Die

Ethik der alten Stoa.

Untersucht

von

Dr. Adolf Dyroff.

Inhalt.

O ekler, R., Der letzte Feldzug des Barkiden Hasdmbal und die Schlacht am Metaurus.

Dyroff, Ad., Die Ethik der alten Stoa.

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Seinem lieben Schwiegervater

Herrn K. Regierungsdirektor

Wilhelm Lermann

in herzlicher Verehrung zugeeignet vom Verfassser.

Vorrede.

Vor zwei Jahrhunderten würde man für die vorliegende Abhandlung vielleicht einen genaueren Titel gefunden haben, aber gewiss keinen kürzeren. Derselbe würde dann etwa gelautet haben: Darstellung der allgemeinen Ethik und Untersuchungen zur Politik und Pädagogik der alten Stoa nebst geschichtlicher Würdigung und einigen Exkursen.

Dass Untersuchungen zur speziellen altstoischen Ethik angestellt wurden, dürfte ohne weiteres als berechtigt gelten.

Aber auch eine wiederholte Darstellung der allge- meinen altstoischen Ethik schien nicht undankbar.

Seit R. Hirzel in scharf eindringender Weise die Frage nach den Eigentumsansprüchen, welche die einzel- nen Stoiker an den überlieferten Lehren besitzen, zu einer brennenden machte, hat A. Schmekel die Philosophie der Mittelstoa und A. Bonhöffer die Ethik des Epikte- tos im Zusammenhange wiedergegeben. Es war daher, zumal Hirzel den Chrysippos etwas vernachlässigt, an- gezeigt nachzusehen, wie sich die Ethik der alten Stoa ohne spätere Zuthaten, die auch Zeller nicht verschmäht, ausnehmen mag. (Vgl. Anathon Aall, Der Logos. Leipz. 1896 I S. 116). Wir haben versucht, die altstoischen Bestandteile aus der gesamtstoischen Lehre nach metho- dischen Grundsätzen auszuscheiden, und geben dem Leser die Beantwortung der Frage anheim, ob nicht das hier

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Zusaniroengefasste einen einheitlichen Eindruck macht und sonach als Schöpfung eines Geistes, eben des Geistes der alten Stoa, betrachtet werden darf.

Als Vertreter der alten Stoa sind die ersten Stoiker mit Chrysippos anzusehen. Die Nachfolger dieses Philo- sophen bilden den Übergang zur mittleren Stoa (s. S. 315). Teles aber wurde nicht herangezogen, da ihn v. Wila- m owitz-Mo ellendorff mit Recht gegen Zeller zu den Kynikern stellt.

Die zu leistende Arbeit hatte zwei Seiten, eine philo- logische und eine philosophische.

In philologischer Hinsicht waren die Fragment- sammlungen nicht nur auszunutzen, sondern auch auf die Richtigkeit der Zitate und Tragkraft der ausgeschriebenen Stellen hin zu prüfen. Kenner der Litteratur werden vielleicht beobachten, dass ich mich hierauf nicht be- schränkte, sondern auch eigene Lektüre der Quellenschrift- steller pflog, was für Diogenes, Stobaios, Sextus, Cicero, Seneca u. a. überhaupt schon geschehen war, ehe mir Pearson bekannt und Baguet zur Hand genommen wurde. Wenn ich die auf die Ethik bezüglichen Chrysipp- fragmente nicht nach Baguet zitiere, so hat dies, soweit ich sehe, auch sonst allgemein geübte Verfahren seinen Grund in der Thatsache, dass Baguets wegen vieler Parallelstellen und wegen der Beziehung auf seine Vor- gänger immer noch wertvolles Werk nicht leicht zugäng- lich ist, und dass seine Zitate zum grossen Teile auf ver- altete Ausgaben hinweisen. Ich verzichte darauf, die von mir neu entdeckten Belegstellen als solche zu bezeichnen. Die der alten Stoa gleichzeitigen Komiker nahm ich wenig in Anspruch, weil das umständliche Untersuchungen ver- ursacht hätte ; denn die philosophischen Theorien werfen mehr Liebt auf die Komiker als die Komiker auf die Philo- sophen.

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Bei der Verwertung der Fragmente erhoben sich be- sondere Schwierigkeiten. Wo Zenons Name genannt war, schien Vorsicht Gebot, da er nicht selten als Repräsentant der ganzen Schule auftritt. Andererseits gaben unsere Quellen meist keine Namen, so dass leicht zu viel und zu wenig geschehen kann. Ich zog es daher vor, mög- lichst die wörtlich überlieferten Fragmente selbst und zwar, da „jede Übersetzung in die Sprache unserer Philosophen die objektive historische Wahrheit verändern würde" (E. v. Lasaulx, Über d. Entwicklungsgang d. griech. und röm. Lebens u. s. w. Festrede d. bayr. Akad. München 1847 S. 14), unter Beibehaltung des Wortlauts reden zu lassen und die weiteren Angaben der alten Berichterstatter nur vergleichsweise beizuziehen. Es hat sich so heraus- gestellt, dass die letzteren vielfach mehr, manchmal aber auch weniger (s. z. B. S. 24 85, 2. 93, 4. 145. 174) bieten als die altstoischen Fragmente. Bei Stobaios ist die Lehre offenbar noch mehr schematisiert als bei Diogenes, der hauptsächlich auf Hekatons Darstellung zu fussen scheint. Bezüglich des Plutarchos (oder seiner Vorlagen) und der Aristoteleskommentatoren kann einstweilen nur als Frage aufgeworfen werden, ob sie nicht neben ausführlichen sto- ischen Schriften auch Kompendien benützten (s. z. B. S. 18, 2. 108, 1).

Darüber, ob ich nicht zu viele Abstriche gemacht habe, wage ich nicht zu entscheiden. Das eine aber glaube ich sagen zu dürfen, dass ich nur wenig Material biete, welches nicht altstoisch wäre.

Eine weitere Schwierigkeit bildete die Einordnung der Fragmente, welche für die Auffassung des Systems wie auch mancher Besonderheit, die im Altertum als Wider- spruch gedeutet wurde, wichtig wird, wie auch die Lesung und selbst die Übersetzung der Fragmente.

Sind in diesen Beziehungen auch nur einzelne Ergeb-

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nisse gewonnen worden, so zeigt sich doch jetzt deutlich, dass der Standpunkt Zellers, welchen dieser Gelehrte noch heute festhält (vgl. auch Grundriss d. Gesch. d. Philos. Leipz. 1883 S. 200 und Anm. 1, wo Hirzeis Ke- sultate nur „teilweise" anerkannt sind), im ganzen durch Hirzel nicht erschüttert wurde. Wenn ich für Pan- aitios und Poseidonios eine ernstliche Veränderung des ethischen Prinzips zugebe, weil die Angabe des Diogenes nicht frei erfunden sein kann 1), so ist doch bis auf wei- teres der Grundsatz massgebend: wenn Diogenes die Unterschiede zwischen verschiedenen Stoikern gerne, nur hie und da sogar über Gebühr hervorhebt, so ist ihm um so eher Vertrauen zu schenken, wenn er die Einstimmig- keit der Schule betont. Ich darf hier bemerken, dass ich bei der ersten Anlage meiner Untersuchung jeden Stoiker für sich vornahm, dadurch aber zu einer Reihe von Tau- tologien gelangte2).

Nach dem bisher Gesagten wird man von der philo- sophischen Würdigung grosse Veränderungen an dem bekannten Bilde der stoischen Ethik nicht erwarten. Diese Moral war intuitionistische Vernunftmoral von autonomer Richtung im Sinne Wundts (Ethik. Stuttg. 1886 S. 349.

*) Gegen Zelier III l3 S. 582 ist zu bemerken, dass die Polemik des Poseidonios gegen den dolor mit dem, was Diogenes berichtet, nicht in Widerspruch steht, da Diogenes nur von jenen Lebensgiitern spricht, die ein echter Grieche nicht leicht als gleichgiltig erachten konnte, näm- lich von Kraft, Gesundheit und Vermögen. "Wir dürfen nur annehmen, dass Poseidonios diese drei Dinge als aalä auffasste, dass die Bemerkung ovh avxaqv.7] D. L. VII 128 eine Schlussfolgerung des Berichterstatters und nlovzog eine falsche Wiedergabe des richtigen %oqr\yia ist.

2) Gut ist, nachdem Tiedemann, System d. stoisch. Philos. Leipz. 1776, die Einigkeit derStoiker zu sehr hervorgehoben, aber doch den Streit zwischen Peripatetikern und Stoikern schön beleuchtet hatte der Ent- wicklungsgang der altstoischen Philosophie und besonders die Anteil- nahme des Arkesilaos schon von G. Tenne mann, Gesch. d. Philos. Leipz. 1803 Bd. 4, gezeichnet worden.

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Vgl. 0. Külpe, Einl. i. d. Philos. Leipz. 1895 S. 120 ff ). Sie war universeller Eudämonismus, und zwar ging der- selbe im ersten Stadium Zenons auf die anthropine (vgl. Külp e a. a. 0. S. 243 f.), seit der Zeit des entwickelten Zenon aber (mit Ausnahme des Poseidonios) auf eine be- sondere Universalität, nämlich die des Kosmos. Die pantheistische Moral zeigte sich freilich darin inkonsequent, dass sie sich nicht zu einer Tierethik verstand; aber das wurde durch ihre Eigenschaft als einer Vernunftmoral und durch ihre Psychologie verhindert. Der Individualismus, welcher sich mit diesem eigenartigen Universalismus verband, kam hauptsächlich in dem Widerspruch gegen die politische Heteronomie zur Aussprache; eine Unterordnung der politischen Gemeinschaften unter die kosmische und anthro- pine Gemeinschaft schloss er nicht aus, und so war dem einzelnen Stoiker für seine Stellung zum Staate freie Bahn gegeben, wie auch der Egoismus allmählich dem Altruismus Raum abtreten musste.

Den eben geschilderten Charakter wird keine noch so genaue Quellenforschung der stoischen Ethik rauben. Auch von den bei Zell er (S. 346 ff.) aufgeführten Merk- malen wird durch unsere Untersuchungen keines beseitigt.

Das gilt insbesondere von der Bestimmung, dass die stoische Ethik eine vorherrschend praktische Richtung hatte, was sich mit der von anderer Seite (vgl. Schopen- h'auer, Sämtl. Werke. Ausg. v. Grisebach, Leipz. II 179 f. I 141) kommenden Meinung, diese Moral sei theoretisch-abstrakt und gestatte keine Anwendung auf die Praxis, nicht wohl vereinigen lässt. Ich gebe zu, dass die Betrachtung der stoischen Lehre letztere Auffassung nahe legen kann, und suche den letzten Grund zur Ver- schiedenheit der Auffassungen in der von Windelband (S. 295) mit Recht, wenn' auch zu stark betonten Ver- schiedenheit der im stoischen System verbundenen Elemente.

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Allein ausser dem S. 321, 1 unserer Abhandlung Herzu Bemerkten (s. auch 102, 3 und Schopenhauer, Sämtl. Werke I S. 135 ff.) sei besonders auf folgende Punkte

verwiesen.

Die stoische Ethik ist nicht eine rein beschreibende Ethik, wie Ziegler (S. 168 und 175) meint. Durch die Beschreibung des Weisen ist der anratende Teil (s. S. 5. 12.) vorbereitet. Aber auch in den Begriffsbestimmungen der Stoa ist auf die Praxis Rücksicht genommen; sie unterscheiden sich eben dadurch von den Bestimmungen der wissenschaftlichen Psychologie, wie bereits gesagt wurde (H. Siebeck, Gesch. d. Psychol. II S. 224. 261). Selbst die vorsichtigere Äusserung Wundts (S. 251) über den deskriptiven Standpunkt der Stoiker ist deshalb nicht ganz richtig.

Man gewinnt überhaupt den Eindruck, als ob selbst bei Zeller (vgl. auch Ziegler I S. 179 bezüglich der Gleichheit der Kleidung für Mann und Weib) zwischen dem theoretischen und dem praktischen Teile der stoischen Ethik zu schroff geschieden würde, so wenn es sich um gewisse Konsequenzen des Systems handelt. Es ist daran zu erinnern, dass der Hauptsatz der Stoa, persönlich aus- gedrückt, lautet: Der Weise wird alles auf gute Weise thun. Durch denselben wird wohl die ganze praktische Wirksamkeit des Menschen der sittlichidealen untergeordnet, aber doch auch in diese aufgenommen. Die absurden Konsequenzen bedeuten keine Instanz gegen die praktische Absicht, ja nicht einmal gegen die Durchführbarkeit der Ethik, sondern nur gegen die Feinfühligkeit der Stoiker.

Der wichtigste Einwand, der sich hinsichtlich der Durchführbarkeit machen Hesse, wäre die Haltung der Stoiker gegenüber den Affekten. Aber ich befürchte, die eingewurzelte Anschauung über die „kalte" Stoa ist un- begründet. Der Stoiker wollte nur Unterdrückung der

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Leidenschaften, nicht der Gefühle und massigen Affekte. Man sehe für die theoretische Ethik nur S. 25 f. (sjzißolri). 98 f. 116 tfffaf'). 128 f. (Stolz des Weisen). 174. 194 unserer Abhandlung nach. Der Stoiker konnte jeder Polemik gegenüber geltend machen, dass er den Weisen nicht ohne Triebe denke, dass im Weisen die vernünftig-prak- tischen Triebe zu freier Beherrschung (S. 154. 159) har- monisiert seien, dass die Schule nur das Ubermass in den einzelnen Trieben verpöne. Und so ist es auch nicht in- konsequent, wenn sie in der praktischen Ethik ziemlich weitgehenden Genuss der Lebensfreuden erlaubten. Durch unsere Auffassung wird freilich der stoischen Theorie in unerwarteter Weise vieles von ihrer vermeint- lichen Härte genommen l). Allein selbst der Widerspruch antiker Kritiker gegen die stoische Affektenlehre ist kein Gegenbeweis; antike Kritiker behaupteten auch, die Stoa biete inhaltlich nichts Neues, sie habe nur die Namen ge- ändert. Und in der That fanden wir in der Affektenlehre deutliche Spuren einer an die griechische Auffassung an- klingenden ästhetisierenden Betrachtungsweise.

Als Rest bleibt sonach für jenen Einwand die stoische Annahme, dass der Weise nicht in eine Leidenschaft, nicht in Sünde verfallen könne, dass die Tugend unver- lierbar sei. Darauf ist zu sagen, dass die Stoiker diese Annahme durch den weiteren theoretischen Satz ergänzten, dass der Weise in der Wirklichkeit selten vorkomme, dass also das Bild des Weisen Ideal sei. Die praktische Bedeutung dieser Idealschilderung kann wohl geringer veranschlagt werden, als es die Stoa thut; aber sie kann nicht bestritten werden (s. S. 185 f.). Wir haben allerdings wenig ausdrückliche Äusserungen darüber, dass die Stoiker den Wert darlegten, welchen für das Handeln

1j So zeiht z. B. Schopenhauer, Sämtl. Werke V 335 Grisebaoh, den Stoizismus der Gefühllosigkeit.

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die Aufstellung eines Ideales hat. (Vgl. Ariston S. 182). Aber wenn wir sehen, dass Aristoteles sich über die Frage mit Piaton auseinandersetzte (vgl. Arleth in den Symbolae Pragenses. Wien 1893 S. 2 f.), so dürfen wir nach aller Analogie vermuten, dass die Stoa an derselben nicht vorüberging-, natürlich musste sie eine bejahende Antwort geben (vgl. C. Prantl, Gesch. d. Logik, Leipzig 1855 I S. 409). Unter dieser Voraussetzung gewinnen dann auch die verkannten Unterscheidungen zwischen tsIoq und axojrog (S. 203 ff.), zwischen aiqerov (das Gute als Ideal z. B. cpQOVfjaig) und aiqsTsov (das Gute als Besitz z. B. (fQovstv; s. Zell er 223,4), zwischen xcctoq- d-ootiiQ und xccTOQ&wfjicc (S. 133) tieferen Sinn*, das Gute ist für den Fortschreitenden etwas, dessen Erstrebung und also Erreichung für ihn der menschlichen Natur nach möglich ist {ccIqstov), für den Weisen etwas, was er wählen muss, weil er nicht anders als gut handeln kann (aiqsTsov). Die stoische Ethik ist eben für den vollendeten Weisen deskriptiv, für den Fortschreitenden normativ. Für den Weisen gibt es selbstverständlich keine Bekämpfung der Leidenschaften mehr (so richtig Ziegler I S. 168), wohl aber lässt sich das Aristonische Zeugnis für den Begriff des Kampfes (S. 64,2) ]) auf den Fortschreitenden beziehen. Wenn auch der Begriff der Askese erst von den späteren Stoikern liebevoller gepflegt wurde (S. 25. 64; vgl. Aall I 102) und, wie unsere Untersuchungen zur parainetischen Ethik schliessen lassen, in litterarischer Form neben der Rücksicht auf äussere Verhältnisse nicht genügend zum Ausdruck kam, so lehren uns die Anekdoten über Zenon doch, dass im mündlichen Unterrichte der Schule dieses Moment sein Recht erhielt (s. bes. S. 303); die Haltung des Ariston und der merkwürdige Ausspruch Zenons über

*) Ziegler a. a. 0. leugnet also zu Unrecht das Vorkommen des Begriffes in den Berichten.

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die Träume des Fortschreitenden (S. 198) geben eine Ahnimg davon, an welche Tradition Epiktetos, der heid- nische Thomas aKempis, atiknüpfen konnte. Im Falle un- ermüdlicher Askese aber, wie es scheint, gesteht selbst eine pessimistische Ausführung des Kleanthes dem Fort- schreitenden wenigstens für sein Lebensende die Seligkeit zu (S. 200), und Chrysippos gibt die tröstliche Verheissung, dass dieses flüchtige Glück dem Glücke eines langen Lebens gleich sei (S. 194), so dass nur noch ein Schritt zu dem Gedanken ist: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen". Vgl. S. 138,2. 143 f. Gal., Hipp, et Plat. plac. 461 K.

Wenn sonach der Begriff des Fortschreitenden ein ausnehmend praktischer Begriff ist, so könnte immer noch die Auffassung der Lasterhaftigkeit als einer diä&söig (Zeller 246,2) die Eigenschaft des Begriffs als eines praktischen in Frage stellen. Dagegen muss bemerkt werden, dass die Stoa wohl jeden Fortschreitenden noch unter die Schlechten zählt, dass sie jedoch die fort- schreitenden Schlechten bis an die Pforten der Seligkeit gelangen lässt; die Theorie vom Umschlag ([israßolrj) aus dem Laster in die Tugend ist sonderbar, aber sicherlich nicht praktisch undenkbar. Ferner ist jene Bestimmung der Lasterhaftigkeit höchstens dem beginnenden Zenon zuzuschreiben; denn did&saig besagt, dass der lasterhafte Zustand weder einer Vermehrung noch einer Verminderung fähig ist, wodurch ein allmählicher Ubergang vom Laster zur Tugend und Gradunterschiede in der Lasterhaftigkeit ausgeschlossen wären. Vielleicht aber wurden nur die einzelnen xccxicci für sich rein begrifflich als dia&sosig angesehen; der Begriff dux&eou; müsste dann in einem weiteren Sinne gebraucht sein. Eine Stelle (S. 129,4) spricht von einer rauhen und schwer heilbaren dia$€<fiq; allein gerade diese Stelle gibt zu verstehen,

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dass nicht jeder Schlechte den untersten Grad der Laster- haftigkeit besitzen muss.

Damit dürften die wenigen Einreden gegen den prak- tischen Wert der stoischen Moral entkräftet sein. Die vielen praktischen Züge sind meist beachtet worden. Ja Wundt (Ethik S. 151) glaubt im Gegenteil, die Stoa habe an Sokrates und Diogenes weniger den Inhalt ihrer Lehren als das Bild ihrer Persönlichkeit bewundert; sie hätte von dem Urbild eines vollkommenen Menschen (Sokrates u. a.) den Begriff des Guten und der Tugend abstrahiert. Wie konnte sie das, falls sie Sokrates nicht für einen Weisen hielt?

Mit dem Gesagten fallen einige weitere Anschauungen von selbst, so wenn Aall (S. 103) nach einer Anerkennung des praktischen Interesses (S. 100) und einer guten Zeichnung des intellektualistischen Charakters der stoischen Philosophie (S. 101 f.) behauptet, das rein (!) Intellektuelle sei, wenn nicht ihr erstes Motiv (!), so doch die vor- nehmste Kategorie ihres Systems.

Wundt (Ethik S. 253) betont zweimal die Weltflucht des stoischen Weisen (s. unten 230. 324) und meint, von Gedanken der Weltverachtung sei auch die praktische Moral der Stoiker erfüllt. Wundt erinnert selbst an den Pantheismus der Schule. Ein echter Determinist kann die von der weisen, vorsehenden Natur geschaffene Welt der Schlechten nicht verachten. Wenigstens gilt Wundts Bemerkung nicht von der alten Stoa.

Zeller (3. 203) scheint den auf das Jenseits ge- richteten Zug der Ethik Senecas schon der alten Stoa geben zu wollen. Die alten Stoiker interessierten sich für die Fortdauer der Einzelseele nur in physischer, nicht in ethischer Hinsicht Keinesfalls dachten sie an persönliche Fortdauer. Vgl. S. XI und S. 125. Derselbe Gelehrte sagt (S. 284), die stoische Moral halte nur das Innere

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für wesentlich, das Äussere für durchaus gleichgültig. Auch hiergegen erhebt der Pantheismus Einspruch (vgl. S. 203. 299). Nicht aber gegen die Erlaubnis des Selbst- mordes, wie Ziegler IS. 177 glaubt, insofern der Stoiker denselben nur begeht, wenn er vom Schicksal gerufen wird (s. unten S. 111).

Mit dem soeben behandelten Widerspruch gegen Zellers Darlegung berührt sich nahe die Ansicht Aalls, dass Logik und Physik nicht nur der wissenschaftlichen Begründung der Ethik dienen (so Zell er S. 346), dass sich letztere nicht lediglich von der Ethik aus historisch entwickelt habe (Aall S. 145), sondern „durch und durch ihrer physischen Theorie entsprungen ist" (Aall S. 146). Wir glauben diese Behauptung nicht mehr wiederlegen zu müssen (vgl. C. Prantl, Gesch. d. Logik I 409—411; 404, wonach die Stoiker die Logik nicht als blosses Werkzeug der Philosophie anerkannten, aber doch die erstere im Interesse der Ethik zu selbständiger Sicherheit auszubilden versuchten), ebensowenig wie die Bemerkung (Aall S. 151), dass die Stoa in ihrem sittlichen Freiheitsbegriff kaum über das Durch schnittsniveau des Altertums hinaus- kam und das Problem nicht verstand. Den Unterschied zwischen dem höheren Begriff der dfMXQfisvy und dem nur für die speziell physikalische Welt geltenden der dvdyxrj, welchen Ausdruck Chrysippos mit seltenen Ausnahmen meidet, beachtet Aall nicht. Die viel verbreitete An- schauung vom Pessimismus der Stoa (Aall S. 153) ist nur teilweise begründet; die theoretische Ethik ist vom Opti- mismus getragen, pessimistisch ist sie nur im Urteil über die Mehrzahl der wirklichen Menschen; dabei unterscheidet sie sich immer noch wesentlich vom „empirischen Pessi- mismus" Kants (Hoff ding) dadurch, dass sie an die gute Anlage der Rasse und grosse Erfolge einzelner Geister glaubt. Auch mit dem Pessimismus würde der Pantheis-

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mus sich nicht vereinigen lassen, und Plutarchos kann gegen die stoische Ansicht von der Weltgerechtigkeit der Allnatur die pessimistische Ansicht des Herakleitos und Empedokles ins Feld führen (soll. an. 964 e).

Konnten in diesen und anderen Punkten durch un- sere Arbeit Berichtigungen verschiedener den Lehrinhalt betreffender Auffassungen gefunden werden, so sind viel- leicht weitere Erfolge der neue Uberblick über den ganzen Aufbau des ethischen Systems, das deutliche Hervortreten der Lücken, welche unsere teils kompendiarische teils pole- mische Uberlieferung lässt, das Weitergehen auf dem von Hirzel in der Charakteristik der ersten Stoiker ange- bahnten Wege, die Beleuchtung ihrer Arbeitsweise, endlich die Anknüpfungspunkte für Quellenuntersuchungen und ideengeschichtliche Forschungen. Herillos und Sphairos konnten auch von uns zwar nicht vollständig, aber doch eingehender gewürdigt werden als zuvor. (Einzelnes bei AI fr. Giesecke, De philos. veterum quae ad exsilium spectant sententiis. Diss. Leipz. 1891 S. 115 u. 116.)

Der Vergleich mit der mittleren und der jungen Stoa lässt sich jetzt genauer ziehen. Nach Chrysippos wurde die Ethik mehr und mehr verkünstelt, bis Panaitios und noch entschiedener Poseidonios zu einfacheren Grund- lagen zurückkehrten. Aber die dürren Einteilungen und Definitionen wurden erst von der jungen Stoa (Epiktetos, Marcus Aurelius) in den Hintergrund versetzt und die volle innere Kraft der stoischen Ethik zur Entfaltung gebracht. Diese Wendung mochte positiv durch die versöhnende Tendenz der mittelstoischen Theorie bis auf Panaitios haben wir wesentlich Kampf mit andern Schulen sowie durch das Bestreben der neuen Stoa, in die tieferen Volks- schichten einzudringen, und negativ durch das eine Reak- tion fordernde Uberwuchern des gelehrten Interesses bei

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Poseidonios (Geographie, Kulturgeschichte, Naturgeschichte u. s. w.) mit herbeigeführt worden sein.

Auf das Verhältnis der alten Stoa zu ihren Vorgängern und Zeitgenossen wurde nur nebenher Rücksicht genommen. Das in dieser Beziehung Notwendige haben Zell er und besonders Heinz e schon gesagt. Wenn Hirzel in ein- zelnen Fragen Einwirkung der nacharistotelischen Peripa- tetiker auf die Stoa annimmt (S. unten 99, 3), so dünkt mir (204 f. 17, 3) meist das Umgekehrte wahrscheinlicher (s. Wachsmuth in seinen Anmerkungen zur Stobaiosaus- gabe und vgl. H. Siebeck, Unters, z. griech. Philos. S. 181 ff., hinsichtlich anderer Gebiete).

Von den beigegebenen Indices ist der deutsche des- halb kürzer ausgefallen, weil hier das Inhaltsverzeichnis und die Überschriften unterstützend wirken können, der griechische aber etwas reichhaltiger, weil er so, bis ein- gehende stilgeschichtliche Untersuchungen über die Sprache der alten Stoiker das Mass ihres Anteils an der Ausbil- dung der xowrj und der neutestamentlichen Gräzität ins rechte Licht stellen können, immerhin einige Förderung fremder Studien (neben Wachs m uth s und Bonh öffer s Index) zu bieten vermag.

Zum Schlüsse darf ich erwähnen, dass ich meine Ur- teile stets aus den Fragmenten und Ursteilen zu erarbeiten suchte. Ich hatte dabei oft die Genugthuung, mit Ge- lehrten wie Krische, Zeller, Hirzel, Ziegler, Bon- höffer, denen sich Schopenhauer mit seinen beach- tenswerten Darlegungen zugesellt, zusammengetroffen zu sein. Damit soll nicht der Dank geschmälert werden, welchen ich den Darstellungen der Genannten und anderer für viele Anregungen und Winke schulde. Ich verbinde den Ausdruck desselben mit der Kundgabe des herzlich- sten persönlichen Dankes, zu welchem mich Herr Professor Dr. A. Elter durch gütige Überlassung seiner Bonner

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Programmschriften, die Herren Oberlehrer Dr. P. Wendland in Charlottenburg undPrivatdozentDr. C. Weyman inMünchen durch Litteraturnachweise, ferner die Herren Vorstände und Beamten der Münchener K. Hof- und Staatsbibliothek so- wie der Münchener und Würzburger K. Universitätsbiblio- theken durch jederzeit bereites Entgegenkommen aufs leb- hafteste verpflichteten.

Würzburg, im Juni 1897.

Dr. Adolf Dyroff.

Cap. I.

Umfang lind Einteilung der alt stoischen Ethik.

Es wird berichtet, dass Chrysippos, Archedemos, Zenon von Tarsos, Apollodoros, Diogenes, Aiitipatros und Poseidonios die Ethik als die Lehre vom Triebe, von den Gütern und Übeln, von den Leidenschaften, von der Tu- gend, vom Ziele, vom höchsten Werte, von den Pflichten sowie von den Zureden und Abmahnungen betrachteten1). Die angeführte Philosophenreihe spricht dafür, dass die Stoa über den Umfang der Ethik von Chrysippos ab ein- stimmig war, und wir dürfen daher annehmen, dass sich die altstoische Ethik in demselben Rahmen bewegte wie die betreffenden Abschnitte des Diogenes und Stobaios, zumal letzterer sich auf Schriften des Chrysippos zu stützen vorgibt2).

Eine genauere Vorstellung von dem Inhalte der alt-

l) D. L. VII 84.

-) Stob. ecl. II 116. 13 W., wo sie freilich nur als Quelle der naQado^a bezeichnet werden. Ausser ttsqi doyuäxojv nennt er mit Titel nur noch die auch D. L. VII 199 an erster Stelle des ethischen Katalogs erwähnte vTioygacpr/ tov löyov, unter welcher eine Darstellung zu verstehen ist, die in kurzen Umrissen (zww&us) in die Gegen- stände einführt (D. L. VII 60; die zweite dort angegebene Gebrauchs- weise passt nicht hieher). Aus der Thatsache, dass der Darstellung des Stobaios hauptsächlich Chr. zu gründe liegt, folgt: Wo Gedanken des Chr. bei Stobaios sich finden und auch die Sprache Analogien bei Chr. hat. darf auf die Autorschaft des letzteren geschlossen werden. Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 1

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stoischen Ethik gewähren die Bücherverzeichnisse, welche durchweg nach der stoischen Einteilung der Philosophie angeordnet sind1). Sowohl die allgemeine als auch die spezielle Ethik wurde von den alten Stoikern in streng- philosophischer wie in mehr populärer oder dialogischer Form angebaut. Wir finden Untersuchungen über die oben genannten Begriffe wie über die Politik, Ehe, Er- ziehung, Freundschaft, Liebe; zuweilen sind ganz besondere Begriffe, so einzelne Tugenden, zum Gegenstand der Er- örterung gewählt, und bei Chrysippos erhält man den Eindruck, als habe er vielfach bestimmte Teile der Ethik, nur durch gewisse Angriffe veranlasst, broschürenartig be- arbeitet2). Auch Rhetorik und Dialektik, Dichtkunst, Malerei und Sprichwort wurden ethischen Reflexionen unterworfen, und die Diatriben, Chrien und Apomnemo- neumata scheinen in Ethik fast aufgegangen zu sein, wo- durch die bevorrechtete Stellung der Ethik in der Stoa eine erneute Beleuchtung erfährt. Wir haben daher kein Recht, mit Pearson3) und Baguet4) eine vierte Haupt- abteilung „Miscellanea" aufzustellen von den Briefen natürlich abgesehen , sondern es muss stets versucht werden, Schriften, die in den Katalogen fehlen, in eine der drei Gruppen Physik, Logik, Ethik einzureihen.

So zählen zur Ethik noch bei Zenon die noXireia, €Qcorixfj T8%vri und didTQißal, bei Persaios die av^inoriTia vtto- livrt\iaT;a und tf&ixal cypla'i, bei Chrysippos die Schriften ttsqI äya&wv, neql äya&cbv xal xcatwv siGctYwyaß), neqi

x) Vgl. das Würzburger Gymnasialprogramm „Über die Anlage der stoischen Bücherkataloge". 1896.

2) S. auch D. L. VII 180 ciav rb vncmsobv yqdcpojv.

3) S. 31.

4) S. 120 f.

5) Die üoayojyai beanspruchen nicht immer den ersten Platz innerhalb der einzelnen Gruppen (s. D. L. VII 196), da § 193 die

- 3

TOOV Öl' CWTCC CCIQSTCQV, 7T€Qi TCO V Öl CCVTCC [Atj CtlQSTbbp, 7TSQI

dixalov, nsqi dixcuoovvrjc, änodsfäeig rteoi dixaioüvvrig, ferner Tisoi tsXoov, rreqi Tslovg, Tteqi xa&ijxovTOC, Tisqi xctToo&üO[iaT(iöv, nsqi rrjg OQfjbrjg, n&qi rtcc&cbr, nsqi dvo\ao- /.oyiccg, tzsqI ßioov, Tieqi ßiov xal 7TOQiG{iov, ttsqI eqcoTog, 7i€Qi Tro/.iTsiac, 7i€Qi nöXsoog xal vöfjiov, neqi tov dixa^eiv, Jteqi ydfiov, 7T€qI naiöoov äycoyrjg, ttqotq€7itixoi, ttsqI tov ttqo- Toe7iead-c(i, ttsqI bpovoiag, negi (piUag, neoi laqiTtov, yd-ixd Lr^riiiaTcc, ttsqI doyfiaTcov, Tieqi tov xvqioog xsxQrjü&ai Zqvcova Totg dvoiiaGiv, eocoTixcci sTziGTokai1).

Es lässt sich, da die alten Stoiker auf die möglichst entsprechende Anordnung der grossen Teile des philo- sophischen Lehrgebäudes so hohen Wert legten, auch ohne weiteren Anhaltspunkt vermuten, dass der eine oder der andere auf eine Gliederung der einzelnen Teile in sieh, mit ihrem umfangreichen Stoffe, Bedacht genommen habe. Und thatsächlich steht unter den Schriften des Sphairos an der Spitze der ethischen Gruppe ein Titel TTfQi Ttjc föixrjg 'diccTd&cog, und auch die für die erste einleitende Unterabteilung der ethischen Schriften des Chrysippos gewählte Uberschrift nsqi Tqv didq^qooaiv twv fötxwv ivvomv deutet darauf hin, dass die ethischen Be- griffe nicht nur getrennt, sondern auch gegliedert wurden2). Diogenes Laertios berichtet ausdrücklich über die stoischen Unterabteilungen der Ethik, und diese Stelle ist wichtig

isagogischen Schriften am Schlüsse der Bücher ti. dficpißohojv ange- hängt sind.

1) So unser Gewährsmann.

2) Auf Gliederung weisen auch Titel wie neyl eldojv xal ysvwv, ntt>\ biat{jioi(MV, T(>ys tag Siuiytotig aal xa yivrj xal xa si'dr], ntQi ivavxi'ojv und r.t(jl tüjv ivavxiojv (Gegensatz neyl xojv hfxoiojv^) hin, womit die Ausführung des Diogenes VII 39 über die Bezeichnungen xönos, tidy. yivrj zusammenzuhalten ist.

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genug, um wörtlich hieher gesetzt zu werden. Er sagt VII 84: t6 ö3 rj&ixov fxsqog Tfjg <piXoao(plag öiaiqovöiv si'g ts tov nsqi oqfJbrjg xai slg tov neqi äya&cov xai xaxoov totcov xai top nsqi Jia&MV xai nsqi dqeTtjg xcci nsqi tsXoik nsqi ts Tfjg nqcoTijg d^iag xai tcov nqd^scov xcci nsqi tcov xa^TjxovTcov nqoTqoncov ts xai dnoTqoncov. xcci ovtm d^vnoöiaiqovüiv oi nsqi XqvGinnov xai ^Aq^sörtfiov xai Zy- vcova tov Taqasa xai AnoXXodcoqov xai Jioysvrjv xai 'Avti- naTqov xai IloGsidcoviov. 6 fiev ydq KiTisvg Zr\vcov xai 6 KXsdv&rjg, cog äv dq%aiOTsqoi, dcpsXsöTsqov neqi tcov nqay- \iaTMV disXaßov. ovtoi de dielXov xai tov Xoyixov xai tov (pvcixov. Auf die Schwierigkeiten der Stelle hat bereits Zeller1) aufmerksam gemacht; aber derselbe hat auch schon die Lösung angebahnt, indem er den Ausdruck er meint wohl auch den Umstand, dass sich nur bei den ersten drei Begriffen der Artikel tov (sc. totcov) findet heranzieht, um drei Hauptabteilungen nsqi bq^g, nsqi äya&oöv xai xaxcov, nsqi na&cov und sechs Unterabteilungen herauszuschälen. Diese Auffassung wird durch die Vor- liebe der Stoiker für die Dreizahl gestützt. Wie dachte sich aber Diogenes die sechs Unterglieder auf die drei Hauptglieder verteilt? Wenn er verständig aufgezählt hat, müssten nsqi dqer^g xai nsqi TsXovg zu nsqi oqprjg, ferner nsqi Trjg nqcoTTjg d^lag2) xai tcov nqa^scov und nsqi tcov xa&ijxovTwv zu nsqi dya&cov xai xaxoov und endlich nsqi nqoTqoncov xai dnoTqoncov zu nsqi na&oov gestellt werden. Hier könnte auffallen, dass wir die nqoTqonai xai dno- Tqonai von den Pflichten (xa&rjxovTa) losgerissen haben. Der Ausdruck bei Diogenes hat uns darauf gebracht.

x) III 1 S. 206 Anm. 1.

2) Dass a£ia die Schätzung von Gütern und Übeln ist, zeigt Ariston Sext. E. math. XI 64 i'aov yäq hon tb TtQorjy^iävov avtrv (sc. TTjv vyelav) Xeysiv adiäyoQov tat ayad'bv a^iovv.

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Hält man an der Aufstellung unserer drei Hauptabteilungen fest, wie man doch wohl muss, so ist nach nsqi rta&wv ein Kolon zu setzen; betrachtet man weiter die Unter- abteilungen, so springt sofort in die Augen, dass zwischen xai imd ts abgewechselt ist, und zwar stellt sich das erste ts nach den beiden ersten Untergliedern nsqi dqsTfjg xai nsqi tsXovq ein, das zweite ts wiederum, nachdem zwei nsqi vorkamen, und die beiden Glieder nach dem letzten ts haben kein nsqi bei sich. Man wird zugeben müssen, dass dieses eine Verwendung des Ausdrucks zur Bezeich- nung des Zusammengehörigen und des zu Trennenden ist, die sich hören lässt, und wird daran, dass die beiden letzten Glieder ohne nsqi sind, keinen Anstoss nehmen, wenn man erwägt, dass es eigentlich nicht angeht zu sagen: tottoc nsqi ttqotqottcov xai änoTqonäp, wenigstens nicht im Parallelismus zu den Begriffen von nsqi dqsvrjg bis zu nsqi twp xa&qxoPToop ; wohl aber ist tottoc ttqotqo- 7i wv xai änoTqoTiGiv sprachrichtig gesagt. Und sollte diese Unterabteilung inhaltlich zu dürftig erscheinen, so sei auf das später über die parainetische Ethik zu Sagende ver- wiesen. Dass nsqi nqooTqg ä£iag xai nqd^scog eine Einheit gebildet haben können, wird niemand leugnen wollen (s. Stob. Ecl. II. S. 83 f. 105 W.). Ein sprachliches Be- denken gegen unsere Deutung liegt nicht weiter vor, da das erste ts nach diaiqovütp (sie ts top nsqi ÖQfjirjg) sich bei Setzung des verlangten Kolons gut erklärt.

Sachliche Erwägungen können nur dazu führen, jene Auffassung zu bestätigen. Wie Laertios seine Worte ver- standen hat, das erläutert man am besten aus ihm selbst. Diogenes ordnet seine Darstellung der stoischen Lehren genau so, wie er § 39 die Teile der Philosophie angibt, nur dass er die Reihenfolge dort umgekehrt hat. Wenn ich recht sehe, folgt Diogenes oder vielmehr seine Quelle auch innerhalb der einzelnen Disziplinen den für diese zu-

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vor mitgeteilten Gliederungen1); am glattesten lässt sich das

J) Die Logik wurde in Rhetorik und Dialektik geteilt 41 f.). Diogenes schliesst sich dieser Einteilung an, wie die häufige Er- wähnung der Dialektik lehrt. Die Rhetorik macht er (wie in der Ethik die Trieblehre) kurz ab 42—43). Die Dialektik gliederten die Stoiker in die Abteilung ttsqI xojv arjuaivo^Uvojv 43; auf Chr. zurückgehend nach § 62) und ttsqI (pojvrtg 43. 44; Chr. hatte das or^aivovxa. genannt § 62); ebenso Diogenes § 55 82, nur dass er wie öfter umstellt und zuerst ttsqI <pojv7jg § 55 62 und dann tt. x. GTjuaivofievüJv § 63 82 handelt. Das Kapitel tt. <pojvrtg zerfiel in Ab- schnitte, welche § 44 durch Worte wie iyyqdfifiaxog (fojvrh xov Xoyov /u£(j7], ttbqI ooloixta/uov xal ßa^ßagiopov xal noiTj^iäxoiv xal dficpi- ßoliöjv, ttsqI iufxslovg (pojvjjg xal ttsqI fiovotxyg, izsqI oqojv y.axd xivag xal diaiQioeojv xal H&w bezeichnet sind, und fast in derselben Reihenfolge spricht Diogenes § 56 57 über die iyyQäfiftaxog (pwr, 57 58 über xov Xöyov {ibqt}, 59 60 über ßapßaQio/Liög, oo?.oixtofj-ög, noirjpa, 60 62übero(>os und Siatoeosig ; die kiesig mussten schon § 56 erwähnt werden, dafür vertritt die d[A.(pißo).ia § 62 die übrigen XQeig. Den Abschnitt tt. kufjLe).6vg <pojy?jg hat Diogenes unterdrückt. Das Kapitel tt. x, arjuaivo- fxivoiv schied sich nach § 43. 44 in einen Abschnitt tt. xojv (pavxaaiöjv xal xojv ex xovxorv vcpioxafievojv Xtxxöjv a£ia>[iäxüjv xal avtoxeXojv xal xax7jyoQ7]fiäxojv xal xojv b^.oiüiv oq&ojv xal vttxIojv xal ytvojv xal eldojv und einen weiteren tt. löyojv xal xqottojv xal avXXoyiafiöjv xal xoZv Tiaod xijv (pojvTjv xal 7tQ<xyfiaxa oocpiofiäxojv, und fast entsprechend verbreitet sich Diogenes §'_63 tt. Xexrojv avxoxelöjv, § 64 tt. xaxqyooTjtiaxog, oq&öjv^ i ttx t'ojv, § 65 76 tt. d^iojudxojv, § 76 78 it. Xoyojv xal xqottojv 77J, § 78 81 TT. avXloyio^iojv, § 82 tt. aoTpiofidxojv; die Abteilungen tt. d£ioj- fiäxojv und tt. xaxriyoqr^iäxojv waren § 43 wieder umgestellt, 7t. yav- xaotöjv hatte er § 45 und § 49 51, durch äussere Verhältnisse verleitet (man s. § 49 und beachte, dass tt. yavxaoiag und tt. alod-rjoeojg § 52 53 zusammen die Lehre ttsqI xqixtjqiojv § 54 vgl. 41. 42 ausmachen), und ähnlich tt. ysvojv xal sldöjv bei Gelegenheit der Siaigioeig § 60—62 vorweggenommen. Durch die Darstellung des Diogenes erkennen wir vielfach erst, warum einzelne Teile zusammengestellt sind. Wir ersehen, dass sich Diogenes bei Angabe der vorläufigen Disposition einige nachlässige Umstellungen erlaubt und § 43 den Abschnitt TTtQi xojv aTjuaivofievojv besser geordnet hat als in der Wiederholung § 63, was besonders an neol ovXhoyiafj,ojv deutlich wird; dagegen war tt. W.wcojv 63) § 43 unterdrückt. Bei der Physik stellt Diogenes, gemäss der § 132 f. gegebenen Disposition. § 136—137 die

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für die Ethik nachweisen. Da spricht er zunächst von ÖQfiq 84 86) und damit im Zusammenhang von reXog (87 89) und dgsTjj (90 93); daran anschliessend von dya&d und xaxd (94 104) und dabei (mit dio fort- fahrend) von d^lcc mit ihrem Gegenteil (105 107) sowie im Zusammenhang damit vom Tcad-fjxov (107 110)*, weiter- hin von ttcc&t] (110 117) und an diese anknüpfend vom Verhalten des coyoq (117 131), von letzterem recht aus- führlich. Man sieht sofort, dass diese Disposition sich mit der oben gegebenen nahezu deckt; die Umstellung von nsoi Tslovg und neqi dgsTrjg § 84 ist stilistische Frei- heit. Schlagender könnte unsere Auslegung der Diogenes- stelle nicht beleuchtet und bekräftigt werden. Dass Dio- genes sich in Wirklichkeit hierbei in stoischen Bahnen bewegte, mag auch die vielfach ähnliche Disposition der stoischen Ethik, wie sie, sicher aus stoischer Quelle geschöpft, sich bei Cicero fin. III, 5, 16 ff. findet, uns lehren1).

Lehre n. <sxoi%U(jiv, § 137 151 die 7t. xoouov und § 151 159 den TÜaog alxio).oyiy.bi dar, wobei tt. oToiytioiv und n. xöoftov umgestellt sind. Auch die beiden 132 f. erwähnten Unterabteilungen des Ka- pitels ct. xoouov hält Diogenes ein, nur stellt er wieder um, indem er auf den physikalischen Teil § 137 143 den mathematischen § 144 146 folgen lässt. Genau so ist es mit den beiden Unterabtei- lungen des Tonog aiTioloyixöe; der mathematische geht § 151 154 voran, der medizinische folgt § 156—159 nach. Im einzelnen ist die Stellung in der Ausführung des Diogenes zuweilen etwas von der in der stoischen Disposition verschieden. Eingeleitet ist die physikalische Darstellung mit einigen allgemeinen Begriffen, von denen n. aoyßjv xal oxoiytlojv § 134 und n. oojfidrojy § 134 135, ttsqI ■d-eov § 136 an die § 132 sIomöjs genannte Einteilung erinnert, wobei jedoch wieder umgestellt ist.

*) S. Hirzel, Unters. II S. 568 ff. Ähnlichkeit hat auch die Einteilung von Epiktetos diss. III 2, die Zell er mit Grund zur alten Einteilung der Ethik in Beziehung setzt. Aus Bonhöffers (IS. 19. 22 ff.j mühevoller Darlegung gewinne ich den Eindruck, als ob Epi- ktetos doch vorzüglich an die Ethik denke.

Des Nachweises, dass die Teile der Ethik inhaltlich in der angegebenen Weise aufeinanderfolgen konnten und zueinander gehörten, sind wir demnach im Grunde über- hoben. Doch sei darauf hingewiesen, dass sich auch von allgemeinen Gesichtspunkten aus die stoische Einteilung so rechtfertigen lässt:

Zenon hatte die Physik vor die Ethik gestellt und musste folgerichtig die Ethik mit Erörterungen über den Trieb beginnen, einen Begriff, welcher der Ethik und Phy- sik gemeinsam ist. Es ist daher vollständig berechtigt, wenn Zeller1) die Psychologie als Schluss der Physik nimmt und damit zur Ethik überleitet, und ebenso, wenn der Zenonkatalog die Schrift ttsqI ög^rjc jj neqi äv&QWTrov (fvaecog mit nsqi rov Tiara qvciv ßiov gleich zu Anfang der ethischen Abteilung bringt. Fraglich könnte nur sein, ob die bei Stobaios sich findende Trieblehre, die mehr psycho- logisch scheint, zur ethischen Disziplin gerechnet wer- den darf. Allein auch die Definitionen und Einteilungen der Leidenschaften zählten zweifellos zur Ethik2), und Sto- baios lässt bei den Trieben nicht das geringste Bedenken er- kennen. Sieht man näher zu, so ergibt sich, dass Stobaios den Trieb im allgemeinen nur andeutungsweise, haupt- sächlich aber lediglich den vernünftigen Trieb bespricht. Das rein Psychologische am Trieb war den Stoikern so nebensächlich, dass sie dem tierischen Triebe nicht einmal einen Xamen erteilten. Damit harmoniert es trefflich, wenn Chrysippos schlechthin als den Trieb des Menschen die Vernunft bezeichnet, die ihm sein Handeln vorschreibt 3).

') III 1 S. 194 ff.; vgl. D. L. VH 157—159.

-) Dagegen gehörte die Frage nach dem Sitz der Leidenschaften richtig zur Physik (rr. yvzijs) ; s. Baguet S. 188 ff. D. L. VII 159.

3) Stoic. rep. 1037 f. Ton den bei Z el 1 er III 2 S. 225 Anm. 1 vorgeschlagenen Erklärungen ist die erste die allein richtige.

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Mit diesem Satze und mit der Untersuchung über den ersten Trieb, nämlich den Trieb der Selbsterhaltung, geht die Trieblehre in die Ziellehre über, insofern letztere den Zweck hat, aus einer Vergleichung der Triebe bei Pflanze, Tier und Mensch die Vernunft als den speziell mensch- lichen Trieb abzuleiten. Ferner bezeichnet die Stoa den Trieb als Zustimmung zu einem Satze, zugleich aber auch als eine Seelenbewegung, die in der Richtung des Satzprädi- kates erfolge. Nimmt man den ethischen Grundsatz : „Nur die Tugend ist ein Gut", so sieht man ein, dass eine so geartete Trieblehre auch vor der Tugend- und Güter- lehre stehen musste.

Gibt die Trieblehre die Ursachen der menschlichen Einzelhandlungen1) an, so befasst sich die Ziellehre mit dem Zwecke der Gesamthandlung, als welche das menschliche Leben erscheint. Das Ethos ist ja nach Ze- non und seinen Schülern die Quelle des Lebens, aus welcher die einzelnen Handlungen erfliessen2).

Wenn ferner die Ziellehre damit schliesst, dass die Tugend als natur- und vernunftgemässes Ziel aufgestellt wird, so war selbstverständlich nähere Ausdeutung dieses Begriffes die nächste Aufgabe.

Die Lehre von den Gütern, Übeln und mittleren Dingen (Wertlehre) handelt dann von den Objekten der einzelnen Handlungen, worauf ein besonderer Abschnitt über die Handlungen selbst und eine ethisch wichtige Art der Handlungen, die xa&tjxovTa, folgt. Der enge Zu- sammenhang des letzteren Teiles mit der Tugendlehre und seine Stellung nach derselben wird in Stellen wie Stoic.

!) Trieb und Handlungen werden öfter zusammen genannt, so Chr. fr. 31. 30. 149 Gerck.

2) Zen. fr. 146 Pears. Wegen der Stellung der Ziellehre vor der Güter- und Tugendlehre s. Cic. fin. III 22, 73.

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rep. 1038 c. 1042 f. recht fühlbar. Folgende Stelle ver- anschaulicht überhaupt kurz, wie sich das Ganze der Ethik im Geiste des Chrysippos aufbaute: „Wenn es Götter gibt, so sind die Götter gut-, wenn aber das der Fall ist, so gibt es eine Tugend; wenn es aber eine Tugend gibt, so gibt es eine Verständigkeit; wenn aber dieses, so gibt es ein Wissen von dem, was zu thun und zu lassen ist; zu thun aber sind die guten, zulassen die schlimmen Handlungen. Die guten Handlungen sind schön, die bösen hässlich, und das Schöne ist zu loben, das Böse zu tadeln" (Chr. fr. 51, 4 Gerck. ; vgl. fr. 53 55 Gerck.). Andererseits be- misst sich die Qualität einer Handlung auch nach ihrem Objekte; so bemisst der Stoiker die Handlung des Selbst- mordes nach ihrem Verhältnis zu den naturgemässen und, naturwidrigen mittleren Dingen und verwendet für dieses entsprechende Bemessen einen eigenen Ausdruck (nccQccfjie- TQsTa&ai)1). Es ist daher ganz natürlich, wenn sich die Güter- zur Tugendlehre und die Lehre von den Hand- lungen zur Güterlehre grossenteils fast wie eine Tautologie ausnimmt.

Nachdem über die durch gesunde Vernunft geregelten Triebhandlungen sich Tugend- und Ziellehre genügend ge- äussert hatten und die Erörterung über die mittleren Hand- lungen durch die Wertlehre als Sache der praktischen Ethik erwiesen war, sofern sie nicht als rein auf Triebe hin erfolgend (vgl. D. L. VII 108) in Psychologie und Trieblehre näher bestimmt waren, so blieb nur die Lehre von den schlechten Handlungen übrig. Chrysippos stellte daher mit richtigem Takte, wie die Trieblehre an den Anfang, so die Lehre von den Leidenschaften, die zu den schlimmen

*) S. § 4. Der Konnex zwischen Güter- und Pflichtenlehre tritt be- sonders Cicero fin. III c. 18 (chrysippeisch ; vgl. Stoic. rep. 1042 d.) zutage.

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Handlungen zählten *), an den Schluss der theoretischen Ethik. Sie setzt zudem die Güterlehre mehrfach voraus2).

Die Leidenschaften führen, da es auf ihre Heilung abgesehen ist, am besten zur praktischen Ethik hinüber; sie haben eine analoge Bedeutung in der Ethik wie die Theologie in der stoischen Physik. Eine Ethik als Kunst und Theorie ist ja nur in Zeiten möglich, in welchen das sittliche Bewusstsein der Zersetzung anheimfällt oder an- heimgefallen ist, und die Wurzeln der allgemeinen Krank- heit waren von jeher die Leidenschaften.

Das bisher Gesagte zeigt deutlich, dass die Trieb-, Ziel- und Tugendlehre einerseits und die Lehre von den Gütern, Übeln und mittleren Dingen, Handlungen und Pflichthandlungen andererseits unter sich enger zusammen- gehören. Damit ist erklärt, weshalb die Trieblehre vom ethischen Gesichtspunkte aus nicht zur Lehre von den Leidenschaften gestellt werden darf. Die Anordnung des Stobaios gibt der Darstellung psychologischen Charakter. Wie aber von den Leidenschaften der Weg zur paraine- tischen Ethik so nahe ist, deutet Diogenes in seiner knappen Weise damit an, dass er, nachdem die Leidenschaften ab- gemacht sind, fortfährt: (paai de xal ärta&ri eivai top (70(f6v 117).

Die weiter folgenden Ausführungen des Diogenes könn- ten den Glauben erwecken, dass die nqoTQOTTai und dnoToonai mit der Schilderung des Weisen gleichbedeutend seien, und in der That waren selbst die verschiedenen altstoischen Poli- tien nichts anderes als eine konsequente Ausmalung des Staates der Weisen.

Doch haben wir überhaupt praktische Vorschriften aller Art hierher zu nehmen, und dadurch wird erst die

') Vgl. auch Gal. 403-4 04 K. 2) S. später § 6.

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Überschrift ttqotqotkxi und dnoTQonai verständlich. Neben Bestimmungen wie: „Der Weise ist", finden sich solche wie: „Der Weise wird das und das thun", wobei das Imperativische vielfach im berichtenden Infinitiv verloren gegangen ist. Dieser Teil war schon in der alten Stoa gut vertreten und wurde von Ariston als der parainetische und hypothetische1) Teil der Philosophie bekämpft. Aus dessen Polemik erhellt, dass zu diesem Teile schon damals Vorschriften über Kinder erziehung und Ehe (Senec. ep. 94, 3; 5; 8; 15), Politik, Freundschaft (§11. 14), Liebe 14), über das Benehmen bei Gastereien 8) und in der Öffentlichkeit 5. 8) gehörten. Wir wissen nun, wohin wir alle die bezüglichen Schriften des Zenon, Kle- anthes und besonders des Persaios zu stellen haben, und finden die Angabe des Diogenes bestätigt.

Wir sind aber mit der bewussten Diogenesstelle 2) noch nicht zu Ende. Aus dem Gegensatze von vnodiai- qstv und öiaXa^ißdvsiv diaiqsTv {distle von Zenon § 39), der sich zu Ende jener Stelle findet, geht doch wohl hervor, dass die Haupteinteilung nsqi ÖQprjg, rcsql äyad-wv aal xcc- xmp, neqi nad-wv schon von Zenon stammte3), der that-

*) Zell er III 1 S. 272 Anm. 2 hält mit Recht naoaivsTixog und vrto&ezLnog für gleichbedeutend. Doch scheint bei letzterem mehr auch die negative Vorschrift enthalten zu sein, da Husonios bei den vno&etMoi löyoi von den ßlaßtQa und <h(peli[ia spricht und auch Diogenes § 84 neben die nQoiQOTtal (vgl. particulatim admoneri Senec. ep. 94, 3) die anoTQonal setzt. Die negativen Vorschriften konnten von den Stoikern bei ihrer etymologisierenden Wortauffassung in 'den Begriff naoaivstinög nicht gut aufgenommen werden.

2) S. S. 4.

3) Den Ausdruck äo%aiÖTtooi könnte schon Chr. von Zenon ge- braucht haben. Vgl. Stoic. rep. 1035 a. b. Athen XIII 565 a. (ob ocpoSpa 6.q%ouoi von Leuten, die noch leben). IV 137 f. ov naw aQ%aloiv. D. L. VII 201 7t£Qi tov iyitQlvEiv rovg do%alovg TTjV SialsuxiKriV ovv xalg äno§tt£eoi (Zenon gegenüber Ariston?); 197 Xvoig xaxd rovg doxalovg. Apollodoros schrieb eine Physik nata xt]v dq%aLav (VII 125), in welcher

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sächlich neqi 6g[ji?jg und rtsql na&wv sich schriftlich und Tceqi äya&cov xccl xaxcov wenigstens mündlich geäussert und innerhalb der Logik ebenfalls in Rhetorik und Dialektik geschieden hatte, ohne letztere zu bearbeiten !). Der Zu- satz ovtoi de dislXov xal tov Xoyixov xai tov (fvöixov (sc. Tortov) kann, da Diogenes die Haupteinteilung der ganzen Philosophie durch Zenon bereits klar genug angeführt hatte und auch selbst für die Teile der Philosophie nicht den Ausdruck tottoc, sondern entweder [isqoq 39 ff. 84) oder koyog 132) verwendet, nur bedeuten, dass Zenon und Kleanthes, wie dies ähnlich in der Physik geschah (VII 132 f.), ausser dem rein ethischen Teil der Ethik noch einen logischen und physikalischen Teil derselben unter- schieden2).

Wir halten uns bei der folgenden Darstellung der allgemeinen altstoischen Ethik an die oben eruierte feinere Einteilung3), da wir so hoffen dürfen, dem Geiste, der jene Ethik vollendet, am treuesten zu bleiben.

er mit Chr. zweimal übereinstimmt (auch § 140). Über Poseidonios D. L. VII 54 s. Hirzel, Unters, (s. v.), über Teles v. "Wilamowitz-Möllen- dorff. Antigonos S. 307 Anm. 19. Im gewöhnlichen Sinne Cleanth. apophth. 12 Pears. Stob. ecl. II 48, 4 (Senec. ep. 113, 1. Sext. E. Pyrrh. I 69). (Ersteres dqxatoi vielleicht von der aq%r der Schule).

l) § 85 kann natürlich vitoSiaiQovaL nicht im Gegensatze zu StstXs des § 39 gesagt sein. Wir entnehmen der oben vorgetragenen Ansicht die Berechtigung, Zenons und Kleanthes' Lehre mit der des Chrysippos in gleicher Ordnung darzustellen.

2) Mit D. L. VII 84 ist Sext. E. math. VII 11 zu kombinieren, wonach in letzterer Einteilung die kyrenaische Schule voranging und der yvoixbs tocto; der hsqi airiojv, der loyixog aber der rrreQi Tiiareojv war. Die Lösung von Petersen, Philosophiae Chrysippeae fundamenta, Hamburg 1827, S. 264 ist willkürlich. Stobaios fügt da, wo er die Lehre von den rr«^ an die von der öqutj anreiht (ecl. II 88, 6), eine besondere Begründung für diese Anreihung an, scheint also seine eigene Anordnung nicht vorgefunden zu haben. Die Physik hatte Kleanthes in zwei Teile getrennt.

') Selbst fr. 26, 12 Gerck. nennt Chr. trotz einer dort entschuld-

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Innerhalb der einzelnen Abschnitte jedoch werden wir nnsern eigenen Weg gehen müssen, da die Ziellehre z. B. naturgemäss anders zu behandeln ist als die übrigen Teile und uns hier fast keine Anhaltspunkte gegeben sind. Nur bezüglich der Schrift über die Leidenschaften sind wir teilweise vom Gang der Untersuchung näher unterrichtet1). Von eigenen Definitionen der Hauptleidenschaften (Gal. 366 vgl. 380 K) und ebensolchen des Zenon undEpikuros aus (S. 366 367 H)2) gelangt Chrysippos auf induktivem Wege zur Definition des Gattungsbegriffes Leidenschaft (S. 368. 369), wobei er zunächst die Definition Zenons begründet und feststellt, dass die Leidenschaften Urteile sind. Im dritten Buche, welches Poseidonios nicht bekämpfte, mag die auch nach Chrysippos noch geltende3) Klassifikation der- selben versucht worden sein. Das &€qcc7tsvti,x6v, dessen selb- ständige Stellung sich in den Wiederholungen aus dem ersten Buche (S. 394 K.) kundgibt, bildete bereits die Brücke zur praktischen Anwendung der Theorie und gab eine An- leitung zu consolationes. Ahnlich scheint Chrysippos auch bei der Tugendlehre begonnen zu haben; denn was Plutarchos

baren Unordnung in den Beispielen zuerst die Tugenden, dann die Güter und Übel und zuletzt zwei Leidensehaften. Glück und Unglück freilich stellt er zwischen Übel und Leidenschaften.

*) Durch die Angaben des Galenos: 366 K. lv xotg ögiopolg rwv ysvixüjv na&öjv, ovg tcqo'jtovs Qe&eto, womit dem Zusammenhange nach die S. 364 ein für allemal eingeführte Schrift negl na&ajv bezeichnet ist, neben welcher neyl yvxr/S S. 366 nur noch vergleichsweise genannt wird. S. 380 K. ist deutlich gesagt, dass die S. 366 erwähnte De- finition der ini&vula aus dem ersten Buche n. n. stammt. S. 369 icpB^g. 365 tv de xotg htpe^g. 377. 442.

2) Eine Kritik des Piaton und Aristoteles nahm Chr. dort nicht vor (Gal. 366. 365. 378. 425 K.); gegen ersteren polemisiert er in der Schrift 7i$Qi dvofiokoyiag.

3) Poseidonios scheint sich hierin an Chr. angeschlossen zu haben er definiert wenigstens die öqyv ähnlich wie dieser (s. Bake, Posidonii Rhodii rel. doctr. Leyden 1810, S. 198).

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(virt. mor. 441 c) über die Definitionen der Tugend be- richtet, geht augenscheinlich 3) auf den jüngsten der dort genannten Philosophen, Chrysippos, zurück, und GaL 595 K. ist das über Ariston Angegebene zweifellos durch denselben Philosophen dem Poseidonios und so dem Gale- nos bekannt geworden, so dass Chrysippos auch als Quelle für die Mitteilung des Plutarchos über Menedemos ange- nommen werden darf.

Es wird daher passend sein, wenn wir zuerst über das Wesen (Definition) des betreffenden Begriffes, dann über seine Eigenschaften und weiter über seine Arten (Einteilung) sprechen.

*) Dies beweist im einzelnen das chrysippeisch gebrauchte M- yto&ai. Auch die Plutarchische Schrift ist wohl nach Poseidonios ge- arbeitet; vgl. R. Heinze, Xenokrates S. 149, 2.

Kap. IL

Die allgemeine Ethik der alten Stoa.

§ 1. Der Trieb. Vorb emerkung .

Trotz aller grundsätzlichen Verschiedenheit zwischen der spiritualistisch-dualistischen Psychologie des Aristoteles und der materialistisch-monistischen der Stoa kommen beide in bestimmten Punkten zusammen. Der Trieb ent- steht da wie dort in der Seele, und wenn bei Aristoteles Wahrnehmung, Verstand und Trieb die Urheber des Han- delns und der Wahrheit sind (eth. Nicom. 1139 a, 18; vgl. 1095 a, 10), so lässt die Stoa im herrschenden Seelenteile (rjysfjbovixov) Wahrnehmung, Vorstellung und Trieb ent- stehen. Während aber Aristoteles einen unvernünftigen (aloyov) und einen vernünftigen (Xoyov £%ov) Seelenteil und entsprechend die diesen zukommenden wesentlichen Eigen- schaften des Triebes und Verstandes (yovg) unterschied, musste es Zenons Absicht sein, beide unter einem Ge- sichtspunkte zu vereinigen und für Trieb- und Vernunft- handlungen einen einheitlichen Untergrund zu finden. Das gelang ihm mit dem Begriffe oQiiy. Aristoteles hatte den künstlich gebildeten Begriff oqelgig gewählt. Ob der Ter-

v) Das Verhältnis von oqs£is und voxg bei Aristoteles de an. 3, 10. 433 a, 26 vovg uhv ovv Ttäg oQ&cg. oge^ig Ss xal (pavTaoia xal cQ&r xal

Ol'X OQ&Tj.

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minus oqfiri zuerst in der kynischen Schule, deren An- hänger Monimos, ein Schüler des Krates1) wie Zenon, zwei Bücher ttsqI öq^wp schrieb (D. L. VI 83), oder in der stoischen aufkam, ist zweifelhaft; bemerkenswert ist jedoch, dass Zenon den Ausdruck im Singular anwendete und so- mit zu einer einheitlichen Auffassung aller Triebe vorge- drungen sein muss. Das Wort ist der Volkssprache ent- lehnt. Im Gegensätze zu dqsysG&cu, das einseitig eine vom Subjekte mehr bewusster Weise ausgehende innere Thätig- keit bezeichnet, ist ögfiäv für die stoische Psychologie besser geeignet, da dieses Verb um sich sowohl in transi- tiver als intransitiver Bedeutung gebrauchen las st und fast mehr unbewusste als bewusste Ursachen von Handlungen angibt. Der Artikel 6q{jl^ im Thesaurus2) mag zeigen, wie nach Zenon der Ausdruck den Stempel eines be- stimmt umschriebenen Terminus trägt. Bei Aristoteles selbst ist oQfjiij noch vag, auch für rein physikalische Vor- gänge geltend, indes öqs^k seine feste Bedeutung nicht verliert 3).

1) Er war Schüler des Diogenes (D. L. VI 82) wohl erst, als dieser bei Jahren war, da er durch Xeniades den Diogenes kennen lernte (82 vgl. 31) und auch noch dem Krates anhing (82). Er wird von Menander genannt (83) wie Zenon von dessen Zeitgenossen Philemon (VII 27).

2) Dort steht auch eine Auseinandersetzung über die lateinischen Übersetzungen von ogfii], appetitio, appetitus (Cicero und die Kirchen- schriftsteller); Seneca sagt impetus. Vgl. Bonhöf f er 1 S. 2431

3) Auffallend oft tritt öq/m} an einzelnen Stellen der eudemischeu

Ethik hervor (1224 a b. 1247 b— 1248 b) ; doch s. 1247 b, 19 ÖQfial

and ÖQe&oj? dXoyov. Stob. ecl. II 142, 15 W. werden näß-y und ÖQfiat zusammengestellt und in darsca und q>av?.a geschieden (vgl. etym. magn. 1206 b, 23). 'JyoQfiri im gewöhnlichen Sinne comm. in phys. 283 b, 45 Brand. Sonst ist die ethische oguf bei den Peripatetikern sehr selten und nur gelegentlich verwendet, so in den Kommentaren des Alexander Aphrodisias, Aspasios zu Aristoteles (s. d. Indices). 'Oy/uy und itQoai- q&ois neben einander Asclep. in Metaph. 312, 29 Hayduck. Die öq(mt yvotxr tritt öfter auf.

Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 2

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Wesen des Triebes.

Den Trieb1) definierten die Stoiker2) als ein Getragen-

*) Vgl. L. Stein, Psych ol. d. Stoa (Berliner Studien). Berlin 1886 I S. 155 ff. 125 ff. ßonhöffer, Epiktet I S. 252 ff. D. L. VII 159.

-) Unter den Fragmenten, die Zenons Namen mit Recht führen, berührt nur eines den Begriff 6q(i^\ er definiert dort das näd-og als Trieb (fr. 135. 136. 137 Pears.). Demnach hat bereits Zenon eine schul- mässige Begriffsbestimmung nicht nur der Art, sondern auch der Gattung gegeben. Denn erstere setzt letztere voraus. Und ebenso wird dadurch wie durch die Analogie der Arten, welche Zenon für die Leidenschaften aufstellte, zweifellos, dass er auch eine gewisse Einteilung der Triebe versuchte. In welcher Weise dies geschah, und wie weit er dabei kam, lässt sich nicht sagen. Da die Schrift itsql ÖQfiijg einen zweiten Titel hat und dieser, wie die Stellung im Bücherkataloge und das aus derselben erhaltene Fragment verraten, der treffendere ist, kann die Besprechung der öq/ut] keine sehr eingehende gewesen sein. Ausser Zenon verbreiteten sich Kleanthes, Sphairos und Chrysippos über die Trieblehre. Kleanthes hat wohl den Begriff mehr psychologisch als ethisch erörtert (das Verhältniss des Xöyog zu den *Q[ial aai nä&T) ist fr. 66 kurz angedeutet). Eine besondere Bedeutung hat jedesmal, wo Definitionen vorliegen, der Name Sphairos, da dieser gerade wegen seiner Begriffsumschreibungen in der Schule hohen Ruhm genoss. Verhältnis- mässig am meisten lässt sich aus Chrysippos für diesen Teil der Ethik gewinnen, da der Begriff ty/ur; besonders in der Lehre von den Leiden- schaften oft wiederkehrt. Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten über diesen Punkt sind in der Stoa nicht zu tage getreten, und so darf das, was bei Stobaios darüber steht, unbedenklich schon der alten Stoa zugesprochen werden. Plut. soll. an. 3, 10 behauptet in seiner Polemik gegen die chrysippeische Richtung der Stoa, dass die Stoiker die unten zu gebenden Definitionen der ngofteoig u. s. w. jedesmal gemeinsam in ih ren tloaywyal gaben. Spätere Schriften der Stoa TtsQl opfirjg sind mir bis jetzt nicht bekannt geworden. Bei Diogenes Laertios fehlt die Trieb- lehre, was kaum der Fall wäre, wenn erst nachchrysippeische Stoiker dieselbe aufgebracht hätten. Die in der Schrift nsgl oQurjg vorge- brachte Definition einer einzelnen ÖQprj verwendete Chr. auch in der Schrift oqoc xaza yivog (Gal. 367 K. vgl. Stob. ecl. II 86, 19 W. xara ysvog). die bei der grossen Zahl der Bücher (7) sehr reichhaltig gewesen sein muss. Das "Wort upel-ig gebraucht Chr. in der Definition der amd'v/j.ia technisch. Auch -tisqI ögfirg umfasste mehrere

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werden der Seele nach einem bestimmten Objekte1); das- jenige, was den Trieb in Bewegung setzt, ist nach ihnen nichts anderes als eine triebkräftige Vorstellung von dem, was von ebendorther, das heisst vom Objekte2), an die Seele herankommt.

Nach dieser stark materialistischen 3) Auffassung, welche aber die Annahme des Gedächtnisses nicht entbehren kann4), werden die Triebe durch die Gegenstände, auf welche sie sich richten, wachgerufen unter Vermittlung einer Vorstellung, welche das Bild einer auszuführenden Handlung gestaltet.

Eine logische Erläuterung zu dem Angeführten ist der Satz, dass alle Triebe Zustimmungen (avyxccTa&eöeig) seien, mit dem Unterschiede jedoch, dass die Beziehung der Zustimmungen etwas anderes sei als die Richtung der Triebe : Zustimmungen seien sie zu bestimmten Sätzen (d%iw- [lara), eigentliche Triebe aber in der Richtung der Prädikate (xcatjyoQ^fiara), die irgendwie in den Sätzen enthalten sind, denen man zustimmt (Stob. ecl. II 88, 1 W.) Die Sätze aber, denen man zustimmt, sind entweder wahr oder falsch;

Bücher. Der Begriff öqfir) generell Chr. Stoic. rep. 1045 c. Aus der Schrift negi oqojv ist nur eine Definition von cQog selbst (D. L. VII 60. Baguet S. 234) und von ttpaepivt] (Diels Doxogr. 323 b, 14) erhalten .

J) Den Ausdruck yoqd erklärt Chr. in ct. naS-ojv so, dass man deutlich sieht, derselbe stamme bereits von Zenon.

2) Da Stob. ecl. II 86, 17 ff. "W. wegen des Gegensatzes aata rb ytvog ev etdst die ihm vorliegenden Sätze umstellen musste, ist die Beziehung des avxö&ev auf ti verloren gegangen. Bonhöffer IS. 263 beachtet diese Bestimmung nicht.

3) Sonst ist sie von Aristot. de an. III 9 ff. abhängig.

4) Es ist daher wohl kein Zufall, dass Plut. soll. an. 3, 10 mit den CQfiai die {ivrfir) erwähnt.

2*

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wer sagt: „Es ist Tag", scheint zu wollen, dass es Tag ist (Chr. D. L. VII 65; vgl. Cic. de fat. c. 101).

Arten des Triebes.

Die bestimmten Triebe entsprechen nach chrysippei- scher Anschauung einzelnen Bewegungen der Seele (Chr. Gral. 388 K.)*, so ist die Leidenschaft des Schmerzes ein Ubermass des Triebes zur Zusammenziehung der Seele, und dieser Zusammenziehung hinwiederum liegt eine falsche Meinung zu gründe2).

Bei der Klassifikation 3) dieser Seelenbewegungen waren den Stoikern verschiedene Gesichtspunkte mass- gebend. Zunächst unterschieden 4) sie den in den vernünf- tigen und den in den unvernünftigen Lebewesen entstehen- den Trieb. Diese Triebe hatten aber bei ihnen keine be- sonderen Namen; denn die Öqs&q war nicht der vernünftige

*) Das Beispiel rjp&Qa eozl auch Chr. Gal. 325 K. Alex. Aphr. in anal. pr. 177, 25. Theinist. in anal. pr. 26, 36; vgl. Alex. Aphr. in anal, pr. 21, 31 Wallies u. s. Themist. in anal. 122, 23.

2) Dies ist den "Worten Chr. Gal. 419 f. K. zu entnehmen.

3) Aristoteles hatte seine oQffyg in imd-vfiia, d~vfiög und ßovXyoig eingeteilt (de an. 414 b, 2; vgl. 432 b, 5. 433 a, 23); eine wichtige Ab- art der oysl-ig war bei ihm die itQoaiqsaig (eth. Nicom. 1139 a, 23 ; vgl. 1111 b, 4 ff.). Der oqs&s hatte er das xcvijmtov zugeschrieben. Diese Elemente sind bei den Stoikern anders geordnet und durch einige feinere Distinktionen vermehrt. Bemerkenswert ist, wie der aristotelische Ter- minus oysl-ig, logisch genommen, von den Stoikern degradiert wird, was dem Verfahren derselben in der Kategorienlehre (s. Zeller III 1 S. 92) entspricht. Wenn Boethos D. L. VII 54 als Kriterien der Wahrheit neben vovg, alod-yoig, biiorrfxr} auch die ogs&g nennt, so nähert er sich peripatetischer Auffassung. Sollte obige Einteilung der öq^iaL erst von Chr. herrühren, welcher den Boethos in dieser Frage bekämpfte?

4) Statt &6(o?s7od-<u Stob. ecl. II 86, 20 W. ist vielleicht diaiQelo&ai zu lesen.

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Trieb, sondern nur eine Art des vernünftigen Triebes; den vernünftigen Trieb bezeichneten sie, zweckmässig defi- niert, als ein Getragenwerden des Geistes (didvoia) nach etwas, was auf dem Thun beruht; diesem gegenüber sei der Abwendungstrieb (acpoqfitj) l) eine Art Getragen- werden des Geistes von etwas weg, was auf dem Lassen beruhe (Stob. ecl. II 86, 20 f.). Der Handlungstrieb schliesse ausser der Zustimmung zu einem Satze auch die Bewegungskraft (rö xivrfiixov) in sich (Stob. ecl. 88, 2 W.). Die öo€%ig, die im Gegensatze zur exxfacig steht (Epici diss. 1, 4, 11), definierte Chrysippos als einen vernünftigen Trieb nach etwas Angenehmem, soweit es sich gezieme (Gal. 367 K.). Galenos (ebd. 380 K.) wirft dem Philo- sophen vor, er habe das eine Mal die sTTi^v^ila als eine öos^ig ciloyog, das andre Mal die bqe^ig selbst als eine OQfjbfj ).oyixr{ bezeichnet. Die Lösung des Widerspruchs ergibt sich daraus, dass dqpij Xoyixq wie in der Stobaiosstelle „Trieb des Vernunftwesens" bedeutet, während Chrysippos wie bei den Leidenschaften überhaupt, so auch bei der aTTi&vfjiia das Wort äXoyog im Sinne von „im Ungehorsam gegen die Vernunft" fasst. Dem Tiere gesteht Chrysippos keine Leidenschaft zu, und so ist öqs^ig für eine Leiden- schaft ganz richtig gebraucht, insofern diese ja keine älor yog öqfjirj im Sinne eines Triebes beim unvernünftigen Lebewesen sein kann2). Den Widerspruch, der in bcov XQrj Hegt, werden wir am besten würdigen, wenn wir be- denken, dass die Leidenschaft zwar als Trieb bezeichnet wird, aber nach Chrysippos vielmehr das Ubermass des Triebes ist. Li der gleichen Weise konnte auch die

1) Stoic. rep. 1037 f. wird, nachdem vorher von Chr. die Rede war, der o^i«? die dcpogur gegenübergestellt.

*) Nach Phit. soll. an. 4, 3 war auch die stoische xaxt'a aloyog und doch loyixr.

Eiiizelleidenschaft eine ÖQS^ig genannt werden, indes sie doch das Ubermass einer öqs^iq ist1).

Im besonderen nannten die Stoiker auch den 'Anlauf (öqovgiq) Trieb, während er doch eine Art des praktischen Triebes war2). Der Anlauf war für sie ein Getragenwerden des Geistes nach etwas, was in der Zukunft liegt. So ergibt sich jetzt eine vierfache Gebrauchsweise des Wortes „Trieb" und eine zweifache des Wortes „Abwendungstrieb" ; indem aber noch die Eigenschaft der Triebfähigkeit (shg OQ(jbr]TMij) dazukommt, die sie auch im engeren Sinne Trieb nennen, von der aus nämlich das Treiben stattfindet, wird Trieb auf fünffache Weise gebraucht (Stob. 87, 6 W.).

Ich vermisse in dieser Aufzählung des Stobaios die zweite Gebrauchsweise von d<pOQ^, die offenbar den Gegen- satz zu oqovtiiq darstellte3)*, die Angabe derselben muss, wie ja auch anderes an jener Stelle verloren ging, nach der Definition der ögovaig ausgefallen sein. Um meine Auffassung4) der Stobaiosstelle kurz anzugeben, wähle ich die Form der Tafel:

x) Vgl. Bonhöffer I S. 234. Eine doppelte Bedeutung von oqs£i9 anzunehmen, wie die Stoa von einem allog arvcpog, akkog avaxrjqbg (D. L. VII 117), einem Iheqos ^log (Stob. ecl. II 92, 9 W.) sprach und Chr. selbst (Stoic. rep. 1041 c) ein allwg rrjg aSmiag lafjißavofiev^g ansetzt, geht nicht an. Übrigens wird Chr. Doppelbedeutungen in der Schrift Tcojg sy.aaza kiyofibv xal Siavoovfis&a (D. L. VII 201) besprochen haben.

2) npauTiXT] ÖQ/uri = 6Q[i7j hni xi tüjv iv ra ngaxteiv.

3) Die tierische äcpoQfATj kann nicht gemeint sein, da das Tier keine ovynarä^soig und also auch keine ayoQw, die vernünftig sein muss, kennt; s. Cicero Tusc. I 24, 56. Ich möchte daher trotz Wachsniuth für den Vorschlag Zellers stimmen, der oQe&g einsetzt ; der Gegensatz wäre dann l'xxliaig. In der That gehört die «Wfyat'a, die eine ogei-ig ist, zu den Leidenschaften, die sich auf die Zukunft beziehen, wie die Furcht eine sywlioig vor künftigen vermeintlichen Übeln ist.

4) Durch dieselbe wird auch die Verlegenheit Bonhöffers I S. 255 beseitigt.

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äloyog II

öqovüig IV

x 2

Von dem aufs Thun gerichteten Trieb gibt es mehrere Arten, darunter folgende: Vorsatz (TTQO&eCig), Drang (im- ßoXrj), Vorbereitung (7icc()ccc>x£vrj), Angriff (sy%€iqriGig)y Wahl (uioeGig), Vorwahl (jTQoaiQsaig)1), Wollung (ßovXqöig) und Ent- schluss (-frsÄrjaig). Vorsatz ist die bestimmte Festsetzung der Verwirklichung, Drang der Trieb vor dem Triebe (oofjLrj ttqö ÖQfjjjjg), Vorbereitung die Handlung {nqä^ig) vor der Handlung, Angriff der Trieb bei etwas, was man schon unter den Händen hat (ßiii riwg i v %s q d i v ijdri öVroc), Wahl die Wollung infolge einer verhältniswägenden Berechnung («£ ävaXoyiöiiov), Vorwahl die Wahl vor der Wahl2), Wollung eine wohlbegründete (s vXoyog) 3) Strebung (öoe%ig), Entschluss eine freiwillige (ßxovöiog)*) Wolluag (Stob. 87, 14 W.)5). Wieder soll eine Tabelle statt der ver- wirrten Darstellung des Kompendienschreibers das richtige Verhältüis veranschaulichen:

x) Die Begriffe 6Qurh dcpcQfnj, ogs&g, exnliois, enißolrj, nQÖ&eoig, ^a.oaavjhv-ri deutet auch. Epict. diss. I 4, 14 als chrysippeisch an.

2) Diese Definition erklärt Bonhöffer I S. 260 für falsch. Ich dächte aber, das, was Bonhöffer mit Suidas unter nQoaiQeoig versteht, besage schon der einfache Begriff aigsoig. Mit der Bedeutung „vor- ziehen" will sich die sonstige Gebrauchsweise von itQoaiQaoig nicht recht decken, wie B. selbst empfindet. IlQoalQtoig ist eben eine Wahl, die ich getroffen habe, ehe ich in die Lage komme, wirklich zu wählen, also ein Vorurteil, ein Grundsatz.

NB. Anm. 3, 4 u. 5 s. folgende Seite.

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coovoig (?) TtQÖ-3-eci; emßo/.i] rraoccaxsi^ syyeiortcig öos$ig

ßov/.rfiig cciosciz &s}.rtGic

I

7TO0cäO6OlQ

Die exx/.iotg scheint bei Chrysippos als Abart der d(f ooi.it zu gelten, als Art der txx).icig wieder, nämlich als sv/.oyog exx/.ioig, die svlaßeux Stoic. rep. 1037 f.), die sich gleichfalls auf die Zukunft bezieht1).

Schlussbemerkung.

Die UnvoHkommenheit dieser Trieblehre, die freilich einen andern Sinn hat als die neueste von Julius Duboc, beruht hauptsächlich auf der Verschwommenheit der stoischen Psychologie und ihrer Terminologie, welche so umständliche und vorsichtige Untersuchungen wie die Bonhöf fers notwendig macht. In OQpij finden sich Trieb, TVille, Erwägung und Gefühl man denke an die Liebe als eTiißo'/.ri brüderlich zusammen, ohne dass das Ver- hältnis dieser Begriffe2) untersucht wird. Auffällig ist,

3j (Zu S. 23.) Hirzel, Unters. H S. 385 Anm. meint, diese De- finition setze eine a/.oyog ogezig voraus. Das ist unzutreffend, wie wir später sehen werden. Hier ergibt sich übrigens die Bedeutung von sv/.oyog aus den Definitionen von -d-e/.^aig und aigsaig.

4) (Zu S. 23.) Das ixovoiov gewinnt seine Bedeutung durch Aristot. eth. Nicom. 1110 a. 1 ff.

5, Zu S. 23.j Zur Erklärung vgl. Bonhöffer I S. 259.

J) Vgl. Zen. fr. 188, wonach wir alles mit Vorsicht thun sollen, und txx/.ivojv im unechten Zenonbrief D. L. VII 8.

*) VgL jedoch auch die trefflichen Bemerkungen von 0. Külpe, Grundriss der Psychologie. Leipzig 1893. S. 337 ff.

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dass nicht, wie doch die Definition der oq^irj erwarten Hesse, der Einteilungsgrund durchweg von den Objekten des Triebes genommen wird; für die Ethik wäre dieser Gesichtspunkt fruchtbarer gewesen als jene Unterschei- dungen, welche auf die Genesis der Triebe im ethischen Subjekte und auf die graduelle Verschiedenheit gewisser geistiger Vorgänge Bedacht haben. Die Anlehnung an Aristoteles wird durch diesen Umstand um so sicherer. Ferner wird die Triebtheorie dem asketischen Momente, das bei der antiken Auffassung der Ethik als einer Kunst höchst wichtig ist, wenig gerecht, indem nicht danach ge- fragt wird, welche Triebe sich etwa überhaupt und welche sich leichter oder schwerer unterdrücken lassen.

Dennoch wäre es voreilig, jene subtilen Unter- scheidungen als wertlos ganz zu verwerfen, solange unsre Kenntnisse von der altstoischen angewandten Ethik noch so lückenhaft bleiben, als sie sind1). Nicht alle Bezeich- nungen entstammen der Volkssprache*, das deutet darauf, dass psychologische Beobachtungen den Anstoss zur sprach- lichen Neubildung gaben. Wenn mit den Feinheiten auch nicht verschiedene Grade moralischer Verantwortlichkeit eingeführt werden sollen, so etwa wie unsre Juristen Ver- such, Vorsatz mit Überlegung, Vorsatz ohne Überlegung auseinanderhalten, so bedurften die Stoiker doch gerade wegen des nivellierenden Charakters ihres Systems in zweifelhaften Fällen der Unterscheidung. So war es ihnen möglich, die Liebe als Leidenschaft von der Liebe als

*) So ist Stob. ecl. II 115, 5 W. liyovoi de (jirtt TiaQa zijv oQt&v urze Tiaoa. ztjv oQfiijV firze naqa zrjv tnißoXr^v yiveod'ai u neyl zov onovScuov bta to fie-fr' v7te^aioeoeojs nävza noiuv za zoiavza aal fiTjdev avz<Z zojv tvavztovpevojv ano'oXrpizov n^ooniuztiv die Einteilung verwendet. Vgl. ebd. 99, 15 W. xaza. nqoaiQtoiv. Im Gegensatze zu cpvaei (von Ge- burt) steht TtooaiQtoeai (durch freie Willensentschliessungen) D. L. VII 8.

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berechtigtem Triebe {smßolri <piXonoiiaqfr) zu trennen. Ausserdem gelang es durch diese Genealogien den Sto- ikern die Einheitlichkeit des Seelenlebens zum Ausdruck zu bringen, woran ihnen vor allem gelegen sein musste. Welchen Nutzen Chrysippos in derartigen Einteilungen suchte, mögen zwei Beispiele zeigen. Er sagt, der Zorn gehe im Thorax vor sich; deshalb sei es wahrschein- lich, dass auch die übrigen Begierden, deren eine der Zorn ist, dort ablaufen (Gal. 269. 294 K.). Dass die Güter und Übel wahrnehmbar sind, folgt daraus, dass nicht nur die Leidenschaften2) mit ihren Arten wahrnehm- bar sind, sondern auch Diebstahl, Ehebruch u. s. w., überhaupt Unverstand, Feigheit u. s. w., nicht nur Freude und Wohlthätigkeit u. s. w., sondern auch Verständigkeit, Tapferkeit u. s. w. (Stoic. rep. 1042 f., vgl. 1041 a b). Man sieht, ein Glied der Reihe gestattet Schlussfolgerungen für die ganze Reihe, ein Teil des Gegensatzes für den andern; so involviert das Gute zugleich notwendig die xaxia (Stoic. rep. 1050 f. Vgl. D. L. VII 125. 128).3)

Endlich sagt uns Epiktetos, dass oq^iciv und ä<fOQ[iäv, dgsyscf&ai und exxlivsiv, smßdXXeiv, tvqot i&eti&ai und naqa- axsva&a&ai mit der Frage zusammenhängen, wie die svqoia und die anad-sia zu stände kommt, und dass das wahr und im Einklänge mit der Natur ist, was den Menschen leidenschaftfrei macht (diss. 14, 14; 28). Da Epiktetos dort die Schrift ttsqI ög^g*) des Chrysippos nennt und in dem

*) D. L. VII 130. Stob. ecl. II 66, 12 W. und Wachsmuth da- zu. Nach virt. mor. 451 f. haben die Stoiker es verdammt, wenn einer mit der igonofiavia auch den h'paig verbannen wollte.

2) Ich folge hier der Lesart Reiskes.

ä) Man beachte ferner, wie die Stoiker mit den Gegensätzen bei Plut. soll. an. 2, 9 operieren.

4) Der Schluss Bonhöffers I S. 257. dass die alten Stoiker auch über die oqb&s besondere Abhandlungen schrieben, ist verfehlt.

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uns erhaltenen Abriss der stoischen Trieblehre fast nur die vernünftigen Triebe bestimmt werden, so ist der Schluss berechtigt, dass all diese Erörterungen auf eine Begründung der Zielbestimmung abzweckten, welche Chrysippos für das menschliche Leben geben wollte. Vor allem ist es die Tugend der Mässigung, auf die wir von der Natur an- gewiesen sind, um vermittelst derselben unsern Trieben Beständigkeit (svGra&sia) zu geben1), so dass wir, indem diese Tugend zugleich für sich und in Harmonie mit den andern Tugenden wirkt, zum Ziele aller Tugenden ge- langen: folgsam gegen die Natur zu leben (Stob, ecl. II 62, 7 W., vgl. 63, 15 W-).2)

§ 2. Das Ziel.3)

Es muss betont werden, dass nicht die Trieblehre, welche seitens der Stoa neu in die Ethik eingeführt wurde, in zeitlicher Hinsicht den Ausgangspunkt des Systems bildete, sondern die Ziellehre, welche inhaltlich von den Vorgängern übernommen wurde. Denn das umgekehrte Verhältnis wäre nicht wohl denkbar. Seit Demokritos, mit dessen Psychologie die der Stoa einige Verwandschaft zeigt, und Sokrates, der als unbestrittene Autorität in der

Stobaios und Epiktetos selbst beweisen, dass die GQs^tg mit der og/ur zusammen besprochen wurde. "Was die oQe&g in einer Schrift ne gl aya&ov thun sollte, ist mir nicht recht erklärlich. Dass Schriften nsQi oge^sojg nicht erwähnt werden, bemerkt Bonhöffer selbst.

1) David comm. in categ. 14 b, 10 legt den Stoikern den Satz bei: fieyiar?] l'vdeia rt rwv dgel-eojv (peripatetisch statt oQfiojv) aitkrioxia.

2) Die Zielformel ist dort die des Chr.; durch vnofxovdg ist die Tapferkeit, durch äxoveuroetg die Gerechtigkeit charakterisiert.

3) Zur Ziellehre lieferten Zenon, Kleanthes und Chr. Schriften.

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Ethik galt, wurde es für ausgemacht gehalten, dass das Ziel des Menschen in der Glückseligkeit bestehe (Aristot. eth. Nicom. 1095 a, 17). Vor allem ist es Aristoteles, welcher die Glückseligkeit als Ziel bestimmte und nach- wies (ebd. 1, 1 5)1). Die verschiedenen Schulen brennten sich nur in der Beantwortung der Frage, worin denn eigentlich die Glückseligkeit zu suchen sei.

Zenon löste das Problem dahin: das Ziel ist das tugendhafte Leben. Auch damit ist eine Anlehnung an die ältere Denk- und Auffassungsweise gegeben, welche das Glück als eine Modalität des Lebens betrachtete; so war es früher als ein sv ^fjv bezeichnet worden (Aristot. eth. Nicom. 1094 a)2). Soweit ist Zenon, allgemein ge- sprochen, Sokratiker; von dieser fundamentalen Aufstellung ist keiner seiner Anhänger abgewichen.

Aber über das Kriterium des tugendhaften Lebens konnten Meinungsverschiedenheiten eintreten. Die Ant- wort auf die Frage, woran wir erkennen, was tugendhaft ist, entnahm Zenon der kynischen Theorie, die er sich in jüngeren Jahren angeeignet hatte3). Die Antwort lautete:

*) Er ist darin offenbar durch Eudoxos beeinflusst: 1101b, 27. Vgl. §ib xalöjg d'nscprjvavzo zdyad'bv ov Ttdvz1 icpierai 1094 a, 2 mit 1172 b, 9; 36, wo Eudoxos genannt ist; 1097 b, 19 mit 1173 b, 23.

2) Die Stoa nahm auf diese Bestimmung deutlich Rücksicht: Stob. ecl. II 78, 1 W. tiijlov ovv ix zovzcov, ozi loodwafiel (zo xazd cpvoiv £rjv' xal V6 xaXöjg £rjv' xal Vo ev t,rv\ Die folgenden Zeilen deuten auf Chr. (s. Wachsmuth z. St.). Vgl. Michael in eth. Nicom. 598, 30 Heylb. Zenon apophth. 32.

3) Die Kyniker hatten in scharfer Gegenstellung zur Sophistik die Parole xazd cpvoiv ausgegeben (Philodemos ntqi evoeßsiag, Jahrb. f. Philol. 1865, 529 Bücheler xazd vöptov xazd de <pvoiv = Cic. nat. deor. I 13, 32 naturalis. Diogenes bei D. L. VI 71 Siov ovv dvxl xöjv d%Qr]OTOJV nbvoiv zovg xazd cpvoiv sXo/ntvovg £rtv sv daipbvcug naod zijv dvoiav xaxodaifiovovot. Ebenda heisst es von Diogenes firjSev

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Wir erkennen das an der Natur1). Tugendhaft leben ist soviel wie naturgemäss leben2). Doch scheinen die Ky- niker das Wort „Natur" als ein Gegebenes hingenommen und mehr als Schlagwort gebraucht zu haben3). Zenon unternahm es, die Lehre von der Natur eingehender zu begründen. Er fasste die Sache sofort bei der richtigen Seite an, wenn er als Natur, nach welcher wir Menschen zu leben haben, die Menschennatur setzte. Auch das war ein glücklicher Griff, dass er in der Menschennatur die Einheitlichkeit hervorhob4). An diesem Punkte geriet er mit den übrigen Vertretern der sokratischen Lebens- weisheit, soweit diese wissenschaftliche Ziele verfolgten, in Widerspruch, da letztere nicht nur eine scharfe Teilung des Menschen in Körper und Seele vornahmen, sondern sich auch gezwungen sahen, wieder mehrere Teile der Seele zu konstruieren, die unter Umständen mit einander im Kampfe liegen konnten. Wenn zum Beispiel Aristoteles (Pol. 1332 b, 5) annimmt, dass der Mensch etwas gegen die Natur (Tiaqä Trjv <pvöiv) thun könne wegen der Ver-

ovxoj zolg xaza v6{iov <bg zolg xaza yvoiv didovg. Gegen den Satz, dass der Mensch das Mass aller Dinge sei, scheint das Wort des Chr. gerichtet: Die Natur ist das Mass (fiezQov) für das Mögliehe und Unmögliche (Chr. fr. 129, 41 G-erck.).

*) Über die ältere Entwicklung des Begriffes yvoig s. Hardy, Der Begriff der yvoig in d. griech. Philos. Berlin 1884 I. S. 12.

2) Nach Plut. comm. not. 1069 f. sind bei Zenon die <pvoig und to xaza (pvaiv die ozoiyala rrjg ivdatfxovlag. Xaza yvoiv Kijv ist auch noch bei Chr. D. L. VIT 85 ff. der Ausgangspunkt der Betrachtung; vgl. Chr. comm. not. 1069 e.

3) Antisthenes schrieb zweimal tcsqi yvoem (D. L. VI 17) und ntol £worv yvoGtüg (15) ; doch konnte er seinen logischen Grundsätzen zu- folge den Begriff yvoig nicht definieren. Wenn Antisthenes auf den Begriff wissenschaftlich eingegangen wäre, hätte Ariston denselben schwerlich gemieden.

4) Beide Thatsachen sind aus dem Titel itsQi og^g rj tisqi dv&QosTtov (pvosojg herauszulesen; vgl. den Titel hsqX zov xaza cpvoiv ßiov.

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nunft (öice tov Xoyov), so würde ihni Zenon entgegen- gehalten haben: Vernunft und Natur sind keine Gegen- sätze. Gewiss war Zenon der Ansicht, dass er hier der Uberzeugung des Sokrates näher konime( als die übrigen, und vielleicht nicht mit Unrecht. Insofern steht aber doch der Stoiker unter aristotelischem Einflüsse, als er, über Sokrates und Kynismus hinausgehend, es darauf anlegte, sich von der „anthropologischen Summe", wie es Duboc nennt, eine wissenschaftliche Vorstellung zu machen.

Seine Psychologie hat Zenon, wie seine philo- sophische Entwicklung zeigt, erst im Verlaufe seiner Studien entwickelt. Die erste Untersuchung darüber von ethischer Seite her mag er in der Schrift rrsgi tov xard (fvüiv ßlov geboten haben. Den Begriff xarä <fvciv er- läuterte dann das Buch nsqi ÖQfirjg fj ttsqi äv&Q(*mov (pv- ascog. Die Trieblehre war hier mit der nachweislich in der Schrift behandelten Ziellehre verbunden-, in welcher Weise dies möglich war, kann ausser der unten zu be- sprechenden Stelle des Diogenes Laertios die Ausführung Ciceros über Trieb und Ziel lehren, dessen Darstellung wahrscheinlich eine Schrift über das Ziel {nsqi rslovg) zu gründe liegt1). Es steht daher die Vermutung sehr nahe, dass der Trieb, von welchem Zenon in jener Schrift aus- ging, der bei Diogenes und Cicero zuerst genannte, in der alten Stoa als erster Trieb geltende (D. L. VII 85) Selbst- erhaltungstrieb ist. Der disjunktive Schluss, mit welchem der Selbsterhaltungstrieb bewiesen wird, und die weitere nähere Betrachtung bei Laertios geht den Chrysippos an. Da sich aber, wie eine Anekdote (D. L. VII 179) fein andeutet, die Stärke des Chrysippos mehr im Beweisen bereits fertiger Lehrsätze als in der Neubildung solcher

*) Hirzel, Unters. II S. 578 ff. Die verschiedenen Ansichten über Ciceros Quelle sind bei Schanz, Rom. Litteraturgesch. I. S. 248 zusammengestellt.

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kundgibt, so ist wahrscheinlich, dass die Ansicht, die Natur habe von Anfang an diesen Trieb in das Lebewesen hineingelegt, bereits von Zenon vertreten war1). Auch löst sich ja die Zenonische Telosformel bei Laertios als Ergebnis eben aus der voraufgehenden Erörterung heraus.

Die Quintessenz der Schrift des Zenon war die neue Formel: Das Ziel des Menschen ist in Übereinstimmung mit der Vernunft (oiioloyov^svooo) zu leben (D. L. VII 87. Stob. ecl. II 75, 12 W). Bei Stobaios, der in dieser Hinsicht der genauere Berichterstatter ist2), wird die Formel ofioÄoyovfisvooc £rjv im Sinne Zenons3) umschrieben mit tovto d'icri xa^ tva Xoyov xai Cv nxpwvov*) i^v cog twv [icc%o[jisvüog £(tiVToov xaxoöcci^ioPOVPTcov. Zenon hatte so in das Wort öfio-Äoyov-fJsvcoc in kühner Etymologie eine tiefere Bedeutung gelegt und in knapper Form ausgedrückt, dass das Glück des Menschen auf der inneren Harmome und Gleichmässigkeit beruhe, während der innere Zwiespalt zum Unglück führe. Die innere Harmonie wird durch das vernunftgemässe Leben erzeugt ; der Zwiespalt durch die Leidenschaften. Der Gedanke, dass die Natur zur Tugend führe, geht daher in letzter Linie sicher bereits

') Vgl. Plut. fr. inc. 95, 2, 1 (Paris.), wonach Zenon die oixeioiois als den Anfang der Gerechtigkeit erklärte, und das Zenonische Fragment Stob. ecl. I 213, 17 W. dvo yäp yevr) hvqos, xb fjtev axeyvov xal fitraßdlkov eis iavtb xt]V xQoyTjv, xb Öe xe%v ixbv, av^rjTixcv xe xal x rj qr^x ixov, oiov ev xols (pvxols eoxi xal £o>ots, b §7] (pvois sorl xal yv%r mit D. L. VII 85 Irrt xo rrjQttv savxö und der Stelle ebd. über (Lvxä und £<Za,

2j Hirzel, Unters. II S. 107 ff.

3) Dies erhellt aus dem folgenden oi de pexa xovxov.

4) 2vfi(pojvov ist stoischer Ausdruck und stammt nicht etwa vom peripatetischen Erklärer; s. D. L. VII 88 av/ncpojviav. 99 ovfupojvov (Chr.). Stob. ecl. II 62, 13 W. xo ov{icpojvov. Epict. diss. 1, 4, 14; 28 avfj.q,ojva xr\ yvoei.

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von Zenon aus'1). Avistoteies (de an. 433 b, 5) hatte ge- sagt, die Triebe könnten im Widerstreite liegen; Zenon mag daher von einer Harmonie der Triebe durch be- wusste Kegelung gesprochen haben (vgl. Stob. ecl. II 62, 11 W.). Kurz zusammengefasst findet sich Zenons An- sicht bei Stobaios (ecl. II 77, 16 W.): Ziel ist das Glück- lichsein (svdaipovstv), um dessentwillen alles geschieht, während es selbst um keines Dinges willen geschieht2). Das Glücklichsein besteht im tugendhaften (xar agsr^v) Leben, im vernunftgemässen Leben, ferner, da dies das- selbe ist, im naturgemässen Leben. Das Glück aber ist der schöne Fluss des Lebens (svqoia ßiov)z).

Wenn aber die eigenste Natur des Menschen auf eine beglückende innere Harmonie hinweist, so musste sich

*) Das spricht sich Cic. off. III 8, 35 aus, an einer Stelle, die ich bei P earson vergeblich suche; dort ist si ad honestatem nati sumus sicher auch auf Zenon zu beziehen. Augustin. c. acad. III 7 , 16 (fr. 125) clamat Zenon et tota illa porticus tumultuatur na tum ad nihil esse aliud quam honestatem (aus Cicero entnommen). Ariston (N. Saal S. 20 f.): Um nach der Tugend zu streben, werden die Menschen geboren.

2) Vgl. Stob. ecl. II 46, 5 W., wo xaxfyxfVrws nicht hiehergehört. Die dort zuerst mitgeteilte Definition mag die älteste Fassung sein. Die obige Definition von „Ziel" erinnert an den Anfang der niko- machischen Ethik (s. bes. 1097 a, 21 xb xelos. xovxov yaq svana xa lotna nqaxxovoi nävxsg).

3) Die Gründe, weshalb ich diesen Passus dem Zenon gebe, sind: 1) xbv zqqtiov xovxov bezieht sich nach den Regeln der Sprache zunächst auf das Vorhergehende. 2) Das Bild evqoia ßlov kann nicht als Definition ((bgloaxo, tgog) bezeichnet werden; auch wäre Si, wenn xovxov = xövds stünde, immerhin auffallend. Ein Bild neben Defini- tionen findet sich auch sonst bei Zenon. 3) Der Gegensatz zum Folgenden stützt unsre Annahme. Zwischen svSai/iovla und ivdai/uovsiv hatte Zenon noch nicht unterschieden. Das Bild svooia ßlov ent- lehnten Kleanthes (fr. 74) und Chr. (Sext. E. math. XI 30 vgl. Pyrrh. III 172).

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Zenon die Frage vorlegen, woher die vielen unglücklichen und schlechten Menschen kommen, die auch er annahm. Indem Zenon diese Frage verfolgte, konnte er nicht an der Aufgabe vorbei, sich eine umfassende Weltanschauung zu bilden, die nicht mehr bloss in rein ethischer Tendenz in das Innere des Menschen schaute, sondern auch die Aussenwelt, den Kosmos heranzog. Es ist begreiflich, dass Zenon sich ein physikalisches System zum Ausbau seiner Theorie wählte, welches die Einheitlichkeit des Weltzusammenhanges betonte1) und doch den Gegensatz von Gut und Böse zu begründen vermochte. Es war dies das Heraklitische System, welches Zenon offen- bar erst im Verfolgen seiner Gedanken in seine Ideen- kreise herüberleitete2). Damit musste aber der Begriff (fvcig eine Verschiebung erleiden, und der Umstand, dass gerade in der Ziellehre fortwährende Differenzen in der Stoa bestanden, und nicht zum mindesten unter Zenons unmittelbaren Schülern und nächsten Nachfolgern, deutet darauf hin, dass der Meister selbst hier von seiner ur- sprünglichen Bahn etwas abgewichen war. Aber auch auf einen positiven Grund hin lässt sich vermuten, dass Zenon seinen Standpunkt erweiterte. Nicht nur Kleanthes und Chrysippos3), sondern auch der Sektierer Ariston, der Feind der Physik, sprechen von einer Fügung in den

Jl Herakleitos hatte gesagt (Stob. flor. III 84): xal aocpirj alrftta Hysiv aal noüsiv xaza (pvoiv iit ai ovx cc ff.

2) Einen Markstein in Zenons Entwicklung bildete die Schrift ntul rov olov (fr. 52), in welcher er sich die Lehre von der ixnvQujais (fr. 54. 55) aneignete. Nach fr. 45 ist (pvaig mit sifia^fisvrj identisch.

3j Dass Kleanthes im Ausdruck stark heraklitisiert, ist bekannt. Auch Chr. entlehnt das Bild des Mischkessels für die dvdytnj Stoic. rep. 1051c dem Heraklit (fr. 84 Byw.; s. E. Norden 19. Suppl.- Bd. Fleckeisens Jahrb. 1893, 452 Anro. 4).

Dyruff, Ethik <i alt. Stoa. 3

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Weltlauf1). Wenn Poseidonios sich auf die eigene Natur des Menschen beschränkte2), so ist das mit seinem Streben nach Einfachheit, das ihn auch die Zahl der Tugenden auf die vier des Piaton und Zenon zurückführen Hess (D. L. VII 92), und mit dem an sich wahrschein- lichen Umstände zu erklären, dass Zenon selbst seine Zielformel auf litter arischem Wege nicht ändern konnte und als Feind des Vielschreibens vielleicht nicht mochte.

Wir verfolgen zuerst den Gang, welchen die Ziellehre in der orthodoxen Stoa nahm.

Den Schritt, welchen Zenon nach Einführung der He- raklitischen Lehre hätte thun müssen, machte sein Schüler Kleanthes3). Der Weg, den er einschlug, war der, dass er in die Formel des Meisters o^oAoyov^svcog £ijv den Zu- satz tji (f vasi aufnahm (fr. 72) 4). Formell war das keine Änderung, da ja auch Zenon Ubereinstimmung mit der Natur gefordert hatte. Aber sachlich war aus der Menschen- natur die allgemeine Natur des Weltalls (xoivrj (pvGig fr. 73) 5) geworden. Selbstverständlich gewann damit auch ö^oÄo/ovfjiSPoog eine andere Bedeutung. An die Stelle der Etymologie xa&3 Iva Xoyov war eine neue getreten, welche 6^io-Xoyov-^sv(üc im Sinne von 6fiov Xoyco = xard Xoyov jivog fasste6). Nach Kleanthes war also das Ziel, in Har-

') Senec. ep. 94, 7 omnia fortiter excipienda, quae nobis mundi necessitas (= slfiaQ^iivrj xov xoofiov) imperat.

2) A. Sc hm ekel, Philos. d. Mittelstoa S. 270.

3) Nicht allein in der Schrift ntQl xelovg, sondern auch sonst (iv xoig savxov (jvyyyd/ufuxoi, Stob. ecl. II 77, 22 W.), so in tisqI rdovijg (D. L. VII 87) berührte er die Frage.

4) Den Passus von Iv xw tvloyioxtlv ab teile ich mit Krische dem Diogenes von Babylon zu.

6) Das Weitere dort ist nicht mehr Eigentum des Kleanthes. 6) Dass diese Etymologie wirklich vorgenommen wurde, beweist Chr. Stoic. rep. 1050a r aata xoivijv cpvoiv xai xaxa xbv ixsivrjg Xc-

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morde mit der Weltvernunft zu leben, und sein Gut erhielt daher das Prädikat diioXoyovfjisvov1). Die Mitteilung des Laertios (VII 89) besagt nicht, dass Kleanthes sich gegen die Auffassung der (pvdig als der dv&Q(07iipi] (pvcig wandte2), sondern nur, dass er in seiner Begeisterung für die grosse Natur des Weltzusammenhangs die des Menschen übersah3). Das ist bei der poetischen Anlage des Herakliteers durch- aus verständlich, und in dieselbe Richtung deuten auch die berühmten Verse desselben, die meines Wissens noch nicht zur Erledigung dieser Frage 4) verwertet wurden (fr. 91):

Führ mich, o Zeus, und du, Pepromene,

Wohin ihr immer mirs befohlen habt!

Ich folge un verweilt; und wollt' ichs nicht

Ein schlechter Mensch , ich müsste folgen doch!

yo v. Vgl. auch Plut. rect. rat. aud. 37d, wonach tnto&aL xh;<o soviel ist wie Tiei&to&ai X6ya>.

1) 'Ofioloyovuevov als Prädikat der Tugend Zenon fr. 135.

-) Von dieser yvotg des Nornialuienschen ist eine dritte yvoig, die oixeia yvotg des Einzelnen, zu unterscheiden, die nach Chr. fr. 129.44 Gercke erst durch die Tugend vollendet und auf den Gipfel- punkt gehoben wird. Gegen diese olxeia yvoig, die sich von der Welt- natur ab wandte, trat nach D. L. VII 87 Kleanthes auf wie alle andern Stoiker; er nannte sie yvoig juegovg, worauf des Chr. [isQrj hinweist. Übrigens kann der Satz nal ovnhi tt]v stiI {legovg als persönliche Er- klärung des Doxographen genommen werden.

3) Doch ist es bei der Feindseligkeit des Herakleitos gegen die „Individuation" möglich, dass Kleanthes die av&Qamlvr} cpvaig irgend- wie bekämpfte. Vgl. Hirzel, Unters. II S. 115 ff. Der Einschub D. L. VII 87 bfioiojg de xal Khävd-qg uze ist durch ein Missverständnis des yioti veranlasst, welches Chr. dort in die Formel Zenons eingesetzt hatte.

4) Justus Lipsius verrät feines Gefühl, wenn er, der diese von Z e 1 1 e r (S. 211, 1) angeregte Streitfrage natürlich noch nicht kannte, mit jenen Versen manuductio ad Stoic. philos. I Antwerpen 1604 S. 105 seine Erörterung über die von Kleanthes gemeinte yvoig schliesst.

3*

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Hier haben wir nichts anderes als die versifizierte Zielbe- stimmung des Kleanthes. Dieselbe sagt, dass der Einzejne im Weltgesetze aufgehe der Gute mit freier Einwilligung in die Weltvernunft, der Schlechte, der es aber nicht von Natur, sondern erst geworden (ysvdfisvog) ist, gezwungen. Auch im Hymnus auf Zeus, der als Kleanthes' poetisches Glaubensbekenntnis gelten darf, tritt die Menschennatur ganz zurück. Da ist nur vom allgemeinen Gesetz (xoivog v6[jlo$ v. 24. 39) *), von der allgemeinen Vernunft (xoivog loyog v. 12) die Rede. Zenons xaxF hva Xoyov £qv ist mit wc^5 sva yiyveG&cti ttccvjcov Xoyov (v. 21) auf das All über- tragen. Zeus, dem Führer der Natur ((pvöscog aQyr\ys v. 1), der mit dem Gesetze alles leitet, folgt das gesamte All freiwillig (v. 7), ausgenommen die Schlechten, die das ge- meinsame Gesetz weder sehen noch darauf hören.2) Würden diese dem allgemeinen Gesetze gehorchen, so würden sie, im Besitze des Verstandes, ein herrliches Leben haben (v. 25), das Glück. Bei dieser Auffassung ist es nur folge- richtig, wenn Kleanthes als vorletzten Teil seiner Philoso- phie die Physik und als letzten die Theologie aufstellte.

Seiner Abweichung von Zenon, die keine ethisch we- sentliche ist 3), scheint sich Kleanthes nicht bewusst ge- worden zu sein. Sei es nun durch eigenen Forschungs- trieb oder durch Polemik eines Gegners veranlasst, Chry- sippos fand den Widerspruch und suchte denselben auszu- gleichen. Sein Gedankengang ist uns überliefert4): „Den

*) Das „gemeinsame Gesetz" der Zenonischen Politeia (fr. 162) bezieht sich noch nicht auf das Weltall, sondern nur auf die grosse Korporation der Menschengattung.

2) Das ist echt Heraklitisch und erinnert auch an die Herakli- tische Schilderung der Menge.

3) Hierin haben Zell er, Bonhöffer u. s. w. Recht.

4) Hirzel, Unters. II S. 107 ff., hat höchst wahrscheinlich ge- macht, dass D. L. 85 88 von Chr. stammt. Auch sprachlich und

87

ersten Trieb hat jedes Lebewesen in der Richtung, sich selbst zu erhalten l)7 indem die Natur ihm denselben von Anfang an als Eigentum gibt. Das erste Eigentum für jedes Lebewesen ist seine innere Zusammengehörigkeit 2) und die Wahrnehmung 3) derselben. Denn die Natur hätte sonst das Lebewesen entweder sich (dem Lebewesen) entfremden oder gegen sich gleichgiltig machen müssen (fitfr ccXIotqiwocu firjr oixsiwcai). Beides wäre nicht billig gewesen 4). Es er- übrigt also zu sagen5), dass die Natur das Geschöpf in ihm zukömmlicher Weise zusammengesetzt habe (oixslwg Tiqög

dem Tone nach ist das vor § 87 Stehende einheitlich und zwar Chry- sippeisch. Die kleine lnkonvenienz, die sich in dem schlechten An- schlüsse der Zenonischen Gleichung § 87 an die unmittelbar vorher- gehende to ttarä kbyov K'/jv = tb aaza cpvoiv verrät, rührt daher, dass Chr. die Stelle eines fremden Buches in seine eigene Darstellung verpflanzte.

*) Das ist bereits doktrinärer als das Aristotelische Wort, dass die Selbstliebe cpvaixöv sei (Pol. 1263b, 1).

2) Sollte avarrraie mit consitus bei Tertulliau (s. Stein, Psychol. d. Stoa S. 155 f. 112 Anm. 195) gleichbedeutend sein? Von einer loyiHT, ovozaaig der Seele spricht Chr. Gal. plac. 398 K.

3) Ich lese nach Stob. ecl. II 47, 12 W., der ovvaio&dveo&ai schreibt, ovvaiod-qoig statt aweiSrjoig, da dem Kinde und dem Tiere weder ein übivai noch ein ovveiSevai zukommt; den Stoikern, welche den Sinn der Worte zu pressen pflegten, ist eine solche Ausdrucksweise nicht zuzutrauen. Übrigens beweist auch, was BonhöfferI75 aus Seneca erläutert, dass nach stoischer Anschauung die oben eingeschlossenen Tiere kein richtiges Bewusstsein von ihrer Konstitution hatten; vgl. ebd. B. 135. 137. 2vytl$7)oig steht demnach bis jetzt D. L. VII 85 in jener Bedeutung vereinzelt.

4) Für die Auffassung von dxög vgl. fr, 28 Gerck.

5j Wir haben den regelrechten Syllogismus etwas verändert ge- geben. Den Text lese ich mit Zell er s (209,l)Verbesserungen. Klarer ist die Sache bei Cic. fin. III 5, 16. IV 10, 25 dargestellt, wo Chr. irgend- wie zu Grunde liegt. Vgl. off. 14, 11. Fast noch grössere Ähn- lichkeit mit D. L. VII 85 ff. hat die peripatetische Lehre fin. V 9, 24ff.

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lavTO avöTTiaa^evriv denn so weist es das Schädliche zu- rück und nimmt das ihm Zukommende (oixsta) an. Dass der erste Trieb den Lebewesen in der Richtung der Lust zu teil wird, ist falsch. Denn die Lust ist nur ein später von selbst Hinzukommendes {smysypruia)2) y falls sie ein Ziel überhaupt ist; erst dann nämlich, wenn die Natur selbst für sich das, was ihrer Zusammensetzung angemessen ist, aufgesucht und bereits erhalten hat, ganz wie die Tiere fröhlich werden und die Pflanzen blühen3). Denn einerseits hat die Natur keinen Unterschied zwischen Pflanzen und Lebewesen gemacht, als dass sie jene ohne Trieb und Wahr- nehmung (cci'c&fjöig) 4) eingerichtet, und andrerseits geht

x) Vgl. die Äusserung, die Chr. in jedem physikalischen und ethischen Werke vorgebracht haben soll: oweiovfitd'a 7cgbg av- xovg ev&vg ysvc/ievoi aal xa {i&qtj aal k'xyova xa eavxojv (Stoic. rep. 1038b) und wegen des Folgenden: ei yaQ §rj TtQog xb xaXbv sv&vg ägxys (vaslcuzai xa laidia Chr. Gal. 461 K.

2) Diese Bedeutung ergibt sich aus der Gebrauchsweise von iniyivbfieva Chrysippea 129, 40 ff. Gerck. 'Emyivöftsvov, hmyiveo&ai ist ein bei Chr. wichtiger Begriff (Chr. Stob. flor. 103, 22. Gal. 365 f. 377. Vgl. S. 435. 433. Anders Gal. 405. 420 K. D.L.VII 110. Virt. mor. 450 c). Für die Autorschaft desselben spricht auch Cic. acad. pr. II 45, 138, wo wahrscheinlich der Gedankengang der Schrift ntgl tsIüjv vorliegt. Der Gedanke stammt von Aristoteles eth. Nicom. 1174b, 31. 1177a, 22; vgl. 1099a, 17. 1104b, 4.

3) Die Stelle gehört dem Buche negl xelwv. Daher die Pole- mik gegen Epikurs Ziellehre, der behauptet hatte, die Lebewesen fänden sofort mit der Geburt an der Lust Gefallen und nehmen an der Mühe auf natürliche Weise und ohne Vernunft Anstoss (H. Usener, Epicurea S. 119). Aus der Erwiderung des Galenos (S. 461 K.) erhellt, dass sich Chr. genau mit diesem Probleme befasst hatte. Ausführlicher wird letzterer dasselbe in der Schrift dnoSsi^eig Ttybg xh fiT) slvai xyv rjdovT]v xilog b' behandelt haben. Epiphan. Diels Doxogr. 593, 4 beruht auf einem starken Missverständnis des Begriffes ejnyevvTjfia oder xiXog.

4) Ich lese mit Salmasius rj oxi. ferner exetva statt xdxs7va, so dass xt nach ovSev dem xal vor s<p t^iojv entspricht. Vgl. Chr. Stoic. rep. 1042a— c. comm. not. 1046 cf. Aristot. an. 435b, 1.

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auch bei uns manches pflanzenartig ((fVTOsiÖMg) vor sich. Indem aber als ein Mehr, das sie vor den Pflanzen vor- aushaben, den Lebewesen der Trieb hinzugegeben ist, den sie mitgebrauchen, um sich zu dem zu wenden, was ihnen eigen ist (oixsta), so bedeutet für die Lebewesen im Gegensatze zu den Pflanzen „gemäss der Natur verwaltet zu werden" soviel wie „gemäss dem Triebe verwaltet zu werden". Indem aber den vernünftigen Lebewesen ent- sprechend einer vollkommneren Einrichtung die Vernunft gegeben ist1), so bedeutet für letztere ganz richtig „gemäss der Vernunft leben" soviel wie „gemäss der Natur leben"; denn die Vernunft tritt als künstlerisch wirkende Bildnerin des Triebes hinzu2). Deshalb hat Zenon zuerst in der Schrift über die Menschennatur als Ziel hingestellt, nach der gleichen Vernunft wie die Natur zu leben, das ist ge- mäss der Tugend zu leben3); denn zu dieser führt uns die Natur4). Auf der andern Seite ist gemäss der Tugend leben gleichbedeutend mit gemäss der Erfahrung leben, die wir von dem durch die Natur Eintretenden haben5); denn unsere Naturen sind Teile des Ganzen (rov ölov). Also ergibt sich als Ziel: der Natur folgend (axolov&Mg)

1) Vgl. was wir von Chr. § 6 anführen.

2) Vgl. Chr. Stoic. rep. 1037 f: r\ oqut] rov dv%q(x)nov Xoyog saxl reo aar aar iy.o ? avreu rov itoistv. Den Gedanken von der Stufenordnung der Geschöpfe in seinem V erhältnis zur Ziellehre bezeugt auch Cic. fin. IV 11, 28 für Chr.

3) Vgl. Chr. Gal. 470 K. Chr. sagt übrigens Stoic. rep. 1036 a auch einfach bfioloyovuevwg ßiovv.

*) Vgl. Gal. 460. 461. 'Hude ist von Cobet mit Unrecht einge- klammert; qutlt (oder hyoj) ist in der Stoa Repräsentant des Menschen.

5) Vgl. Chr. Gal. 471 K (451, 4 Müller). Stob. ecl. II 76, 6 W. Kax iuTctiQiav scheint auf Kleanthes zurückzugehen, da dieser im Hymnus auf Zeus (v. 33 ff.) die aneiQöovvT] antiqia der Schlechten beklagt und in Gegensatz zur yvojfiTj des Zeus (= og&bg Xiyog) bringt.

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zu leben1), das ist sowohl gemäss der eigenen als auch gemäss der Natur des Alls, indem wir nichts thun, was das allgemeine Gesetz zu verbieten gewohnt ist, welches ist die gesunde Vernunft (6 0Q&6g loyog), die durch alles geht, die gleich ist dem Zeus2), welcher der Leiter ist für die Verwaltung des Alls. Es besteht aber eben darin die Tugend des Glücklichen und der schöne Fluss des Lebens'0), dass er alles für sich thut gemäss der Ubereinstimmung des bei jedem Einzelnen waltenden Geschickes mit dem Willen des Verwalters des Alls4). Die Tugend ist eine vernunftgleiche Beschaffenheit (opokoyovfisptj did&scio) und um ihrer selbst willen zu erstreben, nicht auf Grund irgend einer Furcht oder Hoffnung oder auf eine äussere Veran- lassung hin5). In der Tugend selbst liegt die Glückselig- keit, da die Seele geschaffen ist zur Vernunftharmonie des ganzen Lebens. Innerlich zerrissen aber wird das ver-

*) Es ist ungenau, wenn Philo lud. Quod omnis probus liber 22 dxolov&ajg TTj (pvoti Kijv als Ztjvojvsiov bezeichnet.

2) Auf die gleiche Deutung der Mythologie kommt es hinaus, wenn für Zenon als Telosformel auch angegeben wird (Epict. diss. I 20, 15. Bon hoff er II S. 6 Anm. 1) tTtaod'a.i d'totg.

3) Hier zitiert Chr. ganz deutlich einen Vorgänger. Vgl, Chr. Sext. E. math. XI 30. Stob. ecl. II 77, 23. Epict. diss. I 4, 28.

4) Auf Chr. weist äxolov&ujg (D. L. VII 89) und die Vorstellung von der BioiHrjoig, die aus den Büchern nagi ngovotag und tcsqi ti^aq- fievyjg bekannt ist. Vgl. besonders Chrysippea 38, 8 Gercke. Chr. Stoic. rep. 1050a.

5J Ausser dem Zusammenhang mit dem Folgenden {Sfioloyla, za f£w#£v) spricht für Chr.: 1) der Umstand, dass dieser die Leiden- schaft, den Gegensatz zur Tugend, ein dvo^ioloyovfitvov nennt (Orig. c. Cels. 8, 51. patr. 11, 1592 f. Mign.) und Virt. mor. 441 c die aQexrj einen loyog bfioloyovfisvog\ 2) diä&soig für Tugend (s. ebd.); 3) Chr. Stoic. rep. 1040b. Vgl. Zenon fr. 169. 125. Arist. Senec. ep. 94, 11 nec metu nec mercede (= n tojv e%oj&ev); 4) Chr. schrieb

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nünftige Lebewesen bald infolge der überredenden Kraft1) der ausser uns liegenden Dinge bald infolge der Belehrung seitens der Umgebung*, denn die Natur gibt nur Antriebe, die nicht zu innerem Zwiespalt führen" 2).

Das Gegenbild zu dieser Ausführung ist der Satz des Chrysippos: „Lasterhaft (xara xaxiav) leben ist dasselbe wie unglücklich (xaxodctiiiovwc) leben" (Stoic. rep. 1042a).

Die ganze Auslassung kennzeichnet sich als eine Ver- einigung des Standpunktes, den Zenon eingenommen hatte, mit demjenigen des Kleanthes. In der Hauptsache ist der letztere festgehalten; aber Chrysippos war der Ansicht, dass die Menschennatur in keine andere Bahn weisen könne als die des Weltalls3). Von diesem Standpunkte aus ist die Natur dann freilich nicht mehr so fest das Kriterium für das tugendhafte Leben, sondern vielmehr das Leben im Gehorsam gegen die Natur das Ziel aller Tugenden4).

Dass Chrysippos vollständig in die Richtung des Kle- anthes einging, bezeugen mehrere seiner gelegentlichen

}) ni&avoTTjTts avziniTiTovoai sind Chr. Stoic. rep. 1040 b durch abergläubische Furcht erzeugte Vorstellungen (vgl. Bonhöffer II S. 142 Anm. 12); oben ist überhaupt die Verlockung seitens der ptaa gemeint.

2) Vgl. Chr. Gal. 462 K., ferner Quod anim. mor. IV 816 K. (Poseidonios teilte nach S. 820 K. jene Ansicht nicht). Der letzte der oben angeführten Gedanken ist für Chr. aus der Polemik des Galenos herauszulesen ; vgl. Stob. ecl. II 62, 9 W., wo in der Nähe Chrysippeisches Eigentum vorliegt, und für Kleanthes Stob. ecl. II 65. 8 W., auch D. L. VII 87. Begründet wurde der Satz damit, dass wir sehen, ob das Böse wächst und grösser wird (vgl. Gal. S. 461). Der Wortlaut bei Diogenes Laertios mag in Einzelheiten durch Hekaton 87 und 90) beeinflusst sein.

3) Chr. Stoic. rep. 1050a ovd'sv yaq ioxiv alloj? xojv xaxä fitqo e yivta#ai oxbh xovXä%ioxov rj xaxa koivtjv (pvaiv Mal Mazä xbv txtiv7]s Xuyov.

4> Stob. ecl. II 62, 7 W. gehört dem Chr., wenn ihm 63, 7 W. gehört; auch spricht äxoXo'&ojg für ihn.

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Äusserungen. „Es ist nicht möglich", erklärte er, „auf andere oder gar zutreffendere Weise an die Lehre von den Gütern und Übeln, an die Begriffe Tugend und Glückseligkeit heranzutreten als von der allgemeinen Natur und der Ver- waltung des Kosmos aus; nur da ist Anfang und Ursprung der Gerechtigkeit zu finden" (Stoic. rep. 1035c)1). Die Eingangsformel für eine Keihe seiner ethischen Werke2) bildete die Erinnerung an Zeus, das Schicksal (slpaQfisvfj) und die Vorsehung {rtQOvoict) mit dem Satze, dass der Kos- mos durch eine Gewalt zusammengehalten werde, indem er ein einziger und zugleich begrenzt sei (Stoic. rep. 1035b). Indem also Chrysippos annahm, dass die mensch- liche Natur nur zur Vernunftharmonie führende Antriebe gibt, und dass die Natur des Weltalls durch Vermittelung der Erfahrung auf den gleichen Weg weist, war er gezwungen, auf das Verhältnis der Einzelnatur des Individuums zu der Weltvernunft einzugehen, und gelangte so zu tieferen An- schauungen über das Problem der Willensfreiheit als das Altertum vor ihm3).

Auch die Stellung des Ariston und Herillos in der Ziellehre mochte den Chrysippos zu einem schärferen Ein- dringen in den Begriff „Natur" anspornen. Diese hatten sich gescheut, den von Zenon selbst nicht hinreichend geklärten, durchaus nicht einfachen und eindeutigen Be- griff schon in die Zielformel aufzunehmen, und auch den Ausdruck o^oXoyovfjsvMg gemieden.

1) Aus den tpvoixai &iosig und der Schrift nsQi dsdiv. Vgl. Chr. Cic. nat. deor. I 15, 40.

