inferius ist uns schon bei den Gibbons be- gegnet, welche Bifurkation bei Chimpanses teils fehlt, namentlich wo eine crista anthelicis anterior als besonders stark entwickelt auffällt, teils sich auch vollzogen hat, welche Differenzierung der Anthelix-Falte bei Orangs und Gorillas häufig (neben schwächer entwickelten cristze ant- helieis anteriores) undeutlich ist, und (neben stark aus- geprägten ceristee anthelieis anteriores) fehlt. Es macht hier den Eindruck, als müsste bei den Anthropoiden mit der Bifurkation der Anthelix-Falte in ein erus superius und inferius eine Reduktion in der Aus- prägung und Stärke der Entwicklung der crista anthelieis anterior Hand in Hand gehen. Dieser erista anthelieis anterior sind wir in der Affen- reihe schon weit unten begegnet; gewisse Lemuriden haben sie noch nicht; mit Lemur macaco beginnt das Anthelixsystem durch Aufwerfen einer crista anthelieis anterior (und inferior) seine Existenz; und diese crista anthelieis anterior, anfänglich Ohren noch ohne Anthelix- falte ein eigentümliches Gepräge verleihend, begleitet unser Interesse an diesen Bildungen eigener Art hinauf durch die ganze Reihe der Quadrumanen, an mehr oder weniger vollkommen entwickelte Anthelixfalten sich an- lehnend, mehr oder weniger scharf ausgesprochen, bis zu den Anthropoiden, und selbst höher nochmals ausnahms- weise auftauchend, bei Individuen unserer eigenen Species, wie wir sehen werden. Das crus anthelieis inferius, das vom truncus ant- helieis unter dem hinteren unteren Ende der fossa trian- gularis abzweigend und die cymba nach hinten-oben um- srenzend, nach vorn über den Ursprung des crus helieis streicht, ist der Entstehung nach, zum Teil wenigstens, ein primärer, der Ohrhügelregion angehöriger Bestandteil der anthelix und ist an der menschlichen Ohrmuschel hervorgegangen aus der Verschmelzung, welche die erista anthelicis anterior der Anthropoiden hier, bei der Emer- sion aus der Tierreihe, mit der plica anthelieis vollzogen und das Menschenohr damit neu modelliert hat. Die bei den Chimpanses beobachtete, mit der Bifurkation der Anthelix in cerus superius und inferius Hand in Hand gehende Reduktion in der Stärke der Entwieklung einer erista anthelieis anterior scheint auch schon eine Einleit- ung zu einer solehen Verschmelzung zu bedeuten. Unter den bekannten Bildungsanomalien der mensch- lichen Ohrmauschel ist die, wegen ihrer Aehnlichkeit mit der Ohrform der gleichnamigen Affengattung von Schwalbe als Macacus-Ohr bezeichnete Form, eigentümlich durch ihre nur die aufsteigende (vordere obere) helix, die sanft gebogen nach hinten verläuft, umfassende und gegen die Ohrspitze allmählich abnehmende Einrollung, welche die Ohrspitze oft nicht einmal ganz erreicht, wie wir sie vorne bei Macacus rhesus und erythraeus, Cercocebus und Cyno- ceptalus beschrieben haben, und es stimmt diese Form mit der Ohrform der genannten Tiere auch hinsichtlich des totalen Mangelseiner Umkrempung des hinteren Helixrandes, und daher auch einer deutlichen fossa navicularis voll- kommen überein. Wie bei Macacus rhesus findet sich eine scharfe, frei nach hinten gerichtete Spitze, welche von der Einrollung des oberen Helixrandes nicht überschritten wird. Am Anthelixsystem der Macacus-Form bemerken wir, wie übrigens bei den meisten Affen, bei denen über- haupt eine plica vorkommt, öfter auch das Fehlen der Bifurkation der Anthelixfalte. Eine andere, auch von Schwalbe als Cercopithecus- Form bezeichnete Anomalie der menschlichen Aurikel hat eine steiler aufspringende helix ascendens, die, an höch- ster Stelle zu einer Scheitelspitze sich knickend, eingerollt bis an die hier bereits tiefer am hinteren Ohrrande her- N abgerückte Ohrspitze verläuft, während die hintere helix