2) Wie "TttQi tsIüjv, HBQi dutaio<Jvv7]$, CTSQi dyad'öjv xcu xax<Zv.

3) Die Frage fällt der Physik zu. Ich verweise daher auf Zell er III i S. 164 ff., Gl. Baumker, Das Problem d. Materie in d. griech. Philos Münster 1890 S. 365 Adul. und besonders A. Gercke, Chrjsippea S. 698 ff. mit der trefflichen Fragmentsammluug zu Ti&Qi iiQovoiag und tisqi eijuaQ/u.£V7]g. (Hierzu kommen einige Stellen aus anderen physikalischen Schriften, die bei Baguet einzusehen sind.)

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Wenn Ariston1) sich auch an dem Feldzuge der sto- ischen Schule gegen die Lust und für die Naturgemässheit beteiligt2), wozu ihn seine Eingenommenheit für die ky- nischen Züge in der Lehre seines Meisters besonders ver- anlassen musste, wenn er auch Fügung in die Weltnot- wendigkeit mit Kleanthes predigt, so verwirft er doch die Physik als Objekt der Wissenschaft und will offenbar keine Ausdeutung des Begriffes Natur3). Sein Ziel ist, hin- sichtlich der Dinge, die zwischen Tugend und Laster liegen, im Leben ein gleichgültiges Verhältnis zu beobachten (aduxqoQwq £rjv) und keinerlei Wertunterschied (TtaqaXXayrj) unter denselben zuzulassen, sondern sich bei allen gleich- massig zu verhalten4). Der Weise sei dem guten Schau- spieler gleich, der den Thersites wie den Agamemnon gleich charakteristisch spiele. Diesen Geisteszustand, der sich weder nach der Seite der vermeintlichen Güter noch nach der der vermeintlichen Übel hin zu einer Wert- änderung bestimmen lässt, nannte Ariston mit einem neuen Worte ddia(f oqiab). Der tiefere Grund, der Ariston dabei

3) Für das Folgende s. Saal S. 35. 33.

2) Arist. Senec. ep. 94, 8 beatam esse vitam non quae secun- dum voluptatem, sed secundum naturam.

3) Vgl. die Polemik des Chr. comm. not. 1069 e. Auch in Ein- zelheiten umgeht er das Wort: so sagt er Senec. ep. 94, 7 einfach lex, wo sich ein andrer Stoiker naturae lex nicht hätte entgehen lassen, und mundi (xöofiov) necessitas statt naturae necessitas. Gal. 593, 8 Müller war yvoei schwer zu vermeiden und ist ohne doktri- nären Beigeschmack.

*) Ariston Stob. flor. 94, 15 „Wie denselben Wein trinkend die einen trunken, die andern gemütlich werden, so ist es auch beim Reichtum", bezieht sich auf das Verhältnis des Nichtweisen und des Weisen. Stob. ecl. II 218, 7 W.

r') N. Saal S. 31 Anm. 2. Was Ritsehl, Rhein. Mus. 1842, 197 sagt, dem Stoiker Ariston komme die demselben von Clem. ström. II S. 175 Sylb. beigelegte dSiacpogia in Wahrheit keineswegs zu, ver-

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leitete, war wohl die Anschauung, dass in der Unkenntnis des Wesens der gleichgiltigen Dinge die einzelnen Laster und besonders die Leidenschaften ihre Wurzel haben. Da wir bei all unsern Handlungen das, was uns als gut vor- kommt, wählen, was uns aber als ein Übel erscheint, fliehen und nach beiden Seiten hin diese Triebe von Natur haben, hat nach Ariston die Philosophie die Aufgabe, uns über das wahrhaft Gute und Böse zu belehren, um uns unfehlbar zu machen (Gal. 597 K.). Dieser Standpunkt ist denn auch in seiner Zielformel zum Ausdruck gebracht. Dieselbe ist ohne Frage eine sehr praktische, da sie auf eine Einzelheit Bezug nimmt, die weniger in der ethischen Theorie als im praktischen Leben zur Geltung kommt. Ariston wurde wohl von dem Gefühl beeinflusst, dass er schon in der Telosbestimmung klar aussprechen müsse, was sonst die von ihm verworfene praktische Ethik zu leisten hatte. Dass das Streben nach der Tugend1) sich für ihn von selbst verstand, ist freilich der Formel an sich nicht zu entnehmen, und er kann zu seiner Entschuldigung auch nicht anführen, dass die Natur ja schon von selbst zur Tugend hinführe. Er hat ohne Zweifel, wie Hirzel richtig andeutet, etwas theoretisch Nebensächliches zur Hauptsache gemacht, und das Verdienst seiner Abweichung von Zenon, die ja, was die Ziellehre selbst angeht, keine inhaltliche ist, ist höchstens ein pädagogisch-didaktisches2).

stehe ich nicht. Mit Gern, dnolelnsi vgl. D. L. VII 160 anoltmovra. Senec. ep. 94, 8 übergeht Ariston die nQoqyfiiva und dnomqoTiy^iva geflissentlich. Belegstellen für die ddiacpogia bei N. Saal. Dass die Bezeichnung üdiayoga nacharistotelisch ist und erst von den Stoikern aufgebracht wurde, gibt auch Simplic. in cat. 88b, 7 Brand, an. Vgl. übrigens Hirzel, Unters. II S. 45 Anm.

*) Arist. Senec. ep. 94, 8. Sext. E. math. VII 12. „Das glück- liche Leben" heisst dort /uaitaQiüjg ßiiuvai.

-) Didaktischer Natur sind auch die Gründe des Ariston für

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Und hier ist anzuerkennen, dass die Beobachtung der Gleichgiltigkeit gegenüber äusseren Gütern und Übeln ein sehr deutliches Kriterium für den erreichten Besitz der Glückseligkeit abzugeben im stände ist.

Die Stellung, welche Herillos in der Ziellehre ein- nahm, war eine vermittelnde. Hirzel hat nachgewiesen, inwieweit Herillos zum Kynismus neigte1), aber doch auch einen gewissen Zusammenhang seiner Lehre mit der des Piaton und Aristoteles nicht geleugnet2). Damit lässt sich nun ganz gut die Erkenntnis vereinigen3), dass Herillos auch den Megarikern nahe steht. Es ist sicherlich kein Zufall, dass gerade für die abtrünnigen Schüler Zenons Spuren der Beziehung zur megarisch-eretrischen Schule sich auffinden lassen. Dionysios, „der Umgesattelte", hatte den Menedemos und Alexinos gehört (D. L. VII. 166). Ariston schrieb gegen Alexinos und ist in seiner Tugend- lehre von Eretria beeinflusst. Bei Herillos, der mit Ariston nicht nur die Abweichung von der genauen Zielbestimmung und die kynische Richtung, sondern auch das Schicksal teilte, von Chrysippos unschädlich gemacht zu werden 4), fanden schon die Alten (Cic. acad. pr. II 42, 129) mit der ere- trischen Lehre Ähnlichkeit; nur sei die des Herillos reicher und feiner ausgestaltet. Allen dreien gemeinsam ist der Begriff nsoiorccGig0), dessen Zusammenhang mit dem No-

seine Verurteilung der parainetischen Ethik (Senec. ep. 94). . Dabei ist der constitutio summi boni 2) besonders gedacht. *) Unters. II S. 46 ff.

2) S. 58.

3) Über die anfängliche Verwandschaft von Eretria und Ky- nismus Zell er II l3 S. 238 ff.

4) Cic. fin. II 13, 43; vgl. Tusc. V 30, 85. fin. II 11, 35. V 8, 23. off. I 2, 6.

5) D. L. VII 166 Jiovvatog S'b Merad'efisvog xelog sine xijv ?]öoprv <fia neQioxaa tv 6q>&aXfiiag. dXyrjaag yag inmövojg amvTjaev eiTrs'cv xcv növov abidyoQov. Der Ausdruck Sid neQiaxaaiv ocp&alfxiag statt Sk

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minalismus sich durch einen Vergleich der Aristonischen Tugendlehre und Güterlehre ergibt. Derselbe erscheint wie eine Antwort auf die Angriffe der Eristiker, und so kann auch die gelegentliche Äusserung des Herillos aufgefasst werden, es gebe kein bestimmtes Ziel für alle, sondern dasselbe wechsle nach den Umständen (xccrä nsqiaTacsiq) und den Dingen, wie dasselbe Erz eine Statue Alexanders werden könne oder auch eine des Sokrates (D. L. VII. 165). Gegenüber der Forderung des naturgemässen Lebens sollte das wohl soviel besagen, es könne jeder nach seiner Fagon selig werden-, das Glück musste auch Herillos als eigent- liches Ziel annehmen, wie ja in dem gewählten Bilde mit der Gleichheit des Materials die ursprüngliche Gleich- heit des Zieles augedeutet ist. Man ist versucht, den Satz als einen Verzicht auf das von den Stoikern festgehaltene Ideal des Kynikers zu fassen: auf dem Throne könne man ebensogut glücklich werden wie im Philospphengewande. Die Zielformel lautet dementsprechend ebenfalls undog- matisch: das Ziel ist, so zu leben, dass man fortwährend alles auf das mit Wissen (ßmcrij giij) verbundene Leben be- zieht1], ohne sich durch Unwissenheit [äyvoia) täuschen zu lassen (D. L. VII. 165) 5 oder kürzer ausgedrückt: das Ziel ist das Wissen2). Die Annäherung an die Sokratische

by&alfii'av gestattet in seiner kompendiarischen Kürze zweifellos eine tiefere Perspektive. Vgl. Procl. in Timae. 18c wg ual oi JSzojmoI "kiyuv sh'j&aoi dbg nsqLazaoiv xai Xdße zbv avdga zb yag drjZZ7}zov vixb zojv zovg ak/iovg aazadovXovfitvojv zrjv zijg Ccorjg drjlot TcavzdnaoLV dt,Lav.

1) Die eine der stoischen Definitionen von zelog bei Stob. ecl. II 46, 8 W. lq? 0 Ttävza zd iv zw ßia> TiQazzv^ieva nad'rjuovzojg zrtv dv acpoQav Xafxßdvtt, avzb d'en ovStv könnte danach auf Herillos an- spielen (Cijv du Ttarz' dvay&QOVza, ngbg zb ftez' lnioxr^r\g Zrjv). Vgl. Cic. fin. V 25, 73, wonach ausser dem Wissen nichts anderes um seiner selbst willen anzustreben ist.

2) Stob. ecl. I 38,7 W. Cic. acad. pr. II 42, 129. fin. II 13. 43. V 8, 23.

Ausdrucksweise ist hier wohl beabsichtigt-, aber ein tieferer, grundsätzlicher Gegensatz lag kaum im Sinne des Herillos. Der Stoa ist die Weisheit selbst das Wissen der göttlichen und menschlichen Dinge (Diels Doxogr. 273, 11). Zenon hatte zwischen smOT^fju], 66%a, xaratyipig unterschieden und die smor^fjn] dem Weisen, die 66§a dem Schlechten, die xctTaXfnpig als eine Art psGov beiden zugelegt (fr. 16. 17. 18). Ariston brachte dann den Begriff eniüTruiri in der Tugendlehre zu besonderer Geltung1), so dass auch Chry- sippos denselben da verwendet, und stellte die do%a scharf gegenüber2). Der Gegensatz von €7TiaT7j^ifj und äyvoia, von dem Herillos ausgeht, besagt dasselbe und ist echt stoisch (Stob. ecl. II 68, 20 W.), nur dass für Herillos äyvoia und xaxia zusammenfällt, während die rechtgläubigen Stoiker die äyvoia zu einer Art der xaxia herabdrückten, welche das Gegenspiel zu der Grundtugend (poovyGig bildet. Kleanthes leitet in seinem Hymnus von der ävoia und aTieiqoavvfi das unselige Leben der Schlechten her, und Ariston bringt die ayvoia3) und sjiiGTijiJbr] dqsTTj in Kon- trast, wobei er, wie es scheint als mildere Form der ersteren, die äv€7TiOTt]iioovvfj im nominalistischen Sinne kennt4).

*) Gal. 596 K. Auch Senec. ep. 94 wird die Wichtigkeit des Wissens (sciat, seiet) energisch hervorgehoben; so § 11 pvaeeepta dare scienti supervaeuum est, nescienti parum.

2) Gal. 597 K. xatä ipsvd'ij d6£av. 86&j xfjdz. Senec. ep. 94, 6 opiniones falsas. 13 pravis opinionibus. Gegensatz: veras opiniones 12 ; vgl. 7 fama. 17 insania publica opinionibus falsis laborat. 7 quidquid publice expavimus. Auch sonst spricht Ariston gegen die Menge (N. Saal 8. 20 f.), die gleichgiltigen Dingen nachhängt, um unglücklich zu sein. Zenon gegen das Urteil der Menge fr. 201. 202. Kleanthes fr. 100 (<J6£a). 101; dagegen mahnt Zenon, man solle seine Handlungen so einrichten, dass sie vor dem Urteile der unberufenen Richter bestehen können (fr. 188).

3j Senec. ep. 94, 5 error.

4) Gal. 596 K. Auf Unkenntnis des Wesens des Guten (d/u,a&/]s z?jg ovo tag dyad-ov) wird S. 597 K. das Laster der äxoXaola zurückgeführt.

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Unter Wissen verstand Herillos eine wesentliche dauernde Eigenschaft, die bei der Aufnahme von Vorstellungen un- erschütterlich ist, infolge der Vernunft (d^srccnTcorov vTtö Xoyov D. L. VII 165). Die stoische Definition des Einzelwissens (Stob. ecl. II 73, 19; vgl. 112, 13 W.) ist danach gebildet wenn der hiar^fiTj auch wiederum nicht der Umfang belassen ist wie bei Herillos, und die Definition der stoischen äyvoia (Stob, ecl. II 111, 21 W.) kann die Verwandtschaft gleichfalls nicht leugnen 2). Die Antisthenische Bestimmung smarri^ri 7} fiera loyov äkfj&ijg 66%a ist, was den Xoyog angeht, von Herillos nachgeahmt worden; aber der Ausdruck d6%a ist ersichtlich vermieden und auf Grund der Zenonischen Logik (s%ig) unter Hereinmischung der stoischen Erkenntnislehre (sv yxxvraGicov TiQOöds^si) ersetzt.

Die Sonderstellung des Herillos in der Stoa kann nach dem Gesagten nicht auf der Hervorhebung des Begriffes sniairinri^) beruhen, unter dem er wie Ariston4) das ethische Wissen verstanden haben muss; seine Eigenart besteht vielmehr darin, dass er nur Beziehung aller Handlungen auf das ethisch wissenschaftliche Leben verlangte. Das bedeutet zunächt nur eine Veränderung der Methode, schliesst aber zugleich eine Anerkennung jeder Lebensart, auch der nichtkynischen, in sich. Demnach dachte Herillos von den Weisen nicht so engherzig wie andere Stoiker. Ein liberaler Zug bei diesem Philosophen, der sich von Ariston

*) Vgl. virt. mor. 441 c aostrjv .... Xoyov ßeßaiov xal dfistäntoyrov (Zenon, Ariston, Chrysippos).

2) rrjv yag ayvotav us t antut i%r v eivai ovynatä'&soiv.

3) Möglich wäre es trotzdem, dass Kleanthes' Schrift tcsqI tinoxrjfirjg^ die Pearson S. 50 unrichtig zu den logischen stellt, irgend eine Aus- einandersetzung mit Herillos enthielt, gegen den Kleanthes auch eine physikalische Schrift [hqos "HqiIIov D. L. VII 174) richtete.

4) Senec. ep. 94 und Gal. 595 K., wonach die Tugend die Wissen- schaft des Guten und des Bösen ist.

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irgendwie unterschieden haben muss, offenbart sich nun weiter darin, dass er den Nichtweisen nicht jedes Streben absprach, sondern für dieselben eine Art von Zielen aufstellte, die für diese Gattung von Leuten ihre Berechtigung hatte, die vTXOTsXiösg. Nach dem Unterziele (vTrorsXk), sagte er, zielen ') auch die Nichtweisen, nach dem eigentlichen Ziele nur der Weise (D. L. VII 165).

Freilich erhebt sich das Unterziel nicht über eine Be- friedigung der äusseren Bedürfnisse und Wünsche des Menschen, wie eine uns erhaltene Ausführung über den Begriff lehrt, die im Tone des Chrysippos, aber nicht in seinem Geiste2) gehalten ist. Unterziel, heisst es (Stob, ecl. II 47, 12 W.), ist die erste eigentümliche Leidenschaft eines Lebewesens, von der aus das Lebewesen seine innere Zusammengehörigkeit (övtiTaGig) wahrzunehmen begann; sie ist noch nicht mit Vernunft verbunden, sondern unver- nünftig, gemäss den physischen und spermatischen Kräften, wie dem Ernährenden (d-QercTixov) und Wahrnehmenden (aia&rjTixov), und jede derartige Leidenschaft hat nur die Stelle einer Wurzel inne, aber noch nicht die einer Pflanze. Denn wenn das Lebewesen entstanden ist, ist es immer gleich von Anfang an durch irgend etwas in besonderer Weise bestimmt, was eben das Unterziel ist. Es besteht aber das Unterziel in einem von folgenden drei Dingen :

1) Diese Bedeutung hat oroxä&o&ai, wie aus Stob. ecl. II 77, 3 W. erhellt.

2) Vgl. Stob. ecl. II 47, 12 "W. rh nqojvov olnstov tov JCwou, ovvaio&üveo&ai, tijg ovordoeojg, wxeiaj&T], ev&vg ig a-Q%ri$ mit Chr. D. L. VII 85, Gal. 461 K. ev&vg ig aqirg atxslwiai. Die Scheidung der vitoreXideg in TjSovrj, aoxlrjoia, nqona xata cpvaiv erinnert an das, was Cicero acad. pr. II 45, 138, vermutlich aus der Schrift iregl xbXojv des Chr.. von diesem mitteilt. Für xsxvoeiSeg vgl. Chr. fr. 129 Gercke. Die eigene Ansicht des orthodoxen Stoikers kann aber natürlich nicht vor- liegen, zumal derselbe die Tugend cpdonovta nicht als vnozelig aufzählen and kaum cgegig für körperliches Begehren (AppBtit) verwenden kann.

Dyroff. Ethik d. alt. Stoa. 4

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entweder in der Lust (fjdovrj) oder in der Schmerzlosigkeit (do/Äfftia) oder in den ersten naturgeniässen Dingen (rd Trowra Tiara q,vGiv)1). Erste naturgemässe Dinge sind hin- sichtlich des Körpers wesentliche Beschaffenheit (eZig), Be- wegung (xtvfjCic), unwesentliche Eigenschaft (cxsaig), Energie {ivsqysia), Vermögen (JtW(u<c), Begehren (ÖqsZig), Gesund- heit (pyisia), Kraft (töftvs), Wohlbefinden {sve^ict), Fähigkeit leicht wahrzunehmen (evaiG&rjGla), Schönheit (xdtäog), Schnelligkeit (Va/oc), Unversehrtheit (a^Tto^c), die Eigen- schaften der Lebensharmonie (al rrjg ^ooTixrjg dq^oviag txoio- Trjrsg); hinsichtlich der Seele treffliche Einsicht {svGvvsoia)y gute Anlage (svg>vta), Lust an der Mühe ((püojTOvia), Be- harrlichkeit (eniiiovri), Gedächtnis und dergleichen, von denen noch keines künstlich erworben (rs^'oeidsg), sondern vielmehr angeboren ist (avfjKfvrop). Den Namen vriOTslig hat von den Alten2) noch keiner gebraucht, obwohl sie die Sache erkannten.

Alle hier genannten vnoTsÜdsg sind auch nach streng- stoischer Auffassung wohlberechtigt, ja sogar wünschens- wert, haben aber keine absolute sittliche Bedeutung und sind, wie z. B. die Gesundheit, unter Umständen ihrem Gegenteile nachzusetzen. Herillos scheint mit der Annahme dieser natürlichen Daseinszwecke untergeordneter Natur, mit denen wie mit dem ttqwtov olxstov sich die nacharisto- telischen Schulen eingehend beschäftigten, die Gefahr zu vermeiden gesucht zu haben, in die sich Zenon mit seinen TTQorjyfispa wagte. Herillos entzog sie der ethischen Wür- digung und näherte sie mehr der Physik. Es ist bekannt,

*) Die Aufnahme der primae naturae commoda in die Zielbe- stimmung verwirft Chr. Cic. acad. pr. II 45, 138; demnach fällt dieser Versuch vor ihn. Vgl. Gal. 470 K. (dazu Hirzel, Unters. II S. 241 ff.).

*) Damit sind Sokrates, Piaton u. s. w. gemeint; s. Hirzel, Unters. II S. 49 Anm.

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dass er die Lehre von den nqoriy^isva mit Ariston verwarf; aber im Gegensatz zu diesem erkannte er den Wert der TiqoriYneva Gesundheit, Schönheit, Kraft an und gibt sich hier wieder als versöhnlich, auch gegenüber andern Schulen, zu erkennen 1).

Es könnte freilich als Kühnheit aufgefasst werden, jene Stelle über die v7TorsUdsg ohne weiteres dem Herillos zu geben. Allein der Name vtcotsIIq wird eben nur für Herillos berichtet, und demnach hat dieser zunächst den ersten Rechtstitel auf die ganze Ausführung. Das stoische Kolorit derselben wird man nicht bestreiten wollen, und auch bei Chrysippos ist eine Konnivenz gegen andere Schulen nicht ohne alle Analogie. Stoisch ist die Lehre von den vTiOTstidsg ja immerhin, da der Mangel der Vernunft aus- drücklich betont wird und somit die Unter ziele eine durch- aus untergeordnete Stellung auf der Stufe des halb tieri- schen Lebens erhalten, als das die Stoiker die Kindheit so gerne hinstellen2).

Übrigens hat Herillos die beiden Arten der Ziele so vollständig auseinandergerissen, dass ihm dies alte Kritiker zum Vorwurf machten (Cic. fin. IV 15, 40).

L) Die nqona y.axa cpvatv decken sich zum grossen Teil mit den Si avta aiQtxa oder aojuaxinai aqtxai der Peripatetiker Stob. ecl. II 122, 20 W., nur dass Tzodor/.eia statt des stoischen xäyoc, steht. Auch Chr. zeigt sich im dritten Buche naQ\ dya-d-öjv nachgiebig, indem er das Wissen als Ziel zugibt und annimmt (comm. not. 1070 d); die Unterscheidung von xilog und ■tiqcc xb xtf.og (vgl. Aristot. etil. Nicom. 1113 b, 3 f.) beweist, dass es sich um die Peripatetiker handelt. Doch ist diese Nachgiebigkeit bei Chr. nur ein dialektischer Kunstgriff.

2) Schon nach Zenon (fr. 82) ist der loyog erst mit dem vier- zehnten Lebensjahre ein xHhos. Die Hebdomadenlehre, wie sie in der pseudohippokratischen Schrift nstfi sßdofiaSow durchgebildet vorliegt, war demnach schon frühe im Gange. Aristot. Pol. 1336 b, 41 wird sich nicht bloss auf Hesiod beziehen. Was Chalcidius über die pseudohippo- kratischen Hebdomaden sagt, scheint er aus stoischer Quelle zu haben.

4*

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Während bei der Bestimmung des höchsten Zieles kein Teil weder des Leibes noch der Seele ungeschützt bleiben dürfe, habe sich Herillos nur der Erkenntnis des Geistes selbst eifrig angenommen, die Handlung aber, die ohne Körper nicht denkbar sei, hintangesetzt, und so sei er genau so einseitig wie die, welche nur den Körper berücksichtigten (Cic. fin. IV 14, 36).

Polemik des Chrysippos und Kleanthes in der Ziellehre.

Den zuletzt angeführten Gesichtspunkt mag schon Chrysippos gegen Herillos hervorgekehrt haben. Ihm ent- sprach es, statt die Lust zu einem Unterziel zu degra- dieren, besser, dieselbe mit idealistischer Begriffsumbildung als „Blüte" der Tugend erscheinen zu lassen, so dass Cicero (fin. II 14, 44) von ihm behaupten kann, er habe in dem friedlichen Vergleiche zwischen der streitenden Lust und Tugend die Entscheidung über das höchste Gut anerkannt. Das geschah wohl besonders in der Schrift Tteqi tsXcov, in welcher, wie wir sahen, Chrysippos die Lust als sTtiysvvrnia bezeichnete (D. L. VII 85). Dieselbe ist es vermutlich vor allen, in der er die entschiedene Richtung des Epikuros den Halbheiten der Vermittler vor- zog, als die Hieronymos von Rhodos mit seiner ao/A^tf/a1), Diodoros mit seiner Vereinigung der Schmerzlosigkeit und Tugendhaftigkeit2), sowie Polemon samt der alten Aka- demie und den Peripatetikern 3) gelten können. Nur drei Ansichten über die höchsten Güter (de finibus bonorum), versicherte Chrysippos oft, gäbe es, die sich mit Wahr-

*) E. Hiller, Hieronymi Khodii Peripatetici fragm. in Satura phi- lologa H. Sauppio obl. Berlin 1879 S. 102. (Senec. ep. 87, 19).

2) Belegstellen bei Susemihl. Litteraturgesch. I S. 154 Anm. 809. Chr. gegen Diodoros auch Cic. fat. 6, 12 ; 7, 13. ad fam. IX 4.

3) Cic. acad. pr. II 42, 131; 45, 139. Tusc. V 8, 21.

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scheinlichkeit verteidigen Hessen : entweder sei die Tugend- haftigkeit (honestas) das Ziel, oder die Lust, oder beides. Denn die, welche das höchste Gut in der Freiheit von aller Beschwerlichkeit erblickten, gingen zwar dem ver- hassten Worte „Lust" aus dem Wege, blieben aber in der Nachbarschaft, was auch die thäten, die eben jenes Gut mit der Tugendhaftigkeit verbänden, und nicht viel anders diejenigen, welche zur Tugendhaftigkeit die ersten Vorteile der Natur hinzufügten (Cic. acad. pr. II 45, 138).

Kleanthes hatte sich, so sehr er sonst Streitfragen vermeidet, mit grosser Feindseligkeit gegen Epikuros ge- wendet, in der Schrift tzsqi rjdovrjg, wie fr. 77 zeigt (vgl. fr. 46). Wenn die Lust das Ziel ist, sagt er, so ist den Menschen zum Übel die Tugend der Verständigkeit (<pq6- vti<siq) gegeben (fr. 89). Um die Epikureer, welche zwar die Tugenden als erstrebenswert anerkannten, aber nicht um dieser selbst willen, sondern nur der Lust wegen, gleichsam zu beschämen, pflegte sich Kleanthes eines wir- kungsvollen Mittels zu bedienen. Mit gleich lebhafter An- schauung, wie Zenon die n^07\y\iiva an einen Königshof versetzte, pflegte Kleanthes (fr. 90) seine Hörer aufzufordern, sie sollten im Geiste das Bild der Lust auf einem Gemälde betrachten, die im herrlichsten Gewände und im könig- lichen Schmucke auf einem Throne sässe. Dienstbereit stünden die Tugenden gleich Mägden da, die nichts für ihre Pflicht erachteten als der Lust zu dienen und ihr ins Ohr zu raunen, sie solle sich hüten, unvorsichtiger Weise etwas zu thun, was das Gemüt der Menschen verletzen oder woraus irgend ein Schmerz erwachsen könne. „Wir Tugenden", so sprächen sie, „sind dazu geboren, dir Sklaven- dienste zu thun; ein anderes Geschäft haben wir nicht"1).

*) Augustinus hat nach Ausweis der wörtlichen Berührungen (besonders pudebit ad ingerendum pudorem) seine Kenntnis aus

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Ein anderes Verfahren schlug Chrysippos den Epiku- reern gegenüber ein. Er folgte ihnen auf ihr Gebiet. „Aristoteles", führt er aus, „hat nicht Recht mit der Behaup- tung, dass, wenn die Lust das Ziel ist, die Gerechtigkeit aufgehoben werde, mit der Gerechtigkeit aber zugleich jede andere Tugend 1). Die Gerechtigkeit wird zwar von den Hedonikern in der That aufgehoben2); nichts aber hindert, dass die übrigen Tugenden.bleiben, wenn auch nicht als Dinge, die um ihrer selbst willen zu erstreben sind, so doch so, dass sie wenigstens Güter und Tugenden bleiben. Denn wenn nach einer derartigen Ansicht sich die Lust als Ziel herausstellt, so scheint mir ein solches Ziel nicht alles in sich einzuschliessen; deshalb ist zu sagen: weder irgend eine Tugend ist um ihrer selbst willen zu erstreben noch ein Laster um seiner selbst willen zu vermeiden, sondern alles dieses muss auf den vorliegenden Einzelzweck bezogen werden. Nichts aber hindert vom Standpunkte der Hedoniker aus, dass die Tapferkeit, Verständigkeit, Selbstbeherrschung, Standhaftigkeit und ähnliche Tugenden unter die Güter gehören und dass ihr Gegenteil zu meiden ist" (Stoic. rep. 1040 e f)3). Die Grundidee des dritten

Cicero; Augustinus' Abweichung von letzterem ist seinem guten Takte zuzuschreiben, der den Charakter des Gemäldes nicht in dem Grade stören wollte, als es oben geschieht. Die vier Tugenden, die Augustinus aufzählt, er nennt den Kleanthes übrigens nicht sind nicht die des Kleanthes.

*) Chr. bezieht sich, wie Zeller (IL3 S. 58, 1) meint, auf eine Stelle des Gesprächs tisqI Stxaioavvi^g ; doch ist mir wahrscheinlicher, dass mit tisqi dnatoovrqs die Schrift des Chr. gemeint ist (s. Baguet). In unserm Aristoteles findet sich die Stelle nicht (vgl. eth. Nicom. 1099 a, 7 ff. 1101b, 14. 1173a, 18;b, 30. 1174a, 5). Chr. hatte vielleicht einen vollständigeren Text als wir.

2) Vgl. Chr. comm. not. 1070 d. Gewisse Konnivenz gegen andere Schulen ausserdem Chr. Stoic. rep. 1048 a.

s) Zell er, IIL S. 217,3 weist mit Recht darauf hin, dass Chr.

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Buches Ttsqi öixaiocv Vfjg1) war: „Diejenigen, welche die Lust nur einfach als Gut, nicht aber als Ziel setzen, können auch die Gerechtigkeit retten; denn wenn jene als Gut anerkannt wird, nicht aber als Ziel und auch das sittlich Schöne zu den Dingen gehört, die um ihrer selbst willen zu erstreben sind, dürften wir vielleicht die Gerechtigkeit retten, indem wir das sittlich Schöne und Gerechte als ein grösseres Gut anerkennen denn die Lust" (Stoic. rep. 1040 cd) 2).

Chrysippos musste demnach die Epikureer von einer andern Seite her anzugreifen suchen. Von den Beweisen, die er unter dem Titel dnodsi^sig ttqoc to (ijj eivcci t^v qdovtjv rsXog in vier Büchern gegen die Erklärung der Lust als Ziel sammelte, werden manche rein logischer Natur gewesen sein3). Sein Haupteinwurf war offenbar das Argument, dass die Tugend der Gerechtigkeit sich mit jener Zielbestimmung nicht vertrage; es ist dies die-

alle Tugenden für unlöslich verbunden ansieht, übersieht jedoch das vV avxojv, Kar avxovg und xaxä xbv xoiovxov ?.6yov, woraus hervorgeht, dass Chrysippos seine eigene Meinung nicht einmischt; der Stoiker schlägt aber den Aristoteles mit dessen eigenen Waffen, da dieser ein xttog und ctgbg xb xilog unterschied (s. S. 51,1) und demnach nicht in der angegebenen "Weise gegen die Lust operieren konnte. J) S. comm. not. 1070 d (negl SizaioovvTjg).

2) Hier verzichtet Chr. gleichfalls auf Betonung seines eigenen Stand- punktes, nach dem alle Güter und Übel gleich sind (D. L. VII 101). Statt öV avxojv aiQiTojv ist oV avxa aiQexöjv zu schreiben.

3) Auch Stoic. rep. 1041c wendet sich Chr. gegen Platons Satz, es thue einer sich selbst unrecht (Rep. 351c— 352a), freilich ohne auf Platons Psychologie einzugehen. Trotzdem bringt er in dem Werke anobtigug ntgl diy.atoovv7}g eine Reihe von Syllogismen, in denen eben jener Satz bewiesen wird (Stoic. rep. 1041 de). Die Streitfrage %6x6qov h>- diyezai tavzbv dSixtiv rj ov ist bereits (eth. Nicom. 1138a, 4—27) behan- delt (von Eudemos?). "Wegen der ethischen Bedeutung der Frage vgl. Schopenhauer, Preisschr. über d. Grundlage der Moral 115 S. 126 (Frauenstätt).

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selbe Tugend, um derentwillen er auch die engere Ziel- bestimmung des Zenon nicht adoptiert hatte ]). Ferner ver- neinte er auf Grund der Entwicklung des Lebewesens den gegnerischen Satz, dass die erste eigentümliche Regung des Lebewesens auf Befriedigung einer Lust ausgehe, was man mit dem Hinweis auf den Spieltrieb der Jugend be- weisen wollte. Von Natur, behauptete der Stoiker, gibt es keine besondere Anlage (oixslootfic) zur Lust und keine Entfremdung (<xMotqIcoCiq) gegen die Mühe (Chr. Gral. 459 K.)2). Wir sahen, dass Chrysippos im Gegenteile die Lust als das zeitlich Spätere hinstellte.

§ 3.

Die Tugend. Vorbemerkung.

Da sich in den Katalogen keine Schriften über die Tugend und nur bei Kleanthes und Chrysippos solche über die Tugenden finden3), liegt die Vermutung nahe, dass über den Begriff die ganze Stoa einig war4), und dass nur die Unterscheidung der einzelnen Tugenden Schwierig- keiten verursachte. Das erstere ist sehr begreiflich, da Zenon, seiner geschichtlichen Stellung gemäss, von der Tugend ausgegangen sein muss und ein Widerspruch gegen ihn in dieser Frage einer Absage an die Stoa überhaupt

1) Vgl. Chr. Stoic. rep. 1035c. 1070d.

2) "Vgl. Plut. de esu carnium 999 d.

3) Über einzelne Tugenden ausserdem Ariston und Persaios. Auch die Häretiker. Virt. mor. 441c heisst es bei der Definition

xoivcug S' anavreg olzoi, nachdem auch von Ariston die Rede gewesen war; damit stimmt Gal. 595 K. vo/uloag yovv 6 ^qiozojv fiiav stvcu ffjg ipv%r]g dvvafiiv f] Xoy i £6 fisS" a aal xrp aQetTjV ryg xpvx^js e&sxo fii'av überein.

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gleichgekommen wäre, wie diese Dionysios wagte, indem er, durch persönlichen Schmerz belehrt, die Lust zum Ziel erhob ').

Definition der Tugend.

Die altstoische Definition der Tugend lautete, ent- sprechend der stoischen Psychologie: Die Tugend ist ein sich gleich bleibender Zustand (dia&eGio) des Herrschen- den an der Seele (rov yysfjbovwov rrjg ipv%vjg) und eine von der Vernunft gebildete Fähigkeit2) oder vielmehr die in sich harmonische, feste (ßsßcuog) und unerschütterliche Vernunft (virt. mor. 441 c). Kurz ausgedrückt ist die Tugend eine mit der Vernunft harmonische Seelenbe- schaffenheit (did&etiic oiioloyoviisvr}) 3). Die Herillische De- finition des Wissens, das nach Ariston der Tugend gleich ist4), geht auf dasselbe hinaus, indem auch hier die Ver-

1) Dionysios scheint den Zenon nicht sehr lange gehört zu haben. Doch steht sein freiwilliges Lebensende wie auch das seiner Jugend und seinem Alter nachgeredete schamlose Treiben (Athen. X 437 e. D. L. VII 167) zu den Grundsätzen der alten Stoa nicht im Gegensatz, die selbst an dem unsauberen Gebahren des Diogenes und Krates kein Ärgernis nahm. Daher ist die Mitteilung des Nikias von Nikaia, welcher nach TJseners Nachweis die Quelle für Diogenes Laertios ist, nicht so wertlos, wie sie Suse mihi Litteraturg. I S. 72 Anm. 282 ausgibt.

2) Für die Begriffe ciivafxig und Uyog vgl. Zen. fr. 93: oi d.7ib Zrjvojvog oxxafjieQri xrtv \i>vp]V diado£ö.Covoi tisqi rjV xdg dvvdfieig ttvai n/.eiovag. ojotisq zv rö> 7^y6fj,ovix<Z Ivv7w.q%ovoojv cpavxaoiag, ovyxa- rad'eoeojg^ ÖQfirjg, köyov,

^ Vgl. Stob. ecl. II 68, 7 W. xrjv dq&xrp Siäd'saiv sivai cpaoi xvvyr^ oi(ji(f(uvov aixi] ■neqi olov xbv ßlov, wo freilich nur auf die dv&QOj- ciivr) q-votg Rücksicht genommen und die etymologisierende Gebrauchs- weise von üufJ.oyov/uevog vermieden ist (durch Poseidonios?).

4) Schon Zenon muss das feste "Wissen gefordert haben, da sich Kleanthes (fr. 88) für den Satz von der Unverlierbarkeit der Tugend auf die festen Begriffe beruft. Chr. nahm den Begriff litiGxrni't] in die Definition einzelner Tugenden auf.

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liunft als Verursacherin des Wissens gilt und die Uner- schütterlichkeit mit dem gleichen Worte (x (jlstcc'/itcotoc be- tont wird. Der Anschauung von der Tugend liegt, wie die Ausführung über die Leidenschaft lehrt, eine fast an die von chemischen Verbindungen erinnernde Vorstellung 1) zu gründe, und in der That erklärte die Stoa, wie die Seele, so auch die Tugend für einen Körper2), das heisst für die feinste Ausgestaltung des Seelenpneumas. Ästhetisch ausgedrückt ist die Tugend die Schönheit der Seele, das heisst die Symmetrie der Seelenglieder oder das gute Ver- hältnis des rjyeiioviy.ov (der Vernunft und ihrer Eigenschaft) in seinen besonderen Teilungen (xard tovq oixelovg [jisqi- ü[jbovg) 3).

Eigenschaften der Tugend- en) Wesensbeständigkeit. Von Chrysippos wurde insbesondere der Begriff did&sGig hervorgehoben, in welchem ausgesprochen ist, dass die Tugend weder der Steigerung noch der Ver-

1) Dass das Wort rQensa&ai chemisch zu nehmen ist, beweist Cleanth. Stob. ecl. I 153, Iii; s. auch Ps. Plut. quaest. nat. 26, 2 xow ■öyQwv xQtnoixivojv (Umwandlung der Körpersäfte). Plut. soll. an. 27,6 (Färbungswechsel). Ps. Plut. quaest. nat. 19, 1; 6. adul. et. amic. 52 1 {tQäneo&ai . tQonai). Amic. multit. 97 b. Plut. de fort. 99 c. werden die Künste fjuxgdi cpgovijosig oder drcoQQoiai (pgov^aswg genannt (vgl. die Empedokleischen dnoggoiai). Über chemische Ideen bei Chr. s. Stob, ecl. I 154 f. W. Ebenso fiezaßob] Zen. u. s. w. Stob. ecl. I 153 ff.

2) Diese harte Formel sieht am ersten dem Chr. ähnlich. Das bei Stob. ecl. II 64, 20 W. vorhergehende dgerdg sivai nXeiovg ist mit D. L. VII 92 ägszag nUlovag zu vergleichen, was auch von Chr. gesagt wird; a%uQiotois vn ällrjhüjv ist zweifellos Chrysippeisch; der Schluss- passus xc yctg ov/Lupveg nvevfxa h^uv h'vdsQfiov ov \pv%ijg gilt auch für Chr. (Zeller III 1 S. 195,2. Wachsmuth z. St. (Yirt. mor. c. 3)).

3) Gal. 439—440. 443. 444 K. Schon Demokritos bezeichnet das Glück als eine Symmetrie (Stob. ecl. II 52, 18 W.)

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mindemng fähig ist (virt. mor. 441 c. u. d; vgl. D. L. VII 101) x), und dieses Dogma gegen Piaton, der zwar seiner Idee der Tugend, aber nicht der Verwirklichung der- selben diese Eigenschaft zuerteilen konnte, und gegen andere mit grosser Heftigkeit verteidigt (Stoic. rep. 1038 e). Die Heftigkeit der Polemik war vielleicht dadurch veranlasst, dass ein Mitglied der Schule, Herillos, statt did&eCiq den viel weniger besagenden Begriff s£ig eingeführt hatte. Ihre tiefere Bedeutung aber beruht darin, dass sich durch die Eigenschaft der Konstanz die Tugend von den mittleren Dingen scharf unterscheidet. Letztere lassen eine An- spannung und ein Nachlassen zu; die Tugend als vollen- dete Beschaffenheit (rslsia s&g) nicht2).

Inhaltlich kann nach jener Ansicht die Tugend nicht zunehmen; aber gelegentlich behauptete Chrysippos doch, dass die Tugenden nicht die Tugend an Umfang zunehmen und um sich greifen (dtaßaivsiv) können 3). Welchen Wert die letztere, wohl materialistisch gedachte Bestimmung hatte, können wir nicht mehr sagen4), zumal der Polemiker, der sie aus ihrem Zusammenhange riss, sie selbst nicht als Widerspruch gegen erstere nehmen will.

n Vgl. Cic. inv. I 25, 36.

-) Simpl. in cat. 87 a, 12 Brand. xqi%7\ de algsoig r\ x<x>v JSxouxöjv, o'lnveg, dit?.6fi£voi %oj(hq xdg dyexdg dnb xwv fitocov xeyy&v, ravxag ovxe tTTiTiiveo&ai leyovaiv ovxe dvieo&cu, rag de (neoag xeyvag aal inlxaaiv aal aveoiv (Siyso&al (paoiv. Z. 24 xovg dnb xijg 2zodg xb fiev onovSaiov yevog ßeßaiov liyovxag. xb de /ueaov inlxaaiv neu aveoiv hnidtyeo&ai. Simpli- cius bekämpft diese Lehre und betont, dass die xelda a£tg nicht nur aus Theoremen bestehe, sondern dass Naturanlage (yvotg) und Gewöhnung (h&og) den einen gerechter werden lasse als den andern.

3) In dem Buche neQi Jibg Stoic. rep. 1038 e; vgl. Cic. fin. III 15, 48 (fundi quodam modo et quasi dilatari).

4) Nach Chr. Orig. c. Cels. 4, 63. patr. 11, 1128 Mign. scheint es sich fast um das gesellschaftliche Umsichgreifen der Tugendhaftigkeit zu handeln.

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In dieser aber gibt sich die ganze Starrheit und Über- spanntheit des stoischen Tugendbegriffes aufs deutlichste kund. Die Übereinstimmung mit der Vernunft kann eben nur eine sein, wie es ja nach der Stoa keine Grade und Stufen in der Wahrheit gibt. Die Tugend ist der höchste Entwickelungspunkt (ccxqottjc), die äusserste erreichbare Grenze im menschlichen Leben1); ihr kann eine Unvoll- kommenheit, wie sie in der Annahme einer Steigerungs- oder Verminderungsfähigkeit gegeben wäre, nicht zu- kommen.

Dies ist die gemeinsame Ansicht der ersten Schul- häupter. Denn auch die im Wortlaute abweichende Defi- nition des Kleanthes nimmt die Tugend als einen Zustand ; nur hat er die Tonoslehre des Herakleitos hineingetragen 2) und für dia&scig das anschaulichere rovog gesetzt3). Unter

a) S. S. 61.

2) Hirzel, Unters. IIS. 118 f. 158 ff. Gegen Hirz el polemisiert Stein, Psychol. d. Stoa S. 73 Anm. 109, nicht ganz mit Glück. Dass bei Kleanthes ein Heraklitischer Gedankenkreis vorliegt, sagt die Verbindung von tovog mit nhriyri nvqbg\ nur hätte Hirzel S. 118 deut- licher aussprechen sollen, dass der mythologische Blitz des Zeus in der allegorischen Weise der Stoiker philosophisch, das heisst eben als nv? in dessen weitester Bedeutung aufzufassen ist. Die Heraklitische Lehre von der Harmonie der Welt in der Doppelspannung der Welt setzt den Begriff der einfachen Spannung tovog ebensogut voraus, als die Lehre von der Centripetal- und Centrifugalkraft den Begriff „Kraft" mit eigen- tümlicher Verwendung. Tovog ist auch durch die beiden Bilder von der Leyer und vom Bogen gegeben, und so sind die Varianten nallv- tqotioq oder nalivtovog ohne Belang. Entgegengesetzte Bewegung musste Herakleitos annehmen, damit die Welt nicht durch die stete Bewegung zerrissen werde. Wenn Diogenes der Kyniker (Stein a. a. 0. S. 30 Anm.) sagt: ovSeva xaVcv eivai növov, ob fj.7j tekog slt} bfixfm%ia [evipv%ia^) Mal tovog \fjv%^g, alV ov %l oojfiatog, so sieht man ganz klar, wie der Begriff tovog zuerst auf dem Körper ruhte und auf dem natürlichen Wege der Begriffs Veränderung auf die Seele übertragen wird; dabei läuft das Wortspiel növog zövog mit unter.

3) Dass Kleanthes die im physikalischen Zusammenhang der Stelle

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der Spannung haben wir uns mit Stein eine Expansiv- und Attraktivkraft zu denken; sie ist, sagt Kleanthes (fr. 76), ein stossendes Drängen des Feuers (nkijyq ttvqoq). Wenn die Spannung in der Seele genügend gross geworden ist, um die anfallenden Aufgaben zum Ziel zu bringen, so wird sie zur sieghaften Stärke {l(S%vg xai xqccrog). Auch Chrysippos macht die Tugend, die er als Spannungstüchtig- keit (evTovia) und Stärke (ocofitj, icxvg), zuweilen auch mit Ariston1) als Gesundheit2) bezeichnet, zu einem Werke der Spannung (Gal. S. 403 K.). Die Spannung selbst aber kann nach der ganzen Auffassung der alten Stoa nur durch die Vernunft bewirkt sein3).

ß) Erreichbarkeit. Nach dem Gesagten ist es unmöglich, dass bereits Kinder die Tugend besitzen, da sie noch nicht im Besitze der Vernunft sind. Dem Beweise, dass der Erwerb der Tugend bei uns steht, und dass uns diese nicht von selbst wächst wie etwa der Bart, ist folgende Ausführung des Chrysippos gewidmet: „Die Tugenden besitzen wir nicht von Natur aus. Man soll nichts Unmögliches von der- selben verlangen-, sie selbst ist das Mass für das Mögliche und Unmögliche. Die Tugend ist eine Vollendung {relsio- tj/c4) und der Gipfelpunkt (ccxoottjc) für die besondere Natur jedes Einzelnen. Es ist unmöglich, dass etwas Un-

i'aus den -önouvijuaxa cpvoutd) nicht genannte, wohl aber fr. 83 erwähnte aperr, meint, geht erst aus dem dort Nachfolgenden hervor.

l) Virt. mor. 440 f.

~) Gal. S. 437 ff. K.

3) Dass die von Chr. gemeinte dvva/xig eine andere sei als die /.o-7x/ bvvauig, ist nur eine Unteriegung des Galenos.

4) Chr. Gal. S. 468 K. [Mio. yaq exäoxov xcuv ovtojv X£l&ibx7}g, rj 8k dytTT] xtUioxr,g toxi xr^g kxdoxov yvosug, (og avxbg (sc. XgvatTtnog) ofxo- koyü.

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vollendetes (äreAsg) in der Vollendung ist; unvollendet ist aber das Gewordene sofort beim Entstehen. Also ist es auch nicht möglich, dass der Mensch die Tugend einfach natürlich wachsen lässt'). Freilich ist ihm die Natur zum Erwerb (tcrtjaig) derselben nicht unbehilflich, sondern er hat von jener die Fähigkeit (dvvafiig) und Tauglichkeit (eTTiTrjdsiÖTijc), die Tugend aufzunehmen, eine Eigenschaft, die kein anderes Lebewesen hat; und wegen dieser Fähig- keit unterscheidet sich der Mensch von Natur von den andern Lebewesen, obwohl er hinter vielen Lebewesen zurückbleibt in den körperlichen Vorzügen. Wenn wir nun von der Natur die Fähigkeit zur Aufnahme der Tugend in der Weise hätten, dass wir, indem wir im Alter vor- wärts schreiten und vollendet werden, auch diese empfangen, wie die Fähigkeit herumzugehen, die Zähne oder den Bart wachsen zu lassen oder etwas anderes, was uns gemäss der Natur später von selbst zu teil wird, so stünden nicht einmal auf diese Weise die Tugenden bei uns (iqfjjiilv), ebensowenig wie etwas von dem eben Erwähnten. Da wir sie aber nicht auf diese Weise erwerben denn wenn, wie die andern Dinge, so auch Verständigkeit und Tugend dem Menschen mitangeboren (övyysvtj) wären, so dass alle oder doch die meisten Menschen wie die andern gemäss der Natur kommenden Dinge auch die Tugend ohne weiteres Zuthun bekämen, so würden wir nicht die Fähigkeit zur Aufnahme der Tugend allein, sondern auch die Tugenden selbst von der Natur haben, und so bedürfte auch nichts des Lobes oder Tadels oder dergleichen und wir hätten bei den Tugenden und Lastern mehr eine Ent-

Hier (129, 46) ist wohl, einer bekannten Wendung gemäss, auf die Chr. dann anspielt (barbam alere), statt cpvvai zu geben yvoat, wodurch die beabsichtigte etymologische Hindeutung auf (pro ig sinn- fälliger wird.

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schuldigung und Erklärung1) für deren Dasein nötig wie bei den Göttern 5 da es sich aber nicht so verhält denn wir sehen, dass nicht alle und nicht einmal die meisten im Besitze der Tugenden sind, was doch das Kennzeichen (cruieTov) für die gemäss der Natur eintreten- den Dinge ist, sondern man muss zufrieden sein, wenn vielleicht nur einer etwas derartiges erlangt, einer, der durch Übung (äcrxqGig) und Lernen {didaöxaXia) den phy- sischen Vorrang der Menschen gegenüber den andern Lebewesen beweist, indem er durch sich selbst das Not- wendige, was unserer Natur gebricht, hinzufügt : deshalb steht der Erwerb der Tugend bei uns, und Lob und Tadel, Ermahnungen zum Bessern und Erziehung durch bessere Sitten gemäss den Gesetzen sind nicht un-

nütz (axqriCTOi) oder vergeblich ((laT-qv). Denn nichts von dem, was den bestimmten Dingen von Natur aus zukommt, kann durch irgend eine Gewöhnung (e&og) anders werden - man darf das Schwere noch so oft in die Höhe werfen*, es wird nicht daran gewöhnt werden, gemäss seiner Natur in die Höhe zu fliegen ; die Charaktere (f^) der Menschen aber erhalten ihre verschiedenen Beschaffenheiten durch die verschiedenen Gewöhnungen. Und bei den Dingen, die wir gemäss der Natur haben, haben wir zu- erst die wesentlichen Eigenschaften erworben, um dann diesen gemäss uns zu bethätigen (ivsQyslv) denn wir erwerben die Eigenschaft des Sehens nicht, wenn wir oft gesehen haben, sondern wir sehen in der Weise, dass wir diese Eigenschaft bereits haben ; bei den Dingen da- gegen, die wir nicht von Natur haben, erwerben wir in- folge der Betätigungen die Eigenschaften. Denn zum Baumeister dürfte keiner auf andere Weise werden, als

') Statt ovoiav, das wohl durch naqovoiag mitveranlasst ist. wird nach Gercke alxiav zu lesen sein.

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indem er oftmals die Thätigkeiten eines Baumeisters nach den Anweisungen eines Lehrers ausübt; da wir so auch die Tugenden erwerben denn indem wir die Werke des Masshaltens (ra GaMpQovixa) verrichten, werden wir massvoll , so dürften sie uns nicht von Natur zu geböte stehen" (fr. 129, 40 ff. Gercke)1).

Nach dieser Stelle, die zugleich einen Eindruck von des Chrysippos Sprache und Darstellung geben mag, ist es Sache unseres Willens, die Tugend zu erwerben; und notwendig zum Erwerbe ist die Übung. Letzteren vielleicht von Zenon etwas vernachlässigten Begriff hatte schon Ariston2), der als Feind der praktischen Ethik einer Brücke zwischen Theorie und Praxis bedurfte, wohl nach dem Vorgange der Kyniker (D. L. VI 70 f.), stark betont, wie auch Herillos und Dionysios tzsqI äaxyföwg geschrieben hatten. Der Weg, auf dem der Mensch die notwendigen, ihm aber nicht von selbst kommenden Begriffe von der Tugend erhält, ist der der belehrenden Mitteilung. Der Sokratische Grundsatz von der Lehrbarkeit der Tugend wurde von der Stoa wie von den Kynikern mit grossem Nachdrucke festgehalten3). Es ist kein Zufall, dass dieser Satz nicht auch von Zenon berichtet wird, da dieser an-

*) Arist. eth. Nicom. 1137 a, 14 wird behauptet (von Eudemos), dass to SUaiov nicht bei den Menschen sei. Eth. Nicom. 1109 b, 30 ff. ist die Frage noch nicht so präzis gestellt (1110a, 17); aber 1113 b, 6 wird entschieden, dass icp'y/uiv 7) dger?}, o/uoicog §s xal tccutla, freilich auf andere TVeise als bei Chr.

2) Senec. ep. 94, 3 disciplina et exercitatione. N. Saal S. 34: Gegen die Leidenschaften bedarf es vieler Übung und vielen Kampfes {aaar)oeu}? xal ^a^s). Stob. flor. IV 111: Die Seele braucht Pflege, wenn sie von Leidenschaften frei sein will.

2) Cleanth. fr. 79. Chr. D. L. VII 91. Das Stück oxi Sidawclv 7) dQszf] bei Plut. op. mor. 439 a könnte mit der Stoa zusammenhängen : Piaton, Herakleitos, Diogenes, ein Lakonier, Herodot werden genannt; diö&eoig, Siy.ac07i^ays7v, kvU%sTai sind ebensosehr stoisch als peripatetisch.

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fänglich keinen Übergang von den Schlechten zu den Guten annahm; gerade die Möglichkeit aber, dass aus Schlechten Gute werden, wird als stoischer Beweis für jenes Dogma unter den Namen Kleanthes, Chrysippos und Poseidonios angeführt (D. L. VII 91) 1). Chrysippos scheint dasselbe durch den weiteren Satz gestützt zu haben, dass die Güter und Übel wahrnehmbar sind (Stoic. rep. 1042 f. comm. not. 1062 c); denn beide Sätze entstammen der Schrift Tisqi rskovg2).

y) Unverlierbarkeit. Das Gegenbild zu der Frage, wie die Tugend er- worben wird, ist die für die Stoa charakteristische Lehre von der Unverlierbarkeit der Tugend. Die Härte des Satzes allein würde auf Zenon als Urheber raten lassen, da die Nachfolger, dem Kreuzfeuer der übrigen Schulen ausgesetzt3), denselben schwerlich neu aufgestellt hätten. Zudem ruht in Zenons Annahme, dass die Guten durch ihr ganzes Leben die Tugenden gemessen (fr» 148)4), jene Folgerung mit eingeschlossen. Kleanthes zog jdie in der Definition der Tugend gegebene Festigkeit der Begriffe zum Beweise heran (fr. 80 Sia ßsßaiovq xccrcdyipsic) und verstieg sich sogar zu der Paradoxie, der Weise behalte auch im Rausche die Tugend bei5). Er wollte damit, wie

a) Der Name Poseidonios spricht dafür, dass schon Kleanthes den Grand aufgebracht hatte, wenn auch von diesem der Fundort nicht zitiert wird.

2) Die Lehre von den aladrqxa war eine schwierige und umstrittene, aber für Chr. von Bedeutung. Chr. Stoic. rep. 1036 e.

*) Theophrastos wies den Umschlag der Tagend nach (Simplic. in cat. 86b, 27 Brand.).

*) Vgl. Chr. D. L. Vfl 89 dv Ovar] neitoirjusvr) nobg xr\v bpoloyiav itavxbg cov ßiov.

5) Hirzel, Unters. II S. 68 Anm. 3, und v. Arnim , Quellenstudien zu Philo S. 104 und 106. Die Ansicht des Kleanthes vertritt auch Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 5

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von Arnim fein bemerkt, lediglich den character in- delebilis der Tugend aussprechen1). Chrysippos äussert sich, es stehe nicht mehr bei dem Menschen, die einmal errungene Eigenschaft der Tugend aufzugeben, sowenig es dem, der sich von einer Hohe herabgestürzt habe, frei- stehe, stehen zu bleiben, obwohl er vorher die Freiheit hatte, sich herabzustürzen oder es bleiben zu lassen (fr. 131 Gercke)2). Damit wird nur geleugnet, dass es dem freien Belieben des Menschen anheim gegeben sei, die Tugend wieder wegzuwerfen. Keine Ausnahme3) ist es, wenn Chrysippos, in der Absicht, den Einwurf des Arke- silaos gegen Zenons Lehre vom Rausche feiner zu pa- rieren als Kleanthes, distinguierend die Möglichkeit des Tugendverlustes zugab im Hinblicke auf Rausch und Melancholie (D. L. VII 127). Denn die Melancholie kann über den Weisen kommen, ohne dass er etwas dazu thut, etwa wie eine Krankheit4). Wird die Möglichkeit solcher

Epiktet (diss. I 18, 23. II 17, 33. III 2, 5. Bonhöffer, Epiktet I S. 25. II S. 56. 621) und zwar so, dass man annehmen muss, schon Kleanthes habe auf die Einrede des Arkesilaos (v. Arnim S. 105) Rücksicht genommen. Derselbe Einwand könnte aber auch von peri- patetischer Seite her erfolgt sein ; vgl. eth. Nicom. 1147 a, 13 ; b, 7. 1152 a, 15, wo die Handhabe zu derartiger Polemik gegeben ist.

*) Kleanthes drückt das Gleiche in dem Prädikate ahl Sia/uavov des einen Gutes (fr. 75) aus. Ein Schüler der Stoa sagt bei dem Ko- miker Theognetos: Noch niemand, der die "Weisheit nahm, hat sie ver- loren (Athen. III 104 c).

2) Der Vergleich mit dem unaufhaltbaren Schwung des einmal in Bewegung Gesetzten findet sich, wenn auch in etwas abweichendem Sinne, in der Schrift über die Leidenschaften. In negl elfiaQfievT}? führte Chr. stets wieder den Stein an, der, angestossen, infolge seiner Schwerkraft abwärts stürzt (S. Gercke im Index verborum s. v. Äi&og).

3) So meint Gercke S. 699 Anm. 2.

4) M. Heinze, Stoicorum ethica ad origines suos relata S. 22 ver- weist auf Aristot. cat. 8 b, 29, wo die Wissenschaft als durch Krankheit oder Ähnliches gefährdet hingestellt wird. Aus Simplic. in cat. 87 a, 2

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körperlich-geistigen Zustände eingeräumt, so ist es eine zwingende Folge seines Tugendbegriffs, wenn Chrysippos in solchen Fällen die Tugend für verlierbar hält. Chry- sippos hat dreierlei Arten von Umschlägen (fisraßoXccl) der Seelenspannung unterschieden: 1) die Leidenschaften, die zum Laster, 2) die [israßolal xavä diä&eaiv, die zur un- veräusserlichen Tugend führen, und 3) die (JbsraßoXal ehv (virt. mor. 441 c), und Simplicius (in cat. 86 b, 27 Brand.) erläutert, offenbar an Chrysippos denkend1), den Vorgang so: der Tugendverlust finde zusammen mit dem Verluste der ganzen vernünftigen Beschaffenheit (e£ig) statt, indem zwar nicht die Lasterhaftigkeit dafür eintrete, aber doch die Festigkeit (ßsßaioTtjg) gelockert werde und in die von den Alten sogenannte mittlere Eigenschaft fisotj) umschlage. Doch auch in Konsequenz einer andern Ansicht musste Chrysippos den Rausch als Ursache eines Tugendverlustes anerkennen. Im ersten Buche nsqi dqsrcop führte er aus, dass die Tugenden einander gegenseitig folgten; wer die eine habe, habe alle, und wer gemäss der einen handle, handle gemäss allen; denn soweit sie Wissen- schaften und Künste seien, hätten sie gemeinsame Lehr- sätze (&€cooij {jlcctcc) und dasselbe Ziel, weshalb sie auch

ist zu entnehmen, dass Chr. sieh in der Frage über die ars^oeig (vgl. metaph. 1023 a, 5) an Aristoteles, diesen weiterführend, anschloss ; Eigenes trug auch Iamblichos später bei. Aus Ariston Senec. ep. 94, 17 wird klar, dass die Melancholie (bilis nigra) als körperliche, nicht geistige Krank- heit galt.

*) Mit TtaXaiol sind ohne Zweifel die alten Stoiker denn nur um diese handelt es sich dort zunächst bezeichnet ; aber weder Zenon noch Kleanthes können gemeint sein. Ausserdem befindet sich Simplicius mit Plutarch in Kongruenz. Auch nennt ersterer bald nachher den Cbr. (er meint wohl die Schrift tisqI töjv naxa oTtorjoiv Xtyofitvojv nobs &ia(/ov a oder nt(n xa.TayoQtvTiy.ojv tcqcs 'A&rjvödojQov a D. L. VII 190; vgl. 53.); auf diesen scheinen die Aristoteleskommentatoren, wo sie nicht auf doxographische Litteratur sich stützen, meist Rücksicht zu nehmen.

5*

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untrennbar seien (D. L. VII 125. Stoic. rep. 1046 e. Stob. ecl. II 63, 6. 64, 18 W.)1)- Eine Äusserung Ciceros (Tusc. II 14, 32) lässt schliessen, dass daraus, wie auch notwendig ist, gefolgert wurde: wer eine Tugend verliert, verliert alle. Da nun im Rausche ohne Frage die (Swcpqo- Gvvt] oder auch die iyxqarsKx dahinsinkt, so muss der Rausch auch den Verlust aller Tugenden im Gefolge haben.

Solange diese Lehre ohne Rücksicht auf ein ethisches Subjekt ausgedacht wird, ist sie widerspruchsfrei und im besondern gegenüber Kleanthes durchaus berechtigt. Bei der Melancholie2) ist dieselbe auch auf den Weisen an- wendbar, da eine solche Krankheit ausserhalb des Subjektes ihre Ursachen hat und auch vom Schicksal gesendet sein kann. Beim Rausch aber kommt die freie Selbstbestimmung des Weisen, der auch die Folgen des Weingenusses kennen muss3), ins Spiel. Chrysippos nennt den Rausch (itt&fj) einen kleinen Wahnsinn {[xavia, Stob. flor. XVIII 24); dieser ist für ihn danach ein kurzer Zustand der Leiden- schaft4). Und so ist es durchaus wahrscheinlich, dass er seinen Satz beim Rausche so wendete : eben weil der Rausch Tugendverlust nach sich zieht, darf sich der Weise nicht betrinken5). Materiell war gewiss auch Kleanthes mit

x) Dass 63, 6 des Chr. Worte vorliegen, hat Baguet S. 258 ent- deckt; s. auch C. Schuchhardt, Andronici TtsQi Tea&üv S. 39.

2) Simplicius erwähnt noch Fieberstarre (so nach Zell er 271,3, der durch Epiktet zu stützen ist, statt des unsinnigen xaigoig), Lethargie und Genuss von Gift. Da unter letzterem kaum der Rausch eingeschlossen sein dürfte, ist anzunehmen, dass die Beispiele nicht von Chr. stammen, sondern von einem Stoiker, der gerade den Rausch ausser Frage lassen wollte.

3) S. die S. 25, 1 zitierte Stelle.

4) Nach Chr. D. L. VII 111 ist die /nid-y wirklich eine Leidenschaft.

5) v. Arnim, Quellenst. z. Philo S. 108, giebt daher mit Recht Stob. ecl. II 109, 5 dem Chr., wo es heisst, der Vernünftige (vovv b%wv) betrinke sich nicht, da der Rausch 0«tfy) etwas Sündhaftes (dfiaQTTjTiicöv) einschliesse, der Gute aber sich in nichts versündige.

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Zenon1) derselben Ansicht2). In keinerlei näherer Be- ziehung zu der Streitfrage steht für die alte Stoa und auch sachlich nicht die Erwägung, ob dem Weisen massiger Weingenuss oder gar eine Erheiterung gestattet sei. Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, dass schon die alte Stoa zwischen leichtem Angeheitertsein und wirklichem Rausche eine feine Grenze zog3). Das ganze Thema hatte übrigens in der Stoa eine solche Wichtigkeit, dass die Diskussion darüber wie über die Einteilung der Philosophie und über die Zielformel nie zur Ruhe kam.

Wenn auch die bisherige Erörterung gezeigt hat, dass die Unverlierbarkeit der Tugend eine Forderung des ganzen Systems ist, so muss doch auch darauf hingewiesen werden, dass dieses Dogma nebendem seine praktische Seite hatte. Wenn sie verlangten, des Menschen ganzes Streben solle in der Tugend aufgehen, so durften sie nicht die Jünger der Philosophie dadurch abschrecken, dass sie zugaben, was kaum mit heisser Mühe erkämpft sei, könne wieder verloren werden. Der Stoiker hatte kein Jenseits, das ihn des dauernden Glücksgenusses ver- sicherte: er heischt vom Diesseits alles, wonach das menschliche Herz in seinem Glücksbedürfnis sich sehnt. Dazu zählt aber vor vielem anderen das Bewusstsein der

x) Zen. Senec. ep. 83, 8. Arnim a. a. 0. S. 104 f. 135 f. (der griechische Wortlaut aus Philo de plantatione Noe). Den trunkenen König Antigonos wies Zenon scharf zurecht (apophth. 26).

2) Nach Cleanth. fr. 75 ist das Gute avazrjQÖv. Auch Herakleitos (Stob. flor. V 120) hatte bekanntlich den Rausch ([isd-vo&rjvai) verdammt.

3) Für Zenon s. besonders D. L. VII 26; auch apophth. 27. Ariston unterscheidet als verschiedene "Wirkungen desselben "Weines Tia^oivovv und •nQavvso&ai, (Zen. rjdvg und fitilixog). Persaios Athen. Xin 607 b, wo selbst vnoniojfisv und fie&vo&elr) im milderen Sinne ge- braucht werden. Bei Chr, pflegte das innere Licht noch zu strahlen, wenn auch die Beine wankten (D. L. VII 183. olvwostg. fie&vei. Front, epistul. rec. Naber S. 227, 1; vgl. Athen. I 8 c).

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Sicherheit und Beständigkeit des Glückes. So wird denn die Tugend, wie auch der Weise, aufs höchste gepriesen. Sie ist schon als reine Seelenbeschaffenheit und nicht erst in ihrer Bethätigung herrlich1). Sie ist an und für sich zur Glückseligkeit ausreichend2). Denn zu nichts anderem als zum tugendhaften Leben ist der Mensch geboren3), und dieses allein ist anzustreben4); oder, wie vielleicht schon Chrysippos5) argumentierte, wenn die Hochherzigkeit (fisyaXoipvxicc) für sich selbst genügend ist, über alles er- haben zu machen, und wenn diese ein Teil der Tugend ist, so ist auch die Tugend sich selbst genug, die eben- falls das verachtet, was lästig zu sein scheint. Die Tugend zieht durch ihren eigenen Glanz die Gemüter an sich, in- dem auch nicht der geringste äussere Vorteil in Aussicht gestellt ist und kein Lohn verlockend wirkt6).

d) Einheit und Unteilbarkeit. Eine besonders wichtige Eigenschaft der Tugend musste für Zenon, der den Menschen als Ganzes ansah und Körper und Geist aus Einem erklärte, insbesondere aber nur eine Seelenkraft aufstellte7), die Einheit und Un- teilbarkeit sein (Stoic. rep. 1034 c. Cic. acad. pr. I, 10, 38). Diese sokratische Anschauung war wohl der Aus-

x) Zen. Stoic. rep; 1034 c. Cic. acad. pr. I 10, 38.

2) Zen. fr. 125. Chr. D. L. VII 127. 189,

3) Zen. fr. 125.

4) Zen. Cic. off. III 8, 35. fin. E 11, 35.

5) D. L. VII 128. Der Wortlaut stammt von Hekaton, dem wir die Fragmente aus der Schrift nspi <xq£t<Zv verdanken (D. L. VII 125. 127). Aber die Beweisart Schluss von einer Tugend auf alle und die fi£yaXoyv%la sind Chrysippeisch.

6) Zen. fr. 125 vgl. Ariston. Senec. ep. 94, 11. Chr. D. L. VII 89.

7) Der Zusammenhang der psychologischen Grund Vorstellung mit diesem Satze der Tugendlehre wird für Ariston durch Gal. 595 K. bezeugt.

gangspunkt und scheint gegenüber den Peripatetikern scharf hervorgehoben worden zu sein. Zugleich aber suchte Zenon den bewusst erstrebten Anschluss an Sokrates auch dadurch zu erreichen, dass er die Lehre des Sokra- tikers Piaton von den vier Kardinaltugenden Verständig- keit, Tapferkeit, Mässigung, Gerechtigkeit ((pQOVfjöig, dvdqsicc, <Sw(fQoavvrj? dixaioGvvrj fr. 134) aufnahm. Der Grund war die didaktische Vorliebe Zenons für Einteilungen mit drei oder auch vier1) Gliedern, die sich durch sein ganzes System hinzieht. Die vier Tugenden sind nach Zenon2) von einander untrennbar, unter sich aber verschieden; das zusammenhaltende Band ist die q)QOV7]GiQ? die allgemeine Seeleneigenschaft, die allen übrigen Tugenden zu gründe liegt3). Gerechtigkeit ist die Verständigkeit im Austeilen (sv (XTTOVsprjTsoig), Mässigung die Verständigkeit im Aus- wählen [sv dimqeTsoig), und Tapferkeit die Verständigkeit im Ertragen (sv virofiepeTsoig)*). Die Verständigkeit selbst scheint danach in der Tugendhaftigkeit überhaupt bestanden zu haben. Die eigentümliche Stellung der (pQOVfjtiig neben und zugleich über den drei andern Tugenden hat eine Analogie5) in der Stellung des yysfjovixov neben und über

*) 4 Glieder scheint Piaton zu lieben; so geht die Vierteilung durch den Kratylos (4 Vokale, 4 Eigenschaften des Apollo u. s. w.)

2) Für Chr. s. S. 67 f.

3) Haupttugend ist dieselbe auch in der Polemik des Arkesilaos (Sext. E. math. VE 158 Bekk.). Das entspricht genau dem Sokra- tischen Standpunkt Xenoph mem. III c. 9.

4) C. Schuchhardt, Andronici ttsqi nad-ouv S. 42 f., will ohne immer stichhaltige Gründe (doch s. S. 66 f.) dem Zenon noch weitere Definitionen zuschieben. Die drei oben genannten Tugenden ausser <p(>6v7]oiq meint Zen. fr. 160 mit firjTS f]§b[ievov ala%Q(Z xivi [oojcpQoavvij), fiTjts xi TiQooteuevov xojv Sbivojv (avS^eia) r itQäxrovxa, xojv dSinojv (ßi- xaioovvT]).

5) Vgl. auch die Dekas des menschlichen Wesens Gem. Alex, trom. II 455, die sich aus Leib und Seele und den acht Seelen-

72

den sieben anderen Seelenteilen; hier wie dort soll dies wohl ein Ausdruck für die Einheitlichkeit der Teile sein1). Hirzel2) hat in jener Bestimmung der cpqov^aic mit Recht einen Widerspruch erblickt3)-, die Gegner der Stoa haben denselben herausgefunden, und schon frühzeitig mussten die Schüler ihren Meister, abändernd oder erklärend, in Schutz nehmen. Wir sehen, dass die vier Kardinaltugenden von Zenon zwar schulmässiger gefasst sind als bei Piaton4), dass aber die Einteilung immer noch kein kanonisches Ansehen hat5).

Was die folgenden Glieder der Stoa beibehielten, war die Einheit der Tugend6). Die Schwierigkeit bestand in dem Verhältnis der Einzeltugenden zu der einen Ge- samttugend. Es scheint, als ob besonders die megarisch- eretrische Schule lebhafte Einwürfe gegen Zenons nicht hinreichend klare Lehre eröffnet habe7]. Wenn Zenon

teilen zusammensetzt (Bonhöffer, Epiktet I S. 64) und die Tetras der ot<h%£<«, -wobei das Feuer das Urelement ist.

J) Vgl. Stein, Psychol. d. Stoa I S. 1191 Übrigens hat schon Aristoteles de an. 432a, 15 432b, 7 die Einheitlichkeit betont.

2) Unters. II S. 99. Ich halte auch seine Herstellung von Stoic. rep. 7, 1 für sicher. Für die Veranlassung von tvsQyrjtäoig statt evaiQs- teoig ist an das folgende ivsQyeiag zu erinnern.

3) Ich muss dies im Hinblick auf Pearson S. 15 f. hervorheben.

4) S. Zeller Iii 3 S. 748 Anm. 2.

5) Wenn Aug. Schlemms Ansicht, dass zu Plutarch de fortuna Zenon Vorlage war, richtig wäre, hätte Zenon schon itQw>oia% evßovXla. (99 a) unterschieden. Dort finden sich auch die Begriffe hfineiQia, f^v^firj, oo(pia, T£%vr]. c. 4 erinnert an Kleanthes, an dessen Tonoslehre avsoig tTinaoig %oq§üjv.

6) Ariston Gal. 595 f. K. Weiteres N. Saal S. 32 Anm. 34 Anm. Bei Kleanthes geht dies aus der Wiederholung des Begriffes io%vg xal xgdrog bei den Einzeltugenden hervor und aus der Fassung des Buch- titels cT£(>i tov oti r avtTj ä()£T7] (nicht ai avral aQsxai) xal dv§Qcg xal yvvamog.

7) S.D. L. II 106. Virt. mor. 440 f., wo Chr. letzte Quelle

73

die einzelnen Tugenden als Bethätigungsformen der einen Tugend auffasste, so behauptete Menedemos, Mässigung, Tapferkeit und Gerechtigkeit seien nur verschiedene Namen für dieselbe Tugend, wie Sterblicher und Mensch dasselbe bedeuten; die Tugend wäre bei dieser Ansicht nur ein Ding, aber subjektiv von verschiedenen Seiten angeschaut. Ariston1) mochte diesen Nominalismus im Kampfe gegen Alexinos kennen gelernt und sich an den grossen Nominalismus des Antisthenes erinnert haben2). Seine Tugendlehre trägt wenigstens deutlich nominalistisches Gepräge: die Tugend nimmt verschiedene Namen an, je nach der unwesentlichen Eigenschaft, die im Verhältnis zu einem Dinge hervortritt (xcctcc tv\v tzqoq ti <5%gGiv^ to ttqoc ri ncog s%eiv). Die Abweichung von Menedemos be- steht darin, dass im Grunde doch ein objektiver, wenn auch leichter Unterschied zwischen den Einzeltugenden zugegeben wird, indem dem Namen ein Thatsächliches zu gründe gelegt wird, nämlich die gerade durch das Ver- hältnis zum Objekte hervorstechende Eigenschaft der Tugend. Bedeutender ist der Gegensatz zu Zenon, der wirklich verschiedene Modifikationen, also etwa eine veränderte Mischung des nämlichen Seelenstoffes, ansetzt. Ariston leugnet die Verschiedenheit und Mehrheit; das sei gerade so, wie wenn man unsern Gesichtssinn, falls er sich an Weisses macht, Weissgesicht nennen wollte, bei Schwarzem

ist, führt als Hauptvertreter Menedemos von Eretria an. Bei Zenon, der die Dreiteilung liebt, liegt eigentlich eine Dreiteilung vor ; gerade gegen eine Dreiteilung der Tugenden, nicht auch gegen die cpQovrjoig kämpft Menedemos.

*) Für das Folgende Saal S. 33 Anm. 1 und 2.

2) Nominalistisch ist auch der Beweismodus Aristons Senec. ep. 94, 14 15, wo er die Möglichkeit von Allgemeinvorschriften für indi- viduelle praktische Fälle leugnet; ebenso die paar Sätze Aristonischer Psychologie bei Porphyrios Stob. ecl. I 348, die daher dem Stoiker zu- geschrieben werden können; ferner Plut. exil. 600 f.

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Schwarzgesicht u. s. w. Doch gibt er für die Verschieden- heit der Bezeichnung den gleichen Grund an wie Zenon für die Verschiedenheit der Gestaltung, indem er zwischen dem reinen Seelenzustande, abgesehen vom Handeln, und zwischen der Seele, wenn sie beim Handeln ankommt, einen Unterschied macht1), so demnach, wie später Panaitios (D. L. VII 92) theoretische und praktische Tugend trennt. Mit der Tugend ist es wie mit dem Messer, sagt er, das nur ein einziges ist, jedoch das eine so, das andere anders durchschneidet; auch das Feuer hat nur eine Natur ((pvGiq), bethätigt sich aber an verschiedenen Stoffen. In seinen Definitionen der Tugenden, die sich an die Zenonischen inhaltlich und teilweise im Wortlaute an- schliessend, ist Ariston bestrebt, die Einheitlichkeit der Tugenden durch das Wort imar^ii^ und durch die Wieder- kehr der Gegensatzfigur3) nachdrücklicher anzugeben als

1) Es ist daher ganz erklärlich, wenn er Euseb. praep. ev. XV 62. 1405 Mign. die vier Kardmaltugenden schulmässig anwendet. N. Saal S. 22 Anm. 3 hat die Stelle nicht ganz ausgeschrieben, indem er ol ya.Q Sr Sid ye xovxo qiQOvifiajxsQOvg rj SixatoxeQovg r] dvSyeioxeQOvg rj aajcpQOvsa- xsQovg rj^iag h'oeod'ai weglässt. Der Satz fj-7jSsv ydg rjfitv soeo&ai nliov ist dem Aristippos eigen, da der Anfang eine ungeschickte Wiederholung zu fujz' o<pslog 6%eiv ti bildet. Eusebios hat gleich anfangs Ariston und Aristippos zusammengeworfen und vermengt so fortwährend die Ansichten beider Philosophen. Kol [irjv ov§s laxvQovg rj xaXovg r nXovolovg tov %üJQig ox>i oiovxs evdaifjLOvsiv gehört natürlich dem Aristippos, ebenso der Hinweis auf die Uneinigkeit der Philosophen, unter denen Aristoteles noch fehlt. Die Berufung auf Sokrates stammt von Ariston (vgl. Kleanthes fr. 77. Cic. off. III 3, 11). Mit Aristippos hat Ariston auch die Verwerfung der Physik und Logik gemein (Sext. E. math. VII 11).

2) Zen. dnovsfirjTeoig = Arist. vifirj, Zen. Siatgetioig = Ar. aigsi- od-ac Zenon bevorzugt die Komposita, daher ist Wyttenbachs ctige- xiotg für dioupexeoig überflüssig.

3) !Aya&a—xaxd. Auch in &aQQ£iv ysvysiv (vgl. Gal. S. h^KavBqsiav iniorrfirjv . . . äya&öjv xs xal naytöjv im Sinne Aristons) kann der Gegen-

75

sein Lehrer. Das Missliche der Zwitterstellung, welche (fQOvrjGig bei Zenon hat, ist vermieden durch die Ausdrücke smCTrjfjbi] und ticxfiai), welch letzterer die Grundtugend des stoischen Ideals (cocpog) wiedergibt.

Kleanthes ist kein Nominalist2), ja er hat mehr als vier Tugenden (fr. 78) 3) aufgestellt, indem er neue Tugenden, wenn auch von untergeordneter Bedeutung einführte. Aber auch er scheint das Verhältnis der (pQOvijaig zu den Einzel- satz gefunden werden. Ich wähle hier den Wortlaut des Galen os, der höchstens durch eine Mittelsperson auf Chr. zurückgeht. Die De- finition der (pQovrjoig bei Plutarch stimmt im Ausdruck (noitjzia aal ftr ■jioiTjrsa = tcqüzzsiv fiij nQazztiv), die weiteren im ganzen inhaltlich mit denen bei Galenos überein. Der Gegensatz aiqeio&at zäya&ä und (psvysiv za aaxd (Ariston Galen. S. 595 K. Senec. ep. 94,12 de bonis malisque de fugiendis petendisque) geht auf Aristoteles (eth. Nicom. 1113b, 1. 1116a, llf. 1172b, 19. 1173a, 12) zurück; vgl. •KQäxTsiv [tri itQaxxsiv 1113 b, 7. An eth. Nicom. 1113 a, 1 aiQovvzai yovv %b tfSv wg dya&6v erinnert Gal. S. 593,3 Müller.

x) Letzteres besonders ist Sokratisch: Xenoph. mem. HI c. 9.

2) Von der Einzeltugend iyxQaxsia sagt er toxtv (fr. 76); logisches Subjekt zu nalstxai ist wohl, wie in ähnlichen Fällen bei Chr., Zenon mit seinen Vorgängern.

3) An ein Miss Verständnis bei dieser Nachricht (Hirzel, Unters. II S. 97 Anm. 2) möchte ich nicht glauben, da Chr. neben Kleanthes genannt ist. Diogenes L. ist wieder aus sich selbst zu erklären. Zuerst gibt er die verschiedene Zählung der Tugenden an: zwei (theoretische, praktische: Panaitios), drei (logische, physische, ethische: alX<n), vier (Po- seidonios) und mehr als vier (Kleanthes, Chr., Antipatros), eine (cpQÖvrjoig: Apollophanes). Nur für die vier und mehr Tugenden „vier und mehr" gehört zusammen, wie das einmalige aai statt des bei den andern Gliedern stehenden Si zeigt fehlen zuerst die näheren Angaben. Sie bedurften einer längeren Ausführung und diese erfolgt dann mit der Aufzählung der Kardinal- und der untergeordneten Tugenden. Ferner : über die tvßovlla, eine vnoxtxayfiävrj bei Diogenes L., verfasste Kleanthes eine Schrift wie auch ttsqI agexarv. Die Einteilung in rtQojxcu und vno- itxay/nevai kann aber Kleanthes nicht geschaffen haben, da unter letz- teren die lyxQdxeia ihre Stelle erhalten hat. Somit ergeben sich für ihn thatßächlich mehr als vier Tugenden.

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tilgenden anstössig gefunden zu haben. Er nahm die (pqo- vrjGK, die im Zusammenhange eines physikalischen Werkes leicht durch den Begriff rovog unterdrückt werden konnte, aber in anderer Umgebung (fr. 89) doch zum Vorschein kommt, wahrscheinlich als Grundtugend, setzte jedoch nach dem Vorgang Xenophons l) bei den Einzeltugenden die syxQarsia ein, um die Vierteilung des Meisters zu erhalten2). Zur Bevorzugung dieser Tugend mag auch die Lehre des Stilpon und der Kyniker von der Bedürfnislosigkeit des Weisen beigetragen haben. Die Rücksichtnahme auf Zenon ist beim sprachlichen Ausdruck der Definitionen unverkenn- bar, da in die Definition der dvdqsia das Zenonische vno- [isvsrsoig herübergenommen und danach das i^ifjbsvsrsoig bei der syxQarsia neu gebildet ist. Dagegen berührt er sich im Gegensatz von alqsasig und ixxXiGsig bei der GoocpQocvvf], in neqi rag ä%lag bei der dixaiocvpi], sowie in xcct* a^iav näher mit Ariston (aiQsta&cu und (fevyeiv) als mit Zenon (ßiaiQSTsoig und dnops^fjTsoig). Und wie in der allge- meinen Definition der Tugend die Verwandtschaft zwischen Tugend und Handeln viel klarer ist, indem bei Zenon die Tugend nur als eine Eigenschaft erscheint, bei Kleanthes als eine genügend gross gewordene Spannung, die nur des Anlasses wartet, sich auszuwirken, so wird auch bei den Einzeltugenden die rein theoretische Tugend der (pqovijGig durch die praktischere der syaqccTeia verdrängt und dem Xoyog nicht die eigentliche Tugendhandlung beigelegt wie von Zenon, sondern nur die Rolle der Vorbereitung3).

x) Über Beziehungen des Persaios zu Xenophon s. Exkurs II.

2) Hirzel, Unters. II S. 101 ff. Dass nicht etwa iyxQazsca fr. 76 zufällig steht und nicht als neue Tugend, wie svßovlla, neben der (pQov-qois anzusehen ist, beweist die Nennung an erster Stelle und neben ävSgeia, Sixaioovv7], aojcpQoovvrj\ unter den Prädikaten seines Gutes er- innern an Tugenden nur (fr. 75) : xQaxovv iavzov (— iya^atsta), dlxcuov (== dwatoovvrj).

3) Zenon möchte den Xöyog am liebsten der Tugend gleichsetzen ;

Im übrigen ist Kleanthes in der Tugendlehre an Ariston vorsichtig vorbeigegangen. Der streitbarere Chrysippos hob den Handschuh auf und formulierte die von Ariston angeregte Frage so: unterscheiden sich die Einzeltugenden gemäss einer wesentlichen Eigenschaft (xarä s§iv oder xutcc noioTfjTa) oder nur gemäss einer unwesentlichen, momen- tanen (xccrä G%saiv)e? Der Buchtitel tcsqI tov noiag elvai zag äqsTag a giebt unzweideutig zu erkennen, dass Chry- sippos sich für den ersteren Teil der Alternative entschied, und er glaubte offenbar die Ansicht Zenons zu vertreten. „Die Tugenden sind nicht eine Vielheit von Lebewesen (animalia = £©a), und doch sind sie Lebewesen. Denn wie einer sowohl Dichter als auch Redner sein kann und doch nur ein einziger ist, so sind jene Tugenden Lebe- wesen, aber sie sind nicht eine Vielheit. Eine und die- selbe ist die Seele sowohl gerecht als auch klug als tapfer, indem sie sich in Bezug auf die einzelnen Tugenden auf irgend welche Weise (quodammodo = noioag) verhält" (Se- nec. ep. 113, 23) {). In der oben genannten Schrift zeigte Chrysippos in eingehender Kritik des Ariston2), dass die Vielheit der Tugenden und Laster nicht in dem Verhältnis zu den Objekten (ßv xr\ nqog ti tf/stf«) entstehe, sondern in den eigenen Wesenheiten derselben, die gemäss den wesentlichen Eigenschaften umgewechselt würden (sv xatg oixslaig ovdlaig vnaXXccrTOfisvaig xara Tag noiorijTagjS),

bei Kleanthes ist zu inl zotg (paveloiv zu ergänzen xaza zbv öq&ov Xoyov (s. Stob. ecl. II 61,12 TV. eyy.Qazsiav Ss iniozr^v dvvTtigßatov zöjv xazä zbv ÖQ&bv Xoyov cpavivzow; vgl. TVachsmuth z. St. und D. L. VII 93).

*) Hier ist mit inquit ein Zitat eingeleitet. Quemadmodum ist die bei Seneca gewöhnliche Übersetzung des Chrysippeischen xad-antQ. Po- seidonios stimmte in diesem Punkte dem Chr. bei; s. Gal. 590 K. Vgl. Hirzel, 470 Anm. Adverbiell ausgedrückt besteht der Unterschied zwischen Chr. und Ariston in noim und nojg.

2) Vgl. Stoic. rep. 1034 d.

3) Vgl. Chr. virt. mor. 441b xara r< noiov, ISla itoidzrjzt.

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wie es die Ansicht der alten1), vor Ariston und Chrysip- pos fallenden Philosophen wollte. In Kürze drückte das Chrysippos so aus: die Tugenden sind qualitativ {noiai, Gal. 590 f. K.). Ariston widerspreche sich (Gral. S. 592, 2 Müller); etwas Verschiedenes (stsqov) werde jedesmal durch die Wörter cciqstsov, noirirsov, 3aQQfjTsov, aya&ov angegeben (Gal. S. 598 K.). Über die Schrift tisqI rrjg öiaipoqaQ twv dgermv2) in vier Büchern (Gal. 589. 661 K.), die ohne Zweifel das gleiche Thema variierte, gibt Galenos (S. 599 f. K.) das Urteil ab, Chrysippos habe sich der aufs Wissen (sniöTruiovixa) und Beweisen (änodsMTixd) gegründeten Vordersätze (Äij fipccTa) bei seinen Schlüssen enthalten und sich in didaktischen, rhetorischen, sophisti- schen ergangen, wozu Galenos ganz besonders die Berufung auf die gewöhnliche Meinung, auf die Dichter und die Etymologie rechnet 3). Dagegen in der Schrift nsqi tov rcoiag eivai rdc dgeräg habe er sich mehr der aufs Wissen gegründeten befleissigt, die zwar in Wirklichkeit die An- sicht des Ariston zu Falle brächten, aber zu der eigenen Psychologie des Chrysippos nicht passten. Chrysippos' An- sicht über das Verhältnis von Tugend und Tugenden spiegelt sich in seinen Definitionen; danach ist die eine Tugend die Gattung, die einzelnen Tugenden sind die Arten. Wie Gattung und Art zusammengehören und doch verschieden sind, so gehören auch die Tugenden zusammen und sind verschieden. Je nachdem Chrysippos den Zusammenhang oder die Verschiedenheit der Tugenden hervorheben wollte, gebrauchte er in den Definitionen die Bezeichnungen sni-

1) tüjv nalaioiv.

2) Der Schrift und der Polemik des Poseidonios dagegen wird auch Gal. Quod animi mor. IV 820 K. gedacht (vgl. Hipp, et Plat. plac. S. 661 K.).

3) S. Gal. im zweiten Buche de Hipp, et Plat. plac. S. 212 ff. K. Vgl. S. 598 K.

79

arij(jbfj oder e%ig. Dem letzteren Begriffe gilt seine Schrift TisQi €%€cog in drei Büchern, die im Kataloge zu den über die Tugenden handelnden Schriften geordnet ist. So ver- wandelt sich unter den Händen des Chrysippos, der auch hier mit logischen Mitteln arbeitet, die bei Zenon noch innerlich einheitliche Tugend in einen festverwachsenen Komplex von wesenlich verschiedenen Einzeltugenden.

Die einzelnen Tugenden.

(Einteilung.)

Unter diesen Umständen hatte für Chrysippos die Ein- teilung und Anordnung der Tugenden eine aktuelle Be- deutung, und es ist kein Zweifel mehr1), dass die Klassi- fikation und die Definitionen der stoischen Tugenden zum grössten Teile auf seine Rechnung zu setzen sind. Kle- anthes hatte, wie seine evßovXia und syxgareia erraten lassen, ohne Rücksicht auf feste Gruppierung neue Tugenden aus- findig gemacht; svßovlia und syxqccTsia treten jetzt als Unterarten von Haupttugenden auf. Der Schüler des Kle- anthes Sphairos hat mit seinen sehr geachteten Definitionen und mit den Schriften nsql öfioiwv und neqi oqwv dem Chrysippos vorgearbeitet. Sphairos' Definitionen waren alle ziemlich ähnlich, aber sie gaben die gemeinsamen Merk- male (communes notiones) deutlich wieder, und indem er verschiedene Definitionen für einen Begriff gab, traten die verschiedenen Merkmale besser hervor. Die Tapferkeit ist nach ihm ein Zustand der Seele, welcher sich im Ge- horsam gegenüber dem höchsten Gesetze beim Ertragen befindet, oder das Festhalten am unverrückbaren Urteil beim Aufsichnehmen und Zurückweisen der Dinge, die schrecklich zu sein scheinen, oder das Wissen der zu

l) Dies gegenüber Hirzel, Unters. II S. 479 Anm.

80

fürchtenden und nicht zu fürchtenden oder überhaupt der Dinge, auf die man nicht achten soll, wobei das Wissen von diesen Dingen ein unverrückbares Urteil festhält (Cic. Tusc. IV 24, 53). Mir scheint aus dieser Uberlieferung hervorzugehen, dass Sphairos die verschiedenen Definitionen seiner Vorgänger in vermittelnder Absicht als im Grunde identisch nachweisen wollte mit der Bemerkung, dass bei der einen Definition mehr dieses, bei der andern mehr jenes Moment sich geltend mache1). Die erste Definition: dvöqsia iari diad-sGiq rrjg ipvxys xoivä vo^ico ev vjto^isvsts- oig dxokov&ijTMTj ist, da auch Chrysippos die wesentlichen Bestimmungen derselben wiederholt, wohl die eigentlich ethische Definition des Kleanthes. Von den beiden andern, die ich mir nicht zu übersetzen erlaube2), klingt die erste an Aristons ^aqqslv xai (pevysiv, quidquid publice expavi- mus (Senec. ep. 94, 7) und exactum iudicium de fugiendis petendisque (ebd. 94, 12), die zweite an des Herillos sTTiar^fiTj und €%ig äpsTanTOdToq vno loyov an.

Dem Chrysippos wirft Plutarchos vor, dass er einen Bienenschwarm von Tugenden zusammengebracht habe (virt. mor. 441a)3). Wir sind durch den glücklichen Umstand, dass die Schrift des sogenannten Andronikos4) nsql Tta&wv

*) Er ist vielleicht Phit. virt. mor. 441a (wozu Aug. Schlemm, De Plutarchi fontibus etc. Göttinger Dissert. 1893 S. 89 zu vgl.) gemeint.

2) stabile indicium xylo ig aacpalrjg (ßißaiog), conservatio tr^otg, conservans tj^tmcös, in rebus quae formidolosae videntur lv rotg (paiDofitvotg (Ariston) 8eivo7g (vgl. Sediajg fj Ariston), rerum formidolosa- rum contrariarumque aut omnino neglegendarum trv d'dvdQslav sncarrj- fiTjv, atv aiQSteov xal ujv svlaßrjreoy xai ovdeteQUiV D. L. VII 92?

3) Das Platonische Bild afirjvog wendet auf Chr. auch Alexandros Aphrodisias an (Chr. fr. 72, 23 Gercke opijvog yäg aixiojv na,ralsyovai).

4) "Wie der Name vor die Sammlung kommen konnte, erklärt Apelt, Beitr. z. Gesch. d. griech. Philos., S. 294f. Die mit xata Xqvo- innov überschriebenen Definitionen (S. 27 Schuchh.) scheinen that-

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die Definitionen unter dem Namen des Chrysippos erhalten hat, in der Lage, dieselben beurteilen zu können. Ich verweise hiefür auf die gediegene Dissertation von C. Schuchhardt l). Die Tugend im allgemeinen hat Chry- sippos als €7TiGTijfiT] bezeichnet, indem er den von Ariston vorgezeichneten Weg einschlug und vielleicht eine grössere Annäherung an Sokrates suchte. Das darf daraus ge- schlossen werden, dass in seinen Definitionen der Unter- arten dieses Wort meistens vorkommt2). Eben darauf führt der Buchtitel nsqi xaza^ipecog xai €7Tt,GTij[jbr]g xai dyvoiag. Aus demselben ist wohl zugleich zu entnehmen, dass die Definition des Wissens als xaTalrufjiQ äöcpaXrjc xai apsTa- TtTcoToc vTib Xoyov (Stob. ecl. II 73, 20 K.) Chrysippos auf- stellte. Die äyvoia wird dann ebenfalls eine xazäXfjipic gewesen sein; nichts anderes ist es bei der Verwandtschaft von xaraXriipic und GvyxaTa&söig, wenn Stob. ecl. II 111, 20 W. die äyvoia als iisTamwTixii Gvyxcaa&sGiq xai äti- &evrjg definiert wird. Wohl auch den Sokratischen Aus- druck aocfia hat Chrysippos, wie Ariston, zur Unterschei- dung von (fgovrjGic danebengestellt3). Die Tugenden teilte

sächlich den Wortlaut des Chr. getreuer wiederzugeben als die bei Stobaios. So vgl. S. 28, 10 Schuchh. ov xctTavafaoxofievT] de vtco tcövojv mit Chr. 3, 4. 5, 3 Gercke natavalianeiv\ Stobaios gibt einen weniger absond erlichen Ausdruck ov xojlvofisvrj Sia tiövojv (so ist statt ncvov zu geben). In der Definition der ay%ivoia hatte wohl Chr. nicht ix zov 7ict(/axQr,ua, sondern «| tinoyviov geschrieben. Tlola Ss7 tioisiv, noia d*oi> lautet ganz Chrysippeisch.

x) Andronici etc neql na.&a>v. Diss. Darmstadt 1883 S. 36ff. Dass Klemens von Alexandria durch Vermittlung des Musonios, wie Wend- land nachwies, aus Chr. geschöpft hat, erhöht einerseits den Wert seiner Mitteilungen und ist andererseits geeignet, manche einzelne Differenz aufzuklären.

*) Vgl. Gal. 596 f. K. Stoic. rep. 1036 a: Chr. will eine ernazi/iq erzeugen, xa&'rjv Ifiokoyovfiivoj? ßuooöfis&a. S. Wachsmuth z. Stob. ecl. II 56, 4.

8) S. Zeller IL 3 S. 220 Anm. 2. Virt. mor. 443 f. ist ein Unter- Dyroff, Etbik d. alt. Stoa. 6

82

er in zwei Gruppen, in Haupttugenden (ngarai) und in untergeordnete {imoTSTayiisvai). Auch das ist nicht so klar überliefert, aber aus den Einzelbe Stimmungen zu ent- nehmen 1). Panaitios hatte eine ganz andere Einteilung2), und Poseidonios blieb bei den vier Tugenden Piatons stehen. Chrysippos ist der erste nach Kleanthes, von dem mehr als vier Tugenden erwähnt werden. Endlich darf an die Einteilung der Leidenschaften und an die oqoi erinnert werden, wo Chrysippos von öiaiqecsiq, ysv?j und stör} sowie von den svavria sprach, welch letzterer Begriff in der Tugend- und Güterlehre öfter auftaucht.

Die Haupttugenden sind die bekannten vier, und jeder derselben ist eine Reihe von andern untergeordnet. Auch Chrys- ippos suchte die Definitionen der Vorgänger zu vereinigen; er wird an verschiedenen Stellen seiner Werke, je nach- dem er im Zusammenhange das eine oder andere begriff- liche Moment stärker betonen wollte, verschiedene Defi- nitionen gewählt haben4). Voran steht die Verständigkeit. Sie ist zum Beispiel in der Schrift nsgi sifiaq^sv^g (fr. 51, 5. 129, 57 Gercke) die leitende Tugend, wird ge- wöhnlich an erster oder auch an letzter Stelle genannt5),

schied von oocpia und yQÖvTjois angegeben ; doch verrät sich dort die Schule des Panaitios.

*) S. Zeller a. 0. S. 223 u. Anm. 1.

2) S. A. Schmekel. Phil. d. mittl. Stoa S. 216 f.

3) "Oqoi sind bei Eukieides den einzelnen Büchern seiner Elemente voraufgeschickt. Über eine Berührung des Sphairos und Eukieides s. Exkurs II.

4) So hat er auch für die sifiaQ/nivr] in den Schriften itsgl oqwv und nsQi scjuaQfiiv7]g eine Reihe von Definitionen {nolvTQbnojg dnocpaivs- xat Diels, Doxogr. 323 b, 16). Die stoische Sucht zu definieren waltet schon bei dem Worte rttog, wofür Stob. ecl. II 46, 5 W. drei inhaltlich gleiche Definitionen stehen.

5) Die beiden allgemeinen Tugenden cpqovtiqis und oüKpQoovvrj stehen vorn und am Ende, die mehr besonderen av§Qsla und dixaiooivT}

83

und auch ihre Definition gibt ihr diesen Ehrenplatz l). Sie ist das Wissen (ircKfryiit]) von dem, was zu thun, und was nicht zu thun, und was keines von beiden ist (ovSers- qcov)2), oder das Wissen von den Gütern und Übeln und dem, was keines von beiden ist3). Die Mässigung ist das Wissen von dem, was zu wählen (a^erwv), was zu fliehen ((psvxTwv), und was keines von beiden "ist4). Die Ge- rechtigkeit ist das Wissen, welches jedem das Gebührende zuzuteilen weiss (aTrove^THcr})5). Die Tapferkeit ist das Wissen von dem, was zu fürchten (Ö€tv(ap)J was nicht zu fürchten und was keines von beiden ist. Nach Cicero (Tusc. IV 24, 53) bestimmte Chrysippos die Tapfer- keit auch als Wissen von den zu ertragenden Dingen

in der Mitte D. L. VII 92. 126 <pQ. d. 8m. oojcpQ. 102 (pQ. 8m. d. aojcpQ. ; die allgemeineren vorne Stob. ecl. II 59, 3 W. <pq. oojcpQ. d. 8m. Andron. S. 19 Schuchh. q>Q. owyQ. 8m. d. S. 40 cpQ. a. d. 8. S. 27 cpq. d. Stoic. rep. 1042 f <p(>. d. ; umgekehrt fr. 26, 12 Gercke mstitia, fortitudo, con- tinentia, prudentia. Gal. 598 R. ergibt sich die Ordnung owcpQ. (= aigeztojv), q>Q. [= TtoirjTeojv), d. (= d'aQQaliüJv); die Sutaioavvi] konnte Chr. dabei wegen der Bestimmung dya&öv nicht brauchen. Wenn bei Seneca ep. 113, 23 nur drei Tugenden (iustus, prudens, fortis) erscheinen, so mag das von der Natur der Quellen abhängen; vgl. dort § 1. Chr. Stoic. rep. 1040 f werden genannt d. <pg. äy^dreia, xaQxeQlo. (in Polemik gegen die Peripatetiker), 1040 d ixsyaloxpvxia und oojcp^. (Polemik gegen Piaton), 1041 b tyngdtsia xaQztQia cpQ. d. 8m.

1) In einigen Fragen jedoch (Güterlehre, Lehre von den Hand- lungen) ist die 8txaioovv?i die wichtigere Tugend. S. später.

2) Chr. fr. 51, 6 Gercke; vgl. Schuchhardt S. 64 f. Wachsmuth z. Stob, ecl. II 60, 4. Die qiQÖvrjoig (prudentia) ist noch genannt fr. 26 Gercke. Stoic. rep. 1042f; vgl. fr. 129, 4. 132, 1 Gercke. Gal. 598 K.

3) Vgl. Chr. fr. 27, 1 Gercke. Gal. 598 K. nimmt Chr., gegen Ariston polemisierend, iinaz^u?] dya&ojv rs not nanöjv als Gattungsbestimmung und tnioxrjiiT) -noirjräojv y.al ov noirjtiojv als Artbestimmung.

4) Schuchhardt S. 66 f. Die aojcpQoavvrj kommt zum Beispiel bei der Enthaltsamkeit zur Anwendung (vgl. dici^eod'ai owcpQovw? Chr. comtn. not. 1061a).

5) Die 8ixaioovv7] ist noch Chr. Stoic. rep. 1035 c genannt.

6*

84

(perferendarum vTio^sveTstov) oder als die Eigenschaft (adfectio s%ig) l) des Geistes, die im Leiden und Ertragen dem höchsten Gesetze ohne Furcht gehorcht. Das ist eine Abkürzung der Definitionen des Sphairos2).

Auf die fein distinguierten untergeordneten Tugenden kann hier nur im allgemeinen hingewiesen werden; die Bedeutung der Definitionen ist in der Folgezeit keine ge- ringe gewesen. Bei der Enthaltsamkeit (iyxQccTeia), die als Unterart der cwyqoövvr} genannt wird3), ist die Definition des Kleanthes etwas abgeändert: sie ist das Wissen, welches über das auf Grund der gesunden Vernunft Einleuchtende ((pavsvTwv) nicht hinausgeht (ävvnsQßaTov). In die aoafpqo- avvrj ist ebenfalls die evßovlia aufgenommen. Auch zu einzelnen Definitionen der untergeordneten Tugenden finden sich Nebendefinitionen, so bei der m«^'«4) und xoüfiiojfjg5) und mit grösseren Abweichungen bei der £vipv%ia§), syxga- xsia1), svGvvaXla^ia. Ausser mit «TFJöV^f/ und s%ic scheint Chrysippos auch noch mit i^ircsigia variiert zu haben, so bei der €VTcc%iay und das stünde mit seiner Telosformel in gutem Einklang. Verwunderlich und ermüdend ist die

v) Chr. sagte demnach sowohl iTtioxr^ri als s^ig, wodurch sich ge- wisse Verschiedenheiten in der Überlieferung seiner Definitionen erklären.

2) Eine solche Abkürzung einer Definition heisst nach D. L. VII 60 imoy^atfr}.

3) Der Zusammenhang beider Begriffe bei Chr. erhellt auch daraus, dass dieser mit iynqatojg und aw^oVws wechselt: Stoic. rep. 1038 f (ntQi Jwg) mit comm. not. 1061 a (neyl -fredjv) zu vgl. Aus beiden Stellen ergibt sich ebenso der Zusammenhang zwischen ärdgeia (avÖQsim vnofxhtiv) und aagrsgia (xaereQTjoai), welch letztere im Verzeichnis der Tugenden als Abart der ersteren fungiert. Für die fisyaXoifwxia ist auf D. L. VII 128 zu verweisen.

4) Schuchhardt S. 45. 5j Ders. S. 49.

6) Ders. S. 44.

7) Ders. S. 51 ff. Vgl. vir. mor. 449d {iyyiQärsia und xagregia).

85 -

Fülle der Tugenden. Wir müssen aber bedenken, dass es sich für Chrysippos Ariston gegenüber um ein Prinzip handelte; er behauptete, entsprechend dem qualitativen Charakter der Tugend dürfe man eine Tugend mit be- sonderer Eigenschaft {töict Ttoiorqn) aufstellen. So gäbe es eigentlich eine Unzahl von Tugenden in jeder einzelnen Beziehung, nämlich soviel es gute Eigenschaften gäbe. Wie die Tapferkeit von dem Tapfern, von dem Sanften die Sanftmut, von dem Gerechten die Gerechtigkeit ab- geleitet sei, so Hessen sich auch von dem ya^ieig eine XctQievroTTjg, von dem so&log eine söfrÄOTrjg, von dem [Jbsyag eine \isyaKoTr\g, von dem xalög eine xcdoTTjg, ferner ebenso eine sTTide^iOTijg^ evanavrri&ia, evTQarreXia als Tugenden ableiten (virt. mor. 441b) 1). Jede dieser Tugenden defi- nieren zu wollen, konnte Chrysippos nicht in den Sinn kommen2). Von Wichtigkeit für die praktische Ethik waren die Tugenden ßaödixrj, GTQccTrjyixrj, nohrix^. Eine bemerkenswerte Eigenschaft gerade vieler speziellen Definitionen ist, dass die Etymologie mit Absicht an- gestrebt ist, so bei der svTiovicc, evxoivwvriGia, 7Tqcc6tijc u. s. w. und besonders auffällig bei der €vipv%lcc, wo statt des sonst gebrauchten objektiven Genetivs das subjektive ipvxfjg nach sjiiGTyfjLtj eingeführt wird. Verstösst diese Eigentümlichkeit nun auch gegen die Gesetze einer guten Definition, so verraten diese Definitionen, wenn man die

1) Ich gebe oben meine Auffassung der Stelle wieder. Ilagä steht, wie oft bei Chr., im etymologisierenden Sinn. Msyag ist sicher und y.akog wahrscheinlich eine Eigenschaft des stoischen Weisen.

2) Die Stelle beweist jedoch, dass Chr. wie die Tapferkeit und Gerechtigkeit, so auch die Sanftmut definiert hat; die Definition steht Stob. eci. II 115, 10. Ihm gehören wohl ferner die Definitionen der nqoYoia, lijfia (Entschlossenheit), a.QQ6v6x7]g, jLteyaloTtQeTcsia, aiaxrjqia^ tvxektia (Sparsamkeit), lizozrig (Genügsamkeit), avTaqyieia, sXev&eQioTTjg, öouytTjg, ^avxibxTjg,

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noch etwas formlosen Zenons daneben hält, doch einen gewissen Fortschritt und die Schule des Aristoteles.

Laster.

Es versteht sich bei der Stoa meist von selbst, dass, was von dem einen Teile eines Gegensatzpaares gilt, analog auch dem andern Teile zukommt. Daher wird dem Laster wohl die Eigenschaft der Inkonstanz und der Ver- lierbarkeit zugeschrieben worden sein1). Doch wird von Chrysippos neben der Wesensgleichheit und Wertgleich- heit der Tugenden dasselbe auch vom Laster, auf welches sich die Bezeichnungen Schlechtigkeit {tpavlovriq) und Schwäche der Vernunft2), Asymmetrie der Seelenstoffe oder Krankheit der Seele, Asymmetrie der Sehnen oder Spannungslosigkeit (drovla) und Schwäche (ati&svsux) der Seele f<), Asymmetrie der Teilungen des ^ys^ovixav oder Hässlichkeit der Seele4) beziehen müssen, ausdrücklich betont: weder ein Laster übertrifft das andere oder ein Vergehen noch eine Tugend die andere oder eine gute Handlung (Stoic. rep. 1038 c)5). Erklärlich ist indessen, dass die Kehrseite der Tugend- und Güterlehre im ganzen etwas dürftig ausgemalt ist, und das wird nicht lediglich auf die Schuld der Kompendien, sondern auch auf die der stoischen Schriften selbst kommen.

*) S. 41,2 und unten § 6 (Leidenschaften) und § 7 (n^onöitTOjv).

2) S. die Polemik Plut. soll. an. 4,3. Für Chr. s. Plut. de anim. procreat. in Timae. 6, 7.

3) Gal. 403. 439-440 K.

4) Gal. 439-440 K. 443. 444 K.

5) Der Satz, dass alle Vergehen gleich sind, scheint nach dieser Stelle der frühere, die Anwendung auf die Tugenden u. s. w. nur eine Konsequenz zu sein. Bezeichnend ist, dass Chr. den Ausdruck naxoQ- %ovv nicht auf die Götter angewendet wissen will, da auch das a/uag- zaveiv bei ihnen unmöglich sei (fr. 140,4 Gercke).

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Ariston stellt dem Wissen, der Tugend, die Unwissen- heit (ayvoia) entgegen, gemäss der wir unser Leben schlecht verwalten1), wenn wir schlecht und falsch denken und handeln; das Laster werde bald Unwissenheit bald Un- kenntnis (avsTtiüTriiioavvri) genannt2). Als Laster der Seele führt er die Feigheit (dsilia) auf, welche der Tapferkeit entgegengesetzt ist, und die Masslosigkeit {axokacrog), welche der Mässigung entspricht3). Ariston deutet damit die von Zenon (fr. 128) 4) aufgestellten Gegensätze zu den Einzeltugenden, nämlich Unverstand (dopQoavvfj g)Q0Vfjaig), Masslosigkeit (äxohaala), Ungerechtigkeit (adixia dixaiocv- Vfj)y Feigheit wieder nominalistisch. Statt der ä(pQoavvq wird von Zenons Nachfolgern als Grundlaster der Begriff äyvoia^)7 auch dvsniüTruioövvri^ änsiqoüvvri^) vorgezogen, die d(pQoavpTj selbst wohl in eine untergeordnete Stellung zurückgedrängt. Chrysippos schloss sich wieder enger an Zenon an und definierte die Unverständigkeit als das Nichtwissen [ayvoia) von den Gütern und Übeln und dem, was keines von beiden ist, oder das Nichtwissen von dem, was zu thun, was nicht zu thun und was keines von beiden ist; die Masslosigkeit als das Nichtwissen von dem, was zu wählen, was zu fliehen und was keines von beiden ist; die Ungerechtigkeit als das Nichtwissen, das nicht versteht, jedem seinen Wert zuzuteilen; die Feigheit als das Nichtwissen von dem, was zu fürchten, was nicht zu

1) JioixeTo&ai ist dann auch ein Lieblingausdruck des Chr.

2) Diese Unterscheidung entspricht wohl der von xaxojg (ayvoia)

Und ytvddjQ (ävS7tlOT7]{lOOVV7]).

3) Das ergibt sich aus der Wiederholung von aiyeio&ai in a'lgsaig und ytvyeiv in tpvyr (Gal. 591, 7 u. 593, 5 Müller) bei dxUaozog.

*) Der Name Laster ist hier nicht genannt.

5) Kleanthes hynm. Iov. 17 avoiai poetisch (vgl. avoi v. 2 Für Chr. s. S. 81.

6) Kleanthes hymn. Iov. 33.

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fürchten und was keines von beiden ist (Stob. ecl. II 59, 4 60,5 W.)1). Auch den Hauptlastern werden einige

eben das Nichtwissen der Dinge, deren Wissen die Tu- genden sind.

Ohne Zweifel legte die alte Stoa diesen Definitionen und Klassifikationen hohen Wert bei, und zwar haben dieselben nicht bloss eine logische, sondern auch eine ethische Seite. Chrysippos fasste den Satz von der Lehr- barkeit der Tugend in didaktischer Bedeutung. Die Tugend ist eine Kunst (V«X^)3)> das Laster eine Kunstlosigkeit (aTsyyla), an seinen Neffen Aristokreon war die Schrift über beide Begriffe (nsqi ts%V7\q xal aTe%viag) gerichtet. Er musste deshalb auf gute Einteilung und klare Unter- scheidung halten; in jeder Definition war gewissermassen eine sittliche Vorschrift verborgen. Übrigens hat Chry- sippos selbst seine Definitionen in einer längeren Schrift an Laodamas gegen die unrichtig denselben gemachten Vorwürfe verteidigt4).

Schlussbemerkung.

Der ganzen Tugendlehre der alten Stoa sieht man an, dass die Nachfolger Zenons und vor allem Chrysippos

v) Die Autorschaft wird bewiesen durch Gellius (fr. 26 Gercke).

2) Der Name des Chr. ist für letztere Bestimmungen (D. L. VII 93) nicht genannt.

3) Vgl. Sext. E. Pyrrh. III 188 xi%vT\v de eivai cpaav ovazrjfia in xaza- Xrjytojv avyysyvfivaa/btevouv und Bekkers Index s. v. rex^V- Der ästhetische Charakter des Begriffes avarrjfia ist Sext. E. math. VII 109 to Ss ovoz7]/*a aQt&fiös ausgesprochen.

4) Über den Wert der Klassifikation überhaupt s. L. Strümpell Die pädagogische Pathologie. Leipzig 1892. S. 195.

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von Aristoteles lernten1). Die Einwirkung beschränkt sich jedoch auf das Formelle und auf die Anregung der Probleme2). Innerlich aber besteht gerade hier zwischen Peripatos und Stoa ein ernster Gegensatz. Aristoteles be- hauptet gegenüber Sokrates, dass nicht alle Tugenden Wissen (snitiTriiirj) seien, wenn auch mit Wissen verbunden ((ist sTiiöTtj fiTjg), die Stoa setzte die Sokratische Lehre fort. Jener unterschied zwischen ethischen und diabe- tischen Tugenden; für die Stoa fallen letztere weg. Denn auch die (fQovrjGic ist bei den Stoikern eine ethische Tu- gend, und ihr „Wissen" (iTtiaryiitf) hat nur das Gute und Böse zum Gegenstande. Die stoische Tapferkeit ist, wie besonders klar aus Aristons Darlegung sich ergibt, das Wissen von dem, worauf man wahrhaft vertrauen oder nicht vertrauen darf, das heisst das Wissen vom wahrhaft Guten und Bösen; Gesundheit, Keichtum, Krankheit, Armut sind zu keinem von beiden zu rechnen (Gal. 597 K. ; vgl. Senec. ep. 94, 7 f.). Auf diese Weise konnten sie auch trotz Aristoteles die svßovXia als Wissen bezeichnen. Diese Auffassung des Wissens macht die stoische Ethik recht eigentlich zur Popularphilosophie, und so erfährt der Hochmut ihres Tugendbegriffes eine Milderung.

x) Gemeinsam sind neben den Namen der Haupttugenden die Namen der Hauptlaster, ausgenommen die &<pqoovvti, ferner svßovlla, iyxQaztta; manches, was bei Aristoteles nur nebenbei angedeutet ist, wie ivoxoyia. xoofiiozrjg, ayvoia, wird in das System hereingearbeitet. Bei der avSpeia spricht schon Aristoteles von vnofieveiv (eth. Nicom. 1115 b. 10; 18; 33. 1116 a, 12. 1115 a, 25). Dass die oüjq>QoovvV es mit den rjdoval zu thun hat, dafür s. eth. Nicom. 1117 b, 25. Der Unter- schied zwischen amatTjUT] und dö£a zieht durch die ganze Ethik.

2) Dieselben werden natürlich in der Stoa anders gelöst. So ist eth. Nicom. 1142a, 34 verneint, dass die evßovlia ein Wissen (&7iiozf]/urj) sei.

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§ 4.

Güter, Übel und mittlere Dinge1). Wesen derselben.

Von den vorhandenen Dingen, sagt die Stoa, sind die einen Güter (aya&ä), die anderen Übel (xccxa), wieder andere keines von beiden (ovdsTega)2).

Den Begriff „Gut" scheint Chrysippos so definiert zu haben: Ein Gut ist, was sittlich nützlich ist (D. L. VII 94) 3). Entsprechend wären dann das Übel das sittlich Schädliche4) und die mittleren Dinge das gewesen, was man bald gut, bald schlecht gebrauchen kann 5). Aus der stoischen Trieblehre, welcher hier der Aristotelische Satz, dass jedes Streben auf ein Gut gerichtet ist, zur Seite tritt, ergibt sich weiter, dass das Gut zu erstreben, das Übel zu fliehen ist6).

Durch die Ziellehre stand fest, dass das Gut, auf welches die innersten Triebe unsrer Natur hinstreben, die

r| Schriften von Kleanthes, Chr. (und Dionysios).

2) Zen. fr. 128. Cleanth. Epict. diss. H 19, 13 f. Ariston Gal. 597 K. Senec. ep. 94, 8; 12. Chr. Sext. E. math. XI, 11 rd de ps- ta£v rovxojy ddidcpoQa. Epict. diss. IT 19, 11 ff. ddidyoQa %d ue- za£v tovtojv. Comm. not. 1064c oww Iv rq q>voei . . . t(ov de nal fieza^v nal naXov /nev a>v ddiacpoQajv. D. L. VII 101.

3) Wenn D. L. YII 103. 98. Stob. ecl. II 69, 12 W. Chrysippeisch sind (s. später), so kann auch dieser Gedanke dem Chr. gegeben werden, welchen derselbe in der Ziellehre (s. S. 38 f.) und, wo immer er sich auf den sittlichen Nutzen bezieht, voraussetzt. Das "Weitere Idlug rjzo* Tcc'rev (sc. (xxpeleia) rj ov% hregov (ocpsXetag hängt, wie Sext. E. math. XI 22. Pyrrh. III 169 zeigt, mit der Heranziehung des yllos eng zu- sammen und gehört wohl wie alle gekünstelten Unterscheidungen der Güterlehre nicht hierher. Damit fiele auch Stob. ecl. II 69, 17 ff. "W*.

4) Vgl. Chr. D. L. VII 85 ff. Sext. E. math. XI 40. Pyrrh. III 176.

5) Sext. E. math. XI 61. Pyrrh. III 177. ,;) S. auch das Folgende,

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Tugend ist. Eine andere Frage ist die, ob ausser diesem Gute noch andre Dinge als erstrebenswert zu erachten sind. Die alte Stoa hat das, im schärfsten Widerspruch gegen die andern philosophischen Schulen, verneint, und so ist auch die Ubersetzung des Wortes rsloc, welches zudem die Stoiker, wie sich zeigt, ihrer Gepflogenheit getreu ety- mologisch fassten1), mit „höchstes Gut" hier logisch verfehlt. Nicht das höchste Gut ist ihnen die ganze sittliche Würde 2), sondern das einzige Gut, und ebenso ist die sittliche Hässlichkeit nicht das grösste, sondern das einzige Übel 3). Alle übrigen Dinge seien gleich und es mache nicht das Geringste aus, ob sie da seien oder fehlen4).

Eigenschaften des Gutes und des Übels.

Über die Eigenschaften, welche die Stoa ihrem Gute zuschrieb, geben uns Verse des Kleanthes Auskunft, deren Inhalt als Pendant zur Schilderung des Weisen wohl auf Zenon zurückgeht, Sie lauten (fr. 75):

rdya&öv iqcorag fiolov £Gt; äxovs 6y. tstccyhsvov, dixaiov, oöiov, evtießsg,

1) Vgl. die § 7 folgende Erörterung über den Unterschied von xekog und oxonog sowie Cic. fin. III c. 6 u. 7.

2) Decus = honestas Cic. fin. II 11, 35.

3) Zen. Cic. off. III 8, 35 honestas sola expetenda. leg. I 21, 55. fr. 125. 126. 127 Pears. Ariston Senec. ep. 94, 8. N. Saal S. 31 u. Anm. 2; vgl. Cic. fin. IV 15, 40; 25, 68 = 28, 78. V 9, 27. Heriii. von der imoxr/iri Cic. fin. II 13, 43. 5. 8, 23. Chr. fr. 136, 4 Gercke. Daher kann der Abschnitt bei Stobaios, der beginnt: rw 3k ä'/aftojv za /nsv elvai agszag, za d' ov (ecl. II 58, 5. 59, 3 W.) nichts mit Chr. zu schaffen haben; auch wenn dort die [i£yaXoyv%ia zu den Dingen gerechnet wird, die nicht Wissenschaft {iniaxrjfiai) sind (58, 13 W.), ist das ein Widerspruch mit der Definition der fityaloxpvxia bei Chr. Auf dessen Standpunkt stand in der Güterlehre auch noch Diogenes von Seleucia (Epict. diss. II 19, 13).

4) Zen. Cic. leg. I 21, 55. Ariston N. Saal S. 31 u. Anm. 2; vgl. Cic. fin. in 3, 11 ; 15, 50.

xQarovv eamov, xQjjöifAor, xaXov, dsov,

CCVÖTIJQOV, aV&SXCCÖTOP, alel CVfMfSQOV,

cupoßov, äXvrcov, XvötTeXsg, avwdvvov,

(tifpsXiiiov, svccqsGtov, ccG<paXsq, <plXov,

evti^ov ö(Jbokoyov[jb£vovl).

svxXssq, ärvcpov, s7TifieXsc, nqaov, Gyodqov,

XQOViiojJbsvop, äfis[iTTTov, alel diaiisvov. Bei Diogenes Laertios (VII 98 f.) stehen von den dreissig Epitheta nur sieben und sind noch zwei andre, ev%qr\GTOV und alqsTov, hinzugefügt. Stobaios (ecl. II 69, 11 W.). führt an : ütysXifJtcc, ev^qfiaua, GVfMpsQOPTCc, XvöitsX^, anovdata, TZQSTiovra, xaXa, olxsla2). Die Übertragung dessen, was Kleanthes von dem Gute als solchem gesagt hatte, auf jedes Gut und die etymologisierende Begründung für die einzelnen Prädikate darf dem Chrysippos gegeben werden3). „Jedes Gut", heisst es (D. L. VII 98), „ist zuträglich, ver- bindlich, dankbar, brauchbar, vorteilhaft, schön, nützlich, erstrebenswert und gerecht. Zuträglich (öv[ji(f)€QOv) ist es, weil es solche Dinge trägt ((fsgei), durch deren Zutreffen

*) Vielleicht ist als! xQtiarhv statt sv%q7}otov, welches das fünfte Synonym zu xQVai^0V ist, einzusetzen; die Verderbnis scheint durch evdgeozov veranlasst.

2j Vgl. Pearson zu fr. 75.

3) Auch Eirjzelbestimmungen (xalöv, atgstov) weisen auf Chr. hin. Was sich Stob. ecl. II 100, 15 W. findet, ist eine einheitliche (owxalvsiv Z. 23. 28. Siaxsiveiv 101, 3) Überarbeitung, die den Ausdruck verständ- licher macht, z. B. bei Ivaitelk. Die Etymologie von IvatteXh fehlt'; dagegen kommt die haarsträubende von dya&öv (dyei ml xbv oq&öv ßlov) und xaXöv (von xalelv). Der Autor gehört zu denen, welche nicht mehr bloss ein dya&bv annehmen, da die Prädikate auf die dgeti] angewendet sind und diese als neues Prädikat das Epitheton dya&ov erhält. Neu ist ausserdem nolkov a£to>-, avzaQxsg, dvevdtig, dito%Q<jjv und zwar stehen diese am Anfang und Schluss, der alte Kern in der Mitte; das einge- schobene dvayxcuov scheint ein Ersatz für deov des Kleanthes. Jixaiov fehlt, da dixaioavvi] selbst eine Tugend ist. Stob. ecl. II 72, 19 W. wird eine gelegentliche Äusserung des Chr. zu gründe liegen.

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(av^ißaivovTcov) wir Nutzen haben1); verbindlich (dsov), weil es in dem gefesselt hält, was sieh geziemt; dankbar (Xvtii- rsXsg), weil es das darauf Verwendete (rsXovfisva) entgilt (Xvei), so dass die aus dem Geschäfte erwachsene Gegen- leistung durch den Nutzen den gemachten Aufwand über- bietet2); brauchbar (x^ö^ov), weil es einen Gebrauch (xqsiä) des Gewonnenen gestattet3); vorteilhaft (svxqvjötov), weil es den Gebrauch lobenswert macht; schön, weil es sich zu seinem Gebrauche symmetrisch verhält; nützlich, ((acpshfjLOv), weil es derart ist, dass es nützt (w<psXstv)', er- strebenswert (aiQsrov), weil es derart ist, dass wir es mit gutem Grunde (svXoywg) erstreben (aiQeTG&ai); gerecht, weil es mit dem Gesetze harmoniert und gesellschaftliche Ver- einigungen (xowcoviccg) herbeiführt". Wenn die Prädikate OTiovdala, tvqsjiovtcc, oixsZcc (Stob. ecl. II 69, 12 W.) eben- falls auf Chrysippos zurückzuführen sind4), so ergibt sich für ihn von selbst die Umkehrung: alle Übel sind schäd- lich, unvorteilhaft, unzuträglich, undankbar (dkv(TiTelrj)b), ungeziemend, hässlich und fremd (avoixeia Stob. ebd.). Daraus geht hervor, dass Chrysippos einen lobenswerten Gebrauch des Gutes wollte.

Ganz besonderes Augenmerk hat Chrysippos dem Satze geschenkt, dass nur das Gute schön sei. So schliesst er : „Die guten Handlungen sind schön, die

*) 2vfj,<fOQov, aovfMpoQov begegnet bei Chr. öfter.

2) Vgl. vnsQaiQtiv transitiv in der Definition der (ityaloyvxia Schuchardt S. 73; auch dTxeQyateo&ai kommt bei Chr. vor.

3J Vgl. Chr. Stoic. rep. 1038 a xoig cpavXoig ovdsv elvai %QTjoifiov ovÖ' i'xeiv jrpf/av xbv (pavlov ovSevog.

*) Das Folgende zeigt, dass Chr. gelegentlich das tvd^toxov des Kleanthes erneuerte (mit dqeoxov) und die Prädikate oepvdv, xaQT(>v, l-rtaivtxöv hinzufügte; nach den anzuführenden Cicerostellen scheint anov. daiov (honestum) nicht gefehlt zu haben. Alqtxdv, xalcv und aefivöv auch Stobl. ecl. II 99, 1 W-, wo eine Äusserung des Chr. vorliegt.

s) Vgl. Chr. Stoic. rep. 1042 b ftTjSsv tcvai xoig acpgoai XvoixeXeg.

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schlechten hässlich (aic%qa), das Schöne ist zu loben (sncuvsra), das Schlechte (xaxa) zu tadeln" (ipexTcc fr. 51, 9 Gercke) oder: „Wenn es Tugend und Laster gibt, gibt es ein Schönes und Hässliches" (fr. 55, 10 Gercke). Dem Schönen widmete er eine Monographie [nsql tov xa- Xov)y aus der Folgendes erhalten ist (Stoic. rep. 1039 c): „Das Gute ist erstrebenswert (aigsrov), das Erstrebenswerte gefällig ((xqsGtop)- das Gefällige lobenswert; das Lobens- werte schön1)". Oder anders: „Das Gute ist erfreulich (xccqtov), das Erfreuliche erhaben (ösfivor), das Erhabene schön2)". Bei der Gewohnheit, die Glieder jener Sätze wie bei mathematischen Gleichungen zu vertauschen, kam Chrysippos leicht zu dem Satze : Nur das Schöne ist gut (Stoic. rep. 1039c. D. L. VII 101) 3), das ist die Tugend und das, was an der Tugend teil hat. Gleichbedeutend ist: Jedes Gute ist schön; denselben Wert wie das Schöne hat das Gute, welches jenem gleich ist. Denn weil es gut ist, ist es schön; es ist aber schön; also ist es gut (D. L. VII 101) 4). Analoges wurde dann selbstverständ- lich auch vom Übel ausgesagt3). Im vierten Buche ttsqI Tia&wv setzte Chrysippos bei der Seele Schönheit und Ge- sundheit gleich; beide bestehen in der Symmetrie {av^i- [astqIcc Gal. 448 ff. K.). Wir sind nur zum Schönen eigen- tümlich angelegt, was auch das Gute ist (Gal. 460 K.). Demnach mag auch die stoische Definition des Schönen Chrysippeisch sein: Das Schöne ist das vollendete Gute

1) Vgl. Cic. fin. III 8, 27.