keine Einrollung erfahren, oder kaum durch leichtere Lateralwärtsriehtung ihres dünnen Randes eine Andeut- ung einer solchen aufweist, und eine Vergleichung mit den vorne genannten Eigentümlichkeiten bei der Affen- sattung Cercopitheeus ergibt Punkt für Punkt dieselben Verhältnisse. Eine Differenzierung der Anthelixfalte in erus superius und inferius kann auch bei dieser Form fehlen. An die besonderen Formverhältnisse des kleinen Gorillaohres werden wir durch die als Satyr-Ohr bezeichnete menschliche Anomalie erinnert. Seine dicke, gewulstete helix, die durch Verwachsung mit der Anthelix die fossa navicularis nahezu verödet, die Kniekung der steil an- steigenden helix zur Scheitelspitze und die ganze schmale, längliche Form ist die des afrikanischen Waldmenschen. Mit dem Morell’schen Ohre, wo neben stark vor- springender Anthelix die helix im absteigenden Teile abortiv ist, dürfte man vielleicht eine gewisse Form von Chimpanseohren vergleichen, wo auch neben gut ent- wickelter Anthelix eine Involution der absteigenden hin- teren helix fehlt. Wir widmen jetzt in dieser Untersuchung eine spe- ziellere Beachtung noch den Bildungsanomalien des mensch- lichen Anthelisesystemes. Dozent Dr. Rohrer hat für die Modellierung des äusseren Ohres bestimmte Gesetze gefunden, „die neben den bestimmenden Faktoren der Phylogenese und des Atavismus in jedem einzelnen Falle wirksam sind.“ Er hat diese Gesetze graphisch dargestellt, indem er die re- sulären und supernumerären Knorpelwülste der Faltung der Ohrmuschel zur Grundlage einer Linienkonstruktion machte, welche die ganze Ohrmuschel in vier Cykloiden zerlegt, deren Schnittpunkte zugleich die Ausgangspunkte der crura supernumeraria sind. (J. Hardegger, Faltungs- gesetz der Ohrmuschel.) Solche uns hier besonders interessierende und als BERN N Bildungsanomalie an der menschlichen Ohrmuschel her- vortretende crura supernumeraria sind das crus tertium ad apicem Darwini und das crus quartum amthelieis in cym- bam, die der vierten Cycloide angehören und womit es klar wird, dass jenes erus (quartum) supernumerarium in cymbam, die so oft genannte crista anthelicis anterior der Quadrumanen uns erscheint als eine Fortsetzung des tra- gus quer durch die Cymba zur Bifurkationsstelle der Ant- helix, und das crus tertium anthelieis als eine direkte Fortsetzung jenes crus quartum an das tuberculum Dar- wini. So ist es beim Chimpanse-Ohr der Fall und so bei den menschlichen Bildungsanomalien, wo crus tertium und quartum anthelicis Chimpanse ähnlich zugleich auftreten. (Vierteilung der anthelix.) Das ist auch zugleich nach unseren Erhebungen die häufigste der vorkommenden mehrfachen Anomalien an der menschlichen Ohrmuschel. Ein erus tertium ad apicem Darwini, das in der Reihe der Primaten erst bei den Chimpanses aufzutauchen begann und wo es immer mit einer cerista anthelieis an- terior vergesellschaftert sich vorfindet, erscheint aber an der menschlichen Ohrmuschel als atavistische Bildungs- anomalie oft ohne gleichzeitige Anwesenheit einer crista anthelieis anterior. (Dreiteilung der anthelix.) Diese erista anthelieis anterior, die wir von den Le- muriden ab durch die ganze Affenreihe hinauf mehr oder minder, aber immer ausgesprochen deutlich verfolgen konnten, tritt uns auch häufig genug als einzige Bildungs- anomalie an der menschlichen Aurikel entgegen; und wie diese crista anthelieis anterior zum ersten Mal vergesell- schaftert mit einer Bifurkation der Anthelixfalte in erus superius und inferius bei den Gibbons uns begegnete, und während bei den Chimpanses, wo sich das häufiger er- eignet, und den anderen Anthropoiden mit dem Auftreten dieser Bifurkation eine schwächere Entwicklung der crista anthelieis antherior einherzugehen