2) Vgl. Cic. Tusc. V 15, 43.

3) S. S. 91, 4.

4) Der Syllogismus mag von Chr. stammen; wichtig ist, dass ausser der äysTTj nur die fitrixovza aQSTijg genannt werden. Die Gleichsetzung von dya&6v und xaXöv erscheint als stoisches Beispiel Simplic. in cat. 63 a, 3, wo die Unterscheidung von dt avvo aiperbv = xalov und rb xara (pvaiv aiQexov dya&öv peripatetisch oder spätstoisch sein mag.

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(to tsXsiov ayad-ov) deshalb, weil es von der Natur alle ge- wünschten Zahlen erhalten hat1), oder das vollendet Sym- metrische [rb Tslsonq av^neTqov D. L. VII 100) 2). Der Gedanke der ethischen Symmetrie beherrscht den Chry- sippos auch bei der Definition der Leidenschaft (Gal. 369 f. K.). So fügt sich für die Stoa selbst die Ästhetik in den Rahmen der Ethik; die moralisierende Richtung ihrer ästhetischen Betrachtungen ist damit von vornherein fest- gelegt3). Im Grunde genommen ist jener Satz nichts an- deres als eine Übertragung seiner Telosbestimmung, die im cvfjLcpwpoog gipfelt, in die ästhetische Sprach- und Denkweise; freilich ist aber damit der Gedanke zugleich schärfer formuliert worden4). Umgekehrt ist jedoch auch zu beachten, dass Chrysippos in seiner Ethik durchweg von ästhetischen Anschauungen beherrscht wird, so wenn die Vernunft als künstlerische Bildnerin des Triebes dargestellt (D. L. VII 86) 5) oder die gute Handlung wie das Schöne

J) Die Theorie scheint von Polykleitos auszugehen; s. Exkurs III 3.

*2) Die Arten des Schönen und Hässlichen D. L. VII 100 gehören wohl dem Hekaton, schwerlich dem Chr. ; vgl. iniox^fiovcxov mit D. L. VII 90 bi ioxt] uov mag. Für die aojq>Qoavv7] tritt die xoofiibxriq (koo/j-iov, axoofiov) ein.

3) Aus den bekannten Horazversen ep. I 2, 3 f. Qui quid sit S pulchrum, quid turpe, quid utile, quid non etc. ist zu entnehmen, dass Chr. als Autorität in diesem Falle galt. Von schönen und hässlichen Dingen spricht bereits Zen. fr. 169.

4) Die offenbar einem Komiker entlehnten Verse, die Athen. IV 158 b aus der Schrift tisqI v.akov anführt, scheinen zu besagen: „Alles zu seiner Zeit", was dem ästhetischen Grundsatze der ov^txqia ent- spricht. (Die Akalephen erwähnt Chr. neben Austern, Purpurschnecken und Vögeln als um unseres Vergnügens willen geschaffen Plut. es. carn. 95, 3, 2. EI 57, 51 Paris.) Mit dem bei Athenaios kurz zuvor angeführten ort xe nävxa sv noirott 6 oo(pog xal (paxr/v cpQoviixojg aQzvoei haben die Verse nichts zu thun.

5) Vgl. D. L. VE 51. Plut. de fort. c. 5. Das Recht ist nach Chr. ct(/ooto't7/S xojv xalojv.

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definiert wird1); und findet sich die Ethik oder die Tu- gend als Kunst bezeichnet2), so geschieht das seitens der Stoa mit dem Hinblicke auf die bildende Kunst.

Unter den aufgeführten Prädikaten des Guten war das letzte das der Gerechtigkeit {öixaiov)^ das Gerechte er- scheint dann (D. Lt VII 100) unter den Arten des Schönen. Es ist kein Zweifel, dass Chrysippos das Gerechte und das Schöne für identisch erklärte, wenn er das Gute zu- gleich schön und gerecht nannte. Unter seine Defini- tion des Schönen Hesse sich das Gerechte ohne Mühe bringen ; die Fragmente der Schrift nsql dixaiocvvyc, die wesentlich politischen Inhalt hatte, bezeugen, dass darin die Idee von der Symmetrie durchgeführt wurde 4). Wie das Schöne von der Natur (vtzo rrjg (pvüecog) her- kommt, so dann natürlich auch das Gerechte, und die Schrift 7tsqI xalov spricht es, im bewussten Widerspruche gegen die sophistische Aufklärung deutlich aus, dass das Gerechte von Natur und nicht durch Satzung sei (<pv<S£i xal liri -9-sösi), wie auch das Gesetz und die gesunde Vernunft (D. L. VII 128; vgl. Stob. ed. II 94,7 W.). Das Gerechte und das Schöne sind ferner in der Schrift tzsqi tov xalov xal TieQi rrjg ißovijcb) in engste Verbindung gebracht ge-

') S. § 5.

2) Als ars vivendi zeigt sich die stoische Ethik besonders in der Polemik des Sextus Empiricus. "Wegen der Tagend als t£%vt) und des Lasters als dra%via s. Stob. ecl. II 58, 12 ff. Chr. Stoic. rep. 1050 a. S. S. 88. zexvosiSeg Heriii. s. S. 50.

3) Das bUaiov und ayaüöv werden D. L. VII 53 zusammen ge- nannt; danach kommt der Mensch auf diese Begriffe von Natur {yvoixus).

4) S. avfifikQus tfi x^eia, Chr. Stoic. rep. 1038 b; vgl. 1049 a. Cic. nat. deor. 2, 14, 37.

5) Möglich, aber bei der bekannten Manier des Chr., seine Ge- danken in verschiedenen Werken zu wiederholen, nicht notwendig ist die Annahme (Baguet 279 f), dass ntQl xakov nur der erste Teil obiger Schrift war, etwa wie das d'sQamvtDtöv der Schluss der Schrift 7rf(n nad'ujv

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wesen; im ersten Buche derselben wies Chrysippos darauf hin, dass die älteren Maler l) und Redner die Gerechtigkeit gewöhnlich etwa so darstellten: von jungfräulicher Gestalt und Bildung , heftigem und furchterweckendem Anblick, mit feurigem Blitzen der Augen und mit der Würde eines weder demütigen noch wilden, sondern sozusagen ver- ehrungswürdigen Ernstes. Jungfrau werde sie in symbo- lischer Weise deshalb genannt, weil sie unversehrbar sei, niemals den Ubelthätern etwas nachgebe und weder die feinen Reden, noch ein Erbitten und Flehen, noch Schmei- chelei, noch etwas anderes derart zulasse; dementsprechend werde sie auch finsterblickend gemalt, das Antlitz zu- sammengezogen, feurig und scharf blickend, so dass sie den Ungerechten Furcht einflösse, den Gerechten aber Mut, indem ihr Antlitz dergestalt den einen höchst freundlich, den andern schroff entgegenblickend sei (Gell. noct.Att. XIV 4). Die weiteren Äusserungen des Chrysippos über das Ge- rechte fallen der Politik zu.

Arten des Gutes und des Übels. Wenn Tugend und Gut, Laster und Übel gleichgesetzt waren, so mussten- die Stoiker, da sie Arten der Tugend annahmen, trotz der Singularität des Gutes doch Arten desselben aufstellen. In der That fehlt eine ähnliche Be- stimmung nicht: Güter sind die vier Haupttugenden und alles, was Tugend ist, sowie alles, was an der Tugend teil hat-, Übel sind die vier Hauptlaster, die übrigen Laster und, was am Laster teil hat2). Es ist ganz natürlich, dass Herillos nur die Wissenschaft und Ariston nur das Rechte

Jj Über die Allegorie in Kunst und Litteratur K. Prächter, Quanam aetate Cebetis tabula conscripta etc. Diss. Marburg 1885 S. 84 ff.

2) S. S. 90, 2. Für Chr. noch D. L. VII 102. Stoic. rep. 1042 c. Da der nach Stob. ecl. II 78,3 W. folgende Gedanke von Chr. her- rührt, geht ihn wohl auch der Satz loodwapei . . . . \6 aalbv (?) xa- ya&öv xat fr/ ä(>6T7/ xai xo {iezo%ov aQ£tr$ an.

Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 7

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und Ehrbare, das ist eben nur die Tugend, als Gut und nur das der Tugend Entgegengesetzte, das Schimpfliche als Übel zulassen. Von Chrysippos, bei dem der Begriff sTZiysvvTHia bereits in der Ziellehre sich bemerkbar machte, scheint folgende Erweiterung zu stammen1): „Die Tugend ist etwas derartiges, dass das Teilhabende (fisTsxovra) die tugendhaften Handlungen (rag nqa^eig rag xcct aQSTfjv) und die Guten (aiiovdaioi) sind, späterer Zuwachs aber (eniyevvri fiara) die Freude (xccqcc), das heitere Gemüt (sv- (pqoGvvrj) und ähnliches. In gleicher Weise sind auch bei den Lastern das eine die Unverständigkeit, Feigheit, Un- gerechtigkeit und so weiter; das an den Lastern Teilhabende sind die lasterhaften Handlungen und die Schlechten ((pavXoi)', späterer Zuwachs aber der Missmut (dvö&vfjbia), verdriessliches Wesen (ßvö<pQ0Gvvrj) und dergleichen".

Ausser diesen Gütern ist nichts zu erstreben, ausser diesen Übeln nichts zu fliehen2).

Dass nach Chrysippos die Güter und Übel wahrnehm- bar sind, ist bereits erwähnt3). Seiner Güterlehre darf

*) Dass D. L. VII 95 c chrysippeisch ist, dafür spricht ausser ^itysvvrjfiaxa (vgl. D. L. VII 86) besonders (isrs%ovta, was sich ja schon bei Zenon findet. Die Ansicht, dass Handlungen Güter beziehungs- weise Übel sind, wird in dem Schlussverfahren Chr. Stoic. rep. 1042 f vorausgesetzt. Dem roiovzov 8' slvai ttjv a^sr^v ojg (ajaxe?) .... slvai § 94 lässt sieh im Ansdruck die Konstruktion toiavta yb.Q rdyad-ä ian roig ävd-Qoj7toig üjozs izqotsqsTv Chr. Stoic. rep. 1042 b vergleichen. Die Einteilung D. L. VII 96 f. ist anders; da sind alle tugendhaften Handlungen nebst evyQoovvr] bereits äya&a, TsXutd, jede lasterhafte Handlung nebst §vo&v[ila bereits xaxa xekmä, indem \dya*&d, (jLzikyovTa. und biiysvvrjfiaTa in eins zusammengeworfen werden.

2) Ariston (s. S. 91, 3) meint nur Tugenden und Laster (vgl. Senec. ep. 94, 11 aequitatem per se expetendam), Herillos die Wissenschaft (Cic. fin. V 25, 73). Chr. Gal. 599 K. : „Das Gute selbst ist allein zu erstreben (afyeriov), zu thun (noiTjriov) und zu wagen {&aQQ7}xe ov) " . Aus dem Zusammenhange geht hervor, dass dies des Chr. Meinung war.

*) S. 65.

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wohl auch der Satz einverleibt werden: „Alle Güter sind gleich (/ff«), und jedes ist aufs höchste zu erstreben und nimmt keinen Nachlass (avetiio) und keine Anspannung (sTvkaGiq) an" (D. L. VII 101) ]). Zwar ist zunächst an Hekaton als Autor zu denken ; doch enthält der Gedanke nichts, was sich nicht aus anderen Sätzen des Chrysippos2) von selbst ergäbe. Die Gleichheit der schlimmen Handlungen setzt eine solche der Übel voraus, und diese wieder lässt auf Gleichheit der Güter schliessen. Das Weitere ist eine Folge der Lehre vom Zusammenhang der Tugenden, die ja die Güter sind, und die letzte Bestimmung ist eine Um- schreibung des Begriffes diad-eöig mit der Terminologie der Tonoslehre, sie führt auf den Chrysippeischen Aus- druck svrovict. So versteht sich denn, weshalb Chrysippos noch besonders erklären musste, dass nicht jedes Gut in gleichem Masse zur Freude ausschlage (Chr. Stoic. rep. 1046 d.)3).

1) Vgl. Plut. de fort. 99 C enixaoig avsaig.

2) Mit in anqov atqexdv vgl. Chr. Stob. flor. 103, 22 6 an olxqov npoxonrorv. Stoic. rep. 1048 e in anqov.

3) In den weiteren Bestimmungen der Güterlehre (D. A. VII 94_104. Stob. ecl. II 70—75 W.) herrscht kein einheitlicher Geist. Nur auf künstliche Weise lassen sich alle vereinigen, ein Beweis dafür, dass wir spätere Zerspaltungen einfacherer Begriffe vor uns haben. Bei Diogenes ist Hekaton § 101—103 dreimal mit Chr. zusammengenannt. Die Tendenz liegt offen zu tage : das persönliche Glück und das Gutsein des Einzelnen für sich ist nicht mehr das Einzige und Erste, es nimmt fast einen untergeordneten Rang ein (D. L. VII 95). Die guten Hand- lungen erscheinen nur als „Vervollständigungen" des Glücks (D. L. VII 96 xa#ö avunl?]qovaiv), was nach Sext. E. math. XI 30. Pyrrh. III 172 nur einige Bestimmte (iivig) annehmen er denkt dabei sicher nicht Chr. Die Begriffe Vaterland und Freundschaft dagegen treten gleich hier hervor. Nach dem Muster der aus Piaton (Leg. 697 b) abgeleiteten peripatetischen Scheidung der Güter in nsql xr\v yvxyv, xa nepi xb aiZfia und xa ütxög (Aristot. eth. Nicom. 1098 b, 12. Stob. ecl. E 125, 10 W.) ist die D. L. VE 95 mit hi angereihte (Sext. E math. XI 46.

7*

100

Die mittleren Dinge.

Da Tugend und Gut, Laster und Übel ineins gesetzt werden, die guten und schlechten Handlungen aber ein besonderes Kapitel beanspruchen und die guten Menschen in der speziellen Ethik ihren Platz finden, so könnte eine eingehende Güterlehre nur eine Tautologie zur Tugend- lehre sein. Das Hauptgewicht der altstoischen Güterlehre fallt demnach auf den Abschnitt über die mittleren Dinge1), wenn auch Zenon ursprünglich nur Güter und Übel der ethischen Betrachtung für würdig gehalten und erst später 2) die Gruppe der in der Mitte liegenden Dinge in sein System eingeführt haben mag. Es mussten, wenn nur die Tugenden Güter sind und das Gegenteil Übel, vorwiegend negative Behauptungen ausgesprochen werden, und zwar wurde selbstverständlich insbesondere den Dingen die

Pyrrh. HI 181) gebildet; Chr. aber behandelt die Dreiteilung der Güter ebenso als Irrlehre wie den Hedonismus (Orig. c. Cels. 8, 51 patr. 11, 1592 Mign.; vgl. Cic. fin. III 13, 37, was Chrysippeisch zu sein scheint), und jene Einteilung war für ihn zwecklos. Diese Thatsache beweist, dass Diogenes Laertius mit hi stets neue Einteilungsversuche einführt. Auch bei der Einteilung der die Seele betreffenden Güter in Sta- ftioeis und ovd-'et-eig ovxs dia&ioeig schleicht sich eine andere Termino- logie ein, als wir sie von Chr. erwarten. Endlich nennt Diogenes den Chr. nur bei einfacheren Bestimmungen.

x) S. Sext. E. Pyrrh. III 177. Sie heissen noch bei Chr. olde- xega (vgl. z. B. Chr. Stoic. rep. 1048 a und ovUxsqa in den Definitionen der Tugenden S. 83), piaa oder xd dvd /u-iaov, xd [isral-v (Ariston N. Saal S. 35 f.). Diels Doxogr. 651, 19 wird daher Zenon gemeint sein (6 S' al fieoov dya&ov xal xaxov). Zenon (fr. 130; vgl. 126) und Ariston nennen sie auch xd exsqa (&äx£Qa); reliqua (Senec. ep. 94, 8), cetera (Cicero). Vgl. Hirzel, Unters. II S. 45 Anm. Den Ausdruck ddiayoga gebraucht Chr. in wörtlich überlieferten Fragmenten nur, wo er gegen Ariston polemisiert; im übrigen fällt derselbe den Berichterstattern zur Last.

2) Cic. fin. IV 19, 54; 20, 56.

101

Eigenschaft eines Gutes aberkannt, welchen dieser Rang von andern Schulen oder von der öffentlichen Meinung zugesprochen wurde. Gerade hier stimmt gegenüber der herkömmlichen Ansicht die Stoa den wegwerfenden Ton der Aufklärung an1).

Als mittlere Dinge werden deshalb gewöhnlich auf- gezählt: Leben und Tod, Ruhm und Schande, Mühe und Lust, Reichtum und Armut, Gesundheit und Krankheit und ähnliche2).

Jedoch durften sich die Stoiker, da sie allein standen, nicht bei dem destruktiven Hinweis auf die Hinfälligkeit der Volksmeinung genügen lassen; eben wegen des Wider- spruchs gegen das eigenste Fühlen der Griechen wurden positive Beweise verlangt. Ariston wendet sich im Streben nach Eindruck ans Gemüt: um zu beweisen,' dass Reich- tum weder ein Gut noch ein Übel ist, solle man zeigen, dass Reiche die unglücklichsten Leute sind3). Um zu be-

x) Es versteht sich von selbst, dass die Antipathie der Stoa gegen den Autoritätsglauben von diesem Punkte ihren Anfang nahm ; das geht aber auch aus den Galen- und Senecastellen für Ariston und aus Zen. fr. 201 hervor.

*) Zen. Stob. ecl. II 57, 18 W. Ariston Gal. 597 K. Senec. ep. 94, 7 pecunia, mors, dolor. 8 reliqua omnia divitias, honores, bonam valetudinem, vires, imperia. Reichtum Stob. flor. 94, 15. Cleanth. u. Chr. Epict. diss. 2, 19, 11 nlovxog, vyfeia, ^our, öavazog, tfdovj], novog. Chr. Stoic. rep. 1043 e. 1048 b : Für den Guten bedeutet der Verlust seines Vermögens soviel wie der einer Drachme, fr. 137, 6 Gercke: Reichtum, Ruhm (<%£a), Alleinherrschaft (rvpayWs; vgl. Stoic. rop. 1048 b) sind keine Güter ; die Ansichten der Menge darüber sind Wahnsinn. Stob. flor. 7, 21: Der Weise empfindet wohl den Schmerz (ä).yt7v) ; aber er lässt sich nicht durch denselben überwältigen. Zijv und rJäovTj als dSidupoga Chr. D. L. VII 189. Daher auch Chr. Stoic. rep 1033 d die abfällige Äusserung über ydsojg. [Gegen Glücksgüter Chr. Ps.-Libanii ep. lat. 2, 21 S. 759 b Wolf].

s) Die Interpunktion bei Haase ist verkehrt. Nach malum esse ist der Doppelpunkt und nach divites der Punkt zu setzen, wie die

102

weisen, dass das Volk Tod und Schmerz über Gebühr fürchte, solle man betonen, dass im Tode, den wir einmal nach einem Gesetze erleiden müssen, ein grosser Trost liege, weil er keinen zurückgibt1); dass im Schmerze als Heilmittel erwachse die starre Gefasstheit des Gemütes, das sich alles leichter mache, was es einmal trotzig aus- gehalten habe. Ganz trefflich sei das Wesen des Schmerzes, da weder der, welcher sich ausdehnt, gross sein, noch der, welcher gross ist, sich ausdehnen könne. Alles müssten wir tapfer auf uns nehmen, was die Weltnotwendigkeit be- fehle (Senec. ep. 94,7). Zenon scheint logische Beweise gesucht zu haben; so bildete er einen Schluss a Cesare für den Satz, dass der Tod kein Übel sei: „Kein Übel ist ruhmvoll; der Tod aber ist ruhmvoll; also ist der Tod kein Übel" (fr. 129) 2). Bezüglich der Mühe jedoch zog er das lebendige Beispiel eines gebratenen Indiers sämt- lichen Beweisen vor (fr. 187) 3). Einem Schüler, der sich

Anaphora efficias, efficias und der Sinn bezeugt. Gegen den "Reich- tum Stob. flor. 94, 15. Senec. ep. 115, 8: Unsere Freude am äusseren Prunke macht uns Kindern gleich, welche den Eltern und Geschwistern wertlose Halsketten vorziehen, nur dass unser thörichtes, wahnsinniges Spiel mit Gemälden und Bildsäulen uns teurer zu stehen kommt. (Einen ähnlichen Gedanken spricht auch Augiistin. conf. I 9 patr. 32, 668 Mign. aus).

J) Quod ad neminem redit ist mir nicht verständlich. Denn sollte der Satz, dass man nur einmal sterben muss. ein Trost sein, so wäre zugestanden, dass der Tod doch höchst unangenehm ist. Betrachtet man ad als Dittographie und liest quod neminem reddit, so gibt der Gedanke : 'Der Tod entzieht uns auf immer, nicht nur wie der Schlaf für kurze Zeit den Kämpfen des Lebens5 einen passenden Sinn.

2) Diesen Beweis befürwortet auch Cleanth. fr. 94, wendet ihn aber anders: Da der Tod nichts Schimpfliches ist, so kann er kein Übel sein.

3) Schopenhauers (Die Welt als Wille u. s. w. I S. 109) gegen den Weisen gerichtete Bemerkung ist daher nur teilweise gerechtfertigt. Auch beschränkte sich die Stoa Dicht darauf, den Weisen aufzustellen, sondern verwies auf historische und dichterische Charaktere.

103

wegen seines Landbesitzes von der Philosophie abziehen liess, sagt er: „Wenn du nicht diesen zu nichte machst, wird er dich vernichten" (apophth. 31). Chrysippos stellte, wie gegen die hedonische Ziellehre, so auch gegen die hedonische Güterlehre vier Bücher Beweise zusammen (anodsi^eig nqbq to }ifj sivai Tijv rjdovrjv aya&ov). Ein Hauptbeweis war, es gäbe auch hässliche (aiöxQai) Lüste; nichts Hässliches aber sei ein Gut (D. L. VII 103) 1). In anderem Zusammenhang führte er, mehr parainetisch, den Gedanken aus, dass der Begriff „Lust" ein sehr subjek- tiver sei. Die Sardelle verachte man in Athen wegen des Uberflusses und sage, das sei Bettlerkost, in andern Städten finde man etwas ganz Besonderes daran, da sie dort weniger gut gerate. In Athen gebe man sich Mühe, die weniger brauchbaren adriatischen Hühner2) zu züchten, da sie viel seltener seien als die einheimischen; in deren Heimat aber lasse man sich die attischen kommen (Chr. Athen. VII 285 d.). Manche glaubten, dass die weissen Hühner viel schmackhafter seien als die schwarzen (Chr. Athen. IX 373 a)3). Zu welch absurdem Verhalten die subjek- tive Lust führen kann, suchte er wohl durch folgende Bei- spiele zu zeigen: Als der Betrüger Pantaleon zu sterben kam, betrog er jeden seiner beiden Söhne besonders, in- dem er jedem unter vier Augen sagte, er teile ihm allein

1) 'Ev xolg tibqI tfdov?}g bezieht sich wohl auf die Schriftengrappe gegen die rjdovij.

2) Über diese Bedeutung von oQvi&ag bei Chr. s. Baguet S. 271 f. Die Etymologie von ä<pvcu (Sardellen) tag av äyveig ovocu Athen. VII 324 d könnte leicht Chrysippeisch sein. So leitet er den Namen des Koches [tatoorv von (ia.oao&at, kauen, ab, da derselbe unwissend (dfia&jg) und auf den Magen bedacht sei (Chr. Athen. XIV 659 a), wo auch mit nav&ävoj und (lalofMti gespielt wird.

A) In ähnlichem Zusammenhange oder auch bei dem Satze, die Lust bedinge vielfach grosse Mühe, stand die Bemerkung, der schönste Weinessig sei der ägyptische und der knidische (Chr. Athen II 67 c).

104

mit, wo er sein Gold vergraben habe*, als daher die Söhne später gruben , war es umsonst, und sie sahen sich zu- sammen1) betrogen. Als ein Spottsüchtiger vom Henker hingerichtet werden sollte, bat er, noch einen Schwanen- gesang singen zu dürfen; dann wolle er sterben. Der Henker gewährte es, und jener spottete (Chr. Athen. XIV 616 a b). Weiter scheint Chrysippos darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass die Lust den Menschen isoliere und seinen gesellschaftlichen Pflichten entfremde2). Auch hat er nicht versäumt, die verderbliche Wirkung der he- donistischen Lehre auf die Jugend namhaft zu machen, so dass nun an Stelle des Theognis Bücher wie die Gastro- nomie des Archestratos und die Werke der Philainis träten3). Nur als Kolonie zu dem Gedichte des Arche- stratos erscheint die epikureische Philosophie, wenn Chry- sippos ersteres als die Mutterstadt für letztere hinstellt4). Darum setzt er denn dem hedonistischen Programme, wie

*) Kowfi ist wohl nach oxdntovTag zu stellen.

2) Dieser Gedanke ist bereits in der Anekdote über Pantaleon enthalten. Er ist aber auch aus Chr. Athen. III 89 d e herauszulesen, da dies Fragment dem fünften Buche nsQl toi xalov aal xrjg ijöovvg entstammt, das speziell gegen Epikuros gerichtet ist (vgl. Cic. fin. III 19, 63. de nat. deor. II 48, 123). Vgl. unten S. 106 f.

3) Chr. Athen. VII 278 c. VIII 335b de. III 104 b. Gastronomie ist die Bezeichnung, die Chr. dem epischen Gedichte des Archestratos gibt (Athen. I 4 e). Vgl. den ps.-zenonischen Brief D. L. VII 9, welcher behauptet, die vielgerühmte Lust verweichliche (&r}lvvei) die Seelen mancher Jünglinge.

4) Chr. Athen. III 104 b. VII 278 e. Möglicherweise gehört auch das Zitat aus Epikuros und der Hinweis auf den Komikerwitz, der die Epikureer Beistände (inwovQovs) und Helfer {ßorjd-oi?) der Lust nannte, dem Chr. Der dem Zenon mit der ganzen Stoa zugeschriebene Satz, die Lust des Epikuros sei nur den Tieren unter sich gemeinsam, in deren Gesellschaft weder der Mensch noch der Weise gestossen werden dürfe (Cicero bei Augustin. c. Acad. III, 7. IV 441), geht wohl vor allen den Chr. an.

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es mit Heineschem Kynismus in der angeblichen Grab schrift des Sardanapal gegeben war, in stoischer Manier eine Abänderung des Epigramms entgegen, welche Essen und Lust als nutzlos nach dem Tode verdammt und nur im Studium und denkenden Leben die reinen Freuden sieht, die unvergänglich sind1). Die ablehnende Haltung des Chrysippos gegenüber den Lüsten ist übrigens schon in den Definitionen der Tugenden syxQccTsia und ccvCTTjqia erkennbar2). Wenn er daher auch in der Polemik gegen Aristoteles die Lustlehre als in sich übereinstimmend und selbst mit der Methode des Aristoteles vereinbar nachwies, so konnte er doch vom Standpunkte der stoischen Güter- lehre aus, welche die ästhetische Anschauung vom Mass- halten als Prinzip verschmähte und die Trennung von tsXoc und äya&op, von dt avrd undd*' stsqcc alqsTayYon grösseren und kleineren Gütern verwarf3), bemerken, dass sich Lust und

*) Die Gegenüberstellung der beiden Epigramm Versionen mag den Schluss des "Werkes negi tov nalov xal z?jg rdovrg gebildet haben. Die eine der Vermutungen Baguets S. 263, dass sie in der Schrift negi ßiojv vorkam, hat nichts mehr für sich, nachdem Nauck die Verse yde oocpT] ßiötoio änelQova %$voöv beseitigt hat. Einen Vers des Samiers Choirilos auf Sardanapal führte Chr. auch in tisql ditocparmojv an (Bergk, opusc. II S. 115. 143). Sardanapal ist bereits bei Aristoteles (eth. Nicom. 1095 b, 22) Urbild der Hedoniker, und schon Krates D. L. VI 86 wendet die Verse zum Guten (vgl. auch Cic. rep. III fr. inc. 4 Müller). S. auch Epiktet diss. III 22, 30.

2) Gegen Üppigkeit und Wohlleben Chr. Athen. IV 137 f. XIII 565 a. c-d, für die homerische Einfachheit Chr. Athen. I 18 b. 9c; vgl. Athen. I 8 e ff .

3) S. S. 54 ff. Durch die Polemik war natürlich Chr. gezwungen, die Unterscheidungen in den Titeln seiner Schriften anzuwenden; doch schrieb er nur nsgi töjv Si avra atpsTuv (die Tugenden und das Schöne im Gegensatze zu den Si' avra (psvxza, den Lastern). In der Schrift n£Ql töjv (i7) SC avra atgerojv handelte er über die ädidcpoga,, wie die Fragmente Athen. IV 159 a (nkovtog) und D. L. VII 188 bezeugen. Die aristotelisch-peripatetische Scheidung der Güter in Bf avzd altera

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Gesundheit mit den Tugenden, auch mit der Gerechtigkeit, nicht vertrügen. So muss er im Streite gegen Piaton, der ihm die Gesundheit als Gut zuzulassen schien (Kep. 357 c), etwa Folgendes geäussert haben: Gesundheit kann kein Gut sein; denn dann dürften wir um unserer Gesundheit willen alles thun, und dabei kämen wir mit der Gerechtig- keit in Konflikt. Aber „nicht nur die Gerechtigkeit, son- dern auch die Hochherzigkeit würde aufgehoben und die Mässigung und alle andern Tugenden, wenn wir die Ge- sundheit oder etwas anderes, was nicht sittlich schön ist, als Gut anerkennen" (Stoic. rep. 1040 d). Ahnliches be- hauptete er bezüglich des guten Rufes {svdogia. Cic. fin. III 17, 57) 1). Ein andrer Gesichtspunkt, welchen schon der Kyniker Diogenes angedeutet hatte (D. L. VI 71), war der, dass die gleichgiltigen Dinge grosse Mühe verursachen und zur Leidenschaftlichkeit treiben. So setzt die Er- langung der Lust vielfach das Gegenteil von Lust, die Mühe, voraus. „Die Salben haben ihren Namen daher, weil sie mit vieler Anstrengung und überflüssiger Mühe bereitet werden" (Chr. Athen. XV 686 f)2). „Ich wenig- stens", sagte Chrysippos von einem gewissen Philoxenos von Leukadia, „muss immer an einen Fresser denken, der sich in der Rücksichtslosigkeit gegen seine Neben-

und 8i stsqo. aiQsxa (Stob. ecl. II 56,8 W. und Wachsmuth dazu) vermied er demnach, wie auch sonst die Stoiker (s. Stob. ecl. II 73,16. 72,14 W.) wenigstens dem "Wortlaute nach. Eine zweifache Gebrauchs- weise des Ausdrucks 6i avta aiQaxä statuiert Diogenes von Babylon (ecl. II 64,13 W.). Aus Stob. ecl. 57,1 ~W. ist zu schliessen, dass die Peripatetiker den Begriff §i avrb aigerov auch in den Piaton hineintrugen.

*) Quelle der Stoiker Diogenes. Kleanthes schrieb nagl rifiijg, mit abweichender Benennung, ausserdem tisqI xal<Zv.

2) MvQct von fivqiog, ("Wegen pogov s. Baguet S. 236 Anm. 103.) Dass die in der Stoa vielbehandelte Frage über den Salbengebrauch mit der Lustlehre zusammengebracht wurde, zeigt Plut. de esu carn. 999 d.

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menschen so weit verstieg, dass er in den Bädern die Hand an das Heisse gewöhnte, indem er sie in heisses Wasser hielt, und den Mund, indem er ihn mit heissem Wasser ausgurgelte, offenbar1), damit er gegen Heisses unempfind- lich sei. Man sagte, er habe auch die Köche dazu ver- mocht, dass sie die Speisen möglichst heiss auftrugen, damit er sie allein verzehre, da die andern nicht nach- kommen konnten" (Chr. Athen. I 5 e). „Manche ver- steigen sich in ihrer Geldgier so weit, dass, wie man er- zählt, einer bei seinem Ende nicht wenige Goldstücke hin- abschluckte und dann starb, während ein andrer dieselben in seinen Leibrock nähte, diesen anzog und den Dienern auftrug, ihn so zu begraben, ohne ihn zu verbrennen und zu pflegen. Diese und ähnliche Charaktere sterben, indem sie sozusagen rufen:

w XQvCs, de^icofia xccXXiötov ßqoTOig obg ovts fAfjTijQ ^dovag roidöd* £X£l/> ov ncudsg ev dopoitiiv, ov (fiXog Ttarrjo, olag ov yoi Ge doofiaGiv xsxrrjfisvoi. ei ö° rj Kvnqig toiovtov 0(p&aX[ioXg oqa, ov &av[i' "Egcorag (jbvqlovg avrfjv £%siv (Eurip. fr. 326

Nauck).

Derart war die Geldsucht bei den damaligen. Von solchen sagte Anacharsis, als einer fragte, wozu die Griechen das Geld gebrauchten: Zum Zählen. Daher stellte Diogenes in seiner Politik das Gesetz auf, die Münzen sollen Knöchel sein. Denn schön hat Euripides auch das ausgedrückt (fr. 20 N.):

fw/ tzXovtov sinißg' ov%i &av[iä£co &€Öv,

ov x<0 xdxiGrog qqd'mg sxTtjcaTO2)"

a) <PaveQwg betrachte ich als Glossem zu brß.ovöxi.

2) Dass die ganze Stelle Athen. IV 159a dein Chr. gehört, ist, wie A. Elter, de gnom. I S. 15, nachweist, aus Philodem ttsqi ydoo. (Gomperz, Zeitschr. für die österr. Gymn. 1878 S. 254) zu erseheD.

108

Der Gedanke des letzten Zitates ist auch in folgender Stelle enthalten: „Wie es eine Eigenschaft des Warmen ist, zu wärmen, nicht zu erkälten, so ist es auch eine Eigen- schaft des Guten, zu nützen, nicht zu schaden. Reichtum und Gesundheit schaden aber ebensosehr, als sie nützen, also sind Reichtum und Gesundheit kein Gut. Ferner was man zum Guten und zum Schlimmen gebrauchen kann, das ist kein Gut 5 Reichtum und Gesundheit kann man aber zum Guten wie zum Schlimmen gebrauchen. Also sind Reichtum und Gesundheit kein Gut" (D. L. VII 103) i).

Alle diese Beweise und Erwägungen kommen darauf hinaus, den mittleren Dingen Eigenschaften beizulegen, die mit dem strengen Begriffe eines Gutes nicht vereinbar sind 2).

Es ist eine ungeheure Kluft, durch welche Zenon Güter und Übel trennt, während er die übrigen Dinge im Vergleich mit Tugenden und Lastern unter sich gar nicht verschieden sein lässt (vgl. auch Cic. leg. I 21, 55). Wie aber, wenn ich im Leben vor die Wahl zwischen zweien solcher mittleren Dinge gestellt bin? Zenon ent- schied, offenbar in einer späteren Lebensperiode3), dahin, dass im Falle der Wahl beide in Frage kommenden Dinge nicht jedesmal gleich naturgemäss sein können. Er teilte

*) Chr. ist mitgenannt, und ausser Hekaton ist auch die Ethik des Apollodoros als Quelle angegeben. Nebeneinanderstellung von mehreren auf dasselbe abzielenden Beweisarten findet sich bei Chr. auch sonst (Stoic. rep. 1041d e). Gesundheit und Lust keine Güter Chr. ebd. 1040 d. Neben berühmten Problemen des Herakleitos, Parmenides, Zenon von Elea, Antisthenes erscheint Alex. Aphr. in top. 79,5 Wallies auch : hotsqov 77 vyeia dyad'bv r ov, 6jq Xqvomiioq kiysi. Vgl. Sext. E. math. XI 61 u. oben S. 90. 103. 106.

2) Von gleicher Art ist der Beweis gegen den nlovxog Alex. Aphr. in top. 201,22 Wallies zb Sia ttaxov yivofievov dyad'bv ovx eaviv'nlovzog §e aal Siä noQVoßooyda? xaxov ovzog ytvstoat' ovn aqa (!) t nkovxog dyad'öv.

3) Cic. fin. IV 19, 54.

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die mittleren Dinge wieder in drei Klassen ein: in solche, die von Natur den Vorzug haben; sie sind zu wählen und mit einem gewissen Werte zu bedenken in solche, denen von der Natur der Vorzug genommen ist; sie sind abzuweisen und haben grossen Misswert um andere, mittlere im engeren Sinne, braucht man sich überhaupt nicht zu kümmern, sie haben gar keine sittliche Bedeutung1). Die von Zenon gewählten Ausdrücke 7TQOfjyfisva und aTtoTiQOfjy- [ksva setzen ein vtio (pvcscog voraus und haben etymo- logische Beziehung zu a%ia und dna%ia. Die von Cicero dem Zenon zugeschriebenen Bezeichnungen rd xard <pvaiv (secundum naturam)2), tcc naget cpvGiv (naturae contraria) kann dieser wohl gebraucht haben, da schon Diogenes zwischen xard (fvüiv und naget yvöiv unterschieden hatte (D. L. VI 71) und auch Zenon die TtQOfjy^ipa für passend (aptae), brauchbar (habiles, commodae) und der Natur an- gepasst (ad naturam aecommodatae), das Gegenteil für un- bequem (incommodae) erklärte (Cic. fin. IV 20, 56. leg. I 21, 55). Den Ausdruck erläuterte3) Zenon durch folgendes

*) Für diese Darstellung war Cic. fin. IV 25, 69—71 massgebend, was Pearson vollständig hätte ausschreiben sollen; fr. 130 vgl. 126, Die Einteilung der Dinge, die weder schön noch hässlich sind, in solche xazä yvoiv und Tiaya yvoiv Zen. fr. 169. contra naturam Zen. Cic. Tusc. II 12, 29.

2) Üb er den Ausdruck cr^ra xata yvoiv von Polemon übernahm (Cic. fin. IV 16),| ist sehr zweifelhaft, da ihm itqona nur die Tugend u. s. w. sein kann.

*) rdQ und enim beweisen, dass nicht das Bild den Ausdruck schöpfen half. n^xta bedeutet Chr. Athen XIII 565 a „ist allgemein vorgezogen worden" (das Bartscheeren dem Stehenlassen), vielleicht auch Chr. Gal. 439 K, T^or^rai ZrjvojvL löyog „von ZeDon wurde jene Aus- drucksweise vorgezogen" (die lateinische Übersetzung sagt : progressa est Zenonis (!) oratio). Cicero ist (fin. III 16, 52) genauer als Stobaios (fr. 131) bei Wiedergabe dieses Bildes, wie er auch das Relative des Wertes der Ttgo^yfjUva besser ausdrückt als dieser.

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Bild: wie niemand am Königshofe den König selbst zu Würde und Wert erhoben {nqoriyfisvov) nenne, sondern nur diejenigen, welche in einer gewissen Ehrenstellung seien, deren Rang am nächsten an den des Königs heran- komme, aber so, dass er der zweite sei, so würden im Leben nicht die Dinge, welche an erster Stelle sind, sondern diejenigen, die den zweiten Platz einnehmen, vor- gezogene genannt. Die Vergleichung bezweckt einerseits, eine Ausdehnung des Ausdrucks TtQorjyfisvcc auf die Güter, die gewiss ihren Wert und Vorzug gegenüber den mittleren Dingen und den Lastern haben, unmöglich zu machen, andrerseits die Tigoijyfisva in ihrer untergeordneten Stellung gegenüber den äycc&d, der Königin Tugend sehen zu lassen. Dennoch gelangt auch der hohe Rang der ersteren zum Ausdruck. Zweifellos liegt eine Konzession Zenons an die allgemeine Anschauung vor, wie die Mehrzahl seiner Beispiele für die 7tQOfjyfJisva beweist1). JlQOfjyfJisua sind ihm: Leben, Ruhm, Lust, Reichtum, Gesundheit, Schönheit, aTtojiqoriyiisva Tod, Schande, Mühe, Armut, Krankheit, Schwäche, Schmerz2). Wie Zenon hier argu- mentiert, zeigt seine Äusserung, der Schmerz sei bitter, naturwidrig, schwer zu ertragen, traurig stimmend und hart (Cic. Tusc. II 12, 29) 3). Das Leben musste Zenon

1) Gerne werden (auch von Ariston) Gesundheit und Reichtum als Vertreter der ganzen Klasse gewählt.

2) Wachs muth hat beobachtet, dass Stob. ecl. II 58, 2 W. die 7tQ07]y/utva an erster, die anonooriy^iha an zweiter Stelle der Gegensatz - paare stehen; vgl. Pearson S. 169. Auch Gal. 597 K. (Ariston) ist, gestellt vyieia aal nXovxog xal vboog nal Tcevia . . . . to fisv rjSv(=7jdov7]) rb §s aviao6v (=MnV). Vgl. Cic. leg. I 21, 55; D. L. VIT 102 (Sext. E. math. XI 63. Pyrrh. III 191), wonach oben unter den nooTjyfisva noch „Kraft" und für Chr. sicher noch „gute Herkunft schlechte Herkunft" einzusetzen sind. Sext. E. math. XI 64 ff. zählt für Zenon (Ariston polemisiert) auf: lo%i>g, yiälkog, Tclovrog, 8ö%a u. s. w., vöaog, Trtvia, aXyrjSurv.

3 Vgl Chr. Stob. flor. 7, 21. (s. S. 101, 2).

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deshalb für wertvoller halten als den Tod, weil jede Ethik mit dem Leben steht und fällt1) und die Ziellehre sich auf den Selbsterhaltungstrieb gründet. Chrysippos ver- teidigt das Schicksal2), dem wir das Leben verdanken, gegen den Vorwurf, der dieses Leben ein un- seliges schilt3), mit der Bemerkung: „Es ist dankbarer, un- verständig zu leben, auch wenn man niemals verständig werden sollte. Denn derart sind die Güter für die Menschen, dass in gewissem Sinne die Übel den in der Mitte liegenden Dingen überlegen sind. Nicht die Übel aber sind es, die überlegen sind, sondern die Vernunft, mit der zu leben sich mehr schickt, auch wenn wir un- verständig sein müssten. Das unvernünftig und ohne Wahrnehmung sein ist weniger gut als das unverständig sein" (Chr. Stoic. rep. 1042 a c. comm. not. 1064 e f). Doch zeigt gerade dieser Punkt, dass Zenon seinen nqo- r\Y[iiva nur einen sehr relativen Wert zumass. Er selbst glaubt sich von der Natur aufgefordert, das Leben zu verlassen (D. L. VII 28), wie ja wiederum die Natur selbst über alle Menschen den Tod verhängt hat. Hatte sich dann Kleanthes aus gleicher Ursache den Tod gegeben4), so war bei den unvermeidlichen Angriffen der gegnerischen

x) Chr. Stoic. rep. 1039 d (gegen Piaton Clitoph. 408 a. Euthyd. 281 b— d. 289 a b. Bäguet S. 329 f.) : Es ist nicht möglich, nichtlebend zu philosophieren.

2) Das Zitat ist der Schrift naql (pvoeojg (<pvoig = ttfiaQfievy) ent- lehnt. "Wittenbach schreibt Stoic. rep. 1042 c Tte^l Kclkojv mit grossem Anfangsbuchstaben, was durch comm. not. 1064 e und iitiltysi, tcjv widerlegt wird.

3) Soph. O. C. 1224 ff.: „Nichtgeboren zu werden ist das Beste"; vgl. Schneidewin-Nauck z. St. Lucret. rer. nat. V 176 quidye mali fuerat nobis non esse creatis? In diesen Zusammenhang gehört offenbar obiges Fragment; um den Selbstmord handelt es sich nicht.

4) Die Nachrichten über den Selbstmord der ersten beiden Stoiker scheinen mir nicht aus der Luft gegriffen.

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S chulen für Chry sipp o s Grund genug, die Vorfälle theor etis ch zu rechtfertigen: „Weder ist das Bleiben {iiovr}) im Leben den Gütern noch das Weggehen (s^aycoyy) den Übeln gleich- zuachten, sondern nur den in der Mitte liegenden natur- gemässen und naturwidrigen Dingen. Deshalb wird es zuweilen auch für die Glücklichen Pflicht, sich zu entfernen, und für die Unglücklichen hinwiederum, im Leben zu bleiben" (Chr. Stoic. rep. 1042 d. 1039 d f. comm. not. 1063 c. 1076 b vgl. Cic. fin. III 18. Stob. ecl. II 110,9 W.). Unter diesen Umständen dürfen auch einige Aussprüche Zenons über Lust und Mühe nicht auf die Goldwage ge- legt werden. In der Uberlieferung zwar erscheint novog als TiqoriYnsvov und ydovij als dnoTiqoriYiisvov (Stob. ecl. II 58, 3 W.) ; aber Wachsmuth hat mit Recht umgestellt (vgl. D. L. VII 102). Denn die Mühe würde sich mitten unter den andern Jtqofjyfispa ebenso schlecht ausnehmen als die Lust unter den djtOTVQOfjyfisva1). Welche Lust Zenon meinte, drückt sich in seinem Vorwurfe gegen den grossen Haufen aus, dass dieser, obwohl es ihm freistünde, aus den Mühen Vergnügungen zu ziehen (ano nZv 7iovcou rag qdovag (psgsiv), sie lieber aus den Küchen holte (fr, 201). Die Lust als Leidenschaft ist den Stoikern kein dnoTtqo- riYiisvovy sondern ein Übel wie dem Antisthenes; Zenon wollte die seelische Befriedigung vorgezogen wissen, welche auch die Mühen süss macht2). Aber auch unter den

*) Vgl. auch die Stellung 7)Sl aviaqöv bei Ariston Gal. 597 K. Demgegenüber kann ich der übrigens trefflichen Auseinandersetzung von Pearson S. 169 nicht folgen. Wenn aber Cic. Tusc. II 15, 35 f. sagt, für die Griechen sei Mühe und Schmerz dasselbe, so trifft das für Zenon nicht zu.

2) Dass Chr. die rßovij nicht lediglich als sTtiyevvyfia dachte, liegt in dem reservierten äga ioxLv D. L. VE 86. Bei ihm war gewiss das Ansehen, dessen sich die Epikureer erfreuten, und Aristoteles (eth. Nicom. 1099 a, 15) nicht ohne Einfluss. Hippol. phil. 22, 4 (Diels Doxogr. 572, 12) stellt eine zweifache Auffassung des Wortes ^<W?j

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Mühen besteht nach Diogenes dem Kyniker ein Unter- schied: die novoi cc%q7jGtoi machen unglücklich, die itovoi xccrä (pvüiv glücklich. Zu ersteren gehört das mühevolle Haschen nach Lust, die doch nur ins Gegenteil umschlägt, zu letzteren die Verachtung der Lust (D. L. VI 71).

Gegen Zenons Werteinteilung der mittleren Dinge erhob der radikale Ariston Einspruch. Die Beweggründe, die in den mittleren Dingen liegen sollten, sind nach ihm nichtig. Nur zwischen Tugenden und Lastern ist ein Unterschied; alle übrigen Dinge sind vollständig gleich1). Zwischen der besten Gesundheit und der heftigsten Krank- heit ist im Hinblick auf das glückliche Leben keinerlei Unterschied2). Die Gesundheit und alles Ahnliche, was in ihre Art schlägt, ist kein vorgezogenes <xdta<poqov. Denn wenn man so sagt, so ist dies dasselbe, wie wenn man sie als Gut schätzt, und sozusagen nur im Namen ist ein Unterschied. Denn die gleichgiltigen Dinge, die zwischen Tugend und Laster liegen, kennen überhaupt keinen Vor- zug unter sich3), und es gibt nicht gewisse Dinge, die von Natur {(pvGei)^) vorzüglich, oder solche, die zurück- zuweisen wären, sondern weder werden ohne die ver- schiedenen Umstände des Augenblicks {itaqa rag diacpo-

fest: bei den einen sei die Lust infolge sinnlicher Leidenschaften, bei den andern die Lust bei der Tugend gemeint. Ariston betrachtet Plut. virt mor. 441a die rSovai als Objekte einer Tugend, der oojyQoovvr). Bon- höffer II S. 174 ist nicht ganz zutreffend. Die xa9a ist kein Gut, sondern eine Handlung.

*) N. Saal S. 31 u. Anm. 2; vgl. Cic. fin. HI 3, 11; 15, 50.

*) N. Saal S. 35.

3) Ilapaklayrj fauch D. L. VII 160) von naQo.ll6.TTUv intr. „sich hervorthun, hervorragen". naQallayri = „Unterschied" etc. Stoic. rep. 1039 c.

*) Nach der für Ariston oft erwähnten G-alenstelle haben wir von Natur Antriebe zum scheinbar Guten (= n^o^yfisva) und zum scheinbar Üblen (= a'no7iQ07}yu€va) in gleicher "Weise.

Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 8

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Qovg twv xaiQwp TTsgiardasic) die sogenannten mit Vorrang bedachten Dinge immer zu vorzüglichen, noch sind die sogenannten der Zurücksetzung verfallenen Dinge mit Notwendigkeit (xcct dpdyxrjp) zurückzuweisen. Gesetzt z. B. die Gesunden müssten dem Tyrannen Knechtsdienste leisten und demzufolge töten, während die Kranken, von der Dienstleistung befreit, auch zugleich von dem Töten mitbefreit würden, so würde der Weise in diesem Falle (xcciqoc) das Kranksein dem Gesundsein vorziehen. So ist weder die Gesundheit immer ein vorzügliches noch die Krankheit ein zurückgesetztes Ding1). Weder der Schmerz (Cic. Tusc. II 6, 15) noch die Lust können demnach bei Ariston aTTOTiQOTjy^spa sein; Plutarch (virt. mor. 441a) legt thatsächlich dem Ariston folgende Definition der GoocpQOGvvrf in den Mund: Mässigung wird die eine Tugend genannt, wenn sie das Massvolle (to (jlstqiop) und das Zeitgemässe (to svxcciqop) in den Vergnügungen (fjdovai) bestimmt. Ariston wird daher der Schüler der Stoa sein, den Theognetos, der Dichter der neuen Komödie, sprechen lässt: Etwas Fremdes ist der Reichtum für die Menschen, er ist Reif; die Weisheit aber ihm eigentümlich, sie ist Eis (Athen. III 104 c)2). Ihn zitiert wohl auch Chrysippos, wenn er sagt:3) „Kein Tiqoriyiispop ist überhaupt für uns; sie helfen

') Saal S. 35 f. Sext. E. math. XI 64. § 67 scheint fremder Zusatz, wie der Ausdruck ((pvoixr Ttgöttgioig) lehrt. Pyrrh. III 192 (ohne Namen) wird ähnliches von den Reichen, denen von einem Ty- ranneu nachgestellt wird, und den Armen, die verschont werden, ausgeführt.

2) Auf Ariston deutet das Bild, der Ausdruck oocpla für Tugend. Wegen agstr, als ohtetov und xaxla als olIXötqiov vgl. Sext. E. math. VII 12. In physikalischer Erörterung stellt Chr. n^varallo? und Ttdxvy Stob. flor. IV 154 Meineke neben einander.

3) Denn die von Plutarch dem Chr. zugeschriebene Stelle Stoic. rep. 1048 a b. comm. not. 1060 e gehört in Wahrheit dem Ariston, wie Chr. Stoic. rep. 1041 e verglichen mit Cic. firi. IV 25, 68 zeigt. Mit

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in keiner Weise zur Glückseligkeit Die Vernunft zieht und kehrt uns von allem derartigen ab". Der bilder- liebenden Weise des Ariston1) entspricht das namenlos überlieferte Bonmot, Zenon sei es ergangen wie dem Manne mit dem Krätzer, der diesen weder als Essig noch als Wein anbringen konnte; denn sein nqorjyiisvov habe weder die Beschaffenheit eines äyad-ov noch die eines ädidyoQOV (Stoic. rep. 1047 e). Dass sich Ariston auf diesem Stand- punkte zu Pyrrhon hinneigte, ist wohl schon frühe bemerkt worden-, Cicero wird nicht müde diesen Umstand zu be- tonen 2).

An Ariston schloss sich Herillos an (D. L. VII 165), und auch der wenig entschiedene Kleanthes scheint die Ausdrücke TTQor^y^sva und anoTCQoriYiieva gescheut zu haben. Im Zeushymnus bezeichnet er das ungeordnete Jagen

ovShv bvtojv 'Ttgbg rfiag oi'Ss ovvsQyovvrojv tzqI g siSaifioviav ovSev vgl. die Äusserungen Aristons gegen die Dialektik; N. Saal S. 23. Anm. 1. 2. 3. Vgl. Stob. ecl. II 8, 14 "W". = flor. 80, 7. 22, 23 = flor. 82, 7. 23, 15 3= flor. 82, 11. Im Index Wachsmuths scheint ein Irrtum vor- zuliegen. Der Feind der Stoa hat es leicht, die Sätze dem Chr. zuzu- schieben, da dieser in der Schrift über die Kunst, Mahnreden zu ver- fassen (ti6()1 tov ctQOTQtTiao&aL), verschiedene wirksame Methoden empfehlen musste. ü()bg xa ivavxiu. §ia?Jysad~ai erlaubt Chr. im Gegensatze zu Ariston unter Anwendung von Vorsicht (Chr. Stoic. rep. 1036 a. d—e); er selbst benutzt das kühne Verfahren in den Schriften für und gegen den Autoritätsglauben (owrj&sia) wie auch in den Schriften itsqI ßluv und TitQl ßiov y.al ttoqlo/lcov (vgl. Stoic. rep. 1043 c 1044 a. 1047 f mit D. L. VII 188 f und 1033 d mit 1043 b). Vgl. Orig. c. Cels I 40 patr. 11, 736 b Mign. Seine Polemik gegen die Lehrweise der Philo- sophen selbst, welche den Schülern Meinung und Gegenmeinung vor- führten, richtete sich gegen Arkesilaos (Cic. fin. II 1. Tenne mann Gesch. d. Phüos. 4 S. 192).

1) Plutarch sagt itQtoßvxiqojv xivsg .... Z'yaoav und fährt dann weiter fort aAA' b XyiomTiog.

2) N. Saal S. 35 ff.

8*

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nach Ruhm, Gewinn und Lust als xaxd ); die Schlechten vermeinen damit zwar stets nach Gütern zu streben (v. 23), erreichen aber in Wahrheit das Gegenteil. Ahnlich hatte sich Ariston ausgedrückt2), und der letzte Gedanke erinnert an das, was Diogenes von den novoi a%Qt](fToi gesagt hatte. Darum betont Kleanthes, dass sich die Lust nicht mit der Verständigkeit vertrage (fr. 89)*, sie sei weder naturgemäss, noch habe sie einen Wert im Leben, sondern sie sei wie der Schmuck3) nicht naturgemäss (fr. 88) 4). Den lakonischen Knaben, der fragte, ob die Mühe ein Gut sei, und demnach dieselbe für näher der Natur des Guten als des Übels ansah, lobte Kleanthes (a. 17)5).

*) S. v. 26 ff. Da die Schrift tvsqI Sö^g im Katalog neben neql zifirjg steht, wird die erstere über die Jo£a des Hymnus und nicht über die §6ga als Volksmeinung gehandelt haben. Unter hsqSoovvt] im Hymnus ist nlotrog zu verstehen, vgl. a. 3. 18; unter aveoig xai oof/tarog rdea sQya die rSov7], Epiphan. Diels Doxogr. 592, 30 ist daher mit Krisch e, Forschungen S. 431 Anm., als totales Missverständnis zu fassen. "Aveoig ist sonst Gegensatz zu xovog, dem guten Seelenzustand, aber auch das Nachlassen einer Leidenschaft (Chr. Gal. S. 419 K. aveoig, avteo&ai und ovorolr); vgl. S. 59,2. 99. Milderen Sinn hat avieoftai Hekaton D. L. VII 26.

2) N. Saal S. 20 f.

3) Den Zenon verachtet hatte (Pearson S. 309).

4) Für xallwTQov hat Hirzel, Unters. II S. 96, die richtige Be- deutung gefunden. Im übrigen s. Bonhöf f er I S. 314. Pearson S. 310. Zu beachten ist, dass die Lust nicht als naturwidrig bezeichnet wird. Nach Plut. de esu carn. 999 d verläumdeten die Stoiker die rSovrj als ovrs aya&ov ovze nQorjyovfMevov ovre oitcecov^ dabei darf jedoch nicht etwa nQorjyfievov vermutet werden, da nqoriyoi^evov zwischen den Synonymen aya%6v jxsA olxsiov steht und die Stoiker nach dem Folgen- den nur das fir ^qroi^iov [M]Ss avayxatov Iv xf rßovft verpönten.

5) Die Begleitworte des Musonios erweisen, dass es sich um die Bestimmung der Mühe als adiäyoQov handelt {{irpe nevlav firjre &dva,Tov SeSievai .... fMtjd' av Sianteiv nlovrov r\ i^tu^v rj 7]Sovr\v Stob. ecl. H 243, 1 W.)

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Diesem konzilianten Verhalten gegenüber musste C h r y s- ippos seine Aufgabe darin erblicken, die Meinung des Meisters in Schutz zu nehmen. Er scheint sich auf die nämliche Weise geholfen zu haben, die er schon in der Tugendlehre gegenüber dem Nominalismus anwandte, indem er innerhalb der Gattung der mittleren Dinge besondere Arten annahm und behauptete, eine Art könne einen ge- wissen Vorzug vor der andern haben1). Von ihm ist die Ausdrucksweise tcc pstia xard cpvöiv xal naqd cpvaiv na- mentlich überliefert (Stoic. rep. 1042d. comm. not. 1063c. Vgl. Stoic. rep. 1039e. Stob. ecl. II 110, 9 W.). Die Ein- teilung der sittlich gleichwertigen Dinge in naturgemässe wie Gesundheit2), Kraft, Brauchbarkeit3) der Wahrnehmungs- organe u. s. w., in naturwidrige wie Tod4), Schwäche, Verstümmelung5) u. ä., und in solche, die weder natur- widrig noch naturgemäss sind {ovts naqd qvöiv ome xard (fvaiv Stob. ecl. II 79, 18 W.), wird daher wohl aus Chrysippos' Werken geschöpft sein. Für letztere mag er den Terminus ovö&tsqwc e%ovT<x (Stob. ecl. II 80, 17 W. D. L. VII 106) gebraucht haben 6). Wenn demnach Chrys-

J) Dies ist offenbar der Sinn des knappen adiäcpoga nax1 uBog Tqvrtypiva D. L. VII 102.

2) Vgl. Plut virt. mor. 450 b, wo rj zov ao^arog vyisia roig fibv xarä cpvoiv xai %qtoiuov ayaitaxai sich auf Chr. bezieht.

3) Diese Übersetzung kommt der Etymologie näher als das ge- wöhnliche „Unversehrtheit". Vgl. evaia^rjoia S. 50, wo a^tLÖt^g allein steht.

4) S. Chr. Stoic. rep. 1042 d; vgl. comm. not. 1063 c.

5) Chr. Stoic. rep. 1050a eVrs itaqa cpvaivrrjV ISiav voaovvrsg elrs mrtr^ojj^ivoi^ vgl. 1047 e über die oloulrjQia aw/uarog. Wegen vöaoi und cirtfotoHg darf sich der Weise töten comm. not. 1076 b. Ncaoi und nriQo'jotig stehen bereits Aristot. eth. Nicom. 1145 a, 31. 1149 b, 29 neben einander.

6) Es scheint, als ob gelegentliche Ausführungen des Chr. in Kompilationen, wie des Diogenes und des Apollodoros Ethik und die

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ippos anerkannte, dass die mittleren Dinge von Natur vor- gezogen sind, so musste er gerade diesen Satz gegen Ariston verteidigen. Beim Leben machte er wohl auf den Besitz der Vernunft aufmerksam, der von Natur aus dem Leben an sich Wert gibt gegenüber dem Nichtsein1). Er lobte das derbe Wort des Antisthenes: Verstand (yovg) muss man erwerben oder einen Strick, und den Vers des Tyrtaios :

JTqiv aqsTijg rcsXdaai TSQyaöiv ?j &arccTOV. Um dem Laster, nicht aber um der Armut zu ent- gehen, solle man den Tod suchen (Chr. Stoic. rep. 1039 d fj2). Er deckte die praktischen und theoretischen Kon- sequenzen der Aristonischen Lehre auf: die Sorge um die Gesundheit, die Achtsamkeit auf das Vermögen, die Teil- nahme am Staatsleben, die Ordnung der zu erledigenden Geschäfte, die Lebenspflichten würden aufgehoben, ja am Ende müsste jenes Tugendhafte selbst, worin alles gelegen sein solle, preisgegeben werden (Cic. fin. IV 25, 68) 3). In der That würden diese Konsequenzen all dem zuwider- laufen, was nicht bloss Zenon, sondern auch Ariston vom Weisen verlangte.

Bücher des Hekaton waren, nach dem Muster der Chrysippeischen vito- ypacprj in schulmässiger Form systematisch formuliert wurden; die Ein- teilungen 7t6Qt ipvxrjQ, iarög, <V avra aiQSTct, §i avta nQorjxra U. S. W. scheinen daher zu rühren, *) S. S. 111.

2) Dass diese Gedanken so gewendet werden dürfen, beweist der Zu- sammenhang, in dem sie vorgetragen wurden, und Plut. virt. mor. 450a. Auf den Theognisvers spielt schon Aristot. eth. Nicom. 1116a, 13 tb fr anod-vfoxeiv (psvyovxa neviav an. An Chr. lehnt sich also der Spruch an: ^ (psvys Tteviav, dir adwiav Epictet. et Moschionis sententiae ed. A. Elter 25. Stob. flor. 97,30 (Hypsaeus). Der Theognisvers (175) (?) wird auch von dem nach Julian lebenden Verfasser der sechs xqIhoi des Selbstmords zitiert (David in Aristot. cat. 13 b, 46 Brand.).

3) Vgl. Chr. Stoic. rep. 1041 e und Cic. än. IV 13, 43.

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„Wahnsinnig sind diejenigen", gibt Chrysippos dem Ariston seinen Vorwurf zurück, „welche den Reichtum, die Gesundheit, die Mühelosigkeit und die Unversehrtheit des Körpers für nichts achten und sich nicht darum küm- mern" (Chr. Stoic. rep. 1047c)1). Bezüglich der Unver- sehrtheit des Körpers wird er kaum versäumt haben zu erinnern, dass die Natur in der Regel ganze Exemplare schafft. Der gute Ruf hat nach ihm Wert im Hinblicke auf den (sittlichen) Nutzen; keinen Finger solle man drum rühren, wenn dieser weggenommen werde (Cic. fin. III 17, 57). Dass der Reichtum auch nützen kann, hat Chrysip- pos nach Zenons Vorgange (D. L VII 22) an Kapaneus bewiesen (Eurip. Suppl. v. 861 ff.), der reich war und doch nicht höher dachte als ein armer Mann (Chr. Athen. IV 158 f)2). Wie massiger Besitz von Geld der innern Unabhängigkeit und namentlich Furchtlosigkeit des Men- schen förderlich ist, hatte Zenon selbst bereits ausgeführt (fr. 169) 3). So konnte Chrysippos von seiner eigenen Güterlehre sagen: „Sie ist am meisten im Einklang mit dem Leben und berührt sich am nächsten mit den von der Natur in uns gelegten Vorannahmen" (Chr. Stoic. rep. 1041 e)4).

*) 'Avri%aa^ai weist Bonhöffer, Epiktet II S. 170. 234, als das Verbum für die Bemühung um die rr^o^^fVa nach (Gegensatz alquoftai beim relog). Die anovla als aara cpvoiv Stob. ecl. II 83,4 W. In den Chrysippeischen Definitionen der Tagenden epdonovla und aQQtvötTjs ist die Mühe etwas zu Bekämpfendes, Feindliches. Da Arbeit mit Mühe nicht schlechthin zu identifizieren ist, liegt kein Widerspruch in der Mahnung des Chr., es sei wahnsinnig, den Hesiodischen Vers (Op. 299): 'Egyd- £ev, IltQor,, Öcov ytvog umzusetzen in : Mr tqyaCz, Ilego?], Stov yevog (Stoic. rep. 1047 f).

2) S. A. Elter, De gnomol. I S. 15. Übrigens nimmt auch Ariston Stob. flor. 94,15 einen guten Gebrauch des Reichtums an.

3) Da das Fragment aus Athen. VI 233b stammt, kann an Chr. als Vermittler desselben gedacht werden.

4) Die Ittyvxoi nQolryus entwickeln sich cpvasi durch die Erfahrung

Die vorsichtigere Fassung der Telosformel, wie sie in äxo- Xov&wq statt dfioXoyovfJsptöc vorliegt, scheint eben auf eine Berücksichtigung der Aristonischen Lehre zurückzugehen, da äxoAov&cog rtj (pvöei auch von der Bemühung um die nqoriYniva gesagt werden konnte, so dass der Vorwurf von einer Zweiheit der Lebensziele vermieden war.1)

Auch die Berechtigung, einen doppelten Massstab auf- zustellen — denn einen solchen gestattet sich offenbar die orthodoxe Stoa in der doppelten Wertung der mittleren Dinge , scheint Chrysippos dargelegt zu haben. In einer vermutlich seinen Werken entlehnten Stelle2) wird der erste Wert (ttqcotj] ä%ia D. L. VII 84) deutlich von dem zweiten Wert unterschieden und so eine gewisse Wertung der {isGct teils durch ihre innere Bedeutung teils durch ihre Anteilnahme am naturgemässen Leben gerettet. Die vor- gezogenen Dinge sind nämlich die, welche Wert (a£fa), die

in uns. In der gleichen Schrift bezieht sich Chr. auch auf das Leben der Tiere Stoic. rep. 1044 f. 1045 a.

1) An Ariston Sext. E. math. VII 12 oIhhovv und allorQioZv er- innert D. L. VE 85. Für Ariston handelt der Weise entweder nach seinem Gutdünken (vgl. die I8ia cpvoig) oder auf grund gewisser occur- rentia (avfißaivovra Cic. fin. IV 16, 43), die natürlich xara ne^ioraoiv sind ; nach Chr. D. L. VII 87 sind die ovftßaivovra jedoch yvoei, letztere Bestimmung hat altruistischen Sinn. Dadurch wird ein Zusammenhang zwischen Aristonischer Güter- und Chrysippeischer Ziellehre wahr- scheinlich.

2) D. L. VIT 105 spricht für Chr. : die harte Ausdrucksweise, der bfiokoyov/nevog ßlog, die Wahl von nlovrog und vyiaia als Beispiel und der Umstand, dass D. L. VE 84 für das wichtige Kapitel der nQokTj a£ia auch Chr. genannt ist, dass Chr. den Nutzen bei einigen 7iQor]yfiiva, so beim itlovrog und ivdo&a, als wertbildend ansah. Comm. not. 1070 d wird ihm vorgehalten, dass er in der Schrift neql aya&wv (!) zwischen rilog und nybg rb rsXog zu unterscheiden scheine; dasselbe kann von obiger Stelle behauptet werden. Stob. ecl. II 83, 10 W., was nicht ganz übereinstimmt, wird Antipatros und 84.4 W. Diogenes von Babylon genannt .

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zurückgesetzten diejenigen, welche Misswert(c*7rc*£/a) haben1). Unter ä£icc ist in einer Hinsicht die Beziehung zu dem mit der Vernunft harmonischen Leben zu verstehen, welche bei jedem Gute besteht; Wert ist aber auch eine gewisse in der Mitte liegende Fähigkeit (fisöq övraybig) oder ein Nutzen, der zum naturgemässen Leben in Beziehung ge- bracht wird, ähnlich wie der ist, den zum naturgemässen Leben Reichtum und Gesundheit beitragen. In anderm Sinne ist Wert der Ersatz, den eine erprobte Sache gibt, und den ein Sachkenner feststellt, wie wenn wir sagen, es werde Weizen gegen die Gerste nebst dem Maulesel aus- getauscht (D. L. VII 105).

Indem Chrysippos auf der einen Seite nachzuweisen bestrebt war, die TTQOfjy^spa seien keine aya&ä, auf der andern Seite aber, sie seien von Natur aus den cctcotvqo- riYnsva vorgezogen, bot er unfreundlicher Polemik eine will- kommene Handhabe zum Aufdecken von Widersprüchen2). Da ein derartiges Verfahren für uns keinen Nutzen mehr hat und uns nur die Pflicht obliegt, das System des Chry- sippos zu verstehen3), kann uns auch nicht mehr auffallen, dass er im ersten Buche Tieql äya&tov bezüglich der mitt- leren Dinge (tqotiov tivcc) es gelten lässt, „wenn einer unter bestimmter Wortvertaus chung eines derselben ein Gut nennen will, ein andres aber ein Übel, falls er nur auf die Dinge selbst lossteuert und nicht anderswohin ab-

Jj Das lxavr(, welches Sext. E. math. XI 62. Pyrrh. III 191 zu a^ia und analla setzt, scheint mir noch besser als das nolli] des Sto- baios. Stob. ecl. II 84, 18 W. rührt von einem späteren Stoiker her.

2) Der krasseste Widerspruch zwischen tisqI ßlojv und neql ßiov aal Tioyiouov ist im Altertum nicht aufgedeckt worden, ein Zeichen dafür, dass er sich lösen lässt. Die von Plutarch aufgezeigten Widersprüche löst C. Giesen, De Plutarchi contra Stoicos disputatio- nibus. Diss. Münst. 1889.

3j Es könnten auch "Widersprüche durch die Entwicklung des Chr. erklärt werden, worauf Plutarch selbst virt. mor. 448 a deutet.

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schweift, indem er bei dem Bezeichneten nicht aus der Rolle fällt, während er sich im übrigen nach dem ge- wöhnlichen Sprachgebrauche richtet" (Stoic. rep. 1048 a)1). Damit gibt Chrysippos nur zu, dass unter den ovdsTsqa Wertunterschiede sind, sagt aber zugleich, die Bezeichnung der TTQorjyfispa als ayatia und der drtOTiQorjyfispa als xaxa2) stimme nicht ganz zu den Begriffen, die man in der Ge- wohnheit diesen Ausdrücken beilegte. Kam ihm demnach dies Verfahren als Abweichung vom Sprachgebrauche vor, so mussten ihm die stoischen Neubildungen als notwendige Ergänzungen des Sprachschatzes erscheinen, und wir sehen, welche Bedeutung die Stoiker derartigen Wortunterschieden zumassen3).

Es wird auch gemeldet4), dass Chrysippos als Ziel das Wissen zugab, was er leicht konnte, wenn er seine Auffassung des Begriffes wahrte. Die Thatsache, dass im Zusammenhange damit ihm ein Eingehen auf die Aristo- telische5) Unterscheidung von rslog und Trqög to rskog zu-

*) Man könnte Chr. vorwerfen, dass er Gell. noct. Att. VII 1, 1 (fr. 26, 18 Gercke) dolor als malum und voluptas als bonum bezeichnet. Aber jedermann sieht, dass es sich nicht urn die Güterlehre handelt, und dass das Streben nach Kürze die Schuld an dem ungenauen Aus- druck trägt.

2) Von der Erlaubnis machte ein Glied der mittleren Stoa, die andre Ansichten über die Sprachrichtigkeit hatte, Poseidonios, Gebrauch, indem er Reichtum und Gesundheit als Güter bezeichnete (D.L. VII 103) ; doch trifft Schmekels (S. 276) Behauptung, Poseidonios habe ayad-d nicht im eigentlichen Sinne genommen, nicht ganz zu, da Poseidonios mit Panaitios Gesundheit, Kraft und Wohlhabenheit als zum Glücke notwendig ansah (D. L. VII 128; vgl. E. Norden, 19. Suppl. zu Fleck- eisens Jahrb. 1893 S. 420, der Senec. ep. 90,7 als Poseidon isch nachweist).

3) Auch fr. 140,4 Gercke dringt Chr. auf ganz zutreffende (xvQiojg) Ausdrucksweise; vgl. den Schrifttitel tisqI rov xvytcog xexyrod'ai Zrjvajva rocg bvöju-aaiv D. L. VII 122.

4) Comm. not. 1070 d.

5) S. S. 51, 1.

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gemutet wird, gestattet in Verbindung mit dem Umstände, dass die Äusserungen ebenfalls der Schrift nsqi aya&wv angehören1), den Schluss, dass Chrysippos die vnojslidsg des Herillos berücksichtigte. Vermutlich hat er denselben ihre ursprüngliche Stellung zurückgegeben, durch Ein- reihung unter die nqorjy^sva2). Unter den ovdsrsQa xara (f vüiv des Chrysippos wie unter den vnoTsliösg werden vyisia, lüyrvg, unter ersteren aia^TfjQltöP ccQTiÖTTjg, unter letzteren evai^r\(Sia und ccQTiOTrjg aufgezählt, und D. L. VII 106. Stob. ecl. II 81,1 W. spielen unter den ttqo- r\y\isva die VTiOTsXideg svqvia, vyisia, (Swpy (= iG^vo), sve'&a, äQTioTqg eine Kolle3).

Von den absolut gleichwertigen Dingen ist wenig zu sagen4). Chrysippos führt aus: „Gewisse Dinge sind grosser Mühe und Beachtung nicht wert. Wenn wir zum Beispiel die zwei bestimmten Drachmen da in einer be- stimmten Zeit prüfen sollen und einer sagt, diese, ein andrer, jene sei schon, und wir die eine von beiden nehmen müssen: dann werden wir es aufgeben noch weiter zu untersuchen und die nächstbeste nehmen, indem wir darum wie in zweifelhaften Fällen losen, selbst wenn wir gerade

1) Bemerkenswert ist, dass im ersten Buche neyl aya&tov Beziehung auf Ariston, im dritten auf Herillos sich findet.

2) Der Ausdruck peoa v.axa yvotv verrät sich als Korrektur an dem Polemonischen ngura xara yvoiv. Stob. ecl. II 80, 6. 82, 11 W. kann nicht Chiysippeisch sein; vielleicht liegt eine Nachwirkung der Herillischen Lehre vor.

3) "Wenn auch nicht die Einteilung, so stammt doch wohl das Be- griffsmaterial aus Chrysippeischen Schriften.

4) Das Beispiel iv.reivcu rbv SdxrvXov r avaretlat (ovyxd^ai), welches sich in der Gruppe der ddidyoQa /*r]& oQ^g jurjz dcpo^/uiis y.ivrjiy.d D. L. VII 104. (Sext. E. math. XI 62. Pyrrh. III 191) findet, geht auf Chr. zurück: s. Stoic. rep. 1038 f; vgl. die Eedensart ovde rbv ddx- xvlov 7tQOTtivcu (Chr. Stoic. rep. 1046 c. 1061 f) oder ixrstvcu (Chr. ebd. 1064 dj %dqiv oder tvexd nvog, ne digitum quidem porrigere Chr. Cic. fin. III 17, 57. Baguet S. 260 f.

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die (thatsächlich) schlechtere erhalten sollten" (Stoic. rep. 1045 ef; vgl. 1045 d)1). Die Stelle beweist, dass die Lehre von den TiQOfjyfisva und drro7iQOfjyfjL€va auch im Interesse rascher Entscheidung gefasst wurde. Dazu stimmt der Satz des Chrysippos: „Solange mir das Nach- folgende zweifelhaft ist, halte ich mich immer an das, was von Natur geeigneter ist, um das Naturgemässe (ra xccra (pvGiv) zu erlangen; denn Gott selbst hat mir in der- artigen Dingen die Wahl in die Hand gegeben". Epik- tetos, der uns diese Äusserung in einem Abschnitte über die adiatpoqia vermittelt hat (diss. II 6, 9), fügt als Bei- spiele bei: „Wenn ich wüsste, dass es mir bestimmt sei krank zu werden, würde ich sogar freiwillig darauf zu- gehen. Denn auch der Fuss würde, wenn er Verstand hätte, auf das Beschmutztwerden losgehen". Die Erklärung ergibt sich aus dem Folgenden, das ganz aus dem Geiste des Chrysippos2) heraus gesprochen ist: „Wenn der wackere Mann die Zukunft vorherwüsste, würde er zum Krank- werden, zum Sterben und zum Verstümmeltwerden mit- wirken, indem er merkt, dass dies von der Anordnung des Weltalls zugeteilt wird, und dass das Ganze wichtiger ist als die Teile, wie die Stadt wichtiger ist als der Bürger. Nun aber da wir nicht vorherwissen, ist es geziemend, sich an das hinsichtlich der Auswahl Geeignetere zu halten; denn auch dazu sind wir geboren" (Epictet. diss.

*) Wir lesen auch diese Stelle nach den im ganzen einleuchtenden Besserangen "Wittenbachs. Durch Baguets Erklärung (S. 322) r = aigeoig ist nichts gewonnen. Obige praktische Bemerkung der Schrift nsQl xa&rjxovTog hat ein späterer Schematiker in ein System gezwängt (s. auch Sext. E. math. XI 60 Pyrrh. III 177); über die so ent- stehende Tiftelei Bonhöffer, Epiktet II s. 170 Anm. 1. Dieser Fall ist für das Verfahren solcher Systematiker typisch.

2) S. Bonhöffer, Epiktet II S. 22. 50 f. Zu beachten ist beson- ders die Zusammenstellung von Krankheit und Verstümmelung (tttiqovo- d-ai), der Ausdruck r tojv okow didra^G, das Ganze und die Teile.

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II 10, 5). Schroff ausgesprochen ist der Gedanke in dem Paradoxon, der Weise werde sogar dreimal ein Rad schlagen, wenn er unter dieser Bedingung ein Talent er- halte (Chr. Stoic. rep. 1047 f)1).

Schlussbemerkung. Die antike Kritik rügte an Zenon, dass er für die Erreichung des höchsten Zieles nur Tugend und Laster in Betracht kommen Hess, hingegen den übrigen Dingen bei Erstrebung der Einzelziele Wert beimass, als ob dieses Streben nicht Bezug zur Erstrebung des höchsten Zieles habe (Cic. fin. IV 17, 47). An der Einsicht dieses Zu- sammenhanges hinderte die alten Stoiker der fatalistische Charakter ihrer Weltanschauung, die Reichtum, Gesund- heit, Leben, Macht einfach als Schicks aisgab e hinnahm. Um zu verhüten, dass wir den Widerspruch zu stark finden, müssen wir uns gegenwärtig halten, dass die Ortho- doxen nur von fisaa aQSTijg xal xaxiccg sprachen und Ariston eben keine Unterscheidung unter den adux<poqa zuliess. Die Schuld des Widerspruchs trifft besonders diejenigen Stoiker, welche das Aristonische ccdiäcpOQcc zum Terminus erhoben und doch TiQorjyfjbsva annahmen. Uber- sehen haben jedoch die alten Stoiker das, dass sie die Verwirklichung des Glückes auf Erden suchten und ge- rade bei ihrem Materialismus die leiblichen Güter in der Bestimmung des Glückes nicht entbehren durften. Ein bedenklicher Mangel ihrer Güterlehre ist, dass sie zwischen äusseren (Reichtum, Ehre) und innere Gütern (Kraft, Ge- sundheit] des Menschen nicht unterschieden, und geradezu

*) Belehrend für die Auffassung von xara cpvaiv und die der mitt- leren Handlungen ist die Äusserung Zenons, man müsse sich aus dem gleichen Grunde scheeren lassen, aus welchem man die Haare wachsen lasse, nämlich aus Rücksicht auf das Naturgemässe, damit man nicht bei gewissen Verrichtungen vom Haare belästigt werde (fr. 192). Das erinnert an den Chrysippeischen Begriff xysla.

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demoralisierend hätte ihr Schabionisieren in dieser Frage wirken müssen, wenn nicht die römische Nationalmoral die mittleren Stoiker eines Besseren belehrt hätte. Die Auswüchse ihrer Güterlehre, die Erlaubnis und das Pflicht- gebot des Selbstmords, der Blutschande, der Weiber- gemeinschaft und des Kannibalismus, verraten, mögen sie immerhin nur theoretische sein, eine seltene Abstumpfung des sittlichen Gefühls und der feinen geistigen Empfindung, die in der Ethik mehr mitzusprechen hat als logische Distinktionen.

§ 5-

Die Handlungen1.)

Wesen und Eigenschaften der guten und schlimmen Handlungen.

Die Handlungen gemäss den Tugenden sind gute, die lasterhaften schlimme2). Die richtigen Handlungen kommen

*) Schriften existierten von Kleanthes natu nqö^eoiv, von Chr. hsqI xazoQ&aj/udTow, von Zeüon, Kleanthes, Sphairos und Chr. ttsqI (xov)

aa'd'rnovto?.

*) Für Chr. s. die S. 10 zitierten Stellen und Stoic. rep. 1041 a. Die Unterscheidung bei Zenon: Cic. ac. pr. I 10, 37 recte facta (in bonis actionibus), prave facta (in malis actionibus); xaro^ow und afiag- rdveiv im Gegensatz fr. 148, 6 Pears. Wenn sonst für Zenon nur die Fixierung des Ausdrucks xa&rfiov erwähnt ist, nicht auch die von xax- ÖQ&ojfia, worin Wellmann S. 461 ein Bedenken findet, so liegt das daran, daes unsre Berichte das na^nov an das Ttqo^yfjiivov anschliessen und die Lehre von den Handlungen nur in Beziehung zum yia#r\xov (Stobaios) oder gar nicht (D. L.) behandeln; ferner weicht die Bedeutung von xaTÖQ&üjfia nicht in dem Masse vom Sprachgebrauche ab wie die von xa&rxov ; afidQvqpa wird besonders genannt wegen des paradoxen Satzes von der Gleichheit aller a^aqxr^axa^ fr. 132. Ariston spricht Senec. ep. 94, 13 von propter quae delinquimus (ethisch); Ziel der Philosophie ist nach ihm, uns zu avafidQXTjxoi zu machen. Die Dürftigkeit der namentlichen Angaben bei diesem Punkte berechtigt zur Annahme, dass Meinungsverschiedenheit nicht bestand.

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von einem richtigen Einzelurteile in Verbindung mit der guten Spannung in der Seele, die Tugend heisst-, ebenso die unrichtigen Handlungen zum Teil von einem schlechten Urteile, zum Teil von einer Spannungslosigkeit und Schwäche der Seele1). Die Güterlehre hatte die ersteren unter die Güter, die letzteren unter die Übel gestellt2).

Es ist daher eine gewisse Konsequenz darin, wenn nicht bloss eine Gleichheit der Tugenden und der guten Handlungen3), sondern auch eine solche der Fehlhandlungen be- hauptet wird. „Denn wenn eine Wahrheit in nicht höherem Grade wahr ist als eine andere, dann gilt das Gleiche von dem Falschen; so aber auch vom Betrüge und dann von der schlimmen Handlung. Denn sowohl wer hundert Stadien von Kanobos 4) entfernt ist, als auch wer nur eines, der ist in gleicher Weise nicht in Kanobos; so sind so- wohl der, welcher mehr, als auch der, welcher weniger fehlt, in gleicherweise nicht im Guthandeln"5). Den lo-

x) Gal. 403 404 K. Die Etymologie xaroQ&ovv von byd-tos noieiv ist hier angedeutet.

2) S. S. 98.

3) Zen. Cic. fin. IV 19, 54. Der Satz von der Gleichheit der guten Handlungen wird Stob. ecl. II 107, 9 "W. zum Beweise für die Gleichheit der schlimmen benutzt; die Schlussform \ov%l oi, Se) ist die des Chr., auch v-xtQtxtiv, fjLutov xal elaxrov weist auf ihn. Vgl. Chr. Stoic. rep. 1038 c sowie Stob. ecl. II 113, 18 W.

4) Der Vergleich zwischen Kanobos, dem Korinth Ägyptens, und den guten Handlungen mag mit Rücksicht auf Alexandria gewählt sein, von welchem die üppige Stadt etwa 120 Stadien entfernt lag.

5) Chr. D. L. Vn 120; vgl. Alex. Aphr. in metaph. 301, 17 Hey duck. Simpl. cat. 76, 32 Brandis. Wachsmuth z. Stob. ecl. n 106, 21 W. Virt. mor. 449 d, wo der Satz auch noch ausdrücklich auf alle ä/naQtiai übertragen wird. Zen. Cic. fin. IV 19, 54. Zen. u. Persaios D. L. VII 120. Der sprachliche Ausdruck erinnert an Zen. D. L. VH 32. Chr. hatte sich wohl auf eine mündliche Äusserung Zenons berufen, die ihm durch Persaios bekannt war. Eleanthes kann höchstens vorsichtig geschwiegen, sich jedoch nicht vom Meister getrennt

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gischen Beweisen stellt sich die sachliche Begründung zur Seite, dass alle schlimmen Handlungen gleichsam aus einer Quelle herkommen, aus der Lasterhaftigkeit, indem das zu gründe liegende Urteil bei allen Fehlhandlungen das gleiche sei1). Die Bedeutung dieses Satzes ist zunächst eine rein theoretische; er darf nicht, wie bekanntlich Horatius thut (sat. I 3, 76 ff.), auf das polizeiliche und pädagogische Gebiet bezogen werden. Zenon weist nach, dass die Nicht- erreichung der Absicht die Sünde nicht ungeschehen mache, wenn der Thäter alles gethan, um zu seinem Zwecke zu kommen2). Vom Standpunkte des Weisen aus hatte das Dogma eine sehr angenehme Kehrseite. Wenn „keine schlimme Handlung die andre übertrifft und ebensowenig eine gute die andere" (Chr. Stoic. rep. 1038 c), so folgt daraus: „Wie es Zeus zukommt, auf sich selbst und sein Leben stolz zu sein und sich damit zu brüsten und, wenn man so sagen darf, den Nacken hoch zu tragen, zu prunken und zu prahlen, da er der Prahlerei würdig lebt, so kommt das auch allen Guten zu, da sie in nichts von Zeus über- troffen werden" (Chr. Stoic. rep. 1038 c d). Ja der Gute steht hier fast noch höher als der Gott; denn von Gut- handeln (xcctoq&ovv) bei den Göttern zu sprechen ist nicht ganz zutreffend, man spricht davon nur im Sinne von „das Gute thun" (tcc äycc&a thhsTv), wofern wenigstens bei denen,

haben, wie Hirzel, Unters. II S. 61 Anm. 2, zu vermuten scheint. Bei der Vierteiiung der Tugenden ist selbst Zenon von Diogenes Laertios (VII 92) nicht genannt; Zenon hatte eben das Thema nicht besonders behandelt (s. den Katalog!), während Kleanthes ireQi a^eratv schrieb.

*) Der Passus Stob. ecl. II 106, 21 V. lässt sich, wie schon Iust. Lipsius manud. I S. 198 sah, zum grossen Teile auf Chr.' Namen über- schreiben. Im besonderen stimmt das Bild 7n?/f, das Yerbum cpegeod-at, und die Annahme einer xQiaig dazu.

2) Dies ist (vgl. Zell er 282, 7) der Sinn der dialogischen Partie aus den SiarQißai fr. 181, wie Cleanth. fr. 95 zeigt. Vgl. ferner Cleanth. fr. 96. 99. 98.

129 -

bei welchen das Guthandeln, zugleich auch das Schlimm- handeln (dfjecQTaveip) stattfindet; das göttliche Wesen ist aber nicht fähig (di'srrldsxTog), schlimm zu handeln" (fr. 140,4 Gercke). „Nur die auf Grund der Vernunft handeln- den Geschöpfe (Äoyixwg svsqyovvTsg) handeln teils gut, teils schlimm" (fr. 139,2 Gercke).

Neben der Wesensgleichheit (Jca) wurden jedoch Art- unterschiede wie bei den Tugenden anerkannt; im Hinblick auf die äussere Ursache würden, indem die Dinge, um derentwillen die Urteile gebildet werden, eine Alteration verursachten, die Fehlhandlungen hinsichtlich ihrer Qualität {tcoiottjc) verschiedene (Stob. ecl. II 106,24 W.)1).

Hinsichtlich der subjektiven Wirkung nahm Chrvsippos bei den guten Handlungen Verschiedenheiten an: „Wie nicht jedes Gut in gleichem Masse zur Freude ausschlägt, so auch nicht jede Handlung zum Ruhm" (Chr. Stoic. rep. 1046 d)2). Denn „da die Werke gemäss den Tugenden ihre Besonderheiten (oixsta) haben, so gibt es auch bei diesen vortrefflichere (ttqosvsx&svtcx); zum Bei- spiel wenn einer wegen derartiger Handlungen wie das tapfere Ausstrecken des Fingers, die massvolle Enthaltung von einer Alten, die schon mit einem Fusse im Grabe steht, und das geduldige Anhören des Satzes: Es ist nicht richtig, dass drei gleich vier ist3), wenn einer deswegen manche zu loben und zu preisen unternähme, welche Nichtigkeit legte ein solcher an den Tag?" (Chr. Stoic. rep. 1038 f. 1039 a; vgl. comm. not. 1061 a)4).

x) Ilaga Trtv el-ojd-tv altiav bedeutet wie bei den stoischen Etymo- logien = ,.in Ableitung von". Mäoojv vor dial^azTÖvraiv ist unver- ständlich. — Für Chr. (s. S. 128,1) spricht im einzelnen e^ot&sv und tiiäyoQa y.axa Ttoiozrjta.

') „Ruhm" otuvoloyia.

3) Der Text ist immer noch nicht ganz in Ordnung. *) Stob. ecl. II 113, 21 W. werden auch für die afia^r^fiara ge- Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 9

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Dieser Gedanke scheint einer Verteidigung des Satzes von der Gleichheit der Fehlhandlungen entnommen zu sein, welche Chrysippos gegen die wohl schon damals erhobenen Vorwürfe richtete. Denn er hat das Gleiche gewiss auch von den schlimmen Handlungen behauptet1). Er erkannte demzufolge wohl an, dass Verdienst und Schuld Ehre und Strafe nach sich ziehen müssen2), wollte aber eine An- wendung jenes Paradoxon auf die Konsequenzen der Hand- lungen nicht gestatten. Lob und Tadel konnte er nicht so fast den einzelnen Handlungen zuteilen, sondern nur der erstmaligen Wahl der Tugend oder des Lasters3), da ja die Tugend unverlierbar ist. Die Strafe, welche Gott für die Schlechtigkeit, und die vielen Einzelstrafen, welche er für die Schlechten ausgesetzt hat (Chr. Stoic. rep. 1050 e), sah Chrysippos nur als notwendige Folgen an, die der Schlechte bei seiner Zustimmung voraussehen konnte.

Eine weitere Eigenschaft der guten Handlung ist, dass „jede gute und gesetzmässige (svvofiijfia) Handlung auch eine gerechte Handlung (dixaiOTTQayTj^a) ist. Wenigstens ist die gemäss der Selbstbeherrschung, Standhaftigkeit, Ver- ständigkeit oder Tapferkeit erfolgende Handlung eine gute, also ist es auch die gerechte" (Chr. Stoic. rep. 1041 a b)4). Analog sind die schlimmen Handlungen, Un-

wisse Unterschiede lediglich subjektiver Natur zugegeben, xa# ooov ra fihv avrwv anh onX^Qas aal dvoLarov dia&eosojg yivexai, ov. x) Man beachte S. 129 Z. 19 das „auch"!

2) Chr. fr. 53, 13 und überhaupt Gercke s. v. xokdCeiv, besonders fr. 140 Gercke. Nach Zen. apophth. 54 Pears. scheint der stoische Determinismus schon damals Angriffe erlitten zu haben; denn dem diebischen Sklaven wird der von seiner Seite unverschämte Angriff auf Zenons Schicksalslehre in den Mund gelegt: H/u-apro /uoi uliyai. Und Zenon schon antwortet, dass auch die Strafe vom Schicksal eingerichtet sei.

3) Vgl. die humanen Äusserungen Senecas de ira II 10.

4) Stob. ecl. II 97, 5 W. ist zweifellos aus Chr. extrahiert.

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gerechtigkeiten und Gesetzübertretungen (naqavo^iiaTa) l). Inwiefern alle guten Handlungen gerechte sind, erhellt aus der Definition der Gerechtigkeit, die jedem das Gebührende zuzuteilen weiss; das thut aber derjenige, der überhaupt eine gute Handlung ausüben kann, nach stoischer Auf- fassung in jedem Augenblicke, da der Gute alles gut thut, so dass jede seiner Handlungen wenigstens ihm selbst etwas Gebührendes zuteilt2). „Nicht immer jedoch ist der Gute tapfer oder der Schlechte feige, da es notwendig ist, dass erst gewisse Dinge in den Vorstellungen herangetragen werden, damit jener bei seinen Urteilen verharre, dieser davon abfalle. Es ist aber auch wahrscheinlich, dass der Schlechte nicht immer masslos ist" (Chr. Stoic. rep. 1046 f) 3). Jetzt wird verständlich, warum unter den Eigenschaften, die jedes Gut hat, von den Tugenden nur die der Gerechtig- keit ist (D. L. VII 98). Es ist nicht zu verkennen, dass hier ein gewisser Widerspruch gegen den Satz, wer nach einer Tugend handle, handle nach allen, vorliegt.

Sozialethische Bedeutung hat es wohl, wenn die schlimmen Handlungen unter die Klasse der Schädigungen (ß).dijpaTa Chr. Stoic. rep. 1041 d) eingereiht werden;

1) Das ist aus Chr. Stoic. rep. 1047 d. e zu erschliessen. Daher ist Stob. ecl. II 97, 12 W. zu lesen: ra ds auaQTTjjuaza ix tüjv avTixtt- utvojv ad'ixoTTQay^uara nai nagavofirifiaTa aal azazTrjfiaTa.

2) Wer ungerecht gegen aridere ist, ist es auch gegen sich selbst Chr. Stoic. rep. 1041 d e.

3) Stob. ecl. II 97, 9 W. sagt, nicht alle guten Handlungen seien cf.Qoviutvua.Ta, a/.Va uöva ra anb cpQOVTjotojg aal b/uoicog int tüjv aXkow äoerojv, ei xai fit) ojvöfxaotai, oiov oojffjQovrfiata utv ra anb GojcfjQoavvrjg, (Üiy.aio'juaTa dt anb d'ixaioovvr^g. Der Unterschied zwischen Sutaio'j/btaza und <SiY.aion(jayriuaTa ist demnach der, dass die cpQOvi/xtvfiaTa, ooj(pgovrr uaxa wohl dixaton^ay^fiara sind, nicht aber Sixaiojuara; letzteren Namen tragen lediglich die eigentlichen Gerechtigkeitshandlungen. Vgl. Aristot. eth. Xicom. 1135 a, 12 y.alttxai Ös fiallov dixaton()dy?i[ia rb xoivcv, Otxaüüfia ()t To tnavö(j\fv)ua rov adutruarog.

9*

dass die guten zu den Förderungen (ofxpslri para) gehören, darf man dazu ergänzen1). Als besonders wichtige Klasse der schlimmen Handlungen galten die leidenschaftlichen Handlungen2).

Mittlere Handlungen.

Zwischen gute und schlimme Handlungen legte Zenon entsprechend der Einteilung äya&a, xaxd, petia eine dritte Art von Handlungen mitten inne, die ebenfalls fisda (media) hiessen (Cic. ac. pr. I 10, 37). Aus Chrysippos' Werken ist wahrscheinlich3) folgende Einteilung (Stob. ecl. II 96, 18 W.) abgeleitet: Die Handlungen (ivegy^ficcra) sind teils xaTOQ&co[jLa,Tcc, teils äiAccQTrjfjaTcc, teils ovÖstsqcc. Karog- ^co^ara sind Handlungen wie cpQorstv, aoacfqovsXv, dtxccto- nqayzTv, %aig€iv, svsqysTstv, sv(pqcdv£6$c(i, (pqovificog jtsqi- ticctsTv und alles, was nach der gesunden Vernunft gethan wird; ccfiaQT^fiaTtx sind aygairsiv, äxokaöTaiveiv, adixetv, XvjisTc&ai, (foßsTa&cii, xlsmeiv und überhaupt alles, was wider die gesunde Vernunft gethan wird; weder xcctoq-

L) Vgl. deswegen Stob. ecl. II 101,7 W. ojcpeXrjju-aTa ra Tcaqayiü^Bva. roig dyatioig, aixtq iorlv d>v %qt], ßXäfXfiaxa ra TcaQaxtifieva toig xaxotg, dntq ioriv wv ov iqi], Nach Cic. fin. III 21, 69 wären (xxpeX^fiara und ßlaju/uara Güter und Übel. Das "Wort ojcpeXrjfxa bei Diogenes Cic. fin. in 10, 33.

2) Plut. virt. mor. 449 d itdv /usv yag ndfiog dfxaQtia aar avxovg (Chr. und seine Anhänger 449 c) toxi xal nag b XvTtov/Ltevog rj cpoßovfitvog rj aitL'&vfiaiv d^iaQxdvai.

3) Der Ausdruck ovdixeya, die Erwähnung der %a^ä und evsQytoiat unter den xaxoQ&ojpaxa, der Umstand, dass der unmittelbar anschliessende Satz ihm nachzuweisen ist, sind unsere Gründe. Eine Gepflogenheit des- selben ist es, als Vertreter der Tugenden nur drei aufzuzählen. ^Axo- laaraiveiv Chr. Stoic. rep. 1046 f (vgl. Aristot. eth. Nicom. 1107 a, 19). Das epische dyQalvetv (auch Plut. comm. not. 1064 f) ist statt a<pQ<n>eiv wohl wegen des gleichen Ausklangs mit daoXaoxalveiv, dsiXalveiv (hier nebst avdgiCsod-ou ausgelassen) gewählt. Sext. E. Pyrrh. I 160 sind dem Chr. to /xrjxQdoL aal dSsXcpaig fiiyvva&ai, ebd. III 200 die dqQtvofii^ia, also Handlungen, ddidcpoga; dieser Ausdruck stammt aber von Sextus und steht offenbar statt ovdfoeqa.

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ö-ooficcTa noch d^ccQT^fjbaTa sind Handlungen wie Xsysiv, sqüotccv, <x7TOXQip£<J&ai, TieqmaTeXp1)^ djiodrj^istp u. s. w. Die Beispiele zeigen, dass gewisse Handlungen unter allen Umständen gute, andere unter allen Umständen schlechte sind, und dass die an sich weder guten noch schlechten Handlungen durch den tugendhaften Zustand des Aus- übenden zum xaTOQ&oofia werden, wie das Umherwandeln an sich keine moralische Bedeutung hat, wohl aber das verständige Umherwandeln eine gute Handlung ist. Neben xaTÖQ&ot)[jbcc und a^ciqTr^ia gebraucht Chrysippos die Aus- drücke xcctoq&oogic und dfjaQria (Stoic. rep. 1038 c). Der Unterschied ergibt sich aus Stoic. rep. 1042 f, wo derselbe %<xq(x und sveqyeaiai als xccTOQ&coteig bezeichnet; demnach ist x(xt6q&(o[mx. die Handlung als Vorgang (%aiQ£iv)} xcctoq- &(o(7ic die Handlung als Vorstellungsbild im abstrakten

Sinne wie Tugend und Laster, mit welchen xaroQ&coGig und äfjLccQTla an der ersten Stelle zusammen erwähnt werden. Auch aus Plut. virt. mor. 449 c ist dies zu schliessen, da dort jede Leidenschaft d^iaqTia genannt wird, für XvTisTc&ai u. s. w. aber das Verbum d^agräpsiy steht. Ebenso scheint es sich mit der Bedeutung von sveQyrjfia und nqä^ig zu verhalten2).

Wie Zenon unter den psaa bei der Güterlehre den Unterschied der TrQOfjy^spa und d/T07iQorjy^i€Pa anerkannte, so schied er von den mittleren Handlungen zwei analoge Gruppen aus, die Beachtung und die Nichtbeachtung der xa&qxovra*); eine dritte Art der mittleren Handlungen

*) Dadurch wird Ariston Senec. ep. 94,5 sie ambulabis, illo manum porriges (= daxtvlov itqoteivtiv) erklärt.

2) Vgl. nqi-fiaxa und aQi-oHg. Die Ausdrücke auf -pa sind stoische Bildungen. 'A^aqxla erscheint bereits in der Ethik des Aristo- teles häufig, und afia^nia mit xazoQ&ojoig sind Stob. ecl. II 119, 18 W. peripatetische Ausdrücke für xazÖQ&ojfia und afid^rrj/j-a.

3) Officia servata und praetermissa (Cicero) wäre nach Chr. Stob.

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müssen die eigentlichen mittleren Handlungen gebildet haben1)- Zenon war genötigt über seinen neuaufgebrachten Begriff (D. L. VII 25. 108) eine Monographie (Ttsqi tov xa&rjxovTog) zu verfassen. Mit harter Abbiegung vom ge- wöhnlichen Sprachgebrauche, aber ganz in der gewaltsam etymologisierenden Manier der alten Stoiker verstand er unter xa&tjxov „das an irgend jemand (in einzelnen Fällen) Herantretende" 2), was für ihn dann gleichbedeutend ist

flor. 93, 22 mit %a xa&TjuovTa a7to§iS6vcu und naoalelireiv (vgl. Stob. ecl. II 93, 17 W.) zu übersetzen ; die Partizipia sind eine Latinität. Seinem officium und contra officium entspricht xa&7]xov und iraoa rb xa&faov. Zur Sache Hirzel, Unters. II 406 ff., wo nur nicht zur Geltung kommt, dass xaTooS-oj^a für Zenon erst erschlossen werden muss. Dass die xa&r;xovza engere Beziehung zu den noor^y/usva haben, geht aus Ci- ceros Worten hervor, ferner aus Stob. ecl. II 85, 12 W. axblov&og <T sovi zw löyiu toj iieQi TCQOTiyfievojv c neyl tov xad~rjaovTog rönog (Pear- son S. 186), womit die selbstverständliche Verknüpfung beider Punkte D. L. VII 107 übereinstimmt. Chr. Stoic. rep. 1042 d wird ein aad-- fyov damit begründet, dass die betreffenden Handlungen den fieaa xaza (pvaiv aal itaga cpvoiv entsprechen.

x) D. L. VII 108 f. hat sie den Namen ra ovts y.o.ftvpovxa ovts cra^a zb xa&rjitov, 110 den Namen fisaa. Unter den fieoa soll es auch ein xa&fytov geben, nämlich dass die Kinder den Pädagogen gehorchen. Es ist interessant, dass auch neuere Moralisten die Verfehlungen gegen die Disziplinarsatzungen irgend einer Anstalt nicht als Sünde betrachten. Die Einteilungen D. L. VII 108 f. fehlen bei Stobaios.

2) Schmekel, Phil. d. mittl. Stoa S. 360 Anm., und Bon- höffer, Epiktet II S. 208, erklären xaTd nvag fytsiv mit „was einem Wesen gemäss ist" und nehmen rptiv für ehcu. Allein Stellen aus Ze- non und Chr. für rxsw = efoat sind bis jetzt nicht beigebracht, ebenso- wenig dafür, dass die alte Stoa zur Etymologie eines Wortes die abge- blasste Bedeutung eines Bestandteiles verwertet hätte. KaTä wird in der Bedeutung „gemäss" meist nur mit Begriffen wie qwaig, eifiaQfjtivrj, clqett u. s. w. verbunden ; nvdg heisst nicht „Wesen", wofür nach alt- stoischem Sprachgebrauch rj/ndg stehen müsste. Die sachlichen Be- merkungen und Bedenken Bonhöffe rs S. 208 ff. werden durch die obigen Ausführungen widerlegt.

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mit „das Geziemende". Es fragt sich, wodurch Zenon bestimmt wurde, diesen Begriff in sein System einzuführen und demselben die Wichtigkeit bei- zulegen, die er ihm, wie die Nachfolge seiner Anhänger beweist, zuerteilt haben muss. In seiner Ziellehre war für denselben kein Raum, da die innerste Natur des Ein- zelnen Massstab für alle Handlungen ist. Sowohl mit Rücksicht auf den Glücklichen als auch auf den Unglück- lichen ist der Begriff überflüssig. Wir werden kaum fehl- gehen, wenn wir wie bei den Tiqoriypsva einen gewissen Anschluss Zenons an das sittliche Bewusstsein des grie- chischen Volkes annehmen. Trotz allen Widerspruchs gegen die hergebrachte Meinung erhoben die Stoiker, wie Sextus Empiricus andeutet, den Anspruch, eine Lebens- kunst zu liefern, und was Zenon im Grunde anstrebte, war nichts anderes als volkstümliche Philosophie im wissen- schaftlichen Gewände. Daher ging er stets auf die ein- fachsten, schlichtesten Begriffe und Unterscheidungen aus und suchte einen symmetrischen, leicht zu überschauenden Aufbau des Ganzen; die Gedanken, die Ariston (Senec. ep. 94) über die praktische Form der Philosophie vorträgt, sind gewiss in ihrer Wurzel, wenn auch nicht mit ihren Folgerungen, auf die Anregung Zenons zurückzuführen. Wenn in der stoischen Theologie Zeus gleichsam nur als der höchste Beamte der Moira auftritt, so ist damit nur schroffer ausgedrückt, was seit Homeros der Grieche über das Verhältnis von Zeus und Schicksal dachte, und selbst die Mythendeutung hatte keinen anderen Zweck, als die festen Begriffe der Naturreligion durch die neuen der Naturphilosophie zu läutern. Nun hatte sich in der grie- chischen Volksseele eine Reihe von sittlichen Geboten konsolidiert, welche als ungeschriebene Gesetze (ro^ifia ayocufcc) in der griechischen Tragödie und in den Prozess- reden bedeutungsvoll zur Darstellung gelangen. Der Kern

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derselben war: die Götter fürchten, die Eitern ehren, die Toten begraben, die Freunde lieben, das Vaterland nicht verraten1). Ein Zeichen dafür, dass der Begriff xa&rjxov der Rücksichtnahme auf die ungeschriebenen Gesetze sein Dasein zu verdanken hat, liegt darin vor, dass Chrysippos die Pietät gegen die Verstorbenen in der Schrift nsqi tov xcc&ijxorTog zur Sprache brachte (Sext. E. math. XI 194; vgl. 189). Es ist kein Zufall, dass unter den Beispielen für die verschiedenen Arten der xa&rjxovra bei Diogenes Laertios sich Fälle des xaroQ^w^a fast nicht finden. Wenn unter die ad xafrrjxoi'Ta das Leben nach der Tugend gerechnet wird (D. L. VII 109), so kann das Hinzufügung der Mittelstoa sein, die den Begriff xa^r\xov idealisierte. Eine solche ist darin nachzuweisen, wenn es heisst, dass das [iscov xa&rjxov gewissen gleichgiltigen Dingen (ddia- (foqoig rioi) gleichgeschätzt werde2), welche man entweder nehmen oder abstossen müsse, um nicht unglücklich zu sein (Stob. ecl. II 86, 12 W.). Diese Äusserung kann nicht der alten Stoa, wohl aber Poseidonios zugemutet werden 3). Weiter lehren uns die Beispiele für die xcc&- ijxovrcc, dass dieselben nicht aus der Natur des Einzelnen abzuleiten sind, sondern sich durch die Einordnung des Einzelnen in die Gesamtheit des Alls ergeben, also von aussen her kommen: to yovstc ti^ccv, ädsXyovc, rcccTQida, GV[jbTr£Qi(feQ€C&cu (filoic (D. L. VII 108. 120) 4). Die Ein-

J) S. Leopold Schmidt, Die Ethik der alten Griechen II, be- sonders S. 97 ff. Xer.oph. mem. IV 4, 19—24.

2) Über TCaQO.fXiTQHO'&CU S. 10. 112.

3) S. 122,2.

4) Vgl. Aristot. eth. Nicom. 1097 b, 9 to 8s aixaQxeg Uyofisv ovx avru) filvoj tw {.ojvxi ßiov /uovojttjv, aXXa xal yovtxoi xal Ttxvoig xal yvvaixl xai oXojg TOig cplXoig xal TtoXiTaig, iiteidr cpvou itolixixov b av&Qamog, wo der Niederschlag der Volksanschauung vorliegt. Mit den Beispielen der Handlungen naga to xa&rxov D. L. VII 108 cpiXoig /ur ovvdiaTi&to&ai,

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fügung der xa&rjxovTcc in das Zenonische System involviert einen gewissen Dualismus, und so darf dieselbe als Be- gleiterscheinung des Vorgangs aufgefasst werden, der sich bei der Ziellehre vollzog. Noch bei Ariston handelt der Weise in seinem Streben entweder aus sich heraus oder auf etwas hin, was ihm entgegentritt1). Als Kleanthes aber die Natur des Weltalls zum Prinzip erhob, konnte selbstverständlich diese Auffassung der xa&yxovra nicht mehr bleiben'2). Um mit dem Meister nicht in Konflikt zu kommen, vermied er es, den Ausdruck xa&yxovTa3) für das uns von der Natur des Weltalls aus „Zukommende" zu nehmen, und führte den Ausdruck smßallovTa*) für die Gebote ein, welche die allgemeine Natur gibt, damit wir mit ihr im Einklänge leben sollen. Daher ist ihm die Tugend nichts anderes als die Kraft, die snißdllovra zur Vollendung zu bringen (fr. 76 Pears.). Ein Anhalts-

itarqiba vntqo^äv vgl. Chr. Gal. 405 K., wo cpiXovg zal nöXtig ttqo§i§6vcu ungeziemende Handlungen {ao%rjfjLovag ngä^tig) sind. S. auch Chr. Stoic. rep. 1039 bc. [Ps.-Liban. ep. lat. 1, 5. S. 736 a Wolf]. Chr. Cic. fin. IV 25, 68 scheinen die Sorge um Gesundheit, Hauswesen, Staat und Ge- schäfte als Lebenspflichten zu gelten.

x) Occurrentia quaedam Cic. fin. IV 16, 43. Man könnte auch an die Übersetzung kußäXXovza denken (s. jedoch S. 120,1).

2) Der enge Zusammenhang zwischen Ziel- und Pflichtenlehre ver- steht sich von selbst. Nach Stob. ecl. II 62, 10 W., wo zuvor das Chrysippeische Ziel angeführt ist, hat der Mensch von der Natur in der Tugend der Weisheit auch die Antriebe zur Auffindung (tvQtoig) des xad-rxov ; s. auch Chr. comm. not. 1069 e.

3) Stob. ecl. I 153, 16; 18 sagt er h> toig xad-rjxovoi %QÖvoig „in den ihnen zukommenden, bestimmten Zeiträumen".

4) Der Terminus ist wohl von dem Bogenschiessen herzuleiten, da das Medium trzißälleo&au in dem Ausdrucke imßtßlrjfxtvoL ro^özai soviel heisst wie „für sich auf den Bogen legen". Fasst man das Partizip in- transitiv, so sind tu, inißällovxa die Dinge, die auf den gespannten Bogen der Seele (tovog) kommen, und hwc&küv bedeutet „zum Ziele, tnl tg xtlog, bringen". 'Eiiißctlfai schon Aristot. Pol. 1323 b, 21.

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punkt für die Annahme, dass die siußäXXovTa von der xoivrj (pvtiic ausgehen1), ist in der Thatsache zu finden, dass Chrysippos in seiner Definition der Gerechtigkeit, die er an die Stelle der Zenonischen setzte, diese Tugend das Wissen nennt, welche jedem das Gebührende (a?ea) zuzuteilen weiss, wobei nach dem Zeugnisse des Diogenes von Babylon (Stob, eck II 84, 13 W.) ä£ia soviel bedeutet wie snißaXXov, gerade um der Gerechtigkeit willen aber hat Chrysippos die Natur des Einzelnen ihrer Alleinherrschaft in der Ziellehre entkleidet. Dem Ausdruck xa&ijxQVTcc be- liess Kleanthes die einmal festgesetzte Bedeutung, so dass er sie unter den Begriff des emßdXXov einordnete, und gebrauchte ihn mit rd dsovra synonym (a. 9 Pears.)2). Eine neue Verlegenheit entstand, als Chrysippos die xowfj (pvöig und die dvd-qoanivri (pvöig in der Ziellehre verschmolz; die Gebote beider Naturen müssen inhaltlich harmonieren, und so gilt srcißaXXov auch von den Tugendhandlungen, welche das geläuterte sittliche Bewusstsein (oqd-og Xöyog) des einzelnen Menschen ihm vorschreibt, auch wenn sie nur für ihn selbst Wert haben. Hingegen Hess sich zwar xa&fjxov nicht der ccv&qootiIvt] (pvöig vindizieren; aber dieser Ausdruck kam durch die Bedeutungsverschiebung von IrcißdXXov in etwas nähere Beziehung zur xotvrj (pvöig, und auch der Sprachgebrauch war einer Erweiterung der Be- deutung günstig. Darum stehen bei Chrysippos beide Ausdrücke neben einander, wie zum Beispiel in der Er- läuterung des Begriffes „Verhängnis" (xqscov): ovtco de xal t6 xqscov eiorjö&cu to smßaXXov xal xa&r\xov xard tt\v eifiaq-

*) Vgl. 1). L. VII 123 zag in zov vöfiov STußaklovoag xoldaeig.

2) Von einer Ordnung der Pflichten, deren klare Erkenntnis manch- mal durch den Irrtum gehindert wird, während bei Beseitigung desselben klar wird, was man jeder Pflicht schuldig ist, spricht Ariston Senec ep. 94, 5; da Irrtum beim Weisen nicht möglich ist, ist klar, dass xa&fxov recht eigentlich der Begriff für den Fortschreitenden ist.

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fisptjv (fr. 46,8 Gercke)1). Ja snißdXXoav oder imßdXXsv erscheint manchmal in der mehr allgemeinen Bedeutung „geziemend", „es ist angemessen" (Chr. Stoic. rep. 1033 d. 1036 a, 1047 a. Sext. E. Pyrrh. III 248). Doch ist es meist für die Handlungen des Tugendhaften verwendet oder hat besseren Sinn als xa&rjxov. Die Tugend der Sanftmut be- währt sich in der Erfüllung der smßdXXovTa in allem2). Die Fähigkeit der Vernunft darf man nicht zu Dingen missbrauchen, die nicht smßdXXovTa sind; zu letzteren zählt die Erforschung der Wahrheit (Chr. Stoic. rep. 1037 b). Dem Arzt des Leibes schreibt Chrysippos nur ein xa&- rjxsiv, dem Arzt der Seele ein smßdXXsiv zu (Chr. Gral. 437 K). Dem edlen und weisen Mann kommt eine be- stimmte Hoheit (rov emßdXXovTog vxpovo) und Stärke (r?jv eTTißdXXovcav faxvv) zu (Stob. ecl. II 99, 17 u. 18 W.). Der Weise erlässt die vom Gesetze aus zukommenden Strafen nicht (D. L. VII 123) 3).

x) Mit xax a^iav {= y.axd xo tnißdllov) ist yad~rjxov Gal. 398 K. zusammengestellt : die Leidenschaftlichen halten es für y.a&r>y.ov aal aar a&av, dass sie so handeln, wie sie handeln. Wohl nicht nur der Sinn, sondern auch der Ausdruck der Stelle ist Chrysippeisch. Wegen der Bedeutung von y.a&ry.ov s. auch fr. 46, 15 Gercke xb diza^dßaxov xai aiojvos xa&ry.ov xa>v eurtW.

2) Stob. ecl. II 115, 11 Wr. (wahrscheinlich Chrysippeisch).

3j Auch Sext. E. III 248 scheint imßdlltiv von Weisen gesagt zu sein. Selbst bei Antipatros Stob. flor. 66, 25 W. geht xb xf cpvoei (!) imßäü.ov htvtiUiv auf Vaterlandsliebe und Götter Verehrung, während xa&rxov nur auf avyy.Qad'rjvat eis yd/uov geht. Es ist von ßelxiaxoi xcug (pvoeai die Rede. Ferner steht Plut. Stoic. rep. 1064 f. v.ad-r>v.ov unmittelbar mit t-xtßällov zusammen. Stob. ecl. IE 103, 10 W. vofiov aal irohxeiag y.axd cpvoiv (!) tnißalloiorjg. Vgl. Wyttenbach z. Plut. de rect. rat. aud. 37 f. S. 253 (311) f. Baguet S. 163 Anm. 27. Für xa^a Chr. Stoic. rep. 1046 c ovd'dv xbv ddxrvXov ya%r\yoi itQoxtivai, ebenso d. Ebd. 1045 d xi xu> ßyaßevxf tcud-faet notrpai ; Chr. comm. not. 1069 e riva Xdßo) rov xa&r^ovTog do%rv nal vXrjv xrjg doaxrfi dcpelg x ? v (fioiv xal xb xaxd (pvoiv. Das y.adrjyov ist also der Stoff, an welchem sich die Tugend bethätigt.

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Über die Natur des xcc&rjxov selbst wird grössere Klarheit erst erzielt durch eine Zusammenfassung dessen, was über das Zustandekommen der Handlungen gesagt wurde. In unseren Vorstellungen werden gewisse Dinge herangetragen, sie stossen auf Urteile, die sich in uns durch Erfahrung gebildet haben, sowohl beim Guten wie beim Schlechten. Der Gute wird bei diesen Urteilen be- harren, der Schlechte davon abfallen. Die unvernünftigen (äXoya) Wesen können nicht anders als die ihrem Wesen entsprechenden Thätigkeiten, wie sie das Schicksal ein- gerichtet hat, wie sie ihnen vom Schicksale aus „zu- kommen", ausüben. Das ist das Entsprechende in ihrem Leben (axolov&ov ev tji £o)5j). Weil die Handlungen der Pflanze und des Tieres vom Schicksale ausgehen und dem Wesen des Geschöpfes entsprechen, lassen sie sich mit guten Gründen verteidigen. Beim vernünftigen Wesen haben wir nicht mehr bloss eine Entsprechung im rein physischen Leben (^corj)1), sondern eine solche in der Lebensführung (ßiog)2). Denn dieses handelt nicht bloss auf Antriebe hin, sondern hat, mit freier Zustimmung aus- gestattet, die Vernunft, um sich zu entscheiden. Die

*) Das Wort im allgemeinen Sinne Procl. inTimae. 18 c. Vgl. S. 101, 2.

2) D. L. VII 104 f. Stob. ecl. H 85, 12 W. (vgl. Sext. E. math. VII 185, wo von Arkesilaos die Rede) scheint mir wegen der Herein- ziehung (diateivuv) von Pflanzen (aloya <pvrd) und Tieren Chry- sippeisch. Bonhöf fer II S. 224 f. fasst evloyog als „vernünftig". Das würde aber hoytxög heissen müssen. Evloyog bedeutet bei der alten Stoa entweder „wahrscheinlich" oder „wohlbegründet". Chr. Gal. 385 K. ist aloyojg = xaxojg iv zto dialoytCto&cu Gegensatz zu tvlöyojg, SO dass letzteres bedeuten würde : aalojg iv tw dialoylteo&ai. Übrigens erkennt Chr. dort diesen Gegensatz nicht an und fasst alöyvjg antoTQapfiavwg zw löyy, so dass er S. 389 K. aloyoi und loyi^v einander gegenüberstellen kann. Ahnlich ist der Unterschied von xaxa cpioiv „der Natur gemäss" und tvyvrig „der Natur recht nahe kommend oder gleichsehend", daher „geeignet".

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Triebe aber, welche die Entscheidung veranlassen, werden durch triebkräftige Vorstellungen in Bewegung gesetzt, die von Objekten herkommen (xad-TjxovTog)'1). Da der erste Trieb der Selbsterhaltungstrieb ist, so ist das erste, was uns vom Schicksale aus „zukommt", das „Sein"2). Man kann daher die „zukommenden" Dinge in drei Gruppen einteilen: die einen beziehen sich auf das Sein (rrgdg to sivai) oder die Erhaltung im Stande der Natur; die zweite Gruppe auf die Art and Weise, wie wir sind (ngog to noia sivat), also die Festhaltung des Naturgemässen und die Fernhaltung des Naturwidrigen; die dritte Gruppe sind die sittlich wesentlichen Dinge selbst [TTQoriyov^sva] 3). Das ist die Auffassung des Begriffes xa&rjxov im weitesten Sinne. Die erste Gruppe umschliesst auch die xa&ijxovTcc der Pflanzen und Tiere, die letzte enthält die xa&rjxovTa des am Ziele Angelangten, der die Gabe der freien Ent- scheidung vernünftig gebraucht.

An sich ist das xa&rjxov demnach noch keine Handlung, sondern nur das Vorstellungsbild einer Handlung. Da solche aber meist nur durch Infinitive ausgedrückt werden, ist es nur allzu natürlich, dass man das xa&ijxov selbst unmittelbar als Handlung bezeichnet. So lautet denn die Definition des xa&rjxov sowohl: xa&rjxov ist das, was eine wohlbegründete Verteidigung zulässt, wenn es vorgezogen wird 4), als auch : es sei eine Handlung, welche den natur-

») S. 19.

2) Es ist das lediglich ein Schluss von Stellen, die sicher oder mutmasslich Chrysippeisch sind. Wegen des Folgenden s. Bon hoff er, Epiktet II S. 205; auf Chr. deutet noia stvai. "Wegen der Cicerostelle (prima est enim conciliatio hominis ad ea, quae sunt secundum naturam) vgl. Chr. D. L. VII 85.

3) Epict. diss. 3, 7, 25. Cic. fin. UI 6, 20.

4j Ob wir TtQoayß-ev oder nQa.%Mv lesen, verschlägt übrigens nicht viel; Stob. ecl. II 85, 14 W. haben FP itaqa%%h. Diese Definition ist die Zenonische; denn mit derselben operiert bereits Arkesilaos (Sext.

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gemässen Veranstaltungen eigen sei (D. L. VII 108). Die sittlich inferiore Bedeutung der xaöijxovTa gegenüber den xaTOQ&oofjbccTa spricht sich darin aus, dass diese auf Grund der gesunden Vernunft ausgeführt werden, jene aber ebensogut wie die Handlungen rcaqa to xa&rjxov und die eigentlich mittleren Handlungen überhaupt auf Grund eines Triebes.1) Deshalb ist in der Definition des xa^xor nicht von Üb er ein Stimmung mit der Vernunft der Natur (opolo- yovfisvcog t% (f vaei) 2) die Eede , und die auf Grund des xa&tjxov vollzogene Handlung bedarf erst der Verteidigung. Kein Gesetz der Natur ist hier gegeben, wie beim xaroQ^w^cc für denjenigen, der glücklich sein will, sondern nur ein Rat der Vernunft (ßtia Xoyoc aiqsX noistv)*).

Sobald aber der Stoiker das xoc&rjxov in die That um- gesetzt denkt, muss er eine gewisse Alteration in dessen Wesen annehmen, je nachdem der Tugendhafte oder der Lasterhafte das xa&rjxop ausführt. Denn die Tugend ist unverlierbar, und demnach handelt der Tugendhafte immer tugendhaft, das heisst, alle seine Handlungen sind gute4).

E. math. VII 158) gegen die Stoiker, indem er dieselbe freilich auf das xarÖQd'oj/j-a beschränkt.

1) tojv yao ota'&'oQ/LCTjv ivsoyov/uevcov va fisv xadynovra eivai D.L. VII 108. Daher sind die xa&Yjxovra nicht xata Xöyov, sondern nur evloyojg zu verteidigen. Vgl. Bonhöffe r S. 208.

2) Stob. ecl. II 85, 17 W. 'Eavrojv darf nicht etwa urgiert werden, da es nur wegen des Gegensatzes der aloya zu den Xoyma C$a gesetzt ist. üebrigens vgl. D. L. VII 88.

3) D. L. VII 108. Chr. virt. mor. 441 d. 449 c ist naoa rbv alqovvxa löyov bereits technischer Ausdruck ; es handelt sich um vernunft- widrige, thörichte Handlungen [aloya, arona) im Stande der Leiden- schaft. Chr. virt. mor. 449 d definiert die xaoxtqia und iynqäxtia als £%tis anoXov&rjTivias toj aiQovvn löyw. D. L. VII 108 werden die Handlungen naoa xb xa&Tjttov mit ooa firj aiqsi löyog erklärt; daher ist VII 109 ovt anayoQtvti zu stark ausgedrückt.

4) Stob, ecl, II 65, 12 W. erweist sich mit Chr. Stoic. rep. 1046f

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Wir müssen also schliessen, dass der Gute auf Grund seiner persönlichen Eigenschaft, so oft er ein xa&rjxop er- füllt, dasselbe zum xuTOQ&oofjia erhebt, mit anderen Worten, da er das tsÄoc hat, das xa&rjxov zu einer rslsla tvqcc^iq macht1), geradeso wie sittlich wertlose Handlungen, z. B. das Ausstrecken des Fingers, die Enthaltung von einer dem Tode nahen Alten, das Aushalten eines Mückenstiches und ähnliches, dadurch, dass sie von der Tugend ausgehen (cvußaivovrwv an äQsrrjg), nach Chrysippos' Ansicht (Stoic. rep. 1038 f. comm. not. 1061 a) zu xaTOQ&w^aja werden.2) Da also der Weise gar nicht anders kann als immer den xa&?jxovTa genügen, durfte Chrysippos, vom Standpunkte des handelnden Subjektes aus, bei seiner weiteren Fassung des Begriffes sich so ausdrücken: das xa&r\xov werde, wenn es zur Vollendung gediehen sei [relei^ev) , zum xctTOQ&wna (Stob. ecl. II 86, 11 W.j, und so kann auch gesagt werden, von den xa^r\xovTa seien manche rslsia, die auch den Namen xaTOQ&oofxara bekämen (Stob. ecl. II 85, 18 W.) 3). Denkt man an die Theorie des Chrysippos vom sittlichen Schönen, so steht ihm auch die Bezeichnung des xccToq&wiJLa als xa^xop , das alle Zahlen erhalten hat (Stob. ecl. II 93, 14 W.), wohl an4). Schon Zenon unter- schied unter den schlimmen Handlungen solche, die zu

verglichen als Chrysippeisch. Vgl. Stob. ecl. II 107, 11 (wahrschein- lich Chrysippeisch). II 66, 19. 67, 2 W.

J) S. für den Ausdruck die Stellen S. 142, 4. Vgl. S. 61 f.

2) Nämlich durch Tapferkeit Mässigung (iyxgazojs), Standhaftigkeir, Geduld.

3) Beide Stobaiosstellen gehören vermutungsweise dem Ohr. Die Definition des xaro^w^a als rtluov nadr^ov 93, 16 W. verändert die Sache etwas und ist, wie xattdctep nyotinoptv zeigt, eine ungenaue Ab- kürzung seitens des Doxographen.

4) Von Bedeutung ist, dass es nicht heisst tb xatö^d-ojfxa, sondern nur y.aTÖp&oj/ua. Weitere Belegstellen für diese ästhetische Auffassung Bomhof f er, Epiktet 17 S. 215. Anm. 1.

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ertragen seien, und solche, die auf keine Weise zu er- tragen seien, deshalh, weil manche schlimme Handlungen mehr, andere weniger Zahlen (numeri = aqid^^oi) des xa&rjxov unbeachtet lassen (Cic. fin. IV 20, 56) 1). Zenon will damit sagen, dass der Schlechte zwar durch seine Lasterhaftigkeit jede seiner Handlungen zu einer schlechten macht2), dass aber doch eine Handlung von seiner Seite, die objektiv einem xcc&rjxov entspricht, noch erträglich sei. Aus einer Äusserung des Chrysippos (Gal. 405 K.) ist seine Ansicht herauszulesen, dass die krasse Verletzung der xa&qxoprcc beim Leidenschaftlichen eine blosse Folge seiner Seelenschwäche ist, die zum Laster neigt. Ein eigentliches xa&fjxov erfüllt also nur der Fortschreitende, und derjenige, welcher die höchste Stufe des Fortschreitens erklommen hat, erfüllt nach Chrysippos alle xa&rjxoprcc auf jede Weise und unterlässt keines (Stob. flor. 103, 22). Wenn aber einer, der noch nicht weise ist, alle xa&rjxovTa erfüllt, so kann kein xa&r\xov an sich ein xaTOQ&wpa sein, da dieses nur dem Weisen zukommt. Für den Weisen geht das xa&rjxov in den xaTOQ&coficcTa auf; für den Fort- schreitenden aber scheint das xccTOQ&oopa als die Blüte3) des xct&rjxov. „Eine vollendete (rsXsict) Handlung ist nur eine solche, welche gemäss allen Tugenden ausgeführt wird" (Chr. Stoic. rep. 1046 f). „Von den mittleren

*) Dem reinen afidQx^^a mangeln offenbar alle agi&fioi, wie das KarÖQd'ajjua alle aQi&fxol besitzt.

2) Chr. Gal. 406 K.

3) Der Begriff imyavvrjfia liegt in iniy Lv eo&ai avxco xr]v tvöai- (Ltoviav, orav at [itoai ngä^ti? avxai nQOoläßojoi xb ßsßaiov xal exzutöv Eigenschaften der Tugend! aal Idiav rc^iv xiva läßwoiv Chr. Stob. flor. 103, 22; vgl. Cic. fin. III 6, 20 die vierte und fünfte Gruppe der xa&rjxovTa : dauerhafte Auswahl und die beständige, mit der Natur ganz übereinstimmende Auswahl der Handlungen. Bonhöffer S. 215 K. schiesst etwas über das Ziel hinaus; im übrigen ist Bonhöffers Ab- handlung sehr zutreffend.

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Handlungen {^saa) ist keine brauchbar" (Chr. Stoic. rep. 1038 a), da dieses Prädikat nur den Gütern (D. L. VII 98), also bei den Handlungen den xaTOQ&w[MXT<x zukommt. Da- her nennt Chrysippos die xa&ijxovTcc einfach mittlere Hand- lungen (psoai Tzqä&iQ). Als Beispiele mittlerer Handlungen rinden sich bei ihm Gefälligkeit (svxQrjCTiajund Dank

Schlussbemerkung-.

Von dem, was die alte Stoa über die Handlungen lehrte, interessieren uns hauptsächlich zwei Punkte2).

Zunächst ist ihre Ansicht über die Gleichheit aller Sünden von jeher als paradox bekämpft und bespöttelt worden. Dagegen ist zu bemerken, dass dieser Satz, rein theoretisch genommen, im ganzen System wohlberechtigt ist, und dass er daher höchstens als Beweis dafür, wohin dieses System führt, kritisch verwertet werden kann. Der Beweis desselben durch den Vergleich mit dem Entfernt- sein von Kanobos erinnert freilich an eleatische Sophis- men; gleich hausbacken könnte man erwiedern: Wer ein Stadion von Kanobos entfernt ist, kann eben doch die Stadt viel leichter erreichen als derjenige, welcher 100 Stadien dahin hat, und im Notfalle ist der Vorsprung sogar von grossem Werte. Die sachliche Begründung, die sich auf die Gleichheit der stets vorhergehenden Ur-

*) Plut. a. 0. Das sind wieder die Ausdrücke für die Vor- stellungsbilder. Cic. fin. III 21, 69 bringt die Ausdrücke für die Hand- lungen: tvxwoTijftuTa und dvox^rjarT/fiara ; sie werden dort zu den rrooryuiva und anocroor^ulva gerechnet. Die tv%Qrjatia ist Plut. fr. inc. 95, 3, 3 (III 58,7 Didot) eine Art uyelsut.

2) Die vom Standpunkte der Stoa aus ganz konsequente Lehre, dass der Schlechte, auch wenn er ein xa&rjxov erfüllt, damit doch ein auaoTr.ua begeht, hat eine merkwürdige Parallele in Luthers Lehre von der Erbsünde; Melanchthon könnte sich auf die Lehre der Stoa selbst berufen, wenn er die Massigkeit des Zenon nicht als Tugend, sondern nur als Laster gelten lassen will.

Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 10

146

teile stützt, zeigt, dass das Dogma in parainetischer Ab- sicht gegeben war; gegenüber Leuten, die sich einbilden gut zu sein, wenn sie nur keine Diebe, Räuber und Mörder sind, hatte dasselbe sogar eine gewisse Berechtigung. Die Grundlage einer Strafrechtstheorie wollte die alte Stoa sicherlich damit nicht liefern. Wollte man jenen Satz den- noch auf das polizeiliche und pädagogische Gebiet anwenden, so Hesse sich ein volkstümlicher Kern nicht verkennen, da ja auch unser Volk von Tifteleien nichts wissen will: Betrug ist Betrug. Eine wirkliche Schwäche desselben beruht jedoch darin, dass er sich wohl mit der Einteilung der Menschen in gute und schlechte vereinigen lässt, die Aufstellung der Gruppe der Fortschreitenden aber, solange diese selbst noch eine Art der Schlechten repräsentieren, überflüssig macht.

Der andere Punkt, der unsere Aufmerksamkeit auf sich lenkt, ist die Pflichtenlehre der alten Stoa. Aus dem, was darüber ermittelt wurde, geht hervor, dass der jetzt herrschende Pflichtbegriff sich mit dem stoischen weder im Inhalt noch im Umfang noch hinsichtlich des Subjektes deckt. Auch die Klarheit scheint letzterem noch zu fehlen. Doch hatte derselbe die Eigenschaft der Volkstümlichkeit. Überhaupt bewog den Stoiker seine Methode, die Vernunft der Natur aus der Ubereinstimmung ihrer lauteren Äusserungen abzulesen, dazu, die sittlichen Gesetze der Volksseele zu studieren. Unter letzterem Gesichtspunkte begreifen sich zugleich die Abweichungen vom sittlichen Gefühle des griechischen Volkes. Bei dem Stoiker rät die Vernunft wohl, die Eltern zu ehren; aber dieselbe unter- scheidet darin die Eltern nicht von Brüdern und Vater- land. Wie inkonstant der stoische Begriff „ehren" war, ist daraus ersichtlich, dass die Vernunft nicht widerrät, sich mit Eltern, Kindern, Geschwistern geschlechtlich zu ver- binden ; das schlägt aber der griechischen Moral geradezu ins

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Gesicht. Die Einschränkungen, die selbst Piaton an seinem Gesetze der Weibergemeinschaft anbringt, vor allem aber die erschütternden Klagen des Odipus Rex beweisen das, und Zenon verfehlt nicht gegen die Moral der Odipussage mit kynischer Logik zu polemisieren1). Der Stoiker beruft ^ sich auf das Leben der Tiere und die Sitten fremder Völker dafür, dass derartiger Verkehr sittlich ohne jede Bedeutung sei. In der Schrift ttsqI xccd-qxovrog sagt Chrys- ippos: „Wenn die Eltern dahingegangen sind, soll man die einfachste Beerdigung vornehmen, da der Körper (wie zum Beispiel Nägel, Zähne oder Haare) gleichsam nichts für uns ist, und da wir in keiner Beziehung mehr eine derartige Rücksicht oder Sorgfalt bedürfen. Deshalb werden sie auch2), da die Fleischteile brauchbar (xQqöiiiog) sind, dieselben zur Nahrung verwenden3), wie es auch, wenn ein einzelnes Glied wie ein Fuss abgehauen wird, geziemend wäre, dasselbe und ähnliches zu verwenden4). Wenn sie aber unbrauchbar (äxQstog) sind, werden sie ent- weder dieselben vergraben und dann das Denkmal sein lassen 5) oder verbrennen und dann die Asche ausstreuen oder sie werden sie weiter wegwerfen und keinerlei Rück- sicht auf dieselben nehmen wie zum Beispiel bei Nägeln und Haaren" (Chr. Sext. E. Pyrrh. III 248 = math. XI 194j. Nach Zenon soll man die Sterbenden den Tieren

r) Nach fr. 180 ist die That des Ödipus kein o.Io%qöv. Chr. über die That des Laios s. Gercke index s. v. *) Offenbar die Weisen.

*) Auch in der Schrift itsQl Smaiov empfahl Chr. das Verzehren der Gestorbenen (I). L. VII 188;.

4) Vgl. Sext. E. math. XI 193. Pyrrh. III 247.

5) 'E-xoioovoi ist unrichtig; aber zu täoovoi Pyrrh. III 248 ist aus math. XI 194 to p^«a zu ergänzen. Auch Pyrrh, III 246 math. XI 191 sind die Lesarten beider Stellen zu vereinigen. Die 2w:nrLxd haben den Sinn besser erfasst.

10*

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vorwerfen oder dem Feuer (fr. 185). Die rationalistische Begründung stützt sich auf den Mangel des sittlichen Nutzens, der unbedingt zum stoischen Gute gehört; induktiv erinnerte Chrysippos an die Ägypter, die ihre Toten ein- balsamierten und zu Hause aufbewahrten, an die Perser, welche die ihrigen in Wachs legten, an die Magier, welche die Leichen zuerst von Hunden zerreissen Hessen, au Hyrkanien, wo das Volk auf Staatskosten, die Reichen zu Hause Hunde auffütterten, um so eine möglichst schöne Bestattung zu finden, wie auch an andere scheussliche, nicht zu schildernde Bestattungsgebräuche, die er in seiner pe- dantischen Weise zusammentrug (Cic. Tusc. I 45, 108). Das ist ein anderer Geist als der, welcher uns aus der Antigone entgegenweht, und wir verstehen wohl, dass Chrysippos sich mehr zu dem von der Sophistik ange- hauchten Euripides als zu dem Vertreter der alten guten Sitten, Sophokles, hingezogen fühlte. Diogenes derKyniker') hatte gesagt, die Kinder sollten ihre eigenen Eltern zur Opferbank führen und dann essen (Theophil. Antioch. ad Autol. III patr. 6, 1125 c Mign.). Zenon malte das so aus: die Väter sollten von den eigenen Kindern gekocht und verzehrt werden, und wenn das einer nicht wollte oder einen Teil der Nahrung wegwürfe, würde der, der es nicht gegessen habe, selbst aufgezehrt werden (fr. 184). So sehr derartige Aussprüche an Zwangslagen gemahnen, so ist es doch für die altstoische Pflichtenlehre charakteristisch, dass der Weise dünkelhaft genug ist , sein eigenes Leben, ein sittlich mittleres Ding, für so wertvoll zu halten, dass er jeden Preis zu zahlen imstande ist. Die skeptischen und epikureischen Gegner der Stoa haben gut gefühlt, dass solche Lehren der einfachsten

l) Diesen zitiert in der Frage Chr. Philodem, de phil. Gomperz, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1878, 255.

Moral zuwider sind, und jene Auswüchse benutzt, um die edlere Moral der Mittelstoa in Verruf zu bringen. Von der Erlaubnis der Knabenliebe, die griechische Sitte war, wollen wir hier schweigen1). Das Verdienst der Stoiker an der Entwickelung des Pflichtbegriffes besteht somit lediglich darin, dass sie denselben in die wissenschaftliche Ethik einführten und die Frage im allgemeinen anregten. Ein Vorzug der Unbestimmtheit ihrer Pflichtbestimmungen mag vielleicht in dem Umstände erblickt werden, dass sie das Nachdenken im einzelnen Falle , die freie Entscheidung und damit die sittliche Verantwortlichkeit auch bei Pflicht- handlungen dem Individuum nicht abnimmt. Aber der Vorzug ist nur in dem Falle ein solcher, dass das ethische Subjekt die hohe intellektuelle Vollendung besitzt wie der stoische Weise. Zeigen doch die auffallenden Abwege ihrer eigenen Theorie, mögen sie auch bei dem Vorgang der Kyniker und bei dem damaligen Zustande der ethno- graphischen und naturgeschichtlichen Kenntnisse sowie bei der Methode der Logik erklärlich sein, wohin das Pochen auf die Vernunft führt. So kommen sie nicht zu einer feineren Vorstellung von der Würde des Menschen, nicht zur Erkenntnis eines Fortschrittes in der Menschheit und trotz der altruistischen Färbung ihrer Pflichtenlehre infolge ihrer individualethischen Tendenz der sittlichen Selbst- herrlichkeit nicht zur richtigen Einsicht von der sozialen Stellung des Einzelnen. Vom Werte des guten Willens, den Kant an die Spitze seiner Ethik stellt, hatten sie keine Ahnung ; es wird kaum möglich sein, in den Frag-

l) Es ist bemerkenswert, dass Persaios als Erzieher zu einem Bastardsohne des Antigonos (Halkyoneus) gerufen wurde und Sphairos an den Hof, an dem Arsinoe zugleich Schwester und Gemahlin des Herrschers war.

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menten der Ethik ausser in Zitaten aus Dichtern über- haupt unsern Begriff Willen zu entdecken1).

§ 6.

Die Leidenschaft.2)

Vorbemerkung.

Wenn die alten Stoiker bezüglich der Leidenschaften, wie wir sehen werden, einhellig waren, so erklärt sich dies daraus, dass sie in den Grundfragen der Psychologie über- einstimmten. Ariston musste in seinem Streben nach Ein- fachheit die monistische Psychologie Zenons der Platonisch- Aristotelischen vorziehen, und auch Herillos steht in seiner Lehre vom ethischen Wissen ganz auf dem Boden der Schule. Erst als die Mittelstoa in der Psychologie eine Anlehnung an Piaton und Aristoteles suchte, veränderte sich auch hier der Bestand der Theorie wesentlich 3).

Wir besitzen gerade in dieser Frage ausführliche Stellen aus den Werken des Chrysippos. 4) Es wird da-

*) Die Übersetzung muss zuweilen zu dem "Worte „Willen" greifen. In der Hauptsache tritt der intellektualistische Begriff ovyxarä- -freoig, beziehungsweise oq/xt (hqoolIqsois) dafür ein.

2) Über dieselbe existierten Schriften von Zenon, Herillos, Sphai- ros und Chr.

3) Die Mittelstoa hatte deshalb guten Grund, vorchrysippeische Sto- iker als Zeugen anzurufen. Dass sich Poseidonios dabei auf Kleanthes, der nicht zur Sache geschrieben hatte, stützte, ist charakteristisch. Bon- höffers Zweifel (I 45,48) an der Echtheit von fr. 84 ist unbegründet ; wenn Diels Doxogr. 392 b, 2 ein anderer Kleanthes gemeint wäre, müsste ein diakritischer Zusatz zum Namen gemacht sein.

4) Fast ausschliesslich aus der Schrift neQi na&Üiv, die 4 Bücher umfasste (Gal. 379. 458. 479 K.), indem zu den 3 hoyixa v^o/urr/uara

151

her verständlich sein, wenn wir, um ein möglichst genaues Bild von der altstoischen Forschung zu gewinnen, die wörtliche Aufnahme grösserer Fragmente in die Darstellung nicht verschmähen und uns vor allem an den Vollender der Theorie anschliessen. l) Dies Verfahren hat um so mehr Grund, als aus Chrysippos eigenen Worten ersicht- lich ist, wie er sich bemüht, die Definitionen und Bilder des Meisters zu verteidigen und aufzuhellen.2)

genannten Büchern das ■^s^a^evTinöv, bei einigen auch ri^möv (Gai. 364. 393. 442 f. 493. 589; vgl. 420. 448. 660. 406. De locis affect. 3, 1 VIII 138 K) betitelt, hinzugezählt wurde. Die Zweifel Baguets S.304 über die Auffassung von S. 389 und 493 K. sind unberechtigt; s. Müller zu 493. 414. 415. 421 (vgl. 442). Die loymä hatten ihren auffallenden Namen nach Cic Tusc. IV 14, 33 daher, weil sie logisch feiner (subtilius) ausgearbeitet waren; vgl. Über die Anlage der stoisch. Bücherkataloge. Würzburger Gymn.-Progr. 1896, 14 ff.

x) Es wird sich dabei zeigen, dass Galenos nur wenige in sich zusammenhängende Stellen vor sich hatte, die er in seiner Kritik, freilich leicht kenntlich, auseinanderriss. Dieser Umstand, welcher durch die Beobachtung verstärkt wird, dass aus dem dritten Buche bei ihm jedes Zitat fehlt, berechtigt im Zusammenhalt mit Plut. virt. raor. 447 a ff., der von den bekämpften Stoikern nicht viel mehr als Galenos hat und merkwürdig mit Poseidonios übereinstimmt (vgl. R. H e i n z e , Xenokrates S. 149, 2), zu dem Schlüsse, dass wir unsere Kenntnisse von Chr.'s Werk hauptsächlich dem Poseidonios verdanken. Durch den Vergleich zwischen Plutarchos und Galenos ergibt sich, dass ersterer wie in de soll. anim. fortwährend in versteckter Weise auf die eigenen Ausdrücke der Gegner anspielt. Virt. mor. 442 c 443 d (c. 4) scheint Poseido- nios selbst den Chrysippos ausgenutzt zu haben. Wenn Plutarchos jedoch 450 c die Schrift ntyl dvofioloyiag anführt, so war diese bei Poseidonios zitiert; er stellt sie deutlich (&') in Gegensatz zu der anderen hauptsäch- lich bekämpften Schrift. Wir hoffen durch Berücksichtigung dieser Sachlage auch über Baguet, der sich selbst S. 286 für nicht ganz zu- länglich erklärt, etwas hinausgekommen zu sein.

2) Wie S. 439 Zenon genannt wird, so ist er auch S. 370. 392. 394 und mit Ariston und Menedemos S. 385 unter den „einigen" verstanden.

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Wesen der Leidenschaft.

Die Leidenschaften sind nach stoischer Ansicht eine Art der Triebe (Stob. ecl. II 88, 6 W.) »)■ Wodurch sich jene von den übrigen Trieben unterscheiden, lehrt die kurz gefasste Definition des Zenon (fr. 136) 2) : „Die Leiden- schaft ist die vernunftwidrige, gegen die Natur gehende Bewegung der Seele oder ein übermässiger Trieb".

Was unter „Natur" zu denken ist, hat die Ziellehre dargelegt und ebenso ist dort bereits erklärt, wie die herr- schende Seeleneigenschaft, die mit der Vernunft und dem Verstände identisch ist3), zum Widerstreben gegen die Vernunft gelangen kann. Wir erfahren daher noch ein- mal, dass der durch seine Natur zur Harmonie mit der Vernunft geschaffene Mensch statt in allem unter Führung der Vernunft zu handeln, sich „oft auf andere Weise nach irgend einer Richtung fortreissen und im Ungehorsam gegen die Vernunft durch gewisse Dinge weiter als recht wegstossen" lasse 4). Zu den Leidenschaften also, welche durch diese gewissen Dinge hervorgerufen werden, hat der Mensch durch seine Natur ebensowenig Anregung wie zur Schlechtigkeit 5), weshalb sie auch etwas gegen die

x) Vgl. virt. mor. 447 a.

2) Cic. Tusc. IV 6, 11 drückt sich bezüglich der kürzeren Defini- tion 0Q(i7j nltovatovoa (appetitus vehementior) so aus, als ob dieselbe von „einigen" anderen herrühre, überlässt sie jedoch selbst ebd. 21, 47 dem Zenon mit; seine quidam sind also wohl die „einigen" des Chr. (s. S. 151, 2). Vgl. fr. 135. 137. Der Begriff nd&og bei Zenon noch fr. 113, 5. 158. 160 (ro Ttadyrixöv) und in weitester Bedeutung für physi- kalische Veränderungen (Blitz u. s. w.) fr. 116, 6.

3) D. L. VII 110 (zweifellos altstoisch); daher wohl auch die An- knüpfung an die Psychologie mit Hilfe der Lehre von den acht Seelen- strömungen. Vgl. virt. mor. 446 f (== anim. procreat. in Timaeo 26,3).

4) Chr. virt. mor. 450 c. Im ganzen Gal. 368 370.

5^ Chr. Gal. 459 ff. 461 f. Letztere Stelle besagt zugleich, dass Chr. in sq\ nad-uv auch die Frage behandelte, wie die Leidenschaften im

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Harmonie mit der Vernunft Verstossendes (ccvo^oXoyot fisvov) heissen ]). Hier reiht sich nun die Erläuterung des Chry- sippos ein. Mit Kecht wurde daher in den Begriffsbe- stimmungen der Leidenschaft von einer in näher zu erläuterndem Sinne vernunftlos geschehenden Be- wegung, wie auch von einem Ubermass in den Trieben gesprochen. Das Wort „vernunftlos" sei nämlich in der Bedeutung „der Vernunft nicht gehorchend und sich gegen die Vernunft sträubend" aufzufassen2]. Auch im Sprach- gebrauche sagen wir, es werde einer fortgerissen und ver- nunftlos, ohne das Urteil der Vernunft, dahingetragen (ysQsa&cti 3). Dabei handele es sich nicht etwa bloss um einen Fehler 4) oder ein Versehen hinsichtlich der Vernunft, also um eine schlechte Art des Uberlegens, wie man wegen des Gegensatzes zu „wohlvernünftig" (äkoywc 8vX6yoiK) 5) denken könnte, sondern um eine wirkliche Abkehrung und um Ungehorsam gegen die Vernunft6), da das vernunft-

Laufe der Erziehung entstehen können, sowie dass Gal. Quod anim. raor. IV 816 ff. H. hauptsächlich gegen Chr. geht. Quod animi mores IV 820 K., wo die von PoseidoDios negierte Ansicht die des Chr. ist (S. 820 Z. 4 K.) ist wohl XqvoLnnov statt Xqvoittttov zu lesen. Vgl. 0. Apelt, Beitr. z. Gesch. d. griech. Phil. S. 304. 307.

x) Chr. Origen. c. Cels. I 64 patr. 11, 780 c Migu. D. L. VII 110, wonach aus dem später an den Verstand herankommenden inneren Zwiespalt {ÖtaotQocfrj) die zahlreichen Leidenschaften aufsprossen. Dieser Gedanke bildete wohl das Thema zu iztQi avo/xoloyla?; vgl. virt. mor. 450 c und beiEpiktet den Abschnitt tql avofioloyia? diss. II 21, in welchem es sich um Leidenschaften und Seelenverwirrungen (ra(xx£cu) handelt.

2) Vgl. Stob. ecl. II 89. Cic. Tusc. III 7 fr. (Bonhöffer I S. 262). Aspas. in eth. Nicom. 44, 13 Heylbut, wonach aloyos = vit- tvavxiov toj oq&oj ?.6yoj.

3) Vgl. virt. mor. 447 a.

4) /liTjuaQXTjfievojq. Das Urteil aber wird Chr. virt. mor. 441 d bi^uaQXTjutvTj genannt.

''j Chr. Gal. S. 396 K. wird die Redensart ovxalöyojs statt silcyojg gebraucht. Vgl. den Gegensatz arovoi tvzovoi Chr. Gal. 404. 6j Vgl. Gal. S. 385. 409 ff.

154

begabte Wesen nicht auf Bewegung gemäss der Seele überhaupt, sondern eben auf Bewegung gemäss der Ver- nunft eingerichtet sei. Die Bezeichnung „Ubermass des Triebes" sei genommen, weil die Symmetrie der Triebe unter sich und mit der Natur überschritten werde1). Zum Beispiel sei, wenn man infolge eines Triebes gehe, die Bewegung der Beine nicht übermässig, sondern in gewisser Beziehung mit dem Triebe im Verhältnis, so dass man auch stehen bleiben könne, wenn man wolle, und umkehren. Bei denjenigen dagegen, die infolge eines Triebes laufen, sei das nicht mehr möglich, die Bewegung der Beine werde wider den Trieb übermässig, man werde aus der Bahn getragen und die Beine folgen nicht, falls man um- kehren wolle, wenn man von Anfang an so begonnen habe2). Ahnlich sei es bei den Trieben selbst: die vernunftge- mässe Symmetrie werde überschritten, so dass man, wenn der Trieb entsteht, sich der Vernunft gegenüber unfolgsam verhalte; wie beim Laufen das Ubermass gegen den Trieb, so richte sich beim Trieb selbst das Ubermass gegen die Vernunft3). Denn die Symmetrie des natürlichen Triebes sei die der Vernunft gemäss e und zwar solange, als sie selbst wolle. Die, welche sich unter der Führung der Vernunft bewegen und mit deren Hilfe die einzelnen Be- wegungen der Seele lenken, seien Herr über die ent- sprechenden Triebe, ähnlich wie die Spaziergänger, und werden von denselben nicht auf gewaltsame Weise ge- tragen wie die, welche einen Abhang hinunterlaufen4).

*) Vgl. Gal. S. 392.

2) Vgl. virt. mor. 447 a äonsQ al xwv naidiov STtidgo/uai rb Qay- Saiov hol rb ocpodqbv tmoyaXss vn ao&tvtiag xai aßtßaiov e%ovoi.

3) Nach S. 394 ist die Vernunft ohne dieses Übermass heilsam {oojotmov, mit einer Konjektur Müllers).

4) Derartige Bewegungen werden S. 394 ausgelassene (ixcpsQÖfie- vai) genannt; nach derselben Stelle läge das Gewaltsame darin, dass der

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Möge die Hilfe der Vernunft beschaffen sein, wie sie wolle, jene seien in dem Grade über die Bewegungen und ent- sprechenden Triebe Herr, dass diese ihnen gehorchen, so- bald die Vernunft selbst befehle, ähnlich wie bei den Spaziergängern. Deshalb werden die in diesem Sinne vernunftlosen Bewegungen der Seele Leidenschaften und naturwidrig genannt, da sie die vernünftige Verfassung der Seele verletzen1).

So sind denn nach Chrysippos die Ausdrücke „Ge- tragen werden", „vernunftlose, naturwidrige Bewegung der Seele" und „übermässiger Trieb" wohlberechtigt2).

Nachdem so die Leidenschaft allgemein physiologisch als Bewegung und psychologisch als Trieb erkannt war, mussten die Stoiker wie bei den Trieben fragen: Als was stellt sich die Leidenschaft logisch (erkenntnistheoretisch) dar? Welcher Art sind jene Seelenbewegungen? Die Ant- wort war nicht zweifelhaft: da alle Triebe Zustimmungen waren3), mussten auch die Leidenschaften solche frei- willige Seelenhandlungen sein (Zen. fr. 138) 4). Infolge des verlockenden Reizes von Vorstellungen nämlich und infolge von Belehrung 5) kommt das Böse von aussen her an unsere Seele heran. Durch ein und dasselbe Denkob- jekt können verschiedene, ja entgegengesetzte Vorstellungen, das sind passive Vorgänge, qualitative Veränderungen (ä/j.oiomg), hervorgerufen werden6). Der Verstand formu-

Trieb plötzlich dahingetragen wird. S. 412 erinnert Chr. an die Läufer, welche vornüberstürzen (TTQOixytyoiuevovg). ») Gal. S. 388—389. 394.

2) Vgl. Chr. virt. mor. 440 d Uyaotiat de aloyov r<Z nltova^ovri rijg oQ/xr/g ioyv(j(Z ytvoutvui xal n^ar^aavTi nqög n twv aroTtaiv naga xhv alqovvra löyov &t<pi(>7]Tai.

3) Vgl. auch Bonhöffer, Epiktet I S. 252.

4) Vgl. Gal. 457. Stoic. rep. 1057 a. virt. mor. 447 a. h) Gal. 463.

e) Stein, Erkenntnisth. S. 156. 158.

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liert die Vorstellungen zu Urteilen (x^/oic)1), und diese Ur- teile fordern die Zustimmung heraus. Entspricht das Ur- teil der natürlichen Bedeutung des Objektes, so ist das Urteil richtig und die Seele bleibt im naturgemässen, ver- nünftigen Zustande. Entspricht das Urteil nicht 2), so ist mit dem falschen 3) Urteile die unnatürliche, vernunftwi- drige Seelenverfassung schon da. Fehlen die Vorstellungen und Urteile, so sind auch keine Leidenschaften möglich, so beim Tiere, da dies keine Vernunft4) und also auch keine Urteile kennt5). Die Leidenschaften folgen dem- nach nicht nur den Urteilen, sondern sind selbst Urteile6).

Das sind die notwendigen Folgerungen aus Zenons Psychologie, die freilich erst Chrysippos gezogen hat, offenbar da der Gründer der Schule dieselben in seiner Schrift noch nicht ausgesprochen hatte7). Chrysippos er- läutert seine Aufstellung so : „Die Geldgier ist die Annahme (vTTolrupK), dass das Geld etwas sittlich Schönes sei; eben- so ist es beim Rausch, bei der Masslosigkeit" u.s.w.8)

3) Stein, Erkenntnisth. S. 186 ff. (S. 198 Anm. 391 ist die Auf- fassung von Gal. 367 verfehlt; der zitierte Satz ist eine Folgerung des Galenos aus den oqoi und za na-dy ohne Frage Subjekt, xQi'oeis ari Prädikat.)

2) Dass dieser Gedanke hier mitspricht, beweist die unten an- zuführende Ansicht über das Verhältnis zwischen Objekt und Leiden- schaft. Vgl. S. 419 vTtoneifieva.

3) D. L. VII 110: „Infolge des Falschen kommt der Zwiespalt an den Verstand heran."

4) Stein, Psychol. d. Stoa S. 93 Anm. 165. Erkenntnisth. 163 Anm. 324.

5) Vgl. Gal. 392. 476. Cic. Tusc. 4, 14, 31.

6) Vgl. virt. mor. 447 a d6£ag xal xpioeis. 441 d in . . . . xqi'osojs.

7) S. unten!

8) Gal. 366. 377. 455. D. L. VIT 111. Gal. 396, 423; vgl. Gal. 378. 381. 392. Vgl. Plut virt. mor. 447 a ala%Qov". Die der Leiden- schaft vorausgehenden Urteile sind demnach z. B.: Das ist Geld, das ist Wein , das ist u. s. w. Was oben (S 25 f) von den

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Ganz deutlich scheint Chrysippos des Menedemos, Ariston, Zenon und seine eigene Auffassung ungefähr fol- gendermassen zusammengefasst zu haben l): das Leiden- schaftliche {jia&rfuixov) und Vernunftwidrige sei nicht durch einen in der Natur begründeten wesentlichen Unterschied (diccgjoqq tivi xai (pvüei) von dem Vernünftigen der Seele getrennt, sondern derselbe Teil der Seele, der Verstand (didvoia 2) und herrschender Seelenteil genannt werde, bilde sich, indem er eine totale Umkehrung (jQSTTo^evov3) und einen Umschlag {^eraßdllov)4) erleide, auf der einen Seite zu Leidenschaften, auf der andern Seite in den gemäss einer Grundeigenschaft (e%ig) oder gemäss einer konstan- ten Beschaffenheit (did&saig) eintretenden Umschlägen zum Laster wie zur Tugend aus und habe nichts Vernunftloses in sich. . . . ; die Leidenschaft sei Vernunft, welche nur schlecht (novriQov) und 'zügellos (äxoXaCTOv) sei infolge eines schlechten ((pavXfjg) und verfehlten (dirjiiaQTfjtJsvjjg) 5) Urteiles, das Ungestüm (acpoÖQOTrjc) und Stärke (^(6(itj) da- zugewonnen habe 6).

Eine solche Theorie bedurfte natürlich vor allem einer Begründung. Dass dieselbe logisch ausfiel, dafür bürgt der Xame des Chrysippos wie der Titel des ersten Teiles der Schrift. Der stoischen Erkenntnistheorie entspräche es weiter, wenn Chrysippos sich auch nach Beobachtungen

Trieben als Zustimmungen und als eigentlichen Trieben gesagt ist, gilt selbsverständlich auch für die Leidenschaften.

1) Virt. mor. 441 c. d. Ob der Wortlaut genau vorliegt, ist frag- lich. Vgl. 446 f 447 a.

2) Vgl. D. L. VII 111.

3) Vgl. D. L. VII 158. Virt. mor. 446 f tqottjj.

4) Vgl. fietaßoXj Gal. 423. Virt. mor. 447 a ff . 447 a ist auch noch §onal gebraucht.

5) Vgl. uoyßr^a ugioig Gal. 403 und xQioug novr^al virt. mor. 447 a. Ariston Senec. ep. 94, 13 opiniones pravae.

6) Vielleicht ist jedoch anders zu übersetzen ; s. S. 166, 8.

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umgesehen hätte, worauf in der That das Verfahren der gegnerischen Polemik hinweist, die sich auf die svdqyeia xai aia&qGig stützt1). Ein interessantes Bruchstück solcher Beobachtung ist in folgendem erhalten, woraus sich ergibt, dass Chrysippos den Beweis dafür, dass die Leiden- schaft in der Vernunft geschieht, mit dem Beweise dafür, dass sie ein Urteil ist, verknüpfte : „Bei Leidenschaftlichen beobachtet man das Verhalten von Verrückten und man spricht zu ihnen wie zu Ausgewechselten und zu solchen, die nicht bei noch in sich sind. Denn so treten wir aus uns heraus und werden in den Irrtümern ganz verblendet, dass wir zuweilen, wenn wir einen Schwamm oder Wolle in den Händen halten, diese zerzupfen und dann hinwerfen, als ob wir wirklich etwas damit erreichten. Hätten wir zufällig ein Schwert2) oder etwas anderes, so würden wir damit ähnlich umgehen Oft beissen wir infolge einer solchen Verblendung die Schlüssel und schlagen die Thüren, wenn sie nicht schnell geöffnet werden, und wenn wir an Steine anstossen, so stürzen wir rachsüchtig auf sie los, indem wir sie zertrümmern und irgendwohin werfen, und stossen bei allem dem die un- sinnigsten Worte aus 3). Aus solchen Vorgängen kann man sowohl die Vernunftwidrigkeit (äXoyiGTla) in den Leiden- schaften erkennen, als auch das, wie wir bei solchen Ge- legenheiten verblendet werden, als ob wir andere geworden wären, fremd dem, was wir vorher wohl überlegt hatten4). Denn bald ist der Leidenschaftliche bei sich, bald wieder

J) Virt. mor. 447 a.

2) Hier spielt das bekannte Aristotelische Beispiel vom Schwert herein.

3) Vgl. virt. mor. 441 d rc^ög zt zojv azbitojv.

4) Vgl., was Chr. virt. mor. 450c. vom Zorn sagt: nollaxig zotg xazala/ußaro/u-evoig (feste Begriffe) inmQOod'et. za yay imyiyvöfxtva nä&r) ixxQovei zovg Xoyta^iovg aal za tog szeQOjg cpaivöftsva.

159

nicht. Nicht selten tritt eben der von den Leidenschaften Besiegte1), wenn ihm etwas vorkommt, gerade aus diesen Urteilen heraus und ist seiner selbst nicht mächtig. Passend ist aber die Bezeichnung: ausser sich geraten; denn sonst würde man nicht von denjenigen, die ihrer Bewegung Herr sind, sagen, sie bewegen sich nach sich selbst, sondern nach irgend einer andern Gewalt, die ausser ihnen hegt2). Die Auswechselung aber und das Aussersichgeraten geschieht nur auf die Abkehr von der Vernunft hin. Denn das Verrücktsein, das Nichtbeisich- und Nichtinsichsein und alles Ahnliche bezeugt deutlich, dass die Leidenschaften Urteile sind und in der ver- nünftigen Seelenkraft entstehen, wie auch die sich so ver- haltenden Irrsinnszustände 3). Deshalb kann man auch bei Liebenden4) und denjenigen, die auf andere Weise heftig begehren, wie auch bei den Zürnenden derartige Worte hören wie, dass sie entschlossen seien dem Zorn zu willfahren; man solle sie gehen lassen, sei es besser oder nicht, und man solle ihnen nichts sagen; sie müssten unter allen Umständen so handeln, auch wenn sie ihr Ziel verfehlten, und wenn es ihnen unzuträglich sei5). Das wollen auch die Geliebten gar sehr, dass die Liebhaber

1) Vgl. virt. mor. 441 d rw nXeovätovxL T?jg b^^g lo%v()u> yevofievto xal XQctzr/oavvi.

2) Die Berufungen Chr.'s auf Eurip. Ale. 1079 ff. und Horn, ß 549 ff. übergehen wir hier.

3) Gal. 409 415. Galenos S. 415 f. behauptet, auch das vierte Buch Tieyi 7ia&a>v sei voll von Eedensarten wie „aus den Urteilen und dem Vorherüberlegten heraustreten" (vgl. virt. mor. 447 b i&orarai roT loyi&o&cu), „nicht in sich und nicht bei sich sein", „im Verstände ge- blendet sein", „unvernünftig dahingetragen werden", „wahnsinnartig (uaviojd(Zg) bewegt werden".

4j Vgl. virt. mor. 447 b.

5) Vgl. virt. mor. 446 a das Zitat l'cc ^ anoXeod-ai tovto yäq fiov

160

so zu ihnen hingerissen werden, dass sie recht unüberlegt und ohne vernünftige Rücksichtnahme aushalten und die abmahnende Vernunft1) unbeachtet lassen, ja es vielmehr überhaupt nicht vertragen können, etwas dergleichen an- zuhören. Und so weit sind die Liebhaber von der Ver- nunft entfernt, etwas derartiges zu hören oder darauf zu achten, dass es nicht einmal unpassend ist, wenn man folgendes von ihnen sagt:

Kv7TQig yccQ ovde vov&£TOV^isvri %aXa'

äv yccq ßux£fjy [laXXov evjsiveiv (filet. (Eurip. fr. 341 Nauck)

vov&8TOv fjb€Poc d' 'Eqcog

liäXXov ms&i (Eurip. fr. 668 Nauck)2). Sie weichen der Vernunft aus wie einem unzeitigen Tadler, der gegen das, was beim Lieben geschieht, nicht nach- sichtig ist, wie vor einem Menschen, der zur Unzeit zu mahnen scheint. Da ja auch die Götter ihnen den Mein- eid zu gestatten scheinen, so dürfte ihnen noch viel eher erlaubt sein, zu thun, was ihnen einfällt, indem sie ihrer Begierde folgen" 3).

Wir lernen aus dieser Stelle zugleich, dass sich Chry- sippos, ebenfalls der stoischen Erkenntnistheorie gemäss, den Sprachgebrauch für seinen Beweis zu Nutze machte4). Ferner wurde auf die Analogie der Überlegung des Menschen hingewiesen5), welche oft auseinanderstrebt und zu entgegengesetzten Meinungen über das Nützliche aus-

x) Vgl. virt. mor. 441 d cra^a xov aiQovvra loyov.

2) Auf dies Zitat spielt Plutarchos in seiner Polemik virt. mor. 448 bb yaQ vovdttwv avtbv iqMvxa XQVTctl TV koyiofiw ttqos to ndd'og . . . xa&äTttQ %uq\ (pXtyixcuvov 'ertQOv /uepos nuCwv an.

3) Galenos erwähnt Menandr. fr. 753 III 212 Kock (vom Rausche V).

4) Er zog denselben überhaupt gerne in dieser Schrift wie in der Schrift mgl yv%r)s (dort auch die Etymologie) heran.

5) Von den Stoikern, die Plut. virt. mor. 447 c bekämpft.

161

einandergezogen wird, und doch nur eines ist. Die Ent- stehung (ysvecig) der Leidenschaften und Seelenkrankheiten liege aber darin, dass zwei Urteile mit einander kämpfen ((iccxsad^ai) !). An anderer Stelle führt diesen Kampf Chrys- ippos auf ein Miss Verhältnis der besonderen Teilungen des rjyeiiovMOV zurück2), wobei an Begriffe und Vorannahmen zu denken ist 3).

Dem Einwände, man bemerke den Umschwung des normal vernünftigen Seelenzustandes in den vernunft- widrigen nicht, begegnete die Erwiderung, der Grund dafür sei die Heftigkeit und Schnelligkeit des Wechsels. Die Leidenschaften seien gewisse Betätigungen (svsQysicu), die im Augenblicke veränderlich (^sraTTTcoTccg) seien4).

Verhältnis der Leidenschaft zur xccxia. Wissenswert ist, um zur Klarheit über das Wesen der Leidenschaft zu gelangen, noch ihr Verhältnis zur Lasterhaftigkeit; zur unverlierbaren Tugend kann ja kein Verhältnis bestehen. Chrysippos gebraucht Bilder, um diese Beziehung zu verdeutlichen. Zenon hatte die Leidenschaft eine Krankheit der Seele genannt (fr. 138; vgl. 144. apophth. 49. Gal. 440). Dieses Bild benutzt Chrysippos, sieht sich aber veranlasst, dasselbe etwas anders auszudeuten5), mit Recht; denn die Tugend ist kein gerader Gegensatz zur Leidenschaft, und nur jene konnte als Gesundheit der Seele gelten. Die Seele des Weisen ist nach ihm der Leidenschaft nicht fähig; sein Zustand ist Gesundheit der Seele, das ist die beste treffliche

*) Gal. 456. 457. 458; vgl. fr. 118 Gercke. Das Zurückweichen der rechten Ansicht heisst virt. mor. 447 a el'^ng ; sonst steht Zvdidövcu. 2) Gal. 444.

'■') Gal. 456. Über l'vvoiai und ^ohr^uz s. Stein, Erkenntnisth. S. 228 ff.

4) Virt. mor. 446 f 447 a. Vgl. Gal. 456.

5) Ähnlich Aiiston Senec. ep. 94, 17; 5.

Dyrolf, Ethik d alt. Stoa. 11

162

Mischung1) und Symmetrie der Seelenstoffe. Die Seele der Schlechten dagegen verhält sich in und vor den Leiden- schaften ähnlich wie die Körper, welche Anlage haben, in Fieber, Durchfall, Frost und ähnliche Krankheiten sowohl auf die blosse Beschaffenheit als auch auf den nächst- besten unbedeutenden Anlass hin zu verfallen2). Die Lasterhaftigkeit ist also, da sie die Krankheit der Seele ist, dasselbe, was beim Körper ein gesundheitlicher Zustand ist, der leicht zerstört und verdorben werden kann3), das ist eine Art Unbeständigkeit4) oder die Asymmetrie der Seelenstoffe 5). Um die Analogie noch mehr hervorzuheben6), führte Chrysippos auch eine Unterscheidung der Seelen-

*) EvxQctota. Diese Stelle hat inzwischen Stein, Archiv f. Gesch. d. Philos. I 431 zu Psychol. d. Stoa S. 109 Anm. 188. S. 175 nachge- tragen. Chr. bezieht sich hier (Gal. 439 f.) (vgl. virt. rnor. 451 f avfi- tL&TQlaiq mal noaöx^ai xQad-eiowv xrs) auf die von Piaton, Aristoteles und Theophrastos angenommene Theorie des Hippokrates vom Warmen und Kalten, Trockenen und Feuchten (Gal. 450).

*) Gal. 432. 435. 433; vgl. 448. Das Beispiel didQQouu und der Umstand, dass Poseidonios in seiner Kritik von siefimajala spricht, beweisen, dass D. L. VII 115 auf Chr. zurückgeht.

3) Gal. 443. Vgl. Ariston Senec. ep. 94, 13 aut inest animo pravis opinionibus maiitia aut, etiamsi non est falsis occupatus, ad falsa proclivis est et cito specie quo non oportet trahente conrumpitur . . . . ad peiora pronum. Derselbe sagt Senec. 94, 17, die körperliche Krankheit (und analog die geistige) ziehe die Wurzeln der Wut aus dem schlechten Gesundheitszustande. Für Zustand gebraucht Chr. den Ausdruck xara- araaig Gal. 385. 404. 433., ovoraoig 389, für Überschreitung viteQßa- ais Gal. 370, ixßalveiv 389.

4) 'Axa.xaoxo.aia Gal. 440; vgl. D. L. VII 110.

5) Gal. 439-440.

6) S. Gal. 437-438 (vgl. 442) betont Chr. mehrmals die Analogie, Ähnlichkeit, Entsprechung, Gleichheit, aus der sich auch die Namensgleichheit ergeben habe. Man wird daher 437 statt avxmaqa- reivovoa otxeiörTjg lesen müssen avr. bfiowrijs, da dort aus der sachlichen Ähnlichkeit die Ähnlichkeit der Pflege gefolgert wird (man beachte das „auch").

163

Erkrankungen durch, indem er einfache Suchtkrankheiten {yoGrj {jlcctcc)1) , Ohnmachtkrankheiten {dqqoaaT^ fiara)2) und die ersteren entsprechenden Scheukrankheiten3) unter- scheidet. Bei den Suchtkrankheiten wird ein Ding, das nicht erstrebenswert ist, für sehr (ücpodqa) erstrebenswert gehalten; eine solche Krankheit ist eine falsche Meinung, die in die Eigenschaft (e&g) einer Begierde ausgeartet und tief eingewurzelt ist. Die Ohnmachtkrankheit ist eine Scheukrankheit, die unter Schwächezustand eintritt4). Letz- tere besteht nicht mehr bloss in jenem falschen Urteile, sondern darin, dass man viel zu sehr über das natürliche Mass hinaus (sttI tvXsov) zu diesen Dingen fortgerissen worden ist5). Die eingebildete Grösse der vermeintlichen Güter oder Übel erweckt den Glauben, es sei geziemend und passend, bei deren Gegenwart oder Ankunft keine Vernunft zuzulassen in betreff dessen, ob man auf andere Weise von denselben erregt werden muss6). Man kehrt sich in den Begierden nicht nur von der Vernunft ab, sondern nimmt noch dazu an, dass man sich, wenn es auch nicht zuträglich sei, doch so verhalten müsse7). Das ist nach Chry- sippos Wahnsinn; deshalb werden nicht unbegründet von dem

Gal. 438 f.

2) Gal. 438 zweimal. 396 (vgl. Demosth. 2, 21). Nach D. L. VII 115 sind TroSäyQa und a^ghiSeg zu verstehen.

3) Cic. Tusc. IV 10, 23 offensiones. Stob. ecl. II 93, 2 W. ivavtia toiq vooTjuaoi xarä irQoao'iiTjv yivöfisva. Chr. ist zwar nicht genannt; aber offenbar ist seine Theorie wiedergegeben. Vgl. z. B. iQQvyxvtav ecl. II 93, 7 mit Gal. 371,6 Müller e^Qvrjicvtav, womit Poseidonios deut- lich auf Chr. hinweist ; die Furcht vor den xaxa Gal. 398 K. kann nur auf die Scheukrankheiten bezogen werden.

4) Stob. ecl. II 93, 6 W. D. L. VII 115. Cic. Tusc. IV 11, 26, wo nur morbus und aegrotatio verwechselt werden; s. die Kommentare.

3) Gal. 396 zweimal. 398 zweimal.

6) Gal. 398.

7) Gal. 401 ; mit ök <p7joiv ist Chr. zitiert.

11*

164

Volke gewisse Leute weibstoll (ywaixo^avetg), Vogelnarren (oQVi&oiiavetg), Wachtelnarren (oQxvy Ovaria), andere ruhmes- toll (do%o[iavsZc) genannt. Auch der Küchenfreund (öipo- (f ayoc) sei gleichsam speisetoll (oipo^ariljc)y der Weinlieb- haber weintoll u. s. w., da sie nach Art des Wahnsinns (fianxcog) fehlen und von der Wahrheit möglichst weit entfernt seien1). Die Objekte der Sucht- und Ohnmacht- krankheiten sind demnach meist dieselben; aber der Grad beider Krankheitsformen ist verschieden und zwar in der Weise, dass im ersten Falle die Vernunft, wenn sie wieder kommt, das falsche Urteil überwinden kann, im letzten Falle aber bewusst zurückgewiesen wird. Die Ursache dieses Unterschieds wird Chrysippos wohl in dem ver- schiedenen Verhältnis der falschen Urteile zu dem ver- meintlichen Gut oder Übel erblickt haben2).

Ein fast ebenso beliebtes Bild wie das von der Krankheit ist folgendes. Wie beim Körper, so lässt sich auch bei

*) Chr. Athen. XI 464 d e. Gal. 396; vgl. 397 rb pavmdse, ydo- XQ7]f^aiiav, (ptXaqyvQiav als a^Qojot?jjuaTa. Demnach gehen auch die Bei- spiele für v6o7j/u.a Stob ecl. II 93, 9 W. (pdoyvvia, ydoivia, ydaQyvQia (Gegensätze, also starke Scheukrankheiten [iiooywta, [Mootvia, juioavd~gojitta), Cic. Tusc. IV 11, 25, 26 gloriae cupiditas, tpdoywia, cuppedia = <pd- oxpia (Gegensätze odium mulierum, odium generis humani) und für das aQQ0JOT7]fia D. L. VII 115 ydodo&a, (pdrjSovia auf Chr. zurück, viel- leicht auch die Typen für derartige Krankheiten Cic. Tusc. IV 11, 25 ff. (Timon, Hippolytos, der pioöyvvog des Atilius-Menandros). S. auch virt. inor. 451 f. wo, wie zum egojg die ini&vjbiia, so zur tQojzofiavla die (fdaQyvqia in Parallele gesetzt wird.

2) Gal. 396. 398 f. Vgl. die Polemik des Poseidonios, der von /uiye&og zutv (paiv ofi tv ojv, von ov^i^ixqov und fiixQÖv spricht S. 398 f. und die Polemik virt. mor. 450 a b. Der Ausdruck ra yaivo- fisva Chr. virt. mor. 450 c wg eztpa (paivöpsva (vgl. r bpyr) ovx Ja c gäv ra ixyavty. Fr. 149 Gercke. Gal. 398 (dazu Apelt, Beitr. z. Gesch. d. griech. Philos. S. 300). Ariston Gal. 597 xb yaivöfxevov aya&tv, ra (paivöfievov xaxbv.

165 -

der Seele eine Stärke (Ig%vq, Qwpij) und Schwäche (a(?^V«a)1) oder gute Spannung (svrovia) und Spannungslosigkeit (ccTOvia), das ist Symmetrie und Asymmetrie in den Sehnen unterscheiden2). Die gute Spannung, Stärke, Tugend ist ein Werk der Spannung. Aber wir fallen zuweilen von dem richtig Erkannten ab3), indem die Spannung der Seele nachlässt und nicht bis zum Ende fortdauert und nicht den Aufträgen der Vernunft durchaus gehorcht4). Der eine fällt ab, indem schreckliche Dinge dazukommen, der andere wurde aufgelöst und gab nach5), indem ein Gewinn oder eine Strafe daherkam u. s. w. Denn alles derartige verändert uns und unterjocht uns6), so dass wir ihm nach- gebend Freunde und Städte verraten und uns selbst zu vielen schimpflichen Handlungen hergeben, da der Zug nach dem Gegenteil hin aufgelöst ist7). So fällt Menelaos infolge der Leidenschaft der Begierde, wie er Helena wiedersieht, von seinem bei gesunder Vernunft gefassten

*) Vgl. Chr. Stoic. rep. 1057 a. virt. mor. 447 a und die Anspielung des Poseidonios Gal. 398.

2j Gal. 440. 437—38 ; vgl. 442. 404.

3) Von dem Abfall des Schlechten von festen Urteilen (^ifiaza) spricht Chr. Stoic. rep. 1046 f.

4) Gal. 403—404.

5) Dieselben Ausdrücke dort 404 noch einmal. Vgl. virt. mor. 447 b oxav ivStdijo jualaoabusvog vnb xrg £7U&v{i£oig.

6) Dadurch erklärt sich Procl. in Timae. 18 c xojv xoig allovg xaxa- Sovkov/nivojv.

7) Derselbe Ausdruck dort noch einmal (404). Nach Chr. Stoic. rep. 1045 c alxiag . . , inl d~dxeqa xr\v oQfirv ayovoag. Virt. mor. 448 b daxegov. 448 c §onr, ngbg ftaxegov ist 405 ngog &äx6Qa statt ng. fttaxQa zu emendieren. Vgl. in\ xdg ivavxiag nQa&tg, ov xavx\ dlV itceiv Chr. virt. mor. 450 c. 446 f ivbg loyov xQonhv in dpcpoxega . . . (pSQsa&ai npog xb oXo%qov vcp rfiovrg xai (peqofievrjg ndXiv avxTqg irtiXafißäveod'ai. 447 c xbv dvxixatrcfisvov xf iTti&vfita ?,oyialuöv. 447 d nqbg evavxlag §6%ag .

166

Entschlüsse ab l), Eriphyle infolge der Geldgier2), Medea infolge der Wut (#t^öc)3). In Wut4), Zorn5), Liebe, Lust6) und Begierde 7) tritt so das heftig Bewegte, der Abfall von allem vernünftigen Urteil zu tage. Wie also die richtigen Handlungen von einem richtigen Urteile in Verbindung mit der guten Spannung der Seele kommen, so ist das, was die Menschen nicht richtig thun, zum Teil einem schlechten Urteil zuzuschreiben, zum Teil einer Spannungslosigkeit und Schwäche der Seele8).

Beide Bilder führen darauf, dass auf dem nährenden Boden der Schlechtigkeit9), sobald eine gefährliche Vor- stellung hinzukommt, die Leidenschaft rasch emporschiesst. Der Zustand der Schlechtigkeit verbietet nicht, dass ver- nünftige Urteile gefasst werden. Aber dieser und die Qualität der Vernunft sind so schlecht, dass selbst geringfügige Anlässe den Zustand der Vernunftwidrigkeit herbeiführen.

Eigenschaften.

Zenon nannte die Leidenschaft ein unruhiges Streben (titoicl) der Seele (fr. 137). Chrysippos begründet dieses Prädikat der Seelenbewegung also: „Treffend wird der Gattung der Leidenschaften die Bezeichnung urola gegeben,

J) Gal. 404—406 (Eurip. Androm. 6291).

2) Gal. 407. Sie wird auch rhetorisches Beispiel Cic. inv. I 50, 94.

3) Gal. 408 (Eurip. Med. 1078 f. Vgl. Epictet diss. I 28, 7). Zu dem Gedanken des Verses vgl. die Anspielung virt. mor. 450 d.

4) Gal. 409 zweimal. 415.

5) Gal. 410. 412. Nach Ariston Stob. flor. 20, 69 bringt der Zorn, einer gemeinen Mutter gleich, die Schmährede {xaxaloyla) hervor.

6) Gal. 414. 415.

7) Gal. 411. 415 f.

8) Gal. 403—404; vgl. 406. Es scheint daher virt. mor. 441 d statt nqoolaßovoTis gelesen werden zu sollen nqoaXaßövTa (zu kbyov).

9) Das ist die D. L. VII 110 gemeinte SiaocgocpTj .

167

entsprechend dem Umstände, dass diese etwas heftig Ge- jagtes (ivfööoßfjpepov) und planlos (slxfj) Dahingetragenes ist" !). In den weiteren Ausführungen des Chrysippos und den Definitionen der Einzelleidenschaften wird besonders die Heftigkeit der Leidenschaften hervorgehoben2).

Wie bei der Tugend fragte es sich auch hier, ob die Leidenschaft Grade zulasse. Die Leidenschaft wird nicht als diä&€Cig definiert3); sie ist ja eine Handlung, eine Ge- dankenbewegung. Sie ist selbst ein übermässig hoher Grad eines Triebes und konnte deshalb steigerungsfähig gedacht werden.

Zweierlei Veränderungen der Leidenschaft hat Chry- sippos festgestellt: ihr Ungestümwerden und ihr Nachlassen. Die Frage, wie beide Veränderungen vor sich gehen, hat er eingehend untersucht4). Er dachte sich, wie es scheint,

L) Gal. 392. Er leitet demnach nxoia von nxoiofiai ab (s. auch Ariston Sext. E. math. VII 12 nxorjd-evxeg. Herakleitos bei Plut. de aud. 41 a tnxo^o&at,. Plat. Phaedo 68 C xb Ttsql tag in i&vfiiag fi7j tnx o rtad-ai (Gegensatz aoa/nciog e'x£tv)] vgl- Cratyl. 404 a nxoiTjaig. S. die Lexika unter itxoio/xai. Baguet S. 290 Anm. 150 und 293 Anm. 158. Bei Stobaios wird es mit der Leichtigkeit der Bewegung erklärt und zu Tthouai gestellt; vgl. PearsonS. 178. Wachsmuth zu Stob. ecl. II 39, 5 W.

2) Chr. virt. mor. 450 c heisst es, der Zorn stosse gewaltsam (ßialcug) zu verkehrten Handlungen vorwärts.

3) Vgl, auch Chr. virt. mor. 441 c.

4) Das geht für das Nachlassen (ävsoig; vgl. Gal. 404. Gegensatz: zag enirdaeig xwv na&tüv virt. mor. 449 f) aus dem Folgenden hervor, wonach Chr. sich fragte, wie die ei nzel nen Leidenschaften nachlassen, für das Zunehmen (o<po§()cx7]g) aus virt. mor. 450 f, wo mit at oqfitu . . . a <po8 QÖTTjt ag . . . . xal dviaeig Xafißävovocu auf des Chr. Theorie an- gespielt wird. Nach Chr. 441 d erhält das falsche Urteil, das ja selbst schon Leidenschaft ist, noch Ungestüm (oyodQoxTjg) und Stärke. 450 f aber erinnern überhaupt tQd-ox^g und (pavXoxrjg SoI-ojv, xd cpaivofisva deivd, nxolai xal (poßoi xr\g \pv%7jg, SidnvQoi, noioxrjg, yiqaoig, ovfino.'d'ovv, dt a%voti<i, nyoodoxiai, 451 b der Gedanke, dass der Mensch Anteil an t£ig, (pvoig, köyog und dtdvoia habe, an Chrysippeische Theorie und Aus-

168

die Zu- und Abnahme des Vernunftwidrigen nicht als in den ja konstanten1) Urteilen erfolgend, sondern erst in den an die Urteile sich anschliessenden Seeienbewegungen der Zusammenziehung u. s. w.2). Seine Betrachtungsweise lehrt folgende Erörterungen kennen. Man könnte auch die Frage stellen, wie das Nachlassen des Schmerzes geschehe, ob so, dass eine bestimmte Meinung geändert werde, oder so, dass alle Meinungen fortdauern, und ferner, aus welcher Ursache dies so vor sich gehe. Wahrscheinlich sei es so, dass z. B. die Meinung, das eben Vorliegende sei ein Übel, fortdauere, aber mit der Zeit schwach werde (sYXQOviiead-ai), und dass auf diese Weise die Zusammenziehung der Seele und der Trieb zur Zusammenziehung nachlasse. Vielleicht aber sei es auch so, dass beim Fortdauern jener Meinung das Übrige (der Vernunft) nicht gehorche, indem letzteres durch eine andere, später hinzutretende unberechenbare Eigenschaft irgend welcher Art (diaüsciv noiav) geschehe. Zur Begründung zieht Chrysippos, wie auch bei der Lust, die Analogie der Ausdrucksbewegungen heran: wie beim Jammern und Weinen anfangs die Dinge stärkere Erregung verursachten, ebenso scheinen manche Menschen gleichsam gesättigt vom Schmerze abzustehen3). Je schrecklicher die Klage, desto rascher sei sie gesättigt. Mit dem Schwinden

drucksweise. Chr. nahm die einzelnen Leidenschaften getrennt vor; denn bei der Erörterung über das Nachlassen des Schmerzes 420 K. verweist er auf eine für das Lachen geltende frühere Bemerkung zurück, welche doch wohl bezüglich der 'dovrj gemacht war.

x) S. S. 127 f. Daher sagt der Gegner virt. mor. 450 b äors (patvso&ai aal nsQiras HQiGstg avxag (!) rovg fisv fiallov, rovg S' rtxov duaQtävovtag.

2) S. virt. mor. 450 a. Die Anspielung nsviav .... oiazs aal nara nttQOjv xal jtaza d~aXaxx^g tij&t7v eavxovg weist auf Chr. (s. S. 118,2).

3) Gal. 419—420. 422. Chr. zitiert hier Homeros 514. S 541; vgl. A. Elt er, De gnomol. I S. 20 f.), der zuerst den Achilleus sich am Weinen sättigen und dann dem Priamos die Unvernunft (aXoyla) des Schmerzes vorstellen lässt.

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des Unglücks, mit der Erinnerung an dasselbe schwinde auch der Reiz zum Schmerze und erfolge der Umschlag der Leidenschaft1). Man solle daher die Hoffnung nicht aufgeben, dass, wenn die Dinge auf diese Weise alt werden und die leidenschaftliche Hitze2) nachlasse, die Vernunft sich heimlich einschleiche, gleichsam Boden gewinne und auf die Unvernunft der Leidenschaft aufmerksam mache3). Bezüglich des Grundes, warum die Leidenschaft mit der Zeit schwächer wird, bekannte Chrysippos selbst seine Unkenntnis4).

Arten der Leidenschaft. Neben der Einteilung der Tugenden konnte bei Zenon eine solche der Leidenschaften nicht fehlen. Wiederum an Piaton sich haltend5), unterschied er ebenfalls vier Hauptarten von Leidenschaften: Schmerz (Xvntj), Furcht (<p6ßog), Begierde (sm&viiia) und Lust (ydovrj)6). Es ist von vornherein wahrscheinlich, dass er auch diese nicht Undefiniert Hess. So sind in der Bezeichnung der Leiden- schaften als aXoyoi GvCToXai, raTisivcoteig, dfösig, sndq- Gsig, diayvöeig (Gal. 377, vgl. virt mor. 450 a), durch welche die Sonderart der verschiedenen leiden-

J) So glauben wir die Chr. Gal. 423 sich findenden Zitate aus Horn. 8 103. Eur. fr. 567 Nauck (s. diesen z. St.). Horn. 8 113. Eur. El. 125 f. im Sinne des Chr. verstehen zu sollen.

2) Wegen nad'tjtutr] (pleypovri vgl. Zen. apophth. 44. Chr. Orig. c. Cels. 11, 1592 f. Mign. Virt. mor. 448 b. 452 a ((plsyualveiv).

3) Gal. 422.

4) Gal. 420. 474; vgl. 423 f.

5) S. 0. Apelt, Beitr. z. Gesch. d. griech. Phil. S. 330 Anm. 2. Piaton gebraucht die "Wörter ijdovac, hni&v/ilai, XvTtai, yößoi meist (ausser Rep. 430 a) im Plural und in den verschiedensten Stellungen.

8) Der bilderreiche Ariston nennt die vier ein viersaitiges Instru- ment. Saal S. 34. yEnid'vfiia bei Ariston virt. mor. 441a, bei Kleanthes gelegentlich apophth. 18 vgl. fr. 84. 95, öfter die rSovr ; wegen yößos und Ivitrj ist acpoßos und aXvnog Cleanth. fr. 75 zu ver- gleichen.

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schaftlichen Seelenbewegungen physiologisch zum Ausdruck kommt, gewiss Überreste von Definitionen der Furcht, des Schmerzes1) der Begierde und der Lust1) erhalten. In mündlichem Vortrage, wie es scheint, nannte Zenon er- kenntnistheoretisch den Schmerz die noch frische Meinung (dö£a) von der Gegenwart eines Übels oder, weitläufiger ausgedrückt, die noch frische Ansicht des Menschen, dass ihm ein Übel beiwohne (fr. 143) 2). Die psychologischen Definitionen der Begierde als vernunftwidrigen Begehrens (pQ€%tg), der Furcht als vernunftwidriger Abwendung (sxxXiGig) entspringen Zenons allgemeiner Definition der Leidenschaft. Von Unterarten der Leidenschaften erscheint in den Fragmenten nur das Mitleid (fr. 144)*, ob bereits

*) Nach Gal. S. 367 erinnern die Ckrysippeischen Definitionen des Suhmerzes als einer fisi'ojaig sttc (psvxrtZ Soxovvri vTidQxaiv und der Lust als einer enaqoig «qp' aigträj doxovvzi v7za.Q%eiv, überhaupt solche mit fieiojoeig, endgoeig, ovoxolal, 8ia%voug an Zenon. Der Schmerz wird auch als ov- orolrj definiert, so von Chr. selbst (Gal. 419 f. ) und Apollodoros in der Ethik (D. L. VII 118); vgl. Cic. Tusc. IV 6, 14; 7, 14. Anon. in eth. Nicom. 180, 15 Heylb. Im Anschlüsse an Zenon, der gewisse Leidenschaften als Ivoeig der Seele fasste (fr. 139), definiert Kleanthes (fr. 86) den Schmerz als TtaQälvaig der Seele. Wegen der Beziehung dieses Bildes zur Tonuslehre s. Stein, Erkenntnisth. S. 130; in betreff der Veranlassung desselben durch die Platonische Etymologie Xvnrj von Xico Pearson S. 308. Vgl. Chr. Cic. Tusc. III 25, 61 (Baguet 302) IvTtTj-lvoig, wo mit Ivoig jedoch auch Ivtit} einzuklammern ist. Gal. 404 7iQosxU?iVfi6vojy. 405 h&lvd-T) in der Tonuslehre; vgl. 443 evlvx.g vyleia. Auch Epikuros hatte ähnliche Definitionen der Leidenschaften (Gal. 367).

2) Nach Poseidonios' Ausdrucksweise muss sich Chr. auf mündlich gegebene Definitionen des Zenon berufen haben. S. übrigens Pearson zu fr. 143. Bei der offenkundigen Tendenz des Poseidonios darf der Be- griff döl-a nicht zu Ungunsten des Eigentumsrechtes, das Zenon hat, ur- giert werden, und Doppeldefinitionen sind um so weniger auffällig, als- Zenon schon für cra-tfos zwei Definitionen hatte.

171

der Meister dasselbe als Abart dem Schmerze beiordnete, ist nicht mehr zu sagen ').

Ariston spricht gelegentlich (Stob. flor. 20, 69) von der Leidenschaft des Zorns (oqyri). In der Zwiesprache zwischen loyia^iog und tivpog lässt Kleanthes durch die Worte des &Vfioc (fr. 84, 4): cop av sm&vfjbw denselben als eine Unterart zur em&viiia erkennen (vgl. D. L. VII 113) 2). Auf die ödvvtj, die zur Xvnij gestellt wird (D. L. VII 111), spielt er mit ävwdvpog an7 das (fr. 75) neben äcpoßog und älvnog seinen Platz hat. Über die (p&oveqia6) und den egcog handelte er in besonderen Schriften.

Chrysipposhat wieder das Hauptverdienstander Ordnung des Materials 4). Die Scheidung in Hauptleidenschaften (yevixa 7Tad*if) 5) und ihre Arten (s idrj) 6) ist bei ihm' bereits eine feste.

1) D. L. VII 110, durch Vermittelung Hekatons erhalten, ist zu- nächst an Chr. (111) bei den Unterabteilungen zu denken.

2) Der Fehler des Poseidonios bei der Ausbeutung dieser Verse beruht nicht so sehr im Missbrauche einer poetischen Floskel man hat das Recht, die didaktischen Gedichte des Kleanthes zu verwerten , als darin, dass er ein Erzeugnis des loyog, den loyio/xog (vgl. Chr. virt. mor. 450 c loyiofioi), mit dem loyog selbst verwechselt und die Unter- art &vfiög mit der Hauptart im^vfiia auf eine Stufe stellt. Zenons Tta&Tjzixbv zr,g yv%rtg (fr. 160) konnte er wegen des danebengestellten (pavzaaTixov (vgl. Zen. fr. 135) nicht verwenden. Nach Kleanthes (fr. 66); besänftigt der löyog die Leidenschaften.

3) "Wieder in gesuchter Ausdrucksweise statt y&bvog.

4) Cic. Tusc. IV 5, 9 qui Chrysippus et Stoici cum de animi per- turbationibus disputant, magnam partem in iis partiendis et defini- endis occupati sunt etc.

6) Gal. 366 iv zoig cgiopoig zojv yevixöjv na&ujv; vgl. Aspas. in eth. Nicom. 45, 16.

*) Chr. Stoic. rep. 1042 f. naftr) . . . . ovv zoig el'dsotv, olov kvity xal tfößog xal n aganlrjo La. Auf ein Schema nimmt er auch Gal. 385 Rücksicht: ojg htl cpößov t%ei v-ai &tv&vpias xal zojv 6(jlolojv. 331 o'l ze (pößoi xal al IvTtai. Virt. mor. 447 a ini'd'vfitav xal oQyrv y.ai (foßov xal zoiavza. Fr. 26, 12 Gercke voluptas et dolor. S. auch die folgenden Anmerkungen.

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Seine Definitionen der einzelnen Leidenschaften *) sind eine Verarbeitung der Leistungen seiner Vorgänger, be- sonders des Zenon 2), mit eigenen Zusätzen, die er auf Grundlage seiner erweiterten Theorie machte. So ist der Schmerz nach ihm eine vernunftwidrige Zusammenziehung oder der noch frische 3) Wahn von der Gegenwart eines Übels, woraufhin die Leidenschaftlichen vermeinen, sie müssten zusammengezogen werden.4) Die Furcht ist ^in vernunftwidriges Ausweichen oder die Flucht vor einem erwarteten Fürchterlichen; die Begierde ein vernunftwidri- ges Begehren5) oder die Verfolgung eines erwarteten Gutes; die Lust (vgl. Gal. 389) eine vernunftwidrige Erhebung oder der noch frische Wahn von der Gegen- wart eines Gutes, woraufhin man vermeint, es müsse

*) Sie sind erhalten bei Andronikos, Stobaios, Diogenes Laertios, €icero (Tusc. III 6, 11 f.) u. s. w., worüber Kreuttner, Andronici qui f ertur libelli ttsqI na&ojv pars prior. Diss. Heidelberg 1885 S. 40 ff.

2) Vgl. Gal. 367 xara Ss xivag tojv scps^rs (sc. iqojv) kzs, woraus hervorgeht, dass es mehrere Definitionen für dieselbe Leidenschaft gab. Über seine Verkürzung fremder Definitionen s. S. 84.

3) S. die Erklärung von Bonhöf f er I S. 266 ff.

4) S. 0. A p e 1 1 , Beiträge z. Gesch. d. griech. Phil S. 299 ff. Hoöoyaxog ist ein Eesultat der Betrachtung über das Altwerden der Leidenschaften; vgl. Cic. Tusc. III 31, 75. IV 29, 63. Die itafry waren ihm auch Sögai; s. Gal. 367. Vgl. Aspas. in eth. Nie. 45, 16 Heylb. ylvso&ai fisv yao xa Tta&r} eyaoav Sc vnbXrjxfj iv ayaftov xcu xaxov, aXX 'xav fisv ojg siti Ttagovot xoig aya&o'ig uivetxat r\ \pv%r\, rSovr\v elvai, exav Ss dg srii Ttaoovoc xotg xaxoig, kimrjv. Ttäkcv Ss stu xotg 'TiQoaSonojfisvoig aya&oig ini&vfiia ovfxßalvst, oos&g ovaa ä>g cpacvofisvov ayad'ov, xatccuv Ss TtQoaSoaoj/Liivcov xb ovfißaivov itä&og (pbßov slsyov elvai. Auch der Ansicht, dass die Furcht der Begierde vorangehe, der Schmerz dem Vergnügen nachfolge (vgl. Aristot. eth. Nicom. 1105 b, 23. Stob. ecl. II 139, 6 W.), liegt die Unterscheidung der Leidenschaften für die Zukunft (sTtv&vfita, yößog) und für die Gegenwart (rSovrj, Ivnrj) zu gründe.

5) S. S. 21 f. ; vgl. Gal. 487.

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eine Erhebung (snaiqsa^at) stattfinden. Für die Arten l) zu diesen Hauptleidenschaften dürfte es genügen, auf Pseudo-Andronikos zu verweisen, dessen Definitionen meist von Chrysippos herzustammen scheinen 2). Die Auf-

*) Über die Vorgeschichte einzelner Definitionen s. Kreuttner a. a. 0. Chr. gebraucht die Namen einzelner dieser Unterarten bereits technisch: Gal. S. 268 === 291 sind Beispiele der aaxd xrjv Sidvoiav nd &i] die cpößoi, Xinai, oQyrj, Sv/ncg. S. 335 als dXyrjdöveg die Xvnr]r dyojvia, ISvvrj-, daneben werden %aqd und ödgoog gestellt. <P6ßog und tiäQoog sind sich entgegengesetzt Gell. noct. XIV 4, 4.

-) In der Definition des e'Xeog bezieht sich eaelvov auf ein Adjektiv {dlXotgloig) statt auf das Substantiv, ein stilistischer Fehler des Chr.T so eaetvog auf ^Adyiaxiadg Ath. VII 285 d., xovxojv auf vevqöjdeg Gal. 404. Für eXeog als morbus vgl. Zen. fr. 144 Pears. Die Definition des Neides (cp&övog) ist sicher gestellt durch Chr. Stoic. rep. 1046 b ev de tu devTSQoj hsqI dya&ov xbv (p&dvov i^-qyrjodftevog (sc. Xq.) , ort Xvnrj iovlv hit dXXoxqioig dya&oig, dg SrjTtoxe ßovXofievoiv xaitetvovv zei g nirjolov, onojg vnsQe%ojoiv avxol. Zu CrjXog vgl. Apelt, Beitr. S. 330 f. Die CrjXoTVTtia Chr. D. L. VII. 131. Die dva^v^iai u. a. bei Timaios dem Lokrer i;6qI yv%dg aöofioj aal cpvaiog Plat. 103 b ; auf stoischen Ein- fluss deuten die nzoiai. Kreuttner S. 31 zitiert sonderbarerweise Plat. Phaedr. 103 b. Die ogyi) als Art der em&vfila Chr. Gal. 269=294=321. xijg fiev ovv vQyrjg yivofievrjg irzav&a evXoyov aal xdg ?.oi7tdg ihti&vfitas evxat&a eivai . . . aal xd Xomd nd'&T] aal xovg StaXoyiofiovg y.al caa xovxoig ioxl naQanXrjoia. Dieses StaXoyiafioig erinnert an D. L. VII 112 dviav Xvnr)v in diaXoyiofiwv axe. Virt. mor. 447 a hci&vjisiv aal juexavoeiv (=tuexdvota), d qy i^to&ai aal SeSievai. &vfi'g Gal. 408. S'vfiöc und yoXr, ebd. 321. tqa>g und %cXog 366. xd xojv bqyiCofie- vojv 7id&?]. . . . aal xd xoZv eqöjvxojv 269=343. enl xe xojv eqo'jvxojv aal tojv dXXojg ocpoSqa inid'v(iovvx ojv aal ml xojv cgyiCofievojv, cxi xs xiu d'tfitZ fteXovot %aQittod'ai ebd. 410 ; hier ist &v{iö$ ungenau ge- braucht. — xavxrjg (sc. x?jg Xvn^g^ xov cp&6vov) de oweyr^g r\ ini%aiQe- aaa ia y trexat xaneivoi g ßovXo/uevojv eivai xovg nXrjolov did xdg öfioiag alxiag. aa& exeqag be (pvoiadg q>oqdg eax Qtnofiev ojv b eXeog yivexai Chr. Stoic. rep. 1046 c (ebenfalls aus dem zweiten Buche negl dya%ov). Wegen atpöSqa in den Definitionen (z. B. S. 145 Kreuttner) s. Kreuttner S. 26; vgl. Gal. 331 dXyrjdövojv oyodqöjv. D. L. VII 115 (oycdqa). Aspas. in eth. Nie. 44, 13 Heylb. Virt mor. 441 d oyodQoxyxa. 447 a rl oyobqov ertiocpaXbg. 449 f 450 f xojv Tiauxtv xdg oepod^üx^xag. 450 b

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Stellung der drei edlen Leidenschaften (svna&eicu) der Wollung (ßovXfjöig), Freude {%ccqd) und Vorsicht (svlaßsia) hatte einen Anhaltspunkt bei Chrysippos, insofern er wenigstens die %aqa von den gewöhnlichen Leidenschaften ausnimmt (Chr. Stoic. rep. 1046 b). Doch ist jene schwerlich sein Werk, da der von ihm neben xaqa ge- stellte Mut (S-aqaog) dabei fehlt und Plutarch gerade be- züglich der sima&sicu Chrysippos ganz unverkennbar von seinen Anhängern trennt1); auch ermöglichte es die Trieb- lehre den alten Stoikern, welche gewiss die teleologische Bedeutung des Apparates der Affekte nicht über- sahen, die nach peripatetischer Anschauung berechtigten Leidenschaften unter die vernünftig praktischen Triebe zu stellen, zu welchen eben die ßovlrjaig gezählt wird 2).

Heilung der Leidenschaften.

Mit dem vierten Buche über die Leidenschaften ver- lässt Chrysippos bereits den Boden der ethischen Theorie und begibt sich auf das Gebiet der praktischen (paraine- tischen) Philosophie. Er verlangt wie für den kranken Körper, so auch für die kranke Seele eine Heilkunde (iaTQixrj), welche weder in der Theorie (3-scoQia) noch in

ocpodQoTtQovxmdS. 167. Auf den etymologisierenden Zug einiger Definitionen ist zu achten: S. 14, 2; 9; 10; 14. 16, 1 u. s. w. Eine scherzhafte Parallele zu diesen bietet die mit Schleiermacher in Verbindung ge- brachte Definition der Eifersucht als „einer Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft". Scharfsinnige Verbesserungen zu An- dronikos Apelt, Beitr. S. 331 ff.

J) Virt. mor. 449 c avzog ze XQvomnoq.

2) Vgl. S. 23 ff. und besonders S. 25 f, ferner v. Arnim, Quellen- unters, zu Philo S. 120. Der Singular in ander m Sinne neQi evna&etag bei Teles Stob. flor. IV 49 Meineke. Vgl. Aristot. eth. Nicom. 1159 a, "21. 1171 b, 24. Die wird als evkoyog enagaig von der ySovr als

akoyog sit. unterschieden, als Arten der ridovrj die tegyig (?/ Si ojtojv) und sv(fQoaivT] (r Sia loycuv) Alex. Aphr. in top. 181, 1 Wallies.

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der Pflege (d-€QccTteia){) hinter jenem zurückbleiben dürfe. Es sei daher Pflicht des Seelenarztes, sowohl in den Seelenleiden (nad-ri) als auch in der einem jeden Leiden gebührenden Pflege möglichst genau zu Hause zu sein. Die grundsätzliche Analogie zwischen Körper- und Seelen- leiden — wir haben sie bereits 2) nach Chrysippos dar- gelegt — stelle auch die Ähnlichkeit der beiderseitigen Pflege und die Entsprechung der beiden Heilkünste (raTQtfai) unter einander ans Licht. Leider ist uns von den speziellen therapeutischen Anweisungen des Chrysippos nur wenig erhalten. Soviel geht jedoch aus seiner Theo- rie, die er im vierten Buche in seiner Art rekapituliert hat, hervor, dass er für das beste Mittel gegen die Leiden- schaften die Prophylaxis gehalten haben muss, welche der Erziehung und philosophischen Unterweisung die Aufgabe zuwies, dem jungen Menschen schon die richtigen Urteile über die Dinge und vor allem über den Wert der mitt- leren Dinge beizubringen. Für den Fall aber, dass die Schlechtigkeit bereits von der Seele Besitz ergriffen hatte, muss er geraten haben, die falschen Meinungen durch Mitteilung der stoischen Philosophie (Ethik) samt ihren Be- weisen zu entfernen 3).

*) Vgl. Chr. Orig. c. Cels. 8, 51 d-epcfnevocu, welchem Aristons Senec. ep. 94, 13 percurare mentem entspricht.

2) S. 161 ff.

3) Chr. Gal. 461 f. Orig. c. Cels. 8, 51 u. s. w. ; s. unten. Vgl. Ariston Senec. ep. 94, 17: zwischen der gewöhnlichen Krankheit und derjenigen, die den Ärzten übergeben wird, sei nur der Unterschied, dass diese ein Leiden an einer Krankheit bedeutet, jene ein Leiden an falschen Vorstellungen ; die schwarze Galle sei beim Wütenden zu heilen und die Ursache der Wut selbst zu beseitigen. Ebd. § 5 f . : „Um einen Menschen geistig gesund zu machen, muss man den Irrtum zerstreuen, der über den Geist ergossen liegt. Die falschen Vor- stellungen über den Wert der Dinge sind auszurotten, so beim Geizigen und Furchtsamen". Ders. Frontonis et. M. Aurelii epist. IV 13 S. 75 f

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Doch wollte er; sobald es sich um die B eruhigung einzelner Anfälle handelte, nach seinen eigenen Grund- sätzen nur in vorzüglichem Sinne (7TQor]yovjjb€Vüog) verfahren wissen ; in zweiter und dritter Linie aber unter Umständen auch nach Grundsätzen, die seine Anerkennung nicht hatten. „Auch wenn es drei Arten von Gütern gäbe", sagte er im Hinblick auf die Peripatetiker, „müsste man trotzdem die Leidenschaften pflegen, ohne in den Zeiten des Brandes derselben sich unnützerweise mit dem Grundsatze {doy^cc) zu beschäftigen, welcher den von der Leidenschaft Belästigten voreingenommen hat (TTQOxara- Äceßov)1), damit nicht etwa infolge einer unzeitgemässen Verzögerung, die durch Beseitigung (äwTQOTrrj) dieser Grundsätze entstünde, die Gelegenheit zur Pflege verloren geht, solange letztere noch möglich ist. Selbst wenn die Lust das Gut wäre und der von der Leidenschaft Be- herrschte so dächte2), so müsste man ihm ebensosehr bei- springen und beweisen, dass auch für die, welche die Lust als das Gut und das Ziel setzen, jede Leidenschaft etwas zur Vernunft Unharmonisches ist" (Chr. Orig. c. Cels. VIII 51 patr. 11, 1592 f.; vgl. 1, 64 patr. 11, 780 c Mign.)3).

Naber: „Gute Meinungen und reinere Erwägungen soll der Mensch in sich aufnehmen". Kleanthes meint, der Tröstende habe nur die Pflicht zu beweisen, dass der Tod kein Übel sei (fr. 93. 94).

*) Nach dieser Stelle (s. dagegen naxala/ußarofisva S. 158, 4) kann in (pavzaoia aaralrimiyirj letzteres Wort aktivisch gefasst werden: „Eine Vorstellung, die (von Natur) geeignet ist, den Geist zu ergreifen".

2) Auf eine ähnliche Äusserung des Chr. scheint Gal. 457 na-d'ärcsQ sl xcu Tis tt\v vfiovr[V ayatihv olöutvog vixäqyfiiv s%oi tl ßQa%v ntQiiXuov scg tovvavtiov anzuspielen.

3) Aus Philodem, de ira (Gomperz, Leipzig 1864) col. I 17 (S. 17) rj aXXojg <^ws^> Biwv iv %Cj tisqI ÖQyrfi xal Xq. Iv tw ntQi ctad'ojv ftsgctTTev- tixcu ist nicht viel mehr zu entnehmen, als dass Chr. darin auch über den Zorn handelte und eine massvoile Haltung einnahm. Einzelnes (<a-T(?o/, fityt&o<; zrs vcoov col, III u. a.) erinnert an Chr.

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Wichtig ist auch, dass Chrysippos die Leidenschaften nicht schablonenhaft betrachtete, sondern einsah, dass jedes Leiden seine eigene Behandlungsweise bedürfe Zu diesem Zwecke hauptsächlich hatte er die besprochene Einteilung der Leidenschaften in Sucht-, Scheu- und Ohnmachtkrank- heiten durchgeführt. Entsprechend seiner Ansicht von der gänzlichen, bewussten Verschmähung der Vernunft seitens des Leidenschaftlichen und von der Möglichkeit des Schwachwerdens der falschen Meinungen riet er, in ein- zelnen Fällen die Leidenschaften erst verrauchen zu lassen, ehe man sich bemühe, sie zu heilen (Cic. Tusc. IV 29, 63)2). Als bestes Trostmittel im Schmerze nennt er die Fügung in den Befehl der Notwendigkeit (Cic.Tusc. III 25, 59 f.)3). Ariston meint mit den Kynikern 4), gegen die Leidenschaften bedürfe es vieler (eigener) Übung (äöxrjchg) und vielen Kampfes {(id^rj). Pflege man die Seele nicht, so sei sie voll wilder Leidenschaften (Stob. flor. IV 111). Wenn Zenon als Mutter derselben eine Art ungeregelter Mass- losigkeit ansah (fr. 138) 5), so gibt uns Ariston als diejenige Tugend, welche die Begierde ordnet (xoGiistv), die Mässigung an fvirt. mor. 441 a). Zenon selbst flieht den Gegenstand seiner Leidenschaft, da er auch von den Ärzten höre, die beste Arznei gegen Entzündungen sei Ruhe (D. L. VII 17); Entziehung des Gegenstandes, welcher die leidenschaftweckende Vorstellung nahebringt, mag daher

1) S. S. 174 f.

2) B. Weissenberger, Die Sprache Plutarchs von Chaeronea. Würzburger Diss. Straubing 1895 S. 49, übersieht diese Theorie, wenn er im Eingang der consolatio ad Apollonium (102 a) eine Ungereimtheit erblickt; s. K. Buresch, De consolationum etc. historia. Leipziger Studien 9, 69 Anm. 3.

8) Ebenso Ariston Senec. ep. 94, 7. 4) N. Saal S. 34.

" ) Chr. virt. mor. 441 d erhält der Xöyog daher das Prädikat üxa- ),aoxog.

Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 12

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auch Chrysippos ins Auge gefasst haben. Nach Kleanthes ist die Vernunft das homerische Zauberkraut, durch welches die Triebe und die Leidenschaften entkräftet werden (fr. 66) 1). In einer allegorischen Unterredung zwischen der vernünftigen Überlegung und der Wut (Cleanth. fr. 84) zwingt jene den Wutausbruch, trotz seiner königlichen Allüren sein Begehren noch einmal zu formulieren. Das könnte auf die bekannte ethische Vorschrift abzielen, dass man sich bei einem Zornanfall, ehe man zum Handeln schreitet, fragen soll: Was will ich denn eigentlich?

Die antike Kritik.

Auf die Bemängelungen, welche vor allem Chrysippos wegen seiner Lehre von den Leidenschaften seitens des Poseidonios und Galenos 2) erfuhr, näher einzugehen, würde hier zu weit führen. Von der Platonischen Dreiteilung der Seele ausgehend und auf dieselbe ihre Ansicht von den Leidenschaften stützend, vermissen sie eine entschiedene Stellungnahme des Chrysippos zu dieser Frage (Gal. 364 f.) 3) und suchen überall Widersprüche, was ihnen bei der eigenartigen Ausdrucksweise4) des Chrysippos nicht schwer wird. So wird äloyoq mit xMQk koyov erklärt, wozu natürlich die Ansicht des Chrysippos, dass die Leidenschaft nur Sache des vernünftigen Seelenteiles (loyixij övva^ig) sei, nicht mehr stimmen kann (Gal. S. 381. 392). Wenn sich Chrysippos zur Erläuterung derZenonischen Definition

*) Motiv wird also von pcolvvoj abgeleitet.

2) S. zuletzt Bonböffe r IS. 266. Galenos schaut den Chr. haupt sächlich durch die Brille des Poseidonios; vgl. Apelt, Beitr. S. 320.

3) Doch konstatiert Galenos, dass Chr. nur eine Seelenkraft (S, 468), die loymi] dvvafiig, die zugleich xQixixr ist (590. 591), aber kein eigenes 7iad-r]zixcv (S. 476. 591), keine inid^^Tinv und d'vfiosi- Shs Svvafiig (S. 288. 590 K. S. 133 fr. 4 Müller) annahm. Polemik des Chr. gegen Piaton S. 288 K. Virt. mor. 450 c.

*) Ein Muster derselben s. z. B. S. 111 f.

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des Sprachgebrauchs bedient, vermöge dessen wir sagen, man werde in den Leidenschaften ohne das Urteil der Vernunft (ävsv Xoyov xQiGeoog) dahingetragen l), so darf sich das nicht zu der Behauptung reimen, die Leidenschaften seien xgiasig (Gal. S. 378. 381. 392). Die Gesundheit der Seele ist nach Galenos mit deren Schönheit zusammen- geworfen (S. 448. 450). Besser ist die Kritik bei Plutarchos2).

Unser besonderes Interesse beansprucht hier die alte Kritik in den Punkten, wo sie in Chrysippos' Theorie etwas vermisst. Poseidonios sagt, man frage zwar, wie die Seele in den Leidenschaften bewegt werde, und wie sie bewege, zeige dies aber nicht (Gal. S. 398). Ga- lenos möchte die einzelnen Gründe wissen, auf welche hin der Leidenschaftliche vom Urteile der Vernunft abfallen soll: ja nicht einmal etwas Genaueres über den einen deutlich bezeichneten Grund, über die Seelenschwäche, sei zu finden (S. 406 f.; vgl. 458). Die Ursache der Schlechtigkeit, die Art ihrer Zusammensetzung, ihre Er- zeugung im Menschen sei nicht erklärt (S. 461), die Analogie zwischen Körper und Seele nicht durchgeführt (S. 440 f. 443. 448. 450). Cicero, der kein Mediziner ist, tadelt dagegen, dass zuviel Mühe auf letzteren Punkt verwendet worden sei (Tusc. IV 10, 23). Er (Tusc. IV 5, 9) und Galenos (S. 421. 455) behaupten, die Lehre über das „Wie" der Heilung bereits entstandener Leiden- schaften und über das „Wie" der Verhütung sei dürftig oder fehle ganz. Dennoch nennt Galenos das d-sqanevTixov sehr brauchbar zur Heilung (faoYc) der Leidenschaften (de loc. affect. VIII 138 K.). Da Chrysippos auch das „Warum"

l) Auf diese Stelle deutet Galenos zweifellos mit %ojqU xqios'jus ; *. S. 370. 396.

2j Virt. mor. 447 b ff.

12*

180

(vgl. Gal. S. 420) nicht betrachtete, muss er sich im allgemeinen auf das „Dass" beschränkt und bewiesen haben, dass die Leidenschaften heilbar sind. Von oberflächlicher Kenntnis der stoischen Psychologie zeugt der Einwurf des Galenos, Chrysippos erkläre nicht, was er unter Teilen des loyiGTixov verstehe (S. 444).

Die Lehre des Chrysippos, die in Wirklichkeit nur eine Begründung und Fortführung der Lehre Zenons ist, wird von Poseidonios, welchem Galenos offenbar hierin folgt, zu der des Zenon in Gegensatz gebracht, indem jener die Leidenschaften als Urteile fassen, dieser aber die Leidenschaften als Zusammenziehungen und Auflösungen ansehen soll (S. 367. 377. 429), die erst nach voraus- gegangenem Urteile stattfinden können. Das ist die gleiche Art der Polemik, wie sie gegen das Buch ttsqI ipvxrjs beobachtet wird: zuerst, heisst es, habe Chrysippos die Darstellung des Zenon bewiesen, dann widerlege er sie (S. 267-, vgl. 215). Zenon hatte über das Ver- hältnis der Leidenschaften zu den Urteilen nichts gesagt; Chrysipppos suchte die Lücke auszufüllen und musste dabei mit eigener Theorie eingreifen. Er war im Rechte, wenn er die bildlichen Definitionen Zenons hier beiseite schob. Jedenfalls ging er ohne Tendenz vor, während Poseidonios tendenziös den Zwiespalt zwischen Zenon und Chrysippos künstlich konstruiert 1).

*) Aus Galenos ist herauszulesen und S. 478 offen zugestanden, dass Poseidonios dies für Zenon erst folgert.

Cap. III.

Untersuchungen zur parainetischen Ethik der alten Stoa.

§ 1.

Allgemeines zur parainetischen Ethik.

Die bisherige Untersuchung begleitete die alten Stoiker bei ihrer Feststellung und Zergliederung der theoretischen Grundsätze und Begriffe. So sehr sich diese vielfach von der damals geltenden Lebensanschauung entfernten, so wenig konnte es Zenon verschmähen, sich mit dem prak- tischen Leben ins Benehmen zu setzen, wollte er anders auf die Menschen in der Richtung seiner Philosophie einwirken. Er schrieb wie die Peripatetiker und die Aka- demiker, welch letztere vielleicht eben, weil sie auf das Wissen nichts gaben, grosse Stücke auf den vtvo&stixos Xoyog hielten1), über praktische Stoffe, so „über die helle- nische Bildung", über den Staat und die Liebeskunst; auch trug er in seinen mündlichen Unterredungen über die gleichen Themata vor, so dass man schliessen darf, seine Denkwürdigkeiten des Krates, die Diatriben und Chrien haben viel schätzbare Einzelheiten in dieser Beziehung enthalten.

Ariston folgte auch hier dem Meister auf seinen letzten Gängen nicht. Verglich die Akademie den Sittenlehrer

J) J. Bernays, Ges. Abh. Berlin 1885 I S. 266 ff.

182 -

mit dem Arzte, so sagte der nach Popularität haschende Philosoph: Die ethische Philosophie muss im ganzen mit- geteilt werden, wenn sie wirken soll. Wenn die Nieswurz ungeteilt genossen wird, reinigt sie ; in ganz kleine Teilchen zerrieben, verursacht sie Atemnot, so auch die Feinmahl erei1) in der Philosophie. Gegen den parainetischen und hypo- thetischen Teil der Philosophie Hess sich Ariston besonders heftig aus2): Der Teil der Philosophie, der den einzelnen Vorschriften gibt, wiegt leicht, da er nicht tief in die Seele hinabsteigt. Den grössten Nutzen haben die eigent- lichen Gesetze der Philosophie und die Zielbestimmung; wer diese recht verstanden und gelernt hat, kann sich für jeden einzelnen Fall seine Handlungsweise selbst vor- schreiben. Wer schleudern lernt, sucht einen bestimmten Punkt, bildet die Hand aus, dass sie das Geschoss nach diesem Ziele richten kann, und gebraucht dieselbe, wenn er durch Schulung und Übung diese Fähigkeit erlangt hat,, nach jedem beliebigen Ziele hin; er hat ja nicht nur ge- lernt, den einen oder den anderen Gegenstand zu treffen,, sondern jeden, den er will. So besitzt der, welcher weiss, wie er glücklich leben soll, bereits die Regel dafür, wie er mit Gattin und Kindern leben soll. Regeln derart sind Sache der Amme, des Pädagogen und des Lehrers3). Bei Offenkundigem ist kein Ermahner nötig, bei Zweifelhaftem findet man keinen Glauben. Will man über Dunkles und Streitiges Gebote erlassen, so wird man Beweise bedürfen und dabei finden, dass die Beweismittel, die natürlich der

*) So ist der feine Ausdruck lemoXoyla etwa annähernd wieder- zugeben. — Durch nvlysi wird übrigens Plat. Gorg. 522 a lo%vaivo}v xal Ttvtywv (vom Arzte) erklärt (Saal S. 23).

2) Das Folgende nach Senec. ep. 94, 2 und 5 ff.

3) S. J. B ernays, Ges. Abs. I S. 270 Anm. 1 (rhSy, nicht xrfrr}).. Bei Seneca kann wegen des Zusatzes nepoti das Miss Verständnis nicht geheilt werden.

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allgemeinen Philosophie zu entnehmen sind, wertvoller sind und für sich genügen. Einem Wissenden Vorschriften zu diktieren, ist überflüssig, einem Unwissenden solche zu machen, ungenügend. Dem letzteren wird auch das „Warum" vorgetragen werden müssen ; die Volksmeinung hält aber seine Seele gefangen. Die allgemeine Philosophie nimmt schon für sich den Irrtum vom Geiste weg, heilt die von Lastern befleckte Seele oder reisst die dem Ver- derben zueilende noch rechtzeitig hinweg. Ferner ist die Aufgabe, den Einz einen Gesetze zumachen, unerfüllbar: der Wucherer, der Bauer, der Geschäftsmann, der Höfling, der Liebhaber von Gleichaltrigen 5), der Liebhaber von unter ihm Stehenden2), alle verlangen besondere Verhaltungs- massregeln; ebenso ist es bei der Ehe ein bedeutender Unterschied, ob der Mann eine Jungfrau heiratete, oder eine, die sich bereits vor der Ehe einem anderen ergab ; ob die Frau vermögend war, ob ohne Morgengabe; ob sie unfruchtbar oder fruchtbar, ob in reiferen oder in jungen Jahren, ob sie Mutter oder Stiefmutter ist. Alle Arten kann man nicht zusammenfassen; die einzelnen erheischen ihre eigene Belehrung, während doch die Gesetze der Philosophie kurz und alles umfassend sind. Ausserdem müssen die Vorschriften der Weisheit bestimmt und zu- verlässig sein. Die Dinge, welche sich der festen Be- stimmung entziehen, liegen ausserhalb der Weisheit, welche die Grenzen der Dinge kennt. Der parainetische (prä- zeptive) Teil der Philosophie kann, was er einigen wenigen verspricht, allen nicht halten, während die Weisheit alle umfasst.

1) Nach Plut. brat. rat. uti 7, 8 zu schliessen, wurden hauptsäch- lich nur dyevtioi geliebt und galt es für unnatürlich, Männer zu lieben, die bereits Kinder hatten.

2) Vgl. Zen, apophth. 45, wo ydonaig wohl einen Kinderliebhaber bedeutet.

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Diese Polemik richtet sich also wie gegen die anderen Schulen, so auch gegen den Meister und wohl besonders gegen Aristons Mitschüler, namentlich gegen Persaios, der fast ausschliesslich das Feld der praktischen Ethik bebaut und in den GvpnoTixä vTio^v^aTa das Benehmen in Ge- sellschaft bis auf Geringfügigkeiten besprochen hatte 2).

Auch Kleanthes ist, da er über alle diese Themata schrieb, von dem Vorwurfe, den Ariston erhob, mitbetroffen. Aber er geht doch, wie Ariston als Konsequenz gefordert hatte, recht ins Einzelne ein (nsgi ßovXrjg, neqi tov dixa&iv) und erklärte ausdrücklich, der parainetische Teil sei, wenn auch nützlich, so doch ohne inneren Halt, wenn er nicht von der allgemeinen Ethik ausgehe, wenn er nicht die ureigenen Gesetze und die Hauptgrundsätze der allgemeinen Philosophie kenne (fr. 92). Wie Kleanthes nicht gleich Ariston der Physik und Logik die Berechtigung absprach und sie nur dadurch etwas herabdrückte, dass er sie nicht als geschlossenes Ganzes gelten Hess, sondern in einzelne Teile auflöste, so verhielt er sich auch hier vermittelnd; er wollte olfenbar keine grossen Teile, die gegenüber dem Ganzen eine ungehörige Selbständigkeit und gegen einander eine gewisse Aus- schliesslichkeit erlangen konnten, sondern durch die grössere Zerstückelung sollte ein innigerer Kontakt nach beiden Seiten hin erzwungen werden.

Chrysippos schlug die Einwände des Ariston durch

*) Vgl. die Vorschriften Zenons über äusseren Anstand D. L. VII 22. fr. 174.

2) Seine Äusserungen zur allgemeinen Ethik werden nur gelegent- lich in populären Schriften vorgekommen sein, wie auch der mehr theo- retische Satz, nur der Weise sei immer ein guter Feldherr, in den didXoyoi stand (Athen. IV 162 d ev zoig dtaloyoi? nQog Zrvwva SiafitX-

XdjfjLtVOS).

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die That x) in den Wind, indem er zur paraineti sehen Philosophie eine Reihe von Beiträgen lieferte; protreptische und überhaupt auf Erziehung der Jugend ausgehende Schriften werden nach ihm aus Menschenliebe ((piXav&Q(a~ Tiia) verfasst (fr. 128 Grercke). Für die einzelnen Lebens- thätigkeiten hatte er besondere Standestugenden erfunden. Aus einer Anspielung Ciceros (fin. V 29, 89) ist man ver- sucht zu schliessen, dass Chrysippos in seinen Schriften zur Politik (in foro) und zum Familienleben (domi) die gewöhnlichen sittlichen Begriffe mehr berücksichtigte als in der reinen Theorie (in schola).

Thatsächlich hat die allgemeine Ethik der alten Stoiker etwas Transszendentales an sich, da die ethischen Be- griffe als losgelöst von allem, an dem sie in der Wirklich- keit hängen, angeschaut und nach ihrem absoluten Werte gewürdigt werden. Jeder ernstere Philosoph, der die Welt als Zusammenhängendes fasste und nicht mit Ariston auf Physik und Logik verzichtete, durfte dabei nicht stehen bleiben, sondern musste den Versuch wagen, eine Probe auf die Richtigkeil der Theorie zu machen ; das war aber nur dadurch möglich, dass unternommen wurde, den durch Spekulation gewonnenen Grundsätzen im Alltagsleben ihre Stelle anzuweisen.

Dabei ist wieder ein mehr theoretischer Teil zu unter- scheiden, dem die Untersuchung darüber zufiel, welche der konkreten Handlungen dem Begriffe der Tugend und Lasterhaftigkeit entsprechen. Eine andere Aufgabe ist es, Mahnungen und Abmahnungen für einzelne wichtige Lebens- gebiete zu erteilen.

Die erstere Aufgabe wurde anschaulicher gelöst, wenn statt des abstrakten Tugendbegriffs der persönliche Begriff

1) Ob von der Widerlegung, die Poseidonios (Senec. ep. 94, 38) und Seneca (ep. 94 und 95) dem Ariston angedeihen Hessen, etwas auf Chr. zurückgeht, darüber fehlt jeder Anhaltspunkt.

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des Tugendhaften oder Guten und des Schlechten eintrat. Auf diese Weise bildet die Ausmalung1) des stoischen Tugendideals sowohl einen zusammenfassenden Abschluss der gesamten allgemeinen Ethik als auch einen wirksamen Hinweis auf das zu erreichende Ziel.

Zenon und seine Anhänger2) teilten die Menschen in zwei Klassen (yspij) ein, in Gute (öTiovdaToi) und Schlechte ((pavXoi) 3). Die Guten gemessen durch ihr ganzes Leben

x) Dass schon Zenon von seinem Weisen ein Bild entwarf (de- scripserit), sagt Cicero (fragm. IV 3 S. 258 Klotz).

2j Der Wortlaut des Passus Stob. ecl. II 99, 3—6 W. geht wohl eher auf Chr. (s. D. L. VII 199) als auf Zenon (fr. 148 Pears.) zurück. Vgl. racg 71sqI ßlov iftneigtaig mit der Chrysippeischen Telosformel Cr,v xaT ifinuQiav ms. Stob. ecl. II 108, 26 ist aus der Schrift des Chr. ntQi rov xvQiojg xt%QTlad,ai Zrjvojva xoig ovlfxaoiv geflossen (Baguet S. 350); demnach auch Stob. ecl. II 104, 4 W. ßaodinoz. Über die Ansicht, dass der Weise alles q>Qovijuajg xal ouiyQvvojg thut, s. S. 138, 2. 142 f. Die stilistische Fassung Stob. ecl. II 99, 12 W. aal xov fiev onovSaiov fieyav sivai xal adgbv nal viprjkbv xal lo%vg6v. fityav fisv oxi , olSqov §s ort , vxfjtjXbv Pari , xal Io%vqov §'oxi ist dieselbe wie D. L. VII 98 izav S' aya&öv ovficpeQov slvai aal §iov xal IvoixeXsg yixk. ovfMptqov fisv oti —, deov ori IvoneUg d'öxt xxe. Wir geben daher bei den ein- zelnen Sätzen an, wo Zenons Name überliefert ist. Pearson möchte S. 189 arixxrixog für Zenon in die Wagschale werfen; das Wort ist aber noch besser bei Chr. zu belegen (vgl. auch Epict diss. I 18, 23. Procl. in Timae. 18 c von den Stoikern überhaupt und sonst).

3) Vgl. D. L. VII 32 f. Neben anavdaioi kommt oocpoi, äoxeiot, (s. z. B. Chrys. D. L. VII 199), (Chr. Stoic. rep. 1038 d),

neben cpavlot auch novriqoi (Chr. Stoic. rep. 1050 e) und xaxol vor, letzteres besonders auffallend bei Kleanthes im Zeushymnus und fr. 91, 4. wo (parlog im Verse gut möglich wäre. Vielleicht ist Herakleitos mit von Einfluss gewesen, an dessen Schilderung der Menge die der Schlechten im Hymnus lebhaft anklingt; vgl. Heracl. Stob. flor. 4, 56 (xaxög von den Augen). Bei Chr. macht sich die Scheidung in Gute und Böse bemerkbar in der Definition der ^yalo^v^ia, ferner Senec. ep. 9, 14. Gell. noct. Att. XIV 4, 4 (a(W dlxaioi), Stoic. rep. 1050 e u. s. w. Ariston unterscheidet wegen des Wissens nsnaiSevixhoi und aTiaidivxoi Stob. ecl. II 218, 9 W. (vgl. Senec. ep. 94, 11 eruditus=sciens

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die Tugenden ]), die Schleehten ebenso die Laster. Daher handelt die Klasse der Guten in allem, an was sie sich macht, gut, die der Schlechten immer schlecht. Ferner führt der Gute, indem er die im Leben gemachten Er- fahrungen benutzt, bei seinen Handlungen alles trefflich aus {nctvx €v iroisl)2), nämlich auf verständige, massvolle Weise und nach den weiteren Tugenden, der Schlechte dagegen alles auf schlechte Weise (xccxmq) 3).

Die Guten.

Der Gute ist gross, ausgewachsen, hoch und stark.4) Gross, weil er das erlangen kann, was seinem Vorsatze entsprechend ist und ihm vorliegt; ausgewachsen, weil er nach allen Seiten hin gewachsen ist ; hoch, weil er an der

und nesciens). S. Herakleitos Ttenaideviuavoi floril. Monac. 200 (IV 283 Meinekej. Demokritos nanaiStvfxivoi a/xad-tig ecl. II 218, 5; Diogenes arraid'evzog II 214, 21, Monimos der Kyniker ebenso II 216, 15. Cleanth. fr. 106. Cr am er, Geschichte d. Erziehung II S. 516 Anm. 1566 be- hauptet aitaiStvzo? sei bei den Stoikern seltner als iShjjtt}?.

2) Ebenso Cleanth. fr. 80. Für den Guten ist die Seele immer eine am Ziele angelangte (nXtla) fr. 81.

2) Wegen der Ansicht, der Weise stelle alles trefflich an und könne auch ein Linsengericht verständig (<p(>ovtfi(og) bereiten, wird Zenon be- reits von dem Sillendichter Timon verspottet (fr. 156Pears.). D. L. VII 125 spricht für Zenon die Exemplifizierung auf die Musik und auf den noch lebenden (cpafiev . . . avXetv) Ismenias; dieser erlebte die Zer- störung Thebens und überlebte Alexander d. Gr. (Rhetor. gr. IX 479. I 491 Walz.; vgl. Plut. reg. apophth. 174 f. Alex. fort. 2, 1). Den Flötenspieler Ismenias scheint Piaton noch nicht zu kennen (Rep. 336 a). Der „Musiker" auch Stoic. rep. 1037 e, wo freilich nicht Chr., sondern allgemein die Stoiker genannt sind. Chr. Horat. sat.

I 3, 126 f. : Der Weise braucht sich niemals Sandalen gemacht zu haben und ist doch ein weiser Schuster.

*) Chr. Gal. 406 K.; vgl. Plut. quom. adul. poet. 25 c. Stob. ecl.

II 67, 2 W.

4) Vgl. zu diesem ethischen Athletenideal Chr. virt. mor. 441 b, wonach ausser fityag noch %a.(>Uig, iokd-öq, nalcg, emdel-iog, tx- anavzroiog, tvrQänelog kommen.

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einem edlen nnd weisen Manne geziemenden Hoheit teil- hat; und stark, weil er sieh die geziemende Stärke er- worben hat, indem er unbesieglich und unbezwinglich ist1). Dementsprechend lässt er sich weder von irgend jemand zwingen noch zwingt er jemand; er wird weder gehindert noch hindert er er; wird weder von jemand vergewaltigt, noch vergewaltigt er selbst jemand; weder tyrannisiert er, noch lässt er sich tyrannisieren; er thut weder jemand Übles, noch geschieht es ihm selbst; er gerät weder selbst in Übel, noch führt er einen andern hinein; er lässt sich weder betrügen, noch betrügt er einen andern2); weder täuscht er sich, noch ist er unwissend, noch thut er etwas, ohne es zu merken, noch nimmt er überhaupt etwas Falsches auf. Er ist glücklich {svdai^odv)^ beglückt (svtv- Xys), selig (fjbaxdgiog), gesegnet (ölßiog)^)7 fromm, gottge- liebt 4) und würdevoll. Er ist zur Königswürde, zum Feld-

*) Vgl. virt. mor. 452 c xb dvvitöoxaxov aal d^xxrjxov.

2) Vgl. D. L. VII 123 dßlaßsig t' elvai. ov yag allovg ßXänxbiv ov& avroig. Die Stoiker denken wohl an das Idealbild der Götter, das Piaton rep. 382 e zeichnet: ovxe allovg s^anaxa axL

3) Zen. fr. 151: Der Weise ist nicht nur glücklich, er ist auch reich, und zwar nur die Weisen sind als ärmste Bettler reich; vgl. Cleanth. apophth. 18. In der Schrift Pkt. de virt. et vit. 100 b, die eine Anpreisung des tugendhaften Lebens ist, heisst es S. 121, 17 Dübn. xQvyvoeig iv nevia aal ßaodsvosig; stoischer Einüuss verrät sich in der Ausdrucks weise des Aufsatzes, vgl. z. B. xrg Ss yv%r)g nxotai aal ovsiqoi aal xaqa%aL S. 120, 24 Dübn. mit Chr. Gal. 269 K. 7 tteqI xry Sidvoiav xaqa%r = Tidd'og. Alex, in top. 134, 13 Wallies ist mit dem Satze : „Nur der Weise ist reich, schön, edelgeboren (svysvrjg)* Rhetor" offenbar ein stoischer Satz gemeint. Nach Horatius ist der stoische Weise dives, solus formosus, rex (Sat. I 3, 124 vgl. 123; 142. Ep. I 1, 106 f.), liber, honoratus, praecipue sanus (Ep. I 1, 107 f., vgl. Sat. n 7, 83. II 3, 43 ff. 286 f. Wegen rex s. auch Sphairos D. L. VII 177). Vgl. P. Wendland, Beitr. z, Gesch. d. griech. Phiios. Berlin 1895. S. 51 Anm. 2.

4) Vgl. Plat. Phileb. 39 e 8iaaiog dvrq aal evoeßvg aal aya&bg vtävxojg dq ov d^soopil^g ioxi ;

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herrnamt1), zum Staatsdienst, zur Hausverwaltung, zum Erwerb geeignet (Stob. ecl. II 99, 3 W. = Zen. fr. 148 Pears.).

Es scheint selbstverständlich zu sein, dass Bezeich- nungen wie : „Der Weise ist reich" nicht im gewöhn- lichen, sondern im ethischen Sinne zu nehmen sind*2). Aber Chrysippos verteidigte den Zenon gegen den gewiss schon frühe 3) erhobenen Vorwurf, dass dieser die Worte nicht in der ihnen zukommenden Bedeutung (xvgiooc) ge- brauche, in einer Schrift, die unter anderem gerade zu er- weisen sucht, dass der Weise im vollsten Sinne des Wortes König zu nennen sei, da das Königsein eine un- verantwortliche Herrschaft sei, wie sie nur bei den Weisen bestehen könne (D. L. VII 122. Stob. ecl. II 108, 26). Dabei mussten die Stoiker freilich manchmal ihre Zuflucht zu der Behauptung nehmen, die ursprüngliche Bedeutung einzelner Worte sei im Laufe der Zeit verderbt worden4).

*) Er allein ist nach Zenon (Pearson S. 190) und Persaios- (Athen. IV 162 d. Plut. Arat. 23) ein guter Feldherr; s. Hirzel, Unters. IIS. 61Anm. Über die Tugend orgax^ytuv, bei Chr. s. Schuchhardt S. 68. Persaios wie der jüngere Cato versuchten sich in dieser Kunst, freilich mit schlechtem Erfolge. Die Anekdote, Persaios habe durch schlimme Erfahrungen belehrt, den Satz widerrufen, steht mit andern Angaben (Suse mihi I S. 70 Anm. 264) direkt in Widerspruch.

2J S. Alex, in top. 147, 13 (vgl. 134, 13) Wallies. Im allgemeinen wird Zenon vorgehalten, dass er nicht nur für neue Begriffe neue Be- zeichnungen eingeführt (Cic. fin. III 4, 15), sondern auch alten Bezeich- nungen neue Bedeutungen untergelegt oder für alte Begriffe neue Worte aufgebracht habe (Cic. fin. III 2, 5; vgl. V29,88. Tusc. Y 11, 32; 12, 34. Leg. I 13, 38; 20, 53 f.).

3) Von Arkesilaos (Cic. acad. pr. n 6, 16). Von mehreren Schriften des Chr. gegen Arkesilaos spricht Plutarchos (Baguet S. 351). Arkesi- laos gegen die alte Stoa und die Stoa gegen Arkesilaos Cic. fragm. IV 3 S. 258 f. Klotz. Ariston und Arkesilaos D. L. VII 162. Chr. D. L. VII 198. W. G. Tennemann, Gesch. d. Philos. Leipz. 1803 S. 188 ff.

4) Vgl. S. 121 f.

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So sei es das Zeichen eines Keichen, sich mit dem Seinigen zu begnügen und anderes nicht zu bedürfen wenn man in späterer Zeit mit dem Begriff „reich" die Ansicht ver- binde, als gebe es für den Reichen keine Sättigung im Erwerben, so sei das ein untergeschobener Sinn (David, in Aristot. cat. 20 a, 13 Brand.). Demnach muss stets auf den Zusammenhang geachtet werden, in welchem die Stoiker jedesmal einen derartigen Begriff vorbringen. So hat „reich" in der Lehre von den mittleren Dingen seine gewöhnliche Bedeutung.

Alle Prädikate, welche dem Weisen beigelegt werden1), hier wiederzugeben, ginge zu weit, da dieselben zum grossen Teile der speziellsten Ethik zufallen. Ja Chrysippos er- örtert sogar das Verhalten des Weisen bei einem Sorites (Sext. Emp. math. VII 416)! Hier sollen nur noch einige all- gemeine Eigenschaften des Weisen, die von ethischer Wich- tigkeit sind, besprochen werden 2).

Die Tugend der Weisheit verbietet selbstverständ- lich dem Guten zu lügen3); er sagt in allem die Wahr- heit. Denn nicht in der Aussprache einer obj ektiven Un- richtigkeit ist die Lüge gegeben, sondern in der Absicht, welche auf Täuschung und Betrug des Nächsten ausgeht. Doch darf manchmal der Weise sich des Falschen be- dienen, so im Kriege gegen Feinde, sowie wenn er Nütz- liches voraussieht, und bei vielen andern Lebensvorkehrungen; dabei will aber der Weise keine Zustimmung seitens des

x) Chr. schrieb je zwei Bücher über die Begriffsbestimmungen des Guten (aortiog) und über die des Schlechten (cpavlog) D. L. VII 199. Panaitios kann sich auf dieses Ideal nicht sehr weit eingelassen haben ; s. A. Schmekel, Phil. d. mittl. Stoa S. 213.

2) Eine Reihe der stoischen Prädikate des Weisen oaiov, evasßes, avoTTjQov, ax$ty.aoTOV , cplkov, arvcpov, mqaov (vgl. D. L. VII 117 ff. Pearson zu Cleanth. fr. 75) finden sich bereits bei Kleanthes (s. S. 91 f.).

3) Stob. ecl. H 111, 10 W. ohne Namen. Doch ist Z. 13 eine Ansicht des Chr. wiedergegeben.

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Getäuschten hervorrufen, sondern nur Triebe und Hand- lungen auf den Schein hin x). Durch diese Deutung wird der erste Satz, nach welchem der Zweck das Mittel hei- ligen würde, gemildert. Denn mit der stoischen Theorie ist es unverträglich, dass der Weise falsche Vorstellungen, die an sich etwas Schlechtes sind, zu erwecken beab- sichtige. Nach Chrysippos gibt es Täuschungen («Trara*), die uns zwar schaden, aber nicht schlechter machen (Stoic. rep. 1070 e) 2). Das Zugeständnis kann sich jedoch nur auf den Verkehr des Weisen mit Schlechten beziehen ; eigentlich müsste der Weise wünschen, dass es nur Weise gäbe 3). Die geistige Integrität des Weisen musste sich insbesondere darin zeigen, dass derselbe keiner fal- schen Meinung fähig war; die Begründung für den Satz, dass der Weise nicht lüge, gibt die Vermutung an die Hand, dass sich diese Unfehlbarkeit nur auf das sittliche Wissen bezog. Zenon scheint seine Ansicht, der Weise gebe sich nicht leerem Wahne hin (fr. 153), noch nicht in der Schärfe formuliert zu haben, dass der Weise nicht einmal einer Vermutung fähig wäre (ädo^ccöTog), da in einer offenbar an litterarische Fehden anknüpfenden Anek- dote Persaios und Ariston als Gegner wegen dieses Punktes erscheinen ; Persaios lässt dem Ariston durch den einen von zwei Menächmen ein Depot geben und durch den andern abverlangen, Ariston gerät in Verlegenheit und wird so widerlegt (D. L. VII 162) 4). Die Stellung

r) "Avtv ovyxazad-ioeojg Stob. ecl. Z. 15 wird durch Chr. fr. 149. 150 Gercke erläutert.

2j Dieser Satz ist zunächst nur ein Zugeständnis {6fioloyt7) an Piaton, der erlaubt hatte, dass sich die Herrscher in seinem Staate der Lüge bedienen dürften im allgemeinen Interesse.

3) Auf diesem Gedanken beruht Stob. ecl. II 99, 19 ff. W. (oben S. 188 mitgeteilt).

4) Die Anekdote würde der Phantasie der Verfasser von Dekla- mationen alle Ehre machen.

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des Ariston ist begreiflich, da er das Wissen in die Tu- gendlehre aufgenommen und als Resultat der ethischen Übung die Fähigkeit verlangt hatte, in jedem Punkt sofort das Richtige zu treffen (Senec. ep. 94, 3) 1). Deshalb musste gerade ihm der Ansturm des Arkesilaos gegen die Zuverlässigkeit (evaqysia) der Wahrnehmung ein Dorn im Auge sein (D. L. VII 162), und er verfehlt nicht, den Aka- demiker, der die kataleptischen Vorstellungen leugnet, als den geblendeten Polyphemos zu brandmarken (D. L. VII 163) 2). Den Satz des Ariston musste jeder teilen, der das Wissen, sei es in der Ziellehre, sei es in der Tugendlehre, zur Geltung brachte. Es ist daher nicht un- wahrscheinlich, dass die Begründung des Dogmas, der Weise nehme niemals etwas Falsches an und gebe über- haupt niemals etwas Akataleptischem seine Zustimmung, weil er weder etwas wähne (do^d^eiv) noch in etwas un- wissend sei (dyvoetv) 3), auf Chrysippos' Namen einzu- schreiben ist4). In der näheren Ausführung erscheint 66%a nicht nur als Zustimmung zu etwas Akatalep- tischem, sondern auch in Aristonischem Sinne als eine schwache Annahme des Verstandes; beides stehe dem Weisen nicht an. Sphairos, der sich durch seine Defmi-

1) Vgl. seinen Ausspruch Stob. ecl. II 218, 7 W.: Ein Steuermann wird weder in einem grossen noch in einem kleinen Fahrzeug seekrank werden ; diejenigen aber, die es noch nicht durchgemacht haben, in beiden. So gerät der Gebildete im Eeichtum wie in Armut nicht in Verwirrung (ol TagdzTSTai), der Ungebildete in beiden. Vgl. Stob. flor. 94, 15. Die dzaQa&a (vgl. obstinatio animi Senec. ep. 94, 7) ist demnach für Ariston schon durch die ddiacpoQia gegeben.

2) Bemerkenswert ist, dass in dieser Anekdote xaraXafißävsiv in transitivem Sinne einem persönlichem Subjekte als Prädikat gegeben wird.

3) Stob. ecl. II 111, 18 W.; vgl. D. L. VII 121.

4) Chr. schrieb ein Buch anodei&is ttqqs to /nr Sot-dCsiv rov ooyov (D. L. VH 201). Ugog rb bedeutet nach Analogie vonD. L. VE 202 soviel wie „zu dem Satze, dass".

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tionen als scharfen Denker verrät, wird in einer Schul- anekdote eine spitzfindige ]) Verteidigung des Satzes zuge- schrieben. Als er sich durch Granatäpfel aus Wachs hatte täuschen lassen, rechtfertigte er seinen Irrtum mit den Worten, er habe nicht in der Richtung Beifall gegeben, dass es wirkliche Granatäpfel seien, sondern in dem Sinne, dass es wahrscheinlich (evXoyov) solche seien; es sei aber ein Unterschied zwischen der kataleptischen und der wahr- scheinlichen Vorstellung, da jene untrüglich (ädiaipevörov) sei, diese aber auch daneben treffen könne2).

Die Tugenden der Mässigung und der Tapferkeit und der Besitz fester unwandelbarer Urteile über die Dinge bewahren den Guten vor allen Leidenschaften3). Er wird daher selbst das lasterhafte Mitleid die stoische Psychologie rechnete diese Regung zu den Leidenschaften und musste sie demnach als lasterhaft betrachten nicht kennen; nur der Thörichte und Leichtfertige ist mitleidig (Zen. fr. 144 ; vgl. 152. D. L. VII 123). Die Weisheit

*) Vgl. auch die weitere Anekdote D. L. VII 177 (Mnesistratos).

2) D. L. VII 177 entstammt offenbar derselben Quelle wie Athen. Vfl 354 ff., wohl aus Nikias von Nikaia. Man erkennt die kürzende Manier des Diogenes, während Athenaios teils erweitert teils zusammen- zieht. Bei Athenaios ist statt tovtoj wohl ol'rws zu geben, was wenigstens dem Sprachgebrauche des Chr. entspräche ; dem unsinnigen oqvsis (Athenaios) statt $6ag lag vielleicht verschriebenes ogas (oqsis, oqvus) zu gründe.

3) Zen. Hieronym. adv. Pelag. II 6 patr. 23, 566 d Mign. Chr. ebd. Gal. 432 K. : Die unnatürliche, vernunftwidrige Bewegung (== Leiden- schaft) kommt nicht in die Seele des Guten. Stoic. rep. 1046 b. Virt. mor. 452 b. fr. 137 Gercke : Die Weisen rasen nicht (/uaivsa&ai = lv ndfcoiv tivai). Epictet. diss. I 4, 28 dnäd'Ha und acra-fo^; vgl. D. L. VII 117 arca&r. Für Kleanthes S. fr. 75 acpoßov, alvjiov, avwdvvov] apophth. 18: Reich ist einer, wenn er an Begierde arm ist. Ariston Cic. fin. IV 25, 69. In seiner stoischen Zeit wohl schrieb Dionysios rrtiji äTia&eiag. Auf den vorstoischen Ursprung des Dogmas der anaß-ua weist schon Anon. in eth. Nie. 128, 5 Hey lb. hin.

Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 13

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lässt sich nie durch persönliche Gunst bewegen; es ist nicht männlich, sich erbitten oder besänftigen zu lassen (Zen. fr. 152). Die Verzeihung (dialvGig) jedoch, die keine seelische Aufregung voraussetzt, gesteht Chrysippos dem Menschen im Verkehr mit Freunden zu (Stoic. rep. 1039 b). Derselbe gestattet aber bei den Guten nicht einmal den Hass gegen die Schlechtigkeit (jiidonovriQia Stoic. rep. 1046 c). Den körperlichen Schmerz empfindet der Weise wohl ; aber er lässt sich durch die Folter kein Geständnis erpressen, da er der Seele nicht nachgibt (Chr. Stob. flor. VII 21. Vgl. Cic. fin. III 13,42). Schneller gelingt es, einen mit Wind gefüllten Schlauch unter Wasser zu tauchen, als den Guten zu zwingen, irgend etwas nicht frei Gewolltes wider seinen Willen zu thun (Zen. fr. 157 Pears.).

Im Besitze aller Tugenden1), geschützt gegen alles Laster und gegen jede Leidenschaft ist der Weise der In- begriff aller Glückseligkeit. Die Stoiker haben nicht ver- säumt, auch das herrliche und prächtige Leben des Guten zu preisen, der thut, was immer ihm dünkt 2). Alle Weisen sind nach Zenon 3) im höchsten Masse glücklich, und Chry- sippos meint, das Glück einer Sekunde (rnv äpsQrj %qovov) sei dem Wesen und dem Grade nach dem Glücke vieler Jahre gleich (Stoic. rep. 1046 c. Themist. or. 8, 101 d S. 121 Dindorf 4). Kleanthes (fr. 83) und Chrysippos scheuen sich nicht Gott und den Weisen neben einander zu stellen (Stoic. rep. 1057 a. fr. 149 Gercke). Die Guten werden in keiner Weise von Zeus übertroffen (Stoic. rep. 1038d). Zeus übertrifft (yTieqsxeiv)

Chr. Stoic. rep. 1046 f; vgl. Stob. ecl. II 65, 12 W.

2) Ariston Cic. fin. IV 25, 69.

3) Cic. fin. IV 19, 55.

*) Der krasse Widerspruch, den Plutarchos dort entdeckt, löst sich, wenn die zweite Stelle in parainetischem Sinne gemeint war.

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.an Tugend den Dion l) nicht, und Zeus und Dion empfan- gen, da sie weise sind, in gleichem Masse von einander Nutzen (ßipsXsXc&cu) , wenn sie einander bei einer Bewegung berühren. Denn dies ist das Gut, welches die Menschen von den Göttern haben und die Götter von den Menschen, kein anderes. An Tugend steht der Mensch nicht nach (djvoXsiTTsad-ca), er ist nicht geringer an Glück; der Weise, der sich selbst tötet, ist ebenso glücklich als Zeus (comm. not. 1076 ab; vgl. Stob. ecl. II 98, 19 W. Procl. in Timae. 106 f). Nicht einmal die nur einen Augen- blick dauernde (a^qiaia) Glückseligkeit des Menschen unterscheidet sich von der des Zeus, und in keiner Be- ziehung ist das Glück des Zeus mehr zu erstreben (aiQSToo- tsqccv), schöner (xaXXico) oder erhabener (ösiivotsqccv) als das der weisen Männer (Stob. ecl. II 98, 20 W.)2). Die Begründung dieser kühnen Aufstellungen war offenbar die, dass der Mensch ebenso wie Zeus, der nur ein Verwalter des All ist, ein Stück des Weltgeistes in sich hat (vgl. D. L.VII 119 $£iovqTsivai. e%siv yaq sv eavrotg olovsl &sov). Das Ideal des Weisen erfährt bei Chrysippos insofern noch eine Steigerung, als Kleanthes alle Seelen bis zum Welt- brande fortdauern lässt, während sein Schüler nur die der Weisen dieser Ehre wert hält (D. L. VII 157). Auch hierin ist der Weise dem Zeus gleich, der beim Welt- brande zu seiner Seele, der Pronoia, zurückkehrt (Chr. comm. not. 1077 d) 3).

1) Dion ist wohl nur wegen des Gleichlauts (tcv Jia xal zbv Jtwva) als Typus des Weisen gewählt.

2) An dieses Dogma erinnert die Bemerkung D. L. VII 28, Zenon, der ein hohes Alter erreichte, habe alle Menschen an Erhabenheit (atfivcrrjs) und Glückseligkeit (acwca^toV^s) übertroffen.

3) Vgl. Chr. Stoic. rep. 1038 ed. Ungenau ist es, wenn Horatius sagt: sapiens uno minor est Iove (ep. I 1, 106).

13*

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Die Schlechten.

Die Schlechten haben von allem, was die Guten haben, das Gegenteil (Stob. ecl. II 100, 6 W.). So „ist dem Schlechten nichts brauchbar und der Schlechte hat keinen Gebrauch von irgend etwas. Dementsprechend hat der Gute nichts Fremdes (clXIotqiov), der Schlechte nichts Eigenes (pixstov,) da dieses das Gute, jenes das Übel ist" (Chr. Stoic. rep. 1038 a b. 1042 b). Der Weise entbehrt nichts, und doch bedarf er viele Dinge; dagegen bedarf der Thörichte nichts, da er nichts zu gebrauchen versteht, aber er entbehrt alles (Chr. Senec. ep. 9, 14. Stoic. rep. 1038a. comm. not. 1068 c. Stob. flor. 7, 21) i). Die Schlechten sind alle wahnsinnig (Chr. Cic. Tusc. III 5, 10. Stoic. rep. 1048 e)2) und thun alles aus schwäch- licher Leidenschaft (Chr. Gal. 406 K.). Sie sind alle un- verständig, gottlos (ävoGm), gesetzwidrig (naqavonot) und kommen auf den Gipfel der Unseligkeit (dv<frv%ia) und des Unglücks (Chr. Stoic. rep. 1048 e). Wie der Weise Gott, so sind diese dem Tiere gleich (Cleanth. fr. 106. 3)

Die Fortschreitenden.

Zwischen Tugend und Lasterhaftigkeit liegt nach An- sicht der alten Stoa nichts mitten inne.

Die Ähnlichkeit, welche dieser Satz mit der logischen

*) An letzter Stelle ist statt ngooSexeoftai wohl nQooSeio&ai zu lesen. Vgl. S. 27, 1. 43, 4. 192, 1.

2) Von Wahnsinn spricht auch Ariston Senec. ep. 115, 8. So ist das lateinische saevire öfter zu verstehen; z. B. Liv. XXII 26, 6, wo Fabius (gravitas, invicto anirao) als stoisches Ideal dargestellt wird (s. Wölfflin z. St.).