scheint, so zeigt sich an der menschlichen Ohrmuschel die erista anthelieis an- terior (als erus quartum anthelicis in cymbam) als ata- vistische Bildungsanomalie am häufigsten neben vollkommen normal entwickelter und normal in cerus superius und in- ferius sich spaltender Anthelixfalte. Wir können hier noch eine besonders eigentümliche Bildungsanomalie erwähnen, welche auf die crista ant- helieis anterior reduziert werden muss. Wir meinen das tuberculum ceruris helicis in cymbam und das seltene tuber- eulum cruris helieis in fossam triangularem; das sind zapfenförmige Knorpel-Protuberanzen am crus helieis, welche wir bei Quadrumanen nirgends angetroffen haben, welche aber als nichts Neues aufzufassen sind, als nichts anderes, denn als rudimentär ausgefallene, blos andeut- ungsweise geratene criste anthelieis anteriores. Das crus superius anthelicis, mit Ausnahme von Gibbons und Chimpanses bei den übrigen Quadrumanen wegen unterlassener Bifurkation der Anthelixfalte in der Regel vermisst, fehlt auch zuweilen als Bildungsanomalie an der menschlichen Ohrmuschel und dann auffallend häufig mit anderen Bildungsanomalien vergesellschaftert. Von anderen Bildungsanomalien der menschlichen anthelix nennen wir hier die häufigste, die uns begegnete, die Redublikation des Anthelixstammes. Die vorliegende Untersuchung erstreckt sich auf 47 Ohrmuscheln von Affen, darunter 27 von Anthropoiden, und auf 510 soleher von Menschen mit Ohrmuschel-Bild- ungsanomalien überhaupt, wobei das Anthelixsystem 279 Mal mit Bildungsanomalien beteiligt ist. Dieselben betreffen: 1) Das Vorkommen einer crista amthel. anterior : Beiderseits: 50 Mal, darunter 42 Mal ohne und 8 Mal zugleich mit anderen Anomalien. Einseitig: 14 Mal, darunter 9 Mal ohne und 5 Mal mit anderen Anomalien. Die anderen Anomalien sind: 7 Mal cerus III. ad apicem Darwini, er eruspllle anthele inzeymbam, 1 . Redublikation des trunceus anthel. ak a 1 Mal tubereulum erur. hel. in eymb. et in fossam triangul., bandförmige helix., 1..,, wubereul, helie in/eymbam, 1, „. Hehlen von erus sup. anthel. 2) Vorkommen von tuberculum crur. hel. in cymbam: Beiderseits: 10 Mal, darunter 7 Mal ohne und 5 Mal mit anderen Anomalien. Einseitig: 4 Mal, darunter 5 Mal ohne und 1 Mal mit anderen Anomalien. Die anderen Anomalien sind: 1 Mal Redublikation der Anthelix, 1 , erista ’anthelie. ant,, 1 „ tubereul. hel. in foss. triangul., 1 „ #Eehlen beider ’erura”anthele. 3) Tubercul. erur. helic. in fossam triangularem : Beiderseits: 2 Mal nebst anderen Bildungsanomalien. Diese sind: 1 Mal cerista anthel. ant., I 7,2 Stobereul hele,amteymbam: 4) Ein cerus tertium ad apicem Darwini: Beiderseits: 32 Mal, darunter 21 Mal ohne und 11 Mal mit anderen Anomalien. Einseitig: 21 Mal, darunter 15 Mal ohne und 6 Mal mit anderen Anomalien. Die anderen Anomalien sind: 4 Mal Macacus-Ohr, 2 „ Fehlen eines crus sup. anthel., 2 „ Pithecus-Ohr, 1, erista anthel. ant., 2 „ Redublikation des truncus anthel. 5) Fehlen des crus anthelic. super.: Beiderseits: 8 Mal, darunter 2 Mal ohne und 6 Mal mit anderen Anomalien. Einseitig: 10 Mal, darunter 5 Mal ohne und 5 Mal mit anderen Anomalien. u Die anderen Anomalien sind: 1 Mal crus helic. und erus inf. anthel. verschmolzen, 2 „ crus III ad apicem Darwini, 1 „ Maeacus-Öhr, ir doppelter tragus, 2, bandfiörmige helix, ia = itheeus-Ohr, i °„) EZurche an Stelle des erus anthel. sup., 2° 23 J-ioumise helix, i „ Bifurkation des cerus inf. nach vorn, 1 ,„ erista anthel. ant. (abnorm verlaufend), 1 „ auricula quadrangularis. 