3) Es scheint, als ob Chr. dem Schlechten keine ovynarddioig mehr zutraue, da er mehrfach (fr. 149. 50) Zustimmen und Nachgeben zu- sammen nennt, also bei jedem an ein anderes Subjekt denkt. Die Lehre von den Leidenschaften zeigt, wie nachgiebig der Schlechte gegen die Vorstellungen aller Art ist. Nur der "Weise ist demnach sittlich ganz frei.

197

Form des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten bei Aristo- teles *) hat, deutet darauf hin, dass die Unmöglichkeit einer dritten Klasse von Menschen eben durch die Er- wägung bewiesen wurde, der nämliche Mensch könne nicht zugleich gut und nicht gut sein; dabei war jedoch der Satz nötig, dass Menschen Güter sein können 2). Eine andre Begründung ist die, dass alle Menschen Antriebe zur Tugend haben. Kleanthes sagt, die Menschen hätten dieselbe Einrichtung wie die hemiambischen Verse: unvoll- endet (äjslsTg) seien sie schlecht, vollendet {reXsioa^evTag) gut (fr. 82; vgl. D. L. VII 127). Damit ist weiter nichts gesagt, als dass in Hinsicht auf das Ziel nur Gute und Schlechte in Betracht kommen3). Während jedoch ein Übergang von der Tugend zum Laster nicht mehr eintreten kann, wird mit jenem Satze die Möglich- keit des umgekehrten Falles nicht geleugnet. Betet doch Kleanthes in beweglichen Worten (fr. 48, 32) zu Zeus, der Gott möge die Menschen von ihrer Thorheit befreien, was unsinnig wäre bei Annahme einer unausrottbaren Laster- haftigkeit, und Zenon sagt, dass auch im Gemüte des Weisen nach Heilung der Wunde die Narbe zurückbleibe (fr. 158) 4). Keinesfalls aber können die ersten Stoiker sich den Ubergang so abrupt vorgestellt haben, wie alte Gegner scherzhaft glauben lassen wollen. Die Aufstellung der mittleren Handlungen wäre völlig zwecklos gewesen, wenn Zenon nur Gute und ganz Schlechte hätte gelten lassen wollen5). In der That geht aus einer Äusserung

x) Metaph. 1011 b, 23. 2j S. S. 97 f.

3) Vgl. S. 58 ff. 127.

4) Die Rückübersetzung aus Seneca liefert Philo lud. de monarch. II fievovai yä(> ovd'sv rptov iv xaig yv%oZq ra>v fiszavoovVTOjv ovXal xal tvTcot ro:v a^a/wv adixijfidzwv. Zur Sache vgl. Zen. apopbth. 49.

5) Auf diesen Zusammenhang macbt Cic. fin. IV 20, 56 auf- merksam.

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Zenons hervor, dass er mit vollem Ernste an solche dachte, die eine Annäherung zum tugendhaften Leben vollzogen; jeder kann, drückt er sich aus, aus den Träumen merken, ob er fortschreitet (rcQoxönTOVTog), wenn er im Schlafe sieht, dass er sich weder über etwas Schimpfliches freut,, noch etwas Schreckliches und Ungerechtes an sich heran- lässt oder thut, sondern wenn gleichsam wie in einer Meeres- tiefe, die infolge eines stillen Tages bis hinab sichtbar ist, das Vorstellende und das Leidenschaftliche an der Seele von der Vernunft durchströmt hindurchleuchtet (fr. 160) J). Es ist bemerkenswert, dass dem Fortschreitenden nur der negative Vorzug der Enthaltung von lasterhaften Handlungen zugeschrieben wird2), wie auch, dass die Tugend der Ver- ständigkeit gar nicht erwähnt wird. Diese Zenonische Grundtugend ist es offenbar, die dem Fortschreitenden vor allem abgeht, zudem dass die Anlage zur Leiden- schaftlichkeit noch in ihm ist. Die Nichtweisen sind teils so, dass sie auf keine Weise zur Weisheit gelangen können, teils so, dass es ihnen gelingt, wenn sie darnach streben. So ist Piaton, wenn er m nicht weise ist, doch nicht in derselben Lage wie der Tyrann Dionysios*, für

*) Die hohe Wertung des Traumes, in welchem die Seele, unge- stört von der Aussenwelt, ein reines Innenleben zu führen scheint, er- innert an Aristoteles (Zell er II 23 S. 360 Anm. 1 orav u. s. w.), Epi- kuros (Zeller, III ls S. 389), aber auch an neuere Denker wie Fichte, Fortlage, Trox ler. Ähnliche Lehren des Epikteto's (Bonhöffer I S. 25) empfangen so eine Beleuchtung. Chr. urteilte, im Kampfe gegen die Akademie, anders: Cic. divin. II 61, 126 praesertim cum Chrysippus Academicos refellens permulto clariora et certiora esse dicat quae vigi- lantibus videantur quam quae somniantibus.

2) Auch die Widerlegung des Chr. durch Poseidonios Gal. 398 K. hätte wenig Sinn, wenn Chr. neben den ooqpot, welche die Güter für herrlich und unübertrefflich halten, nicht noch n^oy.önTovTsg angenommen hätte, die sich vor der Lasterhaftigkeit in acht nehmen, da sie von der- selben grossen Schaden erwarten.

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letzteren ist es das Beste zu sterben, weil er an der Weisheit verzweifeln muss, für jenen das Beste zu leben wegen der Hoffnung auf Weisheit (Zen. Cic. fin. IV 20, 56) 1). Mit Recht wird bei Cicero die Stellung dieser Gruppe unter den Schlechten verglichen mit der Stellung der TtQOijyfjbevcc unter den p&Ga^ denn ursprünglich hatte Zenon behauptet : alle Nichtweisen seien in gleichem Masse unglücklich (Cic. fin. IV 19, 55). Es lag eben im Charakter des Zenon, auf diesem Wege offenkundige Schwierigkeiten zu umgehen. Die Fortschreitenden bilden demnach durchaus nicht etwa eine gleichberechtigte Mittelstufe zwischen den Guten und Schlechten; die ttqoxotc^ auf diese Höhe zu heben, war erst den Peripatetikern vorbehalten (D. L. VII 127-, vgl. Stob. ecl. II 133, 6 W.). Chrysippos nahm mehrere Grade unter den Fortschreitenden an-, er spricht von solchen, die bis zu einem gewissen Grade fortgeschritten sind (ol im TioGov 7TQOX€xo(f6x£g), wie Leukon von Bosporos und Idanthyrsos der Skythe waren (Chr. Stoic. rep. 1043 d), und von einem, der auf dem Gipfel des Fortschreitens ist (d in dxgov TTQOxoTtToov). Dieser Letztere erfüllt alles Zu- kommende auf alle Weise und lässt keines beiseite. Das Leben desselben ist noch nicht ein glückliches; aber es kommt ihm das Glück von selbst hinzu, wenn diese mittleren Handlungen die Qualität des Dauerhaften (ßeßaiov) und des Wesentlichen (ixnxov), wie es zur Tugend gehört, hinzu- erhalten und eine eigene Festigkeit bekommen (Chr. Stob, flor. 103, 22) 2). Bezeichnet dieser Fortschreitende die äusserste Grenze gegen das Glück hin. so gibt es nach

*) Die Angabe Ciceros ist vertrauenswürdig, da Chr. (Stoic. rep. 1042 d) unter Umständen es für Pflicht des Glücklichen hält das Leben zu verlassen und für Pflicht des Unglücklichen dazubleiben; Chr. würde nicht Piaton, sondern den Dion neben den Dionysios gesetzt haben.

2) Auf Äusserungen des Chr. über die nQoxonyj scheint Epict. diss. I 4, 6 ff., (vgl. ebd. 28) anzuspielen.

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der entgegengesetzten Seite hin andere Schlechte, die den' Gipfel alles Unglücks erklimmen (Chr. Stoic. rep. 1048 e) !). Chrysippos hatte vielleicht etwas mehr Grund, dem Fort- schreitenden ein grösseres Augenmerk zu widmen als Zenon, der nicht von vornherein abgeneigt ist, dem Piaton noch die Weisheit zuzuerkennen2), und als Ariston, der viele weise werden lässt (Stob. flor. 119, 18). Denn nach jenem darf man zufrieden sein, wenn es einen (fr. 129, 66 Gercke) oder auch zwei (fr. 136, 7. 137, 3 Gercke) Weise gibt3); die andern Menschen sind schlecht (ebd. Cic. Tusc. III 5, 10). Ja er gesteht, dass weder er selbst noch irgend einer seiner Schüler oder Meister gut sei (Chr. Stoic. rep. 1048 e). Kleanthes meint in seinem Gottes- beweis , der wohl durch Cicero weiterwirkte (fr. 51) : In Schlechtigkeit wandelt der Mensch die ganze Zeit oder doch die meiste; denn gesetzt, er wird einmal der Tugend Herr, so wird ers erst spät, an der Neige des Lebens4). Ariston verübelt es den in hohem Alter weise Gewordenen nicht, wenn sie am Leben hängen. Denn wie die, welche spät geheiratet haben, lebensfreudig sind, um ihre Kinder

*) Vgl. Zenon über die numeri des xaS^xov S. 144.

'•*) Nach Tatian ad Graec. patr. 811 b Mign. hielt Zenon die Schlechten für viel zahlreicher als die Guten, nahm also doch eine ge- wisse Anzahl Guter an.

3) Den Ausdruck, der Weise sei so selten wie der Vogel Phoinix (Greif) bei den Äthiopen, scheint Diogenianos (fr, 136, 9 Gercke) von Chr. entlehnt zu haben.

4) Kleanthes will zwar hier nachweisen, dass der Mensch im Ver- gleich zu Gott oi xelsiov Cuov, dtekeg Ss aal itoXv xex<t)QiO[iivov tov ts- Xelov sei. Aber obiger Passus ist, weil aQezr] und xaxia genannt sind, rein ethisch gemeint und für die Ethik verbindlich. (Wegen ntoiyLvso- &ai vgl. Herakleitos Stob. flor. 3, 84). Vgl. Zen. apophth. 49 : „Nichts be- dürfen wir so sehr als die Zeit. Denn kurz ist in der That das Leben und lang die Kunst, und noch viel mehr die, welche imstande ist, die Krankheiten der Seele zu heilen".

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erziehen zu können, so wünschen auch die, welche spät der Tugend teilhaftig geworden sind, dieselbe zu erziehen (Stob. flor. 119, 18) l). Chrysippos ermahnt, offenbar in parainetischen Schriften, von früh an nach der Ver- ständigkeit zu streben; denn eine Verständigkeit von nur einem Augenblicke sei nicht einmal wert, dass man den Finger drum rühre (Stoic. rep. 1046 cd)2).

Gute Anlage.

Innige Beziehung zu der eben besprochenen Frage hat die wohl in letzter Linie von Aristoteles (eth. Nicom. 1114 b, 8) angeregte Diskussion betreffs der guten Anlage zur Tugend, über die Kleanthes sich in der Schrift nsqi ev<pviag erging. Die Meinungen der Stoiker waren verschieden. Ein Teil behauptete, zur Erlangung der Weisheit sei in jedem Falle unbedingt gute Naturanlage nötig. Ein anderer Teil nahm an, dass der Mensch nicht nur von der Natur aus zur Tugend wohlgeeignet (svyvyg) werde, sondern dass manche auch durch Ausbildung (xccTaüxsvy) dahingelangten8); letztere beriefen sich auf das Sprichwort:

*) Das Gleichnis und der Gedanke an die späten Weisen sprechen mehr für den Chier als für den Koer, an dessen Tithonos zunächst zu denken wäre. Der Satz irn Cato maior der Dialog nimmt auf den Tithonos Bezug: nemo enim est tarn senex, qui se annum non putet Bosse vivere (7, 24) hat eine andre Spitze und ganz andren Zusammen- hang.

2) Vor xainsQ nehme ich mit Wyttenbach Schluss der "Worte des Chr. an. Der Gedanke schon Aristot. eth. Nicom. 1098 a, 18 /ula yaQ %tXibwv h'aQ ov Ttoiel (von Simplicius im Kommentar zu Epiktetos wiederholt).

3j Ein Niederschlag dieses Streites liegt wohl in dem Satze poeta nascitur, fit orator, sowie in Senec. de ira II 10, 5 neminem nasci sa- pientem, sed fieri vor.

4) Derselbe Vers Stob. ecl. II 202, 3 W. 'EyxQovi^eod-ai Chr. Gal. 419 K.

202

und definierten die evcpvla als Eigenschaft die von

Natur aus oder infolge Ausbildung zur Tugend geeignet sei, oder als Eigenschaft, gemäss der manche leicht fähig sind, die Tugend aufzunehmen (eiavalrfiToi). Entsprechend ist die gute Abstammung (evysvsia) eine Eigenschaft, die infolge Abstammung (ysvog) oder Ausbildung geeignet ist zur Tugend (Stob. ecl. II 107, 14 W.)1). Die erste An- sicht entstammt wohl den Kreisen, die das Idealbild des Weisen in nebelhafte Ferne rückten und die Tugend nicht für lehrbar hielten. Die letztere ist zweifellos die alt- stoische2) und der Vers lässt unmittelbar an Chrysippos denken. Nach dessen Ansicht sind die Menschen von der Natur teils von vornherein auf heilsame und nützliche Weise gebildet oder roh, unwissend und durch keinerlei Hilfe seitens der Wissenschaft gestützt (fr. 30 Gercke), worin doch liegt, dass die ethische Wissenschaft der natür- lichen Schwäche einen gewissen Rückhalt zu geben vermag. Die Charaktere der Menschen, sagt derselbe, werden so und so (roia xal roia) durch die verschiedenen Sitten (fr. 129, 75 Gercke) 3) und durch Erziehung (Stoic. rep. 1043 d) 4)

*) Vgl. den unechten Brief Zenons D. L. VII 8, wo zur svytveicu eine pstQia aoxrjoig und ein Lehrer verlangt wird, damit die svyhsia nqog xt]v Tslelav cvälr^iv xrtg aqtx^g schreite. Zuvor heisst es dort: Wer nach Philosophie strebt und der vielgerühmten Lust ausweicht, neigt nicht nur von Natur zum Adel, sondern auch durch seinen freien Willen.

2) Poseidonisch kann diese nicht sein; denn Strabo geogr. I 102 a. E. muss die Ansicht, dass die Babylonier und Ägyptier nicht nur durch (pvoig, sondern auch durch aoxyoig und e^og Philosophen sind, gegen Poseidonios in Schutz nehmen.

8) Hier wird von der rj&iyty] gesprochen. Das Wortspiel rdij—edij ist Aristotelisch (Stob. ecl. II 117, 2 vgl. wegen der h'dy Aristot. Pol. VII 12, 6 ; 13, 21 ff.). Simplicius in cat. 76, 34 bekämpft die (alte) Stoa mit ihren eigenen Waffen, wenn er darauf hinweist, dass die Tugend durch q>vaig und l'S-og bedingt sei.

*) Auch hier ist von noiol ytveo&ai die Eede.

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Bei uns dürfte es stehen, hinsichtlich des Charakters irgend eine bestimmte Eigenschaft zu bekommen (rtoioi yivsö&ai) und wesentliche Beschaffenheiten (s&ig) zu erwerben. Deshalb werden, während viele in schöner Weise zur Tugend angelegt sind, einige, die schlechter angelegt sind, oft besser, indem sie die Mangelhaftigkeit der Natur heilen nach Möglichkeit (fr. 130 Gercke). Als äusseres Erkennungs- zeichen der guten Anlage zur Tugend betrachtete, einer sokratisch - kynischen Anschauung folgend Zenon die Schönheit (D. L. VII 129)2).

TsXog und axonog. Durch die Unterscheidung der ao(poi und TiqoxoTiTOVTsg fällt vielleicht auch auf die Unterscheidung zwischen rslog und Gxojzög Licht, die als Spitzfindigkeit zu gelten pflegt. Nech gewissen Stoikern ist die evSai^ovia als öxonog vor- gelegt (ixxslo-d-ai), während das Erreichen des cxoTtog, nämlich das svdainovsTv, das rslog ist (Stob. ecl. II llr 25 W.). Gewiss erinnert diese Unterscheidung an die zwischen xcct6q&(ü[jicc und xccTOQ&onCigS). Allein hier wird die begriffliche Trennung mit besonderer Prä-

') S. E. Norden, 19. Suppl.-Bd. zu Fleckeis. Jahrb. 1893 S. 371ff.

2) Vgl. Stob. ecl. II 111, 4 ~W. ßaodei .... aat svepviav ificpat- vovxi xat <pdoju,d&siav (wieder Systeuiatisierung dessen, was Chr. über barbarische Könige wie Leukon und Idanthyrsos bemerkt hatte; vgl. S. 124, 1). Als TtQOTjy/Lieva St avtd (= xard yvaiv) erscheinen D. L. VE 107 die evtpvia der Seele (D. L. VH 106. Stob. ecl. II 81, 1 W.), TifjoyiOTiT)* xiyvTj, als ttqojxov naza q>voiv ntqi xt)V xpvxrjv und vnoxshls die tiyvla Stob. ecl. II 48, 1 W. Die evyvla xpvx^s übertrifft hinsichtlich der Tugend die svyvla ao!>fiaxog Stob. ecl. II 82, 2 W. Vgl. Plut. quaest. COnv. II 3, 2, 4 eJs yap ?] HQO%oiir\ /ueaov il<pvias üvai Soxti xat agsz^g (der Passus ist voll stoischer Terminologie). Gewisse adiäyoQa tragen eine solche tvyvla bei, dass das Glück davon abhängt Stob. ecl. II 86, 14 "W.; vgl. Bonhöffer, Epiktet II S. 195. Evyvr'g steht Stob. ecl. II 112, 7 "W. synonym mit x&leiog und o7iovSatoe.

s) S. 133. Vgl. S. 19.

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tension vorgetragen; sie rnuss, da sie an einer so hervor- ragenden Stelle auftritt, wie die Ziellehre ist, einen tieferen ethischen Sinn haben. Derselbe enthüllt sich bei folgender Deutung l): Als Ziel (axonog) ist das Glück jedem gesteckt, auch dem Schlechten, da alle Menschen Antriebe zur Tugend haben; der Fortschreitende strebt thatsächlich nach dem Ziele; nur der Gute hat es getroffen, nur er hat das rsXog2).

Hirzel hat die Einführung dieser Unterscheidung dem Panaitios gegeben3). Ich halte die Frage noch für offen4). Die Aufstellung von vnoTslidsg durch Herillos und die Verlegung des rsXog von o^oXoyoviisvoag £ijv zum udiccyoQoog £qv durch Ariston waren geeignet, Betrachtungen über den Begriff rsXog anzuregen; dem Herillos (Cic. fin. IV 15, 40) wie dem Antipatros von Tarsos (comm. not. 1070 f) wird eine Zweiheit der Lebensziele vorgeworfen. Die Trennung zwischen axorvög und rsXog muss in der peripatetischen Schule schon vor Ariston von Kos aufge- kommen sein, da dieser dieselbe bereits in die Rhetorik schulmässig hinüberträgt5). Die Peripatetiker aber berufen sich da, wo sie die Unterscheidung in der Ethik verwenden,

x) Diese wird durch Stob. ecl. II 77, 1 W. unterstützt.

2) Vgl. Simpl. in phys. 349 b, 8 Brandis und beachte die Ausdrücke otoxüCeo&cu {k'ysoig). Simplicius führt die Unterscheidung auf das Aris- totelische xslog und ngog xb xslog zurück. "Wenn er den vyiaivwv, nicht das vyiaiveiv als xslog (im Gegensatz zu vylsia) nimmt, so bestätigt das nur die obige Auffassung. JSxonog als das nur angestrebte Ziel Flut. Alex. virt. 2, 4. 337 a.

3) Unters. II S. 554 ff. Der Ausdruck aaondg scheint der ältere zu sein. Schon Philebos (Plat. Phileb. 60 a) sagt: r}8ovrv ononlv oq&ov Ttaoi £a>oig ysyovsvai xai Ssiv navxag xovxov oxo%dCeofi'ai.

4) Inzwischen hat auch Frank Ülivier, De Critolao Feripatetico. Berlin 1895 S. 23 ff. sich gegen Hirzel ausgesprochen.

6) S. G. Thiele, Hermagoras. Strassburg 1893 S. 193 f.

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offenbar auf eine fremde Ansicht und zwar auf die stoische2). In der Ausführung des Panaitios Stob. ecl. II 63, 26 W. ist die Unterscheidung gelegentlich einer andern Frage als selbstverständlich vorausgesetzt und nebenbei verwendet3). Schon Ariston nahm, um einen einzelnen Satz zu veranschaulichen, den Begriff Tsloq streng wörtlich (Senec. ep. 94, 3), und Chrysippos gebraucht neben rsXog den Ausdruck vTroxslfievog öxotcog technisch (Stoic. rep. 1040 f4), wie auch Gxotioq in der Definition der $v<Sno%ia vorkommt 5). Es ist daher immer noch die sprachlich einzig zulässige Auslegung der Stobaiosstelle (77, 25) vor- zuziehen, wonach die Unterscheidung bereits von Kleanthes und Chrysippos herrührt.

Mit diesen allgemeinen Erörterungen zur parainetischen Ethik findet uns er eDar Stellung in gewisser Beziehung ihr Ende. Denlnhalt der parainetischen Ethik selbst hier wiederzugeben^ verbieten zwei Gründe. Wie die stoischen Bücherkataloge und die Fragmente lehren, geht dieselbe ausserordentlich ins Einzelne ; die Schriften des Chrysippos waren zudem von viel Polemik und Dichterzitaten durchsetzt. Weiter

*) Dies beweist das al Stob. ecl. II 130, 21 "W. Aristoteles ge- braucht oxoTtog und riXog noch synonym, s. d. Index Aristot s. v. oxo- nog (Pol. 1331 b.). Ps. Plat. Sisyph. 391 a ist oxonog xeipevog Bild, zum Beweise per analogiam). Auch Stoiker gebrauchen bei loh. Philop. in anal. pr. 143 a, 21 ff. beide termini synonym.

2) Das zeigt der Vergleich von Stob. ecl. II 130, 21 "W. mit 77, 25 \V.

3) Die Vorstellung der aonlg (Stob. ecl. II 47, 9 W.) schwebt dem Panaitios nicht vor.

4) Vgl. Stob. ecl. 47, 7 W. rb nqoxdutvov. 77, 25 hutslodai. Pa- naitios gebraucht zweimal (64, 1; 10) einfaches xsio&ai.

5) Nach Plut. soll. an. 962a unterschieden die Stoiker Chrysippeischer Richtung aq%r und xtlog der Tugend, sowie oTo%ao(jiög, nqoxonr], oyel-ig rrg oQtrrg. Vgl. Aristot. eth. Nicom. 1094 a, 23 xa&dnsQ to&tou axo- n'ov tyovrtg mit Panait. ecl. 64, 1 zo^craig slg oxonög.

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aber dürfte die Quellenanal yse späterer Schriftsteller, ins- besondere der Plutar einsehen Moralia, die erst, weil zu- sammenhängend, uns von der nacharistotelischen Philosophie und, da die Stoiker in ihren parainetischen Schriften auf Aristoteles' exoterische Schriften und Theophrastos' Studien zurückgingen1), wohl auch von der Aristotelischen exote- rischen Litteratur ein lebensvolles Bild gewähren, hier noch wertvolle Züge bringen. Bei Cicero aber, der besonders in der Politik bekanntlich der Stoa so viel ver- dankt, ist es sehr schwierig, das Eigentum der alten Stoa auszuscheiden. Wir beschränken uns daher darauf, in einzelnen Punkten die Forschung weiterzuführen oder zu ergänzen.

§ 2.

Zur altstoischen Politik.

a). Der „Staat" Zenons.

Das eigentliche Gebiet der parainetischen Philosophie war in Griechenland die Politik. Seitdem die Sophisten staatstheoretische Fragen aufgeworfen und Praktiker wie Phaleas und Hippodamos bestimmte Wünsche zur Ver- besserung der bestehenden Zustände ausgesprochen hatten, waren die Staatsgebilde des Antisthenes, Piaton, Aristoteles und Diogenes entstanden, wohl meist um an einem durch- dachten Staatsideale ethische Grundsätze zu messen.

Umgekehrt ging Zenon von seinem Staatsideale aus*, denn seit der Abfassung dieses Buches erlebte der Meister

*) Man beachte auch, dass zwei in der nikomachischen Ethik nur anspielungsweise vorgebrachte Verse von Chr. verwertet werden (s. S. 118, 2 und 105, 1).

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erst seine ganze philosophische Ent Wickelung1). Es würde deshalb nicht Wunder nehmen, wenn sich etwa der Unter- schied zwischen diesem Erstlingsversuch2) und einem späteren Werke als grösser herausstellen sollte, als der zwischen Piatons „Staat" und „Gesetzen" ist.

In der That hat sich, wie bekannt, Zenon von der Richtung dieser Schrift später entfernt; wie weit jedoch, das lässt sich nur mutmassen.

Jene Richtung war die kynische 3); auch für den Satz, beide Geschlechter sollten dieselbe Art der Gewänder tragen4) und kein Körperteil aus Rücksicht auf den Unter- schied der beiden absichtlich verhüllt sein (fr. 177) 5), kann auf kynische Vorbilder verwiesen werden.

») Vgl. Cic. fin. IV 19, 54 ff,

2) Wir haben keinen Grund, gegen die einstimmige Überlieferung aller Zitate (bes. D. L. VII 131) statt hoIitücl mit C. Wachsmuth, De Zenone S. 5, als Titel hzqI nohxüas zu setzen. Stoic. rep. 1033 b ist es nur auf Angabe des Inhalts, nicht des Titels abgesehen, wie faxogevetv beweist. Auch sind nicht alle Einzelheiten jener Stelle auf jeden Stoiker zu beziehen; denn Zenon schrieb nicht neql xov dcxd&iv.

3) E. Well mann, Fleckeisens Jahrb. 1873. 107, 438. Zu fr. 167 vgl. für Antisthenes Zeller, II 1 3 S. 248. D. L. VI 103, für Dio- genes D. L. VI 73; vgl. 103 f. Über Zenons Verhältnis zu letzterem F. Dümmler, Antisthenica S. 4 f.

4) Hipparchia ging zu Krates in die Schule (D. L. VI 96 f.) und nahm dieselbe Kleidung an wie dieser 97), den Philosophenmantel. Über die durch obigen Satz involvierte Forderung der Bildungsgleichheit s. später.

5) Von der emanzipierten Hipparchia wird (D. L. VI 97) erzählt: dviavQt (sc. ßtbSüjQog 6 iniulr^v "A&tos) avxi]g fiolfidttov al% ovxb Haxenldyr) ^InnaQxia ovxt disxaQdx&y ojs yvvrj. Der Syllogis- mus, mit welchem dort die Anekdote beginnt, ist derselbe, den Zenon mit dem Worte x^ißtiv Sext. E. Pyrrh. III 205 anstellt, vgl. auch die von Chr. in seiner Politeia erzählte Anekdote über Diogenes (Stoic. rep. 1044 b = D. L. VI 69) und einen weiteren Ausspruch des Diogenes (D. L. VI 69 ei xo aQioxdv xxe). Da in ersterer Anekdote Hipparchia siegt, könnte Zenon in letzter Linie die Quelle sein.

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Dieser Charakter des Zenonischen Staates macht aber die Bewunderung und Befehdung, die später gerade diesem und nicht auch denen des Antisthenes und des Diogenes zu teil wurden, noch nicht verständlich. Teilweise lag der Grund hierzu gewiss darin, dass die Gegner der römischen Zeit es nicht mehr mit dem Kynismus zu thun hatten, dessen litterarische Leistungen die mittlere Stoa anzuerkennen keine Pflicht hatte1). Denn der Streit um die nolusia scheint im Zeitalter des Philodemos am heftigsten ent- brannt zu sein, da es darauf ankam, den Stoikern bei den Römern den Rang abzulaufen. Wenigstens nimmt die Be- anstandung der Knabenliebe mehr auf römische als auf griechische Gefühle Rücksicht. Zum anderen Teile aber ist der Zenonische Staat sogar noch um eine Nuance kynischer als die von den genannten Kynikern erdachten l). Das wird offensichtlich durch eine Vergleichung der verschie- denen Formeln, deren sich die drei Philosophen für das Gesetz der Weibergemeinschaft bedienten 2). Ebenso ist

*) Der schwer zu erklärende Ausdruck zijg zov xwbg oloae D. L. VII 4 soll vielleicht andeuten, dass die Politik in den grässlichsten Stunden der Hundstage, auf der tiefsten Stufe der Hündischkeit ge- schrieben wurde. Das ozs bei D. L. spricht für temporale Auffassung des sonst gerne lokalen hei c. gen. Ein Wortspiel mit dem salamini- schen Kwög ovoa anzunehmen verbietet der Artikel zijg zov.

2) Antisthenes D. L. VI 11 ya^trostv ze (sc. zov ooq>bv) zexvo- noiiag %6-qlv za7g svcpvsozdzaig ovviovza yvvai^i. Diogenes ebd. § 72 xal xotvdg slvai Ssiv zag yvvaixag ydfiov ^diva vofiiC(ov, dXXa zov izslo avz a zf Ttsio^sio^ avvelv ai. Zenon VH 131 = fr. 176 xal xotvdg sivai zag yvvaixag Sstv naoa zoig oocpolg, waze zcv svzv %6vz a zf ivzvxovoy xQro&at. In diesen knappen Formeln ist nicht nur Ivzv%ojv, sondern wohl auch x°Va^ai st&tt awstvai für Zenon gravierend. Wie abscheulich konsequent Zenon das ausdachte, ist aus Sext. Emp. Pyrrh. III 205. 206 zu erkennen. Beide Stellen sind durch Vermittelung des Chr. erhalten, dem der ganze Passus bei Sextus entnommen ist, und da die nofozsla des Chr. genannt wird, mag auch die des Zenon zu gründe liegen; ja vielleicht ist der für Chr. falsche Titel iv zf noXiztia

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das Wort Zenons: „Man glaube nicht mehr Münzen ferti- gen zu sollen, da sie weder zum Tauschhandel noch in der Fremde nütze sind (fr. 168)" ein völliger Verzicht auf jedes Tauschmittel, während Diogenes doch wenigstens das Knöchelgeld aufnimmt Und wenn der Stoiker den Bau von Heiligtümern und Gymnasien verbietet (fr. 166), so ist er wenigstens konsequenter als der Kyniker, der zwar meint, es sei nichts Unrechtes aus einem Tempel etwas wegzunehmen (D. L. VI 73), aber das Bestehen von Tempeln, wie es scheint, nicht anstössig findet und der körperlichen Übung eine gewisse Berechtigung gibt (ebd. § 70) 2). Selbst der Kosmopolitismus ist bei Zenon mit grösserer Klarheit und Strenge entwickelt als bei Diogenes. Die Äusserung des letzteren lautet allgemein physisch: Die einzig richtige Verfassung ist die im Kosmos 72) 3). Zenon wendet das auf die Politik an und drückt sich ganz bestimmt aus. Er will keine ein- zelnen Städte und Gaue, deren jeder ein einzelnes Sonder- recht habe; alle Menschen auf der Welt sollen Gauge- nossen und Mitbürger sein, eine Lebensweise und eine Sitte herrschen in der Herde, die auf gleicher Weide durch ein gemeinsames Gesetz genährt wird (fr. 162) 4).

dadurch entstanden, dass Sextus die Zenonische Ttolitda, mit der Chrysippei- schen Schrift neyl Ttohruas verwechselte. 'Evtvxojv ist auch im Sinne der Öffentlichkeit zu nehmen; sowohl Diogenes (D. L. VI 69) als auch Krates und Hipparchia 97. Sext. E. Pyrrh. I 153. III 200) scheuten das Ärgernis nicht.

1) Da Chr. letzteres nur von Diogenes meldet, besteht hohe Wahr- scheinlichkeit, dass Zenon das Knöchelgeld nicht erwähnt hatte.

2) Antipathie der Kyniker gegen körperliche Übungen kann daher für Zenon nicht massgebend gewesen sein, wie Wellmann S. 438 anzunehmen scheint.

{) Epict. diss. II 10, 1 ist unter xoa/uov noUtTjg ein Bürger des allgemeinen Kosmos (Welteinrichtung) verstanden.

*) Sollte Zenon nicht auf das Weltreich Alexanders hingewiesen Dyroff, Ehik d. alt. Stoa. 14

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Vergegenwärtigt man sich den persönlichen Charakter beider Männer, so erscheint dieser Hyperkynismus Zenons als ein psychologisches Eätsel. Dasselbe löst sich, wenn wir bedenken, dass der „Staat" Zenons gegen Piaton ge- richtet war *). Schon in der Wortstellung verrät sich der erregte Ton der Polemik2). Pearson sah bereits, dass das Verdikt über die Münzen dem Widerspruch gegen Piaton (Rep. 371 b) seine schroffe Form verdankt. Eben- so entpuppt sich das Verbot der Tempel, Gerichtshöfe und Gymnasien als eine Anklage auf Inkonsequenz gegen Piaton, der in seinen „Gesetzen" wohl den Bau von Mauern als unnötig erklärt (778 d), aber Tempel (758 a. 771 a. 778 c), Gerichtsgebäude (766 d. 778 d) und Gym- nasien (778 d) verlangt 3). Piaton hatte ferner keine schrankenlose Weibergemeinschaft aufgestellt ; Mann und Weib werden von Behörden in planvoller Weise zusammen- geführt und für den Verkehr der Geschlechter gelten be-

haben ? Ein Kyniker Onesikritos, ein Schüler des Diogenes, zog mit Alexander und schrieb eine Erziehung desselben (D. L. VI 84).

J) Stoic. rep. 1034 f, wo jedoch nur der „Staat" Piatons genannt ist. Gem. Alex, ström. V 594 b patr. 139a Mign. ; vgl. Hirzel, Unters. II 25 ff. Wellmann S. 437. Bei diesem Verhältnis ist es begreiflich, weshalb der Skeptiker Cassius vor allem diese Schrift zur Zielscheibe seiner Angriffe wählte; aus den StatQißal hätte er noch ärgere DiDge beibringen können, für welche Piaton nicht ebenfalls haft- bar gemacht werden konnte.

2) D. L. VII 32 f. treten die Prädikatssubstantive (ix&Qovg u. s. w., TtoXiras) mit auffallender Kraft an den Anfang der Sätze.

3) Gegen den Bau der Tempel macht Zenon geltend, ein Tempel habe keinen (sittlichen) Wert und sei nicht heilig; denn er sei das Werk von (unweisen) Baumeistern und Handwerkern (Clem. Alex, ström. V 426 ist des Plutarchos Angaben entsprechend nach aywv einzusetzen ovx suttv, nach olxodöfiwv ein <?'). Da Zenon die Hand- werker nicht verächtlich machen wollen kann, ist wohl hiermit ein Hieb gegen Piaton geführt, welcher die Handwerker im „Staate" von oben herab behandelt.

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stimmte Gesetze unter Androhung schwerer Strafen (Rep. 459 e ff.). Wurde gegen diese Art der Weibergemein- schaft1) Einspruch erhoben, so war die Zenonische Fassung des kynischen Gebotes fast unvermeidlich 2). Piaton hatte dem Eros eine grossartige Rolle zugedacht und ihm die schönsten Kinder, Erkenntnis und Tugend (Rep. 402 e f. 485 b c. Leg. 836 c d) gegeben; dagegen setzt Zenon die Be- hauptung: Der Eros schafft wohl Freundschaft und Frei- heit, auch Einigkeit, aber nichts anderes. Er ist nur ein Mithelfer zum Heile des Staates (fr. 163) 3). Mit diesem halben Zugeständnis an den Eros hat sich aber Zenon eine starke Abweichung von Antisthenes zu schulden kommen lassen, welcher den Eros verdammte 4). Auf die allgemeine Verwandtschaft im Platonischen „Staate" zielt es daher, wenn Zenon sagt: „Privatfeinde, Reichsfeinde, Sklaven und Fremde sind für einander alle die, welche nicht gut sind, und zwar sowohl die Eltern für die Kinder als auch die Brüder und die Verwandten für die Ver-

Vgl. besonders Rep. 461 b bxav Ss St] olfiai a i xe yvvaiatg aal ol avd'geg xov ytvvav ixßojoi xyv rjliatav , acpr^oofiev itov tktv&tQovg avxovg avyyiyvea &a i <h av i&e hojoi nlrqv ftvyaxql aal urjxql aal xaig xojv %vyaxiqojv naiol aal xaig avut firjXQog aal yvvaiaag av nXrjv vtsi aal naxfji arrl xoig xovxüjv tlg xb aäxai aal litl xo avoj. Dagegen gestattet Piaton 461 e die Verbindung von Bruder und Schwester unter gewissen Bedingungen.

2) Die Äusseiung über den Verkehr zwischen Mutter und Sohn richtet sich demnach gegen Piatons Verbote in diesem Punkte (Rep. 462 b e). Eine ähnliche Spitze in der Frage der Knabenliebe werden die Ausführungen über die Sia^Tj^iofioi (Plut. quaest. conv. Iii 6, 1. Philodem, de philos. col. XIII) gehabt haben; diafiT^itsiv , ein wohl von der Komödie entlehntes Wort, steht von Knabenliebe Zen. fr. 179. 181; vgl. D. L. VII 172. Schon Aristoteles Pol. 1262 a, 37 hatte hier Aasstellungen gemacht.

3) Dass Polemik geübt wird, besagt das kräftige allov §' ovSsvög. Aus D. L. VII 129 ist zu schliessen, dass nicht der Eros die Tugend, sondern die Tugend den Eros erzeugt.

4) S. Hirzel D S. 37.

14*

212

wandten. Bürger, Freunde, Verwandte und Freie1) sind nur die Guten" (fr. 154. 149) 2). Damit gewinnt die Ver- werfung der enkyklischen Fächer, das Verlangen gleicher Kleidung für Mann und Frau3), die doch auch schon Piaton teilweise für gleichberechtigt erklärt hatte, und das absonderliche Gesetz der Entblössung4) eine gewisse Schärfe, und auch sonst wird der Widerspruch gegen Piaton nicht ausgeblieben sein5). Die scheinbaren Be- rührungen zwischen Zenon und Piaton sind daher nur die- selben, die zwischen Piaton und dem Kynismus stattfinden6). Ganz ohne Folgen ist die Beschäftigung mit Piaton für Zenon nicht gewesen ; doch scheinen diese mehr in der Form sich geltend gemacht zu haben7).

1) Vgl. Zen. fr. 157. 163. Aus D. L. VII 122 ist zu entnehmen, dass Zenon sagte: Die Weisen sind frei. Chr. teilte diese Ansicht.

2) Die Folgerung des Skeptikers, dass bei den Stoikern Eltern und Kinder Feinde seien, da sie nicht weise sind, beruht auf böswilliger Ausbeutung des Begriffes oocpög.

3) Sokrates will (vergleichsweise) für beide verschiedene Kleidung Symp. 2, 3. (Pearson zu fr. 177).

4) Vgl. Plat. Leg. 833c f. 772 a, Rep. 457 a (452 a f.). Zeller III 1 3 S. 281 Anm. 4. Doch kann Zenon nicht an gymnastische Übungen gedacht haben, was Pearson (zu fr. 177) richtig hervorhebt.

5) Piaton duldete die Privat Verehrung der Götter nicht (Leg. 910c). Zenon meinte, man solle die Städte nicht mit Weihgeschenken, sondern mit den Tugenden der Bewohner schmücken. Diese Stelle zieht Wach s- muth, De Zenone 1 S. 5, mit Recht zur nohrsia, da sie Stobaios (flor. 43, 88) im Abschnitte ttsqi nolixeias aufführt; vgl. Epiphan. Diels Do- xogr. 592, 21 (D. L. VII 119).

6) Die Bemerkung R. Pöhlmanns, Geschichte des antiken Kommunismus und Sozialismus. München 1893 S. 611 Anm. 3, wird überflüssig durch die Klammern, die Cobet D. L. VII 131 mit Recht anbringt.

7) Der Gedankengang ist im allgemeinen und in einer Einzelheit derselbe. Mit dem dixouog begann Piaton, mit dem oocpös Zenon. In die Mitte fallen bei beiden Weibergemeinschaft und verwandte Fragen (Ständeunterschied). Gegen Schluss hat Piaton die besten Staatsformen

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Zenons Politeia ist nach all dem Gesagten an den Schluss der kynischen Staatsideale zu stellen. Sie ist eine Steigerung des Staates der Weisen1), zu dem schon Antisthenes den Grund gelegt hatte (D. L. VI 11). Wenn Piaton am liebsten den Philosophen die Leitung seines Staates übertragen will, so lässt Zenon den ganzen Staat aus Weisen bestehen 5 dafür, dass er in seinem Idealstaate auch den Thoren einen Platz gönnte, fehlt jeder Anhalts- punkt. Im Gegenteil ist der Wegfall aller richterlichen Thätigkeit, aller Tauschmittel des Weltverkehrs und der formalen Bildung nur dann denkbar, wenn jedes Staats- glied ein sittliches Ideal ist und sich in der Tugend voll befriedigt findet2). Die Frage der Gütergemeinschaft hat

und die evSaifiovla, Zenon die Negation aller Staatsformen durch die Internationale und die damit verbundene Eudaimonie; denn Ton und Inhalt von fr. 162 lassen in demselben einen Schlussgedanken vermuten, und Plutarchos sagt elg ev xoxxo owtüvu xscpälaiov. Der stoische Unter- weltsmythos (Hirzel, Unters. II S. 25 Anm. 1) passt sehr schlecht zu dem bisher bekannten Inhalt der noknsia. Die Einzelheit ist die gleiche. Reihenfolge ispa, §iy.aarr/^ia, yvfiväaia Plat. Leg. 778 c ff., Zen. D. L. VII 33, wobei beide Male die legd stärker hervortreten. Auch der Ausdruck Piatons hat abgefärbt; s. z. B. Sfjfiiov^ysiv D. L. VII 134 |u. K. Brink er. Das Geburtsjahr des Stoikers Zeno u. s. w. Progr. des Realgymn. Schwerin 1888 S. 8 ff.

*) ooyol D. L. YII 121. 131. onovSaTioL D. L. VII 32 f. Besonders aus der Konklusion des Gegners erhellt, dass Zenon von ooyol ge- sprochen hatte. Vgl. was Pohl mann, Gesch. d. antik. Komm. S. !130f aus Plutarchos mitteilt. Für den Tugendstaat spricht auch Cic. fin. IV119, 54, HirzeL Unters. II S. 34 Anm., bezieht in prima constitutione mit Recht auf die noXirda. Der Ausdruck weist auf eine schriftliche Fixierung (vgl. das Wortspiel § 53 litteram-paginas), ja constitutio steht gerne für „staat- liche Einrichtung". Der rhetorische Ausdruck constitutio, der logische Begriff der Stoiker prima constitutio (genus quoddam probationis perim- possibile), constitutio Senec. ep. 94, 2 (= avv^fia, wie collectio ep. 82, 9 avXloyiafiög) haben nichts damit zu thun. Quod aliud alio melius esset aut peius erinnert an Zen. D. L. VII 32.

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unter dieser Voraussetzung weiter keine Bedeutung, weshalb auch Zenon, wie es scheint, von derselben gänz- lich schwieg. Mit der Beseitigung jeder staatlichen Form geht die totale Uniformierung des ganzen Menschenge- schlechtes Hand in Hand. Die individualistische Tendenz des Kynismus ist damit noch nicht verlassen1) 5 denn eben die allgemeine Gleichheit und das allgemeine Gesetz, dem jeder für sich nachlebt, ermöglicht die Versenkung in sich selbst und überhebt die Staatsglieder der Sorge für die Gemeinde. Will man ein Gemeinschaftsprinzip finden, so ist dies einzig in der Gemeinsamkeit der sittlichen Inter- essen zu suchen; d i e s e s Prinzip hatten aber auch schon die Kyniker. Die Aufhebung der Ehe beweist mehr als alles andere, dass jede altruistische Auffassung des Staats- lebens bei Zenon geschwunden ist. Keinesfalls gab er sich die Mühe, eine Organisation für seinen weltumspannen- den Staat zu ersinnen, was bei der Enge der antiken Er- fahrung trotz des makedonischen Weltreiches unmöglich war. Ist jedes einzelne Staatsglied gut, so ist es auch das Ganze2). Dabei konnte es ihm freilich nicht einfallen, die Städte in eine Reihe von Eremitenklausen aufzulösen; er erkennt in seinem „Staate" die Städte an3). Schon

*) Ich kann hier Pöhlmann, Gesch. d. antiken Kommunismus S. 611 ff., Dicht beistimmen.

2) Zenon hat nach Ausweis des Bücherkatalogs mehrbändige Werke verschmäht; so umfasste auch die Politeia nur ein Buch, wie die Art der Zitate beweist (sv aqif, die zweihundertste Zeile; vgl. C. Wachsmuth, Rhein. Mus. 34, 39 f. 1879). Das Thema der Politeia füllte aber bei Piaton viele Bücher ; was bei Zenon durch den Wegfall des Dialogs an Raum gewonnen ward, ging durch die Polemik zum guten Teile wieder verloren. Unter diesen Verhältnissen kann Zenons Politik nicht ein- gehende positive Bestimmungen enthalten haben.

3) D. L. VIT 33 h raig noXeow. Stob. flor. 43, 88 ras nölsis. In der Schilderung des Wiedererwachens der Welt nach dem Weltbrande (fr. 55) teilt Zenon in Stadt, Dorf und Ackerland ein.

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Diogenes hatte gelegentlich deduziert, die Stadt sei etwas Gutes (D. L. VI 72) l). Kleanthes begründet später diesen Satz in einem eigenen Syllogismus: Wenn eine Stadt eine zum Wohnen geschaffene Einrichtung ist, in die man fliehen kann, um Recht zu geben und zu nehmen, ist dann eine Stadt nicht etwas Gutes? Nun ist aber die Stadt ein derartiger Wohnsitz. Also ist sie etwas Gutes (Stob. ecl. II 103, 9). Entfernt sich auch die Begründung vom Geiste der Zenonischen Politeia, so ist doch kaum zu bezweifeln, dass der bewiesene Satz selbst mit dieser Schrift nicht im Widerspruche lag. Nach einem andern Stoiker2) wird der Begriff ttoXiq dreifach gebraucht, im Sinne eines Wohnsitzes, im Sinne einer Vereinigung von Menschen und drittens in beiden Bedeutungen zusammen ; als gut gelte die noXig im Sinne einer Menschenvereini- gung wie auch in der doppelseitigen Bedeutung wegen der Beziehung auf die Einwohner (Stob. ecl. II 103, 17 W.). Das Verbot der Absonderung in Städte ist nur im kosmo- politischen Sinne zu nehmen and im Gegensatze zu der einseitig nationalen Auffassung des Piaton und Aristoteles, die sich von der Vorstellung der griechischen Stadtge- meinde nicht hatten losreissen können3) und sich gegen- über der griechischen Sonderbündelei lediglich zu einem gemeinhellenischen Staatsideale aufgeschwungen hatten4). In dieser Beziehung ist der Titel einer Zenonischen Schrift von eigentümlichem Interesse. Kein Grieche, der Tteql naidsiug schrieb, hat sich veranlasst gefunden, zu betonen,

1) S. S. 222.

2) Wahrscheinlich Chr. ; vgl. Diels Doxogr. S. 465, 14, wonach der Kosmos ein System aus Göttern und Menschen und gleichsam ein Staat ist (464, 23). Für tvomovvxojv Z. 22 ist vielleicht ivaqjövxMv zu geben.

3) R. Schöll, Über die Anfänge einer politischen Litteratur bei den Griechen. Festr. d. bayr. Ak. 1890 S. 36.

4) Plat. Rep. 470 c— e. Arist. Pol. VI 1. 1327 b, 19.

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dass er speziell die griechische Bildung im Auge habe, da sich die griechische Art für den Griechen von selbst verstand. Zenon ist der einzige, der den hellenischen Charakter sofort im Titel (ixsql rijc 'Etäyvixijc naideiat;) hervorheben zu müssen glaubte1). Mit welchen Motiven der kosmopolitische Gedanke bei Zenon zusammenhing, zeigt die Nachricht2), er habe sich stets als Bürger seiner Vaterstadt betrachtet wissen wollen, die halb semitische Einwohnerschaft hatte. An der Forderung des Kosmo- politismus hielt die Stoa fest, und es ist nicht unwahrschein- lich, dass dabei bereits die alte Stoa sich nicht nur auf Antisthenes und Diogenes, sondern auch schon auf den verehrten Sokrates berief3).

Eine Kritik des Zenonischen Staatsideals, welches den Verzicht auf jede Staatsordnung bedeutet und den anarchistischen Konstruktionen unserer Tage gleicht wie Piatons Staat den sozialistischen, ist hier füglich nicht

*) Vielleicht im Gegensatz zu rcegl rrg Kvqov naudelag? 2) Antigonos von Karystos D. L. VII 12. Antipatros Stoic. rep. 1034 a.

8) Die schlecht beglaubigte Anekdote (vgl. 0. Apelt, Beitr. zur Gesch. d. griech. Philos. S. 339 ff.) findet sich bei Cicero (Tusc. V 37, 108), aber auch bei Epiktetos (diss. I 9, 1), ausserdem Plut. de exil. 600 f (hier ist wohl tl'noi zu lesen statt ekusv). In allen drei Fällen ist stoische Quelle sehr wahrscheinlich. Die von Zeller II 1 3 S. 140 Anm. 6 mit Recht beanstandete Form der Frage bei Cicero und Epi- ktetos weist auf die Chrienlitteratur. Das Apophthegma scheint mir auf den Kyniker Diogenes (D. L. VI 72) erst übertragen, da die feine Pointe (Xcofiiog analog ^A^vaiog bezw. Födiog, Koqiv&iog, lateinisch Mundanus analog Romanus) durch aoo/nonolk^g verloren geht. Dieselbe Pointe hat eine Anekdote bei Chr. (Athen. IV 159 d), nur dass bei Xöofitog noch mit dem Adjektiv xoopiog (s. D. L. VII 100) gespielt ist. Man vgl. Epikt. TiQog tov nv&6fievov noSanög ionv elnsiv .... otiKta/xiog mit Chrys. nvv&avoiiivov Se nvog avzov nodanog iaziv anox^lva- o&ai öri HlovoLog. Auf Sokrates beruft sich in anderer Frage Kle- anthes fr. 77.

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am Platze. Für wichtiger halten wir, wie schon ander- wärts geschehen ist, darauf aufmerksam zu machen, dass Zenon und seine Nachfolger *) auch später im allgemeinen, zumal in den Schriften nsqi TioXtrsiag, die kynische Richtung nicht verliessen. Zenon selbst trug in seinen diargißai und in der eQWTixfj Tsxvrj noch recht drastische Ansichten vor, die als Erläuterung zu einigen Äusserungen der Politeia dienen können 2). Kleanthes er- wähnt, lobt und zitiert in der Schrift ttsqI inunijiirjs die Politik des Diogenes 3). Chrysippos erkennt in seiner Schrift Ttsql ttoXits'mxq 4) die Politeia des Zenon an (D. L.

1) Ob die Polemik des Persaios gegen Piatons Gesetze dem Kynis- mus schuld zu geben ist, oder ob Persaios sich als besseren Kenner des spartanischen Staatswesens aufspielen wollte, sei dahingestellt. Nomi- nalistisch und als Feind der yvoig drückt sich wieder Ariston aus : (pvosi yag ovx h'azi narbig, wotisq ovS' olxog ovfr aygbg ov§s xalutlov . . ovd'e LaTQelov' akka yivtrai, ftakXov S' bv ofid^sz at aal xa Xect a i xov- tojv exaorov asl ct(>os zbv oitcovvra xal xqojfitvov. Formell spricht für den Chier das h'hye; sachlich auch die am Schlüsse angedeutete o%eatg ngög ri. Die Stelle gehört ihm ganz; denn Plutarch hat dort (de exil. 600f) lauter Zitate: 1) Ariston, 2) Piaton, 3) Tragiker.

2) Fr. 179. Fr. 180 muss demselben "Werke angehört haben, da Sextus den Passus wieder in seinen beiden Werken anführt. Die ge- waltsame Logik dieser Begründungen, welche alle feinen physischen und ethischen Unterschiede übersah, war echt stoisch, wie Seneca de ira I 16, 1 neque enim mihi irascor, cum sanguinem mitto lehren mag. Die tiefste Wurzel solcher Anschauungen war der Pantheismus, wie aus Clement. Homil. 5, 18 patr. 2, 188 Mign. erhellt.

*) Th. Gomperz, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 29, 253 (1878). fr. 113.

4) Er schrieb mehrere Schriften über Politik (vgl. Stoic. rep. 1033 bj. Dass er aber eine zweite Schrift neyl Ttohtdag verfasste, ist sehr fraglich, da sonst die Zitate nicht einfach mit iv tuJ neyl Tiohttiag eingeleitet sein könnten. Zu nohreiac aber im Aristotelischen Sinne (Gomperz, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1878, 254) hatte der Ethiker keine Veranlassung; iv raig itolixtiaig muss nicht einen Buchtitel be- deuten. Sollte in AAAH2A2 ein Partizip auf roag stecken (ava-

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VII) 34) x) und findet nichts Anstössiges im Genüsse des Menschenfleisches2) und in der Blutschande3). Er folgt sogar in der hyperkynischen Fassung des Gesetzes der Weibergemeinschaft. In der sachlichen Begründung geht er freilich nicht viel über Piaton (Rep. 462 e ff.) hinaus, wenn er sagt: Wir werden alle Kinder in gleichem Masse lieben wie Väter, und die Eifersüchtelei wegen Ehebruchs wird wegfallen (D. L. VII 131). Chrysippos scheut sich nicht, eine widernatürliche schamlose Handlung und das daran gefügte gemeine Apophthegma des Dio- genes beifällig zu erzählen (Stoic. rep. 1044 b)4). Auch

ftvrjoag) ? Auch in der Schrift TtsQi nölsojg xai vö/uov scheint Chr. der Politik des Diogenes gedacht zn haben.

*) Vgl« § 131, wo das Zitat aus Zenon durch Chr. vermittelt ist.

2) S. S. 179 ff.

3) D. L. VII 188. Sext. Emp. Pyrrh. III 246 = math. XI 192 Pyrrh. III 205. Nach Pyrrh. I 160 wäre der Verkehr mit Müttern und Schwestern ein ädiäyoqov. Stoic. rep. 1044f nennt Chr. tb fiTjxQaoLv r ftvyaTQäow rj adslcpcug ovyysvso&ou in einem Atem mit cpaysiv u und tzqosX- <&siv anb M%ov<s r> ftaväxov. Epiphan. Diels Doxogr. S. 593, \\ der Zu- satz slg ds za alXa ovvayojvTjos Ztjvojvl kann natürlich nicht sagen, dass Chr. mit ersterem etwas dem Zenon Fremdes aufgebracht hätte. Das Ver- dienst des Chr. wird der Hinweis auf fremde Völker, wie Perser, Ma- gier, Ägypter (vgl. Sext. Emp. Pyrrh. III 205 mit III 246 „bei vielen be- steht die Sitte"), auf Tiere und auf Hera und Zeus (Homeros 2 356) ge- wesen sein; das Material der ganzen Sextusstelle scheint wieder von Chr. entlehnt (s. S. 148), zumal auch der Genuss des Menschenneisches 207) erwähnt wird. Ps. Plut. parall. Graec. et Rom. 28. 312d ist der Name X^vomnog erdichtet; sollte nicht Xqvosq/io? (vgl. 3. 306 c) zu lesen sein? Statt TöIovxsq hat schon Baguet S. 353 BöXovxsq.

4) Chr. ist hier augenscheinlich missverstanden: die Handlung des Diogenes ist in der Schätzung des Chr. keine Lusthandlung, sondern die Befriedigung eines natürlichen Bedürfnisses wie Essen und Trinken. Das beweist der Zusammenhang der Stelle. Diogenes hätte, da er Weibergemeinschaft empfahl, anders handeln können ; in dem erwähnten Falle will er in der Stillung des Bedürfnisses möglichst einfach sein. Das bedeutet allerdings eine Karrikatur der Vorschrift, einfach zu leben.

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edlere Züge seiner „Verfassung", wie das Gebot der mög- lichsten Einfachheit in der Stillung der menschlichen Be- dürfnisse, die Verbannung der Lust als eines Motivs bei seinen Bürgern (Plut. ebd.), der Tadel gegen die unnütze Beschäftigung des Menschen mit Dingen und Tieren, welche die Natur von selbst gedeihen lässt (Stoic. rep. 1044 c d)1), das Verdammungsurteil über einen hässlichen Auswuchs des Genusslebens, die Rhyparographie 2), fallen nicht aus dem Rahmen der kynischen Tendenz heraus. Sicherlich aber haben wir auch hier einen Staat der Weisen3).

b). Uber einige Änderungen in Zenons Ansichten. Zu einem teilweisen Rückzüge von der Position der Politeia hat Zenon selbst das Signal gegeben. Indem Zenon im allgemeinen auf der Verwerfung des Geldes beharrte, Hess er doch den Gebrauch desselben in gewissem Sinne zu. An und für sich sei der Gebrauch des Geldes sittlich gleichgiltig und ein Erstreben und Fliehen desselben zu untersagen. Es gebe aber auch einen gesetzmässigen und wohlanständigen Gebrauch des einfachen, nicht über- flüssigen Geldes, und dieser sei im bevorzugenden Sinne zu handhaben, damit die Menschen, frei von Furcht und Bewunderung den andern Dingen gegenüber, von den

*) Auch hier ist Plutarchos zu scharf. Chr. kann nicht über den Geschmack für die Reize der Natur richten, da er an andern Stellen von der Freude der Natur selbst an Schönheit und Buntheit spricht und sogar behauptet, der Pfau sei um des Schweifes willen da, nicht umge- kehrt (Plut. ebd.), sondern nur über Gartenkünstelei u. ä.

2j Chr. Plut. ebd. Gegen die schmutzige Kunst, die eine Parallele zur Phlyakographie der Alexandrinerzeit bildete (vgl. Arist. Pol. 1336 b, 14. Lessing, Laokoon II Anm. 2), ging wohl die Schrift itQog rag ava'&jyQcuprjOtiQ.

*) Stoic. rep. 1044 c u. e. D. L. VII 131. Auf denselben bezieht sich wohl der Satz, dass Schadenfreude (Chr. Stoic. rep. 1046 b), Hass gegen die Schlechten und Gewinnsucht nicht existiere (1046 c).

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mittleren Dingen in der Regel des Naturgemässen sieh bedienen und des Naturwidrigen lediglich auf Grund der Vernunft und nicht etwa der Furcht sich enthalten können (fr. 169) 1). Gern pflegte Zenon die Verse des Euripides auf Kapaneus, welche den schönen Xoyoc IniTatpioq der Hiketiden (861 ff.) zieren, vorzubringen :

ßiog fiep fjv Trokvg, ijxtGTcc <T öXßco yavqoc ijp ' (pQOVfj^cc ds ovdsv xi \isiQov €t%8V fj nsvris dvriq2). Wohl hat hier Zenon nicht mehr die Weisen allein, sondern die Menschen überhaupt im Sinne: aber die Begründung, dass das Geld den Menschen eine innere Unabhängigkeit verleihe, ist eine ernstgemeinte, die nur dann der Grund- lage entbehrt, wenn etwa der Naturzustand bei den Menschen herrschte. Die Anerkennung der Wirklichkeit, die darin liegt, scheint eine Frucht der deterministischen Welt- anschauung gewesen zu sein, in die sich Zenon mit der Zeit versenkte3). Der Staat der Weisen konnte vom deterministischen Standpunkte4) aus nur als ein Zukunfts- projekt erscheinen, dessen Verwirklichung dem Schicksal anheim gegeben werden musste. Der Philosoph durfte sich höchstens dazu berufen fühlen, dem Idealzustande die Wege zu ebnen. Es fehlt auch nicht an Anzeichen dafür, dass schon die alten Stoiker einsahen, wie nahe

A) Quelle ist hier Poseidonios (VI 233 f. 233 d c ipbg IloasiSojviog). Der Zusatz ovdsv yag tj (pvoig gehört nicht mehr dem Zenon.

2) S. S. 119.

3) Fr. 169 stammt aus Zenons späterer Zeit, da die Begriffe ngorjy- ft&va und xad-rjxov vorausgesetzt werden ; vermutlich aus der Schrift nsgl vipov, da die erwähnte Furcht nur die Furcht vor dem Strafgesetze sein kann und eine Vergleichung von Chr. Stoic. rep. 1040 b mit Ariston Senec. ep. 94, 11 (vgl. D. L. VII 89) beweist, dass Zenon die Übung der Gerechtigkeit meint, die jedem das Seine zuteilt, also sein Eigentum lässt.

4) S. S. 214, 3.

221

ihre derartigen Konstruktionen an das Fabelhafte heran- rückte^ und dass das Verhalten des Einzelnen in den be- stehenden Staaten ein anderes sein müsse1). So konnte Zenon einerseits die Sätze der Politeia als Forde- rungen des ethischen Denkens festhalten und andererseits doch in der parainetischen Ethik die Lehren, die er durch das Studium in anderen Schulen gewonnen hatte2), verwerten. Der Gegensatz zwischen kynischer Idealethik und Wirklichkeitsethik ist in der Stoa seit dieser Zeit be- wusst fortgebildet worden3). Immerhin wäre es also mög- lich, dass Zenon den Umgang mit einem Weibe, das von den Gesetzen bereits einem andern vorher überlassen wurde, und die Veraichtung fremden Eigentums (fr. 178) als naturwidrig beim vernunftbegabten Wesen erklärte; damit ist ja zugleich gesagt , dass diese Handlungen mittlere sind. In anderen Punkten bedeutete das Ab-

1) Vgl Zell er III l3 S. 283 Anm. 3. Der Passus sl xal fir h> xalg xa-d'eoTo'.oaig noXireiaig rb roiovro noieiv bei Origin. c. Cels. IV 45 ähnelt dem, was Sextus Emp. Pyrrh. III 249 sagt: aneg ovx av roX^rjosiav ^laTQa.Traad'ai, u ye /u-i] Tcaqa Kvx?Mxf/i r\ ^daiazQvycat tcoXitsvoivto. Ein Zusammentreffen von Sextus und Origenes statuiert auch P e a r s 0 n zu fr. 178 S. 210, wozu für (piXoaöqxuv nvsg A. Elter, De gnomol. I S. 11 ff., zu vergleichen ist. Den Homervers l 297 hat Sextus (math. XI 195) schwerlich selbst beigebracht. Die Stoiker scheinen sich demnach auf mythische Politien berufen zu haben. Darin liegt für sie eine gewisse Entschuldigung; s. auch Zeil er III 1 3 ö. 282 Anm. 7, Wellmann S. 440 f , dessen Erklärung jedoch nur auf die erste der dort Anm, 16 angeführten Zenonstellen passt.

2) Vgl. die Anekdote D. L. VII 25, wonach Beziehungen zur Akademie stattfanden. Die Berührungen mit Aristoteles liegen auf der Hand; eine Einzelheit Diels Doxogr. S. 418, 10 ^AQiaxozeXrjg aal Zt]vüjv. Eine Vergleichung der peripatetischen und stoischen Buchtitel ergibt manche Gleichheiten.

') Wenn ich Bonhöffer II S. 71 recht verstehe, widerspricht die Theorie des Epiktetos dieser Aufstellung nicht.

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weichen vom Ideale der Politeia nur ein Zurückkehren1) auf die Basis des Kynismus, so wenn Chrysippos die Be- sudelung der Altäre und Tempel nicht gelten lässt (Stoic. rep. 1045 b) und somit die Existenz der Tempel nicht be- droht ; engherzig und abergläubisch ist aber auch dieser nicht, da er das Tempelgehen vom Bette oder vom Tode weg oder das Sterben in den Heiligtümern nicht für eine Entweihung der Gottheit hält (ebd. 1044 f). Vollständig verlässt Chrysippos diesen Boden, wenn er die enkyklische Bildung für wohl brauchbar ausgibt, und Kleanthes, wenn er die von Zenon in reine Ethik verwandelte Politik wieder als besonders wichtigen Teil neben die allgemeine Ethik setzt.

c) Die Stellung der Stoiker zu den Gesetzen.

Es versteht sich bei dem Inhalt des politischen Ideals der Stoiker von selbst, dass sie entweder den Begriff „Ge- setz" mit den Sophisten in nichts auflösen oder demselben eine weitere Bedeutung geben mussten, als sie die Praxis des griechischen Rechtes vorsah. Die deterministische Richtung des Systems drängte zur Entscheidung in dem zuletzt angegebenen Sinne. Chrysippos erklärt ausdrück- lich, das Gesetz sei durch Natur und nicht durch Satzung da2). Auch hatte Diogenes geschlossen, das Gute bedürfe, um nützlich zu sein, den Staat, also sei der Staat etwas Gutes ; aber auch der Staat bedürfe, um nützlich zu sein, des Gesetzes, also sei das Gesetz etwas Gutes (D. L. VI 72). Schon die Politeia Zenons wollte ein Gesetz, das gemein-

') Für Kleanthes s. S. 215; vgl. seine Schrift ntqi rov Sixd&iv. Die gleichnamige Schrift des Chr. scheint die Schwierigkeiten des Richteramtes in kasuistischer Weise auseinandergesetzt (Stoic. rep. 1045 d) und die Berechtigung der Strafe durch Beweis der vollen Verantwort- lichkeit des Verbrechers gelehrt zu haben (Ebd. 1049 d e).

2) S. S. 96.

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sam sei für alle Völker. Mit der Aufnahme der panthe- istischen Weltanschauung musste sich wie die Telosformel, so auch der Begriff des gemeinsamen Gesetzes zu dem des allgemeinen Gesetzes ausdehnen, das die Welt um- spannt, und diese Auffassung ist bei Kleanthes im Hymnus und bei Chrysippos1) deutlich zu erkennen. Zenon selbst mag bereits in der Schrift Tieqi vopov die erweiterte Fassung er- läutert haben, wie der Titel der Antisthenischen Schrift Ttsqi vofiov ij ttsqI xccXov xal dixaiov vermuten lässt(D.L. VI 16). Das natürliche und göttliche Gesetz definierte Zenon, indem er sagte, es befehle das Richtige und verbiete das Gegen- teil (fr. 39). Chrysippos nahm diese Bestimmung in die Definition auf, mit welcher er sein Buch nsqi vo^ov 2) be- gann: Das Gesetz ist der König über die göttlichen und menschlichen Dinge. Dasselbe muss sowohl Aufseher über das Schöne und Hässliche als auch Herrscher und Führer und dementsprechend die Richtschnur für das Ge- rechte und Ungerechte und für die von Natur gesellschaft- lichen Lebewesen sein, teils das anordnend, was zu thun ist, teils verbietend, was nicht zu thun ist3) Denn das Gesetz befiehlt das Geschehen des Schönen an und ver-

*) Gesetz und Schicksal (fr. 103 Gercke), Zeus (fr. 10 Gercke), Nemesis (fr. 55, 4 Gercke) sind identisch. Nemesis hat Chr. etymologisch mit Nomos zusammengebracht. Bekannt ist Herakleitos' Stellung zu den Gesetzen: Das Volk muss kämpfen für die Gesetze; würde die Sonne ihr Mass überschreiten, die Erinnyen, die Helferinnen der Dike (= Xöyog, vöfiog), würden sie zu finden wissen: alle menschlichen Gesetze werden vom göttlichen ge- nährt (Stob. flor. 3, 84). Die Dike nennt Kleanthes im Hymnus auf Zeus fr. 48 v. 35.

2) Oder vielmehr ntql nöfaojg xal vöfiov (Philodem, bei Gom- perz, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1878, 254. Stoic. rep. 1035b 7i. v. x. nohrtiag ; vgl. Antisthenes tcsqI vtpov 7} ntyl nolireiag D. L. VI 16). Thpi vöfiov schrieb auch Sphairos.

3J Vgl. S. 93 (vöfiog und ayaftöv).

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bietet das Geschehen des Hässlichen und ist demzufolge der Führer für beides (Marcian. Digest, de leg. senatusq. consult. 1, 3, 2. S. 11, 25 Mommsen. L. Spengel, Swaycoyr] T8%vwv S. 177 f. Anm.)1). Da aber das Handeln des Menschen durch Triebe erzeugt wird, so ist das Ge- setz für ihn die gesunde Vernunft2). Somit kann nach stoischer Ansicht allein die Weisheit (ao(pia) , die das Wissen der göttlichen und menschlichen Dinge ist (Plut. plac. philos. prooem. Diels Doxogr. S. 273, 11) zum ge- setzmässigen Leben befähigen. Das Gesetz ist etwas Gutes3)-, demnach dürfte auch der Gesetzmässige (v6(M(aoc) gut sein 4) ; gesetzmässig ist nämlich ein Mann, der sowohl dem Gesetze zu gehorchen als auch das von demselben Angeordnete zu thun weiss. Gesetzkundig (yofitxog) ist derjenige . welcher das Gesetz auszulegen ver- steht. Keiner der Schlechten ist gesetzmässig oder gesetzkundig (Stob. ecl. II 96, 10. Vgl. Stob. flor. 44, 12. ecl. II 102, 4 W.). Wie das Gesetz, so ist auch der Staat etwas Gutes; daher ist jeder Verbannte (cpvydg) schlecht, insofern er des gemäss der Natur ihm zukommenden Gesetzes und Staatswesens beraubt wird (Stob. ecl. II 103, 9 W.)5). Den Wert der Gesetze muss Chrysippos

*) Letztere Stelle ist von Osann, Beitr. z. griech. u. röm. Litte- raturgesch. Darmstadt 1835, 265, beigebracht.

2) Chr. Stoic. rep. 1037 f (aus der Schrift nsQi vöftov). fr. 55, 4 Gercke ; vgl. die von G-ercke Index verb. s. v. vö/uog S. 773 f. ge- sammelten Stellen, besonders Stob. ecl. II 102, 5 "W.

3) Das Gesetz erkennt Chr. auch Stoic. rep. 1049 d an, wo er meint, man dürfe das Gesetz nicht zum Mitschuldigen an der Gesetz- übertretung machen.

4) Vgl. D. L. VII 94.

5) Diese Stelle ist wohl Chrysippeisch , da sich einzelne Sätze als Eigentum des Chr. ausweisen. Der Kyniker Teles (Antigonos von Karystos S. 300 ff.) muss bereits zu Kleanthes' Lebzeiten die cpvydSsg verteidigen.

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in der Erziehung zum Bessern erblickt haben, da er von einer Führung durch bessere Gewöhnungen hindurch gemäss den Gesetzen spricht (fr. 129, 72 Gercke). Gesetz und Strafe gehören zusammen; mit dem Begriffe Gesetz ist bei Chrysippos die Vorstellung, dass auf eine bestimmte Handlung eine bestimmte Folge eintreten müsse, notwendig verbunden (vgl. fr. 122 Gercke). Verboten werden die Vergehungen, geboten die guten Handlungen. Vergehungen und gute Handlungen, Tugend und Schlechtigkeit, Schönes und Hässliches, Lobenswertes und Tadelnswertes, Ehrung und Züchtigung bedingen sich gegenseitig (fr. 55, 6 Gercke).

Die Götter stellen sich zwar manchmal1) ungerechten Handlungen entgegen; aber die Schlechtigkeit überhaupt zu beseitigen, ist weder möglich, noch wäre es schön (Chr. Stoic. rep. 1051 b). Im Widerspruche zu Piaton (Rep. 380 c) hielt Chrysippos daran fest, dass die Götter Unglück über uns schicken2), aber nur damit, wenn die Schlechten gestraft werden, die übrigen sich ein Beispiel daran nehmen und es weniger wagen, etwas derartiges zu thun (Chr. Stoic. rep. 1040 c). Erkannte Chrysippos somit die sicht- baren Übel des Diesseits als Züchtigungs- und Belehrungs- mittel an, so musste er, wenn er die Fortdauer der persön- lichen Seele nicht annahm, den Gebrauch der Hadesvorstellun- gen als Abschreckungsmittel tadeln, wie sie bei Piaton (Rep. 330 d e. 363 d. 364 b, vgl. aber auch 386 ff.) vorgeschlagen wareü. Durch die nüchterne, auf Erfahrung gegründete Erwägung der schlimmen Folgen, welche Ungerechtigkeit auf Erden nach sich zieht, soll der Gerechte sich be- stimmen lassen, nicht durch die Leidenschaft der Furcht; die Lehre von den göttlichen Züchtigungen im Jenseits

l) Ich lese tvlort statt tvlois oder iviow.

2j Er führte Hesiod. op. 242 f. an. Vgl. Ohr. Stoic. rep. 1040 b, wo Eurip. fr. 98 Nauck zitiert wird.

Dyrofi, Ethik d. alt. Stoa. 15

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könne leicht verleumdet werden1) und bewirke das Gegen- teil, indem sie viele Urteilsstörungen und entgegenwirkende verführ eris che Vorstellungen heraufbeschwöre, da sie sich in nichts von der Akko und Alphito unterscheide, mit denen die Frauen die Kinder von schlimmen Streichen abzuhalten suchen (Chr. Stoic. rep. 1040 b)

Aus ihrer Auffassung des Gesetzes erwuchs für die Stoa die weitere Pflicht, zu prüfen, ob die bestehenden Gesetze sich dem Begriffe fügten, und namentlich, ob die gesunde Vernunft in allen diesen zum Ausdruck gelange2). Chrysippos soll alle bestehenden Gesetze und Staatsformen für verfehlt angesehen haben (fr. 137,7 Gercke)3); selbst die Gesetze eines Kleisthenes, Lykurgos und Solon wurden von den Stoikern schlecht und unverständig genannt (Stoic. rep. 1033 f). Alle diese Gesetze widersprachen dem po- litischen Ideal der alten Stoa in vielen Punkten, und gerade auf das tugendhafte Leben waren dieselben nicht berechnet. Eben aber auch die Stellung des Menschen als eines vernünftigen, sterblichen, von Natur gesellschaft- lichen Lebewesens weist ihn auf ein tugendhaftes, glück- seliges, naturgemässes Leben hin (Stob. ecl. II 75, 7 W.)4).

d) Sozialismus.5) Nach dem Gesagten6) fiel das politische Gesetz für die Stoiker mit dem Tugendges etz zusammen. Die Staats erhaltende Tugend ist dem Chrysippos vor allem die Gerechtigkeit7);

*) Er meint wohl, die Götter erschienen so als rachsüchtig.

2) Kleanthes schrieb Ttsgl vvuojv.

3) Es ist nicht wahrscheinlich, dass schon Chr. sich für eine beste Staatsform im Sinne des Dikaiarchos aussprach.

4) S. die Anm. Vachsmuths dazu.

5) Vgl. Pöhlmann, Gesch. d. autik. Kommunismus u. Sozialis- mus. München 1893 I S. 610 f.

6) S. S. 223 f.

7) S. S. 42. 83, 1. 96. 106. Tgl. Chr. Stoic. rep. 1040 e f.

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Ariston meint, in dem Kapitel1) der allgemeinen Ethik über die Gerechtigkeit sei die ganze Politik und Gesellschafts- lehre enthalten (Senec. ep. 94, II)2). Chrysippos bezieht sich auf seine Theorie von der Stufenordnung der Ge- schöpfe. Es gibt, sagt Cicero in seinem Sinne, ausser dem Weltall selbst nichts, dem nichts fehlte, und das nach allen Seiten hin passend, vollendet und in all seinen Zahlen und Teilen ausgefüllt3) wäre. Wie des Schildes halber das Futteral, die Scheide wegen des Schwertes, so ist abgesehen vom Weltall selbst alles Übrige um anderer Dinge willen geschaffen, wie die Feld- und Baumfrüchte, welche die Erde zeugt, um der Tiere willen, die Tiere aber um der Menschen willen, so das Pferd zum Fahren, der Ochse zum Pflügen, der Hund zum Jagen und Wachen (Cic. nat. deor. II 13, 37) 4). Um der Menschen und Götter willen ist alles ausser ihnen da. Daher können

cotnm. not. 1070 d. Auch Kleanthes berief sich im zweiten Buche nsql rSovrg für die Behauptung, das Ehrbare und Nützliche sei eins, auf Sokrates, der im einzelnen lehrte, wie der gerechte Mann mit dem glück- lichen eins sei, und den verwünschte, der zuerst das Gerechte vom Zu- träglichen schied, als ob dieser eine gottlose That begangen habe ; in der That seien die, welche das Nützliche von dem nach dem Gesetze Gerechten trennen, gottlos (fr. 77); demnach ist Kleanthes unter den vor Panaitios fallenden Stoici bei Cic. off. III 3, 11, und wenn fin. III 21, 71 von Chr. stammt, auch dieser mitverstanden. 1) Locus = löyos, ronog.

2j Gerechtigkeit heisst ihm die Tagend, insofern sie sich an den Verkehrs- und an den Rechtsbeziehungen zn den Nebenmenschon (xon>ojvriiaoi xal avußolaioig totg ttqos hegovg virt. mor. 441 a) beteiligt.

8) S. Exkurs 2. 3.

4) Chr. wird dort zweimal genannt; bald darauf (II 15, 40) Kle- anthes. Zweimal finden sich Syllogismen nach Art der Chrysippeischen Plut. fr. inc. 95, 31. III 57, 43 Paris, (es. carn.). Cic ebd. II c. 63 bis 64; vgl. Tasc. I 28, 69. Doch konnte oben nar einiges ausgehoben werden, da bei Cicero die Göttlichkeit und Weisheit der Welt bewiesen werden soll.

15*

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die Menschen die Tiere zu ihrem Nutzen gebrauchen ohne Ungerechtigkeit (Cic. fin. III20, 67). Zwischen den Menschen und den übrigen Lebewesen besteht kein Rechtsverhältnis wegen der Ungleichheit (Chr. D. L. VII 129. Cic. fin. III 20, 67) l). Die Hähne sind zu unserem Nutzen da; denn sie wecken uns, picken die Skorpione auf und sind ein Vorbild für den Kampf, indem sie einen gewissen Wett- eifer hinsichtlich der Stärke einflössen. Trotzdem darf man auch diese verzehren, damit die Unzahl der Jungen das Mass des Nützlichen nicht überschreite (Chr Stoic. rep. 1049 a). Die Menschen selbst aber sind auf Gemein- schaft und Greselischaftlichkeit eingerichtet. Es gibt für die Menschen untereinander Rechtsfesseln (Cic. fin. III 20, 67). Zweckmässig ist es einzusehen, dass die Kinder von den Eltern geliebt werden. Hier ist der Anfang, von dem aus sich die allumfassende Gemeinschaft des mensch- lichen Geschlechtes verfolgen lässt. Das muss man zuerst sehen an der Gestalt und den Gliedern des Körpers, welche bezeugen, dass es von der Natur selbst auf die Fort- pflanzung berechnet ist. Denn das Hesse sich nicht ver- einigen, dass die Natur einerseits die Fortpflanzung wollte, aber andererseits nicht für die Liebe zu den Kindern sorgte2). Ja auch an den Tieren kann man die Absicht der Natur erkennen. Wenn wir die Mühe bei deren Er- zeugung und Erziehung wahrnehmen, glauben wir die Stimme der Natur selbst zu hören3). Wie wir daher offenbar von Natur dem Schmerze abgeneigt sind, so werden

') Diogenes Laertios verdankt seine Mitteilung dem Poseidonios (neQt xa&Tjxovtog), aiso wohl auch Cicero. Vgl. Plut. de esu carnium 999 a vai, (paoiv (sc. oi ^tojmoi). ovShv yaq tf/uiv ngbg za aloya Sinatuv toTiv (so bei Bernardakis mit Recht). <?

2) Vgl. mit diesem 62) eigentümlichen Syllogismus D. L. VII 85 ovrt yaQ allotQiaiaai sixog 7jv wiL S. unten S. 237.

3) Vgl. Chr. Stoic. rep. 1038 b.

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wir augenscheinlich auch von der Natur selbst angetrieben, die Erzeugten zu lieben. Es gibt also auch eine natürliche gemeinsame Empfehlung der Menschen unter einander, dass ein Mensch dem andern eben deswegen, weil er Mensch ist, nicht fremd scheinen darf. Wie nämlich unter den Gliedern einige gleichsam für sich geschaffen sind, wie Augen und Ohren, einige aber auch den Gebrauch der übrigen unterstützen, wie Beine und Hände, so sind die wilden Untiere nur für sich geschaffen, aber Steck- muschel und Steckmuschelhüter1), Ameisen, Bienen und Störche thun auch manches um anderer willen. Noch viel mehr ist diese Gemeinschaft Sache des Menschen. Daher sind wir von Natur geeignet zu Vereinigungen2), Gesell- schaften und Staaten.

Da aber die Welt ein gemeinsamer Staat von Göttern und Menschen3) unter Regierung der Götter ist und jeder einzelne Mensch ein Teil dieses Ganzen4), so müssen wil- den gemeinsamen Nutzen dem unsrigen vorziehen, wie auch die Gesetze das Wohl aller dem Wohle des Einzelnen voranstellen 5j. Selbst der Verräter des Vaterlands ist nicht

r) Vgl. Chr. Athen. KI 89 de. Piut. soll. an. 980 b, wo äs yaoiv vielleicht wie oft bei Plutarchos in 6k cprjoiv zu ändern ist. (Danach Cic. fin. ni 19, 63. nat. deor. Ii 48, 123). S. Baguet S. 270. Auch der Hin- weis auf die Glieder des menschlichen Körpers, auf die wilden Tiere, worunter besonders gewisse Fische zu verstehen sind (Chr. Stoic. rep. 1038 b), deuten auf Chr.

2j Vgl. S. 93 (noivojviag).

3) Vgl. Chr. Biels Doxogr. 465, 14. 464, 23 (an letzterer Stelle deutet auf Chr. auch die Etymologie Zevg-'Criv), s. 464, 18; vgl. Stob, ecl. II 103, 17 W.

A} Vgl. Chr. D. L. VII 87.

*) Hier ist auch Cic. rep. II, 1 ; 2, 2 zu vergl., woraus sich er- gibt, dass Chr. gegen die Epikureer (vgl. I 3, 4; 6, 10) kämpfte.

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tadelnswerter v) als der, welcher die allgemeine Wohlfahrt um seiner eigenen willen vernachlässigt (Cic.fm. III 19. 62 64)2).

Die Testamente und Empfehlungen seitens Sterbender sind aus dieser Anlage des Menschen entstanden, ebenso die Bestimmung, dass niemand in vollständiger Einsamkeit sein Leben zubringen solle 3). Besonders aber werden wir von Natur zur Geselligkeit angeregt durch den Trieb zum Unterrichten und Lehren4). Wie die Stiere von Natur aus gegen die Löwen für die Kälber kämpfen, so werden die kräftigen Männer (wie Herkules und Bacchus) 5) von Natur zum Schutze der Menschen angetrieben. Nennen wir ja Zeus den Retter und Schirmer. Vernachlässigen wir uns einander, so dürfen wir auch nicht verlangen, den Göttern wert zu sein. Wie wir die Glieder eher brauchen, als wir ihren Zweck einsehen, auf gleiche Weise sind wir von Natur zur staatlichen Gemeinschaft geeinigt. Sonst würde Gerechtigkeit und Wohlwollen unmöglich sein. Da es also natürlich ist, dass zwischen dem Menschen und seiner Gattung ein allgemeines staatliches Recht bestehe, so ist derjenige, welcher dasselbe beobachtet, gerecht, und der- jenige, welcher es übertritt, ungerecht (Cic. ebd. 20, 65 67).

J) Vaterlands verrat ist wohl eine schimpfliche Handlung (S. 136, 4) ; doch sollte man nach stoischer Ansicht eher das Vaterland als die Dogmen preisgeben (Gal. Quod anim. mor. IV 819 K.).

2) Hier wird ein auch von Stobaios angeführter Vers (ifiov &a.viv- tog yaia f^ux&rjioj Tivgi) zitiert.

3) Vgl. D. L. VII 123.

4) Vgl. Stob. ecl. II 94, 12 W., wo fast alles sonst mit Ausnahme von Z. 18 Chrysippeisch ist: Es ist den Guten eigen, Werke zu schreiben, welche denjenigen zu nützen vermöchten, die mit Büchern in Berührung kommen; schlecht ist es, Dinge zu schreiben, die den Lesern schaden (94, 18 W). S. oben S. 185 und vgl. Gal. Quod animi mores IV 817 K.

5) Beide nennt in anderem Zusammenhange Kleanthes apophth. 8 zusammen.

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Aber wie man, wenn auch das Theater allen gemeinsam ist, sagen kann, dass jeder Einzelne seinen Platz besitze, ebenso verhindert der allgemeine Staat oder die Welt nicht, dass jeder Privateigentum habe (Cic. ebd. 20,6t)1).

Damit aber die Gegenseitigkeit der Menschen gewahrt werde, sollen sowohl die Förderungen ((Ofpskyfiara), als auch die Hinderungen (ßAccfifictTa) allen Bürgern gemeinsam und, da sie entweder Güter oder Übel sind, gleichmässig verteilt sein. Die Vorteile (svxQ^r^aTa) und Nachteile (övaxQrjOTij [iccra) sind wohl allen gemeinsam, aber, da sie vorgezogene oder zurückgesetzte Dinge sind, nicht gleich- mässig verteilt. Nur die guten und schlimmen Handlungen können nicht gemeinsam sein (Cic. ebd. 21, 69j2).

e) Die Anteilnahme des Weisen an der Politik. Die ganze theoretische Ethik der Stoa zeigt, dass der Weise wie alle Dinge, so auch die für die Allgemeinheit nützliche Politik am trefflichsten betreibt, vorzüglich

1) Wenn auch das Bild Dicht von Chr. stammen sollte, so geht doch der Gedanke von ihm aus. S. folgende Anm.

2) Wenn das Vorhergehende, so ist auch dies Chrysippeisch als Konsequenz aus jenem. Über ßXäfifiara w^A^ccra, svxQTjorrjfiara S. 131 f. 145. In dem folgenden Passus über die Freundschaft ein ojyilrjfjia ist der Cic. off. III 10, 42 ausgesprochene Chrysippeische Gedanke (wie es in der Rennbahn erlaubt sei, nach dem Siege zu lingen, nicht aber dem Nebenbuhler ein Bein zu stellen oder ihn mit der Faust wegzu- jagen, so dürfe auch im Leben jeder für sich das erstreben, was zum Bedürfnis gehöre, es aber nicht einem andern wegnehmen) eingeflochten, ebenso des Chr. Ansicht, dass die Freundschaft nicht des persönlichen Nutzens wegen gesucht werden dürfe (D. L. VII 188 f.), dass es dem Weisen fremd sei, nicht nur jemand Unrecht zu thun, son- dern auch zu schaden (S. 188), dass das Recht cpvom sei, nicht &£oet (S. 96). Wenn die guten und schlimmen Handlungen von den Förde- rungen und Hinderungen ausgenommen werden das geschieht bei Cicero , so mussten erstere sonst unter letztere aufgenommen sein; wirklich rechnet Chr. die afia^trfiaza zu den ßlä^fiara S. 131 f.

232

als Leiter des Staates, doch auch als Berater des Staats- leiters. Die Frage, ob die Teilnahme an der Politik sittlich erlaubt sei, haben die Stoiker im allgemeinen, allerdings nicht ohne Klausel, bejaht. Zenon meint, der Weise bleibe frei, auch wenn er einem König seine Dienste widme (fr. 179); Chrysippos *) sagt, der Weise solle in die Politik eintreten, wenn nichts hindere (D. L. VII 121; vgl. Stoic. rep. 1034 b. Cic. flu. IV 25, 68)2), und die Königs- würde freiwillig auf sich nehmen, indem er von derselben seinen Erwerb beziehe3); könne er selbst nicht König sein, so werde er doch mit Königen zusammenleben und zu Felde ziehen (Stoic. rep. 1043 c e), und zwar nicht nur mit solchen, die eine hohe Stufe des sittlichen Fortschrittes erreicht haben4), sondern auch so wird Chrysippos weitergefahren haben mit echten Barbaren5), wenn sie nur gute sittliche Anlage und Lernbegierde zeigen 6). Von jedermann und zur Bereicherung konnte gewiss auch nach ihm der Weise keinen Lohn nehmen7).

x) S. auch Chr. Stoic. rep. 1033 f.

2) Cic. fin. III 20, 68. Stoic. rep. 1033 d. 1043 a b.

3) Die Kunst, König zu sein, ist eine Tugend (ßaodixr).

4) Chr. nennt als solche Leukon den Pontiker und Idanthyrsos den Skythen (vgl. comm. not. 1061 d. Strabo VII 3, 8. II 23, 16 Kram er).

5) Als solche standen Anacharsis Sext. E. math. VII 48 ; 55 (wegen der Kyniker s. E. Norden 19. Suppl. z. Fleckeisens Jahrb. 1893, 398 Anm. 1) und Abaris in besonderer Achtung (s. Strabo a. a. 0. Herakleides).

6) S. Stob. ecl. II 111, 4 W. Auf Vorschriften für die, welche die Freundschaft von Königen suchen, spielt Ariston Senec. ep. 94, 14 an. Auch dies Problem ist bereits von Aristoteles besprochen (vgl. Stob. ecl. II 144, 1 W. D. L. V 31).

7^ Wenn auch Stob. ecl. II 110, 3 W. Chr. nicht gemeint sein kann, da er oocpioxtvuv für „Unterrichten'1 gebraucht, freilich im Wort- sinne von „Weisheitlehren" (s. D. L. VII 189 oocpia), so ist doch dort gewiss seine Ansicht getroffen; denn etwas Ähnliches ist der Kern von Chr. D. L. VE 188—189 und ist Stob. flor. 45, 29 deutlich aus- gesprochen.

233

Für den Satz, dass der Weise Politik treiben werde, sind bei dem Khetor Theon fünfundzwanzig der Beweisart des Chiysippos sehr nahe kommende Gründe erhalten. Um zu veranschaulichen, wie stoische Gedanken selbst in die Rhetorenschulen drangen, teilen wir hier einige jener Beweise mit1). 1. Es ist naturgemäss (xcctcc (pvciv)2). Auch die Tiere haben eine Art Ttolusia und dann jede Herde ihren Führer 3). Bei Barbaren wie bei Hellenen und sogar bei den Göttern herrschen immer die besten (onovdaiOTajoi). 2. Der Weise muss die Glückseligkeit des Staates für dringlicher er- achten als das Vermeiden der Mühen4). 3. Niemand versteht besser recht zu urteilen5), das Nützliche anzuraten, Ge- setze undBeschlüsse zu beantragen. In keiner Thätigkeit wird er schöner seine Tugend und seine Gottähnlichkeit6) zeigen. 4. Sittlich schöne Politik ist etwas Heiliges (ööiov) und den Göttern angenehm7). 5. Auch den Verstorbenen (xaroixo^spoig) ist es erfreulich, wenn ihre Angehörigen gut regiert werden8). 6. Der Staat bedarf einen, der für ihn vorsorgt, und gerade einen Guten ; denn ohne einen solchen könnte ein Staat wohl nicht bestehen (GvüTrjvcu). 7. Der Weise findet so in allernützlichster Weise seinen

%) Schon Scheffer (s. Walz Rhet. Graec. I 246 Anra. 17) be- merkt, dass über jene Frage zwischen Stoikern und Epikureern eine Kontroverse herrschte. Die These wird dort wie die über die Kinder- zeugung I 249 als „praktische" bezeichnet.

2) Vgl. Cic. fin. HI 20, 68 (wahrscheinlich Chrysippeisch).

3) Vgl. Antipatros bei schol. Apollon. Rhod. TT 89 und oben S. 230. *) Vgl. den an vorletzter Stelle angeführten Grund.

5) Chr. D. L. VIT 122 : kein Schlechter hat in Betreff der Güter und Übel Einsicht.

Vgl. S. 194 f.

') Vgl. Cic. fin. III 20, 66. Vgl. S. 91. 188.

*) Hier ist der Text nicht ganz in Ordnung. Vgl. Cic. fin. III 19, 64; 20, 65.

234

Lebensunterhalt1). 8. Die Politik des Weisen ist be- deutenderen und schöneren Thaten, nicht nur für ihn persönlich, sondern auch fürs allgemeine, vorzuziehen (jiqoriysTTCti)2). 9. Ein vernachlässigter Staat ist, wenn er einen Umschlag ([tsTctßoÄy) ins Böse genommen hat, schwer wieder einzurichten, da die Reue zu spät kommt3). 10. Wenn das Arbeiten gegen das Vaterland sittlich hässlich, so ist die Politik sittlich schön; wenn jenes unzuträglich, so diese zuträglich-, wenn jenes unerfreulich, so diese erfreulich4). 11. Wenn das der Politik Ahnliche, wie z. B. die Sorge für die Jugend, sittlich schön, zuträglich, erfreulich ist, so gilt das Gleiche auch von der Politik5). 12. Wenn der Weise den Menschen einen allgemeinen Staat (xa&oXixy noXiTsia) vorschlägt, wie Piaton in der Politik, so muss er das verlangt die Gerechtigkeit auch in seinem Vaterlande Politik treiben6).

Die anderen bei Theon angeführten Gründe scheinen teils von dem akademisch gesinnten Rhetor selbst auf- gebracht zu sein (No. 13. 17), teils fehlt der Bezug zu den Stoikern.

f) Politische Tugenden. Zu den politischen Tugenden zählt der Stoiker bei Cicero (fin. III 21, 72) auch die Dialektik, weil ohne diese Kunst, welche Zustimmung zu Falschem und Täu- schung durch Wahrscheinlichkeit fernhalten und das über

*) Vgl. die S. 232 zitierten Chrysippstellen. Walz weist daher mit Recht S cheffers Bemängelung der Stelle zurück.

2) S. auch Grund No. 7 bei Theon.

3) Vgl. Chr. D. L. VII 121, wonach der politisierende Weise Schlechtigkeit verhindern kann. Wegen /usraßolr vgl. S. 67. 157, 4.

4) S. S. 94. 136, 4.

5) Vgl. Chr. D. L. VII 121, wonach der Weise als Politiker zur Tugend antreiben kann, und S. 185. 230.

6) Vgl. Cic. fin. III 20, 67 in urbe communi; 19, 64 communem urbem et civitatem.

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Güter und Übel Gelernte festhalten lehrt, jeder von der Wahr- heit abgelenkt und zu fehlerhaftem Nichtwissen und zu Unbe- sonnenheit verleitet werden kann ; ebenso die Physik, weil, wer naturgemäss leben1), wer über Güter und Übel richtig urteilen1), wer die Sprüche der sieben Weisen2) recht deuten, wer Gerechtigkeit1) und Freundschaft pflegen will, wer fromm und gegen die Götter dankbar sein will, von der Verwaltung der ganzen Welt1), vom Leben der Götter, von der Übereinstimmung der Menschennatur mit der kosmischen1), also von der Physik ausgehen muss (fin. III 22, 73).

Dieselben politischen Tugenden werden für Chrysippos auch anderweitig wahrscheinlich3). Andere, wie die olxovo- pixy, nokiTixri 4), deutet er in seiner Polemik gegen Ariston (Cic. fin. IV 25, 68) an ; mit letzteren werden noch ßaci- lixq, arQar^yixij, qrjTOQixij, dixaGnxrj, €v%aQiGTia, vofjbO&eTixij, fiavTixij , ja sogar eine av^nojixri und iQWTixfj erwähnt5). Aus Cic. fin. III 21, 70 f. ist zu schliessen, dass er auch eine Tugend zur Pflege der Freundschaft annahm. Fast über alle diese Tugenden hat Chrysippos Spezialschriften herausgegeben.

Die Fragmente der Schriften über die Freundschaft lehren, dass darin Chrysippos Vorsicht im Schliessen von

x) Vgl. 39 f. 42.

*) Wegen des dort genannten Spruches sequi deum s. S. 34, 6. 40, 2, wegen tempori parere S. 95, 4, wegen nihil nimis die ganze Lehre von Trieb und Leidenschaft, wegen yvou&i otavröv Zen. fr. 189.

3j S. Schuchhard t S. 68 ff. und vgl. den Satz des Poseidonios (Hirzel Unters. II 289 Anm.) Gal. Quod anim. mor. 817 K. oocpol . . oiTf ovyy(täfiju.ara yqa<f0VTt<z ovre dialtxz mrjv r) yvoinrv im- <f eixvt fitvoi &eoj()iav, wonach Poseidonios diese Ansicht nicht teilte.

4) Wohl auch eine fyi&iviiti] (cura valetudinis) und ngay/xarutr (ordo gerendorum negotiorum).

6) S. Schuchhardt S. 68 ff. Die fyanivq auch Cic. fin. III 20, 68. Stob. flor. 63, 31 angedeutet.

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Freundschaften and Unterscheidung der verschiedenen Freunde, aber Treue und Nachsicht bei geschlossener Freundschaft, jene der Schrift über die Wohlthätigkeit (tisqI xaqhüdv), dass der Philosoph Vorsicht im Erteilen von Wohlthaten, Kücksicht auf die Verhältnisse des Gebers und Empfängers, stets vergeltungsbereite Gesinnung des Em- pfängers anriet1). Von dem Inhalt der letzteren Schrift ist vielleicht durch näheres Eingehen auf Seneca (de beneficiis), der manches vermisst (II 4, 4), noch mehr zu ge- winnen, sobald das Eigentum Hekatons (I 3, 9) ausge- schieden ist.

g) Ehe.

Das Nehmen von Frauen und Erzeugen von Kindern2) leitet der Stoiker bei Cicero (fln. III 20, 68) aus der Idee der Weltgerechtigkeit und aus der Pflicht, naturgemäss zu leben, ab 3). Derselbe Sinn liegt in dem Chrysippeischen Ausspruch, der Weise solle heiraten, damit er den Zeus Gamelios und Genethlios nicht verletze (Hieronym. adv. Jovinian. I 318. II S. 280 Mign.)4). Ein Widerspruch zu dem Satze von der Weibergemeinschaft ist durch den vorliegenden nicht begründet, sobald man beide nicht als

*) Ebenso Kleanthes in negl %äQiro$ fr. 99. 98.

2) Vgl. Stob. ecl. II 94, 14. D. L. VII 121. Das Wort ovyxara- ßaivsiv „sich herablassen" ist bezeichnend. rafiel xai natdonoLeifr'1 gebraucht auch Menandros fr. 404 (III 117 Kock) zusammen.

3) Vgl. Chr. D. L. VII 121.

4) Einer ähnlichen allegorischen Ausdrucksweise bedient sich Chr. auch in der Schrift itsqi laqitMv (Diels Doxogr. 547 b, 34. Senec. benef. I 3, 8). Vgl. Wyttenbach zu Plut. de rect. rat. audiendi 44e. Ariston scheint eine schlimme Ehe für verwerflicher als die Ehelosigkeit gehalten und sich auf das lakedaimonische Gesetz berufen zu haben, welches eine Strafe auf die Ehelosigkeit (ayapiov), eine andere auf ver- spätete Heirat (dyiyafiiov), die grösste auf Missheirat (xaxoyafilov) ge- setzt hatte (Stob. flor. 67,16. Wegen des stoischen Charakters s. Wend- land, Quaest. Muson. S. 58 Anm.

237

Gebote, sondern nur als Zugeständnisse (//«tf«) fasst. Bei „Heiraten" ist ferner nicht an Unauflöslichkeit der Ehe zu denken und wohl zu beachten, dass der Satz in der Regel mit dem von der Kinder er zeugung verknüpft ist1). Die Stoa wollte demnach mit Antisthenes2), der gleichfalls die Weibergemeinschaft anordnete3), sagen: Der Weise wird nur wegen der Kindererzeugung heiraten4).

Wieviel von der Chrysippeischen Schrift Jteqi ydfioü in diejenigen des Antipatros, Musonios, Seneca und Plu- tarchos5) überging, lässt sich schwer sagen. Auch hier scheint der Rhetor Theon6) stoische Gründe für die be- jahende Antwort auf die praktische Frage, si 7raido7TOiT]Tsov, beizubringen, wenn er empfiehlt, man solle von der Ehe und allen notwendigen Vorbedingungen der Kinder erzeugung ausgehend beweisen, dass jene sittlich schön, zuträglich, erfreulich seien, also auch die Kindererzeugung; ferner man solle ebenso bezüglich der Folgen derselben, nämlich der Alterspflege (yrjQOxofiia), Alters stütze (ytjQoßoGxict), des Wohler- gehens (evTiQayict) und der Freuden der Kinder u. ä. verfahren.

Den Schluss von dem Leben aller Menschen auf das Leben einzelner Stände (Bauer, Kaufmann, Soldat, Reicher, Armer, König) rät Theon ebenfalls für die Frage, st ya^rjrso^1).

»j Zen. fr. 171. 2j S. S. 208, 2.

3J F. Dümmler, Antisthenica S 5 f.

*) Pearson übersieht, dass fr. 171 ebenfalls der Tiofaxtla angehört.

5) Man vgl. z. B. Chr. Stob. flor. 103, 22 ISlav nrj&v läßojoi mit Plut. coniug. praecept. 138 f av^nr^iv laßovtojv und beachte ausser der ganzen Mauier den allegorischen Hinweis auf Aphrodite und Hermes (138 c) und die Chariten (138 d). Wyttenbach z. St. zitiert Cornutus und Seneca. Vgl. A. Elt er, Bonner Progr. 1897, 10 ff.

') I 249, 10 Walz.

7j I 253, 10; 18 Walz. Dort erinnert der Hinweis auf die Trdxfy, rdr/ und itQotQO'jiai und ßiojv ntQiorätitiq an die Stoa. Theon scheint den Forderungen Aristons (S. 183) thatsächlich nachkommen zu wollen.

- 238

§ 3.

Zur altstoischen Pädagogik.

Die Pädagogik der Stoa ist von Cr am er in seiner Geschichte der Erziehung und von Känimel in Schmids Encyklopädie (s. Stoiker) dargestellt worden. Eine an- schaulichere Vorstellung von der altstoischen Erziehungs- lehre, als sie diese Gelehrten geben konnten, lässt sich, glaube ich, erzielen, wenn wir die einzige selbstständige Schrift zur Pädagogik, welche aus dem Altertum un ver- stümmelt erhalten ist, auf ihre Quelle hin prüfen.

Es ist dies die pseudoplutarchische l) Schrift „über die Kindererziehung". Derselben hat nämlich eine Chrysippe- ische Schrift mittelbar oder unmittelbar als Haupt- vorlage gedient. Dies soll im Folgenden dargelegt werden2), wobei die altstoischen Ansichten über Erziehung von selbst zur Sprache kommen. Was sich sonst noch nachtragen lässt, wird am Schluss beigefügt werden.

1) Die Echtheitsfrage (s. über dieselbe ausser W ytten back, Ani- madv. in Plut. Moralia I 1 ff., noch B. Weissenberger, Die Sprache Plutarchs von Chaeronea. Straubing 1895 S. 41 ff.) thut hier übrigens wenig zur Sache. "Wichtig wäre es zu wissen, wie die Schrift unter des Plutarchos Werke geriet.

2) Die nachfolgende Abhandlung war im wesentlichen bereits ge- schrieben (1893), als ich durch C. Wey man, welcher von meiner Ar- beit Kenntnis hatte, aufmerksam gemacht wurde, dass inzwischen von Alfred Gudeman, P. Cornelii Taciti dialogus de oratoribus. Boston 1894, proleg. p. XCIX— CHI dio Aufgabe zum Teil schon gelöst war (s. Wey man, Lit. Centralblatt 1894 Nr. 41 Sp. 1499). Ich gebe hier im ganzen nur das wieder, was ich unabhängig von Gudeman fand.

A) Eine Schrift des Chrysippos als Vorlage der pseudoplutarchischen Schrift über die Kindererziehung.

1. Das Thema.

Dass Chrysippos das gleiche Thema behandelte wie Pseudoplutarchos, wird sich unten ergeben. Erhöht würde die Wahrscheinlichkeit einer Benutzung der Chrysipp ei sehen Schrift durch Ps. -Plutarchos, wenn sich auch eine Gleichheit des Titels herausstellen würde.

In der That lässt sich letzteres mit Sicherheit an- nehmen. Denn Plutarchos1) beabsichtigt, wenn er behauptet, Chrysippos habe neqi nai6oTQO(piag geschrieben, durchaus nicht, Buchtitel gewissenhaft zu nennen, sondern ihm kommt es nur darauf an, den Inhalt zu bezeichnen. Dies ergibt der ganze Zusammenhang der betreffenden Stelle und wird bestätigt durch die Thatsache, dass eine andere dort ge- meinte Schrift nicht, wie Plutarchos vermuten Hesse, nsql vofjiov xal TioXirsiag, sondern rtsql tzoIsohq xal vo^iov2) be- titelt war, während eine weitere die Aufschrift rteql nohreiaq trug, und dass ebensowenig das ttsqI äya&co v xal xaxcov beiPlu- tarchos einem Buchtitel bei Chrysippos vollständig entspricht, da dessen bezügliche Schriften die Namen neql dya&wv und nsql äyad-wv xal xaxwv siöaywyrj hatten3). Nicht erfindlich ist,

*) Stoic. rep. 1035 b.

2) S. S. 223, 2.

3) Über die Titel der Chrysippeischen Schriften s. ßaguet S. 118 ff.

240

warum Chrysippos gerade nur über ,,die Kinderpflege in den ersten Lebensjahren" hätte handeln sollen, was doch nai- 6oiQO(fia der Etymologie nach bedeutet 1).

Angesichts der formellen Unzuverlässigkeit der Plu- tarch stelle ist es daher richtiger, sich an des Quintiiianus „in praeceptis deliberorum educatione compositis" zu halten, wodurch die Ubersetzung nsqi naiöoav äycoyijg gefordert wird; dieser Titel ist auch allgemein angenommen, und noch niemand wurde durch das stilistisch notwendige „praeceptis compositis" veranlasst, etwa an einen Titel wie TraidsvTixoi vojjboi zn denken. Diese Aufschrift führte die Schrift des Peripatetikers Aristoxenos ; aber sie befasste sich in der That mit vo^iov, nämlich den pädagogischen Vorschriften der Pythagoreer2).

So ist denn nicht nur jede Schwierigkeit beseitigt, die man von dieser Seite her gegen eine Vergleichung des Inhalts erheben könnte, sondern eine solche wird eben durch den Vergleich der Buchtitel erst recht nahe gelegt.

Für den weiteren Gang der Untersuchung ist es jedoch wissenswert, welchen vorplutarchischen Schrift- stellern Schriften über diesen Gegenstand zugeschrieben werden.

Die Titel der antiken pädagogischen Schriften finden sich an leicht zugänglicher Stelle bei L. Grasberg er, Erziehung und Unterricht im klassischen Altertum 3) zusammengestellt. Überblicken wir die dort verzeichneten Autorennamen, so ent-

1) Vgl. Xenoph. Oecon. 7, 21 r\ tojv veoyvojv tsxvojv TiaidozQoxpia. Stob. flor. 98, 72 liest Wyttenbach bei Teles 6 ngtozog (sc. xqovos) 6 ttarä xrjv izaidoxQoylav, was Feddersen, Über den ps.-plat. Dialog Axiochus. Realschulpr. Cuxhaven 1895 S. 14 f., mir, dem folgenden näXiv naidoTQoylav und Antiphon sophist. fr. 12 stützt.

2) D. L. VIII 15 beweist, dass es sich um ähnliche Sprüche wie die bei Ps.-Pl. 12 d— f handelte; vgl. vor allem firj ciavzl i/ußdUeiv Set-tüv.

3) Würzb.1866 E S. 11. Danach wohl beiElias Dassaritis, Die Psychol. u. Pädagogik des Plut. Erlanger Dissert. Gotha 1889 S. 40 Anm.

241

decken wir, dass aus vorplutarchischer Zeit in Griechen- land nur Stoiker , Peripatetiker und Neupythagoreer aus- findig zu machen sind. Denn die Schrift des Aristippos 7TsqI Tzaidsiag ist nicht echt, und von Demokritos ist dieser Buchtitel gar nicht überliefert, sondern erst Mullach hat die Fragmente pädagogischen Inhalts unter der Rubrik Tiegi nctideiag gesammelt.

Aber es ist überhaupt nicht zulässig, Schriften, welche tt€qI itaidsiccQ überschrieben sind, ohne weiteres als päda- gogische anzusehen! HzqI natösiag bedeutet nur soviel wie „über Bildung und Wissenschaft", und im Titel der bekannten nivccxsg des Kallimachos und seiner Nach- ahmer (Hermippos, der Kailimacheer; Hermippos von Berytos) ist £v Traar} naidüa nur in diesem weiteren Sinne zu verstehen. Die Schrift des i^ntisthenes ttsqI naidsiag hatte, wie der Nebentitel nsgi ovoficcTwp und das einzige sichere Fragement derselben (Epictet. diss. I 17) be- weisen, logisch-grammatischen1), die des Peripatetikers Klearchos philosophie- oder kulturgeschichtlichen Inhalt, und bei Zenon zeigt in nsoi rrjg 'ElljjpixTj g rtaideiag der adjektivische Zusatz, bei Theophrastos die Nebentitel Tteqi dqsTüäv fj tisqi <J(ü(poo(fvvt]g2) an, dass naidsia nicht im engen Sinne von „Kindererziehung" genommen werden darf.

!) So auch P. Wen dl and (brieflich). Die Schrift tcsqI imiQÖnov rt rtbQi tov Titi&eod-cu (D. L. VI 16) besprach eine einzelne Frage der Ethik, vielleicht der Ptlichtenlehre (vgl. D. L. VII 110). Wegen hthqwtos s. Ps.-Archyt. Stob. ecl. II 229, 25. 231, 10 W. Die Schrift des Kynikers Onesikritos nug *AU%av8(>o? rx&y ist nach D. L. VI 84 mit Xenophons Kyropädie zu vergleichen. Sie war in lobendem Sinne gehalten; Onesikritos hatte den Alexandras auf dessen Zügen begleitet. Wegen rx&rj s. Chr. Gal. 461 K. cu%%siri („erziehen").

'-) Auch der Umstand, dass Theophrastos eine Schrift n. n. ayojy. verfasste, spricht dagegen, dass nsql naidata<; nur über Kindererziehung handelte. Wozu zwei Schriften über das gleiche Thema? Nach D. L. V 50 hätte Theophrastos noch ein zweites verschiedenes Buch Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 16

242

Sehen wir daher von den Schriften neqi ncudeictc ab und beschränken uns auf die Schriften, welchen genau der Titel ttsqi Tzaidwv dycoyfjg zukommt, so bleiben nur Theophrastos, der erste, welcher diese Aufschrift wählte, und Chrysippos übrig. Denn ob die dem Hieronymos von Rhodos gehörige Stelle pädagogischer Natur in einer Schrift Tisqi ncddwv dycoyrjg stand, ist fraglich; sie könnte ebenso gut aus einer grösseren Schrift (den vitofirtf flava ?) ent- nommen sein. Sicher ist das bei Zenon der Fall. Die Abhandlung Tieqi naidoav dycoyrjg war nur ein Abschnitt seiner Diatriben l). Was des Kleanthes' Schrift nsqi dycoyfjg (ohne naidcop) bezweckte, ist uns nicht mehr ver- ständlich2). Doch auch angenommen, wir hätten es hier

7i. n. aycjy. veröffentlicht. Das ist aber sehr zweifelhaft (s. H. Usener, Analecta Theophrastea. Leipzig 1858 S. 18).

*) Die Diatriben waren schriftlich überliefert (D. L. VII 34. Sext. E. Pyrrh. III 245, wo auch das Präsens <prjot wichtig ist). Man darf sie mit den Dissertationen des Epiktetos vergleichen. Unsere Be- hauptung im Texte ist durch die Erwägung hervorgerufen, dass das, was Sextus mitteilt, auf Kindererziehung in keiner Weise hindeutet, und dass die doppelte Erwähnung von naldojv ayojyijg nur dann einen Sinn hat, wenn dies ein Titel war. Wenn n. n. dyojy. in den Skeptika in der vorläufigen Angabe der Disposition steht, so ist es aus den früher (VII 1) geschriebenen ' Ynotvnöjos ig einfach her- übergenommen worden. Auch Theophil. Antioch. adv. Autol. 3 patr. 6, 1129 Mign. elg tb ix vtalSojv /uav&dveiv ttjv a&sofiov xoivcoviav führt darauf, dass das von Sextus Angeführte in einem Abschnitt über Kinder- erziehung vorgebracht war. Von seinem Zeitgenossen Sextus kann Theophilos a. 0. und 6, 1125 Mign. nicht abhängen, doch scheint er dieselbe Quelle benutzt zu haben (vgl. 6, 1125 anoQQiyusv). Danach stellte Zenon im Kapitel über Kindererziehung Handlungen wie adeXyoxont'ag und aQQt- voßaolas (s. fr. 179 Pears., wo (irt Ttaidixä durch Ariston Senec. ep. 94, 14 alia pares, alia inferiores amaturo zu erläutern ist, und fr. 181) als gleichgiltig dar.

*) Über die verschiedenen Gebrauchsweisen von aywyr) s. Alex. Aphr. in top. (287 a, 40 Brandis) ; ob dieselben hier erschöpft sind, ist mir zweifelhaft. Immerhin ist negl d. im Kleantheskatalog zur politischen

243

bei all diesen Philosophen mit Abhandlungen zu thun, die den Nachkommen als hervorragend auffielen, so ergibt sich doch aus dem Bisherigen, dass wir die Vorlage unter der peripatetischen oder stoischen Litteratur zu suchen haben. Die Neupythagoreer dürfen wir, je nach der Richtung des einzelnen, bekanntlich entweder mit den Peripatetikern oder mit den Stoikern zusammenstellen 5 auch die pädagogischen Fragmente bezeugen das.

Die soeben ausgesprochene Thatsache ist nicht weiter verwunderlich. Die Akademiker und Skeptiker waren aller Dogmatik abhold und mussten sich, wo sie positive Bestimmungen geben wollten, an eine der ge- nannten Schulen anschliessend ihnen war mehr daran ge- legen, schlagfertige Dialektiker auszubilden1). Die Epikureer aber kannten nur die eine Erziehung durch die Epikureische Lehre und haben, wie Chrysippos ihnen vorwarf2), mehr zur Entsittlichung der Jugend beigetragen, als dass sie sich mit Schriften abgegeben hätten, welche eine systematische Anleitung zur sittlichen Hebung der Jugend bezweckten. Nach Quintiiianus verwarf Epikuros jeden planmässigen Betrieb einer Disziplin3). Ganz anders, wie wir sahen 4), die Stoiker.

Auf diese Weise führt uns schon die allgemeine Be- trachtung des von Pseudoplutarchos gewählten Themas in eine engere Wahl zwischen Peripatetikern und Stoikern; eingehendere Prüfung soll finden, welche unter den beiden Richtungen er vorzog!

Ethik gestellt, und SO ist nuldojv ayojyrj (= ?? öiä tüjv 7]%ojv tov xqötiov xaTaxöauTjais) das Nächstliegende. Vgl. S. 241, l. 252. 77. a. schrieb schon Alexinos (S. Sudhaus, Rhein. Mus. 1893. 48, 152 ff.).

x) S. Quintil. inst. or. XII 1, 35; 2, 25.

2) S. S. 104.

3j Inst, or, XII 2, 24. II 17, 15. *1 8. 185 230 235, 3.

16*

244

2. Die Disposition. Piaton hatte in seinem „Staate" die Pädogogik ohne schematische Anordnung in das kunstvolle, aber ver- wickelte Gespinst seines Dialogs verwoben. Auch in den „Gesetzen" war zwar noch kein festes Prinzip gefunden, aber doch im siebenten Buche der Anfang zu einem solchen gegeben, wenn die Erziehung 1) vor der Geburt (788 d 789 e), 2) in den ersten drei Jahren nach der Geburt (789 e— 793 d), 3) bis zum sechsten Jahre (793 e 794 c), 4) vom siebenten Lebensjahre an (794 c 824 c) betrachtet wird. Dagegen hatte Aristoteles eine feinere Anordnung ersonnen1): 1) Einheit, 2) Zweck, 3) Mittel der Erziehung; beim dritten Teile wurde der Erziehungs- gang dargestellt, und zwar a) die Erziehung vor der Geburt, b) die Erziehung in den ersten sieben Jahren, also die der Säuglinge, dann die der Kinder bis zum fünften und weiter bis zum siebenten Lebensjahre, c) die öffentliche Erziehung vom siebenten bis zum einund- zwanzigsten Jahre mit einem Einschnitt in der Mitte, welcher sich durch die Altersreife (ijßij) ergibt.

Die pseudo-plutarchische Schrift hat trotz mancher Ähn- lichkeiten eine andere Einteilung. Nachdem der Zweck der Erziehung eingangs derselben recht abrupt an- gedeutet ist, wird sofort zu den Erziehungsmitteln über- gegangen und 1) über die richtige Beschaffenheit der Eltern und ihrer Verbindung (1 a 2 a), 2) über die Bedeutung von Naturanlage , Vernunft und Gewöhnung (2 a 3 b) gehandelt und 3) über den Erziehungsgang, aber dies- mal nicht nach Jahren, sondern nach den Erziehungs- organen: und zwar a) über Mütter (3 c d), Ammen und Kindermädchen (3d— f), b) Kameraden (3f 4 a), c) Päda-

l) S. Fr. Susemihl, Aristoteles' Politik IL Teil. Leipzig 1879. S. XXXV ff.

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gogen (4a b), d) Lehrer (4b c). Hier wird (4c— 5c) über die Wichtigkeit einer richtigen Auswahl der Unter- richtsorgane {naidevTui 4d f; es sind besonders Lehrer 4 c und Philosophen 5 c gemeint)1), über den Wert der Bildung (jiaidsia) überhaupt (c. 8), über die zweckent- sprechende Behandlung der Unterrichtsgegenstände, näm- lich Rhetorik (c. 9), Philosophie (c. 10. 7 c 8b), Grammatik (Litteratur 8b), Gymnastik (c. 11), über» die Unterrichts- hilfen, Züchtigung, Lob und Tadel (c. 12-, vgl. 12 c), über Überbürdung (c. 13. 9b c), über Beziehung von Haus und Schule (9 c d), Übung des Gedächtnisses (9d f),. über den Inhalt des erziehlichen (ethischen) Unterrichts im allgemeinen (c. 14) und bezüglich einer Besonderheit desselben (c. 15) gesprochen. Dann wird e) ganz aus- drücklich vom Regiment der Pädagogen und Lehrer, die ja zeitlich länger zusammenwirken, zum Regiment der Väter hinübergelenkt (c. 16 20; s. besonders 12c. 13a. c. d-f. 14a).

Es soll nicht betont werden, dass hier, obwohl nach dem Beispiele Piatons die Erziehung vor der Geburt betrachtet wird, gerade das übergangen ist, was nach Poseidonios auch Chrysippos trotz dem Platonischen Vor- gange übersehen hatte, die Diätetik der Mütter vor der Ent- bindung (Gal. S. 466 K.). Aber das Einteilungsprinzip für den Erziehungsgang lässt sich für Chrysippos höchst wahrscheinlich machen.

Aus den Angaben des Quintiiianus, über eine Schrift des Chrysippos, in der mit Recht bisher stets die von Quintiiianus an anderer Stelle namentlich erwähnte Schrift über Kindererziehung erblickt wurde, ist zu folgern, dass Chrysippos in genauerer Weise als Piaton und Aristoteles

l) Vgl. D. L. VII 6, wo Zenon naidewrg des makedonischen Königs und Volkes genannt wird.

246 -

für die Thätigkeit der Amme (inst. or. I 1, 4; 10, 32) Vorschriften gab, und gerade an diesem Punkte werden wir unten eine wörtliche Ubereinstimmung zwischen Chrysippos und Pseudoplutarchos aufdecken. Dass der Stoiker ver- schiedene Arten von Ammen unterschieden hatte, erhellt aus der zweiten Stelle (I 10, 32 nutricum illi quae etc.).

Weiter hatte sich Chrysippos über das Kinder- mädchen geäussert; und das „quoque", welches Quin- tilianus (instit. or. I 1, 16) hiebei gebraucht, erlaubt den Schluss, dass Chrysippos ähnlich wie Piaton die an die Kindermädchen erhobene Forderung vorher schon an die Eltern gestellt hatte. Ferner legt die Polemik des Galenos gegen Chrysippos (Quod an. mor. IV 816. 817. 818 K) die Vermutung nahe, dass der Philosoph Eltern (yovetg), Lehrer und Pädagogen, die wissend (sTTiör^oveg) sein sollten, auseinandergehalten habe; auch von Erziehung durch einen Philosophen spricht Chrysippos Gral. 461 f.K. Es ist daher wohl keine Frage mehr, dass derselbe auf die Erziehungs organe überhaupt ein grösseres Gewicht legte als Piaton und Aristoteles, welch letzterer fast noch mehr als Piaton die freilich nicht übersehenen Tqo(f6g, naidayonyog und didatixaXoq neben dem Politischen zurücktreten lässt. Dazu kommt, dass auch Ariston Senec. ep. 94, 9 Amme, Pädagog, Lehrer, Philosoph nach einander vorbringt, und dass bei Zenon der Pädagog, dem der Zögling Rechen- schaft abzulegen hat, und der hauptsächlich als tadelnd ge- dacht ist, fr. 188 l), der Lehrer, den er mehr für das höhere Alter bestimmt ansieht, apophth. 45, erscheint. Entsprechend werden in der von Elter auf Chrysippos zurückgeleiteten

A) Hiermit soll nicht gesagt sein, dass jene Einteilung ausschliess- lich stoisch war; schon Krates Stob. flor. 98, 72 (s. Feddersen, Progr. Cuxhaven 1895. S. 14) (weniger der pseudo-platonische Axiochos 366 d) teilt nach den Erziehungsorganen ab in anderem Zusammenhange; doch ist seine Einteilung noch nicht so einfach.

247

Schrift des Plutarchos de audiendis poetis 36 e {ipTifä rtr&ff TtctTriQ ncudayooyog unterschieden1).

Besonders auffallend aber ist, dass Ps. -Plutarchos und Quintiiianus, der, wie schon von vornherein vermutet werden darf, den Chrysippos noch öfter benutzt haben wird, als er angibt, mehrfach in ihrer G-edankenfolge zusammen- stimmen. Man vergleiche :

Ps.-Plut.

Quintil.

Amme

3de =

I 1, 4

(3f cf.

I 1, 5)

Kameraden

Bf— 4 a =

I 1, 8

Pädagogen

4a =

I 1, 8

Lehrer

4b =

I 1, 10

Erholung

9c ==>

I 3, 8

Gewisse Verschiedenheiten in der Anordnung2) lassen sich durch die Verschiedenheit der Zwecke Quintiiianus spricht mehr als Rhetor denn als Pädagog und durch die bei römischen Schriftstellern beliebte eklektische Manier erklären. Dass Quintiiianus eigene Weisheit vorbringt, wenn er zwischen den Abschnitt über die Ammen und die Kameraden einen solchen über die Eltern einschiebt und so die Ordnung etwas verwirrt, ist daraus zu ersehen, dass dieser mit römischen Beispielen ausgestattet ist. So trübt auch Ps. -Plutarchos 8e mit einem ungeschickten Einschiebsel offenkundig die gute Ordnung. Doch wird

*) Beiläufig sei hier auch auf Plut. Philopoem. c. 4 (Sidäoxaloi,

naidayatyoi als Vertreter der ersten Erziehungsstufen) und amator.

754 d ßpscpovg tIt^t], naidbg SiSaanako? verwiesen.

2) Ps.-Plut. Quintil.

Amme 3e = I 1, 22; 37

Lehrer 4 c I 1, 6

Strafen 9 a = I 3, 14

Gedächtnis 9de = I 1, 36

aiaxQoloyla 9 f == I 2. 6 ff.

248 -

man zugeben müssen, dass die Strafen bei Quintiiianus immerhin noch in ähnlicher Umgebung an die Reihe kommen wie bei Ps.-Plutarchos. Viel mehr gestört ist die Ordnung im Dialog des Tacitus, wie die von (rudeman gefundenen Parallelen beweisen; allein auch dort werden Mutter, Amme, Pädagog hervorgehoben. Dagegen scheint Varro in seinem Logistoricus „Catus oder über die Kinder- erziehung" sich an die oben erläuterte Reihenfolge gehalten zu haben; denn er resümiert fr. 5 Riese also: Educit enim obstetrix, educat nutrix, instruit paedagogus, docet magister. Varro führte wie Chrysippos mehrere Ammen an; fr. 8 sagt er von der Stillamme: eam nutricem oportet esse adulescentem etc. und von einer bestimmten Amme handeln auch fr. 10 und 11. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er hiebei stoischem Einflüsse folgt

*) Mag er auch zuweilen die Stoiker verspotten das steht der satira wohl an , so hat er doch gelegentlich Stoiker benutzt wie be- sonders Norden gezeigt hat. So zieht er ling. lat. V die stoische De- finition der Zeit herbei (Baguet S. 172) und eignet sich die bildliche Unterscheidung der Dialektik und Rhetorik an (Isidor, etym. II 23 patr. III 140 Mign.), als deren Urheber Cicero (orat. 32, 113. fin. II 6, 17) den Zenon nannte ; Isidorus hätte, falls Varro den Zenon angeführt hätte, gewiss den Zenon zum Prunk zitiert. Ein Logistoricus aber ist auch wegen der Vermischung von Geschichte und Philosophie die Schrift des Ps.-Plutarchos ; ein Epikureer würde die Geschichte nicht verwertet haben. Etymologien liebt Varro wie Chrysippos (auch im Catus). Quintilian. inst. or. I 1, 21 ut corporum mox fortissimorum educatio a lacte cu nisque initium ducit bezieht sich entweder auf Varro fr. 7 hisce manibus lacte fit, non vino: Cuninae propter cunas, Ruminae propter rumas, so dass Quintiiianus den Chr. durch Varro kennen würde, oder beide variieren selbständig die gleiche Vorlage. Auf stoischer Theorie basiert der Satz (fr. 24), alles, was nicht notwendig ist, damit ein wirk- liches Gut entstehe, sei bei dem Unterrichte der Knaben mittelwertig (mediocria = ptaa). Weitere Berührungen später. Jedenfalls konnte Varro an der Autorität des Chrysippos nicht vorübergehen. Ob jedoch der von Varro fr. 9 zitierte Ariston der Stoiker war, stehe dahin; der

- 249

Somit werden wir auch durch die Anordnung, die Ps.-Plutarchos einhält, an Chrysippos verwiesen.

3. Das Gedankenmaterial. Der Gedankenstoff des Ps.-Plutarchos ist im konstruktiven Teil seiner Schrift aus der Philosophie genommen. Als parainetische Schrift konnte sie aber des dekorativen Bei- werks nicht entbehren. Die philosophischen Bestandteile sind daher von den rhetorischen zu trennen, und da in der nacharistotelischen Zeit die Pädagogik ein Teil der Ethik ist, ist das Pädagogische unter den Begriff des Philo- sophischen aufzunehmen.

a) Das philosophisch-pädagogische Gedankenmaterial.

Wyttenbach hat in seinem wertvollen Kommentare zu unserer Schrift eine Anzahl von Berührungen mit Piaton l) und Aristoteles2) nachgewiesen.

Von Pia ton dürfen wir hier absehen. Die Überein- stimmung bezieht sich nur auf Ausdrücke, Wendungen, Bilder und Einzelheiten3). Keinesfalls spricht dieser Um- stand gegen eine stoische Quelle. Denn die Stoiker ver- ehrten Piaton und eigneten sich nicht nur Platonische Aus- drücke4), sondern auch Platonische Theoreme an, so be- kanntlich die Aufstellung der vier Kardinaltugenden, der vier

Gedanke erinnert an Plat. Rep. 377 a. Leg. 76&-e. 788 d. Gal. 465 K.? könnte aber ebensogut stoisch sein: magnum enim, ut Ariston scribit, in primordio pueruli, quemadmodum incipiat fingi; ad id quasi evadet.

J) Zu 1 b (2 Stellen), c. d. 2 e. 3 a. e. e (3 St.). 6 a. c. 7 d. e. 8 c (2 8t). 10 b. 11 f (2 St.). 12 a. b. c. 13 a. b. d. 14 a. b.

2) 1 a. b. 2 a (2 St.). i 3 e. 7 e. 8 a. 9 c.

3) So lässt sich auch der Gedanke 9 a ^ifiüo&ai rag rh&ag nur zum Teil mit Plat. Leg. 791 e. Aristot. Pol. 1336 a, 35 vergleichen.

*) S. S. 212, 7.

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Hauptleidenschaften u. s- w. Chrysippos bekämpfte (und benutzte) Piaton in Besonderheiten und beruft sich fr. 26,19 Gercke. Stoic. rep. 1045 f, ff. zustimmend auf denselben.

Sorgfältigere Erwägung verdient die Frage, wie es mit den Anlehnungen an Aristoteles steht, da neben dem Stoiker ein peripatetischer Pädagog in Frage kommt. Die nur sti- listischen Berührungen *) sind wiederum auszuschliessen. Die Stoa und unter den alten Stoikern vor allen Chrysippos gingen in die Schule des Aristoteles2).

Aber auch auf die sachlichen Anklänge ist nicht viel mehr Gewicht zu legen als bei Piaton. Aristoteles war in manchen Punkten der praktischen Ethik der Lehrer schon der alten Stoa.

So ist die Unterscheidung von (pvaig, Xoyog und ed-og bei der Erziehung (Ps.-Pl. 2a) gewiss Aristotelisch3). Was sollte aber Chrysippos verhindert haben, den Ge- sichtspunkt, der ihn bei der Einteilung der Philosophie in Physik, Logik und Ethik beherrschte, auf die Pädagogik zu übertragen? Man wird einwenden, Ps.-Plutarchos spreche von e&og, Chrysippos von rj&og. Wie gering der Unterschied ist, beweist Ps.-Plutarchos selbst, wenn er sagt: xal ydq y&og ed-og sGri nolvxQOViov, xal rag q&ixdg ägsräg s&ixag civ Tig Xsyri, ovx äv vi nlrmneXetv do^sisv (2 f). Sicher war jene Unterscheidung zu des Ps.-Plutarchos Zeiten gang und gäbe; er sagt, sie sei bei den

') Zu ßslnov 1 a vgl. z. B. noch Aristot. Pol. 1330 a, 32.

2) Vgl. Stoic. rep. 1045 f. Es ist daher verkehrt, wenn Aug. Schlemm, De fontibus Plutarchi commentationum de aud. poet. et de fort. Diss. Göttingen 1893, auf derartige Berührungen hin Teile der Schrift über das Lesen der Dichter einem Peripatetiker zuteilen will.

3) S. Wyttenbach z. St Aristot. Pol. 1331b, 40. 1334b, 7. 1337b, 3; 9. Die bei Wyttenbach zitierte Archytasstelle Stob. ecl. II 229, 22 W.) ist peripatetisch beeinflusst.

251

Künsten und Wissenschaften1) etwas Gewöhnliches (2a). Sie war demnach nicht mehr ausschliesslich peripatetisch.

In der Pädagogik will nun Ps.-Plutarchos unter Xoyog die ficc&TjGic, unter k'&og die äöxTjaig (=(isksTij) verstehen (2a). Hier bringt Wyttenb ach einen Aristotelischen Aus- spruch von bestechender Ähnlichkeit bei (D. L. V 18) 2). Aber die Begriffe (pvötg, pa&ifötg und [isästtj sind allgemein Sokratische; z. B. Xenoph. memor. III 9, 2 vo(jbi£a> p&vtoi nacav q>v<Siv fja&yGsi xal [asXstji rcqog dvdqsiav av%s<T&cu (II 6, 39; vgl. III 3, 11) 3). Auch hat Wyttenbach auf eine Reihe verwandter Stellen aufmerksam gemacht, welche auf eine weite Verbreitung jener Anschauung schliessen lassen. Zu betonen ist, dass er auch Philon Iudaios und Epiktetos zitiert 4). Vor allem aber vergleiche man S. 201 f . ! Ganz deutlich erklärte Musonios fjMx&fjöig ohne äöxijGig für unnütz5) und verbreitete sich über die Beziehungen zwischen Xöyog und e&og6).

Wenn Ps.-Plutarchos 2 a im Hinblicke auf die Erlangung der vollkommenen öixaionqayia vier Stufen : dgxcci, nqoxonai, XQrjGsig und dxQOTfjrsg annimmt, so muss der vorzugsweise sto- ische Charakter der ersten drei Begriffe nicht erst erwiesen werden ; für äxQorijg istder Satz des Chrysippos zu vergleichen,

*) Beiläufig verweise ich wegen xard raJv xeyvojv xal tojv iniozr)- fuuv aufPlat. rep. 522 c t£%vai T& Siävoiai xal imozrificu; ebd. noch- mals Aristot. Pol. 1288 b, 10 iv andoatg xaig xe%vaig xal iniOTrjfiaig. Diese Unterscheidung hat selbstverständlich auch in der Stoa ihre Geltung.

2) S. auch eth. Nicom. 1099 b, 15.

3) Schon Epicharmos dachte in Sokratischer Weise über das Ver- hältnis von <pvoig und fiskirrj (E. Hardy, Der Begriff der cpvaig in der griech. Philos. Berlin 1884. I S. 12. Anm.).

4) S. jetzt Bonhöf f er, Die Ethik d. Stoik. Epiktet II S. 147. Kleanthes hält apophth. 12 ein daxetv für notwendig.

5j Stob. üor. 29, 78. II 25 Meineke ; vgl. fid&rjoiv aQstrg r doxyoit Musonii reliquiae S. 143, 5 Peerlkamp. 6) Stob. ecl. II 194. 15, 26 W.

252

wonach die Tugend die dxgoTfjc für die besondere Natur jedes Einzelnen ist und seine Aufstellung eines sn ä x q o v 7iQOx67tT(0v2). Es ist demnach erlaubt, Ps.-Plut. 2 a b nicht nur das Begriffsmaterial, sondern auch die Gedanken als stoisch in Anspruch zu nehmen.

Ps.-Plutarchos greift sogar 2 c in den Streit über die evipv'ia ein, der sich im stoischen Lager entspann3], indem er ausdrücklich behauptet: Die nicht gut Veranlagten (ovx sv netpvxoTSQ) können durch richtiges Lernen und Übung (fid&jjCig xai psÄfrij) den Mangel der Natur, soweit es geht, wieder gut machen; wer das Gegenteil annehme, befinde sich in vollem Irrtum4). Mit fast denselben Worten sagte schon vorher dasselbe Chrysippos 5). Unter diesem Ge- sichtspunkte gewinnt dann die Nebeneinanderstellung von Ps.-Plut. 3b xai ed-y xai jiaiöetai xai SiöaGxaXiai xai ßiwv äycoyai mit Chrys. fr. 129,67 Gercke äöxtjag und didatixalia, Chrys. Stoic. rep. 1043 d dyoayai und €&tj7 fr. 129, 71 r\ dia twv ßelTiovwv £&u>v dyooyij an Bedeutung für unsere Frage6).

Das Aristotelische Wortspiel fj&og e&og 2f mit dem zugrunde liegenden Gedanken kehrt bei Chrysippos wieder7).

*) S. S. 61. 2) S. S. 199. s) S. S. 201 f.

4) Ps.-Plutarchos bleibt sich konsequent; s. über 9 e S. 2701

5) Fr. 130 Gercke Siö noXXoiv xaXojg ngbg dgsxrjv necpvxöxojv <pav- Xctsqov xivsq ne<pvx6xeg dfislvovg yivovxai noXXdxig rrjv svSsiav xijg tpvoecog iaod/tsvoi xf nag' avxwv i£ovo ia. Vgl. Gal. IV 818 K. Für xovv- 8e%6fisvov hat Wyttenbach u. a. Epiktetos namhaft gemacht. S. auch Gerckes Index. Aus jenem Fragmente geht hervor, dass Ps.-Pl. 2 c statt dvadgafieiv ein Wort zu lesen ist wie „heilen" (laodfievoi, oder dvanhriQovv nach 9 e X7]V e'XXeixpiv xrg cpvaeojg^ 9c).

6) Wyttenbach fordert daher 3 a mit Recht ngbg dgsxjjg xxroiv statt des affektierten xv7j<jiv. Vgl. Musonios Stob. ecl. II 193, 7 und beachte das xai 12 d.

7) Fr. 129, 75 Gercke.

253

Dass 8 a bei der Schätzung der drei Lebensweisen (jTQaxTixog, &s(0Qj]Tix6g, ccTtoXavGTixng) nur die Termini Aristotelisch, der Gedanke aber stoisch ist, hat bereits Wyttenbach angegeben1).

Hingegen ist 9 c wohl der Gedanke Aristotelisch, der Ausdruck [avsüig (movdrj) aber stoisch.

WennPs.-Plutarchos 9 f. 10 a wünscht, dass die Knaben von der aiaxQoXoyla ferngehalten werden, so ist das allerdings ein Aristotelischer Gedanke (Pol. 1336b, 4). Aber obgleich die Stoiker selbst in ihren Schriften unzarte Äusserungen durch- aus nicht scheuten, so konnten sie dergleichen bei Knaben ganz gut tadeln. Zenon (apophth. 12. 38. 4. 5) und Kleanthes (apopth. 21) litten freche Reden nicht; und wenn Zenon Schamhaftigkeit im Auftreten (fr. 174) verlangt, wird er das Gleiche in der Rede gefordert haben.

C. 18. 13 d heisst es, der Vater solle manchmal den sTTi&viiicu der Söhne nachgeben, und 13 e, er solle sich zuweilen erzürnen. Das scheint freilich der Lehre von der ärca&sia zu widersprechen. Allein die Söhne werden noch nicht im vollen Besitz der Vernunft gedacht2), und so entspricht Nachgiebigkeit ganz einem Chrysippeischen Grund- satze 3). Unter Zürnen aber ist ein verstellter4), also immer noch von der Vernunft beherrschter Zorn verstanden. Im

x) S. auch D. L. VII 130.

2) Wie die Tiere, so gebrauchen auch die Kinder {ßgeyn) die Gabe der vernünftigen Überlegung nicht; dass dieselbe infolge eiuer andern Seelenkraft zum Genüsse dessen, was sie begehren, im Gegensatz zur Überlegung hineilen, gestehen die Anhänger des Chr. bald zu, bald leugnen sie es. So Galen S. 484 K. Dass Chr. selbst Stoic. rep. 1045 b tniloyiouo? statt des hier gebrauchten loyiofiög verwendet, macht diese Ansicht noch nicht unchrysippeisch. "Was aber -von den Kindern gilt, das gilt sicher auch von den unweisen erwachsenen Söhnen.

3) S. S. 176 f.; vgl. auch 12 e die Regel, einen Wütenden nicht zu reizen, da man den Zürnenden nachgeben müsse (vtismsiv).

*) S. S. 190.

254

übrigen ist jene Stelle ganz mit der praktisch milden, ab- wägenden Art des Chrysippos im Einklang, besonders wenn 13 f Nachsicht mit einem Rausche empfohlen wird. Dort (13 de) finden sich auch die Ausdrücke aiia^irnkaxa, dfiagricu i) 5 dort der Gedanke, dass wir die Fehler der Freunde ertragen sollen, was mit ähnlichen Worten Chrysippos geraten hatte2). Wird (13 f) Nachsicht mit dem Salben- gebrauch geheischt, so geht eben daraus hervor, dass das bei einem Manne nicht verziehen würde3). An anderer Stelle (10 b. c e) will auch Ps.-Plutarchos, dass die Jugend über den Zorn Herr zu werden lerne, und drückt sich dabei eher stoisch als peripatetisch aus 4).

Nachdem somit gezeigt ist, dass die hauptsächlichsten Berührungen mit Aristoteles nicht nur keinen Widerspruch gegen stoische Lehren ergeben, sondern in Einzelheiten auf die Stoa, voran auf Chrysippos führen, so ist den leichten weiteren Anklängen an ersteren alle Bedeutung entzogen.

Hätte der Verfasser unsrer Schrift die Platonischen und Aristotelischen Ausführungen über Kindererziehung benutzt, so müssten zahlreichere, mehr das Wesen der Erziehung angehende Ähnlichkeiten vorliegen. Man kann sich aber im grossen Ganzen keinen grösseren Unterschied in der Behandlung der Frage denken, als er zwischen den betreffenden Abschnitten der Platonischen Republik und Gesetze, ferner der Aristotelischen Politik einerseits und unserem Büchlein andererseits besteht. So beherrscht bei

1) '^4[ia()zrf[iaza, kfjiaQxavuv auch 14 a.

2) Stoic. rep. 1039 b c.

3) Gegen den Salbengebrauch Zen. fr. 174. apophth. 41. Chr. S. 106. Athen. XIII 565 c.

4) 10 c to aiQyrjzov avSgös sazi aoq>ov. 10 e zb nolv zrjg äxQazovS aal fiaivofievrjg vcpatQsiv oQyrjg. Der tivfiög wird 10 d damit zusammen- gehalten. Den dort angeführten Apophthegmen ähnelt ein Zenonisches (apophth. 55).

255

jenen die Rücksicht auf das Wohl des Staates alle einzelnen Bestimmungen; beiPs.-Plutarchosist von politischer Richtung nicht die Spur.

Zwar wird Vereinigung der politischen Macht mit Philosophie 8 a b als Ideal gepriesen1). Aber dort liegt eine Abschweifung in das Gebiet der Philosophie vor, und pädagogische Konsequenzen werden nicht gezogen. Im Gegenteil wird 12 ef das Pythagoreische Gebot xvd^LMV a7i&%EG&ai nicht ohne Beifall mit oti ov dst jiohxsveaS^ai er- läutert2). Da die Pythagoreer selbst Politik trieben, ist es umso berechtigter, die Auslegung einem Manne schuld zu geben, welcher persönlich von Politik nicht viel wissen wollte 3).

Ps.-Plutarchos befürchtet wie Aristoteles schlimme äussere Einflüsse für den Zögling; aber während Aristoteles all- gemeine, politische Gesetze für alt und jung erlässt, erblickt ersterer das Präservativ lediglich in der Auswahl der besten Erziehungsorgane. Man könnte doch von einem zur Zeit der römischen Herrschaft geschriebenen Buche erwarten, dass es auf das Vaterland hinweisen würde4). Nichts von alledem! Das Büchlein ist eben unter dem Zeichen der Individualethik entstanden, die, von Piatons Schülern und wohl auch von Theophrastos angebahnt, erst in der Politeia des Zenon zum vollen Durchbruch

*) Der Ausdruck (rtlaiovg & av&Qumovg) ist stoisch.

2j Die Bemerkung 7 a, dass die übermässige tr g Uteojg opiuyoloyia ano litsvxog sei, ist natürlich nicht hierher zu ziehen (vgl. Plut. Stoic. rep. 1034 b). Über Zenons semitische Knauserei s. übrigens S. 298.

3) Vgl. S. 231 f. 232, 7.

*) Chr. spricht (s. S. 136, 4) von nültig, nicht von uaxQlda. npodidovai. Vgl., was im Anfang der Schrift „Über die Widersprüche der Stoiker" gesagt wird (1034 a) und die Predigt des stoisierenden Tebes Stob. ecl. II 65 Meineke (auch Musonios dorts. II 70). Selbst ziarqiba xifiav (vntQOQav) D. L. VII 108 ist matt genug. Wärmer wird schon Antipatros.

256 -

kam und von da, abgesehen von den politisch gebundenen Schülern Zenons Persaios und Sphairos, in der Stoa geltend war, bis deren Vertreter Fühlung mit dem römi- schen Volksbewusstsein suchten.

So wenig Positives die bisherige Untersuchung zutage förderte, so wichtig ist das, was sich weiter aus derselben ergibt. Man könnte nämlich den Kynismus des Verfassers aus der herabwürdigenden Beurteilung der Lebensgüter evy&vsia, izlovroq, 66%a, xällog, vyieia, löyyq 5d und etwa noch daraus ableiten, dass eine bekannte Anekdote 2a dem Diogenes und nicht, wie sonst, dem Stoiker Zenon (apophth. 12) gegeben wird. Jedoch die Geschichte dieser Anekdote ist zu unbekannt, um einen Schluss daraus ziehen zu dürfen J), und Chrysippos sowie andere Stoiker erzählen von Diogenes öfter ähnliche derbe Aussprüche2). Jenes Urteil über die ps<fcc aber kann, wie schon Gercke3) bemerkte, mit gleichem Hechte als stoisch angesprochen werden4), und zwar als altstoisch im Gegensatz zu Panaitios und Poseidonios, welche yoqr\yia (= nlovrog), töxvg und vyisia zu den Gütern rechneten5). Andererseits wird man vom kynischen Standpunkte aus die Verurteilung jener so- genannten Güter ziemlich matt finden, was ebenfalls dem Charakter der Chrysippeischen Parainese entspricht6).

Kynisch ist gewiss auch der Preis der Mühe {riovoq 2 d f). Aber der mitten hineingestellte Satz akla to rtaqa (f>v<Siv tw jiovco tov xarcc ipvöiv sysvsro xqcTttop (2d)

*) Einen ähnlichen Gedanken sprach neben Zenon auch Kleanthes aus (fr. 110 Pears.). Zenon (apophth. 55) wird auch 10 d nicht er- wähnt, obwohl dort ein geeigneter Platz war.

2) S. Exkurs 1.

3) Rhein. Mus. 41, 471.

4) D. L. VII 102; vgl. Cebet. tabul. c. 36 ff. (stoisch).

5) S. S. 122, 2.

6) Chr. Stoic. rep. 1034 b.

257

stimmt in seiner etwas unbestimmten Haltung besser mit der orthodoxen stoischen Lehre 1). 9 b c gibt Ps.-Plutarchos dann auch deutlich seine Ansicht über den relativen Wert des 7TQVOQ zu erkennen2).

Gegen den Verdacht des Kynismus nun ist Ps.-Plutarchos durch seine Beziehungen zu Piaton und Aristoteles geschützt. Bezeichnend ist hier seine Stellung zu den syxvxhia Tiaidev^ara. Er sagt 7 c, der Knabe solle sich auch mit den sogenannten enkyklischen Bildungs mittein befassen, aber nur wie im Vorübergehen, gleichsam um einen Geschmack zu bekommen, die Hauptrolle solle die Philosophie spielen; denn bei allen enkyklischen Fächern sei das Vollendete eine Unmöglichkeit. Das ist nicht ganz so kynisch wie noch der Satz der Zenonischen Politik und des Ariston, diese Fächer seien zum Glücke wertlos. Eine der Differenzen zwischen Zenon und Chrysippos, welche Diogenes Laertios meint 3), bestand wohl darin, dass Chrysippos im Anschlüsse an Aristoteles4) erklärte, sie seien wohl brauchbar5); es würde aber seiner ganzen Philosophie widersprechen, wollte er denselben neben der Philosophie mehr als untergeordneten Wert zumessen6).

') S. S. 112. Zen. Cic. Tusc. II 12, 29. Aber auch fr. 201

Pears.

2j Echt Chrysippeisch sind hier die Gegen satzpaare : 9 c tygrjyoqaig v7Tvoc, ciöltuog tlqryri, %tifiojv evdla, ivsQyol ngd^ti? eoQzai ; auch der Hinweis auf das Leblose, das Bild von Lyra und Bogen, dvtoig : die Feststellung von ov (xu sz q o i und von xntgßdXXovzt? nbvoi (9 b).

) D. L. VII 179.

4) D. L. V 31 tv%QT\oza dt xal zd iyxvxXia fta^fiaza ngi? aQezrjg cväl.rixpiv.

5) D. L. VII 129 tx-y^Tjaztiv dt xal zd iyxixXia fiaftrifiaza.

''; S. ausser Hirzel, Unters, zu Ciceros philos. Schriften II 523, 1 noch E. Norden, Beitr. z. Gesch. d. griech Philos. 19. Suppl.-Bd. zu Fleckeis. Jahrb. 1893 S- 418, 1.

Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 1?

258

Es ist demnach nicht notwendig, bei Ps.-Plutarchos zu dem Auskunftsmittel des Synkretismus zu greifen '), sondern es lässt sich dem Autor oder seiner Vorlage eine ganz bestimmte philosophische Richtung zuerkennen, nämlich die der alten Stoa, welche zwischen Aristoteles und Kynismus die Mitte hielt.

Ehe wir uns freilich zu dieser Annahme vollständig ver- stehen können, müssen Beweise für den speziell stoischen Gehalt der Schrift beigebracht sein. Unsere weitere Auf- gabe ist es, zuerst nach solchen zu suchen.

Der stoischen Schicksalslehre könnte 13 c rrj Tvyr[ \khv sXsv&sqoi, rfj TTQoaiQstei de dovloi entnommen sein2). Die Lehre von der rtqovoia ist mit echt stoischer Logik und stoischer Ausdrucksweise verwertet: 3c acxpbv Ö'ccqcc xal i\ nqovoia. dujovg evs&yxs rate yvvai%\ Tovg fiaörovg, Iva, xäv st didv^ia tsxoisp, Sittccq e%oisv rag rijg TQO(prjg TMjydg. Man glaubt, den Stoiker des zweiten Buches der Ciceronischen Schrift de natura deorum zu hören, in welchem nicht wenig Chrysippeisches Gut erhalten ist; vor allem ist die Bemerkung hervorzuheben, dass die vor- sorgende Natur denjenigen Tieren, welche viele Junge hervorbringen, wie Schweinen, Hunden, eine grosse Menge Zitzen gegeben, während diejenigen nur wenige haben, welche wenige gebären (II 51, 128).

Wenn wir 3 d und 2 f an die Tierwelt verwiesen werden, so entspricht das ganz der Weise der Stoiker3). 6 b t6 ydq TtoXXotg äqsüxsiv roTg GoyoTg sütiv dnaqsaxstv lässt sich mit Aussprüchen des Zenon (fr. 202) und Kle- anthes (fr. 100. 101. 107) in eine Linie stellen, welche

x) Dies thut L. Grasberger, Erziehung und Unterricht a. a. 0. ") Vgl. D. L. VII 8, wo in cpvoei nqocuQtosoi (Cobet TtQoaiQsasi) der nämliche Gedanke verborgen ist. 3) S. S. 119, 4. Exkurs 6, 2.

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das Urteil der Menge verächtlich machen; Wyttenbach (z. St.) hat zwei entsprechende Äusserungen des Chrysippos beigebracht (D. L. VII 182. Stob. flor. 45, 29); vgl. auch fr. 137, 6 Gercke.

Der Gedanke 7d: ttsqi fiev ydq tt\v tov GwixaTog in vfisksi av dirrdc evqov smarij^ag ol dvfrqwnoi tt)v locTQixTj V xccl tt\v yv^va6Tt,xrj v, wv r\ \A<ev Ttjv vyieiav, r/ de T7\V sve^iav svTiti-i\<$i. t&v de Ttjg ipvxy? ccqqm Gt rffid tm v xou Tiad-cbv r) (fiXoöotfia fiovfj <pd q txaxo v sötv ist, soweit er die Heilkünste angeht, in den weitschweifigen Erörterungen des Chrysippos Gal. S. 437 438 K. ausgesprochen ]) ; ich betone hier nur die Begriffe dgofodT^ficcra, eve^ia und den Umstand, dass jene Partie in der Schrift rteql rtad-wv stand2).

Der 7 d e anschliessende Satz, durch die Philosophie und mit ihr lasse sich erkennen, t'i to xaXbv 3) t'i to od- g%q6vx)j tI to dixotiov t'i to ddixov, t'i to GvXXrjßdfjp alqsTOV t'ito (fsvxTOV. ncog &sotc nwgyovsvCi jimq nqsGßvTsqoig Ticog vopoig 7i(hg alhoTQioig ncog dqypvGi noag cpikoig Ttcog yvvai%\ 7ra>c Tsxvoig Tttag oixsTocig xqrjöTeov 8öti ; gibt die HauptbegrifFe der stoischen Güter- und Pflichtenlehre unverkennbar wieder. Verschiedene lasterhafte Handlungen, wie Schlem- merei, Verschwendung, Würfelspiel ut ä., werden 12 b und c als ddix^iaTa bezeichnet (vgl. 14b. 5 b), und 4f findet sich ein Ausfall gegen die (fiXaqyvqia und fjiiao- t ex via 5).

1) S. S. 161 ff.

2) Ps.-Piut. 7 ab liegen in ov /növov vyieivov, alla xal svexrtxov und ovx ävoaov fiövov, alla aal avQojoxov dieselben Termini zugrunde (wegen avooov vgl. voot} fiara. wegen bvqvjozov vgl. aggtuorrffiaxa). Betreffs des dort folgenden to phv yaQ docpaUg xte s. Gercke, Chrysippea S. 700, der mir jedoch nicht ganz richtig zu urteilen scheint.

3j Vgl. 13 c xaXa xai avfiyeQovxa. 13 d ovfiytqov. 4) Vgl. 9 a yialä aus%()ä.

«1 S. S. 164, 1.

17*

260

Die 7e aufgestellten Pflichten haben ihren Platz in der stoischen Pflichtenlehre ; man vergleiche z. B. Ps.-Phit. yovsag Tifiäv mit D. L. VII 108 yovstg rifjuap, Ps.-Plut. &€Ovg asßta&ai mit D. L. VII 119 tieoaeßstg ts uovg ünovdaiovg (s auch § 120), Ps.-Plut. (filovg ayanav mit D. L. VII 108 cv[jJi€Qi(p€Q€&oci (f 'tkoig. Die Forderung, gegen die Sklaven nicht übermütig (vgl. 11c. 13 e) und in den Vergnügungen nicht ausgelassen (sxhvrovg 7e. 8 a) zu sein1), die Gleich- achtung von Arm und Reich (13 a b) seien nur beiläufig erwähnt.

Bezeichnend ist die Stellung des Ps.-Plutarchos in der Frage der aQqsvo^ia. Wenn 11 d 12 a auch das Wort adid(foqov nicht gebraucht ist, so liegt doch der stoische Gedanke zugrunde2). Das hiebei beobachtete gewundene, zögernde Auftreten erinnert an die stets verklausulierende Weise des Chrysippos.

Dass der Mensch, obgleich er an Körperkraft manchen Tieren nachsteht, doch durch die Vernunft alle lebenden Wesen überragt (Ps.-Pl. 5 c), hat vor allem die Stoa gegen- über den anderen Schulen festgehalten 3).

Diese einzelnen Sätze und Gedanken, die sich als stoisch gefärbt zeigten, würden nur den Schluss ge- statten, dass Ps.-Plutarchos die stoische Ethik stark aus- nutzte. Er hat jedoch zweifellos eine besondere Schrift über Kinder er ziehung aus stoischen Kreisen vor sich gehabt. Denn seine Fassung des Erziehungszweckes

') Ps.-Plut. spricht sich gegen das Übermass in den ydoval auch 5 a. 6 b c. 12 c. aus vgl. 13 a. f. 14 a.

*) Vgl. D. L. VJ1 129 f. Sext. E. Pyrrh. III 200. Cleanth. ff. 109 uSiayoQov; tadelnd aber ist fr. 108, welches nach einem Apophthegma Zenons (apophth. 7) gebildet ist. Zen. D. L. VII 21. Athen. XIII 603 e und D. L. VII 13; dagegen D. L. VII 17.

*) S. besonders Guys. fr. 129, 50 Gercke. Wegen des Ausdrucks äv&QuniivT} (px'ais 5 e. 14 c s. S. 35. 39.

- 261

ist stoisch. Das Büchlein beginnt mit der Frage : Welche Erziehung müssen die Kinder gemessen, damit ihr Charakter gut (crrovdatoi) wird (la), und auf diese Frage wird weiter stets Rücksicht genommen : die Keime (2 b), die Kindermädchen (3 d), die Gespielen (3f), die Sklaven (4a)7 der Pädagog (4 b), die Erziehung überhaupt (5 c) soll gut (CTTOvdccXoc) sein ]). Mit Wärme betont Ps.-Plutarchos, die wahre Erziehung und Bildung führe zur Tugend und Glückseligkeit (evdaipovla 5 c), das Glück liege nur in der Tugend und Bildung (6a), die Gerechtigkeit sei über alles zu achten, und gegen dieselbe dürfe man nicht Verstössen (12 e). Das entspricht vorzüglich der stoischen Ansicht vom Ziele der Erziehung2). Zwar will auch Piaton gute Erziehungsorgane3), und Aristoteles verlangt, dass Staat, Kinder und Frauen anovdmoi seien 4). Jedoch mit der Konsequenz wie von Ps.-Plutarchos 5) ist der Gesichtspunkt von beiden nicht festgehalten. Besonders harmoniert es mit der Aristotelischen Definition der Tugend als einer fisGOT'Tjc besser, wenn dem Stagiriten die (faHpQOGvprj im Vordergrunde steht6). Es ist bedeutungsvoll, dass Theo- phrastos' Schrift ttsqI naideiaq den Nebentitel neqi GcocfQO-

*) Man vgl. z. B. Wachsmut Iis Index verb. zu Stob. ecl. s. v. onovÖaloQ. oTrovdacoi und D. L. VII 117 ff.

-) Vgl. den pseudozenonischen Brief D. L. VII 8 f., welcher als solches die rtltla tvöaiuovia und die telda avälrjyig xrtc, aQeirjs be- zeichnet, und die Vorschrift Zenons. welche als Zweck des Lebens das tl Cr;v angibt (apophth. 32). Ferner Chr. Piut. Arat. 1, 1. 1027 d: xls nartq alviaei, et ur ti d'aipoveg vloi \ wegen der Gerechtigkeit s. S. 226, 7. Bei Sokrates, Archytas und Piaton wird 10 e neben der sittlichen Tüch- tigkeit noch die iu^tvqio. angemerkt; vgl. S. 39, 5.

3) Rep. 467 d.

4) Pol. 1260 b, 17.

5j Das o<7)(pQov 6 c wird in echt stoischer Weise zu der rjdov?) in Beziehung gesetzt. Vgl. übrigens Plut. virt. mor. 447 c 6 oocpo g oojcpQbjv.

6) Pol. 1267 a, 10. Nach Hy per eides 4, 4 (56 a, 15) wollte die athenische Erziehung die Kinder zur oMcpQoavvrj heranbilden {avdQts ayaftoi).

262

cvvr\g führt, und dass in pädagogischen Fragmenten der peripatetisi er enden Neupythagoreer das Wort cio(pQ<t)v statt GTTOvdaloQ eintritt Ein Peripatetiker würde also wohl gefragt haben: Wie werden die Kinder zum massvollen Wesen herangezogen?

Neben onovdalog kommt dann auch das vorzugsweise stoischetfoyögzur Geltung (3c.6b. 7 f. lOce 13f. <ro(pia 10e)2).

Und nun stossen wir beim einzelnen wieder auf eine Stelle, welche zweifellos Chrysippeisch ist! Der Satz (3 d): aXXa rag ys tit&ccc xcci rag Tooffovg ov rag TV%ovGccg, aXX (hg evi ^idlidTa arcovöaiag doxifJbaGr sov 86ti besagt fast wörtlich3) dasselbe wie das, was Chrysippos bei Quintil. inst. or. I 1, 4 äussert. Dies sah schon Wyttenbach. Aber auch im folgenden entpuppt sich der Satz xa&änsQ yccq Ccpoayldeg roZg analoig svarco^KXT- Toviai xtjqoTc, ovTOog ai ^ad-rjasig ratg twv sti Ttaidioav \pv%aig

*) Bei Ps.-Archytas Stob. ecl. II 229, 27 W. sollen die naiBevxai odxpQoveg sein; vgl. atpQoavva ebd. 231, 11 W. Ps.-Theano (J. C. Orellir Collect, epist. Graec, Lipsiae 1815 I S. 55 ff.) will eine Erziehung zum ouxpQov. So auffallende Ähnlichkeit der Brief der Myia (bei Orelli I S. 63 f.) mit Ps.-Plutarchos verrät, so soll nach demselben doch die Amme oaxpQwv sein. Auch von Melissa (I S. 62) wird oojyqojv voran- gestellt. — Merkwürdig ist, dass in den stoisch angehauchten yapata n0.QayytX11a.Ta des Plutarchos gerade nur die Frauen als oojcpQoveg be- zeichnet werden (139b— d. 140 f. 144 f.).

2) Chr. Gal. 461 K. : Wenn die Kinder sittlich schön erzogen werden, werden sie mit der fortschreitenden Zeit weise Männer werden. Wenn 4 c. 10 c. daneben noch die xalonayadia erwähnt wird, so ist an Persaios zu erinnern.

3) Nebenbei bemerkt gebraucht Chr. ov tv%ojv gerne, wenn es auch nicht speziell stoisch ist, wie auch wg svi ; vgl. ws svt aoiara Chr. Gal. S. 437 K., ojg evi 2 mal Chr. Stoic. rep. 1049 a. Solche Verklausulie- rungen liebt Chr.: oaov x°V Gal. ebd. 380 K. av n xojXvy D. L. VII 121; aber auch schon Zenon fr. 170 Pears. nisi si quid impedierit. D. L. VE 20 el Swaröv.

263

svccTiOTVTiovvTai (3f) als stoisches Gut1). Diogenes Laertios (VII 50) sagt, nachdem er eine Ansicht des Chrysippos angeführt hat: voslrai de r) (pavjacia r) aizb v7iäq%0VT0Q xara to vnäoyov avano^e pay fisvr] xal sv- cc TT otstvtuio fi s v 7] xal § v a 7i c (p q ay IC^ISV 7] ; vgl. VII 46 TfJV yiVO[l€VT]V CCTtO VTKXQXOVTOg XaT aVTO TO vTragxov svcm-

sa(f)QayiG[j>spr]V xal ipaTio^s^ay^spjjv. Freilich wird mit Eücksicht darauf, dass Chrysippos das Zenonische Bild TVTuaciQ im Widerspruch gegen Kleanthes nicht im Sinne von einem Eindrucke (tvttoq) des Siegelringes ((HpQayiGTtjo) verstanden wissen wollte (D. L. VII 50), versucht, die Stelle dem Chrysippos zu entziehen 2).

Das geht aber meines Erachtens zu weit. Denn Chrysippos wendet sich nur gegen eine zu sinnliche Aus- legung des Wortes Timacig, den Gebrauch des Aus- drucks konnte er um so weniger verbieten wollen, als er denselben augenscheinlich selbst gebraucht hat. Im frag- lichen Satze aber ist die Hauptsache nicht der Gebrauch des Bildes, sondern der Gedanke, dass die (pavjaaia im Gegensatz zum (pävTocciia auf etwas wirklich Vorhandenes sich gründet. Zenon sagt nicht evanovvTiovG&aij sondern nur TV7iovG&ai . . . dno toov optoov xal vTiaQxovToaVj weshalb auch Sext. E. math. VII 373 tvttov- c&cci wohl mehr nach dem Vorgange Zenons gesagt ist» Man wird einsehen, dass das Dekompositum svcmoTVJzovö&ai

*) Dass das Bild des Qq>Qayiox^Q speziell stoisch ist, möge der Zu- sammenhalt mit einer kynischen Stelle erhärten-, Stob. flor. IV 200 f. Meineke : Jioyevrjg h'Xeyt xrjv tojv ■naidojv dyojyrjv iomevai xoig tojv v.t^a~ fieojv nkdofiaoiv. ojg yaQ txeivot anoXov /u-sv xbv nrjXbv ovta onojg &tXov- oi o%ri/u.ariCovoi xai pv&jutCovoi, bnxrjd'evxa S'ovxext Svvavxat nXdooeiv, ovrtü y.ai xovg tv vtöxTjxi ju,7j d'id tcovojv 'JiaiSayojyrj&evxag xeXeiovg yevo- fitvovg dfjLtxanläoxovg ylvta&ai. Derselbe Gedanke wie 3 e, aber ein anderes Bild!

2) A. Bonhöffer, Epiktet 1 S. 151 Anm. P earson fr. 11 gibt die Stelle Zenon. S. hingegen W endland, Arch. f. Gesch. d. Philos. 5, 254.

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der Chrysippeischen Auffassimg von einer innerlichen Veränderung in der Seele besser entspricht als das einfache TVTcovG&ai ). Dass aber auch Chrysippos die innerliche Veränderung als Abbild des Vorgestellten sich denkt, geht aus seinen Worten D. L. VII 54 ti\v xccTaXjjTTTix^v (pav- raaiav, tovtsüti tt\v dno i ttcc q%ovt og hervor, die sich als eine Beziehung auf das D. L. VII 50 Gesagte zu er- kennen geben. Ein ähnliches Verfahren, wie wir es hier dem Chrysippos zuschreiben, wandte er thatsächlich in der Schrift über die Leidenschaften an, wo er die Aus- drucksweise des Zenon durch Interpretation verbessert, dann aber doch an dessen Sprachgebrauch sich anlehnt. Wenn aber auch unser Satz voeiTai de xre auf Zenon und Kleanthes zurückginge, so hätte Chrysippos denselben doch in einer Schrift nachsprechen können, die vor die Schrift tvsqI ipv%fjg und also vor die korrigierende Interpretation des Bildes tvttcoök fiel; denn wir dürfen nie vergessen, dass wir die Chronologie der Chrysippeischen Schriften nicht kennen. Cicero gebraucht da, wo er eine Ansicht des Chrysippos wiedergibt (fr. 147, 12 Gercke), gerade die Ausdrücke „imprimet et signabit", welche sich mit den griechischen Ausdrücken decken. Um so mehr gilt unsere Erinnerung, da D. L. VII 50 zweifellos altstoisch ist, bezüglich der Schrift n. n. a. Aber auch wenn n. n. d. später als ttsqI xpvx^g verfasst worden wäre, könnte daraus nichts gegen Chrysippos gefolgert werden, da n, rr. a. eine parainetische und nicht eine psychologische Schrift

x) Schon Kleanthes fr. 4 sagt evaitoy^d^erai. Dekomposita mit svano- sind der Stoa geläufig: Zen. fr. 56, 33 svanolelsiy&at. Chrys. fr. 12 Gercke avanoleicp'd'tioav. Stoic. rep. 1045 a Iva.Tiod'vrjoxovTa. Philori lud. opif. mundi evaiiolalTieod'cu, avanofiäxxao&ai, dagegen ivocpQa- ytKeo&ai- s. Cohn im Index S. 93. Quod deus sit immut. I 9, 279 Mang, avanofidl-axo, Clem. Alex. Paed. I 3. S. 257 b Mign. ivaitonaaQvfi- fikvrjv. 'EvanoxeTod-cu ist auch Epikureisch D. L. X 33.

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ist; parainetische Schriften sind aber nie so streng wie die rein dogmatischen !).

Es kann demnach ruhig angenommen werden7 dass die ganze Stelle dXlä tccq ys tIt&ccc bis xccl ^oi doxel (excl.) 3d f irgendwie auf Cbrysippos zurückgeht; denn die Sätze hängen inhaltlich aufs engste zusammen 2). Gerade aber der Zusammenhang entspricht sehr gut der mate- rialistischen Erkenntnistheorie der Stoa. Sollte der zu Erziehende möglichst weise werden, so mussten sogleich von der Geburt an die ersten Eindrücke auf die Kindes- seele von möglichst weisen Personen ausgehen 3). Das war ohne Zweifel auch der Grund, weshalb Chrysippos keine Zeit von der Sorge (cura = smyslsia Ps.-Plut. 3 c) für die Erziehung frei wissen wollte (Quintil inst. or. I 1, 16). Jene Forderung ist in dieser Weise gefasst charak- teristisch genug; in einem modernen Erziehungsbuche würden wir sie für überspannt erklären.

Die eben und die früher besprochene Ubereinstimmung zwischen Ps.-Plutarchos und Quintiiianus erweckt die Hoff- nung, dass sich zwischen beiden noch weitere Berührungs- punkte finden möchten, welche dann auf eine gemeinsame Quelle Schlüsse erlaubten. Denn dass beide unabhängig von einander sind, unterliegt keinem Zweifel.

Es ist ja höchst einleuchtend, dass Quintiiianus, welcher den Chrysippos öfter im Abschnitte über die Erziehung und

v) S. z. ß. Chrys. Stoic. rep. 1034 b.

2) Die Folge von yaQ, yäp, yäg hätte wohl bei einem Schriftsteller v'ie Plutarchos, keineswegs aber bei einem so schlechten Stilisten wie Ohr. etwas Auffallendes; vgl. Chrys. fr. 129, 42 f. Gercke. Galen. S.438 K. Stoic. rep. 1039 de.

3j Hier galt Zenons Satz: „Kurz ist das Leben u. s.w." (S. 200, 4). Den Sinn, dass man von früher Jugend an nach "Weisheit streben solle, hatte auch der später als Widerspruch gedeutete Satz Chr. Stoic. rep. 1046 c d. Auf das sittlich Schöne sind wir ja sofort von der Geburt an eingerichtet (Chr. Gal. 461 K.).

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augenscheinlich mit grosser Achtung nennt (bes. I 3, 14 quamlibet receptum sit et Chrysippus non improbet) und die Erziehungslehre Piatons fast vollständig übergeht !), den ersteren nicht bloss da benutzte, wo er dessen Namen angibt. Ist doch die ganze Forderung, dass der gute Redner auch ein guter Mann (O7iovdalog) sein müsse, eine hervorragend stoische. Diogenes von Babylon wird (I 1, 9) direkt zitiert; die Anekdote von Krates (I 9, 5) gemahnt an stoische Gewohnheit 2). Die Aufstellung von drei Tugenden der Rede (I 5, 1) 3) und die Besprechung von Barbarismus und Solöcismus (I 5, 5) 4) ist nicht ohne stoische Anregung. Insbesondere ist aber der Erziehungs- gang bei Quintiiianus durchaus nicht der nationalrömische 5).

Sollten sich daher Gleichheiten zwischen Ps.-Plutarchos und Quintiiianus zeigen, so ist höchst wahrscheinlich, dass

*) "Was er über Piatons Chironomie und Betonung der Musik weiss, kann ihm aus Chr. bekannt sein; auch Sokrates ist miterwähnt.

2) Dieselbe Anekdote, etwas anders gefasst, wird von Biogenes in dem Plutarchischen Aufsatze mit dem (auch stoischen) Titel c'On didaxrbv % ageTT] erzählt (mor. 439 d).

3) D. L. VII 59. Der oayyvsia entspricht die dilucida, der xara- axevr die ornata, dem *ElXr)vio[xös die emendata oratio; das apte dem 11Q87COV. Die awrofiia kommt an anderer Stelle (IV 2, 42) zu ihrem Rechte. Auch die Gegenüberstellung (contraria == ivavtla) von eben- sovielen Lastern ist stoisch.

4) Chr. Stoic. rep. 1047 a b. Auch Zenon hielt nichts von feiner gedrechselter Rede (fr. 30, wozu U. Köhler, Rhein. Mus. 1884. 39, 299 zu vergleichen ist; s. auch D. L. VII 20).

5) Tac. dial. 29 at nunc natus infans delegatur Graeculae alicui ancillae ; vgl. German. 20 nec ancillis aut nutricibus delegantur. Dieser Gemeinplatz über die Verwendung von schlechten Erziehungsorganen lässt sich zuerst bei Hieronymos (Hieronymi Rhodii Peripatetici fragm. 16 Hiller S. 103 der Satura philol. Sauppio oblata) nachweisen. Da letztere Stelle im Anfange {§evqo Srj xze s. Wyttenbach) und im Ein- zelnen (rot (proiL ti/Ltiairara roig evts^eorärois didovT8s: eine Anekdote von Perikles) mit Ps.-Plut. zusammengeht, so kann angenommen werden, dass Chr. den Hieron v mos benutzte.

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die gemeinsame (direkt oder indirekt benutzte) Vorlage eine stoische war.

Jene Voraussetzung erfüllt sich in der That. Man halte neben einander:

Quint. I 1, 22 (vgl. I 1, 37) et ut corpora ad quosdam membrorum flexus for- mari nisi tenera non pos- sunt, sie animos quoque ad pleraque duriores robur ipsum facit.

Ps.-Plut. 3e

ü)G7T€Q yCCQ TCC [JbsÄr] TOV (SM^iaTOQ €V&Vg CCTIO y£V€<58WQ

7i XcLTT eiv tcov T€XPCov avay- xalov sGtiv, Iva tocvt ög&ä xai düTQaßrj (pvjjrai, röv avrov

TQOTTOV T<* T**>V

rixvcov rjd-7i(>v&nit,eiv ttqoGtjxsi. evirlaarov yaq xai vyqov r\ veoTfjg xai raTg tovtwv ipv%a%g arraXatg tri [la&rj fjuara svrrj- xsrai. jzav de to (fxXfjqöv XaksTicog fiafoxTTsrcu.

Ps.-Plut. 3f hat inzwischen auch Gudeman mit Quintil. inst. or. I 1, 4 und Tacit. dial. c. 29 zusammen- gestellt1); ich hebe den Satz, dass durch schlechte Er-

') Auch von den Ammen hatte Ps.-Plut. verlangt, sie sollten a) gut, b) hellenisch sein (3 e). Hier ist wohl nach 4 a zu lesen: al% ojg evi fidhiara onovdaiag doxifiaoztov hart hqojtov (jlev roig y&eoiv, <^ ixt Öyy lEllr)vl8ag, da roig r)>dsotv 'Ell^vlSas keinen guten Sinn gibt und dem nowtov /uev nichts entspricht ; nach E2IN konnte ETI/1 leicht aus- fallen. — Die Forderung des Hellenismus steht mit dem Kosmopolitis- mus der Stoa nicht in Widerspruch, am wenigsten hinsichtlich der Sprache. Vgl. D. L. VII 56 SiäXexxog Xe1*ig yie%aQay {itvT) id'vmöjg xe xai yElXrpw5k. 59 steht an der Spitze der fünf Tugenden der Rede der K/./.^viotiog = (pQaoig äSidnxürcog iv xf> xe%viytf aal turj emaia ovvTjd'sia. S. auchSext. E. gramm. 175 ff. (S. 640 f. Bekk.), wo deutlich auf die Stoiker Rücksicht genommen wird. Daher beginnt wohl auch Quintiiianus mit der griechischen Sprache (1 1, 12). Galenos (S. 218 K ) meint sogar, Chr. halte die Barbaren für vernunftloser als die Hellenen. Zenon negl rrg 'EIXt/vixt/c Tiaideiag.

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Zählungen die Kinderseelen gleich von Anfang an mit Unverstand (avoia) and Verderbnis (diay&OQa) angefüllt würden, als auch Chrysippeisch gedacht aus und verweise be- züglich des Gedankens : ethaecipsamagis pertinaciter haerent quo deteriora sunt, nain bona facile mutantur in peius: num quando in bonuin verteris vitia? auf Varro de educ. fr. 3 Riese : mala enim consuetudo diu inroborata est inex- tinguibilis 1).

Ps.-Plut. 3 f. 4 a xai ra naidia tcc ^sklorra toXq fqo(fi^oig vnr\QST8iv xai Tovjoig GvvTQO(pa yiyvsG&ai

£rjTTjT£Oi> TTQMTlGTCC flSV Ü7TOV-

dala tovc tqottovc, eri (jsvtoi EXk^vixa xai neqiTQava Xakeiv, Iva [ifj gvvccvcc%q covvv p e voi ßaqßaqoig xai to rj&og [tox^7]- QOtg aTro(f€Qwi>Tal fi rrjc sxei- voov (favkoTfjTog.

Ps.-Plut. 4 a snsidäv Toivvv r\Xix'iav Xdßcoöiv V7t6 rraidaycoyotg Tsräx&ai, hnav&a drj tcoXXtjp srti^s- Xeiav exTsov söri Trj g toptcop xara Gra Gs o) g.

Ps.-Plut. 4b to de rtävjMV psyiöTOV xai xvQiwraTOP toov siqriiisvodv €QXO[jai (pgaGco)'. didaGxdkovg

Quintil. i 1, 8 de pueris, inter quos educa- bitur ille . . ., idem quod de nutricibus dictum sit.

Varro fr. 29 et ut in grege opilio oves minus idoneas removere solet, quasreiculas appellant: saepe enim unus puer petulans atque impurus inquinat gregem puerorum.

Quintil. I 1, 8 de paedagogis hoc amplius, ut aut sint eruditi plene, quam primam esse cur am velim, aut se non esse eru- ditos sciant2).

Quintil. I 1, 11 si tarnen non continget quales maxime velim nutrices, pue- ros? paedagogos habere, at

!) Vgl. Senec. ira IV 20, 2; 18, 2, wo ein Stück stoischer Er- ziehungslehre vorliegt.

2) Hier scheint mir Gudeman nicht recht verglichen zu haben.

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ydg ^jjTifrsov Tolg rsxvoig, oi xai rotg ßioig eiciv ddiäßXfjroi xai zolg TQOTTOig dveTciXrfiTOi xai ratg 8^7T€iqiaig aqiCroi. Tcrjyfj ydg xal (S/J« xaXoxaya&iag t6 vofiipov TV%£tv Tiaidsiag.

unus certe sit adsiduus lo- quendi non imperitus, qui si qua erunt ab iis praesente alumno dicta vitiose, corriget protinus nee insidere illi sinat. Vgl. I 2, 5 et prae- ceptorem eligere sanctissi- mum quemque, cuius rei | praecipua prudentibus I cura est.

Ps.-Plutarchos 9 c hat auch Gudeman mit Qumtil. I 3, 8 teilweise wörtlich zusammenstimmend gefunden (so schon Wyttenbach). Ebenso berührt sich der Satz: atque ea quoque quae sensu et anima carent (— ävala&qra xal äipvxa), ut servare (tijqcZv) vim (avaradig?) suam possint, velut quiete alterna retenduntur sehr nahe mit dem, was Ps.-Plutarchos über die äipvxa, mit der Begründung xai ydg tcc ro^a xai rag Xvgag äpisfjiev, iv snustvai dvi'q&wfjsv, sagt und gleicherweise mit der stoischen Naturphilosophie und Tonoslehre l). Die ganze Stelle bei Ps.-Plutarchos ähnelt ausserordentlich der Stelle, welche bereits Wyttenbach aus Senec. tranquill, an. 17,5 (Gertz) (danda est remissio animis) angezogen hat (vgl. epist. 3,6).

Ausserdem vergleicht Gudeman noch Ps.-Plut. 2 c el Ss rig oi'srai dianagrdvuw mit Quintil. I 1, 2 f praestat nihil consecutus ; Ps.-Plut. 4 c vvv vig iyy^iqiQovGi rovg nalöag mit Quintil. I 1, 6 in op- taverim. Ps -Plut. 9 d e ridvrwv dt ^idXiara Gvvs&iisw mit Quintil. I 1, 36 nam et maxime exercitatione.

*) S S. 59 f. 99. 165 f. 169, 6, Für Cleanth. avtoig fr. 48, 29, für Chr. Apelt, Beitr. S. 331. Plut. cons. ad. Apoll. 102b. Ich glaube daher nicht, dass die stoische Forderung der aveaig erst dem eisten vorchristlichen Jahrhundert angehört, wie v. Arnim, Quellenuntors, z. Philo S. 130, annimmt.

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Wenn derselbe schon den einfachen Vergleich von Ps.- Plut. 8 f xdxstvo (prtfjbi, wysfofJWTSQOi toiq slevd-s- qok mit Quintil. I 3, 14 caedi vero pudor frangit animum als beweiskräftig für Chrysippos ansieht so ist das, wie wir unten sehen werden, voreilig. Es ist daher womöglich jedesmal zu zeigen, ob sich eine Ansicht mit der stoischen Theorie verträgt oder nicht.

So ist die Begründung und nähere Erläuterung zu dem Verlangen nach fleissiger Übung des Gedächtnisses (9 d f) stoisch. Der Satz ccvtjj (sc. i\ fjip^fjifj) yccq coctesq rrjg naidsiaq iarl TccfAisto)' übersetzt nur einen erkenntnistheoreti- schen Satz Zenons, den sich später auch Locke aneignete, ins Pädagogische : das Gedächtnis ist das Schatzhaus der Vorstellungen (fr. 14 Pears.). Wie Ps.-Plutarchos denNamen der MvrjfjoüvvTi als der Mutter der Musen etymologisierend verwertet, ebenso operierte Chrysippos mit den Namen der Chariten, insbesondere der Eurynome (von evqv und vs^siv), der Mutter der Chariten2). Die Annahme, der Vergess-

*) In diesem Sinne hält Gudeman auch folgende Stellea zusammen: Ps.-Plut. 3 c Sei Ss . . . . avxag xag fiTjxsQag - f^ioxtov q>i\ovoai mit Tac. dial. 28 nam pridem suus cuique filius inservire liberis. Ps.-Plut. 3 d [tälioza /uev ovv doxipaoxeov ioxl mitTacit. dial. 28 aut eligebatur suboles committeretur. Ps.-Plut. 4 a htü vvv ye xb yivcfxtvov vnoßallovai xoig veovg mit Tacit. dial. 29 at nunc natus infans adcommodatus. Ps.- Plut. 3 e tvizXaoxov yaQ xal vyQov [ivd'ovg xoig naidioig leysiv mit Tac. dial. 29 horum fabulis dicat aut faciat (Qnintil. I 1, 5. 11). Ps.- Plut. 9 f. xal fievxoL xal xrjg ala%Qokoyiag a^io/^iarjxa mit Tacit. dial. 28 coram qua neque dicere impudentia inrepit (Quintil. I 2, 6 ff.). Ps.-Plut. 2 a ojg dg xtjv TravxsXij ajupoiv axeleg mit Tacit. dial. 33 neque enim solum arte exercitatione separat. Ps.-Plut. 7 a opt- xqoloyiav evQojoxov elvai Set mit Tacit. dial. 23 adeo maesti sanitas laudatur. Ps. Plut. 7 b xb /usv yaQ docpalhg-^avfjidtsxai mit Tacit. dial. 37 ut secura v. p. ext. Ich verdanke die Mitteilung über Gudemans Ausführungen der grossen Güte Herrn Dr. 0. Weymans.

2) S. Senec. benef. I 3, 8 und oben S. 236, 4. Vgl. Chr. Plut. quaest. conv. IX 14. 1, 4 Euterpe von imxsQith.

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liehe könne den Mangel der Natur ausfüllen, beruht auf der oben l) besprochenen Chrysippeischen Ansicht. Auf die stoische Definition der [iv^fAfj, die Plut. soll. an. 961 c erhalten ist, mit ihrer Unterscheidung von Gegenwart und Vergangenheit und auf die stoische Tugend svßovlia nimmt der letzte Satz Bezug: r\ yaq twv y ey svrmevoav nqa^siav fjvjj^fj TT} c neql twv psllov t oav svßovllag ylyvsrai naqaöaiy^a (9 f).

Die bei Ps.-Plutarchos 3 c betonte Pflicht der Mutter, welche aus der S. 258 erörterten stoischen Lehre ge- folgert wird, hat auch Musonios aufgestellt. Man vgl. Ps.-Plut. öel de . . . avzccc rag (jtjtsqccc tcc rsxva rqs(f€iv xai tovtoiq rovg iiaarovq vnsxsiv mit Muson. (Stob. ecl. II 246,8): yvvalxa oiav ä fjei> av rexy rgscpsiv {jccGto) tco SavTjjc. Der Satz avfmad^sareqov rs yaq &gsipov(fi erinnert an die stoische Lehre von der avfjTrdd-sia und die Methode, einen päda- gogischen Vorschlag noch durch die Hervorhebung der guten ethischen Folgen zu empfehlen, wie dies hier 3 c und 3d (xMQk de tovtüjv evvovGTsqai toXq tsxvoiq yiyvon' äv xai (f UrjTixooTSQai) geschieht, an die Weise, wie Zenon und Chrysippos D. L. VII 131 die Frauengemeinschaft an- preisen.

Endlich scheint mir eine Stelle der Chrysippeischen Schrift über Kindererziehung jene Verfügung über das primäre Selbststillen der Mutter vorauszusetzen. Quintil. I 10, 32 sagt: et Chrysippus etiam nutricum illi, quae adhibetur infantibus allactationi 2), suum quoddam Carmen

') S. 252.

*) Die Lesung quae adhibetur infantibus hat wegen des partitiven Genitivs zu illi keine Berechtigung, es werden ja alle nutriees für die Kinder herangezogen. Der dreifache Dativ illi. infantibus, allectationi ist unwahrscheinlich, und Bonnells Lexikon kennt adhibere mit doppeltem Dativ nicht. Es wird zu ändern sein : infantium allactationi. Adhibere ist technischer Ausdruck beim Stillen: Gell. noct. Att. XII 1, 5 adhibeu-

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adsignat. Ich behalte hier die handschriftliche Lesart allactationi bei, da bei der Änderung allectationi ein guter Sinn nicht erzielt wird !) und eine Verlesung des geläufigeren allectationi in das seltene allactationi nicht wahrscheinlich ist. Marcellus Empirikus (c. 8, 136 S. 83,8 Helmreich ex lacte mulieris, quae puerum allactat) gebraucht allactare für „nebenherstillen". Unter der Amme, welche „neben- herstillt", kann nur eine solche verstanden werden, welche neben der Mutter stillt. Wie Platon den Müttern (Leg. 790 d), so hatte Chrysippos der im Notfalle sie vertretenden Stillamme ein Wiegenlied zugestanden. Chrysippos hat demnach das Stillen durch Ammen nur in zweiter Linie zugelassen; in erster Linie (Trqorjyov^svoDQ) muss er diese Pflicht den Müttern zugeschoben haben. Eecht klar wird aber jene Stelle bei Quintilianus erst durch Ps.-Plutarchos. Dieser spricht 3 c d von tIt&cci und TQO<poi, tit&svsiv und TQ€(p€iv, die römischen Schriftsteller aber nur von nutrices. Die Römer konnten wohl beide Begriffe nicht wiedergeben und gebrauchten nutrix gemeinsam; sollte nun unterschieden werden, so mussten sie zu Umschreibungen greifen, wie dies Varro, Quintilianus und Gellius thun. Platon, der eben- falls (Rep. 460 d 373 c) jir&ai und rgocpoi neben einander verwendet, hat, wie Rep. 373 c Tvocidayaywv, tit&wp, TQoycov, xo$i(Ji(0TQia)V, xovqscöv xai av oxpQTiQio&v ts xai fiay€iQ(op lehrt, für jeden der beiden Begriffe eine besondere Funktion gedacht, so gut wie für die xopfiwTQicu. Wenn er in den

dasque puero nutrices sc. nutriendi lacte suo causa. XII 1, 17 praesertim si ista, quam ad praebendum lactem adhibetis. Durch die Favorinstelle bei Gellius wird unsere Deutung der Chrysippstelle gestützt.

l) Was soll das heissen : „diejenige unter den Ammen, welche zur Anlockung für die Kinder herangezogen wird''? Die von Halm ange- führte Columellastelle beweist nichts; denn allectare heisst dort eben auch „anlocken", ist durch ut lubentius aquam bibant ergänzt und durch sibilo erläutert.

273 -

„Gesetzen" nur von TQoyoi spricht, so ist iqoyoQ der um- fassendere Ausdruck, und da die TQO(f6g noch bis zum sechsten Jahre thätig ist, so muss das Amt der rfa&tj früher fallen. Kurz die tit&t] ist auch die Etymologie sagt es die Stillamme (vgl. Ps.-Plut. 9 a), und jene von Quintiiianus wie von Varro fr. 8 j) gemeinte nutrix ist eben die TiT&Tj.

Auch abgesehen von jenen Ubereinstimmungen mi* Quintiiianus enthält die pseudoplutarchische Schrift manchen pädagogischen Gedanken, der an die stoische Pädagogik entweder anklingt oder sich leicht mit derselben in Ein- klang bringen lässt. So verkennt Ps.-Plutarchos nicht die Macht des Beispiels. Er meint, die Väter sollen in keiner Beziehung sich verfehlen (dfiaQrapsiv), damit sie ihren Söhnen ein deutliches (svagyeg) Beispiel geben und diese so von sittlich hässlichen (cciGxqoov) Werken und Worten abgemahnt werden (aTrorgsTTcovrai2) 14 a). Der gleiche Gedanke liegt einer mündlichen Äusserung Zenons unter; als er gefragt wurde, wie es ein Jüngling an- stellen müsse, um möglichst wenig zu fehlen (ä[ia(>iavoi), erwiderte er : Wenn er d i e vor Augen hat, welche er am meisten verehrt und scheut (apophth. 42) 3). Antigonos wusste sich mit der Ansicht der Stoiker einig, wenn er die Athener beredete (D. L. VII 15), folgendes in die Ehren- inschrift für Zenon aufzunehmen: Zenon habe die jungen

*) Eara nutricem oportet esse adulescentem : anuis enim ut sanguis deterior, sie lac. Lac enim, ut quidam dicunt physici, sanguis spuma. Vgl. Galen, de usu partium corp, human. IV S. 322 K. yevtoie /u-sv yaq «| aipazog ioxiv axgcßaig nt'Jiefifiivov aal yäXanxi xai oTtiQ/uati.

2J Vgl. das stoische anoTQonaL

3) Hier scheint statt e'xoi gelesen werden zu müssen: t'xH Der Isokratische Gedanke ist, in seiner Manier (s. apophth. 1. 3—7) persönlich gewendet, von Kleanthes (apophth. 19), dann von Epiktetos (Dönhoff er II 113 Anm.) und Plutarchos wiederholt worden. Seneca gibt eine ähnliche Äusserung lieber dem Epikuros (ep. 25, 5. 11, 8). Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 18

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Leute, die sich an ihn anschlössen, zur Tugend und Mässigung angehalten und zum Besten angeleitet, indem er als Beispiel sein eigenes Leben vor aller Augen stellte, das mit seinen Worten und Lehren übereiastiminte (D. L. VII 10) 3). Besonders charakteristisch ist Zenons Wort, er sehe lieber einen gebrateuen Indier, als dass er alle Beweise für die Mühe auswendig lerne (fr. 187). In Er- kenntnis der Macht des Beispiels hat Zenon offenbar nicht nur das Ideal des Weisen konstruiert, sondern auch neben diese blutlose Gestalt nach sophistischem und kynischem Vorgange2) historische Beispiele gestellt3). Was Plutarchos4) von den Philosophen überhaupt sagt, dass sie sich geschichtlicher Beispiele zum Zwecke der Auf- munterung und Erziehung bedienen, gilt vor allem von den Stoikern.

Und wenn auch vom stoischen Standpunkte aus etwas übertrieben, so doch in einer parainetischen Schrift keines- Avegs unstoisch ist der Satz 2c: ravra narret (sc. <pvüig, fja&rjöig, d^x^ig) . . . (Svr^Xd-s xal GvrsnrsvGsr elg rag ru>r rcaq änaöir qdofjbsrcor \pv%ag, üv&ayoQOV xal JZcoxQarovg xal nXdrcorog xal rcor böoi do^fjg dsifirrjarov5) TsrvxyxaGw.

x) Auch D. L. VE[ 7 meint Antigonos, wer den Herrscher zum tugendhaften Leben erziehe, bereite auch die Unterthanen dazu vor ; wie der Führer, so die Untergebenen.

») Über Herakles s. Zeller n 1 3 S. 261. D. L. VI 80. Noch Julianus der Apostat schrieb tiqos tov 'Hgaxlia. Kvvmov. Üdysseus er- scheint im Katalog bei Antisthenes dreimal. Über beide E. Norden, Fleckeisens Jahrb. 1893. 19 Suppl. 393 ff. Der ältere Kyros im Katalog bei Antisthenes zweimal (über Kvqios jedoch No rden a. a. 0.) Vgl. Cic. rep. I 27, 43 Cyrus iile Perses iustissimus sapientissimusque rex. Im übrigen s. Hirzel, Unters. H S. 273 ff.

3) Er lässt den Herakles nach dem Weltbrand wieder als Kämpfer auftreten und den Sokrates wieder von Anytos und Meietos verklagt werden (fr. 55). Auch den Piaton stellt er sehr hoch (Cic. fin. IV 20, 56).

4) Quom. adul. 20 b c.

5) Vgl. Eurip. Iph. Aul. 1531.

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€V Saipov (isp ovv xal &so(f iX eq st tü) ruvra nävra üswv rig ansdwxsv. Der Ausdruck GvvstivsvGev ist der stoischen Pneumalehre entnommen; svdai^v xal &eo<piXf]g ist nach stoischer Lehre der Weise !).

Auch auf Perikles. Archytas, Dion, Epameinondas, Demosthenes, Xenophon, Aischines, Kebes weist Ps- Plutarchos als auf nachahmenswerte Muster hin (8 b. 6d. 11 e; besonders 10 c e)2).

Aus den Bestimmungen über den ethischen Unter- richt3) greifen wir, nachdem einige derselben bereits früher besprochen wurden, noch Folgendes heraus.

Ps.-Plutarchos will bei der Jugend geselliges, freund- liches Wesen (10 a) und verpönt die Disputiersucht (10a b). Im allgemeinen rät er Beherrschung der Zunge an (10 b e). Hier lässt sich nun eine Reihe von Zenoni- schen Apophthegmen namhaft machen, welche jenen Grundsatz verfolgen (apophth. 12. 38. 47. 21). 13. 21, bes. 20. 24; s. auch Cleanth. apophth. 9). Als den Kleanthes jemand fragte, was er seinem Sohne ans Herz legen solle (vTioTi&ea&ai), erwiderte jener: Das Wort der Elektra dlyay (rtycc, Xsjitov i'xvoq (apophth. 14). Auch Zenon konnte wie Ps.-Plutarchos {arvqxaTOi' 10b) den rvipog nicht leiden, am wenigsten bei der Jugend (apophth. 40. D. L. VII 117). Wenn 10b Achtung des fremden Gutes als Regel auf- gestellt wird, so ist zu erinnern, dass Zenon die Strafe für den Diebstahl als schicksalsverhängt erklärte (a. 23).

<) S. S. 188.

*) Wegen des schlimmen Einflusses schlechter Beispiele Chr. Oal. 462 Quod an. mor. LV 816 ff. K.

3) Dass Chr. besonders diesen gewollt hatte, geht aus der Polemik des Rhetors Quintiiianus hervor: I 1, 4 et morum quidem in his haud dubie (!) prior ratio est (= Ttgorjyovpev a>o) : recte tarnen etiam loquantur. I 1, 17 cur autem non pertineat ad litteras aetas, quae ad mores iam pertinet? Vgl. II 3, 12.

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Das Gebot, die Wahrheit zureden (11c), bedarf keiner E rörterung.

Die Klugheitsregel, nicht voreilig Freundschaften ein- zugehen (üvvccXXäcGew 12 e), scheint auch Chrysippos ge- geben zu haben1).

Die Begründung für den Satz (12 f) ort sig novriqdv ipv%rjv dörstov Xoyov sfjtßdllstp ov nqoürjxsv konnte höchstens ein Stoiker mit seiner Ansicht vom äussersten Grade der xaxla so geben wie Ps.-Plutarchos: 6 fiev ydg Xoyog TQO(pij ötavoiag sCrl, rovrov ctxäq&arov tj TTOVfjgta notst rcov

Der Warnung vor den Schmeichlern (4d. 5b. 12 f 13 c) entspricht Zenons Rat (fr. 189):

Die süssen Reden fliehe Und hemm' der Schmeichler zügelloses Wort!

Im Kapitel 9 (6b 7 c) spricht sich Ps.-Plutarchos über den richtigen Betrieb des Unterrichts aus und wendet sich den Zeitumständen entsprechend vor allem gegen das Züchten gehaltlosen Geschwätzes, wie es in den Rhetoren- schulen geübt wurde. Wyttenbach (S. 19) beanstandet, dass Ps.-Plutarchos nur den Missbrauch der Rhetorik tadle, vom richtigen Betrieb derselben aber nichts sage. Das witzige Urteil, welches Cicero (fin. IV 3, 7) über die Rhetorik des Kleanthes und Chrysippos fällt, wenn einer verstummen wollte, dürfe er nichts anderes lesen, Hesse sich mit Fug auf jenen Passus unseres Büchleins über- tragen. Ciceros Wort ist aber dahin auszulegen, dass die Stoiker die Rhetorik, die sie als syxvxktov nccidevfjta nicht hoch werten konnten, eben von ethischen Gesichtspunkten aus beurteilten und behandelten. Fast sämtliche Frag-

*) Das ist aus Chr. Stoic. rep. 1039 b c zu folgern, und Ps.-Liban. ep. lat. I 5. S. 736 a Wolf („Besser ist es, keine Freunde zu erwerben als erworbene zu verlieren") mag immerhin für diese Nachricht eine gute Quelle gehabt haben.

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inente der Chrysippeischen Schrift ttsqI QfjTOQixijg1) zeigen den ethischen Charakter derselben an. Es wird gesagt, wie der Weise in seinen Reden sich bezüglich der Auf- fassung der (jbsüa Reichtum , Ehre und Gesundheit ver- halten solle (Stoic. rep. 1034b; daher de nobil. V 966 Wyttenb.). Auch dass hier die Thätigkeit des Rhetors mit der des Politikers zusammengenannt wird, deutet in diese Richtung (s. a. a. 0; vgl. Stoic. rep. 1033 b Alex, in top. 134,13 Wallies : Nur der Weise ist ein wirklicher Rhetor). Und wenn auch entsprechend seiner Definition der Rhetorik als der Kunst, die sich mit dem Schmuck und der Ordnung der gesprochenen Rede befasst, edler schlichter Schmuck der Rede, angemessener Vortrag mit geziemender Stimm- modulation und Gesichts- und Handhaltung2) anempfohlen wird, so ward doch erlaubt, den Hiatus, Undeutlichkeiten, Gedankensprünge (Ellipsen), sogar Solözismen 3) zuzulassen, wenn es sich um höhere Rücksichten handle (Stoic. rep. 1047ab).

Ethisch ist denn auch der betreffende Passus bei Ps.-Plutarchos gehalten. Ganz wie Chrysippos so gern thut, wird 6b c auf den Zusammenhang zwischen dem sittlich und dem ästhetisch Schönen (xakov) hingewiesen und das Schöne vor allem im Vermeiden der d^srqla, des Hinausgehens über die gehörige GVfifjSTQta, erblickt; neben- bei fällt ein Hieb gegen die Hedoniker. Will deshalb Ps.- Plutarchos keine TioXvÄoyicc, so will er (6e) andererseits doch auch nicht ganz (!) die Gewandtheit im Reden verwerfen. Freilich aus dem Stegreif soll erst der Mann

1) Da Stoic. rep. 1034 b nach h rat eine Buchzahl ausgefallen ist, muss dieselbe mehrere Bücher umfasst haben.

2) So schon Zenon fr. 174. 175 Pears. Dass Chr. in der Schrift n. n. d. auf die Rhetorik sich eingelassen hatte, geht aus der Erwähnung der xuqovo^la in derselben (QuintiL I 11. 17) hervor.

3) Vgl. Zenon fr. 30. 31.

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zu sprechen wagen, sonst wird [lajaboloyicc1) grossgezogen (6e 7 a). Aber wie das Theatralische und Ubertragödien- hafte, so soll auch die übergrosse Bescheidenheit ver- mieden werden; Kühnheit führt zur Schamlosigkeit, Mut- losigkeit zum Knechtsinn (7 ab)2).

Trotz des Strebens nach Einfachheit der Rede ist die Eintönigkeit derselben zu vermeiden; die Abwechselung er- freut auch hier (7bc). Auch Chrysippos gestattet den Gebrauch aller rhetorischen Waffen (Fronto rec. Naber S. 146, 18) 3), die aut Abwechselung abzielen, und wenn er den Epilog einteilig (novofieQtj) haben wollte (Anon. Seguer. Rhetor. Graec. I 454 Spengel), so geht doch daraus hervor, dass er im grossen auf Disposition sah, also wie Ps.-Plutarchos ein Gegner des (jloj oxcoIop ist.

Nach 8 b (vgl. Quint. I 1 36) soll die Erziehung auf den Besitz alter (klassischer) Schriften Bedacht nehmen und eine Sammlung derselben veranstalten. Chrysippos eifertgegen die schlechte Lektüre, welche die Werke des Theognis ver- drängte, und wie hoch der Vater der Gnomologien4) die alte Litteratur schätzte, zeigen seine Zitate aus Homeros, den Lyrikern und Tragikern.

Der Grundgedanke von 8c ist, dass man in der Jugend körperliche Übungen treiben solle, um einen Vorrat an Kraft fürs Alter zu haben. Man wird zugeben, dass hierin die Gymnastik nicht mit dem Nachdruck ge- fordert wird wie bei Piaton. Die Stoiker sagen, der Weise werde körperliche Übung auf sich nehmen (als tiovoq) zum Zwecke der Körpererhaltung5). In einer Einzelheit hat Wyttenbach eine Parallele aus Musonios heran-

*) Vgl. Zenon D. L. VE 20; apophth. 33.

2) Beachte 7 a den Vergleich und b rTjg iv rfj yv%fj §ia&aoea>s.

3) Hier ist statt imxilsvTinovg wohl nach Piaton zu lesen im TeXsvr^g

4) A. Elter, De gnom. S. 34 ff. ; H. Ilsen er, Epicurea S. LXXIII 2.

5) D. L. VE 123. Vgl. Diogenes D. L. VI 70.

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gezogen, und zu dem Satze, die Jugend sei für Feldzüge durch Jagden heranzubilden (8d), auf Cic. nat. deor. II 64, 161 aufmerksam gemacht, wo ein Stoiker Chrysippos ist kurz zuvor genannt dasselbe sagt. Zenon kann die zuerst bezeichnete Ansicht kaum zugeschrieben werden, da er in seinem Staate die Gymnasien verbot1).

4 f wird gesagt, der Vater solle es am Gelde für eine gute Erziehung nicht fehlen lassen. Das Geldnehmen von reicheren Schülern hielt die Stoa und besonders Chrysippos durchaus für recht2).

Der an die Protreptici gemahnende Preis des philo- sophischen Studiums (5 c) eignet einem Stoiker ebensogut wie einem Philosophen anderer Richtung.

Nebenbei sei auf die Begriffe oofiij (12 a und b), dxqaaia (10 f; vgl. e), xaxorj&sia (12 d), xuqtsqIcc (12 c), (ftlfiöovia (12 c), svTcc^la, xoöfjbloTrjg (12 a) hingewiesen.

So hat uns die Betrachtung der philosophisch-päda- gogischen Hauptgedanken auf die Stoa und im besonderen auf Chrysippos geführt. Ich wüsste fast nichts, was ein Stoiker in einer parainetischen Schrift anders hätte sagen müssen»

Höchstens würde Chrysippos den vovg nicht so hoch gestellt haben, als es Ps.-Plut. 5e geschieht; denn dem Stoiker geht der vovg im Xoyog auf, und er vermeidet deshalb ersteren Ausdruck 3). Aber es liegt hier eine Beziehung zu

1) Auch Ariston zeigt sich wie Galenos im Protrepticus gegen die ungebildeten feisten Athleten eingenommen: „Sie sind den Säulen im Gymnasium gleich fettglänzend und steinern" Plut. de sanit. 133 d, was Z e 1 1 e r III 1 3 S. 35, 1 mit Recht auf die bfioia oder besser b[ioioj/j,aTa zurückführt; denn dort findet sich 1) bpoiug, 2) das Imper- fekt eltyt. Ko/uyög = elegans passt auch auf den Chier, dessen schmeichlerische Rede schon von Timon betont wurde, und der den Bei- namen „Sirene" führte (D. L. VE 161. 160). JiTj^isQsveiv ist ein stoi- sches Wort; s. Zenon fr. 174, 13 Pears.

2) S. S. 310.

3) Boethos hatte den vovg als xqit^qcov aufgestellt (D. L. VII 54). Wegen vovg aal Xoyog s. Philo S. 699 Gercke.

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Piaton vor, wie Wyttenbach sah. In einem Zitat (aus Antisthenes) gebraucht Chrysippos auch Stoic. rep. 1039 e f das Wort: „Verstand muss man erwerben oder einen Strick".

Die iioi%sia durften die Verteidiger der Weibergemein- schaft nicht für so unzulässig halten, wie dies Ps.-Plutarchos 5 b und 12 b thut. Doch spricht sich sehr verächtlich über potxoi auch Kleanthes fr. 110 aus (vgl. S. 221, Zen. fr. 174); für Chrysippos s. oben S. 218. Ebenso könnte man die Ver- werfung der %apai>Tvnia (13 b. 5 b. lb) für unstoisch er- klären, obwohl sie Chr. Orig. c. Cels. IV 63 patr. 11, 1128 Mign. als xaxov betrachtet und deren Umsichgreifen mit der allgemeinen Verderbnis (dmöTQoyy) in Verbindung ge- bracht wird (Chr. Ath.VIII335d.Cleanth.fr. 111; s. S. 108,2). Die Anerkennung der Ehe durch Ps.-Plutarchos (13 f. 1 b)lässt sich ebenfalls mit stoischer Doktrin in Einklang setzen, und der Satz lb ratg TV%ovGaiq yvvai^i gvvomgXv kann, da es dort auf Gewinnung tüchtiger Kinder ankommt und vor Verbindung mit sittlich verworfenen Personen gewarnt wird, einen ernstlichen Widerspruch zu dem nur für den Staat der Weisen geltenden Satz der freien Liebe nicht bedeuten; im Gegenteil musste ihr Traduzianismus x) zur Ansicht führen, dass die Beschaffenheit der Eltern beim Vollzug der Ehe ein wichtiger Faktor sei2).

b.) Das rhetorische Gedankenmaterial.

Da wir der Ansicht sind, Ps.-Plutarchos habe die Chrysippeische Schrift umgearbeitet, so sind wir berechtigt, den Nachweis, dass Chrysippos auch hierin Vorlage war,

1) Zen. fr. 106. Cleanth. fr. 36. Chr. Stoic. rep. 1053 d c. Sphair. D. L. VII 159. Stein, Erkenntnisth. S. 130 f. Psychol. S. 111, 165. Hirzel, Unters. II S. 146 Anm. 1.

2) Mit dem Apophthegma bei Ps.-Plut. vgl. Zen. apophth. 12. Cleanth. fr. 110.

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abzulehnen. Von diesem Rechte müssen wir vor allem bezüglich der Bilder und Sprichwörter Gebrauch machen. Denn Sprichwortzitate sind sowohl vor der Stoa gern verwendet worden, als auch haben wir für Sprichwörter bei Stoikern keine bedeutenden Belege. Zwar hat Chrysippos nach dem Vorgange des Aristoteles und Theophrastos „Sprich- wörter" gesammelt; aber die Fragmente der Schrift rxsqi nccQoifjiiwp verraten uns, dass dieselbe mehr „geflügelte Worte" im Sinne der pseudoplutarchischen „Sprichwörter der Alexandriner" behandelte l). Ahnliches gilt von den Bildern; doch ähnelt die Art derselben sehr der Weise des Zenon und Ariston2).

In Hinsicht auf die Dichterzitate sind wir in etwas günstigerer Lage. Zwar lässt sich auch hier ein zwingender Beweis nicht erbringen. Dass Ps.-Plutarchos mit Plutarchos in der Vorliebe für Euripides {cpvXsvqmideiov) überein- stimmt, hat bereits Wyttenbach bemerkt3). Doch wissen wir aus dem Altertum und genauer aus dem treff- lichen Programm A. Elters4), dass die Bevorzugung des Euripides im späteren Altertum besonders dem Einflüsse des Chrysippos zu verdanken ist. Zwei Euripideszitate

1) S. Würzburger G.-Pr. 1896, 18, 1.

2) Über acpQayi? s. oben (S. 263). Den Landbau (2 e. 4 c) zog schon Zenon zum Vergleiche heran (fr. 190 Pears.). Der Vergleich aber, der 2 b zwischen yv und <pvug, yeojpyös und TtouSevcov, oneQfiaxa und naQayytluaTa durchgeführt ist, harmoniert mit den stoischen Bildern, durch welche das Verhältnis der Teile der Philosophie erläutert wird (D. L. Vn 40).

s) Animadv. in Plut. op. mor. S. 21. Weissenberger S. 43 findet den Ausdruck l 7tot7jT7]g für Euripides unplutarchisch. Unstoiach ist er nicht.

4) De gnomologiorum Graecorum historia atque origine. Bonn 1 893 ff.

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(llf=fr. 342 Nauck und 10a = fr. 656 Nauck) finden sich auch bei Stobaios1), was, wenn wirklich Chrys- ippos der Vater der Gnomologien ist, einige Beachtung verdient. Bezüglich der „Rätselworte" des Pythagoras (12 d f) ist daran zu denken, dass Chrysippos Gell. noct. Att. VII 21, 2 einen pythagoreischen Vers zitiert. Die rät- selhaften Sprüche werden von Ps.-Plutarchos allegorisch aus- gelegt; ihre Einführung lässt sich zu der Einführung der Sprüche der sieben Weisen durch den Stoiker Ciceros (fin. III 22, 73) in Parallele setzen2).

Vor allem bemerkenwert sind die Hinweise auf historische Persönlichkeiten. Auch hier schliesst sich die Epikureische Schule sofort aus. Cicero (fin. II 21, 67) be- hauptet: „In euren Darstellungen ist die Geschichte stumm; nie habe ich in des Epikuros Schule den Namen eines Lykurgos, Solon, Themistokles, Epameinondas nennen hören, die im Munde aller andern Philosophen sind". Und wenn wir weiter forschen, welchem Philosophen die historischen Kenntnisse wohl zu verdanken sind, so ergibt sich die That- sache, dass keine der von Ps.-Plutarchos aufgeführten hi- storischen Persönlichkeiten über die Zeit des Chrysippos heruntergeht. Wir hören von einem Sohne desThemistokles, von Archidamos, Aristippos, Diogenes, Piaton, Pythagoras, Lykurgos, Sokrates, Stilpon, Perikles, Demosthenes, Apelles, Archytas, Dion von Syrakus, Epameinondas, Gylippos, Aschines, Xenophon und Kebes. Der jüngste der bei Ps.-Plutarchos genannten Männer ist Sotades, von welchem die Geschichte des Spottverses auf Ptolemaios Philadelphos, der auffallenderweise nur Philadelphos ge- nannt wird, und dessen Schwester Arsinoe erzählt ist (IIa); merkwürdig ist, dass nur die Gefangenschaft, nicht

*) S. den Index bei Wachsmut h.

2) Vgl. Zen. fr. 189. Über das Suchen der tnovoia s. Plut. quoni» adul. 19 e. Cic. nat. deor. II 24, 63 ff.

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aber auch der Tod des Dichters erwähnt wird, obwohl doch zwingende Veranlassung war des ersteren zu ge- denken l). Sehr genaue Kenntnisse verrät Ps.-Plutarchos da, wo er die Schicksale des Sophisten Theokritos schildert (IIa c); Antigonos der Einäugige wird einfach als König der Makedonier bezeichnet, und der hier in den Fall ver- flochtene Erzkoch Eutropion ist, soviel ich sehen konnte, sonst nirgends angeführt. Uberhaupt weiss der Verfasser Dinge, die sonst im Altertum weniger oder anders be- kannt waren. Bedeutungsvoll ist die am Schlüsse zitierte Inschrift einer Eurydike von Hierapolis2). Der Name Eurydike ist in der makedonischen Königsfamilie mehrfach vertreten 3). Händel makedonischer Könige mit illyrischen Stämmen werden durch die Geschichte öfter bezeugt. Philippos, der Vater Alexandros' des Grossen, heiratete eine Illyrierin Audata nach einem illyrischen Kriege (Athen. XIII 557 c); deren Tochter Kynna, welche die Illyrierin genannt wird (ebd. 560 f), hatte zur Tochter eine Eurydike (ebd. IV 155a), die an Arrhidaios, den Halbbruder Alexandros' des Grossen, vermählt wurde. Die letztere mag gemeint sein, da sowohl das, was Ps.- Plutarchos von seiner Eurydike, als das, was Athenaios von der historischen mitteilen, auf eine nicht gewöhnliche Energie und einen gewissen Anflug von Emanzipation schliessen lässt. Inwiefern sie 1 IeqanoXiriTig genannt werden durfte, ist uns nicht mehr bekannt. Ganz undenk- bar ist es nicht, dass ein Hierapolis in Illyrien thatsäch-

*) Dieser Umstand wäre für die Zeitbestimmung der Chrysippe- i sehen Schrift verwertbar.

2) Für das Folgende vgl. Wyttenbach.

3) C. I. Graec. 855 (Athen) wird eine MqvSitit] Jddov *I%vaia er- wähnt. „Ichnae est oppidum Macedoniae et Mesopotamiae". Diese wird wohl aus dem makedonischen Ichnai sein.

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lieh einmal existierte l), oder dass Eurydike, in dem asiatischen Hierapolis geboren, nach ihrer Mutter den Beinamen Illyrierin erhielt. Beide Möglichkeiten ver- bieten es, eine Quelle anzunehmen, die um mehr als drei Jahrhunderte von den erzählten Ereignissen entfernt war. Sollte aber wirklich eine Verwechslung vorliegen2), so traue ich einem Schriftsteller des ersten oder zweiten Jahrhunderts nach Chr. nicht zu, dass ihm die That- sache, die Eurydike der Geschichte sei eine Illyrierin ge- wesen, so geläufig war, wie dies eben die Erwähnung in einer nichthistorischen Schrift an nebensächlicher Stelle voraussetzen würde. Dahingestellt mag bleiben, ob ein nachchristlicher Schriftsteller eine Illyrierin noch eine dreifache Barbarin (14b) nennen konnte. Die bei den Ausführungen des Ps.-Plutarchos vorausgesetzten kultur- geschichtlichen Verhältnisse scheinen denen der römischen Kaiserzeit3) nicht mehr ganz zu entsprechen4).

*) Es gab ausser den bekannten Städten gleichen Namens in Sy- rien und Phrygien solche in Sizilien, Kreta und Karien.

2) Ein Irrtum liegt auch 6a vor (s. Wyttenbach), der jedoch erklärlich ist, da die betreffende Äusserung im Gorgias vorkommt; Ps.- Plutarchos sagt übrigens selbst unsicher: fwi Sonst. Auf jenes Apophtheg- ma nahmen auch Epiktetos und Cicero im 5. Buch der Tuskulanen Bezug (s. W y tten bach).

3) Vgl. K. Prächter. Die griechisch-römische Popularphilosophie und die Erziehung. G.-Pr. Bruchsal 1886, S. 6.

4) Der Preis der Verbindung von Politik und Philosophie nimmt auf das römische Kaisertum keine Rücksicht. Auf die Verhältnisse von Reich und Arm in der Römerzeit wird 8 e nicht eingegangen. Ob das slg avdoag iyyodyeiv der Kinder (5 a), das Schicken es 7taiSovQißov (8 c), das Verheiraten der Söhne durch die Väter mit Rücksicht auf elyevsta und nlovxos (13 f) noch ganz für die römische Zeit gilt, kann hier nicht untersucht werden. Quintiiianus meidet die Angriffe auf das Barbaren- tum, während Ps.-Plutarchos sie jedesmal bei roocpog, ncudla, und natda- yojyög von neuem vorbringt.

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Nehmen wir Chrysippos als Quelle an, so würden sich alle Verhältnisse aufs beste erklären, die Anführung einer Inschrift als Epilog sich mit der bekannten Sardanapal- inschrift vergleichen und auch die Hochachtung der Stoa vor der weiblichen Emanzipation heranziehen lassen. Anek- doten liebte Chrysippos, und selbst derbe und unsaubere (über Diogenes) verwebte er wie Ps.-Plutarchos (2 a. 5 c) in seine Schriften. Bion, welcher einfach „Philosoph" genannt wird (7 d), war bereits von Teles (Stob, floril. 40,8) als Urheber eines ähnlich gearteten Bonmots an- gerufen worden.

Dazu kommt die Ausdrucksweise in einigen dieser Anekdoten. Lykurgos spricht 3 a b als ein Stoiker, wie wir S. 252 nachwiesen. Die Form eines Kettenschlusses nimmt der Ausspruch des Diophantos (1 c) an. Schluss- satz: oti av avroQ ßovÄf^ai, tovto xai tco df}l*<*) Gvvdoxet reo ro)v *A&r\vai(AV . Beweis: cc per ydq avröc s&slei. xcci rj fijjTijg- cc tfccvq ^rjrrjQ, xai Ssfiiöroxlij c* a tfäv Se^iaTOxXric, xai TidvTsq *A&rivcc%oi. Derartige Schlussreihen liebte Chry- sippos, man sehe z. B. Stoic. rep. 1039 c

Die gnädige Art, mit welcher 4 f ein Ausspruch des Aristippos anerkannt wird (ovx dxopipoK, ctXkd xcci nccvv acTTftwc), steht einem Stoiker besser an als einem Epikureer; denn wenn auch Epikuros bekanntlich an Aristippos Kritik übte, so würde er sich da, wo er ihm zustimmt, doch kaum so reserviert ausgedrückt haben.

4. Die sprachliche Form.

Es wäre begreiflich, wenn sich hier keine Ähnlich- keiten mit Chrysipp eis eher Weise finden Hessen. Denn ein Bearbeiter der Chrysippeischen Schrift musste vor allem darauf sehen, dass er die vielgescholtenen Solözismen und Barbarismen des Stoikers vermied.

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Wir sind deshalb eines Vergleiches in dieser Beziehung überhoben. Doch sei nicht unerwähnt, dass Wittenbach1) und Weissenberger2) gegen 50 ungewöhnliche Wörter feststellen, unter welchen sich z. B. svanoikccTTEG&ai, %aiiai- Tvnai finden, dass letzterer das unplutarchische tjtoi ij auch in der consol. ad Apollon., den demonstrativen Gebrauch des Artikels in de fato entdeckt 3). Die Häufung des Dualis 4) könnte Chrysippeisch sein, da der Stoiker dvetv gebraucht.

Der Hiatus, um, den sich Chrysippos nicht kümmerte, ist zwar im allgemeinen gemieden 5); doch werden noch 14 zum teil schwere Hiate gefunden 6).

Auf stoische Ausdrucks weise sind wir meist schon bei Betrachtung der einzelnen Gedanken eingegangen. Durch genaueres Studium des Chrysippeischen , höchst charakteristischen Stiles Hesse sich noch manche Parallele aus Chrysippos' Schriften aufzeigen. Allein diese Aufgabe fällt bereits aus dem Rahmen unserer Untersuchung; ihre Ausführung würde sich auch nur durch eine genaue Dar- stellung des Chrysippeischen Stiles und einen Vergleich desselben mit den von Chrysippos abhängigen Schriften des Plutarchischen Corpus Moralium sowie mit der neu- testamentlichen Gräzität lohnen. Denn im ganzen scheint Ps.-Plutarchos gerade hierin sich am meisten von dem Stoiker zu entfernen und nur versprengte Bruchstücke Chrysippei- scher Diktion aufgenommen zu haben.

L) I S. 22.

2) S. 43.

3) S. 42.

*) Weissenberger S. 42.

5) S. J. Schellens, De hiatu in Piutarchi Moralibus. Diss. Bonn 1864 S. 3 Anm. 5. Auch Benseier nimmt an den Hiaten keinen An- stoss. Wenn ich recht sehe, steht nach Vokalen xa&dneQ, nur nach Konsonanten ujottsq, abgesehen von der Pause. G er ck e beruft sich daher Khein. Mus. 41, 471 auf beide mit Unrecht.

6) S. Weissenberger S. 42.

B) Abweichungen des Ps.-Plutarchos yon Chrysippos.

Das auf dem bisherigen Wege der Untersuchung gewonnene Bild von der Chrysippeischen Schrift wäre unvollständig, wenn nicht auch die Abänderungen heraus- gestellt würden, die Ps.-Plutarchos (oder seine nähere Vor- lage) an der Chrysippeischen Schrift vornahm.

Es fehlt nämlich eine Keihe von Sätzen, welche in der stoischen Schrift standen.

So hatte Chrysippos wie in so mancher anderen Schrift die Erziehung in das Gebäude seiner grossen Schicksals- lehre eingefügt, indem er einleitend von Zeus, Schicksal und Vorsehung sprach; doch konnte Ps.-Plutarchos diesen Eingang um so leichter beiseite lassen, als derselbe, wie der Spott des Plutarchos ahnen lässt ]), nur eine äusserliche Formel war und wohl keine Wirkung auf die anschliessende Abhandlung hatte. Ob mit dieser Auslassung der abrupte Anfang unsrer Schrift2) zusammenhängt, ist jedoch un- sicher. Der Grund, welcher Ps.-Plutarchos leitete, lässt sich durch eine weitere Abänderung erkennen. Chrysippos hatte verlangt, dass die Kindermädchen mögliehst weise (sapientes = co^o/), sicherlich aber mög- lichst gut seien; Ps.-Plutarchos behielt nur die Forderung der Güte bei, offenbar, da ihm erstere Forderung zu doktrinär erschien. Unter einen ähnlichen Gesichtspunkt

J) Stoic. rep. 1035 b.

2) Vgl. Wyttenbach, der annimmt, die Schrift sei einem grösse- ren Ganzen entnommen.

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lässt es sich auch stellen, wenn Ps.-Plutarchos den Satz des Chrysippos, auch die Ammen sollten den Geist des Kindes drei Jahre lang durch möglichst gute Massregeln bilden (Quintil. I 1, 16) , nur im allgemeinen aufnimmt, der drei Jahre aber nicht gedenkt (3 e). Es kann vermutet werden, dass Chrysippos nicht nur für die Ammen Jahre festsetzte , sondern überhaupt für den Erziehungsgang Zahlen gab. Er dürfte sich dabei an die von Dichtern und Medizinern ausgebildete und auch von Aristoteles l) und Zenon2) angenommene Hebdomadentheorie gehalten haben.

In die Klasse der Milderungen ist auch eine andere wichtige Abweichung zu setzen. Chrysippos hatte die Prügelstrafe gestattet (Quintil. I 3, 14), Ps.-Plutarchos (8 f) verwirft sie. Doch ist der Schritt, welchen hier der letztere machte, vielleicht nicht so gross, als es scheint. Denn die auffällige Nennung des Chrysippos bei Quintiiianus macht den Eindruck, als habe Chrysippos die Züchtigung nur im Notfalle zugegeben3); die Verklausulierung würde zu dessen Art passen. Denn wenn er auch die Schicksals- strafen für notwendig im Weltlauf erklärt, so konnte er doch die künstlichen Strafen nicht unbedingt billigen, da

J) Dass die Grenze von sieben Jahren volkstümlich war, bezeugt Ps.-Plat. Axioch. 366 d (imaetia). *) S. S. 51,2.

3) Piaton Leg. 808 e und der etwas weniger humane Aristoteles (Pol. 1336 b, 10) hatten sie zugelassen. Zenon prügelt selbst einen Sklaven (apophth. 54 ; vgl. Ps.-Plut. 8 f ) und stösst einen seinen Schüler bei einem Gelage mit dem Knie, um diesem das Stossen gegen einen Nach- barn abzugewöhnen (apophth. 30). Das Züchtigen im Zorne tadelt er selbst bei einem Sklaven (apophth. 55). Er meint, die richtige Art, die Schüler festzuhalten, sei die durch die Ohren, nicht der äussere Zwang; der Leib bleibe sonst zwar beim Lehrer, aber nicht die Seele (apophth. 7). Als Zweck der Züchtigung sahen die Stoiker den oucpQoviofiös an (s. Plut. soll. an. 961 d).

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er die Strafe (Cijfjbice) wie den Schrecken zu denjenigen Dingen rechnet, welche die Seele zur Leidenschaft prä- disponieren und uns zu Sklaven machen (Chr. Gral. 405 K.)1). Eben damit, dass die Strafe mehr für Sklaven sich gezieme, begründet dann auch Ps.-Plutarchos sein Verbot. Der (9 a) folgende Passus über enaivoi und xpoyoi ist in der That ganz im Sinne des Chrysippos gehalten2). Ps.-Plutarchos könnte sich demnach an den Stoiker angelehnt haben, wobei er jedoch, in der Humanität über denselben noch hinausgehend, die Misshandlung vollständig fallen liess 3).

Nicht unwahrscheinlich ist ferner, dass Chrysippos, der sich gerne selbst ausschrieb, wie in der Schrift über die Leidenschaften4), so auch in der über Kindererziehung sich mit der Frage beschäftigte, ob es möglich sei, dass Kinder, welche in guten Sitten erzogen und geziemend gebildet werden, sich doch sittlich verfehlen. Er hatte diese Frage bejaht (Gral. 461; vgl. IV 818 K.) und sogar zugegeben, dass die Kinder auch, falls sie lediglich von einem Philosophen

1) Verächtlich spricht Chr. auch von dem Einschüchtern der Kinder durch den "Wauwau (s. S. 226), jedoch nur vergleichsweise.

2) S. Gercke, Chrysippea Index, s. v. eitaivos (auch fr. 55 Gercke).

3) Die Übereinstimmung in der Motivierung zwischen Ps.-Plut. und Quintil., der ebenfalls die Prügelstrafe absetzt, Hesse sich durch unabhängige Rücksicht beider auf die Zeitrichtung erklären. Wahr- scheinlicher ist jedoch, dass die Schrift des Chr. beiden durch eine da- zwischen liegende humanere Bearbeitung bekannt war. So lässt sich auch das Bedenken, welches durch diese Übereinstimmung gegen die Schlüsse aus den beiderseitigen Übereinstimmungen erwächst, aufs ein- fachste heben; Gudeman ist über dasselbe kurzer Hand hinweggegangen.

4) Dass jene Äusserungen in it. nad-öjv vorkamen, darauf deutet die Überleitung von S. 458 zu 459 K., ferner dass auch die Entgegnuug des Poseidonios in einer Schrift it. itad-ow stand (im Buche d S. 466 K.), und dass der sonst mit Büchertiteln nicht zurückhaltende Galenos keine Schrift it. it. ayojyijg erwähnt. Die platonisch gehaltene Erziehungslehre des Poseidonios kann sich demnach nicht viel über das von Seneca (de ira) Ausgeführte erhoben haben (Gal. S. 466 f. K.).

DYroff, Ethik d. alt. Stoa. 19

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erzogen würden und kein Beispiel von Schlechtigkeit sähen oder hörten, doch nicht mit Notwendigkeit in der Zukunft philosophieren müssten, da teils durch die Belehrung der Menge, teils durch die Natur der Dinge die Ursache der Verderbnis in die Seele gebracht würde (S. 461. 462 K.)1). Auch diese in die als paradox verrufene Lehre vom Weisen eingreifende Ansicht merzte Ps.-Plutarchos aus.

Ausser den inhaltlichen Milderungen ist aber noch eine Anzahl von Auslassungen festzustellen, die auf das Streben nach Kürze zurückgehen.

In dem Abschnitte über die Rhetorik wird der %siqovoixia nicht gedacht. Uberhaupt ist das Kapitel über die enkyk- lischen Fächer dürftig ausgestattet. Die Musik hatte Chrysippos schwerlich beiseite gesetzt; denn mit Beziehung auf die Stoa sagt Quintiiianus (inst. or. I 10, 15): et eius sectae, quae aliis severissima, aliis asperrima videtur, principes in hac fuere sententia, ut existimarent sapien- tium aliquos nonnullam operam his studiis accomodaturos. Mit Vorliebe nimmt Zenon in seinen Vergleichen auf die Musik Rücksicht und hat sich persönlich für dieselbe interessiert (apophth. 19; vgl. Chr. Ath. XIII 565 a).

Ferner fällt eine Anzahl von Wendungen bei Ps.- Plutarchos auf, welche an sich nicht gut verständlich sind und sich nur erklären lassen, wenn man sie als Ab- kürzungen eines anderen Textes ansieht.

Wyttenbach findet 5 c (filoaoqxo de öiiiXjjcavTsg2), 6 c TtQog de rovroig (S. 19 J und 3 b den abschliessenden Satz xcci 7T€qI phv e&iav xai ßiwv äqzehw ravxa anstössig. Letztere Redensart konnte allerdings Ps.-Plutarchos an jener Stelle nicht gut gebrauchen, wohl aber Chrysippos, der Tisqi ßioov geschrieben hatte3).

1) Vgl. Quod an. mor. IV 818 K.

2) Bernardakis liest freilich ydooocplq.

3) Plut. quom. adul. 26 a ist rjd'ojv aal ßlojv wahrscheinlich stoisch

291

8 b verlangt Ps.-Plutarchos die Erwerbung klassischer Schriften und eine Auslese (avAtoyij) aus denselben xcctcc to yscooycbdsg. An tov yäq avTOV tqotiov sehen wir noch, dass dort ein ausgeführter Vergleich vorgelegen hatte wie 2b e. 4c. 9b. Das tertium comparationis bestand in dem Gedanken, dass auch der Landwirt ein oqyavov bedarf.

Mit Eecht bezeichnet Wyttenbach die Stelle 4b 6et de tov GJiovdaTov naidccycoydv toiovtov eivai TTjv apvCiv oloarrso rjv 6 &oTvi% 6 tov °A%iXXs(x)Q Jicudaycoyog als rätselhaft. Gemeint ist natürlich, das sagt der Zusammenhang, der Pädagog solle sittlich gut sein. Inwiefern dies auf Phoinix zutrifft, gibt Quintiiianus an, welcher nur wieder leise gegen die vorzugsweise Betonung des Moralischen durch Chrysippos polemisiert und deshalb vom Lehrer statt vom Pädagogen spricht: II 3, 12 sit ergo (sc. prae- ceptor) tarn eloquentia quam moribus praestantissimus, qui ad Phoenicis Homerici exemplum dicere ac facere doceat. Der Rhetor hätte sich hier auf Cicero (de orat. III 15, 57) stützen können. Die Aufstellung des Phoinix als eines Musterpädagogen hat aber eine Spitze gegen Piaton, welcher jenen unter Beziehung auf dessen Worte Horn. I 513 ff. getadelt hatte (Rep. 390 e ovöe tov tov 'AxiXXswg Tzcudaywyov Ooivixa sttcuvstsov) '). Es stand der Stoa, welche im Anschluss an Antisthenes eine freund- lichere Stellung zu Homeros einnahm als Piaton2), wohl an, an Phoinix festzuhalten und auf das homerische iiv&ow ts QrjTrjo' t[ievai TTQrjXTrjoä ts eqywv (I 443) zu verweisen3).

Nach der Angabe 10 b sollte die aTvyia noch genauer

l) Es scheint, als ob Phoinix schon vor Piaton in dieser Be- ziehung gelobt worden sei. Vgl. Xenoph. Symp. 8, 23. 2; S. Zen. fr. 195.

SJ Vgl. 6 C xaXiv ydg toi firjdev starj firtTt liytiv /urjTS TiftaTTtiv.

19*

292 -

erörtert werden; das geschieht aber 11c, wo der Platz war, nicht.

Nicht gut verständlich ist in der ps.-plutarchischen Kürze 2d to nccqd tv\v (fvüiv und 7c sv ctnaGi ydq to tsXsiov ddvvarov.

Aus diesen Beobachtungen scheint für den Verfasser der Schrift zweierlei zu folgen: 1) Derselbe suchte die Chrysippeische Schrift zu popularisieren und dem Ge- schmack der römischen Kaiserzeit1) angenehmer zu machen. Hieher ist auch das Vermeiden des stoischen xa-d"fix£i'i) Zu rechnen, wofür dst oder n^oa^xsi (12 e f. 14 b)3) eintritt; ferner der Ausdruck 8 a dvstv bvroiv lisyicjoiv äya&olv, welcher wohl dem gewöhnlichen Sprach- gebrauche, nicht jedoch der stoischen Theorie gemäss ist4), und die Form des Satzes, dass die Hoffnung auf Ehre (Ti^y) und die Furcht vor Strafe (rifJiwQia) zwei <JTOi%sXa der Tugend seien (12c). Die persönliche Antipathie des Ps.-Plutarchos gegen die t Barbaren könnte hier ebenfalls genannt werden ; und wenn Chrysippos den Pythagoreischen Spruch [lij ysvsG&ai ^sXavovQbov wirklich mit fwy awöiarolßsiv {isXaGiv av&Qomoig 6id xaxofösiap (12 d) erläutert hatte, so kann er dies doch nicht in dem wörtlichen Verstände ge- wollt haben, zu welchem die Ausdrucksweise des Ps.- Plutarchos herausfordert5).

*) Auf diese führt eben die humanere Richtung, über welche K. P rächte r, D. griech.-röm. Popularphilos. S. 201, gut handelt. Ob die Übereinstimmungen mit Favorinus Gell. noct. Att. XII 1 (s. Wyttenbach) etwas beweisen, bleibe hier unentschieden.

2J Ka&rxe steht 13 b im Sinne von „er kam nach Hause".

3) Auch Galenos 461 K. scheint statt des Chrysippeischen xa-&7]- xo'vtouq sein n^oa^novroj? einzusetzen.

4) Der Sinn jener Stelle hingegen kann auch als stoisch (nicht aber als Epikureisch) gelten.

6) Auch Horatius sat. I 4, 85 will sein: Hicniger est; hunc tu, Ro-

293

2) Ps.-Plutarchos entledigte sich seiner Aufgabe nicht sehr geschickt; das beweisen die Kürzungen. Dieser Umstand, wie auch die von Wyttenbach mit Grund gerügten Uberleitungsformelu, welche recht schüler- haft jedesmal versichern, jetzt komme das Wichtigste, sprechen dafür, dass Ps.-Plutarchos noch ein Neuling in der Schriftsteller ei war. Auf die uns abgedroschen dünkenden Bilder sei hier kein Nachdruck gelegt, da bei uns manche Bilder schulmässig geworden sind, welche es dem Alter- tum nicht waren, so das vom Ackerbau1). Die kläglichste Partie des Büchleins ist wohl die Entschuldigung des Verfassers gegen den Vorwurf, er vernachlässige die Er- ziehung der armen Kinder (8e). Stoisch ist zwar hier der Grundsatz, die rechte Bildung müsse allgemein sein, und auch die Kinder der Armen sollten an der besten Bildung teilnehmen2). Aber ganz unstoisch und unreif ist die Ausrede, wer von seinen Ratschlägen aus Dürftigkeit keinen Gebrauch machen könne, solle das Schicksal (tvx1]) anklagen, nicht den Verfasser3).

mane, caveto, das fast wie eine Parodie zu einem griechischen caveto klingt, in übertragener Bedeutung aufgefasst wissen.

1) AVeissenberger S. 44 ist in der Beurteilung der Schrift etwas zu scharf.

2) S. S. 310, 1.

3) Man kann übrigens nicht sagen, dass nur auf die Kinder der Freien durchaus Rücksicht genommen werde, wenn auch in der Frage des Unterrichtsgeldes, der Verheiratung, der Wahl der Amme u. s. w., an reichere Leute gedacht wird. Es schien Chr. gewiss ganz selbst- verständlich, dass sein Buch nur von Vermögenden und Gebildeten ge- lesen werde, wie sich auch Panaitios nur an die Vornehmen wandte. Erst in römischer Zeit fiel es wohl auf, dass im allgemeinen meist nur von Erziehung der Freien die Rede war (vgl. Pr ächter a. a. 10), und deshalb machte der Bearbeiter der Chrysippeischen Schrift den Zusatz tojv ü.bvtit{jo)v (s. auch 1 a) zu natdojv, ähnlich wie Plutarchos zu dem Chrysippeischen rröjg dsc tojv noirj^iätojv axoveiv ein tcv viov gesetzt hat.

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So erscheint das Urteil Wittenbachs, Ps.-Plutarchos sei ein Schüler gewesen, nicht ohne Berechtigung. Aber auch Chris ts Widerspruch, die Schrift „enthalte viele treffliche Grundsätze und drastische Aussprüche eines er- fahrenen Schulmanns" beruht auf richtigem Urteile1), und er kann die Vorliebe der Humanistenzeit2) und selbst noch des vorigen Jahrhunderts für das „goldene Büchlein" zu gunsten seiner Ansicht ins Feld führen. Wenn 12 a nolldxiq xaTspsfjbipafjbTjv keine Flunkerei ist3), so fühlte sich der Urheber der ganzen Theorie selbst als bewährten Kenner der pädagogischen Verhältnisse seiner Zeit.

Das Dilemma jedoch, in welches uns die Annahme dieser beiden Behauptungen führt, löst sich aufs beste so, dass man die Bearbeitung einer trefflichen Schrift durch einen ungeschickten Schriftsteller ansetzt. Der ver- schiedenartige Ton der Schrift gibt dieser Entscheidung einen gewissen Kückhalt.

J) Litteraturgesch. 1 Aufl. S. 490. Er denkt wohl besonders an

c. 18.

2) Wegen Fischarts s. A. Hauffen in den Symbolae Pragenses. Wien 1893. S. 24 ff.

3) Vgl. 13 a. 2 a Xeyeiv dw&apsv kann allgemein gefasst werden.

C) Schlussfolgerungen aus dem Vorhergehenden und weitere Beiträge zur Kenntnis der stoischen Pädagogik.

Das Ergebnis der vorausgehenden Untersuchung ist ein wenn auch nicht vollständig freier, so doch tieferer Einblick in die stoische Erziehungslehre. Es wird daher nicht mehr erlaubt sein, mit Zell er (IUI 3 S. 293 Anm.) von „uner- heblichen" Kesten stoischer Pädagogik zu reden.

Wir sind jetzt vor allem in der Lage, Benutzung der pädagogischen Partien des Piaton und Aristoteles durch Chrysippos anzunehmen. Dafür sprechen die Beziehungen des Ps.-Plutarchos zu beiden Männern; mehr noch aber fol- gende Einzelheiten: Piaton1) wie Chrysippos2) verwenden die Kindermädchen drei Jahre3), und wenn Quintiiianus sagt, Chrysippos habe auch (etiam) der Stillamme ihr eigenes Lied gegeben (suum quoddam Carmen I 10, 32), so deutet das darauf hin, dass der Stoiker auch den Müttern ein solches Lied zugestanden hatte, ganz wie Piaton, der einer Melodie erwähnt, welche die Mütter zum Einschläfern un- ruhiger Kinder anwenden (Leg. 790 d). Die Berück- sichtigung der Musik aber ist zweifellos den eindringlichen Ausführungen des Piaton und Aristoteles zu verdanken.

Doch auch die Selbständigkeit des Urteils hat sich Chrysippos gewahrt. Piaton lässt den Tqocpoi die Aufsicht

x) Leg. 789 e sojg av zQtsreg anozthad'fj zc yevvuifisvov. 2) Quintil. I 1, 16.

s) Die alten Juden und die Ärzte (Galenos) lassen die Kinder drei Jahre stillen.

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über die Spiele der Kinder noch bis zum sechsten Jahre (Leg. 794 a). Chrysippos scheint die Amme nach den drei Jahren entlassen und Beaufsichtigung der Kinder durch die Eltern geheischt zu haben ; neben den letzteren sollten wohl die Spielkameraden als Erziehungsorgane auftreten. Jedenfalls aber hat der Stoiker die Wichtigkeit einer richtigen Auswahl der Erziehungsorgane besser zu würdigen verstanden als Piaton und Aristoteles.

Daneben ist ein beachtenswerter Schritt die Befreiung der Pädagogik aus den Banden der Politik und ihre un- mittelbare Unterordnung unter die Ethik. Im wesentlichen ist die stoische Erziehungslehre individualethisch, indem sie möglichst hohe sittliche Vollendung des Einzelnen an- strebt; um auf diesem Wege das Glück der Gesamtheit zu suchen. Wo sie über diese Grenze hinübergeht, wird sie nicht politisch, sondern sozial. Da Piaton und Aristoteles nur an die Stadtgemeinde oder an den monarchischen Staat dachten und mit der Staatshilfe rechneten und auch die Kyropädie und der lakedaimonische Staat Xenophons sich von staatspädagogischen Gedanken beherrscht zeigen1), darf die Stoa als die Urheberin der spätantiken Theorien der Pädagogik betrachtet und Einfluss derselben auch auf die spätere Zeit bis zu dem Punkte angesetzt werden, an welchem dieser Zweig der Wissenschaft die stiefmütterlich behandelte Psychologie aufnahm und dadurch eine völlige Umgestaltung erlebte2).

*) Auch die politisch wirkenden Pythagoreer können sich der Po- litik nicht ganz entschlagen haben. Hier sei übrigens bemerkt, dass Ziegler, Gesch. d. Pädagogik S. 5 |A. Baumeister, Handb. d. Er- ziehungs- und Unterrichtslehre f. höhere Schulen. München 1895), mit Unrecht Piaton für den ersten hält, welcher die Erziehung zum Gegen- stand des Nachdenkens machte. Ausser den Pythagoreern sind hier Phaleas und Hippodamos zu nennen.

2) Wegen Ps.-Plutarchos s. Ziegler S. 11. 46. Durch diese Be-

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Aus der Fülle der übrigen Einzelheiten heben sich noch zwei auffallende Merkmale der stoischen Pädagogik heraus: die Bevorzugung des ethischen Unterrichtes und die nur bedingte Anerkennung der gewöhnlichen Unterrichts- fächer. Mit der Hauptrücksicht auf die ethische Bildung hängt es zusammen, wenn schon den ersten Erziehungs- organen Einwirkung in guter Richtung auf den Geist des Kindes diktiert wird, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch Chrysippos, wie die spätstoische Erziehungs- lehre, den Unterricht in den Grundwahrheiten der Philo- sophie auf eine sehr frühe Altersstufe verlegte, wobei natürlich nur etwa an eine Art Katechismusphilosophie zu denken ist.

In den beiden soeben bezeichneten Punkten lässt sich unsere Kenntnis von den erziehlichen Anschauungen der Stoa durch Heranziehen anderer Quellen etwas vergenauern.

Worin Zenon den Wert des ethischen Unterrichts er- blickte, lehrt sein Gedanke : wer es verstehe, das ihm Mitgeteilte trefflich aufzufassen und zu nutzen, sei besser als der, welcher alles durch sich selbst finde-, dieser komme über das Ersinnen nicht hinaus, jener aber, der sich gut beraten lasse, habe ausserdem noch die praktische Ausführung zur Seite (fr. 196).

Worauf die ethische Bildung, die Zenon persönlich seinen Schülern angedeihen liess, abzielte, sagt der Spott des Komikers Philemon: „Neu ist ja seine Philo- sophenweisheit; das Hungern lehrt er, und die Schüler kommen: Ein Brot nur, trockne Feigenkost und Wasser!" ..Nicht nur zum Essen und Trinken", meinte Zenon, „sind

merkungen legt Ziegler selbst den Wunsch nahe, dass er bei einer Neubearbeitung seiner Geschichte, welche doch für Lehrer höherer Anstalten bestimmt ist, das Altertum nicht beiseite schieben möchte. Die Kyropädie war für Fenelons Telemaque sicherlich in gewissem Masse vorbildlich.

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wir auf der Welt" (apophth. 32). In der Massigkeit ging der Meister selbst mit gutem Beispiele voran, sogar bei Krankheit (apophth. 46) ; seine Enthaltsamkeit war sprichwört- lich wie die Weisheit des Sophokles (D. L. VII 27). Seine eigene Speise bestand aus einigen Brötchen, Honig und etwas angenehmem Weine (D. L. VII 13) ; den Gegnern erschien er fast knauserig (D. L. VII 16).

Daher beredete er gerne die Unmässigkeit (apophth. 26. 29) und Schlemmerei (apophth. 43); ebenso die Putz- sucht (a. 36), das weibische Salben (a. 41) x); ferner Hochmut, welcher der Jugend am allerwenigsten anstehe (a. 40), wissenschaftlichen Dünkel, welcher der Aufnahme des Wissens am hinderlichsten sei (fr. 16) 2), vorlautes Gerede (a. 12. 38) 3), einseitiges Tadeln (a. 4. 5), vor- dringliches, dem Lebensalter nicht entsprechendes Fragen (a. 37) 4), gedankenloses Reden (a. 13) 5), viel Reden (a. 21. 14) ; der Rückertsche Gedanke, dass wir einen Mund und zwei Ohren haben, damit wir viel hören und wenig reden, ist schon von dem Stoiker ausgesprochen worden (a. 20). Auch der Rücksichtslosigkeit (a. 28. 30) und Unver- schämtheit (a. 47) 6) ging er energisch zu Leibe. Schmäh-

x) Vgl. Sokrates bei Xenoph. Symp. 2, 3.

2) Mit sltye Ss uqdev slvcu xyg oirjosajg alXotQionsQOv nQog xazd^yjiv twv imaz^juolv vgl. Herakleitos flLoril. Monac. 199 (Meineke VI S. 283) ^Hqaalfirog ecpt]' oXrjaig TiQOxonrjg iyaoni] TrgoxonTjg.

3) Vgl. Cleanth. apophth. 9. Die Freimütigkeit aber hielt Ariston Stob. £Lor. 13, 22 an der Rede für ebenso wesentlich wie am Wermut die Bitterkeit.

4) Vgl. Ariston Stob. flor. 79, 44: „Junge Leute, welche frisch von der Philosophie weg alles meistern wollen und bei ihren Eltern den Anfang machen, gleichen jungen Hunden, die nicht nur die Fremden anbellen, sondern auch die Bewohner des Hauses",

5) Vgl. Cleanth. D. L. VII 172.

6) Ariston D. L. IV 40 warf dem Arkesilaos seine wüsten Reden und seine Frechheit vor und nannte ihn einen Verderber (<pd~o(>ia) der Jugend.

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reden lehrte er mit schweigender Verachtung strafen (a. 24)1). „Arbeit macht das Leben süss", hatte bereits Zenon (fr. 201) gesagt, und Goethes Satz „Die Kunst ist lang, das Leben kurz"2) geht auf ihn zurück3).

Aber auch das Äussere verachtete Zenon nicht in dem Masse, wie man glauben möchte. Er legte den jungen Leuten besonders edlen Anstand in Gang, Haltung und Kleidung ans Herz (fr. 175). Das hängt mit seiner Ansicht zusammen, der Charakter lasse sich aus der äusseren Erscheinung erkennen (fr. 147), einer Ansicht, die sich schon in der Äusserung der Politeia bemerkbar machte, der Weise liebe die Jünglinge, deren Gestalt die schöne Anlage zur Tugend verrate (fr. 172; vgl. a. 17). Klemens von Alexandreia, der uns so manche Prachtstelle aus den Stoikern, wohl durch Vermittelung desMusonios, erhalten hat, überliefert uns das Idealbild eines Jünglings, wie es Zenon gemeisselt habe: Es soll rein das Antlitz sein, die Braue nicht gesenkt, das Auge nicht frech aufgerissen und nicht blöde verschleiert4), nicht rückwärts gebogen der Nacken und nicht lässig5) die Glieder des Körpers, sondern in Dehnung befindlich gespannten Saiten gleich; gerade Verständlichkeit in der Rede, scharfe Aufmerk- samkeit, Erfassen und Behalten dessen, was mit geradem Sinne gesprochen wurde 6), Geb erden und Bewegungen in

■) Vgl. Kleanthes fr. 102. apophth. 8.

-) Wilhelm Meisters Lehrjahre. 7. Buch, 9. Kapitel Lehrbrief.

3) S. S. 200, 4. Zenon zitiert, wie ovrojg lehrt, hier ein Sprich- wort der Ärzte.

4) Mignes Vermutung av aeicalvfxfiivov kommt dem Sinne doch etwas näher als Cobets dtaxtxlao/Lievov, dasPearson allein erwähnt.

5) avie/utva ist mit avisod-at („sich gehen lassen" in geistigem Sinne) zu vergleichen.

6) Die Auffassung dieses Passus ergibt sich aus D L. VII 20 (rotg ev leyo/uevoig t&v oQ&ojg eiQ7]^evojv) ; auch handelt es sich oben nur um das äussere Auftreten. Der Gegensatz ist also : Was der Jüngling

300

keiner Weise zu zügelloser Hoffnung Anlass gebend. Der Hauch der Scham soll auf ihm blühen und männlicher Blick; ferne sei das Schlendern von Salbbuden zu Juwelier- läden, Kleidergeschäften und anderen Buden, wo die Menge hetärenartig geschmückt, gleichsam auf dem Dache sitzend1), die Zeit totschlägt (fr. 174). Die letzten Worte erheben die Vermutung Wachsmuths, dass wir ein Bruchstück aus der ^Eqcotmt] t€%m]2) vor uns haben, wohl über jeden Zweifel. Ariston zog ernste Jünglinge den heiteren, all- beliebten vor. Zur Begründung verwendet er denselben Satz, welchen Goethe, freilich in anderem Sinne, gebraucht: der Wein werde gut, der sich als Most hart und herb geberdet habe ; der aber, welcher schon im Fasse gut geschmeckt habe, halte sich nicht lange (Senec. ep. 36,3)3).

Ein Hauptmittel zur Erzielung eines guten Charakters muss Zenon im Tadeln erblickt haben. Die meisten der ihm zugeschriebenen Aussprüche enthalten für irgend einen Schüler oder Hörer als Spitze einen Tadel, und Zenon muss hierin Virtuos gewesen sein4). Deshalb fragte auch

selbst spricht, soll geraden (bgd'ög) Sinn haben, und die geraden Ge- danken, die er hört, soll er erfassen und festhalten.

1) Der Sinn ist : sich öffentlich anbietend. Bei den lqya.axrqia ist wohl nicht bloss an Barbierbuden zu denken (eyyäCto&ai hat eine üble Nebenbedeutung).

2) Vgl. Xenoph. Symp. 8, 3. Well mann S. 440 vermutet, was auch mir anfänglich in den Sinn kam, dieselbe sei mit der im Katalog (I). L. VII 4) erwähnten xi%vr] identisch. Aber die Anordnung wider- spricht, und nach D. L. VII 34 muss die ^Eqoninr xiyyri ebenso im Katalog gefehlt haben wie üolixda und JcazQißaL

3) Auf die bfjiOLo'j^ara weist das Gleichnis und aiebat hin. Mehr in Goethes Sinne Alexis fr. 45 (II 313 K.), wozu Kock Plut. mor. 656 a vergleicht.

4) Ariston Stob. ecl. II 215, 20 W.: wie man den Kümmel unter Verwünschungen säe, damit er gut wachse, so solle man die Jugend spottend erziehen, auf dass sie sittlich brauchbar werde. Als einer sich

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der später abtrünnige Dionysios den Meister, warum dieser ihn allein nicht korrigiere (fr. 52) !). Doch be- währte Zenon hiebei seine Einsicht dadurch , dass er jedesmal kurz und bündig ohne Ubermass, sozusagen durch die Blume tadelte (D. L. VII 16). Er liebte es ohnehin, sich knapp auszudrücken (apophth. 12); nicht nur die Eeden sondern sogar die Silben der Philosophen sollten womöglich kurz sein (a. 9).

Bezüglich des übrigen Unterrichts muss Zenon seine in der Politeia ausgesprochene Meinung von dem Unwerte desselben im Laufe der Zeit geändert haben, wenn auch nicht vollständig2). Denn wenn er auch echt kynisch in seinem Schiffbruche für sich die ausschlaggebende An- leitung zum Philosophieren 3) gesehen hatte (a. 3) 4), so konnte er bei ruhiger Betrachtung seines Bildungsganges sich dem Gedanken vom sittlichen Werte des Unterrichtes nicht auf die Dauer verschliessen, da er Philosophen nicht nur gehört, sondern auch gelesen hatte5). Auch lehrte er nicht nur. sondern schrieb auch. „Wie der Gesichtssinn von der Luft das Licht nimmt", äussert er sich, „so die Seele von den Wissenschaften" (fr. 104). Der Sillendichter

beklagte: Allzu sehr verspottest du mich, entgegnete Ariston: Auch für die Milzsüchtigen ist das Beissende und Bittere nützlich, das Süsse schädlich (Stob. flor. 13, 39).

x) Ist auch die Anekdote ex eventu erfunden, so ist doch richtig, dass Zenon es auf das dtoQ&ovv anlegte.

2) Pearson S. 202 geht hier etwas zu weit.

3) Er meint zur kynischen Philosophie, zur Dürftigkeit. Deshalb sind die Zusätze einiger Varianten zu eig rbv xQißojva, wie xai xrv oxo- av xai ßiov (pilöaocpov verfehlt.

4) Vgl. apophth. 31. Kleanthes unterzog sich dem philosophischen Studium zuliebe allerlei Beschwerden (D. L. VII 168 f. apophth. 1).

5) Belegstellen bei Susemihl, Gesch. der griech. Litterat. i. d. Alexandrinerzeit I S. 51.

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Timon, der ihm Streberei vorwirft (D. L. VII 15), sagte von ihm (D. L. VII 27):

a)X oy drsiQrjg dfMpl didaöxalvri tstcctcu vvxrccg T€ xai rjfjbccQ, und Cicero (Cat. mai. 7, 23) deutet an7 dass Zenon wie Kleanthes l) im hohen Alter den Studien nicht entsagte. Es stimmt daher zu dem Bilde Zenons, wenn der Brief D. L. VII 8 ihm ein Lob für den Lerneifer des Antigonos Gonatas in den Mund legt2); aber derselbe Brief fügt noch als Bedingung des Lobes hinzu, dass der König nach der wahren und nicht nach der gewöhnlichen, auf Ver- derbnis der Charaktere hinauslaufenden Bildung strebe. Die Stellung Zenons zu der syxvxliog naideia^) ist hier ganz richtig gekennzeichnet: sie wurde nur anerkannt als Mittel zum Zweck, nur soweit sie auf praktischen Nutzen abziele d. h. sittlichen Wert habe.

So ist es denn durchaus keine Inkonsequenz, wenn Zenon einerseits die Dialektik seinen Schülern als Mittel zum Auflösen der Trugschlüsse nebenher empfiehlt (vgl. fr. 6) und dem Dialektiker, welcher ihm in dem „Erntenden" sieben Ideen der Dialektik gezeigt hatte, zweimal soviel Lohn gibt, als jener verlangt hatte, nämlich zweihundert Minen (apophth. 10) 4), andrerseits aber die gewöhnlichen Kunststückchen der Dialektiker den Gemässen vergleicht,

*) Für letzteren vgl. a. 6.

2) Wegen der Unechtheit des Briefs s. Suse mihi I S. 52, aber auch Hirzei, Unters. II S. 71 Anm. 1. K. Brinker, Das Geburtsjahr Zenons I S. 8 ff.

3) Auf diese ist mit §7]/nu>§?]9 angespielt. Antisthenes hatte ge- sagt: y^dfifiaxa yovv ju-i] (xav&ävsiv TOvg oüyQOvas yevofiävovg clva /ur diao TQtcp oivro ro7g allozQiois (D. L. VI 103); daher hier die Sia- ozQocpi] Tj&äjv erwähnt (wegen diaozQocprj s. Zenon fr. 140).

4) Die Anekdote ist im Zusammenhang mit dem Bericht über Ze- nons Schülerverhältnis zu Polemon erzählt. Der gemeinte Dialektiker ist vielleicht Philon, mit dem sich Zenon im Disputieren übte (D. L. VII 16)

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die zwar richtig sind, aber nicht Weizen oder sonst etwas Gutes (ti twv CTiovdcciwp), sondern Spreu und Schmutz messen (fr. 5). Die Beweise gegen die Lust hat er gewiss nicht verachtet, obschon ihm das gute Beispiel als wirkungs- voller mehr galt ]). Wie er selbst hier das Auswendig- lernen zurücksetzte, so meinte er überhaupt, nicht Laute und Wörter solle man auswendig lernen, sondern im Hin- blicke auf den dauernden Zustand des Nutzens sich beständig üben (apophth. 16). Ihm war gewiss der Betrieb der Philosophie heilig; aber nicht jede Art des Betriebes gefiel ihm (a. 8)2).

Auch die Grammatik kann er nicht immer verworfen haben, da er sich selbst, und wie es scheint, nicht ohne Erfolg mit dieser Disziplin beschäftigte (D. L. VII 32), wie später auch Kleanthes und Chrysippos.

Die Freude an Wissenschaft und Kunst galt dem Chrysippos als Ersatz für die Epikureische Lust (Chr. Athen. VIII 337 a). Mathematische Wahrheiten wie die, dass die Diagonale zur Seite asymmetrisch ist, betrachtete er als vom Geschicke gegeben (fr. 164 Gercke).

Von den Künsten stand vor allen die Dichtkunst bei den Stoikern in höherem Ansehen aJs bei Piaton, welcher in seinem „Staate" eben mit Rücksicht auf die Erziehung den bekannten Vorstoss gegen die Poesie unternommen hatte.

Zenon schrieb selbst, wie* ähnlich vor ihm Aristoteles, ' OfjLrjgixMV TCQoßlrHictToav nevTs^). Die Schrift war nach

*) S. S. 274. Kleanthes meinte, in alten Zeiten hätten sich, trotz- dem die Philosophie nicht allgemein betrieben wurde, doch mehr Leute ausgezeichnet, weil damals die That geübt wurde, zu seiner Zeit aber das Wort (a. 12). Auch apophth. 9 stellt sich Kleanthes auf die Seite der Praxis (fyya) und nicht der Theorie (Ao^os).

2) Das Apophthegma hat Diogenes Laertios dem Zusammenhange nach so verstanden, als ob Zenon tadelte.

3) Vgl. Kleanthes nttfi rov ttol^tov. Über stoische Homer-

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dem Kataloge logisch gehalten, und fr. 198, wo sich Zenon in einer geographisch-ethnographischen Frage für eine bestimmte Lesart zu Od. 6 83 entscheidet, verdeutlicht diese Eigenschaft noch besser. Wichtiger ist aber fr. 195, welches sich auf die gleiche Schrift beziehen muss. Danach hat unter Berufung auf Antisthenes der im allgemeinen behauptet hatte, Homeros habe die Dinge teils dem Scheine teils der Wahrheit nach dargestellt2), Zenon im einzelnen durch Interpretation nachzuweisen versucht, dass Antisthenes recht habe, und dass die bei dem Dichter gefundenen Wider- sprüche 3) auf diesem doppelseitigen Prinzip beruhten. Deshalb schrieb er auch den Margites Homeros zu, indem er meinte, der junge Homeros habe damit seine Anlage zur Dichtkunst erproben wollen.