6) Bildungsanomalien anderer Art der anthelix: Redublikation des Anthelix-Stammes: Beiderseits 5 Mal. Einseitig 5 Mal. Crus inf. anthel. in die cymba abbiegend: Einseitig 1 Mal. Neben crista anthel. ant. auch ein crus anthel. II. in die eymba verlaufend: Einseitig 1 Mal. Anthelix vorstehend: Einseitig 1 Mal. Redubliceation erur. inf. anthelie.: Einseitig 1 Mal. Crus. III. anthel. parallel dem crus sup. anthel. in die fossa navicularis: Beiderseits 1 Mal. Fehlen beider erura anthel.: Einseitig 1 Mal. Demnach haben wir unter genannten 510 menschlichen Obrmuscheln mit Bildungsanomalien gefunden: Das Vorkommen einer crista anthel. ant. an 114 Ohrmuscheln: ns von tubereul. erur. hel.ineymb. an 24 5 5 von tub. erur. hel. in foss. triang. an 4 Ein erus III. ad apicem Darwini an 85 R Fehlen des erus anthel. sup. an 26 5 Andere Bildungsanomalien an 26 x Bildungsanomalien des Anthelix-Systemes an 279 Ohrmuscheln. END Nachdem wir die verwandten und homologen Formen zu diesen Bildungsanomalien bei den Quadrumanen und spe- ziell bei den Anthropoiden als normale Vorkommnisse gefunden und eingehend betrachtet haben, ist es uns leicht geworden, das Macacus-, das Cercopithecus-, das Satyr- Ohr, das Gorilla-ähnliche Fehlen der Bifurkation der Ant- helix, das Chimpanse-ähnliche Auftreten des crus antheli- eis tertium und endlich das überhaupt Affen-Ähnliche und häufige Wiederauftauchen einer crista anthelieis anterior als atavistische Bildungsanomalie zu verstehen, und wir widmen noch ein Schlusswort der crista anthelieis anterior, die den Mittelpunkt unserer Betrachtung bildete. Wir haben es bereits hervorgehoben, dass an der normalen menschlichen Ohrmuschel diese erista anthelieis anterior mit dem Anthelixstamme sich verschmolzen hat; es ist das erus anthelieis inferius das Produkt dieser Ver- bindung. Aber trotzdem ist diese erista anthelieis anterior eigentlich nicht, wie u. A. auch Schwalbe behauptet, mit dem erus anthelieis inferius identisch, denn sie ist in die- ser Verbindung untergegangen, ohne ihr den Stempel ihres eigenen Charakters aufzudrücken. Ueberall, wo wir dieser cerista anthelieis anterior so oft begegnet, durch die ganze Reihe der Quadrumanen hinauf bis zu den Bildungsanomalien unserer eigenen Spe- cies, hat sie denselben charakteristischen und konstanten Verlauf, der der wahren Ohrlänge entspricht, indem sie senkrecht die COymba durchschneidet und in der Richtung zum tuberculum Darwini streicht. Dagegen verläuft das eben genannte crus anthelieis inferius, dessen Identität mit der cerista anthelieis anterior wir verneinen, parallel zum erus helicis ascendens und bildet so selber die eymba, wie entsprechend bei den Affen der eigentliche truneus anthelieis die cymba nach der Seite der Ohrfalte hin be- grenzt. Das ist der charakteristische Unterschied zwischen crus anthelieis inferius und crista antheliecis anterior, welche wir daher auffassen müssen als eine der anthelix BE N wohl angelehnte, derselben aber nicht homologe, in der Axe der wahren Ohrlänge verlaufende Faltung des Ohr- knorpels. 10er vn (60) (Sb) -ı nm Otter ——ere.n . Erklärung der Tafeln. . Gibbon. . Chimpanse. Orange. Gorilla. # Mensch Tubere: hel. in. eymb. Mensch. Bübere. hel. in eymb. et in foss, triang, . Mensch. Orura anthel. fehlen. . Mensch. Vierteilung der anthelix. a. Crista anthelieis anterior. a.! Tubereulum eruris helieis. b. Crus tertium ad apicem Darwini. ec. Darwin’sche Spitze. Litteratur. . Schwalbe. Sinnesorgane. Handbuch der Anato- mie des Menschen von Bardeleben. Bd. V., ISA 6, Kier . Rohrer. Tagblatt der 58. Versammlung deutscher Naturforscher. Strassburg 1885. . Derselbe. Ueber Bildungsanomalien der Ohr- muschel. Separat-Abdruck. Wiesbaden 1900. . Eyle Petrona. Inaugural-Diss. Zürich 1891. . Gradenigo. Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. 32 u. 35. . Hardegger. Inaugural-Diss. Buchs 1900. . Schmidt. Inaugural-Diss. Leipzig 1901. Kar or 2 ash Ale > raneh