Das aufgestellte Prinzip wurde jedoch von Zenon wie von Antisthenes4) wohl hauptsächlich zur Verteidigung des ethischen Wertes der Homerischen Dichtungen benutzt. Und so mag jene Schrift die logische Basis zu der Schrift „Uber das Anhören 5) von Dichtungen" dargestellt haben, welche vor allem über das Anhören von Dramen6), aber

erklärung P. Norden, 19. Suppl. z. Fleckeisens Jahrb. 1893 S. 383 Anm. 3. E. Hatch, Griechentum und Christentum. Freiburg 1892 S. 36 ff„ ist gerade auf das Verhältnis der Stoa zu Homeros nicht näher eingegangen.

*) S. Krisch e, Theol. Forschungen. Göttingen 1840 S. 393 f. Da W e 1 1 m a n n S. 443 dieselbe Vermutung ohne Begründung vorträgt, scheint E. Weber, Leipziger Studien 10, 224 Anm. 2, nicht viel dar- auf zu geben.

2) P. Hartlich, De exhortat. bist. S. 227, denkt an den IlQOTQsn- Tixbg nsQi Oecyvidog.

3) S. E. Weber, Leipziger Studien 10, 225.

4) S. Hartlich a. a. 0. Weber S. 225 f.

5) Der stoische Barbarismus erlaubt so zu übersetzen; die Über- setzung „Vortrag" ist angesichts der Fragmente unmöglich.

6) Vgl. Plut. Quom. adulesc. 33 c; auch Kleanthes führte seine Epheben ins Theater (D. L. VII 169), vgl. apophth. 8.

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auch von rezitierten Epen gehandelt zu haben scheint. Wir würden nach unseren Verhältnissen eher von Dichter- lektüre {) sprechen.

Dieselbe Frage scheint dann auch Chrysippos in der Schrift 7T8QI rov tiwc det Tioi^droav axovsiv erörtert zu haben, nur dass nach Ausweis der Kataloge Zenon mehr die logische Methode anwandte, letzterer mehr auf die Ethik sah. Wie Elter, einer seit Wyttenbach Öfter aus- gesprochenen Vermutung erst die Berechtigung verleihend, ausführte, gibt die Plutarchische Abhandlung ttwq detröv vsov noir^idroav dxovsiv den Inhalt und, wie mir scheint, in ge- wissem Masse auch die Sprache der Chrysippeischen Schrift wieder. Die ethisch sehr gut verwertbare Dichterlektüre wird im Gegensatz zu Piaton gerettet, indem die Jünglinge von einer falschen Auffassung der bedenklichen Stellen gewarnt und bewahrt Averden.

Ein absonderliches Mittel zu diesem Zwecke, das jedoch vielleicht gerade auf die Jugend Eindruck gemacht haben mag, fanden die Stoiker in „Verbesserungen" (TictQadiOQd-cboeig) ethisch anstössiger Verse ; es wurden nämlich solche Verse unter möglichst schonender Rück- sicht auf den ursprünglichen Wortlaut in das ethisch Richtige umgedichtet man nannte das iisTayoayeiv (Plut. Quom. adul. 33c. D. L. VII 25 f.), snavoq&ov c&cu (Plut. 33d. 1039f) oder svaXkdmsiv (Plut. fr. comm. in Hesiod. 9 = Procl. ad op. 291 III S. 22 Paris.). Schon dem Antisthenes wird offen- bar von Chrysippos eine solche Verbesserung des Verses :

in den Vers

aiaxQOP cd y alaxqov, xäv doxy xäv (iq doxr\

') Auch Chr. und I'lutarchos sagen kurzweg äxovtiv, wenn auch letzterer 14 f die äxQodotig von den dvayvojotiQ unterscheidet. Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 20

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als freie Improvisation 4) zugeschrieben (Plut. Quom. adulesc. 33 c).

Auch Krates (D. L. VI 86) 2) dichtete die Verse der Sardanapalinschrift (Athen. VIII 336 a)

xelv s'xco oüü ecpayov xal s(pvßQi6a xal Gvv sqcoti tsqttv ena&ov ra de noXXa xal öXßia navTa XsXvvrat, um in die Verse :

ravT e%(a ÖGC e^adov xal syqovTtöa xal fierä MovGwv G&liv sdccrjv ra de TtoXXa xal ÖXßia Tvg)og e^iaqxps. Chrysippos gab in seiner längeren Umdichtung der ganzen Inschrift diese Verse so wieder (Athen. VIII 337 a): ravj e%(of öao' e'fjba&or xal syqovTiüa xal ^sra tovtcov eü&)? ena&ov ra de Xoma xal ijdea ndvra XsXsmTai. Ahnliche Spielereien werden von Zenon (Plut. 33 d) zu einem Sophoklesverse3) und (D. L. VII 25f.) zu zwei Hesiod- versen (op. 293) 4), deren zweite Halbverse er vertauschte, von Kleanthes zu zwei Euripidesversen (fr. 111) und von Chrysippos öfter erwähnt (Athen. VIII 337 a. Stoic. rep.

1) Dass der zweite Vers nicht schon bei Euripides stand, geht aus der VersioD des Serenos (Stob. flor. V 82) hervor, wonach Piaton den- selben dem Euripides berichtigend entgegenhielt. Serenos muss, da die Situation bei ihm gezwungen ist, die Personen verwechselt haben. Der aus dem Aiolos stammende Vers ward schon von Aristophanes und der Lais parodiert (s. Nauck Eurip. fragm. 19).

2) S. Hübner z. St.

3) Zu Aristippos und Platoü, von welchen Gleiches berichtet wird (Pearson zu fr. 197), passt die Weise weniger.

4) Dort deutet [letayQäcpeiv und die Begründung ngeitrova ydq sivai rov axovoai (!) xaAtTg Svvdfisvov xb leycfisvov xal xQVa&a1, a^T(? T°v & avrov xb nav avvvorjoavzog xxs darauf, dass die Verse aus der Schrift n. Tioirjrixrjg anQodatujg herrühren. Weitere Belege bei P earson fr. 196, besonders Plut. fr. comm. in Hesiod. 9. III S. 22 Paris. S. auch Liv. XXXII 29 ipse. Cic. pro Cluentio 31, 84 ipsi. Anaxandr. 3, 196 (13) Kock ol 8ka.vToioiv ooffoL. Über den Sinn der Hesiodverse A. Rzach, Symbolae Pragenses 1893 S. 171. 184. Schon Aristoteles eth. Nicom. 1095 b, 10 hatte letztere zitiert.

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1039 f. 1047 f. Plut. Arat. 1027 f)1). Letzterer weist (Plut. Quom. adulesc. 34 b d) auch darauf hin, wie man durch solche Änderungen Sätze, die beim Dichter nur für ein- zelne seiner Personen gelten, für gleichartige Fälle zurecht machen könne; so könne man den Tadel des Odysseus gegen Achilleus in Skyros :

Cv 6' co t6 Xa^Ttqov (poog aixoaßepuvg ysvovg %cclveiQ ccgiüTOV ticctqoc 'EXXyvcov yeycog; auf Schlemmer, Gewinnsüchtige, Nachlässige und Unge- bildete nach folgendem Muster übertragen:

TcivsiQ ccqIotov TvarQog EXXr\vodV ysycog2). Diese Manipulationen sagen deutlich, wie sehr die Stoiker in den Dichtern zu Hause waren. Ja Zenon ruft aus dem Gedächtnisse die Worte der Niobe:

eQXOfjai ' t'i puccvets] aus (apophth. 56; vgl. 29). Ariston (D L. VII 163), Kleanthes 172; apophth. 11 Pears.) und Chrysippos (179. 182) zitieren frei im Gespräche; Dichterstellen werden als Beispiele zu logisch-grammatischen Definitionen 67 f.) und als Beweise 114) herangezogen. Auch hier waren die Kyniker Vor- bilder, so Diogenes (D.L. VI 38. 44. 52. 53. 55. 57. 63. 66. 67. 103. 104), Metrokies (95) und Krates (90), der wie Zenon im Vorgefühle des Todes Verse spricht (92).

Kleanthes dichtete selbst. Wie unser Hauch, pflegt er zu sagen, helleren Ton hervorbriogt, wenn er, durch die Enge einer langen Röhre gestossen, mächtiger ge- worden ist, so macht der Zwang des Gedichtes unsere Meinungen heller (fr. 50)3).

1) Fast als Uebungsbuch zu solchen Versuchen könnte man die Schrift ntq) dnocparmo/v (Bergk opusc. II III ff.) bezeichnen, zu deren Verständnis besonders auch C. Prantl, Gesch. d. Logik I S. 452 f. Aura. 138, dient.

2) Charakteristische Stellen für seine Dichterbehandlung ßaguet S. 197. 202. 206. 208. Gal. S. 213 K.

3) Ueber die Anwendung dieses Grundsatzes durch die Stoiker s.

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Wüssten wir Näheres über die von Zenon empfohlenen Unterrichtsmethoden, so wäre das hoher Beachtung wert. Denn er besass in seinen Schriften eine hervor- ragende Lehrgabe x), und Epiktetos 2) meint, er habe vom Schicksal die Aufgabe des Lehrens und Aufstellens von Lehrsätzen erhalten, wie Sokrates die des Uberführens und Diogenes die des Tadeins.

Er sah, wie seine Philosophie zeigt, auf zahlenmässiges Fixieren des Stoffes. Er liebte Vergleiche und Bilder, und selbst seinen Definitionen stellt er solche zur Seite3). Den Eindruck seiner Sätze auf die Zuhörer schwächte er nicht durch Widerlegung möglicher Einwände4). Die Kürze und scharfe Zuspitzung seiner Schlüsse war berühmt5).

Kleanthes entwirft, um anschaulich zu werden, ein förmliches Gemälde der Lust6), oder greift, um eine ab- strakte Untersuchung verständlich zu machen, zu lebendigen Beispielen (fr. 98). Den lehrhaften Zweck der leichteren Ubersicht mochten die häufigen Verse des Kleanthes

Di eis Doxogr. S. 221. Zugrunde liegt obigem Bilde die Anschauung der Stoiker von der cpojvrj als gestossener Luft. x) Frontonis epistol. I S. 114 Naber.

2) Diss. III 22, 19.

3) Hirzel, II S. 31 u. Anm. 3. Pearson S. 33 f. S. auch noch Stob. Ecl. II 72, 13 W. D. L. VII 20. 23 av&og. D. L. VE 26 aal ol &tQfiot, nutgoi ovtss xt£- 22 ujotisq 8ip7joiv ars. Stob. flor. 36, 23 anoßge^ag. D. L. VII 37 SÜzois (aus der Schule genommen), fr. 7. fr. 32. Quint, inst. or. IV 2, 117 sensu tincta. Die Tonkunst liefert Bilder apophth. 33. D. L. VII 125. Cleanth. fr. 50. apophth. 10.

4) R. Hirzel, De logica Stoicorum. Satura philol. H. Sauppio obl. Berlin 1879 S. 73 f.

6) Pearson S. 33.

6) Ueber die Allegorie in der Litteratur s. S. 97. E. Weber Leipz. Studien X 169; 249 ff. (Vgl. Plat Crito 50aff.)

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haben, welche dann als Merkverse gedient hätten1) All diesen Anregungen folgte Chrysippos.

Auf richtiges Erfassen des Vorgetragenen scheint Zenon grossen Wert gelegt zu haben: Die Philosophen schaden denjenigen unter ihren Zuhörern, welche ihre trefflichen Reden falsch und oberflächlich auslegten; so käme es. dass Knauser und Sauertöpfe aus seiner eigenen und freche und verdorbene Charaktere aus des Aristippos Schule hervorgingen2).

Er gab daher auf grosse Schülerzahl nichts; seine Truppe harmoniere besser zusammen als die zahlreichere des Theophrastos (apophth. 6). Individualisierend suchte er auf seine Schüler einzuwirken, indem er in der Regel mit nicht mehr als zweien oder dreien auf- und abging (D.L. VII 14), und individualisierend studierte er, wie sich in seinen zahlreichen Aussprüchen kundgibt, den Charakter der Einzelnen3). Aus gleichem Grunde mag er wohl auch das lästige Herandrängen in seine Nähe durch drastische Abfertigung und durch Verlangen von Geld für die günstigeren Plätze verhindert haben (D.L. VII 14); und nicht auf Nervosität wird es beruhen, wenn er sich bei seinen Vorträgen wenigstens den Rücken freihielt4). Um ungestörter zu sein, hatte er auch die bunte Halle aufge- sucht, die, wie es scheint, der Aberglaube der Athener mied, seitdem unter den dreissig 1400 Bürger dort getötet worden waren (D.L. VII 5) 5).

J) Aehnlich schon Krise he, Theol. Forschungen S. 421. 422.

2> Fr. 191 wird durch Ariston Cic. nat. deor. III 31, 77 (letzteres wohl aus den Chrieen: dicere solebat) erläutert.

3j Zwei Gruppen macht er, wenn er die Schüler in Freunde der Rede {ydoloyoi) und in Freunde des Redens {loyoylloi) einteilt (fr. 200 und Pearson dazu; vgl. Stob. ecl. II 104, 10).

4) Zur Erklärung U. Köhler, Rhein. Mus. 1884. 39, 297. L. Gras- berger. Erziehung u. Unterr. II S. 216 ff.

*) Doch hatte ein Dichterbund, ebenfalls Stoiker genannt, vernrut-

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Die katechesierende Unterrichtsweise muss in der Stoa einen breiten Raum eingenommen haben, da von Frage und Antwort in der Logik der Stoa oft die Rede ist und man es sogar für nötig hielt, die sittliche Gleich - giltigkeit dieser Handlungen zu betonen (Stob. ecl. II 97, 4 W.).

Zu schaffen machte den Stoikern die Frage, ob man für den Unterricht Geld nehmen solle. Während spätere Stoiker das für unwürdig erklärten, waren die alten Stoiker der Ansicht, man könne selbst philosophische Grundsätze um Lohn mitteilen ]). Doch kann dies nur insoweit zugelassen worden sein, als es sich um Ge- winnung von Lebensunterhalt für den verarmten Philo- sophen handelte2)*, und man hat hier einen Unterschied zwischen ärmeren und reicheren Schülern gemacht3). Zenon legte selbst dem armen Kleanthes die Abgabe von einem Obolos auf, aber lediglich aus erzieherischen Gründen (D. L. VII 169) 4). Chrysippos gab den Rat, das Geld je nach Umständen vorauszunehmen oder sich nach- zahlen zu lassen und, wenn man sicher gehen und zu- gleich würdig handeln wolle, einen Vertrag mit dem Schüler zu machen (Chr. Stoic. rep. 1043 e f. 1047 f). Aber

lieh Komödiendichter, sein Stelldichein zur Zeit der alten Komödie dort gehabt (D. L. VII 5).

J) S. Stob. ecl. II 110, 1 W und G.-Pr. Würzburg 1896, 47.

2) Vgl. Zenons pietätvolles Verhalten gegenüber seinem Lehrer Krates (D. L. VII 12).

3) Timon wirft dem Zenon die Armut vieler seiner Schüler vor (D. L. VII 16). Wenn besondere Plätze für Arme erwähnt werden (D. L. VII 22. Grasberger, Erziehung u. Unterr. H S. 48. 221), so hat das den Sinn, dass Zenon, um das Gedränge zu vermeiden, von den Zunächststehenden Geld verlangte.

4) 2vyyv[Avä£,eiv; s. fr. 12. 107 (avyyv/uvaaia). rv/uvaola neben aoxTjoig D. L. VI 70.

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auch er wollte nicht, dass man um des Geldes willen lehre (D. L. VII 188 f)

Zur Charakteristik der stoischen Pädagogik sei endlich noch einer Frage gedacht, in welcher die Stoa dem Christentum vorarbeitete, und welche auch für unsere Zeit grosse Bedeutung gewonnen hat. Es handelt sich um die Frage, ob Mann und Weib in gleicher Weise ethisch ver- anlagt sind.

Die Antwort des Kleanthes lautete bejahend; eine seiner Schriften trug den Titel neqi tov oti // avTfj ccosttj xai avdqog xai yvvaixog. Nun sagt Tiegi bei Kleanthes freilich nicht mit Sicherheit, ob die Schrift im günstigen Sinne abgefasst war. Aber Antisthenes hatte behauptet: ävdqbg xai yvvaixog tj avTy ccQsnj (D. L. VI 12), Zenon gleiche Kleidung für beide Geschlechter ge- heischt2), undMusonios (Stob. ecl. II 244, 6 Movcwvlou ix tov "Oti xai yvvai%i (piXooo(pi]Tsov) entscheidet sich in zu- stimmender Richtung, wie er auch in der Abhandlung über die Frage sl naoauXrio icog naidsVTsov Tag d-vyaisqag Toig vlotg (Stob. ecl. II 235, 23) Beweise für den Satz bei- bringt: oti de ovx alXai äqsTai avdqög, aXXai dk yvvaixog? qadiov iiad-elv (236, 8)3). Es sei hier erlaubt, nochmals an Piaton zu erinnern. Dieser hatte nur an die Frauen der Wächter gedacht und die Frage so formuliert (Rep. 452 e): ttotsqov övvaTrj (fvtiig ^ äv&QcoTclvT] rj &rjÄsia tj\ tov

x) Vgl. Stob. ecl. II 109, 22 W., wo auf nmi der Nachdruck liegt.

2) S. S. 207.

3) Wendlaud, Quaestion. Muson. S. 23, führt Lactant. instit III 25 an, der bezeugt, dass die Stoiker den Frauen das Philosophieren zugestanden, sowie Senec. ad Marciani de consolat. 16, wo Beispiele aus der römischen Geschichte beigebracht werden für den Satz: quis autem dixerit n a t u r a m maligne cum mulierum ingeniis egisse et virtutes illarum in artum retraxisse? par illis, mihi crede, vigor, par ad honesta, libeat tantum, facultas est; dolorem laboremque ex aequo, si con- suevere, patiuntur.

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<xQQ€Pog ysvovg xoivwvjjöat, eig dnavxa rd eqya^ Von 451 d bis 457 b führt Piaton den Beweis dafür, dass den Frauen die gleiche Erziehung hinsichtlich der Gymnastik, der Musik und des Krieges zu geben sei wie den Männern; 455 d heisst es, dass die Frau der Natur nach (xarcc (fvöiv) an allen Beschäftigungen teilhat, nur dass die Frau im allgemeinen etwas schwächer sei als der Mann. Da- gegen hatte Aristoteles in seiner Politik (1259b, lff.) gefunden, dass zwar Sklaven, Frauen und Kinder an den ethischen Tugenden teilhaben, aber nicht auf die gleiche Weise. Seine Worte sind dann (1260 a, 20): mCts (pavsqov bri itiriv idia rj aqsTTj tcov eiQfjfJbspcov ändvTtoV, xai on% rj avrr) GcoyiQOGvVT] yvvaixog xai dvÖQog, ovd" dvdqia xai dixaioGvrrj, xa&dTTeq wsto ^(axqaTrjg, d)X i] {ihr d^ixi) ävdqia i] (T v7T7]QSTixrj, o^oioag €%€i xai rcsqi Tag äXXag. Gegen die Peripatetiker also ward sich des Kleanthes Schrift gerichtet haben. Piaton hatte nur einen Gradunterschied (vgl. Rep. 451 e ätf&svsGTSQaig iGxvqotsqoic) anerkannt, Aristoteles den Gradunterschied (reo [xaXkov xai 7\ttov diaysqsiv) ge- leugnet und den Artunterschied si'Sei diaysQsiv (1259 b, 37 ff) behauptet1); auf die Seite Piatons stellte sich also Kleanthes und bewies, was dieser nur für die natürliche Anlage beweisen wollte, für die geistige Verfassung des Menschen. Auf welchem Wege Kleanthes den Beweis führte, ist vielleicht aus den Darlegungen des Mu- sonios zu ersehen, der auch sonst (Stob. ecl. II 243, 1) auf Kleanthes Rücksicht nimmt, und der mit einigen Epitheta des gerechten Weibes {ä^s^iTiTog Stob. ecl. II 245, 18. sTUfJbsXijg 245, 20) sich an Kleanthes anzulehnen scheint, da dieser vom sittlichen Gute dieselben Eigen- schaften ausgesagt hatte. Auch die Schätzung des növog

x) Für sehr notwendig hält Theophrastos Stob. ecl. II 207, 10 bei Frauen eine allgemeine litterarische Bildung, warnt aber vor tieferer Einführung, da diese Blaustrümpfe erzeuge.

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und des qoßoq in beiden Stücken des Musonios (236, 26. 245, 29) erinnert an denselben. Ferner müssen wir be- denken, dass Kleanthes zwischen Piaton und Musonios liegt; zwischen beiden letzteren finden sich aber einige Ähnlichkeiten, so der Hinweis darauf, dass die weiblichen Hunde ebenso gezogen werden wie die männlichen (Plat. Rep. 451 d. Stob. ecl. II 235, 30), und die Berücksichtigung der Meinung, die Frauen sollten das Haus hüten (oIxovqsIv Plat. Rep. 451 d. Stob. ecl. II 238, 10. 246, 15.), die Frauen seien schwächer, die Männer stärker (Stob. ecl. II 238, 4). Manchmal würden die Männer von den Frauen übertroffen, wo man es nicht erwarten sollte, und umge- kehrt (Stob. ecl. II 238, II)1); auch gedenkt Musonios der Gymnastik (Stob. ecl. 238, 10). Besonders aber gemahnen beide Stücke des Musonios an den Anfang von Piatons Menon (73a ff.), auf welchen auch Aristoteles, wie die parallele Zusammenstellung von Frau, Kind und Sklaven zeigt, deutlich anspielt; dort wird nachgewiesen wie hier, dass auch die Frau, wenn sie gut (ayud-rf) sein will, bei ihren Beschäftigungen die Tugenden benötigt, z. B. die <7w(fooGvvr]. Es darf daher angenommen werden, dass Kleanthes ähnlich wie Musonios verfuhr und die vier Kardinaltugenden auch bei den Frauen feststellte; wenn Musonios als Tugenden die (fQOpfjGiQ, Öixcuogvpt], GtoyQOüv vr\ und dvdqsia (236, 10. 244, 27) nimmt und nicht die sy- xoaTsicc, so hat er sich der gewöhnlichen Annahme der Stoa lieber angeschlossen als dem abweichenden Stand- punkte des Kleanthes. Die Streitfrage ward auch von Plutarchos in der Schrift oti xcd yvvaXxa naidsvTsov (Wyttenbach V 842 ff.) berührt und gleichsam als Nach- trag dazu (toc vnoloma tmv leyofispcov slq to \niav elvai

x) Tcayanlrjolav (zu TQO<prtv) Plat. Rep. 451 d. Ttaqanlrjoioug Stob, ecl. II 235, 30. 238, 25.

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xal t^v avTr\v dvdqog ti xal yvvaixog dger^v mulier. virtut. 242 f) erscheinen die historischen Bilder der Tvvaixiav äqsTod, in deren Einleitung die einzelnen Tugenden ((pQOvrjGic, öixaiocvv^ dvdqeia, 243 d) wieder auftauchen1).

A) Von denselben ist wohl auch in der Schrift cti aal ywcuxa naidevriov die Rede gewesen, da es von sieben Fragmenten vier mit der Trunkenheit zu thun haben, also auch mit der Massigkeit. Vgl. oivoyXvylat Musonios Stob. ecl. II 236, 18 mit olvcylvt, bei Plutarch fr. 3. 842 c.

Cap. IV.

Die geschichtliche Stellung der alten Stoa.

Der Begründer der Stoa wurde vielleicht in demselben Jahre geboren, in welchem Alexander der Grosse den Thron Makedoniens bestieg; er kam nach der geistigen Hauptstadt der Welt neun Jahre, nachdem Alexanders Leben so jäh geendet hatte; als Lehrer trat er auf zu einer Zeit, da das Weltreich des grossen Eroberers schon zerstückelt war und der aus dem Osten herübergeeilte Demetrios Poliorketes in Makedonien die Lage beherrschte. Chrysippos, mit dem wir abschliessen, da bereits seine nächsten Nachfolger in nicht unwichtigen Punkten die alt- stoische Lehre modulierten, starb in den Tagen des zweiten punischen Krieges, welcher Rom und Griechenland einander näher brachte. Selten hat die Geschichte mit mächtigeren Tönen dem sinnenden Gemüte die Nichtigkeit des irdischen Glanzes und der Macht gepredigt als damals, da das weiteste Reich unmittelbar nach dem Tode seines Stifters in eine Reihe kleiner Staaten zerfallen war, deren Bestand jederzeit durch ruhmsüchtige Feldherrn bedroht werden konnte ; selten aber auch den Triumph des menschlichen Geistes in gleichem Masse zur Schau gestellt. Noch war Rom für den Osten nicht das grosse Fragezeichen ge- worden. Es waren Jahre grösster politischer Verwirrung: von einem Vaterlande konnte nicht mehr gesprochen werden; die berühmten Stadtgemeinden Griechenlands befanden

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sich im Zustande tiefster Ohnmacht. Orient und Occident wurden durcheinandergewirbelt ; nicht mehr ruhig und stetig fand der Austausch der beiderseitigen Kulturerzeugnisse statt. Die Beschützung von Kunst und Wissenschaft wurde zu einem Machtmittel an den Königshöfen der alexandri- nischen Zeit, von der Augustus in dieser Beziehung eben- soviel gelernt hat als Karl der Grosse von den Byzantinern. Die reine Freude an geistiger Arbeit, die das Zeitalter der Sophisten so merkwürdig macht, und die einem Piaton erlaubte, höchsten Problemen in halb spielender Weise zu nahen, war dahin. Die Philosophie selbst litt noch unter den Nachwirkungen des sophistischen Skeptizismus und rang noch in dem Bemühen, aus dem Widerstreite der verschiedensten Welt- und Lebensanschauungen eine ein- heitliche Auffassung zu gewinnen. Die Reizlosigkeit und Kleinlichkeit der Politik richtete den Blick der Begabten mehr ins Innere und liess die ethische Not tiefer zu Bewusstsein kommen. Ebenso aber hatte der Zwang der politischen Verhältnisse, der den Schwerpunkt griechischen Lebens vom Zentrum weg an verschiedene Punkte der Peripherie verteilt hatte, den Gesichtskreis notwendig erweitert und die Anregungen der Sophisten, die auf die Sitten fremder Völker hingedeutet hatten, zu ethnographischen Studien im vergleichenden Sinne anwachsen lassen; der Beigeschmack nationalen Hochmuts, welcher dem Interesse an fremden Völkern seitHomeros anhaftete, musste schwinden.

Zwei charakteristische Züge, die sich an der ethischen Philosophie der Stoa wahrnehmen lassen, erklären sich zum Teile aus diesen Umständen: die tiefe Innerlichkeit und der Kosmopolitismus. Zum andern Teile begünstigten die persönlichen Verhältnisse der alten Stoiker eine solche Richtung. Schon vielfach ist bemerkt worden, dass die- selben ihre Heimat im Osten gehabt hatten, nahe den Ländern, die den Hauptsitz der semitischen Stämme bildeten.

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Die griechischen Dialektinschriften können zeigen, wie dort orientalisches Wesen und hellenische Sprache auf einander einwirkten1). Zenon und Kleanthes kamen in einem Alter nach Athen, wo die geistige Grundstimmung des Menschen schon entwickelt zu sein pflegt 2). Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass sie das Ferment ihrer ethischen Ansichten aus dem Orient mitbrachten; weshalb sie sich für die Sokratische Form der griechischen Philo- sophie und zwar für die kynische Abart 3) mit ihrem Kosmopolitismus entschieden, ist dann sofort verständlich. In die Beleuchtung, welche dieser Zusammenhang gewährt, lässt sich auch die Beziehung rücken, in welchem die Stoa zu dem Asiaten Herakleitos stand. Es werden nicht lediglich landsmannschaftliche Gefühle gewesen sein, welche die dem Orient entstammten jüngeren Leute gerne in die stoische Schule führten. Der Verfasser des Buches der Weisheit und Philon der Jude haben mit feinem Takte ihre innere Verwandtschaft mit der Stoa herausgefühlt. Schon die Griechen müssen sich von der Persönlichkeit

*) Nach den Angaben, die R. Meister, Die grieeh. Dialekte. II Göttingen 1889 S. 192ff., macht, scheint das Phönizische auf Kypros das älteste gewesen und nur sehr allmählich durch das Griechische über- wunden worden zu sein. Eben Ketion (Kition) war ein Hauptsitz der Phönizier und wurde wohl erst durch Ptolomaios I. nach 312 ganz grä- zisiert. So findet sich für die Insel neben griechischer Einwirkung auf die Phönizier Einfluss der Phönizier auf die Griechen in den Götter- namen (Meister II S. 97. 206. 208). Der Name Ketion selbst ist semitisch.

2) Nach D. L. VII 32 hatte sich Zenon schon in seiner Vaterstadt hervorgethan (vgl. Tennemann IV S. 4). Gerade die Dissidenten waren in anderer Lage : Dionysios war am Pontes zu Hause, Ariston ein Chier, und Herillos wurde in der Luft Athens gross.

3) Tennemann IV S. 5 sagt, dass die Lebensart der Kyniker dem Geiste der Griechen entgegen war. Übrigens erhebt sich immer noch die Frage, ob uns nicht die kynische Philosophie in stoischer Färbung erhalten ist.

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des Zenon fremdartig berührt gefunden haben, da keinem anderen Philosophen seine Herkunft in der Weise vor- geworfen wird wie dem Poenulus. Es kommt bei der Beurteilung eines ethischen Systems nicht nur auf den sachlichen Inhalt und die Form an 5 die Betonung, welche auf einzelne Bestandteile gelegt wird, die Schärfe, mit welcher gewisse Begriffe gef&sst werden, kurz, was man den Gleist einer Lehre nennt, ist ebenso wichtig. Die andern griechischen Schulen, deren letzte Zuflucht das Masshalten ist, lassen sich leicht mit dem ästhetisch-mathe- matischen Wesen des griechischen Volkes in Verbindung bringen. Die stoische Lehre aber ist, als Kombination aus verschiedenartigen griechischen Systemen aufgefasst, nicht vollständig begriffen. Nicht einmal als Verfeinerung des groben Kynismus, dessen Anhänger übrigens selbst zum Teil vom Osten kamen, ist sie ganz verständlich. Philosophische Kombinationen pflegen weder so konsequent noch so lebenskräftig zu sein wie Zenons System1). Die auffallend innige Vereinigung zwischen idealistischer Tendenz und materialistischer Begründung kann ich mir nur so erklären, dass jene im Keime vorhanden war und diese erst aufgepfropft wurde. Denn mögen auch Idealismus und Materialismus, wenn dieser perfektionistisch ist, an sich keine Gegensätze sein, so verlange ich doch bei dem einzelnen Materialisten, da der Materialismus weder not- wendig noch in der Regel idealistisch ist, zu wissen, wie es kam, dass jener sich für die idealistische Richtung entschied, zumal bei einem antiken. Um von weiter ab- liegenden Religionen zu schweigen, sei deshalb hier an die jüdische erinnert, an ihre starre Unterscheidung zwischen Gerechten und Gottlosen, an die Gleichsetzung des letzten

n Vgl. Sieb eck, Unters, z. griech. Philos. 2. Aufl. S. 181.

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Begriffes mit dem des Thoren l) und an den Begriff „Sünde" und „Missethat" der Psalmen (apt^jjp, afiagria). Auch wird der monistische Pantheismus mit einer Kraft und Färbung vorgetragen, die nicht mehr griechisch ist 2). Wenn sich die Stoiker bei der Lösung des Dualismus so leicht durch das Heraklitische Bild der Spannung und etwa noch durch das Nebeneinander von Gut und Bös auf der Pythagoreischen Tafel der Gegensätze beruhigen Hessen, so könnte die eigenartige Uberwindung des Dualis- mus, welche die phönizische Religion gibt, mitgewirkt haben. Nehmen wir an, dass die Stoiker von der Einheit der Welt ausgingen, so verstehen wir die Rücksichtslosig- keit ihrer Mythenerklärung, die denn doch, besonders in ihrem Tone, über das Mass dessen hinausgeht, was sich ein geborener Grieche erlauben konnte. Ihre Laxheit in geschlechtlichen Dingen und in allem, was Sitte heisst, würde leichter begreiflich.

Mit diesen Andeutungen soll jedoch nur gesagt werden, dass die Frage nach der Beeinflussung des Zenon durch orientalische Vorstellungen eine offene ist. Vor allem wäre es verkehrt, wollte man mehr als die Grundstimmung oder das Temperament der stoischen Philosophie zu dem Osten in Beziehung bringen. Der dogmatische Inhalt der stoischen Lehre lässt sich aus dem Vorgange der sokratisch-kynischen3), die Form und die Methode aus dem der Aristotelischen Philosophie4) und aus eigener Denkthätigkeit des Zenon verstehen. Wenn sich über-

') Psalm 14.

2) Vgl. den Zeushymnus des Kleanthes mit den Psalmen, in denen die Unterordnung unter das Gesetz Gottes gepredigt wird.

3) Vgl. Antisthenes D. L. VI 10 ff. 103 ff. Das Wort adid<poqa jedoch wird den Kynikern dort (105) mit Unrecht imputiert.

4j AVenn er die Leidenschaft als Übermass eines Triebes betrachtet, so spielt sogar die Aristotelische ^eoörrjg etwas herein.

320

dies nicht nur bei Xenokrates sondern auch im Axiochos und bei Philippos von Opus2) Anklänge an die Stoa finden, so beweist das, wie glücklich Zenon die Stimmung weiterer Kreise zu treffen und die Ideen verschiedener Schulen zu vereinigen wusste3). Seine Absicht war, dabei offenbar so zu philosophieren wie Sokrates4). Neu ist die Ausbildung der Trieblehre, die tiefere Fassung des Begriffes Natur, die eingehendere Reflexion über den Zusammenhang der Tugenden und die Unverlierbarkeit derselben, die Über- spannung des Tugendideals, die Herausstellung der Be- griffe TiqoriYnsva, xcc&rjxov und TTgoxoTtrcov, welche allein eine Anwendung der kynischen Theorie auf das praktische

x) Der Begriff vom ttqojtov oixstov ist wohl besonders von diesem angeregt ; von der Akademie wohl die Lehre von den ir^orj-yfieva xara cpvaiv. Der Grundsatz vom naturgemässen Leben jedoch ist, da er bei den Kynikern schon vorlag (s. S. 28, 3), methodisch richtig auf diese und nicht auf die Akademie (Zell er III 1 3 S. 360) zurückzuführen. Die stoischen Etymologien lehnen sich an Piatons Kratylos (Zijva tfv, rpv%f) ava\pv%Hv) an; aber die für siSaifiojv D. L. VII 88 stammt von Xenokrates (R. Heinze, Xenokrates S. 144; vgl. S. 81 Anm. 3. S. 97).

2) Ueber den Pessimismus der Epinomis (973c) s. Baumker, Das Problem der Materie S- 147. In derselben hat der Weise eine Rolle, daher der Nebentitel yilvooyos., oft die av&QwnivT) cpvoig, bes. 979 b; die (platonisch)-stoischen Ausdrücke für glücklich (paxdQios, svSaljaojv, &eo- oeßrjg), [iia ovozaaig 981 b, fünf Elemente 981 b, 984 c, noiovv aal Tiäoxov 982 b, die Achtung der Barbaren 973 d, bes. 985 a ff; die Platonischen Tugenden sind terminologisch verwendet. Es ist daher nicht so ganz zu verwundern, wenn Stallbaum an Einüuss der Stoa dachte.

3) Vgl. z. B. auch, was H. Sieb eck, Unters, z. Philos. d. Griechen. Freiburg 1888 S. 250, über das Zusammentreffen von Aristoteles und Herakleitos ausführt.

4) Die Berufung auf Sokrates ist in den Fragmenten natürlich selten erhalten; s. jedoch S. 216, 3. 226, 7. Für Ariston Cic. ac. pr. ü 39, 123 und Euseb. praep. ev. XV 62. 1045 a Mign. ; das Sokra tische Zitat Horn. § 392 auch Muson. Stob. ecl. II 245 W. Chrys. Stoic. rep. 1045f, 1046 a, wo noch Polemon und Straten gelobt werden (vgl. Cic. Tusc. I 17, 39).

7

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Leben im grossen ermöglichten1). Zenon begann mit den einfachsten Begriffen und Sätzen und behielt diese Kichtung bei, indem er einen architektonischen Autbau seines Systems, meist mit Hilfe der Dreigliederung2), durchführte. Die am tiefsten einschneidenden Veränderungen sind dem Meister der Schule selbst zuzuschreiben, wobei neben der Absicht, der Volksanschauung einigermassen gerecht zu werden, der Anschluss an Herakleitos von Bedeutung war. Der mächtigste Hebel für den Fortschritt, welchen Zenon nahm, war sein ausgebreitetes Studium, das mehrfach bezeugt ist. „Wie die Biene", sagte er, „auf viele Blumen fliegt und das Schönste nimmt, so dürfe man auch die geistigen Er- rungenschaften vieler weiser Männer sammeln"3).

Die Entwickelung innerhalb der alten Stoa führte nicht zu Neubildungen, sondern um den ersten Kern wuchsen nur neue Ringe. Weder Trieb- noch Ziellehre, noch die Lehre von den Handlungen oder die von den Leidenschaften sind in wesentlichen Punkten verändert worden, und auch das Bild des Weisen trägt stets die stereotypen Züge. Die Polemik des Karneades hat tiefer gehenden Einfluss auf die Veränderung der stoischen Lehre geübt als die

J) Gegenüber A. Schwegler, Gesch. d. griech. Philos. Herausg. v. A. Köstlin. Freiburg 1882 S. 407, und E. Rhode, Psyche. Frei- burg 1894 S. 605 Anm. 1, ist zu bemerken, dass Zenons Philosophie, sobald sie spezifisch stoisch war, die praktische Lehre von den Tiqoriy^iva. schon enthielt, und dass die stoische Gottheit eben auch ein konkretes aktives Vorgehen nach dem Gesichtspunkte xara und naga yvoiv verlangt.

2) Mit der Dreigliederung ist, ausgenommen die Leidenschaften, eine Vierteilung eigentümlich verbunden ; s. S. 71, 5.

3) Spengel, ^vvayojyr] reyyow S. 190 Anm. ; vgl. I). L. VII 25. Das Bild stammt von Isokrates 1, 52 ; weiteres "Wittenbach zu Plut. de aud. poet. 32 e. Eine genaue Abrechnung zwischen der Stoa und ihren Vorgängern nimmt M. Hein ze, Stoicorum ethica ad origines suas relata. Naumburg 1862 (G.-Pr. von Schulpforta), vor.

Dyroff , Ethik d. alt. Stoa. 21

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des Arkesilaos. Feinere Einteilungen mit vermehrtem Begriffsmaterial, neue Syllogismen, genauere Definitionen, erweiterte Begründungen sind das Meiste, was die Nach- folger Zenons hinzuthaten. Das Bedeutendste in dieser Richtung leistete Chrysippos, der von allen Seiten her das System ausbaute und stützte1)-, bei ihm finden sich die Berührungen mit Aristoteles am zahlreichsten2). Nach allen Seiten hin sehen wir diesen Meister der Logik im Kampfe gegen Piaton, Aristoteles, gegen die Akademie, gegen Epikuros, aber auch gegen die allzu selbständigen Mitglieder der Schule ; nur in nebensächlichen Dingen kann er sich von Zenon, mehr vielleicht, wie z. B. in der Frage von der Unverlierbarkeit der Tugend und in der Schätzung der Lust, von Kleanthes entfernt haben3).

*) Über Anleihen bei der Medizin vgl. Stein, Psychol. d. Stoa S. 132 Anm. 252 f., und s. die Mitteilungen aus der Schrift ntql na&cov.

2) Hierher gehört u. a. besonders der Begriff intyevvrj/Lia, der Ge- danke von der Stufenordnung der Geschöpfe (auch Platonisch), der teleo- logische Zug einzelner Betrachtungen und die Betonung der Gerechtig- keit, das Beispiel Chr. Stoic. rep. 1050 a (vgl. eth. Nicom. 1105 a, 21 ygafifiatimol xal povoixol). Mit fr. 128 140 u, S. 699 Gercke vgl. eth. Nicom. 1101b, 18 ff. Aristotelisch ist auch der Gang der Untersuchung Chr. Gal. 419 nach den Fragen Träg xcu Sia r/, wobei sich Chr. sehr vor- sichtig hält. Über den altstoischen Aristotelismus s. H. Siebeck, Unters, z. Philos. d. Griechen. Freiburg 1888 S. 181 ff., und besonders über den teleologischen Charakter der stoischen Physik und Theodicee S. 226 ff. Vgl. A. Aall, Der Logos. Leipzig 1896. I S- 99.

3) D. L. VII 179 ist übertrieben und eigentlich durch den Zusatz widerlegt. Die Nachricht könnte, soweit sie Zenon angeht, auf einem Miss- verständnis beruhen, da das häufige nQog Zrjvojva des Katalogs statt als Widmung (s. z. B. noch ngog rovg xQLxixovg TiQog JwSmqov, tcqos rag äva£(oy(>a(p7]oeig itphg Tifiojvaxra) als Zeichen der litterarischen Gegner- schaft gefasst werden konnte. Cic. acad. pr. II 47, 143 weiss nur von Zwiespalt mit Kleanthes, an einer Stelle, wo er Unterschiede feststellen will, und de fato 7, 14 in der schwierigen Frage der stfiaQfAevr) (vgl.

323

Denn dieser war, so schroff und sogar einseitig1) er die Sekte nach aussen hin vertrat, Ariston gegenüber zu vor- sichtig und zurückhaltend gewesen. Zeichnet den Kleanthes der poetische Schwung aus und im einzelnen das Verdienst, den Tonosbegriff durchgeführt zu haben, so den Schüler die logische Schulung und der Hinweis auf den Begriff sru- ysvvriiicc und auf den Unterschied von Gattung und Art2). Der Widerspruch aus dem eigenen Lager hatte sich be- sonders in der Ziel-, Tugend- und Güterlehre geregt, und thatsächlich hat die Polemik eine Klärung und schärfere Formulierung einzelner Sätze veranlasst; so mag auch der inhaltlich nicht gerade neue, aber erst durch Chrysippos zum Range eines Dogmas erhobene Satz, dass die Leiden- schaften Urteile sind, entstanden sein.

Mit anderen Schulen und mit Ariston scheint Herillos eine Vermittlung unternommen zu haben. Ariston selbst ist ohne Zweifel der eigenmächtigste Charakter der ganzen Schule. In den genannten Teilen der Ethik wie in seiner Stellung zur parainetischen Ethik, zu den anderen Diszi- plinen der Philosophie und in seiner nominalistischenKichtung bekundet sich das zur Genüge. Kraft der Rede, päda- gogisch-didaktisches Geschick und eine auch in Zenons Absicht gelegene Vorliebe für Einfachheit und innere Ge- schlossenheit des Systems lassen sich aus den Fragmenten erkennen. Die vorliegende Darstellung wird gezeigt haben, dass er durchaus nicht so sehr abseits steht, dass man

Cleanth. fr. 18. 19). Orig. c. Geis. II 12. patr. 11, 817 b Mign. aXXa xal b Xq. noXXayox tojv ovyyQajU.jua.TOjv avrov cpaivtxai xa&anröjuevog KXe- dv&ovg xaivoro juöjv itaqa ra exewqt SsSoyfieva lässt darauf schiiessen, dass solche Vorwürfe auf Leute wie Poseidonios zurückführen. Die aus Antipatros neyl tijg K?.eäv&ovg xai X^vainnov diacpoQas bekannte Einzel- heit (Stoic. rep. 1034 a) ist bedeutungslos. ') S. S. 65 f.

2) Nach Chr. wird das yevog mit dem Verstand, das tWos mit dem Sinne wahrgenommen (Stein II S. 139 Anm. 275).

2L*

324

ihn aus den Reihen der Stoiker verbannen dürfte1); be- sonders in der Lehre von den Leidenschaften und vom Weisen ist er doch mehr als blosser Kyniker. Ja da, wo er mit Chrysippos übereinstimmt, darf eben wegen seiner sonstigen Sonderrichtung geschlossen werden, dass Zeno- nische Gedanken vorliegen.

Uber die praktische Ethik der Stoa kann im allge- meinen gesagt werden, dass sie hauptsächlich im Geiste des Kynismus und des Stilpon gehalten war. Sie ver- zweigte sich in die speziellsten Gebiete und erhält zuweilen den Charakter des Kasuistischen. Der Beschäftigung mit der Politik ist wohl die altruistische Wendung der Ziel- formel zu verdanken2). Das konservative Bestreben des Chrysippos, eine Kontinuität der Lehre nachzuweisen, wie es sich in der Ziellehre dokumentiert, mag in gewisser Beziehung seine Politik beeinflusst haben, insofern die Teilnahme des Persaios und Sphairos am Staatsleben zu rechtfertigen war. Der Grundgedanke der Lehre von den 7iQ07jy(jispa gestattete in den einzelnen Fällen oft ein recht weitherziges Vorgehen, und Charaktere wie Seneca lassen sich ebensogut mit der Theorie in Einklang bringen wie der jüngere Cato. Die stoische Moral ist durchaus nicht weltflüchtig-, im Gegenteil, sie behauptet, allein zum Re- gieren und Mitregieren zu befähigen und den richtigen Blick für alle denkbaren Lagen mitzugeben, wie besonders die Äusserungen des Ariston lehren. Zenon selbst und Chrysippos huldigen den Freuden der Geselligkeit. Dem Versucher soll man nicht entfliehen, sondern ihm mutig die Stirne bieten; fürchtet sich jener nicht bei seinen un- gerechten Anträgen, so darf sich der um so weniger

1) Philodemos (s. Gercke, Arch. f. Gesch. d. Philos. 5, 200) sagt ausdrücklich, dass er sich nur bezüglich der aSiayogla von Zenon unter- schieden habe.

2) Vgl. Chr. Stoic. rep. 1035 c. Cic. fin. III 6, 22; 22, 73.

%

325

fürchten, der für die Gerechtigkeit kämpft (Zen. apophth. 35). Nur Kleanthes scheint auf die Gefahren der Welt aufmerksam gemacht zu haben (apophth. ö. 15). Meinungs- verschiedenheiten waren gerade auf praktischem Gebiete naheliegend; im ganzen ist auch hier die alte Stoa einig.

Der nachfolgenden Stoa1) fiel die wichtige Aufgabe zu, die Angriffe des Karneades abzuwehren und anderer- seits eine Versöhnung der stoischen Ethik mit dem Volks- geiste und den positiven Schulen2) der Griechen wie auch mit den durch Rom veränderten politischen Verhältnissen zu versuchen. Zugleich galt es, den ungeheuren Stoff, welchen Chrysippos in Hunderte von Schriften zerstreut und in der vTToyoacpi] tov Xoyov wohl nur unvollkommen zusammen - gefasst hatte, zu sichten, zu vereinfachen und zu gruppieren. Wir begegnen in dieser Zeit dem Buchtitel „Ethik", der nichts anderes bezeichnen kann als: Zusammenordnende Darstellung der gesamten ethischen Lehre. Wenn unter diesen Bestrebungen der reine Gehalt der Lehre etwas Schaden litt, so griff die junge Stoa desto mehr in dog- matischer Beziehung auf die Alten zurück und überwand die trockene Form durch anmutende Darbietungen, so der gemütvolle Musonios3), der geistreiche Seneca und der lebhafte Epiktetos. In dieser Zeit beherrschte die Stoa die Höhen und Tiefen des Lebens: nach dem Sklaven wird ein Kaiser der namhafteste Vertreter der Schule. Stoische Gedanken waren in die allgemeine Bildung über- gegangen4). Weder die Neupythagoreer noch die Neu-

1) Vgl. Wetzstein, Die Wandlung der Stoa unter ihren späte- ren Vertretern. Kealschulprogr. Neustrelitz. 3 Teile 1892 1894.

2) Vgl. Franz Littig, Andronikos von Rhodos. Erlangen 1895, S. 2 ff.

3) Als sonderbaren Schwärmer geriert er sich Tac. hist. III 81 (in- tern pestiva sapientia).

4j Einwirkung auf die feste Gruppierung von 7 Lastern in christ-

326

platoniker noch die Kyniker1), weder die Dichter2) noch die Historiker3) noch die Geographen4), von den Gram- matikern5) und Rhetorikern zu schweigen, nicht einmal die Gegner wie Plutarchos 6), Galenos7) und Favorinus8) konnten sich solchen Einflüssen ganz entziehen.

lieh -apokryph er Litteratur weist A. Dieterich, Nekyia, Leipzig 1893, 170 nach, auf die Orphiker, Gnostiker und die volkstümlichen Vor- stellungen derselbe, Abraxas, Leipz. 1891, 83 ff. (Das Wortspiel yv%r)- yvxgov schon Aristot. de anim. 405 b, 28; vgl. Chr. Stoic. rep. 1052 f.). S. auch E. Maas, Aiatea S. 252. Über die Wirkung der stoischen Definitionen s. Schuchhardt und Kreuttner.

x) Oinomaos von Gadara zitiert den Chr. Euseb. praep. ev. VI 7 patr. 21, 433 b Mign. (vgl. 437 a).

2) Vergilius u. s. w. Über Maniiius s. Fr. Boll, Studien über Claudius Ptolemäus, Fleckeisens Jahrb., Leipz. 1894, Suppl. S. 218 ff.

3) Über Polybios R. v. Scala, Die Studien des Polyb. Stuttg. 1890 I 201 ff.

4) Vgl. Otto, Strabonis lotoqixojv vTio/uv^/^arow fragmenta. Leip- ziger Studien XI Suppl. S. 5.

5) Vgl. Prantl, Gesch. d. Logik im Abendl. I 402. Auch die Lexika z. B. Suidas s. v. dSvvaxov (D. L. VIT 75) und die Homerscho- lien (vgl. H. Schräder, Porphyrii quaest. Homeric. Leipz. 1882. I S. 389 ff. 1890 S. 194 ff.).

6) S. z. B. Hirzel, Unters. II 394 Anm. G. Heylbut, Ehein. Mus. 39, 310 (1884). 311. 27, 528. Die Biographien des Aristeides und des Cato (Tugendlehre) sind mit stoischem Geiste durchtränkt; demnach scheint neben Sokrates (c. 27) auch Aristeides als Tugendbeispiel ge- golten zu haben, wenigstens bei Panaitios, auf welchen die Benutzung des Demetrios Phalereus, Hieronymos von Rhodos und die Athetese der Aristotelischen Schrift neyl svysvelas leiten. A. Schlemm, De Plutarchi fontibus etc. Diss. Göttingen 1893, 85 ff. 100 will de fortuna auf Zenon zurückführen. Wir wissen aber nichts von einer derartigen Schrift Zenons. Ob sich Zenon selbst gegen Theophrastos in den Dia- triben verteidigte, ist fraglich. Der Ausdruck ra ixtög deutet auf nach- chrysippeische Stoa. Könnte nicht an Poseidonios (s. S. 95) gedacht werden, der die Vierzahl der Tugenden anerkennt, wenn auch nicht die tvßovMa ? Ich hoffe demnächst zu zeigen, dass des Plutarchos Schrift über den Tier verstand einen Stoiker Chrysippeischer Richtung be- kämpft, aber doch auch mit stoischem Material arbeitet. Weiteres

327

Bei dieser Lage der Dinge ist es von vornherein wahrscheinlich , dass das nach Anerkennung ringende Christentum, wie es die Säulen der heidnischen Tempel, selbst die Kapitelle als Basen verwendend, in seinen Basiliken nicht verschmähte, so auch an die brauchbaren Überreste antiker Philosophie in seiner Ethik anknüpfte. Schon die Lehre von der Verwandtschaft des mensch- lichen Seelenpneumas mit dem göttlichen Logos konnte an den biblischen Bericht über das Einhauchen der menschlichen Seele erinnern. Verlangte die Stoa Fügung in den Schicksalslauf1), so durfte nur der Wille Gottes und sein Gesetz in die Forderung aufgenommen werden, um sie zu einer christlichen umzuformen. Die Be- geisterung für die Tugend, der Hinweis auf den Lohn und die Selbstgenügsamkeit derselben, die Lehre vom Un- werte des Lebens, des Reichtums, der Macht und der Ehre, die Feindschaft gegen Lust und Leidenschaft, der Kosmopolitismus und die Anerkennung der Sklaven mussten dem Christentum sympathisch sein, und was vom Selbst- mord des Weisen gesagt war, hätte, wenn auch nicht thatsächlich die von den Stoikern besonders in Umlauf ge- setzte Idee von der Berechtigung desselben einen aus der Geschichte des Märtyrertums bekannten Fall beeinflusst hat, doch zur Verteidigung der That benutzt werden

Material A. Elter, De gnomologiorum historia. Dümmler, Akade- mica. AI fr. Gi es ecke, De philosoph. veterum quae ad exilium spectant sententiis. Diss. Leipzig 1891. R. Eeinze, Aristo von Chios bei Plutarch und Horaz, Rhein. Mus. 45, 497 ff.

7) Er studierte in seiner Jugend die Logik des Chr. Mottos und rt'Aos ist z. B. unterschieden de sect. 1 S. 64 K., wie auch bei Schol. zu Ptolem. harm. III 14 (Boll, Studien über Claudius Ptolemäus S. 55). (Choerobosc. schol. in Theodos. Alex. 1, 8 Hilgard. nur oxonög).

Vi S. Galen, de optima doctrina I S. 41 K.

l) Die Stoiker verehrten die tv%7) göttlich und bauten ihr Tempel CComm. in Aristot. phys. 351 b, 34 ff. Brandis).

328

können. Hatte die Stoa den Weisen in konsequentem Ausdenken dieses Begriffes auf den Gipfel aller denk- baren Vollkommenheit geführt, andererseits aber behauptet, dass dieses Ideal unter Menschen nur selten erreicht werde, so brauchte der Christ nur letzteren Satz anzuerkennen, um als höchstes Ideal die Persönlich- keit Christi und Gottes zu erklären. Die Prädikate des einen Gutes konnten dann als die des einen Gottes herübergenommen und ähnlich die pädagogische Methode der Stoiker, bestimmte heroische oder historische Personen als sittliche Vorbilder der Jugend zur Nachahmung zu empfehlen, als in der Christus- und in der Heiligenverehrung1) geübt bezeichnet werden.

Inwieweit freilich diese und andere Anknüpfungs- punkte vom Christentum in Wirklichkeit ergriffen wurden, ist eine Frage, die weitgreifender Untersuchungen bedürfte. Der dem Piatonismus geneigte Apologet Justinus Martvr2) gibt zu, dass die Stoa sich gerade in der Ethik aus- zeichnete, und Origenes spricht nicht ohne Achtung von Chrysippos, den er studiert haben muss3). Am lehr- reichsten ist in dieser Beziehung Klemens von Alexandreia, dessen Lehrer Pantainos vom Stoizismus zum Christen- tum übergetreten war4). Der Vorgang des Philon von

1) Vgl. Clem. Alex. Paed. I 1. 249 c. 1, 2. 252 c. 1, 3. 260 c.

Mign.

2) Apol. II 8 patr. 6, 457 a Mign. aal rovg arte xojv ^vmatov Soyfiatojv, stiel St] aav T]^imv leyov xca/uiot ysyövaatv. Dort wird des Musonios gedacht.

3) C. Cels. I 40 patr. 11, 736 b Mign.

4) S. das treffliche Büchlein von P. Wendland, Quaestiones Musonianae. Berlin 1886 (wo z. B. auch über axonög und relog ge- handelt ist) und die Berichtigung dazu Beitr. z. Gesch. d. griech. Philos. Berlin 1895 S. 72. Ausser manchen Einzelheiten im Pädagogus ist mir zufällig ström. Y1I 3. 421 c. 424 b ff. eine starke Berührung mit Chr. aufgefallen; nur scheint Klemens statt xardlrjy^ig das gebräuchlichere

329 -

Alexandreia war hier massgebend, und es ist eine eigen- tümliche Ironie der Geschichte, dass eben die Stadt, welche in der hellenistischen Zeit die philologisch-kritische Methode der Homererklärung gegen die von Chrysippos ausgehende allegorische Auffassung des Pergameners Krates verfochten hatte, jetzt gegenüber Antiochia die alle- gorische Bibelerklärung ausbildete, die in der Stoa ihre Wurzeln hat1). Für das Ansehen der Stoa bei den Kirchenschriftstellern besonders der früheren Zeit würden genauere Studien noch reichere Belege her- beibringen und zeigen können, dass damals neben der Platonischen Grundrichtung stets stoische Einflüsse einherliefen 2), weniger in der Psychologie als in der Ethik.

yvtoaig zu substituieren, wie schon Plutarchos in der Schrift de audiend. poetis. Statt naralrjutöv hatte Galenos de optim. doctr. T S. 42 K. yvoj- oxbv vorgeschlagen; vgl. das Scholion zur Odyssee a 3 (Buttmann) tv. yoQ xrtg iuTteiQiag r) yvcuoig (= 7] y.axdXrjxfjLg) ovväytrai. Die Alten meinten ja, die Stoiker hätten nur die Worte geändert. Über den Ein- fluss des Poseidonios s. ausser Wendland, Archiv f. Gesch. d. Phil. I S. 200 ff., noch A. Dieterich, Abraxas S. 84. Ausserdem Stein, Erkenntnistheorie d. Stoa S. 179.

x) AVenn die Stca ihrem erkenntnistheoretischen Prinzip und der durch Antisthenes inaugurierten Ansicht von den Dichtern gemäss auch die Dichter als Zeugen für ihre Lehren aufrief, war sie bei notorischen Widersprüchen zur Allegorese gezwungen. Es ist daher das Wahr- scheinlichere, dass die schulmässige allegoristische Methode von den Stoikern auf die Juden überging, bei welchen die Methode sich erst in nachstoischer Zeit nachweisen lässt. Was Scholz, Zeit und Ort d. Entstehung d. Bücher des alten Testamentes. Festrede. Würzburg, 1893 S. 27 ff., ausführt, ist nicht einwandfrei. Auffallend ist wenigstens, dass Philon die allegorisierende Methode nicht gegenüber seinen Lands- leuten, sondern gegenüber den Griechen anwendet. Vor allem aber war den Griechen die allegoristische Auslegungsweise nicht fremd. Schon Sokiates erklärt den Mythos vom Raub der Oreithyia durch Boreas alle- goiisierend (Plat. Phaedr. 229 c).

2) S. E. W ad stein, Über den Einfluss des Stoicismus auf die älteste christliche Lehrbildung. Theologische Studien uud Kritiken 1880.

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Die römischen christlichen Schriftsteller sind meist durch Cicero bestimmt, besonders Ambrosius l) und Augustinus2). Es ist deshalb nicht zu verwundern, dass das christliche System der Moral in formaler Hinsicht, zum Beispiel in der Unterscheidung von guten, bösen und indifferenten Hand- lungen, in der Einteilung der Tugenden3) und Leidenschaften4),

587 ff. (Philon, Justin, Klemens, Tertuilian u. s. w., Gnostiker). Vgl. Gregor. Nazianz. or. 32, 25 patr. 36, 201 c aal tojv XqvoI/khov ovlloyi- o/j-ojv rag Siahvost-s. or. 25, 6 patr. 35, 1205 a aal tt]V aefivrjv JSxoäv (ebenso 4, 43 patr. 35, 567 a). 4, 72 patr. 597 a aal rb Kkeäv&ovg (pqeaq aal rbv 'Ava^ayöqov t/u-avta aal T7]V 'HfjaaXzhov aa%r\(puav. Die interessante Übersetzung des Epiktetischen Encheiridion durch Pseudo- Nilus ins Christliche vermisse ich bei Überweg- H ein ze I S. 227. Durch die Stoiker scheint hauptsächlich das Merkmal der Proportionali- tät bei der Definition der Schönheit an Basilius, Augustinus, Pseudo- Dionysius, Albertus Magnus (Gietmann, Stimmen aus Maria Laach 1888 S. 289) gekommen zu sein. Über Methodios von Olympos ist eine Arbeit zu erwarten.

*) P. Ewald, Der Einfluss der stoisch-ciceronianischen Moral auf die Darstellung der Ethik bei Ambrosius. Diss. Leipzig 1881.

2) Über Novatianus und Seneca (Warnung vor dem Frühschoppen) C. Weyman, Philologus 1893 S. 728 ff.

3) Schon im Buch der Weisheit 8, 6, dann auch bei Thomas.

4) In der Aristotelischen Ethik treten die Leidenschaften sehr zurück (Schriften ct. na&ojv oQyrjg D. L. V 23 und nä&7] ä werden von Hesychios zitiert). Die Stoa wirkte ein, obwohl die christliche Philosophie in der Annahme berechtigter Leidenschaften den Peripate- tikern folgte. Thomas vertritt (Summa theol. II 25, 4, 1) die man darf sagen stoische Vierzahl der Hauptleidenschaften (vgl. dagegen Aristot. eth. Nicom. 1105 b, 21 und Areios Didymos, der die nä-friq eben- falls noch nicht ordnet) und unterscheidet Leidenschaften, die sich auf gegenwärtige und auf zukünftige (erwartete) Uebel beziehen (vgl. S. 172,4). Als seine Quelle nennt er Augustinus (civ. dei XIV 7 u. 9) und Boetius (cons. I 7), ein Beweis für die Wirksamkeit der Tradition, welche nach J. G. Eichhorn, Allgem. Gesch. d. Kultur und Litteratur d. neueren Europa. Göttingen 1796, S. XVI, besonders v. Hertling (Beil. z. allgem. Zeitg. 1896 No. 147 S. 2) zu Ehren brachte. Vgl. H. Siebeck, Gesch. d. Psych. I 2 S. 460, aber auch Ziegler, Gesch d. Ethik II S. 286.

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stoisch gefärbt erscheint1). Das Forterben stoischen Gutes auf die Aristotelische Scholastik erklärt sich auf diese Weise ohne Mühe2).

Jedoch darf die Bedeutung der Stoa für das Christen- tum nicht überschätzt werden, und namentlich wird man sich hüten müssen, etwa eine materiale Alteration des letz- teren durch erstere, die bei Ausgestaltung der christ- lich-ethischen Theorie hätte erfolgen können, ausser bei einzelnen Personen3) ohne weiteres anzunehmen4). Beide sind denn doch zu grundverschieden5). Wir wollen hier die hässlichen Züge, welche das Ideal des Kynikers ent- steilen, sowie gewisse absurde Konsequenzen nicht für

*) Selbst ein verbreitetes katholisches Erbauungsbuch (Goffine) sagt: „Wer gern folgt, den führt Gott; wer ungern, den zieht Gott"; vgl. oben S. 35. Der dort zitierte hl. Bonaventura könnte immerhin den Senecavers durch Augustinus (civ. dei V 8) haben.

2j Auch die Araber konnten das fatalistische System wohl brauchen; der Weise, Wissende ist in ihrer Poesie ein Typus. Über die Bedeu- tung der Vermittelungsphilosophie des ausgehenden Altertums für die Scholastik s. J. Bach, Des Albertus Magnus Verhältnis zur Erkennt- nisth. d. Griechen, Lateiner, Araber und Juden. Wien 1881. S. G. v. Hertling, Albertus Magnus. Köln 1880 S. 27 f. (vgl. dagegen auch 8. 112).

3) Wegen Klemens von Alexandreia s. 0. Bar den he wer, Patro- logie. Freiburg in Br. 1894 S. 145.

4) Einfluss des Epiktetos auch in materialer Hinsicht findet E. Hatch, Griechentum und Christentum. 12 Hibbertvorlesungen. Übers, v. Erwin Preuschen. Freiburg 1892 S. 103.

5) Kant (Kritik d. praktischen Vernunft 2, 2. S. 230 ff. 249 Anm.) unterwirft die stoische Lehre einem scharfsinnigen Vergleiche mit der Epikureischen und der christlichen Moral. Gegen die von ihm aus- gehende Ansicht, als sei die Stoa dem Eudämonismus gram (s. z. B. noch Linsenmann, Handb. d. Moraltheol. S. 20), wendet sich Schopen- hauer, Die Welt als Wille und Vorstellung I S. 103. II 163 (Frauen- Btädt) mit Recht; aber er bestimmt den Ausgangspunkt der stoischen Lehre, wonach diese eigentlich nicht Tugendlehre, sondern nur An- weisung zum vernünftigen Leben sein sollte (I 103), historisch unrichtig.

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sich allein urgieren. Vor allein sind die theologischen und psychologischen Voraussetzungen in beiden Systemen andere.

Die Stoa ist nicht zu einer klaren Vorstellung be- züglich des höchsten Wesens gekoinnien, da sie neben das unpersönliche Schicksal noch das Walten einer unterge- ordneten göttlichen Persönlichkeit, des Zeus, setzt. Ihre Ethik geniesst deshalb noch nicht alle Vorteile, welche eine Ethik mit autoritativem Prinzip auszeichnen. Zwar hat Chrysippos einen Weg gefunden, der Weltvernunft ihre Geheimnisse abzulauschen, indem er von der natur- philosophischen Annahme ausgehend, dass der Xoyog aneq- fjccTixog der Vernunft alles durchdringe und das rrvsv^a in geringerer oder grösserer Quantität, in feinerer oder roherer Qualität überall vorhanden sei, und dazu die er- kenntnistheoretische Ansicht fügend, dass der Mensch von der Natur mit dem Xoyog öqdog begabt und daher im- stande sei, den Xoyoq überall zu entdecken, die Äusse- rungen der All- Vernunft zu einem grossen Plebiszite ver- sammelt. Aber die von den Stoikern angerufenen In- stanzen1) sind nicht einwandfrei und können in Wider- spruch zu einander geraten, so dass trotz allem auf diesem Wege positive Vorschriften nicht immer erzielt werden und bedenkliche Vorstellungen zum Vorschein kommen. Im Grunde wird doch alles richtige Handeln vom subjek- tiven Befinden des Weisen abhängig gemacht.

Wenn jedoch der Weise nicht anders denn richtig handeln kann, so erscheint die Willensfreiheit des Menschen gefährdet, sobald er sich die Tugend erkämpft hat. Uber- haupt bleibt bei aller Anerkennung, welche die Bemühungen des Chrysippos um das Problem der Willensfreiheit ver- dienen, das Vorhandensein des Übels in der Welt und

») S. Exkurs 6, 2

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der dem allgemeinen Kausalzusammenhange teilweise ent- zogenen üvyxccTä&sGic eine Willkürlichkeit der stoischen Weltordnung, während die christliche Eeligion diesem An- stosse durch ihre Annahme eines persönlichen höchsten Wesens nicht ausgesetzt ist und in der Erzählung vom doppelten Sündenfalle eine tiefere, historische Erklärung für das Aufkommen des Bösen zu geben weiss. Unver- einbar ist auch mit dem stoischen Pantheismus der christ- liche Gedanke einer göttlichen Prüfung, welche den Zweck hat, sittlich zu fördern. Wenn Chrysippos davon spricht, dass selbst der Gott falsche Vorstellungen heranbringe, ohne zu wollen, dass wir zustimmen oder nachgeben1), so verbieten der Vergleich mit dem Weisen, der Gleiches gegenüber dem Schlechten thut2), und der Zusatz, dass beide lediglich Handlungen und Triebe auf grund einer Erscheinung {(pan'o^ievov) erwecken wollen, eine derartige Deutung. Ferner scheiden sich beide Systeme durch die Stimmungen des Hochmuts und der Demut aufs schärfste von einander. Persönliche Äusserungen der Bescheiden- heit, wie sie einem Zenon und Kleanthes zugeschrieben werden, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die stoische Theorie, soweit sie positiv ist, konsequent in in- tellektuellem und moralischem Hochmute endet. Derselbe schaut gerade aus den Ecken und Enden der Lehre heraus, aus dem, was von den Eigenschaften des Tugendbegriffes, von der Sündenlosigkeit und Vortrefflichkeit des Weisen selbst einem Zeus gegenüber, welche jenem gestattet, sich seines Lebens zu rühmen, behauptet wird, aus der Ver- dammung des Mitleids, aus der indifferenten Haltung gegen- über dem, was wir als Werke der geistigen und leiblichen Barmherzigkeit hochschätzen; überhaupt aus einer Reihe

l) Fr. 149 Gercke. 2j Fr. 150 Gercke.

334 -

von Mängeln, die eine deutlichere Sprache reden als offen- kundige Missgriffe 1). Ganz anders lautet das, was die Bibel über den Gerechten sagt und über den Sünder, der Busse thut. Kein Zweifel kann darüber sein, dass die christliche Ethik vom Geiste der Liebe durchweht wird, von welchem in den Hallen der Stoa kein Hauch zu ver- spüren ist. Daher dort kein Unterschied zwischen schwerer und leichter Sünde, hier neben dieser Unterscheidung noch genaue Erwägung der Umstände, unter denen die Sünde stattfindet. Daher dort in gewissem Masse Verachtung und Verkennung der Kindesseele, hier Erhebung bis ins Himmelreich.

In diesem Vergleiche liegt zugleich eine Kritik der stoischen Ethik. Unbillig aber wäre es, wollte man an dieselbe den Massstab der heutigen wissenschaftlichen Ethik anlegen. Ein solches Verfahren wäre höchstens ge- rechtfertigt gegenüber Bestrebungen, welche etwa jene Moral in unserer Zeit rehabilitieren wollten, wozu freilich Anläufe gemacht wurden; solange sich diese darauf beschrän- ken, dass der alten Doktrin Anregungen entnommen werden2),

») Vgl. ßonhöffer, Epiktet II S. 158 ff.

2) Über weitere Wirkung der Stoa vgl. Bonhöffer, Epiktet II Vorwort Vf. 155, und Wendland, Berliner philol. Wochenschr. 1895, 261. Ich erinnere an Abälard, an den mystischen Begriff Synteresis (H. Sieb eck, Gesch. d. Psycho!. I 2 S. 444 ff. H. Appel, Die Lehre d. Scholastiker v. d. Synteresis. Rostock 1891), an den Mönch Barlaam, an den viel gelesenen Petrarca, Ludovico Vives (Ethik), Leonardo Aretinus, Lipsius, Schoppe, Thomas Gataker, Daniel Heinsius, Bernardinus Telesius, Zwingli (s. W. Dilthey, Arch. für Gesch. d. Philos. 5, 369 Anm. 38, zu Zeller, Zwingli S. 41), Herbart, mit dem sie darin verwandt ist, dass sie bei der Leidenschaft einzelne Urteile, Vorstellungen, nicht Seelenkräfte mit einander kämpfen lässt (s. S. 161), wie die alte Stoa überhaupt in der Psychologie den Aus- druck ävvafiig möglichst vermeidet und. dafür neutrale Begriffe (ro na- dijzixby trs yv%T<s u. s. w.) einsetzt, an Comenius, Rousseau, Herder (Ideen z. Philos. d. Gesch. d. Menschh. 1785. I 75. 265. III 360), John

335

wäre eine derartige Kritik verfrüht. Die Stoa arbeitete unter ganz anderen religiösen, naturphilosophischen und be- sonders erkenntnistheoretischen Voraussetzungen als der Ethiker der Jetztzeit-, auch für die sozialen Verhältnisse haben sich uns andere Einblicke eröffnet, und eine reiche historische Erfahrung auf allen Gebieten steht uns zur Seite. Die Hauptfehler der stoischen Ethik fliessen aus einer phantastischen Psychologie, welche statt der Begriffe Wille und Gefühlden des Triebes einführt, und aus ihrem unklaren Determinismus1). Die Methode, ethische Sätze mit mathematisch geformten Gleichungen beweisen zu wollen, war die denkbar verkehrteste; aber jene Zeit schwelgte in Übung der Logik. Wir lassen es uns daher bei einer vergleichenden Würdigung im Hinblicke auf die anderen ethischen Systeme des Altertums genügen. Uber den Epikureismus erhob sich die Stoa durch edlere sitt- liche Anschauung, durch tiefere Lebenseinsicht und durch grössere Beweglichkeit der Forschung. Die Akademiker und Skeptiker übertraf sie durch die positive Richtung, die Entschiedenheit ihrer Forderungen und die regere Teilnahme an ethischen Problemen. Vor dem Kynismus hatte sie die Wissenschaftlichkeit und den weiteren Blick voraus, weshalb sie auch wissenschaftlich angelegte Naturen

Lubbock. Wegen Locke s. G. .Bertling, John Locke und die Schule von Cambridge. Freiburg 1892 S. 268. Vgl. oben S. 270. Bekannt- lich ist der Gedanke von der tabula rasa schon von Kleanthes aus- gedrückt worden. Baguet S. 274 weist bei Lockes Freund R. Cud- worth (System, intellect. T. 1 S. 646) Benutzung von Stoic. rep. 1040 ab nach.

*) Das Verdienst jedoch, welches Chr. in diesem Punkte hat, wird von Schopenhauer, Die beiden Grundprobleme der Ethik. Preisschr. über die Freiheit des Willens IV S. 65 (Frauenstädt), gegenüber Aristo- teles (64 f) ins rechte Licht gestellt ; er würde dies noch besser ge- konnt haben, wenn er gewusst hätte, dass die von ihm zitierte Stelle Clem. Alex, ström. I 7 Chrysippeisch beeinflusst ist.

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unter ihren Fahnen zu sammeln vermochte; während jenen niemand ernst nehmen musste und man mit kynischen Ideen höchstens kokettierte, machte die Stoa kynische Lehren erst diskussionsfähig. Das einzige System, das mit dem stoischen wetteifern kann, ist das Aristotelische. Letzteres ist ohne Zweifel weniger einseitig, klarer und reifer; aber die Stoiker sind von grösserer ethischer und religiöser Wärme und innerer Kraft durchdrungen x) und lassen mehr den sachlichen Momenten und der populären Be- handlung ihr Kecht widerfahren. Darauf beruht denn auch das Geheimnis des geschichtlichen Erfolges, welchen diese vielfach logisch dürre Ethik hatte. Die Zwischen- stellung des Menschen zwischen Tier und Gott haben sie streng betont. Und wenn sie auch ein Unvernünftiges in uns nicht anerkennen wollten, so ging doch ihre ganze Ethik darauf aus, das Vernunftwidrige in der Seele zu be- kämpfen 2) und der sittlichen Vernunft zum Siege zu ver- helfen. Die richtige Ansicht von der engern Beziehung, die zwischen Denken und Handeln besteht, bildet, nicht vor- dringlich ausgesprochen, die Grundlage des Systems. Wenn sie den Wert der Gesinnung über alles stellten und na- mentlich die gute Handlung des Tugendhaften über die blosse Pflichthandlung setzten, so werden sie von einem ähnlichen Gedanken geleitet, wie wenn Kant zwischen nur legaler und sittlicher Pflichterfüllung unterscheidet. So übertrieben das Ideal des Weisen erscheint, so muss doch bemerkt werden, dass auch Piaton in seiner Republik dem

*) Das hat schon Petrarca bemerkt; s. G. Körting, Petrarcas Leben und Werke. Leipzig 1878 S. 425. Vgl. Ziegler, Gesch. d. Ethik I S. 181. Gegenüber Bonhöffe r II S. 116, 50 muss ich auf S 40. 42 und auf den Zustand unserer Berichte hinweisen.

2) Himer. 14, 23 S. 650 Wernsdorf (Göttingen 1790) eWsv caa hsqI TTjV otoav £(piloo6q)7]oav Zrvojvtg rt aal Kheävd'ai, en §s aal XQvontnös T6 aal oooi xrv aXoyov itQa^iv Xdya) iaoofXTjoav.

337 -

Philosophen Grosses zutraut, und dass die Stoa in der Herausarbeitung desselben eine ihrer besten Eigenschaften, die Konsequenz, bewährt. Das aber bedarf keiner Be- gründung, wie praktisch wirksam dieser Kanon sein musste, der da dem angehenden ethischen Künstler vor Augen ge- stellt wurde und zur Nachahmung aufforderte. Rückert sagt:

Vor jedem steht ein Bild des, was er werden soll;

Solang es das nicht ist, ist nicht sein Frieden voll. An dieser Stelle gelangt denn auch in dem konse- quentesten der intellektualistischen Systeme der Voluntaris- mus zu seinem Rechte.

Dyroff, Ethik d. alt. Stoa.

22

Exkurs I.

Über die Verwertung der stoischen Anekdoten- litter atur.

Wir verdanken vielleicht das Meiste, was wir über Zenons Lehre1) wissen, den Zitaten des Chrysippos ; mehreres hat auch die Polemik der Epikureer und der Skeptiker beigesteuert. Ausser der viel besprochenen2) Politik ist später wohl nicht viel mehr von Zenon gelesen worden. Eine Ausnahme machte die jüngere Stoa; Musonios und Epiktetos nahmen die alten Meister wieder vor und hielten bei ihrem Unterrichte auf Lektüre der- selben3). Aber trotz den Untersuchungen von Stein und

*) In der Sammlung von Pearson fehlen einige wenige Stellen. (Zu fr. 107 trägt P. Wendland, Beitr. z. Gesch. d. griech. Philos. etc. Berlin 1895 S. 49 Anm. 2, Varr. sat. Menipp. 245 b nach.) Auch sind die Fragmente nicht immer vollständig ausgeschrieben ; hier sollte nicht eher abgebrochen werden, als bis der in Frage stehende Autor mit Sicher- heit nicht mehr angenommen weiden kann. Seine persönliche Ansicht kann der Fragmentsammler kurz andeuten. Vielfach wäre auch der Zu- sammenhang anzugeben, in dem das Fragment überliefert ist. Manchmal werden sich zwei Citate auf eins reduzieren lassen, so bei Augustinus und Cicero. Zen. fr. 88 nennt Pearson neben Eusebios noch Theodoretos, der sich aber ausdrücklich auf Eusebios beruft wie dieser auf Longinos. Aehnlich fr. 54. 164.

2) rj nohv &av/ua£ofi6vr] rroltTtla, Plutarch. Alex. virt. 329a.

3) S. Bonhöf f er I S. 20. Martial. IX 47, 1 ist Zenon nur Typus des Stoikers ; der dort Angeredete kennt die Philosophie offenbar aus Kompendien.

389

Bonhöffer1) wird man Musonios und Epiktetos höchstens zur Interpretation der altstoischen Fragmente und auch da nur mit Vorsicht heranziehen dürfen.

Es wird uns daher nicht zu verargen sein, wenn wir, vornehmlich bei Zenon, uns auch auf Apophthegmata und ähnliche anekdotenhafte Mitteilungen berufen2). Werfen doch Anekdoten bei aller Karrikatur oder Tendenz 3) oft helleren Schein auf den Charakter eines Menschen als langatmige Schilderungen. Ganz unwahr darf eine Anekdote nie sein. Selbst bei der Übertragung der wandernden Anekdote4) muss etwas Gemeinsames zu gründe liegen. Auch ist es denkbar, dass ein geistreicher Kopf aus jüngerer Zeit sich das Bonmot eines Geistes- verwandten aus früheren Tagen anmasste und so sich selbst charakterisiert.

Freilich ist der Anekdote vielfach zuerst die falsche Hülle abzustreifen, ehe sie der Forschung dienstbar ge- macht werden kann. So braucht, wer D. L. VII 36 liest, nicht zu glauben, dass der erwähnte Vorfall sich that- sächlich so zwischen König Antigonos Gonatas und Per-

x) S. 33 ff.

2) Vgl. Hirzel, Unters. II S. 276.

3) im Altertum war man sich über die problematische Authentie der Apophthegmata nicht im Unklaren; s. V. Rose, Aristoteles Pseud- epigraph. S. 612, der Dio Chrysostomos or. 72, 11 zitiert.

4) Beispiele bei Wachsmuth, De Zenone I S. 13. Vgl. Zell er II 1 3 S. 254 Anm. 1. Roh de bei E. Weber, Leipziger Studien 10, 182 Anm. 3; vgl. Wyttenbach zu Plutarch liber. educ. 7d und sonst. Pearson S. 230 zu Zen. a. 29. 32. D. L. VI 103. Vgl. D. L. VII 37 mit Plutarch. de rect. rat. audiendi 47 e, D. L. VIT 183 (Xqvoittttov fiöva zu oy.ü.r, ut&iti) mit apophth. 22. Eine weitere, wenn auch seltener wahr- scheinliche Veranlassung der Übertragung kann die sein, dass statt des Urhebers des Apophth egma dasselbe dem Gewährsmann irrtümlich zu- geschrieben wird, der die zgeta verzeichnet hatte, wie etwa bei Klean- thes fr. 107 und Zenon apophth. 18.

22*

340

saios abgespielt habe; aber er wird nicht fehlgehen, wenn er aus der Erzählung entnimmt, Persaios habe den Reich- tum zu den {isca gerechnet. Die kurze Erzählung D. L. VII 172 gestattet die Folgerung, dass in der alten Stoa Sia^fjQia^oi ein geläufiger Ausdruck war, und in der That verwendete Zenon denselben in mehreren Schriften (Plut. Quaest. conv. 653 e. Philodem, de philos. col. XIII. Zen. fr. 179).

Vorauszusetzen ist natürlich, dass für die einzelne Anekdote nicht alle Gewährschaft fehle. Die stoischen Anekdoten machen an sich einen verlässigen Eindruck, da sie Charakter haben: Zenon erscheint beweglich, schlag- fertig, energisch, kurz und sieht stets das vorher, was auf seinen Eingriff hin erfolgen wird; Kleanthes gibt sich mühselig und bieder1), Chrysippos selbstbewusst, mehr als Buchgelehrten. Ein Teil der Anekdoten über Zenon stammt von Antigonos von Karystos, der dem Philosophen zeitlich nahe steht2) und zum Beispiel die D. L. VII 17 sich findende Äusserung durch Vermittelung des Kleanthes haben mag; denn Kleanthes ist dort nur Teilnehmer der Situation, nicht der Handlung. D. L. VII 14 ist Kleanthes selbst als Bürge mit einer Schrift zitiert. Sodann aber hat gerade die stoische Schule die Sammlung der 3Ano- (p&syiiicaa am fleissigsten gepflegt3) in der Litteraturgattung der xqslcci. Die von alten Schriftstellern gegebenen Defi- nitionen dieser kleinen dnofiVTjfJOvsv para4) passen trefflich

x) Die schöne Schilderung Hirzeis (Unters. II S. 179 ff.) ist in- zwischen durch Stein modifiziert worden; s. auch Susemihl, Littera- turg. I 60 Anm. 205.

2) U. von Wilam owitz-Möilendorff, Antigonos von Karystos. Berlin 1881 S. 103 ff.

8) Wie schon Rose, Aristot. pseudepigr. S. 612, bemerkte.

*) Quintil. inst. or. I 9, 4 ; s. V. R o s e , Aristoteles pseudepigr. S. 611. F. Dum ml er, Antisthenica S. 70 f.

341

auf die Stückchen, aus denen Diogenes das Mosaikbild seiner Schilderung zusammensetzt Dümmler hat fein vermutet, dass sogar Sätze aus Schriften in die pikantere Form der „Aussprüche" gekleidet wurden1). Den Stoiker Zenon finden wir in den Chrien des sogenannten Aristo- teles (Stob, floril. 57, 12)2); und Hekatons, des Stoikers Chrien werden bei Diogenes Laertios genannt (VII 26. 172. VI 4. 32. 95 3). Es ist nun zweierlei möglich bei den Chrien des Persaios, Ariston und Kleanthes. Entweder enthielten diese Sammlungen Aussprüche der Genia^a selbst; dann muss die Sammlung von einem Nachfolger veranstaltet sein4). Oder jene Chrien waren von Persaios, Ariston und Kleanthes gesammelt; dann werden Äusse- rungen des Meisters und anderer Vorgänger zusammen- gestellt gewesen sein. Jedenfalls sind diese Schriften, Luthers Tischreden und Eckermanns Gesprächen mit Goethe in gewisser Beziehung vergleichbar, nicht ohne Wert gewesen. Bedenken wir, dass einzelne Bestandteile früherer Chriensammlungen in spätere Zusammenstellungen übergegangen sein können, wie etwa in die Hekatons, und dass die Chrien, ihrem Zwecke entsprechend, bei der Ausarbeitung moralischer und rhetorischer Aufsätze zu- rate gezogen wurden, so werden wir auch späte Mit- teilungen nie ohne Grund verwerfen.

Aus stoischen Schriften Hessen sich manche Apophtheg-

*) Antisthenica S. 71.

2J S. Meineke im Index verb. s. v. Aristoteles. Rose, Aristot. pseudepigr. S, 612 f., will für A^iotottXovg haben 'Aqiotwvos; aber Ariston wird als Stoiker, der er immerhin war, kaum gesagt haben: Ztjvojv 2toin6s.

8) Aus letzterer Stelle sehen wir, dass in den Chrien auch solche Verse zitiert werden, wie sie bei D. L. so häufig vorkommen.

4) S. auch Dümmler, Antisthenica S. 72, über die Diatriben des Diogenes und vgl. den Titel 'Enimr/rov diatQißat.

342

mata zusammentragen, so aus Seneca1) und Musonios. Ein klarer Beweis für den stoischen Ursprung derartiger Meldungen liegt in folgendem zutage. D. L. VII 172 heisst es: Aäxoavog tipoq sitcovtoq oti 6 növog äya&ov diaxv&siq (ffjdiv (sc. Kteard-yc)'

Al^arog eig äya&oto, (fiXov rsxog. Dasselbe weiss Musonios (Stob. ecl. II 243, 7 W.) : V&sv xai 6 KXedp^rjg ayaöd-elg tov naidög slnev Trqog ccvtop:

Ai^aTog sig dya&olo, (fiXov Tsxog, oT dyoqst eig 611) 2).

Wir gaben oben zu, dass die Chrien von anderen als von den im Titel genannten Männern zusammengestellt sein konnten. Von den xqstai des Zenon darf dies je- doch ebensowenig behauptet werden wie von denen des Hekaton-, denn in der Stelle, die Diogenes VI 91 aus ersteren anführt, wird nicht über Zenon etwas berichtet, sondern von dessen Lehrer Krates, und eben dies Ver- hältnis zwischen beiden legt es nahe, den Zenon als den Erzähler der Anekdote anzunehmen3).

Anekdotenartige Notizen hat auch Chrysippos in seine Schriften eingestreut; das schamlose Apophthegma des Kynikers Diogenes, das Laertios VI 69 ohne Quellen- angabe mit anderen in seine Charakteristik des Sonder- lings einfügt, hatte (Stoic. rep. 1044 b) bereits Chrysippos

*) Z. B. de tranq. an. 14, 3 ff. S. Dümmler, Antisthenica S. 69. 71.

2) Diese Clausula des Werses ist bei Diogenes durch ein Versehen ausgefallen ; sie gehört zur Pointe des Ausspruchs. Ohne Belang ist es, dass Diogenes einen Lakedaimonier schlechthin, Musonios aber einen lakedaimonischen Knaben nimmt, wenn auch letzteres besser passt.

3) Eine weitere xgela mit ethischer Tendenz, die uns Zenon von Krates berichtet, fr. 199; wir verdanken dieselbe dem Kyniker Teles, einem guten Gewährsmann. Schon frühe gingen demnach solche Dinge aus der stoischen in die übrige Litteratur über. Die %$e~icu des Zenon sind daher wohl dasselbe wie die anofiv7]fiovev(jLaxa K^dt^xog ; die %Qe^a ist nach Aussage der alten Theoretiker ein kurzes ano/u-vyiuövev/ua.

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in seiner Politik beifällig vorgebracht. In der Schrift ttsqI xpvxijc nimmt Chrysippos folgende Chrie (Gal. S. 322 K.): 6 ts ZrjVMV ttqoc iovg smlayßavopsvovc, oti TtdvTa ra £t]tov[J£)>cc sig Gropa (fsgsi stfrjGsv „all' ov ndvTa xaTanivsTai'1" sogar in eine physiologische Beweis- führung auf. Anekdoten kommen in der s?Gayo)yrj sig Trjv nsqi äya&cov xai xaxwv TcqaypaTsiav (Athen. IV 159 d) und in der Schrift nsqi tov xalov xai rrjg rjdovjjg (Athen. XIII 565c) vor; Diogenes ist offenbar schon schon Typus1). Aus einem Vergleiche von Sext. E. Pyrrh. III 200 xai ti d-avpaGTOV, 07TOV ys xai oi dno rtjg xvvixrjg opiloGoopiag xai ol nsqi tov Knisa Zrjvcova xai Klsdv&rjv xai XqvGmnov tovto (sc. t6 Trjg dqqsvo^i^lag) sivai <paGiv\ xai to dij^oGia yvvaixi piyvvG&ai, xahoi nuq yptv aiGxqdv sivai öoxovv naqd riGi tmp 'Ivdcov ovx aiG%qov sivai vo\iiXsTav piyvvvTai yovv ddiaqoqcog drjfjiOGlq, xaüdnsq xai nsqi tov (filoGoopov KgaT^Tog äxrjxoafisv, wo der ganze Passus vorher und nachher aus Chrysippos stammt2), mit Pyrrh. I 153 ö 6s KqaTfjg tji 'Innaqxiq drjfjioGiq (sc. spiyvvTo) sehen wir, dass die

x) Ebenso erzählt von Diogenes der Stoiker Dionysios D. L. VI 43 eine Anekdote.

2) Chr. ist der jüngste der Stoiker, die genannt werden; sein Name begegnet dort öfter. Der Ausdruck Sianvoog cpdia § 199 ist auch stoisch (SictTtvQos s. bei Stein, Die Psychol, d. Stoa I S. 103; doch hat schon Piaton diä-xvoog). Einen Hinweis auf Indier kennen wir von Zenon (fr. 187 Pears, ; vgl. das zweifelhafte fr. 56, 70); ethno- graphische Parallelen zieht auch der Kyniker Diogenes heran, letzterer z. B. zum Beweise für seine Behauptung, der Genuss von Menschen- fleisch sei nichts Frevelhaftes (D. L. VI 73). Dass Chr. selbst ver- gleichendes Sitten Studium treibt, geht aus xad-dnso xai vvv ov xaxujg rtaga ^ollolg tiftioiai (Pyrrh. III 246) hervor, was Dümmler, Anti- stbenica S. 5 Anm. 1, mit Recht auf die Perser angespielt sein lässt. Die Gegner der Stoa haben bei ihrer Polemik die Stoiker selbst viel aus- benutzt, wie schon von Karneades bekanDt ist; vgl. A. Elter, De gno- molog. S. 61. Endlich Cic. Tusc. I 45, 108.

344 -

Mitteilung D. L. VI 97, wo das Gleiche (sv r& (pavsgm avrsyiyvsTo) bei Hipparchia kurz erwähnt wird, im letzten Grunde auf stoische Darstellung zurückzuleiten ist1). S. auch S. 103 f. und 106 f ; das Geschichtchen mit Philoxe- nos ist wie aus dem Vorstellungskreis der Zenonischen Apophthegmata Nr. 28 und 29 (vgl. 30) herausgenommen. Zum Schluss sei noch betont, dass man vielen Anekdoten aus der stoischen Geschichte auf den ersten Blick ansieht, dass sie nicht peripatetischer Neugier ihre Erhaltung zu verdanken haben, sondern praktischen Absichten der stoischen Ethik.

*) Weitere Beispiele von Anekdoten bei Chr. Athen. IV 159 c 7T£(>1 ?]g (sc. (piXo%Q7j^ariag) ^Ava%aqoiq, nvv&avofievov tivbg tiqos ri oi "EXXtj- vsg XQwvxai tw agyvQiu) ehttv, ngbg ro aQi&jueiv, was wie A. E 1 1 e r, De gnomol. I S. 15, erweist, in der Schrift erregt rwv fir §i eavra al^erwr stand. Senec. de const. sap. 17, 2. Selbst Poseidonios erzählt D. L. IX 68 von Pyrrhon eine Anekdote.

Exkurs IL

Über einige Beziehungen der Stoiker zu andern Schulen.

1) Xenophon in der Stoa.

Der Vorgang, der sich bei den Schülern des Sokrates abspielte, dass ein kongenialer Kopf die Lehre allseitig wei- terbildet und daneben andere kleinere Geister die Anregungen des Meisters nach verschiedenen Richtungen hin verfolgen, wiederholt sich unter gewissen Variationen in der Schule des Zenon. Dort ist Piaton, hier Chrysippos der Heros ; neben diesen haben die anderen Helden der Lehre einen bescheidenen Platz. Letztere sind vielleicht treuere Nach- beter; aber sie müssen den Geist des Meisters nicht immer ganz erfasst haben.

Ein solcher Schüler ist Persaios; er ist gegenüber Zenon das, was Xenophon gegenüber Sokrates. Wären von Persaios mehr Äusserungen zur theoretischen Philo- sophie erhalten, so könnten wir über Zenon besser ur- teilen1); Chrysippos scheint gerade an ihm eine Stütze für einige paradoxe Ansichten gesucht zu haben. Seinen „Tischgesprächen" ((jv^ittotixoI duxXoyoi) wird der Vorwurf des Plagiats an Zenons Memoiren [dnoiivr^xo^sv ^laia) ge- macht (Athen. IV 162 b); in diesen hielt er sich in der That genau an den Lehrer (Athen. 162 d) und berief sich

Jj Nach Biels Doxogr. 592, 34 hat er dasselbe gelehrt wie Zenon.

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auf denselben (D. L. VII 1). Wie Xenophon, so griff auch Persaios in die Politik aktiv ein; es ist daher sehr natürlich, dass der Stoiker sich die politischen Schriften Xenophons etwas näher ansah. Mit der Kyropädie lässt sich die Schrift ttsqI ßaadsiag1) vergleichen, und der Titel noliTsia Aa-AMVi-Arj spricht an sich deutlich genug.

Eine merkwürdige Parallele zu Persaios bietet in seinem Leben wie in seinen Schriften Sphairos; nur dass der letztere sich um die stoische Theorie der Ethik und der Philosophie überhaupt persönliche Verdienste erwirbt2). Auch Sphairos lebt am Hofe, auch er kommt durch Ab- lehnung seines in erster Linie berufenen Meisters zu seiner Stelle (D. L. VII 185), auch er scheitert durch seinen Schüler Kleomenes in der Praxis, auch er schreibt tcsqI ßaGiXsiag und negl Aaxwvutrjq noXiTsiaq.

Beziehungen zu Xenophon liegen bei beiden sehr nahe. Zunächst in den Schriften über die lakedaimonische Verfassung. Hier hat Sphairos offenbar den Xenophon

x) Hirzel, Unters. II S. 79.

2) Höchst klar ist wieder seine Darstellung des Traduzianismus (D. L. VII 159), wo er sich durch axovos (Wortspiel mit ayovog) als Schüler des Kleanthes verrät und auch medizinische Studien gemacht zu haben scheint. In der Physik ist er Herakliteer (neyl 'HyatdetTov StaxQißöjv ttsvts). Auch tcsqI sla%!oxojv ist ein üeraklitisches Thema; s. Gal. hist. phil. 10 Diels Doxogr. 615, 17 vgl. ebd. 312, 1 (an ersterer Stelle lese ich an Diels anknüpfend xpvyfiaxa statt ngayfiaxa, nehme aber das sonderbar gestellte r ytjy/uaxa als Variante zu TtQdy/uaxa aus TroTjyuaTa; nach letzterer wäre für 7tQ0.yfia.Ta eher ftgaiafiaxa als nqLa- fiaza zu vermuten). Diese Mitteilungen über die Heraklitischen Atome sind Deduktionen aus Äusserungen des Ephesiers (doxeixioi) und könnten von Sphairos herrühren (olov oxoi%ata anb oroi%eLoiv ist stoisch ausge- drückt ; vgl. cQ^ri 7tQo oQfii]? u. s. w. Stob. ecl. II 87, 18). Wegen des Epikureischen xovlä%iaxov Plut. soll. an. 964c. Für Sphairos' Physik s. weiter Diels Doxogr. 405 b, 26 {= Stob. ecl. I 486, 3 W.), wo er in der Art des Kleanthes statt des Zenonischen cxptg (negl oipecog, auch Chr. Diels Doxogr. 406) das Wort öyaoig gebraucht. An der Logik nahm Sphairos teil mit tvsqc aaxrjyoq-qfxäxojv.

347

benutzt: Sph. Athen. IV 141 c xal twv [jisv ccyQsvofisvw^ v(p avToov svioTs ol noXXoi, ov [i-ijv äkX o% ys nXov <jio i xal äqrov. Xenoph. Rep Lac. 5, 3 ano tmp ayqsvo- H-svdnv ot de n Xov G 10 1 köTiv 6ts xai clqtov. Beide lieben hervor, dass die Phiditen stets nur für die jedes- malige Zusammenkunft sorgen, so dass genug, aber auch nicht zu viel da sei (Xenoph. Mtir äv diaaxrjvwctip). Die Übereinstimmung1) wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass Persaios statt nlovaioi das Wort svttoqoi und Nikokles, der über das gleiche Thema schrieb, evTioqovvieg ge- braucht, wie auch letzterer icowv mqiG{jsv(üi> statt dyqsvo- [isvoov schreibt Bei Persaios (Athen. 140 e f) ist die Ähnlichkeit nicht nachzuweisen, da er dort nicht von Männer-, sondern von Knabenphiditien handelt. Wenn die billige Berücksichtigung der Armen betont wird, so ist darauf aufmerksam zu machen, dass Aristoteles die Benach- teiligung der Armeren durch das Institut der Speisege- nossenschaften bemängelt hatte (Pol. 1271a, 30; 35). Über Persaios kann jedoch erst dann Näheres gesagt werden, wenn festgestellt ist, wieviel von den Nachrichten über die lakonische Verfassung auf ihn zurückgeht2).

Die ovfATtoTixd vTTOfJLvrjfJocTcc des Persaios werden nach dem Gesagten am besten zu dem cv^tiociov des Xenophon zu stellen sein. Die vTio^vri^aTa sind zwar eigentlich

1) Ob man Xenoph. rep. 3, 5. 5, 6 dann noch cpdfria statt q>i8fria lesen darf, was höchstens Volksetymologie sein könnte, ist fraglich.

2) Zwischen Persaios und Nikokles (Athen. 140 c e) besteht nähere Verwandtschaft: Pers. r (pv)J.a bäcpvrjS cpigetv ottws e%(oai xa inaixla v.aTXTtiv fitxa ÜbiTivov ' yhtxai ydq alcpixa elaicu ig^ajueva z= Nicocl. ä/.yira yä(j ionv Hatto 8t8evfjLZva, a . . . . xdiixbiv avxovg [isxa xb Stinvov h> fpvAlon d'äcpvTjg. Vgl. tTTiyoQ^y^ua 1040c mit ixaQaxoQTjyovvxog und den etymologischen Zug rcaqa yaq xovio oluai T7j v qxovrv hier in stoischer Bedeutung verwendet '*tnouiod'cu mit Pers. Athen. 140 b über die ÖQ&-ayoQloxoi. Pers. 140 e d &vs ^rjfiiot ist durch Nicocl. 141 a l 8k VDtr'oas t'Cr)ui<j)oev t?.o.cp^ojg zu erklären.

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Stoffsammlungen; aber diese Stoffsammlung zur prak- tischen Ethik Persaios trug hier Aussprüche des Zenon und Stilpon zusammen hatte dialogische Form: das geht aus der Bezeichnung öiäloyoi des Athenaios und aus dem Wörtchen ttqco^p Athen. XIII 607 c hervor. Athenaios schon verglich das Symposion des Xenophon, und wir haben keine Veranlassung , an die Memorabilien l) zu denken. Die Punkte, die der Verfasser der Deipnosophisten IV 162c aus der Schrift des Persaios erwähnt, sind gerade im Symposion zu entdecken. Von (piXrniaxa ist da oft genug die Rede (z. B. 4, 8; 18; 26. 5, 7; 9. 6, 1. 8, 23. 9, 4; 5), aber auch von vnsqoqav (8, 22; vgl. 8, 3), cogatoi (2, 1. 3, 1. 7, 3. 8, 21. 9, 5) und mpnmm (9, 4; 7). Dort (2, 3) war auch schon der Gebrauch der Salbe verworfen, gegen den von anderen Stoikern Auslassungen vorliegen. Von der Tugend der Massigkeit war natürlich nicht wenig gesagt. Das Symposion des Xenophon begründete die Einführung der Erotik beim Gelage damit, dass die Teilnehmer Thia- soten des Eros seien und eigentlich immer liebten (8, 1 ff.), und klang in einem Spiele aus, in welchem das Verhältnis von Bacchus, dem lustigen, und Amor, dem lächelnden, dargestellt wurde (9, 2 ff.); diesen Zusammenhang berührt auch Persaios (Athen. XIII 607 b; vgl. Symp. 9, 2 Jiovvöog vnoTieTioiXtoQ mit Pers. vnoTiioaiJbsv). Das Thema der naqoivia war dort (6, 1 ff), wenn gleich nur leicht, gestreift. Die Teilnahme einer Flötenspielerin beim Gelage war dem Persaios offenbar nicht anstössig; auch Xenophon ver- wendet eine avXijTQig viel, während Piaton (conv. 176 e) eine solche hinausweist 2).

*) Hirzel, Unters. II S. 64, weist auf Mem. I 3, 8 ff., Kaibel z. Athen. IV 162c, auf Mem. II 6, 33 hin.

2) Diese Verschiedenheit zwischen Piaton und Xenophon bemerkte schon Plut. quaest. conv. 710bc. Letztere Schrift des Plutarchos gibt ein Bild von dieser Litteraturgattung; denn es werden ganz ähnliche Fragen

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So zutreffend demnach Hirzel1) das Wesen der Xeno- phonteischen xaloxaya&ia erläutert, so wenig ist es nötig, auf das plötzliche Auftreten des xaXoq xvyctd-og bei Persaios allzu viel Gewicht zu legen; denn schon in Xenophons Symposion ist diese Eigenschaft nicht eben selten erwähnt (I L 2, 4. IV 10. 8, 11; 26; 35), und der Gipfelpunkt des Gespräches ist die Stelle, wo Lykon zu Sokrates sagt: Ntj tt\v Hqav, ob 2co%Q(XT€g, xaXoq ye xäyad-dq doxslg poi av$Q(i07TOc sivcci (9, 1). Persaios ist also hier von der Litte- raturgattung beeinflusst.

Diese Beziehungen zu Xenophon wie auch einige Berührungen in der allgemeinen Ethik, die an ihrer Stelle angemerkt wurden, lassen, im Vergleiche zu der vielfachen Polemik der alten Stoiker gegen den platonischen Sokrates, den Gedanken aufkommen, dass Zenon den xenophontei- schen Sokrates als getreueres Abbild des echten ansah 2).

2) Die Megariker und Persaios. Von Stilpons Lehre sind in der Ethik der Stoa keine ganz deutlichen Spuren zu finden3). Doch mag in der

behandelt, wie sie Persaios erörtert hatte. Hier (quaes. conv. VH 10. 8 prooem.) wie bei Persaios wird gefragt, ob man beim Weine philo- sophieren dürfe; wie bei Persaios ein Kopfhänger, so wird hier ein un- geschickter, roher Stoiker eingeführt.

1) Unters. H S. 81 ff. Auch Musonios Stob. ecl. II 239, 28 sagt sehr bestimmt: iizaiSrj aal yiXoooyla aaloaaya&iag sarlv emrtjSevacg aal ovSsv brtQov; s. auch Muson. S. 143, 4; 8 Peerlkamp. und die stoische Tafel des Kebes 20, 3 (über diese K. Prächter, Cebetis tabula quanam aetate conscripta esse videatur. Marburg 1885), wo die (pgcivr/otg fehlt und durch htiatvfiT] ersetzt wird.

2) Vgl. Hirzel II S. 83 ff. Bezüglich der Vernünftigkeit des Kos- mos Sext. E. math. IX 101 Ztjvojv de b Kinevg, anb Sevocpajvzog xrv ayofiurv laßojv. Auf den Platonischen bezieht sich wohl Cleanth. fr. 77, wenn nicht dort zugleich eine kynische Quelle vorlag.

3) Senec. constant. sap. 5, 6 zitiert das an Bias erinnernde Wort Stilpons : Omnia mea mecum sunt.

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praktischen Ethik manches, so der Zug der massvollen Einfachheit, auf sein Vorbild zurückzuführen sein. Dem Persaios wurde vorgeworfen, seine Tischgespräche seien aus den Denkwürdigkeiten des Stilpon und Zenon zu- sammengesetzt (Athen. IV 162 b). Wenn wir fragen, von wem diese Anklage ausgegangen sein mag, so brauchen wir nicht weit zu gehen. Die Feindschaft des Eretriers Menedemos gegen Persaios ist bekannt. Halten wir die Thatsache daneben, dass Persaios seinerseits einem Lands- manne des Menedemos, dem Pasiphon, der vermutlich ein Schüler des ersteren war1), den Vorwurf starker Fälschung ins Gesicht schleuderte, so werden wir kaum fehlgreifen in der Annahme, dass der Gegenschlag von jener Seite herkam. Die Bemerkung des Gegners mag begründet gewesen sein ; schon der Borysthenite nannte Persaios den Sklaven des Zenon, und die wenigen Fragmente der Schrift des Persaios lassen erkennen, wieviel er auf Mässigung und Einfachheit hielt.

3) Einige anderweitige Beziehungen.

Neben Xenophon haben wohl auch die Peripatetiker an den genannten Schriften über die lakonische Verfassung gewissen Anteil. Denn diese Schriften sind viel mehr historisch-antiquarisch gefärbt als das Büchlein Xenophons ; ja in einer Schrift, wie die rj&ixai a%o'kai waren, legt Persaios auf chronologische Dinge Wert (D. L. VII 28).

Sphairos stellt die Behauptung des Aristoteles, es habe in Sparta ursprünglich dreissig Geronten gegeben, dahin richtig, dass es von Anfang an nur 28 waren, und wett- eifert mit ihm in der Erklärung dieser Zahl (Plut. Lyc. 5 [42]).

Die letzte Stelle gewährt zugleich einen Einblick in das Verhältnis des Sphairos zu den Pythagoreern. Denn

') Suse mihi, Litteraturgesch. I S. 20.

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der Passus bei Plutarchos : „Es möchte aber die Zahl etwas Vollendetes {aTiorelov [isvov) sein, wegen der Multiplikation der Hebdomade mit der Tetrade und weil sie, der Summe ihrer Teiler gleich, unmittelbar nach der Hexade vollendet (rskeioq) ist", gehört dem Stoiker1). Für Sphairos wird dort nach dem ganzen Zusammenhang ein Erklärungs- versuch der Zahl 28 verlangt und s^ol de doxet beweist, dass die eigene Erklärung des Plutarchos erst danach be- ginnt. Inhaltlich aber geht die zahlentheoretische Deutimg eben mit der Angabe, dass es gleich von Anfang an 28 waren, aufs engste zusammen. Der erste Teil der Be- gründung, der für die Vierzahl und die Siebenzahl eine bestimmte Vollkommenheit voraussetzt, ist echt Pytha- goreisch 2); der zweite rekurriert auf den gerade damals durch Eukleides3) in die mathematische Wissenschaft auf- genommenen Begriff der vollkommenen Zahl : 28 ist seiner Teilersumme (1 + 2 + 4 + 7 + 14) gleich und zwischen 6 = 1 + 2 + 3 und 28 liegt keine andere Zahl der Art. Auch dieser Begriff ist den Pythagoreern zu verdanken. Sphairos suchte also, von der rationalistischen Auslegung des Aristoteles unbefriedigt, dieselbe durch eine halb mystische zu überbieten; dass er, der wie Eukleides 4) am alexandmrischen Hofe lebte, dabei die berühmt gewordene Mathematik5) in Kontribution nahm, ist verständlich.

') Müller frag. hist. Graec. III 20 schneidet vor dieser Stelle ab. l) Für die Siebenzahl s. z. B. Stob. ecl. I 22, 4 W.

3) Eiern. VII 21 (II S, 188 Heiberg) rthtog aQi&fibg iotiv b xotg eavrov fiiysoiv l'oog ojv. S. auch Boetius de instit. arithm. 1, 20. S. 43, 3 ; 10 Friedlein. Die Zahl 28 ist überhaupt eine recht merkwürdige ; s. a. 0, 1 11 ; XII 2, 7. Vgl. S. Günther, Handb. d. klass. Altertums- wissensch. V 1 8. 25 Anm. 7.

4) Wenn Eukleides die Axiome xoival l'vvoicu nennt, so liess er sich durch stoische Ausdrucksweise beeinflussen.

5) Die Schrift des Sphairos nqog rag (!) drö/uovg xal xa udojla handelte kaum von den unteilbaren Linien (vgl. Aristot. metaph. 992 a,

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Die Siebenzahl, wie sie sich bei Zenon und noch mehr bei Posei- donios (Gal. 467 K.) findet, wird so in weiteren Zusammen- hang gerückt. Auf Pythagoreer bezieht sich Chrysippos (Gell, noct. Att. VII 2, 12)1), und auf das Ungerade und Gerade der Pythagoreischen Gegensatztafel spielt Kleanthes hymn. inlov. 48, 16 xcci rd nsQMSGa t sTtiGTaGcu ccqtux &stvai an, wenn er auch in volkstümlicher Auffassung das Gerade für das Bessere hält. Endlich schrieb schon Zenon über Ilv&ayoqixd. Die Schrift neqi %qovov des Kleanthes kann auf die Pytha- goreische Definition der Zeit Rücksicht genommen haben (comm. in phys. 387 b, 10 Brand.). Diese lautet, der %Qovog sei didfärftia tjJc tov navToc, (pvöecog. Als Gewährs- männer werden dort die Stoiker angeführt (didcTijfjLa bei Simpl. in phys. 448 b, 30 Brand.).

Man könnte sich durch dieses Ergebnis verleiten lassen, die Ausdrücke rsXeioc und dqi&[j,oi, die sich beim dya&ov und xaToq&oofjia finden, im Pythagoreischen Sinne zu deuten. Allein bei der vollkommenen Zahl und ihren Teilern wäre es unsinnig, von „gewünschten" Zahlen zu reden; und statt dns%siv müsste ein anderes Kompositum (rt£Qis%£iv) stehen. Das to ndvTag dns%eiv tovq sTrityrov- [isvovq dqi&iiovq wird mit to re^scog Gv fi^srqov erläutert, und zum Uberfluss wird die Tugend im allgemeinen als eine Vollkommenheit, Tslsiootiig, erklärt wie bei einer Statue (dvdqidc, Hekaton D. L. VII 90) 2). Es ist deutlich, dass

22), sondern von den aro/u.oi äQ%al oder ovotou fs. Plut. adv. Colot. 8. 1110 e ff., bes. Ulla) des Demokritos, gegen dessen eldula (s. Zeller I4 S. 818 Anm. 2 820 Anm. 4. Cic. fam. XV 16, 1) der andere Teil der Schrift gerichtet war, und gegen den sich schon Kleanthes gewendet hatte.

*) Wenn er das Verbot, eine Wöchnerin solle nicht zum Tempel gehen, verurteilt (S. 264), so trifft er damit die Pythagoreer ; denn Alexander hat den Satz, man solle die Berührung eines Toten, einer Wöchnerin oder sonst eines Unreinen meiden (Zeller III 2 2 S. 77), nicht wohl erst erfunden.

2) I). L. VIL 53 und besonders § 51 mit § 85 xe%vlzT}s vergl. zeigt,

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hier der berühmte l) Kanon des Polykleitos gemeint ist, und wir fügen das to rtccvraq cmfysiv rovg imtyrovfjispovg aqi&iiovq den wenigen Fragmenten des Buches „Kanon" hinzu. Auf to sv ylvea&ai naqä fjbixoov spielte bereits Zenon an 2) apophth. 34 ; freilich wird die Redensart sprichwörtlich'ge- braucht, aber man sieht, dass dies ein gelehrtes Sprichwort oder vielmehr ein geflügeltes Wort ist. Vgl. apophth. 33. Dass Chrysippos Gal. 444 K. auf die Schönheitstheorie des Poly- kleitos anspielt, ergibt sich durch einen Vergleich jener Chrys- ippstelle, Stob. ecl. II 63, 5 W., Cic. Tusc. IV 13, 31, wo Chr. sicher vorliegt (Tusc. IV 10, 23 maxime a Chrysippo ; 14, 33 habes ea, quae Xoyixä appellant), mit dem, was wir vom Kanon wissen (Gal. 449. De usu part. IV 352 ff. temp. I 566 K.). An die Glieder des menschlichen Körpers denkt Chr. auch Cic. fin. III 19, 62; vgl. den Stoiker off. I 28, 98. Von einer Symmetrie der Triebe spricht er

dass die Vorstellung einer eixoiv den Stoikern und zwar schon Ciir. ge- läufig war.

') S. insbesondere Plut. Cratyl. 431 d av nävra anodu (daraus erklärt sich das stoische aixi^uv) va TTQoorjuovva, xaXr) q eixwv sotou ' lav b'b o/uinoa elXeiittj rj TiQooTsO'f tviore, uxmv fikv ytvrjotrai, nali] de ov (vgl. 432 a b ägiö/uog. 432 e Tvnog. 433 b nooorjitovTa). Epin. 977 e dö£ei6 $av iWwug zig ßoa%£o)v i'vexa aqid'fiov detod'ai to tojp av&QWJtow yivog, eis rag zi%vag a noßläyag . xatzoi [taya xai tovto. Plut. fort. 99 b xavövtg, o.qi&[xoL Dass Aristoteles den Oedip. Tyrann, als Kanon bezeichnet, ist bekannt. Die Kommentatoren des Aristoteles denken auch stets bei dvdoi avtoTio wg an Polykleitos, besonders deutlich Simpl. in phys. 350 b, 42 Brandis, der sich auf die bekannte Galen- stelle beruft (vgl. Alex. Aphr. in metaph. 352, 27 ff. 448, 3 ff. Hayduck).

2) D. L. VII 26 to tv ylvtoftai [xtv naga /umqöv, ov (irjv fiixgbv thcu (Quelle Hekaton). Polykleitos hatte gesagt: to ev naga [imqcv Sia itokXiav (?) aQi&fiojv ylvtoüai (Philon von Byzanz, zuerst von 0. Jahn, Rhein. Mus. 1854, 317, entdeckt). Zahl und Ordnung setzt Zenon auch beim Zitherspiel (apophth. 19) voraus. Demnach ist bei dem Bilde äot&fiol nicht ausschliesslich, ja nicht einmal vorzugsweise an die Orchestik Bonhöffer II 215 Anm. 1) zu denken.

Dyroff, Ethik d. alt. Stoa. 23

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oft im ersten Buche rceqi na&wv, wie überhaupt sein Auge der Kunst nicht verschlossen war. Dass der Kanon des Künstlers durch die Pythagoreische Zahlenspekulation an- geregt war, soll damit nicht geleugnet werden.

Hier möge Einiges über Sphairos noch Platz finden.

Plut. Oleom. 2, 2 nennt ihn den Borystheniten ; die stoische Quelle D. L. VII 37. 177 zweimal BoöitoQiapog. i?o(n>ö#mVoi'beiPlutarchos ist entweder ein paläographischer Irrtum oder auch ein geographischer, der bei der Nähe von Pantikapaion und Olbia, die beide milesische Kolonien waren, sich leicht einstellen konnte. Dass Boajioqiavog das Land (regnum Bosporanum) bedeuten sollte, ist aus mehreren Gründen unwahrscheinlich. Plutarchos nennt ihn Cleom. 2, 2 einen der ersten d. h. wohl ältesten Schüler des Zenon.

In seiner lakonischen Verfassung muss er wie Xeno- phon die spartanische Erziehung behandelt haben. In den jungen Jahren desKleomenes suchte er durch philosophische Vorträge auf die spartanische Jugend einzuwirken und beschäftigte sich nicht ohne liebevolle Sorgfalt mit den jungen Männern und Epheben (Plut. Cleom, 2, 2). Als sich der herangereifte Kleomenes an die Ausbildung und die sogenannte Erziehung der Jugend machte, ordnete das Meiste der anwesende Sphairos mit ihm an, wobei es sich besonders um die entsprechende Einrichtung der Gymnasien und Syssitien und um die Wiedereinführung der unver- dorbenen lakonischen Lebensweise und Einschränkung handelte (Plut. Cleom. 11, 2).

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Nach D. L. VII 32 pflegte Zenon beim xctTTTiaQig zu schwören wie Sokrates beim Hunde. Nach dem Index der Pariser Plutarch ausgäbe, der auf moral. 846, 28 (?) verweist, bedeutete xdn7TaQig ein Mittel, den Appetit wiederherzu- stellen; vgl. auch Aristophon 16. Timocles 23 (II 462 Kock). Sollte nicht vielleicht xäzrTTaQoc gemeint sein, was nach Plut. soll. an. 969f. der Name eines Tempelhundes war?

23*

Exkurs III.

Über Ariston von Chios.

Hirz eis Vorschlag1), den Chier aus der Reihe der Stoa gänzlich zu streichen, scheint mir verfehlt2). Ariston ist einmal wirklich von der Stoa ausgegangen, und es ist daher von vornherein nicht unwahrscheinlich, dass er, falls uns seine Ansichten erhalten sind, manche Auskunft über den Stand der ältesten stoischen Lehre bieten kann; und dann hat Hirzel selbst darauf aufmerksam gemacht, dass Ariston auch unter die Kyniker nicht wohl zu rechnen sei. Wir dürfen sein Verhältnis zu Zenon und die Be- deutung seiner Sezession nicht übertreiben; die Befeindung des Mannes durch Chrysippos ist wohl erklärlich, da es für diesen galt, die unter Kleanthes leer gewordene Stoa wieder zu füllen3); aber wir haben keinen Grund, uns dem Urteile des Chrysippos zu unterwerfen, der selbst

l) Unters. II S. 44 f.

2 Schon Krische S. 411 hatte sich des Ariston als eines Stoikers angenommen.

3) Das Verhältnis ist angedeutet in einer Anekdote, nach welcher Chr. getadelt wurde, dass er nicht auch den Ariston höre (D. L. VII 182)^ die Stoiker scheinen demnach vielfach in das Kynosarges über- gegangen zu sein. Wegen der Polemik des Chr. gegen Ariston s. Cic. fin. IV 25, 68 = IV 28, 78. N. Saal S. 34 Anm. 38. Übrigens ver- liess Chr. selbst gelegentlich die Stoa, wenn er im Lykeion eine Schule unter freiem Himmel abhielt (Demetrios Magnes bei D. L. VII 185); vgl. D. L. VII 184.

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nicht in allen Stücken dem Zenon folgte. Chrysippos hat freilich erreicht dass die Sekte Aristons unterdrückt wurde, und Cicero kann immer wieder die Verschollenheit der Lehren des Ariston, Herillos und Pyrrhon hervorheben; aber die spätere Stoa eines Epiktetos und Mark Aurel hat den Ketzer doch anerkannt, vielleicht mehr, als es scheint1), und der Ausdruck döicufoqa für jisücc wurde in der Stoa angenommen. Chrysippos ist sogar selbst von Ariston in einzelnen, besonders in der Tugend- lehre abhängig. Antigonos von Karystos (D. L. VII 18) erzählt, dass Zenon den Ariston einen Schwätzer [XdXoc) nannte, während der Meister selbst kurz angebunden (ßQa%vX6yoc) war. Antigonos scheint die Nachricht von orthodoxen Stoikern zu haben; aber es darf daraus nicht auf grundsätzliche Spannung zwischen Lehrer und Schüler geschlossen werden; die Darstellung an sich berechtigt nicht, den Tadel eines Lehrers zu einer Abneigung auf- zubauschen. Wenn Ariston eine eigene Schule gründete, so zeugt das nur von seinem Streben nach Selbständigkeit, und dieses war ihm gegenüber Kleanthes nicht zu ver- argen. Gegen eine Teilung der Schule hätte Zenon selbst nichts sagen können, da er einen grossen Kreis nicht um sich leiden mochte. Ariston blieb aus der Schule des Zenon nur damals weg, als dieser krank war. Mit Kleanthes stand Ariston in freundschaftlichen Beziehungen2), und auch dem Persaios muss er zu Zeiten entgegengekommen sein, da ihn Timon nicht ohne allen Grund zum Schmeichler des Persaios machen konnte (Athen VI 251c)3). Es ver- lohnte sich deshalb, in einer Darstellung der stoischen Ethik

*) N. Saal S. 37 f. Die Stelle aus Frontonis et M. Aurelii epistolae (ed. Naber, Leipzig 1867) S. 75 f. spricht zweimal von Aristonis libri, wo offenbar der Stoiker geineint ist.

*) Zeller III i 3 S. 35,1 Anm. D. L. VII 171.

3j S. Hirzel, Unters. II S. 59 und Anm. 1.

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den Ariston heranzuziehen, vorzüglich aus dem Grunde, weil Ariston die Ethik ausschliesslich zu seinem Felde machte.

Jedoch bei dieser Absicht bedrohen ernstliche Schwierig- keiten die Sicherheit der Forschung. Der Kampf um Ariston von Chios und um Ariston von Keos, den Peripatetiker, ist noch nicht geschlichtet und wird, solange bessere Mittel uns abgehen, nicht zum Stillstand kommen. Aber es heisst hier Stellung nehmen, für oder wider, und ich stehe nicht an, mich im allgemeinen zu Kr i sehe s Ansicht zu bekennen, der die Schriften des Katalogs dem Chier zuschreibt. Zum mindesten verdienen Kris che s2) Gründe

*) Obiges war längst geschrieben, ehe mir A. Gercke, Archiv f. Gesch. d. Philos. V S. 198 ff., zu Gesichte kam. Er spricht die buoiüfiata dem Ariston von Iulis auf Keos zu, worüber ich nicht urteilen kann, und wendet sich mit Recht gegen des Panaitios Kritik am Katalog (ebenso Natorp, Die Ethika des Demokritos. Marburg 1893 S. 143 Anm ). Jedenfalls hat auch der Chier Bilder gebraucht wie Zenon.

2) Forschungen (I) S. 408 ff. Ich darf wohl gestehen, dass ich vor Kenntnis von Krisch es Urteil durch die Betrachtung des Titels 7T£qi tojv Zqvojvog doyfiäzojv ötäloyoi, der erotischen Schriften der Stoa, wobei auch auf die xi%v7] igcoTixi} des Kynikers Sphodrias Athen. IV 162 b verwiesen werden kann, durch die oben ausgeführten Gründe und besonders durch die Erwägung des Streites mit Alexinos auf die gleiche Ansicht kam; den letzteren Punkt hat Krische zu wenig hervorgekehrt. Gegen Zenon hatte Alexinos seine besondere Feind- schaft gerichtet (D. L. II 109); schon den zeitlichen Verhältnissen nach kann nur der Stoiker Zenon gemeint sein. Der Streit kann sich nur um die Dialektik gedreht haben, da der disputiersüchtige Alexinos, wie der attische Scherz sagt, ein ^Ehy^ivo? war; wir er- innern an Zenons Xvaetg nal efay%oi und an dessen zweifelhafte Stellung zur Dialektik. Ein Beispiel von des Alexinos Polemik gegen Zenon hat Sext. E. math. IX 108 erhalten; derselbe spricht dann von Gegenbemerkungen der Stoiker (109). Ein Peripatetiker würde eher den Eubulides angegriffen haben, der dem Aristoteles zugesetzt hatte (D. L. II 109). Eine Parallele bietet der heftige Kampf des Eretrikers Menedemos gegen Persaios (D. L. II 143; vgl. Hirzel II S. 59

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mehr Beachtung als das verdammende Urteil des Panaitios, der schwerlich als ein glücklicher Kritiker zu bezeichnen ist1). Susemihl2) meint: „Zu einer Tendenzkritik war einem solchen notorisch Abtrünnigen gegenüber kein An- lass". Aber gerade die Anerkennung der vier Bücher Briefe an Kleanthes, die Zeller3) mit Recht als ein Zeichen freundschaftlichen Verkehrs zwischen beiden Männern an- sieht, lässt uns die kritischen Motive des Panaitios erraten; in denselben wird Ariston, der nach dem, was seine eigenen Schüler Eratosthenes und Apollophanes über den Wider- spruch zwischen seiner theoretischen Moral und seinem Leben berichten (Athen. VII 281 d), überhaupt nicht als ein Mann von starrer Konsequenz betrachtet werden kann, den Kynismus weniger abstossend haben hervortreten lassen als sonst, und im übrigen musste dem Panaitios bei seinem Abgehen von der Richtung des Chrysippos jeder Bundes- genosse aus älterer Zeit willkommen sein. Wenn Panaitios die Tugend nur in zwei Arten zerlegte, in die theoretische und in die praktische (D. L. VII 92), so ist er dazu viel- leicht durch die Ausführungen des Ariston mit veranlasst worden. Für die Annahme, dass Fälschungen vorliegen, konnte Panaitos auf Pasiphon von Eretria hinweisen, dem

Anm. 2). Gegen Alexinos, Epikuros und Menedemos spricht sich Chr. Stob, floril. 63, 31 in einem Apophthegma aus. Vgl. Stoic. rep. 1036 d f.

1) Vgl. Hirzel II S. 78, besonders Zeller Uli 3 S. 35,1 Anm. Sosikrates, der mitgenannt ist neben Panaitios, hat zum Beispiel bezüglich der Schriften des Diogenes (D. L. VI 80) gewiss Unrecht, da die noXaela durch Chr. verbürgt ist. Historische Kritik übt Pa- naitios an einer Angabe des Dernetrios Phalereus, indem er demselben Verwechslung zweier Homonyme vorwirft (Plut. Aristid. c. 1). Glücklich ist dagegen Poseidonios, wenn er alle Schriften des Pytha- goras für unecht hält (Bake, Posidonii rel. Leyden 1810 S. 198).

2) Litteraturgesch. I S. 66 Anm. 248.

3) III i 3 S. 35,1 Anm.

Persaios solch verwerfliche Arbeit vorgerückt hatte, wie ja Fälschungen in der griechischen Litteratur schon vor Kallimachos durch Epigenes aufgedeckt wurden ]). Ritsehl betont in einem trefflichen Aufsatze2) „die schriftstellerische Enthaltsamkeit" des Ariston. Ich weiss nicht, ob das mit dem Prädikate „Schwätzer", welches Zenon seinem Schüler anheftete, sich ganz vereinigen lässt; hatten ja selbst die Kyniker schriftstellerisch gearbeitet. Zenon, der ein Sekten- gründer war, war über ein Buch nicht hinausgegangen3) 5 Ariston schreibt gleich vier Bücher Briefe. Wenn Ritsehl darauf hinweist, dass sich von Ariston nur Anführungen mit dem Imperfekt (oder Aorist) eleyey eyr], nie mit (pr((Si oder gar mit yqdcpsi fanden 4), so lost sich das einfach da- durch, dass die Zitate den beliebten cO{JoiM{jccTa entstammen. Der Katalog ist nicht einmal so ungesichtet, wie es nach dieser Kritik scheinen möchte; es fehlen die 'O^oico^ara, die erst von Schülern des Ariston zusammengestellt wurden5), es fehlen der Lykon und der Tithonos 6) und noch manches andere, was vermutlich der Peripatetiker schrieb. Es ist

*) Susemihl I S. 345. Der Athetet Athenodoros, der Stoiker, war es, der von dem Homerfälscher Onoinakritos zu berichten weiss ; s. Susemihl II S. 246.

2) Rhein. Mus. 1842, S. 196.

3) ÜQoßXi]fiaTojv cOjU7]Qix6jv nerze kann übersetzt werden mit „fünf Stück homerischer Fragen".

4) Übrigens sagt Seueca ep. 94, 18 haec ab Aristone (Stoico) dicuntur. Plut. de rect. rat. audiendi 42b yyolv b IAqIotmv, wo zweifellos der Chi er gemeint ist. Cic. acad. pr. II 42, 130 ab ipso (sc. ab Aristone, Zenonis auditore) dicitur.

5) Etitschl, Rhein. Mus. 1842 S. 199; neuerdings, ohne Ritsehl zu kennen, Hirzelll S. 33 Anm. Wollte man sagen, die 'Otioioj/uara könnten nach Panaitios und Sosikrates zusammengestellt sein, so würde ich erwidern, dann müssen bestimmt Schriften des Ariston existiert haben. Aber durch die Beobachtung Ritschis ist der Einwand un- möglich gemacht.

6) Ritsehl ebd. S. 194 f. Susemihl I S. 151.

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auch thatsächlich in dem Kataloge nichts enthalten, was Ariston seiner Richtung nach nicht geschrieben haben könnte, ja der Titel nsqi Goiplag diaiqißMV f erhält durch die Bedeutung, die der Begriff Goyia für Ariston hat, eine deutliche Beziehung zu dem Stoiker. Die Titel Gxolai, didTQißai1), vjio^prinovev para, öidkoyoi, x^stcu, vTio^pfjiJaTa, die den ethischen Teil des Katalogs fast ausfüllen, deuten aber darauf hin, dass der Katalog sich hauptsächlich an die Vortragslitteratur, Materialsammlungen und ähnliche leichte Ware hielt2). Die logischen Schriften Ttqog rovg qyTOQccc, nqoQ rag *AX&£ivov ävTiyQccfpdc, Ttqdg rovg diaAsxTMOvg Y müssen, ihren Titeln nach, eine Opposition gegen eben die Disziplinen enthalten haben, welche Ariston der Chier für unnütz erklärte. Von drei Schriften abgesehen, nennt der Katalog kein Buch, das ein abgegrenztes philosophisches Thema wie etwa neqi ccQerrjg, ttcqI relovg u. ä. behandelte. So zeigt es sich, dass der Katalog fast nichts als Kollegien- hefte und Streitbroschüren aufnahm3). Selbst Susemihl hat

*) (regen A. Gercke a. a. 0. S. 216 ist zu sagen, dass die (SiaiQißul aller Analogie nach von Schülern des Ariston aufgezeichnet waren.

2) Uber die vno^vr<^iaxa zuletzt P. Otto, Strabonis IotoqmCjv v7iourrtuäTojv fragmenta S. 6; die vixofivvuaxa vttsq ntvoSo^iag erregten mir immer Anstoss, wenn auch die xevodo&a von Klemens von Alexandreia (Paedag. II 78. 217 P.) kynisch genannt wird (vgl. N. Saal S. 17) und xevodo&a etwa im Sinne von nsvrj dö£a gefasst werden kann, was nach Plut. brut. rat. uti 989c e den leeren Wahn bedeutet, als ob Gold, Silber, Elfenbein, Prunk u. ä. das höchste Gut dar- stellten. Von xtvai do£ai spricht Plut. non posse suav. 1091 f. Das Wort Hesse sich mit den peripatetischen Bildungen onovdaioTCQa- yia, dr/.aioTipayi'a vergleichen, die jedoch auch von der Stoa und Epi- kuros angenommen wurden. Gegen diese Schrift ist auch bisher der einzige von Panaitios unabhängige Einwand, durch Sauppe, vorge- bracht worden (Susemihl I S. 151 Anm. 792). Aber gerade von dieser Schrift Hesse sich das Einschleichen in den Katalog leicht erklären.

3) Stilistisch waren sie als solche wohl nicht fein ausgearbeitet

- 362

die XQ£?ai 1111 ^ die diaXoyoi ttsqi tmv Ziji'covog doyndjwv dem Stoiker zugestanden und sich über das im Kataloge fehlende Buch Tieqi 'HqanXsiTov unentschieden ausgedrückt. P. H artlich zweifelt nicht daran, dass der Stoiker Ver- fasser eines TiQOTQSTtTixog sei 1). Aber auch wenn Ariston von Chios nichts geschrieben hätte, so Hesse sich doch seine Theorie erkennen : teils aus den Aufzeichnungen seiner Schüler, den ofioiMficcra 2), teils aus der Bekämpfung durch Gegner. Aus der Charakteristik, die Cicero von den beiden Aristonen, unzweifelhaft nicht aus eigenem Wissen heraus, gibt, leuchtet eine tiefe Verschiedenheit des Wesens hervor. Der Chier ist energisch, stark, eisern, von besonderer Hinneigung zur Ethik, der Peripatetiker (fin. V 5, 13) ist gefällig und gewählt-, aber der Ernst, den man von einem Philosophen verlangen kann, fehlte ihm. Geschrieben hat er freilich vieles in edler Sprache 3); aber seiner Darstellung gebricht ein gewisses Etwas, um eindrucksvoll zu sein. Ein Moralist von ausgeprägter Richtung kann letzterer nach dem ganzen Zusammenhang der Cicerostelle nicht gewesen sein.

aber dies kann für Panaitios nicht der Grund zur Athetese gewesen sein, da gerade der Peripatetiker als elegans galt.

1) De exhortationuni a Graecis Homanisque scriptarum historia atque indole. Leipziger Studien XI S. 276.

2) Wie die Sammlung zu ihrem Titel kam, lehrt das Fragment Stob, floril. 13, 22 ofioiov dipiv&iov xb Sql^iv aal Xöyov <^t?jv^> na^QT]- aiav ixaöyai „es ist dasselbe, wenn". Stob, florü. 4, 110 bfiolovq, D. L. VII 160 ofioiov. Vgl. D. L. II 80 tb d' (fioiov aal 'AqIotojv. Das Wort buoioj^axa in anderem Sinne bei Piaton Leg. 812 c. Schon Zenon hatte eine Theorie über dieselben aufgestellt: itaQadsiyfia 3s iaciv ojg Ztjvojv (pr/alv ysvojuivov itqäyfiaxog dnofivrjfjLÖvtvaig eis d/xoiojoiv Schol. ad Herniog. p. 362. Spengel, üwayojyr} xh%vojv p. 190.

3) Zu diesem Merkmale scheinen die vielen Vergleiche nicht iu passen.

Exkurs IV.

Über das Ansehen des Kleanthes und Chrysippos.

1) Kleanthes. Kleanthes erfreute sich lange eines grossen Ansehens ; die der Zeit freilich etwas nachhinkende Satire des Juvenalis sagt uns, dass auf den Repositorien der feinen Römer die Originalbüsten des Kleanthes prangten (2, 7), aber auch, wie wenig man daraus auf wirkliche Lektüre seiner Schriften schliessen darf. Der Philosoph hatte seinen Namen wohl hauptsächlich der schönen Darstellung zu danken, die er in seinen Werken entfaltete (D. L. VII 174). Um des- willen scheint er von edlen Geistern der römischen Kaiser- zeit lieber gelesen worden zu sein, und so sind weniger unerquickliche Mitteilungen wie bei Zenon, vielmehr wahre Perlen philosophischer Poesie durch Seneca, Epiktetos und Musonios l) erhalten. Es ist wohl mehr als poetische Redensart, wenn Persius seinen Lehrer Cornutus schildert, wie er die Körner Kleanthischer Weisheit in die Herzen der jungen Welt senkt (5, 64). Auch bringt es der Um- stand, dass Kleanthes von der Stoa mehr als eigenartiger

1) Von dein Klemens von Alexandreia seine Zitate haben wird. Uber das Verhältnis des Klemens zu Musonios P. Wendland, Quaestiones Musonianae. Berlin 1886, zur Stoa überhaupt C. Schuch- hardt, Andronici Rhodii qui fertur libelli neyl 7Ta&<Zv pars altera, Darmstudt 1883 S. 63 ff. Kreuttner, dasselbe, pars prior Heidel- berg 1884, häufig.

364

Charakter betrachtet wurde, während man sich für eigene Ansichten möglichst durch den Gründer der Schule zu decken suchte und so Zenons Namen vielleicht hie und da unberechtigterweise anführte, mit sich, dass wir über Kleanthes Zuverlässigeres bieten können, als über Zenon. Ferner hatte der Jünger eine grössere Anzahl von Schriften hinterlassen als der Meister, bei dem man wohl vielfach auf mündliche Vorträge zurückgreifen musste, und gerade das Gebiet der Ethik hat Kleanthes mit besonderer Vorliebe gepflegt-, Logik und Physik stehen sehr im Hintergrund.

2) Chrysippos.

Das Ansehen des Chrysippos war im Altertum zu allen Zeiten ein grosses1). Und doch wird hier zu unter- scheiden sein zwischen den Schriftstellern, welche den Chrysippos unmittelbar, und denen, welche ihn mittelbar benutzten. Dionysios von Halikarnass verrät kein be- sonderes Vertrauen auf die Chrysipposlektüre seiner Zeit- genossen, wenn er mit merkwürdigem Accente von denen spricht, welche die Bücher des Philosophen über Syntax der Redeteile gelesen haben (de comp. verb. 5,36 bei Baguet S. 136 Mg i'caöiv oi Tag ßißXovg ävsyvcoxoreg). So ist Galenos schwerlich tief in den Chrysippos eingedrungen ; er wie Varro, Cicero und andere werden dem Poseidonios verpflichtet sein. Hingegen gehen wieder die Angriffe

*) Er wird Galen, de opt. doctr. I 43 K. neben Theophrastos und Aristoteles, Maxim. Tyr. dissert. 10, 3 neben Aristoteles und Kleitoinachos, Theodoretos 'EXlrjviaojv foyanevriKT) Tta.d'^^äTojv 8 patr. 4, 1007 Mign. neben Piaton, Demosthenes, Thukydides, Aristoteles, Senec. de otio 3, 1. 6, 4, 5 neben Kleanthes und Zenon, de benef. VII 8, 2 neben Sokrates und Zenon, ähnlich ep. 104, 21, ep. 33, 4 neben Zenon, Kleanthes, Panaitios und Poseidonios und ep. 56. 3 allein auf- geführt. Als Typus erscheint er sogar Gral. IV 784 K. Marc. Aurel. elg kavxov VII 19 (an erster Stelle neben Sokrates und Epiktetos).

365

gegen Chrysippos l) bei D. L. VII 187 ff. und Philodemos auf solche zurück , welche Schriften desselben gelesen haben; auch muss Plutarchos den Chrysippos selbst auf- geschlagen haben, wenn er denselben benutzte; und mir dünkt, als sei Chrysippos im Korpus der Plutarchischen Schriften mehr benutzt, als es scheint. Es ist die Art des Chrysippos, die sich bei Plutarchos findet, die Vorliebe für Dichterzitate, besonders für Euripidesverse, die Beispiele aus der Geschichte, wo das Verdienst des Plutarchos, in der Zufügung der römischen Beispiele bestehen mag, die Manier, fortwährend Doppelausdrücke zu gebrauchen, das Bestreben, jede Schrift jemand zu widmen. Titel Plutarchi- scher Schriften berühren sich vielfach mit Titeln stoischer Schriften, und es Hessen sich vielleicht noch mehr auf- fallende Analogien finden, wenn der Schriftenkatalog des Chrysippos nicht gerade mitten in der Ethik jäh abrisse. Chrysippos hatte zweifellos sehr populär geschrieben, wie Epikuros, und daher ist wohl auch zum Teil der schlechte Stil seiner Werke zu erklären.

Gerade in der Zeit des Plutarchos wurde Chrysippos wieder fleissig gelesen. Die Ausfälle des Horatius gegen Chrysippos können nur so erklärt werden, dass Chrysippos wieder zu Ehren kam. Die Schrift über die Widersprüche der Stoiker, die sich hauptsächlich mit Chrysippos einlässt, hat keinen Sinn, wenn damals nicht Chrysippos gelesen wurde; dass das dritte Buch 7tsqI dixouoövpfjg überall zu erhalten sei, versichert Plutarchos in der Schrift über die gemeinsamen Merkmale gegen die Stoiker (1070 e). Gegen das Buch nioi dixaioavvrig gab es nach dem Zeugnisse des sogenannten iLampriaskataloges einst eine besondere Schrift des Plutarchos n drei Büchern (s. Baguet S. 279). Epiktetos eifert an

*) Chr. wurde, weil er das Essen von Hühnern erlaubte, von den Pythagorikern befehdet: s. Stoic. repugn. 1049 a.

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mehreren Stellen gegen die, welche sieh rühmten, den Chrysippos gelesen zu haben, und ihn kommentierten, ohne nach dessen Lehre im eigenen Leben sich zu richten1). Doch scheinen es besonders die syllogistischen Schriften gewesen zu sein, die man las (Epiktet. II 23, 44. III 24, 78 ff.), wohl da Chrysippos hierin besondern Ruhm genoss (vergl. Persius satir. 6,80). Auch aus Persms (satir. 2, 5. 13, 184) sieht man, dass Chrysippos damals als der erste glänzte. Von Cornutus wurde er verehrt und nachgeahmt (Dio Cass. Nero LXII 29, 3). Mark Aurel schätzte den Chrysippos besonders hoch (Chrysippum tuum. Fronto in M. Cornelii Frontonis et M. Aurelii imper. epistul. rec. Naber S. 227, 1; vgl. ipse Chrysippos S. 146, 13. 147, 52)). Aus Galenos (S. 399, 402 f. K.) sieht man, dass die zeit- genössischen Stoiker deu Chrysippus fast mehr anerkannten als den Poseidonios. Alles, was aus damaliger Zeit stammt, verdient besondere Beachtung. Die Kirchenschriftsteller haben ihr Wissen natürlich meist aus doxographischen Schriften oder, wenn es sich um die abfällige Kritik des Systems handelt, aus der polemischen Litteratur der gegnerischen Schulen. Origenes will (c. Cels. V 57 patr. 11, 1272 a Mign.) über wunderbare Dinge auch bei Chry-

*) Aus Epict. dissert. I 17, 13 ff. Enchir. 49 geht hervor, dass man Chr. selbst las und die Kommentare zu ihm; vgl. I 4, 6; 10, 10. II 17, 34; 40; 19, 14. III 2, 13; 21, 7. II 16, 34, wo auf die Eloayojyai des Chr. angespielt ist, Epiktetos wirft den Angeredeten nicht vor, dass sie den Chrysippos nicht lesen, er bezweifelt auch die Lektüre nicht. Er tadelt nur. dass man ihn nicht liest, um das, was er sagt, anzuwenden. III 24, 81. IV 9, 6 erkennt er den Wert seiner Werke an. Vgl. Simplic comm. in enchir. 49 u. 50. S. 134 Dübn.

2) Wörtliche Berührungen zwischen Chr. uud Marcus Aurelius hat Gercke, Chrysippea, im Iudex verborum s. v. xvIivSqos und Xi&os entdeckt. Wenn es Dio Cass. LXXI 35 heisst, dass seine Lehrer Junius Rusticus und Apollonius von Nicomedea Ztjvojvsioi Ihyoi übten, so ist Zenon wohl nur als Typus der Stoiker anzusehen.

367

sippos gelesen haben; er zitiert aber mit Buchtiteln nur den Plutarchos und Numenios. Die Angaben der doxo- graphischen Schriften können wohl nach gewissen Schriften des Chiysippos selbst gegeben sein. Das Auffallende ist nur, dass man zuweilen für einzelne Gegenstände nicht die Schriften nahm, die ihrem Titel nach zuerst hätten eingesehen werden müssen1).

*) S. Gercke, Chrysippea S. 691 f.

Exkurs Y.

Zur stoischen Vorsehungslehr e.

Neben den oben') wiedergegebenen Gründen für zwei stoische Sätze bietet der Rhetor Theon eine Reihe von Beweisen zu dem Satze, dass die Götter für uns sorgen2). Da die Kenntnis derselben unter Umständen für andere Untersuchungen nützlich sein kann, führe ich dieselben mit Auslassungen des Rhetorischen wörtlich an :

1) dvvcLtbv £$ti TOig &£oTq nqovostv tjftcop xai fj/qdep avjovg sldTTOv G&ai £X irjg nsql top xoG^op cpqoPTidog.

2) qqdiop söti tco &£cp xai ävev rrdciqg 7Tqay{jaT£iagB).

3) xai daipovag xai tjqomg^) xai äXXovg 3-sovg övpayco- vicSTag e%si ravTijc Tvjg (pqoPTidog.

4) 7iaPT£gäv&Q(ti7T0i 'Ellr}V£gT£xaißd()ßaQ0i evvoiav rc£qi tmp &£üop exovdiv cog nqoroovGtp yficop . . . ov ydq äv ßcopoi xai vaoi xai %qY\GT\]qia &sotg äp£Ti3£T0, £cp* olg IxaöTQi

£V 7T£Tl6v&aGlV, £P XlfJOJ fj Xoiftü) fj TCoXftjULQ) fj TlPl TMP

TOiovTMp cog dnaXXay£PT£g' ovd3 äp TrdpTq TiqoafjxapTO povp xai [idXiüTa 6jtot£ neqi tcop (jbeyiöTCOp xipdvpevoiep.

5) xai Totg GoyoTg öox£% oiop UXaraiPi, *Aqi<5TOT&X£i,

Z'jpcopi^).

S. 233 ff.

2) I 250, 3 ff. Walz.

3) Diese beiden Gründe sind auch I 246, 27 Walz für ort %Q noXntvto&ai angegeben, also mehr rhetorisch.

4) Vgl. D. L. VII 151.

6) Diese ngoxonrovras werden hier populär oocpot genannt.

369

6) ToXg vo(JbO&STaig (sc. SoxeX)' ov ydq av döeßeiag ijGav yqaopai.

7) evdo^oi eiöi \idXiGTa ol r\yoviiepoi nqopoeXp rjfjbcov

TOVC &SOVQ.

8) aö(paXsGT<xTa dp ovtoi xal 7iqoG£%6pTwg top ßiop didyoiep, Po^oPTeg £%eip sniCxo Ttovg^) del naGoop twv

XCCTCC TOP ß'lOP 7TQCC^€U)V.

9) [idXiCTa rjdscog fwG'tv ol r\yov^epoi sTUfieXrjTag e%eip rovg $eovg.

10) öixaiog top 6 &edg ovx dp dnqopo^TOvg Tteqiewqa rovg o £ ßo (jlsp ovg avTOP.

11) r\ (pvöig tmp oXmp {laqTvqsX xaTa nqopoiap naPTcc yeyepTjö&ai Trjg OcoTfjqlag epsxa twp sp xoo'^ico. a% ts ydq tov eTOvg coqcci xaTa xaiqop Tag (jbSTaßoXdg Xafj- ßdpovGai ol T8 öfißqoi xal xaqnol xaTa wqap yipd\iePOi> xal Ta fxeqrj de twp ooqmp cog sv S sdr^iiov qy tjt av vtto Tr\g (fvascog Trqog diajjboprjp xal aanriqiap avTwp' xad-drteq xal BsPO(f(äp sp TOlg aTtO{iprniOP£v {iaGi dqXoX.

12) tovto ndpTWP [laXiGTa dq^OTTev t& dem to ttqo- poeXp tov xoc^iov. ov ydq dr) böiop, dqyov xal äjiqaxTOP top &£Öp sineXp rj ptj Jia TOiavTag s%eip dc%oXiag otag reisig tö> frprjTol etpai xal da&epsXg dpayxaloog da%oXov (jl e&a.

13j dpayxaiop sGti to nqopoiap eipar ei ydq Tig to ttqoposXp neqieXoi tov &£Ov , d p fj q fj x £ xal jrjp e'xofiep Tteql ai)TOP eppoiap 6i ijp xal eipai avTOP vTtoXa^ßdpoiJiep. ix ydq Trjg Tieql r\[idg avTOv (pqoPTiöog tov &sov xal oti vndq%ei

Tl£7llÖT£VXa^l£P.

14) ovöe Tr)p dq%r)p GVP£6Tr\ 6 xoG^og, €i firj Tig ijp q Trqöpoia. 6)CiC£q ydq ovöe olxia apsv tov olxodo^iov dvparai yepscfrai e'§ avTOiiaTOV avpSqa^iopToap tmv 7tXIp&wp, ovds TtXolop dp£V tov pavTirjyov, ovde 6Xü)c ti tcop evTeXeöTaTwp rj TiiiiundTüip apev tov neql txaüTOP drj(jLiovqyoi , ovrfa

l) Vgl. D. L. VII 151. Dyroff, Ethik d. alt. Stoa.

24

370 -

ysXotov söti (fdvai xdXXiöTOV xal TipmTaTOV dndvTwv

TCOV OVT(AV TOV XOG[kOV [lij VTTO XaXXlÖTOV TLVOQ XOl &SIOTCCTOV

drjjLiiovQyov ysyovsvai, dXX* sx t av t o [naT ov.

15) evrj&sg süti ttjv tokxvttjv svs%lav toov xard tov ovqavov (fsqo^svoov fitj vno Tivog nqovoiag yevsc&ai vo[ii- £sw, dXX' €iX7j xal cog etv%sv.

16) sl fjirj övvaTai xaXoog üv^T^vai [lyre olxia dvsv olxovo^iov fjbrjrs vavg dvsv xvßsgvrjTOV h^ts CToaTonsdov dvsv ajQarfjyov \ir\TS noXig dvsv tvoXitsvtov , cvö' äv 6 xotipog dvvaTai GVGTrj vai ävev tov nqovoovvTog &sov.

17) sl 6 fioXoyov [ASP wg (paivovrai rj^wv xard noXsig TtQOVOOvVTsg rjocosg rs xal dalfiovsg xal S-soi, dxoXov&ov sGti ÖXov tov xoöfiov tvqovoeXv S-sovg.

18) Xoyco [isv Kspy :) dvaiQslTai doyfia, to (f dXrjd-eg noXXd' el ydq ovx söti &swv nqovoia ovdh dixaioövvr} dvvaTai cvviöTaö'&ai ovts svösßsia ovts svoqxia ovts dv- dqsia ovts aco(pQOGvvi] ovts (piXia ovts %doig OV&* dnXoag tcov xaT dQsrijv ovdsv, drtsq ovx söti xaT dvdqag vovv e%0VTag dvaiqetv.

Manclies von dem Angeführten hat der akademische Rhetor wohl ohne weiteres dem entnommen, was die Stoa im Kampfe gegen die Epikureer geltend gemacht hatte. Anderes mag er selbst dazu erfunden haben.

x) So Scheffer.

Exkurs VI:

Einige Kleinigkeiten.

1) Uber den Begriff a vv rj&s ta.

Noch Stein fasst in seinem sachkundigen Referat Archiv f. d. Gesch. d. Philos. I 438 wie Cr am er, Gesch. der Erziehung II S. 529, den Titel der Chrysippeischen Schrift naqa xr\v övvr\&£iav im Sinne von „Gegen die sittliche Gewöhnung" .

Dagegen fällt schwer in die Wagschale 1) der Um- stand, dass sowohl die Schrift für als gegen die Gw^d-eia in der logischen Abteilung des Chrysippeischen Bücher- katalogs steht (D. L. VII 198; vgl. Xoyoi tkxqcc rag avv- rftsiag VII 192. 183 f.), 2) dass Chrysippos gegen die sittliche Gewöhnung seiner ganzen ethischen Stellung nach keine Wahrscheinlichkeitsgründe beibringen konnte.

3) Es liegt auch kein Zwang vor, Gw^d-sia so zu verstehen; im Gegenteil sind ed-og, aöxrjGig, srnpeXeia, öida- cxcüla, [isXsTri die gewöhnlichen Ausdrücke für jene Be- deutung.

Sw^d-ua findet sich im Sinne von „der herkömm- liche Sprachgebrauch" Chr. Stoic. rep. 1048a (rrjg xard rag övofxaGiag avMj&siag; vgl. D. L. VII 59), wofür Chr. Gal. 368 K. e&og gebraucht wird1).

x) Plut. virt. mor. 441 b nennt den Schwärm der Chrysippeischen Tugenden oi ovvTj-d'tg.

24*

372

Die Stellung jener Schriften im Bücherkatalog aber las st vermuten, dass es sich genauer um einen Begriff der Erkenntnistheorie handelt. Bonhöffe r (Eth. d. Epikt. Griech. Sachregister s. v. cvvri&sia) erklärt das Wort mit „Dogmatismus d. h. Ansicht, dass die Dinge thatsächlich so beschaffen sind, wie sie unsern Sinnen erscheinen". Das kommt dem Richtigen sehr nahe. Wie eine Erfahrung, die Chrysippos mit jenen Schriften ge- macht haben mag, klingt es, wenn er ausführt, man solle den jungen Leuten neben dem Für das Wider (vgl. D. L. 183 f. ) nur vorsichtig vorlegen, da solche leicht sich in ihren Urteilen erschüttern Hessen. Infolge der megarischen und anderer wirksamer Fragen gäben solche selbst die bereits richtig erfassten Sätze über die avvij&€ia7 über das Wahrnehm- bare und das andere sich aus den Wahrnehmungen Er- gebende auf (Stoic. rep. 1036d e). Demnach muss die Gvvr\&sia wie die aia-9-ijatg ein Kriterium der Wahrheit ge- wesen sein. Aber auch aus Stoic. rep. 1036c d. comm. not. 1059b. Cic. Acad. pr. II 24, 75; vgl. II 27, 87. Syrian. in metaph. 892 b, 15 (Berliner Aristotelesausgabe) geht hervor, dass die (Svvr[&sia neben cciO&tjGig, ivaqysia und loyog stand; denn omnis kann an der letzten Cicero- stelle, wie die Nachfolge von ratio und das dreimal ge- setzte contra bezeugen, nicht die aia&yöig und svaqysia unter die <svvi\&sicL subsumieren, sondern besagt: „Die Gvvr\&eia in ihrem ganzen grossen Umfange". An der ersten Stelle aber sagt Cicero unzweideutig: contra omnia quae in consuetudine probantur. Die avi'rj&sta ist also die Gewohnheit aller Menschen, die Dinge anzusehen, die herkömmliche Auffassung, der Autoritätsglaube. Vgl. Plut. am. prol. 493 c.

Diesen erkannten die Stoiker, insofern er den xoivoc loyog darstellte, als Kriterium der Wahrheit an und be- nutzten ihn ausgiebig. Aber in Fragen wie die, ob Reichtum

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und Gesundheit Güter seien, mussten sie denselben ver- werfen. Daher des Chrysippos Schriften für und wider die Gvvri&eicty daher die von Stein selbst beobachtete Doppel- stellung der ersten Stoiker gegenüber dem „Laienurteil".

2) Uber einige Quellen der ethischen Erkenntnis.

Das Leben der Tiere kann nach Chrysippeischer An- sicht da, wo es sich um das Leben der Tiere in seinem eigentümlichen Wesen handelt, Massstäbe für unser sitt- liches Verhalten geben (vgl. Stoic. rep. 1049 a. 1044 d)1), so in geschlechtlichen Fragen (Stoic. rep. 1045 a), da die geschlechtlichen Beziehungen für das Tierleben ebenso wesentlich siüd wie für das Menschenleben. Aus- geschlossen ist die Berufung auf das Handeln der Tiere, in Fällen, wo sich Menschen- und Tiernatur als nicht mehr gleichartig darstellen, so wenn Tiere die Tempel oder Brunnen besudeln (Stoic. rep. 1045b). Hier muss der Mensch seiner Menschenvernunft inne werden; das Tier hat die Gabe für derartige Unterscheidungen nicht2). Die Stimme der Natur3) können wir aber auch wahrnehmen in der Übereinstimmung aller Völker, auf deren Sitten Chrysippos noch mehr achtet und Wert legt als Aristoteles4). Und so ist es von seiten

l) Die alten Philosophen appellierten in Streitfragen gerne an das Leben der Tiere, da bei diesen der Spiegel der Natur unge- trübter sei als beim Menschen, der im Besitz der Freiheit das Bild stark entstelle (Plut. am. prol. 493 b c). Vgl. Aristot. Pol. 1262 a, 21 .

2) So löst sich der Widerspruch, den der Gegner der Stoa dort findet. Beziehung auf eine Tierart scheint auch Sext E. Pyrrh. III 246 = math. XI 192 in den Worten doxti uoi r av x a ovrm Sie^dyeir vorzuliegen. >

3j Den Ausdruck gebraucht Cicero im Sinne der Stoiker (fin. III 19, 62. Tusc. I 15, 35); vgl. Epict. diss. II 2, 14.

*) Schon Piaton erinnert an die Ägypter, z. B. Leg. 819 a u. s., an die Thraker 805 d, an die Sauromatides am Pontos 804 e f , an - Barbaren überhaupt Rep. 452 c, auch der Verfasser der Epino-

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des Galenos nur eine unbegründete Zumutung, wenn dieser dem Chrysippos zutraut, dass er die Barbaren für vernunftloser halte als die Hellenen (218 K.)1). Weiter offenbart sich die Naturvernunft in der Jahr- hunderte währenden Meinung national gleichartiger Einzel- menschen, wie sich diese in dem, was das Volk denkt, im Sprichworte 2) bezeugt. Die Etymologie gibt den ETV^og Xoyog an, der in den Worten waltet, und lässt somit die Urteile erkennen, welche die Vernunft über den bezeich- neten Gegenstand gefällt hat; sie erteilt daher besonders auch in ethischen Fragen Aufschlüsse3). In hervor- ragendem Sinne aber sind es die Redner, Maler und vor

mis; Diogenes an die Barbaren (D. L. VI 73); vgl. E. Norden, 19. Suppl.-Bd. z. Fleckeis. Jahrb. 1893 S. 398 Anm. 1; für Aristoteles s. z. B. Pol. 1324 b, 10. 1336 a, 18. 1269 b, 25. 1262 a, 19. 1263 a, 5 und 8. eth. Nicom. 1115 b, 27 u. s.w., wobei besonders die Kelten zur Geltung "kommen. Poseidonios ist bekanntlich in dieser Richtung besonders weit gegangen (s. K. Müllenhoff, Deutsche Altertums- kunde. II. Berlin 1887, S. 126 ff. 303 ff.). Erst durch diesen Zu- sammenhang (vgl. Müllenhoff Ii S. 310. Senec. bei A. Riese, Das rhein. Germanien in d. antik. Litteratur. Leipzig 1892. IV 133) ge- winnt die Germania des Tacitus, der ein Freund der stoisch gesinn- ten republikanischen Opposition in der Kaiserzeit war, ihre eigent- liche Bedeutung. (Man vgl. Germ. c. 9 die Bemerkung über die Tempelscheu der Germanen mit der Verdammung der Tempel durch Zenon und mit sanctum aliquid c. 8 das aristotelisch- stoische n ftelov). Interessant ist daher der Titel Tte^l ßaQßaqixwv söojv unter den Schriften des Dionysios.

1) Vgl. Chr. Stoic. rep. 1043 c~d. Strab. VII 3, 8. II 23, 16 Kramer.

2) Einzelne Fragmente der Schrift tcsqi %aqoi^iCjv (Baguet S. 246 250) sind ethisch. Vielleicht suchte Chr. hier, wie in der Allegorie, die -inövoia ; denn auch das Sprichwort spricht anders, als es dankt.

3) In der Ausdrucksweise des Chr., besonders auch der ethischen, wimmelt es von versteckten Etymologien. Wichtige Stelle Gal 213ff. K.

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allem die Dichter, welchen die Natur ihre geheimsten Ge- danken anvertraut. Im Traume , in Wahrsagungen und selbst in unbedeutenden Zufällen des Lebens erfahren wir solche, wie ja schon Zenon aus einem Unfall entnahm, dass es Zeit für ihn sei, aus dem Leben zu gehen.

3) Zur Chrysippeischen Schicksalslehre.

Das Vorhandensein des Übels in der Welt recht- fertigte Chrysippos unter anderem durch die Analogie der Komödie: die lächerlichen erny^dinixaTa der Komödie seien zwar an sich schlecht, erhöhten aber gerade den Reiz des Ganzen (Chr. comm. not. 1065 d). Gewöhnlich und noch von Cl. Baumker1) wird sTuyqa^^iaTcc mit „Komödien- titel" übersetzt.

Es ist aber sehr zweifelhaft, ob die Ubersetzung dem Sinne des Textes entspricht Kann ein Titel den ästhetischen Eindruck eines Kunstwerkes steigern? „Hält" der Hörer (oder Leser) einer Komödie den Titel „mit dem Ganzen zusammen" ? Sind thatsächlich so viele Komödientitel lächerlich? Und worin soll sich die Schlechtigkeit ((pavXa) eines Titels verraten?

Schon diese Fragen entziehen jener Auffassung von eTiiyQafjbfjLaTa den Charakter der Selbstverständlichkeit*, von der Bedeutung der antiken Titel sei gänzlich abgesehen. Unmöglich aber wird jene durch die Erwägung, dass Chrysippos das Übel als das notwendige Gegengewicht des Guten und demnach als einen bedeutenden Bestandteil der Weltordnung ansieht, während ein Titel an der Komödie als nebensächlich erscheint, dass das Übel auch nach Chrysippos im Weltganzen seine Stelle hat, indes ein Titel nur als Aussenwerk gelten kann.

'Em/QcicfjifAaTcc muss also soviel heissen wie „Verse",

') S. S. 42, 3.

376

eine Bedeutung, welche sich aus dem Charakter der gleich- namigen Litteraturgattung erklärt. In der That sagt Marcus Aurelius VI 42 an einer Stelle, die ich unabhängig von Baguet (S. 161) auf obige Bemerkung des Chrysippos bezog: ccXXä av firj toiovto {jlsqoq yspji olog 6 svTsXrjg xcci ysXoTog (!) GTi%og ev t& dgcc^ari ov Xqvainnog [jis[jiv7jtcu. Ist die Beziehung dieser Worte auf Chrysippos berechtigt, so ist der spätere Stoiker ein klassischer Zeuge für unsere Auslegung1), die übrigens die Autorität eines Krische (S. 462) für sich hat.

Ein sprachlicher Einwand besteht nicht. Der The- saurus statuiert die Bedeutung „Vers" für sirlyga^^a in einem Scholion zur Ilias, das möglicherweise stoisch ist. Im Gegenteil finde ich in den Lexika für „das Werk trägt einen Titel" nicht den Germanismus irclyga^fia (fsqsiy sondern lmyQa<p7]v e%si. Sollte Chrysippos nicht gemeint haben: „Die Komödie erträgt, duldet lächerliche Verse"?

Gewinnt so der Gedanke des Stoikers auch nicht an sachlichem Werte denn die Welt wollte gewiss auch Chrysippos nicht auf die Stufe einer Komödie, welcher das in gewissem Sinne Fehlerhafte wesentlich ist (vgl. K. Ueberhorst, Das Komische. Leipz. 1896 S. 2 ff.), herab- drücken — , so scheint er mir doch um eine Ungereimtheit ärmer.

Um das Verhältnis des Schicksals zur menschlichen avyxard&eaig zu erläutern, behauptet Chrysippos, das Schicksal leite unser Handeln wohl auf grund zuvor ge-

*) Der Zusammenhang entspricht bei Marcus Aurelius sehr wohl.

Der Goethesche Gedanke: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft" ist dort ähnlich aus- gesprochen, daneben das: „Es muss auch solche Käuze geben" (xai

yaQ rov toiovtov exQTjtev f xoa/nog). Die Anführung des Heraklitischen

Vergleiches könnte auf Kleanthes oder Chr. (s. S. 33, 3) als Quelle

deuten.

- 377

setzter, aber nur auf grund mitwirkender und unter- stützender Ursachen (fr. 144 Gercke). Er unterschied nämlich drei Arten von Ursachen: 1) ovvexrixa, mit welchen ihre Wirkung notwendig gegeben ist, wie das Herum- schlingen des Stranges die Ursache der Erstickung ist; 2) Gvva'iTia, welche mit einer andern Mitursache zusammen die Wirkung hervorbringen und den gleichen Anteil an der letzteren haben, wie jeder Ochse am Pfluge Ursache für das Fahren ist*, 3) öwegyct, welche nur „eine kurze Macht ausüben dazu, dass die Wirkung mit Leichtigkeit eintritt", wie ein dritter zweien andern eine Last tragen hilft, die sie allein nicht recht tragen können (Sext. E. Pyrrh. III 15).

Eine Ubersetzung für avvsxrixd (Totalursachen) ist schwierig. Vielleicht dürfte „deckend" im mathematischen Sinne passend sein, insoferne dieses Wort ausdrückt, dass bei der Vergleichung von Ursache und Wirkung kein Rest bleibt, welcher zur Annahme einer weiteren Nebenursache nötigte. Dieselbe entspricht wenigstens dem von Chrys- ippos gewählten Beispiel, ferner der Ubersetzung Ciceros (causae principales et perfectae)1), dem notwendigen Gegen- satze zu avvahia und (Svvsqyd und der etymologisierenden Ubersetzung der Lexika („Ursachen, welche die Wirkung zusammenfassend enthalten") besser als die Ubersetzung „dauernd", „bleibend", welche Pape bietet. Dem Poly- bianischen to avvsxov aber und der Etymologie kommt wohl am nächsten „umfassend", insofern die Ursache nicht nur einen Teil der Wirkung, sondern diese vollkommen einschliesst.

l) Die Dissertation von Gr. Stüve, Animadv. ad Cic. libr. de fato. Kiel 1895, ist mir nur durch Wendlands Anzeige (Berliner philologische Wochenschr. 1896, 457 f.) bekannt.

Berichtigungen und Nachträge.

Im allgemeinen: In den D. L. VII 29 30 aufge- führten Epigrammen wird die Philosophie Zenons so ge- kennzeichnet: „Er fand zu den Gestirnen den Weg der alleinigen aoocfQoavvri^ er ist der Urheber der avrdqxsia, der aQQSPÖTqg, seine Schule die Mutter der slsv&sQia- den eitlen (xsvsavxys) Reichtum verachtete er". Die Philosophie der stoischen Schule überhaupt wird so dargestellt: „Die Tugend der Seele ist das einzige Gut; denn sie allein rettet das Leben der Einzelnen und die Staaten. Die Fleischeslust (rjdvTta^r^iä)y welche anderen ein teures Ziel (xsXog) ist, feiert nur die eine der Töchter der Mnemosyne (vgl. oben S. 270; gemeint ist wohl Erato).

S. 106: „Rücksichtslosigkeit gegen seine Neben- menschen" ist Verlegenheitsübersetzung-, ini toXc yivo\ikvoig Athen. I 5 e ist verderbt. Es mag mit rovg nXriaiov zu- sammen den Begriff „Tischnachbarn" gebildet haben, also etwa tovq ir^Tjalov exüvov xXivo^isvovg (xXlvsa&cci steuerte Hugo Des sauer bei). Mr\ svuqsTisG&ai c. acc. „sich nicht schämen vor jemand" ist auch Polybianjsch.

S. 109, 3: Lies JVQorjXTai.

S. 111: Chr. Stoic. rep. 1042a c u. s. w. hat viel- leicht auch mit jener epikureischen Lehre Zusammenhang, nach welcher das Leben der Tiere (aloya) und Pflanzen (ävctiGd-rpci) dem Leben der Menschen überlegen ist.

S. 125, 1: Das Interesse der Stoiker für die Bart- frage erklärt sich aus ihrem Kynismus und den damaligen Kulturverhältnissen ; das Bartschneiden war noch nicht so alt (Chr. Athen. XIII 565 a c). Von anderem Gesichts- avvoixslv rj t6 s% haiqaq (entweder zu streichen oder durch hociQixrjg zu ersetzen) igyaaiccg dia^rjv.

379

punkte aus ereifert sich Schopenhauer, Sämtl. Werke. IV 204 f. V 475 Grisebach.

S. 126, 2 : Die Stelle für ccm^ccQTrjvoc ist Gal. S. 597 K ; vgl. D. L. VII 122.

S. 144 Z. 21: Lies „erscheint" (statt „scheint").

S. 146 Z. 19: Über den Kantschen und stoischen Pfliehtbegriff s. Ziegler, Gesch. d. Ethik I S. 176«, be- züglich des Kantschen vgl. übrigens K. Üb erhör st , Das Komische. Leipz. 1896 I S. 145.

S. 164 Z. 1: Lies „Hühnernarren" (statt „Vogelnarren").

S. 164, 2: Lies hsQoog (statt srega).

S. 172, 4: Gegenüber Apelt glaube ich, dass sich Poseidonios auf die von uns S. 159 Z. 19 f und S. 163 Z. 13 ff angeführte Chrysippeische Meinung bezieht, komme aber insofern zu dem gleichen Resultat, als ich annehme, Chrysippos habe auf grund jener Meinung die betreffenden Worte in seine Definition aufgenommen.

S. 175, 3: Entfernung der falschen Meinung des Trauernden verlangt Chr. Cic. Tusc. III 31, 76.

S. 188, 3: A. Kiessling zu Horat. sat. I 3, 124 (Berlin 1886) zitiert Varro sat. Menipp. 145 solus rex, solus rhetor, solus formonsus, fortis, aecus, vel ad aedili- cium modium, purus, putus: si ad hunc xaQaxTVQa Klsav- &ovq conveniet cave attigeris hominem und Lucilius 1172 L (ohne Namen); s. S. 338, 1.

S. 193: Das Beispiel der Täuschung durch künst- liche Apfel eignet sich im Sinne des Skeptizismus Jean Bodin an (s. Harald ff ding, Gesch. d. neueren Philos. Leipz. 1896 I S. 65).

S. 195: Comm. not. 1076 a öcctsqov ytivov{ievov xvy- Xuvei ist mir nicht recht verständlich.

S 280 Z. 9: Vgl. Sext. E. Pyrrh. III 201 aal rovg Gtcoixovc dt OQüifjisv ovx cctotvov eivai Xsyovjag to iralga

- 380

S. 328 Z. 4: Vgl Ziegler, Gesch. d. Eth. I S. 174.

S. 330, 4: Dass Thomas von Aquin in der Tugend- lehre stoisch beeinflusst List, beweist das, was Ziegler, Gesch. d. Eth. II 283 ff., mitteilt (Definition der Tugend, indifferente Handlungen); aber auch die spezielle Ethik des hl. Thomas scheint mir nicht ohne Beziehung zur Stoa zu sein. Der Thomistische Begriff habitus ist in seinem Verhältnis zur stoischen diot&sGig besonders zu untersuchen und mit dem Aristotelischen psGorrjc zusammen- zuhalten. Ebenso verdiente eine Untersuchung die Frage, ob nicht die Formulierung des christlichen Gewissensbe- griffes und der Lehre von den Versuchungen eine Beziehung zur stoischen Lehre von der avyxara^eaig hat.

S. 333 Z. 7: Schon Galenos Quod an. mor. IV 816 K. (oder Poseidonios) behauptet, die Stoiker können nicht erklären, woher die diaGTQoyri in die ersten Menschen kam, die keinen vor sich hatten.

S. 334, 2: Hier war u. a. auch Herbert v. Cher- bury zu nennen (Höffding I S. 71).

S. 358, 1: H. Weber, Rhein. Mus. 1896. 51, 4 weist nach, dass Ariston der Nachahmer des Bion ist.

S. 373, 4: Über Stoischesim Agricola des TacitusC.Wun- derer,Bayr. Blätter f. d. Gymnasialschulwesen 1897, 212 f.

Nachträge zu dem Würzburger Gymnasial- programm 1896. „Uber die Anlage der stoischen Bücherkataloge" :

S. 39, 2 : Die Chrysippeische Schrift nsqi tov dia tqimv könnte über die Berechtigung des kategorischen Schluss- verfahrens (s. C. Prantl, Gesch. d. Logik I, Leipz. 1855, S. 467 ff.) gehandelt haben; vgl. Aristot. metaph. 1014 b, 2 sial de toiovtoi GvXXoyiCiioi oi ttqootoi sx tcöv tqiwv öi evög lisaov, s. Prantl, Gesch. d. Logik I 296, Anm. 586.

S. 46: Die Epikureer nannten ihre 7TQotyipig auch xa&ohxy vorlag (Zeller III l3 S. 389, 2).

Verzeichnis benutzter Schriften.

(Die nur gelegentlich benutzten Schriften sind an Ort und Stelle genauer zitiert.)

Laertios Diogenes (im Interesse der Bequemlichkeit wurde die gewöhnliche Bezeichnung beibehalten). Abkürzung: „D. L." Aus- gaben von Hübner 1828—31 und Cobet 1850.

Stobaios, Eclogae (Ausgabe von C. Wachsmuth 1884); Florilegium (Meineke 1860 und 1864).

Plutarchos, Moralia ("Wittenbach 1796 1834, dessen kühnen, aber doch den Sinn meist treffenden Besserungen wir uns fast durchweg anschliessen. Bernardakis 1888 1893). Die Angabe Plut. wurde bei den Schriften De Stoicis repugnantiis, De communibus notitiis, De virtute morali weggelassen.

Sextus Empiricus (Imm. Bekker. 1842)

Galenos (ed. Kühn Leipz. 1821/33). Bei De Hippocratis et Piatonis placitis (einfach mit „Gal." bezeichnet) wurde nur zuweilen aus Not die Seiten- und Zeilenzählung Müllers (Leipz. 1874) verwendet.

Cicero (Klotz; C. W. Müller IV. Leipz. 1878).

Doxographi Graeci. Coli. H. D i e 1 s. Berlin 1879.

Aristoteleskommentare (teils in der besonderen . Berliner Akade- mieausgabe der Kommentare, teils in der Berliner Aristotelesausgabe 1831—70. V. Bd., letztere mit „Brand." bezeichnet).

Aristoteles (Susemihl. Leipz. 1880. 1884. Christ u. s. w.).

A. C. Pearson, The fragments of Zenon und Cleanthes. Lond. 1891.

Pr. N. G-isl. Baguet, (Titellose) Preisschrift über Chrysippos in den Annales academiae Lovaniensis 1822.

A. Gercke, Chrysippea. 14. Supplementbd. zu Fleckeisens Jahrb. f. klass. Philol. 1885, 721 ff.

N. Saal, De Aristone Chio et Herillo Carthaginiensi Stoicis commen- tatio. Gymn.-Progr. Köln. 1852 (der Teil De Herillo ist nicht er- schienen).

R Wellmann, Die Philosophie des Stoikers Zenon. Fleckeisens Jahrb.

f. klass. Philol. 107, 433 ff. 1873. C. Wachsmuth, Commentatio I et II de Zenone Citiensi et Cleanthe

Assio. Göttinger Lektionskatalog 1874.

- 382 -

R. Hirzel, Untersuchungen zu Ciceros philosophischen Schriften.

Leipz. II 1882 („Unters.") Ed. Zeller, Die Philos. d. Griechen. (Der dritte Bd. in der 3. Aufl.

Leipz. 1880, teilweise in der 2.). A. Schmekel, D. Philös. d. mittleren Stoa. Berlin 1892. A. Bonhöffer, Epiktet u. d. Stoa. Stuttg. 1890 (I).

Die Ethik d. Stoikers Epiktet. Stuttg. 1894 (II). W. Windelband, Gesch. d. alten Philos. (Iwan v. Müllers Handb. d.

klass. Altertumswissensch. V 1). 1. Aufl. 1888. Th. Ziegler, Gesch. d. Ethik. I. Bonn 1881. II Strasburg 1886. Fr. Susemihl, Gesch. d. Griech. Litteratur in d. Alexandrinerzeit.

Leipzig 1892.

A. Elter, De gnomologiorum Graecorum historia atque origine commen- tatio. Bonn 1893 ff.

Überweg-Heinze, Grundriss d. Gesch. d. Philos. Berlin 1894 (bei welchem die näheren Angaben zu finden sind).

H. Siebeek, Gesch. der Psychologie. Gotha 1884. (Dieses treffliche Buch konnte ich leider erst nach Fertigstellung der Arbeit eingehend studieren ; ich bitte in demselben I 2 S. 255 f. zu S. 56 ff., ebenso I 2 S. 223 ff. 502 ff. zu S. 150 ff. unserer Arbeit zu vergleichen).

A. B. Krische, Forschungen auf dem Gebiete der alten Philosophie I Göttingen 1840 (war mir nur vorübergehend zugänglich).

Griechische und lateinische Wörter

dßXaßrjq 188, 2.

aya&ov 47, 4. 54 f. 74, 3. 78. 83,

3. 87. 90ff. 95. 98, 1. 99, 3. 116,

4. 121 f. 173, 2. 195 f. äya&og 142 f. 186, 3. äysiv 165, 7. 241, 1. dyvoslv 192,

dyvoia 46 ff. 81. 87. dyovoq 346, 2. dyoaqoq 135 f. dygsvofitva 347.

217, 1. (214, 3). ayfivoict. 80, 4. 88. a/wy// 242, 2. 252. äymvi'ct 173, 1. «(W.g>os 136 f. ddiacpooia 43.

ädiayoqa 90, 2. 100, 1. 117, 1.

132, 3. 136. 218, 3. 319, 3. ddiacpoQooq 43. ddidxpevatoq 193. ddixslv 132. «. sccvrov 55, 3. dSixla 87. ddixnv 71, 4. ddixonQayr/fia 131, 1. a&xog 186, 3. döo^aatoq 191. afyog 186, 2. ddvvatov 61. 326, 5. a^trjtoq 45, 5. 186, 2. 188, 1. a/o*f»> 142, 3 a'iQUG&ai 74 3

78. 93.

a>'(>«<7/<; 23. 76. 87, 3. (ilQtxiov 98, 2. Voit. X.

algsTOV 92 f. 94. 99, 2. 170, 1.

atQerd 83 ; oV at>ra a/o. 54.

55, 2. 94, 4. 105, 3. xatd cpvatv

a'iQBtov 94, 4. aiQBioq 195. aiattrjGiq 20, 3. 38. ah&rjTtjQiov 117. ah 0^1 1x6 v 49. aia&rjrov 65, 2.

aiaxi'Ov 71, 4. 94. 147, 1. 165, 7.

alaxQoq 103. atV« 139, 1. 173, 2. aiaw> 139, 1. dxuXrjcpr] 95, 4. dxarcMjTaGiu 162, 4. axolatiia 47, 4. 87. 177. dxoXaaratreiv 132, 3. «xoÄaffTog 87. 157. dxoXov&rjrtxoq 142, 3. dxoXov&oq 140.

axo^ov tfoo^ 27. 39. 40, 1; 4. 41, 4. 120.

axo^r 304 f. 306, 4. dxoaa/a 88. axoo* 99, 2 199. dxgotrjq 60 f. aty#rf 101, 2. dXyrjdcav HO, 2. 173, 1; 2. dlrjO-em 127. 139. dXlolcQGiQ 155. «normo* 114 (,2). 196. dXXotgtoq 173, 2. 298, 2. dXXotgiovv 37. 120, 1. dXXotgimaiq 56.

- 384 -

dloyta 168, 3. akoytatla 158.

dloyoq 20. 140, 2. 142, 3. 153, 2.

155, 2. 157. 169. dXoywg 153. dXvnov 92. dXvGitsXtjg 93. dXyna 347, 2.

«^«tfj/g 47, 4. 103, 2. (186, 3). afiaQtdvsiv 86, 5. 126, 2. 129. dficcQTfj^cc 126 ff. 132 ff. 144, 1. apaqtia 127, 5. 133. (254). a{itumoq 92. dtieQriQ 194 f. dfJLSQtaXog 195. d^raTZioorog 48. 58. dficpoi8Qov 165, 7. dvayxatov 92, 3. 116, 4. aVayxj? 33, 3. 114. drdXrjyjtg 202, 1. dvaXoyiG^iog 23. dvafxdQTrjrog 126, 2. 378. dvatQ07trj 176. dvaqfyetv 46, 1. dvacpogd 46, 1.

avdqsia 71 ff. 79 f. 83. 84, 3.

143, 2. dvöoEroag 84, 3. dvfvds/g 92, 3. dvznldwiog 129. dv€7iiGtt]/Joavvrj 47. 87. a?f<7^ 59, 2. 72, 5. 99. 116. 1.

167, 4. 269, 1. av/« 173, 2. dviaQuv HO, 2. dvieG&cu 59, 2. 116, 1. 299, 5. avo/a 47. 87. dvot'xziog 93. dvopoXoyta 153? l. dvofioXoyovfisvov 40, 5. 153. dfoaiog 196.

«roi^ 87, 5. dvrt'xe(T&ut 119, 1.

dvTMI7lT8lV 41, 1.

dviirartsiv 165, 7. dvv7ii(jßntov 84. dvvnocrzazog 188, 1. drdadvvog 92.

4, 2. 45, 5. 76. 83. 120 f. (ngutri). 138. 139, 1. a&og 92, 3. a£*o£«> 4, 2. d^mfia 19.

doyXr\Gia 49, 2, 50. 52. dnayoQsvsiv 142, 3. änd&sia 26. 193, 3. dnaß-rig 193, 3. dnaidh.vzog 186, 3. dna^la 121. dnagaßatog 139, 1. «Trar»; 191; vgl. 188. dnuqoGvvr\ 39, 5. 47. 87. d7T8Qyd^s(T&ai 93, 2.

d7l8GXQCLfXfJlt'V<Xtg 140, 2.

an 8i8iv 143. 353, 1. dniyjtG&ai

83, 4. hnodefag 3. 103. d7Zodrjfji,8iv 133. dnodidovat 133, 3.

d7TOXQt'v8G&(U 133.

d7Tolet7Z8iv 43, 5. 195. (d7Zo/Ji8vtog 255, 2) dnnXoyEiG&ai 141 f. dnovtfxriGig 27, 2. dnov8(Jt,rjT8a 71. dnovEfjrj'trAog 83. dnovia 119, 1. anoTtQor\Y\i£va 43, 5. 109 ff. d.7ioQnoia 58, 1. dTTOXQonr] 4. 12. dnnyQojv 92, 3. dnQolrjTiTog 25, 1.

385

ägeorov 94.

(XQ£T7j 32. 39. 40. 47 f. 53 ff. 56 ff. 94. 98. 113. 130. 139, 3. 143 187. 194 f. 200, 4. 201. 202 1. 205, 5. u. s. (51, 1).

aQ&Qiric 163, 2.

dgi&fiog 88. 3. 95. 143. 352 f.

agfJiovia 50.

aQQsvorrjg 85, 2.

aQQÖxJzrjfia 163. 164, 1,

jQtroryg 50. 117, 3. 119. 123.

(iQiov 347.

uQialoq 12, 3. 50.

<*QXn 49, 2. 139, 3. 205, 5.

aG&eveia 86. 110. 117. 165 f.

ao&tvrjq 81.

aaxeTv 251, 4.

63 f. 177. 202. 252.

d<J7i(g 205, 3.

datsTog 186, 3.

äcrvyfisTQia 86. 165.

davficpoQov 93^ 1.

daqialtg 92. daxjifiow 136, 4. dxdxtrjfxa 131, i# diaga^ia 192, 1. awlife 62. 197. 200, 4. awp/a 88. 96, 2. «*o^oe 351, 5. «Tov/a 86. 165 f. dzovog 153, 5. 346, 2. dxonog 142, 3. 158(,3). «TygDov 92; vgl. 275. 22, 1. av&ty.ctGTOv 92. ctvarrjotu 85, 2. CtVGTTjQOV 92; vgl. 22, 1. avrdrjy.tia 35^ 2. avraQxeg 92, 3. dquevai 139 3 dq>t).aovV8(jß-ai 33 dyoßov 92.

Dyroff , Ethik d. alt. Stoa.

a<poOT 21. 22. 23, 1. dtyqaivuv 132. dqiQOGvvij 87. «qp(>aw 93^ 5. ige. («<jpy?7 103, 2). 147.

diQrjatog 63. 113. dxaQiGTog 58, 2.

ßetGilixr, 85. 235. ßaGihxog 186, 2. /Jfi/Ja*0£ 48, 1. 57. 65. 144, 3. 199. ßsßaiozrjg 67. ßüriGtoi 139i 3. £ia/(»S 167, 2.

/fcoff 29. 32. 40. 57, 3. 120, 2. 121.

140. 186, 2. /ftot?* 39, 3. 44, 1. ßla^a 131. 132, 1. 231. ßXdmuv 188, 2. (ßoy&ng 104, 4). ßovlrjGig^ (20, 3). 23. 174. ßQaßtvtrjg 139, 3. ßgadvvoia 88. A>*<jpos 253, 2.

ya^ffv 236. Wog 139, 3. W 265, 2. yheGig 161.

7*'™^ 3, 3. 82. 323, 2. - 202 yevixoq 171.

39^ 5, yoveig 136 f. 246. yv[ivdGiov 212, 7. yvvaixofiavsig 164. 7^ 208, 2.

<?« 123, 4. 133, 1.

ddcpvj] 347, 2] dtditvai 173 2. for 80, 4.

25

386

dsikia 87.

Öeivov 71, 4. 83. 167, 4. dsTnvov 347, 2. diov 92 f. 138. drjlovoti 107, 1. drjfxiovQysTv 212, 7. drifxmöriQ 302, 3. #?&e 169. öiaßahsiv 59.

dia&stoq 40. 58 ff. 64, 3. 67. 99, 3. 157. 168,

diaiQsaie 3, 3. 82.

öiaiQsrta 71.

dialsKfixrj 234f.

SiotlXartsiv 129, 1.

dtaloyf&G&ai 140, 2.

dicdoyiGfÄog 173, 2.

dtdlvmg 194.

diaphov 92.

diajji7]Q%€iv 211, 2.

diapiriQiüfJioq 211, 2.

ftavo«« 21. 157. 167, 4. 188, 3.

didnvQoq 167, 4.

diaQd-QWGig 3.

diaQQOta 162, 2.

diaotQzcpto&cti 40 f.

diaöTQoyj] 153, 1. 166, 9. 280.

302, 3. didta^ig 3.

dmnfoeiv 92, 3. 140, 2. StatQißrj 217. 242. ÖiacpoQK 157. didqoQog 113. 129, 1. 8id%v<Jiq 167, 4. 169. 170, 1. didaxtov 64. didaGxaUa 63. 252. öirj^aQtrjfihog 157. dirjfiaQt^fihcog 153, 4.

Sl7]flSQ8V€IV 279, 1.

<?<x«£«w 222, 1. dlxmov 55. 91 ff. 96 ff.

dixatongaysiv 64, 3. 132. dixaiOTZQapwu 130. 131, 3. <Vxa«oe 186, 3.

dwctioavpr] 54 f. 71 ff. 83. 97.

,106. 131. 138. dixaicofAa 131, 3. dixaGirjQiov 212, 7. dixaGtixrj 235. dioixeiG&ai 39. 87, 1. öioixr/Gig 40, 4. öioq&ovv 301, 1.

1, 2. 176. doxo ?»> 170, 1.

(?oS« 101. 110. 116, 1. 156, 6.

47f. 165, 7. 167,4. 170. 172,4. &>£«C^ 192. öo^ofAaveTg 164.

dtW/ifS 50. 57, 2. 61, 3. 62. 121. <W«to^ 62. SvGÜvfila 98. 173, 2. ovGivyja 196. SvGtyQOGvvT] 98. övGiQrjGTri^a 145, 1. 231.

iyxQarsia 75, 2; 3. 76, 2. 79.

82, 5. 84. 142, 3. £Yx(>ttTo5s 84, 3. ty%ttQ7]Gig 23. £yXQoviZeG&ai 168. £>co 39, 4.

(59, 2). 64. 122. 202, 2; 3.

252. 371. tfdixmg 6, 1.

«fäog 3, 3. 82. 117, 1. 171. 323, 2. «&»Xor 351, 5. tixrj 167. £/'xos 37, 4.

iifiaQphr] 42.130,2.138.376.XIII. eftuti 141. ei'&ig 161, 1. siGayooyrj 3^ 1. ixßairuv 162, 3.

387

ixxua&m 205, 4. exxXuriQ 21. 22, 3. 23, 1. 24. 76. 170.

ixxgoveiv 158, 4. ixXveiv 170, 1. ixovawg 23. ixtelvai 123, 4. gxr/xos 144, 3. 199. ixtQtneo&ou 173? 2. ixq>avr)q 164, 2. ixyifQSG&ai 154? 4, 155, 2. &a*oj> 347, 2. slarzov 127, 3. iläytHJTOv 41, 3. 346, 2. &*oe 173, 2. iltv&eQioTTjg 85. 2. cEXXrjvix6g 215 f. ifx.fiiV8te'a 76.

ifAnstgia 39. 72, 5. 84. 186, 2. ifiqpctivMv 203, 2. e'ficpviog 119, 4.

ivavzlog 165, 7. ivavz iov S,S. 54.

82. 163, 3. iravriov(ii€va 25 1. ivaaoYQri<i£G&ca 264, 1. £va7io&vT]ox£iv 264, 1. ivanolei 7ieiv 264, 1. ivanofxärteG&aL 263. ivu7TOGqQayiX8a\9ai 263. ivaTtozvnovG&ai 263. ivÜQyaa 192. i'vdsia 252. 5. ivötytiat 64, 3. ivötyofiivov 252, 5. ivdidoveu 161, 1. 165. fVex« 32, 2. 123, 4. trtoyua. 50. 161. ivBQyetv 63. 129. 142, 1. ivb(jyrjpia \S2 f. tv&t(jfxog 58, 2. »1 262. 3.

«Wo«* 3. 161, 3, (351, 4). hasaoßrjfihov 166. svtifxov 92. hzvyyavuv 208, 4. hxvyj&v 208, 2. s^ayooy}) 112.

48. 50. 59. 63. 67. 77 ff. 84.

99, 3. 142, 3. 157. 163. 167, 4.

202 f. «1 67. £ oot- 22. e. rßta/a 59. i^ovaia 252, 5. «£co#««> 40, 5. 129, 1. iTiüixla 347; 2. inaivstct 94. maivog 63 f. 289. inatgsG&ai 173. maQGiq 169. 170, 1. 174, 2. ?7T€G&ai 40, 2; (vgl. 34, 6). snißäXXsiv 137 ff. imßäXXovxa 137 ff.

sjtißoXrj 23. 24. 25, 1. emysvvifiiia 38, 2. 52. 98. iniyiyvsG&ai 38, 2. 144, 3. 158, 4. iniyQaptxa 375 f. iTTid^BG^ai 59, 2. imde^wrqg 85.

im&v^uv 132, 2. 171. 173, 2.

STU&Vfiia (20,2). 21. 22,3. 165,7.

166. 169 ff. (imxovgoq 104, 4). i7ziXa(ißdveiv 165, 7. imXoyiGfxoQ 253, 2. imfieXt's 92. inifiovrj 50. iniTiQQG&sTv 158, 4. STtiCTrjiiri 20, 3. 46 ff. 57, 4. 74 f.

78. 81. 83. 298, 2. imGtyaXtq 1735 2. inkaGiq 59, 2. 72, 5. 99. iniTsfvBG&ai 59? 2. imxtltTv 137, 4. 139, 3.

25*

388 -

initrjdsioTriq 62. inkgonog (241, 1). lmiu.iQSY.ay.ia (173, 2). igyov 116, 1. 303, 1. iggafiha 347, 2. iggvrjuvla 163, 3. ^ft>S 26, 1. 166. 171. 173, 2. igcotäv 133.

^ooTfxog 217. iQ(otiHr] 235. igootofiavia 26, 1. ia&log 85. iaülofrjq 85.

&£(>of 227, 2. «re^oy 78. 100, 1.

sitgcog 158, 4.

«V« 99, 3.

*v 28. 187. 353.

gvaiG&yGia 50.

8vaväXrj7itog 202.

€va7iav77]Gia 85.

evagsatov 92.

svßovlia 72, 5. 75, 3. 79. 84.

89, 2. tvye'vsta HO, 2. 202. 8vysvrtq 188, 3. svdai^ovstv 28 ff. 203. evdaipovia 28 ff. 113. 114,

3. 115. 144, 3. 195. 203.

261, 2.

svda^ovcog (28, 3). evdaifimv 188. «v<fc>2=/a 106. 120, 2. evsfXTzroodta 162, 2.

50. 58. 123. EvsgysGi'a 133. svtQyereTv 132. ev#vg 49, 2. ivxaigog 114. tvyXdg 92. 8vaoivG3V7jGia 85. evxQaGt'a 162, 1. tvlaßsia 24. 174.

e&oyoe 23. 93. 140, 2. 173, 2.

174, 2. 193. etftoyws 93. 140, 2. 141. 153. evlvtog 170, 1. evv6ni][Aa 130. svTta&eia 174. svnovia 85. et'^«(7<fi 137, 2. «vpom 26. 32. 40. svGsßeg 91. evGta&eia 27.

ev<rwaAAaJ;/a 84.

svGvveGta 50.

cvrajj/'a 84.

svtiXsia 85, 2.

svtovia 61. 165.

aviovog 153, 5.

svtqanskia 85.

svtving 188.

sixygaivtG&ai 132.

SVQpQOGVVT] 98. 174, 2.

evgwjfe 140, 2. 201. 203, 2.

«vqpwte 50. 123. 201 ff.

svyuQiGtia 235.

£vxQV(7Tr}fia 145, 1. 231.

sv%Qr]Gtia 145.

£VXQt]GTOV 92 f.

sv-ipvxia (60, 2). 84 f. eqsGig 204, 2.

?7>rr 62. 64, 1. fyeiy 73.

£i^og 173, 2. X^XoivTila 173, 2. £77/^« 289. tyfxtovv 347, 7.

£5* 28f. 39 ff. 43. 101, 2. 261, 2. 45, 5. 101, 2. 110 ff. (116, 5). 118. 140. Zqov 37. 49. 77. 140, 2. 200, 4. £oor<xog 50.

389

fiyefjionxov 58 f. 71. ydtog 101, 2.

fjdovfj 38. 43. 49, 2. 50. 53. 67 ff. 101, 2. 106 f. 110. 112. 114.

116, 1; 4; (5). 165, 7. 166. 169 ff. 219.

rjdvg 69, 3. 110, 2. 116, 1. föixög 3. 150, 4. 202, 3. V&og 63. 202, 3. 252. fipelQ 39, 4. 134, 2. j^f^a Arr/ 20, 1. r\üvii6rr\g 85, 2.

*

dalutv 38.

davaTog 101, 2. 110. (116, 5).

117. 118.

ftaggetv 74, 3. 78. 98, 2. tfc^ö-os 173, 1. #«T«(>a 100, 1. 165, 7. #«fog 195. &Ü7}Gtg 23.

<W 40, 2.; vgl. 34, 6. 195.

&80(päTjQ 188.

ß-eganBiu 175. &8Qa7i8V8iv 175, 1.

&8QCC7T8VTlx6v 150, 4.

#^er** 96. &8WQ7][ia 67. ftsoiQi'a 174. &7]).VV81V 104, 3. &Q871HXOV 49.

tffjwo«; 20, 3. 166. 171. 173, 1; 2.

<aa#a* 252, 5. ictTQSiov 175. 217, 1. iatQixog 174.

«fco? 77, 3. 117, 5. 144, 3. iÖKotrjg 186, 3. /«(jov 212, 7. ixavög 121, 1. ^o? 99. 127. 129.

toppos 155, 2. 186, 2. *ff;CflS 50. 61. 72, 6. 110, 2. 123. 139. 165.

xa&ijxop 133 ff. 220, 3. pfoov x. 136. naya to x. 133 ff. xaiqog 114.

xaxia 21, 2. 41. 47. 54. 62. 86 ff.

94. 98. 113. 118. 130. 144. 161 ff.

187. 200, 4. 225. xaxoßovh'a 88. xaxodaifjbovslp 31. xaxodaifiovmg 41. xaxoloyta 166, 5. xaxov 74, 3. 83, 3. 87. 90 f. 93 ff.

98, 1. 116. 1211163,3.173,2.196. xaxog 186, 3. xaxmg 87, 2. 140, 2. 187. xaUTv 75, 2. 217, 1. xaklog 50. 58. 110. xdXXvvrgov 116, 4. xaÄo»' 55. 92 ff. 106 u. s. xaUg 85. 94 ff. 195. xaXötrjg 85. xaXmg (28, 1). 306, 4. xannaQig 355. xarcTHv 347} 2. xcLQT8Q8Tv 84, 3.

xaqjeqia 82, 5. 84, 3; 7. 142, 3. xara 134? 2.

xaradovlovv 45, 5. 165, 6. xaicdafißävsiv 158, 4. 176, 1. 192, 2.

xatdlrjxpig 47. 65. 81. 88, 3. 298, 2. xcttavah'axttv 80, 4. xataaxsvrj 142. 201. xaräataatg 162, 3. xarqyÖQTjfia 19.

xarog&ovv 86, 5. 126, 2. 127, 1. 128.

xcct6q&w[mc 126 ff. 132 ff. 133, 3. 142 ff.

390

xatoodwaig 133.

xsi'qsiv 125, 1.

xeTo&ou 205, 1; 4.

xsgdoGvvrj 116, 1.

uhrjaiq 50. 154 f.

xivrjTixov 21 f.

xXmreiv 130, 2. 132.

xoivog 34 ff. 40. 41, 3. 208, 2.

xoivawfjfxa 227, 2.

xoivcovta 93.

xoAii^«^ 130.

xoXaaig 138, 1.

xocrpsTv 177.

x6(T[uoq 216, 3.

KOGfMOTrjg 84. 95, 2.

xÖGpog 209.

*(>«ö7e 167, 4.

xgatsiv 155, 2.

x£>aTo§ 61. 72, 6.

xoatovv 92.

133, 2. 165, 3.

128, 1. 133, 2. 156. 166.178f. xQvaiaXXog 114. xrr/övs 62. 64. xvßiatsvs/v 125. xwog ovod 208, 1. xvefos 122, 3. 189. xmXveiv 262, 3,

Xapßavsiv 139, 3. 144, 3. Xiyetv 133. Xtyecr&ui 15, l. XsnroXoyia 182, 1.

85, 2. Xitotijg 85, 2.

Äoyfxog 37, 2. 129. 140, 2. 150, 4.

XoyiGfAoq 158, 4. 165, 7. 171.

*dyo$ 34 ff. 40, 5. 48. 57, 2. 76, 3. 111. 115. 140, 2. 142. 152. 165, 7. 169. 177 f. 303, 1. _ xct&'sva X. 31. 36.

xotvog X. 36. xaTa X. 36, 4.

39. oQ&og L 39, 5. 40. 76, 3.

96. 132. xoLtci iov -zotovrov X.

547 3. _ X. aio&v 155, 2. XoyocpiXot 309, 3. Xvn8i(j&cu 132.

kvnij 110. 168 ff. (170, 1). Xvaig 170, 1. XvaitsXtg 92 f. Xvm 93.

fMuveG&ai 119. 193, 3. petto wv 103, 2. fiaxaQiog 188. ^axaQioTrjg 195, 2. (xaxaQimg 44, 1. fi.aXdrt€G&ai 165, 5. fxavitx 68. panxcag 164. fÄavioodsg 164, 1. fxavrixr] 235. [jiaoäG&cu 103, 2. /uar?;*' 63. [xd%8(T&ai 161. ^«777 177.

fisyaXo7i(jt7Z8ta 85, 2. fieyaXorrjg 85.

(xsyaXoyjvxia 70. 82, 5. 84, 3. 106.

itJ*7"*e 85. 186, 2.

j^#*7 65 f. 68, 4; 5. 156.

[iextvö'&rjval 69, 2; 3.

^r£or 127, 3.

HeiXi%og 69, 3.

fisfooGig 170, 1.

H&XayypXta 66.

fisXhrj 201.

fi8QiG[iog 58.

i^(>o$ 35, 2. 41, 3. 58 (>Aog).

^«tfo? 136. 144 f. ^'tfoy 41, 1. 47. 100 ff. 117. 123, 2. 134, 1

- 391 -

145. dva fitcov 100, 1.

dvvafiiQ (a. 121. 67.

ngaZsig fi. 132. 145. tijyai fi.

59, 2. [AMaßällsiv 157. tAsraßolri 58, 1. 67. 157, 4. (ÄStavostv 173, 2. fustaTitcotixog 48, 2. 81. (j et am cor 6 g 161.

90, 2. 100, 1. 197 f. (jbsrsxoPTCC (dgerrjo) 94, 4. 98. lAitQioq 114. 202, 1. /xiV^or 28, 3. 61. fAiaav&QG}7i!a 164, 1. (iicjoyvvla 164, 1. [iicjoivi'a 164, 1. litaonovriQi'a 194.

19, 4. 50. 72, 5. 271. 303, /uot/o? 280. fiovij 112. juooos 106, 2. fioxOrjQog 157, 5. /uvoa 106, 2. ftaUt; 178, 1.

vtvQcodeg 173, 2. vofitxög 224.

vöfiifxog 224. votiifia 135 f. vouo&ertxq 235.

vö>og 96. 138, 1. 139, 3. 217, 4.

220, 3. 222 ff. xa*ri *. 28, 3.

xoivbg v. 36. 40. vovuv 117, 5. ro<r^*a 163. 164, 1. voaoq 101. 110. 113 f. 117, 5.

161.

vovg (16). 20, 3. 68, 5. 118. 279 f.

oft;'^ 171. 173, 1. oi'rjcTig 298, 2. o/'xfry 217, 1.

(Hxsros 38 f. 58. 77. 92. 114.

oIkeTov 116, 4. 129. 196. nqtmov

oix. 49, 2. oixeiovv 37 f 120 1 oixsiova&ai

38, 1. 49, 2. oixsi'cag 37. oixsi'cQCTig 31, 1. 56. oixovo\iixr\ 235. owos 217, 1. ohofAavrjg 164. olvcocrrg 69, 3. o/o*«/ 195. <U/fro<? 188.

öloyltjg/'a 117, 5 119. oAor, to 39.

o>o<og 173, 2. o>o*« 171, 6. 362, 2. opLoloyia 40, 5. 65, 4. dfjboXoyovfjisvog 30 f. 34 f. 40. 57 f.

92. 120, 2. bfioloyovfiEvoog 31. 34. 39, 3. 40, 5. ovofiaCetv 73. 217, 1. O0«G7S 346, 2.

oqyri 166. 171(,6). 173, 1; 2. ogp&cT&ai 173, 2.

o^c 16 ff. 49, 2. 50. 170. 205, 5. og&ozTig 167, 4. oo#ö5s 127, 1.

o^' 16 ff. 37 f. 140. 150, 1. 152 154 f. 165, 7. 168.

ÖQ/J.t]Tix6g 22. oQvi&oiuavsig 164. oV*s 103, 2. ooos 18, 2. 82. oQovaig (?) 22. ogtvyofJictvfa 164. offiov 91. bntörvg 85, 2 o<toj> (xS^) 21.

ovdsTsqa 83. 87 f. 90f. 100, 1.

123. 132. oidst^Qcog (tyovta) 117.

392 -

ovata 47, 4. 77. ovyl ov 127, 3. ocp&ahfu'a 45, 5. oi^iö 346, 2. oxpopavTjg 164.

7ia&r}tix6g 152, 2. 157. 169, 2. ?x«#o$ 132. 150ff. 171. 193. 196. natdela 215f. 240 ff. 241. 7zaidsvjrjg 245. naidonomo&ai 236. naidotQoyta 239 f. nalaiol 67, 1. 78, 1. rccU*t> 165, 7. Trance 129, 1. TzaQaivsTixög 12, 1. naqakdnuv 133, 3. nagallayri 43. 113, 3. nagdlvaig 170, 1. naQafxerQslv 136, 2. naqavö\ir\pa 131, 1. 7iaQävo(Jboq 196. naganlrpia 171, 6. 173, 2. naQCMJxsvri 23. TlCtQOlVOVV 69, 3.

rcarete 1361 217, 1. jt«^?7 114.

TiEvicc 101(,2). 110. (116, 5). 118. nsTZüudsvfttvog 186, 3. nsQLy(yv8(7&ai 200, 4. niQinoLiuv 132 f. negiataaig 45 f. 114.

128, 1.

144, 3. nrjQovadai 117, 5.

7irjQG)(TlQ 117.

ni&avötriq 41, 1. nheiovag 58, 2. J7^01> 163 ^.). nlsotd^siv 152, 2. 155, 2. ^tyyi} 60, 2.

nlrjalov 173, 2. 378.

nlovaiog 216, 3. 347.

7i;/Io£tos 101 (,2). 105, 3. 106 f.

108. 110. 114. 116, 1 ; (5). 119.

120, 2.

nvsvfm 58, 2.

nviyuv 182, 1.

Tioöäyga 163, 2.

nodanog 216, 3.

(nodmxeia 51, 1).

^o/«t> 39, 2. 74, 3. 78. 80, 4. 83, 3.

98, 2. 127, 1. 128. 139, 3. 142.

187.

noiog 77 f. 141, 2. 168. 202, 4.

203. Tzotbe 80, 4. noimrig 50. 77. 85. 129. 167, 4. Trö^Ug 136, 4. 215 (vgl. 217, 1). Tiohttia 139, 3. 207, 2. 208, 2.

217, 4. tto^s 209, 3. nokiTixr\ 85. 235. jto/Iv£ 121, 1. 7lOV7]QOQ 157. 186, 3. novog 60, 2. 80, 4. 100, 2. 110.

112. 116. nogvoßooma 108, 2. 280. tiooov 199 ^.). TZQaynazixrj (?) 235, 4. nqaxjixbg 21 ff.

23. 98. 126 ff. 133. 136, 4.

143 ff. 165, 7. TZQftOV 92. nqa6ir\g 85. 139. nqäxiuv 71, 4. 74, 3. TiQavvsc&cti 69, 3. ngai&jiV 141, 4. nqinov 92.

TVQOaiqeaig (20, 2). 23. 25, 1. 150, 1. 7iQoai&£v 141, 4. nqodidovai 136, 4. TZQosxlvsiv 170, 1.

7lQ08H(f8Q0^8V0g 154, 4.

393

7ZQ08V8i&tvra 129, 1. nqoriYiieva 43, 5. 109 ff. 133, 3.

199. 220, 3. nQorjyovfxevov 116, 4. 141. TiQorjyovfMroog 176. 7lQO?lKT(U 109, 3.

TZQo&tcrig 23. nqoxaKxXaßov 176. TZQOKeiG&at 205, 4. JiqoxoTiri 163, 3. 199. 203, 2. 205, 5.

7TQOXO7TTC0P 144. 198 ff. 7TQ0X8X0-

cpoisg 199. TTQÖlrjxpig H9, 4. 161, 3. 7iq6voiu 42. 195. 72, 5. 85, 2. TiQoq ^fiäg 114, 3. tzoos u 73.

77. ^00$ to 192, 4. nQoade^iq 48. TiQOGÖoyJa 167, 4. 71üooUg&cu 71. 4. nQOGlafißavtiv 144, 3. nO0G7ll7lt€lV 25, 1. nooGtaxtixog 39, 2. ngoGyaiog 172, 4. ngonTvai 123, 4. TtQorsQtTv 98, 1.

7T(JOTQ87TfG&Ca H4? 3. 7ZOOrQ07TTj 4. 12.

^(>w//r 348.

7iQ<xyTcc y.ata cpvGiv 109, 2. rat ägezat 75, 3. 82.

"*o/a 166 f. 167, 4. 173, 2. 188, 3. nvv&äveG&ai 216 3.

60, 2.

73.

(yrfiOQiv.ri 235.

49.

157, 4. 165, 7. 61. 123. 165.

Gtfivoloyin 129, 2.

(7«jtW§ 195. o-^oV 93, 4. 94.

Gt[iv6vi]Q 195, 2.

G7][l8tOV 63.

(7*0770$ 203 ff. (Gfxvfjvog 80, 3).

(TO^/a 72, 5. 75.. 81. IM. 224.

232, 7. aocpiGtsvsiv 232, 7. tfoqpo'e 186, 3. 213, 1. 219, 3.

CTiovdcuoq 25, 1. 92. 98. 186, 3.

187 ff. 200, 2. 203, 2. 213, 1.

261, 1. 303 Gt^QrjGtg 66, 4. 67, 1. Gtoi%sTa 29, 2. (346, 2). Gtoia^G&ai 49, 1. 204, 2(;3). GzoxaGfiog 205, 5. GtQatrjjiarj 85, 2. 189, 1. 235. Gvyysvt'jg 62. Gvyy(yv?G&ui 218, 3. (rvyyvfivd£Hv 88, 3. 310, 4. GvyyvfÄiaGt'a 310, 4.

GVyX 01^7178 IV 123, 4.

Gvyxazaßat'pfiv 236, 2. GvyxccTa&scfig 19. 22, 3 48 2 57, 2. 81. 150, 1. 191, 1. 196, 3. avyxQafrfjVat 139, 3. GVfißarvovra 39. 93. 120, 1. 143. avfißoXaia 227, 2. üvfifMtQia 58, 3. 94 f. 154. 165. avfifiszQog 95.

GVMlttQCQG 96, 4.

Gvuna&ovv 167, 4.

GV(J,7T8Qiq)6'Q£G&Cil 136* f. GVfl7ll7]QOVV 99? 3. GVfiTtXrjQoot ixd 99 3. avfinoTtjQ 348. GVfAnoxixrj 235. 345 ff. Gv\iytQov 92. GVficpoQov 93, 1. GVficpvdg 58, 2.

394

(TvpcpvTÖv 50. Gv^iqjCüvia 31, 4. avpqHßvoQ 31.

GvvuiG&dvsG&at 37, 3. 49, 2.

Gvvat'G&rjGtg 37, 3.

Gvva'moq 377.

Gvvdiatl&tG&cu 136, 4.

Gvvsi'drjGig ? 37, 3.

Gvvsariaog 376 f.

GW£Qym> 114, 3.

o-vve^yos 377.

GvvTj&tia 371 f.

GvviGiotGÜai 38.

ö-vi'voea' 306, 4.

Gvvtetvfiv 92, 3.

avataaiq 37. 49 (,2). 162, 3.

GvGtfjfÄU 88, 3.

GVGtsTlai 123, 4.

(7ü(Tto^?/ 116, 1. 169. 170, 1.

aqiödga 163. 173, 2.

GcpodQog 92. 173, 2.

GcpodgotTiQ 167, 4. 173, 2.

GCpQayiGtrjQ 263.

(7x*?ff«S 50. 73. 77.

(7d5|i*a 58. 116, 1. 117, 5. 203, 2.

(703(7T*XO^ 154, 3. GOiXpQOVHV 132. GGMfQOVTJfACX, 131, 3.

craxjpoowtfa 64. GwqiQonGfAog 288, 3. ö-cö<j>(jm><»? 83, 4. 186, 2. GodipQOGvvr} 27. 71 ff. 83 f. 106. 114. 131, 3.

GQltyOQOV 64.

tanuvoq 173, 2. tanuvovv 173, 2. ranshcoatg 169. tagut'isG&cu 192, 1. Totoc^ 153, 1. 188, 3. to^os 50. 51, 1.

t«tarp 93.

TÜsioq 51, 2. 59. 62. 95. 143 f.

187, 1. 200, 4. 202, 1. 203, 2. 261, 2. tslsior^g 61. Tshioo&tfg 143. 197. tslemg 95. reAtxdt; 98, 1.

t^os 26 ff. (51, 1). 91. 122 f. 125.

203 ff. O^oe z. 51, 1. 122, 2.

204, 2). rtoxptg 174, 2. rsrayfAhov 91.

*jfyi"7 72, 5. 88. 96. 203, 2. 217.

(353, 1). tsyyiY.ög 31, 1. rexnrijg 39. 352, 2. tsyvo&idfc 49, 2. 50. rr\q\%iy.bg 31, 1. jcficcv ]36 f. 146 f.

Tf^; 106, i.

tiv^g 99, 3. 151, 2. 152, 2. toiög 202.

rowvtog 98, 1 (möt«). 171, 6. tovos 60, 2. 61. 76. 116, 1. torzog 4.

iQi7ieG&cti 58, 1. 157. To//?«**' 207, 5.

58, 1. 165, 7. 7Qonov tivä 121 („gewisser-

massen"). Twrog 263. TvnovGftai 263. tvrrcodoog 1, 2. tvTiwGig 263. tvQavvfg 10t, 2. tvqavvog 114. Tttyog 275. td/co»- 262, 3.

50. 61. 94. 101 (,2). 106. 108. 110. 113 f. 117. 119. 120, 2. 123 f. 170, 1.

395

vyisivixrj ? 235, 4.

vlrj i39; 3.

vnaXXattsa&ai 77.

vn&Q%Mv 170, 1. 263.

vns^aiQSGig 25, 1.

vneQaiQsw 93, 2.

vnigßaatq 162, 3.

vnsgixBiv 127, 3. 173, 2. 191 f.

vnegoQäv 136, 4. 348.

vnoygayri 1, 2. 84, 2.

vnoyv(ovy i% 80, 4.

imoKsipsvoc 156, 2. 205.

v7z6Xrjxpig 156.

vnopitveiv 84, 3.

v7iO(i8v^T^a 71. 76.

vn6{ivri(Aa 150, 4. 361, 2.

vno\iOvr] 27, 2.

vnnvoia 282, 2.

vnontveiv 69, 3. 348.

vnotslig 49 ff. 123.

VTZotetayfihai agmai 75, 3, 82.

viprjlcg 186, 2.

vtyos 139.

yaivopsva 158, 4. 164, 2. 167, 4. cpavhra 76, 3. 84. yaviaaia 48. 131. 263. cpavlog 93, 3. 98. 144. 157. 186,

3. 196. 252, 5. cpavlÖTTjg 86. 167, 4. (pio8(7&ai 128, 1. 153 ff. 165, 7. 167. cpEtyetv 74. 3. (fsvxzct 54. 83. 98. 170, 1. y&oveQi'a 171. qp#on>£ 173, 2. y&ogevg 298, 6. cpäavi9Q0}7it'a 185. qjäciQyvrn'a 164, 1. cpilrjdov/a 164. 1. g»%/i*a 348. tyiXoyvvtrt 164, 1.

cpilodofy'a 164, 1. tydoina 164, 1. ytlöXoyof, 309, 3. yilofj.ä&sia 203, 2. cpiloTrlovria 107. (ptlonoda 26. q)do7Zovfa 49, 2. 50. (jpßog 92. 136 f. qitloyQrjfiaria 164, 1. qjdoiptoc 164, 1. cplsypat'vsiv 169, 2. (pley/wiT] 169, 2. (poßsid^ai 132. <jpo/?oc 167, 4. 169 ff. <po(>« 19, 1. 173, 2.

(pQOVHV 132.

(pQOPijdg 47. 53. 58, 1. 63. 71 ff.

83. 131, 3. q>QOv(usvua 131, 3. yQovtfimq 132. 186, 2. 187, 2. Cjpi7«'s 224.

87, 3. <jpv«f 252, 5.

cpvGixog 173, 2. qpvff/xi} 235. (pvGiq 28 ff. (59, 2). 62 ff. 74. 90, 2.

96. 109. 111 (,2). 139, 3. 157.

1 67, 4. 201. 251, 3. -(J)m«< 96. 113.

139,3. 217, 1. qp. av^q^nivt]

35. _ /d/a qp. ii7j 5. k«t« qp.

28 ff. 33, 1. 36, 4. 39. 109. 112.

117. 121 123 ff. 139, 3. 140, 2.

141. 34 ff. 41, 3.

ofW« qp. 35, 2. 61, 4. fifae« qp.

109. 112. 117. 141. yvToeidoog 39. (pvrov 140, 2.

yaiQSiv 132 f.

yaky.uov 217, 1.

yapiaitvTiia 280.

X«C>« 98. 99. 129. 133. 173, 1. 174.

%aQisiQ 85.

396

^agtBvtÖTrjg 85. jagi^ead-ai 173, 2. lagtv 123, 4. X<*QiQ 145. %ciqz6v 94. X0*>} 173, 2. E<fto« 173, 2. %0Qdi] 72, 5. \l°Qri7'a 256. VI, 1). 3((>*/a 93, 3. 96, 4. X£>«ow 138. 21.

IQfia&ai, 208, 2. 217, 1. IQrjGiuoq 92 f. 116, 4. 147.

%QOVl£6[A8VOV 92.

X(>oi>os 194. XwqI&iv 200, 4.

xpsxtä 94. i^«£doe 127. i/j«i;&5e 87, 2. opoyog 63 f. V^W 203, 2.

WQatoq 348. myÜsia 90. 145, 1. (bcpsleTv 195. ojcpthjfia 132. 231. (by&ipov 92 f.

accommodatus 109.

aegrotatio 163, 4.

appetitio, appetitus 17, 2. 152, 2.

aptus 109.

cetera 100, 1.

collectio 213, 1.

commodus 109.

conciliatio = olxsiov 141, 2.

consitus 37, 2.

constitutio 213, 1.

continentia = owcpQoovv?} 82, 5.

cuppedia 164, 1.

decus 91, 2.

delinquere 126, 2.

digitum porrigere 123, 4.

dilatari 59, 3.

eruditus == izmaidsvfjLsvog 186, 3. fundi 59, 3.

gloriae cupiditas = yilodo&a 164, 1.

habilis 109.

honestas 53. 91, 3.

honestus = onovdaiog 93, 4.

imperia 101, 2.

impetus 17, 2.

incommodus 109.

locus = xonog 227, 1.

media 132. mediocria 248, 1.

morbus 163, 4. natura 109, 1. 141, 2 notiones 79 (communes). numerus agcd-fiog 144. obstinatio animi = a.xaqa'iia 192, 1. occurrentia 120, 1. 137, 1. odium generis humani = fiiaav-

■d'qojTtia 164, 1. odium mulierum = (iiaoywia 164, 1. offensiones 163, 3. officium 133, 3. percurare 175, 1. praeceptivus = naQaivetLy.bg 183. praetermittere officium 133, 3. prave facta 126, 2. prima naturae coramoda 50, 1. prudentia 82, 5. quemadmodum 77, 1. quidam 152, 2. quodammodo 77. recte facta 126, 2. reliqua 100, 1. servare (officium) 133, 3. species = yavxaoia 162, 3. urbis communis = xa&ofoxr TtoXt

xsia 234, 6. vires 101, 2.

Namen.

Abäiard 334, 2. Abaris 232, 5. Achilleus 168, 3. 307. Adriatisch 103.

Ägypter 148. 202, 2. 218, 3. 103, 3. üthiopen 200, 3.

Akademie, 181 f. 198,1. 221,2. 234.

243. Alte 52. Akko 226.

Albertus Magnus 339, 2. Alexandreia 127, 4. Alexandras d. Grosse 209, 4. Alexinos 45. 242, 2. 358, 2. Alphito 226. Ambrosius 330.

Anacharsis 107. 232, 5. 344, 1. Audronikos 80. 361,1. Antigonos Gonatas 273 f. 302. Antipatros v. Tarsos 1. 4. 75, 3.

120, 2. 139, 3. 204. 237. 255, 4.

322, 3.

Antipatros (v. Tyros?) 233, 3. Antisthenes 29, 3. 48. 108, 1. 112.

118. 207, 3. 208(,2). 211. 213.

216. 223. 241. 302, 3. 304 f.

311. 319 3. Apollodoros 1* 4. 12, 3. 108, 1.

117, 6. 170, 1. Apollophanes 75, 3. 359. Archedemos 1. 4. Archestratos 104. Archytas 262, 1. Aristippos 74, 1. 241. Aristokreon 88.

Ariston v. Chios 42 ff. 45 ff. 56, 3; 4. 57. 61. 64. 69, 3. 70, 6; 7. 72, 6. 73. 87. 90, 2. 91,3; 4. 98. 2. 100, 1. 101,1. 102. 112, 1. 113 f. 119, 2. 120, 1. 123, 1. 150. 151, 2. 157. 161, 5. 162, 3. 164, 2. 166, 5. 167, 1. 169, 6.

171. 175, 1; 3. 177, 3. 181 ff. 185, 1. 186, 3. 189, 3. 191 f. 193, 3. 194, 2. 196, 2. 200 f. 204f. 217, 1. 220, 3. 227. 246. 248, 1? 279, 1. 298, 3; 4; 6. 300. 307. 309, 2. 317, 2. 323. 356 ff.

Ariston v. Keos 358 ff. 362.

Ariston v. Kos 204.

Aristoteles 16ff. 28 ff. 37, 1. 38, 2;

4. 45. 51, 1; 2. 54(,1). 55, 3.

64, 1. 66, 4. 72, 1. 74, 3. 89. 105.

112, 2. 117, 5. 118, 2. 150. 197.

198, 1. 201(,2). 202, 3. 204, 2.

205, 1; 5. 206. 211, 2. 215.

221, 2. 232, 6. 244 f. 249 ff.

254 f. 257. 261. 281. 288, 3. 295.

303. 312 f. 319. 322, 2. 330, 4.

347. 353, 1. 373, 4. Aristoxenos 240.

Arkesilaos 65, 5. 71, 3. 140, 2. 141,

4. 189, 3. 192. 298, 6. Athen 103. Athenaios 193, 2. Attisch 103.

Augustinus 53, 1. 101, 3. 330.

Babylonier 202, 2. Bakchos 230. Barlaam 334, 2. Basileios 329, 2. Bernardinus Telesius 334, 2. Boethos 20, 3. 279, 3,

Chalcidius 51, 2. Chariten 270.

Chrysippos passim. Einzelnes: Gegen Alexinos 358, 2. Anek- doten 216, 3. 218. 342 ff. Gegen Ariston 12, 3. 45. 77 f. 117 ff. 356, 3. Gegen Aristo-

- 398

teles 54(,3). 105. Gegen Arke- silaos 114, 3. 189, 3. Über Diogenes 207, 5. 342 f. Gegen Epikuros 38, 3. 54 ff. 104 f. 229, 5. 358, 2. Gegen Herillos 45. 59. 123. Konnivenz 51, 1. 52, 54 f. 122. Kynismus 217 ff. 222. Über die Kunst, Mahn- reden zu verfassen 114, 3. Gegen Menedemos 358, 2. Gegen Piaton 14, 3. 55, 3. 59. 106, 225. Plutarchos u. Chr. 237, 5. 238 ff. 365. Politik 212, 1. 215, 2. 223 ff. Stil 80, 4. 173, 2. 178. 265, 2. 365. Streitmethoden 54 ff. 55,3. 114, 3. Unterricht unter freiem Himmel 356, 3. Verklausu- lierungen 112, 2. 262, 3. Widersprüche 114, 3. 121, 2 ; 3. 194, 4. 373, 2. Zitate 78; vgl. Euripides u. s. w.

Cicero 179. 206. 227 ff. 234 ff.

Comenius 334, 2.

Cudworth 334, 2.

Demetrios Phalereus 359, 1. Demokritos 58,3. 186, 3. 241. 351, 5. Dikaiarchos 226, 3. Diodoros 52.

Diogenes v. Babylon 1. 4. 117, 6.

120, 2. 266, 3. Diogenes Laertios4ff. 6,1. 75,3.193,2. Diogenes v. Sinope 28, 3. 64. 107.

109. 113. 148. 186, 3. 207, 3; 5.

208(,2). 209. 215. 216(,3). 217 f.

222. 256. 263, 1. 266, 2. 307.

342 f. 373, 4. Dion 195.

Dionysios ö Merad-i^vos 45, 5.

57(,1). 64. 90, 1. 193, 3. 301.

317, 2. 373, 4. Dionysios d. Tyrann 198. Ps.-Dionysios 329, 2.

Epicharmos 251, 3. Epiktetos 198, 1. 251. 273, 3. Epikureer 53 ff. 112,2. 229,5. 243. Epikuros 14. 38,3. 52 ff. 56. 104 f.

170, 1. 198, 1. 243. 273, 3. 282.

358, 2.

Eratosthenes 359. Eretria 45. Eriphyle 166, 2. Eros 211.

Eudemos 17, 3. 55, 3. 64, 1. Eukleides der Mathematiker 82, 3. 351.

Euripides 107. 119. 159, 2. 160. 166, 1; 3. 169, 1. 220. 225, 2. 281.

Eurydike 283 f. Eurynome 270.

Favorinus 271, 2. 326, 8.

Galenos 74, 3. 151, 1. 178 ff.

292, 3. 326, 7. 380. Gamelios 236. Gataker 334, 2. Genethlios 236. Gnostiker 329, 2. Goethe 299. 300. 376, 1. Gregorius v. Nazianz 329, 2.

Hedoniker 54. 99,3. Heinsius 334, 2.

Hekaton 70, 5. 95. 2. 99(,3). 108, 1.

117, 6. 171, 1. 236. 269, 1.

352 353 2 Herakleitos' 33. 1. 36, 2. 60, 2.

69, 2. 108, 1. 186, 3. 223, 1.

346. 2. Herakles 230. 274, 3. Herbart 334, 2. Herder 334, 2.

Heiillos 42. 45 ff. 57. 59. 64. 91, 3.

97. 98, 2. 115. 123. 150(.2). 204.

317, 2. 323. 357. Hesiodos 119, 1. 225, 2. 306 f. Hieronymos v. Rhodos 52. 242.

266, 5. 326, 6. 376. Hipparchia 207, 4 ; 5. 208, 2. Hippolytos 164, 1. Homeros 105, 2. 159, 2. 168, 3.

169, 1. 218, 3. 221, 1. Homerscholien 326, 5. 376. Horatius 292, 5. Hyrkanien 148.

Idanthyrsos 199. 232, 4. Indier 102. 343, 2. Instin us Martyr 328

399

Kanobos 127, 4.

Kant 331, 4. 336.

Kapaneus 119. 220.

Karneades 321.

Kassius d. Skeptiker 210, 1.

Kebes 349. 1.

Ketion 317, 1.

Eleanthes 12 f. 18, 2. 27, 3. 34 ff. 47. 48, 3. 53 (,1). 56. 57. 60 f. 64, 3. 65. 66, 1. 69. 72, 6. 751 79. 87. 90, 1, 2. 911 101, 2. 102.2. 106. 1. 111. 1151 126,1. 127, 5. 137 ff. 169, 6. 170, 1. 171. 178. 184. 186, 3. 188, 3. 193, 3. 1941 197. 2001 205. 215. 216, 3. 217. 222 (,1). 223. 226, 2; 7. 227, 4. 230, 5. 236,

1. 242. 251, 4. 253. 258. 260,

2. 269. 1. 273, 3. 2741 280. 298, 3; 5. 299, 1. 301, 4. 302 ff. 306 ff. 310 ff. 3221 3401 349,2. 352. 356 f. 359. 3631 379.

Klearchos 241. Kleisthenes 226.

Klemens v. Alexandreia 81 1.

3281 331, 3. 363, 1. Knidisch 103, 3.

Krates 181. 207, 4. 208, 2. 246, 1.

266. 3061 310, 2. Zyniker 28.3. 64. 177. 203. 207 ff.

212. 317,' 3. Kypros 317, 1. Kvrenaiker 13, 2. Kyros 274, 2.

L,aios 147, 1. Laodamas 88.

Leonardus Aretinus 334, 2. Leukon d. Pontiker 199. 232, 4. Lipsius 35, 4. 334, 2. Livius 326, 3. Locke 270. 334, 2. Lubbock 334, 2. Luther 145, 2. Lykurgos 226.

Magier 148. 218, 3.

Manüius 326, 2.

Marcus Aurelius 366, 2. 376.

Medea 166, 3.

Megariker 45. 3491

Melanchthon 145, 2. Melissa 262, 1. Menandros 164, 1. 236, 2. Menedemos 45. 72, 7. 73. 151, 2.

157. 350. 358, 2. Menelaos 165.

Methodios v. Olympos 329, 2. Metrokies 307. Mnesistratos 193. 1. Monimos 17(,1). 186, 3. Musonios 81, 1. 237. 251. 255, 4.

271. 311 ff. 325. 342. 349, 1. Myia 262, 1.

Nikias von Nikaia 57, 1. 193, 2. Nikokles 347. Nilus 329, 2.

Odysseus 307.

Oidipus 147, 1.

Oinomaos von Gadara 326, 1.

Onesikritos 209, 4. 241, 1.

Origenes 221, 1. 328.

Panaitios 74. 75, 3. 81, 3. 82.

122, 2. 190, 1. 2041 226, 7.

326, 6. 3591 Pantainos 328. Pantaleon 103. Parmenides 108, 1. Pasiphon 350. 359. Peripatetiker 51, 1. 52. 65, 5. 71.

99, 3. 176. 181. 199. 2041

221, 2. 241. 243. 262. 350. Persaios 2. 56, 3. 69, 3. 127, 5. 184.

189, 1. 191. 217, 1. 256. 345 ff.

357. 358, 2. Perser 148. 218. 3. 343, 2. Petrarca 334. 2,' 336, 1. Philainis 104. Phihppos v. Opus 320. Philodemos 208. Philon lud. 251. 317. 3281 Philoxenos aus Leukadia 106. Phoinix (Vogel) 200, 3. Phoinix (Homeros) 291. Platou 34. 45. 50, 2. 59. 71 (,1).

99, 3. 150. 167, 1. 169. 178.

182, 1. 188, 2; 4. 191, 2. 204,

3. ('205, 1). 210ff. 2251 2441

(246. 1). 248, 1. 2491 251, 1.

400 -

254. 261. 266, 1. 272. 288, 3. 291. 295f. 303. 311 ff. 348.353, 1. 373, 4. (Als Beispiel 198. 200. 274, 3. 308). Platoniker 255.

Plutarchos 179. 206. 326, 6. coniug. praec. 237, 5. 262, 1. de fort. 72, 5. 326, 6. (üb. educ. 238 ff.)

virtutem doeeri posse 64, 3. 266, 2. rät. mor. 80, 1. 151, 1.

virt. et vit. 188, 3. mul. virt. 313 f. de aud. poetis 246 f. 250. 2.

Polemon 52. 109, 2. Polybios 326, 3. Polykleitos 95, 1. 353 f. Polyphemos 192.

Poseidonios 1. 4. 14, 4. 15. 34.

57, 3. 65(,1). 75, 3. 77, 1.

78, 2. 82. 122, 2. 136. 150, 3.

151, 1. 170. 2. 178ff. 185, 1.

198. 2. 202,' 2. 220, 1. 228, 1.

235: 3. 245. 289, 4. 326, 6.

328, 4. 344, 1. 359, 1. 373, 4. Priamos 168, 3. Pyrrhon 115. 357. Pvthagoreer 255. (Neu-P.) 240 f.

243. 262. 282. 350 ff.

Quintiiianus 240 ff.

Rousseau 334, 2. Rückert 298. 337.

Sardan apal 105, 1.

Schopenhauer 55, 3. 102, 3. 331,

5. 335, 1. Scioppius 334, 2.

Seneca 77, 1. 185, 1. 197, 4. 201, 3.

236 f. 268, 1. Scxtus Ernpiricus 208, 2. 221, 1.

242, 1. 343f. Simplicius 59, 2. Skeptiker 243.

Sokrates 50, 2. 64. 70. 81. 89. 203. 216, 3. 226, 7. 251. 266, 1. 308. 319 f. 329, 1. 349. (Als Beispiel 274, 3).

Solon 226.

Sotades 282.

Sphairos 3. 18, 2. 79 f. 126, 1.

150, 2. 192 f. 223, 2. 256. 280,

1. 346 ff. 350 ff. 354. Sphodrias, Kvniker 358, 2. Stilpon 349 f.1 Stoa 309.

Stoa, mittlere: 149 f. 208. 325. Stobaios 1, 2.

Stoiker, Dichterbund 309, 4, Strabon 326, 4.

Tacitus 248. 266, 5. 267. 270, 1.

373, 4. 380. Teles 255, 4. 342, 3. Tertullianus 329, 2. Theano 262, 1. Theodoros 207, 5. Theognetos 66, 1. 114. Theognis 104. 118, 2. 168, 2. Theokritos (Sophist) 283. Theon v. Smyrna 233. 237. 368 ff. Theophilos v. Antiocheia 242, 1. Theophrastos 65, 3. 206. 241 f. 255.

261 f. 281. 309. 312, 1. Thomas v. Aquino 330, 4. 379 f. Timon d. Menschenfeind 164, 1. Timon d. Sillendichter 187, 2. 301f.

310, 3. Tyrtaios 118.

Varro v. Reate 248. 268 f. Vergilius 326, 2. Vives 334, 2.

Xenokrates 320. Xenophon 76. 251. 345 ff.

Zenon v. Elea 108, 1.

Zenon v. Ketion 2. 3. 12 f. 17 ff.

27, 3. 28 ff. 56 f. 69. 70, 1; 2;

3; 4; 6. 71. 72, 7. 87. 90, 2. 91,

3; 4. 100, 1. 101. 1. 102. 108 f.

109, 3. Ulf. 119. 125. 126, 1.

127, 3; 5. 132 ff. 141, 4. 143 f.

148. 150(,2). 151, 2. 152. 157.

1691 177. 180. 184. 186, 1.

187, 2. 188, 3. 189, 1; 2. 191.

193, 3. 194. 195, 2. 197 ff. 200.

202, 1. 203. 206-222. 222 f.

401

232. 241. 242. 246. 253. 254,4. 255(,2). 256. 257, 1. 258. 260, 2. 262, 3. 266, 4. 267, 1. 273 ff. 277, 2. 278 f. 280. 288, 3. 290. 291, 2. 297-311. 317, 2. 321. 338 ff. 345. 352f.355.356ff.378.

Zenon v. Tarsos 1. 4.

Zeus 36. 40. 42. 128. 135. 194 f.

197. 218, 3. 223, 1. 230. 236.

287. Zwingli 334, 2.

Dyroff, Ethik d. alt. Stoa.

26

Sachen.

(Hier wird meist auf das griechische Wortregister verwiesen. Ferner ist die Inhaltsübersicht zu vergleichen).

Aberglauben 222. Absicht 128.

Adiaphorie; s. dSiacpoQla u. ä. Ästhetische Vorstellungen 58. 88

(,3). 95 f. 143. 200, 4 (Kunst).

223. 227. 352 f. Allegorese 329.

Allegorie 53. 60, 2. 97 (,1). 236,

4. 237, 5. 270. 308, 6. Altäre 222. Altruismus 214.

Amme 246 ff. 271 f. 287 f. 295 f. Anekdoten 103 f. 106 f. 338 ff. Angeborenes 50. 62. Anlage 59. 2. 232; s. evcpvta. Anstand 184, 1 ; s. aoofiiot^g u. ä.

253. 277. 299. Anthropozentrische Auffassung 227 f. Apophthegmen 338 ff. Arbeit s. tcövos. 299. Arbeitsfreude s. cpdoTtovla. Ärgernis 208, 2. Arme Schüler 310. Armut s. icevia. Askese 25. 64. Vorrede X. Athleten 279, 1. Athletenideal 187, 4. Ausdrucksbewegungen 168. Äussere, das : 277. 299 (s. Anstand). Autoritätsglauben 101, 1, 371 f.

Barbaren 232. 267, 1. 374.

Barbarismus 266, 4.

Bart 125, 1. 378.

Bedeutung: Doppelbedeutungen 22,

1. 189 f. Begehren s. ogsgig. Begierde 160. 165 f. 169 ff.; s.

Imd'vfiia. Beharrlichkeit s. imfj-ovy.

Beheiztheit s. evyv%la.

Beispiele 46. 61 ff. 64. 66. 73 f. 77. 158, 2. 159. 123 4. 129. 132 f. 143. (Handlungen).' 136 f. 227 ff. (Tiere). 110. 113 f. 117. 121. 123 (Vor- gezogene Dinge). 123.

Beispiel, Macht desselben273ff. 289.

Beobachtung 158.

Besserung 225.

Betrug 188.

Bewegung s. yüvrjois.

Beweise 102. 108.

Bilder 43. 49. 66. 74. 108. 109 f. 114 f. 154. 162, 3. 166, 5. 169, 6. 177. 182. 192, 1. 201, 1. 209. 223 f. 227. 229. 230. 231 (,2). 263 f. 279, 1. 281. 298, 3; 4. 299 ff. 302 f. 307. 308.

Bildung 207, 4. 212. 222; s. naiBeia.

Blutschande 146. 218.

Böse, das : sein Ursprung 40 f. 155. 289 f. 380.

Buchtitel 221, 2.

Charakter 299. Cheironomia 277. Chemie 58. Chrien 338 ff. Christentum 327 ff.

Dank 145. 236. Definitionssucht 82, 4. Determinismus 33. 42. 220 f. 222. Dialektik 234 f. 302 f. Dichtkunst 303 ff. 307. Didaktische Rücksichten 44. 71. 88. 372.

Diebstahl 130, 2. 132. Dike 223, 1. Drama 304.

403

Ehe 183. 236 f.

Ehebruch 221. 280.

Ehre 101, 2. 225.

Ehrenstellen 101, 2.

Eigenschaft s. dw&eoig, b&q, oyeoig.

Eigentum 221. 275.

Einbildung 298.

Einfachheit 105, 2. 218 f. 297 f. Einsicht 50.

Einteilungen 88; s. Inhaltsüber- sicht.

Einwände 308; vgl. 372.

Eltern 146. 228. 246 ff. 280.

Ellipsen 277.

Energie s. IveQyna.

Enkyklische Fächer 212. 257. 302.

Enthaltsamkeit 298; s. iy^qätbia.

Epigramm 105.

Erfahrung 39; s. iurcstgi'a.

Ermahnung 12. 64.

Ernährung 49.

Ernst 300.

Erziehung 64. 185. 225. 228. 262, 2.

289 f. 354. Essig 103, 3. Ethik 325.

Ethnographisches 148. 373, 4. Etymologie 374.

Etymologisieren 23 ($yxtt(W<ns). 78. 85. 92, 3. 93. 103, 2. 106, 2. 160, 4. 170, 1. 173, 2. 178, 1. 223, 1. 229, 3. 270.

Fatalismus 125. 331, 2. Feigheit 98; s. 9ed£a. Flötenspielerin 348. Fortpflanzung 228. Fortschreitende 138, 2. 144. 146. Freie 212, 1. Freiheit 232. 378. Freimut 298, 3. Freude s. xaQ<*>-

Freundschaft 99, 3. 212. 231, 2.

232, 6. 235 f. 254. 276, 1. Frömmigkeit 188. 212, 5. 222 ;

s. Götter. Furcht 169 ff. 219f. 225 f. ; s. yößog. Furchtlosigkeit 119.

Gartenbaukunst 219. Gaue 209. Geckentum 300.

Gedächtnis s. fitnj/ir} 270. 303. Gefälligkeit 145. Gegensätze 26. 86, 5. Geistesgegenwart s. ctyyjvoia. Geld 209. 219 f. Geldgier 107. 156. 166. Gerechtigkeit 55f. 73. 96. 226f. 230;

S. §MCUOOVV7].

Gerichtsgebäudo 210. Geschäfte 136, 4.

Gesellschaftliches 59, 4. 93. 226 ff. Gesetze 222 ff.

Gesundheit 121. 124} s. Jyt'aa, eve^ia, tvaiod'yola, a^r/ör^s, bXo-

Gewinnsucht 219, 3. 307. Gewöhnung 59, 2. 371 f. Gleichgiltige Dinge 109. 123. 125. Glück 27 ff. 194 f.; 226 f.; s. evSai-

fiovia U. ä., tvrvyrj?. Glücklich 112; s. onovSaiog, aya&öe,

oocpog. Gott 130. 194 f.

Götter 63. 86, 5. 128 f. 139, 3.

188. 212, 5. 225 f. 229 f. Grammatik 303. Gut 54 f. 65; s. aya&6v. Gute Handlungen s. aaxoQ&Mfiara. Gütergemeinschaft 213 f. 221. Gymnasien 209 f. Gymnastik 209, 2. 212, 4. 278 f.

Hadesvorstellungen 225 f. Hahn 228.

Handlungen 126 ff. ; s. n^al-is U. ä., xaxoQ&aü/xaxa, afiaQXTj/uarct, xa&rjxov.

Handwerker 210, 3.

Harmonie 31. 50.

Hass gegen Schlechte 219, 3.

Hässlich 109, 1 ; s. aioxQÖv.

Hauswesen 136, 4; s. olxovo(xmrj.

Hebdomaden 51, 2.

Heiteres Wesen 98.

Hellenismus 215 f. 267, 1.

Hemiambeia 197.

Herrschaft 101, 2.

Hetären 280. 300. 379.

Hiatus 277.

Hochherzigkeit s. tisyaloyvxia. Hochmut 275, 298.

26*

404

Homererklärung 303 f. Honorar 232. 310. Hühner 103. 379. Hund 227.

Hyperkynismus 208 ff.

Idealbild eines Jünglings 299 f. Idealethik 221. Improvisation 306 f. Individualisieren 3081 Individualismus 214. 296. Innerlichkeit 316.

Jagd 279. Jammern 168.

Jenseits 69. 125. 225 f. Vorr. XII. Jugend 104. 265, 3. Jüngling 299 f.

Kampf 228. Kannibalismus 148. Kapitelzitat 242, 1. Kardinaltugenden 71 ff. K.-Laster 87. Kasuistik 183. 222, 1 (vgl. dagegen 123 ff.).

Kataleptische Vorstellungen 192 f. Katechese 310.

Kinder 37, 3. 51, 2. 56. 62. 226.

228. 236 ff. 253, 2. 262, 2. Kindererzeugung 236 f. Kinderlieder 295. Klassifikation 88. Kleidung 207 f. 212. 299. Knabenliebe 149. 183. 211, 2. 299. Köche 103, 2. Königtum 189. 203, 2. 232. Konstitution s. ovaraaig. Körper 58. 50. 228 f. 230. Kosmopolitismus 209. 216. 316 f. Kraft 101, 2. 117; s. la%\% qöj^it],

dvvapig,

Kräfte, physische, spermatische 49. Krankheit 66. 68. 124; s. vooog,

TirjQojaig. Krieg 278 f. Küchen 112. Kürze 301. 308.

Kunst 67. 88. 219; s. Ästhetisch. Kynismus 45. 207. 217 ff. 256. 300f.

dachen 167, 4.

Laster 67. 86 ff. 98; s. xaxta.

Lasterhafte Handlungen 198; s.

Leben 101. 121. 200, 4; s. ßiogt Zerf.

Lebensgüter 100 ff.

Lebewesen 37 f. 49 f. 62. 77; s.

Lehrbarkeit d. Tugend 64. 88.

Lehrer 246 ff.

Leichen 147 f.

Leichtfertigkeit 307.

Leidenschaft 49. 67. 289 ; s. nä&og.

Einzelne 169 ff. 173, 2. Lektüre 278. 304 ff. Lernbegierde 232. 302. Liebe 25 f. 159 f. 166. 211. 183. Lob 62 f. 130. 225. Lüge 190 f.

Lust 541 56. 101. 103 ff. 166.

169 ff.; s. TjSovrj.

Mahnreden 114, 3. 12. Massigkeit 297 f. 348; s. iyx^arsia. MässigiiDg 54. 73. 350, im Reden

275 ; s. ooj(pQoovvr]. Masslosigkeit 156; s. axolaaia,

axölaorog u. ä. Mathemathik 303. 351. Meineid 160. Melancholie 66. 68. Menschen: Natur 29 ff. 391 260,

3. Einteilung 186. 204. 229. Menschenhass 164, 1. Misogynie 164, 1. Missmut 98. Miss wert 109.

Mitleid 1701 193 f; s. elsos. Mittlere Dinge 100 ff. 111. 277; s. fieoov.

Mühe 56. 101 f. 106; s. novog,

anovla, cpiXoTtovia. Münzen 107. 2091 Musik 187, 2. 298. 308, 3. Mut 174. Mutter 271 f.

Natur 28 ff. 37 ff. 42 ff. 228. 373

(Stimme); s. yvoig. Naturgemäss s. (pvoig, xaza yvvtv. Naturwidrig s. naga yvoiv. Nebenmensch 104. 227, 2. Neid 171 ; s. y&cvog

405 -

Nominalismus 73. 87. 217, 1. Nutzen 90 ff. 119. 120, 2. 227. 228 (ökonomisch).

Ochse 227.

Ordnungssinn s. tvxa^la.

Pädagog 246 ff. Pädagogik 238 ff. Pantheismus 217, 2. Paradoxon 125.

Parainetische Philosophie 181 ff. 264 f.

Patriotismus 216. 224. 255. Pferd 227.

Pflanzen 31, 1. 381 49. 140, 2. 227. Pflichtbegriff 118. 146. 149. 379. Philosoph 246. 289. Philosophie 44. Physik 235. Piatonismen 212, 7. Politik 231 ff. 255. 277. Praxis 303.

Privateigentum 221. 231. Protreptische Schriften 185. Prügelstrafe 288, 3. Putzsucht 298.

Bachsucht 158.

Raserei 158.

Rausch 65 ff. 156.

Recht 209. 215. 231. 2.

Rede, die: Ihre Tugenden 266, 3.

Reden,das : 275.298. 299f. 301. 309,3.

Reich 189.

Reichtum 121 ; s. rrlovzog. Rhetorik 188, 3. (204). 276 ff. Rücksichtslosigkeit 106 f. 298. Ruf (guter) 106. 119. Ruhm 129; s. <)ö£a.

Salben 106. 254, 3. 298. 300. Sanftmut s. TQaörqg. Sardellen 103.

Schadenfreude 219, 3; s. hii%ai<)e-

Schamhaftigkcit 300.

Schande 101. 110.

Schicksal 42. 111. 223, 1. 375 ff.

Schlecht 224; s. xctxos, (pavlog.

Schlechtigkeit 152; s. xam'a 225. 289f.

Schlemmerei 298. 307. Schmähung 166, 5. 298 f. Schmeichelei 276. Schmerz 101, 2. 102. 169 ff. 194. 228;

S. alyrjdajv u. Xxtit). Schmerzlosigkeit s. doxXrjoi'a. Schnelligkeit s. rdxog, itoövmeia. Schön 55. 92 f. 109, 1; s, xaXös.

262, 2. 265, 3. Schönheit s. ttäXXog. Schrecken 165. 289. Schriftstellerei 230. Schulgeld 310. Schwäche s. doftevsta. Schweigsamkeit 275. Schwerfälligkeit s. ßqadivoia. Seele 50. 71 f. 74. 152, 3. Selbstbeherrschung 54; s. oojcpQoovvr). Selbstmord 111 f. 118/ 195. 199. Semitentum 316 f. Sittengeschichtliches 59, 4. 148. Skorpion 228. Solözismus 266, 4. 277. Sozialismus 226 ff. Spott 300, 4.

Sprachgebrauch 121 f. 160. 189 f. 371.

Sprichwörter 281. 374.

Staat 136, 4. 215. 222. 224. 229;

S. noXig. Staatsform 226. Stadt 209. 212, 5. 214 f. Standespflichten 183. Standestugenden 85. 185. Standhaftigkeit 54; s. xaqitQia. Stärke s. lo%vg, Qo\u?j. Stillen 271 f. Strafe 130. 225. 289. Studium 105. 301 f. Stufenordnung d. Geschöpfe 227. Sünde 127 ff. ; s. afiaQT7]fj.a u. ä. Syllogismen 93 f. 102 f. 108. 207, 5. Symmetrie 352 f. Symposien 345 ff. Synteresis 334, 2.

Tadel 62 f. 130. 298. 300 f. Tapferkeit 54. 73; s. avdqeia. Täuschung 188. 191. Teleologie 227 f. 258. Tempel 209 f. 212, 5. 222. Testament 230.

406

Tiere 20 f. 31, 1. 37, 3. 38. 63 f.

104,4. 119, 4. 156. 196. 218, 3.

219. 227 ff. 253,2. 260, 3. 373;

S. Cojov. Tod 101 ff; S. &dvatog. Traduzianismus 280, 1. Trieb 16 ff. 152 ff. Namen d. Triebe

20 ff. Selbsterhaltungstrieb 30 f.

37 f ; s. oQfiij. Trinken 307.

Trinkvorsehriften 69. 184. 347 f. Tugend 28 ff. 31. 40. 53 ff. 70.

97 f. 129. Namen d. Tugenden

84 f.; s. aQstyj. Tyrannis 101, 2. 114. 188.

Übel 65. 225; s. xaxvv u. ä. Unabhängigkeit 119. Ungebildet 307 ; s. analdevrog. Ungerechtigkeit 98. 225; s. dSima u. ä.

Unglück 41; s. xaxodaipovi'a u. ä. Unglücklich 112. Unmässigkeit s. dxQaaia. 298. Unsittlichkeit 280. 300. Unterricht 230. 232. 301 ff. 356, 2

(im Freien). Ethischer 275.

297.

Unterrichtsweise 308. Unterziel 49 ff. Unverschämtheit 298. Unverstand 98. 111; s. ayQoovvrj. Unwissenheit 46 ff. Üppigkeit 105, 2. Urteil 156.

Vaterland 99, 3. 139, 3. 229 f.; s.

ciaryig. Patriotismus. Verbannung 224. Verbesserung von Versen 305 f. Verdriesslichkeit 98. Vergesslichkeit 270 f. Vernunft 31 f. 49; s. löyog. Verse 35. 9lf.95,4. 160. 201. 230. u. s.

Verstand 118.

Verständigkeit 54. 111. 198. 201;

S. (fqövi]oig u. ä. Verträglichkeit s. bvowo.lla&a. Vorbilder 274. Vorgezogene Dinge 108 ff. Vorlautes Wesen 298. Vorsehung 42; s. nqivoia. Vgl.

368 ff. Vorsicht 24.

Vorstellung 155 f. ; S. (pavraoia.

Wahnsinn 119; s. pavia u. ä. Wahrheit 188. 190; s. afoj&eia. Wahrnehmung 49. 111 ; s. oXqüt}- oig u. ä.

Weib 262, 1. 298. Bildungsgleich- heit mit d. Manne 207, 4. 212. 311 ff.

Weibergemeinschaft 208. 210 f

221. 236 f. Weinen 168.

Weise, Der 85. 147, 2. 224. 231, 2. 262, 2 ; s. oocpög, onovSaiog.

Weisen, Die sieben 235.

Weisheit 47 ; s. ooyla. oo(pög. 265. 3.

Weltall 34. 39 f. 42. 227. 229.

Weltflucht 230, 3.

Weltstaat 209. 229. (234 1)

Wert 109. 120 f.

Widersprüche s. Chrvsippos.

Wille 150. 194. 202, 1,

Willensfreiheit 42.

Wirklichkeitsethik 220 f.

Wissenschaft 67. 91, 3 ; s. «Vu- orjiir}. 298. 301. 303.

Wohlberatenheit s. evßovlia.

Wohlthätigkeit 236.

Wut 166. 171; s. fopos.

Zahlenmässiges 71. 308. 321. Ziel 91; s. tüos. Zorn 159 t. 171; s. oQyrj. Zurückgesetzte Dinge 108 ff.

Stellen.

Athen. I 5e S. 107, 1 und 378.

VIII 354 e S. 193, 2.

XIV 616 b S. 104, 1. Diog. Laert. VII 32 S. 355.

85 S. 37, 3.

86 S. 38, 4. 94 S. 98, 1.

Euseb. praep. ev. XV 15, 4 (Diels Doxogr. 464, 22) S. 215, 2.

Gal. Quod an. mor. IV 820 K. S. 152, 5 (nicht Xqvgluiiov statt -X^'ff/TrcTo^sondern stattXpr- oiTtTtog ist Xqvoitihov zu lesen).

Hipp, et Plat. plae. 405 K. S. 165, 7.

437 K. S. 162, 6.

Philos. hist. 26 (Diels Doxogr. 615, 18) S. 346, 2.

Philod. de philos. S. 217, 4.

Plut. über. educ. 3e S. 267, 1. parallel. Graec. et Rom. 312 e S. 218, 3.

virtut. mor. 441 d S. 166, 8.

exil. 600 f. S. 216, 3.

Stoic. rep. 1040 c S. 55, 2.

1051 b S. 225. 1. Quintil. inst. or. I 10, 32 S. 271 f. Senec. ep. 94, 7. S. 101, 3. 102, 1. Sext. E. math. XI 194 = Pyrrh. III

248 S. 147. 5.

math. XI 191 = Pyrrh. III 246

S. 147. 5. Stob. ecl. II 86, 20 W. S. 20. 4

(19, 2. 22, 3).

II 97, 12 W. S. 131, 1.

U 215, 13 W. S. 273, 3.

flor. 7, 21 S. 196, 1. (S. auch S. 62, 1. 80, 4. 92, 1. 278, 3. 60, 2. ist ififv%la bei S t e i n Druck- fehler statt tvipvxia Epictet. fr. 57 Schweigh.— Die textkritische Bemer- kung S. 210, 3 ist zu streichen; s. Zen. fr. 164 Pears. Ebenso 170, 1).

Inhaltsübersicht.

Seite

Vorrede . . . III-XVI

Cap. I: Umfang und Einteilung- der altstoischen

Ethik 1-15

Gap. II: Die allgemeine Ethik der alten Stoa . 16—180

§ 1 Der Trieb S. 16—27 : Vorbemerkung 16. Wesen

d. Tr. 18. Arten 20. Schlussbemerkung 24. § 2 Das Ziel S. 27—56: Vorbemerkung 27. Zenon 28.

Kleanthes 34. Chrysippos 36. Ariston 43. Herillos

45. Polemik des Chrysippos und Kleanthes in der

Ziellehre 52.

§ 3 Die Tugend S. 56—89: Vorbemerkung 56. De- finition 57. Eigenschaften 58. Wesensbeständig- keit 58; Erreichbarkeit 61; Unverlierbarkeit 65; Einheit und Unteilbarkeit 70 (Zenon 70. Ariston 73. Kleanthes 75. Chrysippos 77). Die einzelnen Tugenden 79. Laster 86. Schlussbemerkung 88.

§ 4 Güter, Übel und mittlere Dinge S. 90-126: Wesen 90. Eigenschaften 91. (Schönheit 93; Ge- rechtigkeit 96). Arten d. Gutes u. d. Übels 97. Die mittleren Dinge 100(Beweise ihres Unterschiedes vom Gut und Übel 101; gegen die Lust 103—108; nQOTjyfjLtva u. anoTCQorjy^sva 108: Zenon 108. Ariston 113. Herillos u. Kleanthes 115. Chrysippos 117. Wert 120. Gleichgiltige Dinge 123). Schluss- bemerkung 125.

§ 5 Die Handlungen S. 126—150: Wesen u. Eigen- schaften d. guten u. schlimmen Handlungen 126. Mittlere Handlungen 132 (Allgemeines 132; xa^itona 133; ihre Herkunft 135, imßaXlovta 137). Schlussbemerkung 145 (Gleichheit d. Fehl-

409

handlungen 145. Blutschande 146. Totenehrung 147. Kannibalismus 148). § 6 Die Leidenschaft S. 150—180: Vorbemerkung 150. Wesen 152. Verhältnis zur xaxta 161. Eigen- schaften 166. Arten 169. Heilung 174. Die antike Kritik 178.

Oap. III: Untersuchungen zur parainetischen

Ethik der alten Stoa 181—314

§ 1. Allgemeines zur parainetischen Ethik S. 181—206: Die Stellung Zenons 181, Aristons 181, des Persaios, Kleanthes u. Chrysippos 184. Einteilung der Menschen 186. Die Guten 187. Die Schlechten 196. Die Fortschreitenden 196. Gute Anlage 201. Unterschied zwischen xilog und ononö? 203.

§ 2 Zur altstoischen Politik S. 206—237: Der Staat Zenons 206. Über einige Änderungen in Zenons Ansichten 219. Die Stellung der Stoiker zu den Gesetzen 222. Sozialismus 226. Die Anteilnahme des Weisen an der Politik 231. Politische Tugenden 234. Ehe 236.

§ 3 Zur altstoischen Pädagogik S. 238—314: A. Eine Schrift des Chrysippos als Vorlage der pseudo- plutarchischen Schrift über die Kindererziehung 239 (1. Das Thema 239. 2. Die Disposition 244.

3. Das philosophisch-pädagogische Gedankenmate- rial 249: Platonisches und Aristotelisches 249. Kynisches 256. Stoisches 257; das rhetorische 280.

4. Die sprachliche Form 285). B. Abweichungen des Ps.-Plutarchos von Chrysippos 287. C. Schluss- folgerungen aus dem Vorhergehenden und weitere Beiträge zur Kenntnis der stoischen Pädagogik 295 (Verhältnis des Chrysippos zu Piaton und Ari- stoteles 295. Pädagogische Wirksamkeit Zenons 297. Unterrichtsgegenstände 301. Unterrichtsme- thoden 308. Schulgeld 310. Die Tugend der Frau 311).

Oap, IV: Die geschichtliehe Stellung der alten

Stoa 315-337

(Zeitverhältnisse 315. Beziehung zum Orient? 316. Beziehungen zu den Vorgängern in Griechenland 319. Entwicklung innerhalb der alten Stoa 321.

410

Geschichtliche Fortwirkung im Altertum 325. Verhältnis zum Christentum 327. Schluss- würdigung 334).

Exkurs I: Über die Verwertung der stoischen Anekdoten-

litteratur 338—344

Exkurs II : Über einige Beziehungen der alten Stoiker zu

anderen Schulen 345—355

1. Xenophon in der Stoa 345 349

2. Die Megariker und Persaios 349—350

3. Einige anderweitige Beziehungen 350 355

(Peripatetiker 350. Pythagoreer 350. Poly-

kleitos 352).

Exkurs III: Über Ariston von Chios 356—362

Exkurs IV: Über das Ansehen des Kleanthes und Chrysippos 363 -367

Exkurs V: Zur stoischen Vorsehungslehre ' . 368 370

Exkurs VI: Einige Kleinigkeiten 371—377

(Begriff ovvq&eia 371. Über einige Quellen der ethischen Erkenntnis 373. Zur Chrysippeischen Schicksalslehre 375).

Berichtigungen und Nachträge 378 380

Verzeichnis benutzer Schriften 381 382

Register:

Griechische und lateinische Wörter 383—396

Namen 397-401

Sachen 402-406

Stellen 407

Druck von Max Schmersow vorm. Zahn & Baendel, Kirchhain N.-L.